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German Pages 215 [240] Year 1962
S A M M L U N G G Ö S C H E N B A N D 120271202a
GESCHICHTE DES CHRISTLICHEN GOTTESDIENSTES von
D. WILLIAM N A G E L P r o f . m . Lehrst, a . d. Universität Grcifswald
WALTER DE GRUYTER & CO. vormals G. J . G ö s c h e n ' s c h e Verlagshandlang • J . Guttentag, V e r l a g s b u c h h a n d l u n g • Georg R e i m e r • Karl J, T r ü b n e r • Veit & C o m p ,
B E R L I N ]962
© Copyright 1962 by "Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göscfcen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. T r ü b n e r — Veit & Comp., Berlin W 30. — Alle R e d n e , einsdil. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten. — Archiv-Nr. 7230628. — Satz und Druck: Saladruck, Berlin N 65. — Printed in Germany.
Inhaltsverzeichnis Seite
Zum Eingang: Gottesdienstgeschichte in ihrer praktischen Bedeutung I. D e r Gottesdienst im Neuen Testament 1. J e s u s u n d d e r G o t t e s d i e n s t 2. D i e A p o s t e l z e i t 3. E i n z e l n e g o t t e s d i e n s t l i c h e E l e m e n t e
im N e u e n
Testament
II. D e r Gottesdienst in der nachapostolischen Zeit 1. D i e Q u e l l e n 2. D i e E r g e b n i s s e
5 7 11 14
19 20 29
III. Die frühkatholische Zeit und ihr Gottesdienst 1. D i e Q u e l l e n 2. D i e E r g e b n i s s e
30 36
IV. Die Liturgien im Osten der Reichskirche seit dem 4
- Jh"
1. 2. 3. 4. 5.
.
Allgemeine Charakterisierung Ägypten Syrien Jerusalem Konstantinopel
V. D e r griechisch-katholische (orthodoxe) Gottesdienst 1. G e s a m t e i n d r u c k . D a s K i r c h e n g e b ä u d e 2. D e r V e r l a u f d e r „ L i t u r g i e " 3. D i e B e d e u t u n g d e r „ L i t u r g i e "
39 40 42 47 49 51 54 60
VI. Die Liturgien der-westlichen Kirche vor dem Sieg der römischen Messe 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Allgemeines Nordafrika Die mailändisdie D i e gallikanische Die mozarabische D i e keltische u n d
Messe Messe Messe angelsächsische Messe
62 63 65 68 72 75
V I I . Die Entwicklung der römischen Messe 1. 2. . 3. 4. 5.
F r ü h g e s c h i c h t e . D i e liturgischen Bücher D i e römischen S a k r a m e n t a r e Die Lektionare und ordines D i e E i g e n a r t d e r r ö m i s c h - f r ä n k i s c h e n Messe D e r "Weg z u r V e r e i n h e i t l i c h u n g d e r römischen Messe
V I I I . Die heutige Gestalt der römischen Messe 1. 2. 3. 4. 5.
Allgemeines Rüstakte Die Vormesse Die Opfermesse Verschiedenartigkeit
der
Messen
76 79 82 83 84
87 88 89 91 96 105
I X . Der Gottesdienst der lutherischen Reformation 1. L u t h e r s G o t t e s d i e n s t v e r s t ä n d n i s 2. D i e e r s t e n N e u g e s t a l t u n g e n d e r Messe 3. L u t h e r s E n t w ü r f e v o n 1523
106 112 113
Seite 4. M ü n t z e r s »Deutsche e v a n g e l i s c h e M e s s e " Formulare 5. L u t h e r s „Deutsche M e s s e " v o n 1526 6. D i e E n t w i c k l u n g i m 16. J h . nach L u t h e r
und
süddeutsche 115 118 120
X. Der reformierte Gottesdienst 1. Z w i n g i i s G o t t e s d i e n s t r e f o r m 2. D e r c a l v i n i s t i s c h e G o t t e s d i e n s t
123 128
XI. Der anglikanische Gottesdienst 1. D e r W e s e n s z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n d e r „ C h u r d i of E n g l a n d " und dem „Common Prayer Book" 2. Geschichte u n d I n h a l t des „ B o o k of C o m m o n P r a y e r " 3. D e r G o t t e s d i e n s t nach d e m „ B o o k of C o m m o n P r a y e r " 4. D i e ö k u m e n i s c h e B e d e u t u n g des P r a y e r B o o k
132 133 136 137
XII. Der Bruch mit der liturgischen Tradition durch Pietismus und Aufklärung 1. 2. 3. 4.
Das Zeitalter der O r t h o d o x i e Der Pietismus Die Liturgie der Briidergemeine D i e „liturgische B e w e g u n g " d e r A u f k l ä r u n g u n d nalismus
138 140 143 des
Ratio146
XIII. Die Erneuerung des evangelischen Gottesdienstes seit dem 19. Jh. 1. D i e L a g e a m A u s g a n g des 18. J h . s 2. D i e theologische N e u b e s i n n u n g auf d a s W e s e n des G o t t e s dienstes 3. D i e A g e n d e F r i e d r i c h W i l h e l m s I I I . v o n P r e u ß e n 4. D i e A g e n d e n a r b e i t des 19. J h . s in a n d e r e n L a n d e s k i r c h e n . . . . 5. D i e ä l t e r e l i t u r g i s c h e B e w e g u n g 6. D i e j ü n g e r e liturgische B e w e g u n g 7. D e r evangelische G o t t e s d i e n s t in seiner j ü n g s t e n E n t w i c k l u n g
151 152 156 161 162 164 169
XIV. Der römisch-katholische Gottesdienst seit dem 19. Jh. 1. D i e liturgische E r n e u e r u n g 2. R e f o r m e n a m K u l t u s
175 179
1. D i e A n f ä n g e des S t u n d e n g e b e t e s 2. D a s S t u n d e n g e b e t in d e r römischen K i r c h e 3. D a s S t u n d e n g e b e t in der l u t h e r i s c h e n K i r c h e
180 184 188
XV. Das Stundengebet
XVI. Das Kirchenjahr 1. 2. 3. 4. 5.
Der Sonntag Der Osterfestkreis Der Weihnachtsfestkreis M a r i e n - u n d a n d e r e Feste F e s t t a g e der r e f o r m a t o r i s c h e n K i r c h e n
Nachwort: Von Freikirchen, Sekten und Jungen Kirchen Literaturübersicht Verzeichnis der Abkürzungen Namenregister Sachregister
191 192 194 196 197 199
201 205 209 211 213
Zum Eingang: Gottesdienstgeschichte in ihrer praktischen Bedeutung Die Kirche Jesu Christi realisiert sich immer wieder vom Gottesdienst ihrer Gemeinden her: Wo das Wort verkündigt wird und die Sakramente verwaltet werden, will Gott selbst gegenwärtig sein, um in den Seinen den Glauben zu wecken, zu reinigen und zu stärken; in Bekenntnis, Gdbet und Gotteslob 'der versammelten Gemeinde soll offenbar werden, ¡daß seine Gnade an ihr nicht vergeblich gewesen ist. Im Gottesdienst zeichnet sich auch der Sinn aller christlichen Existenz urbildlich ab: hier geschehen Einübung in die Rühmung dessen, der im Menschen dem Glauben ruft und im Glauben das Leben schenkt, durch Fürbitte und Opfer der Liebe auch Einübung in die Brüderlichkeit und schließlich Sendung zum Zeugnis an die gottentfremdetje Welt, wie schon der Vollzug jedes Gottesdienstes solch ein Zeugnis darstellt. Darum gilt der Gottesdienst mit Recht als Herzstück im Leben jeder christlichen Gemeinide. Woran liegt es aber, wenn die Wirklichkeit gemeindlichen Lebens dem oft nicht entspricht? Sicherlich gilt vielen die Verheißung nichts mehr, die der gottesdienstjl'ichen Gemeinschaft gegeben ist (Mt 18,20). Aber oft auch liegt die Hemmung in den liturgischen Formen, in welchen die christlichen Kirchen ihre Gottesdienste begehen. In diesen Formen verkörpert sich ja meist eine Tradition, die über Jahrhunderte, z. T. bis in idie Anfänge 'der Christenheit zurückreicht. Der schnellebige moderne Mensch 'hat wenig Sinn für Geschichte; wenn schon Gottesdienst, dann möchte er ihn in Formen, die aus der eigenen Zeit geboren sind. Doch er vergißt dabei, daß im liturgischen Erbgut Glaubenserfahrungen und meditative Erkenntnisse von Generationen
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I. Der Gottesdienst im Neuen Testament
sich bergen, die mit ganz anderer Intensität im Gottesdienst gelebt haben. Es wunde darum eine Verarmung bedeuten, wollte sich die Liturgie allein auf Gestaltungsmöglichkeiten beschränken, wie sie die jeweilige Gegenwart hergibt. Die Geschichte des Gottesdienstes liefert dafür ihre Beispiele. Alle Bemühungen um eine Erneuerung des christlichen Gottesdienstes, wie wir solche heute als ökumenische Erscheinung beobachten, werden deshalb auf einer gründlichen Beschäftigung mit der Geschichte der Liturgie aufzubauen häben. Sie zeigt zugleich, wo sich im Evangelium verwurzelte Ansätze entfaltet haben oder wo dem Evangelium fremde Tendenzen das Uranliegen der Liturgie trübten. So wird das sachlich Notwendige wie auch mancherlei Fehlentwicklung in der Grundstruktur ¡des Gottesdienstes offenbar, und man beginnt die einzelnen liturgischen Elemente in ihrem ursprünglichen Sinn innerhalb dieser Grundstruktur zu verstehen. Der Gottesdienst wird uns in seiner uns zugewachsenen Gestalt vertraut, und wir werden vor allem begreifen: Liturgie kann nie nur Mittel sein, mit dessen zweckentsprechender Handhabung die Kirche irgendetwas erreichen will; nein, in der Liturgie will immer Christus selbst, will der Hl. Geist in der Versammlung der Gemeinde vermittels leibhaften Handelns wirken und in sichtbaren Zeichen die damit bezeichnete Sache gegenwärtig machen und wirksam werden lassen. Auis 'dieser liturgischen Grunderkenntnis erwächst dann die Ehrfurcht vor der ererbten Form, ja, die Lieibe zu ihr, welche die für jede Zeit nötige Weiterarbeit an der Liturgie nicht lähmen, sondern ihr erst den nötigen Tiefgang ermöglichen. I. Der Gottesdienst im Neuen Testament Das Neue Testament stellt auf die Frage nach dem Aufbau und den Elementen des Gottesdienstes vor eine Fülle ungelöster Probleme. Darum haben bedeutende LituirA n m . : Die Geschichte der Liturgie m u ß sich in diesem Rahmen auf den Gemeindegottesdienst beschränken.
