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German Pages 200 [278] Year 2015
Hohenstatt/Seibt Geschlechter- und Frauenquoten in der Privatwirtschaft
ZIP Praxisbuch 12
Geschlechter- und Frauenquoten in der Privatwirtschaft Regelung, Gestaltung, Umsetzung
2015
herausgegeben von Rechtsanwalt Prof. Dr. Klaus-Stefan Hohenstatt, Hamburg Rechtsanwalt Prof. Dr. Christoph H. Seibt, Hamburg
bearbeitet von Rechtsanwalt Dr. Johannes Cziupka, Hamburg Rechtsanwalt Prof. Dr. Klaus-Stefan Hohenstatt, Hamburg Rechtsanwalt Jörg-Peter Kraack, Hamburg Rechtsanwalt Dr. Arne C. Krawinkel, Hamburg Rechtsanwalt Prof. Dr. Christoph H. Seibt, Hamburg Rechtsanwalt Patrick Wendler, Hamburg
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Vorwort Seit dem 1. Mai 2015 gelten in Deutschland verbindliche Regeln über eine feste Geschlechterquote von 30 % in den Aufsichtsräten börsennotierter Gesellschaften, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen. Darüber hinaus muss sich ein sehr viel größerer Kreis von Unternehmen Zielgrößen für den Frauenanteil in den Führungsgremien und auf den beiden obersten Führungsebenen darunter verordnen. Dies mag als ein eher geringfügiger Eingriff in das ohnehin komplexe Regelwerk erscheinen, das bedeutsame Unternehmen hierzulande zu beachten haben. Bei näherer Betrachtung wird aber rasch deutlich, dass das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ (GgTFMF) eine Vielzahl rechtlicher Novitäten, Schwierigkeiten und Zweifelsfragen aufwirft, die angesichts der Ausführungsfrist zum 30.9.2015 einer raschen Klärung bedürfen. Die Einhaltung dieses Regulariums ist nicht nur ein wichtiger und neuer Bestandteil der Unternehmens-Compliance, sondern berührt – weil ein ausgesprochen zentrales gesellschaftspolitisches Anliegen im Fokus steht – auch die Unternehmens-Reputation. Das vorliegende ZIP Praxisbuch zum GgTFMF will in erster Linie den Aufsichtsräten, Vorständen und Rechts- und Personalabteilungen der insgesamt ca. 3.500 betroffenen Unternehmen in Deutschland eine umfassende Hilfestellung bieten, alle sich bei der Umsetzung stellenden Probleme zu lösen und die entsprechenden Verfahren einwandfrei zu durchlaufen. Auf der Grundlage einer tiefen wissenschaftlichen Durchdringung des Stoffs legen die Verfasser großen Wert darauf, die der Praxis zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen aufzuzeigen und strategische Hinweise zu geben. Auf diese Weise streben wir eine möglichst optimale Verbindung von Praxistauglichkeit und rechtlicher Fundierung an. Das Praxisbuch wird von einem ausführlichen Grundlagenteil (Kap. A.) eingeleitet, der insbesondere die rechtstatsächlichen und rechtspolitischen Hintergründe des Gesetzes beleuchtet. Den Hauptteil bildet die ausführliche Kommentierung der Regelungen zur festen Geschlechterquote für den Aufsichtsrat (Kap. B.) und zu den Frauenzielquoten (Kap. C.). Behandelt werden auch die Sonderthemen, die sich bei der Anwendung des Gesetzes auf die Europäische Aktiengesellschaft (SE) und auf Gesellschaften, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehen (sog. MgVG-Gesellschaften), ergeben (Kap. D.). Die in der Unternehmenspraxis an Bedeutung zunehmenden Auslandssachverhalte werden in Kap. E. behandelt, gefolgt von einem europarechtlichen Ausblick, insbesondere auf den Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission für eine „Europäische Frauenquote“ (Kap. F.). Den Abschluss bilden Muster für die zur Gesetzesumsetzung erforderlichen Erklärungen, Berichte und Geschäftsordnungen sowie wichtige Gesetzesauszüge (Kap. G.).
V
Vorwort
Herausgeber und Verfasser, die allesamt als Rechtsanwälte im Hamburger Büro der internationalen Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer tätig sind, hoffen, der Unternehmenspraxis mit diesem sehr rasch nach Inkrafttreten des Gesetzes erscheinenden Praxisbuch eine hilfreiche Unterstützung zu bieten. Für Kritik und Anregungen sind wir den Lesern ausgesprochen dankbar.
Hamburg, im August 2015
VI
Klaus-Stefan Hohenstatt Christoph H. Seibt
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
Vorwort ............................................................................................................ V Autorenverzeichnis ..................................................................................... XV Literaturverzeichnis .................................................................................. XVII A. Grundlagen .................................................................................. 1 ........ 1 I.
Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen .......... 4 1. Befund .................................................................................... 4 2. Ursachen ................................................................................ 8 3. Bewertung ............................................................................ 12 a) Ökonomische Perspektive .......................................... 13 b) Juristische Perspektive ................................................ 17
II. Bisherige Lösungsansätze ........................................................... 1. Freiwillige Selbstverpflichtungen und Empfehlungen ...... a) Vereinbarung der Bundesregierung mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft (2001) .... b) Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (2009/2010) ................................. c) Selbstverpflichtung der DAX-30-Gesellschaften ...... 2. Bewertung ............................................................................ III. Die privatrechtlichen „Säulen“ des GgTFMF ........................... 1. Wesentlicher Regelungsinhalt ............................................ a) Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat .................. b) Festsetzung von Zielgrößen und Erreichensfristen .......................................................... 2. Verfassungsrechtliche Bewertung ...................................... 3. Rechtsvergleich ................................................................... a) Quotengesetzgebung innerhalb und außerhalb der EU .......................................................................... b) Ausgestaltung im Einzelnen .......................................
........ ........ ........ ........ ........ ........
2 2 4 6 6 8
19 ...... 10 20 ...... 10 20 ....... 10 21 ...... 11 24 ...... 12 27 ...... 13 31 ...... 15 32 ...... 16 34 ...... 16 38 ...... 18 41 ...... 19 48 ...... 23 49 ...... 23 51 ...... 24
IV. Seitenblick: Novellierung der gesetzlichen Regelungen zur Stärkung des Frauenanteils in den Führungsebenen des öffentlichen Dienstes des Bundes ...................................... 55 ...... 26 1. Bundesgremienbesetzungsgesetz ....................................... 56 ...... 27 2. Bundesgleichstellungsgesetz .............................................. 57 ...... 27 V. Zwischenfazit ............................................................................. 58 ...... 27
VII
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat .............................. 59 ...... 29 I.
Anwendungsbereich und Pflichtenstandard ............................. 1. Sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich .................. a) Sachlich-persönlicher Anwendungsbereich ............... aa) Rechtsform .......................................................... bb) Börsennotierung ................................................. cc) (Quasi-)Paritätische Mitbestimmung ................ (1) MitbestG ...................................................... (2) MontanMitbestG ......................................... (3) MontanMitbestErgG .................................. (4) Unanwendbarkeit auf DrittelbG und privatautonome Mitbestimmungsvereinbarungen ............................................ b) Zeitlicher Anwendungsbereich ................................... 2. Pflichtenstandard ................................................................
63 63 63 66 68 72 74 76 78
...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......
80 ...... 38 82 ...... 38 86 ...... 40
II. Modi der Berechnung und Besetzung ....................................... 88 ...... 1. Überblick und Berechnungsmodus .................................... 88 ...... a) Überblick ..................................................................... 88 ...... b) Berechnungsmodus ..................................................... 95 ...... 2. Grundsatz der Gesamterfüllung ......................................... 98 ...... 3. Getrennterfüllung bei Widerspruch zur Gesamterfüllung ................................................................ 102 ...... a) Widerspruch ............................................................... 103 ...... aa) Zweck und Funktionsweise .............................. 103 ...... bb) Die Aufsichtsratsseiten im Organisationsgefüge des Aufsichtsrats ................................... 105 ...... (1) Organisatorische Grundlagen – Aufsichtsratsseiten als Teilorgane ............ 106 ...... (2) Binnenorganisation und Willensbildung .... 112 ....... cc) Inhalt, Erklärung und Wirkung der Entscheidung .............................................. 120 ...... dd) Zeitpunkt der Entscheidung ............................ 130 ...... ee) Rechtsrahmen und Erwägungen bei der Entscheidung ........................................ 137 ...... (1) Sorgfaltspflichten ...................................... 137 ...... (2) „Bewegliche Schranken“ des Widerspruchsrechts? ................................. 144 ...... b) Getrennterfüllung ...................................................... 146 ...... aa) Allgemeines ....................................................... 146 ...... bb) Beispiel-Szenarien der Widerspruchsausübung ............................................................ 150 ...... cc) Verteilung der Sitze auf Seiten der Arbeitnehmervertreter ................................................ 156 ......
VIII
31 31 31 33 33 34 35 37 37
40 40 40 42 43 44 44 44 45 45 47 49 52 57 57 60 60 60 61 63
Inhaltsverzeichnis Rn.
III. Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder ................................... 1. Bestellung der Anteilseignervertreter .............................. a) Wahl der Anteilseignervertreter ............................... aa) Vorbereitung der Hauptversammlung ............. (1) Zeitliche Abfolge der Entscheidungen ..... (2) Veröffentlichung der Tagesordnung mit Beschlussvorschlägen ......................... (3) Tagesordnungsergänzungsverlangen ........ (4) Wahlvorschläge von Aktionären .............. (5) Vorbereitung der Generaldebatte („Q&A-Liste“) .......................................... bb) Durchführung der Hauptversammlung ........... (1) Vorstellung der vorgeschlagenen Kandidaten, Generaldebatte ..................... (2) Unterbreitung abweichender Wahlvorschläge .......................................... (3) Wahlverfahren/Versammlungsleitung ..... cc) Nachbereitung der Hauptversammlung .......... b) Entsendung von Anteilseignervertretern ................. 2. Bestellung der Arbeitnehmervertreter ............................. a) Hauptversammlungswahl nach MontanMitbestG ..... b) MitbestG und MontanMitbestErgG ........................ 3. Gerichtliche Ersatzbestellung ..........................................
163 163 164 164 164
Seite
...... ...... ...... ...... ......
65 65 65 65 65
165 ...... 65 170 ...... 67 175 ...... 69 180 ...... 71 185 ...... 73 185 ...... 73 186 ...... 187 ...... 196 ...... 199 ...... 201 ...... 201 ....... 202 ...... 209 ......
74 74 79 79 80 80 80 82
IV. Beendigung der Organstellung ................................................ 215 ...... 84 V. Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung ......................................... 1. Rechtsfolgen des Nichterreichens der festen Geschlechterquote ............................................................ a) Überblick und Systematik ......................................... b) Anteilseignervertreter – Nichtigkeit der Bestellung („leerer Stuhl“) ........................................ c) Arbeitnehmervertreter – Rechtsfolgen bei Gesamt- und Getrennterfüllung ............................... aa) Getrennterfüllung – „vorübergehend leerer Stuhl“ ....................................................... bb) Gesamterfüllung ............................................... d) Konsequenzen der Nichtigkeit für Aufsichtsratsarbeit und Organmitglied .................................... 2. Rechtsfolgen bei anderweitiger Fehlerhaftigkeit von Bestellungsvorgängen ................................................ 3. Schadensersatz ...................................................................
219 ...... 85 219 ...... 85 219 ...... 85 221 ...... 85 226 ...... 88 226 ...... 88 228 ...... 89 229 ...... 89 231 ...... 92 236 ...... 93
VI. Publizität ................................................................................... 239 ...... 94 1. Bekanntmachung der Änderungen im Aufsichtsrat, § 106 AktG ........................................................................ 240 ...... 94 a) Pflichtenumfang ........................................................ 240 ...... 94 IX
Inhaltsverzeichnis Rn.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
b) Bekanntmachung der Änderungen im Aufsichtsrat, § 106 AktG ................................................................ Anmeldung von Aufsichtsratsvorsitzendem und Stellvertreter zum Handelsregister, § 107 Abs. 1 Satz 2 AktG ....................................................................... a) Pflichtenumfang ........................................................ b) Rechtsfolgen der Pflichtverletzung .......................... Bekanntmachungen nach § 19 MitbestG und § 10g MontanMitbestErgG .............................................. a) Pflichtenumfang ........................................................ b) Rechtsfolgen der Pflichtverletzung .......................... Angaben in der Erklärung zur Unternehmensführung, § 289a Abs. 2 Nr. 5 HGB ................................................ a) Pflichtenumfang ........................................................ b) Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung .......................... Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG und Corporate Governance Bericht ................................. a) Pflichtenumfang ........................................................ b) Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung .......................... Ad-hoc-Publizität ............................................................. a) Pflichtenumfang ........................................................ b) Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung .......................... Corporate Social Responsibility Reporting .....................
Seite
242 ...... 95
243 ...... 95 243 ...... 95 244 ...... 96 245 ...... 96 245 ...... 96 246 ...... 96 247 ...... 96 247 ...... 96 257 ...... 99 260 260 267 268 268 274 276
.... .... .... .... .... .... ....
100 100 102 103 103 105 105
C. Frauenzielquoten für Aufsichtsrat, Geschäftsleitung und die beiden nachgeordneten Führungsebenen ...................... 279 .... 107 I.
Sachlicher Anwendungsbereich ............................................... 280 .... 107
II. Frauenzielgröße für den Aufsichtsrat ..................................... 286 .... 110 III. Frauenzielgröße für Vorstand bzw. Geschäftsführung .......... 295 .... 117 IV. Frauenzielgrößen für die beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung ................................................................. 1. Pflichtenbeschreibung ...................................................... 2. Bestimmung der Führungsebenen ................................... 3. Zielgrößenfeststellung ...................................................... 4. Beschlussfassung durch Vorstand bzw. Geschäftsführung .............................................................. 5. Betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte ........... V. Berichtspflichten ....................................................................... 1. Veröffentlichung im Lagebericht ..................................... 2. Internet-Veröffentlichung ................................................ 3. Ad-hoc-Publizität ............................................................. 4. Komplementärberichte .....................................................
X
297 297 298 304
.... .... .... ....
118 118 119 123
309 .... 125 311 .... 125 313 313 315 316 317
.... .... .... .... ....
126 126 127 128 128
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
VI. Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen .................................... 318 .... 128 VII. Anwendungsregelungen ........................................................... 322 .... 130 D. Geschlechterquote und Frauenzielanteil in der SE und MgVG-Gesellschaft ................................................................. 323 .... 131 I.
Regelungstechnik ..................................................................... 326 .... 131
II. Geschlechterquote für Mitglieder des SE-Aufsichtsorgans ...... 1. Anwendungsbereich .......................................................... 2. Ausgestaltung der Geschlechterquote ............................. a) Quotenregelung in § 17 Abs. 2 SEAG ..................... b) Lückenhaftigkeit der Quotenregelung in § 17 Abs. 2 SEAG ...................................................... c) Widerspruchsrecht und Getrennterfüllung .............. d) Sonderfall monistische SE ......................................... 3. Rechtsfolgen bei Nichterfüllung der verbindlichen Geschlechterquote ........................................................... a) Dualistisch strukturierte SE ...................................... b) Monistisch strukturierte SE ......................................
329 ..... 133 329 .... 133 333 .... 134 333 .... 134 335 .... 135 339 .... 136 350 .... 141 354 .... 142 355 .... 143 362 .... 145
III. Frauenzielanteil für Geschäftsleitung und Leitungsebenen ...... 363 ..... 146 1. Gesetzlicher Rahmen für die Festlegung eines Frauenzielanteils in der SE ............................................... 363 .... 146 2. Verhältnis zum AGG ....................................................... 366 .... 147 IV. MgVG-Gesellschaften .............................................................. 368 .... 148 1. Geschlechterquote für Mitglieder des Aufsichtsorgans ................................................................. 368 .... 148 2. Frauenzielanteil für Geschäftsleitung und Leitungsebenen ................................................................. 375 .... 151 E.
Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten: Internationales Privatrecht ......... 376 .... 153
I.
Problemaufriss .......................................................................... 377 .... 154 1. Quotenregelungen und Sachverhalte mit Auslandsbezug .................................................................. 377 .... 154
II. Qualifikation der Regelungen zur Geschlechterquote ........... 382 .... 158 1. Gesellschaftsrechtliche Qualifikation der Quotenregelungen ............................................................ 383 .... 158 2. Folgen der gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der Quotenregelungen ...................................................... 385 .... 159 III. Quotenregelungen als sonderanzuknüpfende Eingriffsnormen? ...................................................................... 391 .... 163
XI
Inhaltsverzeichnis Rn.
1. 2.
Seite
Keine ausdrückliche Anordnung des internationalen Anwendungswillen ............................................................ 394 .... 166 Auslegung der Quotenregelungen im Hinblick auf ihren internationalen Anwendungswillen .................. 397 .... 167
IV. Innereuropäische grenzüberschreitende Verschmelzungen .. 1. Anwendbarkeit der festen Geschlechterquote nur bei grenzüberschreitenden Hineinverschmelzungen ...... 2. Unanwendbarkeit der festen Geschlechterquote bei Vereinbarung unterparitätischer Mitbestimmung .... 3. Anwendbarkeit der festen Geschlechterquote bei Verhandlungslösung und Auffangregelung ............... 4. Zementierung des Mitbestimmungsstatuts und ihre Auswirkung auf die feste Geschlechterquote .................. 5. Grenzüberschreitende Verschmelzung unter Beteiligung einer SE .......................................................... 6. Spezifika der festen Geschlechterquote bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen .......................
420 .... 179 422 .... 180 429 .... 183 430 .... 184 431 .... 185 432 .... 186 433 .... 187
F.
Der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission – Oder: (Wann) kommt die europäische Frauenquote? ........ 434 .... 189
I.
Inhalt des Richtlinienvorschlags .............................................. 1. Feste Geschlechterquote .................................................. 2. Pflicht zur Selbstverpflichtung ......................................... 3. Sanktionen .........................................................................
437 438 441 442
.... .... .... ....
190 191 192 193
II. Vergleich mit den Regelungen des GgTFMF ......................... 443 .... 193 1. Feste Geschlechterquote .................................................. 444 .... 194 2. Pflicht zur Selbstverpflichtung ......................................... 446 .... 195 III. Unionszuständigkeit ................................................................ 447 .... 195 1. Ermächtigungsgrundlage .................................................. 448 .... 196 2. Subsidiaritätsprinzip ......................................................... 452 .... 197 IV. Stand des Rechtsetzungsverfahrens und Ausblick ................. 456 .... 199 G. Muster- und Gesetzestexte .................................................... 458 .... 201 I.
XII
Mustertexte ............................................................................... 1. Bericht über die feste Geschlechterquote in der Erklärung zur Unternehmensführung ............................. 2. Aufsichtsratsbeschlüsse bzw. Berichte über Zielgrößen- und Fristbestimmung für den Frauenanteil im Aufsichtsrat ........................................................ 3. Aufsichtsratsbeschlüsse bzw. Berichte über Zielgrößen- und Fristbestimmung für den Frauenanteil im Vorstand .......................................................................
458 .... 201 458 .... 201
459 .... 201
463 .... 204
Inhaltsverzeichnis Rn.
4.
5. 6.
Seite
Vorstands-/Geschäftsführungsbeschlüsse bzw. Berichte über Zielgrößen- und Fristbestimmung für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands ................................................... 466 .... 206 Geschäftsordnung für die Anteilseignerseite im Aufsichtsrat................................................................... 470 .... 211 Geschäftsordnung für den Nominierungsausschuss im Aufsichtsrat .................................................................. 471 .... 213
II. Gesetzestexte ............................................................................ AktG (Auszug) ......................................................................... EGAktG (Auszug) ................................................................... SEAG (Auszug) ........................................................................ GmbHG (Auszug) ................................................................... EGGmbHG (Auszug) ............................................................. GenG (Auszug) ........................................................................ VAG (Auszug) ......................................................................... DrittelbG (Auszug) .................................................................. MitbestG (Auszug) .................................................................. MontanMitbestG (Auszug) ..................................................... MontanMitbestErgG (Auszug) ............................................... HGB (Auszug) ......................................................................... EGHGB (Auszug) ...................................................................
472 472 473 474 475 476 477 478 479 480 481 482 483 484
.... .... .... .... .... .... .... .... .... .... .... .... .... ....
216 216 222 222 223 224 225 225 227 228 230 231 234 236
Stichwortverzeichnis ................................................................................... 237
XIII
Autorenverzeichnis Dr. Johannes Cziupka Rechtsanwalt, Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg Prof. Dr. Klaus-Stefan Hohenstatt Rechtsanwalt, Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg sowie Honorarprofessor an der Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft, Hamburg
Kap. E.
Kap. A., D., F.
Jörg-Peter Kraack Rechtsanwalt, Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg
Kap. B.
Dr. Arne C. Krawinkel Rechtsanwalt, Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg
Kap. A., F.
Prof. Dr. Christoph H. Seibt Rechtsanwalt, Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg sowie Honorarprofessor an der Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft, Hamburg Patrick Wendler Rechtsanwalt, Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg
Kap. B ., C., E., G.
Kap. D.
XV
Literaturverzeichnis Kommentare, Handbücher, Monographien Annuß/Kühn/Rudolph/Rupp EBRG, Kommentar, 1. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Annuß/Kühn/Rudolph/Rupp) Assmann/Schneider WpHG, Kommentar, 6. Aufl., 2012 (zit.: Bearbeiter, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG) Bachmann Private Ordnung, 2006 Beck’scher Online-Kommentar BGB hrsg. von Bamberger/Roth, Ed. 35, Stand: 1.5.2015 (zit.: Bearbeiter, in: BeckOK-BGB) Brandt Gleichstellungsquote im Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, 2012 Buck-Heeb/Dieckmann Selbstregulierung im Privatrecht, 2010 Bumiller/Harders/Schwamb FamFG, Kommentar, 11. Aufl., 2015 Callies/Ruffert EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl., 2011 (zit.: Bearbeiter, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV) Cziupka Dispositives Vertragsrecht, 2010 Cziupka Gestaltungsfreiheit, Satzungslücken und dispositive Satzungsunterstützung, in: Gedächtnisschrift für Hannes Unberath, 2015, S. 51 Eidenmüller Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 1. Aufl., 2004 (zit.: Bearbeiter, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften) Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht hrsg. von Rauscher Bd. 3, Rom I-VO; Rom II-VO, 3. Aufl., 2011 (zit.: Bearbeiter, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht) Grabitz/Hilf/Nettesheim Das Recht der Europäischen Union, 55. Ergänzungslieferung 2015 (zit.: Bearbeiter, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union)
XVII
Literaturverzeichnis
Grigoleit Aktiengesetz, Kommentar, 1. Aufl., 2013 (zit.: Bearbeiter, in: Grigoleit, AktG) Groß Kapitalmarktrecht, Kommentar, 5. Aufl., 2012 Großkommentar zum Aktiengesetz hrsg. von Hopt/Wiedemann Bd. 4, §§ 95 – 117, 4. Aufl., 2006 Bd. 5, Mitbestimmungsgesetz; §§ 118 – 149, 4. Aufl., 2009 Bd. 7 Teil 2, §§ 241 – 277, 4. Aufl., 2013 (zit.: Bearbeiter, in: Großkomm-AktG) Habersack Die Legalitätspflicht des Vorstands der AG, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, S. 429 Habersack/Drinhausen SE-Recht, Kommentar, 1. Aufl., 2013 (zit.: Bearbeiter, in: Habersack/Drinhausen) Habersack/Mülbert/Schlitt Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl., 2013 (zit.: Bearbeiter, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt) Heidel Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, Kommentar, 4. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Heidel, AktG) Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht, Kommentar, 2. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht) Henssler/Willemsen/Kalb Arbeitsrecht, Kommentar, 6. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Henssler/Willemsen/Kalb) Hohmann-Dennhardt Berufliche Gleichstellung von Frauen – Notwendigkeit und Formen einer Regulierung, in: Festschrift für Heide Pfarr, 2010, S. 235 Hüffer Aktiengesetz, Kommentar, 11. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Hüffer, AktG) Hüffer/Koch Gesellschaftsrecht, 8. Aufl., 2011 Jarass/Pieroth Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 13. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Jarass/Pieroth, GG)
XVIII
Literaturverzeichnis
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XXXIII
A. Grundlagen Hohenstatt/Krawinkel
Die Gleichberechtigung der Geschlechter im Berufs- und Arbeitsleben ist trotz 1 vielerlei Bemühungen und unbestreitbarer Teilerfolge noch nicht erreicht. Neben nach wie vor bestehenden Unterschieden im Bereich der Vergütung1) wird dies besonders dadurch deutlich, dass die Leitungs- und Aufsichtsorgane der großen deutschen Unternehmen noch immer ganz überwiegend männlich besetzt sind. Dies spricht für die Annahme, dass sich für Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen deutlich geringere Aufstiegschancen in der privaten Wirtschaft bieten. Um diesen Missstand zu beheben, hat der Deutsche Bundestag am 6. März 2015 2 mit großer Mehrheit das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst („GgTFMF“) verabschiedet.2) Privatrechtrechtliche Kernelemente des Gesetzes sind (1) die Vorgabe einer festen Geschlechterquote von mindestens 30 % für den Aufsichtsrat börsennotierter und voll mitbestimmungspflichtiger Gesellschaften sowie (2) die an börsennotierte oder mindestens drittelparitätisch mitbestimmte Gesellschaften gerichtete Verpflichtung, unternehmensindividuelle Zielgrößen und Erreichensfristen hinsichtlich der Beteiligung von Frauen in den Leitungs- und Kontrollorganen sowie in den beiden obersten Managementebenen unterhalb des Leitungsorgans festzulegen. Mit dem in seinen wesentlichen Teilen am 1. Mai 2015 in Kraft getretenen Gesetz werden die im Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode zwischen CDU/CSU und SPD vereinbarten gesetzgeberischen Maßnahmen zur Erhöhung des Anteils weiblicher Führungskräfte nahezu buchstabengetreu umgesetzt.3) Die in Art. 23 Abs. 3 GgTFMF implementierte Verpflichtung der Bundesregierung, die „Wirksamkeit“ der in dem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen drei Jahre nach dessen Inkrafttreten zu evaluieren, ist zugleich mit der unausgesprochenen „Drohung“ verbunden, in Zukunft noch weitergehende gesetzgeberische Eingriffe vorzunehmen, sollte sich der Frauenanteil in den Führungspositionen der Privatwirtschaft „mittelfristig“ nicht „signifikant“ erhöhen.4) Das vorliegende Grundlagenkapitel befasst sich zunächst mit dem faktischen 3 Befund der Unterrepräsentation von Frauen in den Führungspositionen der Privatwirtschaft sowie seinen Ursachen und ökonomischen wie rechtspolitischen Implikationen. Es folgt ein Überblick über die von Politik und Wirtschaft in der Vergangenheit wiederholt unternommenen Versuche, eine ausgewogene Teilhabe von Frauen an den Führungspositionen der Privatwirtschaft durch politische Vereinbarungen und freiwillige Selbstverpflichtungen ___________ 1) 2) 3) 4)
Vgl. Boll/Leppin, Wirtschaftsdienst 2015, 249 ff. BGBl. I 2015 S. 642. Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode (2013), S. 72. So das vom Gesetzgeber mit dem GgTFMF ausdrücklich verfolgte Ziel, vgl. Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 2, 46.
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A. Grundlagen
sowie Maßnahmen der Selbstregulierung sicherzustellen. Die diesbezüglichen Ausführungen münden in eine überblicksartige Zusammenfassung der für die Privatwirtschaft wesentlichen Regelungen des GgTFMF, die zudem einer kursorischen verfassungsrechtlichen Bewertung unterzogen werden sollen. Auch einige markante rechtsvergleichende Aspekte werden beleuchtet. I. Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen 1. Befund 4 Die jüngsten Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung („DIW“) und der Initiative „Frauen in die Aufsichtsräte“ („FidAR“) zur Frage der Repräsentation von Frauen in den Leitungs- und Aufsichtsorganen der Privatwirtschaft zeichnen ein ernüchterndes Bild: Demnach lag der Frauenanteil in den Vorständen bzw. Geschäftsführungen der 200 größten deutschen Unternehmen („TOP-200-Unternehmen“) Ende des Jahres 2014 bei mageren 5,4 %, und auch der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder war mit zuletzt rund 18,4 % weit von einer ausgewogenen Besetzung entfernt.5) In den insgesamt 160 börsennotierten deutschen Aktiengesellschaften bzw. KGaAs, die den Börsenindizes DAX, MDAX, SDAX und TecDAX angehören, ist die Frauenquote im Aufsichtsrat mit durchschnittlich 19,57 % nur unbedeutend höher, und auch der Frauenanteil in den Vorständen dieser Unternehmen bewegt sich in etwa auf demselben Niveau wie bei den TOP-200-Unternehmen.6) 5 Lediglich die DAX-30-Gesellschaften konnten sich in den vergangenen Jahren in punkto Frauenbeteiligung an Führungspositionen geringfügig von den meisten anderen deutschen Großunternehmen absetzen. So liegt der durchschnittliche Frauenanteil in den Aufsichtsräten der DAX-30-Gesellschaften mit derzeit knapp über 25 % bereits nahe an der mit dem GgTFMF für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Gesellschaften implementierten Geschlechterquote von 30 %, und auch was die Repräsentanz von Frauen in den Vorstandsetagen angeht, ist die Quote in den DAX-30-Gesellschaften mit zuletzt 8,38 % immerhin etwas höher als im Rest der deutschen Wirtschaft.7) Im Vergleich insbesondere mit den führenden französischen und skandinavischen Unternehmen besteht aber auch bei den DAX-30-Gesellschaften noch deutlicher „Aufholbedarf“.8) ___________ 5) 6) 7) 8)
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Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 48. Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 52; FidAR, Studie zum Women-onBoard-Index, S. 12. FidAR, Studie zum Women-on-Board-Index, S. 16, 22. Vgl. dazu die entsprechenden Erhebungen der EU-Kommission, die den Frauenanteil in den höchsten Entscheidungsgremien der (max. 50) größten börsennotierten Unternehmen eines jedes EU-Mitgliedstaates sowie weiterer europäischer Länder regelmäßig vergleicht. Die Daten sind abrufbar unter http://ec.europa.eu/justice/gender-equality/ gender-decision-making/database/business-finance/supervisory-board-board-directors/ index_de.htm.
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I. Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen
Weiter getrübt wird das skizzierte Bild durch die Tatsache, dass es in den 6 TOP-200-Unternehmen aktuell gerade einmal 4 weibliche Vorstands- und 5 weibliche Aufsichtsratsvorsitzende gibt9) und Frauen ausgerechnet in den für die Unternehmenskontrolle und Personalpolitik zentralen Aufsichtsratsausschüssen, namentlich dem Präsidial-, Nominierungs- und Prüfungsausschuss, besonders stark unterrepräsentiert sind.10) Auch in der Finanzwirtschaft, in der Frauen seit vielen Jahren die Mehrheit der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stellen, ergibt sich im Hinblick auf all diese Aspekte kein positiverer Befund.11) Gesamtbevölkerung
51 %
49 %
Hochschulabsolventen
51 %
49 %
Erwerbstätige
46 %
Führungspositionen allg.
31 %
Aufsichtsräte Vorstandsebene
54 % 69 %
Männer
82 %
18 % 5%
0%
Frauen
95 %
20 %
40 %
60 %
80 %
100 %
Abb. 1: Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft12)
Bedenkt man, dass Frauen in Deutschland nicht nur 51 % der Gesamtbevöl- 7 kerung, sondern auch über 53 % der Studienberechtigten, etwa die Hälfte der Hochschulabsolventen und an den für die Rekrutierung von Führungskräften besonders relevanten wirtschaftswissenschaftlichen und juristischen Fakultäten sogar die Mehrheit der Absolventen stellen, so kann von einer angemessenen Teilhabe von Frauen an den Spitzenpositionen der deutschen Wirtschaft nach alldem keine Rede sein. Vielmehr muss man festhalten, dass Frauen in den für die Unternehmensleitung und -kontrolle maßgeblichen Gesellschaftsorganen (ebenso wie in den unmittelbar darunter liegenden Managementebenen) nach wie vor deutlich unterrepräsentiert sind (vgl. Abb. 1). ___________ 9) Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 48. Bei den DAX-30-Gesellschaften befinden sich die Vorstandsvorsitze vollständig in Männerhand, lediglich bei einer Gesellschaft (Henkel AG & Co. KGaAA) steht eine Frau dem Aufsichtsrat vor; vgl. dazu Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 51 und FidAR, Studie zum Women-onBoard-Index, S. 17, 22. 10) FidAR, Studie zum Women-on-Board-Index, S. 19 f.; Deloitte, Women in the boardroom, S. 49. 11) Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 63 f. 12) Zahlen entnommen aus: BMFSFJ, Barrieren und Brücken, S. 7; Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 48; Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 45; Gesetzentwurf Bündnis 90/Die Grünen v. 23.10.2012, BT-Drucks. 17/11139, S. 10.
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A. Grundlagen
2. Ursachen 8 Die Unterrepräsentation von Frauen in den Führungspositionen der Privatwirtschaft findet ihren Grund heutzutage (jedenfalls in aller Regel) nicht mehr in einer bewussten oder gar gezielten Benachteiligung weiblicher High Potentials. Schließlich ist bei den allermeisten Unternehmen längst die Erkenntnis gereift, dass die Teilhabe von Frauen an Führungspositionen sowohl unter Performance- als auch unter Governance-Gesichtspunkten erhebliche Vorteile bieten kann, sofern der Anteil der Frauen in den jeweiligen Organen und Managementebenen nur eine „kritische Masse“ erreicht.13) Als zentrale Ursache für die mangelnde Berücksichtigung weiblicher Kandidatinnen bei der Besetzung von Führungspositionen werden vielmehr spezifische „Denkmuster, Normen und Strukturen“ ausgemacht, die schon für sich genommen schwer greifbar und darüber hinaus auch noch eng miteinander verwoben sind.14) 9 So kommt eine vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend („BMFSFJ“) in Auftrag gegebene und im März 2010 unter dem Titel „Frauen in Führungspositionen – Barrieren und Brücken“ veröffentlichte Studie zu dem Ergebnis, „in den Köpfen und Herzen der Männer“ bestünden „vielfältige, miteinander verschränkte Vorbehalte gegen Frauen in Führungspositionen“.15) Diese basierten im Wesentlichen auf „falschen Annahmen und Zuschreibungen“, wie etwa derjenigen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei nach wie vor in erster Linie ein Problem der Frauen, eine – vor diesem Hintergrund für viele Mütter kaum zu erreichende – kontinuierliche Berufsbiographie jedoch notwendige Voraussetzung für die Übernahme einer Führungsposition.16) Zwar stünden Männer einem allgemeinen Zuwachs von Frauen in Führungspositionen in der Regel „wohlwollend“ gegenüber; diese Gender Political Correctness führe aber nicht dazu, dass sich die Chance einer Kandidatin bei der konkreten Entscheidung für die Besetzung einer Führungsposition erhöhe.17) Dies, so ist in einem Dossier der Bundeszentrale für ___________ 13) Vgl. dazu nur Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 58 f. m. w. N., wonach das Vorhandensein von Frauen in Leitungs- und Kontrollgremien in aller Regel erst ab einer „kritischen Masse“ von Frauen wirtschaftliche Effekte zeitigt. Sind Frauen in derartigen Gremien nur vereinzelt vertreten, so stehen sie häufig unter besonderer Beobachtung und sind geschlechterstereotypischen Bewertungen ausgesetzt, die sie an einer effektiven Teilnahme an der Leitung und Kontrolle des Unternehmens hindern. In diesem Sinne auch Kremer, in: Ringleb et. al., Kommentar zum DCGK, Ziff. 5.4.1 Rn. 986. 14) Vgl. BMFSFJ, Barrieren und Brücken, S. 17 f.; in diesem Sinne auch Meyerson/Fletcher, Harvard Business Review, January – February 2000, S. 127, 128: „Today discrimination against women lingers in a plethora of work practices and cultural norms that only appear unbiased. They are common and mundane – and woven into the fabric of an organization’s status quo – which is why most people don’t notice them, let alone question them. But they create a subtle pattern of systemic disadvantage, which blocks all but a few women from career advancement.“ 15) BMFSFJ, Barrieren und Brücken, S. 9. 16) BMFSFJ, Barrieren und Brücken, S. 10. 17) BMFSFJ, Barrieren und Brücken, S. 19.
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I. Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen
politische Bildung zu lesen, liege u. a. auch daran, dass Führungskräfte typischerweise eher mit „männlichen“ Eigenschaften wie „Dominanz, Selbstsicherheit und Autonomie“ assoziiert würden, während Frauen von den „meist männlichen Arbeitgeber[n]“ häufig mangelndes Selbstbewusstsein, schlechte Selbstdarstellung und fehlende Durchsetzungsfähigkeit unterstellt werde.18) Darüber hinaus gibt es nach den Erkenntnissen der vom BMFSFJ in Auftrag 10 gegebenen Studie freilich auch auf Seiten der Frauen (selbst gesetzte) Barrieren auf dem Weg in Führungspositionen. So schrecke ein nicht unerheblicher Teil der für eine solche Position in Betracht kommenden weiblichen Kandidatinnen von sich aus davor zurück, in eine Führungsposition aufzurücken, weil sie befürchteten, als Minderheit in einer Männerdomäne mehr leisten zu müssen als ein Mann in derselben Position und angesichts der Belastungssteigerung und erhöhten Zeitknappheit Beruf und Familie nicht mehr ausreichend in Einklang bringen zu können (und deshalb entweder als schlechte Führungskraft oder als „Rabenmutter“ zu gelten).19) Hinzu kommen nach den Erkenntnissen der einschlägigen sozialwissenschaftlichen und ökonomischen Forschung strukturelle Hindernisse, wie die in vielen Unternehmen nach wie vor festzustellende Ausrichtung des Arbeitsalltags an den traditionellen „Lebenswirklichkeiten“ von Männern (ununterbrochene Erwerbsbiographie, überlange Arbeitszeiten, Präsenz- und Erreichbarkeitskultur) sowie die Existenz informeller (Männer-)Netzwerke, zu denen Frauen häufig keinen oder nur eingeschränkten Zutritt haben.20) In ihrer Relevanz nicht zu unterschätzen, dürfte neben all diesen ohne Zweifel bedeutsamen, empirisch aber nur schwer fassbaren Aspekten schließlich auch die schlichte Tatsache sein, dass die wesentlichen Schritte hin zu einem Aufstieg in Führungspositionen nicht selten zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr gemacht werden, dies jedoch (jedenfalls bei Akademikerinnen) zugleich der Zeitraum ist, in dem Frauen aufgrund von Geburten häufig nur eingeschränkt am Erwerbsleben teilhaben können.21) Gemeinsam, so die heute sowohl in der gesellschaftspolitischen als auch der 11 akademischen Debatte vorherrschende Grundüberzeugung, bilden all diese Faktoren ein dichtes, auf den ersten Blick allerdings nur schwer erkennbares Netz von Aufstiegsbarrieren, in dem Frauen allzu oft „hängen bleiben“, sobald sie die Ebene des mittleren Managements erreicht haben. Zur Beschreibung dieses weithin anerkannten Phänomens hat sich in der sozialwissenschaftlichen Forschung der Begriff der „Gläsernen Decke“ durchgesetzt. Er ist mittlerweile nicht nur in der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Literatur angekommen, sondern auch in den Gesetzgebungsmaterialien zum GgTFMF.22) ___________ 18) 19) 20) 21) 22)
Hofmeister/Hünefeld, Frauen in Führungspositionen (abrufbar unter http://www.bpb.de). BMFSFJ, Barrieren und Brücken, S. 9. Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 50. Hofmeister/Hünefeld, Frauen in Führungspositionen. Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 46.
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A. Grundlagen
3. Bewertung 12 Auf politischer Ebene ist man sich heute weitgehend einig, dass die „Gläserne Decke“ durchstoßen werden muss. Das Ziel, Frauen gleichberechtigten Zugang zu den Führungspositionen in der Privatwirtschaft zu verschaffen, war folgerichtig in sämtlichen seit dem Jahr 1998 abgeschlossenen Koalitionsverträgen enthalten und findet sich mittlerweile in den Programmen aller im Bundestag vertretenen Parteien. Auch die Bundesregierung hat in ihrer Begründung zum Entwurf des GgTFMF erklärt, dass sie „mittelfristig“ eine „signifikante Erhöhung“ des Frauenanteils in den Führungspositionen der Privatwirtschaft anstrebt; langfristig soll gar eine „geschlechterparitätische“ Besetzung der Leitungs- und Aufsichtsorgane erreicht werden.23) Begründet wird diese parteiübergreifend geteilte gesellschaftspolitische Zielsetzung sowohl mit ökonomischen als auch mit rechtlichen Argumenten. a) Ökonomische Perspektive 13 Die ökonomischen Effekte einer Erhöhung des Frauenanteils in den Leitungsbzw. Aufsichtsgremien privater Unternehmen sind bereits in einer Vielzahl von Studien untersucht worden.24) Die Ergebnisse dieser Studien divergieren mitunter deutlich, sind angesichts der Heterogenität des zugrunde gelegten Datenmaterials und der Unterschiede in den methodischen Ansätzen allerdings auch nur eingeschränkt miteinander vergleichbar.25) Eine eindeutige Wirkung des Geschlechts der Mitglieder von Leitungs- und Aufsichtsorganen auf die Unternehmensperformance sowie die Qualität der Unternehmensleitung und -kontrolle lässt sich den bislang vorliegenden Studien schon vor diesem Hintergrund zwar nicht entnehmen.26) Die Mehrheit der deutschen Führungskräfte geht laut einer im Jahr 2010 durchgeführten repräsentativen Studie aber aufgrund eigener Beobachtungen davon aus, dass die Repräsentanz von Frauen in gehobenen Managementpositionen zumindest prinzipiell einen „Wettbewerbsvorteil“ darstellen kann, und dass Gremien, die sowohl
___________ 23) Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 46. 24) Vgl. etwa BMFSFJ, Unternehmenserfolg, passim; McKinsey & Co, Women Matter: GCC women in leadership, 2014, passim; Credit Suisse Research Institutes, CS Gender 3000: Women in senior management, 2014, passim; Adams/Ferreira, Journal of Financial Economics, 94(2), S. 291 ff.; Campbell/Mínguez-Vera, Journal of Business Ethics, 83(3), S. 435 ff. sowie zusammenfassend Europäische Kommission, Women on boards: The economic arguments, passim (abrufbar unter http://ec.europa.eu/justice/genderequality/files/womenonboards/factsheet-general-1_en.pdf). Vgl. auch die weiteren Nachweise bei Seibt, ZIP 2015, 1193, 1194 (Fn. 9) sowie Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 58 (Fn. 27). 25) Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 58. 26) Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 58. Vgl. auch BMFSFJ, Unternehmenserfolg, S. 5: „für Deutschland kein statistisch signifikanter allgemeiner (undifferenzierter) positiver Performance-Effekt“.
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I. Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen
mit Frauen als auch mit Männern besetzt sind, den ökonomischen Erfolg eines Unternehmens regelmäßig erhöhen.27) Begründet wird diese Überzeugung nicht zuletzt mit dem Gedanken, dass 14 die mit gemischten Management-Teams einhergehende „Vielfalt der Perspektiven“ der gestiegenen Komplexität der globalen Ökonomie sowie deren mannigfaltigen Wechselwirkungen auch mit nichtökonomischen Faktoren besser gerecht werde als eine allzu homogene Organstruktur und folglich eine erhöhte Qualität der Unternehmensführung und -kontrolle („Coporate Governance“) gewährleiste.28) Dies entspricht der aus der allgemeinen „Diversity“Debatte bekannten und letztlich aus der Personal- und Organisationsforschung stammenden These, wonach ein gewisses Maß an demografischer (Geschlecht, Ethnizität, Alter), psychologischer (Werte, Überzeugungen, Wissen) und organisationaler Vielfalt (Dienstjahre, Aufgabe/Funktion, Hierarchieebene im Unternehmen) gleichgerichtetem Denken der Mitglieder von Leitungs- und Aufsichtsorganen entgegenwirkt und die Mitglieder solcher Organe daher besser in die Lage versetzt, Entscheidungen konstruktiv zu hinterfragen und für innovative Ideen aufgeschlossen zu sein.29) Eine größere Geschlechtervielfalt gerade in den Aufsichtsräten vieler Unternehmen, so ein von der Bundestagsfraktion der Partei Bündnis 90/Die Grünen im Oktober 2010 vorgelegter „Entwurf eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten“, sei folglich auch ein „Gebot besserer Unternehmensführung und -kontrolle“.30) „Robuste, positiv signifikante“ Performance-Effekte der Präsenz von Frauen in 15 Aufsichtsräten lassen sich nach den Ergebnissen einer vom BMFSFJ in Auftrag gegebenen und im August 2011 unter dem Titel „Frauen in Führungspositionen – Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg“ veröffentlichten Studie im Übrigen zumindest im Hinblick auf solche Unternehmen feststellen, deren Fokus auf dem Privatkundengeschäft („B2C“) liegt oder bei denen ein prozentual hoher Anteil von weiblichen Arbeitnehmern beschäftigt ist. Bei Unternehmen, die ihre Produkte und Dienstleistungen vorwiegend an private Kundschaft verkaufen, ließen sich die insoweit festzustellenden, statistisch-ökonometrisch nachweisbaren Performance-Effekte insbesondere dadurch erklären, dass die Interaktion mit einem geschlechterdiversem Kundensegment einem ebenfalls geschlechterdiversen Führungsteam in der Regel besser gelinge als einer über___________ 27) BMFSFJ, Barrieren und Brücken, S. 22 f., 65 f. 28) BMFSFJ, Barrieren und Brücken, S. 23. 29) Vgl. nur Schubert/Jacobsen, WM 2011, 726, 727; Weber-Rey/Handt, NZG 2011, 1, 2; siehe auch Erwägungsgrund 18 zu Richtlinie 2014/95/EU, abgedruckt in Abl. L 330/1 v. 15.11.2014. Die Apologeten der sowohl in der sozial- als auch in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur verbreiteten „Lehman Sisters-Hypothese“ sind gar der Auffassung, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2008/2009 hätte vermieden werden können, wenn die Kontrollgremien der betroffenen Finanzinstitute in größerem Umfang mit Frauen besetzt gewesen wären. 30) Gesetzentwurf Bündnis 90/Die Grünen v. 13.10.2010, BT-Drucks. 17/3296, S. 6.
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A. Grundlagen
wiegend männlich oder weiblich besetzten Unternehmensleitung.31) Bei Unternehmen mit einem hohen Anteil weiblicher Mitarbeiter gehe der positive Zusammenhang zwischen der Präsenz von Frauen im Aufsichtsrat und der Unternehmensperformance zum einen auf die damit verbundene Erfüllung einer entsprechenden Legitimationspflicht gegenüber der bestehenden Belegschaft zurück und sei zum anderen durch das bei einer starken weiblichen Vertretung im Aufsichtsrat verbesserte Employer Branding zu erklären: Besonders motivierte, leistungs- und aufstiegsorientierte Frauen empfänden diese Unternehmen als die richtigen Arbeitgeber und stimmten dementsprechend „mit den Füßen“ ab; dieser Aspekt werde sich mit der demografischen Entwicklung in Deutschland und den damit verbundenen Implikationen für den Mangel an Fach- und Führungskräften in Zukunft noch verstärken.32) 16 Gerade mit Blick auf die demografische Entwicklung und dem daraus resultierenden Fachkräftebedarf wird eine signifikante Erhöhung des Frauenanteils in den Führungspositionen der Privatwirtschaft gemeinhin auch als gesamtwirtschaftlich sinnvoll erachtet. Gut ausgebildete Frauen, so die Grundüberlegung, seien eine „wertvolle Ressource“, um dem in vielen Branchen spürbaren Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Eine kluge unternehmerische Wirtschaftspolitik müsse dementsprechend eine aktive Nutzung des Knowhow, der fachlichen Fähigkeiten und der Kreativität gut ausgebildeter Frauen sicherstellen.33) Umgekehrt sei die mangelnde Berücksichtigung von Frauen „in dem bevorstehenden Kampf um die besten Talente“ nicht nur Ausdruck einer schlechten Corporate Governance, sondern auch ein gravierender Nachteil im Wettbewerb.34) Dieses Potenzial brach liegen zu lassen, so die Bundesregierung in ihrer Begründung zum Regierungsentwurf des GgTFMF, bedeute für den Staatshaushalt eine „Verschwendung von Maßnahmen zur Förderung der Ausbildung von Frauen“ und sei dementsprechend nicht nur aus einzelwirtschaftlicher Perspektive irrational, sondern auch „volkswirtschaftlich unvernünftig“.35) b) Juristische Perspektive 17 Die Forderung nach einer Erhöhung des Frauenanteils in den Führungspositionen der Privatwirtschaft wird darüber hinaus auch mit verfassungsrechtlichen Argumenten begründet. Den maßgeblichen Anknüpfungspunkt für entsprechende rechtspolitische Einlassungen36) bildet der seit dem Jahr 1994 ___________ BMFSFJ, Unternehmenserfolg, S. 5, 7 f.; Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 47. BMFSFJ, Unternehmenserfolg, S. 5, 7 f.; Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 47. Gesetzentwurf Bündnis 90/Die Grünen v. 13.10.2010, BT-Drucks. 17/3296, S. 6. Regierungskommission DCGK, Pressemitteilung v. 27.5.2010, S. 2 (abrufbar unter http:// www.dcgk.de/de/presse/deteilansicht/pressemitteilung-25.html). 35) Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 48. 36) Vgl. nur Gesetzentwurf Bündnis 90/Die Grünen v. 13.10.2010, BT-Drucks. 17/3296, S. 6; Antrag SPD v. 9.2.2011, BT-Drucks. 17/4683, S. 3; Antrag Die Linke v. 22.2.2011, BT-Drucks. 17/4842, S. 1; FidAR, Studie zum Women-on-Board-Index, S. 6.
31) 32) 33) 34)
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I. Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen
in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG enthaltene Auftrag des Verfassungsgesetzgebers an die staatlichen Organe, die „tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ zu fördern und auf die „Beseitigung bestehender Nachteile“ hinzuwirken. Dieser verfassungsdogmatisch als Staatszielbestimmung37) zu qualifizierende Schutz- und Förderauftrag verpflichtet namentlich den Gesetzgeber, neben etwaigen rechtlichen auch faktische, d. h. sozial fundierte Diskriminierungen von Frauen und Männern zu beseitigen und dadurch nicht nur für die durch Art. 3 GG im Übrigen verbürgte „Gleichheit im Recht“ zu sorgen, sondern die Lebensverhältnisse von Männern und Frauen auch real anzugleichen.38) Erreicht werden soll dies nach der Vorstellung des Verfassungsgesetzgebers freilich nicht durch die Herstellung kollektiver Erfolgsgleichheit im Sinne einer unbedingten Geschlechterparität in allen Bereichen. Durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verbürgt und legitimiert sind nach ganz h. M. vielmehr nur solche staatlichen Maßnahmen, die der Gewährleistung der individuellen Chancengleichheit von Männern und Frauen dienen und auf diese Weise gleichsam als Garant tatsächlich gleicher Freiheit fungieren.39) Auch die Regierungsbegründung zum GgTFMF stützt sich in maßgeblicher 18 Weise auf die in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG enthaltene Staatszielbestimmung, wenn es dort heißt, vor dem Hintergrund der nach wie vor geringen Repräsentanz der – heutzutage durchweg gut qualifizierten – Frauen in den Führungspositionen der Privatwirtschaft bestehe „zwingender politischer Handlungsbedarf“, wenn der „verfassungsrechtliche Auftrag zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen“ erfüllt werden solle.40) Zwar erscheint es nach dem oben Gesagten zweifelhaft, ob es einen derartigen, über die Gewährleistung von Chancengleichheit hinausgehenden verfassungsrechtlichen Auftrag zur Herstellung einer „gleichberechtigten Teilhabe“ tatsächlich gibt.41) Richtig ist aber, dass die statistisch belegte Unterrepräsentanz von Frauen in den Führungspositionen der Privatwirtschaft im Rahmen der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative als Ausdruck eines vom Staat nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zu beseitigenden faktischen „Nachteils“ gewertet werden kann. Dies hat seinerzeit schon die Gemeinsame Verfassungskommission in ihrem Abschlussbericht zu den durch die deutsche Wiedervereinigung aufgeworfenen Verfassungsfragen deutlich gemacht.42) Und auch in der jüngeren verfassungsrechtlichen Literatur ist anerkannt, dass eine „ungleiche Verteilung von Frauen und Männern in beruf___________ 37) Vgl. nur Rüfner, in: BonnKomm-GG, Art. 3 Rn. 686 ff.; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 289 jeweils m. w. N. 38) Gemeinsame Verfassungskommission, Bericht v. 5.11.1993, BT-Drucks. 12/6000, S. 50. 39) Siehe dazu etwa Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 90 sowie Rüfner, in: BonnKommGG, Art. 3 Rn. 694 ff. jeweils m. w. N. 40) Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 2. 41) So auch Habersack/Kersten, BB 2014, 2819, 2824; a. A. Grobe, AG 2015, 289, 300. 42) Gemeinsame Verfassungskommission, Bericht v. 5.11.1993, BT-Drucks. 12/6000, S. 49.
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lichen oder anderen erstrebenswerten Positionen“ eine (individuelle) Benachteiligung i. S. d. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zumindest indizieren kann.43) Das gesellschaftspolitische Ziel der Überwindung der „Gläsernen Decke“ lässt sich daher im Ausgangspunkt in der Tat auch auf den verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG stützen. II. Bisherige Lösungsansätze 19 Bis zum Inkrafttreten des GgTFMF war die deutsche Wirtschaft über viele Jahre erfolgreich darin, die Einführung gesetzlicher Bestimmungen zur Stärkung des Frauenanteils in den Führungspositionen privater Unternehmen durch auf Freiwilligkeit beruhende Vereinbarungen, Selbstverpflichtungen und Empfehlungen zu verhindern. Angesichts der vielfach als unzureichend empfundenen Wirkungen derartiger auf Selbstregulierung bauender Lösungen, gilt der Ansatz, die Unterrepräsentanz von Frauen in den Spitzenpositionen der Wirtschaft über das Instrument des Soft Law zu beheben, heute jedoch in großen Teilen sowohl der Politik als auch der akademischen Fachliteratur als gescheitert.44) 1. Freiwillige Selbstverpflichtungen und Empfehlungen a) Vereinbarung der Bundesregierung mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft (2001) 20 Die Versuche der Politik, eine Erhöhung des Frauenanteils in den Führungspositionen der Privatwirtschaft durch auf Freiwilligkeit beruhende Maßnahmen sicherzustellen, reichen zurück bis in das Jahr 2001. Nachdem die damalige rot-grüne Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag aus dem Jahr 1998 noch angekündigt hatte, „verbindliche Regelungen zur Frauenförderung [einzuführen], die auch in der Privatwirtschaft Anwendung finden müssen“,45) beließ sie es drei Jahre später dabei, die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft zum Abschluss einer „Vereinbarung zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“ zu bewegen, in der diese die Durchführung „geeigneter betrieblicher Maßnahmen“ zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen versprachen. Dies sollte „beispielsweise durch verstärkte Einbeziehung von Frauen in Weiterbildungsprogramme für Führungskräfte oder durch Angebote zu Mentoringoder Shadowingprogrammen sowie durch Teilzeitangebote auch für Füh___________ 43) Rüfner, in: BonnKomm-GG, Art. 3 Rn. 702; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 289; vgl. auch Papier/Heidebach, ZGR 2011, 305, 322. 44) In diesem Sinne etwa Bayer, NZG 2013, 1, 8; Möllers/Hailer, JZ 2012, 847; Bachmann, ZIP 2011, 1131, 1133; Spindler/Brandt, NZG 2011, 401, 403; vgl. auch Erster Gleichstellungsbericht im Auftrag des BMFSFJ, BT-Drucks. 17/6240, S. 137; kritisch Seibt, ZIP 2015, 1193 m. w. N. zu den Vor- und Nachteilen unternehmensnaher Selbstregulierung einerseits und staatlicher Zwangsregulierung andererseits. 45) Koalitionsvertrag für die 14. Legislaturperiode (1998), S. 28.
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II. Bisherige Lösungsansätze
rungskräfte“ realisiert werden.46) Die rot-grüne Bundesregierung sagte den Wirtschaftsvertretern im Gegenzug zu, „keine Initiative zu ergreifen, um die Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft auf gesetzlichem Wege zu erreichen.“47) Dieses Versprechen hielt sie. b) Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (2009/2010) Die Finanzmarktkrise der Jahre 2008/2009, die vielfach (auch) als Ausdruck 21 eines Versagens der Kontrollorgane der betroffenen Banken und Finanzdienstleistungsinstitute gewertet wurde,48) gab in den Jahren 2008 – 2010 auch der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex Anlass, sich wiederholt mit der Frage der Repräsentation von Frauen in den Führungspositionen der Privatwirtschaft auseinanderzusetzen.49) Dies führte schließlich zur Aufnahme entsprechender Empfehlungen in den Deutschen Corporate Governance Kodex („DCGK“), der ausweislich seiner Präambel eine (primär an börsennotierte Gesellschaften gerichtete) Aufstellung „international und national anerkannte[r] Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung enthält.“50) Dabei ging es den Mitgliedern der Regierungskommission nicht etwa darum, 22 (mandatslose) Frauenpolitik im gesellschaftsrechtlichen Gewand zu betreiben.51) Ziel der im Jahr 2009 erstmals in den DCGK aufgenommenen und im Jahr 2010 „nachgeschärften“ Empfehlungen zur Beachtung von Vielfalt (Diversity) im Allgemeinen und zur angemessenen Berücksichtigung von Frauen im Besonderen war es vielmehr, Konsequenzen aus der infolge der Finanzmarktkrise gewachsenen Überzeugung zu ziehen, dass eine allzu homogene Organ- und Managementstruktur eine unter Governance-Gesichtspunkten wünschenswerte „Kultur des Nachfragens“ behindert, während eine größere Pluralität von Erfahrungen und Meinungen zu einer besseren Diskussion und damit zu einer fundierteren Meinungsbildung beiträgt.52) Darüber hinaus sollte mit der Aufnahme entsprechender Empfehlungen freilich ___________ 46) Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Spitzenverbänden, S. 3. 47) Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Spitzenverbänden, S. 5. 48) Vgl. nur Weber-Rey/Handt, NZG 2011, 1 f.; Keiluweit, DStR 2010, 2251 ff. sowie speziell mit Blick auf den Finanzsektor Hingst/Himmelreich/Krawinkel, WM 2009, 2016. 49) Vgl. zur „Historie“ nur Ringleb, in: Ringleb et. al., Kommentar zum DCGK, Präambel Rn. 171 ff. m. w. N. 50) Die Empfehlungen des DCGK haben zwar keine rechtsverbindliche Wirkung, börsennotierte Aktiengesellschafenen haben gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG aber jährlich zu erklären, ob dem Kodex entsprochen wird bzw. welche Empfehlungen nicht angewendet werden und warum nicht (Comply or Explain). 51) Ebenso Bachmann, ZIP 2011, 1131, 1132; Weber-Rey/Handt, NZG 2011, 1, 2; vgl. auch Deilmann/Albrecht, AG 2010, 727, 728. 52) Kremer, in: Ringleb et. al., Kommentar zum DCGK, Ziff. 5.4.1 Rn. 981; Schubert/ Jacobsen, WM 2011, 726, 727; Weber-Rey/Handt, NZG 2011, 1, 2 jeweils m. w. N.
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A. Grundlagen
auch der schon damals befürchteten Implementierung gesetzlicher Regelungen zuvorgekommen werden.53) 23 So enthielt der DCGK bis zum Inkrafttreten des GgTFMF unter anderem die an den Aufsichtsrat gerichtete Empfehlung, „konkrete Ziele“ für die eigene Zusammensetzung zu benennen und dabei „insbesondere eine angemessene Beteiligung von Frauen vor[zu]sehen“ (Ziffer 5.4.1 Abs. 2 Satz 2 DCGK a. F.). Gleichzeitig wurde den Adressaten des Kodex im Hinblick auf die Besetzung des Vorstands und der darunter liegenden „Führungsfunktionen“ empfohlen, „eine angemessene Berücksichtigung von Frauen“ wenigstens „an[zu]streben“ (Ziffer 4.1.5 und 5.1.2 Satz 1 DCGK a. F.). Durch die mit dem GgTFMF implementierten gesetzgeberischen Vorgaben sind die entsprechenden Empfehlungen des DCGK freilich zum großen Teil obsolet geworden.54) c) Selbstverpflichtung der DAX-30-Gesellschaften 24 Einen weiteren, über die Empfehlungen des DCGK hinausgehenden Schritt hin zu einer stärkeren Vertretung von Frauen in Führungspositionen machten im März 2011 schließlich die DAX-30-Gesellschaften, als sie sich in einer „Gemeinsamen Erklärung“ u. a. dazu verpflichteten, „jeweils für ihr Unternehmen spezifische und differenzierte Ziele zur Erhöhung des Frauenanteils in der Belegschaft und in Führungspositionen [zu] bestimmen, ihre unternehmensspezifische Zeitleiste [zu] definieren und regelmäßig über die Ziele, Maßnahmen und erreichten Ergebnisse [zu] berichten.“55) 25 Kerngedanke dieser von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung befürworteten und europaweit einmaligen Initiative war es, einerseits die Verpflichtung zu übernehmen, sich zu der Frage der Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen zu verhalten und ein (möglichst ambitioniertes) Ziel für die Erhöhung des Frauenanteils an den im Unternehmen zu vergebenen Führungspositionen zu definieren, sich andererseits aber die Freiheit zu bewahren, dieses Ziel ohne Vorgaben von außen festzulegen und dabei die für das eigene Unternehmen maßgeblichen Ausgangs- und Rahmenbedingungen in angemessener Weise zu berücksichtigen. Eine für ungeeignet gehaltene gesetzliche Quotenregelung sollte auf diese Weise ausdrücklich „entbehrlich“ gemacht werden.56) 26 Die Gemeinsame Erklärung der DAX-30-Gesellschaften hat bis heute Bestand. Die unterzeichneten Gesellschaften berichten im Rahmen ihrer Nachhaltigkeits- oder Geschäftsberichte regelmäßig über den aktuellen Stand der Frauenförderung, den Grad der Zielerreichung und die dafür ergriffenen und ___________ 53) Kremer, in: Ringleb et. al., Kommentar zum DCGK, Ziff. 5.4.1 Rn. 980 m. w. N. 54) Die Regierungskommission DCGK hat am 5. Mai 2015 entsprechende Änderungen und Ergänzungen des Kodex beschlossen. 55) Gemeinsame Erklärung der DAX-30-Gesellschaften, S. 3. 56) Gemeinsame Erklärung der DAX-30-Gesellschaften, Statusbericht 2011, S. 1.
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II. Bisherige Lösungsansätze
geplanten Maßnahmen; darüber hinaus wird seit dem Jahr 2011 jährlich ein gemeinsamer Statusbericht veröffentlicht, aus dem der Grad der jeweiligen Zielerreichung für jedes einzelne Unternehmen klar ablesbar ist.57) 2. Bewertung Der Versuch, die Repräsentanz von Frauen in den Führungspositionen der 27 Privatwirtschaft durch politische Vereinbarungen, freiwillige Selbstverpflichtungen sowie Instrumente der Selbstregulierung zu stärken, wird sowohl von den Befürwortern als auch von den Gegnern affirmativer Maßnahmen zur Erhöhung der Gender Diversity seit jeher mit Skepsis betrachtet. Während die einen der „Indienstnahme der Aktiengesellschaft (…) für politische Anliegen“ kritisch gegenüberstehen58) und insbesondere in den DiversityEmpfehlungen des DCGK ein „Modethema“ sehen, „das das Aktienrecht mit gesellschaftspolitischen Anliegen überfrachtet“,59) ziehen die anderen aus den oben dargestellten statistischen Befunden den Schluss, dass sich ein spürbarer Fortschritt bei der Teilhabe von Frauen in den Führungspositionen der Privatwirtschaft letztlich nur auf gesetzlichem Wege erreichen lässt.60) Bei nüchterner Betrachtung erscheint die von beiden Seiten des Spektrums geäußerte Kritik an den auf Freiwilligkeit und Selbstregulierung setzenden Lösungen freilich gleichermaßen überzogen. So erscheint es zunächst wenig gerechtfertigt, die speziell auf die angemessene 28 Berücksichtigung von Frauen ausgerichteten Diversity-Empfehlungen des DCGK ohne Weiteres als „Fremdkörper“ abzuqualifizieren.61) Nimmt man die wissenschaftlich durchaus fundierte Erkenntnis, dass die mit geschlechterdiversen Management-Teams einhergehende „Vielfalt der Perspektiven“ nicht nur unter Performance-, sondern gerade auch unter Governance-Aspekten ökonomische Vorteile bieten kann, ernst, so stellt sich die Implementierung entsprechender Empfehlungen vielmehr als Berücksichtigung moderner Governance-Einsichten dar, wie sie sich im DCGK unbedingt widerspiegeln sollten.62) Der im Hinblick auf die Empfehlungen der Regierungskommission stets zu fordernde „Corporate Governance-Bezug“63) ist also durchaus vorhanden. Auf der anderen Seite wirkt allerdings auch die Kritik an den bisherigen Er- 29 gebnissen freiwilliger Selbstregulierung im Bereich der Geschlechtervielfalt nur teilweise berechtigt. Zwar ist es richtig, dass der Frauenanteil in den ___________ 57) 58) 59) 60)
Die jährlichen Statusberichte können u. a. auf der Website des BDA abgerufen werden. Habersack, Gutachten 69. DJT, S. E 33. Fleischer, ZGR 2011, 155, 157. FidAR, Studie zum Women-on-Board-Index, S. 26; vgl. auch Bayer, NZG 2013, 1, 8, der zumindest Verständnis für diese Position zeigt. 61) Habersack, Gutachten 69. DJT, S. E 36 ff.; zustimmend Windbichler, NJW 2012, 2627. 62) In diesem Sinne auch Bachmann, ZIP 2011, 1131, 1132 m. w. N. 63) Bayer, NZG 2013, 1, 8.
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A. Grundlagen
Verwaltungsorganen und obersten Managementebenen der deutschen Privatwirtschaft noch längst kein zufriedenstellendes Niveau erreicht hat. Es ist aber auch nicht zu übersehen, dass insbesondere der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder in den letzten Jahren kontinuierlich und – je nach Betrachtungszeitraum – keineswegs unerheblich angestiegen ist. So hat sich der Anteil weiblicher Mitglieder in den Aufsichtsräten der TOP-200-Unternehmen seit dem Jahr 2006 nicht nur mehr als verdoppelt; der zu verzeichnende Anstieg ging auch in überproportional großem Umfang auf das Konto der Anteilseignerseite im Aufsichtsrat, die, was den Anteil weiblicher Mitglieder anbelangt, in den vergangenen Jahren deutlich gegenüber der Arbeitnehmerseite aufgeholt hat (vgl. Abb. 2). 20 18 16 14 12
(Gesamt-) Frauenanteil im Aufsichtsrat in %
10 8
Anteil der Arbeitnehmervertreterinnen
6 4 2 0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
2014
Abb. 2: Frauenanteil in den Aufsichtsräten der TOP-200-Unternehmen64)
30 Vergleicht man schließlich den seit Abgabe der Selbstverpflichtung im März 2011 zu verzeichnenden Anstieg in Prozentpunkten, der von den DAX-30Gesellschaften in Sachen Frauenbeteiligung im Aufsichtsrat erreicht werden konnte, mit den entsprechenden Steigerungsraten, die im selben Zeitraum in den EU-Mitgliedstaaten verzeichnet wurden, deren Rechtsordnung schon seit Längerem eine feste Geschlechterquote für die Besetzung vergleichbarer Unternehmensorgane vorschreibt (siehe dazu sogleich Rn. 48 ff.), so zeigt sich, dass der in Deutschland bislang verfolgte, auf Freiwilligkeit bauende Ansatz, Ergebnisse gezeitigt hat, die sich letztlich durchaus sehen lassen können (vgl. Abb. 3). Man muss freilich einräumen, dass das bisherige Verän___________ 64) Daten aus Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 48.
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III. Die privatrechtlichen „Säulen“ des GgTFMF
derungstempo ohne das Tätigwerden des Gesetzgebers erst in (allzu) ferner Zukunft zu einer einigermaßen ausgewogenen Geschlechterverteilung in den Führungsgremien geführt hätte. 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Belgien
Deutschland Frankreich
Italien
Niederlande
Spanien
Abb. 3: Anstieg des Frauenanteils in den obersten Verwaltungsorganen der größten börsennotierten Unternehmen seit 2011 in Prozentpunkten65)
III. Die privatrechtlichen „Säulen“ des GgTFMF Die ungeachtet dieser grundsätzlich positiven Tendenz66) nach wie vor un- 31 ausgewogene Repräsentanz von Frauen und Männern in den Vorständen, Aufsichtsräten und obersten Managementebenen hat den Gesetzgeber dazu veranlasst, mit der Implementierung des GgTFMF den Weg der Freiwilligkeit zu verlassen und stattdessen gesetzliche Regelungen einzuführen, auf deren Grundlage „mittelfristig“ eine „signifikante“ Erhöhung des Frauenanteils an den Führungspositionen der Privatwirtschaft erreicht werden soll.67) Diese Regelungen werden im vorliegenden Buch einer ausführlichen Analyse unterzogen und in den unternehmenspraktischen Kontext eingeordnet. Nachfolgend soll daher nur ein einführender Überblick über die wesentlichen Vorschriften des Gesetzes gegeben werden, dem sich eine knappe verfassungsrechtliche Betrachtung sowie einige rechtsvergleichende Ausführungen anschließen. ___________ 65) Quelle: http://ec.europa.eu/justice/gender-equality/gender-decision-making. 66) Vgl. auch Regierungskommission DCGK, Stellungnahme, S. 1. 67) Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 2, 46.
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1. Wesentlicher Regelungsinhalt 32 Das vom Gesetzgeber mit dem privatrechtlichen Regelungsteil des GgTFMF ausdrücklich verfolgte Ziel, den Frauenanteil in den Führungspositionen der deutschen Wirtschaft derart spürbar zu erhöhen, „dass letztlich Geschlechterparität besteht“,68) soll im Wesentlichen durch zwei voneinander zu unterscheidende Regulierungselemente erreicht werden, und zwar: x
durch die an börsennotierte und zugleich paritätisch mitbestimmte Gesellschaften gerichtete Verpflichtung, die im Aufsichtsrat zu vergebenden Sitze künftig zu jeweils mindestens 30 % mit Frauen und mit Männern zu besetzen (sog. „feste Geschlechterquote“), und
x
durch die für börsennotierte oder mindestens drittelparitätisch mitbestimmte Gesellschaften geltende Vorgabe, für den Frauenanteil im Kontroll- und Geschäftsführungsorgan sowie den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung Zielgrößen zu definieren sowie Fristen für die Erreichung dieser Zielgrößen festzulegen (sog. „Frauenzielquote“).
33 Die Regierungsbegründung spricht insoweit von den beiden „Säulen“ des privatrechtlichen Teils des GgTFMF.69) a) Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat 34 Mit der ersten Säule, der Vorgabe einer festen Geschlechterquote für den Aufsichtsrat, will der Gesetzgeber sicherstellen, dass bei Gesellschaften, die sowohl börsennotiert als auch voll mitbestimmt und daher in besonderer Weise öffentlich exponiert sind,70) künftig beide Geschlechter in angemessenem Umfang im obersten Kontrollorgan repräsentiert werden. Konkret ist die feste Geschlechterquote auf sämtliche Gesellschaften anwendbar, deren Aktien zum Handel in einem regulierten Markt zugelassen sind (vgl. § 3 Abs. 2 AktG) und für die das MitbestG, das MontanMitbestG oder das MontanMitbestErgG gilt (§ 96 Abs. 2 Satz 1 AktG). In der Praxis wird es sich bei diesen Gesellschaften zumeist um Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien handeln; daneben gilt die feste Geschlechterquote aber auch für die börsennotierte und paritätisch mitbestimmte SE (§§ 17 Abs. 2, 24 Abs. 3 SEAG) sowie für solche börsennotierten Gesellschaften, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen sind und bei denen das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan nach dem MgVG aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besteht (§ 96 Abs. 3 AktG). Die Ver___________ 68) Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 2. 69) Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 46. 70) Die Regierungsbegründung (BR-Drucks. 636/14, S. 144) verweist insoweit namentlich auf die besondere „Sozialbindung“, der diese Gesellschaften nach der Rechtsprechung des BVerfG aufgrund ihrer (vom Gesetzgeber für die Zwecke des GgTFMF unterstellten) Eigentümerstruktur unterliegen. Kritisch hierzu Seibt, ZIP 2015, 1193 (Fn. 6); a. A. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 32; Grobe, AG 2015, 289 f.
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III. Die privatrechtlichen „Säulen“ des GgTFMF
fasser der Regierungsbegründung gehen davon aus, dass aktuell ca. 108 Gesellschaften von den genannten Vorschriften des GgTFMF erfasst werden.71) Die von den oben genannten Gesellschaften künftig zu erreichende Min- 35 destquote von 30 % je Geschlecht ist vom Aufsichtsrat grundsätzlich „insgesamt“ zu erfüllen (§ 96 Abs. 2 Satz 2 AktG, sog. „Gesamterfüllung“). Ist das im Aufsichtsrat unterrepräsentierte Geschlecht auf der Anteilseigner- oder der Arbeitnehmerseite zu mehr als 30 % vertreten, kann sich die jeweils andere Seite daher darauf beschränken, die eigenen Sitze nur insoweit mit Vertretern des unterrepräsentierten Geschlechts zu besetzen, wie dies erforderlich ist, um insgesamt eine Mindestquote von 30 % je Geschlecht zu erreichen. Nur wenn die Anteilseigner- oder die Arbeitnehmerseite vor der jeweiligen Wahl oder Entsendung der Anwendung des Gesamterfüllungsprinzips widerspricht, ist die Mindestquote „für diese Wahl“ sowohl von der Seite der Anteilseigner als auch von der Seite der Arbeitnehmer separat zu erfüllen (§ 96 Abs. 2 Satz 3 AktG, sog. „Getrennterfüllung“). In allen Fällen ist jeweils auf volle Personenzahlen mathematisch auf- bzw. abzurunden (§ 96 Abs. 2 Satz 4 AktG).72) Wird mit der Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversamm- 36 lung oder durch die Entsendung eines Anteilseignervertreters in den Aufsichtsrat gegen die feste Geschlechterquote verstoßen, so führt dies nach den mit dem GgTFMF neu eingeführten Vorschriften zur Nichtigkeit der Wahl bzw. der Entsendung, mit der Folge, dass der für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehene Platz unbesetzt bleibt (§ 96 Abs. 2 Satz 6 AktG, sog. „leerer Stuhl“). Auch für die Bestellung der Arbeitnehmervertreter gilt im Falle einer quotenwidrigen Wahl grundsätzlich die Sanktion des leeren Stuhls (vgl. § 18a MitbestG bzw. § 10f Abs. 2 MontanMitbestErgG); lediglich bei Gesellschaften, die dem MontanMitbestG unterliegen, ist vorgesehen, dass die vorschlagsberechtigten Betriebsräte der Hauptversammlung als Wahlorgan von vornherein nur einen Wahlvorschlag unterbreiten dürfen, der dem Gebot der festen Geschlechterquote entspricht (§ 6 Abs. 6 MontanMitbestG).73) Die feste Geschlechterquote ist bei Aufsichtsratsneuwahlen und Entsendungen 37 ab dem 1. Januar 2016 zu beachten (§ 25 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 EGAktG). Reicht die Zahl der im Rahmen einer Wahl oder Entsendung neu zu besetzenden Aufsichtsratssitze nicht aus, um den vorgeschriebenen Mindestanteil von 30 % je Geschlecht sofort zu erreichen, ist der Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts im Zuge späterer Neuwahlen und Entsendungen sukzessive zu steigern (§ 25 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 EGAktG). Bestehende Mandate können bis zu ihrem regulären Ende wahrgenommen werden (§ 25 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 EGAktG). ___________ 71) Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 48. 72) Näher zu alldem unter Rn. 88 ff.; vgl. im Übrigen auch Seibt, ZIP 2015, 1193, 1195 ff. 73) Zu den Sanktionen ausführlich unter Rn. 219 ff.; vgl. zudem Seibt, ZIP 2015, 1193, 1199 ff.
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A. Grundlagen
b) Festsetzung von Zielgrößen und Erreichensfristen 38 Die zweite Säule der privatrechtlichen Regelungen des GgTFMF ist die an börsennotierte oder der Mitbestimmung unterliegende Gesellschaften gerichtete Verpflichtung, Zielgrößen für den Frauenanteil (1) im Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat, (2) in dem jeweiligen Geschäftsführungsorgan sowie (3) den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung festzulegen und Fristen für deren Erreichen zu setzen (vgl. § 111 Abs. 5 Sätze 1, 3; § 76 Abs. 4 Sätze 1, 3 AktG; § 36 Satz 1, 3, 52 Abs. 2 Satz 1, 3 GmbHG; § 9 Abs. 3 Satz 1, 3, Abs. 4 Satz 1, 3 GenG). Der Mitbestimmung „unterliegen“ all diejenigen Rechtsträger, auf die ein deutsches Mitbestimmungsgesetz, also das MitbestG, das MontanMitbestG, das MontanMitbestErgG oder das DrittelbG, tatsächlich Anwendung findet. Die Zahl der von den entsprechenden Regelungen des GgTFMF betroffenen Unternehmen ist dementsprechend deutlich höher als die Zahl der von der festen Geschlechterquote für den Aufsichtsrat erfassten Gesellschaften; sie wird in der Regierungsbegründung zum GgTFMF mit derzeit rund 3.500 angegeben.74) 39 Während die Aufgabe der Festlegung von Zielgrößen und Erreichensfristen im Hinblick auf die jeweiligen Kontroll- und Geschäftsführungsorgane dem Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat zufällt, obliegt die Festlegung der genannten Parameter hinsichtlich des Frauenanteils in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung dem Leitungsorgan der Gesellschaft. Dabei beinhaltet die Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen implizit den Auftrag, zunächst den Status quo des Frauenanteils in dem jeweiligen Organ bzw. den beiden Leitungsebenen unterhalb der Geschäftsführung festzustellen, was im letztgenannten Fall unter Umständen bedeutet, dass diese Ebenen zunächst definiert werden müssen.75) Eine Mindestzielgröße ist in allen drei Fällen nicht vorgesehen, sodass die Unternehmen eine an den jeweiligen Unternehmensstrukturen und den Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Zielvorgabe festlegen können. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 %, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil allerdings nicht mehr unterschreiten (vgl. z. B. §§ 76 Abs. 4 Satz 2, 111 Abs. 5 Satz 2 AktG; sog. „Verschlechterungsverbot“).76) Eine Sanktion für die Verfehlung der selbst gesetzten Zielgrößen enthält das Gesetz nicht. 40 Die Festlegung von Zielgrößen und Erreichensfristen hat erstmals bis spätestens zum 30. September 2015 zu erfolgen (vgl. z. B. § 25 Abs. 1 Satz 1 EGAktG). Die erste festzulegende Frist darf dabei nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern (§ 25 Abs. 1 Satz 2 EGAktG); später festgelegte Erreichensfristen
___________ 74) Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 51. 75) Dazu Seibt, ZIP 2015, 1193, 1205 f. 76) Dazu näher unter Rn. 288 ff.; vgl. auch Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 143, 148.
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dürfen keinen längeren Zeitraum als fünf Jahre umfassen (vgl. z. B. §§ 76 Abs. 1 Satz 4, 111 Abs. 5 Satz 4 AktG).77) 2. Verfassungsrechtliche Bewertung Es liegt auf der Hand, dass die skizzierten Regelungen des GgTFMF mit 41 nicht unerheblichen Grundrechtseingriffen verbunden sind und zum Teil auch unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht unproblematisch erscheinen. Betroffen ist insoweit nicht nur die durch die Eigentumsfreiheit des Art. 14 42 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte verfahrensrechtliche, organisatorische und planerische Selbstbestimmung der von den Regelungen des GgTFMF erfassten Unternehmen; auch das ebenfalls durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Mitverwaltungsrecht der Anteilseigentümer sowie die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit etwaiger (männlicher) Mitbewerber werden, ebenso wie das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG, in ihrem jeweiligen Kernbereich angetastet.78) Rechtsstaatliche Bedenken richten sich nicht zuletzt gegen die im Hinblick auf die Erreichung der festen Geschlechterquote vorgesehene Sanktion des „leeren Stuhls“, die im Ergebnis zur Unwirksamkeit einer „nicht quotengerechten“ Wahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern führt.79) Gerade die Regelung des § 18a MitbestG, nach der im Rahmen der Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ein bestimmtes Geschlechterverhältnis „herzustellen“ ist und die im Falle eines Verstoßes gegen die Geschlechterquote die Unwirksamkeit der Wahl sowie eine „gerichtliche Ersatzbestellung“ vorsieht, lässt angesichts der Repräsentationsfunktion der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und mit Blick auf den durch das Demokratieprinzip geprägten Grundsatz der „Gleichheit der Wahl“ erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken aufkommen.80) Es kann vor diesem Hintergrund nicht verwundern, dass die Verfassungsmä- 43 ßigkeit der Bestimmungen des GgTFMF in Teilen der rechtswissenschaftlichen Literatur dezidiert kritisch gesehen wird.81) Zwar besteht Einvernehmen darüber, dass der in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG enthaltene Auftrag an die staatlichen Organe, nicht nur die rechtliche, sondern auch die faktische Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu erreichen, als legitimer Zweck von ___________ 77) Für die übrigen Rechtsformen, die von der Pflicht zur Festsetzung von Zielgrößen und Erreichensfristen erfasst sind, gelten inhaltsgleiche Vorschriften. 78) Vgl. zum Ganzen nur Hohenstatt/Willemsen/Naber, ZIP 2014, 2220, 2222 f.; Habersack/ Kersten, BB 2014, 2819, 2822 ff. jeweils m. w. N. Allgemein zur materiellen Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlich verpflichtenden Geschlechterquote für den Aufsichtsrat Papier/ Heidebach, ZGR 2011, 305, 313 ff.; Bachmann, ZIP 2011, 1131, 1134 f. 79) Dazu BDA/BDI, Stellungnahme, S. 5 f.; Windthorst, Stellungnahme, S. 7 f.; Rotsch, Stellungnahme, S. 6 f.; Regierungskommission DCGK, Stellungnahme, S. 2. 80) Näher Hohenstatt/Willemsen/Naber, ZIP 2014, 2220, 2222 f. 81) Vgl. auch Seibt, ZIP 2015, 1193, 1203; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 36 ff., 41; Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 900; dies., BB 2015, 259, 262; a. A. Grobe, AG 2015, 289, 300 f.; Wieland, Stellungnahme, S. 4 f.
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Verfassungsrang Eingriffe in die Grundrechte Dritter ebenso wie Kollisionen mit konkurrierenden Verfassungsprinzipien rechtfertigen kann.82) Verwiesen wird aber auch darauf, dass die Staatszielbestimmung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG derartige Eingriffe nicht uneingeschränkt rechtfertigt, sondern nur insoweit, wie sie der Herstellung individueller Chancengleichheit dienen und den sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem Gebot praktischer Konkordanz für den Gesetzgeber ergebenden Gestaltungsgrenzen Rechnung tragen.83) 44 Dass der Gesetzgeber all dies im Rahmen der Schaffung des GgTFMF ausreichend berücksichtigt hätte, wird mittlerweile von nicht wenigen Autoren insbesondere hinsichtlich der Regelungen zur festen Geschlechterquote im Aufsichtsrat ernsthaft bezweifelt. Während mit Blick auf die Rechte konkurrierender (männlicher) Bewerber sowie der Aktionäre der betroffenen Gesellschaften insbesondere das Fehlen eines – bei Quotenregelungen sonst üblichen – Vorbehalts gleicher Eignung als unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht auf Gleichberechtigung und das verfassungsrechtlich geschützte Anteilseigentum kritisiert wird,84) ist mit Blick auf den grundrechtlichen Schutz der betroffenen Unternehmen vor allem die undifferenzierte, auf Branchenspezifika und die Umstände des Einzelfalls keinerlei Rücksicht nehmende Erstreckung der festen Geschlechterquote auf sämtliche börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Gesellschaften auf zum Teil scharfen Widerspruch gestoßen.85) Während die einen der Auffassung sind, der Gesetzgeber sei aus verfassungsrechtlichen Gründen daran gehindert, eine starre Geschlechterquote auch bei solchen Unternehmen einzuführen, in denen Frauen nicht nur auf der Führungsebene, sondern im gesamten Unternehmen deutlich unterrepräsentiert sind,86) meinen die anderen, dass die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer fixen Geschlechterquote wenigstens durch eine den Umständen des Einzelfalls Rechnung tragende Ausnahmebestimmung hätte abgesichert werden müssen, nach der auf die Einhaltung der festen Geschlechterquote verzichtet werden darf, wenn es dem für die Kandidatensuche zuständigen Gremium trotz nachgewiesener intensiver Bemühungen nicht gelungen ist, eine hinreichend qualifizierte Kandidatin für das konkret zu besetzende Aufsichtsratsmandat ausfindig zu machen.87) ___________ 82) Vgl. nur Papier/Heidebach, ZGR 2011, 305, 314 f.; Spindler/Brandt, NZG 2011, 401, 402 f. 83) Habersack/Kersten, BB 2014, 2819, 2824; Ossenbühl, NJW 2012, 417, 418 jeweils m. w. N. 84) Hohenstatt/Willemsen/Naber, ZIP 2014, 2220, 2222 f.; Habersack/Kersten, BB 2014, 2819, 2828; a. A. Papier/Heidebach, ZGR 2011, 305, 322 f. 85) Seibt, ZIP 2015, 1193, 1203; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 41; Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 900; Habersack/Kersten, BB 2014, 2819, 2828; Windthorst, Stellungnahme, S. 5 ff.; Regierungskommission DCGK, Stellungnahme, S. 2; skeptisch auch Papier/Heidebach, ZGR 2011, 305, 318 ff. 86) Vgl. etwa Papier/Heidebach, ZGR 2011, 305, 320. 87) Seibt, ZIP 2015, 1193, 1203; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 41; Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 900.
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III. Die privatrechtlichen „Säulen“ des GgTFMF
Diese Bedenken, insbesondere die Kritik am Fehlen einer den Umständen 45 des Einzelfalles Rechnung tragenden Ausnahmebestimmung, erhalten ein noch größeres Gewicht, wenn man bedenkt, dass die vom Gesetzgeber angeordnete Nichtigkeit quotenwidriger Wahlbeschlüsse im ungünstigsten Fall zu einer mit Blick auf das Übermaßverbot sehr bedenklich erscheinenden Überparität der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat führen kann,88) und dass eine strikte Befolgung der festen Geschlechterquote selbst in den (Ausnahme-)Fällen, in denen eine ausreichend qualifizierte Kandidatin trotz intensiver Bemühungen nicht gefunden werden konnte,89) (ungerechtfertigte) Haftungsrisiken nicht nur für die das Amt übernehmende Kandidatin, sondern vor allem auch für die ihr Vorschlagsrecht ausübenden Aufsichtsratsmitglieder birgt.90) Da die entsprechenden Regelungen des GgTFMF schon angesichts des in der Regierungsbegründung klar zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willens kaum Spielraum für eine vom Wortlaut abweichende, die Verfassungskonformität sicherstellende Auslegung lassen, ist nach alldem in der Tat nicht auszuschließen, dass die Regelungen zur festen Quote einschließlich der Sanktion des „leeren Stuhls“ einer früher oder später drohenden verfassungsgerichtlichen Prüfung nicht uneingeschränkt Stand halten werden. Dass die Verfasser der Regierungsbegründung zum GgTFMF darauf verzichtet 46 haben, sich mit all diesen (naheliegenden) verfassungsrechtlichen Aspekten auch nur im Ansatz zu befassen, wirkt schon deswegen merkwürdig, weil vieles davon schon im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses bei entsprechenden Expertenanhörungen frühzeitig zum Ausdruck gebracht worden ist.91) Auch die Tatsache, dass sich die vom Bundesland Nordrhein-Westfalen und dem Bundesrat in den Jahren 2011 und 2012 vorgelegten Entwürfe eines „Gesetzes zur Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen“92) bzw. eines „Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien“93) gleichermaßen ausführlich mit der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer verbindlichen Quote auseinandersetzen und jeweils eine den Umständen des Einzelfalls Rechnung tragende Ausnahmeregelung von der festen Geschlechterquote vorsehen, um die Verhältnismäßig-
___________ 88) Ebenso Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 900. A. A. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 36. 89) Pointiert Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 37: „Quote vor Qualifikation“. 90) Vgl. zur Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern unter dem Aspekt des Übernahmeverschuldens sowie zur Vorschlagsverantwortung der Aufsichtsratsmitglieder, die einen Wahlvorschlag nach § 124 Abs. 3 AktG unterbreiten, nur Habersack, in: MünchKommAktG, § 116 Rn. 22 m. w. N. 91) Vgl. nur BDA/BDI, Stellungnahme, S. 5 f.; Windhorst, Stellungnahme, S. 7 f. 92) Gesetzentwurf Nordrhein-Westfalen v. 11.2.2011, BR-Drucks. 87/11. 93) Gesetzentwurf Bundesrat v. 31.10.2012, BT-Drucks. 17/11270.
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A. Grundlagen
keit des Gesetzes sicherzustellen, hätte den Verfassern der Regierungsbegründung zum GgTFMF zu denken geben können.94) 47 Für die amtierenden Aufsichtsratsmitglieder, denen nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG die Aufgabe zufällt, der Hauptversammlung geeignete Kandidaten für neu zu besetzende Aufsichtsratsposten vorzuschlagen sowie für die Versammlungsleiter, die im Einzelfall darüber zu entscheiden haben, ob ein quotenwidriger Wahlvorschlag (ausnahmsweise) zur Abstimmung gestellt werden soll, bringen die skizzierten verfassungsrechtlichen Bedenken jedenfalls in dem oben beschriebenen Szenario, in dem es trotz nachgewiesener intensiver Bemühungen nicht gelingt, eine hinreichend qualifizierte Kandidatin für das konkret zu besetzende Aufsichtsratsmandat zu finden, ein nicht unerhebliches Maß an Rechtsunsicherheit mit sich.95) Entscheiden sich die Aufsichtsratsmitglieder und der Versammlungsleiter im Rahmen des ihnen zukommenden Ermessens in einer derartigen Situation dafür, (mangels Alternative) einen quotenwidrigen Wahlvorschlag zu unterbreiten bzw. zur Abstimmung zu stellen und wird diesem Vorschlag von der Hauptversammlung mit der erforderlichen Mehrheit gefolgt, so bietet die ggf. vom Vorstand zu erhebende Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 AktG in der Praxis aber immerhin die Möglichkeit, für eine verfassungsgerichtliche Klärung zu sorgen: Entweder indem das angerufene Zivilgericht die für problematisch erachteten Vorschriften des GgTFMF zum Gegenstand einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG macht oder aufgrund einer entsprechenden Verfassungsbeschwerde, die von der Gesellschaft nach Erschöpfung des Rechtswegs gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG erhoben werden kann.96) Um etwaige Haftungsrisiken zu vermeiden, ist den Aufsichtsräten und Versammlungsleitern bis zu einer möglichen verfassungsrechtlichen Klärung freilich zu empfehlen, vor der Entscheidung, einen quotenwidrigen Wahlvorschlag zu unterbreiten bzw.
___________ 94) Vgl. § 101 Abs. 1a Satz 3 AktG-E des Gesetzentwurfs von Nordrhein-Westfalen: „Wird durch die Wahl die gesetzliche Mindestanzahl unterschritten, ist eine Person dennoch gewählt, wenn von der Hauptversammlung festgestellt wird, dass für die zu besetzenden Aufsichtsratssitze im Einzelfall eine hinreichende Anzahl von Angehörigen des jeweils anderen Geschlechts, die die in Gesetz und Satzung genannten persönlichen Voraussetzungen erfüllen, trotz der rechtzeitig ergriffenen Maßnahmen zur Förderung und Gewinnung von Führungskräften beider Geschlechter nicht zur Verfügung stand.“ Ähnlich § 96 Abs. 4 AktG-E des vom Bundesrat vorgelegten Gesetzentwurfs: „Ausnahmen von Absatz 3 Satz 1 – 4 und 6 sind zulässig, wenn die Gesellschaft nachweist, dass hierfür ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund ist insbesondere anzunehmen, soweit trotz erheblicher Anstrengungen der Gesellschaft nur ungeeignete Personen des unterrepräsentierten Geschlechts zur Besetzung des Aufsichtsrats zur Auswahl standen.“ 95) Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 42; vgl. auch Seibt, ZIP 2015, 1193, 1203. 96) Grobe, AG 2015, 289, 300 und Mutter, AG 2015, R60 f. halten eine verfassungsgerichtliche Überprüfung freilich für unwahrscheinlich.
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III. Die privatrechtlichen „Säulen“ des GgTFMF
zur Abstimmung zu stellen, zunächst qualifizierten (externen) Rechtsrat einzuholen.97) 3. Rechtsvergleich Deutschland ist das achte europäische Land, das sich dazu entschieden hat, 48 bestimmten privaten Unternehmen die Einhaltung einer festen Geschlechterquote in dem jeweiligen obersten Verwaltungsorgan vorzuschreiben. Die in den einzelnen Ländern geltenden Quotenvorschriften sind in den Details freilich sehr unterschiedlich ausgestaltet.98) Gerade was die Sanktionierung quotenwidriger Wahl- und Bestellungsakte angeht, ist aber festzustellen, dass das deutsche Recht mit dem durch das GgTFMF verankerten Prinzip des „leeren Stuhls“ eine im europäischen Vergleich relativ strenge Regelung vorsieht. a) Quotengesetzgebung innerhalb und außerhalb der EU Innerhalb der Europäischen Union sind Belgien, Frankreich, Italien, die 49 Niederlande und Spanien Vorreiter, was die quotenmäßige Sicherstellung einer angemessenen Repräsentanz von Frauen in den Verwaltungsorganen der Privatwirtschaft angeht. Die in diesen Ländern bei der Besetzung von Organpositionen zu beachtenden Geschlechterquoten wurden bereits im Jahr 2007 (Spanien) bzw. 2011 (alle übrigen) eingeführt, wobei nicht übersehen werden sollte, dass den betroffenen Unternehmen zum Teil großzügige Übergangsfristen eingeräumt worden sind.99) Auch in Finnland, Großbritannien, Österreich und Schweden wird derzeit über die Einführung einer gesetzlichen Geschlechterquote für die Verwaltungsorgane privater Unternehmen diskutiert.100) Außerhalb der Europäischen Union hat sich nicht zuletzt Norwegen als Vor- 50 kämpfer für eine angemessene Repräsentation von Frauen in den obersten Verwaltungsorganen privater Unternehmen hervorgetan. Dort wurde bereits mit Wirkung ab dem Jahr 2004 eine Geschlechterquote von 40 % für staatliche Unternehmen eingeführt, die im Jahr 2006 auf sämtliche privaten Aktiengesellschaften und Genossenschaften erstreckt wurde.101) Auch in Island ist auf___________ 97) In diesem Sinne auch Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 42; vgl. zur Erforderlichkeit der Einholung von Rechtsrat und dessen haftungsentlastender Wirkung nur Fleischer, NZG 2010, 121, 122 ff.; ders., ZIP 2009, 1397, 1403 sowie Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 44 m. w. N. 98) Vgl. dazu Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 177 ff.; Waas, Gutachten Geschlechterquote, passim sowie die überblicksartige Darstellung in Europäische Kommission, Fortschrittsbericht, S. 19 f. 99) Näher Europäische Kommission, Fortschrittsbericht 2012, S. 19 f. 100) Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 46. 101) Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 177 f.; Frost/Linnainmaa, AG 2007, 601, 603 ff.; Europäische Kommission, Fortschrittsbericht 2012, S. 19; siehe auch Storvik/Teigen, Das norwegische Experiment, S. 5 f.
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A. Grundlagen
grund eines seit dem Jahr 2013 in Kraft befindlichen Gesetzes in den Verwaltungsräten der (im Verhältnis zur Einwohnerzahl Islands) großen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften eine feste Geschlechterquote von 40 % zu beachten.102) In der Schweiz wiederum hat der Bundesrat im Jahr 2014 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Einführung einer festen Geschlechterquote von 30 % für den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung aller börsennotierten Aktiengesellschaften vorsieht, die bestimmte bilanzielle Schwellenwerte oder Mitarbeiterzahlen überschreiten.103) b) Ausgestaltung im Einzelnen 51 In den Details sind die in den genannten europäischen Ländern geltenden Quotenvorschriften freilich sehr unterschiedlich ausgestaltet. Dies betrifft neben der Höhe der jeweiligen Geschlechterquote nicht zuletzt auch ihren persönlichen Anwendungsbereich sowie die im Falle eines Verstoßes eingreifenden Sanktionsmechanismen. 52 Während in Norwegen eine rechtsformabhängige Quotenregelung vorgesehen ist, die neben staatlichen Unternehmen sämtliche Aktiengesellschaften und Genossenschaften, nicht aber die der deutschen GmbH vergleichbare Aksjeselskap (AS) erfasst,104) gilt die feste Geschlechterquote in Belgien und Italien nur für börsennotierte sowie für staatseigene bzw. staatlich kontrollierte Gesellschaften.105) Die Niederlande, Spanien und Island wiederum knüpfen die Anwendbarkeit ihrer Quotenregelungen nicht an eine bestimmte Rechtsform oder Börsennotierung, sondern an die Erreichung gewisser betriebswirtschaftlicher Schwellenwerte bzw. Mitarbeiterzahlen,106) während die in Frankreich geltende Geschlechterquote neben sämtlichen börsennotierten Unternehmen auch solche nicht börsennotierten Gesellschaften erfasst, die zuletzt mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigt haben und einen Nettoumsatz oder eine Bilanzsumme von mindestens 50 Mio. Euro vorweisen können.107) Die in Deutschland mit dem GgTFMF nur für börsennotierte und zugleich paritätisch mitbestimmte Gesellschaften eingeführte 30 %-Quote hat, so gesehen, einen vergleichsweise engen persönlichen Anwendungsbereich. ___________ 102) Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 57; Waas, Gutachten Geschlechterquote, B. IV. 103) Dazu Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 57 f. 104) Dies hat in Norwegen zwischenzeitlich zu einer „Flucht aus der AG“ geführt; vgl. dazu Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 178. 105) Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 180; Europäische Kommission, Fortschrittsbericht 2012, S. 19 f.; Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 57 f.; Waas, Gutachten Geschlechterquote, B. VI. (Belgien), B. VII. (Italien). 106) Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 177 f.; Europäische Kommission, Fortschrittsbericht 2012, S. 19; Waas, Gutachten Geschlechterquote, B. II. (Spanien), B. IV. (Island), B. VIII. (Niederlande). 107) Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 177 f.; Europäische Kommission, Fortschrittsbericht 2012, S. 19; Waas, Gutachten Geschlechterquote, B. III. (Frankreich).
