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German Pages 258 [257] Year 2015
Björn Bollhöfer Geographien des Fernsehens
Björn Bollhöfer (Dr. rer. nat.) studierte Geographie und Germanistik in Köln. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind (Neue) Kulturgeographie und Cultural Studies.
Björn Bollhöfer Geographien des Fernsehens. Der Kölner Tatort als mediale Verortung kultureller Praktiken
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© 2007 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung & Innenlayout: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Tatort »Rückspiel« (2002), © WDR/Michael Böhme Lektorat & Satz: Björn Bollhöfer Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-621-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
INHALT
Vorspann 9
Geographie und Fernsehen 10
Der Tatort als Forschungsgegenstand 17
Forschungsüberblick 22
Aufbau der Arbeit 30
Geographie und Kultur 33
Klassische Kulturkonzepte 36
Bedeutungsorientierte Kulturkonzepte 37
Kulturkonzepte der Cultural Studies im Spannungsfeld des (Post-)Strukturalismus 41
Thematische Öffnung: Edward W. Saids Orientalism 53
»Kultur ist räumlich« – Raum als kultureller Text 56
Zwischenfazit 61
Geographie und Kommunikation 65
Traditionelle Kommunikationsmodelle 67
Careys Ritualmodell 68
Thematische Öffnung: Benedict Andersons Erfindung der Nation 70
Kommunikation als aktiver Prozess 72
Raum als kommunikativer Prozess 78
Zwischenfazit 83
Geographie und Fernsehen: Die filmische Stadt als zirkulärer Prozess 85
Der circuit of culture 86
Aspekte der Repräsentation 90
Aspekte der Produktion 97
Aspekte der Rezeption und Aneignung 105
Fragestellungen 110
Forschungsdesign und Methodik der empirischen Analyse 113
Methodologische Vorbemerkungen 113
Anlage der Untersuchung 115
Repräsentationsanalyse 116
Produktionsanalyse 120
Rezeptionsanalyse 124
Erzählte Räume: Zur Repräsentation der Stadt 127
Die Stadt als Topographie des Verbrechens 127
Die Stadt als inszenierte Authentizität 137
Räume und Grenzen (in) der Stadt 150
Jenseits der Stadt – jenseits der Heimat? 161
Die Stadt als Rätsel 164
Verortung des Verbrechens 169
Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse 171
Kodierte Räume: Zur Produktion der Stadt 175
Allgemeine Produktionskontexte des Tatort 175
Die Inszenierung der Stadt aus Sicht der Filmemacher 178
Exkurs: Tatort Münster – Das schönere Köln? 200
Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse 203
Dekodierte Räume: Zur Rezeption der Stadt 205
Spurensuche in der Stadt 205
Die Auseinandersetzung mit der Stadt im Online-Forum einer Fanpage 209
Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse 220 Resümee und Ausblick 223
Danksagung 229
Literaturverzeichnis 231
Abspann 251
Filmliste 251
Gesprächspartner 255
VORSPANN Seit nunmehr 35 Jahren schreibt der Tatort eine Erfolgsgeschichte, die einmalig ist im deutschen Fernsehen. Jeder zweite Bundesbürger sieht jährlich mindestens eine der neuen Folgen, berücksichtigt man zudem die Wiederholungen in den Dritten Programmen, so sind es 62%, also rund 44 Millionen Menschen, die dem Tatort ihre Aufmerksamkeit schenken (Programmdirektion Erstes Deutsches Fernsehen 2002: 6). Dieses Phänomen lässt sich wohl nur begreifen, weil es dem Tatort gelungen ist, ein Kind seiner Zeit zu bleiben, weil er stets aktuelle Themen und gesellschaftspolitische Problemlagen aufgreift und zu spannenden Kriminalgeschichten verarbeitet. Wie kaum eine andere Spielfilmreihe hat sich der Tatort aber auch einer engen Verknüpfung von Regionalität und Kriminalgenre verpflichtet. Für diese Konzeption hat sich die ARD auf ihre föderalistische Struktur berufen und auf Geschichten mit landschaftlich wechselnden Schauplätzen und ausgeprägtem Lokalkolorit gesetzt, die von den einzelnen Landesrundfunkanstalten produziert werden. Vor diesem Hintergrund sollen die über 600 Folgen und 70 Ermittler(-teams) durchaus auch als regionale Visitenkarten der unterschiedlichen Sendeanstalten verstanden werden. Sieht man sich aber die Tatort-Städte und ihre sozialen Milieus genauer an, so wird deutlich, dass zwar weitgehend an Original-Schauplätzen gearbeitet wird, ihre jeweilige Auflösung in den Drehbüchern und Kamerahandlungen aber allzu oft sehr weit vom Alltäglichen und Besonderen wegführt. Wenn also das Medium selbst die Stadt und ihre Darstellung hervorbringt, dann gilt es nicht nur das Konzept des Tatort zu hinterfragen, sondern dann müssen auch die Verortungspraktiken im Kontext von Repräsentation, Produktion und Aneignung analysiert werden, in denen Raum und Identität in unterschiedlicher Weise definiert werden. Vor diesem Hintergrund soll aus einer kulturgeographischen Perspektive heraus untersucht werden, wie räumliche Strukturen und Bedeutungszuschreibungen im Kölner Tatort artikuliert werden. Ausgehend von einer differenzierten Analyse der filmischen Repräsentation werden dazu sowohl Kontexte der Produktion als auch der Rezeption in den
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Blick genommen, um zu zeigen, wie und mit welchen Mitteln die filmische Stadt unter medialen Bedingungen verhandelt wird. Die Analyse der Kölner Tatort-Reihe dokumentiert so die komplexen Zusammenhänge von kommunikativen, ökonomischen und technisch-apparativen Faktoren, die die räumliche Konstruktion medialer Texte beeinflussen. Damit zielt die Untersuchung insgesamt auf die Rekonstruktion von Wirklichkeitsdeutungen einer Stadt in ihren kommunikativen Prozessen. Die vorliegende Arbeit verbindet die theoretische Rahmung von Medien, Kultur und Geographie mit einer systematischen Analyse öffentlicher Bildwelten. Sie folgt damit der Annahme, dass das Medium Fernsehen an einem komplexen, kulturellen Prozess teilnimmt, in dem räumliche Bedeutungszuschreibungen und Wertvorstellungen erzeugt und konsumiert werden. In dieser Perspektive betont die Untersuchung die Relevanz medialer Texte und rückt sie als semiotische Gebilde mit vielfältigen Bedeutungspotenzialen in den Blick einer kulturgeographischen Betrachtungsweise. Diese noch genauer zu bestimmende und zu analysierende Kopplung von Geographie und Fernsehen wirft vielfältige Fragen nach der Transformation des Räumlichen unter medialen Bedingungen auf. Mit der kritischen Überprüfung des Verhältnisses von Raum, Genre und Fernsehen, von Kultur, Geographie und Medien nimmt die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Tatort ihren Anfang. Dazu wird das Filmmaterial auf seine mehrdeutigen und kontextuellen Spuren hin untersucht, um Indizien und scheinbare Nebensächlichkeiten aufzuspüren, die bislang weitgehend übersehen worden sind. Auf diese Weise fügen sich nach und nach Geographien des Fernsehens zusammen, die aus dem Entziffern der Spuren entscheidende Hinweise auf die räumliche Organisation und Ordnung des Tatort liefern. Die Leser1 mögen dieser geographischen Ermittlung im Fall Tatort folgen, um den vielfältigen Spuren, Indizien und Beweisstücken einer Repräsentation des Räumlichen im Kontext von Produktion und Rezeption nachzugehen.
Geographie und Fernsehen The Day After Tomorrow (USA 2004), Tsunami (D 2004), Dante’s Peak (USA 1997), Tornado (USA 1996), Twister (USA 1996) – die Erfolge an den Kinokassen und bei den Einschaltquoten der letzten Jahre sprechen 1
Wenn hier von Lesern die Rede ist, so sind die Leserinnen gleichermaßen gemeint. Die Arbeit verzichtet aus stilistisch-sprachlichen Gründen jedoch auf die explizite Aufführung der weiblichen Form. 10
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eine deutliche Sprache: Die Visualisierung und thematische Einbindung von Geographie hat in Film und Fernsehen wichtige Institutionalisierungsformen gefunden, die sich mit einer regelmäßigen Unmittelbarkeit Zutritt in die Wohnzimmer der Zuschauer verschaffen. Diese Filme sind jedoch nicht nur bloße Unterhaltung, sondern sie hinterlassen sehr einprägsame Bilder, die unsere Vorstellungen von geographischen Prozessen, Ereignissen und Gefahren beeinflussen. Dass in einer Mediengesellschaft auch Städte, Länder und Nationen durch Medienbilder strukturiert sind, klingt also nicht nur plausibel, sondern verweist auch auf die Geschichte des Films, die sich nicht ohne Motive des Reisens, Flanierens und Entdeckens schreiben lässt (vgl. Bruno 2005). Filme wie Berlin. Die Sinfonie der Großstadt (D 1926/27) oder Paris qui dort (F 1923), aber auch Crocodile Dundee (AUS 1986), Winnetou (D 1963) oder Lawrence of Arabia (USA 1962) haben jahrzehntelang die Vorstellungen über ferne Landschaften und fremde Menschen geprägt, indem geographisch eher unbestimmte Regionen in Abhängigkeit von Kamera und Filmemacher definiert werden. Aber auch geopolitische Ereignisse wie der 11. September 2001 und kulturelle Imaginationen des Orients oder der Heimat werden in Form von medialen Bildern in unserem Gedächtnis gespeichert. Medien sind durchzogen von Figuren räumlichen Wissens, sie konstruieren Gegenstände und Ordnungen des Räumlichen und inszenieren diese Räume in spezifischen Repräsentationsformen. Die öffentliche Konstruktion von Raum, Identität und Territorialität vollzieht sich also maßgeblich in der populären, unterhaltenden Medienkultur. Es ist deshalb umso erstaunlicher, dass Film und Fernsehen im akademischen und didaktischen Bereich zwar eingesetzt werden, um bestimmte geographische Ereignisse zu illustrieren, aber relativ selten selbst Gegenstand einer eigenen fachlichen Auseinandersetzung sind. So bleibt festzustellen, dass in der bisherigen Diskussion weder die Visualisierung des Räumlichen in Film und Fernsehen noch die zunehmende Relevanz der Medien und der Unterhaltungskultur adäquat berücksichtigt worden sind. Vor allem das Fernsehen ist gegenwärtig aufgrund seiner Omnipräsenz und permanenten Verfügbarkeit ein konstitutives Element der alltäglichen Realität, das mit seinen eindringlichen Bildwelten einen kaum zu überschätzenden Faktor der Meinungsbildung darstellt: Sei es im häuslichen Wohnzimmer oder in Wartebereichen, auf öffentlichen Plätzen, im Flugzeug oder – gänzlich mobil und individualisiert – als Teil des tragbaren Telefons unmittelbar am Körper. Aber vielleicht gerade wegen dieser Allgegenwärtigkeit und Beliebtheit, die das Fernsehen genießt, hat es lange gedauert, bis ihm eine adäquate wissenschaftliche Aufmerksamkeit zu Teil wurde. Lange Zeit war es in der Diskussion, die das Medium begleitet, nicht selbstverständlich, dass das Fernsehen ein
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integraler Bestandteil unserer Kultur sein könnte. Auf breiter Front wurde in kulturpessimistischen Zeitdiagnosen die Ansicht vertreten, dass Fernsehinhalte wie Fernsehnutzung ein Ende des kulturellen Lebens darstellen. Vor allem in der bundesrepublikanischen Diskussion wurde dabei die Theorie der Kulturindustrie von Horkheimer und Adorno (1969) als Ausgangspunkt für eine kritische Betrachtung der Massenmedien und ihres Einflusses auf Kultur und Gesellschaft herangezogen. Auf diese Weise wurde versucht, Massenmedien als Instrumente der Kontrolle und Manipulation der Konsumenten zu interpretieren (vgl. Winter 1999: 35). In dieser Denktradition stellen Film und Fernsehen bis heute eine Bedrohung der kulturellen Identität und der gesellschaftlichen Entwicklung dar (etwa bei Bourdieu 1998 oder Postman 1985). Auf der anderen Seite stehen dieser ästhetisch, moralisch oder politisch motivierten Medienkritik zahlreiche Fürsprecher gegenüber, die Massenmedien als Chance einer umwälzenden Entwicklung begreifen, welche die Aufhebung eines entfremdeten oder vereinseitigten Kulturzustands in Aussicht stellt (vgl. Keppler 2000). Die äußerst kritische Einschätzung der Kulturindustrie und ihrer gesellschaftlichen Funktion ist im Kontext einer theoretischen Aufwertung der Massenkultur und der Differenzierung popkultureller Phänomene obsolet geworden. Schon bei Benjamin (1963) und McLuhan (1992) wird das Auftreten der neuen Kommunikationsmedien als Zeichen eines Anfangs einer freien ästhetischen und politischen Kultur gedeutet. Aber erst im Zuge postmoderner Kritik, die die Distanz zwischen Unterhaltungs- und ›ernster‹ Kultur zu überwinden sucht, gelingt eine breite akademische Öffnung gegenüber den Medien und der Unterhaltung. So ist Grossberg zuzustimmen, wenn er die Auseinandersetzung mit dem Populären historisch relativiert: »Die Konstruktion des Populären ist seit jeher Ort eines nicht endenden Kampfes; sein Inhalt verändert sich von einer historischen Periode zur nächsten genauso wie sein Publikum. Im ›Populären‹ vermischen sich unterschiedliche Bedeutungen und politische Werte, die dominant, subordiniert oder oppositionell sein können – hier prallen sie aufeinander« (Grossberg 1999a: 224).
Kulturtheoretiker wie Roland Barthes (1964) und Umberto Eco (1984) wenden sich schon früh den Massenmedien zu und zeigen, dass sich die Popularisierung von Ideen und kulturellen Praktiken nicht einfach mit der unterstellten Banalität der Inhalte und der Minderwertigkeit ihrer Botschaften abtun lässt. Musik, Film und Literatur sind für sie ebenso als ernst zu nehmender Ausdruck von Zeitgeist zu analysieren wie die Boulevardpresse oder die Werbung, die auf ihre Weise zur Sensibilisierung der Zeitgenossen und zur Auseinandersetzung mit den Zeitumständen
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beitragen. Mit diesem Blick auf Kultur bereiten Barthes und Eco den Weg, Zeichen und Praktiken des Populären zu inventarisieren und ihre Verankerung im Alltag der Menschen zu bestimmen. Vor allem in der Medien- und Kommunikationswissenschaft hat die Auseinandersetzung mit Populärkultur in den letzten zwei Jahrzehnten zugenommen, aber auch die Sozialwissenschaften beginnen eine kritische Debatte um Popkultur und Medien. Maßgeblichen Anteil an der wachsenden Akzeptanz von Unterhaltung haben die Vertreter der Cultural Studies, die eine Beschäftigung mit populärer Kultur in Aussicht stellen, ohne dabei den Anspruch komplexer gesellschaftstheoretischer Reflexion aufzugeben. Sie eröffnen einen neuen Blick auf populäre Medieninhalte, auf Nutzungsverhalten und damit auch auf die Rezipierenden von Unterhaltung. Dabei legen die Cultural Studies spezifische Kriterien an Populäres an: Ihre Arbeiten stellen die Eigenheiten populärer Texte heraus und zeigen, dass sie nach anderen Regeln als nach ästhetischen Vorstellungen organisiert sind. Ganz bewusst wird dabei die Bedeutung von Kultur erweitert: Weg von einem elitären Kulturverständnis, das sich an ästhetischen Normund Qualitätskriterien orientiert, hin zum alltäglichen Umgang mit kulturellen Angeboten, hin zum Begriff der Alltagskultur. Dieser Paradigmenwechsel hat wiederum die anderen Wissenschaften beeinflusst, beispielsweise die Lebensstildiskussion der Soziologie oder die Imageforschung der Sozial- und Kulturgeographie. Diese Aufwertung von populärkulturellen Praktiken, die den Fokuswechsel in der Wissenschaft begleitete, geht mit einer Reformulierung des Kulturbegriffes einher. Gleichzeitig wird in direktem Gegensatz zu den Überlegungen der Kritischen Theorie die Fähigkeit von Rezipienten herausgestellt, Massenkultur auch gegen eine ideologisch geprägte Lesart nutzen zu können. Ein solcher Blickwinkel schafft die Vorraussetzung dafür, Kultur als Zirkulation von Bedeutung und als konfliktäres Feld zu konzeptualisieren. In dieser Perspektive wird Kultur nicht mit materiellen Artefakten gleichgesetzt oder auf elitäre Institutionen reduziert. Im Vordergrund stehen vielmehr der Prozess der Entstehung und Hervorbringung von Kultur, die Zirkulation und Aushandlung von Bedeutungen sowie die kreativen Aspekte von Kultur. Das Erkenntnisinteresse einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Kultur muss sich dann auf die symbolischen Formen, auf die Praktiken der Repräsentation und auf die Artikulation von Kultur im Produktions- und Rezeptionsprozess richten. Gerade das »Leitmedium« Fernsehen (Mikos 2001) stellt aus dieser Sicht einen wichtigen Lieferanten von Bedeutung für den diskursiven Aushandlungsprozess in einer Gesellschaft dar. Im »Kampf um Bedeutung« (Hall 1992) steht es an kulturell exponierter Stellung, um kulturelle Texte zu transportieren und die Konstruktion von Bedeutung zu präfigurieren
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(vgl. Fiske 1999). Fernsehtexte stellen als symbolische Formen der Kultur in gewisser Hinsicht Konstruktionen unserer Gesellschaft dar. In ichnen werden bestimmte Themen, Strömungen und Entwicklungen, die in unserer Gesellschaft zirkulieren, aufgegriffen und oft komprimiert umgesetzt. Fiske (1987) betont in diesem Zusammenhang, dass filmische Texte nach der Vervollständigung durch die Zuschauer verlangen und erst dadurch ihr volles semantisches und symbolisches Potential entfalten. In diesem Sinne können Filmtexte also lediglich Angebote machen und mögliche Lesarten zu favorisieren versuchen, sie können aber nicht Bedeutungen endgültig festlegen. Filmtexte sind damit grundsätzlich zum Wissen, zur Erfahrung und zur sozialen Kommunikation der Rezipienten hin geöffnet, d.h. sie werden nicht nur bewertet, sondern ihre Bedeutung wird kommunikativ verhandelt. Anstelle eines Instruments der Herrschaft und Manipulation müssen Medienereignisse somit als ein umkämpfter Bereich verstanden werden, der auf kultureller Ebene die wesentlichen Konflikte und Bedeutungen einer Gesellschaft (re-)produziert (vgl. Kellner 2005: 26). Die wachsende Bedeutung der Medien in unserer Gesellschaft und die Entwicklung artifizieller Räume und virtueller Realitäten verweisen nachdrücklich auf die Notwendigkeit, das Verhältnis von Raum, Kultur und Kommunikation genauer zu betrachten. Wie wohl kaum ein anderes Medium vermag das Fernsehen die Bilder und Symbole einer Gesellschaft – und damit auch die Vorstellungen von Stadt und Raum sowie die Wahrnehmung in und von urbanen Strukturen – zu generieren und zu transportieren. Die allgegenwärtigen medialen Bildwelten verweisen auf Sinn- und Identitätsentwürfe, auf Traditionen und symbolische Ordnungen, um auf diese Weise nicht nur eine soziale und kulturelle, sondern auch eine räumliche Verortung vorzunehmen. Gleichzeitig werden lokale wie nationale Wirklichkeiten durch das Ineinandergreifen von realen und filmisch konstruierten Topographien im Prozess der Mediatisierung von Images und Symbolen überlagert, die zu einer Verschiebung in der Wahrnehmung städtischer Räume führen können. Dem Fernsehen kommt somit eine besondere Bedeutung zu für die Einschätzung und Beurteilung der sozialen Realität, für die lebensweltliche Orientierung und die Identitätsbildung der Zuschauer (vgl. dazu Meyrowitz 1987). Guggenberger schreibt: »Im Zeichen der beliebigen Simulierbarkeit sozialer Situationen sind nicht mehr physische Orte samt ihren Akteuren und ihrer unverwechselbaren Atmosphäre für Stimmungen und Gefühle verantwortlich, sondern Massenprogramme. Die neue Medienumwelt, in der wir uns bewegen, prägt viele von uns stär-
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ker als der reale Stadtteil, die Flußlandschaft und der historische Charakter der Region, in der wir leben« (Guggenberger 2000: 44).
Mit dem Begriff der medial veränderten Wahrnehmung und Erfahrung steht insgesamt auch derjenige der Wirklichkeit neu zur Diskussion. Dabei sind die Fragen nach dem Zusammenhang zwischen Wirklichkeit, Inszenierung und Authentizität so zahlreich wie die Antworten. Immer wieder aufs Neue werfen sie erkenntnistheoretische Probleme auf und machen die schon erreichten, scheinbar festen Vorstellungen und Konzepte erneut brüchig. Eine Auseinandersetzung mit den komplexen Themenbereichen von Wirklichkeit und Authentizität im Bereich des Medialen mündet schnell in einer begrifflichen Heterogenität mit instabilen Kategorien unterschiedlicher Herkunft und geringer Trennschärfe. Es besteht jedoch weitgehende Einigkeit darüber, dass die natürliche und die soziale Wirklichkeit keine vorgegebenen Größen sind, an der mediale Präsentationen von außen gemessen werden können. Aber ebenso wenig ist die Wirklichkeit der modernen Welt im Ganzen eine mediale Simulation in dem (Baudrillardschen) Sinn, dass die Regeln der medialen Produktion und die Regeln des sozialen Lebens generell ununterscheidbar geworden wären. Medien sind »Instrumente der Wirklichkeitskonstruktion« (Schmidt 1999: 121), wobei sich die Inhalte immer in Beziehung zu anderen Medien und diskursiv vorgeprägten Wirklichkeitsentwürfen setzen. Medien leisten eine Perspektivierung von Realität, sie setzen Relevanzen, mit denen die Wirklichkeit wahrgenommen wird, und sie stiften Sinn, indem Präferenzstrukturen in die Erfahrungsdaten der Zuschauer einbezogen und Fragen nach dem ›Wo‹ und ›Warum‹ beantwortet werden. Diese Durchdringung unseres Alltagslebens und unserer Phantasien mit Medien führt zu Fragen, wie Filme eine »fiktionale soziale Realität« (Mikos 1994) erschaffen können und welche Einblicke sie uns in soziale, (geo-)politische und kulturelle Strukturen und Prozesse vermitteln können – Fragen, die auch zunehmend in der Geographie auf großes Interesse stoßen: »We routinely make sense of places, spaces, and landscapes in our everyday lives – in different ways and for different purposes – and these ›popular geographies‹ are as important to the conduct of social life as are our understandings of (say) biography and history« (Gregory 1994: 11).
Dabei sind die Geographien des Films zu komplex, um sie einfach als Fiktion, Unterhaltung, Symbolismus oder Kommentierung beiseite zu schieben. In vielfacher Hinsicht ist Film Geographie, da er mehr zu sein
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vermag als ein sich bewegender Raum: Indem Raum zeichenhaft vermittelt wird, macht Film Geographie interpretier- und lesbar. Der Film als Signifikationsapparat konstruiert ein geographisches Imaginäres, indem er ein ganzes Inventarium an Bildern, Lebensstilen und räumlichen Strukturen entwirft, das es erlaubt, eine sozialräumliche Realität zu kartieren und in eine bestimmte imaginäre Ordnung und Kohärenz zu bringen. Diese Visualisierungen vermitteln soziale Bedeutungen, ermöglichen räumliche Identifizierungen und dienen als Folie für zahlreiche Sinnzuschreibungen im Kontext spezifischer Produktions- und Rezeptionsbedingungen. Vor diesem Hintergrund erscheint Film als »eine für die Moderne maßgebliche Raumtechnik, man könnte auch sagen: eine Kulturtechnik des Raumes. Viele seiner (Selbst-)Darstellungs- und Repräsentationsmodi lassen sich über ein Nachdenken seiner Verräumlichungsstrategien im Prozess der Produktion wie der Rezeption ganz gut einsehen« (Ries 2004: 1).
In der hier eingeschlagenen Perspektive lassen sich die sozialen und räumlichen Dimensionen von Kultur immer auch als ihre medialen Artikulationen lesen. Die Erscheinungen einer Kultur werden somit nicht nur an physisch-materielle Verhältnisse angepasst, sondern prägen ihrerseits die Repräsentationen von Orten und Landschaften sowie die Struktur raumgebundener kultureller Praktiken. Kultur findet so ihren Ausdruck im Raum, und die Geographie schreibt sich dieserart als sinnerfüllter Raum in das Symbolische ein. Dennoch hat sich die deutschsprachige geographische Debatte nach dem Zweiten Weltkrieg sehr weit von den kulturellen und medialen Voraussetzungen und Rahmungen räumlicher Phänomene entfernt. Die zunehmende Virtualisierung sozialer und räumlicher Beziehungen wie auch die mediale Konstruktion künstlicher Welten legen jedoch eine Neuorientierung geographischer Perspektiven nahe. Denn wenn die Wirklichkeit konstruiert und fiktionalisiert wird, müssen gerade die Prozesse der Repräsentation, Produktion und Aneignung des Wirklichen zum zentralen Thema der Diskussion und der wissenschaftlichen Untersuchung gemacht werden. Vor allem audiovisuelle Medien verlangen aufgrund ihrer Allgegenwärtigkeit und meinungsbildenden Funktion in unserer Kultur besondere Aufmerksamkeit, wenn zwischen Kognition, Kommunikation, Medien und Kultur ein wechselseitig konstitutiver Zusammenhang besteht (dazu Schmidt 1999). Insgesamt verdeutlicht das Thema Geographie und Fernsehen, dass für den individuellen Zuschauer wie für eine Gesellschaft als Ganzes ein kritischer und reflexiver Umgang mit der Konstitution von Bedeutungszuschreibungen notwendig ist. Daher bildet eine Auseinandersetzung mit
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medialen Strukturen, Gestaltungsformen und Wirkungsmöglichkeiten die Grundlage, um die symbolische Artikulation von Raum – und damit auch von Kultur – bewerten zu können: »The meanings constituted through film do not simply reflect or report on space, place, and society, but actively participate in the production and consumption of the larger cultural systems of which they are a part« (Hopkins 1994: 50). In dieser Arbeit soll es um die Übersetzung von Geographie in filmische Landschaften, um die räumliche Begrenzung und Ausdifferenzierung einer mediatisierten Kultur gehen, oder weniger abstrakt: um die Repräsentation, Produktion und Aneignung von Räumen, Territorien und Orten im Fernsehkriminalfilm. Eine Analyse populärer Filme lässt sich als Möglichkeit verstehen, in einen kritischen Dialog der Gesellschaft mit sich selbst einzugreifen und kulturelle Konflikte und Diskurse zu artikulieren (vgl. Giroux 2002). Der Film wird somit als Dispositiv von Kultur problematisiert, so dass die Interpretation filmischer Texte nicht zuletzt auch auf eine Re- und Dekonstruktion kultureller Selbstbeschreibungsmuster zielt.
Der Tatort als Forschungsgegenstand Der Kriminalfilm gehört seit Beginn des deutschen Fernsehens zu den wichtigsten Bestandteilen der Unterhaltungswelt. Als besonders prominentes und daher als trivial markiertes Genre stand er jedoch aus kulturkonservativer Sicht nie unter ›Kulturverdacht‹ (vgl. Viehoff 2005: 103). Dabei ist das Kriminalgenre ein besonders dankbares Untersuchungsobjekt, denn es enthält nicht nur Hinweise darauf, wie die Themen Gewalt, Recht, Verrätselung und Detektion narrativ gestaltet werden können. Auch deren Einbindung in soziale, kulturelle und räumliche Kontexte ist ein wesentliches Gestaltungsmerkmal des Fernsehkrimis: »Durch seine große Verbreitung hat der Kriminalfilm wie kein anderes fiktionales Genre unsere Wahrnehmung von Welt, unser Verständnis von Gesellschaft auf eine uns unbewusst gebliebene Weise geformt« (Hickethier 2005: 38). Der erzählende Modus der Konstruktion von Wirklichkeit, der auf Grundlage einer narrativen Spielhandlung eine fiktionale soziale Realität gestaltet, ist somit von besonderem Interesse. Entsprechend sind auch immer wieder gesellschafts- und medienpolitische (Welke 2005, Guder 2003, Dörner 2001: 189-213), produktionsästhetische (Brück et al. 2003, Bauer 1992), programmgeschichtliche (Pundt 2002) und filmhistorische (Wenzel 2000) Forschungsansätze an den Tatort herangetragen worden. Auffällig hingegen ist eine weitgehende Missachtung räumlicher Aspekte, obwohl das Medium Fernsehen an einem gleichermaßen ästhe-
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tischen wie ökonomischen Prozess teilnimmt, in dem der materielle Raum reorganisiert und räumliche Bedeutungszuschreibungen und Wertvorstellungen produziert und konsumiert werden. Dies überrascht umso mehr, da die Verbindung von filmischer Darstellung von Kriminalität und städtischem Milieu historisch bis zu den Anfängen des (deutschen) Films zurückreicht: Die Geschichten von Wo ist Coletti (D 1913), M – Eine Stadt sucht einen Mörder (D 1931) oder Emil und die Detektive (D 1931) sind derart in der Großstadt lokalisiert, dass die Verbrechen und deren Aufklärung aufs Engste mit den Vorgaben städtischer Architekturen und Gesellschaften verwoben sind. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist der Kriminalfilm immer wieder bemüht, die Stadt zu zeigen und zu entwerfen, so dass die imaginierte Landschaft der Stadt zu einer filmischen Landschaft geworden ist. Dabei funktioniert die Stadt im Film keineswegs nur als Hintergrund, vielmehr stellt der Film eine Folie zum Verständnis dar, wie der urbane Raum symbolisch repräsentiert und erfahren werden kann. Der Tatort ist als über 600 Folgen umfassende Spielfilmreihe die wohl wichtigste Institution der deutschen Fernsehkultur. Und es ist gerade die Serialität, der der Tatort seine Alltäglichkeit verdankt und die sich auf der Produktions-, Text- und Rezeptionsebene äußert: durch den festen Sendeplatz, der auch als sozialer Zeitgeber fungiert, durch die Erkennungsmelodie und den einheitlichen Trailer sowie durch die relative Konstanz an Ermittlern und Einsatzorten. Mit regelmäßig über 20 Prozent Marktanteil und durchschnittlich rund acht Millionen Zuschauern ist die Krimi-Reihe seit Jahren die beliebteste Fernsehsendung Deutschlands.2 Nicht ohne Grund hat Jochen Vogt (2005) den Tatort als den »wahre[n] deutsche[n] Gesellschaftsroman« bezeichnet; und damit seine sozialisierende und genreprägende Funktion sowie die ökonomisch und ästhetisch dominante Stellung im Programmangebot unterstrichen. Ein wesentlicher Grund für den Erfolg der Reihe ist sicherlich in dem senderund länderübergreifenden Konzept zu finden. Der Tatort wurde als Krimiserie entwickelt, welche die föderale Struktur des deutschsprachigen Fernsehraums widerspiegeln sollte: Jede deutsche Sendeanstalt sowie das österreichische (ORF) und das schweizerische Fernsehen (SF) konnten eigenständige, regional agierende Ermittler(-teams) auf Verbrecherjagd schicken. Als wichtigstes, stilbildendes Merkmal wurde dem Tatort damit eine Realitätsästhetik eingeschrieben, die den Zuschauern eine au-
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Die Einschaltquoten und Marktanteile zu allen Tatort-Folgen sind auf der Internetseite http://www.tatort-fundus.de/800/T/index-folgen.shtml archiviert. Die Zahlen für die hier untersuchten Kölner Tatorte sind zudem in der Filmliste im Anhang ausgewiesen. 18
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thentische Beziehung zu den lokalen Ereignissen und eine größtmögliche Nähe zur Lebenswirklichkeit offeriert: »Dessen Hauptvorzug ist es offensichtlich, hierzulande produziert zu sein, heimische Geschichten zu erzählen. So hieß auch das ursprüngliche Konzept: Einbeziehung der regionalen Besonderheiten eines jeden Sendegebietes, Auswahl von Stories, die mit der Realität zu tun haben, ohne dabei Dokumentarcharakter zu beanspruchen« (Witte 1987: 4).
Der Tatort hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Identität unterschiedlicher Landstriche und die regionalen Besonderheiten des jeweiligen Sendegebiets möglichst authentisch darzustellen.3 Im Rahmen dieser »Poetik der Realitätsbezogenheit« (Brück et al. 2003: 10) erscheint die Thematisierung bzw. Integration konkreter Städte und Regionen als zentrales Phänomen: »Landeskunde als Thriller« (Vogt 2005: 117). Ungeklärt bleibt hier aber die Frage, in wie weit eine Abbildung von Wirklichkeit überhaupt möglich sein kann oder ob nicht das Medium selbst erst die Räume und ihre »Besonderheiten« erschafft. Denn einerseits werden die Filme zwar im realen Raum gedreht, andererseits erzählt aber jeder Film eine eigene Geschichte in einer bzw. über eine konkrete Stadt oder Region. Der materielle Raum wird dabei als Hintergrund für fiktive Figuren und Geschichten genutzt und entsprechend verändert bzw. gedeutet, so dass er zum Ausgangsmaterial für die filmische Inszenierung seiner selbst wird. Gleichzeitig ist der materielle Raum eine abstrakte Beschreibungskategorie und bildet die Folie für die Anlagerung komplexer Bedeutungsschichten. Der Raum wird somit transformiert und erhält neue symbolische Semantisierungen, mit denen die Filme beim Aufbau ihres Bedeutungspotenzials und der Bereitstellung eines Deutungsangebotes operieren. Diese Bedeutungsstruktur der Filmwelt ist vom Inhalt und Genre gefordert und vom Regisseur und Autor beeinflusst. Es wird also nicht ein Raum authentisch re-präsentiert, sondern eine Geschichte präsentiert. Die Geographie der Filmwelt entspricht folglich nicht immer der Geographie der realen Welt. Vielmehr produziert sie Landschaften und erschafft Orte, die es ohne diese Filmwelt so nicht gäbe. Die Welt wird interpretiert, indem im Film eine Welt erschaffen wird: »The pleasure of film lies partially in its ability to create its own cinematic geography« (Hopkins 1994: 47). Film und Fernsehen schreiben Räumen Bedeutungen zu und kreieren Geographien, die Eingang in die alltägliche Wirklichkeit finden:
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Zum Konzept des Tatort siehe auch Hermann 2002 sowie Brück et al. 2003: 160ff. und Pundt 2002: 20ff. 19
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»Selbstverständlich referiert beinahe jedes Bild auf einen konkreten Ort, einen gebauten Raum, ob im Studio oder als Originalschauplatz. Im Einklang mit diesen ›objektiven Räumen‹, den Orten, entsteht jedoch innerhalb der formalästhetischen und der narrativen Arbeit an der Einstellung zugleich ein genuin filmischer Raum, der zunächst von der Kamera, dann vom Schnitt und der Montage und zuletzt von der Menge an Zuschauerinnen und Zuschauern […] bestimmt wird« (Ries 2004: 4).
Begriffe wie Identität, Authentizität und Realität müssen also problematisch erscheinen, wenn sie unterstellen, dass eine wie auch immer vorgegebene Realität existiert und im Film abgebildet werden kann. Vielmehr gilt zu hinterfragen, wie ein Inhalt präsentiert wird und damit zur Produktion von Bedeutung und zur sozialen Konstruktion von gesellschafticher Wirklichkeit beiträgt. Der Tatort bietet vor diesem Hintergrund einen optimalen Ausgangspunkt für eine geographische Fragestellung: Es ist die Frage nach der Verwendung und Symbolik filmischer Ausdrucksmittel, welche die Handlung, Personen und Themen verorten; die Frage nach der Funktion des Raumes für den Kriminalfilm. Oder anders gesagt: die Frage, wie es der Geographie gelingt, den Tatort hervorzubringen. Gleichzeitig ist Fernsehen weit mehr als ein bloß repräsentionales Medium, das bestimmte Themen und Geschichten einer Stadt, Region oder Kultur aufgreift. Es ist immer auch ein industrieller und kommunikativer Prozess, in dem materielle Ressourcen mit Bedeutung versehen und dem Zuschauer feilgeboten werden. Somit muss die Frage erweitert und neu formuliert werden: Wie ist das Bild einer konkreten Stadt in Prozesse der Repräsentation, Produktion und Aneignung eingebunden, in denen Raum und Identität auf unterschiedliche Weise definiert werden? Stadt und Film aufeinander zu beziehen, heißt also, unterschiedlichste Aspekte des Räumlichen miteinander in Beziehung zu setzen und in ökonomische, ästhetische und rezeptive Kontexte des Fernsehens einzubetten. Raum ist hier also die zentrale Analysekategorie, welche die Konstruktionsprinzipien medialer Praktiken zu untersuchen erlaubt, indem sowohl auf Strategien der Repräsentation als auch auf eine Dimension von Materialität und Erfahrung verwiesen wird. In dieser Arbeit wird für die Fokussierung auf die räumliche Dimension des Fernsehens eine Konzeption gewählt, die davon ausgeht, dass sich räumliche Ordnungen und Bedeutungszuschreibungen in einem zirkulären Prozess artikulieren. Die Bereiche der Repräsentation, Produktion und Aneignung geben Aufschluss über komplexe Geographien des Fernsehens, die über zahlreiche Schnittstellen miteinander verzahnt sind. Zunächst konstruieren die Filme durch ihre spezifische Art und
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Weise der Gestaltung imaginäre Geographien, indem sie bestimmte Räume mit konkreten Verhaltensweisen, Menschen und kulturellen Praktiken in Verbindung bringen und sie damit gegenüber anderen Räumen abgrenzen und unterschiedlich präsentieren. Die filmische Geographie stützt sich dabei auf regionale und nationale Identitätskonstruktionen, fungiert als Kontext einer Topographie des Verbrechens und ist angereichert mit Vorstellungen und Bildern verschiedener Räume und den Menschen, die dort leben. In dieser Perspektive können die Inhalte selbst als symbolische Räume analysiert werden, indem die sozialen Identitäten, deren Bewegungen, Grenzen, Funktionen und Bewertungen betrachtet werden. Dabei geht es um die Frage, welche Zuschreibungen überhaupt vorgenommen werden, wo welche Differenzierungen und Ausschlussverfahren verhandelt werden und wie sich der städtische Raum über Grenzziehungen und filmische Anschlüsse konstituiert. Jenseits dieser filmischen Repräsentationen einer Stadt üben unterschiedliche räumliche Kontexte und ökonomische wie ästhetische Zusammenhänge einen deutlichen Einfluss auf die Produktionspraktiken und damit auf die Bedeutungen der Filme aus. Ein Blick hinter die Kulissen kann die Entscheidungsprozesse und Produktionsbedingungen verdeutlichen, denen die filmische Darstellung unterliegt. Auf diese Weise lässt sich die Genese der Bildwelten und ihre Bedingtheit durch ökonomische, institutionelle und redaktionelle Strukturen untersuchen. Schließlich ist der Tatort als Ausgangspunkt einer Diskussion zu verstehen, in deren Verlauf unterschiedlichste Prozesse der Rezeption und Interaktion mit dem Fernsehen stattfinden. Die Aneignung der Bildwelten eröffnet somit einen Blick darauf, was von den filmischen Semantiken Eingang in die Vorstellungswelt der Zuschauer findet. Im Kontext der Dekodierungsprozesse entstehen somit Räume, in die sich die Interpretationen der Zuschauer einschreiben. Diese Stichworte sollen das Thema der Arbeit umreißen und deutlich machen, dass der Tatort unter den Aspekten von Produktion, medialer Repräsentation und Aneignung ein äußerst komplexer und wissenschaftlich interessanter Gegenstand ist. Der zu verfolgende Ansatz muss deshalb darin bestehen, den Blick auf die Überschneidungen zwischen symbolischen, materiellen und sozialen Geographien des Fernsehens zu richten: »Kultur ist also nicht nur Repräsentation, sondern eine Sache von institutionellen Praktiken, Verwaltungstätigkeiten und räumlichen Anordnungen, d.h. von kulturellen Technologien« (Barker 2003: 197). Eine Geographie des Fernsehens kann sich dann nicht darauf beschränken, Orte lediglich als Schauplätze der Produktion oder als Handlungsort einer Geschichte zu verstehen. Orte können nicht als Behälter gedacht werden, die einfach abgebildet werden können und unabhängig
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sind von dem, was in ihnen ist oder was sich in ihnen vollzieht. Vielmehr entscheidend ist die Frage nach den im Film dauerhaft konservierten und organisierten Formen von räumlichem Wissen und Räumlichkeit sowie deren Bedeutung für die Wahrnehmung der Zuschauer. Von zentralem Interesse erscheint daher die Überlegung, welche Repräsentation des Raumes im Film entworfen wird und unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen und Mechanismen diese Raumbilder produziert und angeeignet werden.