1. Jesus und der Gottesdienst
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giewissenschaftler (Wetter, Lietzmann u. a.) nicht ohne Ertrag von den ausgebildeten Liturgien der späteren Zeit her einen Weg zum Verständnis der n eu tes ta men tl i che n Aussagen gesucht. Trotzdem wollen wir beim Neuen Testament einsetzen. Dessen eigentliche Bedeutung für eine Geschichte ¡des christlichen Gottesdienstes beruht nämlich nicht so sehr auf mehr oder minder problematischen Ein.zelaussagen. Hier wird vielmehr offenbar, welch tiefgehende innere Wandlung der reliigionsgeschichtliche Begriff „Gottesdienst" ( = eultus idei bzw. deorum) idurch das Evangelium erfahren hat. 1. Jesus u n d der Gottesdienst
Um das zu erkennen gilt es vor allem, Jesu Verhältnis zum Gottesdienst richtig zu erfassen. Man wird darin zunächst eine Linie der Kontinuität feststellen. Jesus ist f ü r den Tempelkult mit seinen O p f e r n z w a r nie grundsätzlich eingetreten, dennoch hält er den geheilten Aussätzigen zum Reinigungsopfer im Tempel an (Mk 1,44 par). Das O p f e r der armen Witwe zu Gunsten des Tempelschatzes w i r d von Jesus in seiner Zweckbestimmung nicht kritisiert (Mk 12,41 ff par). M t 5,23 f rechnet mit einer Beteiligung der Seinen am O p f e r im Tempel, wenn auch im Sinn des Jesu geläufigen Wortes Hosea 6,6 (vgl. M t 9,13; 12,7) Bewährung der Nächstenliebe der Opferleistung vorausgehen soll. D e r U r gemeinde erschien, wohl gemäß ihrem eigenen Verhalten, die Entrichtung der Tempelsteuer durch ihren H e r r n nicht als etwas Unmögliches (Mt 17,24 ff). M a n mag über den Berichtswert von Lk 2,41 ff urteilen, wie man will, die Erinnerung k a n n zutreffend sein, d a ß Jesus einer gesetzestreuen Familie entstammte, die es mit der jährlichen Pilgerreise nach Jerusalem ernstnahm. Auch der Rahmen des vierten Evangeliums deutet an, Jesus sei während seiner Wirksamkeit viermal hinaufgezogen (Joh 2,13; 5,1; 7,10; 12,12). Doch d a ß er dort O p f e r gebracht hätte, erfahren wir nie. Konservative Züge trägt auch Jesu Verhalten gegenüber dem Synagogengottesdienst. E r h a t nicht nur d a r a n teilgenommen (Mk 3,1 par. Lk 4,16), sondern das Recht des jüdischen Mannes auf Lesung der Schrift und deren Deutung f ü r sich beansprucht (Mk 1,21; 1,39; 6,2 par. M t 9,35; Lk 4,15; J o h 6,59). Sehr bald haben sich freilich Zwischenfälle und Streitgespräche an solchen Dienst angeschlossen; auch scheint man
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I. Der Gottesdienst im Neuen Testament
im Volk die Andersartigkeit seiner Verkündigung stark empfunden zu haben (Lk 4,28 f). Aber wenn noch die Missionspredigt des Paulus vielerorts vom Gottesdienst der Synagoge ihren Ausgang nehmen kann, so muß das junge Christentum in dessen durch Schriftauslegung und Gebet bedingter Gestalt etwas Verwandtes empfunden haben. Auch zur jüdischen Privatliturgie stand Jesus nicht in unbedingtem Gegensatz: Almosengeben, Beten und Fasten hat er nur insofern bekämpft, als sie eitler Selbstgerechtigkeit dienen sollten (Mt 6,1 ff, 5 ff, 16 ff). Das Tischgebet des Hausvaters hat er geübt (Mk 6,41 par. Lk 24,30). Aber (bedeutet es mehr als ein Zeugnis für die Realität seiner Menschwerdung, weinn Jesus als Gliieid des jüdischen Volkes auch dessen kultische Formen in gewissem Grade auf sich nimmt? Manche solcher Züge mag die spätere Überlieferung zudem überzeichnet haben, weil man sich in juidenchris tlichen Kreisen nicht immer der Andersarnigkeit Jesu gegenüber dem Judentum in ganzer Tiefe bewußt war. Jedenfalls macht 'die evangelische Überlieferung deutlich sichtbar, wie radikal in Jesu Verkündigung und Verhalten zugleich ein Neuansatz im kultischen Bereich in Erscheinung tritt. Im Alten Bund schien die Erfüllung der Grundforderung „Ihr sollt heilig sein; denn Ich bin heilig!" (3 Mose 11,45 u. ö.) durch Opfer und fromme Satzung gewährleistet; damit war sie wesentlich an priesterliches Wirken gebunden und gipfelte alljährlich im großen Versöhnungsfest. Jesus hat hier den Kultus außer Kraft gesetzt, indem er die Wertung „Rein-Unrein" von Grund aus wandelt (Mk 7,1 ff). Wenn nur Opfer und priesterliches Wort dem Sünder Gottes Vergebung zusichern konnten, so setzt Jesus an dessen Stelle sein Vollmachtswort (Mk 2,1 ff par). Des Meisters Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern wendet sich wider kultische Gebote, die solche Menschen aus der Gemeinschaft des „heiligen Volkes" ausschlössen. Durch den Bruch von Sabbatgeboten erweist sich Jesus als „Herr auch über den Sabbat" (Mk 2,28 par). Mehrfach beruft sich Jesus auf Hosea 6,6 (s. oben). Alle vier Evangelien berichten von der Tempelreinigung durch Jesus, und die Synoptiker beziehen sich dabei auf Jes 56,7 (Mk 11,17 par): danach soll in der eschatologisdien Erfüllungszeit der Tempel nur noch Stätte der Anbetung sein. Angesichts des Opferkultus im Tempel wagt er zu verkünden, Gott lieben und seinen Nächsten wie sich selbst sei
1. Jesus und der Gottesdienst
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mehr als alle Opfer (Mk 12,33), und seinen Jüngern weissagt er, von Jahwehs Tempel auf dem Zion solle „nicht ein Stein auf dem anderen bleiben, der nicht zerbrochen werde" (Mk 13,2). Vielleicht offenbart sich ein tiefes Verständnis für die Aufhebung des jüdischen Kultus durch Jesus in jenem Zug der Leidensgeschichte, nach welchem in seiner Todesstunde der Vorhang im Tempel, der das Allerheiligste verbarg, zerrissen sein soll (Mk 15,38 par).
All diese Züge radikaler Kritik werden uns nur von der Vollmacht her begreiflich, die Jesus als der „Menschjensohn", d. h. der eschatologische Heilbringer, für sich beansprucht und die ihm die Seinen zuerkennen (Mk 2,10. Mt 12,6.8. Lk 4,21; 11,20 — Mk 1,22.27; l l , 9 f ) . Aber indem sein Evangelium vom Anbruch des Gottesreiches den von Gott in Israel gesetzten Kultus überwindet, begründet der Menschensohn zugleich mit der neuen Gemeinde auch den neuen Gottesdienst im Zeichen der Vollendung«zeit. Vielleicht hat Lohmeyer Recht, wenn er diese Verknüpfung von Ende und Beginn in Mk 14,58 zu erkennen glaubt. Al's spätes Echo dessen ist auch J o h 4,20 ff zu werten. Worin kann man Ansätze zu neuen gottesdienstlichen Formen bei Jesus finden? Vor allem ist hier das Vaterunser zu nennen (Mt 6,9 ff par), das die Bitte um das kommende Reich zum vordringlichen Anliegen der Seinen macht, vielleicht auch das Gebet in seinem Namen (Joh 14,14 u. ö.) und die Anleitung zu richtigem Beten (Mt 6,7 f). Als Ausdruck seines eschatologischen Selbstbewußtseins (im Gegensatz zu ähnlich geformten jüdischen Aussagen über die Schechina) kann die Verheißung seiner Gegenwart für gottesdienstliche Gemeinschaft in seinem Namen (Mt 18,20) auf Jesus zurück gehen, kaum der Hinweis auf Gebeitsgemeinschaft (Mt 18,19). Die Taufe wird man jedenfalls nicht 'auf den historischen Jesus zurückführen können (Mt 28,19). Eindeutig bekundet sich der Wille Jesu zu neuer kultischer Form erst in der Entstehung der christlichen Mahlfeier. Man kann sie nicht nur auf die Berichte des Paulus (1 Kor 11,23 ff) und der Synoptiker (Mk 14,22 ff par) von
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I. Der Gottesdienst im Neuen Testament
dem Mahl atn Vorabend seines Todes begründen, zumal diese bereits vom liturgischen Vollzug der Folgezeit geprägt sind. Sooft er mit den Seinen in seinen Erdentagen das Mahl gehalten hat, leuchtete über dieser Gemeinschaft mit dem Bringer des Reiches zugleich die Hoffnung auf das eschatologische Freudenmaihl auf. Ein solches Mahl mußte den Seinen schon wie ein Anbruch des Kommenden erscheinen, wenn er Zöllner und Sünder hinzuzog; denn begann sich so nicht bereits M t 8,11 zu erfüllen! In den wunderbaren Speisungen erlebten sie den Gottgesandten nicht nur als den Gastgeber Tausender, sondern schauten zugleich, wie sich das Mahl in kultischen Formen, mit Dankgebet und Austeilung an Tischgemeinsdiaften, vollzog (Mk 6,39 ff par). Nach Mk und Mt hat Jesus danach die Masse „entlassen", wie das sonst der Priester am Emde des heiligen Dienstes ca.t (Mt 15,39. Mk 8,9). Schon auf dieser Stufe bedeutet demnach die Mahlgemeinschaft Hinweis auf das in Jesu verbürgte kommende Reith und gnädig gewährte Gemeinschaft mit dessen Bringer. So deutet sie die gegenwärtige Stunde in ihrer Heilsträchtigkeit und weist der Vollerfüllung entgegen. Das alles birgt sich aber noch unter einem alltäglichen Geschehen, welches jüdische Frömmigkeit seit je durch Dankgebet und Segnung mit dem Aufblick zu Gott verknüpft hat. In diesen Rahmen ordnet sich zunächst auch das letzte Mahl im Jünigerkreis ein. Jesus ist der Gasegeber, der die Seinen an seinen Tisch ruft. Das Essen und Trinken fügt sich gewissen liturgischen Elementen jüdischer Tischsitte ein. Die eschatologische Blickrichtung bezeugen alle drei Synoptiker (Mk 14,25 par). O b dieses Mahl ein Passamiahl war und Jesus sich an die Liturgie eines solchen gehalten hat, ist umstritten, wenn auch die Forschung heute überwiegend dieser Meinung zuneigt. In diesem Fall hat Jesus das Tischgebet vor der Hauptmahlzeit und das andere nach ihr zur Anfügung seiner Deuteworte über Brot und Wein benutzt. Dann wird hier am greifbarsten, wie Jesus die Zeit für gekommen erachtet, an Stelle der bisherigen kul-
2. Die Apostelzeit
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tischen Formen das Neue zu setzen. Nur soweit in ihm die Erfüllung der Hoffnungen Israels wirklich angebrochen ist, kann sein Tod mehr und anderes bedeuten als das Passageschehen, das man sich bisher in diesem Mahl vergegenwärtigte. Wenn man beim Passamahl der Bewahrung v o r d e m Würgeengel und der Befreiung aus der Knechtschaft durch Gottes Treue gedachte und das Mahl im Zeichen der dafür geschlachteten Lämmer stand, so soll nun das Essen und Trinken von Brot und Wein, wie Jesus sie beim Mahl darreicht, die Seinen der durch ihn geschehenen Erlösung gewiß machen. Wer diese Speise empfängt, 'dem giilt sein Tod für die „Vielen" ( = Völkerwelt). Durch das Opfer des „eschatologischen Passalammes" darf er der Zugehörigkeit zum neuen Gottesbund sicher sein, bis sich alles vollendet „in seines Vaters Reich". So aber .gewinnt zumal in dieser letzten Mahlzeit des Herrn mit den Seinen sein Evangelium die Gestalt einer äußeren Handlung. Und in dieser wird offenbar, daß im Gottesdienst des Neuen Bundes nicht miihr des Menschen kultisches Handeln primär ist, sondern Gott in Jesus Christus sich dienend und opfernd bis hin zum Tode der Seinen annimmt. 2. Die Apostelzeit
Wie hat sich dieser gottesdienstliche Neuansatz in der Apostelzeit entfaltet? Die neutestamentlichen Quellen gestatten wohl einen Rückschluß auf Wesen und Bedeutung des gottesdienstlichen Lebens in den jungen Christengemeinden. Die Forschung der letzten Jahrzehnte ist zudem in steigendem Maß auf liturgische Elemente im neutestamentlichen Schrifttum aufmerksam geworden ( J . Jeremias, Lohtneyer, Gullmann, Stauffer u. a.). Aber ein eindeutiges Bild vom Aufbau der urchristlichen Gottesdienste ist nicht zu gewinnen. Ebenso schwanken die Urteile über den Einfluß des Synagogengottesdienstes oder gar Einwirkungen aus dem Bereich hellenistischer Mysterienkulte. Beides scheint mir erst glaubhaft, als die glutvolle Naherwartung des Reiches abklingt, und man sich inmitten der religiösen Lebensformen der Umwelt einzurichten beginnt.
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I. D e r Gottesdienst im Neuen Testament
Wichtigste neutestamentliche Quellen f ü r das gottesdienstliche Leben sind: 1 K o r 11, 20 ff; 12; 14. Apg 2,42. 46 f ; 5,42; 20, 7 ff. H i n z u kommen die Doxologien u n d G r u ß f o r m e l n der Briefe und die A p k , die den himmlischen Gottesdienst mit den Formelementen des irdischen anschaulich macht. O . Cullmann h a t außerdem zu erweisen versucht, es sei „ein Hauptanliegen" des vierten Evangeliums, „die Beziehung zwischen dem Gottesdienst der urchristlichen Gegenwart und dem historischen Leben Jesu herzustellen".