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III. Die privatrechtlichen „Säulen“ des GgTFMF
Auch was die im Falle eines Verstoßes gegen die gesetzliche Geschlechter- 53 quote eingreifenden Sanktionsmechanismen angeht, sind die in den einzelnen Ländern geltenden Rechtsregeln sehr disparat ausgestaltet: x
So hat das im Hinblick auf die Repräsentanz von Frauen in Führungsfunktionen besonders erfolgreiche Island gänzlich darauf verzichtet, irgendwelche Rechtsfolgen an eine Verfehlung der gesetzlich vorgeschriebenen Geschlechterquote zu knüpfen, während die Niederlande sich darauf beschränkt haben, die betroffenen Unternehmen zu verpflichten, eine etwaige Unterschreitung der Quote im Lagebericht zu begründen und darzulegen, welche Bemühungen unternommen wurden, um zukünftig eine quotengerechte Besetzung zu erreichen (Comply or Explain). Die gleiche Rechtsfolge ist auch in dem in der Schweiz diskutierten Gesetzentwurf vorgesehen.108)
x
Auch in Spanien wird die Verfehlung der gesetzlichen Quote in keiner Weise sanktioniert; vielmehr ist es umgekehrt so, dass Unternehmen mit ausgeglichener Organbesetzung besonders ausgezeichnet (Verleihung eines „Gleichstellungsprädikats“) und bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen bevorzugt werden können.109)
x
In Italien wiederum gilt ein abgestuftes Sanktionssystem, welches es der insoweit zuständigen Börsenaufsichtsbehörde CONSOB ermöglicht, zunächst durch eine bloße Verwarnung auf eine quotengerechte Besetzung hinzuwirken; nur wenn diese innerhalb von vier Monaten nicht erreicht wird, kann ein Bußgeld verhängt werden; erst als letzter Schritt ist die Unwirksamkeitserklärung der quotenwidrigen Organbestellung vorgesehen.110)
x
Demgegenüber sehen Frankreich und Belgien ab dem Jahr 2018 bzw. 2020 (abhängig von der Unternehmensgröße) die nunmehr auch in Deutschland geltende Sanktion des „leeren Stuhls“ vor, die in beiden Ländern noch durch eine Regelung ergänzt wird, wonach den Mitgliedern der Entscheidungsgremien, die nicht entsprechend der Quote zusammengesetzt sind, finanzielle Vorteile, die sie aus ihrer Tätigkeit beziehen, versagt bleiben.111) Im Unterschied zur deutschen Rechtslage bleiben in Frankreich die Beschlüsse des infolge einer nichtigen Bestellung nicht wirksam zusammengesetzten Organs allerdings in jedem Fall wirksam,112) sodass nicht ganz
___________ 108) Vgl. zu alldem nur Holst/Kirsch, DIW Wochenbericht Nr. 4/2015, S. 57; Teichmann/ Langes, EWS 2013, 175, 177 f. 109) Näher dazu Koch, ZIP 2012, 1695 ff.; vgl. im Übrigen Teichmann/Langes EWS 2013, 175, 177 f.; Europäische Kommision, Fortschnittsbericht 2012, S. 19. 110) Dazu Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 181; Europäische Kommission, Fortschrittsbericht 2012, S. 20; Waas, Gutachten Geschlechterquote, B. VII. 111) Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 180 (Frankreich), 181 (Belgien); Europäische Kommission, Fortschrittsbericht 2012, S. 19 f. 112) Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 180; Europäische Kommission, Fortschrittsbericht 2012, S. 20.
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unzweifelhaft ist, ob die Sanktion des „leeren Stuhls“ dort langfristig dieselben einschneidenden Wirkungen zeitigen wird, wie hierzulande.113) x
Norwegen schließlich sieht bei einer wiederholten Verfehlung der dort geltenden Geschlechterquote die drakonische Sanktion einer zwangsweisen Auflösung der betroffenen Gesellschaft vor, die nur dann durch eine Geldbuße ersetzt werden kann, wenn ein „beträchtliches öffentliches Interesse“ an der Fortexistenz des Unternehmens besteht. Abgesehen davon, dass der auch in Norwegen geltende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einer allzu konsequenten Anwendung dieser Sanktion in der Praxis gewisse Grenzen setzen dürfte, erscheint es freilich schon aus arbeitsmarktpolitischen Gründen unwahrscheinlich, dass das Bestehen eines der Zwangsauflösung entgegenstehenden „beträchtliches öffentliches Interesses“ von den norwegischen Gerichten in der Praxis allzu häufig verneint werden wird.114)
54 Was die Sanktionierung eines Quotenverstoßes angeht, ist das deutsche Recht mit dem Prinzip des leeren Stuhls und der daran ggf. geknüpften möglichen Folge der Überparität der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sowie der drohenden Unwirksamkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen im europäischen Vergleich also durchaus streng ausgestaltet. IV. Seitenblick: Novellierung der gesetzlichen Regelungen zur Stärkung des Frauenanteils in den Führungsebenen des öffentlichen Dienstes des Bundes 55 Auch wenn sich bislang sowohl das mediale Interesse als auch die wissenschaftliche Diskussion auf die für die Privatwirtschaft relevanten Regelungen des GgTFMF fokussiert hat, soll nicht unerwähnt bleiben, dass durch das GgTFMF auch die für den öffentlichen Dienst des Bundes geltenden Vorschriften zur Gewährleistung einer gleichberechtigten Teilhabe von Frauen an Führungspositionen umfassend novelliert worden sind. Gesetzliche Vorgaben existieren insoweit mit dem Bundesgremienbesetzungsgesetz (BGremBG) von 1994 und dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) von 2001 schon seit vielen Jahren. Unzufrieden mit dem bisherigen Tempo der Entwicklung, hielt der Gesetzgeber eine Modernisierung und Verschärfung dieser Gesetze ebenfalls für erforderlich.115)
___________ 113) Zur möglichen Unwirksamkeit der von einem quotenwidrig besetzten deutschen Aufsichtsrat gefassten Beschlüsse näher unter Rn. 229. 114) Vgl. zum Ganzen Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 178; Frost/Linnainmaa, AG 2007, 601, 604; Europäische Kommission, Fortschrittsbericht 2012, S. 19. 115) Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 1, 55. Der Frauenanteil in den Gremien des Bundes beträgt aktuell 25,7 % (2013), der in den Führungspositionen der obersten Bundesbehörden liegt bei 27 % (2012).
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V. Zwischenfazit
1. Bundesgremienbesetzungsgesetz Ziel des neuen BGremBG ist es, eine paritätische Vertretung von Frauen und 56 Männern in denjenigen Gremien zu gewährleisten, deren Mitglieder der Bund ganz oder teilweise bestimmen kann (§ 1 BGremBG). Um dieses gesetzgeberische Ziel zu erreichen, verfolgt der Gesetzgeber einen im Vergleich zur Vorregelung weniger verfahrens- und stärker ergebnisorientierten Ansatz, der durch die Einführung von Quoten- und Zielvorgaben geprägt ist:116) In Aufsichtsgremien, bei denen der Bund mindestens drei Sitze besetzen kann, müssen ab dem Jahr 2016 mindestens 30 % der durch den Bund zu bestimmenden Mitglieder Frauen und mindestens 30 % Männer sein, wobei der Mindestanteil im Rahmen erforderlich werdender Neuwahlen, Berufungen und Entsendungen sukzessive zu steigern ist (§§ 4 Abs. 1 Satz 1, 2, 4 BGremBG); ab dem Jahr 2018 soll jeweils eine geschlechterparitätische Besetzung der relevanten Gremien angestrebt werden (§ 4 Abs. 2 BGremBG). Darüber hinaus hat der Bund auch bei sonstigen wesentlichen Gremien darauf hinzuwirken, dass eine paritätische Vertretung von Frauen und Männern (ggf. stufenweise) geschaffen oder erhalten wird (§ 5 Abs. 2 BGremBG). Ein Unterschreiten der Quote ist an das BMFSFJ zu berichten und muss begründet werden (§ 4 Abs. 3 BGremBG). 2. Bundesgleichstellungsgesetz Auch das BGleiG wurde grundlegend überarbeitet. Neben verschiedenen 57 Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, einer Stärkung der Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte der Gleichstellungsbeauftragten sowie der Einführung eines Gleichstellungsindex sind zukünftig konkrete Zielvorgaben zum Frauen- und Männeranteil für jede einzelne Vorgesetzten- und Leitungsebene zu benennen (§ 13 Abs. 2 Satz 2 BGleiG), wobei die Festlegung dieser Zielvorgaben in den Gleichstellungsplänen sämtlicher Behörden und Gerichte des Bundes zu erfolgen hat. Die Parallelen zu den für die Privatwirtschaft geltenden Regelungen über die Frauenzielquote sind überaus deutlich. Auffällig – wenn auch mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG wenig überraschend – ist indes, dass nach § 8 Abs. 1 Satz 3 BGleiG für eine Bevorzugung des unterrepräsentierten Geschlechts stets die gleiche Qualifikation Voraussetzung ist; ferner ist in § 8 Abs. 1 Satz 4 BGleiG eine Härtefallklausel vorgesehen. Beides sucht man in den Regelungen für die Privatwirtschaft vergebens.117) V. Zwischenfazit Der soziologische Befund, der dem GgTFMF zugrunde liegt, ist eindeutig: 58 Frauen sind in den „Führungsetagen“ der privaten Wirtschaft unterrepräsentiert. Der durch Einsicht, durch Selbstverpflichtungen und mittels Soft Law ___________ 116) Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 52. 117) Vgl. bereits Hohenstatt/Willemsen/Naber, ZIP 2014, 2220, 2222.
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in Gang gesetzte Veränderungsprozess hat allerdings zu keinem Zeitpunkt eine Geschwindigkeit aufgenommen, die in absehbarer Zeit zu signifikanten Fortschritten geführt hätte. Der „Ruf nach dem Gesetzgeber“ war daher nicht überraschend. Wie so häufig ist jedoch das Ergebnis des Gesetzgebungsprozesses auch in diesem Fall ernüchternd. Das GgTFMF ist nicht nur ernsthaften verfassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt.118) Die Regelungen zur Geschlechterquote im Aufsichtsrat und zur Festsetzung von Zielgrößen und Erreichensfristen im Hinblick auf den Frauenanteil im Geschäftsführungsorgan sowie den beiden Ebenen darunter sind leider auch technisch unpräzise und lückenhaft, teilweise sogar geradezu unbeholfen.119) Die dadurch ausgelösten Umsetzungsschwierigkeiten und die mit dem Gesetz wachsende Bürokratisierung der Corporate Governance120) fallen daher negativ ins Gewicht und überschatten die positiven Impulse, die die Änderungen mit sich bringen werden. Dennoch: Die Investitionen der Unternehmen in den weiblichen Führungsnachwuchs werden (auch) infolge des GgTFMF zunehmen. Nur durch zusätzliche Anstrengungen in den Bereichen Recruitment, Aus- und Fortbildung sowie Weiterentwicklung der weiblichen Talente werden sich Unternehmen in die Lage versetzen, ihre Führungspositionen mit Frauen zu besetzen und gleichzeitig die Qualität ihrer Führungsetagen zu verbessern.
___________ 118) Vgl. Rn. 41 ff. 119) Dazu im Einzelnen in den nachfolgenden Kapiteln. 120) Seibt, ZIP 2015, 1193, 1208.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat Seibt/Kraack
Die mit dem GgTFMF121) eingeführte feste Geschlechterquote für den Auf- 59 sichtsrat börsennotierter und mitbestimmter Unternehmen stellt sein regulatorisches Kernstück dar. Gemeinsam mit den Pflichten zur Festlegung von Zielvorgaben für die Unternehmensleitung und die ersten beiden Führungsebenen bildet sie im GgTFMF ein Regulierungsmodell zweier komplementärer Säulen eines Gesamtkonzepts zur Förderung der gleichberechtigten Teilhabe der Geschlechter in Führungspositionen der Wirtschaft. Mit dem Zwei-Säulen-Modell des GgTFMF wird in doppelter Hinsicht eine 60 „Symbolgesetzgebung“122) umgesetzt: (1) Gegenüber der Öffentlichkeit wird die Vorgabe einer festen Geschlechterquote im Aufsichtsrat für börsennotierte und mitbestimmte Unternehmen als ausnahmslos und streng sanktioniertes Regelungsmodell präsentiert, um gesellschaftspolitische Gestaltungskraft zu demonstrieren und Sozialnormen zu prägen.123) Dabei hat die primär wertorientierte, gesellschaftspolitische Gesetzesmotivation durchaus ein für die Selbstregulierung ausreichendes volks- und betriebswirtschaftliches Gewicht (Stichworte: Bindung von Fachkräften; Verbesserung von kollektiven unternehmerischen Entscheidungen durch die Diversität in den Führungsgruppen).124) Der über die jetzige Quote hinausweisende rechtspolitische Fingerzeig dieser paternalistischen Gesetzgebung findet darin Ausdruck, dass die Festlegung der Quote auf „nur“ 30 % nach gesetzgeberischer Ansicht ein Kompromiss ist zwischen der langfristig erstrebten, möglichst gleichberechtigten, d. h. paritätischen Teilhabe von Männern und Frauen einerseits und andererseits dem Umstand, dass sich die Unternehmen erst auf den erhöhten Bedarf an Frauen einstellen müssten.125) (2) Darüber hinaus soll die Vorgabe einer festen Geschlechterquote im Aufsichtsrat Wirkung zeigen gegenüber den Unternehmen, die als entweder börsennotiert oder mitbestimmt (derzeit) nur der eingriffsschwächeren Verpflichtung zur autonomen Festlegung einer Zielgröße für den Frauenanteil in Organen und obersten Führungsebenen unterliegen. Sie fungiert also auch insoweit gleichsam als Menetekel möglicher ___________ 121) BGBl. 2015 I, 642. 122) So bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1194; zur „symbolischen Gesetzgebung“ Schmehl, ZRP 1991, 251 ff.; Hegenbarth, ZRP 1981, 201; Voß, Symbolische Gesetzgebung, 1989. 123) Vgl. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 32 („rein sozial-politische Maßnahme des Gesetzgebers, mit der er seine Vorstellungen von einer gerechten Gesellschaft (…) voranbringen möchte“); so bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1194; vgl. auch Begr. RegE Allg. Teil, BR-Drucks. 636/14, S. 48. 124) Zu ökonomischen Begründungsansätzen zusammenfassend Europäische Kommission, Women on boards: The economic arguments; vgl. auch McKinsey & Co, Women Matter: GCC women in leadership, 2014; Credit Suisse Research Institutes, CS Gender 3000: Women in senior management, 2014; Campbell/Minguez-Vera, Journal of Bus. Ethics 83 (2008), 435 ff.; aus der US-Literatur: Dezsö/Ross, Strategic Management Journal 33 (2012), 1072 ff.; zuvor bereits Shrader/Blackburn/Iles, Journal of Managerial Issues 9 (1997), 355 ff. 125) Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 120.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
Rechtsentwicklung bei „Misserfolg“ des Zielgrößenansatzes, um eine Teilhabe von Frauen in den Führungsebenen zu erreichen, „die einer paritätischen Besetzung nahekommen und zu kurzen Umsetzungsfristen führen“.126) 61 Der festen Geschlechterquote bei den vergleichsweise wenigen127) visiblen börsennotierten, mitbestimmten Unternehmen soll gesamtwirtschaftlich eine Signal- und Anreizwirkung zur gleichberechtigten Teilhabe auch in den übrigen Unternehmen zukommen. Den flexiblen Zielvorgaben für die vergleichsweise hohe Anzahl von entweder börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen soll die Funktion zukommen, qualifizierte Führungskräfte an das mittlere und obere Management heranzuführen, die wiederum den Pool geeigneter Kandidatinnen gerade auch für die großen Publikumsgesellschaften bilden können. Bei diesem Ansatz bleibt freilich außer Acht, dass die quotale Besetzung der Aufsichtsräte mit Frauen bereits zu Beginn des Jahres 2016 verpflichtend zu erfolgen hat, d. h. die Nachfrage nach qualifizierten Personen gerade zu Beginn des Geltungszeitraumes besonders hoch sein wird, während die Heranführung von Kandidatinnen über die flexiblen Zielvorgaben erst retardierend Wirkung zeitigen wird. 62 Obgleich das GgTFMF zweifelsohne breite parlamentarisch-politische Unterstützung erhielt128), ist doch vor dem Hintergrund der Erkenntnisse über die Vor- und Nachteile unternehmensnaher Selbstregulierung bei Fragen der Corporate Governance einerseits und staatlicher Zwangsregulierung andererseits129) sehr bedauerlich, dass der Gesetzgeber unter Verweis auf einen ver-
___________ 126) Begr. RegE zu § 76 Abs. 4 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 143. 127) Der Gesetzgeber geht davon aus, dass von dieser Regelung ca. 108 Gesellschaften, vor allem in den Rechtsformen der AG und KGaA, erfasst sind, Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 48; vgl. auch Pütz/Weckes, Geschlechterquote, Report Nr. 1-2014 der HansBöckler-Stiftung, 2014, S. 5. 128) Der Gesetzesentwurf wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen (die höhere Quoten von 40 % bzw. 50 % befürworteten) angenommen; vgl. BT-Plenarprotokoll 18/92 v. 6.3.2015, S. 8761. 129) Vgl. z. B. Bachmann, Private Ordnung passim; Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, § 16, S. 217 ff.; Bayer, NZG 2013, 1 ff.; krit. zur Selbstregulierung bei Geschlechterquoten Hohmann-Dennhardt, in: FS Pfarr, 2010, S. 235, 239.
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I. Anwendungsbereich und Pflichtenstandard
meintlichen Misserfolg der Selbstregulierung130) Zwangsregeln eingeführt hat. Dies wirkt umso schwerer, als die Regelung der ausnahmslosen und eingriffsintensiven, festen Geschlechterquote im Aufsichtsrat zum einen wegen des Risikos einer dadurch verursachten Über-Parität der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat131), zum anderen wegen sachwidriger Normanknüpfungsmerkmale (Börsennotierung und Mitbestimmungsregime),132) vor allem aber wegen des Fehlens einer Härtefallregelung,133) erheblichen Zweifeln der Verfassungs- und der Unionsrechtsmäßigkeit unterliegt.134) I. Anwendungsbereich und Pflichtenstandard 1. Sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich a) Sachlich-persönlicher Anwendungsbereich Gemäß § 96 Abs. 2 AktG muss sich der Aufsichtsrat von Gesellschaften, die 63 börsennotiert sind und der (quasi-)paritätischen Mitbestimmung nach MitbestG, MontanMitbestG oder MontanMitbestErgG unterliegen, zu mindestens je 30 % aus Frauen und Männern zusammensetzen. Die Börsennotie-
___________ 130) Vgl. Weckes, Geschlechterverteilung in Vorständen und Aufsichtsräten, März 2015; Pütz/Weckes, Geschlechterquote, Report Nr. 1-2014 der Hans-Böckler-Stiftung, 2014; Brandt, Gleichstellungsquote im Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, 2012, S. 93; vgl. auch Erster Gleichstellungsbericht – Neue Wege – Gleiche Chancen – Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf, Bericht der BFMSJ v. 11.11.2013, S. 237 („Ernüchternd fällt die Bestandsaufnahme zum Thema „Frauen in Führungspositionen“ aus. Dies betrifft sowohl die Leitungsebene als auch die Zusammensetzung von Aufsichtsräten und Vorstandspositionen. Zwar ist in der Privatwirtschaft der Frauenanteil in der ersten und zweiten Führungsebene von 1995 – 2010 kontinuierlich gestiegen (von 8,2 Prozent auf 19,6 Prozent), aber der Anteil weiblicher Topmanager bei großen Unternehmen mit mehr als 20 Millionen Euro Umsatz stieg lediglich von 3,2 Prozent auf 5,9 Prozent. Bei Aktiengesellschaften mit Notierung in einem DAX-Index liegt er sogar nur bei 3,2 Prozent (…) Auch die seit neun Jahren existierende freiwillige Vereinbarung der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft hat zu keiner Veränderung der Geschlechterverteilung in Führungspositionen geführt.“). 131) Hierzu z. B. Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 900. 132) A. A. Grobe, AG 2015, 289 f.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 32. – Die Begr. RegE zu § 96 Abs. 2 AktG behauptet, dass diese Unternehmen „einer besonderen Sozialbindung [unterliegen], weil sie nach ihrer Struktur auf eine Vielzahl von Anlegern zugeschnitten sind, und (…) aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gemessen an Mitarbeiterzahl und bzw. oder Umsatz in der Öffentlichkeit besonders wahrgenommen [werden]“, Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 144. 133) Hierzu überzeugend Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 37 f.; Habersack/ Kersten, DB 2014, 2819, 2828 f.; Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 262; dies., BB 2015, 898, 900; vgl. auch Windthorst, Stellungnahme RegE, S. 8; Rotsch, Stellungnahme RegE, S. 7; Mayer, Stellungnahme RegE, S. 7; a. A. Grobe, AG 2015, 289, 300 f. 134) Vgl. hierzu bereits Rn. 41 ff.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
rung und die (quasi-)paritätische Mitbestimmung sind hiernach kumulative Voraussetzungen.135) 64 Mit diesem Zuschnitt des sachlich-persönlichen Anwendungsbereichs der festen Geschlechterquote verbindet der Gesetzgeber sehr spezifische, vornehmlich sozialpolitische Zwecke. Die Quote zielt bewusst auf die großen, börsennotierten Publikumsgesellschaften in der Rechtsform der AG und KGaA, da diese „einer besonderen Sozialbindung [unterliegen], weil sie nach ihrer Struktur auf eine Vielzahl von Anlegern zugeschnitten sind, und aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gemessen an Mitarbeiterzahl und bzw. oder Umsatz in der Öffentlichkeit besonders wahrgenommen [werden]“.136) Noch während des Gesetzgebungsverfahrens wurde empfohlen, die kumulativen nur als alternative Voraussetzungen auszugestalten, weil insbesondere allein die mit der Börsennotierung einhergehende Anonymisierung der Aktionärsbasis sowie der Verlust ihres mitunternehmerischen Impetus als Anknüpfungspunkt für die gesteigerte Sozialbindung ausreichten.137) Diese Anregung zur Ausweitung des Anwendungsbereichs hat sich nicht durchzusetzen vermocht. 65 Dies verdeutlicht allerdings, dass im Vordergrund für den Zuschnitt des Anwendungsbereichs für den Gesetzgeber allein die Sozialbindung und die Visibilität der betroffenen Unternehmen am Markt standen. Der Anwendungsbereich rechtfertigt sich aus Sicht des Gesetzgebers also nicht primär aus einer bestimmten Erforderlichkeit oder Zweckmäßigkeit der festen Geschlechterquote gerade für diese Gesellschaften oder aus etwaigen rechtsökonomischen Effizienzerwägungen bezüglich der internen Corporate Governance. Die von der Gesetzesbegründung angeführte singuläre empirische Basis für einen „robusten, positiv signifikanten Performance-Effekt von Frauen in Aufsichtsräten“ lässt eine objektive Würdigung von Studien mit gegenteiligen oder nach Branchen und Wirtschaftskreisen differenzierenden Ergebnissen vermissen.138) Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Höhe des Frauenanteils im Aufsichtsrat und der Unternehmensperformance muss wissenschaftlich doch stark bezweifelt werden.139) Das Aktienrecht wird vielmehr (leider) rein sozialpolitisch in Dienst genommen, denn im Vordergrund steht allein die (erhoffte) Signal- und Sogwirkung für die gesamte deutsche Wirtschaft. ___________ 135) Ist eine Gesellschaft entweder nur börsennotiert oder nur (quasi-)paritätisch mitbestimmt, so finden anstatt der festen Geschlechterquote des § 96 Abs. 2 AktG die neuen Vorschriften zur Festlegung von Zielvorgaben für die Zusammensetzung von Aufsichtsrat, Vorstand und der zwei Führungsebenen unterhalb des Vorstands Anwendung, siehe hierzu noch Rn. 279 ff. (Kap. C). 136) Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 120. 137) Bundesrat, Empfehlung der Ausschüsse, BR-Drucks. 636/1/14, S. 6. 138) Die Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 42 beruft sich auf „Studien“, zitiert dann aber lediglich die im Jahre 2011 erschienene Studie „Frauen in Führungspositionen – Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg“ des Karlsruher Instituts für Technologie. Zu Studien mit gegenteiligen empirischen Ergebnissen siehe bereits Rn. 13 ff. 139) So auch DAI, Stellungnahme zum Regierungsentwurf, S. 5.
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I. Anwendungsbereich und Pflichtenstandard
aa) Rechtsform Die Regelung gilt zunächst für Gesellschaften in der Rechtsform der AG 66 und der KGaA. Sie gilt auch für börsennotierte Gesellschaften, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangenen und auf Grundlage des MgVG paritätisch mitbestimmt sind (§ 278 Abs. 3 AktG, § 96 Abs. 3 AktG).140) Die Regelung gilt schließlich auch für die börsennotierte, paritätisch mitbestimmte SE (vgl. § 17 Abs. 2 SEAG, § 24 Abs. 3 SEAG).141) Die feste Geschlechterquote knüpft an die Gesellschaft in einer bestimmten 67 deutschen Rechtsform an. Nicht anwendbar ist sie für Gesellschaften, die nach ausländischem Recht wirksam gegründet wurden und ihren Sitz nach Deutschland verlegt haben oder von Anfang an über einen Verwaltungssitz in Deutschland bei statutarischem Auslandssitz verfügen. Denn auch wenn die Regelungen zur festen Geschlechterquote aufgrund ihres (paternalistischen) Schutzzweckes innerstaatlich als zwingendes Recht ausgestaltet sind und überdies bei inländischem Verwaltungssitz regelmäßig eine hinreichend enge Inlandsbeziehung vorliegen dürfte, ist dennoch nicht davon auszugehen, dass diesen Regelungen im Wege der Auslegung ein internationaler Geltungswille entnommen werden kann.142) bb) Börsennotierung Börsennotiert i. S. d. § 96 Abs. 2 AktG sind nach § 3 Abs. 2 AktG nur Ge- 68 sellschaften, deren Aktien zum Handel an einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist. Diese Märkte umfassen zunächst den inländischen regulierten Markt i. S. d. 69 § 32 BörsG. Nicht erfasst ist hingegen der Freiverkehr i. S. d. § 48 BörsG;143) dies gilt auch für Segmente des sog. qualifizierten Freiverkehrs wie den Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse oder das Segment m:access der Börse München. Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 AktG – und damit derjenige der festen 70 Geschlechterquote des § 96 Abs. 2 AktG – beschränkt sich jedoch nicht auf Gesellschaften mit Zulassung ihrer Aktien zum Handel an inländischen regulierten Märkten. Er umfasst auch Zulassungen zu ausländischen Märkten, die dem regulierten Markt vergleichbar sind, weil sie von einer staatlich anerkannten Stelle geregelt und überwacht werden.144) Insoweit deckt sich der ___________ 140) Vgl. zum MgVG ausführlich Rn. 368 ff. (Kap. D.). 141) Vgl. zur SE ausführlich Rn. 329 ff. (Kap. D.). 142) Vgl. hierzu noch ausführlich Rn. 394 ff. (Kap. E.); ebenso Drygala, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 96 Rn. 35. 143) Vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, § 3 Rn. 6; OLG München, Beschl. v. 21.5.2008 – 31 Wx 62/07, ZIP 2008, 1137 = NZG 2008, 755, 758, dazu EWiR 2008, 461 (Goslar). 144) Begr. RegE, BT-Drucks. 13/9712, S. 12; vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, § 3 Rn. 6.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
Anwendungsbereich mit dem des organisierten Marktes i. S. d. § 2 Abs. 5 WpHG, der sich allerdings nur auf Märkte in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum beschränkt.145) Darüber hinaus erfasst sind damit auch Zulassungen zu vergleichbaren Märkten im außereuropäischen Ausland, wie insbesondere den US-amerikanischen Märkten der NYSE und NASDAQ, aber auch der Euronext.146) 71 Für die Eröffnung des Anwendungsbereichs erforderlich ist in jedem Falle die Zulassung der Aktien;147) die Stellung eines Antrags auf Zulassung reicht nicht aus. Auf kraft Antragstellung als (nur) „kapitalmarktorientiert“ i. S. d. § 264d HGB geltende Gesellschaften finden die Vorgaben des § 96 Abs. 2 AktG keine Anwendung. Die Zulassung ist aber zugleich auch hinreichend, denn es ist nicht erforderlich, dass die Aktien an dem betreffenden Markt auch gehandelt werden. cc) (Quasi-)Paritätische Mitbestimmung 72 Die feste Geschlechterquote findet gemäß § 96 Abs. 2 Satz 1 AktG, § 7 Abs. 3 MitbestG, § 5a MontanMitbestG, § 5a MontanMitbestErgG nur Anwendung auf Gesellschaften, für die neben der Börsennotierung das MitbestG, das MontanMitbestG oder das MontanMitbestErgG „gilt“. Aus dem im Unternehmensmitbestimmungsrecht aus Rechtssicherheitsgründen geltenden Statusquo-Prinzip oder Kontinuitätsprinzip (vgl. § 96 Abs. 2 AktG)148) folgt, dass nur solche Gesellschaften erfasst sind, deren Aufsichtsrat tatsächlich nach Maßgabe dieser Mitbestimmungsgesetze zusammengesetzt ist. Entscheidend ist der tatsächliche Ist-Zustand, nicht ein normativer Soll-Zustand.149) 73 Welches Mitbestimmungsregime anwendbar ist, muss also nach § 96 Abs. 2 AktG ggf. erst im Rahmen des Statusverfahrens nach §§ 97 ff. AktG ermittelt werden. Der Vorstand prüft im Rahmen der ihm obliegenden Sorgfalt, für eine ordnungsgemäße Besetzung der Leitungsorgane zu sorgen,150) ob der Aufsichtsrat nach den für ihn maßgeblichen Vorschriften zusammengesetzt ist. Ist dies seiner Ansicht nach nicht der Fall, so hat er dies gemäß § 97 AktG bekanntzumachen und über dieses außergerichtliche Verfahren zur ___________ 145) Vgl. Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, § 3 Rn. 5. 146) Vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, § 39 BörsG Rn. 16, 18; Werlen/Sulzer, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 45 Rn. 124, 125. Beispiele aus der Praxis: Affimed Therapeutics (Nasdaq; in D: Freiverkehr); Probiodrug AG (Euronext; in D: Freiverkehr); Voxeljet AG (NYSE; in D: Freiverkehr). 147) Ausreichend ist auch die Einbeziehung i. S. d. § 33 BörsG, siehe Drescher, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 3 Rn. 5. 148) Hierzu z. B. Seibt, ZIP 2010, 1057, 1063 f. m. w. N. in Fn. 53. 149) So bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1194; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 33; Fromholzer/Simon, AG 2015, 457, 458. 150) Vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG, § 104 Rn. 30.
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I. Anwendungsbereich und Pflichtenstandard
Herstellung von Rechtssicherheit über das anwendbare Mitbestimmungsregime zu sorgen. Ist streitig oder ungewiss, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, so kann der Vorstand, insbesondere aber auch jedes Aufsichtsratsmitglied selbst sowie jeder Aktionär über das gerichtliche Statusverfahren nach §§ 98 ff. AktG insoweit für Rechtssicherheit sorgen. (1) MitbestG Dem MitbestG unterfallen nach § 1 Abs. 1 und 2 MitbestG Unternehmen in 74 der Rechtsform der AG und KGaA (sowie insbesondere der GmbH und Genossenschaft), wenn die Gesellschaft „in der Regel“ mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt und nicht den Regimen des MontanMitbestG oder des MontanMitbestErgG unterliegt. Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind nach § 1 Abs. 4 MitbestG sog. Tendenzunternehmen (Satz 1) und Religionsgemeinschaften (Satz 2). Unterliegt eine Gesellschaft trotz Rechtsform und Arbeitnehmerzahl als sog. Tendenzunternehmen i. S. v. § 1 Abs. 4 MitbestG nicht der paritätischen Mitbestimmung, so gilt die Vorgabe der festen Geschlechterquote auch nicht.151) Für die Beschäftigung von „in der Regel“ mehr als 2.000 Arbeitnehmern ist der tatsächliche Personalbestand über einen längeren Zeitraum entscheidend, ohne dass kurzzeitige oder saisonbedingte Schwankungen Berücksichtigung finden können.152) Die künftige Entwicklung des Personalbestandes unterliegt einer Prognose, die den Beschäftigtenbestand der Vergangenheit und gleichzeitig aber auch die künftige Entwicklung berücksichtigt; nach Rechtsprechung und h. Lit. soll hierfür ein Referenzzeitraum von 18 – 24 Monaten zugrunde zu legen sein.153) Erweitert wird der Anwendungsbereich durch § 5 MitbestG, nach dessen 75 Abs. 1 Satz 1 auch Arbeitnehmern abhängiger Konzernunternehmen das aktive und passive Wahlrecht gewährt wird, sodass die Muttergesellschaft kraft Zurechnung dieser Arbeitnehmer den Schwellenwert von 2.000 Arbeitnehmern überschreitet und damit der paritätischen Mitbestimmung unterfällt. Eine substantielle Erweiterung könnte die Anwendbarkeit des MitbestG erfahren, wenn für diesen Schwellenwert auch die Arbeitnehmer in ausländischen Konzerngesellschaften zu berücksichtigen wären. Dies hat jüngst das LG Frankfurt a. M. im Rahmen eines Statusverfahrens (Deutsche Börse) angenommen.154) Dieses Gericht tritt der von ihm zur Kenntnis genommenen herrschenden Auffassung, wonach eine Zurechnung der Arbeitnehmer ausländischer Konzernunternehmen aufgrund des völkerrechtlichen Territoriali___________ 151) 152) 153) 154)
Seibt, ZIP 2015, 1193, 1194; Stüber, DStR 2015, 947. BT-Drucks. 7/4845, S. 4. Hierzu m. w. N. Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, § 1 DrittelbG Rn. 11. LG Frankfurt a. M., Beschl. v. 16.2.2015 – 3-16 O 1/14 (Deutsche Börse), ZIP 2015, 634 (m. Anm. Krause, S. 636) = DB 2015, 634, dazu EWiR 2015, 245 (Wansleben); siehe hierzu Seibt, DB 2015, 912.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
tätsprinzips nicht stattfindet, mit der Begründung entgegen, dass eine solche Einschränkung im MitbestG keinen Wortlautniederschlag gefunden habe. Vielmehr sei eine streng konzernrechtliche Betrachtung angängig, wonach die Arbeitnehmer aller Gesellschaften, die in einem Abhängigkeitsverhältnis (§ 17 Abs. 1, § 18 AktG) zur Obergesellschaft und unter deren einheitlicher Leitung (§ 18 Abs. 1 AktG) stehen, bei der Obergesellschaft für die Zwecke der Bestimmung des Mitbestimmungsregimes und der Zusammensetzung des Aufsichtsrates zu berücksichtigen sind. Eine andere Behandlung von EUUnternehmen verstoße nach Ansicht des Gerichts auch gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV) und führe zur „Wettbewerbsverzerrung“.155) Die Entscheidung des LG Frankfurt a. M. verdient de lege lata keine Unterstützung.156) Der postulierten Ansicht, das deutsche Mitbestimmungsrecht sei unter dem Aspekt des Diskriminierungsverbots und der Arbeitnehmerfreizügigkeit europarechtswidrig bzw. jedenfalls europarechtskonform auszulegen, ist in einer dem Urteil des LG Frankfurt a. M. nachfolgenden Entscheidung auch das LG Berlin (TUI) entgegengetreten.157) Es stärkt damit die herrschende Meinung, der zufolge trotz der beachtlichen rechtspolitischen Kritik an dem Territorialitätsbezug der Unternehmensmitbestimmungsgesetze festzuhalten ist.158) Zum einen ist die Auseinandersetzung über den Territorialitätsbezug des MitbestG im damaligen Gesetzgebungsverfahren behandelt und zugunsten einer Territorialitätsbeschränkung gelöst worden159) und zum anderen verstößt der Territorialitätsbezug auch nicht gegen das Unionsrecht.160) Sollte sich die Auffassung des LG Frankfurt a. M. durchsetzen, wäre – nach Durchführung entsprechender Statusverfahren – mit einer starken Zunahme der der festen Geschlechterquote unterfallenden Gesellschaften zu rechnen. Diejenigen Unternehmen mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern in Auslandstochtergesellschaften, deren Organe ___________ 155) Für eine unionsrechtsgemäße Auslegung des MitbestG in der Frage aktiver und passiver Wahlberechtigung von im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern unter § 7 MitbestG siehe OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.2.2014 – 3 W 150/13, ZIP 2014, 1224 = NZG 2014, 740, dazu EWiR 2015, 105 (Wansleben) (obiter dictum). 156) Hierzu ausführlich Seibt, DB 2015, 912 ff. 157) LG Berlin, Beschl. v. 1.6.2015 – 102 O 65/14 AktG, DB 2015, 1588; hierzu Seibt, DB 2015, 1592. 158) Zur h. M. siehe nur Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, § 3 MitbestG Rn. 1, § 3 DrittelbG Rn. 4; Oetker, in: Erfurter-Komm, § 3 MitbestG Rn. 7. 159) BT-Drucks. 7/4845, S. 4: „Im [Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung] bestand Einmütigkeit darüber, […] dass die im Gesetzesentwurf festgelegten Beteiligungsrechte nur den Arbeitnehmer der in der Bundesrepublik belegenden Betriebe dieser Unternehmen zustehen. Im Ausland gelegene Tochtergesellschaften und deren Betriebe im Inland von unter das Gesetz fallende Unternehmen zählen bei der Errechnung der maßgeblichen Arbeitnehmerzahl nicht mit“. 160) Das Unternehmensmitbestimmungsrecht ist insbesondere keine „sonstige Arbeitsbedingung“ i. S. v. Art. 45 Abs. 2 AEUV (so aber Rieble/Latzel, EuZA 2011, 145, 156 ff.), auch liegt keine mittelbare Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit (Art. 18 AEUV) vor; ebenso Teichmann, ZIP Beilage 48/2009, 10 ff., anders Hellwig/ Behme, AG 2009, 261, 265; Latzel, Gleichheit in der Unternehmensmitbestimmung, Rn. 341.
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Seibt/Kraack
I. Anwendungsbereich und Pflichtenstandard
bisher nicht nach dem MitbestG oder allenfalls nach dem DrittelbG zusammengesetzt sind, hätten sich zunächst über ein Statusverfahren Gewissheit über das auf sie an sich anwendbare Mitbestimmungsregime zu verschaffen. Einstweilen ist zu hoffen, dass das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. als zuständiges Beschwerdegericht die erstinstanzliche Entscheidung aufhebt und das Kammergericht Berlin die Rechtsauffassung des LG Berlin bestätigt; bis zur Klärung der Rechtslage ist die Geschäftsleitung nicht zur Durchführung eines Statusverfahren verpflichtet. (2) MontanMitbestG Dem Sonderregime der paritätischen Mitbestimmung nach dem Montan- 76 MitbestG161) unterfallen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 MontanMitbestG Unternehmen in der Rechtsform einer AG (oder GmbH), wenn deren überwiegender Betriebszweck162) in der Förderung oder Verarbeitung von Steinoder Braunkohle sowie Eisenerz liegt und sie der Bergaufsicht unterstehen (lit. a)). Es werden zudem Unternehmen der eisen- und stahlerzeugenden Industrie (einschließlich der Herstellung von Walzwerkerzeugnissen) sowie deren Tochterunternehmen unter gewissen Voraussetzungen in den Anwendungsbereich einbezogen (lit. b) und c)). Zugleich müssen diese „in der Regel“ mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigen oder sog. „Einheitsgesellschaften“163) sein. Die Bedeutung der Mitbestimmungsregime der Montanindustrie sinkt aller- 77 dings in der Praxis; so werden vom MontanMitbestG (und MontanMitbestErgG, siehe sogleich) heute nur noch ca. 40 Unternehmen erfasst.164) Bedeutsam für den Anwendungsbereich der festen Geschlechterquote ist allerdings die Verlängerungsklausel nach § 1 Abs. 3 MontanMitbestG. Hiernach gelten die Vorschriften des MontanMitbestG für einen Übergangszeitraum von sechs Jahren fort, wenn ein Unternehmen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 MontanMitbestG nicht mehr erfüllt oder nur noch 1000 oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt.165) (3) MontanMitbestErgG Das MontanMitbestErgG erfasst Unternehmen in der Rechtsform einer AG 78 (oder GmbH), die ein dem MontanMitbestG unterliegendes Unternehmen ___________ 161) Zu den Besonderheiten gegenüber dem MitbestG zusammenfassend Seibt, in: Henssler/ Willemsen/Kalb, § 1 MontanMitbestG Rn. 1. 162) Hierzu Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, § 1 MontanMitbestG Rn. 9; Oetker, in: Erfurter-Komm, § 1 MontanMitbestG Rn. 2 ff. 163) Im Sinne des Gesetzes Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission vom 16. Mai 1950 (Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission für Deutschland, S. 299), vgl. hierzu Wlotzke/Wißmann, DB 1981, 623, 628. 164) Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 96 AktG Rn. 4. 165) Von der Verlängerungsklausel nicht erfasst wird allerdings der Rechtsformwechsel, zum Ganzen Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 96 Rn. 10.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
beherrschen, ohne selbst diesem Gesetz zu unterliegen (§§ 1, 2 MontanMitbestErgG). Der Zweck des Unternehmensverbunds muss durch mindestens ein Unternehmen geprägt sein, das der Montanmitbestimmung unterliegt.166) Dies ist nach §§ 3 Abs. 2, 4 MontanMitbestErgG schon bei einer Montanquote von 20 % gegeben, d. h. wenn die unter das MontanMitbestG fallenden Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen mindestens ein Fünftel der Umsätze sämtlicher Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen erzielen oder i. d. R. mehr als ein Fünftel der Arbeitnehmer sämtlicher Konzernunternehmen und abhängigen Unternehmen beschäftigen. 79 Auch hier ist in zeitlicher Hinsicht zu berücksichtigen, dass das MontanMitbestErgG gemäß § 16 Abs. 2 MontanMitbestErgG nur dann nicht mehr anzuwenden ist, wenn in sechs aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die Voraussetzungen der Montanquote nach § 3 MontanMitbestErgG nicht mehr vorliegen oder kein dem MontanMitbestG unterliegendes Unternehmen beherrscht wird. (4) Unanwendbarkeit auf DrittelbG und privatautonome Mitbestimmungsvereinbarungen 80 Nicht erfasst vom Anwendungsbereich der festen Geschlechterquote sind Gesellschaften, auf die das DrittelbG anwendbar ist, weil sie i. d. R. mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen (§ 1 Abs. 2 DrittelbG) und deren Aufsichtsrat daher zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzt sein muss, vgl. § 4 Abs. 1 DrittelbG, § 96 Abs. 1 Var. 4 AktG. Gesellschaften dieser Größenordnung, d. h. von i. d. R. mehr als 500 aber weniger als 2.000 Arbeitnehmern, misst der Gesetzgeber keine vergleichbare Sozialbindung und Visibilität am Markt zu, die es rechtfertigte, auch sie der festen Geschlechterquote zu unterwerfen. 81 Nicht von der festen Geschlechterquote erfasst sind auch Gesellschaften, die aufgrund privatautonomer Vereinbarungen eine paritätische Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat (und ggf. die Funktion eines Arbeitsdirektors im Vorstand) geregelt haben (argumentum e contrario § 96 Abs. 3 Satz 1 AktG, § 17 Abs. 2 SEAG: Arbeitnehmervertretung kraft Beteiligungsvereinbarung).167) b) Zeitlicher Anwendungsbereich 82 Den zeitlichen Anwendungsbereich der verpflichtenden Geschlechterquote des § 92 Abs. 2 AktG regeln die Übergangsvorschriften in § 25 Abs. 2 EGAktG und § 40 MitbestG sowie § 22 MontanMitbestErgG. ___________ 166) Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, § 1 MontanMitbestG Rn. 22; Henssler, in: Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, § 96 AktG Rn. 5. 167) So bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1194; für einen Überblick zu privatautonomen Mitbestimmungsvereinbarungen Seibt, AG 2005, 413.
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I. Anwendungsbereich und Pflichtenstandard
Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 EGAktG ist die Vorgabe der 30 %igen Geschlech- 83 terquote nach § 92 Abs. 2 AktG bei Wahlen oder Entsendungen zu berücksichtigen, die ab dem 1. Januar 2016 erforderlich werden. Für den Fall, dass die neu zu besetzenden Sitze im Aufsichtsrat nicht ausreichen, um den Mindestanteil zu erreichen, sind die Sitze gemäß Satz 2 mit Personen des unterrepräsentierten Geschlechts zu besetzen, um dessen Anteil sukzessive zu erhöhen. Gemeint ist mit Blick auf die Rechtsfolge des „leeren Stuhls“, dass sämtliche nach diesem Zeitpunkt kraft Amtszeitende zu uneinheitlichen Zeitpunkten (sog. Staggered Board), Amtsniederlegungen oder Abberufungen frei werdenden Sitze quotengerecht zu besetzen sind, bis die 30 %-Schwelle erreicht ist. Nach Satz 3 besteht Bestandsschutz für bestehende Mandate. Nach dieser – nur klarstellenden – Vorschrift hat die Quotenvorgabe keine Auswirkung auf aktuelle Bestellungen; diese bestehen wirksam fort. Kein Bestandsschutz besteht für den Fall der Wiederbestellung.168) Dieselbe Übergangsregelung gilt nach § 25 Abs. 3 EGAktG auch für die Fälle 84 des § 96 Abs. 3 AktG, d. h. für aus grenzüberschreitenden Verschmelzungen hervorgegangene (börsennotierte) Gesellschaften, die auf Grundlage des MgVG paritätisch mitbestimmt sind.169) Für die Geltung der verbindlichen Geschlechterquote auf Seiten der Arbeit- 85 nehmer sehen § 40 MitbestG und inhaltsgleich § 22 MontanMitbestErgG eine entsprechende Übergangsregelung vor. Diese Übergangsregelungen tragen dem Umstand Rechnung, dass die Wahl der Arbeitnehmervertreter erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann und ein Wahlverfahren über den Zeitpunkt der Anwendbarkeit der verbindlichen Quote hinaus andauern kann.170) Nach dem jeweiligen Abs. 2 findet die Neuregelung auf Wahlen bei Getrennterfüllung nach § 92 Abs. 2 Satz 3 AktG Anwendung, die bis zum 31. Dezember 2015 noch nicht abgeschlossen sind. Wann eine Wahl abgeschlossen ist, regelt der jeweilige Abs. 3 beider Vorschriften. Keine Übergangsregelung besteht für den Fall der Gesamterfüllung nach § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG für Wahlen, die bis zum 31. Dezember 2015 nicht abgeschlossen sind. Eine Übergangsregelung für die nach dem MontanMitbestG zu besetzenden Aufsichtsräte ist nach Ansicht des Gesetzgebers nicht erforderlich, denn hier werden die Arbeitnehmervertreter auf verbindlichen Vorschlag der Betriebsräte hin von der Hauptversammlung gewählt. Aufgrund dieses strukturell unterschiedlichen Verfahrens ist eine Übergangsregelung entbehrlich.171)
___________ 168) Vgl. Herb, DB 2015, 964, 967. 169) Vgl. hierzu noch ausführlich Rn. 368 ff. (Kap. D.). 170) Die Wahlordnungen zum MitbestG und MitbestErG gehen von Zeiträumen zwischen 19 und 50 Wochen für die erforderlichen Vorbereitungen und die Wahl aus, siehe Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 45. 171) Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 46.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
2. Pflichtenstandard 86 Der Aufsichtsrat der bestimmten Gesellschaften hat sich gemäß § 96 Abs. 2 AktG zu je mindestens 30 % aus Frauen und Männern zusammenzusetzen. De jure handelt es sich zwar um eine für beide Geschlechter geltende Quote, de facto besteht zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes Regelungsbedarf – jedenfalls im Regelfall – nur für den Anteil weiblicher Mitglieder des Aufsichtsrats in den betroffenen Gesellschaften.172) 87 Es handelt sich hierbei um eine starre Quote, die vorerst aus praktischen Bedürfnissen „nur“ auf 30 % beschränkt ist173) und zudem de lege lata keine Regeln für Ausnahme- oder Härtefälle vorsieht. Auch steht die Quote nicht unter dem Vorbehalt der Eignungsgleichheit. Beides ist nicht nur unter praktischen Gesichtspunkten, sondern auch verfassungs- und europarechtlich bedenklich.174) II. Modi der Berechnung und Besetzung 1. Überblick und Berechnungsmodus a) Überblick 88 § 96 Abs. 2 Satz 1 AktG sieht vor, dass „sich der Aufsichtsrat zu mindestens 30 % aus Frauen und zu mindestens 30 % aus Männern zusammensetzt“ und entsprechend formulieren § 7 Abs. 3 MitbestG, § 5a MontanMitbestG, § 5a MontanMitbestErgG, dass im Aufsichtsrat „Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 30 % vertreten“ sind. 89 Für die Qualifikation als Frau oder Mann ist die personenstandsrechtliche Einordnung maßgeblich.175) Für die Geschlechterquote im Aufsichtsrat ist mithin die klassische, binäre Geschlechtereinteilung entscheidend, obwohl diese nach allgemeinem Personenstandsrecht erst im Jahre 2013 zugunsten der Berücksichtigung intersexueller Personen aufgegeben wurde. Dies wirft nicht nur Fragen der Darlegungs- und Beweislast bezüglich des Geschlechts und des maßgeblichen Zeitpunkts der Bestimmung auf,176) sondern hat einstweilen auch zur Folge, dass intersexuelle Personen von der Geschlechterquote nicht nur nicht protegiert, sondern bei Berechnung des unterrepräsentierten Geschlechts – unter dem gesetzlich angestrebten Gesichtspunkt der An___________ 172) Siehe zur Empirie Rn. 4 ff.; vgl. auch Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 120. 173) Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 120; vgl. hierzu auch Rn. 60 und 41 ff. 174) Zu den praktischen Problemen der Besetzung siehe Rn. 140 ff.; zu den verfassungsrechtlichen Problemen siehe Rn. 41 ff. 175) So bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1194; zur Aufgabe der Binarität der Geschlechter im Hinblick auf intersexuelle Menschen vgl. § 22 Abs. 3 PStG n. F. (BGBl. 2013 I, 1122). 176) Stüber, CCZ 2014, 261, 262 Fn. 17; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 52 (personenstandsrechtlich maßgeblich ist die Verwendung eines männlichen oder weiblichen Vornamens im Personalausweis zum Zeitpunkt des Wahlvorschlags).
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Seibt/Kraack
II. Modi der Berechnung und Besetzung
tidiskriminierung bedenklich177) – de facto stets dem überrepräsentierten Geschlecht zugerechnet werden. Ähnliche Probleme können sich für Transsexuelle stellen.178) § 96 Abs. 2 Satz 2 AktG statuiert sodann den Grundsatz, dass die Quote von 90 30 % vom Aufsichtsrat insgesamt, d. h. vom Gesamtorgan zu erfüllen ist („Gesamterfüllung“). Nach Satz 3 ist die Quote von der Anteilseigner- und Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat getrennt zu erfüllen, wenn entweder die Seite der Anteilseigner- oder die der Arbeitnehmervertreter der Gesamterfüllung widerspricht („Getrennterfüllung“). Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis hielt erst mit dem Regierungsentwurf Einzug, sah der Referentenentwurf doch noch vor, dass die Quote auf Anteilseigner- und Arbeitnehmerseite gesondert erfüllt werden muss.179) Für MgVG-Gesellschaften und SE gilt stets das Prinzip der Gesamterfüllung.180) Die Quote berechnet sich sowohl im Falle der Gesamt- als auch im Falle der 91 Getrennterfüllung bezogen auf die Gesamtzahl der Aufsichtsratsmitglieder.181) Maßgeblich ist daher die gesetzes- oder satzungsmäßige Sollstärke; ignoriert werden also mögliche statutenwidrige Vakanzen und berücksichtigt werden etwaige, durch Satzungsregelung zulässige und in der Praxis nicht selten vorkommende Mitgliederzahlerhöhungen.182) Abweichend von der satzungsmäßigen Gestaltungsfreiheit für die Größe des Aufsichtsrats der AG nach § 95 Satz 2 – 4 AktG ist die Satzungsfreiheit bei der Festlegung der Sollstärke für mitbestimmte Gesellschaften jedoch stark reglementiert (vgl. § 95 Satz 5 AktG). Aufsichtsräte für Gesellschaften, die dem MitbestG unterliegen, haben in Ab- 92 hängigkeit davon, wie viele Arbeitnehmer sie i. d. R. beschäftigen, gemäß § 7 Abs. 1 MitbestG zwingend entweder zwölf, 16 oder 20 Mitglieder. Das Gremium ist hierbei paritätisch mit Mitgliedern der Anteilseigner und Arbeitnehmer besetzt. Gestaltungsspielraum in der Satzung besteht insofern nicht. Aufsichtsräte für Gesellschaften, die dem MontanMitbestG unterliegen, haben 93 grundsätzlich elf Mitglieder (§ 4 Abs. 1 MontanMitbestG). Darüber hinaus kann – in Abhängigkeit von der Höhe des Nennkapitals – die Satzung vor___________ 177) Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des 4. Ausschusses zum PStRÄndG, BTDrucks. 17/12192, S. 11 unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Deutschen Ethikrats zum Thema Intersexualität, BT-Drucks. 17/9088, S. 41 ff. 178) Vgl. Mutter, AG 2014, R218. 179) Siehe den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, 9. September 2014 (abrufbar unter http://www.brak.de/w/files/newsletter_archiv/berlin/ 2014/378anlage1.pdf). Zur Kritik von Seiten der Gewerkschaften an dem Grundsatz der Gesamterfüllung z. B. Hannack, Stellungnahme DGB zum RegE, S. 37. 180) Vgl. hierzu noch Rn. 368 ff. (Kap. D.). 181) Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 120. 182) Zur Praxis der Mitgliederzahlerhöhung Ehrenstein, Mitbestimmung, 4+5/2015, S. 49 (52 Hochstufungen auf 20er Aufsichtsrat).
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
sehen, dass der Aufsichtsrat 15 oder 21 Mitglieder hat (§ 9 Abs. 1 und 2 MontanMitbestG). Aufsichtsräte für dem MontanMitbestErgG unterfallende Gesellschaften haben grundsätzlich 15 Mitglieder (§ 5 Abs. 1 Satz 1 MontanMitbestErgG) oder – kraft Satzungsregelung – 21 Mitglieder (§ 5 Abs. 1 Satz 3 MontanMitbestErgG). 94 Die nach dem MontanMitbestG und dem MontanMitbestErgG erforderlichen sog. „neutralen“ Mitglieder werden im Falle der Gesamterfüllung – anders als bei Widerspruch und Getrennterfüllung183) – für die Berechnung quotengerechter Besetzung des Gesamtgremiums mitgezählt. Dies erklärt sich vor dem Hintergrund, dass nur bei Getrennterfüllung die in Bezug auf die Geschlechterquote bestehenden partikularen Interessen der Aufsichtsratsseiten, denen sich das neutrale Mitglied kraft seiner Stellung nicht zuordnen lässt,184) zum Ausdruck kommen. b) Berechnungsmodus 95 Der Berechnungsmodus der Quote von 30 % ist sowohl im Falle der Gesamterfüllung wie auch im Falle der Getrennterfüllung gleich. Die Gesamtzahl der gesetzes- oder satzungsmäßig geforderten Aufsichtsratssitze ist mit 0,3 zu multiplizieren (Multiplikatoransatz).185) 96 Da das Ergebnis in den meisten Fällen nicht auf volle Aufsichtsratssitze lautet, sondern ein Bruch ist, sieht § 96 Abs. 2 Satz 4 AktG vor, dass in allen Fällen auf volle Personenzahlen „mathematisch“ auf- bzw. abzurunden ist. Gemäß dem Gesetzeswortlaut und entgegen der Gesetzesbegründung186) und erster Stimmen in der Literatur187) ist mathematisch und nicht kaufmännisch zu runden.188) Mathematisches Runden189) bedeutete, dass abzurunden ist, wenn die der Rundungsstelle190) nachfolgende Stelle eine 1, 2, 3 oder 4 ist. Ist die nachfolgende Stelle eine 6, 7, 8 oder 9, ist aufzurunden. Wenn die nachfolgende Stelle eine 5 ist, so ist zu differenzieren. Wenn die der fünf folgende Stelle größer als Null ist, ist aufzurunden; ist die folgende Stelle gleich ___________ 183) Vgl. hierzu sogleich Rn. 146. 184) Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 121 sowie BR-Drucks. 636/14, S. 145. 185) Hierzu Schulz/Ruf, BB 2015, 1155 (allerdings mit Fehlverweisung auf Begr. RegE); vgl. auch Seibt, ZIP 2015, 1193, 1195. 186) Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 120 und S. 44, allerdings ohne Bezeichnung als mathematisches Runden. 187) Kaufmännische Rundungsregeln wenden (ohne Diskussion) an: Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 899; Stüber, DStR 2015, 947, 949; unklar Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 50. 188) Für ein mathematisches Runden Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1156; Seibt, ZIP 2015, 1193, 1195 f.; implizit ebenso Herb, DB 2015, 964, 965. – Im Überblick zu den Rundungsmethoden und ihren Regeln siehe bei Wikipedia unter http://de.wikipedia.org/ wiki/Rundung (Stand: 25.7.2015). 189) 754-2008 – IEEE Standard for Floating-Point Arithmetic. 190) Dies ist die Stelle, auf die gerundet werden soll, d. h. die letzte beizubehaltende Ziffer.
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II. Modi der Berechnung und Besetzung
Null, so ist derart zu runden, dass die Ziffer der Rundungsstelle eine gerade wird. In diesem letzten Aspekt unterscheidet sich das mathematische vom kaufmännischen Runden. Kaufmännisches Runden191) bedeutet, dass abzurunden ist, wenn die der Rundungsstelle nachfolgende Ziffer eine 0, 1, 2, 3 oder 4 ist, und aufzurunden ist, wenn diese Ziffer eine 5, 6, 7, 8 oder 9 ist. In Bezug auf die Geschlechterquote ist die Anwendbarkeit der Rundungsregeln nur192) im Falle eines aus 15 Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrats erheblich193), denn bei einem Multiplikatorergebnis von 4,50 ergäbe sich nach kaufmännischer Regel eine Aufrundung auf fünf Sitze, nach mathematischer Regel jedoch eine Abrundung auf vier Sitze. Die Anwendung dieser Regeln führt in Einzelfällen bei den Prinzipien der 97 Gesamterfüllung und der Getrennterfüllung zu unterschiedlichen Ergebnissen. 2. Grundsatz der Gesamterfüllung Auf der Grundlage der allgemeinen Ansätze zur Quotenberechnung nach dem 98 Prinzip der Gesamterfüllung ergeben sich für die Zahl der Quotensätze bei verschiedenen Szenarien folgende Ergebnisse194): Mitbestimmungsregime
Anzahl der Aufsichtsräte
30 % (rechnerischer Wert)
Quotensitze
Effektiver Quotenanteil in %
MitbestG
12
3,60
4
33,33
MitbestG
16
4,80
5
31,25
MitbestG
20
6,00
6
30,00
MontanMitbestG
11
3,30
3
27,27
MontanMitbestG/ MontanMitbestErgG
15
4,50
4
26,67
MontanMitbestG/ MontanMitbestErgG
21
6,30
6
28,57
___________ 191) Zu den kaufmännischen Rundungsregeln siehe DIN 1333: 1992-02 (D), S. 8. 192) Einzig weiterer, rechnerisch denkbarer Fall, bei dem das Multiplikatorergebnis ebenfalls eine 5 auf erster Dezimalstelle ausweist, betrifft die nach Getrennterfüllung zu besetzenden Seiten eines nach dem MontanMitbestG mit elf Personen besetzten Aufsichtsrats; bei je fünf Vertretern lautet das Multiplikatorergebnis auf 1,5. Hier ergeben sich jedoch nach kaufmännischer wie auch nach mathematischer Rundung dasselbe Ergebnis, denn auch nach letzterer Methode ist auf eine gerade Zahl zu runden, d. h. hier ebenfalls 2. 193) Im Überblick zur unterschiedlichen Berechnung Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1156. 194) Bereits in Seibt, ZIP 2015, 1193, 1196; Tabelle folgt im Aufbau Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1156.
Seibt/Kraack
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
99 Die nach dem MontanMitbestG und dem MontanMitbestErgG erforderlichen sog. „neutralen“ Mitglieder werden im Falle der Gesamterfüllung – anders als bei Getrennterfüllung195) – für die Berechnung quotengerechter Besetzung des Gesamtgremiums mitgezählt.196) 100 Aus dieser Aufstellung ergeben sich zwei Besonderheiten: Für einen 15köpfigen Aufsichtsrat (MontanMitbestG; MontanMitbestErgG) ergibt die Anwendung der mathematischen Rundungsregeln vier Quotensitze, während bei Anwendung der kaufmännischen Rundungsregeln fünf Quotensitze zu besetzen wären197). Darüber hinaus wird deutlich, dass durch die Anwendung der mathematischen Rundungsregeln bei mitbestimmten Unternehmen der Montanindustrie (MontanMitbestG; MontanMitbestErgG) eine effektive Mindestquote von 30 % nicht erreicht wird. Anders als § 96 Abs. 2 Satz 4 AktG in der Fassung des Referentenentwurfs, der in jedem Fall eine Aufrundung vorsah, ist wegen der finalen Gesetzesfassung dem „Rundungsergebnis“ Vorrang vor der Generalklausel des § 96 Abs. 2 Satz 1 AktG einzuräumen198). 101 Im Falle der Gesamterfüllung kann das Verhältnis der Geschlechter zwischen beiden Seiten ungleich verteilt sein; es spielt keine Rolle, welche der beiden Seiten mehr oder weniger weibliche bzw. männliche Mitglieder hat.199) 3. Getrennterfüllung bei Widerspruch zur Gesamterfüllung 102 Widerspricht die Seite der Anteilseigner- oder Arbeitnehmervertreter der Gesamterfüllung gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden, so ist nach § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG der Mindestanteil für diese Wahl von der Seite der Anteilseigner und der Seite der Arbeitnehmer getrennt zu erfüllen. a) Widerspruch aa) Zweck und Funktionsweise 103 Zu Sinn und Zweck der Widerspruchsmöglichkeit mit Getrennterfüllungsfolge sind die Gesetzgebungsmaterialien auffällig dünn, was daran liegt, dass es sich bei diesem erst am Ende des Gesetzgebungsverfahrens in das Gesetz eingeführten Konzept um eine vorrangig politische Kompromisslösung des Koalitionsausschusses handelt. Die erst im RegE eingefügte Möglichkeit der Gesamterfüllung (und dieser Modus als Grundsatzregelung) bietet allerdings den jeweiligen Wahlkörpern der Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter eine größere Flexibilität bei der Erfüllung der Geschlechterquote, und zwar ___________ 195) 196) 197) 198) 199)
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Vgl. hierzu sogleich Rn. 102 ff. Vgl. bereits Rn. 94. Zutr. Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1156; folgend Seibt, ZIP 2015, 1193, 1196. Seibt, ZIP 2015, 1193, 1197; ebenso Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1156. Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 120.
Seibt/Kraack
II. Modi der Berechnung und Besetzung
unter zwei Gesichtspunkten200): (1) Die Übererfüllung durch eine Aufsichtsratsseite erlaubt es der anderen, entsprechend weniger Quotensitze bestellen zu müssen.201) Bislang ist der Frauenanteil unter den Arbeitnehmervertretern höher als bei den Anteilseignervertretern, sodass vielfach vermutet wird, dass die Gesamtlösung in der Tendenz die Wahlfreiheit der Hauptversammlung vergrößern könnte.202) Allerdings bedarf es zur Nutzung dieser Flexibilität einer Vorabstimmung zwischen relevanten Vertretern der jeweiligen Wahlkörper, da andernfalls bereits wegen des zeitlichen Auseinanderfallens der Wahlen Koordinationsprobleme auftreten, und zudem verbleibt auch bei einer Vorabstimmung eine (Rest-)Unsicherheit über den tatsächlichen Ausgang der jeweiligen Wahlen. (2) Beim 11-köpfigen MontanMitbestG-Aufsichtsrat ist ein Quotensitz weniger zu besetzen. Aufgrund des Koordinationsproblems und des Erfüllungsrisikos hat der Ge- 104 setzgeber beiden Aufsichtsratsseiten ein Widerspruchsrecht eingeräumt, bei dessen Ausübung der Erfüllungsmodus vom Grundsatz der Gesamterfüllung zum Prinzip der Getrennterfüllung wechselt. Dabei wird im Regelfall die Arbeitnehmerseite das Widerspruchsrecht im Hinblick auf die eigene Vertreterwahl ausüben, wenn die Anwendung der Getrennterfüllung für ihre Seite ausschließlich positiv ist (insbes. 16-köpfiger MitbestG-Aufsichtsrat). Für den Regelfall der zeitlich vorlaufenden Wahl der Arbeitnehmervertreter werden die vorschlagsberechtigten Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat zunächst die Wahlergebnisse auf der Arbeitnehmerseite abwarten, um über ihre Widerspruchserklärung zu entscheiden.203) bb) Die Aufsichtsratsseiten im Organisationsgefüge des Aufsichtsrats Die Erklärung ist von der „Seite“ der Anteilseigner- oder Arbeitnehmervertreter 105 abzugeben. Gemeint ist damit im Unterschied zur Erklärung des Widerspruchs selbst (siehe sogleich unter Rn. 123) zunächst einmal die Willensbildung über den Widerspruch, die durch sämtliche Mitglieder der jeweiligen Seite in ihrer Gesamtheit erfolgen muss. Nichts anderes meint die gesetzgeberische Erläuterung, dass nicht einzelne Mitglieder den Widerspruch erklären können.204) (1) Organisatorische Grundlagen – Aufsichtsratsseiten als Teilorgane Neben dem Gesamtaufsichtsrat ist im Gefüge der Binnenorganisation bisher 106 nur der Ausschuss als eigenständige Organisationseinheit anerkannt. Die „Seiten“ der Anteilseignervertreter und Arbeitnehmervertreter werden 107 organisationsrechtlich bisher nicht generell als rechtlich eigenständige, zur ___________ 200) 201) 202) 203) 204)
Hierzu bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1197. Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1157. Vgl. z. B. Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1157 Fn. 13. Ebenso Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1157. Begr. Beschlussempfehlung und Bericht des 13. Ausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 24.
Seibt/Kraack
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
Selbstorganisation und Institutionalisierung fähige Gebilde qualifiziert. Wahrgenommen wird bisher allein die Gesamtheit der Anteilseignervertreter oder Arbeitnehmervertreter in rein faktischer und punktuell-rechtlicher Hinsicht. Dies gilt etwa bezüglich der Kompetenz der Anteilseignervertreter, allein nach § 124 Abs. 3 Satz 5 AktG über Wahlvorschläge für Anteilseignervertreter zu beschließen. Darüber hinaus sieht § 27 Abs. 2 Satz 2 MitbestG für den zweiten Wahlgang zur Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters vor, dass die Anteilseignervertreter den Aufsichtsratsvorsitzenden und die Arbeitnehmervertreter den Stellvertreter in jeweils gesonderten Beschlussfassungen wählen;205) ein Sonderbeschlussrecht der Anteilseignervertreter ist auch für die Ausübung von bestimmten Beteiligungsrechten vorgesehen (§ 32 Abs. 1 MitbestG). 108 Ähnlich punktuell regelt der Gesetzgeber nun das Widerspruchsrecht der jeweiligen „Seiten“. Zugleich geht er jedoch jedenfalls insofern von der Möglichkeit einer Selbstorganisation aus, nimmt die Seiten also als der Verselbständigung fähige Einheiten wahr. Eine systematisch-dogmatische Einbettung in das Binnenorganisationskonzept erfolgt gleichwohl nicht. Sie ist allerdings erforderlich, um Legitimationsgrundlage und Grenzen der Ausgestaltung zu vermessen. 109 Vergleicht man diese neue Einheit mit Ausschüssen, so unterscheiden sich die Seiten von diesen in doppelter Hinsicht: Während die Bildung von Ausschüssen grundsätzlich nicht zwingend vorgeschrieben ist, sondern der dem Aufsichtsrat zustehenden Selbstorganisationsautonomie obliegt (vgl. § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG)206), schreibt der Gesetzgeber durch das Widerspruchsrecht die Existenz dieser Organisationseinheiten verbindlich fest. Darüber hinaus steht ihnen mit dem Widerspruchsrecht eine originäre, nicht bloß derivative, von der Kompetenz des Gesamtorgans abgeleitete Zuständigkeit zu.207) Ein Ausschuss kann jedoch keine die Kompetenz des Gesamtaufsichtsrats übersteigende Befugnis haben.208) 110 Dogmatisch steht hinter dem nun etablierten Widerspruchsrecht allerdings das allgemeine „Prinzip der Gegnerfreiheit beim Wahlkörper“209), wie es auch den übrigen oben benannten punktuellen Befugnissen nur einer Seite ___________ 205) Hierzu z. B. Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, § 27 MitbestG Rn. 3. 206) Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 107 Rn. 96. Für paritätisch mitbestimmte AGs ist jedoch die Bildung eines Vermittlungsausschusses nach § 27 Abs. 3 MitbestG verpflichtend. Darüber hinaus ist der Aufsichtsrat der börsennotierten AG lediglich verpflichtet, der Hauptversammlung über die gebildeten Ausschüsse zu berichten, siehe § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG. 207) Vgl. Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 107 Rn. 139 ff., 144 ff. 208) Vgl. Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 107 Rn. 139. 209) Hierzu Seibt, in: FS Hopt, 2010, S. 1363, 1380; vgl. auch Ziff. 5.3.3 DCGK; Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG, § 107 Rn. 332; Koch, in: Hüffer, AktG, § 124 Rn. 21; Werner, in: Großkomm-AktG, § 124 Rn. 73; Meder, ZIP 2007, 1538, 1540 f.; Schiessl, AG 2002, 593, 599.
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Seibt/Kraack
II. Modi der Berechnung und Besetzung
des Aufsichtsrats unterliegt.210) Das Prinzip ist eine Ausprägung der allgemeinen Regeln über die Vermeidung von (potentiellen) Interessenkonflikten im Aufsichtsrat.211) Dieses bisher durch Systematisierung erhobene Prinzip hat der Gesetzgeber nun durch die Möglichkeit der institutionalisierten, organisationsautonomen Regulierung von (potentiellen) Interessenkonflikten aufgewertet. Zugleich anerkennt er damit stärker noch als bisher die Zulässigkeit der Verfolgung spezifischer Interessen der jeweiligen Seiten, allerdings zwingend im Rahmen der Unternehmenswohlverfolgung.212) Die Gleichwertigkeit der benannten punktuellen Situationen, in denen sich 111 spezifische Interessenlager bilden und bei Zuständigkeit des Gesamtaufsichtsrats Interessenkonflikte drohten, rechtfertigt es jedoch, die Befugnis der Selbstorganisation der Seiten über den erneut nur punktuellen Ansatz des Gesetzgebers zum Widerspruchsrecht hinaus zu generalisieren und sie als eigenständige Organisationseinheit sui generis aufzuwerten. Im Vergleich zu Ausschüssen, die als Unterorgane des Aufsichtsrats fungieren, lassen sich die Seiten des Aufsichtsrats als Teilorgane bezeichnen.213) Anders als Ausschüsse, die primär der Vorbereitung der Aufgaben des Gesamtgremiums dienen und als Delegationsempfänger grundsätzlich von diesen abhängig und nachgeordnet sind, steht das Teilorgan mit dem Gesamtorgan auf systematisch gleicher Stufe. (2) Binnenorganisation und Willensbildung Hieraus ergeben sich wichtige praktische Folgen für die Ausgestaltung der 112 Kompetenzen und Binnenorganisation des Aufsichtsrats und seiner Organteile (d. h. Ausschuss und Seiten): Auf abstrakter Ebene folgt aus der dogmatischen Aufwertung zunächst, dass 113 die Existenz der Teilorgane grundsätzlich nicht zur Disposition des Aufsichtsrats steht; hiervon zu trennen ist die Frage, welche Kompetenzen ihnen zukommen. Die Befugnis zur autonomen Binnenorganisation und Willensbildung hat 114 sich an der systematischen Stellung des Teilorgans zu orientieren.214) Da das Teilorgan auf gleicher Stufe wie der Gesamtaufsichtsrat steht, kann zunächst die Satzung Regelungen über Verfahren und Beschlussfassung in gleichem ___________ 210) Diese sich aus dem Prinzip der Gegnerfreiheit und der Interessenkonfliktbewältigung bereits heute ergebenden Rechtszuständigkeiten insbes. nach § 124 Abs. 3 Satz 5 AktG einer „Aufsichtsratsseite“ übersehen Grobe, AG 2015, 289, 291; Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 899. 211) Seibt, in: FS Hopt, S. 1363, 1380. 212) Ohne Rückkopplung zum vorrangigen Prinzip der Unternehmenswohlverfolgung Grobe, AG 2015, 289, 292. 213) Grobe, AG 2015, 289, 292; folgend bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1197. 214) Die Begr. RegE spricht vor dem Hintergrund der systematischen Einordnung irreführend davon, dass für die innere Ordnung der jeweiligen Seite, insbesondere für die Willensbildung, dieselben Regelungen wie für Ausschüsse gelten sollten.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
Umfang wie für den Gesamtaufsichtsrat vorsehen. Ist keine explizite Regelung für die Teilorgane vorgesehen, so gilt eine in der Satzung für den Gesamtaufsichtsrat (oder von diesem für sich selbst) festgelegte Geschäftsordnung auch für diese.215) Ist dies nicht der Fall, so kann sich das jeweilige Teilorgan kraft der ihm zustehenden Organisationsautonomie selbst eine Geschäftsordnung geben.216) Praxistipp: In die Geschäftsordnung des Gesamtaufsichtsrats sollte klarstellend aufgenommen werden, dass die Geschäftsordnung jeweils auch für die Teilorgane gilt, sich diese aber eine eigene Geschäftsordnung geben können.
115 Die systematische Aufwertung als Teilorgan hat zur Folge, dass diese Befugnis zur Selbstorganisation nicht nur auf die Entscheidung über den Widerspruch i. S. d. § 96 Abs. 2 AktG beschränkt ist. Vielmehr ist diese auch für die weiteren Entscheidungen zulässig, denen das Prinzip der Gegnerfreiheit beim Wahlkörper zugrunde liegt. Dies gilt namentlich für die Aufgaben in Bezug auf die Erarbeitung von Wahlvorschlägen für die Anteilseignervertreter i. S. d. § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG und die vorausgehenden Aufgaben der Kandidatensuche; diese und die Entscheidung über den Widerspruch stehen im Verhältnis der Komplementarität.217) 116 Wesentliche Leitlinien der Ausgestaltung ergeben sich auch im Verhältnis zu Ausschüssen; dies ist von besonderer Relevanz für den Fall, dass der Aufsichtsrat der Empfehlung in Ziffer 5.3.3 DCGK zur Einrichtung eines Nominierungsausschusses folgt. Bereits bisher ist anerkannt, dass die Entscheidung über einen zur Vorbereitung von Wahlvorschlägen für den Aufsichtsrat zu bildenden Nominierungsausschuss ausschließlich durch die Anteilseignervertreter zu treffen ist, bei der Wahl der Ausschussmitglieder nur diese stimmberechtigt sind und der Nominierungsausschuss dann auch nur mit Vertretern der Anteilseigner zu besetzen ist. Damit sind die Kompetenzen des Teilorgans der Anteilseignervertreter jedoch nicht abschließend umschrieben. Zulässig muss es nunmehr auch sein, dass die Vorbereitung der zu den Wahlvorschlägen komplementären Entscheidung über das Widerspruchsrecht an den Nominierungsausschuss delegiert wird.218) Das abschließend in § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG geregelte Delegationsverbot219) wurde im Zuge des ___________ 215) Begr. Beschlussempfehlung und Bericht des 13. Ausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 24. Hierzu bei Aufsichtsratsausschüssen siehe nur Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 11 Rn. 770; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 102. 216) Begr. Beschlussempfehlung und Bericht des 13. Ausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 24. Zu dieser Regelungssystematik bei Aufsichtsratsausschüssen siehe nur Lutter/Krieger/ Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 11 Rn. 770. 217) Siehe hierzu Rn. 137 ff., 164. 218) Für ein Muster einer Geschäftsordnung des Nominierungsausschusses siehe Rn. 471 (Kap. G.). 219) Begr. RegE zu § 107 AktG bei Kropff, AktG, S. 149.
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II. Modi der Berechnung und Besetzung
GgTFMF nicht um diesen Fall erweitert. Es handelt sich zudem auch nicht um eine Angelegenheit der inneren Ordnung des Aufsichtsrats, die ebenfalls als delegationsfest eingestuft wird.220) Auf konkreter Ebene bedeutet dies, dass jede Aufsichtsratsseite eine Ge- 117 schäftsordnung erlassen sollte, die jedenfalls Regeln zur Willensbildung vorsieht. Bei der Ausgestaltung der Geschäftsordnung der Anteilseignerseite sollte entschieden werden, ob Regelungen zu den folgenden Fragen zweckmäßig sind:221) x
Organisation der Willensbildung im Teilorgan allgemein (Einberufung; Entscheidungsmodi, z. B. Beschlussfassung durch Telefonkonferenz, Umlaufverfahren; Protokollierungserfordernis);
x
Ausübung des Widerspruchs;
x
Vorbereitung und Entscheidung über Wahlvorschläge der Anteilseigner;
x
Einrichtung eines Nominierungsausschusses inklusive Umfang der Vorbereitungsbefugnis, Delegation von Entscheidungskompetenzen und Besetzung.
In Bezug auf den Widerspruch speziell ist an folgende Regelungen zu denken: x
Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Widerspruch;
x
Form der Widerspruchserklärung;
x
Zuständigkeit für die Erklärung des Widerspruchs gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden.
118
Wird keine Geschäftsordnung verabschiedet, so bleibt es der jeweiligen Auf- 119 sichtsratsseite unbenommen, über die o. g. Einzelheiten des Widerspruchs durch konkreten Beschluss im Einzelfall zu entscheiden. cc) Inhalt, Erklärung und Wirkung der Entscheidung In Bezug auf den Inhalt der Entscheidung über Gesamterfüllung oder Ge- 120 trennterfüllung können die Aufsichtsratsseiten verschiedene Entscheidungen treffen. Neben dem Widerspruch kommt ein Verzicht auf den Widerspruch in Be- 121 tracht. Der Gesetzgeber geht sogar davon aus, dass der Verzicht auf den Widerspruch die in der Praxis bedeutsamere Entscheidung ist.222) Ein einseitiger Verzicht hat neben der verbindlichen Aufgabe des Widerspruchsrechts für die erklärende Seite jedoch allenfalls Signalwirkung gegenüber der anderen Seite, wenn er dieser zur Kenntnis gelangt. Er hat jedoch keine Folgen für die ___________ 220) Hierzu Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG, § 107 Rn. 396. 221) Für ein Muster einer solchen Geschäftsordnung siehe Rn. 470 (Kap. G.). 222) Begr. Beschlussempfehlung und Bericht des 13. Ausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 25.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
Frage der Gesamt- oder Getrennterfüllung. Denn es bleibt der anderen Seite unbenommen, kraft eigenen Widerspruchs eine quotale Besetzungspflicht auch für die verzichtende Seite herbeizuführen. Daher wird in praxi eine Abstimmung über den beiderseitigen Verzicht erforderlich sein. Die Gesetzesbegründung regt hierfür – sinnvollerweise – eine explizite, schriftliche Vereinbarung zwischen beiden Seiten an.223) 122 Wird von beiden Seiten keine Entscheidung getroffen, so bleibt es beim gesetzlichen Regelfall der Gesamterfüllung. 123 Da es sich bei der Erklärung über Widerspruch oder Verzicht um empfangsbedürftige Willenserklärungen handelt, kommt dieser eine über die Seiteninterne Bindungswirkung ihrer Mitglieder hinausreichende Verbindlichkeit nur zu, wenn sie dem Adressaten zugeht, vgl. § 130 Abs. 1 BGB. Adressat des Widerspruchs und der Verzichtserklärung ist der Aufsichtsratsvorsitzende. Dies gilt auch, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende selbst Teil der widersprechenden oder verzichtenden (Anteilseigner-)Seite ist. Eine beiderseitige, einvernehmliche Verzichtserklärung muss, da nicht einseitige Willenserklärung, sondern rechtsgeschäftlicher Akt der Seiten untereinander, nicht gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden erklärt werden; eine sorgfältige Dokumentation empfiehlt sich aus Beweisgründen aber auch hier. Praxistipp: In jedem Falle empfiehlt es sich insbesondere zum Beweis der Rechtzeitigkeit der Erklärung,224) den Empfang der Erklärung durch unterschriebenes Empfangsbekenntnis des Aufsichtsratsvorsitzenden dokumentieren zu lassen.
124 Wer den einmal gebildeten kollektiven Willen einer Seite dem Aufsichtsratsvorsitzenden gegenüber als Empfänger erklärt, ist durch das Gesetz nicht geregelt. Dies liegt ebenfalls in der Selbstorganisationsautonomie der jeweiligen Aufsichtsratsseiten.225) Praxistipp: Gibt sich die jeweilige Seite keine Geschäftsordnung, die diese Frage regelt, sollte im Beschluss selbst festgelegt werden, wer diesen dem Aufsichtsratsvorsitzenden zur Kenntnis bringt.
125 Die Erklärung von Widerspruch oder Verzicht hat gestaltende Wirkung. Sie ist bis zur Wahl unwiderruflich.226) Aufgrund der einem Gestaltungsrecht227) ähnlichen Wirkung ist die Erklärung zudem grundsätzlich bedingungsfeindlich. ___________ 223) 224) 225) 226) 227)
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Begr. Beschlussempfehlung und Bericht des 13. Ausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 25. Zum Zeitpunkt der Entscheidung siehe noch Rn. 130 ff. Begr. Beschlussempfehlung und Bericht des 13. Ausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 24. Begr. Beschlussempfehlung und Bericht des 13. Ausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 25. Vgl. Becker, AcP 188 (1988), 24 ff.; Büdenbender, AcP 210 (2010), 611.
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II. Modi der Berechnung und Besetzung
Die Wirkungsdauer des Widerspruchs beschränkt sich auf die in Bezug ge- 126 nommene Wahl (arg. e § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG: „für diese Wahl“) oder gerichtliche Bestellung, vgl. § 104 Abs. 5 AktG. Gleiches gilt für eine Verzichtserklärung. Wird die Wirkung des Widerspruchs für mehrere, nachfolgende Wahlen erstrebt, muss der Widerspruch für jede Wahl erneut erklärt werden,228) ansonsten greift für später nachfolgende Wahlen (einschließlich von Ergänzungswahlen während der Wahlperiode) der gesetzliche Regelfall der Gesamterfüllung ein. Durch Auslegung (nach den üblichen Methoden) ist zu klären, auf welche Wahl sich der Widerspruch bezieht, z. B. ob ein nach Wahlfeststellung erklärter Widerspruch ohne Rechtswirkung bleibt229) oder ob dann eine nachfolgende Wahl miterfasst sein soll.230) Bezugspunkt der Wirkungsdauer ist allein die „Wahl“ von Aufsichtsratsmit- 127 gliedern, seien es Vertreter der Anteilseigner oder der Arbeitnehmer. Die Entsendung, die ebenfalls der Quote unterfällt, wird nicht in Bezug genommen. Dies kann mit Blick auf die Möglichkeit der Ausgestaltungsfreiheit von Entsendungsrechten, die zeitlich nicht mit der Wahl parallel laufen müssen, dazu führen, dass der Widerspruch und die Getrennterfüllung Folgen nur für die nächste Wahl, nicht aber für die Entsendung zeitigt, die feste Quote der Anteilseignervertreter daher nur von den zu wählenden Mitgliedern erfüllt werden muss. Denn wird ein Widerspruch vor Ausübung des Entsendungsrechts erklärt, bleibt er für diese folgenlos. Praxistipp: Empfehlenswert ist es für die Seite der Anteilseignervertreter, sich mit dem Entsendungsberechtigten rechtzeitig (informell) über die Personalplanung und die Möglichkeit eines Widerspruchs abzustimmen.231)
Haben die amtierenden Aufsichtsratsmitglieder getrennt laufende Mandats- 128 laufzeiten (sog. Staggered Board), gilt der Bezugspunkt der „Wahl“ für jeden dieser zeitversetzten Wahlvorgänge.232) Eine Ausnahme zum durch den Widerspruch initierten Wechsel des Berech- 129 nungsmodus vom Grundsatz der Gesamterfüllung zum Prinzip der Getrennterfüllung regelt das Gesetz für den Sonderfall, dass bei Geltung der Gesamterfüllung die Wahlperiode eines Mitglieds ausläuft bzw. ein Mitglied aus dem Aufsichtsrat ausscheidet, sich dadurch der quotenübererfüllende Frauenanteil verringert und diese Seite der bislang geltenden Gesamterfül___________ 228) Begr. RegE zu § 96 Abs. 2 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 144; vgl. auch Seibt, ZIP 2015, 1193, 1198. 229) Zum „verspäteten“ Widerspruch Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 260; dies., BB 2015, 898, 899. 230) Für die Auslegungsfähigkeit der Widerspruchserklärung Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1158; Seibt, ZIP 2015, 1193, 1198. 231) Vgl. hierzu auch Rn. 199 ff. 232) Vgl. Tielmann/Struck, BB 2013, 1548, 1550.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
lung widerspricht und dies keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Besetzung der nach dem nun geltenden Prinzip der Getrennterfüllung der quotennichterfüllenden Seite hat (§ 96 Abs. 2 Satz 5 AktG). Auch die bislang quotenübererfüllende Seite ist nicht verpflichtet, nach Ausübung des Widerspruchs weiter überzuerfüllen.233) Die Aufsichtsratsbesetzung der quotenuntererfüllenden Seite bleibt unverändert, insbesondere wird die Wahl der bzw. des zuletzt gewählten Mitglieds nicht unwirksam.234) Diese Sonderregelung der Wirksamkeitsfiktion bei Übergang zur Getrennterfüllung während der Wahlperiode hat zum Ziel, die Auswirkungen der Geschlechterquote und der Widerspruchslösung auf „die Arbeitsabläufe des Aufsichtsrats möglichst gering zu halten“235) und für den Zeitraum der Amtsperiode die Amtskontinuität zu gewährleisten. Diese Anrechnungslösung gilt allerdings dann nicht mehr, wenn das zuletzt gewählte Mitglied aus anderen Gründen aus dem Aufsichtsrat ausscheidet.236) In diesem Fall muss der 30 %-Mindestquote erneut sowohl für eine Ersatzbestellung als auch bei einer Neuwahl entsprochen werden. dd) Zeitpunkt der Entscheidung 130 Für die Gestaltungswirkung zum Wechsel des Erfüllungsmodus muss der Widerspruch „vor der Wahl“ erfolgen (§ 96 Abs. 2 Satz 3 AktG). Mit dieser von einem konkreten Wahlvorgang abstrahierenden Gesetzesformulierung soll klargestellt sein, dass beide Aufsichtsratsseiten im Hinblick auf die jeweiligen Wahlvorgänge Widerspruch erklären können, dieser also nicht im Hinblick auf den sie selbst betreffenden Wahlvorgang erfolgen muss.237) 131 Noch nicht abschließend geklärt ist hingegen der konkrete Zeitpunkt, bis zu dem nach der gesetzlichen Normallage des § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG ein Widerspruch erklärt werden muss, damit er für die anstehende Wahl Wirkung zeitigt.238) Diese Frage ist in der Praxis umso bedeutsamer, da die Wahlen der Arbeitnehmervertreter und Anteilseignervertreter unterschiedlichen Prozeduren folgen und zeitlich nicht parallel laufen, sondern zu unterschiedlichen Zeitpunkten beendet sind. Im Ergebnis ist richtigerweise für den letztmöglichen Zeitpunkt des Widerspruchs bei der Wahl der Anteilseignervertreter auf den Zeitpunkt der Verkündung des Wahlbeschlusses durch den Vorsitzenden der Hauptversammlung239) und für die Wahl der Arbeit___________ Grobe, AG 2015, 289, 293. Begr. RegE zu § 96 Abs. 2 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 145. Begr. RegE zu § 96 Abs. 2 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 145. Begr. RegE zu § 96 Abs. 2 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 145. Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1158; Grobe, AG 2015, 289, 292; Seibt, ZIP 2015, 1193, 1198. 238) Herb, DB 2015, 964, 965. 239) Vgl. Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1158; Seibt, ZIP 2015, 1193, 1198; Stüber, CCZ 2015, 38 Fn. 11; a. A. (spätestens bei Beschlusserfassung über Wahlvorschlag) Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 45; Grobe, AG 2015, 289, 292.
233) 234) 235) 236) 237)
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II. Modi der Berechnung und Besetzung
nehmervertreter auf den Zeitpunkt der Feststellung des Wahlergebnisses durch den Wahlvorstand (§§ 79 Satz 1, 85 Abs. 2 und 3 1. WOMitbestG) abzustellen.240) Diese zeitliche Grenze eines „vor der Wahl“ zu erklärenden Widerspruchs ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Denn die Wahl an sich ist mit Feststellung des Ergebnisses abgeschlossen. Systematisch ergibt sich zudem aus § 96 Abs. 2 Satz 5 AktG der allgemeine Gedanke, dass eine mit Wahlfeststellung abgeschlossene Wahl nicht retroaktiv durch Widerspruchserklärung in ihren Rechtswirkungen verändert werden kann.241) Zugleich impliziert der nur auf den Wahlvorgang abstellende Wortlaut, dass es für den spätestmöglichen Zeitpunkt auf eine ggf. erst im Anschluss erklärte Annahme der Wahl durch die Kandidaten nicht ankommen kann.242) Der Gesetzeswortlaut stellt auf die Wahl und nicht auf die Bestellung ab.243) Diese gesetzlich vorgesehene, zeitlich sehr weitgehende Widerspruchsmög- 132 lichkeit für beide Aufsichtsratsseiten ist durchaus mit gravierenden praktischen Problemen behaftet. Sie resultieren für die Anteilseignerseite aus dem der Hauptversammlung vorgelagerten Prozess der Kandidatenfindung und der Vorbereitung der Wahl. Die Aufsichtsratspraxis dürfte es bereits vor nicht unerhebliche Schwierigkeiten stellen, wenn ein Widerspruch zum Zeitpunkt erklärt wird, in dem die Kandidatensuche und -entscheidung aufsichtsratsintern abgeschlossen ist. Dies ist der Zeitpunkt, in dem ein auf Basis der Empfehlung von Ziffer 5.3.3 DCGK gebildeter Nominierungsausschuss dem Aufsichtsrat nach intensiver Suche und Bewertung von Kandidaten bestimmte Personen benennt, die von diesem zur Wahl vorgeschlagen werden können bzw. der Gesamtaufsichtsrat die Kandidatensuche abgeschlossen hat und über die der Hauptversammlung zu unterbreitenden Vorschläge i. S. d. § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG beschließt. Die in der Annahme der Gesamterfüllung getroffenen Personalvorschläge müssen bei einem erklärten Widerspruch womöglich geschlechterspezifisch überdacht und angepasst werden. In Anbetracht möglicher Schwierigkeiten der Kandidatinnenauswahl und vor dem Hintergrund, dass es i. d. R. nicht nur um einzelne zu besetzende Ämter geht, sondern die Besetzung mehrerer Posten eine sorgfältige Abstimmung der Kandidatenzusammensetzung untereinander erfordert, ist dies ein aufwendiges Unterfangen. Es ist durchaus zweifelhaft, ob dies in der Praxis einer zeitlich regemäßig eng getakteten Vorbereitungszeit vor Bekanntmachung ___________ 240) Vgl. Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1158; Seibt, ZIP 2015, 1193, 1198; a. A. Grobe, AG 2015, 289, 292 f. (Unternehmensmitteilung über Mandatszahl). 241) Dem Wortlaut nach regelt dieser zwar nur die Konstellation der nachträglichen Veränderung des Frauenanteils bei Gesamterfüllung, teleologisch ist er jedoch als allgemeine Regel zu sehen, siehe Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1158. 242) Die Annahmeerklärungen der Kandidaten der Anteilseignervertreter werden in praxi i. d. R. bereits vor der Wahl erklärt; die Annahmeerklärungen der Kandidaten der Arbeitnehmervertreter müssen vorab schriftlich erklärt und dem Wahlvorschlag beigefügt werden, siehe § 54 Abs. 2 Satz 2 1. WOMitbestG, § 60 Abs. 2 Satz 2 2. WOMitbestG und 3. WOMitbestG. 243) So bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1198.
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der Einberufung der Hauptversammlung, welche gemäß § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG die entsprechenden Wahlvorschläge zu enthalten hat, noch rechtzeitig erfolgen kann. 133 Noch problematischer ist es aus praktischer Sicht, wenn ein Widerspruch nach dem Zeitpunkt der Bekanntmachung der Hauptversammlungseinberufung inklusive der Tagesordnung mit konkreten Wahlvorschlägen erklärt wird. Dies betrifft zunächst die geschilderten praktischen Schwierigkeiten der Kandidatinnensuche, für die je nach Zeitpunkt des Widerspruchs ein sehr enger Zeitrahmen verbleibt, da die Bekanntmachung der Einberufung mit Tagesordnung mindestens 36 Tage vor dem Termin der Hauptversammlung zu erfolgen hat (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 AktG). In rechtlicher Hinsicht wird man es für zulässig erachten müssen, dass die Verwaltung von den mit der Bekanntmachung der Tagesordnung nur angekündigten Beschluss- und damit auch Wahlvorschlägen in der Hauptversammlung noch abweicht, d. h. diese fallen lässt oder auch geänderte Anträge tatsächlich zur Entscheidung stellt. Selbst wenn man entgegen der herrschenden Meinung244) einschränkend fordern will, dass dies nur möglich sei, wenn seit der Bekanntmachung der Beschlussvorschläge neue Tatsachen entstanden oder bekannt geworden sind oder wenn aus sonstigen Gründen eine neue Beurteilung erforderlich ist245) oder wenn ein sachlicher Grund für die Abweichung vorliegt,246) so wird die Ausübung eines Widerspruchsrechts diese Voraussetzungen jedenfalls erfüllen.247) Ein wesentlicher Nachteil ergibt sich in diesen Fällen jedoch daraus, dass erhebliche negative Auswirkungen auf das Abstimmungsergebnis über diese kurzfristig zur Entscheidung gestellten Wahlvorschläge zu befürchten sind. Dies liegt daran, dass eine beträchtliche Anzahl von Stimmen bereits im Vorfeld der Hauptversammlung auf Basis der bekanntgemachten Beschlussvorschläge festgelegt ist und sich jedenfalls praktisch nicht an kurzfristige Änderungen anpassen lässt und so verfällt bzw. nicht ausgeübt wird.248) Dies gilt zum einen für per Briefwahl abgegebene Stimmen (vgl. § 118 Abs. 2 AktG), die sich i. d. R. auf bestimmte Verwaltungsvorschläge beziehen, wenn diese mehr als nur redaktionell geändert werden.249) Gleiches gilt aber insbesondere für die von Vertretern ausgeübten Stimmrechte, die i. d. R. ebenso nur auf Basis konkreter Weisungen agieren, die sich ebenfalls auf bestimmte Beschlussvorschläge beziehen; betroffen ___________ 244) Zur h. M. Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 124 Rn. 26. 245) Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 124 Rn. 59; Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 124 Rn. 78. 246) OLG Stuttgart, Urt. v. 21.12.1993 – 10 U 48/93, ZIP 1995, 1515, 1522 – MotoMeter; Priester, Liber amicorum Happ, S. 213, 217. 247) Missverständlich insofern Grobe, AG 2015, 289, 292, der die möglicherweise missbräuchliche Ausübung des Widerspruchsrechts erst zu diesem Zeitpunkt mit dem Erfordernis der Rechtfertigung späterer Änderungen der Beschlussvorschläge verwechselt. 248) Ausführlich zu diesem Problem Kocher, BB 2014, 2317, 2318 ff. 249) Kocher, BB 2014, 2317, 2318.
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II. Modi der Berechnung und Besetzung
sind hierbei namentlich die von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter sowie die Vertreter von Kreditinstituten, Aktionärsvereinigungen sowie sich geschäftsmäßig gegenüber Aktionären zur Stimmrechtsausübung erbietenden Personen (vgl. § 135 Abs. 1 Satz 7, Abs. 8 AktG). Unproblematisch ist es insofern nur, wenn vom Aktionär bevollmächtigte Personen weisungsfrei agieren. Darüber hinaus hat eine kurzfristige Änderung von Wahlvorschlägen auch Auswirkungen auf Stimmen, die auf Basis von Empfehlungen der Proxy Advisors durch institutionelle Investoren gebildet werden.250) I. d. R. werden Proxy Advisors keine Empfehlungen mehr für kurzfristig geänderte Beschlussvorschläge unterbreiten können, was nicht nur per se der kollektiven Meinungsbildung im Vorfeld der Hauptversammlung abträglich ist. Vielmehr werden auch institutionelle Investoren, die sich nicht selten eine Selbstbindung zur Abstimmung in Übereinstimmung mit diesen Empfehlungen gegeben haben, im Falle eines Fehlens der Empfehlung nicht über geänderte Vorschläge abstimmen. Vergleichbare Schwierigkeiten ergeben sich auf Seiten der Arbeitnehmerver- 134 treter, wenn während des Wahlverfahrens, welches sich über einen sehr langen Zeitraum erstreckt,251) ein Widerspruch erklärt wird. Vor dem Hintergrund dieser Probleme schlagen erste Stimmen in der Litera- 135 tur vor, den Widerspruch für die Wahl der Anteilseignervertreter nur bis zum Beschluss des Aufsichtsrats über den Wahlvorschlag i. S. d. § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG zuzulassen. Neben den praktischen Widrigkeiten wird darauf verwiesen, dass der neue § 124 Abs. 3 Satz 5 AktG eine Angabe über einen etwaigen Widerspruch fordert, d. h. dieser bis zu diesem Zeitpunkt erklärt worden sein müsse.252) Für die Wahl der Arbeitnehmervertreter wird vorgeschlagen, je nach Wahlverfahren zu differenzieren:253) Für die Wahlen nach dem MitbestG sei die Bekanntmachung nach § 2 Abs. 1 1. WOMitbestG maßgeblich, wonach das Unternehmen spätestens 19 Wochen vor dem voraussichtlichen Beginn der Amtszeit bekanntmachen muss, dass Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer zu wählen sind und wie viele Mandate besetzt werden müssen; für Wahlen nach dem MontanMitbestErgG sei die entsprechende Mitteilung gemäß § 1 MitbWahlO maßgeblich, die spätestens 25 Wochen vor dem voraussichtlichen Beginn der Amtszeit erfolgen muss; für die auf Basis des MontanMitbestG (von der Hauptversammlung) zu wäh___________ 250) Zur kaum zu unterschätzenden Bedeutung von Proxy Advisors bei der (der Hauptversammlung vorgelagerten) Meinungsbildung in der börsennotierten AG siehe Fleischer, AG 2012, 2. 251) Das Verfahren zur Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat nach dem MitbestG und dem MontanMitbestErgG nimmt erhebliche Zeit in Anspruch; die Wahlordnungen gehen von Zeiträumen zwischen 19 und 50 Wochen aus, vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 45. Zum Überblick über die Wahlverfahren siehe Rn. 202 ff. 252) Grobe, AG 2015, 289, 292; für diesen Zeitpunkt auch Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 45. 253) Zu folgenden Vorschlägen Grobe, AG 2015, 289, 292 f.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
lenden Arbeitnehmervertreter sei ein Widerspruch vor Unterbreitung des verbindlichen Wahlvorschlags nach § 6 Abs. 6 MontanMitbestG zu erklären. 136 Die Diskussion um den spätestmöglichen Zeitpunkt des Widerspruchs offenbart den Zielkonflikt zwischen der Gewährleistung einer größtmöglichen zeitlichen Entscheidungsfreiheit über den Widerspruch einerseits und deren Beschränkung aus Gründen der Praktikabilität andererseits. Dieser ist, wie oben bereits dargelegt, im erstgenannten Sinne zu lösen. Zunächst ist in Bezug auf die Anteilseignerseite das Argument des § 124 Abs. 3 Satz 5 AktG nicht zwingend. Näher liegt es, diesem neuen inhaltlichen Aspekt bei Bekanntmachung der Tagesordnung ebenfalls nur informationellen, aber keinen rechtsbeschränkenden Charakter beizumessen. Die Bekanntmachung von konkreten Beschluss- und Wahlvorschlägen nach § 124 Abs. 3 AktG beinhaltet lediglich die Pflicht zur Ankündigung eines Antrags, den die Verwaltung zu diesem Zeitpunkt in der Hauptversammlung zu stellen beabsichtigt, wobei es ihr unbenommen bleibt, diese Anträge in der Versammlung fallenzulassen oder abweichende Anträge zu stellen.254) Dieser primär informationelle und weniger rechtsbeschränkende Charakter der Bekanntmachung255) muss systematisch auch für den Aspekt eines erfolgten Widerspruchs gelten. Darüber hinaus hat sich der Gesetzgeber allgemein nicht mit den prozeduralen Spezifika der einzelnen Wahlverfahren befasst, die zu den praktischen Schwierigkeiten beitragen. Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass noch im Referentenentwurf die Getrennterfüllung der Regelfall war und erst im Regierungsentwurf zum Grundsatz der Gesamterfüllung mit Widerspruchsmöglichkeit übergegangen wurde. Für die Ansicht weitestmöglicher Widerspruchszeitpunkte streiten schließlich auch die Gesetzesmaterialien: Es wird darauf verwiesen, dass spezifische Regelungen zu Frist und Form des Widerspruchs im Gesetz nicht erforderlich seien und dass die Seiten bei der Frage, ob sie eine Übererfüllung der jeweils anderen Seite zu ihren Gunsten bei der eigenen Wahl in Anspruch nehmen wollten, sich eigenverantwortlich und rechtzeitig und verlässlich über einen etwaigen Widerspruch oder Verzicht abstimmen sollten.256) Damit weist der Gesetzgeber die Frage der Rechtzeitigkeit und Verlässlichkeit zum Zwecke der Durchführung der eigenen Wahl der Organisationsautonomie der jeweiligen Aufsichtsratsseiten und ihrer Abstimmung zu. Eine weitere Vorverlagerung des spätestmöglichen Widerspruchszeitpunktes ist jedenfalls nach gesetzlicher Ausgangslage gerade nicht gewollt. Dieser ist mit Blick darauf, dass auch noch während der jeweiligen ___________ 254) Die h. M. plädiert hier für weite (nur durch den Rechtsmissbrauch gezogene) Grenzen, dies ist im Einzelnen jedoch umstritten; zur h. M. Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 124 Rn. 26; enger etwa Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 124 Rn. 44 ff. jeweils m. w. N. 255) Der rechtsbeschränkende Charakter ergibt sich aus den von den angekündigten, konkreten Beschlussvorschlägen zu unterscheidenden Gegenständen der Tagesordnung selbst, vgl. § 124 Abs. 4 AktG; siehe zu deren positiver und negativer Bindungswirkung Herrler, in: Grigoleit, AktG, § 124 Rn. 12. 256) Begr. Beschlussempfehlung und Bericht des 13. Ausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 25.