Forschungsüberblick Film und Fernsehen sind im wissenschaftlichen und alltäglichen Gebrauch zu festen Redewendungen geworden. Sie sind aber keinesfalls austauschbar oder gleichzusetzen, da sie zwei unterschiedliche Kommunikationsebenen darstellen. Während der Film ein Vermittlungssystem bezeichnet, das durch seine spezifische Medialität der Audiovision gekennzeichnet ist, ist das Fernsehen – wie auch das Kino oder der Computer – als technisches Verbreitungsmittel zu verstehen (Opl 1990: 19ff.). Verbreitungsmittel sind somit die Formen der Massenkommunikation, welche die Vermittlungssysteme erst öffentlich machen. Die hier vorgestellten Geographien des Fernsehens sind also zunächst Geographien des Films, weil sich der Tatort als Spielfilm stilistisch von anderen Formaten abgrenzt. Gleichzeitig will der Begriff aber verdeutlichen, dass die Produktions- und Rezeptionsbedingungen fernsehspezifisch sind, insofern sie nur im Kontext typischer Prämissen, Konstellationen und Funktionen dieses Mediums verstehbar sind. Geographien des Fernsehens unterliegen somit spezifischen ökonomischen und technischen Bedingungen, repräsentieren kulturelle Konfigurationen und sind Bestandteil sozialer Aneignungsweisen. Das entscheidende Merkmal ist dabei die kommunikative Struktur des Fernsehens, die sich in der Serialität des Tatort bemerkbar macht und die Zuschauer immer wieder vor den Bildschirm zieht. Mit Blick auf den Gegenstand des vorliegenden Forschungsvorhabens ist es notwendig, die einschlägige Literatur unter dem Aspekt der filmischen Darstellung der Stadt oder umfassender über Geographie und Film bzw. Fernsehen nach forschungsleitenden Ansätzen und Erklärungsmustern zu durchleuchten. Gleichwohl stellt dieser Bereich noch weitgehend ein kulturgeographisches Neuland dar, zumindest was die Formulierung systematischer Konzeptionen und Theorien anbelangt. Vielmehr wird die Thematik in einem interdisziplinären Kontext behandelt, in dem sich unterschiedlichste theoretische und empirische
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Überlegungen vermengen. In diesem Feld erfolgt eine fruchtbare Auseinandersetzung mit der generellen Frage, wie sich die massenmediale Erfassung und Repräsentation städtischer Räume und damit das Verhältnis von Geographie und Medialität bestimmen lässt. Ein herausragendes Feld für den Zusammenhang von raum- und medientheoretischer Reflexion muss man dort erkennen, wo sich vor dem Hintergrund des linguistic turn und neuer Medientechnologien weit reichende Fragen nach der Ordnung und Organisation sozialen und kulturellen Wissens gestellt haben. Die enge Korrespondenz von Geographie und Film, von Raum- und Medientheorie, hat sich erst in den letzten Jahren und in durchaus verschiedenen Konstellationen eingestellt. Dies betrifft sowohl die wechselseitige Abhängigkeit von Raum- und Medienbegriffen als auch den Versuch, geographische Modellbildung mit medialen Strukturen zu verknüpfen. Die thematische Debatte hat sich dabei nicht nur in einem interdisziplinären Arbeitsgebiet konstituiert, sondern ist auch in einem internationalen Forschungskontext angesiedelt und bezieht sich auf dessen unterschiedliche Positionen und Schulen, die das Verhältnis von Medien und Geographie thematisiert haben. Dabei treffen Auslagerungen der nationalen und disziplinären Kontexte in einem unbestimmten Mischungsverhältnis aufeinander und machen deutlich, dass ein gemeinsamer Ort ungewiss und ein gemeinsamer Gegenstandsbereich wenigstens problematisch ist. So sehr also eine Frage nach der Geographie des Films bzw. des Fernsehens über verschiedene Disziplinen hinweg existiert, so wenig wird sich deren Beantwortung auf eine gesicherte und kanonisierte Einheit eines Fach- und Sachgebiets verlassen können: »[A] visual analysis that fails to recognize and interpret the range of spaces and spatial processes in representations is as partial and incomplete as geographical rendering of the social world that refuses knowledge of how narrative defers or dislocates meaning« (Natter/Jones III 1999: 243).
Neuere Versuche unterschiedlicher Provenienz haben sich daher ganz konsequent in einem interdisziplinären Zwischenraum angesiedelt und lassen insgesamt eine Wendung erkennen, mit der Film und Fernsehen als Medien der symbolischen Kommunikation angesprochen werden können, die kulturelle Prozesse reflektieren und Bedeutungen produzieren (etwa Donald 2005, Bruno 2002, Rogoff 2000, Burgin 1996). In dieser Perspektive kommt es darauf an, Film und Fernsehen als kulturelle Praktiken zu erfassen und in ihre sozialen, politischen und ökonomischen Zusammenhänge einzubetten. Ein Überblick über die Entwicklung der einschlägigen Forschung soll im Folgenden die Zusammenhänge der un-
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terschiedlichen Ansätze verdeutlichen und ihre Relevanz in Bezug auf die Theoretisierung einer Geographie des Fernsehens unterstreichen. Die Forschungslage lässt sich – etwas überspitzt formuliert – folgendermaßen umreißen: Während sich die Humangeographie derzeit am Leitfaden des Paradigmas der Kultur reorganisiert und Fragen der Konstruktion und Symbolisierung von Raum aufgreift (cultural turn), orientieren sich die Kultur- und Medienwissenschaften am Paradigma des Raums (spatial bzw. topographical turn), um der Bedeutung der geographischen Kontexte ihrer Gegenstände Rechnung zu tragen.4 Gewissermaßen im Brennpunkt dieser beiden wissenschaftlichen Trends stehen die Cultural Studies, die sich vor allem in England und in den USA, aber zunehmend auch in Deutschland auf dem Vormarsch befinden. Die theoretisch anspruchsvollen und gegenstandsbezogenen Methoden und Perspektiven der zeitgenössischen Cultural Studies entstammen im Wesentlichen den philologischen, philosophischen, ethnologischen und medienwissenschaftlichen Disziplinen. Ihre zentralen Themen – die Kultur und die Medien – kreisen um ein in permanentem Wandel begriffenes Konzept von Kommunikation, mit dessen Hilfe sich ein kulturelles Selbstverständnis (re)konstruieren lässt. In dieser Perspektive zeigt sich, dass Medien kulturelle Orientierungen vermitteln und dass sie einen wesentlichen Anteil an der Konstruktion und Rekonstruktion spezifischer Kulturen haben. Die Begriffe Kultur, Medien und Kommunikation sind also in der aktuellen Debatte der Disziplinen eng miteinander verzahnt. Kultur wird dabei als ein ausgezeichneter Ort symbolischer Ordnungen begriffen, der sich in und durch Kommunikation konstituiert. Eine geographisch orientierte Fernsehanalyse ist seit geraumer Zeit schon im Begriff, ihre Gegenstände und Fragestellungen im Austausch mit verschiedenen Disziplinen und Fächern zu konstituieren, so dass die Möglichkeiten, Perspektiven und Grenzen einer interdisziplinären Argumentation den Rahmen dieser Arbeit abstecken. Gerade die Untersuchungen der philologischen und kommunikationswissenschaftlichen Fachgebiete sind hier äußerst fruchtbar, zeigen sie doch eine Tendenz, ›räumlich‹ zu argumentieren, weil sie die geographischen Bedingungen ihrer Gegenstände wie deren räumliche Dimension reflektieren (insbesondere Koch 2005, Plath 2005, Stockhammer 2005, Nohr 2002, Teske 1999 sowie Krah 1999). Aus dieser Orientierung konstituiert sich durchaus eine neue Fokussierung. Nicht mehr nur die paradigmatischen Instrumen4
Wenn hier von turns die Rede ist, so ist damit nicht gemeint, dass der kulturellen bzw. räumlichen Perspektive in den Forschungstraditionen keine Aufmerksamkeit zuteil geworden ist. Die Begriffe verweisen vielmehr auf Verschiebungen von Zugängen und Fragestellungen innerhalb der Disziplinen, die bisher nicht oder nur wenig Beachtung gefunden haben. 24
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te der Vermittlung, Aufzeichnung, Speicherung und Übertragung wie Sprache, Film und Fernsehen, sondern auch andere Symboliken wie die Stadt oder der Raum an sich sind heute als Texte/Medien und ihre Narrationen als mediale Landschaften interpretierbar, weil sie die Voraussetzung für eine systematische, narrative wie symbolische Organisation von Raum und Identität liefern (dazu grundlegend Bachmann-Medick 2006 und Weigel 2002). Das Mediale wird dabei als eine Zone der Vermittlung adressiert, die über die Entstehung, die Relevanz und die Darstellung kulturellen Wissens entscheidet. Über die verschiedenen Fachgebiete hinweg lässt sich also eine Bereitschaft erkennen, Medien – und insbesondere Film und Fernsehen – als Angelpunkte für kulturelle und ästhetische, gesellschaftliche und technologische Veränderungen zu begreifen. Konkreter liegt der Ausgangspunkt für eine geographische Filmanalyse also dort, wo die räumlichen Perspektiven der Kultur- und Geisteswissenschaften mit konzeptionellen Überlegungen der geographischen Wissenschaften konvergieren. Gerade die neueren Media und Cultural Studies eröffnen eine Reihe von Forschungsgebieten, die sich durch eine Verschränkung von Medienfunktion und Geographie konstituieren: sei es in der Frage nach dem Verhältnis von kultureller Identität und Globalisierung (Morley/Robins 1995, Gillespie 1995), nach der gesellschaftlichen Bedeutung von Filmkultur (Harbord 2002), nach dem Zusammenhang von ›Geo-Ideologie‹ und Genre (Billingham 2000) oder nach der Spannung von Authentizität und Virtualisierung in den Massenmedien (Knieper et al. 2003, Crang et al. 1999). Daneben stehen Ansätze, die sich mit der Beschleunigung und Gleichzeitigkeit kultureller Prozesse durch Fernsehen und Vernetzung (Großklaus 1995) oder mit der Rolle geographischer Narration, die man im Rekurs auf ein Zeitalter der Mobilität, Beschleunigung und neuer Medientechnologien problematisiert sehen wollte, beschäftigen. Dabei haben die Überlegungen bezüglich des Raums zu einer Denkfigur der medialen Überwindung eines gegebenen geographischen Raums geführt, so dass McLuhan etwa zur Vorstellung eines vernetzten »global village« gelangt (McLuhan 1992) und Harvey von einer »time-space-compression« spricht (Harvey 1990). Den wohl radikalsten Ansatz innerhalb der medienwissenschaftlichen Diskussion aber hat Friedrich Kittler geprägt, der letztlich von einem konsequenten Reduktionismus herrührt und Kultur – und darin einbezogen sind kulturelle Räume – als Entfaltung medientechnischer Vorgaben versteht. Greifbar wird dies etwa dort, wo er die moderne Großstadt als Verkehrsund Kommunikationsnetz von Schaltplänen her denkt (Kittler 1995). Die Möglichkeit der Darstellung von Geographie wird von je verschiedenen Medienbedingungen bestimmt; und wie unterschiedlich diese Arbeitsbereiche und Positionen von Kultur- und Medientheoretikern be-
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einflusst sein mögen, überschneiden sie sich doch mit einigen Perspektiven, aus denen auch die Kulturgeographie die Voraussetzungen ihrer Konzepte und Gegenstände reflektiert hat. Dabei handelt es sich nicht nur um methodische Fragen, die im Umkreis des (Post-)Strukturalismus, der qualitativen Sozialwissenschaft, der Diskursanalyse oder der Ethnologie mit der Konzeption neuer geographischer Objektbereiche verbunden sind. Im Zentrum stehen auch hier grundlegende Fragen nach der Formation geographischen Wissens. Die Medien erfordern und erzeugen je eigene Kodierungsformen und Modi der Repräsentation. Ohne filmtechnische Operationen wie Schnitt, Kameraführung, Licht und Ton ist eine räumliche Gestaltung bzw. Ordnung unmöglich; und von unterschiedlichen Überlegungen zum filmischen Raum im Kontext von Technik, Semantik und Ideologie (Wulff 1992) über Bakhtins »Chronotope« (Bakhtin 1981) bis hin zu einer Konzeptualisierung der medienspezifischen Gestaltung filmischer Räume (Paech 2000) reicht eine mit unterschiedlichen Akzenten gestellte Frage, die die Organisation und Produktion des filmischen Raums in seiner historischen wie technischen Dimension und mit den ästhetischen Effekten seiner Repräsentationsweisen korreliert. Hat man seit geraumer Zeit schon die Rolle von medialen Infrastrukturen, von Nachrichten- und Informationssystemen, von Politischer Ökonomie in den Vordergrund gerückt, so geht es darüber hinaus um Praktiken der Verräumlichung und die mediale Kodierung geographischer Prozess- und Ereignishaftigkeit selbst: um die Frage, wie sich ein räumlicher Sachverhalt über die Medien seiner Darstellung konstituiert. Schlagworte wie ›Simulation der Wirklichkeit‹, ›Medienrealität‹ oder ›Verschwinden der Wirklichkeit‹ eröffnen dabei nicht nur eine problematische Divergenz von ›Realität‹ und Repräsentation, sie greifen nicht nur auf Fragen der Performanz und der Inszenierung von Raum und Identität aus. Sie legen vielmehr die Relevanz einer Betrachtung nahe, die den Horizont einer textuellen bzw. narrativen Repräsentation des Geographischen überschreitet. Dabei ist nicht zu übersehen, dass es bei den unterschiedlichen Ansätzen nicht zuletzt auch um eine konzeptionelle Verschränkung von Medien, sozialer Kommunikation und räumlicher Ereignishaftigkeit geht: bei Baudrillard (1978), Innis (1999) oder Virilio (1978) etwa, bei denen sich eine wechselseitige Durchdringung von Medientheorie und geographischen Rudimenten beobachten lässt. In all diesen Fällen wird die Beobachtung von Raumprozessen auf unterschiedliche Weise von der Kritik moderner Medienverhältnisse angeregt und durchkreuzt. Die Wendung zum Bild und zu den unterschiedlichen Medien hat sich mittlerweile auch in der Humangeographie von einer Randerscheinung zu einer zentralen Kategorie entwickelt. Unter den Schlagworten
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pictorial turn und iconic turn ist in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit für den Einsatz und die Funktion von Visualisierungen sowie der Einfluss von Medien auf die Wahrnehmung und das Denken gewachsen (Crang et al. 1999, Driver 1995, Zonn 1990, Burgess/Zonn 1985). Nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Rede vom ›Krieg der Bilder‹ bzw. vom ›Krieg mit Bildern‹ oder im Kontext der Marketingstrategien von Städten, Regionen und Ländern (zuletzt Birk et al. 2006) wird die weltbildende und kulturschaffende Kraft geographischer Imaginationen offenkundig. Die enge Bindung an Formen öffentlichkeitswirksamer, medialer Kommunikation wird bereits aus unterschiedlichen fachwissenschaftlichen Perspektiven diskutiert, wobei auch die von der Geographie selbst produzierten analogen, digitalen und mentalen Karten und Bildwelten mit ihrer Eigendynamik vermehrt Gegenstand kritischer Reflexion werden (etwa Rose 2003, Ryan 2003, Sui 2000 sowie Blunt et al. 2003). Innerhalb der anglo-amerikanischen Cultural Geography zeichnet sich so eine fruchtbare Diskussion um Geographie und Medien ab, die sich mit Fragen der medialen Konstruktion von Raum, Identität, Sexualität und Gesellschaft auseinandersetzt. Forschungsleitend ist die Annahme, dass Medien Bilderwelten erzeugen, in denen soziale, kulturelle und (geo-)politische Normen, Werte und Leitbilder ausgehandelt und fixiert werden. Von hier aus ergeben sich verschiedene Perspektiven, in denen technische Aufzeichnung und Wiedergabe einen spezifischen Vorstellungsraum des Geographischen entwerfen. Das betrifft zunächst diverse Medien und Gattungen, deren Spektrum von der Karte zum Reiseführer, von der Photographie zum Internet, vom Dokumentar- zum Spielfilm, vom Museum zur Ausstellung reicht. Dabei sind nicht nur unterschiedliche politische, ökonomische oder pädagogische Implikationen im Spiel, es geht vielmehr um verschiedene Konstruktionsweisen von Schauplatz, Beobachtung und Darstellung. Denn die Wahrnehmung geographischer Differenz wird durch Medien ebenso gesteuert wie die Herstellung eines ›Faktischen‹, das sich der unmittelbaren Anschauung entzieht. Gerade am Beispiel filmischer Darstellung lassen sich Entwicklungen beobachten, in denen die imaginierten Geographien auf eine Hermeneutik der Gegenwart verweisen: seien es die filmischen Orientphantasien als Zufluchtsorte westlicher Zivilisationen (Zimmermann/Escher 2005a) oder die Mythologisierung der Landschaft im Wüstenfilm Hollywoods (Kennedy 1994), die Zukunftsentwürfe im Science-Fiction-Film (Aitken 2002, Kuhn 1999) oder die nationale Kodierung von Landschaft im europäischen Heimatfilm (Luger 1998). Dabei sind die diversen Repräsentationsweisen von Raum und Landschaft nicht von den formalen und ästhetischen Verfahren zu trennen, die wiederum durch medientechnische und dramaturgische Bedingungen nahegelegt werden. Das Spek-
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trum solcher Problemstellungen reicht von diversen Formen der Rauminszenierung bis hin zur Qualität des Geographischen selbst, das alle Spielarten von Information, Manipulation und Konstruktion einschließt. Als gemeinsame Grundlage dient die Einsicht, dass visuelle Darstellungen sich verschiedenen Formaten, Genres, Konventionen und Funktionen unterordnen, mit denen sich variierende Authentizitätsansprüche und Aspekte der Inszenierung verbinden. Entsprechend lassen sich unterschiedlichste Formen von Referenzillusion und Realismuseffekten verzeichnen, die die Kodierung und die Wirksamkeit von medialen Geographien bestimmen. Die Ausweitung und die Diversifizierung des Materials – vom Amateurvideo bis zum Blockbuster, von der Krimiserie zum Road Movie – sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie die eher systematischen Fragen nach Abbildbarkeit und Authentizität, nach Konstruktion und Simulation. Doch während das Kino schon lange im Mittelpunkt zahlreicher Themenbände und Monographien steht (Forsher 2003, Jancovich et al. 2003, Cresswell/Dixon 2002, Clarke 1997, Aitken/Zonn 1994, Zonn 1990), gerät das Fernsehen nur vereinzelt in den Blick der Kulturgeographie (Bollhöfer 2007, 2005; Bollhöfer/Strüver 2005, Pitman 2002, Adams 1992, Higson 1987). Mit den skizzierten Fragen und Problemen scheinen sich die Kulturgeographie und verschiedene räumlich orientierte Disziplinen in einem gemeinsamen Arbeits- und Forschungsgebiet zu treffen, das sich durch eine eigene systematische wie thematische Gestalt auszeichnet und durch ein Wechselspiel von ›Geographie im Film‹ und ›Film in der Geographie‹ gekennzeichnet ist. Diese Begegnung nimmt einen privilegierten Ort in der Kultur- und Medientheorie ein und wirft theoretische, sachliche und methodische Fragen gleichermaßen auf. Zugleich appelliert sie an einen offenen und dynamischen Medienbegriff, der Apparate und Technologien ebenso einschließt wie Institutionen, symbolische Formen, Repräsentations- und Rezeptionsweisen. Aus diesem Grund wird sich die Arbeit nicht zuletzt mit den Möglichkeiten und Prinzipien der Repräsentation von Raum selbst beschäftigen, das heißt mit der Frage, welche Raumbegriffe durch ein bestimmtes Genre oder Filmkonzept begründet und impliziert werden und damit wiederum die Wahrnehmung einer Geographie des Films präformieren (siehe dazu auch Escher/Zimmermann 2001). Das Thema »Stadt« hat sich in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Film zunehmend als eigener, interdisziplinärer Gegenstandsbereich profiliert. Es ist aus dem Bereich isolierter und verstreuter Fragestellungen herausgetreten, die lange Zeit als Randgebiet oder spezialisierte Anwendung innerhalb der verschiedenen Disziplinen mitgeführt wurden: sei es als Objekt stadt- und filmhistorischer Ent-
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wicklungen (für den nationalen Kontext siehe Aretz/Schoor 2004, Vogt 2001, Jacobsen 1998, Töteberg 1997) oder als Ausgangspunkt für Reiseund Drehort-Führer (Katz 2005, Reeves 2003), als Herausforderung an die Filmarchitektur (Urussowa 2004, Neumann 1996) oder als Gegenstand von Netzwerk- und Standortanalysen innerhalb wirtschaftsgeographischer und medienökonomischer Zusammenhänge (Moßig 2004a, 2004b, Moser 2003, Gasher 2002, Krätke 2002). Von ihnen hat die Diskussion zahlreiche sachliche und methodische Anregungen erhalten und nicht zuletzt Hinweise dafür, wie sich ein filmgeographisches Feld sondieren und bearbeiten lässt. Eine systematische Ausrichtung erfährt die Diskussion allerdings gerade dadurch, dass sie die kursorische Sichtung von Einzelaspekten hinter sich lässt und sich auf jene Konstellationen bezieht, in denen der Zusammenhang von Medien, Kommunikationswegen und Darstellung einen jeweils besonderen, geographisch konkretisierbaren Sachverhalt schafft (Bollhöfer 2003; Shiel/Fitzmaurice 2003, 2001; Schenk 1999; Clarke 1997). Die Fokussierung der vorliegenden Arbeit auf die Stadt im Kölner Tatort erscheint besonders reizvoll und vielversprechend: Die Filme lassen sich hier als vielschichtige Texte lesen, in denen eine Stadt über semantische Bedeutungszuschreibungen als komplexes Rahmenthema verhandelt wird. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Stadt in einem kommunikativen Prozess von Repräsentation, Produktion und Aneignung hervorgebracht wird. In allgemeiner Perspektive besteht das Vorhaben der Arbeit also darin, den Tatort in seiner sozialen wie kulturellen Konstruktion und Zirkulation von Bedeutung einer geographischen Untersuchung zugänglich zu machen. Die Analyse bleibt dabei nicht einer textimmanenten Repräsentationskritik verhaftet, sondern betrachtet diese im Kontext ökonomischer, ästhetischer und kommunikativer Praktiken, in die die Reihe eingebettet ist. Vor dem Hintergrund der einschlägigen Forschungslandschaft verfolgt das in dieser Arbeit zu entwickelnde Vorhaben die folgenden allgemeinen Fragestellungen und Forschungsziele: • die Sondierung der Überschneidungen zwischen kulturgeographischen Konzepten und filmtheoretischen Positionen • die konzeptionelle Verbindung unterschiedlicher Momente der Kommunikation in einem kontextorientierten Ansatz • die Erarbeitung von Konzepten und Methoden einer Geographie des Fernsehens, die sich aus der Funktion und aus der kulturellen Spezifik des Mediums ergeben • die empirische Analyse von konkreten Repräsentations-, Produktions- und Rezeptionsweisen von Geographie am Beispiel des Fernseh-Kriminalfilms
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Aufbau der Arbeit Ein kulturanalytischer Ansatz, der zugleich die ästhetische Gestaltung symbolischer Formen, die Konstituierung visueller und sprachlicher Bedeutungspotenziale, die Prozesse der Medienaneignung und die Verflechtung kultureller und ökonomischer Praktiken im Rahmen spezifischer Produktionskontexte rekonstruieren will, muss zwangsläufig interdisziplinär und problemorientiert ausgerichtet sein. Der Arbeitshorizont dieser Untersuchung erfordert es also, kulturgeographische Überlegungen mit unterschiedlichen Perspektiven zu verbinden, um ein Forschungsgebiet zu sondieren, das in die Theorien und Methodiken der einzelnen Disziplinen hineinreicht und eine grundlegende Reflexion und Reformulierung geographischer Kategorien ermöglicht. Die zentrale Frage ist dann, was die einzelnen Ansätze leisten können, um den Gegenstand einer weit gefassten Kulturgeographie – nämlich Raum in seiner medialen Kommunikation und in seiner kulturellen Kontextualisierung – sowohl theoretisch als auch empirisch zu fassen. Der Raum wird dabei zu einer zentralen Analysekategorie, zum Konstruktionsprinzip medialer Praktiken, zu einer Dimension von Materialität und Erfahrung sowie zu einer komplexen Repräsentationsstrategie. Die leitende Forschungsidee – und damit das Spezifikum – dieser Arbeit ist der Versuch einer kontextuellen Betrachtung von Geographie und Fernsehen: Unter einem weitergehenden, kulturanalytischen Ansatz werden die Momente der Repräsentation, Produktion und Aneignung von Raumbildern am Beispiel einer konkreten Filmreihe zusammengeführt. Geographien des Fernsehens beschreiben damit sowohl die vielschichtigen Artikulationen der filmischen Stadt innerhalb der einzelnen Momente als auch die Unterschiede und Beziehungen zwischen ihnen. Dies erfordert ein Arbeitsprogramm, das Überlegungen und Einzeluntersuchungen der verschiedenen Disziplinen aufgreift und in der Systematisierung eines fernsehgeographischen Gegenstandsbereichs zusammenführt. Dennoch wird darauf verzichtet, die disparaten Konzepte und Materialien einer fachlichen Ordnung zu unterwerfen. Vielmehr sollen Anregungen zu einem interdisziplinären Verständnis von Geographie und Film gegeben werden, das nach verschiedenen Seiten offen bleibt und das in mehrere Richtungen Denkanstöße zu geben versucht. Für die Konzeption der Arbeit soll nicht nur eine theoretische Rahmung von Kultur, Geographie und Medien zentral sein, sondern auch die konkrete Analyse der Bedeutungen kultureller Produkte, die in einem prozesshaften, zirkulären Vorgang konstituiert werden. Einen Schwerpunkt der Arbeit bildet somit die empirisch orientierte Klärung der Konstruktion und Produktion von Raumbildern unter fernsehspezifischen Be-
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dingungen, nicht nur durch die inhaltliche Dimension der Repräsentation, sondern auch im Kontext der Produktionsbedingungen und durch die vielfältigen Weisen Rezeption und Aneignung. Sie verfolgt damit einen Ansatz, der die mediale Konstruktion von Wirklichkeit nicht auf theoretische Modelle reduziert, sondern das Ineinandergreifen und den wechselseitigen Bedingungszusammenhang von Technik, Ästhetik, Darstellung, Ökonomie und Rezeption im kulturellen Bereich empirisch akzentuiert. Gleichwohl kann es nicht genügen, sich allein auf die empirische Vielfalt der medialen Phänomene zu konzentrieren. Das Fernsehen tangiert nachhaltig die Welt- und Selbstverhältnisse einer Kultur und fordert deshalb dazu heraus, Konzepte zu entwickeln, mit denen diese Verhältnisse systematisch erfasst und reflektiert werden können. Eine Problematisierung der Beziehung zur Wirklichkeit und der Modalitäten des Vorstellens, Darstellens und Wahrnehmens, Fragen nach dem Bezug auf Raum und der Situierung in der Welt – all dies sind Aspekte, die im theoretischen Teil behandelt werden müssen. Hier liegt die Schwierigkeit allerdings darin, dass es keine umfassende Theorie zu Geographie und Fernsehen gibt, die als Fundament hätte dienen können. Hinzu kommt, dass die wesentlichen theoretischen Einsichten zum Verhältnis von Geographie und Fernsehen nur zu einem geringen Teil aus der traditionellen Geographie oder den Film- und Fernsehwissenschaften stammen, sondern aus einer Reihe kultur- und geisteswissenschaftlicher Disziplinen wie Soziologie, Ethnologie, Cultural Studies und Kulturwissenschaften. Dennoch besteht der Anspruch, ein Konzept zu entwickeln, das geographisch fundiert ist und gleichzeitig kultur- und medientheoretische Erkenntnisse in diesen Horizont einbezieht. Ziel der Arbeit ist es, nicht nur eine geographisch adäquate Betrachtung des Fernsehfilms zu liefern, sondern zugleich auch eine konstruktive Ausrichtung einer kultur- und medientheoretisch angeleiteten Geographie auf den Weg zu bringen. Kapitel zwei bis vier versuchen eine theoretische Annäherung an Geographie und Fernsehen. Einerseits geht es dabei um eine Einbindung kulturtheoretischer Überlegungen in die Geographie, andererseits um die Konzeptualisierung kommunikationstheoretischer Aspekte von Kultur und Raum. Dies bietet die nötige Differenzierung und Ordnung von Gegenstands- und Problembereichen sowie eine Bestimmung der wichtigsten Begriffe und Konzepte. Das Modell des circuit of culture akzentuiert schließlich spezifische Aspekte einer Geographie des Fernsehens, um der empirischen Untersuchung eine hinreichende Orientierung zu bieten. Vor dem Hintergrund eines interdisziplinär ausgerichteten Ansatzes der Zirkularität von Bedeutung ist ein mehrdimensionales Forschungs-
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design notwendig. Im fünften Kapitel wird die Anlage der Untersuchung beschrieben, bevor dann ein dem Produkt Tatort angepasstes Verfahren der Analyse entwickelt wird. Ausgangspunkt bildet ein multiperspektivischer Ansatz, der das Thema aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und je angemessene Zugriffe für die konkreten Problemstellungen der einzelnen Kommunikationsmomente zu formulieren erlaubt. Kapitel sechs stellt die Ergebnisse der semiotischen Filmanalyse vor. Hier kommen neben einer Untersuchung der räumlichen Muster und Strukturen des Tatort im Kontext typischer Genremerkmale des Krimis auch unterschiedlichste Aspekte einer filmischen Raumsemantisierung zum Tragen, aus denen sich die Strukturierung und die Bedeutungsgehalte der filmischen Stadt sowie die ästhetisch-stilistische Modellierung ihrer Darstellung ergeben. In Kapitel sieben werden die Bedingungen und Strukturen der Tatort-Produktion ausführlich geschildert, wie sie sich anhand von Experteninterviews ergeben. Die Darstellung orientiert sich dabei nicht an Einzelfällen, sondern ist nach thematischen Gesichtspunkten strukturiert. Im Mittelpunkt stehen ebenso die Interessen der Befragten wie die ökonomischen Rahmenbedingungen und die ästhetischen Anforderungen der Filmproduktion. In exemplarischen Analysen der Drehorte werden die komplexen Zusammenhänge dann transparent und für eine Re-Interpretation des filmischen Raums in Anschlag gebracht. Kapitel acht spürt unterschiedlichen Aspekten der Tatort-Rezeption nach. Dabei werden Indizien zur Kommunikation über die Filme in einem Internetforum gesammelt und die Auseinandersetzung mit den Filmen in lokalen Öffentlichkeiten skizziert. Diese Aspekte können im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch nicht umfassend ausgearbeitet werden und lediglich exemplarischen Charakter annehmen. In Kapitel neun werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengeführt und abschließend an die theoretischen Erkenntnisse rückgebunden.
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»New cultural theory, as it is developing in geography, cultural studies, and many allied disciplines, stresses space, understanding culture to be constituted through space and as a space. To the degree that that is the case, spatial metaphors have become indispensable for understanding the constitutions of culture« (Mitchell 2000: 63, Hervorhebungen im Original).
Seit einigen Jahrzehnten wird eine Fragmentierung der geographischen Disziplin beobachtet, die über den intensiven Austausch mit anderen Fächern – von der Soziologie über Anthropologie und Ethnologie bis hin zur Kultur- und Literaturtheorie – eine Vielfalt von Objektvorstellungen und methodischen Konzepten hinterlassen hat. Dies schlägt sich vorrangig in einer Diskussion des Raumbegriffs und in der Wiederkehr neuer kulturtheoretischer Paradigmen nieder. Dabei stehen nicht zuletzt die Repräsentationsweisen eines geographischen Wissens auf dem Spiel, dessen Bedingungen aus unterschiedlichen Perspektiven von diskursanalytischen und kulturanthropologischen Ansätzen, von Konzeptionen einer ›Geographie ohne Raum‹ (Werlen 1993), einer ›anderen Geographie‹ (Lossau 2002), der ›geographical imaginations‹ (Gregory 1994) bis zur Diskussion über eine ›Dematerialisierung‹ von Geographie (Philo 2000) thematisiert wurden. Diese Entwicklung lässt sich durchaus als eine Wendung begreifen, mit der die Repräsentation, Narrativität und Diskursivität, also die Frage nach der Konstruktivität von Geographie und Raum in den Mittelpunkt rückt. Unter Kulturgeographie ist keine Disziplin im Singular zu verstehen, sondern eine Neuausrichtung der Forschung und Lehre mit Hilfe von Ansätzen, die an den Grenzen des Faches arbeitet und eine kulturwissenschaftliche Perspektivierung der Geographie anstrebt. Hierbei geht es darum, die Grenz- und Überschneidungszonen der eigenen Disziplin möglichst weit auszudehnen und andere Fachbereiche so einzubeziehen,
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dass man sich auf die Forschungsmethoden und Sichtweisen fremder Forschungsrichtungen genauer einlässt. Entsprechend zahlreich und heterogen sind die Versuche, die Geographie kulturtheoretisch zu reformieren, zu modifizieren oder zu perspektivieren. Während sich im angloamerikanischen Bereich schon seit den späten 1980er Jahren Formen einer New Cultural Geography herausgebildet und institutionell etabliert haben (vgl. Kemper 2003 und Mitchell 2000), kreisen die Diskussionen hier zu Lande seit Ende der 1990er Jahren vor allem um die Grenzen, Probleme und Möglichkeiten einer kulturtheoretischen Erneuerung der Geographie (s. etwa Blotevogel 2003, Gebhardt et al. 2003). Überblickt man die einschlägigen Publikationen, so entpuppt sich die »neue« Kulturgeographie in der deutschen Debatte zunächst einmal als Streitobjekt über Probleme der Rezeption anglo-amerikanischer Konzepte, über theoretische und methodische Grundsatzfragen sowie über die Notwendigkeit einer kulturtheoretischen Orientierung überhaupt. Dabei wird die kulturwissenschaftliche Wende in der Geographie von manchen Skeptikern oder Kritikern durchaus als Bedrohung oder gar Verdrängung der spezifischen Differenzqualität bzw. der Besonderheit und Unverwechselbarkeit des Faches wahrgenommen – eine Tendenz, die letztlich in der Befürchtung gründet, dass der Geographie ihr Gegenstand abhanden kommen könnte. Eine Entschärfung dieser Kritik lässt sich wohl nur dort finden, wo zwischen kulturwissenschaftlicher Erweiterung und disziplinärer Fundierung konstruktiv verhandelt wird. Dies impliziert die Frage, wie die Geographie von sich aus die Kulturwissenschaften bereichern kann, und nicht nur, was kulturwissenschaftliches Arbeiten für die Geographie einbringt. Die theoretisch-konzeptionellen Ansätze einer Neuorientierung kulturgeographischer Forschung liegen in einer Skepsis gegenüber traditionellen Raum- und Landschaftsbegriffen, der Zurückweisung des Gegensatzes zwischen Hoch- und Popkultur sowie der Einsicht einer stärkeren Einbeziehung der Alltagswelten einerseits und der Medienkultur andererseits begründet. Trotz der Konjunktur des Kulturbegriffes lässt die Diskussion bislang aber eine Schärfung seiner Konturen vermissen. Vielmehr fungiert Kultur als programmatisches Schlagwort bzw. Katalysator für die Forderung nach einem Wandel der Geographie (cultural turn) und als Sammelbegriff für einen internationalen und interdisziplinären Diskussionszusammenhang. Der entstandene Boom einer »neuen« Kulturgeographie darf somit nicht darüber hinwegtäuschen, dass unter diesem Begriff eine Vielzahl unterschiedlicher Strömungen, Traditionen und Ansätze subsumiert wird.1 Als kleinster gemeinsamer Nenner lässt sich 1
Um dieser Vielfalt in ihrer Synchronie wie Historizität Rechnung zu tragen, findet sich zumeist die Verwendung des Begriffs cultural turns im Plural 34
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allenfalls eine Favorisierung konstruktivistischer und bedeutungsorientierter Ansätze erkennen. Die vorgelegten Versuche, den Gegenstandsbereich und die Methoden der Kulturgeographie zu definieren, unterscheiden sich vor allem in Hinblick auf die verwendeten theoretischen Leitbegriffe und Verfahrensweisen. Dementsprechend vielfältig und umstritten sind die unterschiedlichen Bestimmungen des zentralen Begriffs Kultur. Dessen Verständnis hat sich in den letzten Jahrzehnten gerade durch Definitionen verschiedener Wissenschaften grundlegend gewandelt. Was unter Kultur verstanden wird, ist stets abhängig davon, in welchen wissenschaftlichen Kontext der Begriff gestellt wird. So ist der in den deutschsprachigen Kultur- und Sozialwissenschaften verwendete Begriff Kultur nicht identisch mit dem Begriff Culture in den Cultural Studies. Im Rahmen dieser Arbeit ist es weder möglich noch sinnvoll, die Begriffsgeschichten zu rekonstruieren oder die Vielzahl der gegenwärtigen Kulturkonzepte und Kulturtheorien im Einzelnen vorzustellen (Übersichten liefern etwa Hansen 2003 und Reckwitz 2000). Vielmehr sollen diejenigen Stationen, Tendenzen und Entwicklungen nachgezeichnet werden, die als zentrale Einsichten und kritische Bezugspunkte für eine kulturtheoretische Fundierung einer Geographie des Fernsehens fruchtbar gemacht werden können. Anregungen für die Präzisierung des Kulturbegriffs liefern anthropologische, ethnologische und semiotische Arbeiten, die gemeinsame Fluchtpunkte erkennen lassen. Vor allem der Kulturbegriff der Cultural Studies, der hier in Abgrenzung und Konfrontation zu den bedeutungsorientierten Ansätzen von Cassirer und Geertz entwickelt wird, eröffnet grundlegende Einsichten in die Thematik. Ein Blick auf Konzepte der New Cultural Geography bietet anschließend eine räumliche Perspektivierung des Kulturbegriffs sowie eine Orientierung des Raum- und Landschaftsbegriffs an sprach- und kulturtheoretischen Überlegungen. Die folgenden Ausführungen versuchen somit einerseits über den Begriff der Kultur ein kritisches Raumverständnis zu entwickeln, dass Raum als Prozess der Verortung kultureller Praktiken fasst. Andererseits wird aber auch der Kulturbegriff einer räumlichen Revision unterzogen. Eine solche gegenstandstheoretische wie problemorientierte Definition des Kultur- und Raumbegriffs führt zwingend zu einer problematischen, aber notwendigen Verengung. Sie ermöglicht jedoch eine in sich kohärente und definierbare Aussage, die nicht völlig standardisiert ist. Gleichzeitig unterstreicht sie die Einsicht, dass die Begriffe Kultur und Raum als theorie- und disziplinabhängige Konstrukte zu begreifen sind. Somit (etwa Blotevogel 2003, Gebhardt/Reuber/Wolkersdorfer 2003, Mitchell 2000, Cook et al. 2000).