Im gottesdienstlichen Erleben der jungen Gemeinde muß sich ganz entscheidend idas Osterereignis ausgewirkt haben. Dadurch weiß sich ¡die Gemeinde in ihrem Glauben bestätigt, daß in Jesus Christus wirklich der neue Äon angebrochen ist. Diesen Herrn darf sie nun in geheimnisvoll neuer Weise gegenwärtig wissen. Die Gemeindeversammlungen, in denen das Wort verkündigt, gebetet und das Mahl gehalten wird, sind -der Ort, wo man diese Nähe erfährt. Das hat nicht zuletzt in der Gestalt jener Osrererzählungen seinen Ausdruck gefunden, in welchen der Auferstandene mit den Seinen das Mahl hält (Mk 16,14. Lk 24,30 f. 41 ff. Joh. 21,9 f). Die Fortführung'der Mahlgemeinsehaft ist auch von daher im Leben der Urgemeinde zum Zentrum geworden. Demgemäß berichtet die Apg, wie zu den Lebenselementen der Gemeinde „das Brotbrechen" gehört, und man sich dazu in den Häusern von Gemeindeglieidern versammelt (Apg 2,42.46). Diese der jüdischen Privatliturgie entstammende Bezeichnung sollte vielleicht Unberufene vom neuen Gehalt dieser Mahle ablenken. Jedenfalls unterstreicht die Apg den in ihrem eschatologischen Gehalt begründeten Freudencharakter dieser Mahlgemeinschaften (Apg 2,47). Zweifellos hat es sich dabei um eine richtige Mahlzeit gehandelt, an deren Anfang das Dankgebet stand, w-ie es der Herr zu üben pflegte; o'b dabei immer in Erinnerung an Jesu letztes Mahl der Brotbissen gereicht wurde und am Schluß der Mahlzeit der Kelch, begleitet von seinen Deuteworten, ist ungewiß. Gebet und Lehre der Apostel hatten in diesen Mahlgemeinschaften sicher Raum. Ob wir
2. Die Apostelzeit
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aber A p g 2,42 als A u f r i ß solcher Mahlfeiern verstehen dürfen, so d a ß Apostellehre u e d „Gemeindeopfer" (beide mit K A I verbunden; KOIVCOVIOC dann im Sinn von R o m 15,26) den ersten Teil, das Brotbrechen u n d dais Dankgebet (beide wieder mit Kai verbunden) den zweiten Teil gebildet hätten, ist höchst ungewiß. Erst A p g 20,7 if zeigt auf heiklen christlichem Boden, An Troas, die Verbindung apostolischer Predigt mit nachfolgendem Brotbrechen. O . C u l l m a n n hat die These vertreten, dies sei seit je die Gottesdienstform der Urgemeirode gewesen („Die Mahlfeier ist G r u n d u n d Ziel aller Versammlungen"). Wenn d e m so ist, gibt es als weitere gottesdienstliche Gemeindefeier nur die T a u f e . Selbstverständlich ist außerdem missionarische V e r k ü n d i gung geübt worden (Apg 3,11 ff; 5,42; 14,1; 17,22). D a ß die Christen in Jerusalem noch zu den Gebetsstunden in den Tempel gingen, erweist, d a ß m a n d e n Bruch mit dem Kuilt der Väter k a u m in ganzer Tiefe empfuniden h a t (Apg 3,1); wir hören sogar gelegentlich von einer Beteiligung am O p f e r k u l t (Apg 21,26). T r o t z d e m läßt sich selbst f ü r Jerusalem k a u m erweisen, daß die junge Gemeinde die O r d n u n g des Synagogenigotcesdienstes übernommen hätte, mögen auch gewisse Formelemence daraus schnell in d e n christlichen Gottesdienst übergegangen sein. Die in der Liturgiegeschiichce lange Zeit tradierte Behauptung, die U r christen'heit habe zwei Gottesdienstformen gekannt, einen f o r m a l aus der Synagoge übernommenen Wortgottesdienst u n d die Mahlfeier, ist jedenfalls nicht beweiskräftiger als die v a n O . Gullmanin vertretene Anschauung. Was wissen wir v o m Gottesdienst auf dem Boden des Heidenchristentums? Einem festgefügten liturgischen A u f bau widerstreitet hier schon die tiefe pneumatische Bewegtheit, wie sie uns, zumindest f ü r K o r i n t h , von Paulus bezeugt wird. Immerhin rechnet das gesamte ¡urchristliche Schriftoum ganz real mit der G a b e des H l . Geistes in den Gemeinden. I n K o r i n t h m u ß der Apostel aber d a f ü r Sorge tragen, d a ß die Fülle der Geistesgaben nicht jede O r d n u n g zerbredie und damit die „ E r b a u u n g " (oiKoSopii), d. h. die Förderung des göttlichen Heilswerks an der Gemeinde, unmöglich ge-
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I. Der Gottesdienst im Neuen Testament
macht werde. Das läßt zugleich auf die eschatologische Erfülltiheit dieser Gattesdienste schließen, denn in den Wirkungen ides Geistes sah man ein wesentliches Moment der Völlendunigszeit (Apg 2,15 ff). Von daher gewinnt auch die These, daß •die Gottesdienste in der Mahlfeiier ihr Herzstück hatten, besonderes Gewicht; denn gerade bei ihr wußte man den Herrn inmitten der Seinen und 'blickte deshalb mit freudiger Gewißheit der nahen Vollendung entgegen. In Korinth beginnt sich nun die 'ursprüngliche Einheit von „Eucharistie" als Empfang der Elemente des „Abendmahles" und einer wirklichen Mahlzeit (öydir ) aufzulösen. Gemeinschaftsstörendes Verhalten einzelner Gemeindeglieder hat Paulus dazu veranlaßt (1 Kor 11,20 ff). Notwendig mußten damit das letzte Mahl und der Tod Jesu bei der Eucharistie in den Vordergrund treten, wenn auch der eschatologische Ausblick mit ihr verbunden bleibt (1 Kor 11,26). Die Gegenwärtigkeit des Erhöhten war dabei für Paulus durch das mit Jesu Worten gedeutete Brot mnid den Kelch verbürgt, und in deren Genuß war auch die Gemeinschaft 'untereinander gegeben (1 Kor 10,16 f). Es ist mir fraglich, ob diese in Korinth sich darstellende Entwicklung unbedingt aus hellenistisch - sakramentalem Denken erklärt werden muß. Daß das Wachstum der Gemeinden ohnedies auf die Dauer die Verbindung von Eucharistie und Agape praktisch undurchführbar machte, liegt auf der Hand. Jud 12 erscheint die Agape verselbständigt. 3. Einzelne gottesdienstliche Elemente im Neuen Testament
Konstitutiv für den christlichen Gottesdienst aller Zeiten ist „das Wort". Trotzdem er sich darin mit dem Gottesdienst der Synagoge berührt, hat sich selbst für Jerusalem nicht nachweisen lassen, daß man, wie oft behauptet wird, die syinagogalen Schriftlektionen übernommen hätte. Wahrscheinlich sind nach dem Hingang der Augenzeugen die Evangelienstoffe für die gottesdienstliche Lesung gesammelt und gestaltet worden. Paulus beruft sich noch nicht auf die
3. Einzelne gottesdienstl. Elemente im Neuen Testament
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Autorität solch schriftlich überlieferter Tradition. E r weiß hinter seiner Verkündigung immer die leibendige Autorität seines Herrn, mag es sich dabei um Stoffe handeln, die auf dem Wege mündlicher Tradition auf ihn gekommen sind (1 Kor 11,23; 15,1 ff), oder um das von ihm frei bezeugte Evangelium (Gal 1,12. 1 Kor 1,17. Phil 4,9. Rom 2,16). Diese Verkündigung bezeichnet schon Paulus als „das W o r t " (6 Aöyos) in absolutem Sinn (1 Thess 1,6. Gal 6,6. Kol 4,3). Es schließt eine Reihe bestimmter Tatsachen ein und gewinnt dort Eingang, wo Gott die Möglichkeit dazu schafft. Um der Autorität seines Evangeliums willen fordert Paulus die Verlesung seiner Briefe im Gemaindegottesdienst (1 Thess 5,27. Kol 4,16). Die meisten seiner Briefe lassen schon durch ihren Aufbau (Eingangsgruß — Eingangsgebet — Themen der brieflichen Verkündigung — Hymnische Elemente — Schlußsegen) darauf schließen, daß er sie dem Gottesdienst eingefügt wissen wollte. Die gleiche Bestimmung hat ihr Verfasser der Apk zugedacht. Solche Verlesungen haben die freie Verkündigung im Gottesdienst sicherlich ersetzt, selten nur ergänzt. Diese darf man sich nicht in der Art unserer heutigen Predigt vorstellen. Sie ist Zeugnis von einer erfahrenen Wirklichkeit aus innerster Nötigung heraus (Apg 4,20). Inhaltlich weiß sie sich als „Evangelium" (eüayyE?uov), frohe Botschaft von dem in Christus angebrochenen Heil. Die Kraft des Geistes wirkt sich in solcher Verkündigung aus (1 Thess 1,5. 1 Kor 2 , 4 f . Apg 4,33). Ja, Christus und Gott selbst werden im Wort gegenwärtig (2 Kor 2,17; 5,20). Dadurch hat es Vollmacht, in den Hörern Glauben zu wirken (Rom 10,17. Kol 1,5 f). Einzelformen des Wortes im Gottesdienst: Der Lehrvortrag (5i5axr|) ist nicht formulierte Dogmatik oder Ethik, sondern Verkündigung des göttlichen Heilsratschlusses und Willens (1 K o r 14, 6, 26). Erst im Hebr, ohne Bezug auf den Gottesdienst, gewinnt SiSaxil die Bedeutung einer formulierten Lehre (6,2; 13,9). — Bei der „Offenbarung" (ÖTTOKOCXU^IS) (1 K o r 14, 6, 26. 30) wird es sich um Erfahrungen ekstatisch-visionärer Art handeln, die zu tieferer Erkenntnis führen (Phil 3,15. Eph 1,17)
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I. D e r Gottesdienst im Neuen Testament
und so dem Aufbau der Gemeinde dienen können. Die Gesichte der Apokalypse sind ihr großartiges Beispiel. — Hierher gehört auch die „Weissagung" ( u p o ^ T e i a ) (1 K o r 12,10; 13,2; 14,6) als Frucht eines unmittelbaren, vom Propheten unabhängigen Ergriffenwerdens durch den Geist. Ihr Empfänger verkündet sie bei vollem Bewußtsein (1 K o r 14,32). Paulus rät, daß in einem Gottesdienst nicht mehr als zwei oder drei Propheten zu Wort kommen sollen (1 K o r 14,29). Treibt plötzliche Offenbarung einen anderen zum Weissagen, dann soll der gerade redende Prophet seine Rede abkürzen (1 K o r 14,30). U m bei prophetischen Reden einer die Wahrheit trübenden Subjektivität vorzubeugen, bedarf es gleichzeitig einer „Unterscheidung der Geister" (SiöcKptais TTVEUUcrrcov), die ihrerseits Geistesgabe ist (1 K o r 12,10; 14,29. 1 Thess 5 , 1 9 f f ) . Das heute uns fremdeste Stück im Bereich des Wortgeschehens, ja, dessen Grenzen sprengend, stellt das „Zungenreden" (yAcöacra) dar (1 K o r 12,10; 13,1; 14,2 u. ö. Apg 2 , 4 ; 19,6). In ihm äußert sich der Enthusiasmus, den das Erleben der Gegenwart Christi im Gottesdienst wachruft. Der Ansturm seines Geistes zerbricht die Ausdrucksformen vernünftiger Rede zu einem verzückten Stammeln. Doch um der „Auferbauung" der Gemeinde willen hat Paulus solchen Erscheinungen im Gottesdienst nur soweit Raum gegeben, als auch die Auslegung (3p|xriveicc) derartiger Glossolalie gesichert schien (1 K o r 14,26 ff). A u f d e r G r e n z e zwischen W o r t v e r k ü n d i g u n g u n d Gebet steht das gottesdienstliche Singen. D i e uns begegnenden F o r m e n , P s a l m (yaAuös), H y m n e (ünvos) u n d O d e (coSri) (1 K o r 1 4 , 2 6 . E p h 5 , 1 9 . K o l 3 , 1 6 ) , bezeugen eine M a n n i g faltigkeit, die w i r nicht m e h r sicher unterscheiden können. M a n scheint neben geistgewirkten P s a l m e n E i n z e l n e r liturgisch f e s t g e p r ä g t e Gemeindelieder g e k a n n t zu haben. Sie v e r r a t e n z . T . judenchristlichen U r s p r u n g ( L k 1 , 4 6 ff. 6 8 ff. 2 , 2 9 ff). W e i t e r e L i e d e r begegnen uns P h i l 2 , 5 ff, E p h 5 , 1 4 , 1 T i m 3 , 1 6 , A p k 4 , 1 1 ; 5 , 9 f . 1 2 . 1 3 ; 11,17 f; 1 2 , 1 0 f f ; 1 5 , 3 f ; 1 9 , 1 f. 6 ff. Einerseits Ausdruck der A n b e t u n g u n d des hymnischen Bekennens sind sie d o c h auch M i t t e l des Lehrens u n d Erimahnens ( E p h 5 , 1 9 . K o l 3 , 1 6 ) . Sie sind F r u c h t der E i n w o h n u n g des C h r i s t u s w o r t e s i m Menschenherzen u n d k ö n n e n a n d e r e n zugleich z u ihr helfen ( K o l 3 , 1 6 ) . I m m e r gelten sie als W i r k u n g des Geistes (1 K o r 1 4 , 1 5 . K o l 3 , 1 6 ) .
3. Einzelne gottesdienstl. Elemente im Neuen Testament
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Gebete sinid in der Regel noch frei gesprochen worden und zwar im Gottesdienst von Geistträgern. Auf den liturgischen Gebrauch des Vaterunsers weist die früh schon angehängte Doxologie hin, ein eschatologischer Lobpreis als Beschluß des Gebetes durch die Gemeinde. Vielleicht darf auch Gal 4,6 und Rom 8,15 auf den gottesdienstlichen Gelbrauch des Vaterunsers bezogen werden; jedenfalls bezeugen diese Stellen, daß man Gebet ials pneumatischen Akt verstand. Den Mittelpunkt christlichein Betens bildet das Dankgebet für das in Christus empfangene Heil; es nähert sich dadurch dem Lobpreis Gottes (cO/apia-ria) (Phil 4,6. Kol 4,2; 2,7). Vom Vaterunser hat man gelernt, im Gebet besonders Fürbitte zu üben. Sie gilt vor allem dem Lauf des Evangeliums (2 Thess 3,1. Kol 4,3. Eph 6,19) und — vielleicht im Gedanken daran — der Obrigkeit und „allen Menschen" (1 Tim 2,1 f). Überraschen wird die Tatsache, daß wir keinerlei Hinweise auf ein gottesdienstliches Sündenbekenntnis finden, doch mag darin die kraftvolle Vergebungsgewißheit Neubekehrter sich auswirken. Da Gott der Gemeinde die Fülle des Heils in Christus eröffnet hat, verspricht man sich vom Gebet „in seinem Namen" gewisse Erhörung (s. S. 9). Aber es richtet sich in der Regel an Gott selbst. Trotz aller Prädikationen Christi bleibt ¡den Anfangszeiten die Unterordnung des Sohnes unter den Vater bewußt (1 Kor 15,27 f). Das öfter erwähnte „Anrufen" Jesu ( 1 - m K c t A e l v ) (Rom 10,12 ff. 1 Kor 1,2. 2 Tim 2,22 u. ö.) ist wohl von dem juristischen Verständnis des Begriffs her (Apg 25,11 ff. 25; 26,32; 28,19) im Sinn einer „Berufung" auf ihn zu verstehen. Daß die Dinge hier im Fluß sind, zeigen 2 Kor 12,8 und Apg 7,59, wo es sich aber nicht um Gemeindegebete handelt. Eine Ausnahme scheint der aramäisch überlieferte und deshalb zum Urgestein zählende Gebetsruf „ M a r a n a t h a " (nccpava 9a) (1 Kor 16,22) zu bilden (wohl gemäß Apk 22,20 zu übersetzen „Unser H e r r , komm!" und nicht als Aussage, was sprachlich möglich ist). In der Didache (s. S. 22) gehört er zur Liturgie der Mahlfeier (10,6). In ihm spricht sich die gewisse H o f f n u n g aus, die sich insbesondere mit jeder Mahlfeier verband, d a ß der 2
Nagel,
Gottesdienst
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I. Der Gottesdienst im Neuen Testament
Auferstandene in den Kreis der Seinen eintreten werde, um mit ihnen in Wort und Mahl Gemeinschaft zu haben wie einst in seinen Erdentagen und künftig im vollendeten Reiche Gottes. So wird dieser R u f zum Zeugnis für die Gewißheit, im Kommen des Reiches mitteninne zu stehen. Dies wirkt die eschatologische Freude (ccyocAAicccns) (Apg 2,46. J u d 24) und erscheint bestätigt durch die Fülle der Geistesgaben, wie sie im Gottesdienst aufbrechen.