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Wahlverfahren zweckmäßige Widerspruchsentscheidungen ergehen können, auch sinnvoll.257) Praxistipp: Die Unternehmenspraxis sollte den Regelungsspielraum zur Konturierung der Widerspruchseinzelheiten nutzen und insbesondere entsprechende Fristen und Regelungen über die Widerspruchsentscheidung sowie die Abstimmung beider Seiten in deren jeweilige Geschäftsordnung (oder die des Gesamtaufsichtsrats) aufnehmen.258)
ee) Rechtsrahmen und Erwägungen bei der Entscheidung (1) Sorgfaltspflichten Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben der festen Quote selbst – sei es 137 bei Gesamterfüllung oder Getrennterfüllung – steht freilich nicht zur Disposition des Aufsichtsrats, sondern ist Bestandteil der Legalitätspflicht.259) Als Rechtspflicht eröffnet sie grundsätzlich keinen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum. Eine Ausnahme von der Legalitätspflicht – und mithin von der Einhaltung der festen Geschlechterquote – kann für den Aufsichtsrat jedoch unter zwei Gesichtspunkten in Betracht kommen. Dies ergibt sich zunächst aus der beträchtlichen Unsicherheit über die Verfassungs- und Europarechtskonformität, die sich insbesondere aus dem Fehlen des Vorbehalts der Qualifikationsgleichheit und einer Härtefallklausel speist.260) Im Falle unsicherer Rechtslage ist mit einer starken Meinung in der Literatur eine Legal Judgement Rule anzunehmen,261) der zufolge sich der Aufsichtsrat nach sachkundiger Beratung der seinem Ermessen zufolge dem Unternehmensinteresse am ehesten dienlichen Ansicht anschließen darf.262) Eine weitere Ausnahme von der Legalitätspflicht kann im Falle der Pflichtenkollision in Betracht kommen. Diese kann im Rahmen der festen Geschlechterquote namentlich daraus resultieren, dass die etwa von der Anteilseignerseite vorzuschlagenden Kandidaten gewisse Mindestqualifikationen zu erfüllen haben (Postulat des Unternehmensinteresses), andererseits aber unabdingbar die feste Geschlechterquote eine geschlechterspezifische Besetzung ohne Ansehung der Qualifikation fordert. Findet sich trotz sorgfältiger Recherche kein Kandidat, der beiden Anforderungen genügt, so kann es dem Aufsichtsrat nach umstrittener, aber zutreffender Ansicht263) – ___________ 257) Vgl. hierzu Rn. 144 ff., 150 ff. 258) Siehe Muster einer Geschäftsordnung für die Seite der Anteilseignervertreter unter Rn. 470 (Kap. G.). 259) Im Überblick Habersack, in: FS U. H. Schneider, S. 429 ff. 260) Vgl. hierzu oben Rn. 41 ff. 261) Zu einer Legal Judgement Rule insbes. Seibt, ZIP 2014, 545, 552. Für diesen Umgang in Fällen der Rechtsunsicherheit auch Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 93 Rn. 75; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 93 Rn. 29; Habersack, in: FS U. H. Schneider, S. 429, 436 f. 262) Ebenso Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 42. 263) Zur Ausnahme von der Legalitätspflicht bei Pflichtenkollision siehe Habersack, in: FS U. H. Schneider, S. 429, 437 ff. m. w. N.
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bereits auf Ebene des Sorgfaltsmaßstabes und nicht erst auf Verschuldensebene – nicht vorgeworfen werden, wenn er sich für eine qualifizierte, geschlechterwidrige Kandidatenwahl entscheidet. 138 Die Entscheidung über die Ausübung des Widerspruchsrechts oder eines Verzichts ist hingegen für beide Teilorgane eine unternehmerische Entscheidung, bei der sie an das Unternehmensinteresse gebunden sind und sich nicht von Partikularinteressen leiten lassen dürfen.264) Die Mitglieder des Aufsichtsrats unterliegen insofern dem allgemeinen Sorgfaltsmaßstab nach §§ 116, 93 AktG. 139 Die Entscheidung ist für die Anteilseignerseite als Annexentscheidung zu den Wahlvorschlägen jedoch nicht ohne Rücksicht bzw. Voraussicht auf diese zu treffen. Auch im Übrigen steht sie im sachlichen Kontext der weiteren Entscheidungen zur Positionierung in Diversity-Fragen, bei denen der Aufsichtsrat – etwa im Rahmen des Corporate Governance Berichts auf Basis der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG – mitwirkt. 140 Die Entscheidung über einen Widerspruch und damit zugunsten der Getrennterfüllung kann nicht ohne Ansehung möglicher quotengerechter Kandidaten erfolgen. Jedenfalls für die erste Phase der Geltung der festen Geschlechterquote (ca. 3 – 5 Jahre) kann dies zu einem (vorläufigen) Zustand der Knappheit am Personalmarkt führen. Einerseits wurden und werden die Anforderungen an die Qualifikationen eines Aufsichtsratsmitglieds in einer börsennotierten, mitbestimmten Gesellschaft aufgrund der Komplexität der Materie in großen Publikumsgesellschaften beständig erhöht (Professionalisierung des Aufsichtsrats265)). Andererseits sollen der sozialpolitischen Zielsetzung des GgTFMF entsprechend durch die komplementär wirkenden Säulen der festen Geschlechterquote und der Zielvorgaben266) überhaupt erst diejenigen Personen des unterrepräsentierten Geschlechts gefördert und qualifiziert werden, die auf Ebene der AG bereits heute schon gebraucht werden.267) So ist es von zweifelhafter Plausibilität anzunehmen, dass ab Geltung des Gesetzes kurzfristig die erforderliche Anzahl an weiblichen Führungskräften mit Aufsichtsratsformat zur Verfügung steht.268) 141 Durch diese Knappheit erhöht sich die Nachfrage nach den vergleichsweise wenigen verfügbaren Kandidatinnen. Übernehmen diese wiederum eine Vielzahl ___________ 264) Seibt, ZIP 2015, 1193, 1197; missverständlich Grobe, AG 2015, 289, 292 (Teilorgane vertreten unterschiedliche Interessen, ohne Bezugnahme auf die primäre Unternehmenswohlverfolgungspflicht). 265) Lutter, DB 2009, 775; im Überblick zu den gewachsenen Anforderungen auch Lutter/ Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 1 Rn. 20 ff., § 2 Rn. 57 ff.; zu den jüngsten Änderungen des DCGK in dieser Hinsicht etwa Rubner/Fischer, NZG 2015, 782, Mense/Klie, GWR 2015, 92. 266) Zur komplementären Wirkung beider Regulierungssäulen des GgTFMF siehe bereits unter Rn. 59 ff. 267) Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 261. 268) Zutr. Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 261; Audit Committee Institute, Quarterly Extra, S. 25, 26 (Drygala).
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von Posten (in den Grenzen des § 100 Abs. 2 AktG), so erfordert diese Ämterhäufung nicht nur eine besonders genaue Prüfung, ob die Kandidatin dem selbst erstellten Anforderungsprofil269) genügt und den erforderlichen Zeitaufwand aufbringen kann (vgl. Ziffer 5.4.1 DCGK). Vielmehr vergrößert sich die Gefahr von Interessenkonflikten und negativem Einfluss auf die Aufsichtsqualität; beides ist jedem Unternehmensinteresse abträglich. Die neueste Fassung des DCGK sieht wie erwähnt vor, dass sich der Aufsichtsrat bei den vorzuschlagenden Kandidaten darüber versichert, dass der Kandidat den erforderlichen Zeitaufwand aufbringen kann (Ziffer 5.4.1).270) Dies wird bei der zu erwartenden Knappheit geeigneter weiblicher Personen und deren Ämterhäufung ein wichtiger Aspekt sein. Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen ist über den Widerspruch selbst zu 142 entscheiden. Ungeachtet des gesetzlichen Regel-Ausnahme-Verhältnisses zugunsten der Gesamterfüllung ist die Begründungslast für die Ausübung des Widerspruchs nicht hoch. Ebenso ausreichend wie erforderlich sind sachliche Gründe, welche die Entscheidung aus Sicht der betroffenen Aufsichtsratsseite als plausibel erscheinen lassen; die Ausübung darf nicht willkürlich und damit ohne jeglichen Bezug zum Unternehmenswohl erfolgen. Praxistipp: Auch ohne explizites Erfordernis einer Begründung oder gar deren Publizität ist aus Beweiszwecken und im Hinblick auf etwaige Fragen auf einer Hauptversammlung zur Kandidatenauswahl zu einer sorgfältigen Dokumentation der Entscheidung zu raten.
Das Postulat, dass bei der Ausrichtung der Entscheidung am Unternehmens- 143 wohl keine Partikularinteressen berücksichtigt werden dürfen, bezieht sich indes primär auf die Individualinteressen der an der Entscheidung Beteiligten. Im Übrigen ist mit der Orientierung am Unternehmenswohl lediglich die äußerste Grenze des ermessensfehlerfrei Zulässigen beschrieben. Innerhalb dessen ist es gestattet, bei der Entscheidung über den Widerspruch die Interessen der jeweils vertretenen „Seite“, d. h. die wohlverstandenen Anteilseigner- oder Arbeitnehmerinteressen zu berücksichtigen. Diese Ansicht wird gestützt durch den Umgang mit neutralen Mitgliedern des Aufsichtsrats nach MontanMitbestG und MontanMitbestErgG, die bei Berechnung der Quote nicht zu berücksichtigen sind, „weil sie neutral und daher keiner Seite zuzurechnen“ sind.271) Zudem ergibt sich dies für die Anteilseigner aus der Wirkung der kraft Widerspruchs herbeigeführten Getrennterfüllung, die die im Aktieneigentum verfassungsrechtlich verbürgte personelle Wahlfreiheit der Anteilseignervertreter weiter einschränken kann, als dies durch die feste Quote bei Gesamterfüllung ohnehin schon der Fall ist. ___________ 269) Vgl. zur Akzeptanz der entsprechenden Kodex-Empfehlung von Werder/Turkali, DB 2015, 1357, 1366. 270) Vgl. Rubner/Fischer, NZG 2015, 782, 784. 271) Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 121.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
(2) „Bewegliche Schranken“ des Widerspruchsrechts? 144 Vor dem Hintergrund der beträchtlichen praktischen Schwierigkeiten, die eine quotengerechte Besetzung insbesondere im Zusammenhang mit dem (kurzfristigen) Übergang zur Getrennterfüllung zeitigen kann, stellt sich die Frage, ob der Ausübung des Widerspruchsrechts über die skizzierten Sorgfaltspflichten hinaus im Einzelfall weitere ungeschriebene, nach Zöllner „bewegliche Schranken“272) gesetzt sind.273) Zu denken ist hier an die den Aufsichtsratsmitgliedern obliegende organschaftliche Treuepflicht274) und das allgemeine aus Treu und Glauben folgende Rechtsmissbrauchsverbot (vgl. § 242 BGB). 145 An diese mag man denken bei der Ausübung des Gestaltungsrechts „zur Unzeit“, d. h. wenn Vorbereitungen der Wahl der Gegenseite bereits weit gediehen sind oder wenn die eigene Wahl der jeweiligen Seite bereits erfolgt ist und das Ergebnis der eigenen Wahl selbst hinter dem nun für die andere Seite kraft Getrennterfüllung geforderten Ergebnis zurückbleibt. Der Ausübung des Widerspruchsrechts werden jedoch, soweit nicht bereits durch das Postulat einer am Unternehmensinteresse ausgerichteten Ausübung erfasst, nur ganz ausnahmsweise bewegliche Schranken gesetzt sein. Ungeachtet der erforderlichen Einzelfallentscheidung sprechen folgende Aspekte für eine restriktive Handhabung: Was den Zeitpunkt seiner Ausübung angeht, so ist der weite Entscheidungsspielraum gesetzgeberisch gewollt und sinnvoll.275) Zum einen mögen sich auch nach der eigenen Wahl einer Seite neue Umstände einstellen, die eine geänderte Entscheidung erfordern bzw. rechtfertigen, die Getrennterfüllung im Unternehmensinteresse für die andere Seite zu fordern. Zum anderen kann sich bei Widerspruchsausübung der Arbeitnehmerseite erst nach der Bekanntmachung der Tagesordnung für die Hauptversammlung die Erkenntnis einstellen, dass in Ansehung der vorgeschlagenen Kandidaten ein Widerspruch und eine Getrennterfüllung zweckmäßig sind. b) Getrennterfüllung aa) Allgemeines 146 Bei der Quotenberechnung nach dem Prinzip der Getrennterfüllung hat jede Aufsichtsratsseite für sich die feste Geschlechterquote von 30 % zu erfüllen. Die nach dem MontanMitbestG und dem MontanMitbestErgG erforderlichen sog. „neutralen“ Mitglieder werden im Falle der Getrennterfüllung – anders als bei Gesamterfüllung276) – für die Berechnung quotengerechter Besetzung des Gesamtgremiums nicht mitgezählt.277) ___________ 272) Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, S. 93 ff., 287 ff. 273) Vgl. zu Beispiel-Szenarien Rn. 150 ff. 274) Siehe nur Doralt/Doralt, in: Semler/v. Schenck, Arbeitshdb. AR-Mitglieder, § 14 Rn. 175 ff. 275) Vgl. Rn. 130 ff. 276) Vgl. bereits unter Rn. 99. 277) Vgl. bereits unter Rn. 94.
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Seibt/Kraack
II. Modi der Berechnung und Besetzung
Die Anwendung der Berechnungsansätze ergibt folgende Ergebnisse:278) Quotensitze im Gesamtaufsichtsrat
Effektiver Quotenanteil im Gesamtaufsichtsrat in %
33,33
4
33,33
25,00
4
25,00
3
30,00
6
30,00
1,50
2
40,00
4
36,36
7
2,10
2
28,57
4
26,66
10
3,00
3
30,00
6
28,57
Quoten- Effektiver 30 % Quotensitze (rechnerianteil jeder jeder scher Seite in % Seite Wert)
Anzahl der Aufsichtsräte
Sitze pro Seite
MitbestG
12
6
1,80
2
MitbestG
16
8
2,40
2
MitbestG
20
10
3,00
MontanMitbestG
11
5
MontanMitbestG/ MontanMitbestErgG
15
MontanMitbestG/ MontanMitbestErgG
21
Mitbestimmungsregime
147
Für die Frage der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder bei Verfolgung des 148 Prinzips der Getrennterfüllung ergeben sich keine Besonderheiten: Die Anteilseignervertreter werden von der Hauptversammlung gewählt, soweit keine satzungsmäßigen Entsendungsrechte bestehen (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AktG). Die auf die Anteilseignervertreter entfallende Quotensitzzahl gilt für die Anteilseignerseite insgesamt, also einschließlich der entsandten Mitglieder279), was i. d. R. eine Abstimmung über das Gesamttableau der Wahlvorschläge erfordern wird.280) Im Falle eines 16-köpfigen Aufsichtsrats unterscheidet sich die Anzahl der 149 Quotensitze bei Gesamterfüllung (fünf) und Getrennterfüllung (zusammen vier).281) bb) Beispiel-Szenarien der Widerspruchsausübung Die folgenden Praxisbeispiele sollen die Anwendung des Widerspruchsrechts 150 veranschaulichen. Sie zeigen, dass insbesondere dem Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchsrechts bzw. einer Abstimmung in praxi größte Bedeutung zukommt. Beispiel 1: Bei einem Aufsichtsrat, der nach dem MitbestG mit 20 Mitgliedern zu besetzen ist, werden auf Seiten der Arbeitnehmervertreter zehn Männer gewählt. Vor der ___________ 278) Bereits in Seibt, ZIP 2015, 1193, 1196; Tabelle folgt im Aufbau Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1157. 279) Begr. RegE zu § 96 Abs. 2 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 145. 280) Vgl. hierzu Rn. 199 ff. 281) Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 120.
Seibt/Kraack
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
Hauptversammlung widerspricht die Arbeitnehmerseite der Gesamterfüllung; Folge: Die Anteilseigerseite muss für Getrennterfüllung nur drei Frauen wählen. 151 Das Beispiel zeigt, dass gesetzgeberisch in gewissen Fällen offensichtlich erlaubt ist, dass die Quote de facto verfehlt wird, denn hier sind nur drei von 20 Sitzen mit Frauen besetzt. Der Widerspruch erfolgt hier durch die Arbeitnehmerseite mit Bezug auf die Wahl der Anteilseignervertreter kurz nach der eigenen Wahl. Zugleich verdeutlicht das Beispiel, dass eine mit Wahlfeststellung abgeschlossene Wahl – hier der Arbeitnehmervertreter – nicht retroaktiv durch Widerspruchserklärung in ihren Rechtswirkungen verändert werden kann, sondern wirksam bleibt (arg. e § 96 Abs. 2 Satz 5 AktG).282) 152 Hier ist fraglich, ob dieser Widerspruch zulässig ist. Immerhin bringt die Arbeitnehmerseite mit dem Widerspruch die Absicht zur Getrennterfüllung zum Ausdruck, die sie aber für ihre eigene Seite nach gerade durchgeführter Wahl nicht erfüllt hat. Der eigene Widerspruch betrifft nur die andere Seite als nächste anstehende Wahl; vor der nächsten eigenen Wahl besteht die Möglichkeit für eine erneute Widerspruchsentscheidung. Der Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens liegt hier umso näher, als dass der Widerspruch durch dieselben Arbeitnehmervertreter ausgesprochen wurde, die auch bereits vor der Initiierung der eigenen Wahl Mitglieder des Aufsichtsrats waren, denn i. d. R. erfolgt die Wahl/Bestellung von Arbeitnehmervertretern aufschiebend bedingt auf die Wahl der Anteilseignervertreter. 153 Weder unter Treuepflichtgesichtspunkten noch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs wegen widersprüchlichen Verhaltens wird man allerdings eine Unzulässigkeit der Ausübung des Widerspruchs annehmen können.283) Obgleich noch immer dieselben Personen auf Seiten der Arbeitnehmer handeln, so haben diese doch keinen Einfluss auf die Kandidaten, denn die Aufstellung der Wählerlisten obliegt den Wahlvorständen.284) Es ist daher durchaus denkbar, dass die Widerspruchsentscheidung durch sachliche, plausible Gründe im Unternehmenswohl liegt.285) Beispiel 2: Sachverhalt wie Beispiel 1, aber bis zur Beendigung der Wahlfeststellung auf der Hauptversammlung widerspricht weder die Arbeitnehmer- noch die Anteilseignerseite. Folge: Die Anteilseignerseite muss für Gesamterfüllung sechs Frauen wählen. 154 Das Beispiel verdeutlicht die Bedeutung eines Widerspruchs im Lichte einer bereits erfolgten Wahl. Musste diese – wie hier auf Arbeitnehmerseite – wegen geltender Gesamterfüllung nicht quotengerecht erfolgen, so wäre für die An___________ 282) 283) 284) 285)
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Seibt, ZIP 2015, 1193, 1198. Allgemein zu diesen „beweglichen Schranken“ siehe Rn. 144 ff. Siehe zum Verfahren im Überblick Rn. 202 ff. Zu den Leitlinien einer sorgfältigen Entscheidung über den Widerspruch siehe Rn. 137 ff.
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II. Modi der Berechnung und Besetzung
teilseignerseite lediglich durch einen Widerspruch bezogen auf die eigene Wahl zu vermeiden gewesen, die Nichterfüllung der anderen Seite überkompensieren zu müssen. Beispiel 3: Bei einem Aufsichtsrat, der nach dem MitbestG mit zwölf Mitgliedern zu besetzen ist, werden auf Seiten der Arbeitnehmervertreter fünf Frauen gewählt. Im Vorfeld der Hauptversammlung widerspricht die Arbeitnehmerseite. Folge: Die Anteilseignerseite muss zur Getrennterfüllung zwei Frauen wählen. Das Beispiel zeigt, dass eine Seite die andere zur Wahl weiterer Kandidaten 155 eines Geschlechts zwingen kann, obwohl die Quote für dieses Geschlecht allein auf Seiten der widersprechenden Seite bereits übererfüllt ist (fünf anstatt nur vier Frauen). Dies gilt erst recht mit Blick auf den Gesamtaufsichtsrat, der sieben weibliche von insgesamt zwölf Mitgliedern hat. cc) Verteilung der Sitze auf Seiten der Arbeitnehmervertreter Für die Arbeitnehmervertreter gelten für die interne Zusammensetzung die 156 Vorschriften der § 7 Abs. 2 MitbestG, § 6 Abs. 1 und Abs. 3 MontanMitbestG, § 6 Abs. 1 MontanMitbestErgG (Verhältnis von unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitgliedern zu Gewerkschaftsvertretern) und § 15 Abs. 1 Satz 2 MitbestG (Pflichtsitz der leitenden Angestellten innerhalb der Gruppe der unternehmensangehörigen Arbeitnehmervertreter). Eine besondere Aufteilungsregel der Quotensitze gibt es nicht, sodass auch hier eine interne Abstimmung sinnvoll ist. Unter den Aufsichtsratsmitgliedern der unternehmensangehörigen Arbeit- 157 nehmer und der Gewerkschaften müssen beide Geschlechter entsprechend der unterschiedlichen Aufsichtsratsgröße vertreten sein.286) Die Berechnung der Geschlechterquote nach MitbestG ergibt Folgendes:287) Größe AR (nach MitbestG)
12
Unternehmensangehörige Arbeitnehmervertreter
Gewerkschaftsvertreter
Vertreter leitende Angestellte
Gesamt
Quote
Gesamt
Quote
Gesamt
Quote
3
1
2
1
1
–
16
5
1
2
1
1
–
20
6
2
3
1
1
–
___________ 286) Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 45. 287) Die folgende und die in Rn. 159 enthaltene Tabelle folgt im Aufbau Begr. RegE, BTDrucks. 18/3784, S. 45.
Seibt/Kraack
63
158
B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
159 Die Berechnung der Geschlechterquote nach MontanMitbestErgG ergibt Folgendes: Größe AR (nach MontanMitbestErgG)
Unternehmensangehörige Arbeitnehmervertreter
Gewerkschaftsvertreter
Gesamt
Quote
Gesamt
Quote
15
5
1
2
1
21
7
2
3
1
160 Danach müssen in einem Aufsichtsrat mit zwölf bzw. 16 Mitgliedern jeweils eine Person der unternehmensangehörigen Arbeitnehmer und eine Person der Gewerkschaftsvertreter dem unterrepräsentierten Geschlecht angehören. Sobald der Aufsichtsrat aus 20 Mitgliedern besteht, müssen zwei unternehmensangehörige Arbeitnehmervertreter und ein Gewerkschaftsvertreter dem Minderheitsgeschlecht angehören. Bei einem Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben enthält § 18a MitbestG detaillierte Regelungen der Rechtsfolgen. Der unflexible Ersetzungsmechanismus des § 18a MitbestG führt allerdings in bestimmten Konstellationen zu einer automatischen Übererfüllung der Geschlechterquote.288) Beispiel: Bei einem Aufsichtsrat mit 20 Mitgliedern werden im Falle der Getrennterfüllung nur zwei weibliche Arbeitnehmervertreter gewählt, von denen eine Person Vertreterin der leitenden Angestellten ist und die andere Person nicht eine Gewerkschaft repräsentiert. 161 In dieser Konstellation müssen mindestens zwei unternehmensangehörige Vertreterinnen der Arbeitnehmer und mindestens eine Gewerkschaftsvertreterin dem Aufsichtsrat angehören. Gemäß § 18a Abs. 2 MitbestG ist die Wahl des Arbeitnehmervertreters und des Gewerkschaftsvertreters mit den wenigsten Stimmen unwirksam. Diese Sitze werden anschließend durch entsprechende weibliche Vertreter aufgefüllt. Im Ergebnis gehören dem Aufsichtsrat dann vier statt der von § 7 Abs. 3 MitbestG mindestens geforderten drei Arbeitnehmervertreterinnen an. 162 In Falle eines nachträglichen Widerspruchs der Anteilseignerseite gegen die Gesamterfüllung der gesetzlichen Geschlechtervorgaben im Aufsichtsrat akzeptiert das Gesetz eine temporäre Unterrepräsentation eines Geschlechts.289) Beispiel: Erfolgt die Wahl der Arbeitnehmervertreter zunächst entsprechend dem Grundsatz der Gesamterfüllung und widerspricht die Seite der Anteilseigner nachträg___________ 288) Zu verfassungsrechtlichen Bedenken siehe Röder/Arnold, NZA 2015, 279, 281 f.; gegen die feste Geschlechterquote an sich siehe Hohenstatt/Willemsen/Naber, ZIP 2014, 2220, 2221 f. und Habersack/Kersten, BB 2014, 2819, 2822 ff. 289) Zu weiteren Beispiel-Szenarien siehe Rn. 150 ff.
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Seibt/Kraack
III. Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
lich, bleibt die Wahl der Arbeitnehmervertreter auch dann wirksam, wenn weniger als 30 % eines Geschlechts gewählt wurden. Die Anteilseignerseite ist bei der Wahl bzw. Bestellung ihrer Vertreter lediglich verpflichtet, getrennt betrachtet jeweils 30 % Männer und Frauen in den Aufsichtsrat zu entsenden. Das Gesetz akzeptiert damit, dass die Gesamtquote aller einem Geschlecht zuzuordnenden Aufsichtsratsmitglieder ggf. unterhalb von 30 % liegt (siehe bereits oben Rn. 151). III. Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder 1. Bestellung der Anteilseignervertreter Die Bestellung von Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat erfolgt im Grund- 163 satz durch Wahl der Hauptversammlung (§ 101 Abs. 1 AktG)290) oder durch Ausübung eines statutarischen Entsendungsrechts (§ 101 Abs. 2 AktG)291), deren Wirksamkeit in beiden Fällen von der Annahme des Bestellten abhängig ist. Wird das Gebot der festen Geschlechterquote bei der Wahl durch die Hauptversammlung oder bei der Ausübung des Entsendungsrechts missachtet, ist der Bestellungsakt nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung unwirksam (§ 96 Abs. 2 Satz 6 AktG) und der andernfalls geschlechterwidrig besetzte Aufsichtsratssitz bleibt frei (sog. Prinzip des leeren Stuhls).292) a) Wahl der Anteilseignervertreter aa) Vorbereitung der Hauptversammlung (1) Zeitliche Abfolge der Entscheidungen Die Entscheidung über den Widerspruch kann zweckmäßigerweise nicht ohne 164 Blick auf die Verfügbarkeit von geeigneten Kandidaten und konkreten Beschlussvorschlägen getroffen werden. Erst wenn feststeht, ob für eine Getrennterfüllung hinreichend qualifizierte, geschlechterspezifische Kandidaten rekrutiert werden können, kann über einen Widerspruch befunden oder sollte die (verbindliche) Abstimmung mit der anderen Seite des Aufsichtsrats über einen Verzicht gesucht werden. (2) Veröffentlichung der Tagesordnung mit Beschlussvorschlägen Die Vorschläge des Aufsichtsrats für die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern 165 nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG, die nach § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG mit der Einberufung bekanntzumachen sind, haben den Namen der Kandidaten, den ausgeübten Beruf (d. h. die tatsächlich ausgeübte berufliche Haupttätigkeit) und den Wohnort zu enthalten (§ 124 Abs. 3 Satz 4 AktG). Eine Ergänzung hat der Inhalt der Bekanntmachung gemäß § 124 Abs. 2 166 Satz 2 AktG erfahren. Bereits bisher ist nach Satz 1 anzugeben, nach welchen ___________ 290) Vgl. hierzu sogleich Rn. 164 ff. 291) Vgl. hierzu Rn. 199 ff. 292) Vgl. hierzu noch ausführlich Rn. 221 ff.
Seibt/Kraack
65
B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
gesetzlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat zusammensetzt, und ob die Hauptversammlung an Wahlvorschläge gebunden ist. Erstere Angabe umfasst nun auch den Hinweis auf die Anforderungen der festen Quote nach § 96 Abs. 2 AktG.293) Letzteres ist bei den (quotengerechten) Wahlvorschlägen nach § 6 Abs. 6 MontanMitbestG der Fall. Darüber hinaus muss die Bekanntmachung für Gesellschaften, die der festen Geschlechterquote unterliegen, nunmehr nach Satz 2 auch die Angabe enthalten, (1) ob der Gesamterfüllung nach § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG widersprochen wurde und (2) wie viele der Sitze im Aufsichtsrat mindestens jeweils von Frauen und Männern besetzt sein müssen, um das Mindestanteilsgebot nach § 96 Abs. 2 Satz 1 AktG zu erfüllen. Sinn und Zweck ist es, den Aktionären eine sachgemäße Vorbereitung auf die quotierte Aufsichtsratswahl zu ermöglichen.294) 167 Der Aufsichtsrat ist im Regelfall verpflichtet, nur solche Wahlvorschläge zu unterbreiten, die auf der Basis seiner Informationslage (also ggf. unter Berücksichtigung bis zur Hauptversammlung eintretender Umstände wie Amtsniederlegungen oder die Wahrnehmung von Entsendungsrechten) zu einer gesetzesmäßigen und d. h. quotengerechten Aufsichtsratsbesetzung führen.295) Dies gilt auch für Alternativ- und Eventualvorschläge. Ist die quotengerechte Zulässigkeit des Wahlvorschlages noch vom Eintritt zukünftiger Umstände abhängig, so ist hierauf ebenfalls in der Bekanntmachung der Tagesordnung (insoweit in Erweiterung von § 124 Abs. 2 Satz 2 AktG) hinzuweisen. Die gleichen Grundsätze (Zulässigkeit der Bekanntmachung und Hinweispflicht in der Bekanntmachung) gelten für den Sonderfall, dass dem Aufsichtsrat trotz besten Bemühens im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren eine dem Gebot der festen Geschlechterquote entsprechende Kandidatenwahl nicht gelungen ist: Denn in diesem Fall ist die wegen Fehlens einer Härteklausel überschießende Gesetzesreglung erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken unterworfen296) und der Aufsichtsrat ist jedenfalls berechtigt, anstelle der Hinnahme einer Überparität der Arbeitnehmer einen geschlechterindifferenten Wahlvorschlag der Hauptversammlung zu unterbreiten.297) Unzulässig dürfte es grundsätzlich sein, mit einem quotengerechten Wahlvorschlag einen quotenwidrigen Alternativ- oder Eventualvorschlag zu verbinden. Das dem Aufsichtsrat bei der Unterbreitung von Wahlvorschlägen zustehende Ermessen wird durch die Rechtspflicht der festen Geschlechterquote um die Möglichkeit alternativer oder hilfsweiser Wahlvorschläge reduziert. Nur wenn diese Pflicht nach vorstehend Ausgeführtem ausnahmsweise nicht greift, sind auch geschlechterindifferente Wahlvorschläge zulässig. ___________ 293) Begr. Beschlussempfehlung und Bericht des 13. Ausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 25. 294) Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 124. 295) So bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1203; zur Verpflichtung des Aufsichtsrats zu gesetzmäßigen, sorgfältigen Wahlvorschlägen vgl. Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 101 Rn. 17; Wagner, in: Semler/v. Schenck, Arbeitshdb. AR-Mitglieder, § 2 Rn. 15; Lutter, ZIP 2003, 417. 296) Ebenso Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 900; Habersack/Kersten, BB 2014, 2819 ff. 297) Siehe bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1203; kritisch im Hinblick auf die drohende Überparität auch DAI, Stellungnahme zum Regierungsentwurf, S. 18 f.
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Seibt/Kraack
III. Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
Nach dem Wortlaut ist nicht anzugeben, welche Seite den Widerspruch aus- 168 geübt hat und zu welchem Zeitpunkt dies geschah. Die Aufnahme dieser Informationen ist jedoch möglich und sinnvoll, um ggf. erwartbaren Fragen im Rahmen der Generaldebatte vorzubeugen298) (vgl. § 131 Abs. 3 Nr. 7 AktG i. V. m. §§ 124a Satz 1 Nr. 1, 121 Abs. 3 Satz 2 AktG). Des Weiteren ist die Mitteilungspflicht nach § 125 Abs. 1 Satz 5 AktG zu 169 weiteren Mandaten zu beachten, die notwendiger Bestandteil nur der Mitteilung nach § 125 Abs. 1 AktG, nicht dagegen der Bekanntmachung der Wahlvorschläge gemäß § 124 Abs. 3 AktG ist. In praxi werden die Angaben gemäß § 125 Abs. 1 Satz 5 AktG aber i. d. R. mit den Wahlvorschlägen und der Tagesordnung im elektronischen Bundesanzeiger erfolgen.299) Hiernach sind Angaben zu Mitgliedschaften der Kandidaten300) in anderen gesetzlich zu bildenden Aufsichtsräten beizufügen; es sollen ebenfalls Angaben zu ihren Mitgliedschaften in vergleichbaren in- und ausländischen Kontrollgremien von Wirtschaftsunternehmen beigefügt werden.301) Hierbei ist stets auch an die Höchstzahl der zulässigen Mandate nach § 100 Abs. 2 AktG zu denken. Diese Angabe zu Mandaten, die insbesondere potentielle Interessenkonflikte kraft personeller Verflechtung transparent machen will,302) ist gerade im Lichte der festen Geschlechterquote von besonderer Bedeutung. Denn zum einen ist sie geeignet, Aufschluss über die Qualifikation von der Quote unterfallenden Personen zu geben. Zum anderen kann sie anhand der Anzahl weiterer Mandate nicht nur Interessenkonflikte indizieren, sondern auch, ob eine vorgeschlagene Person in kapazitiver Hinsicht den Anforderungen einer Aufsichtsratstätigkeit in der börsennotierten, mitbestimmten AG gewachsen ist.303) Besonders aufmerksam dürfte dies in der ersten Phase von ca. 3 – 5 Jahren nach Geltung des Gesetzes für Frauen beobachtet werden, wird doch hier eine Knappheit geeigneter Kandidatinnen vermutet, die insgesamt zu einer Ämterhäufung bei einzelnen Kandidatinnen führen könnte. (3) Tagesordnungsergänzungsverlangen Neben dem Recht nach § 122 Abs. 1 AktG, die Einberufung einer Haupt- 170 versammlung zum Zwecke der Aufsichtsratswahl zu verlangen, können Ak___________ 298) Siehe sogleich Rn. 180 ff. 299) Nach Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 125 Rn. 20, sind die seitens des Gesetzgebers bei einer Bekanntmachung im Bundesanzeiger gemäß § 124 Abs. 3 AktG besorgten Mehrkosten sind beim elektronischen Bundesanzeiger zu vernachlässigen. 300) Die Angaben beziehen sich systematisch nur auf die vom Aufsichtsrat zu unterbreitenden Beschlussvorschläge, nicht aber auf die die Hauptversammlung bindenden Vorschläge des § 6 MontanMitbestG. 301) Die Angaben zu den Mandaten entsprechen den gemäß § 285 Nr. 10 HGB im Anhang zu machenden Pflichtangaben, die – im Gegensatz zu denjenigen nach § 125 Abs. 1 Satz 5 Hs. 2 AktG – auch hinsichtlich der Angaben zur Mitgliedschaft in vergleichbaren in- und ausländischen Kontrollgremien von Wirtschaftsunternehmen zwingend sind. 302) Koch, in: Hüffer, AktG, § 125 Rn. 6. 303) Vgl. zu diesem Aspekt der Vorschrift Mülbert/Bux, WM 2000, 1665, 1667.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
tionäre, deren Anteile zusammen 5 % des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500.000 Euro erreichen304), nach § 122 Abs. 2 Satz 1 AktG verlangen, dass die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern auf die Tagesordnung gesetzt und bekanntgemacht wird. 171 An diese Möglichkeit zur Initiierung einer Aufsichtsratswahl ist stets zu denken, wenn der Aufsichtsrat nicht vollständig besetzt ist und die AG von sich aus nicht beabsichtigt, den Punkt auf die Tagesordnung zu setzen. Dies wird immer dann in Betracht kommen, wenn trotz sorgfältiger und intensiver Personalsuche keine geeigneten Kandidaten gefunden werden konnten.305) Der Vorstand ist, obwohl bei Vakanzen in den der festen Geschlechterquote unterliegenden mitbestimmten Aufsichtsräten nach § 104 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 AktG stets ein wichtiger Grund vorliegt, auch nicht verpflichtet, einen Antrag auf gerichtliche Ergänzung zu stellen,306) so lange die Vakanz nicht zur Beschlussunfähigkeit führt (vgl. § 104 Abs. 1 AktG). 172 Dem schriftlich und binnen einer Zugangsfrist von mindestens 30 Tagen vor der Hauptversammlung (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 Hs. 1 AktG) an den Vorstand der AG zu richtenden Ergänzungsverlangen muss gemäß § 122 Abs. 2 Satz 2 AktG zu jedem Gegenstand eine Begründung oder ein derart ausformulierter Beschlussvorschlag beiliegen, der in der Hauptversammlung zur Abstimmung gestellt werden kann.307) Inhaltlich muss sich ein Aktionärsverlangen nach Ergänzung der Tagesordnung um den Punkt der Aufsichtsratswahl freilich auch an die Vorgaben der festen Quote nach § 96 Abs. 2 AktG halten. Eine Begründung muss in der gebotenen Kürze den betreffenden Gegenstand der Tagesordnung erläutern und deutlich machen, warum eine Behandlung in der Hauptversammlung gewünscht ist. Ein Beschlussvorschlag der Aktionäre hat ebenfalls die ergänzenden persönlichen Angaben nach § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG zu enthalten.308) Nicht einheitlich wird beurteilt, ob die Angaben zu weiteren Mandaten nach § 125 Abs. 1 Satz 5 AktG erforderlich sind.309) 173 Erfüllt das Verlangen diese formellen Kriterien, so ist der Vorstand verpflichtet, dem Ergänzungsverlangen unverzüglich nachzukommen. Die erzwungene Tagesordnungsergänzung um den Punkt der Aufsichtsratswahl hat zur Folge, dass die Bekanntmachung der Ergänzung in gleicher Weise wie die Einberufung zu erfolgen (§ 124 Abs. 1 AktG) und auch die neuen Angaben nach § 124 Abs. 2 Satz 2 AktG zu enthalten hat. Die geänderte Tagesordnung ist zudem nach § 125 Abs. 1 Satz 3 AktG mitzuteilen. ___________ 304) Auch für das Begehren nach Abs. 2 unterliegen die Aktionäre dem Erfordernis der Vorbesitzzeit von mindestens drei Monaten vor der Hauptversammlung i. S. d. § 122 Abs. 1 Satz 3, § 142 Abs. 2 Satz 2 AktG, siehe Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 122 Rn. 29. 305) Zu den Erwägungen der Personalauswahl siehe Rn. 137 ff. 306) Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 35. 307) Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 122 Rn. 41. 308) Herrler, in: Grigoleit, AktG, § 124 Rn. 20. 309) Dagegen Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 125 Rn. 20; dafür Kubis, in: MünchKommAktG, § 125 Rn. 13.
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III. Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
Wie der Aufsichtsrat auf das Ergänzungsverlangen der Aktionäre reagiert, 174 steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Er ist nicht verpflichtet, zu dem im Wege eines Ergänzungsverlangens nach § 122 Abs. 2 AktG auf die Tagesordnung beförderten Beschlussgegenstand der Aufsichtsratswahl einen Wahlvorschlag zu unterbreiten, § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG.310) In Ansehung des Wahlvorschlags der Aktionäre oder der Begründung wird er jedoch kritisch zu hinterfragen haben, ob im Unternehmensinteresse nicht doch ein (besser geeigneter) quotengerechter Kandidat gefunden werden kann. (4) Wahlvorschläge von Aktionären Aktionären steht es frei, zu den in der bekanntgemachten Tagesordnung an- 175 gekündigten Wahlvorschlägen alternative Kandidaten zur Wahl vorzuschlagen.311) Wenn der Aktionär den Wahlvorschlag mindestens 14 Tage vor der Versammlung der Gesellschaft übersandt hat und diesen nicht erst in der Hauptversammlung stellt312), ist dieser nach § 127 Satz 1 AktG i. V. m. § 126 Abs. 1 Satz 1 AktG in dort vorgeschriebener Weise bekanntzumachen. Auch der Vorschlag der Aktionäre hat nach § 127 Satz 3 AktG die persönlichen 176 Angaben nach § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG313) zu enthalten; ob auch die Angaben zu den weitergehenden Mandaten nach § 125 Abs. 1 Satz 5 AktG erforderlich sind, wird unterschiedlich beurteilt.314) Zudem hat der Vorstand den Wahlvorschlag nach dem neuen § 127 Satz 4 AktG mit (1) dem Hinweis auf die Anforderungen des § 96 Absatz 2 AktG, (2) der Angabe, ob der Gesamterfüllung nach § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG widersprochen wurde und (3) der Angabe, wie viele der Sitze im Aufsichtsrat zur Erfüllung des Mindestanteilsgebots nach § 96 Abs. 2 Satz 1 AktG jeweils von Frauen und Männern besetzt sein müssen, zu versehen. Eine Begründung des Wahlvorschlags ist hingegen nicht erforderlich, § 127 177 Satz 2 AktG; wird der Vorschlag gleichwohl begründet, hat der Vorstand diese allerding nach § 126 AktG zugänglich zu machen.315) Die Begründung von alternativen Wahlvorschlägen kann im Zusammenhang der festen Geschlechterquote ___________ 310) Schlitt/Becker, in: Semler/Volhard/Reichert, Hdb. HV, § 4 Rn. 210. 311) Zur Initiierung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern auf Basis eines Minderheitsbegehrens für den Fall, dass dies in der bekanntgemachten Tagesordnung nicht vorgesehen ist, siehe Rn. 170 ff. 312) Diese Möglichkeit bleibt ihm unbenommen, siehe hierzu sogleich Rn. 186. 313) Der Verweis in § 127 Satz 3 AktG auf § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG ist – obwohl im Rahmen des GgTFMF die Möglichkeit zur Umsetzung der beabsichtigten Korrektur bestanden hätte weiterhin als Redaktionsversehen zu betrachten, vgl. auch Herrler, in: Grigoleit, AktG, § 127 Rn. 2. 314) Dafür Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 125 Rn. 13; Schlitt/Becker, in: Semler/Volhard/ Reichert, Hdb. HV, § 4 Rn. 327; dagegen Koch, in: Hüffer, AktG, § 125 Rn. 6; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 125 Rn. 20. 315) Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 127 Rn. 8; Schlitt/Becker, in: Semler/Volhard/ Reichert, Hdb. HV, § 4 Rn. 326.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
ein aus Sicht eines kritischen Aktionärs willkommenes Instrument sein, um die Tauglichkeit der vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen Kandidaten bereits im Vorfeld der Hauptversammlung und für andere Aktionäre sichtbar anzuzweifeln. Praxistipp: Die Angaben zu Person und Mandaten der von Aktionären alternativ vorgeschlagenen Kandidaten sowie eine mögliche Begründung sollten im Rahmen der Vorbereitung von Q&A-Listen für die Generaldebatte Berücksichtigung finden. Hier gilt es, für antizipierte kritische Fragen sorgfältige Antworten vorzubereiten.316)
178 Fraglich ist, ob der Vorstand auch quotenwidrige Wahlvorschläge von Aktionären bekanntzumachen hat. Nach §§ 127, 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG besteht in diesem Fall jedenfalls keine Pflicht („brauchen nicht“), nach h. M. allerdings sogar ein Verbot, wenn der Gegenantrag zu einem gesetzeswidrigen Beschluss führen würde.317) Das Verbot geht jedoch davon aus, dass ein Gesetzesverstoß des Beschlusses im Veröffentlichungszeitpunkt sicher ist. Dies ist für Wahlvorschläge unter Quotengesichtspunkten allerdings nicht der Fall. Denn zum einen kann sich die Geschlechterzusammensetzung bis zur Hauptversammlung (z. B. durch Amtsniederlegung) noch ändern, insbesondere aber kann sich das für die konkrete Wahl erforderliche Geschlecht, vor allem im Falle der Einzelwahl nach der Reihenfolge der Abstimmungen richten, die wegen § 137 AktG (siehe sogleich) erst in der Hauptversammlung selbst feststeht. Aus diesem Grunde wird man davon auszugehen haben, dass auch ex ante quotenwidrige Wahlvorschläge der Aktionäre zugänglich zu machen sind.318) Des Weiteren wird man die ausnahmsweise Zulässigkeit eines quotenwidrigen Vorschlags im Sonderfall, dass trotz besten Bemühens im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren keine entsprechende Kandidatenwahl gelungen ist, auch für Wahlvorschläge von Aktionären annehmen müssen.319) Praxistipp: Es empfiehlt sich für die Verwaltung, zu dem Wahlvorschlag von Aktionärsseite im Rahmen der Zugänglichmachung zulässigerweise320) kurz Stellung zu nehmen. Insbesondere wäre die Veröffentlichung eines quotenwidrigen Wahlvorschlags – zumal im Lichte der geforderten Angaben nach § 127 Satz 4 AktG – ohne Hinweis irreführend. Macht die Aktionärsseite von ihrem Begründungsrecht Gebrauch, sollte ihr nicht die Deutungshoheit überlassen werden.
179 Wenn der Aktionär die Wahl des von ihm gemäß § 127 AktG zur Wahl vorgeschlagenen Mitglieds in der Hauptversammlung beantragt, so ist in der ___________ 316) 317) 318) 319) 320)
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Siehe hierzu sogleich Rn. 180 ff. Siehe nur Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 126 Rn. 27 m. w. N. Ebenso Herb, DB 2015, 964, 967. Seibt, ZIP 2015, 1193, 1203; siehe bereits Rn. 167. Schlitt/Becker, in: Semler/Volhard/Reichert, Hdb. HV, § 4 Rn. 323.
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III. Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
Reihenfolge über seinen Antrag vor dem Vorschlag des Aufsichtsrats zu beschließen, wenn es eine Aktionärsminderheit von mindestens 10 % des vertretenen Grundkapitals verlangt, siehe § 137 AktG. (5) Vorbereitung der Generaldebatte („Q&A-Liste“) Wie die vergangene Hauptversammlungssaison gezeigt hat, stehen die neuen 180 Instrumente der festen Geschlechterquote sowie der flexiblen Zielvorgaben für Frauenquoten im Fokus des Interesses von Aktionären und Aktionärsvereinigungen. Dieses Interesse dürfte für die kommende Saison 2016 noch größer sein, stehen ab 1. Januar 2016 Aufsichtsratswahlen doch erstmals unter dem Gebot der festen Quote. Praxistipp: Die der festen Geschlechterquote unterfallenden Gesellschaften sollten sich insbesondere auf solche Fragen in der Generaldebatte einstellen und entsprechende Musterantworten vorbereiten, die über den bereits öffentlich verfügbaren Informationsstand hinausgehen.321)
Im Einzelnen können diese Fragen die folgenden Aspekte betreffen:
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x
Welche Seite der Gesamterfüllung der festen Geschlechterquote widersprochen hat; zu welchem Zeitpunkt der Widerspruch erklärt wurde.
x
Welche Gründe dem Widerspruch der Gesamterfüllung zugrunde lagen.
x
Im Hinblick auf die quotenerfüllenden Kandidaten: insbesondere Fragen zur fachlichen Qualifikation und zu deren Stellenwert bei der Personalauswahl im Vergleich zum Merkmal des Geschlechts.
x
Selten: Fragen nach der (zutreffenden) Angabe des Geschlechts; Vorlage von Beweis- bzw. Ausweisdokumenten.
x
Nach erstmaliger Veröffentlichung nach § 289a HGB: Weitergehende Fragen nicht nur zu den Ursachen der Nichterfüllung, sondern auch zu den Gründen der Nichtbeseitigung.
Den rechtlichen Rahmen für die Beantwortung der Fragen bzw. die Vorbe- 182 reitung möglicher Antworten gibt § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG vor: Auskunft zu geben ist nur über Angelegenheiten der Gesellschaft, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Bei den quotenbezogenen Fragen handelt es sich, da sie die Personalfragen der Gesellschaft betreffen,322) in aller Regel um Angelegenheiten der Gesell___________ 321) Ein Auskunftsverweigerungsgrund wegen rechtzeitiger vorheriger Internetpublizität besteht nach § 131 Abs. 3 Nr. 7 AktG. Vgl. allgemein zum Zusammenhang der öffentlich verfügbaren Informationen zum Kriterium der Erforderlichkeit des Auskunftsrechts eines objektiv urteilenden Aktionärs Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 8, 10. 322) Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 131 Rn. 36.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
schaft. Erforderlich ist eine Auskunft auch in dieser Hinsicht jedoch nur, wenn die Information vom Standpunkt eines objektiv urteilenden Aktionärs, der die Gesellschaftsverhältnisse nur aufgrund allgemein bekannter Tatsachen kennt, als nicht nur unwesentliches Beurteilungselement zur sachgemäßen Beurteilung des Beschluss- oder Tagesordnungsgegenstands benötigt wird.323) Bezugspunkt kann bei den quotenrelevanten Fragen einerseits der Tagesordnungspunkt der Aufsichtsratswahl bzw. der jeweils einzelne Wahlvorschlag selbst sein, andererseits kommen auch die Tagesordnungspunkte der Entlastung des Aufsichtsrats und des Vorstands in Betracht. Letzteres wird insbesondere bei etwaigen in Rede stehenden Pflichtverletzungen der Organe bzw. ihrer Mitglieder der Fall sein, wobei hier für die Erheblichkeit strengere Maßstäbe gelten.324) 183 Die Erforderlichkeit wird man bei den obigen Beispielen (siehe Rn. 181) i. d. R. als gegeben anzusehen haben. Dies gilt insbesondere auch für die Fragen in Bezug auf das Widerspruchsrecht. Jedenfalls in Anbetracht der Rechtsunsicherheiten kann die Frage nach dem Zeitpunkt seiner Ausübung Relevanz für die Wirksamkeit des Widerspruchs und damit für die Frage haben, ob bzw. inwieweit die nach dem Aktieneigentum grundgesetzlich garantierte privatautonome Wahlfreiheit der Aktionäre325) in Bezug auf ihre Anteilseignervertreter durch Geltung der Getrennterfüllung noch stärker eingeschränkt ist als unter Geltung der Gesamterfüllung. Die Begründung für die Ausübung des Widerspruchs kann ebenfalls relevant für die Wahlentscheidung sein. Schwieriger ist der Umgang mit – auf den ersten Blick fernliegenden, querulatorisch anmutenden – Fragen nach der Richtigkeit der Angabe des Geschlechts eines Kandidaten oder danach, ob sich der Aufsichtsrat über dessen Richtigkeit vergewissert hat.326) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei der Aufsichtsratswahl ohne weitere Darlegung alle diejenigen Auskünfte – auch über persönliche Angelegenheiten – beurteilungserheblich sind, die auf die Eignung des Kandidaten für ein Aufsichtsratsmandat in dieser Gesellschaft zielen.327) Dies wird man nun nicht nur für die persönlichen Voraussetzungen der §§ 100, 105 AktG annehmen dürfen, sondern auch für die Geschlechterqualifikation nach § 96 Abs. 2 AktG anzunehmen haben. Eines ___________ 323) Das Kriterium soll einerseits missbräuchlichen, ausufernden Auskunftsbegehren entgegenwirken; andererseits ist jedoch keine Kausalitätsbetrachtung dahingehend gefordert, ob ein objektiv urteilender Aktionär in Kenntnis der Information anders abgestimmt hätte; siehe nur Koch, in: Hüffer, AktG, § 131 Rn. 12; BGH, Beschl. v. 14.1.2014 – II Z. B. 5/12, DB 2014, 704 Rn. 26; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.2.2015 – I-26 W 14/14 (AktE) rkr., DB 2015, 1154, 1156. 324) Gefordert wird, dass sich das Auskunftsverlangen auf einen (möglichen) Verstoß von einigem Gewicht beziehen muss, der für Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Verwaltung von Bedeutung ist, siehe BGH, Urt. v. 18.10.2004 – II ZR 250/02, BGHZ 165, 385, 389 = ZIP 2004, 2428, dazu Wagner, EWiR 2005, 241 = NJW 2005, 828; Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 131 Rn. 53. 325) Vgl. nur Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, § 101 Rn. 25. 326) Zu Darlegungs- und Beweisfragen in dieser Hinsicht siehe Rn. 89. 327) Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 131 Rn. 56; Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, § 131 Rn. 32.
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III. Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
der in § 131 Abs. 3 AktG abschließend aufgeführten Auskunftsverweigerungsrechte ist nicht einschlägig. Auch wird man die Beantwortung der Frage nicht in allen Fällen mangels Erforderlichkeit wegen Offensichtlichkeit der Antwort in Ansehung der Person aus Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs ablehnen dürfen. In jedem Fall kann und sollte auch diesen Fragen sachlich (korrekt) begegnet werden. Während die an den Kandidaten gerichtete Frage nach dem zutreffenden Geschlecht schlicht positiv zu beantworten sein wird, reicht bei Nachfrage nach entsprechender Vergewisserung des Aufsichtsrats ein Hinweis auf die erfolgte Vorlage eines Ausweisdokuments, welches man für die Feststellung des Geschlechts auch nur ausnahmsweise bei berechtigten Zweifeln wird fordern dürfen. Die Vorlage von Ausweisdokumenten oder anderen Belegen kann im Rahmen des Auskunftsrechts in keinem Falle gefordert werden.328) Praxistipp: Von dem (weiten) rechtlichen Rahmen zu unterscheiden ist die Frage in tatsächlicher Hinsicht, ob der Vorstand (oder der Aufsichtsrat) auch ohne Antwortpflicht zu den Fragen Stellung nehmen will. Dies ist eine Frage der Zweckmäßigkeit. In der Regel wird es sich aus Gründen guter Corporate Governance empfehlen, die in diesem Kontext gestellten Fragen umfänglich zu beantworten.
Schuldner der Auskunftspflicht ist die Gesellschaft, für die grundsätzlich 184 der Vorstand als primär geschäftsführendes Organ handelt. Die Beantwortung vieler der quotenbezogenen Fragen wird der Vorstand jedoch zulässigerweise an den Aufsichtsratsvorsitzenden oder – z. B. in Bezug auf die Ausübung des Widerspruchs durch eine Seite – ein anderes Mitglied des Aufsichtsrats bzw. einer Seite delegieren. Auch insoweit handelt es sich jedoch um eine Auskunftserteilung durch den Vorstand; eine originäre Verpflichtung des Aufsichtsrats zur Erteilung von Auskünften nach § 131 AktG besteht nicht.329) bb) Durchführung der Hauptversammlung (1) Vorstellung der vorgeschlagenen Kandidaten, Generaldebatte Es ist ebenso zulässig wie zweckmäßig, dass sich die zur Wahl vorgeschlagenen 185 Kandidaten in der Hauptversammlung kurz vorstellen. Auch ist es nach den oben dargelegten Grundsätzen – und unabhängig davon, ob sie bereits wiederzuwählendes Mitglied im Aufsichtsrat sind oder neuer Kandidat – zulässig, dass die vorgeschlagenen Kandidaten die sie betreffenden Fragen im Rahmen der Generaldebatte selbst beantworten. Auch insoweit handelt es sich um eine delegiert erfüllte, weiterhin beim Vorstand verbleibende Pflicht.330)
___________ 328) Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 131 Rn. 82. 329) Zum Ganzen Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 131 Rn. 19 ff. 330) Siehe vorstehend Rn. 184.
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(2) Unterbreitung abweichender Wahlvorschläge 186 Bei den vom Aufsichtsrat im Rahmen der Tagesordnung und den nach §§ 126, 127 AktG zu veröffentlichenden Wahlvorschlägen handelt es sich lediglich um Ankündigungen von in der Hauptversammlung erst noch zur Wahl zu stellenden Vorschlägen. Im Rahmen des Tagesordnungspunktes Aufsichtsratswahl (vgl. § 124 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 AktG) sind daher auch kurzfristig, d. h. in der Hauptversammlung, noch Modifikationen bei den tatsächlich zur Wahl vorgeschlagenen Personen zulässig.331) Für den Aufsichtsrat wie auch für Aktionäre besteht die Möglichkeit, im Rahmen des Tagesordnungspunkts Aufsichtsratswahl alternative Kandidaten für die Wahl des Aufsichtsrats vorzuschlagen.332) Damit eröffnet sich sowohl für den Aufsichtsrat als auch für die Aktionäre die Möglichkeit, bei einem zulässigerweise333) sehr kurzfristig erfolgenden Widerspruch gegen die Gesamterfüllung in Bezug auf die Kandidaten noch zu reagieren. Problematisch kann dies jedoch vor dem Hintergrund der bereits im Vorfeld der Hauptversammlung in Ansehung der Tagesordnung festgelegten Stimmen sein.334) (3) Wahlverfahren/Versammlungsleitung 187 Besonderes Augenmerk ist in der Hauptversammlungspraxis auf das Wahlverfahren zu legen. Dies erfordert die drastische Rechtsfolge der Nichtigkeit der Wahl nach § 96 Abs. 2 Satz 6 AktG. Als Varianten für das Wahlverfahren stehen die – in der heutigen Praxis seltene335) – Blockwahl und die in der heutigen Praxis weit verbreitete (und nach Ziffer 5.3.2 Satz 1 DCGK empfohlene) Einzelwahl der Kandidaten zur Verfügung. Bei der ersteren, auch Listen- oder Globalwahl336) genannten Variante wird über die zur Wahl in den Aufsichtsrat vorgeschlagenen Kandidaten en bloc abgestimmt, d. h. der Aktionär stimmt über die Wahl sämtlicher für die vakanten Posten auf der Liste befindlichen Kandidaten mit einer Stimme ab. Bei letzterer Variante stimmt der Aktionär über die Wahl der jeweils vorgeschlagenen Personen einzeln ab, wobei die Wahlgänge und Stimmabgaben i. d. R. nicht nacheinander geschaltet, sondern – ohne Zusammenfassung zu einer Liste – organisatorisch zusammengefasst werden (Simultanwahl). 188 Im Hinblick auf die Rechtsfolge der Nichtigkeit soll nun bei der Blockwahl, bei der alle Kandidaten nur insgesamt gewählt oder abgelehnt werden können, ___________ 331) Die Abgrenzung des als Gegenantrag oder ergänzender Sachantrag unter einem Tagesordnungspunkt noch Zulässigen ist allerdings im Einzelfall diffizil, im Überblick Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 124 Rn. 51 ff. 332) Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 124 Rn. 52 m. w. N. 333) Siehe hierzu Rn. 130 ff. 334) Siehe auch hierzu bereits Rn. 133. 335) Herb, DB 2015, 964, 966. 336) Zur Terminologie und im Überblick etwa Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 31.
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III. Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
bei Nichterreichen der Geschlechterquote die gesamte Wahl im Hinblick auf das überrepräsentierte Geschlecht nichtig, im Hinblick auf die Wahlkandidaten des unterrepräsentierten Geschlechts dagegen wirksam sein.337) Dies steht im Einklang mit der Rechtsfolge bei anderen, nur in der Person eines Gewählten vorliegenden Nichtigkeitsgründen nach § 250 Abs. 1 AktG, die ebenfalls nur die Nichtigkeit der Wahl des Betroffenen, nicht aber der Aufsichtsratswahl im Übrigen bedeutet.338) Praxistipp: Soll – entgegen hier empfohlenem Vorgehen (siehe sogleich) – eine Listenwahl durchgeführt werden, sind die Aktionäre durch den Versammlungsleiter darauf hinzuweisen339), dass dies (1) nur zulässig ist, wenn kein anwesender Aktionär Einwände erhebt, (2) durch mehrheitliche Ablehnung der Liste die Einzelwahl herbeigeführt werden kann und (3) sie insgesamt mit „Nein“ stimmen müssen, wenn sie auch nur einen der auf der Liste befindlichen Kandidaten ablehnen.
Bei der Einzelwahl soll es nach der Regierungsbegründung auf die „chrono- 189 logische Abfolge“ der Wahlbeschlüsse ankommen und erst derjenige Wahlbeschluss bzw. diejenigen Wahlbeschlüsse nichtig sein, die das Mindestanteilsgebot verletzen;340) die zeitlich zuvor erfolgten Wahlbeschlüsse behalten ihre Wirksamkeit. Die Anknüpfung an den Wahlbeschluss – und nicht an das Wirksamwerden der Bestellung durch die Annahme der Wahl – ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut von § 96 Abs. 2 Satz 6 AktG. Die Anknüpfung an die „chronologische Abfolge“ der Wahlbeschlüsse ist im Grundsatz überzeugend, führt aber in dieser Allgemeinheit bei Subsumtion zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Unklar ist bei der Einzelwahl (und insbesondere bei der Simultanwahl) nämlich, ob für die „chronologische Abfolge“ auf (1) die in der Tagesordnung zur Hauptversammlung niedergelegte Reihenfolge der Wahlvorschläge (vorbehaltlich der gesetzlichen Regelung zur Vorziehung von Wahlvorschlägen der Aktionäre nach § 137 AktG), (2) die der Wahl vorausgehende, ggf. abweichende Anordnung des Versammlungsleiters kraft seiner Leitungsbefugnis, oder (3) die der Wahl nachfolgende Reihenfolge der Beschlussverkündung durch den Versammlungsleiter abzustellen ist. Dogmatisch geht es hierbei im Kern um die Frage, ob (1) dem Aufsichtsrat, dem im Grundsatz allein das Pflichtrecht zur Unterbreitung von Beschlussvorschlägen gegenüber der Hauptversammlung zukommt (§ 124 Abs. 3 Satz 1 AktG), bzw. ausnahmsweise den Aktionären (vgl. § 127 i. V. m. § 126 AktG), ___________ 337) Begr. RegE zu § 96 Abs. 2 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 146 (allerdings dort auch mit der Behauptung, die Blockwahl erfolge in der Praxis „häufig“). 338) Stilz, in: Spindler/Stilz, AktG, § 250 Rn. 19. 339) Zu den ersten beiden Hinweisen als Wirksamkeitsvoraussetzungen siehe LG München I, Urt. v. 15.4.2004 – 5 HK O 10813/03, AG 2004, 330; vgl. hierzu Heidel, in: Heidel, AktG, Vor §§ 129 – 132 Rn. 38; ferner Fischer/Pickert, in: Semler/Volhard/Reichert, Hdb. HV, § 9 Rn. 209. 340) So Begr. RegE zu § 96 Abs. 2 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 146.
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oder (2) dem Versammlungsleiter die Bestimmungshoheit über die „chronologische Abfolge“ zukommen soll.341) 190 Man wird zu differenzieren haben: Für die Bestimmung der Nichtigkeit anhand chronologischer Abfolge ist an die Reihenfolge der Beschlussverkündung durch den Versammlungsleiter anzuknüpfen.342) Hierfür streitet das gerade für die Organzusammensetzung wichtige Prinzip der Rechtssicherheit. Die Maßgeblichkeit dieser Ex-post-Perspektive der Verkündung bzw. Feststellung der Beschlüsse und ihrer Reihenfolge hat nicht nur den Vorteil, dass sie im Protokoll festgehalten wird.343) Sie trägt auch den praktischen und rechtlichen Abläufen einer Hauptversammlung Rechnung. Denn zum einen ist zu berücksichtigen, dass der Versammlungsleiter nicht zwingend aus dem Kreis der Aufsichtsratsmitglieder stammen muss und diese Funktion auch während der Hauptversammlung (und selbst noch nach Beginn des Abstimmungsvorgangs) wechseln kann. Zum anderen ist es ebenso möglich wie zulässig, dass in der Tagesordnung angekündigte Wahlvorschläge in der Versammlung gar nicht oder kurzfristig andere Kandidaten zur Wahl gestellt werden.344) 191 Mit der Maßgeblichkeit der Feststellung und Verkündung durch den Versammlungsleiter ist jedoch nicht zugleich eine Bestimmungshoheit des Versammlungsleiters über die chronologische Abfolge der Aufsichtsratswahl verbunden. Denn obschon die Festlegung der Abstimmungsreihenfolge mehrerer Sachanträge zum selben Tagesordnungspunkt grundsätzlich der originären Kompetenz des Versammlungsleiters unterfällt,345) so ist dieser bei seinem Ermessen doch nicht frei. Bereits nach allgemeinen Grundsätzen ist sein Ermessen bezüglich der Abstimmungsreihenfolge durch das Kriterium der Sachdienlichkeit und eine entsprechend sorgfältige Entscheidung nach versammlungsökonomischen Gründen beschränkt.346) Eine weitergehende Beschränkung wird man aber bei Abstimmungen anzunehmen haben, bei denen diese versammlungsleitende Befugnis den dem Versammlungsleiter originär zugewiesenen Kompetenzrahmen des rein Prozedural-Versammlungsbezogenen übersteigt, weil sie kraft gesetzgeberischen Willens eine materielle, d. h. inhaltliche Auswirkung auf die betroffenen Beschlüsse und deren Wirksamkeit haben kön-
___________ 341) Hierzu bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1200. 342) Hierfür bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1200; i. E. auch Stüber, DStR 2015, 947, 949; Wasmann/Rothenburg, DB 2015, 291, 293; wohl auch Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1158. 343) Zur Beweiskraft des notariellen Protokolls als öffentliche Urkunde i. S. d. § 415 ZPO siehe Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 130 Rn. 1. 344) Vgl. Rn. 186. 345) Vgl. Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 119 Rn. 153 m. w. N. Dementsprechend ist nicht selten auch bereits in der Satzung vorgesehen, dass der Versammlungsleiter die Reihenfolge der Abstimmung bestimmt, Fischer/Pickert, in: Semler/Volhard/Reichert, Hdb. HV, § 9 Rn. 211. 346) Fischer/Pickert, in: Semler/Volhard/Reichert, Hdb. HV, § 9 Rn. 213; Heidel, in: Heidel, AktG, Vor §§ 129 – 132 Rn. 35.
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III. Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
nen.347) Dieser Gedanke stärkerer Bindung im Falle der materiellen Auswirkung auf Beschlussinhalte findet auch in § 137 AktG Ausdruck, welcher die Priorisierung von Aktionärswahlvorschlägen vorschreibt, um diesen überhaupt gewisse Erfolgsaussicht zu gewähren.348) Insbesondere aber kommt dem Aufsichtsrat selbst und nicht dem Versammlungsleiter die Kompetenz zur Festlegung der chronologischen Abstimmungsreihenfolge nach den Grundsätzen der inhaltlichen Funktionsadäquanz zu, da ihn die Verpflichtung als Gesamtorgan trifft, für eine an den konkreten Aufgaben und von ihm gesetzten Diversity-Zielen ausgerichtete Zusammensetzung zu sorgen.349) Aufgrund dieses Grundsatzes ist das Ermessen des Versammlungsleiters dergestalt beschränkt, dass er von der in den Beschlussvorschlägen des Aufsichtsrates niedergelegten Reihenfolge nur bei erheblichem sachlichem Grund (z. B. Erreichung einer gesetzesmäßigen, quotengemäßen Organzusammensetzung) abweichen darf, ansonsten in seinem pflichtgemäßen Ermessen zur Festlegung der Abstimmungsreihenfolge durch die Aufsichtsratsbestimmung (vorbehaltlich der Sonderregelung des § 137 AktG) gebunden ist. Noch enger sind die Grenzen der Ermessensausübung für den Versammlungsleiter bei einer Abweichung der Reihenfolge der Beschlussverkündung von der Wahlreihenfolge. Nur in ganz außergewöhnlichen Fällen wird daher der Versammlungsleiter bei pflichtgemäßer Ermessungsausübung berechtigt sein, noch nach dem Wahlvorgang von der von ihm festgesetzten Reihenfolge bei der Beschlussverkündung abzuweichen.350) Mangels ausdrücklicher gesetzgeberischer Anordnung in dieser Hinsicht und 192 in Anbetracht der nicht in allen Facetten geklärten Grundfragen dogmatischer Legitimation des Handelns des Versammlungsleiters351) ist jedoch nicht auszuschließen, dass Gerichte (im Rahmen eines Anfechtung- oder Nichtigkeitsprozesses) hier zu anderen Ergebnissen kommen. Denkbar wäre auch, dass ein Gericht im Falle quotenwidriger Simultanwahl – analog zur gesetzgeberischen Wertung bei der Blockwahl – die Wahl aller Kandidaten für nichtig erachten könnte.352) Praxistipp: Vor dem Hintergrund dieser Rechtsunsicherheit ist unbedingt zu raten, eindeutig in den Wahlvorschlägen für die Hauptversammlung eine Wahlreihenfolge vorzusehen und die Einzelwahl anzukündigen.353)
___________ 347) Allgemein zur Funktionsbezogenheit und zum Versammlungsbezug der dem Versammlungsleiter originär zugewiesenen Kompetenzen im Überblick Kubis, in: MünchKommAktG, § 119 Rn. 121 ff., 124. 348) Koch, in: Hüffer, AktG, § 137 Rn. 1. 349) Vgl. Ziffer 5.4.1 Sätze 2 – 4 DCGK; so bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1200. 350) So bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1200; Problemstellung erkannt bei Wasmann/Rothenburg, DB 2015, 291, 293; folgend Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1158 Fn. 24. 351) Im Überblick Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 119 Rn. 121 ff. 352) Herb, DB 2015, 963, 966. 353) Ebenfalls für eine Empfehlung der Einzelwahl Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 901.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
193 Der alphabetischen Auflistung der Wahlkandidaten allein ist im Zweifel ohne weitere Erklärung nicht der Erklärungsinhalt beizumessen, dass damit die Festlegung einer bestimmten Beschlussreihenfolge vorgenommen wurde;354) insofern ist eine explizite Regelung sinnvoll. Kommt es zu einem „Minderheitenverlangen“ nach § 127 AktG mit der möglichen Folge der Reihenfolgeveränderung (nach § 137 AktG), sollte der Aufsichtsrat überprüfen, ob die in der Tagesordnung niedergelegte Reihenfolge noch sachgemäß ist. Bei Einzelwahl ist die „chronologische Abfolge“ nicht nur bei Durchführung von nacheinander erfolgenden, getrennten Abstimmungsgängen eindeutig, sondern auch bei Durchführung einer sog. Simultanwahl, bei der die Einzelabstimmung zeitgleich in einem Sammelgang durchgeführt wird.355) 194 Es ist die Aufgabe des Versammlungsleiters, für die gesetzesmäßige und sachgerechte Erledigung der Versammlungsgegenstände Sorge zu tragen.356) Zu dieser Leitungspflicht gehört auch, eine sachdienliche Abstimmungsreihenfolge festzulegen, insbesondere um ansonsten mögliche gesetzeswidrige Wahlbeschlüsse zu vermeiden.357) Er wird hierbei nur bei erheblichen sachlichen Gründen von der vom Aufsichtsrat mit der Tagesordnung vorgegebenen Abstimmungsreihenfolge abweichen (siehe vorstehend), kann sogar in Härtefällen einen quotenwidrigen Abstimmungsvorschlag zulassen und bei entsprechendem Beschlussergebnis dieses und die Aufsichtsratsbestellung verkünden;358) die Frage der Wahlnichtigkeit (§ 96 Abs. 2 Satz 6 AktG) ist dann im Verfahren nach § 250 Abs. 2 AktG zu klären.359) 195 Für die Erfüllung des Gebots der festen Geschlechterquote kann es bei Geltung des Grundsatzes der Gesamterfüllung zu Anwendungsproblemen kommen, nämlich dadurch, dass zum Zeitpunkt der Beschlussverkündung der Wahlen der Anteilseignervertreter durch den Versammlungsleiter die Wahlen der Arbeitnehmervertreter nach dem MitbestG oder dem MontanMitbestErgG zwar durchgeführt, die Bestellung aber (wie regelmäßig) aufschiebend bedingt auf die Beendigung der Wahl-Hauptversammlung ist.360) Allerdings ist ___________ 354) So bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1200; ebenso Herb, DB 2015, 964, 966. 355) Vorsichtiger allerdings Jung, DStR 2014, 960, 961; Herb, DB 2015, 964, 966 f. 356) BGH, Urt. v. 11.11.1965 – II ZR 122/63, BGHZ 44, 245, 248; OLG Frankfurt, Urt. v. 20.10.2010 – 23 U 121/08, AG 2011, 36, 41 – Deutsche Bank/Kirch; Koch, in: Hüffer, AktG, § 129 Rn. 22; Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 129 Rn. 6; Wicke, in: Spindler/ Stilz, § 129 AktG Rn. 7; Fischer/Pickert, in: Semler/Volhard/Reichert, Hdb. HV, § 9 Rn. 66 ff. 357) Zum Recht auf Festlegung der Abstimmungsreihenfolge z. B. LG Hamburg v. 8.6.1995 – 405 O 203/94, AG 1996, 233; Koch, in: Hüffer, AktG, § 129 Rn. 23; Fischer/Pickert, in: Semler/Volhard/Reichert, Hdb. HV, § 9 Rn. 66 ff. 358) Seibt, ZIP 2015, 1193, 1203. Der Versammlungsleiter hat im Zeitpunkt der Abstimmungseröffnung in eigener Verantwortung und mit Blick auf das Unternehmensinteresse zu entscheiden, ob ein das Gebot der festen Geschlechterquote missachtender Wahlvorschlag tatsächlich zur Abstimmung gestellt wird. 359) Zutr. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 42; folgend Seibt, ZIP 2015, 1193, 1203. 360) Hierzu auch Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1158.
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III. Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
in jedem Fall für die Frage der Einhaltung der festen Geschlechterquote auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrates nach Beendigung der Wahl-Hauptversammlung abzustellen, entweder weil auch die Wahlbeschlüsse der Anteilseignervertreter auf diesen Zeitpunkt (wie regelmäßig) aufschiebend bedingt sind oder weil es nach § 96 Abs. 2 Satz 1 AktG auf die „Zusammensetzung“ des Aufsichtsrates ankommt, was dem Gesetzeszweck nach die Zusammensetzung nach Amtsantritt aller neugewählten Organmitglieder meint.361) cc) Nachbereitung der Hauptversammlung Die Aufsichtsratswahlen der Hauptversammlung bedürfen – freilich in Ab- 196 hängigkeit von ihrem Ausgang – gewisser Nachbereitung. In jedem Falle ist an die Publizitätsvorgaben, insbesondere an § 106 AktG und § 107 Abs. 1 Satz 2 AktG zu denken.362) Soweit die Wahl nichtig ist, ist insbesondere seitens des Vorstands über die 197 Anstrengung eines Verfahrens zur gerichtlichen (quotengerechten) Ergänzung zu befinden.363) In der Regel tritt unmittelbar nach der Hauptversammlung der neu gewählte 198 Aufsichtsrat zusammen. Neben der allgemeinen Neuorganisation der Arbeitsweise des Aufsichtsrats können sich in diesem Kontext auch sogleich Fragen sowohl bezüglich Binnenorganisation der neu konstituierten Aufsichtsratsseiten in Form einer Geschäftsordnung (bzw. deren Änderung) als auch unmittelbar die Frage der Ausübung eines Widerspruchsrechts i. S. d. § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG stellen. b) Entsendung von Anteilseignervertretern Sieht die Satzung gemäß § 101 Abs. 2 AktG ein Recht für bestimmte Aktio- 199 näre oder die jeweiligen Inhaber bestimmter Aktien vor, dass diese Mitglieder in den Aufsichtsrat entsenden können, so unterliegen auch die Entsendungen der festen Geschlechterquote, § 96 Abs. 2 AktG. Eine Besonderheit ergibt sich für die Entsendung von Aufsichtsratsmitglie- 200 dern hinsichtlich der Ausübung des Widerspruchsrechts der Anteilseignerseite. Im Gegensatz zur Situation bei den zu wählenden Anteilseignervertretern fallen bei Entsendung die Entscheidungsbefugnis über die Personalentscheidung und die Ausübung des Widerspruchsrechts auseinander. Zu Ersterer ist nämlich der Berechtigte befugt.
___________ 361) Zum Letzteren ebenso Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1158. 362) Vgl. hierzu Rn. 240, 243. 363) Vgl. hierzu Rn. 209 ff.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat Praxistipp: Bei Entsendungsrechten sollte – rechtzeitig364) – die Seite der Anteilseignervertreter bei Entscheidung über Ausübung des Widerspruchsrechts die (informelle) Abstimmung mit dem Entsendeberechtigten suchen. Nur auf diese Weise lässt sich eine Abstimmung über das Gesamttableau der Anteilseignervertreter erreichen und das Risiko vermeiden, dass die Wahlfreiheit der Hauptversammlung sehr begrenzt ist.365)
2. Bestellung der Arbeitnehmervertreter a) Hauptversammlungswahl nach MontanMitbestG 201 Im Geltungsbereich des MontanMitbestG werden die Arbeitnehmervertreter auf Grundlage bindender Vorschläge der Betriebsräte von der Hauptversammlung gewählt.366) In der Tagesordnung ist nicht nur anzugeben, nach welchen gesetzlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat zusammensetzt (§ 124 Abs. 2 Satz 1 AktG), sondern auch ob die Hauptversammlung an Wahlvorschläge gebunden ist. Dies ist hier der Fall. Abweichungen führen zur Nichtigkeit der Wahl, § 250 Abs. 1 Nr. 2 AktG. b) MitbestG und MontanMitbestErgG 202 Die Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ist in §§ 9 – 18 MitbestG geregelt. Ergänzt werden diese Vorschriften vor allem im Hinblick auf die Durchführung der Wahl durch die auf Grund von § 39 MitbestG erlassenen Wahlordnungen zum Mitbestimmungsgesetz. Hierbei handelt es sich um zwingendes Recht, welches die Wahl abschließend regelt.367) 203 Die Einleitung und Durchführung der Wahl obliegt dem Wahlvorstand.368) Die Wahlvorstände stellen zunächst Wählerlisten auf, getrennt nach den Gruppen der regulären Arbeitnehmer und der leitenden Angestellten.369) Nach Feststellung der Wählerlisten hat eine Bekanntmachung über die Art der Wahl durch den obersten Wahlvorstand zu erfolgen.370) Ferner infor___________ 364) Vgl. zum Erfordernis der Abstimmung mit dem Entsendungsberechtigten vor der „Wahl“ nach § 96 Abs. 2 AktG unter Rn. 199 ff. 365) Beispiel: Bei einem 12-köpfigen Aufsichtsrat stehen den Anteilseignervertretern sechs Sitze zu, davor können für maximal zwei Sitze Entsendungsrechte statutarisch geregelt werden (vgl. § 101 Abs. 2 Satz 3 AktG), sodass von den verbleibenden vier von der Hauptversammlung zu wählenden Personen zwei Frauen (= 50 %) zu wählen sind, wenn der Entsendungsberechtigte nur Männer entsendet. Vgl. auch Begr. RegE zu § 96 Abs. 2 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 145 f. 366) Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, § 1 MontanMitbestG Rn. 1 ff.; Oetker, in: ErfurterKomm, § 6 MontanMitbestG, Rn. 2. 367) Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, §§ 9 – 18 MitbestG Rn. 1; Gach, in: MünchKommAktG, § 9 MitbestG Rn. 1; Raiser/Jacobs, in: Raiser/Veil/Jacobs, § 9 Rn. 6. 368) Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, §§ 9 – 18 MitbestG Rn. 10; Raiser/Jacobs, in: Raiser/ Veil/Jacobs, Vor § 9 Rn. 6. 369) Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, §§ 9 – 18 MitbestG Rn. 6; Raiser/Jacobs, in: Raiser/ Veil/Jacobs, Vor § 9 Rn. 17. 370) Der Inhalt richtet sich nach § 12 1. WOMitbestG und § 13 2. und 3. WOMitbestG.
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III. Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
miert der Wahlvorstand über die Einreichung von Wahlvorschlägen sowie über die Abstimmung für den Wahlvorschlag der leitenden Angestellten nach § 15 Abs. 2 MitbestG. Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer eines Unternehmens mit i. d. R. mehr als 8.000 Arbeitnehmern werden gemäß § 7 MitbestG durch Delegierte gewählt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die unmittelbare Wahl beschließen.371) Im Geltungsbereich des MontanMitbestG werden die Arbeitnehmervertreter auf Grundlage bindender Vorschläge der Betriebsräte von der Hauptversammlung gewählt.372) Bei Anwendung des MontanMitbestErgG besteht gemäß dessen § 7 (ähnlich 204 wie bei § 9 MitbestG) die Möglichkeit einer direkten bzw. indirekten Wahl der Arbeitnehmervertreter, die Wahl folgt nicht der Handhabung nach dem MontanMitbestG. Näheres ergibt sich aus §§ 7 – 10h MontanMitbestErgG i. V. m. der gemäß § 17 MontanMitbestErgG erlassenen Wahlordnung. Das neutrale Mitglied des Aufsichtsrats wird gemäß § 5 Abs. 3 MontanMitbestErgG entsprechend den Grundsätzen des § 8 MontanMitbestG gewählt. Die interne Zusammensetzung der Arbeitnehmervertreter bestimmt sich 205 grundsätzlich nach § 7 Abs. 2 MitbestG, § 6 Abs. 1 und 3 MontanMitbestG, § 6 Abs. 1 MontanMitbestErgG (Verhältnis von unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitgliedern zu Gewerkschaftsvertreten) und § 15 Abs. 1 Satz 2 MitbestG (Pflichtsitz der leitenden Angestellten). Die Vorschriften zur Geschlechterquote im Aktiengesetz werden für die Arbeitnehmervertreter durch korrespondierende Regelungen im Mitbestimmungsrecht ergänzt.373) Die Einhaltung der Geschlechterquote wird durch § 17 Abs. 2 MitbestG 206 auch im Fall des Nachrückens eines Ersatzmitglieds sichergestellt.374) Gemäß § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG ist das Nachrücken eines Ersatzmitgliedes ausgeschlossen, wenn dadurch der Anteil von Frauen und Männern unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nicht mehr den Vorgaben des § 7 Abs. 3 MitbestG entspricht. Die Rechtsfolgen einer Missachtung der Geschlechterquote bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter im Falle der Getrenntbetrachtung sind abschließend in § 18a MitbestG geregelt.375) Auf die Wahlvorschläge hat der Arbeitgeber keinen Einfluss.
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Praxistipp: Es ist dem Arbeitgeber zu empfehlen, die Arbeitnehmer umfassend über die zwingende Geschlechterquote von 30 % zu informieren, um nicht bereits durch einseitige Wahlvorschläge zulasten eines Geschlechts einen Verstoß gegen die Geschlechterquote zu begünstigen.
___________ 371) Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 7 MontanMitbestErgG. 372) Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, § 1 MontanMitbestG Rn. 1 ff.; Oetker, in: ErfurterKomm, § 6 MontanMitbestG Rn. 2. 373) Insbesondere §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 2, 18a und 40 MitbestG sowie §§ 5a und 10f MontanMitbestG und §§ 5a und § 6 Abs. 6 MontanMitbestErgG. 374) Grobe, AG 2015, 289, 298. 375) Siehe hierzu Rn. 226 f.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
208 Darüber hinaus sollte das Ersatzmitglied im Anwendungsbereich der festen Geschlechterquote in Zukunft stets demselben Geschlecht angehören wie der Wahlvorschlag. Damit wird verhindert, dass durch das Nachrücken eines dem anderen Geschlecht angehörenden Ersatzmitglieds die Geschlechterquote gemäß § 7 Abs. 3 MitbestG unterschritten wird.376) 3. Gerichtliche Ersatzbestellung 209 Eine gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern, die für den Fall der Beschlussunfähigkeit (§ 104 Abs. 1 AktG) und den Fall der Unterbesetzung (§ 104 Abs. 2 AktG) möglich ist, hat nach dem neu eingefügten § 104 Abs. 5 AktG ebenfalls nach Maßgabe der festen Geschlechterquote gemäß § 96 Abs. 2 Satz 1 – 5 AktG zu erfolgen. 210 Führt die Unterbesetzung des Aufsichtsrats zur Beschlussunfähigkeit, so ist der Vorstand – um die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats und damit der AG an sich zu gewährleisten – nach § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG zur unverzüglichen Antragstellung verpflichtet, wenn die rechtzeitige Ergänzung vor der nächsten Aufsichtsratssitzung nicht zu erwarten ist. 211 Von größerer praktischer Relevanz wird die einfache Unterbesetzung sein. Für die der festen Geschlechterquote unterliegenden mitbestimmten Aufsichtsräte ist ein Antrag auch schon vor Ablauf der grundsätzlich geltenden dreimonatigen Frist nach § 104 Abs. 2 Satz AktG statthaft. Denn gehören dem Aufsichtsrat in diesen Fällen (mit Ausnahme des sog. „neutralen“ Mitglieds nach § 8 MontanMitbestG, § 5 Abs. 2 MontanMitbestErgG) nicht alle Mitglieder an, aus denen er nach Gesetz oder Satzung zu bestehen hat, so stellt dies nach § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG stets einen dringenden Fall i. S. d. § 104 Abs. 2 Satz 2 AktG dar. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vakanz gerade die Seite der Arbeitnehmervertreter betrifft, denn bei mitbestimmten Aufsichtsräten geht es dem Gesetz darum, die nötige Parität wieder herstellen zu können.377) Eine Pflicht zur Antragstellung besteht für den Vorstand – im Unterschied zum Fall der Beschlussunfähigkeit – indes auch in diesem Falle nicht.378) Angesichts der gesetzlichen Bewertung als dringlicher Fall wird der Vorstand allerdings eine unverzügliche Antragstellung umso sorgfältiger prüfen müssen bzw. das Absehen von der Antragstellung zu begründen haben. 212 Wie sich aus dem Verweis des § 104 Abs. 5 AktG auch auf § 96 Abs. 2 Satz 2 und 3 AktG ergibt, gilt auch für die gerichtliche Bestellung der Grundsatz der Gesamterfüllung samt Widerspruchsmöglichkeit. Irreführend ist insoweit die Gesetzesbegründung, der zufolge dem Gericht gegenüber zu erklären sei, dass einer Gesamterfüllung nicht widersprochen wird.379) Dies meint weder eine Veränderung des Erklärungsempfängers über die Wider___________ 376) 377) 378) 379)
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Röder/Arnold, NZA 2015, 279, 281. Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 31. Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 35. Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 121.
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III. Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
spruchsentscheidung; auch hier ist die Erklärung gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden Wirksamkeitsvoraussetzung.380) Noch ist mit der geforderten Aussage über das Fehlen eines Widerspruchs eine Umkehr des Grundsatzes der Gesamt- zur Getrennterfüllung verbunden, wonach das Gericht bei Nichterklärung dieser Aussage von der Getrennterfüllung ausgehen müsste. Vielmehr lässt sich die Passage nur als gesetzgeberischer Hinweis auf einen Aspekt der allgemeinen prozessualen Grundsätzen des für das gerichtliche Bestellungsverfahrens geltenden FamFG verstehen, wonach für den Antragsteller zwar eine Mitwirkungsobliegenheit besteht (vgl. § 27 FamFG), jedoch im Grundsatz die Amtsermittlung gilt (vgl. § 26 FamFG). Der Antragsteller hat hiernach die ihm bekannten Sachverhaltsangaben darzulegen und Beweismittel zu benennen, die dem Gericht als Anhaltspunkt für die Amtsermittlung dienlich sind.381) Dementsprechend kann auch der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren nach § 104 AktG nur in diesem Rahmen zu Erklärungen angehalten sein.382) Soweit ein Antragsteller Kenntnis über einen erklärten oder nicht erklärten Widerspruch hat – etwa weil er als Aufsichtsratsmitglied einer Seite selbst für oder gegen ihn votiert hat oder von dessen Ausübung durch die andere Seite des Gremiums weiß –, hat er sich darüber zu erklären. Keine Aussage über einen vorliegenden Widerspruch können i. d. R. der antragstellende Vorstand oder ein Aktionär geben, ebenso wird dies den Antragsbefugten nach § 104 Abs. 1 Satz 3 AktG möglich sein. Insbesondere hier hat das Gericht zum Widerspruch von Amts wegen zu ermitteln. Das Gericht entscheidet über die Bestellung gemäß § 37 Abs. 1 FamFG 213 nach seiner freien Überzeugung. Dabei ist es an den Antrag nur insoweit gebunden, wie es dessen Reichweite betrifft (d. h. Herstellung nur der Beschlussfähigkeit oder (weitergehende) Ergänzung), nicht aber hinsichtlich der zu bestellenden Personen.383) In dieser Hinsicht stellt nun insbesondere die feste Geschlechterquote für das Gericht eine ermessensbeschränkende Vorgabe dar. Zudem hat das Gericht nach § 104 Abs. 4 Satz 3 AktG die gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestellungsvoraussetzungen und -hindernisse (insbes. § 100 AktG, § 105 AktG) und mögliche Interessenkonflikte zu beachten. Im Übrigen ist die gerichtliche Ermessensausübung am mutmaßlichen Willen des Bestellungsorgans sowie am Wohle der AG zu orientieren. Auch für das Gericht stellt die feste Geschlechterquote eine absolute Grenze dar, die – trotz des Postulats der Orientierung am Unternehmenswohl – nicht disponibel ist. Das Fehlen des Vorbehalts gleicher Qualifikation oder für Härtefälle bei der festen Geschlechterquote ist bei der gerichtlichen Bestellung umso bedenklicher, da hier nicht die eigentlich zur Bestellung Beru___________ 380) 381) 382) 383)
Siehe hierzu Rn. 120 ff. Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, § 26 Rn. 2. Ähnlich Herb, DB 2015, 964, 967; Wasmann/Rothenburg, DB 2015, 291, 292 Fn. 6. Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 104 Rn. 31; Einschränkungen bestehen nur bei expliziten Vorschlagsrechten nach § 104 Abs. 4 Satz 4 AktG, worunter insbesondere auch das Vorschlagsrecht nach § 6 MontanMitbestG fällt.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
fenen privatautonom auswählen, sondern das Gericht seine sachdienliche Entscheidung an fremden Interessen auszurichten hat. Dies gilt umso mehr, als der Weg gerichtlicher Ergänzung nicht selten dann beschritten wird bzw. werden muss, wenn die vorschlagsberechtigten Organe bzw. Gremien keine in ihren Augen taugliche Person haben rekrutieren können. Praxistipp: Es empfiehlt sich, bei dem Antrag auf gerichtliche Bestellung einen quotengerechten Kandidaten vorzuschlagen und dessen fachliche Eignung dem Gericht in einer kurzen Begründung darzulegen.
214 Das Amt des gerichtlich bestellten Mitglieds endet nach § 104 Abs. 6 AktG mit der Behebung des Mangels, d. h. im Falle des Abs. 1, sobald der Aufsichtsrat ohne das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied quotengerecht besetzt und wieder beschlussfähig ist und im Falle des Abs. 2 mit quotengerechter Vervollständigung des Aufsichtsrats. IV. Beendigung der Organstellung 215 Auf die Beendigung der Organstellung durch Abberufung und Amtsniederlegung hat die feste Geschlechterquote unmittelbar keine Auswirkungen. 216 Ein Aufsichtsratsmitglied ist auch zukünftig weiterhin zur Amtsniederlegung auch ohne wichtigen Grund berechtigt384) und insbesondere nicht deshalb daran gehindert, weil durch seine Amtsniederlegung ein quotenwidriger Zustand einträte. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten unterrepräsentierten Geschlecht kann nichts an der Begründung ändern, dass es der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats abträglich wäre, wenn ein Mitglied wider seinen Willen im Amt verbleiben müsste und das Mitglied die Möglichkeit haben muss, sich der mit dem Amt verbundenen, bei Amtsantritt vielfach nicht überschaubaren, Risiken einseitig zu entledigen.385) Auch führt dieser Zustand nicht dazu, dass die Amtsniederlegung als „zur Unzeit“ erfolgt anzusehen wäre und das betreffende Mitglied zum Ersatz eventuell entstehenden Schadens verpflichtete.386) Zur Unzeit erfolgte eine Amtsniederlegung nur, wenn dadurch z. B. zugleich die Beschlussunfähigkeit einträte, ohne dass eine gerichtliche Bestellung rechtzeitig herbeigeführt werden kann.387) 217 Gleiches gilt für die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern. Von der Hauptversammlung frei (d. h. ohne einen Wahlvorschlag etwa nach § 6 Abs. 6 MontanMitbestG) gewählte (d. h. nicht gerichtlich bestellte oder entsandte) Mitglieder können nach § 103 Abs. 1 AktG ebenso nach freiem Ermessen der ___________ 384) Statt aller Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 103 Rn. 62; Habersack, in: MünchKommAktG, § 103 Rn. 59. 385) Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 103 Rn. 59. 386) Auch die Amtsniederlegung zur Unzeit ist wirksam, kann jedoch ggf. zum Schadensersatz verpflichten, siehe Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 103 Rn. 60. 387) Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 103 Rn. 60.
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V. Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung
Hauptversammlung jederzeit abberufen werden, wie entsandte Mitglieder nach § 103 Abs. 2 AktG.388) Eines (sachlichen) Grundes bedarf es in beiden Fällen nicht.389) Auch hier hat der Umstand, dass durch Abberufung ein quotenwidriger Zustand eintritt, keine ermessensbeschränkende Wirkung. Eine Überlegung dahingehend, dass die Beschränkung der Wahl- bzw. Entsendungsfreiheit der Prinzipale aus geschlechterspezifischen Gründen mit einer Beschränkung der Abberufungsfreiheit aus denselben Gründen korrespondieren müsse, verfängt nicht. Gerade weil die Wahl- bzw. Entsendeberechtigten bei der dann erforderlichen Neuwahl wiederum an die Quotenvorgabe gebunden sind, muss es ihnen möglich sein, eine vakante Stelle quotengerecht neu zu besetzen. Schließlich ist es unzulässig, in der Satzung eine materielle Beschränkung dergestalt vorzusehen, dass eine Abberufung gewählter oder entsandter Mitglieder nur unter der Voraussetzung der Beibehaltung einer der Geschlechterquote entsprechenden Besetzung erfolgen dürfe.390) Ein durch Amtsniederlegung oder Abberufung verursachter quotenwidriger 218 Zustand kann jedoch auf Seiten der Anteilseignervertreter durch gerichtliche Ersatzbestellung und auf Seiten der Arbeitnehmervertreter zusätzlich durch Nachwahl beseitigt werden. V. Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung 1. Rechtsfolgen des Nichterreichens der festen Geschlechterquote a) Überblick und Systematik Die Nichtbeachtung der festen Geschlechterquote ist mit drastischen Rechts- 219 folgen versehen, die wiederum bedeutende Auswirkungen auf die Organstellung und die Arbeit im Aufsichtsrat zeitigen können. Für die Wahl und Entsendung der Anteilseignervertreter hat der Gesetzgeber 220 in § 96 Abs. 2 Satz 6 AktG die Nichtigkeit der quotenwidrigen Bestellung vorgesehen (sog. „leerer Stuhl“). Die quotenwidrige Wahl der Arbeitnehmervertreter ist für den Fall der Getrennterfüllung in § 18a MitbestG und § 10f Abs. 2 MontanMitbestErgG ebenfalls explizit mit Unwirksamkeit sanktioniert (sog. „vorübergehend leerer Stuhl“); quotenwidrige Wahlvorschläge nach dem MontanMitbestG dürfen nach dessen § 6 Abs. 6 nicht zur Wahl gestellt werden. Für den Fall der Gesamterfüllung ergibt sich für die Anteilseignervertreter die Nichtigkeitsfolge der quotenwidrigen Wahl aus § 134 BGB. b) Anteilseignervertreter – Nichtigkeit der Bestellung („leerer Stuhl“) Der Gesetzgeber hat sich in § 96 Abs. 2 Satz 6 AktG dafür entschieden, einen 221 Verstoß gegen die feste Geschlechterquote mit der Nichtigkeit der Wahl ___________ 388) Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 103 Rn. 12, 23. 389) Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 103 Rn. 23. 390) Vgl. zur Unzulässigkeit materieller (nicht jedoch formeller, prozeduraler) Voraussetzungen Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 103 Rn. 21; Habersack, in: MünchKommAktG, § 103 Rn. 18.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
bzw. der Entsendung von Anteilseignervertretern, d. h. mit der Regelung eines „leeren Stuhls“391) zu sanktionieren. Mit dieser eingriffsintensiven und ausnahmefreien Sanktion erhofft sich der Gesetzgeber eine verhaltenssteuernde Wirkung, „weil jede Seite im Aufsichtsrat das Bestreben hat, ihre Plätze zu besetzen“.392) Zudem mag – wie stets – auch bei diesem neuen Nichtigkeitsgrund der Gedanke der Rechtsklarheit und -sicherheit über die Wirksamkeit des Beschlusses zugrunde gelegen haben.393) Mit dieser Rechtsfolge weicht der Gesetzgeber jedoch nicht nur von den rechtspolitischen Lösungen anderer EU-Mitgliedstaaten ab,394) sondern widersetzt sich auch der deutlichen Kritik im Gesetzgebungsverfahren.395) Diese monierte insbesondere nicht nur die Unverhältnismäßigkeit im Vergleich zu der bloßen Berichtspflicht, die im Rahmen desselben Artikelgesetzes im Falle des Nichterreichens der 30 %igen Quote im Bereich des öffentlichen Dienstes implementiert wurde (vgl. § 39 BGleiG), sondern erblickte hierin auch eine unverhältnismäßige Aushöhlung der eigentumsrechtlichen Befugnisse der Aktionäre.396) 222 Die Kritik der dogmatischen Unverhältnismäßigkeit und der Rechtsunsicherheit aufgrund vielfältiger Praxisprobleme ist berechtigt. Zunächst erscheint die Nichtigkeitsfolge für die quotenwidrige Aufsichtsratsbestellung durchaus systemwidrig. Immerhin stellt die Nichtigkeit im aktienrechtlichen Beschlussmängelrecht die begründungsbedürftige Ausnahme für besonders schwerwiegende Fehler und die Anfechtung, bei der Rechtssicherheit immerhin nach einmonatiger Anfechtungsfrist eintritt, die Regel dar.397) Es liegt zwar nahe, den Umstand des Geschlechts mit dem ebenfalls zur Nichtigkeit führenden Fehlen der persönlichen Qualifikationen nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG zu vergleichen. Im Unterschied zu diesen – fachbezogenen – Mindestqualifikationen handelt es sich beim Geschlecht eines Kandidaten nur um ein sozialpolitisch motiviertes Kriterium als Ausdruck einer Symbolgesetzgebung. Letztere kann die Nichtigkeit der Wahl aber nicht in vergleichbarer Weise wie im Falle des Fehlens ersterer Kriterien durch den Gedanken des Präventivschutzes effizienter Aufsichtstätigkeit legitimieren. Zudem ist eine rechtssichere Handhabe der Regelung wegen der vergleichsweise eindeutigen materiellen Ge___________ 391) Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 121. 392) Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 46 und 146. 393) Vgl. hierzu allgemein Kiefner, in: KölnKomm-AktG, § 250 Rn. 1; K. Schmidt, in: Großkomm-AktG, § 250 Rn. 2. 394) Zur Rechtslage in Belgien, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Norwegen und Spanien siehe Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 178 ff. – Nur Belgien und Frankreich sehen die Nichtigkeit von Gremienbestellungen vor, in Norwegen hat das Registergericht gesetzeswidrige Zusammensetzungen des Verwaltungsrats nicht einzutragen. Vgl. im Überblick zu einem Rechtsvergleich auch Rn. 48 ff. 395) Vgl. z. B. Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 261; Ohmann-Sauer/Langemann, NZA 2014, 1120, 1123; Rotsch, Stellungnahme zum RegE, S. 6 f.; Windthorst, Stellungnahme zum RegE, S. 7. 396) Siehe nur Rotsch, Stellungnahme zum RegE, S. 6 f.; Windthorst, Stellungnahme zum RegE, S. 7; DAI, Stellungnahme zum Regierungsentwurf, S. 18 f. 397) Weller, Stellungnahme zum RegE, S. 3.