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benennen die Begriffe weniger einen festen Objektbereich als vielmehr einen Horizont im Sinne einer bestimmten Art der Herangehensweise an wissenschaftliche Objekte (vgl. Marchart 2004: 14).
Klassische Kulturkonzepte Der Kulturbegriff, wie er sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Europa entwickelt hat, nimmt die klassische Verwendungsweise des Begriffs ›Cultura‹ auf, der ursprünglich auf die sorgfältige Gestaltung und Bebauung des Ackerlandes, in einem zweiten Schritt auch auf die Verfeinerung des individuellen Geistes verweist. In der modernen Verwendung wird Kultur schließlich auf die Lebensform eines Kollektivs übertragen: nicht allein einzelne Individuen, sondern ganze Gruppen können Kultur erwerben. Kennzeichnend für diesen Kulturbegriff ist jedoch, dass nicht jedes Kollektiv seine eigene Form von Kultur besitzt, sondern ein universaler Maßstab des ›Kultivierten‹ angenommen wird, der insgeheim dem der bürgerlichen Kultur entspricht. Dieser normative Kulturbegriff ist untrennbar mit einer Bewertung dieser Lebensweise verbunden und grenzt sich bewusst gegen den Adel sowie agrarische und proletarische Klassen ab. Eine differenzierungstheoretische Verschärfung erfährt der Kulturbegriff dann durch eine radikale Einschränkung auf das enge Feld der Kunst, der Bildung, der Wissenschaft und sonstiger intellektueller Aktivitäten. Das normative Kulturverständnis, das auf die Maßstäbe der bürgerlichen Kultur verweist, wird in eine deskriptive Identifikation von Kultur und bürgerlicher ›Hochkultur‹ transformiert (Reckwitz 2004: 6). Kultur bezieht sich damit auf jene hochkulturellen Objektivationen, die das bürgerliche Publikum rezipiert, und die von der Massen- oder Volkskultur eindeutig abgrenzbar erscheinen. Damit impliziert der Begriff eine Hierarchisierung kultureller Produkte und Praxisformen, die in der Unterscheidung in Hoch- und Pop- bzw. Massenkultur noch bis heute nachwirkt. In der weiteren Ausgestaltung des Kulturkonzepts wird Kultur zunehmend als Gegenbegriff zu Zivilisation einerseits und Gesellschaft andererseits in Anschlag gebracht. Kultur umfasst dann den Prozess der Entwicklung und Verfeinerung der menschlichen Gemeinschaften. Grundlage dieses evolutionistischen Denkens war die Annahme, dass alle Völker die gleiche Entwicklung durchlaufen, welche die Stadien Wildheit, Barbarei und Zivilisation umfasst. Kulturelle Verschiedenheit wurde entsprechend als primitiv oder rückständig markiert, wobei Europa als Maßstab für die Klassifikation galt (vgl. Berndt/Boeckler 2002). Unter Rückgriff auf Herder entuniversalisiert dieser totalitätsorientierte Kultur-
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begriff das Kulturkonzept, indem er es kontextualisiert und historisiert. Kultur ist keine ausgezeichnete Lebensform mehr, Kulturen sind vielmehr spezifische Lebensformen einzelner Kollektive in der Geschichte. Kultur wird damit zu einem holistischen Konzept, das sich zum Vergleich von unterschiedlichen Kulturen eignet, indem die Diversität der Totalitäten menschlicher Lebensweisen in verschiedenen Völkern, Nationen, Gemeinschaften, Kulturkreisen sichtbar gemacht werden soll (vgl. Reckwitz 2004: 5). Dabei tritt Kultur mit einem Universalitätsanspruch auf, der unterstellt, dass es ein allgemein gültiges Werte- und Normensystem gibt, vor dessen Hintergrund eine hierarchische Einteilung möglich ist. Der totalitätsorientierte Kulturbegriff liefert im Laufe des 19. Jahrhunderts den Hintergrund für eine wissenschaftliche Analyse dieser kulturellen Totalitäten. Für weite Teile der kolonialzeitlichen Anthropologie wurde diese Konzeption konstitutiv und als Grundlage für die Beschreibung von Sitten, Bräuchen und Lebensformen nicht-europäischer Völker genutzt. Dies wird auch in Edward B. Tylors Darstellung über die »primitive Kultur« (1871) deutlich: »Culture or civilization, taken in its wide ethnographic sense, is that complex whole which includes knowledge, belief, art, morals, law, custom, and any other capabilities and habits acquired by man as a member of society« (Tylor 1871: 1). Im Vergleich zum normativ-bürgerlichen Kulturbegriff scheint das totalitätsorientierte Kulturkonzept zunächst die Verschiedenartigkeit von Kulturen anzuerkennen. Dies wird jedoch eingeschränkt durch die Gleichsetzung von Kulturen und Gemeinschaft und durch eine Universalisierung der menschlichen Evolution als entwicklungsbedürftig. Zwar wird die Eigenständigkeit von Kulturen betont, jedoch um den Preis ihrer räumlichen Territorialisierung und ihrer Essentialisierung in Form einer Reduktion auf wenige Wesensmerkmale.
Bedeutungsorientierte Kulturkonzepte Während die klassischen Kulturkonzepte davon ausgehen, dass an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten verschiedenartige Lebensweisen existieren, geht der bedeutungsorientierte Kulturbegriff davon aus, dass diese Lebensweisen vor dem Hintergrund symbolischer Ordnungen entstehen, reproduziert und verändert werden. Es sind somit Sinn- und Unterscheidungssysteme, die den notwendigen handlungskonstitutiven Hintergrund aller sozialen Praktiken darstellen und die Ebene der ›Kultur‹ ausmachen.
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Ernst Cassirer entwirft in seinem – noch universalistisch geprägten – Werk ein elementares Konzept der Kulturalität des Menschen, das auf einer umfassenden Symboltheorie fußt. Es ist der Versuch, die verschiedenen Bereiche menschlicher Kulturtätigkeit als ein einziges System der Symbolbildung zu begreifen. Dabei verbinden sich erkenntnistheoretische Fragestellungen mit semiotischen Überlegungen: »Der Mensch kann der Wirklichkeit nicht mehr unmittelbar gegenübertreten; er kann sie nicht mehr als direktes Gegenüber betrachten. Die physikalische Realität scheint in dem Maße zurückzutreten, wie die Symboltätigkeit des Menschen an Raum gewinnt. Statt mit den Dingen hat es der Mensch nun gleichsam ständig mit sich selbst zu tun. So sehr hat er sich mit sprachlichen Formen, künstlerischen Bildern, mythischen Symbolen oder religiösen Riten umgeben, daß er nichts sehen oder erkennen kann, ohne daß sich dieses artifizielle Medium zwischen ihn und die Wirklichkeit schöbe« (Cassirer 1996: 50).
Die Erkenntnis, dass weder Geistiges isoliert von der Materialisation bestehen noch Wirklichkeit losgelöst von sinnstiftenden Prozessen erfasst werden kann, führt bei Cassirer zum Theorem von der ›symbolischen Form‹. Dieser Begriff bezeichnet eine Vermittlungsleistung unterschiedlicher Felder der ideellen Gestaltungen wie Sprache, Kunst, Mythos, Religion und Wissenschaft, wobei die Sprache als Voraussetzung der anderen Formen angesehen wird. Jede dieser symbolischen Formen beschreibt die Korrelation von einem geistigen Bedeutungsinhalt und einem konkreten sinnlichen Zeichen, also einen Prozess, durch den »ein geistiger Bedeutungsgehalt an ein konkretes sinnliches Zeichen geknüpft« wird (Cassirer 1956: 175). Dabei handelt es sich nicht um eine Abbildrelation, sondern um eine Repräsentationsstruktur, d.h. die jeweilige symbolische Form erschafft ein Bedeutungsganzes, indem jede Vorstellung eine spezifische Prägung und jedes konkrete Zeichen eine spezifische Bedeutung erhält (vgl. Pätzold 2003: 61f.). Kultur erscheint hier als ein Komplex von Sinnsystemen, mit denen sich die Menschen ihre Wirklichkeit als bedeutungsvoll erschaffen. Das entscheidende Merkmal ist, dass der Mensch als »animal symbolicum« (Cassirer 1996: 51), als symbolisches Wesen, die Welt nur dadurch erfahren kann, dass er ihr fortwährend Bedeutungen verleiht – im Gegensatz zu den bedeutungslosen Signalen der Tiere. Ernst Cassirer hat mit seiner Philosphie der symbolischen Formen wichtige Grundlagen einer modernen Kulturtheorie gelegt, die den Blick dafür schärfen, dass Wirklichkeit immer symbolisch verschlüsselt ist, indem sie gedeutet wird. Die Konzeption bleibt jedoch strukturanalytisch und reduziert Kultur auf das, was Bedeutung trägt. Die Frage nach den
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Prozessen, die den Zuweisungen zu Grunde liegen, bleibt dabei von Anfang an ausgeschlossen. Die Funktion der Symbole wie auch die Relation der Referenz, die das Symbol verankert, werden nicht berücksichtigt. Anders ausgedrückt: Dem Symbolischen liegt nicht eine Referenz, Absicht oder Funktion zu Grunde, sondern ein festes Prinzip der Begriffsbildung, also der Bedeutungskonstitution. Es geht Cassirer weder um Konflikte noch um Individualität, sondern um eine »Einheit des Handelns« und eine »Einheit des schöpferischen Prozesses« (Cassirer 1996: 114). Gleichzeitig wird das Ganze der Kultur in eine sprachliche Form gepresst. Damit spielt er die Rolle der materiellen Welt herunter, wenn sie als »direktes Gegenüber« unerreichbar und hinter den vielen Schichten von Zeichen, Bildern und Ideen verborgen bleibt. Cassirers Kulturkonzept ist damit insgesamt zu universalistisch und idealistisch geprägt, was ihn für die kulturwissenschaftliche Diskussion nicht unproblematisch erscheinen lässt.2 Auch der Ethnologe Clifford Geertz hat eine Konzeption von Kultur entwickelt, in deren Zentrum ein symbolischer bzw. semiotischer Charakter steht. Seine Anthropologie thematisiert die Konstituierung von Bedeutung in der Kultur bzw. die Konstituierung von Kultur durch Bedeutung. Geertz orientiert seine theoretische Position an Max Weber: »Ich meine mit Max Weber, daß der Mensch ein Wesen ist, das in selbstgesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt ist, wobei ich Kultur als dieses Gewebe ansehe. Ihre Untersuchung ist daher keine experimentelle Wissenschaft, die nach Gesetzen sucht, sondern eine interpretierende, die nach Bedeutungen sucht« (Geertz 1983: 9).
Im Mittelpunkt steht somit die Produktion von Bedeutung, die sowohl die materielle Produktion wie die gesellschaftliche Reproduktion erweitert und beide in den Bereich der Kultur erhebt. Kultur »bezeichnet ein historisch überliefertes System von Bedeutungen, die in symbolischer Gestalt auftreten, ein System überkommener Vorstellungen, die sich in symbolischen Formen ausdrücken, ein System, mit dessen Hilfe die Menschen ihr Wissen vom Leben und ihre Einstellungen zum Leben mitteilen, erhalten und weiterentwickeln« (Geertz 1983: 46).
Zweifellos klingen in dieser Definition die Worte Cassirers mit, der ja auch vom »Symbolnetz« gesprochen hat. Geertz richtet seine Aufmerk2
Wolf-Dietrich Sahr (2003) hat versucht, die Überlegungen Ernst Cassirers für die Geographie fruchtbar zu machen. Meines Erachtens lässt er aber eine notwendige begriffliche und konzeptuelle Schärfung bisher vermissen. 39
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samkeit aber stärker auf die »Logik des täglichen Lebens« und auf konkrete, wahrnehmbare »Ereignisse« (1983: 25-26). Auf diese Weise gerät das bedeutungstheoretische Spektrum der menschlichen Betätigungen und Artikulationen in den Blick, und damit die symbolischen Dimensionen des sozialen Handelns – Kultur ist öffentlich. Entsprechend nehmen die Interpretation von Handlungssituationen und -intentionen sowie die Klärung des Zusammenhangs von Handeln und Gesellschaft zentrale Rollen ein. Für Geertz besteht das Ziel einer jeden Kulturanalyse darin, die verschiedenen Bedeutungskomponenten zu erschließen, die im Verhalten, den Äußerungen und den Handlungen der Menschen eingelagert sind. Das Verstehen von Kulturen ist dabei immer der Versuch eines Fremdverstehens. Mit der Metapher von Kultur als Text formuliert Geertz deshalb eine Analogie, die sich auf die Lesbarkeit und Übersetzbarkeit kultureller Praktiken richtet. Damit wird ein Kulturzusammenhang objektiviert, indem ihm ein Textstatus zuerkannt wird. Methodisch setzt dies die Lesbarkeit von Handlungszusammenhängen in einer Zeichen- und Textstruktur voraus. Kultur ist dann ein Bedeutungszusammenhang, der rekonstruiert werden kann, da die soziale Wirklichkeit wie ein Text auf ein kulturelles Symbolsystem verweist: »Als ineinandergreifende Systeme auslegbarer Zeichen […] ist Kultur keine Instanz, der gesellschaftliche Ereignisse, Verhaltensweisen, Institutionen oder Prozesse kausal zugeordnet werden könnten. Sie ist ein Kontext, ein Rahmen, in dem sie verständlich – nämlich dicht – beschreibbar sind« (Geertz 1983: 21)
Infolge einer bedeutungstheoretischen Fundierung der Anthropologie geht es Geertz nicht darum, menschliches Verhalten durch ihm zu Grunde liegende Strukturen oder es bestimmende Gesetze zu erklären. An die Stelle einer Kausalanalyse tritt ein hermeneutischer Zugang zur Kultur. Das Konzept der ›dichten Beschreibung‹ berücksichtigt die verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten kultureller Zeichen bei der Interpretation einer Situation. Damit rückt Geertz die Analyse symbolischer Formen in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Ein solches interpretatives Verfahren hat jedoch seine Grenzen. Das Kulturverständnis ist nicht nur ein semiotisches, sondern auch ein holistisches, indem es Situationsabhängigkeit, Dynamik und Prozesshaftigkeit ausklammert. Geertz – wie auch schon Cassirer – unterstellt, dass es ein einheitliches, verbindliches Symbolsystem gibt, das intersubjektiv geteilt wird. Aushandlungsprozesse und unterschiedliche Perspektiven innerhalb einer Kultur blendet er damit aus. Die Textanalogie bleibt also oberflächlich, wenn sie von einem autonomen und geschlossenen Text ausgeht ohne seine Verankerung in unter-
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schiedliche Kontexte zu berücksichtigen, in denen er produziert, übermittelt und gelesen wird. Soziale Phänomen und gesellschaftliche Kontexte werden hier auf Texte reduziert, Differenzen werden aufgelöst (vgl. Berg/Fuchs 1993: 59ff.). Problematisch ist es aber auch, wenn Geertz davon ausgeht, dass dem Leser bzw. dem Interpreten die objektiven Bedeutungsgehalte grundsätzlich transparent sind. Die Frage der Bedeutungskonstitution, die Frage, was Bedeutung genau meint, bleibt dann unbeantwortet. Die Arbeiten von Geertz problematisieren stets auch die Darstellbarkeit von Kultur, indem sie den Prozess des Schreibens wissenschaftlicher Interpretationen als zwangsläufig positionierte Erkenntnis bestimmen. Aus dem allgemeinen Problem der Synthese von wissenschaftlicher Empirie einerseits und subjektiv erlebter Fremderfahrung andererseits entwickelt Geertz die Forderung nach Selbstreflexion der ethnographischen Arbeit und eine Sensibilität für ihre Konstruiertheit. Dennoch bleibt sein eigenes Werk hinter den so gesteckten Erwartungen zurück. Denn indem das Interpretationsprivileg des Wissenschaftlers unangetastet bleibt, ist sein Zugriff objektivistisch geprägt. Eine Interpretation im Stile der Texthermeneutik vernachlässigt damit die Einbettung des Erkenntnisprozesses in den sozialen Praxiszusammenhang ebenso wie die Beachtung der Kontexte kultureller Muster, also Momente wie Pluralität, Macht, Ökonomie und Gegendiskursivität. Insgesamt neigt Geertz dazu, öffentlich produzierten, symbolischen Praktiken einen objektiven Sinn zuzurechnen, deren Bedeutungsstrukturen damit unabhängig von den mentalen Eigenschaften, subjektiven Sinnzuschreibungen und vom Hintergrundwissen der Teilnehmer existiert (vgl. Reckwitz 2000: 448).
Kulturkonzepte der Cultural Studies im Spannungsfeld des (Post-)Strukturalismus Seit ihren Anfängen haben die Cultural Studies einen internationalen Boom erfahren, der auch ein zunehmend breites Aufgreifen im deutschsprachigen Raum ermöglicht hat. Doch es ist keineswegs einfach, die unterschiedlichen Strömungen und Ansätze, die sich unter diesem Begriff versammeln, zu ordnen und Gemeinsamkeiten herauszustreichen: »It would be a mistake to see Cultural Studies as a new discipline, or even a discrete constellation of disciplines. Cultural studies is an interdisciplinary field where certain concerns and methods have converged« (Turner 2003: 9).
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Um sich der Perspektive der Cultural Studies annähern zu können, ist es zunächst notwendig, sich deren Projektcharakter zu vergegenwärtigen, denn nur schwerlich lassen sich die Arbeiten als einheitliche wissenschaftliche Disziplin oder über feste Gegenstandsbereiche, Begriffe und Methoden definieren. Zu heterogen sind die theoretischen Zugänge, zu international die Verbreitung und zu interdisziplinär die Ansätze. Und doch lassen sich gerade in diesen Merkmalen auch gemeinsame Grundlagen, Voraussetzungen und Prinzipien aller Forschungsprojekte erkennen: Die Forderung einer theoretischen Diskussion zentraler Begriffe, die Berücksichtigung der historisch-spezifischen Kontexte von Gegenstand und Forschung sowie die inter- oder transdisziplinäre Orientierung. Zudem weisen alle Projekte der Cultural Studies einen gemeinsamen thematischen Horizont auf, der Kultur und kulturelle Praktiken als primären Gegenstandsbereich erkennbar werden lässt. Im Mittelpunkt der Beschäftigung mit kulturellen Phänomenen steht die »Analyse kultureller Kontexte und die Erforschung und Kritik der Bedingungen der Möglichkeiten kultureller Selbstvergewisserung von Einzelpersonen sowie von gesellschaftlichen Gruppen und Schichten in ihrem Alltag und ihrer kulturellen Praxis« (Göttlich/Winter 1999: 26). Die Cultural Studies verstehen sich insgesamt als eine intellektuelle Praxis, die beschreibt, wie das alltägliche Leben von Menschen durch und mit Kultur bestimmt wird. Dies geht mit der Notwendigkeit einher, eine »Balance zwischen politischem Engagement, theoretischen Zugängen und empirischen Analysen« zu finden (Lutter/Reisenleitner 1998: 9). Trotz dieser relativen Offenheit in der Bestimmung dessen, was die Cultural Studies charakterisiert, erweisen sich einige Ausgangsfragestellungen der frühen britischen Cultural Studies sowie theoretische Auseinandersetzungen mit dem (Post-)Strukturalismus als zentrale Orientierungspunkte, um einen konzeptionellen Rahmen für die Auseinandersetzung mit Kultur, Medien und Raum zu begründen.
Die frühen Cultural Studies Die ersten Arbeiten der britischen Cultural Studies entstanden aus Erfahrungen in der Erwachsenenbildung und waren bestrebt, diejenigen historischen Entwicklungen und Ereignisse aufzuwerten, die im Universitätsbetrieb der 1950er und 60er Jahre keinen Platz hatten. Eine gründliche Auseinandersetzung mit Themen der Alltagskultur, der Arbeitswelt und Freizeit, der Tradition und der Klasse war nicht im Rahmen der traditionellen Disziplinen und ihres Kulturverständnisses zu verwirklichen. Das Projekt der Cultural Studies musste daher aus einer Kritik der kulturkonservativen Tradition erwachsen und gegen eine idealisierte Kultur der
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klassischen Werte von Kunst und Philosophie Stellung beziehen. Entgegen dieser normativ-ästhetischen Kulturauffassung wurde Kultur als gewöhnlich und alltäglich aufgefasst: »Culture is ordinary« (Williams 1958b). Sie ist damit keine Angelegenheit des rein Geistigen oder des Elitären, wie dies die Hochkultur zu sein vorgibt, sondern Ausdruck individueller Alltagserfahrung. Kultur ist durchzogen von »structures of feeling«, ist affektiv und verbindet Erfahrungen einer Gemeinschaft. Nicht nur Denken und Handeln, sondern auch die Gefühlswelt entscheiden somit darüber, wie die gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit in einer Gesellschaft erfolgt. Infolge wird Kultur als die Gesamtheit einer Lebensweise, als »whole way of life« (Williams 1958a), verstanden, die gesellschaftlich nicht eindeutig zu verorten, sondern allgegenwärtig und Produkt gemeinsamen Denkens und Handelns ist: »Es gehören dazu alle charakteristischen Betätigungen und Interessen eines Volkes: das Derby, die Henley-Regatta, Cowes, der zwölfte August, eine Schlussrunde im Pokalwettkampf, die Hunderennen, der Groschen-Glücksautomat, das Wurfpfeilspiel, Wensleydale Käse, Kohl, im ganzen gekocht und dann in Streifen geschnitten, rote Rüben in Essig, gotische Kirchen aus dem neunzehnten Jahrhundert und die Musik von Elgar« (Eliot 1961: 33).
Kultur ist hier aufs Engste mit sämtlichen gesellschaftlichen Praktiken verknüpft und eine gemeinsame Form menschlichen Tätigseins. Es existiert somit kein Außen, kein Jenseits von Kultur (vgl. Marchart 2003: 9). Kultur lässt sich nicht festschreiben, sondern resultiert aus dem Wechselspiel verschiedener kultureller Prozesse und Praktiken in spezifischen sozialen, politischen und ökonomischen Kontexten. Aus dieser Bestimmung von Kultur folgt, dass kulturelle Objekt nicht nur im Hinblick auf ihre Inhalte und textuellen Merkmale zu betrachten sind, sondern auch im Hinblick auf ihre Beziehung zu den sozialen Strukturen und Institutionen. Während sich Raymond Williams noch auf die Analyse der kulturellen Formen konzentrierte und die sozialen wie historischen Hintergründe marginalisierte, rückte Edward Thompson den Konflikt zwischen diesen Formen in den Mittelpunkt seiner Überlegungen und lenkt den Fokus auf die aktiven Prozesse des Aushandelns und des Widerstands. Er kritisiert, dass das von Williams entwickelte Konzept einer umfassenden Lebensweise zahlreiche Aspekte übersieht, die vor allem die politische Orientierung und die Problematik von Gewalt und Konflikten betreffen. Thompson zeigt, dass ein Verständnis von Kultur als »whole way of life« unterschiedliche und ungleiche Interessen, Traditionen, Erfahrungen sowie politische, soziale und ökonomische Lebensbedingungen und Kon-
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flikte zwischen Lebensweisen unterschiedlicher Klassen nicht berücksichtigen kann. Entsprechend entwickelt er ein Konzept von Kultur als »whole way of conflict« (Thompson 1999: 91), das die für eine Kultur konstitutiven normativen Unterschiede und Widersprüche theoretisch fassbar macht. Thompsons Arbeiten verhandeln die kulturelle Formation von Klasse, indem sie Fragen des Macht- und Herrschaftssystems und den sozialen Konflikt in den Mittelpunkt rücken. Damit eröffnet sich ein Zugang, Kultur als Vielzahl möglicher Lebensweisen und Kommunikationsformen zu bestimmen und die Heterogenität kultureller Phänomene und ihrer Bedeutungen zu thematisieren. Thompson reduziert die Konflikte jedoch auf Auseinandersetzungen zwischen herrschender und populärer Kultur, während diese selbst als relativ homogen und kohärent verstanden werden. Unter Stuart Hall entwickelten sich die Cultural Studies in den 1970er Jahren zu einer stärker semiotisch und strukturalistisch orientierten Kulturanalyse. Der hier eingeschlagene Weg der Fokussierung von Sprache, Text und Diskurs als Beschreibungen von Wirklichkeit ermöglicht sowohl eine differenziertere Bestimmung der zentralen Begriffe und Konzepte (wie Bedeutung, Repräsentation und Kontext) als auch ihre Anwendung auf konkrete Fragestellungen. Kultur wird als Feld der Auseinandersetzung um die Definition von Bedeutungen konzeptionalisiert. Um die Struktur und die Bedingungen der kulturellen Sinnsysteme sowie ihr Verhältnis zur Materie kultureller Produkte fassen zu können, wird vor allem auf Erkenntnisse der Sprach- und Zeichentheorie zurückgegriffen. Aus diesen Ansätzen sollen nun zunächst die zentralen Überlegungen vorgestellt werden, um einen fruchtbaren Boden für die spätere Argumentation zu schaffen.
Sprach- und zeichentheoretische Grundlagen Als Strukturalismus wird ganz allgemein eine in den 1950er und 60er Jahren in Frankreich entstandene Vielfalt von Theorien und Forschungen bezeichnet, deren Gemeinsamkeit in dem Rückgriff auf die Sprachtheorie von Ferdinand de Saussure besteht. Am Ausgangspunkt dieses linguistic turn steht die Annahme, dass alles Denken und Erkennen im Medium Sprache auftritt und sprachlich determiniert ist. Saussure entwickelt ein Verständnis von Sprache als System von Strukturen, das mit der Auffassung bricht, dass es eine vorsprachliche Erfahrung gibt, die nachträglich erfasst werden kann. Vielmehr ist ein Erkennen ohne Sprache gar nicht möglich und Wirklichkeit ist immer durch sprachliche Strukturen beeinflusst und determiniert. Vor diesem Hintergrund definiert Saussure den Begriff des Zeichens, das in der untrennbaren Verknüpfung von Signifi-
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kat und Signifikant (Bedeutung und Lautbild) besteht. Entscheidend ist, dass die Verbindung zwischen Lautbild und Bedeutung arbiträr, d.h. willkürlich ist. Nicht Ähnlichkeiten zwischen den beiden Elementen regeln ihre Verknüpfung, sondern Konventionen und soziale Vereinbarungen: Bedeutungen werden nicht einfach abgebildet, sondern durch Signifikanten hervorgebracht, wobei die Unterschiedlichkeit bzw. Differenz zwischen den verschiedenen Lautbildern bestimmend ist. Sprache ist für Saussure ein System von Zeichen, dass nicht durch Mimesis bzw. Abbildung entsteht, sondern durch Beziehungen der Zeichen untereinander. Der sprachliche Sinn ist somit Ergebnis der Differenzierungen innerhalb des Systems. Sprachexterne Referenten, also konkrete Gegenstände, spielen ebenso wenig eine Rolle wie die individuelle Sprachverwendung (vgl. Sexl 2004: 172ff. sowie Münker/Roesler 2000: 5). Sprache als ein System zu begreifen, impliziert also die Annahme bestimmter Beziehungen, Regelmäßigkeiten und Strukturen zwischen den Systemelementen, die als Code den Sprachgebrauch steuern. Indem Saussure sprachliche Strukturen ins Zentrum der Wahrnehmung rückt, konzentriert sich der Strukturalismus weder auf das Material, aus dem die Zeichen bestehen, noch auf die Individualität einzelner Texte bzw. Sprecher. Interessant ist vielmehr das, was allen Texten gemeinsam ist, also eine übergeordnete Systematik sprachlicher Strukturen. Grundlage ist damit ein abstraktes, statisch gedachtes System in seiner vermeintlichen Objektivität, das durch Begriffe der Opposition und der Ähnlichkeit eindeutig beschreibbar ist. Ungeklärt und problematisch an diesem Konzept erscheinen dann aber vor allem der Ausschluss kontextueller Elemente und die Vermeidung von Wertungen. Den wichtigsten Transfer der Saussureschen Überlegungen auf kulturwissenschaftliche Gegenstände hat der Ethnologe Claude Lévi-Strauss (1960) mit seiner strukturalen Anthropologie geleistet. Kultur gilt hier als geordnetes System von kodierten Bedeutungen, die durch soziale Praktiken produziert und reproduziert werden. Lévi-Strauss klassifiziert kulturelle Einzelerscheinungen als sinntragende Elemente und arbeitet sie in ein System von Bedeutungen ein. Dabei wird den verschiedenen Oberflächenphänomenen eine Tiefenstruktur zugeordnet, die auf grundlegende, binäre Oppositionen reduziert wird. Auf diese Weise lassen sich elementare Bedeutungssysteme einfacher Kulturen analysieren und ihre Mythen und rituelle Praktiken auf Gegensätze wie Natur/Kultur, innen/ außen, roh/gekocht etc. zurückführen. Roland Barthes hat schließlich den strukturalistischen Blick auf die modernen Gesellschaften gelenkt und die theoretischen Erkenntnisse in einer allgemeinen Semiologie fortgeführt. Für ihn kann prinzipiell alles zum Gegenstand einer strukturalen Analyse gemacht werden: »Ein Klei-
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dungsstück, ein Auto, ein Fertiggericht, eine Geste, ein Film, ein Musikstück, ein Bild aus der Werbung, eine Wohnungseinrichtung, ein Zeitungstitel […]. Sie alle sind Zeichen« (Barthes 1988: 165). Auch für Barthes ist die Sprache die Grundlage aller Sinnzusammenhänge. Das Konzept von Sprache geht hier aber weit über die verbale Sprache hinaus und schließt alle Zeichensysteme mit ein. Gerade das Interesse und kritische Bewusstsein für visuelle Phänomene und deren Zerlegung in sprachliche Elemente machen Barthes dann zum Protagonisten einer kritischen Theorie des Fernsehens, der »Schrift und Bild auf ein und dieselbe Weise zu behandeln« (Barthes 1964: 94) versteht. Dabei werden durch Analogisierung alle Kommunikate so aufgefasst, als ob sie wie sprachliche Zeichen funktionieren. Dennoch geht Barthes nicht von einer strukturalen Ontologie aus. Die Texte sind nicht mit der Objektwelt identisch, sie sind deren Konstruktion. Gegenstand der Analyse ist dann die Decodierung der Struktur, d.h. die Enthüllung der Regeln, nach denen das Objekt funktioniert. Dies führt zu einer notwendigen Reformulierung des Textbegriffs, die auf eine Hierarchisierung und Bewertung zwischen verschiedenen Ebenen der Kulturprodukte verzichtet. Damit sorgt der Textbegriff für eine Aufhebung traditioneller Gegensätze und Schichtungen: wenn von Texten die Rede ist, muss nicht immer schon eine wie auch immer begründete Einteilung unternommen werden (etwa high vs. low, Autorenfilm vs. Doku-Soap etc.). Text wären damit alle Zeichenmengen, nicht nur Schrifttexte unterschiedlichster Form (vom Telefonbuch bis zu Celan-Gedichten), sondern auch alle anderen kulturellen Repräsentationen. Geht man von dieser zeichentheoretischen Definition von Text aus, dann lassen sich alle kulturellen Objektivationen ›lesen‹. Dies ist auch die Position der Cultural Studies, die mit eben einem solchen weiten Text-Begriff arbeiten – und den neuesten Film genauso lesen wie die Signaturen der letzten Frühjahrskollektion (dazu Hall 1997). In Analogie zur Saussureschen Sprachtheorie entwickelt Barthes (1964) eine kritische Mythologie, die das Funktionieren sozialer Symbole untersucht. In seinen Interpretationen scheinbar selbstverständlicher Phänomene und Gegenstände benennt er den ideologischen Gehalt sowie die Prozesse der Bedeutungskonstitution, die sich dahinter verbergen. Zentral für seine Analyse textueller Bedeutungen sind die Begriffe Denotation und Konnotation. Barthes geht dabei von der Überlagerung zweier Zeichensysteme aus: Auf der unteren Ebene vermittelt ein Zeichen- bzw. Bedeutungssystem eine direkte, denotative Bedeutung. Dieses System wird nun seinerseits zum Bedeutungsträger auf einer zweiten Stufe, die wieitere, konnotative Bedeutungen aufzeigt. Auf dieser konnotativen zweiten Ebene siedelt Barthes seinen Mythosbegriff an. Im Gegensatz
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zur ersten Bedeutungsschicht besitzt der Mythos eine suggestive und unterschwellige Wirkung, die darauf abzielt, gesellschaftlich-historische Verhältnisse als Naturverhältnisse erscheinen zu lassen: »Der Mythos wird als ein Faktensystem gelesen, während er doch nur ein semiologisches System darstellt« (Barthes 1964: 115). Ein Zeichensystem kann somit über seine Konnotationen mehr bedeuten als eine erste, denotative Bedeutung zu erkennen gibt. Die konnotative Ebene bildet vielmehr die Grundlage für eine Polysemie, d.h. Mehrdeutigkeit von Zeichen und Zeichensysteme. Die frühen Schriften Barthes’ sind für den Diskurs über Medien und Kultur in zweifacher Hinsicht relevant geworden. Einerseits ermöglichen die Konzepte von Text und Lesen sowohl eine Übertragung auf visuelle Produkte und kulturelle Praktiken sowie deren systematische Analyse. Dadurch geraten populäre Medien in den Blick einer »Alltagsethnologie« (Schumacher 2000: 26) und erhalten einen theoretischen Status, der sie auf eine Ebene mit Produktionen der Hochkultur setzt bzw. generelle Hierarchisierungen fraglich erscheinen lässt. Darüber hinaus hat Barthes ein Konzept der Polysemie von Texten entwickelt, das als Basis für die analytische Praxis eine zentrale Rolle spielt. Während Barthes selbst jedoch die Polysemie von Texten ausschließlich in den Texten verortet, legen die Cultural Studies den Schwerpunkt auf kontextuelle Aspekte und die aktive Bedeutungsproduktion im Prozess des Lesens.
Poststrukturalistische Zeichenkritik Der Poststrukturalismus versteht sich sowohl als Weiterführung wie auch als Kritik am universellen Anspruch des Strukturalismus. Die entscheidende Wendung ist, dass Bedeutung bzw. bedeutungsvolle Wirklichkeiten zwar ein Produkt von Zeichenprozessen sind, diese aber immer an Prozesse der Verdrängung und Stillstellung gebunden sind. Während der Strukturalismus Differenzierungsprozesse untersucht, bei denen Gegensätze aufgebaut werden, über die sich alle Bedeutungen und Kulturen konstituieren, will der Poststrukturalismus zeigen, dass dabei immer eine Seite unterdrückt und verdrängt wird. Damit wird der Blick darauf gerichtet, wie Ordnungen geschaffen werden und wie sich bestimmte Vorstellungen gegenüber anderen durchsetzen können. Die Kritik am Eindeutigen und Systematischen führt schließlich zu einer Fokussierung auf die den Ordnungen zu Grunde liegenden Machtbeziehungen. Eine zentrale These lautet, dass Zeichen und Bedeutungen stets instabil sind und somit die Idee einer zu Grunde liegenden Struktur, die die Bedeutung eines kulturellen Textes oder einer kulturellen Praxis be-
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stimmt, abgelehnt wird: John Storey fasst diesen Grundtenor folgendermaßen zusammen: »Post-structuralists reject the idea of an underlying structure upon which meaning can rest secure and guaranteed. Meaning is always in process. What we call the ›meaning‹ of a text is only ever a momentary stop in a continuing flow of interpretations following interpretations« (Storey 2001: 71).