Daß im Gottesdienst in zunehmendem Maß Bekenntnisformeln gebraucht worden sind, ist kaum eine Frage (vgl. Rom 10,10. Phil 2,11 u. ö.). Wir können beobachten, wie sich etwa ¡die triadische Formel Gott — Jesus — Geist (bzw. Vater — Sohn — Geist) herausbildet. Ihre Beziehung auf das igottesdienstliche Leben tritt uns besonders 1 Kor 12,4 ff entgegen, während sie Eph 1,11 ff geradezu liturgische Feierlichkeit gewinnt. Auf iden Gottesdienst weisen ebenfalls die Doxologien zurück, wie sie als Erbe der Synagoge gerade Paulus oft gebraucht hat (2 Kor 11,31. Eph 1,3. Gal 1,5. Phil 4,20 u. ö.). Auch auf die Segensformeln ist hinzuweisen, die durch festgeprägte liturgische Gestalt ihre Herkunft -aus dem Gottesdienst erweisen und durch ihre Stellung am Anfang oder Schluß paulinischer Briefe deren Verlesung im Gottesdienst bestätigen (1 Kor 1,3; 16,23. Rom 1,7; 16,24). Das liturgische „Amen" als Bestätigung aus 'dem Mund der Gemeinde (1 Kor 14,16. Apk 5,14) ist ebenfalls Erbgut aus dem jüdischen Gottesdienst.— Äußere Momente des gottesdienstlichen Lebens: Für die Durchführung der Gottesdienste ist in diesem frühen Zeitraum die aus den Geisteswirkungen erwachsende Aktivität der Gemeindeglieder ausschlaggebend. Aber daneben hat es immer Männer gegeben, die in besonderer Weise für die Aufgaben der Lehre und Verkündigung wie für die äußere Ordnung verantwortlich waren. Neben den Aposteln hören wir von Propheten und Lehrern (1 K o r 12, 28) wie auch von „Vorstehern" (1 Thess 5,12. Phil 1,1) und ähnlichen (1 K o r 12,28). Auf diese Amtsträger
3. Einzelne gottesdienstl. Elemente im N e u e n Testament
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sollte dann in der Folgezeit die Leitung der Gottesdienste mehr und mehr übergehen. D e r „heilige K u ß " , der am Schluß paulinischer B r i e f e uns begegnet (1 K o r 16,20. 2 K o r 13,12. R o m 16,16), weist vielleicht d a r a u f hin, daß der Lesung eines solchen Briefes im Gottesdienst das M a h l der B r ü d e r g e f o l g t ist. Als Gebetshaltung sind Stehen, Knieen und die Proskynese ( A p k 5,14; 19,4) bezeugt. Während das Stehen die n o r m a l e Gebetshaltung der J u d e n w a r , haben wahrscheinlich die H e i d e n christen knieend mit aufgehobenen H ä n d e n gebetet ( A p g 20,36; 21,5. E p h 3,14. Phil 2,10). Gegenüber der S y n a g o g e bedeutet es etwas völlig N e u e s , d a ß in K o r i n t h die F r a u im Gottesdienst h a t reden dürfen, wenn ihr der Geist Prophetien oder Gebetsworte eingab (1 K o r 11,5)^ Aber nach 1 K o r 14,34 kann es sich dabei nur um vereinzelte S o n d e r f ä l l e gehandelt haben.—
Überblicken wir noch einmal die n e u tos t a m e n t Ii che Zeit, so sehen wir viel 'ungelöste Fragen vor uns sowohl hinsichtlich des Aufbaues der Gottesdienste wie im Hinblick auf manche ihrer Bestandteile. Noch ist alles glutvolles Leben, fern jeder starren liturgischen Form, oft bis zum Enthusiasmus bewegt von der Gewißheit des im Gottesdienst gegenwärtigen Herrn und (der Hoffnung auf die bald hereinbrechende Erfüllung. U n d doch zeichnen sich schon Umrisse künftiger Entwicklung ab, und deren Bausteine werden bereitgestellt. D a ß festgefügte Formen gottesdienstlichen Lebens nur um den Preis einer gewissen Erstarrung zu haben waren, sollte die Zukunft lehren. Es sind seltene Erscheinungen in der christlichen Liturgiegeschichte, in denen noch einmal etwas von der charismatischen Erfülltheit der Anfänge durchgebrochen ist. II. Der Gottesdienst in der nachapostolischen Zeit Auch dieser Zeitraum gibt durch die Bruchstückhaftigkeit seiner Zeugnisse mehr Probleme auf, als er gesicherte Aussaigem zuläßt. Main wird deshalb gut tun, zunächst die wichtigsten Quellen zu hören, ehe man eine Charakteristik dieser Entwicklungsstufe wagt. 2»
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IT. Der Gottesdienst in der nachapostolischen Zeit
1. Die Quellen D e r 1, Clemensbrief, •wahrscheinlich von einem römischen Episkopos u m das J a h r 96 an die korinthische Gemeinde gerichtet, bringt z w a r kein Gottesdienstformular, aber bedeutsame Einzelangaben. Das wichtigste Stück ist das große Fürbittengebet (59,3 — 61,3), mit dem der Verfasser seine Ausführungen beschließt. W a r das Vorangegangene gleichsam eine Predigt über christlichen Lebenswandel, so folgt dieser nun nach der Gewohnheit der sonntäglichen Liturgie ein Gemeinidegebet, wie m a n es in R o m 'damals zu beten pflegte. In (dieser Form fügte sich die Verlesung des Briefes ohne Schwierigkeit -in den korinthischen Gottesdienst ein. Das Gebet hebt an mit einer Fülle von Prädikationen Gottes. Dem folgt die Bitte um Hilfe in allerlei Nöten. Nach erneutem Lobpreis Gottes wird um Sündenvergebung, um Frieden und allgemeine Wohlfahrt gebetet. Besonderen Raum gewinnt die Fürbitte für die Obrigkeit, ehe mit Preis und Dank geschlossen wird. Dies Gebet zeigt sich tief in der Tradition verwurzelt: neben der christlichen Gebetssprache spürt man die Einwirkung der Septuaginta, aber auch der jüdischen Liturgie und der Sprache des religiösen Hellenismus.
Die f ü r die spätere ostkirchliche Wertung des Gottesdienstes bezeichnende Beziehung des irdischen Kultus auf die Anbetung im H i m m e l tritt uns schon i m 1 Clem entgegen u n d macht wahrscheinlich, d a ß das Trishagion ( = Dreimalheilig nach Jes 6,3) von der Gemeinde gesprochen w u r d e (34,6 f). Wie im H e b r begegnet uns hier das — v o m O p f e r k u l t belastete — W o r t „darbringen" (-rrpocrqjepeiv—upoatpopd) im Blick auf die Gemeirudegebete, speziell wohl die, welche ;die Eucharistie begleiteten, vielleicht schon auf diese selbst bezüglich (44,4; 36,1). D e r später als terminus technicus f ü r den Gottesdienst gebrauchte Ausdruck Synaxis (ovva^is, Versammlung) erscheint hier vorbereitet (34,7). Auf feste gottesdienstliche O r d n u n g e n läßt der Schriftbeweis f ü r die N o t w e n d i g k e i t kultischer O r d n u n g aus dem Alten Testament schließen (40,2—4). I m Anschluß daran
1. Die Quellen
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w i r d von den Amtsträgern unter Bezug auf das Alte Testament in einer Weise gesprochen, in der sich der künftige „Priesterstand" ankündigt. Es überrascht in diesem Brief, wie stark auf römischem Boden das alttestamentlich-jüdisdie Erbe nachwirkt. D a r i n verraten sich noch immer ähnliche religiöse Voraussetzungen, wie wir sie f ü r d e n R o m des Paulus zu machen haben. — D i e heute k a u m mehr in ihrer Echtheit angezweifelten 7 Briefe des Ignatius von Antiochien, in der Zeit zwischen 110 u n d 117 auf dem Wege z u m M a r t y r i u m in R o m verfaißt, bringen ebenfalls nur liturgische Einzelhinweise. Ignatius m i ß t 'dem Gottesdienst, insbesondere der Eucharistie, zentrale Bedeutung f ü r das Gemeindeleben bei. Das H e r r e n m a h l al's „das Fleisch unseres Heilandes Jesu Christi, das (sie!) f ü r unsere Sünden gelitten, das der Vater in seiner Güte auferweckt h a t " (Sm 7,1) wird f ü r ihn „das Heilmittel zur Unsterblichkeit" (Ign E p h 20,2), w a h r scheinlich im Sinn einer Aussage der antiochenischen Liturgie. In der vom Bischof oder seinem Beauftragten zu haltenden Eucharistie stellt sich f ü r Ignatius 'die Einheit der Kirche dar. Je größere Bedeutung damit die vom Bischof geleiteten Gottesdienste erhalten, desto eifriger m a h n t er zu häufigeren Gottesdiensten (Ign E p h 13,1. Pol 4,2). Wenn Ignatius mit solcher Entschiedenheit f ü r die liturgische Alleinberechtigung des Bischofs eintritt, so ist das f ü r die weitere Entwicklung 'bedeutsam geworden: durch die Art, wie die Bischöfe d e r Metropolen ihre liturgische Funktion übten, sollten sich bald unterschiedliche Traditionen e t w a in Antiochien, Alexandrien, Jerusalem u n d R o m herausbilden.— Die Didache („Lehre des H e r r n durch die zwölf Apostel an die Völker"), im A n f a n g des 2. Jh.s in Syrien oder auch in Ä g y p t e n entstanden, 1883 wieder aufgefunden, stellt .die älteste K'irchenordnung d a r . Den Liturgiewissenschaftler interessieren darin K a p . 7, 1—4, Vorschriften f ü r die Taufe, K a p . 8, Bestimmungen über Fasten u n d tägliche Gebete,
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II. D e r Gottesdienst in der nachapostolischen Zeit
ganz besonders die Kap. 9 und 10, sowie 14 durch Angäben über Eucharistie und Agape. D i e Aussagen über die M a h l f e i e r stellen v o r schwierige F r a g e n : H a n d e l t es sich in 9 u n d 10 um eine Agape, der sich der eucharistische A k t anschließt, oder sind A g a p e u n d Eucharistie noch eine Einheit? D i e Entscheidung f ä l l t an 10,6: „ K o m m e n möge die G n a d e u n d vergehen die W e l t . H o s i a n n a d e m G o t t e D a v i d s ( = Christus, vgl. M t 2 2 , 4 2 f f ) ! Ist j e m a n d heilig, so trete er h e r z u ; w e n n einer es nicht ist, tue er Buße. M a r a n a t h a ! A m e n . " Sind diese liturgischen R u f e die Eingangsliturgie zu einer nachfolgenden Eucharistie, d a n n w ä r e die in 9 u n d 10 geschilderte Feier als eine v o r a u s g e h e n d e A g a p e zu betrachten. M a n h a t aber die A u f f o r d e r u n g z u m „ H e r z u t r e t e n " k a u m schon im Sinn des Ganges zu einem Abendmahlstisch zu verstehen. I h r e D e u t u n g erschließt sich aus A p k 22,17, w o wenige Verse später sich auch das „ M a r a n a t h a " findet u n d d a m i t jene A u f f o r d e r u n g im Blick auf das eschatologische Ziel gilt, auf das auch die a n d e r e n liturgischen R u f e in 10,6 die G e m e i n d e hinweisen. Diese Auffassung bestätigt der älteste I n t e r p r e t der Didache in den Constitutiones A p o s t o l o r u m (s. S. 42 ff) V I I , 25.26. Schließlich l ä ß t die f a s t wörtliche Ü b e r n a h m e v o n 9,4 (s. unten) in das Weihegebet des Bischofs Serapion v o n T h m u i s (s. S. 40 f) a n n e h m e n , d a ß das G e b e t auch in der Didache als eucharistisches Weihegebet a u f z u f a s s e n ist. So h a b e n w i r höchstwahrscheinlich in 9 u n d 10 einen T y p u s der M a h l f e i e r v o r uns, in welchem die Eucharistie die A g a p e einleitet u n d d a n n die gesamte M a h l feier m i t dem in 10 mitgeteilten D a n k g e b e t schloß. D a ß der Becherritus v o m E n d e der M a h l z e i t a n den A n f a n g gestellt u n d dem B r o t r i t u s v o r g e o r d n e t w i r d (vgl. d a z u auch Lk. 22,17), mag in der s a k r a m e n t a l e n Bedeutsamkeit b e g r ü n d e t sein, welche diese beiden Riten f r o m m e r jüdischer Tischsitte durch Jesu letzte V e r f ü g u n g gewonnen haben. D i e e r w ä h n t e n eschatologischen R u f e am Schluß des D a n k g e b e t e s u n d d a m i t der ganzen Feier zeigen, wie sehr noch immer gerade die seine N ä h e v e r b ü r g e n d e M a h l f e i e r eine lebendige P a r u s i e e r w a r t u n g wachhielt. A u f f a l l e n d ist, d a ß in den Gebeten v o n 9 u n d 10 jede A n a m nese ( = feierliches Gedächtnis) der Passion fehlt, wie sie z u m p a u linischen A b e n d m a h l s t y p u s h i n z u g e h ö r t . D a s D a n k g e b e t beim Brotritus m a g d a f ü r ein Beispiel sein: (9,3) „ W i r d a n k e n dir, unser V a t e r , f ü r das Leben u n d die E r k e n n t n i s , dis d u uns k u n d g e t a n hast durch Jesus, deinen Knecht (Trais). D i r gebührt die Herrlichkeit in Ewigkeit. (9,4) Wie dies gebrochene (Brot) ausgestreut
1. Die Quellen
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w a r über die Berge hin und, zusammengebracht, eines geworden ist, also werde zusammengebracht deine Kirche von den Enden der E r d e in dein Reich, denn dein ist die Herrlichkeit und die K r a f t durch Jesus Christus in Ewigkeit!" D e r Stil dieser Gebete weist auf Berührung mit jüdischen Gebetsformen zurück. So mag in den Mahlfeiern der Jerusalemer Urgemeinde gebetet worden sein, von denen uns die A p g eine Ahnung vermittelt (2,46 f). D a man im Vollzug des Mahles nach dem Willen des H e r r n die Anamnese praktizierte, konnte m a n von einer Anamnese in Worten absehen und statt dessen nur dem D a n k f ü r Christi Gnadengaben und der dadurch geweckten H o f f n u n g Ausdruck geben. Indem der Genuß der gesegneten Elemente das Mahl eröffnet, w i r d dieses als ganzes zum „ H e r r e n m a h l " .(KUptctKÖv Ssnrvov), und das Dankgebet nach erfolgter Sättigung (HSTOC T Ö £HuAr|CT0iivai) brauchte sich nicht auf die sakramentale Gabe zu beschränken. D e r jüdische Ritus bei Mahlzeiten religiösen Charakters hat zweifellos auf die in der Didache bezeugte Gestalt des Herrenmahles noch eingewirkt und wird doch nicht mehr als so verpflichtend empfunden, d a ß man den Kelch vom Ende des Mahles nicht an den A n f a n g neben den Brotbrechungsritus stellen könnte. Ähnlich wie Ignatius m a h n t auch die Didache: „Häufig sollt ihr euch versammeln und nach dem suchen, was euren Seelen nottut!" (16,2). An welcherlei Versammlungen dabei gedacht ist, erfahren wir nicht. Kap. 14 fordert jedenfalls: „Am H e r r e n tage sollt ihr zusammenkommen und das Brot brechen (KAaaaTE äp-Tov) und D a n k sagen (EÜx°tpi°"niCTCCT£)". Im übrigen m a h n t dieses Kapitel die Gemeinde, in rechter Bereitung die Mahlfeier zu begehen. Die „Reinheit des O p f e r s " verlangt, daß zuvor Bekenntnis von Fehltritten und Versöhnung mit dem Feinde (im Sinne von M t 5,23 f) erfolgen soll (14,1. 2.). Kap. 4,14 läßt auf ein öffentliches Bekenntnis vor Gott in versammelter Gemeinde schließen, das im Gebet erfolgt; dem gegenüber bedeutet die Versöhnung mit dem Bruder (14,2) ein zweites. D a ß an der Eucharistie nur die Getauften teilhaben können, bezeugt 9,5 und begründet es mit M t 7,6.