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V. Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung
schlechtsvoraussetzung398) nur vordergründig möglich. Die Rechtsunsicherheit resultiert aus den prozeduralen Problemen bei der Wahl.399) Daher wirkt auch der verhaltenssteuernde Impetus anders als intendiert. Er speist sich nicht nur aus der drastischen Rechtsfolge per se, sondern vielmehr aus den praktischen prozeduralen Wahlproblemen bzw. Folgeproblemen für die Aufsichtsarbeit, die in ihrem Lichte zu lösen bzw. zu gewärtigen sind. Auf das Wahlverfahren der Anteilseiger ist daher größte Obacht zu nehmen.400) Ist es ausnahmensweise wegen der fehlenden Härtefallklausel und der zu besorgenden Verfassungswidrigkeit zulässig, einen geschlechterindifferenten Wahlvorschlag zu unterbreiten,401) so kann insoweit auch die Nichtigkeitsfolge nicht Platz greifen. Während § 96 Abs. 2 Satz 6 AktG die Nichtigkeit für die gegen die feste Ge- 223 schlechterquote verstoßende Wahl und Entsendung in den Aufsichtsrat anordnet, statuiert § 250 Abs. 1 Nr. 5 AktG einen Nichtigkeitsgrund für den Fall, dass die Wahl gegen § 96 Abs. 2 AktG verstößt. Bei genauerer Betrachtung ist die Anordnung der Nichtigkeit in § 96 Abs. 2 AktG systemwidrig verortet, sollen doch die Nichtigkeitsgründe für die Aufsichtsratswahl aus Gründen der Rechtssicherheit abschließend („nur“) in § 250 Abs. 1 AktG statuiert werden.402) Der wesentliche Regelungsgehalt des § 96 Abs. 2 Satz 6 AktG ergibt sich daher für die Nichtigkeit von Entsendungen in den Aufsichtsrat auf Basis von § 101 Abs. 2 AktG. Denn dessen Nichtigkeitsfolge bei Verstoß war bis dato generell nicht geregelt.403) Die Nichtigkeit der Wahl gilt ipso iure und tritt damit unabhängig davon 224 ein, ob Anfechtungs- oder Nichtigkeitsfeststellungsklage erhoben wurde oder die Nichtigkeit „auf andere Weise“ geltend gemacht wurde (vgl. § 250 Abs. 3 Satz 3 AktG).404) Die Nichtigkeit gilt zudem ex tunc, d. h. (unabhängig vom Zeitpunkt der Fertigstellung der notariellen Niederschrift nach § 130 Abs. 1 Satz 1 AktG) ab dem Zeitpunkt der Feststellung der Beschlussfassung durch den Versammlungsleiter.405) Auch eine quotenwidrige Entsendung ist ipso iure nichtig, was in Ermange- 225 lung spezieller Regelungen nur mit der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO geltend gemacht werden kann.406) ___________ 398) Zu den Beweisschwierigkeiten hinsichtlich des Vorliegens des Geschlechts bereits unter Rn. 89. 399) Vgl. hierzu bereits Rn. 187 ff. 400) Vgl. hierzu Rn. 188, 192. 401) Vgl. hierzu bereits Rn. 167, 178. 402) K. Schmidt, in: Großkomm-AktG, § 250 Rn. 2. 403) Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 106; Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 101 Rn. 58. 404) Begr. RegE zu § 96 Abs. 2 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 146. 405) Vgl. hierzu Grobe, AG 2015, 289, 295; Roeckl-Schmidt/Stoll, AG 2012, 225, 227. 406) Vgl. BGH, Urt. v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, ZIP 2006, 177 = BB 2006, 453, dazu EWiR 2006, 193 (Dürr); zutr. Grobe, AG, 2015, 289, 295; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 53; unklar Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 261 (Unwirksamkeit nur nach § 250 Abs. 1 Nr. 5 AktG).
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
c) Arbeitnehmervertreter – Rechtsfolgen bei Gesamt- und Getrennterfüllung aa) Getrennterfüllung – „vorübergehend leerer Stuhl“ 226 Für Gesellschaften im Geltungsbereich des MitbestG und des MontanMitbestErgG ist für den Fall der Getrennterfüllung vorgesehen, dass derjenige quotenwidrige Kandidat, der bei den Wahlen der dem Unternehmen angehörenden Arbeitnehmervertreter sowie bei den Wahlen der Gewerkschaftsvertreter im Falle der Verhältniswahl die niedrigsten Höchstzahlen erhalten oder im Fall der Mehrheitswahl die wenigsten Stimmen auf sich vereinigt hat, als nicht gewählt gilt (§ 18a MitbestG, § 10f Abs. 2 MontanMitbestErgG). Für den Vertreter der leitenden Angestellten ist keine Wahlunwirksamkeit geregelt, da es sich hierbei immer nur um eine Person handelt und eine Geschlechterquote somit keine Anwendung findet.407) Die Gesetzesbegründung spricht insoweit von der Rechtsfolge des sog. „vorübergehend leeren Stuhls“,408) denn die bei quotenwidriger Wahl freibleibenden Aufsichtsratssitze können – zur Sicherstellung des Ziels der gesetzlichen Quotenregelung und zur Sicherstellung der paritätischen Vertretung der Arbeitnehmervertreter409) – auf zwei, bereits gesetzlich vorgesehenen Wegen besetzt werden: Einerseits wird eine Nachwahl ermöglicht, bei der lediglich über den frei bleibenden Sitz entschieden wird.410) Andererseits kommt eine gerichtliche Ergänzungsbestellung nach § 104 AktG in Frage,411) voraussichtlich wird dies das Regelergänzungsverfahren werden.412) Das Gericht, welches in seinem Bestellungsermessen nach § 37 FamFG neuerdings ebenfalls durch die Quote beschränkt ist (vgl. § 104 Abs. 5 AktG), sollte im Regelfall hierbei dem Wählerwillen entsprechen und den nächsten gemäß § 18a MitbestG zulässigen Kandidaten des unterrepräsentierten Geschlechts mit der größten Zustimmung bei der vorangegangenen Wahl der Arbeitnehmervertreter bestellen.413) 227 Für Gesellschaften im Geltungsbereich des MontanMitbestG, bei dem die Arbeitnehmervertreter von der Hauptversammlung gewählt werden, fehlt es an einer Regelung zur Wahlnichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses. Vielmehr ist nur geregelt, dass die Vorschlagsberechtigten (Betriebsräte) der Hauptversammlung als Wahlorgan nur einen Vorschlag machen dürfen, der das Gebot der festen Geschlechterquote einhält (§ 6 Abs. 6 MontanMitbestG). ___________ 407) Begr. RegE zu § 18a Abs. 1 MitbestG, BR-Drucks. 636/14, S. 157. 408) Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 45. 409) Hierzu ausdrücklich Begr. RegE zu § 10f Abs. 2 MontanMitbestErgG sowie § 18a Abs. 2 MitbestG, BR-Drucks. 636/14, S. 153 und 157 f. 410) Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1158. 411) Vgl. hierzu bereits ausführlich Rn. 209 ff. 412) So bereits Begr. RegE zu § 10f Abs. 2 MontanMitbestErgG und § 18a Abs. 2 MitbestG, BR-Drucks. 636/14, S. 154 und 158 („Weg über gerichtliche Ersatzbestellung naheliegend“); vgl. auch Seibt, ZIP 2015, 1193, 1201; Ohmann-Sauer/Langemann, NZA 2014, 1120, 1122; Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1158. 413) Röder/Arnold, NZA 2015, 279, 281; Stüber, DStR 2015, 947, 948 f.
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V. Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung
Erfüllt die Wahl der Betriebsräte die neuen gesetzlichen Vorgaben nicht, ist sie (so lange) zu wiederholen, bis die Auswahlentscheidung dem Gebot der festen Geschlechterquote entspricht; erst dann darf die Weiterleitung an die Hauptversammlung erfolgen, die dann auf dieser Grundlage den Wahlbeschluss unternimmt.414) bb) Gesamterfüllung An einer Regelung zu den Folgen der Quotenverfehlung für den gesetz- 228 lichen Regelfall der Gesamterfüllung fehlt es. Sowohl Gesetzeswortlaut („im Fall des § 96 Abs. 2 Satz 3 des Aktiengesetzes“) als auch Begründung des Regierungsentwurfes stellen ausdrücklich auch (nur) auf den Fall der Getrennterfüllung ab.415) Diese bewusste gesetzgeberische Beschränkung auf den Fall der Getrennterfüllung ist zwar zweckwidrig und unverständlich, sperrt aber eine analoge Anwendung der Regelung in § 18a MitbestG, § 10f Abs. 2 MontanMitbestErgG und § 6 Abs. 6 MontanMitbestG (Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke).416) Dies bedeutet allerdings nicht, dass eine quotenwidrige Wahl der Arbeitnehmervertreter unter Geltung des Grundsatzes der Gesamterfüllung keine Rechtsfolgen zeitigt,417) sondern es gelten vielmehr die allgemeinen Regelungen zu Wahlen unter Gesetzesverstoß: Der konkrete Wahlbeschluss ist nichtig (§ 134 BGB), ohne dass es hierbei auf die Zugehörigkeit des Kandidaten zur Gruppe der Unternehmensangehörigen oder der Gewerkschaftsvertreter ankäme. Des Weiteren sind allerdings die mitbestimmungsrechtlichen Vorgaben für die Zusammensetzung der Arbeitnehmervertreterseite ebenfalls als gesetzliches Gebot zu beachten. d) Konsequenzen der Nichtigkeit für Aufsichtsratsarbeit und Organmitglied Die Rechtsfolge der Nichtigkeit quotenwidriger Bestellungen kann erhebliche 229 Konsequenzen für die Arbeit im Aufsichtsratsgremium haben. Denn – wiederum – entgegen entsprechender Vorschläge im Gesetzgebungsverfahren418) hat der Gesetzgeber die Rechtsfolgen nichtiger Wahlbeschlüsse und Entsendungen auf Beschlüsse und Rechtshandlungen des quotenwidrig besetzten Aufsichtsrates nicht geregelt. Er verweist lediglich auf die sog. Relevanztheorie und die von der Rechtsprechung entwickelten Regeln zur Wirksamkeit von Auf___________ 414) Vgl. Begr. RegE zu § 6 Abs. 6 MontanMitbestG, BR-Drucks. 636/14, S. 151. 415) So ausdrücklich Begr. RegE zu § 10f MontanMitbestErgG und § 18a MitbestG, BRDrucks. 636/14, S. 153 und S. 157 („Der neue § 10f [MitbestErgG]/§ 18a [MitbestG] beschreibt das weitere Vorgehen für den Fall, was bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer die Quotenvorgabe des § 5a [MitbestErgG]/§ 7 Abs. 3 [MitbestG] nicht eingehalten worden ist. Diese Regelung gilt im Fall des § 96 Abs. 2 Satz 3 des AktG.“[Hervorhebung d. Verf.]). 416) Seibt, ZIP 2015, 1193, 1201 und insoweit noch übereinstimmend mit Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1159. Lösungsoffen Herb, DB 2015, 964, 967. 417) So aber Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1159; Seibt, ZIP 2015, 1193, 1201. 418) Insb. Weller, Stellungnahme zum RegE, S. 3 ff.; vgl. auch Grobe, AG 2015, 289, 294 f.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
sichtsratsbeschlüssen im Falle einer Wahlanfechtung.419) Nach dieser Rechtsprechung des BGH ist das unwirksam gewählte Mitglied als Nichtmitglied zu behandeln; er erkennt die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organ auf Aufsichtsräte insoweit nicht (generell) an.420) Allerdings macht die Teilnahme des unwirksam gewählten Mitglieds die gefassten Aufsichtsratsbeschlüsse nur dann unwirksam, wenn sie für die Beschlussfassung relevant geworden sind, d. h. gerade auf der Stimme des Nichtmitglieds beruhen.421) Diese Rechtsprechung des BGH ist weitgehend und berechtigt auf Kritik gestoßen, insbesondere wird eine unterschiedliche Handhabung von Aufsichtsratsmitgliedern im Vergleich zu Vorstandsmitgliedern, für die nach allgemeiner Meinung die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis gilt,422) unter den Schutzgesichtspunkten des (auch verbandsinternen) Bestandsschutzes und Verkehrsinteresses nicht für gerechtfertigt gehalten.423) Die Kritik setzt ferner bei der Inkonsequenz der Rechtsprechung – und der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit – an, dass die Behandlung des nichtig gewählten Aufsichtsratsmitglieds als Nichtmitglied durchaus Durchbrechungen erfährt, was jedoch hinsichtlich der einzelnen Vorgaben des AktG individuell zu prüfen sei.424) Im Einzelnen:425) Was die persönliche Stellung angeht, so führt die Behandlung als Nichtmitglied laut BGH nicht dazu, dass das betreffende Mitglied von der entsprechenden Sorgfalt nach § 116 AktG entpflichtet ist, wenn es seine Tätigkeit tatsächlich ausübt.426) Auch werden dem gutgläubig handelnden Aufsichtsratsmitglied Ansprüche auf Vergütung und Auslagenersatz zugestanden.427) Was die Mitwirkung an Beschlüssen des Aufsichtsrats anbelangt, so ist zwar die Teilnahme der nichtig bestellten Aufsichtsratsmitglieder an den Sitzungen des Aufsichtsrats unschädlich.428) Wenngleich sie also keinen zählbaren Einfluss auf die Willensbildung haben, kann ihnen doch wesentlicher Einfluss auf die vorausgehende Meinungsbildung zukommen. Die Mitwirkung des Nichtmitglieds kann allerdings bei Relevanz Auswirkungen insbesondere auf die Mitwirkung am Jahresab___________ 419) Begr. RegE zu § 96 Abs. 2 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 146. 420) BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, BGHZ 196, 195 = ZIP 2013, 720, 722 (m. Bespr. Buckel/Vogel, ZIP 2014, 58), dazu EWiR 2013, 333 (Schatz/Schödel); ebenso BGH, Beschl. v. 14.5.2013 – II ZB 1/11, ZIP 2013, 1274 = AG 2013, 562, 565, dazu EWiR 2013, 565 (Wenzel); ablehnend z. B. Cziupka, DNotZ 2013, 579 ff.; Schürnbrand, NZG 2013, 481 ff.; Priester, GWR 2013, 175 ff. 421) BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, BGHZ 196, 195 Rn. 19 = ZIP 2013, 720, 722 (m. Bespr. Buckel/Vogel, ZIP 2014, 58) = ZIP 2013, 720, 722; ebenso BGH, Beschl. v. 14.5.2013 – II ZB1/11, AG 2013, 562, 565. 422) Im Überblick Koch, in: Hüffer, AktG, § 84 Rn. 12 f. 423) Siehe nur Cziupka, DNotZ 2013, 579, 580; Schürnbrand, NZG 2013, 481, 483. 424) Zur Inkonsequenz und Systemwidrigkeit von Ausnahmen und Gegenausnahmen etwa Cziupka, DNotZ 2013, 579, 582 ff. 425) Überblick bei Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 20. 426) BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, BGHZ 196, 195 Rn. 19 = ZIP 2013, 720 (m. Bespr. Buckel/Vogel, ZIP 2014, 58) = NJW 2013, 1535. 427) BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, BGHZ 196, 195 Rn. 19 = ZIP 2013, 720 (m. Bespr. Buckel/Vogel, ZIP 2014, 58) = NJW 2013, 1535. 428) BGH, Urt. v. 17.4.1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 341, 346 = NJW 1967, 1711.
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V. Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung
schluss,429) die Bestellung und Anstellung der Vorstandsmitglieder430) sowie für Zustimmungserfordernisse nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG haben.431) Für vorliegenden Fall quotenwidriger Besetzung ist zudem zu konstatieren, dass trotz Geltung der Relevanztheorie das verbleibende Risiko für die Durchsetzbarkeit der Anteilseignerinteressen (Art. 14 GG)432) bei paritätisch besetzten Aufsichtsräten – auch wegen der besonderen Mehrheitserfordernisse (vgl. § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 2 MitbestG) – besonders virulent ist.433) Vor diesem Hintergrund wird eine Rechtsunsicherheit für die Aufsichts- 230 ratsarbeit in der Praxis stets dann virulent, wenn die Nichtigkeit der Bestellung nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, sondern ggf. erst im Rahmen eines langwierigen Nichtigkeitsfeststellungsprozesses ermittelt werden muss, d. h. in der Zwischenzeit Gremienarbeit im Aufsichtsrat stattzufinden hat. Dabei ist zwar kaum434) ein Streit über die persönliche Erfüllung der Geschlechtsvoraussetzung denkbar, umso mehr allerdings über den Umfang der Nichtigkeit bei Nichtbeachtung der aufgrund unklarer Rechtslage resultierenden Praxishinweise435) für das Abstimmungsverfahren. Diese Schwierigkeiten lassen sich auch nur bedingt über den Weg einer freiwilligen Amtsniederlegung kombiniert mit anschließender gerichtlicher Bestellung nach § 104 AktG umgehen. Zwar ist eine gerichtliche Ergänzung, obwohl nicht die Beschlussfähigkeit betroffen ist (vgl. § 104 Abs. 1 AktG), auch ohne Einhaltung der dreimonatigen Wartefrist des § 104 Abs. 2 Satz 1 AktG möglich,436) da für die der festen Geschlechterquote unterliegenden mitbestimmten Aufsichtsräte nach § 104 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 AktG stets ein wichtiger Grund vorliegt. Denn insbesondere ist das Gericht im Rahmen seines Bestellungsermessens nach § 37 FamFG nicht an einen unterbreiteten Personalvorschlag (neuerdings aber sehr wohl an die Quote selbst, siehe § 104 Abs. 5 AktG) gebunden. In der Praxis hilft sicher nur eine sorgfältige Vorbereitung der Wahlverfahren, bei der für Anteilseignervertreter zu einer Einzelwahl der Mitglieder zu raten ist.437) Des Weiteren ist für die folgende Aufsichtsratsarbeit unbedingt eine sorgfältige Protokollierung der ___________ 429) Keine Korrektur von § 256 Abs. 2 AktG durch die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis: BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, BGHZ 196, 195 Rn. 26 = ZIP 2013, 720 (m. Bespr. Buckel/Vogel, ZIP 2014, 58) = NJW 2013, 1535. 430) Wobei für diese wiederum die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis greifen kann. 431) Ausnahmen sollen gelten für Wahlvorschläge nach § 124 Abs. 3 AktG und die fehlerhafte Hauptversammlungsleitung durch einen „Scheinaufsichtsratsvorsitzenden“, siehe Koch, in: Hüffer, AktG, § 101 Rn. 20. 432) Vgl. BVerfG, Urt. v. 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 350 (zum Letztentscheidungsrecht der Anteilseigner). 433) Seibt, ZIP 2015, 1193, 1199. 434) Zu Beweisproblemen erneut unter Rn. 89. 435) Vgl. zu diesen bereits unter Rn. 187 ff. 436) Eine Antragspflicht besteht für den Vorstand in diesen Fällen gleichwohl nicht, siehe Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 35. Ausführlich zur gerichtlichen Ergänzung unter Rn. 209 ff. 437) Vgl. hierzu bereits Rn. 188, 192.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
Aufsichtsbeschlüsse anzuraten, um die fehlende Kausalität nachweisen zu können, da die AG insofern darlegungs- und beweisbelastet ist.438) 2. Rechtsfolgen bei anderweitiger Fehlerhaftigkeit von Bestellungsvorgängen 231 Die Wahlbeschlüsse der Hauptversammlung können auch aus anderen formellen oder materiellen Gründen als der Quotenwidrigkeit angegriffen und nach Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage für nichtig erklärt werden, vgl. §§ 250, 251 AktG. Die nachträgliche, rückwirkende Kassation der Wahl einer (oder mehrerer) Personen in den Aufsichtsrat kann Auswirkungen auf die Geschlechterrelation im Gremium haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn zwischenzeitlich erfolgte Wahlen und Entsendungen im Vertrauen auf die Wirksamkeit der vorausgehenden Bestellungen gutgläubig in Bezug auf die Quotengerechtigkeit erfolgt sind, sich aber nun als quotenwidrig darstellen („weiterfressender Mangel“).439) 232 Der Gesetzgeber hat deshalb auf Bedenken von Lutter440) klargestellt, dass in den Fällen, in denen eine Wahl aus anderen Gründen für nichtig erklärt wurde (z. B. Formfehler; Überschreiten der Mandatshöchstzahl nach § 100 Abs. 1 AktG; fehlende Unabhängigkeit bei § 100 Abs. 5 AktG) die zwischenzeitlich erfolgten Wahlen insoweit nicht gegen das Mindestanteilsgebot verstoßen (§ 96 Abs. 2 Satz 7 AktG). Damit führt also in diesen Fällen die durch eine aus anderen Nichtigkeitsgründen bewirkte Quotenverfehlung nicht zur Unwirksamkeit der Wahl anderer Mitglieder, d. h. konkret: des zuletzt gewählten Mannes. Die Wirksamkeit der Zusammensetzung des Aufsichtsrates wird hierdurch erweiternd auch in Situationen gewährleistet, die aufgrund der Anfechtung der Aufsichtsratswahl aus anderen Gründen (nur) unsicher ist.441) Dabei handelt sich – anders als Lutter meint – um mehr als nur klarstellenden Regelungsgehalt. Denn da Nichtigkeit und Anfechtungsurteil ex tunc wirken, wäre objektiv im Zeitpunkt der nachfolgenden Wahlen eine quotengerechte Besetzung nicht mehr gegeben. 233 Dem Wortlaut nach gilt die Vorschrift nur bei Nichtigerklärung von Wahlen der Anteilseignervertreter und nachfolgenden Wahlen für diese Seite. Dies wird auch aus dem systematischen Bezug des Satzes 7 zu der primären Rechtsfolge in Satz 6 deutlich. Der Regelungsgehalt des Satzes 7 ist jedoch seinem Sinn und Zweck nach – in beiden Aspekten – auf Entsendungen auszudehnen. Denn die Rechtstechnik der Bestellung ist unerheblich für das geschilderte Problem, dass sich ein Bestellungsakt erst nachträglich und nach zwischenzeitlich erfolgten weiteren Bestellungen als (ex tunc) nichtig erweist. Der Gesetzgeber hat diesen Fall offensichtlich nicht gesehen,442) so___________ Vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, § 102 Rn. 23. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 56. Lutter, BB Heft 50/2014, S. 1. Vgl. Begr. Beschlussempfehlung und Bericht des 13. Ausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 25. 442) Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 121.
438) 439) 440) 441)
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V. Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung
dass die Regelung aufgrund Interessengleichheit einer analogen Anwendung zugänglich ist. Erfasst werden müssen sowohl der Fall, dass einer Nichtigerklärung einer Wahl aus anderen als quotenbezogenen Gründen eine Entsendung folgt, als auch, dass einer Nichtigerklärung einer Entsendung aus anderen Gründen eine Wahl oder eine weitere Entsendung folgt. In letzterer Situation dürfte insbesondere ein Bedürfnis für Rechtssicherheit bestehen, da die Geltendmachung einer nichtigen Entsendung mit der allgemeinen Feststellungsklage (§ 256 ZPO) nicht fristgebunden ist443), d. h. Rechtssicherheit nach einem Monat wie bei der Anfechtungsklage nicht besteht. Obgleich die Ausnahmevorschrift zur Nichtigkeit systematisch im Aktien- 234 gesetz verortet ist und nur auf die Wahlen der Anteilseignerseite Bezug zu nehmen scheint, wird man sie nicht nur auf die Wahl der von der Hauptversammlung zu wählenden Arbeitnehmervertreter nach dem MontanMitbestG auszudehnen haben. Dem Sinn und Zweck nach muss sie – was die wörtliche Bezugnahme auf die „Wahl“ erlaubt – auch für aus anderen Gründen als Quotenwidrigkeit unwirksame Wahlen von Anteilseignervertretern nach dem MitbestG und dem MontanMitbestErgG gelten. Auch hier gilt es, etwaige zwischenzeitlich in Unkenntnis dieser Rechtsfolge erfolgte Wahlen und Entsendungen auch nach dem Aktienrecht ebenfalls vor der quotenbedingten Unwirksamkeit zu schützen. Dieses Bedürfnis ist auch deshalb so groß, weil die Wahlen der Arbeitnehmervertreter nicht parallel mit denen der Anteilseigner verlaufen. Daher kann durchaus der Fall eintreten, dass Arbeitnehmervertreter vor der Hauptversammlung gewählt werden, die erst nachfolgend über die Anteilseignervertreter befindet. Die Frage ist zudem im Falle der Gesamterfüllung von besonderer Relevanz, weil sich hier eine Seite bei der Frage der Quotenerfüllung für die Wahl ihrer Seite auf eine etwaige Übererfüllung der anderen Seite verlassen können soll. Die Regelung gilt sowohl für den Fall, dass eine unwirksame Wahl nach dem MitbestG und dem MontanMitbestErgG anderen aktienrechtlichen Bestellungsvorgängen voraus geht, als auch für den umgekehrten Fall. Die aus der Unanwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Bestellungsver- 235 hältnis auf Aufsichtsräte resultierenden Rechtsunsicherheiten444) gelten für den Fall der (erfolgreichen) Anfechtung von Wahlbeschlüssen aus anderen als quotenbedingten Gründen ebenso. Im Unterschied zu o. g. Konstellation der Nichtigkeit und ihrer langfristigeren gerichtlichen Geltendmachung ist jedoch hier mit Ablauf der Anfechtungsfrist nach einem Monat Rechtssicherheit hergestellt, §§ 251 Abs. 3, 246 Abs. 1 AktG. 3. Schadensersatz Verstöße gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen und mithin quotenge- 236 rechten Besetzung des Aufsichtsrats nach § 96 Abs. 2 AktG taugen grundsätzlich als Anknüpfungspunkt für eine Schadensersatzhaftung von Vorstand ___________ 443) Vgl. Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 106. 444) Siehe hierzu Rn. 229.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
(sekundär) und Aufsichtsrat (primär) nach § 93 Abs. 2 Satz 1 (i. V. m. § 116 Satz 1) AktG.445) Die Pflicht zur Beachtung der festen Geschlechterquote steht nicht im unternehmerischen Ermessen, sondern ist als Ausfluss des Legalitätsprinzips zwingend zu beachten. Ausnahmen sind nur für den Fall der beträchtlichen Unsicherheit über die Verfassungs- und Europarechtskonformität der Regelung sowie für den Fall der Pflichtenkollision mit dem Unternehmensinteresse, d. h. wenn sich partout trotz sorgfältiger Recherche kein hinreichend qualifizierter, geschlechtergerechter Kandidat finden lässt, anerkannt (Legal Judgement Rule).446) In diesen Fällen ist nach zutreffender Ansicht bereits kein Sorgfaltspflichtverstoß anzunehmen; jedenfalls aber kann dem Aufsichtsrat kein Verschulden attestiert werden.447) 237 Hinsichtlich eines ersatzfähigen Schadens der Gesellschaft ist zudem zu differenzieren, ob die quotenwidrige Besetzung zur bloßen Unterbesetzung des Aufsichtsrats oder zur Beschlussunfähigkeit führt. Bei Unterbesetzung bleibt das Gremium funktionsfähig, sodass der Gesellschaft hieraus i. d. R. kein Schaden entsteht. Anderes kann im Ausgangspunkt (dennoch sehr selten!) für den Fall der Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats und der damit einhergehenden Dysfunktionalität des Gremiums gelten. Im Falle der Beschlussunfähigkeit ist zudem der Vorstand verpflichtet, unverzüglich die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats gemäß § 104 Abs. 1 AktG einzuleiten.448) Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so droht auch ihm theoretisch eine Haftung auf Schadensersatz. Eine Abberufung des Vorstands aus wichtigem Grund kommt nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG nur in Betracht, wenn die Fortsetzung des Organverhältnisses unzumutbar ist, was allein aus dem Interesse der AG449) folgen kann, nicht allerdings alleine aus der politisch intendierten Bedeutung der festen Geschlechterquote. 238 Ungeachtet einer Schadensersatzhaftung bleiben etwaige Pflichtverstöße der Organmitglieder relevant für ihre Entlastung (§ 120 Abs. 1 AktG). VI. Publizität 239 Die Verletzung sämtlicher Publizitätspflichten stellt eine Pflichtverletzung der pflichtvergessenen Organmitglieder von Vorstand und ggf. Aufsichtsrat dar, die zu einer Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 (i. V. m. § 116) AktG führen kann. 1. Bekanntmachung der Änderungen im Aufsichtsrat, § 106 AktG a) Pflichtenumfang 240 Damit sich jedermann über den aktuellen Stand der Zusammensetzung des Aufsichtsrats informieren kann, hat der Vorstand bei jeder Änderung in den ___________ 445) Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 122; zu einer möglichen Haftung der Organmitglieder wegen Verletzung der Publizitätspflichten siehe Rn. 239. 446) Vgl. zum Maßstab der Sorgfaltspflicht bereits unter Rn. 137. 447) Vgl. bereits unter Rn. 137; ähnlich Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 261. 448) Vgl. hierzu Rn. 209 ff. 449) Koch, in: Hüffer, AktG, § 84 Rn. 34.
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VI. Publizität
Personen der Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 106 AktG unverzüglich eine aktualisierte Liste der Aufsichtsratsmitglieder elektronisch450) zum Handelsregister einzureichen.451) Das Gericht macht sodann nach § 10 HGB einen Hinweis darauf bekannt, dass die Liste eingereicht wurde. Einsichtnahme in diese Liste ist gemäß § 9 HGB möglich und die Informationen sind über § 8b Abs. 2 Nr. 1 HGB auch im Unternehmensregister via Internet verfügbar. § 106 AktG wurde im Zuge des GgTFMF nicht geändert, d. h. auch nach wie 241 vor ist neben den zwingend geforderten Informationen (Name, Vorname, ausgeübter Beruf, Wohnort) nicht auch explizit das Geschlecht der Aufsichtsratsmitglieder anzugeben. Es ist indes nicht untersagt (und kann sinnvoll sein), insbesondere bei mehrdeutigen oder fremdländischen Vornamen eine Geschlechterangabe vorzunehmen. b) Bekanntmachung der Änderungen im Aufsichtsrat, § 106 AktG Die unverzügliche Einreichung der von § 106 AktG geforderten Liste der 242 Aufsichtsratsmitglieder kann nach § 14 HGB, nicht aber nach § 407 AktG durch Zwangsgeldfestsetzung durchgesetzt werden. Das Zwangsgeld wird hierbei nicht gegen die AG, sondern gegen die Vorstandsmitglieder persönlich und einzeln festgesetzt.452) Die Festsetzung dient hierbei allein der Durchsetzung der Bekanntmachung und darf nicht mittelbar – und jenseits des Verfahrens gerichtlicher Bestellung nach § 104 AktG – dazu dienen, die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern selbst zu erzwingen.453) 2. Anmeldung von Aufsichtsratsvorsitzendem und Stellvertreter zum Handelsregister, § 107 Abs. 1 Satz 2 AktG a) Pflichtenumfang Gemäß § 107 Abs. 1 Satz 1 AktG hat der Aufsichtsrat aus seiner Mitte einen 243 Vorsitzenden und (mindestens) einen Stellvertreter zu wählen. Diese Wahlen sind nach Satz 2 vom Vorstand zum Handelsregister anzumelden.454) Angemeldet werden müssen die Namen und Anschriften des Aufsichtsratsvorsitzenden und seiner Stellvertreter; die Angaben werden weder im Handelsregister eingetragen noch in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht.455) Daher genügt die Schriftform ohne öffentliche Beglaubigung.456)
___________ 450) § 12 Abs. 2 Satz 1 HGB. 451) Diese Publizität schafft die informationellen Voraussetzungen für die Beantragung der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats nach § 104 AktG, siehe hierzu Rn. 209 ff. 452) Habersack/Kalss, in: MünchKomm-AktG, § 106 Rn. 14. 453) Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 106 Rn. 10. 454) Der Name des Vorsitzenden ist zudem nach § 80 Abs. 1 Satz 1 AktG auf den Geschäftsbriefen anzugeben. 455) Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 60. 456) Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 60.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
b) Rechtsfolgen der Pflichtverletzung 244 Die Anmeldung – nicht aber die Wahl selbst – kann durch ein Zwangsgeldverfahren nach § 14 HGB durchgesetzt werden. 3. Bekanntmachungen nach § 19 MitbestG und § 10g MontanMitbestErgG a) Pflichtenumfang 245 Nach § 19 Satz 1 MitbestG – und inhaltsgleich nach § 10g MontanMitbestErgG – hat der Vorstand als gesetzliches Vertretungsorgan die Namen sämtlicher457) Mitglieder und Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats unverzüglich (§ 121 BGB) nach Bestellung458) – nicht aber bei Ausscheiden459) – im Betrieb und durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekanntzumachen.460) Die Pflicht ergänzt die Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern und durch Einreichung zum Handelsregister nach § 6 Abs. 2 und 3 MitbestG i. V. m. § 106 AktG. Eine Geschlechterangabe ist gesetzlich nicht verlangt, ist aber zulässig und kann bei mehrdeutigen oder fremdländischen Vornamen sinnvoll sein (siehe Rn. 187). b) Rechtsfolgen der Pflichtverletzung 246 Die Bekanntmachung nach § 19 MitbestG hat für die Bestellung nur deklaratorische Bedeutung und ist von der Bekanntmachung des Wahlergebnisses durch den Wahlvorstand zu unterscheiden (vgl. §§ 48, 80 1. WahlO; §§ 56, 86, 2. WahlO; §§ 52, 86 3. WahlO).461) Unterbleibt die Bekanntmachung, so beginnt die Wahlanfechtungsfrist des § 22 Abs. 2 Satz 2 MitbestG nicht zu laufen.462) 4. Angaben in der Erklärung zur Unternehmensführung, § 289a Abs. 2 Nr. 5 HGB a) Pflichtenumfang 247 § 289a Abs. 2 Nr. 5 HGB statuiert eine neue, spezifisch auf die feste Geschlechterquote ausgerichtete Informationspflicht im Rahmen der Erklä___________ 457) Dies umfasst auch die Mitglieder der Anteilseignerseite, siehe Gach, in: MünchKommAktG, § 19 MitbestG Rn. 6. 458) Dies umfasst auch Nachwahlen, gerichtliche Bestellungen nach § 104 AktG sowie den Eintritt von Ersatzmitgliedern, siehe Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, § 19 MitbestG Rn. 2; Raiser/Jacobs, in: Raiser/Veil/Jacobs, § 19 MitbestG Rn. 1. 459) Hierin besteht ein wesentlicher Unterschied zu § 106 AktG, siehe Seibt, in: Henssler/ Willemsen/Kalb, § 19 MitbestG Rn. 2; Oetker, in: Erfurter-Komm, § 19 MitbestG Rn. 1; Gach, in: MünchKomm-AktG, § 19 MitbestG Rn. 8. 460) Die Pflicht zur Bekanntmachung im Betrieb trifft nach § 19 Satz 2 MitbestG auch die gesetzlichen Vertretungsorgane von Unternehmen, deren Arbeitnehmer an der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder zu beteiligen waren. 461) Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, § 19 MitbestG Rn. 2; Gach, in: MünchKommAktG, § 19 MitbestG Rn. 1, 9. 462) Seibt, in: Henssler/Willemsen/Kalb, § 19 MitbestG Rn. 2; Oetker, in: Erfurter-Komm, § 19 MitbestG Rn. 2.
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VI. Publizität
rung zur Unternehmensführung, die Teil des Lageberichts ist.463) Hiernach haben börsennotierte, mitbestimmte AGs i. S. d. § 96 Abs. 2 und 3 AktG sowie SEs464) offenzulegen, ob die Gesellschaft bei der Besetzung des Aufsichtsrats mit Männern und Frauen jeweils Mindestanteile im Bezugszeitraum eingehalten hat; andernfalls sind Angaben zu den Gründen der Nichteinhaltung zu machen. Der neu eingefügte Absatz 3 stellt klar, dass die Erklärungspflicht der Absätze 1 und 2 auch auf börsennotierte Kommanditgesellschaften auf Aktien Anwendung findet und beseitigt damit das bisherige Redaktionsversehen in Bezug auf die Erklärung zur Unternehmensführung.465) Für Gesellschaften, die der festen Geschlechterquote unterliegen,466) steht diese neue Berichtspflicht zu den Empfehlungen des DCGK in Ziffer 5.4.1 und Ziffer 3.10, die den Bericht über die Zielsetzung und -erreichung bei der Aufsichtsratsbesetzung (auch) unter angemessener Beteiligung von Frauen oder eine Abweichungserklärung fordern, nicht im Verhältnis der Konkurrenz, sondern der inhaltlichen Komplementarität.467) Sowohl inhaltlich als auch vom regulatorischen Prinzip (Comply or Explain) 248 ähnelt die Regelung in § 289a Abs. 2 Nr. 5 HGB den Empfehlungen in Ziffer 5.4.1 DCGK, denen zufolge über die Setzung und Erreichung von Zielen bei Aufsichtsratszusammensetzung gerade auch unter Berücksichtigung von Frauen zu berichten ist. Die Erklärung über die Einhaltung der Quote hat sich zeitlich auf den „Be- 249 zugszeitraum“ zu erstrecken. Da die Erklärung zur Unternehmensführung nach dem gesetzlichen Regelfall Teil des Lageberichts ist (vgl. § 289a Abs. 1 Satz 1 HGB a. E.), ist mit dem Bezugszeitraum derselbe Berichtszeitraum wie derjenige des Lageberichts gemeint und mithin grundsätzlich das abgelaufene Geschäftsjahr. Die Quote gilt nur dann als eingehalten, wenn die gesetzlichen Vorgaben 250 für die Mindestbesetzungen beider Seiten im Aufsichtsrat objektiv gewahrt sind.468) Des Weiteren kann nur dann über Erfüllung berichtet werden, wenn die quotengerechte Besetzung über den gesamten Bezugszeitraum eingehalten wurde. Ein unterjähriges Abweichen ist, auch wenn es bis zum Berichtszeitpunkt korrigiert wurde, zu erklären. Korrespondierend mit der objektiven Wahrung wird auch die Erklärungs- 251 pflicht allein durch eine objektive Nichtbefolgung ausgelöst. Das regulatorische Prinzip erinnert an das Comply or Explain des DCGK. Da es sich bei ___________ 463) Für ein Muster eines Berichts über die feste Geschlechterquote in der Erklärung zur Unternehmensführung siehe Rn. 458 (Kap. G.). 464) Vgl. zur SE noch ausführlich Rn. 329 ff. (Kap. D.). 465) Vgl. von der Linden, in: Wilsing, DCGK, § 289a HGB Rn. 5. 466) Zum Verhältnis der Empfehlungen des DCGK zu der Pflicht zur Festlegung von Zielvorgaben bei (nur) börsennotierten AGs siehe noch unter Rn. 317. 467) Siehe hierzu sogleich Rn. 266. 468) Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 133.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
der festen Geschlechterquote i. S. d. § 96 Abs. 2 AktG jedoch nicht um eine Empfehlung, sondern eine Rechtspflicht handelt, dürfen bei der Begründung der Nichteinhaltung Zweckmäßigkeitsentscheidungen keine Rolle spielen. 252 Die Nichteinhaltung kann verschiedene Ursachen haben. In Betracht kommt, dass nur in einer unzureichenden Anzahl quotengerechte Personen in den Aufsichtsrat gewählt wurden, dieser daher unterbesetzt ist. Möglich ist auch eine Nichteinhaltung durch eine gemäß § 96 Abs. 2 Satz 6 AktG nichtige Wahl von quotenuntauglichen Personen oder die erfolgreiche Anfechtung der Wahl quotentauglicher Personen.469) Schließlich kann es dadurch zur Nichteinhaltung kommen, dass die Quote durch Abberufung, Amtsniederlegung oder sonstige Beendigung470) von Ämtern von quotenerfüllenden Aufsichtsratsmitgliedern unterschritten wird. Aus dem periodenbezogenen Charakter der Erklärung folgt, dass die Erklärung über die Nichtbefolgung auch den Zeitraum der Nichtbefolgung im Bezugszeitraum anzugeben hat. Dem Erfordernis der Angabe von Gründen für das Zurückbleiben hinter der Mindestquote ist jedoch nicht mit der Angabe der Ursachen Genüge getan. Da der Vorstand für eine ordnungsgemäße Besetzung des Aufsichtsrats zu sorgen hat,471) ist auch auszuführen, weshalb der eingetretene Zustand der Unterbesetzung nicht beseitigt wurde bzw. werden konnte. Hierzu kann auszuführen sein, dass eine qualifizierte Person mit dem erforderlichen Geschlecht trotz sorgfältiger Personalrecherche nicht rekrutiert werden konnte. Bei unterjährig eintretender Unterschreitung nach bereits abgehaltener Hauptversammlung kann zu begründen sein, weshalb der Vorstand keinen Antrag auf gerichtliche, quotengerechte Ergänzung des Aufsichtsrats nach § 104 AktG gestellt hat.472) 253 Adressat der Pflicht zur Abgabe der Erklärung zur Unternehmensführung ist der Vorstand473), nicht der von der Quote betroffene Aufsichtsrat. Der Vorstand hat die zur Erklärung erforderlichen Informationen beim Aufsichtsrat einzuholen. Letzterem obliegt jedoch nach § 171 Abs. 1 Satz 1 AktG die Aufgabe, die Erklärung zur Unternehmensführung als Teil des Lageberichts auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen. 254 Über den Inhalt des § 289a Abs. 2 Nr. 5 HGB hinaus besteht keine weitergehende Pflicht, etwa im Rahmen der Berichtspflicht über die Zusammensetzung und Arbeitsweise von Ausschüssen des Aufsichtsrats auch über die interne Organisation oder den wesentlichen Inhalt der Geschäftsordnung der Seite der Anteilseigner- oder Arbeitnehmervertreter zu berichten. Es handelt ___________ 469) Vgl. hierzu Rn. 221 ff., 231 ff. 470) Zu persönlichen Beendigungsgründen wie dem Tod eines Mitglieds oder dem nachträglichen Wegfall der Bestellungsvoraussetzungen des § 100 Abs. 1 AktG im Überblick Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 103 Rn. 56. 471) Vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG, § 104 Rn. 30. 472) Vgl. hierzu Rn. 209 ff. 473) Siehe von der Linden, in: Wilsing, DCGK, § 289a HGB Rn. 13.
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VI. Publizität
sich bei diesen nicht um Ausschüsse des Aufsichtsrats, sondern um Teilorgane als Organisationseinheiten sui generis.474) Die Erklärung zur Unternehmensführung ist, wenn sie gemäß § 289a Abs. 1 255 Satz 1 HGB in den Lagebericht integriert wird, als dessen Teil gemeinsam mit dem Jahresabschluss beim Bundesanzeiger einzureichen und unverzüglich nach der Einreichung im Bundesanzeiger bekannt machen zu lassen, vgl. § 325 Abs. 1 und 2 HGB. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, die Erklärung – mit entsprechender Verweisung im Lagebericht – auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich zu machen. Dies muss spätestens dann geschehen, wenn auch Jahresabschluss und Lagebericht offenzulegen sind.475) Wird die Erklärung zur Unternehmensführung mit dem Corporate-Gover- 256 nance-Bericht verbunden, so empfiehlt sich, diesen Pflichtinhalt an geeigneter Stelle in den Bericht zu integrieren.476) b) Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung Für die neue Erklärungspflicht des § 289a Abs. 2 Nr. 5 HGB gelten die allge- 257 meinen Rechtsfolgen für den Fall der Verletzung der Angabepflicht (d. h. Nichtabgabe, fehlerhafte oder unvollständige Erklärung). Diese stellt zuvörderst eine mit Bußgeld bis zu 50.000 Euro zu ahndende Ordnungswidrigkeit dar, § 334 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 HGB. Bei vorsätzlicher unrichtiger Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft kann sogar eine Straftat vorliegen, § 331 Nr. 1 HGB. Die Abschlussprüfung des Lageberichts hat sich nach § 317 Abs. 2 Satz 3 258 HGB zwar nicht auf den Inhalt der Angaben in der Erklärung zur Unternehmensführung zu beziehen. Geprüft werden muss jedoch, ob die Erklärung zur Unternehmensführung überhaupt abgegeben wurde und sie die nach § 289a Abs. 2 HGB geforderten Angaben enthält. Ist dies nicht der Fall, kann der Bestätigungsvermerk vom Abschlussprüfer eingeschränkt oder versagt werden, § 322 HGB. Noch nicht geklärt ist, ob die Grundsätze zur Anfechtbarkeit von Entlas- 259 tungsbeschlüssen von Vorstand und Aufsichtsrat auf fehlende oder grob fehlerhafte Erklärungen zur Unternehmensführung ebenfalls anwendbar sind.477) Da die Informationsfunktion der Erklärung zur Unternehmensführung zugunsten der Aktionäre (vgl. §§ 175 Abs. 1, 176 AktG) durch die Erweiterung der Angaben über die neuen geschlechterspezifischen Regelungen durch das GgTFMF erst jüngst wieder aufgewertet wurde, wird man allerdings davon ausgehen müssen. Das heißt, fehlt die Erklärung zur Unternehmensführung oder sind ___________ 474) Vgl. hierzu bereits unter Rn. 106 ff. 475) Kleindiek, in: MünchKomm-Bilanzrecht, § 289a Rn. 4. 476) Zum Gestaltungsspielraum des Corporate Governance Berichts sowie zu einer beide Berichte integrierenden Lösung siehe Johannsen-Roth, in: Wilsing, DCGK, Ziffer 3.10 Rn. 19 ff. 477) Lange, in: MünchKomm-HGB, § 289a Rn. 18.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
schwerwiegende inhaltliche Mängel vorhanden, zu denen man das Fehlen der Angaben über die feste Geschlechterquote zu zählen haben wird, können die Entlastungsbeschlüsse für Vorstand und Aufsichtsrat anfechtbar sein.478) 5. Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG und Corporate Governance Bericht a) Pflichtenumfang 260 Die gesetzliche Regelung der Geschlechterquote bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die bestehenden Publizitätsvorgaben im Kontext des DCGK.479) 261 Gemäß § 161 AktG haben Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften jährlich zu erklären, welchen Empfehlungen des DCGK entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht (Comply or Explain). Die Bedeutung, welche der Befolgung der im Grundsatz unverbindlichen Empfehlungen seitens der Aktionäre und des Kapitalmarktes als Ausdruck guter Corporate Governance entgegengebracht wird,480) lässt es im Ausgangspunkt angeraten erscheinen, diese generell zu befolgen und nur ausnahmsweise und mit plausibler Begründung Abweichungen zu erklären. 262 Die feste Geschlechterquote für den Aufsichtsrat börsennotierter, paritätisch mitbestimmter Gesellschaften nach § 96 Abs. 2 AktG ist dabei von besonderer Relevanz für die Empfehlung in Ziffer 5.4.1 DCGK. Ziffer 5.4.1 DCGK empfiehlt in Satz 2 auch in seiner neuen Fassung weiterhin, dass der Aufsichtsrat für seine Zusammensetzung konkrete Ziele benennen soll, die unter Beachtung der unternehmensspezifischen Situation neben weiteren bestimmten Kriterien auch die Vielfalt (Diversity) berücksichtigen. Diese konkreten Ziele sollten nach dem bisherigen Satz 3 insbesondere eine angemessene Beteiligung von Frauen vorsehen. Zielsetzung und Stand der Umsetzung sollen im Corporate Governance Bericht i. S. d. Ziffer 3.10 DCGK veröffentlicht werden (Satz 6). Nach der jüngsten Kodexänderung ist nun die präzisierende Empfehlung des Satzes 3, insbesondere eine angemessene Beteiligung von Frauen vorzusehen, gestrichen worden. Stattdessen wird – klarstellend – auf die gesetzliche Pflicht der festen Quote verwiesen. 263 Aus Ziffer 5.4.1 DCGK Satz 2 und seiner allgemeinen Diversity-Vorgabe folgt auch weiterhin – d. h. ungeachtet der Aufhebung des Postulates zur Berücksichtigung „insbesondere“ von Frauen – die Empfehlung zur Benennung konkreter Zusammensetzungsziele für den Aufsichtsrat unter geschlechterspezifischen Gesichtspunkten. Dieser Begriff umfasst nach allgemeinem Ver___________ 478) Vgl. Lange, in: MünchKomm-HGB, § 289a Rn. 18; Bachmann, ZIP 2010, 1517, 1524 f. 479) Die jüngste Änderung des DCGK in der Fassung vom 5. Mai 2015, die am 12. Juni 2015 im Bundesanzeiger bekanntgemacht wurde, berücksichtigt bereits die Vorgaben des GgTFMF. 480) Vgl. hierzu ausführlich von Werder/Turkali, DB 2015, 1357 und von Werder/Bartz, DB 2014, 905; Goette, in: MünchKomm-AktG, § 161 Rn. 1.
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VI. Publizität
ständnis das Merkmal des Geschlechts.481) Inhaltlich kann diese Empfehlung im Lichte der gesetzlichen festen Geschlechterquote nach § 96 Abs. 2 AktG nur den durch die Rechtspflicht nicht erfassten Bereich betreffen. Dies sind mithin nur konkrete Zielsetzungen für eine geschlechtergerechte Besetzung des Aufsichtsrats, die über die 30 %ige geschlechtergerechte Besetzung hinausgehen. Denn erst jenseits der rechtlichen Verhaltenspflicht bleibt überhaupt Raum für die einer Entscheidung über die Entsprechung der Kodexempfehlung immanenten Zweckmäßigkeitserwägungen. Entfallen wird durch die Streichung des Satzes 2 lediglich die Berücksichtigung „insbesondere“ von Frauen. Ganz im Geiste des GgTFMF fordert zukünftig also auch der Kodex eine gleichberechtigte Berücksichtigung beider Geschlechter. Praxistipp: Es ist angeraten, sorgfältig darüber zu entscheiden, ob den Empfehlungen in Ziffer 5.4.1 und 3.10 DCGK in Bezug auf ihren geschlechterspezifischen Inhalt entsprochen werden soll.
Da die von Ziffer 5.4.1 DCGK genannte Diversity nur eines von mehreren 264 Kriterien für die Festlegung von Zielvorgaben bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrates ist und das Kriterium der Diversity selbst wiederum neben dem Geschlecht jedenfalls auch die Internationalität der Kandidaten ein weiteres Kriterium bildet,482) kann der Empfehlung zwar entsprochen werden, ohne dass weitergehende, konkrete Zielvorgaben für die geschlechtergerechte Zusammensetzung des Aufsichtsrats erforderlich wären. Nicht zu unterschätzen ist allerdings die Sensibilisierung des Kapitalmarktes für entsprechende Angaben. Wenngleich Angaben zu Zielsetzungen i. S. d. Ziffer 5.4.1 DCGK bisher noch nicht in gewünschtem Maße erfolgten,483) so dürfte der Markt geschlechterspezifische Angaben doch zukünftig besonders aufmerksam verfolgen. Im Zuge der gesetzgeberisch intendierten, allgemein-gesellschaftlichen Sensibilisierung ist jedoch nicht nur seitens des Kapitalmarktes, sondern auch seitens der allgemeinen Öffentlichkeit eine größere Aufmerksamkeit zu erwarten. Zudem ist anzunehmen, dass Proxy Advisors und Aktionärsvereinigungen diese Themen zukünftig verstärkt beobachten und die Personalpolitik des Unternehmens auf Hauptversammlungen zur Sprache bringen werden. Auch der Gesetzgeber selbst dürfte diese weitergehenden Angaben sorgsam verfolgen, versteht er die feste Quote von 30 % doch „nur“ als Untergrenze und erstrebt im Grunde eine paritätische Besetzung.484) Bei der Entscheidung über die Zielvorgaben für eine auch geschlechterspezifische Zusammensetzung sind keine konkreten quantitativen Quotenfestsetzungen erforderlich, sondern es sind qualitative Leitlinien für seine Zusammensetzung ausreichend.485) ___________ 481) 482) 483) 484) 485)
Goslar, in: Wilsing, DCGK, Ziff. 4.1.5 Rn. 6, Ziff. 5.4.1 Rn. 10. Goslar, in: Wilsing, DCGK, Ziff. 4.1.5 Rn. 6, Ziff. 5.4.1 Rn. 10. Vgl. hierzu Johannsen-Roth, in: Wilsing, DCGK, Ziff. 3.10 Rn. 11. Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 18/3784, S. 120. Johannsen-Roth, in: Wilsing, DCGK, Ziff. 3.10 Rn. 11.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat Praxistipp: Der Aufsichtsrat wird bei deren Erarbeitung besonders kritisch prüfen müssen, welches Gewicht dem Merkmal „Geschlecht“ jenseits der verpflichtenden 30 %-Grenze gegenüber den anderen Kriterien im Lichte des Unternehmenswohls überhaupt zukommen kann.
265 Dass sich die Empfehlung zur Formulierung von Zielsetzungen und ein sich hierauf beziehender Bericht fortan nur noch auf die nicht bereits von der Pflichtquote prädeterminierten Sitze des Aufsichtsrats beziehen können, bedeutet im Umkehrschluss auch, dass für diese von der Quote betroffenen Sitze sämtliche anderen Kriterien der Besetzung keine vordergründige Rolle spielen. Solange dies nicht dem Unternehmensinteresse widerspricht, hat die Besetzung in erster Linie nach dem Geschlecht zu erfolgen. 266 Zu den neuen Berichtsvorgaben des § 289a Abs. 2 Nr. 5 HGB steht der Corporate Governance Bericht nach Ziffer 3.10 in Bezug auf den Inhalt nach Ziffer 5.4.1 DCGK im Verhältnis der Komplementarität. Entschließt sich die Gesellschaft, diesen Empfehlungen des DCGK zu entsprechen, so stehen die Berichtspflichten nebeneinander und beinhalten unterschiedliche Informationen. Bereits der Anwendungsbereich des § 289a Abs. 2 Nr. 5 HGB bezieht sich inhaltlich nur auf die feste Geschlechterquote des § 96 Abs. 2 AktG in Höhe von 30 %. Die Empfehlungen nach Ziffer 5.4.1 i. V. m. Ziffer 3.10 DCGK setzen hingegen – wie gesehen – überhaupt erst jenseits der 30 %igen Pflichtquote an. Während § 289a Abs. 2 Nr. 5 HGB eine Erklärung über das Erreichen der Pflichtquote und etwaige Gründe des Nichterreichens fordert, ist für die diversity- bzw. geschlechterspezifischen Zielsetzungen im Corporate Governance Bericht weder eine Begründung der Zielsetzungen selbst noch für deren Nichterreichen erforderlich.486) b) Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung 267 Bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Abgabe der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG kann dieses pflichtwidrige Verhalten der Verwaltung, sofern schwerwiegend (Ausnahme!), die Billigung ihres Verhaltens nach § 120 AktG ausschließen und gleichwohl gefasste Entlastungsbeschlüsse anfechtbar machen. Denn die Entlastung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ist nach der Rechtsprechung anfechtbar, wenn die Aktionäre pflichtwidrig nicht hinreichend informiert werden.487) Entsprechendes gilt für den Fall einer inhaltlich grob fehlerhaften vergangenheitsbezogenen Erklärung. Zukunftsbezogene Angaben gelten hingegen als bloße Absichtserklärung. ___________ 486) Wilsing, in: Wilsing, DCGK, Ziff. 5.4.1 Rn. 13. 487) BGH, Urt. v. 21.9.2009 – II ZR 174/08, BGHZ 182, 272, ZIP 2009, 2051= ZIP 2009, 2051 = WM 2009, 2085, dazu EWiR 2010, 1 (Priester); BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07, BGHZ 180, 9, ZIP 2009, 460 (m. Anm. Mutter, S. 470) = NJW 2009, 2207, dazu EWiR 2010, 343 (Herchen); im Überblick Koch, in: Hüffer, AktG, § 161 Rn. 31.
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VI. Publizität
6. Ad-hoc-Publizität a) Pflichtenumfang Eine Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 1 WpHG wird im sachlichen 268 Kontext der festen Geschlechterquote für den Aufsichtsrat i. d. R. unter keinem Gesichtspunkt veranlasst sein. Dasselbe gilt unter dem Regime der ab 3. Juli 2016 in den Mitgliedsstaaten geltenden europäischen Marktmissbrauchsverordnung, die insoweit für das Folgende zu keinen inhaltlichen Änderungen führt.488) Ad hoc zu veröffentlichen sind nach § 15 Abs. 1 WpHG den Emittenten unmit- 269 telbar betreffende Insiderinformationen nach § 13 Abs. 1 WpHG, d. h. insbesondere solche, die geeignet sind, den Börsen- oder Marktpreis im Falle ihres Bekanntwerdens erheblich zu beeinflussen. Zwar mag man in gewissen Konstellationen im Zusammenhang mit der festen Geschlechterquote – gerade weil sie börsennotierte, mitbestimmte Unternehmen als besonders sozialpflichtige und am Markt besonders visible Akteure in die Pflicht nimmt – über die Auslösung einer Ad-hoc-Meldepflicht nachdenken. Dies sind zum einen die (Über-)Erfüllung der Quotenvorgabe oder deren Nichterfüllung sowie ihre Ursachen. Zum anderen sind dies eine (sehr kurzfristige) Ausübung des Widerspruchsechts durch eine Aufsichtsratsseite oder auch die aus einer quotenwidrigen Besetzung folgende Nichtigkeit der Wahl oder gar Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats. Es wird diesen Umständen bzw. Konstellationen in aller Regel am erheblichen 270 Kursbeeinflussungspotential (Kursrelevanz) i. S. d. § 13 Abs. 1 WpHG mangeln. Die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung ist nur gegeben, wenn gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Entscheidend ist, ob die Information für einen verständigen Anleger einen Kauf- oder Verkaufsanreiz auslöst und das Geschäft ihm lohnend erscheint,489) wobei als Maßstab nach h. M. der verständige, d. h. rational handelnde, börsenerfahrene Investor gilt.490) Hierbei handelt es sich nicht um eine tatsächliche, dem Beweise zugängliche Voraussetzung, sondern um eine Rechts- und damit Wertungsfrage, die freilich einzelfallabhängig zu beantworten ist. Nach den hierbei ebenfalls zu berücksichtigenden Maßstäben ökonomischer Theorie kommt es auch darauf an, ob die betreffende Information den Erwartungswert der Aktie verändert (Fundamentalwertrelevanz).491) Auch wenn dieses Tatbestandsmerkmal nach den jüngsten Vorgaben des EuGH unter dem Gesichtspunkt des Anlegerschutzes weit auszulegen ist,492) so wird eine solche ___________ 488) Zum Begriff der Insiderinformation und der Ad-hoc-Publizität unter der Marktmissbrauchsverordnung siehe Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 596 ff. 489) BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 35; Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, § 13 Rn. 64; Klöhn, in: KölnKomm-WpHG, § 13 Rn. 198 ff. 490) Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, § 13 Rn. 58. 491) Klöhn, in: KölnKomm-WpHG, § 13 Rn. 158, 179 ff. 492) Vgl. EuGH, Urt. v. 11.3.2015 – Rs C-628/13 („Lafonta“), ZIP 2015, 627, kritisch zur Extension unter dem Gesichtspunkt des Anlegerschutzes EWiR 2015, 237 (Seibt/Kraack).
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
Anlageentscheidungsrelevanz in den skizzierten (und weiteren) in Betracht kommenden, quotenbezogenen Informationen jedoch kaum je vorliegen. Dies lässt sich aus den folgenden allgemeinen Leitlinien deduzieren: 271 Den Maßstab für die Beurteilung der Kursrelevanz bildet allein die Frage der Relevanz einer Information für die Anlageentscheidung eines verständigen Anlegers. Unerheblich ist daher, ob die Information im Kontext der quotengerechten Zusammensetzung des Aufsichtsrats von Bedeutung für die Meinungsbildung eines Aktionärs zur Ausübung seiner Mitgliedschafts- bzw. Stimmrechte in der Hauptversammlung ist. Beispiel: Eine Pflicht zur Ad-hoc-Meldung kann sich also nicht etwa daraus ergeben, dass eine Seite des Aufsichtsrats der Gesamterfüllung sehr kurzfristig vor der Hauptversammlung widerspricht und so eine Änderung der Wahlvorschläge erforderlich macht, obgleich dies für die Entscheidung der Aktionäre über die Teilnahme an der Wahl oder der Hauptversammlung generell von Bedeutung sein kann. 272 Sodann ist als Leitlinie festzuhalten, dass der Veränderung der Zusammensetzung im Aufsichtsrat bereits ganz allgemein nur ausnahmsweise Kursrelevanz zukommen wird. Ein verständiger, d. h. nach rationalen ökonomischen Erwägungen handelnder Anleger wird bei seiner Anlageentscheidung die Zusammensetzung des Aufsichtsorgans nur berücksichtigen, wenn diese Fundamentalwertrelevanz hat. Beispiel: So nimmt denn auch die BaFin Kursrelevanz bei Personalentscheidungen i. d. R. nur an, wenn es um eine überraschende Veränderung in Schlüsselpositionen im Unternehmen geht wie etwa die des Vorsitzenden des Aufsichtsrats.493) 273 Eine weitere Leitlinie bildet schließlich der Befund, dass für die Annahme der Kursrelevanz der Geschlechterbezug in den skizzierten Konstellationen per se nicht maßgeblich ist. Bei verständiger, d. h. rational ökonomischer Betrachtungsweise werden – sofern die Aufsichtsratszusammensetzung für die Anlageentscheidung relevant ist – die fachliche Qualifikation der Personen, deren Stellung im Unternehmen bzw. Funktion im Aufsichtsrat sowie die individuelle Persönlichkeit jeweils im Lichte der kontextuellen Umstände ihres Eintritts oder Ausscheidens ausschlaggebend sein.494) Denn allein diese Kriterien sind geeignet, einen rationalen Rückschluss auf den Fundamentalwert der Aktie zuzulassen, da nur sie eine Aussagekraft über die zukünftig erwarteten Auszahlungen oder das erwartete Risiko (d. h. über den zukünftigen Erwartungswert) haben können.495) Es lässt sich bereits allgemein kaum eine empirisch signifikante Korrelation zwischen z. B. dem Frauenanteil und dem ___________ 493) BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 53. 494) Vgl. Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, § 15 Rn. 89. 495) Klöhn, in: KölnKomm-WpHG, § 13 Rn. 181 ff.
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Seibt/Kraack
VI. Publizität
unternehmerischen Erfolg feststellen.496) Noch schwieriger dürfte diese Feststellung für das konkrete Unternehmen zu treffen sein, wenn sich nicht ausnahmsweise etwa aufgrund dessen Tätigkeit in bestimmten geschlechterspezifischen Branchen etwas anderes ergibt. b) Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung Für den Fall, dass eine nur in Ausnahmefällen einschlägige Pflicht zur Ad-hoc- 274 Publizität nach § 15 Abs. 1 WpHG verletzt wird, so stellt dies eine Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 2 WpHG dar. Wird eine fällige Ad-hocMeldung (vorsätzlich oder leichtfertig) nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig vorgenommen oder nachgeholt, so kann dies mit einer Geldbuße bis zu 1 Mio. Euro geahndet werden, vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a), Abs. 4 WpHG.497) Nur in extremen Ausnahmefällen können wegen unterlassener unverzüglicher 275 Veröffentlichung oder der Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen in vorliegendem Kontext auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach §§ 37b, 37c WpHG in Betracht kommen. 7. Corporate Social Responsibility Reporting Unternehmen, die bereits aktuell auf freiwilliger Basis Corporate Social Res- 276 ponsibility Reports bzw. Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen,498) sollten die dort enthaltenen Ausführungen zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen sowie zur Diversity um die gesetzlich zwingenden Angaben zur festen Geschlechterquote (und den Frauenzielquoten) ergänzen (Regelfall) bzw. durch diese ersetzen. Adressat dieser auf der gesellschaftlichen Verantwortung großer Unternehmen basierenden Berichte499) ist zwar die gesamte Öffentlichkeit; gleichwohl sollte der Inhalt konsistent mit den zwingenden geschlechterspezifischen Publizitätsvorgaben500) zugunsten der Aktionäre und des Kapitalmarkts sein. Die mit den freiwilligen Berichten intendierte Steigerung der Corporate Reputation501) und der Wahrnehmung am Kapitalmarkt dürfte sich nur erreichen lassen, wenn die Befolgung der Pflichtvorgaben des § 96 Abs. 2 AktG als Teilfeld eines erweiterten unternehmensspezifischen Konzepts zur Förderung ___________ 496) Vgl. hierzu bereits Rn. 13 ff. 497) Im Überblick zur Ahndung der Verletzung komplementärer Pflichten im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizität siehe Assmann, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, § 15 Rn. 284 ff. 498) Entsprechende Berichte lassen sich finden unter www.corporateregister.com. 499) Im Überblick zur Verortung des Themas Corporate Social Responsibility im Bereich der Unternehmensethik Eufinger, EuZW 2015, 424, 425 m. w. N. 500) Betroffen sind insbesondere die Erklärung zur Unternehmensführung bzw. die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG sowie der Corporate Governance Bericht, siehe hierzu Rn. 260 ff. 501) Hierzu Seibt, DB 2015, 171 ff.
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B. Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat
der Gleichberechtigung der Geschlechter erscheint, welches sich nicht auf die Ebene des Aufsichtsrats bzw. der Unternehmensleitung begrenzt. 277 Eine Rechtspflicht zur Erstellung von CSR-Berichten sieht die sog. CSRRichtlinie502) vor, die erstmals für die ab 1. Januar 2017 beginnenden Geschäftsjahre gilt. Sie ist anwendbar auf „große Unternehmen von öffentlichem Interesse“, die während des Geschäftsjahres durchschnittlich mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen, wobei als groß nur Unternehmen mit einer Bilanzsumme von mindestens 20 Mio. Euro und einem Nettoumsatz von 40 Mio. Euro gelten, und von öffentlichem Interesse grundsätzlich nur Unternehmen sind, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt (d. h. regulierten Markt)503) zugelassen sind. Damit wird ein Großteil der auch der festen Geschlechterquote unterfallenden Aktiengesellschaften von dieser Pflicht betroffen sein.504) 278 Geschlechterspezifische Informationen werden hierbei zukünftig in zweierlei Hinsicht relevant: Zum einen müssen diese Unternehmen künftig in ihrem Lagebericht (dem Comply-or-explain-Prinzip folgend) eine sog. nichtfinanzielle Erklärung abgeben, die unter den verpflichtenden Angaben zu Sozial- und Arbeitnehmerbelangen Maßnahmen beschreiben kann, die die Gleichbehandlung der Geschlechter betreffen.505) Zum anderen fordert die Corporate GovernanceErklärung eine Beschreibung der Diversitätspolitik des Unternehmens auch unter geschlechterspezifischen Gesichtspunkten für seine Verwaltungs-, Management und Aufsichtsorgane.506) Die Einzelheiten der Vorgaben bleiben freilich der deutschen Umsetzungsgesetzgebung vorbehalten.
___________ 502) Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen; ABIEU Nr. L330 vom 15.11.2014 S. 1; hierzu Voland, DB 2014, 2815 ff.; Eufinger, EuZW 2015, 424; Spießhofer, NZG 2014, 1281 ff. 503) Siehe hierzu Rn. 68. 504) Siehe zum Anwendungsbereich Rn. 63 ff. 505) Vgl. die durch die CSR-Richtlinie geänderte Fassung des Art. 19a der Richtlinie 2013/ 34/EU, siehe hierzu Spießhofer, NZG 2014, 1281, 1284. 506) Vgl. die durch die CSR-Richtlinie geänderte Fassung des Art. 20 der Richtlinie 2013/ 34/EU, siehe hierzu Spießhofer, NZG 2014, 1281, 1286.
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C. Frauenzielquoten für Aufsichtsrat, Geschäftsleitung und die beiden nachgeordneten Führungsebenen Seibt
Die zweite Regulierungssäule des GgTFMF neben dem Gebot der festen Ge- 279 schlechterquote im Aufsichtsrat bei wenigen Gesellschaften (siehe Rn. 61) ist die Verpflichtung für börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen (siehe Rn. 280), Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat (siehe Rn. 286 ff.), Vorstand bzw. in der Geschäftsführung (siehe Rn. 295 ff.) und den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung (siehe Rn. 297 ff.) sowie Fristen für deren Erreichen festzulegen (§ 111 Abs. 5 Sätze 1 und 3, § 76 Abs. 4 Sätze 1 und 3 AktG). I. Sachlicher Anwendungsbereich Die Verpflichtungen zur Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil gel- 280 ten – abweichend vom Anwendungsbereich für die feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat – für Unternehmen, die entweder börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen. Das Merkmal der Börsennotierung richtet sich nach § 3 Abs. 2 AktG und ist inhaltsgleich wie beim Gebot der festen Geschlechterquote anzulegen (siehe ausführlich Rn. 68 ff.). Der „Mitbestimmung unterliegen“ solche Rechtsträger, auf die ein deutsches Mitbestimmungsgesetz tatsächlich Anwendung findet (Ist-Zustand ohne Tendenzunternehmen; siehe Rn. 72 ff.), also neben dem MitbestG, MontanMitbestG und MitbestErgG auch das DrittelbG. Nicht erfasst sind Unternehmen, die eine Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat alleine aufgrund einer privatautonomen Mitbestimmungsvereinbarung haben.507) Danach können von den Regelungen der zweiten Regulierungssäule Unter- 281 nehmen in sieben Rechtsformen erfasst werden, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen:508) x
AG (§ 111 Abs. 5 Sätze 1 und 3, § 76 Abs. 4 Sätze 1 und 3 AktG);
x
Europäische Gesellschaften (SE) mit dualistischem sowie monistischem Leitungssystem (bei dualistischem Leitungssystem: Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO i. V. m. § 111 Abs. 5 Sätze 1 und 3, § 76 Abs. 4 Sätze 1 und 3 AktG; bei monistischem Leitungssystem: § 22 Abs. 6 SEAG i. V. m. § 111 Abs. 5 Sätze 1 und 3, § 76 Abs. 4 Sätze 1 und 3 AktG509));
KGaA (§ 278 Abs. 3 i. V. m. § 111 Abs. 5 Sätze 1 und 3 AktG), allerdings findet die Regulierung keine Anwendung auf den persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA;510) ___________
x
507) Ebenso Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 45; ders., ZIP 2015, 1193, 1204. 508) Vgl. Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1159 f. 509) So Beschlussempfehlung und Bericht des Familienausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 23; an der Geltung der Zielvorgabenverpflichtung für monistisch-strukturierte SE zweifelnd Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 905. 510) Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Familienausschusses, BT-Drucks. 18/4227 S. 22.
Seibt
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C. Frauenzielquoten für Aufsichtsrat und Geschäftsleitung
x
GmbH (§§ 36, 52 Abs. 2 GmbHG), und zwar unabhängig von der Einsatzfunktion der GmbH (also auch als Komplementärgesellschaft511)) und einschließlich der GmbH-Unterform der UG (haftungsbeschränkt);512)
x
VVaG (§§ 34, 35 VAG);
x
eG (§ 9 Abs. 3 und Abs. 4 GenG);
x
Europäische Genossenschaften (SCE) (Art. 8 Abs. 1 lit. c) ii) SCE-VO i. V. m. § 9 Abs. 3 und Abs. 4 GenG).
282 Die Regelungen zu den Zielvorgaben erfassen auch Gesellschaften, die börsennotiert und mitbestimmt sind, wobei allerdings dann nach § 111 Abs. 5 Satz 5 AktG für den Aufsichtsrat keine Zielgröße festgelegt werden muss, wenn für ihn bereits das Gebot der festen Geschlechterquote (§ 96 Abs. 2 AktG) gilt (vgl. § 111 Abs. 5 Satz 5 AktG)513). Es bleibt aber bei den insoweit nicht verdrängten Verpflichtungen zur Festlegung von Frauenzielquoten im Vorstand bzw. in der Geschäftsführung und den beiden diesen nachgeordneten Führungsebenen (siehe auch Fallbeispiel unter Rn. 302). 283 Die Zahl der insgesamt betroffenen Unternehmen wird bei ca. 3.500 liegen.514) 284 Im Gegensatz zum geschlechtsneutralen Gebot der festen Geschlechterquote im Aufsichtsrat nach § 96 Abs. 2 AktG, beziehen sich die Verpflichtungen zur Festsetzung von Zielgrößen ausdrücklich nur auf den Frauenanteil in Aufsichtsrat, Vorstand bzw. Geschäftsführung und den diesen nachgeordneten Führungsebenen. Damit gelten diese Verpflichtungen auch dann nicht in Bezug auf Männer, wenn diese im Einzelfall in den jeweiligen Gruppen deutlich unterrepräsentiert oder gar nicht repräsentiert sind.515) 285 Die Zielvorgabenpflicht ist gesellschaftsbezogen und nicht unternehmens- oder konzernbezogen.516) Diese Gesellschaftsbezogenheit gilt dabei nicht nur im Hinblick auf die Organzielquoten, sondern auch im Hinblick auf die Zielvorgaben für die dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung nachgeordneten Führungsebenen. Ausnahmen bestehen auch nicht für Kommanditgesellschaften mit Komplementär-Kapitalgesellschaften (d. h. beide Gesellschaften sind trotz der von ihnen verkörperten wirtschaftlichen Einheit isoliert zu betrachten) und für Vertragskonzernstrukturen.517) Die Gesellschaftsbezogenheit der Ziel___________ 511) Ausdrücklich auch Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 622; Winter/Marx/ De Decker, DB 2015, 1331, 1333. 512) Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 622. 513) Vgl. auch Begr. RegE zu § 111 Abs. 5, BR-Drucks. 636/14, S. 147 f. 514) Begr. RegE, Allg. Teil, A.3, BR-Drucks. 636/14, S. 51 (und 64). 515) Seibt, ZIP 2015, 1193, 1204; vgl. auch Wasmann/Rothenburg, DB 2015, 291, 293; Herb, DB 2015, 964, 968. 516) Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Familienausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 22; vgl. auch Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 AktG Rn. 46; ders., ZIP 2015, 1193, 1204; Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 458; Wasmann/Rothenburg, DB 2015, 291, 294; Grobe, AG 2015, 289, 298; Stüber, DStR 2015, 947, 953; Müller-Bonanni/Forst, GmbHG 2015, 621, 623; a. A. Winter/Marx/De Decker, DB 2015, 1331, 1333 f. 517) A. A. Winter/Marx/De Decker, DB 2015, 1331, 1333 f.
108
Seibt
I. Sachlicher Anwendungsbereich
vorgabenpflicht hat in Konzernstrukturen zwei wesentliche Folgen: (1) Sie kann dazu führen, dass innerhalb eines Konzerns mehrere Konzerngesellschaften die Anwendungsvoraussetzung für die Zielvorgabenpflichten erfüllen und damit, jede Konzerngesellschaft für sich, verpflichtet ist, entsprechende Ziele und Fristen festzulegen.518) (2) Zudem gibt es keine konzernweite Konzentrationswirkung durch die Festlegung der Ziele und Fristen durch das herrschende Unternehmen des Konzerns, selbst wenn die Konzerngesellschaften nach den anwendbaren Rechnungslegungsvorschriften in den Konzernabschluss der Konzernmuttergesellschaft einbezogen sind. Daher führt auch die Festlegung von (unverbindlichen) Konzernzielen zu Geschlechterrepräsentation und Diversity (z. B. im Rahmen der allgemeinen Corporate-Social-Responsibility-Leitlinien) nicht dazu, dass damit die Pflichten der einzelnen Konzerngesellschaften erfüllt wären.519) Das schließt es indes nicht aus, dass die Konzernmuttergesellschaft solche konzernweiten Leitlinien erlässt (das wird sogar der Regelfall sein), an die sich die Konzerngesellschaften im Rahmen ihres eigenen unternehmerischen Ermessens halten können. Im Vertragskonzern und gegenüber Konzerngesellschaften in der Rechtsform der GmbH sind überdies Weisungen betreffend die Festlegung der Zielvorgaben und Fristen möglich, allerdings nur gegenüber den weisungsunterworfenen Organen (also nicht gegenüber dem Aufsichtsrat).520) Beispiel: Eine ausschließlich vom Freefloat gehaltene börsennotierte M-AG ist eine herrschende Holdinggesellschaft, die Beteiligungen an zwei Teilkonzern-Holdingsgesellschaften (Teilkonzern-1-GmbH und Teilkonzern-2-GmbH) hält. Die M-AG besitzt aufgrund der Konzernzurechnung der Arbeitnehmer ihrer Konzerngesellschaften ein nach dem MitbestG zusammengesetzten Aufsichtsrat. Die Teilkonzern-1GmbH ist die Teilkonzernobergesellschaft („Konzern im Konzern“) des aus der zu 100 % gehaltenen E1-GmbH und der über eine 29,9 %-Beteiligung nur faktisch konzernierten, börsennotierten E-AG (die einen nach dem MitbestG zusammengesetzten Aufsichtsrat hat) bestehenden Teilkonzerns 1. Die Teilkonzern-2-GmbH ist die Teilkonzernobergesellschaft („Konzern im Konzern“) des aus den jeweils mit Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträgen verbundenen E2-GmbH (mit einem nach DrittelbG zusammengesetzten Aufsichtsrat) und E3-GmbH (ohne Aufsichtsrat) bestehenden Teilkonzerns 2. – Die jeweils börsennotierten und der paritätischen Unternehmensmitbestimmung unterliegenden M-AG sowie E-AG unterfallen dem Gebot der festen Geschlechterquote im Aufsichtsrat und haben zudem Frauenzielquoten für die Vorstände und die diesen nachgeordneten zwei Führungsebenen festzulegen. Die Teilkonzern-1-GmbH, die Teilkonzern-2-GmbH und die E2-GmbH haben jeweils Frauenzielquoten für deren Aufsichtsräte, Ge___________ 518) Seibt, ZIP 2015, 1193, 1204; Jung, DStR 2014, 960, 964; Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 458; Herb, DB 2015, 964, 968; Müller-Bonanni/Forst, GmbHG 2015, 621, 623; Wasmann/Rothenburg, DB 2015, 291, 294. 519) Seibt, ZIP 2015, 1193, 1204; Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 458; Stüber, DStR 2015, 947, 953; Wasmann/Rothenburg, DB 2015, 291, 294. 520) Zutr. Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 458.
Seibt
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C. Frauenzielquoten für Aufsichtsrat und Geschäftsleitung
schäftsführungen und die diesen nachgeordneten zwei Führungsebenen festzulegen. Die M-AG kann als 100 %-Gesellschafter der Teilkonzern-1-GmbH und der Teilkonzern-2-GmbH in Form von Gesellschafterbeschlüssen den jeweiligen Geschäftsführungen Weisungen im Hinblick auf die Zielquoten in den nachgeordneten Führungsebenen erteilen; gegenüber den jeweiligen nach MitbestG zusammengesetzten Aufsichtsräten sind Weisungen nicht zulässig. Aufgrund des Fehlens eines Beherrschungsvertrages kann die Teilkonzern-1-GmbH dem Vorstand der E-AG keine Weisung im Hinblick auf die diesem nachgeordneten Führungsebenen erteilen. Demgegenüber kann die Teilkonzern-2-GmbH als 100 %-Gesellschafterin der Geschäftsführung der E2-GmbH in Form eines Gesellschafterbeschlusses und im Hinblick auf die Frauenzielquoten für Aufsichtsrat, Geschäftsführung und dieser nachgeordneten zwei Führungsebene Weisungen erteilen. Grafisch kann diese Gruppenstruktur wie folgt dargestellt werden: börsennotierte M-AG AR/MitbestG 100 %
100 %
Teilkonzern 1-GmbH
Teilkonzern 2-GmbH AR/MitbestG
AR/MitbestG 100 %
29,9 % Free Float
70,1 %
100 %
E1-GmbH
E2-GmbH
kein AR
AR/DrittelbG
börsennotierte E-AG
E3-GmbH
100 %
kein AR
BEAV
AR/MitbestG
BEAV
Feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat, Frauenzielquoten für Vorstand/ Geschäftsführung und diesen nachgeordnete Führungsebenen Frauenzielquoten für Aufsichtsrat, Vorstand/Geschäftsführung und diesen nachgeordnete Führungsebenen
II. Frauenzielgröße für den Aufsichtsrat 286 Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, für den Frauenanteil im Aufsichtsrat Zielgrößen sowie Fristen zu ihrem Erreichen festzulegen.521) Eine Ausnahme gilt für die GmbH, die dem DrittelbG unterliegt: Dort ist primär die Gesellschafterversammlung für die Bestimmung der Zielgröße und der entspre___________ 521) Für die AG: § 111 Abs. 5 Satz 1 1. Fall und Satz 3 AktG; für die GmbH: § 52 Abs. 2 Satz 1 1. Fall und Sätze 2 und 4 GmbHG (DrittelbG: primär Gesellschafterversammlung, es sei denn Übertragung durch diese auf den Aufsichtsrat; MitbestG/MontanMitbestG/ MontanMitbestErgG: Aufsichtsrat); für die eG: § 9 Abs. 4 Satz 1 1. Fall und Satz 3 GenG; für die VVaG: § 35 Abs. 3 Satz 1 VAG i. V. m. § 111 Abs. 5 Satz 1 1. Fall und Satz 3 AktG (vgl. Begr. RegE zu § 34 VAG, BR-Drucks. 636/14 v. 29.12.2014, S. 165).
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Seibt
II. Frauenzielgröße für den Aufsichtsrat
chenden Erreichensfrist zuständig, es sei denn, die Gesellschafterversammlung hat diese Kompetenz auf den Aufsichtsrat überantwortet. Damit wird ein Gleichlauf mit der Bestellungskompetenz der Gesellschafterversammlung bei der dem DrittelbG unterworfenen GmbH erreicht.522) Bei der SE mit monistischem Leitungssystem kommt dem Verwaltungsrat zu, die sich auf ihn selbst bezogene Zielgröße (sowie auch die Zielgrößen für die nachgeordneten Führungsebenen) festzulegen. Die Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen beinhaltet inzident den (leicht zu 287 erfüllenden) Auftrag an den Aufsichtsrat, den Status quo des Frauenanteils im Aufsichtsrat festzustellen.523) Da der Status quo die Ausgangsgröße für die zutreffenden Festlegungen von Zielquote und Erreichensfrist ist,524) ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Status-quo-Feststellung im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zu den zukunftsgerichteten Festlegungen zu treffen. Eine Mindestzielgröße ist nicht vorgesehen, sondern die Unternehmen 288 können eine sich an den Unternehmensstrukturen und den Einzelfallumständen ausgerichtete Zielvorgabe autonom setzen. Allerdings besteht folgende Vorgabe (sog. Verschlechterungsverbot): Liegt der tatsächliche Frauenanteil im Aufsichtsrat bei Zielgrößenfestlegung unter 30 %, so darf die festzusetzende Zielgröße nicht hinter diesem Wert zurückbleiben. Liegt der tatsächliche Frauenanteil dagegen bei 30 % oder mehr, darf die festzulegende Zielgröße den erreichten Wert auch wieder unterschreiten; bei Unterschreiten der 30 %-Schwelle gilt dann allerdings wieder das Verschlechterungsverbot.525) Für das Verständnis des Verschlechterungsverbotes ist zweierlei wesentlich: (1) Das Verschlechterungsverbot bezieht sich auf den Status quo des Frauenanteils zum relevanten Stichtag, nicht auf die letzte Zielgrößenfestlegung. (2) Das Verschlechterungsverbot soll ausweislich des eindeutigen Gesetzeswortlauts eine Unterschreitung des Status quo verhindern, die Zielgröße muss den tatsächlichen Frauenanteil indes nicht überschreiten. Es gibt keinen Förderungsauftrag an den Aufsichtsrat in der Weise, dass die festzulegende Zielgröße stets (bis zum Erreichen der 30 %-Schwelle) oberhalb des Status quo festzusetzen ist.526) Für die Frage, ob die für die Geltung des Verschlechterungsverbots wesentliche 30 %-Schwelle erreicht wurde, gilt keine Rundungsregelung (arg. e contrario § 96 Abs. 2 Satz 4 AktG).527) ___________ 522) Beschlussempfehlung und Bericht des Familienausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 26. 523) Zu dieser inzidenten Pflicht ausdrücklich Begr. RegE zu § 111 Abs. 5 AktG, BRDrucks. 636/14, S. 148. 524) So ausdrücklich Begr. RegE zu § 76 Abs. 4 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 143. 525) Vgl. Begr. RegE zu § 111 Abs. 5 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 148. 526) A. A. Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 903; wie hier Seibt, ZIP 2015, 1193, 1205; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 67 f.; Herb, DB 2015, 964, 969; Wasmann/ Rothenburg, DB 2015, 291, 295; Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 459; MüllerBonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 624. 527) A. A. Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 460.
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C. Frauenzielquoten für Aufsichtsrat und Geschäftsleitung
289 Die Funktionsweise des Verschlechterungsverbots soll im Folgenden anhand von sechs Beispielsfällen erläutert werden, wobei deutlich wird, dass die gesetzlich vorgegebenen Handlungspflichten nicht in jedem Fall wertungskongruent sind. Beispielsfälle 1–3: Ein 20-köpfiger Aufsichtsrat hat per 30.6.2015 vier weibliche Mitglieder (Status quo von 20 %). Der Aufsichtsrat legt eine Frauenzielgröße per 31.12.2016 von 25 % (d. h. fünf weibliche Aufsichtsräte im 20-köpfigen Gremium) fest; das ist eine zulässige, aber nicht zwingend gebotene Überschreitung des Status quo. Beispiele: Zum 31.12.2016 beträgt im Beispielsfall 1 der Frauenanteil 15 % (drei von 20 Mitgliedern), mit der Folge, dass die Zielquote zwar verfehlt wurde (und die Gesellschaft damit negativer Publizität ausgesetzt ist), der Aufsichtsrat aber für die Folgeperiode eine Frauenzielquote von nur 15 % festlegen darf. 50 % 40 % 30 % 25 %
20 % 20 %
VVt 15 %
10 %
VVt
15 % t
0% Ist 30.6.2015
Ziel 31.12.2016
Ist 31.12.2016
Ziel 31.12.2018
Im Beispielsfall 2 wird das Ziel von 25 % erreicht (Steigerung auf fünf von 20 Mitgliedern), mit der Folge, dass der Aufsichtsrat auch für die Folgeperiode eine Zielquote von mind. 25 % festlegen muss. Die Zielerreichung führt also im Verhältnis zum Beispielsfall 1 und der dortigen Zielverfehlung zu keiner Privilegierung. 50 % 40 % 30 % 25 %
20 % 20 %
25 %
VVt
25 %
VVt
10 % t
0% Ist 30.6.2015
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Ziel 31.12.2016
Seibt
Ist 31.12.2016
Ziel 31.12.2018
II. Frauenzielgröße für den Aufsichtsrat
Im Beispielsfall 3 wird die Zielquote sogar übererfüllt und ein Frauenanteil von 30 % (sechs von 20 Mitgliedern) erreicht, mit der Folge, dass das Verschlechterungsverbot vom Gesetzeswortlaut und der Gesetzesbegründung nicht eingreift. Der Aufsichtsrat wäre demnach frei, für die Folgeperiode eine Zielquote von z. B. 15 %, 20 % oder wiederum 25 % festzulegen. Eine teleologische Erweiterung des Verschlechterungsverbots in der Weise, dass eine Zielgröße nicht auf weniger als 30 % festgelegt werden dürfte, wenn der tatsächliche Frauenanteil bereits 30 % oder mehr beträgt, steht offenkundig dem gesetzgeberischen Willen entgegen, wie sich nicht nur aus Gesetzeswortlaut und Gesetzesbegründung ergibt, sondern auch aus der Gesetzgebungshistorie: Denn die zunächst noch im Referentenentwurf enthaltene Regelung, derzufolge ab einem „Frauenanteil von 30 Prozent oder mehr (…) die Zielgrößen 30 Prozent nicht mehr unterschreiten [dürfen],“528) ist im Gesetzgebungsverfahren gestrichen worden529). Damit sollen offenkundig die Unternehmen privilegiert werden, die jedenfalls einmal zu einem relevanten Zeitpunkt den Frauenanteil von 30 % erreicht haben, auch um eine entsprechende Frauenförderungsdynamik auszulösen530). Diese schwellenwertorientierte Privilegierung (ohne Rücksicht auf den Umfang des tatsächlichen Förderungserfolgs) kann zu wertungsproblematischen Anwendungen führen. 50 % 40 % 30 %
30 % 25 %
20 % 20 %
25 %
VVt
10 % t
0% Ist 30.6.2015
Ziel 31.12.2016
Ist 31.12.2016
Ziel 31.12.2018
In den Beispielsfällen 4 – 6 hat der 20-köpfige Aufsichtsrat per 30.6.2015 be- 290 reits einen tatsächlichen Frauenanteil von 30 % (sechs von 20 Mitgliedern). Beispiele: Im Beispielsfall 4 legt der Aufsichtsrat zum 31.12.2016 zulässigerweise (siehe Beispielsfall 3) die Zielquote auf (nur) 20 % fest (d. h. vier von 20 Mitgliedern). Beträgt der Frauenanteil zum 31.12.2016 dann sogar nur 15 %, hat dies (neben der negativen Publizität der Zielverfehlung) nur zur Folge, dass für die Folgepe___________ 528) So § 76 Abs. 4 Satz 3 AktG-RefE, S. 100. 529) Zutr. Hinweis von Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 460. 530) Ebenso Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 460.
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C. Frauenzielquoten für Aufsichtsrat und Geschäftsleitung
riode mindestens eine Zielquote von 15 % festgesetzt werden muss. Es ist nicht erforderlich, dass das ursprüngliche Ziel per 31.12.2016 von 20 % erneut gewählt wird noch gar die bereits zum 30.6.2015 erreichte Frauenquote von 30 %. 50 % 40 % 30 % 30 % 20 %
20 % 15 %
10 %
VVt
15 % t
0% Ist 30.6.2015
Ziel 31.12.2016
Ist 31.12.2016
Ziel 31.12.2018
In den Beispielsfällen 5 und 6 legt der Aufsichtsrat eine Frauenzielquote zum 31.12.2016 von 35 % fest (d. h. sieben von 20 Mitgliedern). Ist der tatsächliche Frauenanteil zum 31.12.2016 nur 25 % (Beispielsfall 5), so ist der Aufsichtsrat für die Folgeperiode gebunden, eine Frauenzielquote von mind. 25 % festzulegen, z. B. 30 %; es ist nicht erforderlich, dass die frühere Frauenzielquote von 35 % zum 31.12.2016 wieder festgelegt wird. 50 % 40 % 35 %
30 % 30 %
30 %
20 %
25 %
VVt
10 % t
0% Ist 30.6.2015
Ziel 31.12.2016
Ist 31.12.2016
Ziel 31.12.2018
Im Beispielsfall 6 wird die Zielquote von 35 % auch verfehlt, allerdings erreicht der Frauenanteil per 31.12.2016 den Wert von 30 %. Damit gilt kein Verschlechterungsverbot und der Aufsichtsrat ist frei, für die Folgeperiode jede Zielquote festzulegen, also z. B. 25 % (oder noch niedrigere Werte).
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Seibt
II. Frauenzielgröße für den Aufsichtsrat
50 % 40 % 35 %
30 %
30 %
30 % 20 %
25 %
10 % t
0% Ist 30.6.2015
Ziel 31.12.2016
Ist 31.12.2016
Ziel 31.12.2018
Bei Einhaltung des Verschlechterungsverbots ist eine Quotenfestlegung von 291 0 – 100 % theoretisch möglich, allerdings wird der Ausschluss eines Geschlechts bei mitgliederstarken Aufsichtsräten selten ein sachgerechtes und damit einer sorgfaltpflichtgemäßen Ermessensausübung entsprechendes Ziel sein.531) Bei mitgliederschwachen Aufsichtsräten (z. B. dreiköpfiger Aufsichtsrat) gilt erst recht kein Gebot, dass die Zielgröße in einer Weise festzulegen ist, dass mindestens ein männliches und ein weibliches Organmitglied vorhanden sein muss.532) Insbesondere in der ersten Festlegungsphase bis zum 30.6.2017 und bei Gesellschaften mit kalendergleichem Geschäftsjahr regelmäßig: bis zum 31.12.2016 wird es bei Aufsichtsräten ohne weibliche Mitglieder durchaus vorkommen, dass eine Quotenfestlegung von 0 % entschieden wird, vor allem wenn die regulären Amtszeiten der derzeitigen Aufsichtsratsmitglieder erst nach dieser Erstfrist enden. Neben der Zielgröße hat der Aufsichtsrat auch die Erreichensfrist festzule- 292 gen, erstmals bis spätestens zum 30.9.2015. Die Erstfrist darf nicht länger als bis zum 30.6.2017 dauern, die folgenden Fristen dürfen nicht länger als jeweils fünf Jahre sein. In der Praxis werden sinnvollerweise Gesellschaften mit kalendergleichem Geschäftsjahr die Erstfrist auf den 31.12.2016 festlegen. Die Festlegungen erfolgen im Grundsatz durch Beschluss des Aufsichts- 293 rats.533) Da das Delegationsverbot des § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG nicht eingreift, können die Festlegungen auch durch einen Aufsichtsratsausschuss erfolgen.534) Dabei kommt dem Aufsichtsrat ein Wahlrecht darüber zu, ob das Gesamtgremium eine einheitliche Zielgröße für den Aufsichtsrat und die ___________ 531) Ebenso Seibt, ZIP 2015, 1193, 1206; abw. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 67d (keine Normanwendung beim Status quo des Frauenanteils von über 50 % und keine Zielquotenfestlegung von über 50 %). 532) So aber tendenziell Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 625 (für GmbH mit zwei Geschäftsführern). – Siehe auch Muster bei Rn. 460 und 461. 533) So Begr. RegE zu § 111 Abs. 5 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 149; vgl. auch Herb, DB 2015, 964, 968. 534) Ebenso Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 459.
Seibt
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C. Frauenzielquoten für Aufsichtsrat und Geschäftsleitung
Erreichensfrist festlegt oder ob das Gesamtgremium (oder jede Aufsichtsratsseite selbst) für jede Aufsichtsratsseite getrennt Zielgrößen mit Erreichensfristen festlegt.535) Nach einer starken Literaturansicht zu Ziff. 5.4.1 DCGK536) und einer entsprechenden Teil-Praxis bei DAX- und MDaxUnternehmen537) hat aufgrund der Bezugnahme zum Aufsichtsrat (als Gesamtgremium) dieser einheitlich zu beschließen – entsprechend nun dem Grundsatz der Gesamterfüllung. Allerdings ist auch zu konstatieren, dass der Aufsichtsrat bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter keine Mitwirkungsbefugnisse hat und Wahlvorschläge für die Anteilseignervertreter an die Hauptversammlung nur der Stimmenmehrheit der Anteilseignervertreter bedürfen (§ 124 Abs. 3 Satz 5 Hs. 1 AktG), sodass eine getrennte Zielgrößenfestlegung durch Beschlüsse der jeweiligen „Seiten“ naheliegt. Dem Selbstorganschaftsrecht des Aufsichtsrates entspricht das Wahlrecht allerdings am ehesten und hierdurch lässt sich auch eine Nähe zum alternativen Berechnungmodus bei der festen Geschlechterquote (Gesamterfüllung oder Getrennterfüllung) herstellen. Beschließt das Gesamtgremium über gesonderte Zielgrößen für die beiden Aufsichtsratsseiten, so kommt hierfür dem Aufsichtsratsvorsitzenden kein Zweitstimmrecht zu, denn ansonsten könnte die Anteilseignerseite die Arbeitnehmerseite unzulässigerweise majorisieren.538) 294 Für dem KWG unterfallende Finanzinstitute von erheblicher Bedeutung enthält § 25d Abs. 11 Satz 2 Nr. 2 KWG (in unvollständiger Umsetzung von Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 2 lit. a), Art. 91 Abs. 10 CRD IV-Richtlinie539)) die Vorgabe, dass der Nominierungsausschuss den Aufsichtsrat bei der „Erarbeitung einer Zielsetzung zur Förderung der Vertretung des unterrepräsentierten Geschlechts im Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan (d. h. im Aufsichtsrat) sowie eine Strategie zu deren Erreichung unterstützt“; hierüber ist jährlich zu be-
___________ 535) Für ein solches Wahlrecht bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1205; Herb, DB 2015, 964, 968; Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 462. 536) Vgl. z. B. Ringleb/Kremer/von Werder, NZG 2010, 1161, 1165; Wilsing/Wilsing, DCGK, 2012, Ziff 5.4.1 Rn. 5; Deilmann/Albrecht, AG 2010, 7272, 730. 537) Vgl. z. B. BMW (Geschäftsbericht 2014, S. 182), Commerzbank (Geschäftsbericht 2014, S. 29), Deutsche Post (Geschäftsbericht 2014, S. 115 f.), Deutsche Telekom (Geschäftsbericht 2014, S. 50), Fraport (Geschäftsbericht 2014, S. 23), besonders deutlich: Münchener Rück (Geschäftsbericht 2014, S. 28). 538) Zutr. Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 462. 539) Die CRD IV-Richtlinienvorschriften beziehen sich auf „Verwaltungs- und Aufsichtsorgane“ nach dem Modell des monistischen Boards oder Verwaltungsrats. Daher wäre an sich die Umsetzung als Verpflichtungen im Hinblick auf Vorstand und Aufsichtsrat erforderlich gewesen; ebenso Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 21 Rn. 1516 Fn. 3.