Sprachliche Strukturen werden als offener, unkontrollierbarer und endloser Prozess verstanden, in dem Bedeutungen lediglich temporär und niemals eindeutig fixiert werden können. Die Einsicht, dass Sprache prinzipiell unendlich viele Differenzierungen ermöglicht und dadurch immer wieder neue Sinnzusammenhänge denkbar werden, macht es unmöglich, Sprache zu einem System abzuschließen (Münker/Roesler 2000: 30). Die poststrukturalistische Sprach- bzw. Zeichentheorie bestreitet die strukturalistischen Postulate der Starrheit und Willkürlichkeit in der Verbindung von Zeichen und Ding ebenso wie die These von der absoluten Abgegrenztheit des einen Zeichens von den anderen: Sprache ist stets mehrdeutig und offen, weil sprachliche Zeichen sich nicht in ihrer konkreten Bezeichnungsfunktion erschöpfen, sondern untereinander kommunizieren: In diesem Sinne streuen Zeichen Bedeutung, weil sie immer in assoziativem Kontakt mit anderen Zeichen stehen. Damit entwirft der Poststrukturalismus ein Konzept der Dezentrierung, dass die Annahme einer Ordnung und Regelhaftigkeit von Strukturen zurückweist und durch die Beschreibung ihrer Unabgeschlossenheit ersetzt. Wo der Strukturalismus versucht, klare Grammatiken des Lesens zu entwickeln, streicht der Postrukturalismus die Unmöglichkeit eben dieser Grammatiken heraus, da sie der unendlichen Bewegung des Verweisungsspiels der Texte unterworfen sind. Diese Radikalisierung strukturalistischen Denkens macht die Sprache noch konsequenter zum Erklärungsmodell für alles andere und konzeptualisiert Sinn und Bedeutung als Effekt von Strukturen. Bedeutungen, und damit auch das, was wir als bedeutungsvolle Wirklichkeit wahrnehmen, ist ein Produkt von Zeichenprozessen. Der Leitbegriff Prozess markiert im Poststrukturalismus also zwei wesentliche Aspekte: Zum einen werden Strukturen als offen und unkontrollierbar gedacht. Die Signifikanten produzieren also nicht – wie im Strukturalismus – spezifische Signifikate, sondern weitere Signifkanten. Im Sinne Derridas ist Bedeutung unendlich aufgeschoben, ohne Zentrum, nie vollständig anwesend, sondern stets an- und abwesend zugleich. Um die starre, distinkte und arbiträre Koppelung Signifikant/Signifikat aufzubrechen, nutzt Derrida (1983) die lexikalische Doppeldeutigkeit des französischen Verbs différer (verzögern/abweichen). Indem Derrida
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différance mit »a« schreibt, macht er die Differenz von Schrift und Sprache deutlich (différence und différance sind phonetisch gleich, d.h. der orthografische Unterschied ist nicht zu hören). Während de Saussure das Differieren von Zeichen und Bezeichnetem nur temporal versteht, d.h. von einer Verzögerung ausgeht (zuerst gibt es die Sache, danach das Zeichen), begreift Derrida diese Beziehung räumlich, d.h. als ›Verschiebung‹: Zeichen verschieben den Sinn vom bezeichneten Objekt weg auf sich selbst bzw. auf andere Zeichen hin. Im Sinne Derridas gibt es somit keine beständigen Bedeutungen in Texten, allenfalls temporär und kontextuell beschränkte Stillstände. Anstelle einer Totalität von Bedeutungen tritt dann das endlose Spiel der Verweise und Textspuren. Zum anderen findet sich im Begriff Prozess die Idee wieder, dass Bedeutungen nicht vom Text allein gesteuert werden, sondern durch das unendliche Spiel von Verweisen zwischen Rezipienten, Texten und Diskursen. Wirklichkeit entsteht somit, indem die Zeichenbedeutungen in einen Prozess der Interaktion treten, d.h. Bedeutungen kommen erst im Kontext der Rezeption und durch diskursive Einbettungen zu temporären Stillständen. Kulturelle Texte sind somit keine isolierten Phänomene, sondern immer mit soziokulturellen Auseinandersetzungen verknüpft und in Diskurse eingelagert. Ein Diskurs besteht aus einem ganzen Ensemble verschiedener kommunikativer Handlungen, die thematisch in Beziehung zueinander stehen, bzw. miteinander verschränkt sind. Dabei werden durch Kontroll- und Ausschlussprinzipien nur bestimmte Formen der Konstruktion von Realität innerhalb eines Diskurses zugelassen. Über die aufeinander bezogenen kommunikativen Handlungen entstehen thematische Bündelungen von Wissenselementen und Verknüpfungen von Wirklichkeitsdeutungen. Themen und Aussagen werden also erst in der Kommunikation konstruiert. Sie bilden sich im Rahmen kommunikativer Vorgänge als Kristallisationspunkte heraus und sind an Praktiken der In- und Exklusion gebunden. Fiske (1993) hat Diskurse als Gebrauchsweisen von Zeichen konzeptualisiert, welche die Welt konstruieren, indem bestimmte Bedeutungspotenziale lanciert werden und so für das Alltagsleben der Menschen Relevanz erhalten. Gerade die Massenmedien können dann eine soziale Zirkulation von Diskursen sicherstellen und Diskursinhalte und –tendenzen aufnehmen, modifizieren oder verstärken. Medien erschaffen somit nicht die Realität im Sinne eines autonomen Konstruktionsprozesses, wohl aber prägen sie nachhaltig das, was als Ausgangsmaterial zur Realitätskonstruktion des Einzelnen zur Verfügung steht. Entsprechend regelt der Mediendiskurs was sagbar und machbar ist, indem er Wissensformen definiert und ein nahezu unbegrenztes Beobachtungsspektrum darstellt. Die wesentliche Funktion der Medien liegt somit darin, Kultur sichtbar
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und wahrnehmbar zu machen. Denzin (1995) hat in diesem Zusammenhang den »kinematographischen Blick« als wichtigstes Moment der Machtmaschinerie im 20. Jahrhundert beschrieben.
Kultur im Kontext Die theoretischen Debatten haben die Entwicklung der Cultural Studies bis heute geprägt. Während im Anschluss an Williams die kulturalistische Tradition den Blick auf den Alltag und seine Erforschung legt, betont die (post)strukturalistische Forschung die Konstruiertheit von gesellschaftlichen und kulturellen Wirklichkeitsentwürfen. Es ist jedoch gerade die Überwindung bzw. Zusammenführung dieser unterschiedlichen Perspektiven und Akzentuierungen, die eine fruchtbare Weiterentwicklung der Forschung ermöglicht hat (Hall 1999b). Auf diese Weise lassen sich die kulturkritische Tradition mit strukturalistischen und semiotischen Ansätzen verbinden und die gegenwärtigen Bedingungen kultureller Praxis im Zeitalter der Postmoderne in Rechnung stellen. Als forschungsleitende Hauptmotive ergeben sich aus dieser Entwicklung die symbolische Vermittlung von Realität, die Berücksichtigung der kulturellen Konstruktion subjektiver Identitäten, ein weiter, nicht-elitärer Kulturbegriff sowie eine Kombination aus semiotischen und diskurstheoretischen Überlegungen. Vor allem die Betonung der Sprache im Prozess der Bedeutungszuordnung sowie die Konzentration auf diskursive Phänomene haben dem Kulturverständnis der Cultural Studies wichtige Impulse geliefert. Ausgehend von den sprach- und zeichentheoretischen Überlegungen lässt sich kulturelles Handeln als komplexer Prozess des Austauschs, der Konfrontation und der Verhandlung von Sinn und Bedeutung konzipieren. Fragen der Kultur lassen sich so zunächst durch Metaphern der Sprache und Textualität erfassen: »Die entscheidende Bedeutung der Sprache und der linguistischen Metapher für jedes Studium der Kultur, die Ausdehnung der Begriffe Text und Textualität, beide begriffen als Quelle von Bedeutungen und als etwas, das der Bedeutung entgeht und sie hinauszögert; die Anerkennung der Heterogenität, der Vielfalt von Bedeutungen, der Kampf darum, die unendliche Semiosis jenseits der Bedeutungen willkürlich abzuschließen; die Anerkennung der Textualität und der kulturellen Macht der Repräsentation selbst, als ein Ort der Macht und der Regulation; des Symbolischen als einer Quelle von Identität« (Hall 2000: 45).
In dieser Perspektive werden unter Kultur die Rahmen und Kategorien in Denken und Sprache verstanden, mit deren Hilfe Gesellschaften ihre
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Existenzbedingungen klassifizieren. Die dabei entstehenden Praktiken funktionieren analog der Sprache und sind als Signifikationspraktiken zu verstehen, mittels derer die Kategorien von Bedeutung geschaffen werden: »Culture no longer simply reflected other practices in the realm of ideas. It was itself a practice – a signifying practice – and had its own determinate product: meaning« (Hall 1980: 30). Die poststrukturalistische Radikalisierung des Strukturdenkens, ihre Aufwertung der Praxis und die Anerkennung der Instabilität von Bedeutung als Konstitutiva haben in der kulturtheoretischen Diskussion tiefe Spuren hinterlassen. Die Cultural Studies folgen der Kritik in ihrer wesentlichen Argumentation, ohne jedoch den radikalen Postulaten blind zu folgen: »Nevertheless, we argue, though meaning is formally undecided, in social practice it is regulated and temporarily stabilized into pragmatic narratives or discourses« (Barker/Galasinski 2001: 2). Ganz ähnlich argumentiert Stuart Hall: »Kultur kann nämlich als Summe der verschiedenen Klassifikationssysteme und diskursiven Formationen verstanden werden, die Sprache verwendet, um den Dingen Bedeutung zuzuordnen. […] Der Begriff [Diskurs, B.B.] verweist sowohl auf die Produktion von Wissen durch Sprache und Repräsentation als auch auf die Art und Weise, wie dieses Wissen institutionalisiert wird und damit soziale Praktiken formt und ins Spiel bringt« (Hall 2002: 108).
Um die Tendenz einer Universalisierung des Kulturbegriffs zu entschärfen, macht Hall gleichzeitig darauf aufmerksam, dass nicht alles Kultur ist, sondern vielmehr alle sozialen Praktiken auf der Grundlage einer kulturellen Folie operieren. So wird »nicht postuliert, dass alles Kultur ist, sondern dass jede soziale Praxis sich auf Bedeutung bezieht, dass Kultur folglich eine Existenzgrundlage dieser Praktik ist und dass somit jede soziale Praktik eine kulturelle Dimension hat« (Hall 2002: 113). Die Auffassung einer relativen Autonomie kultureller Praktiken sollte aber nicht mit ihrer Beliebigkeit verwechselt werden. Vielmehr führt sie lediglich zu einer Verschiebung des Kulturbegriffs und markiert eine kritische Distanz zu Ansätzen, die ihre begrifflich-konzeptuellen Überlegungen mit Argumenten der Homogenisierung, Essentialisierung und des Determinismus zu legitimieren trachten. Denn wenn Kultur ein »Kampf um Bedeutungen« (Hall 1992) ist, dann muss das konkrete Verhältnis von Kultur, Macht und Medien ins Auge gefasst werden. Kultur gilt dementsprechend als ein Feld, auf dem konkurrierende Bedeutungen und Weltauffassungen miteinander um Legitimation und Vorherrschaft streiten. Aus dieser Spannung von Bedeu-
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tung und Wahrheitsanspruch entstehen Machtverhältnisse, welche die Bedeutungen hierarchisieren und festlegen wollen (vgl. Barker 2003: 183). Dies schärft den Blick dafür, dass kulturelle Produkte und Praktiken nur kontextuell, im gelebten Umfeld verfügbar sind. Kontext lässt sich als Spezifität unterschiedlicher Praktiken im Rahmen gesellschaftlich strukturell geprägter Zusammenhänge begreifen (C. Winter 2003: 190). Er markiert ein Umfeld des kulturellen Objekts, das sich durch bestimmte Ausdrucksweisen, Praktiken und soziale Kräfte oder Institutionen konstituiert. Unter Kontext werden also die Beziehungen gefasst, die durch das Wirksamwerden kultureller Praktiken im Interesse bestimmter Machtpositionen entstanden sind. Lawrence Grossberg definiert die Konsequenzen dieses Gedankens in knapper und radikaler Form: »[D]er Kontext ist alles, und alles ist kontextuell« (Grossberg 2000: 265). Hinter diesem pointierten Statement offenbart sich ein AntiEssentialismus, der sich in dem Verständnis niederschlägt, »dass kein kulturelles Produkt und keine kulturelle Praxis außerhalb des kontextuellen Zusammenhangs fassbar ist, in dem diese stehen« (Hepp 1999: 17). Grossberg unterstreicht damit die Notwendigkeit einer Einbettung der zu analysierenden Gegenstände in ihre technischen, ökonomischen, historischen uns sozialen Gegebenheiten. Mit dem Begriff der Artikulation führt Hall diese Argumentation theoretisch weiter: »Eine Theorie der Artikulation ist daher zugleich eine Art und Weise zu verstehen, wie ideologische Elemente unter bestimmten Bedingungen sich in einem Diskurs verbinden, und eine Art zu fragen, wie sie in bestimmten Konjunkturen mit politischen Subjekten artikuliert oder nicht artikuliert werden« (Hall 2000: 65).
Im Zentrum einer Theorie der Artikulation stehen somit die spezifischen Kontexte, deren Rekonstruktion für das Verständnis kultureller Praktiken unerlässlich ist. Damit machen Hall und Grossberg auf die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der kontext- und situationsabhängigen Einflüsse auf kulturelle Verbundenheiten und auf die relative Abhängigkeit ihrer Bedeutung von Interpretationen aufmerksam. Dadurch werden die komplexe Einheit und die spezifische Differenzialität der Gesellschaft erfasst, ohne einem naiven Reduktionismus oder einer Form des Pluralismus zu verfallen. Die Artikulationstheorie verweist somit nicht auf verschiedene Ebenen, sondern auf die normative Strukturiertheit der Komplexität und Wandelbarkeit konkreter kultureller Lebensbedingungen (vgl. C. Winter 2003: 186). Auf diese Weise wird der aktive, gestaltende Aspekt von Kultur betont, um ihn gleichzeitig an historisch spezifische, kontextuell geprägte Bedingungen rückzubinden.
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John Fiske versteht Kultur entsprechend als Praxis im Sinne einer Reihe sich verändernder, miteinander konkurrierender und im Konflikt stehender Sinnmuster und Bedeutungen: »I understand culture, then, to encompass the struggle to control and contribute to the social circulation and uses of meanings, knowledges, pleasures and values. Culture always has both sense-making and power-bearing functions. Its sense-making function contains concerns such as those of knowledge, discourse, representation, and practice; within its power-bearing functions are those of power, control, discipline, struggle, resistance, and evasion« (Fiske 1993: 13).
Eine Untersuchung der Rolle kultureller Praktiken bei der Konstitution medialer Wirklichkeit muss die verschiedenen relevanten Kräfte und Interessen in die Analyse einbeziehen. Kultur wird dann nicht mehr als Instanz, sondern selbst als Kontext verstanden. Aus dieser Beschreibung von Kultur folgt eine Fokussierung auf den Gebrauch von Texten in ihrer Beziehung zu und in Konflikt mit anderen Texten und Praktiken. Diese Ansicht führt zu Thompsons Arbeiten zurück, der Kultur nicht als etwas homogenes Ganzes, sondern als einen konfliktären Prozess verstanden haben wollte. Kultur verweist somit nicht auf eine harmonische, freischwebende Sphäre elitärer Institutionen und kongenialer Interpretationen, sondern auf ein Forum des Konflikts und des Kampfes. Kultur ist ein Feld, auf dem unterschiedliche Bedeutungen, Werte, Formen, Ziele, Sinnentwürfe und Identitäten gegeneinander gesetzt und verhandelt werden.
Thematische Öffnung: Edward W. Saids Orientalism Edward W. Said gehört zu den bekanntesten und einflussreichsten Kulturtheoretikern des 20. Jahrhunderts. In seinem Werk findet sich zum ersten Mal eine systematische Beschreibung der Auseinandersetzung Europas mit fremden Kulturräumen. In seiner breit angelegten Studie Orientalism (2004) zeigt er, wie literarische und journalistische Werke, aber auch wissenschaftliche Schriften und Reiseführer im Laufe der Jahrhunderte ein ganz bestimmtes Orientbild hervorgebracht, bestätigt und weitergegeben haben: »[T]he Orient is an idea that has a history and a tradition of thought, imagery, and vocabulary that have given it reality and presence in and for the West« (Said 2004: 5). Unter Orientalismus versteht Said dabei nicht nur die akademische Disziplin, sondern auch
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und insbesondere eine spezifische, westliche Art des Denkens, die in essentialistischen Kategorien zwischen dem Westen und einer Konstruktion des Orients unterscheidet. Dementsprechend macht er die Verknüpfung dreier sich bedingender Formen des Orientalismus zum Grundgerüst seiner Überlegungen. Ein erster, akademischer Diskurs tradiert wissenschaftliche Themen und Methoden im Umgang mit dem Orient: »Orientalism lives on academically through its doctrines and theses about the Orient and the Oriental« (ebd.: 2). Dieser geht mit einem zweiten, theoretischen Diskurs einher, der eine Opposition zwischen Orient und Okzident, zwischen Eigenem und Fremdem, konstituiert: »Orientalism is a style of thought based upon an ontological and epistemological distinction between ›the Orient‹ and (most of the time) ›the Occident‹« (ebd.: 2). Schließlich benennt Said drittens einen ideologischen Diskurs, durch den eigene Wünsche, Ängste und Träume jenseits der eigenen Grenzen nach außen projiziert werden: »Orientalism can be discussed and analyzed as the corporate institution for dealing with the Orient – dealing with it by making statements about it, authorizing views of it, describing it, by teaching it, settling it, ruling over it: in short, Orientalism as a Western style for dominating, restructuring, and having authority over the Orient« (ebd.: 3). Said beschreibt in seiner Arbeit ausführlich, wie Landschaften und Kulturen in das Raster der kolonialen Macht eingezeichnet und zu Orten von Aneignung, Herrschaft und Konflikt werden. Auf diese Weise werden Orte und Identitäten de- und re-territorialisiert. Die Herstellung des Orients bzw. einer orientalischen Identität bedarf dabei der Abgrenzung des Eigenen von dem Anderen, wobei die eine Seite für die jeweils andere konstitutiv ist. Fremdheit speist sich aus der Entgegensetzung zum Eigenen, indem dem Selbst überwiegend positive und dem Fremden zumeist negative Attribute zugewiesen werden. In diesem wechselseitigen Prozess vermag die Darstellung des Anderen dann mehr über die eigene Befindlichkeit auszusagen als über den Anderen. Die Selbstbestimmung richtet sich somit an einem imaginierten Ort aus und verortet dabei das Andere. Diese Dialektik von Eigenem und Fremden bedarf der Zuschreibung von Eigenschaften, die für die jeweiligen Kollektive typisch, ja konstitutiv sind. Die den Kollektiven zugehörigen Individuen werden in ihren grundlegenden Eigenschaften definiert und mit essentiellen Charakteristika gleichgesetzt. Dabei arbeiten die Orientalismen verstärkt mit stereotypen Festschreibungen und Zuweisungen von Differenz, die im diskursiven Kontext als feste Semantik naturalisiert werden. Dieser Mechanismus des othering führt dazu, dass nicht nur die Trennlinien zwischen den Kollektiven klar gezogen werden können, sondern auch dass durch die konstruierte Identität den jeweiligen Mitgliedern der Kol-
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lektive gemeinsame Eigenschaften ebenso wie fundamentale wechselseitige Loyalitäten unterstellt werden, die ihr Handeln und ihre Denkweise determinieren. Eigenes und Fremdes haben somit keine Bedeutung an sich, sondern bringen in wechselseitiger Relation fortwährend neue Bedeutungen hervor. Diese »Ökonomie von Objekten und Identitäten« (Said 2004: 53, eigene Übersetzung) verweist schließlich auf eine systematische und geordnete Bestimmung des Raumes, wobei die Fabrikation von Identität als eine Praxis funktionalisiert wird, die in der Vorstellung einen vertrauten Raum als den eigenen und einen fremden Raum als den anderen benennt: »The ›sense of place‹ produced by Orientalism […] did not offer a sense of the Orient on its own terms but rather established the Orient as an exotic place against which a European ›home‹ was defined, usually as all the more favourable« (Rose 1995: 95). Orientalismen sind konstitutive Selbstbeschreibungen des Westens, die zugleich auf einen jenseitigen Raum verweisen, der im kulturell Imaginären existiert. Auf diese Weise wird eine geographisch eher diffuse Region als Einheit konstruiert und in Abhängigkeit vom Standpunkt des Betrachters und seiner relativen Distanz zu dieser Region definiert (vgl. Stemmler 2004: 12). Mit den Äußerungen über den Orient wird der Ort des Äußerns als Vorstellungsraum konstituiert. Als ein Set verallgemeinerter Referenzen und Charakteristika ist er ein imaginäres Konstrukt, das als Produkt der europäischen Einbildungskraft diskursiv erschaffen wird. Was Said hier im Anschluss an Foucault thematisiert, ist das Problem der Machtabhängigkeit von Kultur- und Raumbeschreibungen, also der Zusammenhang von Wissen und Repräsentations-Macht im kolonialen Diskurs über den Orient. Orientalismus bezeichnet einen politisch instrumentalisierten Diskurs, der Ansichten über den Orient legitimiert und eine Darstellungsautorität über ihn ausübt. Der Begriff umfasst somit jene machtdurchzogenen und wirkungsmächtigen Repräsentationssysteme, mit denen westliche Dominanzansprüche gegenüber dem Orient gefestigt werden. Indem die Beschreibung des Orients aus dem Blickwinkel und mit den Kategorien der westlichen Wissenschaft geschieht, wird deutlich, dass jede Repräsentation von Kultur aus der Wechselwirkung von Projektionen, machtpolitischen Interessen und Prozessen der Identitätsfindung entsteht: »[T]hat Orientalism makes sense at all depends more on the West than on the Orient, and this sense is directly indebted to various Western techniques of representation that make the Orient visible, clear, ›there‹ in discourse about it« (Said 2004: 22).
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Diese Einsicht, die allgemein auch als »Krise der Repräsentation« diskutiert wird (dazu Berg/Fuchs 1993, Clifford/Marcus 1986), betrifft dann sowohl die Frage der Kontrolle über Bedeutungen als auch die Frage nach dem Wie, Warum und Was der Repräsentation: »What the approach does is to shift the focus of attention away from what and where the narratives are about to the ›function‹ that they may serve to the producers and consumers of such fictions« (Storey 2001: 79). Insgesamt leistet Said eine grundlegende Kritik an Prozessen der Repräsentation, indem er deutlich macht, dass erst im Verlauf des Ordnens und der Verortung eine geographische Wirklichkeit produziert wird, die den Anschein erweckt, als existierte sie in einem objektiven Sinn (vgl. Lossau 2002: 76). Anders ausgedrückt: Said setzt der Vorstellung einer objektiv erkennbaren und beschreibbaren geographischen Wirklichkeit das Konzept der imaginativen Geographien gegenüber. Demnach ist ein bestimmter Raum nicht allein durch sein materielles, vermeintlich natürliches Wesen bedeutsam, sondern vor allem aufgrund seiner narrativen, imaginativen Zuschreibungen. Es sind also Prozesse der Einschreibung, durch die Macht, Wissen und Geographie miteinander verknüpft sind. Die geographische Wirklichkeit muss somit als konstruierte Realität verstanden werden, die durch sprachliche Fixierungen, Grenzziehungen und Mechanismen des Ein- und Ausschließens diskursiv entsteht: »[A]nyone employing Orientalism, which is the habit for dealing with questions, objects, qualities, and regions deemed Oriental, will designate, name, point to, fix what he is talking or thinking about with a word or phrase, which then is considered either to have acquired, or more simply to be, reality« (Said 2004: 72).
»Kultur ist räumlich« – Raum als kultureller Text Mit der von Said angesprochenen Wechselwirkung zwischen Raum, Kultur und Macht ist eine grundlegende und weitreichende Perspektivierung vorgenommen: Die Beschreibung von Kultur kommt nicht ohne den Raum aus, Kultur ist also immer räumlich, insofern sie sich durch Raum und als Raum konstituiert (vgl. Mitchell 2000: 63). Zu Recht versteht Said seine Arbeit denn auch als ein Neudenken der Geographie, als »rethinking geography« (Said, in Robbins 1994: 21). Und doch hat sein Werk erst in den letzten Jahren Beachtung in der Kulturgeographie gefunden. So haben Derek Gregory (1994) für den englischsprachigen und Julia Lossau (2002) für den deutschsprachigen Raum versucht, die kon-
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zeptionellen Überlegungen aus Saids Werk herauszuarbeiten und für die Geographie fruchtbar zu machen. In einer solchen Forschungsperspektive werden Räume dann nicht (mehr) als natürliche Entitäten betrachtet, sondern als Resultate von Praktiken der Bedeutungszuweisung. Die soziale Konstruktion von Raum folgt einer symbolischen Ordnung und wird in Raumbildern greifbar, die eine spannungsgeladene Konstellation von Macht und Wissen darstellen (vgl. Lossau/Lippuner 2004: 207). An der Leitlinie dieser Verfahren von Kontextualisierung und Repräsentationskritik stößt man somit auf wichtige Einsichten in den Konstruktcharakter von räumlichen Konzepten sowie in die räumliche Konstruiertheit kultureller Erfahrungen und Darstellungen. Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis muss lauten, dass kulturelle Praktiken nicht ohne eine räumliche Dimension analysierbar sind, wie im Umkehrschluss auch der Raum nicht ohne Einbezug der kulturellen Dimension zu verstehen ist. Die Kulturgeographie bewegt sich damit in einem Forschungsfeld, das sowohl die räumliche Organisation von Kultur als auch die kulturelle Bedingtheit von Raum zu fokussieren hat. In dieser Perspektive geraten traditionelle Konzepte von Raum und Identität ins Wanken, Begrifflichkeiten wie Realität, Objektivität und Authentizität verlieren an Eindeutigkeit. Gemeinhin herrschte in der Geographie die Ansicht vor, Kultur mit materiellen Artefakten, mit spezifischen Landschaftsformen und -typen sowie der Idee einer physischen Einheit und Begrenztheit von sozialen Gruppen und Territorien zu assoziieren. Unter Rückgriff auf Friedrich Ratzel und Carl Sauer hat die traditionelle Geographie ihren Raumbegriff immer eng an den Landschaftsbegriff geknüpft und als naturräumlich abgegrenzten Ausschnitt der Erdoberfläche verstanden. Entsprechend wurde ein Kulturraum als homogene Einheit einer spezifischen Verbindung landschaftsgestaltender Natur- und Kulturelemente betrachtet: Die anthropogen geschaffene Kulturlandschaft ist eine »menschlich vermittelte Wirkung der natürlichen Geofaktoren« (Werlen 2000: 101). Dies eröffnet eine Argumentationslinie, die jedem Raum bzw. jeder Landschaft genau eine Kultur bzw. Gesellschaft zuordnet. Diese Gleichsetzung von Land und Kultur, von Kultur und Nation, von Nation und Staat impliziert eine klare räumliche Zuordnung von Menschen nach starren kulturellen Kriterien. Als Definition von Gesellschaft und Kultur dient hier eine Kategorie, die an administrative Systeme gebunden ist und Gesellschaft und Kultur als territorial fixiert betrachtet. Der darin enthaltenen linearen Kausalität liegt in letzter Konsequenz dann eine geo-deterministische Annahme über den Zusammenhang von Raum, Kultur und Gesellschaft zu Grunde. So wird eine Landschaft als geschlossenes Objekt gedacht, das die internen Beziehungen abbildet und losgelöst von Handelnden und Interpreten konstituiert wird: Raum ist ein unabhängig vom Betrachter
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funktionierendes Organisationsprinzip, das beschreibend zu erfassen ist (vgl. Miggelbrink 2002: 146). In einer solchen Perspektive werden räumliche Kategorien zur sozialen Typisierung und der Konstruktion einer gesellschaftlichen Totalität verwendet. Der Raum gerät dann zu einer Konstante, zum Container, der als Träger kultureller Einheiten fungiert und unabhängig von sozialen, kommunikativen Aspekten existiert. Im Kontext postkolonialer und poststrukturalistischer Theorien sowie im Anschluss an konstruktivistische und diskursorientierte Ansätze geraten zunehmend andere Formen geographischer Repräsentation in den Mittelpunkt des disziplinären Interesses: »Die vermeintlich natürliche geographische Wirklichkeit ist nicht per se, sondern wird durch die Verhandlung geographischer Repräsentationen im Prozess der Verortung erst konstruiert« (Lossau 2003: 109). Vor diesem Hintergrund lässt sich eine Geographie formulieren, welche sich von den vermeintlichen Realräumen der Erde zu lösen beginnt, sich den raumbezogenen Konstruktionen unserer Welt zuwendet und sie als »Welt in den Köpfen« zu demaskieren bzw. dekonstruieren erlaubt. In bewusster Abgrenzung zu der traditionellen Konzeption von Raum und Landschaft als etwas Statischem, Neutralem stellen jüngere Arbeiten der Sozial- und Kulturgeographie die Frage nach der Beziehung zwischen Raum und Gesellschaft in den Mittelpunkt. In den vielfältigen Antworten, die darauf gegeben wurden (und werden), wird Raum als soziales Konstrukt gedacht und das Soziale bzw. Kulturelle als räumlich konstruiert verstanden. Als gemeinsamer Horizont der raumtheoretischen Diskussionen lässt sich damit eine Position bestimmen, die davon ausgeht, dass Räume nicht einfach unveränderlich vorhandene physische oder Wahrnehmungsbedingungen sind, sondern kulturell konstituiert oder, wie Henri Lefebvre (1974) dies in seiner inzwischen klassischen Studie The Production of Space formuliert hat, »produziert« werden. Raum wird nicht länger als eine vorgegebene und für sich stehende Einheit gefasst, sondern immer in der wechselseitig konstituierenden Beziehung zum Sozio-Kulturellen. Der Fokus richtet sich somit auf die Räumlichkeit kultureller Phänomene. Auf diese Weise wird zum Ausdruck gebracht, dass sich Raum durch soziale Beziehungen und kulturelle Praktiken konstituiert und die gesellschaftlichen Machtverhältnisse in räumlichen Strukturen und Praktiken niederschlagen. In dieser Perspektive lässt sich Raum als Objekt kultureller Bedeutungszuschreibungen verstehen, der durch kommunikative Praktiken und Repräsentationen angeeignet und produziert wird. Kultur wird damit zu einem Medium, durch das soziale Veränderungen und räumliche Bedeutungszuschreibungen erfahren und konstituiert werden (vgl. Cosgrove/Jackson 1987). Vor diesem Hintergrund setzt sich in der aktuellen Diskussion ein Verständnis von Land-
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schaft durch, das ihrer Veränderlichkeit und Prozesshaftigkeit Rechnung trägt und Aspekte von Repräsentation und Macht, von Symbolisierung und Konstruktivität herausstreicht. Die traditionelle, objektorientierte Beschreibung von Räumen und Landschaften wird also durch Lesarten ersetzt, die Aspekte der Medialität und Kommunikation sowie die Dynamik und Konstruktivität räumlicher Gegebenheiten betonen und hervorheben. Diesen Wandel vom traditionellen zum kulturtheoretisch fundierten Raumbegriff fassen Gebhardt, Reuber und Wolkersdorfer (2003) wie folgt zusammen: »Der Nexus zwischen Raum und Kultur ist aus erkenntnistheoretischer Sicht eng geknüpft, aber keineswegs in Form einer (natur-)deterministischen Kausalität. Raum ist hier – so muss die konzeptionelle Präzisierung lauten – nicht in erster Linie ›an sich‹ bedeutsam, sondern als Konstruktion, d.h. als sozial, ökonomisch und politisch interpretierter, als symbolisierter Raum« (Gebhardt/ Reuber/Wolkersdorfer 2003: 3).
Hinter dieser theoretischen Reformulierung des Raumkonzepts wird eine begriffliche Wendung von Land zu Landschaft deutlich (Mitchell 2003: 242), die den Fokus auf die Art der Darstellung und seinen Gegenstand richtet: »A landscape is a cultural image, a pictorial way of representing, structuring or symbolising surroundings« (Daniels/Cosgrove 1988: 1). Cosgrove (1984) zeigt, dass der Landschaftsbegriff immer eine bestimmte Weise der Landschaftsdarstellung impliziert, die als Repräsentation einer visuellen Welt durch eine kulturelle Form einen Raum für ein bestimmtes Publikum gestaltet und kohärent und lesbar macht. Dadurch ist den Darstellungen eine gezielte Ikonographie eingeschrieben, welche die räumlichen Bedeutungen den Interessen und Erwartungen bestimmter Gruppen entsprechend symbolisiert. Diese Form der Selektivität und Stilisierung als Teil der Repräsentationspraktiken fördert schließlich die Aufrechterhaltung bestimmter Raumvorstellungen und die Art und Weise wie soziale Gruppen ihr Verhältnis von Lebensstil und Landschaft verhandeln: »[The] way of imagining and picturing space remains tied to specific understandings of what is attractive and aesthetically pleasing. […] These questions of aesthetic value remain bound into power relations, so that certain landscapes and ways of life are privileged over others« (Hubbard et al. 2002: 140).
Die Betonung des visuellen Charakters von Landschaft ermöglicht es somit, alle Landschaftselemente als kulturelle Zeichen zu lesen und zu
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deuten und an Prozesse der Repräsentation und Interpretation rückzubinden: The »decoding of landscape imagery showed that highly ideological and political messages were often written into, and read from, specific landscapes, with notions of ›spectacle‹, iconography and symbolism central in many ›enculturated‹ accounts of the urban […] and the rural« (ebd.: 60).
Der Terminus des ›geographisch Imaginären‹ hält die Akzentuierung der visuellen Dimension von Landschaft begrifflich fest: »Geographical imaginations«, so hat Gregory (1994) herausgearbeitet, ist die sinnhaft strukturierte Vorstellung von Geographie, die im historischen Vergleich immer eine ausgeprägte Bildhaftigkeit impliziert (vgl. auch Cosgrove 1984). Gleichzeitig betont der Begriff des Imaginären, dass es sich bei den Vorstellungswelten um etwas Erfundenes, Konstruiertes handelt, das aber gleichwohl von hoher realer Wirkung ist, da es unser Denken und Handeln beeinflusst. Damit wird deutlich, dass der Landschaftsbegriff immer auch auf eine spezifische Form des Sehens verweist: Während eine Landschaft ein Erscheinungsbild darstellt, das mit Bedeutung gefüllt ist, ist sie zugleich Gegenstand des Betrachtens und Wahrnehmens, in dessen Verlauf die Sinnangebote erschlossen werden. Landschaft als Begriff schließt somit immer schon ein Beobachtungsverhältnis ein, das den Zugriff auf Raum als Darstellung von Raum bestimmt. Als Hauptarena der gegenwärtigen Inszenierung des geographisch Imaginären lässt sich dann die Medienunterhaltung ausmachen, da hier beständig Sinnentwürfe, Identitäten und räumliche Ordnungen angeboten und rezipiert werden. Spitzt man die Kritik am traditionellen Landschaftsbegriff zu, so lässt sich Landschaft als ein komplexer Text begreifen, in den Ereignisse und Bedeutungen eingeschrieben und überschrieben werden. Die Bedeutung einer Landschaft kann dann nicht einfach aus ihr herausgelesen werden, zumindest solange nicht bis die Parameter der Einschreibung dechiffriert oder die Perspektive des Lesens offenkundig gemacht worden sind. Damit eröffnet sich ein Interpretationsfeld, das neben den kulturellen Raumsemantiken auch die in die Landschaft eingeschriebenen Identitätspolitiken (politics of identity) umfasst (siehe dazu Brace 2003 und Keith/ Pile 1993). In den Mittelpunkt des Interesses rücken vermehrt Fragen der Produktion und Symbolisierung von Räumen sowie deren Rückbindung an mediale und gesellschaftliche Zusammenhänge. Raumerfahrungen und Raumdarstellungen werden als kulturelle Phänomene oder kulturelle Praktiken gelesen, an denen sich Formen der Sinnkonstruktion einer Gesellschaft illustrieren lassen.
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Im Anschluss an dieses symbolische Raumkonzept hat die Kulturgeographie die Art und Weise, in der über Raum und Identität gesprochen und kommuniziert wird, kritisch hinterfragt, vor allem im Kontext von Literatur, Film und Fernsehen sowie anderen Kommunikationssystemen, in denen kulturelle Bedeutungen entstehen und verbreitet werden (etwa Cresswell/Dixon 2002, Aitken/Zonn 1994, Zonn 1990, Klüter 1986, Burgess/Gold 1985). In dieser Perspektive interessieren nicht nur die raumkonstituierenden Praktiken von Medien, sondern auch die Repräsentationstechniken und Repräsentationsformen von Raum. Mediale Verfahren setzen also Räumlichkeit ins Bild, indem sie sie interpretieren und konstruieren. Diese Modifikation vom Raum zum Bild heißt dann hier: vom Raum zum filmischen Text. Dabei wird deutlich, dass Landschaften im Film über eine eng begrenzte Motivgeschichte von ›Raum im Film‹ hinausgehen, ermöglicht es der Blick auf sie doch, Filme nicht allein als Vermittlung einer außerhalb des Films liegenden Landschaft zu verstehen, sondern die wechselseitige Bedingung von Medium und Raumdarstellung zu problematisieren. In der Annahme, dass sich das geographisch Imaginäre in engem Zusammenhang mit Medien herausbildet, in denen sich kulturelles Geschehen vollzieht und mit Bedeutung auflädt, wird Raum als Zeichensystem betrachtet und in Beziehung zu Fragen der Macht und Repräsentation gebracht: »The way we understand the geographical world, and the way in which we represent it, to ourselves and to others, is what is called our ›geographical imagination‹. [...] Such world views vary between societies and through history. They may also be contested. They are social products which reflect a balance of power. Maps are just one means of representation of world views, and all maps necessarily present a particular understanding of the world. But many other things too – from tourist brochures to the news to travel programmes on the television – contribute to the formation of our geographical imaginations« (Massey 1995: 41).