Welches Gewicht besitzt »der in Kap. 14 von der Eucharistie gebrauchte Begriff „Opfer" (Öuaia)? Wie der Begriff „Eucharistie" sowohl die Gebetsakte 'der Mahlfeier wie sicher auch die geheiligten Elemente (9,5) u m f a ß t , so gilt der Begriff „Opfer" entsprechend im Blick auf beides (14,1).
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I I . D e r Gottesdienst in der nachapostolisdien Z e i t
Bei der Unablösbarkeit des Opferdenkens vom antiken religiösen Lebens mußte es auch dem jungen Christentum näheliegen, etwa die Heiligung des Lebens (Rom 12,1; 1 Petr 2,5), gute Werke wie z. B. Almosen (Hebr 13,16; Phil 4,18), vor allem aber Gebete und hier wohl in erster Linie Dank- und Lobgebete (13,15) vergleichsweise als „Opfer" zu bezeichnen. Demgemäß haben zunächst die Dankgebete der Mahlfeier den Begriff „Opfer" an sich gezogen. D a aber für antikes Empfinden das Opfer immer etwas Sinnenfälliges ist und die Spendumg flüssiger oder trockener Nahrung das am häufigsten geübte Opfer darstellt, mußten Brot und Wein der Mahlfeier sich als besonders anfällig für eine ganz kompakte Opfervortstellung erweisen. Wir können in diesem Stadium der Entwicklung nur sagen, daß die Didache auf die Eucharistie in allen ihren Bestandteilen den Begriff zur Anwendung bringt und dafür Sorge trägt, daß die Mahlfeier dank rechter Bereitung der Gemeinde gemäß Mal 1,11 zum „reinen Opfer" werde. Doch ist mit Übernahme der Opfervorstellung eine gefährliche Entwicklung im Verständnis des christlichen Gottesdienstes eingeleitet. Man übersieht häufig, daß die Didache auch über den Wortgottesdienst einiges Wichtige mitteilt. Sie hält zum täglichen Besuch anscheinend von Erbauungsversammlungen an, von denen auch Katechumenen nicht ausgeschlossen sind (4,1, vielleicht auch 16,2). Wenn die Hochstimmung der Eucharistie aus dem Bewußtsein der Nähe des Kyrios erwächst, dann sind doch auch jene Versammlungen mehr als nur ein Hören auf Worte menschlicher Lehrer; „denn wo die Herrschergewalt des Herrn verkündet wird, dort ist der Herr" (4,1), was an Mt 18,20 erinnert. Darum kommt auch den Verkündigern die gleiche Ehre wie ihrem Herrn zu (4,1). D a ß die Didache noch mit dem Auftreten von Charismatikern im Gottesdienst rechnet, zeigt die Bestimmung, daß „Propheten" nicht auf die mitgeteilten Gebete festgelegt werden sollen (10,7). Didache 8 bringt das Vaterunser und z w a r bis a u f geringe Abweichungen in d e r M t - F a s s u n g . D i e D o x o l o g i e ist zweigliedrig:
1. Die Quellen
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„Dein ist die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit". Dreimal täglich soll man es beten.—
In die Jaihre 111 bis 113 gehört als wichtiges außerchristliches Zeugnis der Brief des jüngeren Plinius an Kaiser Trajan. Als Statthalter von Bithynien berichtet er dem Kaiser vorn Wachstum der Christensekte und seinen Gegenmaßnahmen. Der Bericht hat darin seine Problematik, d a ß er von einem den Dingen innerlich Fernsiehenden stammt unid auf Aussagen abgefallener Christen beruht, die ihre „Schuld" möglichst geringfügig erscheinen lassen wollen. Der für den Gottesdienst wichtige Abschnitt besagt (Ep. ad Trajanum 10,96,7): Die verhörten Christen „versicherten,... dies sei die Summe ihrer Schuld oder besser: ihres Irrtums gewesen, daß sie gewohntermaßen an einem bestimmten Tage zusammengekommen wären vor Sonnenaufgang und Christus wie einem Gott ein Lied (carmen) im Wechselgesang gesungen hätten und sich durch Eid (sacramento) verpflichtet hätten, nicht etwa zu einem Verbrechen, sondern weder Diebereien, noch Raubzüge, noch Ehebrüche zu begehen, noch ein gegebenes Wort zu brechen, noch anvertrautes Gut, daran gemahnt, abzuleugnen. Sei dies geschehen, wäre es Brauch gewesen auseinander zu gehen und wieder zusammenzukommen, um Speise zu nehmen, jedoch eine gewöhnliche und unschuldige Speise ".
Welche Hinweise lassen sich daraus f ü r den Gottesdienst gewinnen? Der gottesdienstliche Tag steht fest; es ist wahrscheinlich der Sonntag. Die frühe Stunde ließe sich daraus erklären, d a ß mancher Christ als Sklave die Arbeitszeit nicht zu freier Verfügung hatte (wer in der eristen dieser Feiern freilich einen Taufgottesdienst sehen will, wird den „status dies" auf den Ostertag beziehen und die Angabe „ante lucem" mit der Sitte der Taufe in der Osternacht erklären). Der Inhalt der Feier besteht in einem anscheinend responsorischen Singen von Christuspalmen („carmen" kann aber auch Opferritual bedeuten!) u n d in bestimmten moralischen Verpflichtungen, die die Teilnehmer auf sich nehmen. Dabei kann es sich um eine liturgische Verwendung des Dekalogs handeln. Eine andere Annahme ist auch nicht abwegig: das Verhör habe sich speziell dem Inhalt der Predigt zugewandt, und die Angeschuldigten hätten durch
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I I . Der Gottesdienst in der nachapostolischen Zeit
ihre Aussage gleichsam ein Echo der Predigt 'herausstellen wollen, das ihnen zugleich zum moralischen Alibi dienen konnte; bei Menschen, denen Mt 5,34 etwas bedeutete, wird man überhaupt kaum an einen Eidschwur im wörtlichen Sinn 'denken dürfen. Die Möglichkeit, 'hier auch an ein Taufgelübde zu denken, hat mehrfach dazu veranlaßt, in dieser Feier einen Taufgottesdienst zu vermuten. Doch läßt das „gewohntermaßen" (essent soliti) viel eher auf den sonntäglichen Gottesdienst schließen. Nach den Angaben über Carmen und sacramentum wird eine Zäsur deutlich: man geht auseinander und kommt wieder zusammen. Die Selbstverständlichkeit, mit der man auf Grund dieser Angabe von einem Wortgottesdienst in der Morgenfrühe und der Mahlfeier am Abend zu sprechen pflegt, ist im Text nicht begründet. Wenn man bedenkt, idaß hier einerseits ein Heide ohne eigenes Wissen um die Dinge schreibt, daß andererseits die Teilnahme an der Mahlfeier den Getauften vorbehalten war, ist die Vermutung nicht unbegründet, man sei nach dem Worcgottesdienst auseinandergegangen, um nach kurzer Pause im Kreise der Getauften zur Mahlfeier erneut zusammenzutreten; deren unschuldige Bestandteile werden gegenüber allen umgehenden Verdächtigungen betont (vgl. Origenes, Contra Celsum VII, 27). Wahrscheinlich hat es sich im Fall einer morgendlichen Mahlfeier um eine nicht mit der Agape verbundene Eucharistie gehandelt (für die Antike ist der Abend die Zeit für ein regelrechtes Mahl). Jedenfalls reichen die Angaben des Plinius nicht zu, um mit ihrer Hilfe das liturgiegeschichtliche „Dogma" von den beiden altchristlichen Gottesdienstformen au beweisen.— Der II. Clemensbrief, wohl aus der Mitte des 2. Jh.s stammend, in Rom oder Korinth entstanden, stellt die erste uns erhaltene Gemeindepredigt dar. Ein Lektor hat sie für seinen Dienst aufgeschrieben (vgl. 17,3; 19,1). Sie gibt keine Textauslegung, sondern wesentlich Mahnung zur Askese, wenn auch Schriftzitate reichlich verwendet werden.—
1. Die Quellen
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Gegen Emde der nachapostalischen Zeit 'bietet Justin der Märtyrer (gest. um 165) in seiner wahrscheinlich 'bald nach 150 verfaßten Apologie eine erste genaue Schilderung des Gottesdienstes. In Sichern 'geboren ist Justin nach philosophischer Ausbildung in Ephesus zum Christentum übergetreten. Er hat auf seinen Reisen als „christlicher Philosoph" auch iin Rom gewirkt, wo er bei seinem zweiten Besuch das Martyrium erleidet. Dieser weitgespannte Lebensrahmen macht es wahrscheinlich, daß sein Bericht ein allgemeingültiges Bild für alle griechisch sprechenden Kirchen seiner Zeit liefert. In unserem Zusammenhang sind von Bedeutung: Apol 1,65, wo die an einen Taufakt sich anschließende Eucharistie, und Apol 1,67, wo der Sonntagsgottesdienst dargestellt wird. Auch Apol 1,66 darf nicht übersehen werden. Hier wird deutlich, weshalb die dem Taufakt folgende Eucharistie besonders hervorgehoben wird: nur wer zum Glauben gekommen und die Taufe empfangen hat, darf an 'der Mahlfeier teilnehmen. Die Elemente sind nämlich „Fleisch und Blut jenes fleischigewordenen Jesus" gemäß dem hier zitierten Ein&etzungsbetiidit. Interessant ist, ;daß Justin den ähnlichen Ritus der Mythrasmysterien als dämonische Nachäffung wertet. Was berichtet 1,65? D e r Neugetaufte wird in die Versammlung der „Brüder" geführt. Es wird Fürbitte für die Neugetauften „und alle anderen in der ganzen Welt" getan, daß die Erkenntnis der Wahrheit sich in der Lebensführung bewähre und zum ewigen Leben helfe. Danach wird der Bruderkuß getauscht. Dem V o r steher bringt man Brot und einen Becher mit Wasser und Mischwein, worüber er das Dankgebet spricht. Es beginnt mit einem Lobpreis für den „Vater des Alls durch den Namen des Sohnes und des heiligen Geistes". Ein ausgedehntes Eucharistiegebet schließt sich an, über dessen Inhalt wir nichts Einzelnes erfahren. D i e Anwesenden beantworten das Gebet mit „Amen" (übersetzt mit „Das geschehe!"). D a n n teilen die Diakone jedem Anwesenden vom Brot, vom Wein und vom Wasser zu, das Gegenstand der Eucharistie war (süxcdmAov) vorgelesen iunid zwar, „solange die Zeit reicht" (entweder auf die Zeit des Zusammenströmens der Gemeinde oder auf die f ü r den Gottesdienst zur Verfügung stehende Zeit zu beziehen). Es folgen die Predigt des Vorstehers und ein stehend gesprochenes Gemeindegebet (etwa in der Form von I Clem). Die Eucharistie w i r d dann ¡genau wie in 65 geschildert. Vielleicht verrät sich noch ein Wissen um das 'gottesdienstliche Gebet als Aufgabe des Charismatikers in der Bemerkung, daß die Eucharistiegebete des Vorstehers in ihrer Ausdehnung davon abhängen, „wieviel er vermag" (öctti Suvocuis ccütco). Bei Justin haben w i r zum ersten Mal ganz eindeutig die Verbindung von W o r t - und Mahlgottesdienst vor uns. Die Eucharistie hat sich von der Agape völlig gelöst, während
2. Die Ergebnisse