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Seibt
III. Frauenzielgröße für Vorstand bzw. Geschäftsführung
richten (Art. 435 Abs. 2 lit. c) CRR540)). Nach der Begründung des Regierungsentwurfs gelten diese Bestimmungen auch nach Inkrafttreten des § 111 Abs. 5 AktG (sowie § 52 Abs. 2 GmbHG) als lex specialis fort.541) Diese „Fortgeltung als lex specialis“ könnte so verstanden werden, dass die Regelungen in § 111 Abs. 5 AktG sowie § 52 Abs. 2 GmbHG für Finanzinstitute von erheblicher Bedeutung i. S. v. § 25d Abs. 3 Satz 7 KWG durch § 25d Abs. 11 Satz 2 Nr. 2 KWG verdrängt werden.542) Es wäre allerdings teleologisch schwer verständlich, dass Finanzinstitute von erheblicher Bedeutung gegenüber sonstigen Unternehmen im Hinblick auf Frauenzielquoten im Aufsichtsrat, aber nicht im Hinblick auf den Vorstand bzw. die Geschäftsführung sowie den diesen nachgeordneten beiden Führungsebenen privilegiert sein sollten, indem hier keine verbindlichen Handlungspflichten zur Festlegung von Zielquoten und Erreichensfristen und materiell kein Verschlechterungsverbot gelten sollten. Daher wird man davon ausgehen müssen, dass die KWGSonderregelung (als unionsrechtliche Umsetzungsnorm) kumulativ zu den autonomrechtlichen Anforderungen der Frauenzielquote für den Aufsichtsrat gilt. III. Frauenzielgröße für Vorstand bzw. Geschäftsführung Der Aufsichtsrat ist darüber hinaus verpflichtet, für den Frauenanteil im Vor- 295 stand bzw. in der Geschäftsführung Zielgrößen (nach Feststellung des Status quo) sowie Fristen für deren Erreichen festzulegen.543) Bei der dem DrittelbG unterliegenden GmbH liegt die Zuständigkeit für die Festlegung von Zielgrößen für die Geschäftsführung bei der Gesellschafterversammlung, es sei denn, diese hat die Kompetenz auf den Aufsichtsrat überantwortet (Gleichlauf mit der Bestellungskompetenz der Gesellschafterversammlung für die Geschäftsführer). Bei der SE mit monistischem Leitungssystem fehlt es an einem vom Verwaltungsrat gesonderten Geschäftsleitungsorgan; gibt es ge___________ 540) Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012, ABl.L 176 v. 27.6.2013, S. 1. – Art. 435 Abs. 2 lit. c) verpflichtet die Institute offenzulegen und regelmäßig zu aktualisieren: „Diversitätsstrategie für die Auswahl der Mitglieder des Leitungsorgans, Ziele und einschlägige Zielvorgaben der Strategie, Zielerreichungsgrad“. Während § 25d Abs. 11 Satz 2 Nr. 2 KWG also Pflichten im Hinblick auf den Aufsichtsrat formuliert, regelt Art. 435 Abs. 2 CRR Veröffentlichungspflichten im Hinblick auf die Diversitätsstrategie im „Leitungsorgan“ (nach dem Modell des monistischen Boards oder Verwaltungsrats). 541) Vgl. Begr. RegE zu § 111 Abs. 5 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 149. 542) So Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 622 (die überdies auch § 36 GmbHG mit der Zielvorgabe für die der Geschäftsführung nachgeordneten Führungsebenen als verdrängt ansehen); vgl. auch noch Seibt, ZIP 2015, 1193, 1205 („verdrängen“). 543) Für die AG: § 111 Abs. 5 Satz 1 2. Fall und Satz 3 AktG; für die GmbH: § 52 Abs. 2 Satz 1 2. Fall, Sätze 2 und 4 GmbHG (DrittelbG: primär Gesellschafterversammlung, es sei denn Übertragung durch sie auf den Aufsichtsrat; MitbestG/MontanMitbestG/ MontanMitbestErgG: Aufsichtsrat); für die eG: § 9 Abs. 4 Satz 1 2. Fall und Satz 3 GenG; für die VVaG: § 35 Abs. 3 Satz 1 VAG i. V. m. § 111 Abs. 5 Satz 1 2. Fall und Satz 3 AktG. – Für Musterbeschlüsse siehe Rn. 463 – 465.
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C. Frauenzielquoten für Aufsichtsrat und Geschäftsleitung
schäftsführende Direktoren, die dem Verwaltungsrat nicht angehören, bilden diese nicht das einem Vorstand entsprechende Geschäftsleitungsorgan, sondern sind Teil der ersten dem Verwaltungsrat nachgeordneten Führungsebene.544) Für Genossenschaften hat der Gesetzgeber von der Festlegung von Zielgrößen für den Vorstand verzichtet, sofern (1) die Genossenschaft weniger als 20 Mitglieder und statutarisch auf die Bildung eines Aufsichtsrates verzichtet hat und (2) sie nach § 24 Abs. 2 Satz 3 GenG nur ein Vorstandsmitglied hat. Für die KGaA gilt schließlich keine Pflicht zur Festsetzung von Frauenzielgrößen für die Geschäftsleitung, da es hier keinen Aufsichtsrat mit Personalkompetenz zur Bestellung der Geschäftsleitung gibt.545) 296 Die Festlegungen betreffend die Frauenzielquote im Vorstand bzw. in der Geschäftsführung sowie für die Erreichensfristen erfolgen durch Beschluss des Aufsichtsrates (bzw. nach Delegation durch einen Aufsichtsratsausschuss), allerdings hier zwingend in Bezug auf den Vorstand in seiner Gesamtheit; eine Einzelfestlegung im Hinblick auf den Arbeitsdirektor (vgl. § 33 MitbestG) ist unzulässig. Für den Inhalt der Pflichten gilt das Entsprechende wie für die Zielgrößenpflichten (einschließlich Erreichensfrist) im Hinblick auf den Aufsichtsrat (siehe Rn. 286). IV. Frauenzielgrößen für die beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung 1. Pflichtenbeschreibung 297 Von herausragender Bedeutung für die Praxis ist die Handlungspflicht der Geschäftsführung (AG: Vorstand; KGaA: Komplementär;546) GmbH: Geschäftsführer i. S. v. § 6 GmbHG), (1) Zielgrößen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung und (2) die Fristen zur Erreichung der Zielgrößen (siehe hierzu Rn. 292) festzulegen.547) Die Pflicht zur Zielgrößenfestlegung beinhaltet ihrerseits die Einzelpflichten (a) zur Bestimmung der beiden Führungsebenen, (b) zur Feststellung des Status quo des Frauenanteils in den beiden definierten Führungsebenen (als Aufsatzpunkt für die Zielquotenfestlegung) und (c) zur Zielgrößenfestlegung selbst. Bei der Bestimmung des Status quo des Frauenanteils lässt das Gesetz offen, ob für die Bestimmung der absoluten Führungskräftezahl jeder Führungsebene und der entsprechenden weiblichen Mitglieder ein Stichtagsprinzip oder ___________ 544) Ebenso Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 459. 545) Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Familienausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 22; vgl. auch Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 459. 546) Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Familienausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 22; vgl. auch Stüber, DStR 2015, 947, 952. 547) Für die AG: § 76 Abs. 4 Sätze 1 und 3; für die GmbH: § 36 GmbHG; für die KGaA: Da dem Aufsichtsrat einer KGaA keine Personalkompetenz für die Geschäftsführung zukommt, ist dieser auch nicht berechtigt, Zielgrößen für den Frauenanteil in der Geschäftsführung festzulegen; vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Familienausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 22; vgl. auch Stüber, DStR, 947, 952.
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IV. Frauenzielgrößen für die beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung
eine Durchschnittsbetrachtung über den Berichtszeitraum gilt. Wenngleich beide Vorgehensweisen rechtlich zulässig sind, wird regelmäßig eine Stichtagsbetrachtung sowohl für die Feststellung des Status quo als auch für die Feststellung des Erreichens der zuvor festgelegten Frauenzielquote sinnfällig sein.548) Für das Stichtagsprinzip streitet die Einfachheit der Feststellung und deren Gewöhnlichkeit im Rahmen sonstiger Geschäfts- und Kapitalmarktberichten. Ebenfalls durch Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage, ob bei der Feststellung des Status quo auf Kopfzahlen oder auf FTEEinheiten (also unter Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigung) abzustellen ist. Wenngleich auch hier beide Vorgehensweisen rechtlich zulässig sind, spricht das im Arbeitsrecht im Grundsatz geltende Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigung eher für die Anwendung des Kopfprinzips.549) Dabei sind auch solche Personen mitzuzählen, die ihre Arbeitsleistung vorrübergehend nicht erbringen, ohne dass ihr Arbeitsverhältnis beendet wäre (z. B. Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit; Erholungsurlaub nach dem BUrlG).550) 2. Bestimmung der Führungsebenen Die Zielgrößen beziehen sich auf die beiden „Führungs“-Ebenen unterhalb 298 des Vorstandes bzw. der Geschäftsführung, wobei insbesondere bei kleineren und/oder personalschwachen Gesellschaften mit nur einer (oder gar keiner) Führungsebene (z. B. Holdinggesellschaften) eine teleologische Reduktion auf diesen Personenkreis notwendig ist.551) Bezugspunkt für die Ermittlung der Führungsebenen ist die konkrete Gesellschaft (juristische Person, einschließlich auch ausländischer Niederlassungen552)) und nicht das Unternehmen oder ein Konzern (siehe Rn. 285). Das gilt auch für die Kapitalgesellschaft & Co. KG in der Weise, dass dort nur im Hinblick auf die Komplementärgesellschaft Führungsebenen zu ermitteln sind und bei der Kommanditgesellschaft beschäftigte Führungskräfte nicht einbezogen werden.553) Der im Gesetzgebungsverfahren geforderten konzernweiten Erfassung von Führungsebenen, ggf. unter Einbeziehung von Führungskräften im In- und ___________ 548) Anders Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 623 (Feststellung des UrsprungsStatus-quo mittels Durchschnittsbetrachtung, Anwendung der Stichtagsbetrachtung für Feststellung der Zielquoteneinhaltung). 549) Hierzu ausf. Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 624. 550) Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 624. 551) Begr. RegE zu § 76 Abs. 4 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 143; Beschlussempfehlung und Bericht des Familienausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 22; vgl. auch Seibt, ZIP 2015, 1193, 1205; Stüber, DStR 2015, 947, 953; Wasmann/Rothenburg, DB 2015, 291, 294. 552) Bei der Berücksichtigung von Arbeitnehmern ausländischer Niederlassungen sind allerdings mögliche Begrenzungen durch das kollisionsrechtlich maßgebliche Arbeitsvertragsstatut (z. B. Quotenverbote für Arbeitgebermaßnahmen) zu beachten. Ebenso jüngst Thüsing/Fütterer, NZG 2015, 778, 781 f. 553) Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 622; a. A. Winter/Marx/De Decker, DB 2015, 1331, 1333.
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C. Frauenzielquoten für Aufsichtsrat und Geschäftsleitung
Ausland oder von Matrixstrukturen ohne formale gesellschaftsrechtliche Beteiligungen,554) ist der Gesetzgeber nicht gefolgt.555) 299 Nach der Regierungsbegründung sind die betroffenen Führungsebenen nicht nach betriebswirtschaftlichen Lehren zu definieren (z. B. nach Top-, Middleoder Low-Management), sondern sollen die „tatsächlich im konkreten Unternehmen eingerichteten Hierarchieebenen unterhalb des Vorstandes“ sein, wobei unter Hierarchieebenen „organisatorische Einheiten [zu] verstehen [sind], welche zueinander gleichberechtigt, aber einer gemeinsamen Führung untergeordnet sind“556). Diese Begriffskonturierung ist einerseits zu weit, da sie das gesetzliche Element der „Führung“ (also entweder die Berechtigung zur Verhaltenssteuerung anderer Personen qua Weisung oder Leitung durch hierarchisch herausgehobene Stabsstellen- oder Expertenfunktion [z. B. Compliance Officer einer 1-Personen-Abteilung]557)) ausblendet und zum anderen zu eng, da sie praxisfern (oder bei Verweis auf die letztendlich bestehende Gesamtverantwortung des Vorstands: inhaltsleer) fordert, dass die Einheiten „einer gemeinsamen Führung untergeordnet sind“, wenngleich die Unterordnung häufig in Ressortsträngen erfolgt.558) An einer „Führungsposition“ fehlt es trotz unmittelbarer Disziplinar-, Fach- und Berichtsunterworfenheit gegenüber der Geschäftsleitung oder einem seiner Mitglieder z. B. bei Vorstandsassistenten. 300 In der Praxis werden die Führungsebenen anhand der unternehmensspezifischen Personal-Organigramme festgestellt werden können. Dabei ist aufgrund der gesellschaftsbezogenen Anknüpfung der Zielvorgabenpflicht vorausgesetzt, dass die Führungsperson in einem Anstellungsverhältnis zur sachlich erfassten Gesellschaft steht. Hierneben bestehende, weitere Anstellungsverhältnisse mit anderen Konzerngesellschaften (sog. Doppel-/Mehrfachanstellungen) sind unschädlich; es kann dadurch auch zu „Doppelzählungen“ einzelner Personen bei unterschiedlichen Konzerngesellschaften kommen. Dieselben Personen können einerseits in bestimmten Konzerngesellschaften für die Zielvorgaben in den Organen sowie andererseits auf anderen Konzernebenen (d. h. in anderen Konzerngesellschaften) für die Zielvorgaben der Führungsebenen relevant sein; insofern kann es im Konzernblick auch hier zu „Doppelzählungen“ kommen. 301 Bei der Festlegung der Führungsebenen hat der Vorstand bzw. die Geschäftsführung einen breiten Ermessensspielraum; der Bundestagsausschuss für ___________ 554) Vgl. Rotsch, Stellungnahme zum RegE v. 17.2.2015, S. 5 f. 555) Ausdrücklicher Hinweis in Beschlussempfehlung und Bericht des Familienausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 22; vgl. auch Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 46; Stüber, DStR 2015, 947, 953. 556) Begr. RegE zu § 76 Abs. 4 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 142. 557) Zutr. Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 463; Wasmann/Rothenburg, DB 2015, 291, 294; enger noch (ohne Einbeziehung herausgehobener Expertenfunktion) Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 AktG Rn. 46; skeptisch auch bei Stabsstellen/Experten: Insam, in: Audit Committee Quarterly, S. 36, 37 (mit Beispiel: Datenschutzbeauftragter); Thüsing/Fütterer, NZG 2015, 778, 780. 558) So bereits Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 46; ders., ZIP 2015, 1193, 1206.
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IV. Frauenzielgrößen für die beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung
Frauen, Senioren, Familie und Jugend betonte in seinem Bericht, „dass angesichts der Vielgestaltigkeit der Unternehmenswirklichkeit ein großer Spielraum bei der Festlegung der Führungsebenen bestehe“.559) Ermessensleitende Kriterien560) können Berichtslinien, Vollmacht- und Prokuraerteilung, Mitarbeiterverantwortung, Budgetverantwortung, Einordnung nach dem sog. Hay-Job-Grading-System,561) Vergütungshöhe, Teilnahme an Führungskreissitzungen oder Teilnahme an Führungskräfte-Beteiligungs- bzw. Bonus-Programmen sein. Aus diesem Kriterienkreis (deren jeweilige Anwendung in der Regel zu unterschiedlich zusammengesetzten Personengruppen führen wird) kann die Geschäftsleitung mit breitem Ermessen eine sachlich plausible Auswahl treffen. Die Geschäftsleitung sollte die Führungsebenen anhand von Kriterien und/oder Organigrammen definieren und die definitionsgebenden Kriterien dokumentieren.562) Ein Fallbeispiel anhand eines schematischen Konzern-Organigramms soll die 302 Bestimmung der Führungsebenen und die Berechnung des Status quo des Frauenanteils erläutern. Beispiel: Eine börsennotierte, paritätisch mitbestimmte AG ist Konzernmuttergesellschaft und hält drei 100 %-Beteiligungen, nämlich an der Matrixmanager T-AG und der T1-GmbH sowie an der T2-GmbH. Die Matrixmanager T-AG nimmt gegenüber der T1-GmbH die fachlichen und disziplinarischen Weisungsbefugnisse wahr. Die Struktur ergibt sich aus dem nachfolgenden Gruppen-Organigramm, wobei die Organpersonen (Aufsichtsrat; Vorstand bzw. Geschäftsführung) in dem oberen, durch gestrichelte Linie abgetrennten Teil loziert sind; die nachgeordneten Führungsebenen befinden sich innerhalb der Gesellschaftskästen unterhalb der gestrichelten Linie. Die Weisungsbefugnisse werden durch die nach unten gerichteten Pfeile (also mit Pfeilrichtung) angezeigt. Solche Weisungs- und Führungsbefugnisse gibt es nicht nur innerhalb der einzelnen Gesellschaften, sondern auch bei der Konzernmuttergesellschaft M-AG (und dort von zwei Vorstandsmitgliedern) gegenüber den Geschäftsführern der T2-GmbH sowie von den Vorständen der Matrixmanager T-AG gegenüber den Geschäftsführern und sonstigen Führungskräften der T1-GmbH. ___________ 559) Beschlussempfehlung und Bericht der Familienausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 21; vgl. auch Insam, Audit Committee Quarterly, S. 36, 37. 560) Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 46; ders.; ZIP 2015, 1193, 1206; vgl. auch Wasmann/Rothenburg, DB 2015, 291, 294; Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 463. 561) Das Hay-Job-Grading-System der international führenden Personalmanagement-Consultingfirma Haygroup ist die weltweit am weitesten verbreitete Methode, Mitarbeiter anhand der Kriterien (1) Know-how, (2) Problemlösungskompetenz und (3) Verantwortung zu sortieren. Das Hay-Job-Grading-System beruht auf einem Punktesystem, aus dem sich Referencelevel von 9 – 23 ergeben. Führungskräfte im Sinne eines Senior Management/ Executive sind in der Haygroup Referencelevel 21 – 23 (über 880 Punkte) einsortiert; die nachfolgende Gruppe des Middlemanagement/Seasoned Professionals gehören deren Haygroup Referencelevel 17 – 20 (439 – 879 Punkte) an; vgl. http://www.haygroup.com. 562) Siehe Musterbeschlüsse in Rn. 466 – 469.
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T1-GmbH
Matrix-Manager AR T-AG
Börsennotierte, paritätisch mitbestimmte M-AG
AR
100 %
100 %
100 %
= Mann, Drittanstellungsvertrag
= Mann, Anstellungsvertrag
= Frau, Drittanstellungsvertrag (nicht M-AG)
= Frau, Anstellungsvertrag
AR T2-GmbH
C. Frauenzielquoten für Aufsichtsrat und Geschäftsleitung
IV. Frauenzielgrößen für die beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung
Die Feststellung des Status quo erfolgt gesellschaftsbezogen, also jeweils gesondert für die M-AG, die T-AG und die T2-GmbH; die T1-GmbH ist weder börsennotiert noch mitbestimmt und bleibt daher als Bezugspunkt für die Handlungspflichten unbeachtlich. Während es für die Bestimmung des Status quo der Vorstandsmitglieder und der Geschäftsführer nicht darauf ankommt, ob diese in einem Anstellungsverhältnis zu ihrer Organkörperschaft stehen (da es ja nur um ihre Organstellung geht), sind bei den nachgeordneten Führungsebenen nur solche Arbeitnehmer mitzuzählen, die in einem Anstellungsverhältnis zur konkreten Gesellschaft stehen563). Hieraus ergibt sich: Bei der M-AG sind für die erste Führungsebene nur sechs Personen zu berücksichtigen, die in einem Anstellungsverhältnis mit der M-AG stehen; davon sind fünf Personen männlich und eine weiblich. Auf der zweiten Führungsebene sind dementsprechend zwölf Personen relevant, davon sechs männliche und sechs weibliche Personen. Bei der T-AG gehören zwar betriebswirtschaftlich zur ersten Führungsebene vier Mitarbeiter der T-AG sowie die Geschäftsführer der T1-GmbH, rechtlich beachtlich für die Zielquotenfeststellung sind allerdings nur die Personen, die in einem Anstellungsverhältnis zur T-AG stehen. Dies sind eine weibliche und eine männliche Peron. Bei der T2-GmbH zählt zu der ersten Führungsebene nur eine männliche Person; die drei weiblichen Personen sind wegen der ausschließlichen Drittanstellung nicht zu berücksichtigen. Bekämen diese drei weiblichen Personen einen zusätzlichen Anstellungsvertrag mit der T2-GmbH wären von den vier Führungskräften der ersten Führungsebene drei weibliche Personen und eine männliche. Auf der zweiten Führungsebene gibt es fünf Personen, davon eine weibliche Führungskraft. Es ist weder zu beanstanden, wenn bis zur erstmaligen Festlegung der Ziel- 303 größen bis spätestens 30.9.2015 die solchermaßen zu bestimmenden Führungsebenen geändert werden, noch dass diese zukünftig geändert werden, auch wenn dies Auswirkungen auf die Einhaltung früherer festgelegter Zielgrößen hat. Das ergibt sich aus der grundgesetzlich garantierten Organisationsfreiheit der Unternehmen. Es ist auch unschädlich (und unbeachtlich), dass die Gesellschaft für Zwecke ihrer konzernweiten Diversity-Politik eine abweichende Definition der Führungsebenen vorgenommen hat und weiterführt. 3. Zielgrößenfeststellung Es ist der vom Gesetzgeber in den Blick genommene Fall (Gebrauch des Plurals 304 bei „Zielgrößen“) und wird auch in der Praxis der Regelfall sein, dass der Vorstand jeweils eine Zielgröße pro Führungsebene festsetzt, so dass also auch in den beiden Führungsebenen jeweils unterschiedliche Zielgrößen stipuliert werden können (und voraussichtlich auch werden). Der Vorstand kann allerdings auch eine gemeinsame Zielgröße für beide Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung festsetzen,564) insbesondere wenn eine trennscharfe Ab___________ 563) A. A. Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 463. 564) So bereits Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 76 AktG Rn. 47; ders., ZIP 2015, 1193, 1206; a. A. (keine gemeinsame Zielgröße) Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1161; Herb, DB 2015, 964, 968; Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 463 f.
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C. Frauenzielquoten für Aufsichtsrat und Geschäftsleitung
grenzung der Führungsebenen bei dieser konkreten Gesellschaft (zeitweise) schwierig ist (z. B. in Zeiten einer Umstrukturierung der Personalorganisation, der Neugruppierung der Mitarbeiter z. B. nach Betriebserwerben, -veräußerungen oder -einstellungen oder anhand neuer Eingruppierungskriterien). Der Wortlaut des Gesetzes ermöglicht diese Flexibilität im Ausnahmefall trotz des Gebrauchs des Plurals („Zielgrößen“) im Gesetzestext. 305 Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 %, so gilt das Verschlechterungsverbot (§ 76 Abs. 4 Satz 2 AktG), d. h. aber auch umgekehrt, dass die inhaltlich unveränderte Festlegung einer zukünftigen Zielgröße zulässig ist. Diese Regelung bezieht sich nur auf die jeweils betroffene Zielgröße, d. h. bei zwei unterschiedlichen Zielgrößen pro Führungsebene kann es zulässigerweise zu unterschiedlichen Zukunftsentwicklungen kommen. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der jeweiligen Zielgröße bei mindestens 30 %, darf die festzulegende Zielgröße für die entsprechende Führungsebene den zuvor bereits erreichten Wert wieder unterschreiten; fällt der tatsächliche Frauenanteil dann jedoch auf unter 30 % ab, gilt das Verschlechterungsverbot. Zur Anwendung des Verschlechterungsverbots siehe Rn. 288. 306 Die Festlegung der Zielgrößen wird „üblicherweise“ in einem Prozentsatz bestehen, allerdings können die Zielgrößen (der Gesetzeswortlaut nutzt nicht: Zielquote oder Zielanteil) auch in Kopfzahlen oder in Vollzeitkräften angegeben werden.565) Rein qualitative Beschreibungen („angemessen“, „durchschnittlich“) sind hingegen nicht ausreichend.566) Es sind auch zusätzliche qualitative Ziele vorstellbar, z. B. Besetzung bestimmter Führungspositionen (Bsp.: Leitung Controlling) mit Frauen oder prozentuale Steigerung des Frauenanteils in einer bestimmten Unternehmenssparte.567) 307 Die Zielgrößen dürfen (und werden selbst bei Anwendung des Stichtagsprinzips sinnvollerweise) auf die „in der Regel“, also eine um außergewöhnliche Umstände bereinigte, vorhandene Gesamtzahl von Führungspositionen der einzelnen Ebene referenzieren.568) 308 Mit diesen Kautelen ist eine Mindestzielgröße nicht gesetzlich vorgegeben, vielmehr können die Unternehmen sich die Zielvorgaben selbst setzen und sich dabei z. B. an ihren Marktgegebenheiten und Unternehmensstrukturen ausrichten.569) Auch eine Zielgröße von Null als Mindestzielgröße ist zulässig, wenn der Nullanteil den erreichten Stand darstellt.570) Umgekehrt ist ___________ 565) Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 47; DAV, Stellungnahme zum RefE v. 9.9.2014, Rn. 103; Stüber, CCZ 2014, 261, 266. 566) Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 46; Jung, DStR 2014, 960, 964; Schulz/ Ruf, BB 2015, 1155, 1161. 567) Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 47. 568) Ebenso DAV, Stellungnahme zum RefE v. 9.9.2014, Rn. 101. 569) Begr. RegE zu § 76 Abs. 4 AktG, BR-Drucks. 636/14 v. 29.12.2014, S. 143. 570) Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 47; ebenso Wasmann/Rothenburg, DB 2015, 291, 295; Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1161; krit. (aber als zulässig konstatierend) Verdi, Stellungnahme zum RegE v. 16.2.2015, S. 8; a. A. Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 903.
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IV. Frauenzielgrößen für die beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung
auch eine Zielgröße von 100 % (also der Ausschluss von Männern in einer bestimmten Führungsebene) gesetzlich nicht ausgeschlossen, aber eine solche Festlegung wird im Regelfall nicht dem Unternehmensinteresse entsprechen und damit – abgesehen von Sonderfällen – unzulässig sein.571) 4. Beschlussfassung durch Vorstand bzw. Geschäftsführung Die insoweit erforderlichen Entscheidungen trifft der Vorstand bzw. die Ge- 309 schäftsführung durch Beschluss, für den die allgemeinen Regelungen gelten.572) Innerhalb des zwingenden gesetzlichen Rahmens (Geltung des Verschlechterungsverbots) kommt der Geschäftsleitung unternehmerisches Ermessen zu, dass er mit Blick auf das Unternehmensinteresse auszuüben hat. Die Geschäftsleitung hat dabei unter anderem in den Blick zu nehmen, dass eine generelle Bevorzugung von Frauen bei Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen mit dem Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG unvereinbar ist. Eine Bevorzugung wegen des Geschlechts ist nur dann zulässig, wenn es sich um eine positive Maßnahme i. S. v. § 5 AGG handelt, was nach der EuGH-Rechtsprechung (1) eine konkrete Unterrepräsentation eines Geschlechts in dem betroffenen Bereich und (2) die gleiche Eignung der bevorzugten Person gegenüber dem Konkurrenten vom überrepräsentierten Geschlecht voraussetzt.573) Der Vorstand wird auch zu berücksichtigen haben, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang mit Personalwachstum und mit welcher Fluktuationsrate zu rechnen ist. Nach einem Fristablauf sind nicht zwingend inhaltlich geänderte Zielgrößen 310 festzulegen. Bereits vor Fristablauf kann der Vorstand bzw. die Geschäftsführung die Frauenzielquoten ändern, wenn hierzu ein sachlicher Grund besteht und es muss hierüber alsbald (regelmäßig im nächsten Rechnungslegungsbericht) berichtet werden. Bei Änderung der Zielgröße vor Fristablauf ist das Verschlechterungsverbot im Hinblick auf den ursprünglichen Status quo des Frauenanteils zu beachten, nicht hingegen auf die zunächst festgelegte Frauenzielquote.574) 5. Betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte Die Festlegung der Zielgrößen ist ein Bestandteil der Personalplanung, so- 311 dass der Betriebsrat vor deren endgültiger Festlegung durch den Vorstand zu informieren ist (vgl. § 92 Abs. 3 BetrVG), und dabei sind dem Betriebsrat die Tatsachen und Erwägungen bekanntzumachen, auf deren Grundlage die
___________ 571) Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 47; ebenso Wasmann/Rothenburg, DB 2015, 291, 295. 572) Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 47. 573) Hierzu Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 626. 574) Ebenso Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 464.
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C. Frauenzielquoten für Aufsichtsrat und Geschäftsleitung
Festlegung der Zielgrößen erfolgen soll.575) Damit kommt dem Betriebsrat jedoch kein Mitbestimmungsrecht zu und er kann die Einigungsstelle (§ 76 BetrVG) nicht anrufen, um durch diese eine bestimmte Frauenzielgröße zu erzwingen.576) Da regelmäßig (jedenfalls im Hinblick auf die erste der Geschäftsführung nachgeordnete Führungsebene) auch die Personalplanung hinsichtlich der leitenden Angestellten betroffen sein wird, steht insoweit auch dem Sprecherausschuss ein Unterrichtungsanspruch vor Festlegung der Zielgrößen zu.577) 312 Bei den Zielgrößen handelt es sich allerdings nicht um Auswahlrichtlinien i. S. v. § 95 BetrVG, da die Zielgrößen nicht einzelfallbezogen sind und den Arbeitgeber auch aufgrund ihres unverbindlichen Charakters nicht dazu zwingen, sich in einem konkreten Fall für eine bestimmte Person oder eine Person eines bestimmten Geschlechts zu entscheiden.578) Strebt indes der Arbeitgeber allgemeine Regeln über die bevorzugte Berücksichtigung von Frauen bei Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen an, dann kommt dem Betriebsrat nach § 95 Abs. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu. In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat verlangen, dass eine entsprechende Auswahlrichtlinie aufgestellt wird.579) Bei konkreten Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats insbesondere für den Fall zu berücksichtigen, dass eine Auswahlrichtlinie i. S. d. § 95 BetrVG besteht (vgl. § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG). Demgegenüber begründet es keinen Widerspruch des Betriebsrates, wenn eine konkrete Personalentscheidung gegen die Frauenzielgröße zu verstoßen scheint, da mit dieser Personalentscheidung das Erreichen dieser Zielgröße unwahrscheinlich wird. Denn die Frauenzielgröße ist kein „Gesetz“ i. S. v. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.580) V. Berichtspflichten 1. Veröffentlichung im Lagebericht 313 Über die Zielgrößen- und Fristbestimmungen und „die Angabe, ob diese [Zielgrößen] im Bezugszeitraum eingehalten worden sind, und wenn nicht, Angaben zu den Gründen“, ist von börsennotierten AGs, SEs und KGaA (nachgelagert) in der Erklärung zur Unternehmensführung zu berichten (§ 289a Abs. 2 Nr. 4 HGB [börsennotierte AG; KGaA: i. V. m. Abs. 3], ___________ 575) Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 47; vgl. auch Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 626; Middendorf, in: Audit Committee Quarterly, S. 44, 45. 576) Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 626. 577) Zur Zuständigkeit des Sprecherausschusses für Fragen der Personalplanung bei leitenden Angestellten Oetker, in: Erfurter-Komm, § 25 SprAuG Rn. 2. 578) Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 47; Middendorf, in: Audit Committee Quarterly, S. 44, 45. 579) Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621, 626. 580) Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 626, 627.
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Seibt
V. Berichtspflichten
Art. 61 SE-VO [SE]); alle anderen Unternehmen haben dies in einem gesonderten Abschnitt des Lageberichts zu tun (§ 289a Abs. 4 HGB). Der § 289a HGB-Bericht wird auch als Bezugspunkt für die Festlegungen des Vorstandes bzw. der Geschäftsführung eine Beschreibung der Führungsebenen enthalten müssen (siehe auch Rn. 247) und hat die Gesellschaft nur eine Führungsebene oder sogar keine Führungsebene unterhalb des Vorstandes, so ist auch das in dem Bericht anzugeben.581) Darüber hinaus kann die Gesellschaft, ohne rechtlichen Zwang hierzu, ergänzende Angaben machen, z. B. zu den Gründen der Festlegung bestimmter Zielgrößen oder zu den zur Erreichung der Zielgrößen vorgesehenen Maßnahmen; in der Regel wird die Gesellschaft auch nicht nur über das „ob“ der Zielerreichung berichten, sondern freiwillig auch quantitativ über den Grad der Zielerreichung.582) Der Aufsichtsrat hat im Hinblick auf seine Handlungspflichten intern an der Berichterstattung mitzuwirken.583) Der Bericht muss den Grundsätzen der Wahrhaftigkeit, Vollständigkeit und Transparenz entsprechen. Eine geschlechtsneutrale Formulierung der Zielgrößen und Zielgrößeneinhaltung ist dann zulässig, wenn Frauen unter die gewählte Formulierung ohne Auslegungsschwierigkeiten subsumiert werden können.584) Für Mustererklärungen siehe Rn. 459 ff. (Kap. G.). – Die Erklärung zur Unternehmensführung (börsennotierte AG/SE/KGaA) ist als Teil des Lageberichts i. S. v. § 289 HGB im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Die Berichtspflichten sind erstmals anzuwenden auf Lageberichte, die sich 314 auf Geschäftsjahre mit einem nach dem 30.9.2015 liegenden Abschlussstichtag beziehen,585) d. h. Unternehmen mit kalenderjahrgleichem Geschäftsjahr müssen die Veröffentlichung erstmals im Lagebericht zum 31.12.2015 vornehmen. Allerdings muss erst nach Ablauf des selbst gesetzten Zeitraums zur Erreichung der Zielgrößen darüber berichtet werden, ob die Zielgrößen eingehalten worden sind und wenn dies nicht der Fall sein sollte, warum nicht; die Darstellung der Festlegungen selbst muss allerdings jährlich, quasi als Zwischenberichterstattung, erfolgen.586) 2. Internet-Veröffentlichung Anstelle einer Veröffentlichung im Lagebericht kann es in zwei Fällen zu einer 315 Veröffentlichung auf der Internetseite der berichtsverpflichtenden Gesellschaft kommen: (1) So steht es Unternehmen, die an sich einen Lagebericht ___________ 581) 582) 583) 584) 585)
Beschlussempfehlung und Bericht des Familienausschusses, BT-Drucks. 18/4227, S. 22. Vgl. auch Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 464. Zutr. Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 464. Ebenso Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 461. Art. 12 GgTFMF i. d. F. v. d. Beschlussempfehlung des Familienausschusses, BTDrucks. 18/4227, S. 7. 586) So ausdrücklich Beschlussempfehlung und Bericht des Familienausschusses, BTDrucks. 18/4227, S. 26.
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C. Frauenzielquoten für Aufsichtsrat und Geschäftsleitung
zu veröffentlichen haben, nach § 289a Abs. 2 HGB (ggf. i. V. m. § 289a Abs. 4 Satz 1 Hs. 2 HGB) frei, die Erklärung zur Unternehmensführung alternativ auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen, und zwar zu dem Zeitpunkt, an dem an sich die Erklärung als Teil des Lageberichts veröffentlicht worden wäre.587) (2) Gesellschaften, die nicht zur Offenlegung eines Lageberichts verpflichtet sind, haben eine Erklärung mit den Festlegungen und Angaben nach § 289a Abs. 2 Nr. 4 HGB zu erstellen und auf der Internetseite zu veröffentlichen oder wahlweise einen freiwillig erstellten Lagebericht offenzulegen. Hat eine Konzerngesellschaft keine eigene Internetseite, so genügt eine Veröffentlichung auf der Website der Konzernobergesellschaft.588) Die Veröffentlichung auf der Internetseite hat im zeitlichen Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Jahresabschlusses zu erfolgen; bei Konzerngesellschaften, die nach § 264 Abs. 3 HGB keine Unterlagen offenzulegen haben, hat die Internetveröffentlichung nach Feststellung des Jahresabschlusses zu erfolgen.589) 3. Ad-hoc-Publizität 316 Eine Pflicht von börsennotierten Unternehmen zur unverzüglichen Veröffentlichung des Vorstandsbeschlusses (Ad-hoc-Publizität) besteht in aller Regel wegen fehlender Kurserheblichkeit (vgl. § 15 Abs. 1 WpHG) nicht (siehe auch Rn. 270 ff.). 4. Komplementärberichte 317 Neben der § 289a HGB-Berichtspflicht stehen die komplementären Berichte nach § 161 AktG (Entsprechenserklärung)590) sowie – für bestimmte größere Unternehmen – ab 2017 zu den Corporate-Social-Responsibility-Maßnahmen (u. a. Vielfalt in Aufsichtsräten) in einem gesonderten Abschnitt im Lagebericht.591) VI. Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen 318 Durch die Berichts- und Veröffentlichungspflichten wird nach Auffassung der Gesetzesverfasser eine hinreichende Transparenz und Öffentlichkeitswirksamkeit erzeugt, die ausreichend sein sollte, um zu „ambitionierten Zielgrößen, die einer paritätischen Besetzung nahekommen, und zu kurzen Umsetzungsfristen“ zu kommen.592) Der „Marktwert der Unternehmensreputation“ (Market for Reputation) dient als hinreichender Steuerungsmecha___________ 587) Zum Zeitpunkt der Internetveröffentlichung vgl. auch Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 464. 588) Ebenso Herb, DB 2015, 964, 970; Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 465. 589) Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 465. 590) Vgl. Ziff. 4.1.5, 5.1.2 Abs. 1 Satz 2, 5.4.1 Abs. 2 DCGK. – Siehe auch Rn. 260 ff. 591) RL 2004/95/EU des EU-Parlaments und des Rates vom 22.10.2014 zur Änderung der RL 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABIEU Nr. L 330 vom 15.11.2014 S. 1; hierzu Voland, DB 2014, S. 2815 ff. – Siehe auch Rn. 276 ff. 592) Begr. RegE zu § 76 Abs. 4 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 143.
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VI. Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen
nismus. Die Gesetzesverfasser gehen sogar – in nachvollziehbarer Weise – davon aus, dass „scharfe gesetzliche Sanktionen [für das Nichterreichen von Frauenzielquoten] oder ein Verbot der späteren Abschwächung von Zielen kontraproduktiv [wären], weil sie den Unternehmen Fehlanreize gäben, sich vorsichtige und wenig ehrgeizige Ziele zu setzen“.593) Diese gesetzgeberische Leitlinie der Sanktionszurückhaltung ist bei der Beantwortung der Frage zu berücksichtigen, ob neben den ausdrücklich geregelten gesetzlichen Sanktionen allgemeine Sanktions- und Haftungsgrundsätze für die Pflichtverletzung im Zusammenhang mit den Frauenzielquoten zur Anwendung gelangen. Die vorsätzlich fehlende, fehlerhafte oder unvollständige Erklärung gemäß 319 § 289a HGB stellt allerdings eine Ordnungswidrigkeit des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrates dar (§ 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Bei Verwirkung der Ordnungswidrigkeit durch die Organe kommt auch ein Bußgeld gegen die Gesellschaft nach § 30 Abs. 1 OWiG in Betracht. Wird der Lagebericht überhaupt nicht nach § 325 Abs. 1 Satz 3 HGB offengelegt, ist zudem die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegenüber den vertretungsberechtigten Organen (§ 335 Abs. 1 Nr. 1 HGB) oder der Gesellschaft (§ 335 Abs. 1 Satz 2 HGB) möglich. Soweit kein Lagebericht zu erstellen ist, sondern nur eine Veröffentlichung im Internet erfolgen muss (siehe Rn. 315), greifen die Bußgeld- und Ordnungsgeld-Sanktionen nicht.594) Bei Verletzung dieser gesetzlichen Berichtspflichten (Legalitätsprinzip) kommt nach den allgemeinen Haftungsregelungen eine Schadensersatzhaftung (vgl. § 93 AktG, § 43 GmbHG) in Betracht, allerdings wird der durch die Pflichtverletzung kausal verursachte Schaden alleine auf das gegen die Gesellschaft verhängte Bußgeld bzw. Ordnungsgeld begrenzt sein. Weitere Sanktionen für die Verfehlung von Zielgrößen gibt es in der Regel 320 nicht. Insbesondere liegt keine Pflichtverletzung des Aufsichtsrats bzw. Vorstands (und damit auch keine Schadensersatzhaftung) vor, wenn die festgesetzte Zielgröße trotz ihrer (Mit-)Berücksichtigung bei Personalentscheidungen tatsächlich verfehlt wurde oder wenn „entgegen den selbst festgelegten Zielgrößen (…) Führungspositionen besetz[t]“ wurden.595) Eine Schadensersatzhaftung kommt somit dem Grunde nach nur in den Fällen der unterlassenen Zielgrößenfestlegung oder der Festlegung evident unzulässiger Zielgrößen (z. B. Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot) oder bei Festlegung evident unzulässiger Zielerreichensfristen (z. B. Verstoß gegen die Höchstfristen) in Betracht, allerdings wird es dann regelmäßig an einem ersatzfähigen Schaden fehlen596). Auch nur in diesen Fällen kann ausnahmsweise ___________ 593) Begr. RegE zu § 76 Abs. 4 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 143. 594) Vgl. Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 465 m. w. N. 595) So aber Stüber, DStR 2015, 947, 954; wie hier Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1162 f.; vgl. auch Begr. RegE zu § 76 Abs. 4 AktG, BR-Drucks. 636/14, S. 143 („Nichterreichung nicht erwünscht, aber nicht undenkbar“). 596) Ebenso Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1162; Fromholzer/Simons, AG 2015, 457, 466.
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C. Frauenzielquoten für Aufsichtsrat und Geschäftsleitung
die Versagung einer Entlastung (§ 120 AktG, § 46 Nr. 5 GmbHG) gerechtfertigt sein. 321 Eine Zielverfehlung ist kein Indiz i. S. v. § 22 AGG für eine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung.597) VII. Anwendungsregelungen 322 Den Verpflichtungen zur Festsetzung von Zielgrößen für den Frauenanteil und den entsprechenden Erreichensfristen unterliegen zunächst die Gesellschaften, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Pflichten (also am 1.5.2015) in deren Anwendungsbereich fallen; sie müssen die Festlegungen nach § 111 Abs. 5 und § 76 Abs. 4 AktG erstmals spätestens zum 30.9.2015 erfüllen (§ 25 Abs. 1 EGAktG, § 5 Satz 1 EGGmbHG, § 168 Satz 1 GenG, § 123 Satz 1 VAG).598) Nach allgemeinen Regeln haben Unternehmen, die nach dem 1.5.2015 in den sachlichen Anwendungsbereich der ZielgrößenPflichten fallen (z. B. als Ergebnis eines Statusverfahrens [Mitbestimmung] oder eines Börsengangs in den regulierten Markt [Börsennotierung]), mit diesem Tag die Pflichten zu erfüllen, und zwar die Erstpflicht für die Festlegung unverzüglich nach Eintritt der Anwendungsvoraussetzungen. Mit Wegfall der Anwendungsvoraussetzungen (z. B. als Ergebnis eines Statusverfahrens [Mitbestimmung] oder eines Downlistings bzw. Delistings [Börsennotierung]), entfallen die Verpflichtungen automatisch.
___________ 597) Ausf. Göpfert/Rottmeier, ZIP 2015, 670, 672 f.; vgl. auch Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 50. 598) Diese Frist wurde durch Beschlussempfehlung des Familienausschusses, BT-Drucks. 18/ 4227, S. 26, um drei Monate verlängert, „um den Unternehmen die Umsetzung der neuen Bestimmung zu erleichtern“.
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D. Geschlechterquote und Frauenzielanteil in der SE und MgVG-Gesellschaft Hohenstatt/Wendler
Das GgTFMF zur Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen der 323 deutschen Wirtschaft gilt gemäß §§ 17 Abs. 2, 24 Abs. 3 SEAG auch für die Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea – SE) und gemäß § 96 Abs. 3 AktG für Gesellschaften, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen sind (MgVG-Gesellschaften). Das Ziel des Gesetzes, den Frauenanteil in Führungspositionen börsennotierter und/oder mitbestimmter Unternehmen zu erhöhen, wird entsprechend auf diese Rechtsformen übertragen. Noch im Referentenentwurf der Bundesregierung vom 9. September 2014 waren für SEs und MgVG-Gesellschaften lediglich Sollvorschriften vorgesehen, was in der Literatur für Fragen und Kritik gesorgt hatte.599) Wahrscheinlich ist es dieser – in „letzter Minute“ des Gesetzgebungsverfahrens 324 vollzogenen – Konzeptänderung geschuldet, dass die Regelungen für SEs bzw. MgVG-Gesellschaften unvollständig sind. Die Praxis muss sich trotzdem zeitnah auf die neuen Quotenregelungen einstellen. Die Pflicht, Frauenzielanteile für Vorstand, Aufsichtsrat und die oberen beiden Führungsebenen festzulegen, besteht bereits ab dem 30. September 2015 und die Regelungen zur Geschlechterquote in Aufsichtsräten sind für erforderliche Neuwahlen oder Entsendungen ab dem 1. Januar 2016 zu berücksichtigen. Die Lückenhaftigkeit der gesetzlichen Regelungen wird – zumindest teilwei- 325 se – verständlich, wenn man die Regelungstechnik des Gesetzgebers in Betracht zieht (siehe dazu Rn. 326 ff.). Anschließend werden zum einen die für die SE anwendbaren Regelungen der Geschlechterquote für Mitglieder des Aufsichtsorgans (siehe dazu Rn. 329 ff.) und zum anderen die Regelungen für die Festlegung eines Frauenzielanteils beschrieben (siehe dazu Rn. 363 ff.), bevor abschließend auf die MgVG-Gesellschaften eingegangen wird (siehe dazu Rn. 368 ff.). I. Regelungstechnik Die Rechtsform der SE beruht auf einer europäischen Verordnung.600) Die 326 europäischen Vorgaben zur Unternehmensverfassung wurden im SE-Ausführungsgesetz (SEAG) umgesetzt. Die europäischen Regelungen genießen grundsätzlich Anwendungsvorrang gegenüber entgegenstehendem nationalem Recht, soweit dieses nicht europarechtskonform ausgelegt werden kann.601) ___________ 599) Ohmann-Sauer/Langemann, NZA 2014, 1120, 1124 f.; Mense/Klie, GWR 1, 5 f. 600) Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. Nr. L 294, S. 1. 601) Schäfer, in: MünchKomm-AktG, Art. 9 SE-VO Rn. 21 f.; Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 264.
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D. Geschlechterquote und Frauenzielanteil in der SE und MgVG-Gesellschaft
Der deutsche Gesetzgeber kann nur solche Bereiche der SE regeln, die durch die Verordnung nicht abschließend behandelt werden.602) Die Förderung des unterrepräsentierten Geschlechts hat der SE-Gesetzgeber in der SE-Verordnung nicht abschließend behandelt. Wie in der Beschlussempfehlung zu Recht festgestellt, kommt der SE-Verordnung in dieser Hinsicht keine Sperrwirkung zu.603) Mithin ist die nationale Geschlechterquote im SEAG grundsätzlich zulässig. 327 Der Gesetzgeber hat sich – im Gegensatz zu den teilweise ausführlichen Neuregelungen im Aktiengesetz – bei der SE für einen „minimalinvasiven“ Ansatz entschieden. In § 17 Abs. 2 SEAG wurde die Geschlechterquote von 30 % auch für das Aufsichtsorgan einer börsennotierten und paritätisch mitbestimmten SE festgeschrieben.604) Eine entsprechende Regelung hat der Gesetzgeber für den Verwaltungsrat einer monistisch strukturierten SE in § 24 Abs. 3 SEAG getroffen. Einige im Aktiengesetz geregelte Details (z. B. das Widerspruchsrecht gegen die Gesamterfüllung) sowie die Regelungen zu den Frauenzielanteilen in den oberen Führungsebenen sucht man im SEAG hingegen vergeblich. 328 Die Lückenhaftigkeit der Neuregelungen wiegt in der Praxis weniger schwer als von manchen Autoren befürchtet.605) Das SEAG ist – anders als das Aktiengesetz – generell lückenhaft konzipiert und verweist im Übrigen auf die Vorschriften des Aktienrechts. Eine abschließende Regelung der SE wurde und wird vom Gesetzgeber nicht angestrebt. Die vermeintlichen Regelungslücken werden überwiegend mit Hilfe der Generalverweisung in Art. 9 Abs. 1 c) ii) der SE-Verordnung geschlossen.606) Die SE unterliegt in Bezug auf die nicht durch die SE-Verordnung geregelten Bereiche oder, sofern ein Bereich nur teilweise geregelt ist, in Bezug auf die nicht von dieser Verordnung erfassten Aspekte den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die auf eine nach dem Recht des Sitzstaats der SE gegründete Aktiengesellschaft Anwendung finden würden.607) Damit gelten die Vorschriften §§ 76, 96 und 111 AktG im Grundsatz entsprechend auch für die SE, soweit nicht in §§ 17 Abs. 2 bzw. 24 Abs. 3 SEAG abweichende Regelungen getroffen wurden. Eine zusätzliche Verweisung auf die aktienrechtlichen Vorschriften im Zusammenhang mit der Geschlechterquote war nach Ansicht des Gesetzgebers nicht erforderlich.608) ___________ 602) Dies folgt aus Art. 9 Abs. 1 lit. c) i) SE-VO; siehe auch Schäfer, in: MünchKommAktG, Art. 9 SE-VO Rn. 13 f.; Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 903. 603) BT-Drucks. 18/4227, S. 22 f.; ausführlich begründet bei Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 264 f. 604) Siehe hierzu Rn. 86 f. 605) Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 904. 606) Schäfer, in: MünchKomm-AktG, Art. 9 SE-VO Rn. 18 ff. 607) Schäfer, in: MünchKomm-AktG, Art. 9 SE-VO Rn. 2, 9; Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 903. 608) BT-Drucks. 18/4227, S. 22.
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II. Geschlechterquote für Mitglieder des SE-Aufsichtsorgans Praxistipp: Das bedeutet, dass die gesetzlichen Vorgaben zu den Geschlechterquoten für die SE teilweise im SEAG und teilweise im AktG zu finden sind.
II. Geschlechterquote für Mitglieder des SE-Aufsichtsorgans 1. Anwendungsbereich In Europäischen Aktiengesellschaften, die börsennotiert sind und deren Auf- 329 sichtsorgan aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besteht, müssen im Aufsichtsorgan Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 30 % vertreten sein (§ 17 Abs. 2 SEAG). Im Unterschied zu der Regelung in Art. 96 Abs. 2 AktG ist die Anwendbarkeit der deutschen Mitbestimmungsgesetze (MontanMitbestG, MitbestG und MitbestErgG) keine Tatbestandsvoraussetzung der Quotenregelung. Dies ist konsequent, da die SE gerade nicht in den Geltungsbereich dieser Mitbestimmungsgesetze fällt.609) Trotzdem ist für die Anwendbarkeit der Geschlechterquote eine paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsorgan der SE erforderlich. Diese kann gemäß § 21 SEBG auf einer Mitbestimmungsvereinbarung oder gemäß §§ 34 ff. SEBG auf der Grundlage der gesetzlichen Auffanglösung beruhen.610) Im Unterschied zu den nationalen Mitbestimmungsgesetzen enthält das euro- 330 päische Recht keine Regelung, die eine paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer im SE-Aufsichtsorgan zwingend vorschreibt. Selbst bei Gesellschaften mit regelmäßig mehr als 2.000 Arbeitnehmern kann zwischen dem Besonderen Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer (BVG) und der Leitung der SE das Mitbestimmungsregime im Rahmen einer SE-Beteiligungsvereinbarung frei ausgehandelt werden. Die Verhandlungen können neben einer paritätisch mitbestimmten auch zu einer mitbestimmungsfreien oder nur teilmitbestimmten SE führen.611) Der europäische Gesetzgeber hat die Rahmenbedingungen für die Verhandlungen festgelegt und den Parteien im Übrigen einen weiten Gestaltungsspielraum belassen. Diesen Verhandlungsspielraum können die Verhandlungspartner dazu nutzen, für die Gesellschaft maßgeschneiderte Mitbestimmungslösungen zu erarbeiten.612) Vereinbaren die Parteien beispielsweise eine unterparitätische Beteiligung der Arbeitnehmer ___________ 609) Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 903. 610) Ebenso Seibt, ZIP 2015, 1193, 1202; a. A. zu MgVG-Gesellschaften Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 59, der die feste Geschlechterquote im Falle einer grenzüberschreitenden Verschmelzung nicht für anwendbar hält, wenn die paritätische Mitbestimmung auf einer Beteiligungsvereinbarung beruht. 611) Hohenstatt/Müller-Bonanni, in: Habersack/Drinhausen, § 21 SEBG Rn. 20; Jacobs, in: MünchKomm-AktG, § 21 SEBG Rn. 13; Rudolph, in: Annuß/Kühn/Rudolph/Rupp, § 21 SEBG Rn. 21. 612) Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 266; Rudolph, in: Annuß/Kühn/Rudolph/Rupp, § 21 SEBG Rn. 21 ff.
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D. Geschlechterquote und Frauenzielanteil in der SE und MgVG-Gesellschaft
(z. B. 10 Anteilseignervertreter, 9 Arbeitnehmervertreter und 1 neutrales Mitglied), finden die gesetzlichen Vorgaben der festen Geschlechterquote keine Anwendung.613) 331 Bevor in der Praxis allerdings eine derartige unterparitätische Beteiligung der Arbeitnehmer vereinbart wird, sollte die eventuell drohende negative Öffentlichkeitswirkung bedacht werden, die hiervon ausgehen könnte. In den letzten Jahren hat sich in der deutschen Öffentlichkeit ein breiter gesellschaftlicher Konsens gebildet: Frauen sollen in den obersten Führungsgremien stärker vertreten sein. Die Vereinbarung einer unterparitätischen Beteiligung der Arbeitnehmer mit dem Ziel, die Anwendbarkeit der Geschlechterquote zu vermeiden, könnte daher in den Medien als „Flucht aus der Geschlechterquote“ kritisiert werden. Praxistipp: Die Geschlechterquote für Mitglieder des Aufsichtsorgans gilt nur für den Fall der paritätischen Mitbestimmung. Sie kann folglich durch die Vereinbarung einer unterparitätischen Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsorgan der SE vermieden werden. Da die Anteilseignerseite aufgrund des „Zweitstimmrechts“ des Vorsitzenden ohnehin ein leichtes Übergewicht im Aufsichtsrat hat und sich in Pattsituationen regelmäßig durchsetzen kann, ist der tatsächliche Nachteil für die Arbeitnehmerseite gering und könnte ggf. durch Zugeständnisse an anderer Stelle ausgeglichen werden.
332 Darüber hinaus kann die paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer in einer börsennotierten SE auch auf der sog. gesetzlichen Auffanglösung gemäß §§ 34 ff. SEBG beruhen. Die gesetzliche Auffanglösung gelangt immer dann zur Anwendung, wenn die Parteien dies explizit vereinbaren oder innerhalb von sechs bzw. zwölf Monaten nach der konstituierenden Sitzung des BVG keine Beteiligungsvereinbarung zustande gekommen ist (§ 22 Abs. 1 SEBG). Das Aufsichtsorgan der SE besteht nach der gesetzlichen Auffanglösung regelmäßig aus derselben Zahl von Anteilseignern und Arbeitnehmervertretern, wenn in einer der Gründungsgesellschaften bereits eine paritätische Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat bestand. Paritätisch mitbestimmt sind in Deutschland nach dem Mitbestimmungsgesetz AGs, KGaAs, GmbHs und Genossenschaften, die in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigten (§ 1 Abs. 1 MitbestG). 2. Ausgestaltung der Geschlechterquote a) Quotenregelung in § 17 Abs. 2 SEAG 333 In dem paritätisch mitbestimmten Aufsichtsorgan einer börsennotierten SE müssen Frauen und Männer jeweils mit einem Mindestanteil von 30 % ver___________ 613) Seibt, ZIP 2015, 1193, 1202; Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 266; Stüber, DStR 2015, 947, 951.
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II. Geschlechterquote für Mitglieder des SE-Aufsichtsorgans
treten sein.614) Die Quote ist starr: Anforderungen an eine bestimmte Eignung der Kandidaten – insbesondere dahingehend, dass sie ebenso gut geeignet oder qualifiziert sein müssen wie Kandidaten des jeweils anderen Geschlechts – sieht § 17 Abs. 2 SEAG nicht vor. Es gelten lediglich die allgemeinen persönlichen Anforderungen für Aufsichtsratsmitglieder, wie sie in §§ 100, 105 AktG festgelegt sind.615) Dieser Mindestanteil ist auch bei Neubesetzungen einzelner oder mehrerer 334 Sitze im Aufsichtsorgan zu beachten. Reicht die Zahl der neu zu besetzenden Sitze nicht aus, um den Mindestanteil zu erreichen, sind die Sitze mit Personen des unterrepräsentierten Geschlechts zu besetzen, um dessen Anteil sukzessive zu steigern. Bestehende Mandate können bis zu ihrem regulären Ende wahrgenommen werden.616) b) Lückenhaftigkeit der Quotenregelung in § 17 Abs. 2 SEAG Auffällig ist, dass der Regelungsgehalt von § 17 Abs. 2 SEAG hinter dem der 335 Parallelvorschrift im Aktiengesetz (§ 96 Abs. 2 AktG) zurückbleibt. Weder das in § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG normierte Widerspruchsrecht der Anteilseigner- oder Arbeitnehmervertreter gegen die Gesamterfüllung, noch die in § 96 Abs. 2 Satz 6 AktG geregelte Rechtsfolge bei Verstoß gegen die Geschlechterquote oder sonstige Detailregelungen, wie z. B. die Rundungsvorschriften, finden sich in § 17 Abs. 2 SEAG. In der Beschlussempfehlung führt der Gesetzgeber zur Begründung ober- 336 flächlich aus, dass angesichts der Besonderheiten der SE als originäre europäische Rechtsform (SE-Verordnung und SE-Richtlinie als maßgebliche Rechtsgrundlagen sowie das ausdifferenzierte Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren) für die Einbeziehung der SE in den Anwendungsbereich der Geschlechterquote eine eigenständige Regelung im SEAG notwendig sei. Die bloße Übernahme der Regelungen für die Aktiengesellschaft in § 96 Abs. 2 AktG genüge nicht.617) In der Literatur wird vertreten, der gesamte Regelungsinhalt des § 17 Abs. 2 337 SEAG gelte gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO – auch ohne eine entsprechende Regelung im SEAG – sowieso für die SE.618) Diese Auffassung entspricht dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot aus Art. 10 SE-VO. Eine SE muss in dem jeweiligen Mitgliedstaat grundsätzlich wie eine Aktiengesellschaft behandelt werden. Damit hätte § 17 Abs. 2 SEAG lediglich deklaratorischen Charakter. ___________ 614) Siehe hierzu ausführlich Rn. 86 ff. 615) Vgl. Hohenstatt/Willemsen/Naber, ZIP 2014, 2220, 2221; Grobe, AG 2015, 289, 294; Habersack/Kersten, BB 2014, 2819, 2828; Herb, DB 2015, 964. 616) BT-Drucks. 18/4227, S. 11; Grobe, AG 2015, 289, 297. 617) BT-Drucks. 18/4227, S. 22; siehe auch Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 904. 618) Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 904; Grobe, AG 2015, 289, 298.
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D. Geschlechterquote und Frauenzielanteil in der SE und MgVG-Gesellschaft
Soweit die Regelungen in § 17 Abs. 2 SEAG und § 96 Abs. 2 AktG deckungsgleich sind, kann dieser Streit dahinstehen. Praxistipp: Unabhängig von der Frage, ob die Regelungen in § 17 Abs. 2 SEAG lediglich deklaratorischen Charakter haben oder für die Einführung der Geschlechterquote zwingend erforderlich sind, müssen bei Aufsichtsratswahlen ab dem 1. Januar 2016 mindestens 30 % der Aufsichtsratssitze mit Personen des unterrepräsentierten Geschlechts besetzt werden.
338 Warum der Gesetzgeber eine unvollständige Regelung geschaffen hat, obwohl er eine „eigenständige Regelung“ für erforderlich hält, bleibt unklar. Zum Schwur kommt es bei der Frage, ob die Regelungen in § 17 Abs. 2 SEAG abschließend sind, oder ob sie – gemäß der Generalverweisung in Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO – durch einen Rückgriff auf die ausführlicheren Regelungen in § 96 Abs. 2 AktG ergänzt werden können.619) Vor diesem Hintergrund ist insbesondere umstritten, ob der Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmerseite in der SE ebenfalls ein Widerspruchsrecht gegen die Gesamterfüllung zusteht. c) Widerspruchsrecht und Getrennterfüllung 339 Wie bereits ausgeführt, ist in § 17 Abs. 2 SEAG ein Widerspruchsrecht der Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmervertreter gegen die Gesamterfüllung der Quote für den Geschlechteranteil im Aufsichtsorgan nicht geregelt. Fraglich ist, ob diese Lücke gemäß der Generalverweisung in Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO durch einen Rückgriff auf § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG zu schließen ist, oder ob die Geschlechterquote in der SE stets nach der Gesamterfüllung zu erfüllen ist. 340 Nach Ansicht des Gesetzgebers kommt für die SE nur die Gesamterfüllung in Betracht, weil die Mitbestimmung (und damit auch die Besetzung des Aufsichtsrats) regelmäßig im Vereinbarungsweg zwischen der Arbeitnehmerseite und der Leitung der Gesellschaft ausgehandelt werde.620) Ein einseitiger Widerspruch gegen die Gesamterfüllung, wie er für die mitbestimmte Aktiengesellschaft nach § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG möglich ist, passe in diesem Rahmen nicht.621) Der Aufsichtsrat müsse in jedem Fall als Gesamtorgan die Geschlechterquote von 30 % erfüllen. Die beiden Seiten im Aufsichtsrat sitzen – nach dieser Auffassung – damit zwingend „in einem Boot“ und sind verpflichtet, die Geschlechterquote gemeinsam zu erfüllen, um nachteilige Rechtsfolgen (siehe dazu Rn. 354 ff.) zu vermeiden. ___________ 619) BT-Drucks. 18/4227, S. 22; Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 904; Stüber, CCZ 2015, 38, 39. 620) BT-Drucks. 18/4227, S. 22; ebenso Grobe, AG 2015, 289, 298; Stüber, DStR 2015, 947, 951; a. A.: Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 904 f., die den Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern ein Widerspruchsrecht gegen die Gesamtbetrachtung einräumen. 621) BT-Drucks. 18/4227, S. 22; ebenso Stüber, DStR 2015, 947, 951.
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II. Geschlechterquote für Mitglieder des SE-Aufsichtsorgans
Beispiel: Wird die Geschlechterquote im Wege der Gesamterfüllung umgesetzt, kann dies im Unterschied zur Getrennterfüllung Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats haben. Ein Aufsichtsrat mit 16 Mitgliedern muss – aufgrund der Rundungsregeln – bei der Getrennterfüllung nur mit jeweils mindestens zwei Frauen und Männern besetzt werden, wohingegen bei der Gesamterfüllung insgesamt mindestens fünf Frauen und Männer im Aufsichtsrat vertreten sein müssen. Anteilseigner- und Arbeitnehmerseite müssen sich bei Gesamterfüllung mithin einigen, welche Seite das zusätzliche Mitglied wählen oder bestellen muss. AR-Größe
Gesamterfüllung
Getrennterfüllung Anteilseigner
Arbeitnehmer
12
4
2
2
16
5
2
2
20
6
3
3
In der Literatur wird die Argumentation in der Beschlussempfehlung insbe- 341 sondere von Teichmann und Rüb scharf kritisiert und unter Rückgriff auf § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG ein Widerspruchsrecht der Anteilseigner- oder Arbeitnehmervertreter gegen die Gesamterfüllung der Geschlechterquote hergeleitet.622) Dem nationalen Gesetzgeber sei es gemäß Art. 10 SE-VO grundsätzlich verwehrt, abweichendes Sonderrecht für die SE zu schaffen. In Art. 10 SE-VO ist geregelt, dass eine „SE in jedem Mitgliedstaat wie eine Aktiengesellschaft“ zu behandeln ist. Die Vorschrift sei dahingehend auszulegen, dass die Regelungen, die ein Sitzstaat für (seine) Aktiengesellschaften erlässt, gleich in welchem Kontext, ohne Weiteres auch für die SE gelten.623) Danach müssten die Anteilseigner- oder Arbeitnehmervertreter der SE – wie in § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG für die Aktiengesellschaft geregelt – vor der jeweiligen Wahl der Gesamterfüllung widersprechen können. Die Geschlechterquote müsste dann von den beiden Seiten getrennt erfüllt werden. Der Gesetzgeber ist jedoch anderer Ansicht und lehnt ein Widerspruchs- 342 recht der Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmerseite ausdrücklich ab.624) Die Ablehnung des Widerspruchsrechts – und damit eine Ausnahme vom Grundsatz der Generalverweisung – begründet der Gesetzgeber insbesondere mit dem Hinweis, dass die deutschen Mitbestimmungsgesetze für die SE nicht gelten. Aus § 47 Abs. 1 Nr. 1 SEBG folge, dass im SEBG abschließende Regelungen hinsichtlich der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Unternehmensorganen der SE getroffen wurden.625) Problematisch sei, dass die Rechtsfolgen für die Arbeitnehmervertreter bei einer quotenwidrigen Wahl ___________ 622) 623) 624) 625)
Siehe ausführlich Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 904 f. Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 904 f. BT-Drucks. 18/4227, S. 22; so auch Stüber, CCZ 2015, 38 39; Grobe, AG 2015, 289, 298. Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 903 f.
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D. Geschlechterquote und Frauenzielanteil in der SE und MgVG-Gesellschaft
in den nationalen Mitbestimmungsgesetzen geregelt sind (vgl. § 18a MitbestG bzw. § 10f MitbestErgG).626) Bestünde für die Anteilseigner- oder Arbeitnehmerseite ein Widerspruchsrecht gegen die Gesamterfüllung, müsste hinsichtlich der Rechtsfolgen demnach auf die nationalen Mitbestimmungsgesetze zurückgegriffen werden. Dies sei wegen § 47 Abs. 1 SEBG ausgeschlossen. Nach der Beschlussempfehlung scheidet die Anwendung des § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG – und damit die Möglichkeit des Widerspruchs gegen die Gesamterfüllung – auch deshalb aus, weil die Mitbestimmung (und damit auch die Besetzung des Aufsichtsrats) regelmäßig im Vereinbarungsweg zwischen der Arbeitnehmerseite und der Leitung der Gesellschaft ausgehandelt werde.627) 343 Die Argumentation des Gesetzgebers ist im Ergebnis nicht überzeugend. Teichmann und Rüb ist zuzugeben, dass es sachlich nicht einsehbar ist, warum der Gesetzgeber das Widerspruchsrecht für die SE nicht etabliert hat. Insbesondere führt die Gesamterfüllung in der Praxis zu einer Reihe von Problemen, da die Wahlen der Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter in der Regel nicht zeitgleich durchgeführt werden. Beispiel: In dem Aufsichtsorgan einer paritätisch mitbestimmten dualistisch strukturierten SE mit 20 Mitgliedern wird die Wahl der Arbeitnehmervertreter vor der Hauptversammlung durchgeführt. Nach dem Wahlergebnis sind alle zehn Arbeitnehmervertreter Männer. 344 Gemäß § 17 Abs. 2 SEAG müssten dem Aufsichtsrat insgesamt mindestens sechs Frauen und mindestens sechs Männer angehören. Trotzdem ist die Wahl der ausschließlich männlichen Arbeitnehmervertreter im Falle der Gesamterfüllung nicht sanktioniert. Gesamterfüllung bedeutet, dass die beiden Seiten nur gemeinsam betrachtet die Geschlechterquote erfüllen müssen. Damit ist die zuerst wählende Seite grundsätzlich in der Lage, ausschließlich Vertreter eines Geschlechts zu wählen, ohne dass dies Sanktionen nach sich ziehen würde. Nach der Ansicht des Gesetzgebers wäre der „Mindestanteil vom Aufsichtsrat insgesamt“ zu erfüllen. Daraus folgt, dass im Beispiel die Anteilseigner in der nachfolgenden Hauptversammlung mindestens sechs Frauen zu wählen bzw. zu bestellen haben.628) Sollten die Anteilseignervertreter weniger als sechs Frauen wählen bzw. bestellen, wäre diese Wahl wegen Missachtung des Mindestanteilsgebots gemäß § 96 Abs. 2 Satz 6 AktG (teilweise) nichtig.629) ___________ 626) Grobe, AG 2015, 289, 298; Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 266; Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 904. 627) BT-Drucks. 18/4227, S. 22. 628) Vgl. BT-Drucks. 18/3784, S. 127: Die „jeweils zeitlich zuerst stattfindende Handlung“ soll die andere Handlung beeinflussen. 629) Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1159; Einzelheiten siehe Rn. 355 f.
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II. Geschlechterquote für Mitglieder des SE-Aufsichtsorgans
Nur durch einen Widerspruch gegen die Gesamterfüllung könnte die Seite der 345 Anteilseigner der zwingenden Übererfüllung wirksam entgegentreten. Mithin ist es für die Praxis von überragender Bedeutung, der Gesamterfüllung widersprechen zu können. Die SE wird gegenüber der AG aufgrund der fehlenden Widerspruchsmöglichkeit erheblich benachteiligt, obwohl dies durch Art. 10 SE-VO grundsätzlich ausgeschlossen ist. Der Widerspruch zu § 47 Abs. 1 SEBG besteht nur aufgrund der komplizierten und lückenhaften Regelungstechnik des Gesetzgebers. Unproblematisch hätten die Wahlen bzw. die Rechtsfolgen bei Missachtung der Geschlechterquote durch die Arbeitnehmervertreter ebenfalls im SEAG oder besser noch im Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SEBG) geregelt werden können. Dann wäre ein Rückgriff auf die Mitbestimmungsgesetze nicht erforderlich und § 47 Abs. 1 SEBG wäre nicht „verletzt“ gewesen. Richtigerweise ist auch in der SE von einem Widerspruchsrecht gegen die 346 Gesamterfüllung auszugehen.630) Dieses Recht folgt aufgrund der Generalverweisung in Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO unmittelbar aus § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG. Allerdings kann die Praxis trotz der erheblichen dogmatischen Bedenken gegen die Argumentation in der Beschlussempfehlung die eindeutige Intention des Gesetzgebers nicht ignorieren, weshalb einstweilen für die Erfüllung der Geschlechterquote in der SE nur die Gesamterfüllung in Betracht kommt.631) Die – soweit ersichtlich – herrschende Ansicht im Schrifttum folgt – ohne sich mit den praktischen Problemen vertieft auseinanderzusetzen – zumeist der Ansicht des Gesetzgebers.632) Der Praxis ist deswegen zu empfehlen, auf eine entsprechende Änderung der Beteiligungsvereinbarung hinzuwirken, um auf diese Weise die Getrennterfüllung zu ermöglichen. Praxistipp: Zukünftig sollten in jeder Beteiligungsvereinbarung Einzelheiten zum Berechnungsmodus der Geschlechterquote, ein beiderseitiges Widerspruchsrecht gegen die Gesamterfüllung sowie Regelungen der Rechtsfolgen bei Missachtung der gesetzlichen Vorgaben ausgehandelt werden.
Entsprechende Regelungen sind im Rahmen einer SE-Beteiligungsvereinbarung 347 zulässig. Gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 2 SEBG sind die Parteien berechtigt, Regelungen zu dem Verfahren der Mitbestimmung zu treffen. Dazu gehört insbesondere die Festlegung des Wahl- oder Bestellungsverfahrens.633) Dies umfasst Regelungen des aktiven und passiven Wahlrechts und zukünftig auch zu der Umsetzung der Geschlechterquote. Die Parteien haben insoweit einen weiten Gestaltungsspielraum, der nur durch zwingende gesetzliche Vorgaben ___________ 630) So auch Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 905. 631) BT-Drucks. 18/4227, S. 22; ebenso Seibt, ZIP 2015, 1193, 1202. 632) Stüber, DStR 2015, 947, 951; Grobe, AG 2015, 289, 298; Küster/Zimmermann, ArbRAktuell, 2015, 264, 266. 633) Rudolph, in: Annuß/Kühn/Rudolph/Rupp, § 21 SEBG Rn. 28; Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 904.
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D. Geschlechterquote und Frauenzielanteil in der SE und MgVG-Gesellschaft
und das Willkürverbot begrenzt ist. Wie bereits ausgeführt, sind weder die Vorgaben in der SE-VO noch im SEAG bzw. dem AktG abschließend und stehen einer entsprechenden Beteiligungsvereinbarung nicht entgegen. Vielmehr streiten die Generalverweisung aus Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO und das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 10 SE-VO für die Zulässigkeit entsprechender Regelungen auch in der SE. 348 Auch der Gesetzgeber erkennt in der Beschlussempfehlung den Vorrang der Gestaltungsfreiheit der Parteien ausdrücklich an. Ein einseitiger Widerspruch sei nur deshalb nicht zulässig, weil die Mitbestimmung der Arbeitnehmer „regelmäßig im Vereinbarungsweg zwischen der Arbeitnehmerseite und der Leitung der Gesellschaft ausgehandelt“ werde.634) Daraus folgt, dass die Parteien im Rahmen ihrer Vereinbarungsautonomie vorrangige Regelungen hinsichtlich der Quotenerfüllung treffen können.635) Der Gesetzgeber wollte nur verhindern, dass ein „automatisches“ Widerspruchsrecht gegen die Gesamterfüllung die Vereinbarungsfreiheit der Parteien unzulässig einschränkt. 349 In der SE-Beteiligungsvereinbarung sollten zukünftig Einzelheiten zum quotenkonformen Wahlverfahren, ein Widerspruchsrecht gegen die Gesamterfüllung der Geschlechterquote sowie die Rechtsfolge bei Missachtung der gesetzlichen Quotenvorgaben geregelt werden. Muster: SE-Beteiligungsvereinbarung Geschlechterquote im Aufsichtsorgan (1) Die Hauptversammlung wählt die Vertreter der Anteilseignerseite. Der SE-Betriebsrat636) wählt die Vertreter der Arbeitnehmerseite. Beiden Seiten steht die gleiche Anzahl an Mitgliedern zu (paritätische Mitbestimmung). Unter den Vertretern der Anteilseignerseite sowie der Arbeitnehmerseite müssen Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 30 Prozent vertreten sein. (2) Die Regelungen zum Widerspruchsrecht der Anteilseigner- oder Arbeitnehmervertreter gegen die Gesamterfüllung in § 96 AktG sind entsprechend anzuwenden.637) (3) Eine Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung oder den SE-Betriebsrat bzw. eine Entsendung in den Aufsichtsrat unter Verstoß gegen Absatz 1 ist nichtig. Die Regelungen zur Rechtsfolge einer quotenwidrigen Wahl im Aktiengesetz und in den Mitbestimmungsgesetzen sind entsprechend anzuwenden.
___________ 634) BT-Drucks. 18/4227, S. 22. 635) Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 905. 636) Indem der SE-Betriebsrat die Vertreter der Arbeitnehmerseite bestimmt, wird ein aufwendiges Wahlverfahren in den einzelnen Mitgliedstaaten entbehrlich. 637) Der Verweis auf die gesetzlichen Vorschriften bietet den Vorteil, dass zukünftige Gerichtsentscheidungen zu dem Procedere die Rechtssicherheit der Regelung erhöhen.
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II. Geschlechterquote für Mitglieder des SE-Aufsichtsorgans
d) Sonderfall monistische SE In einer SE besteht die Möglichkeit, in der Satzung die monistische Lei- 350 tungsstruktur zu wählen (vgl. Art. 38 SE-VO).638) Die Aufgaben der Leitung und Kontrolle werden dann nicht von zwei unterschiedlichen Organen, dem Vorstand und dem Aufsichtsrat, erfüllt, sondern von einem einzigen Organ, dem Verwaltungsrat. Für diesen Sonderfall der monistisch strukturierten SE hat der Gesetzgeber mit § 24 Abs. 3 SEAG eine zusätzliche Regelung geschaffen: Besteht der Verwaltungsrat einer börsennotierten SE aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern, müssen in dem Verwaltungsrat Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 30 % vertreten sein. Auf den ersten Blick scheint kein Unterschied zu den bereits beschriebenen 351 Regelungen in § 96 Abs. 2 AktG bzw. § 17 Abs. 2 SEAG zu bestehen. Doch verbirgt sich hier eine „gravierende Benachteiligung des monistischen Systems“639) im Detail. § 24 Abs. 3 SEAG unterwirft den gesamten Verwaltungsrat, bestehend aus „geschäftsführenden“ und „überwachenden“ Direktoren, der festen Geschlechterquote. Im dualistischen System hat hingegen nur der Aufsichtsrat die feste Geschlechterquote zu erfüllen. Anders als der Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft, der als reines Kontrollorgan ausgestaltet ist, leitet der Verwaltungsrat in der SE die Gesellschaft, bestimmt die Grundlinien ihrer Tätigkeit und überwacht deren Umsetzung. Mithin erfüllt der Verwaltungsrat in der monistischen SE (als Leitungsorgan der Gesellschaft) auch die Aufgaben des Vorstandes. In der Aktiengesellschaft soll der Vorstand aber gerade keiner Geschlechterquote unterliegen. Ob eine derartige Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden bzw. ob § 24 Abs. 3 SEAG europarechtskonform ausgelegt werden kann, ist in der Literatur umstritten.640) Einiges spricht aufgrund fehlender Rechtfertigung der Ungleichbehandlung für eine Europarechtswidrigkeit der Regelung. Die Praxis muss sich angesichts des völlig eindeutigen Gesetzeswortlauts trotzdem auf die neue Regelung einstellen und ab dem 1. Januar 2016 bei der Bestellung der Mitglieder des Verwaltungsrats die gesetzlichen Vorgaben beachten. Praxistipp: Unternehmen entscheiden sich in der Praxis regelmäßig für die dualistisch strukturierte SE. Die Neuregelung zur Geschlechterquote wird diesen Trend deutlich verstärken, da ansonsten auch geschäftsführende Direktoren vom Geltungsbereich der Geschlechterquote umfasst sind.
Die Regelung in § 24 Abs. 3 SEAG für die monistisch strukturierte SE ent- 352 spricht im Übrigen in allen wesentlichen Punkten der Parallelvorschrift für ___________ 638) Reichert/Brandes, in: MünchKomm-AktG, Art. 38 SE-VO Rn. 3. 639) Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 905; Grobe, AG 2015, 289, 298; Seibt, ZIP 2015, 1193, 1202. 640) Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 905; Seibt, ZIP 2015, 1193, 1202.
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D. Geschlechterquote und Frauenzielanteil in der SE und MgVG-Gesellschaft
die dualistisch strukturierte SE in § 17 Abs. 2 SEAG.641) Abermals fehlen Regelungen zur Gesamt- oder Getrenntberechnung, zur Rundung und zur Rechtsfolge bei Nichterfüllung der Geschlechterquote. In der Beschlussempfehlung wird ausgeführt, dass aufgrund der Generalverweisung in Art. 9 Abs. 1 c) ii) der SE-VO auf die Regelungen des § 96 Abs. 2 AktG zurückzugreifen sei.642) Problematisch ist, dass die monistische Leitungsstruktur im nationalen Aktienrecht überhaupt nicht vorkommt und der Gesetzgeber in den §§ 20 ff. SEAG ein eigenständiges Regelungssystem für die monistische SE geschaffen hat.643) In § 20 SEAG heißt es: Wenn eine SE in ihrer Satzung das monistische System mit einem Verwaltungsrat wählt, „so gelten anstelle der §§ 76 – 116 des Aktiengesetzes die nachfolgenden Vorschriften“.644) Im Umkehrschluss folgt daraus, dass ein Rückgriff auf die nationalen Vorschriften des Aktienrechts grundsätzlich nur aufgrund einer ausdrücklichen Verweisung möglich ist. Derartige Verweisungen finden sich zum Beispiel in § 22 Abs. 5 oder § 28 Abs. 2 SEAG. 353 Obwohl der Gesetzgeber eine entsprechende Verweisung in § 24 Abs. 3 SEAG „versäumt“ hat, sind die entsprechenden Vorschriften im Aktiengesetz auch für die monistisch strukturierte SE anzuwenden. Die Nichtanwendung der aktienrechtlichen Vorschriften würde eine weitere Schlechterstellung der monistischen SE bedeuten. Die fehlende Verweisung ist wahrscheinlich lediglich das Ergebnis eines Redaktionsversehens. Im Referentenentwurf waren für die SE zunächst nur Soll-Vorschriften vorgesehen, für die keine Regelungen der Rechtsfolgen bei Missachtung der Quote erforderlich waren. Nach der Konzeptänderung des Gesetzgebers wurde in der Schlussphase des Gesetzgebungsverfahrens die regelungstechnische Umsetzung nur unvollständig durchgeführt.645) Die Intention des Gesetzgebers ist jedenfalls eindeutig.646) 3. Rechtsfolgen bei Nichterfüllung der verbindlichen Geschlechterquote 354 Obwohl weder für die dualistisch noch für die monistisch strukturierte SE die Rechtsfolge bei Nichterfüllung der Geschlechterquote ausdrücklich in § 17 Abs. 2 bzw. § 24 Abs. 3 SEAG geregelt ist, droht bei einem Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben der „leere Stuhl“.647) Die in § 96 Abs. 2 Satz 6 AktG angeordnete Nichtigkeitsfolge bei Verstoß gegen die Geschlechterquote ist für die SE entsprechend anwendbar. Dies folgt aus der Generalver___________ 641) Art. 43 Abs. 4 der SE-VO ermächtigt den nationalen Gesetzgeber, für die im deutschen Aktiengesetz nicht geregelte monistisch strukturierte SE entsprechende Vorschriften zu erlassen; vgl. auch Schäfer, in: MünchKomm-AktG, Art. 9 SE-VO Rn. 3. 642) Vgl. BT-Drucks. 18/4227, S. 22. 643) Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 905. 644) Die Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Leitungsstruktur ergibt sich aus Art. 38 b) SE-VO. 645) Stüber, DStR 2015, 947, 951. 646) Vgl. BT-Drucks. 18/4227, S. 22; Grobe, AG 2015, 289, 298; Stüber, CCZ 2015, 38, 39. 647) Siehe hierzu ausführlich Rn. 219 ff.
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II. Geschlechterquote für Mitglieder des SE-Aufsichtsorgans
weisung des Art. 9 Abs. 1 c) ii) SE-VO. Diese Sicht wird an dieser Stelle ausweislich der Beschlussempfehlung auch vom Gesetzgeber geteilt.648) Es bleibt unverständlich, warum ein derartiger Rückgriff über die Generalverweisung hier möglich sein soll, nicht aber bei den oben beschriebenen Widerspruchsregelungen gegen die Gesamterfüllung. Hinsichtlich der Einzelheiten der Rechtsfolgen kann daher im Wesentlichen auf die Ausführungen unter Rn. 219 ff. verwiesen werden. Die Besonderheiten der dualistisch bzw. monistisch strukturierten SE werden im Folgenden dargelegt. a) Dualistisch strukturierte SE In der dualistisch geleiteten SE ist eine Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats 355 und eine Entsendung in den Aufsichtsrat unter Verstoß gegen das Mindestanteilsgebot gemäß § 96 Abs. 2 Satz 6 AktG nichtig. Im Falle der Einzelwahl gilt dies für denjenigen Wahlbeschluss, der als erster die Geschlechterquote verletzt. Bei einer sog. Blockwahl ist hingegen „die gesamte Wahl hinsichtlich des überrepräsentierten Geschlechts“ nichtig.649) Für die gewählten bzw. entsandten Vertreter des unterrepräsentierten Geschlechts bleibt die Wahl hingegen gültig.650) Praxistipp: Ziffer 5.4.3 Satz 1 des DCGK empfiehlt schon seit Jahren, die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder im Verfahren der sog. Einzelwahl durchzuführen. Nach Inkrafttreten der Geschlechterquote vereinfacht die Durchführung der Einzelwahl auch den Umgang mit der Geschlechterquote und sollte zur Vermeidung von Zweifelsfragen hinsichtlich der Nichtigkeit von Wahlbeschlüssen und zur Vereinfachung der Nachwahl bzw. Ersatzbestellung zukünftig ausschließlich angewendet werden.651)
Wie bereits ausgeführt, ist eine Differenzierung zwischen Anteilseigner- und 356 Arbeitnehmerseite im Aufsichtsorgan der SE nach der gesetzlichen Konzeption des § 17 Abs. 2 SEAG grundsätzlich nicht vorgesehen. Der Aufsichtsrat ist damit verpflichtet, die Geschlechterquote immer als Gesamtorgan zu erfüllen. Die zwingende Gesamterfüllung stellt die Praxis vor verschiedene Probleme, da die Wahl der Vertreter der Anteilseigner und der Vertreter der Arbeitnehmer in der Regel in getrennten Verfahren verläuft. Die Missachtung der Geschlechterquote durch die zuerst wählende Seite ist im Falle der Gesamterfüllung gesetzlich nicht sanktioniert. Die zuerst wählende Seite könnte weniger als die geforderte Geschlechterquote oder auch gar keine Ver-
___________ 648) 649) 650) 651)
Siehe hierzu Rn. 328; vgl. außerdem BT-Drucks. 18/4227, S. 22. Einzelheiten zu den verschiedenen Wahlverfahren siehe unter Rn. 187 ff. Vgl. BT-Drucks. 18/3784, S. 128. Grobe, AG 2015, 289, 296 f.
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D. Geschlechterquote und Frauenzielanteil in der SE und MgVG-Gesellschaft
treter eines bestimmten Geschlechts wählen und die andere Seite damit bei der nachfolgenden Wahl zur „Übererfüllung“ zwingen.652) 357 Verschärft wird die Problematik des zeitlichen Auseinanderfallens der verschiedenen Wahlakte hinsichtlich der Nichtigkeitsfolge durch die Besonderheiten der Arbeitnehmerbeteiligung in der SE. Sofern diese nicht auf Grundlage einer ausgehandelten SE-Beteiligungsvereinbarung, sondern auf der gesetzlichen Auffanglösung beruht, werden die Sitze der Arbeitnehmervertreter gemäß § 36 Abs. 1 SEBG auf verschiedene Mitgliedstaaten verteilt, so dass dem Aufsichtsrat auf der Arbeitnehmerseite mindestens ein ausländischer Vertreter angehören wird. 358 Allerdings richtet sich die Wahl der ausländischen Arbeitnehmervertreter auch in einer SE mit Sitz in Deutschland gemäß § 36 Abs. 2 SEBG nach den speziellen Vorschriften der jeweiligen Mitgliedstaaten. Nur hilfsweise – wenn in einem Mitgliedstaat eine derartige Regelung fehlt – übernimmt der SEBetriebsrat gemäß § 36 Abs. 2 SEBG ersatzweise auch diese Aufgabe und bestimmt die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsorgan der SE.653) Trotzdem sind die im SEAG (i. V. m. den Vorschriften aus dem Aktiengesetz) geregelten Vorgaben des deutschen Gesetzgebers zur Steigerung des Frauenanteils für das Aufsichtsorgan einer SE mit Sitz in Deutschland in allen Mitgliedstaaten zu beachten.654) Dass das Verfahren der Wahlen der Arbeitnehmervertreter in den verschiedenen Mitgliedstaaten auf nationalen Vorschriften beruht, berührt die Anwendbarkeit der Geschlechterquote im Ergebnis nicht. Allerdings gilt – jedenfalls nach Auffassung des Gesetzgebers – im Aufsichtsorgan der SE immer die Gesamterfüllung, wenn sich die Beteiligung der Arbeitnehmer nach der gesetzlichen Auffanglösung bestimmt. Ein Widerspruchsrecht gegen die Gesamterfüllung gemäß § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG besteht nur, wenn ein solches Recht in einer Beteiligungsvereinbarung ausdrücklich vereinbart wird.655) Daraus folgt, dass bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter im Ausland die deutsche Geschlechterquote zwar zu beachten ist. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit der quotenwidrigen Wahl und damit des „leeren Stuhls“ gemäß § 96 Abs. 2 Satz 6 AktG droht wegen der – nach Ansicht des Gesetzgebers – zwingenden Gesamtbetrachtung jedoch nur für die zuletzt wählende Seite. Beispiel: Der Aufsichtsrat einer paritätisch mitbestimmten SE besteht aus 16 Mitgliedern. Von den acht Arbeitnehmervertretern stammen sechs aus Deutschland und je einer ___________ 652) Vgl. BT-Drucks. 18/4227, S. 22; Beispiele siehe unter Rn. 340, 343. 653) Jacobs, in: MünchKomm-AktG, § 36 SEBG Rn. 5; Hohenstatt/Müller-Bonanni, in: Habersack/Drinhausen, § 36 SEBG Rn. 5 ff.; Rudolph, in: Annuß/Kühn/Rudolph/ Rupp, § 36 SEBG Rn. 5, 10; Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 906. 654) Vgl. Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 266 f. 655) Siehe hierzu Rn. 346 ff.
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II. Geschlechterquote für Mitglieder des SE-Aufsichtsorgans
aus Frankreich und Belgien. Eine entsprechende Geschlechterquote besteht weder in Frankreich noch in Belgien. Findet die Wahl der Arbeitnehmervertreter – wie in der Praxis üblich – vor 359 der Wahl der Anteilseignervertreter statt, sind die Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten zwar an die Vorgaben der deutschen Geschlechterquote gebunden. Doch fehlt eine Sanktion für eine quotenwidrige Wahl. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist auch kein Widerspruch gegen die Gesamterfüllung möglich, so dass im Ergebnis die Anteilseignerseite allein für die Erfüllung der Geschlechterquote verantwortlich ist und ggf. mehr als 30 % des unterrepräsentierten Geschlechts stellen muss. Dieses Risiko lässt sich durch eine entsprechend gestaltete SE-Beteiligungs- 360 vereinbarung gemäß § 21 SEBG vermeiden. Dort kann das Verfahren, nach dem die Arbeitnehmer die Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans der SE wählen oder bestellen oder deren Bestellung empfehlen oder ablehnen können, einvernehmlich geregelt werden.656) Es liegt im Verantwortungsbereich der Unternehmensleitung bzw. der Arbeitnehmervertreter, eine für die jeweilige SE praktikable Vereinbarung zu treffen. Die gesetzliche Grenze der Vereinbarungsfreiheit bildet in Zukunft § 17 Abs. 2 SEAG, der vorschreibt, dass der Aufsichtsrat als Gesamtorgan betrachtet zu mindestens 30 % aus Frauen und zu mindestens 30 % aus Männern bestehen muss. Praxistipp: In der SE-Beteiligungsvereinbarung sollte – bei Vereinbarung des Widerspruchsrechts gegen die Gesamterfüllung – unter anderem geregelt werden, dass der SE-Betriebsrat657) die Vertreter der Arbeitnehmer bestimmt und die Wahl bei Verfehlung der Mindestvorgaben insgesamt nichtig ist. Damit würde der SE-Betriebsrat zu einer gesetzeskonformen Ausübung seines Wahlrechts gezwungen.
Im Übrigen gelten die Ausführungen zu den Rechtsfolgen bei Nichter- 361 füllung der verbindlichen Geschlechterquote in der Aktiengesellschaft für die dualistisch strukturierte SE entsprechend.658) Dies gilt auch für die Möglichkeiten einer Nachwahl bzw. der Ersatzbestellung. b) Monistisch strukturierte SE Der Gesetzgeber hat in der monistisch strukturierten SE den gesamten Ver- 362 waltungsrat der Geschlechterquote unterworfen. Die gesetzliche Regelung differenziert nicht zwischen geschäftsführenden und sonstigen Direktoren, ___________ 656) Siehe bereits unter Rn. 347 ff.; Hohenstatt/Müller-Bonanni, in: Habersack/Drinhausen, § 21 SEBG Rn. 24 f.; Jacobs, in: MünchKomm-AktG, § 21 SEBG Rn. 19a; Rudolph, in: Annuß/Kühn/Rudolph/Rupp, § 21 SEBG Rn. 11. 657) Damit wird ein aufwendiges Wahlverfahren in den einzelnen Mitgliedstaaten entbehrlich. 658) Siehe hierzu Rn. 219 ff.
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D. Geschlechterquote und Frauenzielanteil in der SE und MgVG-Gesellschaft
so dass die Geschlechterquote alle Mitglieder des Verwaltungsrats betrifft.659) Mithin kann die Nichtigkeitsfolge der Wahl bzw. Bestellung auch einen geschäftsführenden Direktor und nicht nur die sonstigen Mitglieder des Verwaltungsorgans treffen, wenn nach einer Gesamtbetrachtung ein Geschlecht im Verwaltungsrat unterrepräsentiert ist. Solange der EuGH diese Benachteiligung der monistischen SE duldet, muss sich die Praxis mit den gesteigerten Anforderungen in der monistisch strukturierten SE arrangieren. Beispiel: Besteht der Verwaltungsrat der monistischen SE insgesamt aus 20 Mitgliedern (zehn geschäftsführende Direktoren und zehn überwachende Direktoren), müssen mindestens sechs Mitglieder Männer und mindestens sechs Mitglieder Frauen sein. Würden hingegen nur die überwachenden Direktoren der Geschlechterquote unterworfen, müssten dem Verwaltungsrat lediglich drei Frauen angehören. Sollten dem Verwaltungsrat sechs Frauen (darunter auch die Vorsitzende) und 14 Männer angehören und die Vorsitzende zurücktreten, wäre die Wahl bzw. Bestellung eines männlichen Nachfolgers ab dem 1. Januar 2016 nichtig. III. Frauenzielanteil für Geschäftsleitung und Leitungsebenen 1. Gesetzlicher Rahmen für die Festlegung eines Frauenzielanteils in der SE 363 Die Pflicht, für die Geschäftsleitung und in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung Frauenzielanteile festzulegen, gilt entsprechend auch für die SE. In der dualistisch strukturierten SE (mit Vorstand und Aufsichtsrat) ergibt sich die entsprechende Anwendung der §§ 76 Abs. 4, 111 Abs. 5 AktG unproblematisch über die Generalverweisung in Art. 9 Abs. 1c) ii) SE-VO.660) Ab dem 30. September 2015 ist der Vorstand demnach verpflichtet, Frauenzielanteile für die ersten beiden Führungsebenen zu bestimmen.661) Das Aufsichtsorgan der SE trifft eine entsprechende Pflicht für sich selbst (sofern die SE nicht in den Anwendungsbereich der Geschlechterquote fällt) und den Vorstand. 364 Schwieriger ist die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben bei der monistisch strukturierten SE (mit nur einem Verwaltungsrat als Leitungsorgan). Der Gesetzgeber verweist undifferenziert auf § 22 Abs. 6 SEAG. Dort ist geregelt, dass Rechtsvorschriften, die außerhalb des SEAG dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft Rechte oder Pflichten zuweisen, sinngemäß für den Verwaltungsrat gelten, soweit im SEAG für den Verwaltungsrat und für die geschäftsführenden Direktoren keine besonderen Regelungen enthalten sind. Obwohl in §§ 20 ff. SEAG das Leitungssystem der ___________ 659) Vgl. BT-Drucks. 18/4227, S. 22; Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 905. 660) BT-Drucks. 18/4227, S. 22; Grobe, AG 2015, 289, 299; zweifelnd: Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 905 f. 661) Die Ausführungen unter Rn. 281 ff. gelten für die dualistisch strukturierte SE entsprechend.
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III. Frauenzielanteil für Geschäftsleitung und Leitungsebenen
monistischen SE grundsätzlich abschließend geregelt ist und § 20 SEAG die Anwendbarkeit der §§ 76 – 116 AktG grundsätzlich ausschließt, ist es im Ergebnis richtig, über § 22 Abs. 6 SEAG die Pflicht, für die Geschäftsleitung und in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung Frauenzielanteile festzulegen, entsprechend auch in der monistisch strukturierten SE anzuwenden.662) In den §§ 20 ff. SEAG wurde die Verteilung der Geschlechter auf die Leitungsorgane und die oberen beiden Führungsebenen überhaupt nicht geregelt. Der Gesetzgeber hat sich ausweislich der Beschlussempfehlung nicht bewusst gegen die Festlegung von Frauenzielanteilen in der monistisch strukturierte SE entschieden, sondern diese Möglichkeit lediglich nicht bedacht. Mithin steht ein Rückgriff auf die Vorschriften des Aktiengesetzes auch nicht im Widerspruch zu einer abschließenden gesetzlichen Regelung. § 20 Abs. 6 SEAG ist weit auszulegen und ermöglicht als „generelle Auffangnorm für Fälle, an die man bei der Ausgestaltung des monistischen System nicht gedacht“ hat, die entsprechende Anwendung von § 76 Abs. 4 AktG und § 111 Abs. 5 AktG.663) Die Pflicht für den „Vorstand“, Frauenzielanteile festzulegen, lässt sich logi- 365 scherweise nicht auf die monistisch strukturierte SE übertragen. Folglich kann lediglich eine Pflicht des Verwaltungsrats bestehen, für sich selbst sowie die beiden nachfolgenden Führungsebenen Frauenzielanteile zur Steigerung des Frauenanteils festzulegen. Praxistipp: Besteht unterhalb des Vorstands nur eine Leitungsebene, bezieht sich die gesetzliche Verpflichtung auch nur auf diese Führungsebene. Gibt es unterhalb des Vorstands bzw. der Geschäftsführung keine weitere Führungsebene (z. B. in einer reinen Holdinggesellschaft), entfällt die Pflicht zur Festlegung eines Frauenzielanteils.664)
2. Verhältnis zum AGG Aus arbeitsrechtlicher Sicht bestehen hinsichtlich des Verhältnisses des 366 GgTFMF mit dem AGG noch erhebliche Rechtsunsicherheiten. Fraglich ist, welche Konsequenzen sich bei Befolgung bzw. Verfehlung des festgelegten Frauenzielanteils aus dem AGG ergeben könnten.665) In Betracht kommen AGG-Klagen auf Entschädigung und Schadensersatz bei einer Benachteiligung aus Gründen des Geschlechts (§§ 15 Abs. 1 und 2 AGG). Nach § 22 AGG trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass keine Benachteiligung vorliegt, wenn der Arbeitnehmer Indizien beweist, die eine Benachteiligung ___________ 662) Ausführlich bei Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 905. 663) Siehe Teichmann/Rüb, BB 2015, 898, 906; Grobe, AG 2015, 289, 299; vgl. auch BTDrucks. 18/4227, S. 22. 664) Seibt, ZIP 2015, 1193, 1205; siehe hierzu unter Rn. 298. 665) Göpfert/Rottmeier, ZIP 2014, 670 672; Ohmann-Sauer/Langemann, NZA 2014, 1120, 1125.
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D. Geschlechterquote und Frauenzielanteil in der SE und MgVG-Gesellschaft
wegen des Geschlechts vermuten lassen.666) Dabei genügt es, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die genannten Gründe Bestandteil eines Motivbündels waren, das die Entscheidung beeinflusst hat.667) Beispiel: Ein Unternehmen hat sich für die oberen beiden Führungsebenen den ambitionierten Frauenzielanteil von 50 % vorgenommen, obwohl derzeit nur fünf von 50 Führungskräften weiblich sind. Der Umsetzungszeitraum läuft in wenigen Monaten ab. In einem Bewerbungsverfahren wird ein männlicher Bewerber abgelehnt und die freie Position wird mit einer Frau besetzt. 367 Der unterlegene Bewerber könnte eine Benachteiligung aufgrund seines Geschlechts geltend machen und als Indiz auf die drohende Verfehlung des angestrebten Frauenzielanteils verweisen. Zwar bleibt die Verfehlung des angestrebten Anteils ohne gesetzliche Sanktion, doch wird über die Berichtspflichten ein erheblicher öffentlicher Druck erzeugt. Dieser wird in den nächsten Jahren vermutlich weiter zunehmen. Mithin ist die Befürchtung zumindest nicht völlig fernliegend, dass das Geschlecht der Bewerberin als Bestandteil eines Motivbündels die Auswahlentscheidung tatsächlich beeinflusst hat.668) Die Gerichte werden in Zukunft zu klären haben, ob und ggf. in welchen Konstellationen unverbindliche Frauenzielanteile eine Benachteiligung indizieren können.669) Praxistipp: Um sich gegen eine AGG-Klage effektiv verteidigen zu können, sollte der Arbeitgeber ein differenziertes Stellenbesetzungs- und Beurteilungsverfahren schaffen und so die Auswahlentscheidung transparent und gerichtlich nachprüfbar machen.
IV. MgVG-Gesellschaften 1. Geschlechterquote für Mitglieder des Aufsichtsorgans 368 Für Gesellschaften, welche aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen sind, gilt das MgVG (vgl. § 3 MgVG). Eine grenzüberschreitende Verschmelzung ist eine Verschmelzung, bei der mindestens eine der beteiligten Gesellschaften dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unterliegt.670) Der Gesetzgeber hat für diese ___________ 666) Schlachter, in: Erfurter-Komm, § 22 AGG Rn. 2. 667) BAG, Urt. v. 22.10.2009 – 8 AZR 642/08, AP AGG § 15 Nr. 2 = NZA 2010, 280, 282 f.; Thüsing, in: MünchKomm-BGB, § 22 AGG Rn. 10. 668) Ohmann-Sauer/Langemann, NZA 2014, 1120, 1125. 669) Ablehnend Göpfert/Rottmeier, ZIP 2015, 670, 672. 670) Thüsing/Forst; in: Habersack/Drinhausen § 3 MgVG Rn. 2 ff.; Annuß, in: Annuß/Kühn/ Rudolph/Rupp, § 3 MgVG Rn. 1.