Zwischenfazit Die vorgestellten kultur- und zeichentheoretischen Ansätze liefern insgesamt einen ersten, konzeptionellen Rahmen für eine kulturgeographische Beschäftigung mit Film und Fernsehen, insofern sie Medien als integralen Bestandteil von Kultur betrachten und deren zeichenhafte Konstruktion von Wirklichkeit anerkennen. Film und Fernsehen sind somit als kulturelle Indikatoren aufzufassen, die Auskunft geben über die in einer Gesellschaft herrschenden Wertvorstellungen bzw. über die Vor-
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stellungen, die sich eine Gesellschaft über sich macht. Die thematisch entwickelten Konzepte ermöglichen es dann, einen alltagsnahen und symbolischen Modus des Diskurses über Raum, Identität und Gesellschaft theoretisch zu fassen. Die Tragfähigkeit einer Konzeptualisierung von Kultur als Symbolsystem, wie es von Cassirer und Geertz maßgeblich geprägt wurde, besteht zunächst darin, dass Kultur als Modell von und als Modell für Verhalten fungiert. Kultur ist nicht das Resultat von Lebensbedingungen, sondern ein eigenständiges und in gewisser Weise autonomes Bedeutungssystem. Auch die Cultural Studies rücken den Aspekt der Bedeutung von Kultur in den Vordergrund, richten sich jedoch gegen ein traditionelles ästhetisches Kulturverständnis und fokussieren stattdessen populäre Texte und alltägliche kulturelle Praktiken. Zudem ist eine Differenzierung von Kultur als konfliktäre Lebensweisen notwendig. Thompson kritisiert die homogene und additive Kulturdefinition, wie sie von Williams geprägt wurde, und betont den Wandel und die Widersprüchlichkeit von Lebensformen und -bedingungen. Daran anschließend hat Stuart Hall Kultur als komplexe Artikulation konzeptualisiert, wonach Kultur durch die Orientierungen, materiellen Bedingungen, Praktiken und subjektiven Deutungen im Zusammenspiel von Strategien und Taktiken konstituiert wird. Damit problematisieren die Cultural Studies stärker die kulturelle Komplexität, die bereits bei Geertz zur zentralen Herausforderung einer Kulturtheorie wurde. Mit Blick auf das Verhältnis von Handelnden und ihren Zusammenhängen gerät dann der Kontext als Konstitutiv von Kultur in den Vordergrund. Der Einfluss postmodernen Denkens schärft schließlich das Bewusstsein für die Instabilität und Dynamik aller Bedeutungen und bindet Repräsentationspraktiken an Prozesse der Macht und Kontrolle. Als Charakteristikum der Cultural Studies kann somit insgesamt die Analyse kultureller Kontexte sowie die Erforschung und Kritik der Bedingungen der Möglichkeiten kultureller Selbstvergewisserung in Alltag und kultureller Praxis unter sich wandelnden Machtkonstellationen angesehen werden, die vorwiegend anhand von kulturellen Repräsentationen erfolgt (vgl. Göttlich/Winter 1999: 26). Wird damit Kultur nicht mehr als objektiv beschreibbare Realität verstanden, sondern als ein relationaler, kommunikativer Prozess, in dem Bedeutungen produziert und ausgehandelt werden, dann wird sie zu einem ausgezeichneten Ort symbolischer Ordnungen, der an Kontext- und Machtverhältnisse gebunden ist. Bei dem Versuch einer Standortbestimmung von Kultur und Geographie ist der Raum nicht nur Metapher, sondern eine zentrale Kategorie. Schon Edward Saids thematische Fokussierung auf das ›Räumliche‹ zeigt anhand des Orientdiskurses, wie sowohl die räumliche Organisation
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von Kultur als auch die kulturelle Bedingtheit von Raum konzeptualisiert werden können. Eine kulturgeographische Schärfung der Begriffe ermöglicht es dann, den Zusammenhang von geographischem Wissen und Repräsentationsmacht als Problem der Machtabhängigkeit von Kulturund Raumbeschreibungen zu fassen. Anstelle einer objektiv erkennbaren und beschreibbaren geographischen Wirklichkeit tritt im Anschluss an David Gregory das Konzept der imaginativen Geographien, wonach ein bestimmter Raum nicht allein durch sein materielles Wesen, sondern vor allem aufgrund seiner narrativen, positionierten Zuschreibungen bedeutsam ist. Damit wird Raum als Element kultureller Praktiken konzeptualisiert. Insbesondere die fiktionalen Unterhaltungsformate – und hier erscheint der Tatort an exponierter Stelle – bieten einen guten Zugang zum geographisch Imaginären, weil sie kulturelle Selbstverständlichkeiten vermitteln, die den Menschen bei der Orientierung in ihrer Alltagswelt dienen. Dabei darf eine fruchtbare Untersuchung von Film und Fernsehen – so das Resümee dieses Kapitels – neben den dargestellten Inhalten aber den sozialen und ökonomischen Kontext der Produkte und ihre jeweilige Semantisierungspraxis nicht vernachlässigen. Um diesen Aspekt zu stärken, muss im Folgenden ein Erkenntnisinteresse formuliert werden, welches das Bild einer Stadt im Rahmen kommunikationstheoretischer Überlegungen zu konzeptionalisieren versteht.
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KOMMUNIKATION
»But what is called the study of culture also can be called the study of communications, for what we are studying in this context are the ways in which experience is worked into understanding and then disseminated and celebrated« (Carey 1989: 44).
Eine Auseinandersetzung mit Kultur und Medien kreist um ein in permanentem Wandel begriffenes Konzept von Kommunikation, mit dessen Hilfe sich unser kulturelles Selbstverständnis (re)konstruieren lässt. Somit sind die Begriffe Kultur, Medien und Kommunikation in der aktuellen Debatte der Disziplinen eng miteinander verzahnt. Wird Kultur als ein ausgezeichneter Ort symbolischer Ordnungen begriffen, der sich in und durch Kommunikation konstituiert, so erweist sich die Erforschung massenmedialer Kommunikation als ein genuin kulturwissenschaftliches Projekt. Eine rigide Trennung von Kultur und Kommunikation erscheint somit wenig sinnvoll und ist allenfalls von disziplinpolitischem Interesse (vgl. Karmasin/Winter 2003). Anstelle der Reduktion auf normative Konzepte, ist vielmehr die Operationalisierung ihrer gegenseitigen Bedingtheit notwendig: »There is no communication without culture and no culture without communication« (Kellner 1995: 166). Während alles Kulturelle der Kommunikation und Vermittlung bedarf, werden Kommunikationsformen durch Kultur vermittelt. Kulturelles ist also ohne Kommunikation unmöglich, ebenso wie sich Kommunikation ohne Kultur nicht entwickeln könnte. Kommunikation ist eine Menge von kulturell geprägten Praktiken, Konventionen und Formen, mit denen Bedeutungsgehalte produziert und ausgehandelt werden. Hieraus ergibt sich ein Verständnis von Kulturwissenschaft als Kommunikationswissenschaft, das sich aus dem Zusammenspiel von Konzepten der Kultur und Kommunikation ergibt. Bezugnehmend auf eine Konzeption von Kultur als Prozess, der durch Kommunikation gesteuert wird, kommt den Medien die Rolle zu, Themen, Ideen und Sinnstiftungsprozesse zu verhandeln, »eigene« und
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»fremde« Positionen zu vermitteln und damit kulturelle Beschreibungsprozesse zu initiieren. Vor diesem Hintergrund können Medien als ein Forum für kulturelle Muster, für ästhetische Produktionen, für Sinnentwürfe und Wirklichkeitsdeutungen verstanden werden, »mit dessen Hilfe Wirklichkeit erzählend dargestellt und dadurch zum Gegenstand unserer Reflexion werden kann« (Newcomb/Hirsch 1986: 177). Sie sind sowohl die Bedingung für Kommunikation als auch eine Institution, in der Kultur organisiert wird. Nach Newcomb und Hirsch erfüllt vor allem das Fernsehen basale Funktionen in Hinblick auf die Aufrechterhaltung und Fortentwicklung der Kultur. Sie gehen von einer kreativen Vielfalt der Texte aus, durch die sich die Kultur im Fernsehen selbst beobachtet und verstehen das Medium als »Forum, auf dem sich wichtige kulturelle Phänomene thematisieren lassen« (ebd.: 182). In dieser Perspektive sind Medien nicht nur Austausch von Informationen, sondern ein grundlegender, symbolischer Prozess, durch den Realität im Hinblick auf Kultur erzeugt und entwickelt wird (vgl. dazu Krotz 2003: 29-30). Realität ist demzufolge als Konstruktionsprozess zu verstehen und Kultur als kommunikative Thematisierung von Wirklichkeit. Die von der Kulturgeographie und den Cultural Studies geleistete Hinwendung zur Populärkultur und die Analyse von in der Alltagswelt angesiedelten Kämpfen um Bedeutung bilden die wesentlichen Grundlagen für eine Untersuchung medialer Räume im Kontext kommunikationstheoretischer Zusammenhänge. Den Medien kommt eine Schlüsselrolle in dem Vorgang zu, den Stuart Hall als »politics of signification« bezeichnet hat (Hall 1992). So ist auch das Fernsehen ein dominantes Mittel der soziokulturellen Signifikation, das ein Repertoire an Bildern, Klassifikationen und Ideen erschafft, ordnet und inventarisiert. Die Annahme, dass Kommunikation die Hauptfunktion von Zeichen ist und damit die Benennung und Deutung von Wirklichkeit zu einem potenziell willkürlichen Akt wird, fordert traditionelle Kommunikationsmodelle heraus. Denn wenn Kultur als prinzipiell offener und wandlungsfähiger Prozess verstanden wird, sind auch die Zuschauer als handelnde Akteure zu begreifen, die auf ihr gesellschaftliches Umfeld reagieren und sich mit neuen Positionen arrangieren, Widerstand leisten und individuelle Interessen verfolgen. Bevor die explizite und reflektierte Berücksichtigung dieser Dimension nuanciertere Einsichten in die Zusammenhänge von Raum und Kommunikation erschließen können, sollen zunächst grundlegende Kommunikationsmodelle vorgestellt und kritisiert werden. Erst auf der Basis dieser theoretischen Überlegungen ist es dann möglich, Raum mithilfe des Kommunikationsbegriffs sinnvoll zu rekonzeptionalisieren. Das Erfassen, Darstellen und (Re-)Produzieren von Raum im Medium des Fern-
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sehens wird unter einer solchen Prämisse dann ebenso thematisiert werden können wie dessen Gebrauchs-, Konsumtions- und Produktionsweisen im soziokulturellen Kontext.
Traditionelle Kommunikationsmodelle Die weit verbreitete Sichtweise, dass im Kommunikationsprozess transparente Botschaften transportiert werden und eine direkte Beeinflussung der Zuschauer zur Folge haben, geht auf das behavioristische stimulusresponse-Modell zurück. Kommunikation wird dabei nach einem Modell der Übermittlung funktionalisiert mit dem Ergebnis einer linearen, unidirektionalen Transmission von Inhalten: Von einem Sender wird eine Botschaft über ein Medium in ein Signal verwandelt und von einem Empfänger zur Ausgangsbotschaft zurückverwandelt. Auf diese Weise wird von den Inhalten direkt und linear auf die Wirkungen beim Rezipienten geschlossen, wobei die Wirkungen vollständig durch die Stimulation erzielt werden, ohne dass soziale oder situative Rahmenbedingungen mitwirken. Dem Sender wird also unterstellt, eine bestimmte Absicht bzw. Intention zu verfolgen, an der die Wirkung gemessen werden kann. Gleichzeitig ist der Empfänger der Botschaft ausgeliefert, indem er sie passiv aufnimmt. Die Funktion und Wirkungen des Mediums bestehen demnach in der ungefilterten Weitergabe der Inhalte. Modellen dieser Art liegt die Annahme zu Grunde, dass die übertragenen Inhalte wie in einem Container vom Sender zum Empfänger transportiert werden. Dies impliziert, dass beide Seiten völlig identische Vorstellungen von den Inhalten haben.1 Die Kommunikationsvorgänge sind hier asymmetrisch konzipiert: Während ein aktiver Sender Stimuli bzw. Botschaften aussendet, reagiert der Empfänger völlig passiv. Kommunikation wird als intendierter Vorgang betrachtet, der absichtlich und zielgerichtet verläuft. Ien Ang (1996: 164) macht zu Recht darauf aufmerksam, dass vor diesem theoretischen Hintergrund die Transmissionsmodelle die Position des Senders privilegieren, da er als legitime Quelle und Generator von Bedeutung und Handlung angesehen wird. Infolgedessen wird das Massenmedium Fernsehen als homogenisierende Kraft und das Publikum als unterdrücktes, abhängiges Kollektiv betrachtet. In der weiteren Entwicklung sind die Transmissionsmodelle erweitert und verifiziert, mit Feedback-Schleifen versehen und in triangulare oder asymptotische Formen gebracht worden. Die Grundaussage und die zu Grunde liegende Idee ist aber stets dieselbe geblieben, da sie Vorstellung 1
Einen guten Überblick über verschiedene Formen der Wirkungs- bzw. Transmissionsmodelle bieten Rösler 2004 und Vollbrecht 2001: 99 ff. 67
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eines Einwegflusses der Kommunikation weiterhin dominant ist. Problematisch erscheinen deshalb drei Aspekte: Die Annahme einer direkten Beeinflussung der Zuschauer, die Konzeption eines passiven Publikums sowie die Voraussetzung einer Botschaft als transparenter Träger von Bedeutung. Damit stellt sich generell die Frage nach der Gültigkeit des Kausalitätsprinzips. Erst James Carey hat der Kommunikationstheorie mit seinem »ritual view of communication« (Carey 1989: 15) eine grundsätzliche Neuorientierung geben können.
Careys Ritualmodell Der Sichtweise von Kommunikation als Transmission stellt Carey (1989) die Vorstellung von Kommunikation als Ritual entgegen. Unter diesem Gesichtspunkt wird das Lesen und Schreiben von Botschaften nicht als Aufnahme bzw. Absicht von Informationen verstanden, sondern als kreativer Akt der Redefinition bzw. Konstitution von Sinn und Bedeutung. Auf diese Weise wird durch den Kommunikationsprozess eine gemeinsame Kultur konstruiert: »[A] ritual view conceives communication as a process through which a shared culture is created, modified, and transformed« (Carey 1989: 43). Das Ritualmodell stellt die produktive Funktion von Kommunikation in den Vordergrund und rückt damit methodisch näher ins Paradigma des sozialen Konstruktivismus, das von Berger und Luckmann (1969) maßgeblich geprägt wurde. Careys Kommunikationskonzept bezieht sich dabei wesentlich auf den Begriff der Gemeinschaft. Es geht ihm nicht um das Mitteilen von Informationen, über die dann Sender und Empfänger verfügen, sondern um die Herstellung einer Verständigungsgemeinschaft und die gegenseitige Bestätigung kultureller Übereinstimmungen. Carey expliziert diese Sichtweise anhand dreier Begriffe: Abbildung, Realität und Praxis (vgl. Marchart 2004: 62-63 und Krotz 2003: 33-34). Im Anschluss an die theoretischen Überlegungen von Cassirer, Geertz und Williams nimmt das Ritualmodell Realität nicht als vorgängig gegeben an, sondern versteht Realität als Produkt bzw. Konstruktion des Kommunikationsprozesses: »Reality is not given, not humanly existent, independent of language and toward which language stands as a pale refraction. Rather, reality is brought into existence, is produced, by communication – by, in short, the construction, apprehension, and utilization of symbolic forms« (Carey 1989: 25).
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Dieser Annahme folgend muss der Prozess der Kommunikation der Realität ontologisch vorgeschaltet sein, da er als realitätserzeugend betrachtet wird: »In examining communication as a process by which reality is constituted, maintained, and transformed I am trying to stress that communication as such has no essence, no universalizing qualities« (ebd.: 84). Carey problematisiert an dieser Stelle den Begriff der Abbildung und vertieft seine Ausführungen interessanterweise am Beispiel der Landkarte. Er verdeutlicht, dass unterschiedliche Karten denselben Raum auf unterschiedliche Weise abbilden, repräsentieren können und somit unterschiedliche Realitäten schaffen: »Maps not only constitute the activity known as mapmaking; they constitute nature itself« (ebd.: 28).2 Gleichzeitig macht er deutlich, dass Abbildungen von Räumen nicht unbedingt die Form von Karten haben oder visuell sein müssen, sondern auch in anderen symbolischen Formen, in Liedern, Gedichten und Tänzen, beschrieben werden können. Allgemein beruht die Produktion von Realität auf einer bestimmten Symbolqualität, d.h. auf der Tatsache, dass Symbole Realität auf zweierlei Art repräsentieren: Als »representation for reality« erzeugen Symbole eine Realität und konstituieren Bedeutungen über Kultur und Gesellschaft. Als »representation of reality« wird eine Realität durch Symbole modellhaft reduziert und präsentiert. »As ›symbols of‹ they present reality; as ›symbols for‹ they create the very reality they present« (ebd.: 29). Wenn nun Realität durch Kommunikation erzeugt und verhandelt wird, muss Kommunikation in einem nächsten Schritt als alltägliche soziale Praxis und Kultur als Set von Praktiken konzeptualisiert werden. An dieser Stelle unterstreicht Carey das konfliktäre Moment in den Kommunikationsprozessen, da nicht jeder einen Zugang zu ihnen und damit die Möglichkeit zur Realitätsdefinition hat. Indem er den kulturellen Hintergrund, die soziale Struktur und die Gemeinschaft als Kontexte betont, erfasst er sehr genau, unter welchen Bedingungen Kommunikation überhaupt möglich ist. Carey vermag es aber nicht, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie Menschen mit Medien und ihren Inhalten umgehen.
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Die hier nur angedeutete Debatte um den realitätskonstituierenden Charakter von Karten ist in der Geographie im Kontext von Macht, Politik und Repräsentation fruchtbar fortgeführt worden (siehe etwa den Beitrag von Pinder in Blunt et al. 2003, sowie Cosgrove 1999, Massey 1995). 69
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Thematische Öffnung: Benedict Andersons Erfindung der Nation Andersons wegweisende Studie Imagined Communities liefert ein wichtiges Stichwort für einen interdisziplinären Diskurs über Nation, Identität und Gemeinschaft (Anderson 1996). Sein Konzept der politischen Gemeinschaft wendet einen konstruktivistischen Ansatz, der die Wahrnehmung der Wirklichkeit grundsätzlich als Ergebnis eines intersubjektiven gesellschaftlichen Konstruktionsprozesses begreift, auf die historische Interpretation des Phänomens Nation an. Im Anschluss an den linguistic turn reformuliert Anderson den Begriff der Nation: »Die weitaus wichtigste Eigenschaft der Sprache ist vielmehr ihre Fähigkeit, vorgestellte Gemeinschaften hervorzubringen, indem sie besondere Solidaritäten herstellt und wirksam werden lässt« (ebd.: 133). Vor diesem Hintergrund weist Anderson dem Nationenbegriff vier wesentliche Eigenschaften zu. Eine Nation ist erstens »vorgestellt [...], weil die Mitglieder selbst der kleinsten Nation die meisten anderen niemals kennen [...] werden, aber im Kopf eines jeden die Vorstellung ihrer Gemeinschaft existiert« (ebd.: 15). Sie wird zweitens »als begrenzt vorgestellt, weil selbst die größte von ihnen [...] in genau bestimmten, wenn auch variablen Grenzen lebt, jenseits derer andere Nationen liegen« (ebd.: 16). Drittens ist eine Nation souverän, »weil ihr Begriff in einer Zeit geboren wurde, als Aufklärung und Revolution die Legitimität der als von Gottes Gnaden gedachten hierarchisch-dynastischen Reiche zerstörten« (ebd.: 17). Sie wird schließlich viertens als »Gemeinschaft vorgestellt, weil sie, unabhängig von realer Ungleichheit und Ausbeutung, als ›kameradschaftlicher‹ Verbund von Gleichen verstanden wird« (ebd.: 17). Ein wichtiger Bestandteil der Vorstellung einer Nation ist das Element des ›Nicht-bewusst-Gewählten‹, d.h. ihre vermeintliche Natürlichkeit. »Gerade weil solche Bindungen nicht bewusst eingegangen werden, erhalten sie den hehren Schein, hinter ihnen steckten keine Interessen« (ebd.: 144). Obwohl das Alter und die ›natürliche‹ Gemeinschaft von Nationen lediglich auf einer Erfindung von Traditionen beruht, warnt Anderson ausdrücklich vor dem Missverständnis, dass Nationen als imaginierte Gemeinschaften unecht oder falsch seien und darum zugunsten echter Gemeinschaften dekonstruiert werden müssten. Der implizite Vorwurf, dass der Nationalismus falsche Tatsachen vorspiegele, assoziiert dann »Erfindung« mit »›Herstellung‹ von ›Falschem‹«, anstatt mit »›Vorstellen‹ und ›Kreieren‹« (ebd.: 15). Tatsächlich jedoch, so Anderson, sind nicht nur Nationen, sondern alle Gemeinschaften, die größer sind als Dorf- und Familienverbände von einander persönlich bekannten Personen, imaginär, vorgestellt bzw. erfunden. Gemeinschaften
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sollten daher »nicht durch ihre Authentizität voneinander unterschieden werden, sondern durch die Art und Weise, in der sie vorgestellt werden« (ebd.: 16). Andersons Konzept der Nation liefert einer Analyse, die sich mit der medialen Konstruktion von Wirklichkeit beschäftigt, wichtige Anknüpfungspunkte. Besonders relevant ist es vor allem deshalb, weil es den Nationsbildungsprozess mit einer Medientheorie korreliert, die auf dem Ritualmodell Careys basiert. Laut Anderson sind gerade Medien für den Prozess der Imaginierung einer Gemeinschaft nationaler Größenordnung notwendig. Am Beispiel der Tageszeitung verdeutlicht er, wie durch die Massenzeremonie der täglichen simultanen Konsumtion die Grenzen der Gemeinschaft abgesteckt werden: »Indem der Zeitungsleser beobachtet, wie exakte Duplikate seiner Zeitung in der U-Bahn, beim Friseur, in seiner Nachbarschaft konsumiert werden, erhält er ununterbrochen die Gewissheit, dass die vorgestellte Welt sichtbar im Alltagsleben verwurzelt ist« (Anderson 1996: 41). Das Lesen der Tageszeitung wird hier zu einer expressiven Tätigkeit, welche die Gesellschaft reproduziert und an ihr partizipiert. Deutlich wird hier, dass Anderson seine Argumentation aus dem ritualisierten Umgang mit der Zeitung auf der Ebene des Alltags ableitet. Inhaltliche Aspekte bleiben jedoch unberücksichtigt (vgl. Edensor 2002: 7). Die gemeinschaftsstiftende Funktion des Mediums liegt also weniger in vermeintlich nationalen Inhalten begründet, sondern allein in ihrem ritualisierten Gebrauch. Anderson gelingt es zwar, mit dem Ritualmodell das Wie nationaler Konstruktion zu verdeutlichen, das Warum lässt er dabei jedoch außer Acht (Marchart 2004: 70). Verschiedenste Arbeiten (Morley 2000, Gillespie 1995) haben diese Vorstellung auf das Fernsehen ausgeweitet und im Kontext von Migration und Globalisierung dargestellt, wie Zuschauer das Medium als Ort der Identifikation mit und der Erinnerung an Heimat und Nation nutzen. Problematisch erscheint aber auch hier, dass von den Medieninhalten weitgehend abgesehen wird und Medien an sich als identitäts- und gemeinschaftsstiftend verstanden werden. Wenn aber durch Medien die Nation oder Heimat imaginiert werden soll, ist das Ritual des Mediengebrauchs alleine nicht ausreichend. Es muss im Folgenden darum gehen, ein Konzept zu entwickeln, dass die Prozesse der Mediennutzung weiter fasst und mit inhaltlichen Artikulationen und ökonomischen Bedingungen in Beziehung zu setzen vermag.
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Kommunikation als aktiver Prozess In kritischer Anwendung sprach- und kommunikationstheoretischer Überlegungen haben Stuart Hall und John Fiske den Bereich der Massenkommunikation grundlegend neu konzipiert. Trotz der Unterschiede in ihren Ansätzen lassen sich gegenüber den traditionellen Kommunikationsmodellen gemeinsame Brüche und Perspektivenverschiebungen ausmachen: Erstens wird das behavioristisch geprägte Modell der direkten Beeinflussung durch Medien ersetzt durch eine theoretische Konzeption, die die konstruktive und ideologische Rolle der Medien untersucht. Zweitens gerät in Auseinandersetzung mit dem Strukturalismus das Problem der Signifikation in den Vordergrund und damit die Frage, wie Bedeutungen produziert und ausgehandelt werden. Drittens wird die Vorstellung vom Publikum als homogenes und passives Moment der Kommunikation aufgegeben. Stattdessen geraten die aktiven Prozesse der Kodierung und Dekodierung von Medieninhalten in den Mittelpunkt. Viertens führt die Beschäftigung mit Aspekten der Repräsentation und Ideologie zu der Frage, welche Rolle die Medien in der Zirkulation und Konstruktion von Definitionen, Rahmen und Bedeutungen spielen.
Stuart Halls Encoding/Decoding-Modell Stuart Hall hat sich in seinen Analysen mit der Integrationsfunktion des Fernsehens und der modernen Massenmedien befasst. Massenmedien vermitteln zwischen Regionen, Klassen und Kulturen einer komplexen Gesellschaft unter anderem, indem sie Informationen über das Leben anderer Gesellschaftsteile liefern und gemeinsame Kodes und Interpretationsrahmen stiften. Diese Gemeinsamkeit liegt in einem Konsens, der nicht die Existenz vollkommen einheitlicher Bedeutungsstrukturen, sondern einen breiteren Bereich von verfügbaren Wegen der Definition, Interpretation und Erklärung der gesellschaftlichen Wirklichkeit umfasst. Damit unterstreicht Hall die Annahme, dass Medien insofern Macht haben, als sie Kategorien und Rahmen bereitstellen, in denen die Wirklichkeit wahrgenommen und interpretiert wird. So ist auch das Fernsehen ein dominantes Mittel der soziokulturellen Signifikation, das ein Repertoire an Bildern, Klassifikationen und Ideen erschafft, ordnet und inventarisiert. Auf diese Weise wird die soziale Realität kartographiert und in eine konsensuale Ordnung (common sense) gebracht (vgl. Marchart 2004: 85). Kulturelle Produkte werden so als Kommunikationsformen begriffen, die durch eine semantische Vorstrukturierung des Textes das Terrain seiner möglichen Bedeutungen eingrenzen. Dennoch lassen sich Bedeutungen nicht manipulativ erzwingen. Der Ort, an dem Bedeutung
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entsteht, ist vielmehr erst als Schnittpunkt von Text- und Leserdeterminationen zu fassen. Damit stellt Hall die Vorstellung von einem aktiven Zuschauer heraus. Das von Hall (1999) entwickelte Encoding/Decoding-Modell nimmt diese Aspekte auf und versucht, sowohl die Wirkungspotenziale der Medien zu berücksichtigen als auch die Eigenaktivität der Zuschauer einzubeziehen. Im Unterschied zu traditionellen Ansätzen der Kommunikationsforschung geht es ihm dabei nicht um den Austausch von Botschaften, sondern um eine Artikulation verschiedener Praktiken. Grundlage ist die Annahme, dass sowohl die Produktion (encoding) als auch die Rezeption (decoding) an der Bedeutungszuweisung beteiligt sind und dass kodierte und dekodierte Bedeutungen nicht notwendigerweise übereinstimmen bzw. in einer Kausalbeziehung stehen müssen. Halls Modell wird von der semiotischen Fragestellung geleitet, wie Bedeutung im sozialen Prozess der Kommunikation hergestellt wird. Massenkommunikation wird dabei als eine komplexe Struktur aufgefasst, »die durch die Artikulation miteinander verbundener, aber eigenständiger Momente produziert und aufrechterhalten wird« (Hall 1999: 92-93). Im Moment der Kodierung werden die Wissensrahmen und Produktionsverhältnisse betrachtet, in denen die Medientexte, d.h. hier die Fernsehprogramme, produziert werden. Kodieren bezeichnet somit die Auswahl von Codes, welche die Ereignisse in einen referentiellen Kontext stellen, der ihnen Bedeutung verleiht. Die in diesen Kontexten entwickelten Sinngehalte werden in sinntragende Texte übertragen, für die jene Regeln gelten, die von Sprach-, Zeichen- und Diskurstheorie herausgearbeitet wurden. So hervorgebrachte, eigenständig existierende, audiovisuelle Medientexte betrachtet Hall als ein zweites Moment des Prozesses von Medienkommunikation. Diese Medientexte wirken nun allerdings nicht direkt auf ein Publikum ein. Vielmehr erzeugen sie erst in einem weiteren, auf Seiten des Publikums angesiedelten Moment der Bedeutungsproduktion, Effekte, durch die ein Text für dieses Publikum bedeutungsvoll wird. Analog dem Kodieren der Medienproduzenten wird diese dekodierende Aktivität des Publikums durch Verhältnisse und Wissensrahmen geprägt, die für das Publikum bei seiner rezipierenden Bedeutungsproduktion Sinn stiftend sind. Hierzu gehören z.B. eigene Erfahrungen oder Bestände von für das Publikum bereits bedeutungsvollen Texten, die bei der Rezeption mit dem Medientext verknüpft werden. Sowohl die Prozesse der Dekodierung als auch die der Kodierung erfolgen somit kontextbeeinflusst. Halls Modell wendet sich explizit gegen verhaltenstheoretische Analysen der Rezeption und Nutzung von Medienangeboten. Es unterscheidet vielmehr mehrere Momente und Aspekte des medialen Kommunikationsprozesses, die auf diesen prägend einwirken und die zugleich auch
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Grenzen oder gar Bruchstellen einer direkten Kommunikation darstellen. Eine vollständige Übereinstimmung von kodierten und dekodierten Bedeutungen erscheint aus dieser Perspektive heraus als empirisch kaum erwartbarer Grenzfall: »Der Kodierungsvorgang kann nicht festlegen, welche Dekodierungen zur Anwendung kommen. […] Stattdessen ist von variierenden Arten der Kombination von Kodierungs- und Dekodierungsvorgängen auszugehen« (Hall 1999: 106). Entscheidend für das Ergebnis von Kommunikationsprozessen sind die strukturell verbundenen Momente der Interpretation. Die Bedeutungen einer medialen Repräsentation sind somit weder festgelegt, noch ein-deutig in ihrer Interpretation. Die Kodierung setzt jedoch den Rahmen, gemäß dem die Dekodierung agieren kann. Grundsätzlich unterscheidet Hall zwischen drei hypothetischen, idealtypischen Positionen auf der dekodierenden Ebene. Die erste mögliche Position bezeichnet er als dominant-hegemonic position. In diesem Fall übernehmen die Zuschauer die konnotierten Bedeutungen und dekodieren die Botschaft innerhalb des dominanten Codes, in dem sie kodiert wurde. Die zweite Position nennt Hall negotiated position. Diese aushandelnde Strategie folgt weitestgehend dem dominanten Code, fordert aber in bestimmten Situationen diese Bedeutungen heraus. Die dritte Position ist die oppositional position. Diese bezeichnet eine der dominanten Bedeutung gegenläufige Interpretation. Die Vorzugslesart wird zwar verstanden, aber abgelehnt. Der Zuschauer »enttotalisiert die Nachricht mittels des bevorzugten Kodes, um sie daraufhin innerhalb eines alternativen Bezugsrahmens zu re-totalisieren« (Hall 1999: 109). Hall betont mit diesen Positionen die Idee, dass das Dekodieren nicht homogen ist, wobei sich die unterschiedlichen Lesarten von Texten insgesamt aus den Differenzen in den äußeren Bedingungen von Kodierung und Dekodierung ergeben. Während das Modell eine strukturelle Opposition gesellschaftlicher Gruppen unterstellt, die im Umgang mit Kultur reproduziert wird, bleiben Aspekte textueller Unbestimmtheit und Offenheit unberücksichtigt (vgl. Goldbeck 2004: 94-95).
Konzepte der Offenheit und der Kontrolle: Polysemie und Realismus bei John Fiske John Fiske hat schon früh die Fernsehanalyse mit der Alltagsebene kultureller Kommunikation verbunden und damit den Zuschauer und seine sozialen Erfahrungen beim Umgang mit Medien aufgewertet. Grundlegend ist auch bei ihm eine Abkehr von der Vorstellung eines einheitlichen Textes, der seine Botschaft allen Zuschauern in gleicher Weise mitteilt. Fiskes Kategorie der Textualität setzt hier an, indem Texte nicht nur als
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produziert, sondern als produzierbar (producerly texts) verstanden werden. Dies meint, dass Texte keine geschlossene Einheit darstellen, sondern als »semiotische Ressource« (Fiske 1999a: 194) dem Zuschauer eine Vielzahl potenzieller Bedeutungen zur Verfügung stellen. Ein produzierbarer Text »hat lose Enden, die sich seiner Kontrolle entziehen, sein Bedeutungspotenzial übertrifft seine eigene Fähigkeit, dieses zu disziplinieren, seine Lücken sind groß genug, um ganze neue Texte in diesen entstehen zu lassen – er befindet sich, im ureigensten Sinne des Wortes, jenseits seiner eigenen Kontrolle« (Fiske 1999b: 68). In dieser Perspektive verlangen Texte nach einer Vervollständigung durch die Zuschauer und werden erst im Prozess der Entschlüsselung durch die Rezipient mit temporärer Bedeutung versehen und neu geschrieben. Im Unterschied zu Hall siedelt Fiske die Polysemie primär auf der Textebene an und fragt danach, welche typischen Merkmale für unterschiedliche Rezeptionsweisen eines populären Textes verantwortlich sind. Die semantische Organisation der Texte erlaubt somit erst verschiedene Lesarten, die sich jedoch immer auf die gleiche Textoberfläche beziehen. Die Erschließung von Texten wird zu einer kontextuell verankerten Praxis, in der die Bedeutungen nicht vorgegeben sind, sondern erst auf der Basis sozialer Erfahrungen produziert werden. Im Akt der Rezeption und Aneignung überschneiden sich also die textuelle und soziale Determination: »Meanings are determined socially: that is, they are constructed out of the conjuncture of the text with the socially situated reader« (Fiske 1987: 80). Fiske folgt hier der dekonstruktivistischen Sprachkritik und geht von der Instabilität aller Bedeutung aus. Damit negiert er zugleich die Möglichkeit, dass lediglich eine bevorzugte Lesart in den Text strukturiert werden kann. Dies bedeutet auch, dass unterschiedliche Lesarten nicht nur auf unterschiedliche soziale Erfahrungen der Leser zurückgeführt werden können, sondern zur inhärenten Instabilität der Sprache selbst in Beziehung gesetzt werden müssen: »Es ist die Polysemie des Fernsehens, die den Kampf um Bedeutung ermöglicht« (Fiske 2001: 90). Aus den textuellen Lücken und Widersprüchen lässt sich dann das Potenzial der Lesarten, die vom Publikum geschaffen werden, erschließen. So stellt Fiske heraus, dass sich sozial ungleich positionierte Zuschauer das heterogene Bedeutungspotenzial eines Textes unterschiedlich zunutze machen. Damit verschiebt er das Interesse von den textinternen Konflikten und der textuellen Polysemie zu einer Interaktion von Text und Zuschauer, d.h. zur Zirkulation von Bedeutung. Fiske geht insgesamt von einer strukturierten Polysemie aus, die durch einen Zustand der Spannung zwischen Kräften der Schließung, die die Vielstimmigkeit zugunsten einer dominanten Bedeutung zurückdrängen, und Kräften der Offen-
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heit, die ein Vielzahl der textuellen Aneignung ermöglichen, gekennzeichnet ist (vgl. Fiske 1987: 84). Fiskes Interesse gilt deshalb den textuellen Merkmalen, welche unterschiedliche Lesarten ermöglichen. Dabei unterscheidet er zwischen Textstrukturen, die eine Polysemie fördern – Ironie, Witz, Widersprüche, Brüche und Intertextualität – und Strukturen, die Schließungen ermöglichen – etwa durch logische und ›realistische‹ Erzählstrategien. Fiskes Überlegungen zur Eingrenzung von Bedeutung werden in seinen Ausführungen zum Realismus im Fernsehen greifbar. Dieses Konzept kann als Zusammenspiel von Codes3 verstanden werden, mit denen eine allgemein glaubwürdige Vorstellung von Realität erzeugt und vermittelt wird. Realismus bezieht sich dabei nicht auf die Abbildung von Wirklichkeit, sondern auf diskursive gesellschaftliche Konventionen, die bestimmen, was als realistisch gilt: »Realism is not a matter of any fidelity to an empirical reality, but of the discoursive conventions by which and for which a sense of reality is constructed« (Fiske 1987: 21). Damit verdeutlicht Fiske, dass das Realismuskonzept dazu dient, der Realität Bedeutungen zuzuweisen. Gleichzeitig führt er aus, wie das Medium durch formale und erzählerische Mittel die Distanz zwischen Realität und dargestellter Fernsehwirklichkeit verschleiert, da jene Strategien nicht offengelegt werden. Das Realismuskonzept des Fernsehens hat Folgen für die Produktion und Bewertung von Fernsehtexten. So geschlossen das Konzept auch arbeitet, stellt jeglicher Text letztlich immer eine Repräsentation dar, die Realität herstellen soll, sie aber nicht abbildet. In diesem Sinne muss Realismus zunächst als ein Modus der Repräsentation definiert werden: »[R]ealism too is an artificial construct. Its ›naturalness‹ arises not from nature itself but from the fact that realism is the mode in which our particular culture prefers its ritual condensations to be cast« (Fiske/Hartley 1978: 128). Realismus ist als theoretische Kategorie jedoch weiter zu fassen und in Beziehung zur Rezeption zu setzen: »On the one hand, what is regarded as the ›real world‹ has almost always been made possible by some previous form of re-presentation. […] On the other hand, it is clear that representations are not objective mirrors of the social world but are instead always already socially determined, thus making pertinent the 3
Ein Code bezeichnet eine strukturierte Menge von Zeichen, die auf kulturspezifische Weise zusammenwirkt und ein System bildet, mit dem kulturelle Bedeutungen generiert und verbreitet werden. Dabei werden Codes als Bindeglieder zwischen Produzenten, Texten und Rezipienten verstanden. Fiske (1987) unterscheidet zwischen sozialen, technischen und ideologischen Codes. 76
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questions of who shall determine the conditions of what is and is not represented, how that which is represented will be rendered, and its contexts of reception« (Natter/Jones III 1993: 155).