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nun der Wortgottesdienst 'den Umrissen nach an den der Synagoge erinnert. Das eucharistische Gebet hat vielleicht die Einsetzungsworte eingeschlossen. Das hängt davon ab, wie man die Wendung „TT)V Sreuxfjs Aöyou T O Ü Trccp'aü-roü üsxapiaTTi0£iaav Tpocpiiv" (66) versteht. Sie kann bedeuten: „die Nahrung, die durch das Beten eines von ihm stammenden Wortes (sc. des Einsetzungsberichtes b z w . der Deuteworte) eucharistiert ist." Man kann aber auch in dem „von ihm stammenden Wort", das hier „gebetet" wird, das Vaterunser erblicken. D a jedoch in der Alten Kirche durchweg die Wandlung der Elemente in der sogen. „Epiklese" ( = Anrufung) vom H l . Geist erfleht wird, liegt folgendes Verständnis vielleicht am nächsten: „die durch das Gebet um den von ihm (ausgehenden) Logos geweihte Speise" (Justin kann das Wort „Logos" sowohl vom Sohn wie vom Geist gebrauchen). Wir hätten dann an dieser Stelle das älteste Zeugnis f ü r die Epiklese. Die bei Justin zugrunde liegende Opfervorstellung erscheint noch schwebend. Jedenfalls dankt man nicht nur „über" der 'heiligen Speise .und „ f ü r " diese, sondern auch mit ihrer Darbringung. So -wird f ü r Justin die Eucharistie zur Erfüllung von Mal 1,11 (Dialog mit dem Juden Tryphon 41).— 2. Die Ergebnisse Der von der Apg bezeugte „Jerusalemer" Typus der Mahlfeier, von eschatologischer Freuide u n d Parusieerwartung erfüllt, begegnet uns nur noch in der Didache. Der von der memoria passionis bestimmte „paulinische" Typus gewinnt statt dessen Raum. Agape und Eucharistie trennen sich immer deutlicher voneinander; während die Agape an Bedeutung verliert, wind die Eucharistie zum sonntäglichen Gottesdienst 'der Gemeinde. Wieweit 'daneben als zweite regelmäßige Gottesdienstform ein Wortgottesdienst begangen wunde, ist nicht feststellbar. Jedenfalls tritt uns bei Justin in der ältesten Bezeugung .des Gottesdienstaufbaus ein zur Einheit verbundener Wort- und Mahlgottesdienst entgegen. Auf die Eucharistie wir.d die Vorstellung eines
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III. Die frühkatholische Zeit und ihr Gottesdienst
„Opfers" übertragen, und Termini des antiken Opferdenkens dringen in die Sprache des christlichen Gottesdienstes ein. Noch bleibt in der Schwebe, wieweit das Verständnis der Eucharistie sich dadurch zu verändern beginnt. Jedenfalls nimmt die Laiengemeinde noch aktiv am Gottesdienst teil; durch Zutragen der Elemente in die Häuser Abwesender soll sie noch in ihrer Gesamtheit in die communio ( = Mahlgemeinschaft) einbezogen werden. III. Die frühkatholische Zeit und ihr Gottesdienst Wenn in der nachapostolischen Zeit das Gottesdiemstliche zusehends aus der Sphäre des Privaten herausrückt und zu dem die ganze Gemeinde zusammenführenden Zentrum ihres geistlichen Lebens wird, so wächst es damit bereits in eine straffere Ordnung hinein. Trotzidem verrät sich auch noch in diesem Zeitraum etwas von der Unmittelbarkeit der Geisteswirkungen und der leidenschaftlichen Parusieerwartung der Anfänge. In der zweiten Hälfte des 2. Jh.s zwingen nun die innere Gefährdung durch den Gnostizismus und die Gegnerschaft des römischen Staates die Gemeinden der Ökumene, die sich im Glauben stets als die eine Ekklesia Gottes gewußt haben, auch äußerlich zueinander. A u f der Grundlage der regula fidei ( = Glaubensbekenntnis), des monarchischen Episkopates, der in der Ausübung des apostolischen Lehramtes kraft der auf die Apostel zurückgeführten Traditionskette die Zuverlässigkeit der kirchlichen Uberlieferung gewährleisten sollte, und des „apostolischen", dem Alten Testament gleichwertigen neutestamentlichen Kanons erwächst die alte katholische Kirche. I m Zuge dieser Gesamtentwicklung mußte man auch das gottesdienstliche Leben fester ordnen und dessen inhaltliche Gestaltung wie rechtes Verständnis gegen unkatholische Auffassungen sichern. Dieser Zeitraum reicht von der zweiten Hälfte des 2. Jh.s bis zur Entstehung der Reichskirche am Anfang des 4. Jh.s. 1. Die Quellen
D e r gegen Ausgang des 2. Jh.s in Lugdunum (Lyon) wirkende, aus Kleinasien stammende Irenaus ist auch für
1. Die Quellen
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das theologische Verständnis der Eucharistie nicht ohne Bedeutung. F ü r ihn verbindet sich durch das Gebet über den irdischen Elementen mit diesen ein himmlisches E l e ment, so daß sie dadurch Leib und Blut Christi sind ( a d v . haer. I V 1 8 , 4 . 5 ) . So w i r d die Eucharistie zu etwas Gegenständlichem, w ä h r e n d die gleiche Bezeichnung auch weiter v o m D a n k g e b e t als solchem gebraucht wird. I m Sinn des Opferschemas nennt Irenäus die Eucharistie „die neue oblatio, die die Kirche v o n den Aposteln empfangen h a t und in der gesamten W e l t G o t t d a r b r i n g t " ( a d v . haer. I V 1 7 , 5 ; 18,4).E i n Schüler .des Irenäus w a r der a m A n f a n g des 3. J'h.s wirkende römische Presbyter und spätere Gegenbischof Hippolyt. Aus seinem reichen Schrifttum interessiert uns hier die „Apostolische Überlieferung" (COTOOTOTUKTI -rrccpctSoats), eine Kirchenordnung, die in vielem auf östliche Quellen zurückweist und seinen Gegnern die rechte „apostolische" O r d n u n g entgegenstellen soll. Auf deren schwierige Überlieferungsgeschichte können wir hier nicht eingehen. Nach H. Lietzmann liegt uns die „Apostolische Überlieferung" höchstwahrscheinlich in der sogen. „Ägyptischen Kirchenordnung" vor; diese ist also in Wahrheit eine römische Ordnung, wenn auch ägyptische Einflüsse nicht auszuschließen sind. Der Text ist unvollständig in altlateinischer Sprache (ed. E. Hauler 1900), so gut wie vollständig in koptischer, äthiopischer und arabischer Übersetzung erhalten. V o n der Eucharistie berichtet die „ T r a d i t i o " zweimal, einm a l in Verbindung m i t der Bischofsweihe ( H a u l e r N r . 6 8 — 7 0 ) , d a n n mit der T a u f e ( H a u l e r N r . 7 3 / 7 4 ) . Aus der Taufmesse m u ß folgendes hervorgehoben w e r d e n : D a s eucharistische Beten (Euxctpiarelv) w i r d eindeutig auf die Elemente als sein Objekt bezogen. Sie werden als „ A b b i l d " (ävTiTUitos) des Leibes und des Blutes Christi gewertet. Überraschend ist es, d a ß d e r Bischof drei Kelche weiht, einen mit Mischwein, einen mit Milch u n d H o n i g , einen m i t Wasser. V o r der K o m m u n i o n e r f o l g t die Brechung des Brotes, u n d d e r K o m m u n i k a n t e r h ä l t eine P a r t i k e l mit den W o r t e n „Das himmlische B r o t in Christo J e s u " ,
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III. Die frühkatholische Zeit und ihr Gottesdienst
vom Empfänger mit „Amen" bestätigt. Die Spendung der drei Kelche begleiten die Worte „In Gott, dem allmächtigen Vater", „In dem Herrn Jesus Christus", „In dem Hl. Geist und der hl. Kirche"; der Empfänger antwortet mit „Amen". Bei der Schilderung der Taufe begegnet uns auch zum ersten Mal das römische Taufbekenntnis, das sogen. „Apostolicum", das später auch für den Gottesdienst Bedeutung gewinnen sollte. Hippolyt erwähnt den Wortgottesdienst nicht, weil an dessen Stelle in einem Fall die Taufhandlung, im andern die Bischofsweihe stattfindet. Bei der Eucharistie im Anschluß an die Bischofsweihe wird zum ersten Mal ein auch für die Folgezeit typisches Eucharistiegebet überliefert. Nach einer Salutatio ( = Wechselgruß) beginnt es mit der Präfation, diese eingeleitet durch das „Sursum corda!" ( = Empor die Herzen!) und die Aufforderung „Lasset uns danken dem Herrn!", beide von 'der Gemeinide entsprechend beantwortet. Das an paulinischen Christozentrismus gemahnende Dankgebet hat die Sendung Christi (er wird bezeichnet als „dein von dir untrennbares Wort" am Sinn von Joh 1,1 ff) zum Retter, Erlöser und Boten des göttlichen Willens mit besonderer Betonung seiner Passion zum Inhalt. Es geht über in die Verba testamenti. Aus deren Schlußsatz „wann ihr dies tut, begeht ihr mein Gedächtnis" ergibt sich die Anamnese seines Todes und seiner Auferstehung; diese Anamnese geschieht zugleich durch die Darbringung von Brot und Kelch. Die anschließende Epiklese hat folgenden Wortlaut: „Und wir bitten, daß du deinen Hl. Geist in die Opferdarbringung der hl. Kirche senden mögest. Indem du sie vereinigst, gib allen Heiligen, die davon empfangen, daß sie mit dem Hl. Geist zur Befestigung ihres Glaubens in der Wahrheit erfüllt werden, damit wir dich loben und verherrlichen durch deinen Knecht Jesum Christum, durch welchen dir Ruhm und Ehre sei, dem Vater und dem Sohn zusammen mit dem Hl. Geist, in deiner heiligen Kirche jetzt und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen."
Im Bischofsweihegebet wird unter dessen Funktionen ausdrücklich genannt, er ! habe die Gaben der Kirdie darzu-
1. Die Quellen
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bringen. Demgemäß bringen die Diakonen vor dem Eucharistiegabet dem neugeweihten Bischof die oblatio in Gestalt von Brot u n d Wein herzu. Er legt dann während des Betens zusammen mit den Presbytern auf Brot und Kelch die H ä n d e . Aus diesem Zutragen der oblatio hat sich die Opferprozession, das Offertorium, als selbständiger liturgischer Akt entwickelt. Das Verständnis der Eucharistie ist bei H i p p o l y t in hohem Grade vom Opferdenken her bestimmt. Das zeigt deutlich die Epiklese: wenn vom Genuß der mit H l . Geist erfüllten Opferdarbringung (oblatio) geistliche Wirkungen erwartet werden, so erinnert das doch an Erwartungen, die andere Religionen an den Genuß von Opferfleisch knüpfen. Wie weit die Epiklese hier schon „Konsekrationsmoment" (K. = Wandlung der Elemente) bedeutet, darüber besteht in der Forschung keine Einmütigkeit. In der Mysterienlehre O d o Casels (s. S. 177 f) ist der Versuch unternommen worden, den in der Alten Kirche sich entwickelnden Opferbegriff von den antiken Mysterienkulten her zu verstehen. Im kultischen H a n d e l n der Kirche werde demgemäß die Heilsgeschichte „gegenwärtig gesetzt", und darum handele es sich bei der Eucharistie nicht um ein von der Kirche neu zu vollziehendes O p f e r . „Dies Sakrament w i r d , O p f e r ' (sacrificium) genannt, soweit es gerade die Passion Christi vergegenwärtigt", mit diesen Worten des hl. Thomas könne man den tatsächlichen Sachverhalt am zutreffendsten ausdrücken (Summa I I I qu. 73 a. 4 ad 3).