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IV. MgVG-Gesellschaften
Gesellschaften im Hinblick auf die Geschlechterquote richtigerweise eine Vorschrift im Aktiengesetz geschaffen (§ 96 Abs. 3 AktG). Diese Sonderregelung findet nach dem weiten Wortlaut („hervorgegangen“) auf Fälle der Verschmelzung zur Aufnahme sowie der Verschmelzung zur Neugründung Anwendung. Die gesetzlichen Mindestquoten zur Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen sind in jeder MgVG-Gesellschaft mit Sitz in Deutschland verbindlich.671) Die Sonderregelung ist erforderlich, weil die deutschen Mitbestimmungsgesetze auf die an der grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligten Gesellschaften gemäß § 5 MgVG grundsätzlich nicht anzuwenden sind.672) Bei börsennotierten Gesellschaften, die aus einer grenzüberschreitenden Ver- 369 schmelzung hervorgegangen sind und bei denen nach dem MgVG bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besteht, müssen ab dem 1. Januar 2016 gemäß § 96 Abs. 3 AktG in dem Aufsichts- oder Verwaltungsorgan Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 30 % vertreten sein. Nach dem Wortlaut der Norm muss die paritätische Beteiligung der Arbeitnehmervertreter „nach dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer“ bestehen. In der Literatur wird argumentiert, dass im Falle einer ausgehandelten Beteiligungsvereinbarung die Mitbestimmung nicht nach dem MgVG, sondern auf Grundlage einer privatautonomen Vereinbarung bestehe und daher § 96 Abs. 3 AktG nicht anwendbar sei.673) Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen. Die gesetzliche Geschlechterquote ist 370 auch im Falle einer ausgehandelten Beteiligungsvereinbarung zu beachten.674) Auch eine privatautonom ausgehandelte Beteiligungsvereinbarung hat die sog. Innen- und Außengrenzen des MgVG einzuhalten und kann nicht unabhängig vom MgVG bestehen. Das MgVG erlaubt den Parteien lediglich, einen weiten Gestaltungsspielraum zu nutzen, um ein für das jeweilige Unternehmen maßgeschneidertes Mitbestimmungsregime zu vereinbaren. Trotzdem beruht die Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter weiterhin auf den gesetzlichen Vorgaben und kommt „nach dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer“ zustande. Darüber hinaus gilt die Geschlechterquote nur für Gesellschaften, die paritä- 371 tisch mitbestimmt sind. Wie bei der SE können die Leitung der MgVG-Gesellschaft und das Besondere Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer in einer Beteiligungsvereinbarung das Mitbestimmungsregime frei aushandeln.675) ___________ 671) Siehe zum Anwendungsbereich ausführlich Rn. 280 ff. 672) Vgl. Annuß, in: Annuß/Kühn/Rudolph/Rupp, § 5 MgVG Rn. 2. 673) Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 59, der die Geschlechterquote nicht für anwendbar hält, wenn die paritätische Mitbestimmung auf einer Beteiligungsvereinbarung beruht; siehe hierzu ausführlich Rn. 430 ff. 674) Grobe, AG 2015, 289, 298; Seibt, ZIP 2015, 1193, 1201. 675) Siehe hierzu Rn. 330 f.
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D. Geschlechterquote und Frauenzielanteil in der SE und MgVG-Gesellschaft
Auch bei Gesellschaften mit in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmern kann die MgVG-Beteiligungsvereinbarung – wie bei der SE – eine unterparitätische Beteiligung der Arbeitnehmer bestimmen (z. B. zehn Anteilseignervertreter, neun Arbeitnehmervertreter und ein neutrales Mitglied). In diesem Fall findet die Geschlechterquote keine Anwendung.676) Wie bei der SE könnte bei bestimmten Gestaltungen in der Öffentlichkeit der Eindruck einer „Flucht aus der Geschlechterquote“ entstehen. In der Praxis muss jedes Unternehmen abwägen, ob die durch eine entsprechende Gestaltung der Beteiligungsvereinbarung gewonnene Flexibilität bei der Besetzung des Aufsichtsrats einen möglichen Reputationsschaden überwiegt.677) 372 Sollten die Parteien keine Einigung erzielen oder die Verhandlungen gemäß § 18 MgVG abbrechen, kann eine paritätische Mitbestimmung auch auf der sog. gesetzlichen Auffanglösung gemäß §§ 23 ff. MgVG beruhen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn in einer der beteiligten Gesellschaften bereits eine paritätische Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat bestand. Paritätisch mitbestimmt sind in Deutschland nach dem Mitbestimmungsgesetz AGs, KGaAs, GmbHs und Genossenschaften, die in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigten (§ 1 Abs. 1 MitbestG). 373 Die Wahl der Arbeitnehmervertreter wird in der Regel nach speziellen Regelungen der verschiedenen Mitgliedstaaten vollzogen (§ 25 Abs. 2 MgVG).678) Nur wenn solche Regelungen fehlen, bestimmt das Besondere Verhandlungsgremium gemäß § 25 Abs. 2 MgVG die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsoder Verwaltungsorgan der aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft. 374 Wie bei der SE679) ist in § 96 Abs. 3 AktG auch in einer MgVG-Gesellschaft im Falle der gesetzlichen Auffanglösung nur die Gesamterfüllung der Geschlechterquote im Aufsichtsorgan vorgesehen.680) Nach Ansicht des Gesetzgebers ist nur das Aufsichtsorgan der MgVG-Gesellschaft als Gesamtorgan verpflichtet, dem Mindestanteil der verschiedenen Geschlechter zu entsprechen. Ein Widerspruchsrecht gegen die Gesamterfüllung gemäß § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG besteht nur, wenn ein solches Recht in einer Beteiligungsvereinbarung ausdrücklich vereinbart wurde.681) Da § 96 Abs. 3 Satz 2 AktG auf § 96 Abs. 2 Satz 6 AktG und damit auf die Rechtsfolge des „leeren Stuhls“ verweist, ist eine quotenwidrige Wahl nichtig.682) Dies betrifft aufgrund der zwingenden Gesamterfüllung der Geschlechterquote im Aufsichts___________ 676) Seibt, ZIP 2015, 1193, 1201; Grobe, AG 2015, 289, 298; zur SE: Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 266; siehe auch Rn. 330. 677) Siehe hierzu Rn. 331. 678) Grobe, AG 2015, 289, 298; Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 267. 679) Siehe hierzu Rn. 340 ff. 680) Ebenso Stüber, DStR 2015, 947, 950. 681) Siehe hierzu Rn. 347 ff. 682) Siehe hierzu Rn. 354 ff.
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IV. MgVG-Gesellschaften
organ einer MgVG-Gesellschaft allerdings grundsätzlich nur die zuletzt wählende Seite.683) Praxistipp: Bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung auf eine deutsche Gesellschaft muss beachtet werden, dass ab dem 1. Januar 2016 der Aufsichtsrat ggf. die Geschlechterquote zu erfüllen hat. Die Anwendbarkeit der gesetzlichen Geschlechterquote lässt sich jedoch vermeiden, indem in der Mitbestimmungsvereinbarung eine unterparitätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer vereinbart wird.
2. Frauenzielanteil für Geschäftsleitung und Leitungsebenen Die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangene Ge- 375 sellschaft ist – im Gegensatz zu der SE – keine originäre europäische Rechtsform. Ob in einer MgVG-Gesellschaft auch die Pflicht zur Festlegung von Frauenzielanteilen in Führungspositionen besteht, bestimmt sich allein nach den für die jeweilige MgVG-Gesellschaft maßgeblichen gesellschaftsrechtlichen Vorgaben.684) Eine grenzüberschreitende Verschmelzung bewirkt, dass die übertragende Gesellschaft in der übernehmenden Gesellschaft aufgeht.685) Für letztere gilt nach der grenzüberschreitenden Verschmelzung ausschließlich das für sie einschlägige Gesellschaftsrecht.686) Die Pflicht zur Festlegung von Frauenzielanteilen gilt für die übernehmende Gesellschaft folglich nur dann, wenn diese Gesellschaft originär in den Anwendungsbereich der jeweiligen Vorschrift fällt (z. B. § 76 Abs. 4 AktG). Beispiel: Sofern das aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangene Unternehmen i. S. d. § 3 Abs. 2 AktG börsennotiert ist oder jedenfalls in den Geltungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes fällt, hat es ab dem 30. September 2015 Frauenzielanteile für den Aufsichtsrat und den Vorstand bzw. die Geschäftsführung sowie für die beiden nachgeordneten Führungsebenen festzulegen.
___________ 683) Siehe hierzu ausführlich Rn. 433. 684) Siehe zum Anwendungsbereich ausführlich Rn. 280 ff. 685) Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 122a UmwG Rn. 4 m. w. N; Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 267; Grobe, AG 2015, 289, 297. 686) Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 267; Grobe, AG 2015, 289, 297.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten: Internationales Privatrecht Der Anwendungsbereich des GgTFMF sieht bei typischen Auslandssachver- 376 halten wie folgt aus: Seibt/Cziupka
Kurzüberblick über den Anwendungsbereich des GgTFMF in typischen Auslandssachverhalten: Die Vermeidung der nationalen Regelungen der festen Geschlechterquote im Aufsichtsrat wie auch der Frauenzielquoten ist durch internationale Gestaltungen möglich (Quoten-Vermeidungsstrategien). Die Quotenregelungen sind nicht auf ausländische Rechtsformen (inklusive der sog. Scheinauslandsgesellschaften) anwendbar, auch wenn diese funktional mit den erfassten inländischen Gesellschaften vergleichbar sein sollten. Kollisionsrechtlich sind die Regelungen zur Geschlechterquote gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren (siehe Rn. 383 ff.). Wann immer eine Gesellschaft ausländischem Gesellschaftsstatut unterliegt, unterfällt sie nicht den Quotenregelungen, weil diese Regelungen kollisionsrechtlich nicht zur Anwendung berufen sind. Eine Sonderanknüpfung aller oder zumindest einiger Regelungen zur festen Geschlechterquote oder zu den Frauenzielquoten als Eingriffsnormen scheidet aus (siehe Rn. 391 ff.). Wichtige Ergebnisse im Einzelüberblick: x Für EU/EWR-Auslandsgesellschaften, auch jene, die funktional den von Regelungen der festen Geschlechterquote bzw. Frauenzielquoten erfassten Gesellschaften entsprechen, bedeutet dies: Isolierte Sitzaufspaltungen (Satzungssitz im Ausland, ursprünglicher Verwaltungssitz im Inland oder nachträgliche Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland, sog. Zuzugsfälle) führen nicht dazu, dass diese Gesellschaften von den Quotenregelungen erfasst wären. Dies gilt auch dann, wenn die betreffenden Gesellschaften substantielle Betriebs- oder Produktionsstätten im Inland haben. Sollte das Recht des Gründungsstaates Geschlechterquotenregelungen vorsehen, wären diese zur Anwendung berufen; sollte dies nicht der Fall sein, griffe überhaupt keine Quotenregelung ein (siehe ausführlich Rn. 387 ff.). x Wird (auch) der Satzungssitz einer EU/EWR-Auslandsgesellschaft ins Inland verlegt (grenzüberschreitender Hereinformwechsel), unterliegt die dadurch in eine deutsche Rechtsform umgewandelte Gesellschaft den jeweils für sie einschlägigen Regelungen zur festen Geschlechterquote im Aufsichtsrat und/oder den Regelungen zu den Frauenzielquoten. Ob die betreffenden Quotenregelungen tatsächlich zur Anwendung gelangen, hängt allerdings davon ab, ob sie auch sachrechtlich einschlägig sind (wofür bei der festen Geschlechterquote kumulativ Börsennotierung und (quasi-)paritätische Mitbestimmung vorliegen müssten).
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten x Für inländische Gesellschaften, die dem sachlichen Anwendungsbereich der Regelungen zur festen Geschlechterquote und/oder zu den Frauenzielquoten unterfallen, bedeutet dies: Verlegen sie allein ihren Verwaltungssitz ins EUAusland (isolierte Verwaltungssitzverlegung, sog. Wegzugsfälle), ist dadurch eine „Flucht“ vor diesen Quotenregelungen nicht möglich; die Regelungen sind kollisionsrechtlich weiterhin zur Anwendung berufen. Zu prüfen ist dann allerdings, wiederum auf Ebene des Sachrechts, ob die Gesellschaft weiterhin über eine für die paritätische Mitbestimmung erforderliche Anzahl inländischer Arbeitnehmer verfügt. Ist dies nicht der Fall, findet die feste Quote keine Anwendung (mehr) (siehe Rn. 386 ff.). x Verlegt eine inländische Gesellschaft ihren Satzungssitz ins EU-Ausland (in Kumulation zur Verwaltungssitzverlegung, sog. grenzüberschreitender Herausformwechsel), sind die Quotenregelungen aufgrund eines dadurch eintretenden Statutenwechsels (vom inländischen zum ausländischen Gesellschaftsstatut) nach derzeitiger Rechtslage nicht mehr zur Anwendung berufen. x Führen inländische Gesellschaften eine grenzüberschreitende Verschmelzung mit einem ausländischen Zielrechtsträger durch, sind die Regelungen zur festen Geschlechterquote ebenso wie jene zu den Frauenzielquoten auf die aufnehmende ausländische Gesellschaft (Verschmelzung zur Aufnahme) bzw. auf die bereits existierende ausländische Gesellschaft (Verschmelzung zur Neugründung) ebenfalls nicht anwendbar. Anwendbar sind sie jedoch, wenn der Zielrechtsträger seinen Satzungssitz im Inland hat (siehe Rn. 426 ff.).
I. Problemaufriss 1. Quotenregelungen und Sachverhalte mit Auslandsbezug 377 Findet die feste Geschlechterquote auch auf eine englische Public Limited Company („PLC“) Anwendung, sofern diese ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat und hier ihre wesentlichen geschäftlichen Aktivitäten entfaltet? Bleibt die feste Geschlechterquote weiterhin auf eine deutsche börsennotierte und paritätisch mitbestimmte AG anwendbar, wenn diese sich entscheidet, isoliert ihren Verwaltungssitz ins EU-Ausland zu verlegen, allerdings ihren deutschen Satzungssitz und damit ihre Identität als deutsche Gesellschaft beizubehalten (sog. rechtsformwahrende Sitzverlegung)? Oder aber: Findet die feste Geschlechterquote oder die Frauenzielquote auch dann weiterhin Anwendung, wenn eine deutsche Gesellschaft ihren Satzungssitz grenzüberschreitend verlegen sollte,687) um sich auf diese Weise (mit oder ohne Beibehaltung des Verwaltungssitzes im Inland) identitätswahrend in eine ausländische Gesellschaft umzuwandeln (sog. grenzüberschreitender Formwechsel)? Und schließlich: Wie verhält es sich, wenn Gesellschaften im europäischen Binnenmarkt von der Möglichkeit grenzüberschreitender Verschmelzungen Gebrauch machen? 378 In allen diesen Fällen grenzüberschreitender Sachverhalte ist zunächst das Internationale Privatrecht (Kollisionsrecht) als Rechtsanwendungsrecht be___________ 687) Dieser Weg ist freilich noch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, siehe nur Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rn. 16 ff.
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Seibt/Cziupka
I. Problemaufriss
rufen festzulegen, welcher Rechtsordnung etwaige Geschlechterquotenvorgaben für die unternehmensinterne Organ- und Führungskräftebesetzung zu entnehmen sind. Um den Anwendungsradius der deutschen Quotenregelungen zu ermessen, ist daher ihre internationale Reichweite zu beleuchten und dabei folgender Ausgangspunkt in Rechnung zu stellen: Die rechtspolitischen Motive, die hinter der legislativen Vorgabe einer Geschlechterquote liegen, seien diese nun solche der Effizienz durch Diversität („Diversität als Instrument“) und/oder der distributiven Gerechtigkeit durch Diversität („Diversität als Zweck an sich“), liegen grundsätzlich außerhalb des „Interessenbereichs“ des Kollisionsrechts. Das Kollisionsrecht als rein formal-abstraktes Rechtsanwendungsrecht sucht nach traditioneller Sichtweise nicht nach materieller Gerechtigkeit, sondern versucht vor allem, internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit zu bewirken und damit jenes Recht zur Anwendung zu bringen, zu welchem der betreffende Sachverhalt die engste Verbindung aufweist. Hierbei sind traditionell vor allem geographisch bestimmte Anknüpfungsmomente relevant („Sitz des Rechtsverhältnisses“).688) „Gerechtigkeit“ bedeutet im internationalprivatrechtlichen Kontext in vorliegendem Zusammenhang für weibliche wie männliche Aufsichtsratskandidaten im Ausgangspunkt nicht mehr, als dass die Fragen der Zusammensetzung dieses Gremiums jenem Recht unterliegen sollen, zu welchem diese Fragen die engste Verbindung aufweisen. Letztlich trägt das offene Kollisionsrecht insoweit dem Befund der mangelnden Allgemeingültigkeit und Verobjektivierbarkeit spezifischer Gerechtigkeitserwägungen Rechnung: Ob das nunmehr vom deutschen Gesetzgeber nach langwierigen Diskussionen erarbeitete und nun seinerseits einen politischen Kompromisscharakter tragende GgTFMF in seiner konkreten Ausgestaltung das materiell „bessere“ Recht im Vergleich zu jenem der Länder ohne, mit gleichen oder gar höheren Quotenregelungen (aber ggf. mit abweichender Sanktionierungsweise) darstellt, ist zwar einem argumentativen Diskurs zugänglich, nicht aber absolut bestimmbar. Dennoch kann ein bestimmtes kollisionsrechtliches Ergebnis aus der Warte 379 einer nationalen Rechtsordnung als unbefriedigend empfunden werden, vornehmlich weil hierdurch wirtschafts- oder sozialpolitische Regelungsintentionen bestimmter Sachnormen fehlschlagen. Nationale Schutzinteressen, die mit bestimmen Normen verbunden sind, drohen insbesondere dann unterlaufen zu werden, wenn Akteure auf dem Markt für Rechtsprodukte eine ihnen präferenzkonform erscheinende ausländische Rechtsordnung als statutarische „Heimat“ ihrer Gesellschaft wählen, trotzdem aber im Inland ihre wesentlichen unternehmerischen Aktivitäten entfalten. In diesem Lichte wird auch mit Blick auf die Regelungen insbesondere zur 380 festen Geschlechterquote die Befürchtung geäußert, Scheinauslandsgesellschaften („Pseudo-Foreign-Corporations“) könnten die Vorteile der (europäisch indizierten) Gründungstheorie nutzen, um hierdurch diese nationalen Ord___________ 688) Vgl. zu diesem Ansatz Savignys nur Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 132.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten
nungsvorschriften gezielt zu umgehen, obgleich sie wesentlich auf dem nationalen Marktort operieren, für welchen die Geschlechterquote gerade ihre sozialpolitischen Regelungsziele zu verwirklichen sucht. Verwiesen wird hier auf die Erfahrungen, die in Norwegen mit der Einführung einer 40-prozentigen Quote gemacht wurden: Hier ist es zu einer beträchtlichen Tendenz zur Vermeidung der Rechtsform der dortigen Aktiengesellschaft gekommen, Ausweichstrategien wurden mithin breitflächig ersonnen und umgesetzt.689) Stellt man in Rechnung, dass die deutsche feste Geschlechterquote allein solche Gesellschaften erfassen soll, die nicht nur börsennotiert sind, sondern überdies auch noch einer Form der (quasi-)paritätischen Mitbestimmung unterliegen, könnte die ohnehin zu konstatierende Flucht vor der deutschen Unternehmensmitbestimmung neuen Auftrieb erhalten: Die Kumulation von Unternehmensmitbestimmung und Geschlechterquote könnte mithin eine Trendbewegung dahingehend verstärkt auslösen, dass börsennotierte Unternehmen vermehrt Rechtsarbitrage690) betreiben – sei es in Gestalt von Gesellschaften, die nach ausländischem Recht wirksam gegründet worden sind, aber ihren Sitz nach Deutschland verlegt haben, oder solchen, die von Anfang an über einen Verwaltungssitz in Deutschland bei statutarischem Auslandssitz verfügen. Die Möglichkeit, inländisches, materiell zwingendes Recht, das die binnengesellschaftliche Organisationsautonomie erheblich beschneidet, durch die Wahl eines ausländischen Satzungssitzes zu vermeiden,691) wird insbesondere gerade auch für Unternehmen, die vor einem Börsengang (IPO) stehen, eine wichtige Zweckmäßigkeitsüberlegung bilden.692) 381 Ein wesentlicher Teil der nachfolgenden Ausführungen widmet sich der Frage, ob eine solche „Flucht“ vor den deutschen Quotenregelungen überhaupt rechtlich möglich ist. Praxistipp: Vorgehen bei der Ermittlung der Anwendbarkeit der deutschen Quotenregelungen in Auslandssachverhalten693) I. Zuständigkeitsebene 1. Ermittlung des Rechtsschutzziels
___________ 689) Weller/Harms/Rentsch/Thomale, ZGR 2015, 361 mit Verweis auf Ahern/Dittmar, The Changing of the Boards: The Impact on Firm Valuation of Mandated Female Board Representation, The Quarterly Journal of Economics (2012) 127 (1), 137, 183 ff. 690) Weller, in: FS Blaurock, S. 497, 511; kritisch zu diesem Begriff im Lichte des mit ihm (angeblich) verbundenen Euphemismus Kindler, ZHR 179 (2015), 330, 369. 691) Insofern ist auch materiell zwingendes Recht auf einer Metaebene, nämlich jener des Kollisionsrechts, (in gewissen Grenzen) dispositiv. 692) So auch Windbichler, NJW 2012, 2625, 2627. 693) Diese Prüfungsreihenfolge ist an der für den Praktiker sehr hilfreichen „Checkliste zur Lösung grenzüberschreitender Fälle“ von Lorenz, in: BeckOK-BGB, Einl. zum IPR Rn. 94 orientiert.
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Seibt/Cziupka
I. Problemaufriss 2. Ermittlung der internationalen Zuständigkeit für das konkrete Rechtsschutzziel, denkbar hier: x
Feststellung der quotenwidrigen Besetzung
x
Haftungsprozess aufgrund „Legalitätspflichtverletzung“ durch Vorstand/Aufsichtsrat wegen quotenwidriger Besetzung
II. Kollisionsrechtliche Ebene 1. Ermittlung der einschlägigen Kollisionsnorm x
Qualifikation der Quotenregelungen nach der lex fori (zur Klärung der Frage, welchem kollisionsrechtlichen Systembegriff die Quotenregelungen zuzuordnen sind)694)
x
Ermittlung der anwendbaren Kollisionsnorm (unter deren Systembegriff die Quotenregelungen fallen)695)
x
Prüfung, ob Quotenregelungen einer Sonderanknüpfung als Eingriffsnormen unterliegen und, bejahendenfalls, ob diese Sonderanknüpfung im Hinblick auf EU/EWR-Auslandsgesellschaften unionsrechtskonform ist oder ob diese Gesellschaften nicht vielmehr durch die Niederlassungsfreiheit vor der Anwendung der inländischen Quotenregelungen geschützt sind (wenn Eingriffsnormcharakter und Unionsrechtskonformität bejaht würde:696) Direkter Übergang zur sachrechtlichen Ebene möglich)
2. Anwendung der einschlägigen Kollisionsnorm x
Auslegung des Anknüpfungsmoments der Kollisionsnorm697) und Anwendung auf den konkreten Sachverhalt
3. Rechtsfolgen x
Var. 1: Verweisung auf deutsches Recht – Quotenregelungen sind damit räumlich anwendbar
x
Var. 2: Verweisung auf ausländisches Recht (bei Ausspruch einer Sachnormverweisung:698) Deutsche Quotenregelungen sind nicht räumlich anwendbar; bei Ausspruch einer Gesamtverweisung: Deutsche Quotenregelungen sind nicht anwendbar, es sei denn, es kommt zur Rückverweisung auf deutsches Recht)
___________ 694) Wie unten darzulegen sein wird, unterfallen die Quotenregelungen dem Systembegriff des Gesellschaftsrechts. 695) Diese wird sich, wie unten zu zeigen sein wird, aus dem nationalen, gewohnheitsrechtlich anerkannten Gesellschaftskollisionsrecht ergeben; in Bezug etwa auf die USA wird dagegen eine vorrangige (versteckte) staatsvertragliche Kollisionsnorm zur Anwendung gelangen. 696) Nach hier vertretener Sichtweise scheidet, wie zu zeigen sein wird, eine solche Sonderanknüpfung allerdings aus. 697) Hier zuweilen der Verwaltungssitz der Gesellschaft, zuweilen der Registrierungsort der Gesellschaft, je nachdem, ob die Sitz- oder die Gründungstheorie zur Anwendung gelangt. 698) Eine solche wird, wie unten zu zeigen sein wird, bei Anwendung der europäischen Gründungstheorie ausgesprochen.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten III. Sachrechtliche Ebene 1. Ermittlung des materiellen Anwendungsbereichs der Quotenregelungen x
Bei der festen Geschlechterquote: (1) Rechtsform der AG oder KGaA, (2) Börsennotierung699) und
x
(3) (quasi-)paritätische Mitbestimmung; bei den Frauenzielquoten: (1) Börsennotierung oder (2) Mitbestimmung (paritätische Mitbestimmung oder Drittelbeteiligung)
2. Substitution: Ersetzung inländischer Rechtsbegriffe durch funktional vergleichbare ausländische Rechtsbegriffe x
Sollten, entgegen der hier vertretenen Ansicht, die Quotenregelungen als Eingriffsnormen ganz oder teilweise auf (EU/EWR-)ausländische Gesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz für anwendbar erklärt werden, müsste diese Auffassung auf Ebene des Sachrechts prüfen, ob die ausländische Gesellschaftsform funktional der AG oder der KGaA entspricht und auch die geforderte (quasi-)paritätische Mitbestimmung substituierbar ist
II. Qualifikation der Regelungen zur Geschlechterquote 382 Um das anwendbare Recht in Konstellationen mit Auslandsbezug ermitteln zu können (vgl. Art. 3 EGBGB), bedarf es als eines ersten methodischen Schrittes der Ermittlung der sachlich einschlägigen Kollisionsnorm. Diese hat der sog. lex fori zu entstammen, mithin dem Kollisionsrecht des jeweils zuständigen (hypothetischen) Gerichtsortes.700) 1. Gesellschaftsrechtliche Qualifikation der Quotenregelungen 383 Die naheliegende gesellschaftsrechtliche Qualifikation der Quotenregelungen setzt voraus, dass die Sachnormen der Geschlechterquote dem einschlägigen Anknüpfungsgegenstand im Tatbestand des im deutschen Recht ungeschriebenen Gesellschaftskollisionsrechts unterfallen. Die Reichweite des Systembegriffs „Gesellschaftsrecht“ wird dabei gemeinhin im Einklang mit ___________ 699) Der Begriff der Börsennotierung setzt nicht voraus, dass die Aktien der Gesellschaft an einem deutschen Markt zum Handel zugelassen sind, sodass auch Gesellschaften mit inländischem Satzungssitz erfasst sind, deren Aktien an einem ausländischen und durch staatlich anerkannte Stellen geregelten und überwachten Markt zum Handel zugelassen sind. Dies steht im Einklang mit der Legaldefinition des § 3 Abs. 2 AktG. Auch teleologisch ist eine Verengung auf den deutschen Markt nicht angezeigt, da es sich bei den Quotenregelungen nicht um kapitalmarktrechtlich geprägte Vorschriften handelt. Es fehlt letztlich jeder kapitalmarktrechtliche Bezug, zumal es weder um Anleger- noch um Institutionenschutz geht; dies zeigt im Übrigen nochmals, dass die Wahl des Anknüpfungskriteriums der Börsennotierung letztlich nicht zu überzeugen vermag. Auf Ebene des Sachrechts lässt sich jedenfalls aus der mangelnden sachlichen Beziehung zum Kapitalmarkt die Schlussfolgerung ableiten, dass der Ort der Börsennotierung auch im Ausland liegen kann. Ebenso Teichmann/Rüb, BB 2015, 898; Seibt, ZIP 2015, 1193, 1194 f. – Beispiele aus der Praxis: Affimed Therapeutics (Nasdaq; in D: Freiverkehr); Probiodrug AG (Euronext; in D: Freiverkehr); Voxeljet AG (NYSE; in D: Freiverkehr). 700) Zu diesem methodischen Vorgehen Lorenz, in: BeckOK-BGB, Einl. zum IPR Rn. 51.
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II. Qualifikation der Regelungen zur Geschlechterquote
einer griffigen Formel des BGH dergestalt charakterisiert, dass hierdurch festgelegt wird, unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschaft „entsteht, lebt und vergeht“.701) Das Binnenleben der Gesellschaft, insbesondere ihre interne Organisation, ist damit ein Kernbereich dessen, was dem Gesellschaftsrecht, dem „Personalstatut“ der Gesellschaft, zuzuordnen ist.702) Bei den deutschen Quotenregelungen geht es um die gleichberechtigte Teilhabe beider Geschlechter an unternehmerischen Entscheidungsprozessen; hierfür wird mittels der festen Geschlechterquotenregelungen in die personelle Struktur des Aufsichtsorgans, vor allem in die „freie Wahl“ der Aufsichtsratsmitglieder eingegriffen. Bezugspunkt der festen Geschlechterquote ist mithin im deutschen dualistischen System ein zentrales (Überwachungs-)Organ, dessen Besetzung reguliert wird,703) womit das Binnenleben der Gesellschaft berührt ist. Daher sind die festen Quotenregelungen gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren. Auch im Hinblick auf die „zweite Säule“ der Regulierung, nämlich jene Rege- 384 lungen, die börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen verpflichten, Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat, im Vorstand sowie für die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstandes festzulegen (Frauenzielquoten), ist eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation zutreffend. Auch vermittels dieser rechtstechnisch als „Regelungsaufträge“704) einzustufenden Verpflichtungen, inhaltlich weitgehend offene Zielvorgaben für den Frauenanteil unternehmensintern zu bestimmen, wird qua lege in das Binnenleben der betroffenen Unternehmen eingegriffen, da den Organen (Aufsichtsrat bzw. Vorstand) jeweils als solchen Aufgaben gesetzlich zugewiesen werden. 2. Folgen der gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der Quotenregelungen Welche Schlussfolgerungen können aus der gesellschaftsrechtlichen Qualifi- 385 kation der nationalen Regelungen zur festen Geschlechterquote wie auch zu den Frauenzielquoten für die Frage ihrer jeweiligen Anwendbarkeit auf Auslandssachverhalte gezogen werden? Unterliegen diese Regelungen dem Gesellschaftsstatut, ergibt sich daraus zwanglos, dass diese deutschen Sachnormen jedenfalls immer dann zur Anwendung gelangen, wenn die Gesellschaft, deren Organe die Quotenregelungen adressieren, dem deutschen Gesellschaftsstatut unterliegt. Unterliegt eine Gesellschaft dagegen einem ausländischen Gesellschaftsstatut, können die nationalen Regelungen zur Geschlechterquote bzw. zu den Frauenzielquoten nicht als Teil dieses Personalstatuts zur Anwendung berufen sein. ___________ 701) BGH, Urt. v. 11.7.1957 – II ZR 318/55, BGHZ 25, 144 = NJW 1957, 1434. 702) Vgl. auch Kindler, in: MünchKomm-BGB, Band 11: Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 567. 703) Vgl. zum ähnlich gelagerten Problem der Qualifikation der Unternehmensmitbestimmung Kindler, in: MünchKomm-BGB, Band 11: Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 568; Weller, in: FS Hommelhoff, S. 1275, 1285. 704) Zu Regelungsaufträgen Cziupka, in: Gedächtnisschrift für Hannes Unberath, S. 51 ff.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten Merksatz: Da die Regelungen zur Geschlechterquote gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren sind, finden sie auf jene (sachlich von den Regelungen erfassten) Gesellschaften Anwendung, die deutschem Gesellschaftsstatut unterliegen, deren „Entstehen, Leben und Vergehen“ sich also nach deutschem Gesellschaftsrecht richtet.
386 Ob gesellschaftskollisionsrechtlich auf deutsches Sachrecht verwiesen wird, mithin das deutsche Gesellschaftsstatut eingreift und damit die Quotenregelungen zur Anwendung berufen sind, bemisst sich nach dem von der einschlägigen Kollisionsnorm verwandten sog. Anknüpfungsmoment. Das deutsche, gewohnheitsrechtlich anerkannte, aber ungeschriebene Gesellschaftskollisionsrecht folgt mit Blick auf das Anknüpfungsmoment einer gespaltenen Lösung: Es bleibt im Grundsatz seiner tradierten Anknüpfung an den tatsächlichen Verwaltungssitz einer Gesellschaft zur Bestimmung des Gesellschaftsstatuts (sog. Sitztheorie) verhaftet, bringt dieses Anknüpfungsmoment also insbesondere gegenüber Gesellschaften aus einem sog. Drittstaat (d. h. andere als EU/EWR-ausländische Kapitalgesellschaften) zur Anwendung, schwenkt allerdings mit Blick auf EU/EWR-ausländische Kapitalgesellschaften im Lichte der EU-primärrechtlich anerkannten Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) und der Entscheidungsphalanx des EuGH in den Rechtssachen „Centros“, „Überseering“, „Inspire Art“ und „Sevic“ zur Gründungstheorie über. Nach dieser Gründungstheorie ist im Kern an den Registrierungsort bzw. den Ort des satzungsmäßigen Sitzes der betreffenden Gesellschaft anzuknüpfen. Diese Gründungstheorie gilt auch insbesondere im Hinblick auf US-amerikanische Kapitalgesellschaften, da nach Art. XXV V 2 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA v. 29.10.1954705) der Status einer Gesellschaft, die in dem Gebiet eines Vertragsteils nach dessen Gesetzen und Vorschriften rechtmäßig gegründet worden ist, in dem Gebiet des anderen Staates anzuerkennen ist.706) Mangelt es an völkerrechtlichen Verträgen, nach denen eine Aktiengesellschaft ausländischen Rechts mit Verwaltungssitz in Deutschland nach dem Recht ihres Gründungsstaates zu behandeln ist, greift, wie ausgeführt, dagegen weiterhin die Sitztheorie ein mit der Konsequenz, dass eine im Ausland gegründete Gesellschaft nach dem Recht des Ortes zu beurteilen ist, an dem sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat; dies führt für solche ausländischen Aktiengesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland dazu, dass diese nicht mehr als Aktiengesellschaft rechtsfähig sind, sondern als rechtsfähige Personengesellschaft deutschen Rechts (namentlich als OHG) zu behandeln sind. Dieser Behandlung der Gesellschaften aus Drittstaaten ___________ 705) BGBl. 1956 II S. 488. 706) Vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2003 – VIII ZR 155/02, IPRax 2003, 265, 266; 13.10.2004 – I ZR 245/01, NZG 2005, 44; 5.7.2004 – II ZR 389/02, NZG 2004, 1001; hierzu Bungert, DB 2003, 1043; Thömmes, DB 2003, 1200, 1203; Ebke, JZ 2003, 927, 929; Drouven/ Mödl, NZG 2007, 7, 9 f.
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II. Qualifikation der Regelungen zur Geschlechterquote
unterliegen auch in der Schweiz gegründete Aktiengesellschaften, da die Schweiz zwar Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation, nicht aber auch Partei des von den übrigen EFTA-Staaten mit der Europäischen Union geschlossenen EWR-Abkommens ist.707) Weiterhin gilt aus nationaler Sicht für deutsche Gesellschaften nach richtiger Ansicht weiterhin die Sitztheorie, nicht aber die Gründungstheorie – wie man hier entscheidet, hängt davon ab, ob man der von beachtlichen Stimmen vertretenen Ansicht folgt, § 4a GmbHG bzw. § 5 AktG enthielten seit ihrer Neufassung durch das MoMiG einen versteckten kollisionsrechtlichen Gehalt im Sinne einer Hinwendung zur Gründungstheorie oder ob diesen Vorschriften, wohl zutreffend, rein materiellrechtlicher Gehalt beizumessen ist.708) Es ist hier nicht der Ort, sich mit dieser Problematik und den vielschichtigen Problemen, die sich um die „gespaltene Lösung“709) im deutschen Gesellschaftskollisionsrecht ranken, auseinanderzusetzen. Vielmehr sollen nachfolgend, basierend auf den aufgezeigten Grundpfeilern des derzeitigen Stands des deutschen Gesellschaftskollisionsrechts, denkbare Fallgestaltungen durchgespielt werden, bei denen sich die Frage der Anwendbarkeit aller oder einiger der Regelungen zur Geschlechterquote stellen könnte. Die dabei zum Teil den Konstellationen zugrunde liegenden, überaus diffizilen und zuweilen in ihrer Lösung umstrittenen Detailkonturen des internationalen Gesellschaftsrechts können in diesem Rahmen ebenfalls nur höchst holzschnittartig angerissen werden. Beispiel: Eine deutsche börsennotierte AG, die regelmäßig mehr als 2.000 Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt und daher nach § 1 MitbestG paritätisch mitbestimmt ist, verlegt ihren Verwaltungssitz nach England. Die wegziehende Gesellschaft bleibt weiterhin eine solche deutschen Rechts und ist deutschem Gesellschaftsrecht unterworfen (Maßgeblichkeit der Gründungstheorie aus Warte des Zuzugsstaates); damit sind aber auch weiterhin die Quotenregelungen als Teil des Gesellschaftsstatuts anwendbar.710) Auf materiellrechtlicher Ebene kann allerdings die wegziehende Gesellschaft womöglich aus dem Anwendungsbereich der Quotenregelungen fallen. Dies wäre mit Blick auf die feste Quote der Fall, wenn sie ___________ 707) BGH, Urt. v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289, 290. 708) Zu diesem Streit einerseits Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rn. 15; andererseits Weller, in: MünchKomm-GmbHG, Einl. Rn. 379 (mit instruktiven Beispielen). 709) Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rn. 11. 710) Aus deutscher sachrechtlicher Perspektive führte zwar früher die Verwaltungssitzverlegung zur Auflösung und Liquidation der deutschen Gesellschaft, sodass die „Anerkennung“ des Zuzugsstaates letztlich ins Leere gegangen ist, weil die Heimatrechtsordnung ihrem juristischen „Geschöpf“ das Fortleben versagt hat. Europarechtlich wäre eine solche materielle Konsequenz weiterhin zulässig, weil es der EuGH den Mitgliedstaaten nicht verwehrt, den nach ihren nationalen Regelungen gegründeten Gesellschaften im Falle ihres Wegzuges ihre Existenz zu versagen. Gleichwohl eröffnet der deutsche Gesetzgeber zum Zwecke der Steigerung der Mobilität deutscher Kapitalgesellschaften durch die Streichung der früheren §§ 4a Abs. 2 GmbHG, 5 Abs. 2 AktG den „Geschöpfen“ seiner Rechtsordnung nunmehr die Wegzugsfreiheit.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten
aufgrund der Verwaltungssitzverlegung nicht mehr regelmäßig über 2.000 Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigte, weil dann die Unternehmensmitbestimmung entfiele und damit eine materielle Voraussetzung für die Anwendung der Quotenregelung nicht mehr gegeben wäre. 387 In den besonders intensiv diskutierten Zuzugskonstellationen (also in Fällen der grenzüberschreitenden Sitzverlegung ins Inland hinein, etwa durch eine Verlegung des Verwaltungssitzes einer in England gegründete PLC) ist für die Frage, ob die deutschen Quotenregelungen als Teil des Gesellschaftsstatuts zur Anwendung gelangen könnten, danach zu differenzieren, ob Verwaltungsund Satzungssitz kumulativ verlegt werden oder eine isolierte Verlegung nur von einem der beiden Sitze erfolgt sowie danach, ob der Heimatstaat der zuziehenden Gesellschaft ein EU/EWR-Staat oder vielmehr ein Drittstaat ist. Im Einzelnen gilt in diesen Zuzugskonstellationen Folgendes: 388 (1) Handelt es sich bei der zuziehenden Gesellschaft um eine EU/EWRausländische Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Inland zu verlegen beabsichtigt, dabei aber ihren Satzungssitz im Gründungsstaat behält, hat der Zuzugsstaat (hier: die Bundesrepublik Deutschland) diese Verwaltungssitzverlegung grundsätzlich zu akzeptieren, darf der zuziehenden Gesellschaft mithin nicht aufgrund des Zuzugs und des damit verbundenen Auseinanderfallens von inländischem Verwaltungs- und ausländischem Satzungssitz die Anerkennung als juristische Person des Gründungsstaates verweigern (Überseering-Entscheidung).711) Kollisionsrechtlich lässt sich dieses an den Zuzugsstaat adressierte Gebot zur Akzeptanz der zuziehenden Gesellschaft als solcher über einen (partiellen) Übergang zur Gründungstheorie in Bezug auf zuziehende EU/EWR-ausländische Gesellschaften bewerkstelligen.712) Nach den Judikaten des EuGH in den Rechtssachen „Daily Mail“ und „Cartesio“ bleibt es allerdings dem Gründungsstaat der ins Inland zuziehungswilligen Gesellschaft unbenommen, nicht nur die Entstehung, sondern auch das Fortleben „seines“ Rechtsgeschöpfes an die grenzüberschreitende Verwaltungssitzverlegung die Auflösung der betreffenden Gesellschaft zu knüpfen. Über die Fortexistenz der zuziehenden Gesellschaft wird mithin in diesem Rahmen maßgebend durch den Gründungsstaat entschieden. Gestattet dieser den Wegzug „seiner“ Gesellschaften, bedeutet dies aus der Sicht des deutschen Zuzugsstaates mit Blick auf die Anwendbarkeit der Quotenregelungen: Da die zuzuziehende EU/EWR-ausländische Gesellschaft bildlich gesprochen ihr „Rechtskleid“ mit über die Grenze nimmt, mithin aus deutscher Sicht das aus___________ 711) Vgl. statt vieler Schön, ZGR 2013, 333, 355. 712) Dabei wird zum Teil noch danach differenziert, ob das nationale Kollisionsrecht des Gründungsstaates die Verweisung annimmt, was nur bei Gründungstheoriestaaten, nicht aber bei Sitztheoriestaaten der Fall sein wird. Eine Rückverweisung durch das Kollisionsrecht des Gründungsstaates auf das Recht am Verwaltungssitz führte freilich zu einer erheblichen Einschränkung der Gewährleistung der Niederlassungsfreiheit. Aus diesen Gründen ist die Gründungstheorie (zumindest im Verhältnis zu EU/EWRStaaten) als Sachnorm-, nicht aber als Gesamtverweisung zu verstehen.
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III. Quotenregelungen als sonderanzuknüpfende Eingriffsnormen?
ländische Gründungsstatut zur Anwendung berufen ist, finden die Quotenregelungen aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation nicht kraft Zugehörigkeit zum Teil des Gesellschaftsstatus Anwendung. Dasselbe gilt im Hinblick auf jene Gesellschaften, die aus einem Gründungsstaat entstammen, bezüglich derer – z. B. USA – völkervertraglich die Gründungstheorie zur Anwendung zu gelangen hat. (2) Handelt es sich bei der zuziehenden Gesellschaft um eine Gesellschaft 389 aus einem sog. Drittstaat, führt die Anwendung der grundsätzlich für deutsche Gerichte insoweit weiterhin maßgeblichen Sitztheorie bei einer isolierten Verwaltungssitzverlegung ins Inland nach der polemisch sog. „Wechselbalgtheorie“ zu einer Transformation der betreffenden ausländischen Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft inländischen Rechts. Damit gelänge zwar deutsches Sachrecht zur Anwendung, allerdings unterfiele eine solche Personengesellschaft mangels einschlägiger Rechtsform nicht dem personellen Anwendungsbereich der nationalen Quotenregelungen. (3) Erfolgt dagegen eine formwechselnde, grenzüberschreitende Sitzverle- 390 gung (Hereinformwechsel), bei der es infolge der Satzungssitzverlegung zu einem Wechsel des Gesellschaftsstatuts kommt und sich die vormals ausländische Gesellschaft in eine solche des inländischen Zuzugsstaates verwandelt, finden aufgrund des mit diesem Formwechsel verbundenen Wechsels des Gesellschaftsstatuts die Quotenregelungen prinzipiell kraft Gesellschaftsstatuts Anwendung. Ob die entsprechenden festen oder weichen Quotenregelungen tatsächlich auf die betreffende Gesellschaft, die einen grenzüberschreitenden Hereinformwechsel vollzogen hat, zur Anwendung gelangen, ist dann eine Frage des einschlägigen Sachrechts. Beispiel: Verlegt eine englische PLC den Satzungs- und Verwaltungssitz ihrer Gesellschaft unter Formwechsel in eine AG nach Deutschland, finden im Ergebnis die festen Quotenregelungen Anwendung, wenn die betreffende Gesellschaft börsennotiert und (quasi-)paritätisch mitbestimmt ist. III. Quotenregelungen als sonderanzuknüpfende Eingriffsnormen? In jenen Fällen, in denen die deutschen Quotenregelungen in grenzüber- 391 schreitenden Sachverhalten nicht bereits als Teil des Gesellschaftsstatuts zur Anwendung berufen sind, könnten sie allein dann herangezogen werden, wenn auf eine Sonderanknüpfung sämtlicher oder einiger Regelungen der Geschlechterquote als Eingriffsnormen abgestellt werden könnte, um diese in Durchbrechung des grundsätzlich einheitlichen Gesellschaftsstatuts und unabhängig von der regulären kollisionsrechtlichen Verweisungsentschei-
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten
dung zur Anwendung zu bringen.713) Wäre eine solche Sonderanknüpfung hier möglich, könnte dies den deutschen Quotenregelungen mithin einseitig zur Durchsetzung verhelfen, auch wenn die Gesellschaft „an sich“ im Hinblick auf ihr „Entstehen, Leben und Vergehen“ einem ausländischen Gesellschaftsstatut unterliegt. 392 Der Sonderanknüpfung von Eingriffsnormen liegt folgender Gedanke zugrunde: Auch ein inhaltlich neutrales kollisionsrechtliches Anknüpfungssystem, das einen abstrakten Ansatz mit überwiegend starren, geographisch orientierten Kollisionsregeln verfolgt und von einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit ausländischen und inländischen Rechts ausgeht, bedarf eines „Ventils“, um im Ausnahmefall übergeordneten rechtspolitischen Interessen der jeweiligen Rechtsordnung Rechnung zu tragen, die diese als besonders gewichtig einstuft. Als solches Ventil fungiert zuvörderst der ordre public, der nach Art. 6 EGBGB die Anwendung „an sich“ nach kollisionsrechtlichen Grundsätzen anwendbaren ausländischen Rechts ausschließt, wenn diese Anwendung insgesamt (nicht die konkret anwendbare Norm als solche betrachtet) zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Diese auch sog. negative Funktion des ordre public ist als kollisionsrechtliches Abwehrinstrument (als „Schild“) einer Rechtsordnung zu begreifen, mit welchem sie sich gegen evident mit ihren Wertvorstellungen unvereinbaren Ergebnissen aus der Anwendung ausländischen Rechts abschirmt.714) Um ein solches Abwehrinstrument geht es hier aus deutscher Warte bei der Frage der Anwendung der deutschen Quotenregelungen auf Auslandsgesellschaften nicht. Bei der derzeitigen Diskussion um die mögliche Anwendung der festen Geschlechterquote und/oder der Frauenzielquoten auf Auslandsgesellschaften geht es aus deutscher Sicht vielmehr um die internationale Anwendung dieser Rechtsfigur auch unabhängig von dem an sich berufenen ausländischen Sachstatut (lex causae) und damit um die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen auch auf Gesellschaften, die einem ausländischen Gesellschaftsstatut unterworfen sind, ___________ 713) Im Verhältnis zu EU/EWR-Auslandsgesellschaften könnte überdies noch ein anderer Begründungsansatz zur Anwendung der Regelungen zur Geschlechterquote herangezogen werden: Weil die deutsche Abkehr von der Sitztheorie zur Gründungstheorie mit Blick auf EU/EWR-Auslandsgesellschaften durch die Niederlassungsfreiheit angezeigt ist, wird vertreten, dass stets dann, wenn die Anwendung einer inländischen Sachnorm auf eine EU/EWR-Auslandsgesellschaft mit Verwaltungssitz im Inland keine oder jedenfalls keine gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt, wiederum die Sitztheorie zur Anwendung gelangt. Dies hätte zur Konsequenz, dass für den Fall, dass die Anwendung der Geschlechterquote auf EU/EWR-Auslandsgesellschaften unionskonform wäre, diese kraft Verwaltungssitzanknüpfung zur Anwendung gebracht werden könnten. Folgte man dieser Ansicht, wäre der Rekurs auf die Lehre von den Eingriffsnormen überflüssig; insoweit könnte direkt auf die Ausführungen zur Unionskonformität verwiesen werden. Eine Auseinandersetzung mit dieser Ansicht kann in diesem Rahmen nicht erfolgen; siehe ausführlich mit zahlreichen Nachweisen Kindler, in: MünchKomm-BGB, Band 11: Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 147, 428, 575. 714) Thorn, in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Art. 21 Rom I-VO Rn. 9.
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III. Quotenregelungen als sonderanzuknüpfende Eingriffsnormen?
die Rechtsfigur der Geschlechterquote zur Durchsetzung gebracht werden kann. Gelegentlich wird die Fruchtbarmachung solcher international zwingender Eingriffsnormen, begrifflich komplementär zum soeben beschriebenen negativen ordre public, auch als positiver ordre public bezeichnet (bildlich auch als „Schwert“ zur Durchsetzung inländischer Sachnormen). Hierdurch wird die „innere Verwandtschaft“715) zwischen beiden Formen des ordre public unterstrichen, die daher rührt, dass letztlich jeweils der Rekurs auf übergeordnete innerstaatliche Interessen hinter den kollisionsrechtlichen Mechanismen steht. Sind Eingriffsnormen von dem gesetzgeberischen Willen getragen, ihren sachrechtlichen Regelungsgehalt zur Wahrung öffentlicher Interessen unbedingt durchzusetzen, ergibt sich daraus als Konsequenz, dass sie nicht mehr das eingangs als grundlegend für das Funktionsverständnis des Kollisionsrechts zu wertende Prinzip der (räumlich) engsten Verbindung verwirklichen; nicht wird hier – wie im klassischen kollisionsrechtlichen Regelfall – nach dem „Sitz“ eines bestimmten Rechtsverhältnisses im Lichte eines konkreten Lebenssachverhalts gefragt, sondern ausgehend von einer konkreten Sachnorm und den in ihr verwirklichten Zwecken ihr universaler Geltungswille zu ermitteln versucht.716) Wann aber liegt eine solche Eingriffsnorm vor? Weitgehend anerkannt ist in- 393 soweit, dass es hierfür entscheidend darauf ankommt, dass die betreffende Vorschrift, die auf ihren Eingriffsnormcharakter überprüft wird, nicht nur dem Schutze von Privatinteressen zu dienen beabsichtigt, sondern dass zumindest auch der Schutz öffentlicher Interessen zum Zweck einer solchen Norm gehört.717) Es kommt mithin darauf an, dass die mit einer Sachnorm verbundenen Zwecke über die Austarierung widerstreitender Individualinteressen hinausgehen, indem sie einen Gemeinwohlbezug aufweisen, der sich nicht in dem allgemeinen Interesse an einem „gerechten“ Interessenausgleich zueinander in Rechtsbeziehungen tretender Privatakteure erschöpfen darf.718) Im Folgenden soll untersucht werden, ob eine solche Sonderanknüpfung der Quotenregelungen als Eingriffsnorm begründet werden kann.719) ___________ 715) Wengler, ZÖR 23 (1944), 473, 486; hierzu auch Weller, in: FS Hommelhoff, S. 1275, S 1287. 716) Vgl. Hein, v., in: MünchKomm-BGB, Einl. zum IPR Rn. 34. 717) Um die Kriterien für eine Eingriffsnorm zu ermitteln, vermag vor allem auf die besonders klare, wenn auch freilich konkretisierungsbedürftige Vorschrift des Art. 9 Abs. 1 Rom IVO zurückgegriffen zu werden, die zuweilen als analogiefähige Grundbasis für die Sonderanknüpfung von Eingriffsnormen gewertet wird, zumindest als „Interpretationshilfe“ für die Einstufung einer Vorschrift als international-zwingend genutzt werden kann. 718) Weller, in: MünchKomm-GmbHG, Einl. Rn. 467. 719) Der für eine solche Sonderanknüpfung überwiegend geforderte ausreichende Inlandsbezug des Auslandssachverhalts, auf welchen eine Eingriffsnorm angewandt werden soll, dürfte jedenfalls in den hier vor allem interessierenden Fällen einer Auslandsgesellschaft mit Verwaltungssitz im Inland und einer mit dieser Verwaltungssitzlokalisation in der Regel verbundenen Ausübung der wesentlichen wirtschaftlichen Aktivitäten im Inland vorliegen; daher kann hier der Fokus direkt auf die Frage gerichtet werden, ob es sich bei den Regelungen zur Geschlechterquote (oder zumindest einem Teil hiervon) um Eingriffsnormen handelt.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten
1. Keine ausdrückliche Anordnung des internationalen Anwendungswillen 394 Die Frage nach dem Eingriffsnormcharakter der Quotenregelungen ließe sich relativ einfach beantworten, hätte der Gesetzgeber ausdrücklich eine solche Sonderanknüpfung im Wortlaut dieser Regelungen angeordnet, mithin den Sachnormelementen der Quotenregelungen ausdrücklich eine einseitige Kollisionsnorm zur Seite gestellt (und damit eine „explizite Eingriffsnorm“720) geschaffen). Eine solche ausdrückliche Anordnung der international zwingenden Geltung ist allerdings im Hinblick auf die Regelungen zur Geschlechterquote unterblieben. Im Wortlaut insbesondere der Regelungen zur festen Geschlechterquote wird stattdessen vielmehr ein sehr restriktiver, rechtsformspezifischer Ansatz gewählt, der noch dazu (neben der Börsennotierung) ausdrücklich auf Formen der (quasi-)paritätischen Mitbestimmung nach den dort genannten deutschen Mitbestimmungsgesetzen abstellt. Es liegt aber nahe, dass der Gesetzgeber, wenn er auch Auslandsgesellschaften hätte erfassen wollen, auch ungeachtet der Möglichkeit der Substitution inländischer normativer Tatbestandsmerkmale durch ausländische, funktional vergleichbare Rechtserscheinungen, eine weitere, flexiblere Formulierung gewählt hätte.721) 395 Im Rahmen einer gemeinsamen öffentlichen Anhörung des Familienausschusses und des Rechtsausschusses anlässlich des Regierungsentwurfs zur Geschlechterquote hatte der mit einer Erstellung einer Stellungnahme beauftragte Weller (zutreffend) ausgeführt, einer solchen expliziten Regelung bedürfe es nicht notwendigerweise, um eine Norm als Eingriffsnorm zu betrachten; empfehlenswert sei aber, in der Gesetzesbegründung „klarzustellen“, dass sämtliche funktionell den im Gesetzeswortlaut erfassten Gesellschaften entsprechenden Auslandsgesellschaften, die im Schwerpunkt ihre wirtschaftliche Tätigkeit im Inland entfalten, ebenfalls von der Geschlechterquote erfasst sein sollen.722) Auch eine solche „Klarstellung“ ist allerdings unterblieben – ganz im Gegenteil: In den Gesetzesmaterialien finden sich keinerlei Hinweise darauf, dass die Frage des internationalen Geltungswillens der Quotenregelungen und insbesondere jene ihrer Anwendbarkeit auf Auslandsgesellschaften diskutiert wurde, sodass nunmehr jede ausdrückliche Willensbekundung des Gesetzgebers unterblieben ist. Dabei musste dem Gesetzgeber die Problematik etwaiger Defizite der Normzweckdurchsetzung angesichts der europäischen Unternehmensmobilität vor Augen gewesen sein, wie die ausdrücklichen Regelungen zum Anwendungsbereich der Geschlechterquote bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen belegen, so___________ 720) Terminologie nach Kucklein, Die „Berücksichtigung“ von Eingriffsnormen im deutschen und englischen internationalen Vertragsrecht, S. 70. 721) So zutreffend mit Blick auf das insoweit vergleichbare Problem der Auslegung der Mitbestimmungsregeln als Eingriffsnormen Rehberg, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rn. 119. 722) Vgl. die Aufzeichnung dieser Sitzung unter http://www.bundestag.de/dokumente/ textarchiv/2015/kw09_pa_recht_familie/359842 (Stand: 5.8.2015).
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III. Quotenregelungen als sonderanzuknüpfende Eingriffsnormen?
dass das Schweigen durchaus als beredter Gesetzeswille gewertet werden kann. Insofern liegt der Fall hier auch anders als jener der unternehmerischen Mit- 396 bestimmung, der insofern als Parallelargumentation – ungeachtet dessen, dass die immer noch723) ganz herrschende und zutreffende Meinung724) auch hier die Sonderanknüpfung der Mitbestimmungsregeln ablehnt – nicht taugt: Wenn dort den Gesetzesmaterialien zum MitbestG 1976 zu entnehmen ist, dass das Gesetz „nicht für Unternehmensorgane ausländischer Gesellschaften Geltung“ beansprucht, muss dies – das ist der Mindermeinung im Bereich des Mitbestimmungsrechts zuzugestehen – nicht zwingend den internationalen Geltungswillen des MitbestG ausschließen; denn nach der damals noch uneingeschränkt im deutschen Rechtsraum geltenden Sitztheorie waren inländische Gesellschaften alle jene, die ihren Verwaltungssitz im Inland hatten. Mit Blick auf Scheinauslandsgesellschaften bedeutete die Sitztheorie zwar, dass diese bei inländischem Verwaltungssitz in eine Personengesellschaft inländischen Rechts umqualifiziert wurden („Wechselbalgtheorie“)725) und damit eine Rechtsform vorlag, die nicht vom sachlichen Anwendungsbereich des MitbestG erfasst war. Allerdings wurde diese Umqualifizierung in eine Personenhandelsgesellschaft mit persönlicher Haftung der Gesellschafter damals als hinreichendes Anreizinstrument verstanden, um der Nutzung von Scheinauslandsgesellschaften als Mittel der Flucht vor der Mitbestimmung entgegenzuwirken. Mit dem Übergang zur europäischen Gründungstheorie ist allerdings diese Möglichkeit der Verhinderung einer Flucht aus einem für unliebsam erfundenen Normenkleid zumindest innerhalb des europäischen Binnenmarktes nicht mehr möglich, sodass sich bzgl. der jüngeren Quotenregelungen – insoweit also anders als bei der Mitbestimmung – ein deutlicher Hinweis in den Gesetzesmaterialien für den Fall angeboten hätte, dass der Gesetzgeber die Quotenregelungen hätte international zwingend ausgestalten wollen. 2. Auslegung der Quotenregelungen im Hinblick auf ihren internationalen Anwendungswillen Ob den Regelungen der Geschlechterquote trotz eines mangelnden entspre- 397 chenden gesetzgeberischen Hinweises dennoch – richterrechtlich – ein international-zwingender Charakter zugeschrieben werden kann, ist ihnen im ___________ 723) Neuerdings wird jedoch wieder verstärkt die Gegenthese einer Sonderanknüpfung der inländischen Vorschriften über die unternehmerische Mitbestimmung an den inländischen Verwaltungssitz vertreten, siehe zuletzt Kindler, ZHR 179 (2015), 330, 374 ff. m. w. N. sowie Weller, in: FS Hommelhoff, S. 1275, 1285 (allerdings vor allem aus der Perspektive de lege ferenda). Diese Meinungen haben sich aber bislang zu Recht nicht durchsetzen können. 724) Vgl. exemplarisch, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen, Koch, in: Hüffer, AktG, § 1 Rn. 44; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 184 f. 725) So wörtlich Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rn. 10.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten
Wege der Auslegung im Hinblick auf ihren räumlichen Geltungswillen zu entnehmen.726) Vor allem unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck ist zu ermitteln, ob insbesondere Gesellschaften, die ausländischem Gesellschaftsstatut unterworfen sind, vom Anwendungsbereich der Quotenregelungen (ganz oder teilweise) erfasst werden sollen. 398 Dabei sind insgesamt zwei Aspekte voranzustellen, die bei der Frage nach dem Eingriffsnormcharakter der Quotenregelungen zu beachten sind: (1) Der internationale Geltungswille der Quotenregelungen muss deutlich zum Ausdruck kommen.727) Es darf mitnichten jedweder Sachnorm, die sozialpolitische Zwecke verfolgt, ein international-zwingender Charakter zugeschrieben werden. (2) Damit zusammenhängend ist anerkannt, dass bei der Annahme einer Eingriffsnorm grundsätzlich Zurückhaltung geboten ist.728) Dies wird bei der Auslegung der Quotenregelungen im Hinblick auf ihren räumlichen Anwendungswillen zu berücksichtigen sein. 399 Die Regelungen zur festen Geschlechterquote stellen ebenso wie jene zu den Frauenzielquoten innerstaatlich zwingendes Recht dar. Allerdings ist es nicht ausreichend, wenn diese Interessen, die mit einer bestimmten Norm verfolgt werden, lediglich auf sachrechtlicher Ebene zu deren Zwingendstellung führen – das Vorliegen einer zwingenden materiellen Norm ist notwendige, aber mitnichten hinreichende Bedingung für ihre Einstufung als Eingriffsnorm. Entscheidend für die auch international zwingende Eigenschaft einer Sachnorm ist, ob die Schutzzwecke, die es auf Sachrechtsebene rechtfertigen, eine materielle Norm mit unbedingtem Sollensanspruch auszustatten,729) überdies gebieten, der betreffenden Sachnorm (auf Metaebene) auch einen international-zwingenden Charakter beizumessen. 400 Wird auf Basis dieser Kriterien der Eingriffsnormcharakter der Frauenzielquoten betrachtet, dürfte sich bereits ergeben, dass jedenfalls diesen eine international zwingende Stellung abzusprechen ist: Denn wenn schon der Gesetzgeber allein im Hinblick auf das „Ob“ der autonomen Quotenvorgaben verbindliche Vorgaben macht, die inhaltliche Ausgestaltung aber mit Ausnahme des Verschlechterungsverbots der Regelungsautonomie der jeweils adressierten Organe der betroffenen Gesellschaften überlässt, dürfte eine solche Quotenregelung, die rechtstechnisch mit Regelungsaufträgen vergleichbar ist, aufgrund dieser Zwitterstellung zwischen hoheitlich-heteronomer und autonomer Regelsetzung materiell nicht von einem solchen Gewicht sein, dass ihnen auch international zwingender Charakter beizumessen wäre. ___________ 726) Siehe hierzu instruktiv Weller, in: MünchKomm-GmbHG, Einl. Rn. 459. 727) Thüsing, ZIP 2004, 381, 382; Rehberg, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rn. 123. 728) Lorenz, in: BeckOK-BGB, Einl. zum IPR, Rn. 49, mit Verweis auf Beispiele aus der jüngeren Rechtsprechung: BGH, Urt. v. 13.12.2005 – XI ZR 82/05 = ZIP 2006, 1016 = NJW 2006, 762, 763, dazu EWiR 2006, 335 (Freitag): Widerrufsrecht nach VerbrKrG keine Eingriffsnorm; BGHZ 165, 172: § 661a BGB als Eingriffsnorm i. S. v. Art 34 EG BGB. 729) Zu diesen Kriterien Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 35 ff.
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III. Quotenregelungen als sonderanzuknüpfende Eingriffsnormen? Merksätze: Die Regelungen zu den Frauenzielquoten sind nicht als Eingriffsnormen zu verstehen. Sie sind damit nicht international zwingend unabhängig vom Gesellschaftsstatut auf Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland anzuwenden. Insbesondere EU-ausländische Gesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz unterliegen damit nicht den Regelungen zu den Frauenzielquoten.
Wie aber verhält es sich mit den festen Geschlechterquotenregelungen? Die 401 feste Geschlechterquote sucht ein gesellschaftspolitisches Anliegen, namentlich die Gleichstellung der Geschlechter zu verwirklichen. Für diesen Gleichstellungszweck werden Unternehmen, die börsennotiert und qualifiziert mitbestimmt sind, in den Dienst genommen, indem mittels fester Geschlechterquoten der gegenwärtigen faktischen Benachteiligung von Frauen in Gestalt einer Unterrepräsentation im Aufsichtsrat durch staatlichen Markteingriff entgegengewirkt wird. Mit der Vorgabe einer festen Geschlechterquote wollte der Gesetzgeber damit gesellschaftspolitische Gestaltungskraft demonstrieren und Sozialnormen prägen.730) Auch wenn die festen Quotenregelungen als sozialpolitisch motivierte Marktinterventionen zu deuten sind,731) denen ein Gesetzgeber durchaus an sich hinreichendes Gewicht beimessen kann, um die sie verwirklichenden Sachnormen nicht nur materiellrechtlich zwingend ___________ 730) Vgl. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 32 („rein sozial-politische Maßnahme des Gesetzgebers, mit der er seine Vorstellungen von einer gerechten Gesellschaft (…) voranbringen möchte“); Seibt, ZIP 2015, 1193, 1194; vgl. auch Begr. RegE Allg. Teil, BR-Drucks. 636/14, S. 48. 731) Zur Rechtfertigung des Erlasses einer festen Quote rekurriert der Gesetzgeber nicht exklusiv auf diese Gemeinwohlbelange, sondern überdies auf eine hiervon unabhängige gesellschaftsrechtliche Legitimation – so soll die empirisch belegte Verbesserung von kollektiven unternehmerischen Entscheidungsprozessen bei ausreichender Diversität in den Führungsgremien nicht nur die interne Corporate Governance der Unternehmen optimieren, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen steigern helfen. Eine „erzwungene“ Partizipation von Frauen an den Entscheidungen des Aufsichtsrats soll daneben sicherstellen, dass die jeweils geeignetsten Kandidaten Organmitglieder werden, was gerade nicht der Fall wäre, sollten sachwidrige Kriterien den Auswahlprozess der Kandidaten prägen. Dass die Geschlechterquote damit auch paternalistisch motiviert ist, weil der Gesetzgeber „zum vermeintlich Besten“ der betroffenen Marktakteure einem aus seiner Warte Ineffizienzen hervorrufenden partiellen Marktversagen entgegensteuern wollte und eine diversitätsbedingte Optimierung der Entscheidungsprozesse zwingend vorgibt, stünde einem Eingriffsnormcharakter der Vorschriften nicht prinzipiell entgegen. Denn zum einen ist eine solche Parallelität privater und öffentlicher Interessen einer Norm schon nach der allgemeinen Eingriffsnormendogmatik kein Grund, sie nicht als international zwingend einzustufen, solange nur die öffentlichen Interessen, die mit der betreffenden Norm verfolgt werden, ausreichendes Gewicht haben. Zum anderen ist zu beachten, dass auch die gesellschaftsrechtliche Legitimationsbasis der Geschlechterquote mitnichten allein im Lichte reiner Schutzzwecke des Privatverkehrs gesehen werden darf, sondern ebenso sehr eine volkswirtschaftlich sowie marktordnende Dimension besitzt: So sollen die unternehmensinternen, durch Diversität erzielbaren Effizienzverbesserungen auf der Makroebene und damit unternehmensextern zur Optimierung des deutschen Wirtschaftsstandortes beitragen; der Gesetzgeber attestiert den Quotenregelungen daher gesamtwirtschaftliche Nützlichkeit. Vgl. hierzu auch Weller/Harms/Rentsch/Thomale, ZGR 2015, 361, 376 ff.
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zu stellen, sondern ihnen überdies Eingriffsnormcharakter zuzuschreiben, kommt den konkreten Sachnormen, die der deutsche Gesetzgeber zur Verwirklichung dieser Gemeinwohlziele geschaffen hat, kein internationalzwingender Geltungswille zu. Eine Sonderanknüpfung der Quotenregelungen hat danach richtigerweise auszuscheiden.732) Hierfür lassen sich die folgenden Argumente anführen: 402 (1) Weil der Markt nicht selbst hinreichend Diversität in den Aufsichtsratsgremien hervorbringt und der Gesetzgeber nicht mehr auf die ausreichende Effektivität durch weiche Zielvorgaben oder sonstige Soft-Law-Mechanismen vertraut, bedient er sich des Instruments der festen Geschlechterquote, um auf diese Weise in einem eng beschränkten Bereich (der börsennotierten und qualifiziert mitbestimmten Gesellschaften) mittels einer festen Geschlechterquote gewissermaßen ein Exempel zu statuieren. Die dadurch partiell erzwungene Diversität soll sodann Wirkung zeigen gegenüber den börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen, die (derzeit) nur der eingriffsschwächeren Verpflichtung zur autonomen Festlegung einer Zielgröße für den Frauenanteil in Organen und obersten Führungsebenen unterliegen. Der Gesetzgeber vertraut also, wenn auch in geminderter Form, auf die selbstregulative Erreichung ausreichender Diversität, wofür in der Tat betriebswirtschaftliche Argumente sprechen, vor allem die Verbesserung von kollektiven unternehmerischen Entscheidungen durch Diversität in den Führungsgruppen.733) Das aber zeigt: Der Gesetzgeber selbst misst den festen Quotenregelungen kein solch gravierendes sozialpolitisches Gewicht bei, dass er diese flächendeckend auf sämtliche „großen“ Unternehmen angewendet wissen will, sondern hält es zur Erreichung seiner Regelungszwecke für ausreichend, einen kleinen Teilbereich dieser Unternehmen zu erfassen. Eine flächendeckende Erfassung auch solcher Unternehmen von der zwingend vorgegebenen festen Quote, die in funktional vergleichbarer Weise im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung stehen, denen aber eines der gesetzgeberischen Anknüpfungsmerkmale fehlt (sei es im Hinblick auf die Rechtsform, die Börsennotierung oder aber die qualifizierte Mitbestimmung), ist mithin bewusst unterblieben. Mit anderen Worten: Aus der Warte des Gesetzgebers steht es nicht quer zu seinen ___________ 732) So auch Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 35; Grobe, AG 2015, 289, 290; Seibt, ZIP 2015, 1193, 1194 f.; anderer Ansicht sind Weller, Stellungnahme für den Familien- und Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zur BT-Drucks. 18/3784, Ausschussdrucksache 18(13)43 k sowie Weller/Harms/Rentsch/Thomale, ZGR 2015, 361 ff. 733) Zu ökonomischen Begründungsansätzen zusammenfassend Europäische Kommission, Women on boards: The economic arguments (abrufbar unter http://ec.europa.eu/ justice/gender-equality/files/womenonboards/factsheet-general-1_en.pdf); vgl. auch McKinsey & Co, Women Matter: GCC women in leadership; Credit Suisse Research Institutes, CS Gender 3000: Women in senior management; Campbell/Minguez-Vera, Journal of Bus. Ethics 83 (2008), 435 ff.; aus der US-Literatur: Dezsö/Ross, Strategic Management Journal 33 (2012), 1072 ff.; zuvor bereits Shrader/Blackburn/Iles, Journal of Managerial Issues 9 (1997), 355 ff; vgl. auch Seibt, ZIP 2015, 1193, 1194.
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III. Quotenregelungen als sonderanzuknüpfende Eingriffsnormen?
Regelungsintentionen, wenn von der Quotenregelung Auslandsgesellschaften nicht erfasst werden, solange die vom Gesetzgeber angedachten 108 Gesellschaften erfasst sind und „erzwungenermaßen“ als Vorbild für die gesamte Privatwirtschaft dienen. In diesem Sinne besteht gewissermaßen eine gesetzgeberische Lückentoleranz.734) (2) Weiter, und damit verwandt, ist zu beachten, dass das Gesetz bewusst 403 punktuell bestimmte Sachverhaltselemente (bei der festen Quote: Börsennotierung und Mitbestimmungsregime) herausgreift, an die es die Regelungen zur Geschlechterquote anknüpft. Hierbei handelt es sich um formalistische Kriterien, die letztlich – unabhängig von ihrer zweifelhaften sachlichen Überzeugungskraft – Ausdruck eines politischen Kompromisses sind. Diese bewusst punktuelle Vorgehensweise des Gesetzgebers, die einerseits Ausdruck eines Kompromisscharakters ist, andererseits aber auch gezielt zur Erreichung eines marktautonomen „Spill-Over“-Effekts genutzt wird, darf nicht durch eine richterrechtliche Sonderanknüpfung der Quotenregelungen als Eingriffsnormen korrigiert werden.735) (3) Es liegt zudem nahe, dass der deutsche Gesetzgeber gerade angesichts 404 des intensiven politischen Diskurses um die Sinnhaftigkeit einer solchen Geschlechterquote und im Hinblick auf zu erwarten stehende künftige europäische Regelungsvorgaben davon absehen wollte, seinem innerstaatlich gefundenen Regelungskompromiss einen internationalprivatrechtlich zwingenden Charakter beizumessen. (4) Darüber hinaus wäre die Vereinbarkeit einer Sonderanknüpfung der Re- 405 gelungen zur festen Geschlechterquote mit der primärrechtlichen Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) zweifelhaft. Auch nationale Eingriffsnormen müssen im Einklang mit den Grundfreiheiten stehen und sind daher, sofern ihre Anwendung auf Auslandssachverhalte Grundfreiheiten beschränkt, rechtfertigungsbedürftig.736) (4.1) Im ersten Schritt ist dabei festzustellen, ob der Schutzbereich der primär- 406 rechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit im Falle der Anwendung der festen Geschlechterquotenregelungen auf EU-Auslandsgesellschaften überhaupt in rechtfertigungsbedürftiger Weise berührt wird, was eine diskriminierende oder zumindest beschränkende Wirkung dieser Sonderanknüpfung voraussetzt. Bereits die diskriminierungsfreie Wirkung ist hier nicht gänzlich zweifelsfrei, jedenfalls vermag sie nicht schon unter Verweis auf das diskriminierungsfreie ___________ 734) Von Lückentoleranz spricht im Kontext der Mitbestimmung treffend Rehberg, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rn. 125. 735) Vgl. auch zur Mitbestimmung: BGHZ 134, 392, 400 = ZIP 1997, 1027, dazu EWiR 1997, 1061 (Sethe) („nicht Aufgabe der Gerichte, den auf politischem Wege gefundenen Mitbestimmungskompromiss durch eine – wie auch immer geartete – Rechtsfortbildung zu korrigieren“); dazu Rehberg, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rn. 120. 736) EuGH, Urt. v. 23.11.1999 – Rs. C-369/96 und Rs. C-376/96, Slg. 1999, I-8453 = RIW 2000, 137 – Arblade. Hierzu Weller, in: MünchKomm-GmbHG, Einl., Rn. 473.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten
Anknüpfungsmerkmal „Verwaltungssitz“ als gesichert gelten.737) Denn zwar fände dieses Anknüpfungskriterium für die Einschlägigkeit der festen Geschlechterquotenregelungen in der Tat unterschiedslos auf inländische wie auf ausländische Gesellschaften Anwendung und schiede überdies auch eine rechtliche Diskriminierung aus, weil die Quotenregelungen als solche ebenfalls unterschiedslos angewendet würden. Jedoch ist zu sehen, dass die auf dualistische Gesellschaften zugeschnittenen festen Quotenvorgaben monistisch verfasste Gesellschaften vor erhebliche Umstrukturierungsnöte (etwa: durch Bildung eines fakultativen Aufsichtsrats) stellten oder aber überschießend im Ergebnis zu einer Erstreckung der Quotenvorgaben auf das Geschäftsführungsgremium führten. Insofern kann nur auf einer sehr formalistischen Basis behauptet werden, der Eingriff in die Organisationsautonomie betreffe in- und ausländische Gesellschaften „gleich schwer“.738) Daher könnte durchaus einiges für die Annahme einer faktischen Schlechterstellung angeführt werden.739) 407 In der Anwendung der festen Quotenregelungen qua Sonderanknüpfung als Eingriffsnormen würde aber zumindest eine Beschränkung der primärrechtlichen Niederlassungsfreiheit zu erblicken sein: Vermittels dieser Regelungen würde nämlich den EU-Auslandsgesellschaften in Durchbrechung ihres (ausländischen) Heimatstatuts eine bestimmte Form der personellen Zusammensetzung des (Aufsichts-)Organs vorgegeben, ihnen mithin ihre insoweit bestehende Organisationsautonomie partiell entzogen. Diese Anwendung zwingender nationaler Rechtsvorschriften trotz an sich zur Anwendung berufenen ausländischen Gesellschaftsstatuts bürdete den betroffenen Auslandsgesellschaften die Beachtung zusätzlicher Normen auf und unterwürfe damit das Binnenleben dieser Gesellschaft einem Normenmix aus inund ausländischen Vorschriften. Schon dieser Aufbürdung normativer Vorgaben, die über jene der lex societatis hinausgehen, wäre das Potential zuzuschreiben, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit für die betroffenen EUAuslandsgesellschaften weniger attraktiv zu machen und damit die Niederlassungsfreiheit dieser Auslandsgesellschaften zu beschränken. 408 Bei der Anwendung der festen Geschlechterquotenregelungen auf Auslandsgesellschaften, gerade auf solche monistischen Systems, handelt es sich auch nicht um bloße Beschränkungen der Tätigkeitsausübung der betreffenden Auslandsgesellschaften, mit denen keine signifikante Erschwerung des Marktzugangs verbunden ist und die daher in Übertragung der Keck-Grundsätze auf die Niederlassungsfreiheit aus dem Schutzbereich der Niederlassungs___________ 737) So aber mit Blick auf Mitbestimmung Kindler, in: MünchKomm-BGB, Band 11: Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 572. 738) Weller/Harms/Rentsch/Thomale, ZGR 2015, 361, 387. 739) Im Ergebnis wird aber wohl dennoch eine relevante Diskriminierung deshalb abzulehnen sein, weil die durchaus beträchtlichen Kostenbelastungen, die infolge einer Unterworfenheit ausländischer, monistischer Gesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland entstünden, als solche noch kein hinreichendes Argument für eine Ausländerdiskriminierung bilden, zumal gemeinschaftsrechtliche Transaktionskosten, die aus der Heterogenität der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen folgen, grundsätzlich akzeptiert werden.
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III. Quotenregelungen als sonderanzuknüpfende Eingriffsnormen?
freiheit auszuklammern wären. Dies wird bereits deutlich, wenn der Blick auf den Mechanismus gelenkt wird, mit welchem der Gesetzgeber sein gleichstellungspolitisches Ziel in der Privatwirtschaft zu verwirklichen sucht: Da dieses Mittel in einem staatlichen Eingriff in die personelle Organisationsautonomie der betroffenen Gesellschaften liegt, dieser mithin seinen Bezugspunkt in einem Gesellschaftsorgan (dem Aufsichtsrat) hat, sind den festen Geschlechterquotenregelungen korporative Wirkungen beizumessen, die sich daher nicht in einer schlichten Regulierung der Tätigkeitsausübung der betreffenden Gesellschaften erschöpfen.740) (4.2) Weil damit die Sonderanknüpfung der festen Quotenregelungen einen 409 grundfreiheitsbeschränkenden Charakter aufwiese, müsste diese die vierstufige Rechtfertigungslast der sog. Gebhard-Formel741) auf sich nehmen können. Neben der hier bereits erörterten (und nicht zweifelsfrei zu bejahenden) diskriminierungsfreien Anwendung setzte eine solche Rechtfertigung voraus, dass die festen Quotenregelungen zwingenden Gründen des Allgemeinwohls dienen und geeignet sowie erforderlich sind, um diese Allgemeinwohlziele zu verwirklichen. Bei der Definition dessen, welche Schutzanliegen als zwingende Allgemein- 410 interessen zu verstehen sind, wird den jeweiligen nationalen Gesetzgebern ein beträchtlicher Spielraum belassen, wobei die prinzipielle Eignung aus nationaler Warte solchermaßen verstandener zwingender Allgemeininteressen nach zutreffender Lesart der einschlägigen EuGH-Judikatur nicht von ihrer Anerkennung auf Gemeinschaftsebene abhängen dürfte.742) Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die mit einer Sonderanknüpfung der festen Quotenregelungen einherginge, könnte in der Tat auf Schutzanliegen der Quotenregelungen zurückgeführt werden, denen der Status solcher zwingender Allgemeininteressen zukommt. Denn das wohl dominante Motiv, das den festen Geschlechterquotenregelungen zugrunde liegt – die Effektuierung der Geschlechtergleichbehandlung in der Privatwirtschaft –, bildet einen zentralen Baustein kompensatorischer Sozialpolitik,743) weshalb die Quotenregelungen mitnichten allein rein wirtschaftlichen Zwecken dienen (die als solche keine zwingenden Allgemeininteressen darstellten), sondern durch ___________ 740) Insoweit im Ergebnis übereinstimmend Weller/Harms/Rentsch/Thomale, ZGR 2015, 361, 387. 741) EuGH, Urt. v. 30.11.1995 – Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165 Rn. 37 – Gebhard/Consiglio, dell’ordine degli avvocati e procuratori di Milano: „Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich jedoch, dass nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen: (1.) Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, (2.) sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, (3.) sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, (4.) und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.“ 742) Siehe nur Weller, in: FS Hommelhoff, S. 1275, 1292. 743) Treffende Formulierung von Eichenhofer, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 157 AEUV Rn. 21.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten
das Anliegen geprägt sind, die bereits bestehende „formelle“ Geschlechtergleichheit durch strukturelle Maßnahmen der gezielten Förderung des unterrepräsentierten Geschlechts zu materialisieren.744) Damit aber wird ein Regelungsanliegen verfolgt, das auch auf Unionsebene anerkannt ist, wie bereits – neben Art. 2 EUV – Art. 8 AEUV belegt, demzufolge die Europäische Union bei ihren Tätigkeiten auf die Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau hinwirkt.745) 411 (4.3) Überdies wird über Art. 157 Abs. 4 AEUV sogar eine an die Mitgliedstaaten gerichtete Öffnungsklausel primärrechtlich verankert, die zur Durchbrechung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vermittels solcher Maßnahmen der Mitgliedstaaten legitimiert, die einer (faktischen) Benachteiligung des unterrepräsentierten Geschlechts im Arbeitsleben entgegenwirken, hierbei aber zwangsläufig mit einer Benachteiligung des überrepräsentierten Geschlechts einhergehen. Die festen Quotenregelungen des deutschen Gesetzgebers müssten aufgrund der mit ihnen verbundenen positiven Diskriminierung des überrepräsentierten männlichen Geschlechts wohl ohnehin einer Rechtfertigung über diesen unionsrechtlichen Gleichstellungsauftrag nach Art. 157 Abs. 4 AEUV746) zugänglich sein, um die spezifischen Vergünstigungen des unterrepräsentierten Geschlechts vermittels der Quotenregelungen im Lichte des (arbeitsrechtlichen) Gleichbehandlungsgrundsatzes747) zu legitimieren. Systematisch wird diese Rechtfertigungsmöglichkeit der mit den Quotenregelungen verbundenen positiven Diskriminierung im Rahmen der hier im Blickpunkt stehenden Prüfung der Vereinbarkeit einer Anwendung dieser Regelungen auf Auslandsgesellschaften bei der Geeignetheit der deutschen Geschlechterquotenregelungen zur Verwirklichung ihrer gleichstellungspolitischen Regelungszwecke zu verorten sein: Denn sollten die festen Quotenregelungen, wie sie der deutsche Gesetzgeber geschaffen hat, in nicht zu rechtfertigender Weise den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen, stellte die mit ihrer Anwendung auf Auslandsgesellschaften verbundene Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bereits prinzipiell kein legitimes Mittel dar, vermittels dessen das Allgemeininteresse der Geschlechtergerechtigkeit durchgesetzt werden könnte. Insofern lässt sich aber durchaus bezweifeln, dass die deutschen Quotenregelungen in ihrer konkreten Form mit Art. 157 Abs. 4 AEUV vereinbar sind: Zwar dürfte sich mangels aus___________ 744) Hierzu ausführlich Eichenhofer, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 157 AEUV Rn. 21. 745) Insoweit auch Wieland, NJW 2010, 2408, 2410, demzufolge die Herstellung von gender diversity in den Aufsichtsräten deutscher Aktiengesellschaften in Übereinstimmung mit den Zielen steht, zu deren Erreichung die Europäische Union primärrechtlich verpflichtet ist. 746) Unter der wohl zutreffenden Prämisse, dass diese Öffnungsklausel auch im Hinblick auf Aufsichtsratsmandate zur Anwendung gelangen kann, woran insofern zu zweifeln ist, als es sich womöglich bei dieser Amtsausübung nicht um eine „berufliche Tätigkeit“ handeln könnte. 747) Dieser wird allgemein aus den Art. 157 Abs. 3 und 4 AEUV abgeleitet. Hierzu Krebber, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 157 AEUV Rn. 72 sowie Weller/Harms/Rentsch/ Thomale, ZGR 2015, 361, 390.
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III. Quotenregelungen als sonderanzuknüpfende Eingriffsnormen?
reichender Vergleichbarkeit der „Bewerbersituation“ im Hinblick auf Stellen im öffentlichen Dienst und Aufsichtsratsämter nicht jene Rechtsprechung des EuGH direkt auf die hier in Rede stehenden Quotenregelungen für Aufsichtsräte übertragen lassen, derzufolge im öffentlichen Dienst rigide Quotenregelungen unverhältnismäßig sind, die ohne Härtefallklausel eine unbedingte Bevorzugung einer weiblichen Bewerberin trotz gleicher Qualifikation vorsehen. Allerdings lassen sich mit Blick auf die Quotenregelungen zur Besetzung der 412 Aufsichtsratsämter gute Argumente für die These entwickeln, dass auch hier das Fehlen einer Härtefallklausel als „Weichmacher“ fester Quotenregelungen durch den EuGH insofern als unionsrechtswidrig eingestuft werden könnte, als die hier an quotenwidrigen Wahlen geknüpfte, schneidige Sanktion des „leeren Stuhls“ auch dann eintritt, wenn quotenwidrig gewählt wird, obgleich für die vakanten Positionen im Aufsichtsrat nicht genügend qualifizierte Frauen zur Wahl standen.748) Insofern könnte eine unverhältnismäßige Diskriminierung in den festen Geschlechterquotenregelungen liegen, die in diesem Fall als unionsrechtswidrig eingestuft werden müsste.749) (4.4) Die Problematik der möglichen Unionsrechtswidrigkeit der geschaffenen 413 festen Quotenregelungen als solche kann hier nicht weiter vertieft werden. Sollte in den festen Quotenregelungen trotz mangelnder „Weichmacher“ eine verhältnismäßige Diskriminierung liegen und damit in der Anwendung der Quotenregelungen auf Auslandsgesellschaften ein geeignetes Mittel erblickt werden können, um die mit dieser Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit intendierten zwingenden Allgemeininteressen durchzusetzen, müsste die Sonderanknüpfung der festen Quotenregelungen, wie ausgeführt, allerdings auch ein erforderliches Instrument sein, um diese Allgemeininteressen zu verwirklichen. Nach hier zugrunde gelegtem Verständnis der gesetzgeberischen Intention 414 bei der Auswahl der restriktiven Kriterien, deren kumulatives Vorliegen Anwendungsvoraussetzung der festen Quotenregelungen ist, dürfte es zumindest an dieser Erforderlichkeit der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch Anknüpfung dieser Regelungen als Eingriffsnormen mangeln: Gerade weil der Gesetzgeber bewusst fragmentarisch vorgegangen ist und einen kleinen Bereich der Privatwirtschaft herausgreift, um diesen einer gleichstellungspolitischen Regulierung zu unterwerfen, von der er sich einen breitge___________ 748) Zweifelnd zu Recht, aber im Ergebnis ebenfalls offenlassend Langenfeld, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 157 Rn. 88. 749) Dem Verdikt der Unionsrechtswidrigkeit sieht sich daher womöglich jene Lösung nicht ausgesetzt, die zwar die feste Quote als solche als Eingriffsnorm gegenüber Auslandsgesellschaften zur Anwendung bringen will, aber die Nichtigkeitssanktion vom Eingriffscharakter herausnehmen möchte. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob der Gesetzgeber tatsächlich den festen Quotenvorgaben einerseits ein solches Gewicht beimessen wollte, dass er sie (unterstellt) als international-zwingend ausgestaltete, dann aber vor der Applikation der strengen Rechtsfolge bei ihrer Nichtbeachtung auf Auslandsgesellschaften „zurückschreckte“. Abgesehen davon, dass sich für eine solche Differenzierung kein Anhaltspunkt in den Gesetzesmaterialien finden lässt, wäre damit sehenden Auges ein ersichtlich überaus stumpfes Schwert geschaffen worden.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten
fächerten selbstregulierenden Nachvollzug erhofft, dürfte es für dieses Regelungsziel ausreichend sein abzuwarten, inwieweit der intendierte „Spill-Over“Effekt tatsächlich eintritt und ob dieser womöglich gar Auslandsgesellschaften mit Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Betätigung im Inland erfasst. Aufgrund dieser fragmentarischen Regelungsweise des deutschen Gesetzgebers dürfte es an der Erforderlichkeit einer Sonderanknüpfung der Quotenregelungen unabhängig davon fehlen, ob die Gesellschaft in ihrem Gründungsstaat einer vergleichbaren Form einer Quotenregelung unterworfen ist. 415 Wollte man dies anders sehen, müsste aber jedenfalls in solchen Fällen, in denen das Recht am Gründungssitz einer zuziehenden Gesellschaft eine gleichwertige Form der Sicherstellung einer hinreichenden Diversität im Aufsichtsorgan der betroffenen Gesellschaften vorsieht, die Erforderlichkeit der Ausdehnung der deutschen Quotenregelungen auf diese Auslandsgesellschaften abgelehnt werden. Denn werden die Interessen, die der Gesetzgeber mit den festen Quotenregelungen verfolgt und zu deren Schutz eine Erstreckung ihrer Reichweite durch Sonderanknüpfung erwogen wird, ausreichend durch das Recht des Gründungsortes einer Auslandsgesellschaft gewahrt, wäre es nicht notwendig, gerade die nationalen deutschen Quotenregelungen durchzusetzen, um die erstrebten Gleichstellungseffekte zu erreichen. Auf diese Weise müsste mithin selbst dann, wenn eine Sonderanknüpfung entgegen der hier vertretenen Ansicht im Ausgangspunkt befürwortet würde, zur Vermeidung einer Dopplung der Quotenregelungen im Zeichen dann mangelnder Erforderlichkeit einer zwingenden Durchsetzung der deutschen Quotenregelungen von einer Sonderanknüpfung abgesehen werden.750) 416 Die Anwendung der festen Quotenregelungen auf Auslandsgesellschaften, die nach einem monistischen Board-System strukturiert sind, sähe sich mit ___________ 750) Im Detail stellte sich hier allerdings die diffizile Anschlussfrage, welches Ausmaß an Vergleichbarkeit die Quotenregelungen aufweisen müssten, um eine mangelnde Erforderlichkeit der Durchsetzung der deutschen Regelungen annehmen zu müssen. Klar sein dürfte insoweit nur, dass keine vollständige Identität der Regelungen verlangt werden kann; es kann mithin nicht gefordert werden, dass die ausländischen Quotenregelungen ebenso wie die deutsche beim Aufsichtsorgan ansetzt und dort (mindestens) eine 30Prozent-Vorgabe bzgl. des unterrepräsentierten Geschlechts macht. Vielmehr wird man darauf abzustellen haben, ob die betreffenden Quotenregelungen im Wesentlichen vergleichbar sind, sich also in ihrem Kerngehalt entsprechen: Hierfür sind weniger die regelungstechnischen Mechanismen entscheidend, derer sich der jeweilige Gesetzgeber bedient, um sein Regelungsziel der Stärkung der Geschlechtergerechtigkeit in der Privatwirtschaft zu verwirklichen, als vielmehr die jeweilige Zielsetzung als solche; mit anderen Worten: Existieren im Herkunftsstaat einer Auslandsgesellschaft ebenfalls Regelungen, die ihrer Regelungsintention nach auf die Erzielung eines Zustandes verstärkter Beteiligung des unterrepräsentierten Geschlechts in Führungsgremien privatrechtlich organisierter Gesellschaften abzielen, dürften diese großzügig als im Wesentlichen vergleichbar zu betrachten sein, zumindest solange sie eine Mindestquote verbindlich vorgeben oder aber – im Falle unverbindlicher oder weicher Quoten – zumindest im Ergebnis fruchten und eine verstärkte Partizipation des unterrepräsentierten Geschlechts erreichen (richtig in diesem Sinne Weller/Harms/Rentsch/Thomale, ZGR 2015, 361, 388 Fn. 144). Bei der Beurteilung der Vergleichbarkeit dürfte man mithin nicht kleinlich sein.
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III. Quotenregelungen als sonderanzuknüpfende Eingriffsnormen?
dem besonderen Problem konfrontiert, dass es hier gälte, eine „überschießende“ Quotenregulierung und damit eine Diskriminierung der ausländischen Gesellschaften zu vermeiden: Würden die festen Quotenvorgaben unbesehen mangels Vorhandenseins eines Aufsichtsorgans im Sinne dualistischer Systeme schlicht auf das Verwaltungsorgan angewandt, würde die bewusste gesetzgeberische Entscheidung, die festen Quotenvorgaben allein auf das primär als Kontrollorgan fungierende Aufsichtsratsgremium zu beziehen, nicht aber auf das die Unternehmensleitung verantwortende Vorstandsgremium zu erstrecken, unterlaufen. Die Anwendung der festen Quotenregelungen auf das Verwaltungsorgan würde mithin zu einer gesetzlich-heteronomen Extension der zwingenden Frauenpartizipation in den unternehmerischen Leitungsbereich führen und damit in ein Ergebnis münden, zu welchem sich der Gesetzgeber im politischen Willensbildungsprozess gerade nicht hat durchringen können. Dass er selbst für die deutsche SE, die nach einem monistischen System aufgebaut ist, eine derartige Lösung vorgibt, mithin die feste Quote hier auf das Verwaltungsorgan überträgt, relativiert zwar dieses Argument, entkräftet es aber nicht: Denn insoweit handelt es sich, in Fortsetzung der Übertragung der Mitbestimmungsparität auf ein geschäftsführendes Leitungsorgan,751) um eine bewusste gesetzgeberische Kompromissentscheidung, um die Quotenregelungen einheitlich auf SEs mit Satzungssitz in Deutschland zur Anwendung zu bringen, nicht aber um ein Modell, wie im Wege der Rechtsfortbildung für die AG konzipierte und hier auf den Aufsichtsrat zugeschnittene Quotenregelungen für Auslandsgesellschaften zugeschnitten werden können. Im Übrigen kann zu Recht gerade auch für die SE erwogen werden, ob mit dieser Ausdehnung der festen Quote auf ein geschäftsführendes Leitungsorgan nicht eine unionsrechtswidrige Beschränkung des Wahlrechts verbunden ist. Die hier geäußerten Bedenken an der verhältnismäßigen Beschränkung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verstärkten sich jedenfalls erheblich, sofern im Ergebnis die Quotenregelung auf ein geschäftsführendes Organ erstreckt würde. (5) Aus kollisionsrechtlicher Warte könnten zwar die von der festen Ge- 417 schlechterquote erfassten deutschen Rechtsformen durch vergleichbare ausländische Rechtsformen substituiert werden. Erhebliche Zweifel bestehen aber an der in der Literatur vereinzelt befürworteten Substituierbarkeit des Merkmals der paritätischen Mitbestimmung (über das MitbestG, MontanMitbestG oder MontanMitbestErgG) dergestalt, dass bei Auslandsgesellschaften auf die Arbeitnehmerzahl im Inland rekurriert wird, um bei Überschreiten der einschlägigen Schwellenwerte eine funktionelle Vergleichbarkeit mit inländischen, (quasi-)paritätischen Mitbestimmung unterworfenen Gesellschaften anzunehmen. Direkt auf die Schwellenwerte der Zahl der Arbeitnehmer im Inland abzustellen, ohne zu verlangen, dass daraus nach dem einschlägigen ausländischen Recht eine Form der Mitbestimmung abgeleitet ___________ 751) Teichmann/Rüb, BB 2015, 905.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten
wird,752) würde demgegenüber letztlich einen zentralen Schritt im Rahmen der Substitution „überspringen“. Selbst wenn also eine Sonderanknüpfung der festen Quotenregelungen vorzunehmen wäre, schiede das Gros der funktionell vergleichbaren Auslandsgesellschaften aus dem sachlichen Anwendungsbereich der Quotenregelungen dennoch aus. 418 (6) Nach Art. 24 Nr. 2 Satz 1 Brüssel Ia-VO besteht bei Verfahren, welche u. a. die Gültigkeit der Beschlüsse der Organe einer juristischen Person zum Gegenstand haben, eine ausschließliche internationale Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet die juristische Person ihren Sitz (bestimmt nach dem nationalen IPR des angerufenen Gerichts) hat. Dies bedeutet im Ergebnis: Im Anwendungsbereich der sog. Sitztheorie sind deutsche Gerichte zuständig, wenn sich der effektive Verwaltungssitz der Gesellschaft, bei der die Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses geltend gemacht wird, in Deutschland befindet oder aber das Kollisionsrecht des Verwaltungssitzstaates auf das deutsche Recht zurückverweist. Beispiel: Verlegt eine deutsche Gesellschaft ihren Verwaltungssitz nach England und damit ins EU-Ausland, um (wie sich zeigen wird: vergeblich) die festen Geschlechterquotenregelungen zu vermeiden, sind für die Entscheidung über die Feststellungsklage die deutschen Gerichte international zuständig. Dies ergibt sich bei Anrufung eines deutschen Gerichts daraus, dass nach herrschender Auffassung aus der dann maßgebenden Sicht des deutschen Kollisionsrechts im Grundsatz (außerhalb des Bereiches des Zuzugs von EU/EWR-Gesellschaften) weiterhin die Sitztheorie maßgebend ist. Diese verweist als Gesamtverweisung auf das Kollisionsrecht des Staates des tatsächlichen Verwaltungssitzes. Weil dieses der „europarechtlichen Gründungstheorie“ folgen muss, kommt es zur Zurückverweisung auf deutsches Sachrecht als Recht des Gründungsortes. Deutsche Gerichte sind daher international zuständig. 419 Für die besonders intensiv diskutierten EU/EWR-Auslandsgesellschaften (mit Satzungssitz im Ausland und Verwaltungssitz im Inland), im Hinblick auf welche insbesondere eine „Flucht“ vor der Quote befürchtet wird, ergibt sich Folgendes: Zuständig für die Entscheidung über die Feststellungsklagen bei angeblich quotenwidriger Besetzung wären die ausländischen Gerichte am Ort des Satzungssitzes. Diese müssten die (festen) Quotenregelungen damit als ausländisches Eingriffsrecht unabhängig vom Sachstatut durchsetzen – ein in Anbetracht der überaus restriktiven Voraussetzungen hierfür höchst unwahrscheinliches Szenario.753) Dies belegt, dass jene Ansicht, die die ___________ 752) So aber Weller/Harms/Rentsch/Thomale, ZGR 2015, 361, 382. 753) Dies übersehen u. E. die bisherigen Auseinandersetzungen, die sich mit der Anwendung der festen Geschlechterquote auf Auslandsgesellschaften befassen und damit die praktische Durchsetzungsebene einer Sonderanknüpfung der festen Quotenregelungen als Eingriffsnormen nicht ausreichend beachten; vgl. exemplarisch für ein solches Fehlen der Beleuchtung der Durchsetzungsdimension Weller/Harms/Rentsch/Thomale, ZGR 2015, 361 ff.
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IV. Innereuropäische grenzüberschreitende Verschmelzungen
festen Quotenregelungen qua Sonderanknüpfung als Eingriffsnormen durchsetzen möchte, auf erhebliche Durchsetzungsdefizite stieße. Beispiel: Verlegt eine englische PLC ihren Verwaltungssitz ins Inland, sind für die Entscheidung über die Feststellungsklage betreffend die quotenwidrige Wahl aufgrund der hier anwendbaren Gründungstheorie die englischen Gerichte als Gerichte des Gründungsstaates international zuständig. Praxistipp: Wie stets in internationalen Sachverhalten sollten grenzüberschreitend strukturierte Unternehmen im Rahmen der Ermittlung des für sie maßgebenden Sachnormbestandes (Rechtsermittlungspflicht) stets auch die Möglichkeiten der prozessualen Rechtsdurchsetzung beachten.