In dieser Perspektive lässt sich für eine kritische Form von Medienstudien ein Realismusbegriff entwickeln, der sich im Spannungsfeld von Repräsentation, Produktion und Aneignung konstituiert und sich an Fragen der Ästhetik, Wahrnehmung und narrativen Konvention von Medien abarbeitet: »[R]ealism might be understood, first and foremost, as a specific relationship between media texts and their viewers. Therefore, realism is today a very wide theoretical category, since the effort to understand what is experienced to be real raises questions in relation to the field of aesthetics, the field of cognition and emotion, and, of course, in relation to the whole field of genres, which are, in contemporary genre studies, theorized as a more local than global and more disparate than coherent systems ›crossing boundaries‹ in complicated ways« (Jerslev 2002: 9).
Leistungen und Grenzen bei Hall und Fiske Sowohl Stuart Hall als auch John Fiske unterstreichen die Rolle des Rezipienten als aktive und autonome Instanz in der Herstellung von Bedeutungen. Fernsehen ist potenziell bedeutungsvoll und daher offen für die konstruktive Arbeit des konsumierenden Zuschauers, indem die durch den Programminhalt vermittelten Botschaften von den rezipierenden Individuen produktiv verarbeitet werden. Beide erkennen dabei an, dass textuelle Strukturen spezifische Lesarten evozieren können. So geht Hall implizit davon aus, dass der mediale Text von einer herrschenden Ideologie getragen wird und die Lesarten diktatorisch bestimmt. Dies ist insofern problematisch, weil somit ein allen Interpretationen gemeinsamer Bedeutungskern bzw. eine bevorzugte Lesart vorausgesetzt wird, die dann ausgehandelt, abgelehnt oder akzeptiert wird.4 Gleichwohl gerät bei Hall erstmals die Komplexität des Kodierens und Dekodierens von Medieninhalten in den Blick. Sein Encoding/Decoding-Modell ermöglicht es letztlich aber nicht, zwischen den Bedeutungen eines Textes und den Absichten der Produzenten zu differenzieren (vgl. Winter 1995: 91). Anders als Hall ist Fiske nicht der Auffassung, dass aufgrund der Struktur von Fernsehtexten eine Lesart bevorzugt wird. Stattdessen hält Fiske 4
Hall selbst hat sein Modell später relativiert und auf seinen Arbeitscharakter hingewiesen, da den Überlegungen die empirische Bestätigung fehlt (Hall 2004: 83ff.). 77
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es für sinnvoller, von textuellen Präferenzstrukturen zu sprechen, die einige Bedeutungen zu bevorzugen suchen, während sie andere auszuschließen trachten: »This is an elaboration of Hall’s model, not a rejection of it, for it still sees the text as a structured polysemy, as a potential of unequal meanings, some of which are preferred over, or proferred more strongly than, others, and which can only be activated by socially situated viewers in a process of negotiation between the text and their social situation« (Fiske 1987: 65).
Fiske kann aber nicht erklären, wie viel mehr der Zuschauer gegenüber dem Text an der Konstitution von Bedeutung beteiligt ist. Die Grenzen der Polysemie, sowohl in textueller Hinsicht als auch in Hinblick auf die Rezeption, sind bei ihm zu wenig berücksichtigt. An dieser Stelle ergibt sich bei Fiskes Polysemie-Konzept ein wieteres methodologisches Problem: Die Diagnose, dass ein Text polysemischer ist als andere, bleibt einem hermeneutischen Zirkel verhaftet, insofern es sich hierbei lediglich um den textuell vorgenommenen Befund einer einzelnen Interpretation handelt. Dies wird relevant, wenn Lesarten in ihrer Beziehung zum Text als »negotiated« oder »oppositional« klassifiziert werden. Es wäre daher konsequenter, Bedeutungen prinzipiell als ›vollständige‹ Konstruktionsleistung von Rezipienten zu betrachten. Polysemie wäre demzufolge kein internes Textmerkmal, sondern allein dadurch gegeben, dass mehrere unterschiedliche Lesarten des jeweiligen Texts vorliegen (vgl. Jahn-Sudmann 2005: 135).
Raum als kommunikativer Prozess Die Überlegungen zum Verhältnis von Raum und Kultur (s. S. 56ff.) haben gezeigt, dass Raum weniger als essentialistische Kategorie gedacht werden kann, sondern als vermittelte, temporäre und kulturell wandelbare Konstruktion von Raumeinheiten nach Maßgabe von Intention, Wahrnehmung und Medialität verstanden werden muss. Im Zusammenhang mit und in Abhängigkeit von den soeben erarbeiteten Kommunikationstheorien gilt es nun, eine Reformulierung des Raumbegriffs zu konzipieren, welche die Transformationen des Räumlichen in kommunikativen Prozessen in der modernen Mediengesellschaft zum Ausgangspunkt nimmt. Eine derartige Betrachtungsweise des Verhältnisses von Raum und Kommunikation baut auf den Überlegungen zu Zeichen, Text, Symbol und Repräsentation sowie deren wirklichkeitsgenerierenden Potenzialen auf, um einen relativen, relationalen und dezidiert nichtsubstanzi-
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alistischen Raumbegriff zu entwickeln. In dieser Perspektive können sowohl Raum wie auch Kommunikation als Dimensionen alltäglicher Praktiken verstanden werden, wobei sich Raum erst durch Kommunikation konstituiert. Räume und kulturelle Phänomene sind auf grundlegender Weise miteinander verbunden, indem räumliche Strukturen nicht Abbild einer Kultur, sondern Medium kultureller Praktiken sind. Auch wenn Raum dabei immer schon eine Form der Repräsentation ist, ist diese Form nicht von der Materialität zu trennen. Zu Recht wird daher vermehrt und in Stellungnahme gegen Theorien, die Raum in einer virtuellen Realität aufgehen lassen, auf die Irreduzibilität des materiellen geographischen Raums und somit auf die ebenfalls räumlich verteilte Infrastruktur medialer Raumkonstitution hingewiesen. Neben der Konzeptualisierung einer komplexen Symbolität von Raum im Zusammenhang von zeichentheoretischen und kontextorientierten Aspekten ist deshalb auch auf die Berücksichtigung seiner Materialität hinzuweisen. Natter und Jones III (1997) machen zu Recht darauf aufmerksam, dass sich Bedeutung nicht unabhängig von materiellen Voraussetzungen und Bedingungen konstituiert: »Still another route to unhinging the self-grounding epistemology substantiating space and thereby confirming it as a pregiven articulation, is to conceptualize it as both materiality and – through the system of signification contingently adhered to it as representation. In combining both lines of arguments, space is not simply a socially produced materiality but a socially produced – and forceful – object/sign system. This, which we refer to as a ›system of representation‹, does not deny materiality, but rather argues that any materiality is attached to the representation(s) through which that materiality both embeds and conveys social meaning« (Natter/Jones III 1997: 151).
Die Raumperspektive erstreckt sich hier auf Räume, die nicht mehr nur physisch und territorial, aber auch nicht nur symbolisch bestimmt sind, sondern beides zugleich: es sind »real-and-imagined places« (Soja 1996). Anstelle einer Dualität von materiellen Räumen und nicht-materiellen Räumen erscheint also ein Konzept notwendig, das geographische Repräsentationen in einen dialektischen Bezug zur materiellen Dimension stellt. So wird einerseits deutlich, dass das, was als materieller Raum betrachtet wird, immer erst durch Repräsentationen ermöglicht und interpretiert wird. Andererseits sind alle Formen von Repräsentation als Materialisierungen sozialer Beziehungen zu verstehen, die in spezifische Kontexte der Produktion und Rezeption eingebettet sind. Grundlage dieser Ansätze ist eine Tradition des Denkens über Raum, die von Henri
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Lefebvre zu Benno Werlen, Doreen Massey und Edward Soja führt und die Analytik geographischer Imaginationen in ihren entfalteten territorialen Auswirkungen fokussiert. An eine solche, stark von handlungstheoretischen Strategien geprägte Sicht, lässt sich eine geographisch relevante Kulturanalyse anschließen, die in der Konstitution medialer Räume über rein semiotisch bestimmte Prozesse hinaus auch ökonomische und technische Bedingungen oder soziale Diskurse am Werk sehen. Um den Raumbegriff zu präzisieren und für die Betrachtung filmischer Geographien einer konkreten Stadt handhabbar zu machen, ist zunächst eine weitere Differenzierung notwendig, die an der Schnittstelle von Materialität und Diskursivität ansetzt. Lefebvre (1975) hat in seiner Theorie des Raumes unterschiedliche Ebenen konzeptionalisiert, auf denen Raum wirksam wird: räumliche Praxis, Repräsentation des Raumes und Räume der Repräsentation. Diese verschiedenen Aspekte des Raumes durchdringen sich wechselseitig, sind immer gleichzeitig wirksam und können sich gegenseitig verstärken oder widersprechen. Dieses Raumkonzept soll hier in seinen Grundgedanken vorgestellt werden, um es anschließend in einen kommunikationstheoretichen Rahmen einzubinden. • Die Repräsentationen des Raumes (representations of space) bestimmen einen erdachten Raum (conceived space). Dieser Aspekt des Raumes ist gekennzeichnet durch abstrakte Konzeptionen und Darstellungen von Raum, wie sie durch die Wissenschaften, Theorien, Planungen und vorherrschenden Diskurse über Raum hergestellt werden. Die Repräsentationen des Raumes ordnen den gesellschaftlichen und physischen Raum somit einem gedanklichen Raum unter und sind auf die kognitiven Prozesse und Konstruktionsweisen ausgerichtet, die an der Entstehung und Entwicklung geogaphischer Imaginationen beteiligt sind. In diesen mentalen Räumen befinden sich daher räumliche Images und Repräsentationen von Macht und Ideologie, von Kontrolle und Hegemonie, die als symbolische Räume rekonstruiert werden können. • Unter räumlicher Praxis (spatial practice) versteht Lefebvre den erfahrenen Raum (perceived space), der durch alle Widersprüchlichkeiten des alltäglichen Lebens gekennzeichnet ist. Räumliche Praxis basiert auf einer nicht-reflexiven alltäglichen Praxis, die gesellschaftliche und materielle Verhältnisse als gegeben hinnimmt. Dieser Aspekt des Raumes produziert und reproduziert die seiner jeweiligen Gesellschaftsformation entsprechenden räumlichen Praktiken und spezifischen Räume, und damit die ihm zu Grunde liegenden gesellschaftlichen und materiellen Verhältnisse. Räumliche Praktiken produzieren und reproduzieren so in zirkulärer Weise ihre eigenen Vor-
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aussetzungen und gehen von Raum als physischer Form aus, der erzeugt und benutzt wird. Als Vorgang, materielle Formen gesellschaftlicher Räumlichkeit zu produzieren, erscheinen räumliche Praktiken somit ebenso als Mittel wie als Ergebnis menschlicher Tätigkeiten, Verhaltensweisen und Erfahrungen. Dieser materielle, gesellschaftlich produzierte Raum ist dann innerhalb bestimmter Grenzen, einer genauen Vermessung und Beschreibung zugänglich: durch die Beschreibung von Oberflächenphänomenen und eine Untersuchung ihrer gesellschaftlichen Produktion sowie als Erklärung für soziale, psychologische und biophysische Vorgänge (vgl. Soja 2005: 115-117). • Mit Räumen der Repräsentation (spaces of representation/representational spaces) sind Räume des Ausdrucks gemeint, verstanden als nicht erdachter, gelebter Raum (lived space), der sich über alle Bilder und Zeichen, die ihn begleiten, erstreckt. Die Bedeutungen des gelebten Raums werden durch den Gebrauch, durch die Bewohner und Benutzer hergestellt. Es ist dieser Aspekt des Raumes, der vorherrschende Ordnungen und Diskurse unterlaufen und dadurch andere Räume imaginieren kann. Räume der Repräsentation verweisen somit auf mögliche Widerstände und mögliche Kämpfe der Aneignung. In dieser Perspektive wird der gelebte Raum zu einem strategischen Ort, von dem aus alle Räume zugleich umfasst, verstanden und verändert werden können (vgl. Soja 2005: 109). In der in dieser Arbeit eingeschlagenen Perspektive, dass Räume Kommunikation strukturieren und selbst erst kommunikativ geschaffen werden, soll nun ein Raumbegriff entwickelt werden, der in den drei unterschiedlichen, einander ergänzenden Perspektiven Lefebvres seinen Ausgang nimmt und im Rahmen kommunikationstheoretischer Überlegungen eine Präzisierung erfährt (vgl. Geppert et al. 2005: 28). Bei Lefebvre ist der Raum eine komplexe Analysekategorie, indem er zum Konstruktionsprinzip kultureller Praktiken, zu einer Dimension von Materialität und Erfahrung sowie zu einer Repräsentationsstrategie wird. Diese Dimensionen lassen sich nun mit den drei Kommunikationsmomenten, wie sie von Stuart Hall im Rahmen des Encoding/Decoding-Modells entwikkelt wurden (vgl. S. 72ff.), verknüpfen, um Raum als kommunikativen Prozess im Kontext von Symbolisierung, Kodierung und Dekodierung fassen zu können. Gleichzeitig ist es notwendig, das Raumkonzept mit dem konkreten Forschungsgegenstand dieser Arbeit zu koppeln, um die medialen Besonderheiten akzentuieren zu können. Indem dabei sowohl ›Raum‹ wie auch ›Kommunikation‹ als Dimensionen kultureller Praktiken verstanden werden, wird deutlich, wie räumliche Bezüge und Ord-
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nungen auf unterschiedlichen Dimensionen hergstellt werden. Die drei Raumdimensionen können dann folgendermaßen bestimmt werden: • Symbolisierte bzw. erzählte Räume: Durch die Kommunikation über Raum entstehen auf einer ersten Ebene symbolisierte Räume. Dabei handelt es sich um Räume, die zum Gegenstand der medialen Praxis werden und somit eine zeichenhafte Bedeutung von Räumen konstituieren. Symbolisierte Räume können eine immanente Bedeutungsdimension aufbauen, welche die Grundlage für den Entwurf medialer Räume liefert, und sie können sich in ein konkretes Verhältnis zu lebensweltlichen Räumen setzen, indem sie auf sie verweisen und Bezug nehmen. • Kodierte Räume: Die Kommunikationsakte sind wiederum räumlich verortet. Dabei kontextualisiert Raum aber nicht nur soziale Interaktionen und kommunikative Praktiken, sondern er wirkt durch die räumliche Wahrnehmung der Akteure auf diese zurück: Dies ist der kodierte Raum, der eine Kommunikation im Raum beschreibt und die notwendigen Entstehungsbedingungen einer Filmproduktion umfasst. Symbolisierte Räume stehen somit in einem kulturellen Umfeld, das selbst räumlich strukturiert ist. Diese Struktur verändert sich jedoch in Abhängigkeit von den Raum erschließenden ästhetischen und ökonomischen Praktiken. Damit setzt eine kulturelle Raumanalyse menschliche Praktiken und mediale Konstitutionen des Raums in Verbindung und fragt danach, in welchem Bedingungsverhältnis Räume und Medien zueinander stehen. Ein solcher Zugang zu Raum ist somit dort gegeben, wo ein kultureller Raum nicht mehr in einer wie auch immer gearteten, semiotisch begründeten Lesbarkeit aufgeht, sondern die semiotischen Ordnungen selbst der Frage nach ihrer materiellen und ökonomischen Bedingtheit unterzogen werden. Erst aus dieser Bedingtheit heraus konstituieren sich spezifische symbolische Räume, die eigene Semantiken räumlicher Distanz und Ordnung produzieren. • Dekodierte Räume: Räumlichkeit wird erst im Prozess der individuellen Aneignung produziert und so immer wieder von neuem hergestellt. Dieser dekodierte Raum wird durch Kommunikation konstituiert und markiert zum Beispiel die Entstehung einer mental map aus den filmischen Darstellungen einer Stadt. Dekodierte Räume sind somit wahrgenommene Räume, die sich aus dem Gebrauch und der Aneignung der symbolischen und kulturpragmatischen Räume im Kontext individueller, alltagsweltlicher Zusammenhänge speisen. Sie zielen auf die Perzeption von medialen Räumen und raumbezogenen Verhaltensweisen, also auf das individuelle Erleben und die alltägliche Praxis der Reproduktion und Herstellung von Räumen. Auf die-
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se Weise können Individuen Raumbezüge herstellen und sich entsprechend orientieren, indem sie eine Perspektivierung von Raum im Sinne einer Bewertung und/oder Zuordnung von Merkmalen vornehmen. Ausgehend von dieser begrifflichen und konzeptionellen Schärfung lässt sich Raum nun als kommunikativer Prozess verstehen, der durch Prozesse der medialen Repräsentation, Produktion, und Aneignung beschreibbar wird.
Zwischenfazit In der Kommunikationstheorie wird die kontextuelle Konstruktion von Bedeutungen und Sinnrahmen als zentrale Dimension kommunikativer Praktiken angesehen. Die hier vorgestellten Ansätze verstehen Kommunikation insgesamt als Bezugnahme auf und Einordnung in die gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen. Kommunikation ist dabei die Praxis der Produktion, der Zirkulation und des Austauschs von Sinn und Bedeutung. Medien lassen sich entsprechend als Signifikationsapparate definieren, die nicht eine vorgegebene Bedeutung neutral übermitteln, sondern eine soziale Wirklichkeit erst durch Kommunikation erzeugen. Wesentlich dabei ist, dass mediale Texte als Träger von Mehrdeutigkeiten funktionalisiert werden müssen und eine große Bandbreite unterschiedlicher Lesarten zulassen. Die Annahme, es gäbe in Texten festgelegte Bedeutungen, die von einem Rezipienten nur entdeckt zu werden brauchen, ist damit grundsätzlich unzutreffend. Vielmehr gilt es, die Dynamik und Deutungsoffenheit der Kommunikationsprozesse in unterschiedlichen Kontexten zu berücksichtigen. Gleichzeitig jedoch sind mediale Texte immer das Ergebnis von Bemühungen, den unendlichen Strom der Bedeutungsvielfalt zu beschränken. Sie sind das Resultat von Kodierungsprozessen, mit denen Bedeutungen reguliert, strukturiert, fixiert und konventionalisiert werden, um letztlich überhaupt Kommunikation zu ermöglichen. Die Produktion von Bedeutung ist somit nicht beliebig, sondern Teil diskursiver Formationen, deren Regeln und Praktiken die möglichen Repräsentationen und damit deren Bedeutungskonstruktionen rahmen. Zudem ist auch das konsumierende bzw. interpretierende Subjekt nicht autonom in seiner Bedeutungskonstruktion, sondern ebenfalls diskursiv konstituiert. Jeder Text ist somit Bestandteil einer Kommunikationssituation und steht in unterschiedlichen Kontexten, in denen er auf die Produktion und die Rezeption verweist. Er ist somit kein
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geschlossenes System, sondern etwas, das erst im Schreiben und Lesen bzw. in der Produktion und Rezeption entsteht. Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich für die Untersuchung der massenmedialen Kommunikation über Raum eine weitreichende Konsequenz: Raum lässt sich nicht auf Text reduzieren, sondern muss als Kategorie verstanden werden, die neben symbolischen Bedeutungen auch mediale und materielle Bedingungen umfasst. Für diese konzeptionelle Präzisierung ist das triadische Raumkonzept Henri Lefebvres kommunikationstheoretisch fundiert worden, um Raum als komplexen, kommunikativen Prozess fassen zu können. Für die in dieser Arbeit bezogene Perspektive, Geographien des Fernsehens als einen vielschichtigen und zirkulären Prozess zu begreifen, ermöglicht dieses kritische, räumliche Bewusstsein eine Schärfung der Aufmerksamkeit dafür, wie sich Raumvorstellungen in und mit dem Film konstituieren und welcher Art diese Räume sind. Der Prozess dieser Kommunikation wird jedoch verfehlt, wenn empirische Studien entweder auf die Verfassung der medialen Produkte und ihrer vermeintlichen Wirkung oder aber auf ihre Rezeptionspraktiken gerichtet sind. Es kommt vielmehr darauf an, einen Ansatz zu verfolgen, der die für alles Medienhandeln konstitutive Verschränkung dieser Ebenen zu erkennen und zu untersuchen erlaubt (vgl. Keppler 2001).
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GEOGRAPHIE UND FERNSEHEN: FILMISCHE STADT ALS ZIRKULÄRER PROZESS
»Rather than privileging one single phenomenon – such as the process of production – in explaining the meaning that an artefact comes to possess, it is argued […] that it is in a combination of processes – in their articulation – that the beginnings of an explanation can be found« (du Gay et al. 1997: 3).
In dieser Arbeit soll es um die Grundlagen eines Verständnisses von Fernsehen und Fernsehbetrachtung als Gegenstand einer kulturgeographischen Analyse gehen, d.h. um ein Verständnis von Fernsehen als symbolisches Material der räumlichen Kommunikation. Die theoretischen Überlegungen haben gezeigt, dass die vorgestellten Konzepte und Ansätze nicht nur einzelne Teilaspekte für die hier notwendige Diskussion bereitstellen, sondern eng miteinander verzahnt sind. Gerade die Beziehungen zwischen Kultur, Geographie und medialer Kommunikation bieten dabei eine zielführende Grundlage für eine räumlich orientierte Kulturforschung, die es ermöglicht, die Komplexität des Themas umfassend und hinreichend zu erfassen. Vor diesem Hintergrund geht es nun darum, die theoretischen Grundlagen der unterschiedlichen Fachdisziplinen in Hinblick auf ihre Tragfähigkeit und Anwendbarkeit für die Fragestellung dieser Arbeit zusammenzuführen. Auf diese Weise wird ein konzeptioneller Rahmen gespannt, in dem die konkrete empirische Analyse von medialen Texten erfolgen kann. Dabei gilt es, die filmische Stadt als einen zirkulären Prozess zu verstehen, in dem räumliche Bedeutungen und Ordnungen unterschiedlich bestimmt und kommuniziert werden. Eine solche Verortung der medialen Kommunikation über Raum versucht, die Zusammenhänge der verschiedenen, am komplexen Medienprozess beteiligten Ebenen transparent und analytisch greifbar zu machen. Der circuit of culture bietet hier ein geeignetes Analyseraster, um sich dem Problem empirisch zu nähern. Ausgangspunkt für eine Beschäftigung mit Geographien des 85
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Fernsehens ist dabei die Einsicht, dass die Interpretation eines Fernsehtextes allein keine zuverlässige Auskunft gibt über die Praxis der Fernsehrezeption oder die Produktions- und Entscheidungsstrukturen, mit denen die Institution Fernsehen ein komplexes Raumbild erschafft.
Der circuit of culture Die Entwicklung der Medienforschung im Anschluss an Hall und Fiske führte zunächst zu einer neuen Phase der Rezeptions- und Medienwirkungsforschung, die gegenüber behavioristischen Ansätzen das Lesen von Medientexten als aktiven und kontextgebundenen Prozess begreift: »Analysis has to pay less attention to the textual strategies of preference or closure and more to the gaps and open television up to meanings not preferred by the textual structure, but that result from the social experience of the reader« (Fiske 1987: 64). Die Verlagerung des Schwerpunktes vom Text zum Publikum ist ein notwendiges Korrektiv gegenüber der reinen Textanalyse. Sie hat jedoch ein »neues Dogma« (vgl. Kellner 1995: 167) hervorgebracht, demzufolge die Zuschauer als wichtigste Produzenten von Bedeutung betrachtet werden. Zahlreiche Untersuchungen vernachlässigen dann gerade die Aspekte, die sich aus dem Zusammenhang verschiedener Momente des Kommunikationsprozesses ergeben, wenn sie lediglich die Eigenständigkeit und Kreativität des Publikums bei der Rezeption von Fernsehprogrammen betrachten. Diese Überbetonung von Polysemie und Offenheit von Medientexten sowie ihrer sich vermeintlich ganz aus der Lebenswirklichkeit des Publikums ergebenden Lesarten führten zu heftigen Vorwürfen an die Cultural Studies. Nicht zu Unrecht ist daher die Überhöhung widerständiger Lesarten als populistisch und romantisierend bewertet worden (dazu Hepp 1999: 139ff.). Derartige Kritik förderte schließlich eine Neubesinnung innerhalb der Cultural Studies, die die Totalität der Struktur der Medienkommunikation durch ein erweitertes Modell operationalisierte und damit der Analyse sowohl der Produktionsprozesse als auch der Texte selbst größere Aufmerksamkeit zu Teil werden ließ. Ein wesentlicher Nutzen eines solchen Modells liegt in der Präzisierung von Untersuchungsperspektiven, die sich auf das Moment der Medienproduktion und dessen Kontexte, auf den Medientext als solchen sowie auf die aktiven Prozesse des Dekodierens richten können. Die bisherigen Untersuchungen sind einer umfassenden, kontextuellen Betrachtung kultureller Texte aber empirisch nicht nachgekommen. Vielmehr lassen ihre Arbeiten eine »heuristische Dreiteilung« in Produktions-, Inhalts- und Rezeptionsanalysen erkennen (Hepp 1999: 109).
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Richard Johnson (1999) hat bereits Mitte der 1980er Jahre das Encoding/Decoding-Modell von Stuart Hall aufgegriffen und entscheidend weitergedacht. Aus der Beschreibung unterschiedlicher Aspekte kultureller Prozesse entwickelt er ein Modell, dass einen »Kreislauf der Produktion, Zirkulation und Konsumtion kultureller Produkte« (Johnson 1999: 148) zur Grundlage macht. Johnson unterstreicht den Tatbestand, dass jedes Moment ein »Eigenleben« (ebd.: 181) führt, also einen spezifischen Einfluss auf den Kreislauf hat, zugleich aber von den anderen Momenten abhängig und für das Ganze unverzichtbar ist. Insgesamt misst er dem Moment der Produktion aber eine dominante Rolle zu, weil sich dort die maßgebliche »Verwendung und Veränderung diskursiver und ideologischer Elemente ereignet« (ebd.: 181). Im Anschluss an Johnson wurde an der Open University das Modell des circuit of culture entwickelt, wonach Kultur nicht mehr als Transformation von Inhalten innerhalb eines Kommunikationsprozesses verstanden wird, sondern durch verschiedene Prozesse konstituiert wird, die in einem komplexen Interaktionsverhältnis stehen und erst im Gesamtzusammenhang des Kreislaufes zu fassen sind (du Gay et al. 1997). Damit wird vor allem dem Umstand Rechnung getragen, die Wirkung der Konsumtion nicht als Absicht der Produktion zu begreifen, sondern als Einheit aus ökonomisch-strukturellen Bedingungen und subjektiven Aneignungsformen. Das Modell bricht also mit der Annahme, der Produktion von Kultur eine Priorität bei der Konstitution von Bedeutung zuzuerkennen und hebt die Komplexität der Verbindungen zwischen allen Prozessen hervor. Dies impliziert – auf einer höheren Abstraktionsebene – die Berücksichtigung von Differenzen, Widersprüchen und Konflikten: »The mode of production of a cultural artefact was assumed to be the prime determinant of the meaning which that product would or could come to possess. This book breaks with this logic in that it analyses the biography of a cultural artefact in terms of a theoretical model based on the articulation of a number of distinct processes whose interaction can and does lead to variable and contingent outcomes« (du Gay et al. 1997: 3).
Während die Modelle von Hall und Johnson einzelne Momente des Kommunikationsprozesses differenzieren und unterschiedlich gewichten, modelliert der circuit of culture den komplexen Zusammenhang und die konfliktäre Verbundenheit von fünf allgemeineren Momenten: Repräsentation, Identität, Produktion, Konsumtion und Regulation. In der wissenschaftlichen Praxis haben sich drei Momente – Repräsentation, Produktion und Konsumtion – als zentrale Gegenstandsbereiche empirischer Untersuchungen herauskristallisiert, wobei mit Konsumtion die Rezep-
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tion und Aneignung der Medieninhalte gemeint ist. Diese Reduktion des Modells erscheint nicht allein aus forschungsökonomischen Gründen sinnvoll, sondern auch, weil gerade hier die medialen Inhalte und deren Bedeutungen zentral artikuliert und verhandelt werden (vgl. Hepp 2002, Rose 2001, Kellner 1995). Die genannten Kategorien lassen sich jedoch nur zu analytischen Zwecken trennen, da sie sich überlagern und gegenseitig bedingen. Sie sind Rahmungen, in denen verschiedene Dinge passieren und wo sich verschiedene Praktiken überschneiden. Bezogen auf Medienprodukte lässt sich der Kern des KulturkreislaufModells folgendermaßen zusammenfassen (vgl. Hepp 2002: 875-876): Die wesentlichen Instanzen, durch die Kultur vermittelt wird, sind erstens die Produktion einzelner Medienprodukte bzw. Medientexte, zweitens die diskursiven Repräsentationen und drittens die aktive und produktive Aneignung dieser Kulturwaren. Während die Konzentration auf eine Instanz lediglich einen Ausschnitt dieser Prozesse beleuchten kann, vermag das Modell des Kulturkreislaufs die vielfältigen Aspekte von Materialität und Bedeutung, von Image und Identität zu einem multiperspektivischen Ansatz zu verknüpfen. Dies ermöglicht es, anhand eines audiovisuellen Produkts zu untersuchen, wie es sich als bedeutungsvoller Text, der in den kulturellen Kreislauf von Produktion und Rezeption eingebunden ist, konstituiert. Damit erweist sich das Modell als ein äußerst tragfähiges Werkzeug für die empirische Untersuchung der Bedeutungen, die einem kulturellen Produkt durch die verschiedenen Instanzen zugetragen werden. »Kulturanalyse kann also nicht das Typisieren von Monokausalität sein – auf welchem Abstraktionsniveau auch immer –, sondern ist die Beschäftigung mit vielschichtigen Prozessen der Konstitution und Repräsentation von Bedeutung innerhalb einzelner Kontexte, Prozesse, bei denen verschiedenste gegenläufige Momente von Relevanz sind« (Hepp 1999: 49).
Diese zirkulären Vorstellungen haben bislang wenig Eingang in die Geographie gefunden. Empirische Untersuchungen zu Raum und Film beschäftigen sich primär mit repräsentationstheoretisch fundierten Inhaltsanalysen (so etwa die Beiträge in Aitken/Zonn 1994, Clarke 1997, Cresswell/Dixon 2002) oder ökonomischen Aspekten (Krätke 2002, Moßig 2004), während das Publikum als Gegenstand geographischer Filmforschung noch weitgehend ausgeklammert wird (England 2004). Kontextuelle Untersuchungen, die zwei oder mehr Instanzen gleichzeitig betrachten, werden bislang zwar auf theoretischer Ebene angeregt (Da Costa 2003, Kennedy/Lukinbeal 1997, Burgess 1990), empirische Analy-
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sen geraten jedoch erst langsam in den Blick (etwa bei Lukinbeal 2004, Jancovich et al. 2003 und Gasher 2002): »Taking media products as an example, the phases include the production of the text by media personnel, operating within constraints of particular economic formations; the text itself, which transforms the production process into a system of symbols – both linguistic and visual, depending on the conventions of the particular medium; the consumption of the text by audiences who will inevitably produce different readings of the same text [...]; and the incorporation of those meanings into people’s daily lives« (Burgess 1990: 146).
Burgess unterstreicht die Notwendigkeit, dass nicht der kulturelle Text allein Objekt der Analyse sein darf, sondern die Zirkulation von Bedeutung, die in vielschichtigen kulturellen Praktiken entfaltet wird. Dies bedeutet, dass die filmische Stadt, ihre Existenz als materielle und symbolische Form, nicht unabhängig von ihren Kontexten der medialen Produktion und Rezeption definiert werden kann. Es sind nämlich genau diese Kontexte, die den Hintergrund der Repräsentationsprozesse bilden und die Bedingung dafür sind, dass die filmische Stadt überhaupt möglich und denkbar wird. Die filmische Stadt als Kreislauf, als Artikulation unterschiedlicher Elemente zu begreifen, macht deutlich, dass kulturelle Räume als offene, kommunikative Prozesse verstanden werden müssen. Ein solcher Ansatz verschiebt das Interesse auf die Analyse spezifischer Kontexte sowie der Relationen und Verknüpfungen, die sie ausmachen (vgl. R. Winter 2003). Die entscheidende Frage ist, wie kulturelle Praktiken, die sich aus verschiedenen Aktivitäten und Effekten zusammensetzen, Bedeutungen, Einstellungen und Orientierungen artikulieren und formen. Um die theoretisch geforderte Komplexität von Kommunikation und Kultur zu berücksichtigen, werden im Folgenden die gegenstandsspezifischen Besonderheiten der einzelnen Kommunikationsmomente aus einer geographischen Perspektive kenntlich gemacht. Ziel ist es, diejenigen Aspekte herauszuarbeiten, die für die empirischen Untersuchungen relevant erscheinen und die Punkte zu markieren, an denen sich die einzelnen Momente überschneiden und verbinden.
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Aspekte der Repräsentation »I believe it needs to be made clear about cultural discourse and exchange within a culture that what is commonly circulated by it is not ›truth‹ but representations« (Said 2004: 21).
Im Zuge einer kulturtheoretischen Wende der Geographie zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab, der – wie oben gezeigt – den traditionellen Realitätsbegriff kritisch hinterfragt. Weil Wirklichkeit immer nur über den Gebrauch von Zeichen Bedeutung erlangt, erkennbar und verfügbar wird, muss das Verhältnis von Realität und Sprache, das sich in der Zuweisung symbolischer Bedeutungen fassen lässt, konzeptualisiert werden. Dieser Sachverhalt der sprachlichen Konstruktion von Wirklichkeit wird allgemein unter dem Begriff der Repräsentation verhandelt. In dieser Perspektive ist Repräsentation dann kein bloßer Träger von zuvor festgelegten Botschaften. Vielmehr muss Repräsentation als Prozess verstanden werden, dessen symbolische Praxis als entscheidender Gegenstand für eine kritische Auseinandersetzung mit der Beziehung zwischen Medien, Kultur und Geographie in den Blick genommen werden muss. Wenn aber die symbolischen Vergegenwärtigungen nicht auf ein mimetisches Abbild bezogen sind, sondern auf das Modellieren und Konfigurieren eines Verhältnisses zur Wirklichkeit, dann sind auch die Modi des Darstellens zu befragen. Der repräsentative Charakter der Medien verweist immer auf den Komplex der Technik und Ästhetik. Unabhängig von jedem Inhalt sorgt die Filmtechnik an sich schon für spezifische Strukturierungen der Visualität und für bestimmte Bedingungen, unter deren Maßgabe die Vorstellung gerät. Dabei setzen diese technischen Charakteristika die Grenzen und Potenzialitäten der Produktion und Gestaltung einer filmischen Stadt. Ein semiotisch fundiertes Konzept medialer Repräsentation muss neben der Inhaltsseite deshalb auch die Seite der Gestaltung von kultureller Wirklichkeit beachten: Bedeutungen, Sinnstrukturen und Werte sind nur dann kommunizierbar, wenn sie sich zeichenhaft konstituieren. Die filmische Repräsentation manifestiert sich somit in Form von Zeichen, d.h. in materialisierten Bedeutungen. Insgesamt lassen sich zwei Ebenen der Repräsentation ausmachen: Auf der ersten Ebene geht es um den Inhalt, der in den Filmen dargestellt wird, auf der zweiten Ebene geht es um die Modalitäten der Repräsentation, also um die Frage, wie etwas dargestellt wird.