Die Agape (Hauler N r . 75) hat sich von der Eucharistie völlig gelöst. H i p p o l y t nennt sie aber noch „Herrenmahl"; nur der Bischof oder ein ihn vertretender Presbyter, notfalls ein Diakon, dürfen sie halten. Laien pflegen zu ihr einzuladen.— Mancherlei Hinweise auf den Gottesdienst ergeben sich aus dem Schrifttum des Tertullian, des Cyprian und des Origenes. Auch der Afrikaner Tertullian (etwa 195 getauft, gest. nach 220) beschreibt die Agape als eine von der Eucharistie getrennte Feier (Apol. 39). Von den Stücken des sonntäglichen Gottesdienstes nennt er Lesung( de monog. 3
Nagel,
Gottesdienst
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III. Die frühkatholische Zeit und ihr Gottesdienst
12; de praescr. haer. 36,51; adv. gentes 22), Psalmgesang zwischen den Lesungen (de anima 9), Predigt, Fürbittengebet (de anima 9) mit dem Friedenskuß (de orat. 18; ad uxor. I I 4). An Stelle der einst so leidenschaftlichen Enderwartung betet man nun im Gemeindegebet um „Aufschub des Endes" (mora finis — adv. gentes 39 B). Der Gottesdienst mit der Eucharistie soll allmorgendliich vor jeder anderen Mahlzeit begangen werden (ad ux. I I 5; de cor. 3; de orat. 8) unid zwar die Eucharistie nach Entlassung der Katechumenen und Pönitenten (de praescr. haer. 41; adv. gentes 39). Aus der Abendmahlsliturgie wind (wahrscheinlich) das Tris'hagion erwähnt (de orat. 3), ebenso die Einsetzungsworte (adv. Marc. IV 40). Wenn Tertullian vom Vaterunser als der „legitima oratio" spricht, wird auch dieses ein Stück dieser Liturgie gewesen sein. Sonst heißt es von der Eucharistie nur ganz allgemein: „Über dem Brot handelt man mit Danksagungen zu Gott" (adv. Marc. I 23). Vielleicht in Auswirkung der Opfervorstellung gibt es bereits Oblationen der Brautleute (ad uxor. I I 9), solche f ü r Verstorbene (de cor. 3; de exh. cast. 11; de monog. 10) und f ü r Märtyrer (de cor. 3). Die Kommuniionsgabe wird mit 'den H ä n d e n entgegengenommen (de idol. 7), und das Spendewort (?) mit „Amen" beantwortet (de spect. 25). Schon kündigt sich die Sorge an, es könne etwas davon zu Boden fallen (de cor. 33). An einem Fasttag kann der Leib des H e r r n mitgenommen werden, um ihn nach dessen Ende zu genießen (de orat. 19; vgl. ad ux. I I 5 u. 4). Man betet mit erhobenem H a u p t u n d ausgestreckten H ä n d e n gen Osten, Frauen tragen den Schleier (de orat. 14; 17; 22). An Sonntagen und in der österlichen Freudenzeit betet man stehend, in der Fastenzeit knieend (de cor. 3; de orat. 3.23).— Cyprian von Karthago (um 246 Christ, gest. 258), von Tertullian stark beeinflußt, darf „der maßgebende Lehrer der abendländischen Kirche vor Augustin" genannt werden. Die von ihm vertretene Auffassung des Abendmahles hat sich demgemäß in der westlichen Kirche tiefgehend ausgewirkt. Der Vollzug ¡der Liturgie geschah zwar zunächst
1. Die Quellen
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noch nach den überkommenen Formularen, aber deren Verständnis und allmähliche Umgestaltung wurde mehr und -mehr von Cyprians Anschauungen beeinflußt. Wie versteht er das Abendmahl? Was bei Irenaus im Keim vorhanden war und im Eucharistiegebet des Hippolyt, speziell in der Epiklese, greifbar wurde, wird nun als das sachgemäße Verständnis der Eucharistie definiert: sie ist wirkliches Opfer, d . h. „unsere Darbringung des Blutes Christi" (ep. 63,9.15; 37,1; 72,2; de un. eccl. 17). Das darf man freilich nicht so verstehen, als ob für Cyprian Leib und Blut in der Eucharistie bereits real .gegenwärtig wären (ep. 63,2.13; MPL 4, S. 374. 383). F. Loofs hat das, worum es hier geht, vielmehr eine „symbolisch-sakrifizielle H a n d lung" genannt. Gegenstand der priesterlichen Darbringung ist die ganze „passio domini" (ep. 63,17). Diese Opferdarbringung ist nun an die Kirche gebunden, weil ausschließlich der Priester an Christi Statt das wahre und vollgültige O p f e r an Gott darbringt und zwar in Nachahmung des Opfers Christi (ep. 63,14). Was erfahren wir über den Vollzug der Liturgie? Cyprian bestätigt die bei Tertullian unsicheren Aussagen über tägliche Eucharistie (ep. 57,3; 58,1; 63,8; de orat. dorn. 18), ja, er hat anscheinend darauf gedrängt (de or. 18; vgl. ep. 39,4). Den sonntäglichen Gottesdienst eröffnet die „feierliche Verlesung des göttlichen Wortes" durch den geweihten Lektor, der vom Lesepult (pulpitum) aus „das Evangelium Christi verkündet" (ep. 38,2). Ausdrücklich genannt werden nur Epistel- und Evangelienlesung (ep. 34,4; vgl. ep. 25; MPL 4, S. 323. 288 f). Beim eucharisüischen Weihegebet (prex-de or. 31) stehen Liturg und Gemeinde. Als Bestandteile lassen sich die Verba testamenti erschließen (ep. 63,16; vgl. auch ep. 63,10), während die Präfation (de orat. dorn. 31; MPL 4, S. 539) und die Anamnese ausdrücklich erwähnt werden (ep. 63,17). Das Ende der einstigen liturgischen Freiheit kündigt sich an, wenn Cyprian sich mit Entschiedenheit gegen einen wendet, der sich vom Bischof gelöst hat und bei der Eucharistie „ein neues Gebet mit unerlaubten Worten" verwendet (ep. 63,9.11.14; vgl. ep. 75,10: „solita 3'
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III. Die frühkatholische Zeit und ihr Gottesdienst
praedicatio"). Das Vaterunser wird als das „öffentliche und gemeinsame Gebet" hervorgehoben (de orat. dorn. 8); seine Doxologie wird nicht gebraucht (de orat. dorn. 27). Die tägliche Kommunion wird dadurch erleichtert, d a ß es noch immer möglich ist, Teilchen des geweihten Brotes zu diesem Zweck nach Hause zu nehmen (de laps. 26). Kinderkommunionen finden statt (de laps. 25).— Die liturgiegeschichtliche Bedeutung des Orígenes (185 bis 254) beruht vor allem auf seinen Predigten. Durch sie hat er die Ausbildung der gottesdienstlichen Rede in Gestalt der Homilie, d. h. der dem Text von Vers zu Vers folgenden Auslegung, maßgebend bestimmt. Als Bestandteile der gottesdienstlichen Liturgie nennt er: Lesung und Predigt (in Rom. 9,2), Fürbittengebet (in Rom. 10,15), denFriedenskuß (in Rom. 10,33). Kraft des Eucharistiegebetes wird zwar das Brot zum „Leib" und damit zu „etwas Heiligem und Heiligendem" (contra Celsum VIII,33) — in Lev. hom. 13,3 bezeichnet er das Brot als „Brot der Versöhnung" —, doch im Grunde gilt ihm die Anamnese als „das Einzige, was Gott den Menschen geneigt macht". Ja, er kann ausdrücklich sagen: wir essen „die mit Danksagung und Gebet über den Gaben dargereichten Brote" (contra Celsum VIII,57). Auch sonst ist bei ihm ein Zug zur Vergeistigunig des eucharistischen Opfers spürbar (ad rnart. 30). Wenn er sagen kann „Alle Rede von Gott ist Brot" (in Lev. 13,3) oder das Hören des Wortes mit „Trinken des Blutes Christi" vergleicht (in N m . 16,9), so liegen Rückschlüsse auf ein symbolisches Verständnis der Kommunion nahe. Doch vergessen wir nicht, man kann Origenes trotz seiner theologiegeschichtlichen Bedeutung nicht einfach als Vertreter der kirchlichen Lehre ansehen. 2. Die Ergebnisse
Die aus den antiken Religionen 'hereinwirkenden O p f e r vorstellungen führen zu einer «ich zunehmend vertiefenden Wandlung im christlichen Gottesdienstverständnis. Wir sahen oben (s. S. 24), wie das frühe Christentum den
2i Die Ergebnisse
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Begriff „Opfer" nur in übertragenem Sinn sich zu eigen gemacht hat. Immerhin gebraucht schon das Neue Testament das Bild eines Opfermahles für das Herrenmahl (1 Kor 10,14 ff; Hebr 13,10 ff). Mag auch die Didache die Bezeichnung „Opfer" für die Mahlfeier im Blick auf die Dankgebete wesentlich noch als „Lobopfer" verstanden haben, so sind bereits bei Justin die Elemente selbst zur „eucharistierten Speise" geworden (s. S. 29). Von diesem Ausgangspunkt entwickelt sich in unserm Zeitraum das Herrenmahl zu einer spezifischen Opferhanidlung. Dabei haben eine ganze Anzahl verschiedener Momente ineinander gegriffen: nicht nur neue Gesichtspunkte theologischer Deutung, deren wichtigste wir erwähnt haben, sondern vor allem der wachsende Einfluß der religiösen Umwelt durch Neubekehrte, sicherlich auch die Abtrennung der Eucharistie von der gemeinsamen Mahlzeit und nicht zuletzt die Bindung der Feier an den Leiter der Gemeinde als eine Art „Opferpriester". Cyprian hat schließlich das Abendmahl als die Opferhandlung der Kirche theologisch definiert, und sein Verständnis ist für die Folgezeit von nachhaltiger Wirkung geworden. Diese Entwicklung zeitigt drei weitere Auswirkungen: 1. Es ist mindestens seit Justin unwiderleglich, daß sich im sonntäglichen Gottesdienst Wort Verkündigung und Eucharistie miteinander verbinden. Aber die Hinweise auf den Wortgottesdienst sind in den Quellen relativ spärlich. Man meint diesen abzuspüren, wie das Schwergewicht des gottesdienstlichen Geschehens sich zunehmend auf die Eucharistie verlagert. 2. Das Opferdenken läßt den Leiter des Gottesdienstes wieder in die Stellung eines „Priesters" hineinwachsen, der als solcher allein befugt und qualifiziert ist, ein gültiges Opfer darzubringen. Bereits Justin ist gelegentlich der Meinung, Gott nehme nur durch seine Priester Opfer an (Dial. c. Tr. 116). Tertullian bezeichnet besonders deutlich den Wendepunkt: einerseits ist er noch ausgesprochen der Anwalt des allgemeinen Priestertums aller Christen (be-
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III. Die frühkatholische Zeit und ihr Gottesdienst
sonders in seinen montanistischen Schriften), andererseits kann er bedenkenlos den Begriff „sacendos" (Priester) verwenden, ja, rechnet bereits mit der mittlerischen Kraft priesterlicher Gebete (im Zusammenhang mit der oblatio f ü r Verstorbene). Bei Cyprian ist diese Entwicklung zusammen mit der des Opferbegriffs zum Ziel gekommen. 3. Wenn das Abendmahl von Anfang an nur den Getauften zugänglich war, so ist das begreiflich. Von da her mag schon die verhaltene Sprache des Lk-Evangeliums (im kürzeren Abendmahlstext) und des Joh-Evarageliums vom Herrenmahl zu verstehen sein (vgl. auch Hebr 6,4 f). Doch noch Justin kann es verantworten, den Gang auch der Eucharistie in seiner „Apologie" offen idarzulegen, schon um allen bei den Feinden des Christentums umgehenden Gerüchten zu begegnen. Schon bei H i p p o l y t wird das anders, wenn er nicht nur von der Tauf-, auch von der Abendmahlsordnung sagt: „Die Ungläubigen sollen es nicht erfahren" mit einem Schriftbeweis aus Apk 2,17 (TU 58, 1954, 24 f). Es ist die Stimmungswelt der Mysterienfeier, die zusammen mit dem Opferbegriff immer stärker in das Christentum eindringt. Sie -umgibt alle Riten, Formeln und Darbringungen mit der Pflicht zur Geheimhaltung vor der profanen Welt. Infolgedessen beginnt sich vor Ende des 3. jh.s die Arkandisziplin (fides silentii, Verpflichtung «um Schweigen) herauszubilden, die dann im 4. Jh. in vollem U m f a n g festzustellen ist. Vielleicht hängt es sogar damit zusammen, daß wir f ü r die frühkatholische Zeit (mit Ausnahme Hippolyts) im wesentlichen auf Einzelhinweise f ü r das gottesdienstliche Leben angewiesen sind. Wieweit übernommenes Mysteriendenken die Eucharistie geradezu als mystagogischen Vorgang aufgefaßt hat, wird sich kaum mehr feststellen lassen. D a ß von vielen Getauften, die aus jener religiösen Sphäre kamen, etwa der eucharistische Gebetsakt im Sinn jener H y m n e n verstanden worden ist, durch die im Mysteriendrama die Epiphanie der Gottheit f ü r die Eingeweihten herbeigeführt werden sollte, scheint mir keine Frage.