IV. Innereuropäische grenzüberschreitende Verschmelzungen Innerhalb des Bündels der möglichen Sachverhalte mit Auslandsbezug sind 420 zwei besonders praxisbedeutsame Fälle ausdrücklich einer gesetzlichen Regelung zugeführt worden: So findet, erstens, die feste Geschlechterquote für das Aufsichtsorgan einer dualistisch organisierten, paritätisch mitbestimmten und börsennotierten SE (§ 17 Abs. 2 SEAG) sowie für das Verwaltungsorgan einer monistisch organisierten, paritätisch mitbestimmten und börsennotierten SE (§ 24 Abs. 3 SEAG) Anwendung. Der befürchteten „Flucht“ in die europäische Rechtsform der SE als Strategie zur Umgehung der Anwendung der Geschlechterquote ist der Gesetzgeber damit von vornherein entgegengetreten. Zweitens bestimmt § 96 Abs. 3 AktG, dass die feste Geschlechterquote auch 421 für börsennotierte Gesellschaften gilt, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen sind und die nach dem MgVG ein Aufsichts- oder Verwaltungsorgan aufweisen, das aus derselben Anzahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besteht. Diese Sonderregelung ist veranlasst, weil bei allen an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligten Kapitalgesellschaften die deutschen Mitbestimmungsgesetze nicht gelten, vielmehr die Mitbestimmung ihre Basis dabei entweder in einer Beteiligungsvereinbarung i. S. v. § 22 MgVG oder entsprechend der Auffangregelung i. S. v. § 23 MgVG findet.754) Die Sonderregelung findet dabei nach dem weiten Wortlaut („hervorgegangen“) auf Fälle der Verschmelzung zur Aufnahme sowie der Verschmelzung zur Neugründung Anwendung.
___________ 754) Vgl. Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 14.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten
1. Anwendbarkeit der festen Geschlechterquote nur bei grenzüberschreitenden Hineinverschmelzungen 422 Hier gilt es allerdings zu sehen, dass aufgrund der Bezugnahme auf den MgVG die feste Geschlechterquote ausdrücklich allein in Konstellationen sog. grenzüberschreitender Hereinverschmelzungen Anwendung findet (und damit auf Fälle einer Verschmelzung einer ausländischen auf eine inländische Gesellschaft mit dem Endresultat einer inländischen Gesellschaft), richtigerweise aber nicht in Konstellationen sog. grenzüberschreitender Hinausverschmelzungen (also auf die umgekehrten Fälle der Verschmelzung einer inländischen auf eine ausländische Gesellschaft). 423 Anders als nach der hier zugrunde gelegten Sicht,755) wonach nur Hereinverschmelzungen erfasst sind, möchte eine in der Literatur vertretene Ansicht (offenbar unter dieser Prämisse) nicht nur übernehmende (oder neu gegründete) Gesellschaften mit inländischem Satzungssitz dem Anwendungsbereich des § 96 Abs. 3 AktG unterstellen, sondern die feste Geschlechterquote auch dann zur Anwendung gelangen lassen, wenn der übernehmende Rechtsträger zwar im europäischen Ausland seinen Satzungssitz hat, aber im Inland eine „relevante Anzahl von Arbeitnehmern“ im Geltungsbereich des MgVG beschäftigt.756) Beispiel: Diese in der Literatur757) vertretene Ansicht hieße im Ergebnis, dass im Falle einer Verschmelzung einer Gesellschaft ausländischer Rechtsform, die den Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Betätigung im Inland ausübt (Bsp.: Air Berlin PLC), mit einer solchen deutscher Rechtsform (Bsp.: Lufthansa AG) die Regelungen zur festen Geschlechterquote nicht allein dann Anwendung fänden, wenn die deutsche Gesellschaft (Lufthansa AG) als übernehmender Rechtsträger fungierte (und damit eine Gesellschaft inländischen Rechts als „Verschmelzungsprodukt“ verbliebe). Vielmehr fände die feste Geschlechterquote auch dann Anwendung, wenn gerade umgekehrt die Gesellschaft ausländischen Rechts (mithin im Beispiel: die Air Berlin PLC) als übernehmender Rechtsträger verbliebe. 424 Begründet wird diese Sichtweise, die der festen Geschlechterquote im Falle grenzüberschreitender Verschmelzungen einen deutlich breiteren Anwendungsbereich verschüfe, mit Verweis auf die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 2 MgVG, demzufolge das MgVG gerade auch unabhängig vom Sitz der aus der Verschmelzung hervorgegangenen Gesellschaft für deren Arbeitnehmer, die im Inland beschäftigt sind, sowie für inländische beteiligte Gesellschaften, betroffene Tochtergesellschaften und betroffene Betriebe gilt. ___________ 755) Vgl. dazu schon Seibt, ZIP 2015, 1193, 1201. 756) Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 60. 757) Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 60 mit dem hier übernommenen theoretischen Beispiel.
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IV. Innereuropäische grenzüberschreitende Verschmelzungen
In der Tat ist die Bezugnahme des § 96 Abs. 3 AktG auf das MgVG auf der 425 sachrechtlichen Ebene das entscheidende Element, um aus dem Kreise der aus grenzüberschreitenden Verschmelzungen hervorgegangenen Gesellschaften jene herauszukristallisieren, die dem Anwendungsbereich der deutschen festen Geschlechterquote unterworfen sind. Denn kollisionsrechtlich lässt sich die Unanwendbarkeit der Regelung auf Gesellschaften mit Satzungssitz im Ausland nicht schon zwingend dergestalt begründen, dass die Vorschrift des § 96 Abs. 3 AktG, die gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren ist, auf die einem ausländischen Gesellschaftsstatut unterworfene übernehmende Gesellschaft nicht anwendbar wäre. Diese Hürde, die sich aus der Anknüpfung nach den allgemeinen Grundsätzen des internationalen Gesellschaftsrechts ergibt, ließe sich nämlich überwinden, wenn der Regelung des § 96 Abs. 3 AktG zugleich ein versteckter kollisionsrechtlicher Gehalt (im Sinne einer einseitigen Kollisionsnorm) beigemessen würde, die Norm also ihren internationalen Anwendungsbereich selbst regelte (was wiederum zweifelhaft ist). Auf sachrechtlicher Ebene ist aber Folgendes zu bedenken: Das MgVG, wie 426 unmittelbar aus der ausdrücklich seinen sachlichen Regel-Anwendungsbereich bestimmenden Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 MgVG deutlich wird, gilt im Ausgangspunkt allein für Zielrechtsträger mit Sitz im Inland. Es findet damit also primär auf Hereinverschmelzungen Anwendung (Begrenzung des räumlichen Anwendungsbereichs auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland).758) Demgegenüber sind in EU-Hinausverschmelzungsfällen für die Unternehmensmitbestimmung jene nationalen Vorschriften zur Anwendung berufen, die der dortige nationale Gesetzgeber (am Sitz des ausländischen übernehmenden Rechtsträgers) in Umsetzung der VerschmelzungsRichtlinie erlassen hat. Der von der Gegenansicht bemühte § 3 Abs. 1 Satz 2 MgVG basiert auf Art. 16 Abs. 3 lit. a) der Verschmelzungs-Richtlinie, der sich i. V. m. Art. 3 Abs. 2 lit. b) SE-RL sachlich auf die Wahl oder Bestellung von Mitgliedern des besonderen Verhandlungsgremiums bezieht.759) Nach dieser deutschen Umsetzungsvorschrift findet – trotz der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des jeweiligen nationalen (ausländischen) Umsetzungsgesetzes des Sitzstaates des übernehmenden Rechtsträgers für Fragen der Unternehmensmitbestimmung – für das Verhandlungsverfahren in den inländischen beteiligten Gesellschaften (§§ 6 ff. MgVG) sowie für die Wahl der inländischen Arbeitnehmervertreter für das Mitbestimmungsorgan in der Zielgesellschaft (§§ 25 ff. MgVG) das deutsche MgVG Anwendung. Die deutsche Umsetzungsnorm des § 3 Abs. 1 Satz 2 MgVG erfasst damit zwar im Einklang mit der Richtlinie durchaus Hinausverschmelzungen, ist aber in ihrer sachlichen Reichweite insofern beschränkt, als sie sich nur auf bestimmte Verfahrensvorschriften des MgVG bezieht, die unabhängig vom Satzungssitz des ___________ 758) BR-Drucks. 540/06, S. 41; dazu Thüsing/Forst, in: Habersack/Drinhausen, § 3 MgVG Rn. 9. 759) Thüsing/Forst, in: Habersack/Drinhausen, § 3 MgVG Rn. 10.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten
übernehmenden Rechtsträgers Anwendung finden sollen.760) Eine noch weitergehende, überschießende nationale Umsetzungsregelung, wie sie § 3 Abs. 1 Satz 2 MgVG, rein vom Wortlaut betrachtet, zu sein scheint, wäre insofern auch nicht unionsrechtskonform. Denn das Unionsrecht geht selbst vom Grundsatz der Unterwerfung des Beteiligungsverfahrens der Arbeitnehmer unter ein einheitliches Statut am Satzungssitz des Zielrechtsträgers aus,761) sodass abseits dieser engen Ausnahmen, die eine partielle Durchbrechung dieses Prinzips des Einheitsstatuts darstellen, für die anderen Regelungsbereiche des MgVG das Recht des jeweiligen Staates des Satzungssitzes Anwendung findet. 427 Im Ergebnis folgt daraus: Weist bei einer Herausverschmelzung der aus der Verschmelzung hervorgegangene Rechtsträger auf Basis der dann grundsätzlich anwendbaren ausländischen Umsetzungsvorschriften der VerschmelzungsRichtlinie am Sitz dieser Gesellschaft ein Aufsichts- oder Verwaltungsorgan auf, das aus derselben Anzahl von Anteilseignern- und Arbeitnehmervertretern besteht (sei es im Wege der sog. gesetzlichen Auffanglösung oder aufgrund einer privatautonomen Verhandlungslösung), läge zwar ein funktionelles Äquivalent zu einem Organ vor, das nach nationalem deutschen Recht (dem MgVG) paritätisch besetzt ist. Allerdings beruhte diese paritätische Besetzung – gerade anders als es § 96 Abs. 3 AktG verlangt – nicht auf dem deutschen MgVG, sondern eben auf seinem jeweils einschlägigen europäischen Pendant am Satzungssitz der Zielgesellschaft.762) Dass einige Regelungen des MgVG über § 3 Abs. 1 Satz 2 MgVG bei Vorliegen dessen Tatbestandsvoraussetzungen für punktuelle Bereiche, wie gezeigt, anwendbar sind, führt mithin nicht dazu, dass eine paritätische Mitbestimmung „nach dem MgVG“ gegeben ist. 428 Mit anderen Worten: Die Regelung des § 96 Abs. 3 AktG, die die feste Geschlechterquote auf bestimmte Rechtsträger erstrecken möchte, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen sind, findet allein dann Anwendung, wenn die Zielgesellschaft einen inländischen Satzungssitz in Deutschland aufweist. Nur in diesem Fall kann die paritätische Mitbestimmung auf dem ausdrücklich als Tatbestandsvoraussetzung durch § 96 Abs. 3 AktG in Bezug genommenen MgVG beruhen. In diesem Lichte erscheint § 96 Abs. 3 AktG, will man dem Gesetzgeber nicht eine Verfehlung seiner regulatorischen Ziele unterstellen, nicht als Vorschrift, die eine „Flucht“ vor den deutschen Regelungen zur Geschlechterquote über eine grenzüberschreitende Verschmelzung zu verhindern sucht (dieser Versuch wäre auch, wie gezeigt, fehlgeschlagen), sondern als eine deutlich „bescheidenere“ Norm: Sie trägt schlicht dem Befund Rechnung, dass bei jedweden grenzüberschreitenden Gesellschaften die deutschen Mitbestimmungsgeset___________ 760) Zu diesen Vorschriften Thüsing/Forst, in: Habersack/Drinhausen, § 3 MgVG Rn. 12. 761) Thüsing/Forst, in: Habersack/Drinhausen, § 3 MgVG Rn. 10. 762) So bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1201.
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IV. Innereuropäische grenzüberschreitende Verschmelzungen
ze im Ausgangspunkt nicht gelten, sich die Mitbestimmung vielmehr über eine Vereinbarung nach § 22 MgVG oder vermittels der Auffanglösung nach § 23 MgVG ergibt. Daher fielen aber auch übernehmende Rechtsträger mit Satzungssitz im Inland nicht unter den „normalen“ Anwendungsbereich der festen Geschlechterquote – dieser Anwendungsbereich setzt nämlich gerade voraus, dass für die betreffende Gesellschaft das Mitbestimmungsgesetz, das Montan-Mitbestimmungsgesetz oder das Mitbestimmungsergänzungsgesetz gilt, was insofern gerade nicht der Fall ist. Um also deutschem Gesellschaftsstatut unterliegende, börsennotierte Gesellschaften, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen sind, nicht vom Regelungsbereich der festen Geschlechterquote auszunehmen, bedurfte es der Sonderregelung des § 96 Abs. 3 AktG. Eine „Flucht“ vor den Regelungen zur festen Geschlechterquote durch das Fluchtmittel der grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung ist also möglich. Hieraus ergibt sich ein wesentlicher Unterschied zu den Mitbestimmungsregelungen, da das MgVG und seine europäischen Parallelregelungen deren Vermeidung vermittels grenzüberschreitender Verschmelzungen gezielt entgegensteuern. Beispiel: Nach hier vertretener Ansicht würde im theoretischen Fall der Verschmelzung der Lufthansa AG mit der Air Berlin PLC (einer Gesellschaft ausländischer Rechtsform, die den Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Betätigung im Inland ausübt) nur dann zur Anwendung der Quotenregelungen führen können, wenn die Lufthansa AG übernehmender Rechtsträger wäre. Übernähme dagegen die Air Berlin PLC die Lufthansa AG, sodass die Air Berlin PLC als übernehmender Rechtsträger verbliebe, wären die Quotenregelungen nicht anwendbar. Merksatz: Die Regelung des § 96 Abs. 3 AktG, die die feste Geschlechterquote auf bestimmte Rechtsträger erstreckt, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen sind, findet allein dann Anwendung, wenn die Zielgesellschaft einen inländischen Satzungssitz in Deutschland aufweist.
2. Unanwendbarkeit der festen Geschlechterquote bei Vereinbarung unterparitätischer Mitbestimmung Eine Möglichkeit zur Vermeidung der Anwendbarkeit der Geschlechterquote 429 ergibt sich aber auch bei Zielrechtsträgern mit inländischem Satzungssitz (auch ohne „Flucht in ausländische Jurisdiktionen“), sofern die Vereinbarung nach § 22 MgVG eine unterparitätische Mitbestimmung vorsieht, da die paritätische Mitbestimmung (nach dem MgVG) auch bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung ein neben der Börsennotierung weiteres, kumulatives Merkmal darstellt. Das heißt: Auch bei Gesellschaften mit mehr als 2.000 Beschäftigten kann die MgVG-Beteiligungsvereinbarung ein Mitbestimmungsregime regeln, das keine paritätische Besetzung des Aufsichts- oder Leitungsorgans vorsieht (z. B. zehn Anteilseignervertreter, neun Arbeitnehmervertreter, ein
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten
neutrales Mitglied)763) und in diesem Fall findet das Gebot der festen Geschlechterquote keine Anwendung.764) Beispiel: Im hypothetischen Falle der Verschmelzung der Air Berlin PLC mit der Lufthansa AG als übernehmenden Rechtsträger (grundsätzliche Möglichkeit der Anwendung der festen Quotenregelung über § 96 Abs. 3 AktG) wäre die feste Quotenregelung aus Gründen des materiellen Rechts nicht anwendbar, wenn eine Mitbestimmungsvereinbarung nach § 22 MgVG nicht zu einer paritätischen Mitbestimmung führte. 3. Anwendbarkeit der festen Geschlechterquote bei Verhandlungslösung und Auffangregelung 430 Noch weitergehend wird vertreten, dass prinzipiell, d. h. in allen Fällen, in welchen eine Mitbestimmung im Wege einer Verhandlungslösung nach § 22 MgVG (und damit nicht im Zuge der Auffangregelung des § 23 MgVG) begründet wird, die Regelungen zur festen Geschlechterquote keine Anwendung finden. Begründet wird dies – sehr formalistisch – unter Verweis auf den hier gegebenen autonomen Entstehungsgrund der Mitbestimmung (nämlich: die freiwillige Verhandlungslösung), wohingegen der Wortlaut des § 96 Abs. 3 AktG an einen heteronomen Entstehungsgrund der Mitbestimmung anknüpfe, indem es auf die Mitbestimmung „nach dem Gesetz“ (dem MgVG) abstelle.765) In den Gesetzesmaterialien findet sich allerdings für eine solche sehr restriktive Auslegung kein Anhaltspunkt, obgleich – sollte eine solche Restriktion intendiert gewesen sein – dahingehende klarstellende Begründungen nahegelegen hätten. Mehr noch: Auch das herangezogene Wortlautargument überzeugt letztlich nicht. Denn es wird gerade nicht, anders als es die erwähnte Ansicht suggeriert, auf eine Begründung der paritätischen Mitbestimmung kraft gesetzlichen Rechtsfolgenbefehls abgestellt, sondern schlicht auf die paritätische Mitbestimmung als Resultat des anwendbaren MgVG: „Nach dem MgVG“ wird aber auch eine paritätische Mitbestimmung begründet, die freiwillig, d. h. kraft Mitbestimmungsvereinbarung erfolgt, dabei aber freilich die normative „Infrastruktur“, die § 22 MgVG für derartige Verhandlungslösungen bereithält, nutzt. Insofern beruht die paritätische Mitbestimmung in solchen Fällen zwar auf einem Kollektivvertrag eigener Art und nicht unmittelbar auf dem Gesetz; dieser Kollektivvertrag hat sich aber innerhalb der internen Schranken des MgVG zu bewegen und wird daher wesentlich durch den Regelungsrahmen des MgVG mitgeprägt. Vollends deutlich wird die mangelnde Überzeugungskraft jener Ansicht, die die feste ___________ 763) Beispiel bereits bei Seibt, ZIP 2015, 1193, 1201. 764) Ebenso Teichmann/Rüb, BB 2015, 259, 266; Grobe, AG 2015, 289, 298; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 58. 765) Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 59; dagegen bereits Seibt, ZIP 2015, 1193, 1201.
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IV. Innereuropäische grenzüberschreitende Verschmelzungen
Geschlechterquote nur bei Zielgesellschaften mit paritätischer Mitbestimmung kraft gesetzlicher Auffanglösung (§§ 23 f. MgVG), nicht aber kraft Mitbestimmungsvereinbarung, anwenden möchte, wenn berücksichtigt wird, dass die gesetzliche Auffanglösung auch ihrerseits kraft Vereinbarung der Parteien zur Anwendung berufen werden kann (§ 22 Abs. 3 MgVG). Merksatz: § 96 Abs. 3 AktG findet Anwendung, wenn (1) im Wege der Verhandlungslösung eine paritätische Mitbestimmung vereinbart wird, (2) aufgrund der Auffangregelung eine paritätische Mitbestimmung greift oder aber (3) über § 4 MgVG im Ausnahmefall die deutschen Mitbestimmungsgesetze anwendbar sind und diese zu einer paritätischen Mitbestimmung führen.
4. Zementierung des Mitbestimmungsstatuts und ihre Auswirkung auf die feste Geschlechterquote Das einmal etablierte Mitbestimmungsstatut – sei es im Wege der Verhand- 431 lungslösung, sei es aufgrund Eingreifens der Auffanglösung – wird pro futura gewissermaßen „zementiert“, d. h. im Falle von Strukturänderungen wird eine Neuverhandlungspflicht nicht ausgelöst, sofern nicht – im Falle der Verhandlungslösung – vertraglich eine Durchbrechung dieses Zementierungseffekts vereinbart worden ist.766) Ist das etablierte Mitbestimmungsregime ein solches, das zu keiner paritätischen Besetzung und damit nicht zur Anwendung der Geschlechterquote nach § 96 Abs. 3 AktG führt, wird sich also auch im Falle nachträglicher Strukturänderungen mangels Änderung des Mitbestimmungsstatuts nicht die Frage nach einer nunmehrigen Anwendung der festen Geschlechterquote stellen. Das gilt auch, wenn zwischenzeitlich die Zahl der Beschäftigten gestiegen ist und die Schwelle für die paritätische Mitbestimmung (nach dem nicht anwendbaren MitbestG) überschritten wird. Kommt es allerdings im Nachgang zu einer grenzüberschreitenden Verschmelzung zu einer innerstaatlichen Verschmelzung, gelangt wiederum das nationale Mitbestimmungsrecht zur Anwendung; insoweit wird hier der Zementierungseffekt nach § 30 Satz 1 MgVG durchbrochen. Eine (von vornherein vorhandene oder nachträglich entstandene) Anzahl von Mitarbeitern, die die Schwelle von 2.000 regelmäßig Beschäftigten überschreitet, führt dann zur Notwendigkeit der paritätischen Besetzung des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans und damit zur Anwendbarkeit der festen Geschlechterquote. Einschlägig ist dann allerdings nicht mehr § 96 Abs. 3 AktG, sondern der für nationale Gesellschaften, die nicht aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung entstanden sind, maßgebende § 96 Abs. 2 AktG. Würde demgegenüber das Mitbestimmungsniveau durch eine innerstaatliche Verschmelzung absinken, weil das deutsche Mitbestimmungsrecht zu einer geringeren Mitbestimmung führt als das vorherige Mitbestimmungsniveau, be___________ 766) Hierzu ausführlich Ege/Grzimek/Schwarzfischer, DB 2011, 1211 ff.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten
stünde Bestandsschutz des bisherigen Mitbestimmungsniveaus für einen Zeitraum von drei Jahren (§ 30 Satz 2 MgVG). Merksatz: Unterlag eine Gesellschaft aufgrund des MgVG der paritätischen Mitbestimmung und war daher die feste Geschlechterquote anwendbar über § 96 Abs. 3 AktG, bleibt es bei diesem Mitbestimmungsniveau und damit der Anwendbarkeit der festen Geschlechterquote, wenn eine innerstaatliche Verschmelzung innerhalb von drei Jahren nach Eintragung der aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung entstandenen Gesellschaft erfolgt (solange der übernehmende Rechtsträger eine AG oder KGaA und börsennotiert ist).
Beispiel: Im Fall der theoretischen Verschmelzung der Air Berlin PLC mit der Lufthansa AG als übernehmendem Rechtsträger wäre, wie gezeigt, die feste Quotenregelung aus Gründen des materiellen Rechts nicht anwendbar, wenn eine Mitbestimmungsvereinbarung nach § 22 MgVG nicht zu einer paritätischen Mitbestimmung führte. Sollte allerdings – wiederum sehr theoretisch – die Lufthansa AG auf die Germania Fluggesellschaft mbH innerstaatlich verschmelzen, griffe wiederum das deutsche Mitbestimmungsrecht ein. Dieses führte zwar zu einer paritätischen Mitbestimmung. Die feste Geschlechterquote wäre in dem Fall aber dennoch nicht anwendbar: Denn weil die aufnehmende Gesellschaft eine GmbH wäre, scheiterte die Anwendung der festen Geschlechterquote an der mangelnden Erfüllung ihrer sachlichen Tatbestandsmerkmale (hier: an dem Rechtsträger, AG oder KGaA, sowie an der Börsennotierung). 5. Grenzüberschreitende Verschmelzung unter Beteiligung einer SE 432 Ist an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung als aufnehmender Rechtsträger767) eine SE mit Sitz in Deutschland beteiligt, führte das an sich zu einer „Regelungsverdopplung“768) mit § 17 Abs. 2 und § 24 Abs. 3 SEAG einerseits und § 96 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 AktG andererseits. Dieser Regelungskonflikt (die SEAG-Vorschriften enthalten keine Rundungsvorschrift und keine Nichtigkeitsbegrenzung nach § 96 Abs. 2 Satz 7 AktG) ist dahin aufzulösen, dass § 96 Abs. 3 AktG als speziellere Vorschrift gilt.769) Dies ist wertungsmäßig und systematisch auch nur konsequent, führt man sich vor Augen, dass sich eine grenzüberschreitende Verschmelzung unter Beteiligung einer SE nur im Falle einer im Zuge der Verschmelzung erfolgenden Neubildung der SE nach der dann einschlägigen, normenhierarchisch vorrangigen SE-VO richtet; entsteht durch die Verschmelzung (zur Neugründung) dagegen keine neue SE, sind die jeweiligen nationalen Vorschriften (bei Sat___________ 767) Bei einer SE-Neugründung ist dagegen die SE-VO vorrangig, Drygala, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 96 Rn. 61. 768) Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 61. 769) Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 61; Seibt, ZIP 2015, 1193, 1202.
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IV. Innereuropäische grenzüberschreitende Verschmelzungen
zungssitz des übernehmenden oder neu gegründeten Rechtsträgers in Deutschland: die Vorschriften der §§ 122a ff. UmwG, §§ 1 ff. MgVG) anwendbar. Daher sollte auch im Hinblick auf die spezifischen Modi der Quotenregelung eine Parallelität mit Fällen grenzüberschreitender Verschmelzungen mit einem rein nationalen Zielrechtsträger erreicht werden. Dies ist gewährleistet, sofern § 96 Abs. 3 gegenüber § 17 Abs. 2 und § 24 Abs. 3 SEAG als lex specialis eingestuft wird. 6. Spezifika der festen Geschlechterquote bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen Findet § 96 Abs. 3 AktG Anwendung (was nach hier vertretener Auffassung 433 nur bei Hereinverschmelzungen der Fall ist), ist allerdings auf Ebene des Sachrechts folgende Modifikation im Vergleich zur „regulären“ festen Geschlechterquote zu beachten: Obwohl § 96 Abs. 3 AktG weitgehend auf Abs. 2 verweist (um eine unzulässige Ungleichbehandlung gegenüber der AG/ KGaA zu vermeiden), bestehen wegen der Nicht-Verweisung auf § 96 Abs. 2 Sätze 3 und 5 AktG Abweichungen zur „regulären“ Geschlechterquote. So gilt in der MgVG-Gesellschaft stets der Grundsatz der Gesamterfüllung. Diese Sonderheit kann allerdings nicht schlicht damit begründet werden, dass die Mitbestimmung im Aufsichtsrat von Gesellschaften, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen sind, im Vereinbarungswege ausgehandelt wird und daher, d. h. bei einer solchen Mitbestimmungsvereinbarung, ein Widerspruch gegen die Gesamterfüllung nicht in Betracht kommt.770) Diese Begründung trifft zwar in der Tat zu, sollte eine Mitbestimmung im Vereinbarungswege ausgehandelt werden. Allerdings vermag diese Begründung die alleinige Maßgeblichkeit des Grundsatzes der Gesamterfüllung und damit das Ausbleiben eines Widerspruchsrechts in jenen Fällen nicht zu legitimieren, in denen es nicht zu einer Mitbestimmungsvereinbarung kommt, in welchen also die gesetzliche Auffanglösung eingreift. Die Maßgeblichkeit der Gesamterfüllung beruht hier vielmehr auf dem sachlichen Grund, dass die Zusammensetzung des Aufsichtsrats – bei Eingreifen der Auffangregelung: zwingend – durch die Notwendigkeit des Länderproporzes (§ 25 MgVG) komplex ist. Hier wird also im Zeichen der Praktikabilität in Kauf genommen, dass eine der beiden Seiten, d. h. die Anteilseigner- oder die Arbeitnehmerseite, die Quote – relativ betrachtet – zum „Vorteile“ der jeweils anderen Seite übererfüllt, ohne sich gegen diese Gesamtwirkung zur Wehr setzen zu können:771) Die Übererfüllung durch eine Aufsichtsratsseite erlaubt es der anderen, entsprechend weniger Quotensitze besetzen zu müssen,772) wogegen nur das (bei MgVG-Gesellschaften gerade ___________ 770) So aber Beschlussempfehlung BT-Drucks. 18/4277, S. 25; wohl auch Stüber, DNotZ 2015, 947, 950 f. 771) So zu Recht Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 63. 772) Schulz/Ruf, BB 2015, 1155, 1157.
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E. Feste Geschlechterquote und Frauenzielquoten bei Auslandssachverhalten
fehlende) Widerspruchsrecht in Stellung gebracht werden kann, bei dessen Ausübung der Erfüllungsmodus vom Grundsatz der Gesamterfüllung zum Prinzip der Getrennterfüllung wechselt. „Bevorteilt“ von einer etwaigen Übererfüllung einer Seite wird in der Regel die Arbeitgeberseite sein, da – empirisch betrachtet – der Frauenanteil auf Seiten der Arbeitnehmervertreter regelmäßig höher als jener auf Seiten der Anteilseignervertreter ist.
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F. Der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission – Oder: (Wann) kommt die europäische Frauenquote? Hohenstatt/Krawinkel
Der Gesetzgeber hat die Bundesregierung in Art. 23 Abs. 3 GgTFMF beauf- 434 tragt, die „Wirksamkeit“ der mit dem GgTFMF implementierten Regelungen drei Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes einer Evaluation zu unterziehen. Dies soll ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien nicht nur dazu dienen, die Akzeptanz und Wirksamkeit der festen Geschlechter- und der Frauenzielquote sowie die tatsächlichen Auswirkungen der neuen Vorschriften auf die Repräsentation von Frauen in den Führungspositionen der Privatwirtschaft zu prüfen.773) Zweck der geplanten Evaluation ist es zudem, zu untersuchen, ob und inwieweit sich die vom Gesetzgeber gehegte „Erwartung“ erfüllt hat, wonach eine Erhöhung des Frauenanteils in den Verwaltungsorganen und obersten Managementebenen die „Unternehmenskultur“ als solche positiv beeinflussen und die Qualität „wirtschaftlicher Entscheidungen“ verbessern wird.774) Ein besonderes Augenmerk dürfte die Bundesregierung insoweit v. a. auf die von der Wirtschaft selbst gesetzten Frauenzielquoten und deren Erreichungsgrad legen. Es ist freilich keineswegs sicher, ob und in welchem Umfang das Thema 435 „Frauen in Führungspositionen“ in drei Jahren tatsächlich noch in den Händen des deutschen Gesetzgebers liegen wird. Immerhin ist die Europäische Kommission schon seit Langem bestrebt, die Regelungshoheit für diesen Bereich auf die europäische Ebene zu ziehen und den Gestaltungsspielraum der einzelnen Mitgliedstaaten durch den Erlass entsprechender Sekundärrechtsakte einzuengen.775) Für die deutsche Wirtschaft wäre eine stärkere Involvierung des europäischen Gesetzgebers schon deswegen keine gute Nachricht, weil nicht zu erwarten ist, dass dieser bei der Ausgestaltung entsprechender Rege___________ 773) Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 166. 774) Begr. RegE, BR-Drucks. 636/14, S. 166; vgl. zu diesen Aspekten bereits die Ausführungen unter Rn. 13 ff. 775) Den Ausgangspunkt dieser Bemühungen bildet wohl eine entsprechende Ankündigung der damaligen Justizkommissarin Reding, die im März 2011 verlauten ließ, dass sie die börsennotierten Unternehmen in der Europäischen Union ggf. zwingen werde, den Frauenanteil „in ihren Vorständen oder Aufsichtsräten“ bis 2015 auf 30 % und bis 2020 auf 40 % zu erhöhen, sollte dies bis dahin nicht aufgrund entsprechender freiwilliger Selbstverpflichtungen gelingen: „In den nächsten zwölf Monaten will ich der Selbstregulierung eine letzte Chance geben. Ich wünsche mir, dass die Unternehmen kreativ werden, damit die Gesetzgeber nicht kreativ sein müssen. Für mich zählt das Ergebnis. Mein Ziel ist es, dass die Aufsichtsräte der großen börsennotierten Unternehmen in Europa bis zum Jahr 2015 zu 30 % mit Frauen und bis zum Jahr 2020 zu 40 % mit Frauen besetzt sind. (…) Am nächsten Frauentag, dem 8. März 2012, wird die Kommission überprüfen, ob wesentliche Fortschritte erreicht und glaubwürdige Selbstregulierungsinitiativen für mehr Frauen in Entscheidungspositionen entwickelt worden sind. Falls dies im März 2012 der Fall ist, möchte ich die europäischen Unternehmen dazu beglückwünschen. Falls nicht, können Sie auf meine regulatorische Kreativität zählen.“ Die entsprechende Pressemitteilung der Kommission ist abrufbar unter http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-11-124_de.htm.
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F. Der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission
lungen auf deutschrechtliche Besonderheiten, wie z. B. die Systematik des hiesigen Mitbestimmungsrechts oder das für das deutsche Gesellschaftsrecht typische dualistische System der Unternehmensverwaltung hinreichend Rücksicht nehmen wird.776) Der Erlass europäischer Regelungen in diesem Bereich dürfte daher mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer weiteren Verkomplizierung der Rechtslage führen, die unweigerlich eine (zusätzliche) Bürokratisierung der Corporate Governance und damit verbundene Kosten mit sich bringen würde. 436 Wie ein zukünftiger europäischer Sekundärrechtsakt zur Stärkung des Frauenanteils in den Führungspositionen der Privatwirtschaft aussehen könnte, zeigt der von der Europäischen Kommission am 14. November 2012 vorgelegte Vorschlag für eine „Richtlinie zur Gewährleistung einer ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und damit zusammenhängender Maßnahmen“.777) Dieser Richtlinienvorschlag soll im Folgenden in seinen wesentlichen Grundzügen vorgestellt und mit den Regelungen des GgTFMF verglichen werden. Es folgen Ausführungen zur Frage der Rechtsetzungskompetenz des europäischen Gesetzgebers sowie ein Überblick zum Stand des Gesetzgebungsverfahrens und den zu erwartenden nächsten Schritten. I. Inhalt des Richtlinienvorschlags 437 Kernelemente des von der Europäischen Kommission vor bald drei Jahren vorgelegten Richtlinienvorschlags sind (1) die Vorgabe einer auf Grundlage bestimmter Verfahrensvorgaben zu erreichenden festen Geschlechterquote in Höhe von 40 % für die nicht geschäftsführenden Direktoren bzw. Aufsichtsratsmitglieder börsennotierter Gesellschaften (Art. 4 Richtlinienvorschlag), (2) die Schaffung einer gesetzlichen Pflicht zur Selbstverpflichtung („Eigenverpflichtung“) börsennotierter Gesellschaften zur Erreichung einer ausgewogenen Vertretung beider Geschlechter unter den geschäftsführenden Direktoren bzw. Vorstandsmitgliedern (Art. 5 Richtlinienvorschlag) sowie (3) die Verpflichtung, im Falle eines Verstoßes gegen die zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen mitgliedstaatlichen Vorschriften spürbare, von den Mitgliedstaaten selbst festzulegende Sanktionen zu verhängen (Art. 6 Richtlinienvorschlag).778) Auf diese drei wesentlichen Bausteine des Richtlinienvorschlags soll im Folgenden näher eingegangen werden. Hinsichtlich der ___________ 776) Ebenso Koch, ZHR 175 (2011), 827, 828 f. 777) Der Richtlinienvorschlag (COM(2012) 614 final) ist im Internet frei abrufbar unter http:// ec.europa.eu/justice/gender-equality/files/womenonboards/directive_quotas_de.pdf. 778) Die Beschränkung auf börsennotierte Gesellschaften wird damit begründet, dass diese „aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihres hohen Bekanntheitsgrads Maßstäbe für den gesamten privaten Sektor setzen“. Außerdem hätten börsennotierte Gesellschaften i. d. R. größere Verwaltungsorgane als nicht börsennotierte Gesellschaften und EU-weit einen ähnlichen Rechtsstatus. Vgl. Richtlinienvorschlag (COM(2012) 614 final), S. 7.
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I. Inhalt des Richtlinienvorschlags
weiteren Einzelheiten des Vorschlags sei auf die einschlägigen Aufsätze und Stellungnahmen verwiesen.779) 1. Feste Geschlechterquote Die in dem Richtlinienvorschlag vorgesehene feste Geschlechterquote von 438 40 % für die nicht geschäftsführenden Direktoren bzw. Aufsichtsratsmitglieder börsennotierter Gesellschaften wurde nach Angaben der Europäischen Kommission gewählt, da sie „zwischen der kritischen Masse, die notwendig ist, um die Leitungsorgane nachhaltig zu beeinflussen (30 %), und der absoluten Geschlechterparität (50 %) [liegt]“.780) Die Quote soll nach den bisherigen Vorstellungen der Europäischen Kommission bereits bis zum 1. Januar 2020 erfüllt werden (Art. 4 Abs. 1 Richtlinienvorschlag). Öffentliche Unternehmen, also Unternehmen, auf die die öffentliche Hand „aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, (…), unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann“, sollen den „Mindestanteil“ von 40 % sogar schon bis zum 1. Januar 2018 vorweisen können. Erreicht werden soll die feste Geschlechterquote „auf der Grundlage eines 439 Vergleichs der Qualifikationen der Kandidaten nach vorab festgelegten, klaren, neutral formulierten und eindeutigen Kriterien“ (Art. 4 Abs. 1 Richtlinienvorschlag), d. h. auf der Basis eines in den meisten Mitgliedstaaten erst noch zu implementierenden – transparenten – Auswahlverfahrens.781) Dabei haben die Mitgliedstaaten im Ergebnis sicherzustellen, dass einem Kandidaten bzw. einer Kandidatin des unterrepräsentierten Geschlechts der Vorrang eingeräumt wird, sofern er oder sie „die gleiche Qualifikation hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung hat wie der Kandidat des anderen Geschlechts und wenn eine objektive Beurteilung, bei der alle die einzelnen Kandidaten betreffenden Kriterien berücksichtigt werden, nicht ergeben hat, dass spezifische Kriterien zugunsten des Kandidaten des anderen Geschlechts überwiegen“ (Art. 4 Abs. 3 Richtlinienvorschlag).782) Wie sich diese, maß___________ 779) Vgl. nur Stöbener/Böhm, EuZW 2013, 371 ff.; Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 181 ff.; BDA, Stellungnahme, S. 2 ff.; DJB, Stellungnahme, S. 1 ff. 780) Richtlinienvorschlag (COM(2012) 614 final), S. 7. 781) Vgl. dazu Erwägungsgrund Nr. 13 des Richtlinienvorschlags (COM(2012) 614 final). Tatsächlich findet die Auswahl der nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG vom Aufsichtsrat vorzuschlagenden Aufsichtsratskandidaten in Deutschland (aus guten Gründen) zumeist hinter verschlossenen Türen statt; vgl. dazu nur Kubis, in: MünchKomm-AktG, § 124 Rn. 33 f. 782) Nach Art. 8 Abs. 3 des Richtlinienvorschlags (COM(2012) 614 final) soll es den Mitgliedstaaten, die bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie Maßnahmen zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften ergriffen haben, „anheimgestellt“ bleiben, die Anwendung der genannten Verfahrensvorschriften auszusetzen, wenn sie nachweisen können, dass das unterrepräsentierte Geschlecht spätestens zum 1. Januar 2020 bzw. bei öffentlichen Unternehmen zum 1. Januar 2018 mindestens 40 % der nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder stellen wird, sofern nur die auf mitgliedstaatlicher Ebene vorgesehenen Regelungen beachtet werden.
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F. Der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission
geblich auf der Rechtsprechung des EuGH783) zur Zulässigkeit positiver Fördermaßnahmen im öffentlichen Dienst beruhenden Kriterien, in das nach deutschem Gesellschafts- und Mitbestimmungsrecht jeweils vorgesehene Wahlverfahren eingliedern lassen sollen, bleibt schleierhaft.784) Würde eine Richtlinie mit derartigem Inhalt tatsächlich erlassen, käme der deutsche Gesetzgeber wohl nicht umhin, die bestehenden Regelungen zur Wahl der Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat in struktureller Hinsicht zu ändern. 440 Eine zwingende Ausnahme von der festen Geschlechterquote soll nach dem Richtlinienvorschlag nur im Hinblick auf solche kleineren und mittleren Unternehmen („KMU“) gelten, die weniger als 250 Personen beschäftigen und entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro erzielen oder deren Bilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. Euro beläuft (Art. 3 i. V. m. Art. 2 Abs. 8 Richtlinienvorschlag).785) Darüber hinaus soll es den Mitgliedstaaten erlaubt sein, solche börsennotierten Gesellschaften von der Pflicht zur Erfüllung der festen Geschlechterquote auszunehmen, in denen das unterrepräsentierte Geschlecht nicht nur in den obersten Verwaltungsorganen, sondern über die gesamte Belegschaft hinweg zu weniger als 10 % vertreten ist (Art. 4 Abs. 6 Richtlinienvorschlag). Die Mitgliedstaaten sollen außerdem vorsehen können, dass die feste Geschlechterquote als erreicht „gilt“, wenn und soweit eine in den Anwendungsbereich der Quote fallende Gesellschaft nachweisen kann, dass mindestens ein Drittel aller „Unternehmensleitungsposten“ (Aufsichts- und Geschäftsführungsorgan) mit Vertretern des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts besetzt sind (Art. 4 Abs. 7 Richtlinienvorschlag). 2. Pflicht zur Selbstverpflichtung 441 Auch die in dem Richtlinienvorschlag im Hinblick auf die ausgewogene Vertretung beider Geschlechter unter den geschäftsführenden Direktoren bzw. ___________ 783) Vgl. nur EuGH Urt. v. 17.10.1995 – C-450/93, Slg. 1995, I-3051 = NJW 1995, 3109 („Kalanke“); v. 11.11.1997 – C-409/95, Slg. 1997, I-6363 = EuZW 1997, 756 („Marshall“); v. 28.3.2000 – C-158/97, Slg. 2000, I-1875 = EuZW 2000, 474 („Badeck“). 784) In diesem Sinne auch BDA, Stellungnahme, S. 13 ff.; Stöbener/Böhm, EuZW 2013, 371, 376; vgl. zu ähnlichen Bedenken mit Blick auf das schwedische Gesellschaftsrecht auch die Subsidiaritätsrüge des schwedischen Parlaments vom Dezember 2012 (abrufbar unter http://www.ipex.eu/IPEXL-WEB/scrutiny/COD20120299/serik.do): „Under the proposed regulation, however, a labour law view will in practice apply to the appointment of board members which is not compatible with the existing conditions.“ 785) Maßgeblich ist insoweit die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (2003/361/EG). Bei der Berechnung der Schwellenwerte ist insbesondere zu beachten, ob es sich um ein „eigenständiges Unternehmen“, ein „verbundenes Unternehmen“ oder um ein „Partnerunternehmen“ handelt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten sei auf das KMU-Benutzerhandbuch der Europäischen Kommission verwiesen (abrufbar unter http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sme/files/sme_definition/ sme_user_guide_de.pdf).
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II. Vergleich mit den Regelungen des GgTFMF
Vorstandsmitgliedern vorgesehene Pflicht zur Selbstverpflichtung soll nach dem Willen der Europäischen Kommission bis zum 1. Januar 2020 bzw. – im Falle börsennotierter öffentlicher Unternehmen – bis zum 1. Januar 2018 umgesetzt werden (Art. 5 Abs. 1 Richtlinienvorschlag). Erfüllt eine börsennotierte Gesellschaft die selbst auferlegte Zielvorgabe nicht, so hat sie die Gründe hierfür „in geeigneter und leicht zugänglicher Form auf ihren Webseiten“ zu benennen und Maßnahmen zu beschreiben, die sie ergriffen hat oder zu ergreifen gedenkt, um dem selbst gesetzten Ziel in Zukunft gerecht zu werden (Art. 5 Abs. 2 Richtlinienvorschlag). Die übernommene Eigenverpflichtung soll ausweislich der Erwägungsgründe des Richtlinienvorschlags auf „deutliche Fortschritte“ bei der Gleichstellung der Geschlechter in dem jeweiligen Unternehmen angelegt sein.786) Ausgenommen von der Pflicht zur Selbstverpflichtung sind wiederum nur (börsennotierte) KMU (Art. 3 Richtlinienvorschlag). 3. Sanktionen Hinsichtlich der Sanktionen, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaat- 442 lichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie zu verhängen sind, lässt der Richtlinienvorschlag den Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum. Ausdrücklich verlangt wird allerdings, dass die Sanktionen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen (Art. 6 Abs. 2 Richtlinienvorschlag). Die Europäische Kommission regt vor diesem Hintergrund an, im Falle eines Verstoßes gegen die feste Geschlechterquote nicht zuletzt die Möglichkeit der Verhängung von Geldbußen sowie die Nichtigkeit der Bestellung bzw. der Wahl oder – alternativ – deren Nichtigerklärung durch eine gerichtliche Instanz vorzusehen. Das Europäische Parlament hat in seiner Stellungnahme zu dem Richtlinienvorschlag darüber hinausgehend gefordert, diejenigen Unternehmen, die sich nicht an die feste Geschlechterquote im Aufsichtsrat halten, von öffentlichen Ausschreibungen auszuschließen und diesen nur noch einen eingeschränkten Zugang zu den Strukturfonds der Europäischen Union zu gewähren.787) Als ultima ratio hat das Europäische Parlament im Übrigen die Möglichkeit einer Zwangsauflösung der betroffenen Gesellschaften ins Spiel gebracht, wie sie das norwegische Recht bereits heute unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht.788) II. Vergleich mit den Regelungen des GgTFMF Auch wenn sich die Regelungen des Richtlinienvorschlags und des GgTFMF 443 vom Grundkonzept her schon deshalb ähneln, weil sie gleichermaßen auf den ___________ 786) Vgl. Erwägungsgrund Nr. 33 des Richtlinienvorschlags (COM(2012) 614 final). 787) Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. November 2013 (abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP// TEXT+TA+P7-TA-2013-0488+0+DOC+XML+V0//DE), vgl. dort Erwägung Nr. 30. 788) Vgl. hierzu die Ausführungen unter Rn. 53.
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F. Der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission
Dualismus aus fester Geschlechterquote für das Kontrollorgan auf der einen und Pflicht zur Selbstverpflichtung für das Geschäftsführungsorgan auf der anderen Seite setzen, würde der deutsche Gesetzgeber im Falle eines tatsächlichen Inkrafttretens des Richtlinienvorschlags nicht umhin kommen, die mit dem GgTFMF geschaffenen Regelungen zumindest teilweise „nachzubessern“. 1. Feste Geschlechterquote 444 Verschärfungen würden sich insoweit v. a. hinsichtlich der festen Geschlechterquote im Aufsichtsrat ergeben, die nicht nur von 30 % auf 40 % zu erhöhen wäre, sondern deren persönlicher Anwendungsbereich zudem erheblich ausgeweitet werden müsste. So würde die feste Geschlechterquote nach Umsetzung des Richtlinienvorschlags nicht mehr nur für die wenigen Gesellschaften gelten, die zugleich börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind, sondern für alle börsennotierten Gesellschaften, die nicht unter die zwingenden Ausnahmebestimmungen für KMU sowie die ggf. zu implementierenden Ausnahmebestimmungen für Unternehmen mit durchweg hohem oder niedrigem Frauenanteil fallen.789) Der Anwendungsbereich der festen Geschlechterquote würde so auf einen Schlag erheblich erweitert, was die praktische Schwierigkeit, kurzfristig geeignete weibliche Kandidatinnen für vakant werdende Aufsichtsratsposten zu finden, für viele Unternehmen verschärfen und die Wahrscheinlichkeit von – unter Governance-Gesichtspunkten problematischen – Ämterhäufungen erhöhen dürfte. Ob und inwieweit die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der festen Geschlechterquote einzelne der betroffenen Unternehmen (etwa mit Blick auf eine drohende Überparität der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat) zu einem Rückzug von der Börse (Delisting) veranlassen oder sich negativ auf die Anzahl künftiger Börsengänge auswirken würde, bliebe abzuwarten; ein positiver Impuls hin zu einer – volkswirtschaftlich sinnvollen und politisch grundsätzlich erwünschten – stärkeren Eigenfinanzierung gerade mittelständischer Unternehmen über den Kapitalmarkt, würde aber sicherlich nicht gesetzt.790) 445 Was die im Falle eines Verstoßes gegen die feste Geschlechterquote eingreifenden Sanktionen angeht, bestünde hingegen kein zwingender Anpassungsbedarf; vielmehr könnte es der deutsche Gesetzgeber insoweit bei der im GgTFMF vorgesehenen Rechtsfolge des „leeren Stuhls“ belassen. Es ist freilich nicht auszuschließen, dass der deutsche Gesetzgeber den Anregungen der europäischen Organe folgen und mit Blick auf die Erwägungsgründe der Richtlinie darüber hinausgehende Rechtsfolgen, wie z. B. einen Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen oder die Möglichkeit einer Zwangsauf-
___________ 789) Vgl. hierzu erneut die Ausführungen unter Rn. 440. 790) Vgl. zum Ganzen mit ähnlichen Argumenten auch Buschmann, NZG 2011, 87, 90 f., der insoweit jeweils auf die Erfahrungen hinweist, die in Norwegen gemacht wurden.
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III. Unionszuständigkeit
lösung bei „schwerwiegenden und wiederholten Verstößen“, implementieren würde.791) 2. Pflicht zur Selbstverpflichtung Auch im Hinblick auf die in dem Richtlinienvorschlag enthaltene Pflicht zur 446 Selbstverpflichtung bestünde für den deutschen Gesetzgeber kein weiterer Nachbesserungsbedarf. Vielmehr stellen sich die mit dem GgTFMF eingeführten Regelungen, mit denen nicht nur börsennotierte, sondern auch bloß der Mitbestimmung unterliegende Gesellschaften zur Festlegung von Frauenzielquoten und Erreichensfristen angehalten werden, gegenüber dem Richtlinienvorschlag gewissermaßen als „Übererfüllung“ dar, die auch nach Inkrafttreten des Richtlinienvorschlags beibehalten werden könnte.792) Auch die Tatsache, dass sich die Pflicht zur Selbstverpflichtung nach dem Richtlinienvorschlag nur auf die Verwaltungsorgane eines Unternehmens bezieht, während das GgTFMF die Aufstellung derartiger Zielvorgaben darüber hinausgehend auch im Hinblick auf die beiden obersten Managementebenen unterhalb der Geschäftsführung verlangt, würde keinen Änderungsbedarf hervorrufen.793) Dasselbe gilt schließlich für die in dem Richtlinienvorschlag für den Fall der Non-Compliance mit den selbst gesetzten Zielquoten vorgesehene Rechtsfolge, nämlich die Pflicht, die Verfehlung der eigenen Zielvorgaben öffentlich zu machen und zu begründen; deratiges ist im deutschen Recht bereits heute vorgesehen (vgl. § 289a Abs. 2 Nr. 4 HGB). III. Unionszuständigkeit Es ist freilich keineswegs sicher, ob der von der Europäischen Kommission 447 vorgelegte Richtlinienvorschlag in dieser oder ähnlicher Form rechtmäßig in Kraft gesetzt werden könnte. Nicht wenige Autoren verneinen das Vorliegen einer ausreichenden primärrechtlichen Grundlage, und in der Tat erscheint es schon in formell-rechtlicher Hinsicht durchaus fraglich, ob der europäische Gesetzgeber zur verbindlichen Vorgabe fester Geschlechterquoten und zur Implementierung sonstiger affirmativer Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in den Führungsebenen der Privatwirtschaft befugt ist. Einzelne Mitgliedstaaten sowie Teile des akademischen Schrifttums sehen in entsprechenden europäischen Vorgaben überdies einen Verstoß gegen das unionsrechtliche Subsidiaritätsprinzip, welches die europäischen Organe dazu anhält, im Bereich der „konkurrierenden Gesetzgebung“ nur dann tätig zu werden, wenn die von der Union verfolgten Ziele von den Mitgliedstaaten „nicht ausreichend“ und auf Unionsebene „besser“ verwirklicht werden können. ___________ 791) Vgl. legistative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. November 2013, Erwägung Nr. 30. 792) Vgl. dazu Art. 7 des Richtlinienvorschlags (COM(2012) 614 final). 793) Dazu näher unter Rn. 297 ff.
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F. Der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission
1. Ermächtigungsgrundlage 448 Die Europäische Kommission stützt ihren im Jahr 2012 vorgelegten Richtlinienvorschlag auf Art. 157 Abs. 3 AEUV. Diese Kompetenznorm ermächtigt den europäischen Gesetzgeber, Maßnahmen „zur Gewährleistung der Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen“ zu beschließen. Eine nähere Auseinandersetzung mit Reichweite und Grenzen dieser Ermächtigung hält die Europäische Kommission nicht für erforderlich.794) Dabei erscheint die Annahme, die in dem Richtlinienvorschlag enthaltenen Bestimmungen seien von der Kompetenznorm des Art. 157 Abs. 3 AEUV gedeckt, keineswegs unzweifelhaft. 449 Ganz abgesehen davon, ob die von der Europäischen Kommission vorgesehene feste Geschlechterquote für nicht geschäftsführende Direktoren bzw. Aufsichtsratsmitglieder als „Arbeits- und Beschäftigungsfrage“ i. S. d. Art. 157 Abs. 3 AEUV qualifiziert werden kann,795) erscheint insbesondere fraglich, ob Art. 157 Abs. 3 AEUV es der Europäischen Kommission tatsächlich erlaubt, von den Mitgliedstaaten positive Fördermaßnahmen zugunsten des einen und zulasten des anderen Geschlechts, mithin Maßnahmen der „umgekehrten Diskriminierung“ zu verlangen. Gegen eine solche Auslegung spricht nicht zuletzt der systematische Vergleich der Absätze 3 und 4 des Art. 157 AEUV.796) 450 Denn während Art. 157 Abs. 3 AEUV den europäischen Gesetzgeber (lediglich) zu Maßnahmen ermächtigt, die der „Gewährleistung der Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen“ dienen, heißt es in Art. 157 Abs. 4 AEUV darüber hinausgehend, im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen „Gleichstellung“ von Männern und Frauen im Arbeitsleben hindere der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn „spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen“. Der systematische Vergleich dieser beiden Absätze macht nicht nur deutlich, dass sich die Vertrags___________ 794) Die Kommission begnügt sich mit der Feststellung, dass sich der Richtlinienvorschlag auf Art. 157 Abs. 3 AEUV stütze (Erwägungsgrund Nr. 1 des Richtlinienvorschlags) und führt im Übrigen aus, dass das „Prinzip positiver Maßnahmen“ auch in Art. 157 Abs. 4 AEUV anerkannt werde (Erwägungsgrund Nr. 2 des Richtlinienvorschlags). 795) Kritisch Basedow, EuZW 2013, 41 f.; Schladebach/Stefanopoulou, BB 2010, 1042, 1045; zweifelnd auch Bachmann, ZIP 2011, 1131, 1135 (dort Fn. 67). A. A. Koch, ZHR 175 (2011), 827, 832 ff. 796) Vgl. zum Folgenden nur Koch, ZHR 175 (2011), 827, 834 ff. sowie Langenfeld, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 157 Rn. 82; Stöbener/ Böhm, EuZW 2013, 372 f.; Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 181; BDA, Stellungnahme, S. 8 f. A. A. DJB, Stellungnahme, S. 7 ff.
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III. Unionszuständigkeit
staaten des AEUV der Problematik einseitiger Fördermaßnahmen zugunsten eines Geschlechts bewusst waren und insoweit eine spezielle Ermächtigung für erforderlich hielten.797) Klar wird auch, dass sich die Vertragsstaaten die Entscheidung darüber, ob und inwieweit eine Gleichstellung der Geschlechter durch Maßnahmen der umgekehrten Diskriminierung erreicht werden soll, selbst vorbehalten und nicht den europäischen Organen überlassen wollten.798) Die bisherige Richtlinienpraxis des europäischen Gesetzgebers scheint diese Auslegung zu bestätigen; jedenfalls wurde in der Vergangenheit stets darauf verzichtet, die Mitgliedstaaten über Akte des europäischen Sekundärrechts zu Maßnahmen der umgekehrten Diskriminierung zu zwingen.799) Der von der Europäischen Kommission im Jahr 2012 vorgelegte Richtlinienvorschlag stellt insofern einen (vor dem Hintergrund der soeben skizzierten systematischen Erwägungen bedenklichen) Präzedenzfall dar.800) Auch andere tragfähige Rechtsgrundlagen für den von der Europäischen 451 Kommission vorgelegten Richtlinienvorschlag sind, wie insbesondere Koch ausführlich und überzeugend dargelegt hat, nicht zu erkennen.801) 2. Subsidiaritätsprinzip Sofern man den Erlass positiver Fördermaßnahmen durch den europäischen 452 Gesetzgeber nicht von vornherein für kompetenzwidrig erachtet, stellt sich im Übrigen die Frage, ob die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Regelungen im Einklang mit dem in Art. 5 Abs. 3 EUV verankerten Subsidiaritätsprinzip stehen. Nach diesem darf die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, ausdrücklich nur tätig werden, „sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind“. Ob sich dies für das mit dem Richtlinienvorschlag verfolgte Ziel, „eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften [zu erreichen] und raschere Fortschritte in diesem Bereich [zu] gewährleisten“ (Art. 1 Richtlinienvorschlag), bejahen lässt, erscheint zweifelhaft. ___________ Koch, ZHR 175 (2011), 827, 834. Ganz h. M., vgl. nur Koch, ZHR 175 (2011), 827, 835, 850 m. w. N. in Fn. 35. Darauf weist auch Koch, ZHR 175 (2011), 827, 835 hin. Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 181 gehen dessen ungeachtet (wohl zurecht) davon aus, dass der EuGH einer einmal erfolgten Bejahung der eigenen Kompetenz durch die europäischen Organe (einschließlich der erforderlichen qualifizierten Mehrheit im Rat) im Zweifelsfall nicht widersprechen werde. 801) Koch, ZHR 175 (2011), 827, 834 ff.; vgl. auch Stöbener/Böhm, EuZW 2013, 372 f. sowie BDA, Stellungnahme, S. 9 ff.
797) 798) 799) 800)
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453 Zwar wird man in dem genannten Ziel schon deshalb (auch) ein solches der Union sehen können, weil die Gleichheit von Frauen und Männern zu den grundlegenden „Werten“ i. S. v. Art. 2 EUV zählt und die sog. „Querschnittsklausel“ des Art. 8 AEUV die europäischen Organe zur Förderung der Gleichstellung in allen Politikbereichen anhält.802) Äußerst fraglich erscheint aber, ob sich dieses Ziel, wie von der Europäischen Kommission unterstellt, (1) auf mitgliedstaatlicher Ebene tatsächlich nicht effizient erreichen lässt, sondern vielmehr (2) auf Unionsebene besser verwirklicht werden kann. 454 Während die Europäische Kommission unter Verweis auf die bislang erreichten Frauenanteile in den Führungsgremien der europäischen Privatwirtschaft wortreich vorträgt, es sei „ganz unzweideutig“, dass das Ziel eines ausgewogenen Zahlenverhältnisses von Frauen und Männern durch Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten „in absehbarer Zukunft“ nicht verwirklicht werden könne, und dass „[n]ur ein Vorgehen auf EU-Ebene“ effektiv dazu beitragen werde, eine substanzielle Erhöhung des Frauenanteils in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften zu erreichen, ohne die Funktionsweise des Binnenmarktes zu behindern,803) sind die Parlamente einer Reihe von Mitgliedstaaten insoweit dezidiert anderer Auffassung. Abgesehen von der als hoch gegriffen erscheinenden Mindestquote von 40 %,804) wird insbesondere die von der Europäischen Kommission behauptete Ineffizienz der auf mitgliedstaatlicher Ebene angestoßenen Maßnahmen als verfrühte Beurteilung eines noch nicht abgeschlossenen Vorgangs kritisiert. Viele dieser Maßnahmen, so etwa das niederländische Parlament in seiner Stellungnahme, seien erst kürzlich angestoßen worden und benötigten nur eine gewisse Zeit, um ihre volle Wirkung zu entfalten und hätten im Übrigen schon deutlich erkennbare positive Entwicklungen gezeitigt.805) Bezweifelt wird zudem, dass entsprechende Maßnahmen, wie von Art. 5 Abs. 3 EUV gefordert, auf Unionsebene tatsächlich „besser“ zu verwirklichen sind als auf Ebene der Mitgliedstaaten. Die von der Europäischen Kommission insoweit vorgetragenen Argumente, so der Tenor der entsprechenden Subsidiaritätsrügen, seien wenig überzeugend und ließen zudem den mit der Umsetzung einer europaweit einheitlichen Regelung verbundenen Verwaltungsaufwand sowie die unterschiedlichen (gesellschafts-) rechtlichen Traditionen in den Mitgliedstaaten außer Acht.806) So weist etwa das britische House of Lords darauf hin, dass die von dem Richtlinienvorschlag vorausgesetzte Unterscheidung zwi___________ 802) Ebenso Stöbener/Böhm, EuZW 2013, 372, 374. 803) Richtlinienvorschlag (COM(2012) 614 final), S. 11 f. 804) Vgl. hierzu nur die Ausführungen in der Subsidiaritätsrüge des niederländischen Parlaments (abrufbar unter http://www.ipex.eu/IPEXL-WEB/scrutiny/COD20120299/ nleer.do), S. 1 („not clearly substantiated“). 805) Subsidiaritätsrüge des niederländischen Parlaments, S. 1: „(…), it is impossible to conclude that national initiatives have not been successful, since most initiatives are still in their infancy and have not yet been able to prove their effectiveness.“ 806) Die Stellungnahmen der verschiedenen nationalen Parlamente sind abrufbar unter http://www.ipex.eu/IPEXL-WEB/dossier/document/COM20120614.do.
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IV. Stand des Rechtsetzungsverfahrens und Ausblick
schen geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Direktoren im britischen Gesellschaftsrecht nicht zwingend vorgesehen sei, und dass die erstmalige Einführung einer solchen Unterscheidung speziell für die Zwecke einer quotengerechten Besetzung der Verwaltungsorgane einen nicht unerheblichen gesetzgeberischen Aufwand verursachen würde.807) In der Tat erscheinen die von der Europäischen Kommission mit Blick auf 455 das Subsidiaritätsprinzip vorgetragenen Argumente für die Notwendigkeit einer gesamteuropäischen Regelung wenig überzeugend; jedenfalls aber sind sie angesichts der jüngsten Entwicklungen in Deutschland sowie den auch in anderen Mitgliedstaaten kurzfristig zu erwartenden oder bereits angestoßenen gesetzgeberischen Aktivitäten808) zum Teil überholt. Im Ergebnis dürfte sich ein entsprechender Sekundärrechtsakt aus heutiger Sicht daher auch unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität als kompetenzwidrig erweisen.809) Dass dies den europäischen Gesetzgeber von dem Erlass eines entsprechenden Rechtsaktes abhält, ist damit freilich keineswegs gesagt; denn bekanntlich pflegen die europäischen Organe ihre Befugnisse im Zweifel eher weit auszulegen. IV. Stand des Rechtsetzungsverfahrens und Ausblick Ungeachtet aller kompetenziellen Bedenken, hat das Europäische Parlament 456 dem Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission am 20. November 2013 seine grundsätzliche Zustimmung erteilt und dabei sogar noch Änderungen vorgenommen, die in der Tendenz zu einer weiteren Verschärfung der Regelungen des Richtlinienvorschlags führen würden.810) Zwar steht die Zustimmung des Rates der Europäischen Union vor dem Hintergrund der oben erwähnten Subsidiaritätsrügen einzelner Mitgliedstaaten noch aus. Jüngere ___________ 807) Subsidiaritätsrüge des House of Lords (abrufbar unter http://www.ipex.eu/IPEXL-WEB/ scrutiny/COD20120299/uklor.do), Rn. 12: „The Commission suggests that uniform rules are necessary for the practical and competitive functioning of the internal market. This justification appears to be weak when balanced against the administrative burdens of the proposal and the different cultural contexts and practices within different Member States. For example, there is not currently a distinction in UK law between executive and non-executive directors, and making this distinction for the first time (as the proposed Directive would necessitate) could have significant legislative implications.“ Vgl. zu dem Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Regelung in Großbritannien auch Schall, Companies Act, Sec 154 Rn. 2. Danach bleibt es im britischen Gesellschaftsrecht der Satzung und damit den Gesellschaftern überlassen, ob sie zwischen executive und non executive directors differenzieren wollen. 808) Vgl. hierzu die Ausführungen unter Rn. 49. 809) So auch Stöbener/Böhm, EuZW 2013, 373 f.; Buschmann, NZG 2011, 87, 90; BDA, Stellungnahme, S. 11 ff. Wohl auch Bachmann, ZIP 2011, 1131, 1135; Langenfeld, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 157 Rn. 82. Offen Teichmann/Langes, EWS 2013, 175, 181; François-Poncet/Deilmann/Otte, NZG 2011, 450, 454. A. A. DJB, Stellungnahme, S. 7 ff. 810) Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments von 20. November 2013, vgl. dort etwa Abänderung Nr. 48, 59 ff. und 63.
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F. Der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission
Mitteilungen sowohl des Rates811) als auch der Europäischen Kommission812) deuten aber darauf hin, dass eine von der erforderlichen Mehrheit der Mitgliedstaaten getragene Einigung in greifbare Nähe gerückt sein könnte. So sieht ein im Dezember 2014 von der italienischen Ratspräsidentschaft vorgelegter Kompromissvorschlag die Verabschiedung einer Richtlinie vor, die an den grundlegenden Elementen des ursprünglichen Richtlinienvorschlags der Kommission festhält, den Mitgliedstaaten aber großzügigere Fristen für die Umsetzung und die Berichterstattung über die tatsächlich Anwendung der Richtlinie einräumt und im Übrigen eine sog. „flexibility clause“ enthält. Diese soll es den Mitgliedstaaten erlauben, die „Ziele der Richtlinie“ mit eigenen (gleich effektiven) Mitteln zu erreichen und dabei insbesondere von den in dem Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vorgesehenen Verfahrensvorgaben für die „Auswahl“ von nicht geschäftsführenden Direktoren bzw. Aufsichtsratsmitgliedern abzuweichen.813) Nach Auskunft der Europäischen Kommission bildet der Richtlinienvorschlag nach wie vor eine Priorität nicht nur der Kommission, sondern auch der laufenden Luxemburger Ratspräsidentschaft. Die Kommission ist bestrebt, noch in diesem Jahr eine politische Einigung über den Richtlinienvorschlag zu erzielen.814) 457 Auch wenn die vom europäischen Gesetzgeber angestrebte Rechtsharmonisierung somit (zunächst) etwas weniger umfangreich ausfallen und etwas langsamer vorangehen dürfte als ursprünglich geplant, scheint ein erster wesentlicher Schritt hin zu einem europäischen Level Playing Field bei der Repräsentation von Frauen in den Führungspositionen der Privatwirtschaft nach alldem nicht mehr in allzu ferner Zukunft zu liegen. Schon deswegen spricht vieles dafür, dass das GgTFMF aus deutscher Sicht eher den Anfangs- als den Schlusspunkt der diesbezüglichen gesetzgeberischen Bemühungen bilden wird. Es liegt nun an der Wirtschaft, den hieraus resultierenden Herausforderungen durch die gezielte Förderung weiblicher Talente, den Ausbau spezifischer Maßnahmen der Aus- und Fortbildung, den Abbau unsichtbarer Barrieren sowie die weitere Ausdehnung familienfreundlicher Strukturen zu begegnen.
___________ 811) Mitteilung über eine Debatte des Rates vom 11. Dezember 2014, abrufbar unter http:// www.europarl.europa.eu/oeil/popups/summary.do?id=1371523&t=e&l=en. 812) Vgl. Europäische Kommission, Gender balance on corporate boards, March 2015, S. 3. 813) Vgl. Mitteilung über eine Debatte des Rates vom 11. Dezember 2014: „In order to reach a compromise on this proposal, the presidency has introduced (1) a flexibility clause: this clause would allow Member States to pursue the aims of the directive by means of their own choosing and to suspend the procedural requirements, provided that they have already taken equally effective measures or attained progress coming close to the objectives set in the directive. (…). (2) [a] revised implementation and reporting calendar: the revised implementation calendar would require the Member States to transpose the directive no later than three years after its adoption.“ Vgl. zudem auch den Sachstandsbericht des Rates vom 11. Juni 2015 (Dok. 9020/1/15 REV 1). 814) Skeptisch Bayer/Schmidt, BB 2015, 1731, 1737.
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G. Muster- und Gesetzestexte I. Mustertexte 1. Bericht über die feste Geschlechterquote in der Erklärung zur Unternehmensführung Seibt
Muster: Mitbestimmte, börsennotierte AG, zwölf Aufsichtsratsmitglieder, 458 bisherige Quoten über 30 %, nächste Aufsichtsratswahl nach Ablauf der Zielerreichungsfrist „Der Aufsichtsrat der Gesellschaft besteht aus zwölf Mitgliedern (§ […] der Satzung der Gesellschaft). Er ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 6, 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG zu gleichen Teilen aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer zusammengesetzt. [Sämtliche Aufsichtsratsmitglieder sind gleichermaßen dem Unternehmensinteresse verpflichtet.] Der Aufsichtsrat setzte sich im letzten Jahr auch tatsächlich zu jeder Zeit aus zwölf Aufsichtsratsmitgliedern zusammen, von denen vier Personen weiblich (darunter eine Vertreterin der Aktionäre und drei Vertreterinnen der Arbeitnehmer) und acht Personen männlich waren. Somit wies der Aufsichtsrat einen Frauenanteil von 33,3 % und einen Männeranteil von 66,6 % auf. Beide Geschlechter waren somit zu mindestens 30 % im Aufsichtsrat vertreten, und die Gesellschaft erfüllte die gesetzliche Vorgabe des § 96 Abs. 2 AktG nach dem Prinzip der Gesamterfüllung. Die Amtsperiode sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder endet mit Ablauf der ordentlichen Hauptversammlung [2018]. Den Bericht der Gesellschaft über die festgelegten Zielgrößen für den Frauenanteil im Vorstand und in den zwei Führungsebenen unterhalb des Vorstands, finden Sie auf S. […] und S. […].“
2. Aufsichtsratsbeschlüsse bzw. Berichte über Zielgrößen- und Fristbestimmung für den Frauenanteil im Aufsichtsrat Muster 1: AG, zwölf Aufsichtsratsmitglieder (nur Anteilseignervertreter), 459 bisherige Quote 25 %, Zielquote 30 %, nächste Aufsichtsratswahl vor Ablauf der Zielerreichungsfrist „Der Aufsichtsrat ist nach § 111 Abs. 5 AktG verpflichtet, eine Zielgröße für den Frauenanteil im Aufsichtsrat sowie eine Frist zum Erreichen dieses Zieles festzulegen. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 EGAktG darf die Zielerreichungsfrist nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Um einen Gleichlauf mit dem kalendergleichen Geschäftsjahr der Gesellschaft zu erreichen, setzt der Aufsichtsrat den Ablauf des 31. Dezember 2016 als Ende der Zielerreichungsfrist fest. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat zurzeit zwölf Mitglieder, von denen neun Personen männlich und drei Personen weiblich sind; die Frauenquote im Aufsichtsrat beträgt damit derzeit 25 %. Alle Mitglieder des Aufsichtsrates wurden bis zur Beendigung der ordentlichen Hauptversammlung 2016 in den Aufsichtsrat gewählt. Zurzeit hat kein Aufsichtsratsmitglied mitgeteilt, sein Amt vor Ablauf der Amtszeit niederzulegen; es ist weder eine Verkleinerung, noch eine Vergrößerung des zwölfköpfigen Gremiums vorgesehen. Der Aufsichtsrat hat mit Beschluss vom […]. […] 2015 entsprechend Ziffer 5.4.1 Abs. 2 Satz 1 DCGK Ziele für seine personelle Zusammenset-
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G. Muster- und Gesetzestexte zung benannt und hierbei auch eine Frauenzielquote von 30 % (also vier weibliche von insgesamt zwölf Aufsichtsratsmitgliedern) für die neue Amtsperiode nach der Neuwahl in der ordentlichen Hauptversammlung 2016 festgesetzt. Konsequenterweise setzt der Aufsichtsrat zum Ablauf des 31. Dezember 2016 für den Frauenanteil im Aufsichtsrat eine Zielgröße von 30 % fest. Der Aufsichtsrat schließt ausdrücklich nicht aus, dass in Zukunft ein [noch] höherer Frauenanteil im Aufsichtsrat erstrebt bzw. erreicht wird. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats muss eine am Unternehmensinteresse ausgerichtete effektive Beratung und Überwachung des Vorstands gewährleisten. Um eine pflichtgemäße Wahrnehmung dieser gesetzlichen Aufgaben sicherzustellen, wird sich der Aufsichtsrat bei seinen Wahlvorschlägen auch zukünftig allerdings in erster Linie von den Kenntnissen, Fähigkeiten und durch internationale Tätigkeit geprägte Erfahrungen der in Betracht kommenden Kandidatinnen und Kandidaten leiten lassen. Dabei wird der Aufsichtsrat auch die internationale Tätigkeit des Unternehmens und sein breites Produkt- und Serviceportfolio, potentielle Interessenkonflikte, die Anzahl der unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder, die Altersstruktur im Aufsichtsrat sowie auch personelle Vielfalt (Diversity) angemessen berücksichtigen.“
460 Muster 2: AG, drei Aufsichtsratsmitglieder (nur Anteilseignervertreter), bisherige Quote 0 %, Zielquote 0 %, nächste Aufsichtsratswahl nach Ablauf der Zielerreichungsfrist „Der Aufsichtsrat ist nach § 111 Abs. 5 AktG verpflichtet, eine Zielgröße für den Frauenanteil im Aufsichtsrat sowie eine Frist zum Erreichen dieses Zieles festzulegen. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 EGAktG darf die Zielerreichungsfrist nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Um einen Gleichlauf mit dem kalendergleichen Geschäftsjahr der Gesellschaft zu erreichen, setzt der Aufsichtsrat den Ablauf des 31. Dezember 2016 als Ende der Zielerreichungsfrist fest. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat zurzeit drei Mitglieder, die alle männlich sind, und weist daher eine Frauenquote von 0 % auf. Alle Mitglieder des Aufsichtsrats wurden bis zur Beendigung der ordentlichen Hauptversammlung 2017 in den Aufsichtsrat gewählt. Zurzeit hat kein Aufsichtsratsmitglied mitgeteilt, sein Amt vor Ablauf der Amtszeit niederzulegen. Auch ist keine Vergrößerung des dreiköpfigen, effizient tätigen Gremiums vorgesehen. Daher setzt der Aufsichtsrat für den Zeitraum bis zum Ablauf des 31. Dezember 2016 für den Frauenanteil im Aufsichtsrat [nur] eine Zielgröße von 0 % fest. Mit Blick auf den Ablauf der Zielerreichungsfrist und die turnusmäßigen Aufsichtsratswahlen in der ordentlichen Hauptversammlung 2017, aber auch für den Fall etwaiger bereits davor erforderlich werdender gerichtlicher Bestellungen oder Wahlen, wird sich der Aufsichtsrat jedoch regelmäßig mit seiner personellen Zusammensetzung und insbesondere auch mit der Frauenzielquote befassen und dabei – wie auch in der Vergangenheit – eine diverse, fachlich kompetente und internationale Zusammensetzung unter Beteiligung von Frauen im Aufsichtsrat der Gesellschaft anstreben.“
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I. Mustertexte
Muster 3: AG, drei Aufsichtsratsmitglieder (nur Anteilseignervertreter), 461 bisherige Quote 0 %, Zielquote 0 %, nächste Aufsichtsratswahl vor Ablauf der Zielerreichungsfrist „Der Aufsichtsrat ist nach § 111 Abs. 5 AktG verpflichtet, eine Zielgröße für den Frauenanteil im Aufsichtsrat sowie eine Frist zum Erreichen dieses Zieles festzulegen. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 EGAktG darf die Zielerreichungsfrist nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Um einen Gleichlauf mit dem kalendergleichen Geschäftsjahr der Gesellschaft zu erreichen, setzt der Aufsichtsrat den Ablauf des 31. Dezember 2016 als Ende der Zielerreichungsfrist fest. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat zurzeit drei Mitglieder, die alle männlich sind, und weist daher eine Frauenquote von 0 % auf. Alle Mitglieder des Aufsichtsrats wurden auf der Hauptversammlung am […]. […] 2011 bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach Beginn der Amtszeit entscheidet, also bis zum Ablauf der ordentlichen Hauptversammlung 2016, in den Aufsichtsrat gewählt. Die Gesellschaft und der Aufsichtsrat stehen der Beteiligung von Frauen im Aufsichtsrat positiv gegenüber und schätzen die vorteilhaften Auswirkungen einer diversen Personalzusammensetzung von Gremien. Für den Ablauf der Zielerreichungsfrist legt der Aufsichtsrat dennoch eine Zielgröße für den Frauenanteil im Aufsichtsrat von 0 % fest, ohne hierdurch das Signal geben zu wollen, bei der turnusmäßigen Neuwahl der Aufsichtsratsmitglieder (oder bei zuvor notwendig werdenden Neubesetzungen) Frauen nicht zu berücksichtigen oder gar nicht berücksichtigen zu wollen. Auf diese Weise soll der Gesellschaft vielmehr nur auch in Zukunft die größtmögliche Flexibilität bei der Besetzung der Aufsichtsratsmandate erhalten werden. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats muss eine am Unternehmensinteresse ausgerichtete effektive Beratung und Überwachung des Vorstands gewährleisten. Um eine pflichtgemäße Wahrnehmung dieser gesetzlichen Aufgaben sicherzustellen, wird sich der Aufsichtsrat bei seinen Wahlvorschlägen auch zukünftig in erster Linie von den Kenntnissen, Fähigkeiten und durch internationale Tätigkeit geprägte Erfahrungen der in Betracht kommenden Kandidatinnen und Kandidaten leiten lassen. Dabei wird der Aufsichtsrat auch die internationale Tätigkeit des Unternehmens und sein breites Produkt- und Serviceportfolio, potentielle Interessenkonflikte, die Anzahl der unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder, eine in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats niedergelegte Altersgrenze sowie auch personelle Vielfalt (Diversity) angemessen berücksichtigen. Die vorherige Festlegung konkreter Ziele (insoweit in Abweichung zu Ziffer 5.4.1 Abs. 2 Satz 1 DCGK) oder geschlechtsspezifischer Quoten erachtet der Aufsichtsrat indes weder für erforderlich noch für angemessen, da hierdurch die Auswahl geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten gerade für die Gesellschaft als kleinere börsennotierte Aktiengesellschaft mit einem nur aus drei Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrat pauschal eingeschränkt oder eine unzutreffende Signalwirkung auf die Kandidatinnen und Kandidaten abgeben würde.“
Muster 4: GmbH, sechs Aufsichtsratsmitglieder (drittelparitätische Beset- 462 zung), bisherige Quote 16,67 %, Zielquote 33,3 %, nächste Aufsichtsratswahl vor Ablauf der Zielerreichungsfrist „Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG legt für Gesellschaften mit beschränkter Haftung, bei denen – wie bei der Gesellschaft – nach dem DrittelbG ein Aufsichtsrat zu bestellen
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G. Muster- und Gesetzestexte ist, die Gesellschafterversammlung für den Frauenanteil im Aufsichtsrat eine Zielgröße und eine Erreichensfrist fest, es sei denn, sie hat dem Aufsichtsrat diese Aufgaben übertragen. Durch Gesellschafterbeschluss vom […]. […] 2015 [alternativ: § […] der Satzung der Gesellschaft] hat die Gesellschafterversammlung die Aufgabe der Festsetzung einer Zielgröße für den Frauenanteil im Aufsichtsrat [und unter den Geschäftsführern] sowie der Fristfestsetzung dem Aufsichtsrat der Gesellschaft zugewiesen. Nach § 5 Satz 2 EGGmbHG darf die Zielerreichungsfrist nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Um einen Gleichlauf mit dem kalendergleichen Geschäftsjahr der Gesellschaft zu erreichen, setzt der Aufsichtsrat den Ablauf des 31. Dezember 2016 als Ende der Zielerreichungsfrist fest. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat zurzeit sechs Mitglieder, von denen vier Vertreter der Anteilseigner und zwei Vertreter der Arbeitnehmer sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG). Von der Gesamtgruppe der Aufsichtsratsmitglieder sind derzeit fünf Personen männlich und eine Person weiblich; die weibliche Person gehört der Seite der Arbeitnehmervertreter an. Die Frauenquote im Aufsichtsrat beträgt damit derzeit 16,67 %. Alle Mitglieder des Aufsichtsrats wurden bis zur Beendigung der ordentlichen Gesellschafterversammlung 2016 in den Aufsichtsrat gewählt (vgl. § […] der Satzung der Gesellschaft; § 5 Abs. 1 DrittelbG). Zurzeit hat kein Aufsichtsratsmitglied mitgeteilt, sein Amt vor Ablauf der Amtszeit niederzulegen; es ist weder eine Verkleinerung, noch eine Vergrößerung des sechsköpfigen Gremiums vorgesehen. Der Aufsichtsrat hat nach interner Diskussion über die möglichen Wahlvorschläge der Anteilseigner sowie auf Seiten der Arbeitnehmer eine Frauenzielquote von 33,3 % (also zwei weibliche von insgesamt sechs Aufsichtsratsmitgliedern, darunter je eine Frau für die Anteilseigner sowie die Arbeitnehmer) für die neue Amtsperiode nach Ablauf der ordentlichen Gesellschafterversammlung 2016 festgesetzt. Allerdings weist der Aufsichtsrat darauf hin, dass die Zusammensetzung des Aufsichtsrats einer am Unternehmensinteresse ausgerichtete effektive Beratung und Überwachung der Geschäftsführung gewährleisten muss. Um eine pflichtgemäße Wahrnehmung dieser gesetzlichen und statutarischen Aufgaben sicherzustellen, werden sich die Gesellschafter bzw. die Wahlkörper der Arbeitnehmer bei den Wahlvorschlägen auch zukünftig allerdings in erster Linie von den Kenntnissen, Fähigkeiten und durch internationale Tätigkeit geprägte Erfahrungen der in Betracht kommenden Kandidatinnen und Kandidaten leiten lassen.“
3. Aufsichtsratsbeschlüsse bzw. Berichte über Zielgrößen- und Fristbestimmung für den Frauenanteil im Vorstand 463 Muster 1: AG, nur ein/zwei Vorstandsmitglied(er), bisherige Quote 0 %, Zielquote 0 %, Bestellung(en) endet/en nach Ablauf der Zielerreichungsquote „Der Aufsichtsrat ist nach § 111 Abs. 5 AktG verpflichtet, eine Zielgröße für den Frauenanteil im Vorstand sowie eine Frist zum Erreichen dieses Zieles festzulegen. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 EGAktG darf die Zielerreichungsfrist nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Um einen Gleichlauf mit dem kalendergleichen Geschäftsjahr der Gesellschaft zu erreichen, setzt der Aufsichtsrat den Ablauf des 31. Dezember 2016 als Ende der Zielerreichungsfrist fest. Momentan besteht der Vorstand mit Herrn […] [sowie Herrn […]] ausschließlich aus einer/zwei männlichen Person(en) und weist daher eine Frauenquote von 0 %
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I. Mustertexte auf. Herr […]/und Herr […] wurde(n) vom Aufsichtsrat in seiner Aufsichtsratssitzung vom […]. […] 2015 erneut bis zum [31. Dezember 2018] bestellt. Eine personelle Veränderung im Vorstand oder eine Vergrößerung des Vorstands um weitere Vorstandsmitglieder ist nicht beabsichtigt. Daher setzt der Aufsichtsrat für den Zeitraum bis zum Ablauf des 31. Dezember 2016 für den Frauenanteil im Vorstand [nur] eine Zielgröße von 0 % fest. Mit Blick auf den Ablauf der Zielerreichungsfrist, aber auch für den Fall etwaiger bereits davor erforderlich werdender personeller Veränderungen im Vorstand, wird sich der Aufsichtsrat jedoch regelmäßig mit der personellen Zusammensetzung des Vorstandes und insbesondere auch mit der Frauenzielquote befassen und dabei – wie auch in der Vergangenheit – eine diverse, fachlich kompetente und internationale Zusammensetzung unter Beteiligung von Frauen im Vorstand der Gesellschaft anstreben.“
Muster 2: AG, drei Vorstandsmitglieder, bisherige Quote 0 %, Zielquote 464 0 %, Bestellung endet vor Ablauf der Zielerreichungsfrist „Der Aufsichtsrat ist nach § 111 Abs. 5 AktG verpflichtet, eine Zielgröße für den Frauenanteil im Vorstand sowie eine Frist zum Erreichen dieses Zieles festzulegen. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 EGAktG darf die Zielerreichungsfrist nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Um einen Gleichlauf mit dem kalendergleichen Geschäftsjahr der Gesellschaft zu erreichen, setzt der Aufsichtsrat den Ablauf des 31. Dezember 2016 als Ende der Zielerreichungsfrist fest. Der Vorstand der Gesellschaft hat zurzeit drei Mitglieder, die alle männlich sind, und weist daher eine Frauenquote von 0 % auf. Die Bestellungen aller aktuellen Vorstandsmitglieder enden vor der Zielerreichungsfrist, nämlich am [31. Dezember 2015 (Herr […])] bzw. am [30. Juni 2016 (Herren […] und […])]. Die Gesellschaft und der Aufsichtsrat stehen der Beteiligung von Frauen im Vorstand positiv gegenüber und schätzen die vorteilhaften Auswirkungen einer diversen Personalzusammensetzung von Gremien. Für den Ablauf der Zielerreichungsfrist legt der Aufsichtsrat dennoch eine Zielgröße für den Frauenanteil im Vorstand von 0 % fest, ohne hierdurch das Signal geben zu wollen, zu den Terminen der Neubestellungen (oder bei zuvor notwendigen Neubesetzungen) Frauen nicht zu berücksichtigen oder gar nicht berücksichtigen zu wollen. Auf diese Weise soll der Gesellschaft vielmehr nur auch in Zukunft die größtmögliche Flexibilität bei der Besetzung der Vorstandsämter erhalten werden. Die Zusammensetzung des Vorstands muss eine am Unternehmensinteresse ausgerichtete effektive und nachhaltige Leitung des Unternehmens gewährleisten. Um eine pflichtgemäße Wahrnehmung dieser gesetzlichen Aufgaben sicherzustellen, wird sich der Aufsichtsrat bei der Besetzung der Vorstandsämter auch zukünftig in erster Linie von den Kenntnissen, Fähigkeiten und durch internationale Tätigkeit geprägte Erfahrungen der in Betracht kommenden Kandidatinnen und Kandidaten leiten lassen. Dabei wird der Aufsichtsrat auch die internationale Tätigkeit des Unternehmens und sein breites Produkt- und Serviceportfolio angemessen berücksichtigen. Die vorherige Festlegung konkreter Ziele oder geschlechtsspezifischer Quoten erachtet der Aufsichtsrat indes weder für erforderlich noch für angemessen, da hierdurch die Auswahl geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten gerade für die Gesellschaft als kleinere börsennotierte Aktiengesellschaft mit einem nur aus drei Mitgliedern bestehenden Vorstand pauschal eingeschränkt würde.“
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G. Muster- und Gesetzestexte
465 Muster 3: AG, drei Vorstandsmitglieder, bisherige Quote 33,3 %, Zielquote 30 % bzw. 33,3 %, Bestellung endet vor Ablauf der Zielerreichungsfrist „Der Aufsichtsrat ist nach § 111 Abs. 5 AktG verpflichtet, eine Zielgröße für den Frauenanteil im Vorstand sowie eine Frist zum Erreichen dieses Zieles festzulegen. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 EGAktG darf die Zielerreichungsfrist nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Um einen Gleichlauf mit dem kalendergleichen Geschäftsjahr der Gesellschaft zu erreichen, setzt der Aufsichtsrat den Ablauf des 31. Dezember 2016 als Ende der Zielerreichungsfrist fest. Der Vorstand der Gesellschaft hat zurzeit drei Mitglieder, von denen eine Person weiblich und zwei männlich sind, und weist daher eine Frauenquote von 33,3 % auf. Die Bestellungen aller aktuellen Vorstandsmitglieder enden vor der Zielerreichungsfrist, nämlich am [31. Dezember 2015 (Frau […])] bzw. am [30. Juni 2016 (Herren […] und […])]. Die Gesellschaft und der Aufsichtsrat stehen der Beteiligung von Frauen im Vorstand positiv gegenüber und schätzen die vorteilhaften Auswirkungen einer diversen Personalzusammensetzung von Gremien. Der Aufsichtsrat legt [im Einklang mit der gesetzgeberischen Wertung] für die Zukunft eine (Mindest-) Zielgröße für den Frauenanteil im Vorstand von 30 % [Alternative: weiterhin 33,3 %] fest. [Da der derzeitige Frauenanteil nicht unter 30 % liegt, gilt insofern kein Verschlechterungsverbot für die Festsetzung der Zielquote.] Der Aufsichtsrat schließt ausdrücklich nicht aus, dass in Zukunft ein höherer Frauenanteil im Vorstand erreicht wird. Da in einem dreiköpfigen Vorstand Anteile von z. B. 40 % oder 50 % jedoch ausgeschlossen sind, ist es aus Sicht des Aufsichtsrates derzeit nicht zweckmäßig, eine höhere Zielgröße als den gesetzlichen Richtwert [Alternative: den derzeitigen Status Quo-Wert von 33,3 %] festzusetzen. Die Zusammensetzung des Vorstands muss eine am Unternehmensinteresse ausgerichtete effektive und nachhaltige Leitung des Unternehmens gewährleisten. Um eine pflichtgemäße Wahrnehmung dieser gesetzlichen Aufgaben sicherzustellen, wird sich der Aufsichtsrat bei der Besetzung der Vorstandsämter auch zukünftig in erster Linie von den Kenntnissen, Fähigkeiten und durch internationale Tätigkeit geprägte Erfahrungen der in Betracht kommenden Kandidatinnen und Kandidaten leiten lassen. Daneben wird er bei der Besetzung des Vorstands auf Vielfalt, unter anderem im Hinblick auf Ausbildungs- sowie Erfahrungshintergrund und Fachkenntnisse, Alter, Internationalität und eben auch Geschlecht achten.“
4. Vorstands-/Geschäftsführungsbeschlüsse bzw. Berichte über Zielgrößen- und Fristbestimmung für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands 466 Muster 1: AG, eine Führungsebene (Beteiligungsholdingstruktur), bisherige Quote 20 %, Zielquote 20 % „Der Vorstand der Gesellschaft ist gemäß § 76 Abs. 4 AktG verpflichtet, Zielgrößen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands sowie eine Zielerreichungsfrist festzulegen. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 EGAktG darf die Zielerreichungsfrist nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Um einen Gleichlauf mit dem kalendergleichen Geschäftsjahr der Gesellschaft zu erreichen, setzt der Vorstand den Ablauf des 31. Dezember 2016 als Ende der Zielerreichungsfrist fest.
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I. Mustertexte Die Gesellschaft ist eine Beteiligungsholding mit ausgewählten zentralen Stabsstellen, die gruppenweit Serviceleistungen den operativen Tochtergesellschaften zur Verfügung stellen. Unterhalb des Vorstandes sind mit direkter Berichtslinie und Disziplinarunterworfenheit vorhanden die Stabsbereiche (1) Finance/Treasury, (2) Controlling, (3) Compliance und Revision, (4) Recht und (5) Steuern; weitere Stabsstellen und sämtliche operativen Bereiche sind in den Tochtergesellschaften angesiedelt. Der Vorstand hat die Frage der Führungsebenen unterhalb des Vorstandes in der Gesellschaft anhand [des sog. Hay-Job-Grading-System (Haygroup Reference Level 21 – 23) sowie daneben übereinstimmend mit der Teilnahmeberechtigung an den „Führungskreissitzungen Eins“ und am „Führungskräfte-Beteiligungsprogramm Stufe 1“] definiert. Alle insoweit umfassten Führungskräfte haben entweder die Berechtigung zur Verhaltenssteuerung anderer Personen qua Weisung oder haben eine Stabsfunktion in einer hierarchisch herausgehobenen Expertenstellung inne. Es wurden nur solche Personen berücksichtigt, die in einem Anstellungsverhältnis zur Gesellschaft stehen. Auf der Basis dieser Kriterien besteht bei der Gesellschaft nur eine Führungsebene unterhalb des Vorstandes, und diese Führungsebene umfasst fünf Personen, von denen vier Personen männlich und eine Person weiblich ist. Daher beträgt der Frauenanteil in der ersten Führungsebene unterhalb des Vorstands derzeit 20 %; ein Frauenanteil in einer zweiten Führungsebene ist nicht festzustellen (da inexistent). Der Vorstand beabsichtigt derzeit nicht, bis zum Ablauf des 31. Dezember 2016 personelle Veränderungen in dieser Führungsebene vorzunehmen, den Kreis der Führungspersonen in der ersten Führungsebene der Gesellschaft zu vergrößern oder eine weitere Führungsebene unterhalb der ersten Führungsebene einzuführen. Daher legt der Vorstand für den Frauenanteil in der ersten Führungsebene eine Zielgröße von 20 % fest; eine Zielgröße für eine zweite Führungsebene unterhalb des Vorstandes wird nicht festgelegt, da eine solche zweite Führungsebene derzeit nicht besteht und voraussichtlich auch nicht bei der Gesellschaft geschaffen werden wird. Der Betriebsrat der Gesellschaft wurde am […] [falkultativ, sofern Sprecherausschuss vorhanden: und der Sprecherausschuss der Gesellschaft am […]] über die Bestimmung der Führungsebene unterhalb des Vorstandes sowie die Festsetzung der Frauenzielquote informiert. Mit Blick auf den Ablauf der Zielerreichungsfrist, aber auch für den Fall etwaiger bereits davor erforderlich werdender personeller Veränderungen in der Führungsebene unterhalb des Vorstands, wird sich der Vorstand jedoch regelmäßig mit der personellen Zusammensetzung und insbesondere auch mit der Frauenzielquote dort befassen und dabei – wie auch in der Vergangenheit – eine diverse personelle Zusammensetzung (Diversity) unter Beteiligung von Frauen in der Führungsebene der Gesellschaft anstreben. [Fakultativ: Darüber hinaus und ohne entsprechende gesetzliche Verpflichtung berichtet der Vorstand, dass der Frauenanteil im Konzern zum 31.12.2014 […] % betrug, und sich der Vorstand das Ziel gesetzt hat, diese Konzernquote bis zum [31. Dezember 2016] um […] % auf […] % zu er…höhen. Weitere Einzelheiten zum umfassenden Frauenförderungsprogramm sowie zur Diversity-Kultur im Konzern sind im Corporate Social Responsibility-Bericht der Gesellschaft 2015, S. […] enthalten.]“
Muster 2: AG, zwei Führungsebenen, bisherige Quoten 8 % (1. Ebene) 467 bzw. 12 % (2. Ebene), Zielquoten 10 % (1. Ebene) und 15 % (2. Ebene) „Der Vorstand ist nach § 76 Abs. 4 AktG verpflichtet, eine Zielgröße für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands sowie eine Frist
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G. Muster- und Gesetzestexte zum Erreichen dieses Zieles festzulegen. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 EGAktG darf die Zielerreichungsfrist nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Um einen Gleichlauf mit dem kalendergleichen Geschäftsjahr der Gesellschaft zu erreichen, setzt der Vorstand den Ablauf des 31. Dezember 2016 als Ende der Zielerreichungsfrist fest. Die Gesellschaft ist operativ tätig und zwar untergliedert in die Division 1: […], Division 2: […] und Division 3: […]. Die drei Divisionen sind im Vorstand vertreten, daneben sind im Vorstand der Vorstandsvorsitzende (u. a mit den Ressorts Strategy und Corporate Development, Recht) und der Finanzvorstand. Der Vorstand hat die Frage der Führungsebenen unterhalb des Vorstands anhand [des sog. Hay-Job-Grading-Systems (Haygroup Reference Level 21 – 23 für die erste Führungsebene und Haygroup Reference Level 19 und 20 für die zweite Führungsebene) sowie daneben übereinstimmend mit den Teilnahmeberechtigungen an den „Führungskreissitzungen Eins“ (erste Führungsebene) bzw. „Führungskreissitzung Zwei“ (zweite Führungsebene) und am „Führungskräfte-Beteiligungsprogramm Stufe 1“ (erste Führungsebene) bzw. „Führungskräfte-Beteiligungsprogramm Stufe 2“ (zweite Führungsebene)] definiert. Alle insoweit umfassten Führungskräfte beider Führungsebenen haben entweder die Berechtigung zur Verhaltenssteuerung anderer Personen qua Weisung oder in der ersten Führungsebene eine Stabsfunktion in einer hierarchisch herausgehobenen Expertenstellung inne. Es wurden nur solche Personen berücksichtigt, die in einem Anstellungsverhältnis zur Gesellschaft stehen. [Führungskräfte in der Management-Servicegesellschaft mbH, die für die Gesamtgruppe Serviceleistung in den Bereichen Personal/Human Resources sowie Recht erbringen, wurden mangels Anstellungsvertrags mit der Gesellschaft für die zweite der Festsetzungen nach § 111 Abs. 5 AktG nicht berücksichtigt.] Auf der Basis dieser Definitionskriterien umfasst die erste Führungsebene unterhalb des Vorstandes 25 Personen, von denen 23 männliche und zwei weibliche Führungskräfte sind. Daher beträgt der Frauenanteil in der ersten Führungsebene unterhalb des Vorstands derzeit 8 %. Auf der Basis dieser Definitionskriterien umfasst die zweite Führungsebene unterhalb des Vorstandes 50 Personen, von denen 44 männliche und sechs weibliche Führungskräfte sind. Daher beträgt der Frauenanteil in der zweiten Führungsebene unterhalb des Vorstands derzeit 12 %. Der Vorstand beabsichtigt derzeit nicht, den Kreis der Führungspersonen in den ersten beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands [wesentlich] zu vergrößern oder die Struktur der Führungsebenen [wesentlich] zu ändern. Der Vorstand versteht die Stärkung der personellen Vielfalt (Diversity) des Führungspersonals als einen integralen Bestandteil der Unternehmenskultur der Gesellschaft und des Konzerns. Er strebt bei der Besetzung von Führungspositionen eine höhere Beteiligung von Frauen als den Status quo an. Vor diesem Hintergrund legt der Vorstand für den Frauenanteil in der ersten Führungsebene unterhalb des Vorstands eine Zielgröße von 10 % und für den Frauenanteil in der zweiten Führungsebene unterhalb des Vorstands eine Zielgröße von 15 %, jeweils zum Ablauf des 31. Dezember 2016, fest. Der Betriebsrat der Gesellschaft wurde am […] [falkultativ, sofern Sprecherausschuss vorhanden: und im Hinblick auf die erste Führungsebene der Sprecherausschuss der Gesellschaft am […]] über die Bestimmung der Führungsebenen unterhalb des Vorstandes sowie die Festsetzung der Frauenzielquoten informiert. [Fakultativ: Darüber hinaus und ohne entsprechende gesetzliche Verpflichtung berichtet der Vorstand, dass der Frauenanteil im Konzern zum 31.12.2014 […] % betrug, und sich der Vorstand das Ziel gesetzt hat, diese Konzernquote bis zum [31. Dezember 2016] um […] % auf […] % zu erhöhen. Weitere Einzelheiten zum
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I. Mustertexte umfassenden Frauenförderungsprogramm sowie zur Diversity-Kultur im Konzern sind im Corporate Social Responsibility-Bericht der Gesellschaft 2015, S. […] enthalten.]“
Muster 3: AG, zwei Führungsebenen, bisherige Quoten 50 % (1. Ebene) 468 bzw. 37,5 % (2. Ebene), Zielquoten jeweils 30 % (1. und 2. Ebene) „Der Vorstand der Gesellschaft ist gemäß § 76 Abs. 4 AktG verpflichtet, Zielgrößen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands sowie eine Zielerreichungsfrist festzulegen. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 EGAktG darf die Zielerreichungsfrist nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Um einen Gleichlauf mit dem kalendergleichen Geschäftsjahr der Gesellschaft zu erreichen, setzt der Vorstand den Ablauf des 31. Dezember 2016 als Ende der Zielerreichungsfrist fest. [Beschreibung der Führungsstruktur und der Kriterien für die Bestimmung der beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstandes; entsprechend der Muster 1 und 2.] Die erste Führungsebene besteht aus vier Abteilungsleitern in den Bereichen [Operations], [Industries/Marketing], [Product Development] und [Personal/Human Resources], von denen zwei Personen weiblich und zwei männlich sind. Die erste Führungsebene unterhalb des Vorstands hat daher derzeit einen Frauenanteil von 50 %. Auf einer zweiten Führungsebene sind jeder Abteilung zwei Unterabteilungen mit jeweils einem Unterabteilungsleiter zugeordnet, von denen (also den acht Unterabteilungsleitern) zurzeit drei Personen weiblich und fünf männlich sind. Die zweite Führungsebene unterhalb des Vorstands hat daher derzeit einen Frauenanteil von 37,5 %. Personelle Vielfalt (Diversity) des Führungspersonals ist ein integraler Bestandteil der Unternehmenskultur der Gesellschaft und für den Vorstand ein wichtiger, allerdings unverbindlicher, Aspekt bei der Besetzung der Führungsebenen; sie stellt keine Auswahlrichtlinie i. S. v. § 95 BetrVG dar. Um der Gesellschaft dennoch die größtmögliche Flexibilität bei der Besetzung der Führungspositionen einzuräumen, legt der Vorstand für die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands jeweils eine Zielgröße für den Frauenanteil in Höhe von [nur] 30 % fest. Der Betriebsrat der Gesellschaft wurde am […] [falkultativ, sofern Sprecherausschuss vorhanden: und im Hinblick auf die erste Führungsebene der Sprecherausschuss der Gesellschaft am […]] über die Bestimmung der Führungsebenen unterhalb des Vorstandes sowie die Festsetzung der Frauenzielquoten informiert. Der Vorstand schließt weiterhin ausdrücklich nicht aus, dass auf einer der oder bei beiden Führungsebenen ein höherer Frauenanteil erreicht wird. Es ist zurzeit auch nicht geplant, die aktuell bestehenden hohen Frauenanteile zu verringern. Sollte aber die Notwendigkeit bestehen, Positionen auf den Führungsebenen neu zu besetzen, wird sich der Vorstand bei der Besetzung der Führungspositionen auch zukünftig in erster Linie von den Kenntnissen, Fähigkeiten, Erfahrungen und [vor allem] der Persönlichkeit der in Betracht kommenden Kandidatinnen und Kandidaten leiten lassen. Der Vorstand geht davon aus, dass dies trotzdem – wie auch in der Vergangenheit – zu einer Besetzung der Führungsebenen mit vielfältigen Persönlichkeiten unter hoher Beteiligung von Frauen führen wird. [Fakultativ: Darüber hinaus und ohne entsprechende gesetzliche Verpflichtung berichtet der Vorstand, dass der Frauenanteil im Konzern zum 31.12.2014 […] % betrug, und sich der Vorstand das Ziel gesetzt hat, diese Konzernquote bis zum [31. Dezember 2016] um […] % auf […] % zu erhöhen. Weitere Einzelheiten zum umfassenden Frauenförderungsprogramm sowie zur Diversity-Kultur im Konzern sind im Corporate Social Responsibility-Bericht der Gesellschaft 2015, S. […] enthalten.]“
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G. Muster- und Gesetzestexte
469 Muster 4: GmbH, zwei Führungsebenen, bisherige Quoten 16 % (1 Ebene) bzw. 24 % (2. Ebene), Zielquoten 20 % (1. Ebene) und 25 % (2. Ebene) Die Geschäftsführung der Gesellschaft ist gemäß § 36 GmbHG verpflichtet, Zielgrößen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung sowie eine Zielerreichungsfrist festzulegen. Nach § 5 Satz 2 EGGmbHG darf die Zielerreichungsfrist nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Um einen Gleichlauf mit dem kalendergleichen Geschäftsjahr der Gesellschaft zu erreichen, setzt die Geschäftsführung den Ablauf des 31. Dezember 2016 als Ende der Zielerreichungsfrist fest. [Beschreibung der Führungsstruktur und der Kriterien für die Bestimmung der beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung; entsprechend der Muster 1 und 2.] Auf der Basis dieser Definitionskriterien umfasst die erste Führungsebene unterhalb der Geschäftsführung 25 Personen, von denen 21 männliche und vier weibliche Führungskräfte sind. Daher beträgt der Frauenanteil in der ersten Führungsebene unterhalb der Geschäftsführung derzeit 16 %. Auf der Basis dieser Definitionskriterien umfasst die zweite Führungsebene unterhalb der Geschäftsführung 50 Personen, von denen 38 männliche und 12 weibliche Führungskräfte sind. Daher beträgt der Frauenanteil in der zweiten Führungsebene unterhalb der Geschäftsführung derzeit 24 %. Die Geschäftsführung beabsichtigt derzeit nicht, den Kreis der Führungspersonen in den ersten beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung [wesentlich] zu vergrößern oder die Struktur der Führungsebenen [wesentlich] zu ändern. Die Geschäftsführung versteht die Stärke der personellen Vielfalt (Diversity) des Führungspersonals als einen integralen Bestandteil der Unternehmenskultur der Gesellschaft und des Konzerns. Er erstrebt bei der Besetzung von Führungspositionen eine höhere Beteiligung von Frauen als den Status Quo an. Vor diesem Hintergrund legt die Geschäftsführung für den Frauenanteil in der ersten Führungsebene unterhalb der Geschäftsführung eine Zielgröße von 20 % und für den Frauenanteil in der zweiten Führungsebene unterhalb der Geschäftsführung eine Zielgröße von 25 %, jeweils zum Ablauf des 31. Dezember 2016, fest. [Fakultativ: Mit diesen Zielgrößen werden Werte festgesetzt, die etwa dem Beschäftigungsanteil von Frauen an der Gesamtbelegschaft in Höhe von derzeit […] % entsprechen.] Der Betriebsrat der Gesellschaft wurde am […] [falkultativ, sofern Sprecherausschuss vorhanden: und im Hinblick auf die erste Führungsebene der Sprecherausschuss der Gesellschaft am […]] über die Bestimmung der Führungsebenen unterhalb des Vorstandes sowie die Festsetzung der Frauenzielquoten informiert. [Fakultativ: Darüber hinaus und ohne entsprechende gesetzliche Verpflichtung berichtet die Geschäftsführung, dass der Frauenanteil im Konzern zum 31.12.2014 […] % betrug, und sich die Geschäftsführung das Ziel gesetzt hat, diese Konzernquote bis zum [31. Dezember 2016] um […] % auf […] % zu erhöhen. Weitere Einzelheiten zum umfassenden Frauenförderungsprogramm sowie zur Diversity-Kultur im Konzern sind im Corporate Social Responsibilty-Bericht der Gesellschaft 2015, S. […] enthalten.]“
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I. Mustertexte
5. Geschäftsordnung für die Anteilseignerseite im Aufsichtsrat Muster für eine Geschäftsordnung für die Seite der Anteilseignervertreter 470 des Aufsichtsrats
1.