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Erzählte Räume Die Praxis der medialen Repräsentation bezeichnet einen Vermittlungsvorgang, der durch Verweisen, Zuschreiben und Stellvertreten funktioniert und ein zentrales Merkmal symbolischer Prozesse ist. Damit ist eine Aktivität bezeichnet, die einen medial bestimmten Prozess des Darstellens und der Symbolisierung beschreibt. Unter Rückgriff auf de Saussure definiert Stuart Hall Repräsentation als kommunikative Konstruktion von Wirklichkeit, als einen Prozess, in dem durch Sprache und Zeichensysteme Bedeutungen produziert werden (vgl. Hall 1997). Die Zeichenordnungen konstituieren dabei eine eigene Objektivität und Materialität, indem die Prozesse der Bedeutungsproduktion zugleich Produktionsweisen sozialer und räumlicher Positionen und Werte sind (vgl. Bublitz 2003: 31). Stuart Hall spricht hier von Repräsentationssystemen, die sich nicht auf individuelle Konzepte beziehen, sondern auf die Art und Weise, in der sich derartige Konzepte in Relation zu anderen strukturieren und klassifizieren. Begriffe wie Raum, filmische Stadt, Lokalkolorit und Identität bezeichnen nicht etwas Reales im Sinne einer vordiskursiven Wirklichkeit, sondern sie konstruieren erst das, was sie benennen durch räumlich konnotierte Zuschreibungen. Damit schließt die Diskussion an zahlreiche Aspekte der Identitätspolitik an, die sich unter so unterschiedlichen Themen wie Rasse (Mains 2004, Aitken 2003), kulturelle Identität (Zimmermann/Escher 2005b, Smith 2002, Zonn/Winchell 2002), Gender (Flitner 2005, Soyka 2002, Aitken/Lukinbeal 1997; Lukinbeal/Aitken 1998) und Geopolitik (Dodds 2003, Grosskopf 2003) sowie in Auseinandersetzung mit Genremerkmalen (etwa Bollhöfer 2007, Brigham/Marston 2002, Kitchin/Kneale 2002, Soyka 2002, Pabst 2001a, Kuhn 1999) fassen lässt. Fernsehfilme greifen gesellschaftliche Codes auf, bestätigen oder modifizieren sie. Im Anschluss an die medienwissenschaftlichen Ansätze der Cultural Studies werden gesellschaftliche Bedeutungen zumeist als Beziehungen artikuliert, wobei es sich dabei häufig um Beziehungen zwischen Gegensätzen handelt. Beziehungsgegensätze können auf verschiedene gesellschaftliche Gruppen verweisen, etwa Frauen/Männer, Schwarze/Weiße, Arme/Reiche, Westen/Osten, Islam/Christentum etc. Solche Klassifikationen sind wichtige Bausteine für die Bildung von Räumen und Identität und entstehen im Rahmen von Macht- und gesellschaftlichen Klassifikationsverhältnissen, die sozial und symbolisch Aufnahme und Verinnerlichung finden, aber auch Differenz und Ausschluss markieren: »Identity and place are not only articulated positively as a list of elements with which to identify; they are also structured in relation to perceptions of other groups and places as different« (Rose 1995: 96). In
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der unterschiedlichen Akzentuierung wird dabei deutlich, dass die filmisch verhandelten Kategorien, Grenzen, Oppositionen und sozialen wie räumlichen Strukturen erst im kulturellen Dialog, in der Repräsentation konstruiert werden. Filme erschaffen somit sozial und territorial markierte »mediale Identitätsräume« (Hipfl 2004), die durch Abgrenzungen und eindeutige Zuschreibungen abgesteckt werden. Die Signifikationsprozesse sind dann Konstruktionsprozesse von Wirklichkeit, d.h. hier: »Filmische Stadtansichten sind immer Stadterfindungen« (Vogt 2001: 12). Die wesentlichen Aspekte der filmischen Repräsentation zielen auf die Verortung von Gruppen, Differenzen, Grenzen und identitätsstiftenden Räumen. Das filmische Bild einer Stadt entsteht demnach dadurch, dass der Raum erzählt und formalisiert wird: durch die Festlegung von Strukturen, durch die Definition von Grenzen und Teilbereichen in Bezug auf ihre Funktion oder durch die Festschreibung einer (ver)räumlich(t)en Geschichte der Gemeinschaft. Die Erzählung besteht somit in der Ausgestaltung und kausalen Verknüpfung von Situationen, Akteuren und Handlungen zu einer Geschichte. Gleichzeitig gehen die Aspekte der Repräsentation von Geographie im Film über die rein narrative Konstitution des filmischen Raums hinaus und appellieren an Analysen, die sich auf die komplexen Beziehungen von Bild und Ton, die Anbindungen, Grenzen und Verhältnisse zwischen einzelnen Räumen, das Verhältnis von Kontinuität und Diskontinuität und nicht zuletzt auf die räumliche Organisation von Ereignissen und Handlungen konzentrieren. Damit ist ein weitläufiger Forschungsbereich angesprochen, der den Zugriff auf räumliche Gegenstandsbereiche mit der Art ihrer Darstellung und diese wiederum mit spezifischen Medienfunktionen korreliert.
Die technische Materialität des Films: Ästhetik und Gestaltung Wenn von filmischer Repräsentation die Rede ist, so gilt es auch, die symbolische Darstellung an technische und ästhetische Bedingungen rückzubinden. Ende der 60er Jahre hat der kanadische Sozialwissenschaftler Marshal McLuhan eines der Credos der modernen Medienforschung formuliert: »Das Medium ist die Botschaft« (McLuhan 1995: 21). Hinter der vielzitierten These steht die Einsicht, dass Medien Informationen nicht einfach nur neutral transportieren, sondern ihnen eine ganz spezifische Form geben, die vom Inhalt nicht zu trennen ist. Film und Fernsehen erfordern, dass alles Bedeutsame visualisiert werden muss, wobei die Medien selbst die Visualität spezifisch strukturieren. Wird aber die Sichtbarkeit zum dominanten Kriterium von Wirklichkeitsdarstellung, bedeutet dies eine radikale Selektion der möglichen Formen, die für Kon-
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struktionsleistungen zur Verfügung stehen. Die einhergehende »Transformation der Umwelt zum Zweck der technischen Sichtbarkeit« (Spangenberg 2001: 215) muss als Spezifikum einer medienspezifischen Gestaltung von Wirklichkeit angesehen werden. Dieser Aspekt technischer Formierung der Darstellung und Wahrnehmung, der in der Apparatus-Theorie von Baudry (1975) seinen Ausgangspunkt findet, betont, dass sich technische Bedingungen und Spezifika der Kamera in die Bilder einschreiben. So können etwa verschiedene Kameraperspektiven und Ausschnitte, Brennweiten und Verschlusszeiten, verwendete Materialien sowie Licht- und Farbgebungen zu unterschiedlichen Eindrücken führen. Die Kamera zeigt also keinesfalls eine authentische Wirklichkeit, sondern sie konstruiert als zentrale Darstellungsinstanz des Films bestimmte Wirklichkeitseindrücke: »Während sie einen Handlungsteil präsentiert, erteilt sie diesem auch eine Bedeutung, semantisiert sie diesen Handlungsteil, weil immer das, was verfilmt wird, etwas von der Verfilmung mitbekommt; die Art des Aufnehmens wird immer auch zu einer Eigenschaft des Aufgenommenen« (Peters 1984: 63). Die mediale Apparatur fungiert somit als technische Anordnung von Elementen, welche die ästhetische Gestaltungssweise bestimmt: Die filmische Realität ist immer monokular, fokussierend und ausschnitthaft. Damit wird deutlich, dass die Kamerahandlung eine »bedeutungsmitkonstituierende Funktion« (Opl 1990: 44) erfüllt. Unter dem Begriff »filmischer Raum« wird in der Filmwissenschaft die filmspezifische Konstruktion von räumlichen Zusammenhängen verhandelt (etwa Beller et al. 2000, Rost 1997, Heath 1981). Die räumliche Konstruktion filmischen Erzählens setzt dabei die Sichtbarkeit eines Handlungsraumes im Bildrahmen des Mediums voraus. Diese Rahmung determiniert die Grenze zwischen dem sichtbaren und dem unsichtbaren Raum: Solange die Handlung in dem medialen Rahmen bleibt, sind Bildraum und erzählter Raum homolog. Wenn aber eine Bewegung über den Rand der Sichtbarkeit hinausgeht, übersteigt der narrative Raum die Grenzen seiner medialen Konstitution (vgl. Paech 2000: 100). Die Beziehung zwischen on-screen und off-screen space ist somit konstitutiv für den Film (Lacey 1998: 15). Daraus ergeben sich Fragen nach den gestalterischen Mittel des Films, nach bestimmten Regeln und Konventionen, die den Inhalt und die Erzählung im Rahmen des filmischen Zeichensystems aufbereiten. Im Folgenden werden einzelne Gestaltungselemente herausgegriffen und die raumbezogenen Funktionen ihrer Mittel beschrieben. Der Einsatz der Kameraarbeit ist wesentlich für die Konstitution des Bildes und die Figuration des Blicks auf das Dargestellte. Einstellungsgrößen legen die Entfernung der Kamera zum abgebildeten Geschehen
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fest. In der Regel kann zwischen acht Größen unterschieden werden, deren Bezeichnungen sich zumeist nach der Größe der gezeigten Figuren im Verhältnis zum Bildrahmen richten: Panorama, Totale, Halbtotale, amerikanisch, halbnah, nah, groß und Detail (vgl. Mikos 2003: 185). Ihre Bedeutung für die Dramaturgie entfalten die Einstellungsgrößen in Kombination mit den Perspektiven der Kamera auf die Figuren, Gebäude und Gegenstände. Auf diese Weise wird der Standpunkt gegenüber dem Geschehen verdeutlicht. So muss auf vertikaler Ebene zwischen Ober-, Normal- und Untersicht unterschieden werden. Auf horizontaler Ebene ist entscheidend, dass die Kamera den aufgebauten Raum beachtet, indem über die Festlegung der Koordinaten rechts, links, vorne und hinten ein Kontinuitätssystem beschrieben wird: »One objective of continuity editing is to create a coherent cinematic space, in which the action can take place« (Lacey 1998: 47). Die Kamera darf also die eigene Blickachse nicht überspringen, um die räumliche Orientierung am Handlungsort und eine konstante Blickrichtung der Szene zu gewährleisten. Die Einhaltung des 180°-Prinzips ist daher das wichtigste Mittel, um eine räumliche Kontinuität zu ermöglichen. Die Position der Blickachse wird gewöhnlich durch eine Totale in der ersten Einstellung einer Szene festgelegt. Dieser establishing shot bietet aber auch einen wichtigen Überblick über den Handlungsraum und die agierenden Figuren. Bei der Kontinuität von Handlungsabläufen über verschiedene Szenen und Orte hinweg werden meist am Ende einer Szene Aktionen begonnen, die sich in der nächsten Szene fortsetzen. Innerhalb des Kontinuitätssystems wird somit von einem logischen Zusammenhang der Blicke ausgegangen, der einen Sinn- und Ordnungszusammenhang gewährleistet. Dabei finden unterschiedliche Techniken Anwendung, um anzudeuten, wo und wann eine neue Kameraeinstellung, die sich räumlich und zeitlich auf die vorhergehende bezieht, auftaucht: eyeline match, cut-in, cut-away sowie die Verwendung von Einstellungen im Schuss- und Gegenschuss. Der eyeline match folgt den Blickachsen einer Person oder mehrerer Personen, um einen Kommunikations- und Handlungszusammenhang anzudeuten. Blickt eine Person aus dem Bild hinaus, so zeigt das nächste Bild das Objekt, auf das sich der Blick richtet. Um die Blickachsen zweier Personen aufeinander treffen zu lassen, wird der eyeline match auf Dauer gestellt, indem auf eine Einstellung ein meist gleichartiger Gegenschuss folgt. Dieses Schuss/Gegenschuss-Verfahren wird verwendet, um einen Dialog zwischen zwei Personen aufzulösen. Der cut-in markiert einen Wechsel von einer weiten auf eine nähere Einstellung, wobei Umgebung und Kamerawinkel identisch bleiben. Davon abzugrenzen ist ein cutaway, der den Blick einer handelnden Person hinaus aus dem bis dahin geschaffenen Raum imitiert und dadurch einen neuen Raum eröffnet. Ur-
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sache für einen solchen Blickwechsel ist etwa ein Geräusch, das vorher aus dem Off zu hören war. Das szenische wie räumliche Arrangement einer Einstellung wird unter dem Begriff Mise en Scène (franz.: »In Szene setzen«) zusammengefasst. Dieser Ausdruck bezeichnet die bildliche Gesamtkonzeption des Films, das heißt die Komposition eines Filmbildes aus den einzelnen Gestaltungselementen, die vor und mit der Kamera inszeniert werden. Dazu zählen die Licht- und Schauspielerführung, die Ausstattung und Requisite, räumliche Relationen und Beziehungen zwischen Personen und Objekten. Eine Einstellung gibt somit Aufschluss über Entfernungen, Bildschärfe, Blickwinkel, Bewegung und Kamerastandpunkte. Vor allem die Aufnahmedistanz und die Kameraführung bestimmen dabei den Raum des Bildes – ein Panorama oder eine ruhige Kameraführung erfassen mehr als eine Nahaufnahme oder hektische Bewegungen. Die Raumwirkung wird zudem durch den Blickwinkel besonders betont: Vogelperspektive, Obersicht, Augenhöhe, Untersicht und Froschperspektive gewichten und betonen die Gegenstände auf je unterschiedliche Weise. Der Raum selbst als wesentliche Bildaussage kann im Grunde nur in den zwei erstgenannten Einstellungswinkeln realisiert werden. Insgesamt bezeichnet Mise en Scène also die Modifikation des formbaren Raumes (vgl. Kamp/Rüsel 1998: 47ff. und Monaco 2000: 185ff.). Für die Gestaltung der Handlung und der Handlungsorte spielt neben der Bewegung vor der Kamera (etwa Darsteller oder Maschinen) vor allem die Bewegung mit der Kamera eine entscheidende, filmspezifische Rolle. Die Kamera kann starr auf ein Objekt gerichtet sein, sich ohne eigenen Ortswechsel schwenken und sich als Kamerafahrt in alle Richtungen bewegen. Sowohl die Formen des Schwenks (Panorama- und 360°Schwenk) als auch die Kamerafahrten (Horizontal-, Parallel-, Kreis- und Kranfahrt) vergrößern den Bildraum, verschaffen einen Überblick und verfolgen Personen und Objekte. Eine Besonderheit der Kamerafahrt ist die subjektive Kamera, die aus der Perspektive eines Handelnden filmt und eine starke identifikatorische Wirkung erzielt. Von der Fahrt zu unterscheiden ist der Zoom, der durch Veränderung des Objektivs eine Bewegung der Kamerafahrt simuliert. Insgesamt intendiert Bewegung ein Gefühl für Zeit und Raum, weil sie beides miteinander verbindet und weil sie sich in beiden gleichzeitig entwickelt. Dadurch werden Räume und Gegenstände auf verschiedene Weise (re)präsentiert und die Perspektive und Position der Wahrnehmung des Zuschauers unterschiedlich definiert. Gleichzeitig wird die Kameraführung genutzt, um zeitliche wie räumliche Anschlüsse und Grenzen anzuzeigen und zu erfassen. Dadurch entsteht einerseits eine Kontinuität der Handlung, andererseits wird der filmische Raum geordnet und strukturiert. Die Kamera übernimmt somit
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die narrative Organisation des filmischen Raums in Abhängigkeit vom Geschehen: Indem sie auswählt, akzentuiert, ignoriert, betont und bewegt, schafft sie vielfältige Kompositionsmöglichkeiten visueller Geographien. Raum und Zeit können im Film nicht in ihrer eigentlichen Form dargestellt werden, denn beides sind abstrakte Größen. Ihnen liegt jedoch eine Ordnung zu Grunde, die das Nebeneinander von Orten oder Zeitabläufen erfahrbar macht: die Kombination von Einstellungen mittels Montage ermöglicht eine Vorstellung von Raum und Zeit, die losgelöst von den einzelnen Momenten der filmischen Welt den Eindruck eines Kontinuums erweckt. Das Zusammensetzen einzelner Einstellungen dient somit der Darstellung und Ordnung von Raum und Zeit. Für gewöhnlich wird das filmische Material aneinander gereiht, seltener übereinander gelegt (Überblenden, Doppelbelichtung). Interessant dabei ist ein mehr oder weniger bewusster, dialektischer Prozess, der aus den beiden ursprünglichen Bedeutungen zweier aufeinander folgender Aufnahmen eine dritte Bedeutung schafft. Schnitttechniken bestimmen aber im Wesentlichen den Rhythmus des Films und vermitteln damit ein Gefühl für die Zeit bzw. das Tempo. So wirken rasche Schnitte schneller, indem sie Gleichzeitigkeit suggerieren; längere Aufnahmen erwecken hingegen den Eindruck von ›Echtzeit‹. Die Zeitlinie insgesamt kann also gerafft oder gedehnt, mit oder ohne chronologische Ordnung erzählt werden. Die Montage hat somit Auswirkungen auf die Raumwahrnehmung: Distanzen und Relationen werden durch Schnitte gelöscht, verwischt oder umgedeutet: »Filmischer Raum entsteht aus der Addition verschiedener Einstellungen, in denen unterschiedliche Raumsegmente gezeigt werden. Diese einzelnen Einstellungen können an ganz verschiedenen Orten genommen werden, entscheidend ist die Wahrscheinlichkeit ihres Zusammenwirkens in der filmischen Verbindung einzelner Einstellungen. Dadurch entsteht ein Raum, der im Grunde künstlich ist und keine Entsprechung in der Realität besitzt, der sich durch die Addition der Raumsegmente, die die einzelnen Einstellungen zeigen, vielfältig ausdehnt, und damit mehr als einen tatsächlich umschreibbaren Raum darstellt« (Hickethier 2001: 84).
Diese Nichtbeachtung der Einheit von Ort, Zeit und Handlung ist das Spezifikum filmischer Montage, wobei Zeit und Raum unabhängig behandelt werden können (vgl. Speckenbach 2004). Der jump cut und der match frame stellen gewissermaßen zwei Pole der Gestaltung von Raum und Zeit dar. Auf der Seite des match frame ist im weitesten Sinn alles anzuordnen, was an Anschlussmöglichkeiten zwischen zwei Einstellun-
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gen machbar ist, also die eyelines und Handlungsachsen sowie die Schnitte in Bewegungen und die Beachtung des continuity system allgemein. Eine Schuss-Gegenschussmontage etwa ist stärker im Raum geschnitten als in der Zeit, die im Normalfall beständig abläuft oder minimal an den Schnittstellen gerafft ist. Im Extremfall bewegt sich eine Figur durch mehrere Räume, wobei die aneinander geschnittenen Szenen an verschiedenen Orten gedreht wurden, aber ein kohärentes Raumbild evozieren. Dadurch ergeben sich montierte filmische Räume, die allein durch narrative und figurative Anschlüsse erschaffen werden: Dieses Gestaltungsprinzip wird in der Fachliteratur als Kuleschow-Effekt bezeichnet (dazu Beller 2002: 20ff.). Auf der Seite des jump cut dagegen befinden sich verschiedene Formen der Aussparung, der Vor- und Rückblicke sowie des elliptischen Erzählens. Ihre Funktion liegt in der Rationalisierung der Filmhandlung. An ihnen liegt es maßgeblich, dass der Film sich von der Bindung an den Realablauf der Handlung lösen kann, effizienter zu erzählen in der Lage ist, Unwichtiges weglassen, schon Bekanntes raffen und Redundanzen auf das nötige Niveau absenken kann. Insgesamt stellt der match frame die Integrität der Personen über die Diskontinuität der Umgebung [man kann auch sagen: die Dominanz der Figurenhandlung über die Wirklichkeit der Stadt], während der jump cut umgekehrt in die Autonomie des Handelnden eingreift. Insgesamt ermöglichen Analysen der Bewegung, Bildkomposition, Einstellung und Editierung im Film Aussagen über die filmspezifische Strukturierung und Konstruktion von Zeit und Raum, über die perspektivisch bedingte Raumwahrnehmung und -darstellung sowie insgesamt über die ›In-szenierung‹ von Bedeutung.
Aspekte der Produktion »Nothing could be more important in understanding the processes of making media than understanding who makes the media and how they are ›made‹ – the rules, practices, and procedures that govern what we see, read, and hear« (Grossberg et al. 1998: 59, Hervorhebungen im Original).
Wird unter Kultur ein zeichenhaft vermitteltes Sinnsystem verstanden, dann stellt sich die Frage nach dem Bedingungsrahmen, in dem diese Sinnproduktion situiert ist. Wie und wo werden räumliche Zeichen konstruiert und ökonomisch und institutionell organisiert? Mit der Frage
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nach den Produktionsstrategien in der Fernsehindustrie, die weit über die rein materiellen Produktionsweisen hinausgehen, wird also zugleich auch die Frage nach der Verteilung von Kommunikationsmacht aufgeworfen. Aspekte der Fernsehproduktion sind dann mit medienökonomischen, medientechnischen sowie institutionellen, organisatorischen und redaktionellen Fragen verbunden – »Television is an uneasy place between culture and industry« (Petersen 1991). Die von den unterschiedlichen fachlichen Orientierungen der Politischen Ökonomie und der Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie der Medienökonomie und der Wirtschaftsgeographie eingenommenen Perspektiven, unter denen eine Behandlung der Praktiken auf Produktionsseite erfolgt, scheinen sich hier wechselseitig herauszufordern und zu ergänzen. So interessieren sich die Politische Ökonomie und die Kommunikationswissenschaften vorwiegend für die Auswirkungen der Ökonomisierung auf die Entwicklung der Programmvielfalt und die Folgen für die gesellschaftliche Rolle der Medien (Grisold 2004, Meier 2003). Im Vordergrund stehen Fragen der technischen, organisatorischen und ökonomischen Bedingungen der Fernsehproduktion auf Makroebene. In den Fokus geraten so Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Eigentumsverhältnissen, Unternehmensstrukturen, Finanzkapital und Marktstrukturen und deren Auswirkungen auf kultur-, wirtschafts- und politikbezogene Kommunikationsprozesse. Eine medienwissenschaftliche Perspektive untersucht den Einfluss des Medienmarktes auf inhaltliche und produktionsästhetische Aspekte (Göttlich 2003), berücksichtigt redaktionelle und subjektive Entscheidungsstrukturen sowie kontextuelle Einflüsse auf die Produktionsphasen aber nur selten in ausreichendem Maß (Levine 2001, Kließ 1992). Aus wirtschaftsgeographischer Sicht geht es in diesem Zusammenhang um die spezifischen, räumlichen Bedingungen der Fernsehproduktion und deren Eigenart bzw. Unterschied in Hinblick auf andere Branchen. Dabei stehen Netzwerkstrukturen und Standortfaktoren sowie Konzentrationsprozesse bzw. Clusterbildungen im Mittelpunkt der Analysen (Moßig 2004a, 2004b; Krätke 2002, Bläser/Schulz 2001). Die vorliegende Arbeit bewegt sich an den Schnittstellen dieser Ansatzpunkte und versucht die Bedeutung und Auswirkungen der ökonomischen und institutionellen Rahmungen der Fernsehproduktion auf inhaltliche und produktionsästhetische Gesichtspunkte zu ermessen. Das heißt auch, dass ökonomische Prozesse als kulturelle Phänomene mit gesellschaftlichen und institutionellen Konsequenzen angesehen werden (vgl. Göttlich 2003: 48). Die Produktion der Stadt im Fernsehfilm erweist sich in diesem Zusammenhang als eine komplexe Aufgabe von Planungen, Strategien, Entscheidungen und Bewertungen im Redaktions- und Produktionsstab, in dessen Verlauf Themen, Motive und Drehorte unter Berücksichtigung der zur
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Verfügung stehenden Ressourcen und Verfahren ausgewählt und definiert werden. Besonders vielversprechend erscheint daher eine Untersuchung der Beziehungen zwischen den Bildmotiven, Bildbedeutungen und Drehorten. Eine solche Perspektive ermöglicht es, die Repräsentationsanalyse vor dem Hintergrund wirtschaftlicher und struktureller Gegebenheiten der Produktion zu re-interpretieren. Konzeptionell sind dazu Aspekte der Selektion bzw. Konstruktion von Medieninhalten sowie des Medienmanagements zu klären.
Fernsehwirklichkeit als Konstruktion von Medieninhalten Wie Medienereignisse entstehen und welche Prozesse und Entscheidungen dabei zum Tragen kommen, wurde bislang vor allem aus der Perspektive des Journalismus thematisiert: »Jede Zeitung ist im Augenblick, wo sie den Leser erreicht, das Endergebnis einer ganzen Reihe von Auswahlvorgängen, die bestimmen, welche Artikel an welcher Stelle mit wieviel Raum und unter welchem Akzent erscheinen sollen« (Lippmann 1964: 241). Was Walter Lippmann noch als Dilemma betrachtet, erweist sich bei genauerer Betrachtung nicht als Makel, sondern als Wesensmerkmal aller medialen Kommunikation. So beschreibt die Selektion nicht etwa einen Nachteil oder die Schattenseite moderner Massenkommunikation. Vielmehr wird durch bewusste Entscheidungen, durch Reduktion und Konstruktion von Inhalten eine gesellschaftliche Kommunikation erst möglich. Gerade deshalb ist es notwendig, zu hinterfragen, nach welchen Kriterien die Selektions- bzw. Konstruktionsprozesse erfolgen. In der Nachrichtentheorie haben sich unterschiedliche Forschungsrichtungen herauskristallisiert, die sich mit Fragen der Produktion medialer Wirklichkeit auseinandersetzen (Überblicke bieten Nafroth 2002 und Neu 2004). Sie sollen im Folgenden kurz erläutert und geographisch fokussiert werden. Mit der Gatekeeper-Forschung begann in den 1950er Jahren eine systematische, empirische Analyse journalistischer Selektionsregeln für Nachrichten. Dabei wurde die Perspektive der Untersuchung auf das individuelle Verhalten einzelner Journalisten eingegrenzt. Empirisch werden beispielsweise in einer Input-Output-Analyse die Themenstruktur aller bei einer Tageszeitung eingegangenen Agenturmeldungen mit jenen verglichen, die ein Chefredakteur für sein Blatt aussucht. Bei den Gründen, die zu einer Nichtbeachtung einer Nachricht führen, lassen sich dann zwei Gruppen kategorisieren. Auf der einen Seite stehen subjektive Entscheidungskriterien, bei denen die Nachricht als uninteressant oder schlecht geschrieben eingestuft wird. Auf der anderen Seite stehen Selek-
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tionskriterien, die durch den Zwang zur Auswahl gegeben sind, also etwa Umfang und Zeitpunkt der Nachricht oder die Entfernung zwischen Ereignis- und Publikationsort. Die Rolle des einzelnen Redakteurs als entscheidender Gatekeeper markiert auch die Grenzen dieser Forschungslinie. Jeder Mitarbeiter ist nur Teil in einem komplexen Veröffentlichungsprozess, der von organisatorischen und technischen Zwängen bestimmt wird. Auch ist jede Redaktion von dem Material abhängig, das ihr von Nachrichtenagenturen geliefert wird. Diese treffen selbst eine Auswahl und strukturieren damit das Nachrichtenbild vor, das den Redakteur erreicht. Aber auch die Gewichtung der ausgewählten Nachrichten untereinander sowie die Auswahl der Stil- und Präsentationsformen werden insgesamt zu wenig berücksichtigt. Die Gatekeeper-Forschung vernachlässigt damit einen ganz entscheidenden Faktor: die Abhängigkeit der Selektion und Darstellung von persönlichen Erfahrungen und Einstellungen der Journalisten. Der News-Bias-Ansatz versucht, eben diese Unausgewogenheiten und Einseitigkeiten aufzudecken, die hinter den Selektionsprozessen verborgen sind. Die zentrale Annahme ist, dass subjektive Einstellungen und ›redaktionelle Linien‹ die Berichterstattung prägen. Methodisch konzentrieren sich die Ansätze sowohl auf die Mitarbeiter im Medienunternehmen als auch auf die publizierten Medieninhalte. Im Gegensatz zu den vorgestellten Ansätzen, versuchen Nachrichtenwerttheorien die Selektion durch die Wesensmerkmale eines Ereignisses zu erklären. Ausgangspunkt ist also nicht die Rolle der Redaktion, sondern die Analyse der Aussage. Je nach Modell wird ein Katalog von Nachrichtenfaktoren aufgestellt, an dem ein konkretes Ereignis verglichen wird. Je mehr und deutlicher die Kriterien des Katalogs bei dem Ereignis vorkommen, desto wahrscheinlicher wird es, dass es bei Journalisten Beachtung findet und schließlich zur Nachricht wird. Gemeinsam ist allen drei Ansätzen, dass sie davon ausgehen, dass es eine Realität gibt und diese mehr oder weniger gut dargestellt wird: Die objektiv erkennbaren Ereignisse sind Anlässe einer Berichterstattung, die Selektionsentscheidungen sind intervenierende Variablen und die Darstellungen sind Folgen des Geschehens. Sämtliche Konzeptionen zur Analyse von Selektionskriterien beschränken sich jedoch auf die inhaltliche Komponente und vernachlässigen externe, kontextuelle Bedingungen wie ökonomische, logistische oder technische Zwänge, die sich auf die Selektion auswirken. Die in den unterschiedlichen Modellen eingenommene Sicht auf Journalismus als Übermittlung von Fakten muss zunehmend fragwürdig erscheinen. Nicht nur kommunikationstheoretische Bedenken machen die These brüchig. Auch ein Blick auf das journalistische Segment selbst
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macht deutlich, dass diese Vorstellung kaum aufrecht zu erhalten sein kann, wenn die Grenzziehungen zwischen Information und Entertainment, zwischen Fakt und Fiktion, fließend werden: »News is a good example of the dialectic in action, where ›journalistic‹ codes compete with a dramatic, episodic, mosaic mode of presentation« (Fiske/Hartley 1978: 128). Kepplinger (1992) versucht Aspekte der Selektion und der Inszenierung in einem Zwei-Komponenten-Modell zu vereinen. Ein Ereignis besitzt zwar bestimmte Nachrichtenfaktoren, es wäre aber zu einfach, deshalb auf einen direkten Einfluss auf die Darstellungsweise zu schließen. Erst wenn von einem Journalisten einem Nachrichtenfaktor ein Nachrichtenwert zugesprochen wird, entscheiden sich die Art und der Umfang der Selektion. Beide Variablen sind unabhängig und erst das Zusammenspiel kann Selektionsentscheidungen erklären. Kepplinger stellt somit eine objektiv erkennbare Realität grundsätzlich in Frage und stellt das Modell der Nachrichtenwerttheorie auf den Kopf: Nicht die einem Ereignis eigenen Nachrichtenfaktoren bestimmten über die Selektion, sondern die subjektive Beurteilung des Ereignisses. Diese Vorstellung einer »instrumentellen Aktualisierung« unterstützt die Sichtweise der News-Bias-Forschung, indem sie die Intentionalität des journalistischen Handelns berücksichtigt und die Ansicht, dass der Journalist eine konstruktive Rolle bei der Berichterstattung übernimmt, empirisch untermauert. Wo bloße Inszenierungen die Ereignisse zum Zweck der Berichterstattung erschaffen, werden bei der Aktualisierung vorhandene Ereignisse hoch- oder heruntergespielt. Ein Journalist ist demnach kein Informationsvermittler, sondern ein aktiver Informationsgestalter, der sich an subjektiven Selektionskriterien orientiert und die Nachrichtenfaktoren instrumentalisiert. Die redaktionelle Leistung liegt somit in der Bearbeitung von Wirklichkeit, die sich nicht mit dem Anspruch auf eine möglichst exakte Wiedergabe begnügt (vgl. Klaus/Lünenborg 2002). Auch Schulz (1990) plädiert eindringlich dafür, die Annahme aufzugeben, dass Nachrichten – und damit Massenmedien generell – die Realität widerspiegeln. Er geht vielmehr davon aus, »dass Nachrichten eine Interpretation unserer Umwelt sind, eine Sinngebung des beobachtbaren und vor allem auch des nicht beobachtbaren Geschehens. Man kann also sagen, dass Nachrichten ›Realität‹ eigentlich konstituieren« (Schulz 1990: 28). Die zentrale Prämisse der theoretischen Überlegungen liegt darin, dass die Redaktion bzw. die Massenmedien als kreative Akteure handeln und in Folge als kommunikative Machtfaktoren bestimmt werden müssen. Es scheint also, dass massenmediale Aussagen nie eindeutig ›wahr‹ oder ›imaginiert‹ sind, sondern vielmehr mit Konventionen des Authentischen und Fiktionalen spielen. Mit Blick auf die schon länger geführte
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Debatte um Authentizität und Strategien der Inszenierung im Bereich der visuellen Kommunikation (Knieper/Müller 2003) oder des dokumentarischen Films (etwa Engelke 2002, Smith 2002, Hattendorf 1999) wird deutlich, dass die Realität selbst, die dahinter vermutet oder zumindest behauptet wird, Interpretationsprobleme schafft. Film und Fernsehen haben eine eigene Kompetenz der Darstellung und Produktion von Themen und Ereignissen entwickelt. So zeigt das gegenwärtige Fernsehprogramm eindrücklich, wie die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion in der Informationsgesellschaft immer durchlässiger werden. In Formaten der Reality Shows wird inszenierte Fiktion verwirklicht, während in Doku-Soaps die Wirklichkeit fiktional aufgepeppt wird. Wirklichkeit und Inszenierung, Dokument und Fiktion, Behauptung und Beweis, Tatsache und Gerücht, Ereignis und Abbildung geraten sich dabei konsequent ins Gehege. In diesem Kontext erscheint es jedoch sinnvoll, dass nicht nur nach einem Genrebegriff gefragt wird, wenn es um den ›Realitätsgehalt‹ eines bestimmten Film- oder Fernsehbeitrags geht, sondern nach dem Gegenstand selbst mit Blick auf die jeweiligen Produktionsbedingungen. Denn die gezeigte Medienrealität ist immer ein Konstrukt – die wirklich spannende Frage ist dann jene, die nach dem Wie und nach dem Wozu der eingesetzten Konstruktionsmittel sucht (vgl. Ganz-Blättler 2005: 28). Die in den Fernsehprogrammen erscheinende Realität ist also eine erzählend inszenierte, mögliche Realität in Hinblick auf die Erzählform und das Erzählte selbst. Hinsichtlich der Produktion von Fernsehfilmen müssen dann unter konstruktivistischer Perspektive die wesentlichen Aspekte und Begriffe der Nachrichtentheorien konsequent reformuliert werden: Entscheidungsprozesse sind nie rein individuelle Vorgänge, sondern immer Ergebnis einer komplexen und hierarchisch organisierten Teamarbeit. Subjektive Einstellungen spielen zwar eine große Rolle im Rahmen kreativer Entwicklungsphasen, sind aber immer rückgebunden an andere Produktionsbereiche und abhängig von allgemeinen betriebswirtschaftlichen Bedingungen und redaktionellen Vorgaben. Grundlegend erscheint zudem, dass Medien die Wirklichkeit nicht einfach abbilden, sondern eine Wirklichkeit konstruieren und durch bewusste Auswahl strukturieren und inszenieren. In der Sicht konstruktivistischer Medientheorien werden dabei die Produktionsmitarbeiter zu Agenten der Wirklichkeitskonstruktion, welche die soziale Bedeutung von Realität konstituieren, indem sie Tatsachen wertend interpretieren und eine Vorstellung davon vermitteln, was wichtig und richtig ist: »[T]his mediation is not a distortion or even a reflection of the real, it is rather the active social process through which the real is made [Hervorhebung im Original]« (Fiske/ Hartley 1978: 129). Wenn also die Wirklichkeit konstruiert und fiktiona-
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lisiert wird, müssen gerade die Absichten der handelnden Akteure, die Entscheidungsprozesse, die die Redakteure, Produzenten und Regisseure permanent vollziehen, zum zentralen Thema der Diskussion und der wissenschaftlichen Untersuchung der Produktionsseite gemacht werden.
Medienmanagement Für die Erklärung von redaktionellen und ökonomischen Verhaltensweisen ist eine Mikroperspektive notwendig, die betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen und stoffliche, thematische Anforderungen gleichermaßen berücksichtigt. Aus Sicht des Medienmanagements erfordert die Produktion von Medienangeboten neben der Koordination von unterschiedlichen Verfahren wie Arbeitsabläufe und Entscheidungsprozesse auch die Planung und Steuerung von Ressourcen zur sachlichen, technischen, finanziellen und personellen Gestaltung der Produktionspraktiken. Unter Medienmanagement wird somit eine komplexe Aufgabe von Planungen, Strategien, Entscheidungen und Kontrollmodalitäten in einer Medienorganisation verstanden, bei der sich Aspekte des Redaktions-, Produktions- und Ressourcenmanagements miteinander verbinden. Wie Moßig (2004b) gezeigt hat, erfolgt die Fernsehproduktion in lokalisierten Netzwerken, die ein hohes Maß an zwischenbetrieblicher Arbeitsteilung und flexibler Spezialisierung aufweisen und projektbezogen zusammengestellt werden. Treibende Kraft hinter den Kulissen einer Filmproduktion sind zunächst immer die Entscheidungen und Verhaltensmuster einzelner Personen oder Produktionsbereiche; sie übernehmen die zentrale Rolle bei der inhaltlichen und visuellen Gestaltung eines Fernsehfilms. Durch ihre Hoheit über die Auswahl und Sortierung der gezeigten Motive, Themen und Drehorte und die damit verbundene Organisation und Konstruktion des Raumbildes erhalten Produktionsentscheidungen publizistische und ökonomische Macht. Für die Zuschauer ist jedoch selten transparent, nach welchen Prinzipien die Bebilderung der filmischen Stadt erfolgt und welche Kriterien die Ergebnisse bedingen. Auch interne und externe Konflikte sind dem Publikum kaum bekannt. Die Mikrosicht fokussiert daher die Interessen, Ziele und Motivationen einzelner Akteure bzw. Akteursgruppen in den Schlüsselbereichen der Fernsehfilmproduktion und versucht relevante Rahmenbedingungen und Situationen zu berücksichtigen, um sie als Erklärungsvariablen für das Gesamtgeschehen heranziehen zu können (vgl. Ludwig 2003: 189). Ein Verständnis für die komplexen Kontexte der Produktion ist somit essentiell für die Analyse und Interpretation der Produktionsseite. Es vermag die Strukturen, Strategien und Zwänge der Filmproduktion, die öko-
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nomischen wie ästhetischen Imperative des Mediums sowie die unterschiedlichen Motivationen hinter den Kulissen zu erschließen. Ganz allgemein ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidungen im Unternehmen von Risiken und Unsicherheiten geprägt sind und die Verfahren und Regeln der Redaktion wie Produktion immer wieder den äußeren Umständen angepasst werden müssen. Gleichzeitig haben Medienunternehmen in dem Sinn einen Systemcharakter, insofern sie funktional unabhängig und operationell selbstbestimmt sind, wobei auf der Handlungsebene eine Einbindung von Akteuren erfolgt (vgl. Altmeppen 2000: 44). Auf der Grundlage bestimmter Ziele und Interessen handeln Akteure strategisch und sie sind zu einer Auseinandersetzung mit anderen Institutionen und Organisationen gezwungen. Dabei entstehen bestimmte Netzwerke, Hierarchien und Konstellationen, die über die Interessen verhandeln, etwa bei Redaktionskonferenzen oder bei der Motivsuche. Auf diese Weise entwickeln die Unternehmen ein Set an Praktiken, die als Regeln und Verfahrensweisen die Filmproduktion ermöglichen und Strukturen errichten, in denen Produktionsprozesse und Arbeitsabläufe vorgezeichnet und die Koordination der Produktionsabteilungen abgestimmt werden. Die Regelung von Arbeitsabläufen und Produktionsprozessen ist eng mit der Steuerung finanzieller Ressourcen und logistischer Strukturen verflochten. Medienmanagement ist also immer ein Austarieren zwischen kosten- und redaktionsorientierten Zusammenhängen. Auf der einen Seite müssen die Kostenstrukturen berücksichtigt werden, die den finanziellen Rahmen einer Produktion vorgeben. Während Gagen für Schauspieler, Regisseure etc. einen hohen Fixkostenanteil an den Gesamtkosten ergeben und wenig Spielraum lassen, können und müssen Motivmieten, Reisekosten und Ausgaben für Requisite und Szenenbild relativ flexibel und kosteneffizient gestaltet werden (zur allgemeinen Kalkulation von Fernsehproduktionen s. etwa Yagapen 2001). Auf der anderen Seite stehen inhaltliche und ästhetische Vorgaben, die der filmischen Umsetzung der Geschichte zu Grunde liegen. Sie bestimmen die Anforderungen an Motive und Drehorte. Führt man diese beiden Stränge zusammen, so zeigt sich, dass Drehortentscheidungen ästhetischen und ökonomischen Prämissen folgen. Dies bedeutet, dass Strukturveränderungen des Marktes – etwa durch Ansteigen der Motivmieten, Erschweren der Drehgenehmigungen etc. – sowohl die medieninterne Organisation als auch die medialen Inhalte beeinflussen. Für die Produktionspraxis bedeutet dies ganz konkret, dass Motive überregional angeboten werden und untereinander in Konkurrenz treten, so dass folglich nicht nur vor Ort, sondern auch außerhalb der thematisierten Stadt gedreht wird. Der Motivmarkt bringt dabei zwei unterschiedliche Phänomene mit
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sich: Einerseits versuchen immer mehr Städte und Regionen die Filmproduktionen als Plattform des Marketings und als wirtschaftlichen Faktor zu nutzen (im nationalen Kontext etwa Münster oder Bad Tölz). Andererseits wird die Filmwirtschaft gezwungen, ihre Motivsuche auszuwieten und die finanziellen Vorteile sogenannter runaway-Produktionen zu nutzen, um kosteneffektiv zu produzieren (vgl. Lukinbeal 2004). An dieser Stelle wird ersichtlich, dass die Produktionspraktiken die Möglichkeiten und Inhalte der Repräsentation wesentlich mitbestimmen.