1. A l l g e m e i n e C h a r a k t e r i s i e r u n g
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IV. Die Liturgien im Osten der Reichskirche seit dem 4. Jh. 1. Allgemeine Charakterisierung Die grundlegende Wandlung, die das Verhältnis von Staat und Kirche durch die Religion«- und Kirchenpolitik Konstantins d. Gr. erfuhr und die nach einer kurzen R e a k tion des Heidentums unter Julian Apostata zur Anerkennung der katholischen Kirche als allein -berechtigter Staatskirche führte (380), wirkte sich auch in hohem M a ß auf die gottesdienstliche Entwicklung aus. Zunächst ging es darum, dem christlichen Kultus ein äußeres Gewand zu geben, wie es seiner neuen Stellung im öffentlichen Leben des Reiches entsprach. Demgemäß umkleidete man das gottesdienstliche Gefüge, wie es die vorangegangenen J a h r hunderte geformt hatten, mit einem prunkvollen Zeremoniell, dessen Bestandteile man dem Ritual antiker Kulte, aber auch dem kaiserlichen Hofzeremoniell entnahm. D e r Hervorhebung des Priesterstandes gegenüber der Masse der „Laien" entsprach die liturgische Gewandung, wie -sie nun üblich wurde. Die dogmatischen K ä m p f e um Trinität und Christologie blieben nicht ohne Wirkung -auf die Liturgie. W o immer Gebetsformulare und Doxologien noch heilsökonomische Vorstellungen von der Trinität und eine suboüdinatianische Christologie bewahrt hatten, wurden diese im Sinn der Orthodoxie umgestaltet. D a m i t wurde der Liturgie zugleich eine Aufgabe zugemutet, die ihr im Grunde nicht wesensgemäß ist: wo sie zuvor der unmittelbare Ausdruck des die ganze Gemeinde erfüllenden und bewegenden Glaubens war, sollte sie nun zugleich Mittel dogmatischer Belehrung, ja, Kampfinstrument gegen H ä r e tiker werden. Vielleicht nicht ohne inneren Zusammenhang damit begann man die überkommenen langen Gebete z.u kürzen — sicher kein Zeichen für lebendiges liturgisches Beten. Der nun einsetzende Zustrom der Massen mag auch Gottesdienste von der bisherigen Länge nicht mehr ermöglicht haben. Die dogmatisch gereinigten Liturgien werden fast ausnahmslos unter die Autorität apostolischer Namen
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IV. Die Liturgien im Osten der Reidiskirche
oder bedeutender Vertreter der reichskirchlichen Orthodoxie gestellt; dadurch soll ihre verpflichtende Bedeutung unterstrichen werden. In dieser Berufung auf apostolische Autorität gibt die Orthodoxie zugleich ihrer Überzeugung Ausdruck, im Ertrag der leidenschaftlichen dogmatischen Kämpfe Kernwahrheiten der apostolischen Verkündigung für die Folgezeit sichergestellt zu haben. Von dieser Überzeugung mögen auch Antriebe zu wachsender Vereinheitlichung des Gottesdienstes ausgegangen sein. Viel stärker ist diese Vereinheitlichung noch durch den organisatorischen Ausbau der Reichskirche vorangetrieben worden. Wenn im 4. Jh. zunächst noch jede Gemeinde von einiger Bedeutung ihr eigenes Gottesdienstformular besessen hat, werden nun die kirchlichen Metropolen für die Gottesdienstgestaltung größerer Bereiche maßgebend. Im Osten sind es Antiochien und Alexandria, zu denen dann Kontantinopel und schließlich Jerusalem hinzukommen, im Westen Rom und Mailand. Als dieser ganze Prozeß im 7. Jh. zu Ende geht, halben sich wenige Haupttypen der Liturgie herausgebildet. Die spätere Zeit hat in den östlichen Kirchen am Ergebnis dieser Entwicklung nichts Wesentliches mehr geändert, während der Westen allmählich erst einer Vereinheitlichung im Sinn der römischen Liturgie zustrebt. Trotzdem sind auch hier gegenüber dem im 7. Jh. erreichten Entwicklungsstand keine Eingriffe in die Substanz des Gottesdienstes mehr erfolgt. 2. Ägypten
Das Euchologion des unterägyptischen Bischofs Serapion von Thmuis (gest. etwa 362), 29 von ihm verfaßte oder auch nur gesammelte und vielleicht überarbeitete Gebete, hat darin seine Bedeutung, daß es uns eine klare Vorstellung vom liturgischen Beten jener Zeit vermittelt. Am wichtigsten ist darin das Darbringungsgebet (eù/ii TTpoaipópou) des Bischofs (TU NF II, 3 b. Nr. I). In seiner theologisierenden und zugleich an rhetorische Formen der Zeit erinnernden Sprache strömt es breit dahin. Zunächst wird der unerschaffene, unsichtbare Gott gepriesen, der
2. Ägypten
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sich vom Sohn hat erkennen lassen und durch ihn sich den Heiligen offenbart hat. Daraus erwächst die Bitte um rechte Erkenntnis durch das Werk des Geistes und des Herrn Jesu in den Betern, der Aufblick zu den Engelchören, in deren Mitte Gott thront, und das Einstimmen in den Lobgesang des Dreimalheilig. In der Art audi später ägyptischer Liturgien geht nun das Gebet zu den Einsetzungsworten über und zwar mit dem epikleseartigen Satz „Erfülle auch dieses Opfer mit deiner Kraft und deiner Einflußnahme (TT)S crfis NSTAARIYECÖS). Dir nämlich haben wir dieses lebendige Opfer dargebracht, dieses unblutige Opfer. Dir haben wir dargebracht dies Brot, die Gleichnisgestalt (ö|joico|jcc) des Leibes des Eingeborenen." Zwischen die Brot- und die Kelchworte des Einsetzungsberichtes ist ein Gebet um Vergebung der Sünden und das Gebet um Vereinigung der zerstreuten Kirche aus der Didache (9,4) in erweiterter Form, aber ohne den eschatologischen Bezug (s. S. 22) eingeschoben. Die folgende Epiklese bittet darum, daß der Logos das Brot zum „Leib des Logos" und den Kelch zum „Blut der Wahrheit" wandeln möge. So möge daraus für die Kommunikanten ein leibliches „Heilmittel" und geistliche Stärkung werden. Danach wird für das Volk gebetet, für die Verstorbenen (mit Namensnennung) und für die Spender der Oblation. Die abschließende Doxologie hat die für das 3. und 4. Jh. charakteristische Form „durch deinen Eingeborenen, Jesus Christus, im Hl. Geist." Statt der paulinischen Linie der memoria passionis begegnet uns hier wieder ein Gebetstypus von der Art der Didache; demgemäß fehlt eine Anamnese. Die erwähnte Epiklese vor den Verba testamenti macht den Stiftunigsbericht gleichsam zum nachträglichen „Schriftbeweis" für das dargebrachte Opfer. Da das sakramentale „Tun" bereits vollzogen ist, fehlt auch der Wiederholungsbefehl. So erscheint es nicht unmöglich, daß in der von Serapion repräsentierten liturgischen Überlieferung die Verba testamenti ursprünglich ganz gefehlt haben (wie in der Didache!).— Das Fragment von Der-Balyzeb in Unterägypten (etwa 4. Jh.) überliefert den Wortlaut eines Eucharistiegebetes
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IV. Die Liturgien im Osten der Reichskirche
vom Sanctus ab. Wie im Euchologion folgen die Einsetzungsworte einer Epiklese. Hier aber findet sich eine Anamnese an Tod und Auferstehung (nach 1 Kor 11,26). Der nach einer Lücke vorhandene Schluß des Gebetes läßt auf eine Bitte um gesegneten Genuß schließen. Dieses „Hochgebet" ( = der die Wandlung einschließende Gebetsakt beim Abendmahl) ist ideutlich von der sonst in der syrischen Liturgie sich auswirkenden paulmischen Tradition beeinflußt.— Das Euchologion wie das genannte Fragment stehen in engem Zusammenhang mit der alexandrinischen, dem Markus zugeschriebenen Liturgie. Sie darf als die für Ägypten charakteristische Liturgie gelten. Ein in der gesamten liturgischen Tradition einmaliges Element bedeutet das epikletische Gebet vor den Einsetzungsworten, das der Markusliturgie mit Serapion und dem Fragment gemeinsam ist. Die später folgende zweite Epiklese w i r d man bei Serapion wie der Markusliturgie (im Fragment weggebrochen) aus der Einwirkung syrischer Tradition zu erklären haben, zumal die Markusliturgie dieser auch sonst nahesteht. Vielleicht sind überhaupt erst von da her die Veiba testamenti und -dann eine Anamnese in die ägyptische Liturgie eingedrungen, um eine weitere Epiklese zur Folge zu haben. Die Markuslicurgie verrät durch ihre Beteiligung der Gemeinde in Form von Responsorien ( = liturgische Antwortgesänge) noch ein Wissen um die Bedeutung des priesterlichen Mithandelns der Gemeinde im Gottesdienst. Die Markusliturgie ist zusammen mit anderen koptischen Formen später von ider Basiliusliturgie verdrängt worden, während -die Monophysiten Liturgien aus syrischer Tradition übernahmen. (Text der Markusliturgie in: Brightman, Liturgies eastern and western. Bd. I, 1896. S. 113 ff.)— 3. Syrien
Weit gewirkt hat der nordsyrische Ritus, repräsentiert durch die Liturgie von Antiochia. Ihre Quelle sind die Apostolischen Konstitutionen aus dem Ende des 4. Jh.s (F. X. Funk, Didascalia et Constitutiones Apostolorum.
3. Syrien
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2 B d e . 1 9 0 5 ) . Dieses in 8 B ü c h e r n v o r l i e g e n d e , a u s s t a r k überarbeiteten Q u e l l e n k o m p i l i e r t e kirchenrechtliche W e r k b i e t e t i n Buch I — V I die sogen. „ D i d a s k a l i a , id. i. die k a t h o l i s c h e L e h r e d e r 12 A p o s t e l u n d h l . Schüler u n s e r e s E r l ö s e r s " , i m V I I . Buch eine Ü b e r a r b e i t u n g d e r D i d a c h e ( K a p . 1 — 3 2 ) u n d eine a u c h s p ä t e r g e b r a u c h t e jüdische G e b e t s s a m m l u n g ( K a p . 3 3 — 3 8 ) , w ä h r e n d Buch V I I I die sogen. „ Ä g y p t i s c h e K i r c h e n o r d n u n g " s. S. 31) n e b e n a n d e r e m v e r a r b e i t e t h a t . H i e r findet sich in K a p . 5 — 1 5 die w i c h t i g e s o g e n . „ C l e m e n t i n i s c h e L i t u r g i e " ( n a c h d e r a n g e b l i c h e n H e r k u n f t des g a n z e n W e r k e s v o n d e m A p o s t e l schüler P a p s t C l e m e n s I . ) . D e n L i t u r g i e w i s s e n s c h a f t l e r i n t e r essieren v o r a l l e m Buch I I u n d V I I I d u r c h i h r e r e i c h h a l t i gen, e i n a n d e r e r g ä n z e n d e n A n g a b e n ü b e r die G o t t e s d i e n s t ordnung. Buch II bietet in K a p . 57 den Verlauf des sonntäglichen Gottesdienstes (vgl. 11,59): vier Lesungen aus dem Alten Testament, der Apg, den paulinischen Briefen, den Evangelien •— zwischen je 2 Lesungen ein zwischen Psalmsänger (11,27) und Gemeinde responsorisch gesungener Psalm — Predigten einiger Presbyter und des Bischofs — Entlassung der Katechumenen und Büßer — stehend gen Osten gesprochenes Gebet — H e r z u tragen der Prosphora durch die Diakone, die zugleich f ü r Ruhe im Gotteshaus zu sorgen haben — Ruf des Diakons: „Keiner sei wider den anderen, keiner ein Heuchler!" — Friedenskuß-Ektenie ( = Gebet, bei dem der D i a k o n die Gebetsanliegen nennt, die Gemeinde sie mit „Herr, erbarme dich!" a u f n i m m t und der Liturg mit einem Kollektengebet abschließt) — Segen des Bischofs, erweitert aus 4 Mose 6. N u n folgt die O p f e r h a n d l u n g ( ö u a i a ) , w ä h r e n d der die Gemeinde stehend in stillem Gebet verharrt. M a n kommuniziert in einer bestimmten O r d n u n g . Wie sehr sich der Stimmungsgehalt der Mahlfeier, nicht ohne Einfluß der Mysterienfrömmigkeit, verändert hat, zeigt die Feststellung, d a ß man „mit Scheu und frommer Furcht" den Herrenleib und das Blut empfange, wie auch die Diakone bei der Prosphora nur mit Furcht dem Leib des H e r r n dienen könnten. Die Agape ist zur Speisung armer Gemeindeglieder herabgesunken; trotzdem erhält die Priesterschaft ihren Anteil davon (11,28). I n w e l c h e r W e i s e e r g ä n z t die C l e m e n t i n i s c h e L i t u r g i e diese A n g a b e n des I I . Buches? Sie stellt d e n G o t t e s d i e n s t
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im Anschluß an eine Bischofsweihe dar und z w a r in folgender Ordnung: vierfache Schriftlesung (jetzt aus Gesetz, Propheten, Episteln oder Apg, Evangelien) — Salutatio — Predigt des Bischofs als ermähnender Zuspruch und Lehre — Entlassung anwesender Nichtchristen — viergliedriges Gebet f ü r die Katechumenen, Energumenen, Täuflinge und Büßer mit Entlassung jeder Gruppe nach dem ihr geltenden Gebetsakt — allgemeines Fürbittengebet — Friedensgruß und Friedenskuß — symbolische Handwaschung — die Diakone sollen nun auf würdige H a l t u n g der Gemeinide unid die Türen achten, damit kein Fremder eintrete; es ist ja die Stunde der „Anaphora", wie nun im Osten die gesamte Eucharistiefeier benannt wird. Ein Diakon mahnt die Gemeinde zu O r d n u n g u n d rechter H a l t u n g gegenüber dem Bruder. D a n n fordert er auf, „mit Furcht und Zittern vor dem H e r r n " darzubringen. — Herzubringen der Oblationen zum Altartisch — mit Wechselgruß eingeleitetes Eucharistiegebet des Bischofs. Dies Gebet stellt die Forschung allein schon durch seine Ausdehnung vor schwierige Fragen. Ist es in dieser Länge tatsächlich gebetet worden? Ist es nur eine Art „Musterformular", das dem Bischof Material f ü r das von ihm erst zu gestaltende Gebet darbieten sollte? Wie weit sind d a f ü r ältere Quellen (jüdische!) benutzt worden? Mir scheint dies Stück am ehesten so gemeint, daß es dem Liturgen H i l f e zu meditativer Versenkung in die Heilsgeschichte geben wollte, aus der dann als Frucht sein eigenes Gebet erwachsen sollte. Immerhin ist dies „Eucharistiegebet" ein Beispiel, welchen A u f b a u man in Antiochien am Ende des 4. Jh.s dem Hochgebet gegeben hat.
Das Dankgebet, dem das „Sursum corda" und die Aufforderung zum Danken in dialogischer Form vorausgehen, gliedert sich durch das vom Volk aufzunehmende Sanctus in zwei große Teile. Das Ante-sanctusgebet ( = Gebet vor dem „Heilig") preist Gott als den Schöpfer. Die Sprache der Philosophie hat hier gegenüber der Bibel das Übergewicht. Der Betrachtung der Schöpfung