Geschäftsordnung für die Seite der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat der [Firma] AG ([Datum]) Allgemeines
Die Seite der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat der [Firma] AG (Anteilseignerseite) übt ihre Tätigkeit [fakultativ: unter Beachtung der Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK)] nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, der Satzung der [Firma] AG, der Beschlüsse sowie der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats und dieser Geschäftsordnung aus. Ihre Mitglieder sind an Weisungen nicht gebunden. 1.2 In dieser Geschäftsordnung wird aus Gründen der sprachlichen Einfachheit lediglich die männliche Form verwandt; inhaltlich sind gleichermaßen weibliche wie männliche Personen gemeint. 1.
2.
Zusammensetzung und Leitung
2.1 Die Anteilseignerseite besteht aus allen von der Hauptversammlung der [Firma] AG für die Aktionäre gewählten [fakultativ: sowie von Aktionären entsandten] sowie für die Aktionäre nach § 104 AktG gerichtlich bestellten Mitgliedern des Aufsichtsrats. 2.2 Die Anteilseignerseite wird vom Aufsichtsratsvorsitzenden geleitet. Seine Aufgaben werden im Falle seiner Verhinderung von seinem, von der Anteilseignerseite hierzu aus ihrem Kreis gewählten Stellvertreter wahrgenommen. 3. Aufgaben 3.1 Die Anteilseignerseite ist zuständig für alle Aufgaben des Aufsichtsrats, für die ausschließlich die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat zur Entscheidung berufen sind. Das sind insbesondere: (a) die Ausübung des Sonderbeschlussrechts bei bestimmten Beteiligungsrechten (§ 32 Abs. 1 MitbestG); (b) die Ausübung des Sonderbeschlussrechts im zweiten Wahlgang zur Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden (§ 27 Abs. 2 Satz 2 MitbestG); (c) die Ausübung des Sonderbeschlussrechts betreffend die Wahlvorschläge für Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat (§ 124 Abs. 3 Satz 5) [Alternative: die Ausübung des Sonderbeschlussrechts zur Wahl der Mitglieder des Nominierungsausschusses des Aufsichtsrats]; und (d) das Sonderbeschlussrecht betreffend die Ausübung eines Widerspruchs zum Prinzip des Gesamterfüllung der Geschlechterquote im Aufsichtsrat (§ 96 Abs. 2 AktG). 3.2 Die Anteilseignerseite kann zur Erfüllung ihrer Aufgaben [fakultativ: und bei plausibler Sacherforderlichkeit] externe Beratung in Anspruch nehmen. Sie ist jedoch verpflichtet, (a) eine Beauftragung mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats und seinem Stellvertreter als gemeinsame Vertreter des Gesamtgremiums abzustimmen und
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G. Muster- und Gesetzestexte (b) zu gewährleisten, dass auch die externen Berater den dem Aufsichtsrat obliegenden Vertraulichkeitsverpflichtungen entsprechend genügen (§ 116 Satz 2 AktG). Die Kosten externer Beratung trägt die Gesellschaft. 3.3 Die Anteilseignerseite entscheidet über den Widerspruch gegen die Gesamterfüllung gemäß § 96 Abs. 2 AktG durch Beschluss. Vor der Beschlussfassung soll eine rechtzeitige Abstimmung mit der Seite der Arbeitnehmervertreter über (1) die Frage der Gesamt- oder Getrennterfüllung der festen Geschlechterquote im Aufsichtsrat und (2) das insofern zu verfolgende Verfahren gesucht werden. Der Widerspruch ist zu begründen. 3.4 Die Anteilseignerseite beschließt über die der Hauptversammlung zur Wahl in den Aufsichtsrat vorzuschlagenden Aufsichtsratskandidaten. Dabei ist Folgendes einzuhalten: (a) Die Anteilseignerseite definiert die Anforderungen für das jeweils konkret zu besetzende Mandat. (b) Die Anteilseignerseite beachtet hierbei die durch die feste Geschlechterquote und einen etwaigen Widerspruch nach § 96 Abs. 2 AktG gesetzten geschlechtsbezogenen Vorgaben. (c) Neben den nach (a) definierten Kenntnissen, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen beachtet die Anteilseignerseite insbesondere die für die Besetzung des Aufsichtsrats der [Firma] AG geltenden Empfehlungen des DCGK und vor allem die auf Basis der Empfehlung von Ziffer 5.4.1 DCGK unter Beachtung der unternehmensspezifischen Situation benannten konkreten Ziele für seine Zusammensetzung. 3.5 Die Anteilseignerseite kann einen Nominierungsausschuss einrichten, an den sie die Vorbereitung und die Entscheidung über vorstehende Aufgaben delegieren kann. 4. Sitzungen und innere Ordnung 4.1 Die Anteilseignerseite ist beschlussfähig, wenn mindestens drei Mitglieder an der Beschlussfassung mitwirken. 4.2 Die Anteilseignerseite tritt bei Bedarf zusammen. Die Sitzungen der Anteilseignerseite werden vom Vorsitzenden unter Einhaltung einer Frist von mindestens [zwei Wochen/zehn Kalendertagen] einberufen. Im Hinblick auf die im Zusammenhang mit dem Widerspruchsrecht nach § 96 Abs. 2 AktG zu treffenden Entscheidungen soll eine Einberufung der Anteilseignerseite so rechtzeitig erfolgen, dass eine beschlussvorlaufende Abstimmung mit der Seite der Arbeitnehmer sowie eine rechtzeitige Ausübung des Widerspruchsrechts oder Abstimmung über einen beiderseitigen Verzicht mit der Seite der Arbeitnehmervertreter möglich ist. 4.3 Für die Einberufung und Protokollierung der Sitzungen der Anteilseignerseite, die Art der Beschlussfassung und die Beschlussmehrheiten gelten die Bestimmungen der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats. Eine Pflicht zur Berichterstattung gegenüber dem Aufsichtsrat als Gesamtgremium besteht – unbeschadet Ziffer 3.3 dieser Geschäftsordnung – nicht. 5.
Erklärungen Soweit zur Durchführung von Beschlüssen der Anteilseignerseite Erklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen sind, handelt der Vorsitzende für die Anteils-
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I. Mustertexte eignerseite. Der Vorsitzende nimmt die Erklärungen der Anteilseignerseite im Zusammenhang mit dem Widerspruchsrecht nach § 96 Abs. 2 AktG durch Gegenzeichnung zur Kenntnis. 6.
Geheimhaltung Mitglieder der Anteilseignerseite und andere Personen, die an einer Sitzung der Anteilseignerseite teilnehmen, haben über erhaltene Unterlagen und den Inhalt der Beratungen sowie über alle vertraulichen Angaben und Geheimnisse der [Firma] AG, namentlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie die im Zusammenhang mit Wahlvorschlägen stehenden Informationen, die ihnen durch ihre Tätigkeit für die Anteilseignerseite bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren.
7.
Sonstige Vorschriften Im Übrigen gilt die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats in ihrer jeweils gültigen Fassung entsprechend. Dies gilt insbesondere für die Vorschriften zu Interessenkonflikten sowie zu Verträgen i. S. v. § 114 AktG.
8.
Gültigkeit Diese Geschäftsordnung bleibt so lange in Kraft, bis die Anteilseignerseite anderes beschließt. Die Anteilseignerseite kann mit einfacher Mehrheit beschließen, dass im Einzelfall von der Geschäftsordnung abgewichen werden kann.
6. Geschäftsordnung für den Nominierungsausschuss im Aufsichtsrat Muster für eine Geschäftsordnung für den Nominierungsausschuss des Auf- 471 sichtsrats Geschäftsordnung für den Nominierungsausschuss des Aufsichtsrats der [Firma] AG ([Datum]) 1.
Allgemeines
1.1 Der Nominierungsausschuss übt seine Tätigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, der Satzung der [Firma] AG, der Beschlüsse sowie der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats und dieser Geschäftsordnung aus. Seine Mitglieder sind an Weisungen nicht gebunden. 1.2 In dieser Geschäftsordnung wird aus Gründen der sprachlichen Einfachheit lediglich die männliche Form verwandt; inhaltlich sind gleichermaßen weibliche wie männliche Personen gemeint. 2. Zusammensetzung und Leitung 2.1 Der Nominierungsausschuss besteht aus mindestens drei Mitgliedern, die aus dem Kreis der Anteilseignervertreter stammen und von den Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewählt werden. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist stets Mitglied des Nominierungsausschusses. 2.2 Die Mehrheit der Ausschussmitglieder soll unabhängig i. S. v. Ziffer 5.4.2 DCGK sein. 2.3 Der Nominierungsausschuss wird vom Aufsichtsratsvorsitzenden geleitet. Seine Aufgaben werden im Falle seiner Verhinderung von seinem, durch die Mitglieder des Nominierungsausschusses aus dem Kreis der Ausschussmitglieder gewählten Stellvertreter wahrgenommen.
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G. Muster- und Gesetzestexte 3. Aufgaben 3.1 Der Nominierungsausschuss hat die in dieser Geschäftsordnung, subsidiär die in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats, festgelegten Aufgaben. 3.2 Der Nominierungsausschuss kann zur Erfüllung seiner Aufgaben [fakultativ: und bei plausibler Sacherforderlichkeit] externe Beratung in Anspruch nehmen. Er ist jedoch verpflichtet, (a) eine Beauftragung mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats und seinem Stellvertreter als gemeinsame Vertreter des Gesamtgremiums abzustimmen und (b) zu gewährleisten, dass auch die externen Berater den dem Aufsichtsrat obliegenden Vertraulichkeitsverpflichtungen entsprechend genügen (§ 116 Satz 2 AktG). 3.3 Der Nominierungsausschuss bereitet die Entscheidung der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat über den Widerspruch zum Prinzip der Gesamterfüllung der Geschlechterquote gemäß § 96 Abs. 2 AktG vor und unterbreitet zu diesem Zwecke einen begründeten Vorschlag [Alternative: Delegation des Widerspruchsrechts selbst an den Nominierungsausschuss]. 3.4 Der Nominierungsausschuss benennt dem Aufsichtsrat [Alternative: Die Anteilseignerseite] geeignete Kandidaten für die Wahl von Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat, die die Anteilseigner im Aufsichtsrat der Hauptversammlung zur Wahl vorschlagen können [Alternative: Delegation des Vorschlagsrechts selbst an den Nominierungsausschuss]. Dabei ist Folgendes einzuhalten: (a) Der Nominierungsausschuss definiert die Anforderungen für das jeweils konkret zu besetzende Mandat. (b) Der Nominierungsausschuss beachtet hierbei die durch die feste Geschlechterquote und einen etwaigen Widerspruch nach § 96 Abs. 2 AktG gesetzten geschlechtsbezogenen Vorgaben. (c) Neben den nach (a) definierten Kenntnissen, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen beachtet der Nominierungsausschuss insbesondere die für die Besetzung des Aufsichtsrats der [Firma] AG geltenden Empfehlungen des DCGK und vor allem die auf Basis von Ziffer 5.4.1 DCGK unter Beachtung der unternehmensspezifischen Situation benannten konkreten Ziele für seine Zusammensetzung. 4. Sitzungen und innere Ordnung 4.1 Der Nominierungsausschuss ist beschlussfähig, wenn mindestens drei Mitglieder [fakultativ: darunter der Ausschussvorsitzende,] an der Beschlussfassung mitwirken. 4.2 Der Nominierungsausschuss tritt bei Bedarf zusammen. Die Sitzungen des Nominierungsausschusses werden vom Vorsitzenden unter Einhaltung einer Frist von mindestens [zwei Wochen/zehn Kalendertagen] einberufen. Im Hinblick auf die im Zusammenhang mit dem Widerspruchsrecht nach § 96 Abs. 2 AktG zu treffenden Entscheidungen soll eine Einberufung des Nominierungsausschusses so rechtzeitig erfolgen, dass eine beschlussvorlaufende Abstimmung mit der Seite der Arbeitnehmer sowie eine rechtzeitige Ausübung des Widerspruchsrechts durch die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat möglich ist. 4.3 Für die Einberufung und Protokollierung der Sitzungen des Nominierungsausschusses, die Art der Beschlussfassung und die Beschlussmehrheiten gelten die Bestimmungen der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats. [fakultativ: Im Fall der Stimmengleichheit steht dem Ausschussvorsitzenden der Stichentscheid zu.] Eine Pflicht zur Berichterstattung gegenüber dem Aufsichtsrat besteht nur in
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I. Mustertexte den in dieser Geschäftsordnung aufgeführten Fällen und soweit es für die Aufgabenerfüllung nach Ziffern 3.3 und 3.4 erforderlich ist. 5.
6.
Erklärungen Soweit zur Durchführung von Beschlüssen des Nominierungsausschusses Erklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen sind, handelt der Ausschussvorsitzende für den Nominierungsausschuss. Geheimhaltung Mitglieder des Nominierungsausschusses und andere Personen, die an einer Sitzung des Nominierungsausschusses teilnehmen, haben über erhaltene Unterlagen und den Inhalt der Beratungen sowie über alle vertraulichen Angaben und Geheimnisse der [Firma] AG, namentlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie die im Zusammenhang mit Wahlvorschlägen nach § 3 Abs. 4 stehenden Informationen, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Nominierungsausschuss bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren.
7.
Sonstige Vorschriften; Interessenkonflikte Im Übrigen gilt die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats in ihrer jeweils gültigen Fassung entsprechend. Dies gilt insbesondere für die Vorschriften zu Interessenkonflikten sowie zu Verträgen i. S. v. § 114 AktG.
8.
[Alternative/fakultativ: Im Fall eines (potentiellen) Interessenkonfliktes wird das betroffene Ausschussmitglied diesen Umstand [den übrigen Ausschussmitgliedern/dem Vorsitzenden] gegenüber offenlegen. [Der Ausschussvorsitzende entscheidet über eine angemessene Unterrichtung des Ausschussplenums. Im Fall eines (potentiellen) Interessenkonfliktes bezüglich des Ausschussvorsitzenden selbst wird jener diesen Umstand seinem Stellvertreter gegenüber offenlegen.] Über das Vorliegen des Interessenkonfliktes und die sich hieraus ergebenen Folgen entscheidet – nach Diskussion im Ausschussplenum – der Ausschussvorsitzende. Gültigkeit Diese Geschäftsordnung bleibt so lange in Kraft, bis der Aufsichtsrat anderes beschließt. Der Aufsichtsrat kann mit einfacher Mehrheit beschließen, dass im Einzelfall von der Geschäftsordnung des Nominierungsausschusses abgewichen werden kann.
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II. Gesetzestexte*) Aktiengesetz (AktG)
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§ 76 Leitung der Aktiengesellschaft (1) Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten. (2) Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen bestehen. Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als drei Millionen Euro hat er aus mindestens zwei Personen zu bestehen, es sei denn, die Satzung bestimmt, daß er aus einer Person besteht. Die Vorschriften über die Bestellung eines Arbeitsdirektors bleiben unberührt. (3) Mitglied des Vorstands kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Mitglied des Vorstands kann nicht sein, wer 1.
als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt,
2.
aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt,
3.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten a) des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung), b) nach den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuchs (Insolvenzstraftaten), c) der falschen Angaben nach § 399 dieses Gesetzes oder § 82 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, d) der unrichtigen Darstellung nach § 400 dieses Gesetzes, § 331 des Handelsgesetzbuchs, § 313 des Umwandlungsgesetzes oder § 17 des Publizitätsgesetzes, e) nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr
verurteilt worden ist; dieser Ausschluss gilt für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils, wobei die Zeit nicht eingerechnet wird, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Satz 2 Nr. 3 gilt entsprechend bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer Tat, die mit den in Satz 2 Nr. 3 genannten Taten vergleichbar ist. (4) Der Vorstand von Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, legt für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands Zielgrößen fest. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein.
___________ *)
Gesetzesänderungen sind durch halbfette kursive Schrift und Streichungen gekennzeichnnet.
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II. Gesetzestexte § 96 Zusammensetzung des Aufsichtsrats (1) Der Aufsichtsrat setzt sich zusammen bei Gesellschaften, für die das Mitbestimmungsgesetz gilt, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer, bei Gesellschaften, für die das Montan-Mitbestimmungsgesetz gilt, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer und aus weiteren Mitgliedern, bei Gesellschaften, für die die §§ 5 bis 13 des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes gelten, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer und aus einem weiteren Mitglied, bei Gesellschaften, für die das Drittelbeteiligungsgesetz gilt, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer, bei Gesellschaften für die das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3332) gilt, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer, bei den übrigen Gesellschaften nur aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre. (2) Bei börsennotierten Gesellschaften, für die das Mitbestimmungsgesetz, das MontanMitbestimmungsgesetz oder das Mitbestimmungsergänzungsgesetz gilt, setzt sich der Aufsichtsrat zu mindestens 30 Prozent aus Frauen und zu mindestens 30 Prozent aus Männern zusammen. Der Mindestanteil ist vom Aufsichtsrat insgesamt zu erfüllen. Widerspricht die Seite der Anteilseigner- oder Arbeitnehmervertreter auf Grund eines mit Mehrheit gefassten Beschlusses vor der Wahl der Gesamterfüllung gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden, so ist der Mindestanteil für diese Wahl von der Seite der Anteilseigner und der Seite der Arbeitnehmer getrennt zu erfüllen. Es ist in allen Fällen auf volle Personenzahlen mathematisch auf- beziehungsweise abzurunden. Verringert sich bei Gesamterfüllung der höhere Frauenanteil einer Seite nachträglich und widerspricht sie nun der Gesamterfüllung, so wird dadurch die Besetzung auf der anderen Seite nicht unwirksam. Eine Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung und eine Entsendung in den Aufsichtsrat unter Verstoß gegen das Mindestanteilsgebot ist nichtig. Ist eine Wahl aus anderen Gründen für nichtig erklärt, so verstoßen zwischenzeitlich erfolgte Wahlen insoweit nicht gegen das Mindestanteilsgebot. Auf die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer sind die in Satz 1 genannten Gesetze zur Mitbestimmung anzuwenden. (3) Bei börsennotierten Gesellschaften, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen sind und bei denen nach dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besteht, müssen in dem Aufsichts- oder Verwaltungsorgan Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 30 Prozent vertreten sein. Absatz 2 Satz 2, 4, 6 und 7 gilt entsprechend. (2)(4) Nach anderen als den zuletzt angewandten gesetzlichen Vorschriften kann der Aufsichtsrat nur zusammengesetzt werden, wenn nach § 97 oder nach § 98 die in der Bekanntmachung des Vorstands oder in der gerichtlichen Entscheidung angegebenen gesetzlichen Vorschriften anzuwenden sind. § 104 Bestellung durch das Gericht (1) Gehört dem Aufsichtsrat die zur Beschlußfähigkeit nötige Zahl von Mitgliedern nicht an, so hat ihn das Gericht auf Antrag des Vorstands, eines Aufsichtsratsmit-
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G. Muster- und Gesetzestexte glieds oder eines Aktionärs auf diese Zahl zu ergänzen. Der Vorstand ist verpflichtet, den Antrag unverzüglich zu stellen, es sei denn, daß die rechtzeitige Ergänzung vor der nächsten Aufsichtsratssitzung zu erwarten ist. Hat der Aufsichtsrat auch aus Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu bestehen, so können auch den Antrag stellen 1.
2.
der Gesamtbetriebsrat der Gesellschaft oder, wenn in der Gesellschaft nur ein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat, sowie, wenn die Gesellschaft herrschendes Unternehmen eines Konzerns ist, der Konzernbetriebsrat, der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss der Gesellschaft oder, wenn in der Gesellschaft nur ein Sprecherausschuss besteht, der Sprecherausschuss sowie, wenn die Gesellschaft herrschendes Unternehmen eines Konzerns ist, der Konzernsprecherausschuss,
3.
der Gesamtbetriebsrat eines anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer selbst oder durch Delegierte an der Wahl teilnehmen, oder, wenn in dem anderen Unternehmen nur ein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat,
4.
der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss eines anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer selbst oder durch Delegierte an der Wahl teilnehmen, oder, wenn in dem anderen Unternehmen nur ein Sprecherausschuss besteht, der Sprecherausschuss,
5.
mindestens ein Zehntel oder einhundert der Arbeitnehmer, die selbst oder durch Delegierte an der Wahl teilnehmen,
6.
Spitzenorganisationen der Gewerkschaften, die das Recht haben, Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer vorzuschlagen,
7.
Gewerkschaften, die das Recht haben, Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer vorzuschlagen.
Hat der Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz auch aus Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu bestehen, so sind außer den nach Satz 3 Antragsberechtigten auch je ein Zehntel der wahlberechtigten in § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Mitbestimmungsgesetzes bezeichneten Arbeitnehmer oder der wahlberechtigten leitenden Angestellten im Sinne des Mitbestimmungsgesetzes antragsberechtigt. Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. (2) Gehören dem Aufsichtsrat länger als drei Monate weniger Mitglieder als die durch Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl an, so hat ihn das Gericht auf Antrag auf diese Zahl zu ergänzen. In dringenden Fällen hat das Gericht auf Antrag den Aufsichtsrat auch vor Ablauf der Frist zu ergänzen. Das Antragsrecht bestimmt sich nach Absatz 1. Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. (3) Absatz 2 ist auf einen Aufsichtsrat, in dem die Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz haben, mit der Maßgabe anzuwenden, 1.
2.
daß das Gericht den Aufsichtsrat hinsichtlich des weiteren Mitglieds, das nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz auf Vorschlag der übrigen Aufsichtsratsmitglieder gewählt wird, nicht ergänzen kann,
daß es stets ein dringender Fall ist, wenn dem Aufsichtsrat, abgesehen von dem in Nummer 1 genannten weiteren Mitglied, nicht alle Mitglieder angehören, aus denen er nach Gesetz oder Satzung zu bestehen hat. (4) Hat der Aufsichtsrat auch aus Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu bestehen, so hat das Gericht ihn so zu ergänzen, daß das für seine Zusammensetzung
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II. Gesetzestexte maßgebende zahlenmäßige Verhältnis hergestellt wird. Wenn der Aufsichtsrat zur Herstellung seiner Beschlußfähigkeit ergänzt wird, gilt dies nur, soweit die zur Beschlußfähigkeit nötige Zahl der Aufsichtsratsmitglieder die Wahrung dieses Verhältnisses möglich macht. Ist ein Aufsichtsratsmitglied zu ersetzen, das nach Gesetz oder Satzung in persönlicher Hinsicht besonderen Voraussetzungen entsprechen muß, so muß auch das vom Gericht bestellte Aufsichtsratsmitglied diesen Voraussetzungen entsprechen. Ist ein Aufsichtsratsmitglied zu ersetzen, bei dessen Wahl eine Spitzenorganisation der Gewerkschaften, eine Gewerkschaft oder die Betriebsräte ein Vorschlagsrecht hätten, so soll das Gericht Vorschläge dieser Stellen berücksichtigen, soweit nicht überwiegende Belange der Gesellschaft oder der Allgemeinheit der Bestellung des Vorgeschlagenen entgegenstehen; das gleiche gilt, wenn das Aufsichtsratsmitglied durch Delegierte zu wählen wäre, für gemeinsame Vorschläge der Betriebsräte der Unternehmen, in denen Delegierte zu wählen sind. (5) Die Ergänzung durch das Gericht ist bei börsennotierten Gesellschaften, für die das Mitbestimmungsgesetz, das Montan-Mitbestimmungsgesetz oder das Mitbestimmungsergänzungsgesetz gilt, nach Maßgabe des § 96 Absatz 2 Satz 1 bis 5 vorzunehmen. (5)(6) Das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds erlischt in jedem Fall, sobald der Mangel behoben ist. (6)(7) Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied hat Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und, wenn den Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft eine Vergütung gewährt wird, auf Vergütung für seine Tätigkeit. Auf Antrag des Aufsichtsratsmitglieds setzt das Gericht die Auslagen und die Vergütung fest. Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig; die Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. § 111 Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrats (1) Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen. (2) Der Aufsichtsrat kann die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehen und prüfen. Er kann damit auch einzelne Mitglieder oder für bestimmte Aufgaben besondere Sachverständige beauftragen. Er erteilt dem Abschlußprüfer den Prüfungsauftrag für den Jahres- und den Konzernabschluß gemäß § 290 des Handelsgesetzbuchs. (3) Der Aufsichtsrat hat eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert. Für den Beschluß genügt die einfache Mehrheit. (4) Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden. Die Satzung oder der Aufsichtsrat hat jedoch zu bestimmen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann der Vorstand verlangen, daß die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. Der Beschluß, durch den die Hauptversammlung zustimmt, bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfaßt. Die Satzung kann weder eine andere Mehrheit noch weitere Erfordernisse bestimmen. (5) Der Aufsichtsrat von Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, legt für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand Zielgrößen fest. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten.
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G. Muster- und Gesetzestexte Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. Soweit für den Aufsichtsrat bereits eine Quote nach § 96 Absatz 2 gilt, sind die Festlegungen nur für den Vorstand vorzunehmen. (5)(6) Die Aufsichtsratsmitglieder können ihre Aufgaben nicht durch andere wahrnehmen lassen. § 124 Bekanntmachung von Ergänzungsverlangen; Vorschläge zur Beschlussfassung (1) Hat die Minderheit nach § 122 Abs. 2 verlangt, dass Gegenstände auf die Tagesordnung gesetzt werden, so sind diese entweder bereits mit der Einberufung oder andernfalls unverzüglich nach Zugang des Verlangens bekannt zu machen. § 121 Abs. 4 gilt sinngemäß; zudem gilt bei börsennotierten Gesellschaften § 121 Abs. 4a entsprechend. Bekanntmachung und Zuleitung haben dabei in gleicher Weise wie bei der Einberufung zu erfolgen. (2) Steht die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern auf der Tagesordnung, so ist in der Bekanntmachung anzugeben, nach welchen gesetzlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat zusammensetzt, und ob die Hauptversammlung an Wahlvorschläge gebunden ist. Die Bekanntmachung muss bei einer Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften, für die das Mitbestimmungsgesetz, das Montan-Mitbestimmungsgesetz oder das Mitbestimmungsergänzungsgesetz gilt, ferner enthalten: 1. Angabe, ob der Gesamterfüllung nach § 96 Absatz 2 Satz 3 widersprochen wurde, und 2.
Angabe, wie viele der Sitze im Aufsichtsrat mindestens jeweils von Frauen und Männern besetzt sein müssen, um das Mindestanteilsgebot nach § 96 Absatz 2 Satz 1 zu erfüllen. Soll die Hauptversammlung über eine Satzungsänderung oder über einen Vertrag beschließen, der nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam wird, so ist auch der Wortlaut der vorgeschlagenen Satzungsänderung oder der wesentliche Inhalt des Vertrags bekanntzumachen. (3) Zu jedem Gegenstand der Tagesordnung, über den die Hauptversammlung beschließen soll, haben der Vorstand und der Aufsichtsrat, zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern und Prüfern nur der Aufsichtsrat, in der Bekanntmachung Vorschläge zur Beschlußfassung zu machen. Bei Gesellschaften im Sinn des § 264d des Handelsgesetzbuchs ist der Vorschlag des Aufsichtsrats zur Wahl des Abschlussprüfers auf die Empfehlung des Prüfungsausschusses zu stützen. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn die Hauptversammlung bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 6 des Montan-Mitbestimmungsgesetzes an Wahlvorschläge gebunden ist, oder wenn der Gegenstand der Beschlußfassung auf Verlangen einer Minderheit auf die Tagesordnung gesetzt worden ist. Der Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder Prüfern hat deren Namen, ausgeübten Beruf und Wohnort anzugeben. Hat der Aufsichtsrat auch aus Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu bestehen, so bedürfen Beschlüsse des Aufsichtsrats über Vorschläge zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nur der Mehrheit der Stimmen der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre; § 8 des Montan-Mitbestimmungsgesetzes bleibt unberührt. (4) Über Gegenstände der Tagesordnung, die nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht sind, dürfen keine Beschlüsse gefaßt werden. Zur Beschlußfassung über den in der Versammlung gestellten Antrag auf Einberufung einer Hauptversammlung, zu Anträgen, die zu Gegenständen der Tagesordnung gestellt werden, und zu Verhandlungen ohne Beschlußfassung bedarf es keiner Bekanntmachung.
220
II. Gesetzestexte § 127 Wahlvorschläge von Aktionären Für den Vorschlag eines Aktionärs zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder von Abschlußprüfern gilt § 126 sinngemäß. Der Wahlvorschlag braucht nicht begründet zu werden. Der Vorstand braucht den Wahlvorschlag auch dann nicht zugänglich zu machen, wenn der Vorschlag nicht die Angaben nach § 124 Abs. 3 Satz 3 und § 125 Abs. 1 Satz 5 enthält. Der Vorstand hat den Vorschlag eines Aktionärs zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften, für die das Mitbestimmungsgesetz, das Montan-Mitbestimmungsgesetz oder das Mitbestimmungsergänzungsgesetz gilt, mit folgenden Inhalten zu versehen: 1. Hinweis auf die Anforderungen des § 96 Absatz 2, 2.
Angabe, ob der Gesamterfüllung nach § 96 Absatz 2 Satz 3 widersprochen wurde und
3.
Angabe, wie viele der Sitze im Aufsichtsrat mindestens jeweils von Frauen und Männern besetzt sein müssen, um das Mindestanteilsgebot nach § 96 Absatz 2 Satz 1 zu erfüllen. § 250 Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern
(1) Die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung ist außer im Falle des § 241 Nr. 1, 2 und 5 nur dann nichtig, wenn 1. der Aufsichtsrat unter Verstoß gegen § 96 Abs. 2 § 96 Absatz 4, § 97 Abs. 2 Satz 1 oder § 98 Abs. 4 zusammengesetzt wird; 2.
die Hauptversammlung, obwohl sie an Wahlvorschläge gebunden ist (§§ 6 und 8 des Montan-Mitbestimmungsgesetzes), eine nicht vorgeschlagene Person wählt;
3.
durch die Wahl die gesetzliche Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder überschritten wird (§ 95);
4.
die gewählte Person nach § 100 Abs. 1 und 2 bei Beginn ihrer Amtszeit nicht Aufsichtsratsmitglied sein kann.;
5.
die Wahl gegen § 96 Absatz 2 verstößt.
(2) Für die Klage auf Feststellung, daß die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds nichtig ist, sind parteifähig 1.
der Gesamtbetriebsrat der Gesellschaft oder, wenn in der Gesellschaft nur ein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat, sowie, wenn die Gesellschaft herrschendes Unternehmen eines Konzerns ist, der Konzernbetriebsrat,
2.
der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss der Gesellschaft oder, wenn in der Gesellschaft nur ein Sprecherausschuss besteht, der Sprecherausschuss sowie, wenn die Gesellschaft herrschendes Unternehmen eines Konzerns ist, der Konzernsprecherausschuss,
3.
der Gesamtbetriebsrat eines anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer selbst oder durch Delegierte an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, oder, wenn in dem anderen Unternehmen nur ein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat, der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss eines anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer selbst oder durch Delegierte an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, oder, wenn in dem anderen Unternehmen nur ein Sprecherausschuss besteht, der Sprecherausschuss,
4.
221
G. Muster- und Gesetzestexte 5.
jede in der Gesellschaft oder in einem Unternehmen, dessen Arbeitnehmer selbst oder durch Delegierte an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, vertretene Gewerkschaft sowie deren Spitzenorganisation.
(3) Erhebt ein Aktionär, der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder eine in Absatz 2 bezeichnete Organisation oder Vertretung der Arbeitnehmer gegen die Gesellschaft Klage auf Feststellung, dass die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds nichtig ist, so gelten § 246 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 bis 4, Abs. 4, §§ 247, 248 Abs. 1 Satz 2, §§ 248a und 249 Abs. 2 sinngemäß. Es ist nicht ausgeschlossen, die Nichtigkeit auf andere Weise als durch Erhebung der Klage geltend zu machen.
Einführungsgesetz zum Aktiengesetz (EGAktG)
473
§ 25 Übergangsvorschrift zu dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (1) Die Festlegungen nach § 76 Absatz 4 Satz 1 und 3 sowie nach § 111 Absatz 5 Satz 1 und 3 des Aktiengesetzes haben erstmals bis spätestens 30. September 2015 zu erfolgen. Die nach § 76 Absatz 4 Satz 3 und die nach § 111 Absatz 5 Satz 3 des Aktiengesetzes erstmals festzulegende Frist darf nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. (2) Der Mindestanteil von jeweils 30 Prozent an Frauen und Männern im Aufsichtsrat nach § 96 Absatz 2 des Aktiengesetzes ist bei erforderlich werdenden Neuwahlen und Entsendungen ab dem 1. Januar 2016 zur Besetzung einzelner oder mehrerer Aufsichtsratssitze zu beachten. Reicht die Anzahl der neu zu besetzenden Aufsichtsratssitze nicht aus, um den Mindestanteil zu erreichen, sind die Sitze mit Personen des unterrepräsentierten Geschlechts zu besetzen, um dessen Anteil sukzessive zu steigern. Bestehende Mandate können bis zu ihrem regulären Ende wahrgenommen werden. (3) Für die Fälle des § 96 Absatz 3 des Aktiengesetzes gilt Absatz 2 entsprechend. § 27 Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats § 96 Abs. 2 § 96 Absatz 4, §§ 97 bis 99 des Aktiengesetzes gelten sinngemäß für Gesellschaften mit beschränkter Haftung und bergrechtliche Gewerkschaften.
SE-Ausführungsgesetz (SEAG)
474
§ 17 SEAG Zahl der Mitglieder und Zusammensetzung des Aufsichtsorgans (1) Das Aufsichtsorgan besteht aus drei Mitgliedern. Die Satzung kann eine bestimmte höhere Zahl festsetzen. Die Zahl muss durch drei teilbar sein. Die Höchstzahl beträgt bei Gesellschaften mit einem Grundkapital bis zu von mehr als
1 500 000 Euro 1 500 000 Euro
neun, fünfzehn,
von mehr als
10 000 000 Euro
einundzwanzig.
(2) Besteht bei einer börsennotierten SE das Aufsichtsorgan aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern, müssen in dem Aufsichtsorgan Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 30 Prozent vertreten sein. Der Min-
222
II. Gesetzestexte destanteil von jeweils 30 Prozent an Frauen und Männern im Aufsichtsorgan ist bei erforderlich werdenden Neubesetzungen einzelner oder mehrerer Sitze im Aufsichtsorgan zu beachten. Reicht die Zahl der neu zu besetzenden Sitze nicht aus, um den Mindestanteil zu erreichen, sind die Sitze mit Personen des unterrepräsentierten Geschlechts zu besetzen, um dessen Anteil sukzessive zu steigern. Bestehende Mandate können bis zu ihrem regulären Ende wahrgenommen werden.815) (2)(3) Die Beteiligung der Arbeitnehmer nach dem SE-Beteiligungsgesetz bleibt unberührt. (3)(4) Für Verfahren entsprechend den §§ 98, 99 oder 104 des Aktiengesetzes ist auch der SE-Betriebsrat antragsberechtigt. Für Klagen entsprechend § 250 des Aktiengesetzes ist auch der SE-Betriebsrat parteifähig; § 252 des Aktiengesetzes gilt entsprechend. (4)(5) § 251 des Aktiengesetzes findet mit der Maßgabe Anwendung, dass das gesetzeswidrige Zustandekommen von Wahlvorschlägen für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsorgan nur nach den Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Besetzung der ihnen zugewiesenen Sitze geltend gemacht werden kann. Für die Arbeitnehmervertreter aus dem Inland gilt § 37 Abs. 2 des SE-Beteiligungsgesetzes. § 24 SEAG Zusammensetzung des Verwaltungsrats (1) Der Verwaltungsrat setzt sich zusammen aus Verwaltungsratsmitgliedern der Aktionäre und, soweit eine Vereinbarung nach § 21 oder die §§ 34 bis 38 des SEBeteiligungsgesetzes dies vorsehen, auch aus Verwaltungsratsmitgliedern der Arbeitnehmer. (2) Nach anderen als den zuletzt angewandten vertraglichen oder gesetzlichen Vorschriften kann der Verwaltungsrat nur zusammengesetzt werden, wenn nach § 25 oder nach § 26 die in der Bekanntmachung des Vorsitzenden des Verwaltungsrats oder in der gerichtlichen Entscheidung angegebenen vertraglichen oder gesetzlichen Vorschriften anzuwenden sind. (3) Besteht bei einer börsennotierten SE der Verwaltungsrat aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern, müssen in dem Verwaltungsrat Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 30 Prozent vertreten sein. Der Mindestanteil von jeweils 30 Prozent an Frauen und Männern im Verwaltungsrat ist bei erforderlich werdenden Neubesetzungen einzelner oder mehrerer Sitze im Verwaltungsrat zu beachten. Reicht die Zahl der neu zu besetzenden Sitze nicht aus, um den Mindestanteil zu erreichen, sind die Sitze mit Personen des unterrepräsentierten Geschlechts zu besetzen, um dessen Anteil sukzessive zu steigern. Bestehende Mandate können bis zu ihrem regulären Ende wahrgenommen werden.816)
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) § 36 Zielgrößen und Fristen zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern Die Geschäftsführer einer Gesellschaft, die der Mitbestimmung unterliegt, legen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführer Zielgrö-
___________ 815) § 17 Absatz 2 SEAG gilt ab dem 1. Januar 2016. 816) § 24 Absatz 3 SEAG gilt ab dem 1. Januar 2016.
223
475
G. Muster- und Gesetzestexte ßen fest. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. § 52 Aufsichtsrat (1) Ist nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat zu bestellen, so sind § 90 Abs. 3, 4, 5 Satz 1 und 2, § 95 Satz 1, § 100 Abs. 1 und 2 Nr. 2 und Abs. 5, § 101 Abs. 1 Satz 1, § 103 Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 105, 107 Abs. 4, §§ 110 bis 114, 116 des Aktiengesetzes in Verbindung mit § 93 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 des Aktiengesetzes, § 124 Abs. 3 Satz 2, §§ 170, 171 des Aktiengesetzes entsprechend anzuwenden, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist. (2) Ist nach dem Drittelbeteiligungsgesetz ein Aufsichtsrat zu bestellen, so legt die Gesellschafterversammlung für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und unter den Geschäftsführern Zielgrößen fest, es sei denn, sie hat dem Aufsichtsrat diese Aufgabe übertragen. Ist nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz ein Aufsichtsrat zu bestellen, so legt der Aufsichtsrat für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und unter den Geschäftsführern Zielgrößen fest. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. (2)(3) Werden die Mitglieder des Aufsichtsrats vor der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bestellt, gilt § 37 Abs. 4 Nr. 3 und 3a des Aktiengesetzes entsprechend. Die Geschäftsführer haben bei jeder Änderung in den Personen der Aufsichtsratsmitglieder unverzüglich eine Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats, aus welcher Name, Vorname, ausgeübter Beruf und Wohnort der Mitglieder ersichtlich ist, zum Handelsregister einzureichen; das Gericht hat nach § 10 des Handelsgesetzbuchs einen Hinweis darauf bekannt zu machen, dass die Liste zum Handelsregister eingereicht worden ist. (3)(4) Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats wegen Verletzung ihrer Obliegenheiten verjähren in fünf Jahren.
Einführungsgesetz zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (EGGmbHG)
476
§5 Übergangsvorschrift zu dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst Die Festlegungen nach § 36 Satz 1 und 3 sowie § 52 Absatz 2 Satz 1 und 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung haben erstmals bis spätestens 30. September 2015 zu erfolgen. Die nach § 36 Satz 3 und § 52 Absatz 2 Satz 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung erstmals festzulegende Frist darf nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern.
224
II. Gesetzestexte
Genossenschaftsgesetz (GenG)
477
§9 Vorstand; Aufsichtsrat (1) Die Genossenschaft muss einen Vorstand und einen Aufsichtsrat haben. Bei Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern kann durch Bestimmung in der Satzung auf einen Aufsichtsrat verzichtet werden. In diesem Fall nimmt die Generalversammlung die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats wahr, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats müssen Mitglieder der Genossenschaft und natürliche Personen sein. Gehören der Genossenschaft eingetragene Genossenschaften als Mitglieder an, können deren Mitglieder, sofern sie natürliche Personen sind, in den Vorstand oder Aufsichtsrat der Genossenschaft berufen werden; gehören der Genossenschaft andere juristische Personen oder Personengesellschaften an, gilt dies für deren zur Vertretung befugte Personen. (3) Der Vorstand einer Genossenschaft, die der Mitbestimmung unterliegt, legt für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands Zielgrößen fest. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. (4) Ist bei einer Genossenschaft, die der Mitbestimmung unterliegt, ein Aufsichtsrat bestellt, legt dieser für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand Zielgrößen fest. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. § 168 Übergangsvorschrift zu dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst Die Festlegungen nach § 9 Absatz 3 Satz 1 und 3 sowie Absatz 4 Satz 1 und 3 haben erstmals bis spätestens 30. September 2015 zu erfolgen. Die nach § 9 Absatz 3 Satz 3 und Absatz 4 Satz 3 erstmals festzulegende Frist darf nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern.
Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (VAG) § 34 Vorstand Der Vorstand besteht aus mindestens zwei Personen. Für den Vorstand gelten § 76 Abs. 1 und 3 § 76 Absatz 1, 3 und 4 sowie die §§ 77 bis 91, 93 und 94 des Aktiengesetzes entsprechend. Was dort von den Beschlüssen der Hauptversammlung gesagt ist, gilt hier für die Beschlüsse der obersten Vertretung. An die Stelle des § 93 Abs. 3 des Aktiengesetzes tritt folgende Vorschrift: Die Vorstandsmitglieder sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn entgegen dem Gesetz 1. der Gründungsstock verzinst oder getilgt wird,
225
478
G. Muster- und Gesetzestexte 2. 3.
das Vereinsvermögen verteilt wird, Zahlungen geleistet werden, nachdem die Zahlungsunfähigkeit des Vereins eingetreten ist oder sich seine Überschuldung ergeben hat; dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind,
4.
Kredit gewährt wird. § 35 Aufsichtsrat
(1) Der Aufsichtsrat besteht aus drei Personen. Die Satzung kann eine bestimmte höhere Zahl festsetzen. Die Zahl muß durch drei teilbar sein. Die Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder beträgt einundzwanzig. (2) Der Aufsichtsrat setzt sich zusammen bei Vereinen, für die nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Drittelbeteiligungsgesetzes das Drittelbeteiligungsgesetz gilt, aus Aufsichtsratsmitgliedern, welche die oberste Vertretung wählt, und aus Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer, bei den übrigen Vereinen nur aus Aufsichtsratsmitgliedern, welche die oberste Vertretung wählt. (3) Für den Aufsichtsrat gelten entsprechend § 30 Abs. 2 und 3 Satz 1 und 2 erster Halbsatz, § 96 Abs. 2 § 96 Absatz 4, die §§ 97 bis 100, 101 Abs. 1 und 3, die §§ 102, 103 Abs. 1, 3 bis 5 sowie die §§ 104 bis 116 des Aktiengesetzes. Die dort der Hauptversammlung übertragenen Aufgaben hat hier die oberste Vertretung wahrzunehmen. Das Antragsrecht nach § 98 Abs. 2 Nr. 3 und § 104 Abs. 1 Satz 1 des Aktiengesetzes steht jedem Mitglied der obersten Vertretung zu. An die Stelle des § 113 Abs. 3 und neben § 116 des Aktiengesetzes treten folgende Vorschriften: 1. Wird den Aufsichtsratsmitgliedern eine Gewinnbeteiligung gewährt, so berechnet sich diese nach dem Jahresüberschuß abzüglich eines Verlustvortrags und der Einstellungen in die Gewinnrücklagen; der Anteil am Überschuß, der nach § 22 Abs. 3 den Personen zugesichert ist, die den Gründungsstock zur Verfügung gestellt haben, ist abzusetzen. Entgegenstehende Festsetzungen sind nichtig. 2.
Die Aufsichtsratsmitglieder sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn mit ihrem Wissen und ohne ihr Einschreiten die Handlungen des § 34 Satz 4 vorgenommen werden. § 123 Übergangsvorschrift zu dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst
Die Festlegungen, die entweder entsprechend § 34 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 76 Absatz 4 Satz 1 und 3 des Aktiengesetzes oder entsprechend § 35 Absatz 3 Satz 1 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 111 Absatz 5 Satz 1 und 3 des Aktiengesetzes zu treffen sind, haben erstmals bis spätestens 30. September 2015 zu erfolgen. Die Frist, die entweder entsprechend § 34 Satz 2 diese Gesetzes in Verbindung mit § 76 Absatz 4 Satz 3 des Aktiengesetzes oder entsprechend § 35 Absatz 3 Satz 1 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 111 Absatz 5 Satz 3 des Aktiengesetzes erstmals festzulegen ist, darf jeweils nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern.
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II. Gesetzestexte
Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG)
479
§1 Erfasste Unternehmen (1) Die Arbeitnehmer haben ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat nach Maßgabe dieses Gesetzes in 1. einer Aktiengesellschaft mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. Ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat besteht auch in einer Aktiengesellschaft mit in der Regel weniger als 500 Arbeitnehmern, die vor dem 10. August 1994 eingetragen worden ist und keine Familiengesellschaft ist. Als Familiengesellschaften gelten solche Aktiengesellschaften, deren Aktionär eine einzelne natürliche Person ist oder deren Aktionäre untereinander im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 bis 8, Abs. 2 der Abgabenordnung verwandt oder verschwägert sind; 2. einer Kommanditgesellschaft auf Aktien mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. Nummer 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; 3. einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. Die Gesellschaft hat einen Aufsichtsrat zu bilden; seine Zusammensetzung sowie seine Rechte und Pflichten bestimmen sich nach § 90 Abs. 3, 4, 5 Satz 1 und 2, nach den §§ 95 bis 114, 116, 118 Abs. 3, § 125 Abs. 3 und 4 und nach den §§ 170, 171, 268 Abs. 2 des Aktiengesetzes; 4. einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern, wenn dort ein Aufsichtsrat besteht; 5. einer Genossenschaft mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. § 96 Abs. 2 § 96 Absatz 4 und die §§ 97 bis 99 des Aktiengesetzes sind entsprechend anzuwenden. Die Satzung kann nur eine durch drei teilbare Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern festsetzen. Der Aufsichtsrat muss zwei Sitzungen im Kalenderhalbjahr abhalten. (2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf 1. die in § 1 Abs. 1 des Mitbestimmungsgesetzes, die in § 1 des Montan-Mitbestimmungsgesetzes und die in den §§ 1 und 3 Abs. 1 des Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetzes bezeichneten Unternehmen; 2. Unternehmen, die unmittelbar und überwiegend a) politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder b) Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes anzuwenden ist, dienen. Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform. (3) Die Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats sowie über die Wahl und die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern gelten insoweit nicht, als sie den Vorschriften dieses Gesetzes widersprechen. § 15 Übergangsregelung Auf Wahlen oder Abberufungen, die vor dem 1. Juli 2004 eingeleitet worden sind, ist das Betriebsverfassungsgesetz 1952 in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 801-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S. 1852) auch nach seinem Außerkrafttreten anzuwenden.
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G. Muster- und Gesetzestexte
Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (MitbestG)
480
§7 Zusammensetzung des Aufsichtsrats (1) Der Aufsichtsrat eines Unternehmens 1. mit in der Regel nicht mehr als 10 000 Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus je sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer; 2. mit in der Regel mehr als 10 000, jedoch nicht mehr als 20 000 Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus je acht Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer; 3.
mit in der Regel mehr als 20 000 Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus je zehn Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer. Bei den in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Unternehmen kann die Satzung (der Gesellschaftsvertrag) bestimmen, daß Satz 1 Nr. 2 oder 3 anzuwenden ist. Bei den in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Unternehmen kann die Satzung (der Gesellschaftsvertrag) bestimmen, daß Satz 1 Nr. 3 anzuwenden ist. (2) Unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer müssen sich befinden 1.
in einem Aufsichtsrat, dem sechs Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angehören, vier Arbeitnehmer des Unternehmens und zwei Vertreter von Gewerkschaften;
2.
in einem Aufsichtsrat, dem acht Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angehören, sechs Arbeitnehmer des Unternehmens und zwei Vertreter von Gewerkschaften; in einem Aufsichtsrat, dem zehn Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angehören, sieben Arbeitnehmer des Unternehmens und drei Vertreter von Gewerkschaften.
3.
(3) Unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer eines in § 1 Absatz 1 genannten, börsennotierten Unternehmens müssen im Fall des § 96 Absatz 2 Satz 3 des Aktiengesetzes Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 30 Prozent vertreten sein. (3)(4) Die in Absatz 2 bezeichneten Arbeitnehmer des Unternehmens müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben und ein Jahr dem Unternehmen angehören. Auf die einjährige Unternehmensangehörigkeit werden Zeiten der Angehörigkeit zu einem anderen Unternehmen, dessen Arbeitnehmer nach diesem Gesetz an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern des Unternehmens teilnehmen, angerechnet. Diese Zeiten müssen unmittelbar vor dem Zeitpunkt liegen, ab dem die Arbeitnehmer zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern des Unternehmens berechtigt sind. Die weiteren Wählbarkeitsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes müssen erfüllt sein. (4)(5) Die in Absatz 2 bezeichneten Gewerkschaften müssen in dem Unternehmen selbst oder in einem anderen Unternehmen vertreten sein, dessen Arbeitnehmer nach diesem Gesetz an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern des Unternehmens teilnehmen. § 17 Ersatzmitglieder (1) In jedem Wahlvorschlag kann zusammen mit jedem Bewerber für diesen ein Ersatzmitglied des Aufsichtsrats vorgeschlagen werden. Für einen Bewerber, der Ar-
228
II. Gesetzestexte beitnehmer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ist, kann nur ein Arbeitnehmer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und für einen leitenden Angestellten nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 nur ein leitender Angestellter als Ersatzmitglied vorgeschlagen werden. Ein Bewerber kann nicht zugleich als Ersatzmitglied vorgeschlagen werden. (2) Wird ein Bewerber als Aufsichtsratsmitglied gewählt, so ist auch das zusammen mit ihm vorgeschlagene Ersatzmitglied gewählt. (3) Im Fall des § 96 Absatz 2 Satz 3 des Aktiengesetzes ist das Nachrücken eines Ersatzmitgliedes ausgeschlossen, wenn dadurch der Anteil von Frauen und Männern unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nicht mehr den Vorgaben des § 7 Absatz 3 entspricht; § 18a Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. § 18a (1) Ergibt im Fall des § 96 Absatz 2 Satz 3 des Aktiengesetzes die Auszählung der Stimmen und ihre Verteilung auf die Bewerber, dass die Vorgaben des § 7 Absatz 3 nicht erreicht worden sind, ist folgendes Geschlechterverhältnis für die Aufsichtsratssitze der Arbeitnehmer herzustellen: 1. in Aufsichtsräten nach § 7 Absatz 2 Nummer 1 und 2 müssen unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 jeweils mindestens eine Frau und mindestens ein Mann und unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Gewerkschaften jeweils eine Frau und ein Mann vertreten sein; 2. in einem Aufsichtsrat nach § 7 Absatz 2 Nummer 3 müssen unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 mindestens zwei Frauen und mindestens zwei Männer und unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Gewerkschaften eine Frau und ein Mann vertreten sein. (2) Um die Verteilung der Geschlechter nach Absatz 1 zu erreichen, ist die Wahl derjenigen Bewerber um einen Aufsichtsratssitz der Arbeitnehmer unwirksam, deren Geschlecht in dem jeweiligen Wahlgang nach der Verteilung der Stimmen auf die Bewerber mehrheitlich vertreten ist und die 1. bei einer Mehrheitswahl in dem jeweiligen Wahlgang nach der Reihenfolge der auf die Bewerber entfallenden Stimmenzahlen die niedrigsten Stimmenzahlen erhalten haben oder 2. bei einer Verhältniswahl in dem jeweiligen Wahlgang nach der Reihenfolge der auf die Bewerber entfallenden Höchstzahlen die niedrigsten Höchstzahlen erhalten haben. Die durch unwirksame Wahl nach Satz 1 nicht besetzten Aufsichtsratssitze werden im Wege der gerichtlichen Ersatzbestellung nach § 104 des Aktiengesetzes oder der Nachwahl besetzt. § 39 Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften über das Verfahren für die Wahl und die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu erlassen, insbesondere über 1. 2. 3.
die Vorbereitung der Wahl oder Abstimmung, die Bestellung der Wahlvorstände und Abstimmungsvorstände sowie die Aufstellung der Wählerlisten, die Abstimmungen darüber, ob die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder in unmittelbarer Wahl oder durch Delegierte erfolgen soll, die Frist für die Einsichtnahme in die Wählerlisten und die Erhebung von Einsprüchen,
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G. Muster- und Gesetzestexte 4.
5. 6. 7. 8. 9.
die Errechnung der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer sowie ihre Verteilung auf die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Arbeitnehmer, die leitenden Angestellten und die Gewerkschaftsvertreter sowie das Verfahren zur Berücksichtigung der Geschlechter, die Errechnung der Zahl der Delegierten, die Wahlvorschläge und die Frist für ihre Einreichung, die Ausschreibung der Wahl oder der Abstimmung und die Fristen für die Bekanntmachung des Ausschreibens, die Teilnahme von Arbeitnehmern eines in § 34 Abs. 1 bezeichneten Betriebs an Wahlen und Abstimmungen, die Stimmabgabe,
10. die Feststellung des Ergebnisses der Wahl oder der Abstimmung und die Fristen für seine Bekanntmachung, 11. die Aufbewahrung der Wahlakten und der Abstimmungsakten. § 40 Übergangsregelung (1) Auf Wahlen von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer, die bis zum 31. Dezember 2015 abgeschlossen sind, ist das Mitbestimmungsgesetz vom 4. Mai 1976 (BGBl. I S. 1153) in der Fassung des Artikels 2 Absatz 113 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044) anzuwenden. (2) Auf Wahlen von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer, die bis zum 31. Dezember 2015 nicht abgeschlossen sind, ist im Fall des § 96 Absatz 2 Satz 3 des Aktiengesetzes das Mitbestimmungsgesetz in der durch Artikel 7 des Gesetzes vom 24. April 2015 (BGBl. I S. 642) geänderten Fassung anzuwenden. (3) Eine Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer gilt als abgeschlossen, wenn die Bekanntmachung der Mitglieder des Aufsichtsrates nach § 19 Satz 1 durch das zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugte Organ erfolgt ist.
481
Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (MontanMitbestG) §5 Die in § 4 Abs. 1 Buchstabe a bezeichneten Mitglieder des Aufsichtsrats werden durch das nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern berufene Organ (Wahlorgan) nach Maßgabe der Satzung oder des Gesellschaftsvertrags gewählt oder entsandt. § 5a Unter den in § 4 Absatz 1 Buchstabe b bezeichneten Mitgliedern des Aufsichtsrates eines in § 1 genannten, börsennotierten Unternehmens müssen im Fall des § 96 Absatz 2 Satz 3 des Aktiengesetzes Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 30 Prozent vertreten sein.817)
___________ 817) § 5a MontanMitbestG gilt ab dem 1. Januar 2016.
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II. Gesetzestexte
§6 (1) Unter den in § 4 Abs. 1 Buchstabe b bezeichneten Mitgliedern des Aufsichtsrats müssen sich zwei Arbeitnehmer befinden, die in einem Betrieb des Unternehmens beschäftigt sind. Diese Mitglieder werden durch die Betriebsräte der Betriebe des Unternehmens in geheimer Wahl gewählt und dem Wahlorgan nach Beratung mit den in den Betrieben des Unternehmens vertretenen Gewerkschaften und deren Spitzenorganisationen vorgeschlagen. (2) Die nach Absatz 1 gewählten Personen sind vor Weiterleitung der Vorschläge an das Wahlorgan innerhalb von zwei Wochen nach der Wahl den Spitzenorganisationen mitzuteilen, denen die in den Betrieben des Unternehmens vertretenen Gewerkschaften angehören. Jede Spitzenorganisation kann binnen zwei Wochen nach Zugang der Mitteilung Einspruch bei den Betriebsräten einlegen, wenn der begründete Verdacht besteht, daß ein Vorgeschlagener nicht die Gewähr bietet, zum Wohl des Unternehmens und der gesamten Volkswirtschaft verantwortlich im Aufsichtsrat mitzuarbeiten. Lehnen die Betriebsräte den Einspruch mit einfacher Stimmenmehrheit ab, so können die Betriebsräte oder die Spitzenorganisation, welche den Einspruch eingelegt hat, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales anrufen; dieses entscheidet endgültig. (3) Zwei der in § 4 Abs. 1 Buchstabe b bezeichneten Mitglieder werden von den Spitzenorganisationen nach vorheriger Beratung mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften den Betriebsräten vorgeschlagen. Die Spitzenorganisationen sind nach dem Verhältnis ihrer Vertretung in den Betrieben vorschlagsberechtigt; sie sollen bei ihren Vorschlägen die innerhalb der Belegschaften bestehenden Minderheiten in angemessener Weise berücksichtigen. (4) Für das in § 4 Abs. 1 Buchstabe b bezeichnete weitere Mitglied gilt Absatz 3 entsprechend. (5) Die Mitglieder der Betriebsräte der Betriebe des Unternehmens wählen in geheimer Wahl auf Grund der nach den Absätzen 3 und 4 gemachten Vorschläge die Bewerber und schlagen diese dem Wahlorgan vor. Wird von einer Spitzenorganisation nur ein Bewerber für ein Aufsichtsratsmitglied vorgeschlagen, so bedarf der Vorschlag gegenüber dem Wahlorgan der Mehrheit der Stimmen der Mitglieder der Betriebsräte. (6) Bei börsennotierten Unternehmen kann im Fall des § 96 Absatz 2 Satz 3 des Aktiengesetzes ein Vorschlag an das Wahlorgan nur erfolgen, wenn die Vorgaben des § 5a durch eine Wahl nach den Absätzen 1 und 5 erfüllt worden sind.818) (6)(7) Das Wahlorgan ist an die Vorschläge der Betriebsräte gebunden.
Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (MontanMitbestErgG) § 5a Unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer eines in § 1 genannten, börsennotierten Unternehmens müssen im Fall des § 96 Absatz 2 Satz 3 des Aktiengesetzes Frauen und Männer jeweils mit einem Anteil von mindestens 30 Prozent vertreten sein.
___________ 818) § 6 Absatz 6 MontanMitbestG gilt ab dem 1. Januar 2016.
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G. Muster- und Gesetzestexte
§7 (1) Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer eines Konzerns mit in der Regel mehr als 8 000 Arbeitnehmern werden durch Delegierte gewählt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die unmittelbare Wahl beschließen. Für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer durch Delegierte gelten die §§ 8 bis 10f und 10h 10g und 10i. (2) Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer eines Konzerns mit in der Regel nicht mehr als 8 000 Arbeitnehmern werden in unmittelbarer Wahl gewählt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die Wahl durch Delegierte beschließen. Für die unmittelbare Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gelten die §§ 10g und 10h §§ 10h und 10i. (3) Zur Abstimmung darüber, ob die Wahl durch Delegierte oder unmittelbar erfolgen soll, bedarf es eines Antrags, der von einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer des Konzerns unterzeichnet sein muß. Die Abstimmung ist geheim. Ein Beschluß nach Absatz 1 oder 2 kann nur unter Beteiligung von mindestens der Hälfte der wahlberechtigten Arbeitnehmer und nur mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßt werden. § 10e (1) In jedem Wahlvorschlag kann zusammen mit jedem Bewerber für diesen ein Ersatzmitglied des Aufsichtsrats vorgeschlagen werden. Ein Bewerber kann nicht zugleich als Ersatzmitglied vorgeschlagen werden. (2) Wird ein Bewerber als Aufsichtsratsmitglied gewählt, so ist auch das zusammen mit ihm vorgeschlagene Ersatzmitglied gewählt. (3) Im Fall des § 96 Absatz 2 Satz 3 des Aktiengesetzes ist das Nachrücken eines Ersatzmitgliedes ausgeschlossen, wenn dadurch der Anteil von Frauen und Männern unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nicht mehr den Vorgaben des § 5a entspricht; § 10f Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. § 10f (1) Ergibt im Fall des § 96 Absatz 2 Satz 3 des Aktiengesetzes die Auszählung der Stimmen und ihre Verteilung auf die Bewerber, dass die Vorgaben des § 5a nicht erreicht worden sind, ist zu gewährleisten, dass unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer, die Arbeitnehmer von Konzernunternehmen sind, in einem Aufsichtsrat mit 15 Mitgliedern mindestens eine Frau und mindestens ein Mann und in einem Aufsichtsrat mit 21 Mitgliedern mindestens zwei Frauen und mindestens zwei Männer sowie unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Gewerkschaften jeweils eine Frau und ein Mann vertreten sind. (2) Um diese Verteilung der Geschlechter nach Absatz 1 zu erreichen, ist die Wahl derjenigen Bewerber um einen Aufsichtsratssitz der Arbeitnehmer unwirksam, deren Geschlecht in dem jeweiligen Wahlgang nach der Verteilung der Stimmen auf die Bewerber mehrheitlich vertreten ist und die 1.
bei einer Mehrheitswahl in dem jeweiligen Wahlgang nach der Reihenfolge der auf die Bewerber entfallenden Stimmenzahlen die niedrigsten Stimmenzahlen erhalten haben oder
2.
bei einer Verhältniswahl in dem jeweiligen Wahlgang nach der Reihenfolge der auf die Bewerber entfallenden Höchstzahlen die niedrigsten Höchstzahlen erhalten haben.
232
II. Gesetzestexte Die durch unwirksame Wahl nach Satz 1 nicht besetzten Aufsichtsratssitze werden im Wege der gerichtlichen Ersatzbestellung nach § 104 des Aktiengesetzes oder der Nachwahl besetzt. § 17 Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften über das Verfahren für die Wahl und die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu erlassen, insbesondere über 1.
die Vorbereitung der Wahl oder Abstimmung, die Bestellung der Wahlvorstände und die Aufstellung der Wählerlisten,
2.
die Abstimmungen darüber, ob die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder in unmittelbarer Wahl oder durch Delegierte erfolgen soll,
3.
die Frist für die Einsichtnahme in die Wählerlisten und die Erhebung von Einsprüchen,
4.
die Verteilung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer auf diejenigen, die Arbeitnehmer eines Konzernunternehmens sein müssen, und die Gewerkschaftsvertreter sowie das Verfahren zur Berücksichtigung der Geschlechter,
5.
die Errechnung der Zahl der Delegierten,
6.
die Wahlvorschläge und die Frist für ihre Einreichung,
7.
die Ausschreibung der Wahl oder der Abstimmung und die Fristen für die Bekanntmachung des Ausschreibens, die Teilnahme von Arbeitnehmern eines in § 10h Abs. 1 § 10i Absatz 1 bezeichneten Betriebs an Wahlen und Abstimmungen,
8. 9.
die Stimmabgabe,
10. die Feststellung des Ergebnisses der Wahl oder der Abstimmung und die Fristen für seine Bekanntmachung, 11. die Aufbewahrung der Wahlakten und der Abstimmungsakten. § 22 (1) Auf Wahlen oder Abberufungen von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer, die nach dem 28. Juli 2001 bis zum 27. Mai 2004 eingeleitet wurden, findet das Mitbestimmungsergänzungsgesetz vom 7. August 1956 in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 801-3, veröffentlichten bereinigten Fassung in der durch Artikel 10 des Gesetzes vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S. 1852) geänderten Fassung Anwendung. Abweichend von Satz 1 findet § 9 des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes in der durch Artikel 2 des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 18. Mai 2004 (BGBl. I S. 974) geänderten Fassung Anwendung, wenn feststeht, dass die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer durch Delegierte zu wählen sind und bis zum 27. Mai 2004 die Errechnung der Zahl der Delegierten noch nicht erfolgt ist. (2) Auf Wahlen oder Abberufungen von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer, die nach dem 28. Juli 2001 eingeleitet wurden, findet die Wahlordnung zum Mitbestimmungsergänzungsgesetz vom 23. Januar 1989 (BGBl. I S. 147) bis zu ihrer Änderung entsprechende Anwendung. Für die entsprechende Anwendung ist für Wahlen oder Abberufungen von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer, die in dem Zeitraum nach dem 28. Juli 2001 bis zum 27. Mai 2004 eingeleitet wurden, das Mitbestimmungsergänzungsgesetz in der nach Absatz 1 anzuwendenden Fassung maßgeblich; für Wahlen oder Abberufungen von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeit-
233
G. Muster- und Gesetzestexte nehmer, die nach dem 27. Mai 2004 eingeleitet werden, ist das Mitbestimmungsergänzungsgesetz in der durch Artikel 2 des Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 18. Mai 2004 (BGBl. I S. 974) geänderten Fassung maßgeblich. (1) Auf Wahlen von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer, die bis zum 31. Dezember 2015 abgeschlossen sind, ist das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie in der Fassung des Artikels 34 des Gesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586) anzuwenden. (2) Auf Wahlen von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer, die bis zum 31. Dezember 2015 nicht abgeschlossen sind, ist im Fall des § 96 Absatz 2 Satz 3 des Aktiengesetzes das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie in der durch Artikel 6 des Gesetzes vom 24. April 2015 (BGBl. I S. 642) geänderten Fassung anzuwenden. (3) Eine Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer gilt als abgeschlossen, wenn die Bekanntmachung der Mitglieder des Aufsichtsrates nach § 10g Satz 1 durch das zur gesetzlichen Vertretung des herrschenden Unternehmens befugte Organ erfolgt ist.
Handelsgesetzbuch (HGB)
483
§ 289a Erklärung zur Unternehmensführung (1) Börsennotierte Aktiengesellschaften sowie Aktiengesellschaften, die ausschließlich andere Wertpapiere als Aktien zum Handel an einem organisierten Markt im Sinn des § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes ausgegeben haben und deren ausgegebene Aktien auf eigene Veranlassung über ein multilaterales Handelssystem im Sinn des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 des Wertpapierhandelsgesetzes gehandelt werden, haben eine Erklärung zur Unternehmensführung in ihren Lagebericht aufzunehmen, die dort einen gesonderten Abschnitt bildet. Sie kann auch auf der Internetseite der Gesellschaft öffentlich zugänglich gemacht werden. In diesem Fall ist in den Lagebericht eine Bezugnahme aufzunehmen, welche die Angabe der Internetseite enthält. (2) In die Erklärung zur Unternehmensführung sind aufzunehmen 1. die Erklärung gemäß § 161 des Aktiengesetzes; 2.
relevante Angaben zu Unternehmensführungspraktiken, die über die gesetzlichen Anforderungen hinaus angewandt werden, nebst Hinweis, wo sie öffentlich zugänglich sind;
3.
eine Beschreibung der Arbeitsweise von Vorstand und Aufsichtsrat sowie der Zusammensetzung und Arbeitsweise von deren Ausschüssen; sind die Informationen auf der Internetseite der Gesellschaft öffentlich zugänglich, kann darauf verwiesen werden.;
4.
bei börsennotierten Aktiengesellschaften die Festlegungen nach § 76 Absatz 4 und § 111 Absatz 5 des Aktiengesetzes und die Angabe, ob die festgelegten Zielgrößen während des Bezugszeitraums erreicht worden sind, und wenn nicht, Angaben zu den Gründen;
5.
die Angabe, ob die Gesellschaft bei der Besetzung des Aufsichtsrats mit Frauen und Männern jeweils Mindestanteile im Bezugszeitraum eingehalten hat, und wenn
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II. Gesetzestexte nicht, Angaben zu den Gründen, sofern es sich um folgende Gesellschaften handelt: a) börsennotierte Aktiengesellschaften, die auf Grund von § 96 Absatz 2 und 3 des Aktiengesetzes Mindestanteile einzuhalten haben oder b) börsennotierte Europäische Gesellschaften (SE), die auf Grund von § 17 Absatz 2 oder § 24 Absatz 3 des SE-Ausführungsgesetzes Mindestanteile einzuhalten haben.819) (3) Auf börsennotierte Kommanditgesellschaften auf Aktien sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden. (4) Andere Unternehmen, deren Vertretungsorgan und Aufsichtsrat nach § 36 oder § 52 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder nach § 76 Absatz 4 des Aktiengesetzes, auch in Verbindung mit § 34 Satz 2 und § 35 Absatz 3 Satz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, oder nach § 111 Absatz 5 des Aktiengesetzes, auch in Verbindung mit § 35 Absatz 3 Satz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, verpflichtet sind, Zielgrößen für den Frauenanteil und Fristen für deren Erreichung festzulegen, haben in ihrem Lagebericht als gesonderten Abschnitt eine Erklärung zur Unternehmensführung mit den Festlegungen und Angaben nach Absatz 2 Nummer 4 aufzunehmen; Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Gesellschaften, die nicht zur Offenlegung eines Lageberichts verpflichtet sind, haben eine Erklärung mit den Festlegungen und Angaben nach Absatz 2 Nummer 4 zu erstellen und gemäß Absatz 1 Satz 2 zu veröffentlichen. Sie können diese Pflicht auch durch Offenlegung eines unter Berücksichtigung von Satz 1 erstellten Lageberichts erfüllen. § 336 (1) Der Vorstand einer Genossenschaft hat den Jahresabschluß (§ 242) um einen Anhang zu erweitern, der mit der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung eine Einheit bildet, sowie einen Lagebericht aufzustellen. Der Jahresabschluß und der Lagebericht sind in den ersten fünf Monaten des Geschäftsjahrs für das vergangene Geschäftsjahr aufzustellen. (2) Auf den Jahresabschluß und den Lagebericht sind, soweit in den folgenden Vorschriften nichts anderes bestimmt ist, § 264 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1, Abs. 2, §§ 265 bis 289 über den Jahresabschluß und den Lagebericht entsprechend anzuwenden; § 277 Abs. 3 Satz 1, § 285 Nr. 6 und 17 brauchen jedoch nicht angewendet zu werden. Sonstige Vorschriften, die durch den Geschäftszweig bedingt sind, bleiben unberührt. Die Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a) sind auf Genossenschaften nicht anzuwenden. Auf den Jahresabschluss und den Lagebericht sind, soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, die folgenden Vorschriften entsprechend anzuwenden: 1. § 264 Absatz 1 Satz 4 erster Halbsatz und Absatz 2, 2. 3.
die §§ 265 bis 289, mit Ausnahme von § 277 Absatz 3 Satz 1, § 285 Nummer 6 und 17, § 289a Absatz 4 nach Maßgabe des § 9 Absatz 3 und 4 des Genossenschaftsgesetzes.
Sonstige Vorschriften, die durch den Geschäftszweig bedingt sind, bleiben unberührt. Die Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a) sind auf Genossenschaften nicht anzuwenden. (3) § 330 Abs. 1 über den Erlaß von Rechtsverordnungen ist entsprechend anzuwenden.
___________ 819) § 289a Absatz 2 Nummer 5 HGB gilt ab dem 1. Januar 2016.
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G. Muster- und Gesetzestexte
Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch (EGHGB)
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Artikel 73 § 289a Absatz 2 Nummer 4, auch in Verbindung mit Absatz 3, und § 289a Absatz 4, auch in Verbindung mit § 336 Absatz 2 Satz 1, des Handelsgesetzbuchs sind erstmals anzuwenden auf Lageberichte, die sich auf Geschäftsjahre mit einem nach dem 30. September 2015 liegenden Abschlussstichtag beziehen. § 289a Absatz 2 Nummer 5, auch in Verbindung mit Absatz 3, des Handelsgesetzbuches ist erstmals anzuwenden auf Lagerberichte, die sich auf Geschäftsjahre mit einem nach dem 31. Dezember 2015 liegenden Abschlussstichtag beziehen.820)
___________ 820) Artikel 73 Satz 2 EGHGB gilt ab dem 1. Januar 2016.
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Stichwortverzeichnis
Ad-hoc-Publizität
268 ff., 316 – Kursbeeinflussungspotential 270 AGG-Verstöße 309, 321, 366 f. Allgemeines Gleichbehandlungsgebot, Art. 10 SE-VO 337, 345 ff. Ämterhäufung 141, 169, 444 Auffanglösung 332, 357 f., 357 ff., 427 ff. Aufsichtsrat – Bestellung Anteilseignervertreter 163 ff.; siehe auch Entsendung Anteilseignervertreter, Wahl der Anteilseignervertreter – Bestellung Arbeitnehmervertreter 201 ff. – Muster zum Bericht über die feste Geschlechterquote 458 – Professionalisierung 140 – Sitzverteilung Arbeitnehmerseite 156 ff. – Sorgfaltspflichten, Legal Judgement Rule 86 f., 137 ff. – Treuepflichten 144, 153 – Zielgrößen 286 ff. – Zusammensetzung Gesamterfüllung 98 ff. – Zusammensetzung Getrennterfüllung 146 ff. Aufsichtsratsausschuss 6 – Berichtspflichten 254 – Nominierungsausschuss 116 f., 132, 294, 470 f. – Unterschied zur Aufsichtsseite 109 ff., 116 Aufsichtsratsseite – Aufgabendelegation an Ausschüsse 116 – Binnenorganisation, Willensbildung 112 ff.
– Geschäftsordnung 114, 117, 119, 136, 470 f. – Prinzip der Gegnerfreiheit beim Wahlkörper 110, 115 – Teilorgan 106 ff. – Unterschied zu Ausschüssen 109 ff., 116 – Widerspruch siehe Widerspruch gegen Gesamterfüllung Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz 411, 416 Auskunftsrecht der Aktionäre 182 ff. Auslandsbezug – Anwendbarkeit des internationalen Privatrechts 378 – ausländische Kapitalgesellschaft mit monistischem BoardSystem 416 – gesellschaftsrechtliche Qualifikation der Regelungen 383 f. Auslandsgesellschaften 377 ff. Ausnahmebestimmung 44 f. Auswahlrichtlinien (i. S. v. § 95 BetrVG) 312 Ausweichstrategien 380, 396, 428 ff.; siehe auch Rechtsformsubstitution
Beendigung der Aufsichtsratsstellung 215 ff. – Abberufung 217 – Amtsniederlegung 216 Berechnung feste Geschlechterquote 88, 95 ff. – kaufmännisches Runden 96 – mathematisches Runden 96, 100 – Multiplikatoransatz 95 Berichtspflichten siehe Publizität
237
Stichwortverzeichnis
Berufsfreiheit 42 Bestellung Aufsichtsratsmitglieder siehe Entsendung Anteilseignervertreter, Gerichtliche Ersatzbestellung von Aufsichtsratsmitgliedern, Nichtigkeit der Aufsichtsratsbestellung, Wahl der Anteilseignervertreter, Wahl der Arbeitnehmervertreter Beteiligungsvereinbarung siehe Mitbestimmungsvereinbarung Betriebsrat 201, 311 f., 466 ff. BGleiG 55, 57 BGremBG 55 f. Börsennotierung 68 ff. – regulierter Markt 69 f. – Freiverkehr 69
Chancengleichheit 17 f., 20, 43 Corporate Governance 14, 16, 58, 435 f., 444 DCGK – Empfehlungen im Hinblick auf die angemessene Beteiligung von Frauen an Führungspositionen 21 ff. – Entsprechenserklärung 139, 260 ff., 317 – Corporate Governance Bericht 139, 256, 262, 266 – „Diversity“-Empfehlung, Ziffer 5.4.1 23, 27 f., 247 ff., 262 ff., Delisting 322, 444 Demografische Entwicklung 15 f. Demokratieprinzip 42 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung („DIW“) 4 Diskriminierung siehe AGG-Verstöße, Verfassungsrechtliche Bewertung Diskriminierungsverbot 42 Diversity 14, 22, 27 f. DrittelbG 38, 80 ff. Drittstaaten-Gesellschaften 386
238
Dualistische SE 355 ff. – Auffanglösung 332, 357, 357 ff. – Zwang zur Übererfüllung 356
Eigentumsfreiheit 42 Eingriffsnormen – Sonderanknüpfung, Qualifikation 376, 391 ff., 403 ff. Employer Branding 15 Entsendung Anteilseignervertreter 199 ff., 225 – Ausübung Widerspruchsrecht 127 – Erklärung zur Unternehmensführung, § 289a Abs. 2 Nr. 5 HGB 247 ff., 458 – quotenwidrige Entsendung 225 – „weiterfressender Mangel“ 231 Erklärung zur Unternehmensführung siehe Publizität Erreichensfristen 2, 38 ff., 291 ff., 296, 320, 322 Ersatzbestellung siehe Gerichtliche Ersatzbestellung von Aufsichtsratsmitgliedern EU-/EWR-ausländische Kapitalgesellschaften 386 ff. Fachkräftemangel 15 f. Feste Geschlechterquote 2, 32, 86 f., 11 ff., 458 – Ausnahme- und Härtefälle 87, 167, 213, 412 – Berechnungsmodus 95 ff. – Gesamterfüllung 35, 90 f., 98 ff., 136, 212, 433 – Geschlecht 89 – Getrennterfüllung 35, 129, 136, 146 ff., 172 ff. – Muster zum Bericht über die feste Geschlechterquote 458
Stichwortverzeichnis
– Rechtsfolge bei Nichterreichen siehe Nichtigkeit der Aufsichtsratsbestellung – Rechtsformen 66 f. – sachlich-persönlicher Anwendungsbereich 63 ff. – Sinn und Zweck 12 ff., 34 ff., 61 – Sorgfaltspflicht, Legal Judgement Rule 86 f., 137 ff. – Sozialbindung 64 f., 80 – „Symbolgesetzgebung“ 60, 222 – verfassungsrechtliche Bedenken 41 ff., 62, 167 – zeitlicher Anwendungsbereich, Übergangsregelungen 82 ff. – Zwei-Säulen-Modell des GgTFMF 31 ff., 59 f., 140 „Frauen in die Aufsichtsräte“ („FidAR“) 4 Frauenzielquote siehe auch Verschlechterungsverbot, Zielgrößenfestlegung – Anwendungsbereich 280 ff., 322 – Delegation an Aufsichtsratsausschuss 293 – Einbindung des Betriebsrats 311 f., 466 ff. – Feststellung des Status quo 287, 297 ff. – für den Aufsichtsrat 286 ff., 459 ff. – für die beiden Ebenen unterhalb der Geschäftsführung 297 ff., 466 ff. – für Vorstand bzw. Geschäftsführung 295 f., 463 ff. – in der dualistisch strukturierten SE 363 – in der monistisch strukturierten SE 295, 365 f. Freiwillige Selbstverpflichtungen und Empfehlungen 20 ff. Führungsebene – Bestimmung 298
– Muster zur Zielgrößenbestimmung 466 ff. – Zielgröße 297 ff.
Gender Political Correctness 9 Gemeinsame Erklärung der DAX-30-Unternehmen 24 Gerichtliche Ersatzbestellung von Aufsichtsratsmitgliedern 209 ff., 218, 226 – Beschlussunfähigkeit 171, 209 ff., 216, 297, 269 – dringender Fall 211 – Ermessensentscheidung des Gerichts 213, 230 – Mitwirkungsobliegenheit des Antragsstellers 212 – Pflicht zur Antragsstellung für den Vorstand 210 f. – Unterbesetzung 209, 237, 252 – Widerspruchsmöglichkeit 212 Gesamterfüllung siehe auch Widerspruch gegen Gesamterfüllung – Beispiel-Szenarien 98 – Grundsatz 35, 90 ff., 98 ff., 136, 212, 433 – zwingende Gesamterfüllung in der SE 339 ff., 356 ff. Geschäftsordnung 114, 117, 119, 136, 470 f. – der Anteilseignerseite 117, 470 – des Nominierungsausschusses 116, 470 f. Geschlecht – Diskriminierung 89, 366 f.; siehe auch AGG-Verstöße, Verfassungsrechtliche Bewertung – Qualifikation als Frau oder Mann 89 Geschlechterparitätische Besetzung 12, 56 239
Stichwortverzeichnis
Geschlechterquote siehe Feste Geschlechterquote Gesellschaftskollisionsrecht siehe auch Sonderanknüpfende Eingriffsnormen – Anknüpfungsmoment 386 – bei sog. Drittstaaten 389 – bei EU/EWR-Auslandsgesellschaften 388, 419 – internationaler Anwendungswille 394 ff. – Qualifikation der Quotenregelungen 382 ff. – US-amerikanische Kapitalgesellschaften 386 – Zuzugskonstellationen 387 Getrennterfüllung – Beispiel-Szenarien 147, 150 ff. – Grundsatz 35, 129, 136, 146 ff., 172 ff. – Verteilung der Sitze auf Seiten der Arbeitnehmervertreter 156 ff.; siehe auch Widerspruch gegen Gesamterfüllung GgTFMF – Anwendungsbereich 83 ff., 376 – Evaluation 434 – gesellschaftspolitische Gestaltungskraft und Prägung von Sozialnormen 379, 401 – Misserfolg der Selbstregulierung 19, 58, 62 – paternalistische Gesetzgebung 60 – politischer Kompromiss 60, 378, 403 f., 416 – sozialpolitischer Zweck 64 f., 401 – „Symbolgesetzgebung“ 60, 222 – verhaltenssteuernde Wirkung 221 f. – Verhältnis zum AGG 366 f.
240
– Zwei-Säulen-Modell 31 ff., 59 f., 140; siehe Feste Geschlechterquote, Frauenzielquote Gläserne Decke 11, 18 Gleichheit der Wahl 42 Grenzüberschreitender Formwechsel 377 Grenzüberschreitende Verschmelzung – „Fluchtmittel“ der grenzüberschreitenden Herausverschmelzung 428 – grenzüberschreitende Hineinverschmelzung 422 ff. – innereuropäisch 420 ff. – MgVG-Gesellschaften 368 ff. – Spezifika der festen Geschlechterquote 433 – unter Beteiligung einer SE 432
Haftungsrisiken
45, 47, 296 ff., 318 ff.; siehe auch Pflichtverletzungen Handelsregister 240, 243, 245 Hauptversammlung siehe auch Wahl der Anteilseignervertreter – Q&A-Liste 180 – abweichende Wahlvorschläge 186 – Beschlussvorschläge 133, 164 ff., 189 ff. – Durchführung 185 ff. – Nachbereitung 196 ff.; siehe auch Publizität – Tagesordnung 133, 136, 145, 165 ff., 186 ff. – Tagesordnungsergänzungsverlangen 170 ff. – Versammlungsleitung 187 ff. – Vorbereitung 164 ff., 230 – Vorstellung der vorgeschlagenen Kandidaten, Generaldebatte 128
Stichwortverzeichnis
– Wahlverfahren 187 ff., 201 ff. – Wahlvorschläge 175 ff., 186 Hay-Job-Grading-System 301, 466 ff.
Interesse der Aktionäre an der Erfüllung der Quote 180 ff. Interessenkonflikte – innerhalb des Aufsichtsrats 110 f., 141 ff. – institutionalisierte Regulierung 110 – kraft personeller Verflechtung 141, 169 International zwingende Eigenschaft der Quotenregelungen siehe Sonderanknüpfende Eingriffsnormen
Kleine und mittlere Unternehmen („KMU“) 440 f., 444 Kollisionsrecht 377 ff. Konkrete Normenkontrolle 47 Kreditwesengesetz – Besonderheiten bei der Frauenzielquote 294 Kritische Masse 8, 438
Leerer Stuhl siehe Nichtigkeit der Aufsichtsratsbestellung Legal Judgement Rule 137, 236 Level Playing Field 457 Lückenhaftigkeit der SE-Quotenregelung 335 ff.
MgVG-Gesellschaften
368 ff. Mitbestimmung – drittelparitätische 3, 32, 80 f. – (quasi-)paritätische 63, 72 f., 329, 429 Mitbestimmungsvereinbarung 80 ff., 329 ff., 346 ff., 357 ff., 369 ff., 429 ff.
MitbestG 34, 36, 38, 42, 74, 158 – Berücksichtigung im Ausland Beschäftigter 75 – europarechtskonforme Auslegung 75 – Mitbestimmungsregime 79 ff. – Zurechnung im Konzern 75 Monistische Auslandsgesellschaften – Anpassung 408, 416 Monistische SE – Benachteiligung durch überschießende Quotenregulierung 350 ff., 362, 408, 416 MontanMitbestErgG 34, 36, 38, 78 f., 159 MontanMitbestG 34, 36, 38, 76 f.
Nichtigkeit der Aufsichtsratsbestellung 36, 188 ff., 219 ff. – Anteilseignervertreter („leerer Stuhl“) 221 ff. – Arbeitnehmervertreter 226 ff. – bei dualistisch strukturierter SE 355 ff. – bei Gesamterfüllung 228 – bei Getrennterfüllung („vorübergehend leerer Stuhl“) 226 f. – bei monistisch strukturierter SE 362 ff. – freiwillige Amtsniederlegung 230 – Konsequenzen für Aufsichtsratsarbeit und Organmitglied 229 – Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis 229, 235 – Rechtsunsicherheit in der Praxis 47, 229 f., 235 – weiterfressender Mangel 231 Nichtigkeitsfeststellungsklage 47 Niederlassungsfreiheit 405 ff.
241
Stichwortverzeichnis
Oeffentlicher Dienst
55; siehe auch BGremBG, BGleiG Öffentlichkeitswirkung – unterparitätische Beteiligungsvereinbarungen 331 Ordre public – negativer ordre public 392 – positiver ordre public 376, 391 ff., 403 ff.
Paritätische Mitbestimmung
63, 72 f., 329 ff. – Statusverfahren 73 – bei der SE 329 paternalistische Gesetzgebung 60 Performance-Effekte 8, 13, 15, 28 Pflichtenkollision siehe Legal Judgement Rule Pflichtverletzungen – feste Geschlechterquote 219 ff. – Publizitätspflichten 240 ff., 318 Positive Fördermaßnahmen 439, 449 f. Prinzip der Gegnerfreiheit beim Wahlkörper 110, 115 Privatautonome Mitbestimmungsvereinbarungen siehe Mitbestimmungsvereinbarung Proxy Advisors 133, 264 Publizität – Ad-hoc-Publizität 268 ff., 316 – Anmeldung von Aufsichtsratsvorsitzendem und Stellvertreter zum Handelsregister 243 f. – Bekanntmachung der Änderungen im Aufsichtsrat 240 ff. – Bekanntmachungen nach § 19 MitbestG, § 10g MontanMitbestErgG 245 f. – Corporate Governance Bericht 139, 256 – Corporate Social Responsibility Reporting 276 ff. – Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG, Corporate Governance Bericht 260 ff. 242
– Erklärung zur Unternehmensführung, § 289a Abs. 2 Nr. 5 HGB 247 ff., 313, 458 – Internet-Veröffentlichungen 255, 315 – Komplementärberichte 317 – Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen 244, 246, 257 ff., 267, 274 f. – Veröffentlichungen im Lagebericht 313 f.
Q&A-Liste
180 – Auskunftsrecht der Aktionäre 183 – Vorbereitung der Generaldebatte 180 ff.
Rechtsarbitrage 380 Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die Vorgaben der festen Geschlechterquote 221 ff., 226 ff.; siehe auch Pflichtverletzungen – Fehlerhaftigkeit der Aufsichtsratsbestellung 177 ff. – feste Geschlechterquote, Nichtigkeit der Bestellung siehe Nichtigkeit der Aufsichtsratsbestellung – in der SE 354 ff. – Schadensersatz 236 ff. Rechtsformsubstitution 394, 417 Rechtsmissbrauchsverbot 144, 153 Rechtsvergleich 48 ff. Regelung des Mitbestimmungsverfahrens (SE) 347 ff. Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission 436 ff. – feste Geschlechterquote 438 ff. – „flexibility clause“ 456 – Pflicht zur Selbstverpflichtung 441 – Sanktionen 442 – Unionszuständigkeit 447 ff.
Stichwortverzeichnis
Rundungsregeln siehe Berechnung feste Geschlechterquote
Top-200-Unternehmen 4 ff. Trennungslösung siehe Getrennterfüllung
Schadensersatz
Übererfüllung einer Aufsichtsrats-
siehe auch Pflichtverletzungen, Rechtsfolgen bei Verstoß – feste Geschlechterquote 236 ff. Scheinauslandsgesellschaften 380, 396 SE-Beteiligungsvereinbarung 330, 346, 349, 360, 369; siehe auch Mitbestimmungsvereinbarung Selbstregulierung 19, 60, 62; siehe auch Soft Law Status-quo-Bestimmung 286 ff., 302 ff. Sitztheorie 386 ff., 396, 418 Sitzverlegung – des Satzungssitzes 390 – des Verwaltungssitzes 388 Soft Law 19 ff., 58 Sonderanknüpfende Eingriffsnormen 391 ff.; siehe auch Gesellschaftskollisionsrecht – bei der festen Geschlechterquote 401 ff. – bei der Frauenzielquote 400 – fehlende ausdrückliche gesetzliche Regelung 394 – gesetzgeberische Lückentoleranz 402 Sprecherausschuss 311, 466 ff. Staatszielbestimmung 17 f. Staggered Board 83, 128 Subsidiaritätsprinzip 447, 452 ff. Subsidiaritätsrügen 454, 456 Substitution – der Rechtsform 394 ff. – der Mitbestimmung 417 Status-quo-Feststellung siehe Zielgrößenfestlegung „Symbolgesetzgebung“ 60, 222
seite 103, 136, 234, 345, 433 Überparität der Arbeitnehmervertreter 45, 54, 167, 444 Umgekehrte Diskriminierung siehe Positive Fördermaßnahmen Unionsrechtswidrigkeit – bei der monistischen SE 351; siehe auch Monistische SE – Durchbrechung des Gleichbehandlungsgrundsatzes 411 f. – fehlende Erforderlichkeit; Vermeidung einer Doppelung der Quotenregelungen 415 – fehlende Härtefallklausel als „Weichmacher“ 87, 137, 213, 411 f. Unterparitätische Mitbestimmung 330 f. 371, 374, 429 Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen siehe auch Chancengleichheit, Gläserne Decke, Führungsebene – Befund 4 ff. – Ursachen 8 ff. – ökonomische Bewertung 13 ff.; siehe auch Performance-Effekte
Vereinbarungsautonomie
348 Vereinbarung zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft 20 Verfassungsbeschwerde 47 Verfassungsrechtliche Bewertung 41 ff. Verhandlungslösung 430 Vermeidungsstrategien siehe Ausweichstrategien Verschlechterungsverbot 39, 288 ff., 305, 465 243
Stichwortverzeichnis
Verwaltungsrat (monistische SE) 286, 295, 327, 350 ff., 362, 365 Vorbehalt gleicher Eignung 44, 87, 309, 333 Vorstand – Antragstellung nach § 104 I S. 2 AktG 212; siehe auch gerichtliche Ersatzgestaltung von Aufsichtsratmitgliedern – Muster zur Zielgrößenbestimmung 463 ff. – Schadensersatzhaftung 236 ff. – Vorstellung der zur Wahl vorgeschlagenen Kandidaten 185 – Zielgrößen 295 f.
Wahl der Anteilseignervertreter siehe auch Hauptversammlung – abweichende Wahlvorschläge 186 – Blockwahl 187 ff., 355 – Einzelwahl 187, 189 ff., 355 – Prinzip der Gegnerfreiheit beim Wahlkörper 110, 115 – Simultanwahl 187, 189, 192 f. – Tagesordnung 133, 136, 145, 165 ff., 186 ff. – Tagesordnungsergänzungsverlangen 170 ff. – Versammlungsleitung 191 ff. – Wahlverfahren 187 ff., 201 ff. – Wahlvorschläge von Aktionären 175 ff., 186 Wahl der Arbeitnehmervertreter 201 ff. – MitbestG und MontanMitbestErgG 202 ff. – MontanMitbestG 201 Widerspruch gegen Gesamterfüllung 102 ff., 120, 142 ff. – Begründung 142 f. – Beispiel-Szenarien 150 ff.
244
– Besonderheit bei Entsendung von AR-Mitgliedern durch Anteilseignerseite 200 f. – bewegliche Schranken 144 f. – Delegation 116 – Erklärung 123 ff. – Erklärungsempfänger 124. – Funktionsweise 103 f. – Getrennterfüllung 146 ff.; siehe auch Getrennterfüllung – in der SE 339 ff., 346, 433 – Inhalt 120 ff. – Organisation und Willensbildung im Aufsichtsrat 112 ff. – Rechtsmissbrauch 144 f., 153 – Sorgfaltspflicht 137 ff. – spätestmöglicher Zeitpunkt der Entscheidung 135 f. – Treuepflichten 144, 153 – Verzicht 121 – Vorabstimmung 103 – Wirkung 125 ff. – Zeitpunkt 130 ff. – Zweck 103 f.
Zementierung des Mitbestimmungsstatuts 431 Zielgrößenfestlegung 282, 293, 297, 304 ff., 311, 322; siehe auch Frauenzielquote – Berichtspflichten 313 ff. – Beschlussfassung 309 – Bestimmung der Führungsebenen 298 ff. – Bestimmung der Führungskräfteanzahl 297 – Muster für Aufsichtsrat 459 ff. – Muster für Führungsebenen unterhalb des Vorstands 466 ff. – Muster für Vorstand 463 ff.