Aspekte der Rezeption und Aneignung »Insgesamt hat die Rezeptionsanalyse unser Interesse an der Art und Weise geweckt, wie die Leute aktiv und kreativ Bedeutungen produzieren und sich ihre Kultur selbst schaffen, anstatt lediglich passiv ihnen vorgegebene und ihnen auferlegte Bedeutungen zu übernehmen. Der Medienkonsum als Ort der aktiven Produktion von Kultur ist so zu einem zentralen Problem […] geworden« (Ang 1999: S. 321).
Wenn der Zuschauer in den Fernseher blickt, dann ist das kein monologischer Prozess, bei dem einseitig Informationen vom Sender zum Empfänger verschoben werden. Fernsehzuschauer sind vielmehr aktive, symbolisch handelnde Wesen, die in der Lektüre Bedeutungen und Weltbilder prüfen, abwägen und mit der eigenen Sichtweise konfrontieren. Im Gegensatz zu einer Position, die den Prozess der industriellen Produktion von Kulturgütern ausschließlich als Massenbetrug und Manipulation, als »Bewusstseinsindustrie« (Horkheimer/Adorno) versteht, ist von gesellschaftlichen Diskursen und einem produktiven Aneignungsprozess auszugehen, bei dem Menschen Informationen jeglicher Art entsprechend ihrer Lebensweise interpretieren. Mikos (2003: 20) unterscheidet auf analytischer Ebene die Rezeption von der Aneignung: Als Rezeption ist die konkrete Zuwendung zu einem Film oder einer Fernsehsendung bezeichnet, in dessen Verlauf Bedeutungszuweisungen und Erlebnisstrukturen angereichert werden. Unter Aneignung wird die Übernahme des rezipierten Textes in den alltagsweltlichen Zusammenhang und die soziokulturelle Praxis der Zuschauer verstanden. Da sich diese Handlungen der Zuschauer empirisch jedoch nicht voneinander trennen lassen, werden die Begriffe Rezeption und Aneignung hier weitestgehend synonym gebraucht.
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Im Folgenden sollen der Zugriff einer geographisch orientierten Rezeptionsforschung vorgestellt und mit dem Forschungsgegenstand verbunden werden.
Geographie und Rezeptionsforschung Der Beitrag der Geographie zur Wahrnehmung von Räumen oder zur Rezeption medialer Raumdarstellungen ist äußerst gering: »[A] concern with audiences is less well developed in urban geography. Studies of architecture, urban landscapes and spaces have focused far more on the production and text than they have on audience« (Tim Hall 2003: 231). Zwar liefern perzeptionsgeographische Ansätze erste Anknüpfungspunkte an das Forschungsfeld, wenn sie einerseits die subjektive Konstruktion von Räumen betonen und andererseits eine bewusste Annäherung an individuelle Rezeptionspraktiken erkennen lassen. Diese Ansätze gehen jedoch von subjektbezogenen Mechanismen räumlicher Orientierung aus und machen raumbezogene Perzeptionen wie Images oder mental maps zum Gegenstand des Interesses, ohne deren Herkunft oder Voraussetzungen zu bestimmen (vgl. Miggelbrink 2002: 72). Vielmehr werden die Perzeptionen negativ bestimmt und als Formen der Verzerrung und Fehlinterpretation einer vorgegebenen Realität interpretiert. Eine solche Sichtweise kann den konstruktiven Charakter von Wahrnehmung und Wirklichkeit aber nicht hinreichend erfassen. Zu wenig beachtet wird hier die Tatsache, dass die Wahrnehmungsprozesse zu einer bewussten Verankerung im Raum, also zu einer subjektiven Verräumlichung führen. Um diesem Aspekt Rechnung zu tragen, muss »Verräumlichung« als ein Set kommunikativer Praktiken verstanden werden, mit dem Individuen Raumbezüge herstellen und sich entsprechend orientieren (vgl. Geppert et al. 2005: 28). Erst eine solche Perspektive ermöglicht eine Problematisierung dessen, wie die Menschen Räume machen, wie sie im Prozess der Wahrnehmung und Aneignung von Raum Bedeutung konstituieren. Auf diese Weise geraten dann die soziale Konstruktion von Raum sowie die Prozesse der Identifikation mit sozial konstruierten Regionen in den Blick. Sichtet man die einschlägige Literatur unter dem Aspekt einer geographischen Beschäftigung mit Film und Fernsehen, so zeigt sich, dass die Perspektive der Zuschauer nur abstrakt oder unzureichend eingebunden wird. So beschränken sich die meisten Studien zum Filmtourismus auf numerisch-deskriptive Untersuchungen oder sie unterstellen einen direkten Zusammenhang zwischen der filmischen Repräsentation und der Wahrnehmung der Drehorte, an denen ein Film entstanden ist (Busby/ Klug 2001, Riley et al. 1998, Tooke/Baker 1998). Dies liegt zumeist in
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einer allzu vagen Interpretation von quantitativ erhobenen Touristenzahlen und einer Analyse der wirtschaftlich-strukturellen Veränderung einer Stadt oder Region aufgrund von Filmproduktion und Filmtourismus begründet. Erste Untersuchungen, die auf Publikumsbefragungen oder auf einer Untersuchung der individuellen Aneignung von Drehorten basieren, beginnen jedoch, dieses Bild allmählich zu korrigieren (etwa England 2004, Kim/Richardson 2003). Die Untersuchung The Place of the Audience: Cultural Geographies of Film Consumption von Jancovich, Faire and Stubbings (2003) markiert die erste – und bislang einzige – umfassende geographische Studie, die sich gezielt dem Film-Publikum zuwendet. Am Beispiel von Nottingham arbeitet die Analyse räumliche Muster und Kontexte, historische Wandlungen und Entwicklungen sowie individuelle Verhaltensweisen des Kinobesuchs heraus und bindet die Überlegungen an Prozesse der Stadtentwicklung und Stadtplanung zurück. Im Rahmen einer solchen »geography of film exhibition« (Hubbard 2002: 1240) werden unterschiedliche Formen der Kino-Nutzung und der Korrelation von Standort und Besuchern deutlich, die sich an Parametern wie Klasse, Beruf, Alter und Geschlecht festmachen lassen. Im Mittelpunkt der Studie steht die Funktion für und der Einfluss der Lichtspielhäuser auf die Wahrnehmung und Auswahl der Filme: »[A]udiences built up identifications and disidentifications with places of exhibition, and different cinemas not only had meanings that exceeded their function as places to show films, but even transformed the meaning of the films shown within them« (Jancovich et al. 2003: 12). Einen Schritt weiter geht schließlich Anke Strüver (2005), wenngleich sie sich nicht explizit auf filmisches Material bezieht. Ihre Dissertation stellt jedoch die inhaltliche Dimension medialer Repräsentationen ins Zentrum und setzt sich ausführlich mit der Wahrnehmung von Grenzräumen und mit den individuellen Reaktionen auf deren mediale Darstellung auseinander. Ihre Analyse zweier Ausstellungen zum Verhältnis deutsch-niederländischer Beziehungen sowie der Aussagen von Besuchern zeichnet die Prozesse der Bedeutungsbildung alltäglicher Grenzziehungen nach. Auf diese Weise werden sowohl die Komplexität der Verknüpfungen zwischen Populärkultur und national kodiertem Alltag als auch die Kontextualität von Wahrnehmung und Darstellung greifbar.
Fans als produktive Zuschauer Die Rezeptionsforschung hat innerhalb der Film-, Kultur- und Medienwissenschaften heftige Kontroversen ausgelöst und eine Pluralität der Ansätze entwickelt. Denn bereits an der mehr als simplen Ausgangssi-
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tuation – der Zuschauer sitzt in seiner Wohnung und schaut fern – wird die Komplexitätsproblematik bei der Analyse populärkultureller Phänomene deutlich: Analysiert man die Sendung, die der Zuschauer geschaut hat? Sollte man den Zuschauer nach seinen Erfahrungen mit der Sendung befragen? Ist es nicht auch wichtig, zu wissen, in welchem sozialen Kontext die Sendung gesehen wird? Und ist es nicht vielleicht noch wichtiger, zu fragen, wie die Inhalte im öffentlichen Diskurs verhandelt und bewertet werden? Kulturelle Texte erlangen ihre Bedeutungen in kommunikativen Beziehungen und sozialen Gemeinschaften. Prozesse der Zirkulation von Bedeutungen, der kommunikativen Entstehung und Hervorbringung von Kultur, verweisen daher immer auch auf Rezeptionspraktiken und alltägliche Zusammenhänge der Interpretation. Kultur ist also nicht nur eine Lebensweise, sondern vor allem eine kreative Tätigkeit, die sich in Hinblick auf das Fernsehen auch in dem produktiven Umgang mit dem Medium manifestiert. Semiotisch und ethnographisch ausgerichtete Medienforschungen haben die Perspektive in zahlreichen Studien vertieft. Das Thema Familienfernsehen und häuslicher Medienkonsum ist in dieser Forschungsrichtung besonders stark vertreten (etwa Morley 2000, Hepp 1998, Ang 1996). Ziel ist, die Rolle der verschiedenartigen Haushaltsstrukturen und -kulturen zu untersuchen und festzustellen, wie die einzelnen Mitglieder eines Haushalts den Inhalt einer Fernsehsendung und ihren Stellenwert im Alltag bewerten. Auf der anderen Seite sind immer wieder Studien mit Bezug zu Fangemeinschaften und Fankulturen unternommen worden, um die Produktion kultureller Formen als Ausdruck der Auseinandersetzung mit Kultur zu betrachten. Das kreative Potenzial einzelner Fans wie ganzer Fangemeinschaften wurde jedoch relativ spät in den wissenschaftlichen Diskurs aufgenommen. Erst die Arbeiten von Henry Jenkins (1992) und Rainer Winter (1995), die in ihren wegwiesenden Studien über die Fernsehaneignung die Praxis der Fankulturen als produktive und heterogene Aneignung massenkultureller Produkte beschrieben haben, konnten das Thema wissenschaftlich neu bestimmen. Im Anschluss an diese Arbeiten müssen Fans als eine aktive Gruppe von Zuschauern verstanden werden, die sich die Medieninhalte nicht unreflektiert zu Eigen machen, sondern diese äußerst kritisch und interessiert beobachten. Das Interessante an Fans ist also ihr produktiver Umgang mit medialen Inhalten und der kommunikative Austausch untereinander. Denn die Rezeption von Filmen oder Serien ist für Fans nicht das Ende, sondern erst der Anfang des Mediengebrauchs. Fernsehfilme werden hier nicht einfach nur geschaut, wenn sie gerade im Fernsehen laufen, sondern sie werden zum Bestandteil der alltäglichen Kommunikation. Über sie wird
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mit Familienmitgliedern, Freunden und anderen Personen geredet, sie können aber auch Anlass für weitere Aktivitäten sein, die allein oder gemeinsam mit anderen praktiziert werden: das Lesen von Büchern zu den Filmen, das Archivieren und Tauschen von Filmen oder das Erstellen und Aufsuchen von thematischen Home- und Fanpages. Vor allem die Nutzung des Internets hat die Möglichkeiten der Gestaltung und Kommunikation für Fans entscheidend verändert, indem sowohl neue Formen der Produktivität als auch ein öffentlicher Raum, in dem sie geäußert werden können, entstehen konnte (siehe dazu Mutzl 2005). InternetForen im Besonderen dienen dem Austausch und der Aneignung von spezialisiertem Wissen und bilden den Raum zur Produktion und Distribution kreativer Fantexte. In einem Fan-Forum gehen die Aktivitäten über die individuelle Rezeption hinaus, indem auch über die Erfahrungen und Erlebnisse mit Freunden und anderen Fans geredet wird. In der kommunikativen Aneignung von Fernsehsendungen wird dann nicht nur die Bedeutung einzelner Filme ausgehandelt, sondern es geht für die Gruppe der Fans auch darum, eine so genannte Interpretationsgemeinschaft (vgl. Lindlof 1988) zu bilden, die den Fernsehserien selbst eine spezielle Bedeutung zuweist, sowohl als besonderes Fernseherlebnis als auch in ihrem Leben. Über diese Verbundenheit wird die individuelle Rezeption einer Fernsehserie zu einem Gemeinschaftserlebnis, denn sie findet in einem Erfahrungsraum statt, in dem sich jeder in einem gemeinsamen Bezug mit den anderen Fans befindet. Somit lassen sich Fankulturen auch als imagined communities (Anderson 1996) verstehen, deren gemeinsame Bezugspunkte über Filme hergestellt werden. Die intensive Beschäftigung mit dem Gegenstand führt zu einem besonderen Wissen, das die Zuschauer mit der Reihe verbinden können. Dabei spielt z.B. die Intertextualität der Filme eine wichtige Rolle, so dass im Rahmen der Interpretationsgemeinschaft Bezüge zu anderen Filmen, Fernsehsendungen, Stars, Filmmusik etc. hergestellt werden (vgl. Mikos 2006: 101ff.). Auf diese Weise wird in der Gruppe gemeinsam ein neuer Bedeutungshorizont der Serie erarbeitet und in den Alltag integriert. Vor diesem Hintergrund bietet sich der Tatort als geradezu prototypisches Beispiel für eine Analyse der Kommunikation von Fans über Fernsehfilme an, fördert doch die Serialität die Ausbildung von routinisierten Rezeptions- und Aneignungpraktiken, die sich in die im Alltag der Zuschauer zirkulierenden Diskurse und Vergnügen einfügen. Mit der Annahme, dass Fernsehtexte als produzierbare Texte im jeweiligen sozialen Kontext Bedeutung erhalten, ist die Frage nach dem jeweiligen Sinnpotential, das in der Auseinandersetzung des Publikums mit dem
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Text entsteht, zu stellen. In dieser Perspektive ist zu untersuchen, welche Bedeutungen dem Tatort im Alltag beigemessen werden, welche verschiedenen Diskurse über seine Darstellung der Stadt kursieren und welchen Beitrag er zur Sinn- und Identitätsproduktion leistet.
Fragestellungen Die Ausführungen lassen erkennen, dass zur Erfassung und Interpretation der Prozesse, in denen räumliche Bedeutungszuschreibungen in und mit dem Fernsehen entstehen, eine mehrdimensionale Analyse erforderlich ist. Sie muss sowohl inhaltliche, ästhetische und erzählerische Mittel als auch die Kontexte, welche die filmischen Mittel und Zuschauer prägen, in Betracht ziehen. So stellt Mikos zu Recht heraus, dass »der Sinn eines Filmes erst im Zusammenspiel von Text, Zuschauer und den Kontexten, in die beide eingebunden sind, entsteht« (Mikos 2003: 13). Eine Untersuchung der räumlichen Aspekte im Fernsehfilm ist zwangsläufig ein dynamischer Prozess. Sie muss die Momente der Repräsentation, Produktion und Aneignung verbinden, um das komplexe Zusammenspiel kommunikativer, technisch-apparativer und ökonomischer Faktoren der Darstellung einer Stadt im Film hinreichend zu erschließen. Ziel ist es, nicht nur die filmische Darstellung einer Stadt, sondern auch deren Rückbindung an Produktionspraktiken und Aneignungsformen zu analysieren, um den zirkulären Prozess der Kommunikation eines filmischen Stadtbildes nachzuzeichnen. Dabei wird sich mit jedem neuen Moment auch der Gesamteindruck wieder verändern, so dass die empirischen Analysen nicht nur bestimmte Konfigurationen herausarbeiten, sondern auch die Überlagerungen der Momente sichtbar machen. Auf diese Weise wird versucht, den theoretisch formulierten Kreislauf von Kultur empirisch zu schließen – ein Konzept, das die meisten bisherigen Betrachtungen außer Acht gelassen haben. Die Frage nach der räumlichen Konstruktion einer filmischen Stadt weist also in unterschiedliche Richtungen. Zum einen wird durch das Erzählen ein symbolisierter Raum konstituiert, der mit der und für die Handlung entsteht. In der Analyse geht es dann darum, herauszuarbeiten, welche grundlegenden Ordnungen und Vorstellungsmuster des Räumlichen in die Filme eingeschrieben sind und wie das Soziale räumlich konstituiert wird. Im Mittelpunkt steht die Frage, mit welchen Mitteln der Inhalt präsentiert wird und damit zur Produktion von Bedeutung und der Konstruktion sozialer Wirklichkeit beiträgt. Dabei werden insbesondere die zu räumlichen Identitäten verdichteten Rollenmuster der Figuren sowie die Gruppenbildungen, Zugehörigkeiten und Konfliktlinien, die ge-
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genseitige Abgrenzungen markieren, untersucht. Darüber hinaus soll eine Betrachtung der Schnitt- bzw. Montagetechniken geleistet werden, mit deren Hilfe die städtische Ordnung und Struktur topologisch gestaltet und einzelne Raumsegmente zu einem filmischen Raum komponiert werden. Die Rekonstruktion der filmischen Stadt verfolgt somit die Erschließung seiner Identifizierbarkeit, seiner Grenzen und Symbolisierungen. Zum anderen ist aber auch ein Blick hinter die Kulissen notwendig, um die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Motiven, Drehorten und Produktionsbedingungen zu verdeutlichen. Im Mittelpunkt stehen daher die Befragung der Filmemacher sowie die Einbettung der räumlichen Gestaltung in ökonomische Rahmenbedingungen und ästhetische Anforderungen der Filmproduktion. Auf diese Weise wird deutlich, dass die filmische Stadt durch konfliktäre Prozesse der Kodierung vielfältige semantische Aufladungen erhält. Schließlich soll eine Analyse der Auseinandersetzung mit den Filmen in lokalen Öffentlichkeiten einerseits und in einem Fanforum andererseits die Dekodierung der filmischen Stadt beleuchten. Die Analyse des Fanforums bezieht sich ausschließlich auf Themenbereiche, die direkt mit dem Handlungsort und dessen Darstellung in Zusammenhang stehen, also um Bereiche, die das Interesse an der Repräsentation von Lokalkolorit und die Diskussion über Drehorte greifbar erscheinen lassen. Es wird hier insgesamt die Position vertreten, dass die filmische Stadt aus immateriellen und materiellen Konstitutionsbedingungen besteht, die aufeinander bezogen sind. Schwerpunkt der empirischen Arbeit liegt auf der Verknüpfung von Repräsentations- und Produktionsprozessen, um die Strukturen des geographisch Imaginären im Fernsehkriminalfilm aufzuzeigen. Die Untersuchung der Rezeption kann im Rahmen dieser Studie jedoch nur einen ergänzenden und die weitere Forschung stimulierenden Charakter annehmen. Konkret liegen der Untersuchung folgende Fragenkomplexe zu Grunde:
1. Erzählte Räume • Welche Raum-Bilder werden im Tatort konstruiert? Welche Einblikke in soziale, räumliche und kulturelle Strukturen und Prozesse werden in den Filmen vermittelt? • Welche Themen und Motive der Stadt werden (wie) aufgegriffen? • Wie werden soziale und städtische Identitäten verortet und wie wird eine lokale Zugehörigkeit inszeniert? Wie werden Unterscheidungsmerkmale, Selbst- und Fremddefinitionen bestimmt? • Wie übersetzen sich genretypische Konventionen in die Darstellung einer fiktionalen sozialen Realität?
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• Wie wird der städtische Raum durch filmspezifische Gestaltungsweisen konstruiert?
2. Kodierte Räume • Welche Produktionsstrukturen liegen dem Tatort zu Grunde? Welche Kommunikationsstrategien leiten die Produktion? • Inwiefern bestimmen ökonomische und ästhetische Voraussetzungen die Darstellung der Stadt? • Welche Akteure sind an der Produktion räumlicher Inhalte beteiligt? Wer beeinflusst die Auswahl von Motiven, Themen und Drehorten? 3. Dekodierte Räume • Wie werden die filmischen Texte in lokale, populäre Diskurse eingebettet? Lassen sich unterschiedliche räumliche Effekte, Bedeutungen und Aneignungsformen ausmachen? • Wie positionieren sich Tatort-Fans innerhalb der filmisch konstituierten Welt und wie interpretieren und bewerten sie die Repräsentationen räumlicher Strukturen und raumbezogener Bedeutungen?
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FORSCHUNGSDESIGN
UND
EMPIRISCHEN
METHODIK
DER
ANALYSE
»Perhaps the most important point is that qualitative methodologies do not start with the assumption that there is a pre-existing world that can be known, or measured, but instead see the social world as something that is dynamic and changing, always being constructed through the intersection of cultural, economic, social and political processes« (Dwyer/Limb 2001: 6).
Methodologische Vorbemerkungen Vor dem Hintergrund des entwickelten theoretischen Verständnisses wird Fernsehen als ein dynamischer, komplexer Prozess verstanden, in dem entlang unterschiedlicher Kommunikationsmomente ein Austausch symbolischer Bedeutungen stattfindet, durch den sich die Gesellschaft über sozio-kulturelle Themen verständigt. Das Interesse dieser Arbeit liegt somit nicht auf Fernsehen an sich, sondern auf dessen Rolle und Funktion in der Produktion wie Zirkulation sozialer und räumlicher Bedeutungen, Beziehungen und Bewertungen. In Kapitel vier wurde ausgeführt, dass sich im Zugang zum Gegenstandsbereich grundsätzlich drei Momente unterscheiden lassen, die auf der Ebene des kulturellen Feldes miteinander verknüpft sind: die Repräsentation, die Produktion und die Aneignung. Die folgenden empirischen Analysen verfolgen sodann das Ziel, herauszuarbeiten, wie die Filme sowohl in Bezug auf die Kohärenz der Erzählung und der Repräsentation als auch im Kontext von Kodierungs- und Dekodierungsprozessen der Filmemacher und Zuschauer Bedeutung schaffen. Ein solches Forschungsvorhaben, das sich auf die Bedeutungszuschreibungen und Sinngebungsprozesse innerhalb der einzelnen Momente sowie zwischen ihnen konzentriert, erfordert ein interpretativ-verstehendes Auswertungsverfahren. Entsprechend verlangen die empirischen Untersuchungen nach der Verwendung und Entwicklung 113
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qualitativer Methoden, die dem Gegenstand gerecht werden und die vielfältigen Facetten und Eigenheiten des Fernsehens zu erfassen erlauben. Erst in einem solchen Rahmen können die zentralen Vorstellungs- und Identitätsmuster sowie entworfene Sinnprojekte hinreichend rekonstruiert werden. Der so gewählte Weg führt dann nicht über Auszählungen und statistische Korrelierungen, sondern über eine kontrollierte Interpretation des Materials. Um der Heterogenität der Fragestellung wie der vorgestellten Forschungsansätze Rechnung zu tragen, bildet ein multiperspektivischer Ansatz das Grundgerüst des Forschungsdesigns, wobei die methodischen Verfahren den einzelnen Dimensionen des circuit of culture entsprechend angepasst und ausgewählt werden. Gleichwohl bildet das filmische Material den Ausgangs- und Bezugspunkt einer jeden Perspektivierung. Folgt man diesen Prämissen, dann gestalten sich die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Analyseverfahren methodologisch und wissenschaftstheoretisch durchaus unterschiedlich. Auf diese Weise wird es jedoch erst möglich, das Thema aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und je angemessene Zugriffe für die konkreten Problemstellungen der einzelnen Kommunikationsmomente zu finden. Dabei konzentriert sich jede einzelne Methode auf spezifische Aspekte des Gegenstandes aus einer bestimmten Perspektive heraus. Die Ergebnisse sind in diesem Sinne nicht neutral, sondern positionsbestimmt und damit eingebettet in unterschiedliche Kontexte und Fragen von begrenzter Fokussierung und Reichweite. Das Eingeständnis der Mehrdimensionalität des Zugangs bedeutet nicht, dass die Arbeit additiv oder eklektisch vorgeht. Vielmehr werden je nach Fragestellung methodische Zugänge unterschiedlicher Art kombiniert, um den Forschungsgegenstand differenziert und facettenreich zu erschließen. Es ist also gerade die Methodenvielfalt, die als äußerst fruchtbar für den Erkenntnisgewinn eingeschätzt wird. Der Vorteil eines multiperspektivischen Zugangs wird darin gesehen, dass das zu untersuchende Produkt durch eine Vielfalt an Strategien interpretiert und kritisiert wird und so eine Einseitigkeit oder partielle Sichtweise vermieden werden kann. Die Vielfalt der Perspektiven ermöglicht es vielmehr, die Grenzen und blinden Flecken einzelner Methoden aufzubrechen und die Komplexität des kulturellen Artefakts und seine Verzweigungen zu erfassen (vgl. Kellner 2005). Insgesamt konkretisieren sich die Geographien des Fernsehens also in verschiedenen methodischen und disziplinären Zusammenhängen, die das filmische Material in seinen narrativen, ökonomischen und rezeptiven Kontexten verorten. Qualitative Methoden sind in den Kultur- und Sozialwissenschaften wie auch in der Geographie ausführlich begründet und erprobt worden.
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Entsprechend umfassend sind die theoretisch-konzeptionellen Grundlagen und ihre praktisch-instrumentellen Implikationen thematisiert worden (etwa Reuber/Pfaffenbach 2005, Crang 2003, 2002; Limb/Dwyer 2001, Rose 2001 sowie Mayring 2002), so dass hier auf eine erneute Kommentierung verzichtet werden kann. Im Folgenden soll es nun darum gehen, die einzelnen Methoden aus den Anforderungen der konzeptionellen Überlegungen heraus zu begründen und in ihren Grundzügen vorzustellen.
Anlage der Untersuchung Im Rahmen der kulturwissenschaftlichen Erweiterung des analytischen Materials können alle kulturellen ›Texte‹ als aufeinander beziehbare Äußerungen eines kulturellen Imaginären ›gelesen‹ werden. Wenn man als Gegenstand einer kulturgeographischen Untersuchung die symbolischen Handlungen in einer Kultur betrachtet, dann steht der Fernsehfilm zunächst einmal gleichberechtigt nicht nur neben anderen Medien, sondern auch neben politischen, wissenschaftlichen und ökonomischen Diskursen, da sie alle nach kulturellen Logiken funktionieren. Gerade filmische Texte nehmen hier aber insofern einen besonderen Platz ein, als ihre speziellen Ausdrucksmittel wie auch ihr gesellschaftlicher Status es ermöglichen, kulturelle Wertstiftungen und Denkweisen zu überspitzen, zu erproben und zu kritisieren, ohne den Verbindlichkeiten von politischen, ethischen oder wissenschaftlichen Texten zu unterliegen. Auch sind die jeweils gewählten Ausdrucksformen, Genres und rhetorischen Mittel des Films nicht zufällig, sondern sie stehen in einer komplexen Relation zu bzw. Interaktion mit den jeweils verhandelten Inhalten. Der Film nimmt – in vielfältigen Überdeterminierungen und Übercodierungen – die kulturellen Normen, Grenzen und Ambivalenzen seiner Zeit in die Sinnstiftungsmechanismen auf und ist so – mehr als andere kulturelle Diskurse – in der Lage, einen Blick auf uns selbst zu verschaffen. Das Phänomen Tatort ist als Ereignis zu verstehen, das erst einmal produziert werden muss als öffentliche Visualisierung von Regionalität und Gesellschaft mit einer dem Fernsehen eigenen Ästhetik und Struktur, Analyse und Repräsentation, Rezeption und Wirkung. Als Teil eines komplexen Kommunikationsprozesses sind auf der einen Seite die ›Filmemacher‹ (Produzenten, Regisseure, Redakteure, Szenenbildner) und auf der anderen Seite die Zuschauer als aktive Mediennutzer beteiligt. Das Medienprodukt selbst stellt gewissermaßen die Schnittstelle dar, in die einerseits die Vorstellungen der Produktion einfließen und die andererseits ihre Sinnzuschreibung erst durch die Bedeutungszuweisungen
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der Zuschauer erhält. In diesem Prozess verbindet der Tatort anschaulich so unterschiedliche Aspekte wie Popularität und Kunst, Kreativität und Ökonomie, Originalität und Wiederholung. Eine Reduktion auf eine bildimmanente Betrachtung würde daher das Spezifische dieser SpielfilmReihe ignorieren. Schließlich soll die Materialauswahl kurz dokumentiert werden. Die Entscheidung für die Tatort-Reihe liegt vor allem in der enormen Beliebtheit seitens der Zuschauer begründet, und damit in der quantitativen Relevanz, die die Reihe innerhalb unserer Gesellschaft erlangt. Zudem ist die öffentliche Resonanz von Bedeutung, die sich in Kritiken, Rezensionen, wissenschaftlichen Untersuchungen und unterschiedlichen Organisationen und Produkten von Fans manifestiert. Schließlich erscheint die Konzentration auf das Krimi-Genre besonders fruchtbar, da der Kriminalfilm neben den Handlungselementen Verbrechen oder Mord in besonderer Weise den Raum als Formkonstante benötigt: Indem der Raum mit den Personen und der Handlung funktional verknüpft wird, stellt sich eine topographische Verankerung der Kriminalgeschichte her (vgl. Bauer 1992: 49ff., Stegmann 1997: 42f.). Der Tatort bietet aufgrund seines 90Minuten-Formats darüber hinaus die Möglichkeit, seine Geschichten ausführlich zu erzählen, ohne auf Nebenhandlungen, intensive Figurenzeichnungen und thematische Komplexität verzichten zu müssen. Dies lässt eine große Verschiedenartigkeit hinsichtlich der Integration von räumlichen Bedeutungszuschreibungen erhoffen. Um das Sample der Filme nicht zu groß werden zu lassen, ist als weiteres Kriterium die Konzentration auf eine Sendeanstalt sowie die Eingrenzung auf Köln als HauptHandlungsort anzuführen. Die Reihe wird somit den Kriterien Spielfilm, Krimi und Köln in spezifischer Weise gerecht: Der Begriff Köln definiert den Raum, der sich sowohl auf den Firmensitz der Produktionsfirma als auch auf den Handlungsort bezieht. Die Begriffe Spielfilm und Krimi definieren das Genre und das Format und dienen hier der Abgrenzung gegenüber anderen Genres und Serien, Dokumentationen, Werbung u.ä. Gleichzeitig deutet die Kategorie Spielfilm auf die Rezeption und mediale Vermittlung durch das Fernsehen hin.
Repräsentationsanalyse Methodischer Zugriff Das Verfahren der Repräsentationsanalyse geht über die reine Inhaltsanalyse insofern hinaus, als neben der Bedeutungsrekonstruktion des zeichenhaften Inhalts auch die gestalterischen Mittel des Mediums berück-
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sichtigt werden müssen. Auf diese Weise werden nicht nur die Darstellung einer sozialen wie räumlichen Realität, sondern auch die Form des Medienprodukts und seine Funktion beachtet. In der repräsentationsanalytischen Auseinandersetzung mit dem Tatort ist daher die Herausarbeitung der narrativen Struktur und seiner genretypischen Gestaltungsmöglichkeiten, die die Raumdarstellung beeinflussen und erfordern, ein erster wichtiger Schritt. Im Weiteren geht es darum, die dramaturgischen und gestalterischen Mittel mit einer semiotischen Analyse der filmischen Zeichensysteme zu konfrontieren, um die mediale Gebrochenheit der fiktionalen sozialen Realität zu verdeutlichen. Nicht der Vergleich zwischen einem als ›real‹ konzipierten Köln einerseits und den filmischen Äußerungen über die Stadt andererseits rückt dabei ins Blickfeld, sondern eine Analyse des Äußerungssystems selbst, also die Frage nach dem ›Was‹ und ›Wie‹ der Repräsentation. Die wichtigste Eigenschaft des Films besteht in seiner Fähigkeit, erzählerisch ein Bedeutungskontinuum zu schaffen, in dem mehrere Handlungs- und Zeichenebenen miteinander verknüpft werden. Entscheidend für die besondere narrative und ästhetisierende Wirkung des Films ist dabei das synchrone Zusammenspiel unterschiedlicher Zeichensysteme, die bedeutungsbildende bzw. bedeutungstragende Elemente organisieren. Der Film als multimodales Medium bedient sich also verschiedener Codes, um Bedeutung zu produzieren. So ergibt sich das Sinnpotenzial aus dem Zusammenspiel ikonisch-visueller, auditiver und tonaler Kodierungen (vgl. Keppler 2006). Konkret heißt dies, dass die Geschichte, die Szene, die Bilder und die Musik so zum Mittel einer Semiotisierung gemacht werden, dass dieses Material über filmspezifische Verfahren eine räumliche Dynamik entfalten kann. Bedeutung entsteht somit durch die mit Mitteln der Filmtechnik mögliche Verkettung von zeichenhaften Elementen, die nicht nacheinander, sondern gleichzeitig operieren. Dabei ist nichts, was im Bild zu sehen ist, ungewollt oder zufällig – alles ist Zeichen und an der Bedeutungskonstitution der Filmwelt beteiligt. Der Inhalt von Medientexten wird dabei einerseits durch die physischen Botschaften (Texte, Bilder, Töne), andererseits durch symbolische Bedeutungen, die mittels materieller Zeichenträger transportiert werden, übermittelt. Zur Analyse von bewegten Bildern eignen sich daher semiotische Ansätze besonders gut, da hier viele Botschaften durch Zeichen, Metaphern, Symbole und bloße Andeutungen vermittelt werden. Bedeutungen werden permanent und simultan auf diesen Ebenen und durch verschiedenste semiotische Modi erzeugt. Das Ziel ist es, solche latenten Bedeutungen (Konnotationen) aufzudecken. Gleichzeitig wird auf der Basis einer poststrukturalistischen Zeichen-Theorie dekonstruktivistisch argumentiert, um zu zeigen, dass verdrängte und ausgeschlossene Teile
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für die Aufrechterhaltung der Dichotomien und des Systems notwendig sind (vgl. Sexl 2004: 186). Auf diese Weise werden die filmischen Ordnungs- und Konstruktionsprozesse auf ihre Herkunft befragt, indem die Bedingungen des Auftretens von Bedeutungen nachgezeichnet werden (vgl. Bublitz 2003: 36). Die dekonstruktivistische Lesart macht somit die grundlegenden Operationen und Annahmen von Texten sichtbar und entlarvt sie als soziale und kulturelle Konstruktion (vgl. Barker 2003: 184). Aus semiotischer Sicht besteht das Wesentliche der filmischen Textur darin, dass sämtliche Zeichen des Films in einer Differenz zur Wirklichkeit stehen. Diese Relation zwischen Zeichen und Objekt lässt sich begrifflich mit Hilfe der von Charles Sanders Peirce entwickelten Zeichentypologie verdeutlichen. Peirce unterscheidet ikonische, indexikalische und symbolische Zeichen, wobei wesentlich ist, dass jedes Zeichen einer oder mehrerer dieser Gruppen angehören kann. Beim ikonischen Zeichen stehen Zeichen und Objekt in einer Relation der Ähnlichkeit zueinander, so dass das Zeichen mit einem eindeutigen Bild des Objekts, welches es darstellt, verbunden ist. Das indexikalische Zeichen hat eine kausale oder hinweisende Beziehung zum Objekt, d.h. das Zeichen zeigt einen Verursacher an (so verweist Rauch auf Feuer). Das symbolische Zeichen schließlich hat keine direkte, sofort erkennbare Beziehung zum Objekt, sondern leitet seine Bedeutung ausschließlich aus einer Regel oder Konvention her (so verweist eine weiße Taube auf Frieden). Um das symbolische Zeichen dekodieren zu können, muss daher der entsprechende Code der Übereinkunft bekannt sein (dazu Rose 2001: 78). Dies setzt eine Kenntnis der filmspezifischen Gestaltungsmittel, wie sie weiter oben beschrieben wurden, voraus. Unter Verwendung zahlreicher Codes und Konventionen inszeniert ein Film eine spezifische Sichtweise der Wirklichkeit bzw. ein bestimmtes Wahrnehmungsverhältnis von Dingen und verweist damit zugleich auf andere, nicht realisierte Möglichkeiten der Darstellung. Diese selektive, paradigmatische Bedeutungskomponente ergibt sich somit dadurch, dass gerade die repräsentierten Objekte und Geschehnisse und keine anderen repräsentiert werden. So evoziert beispielsweise ein in Untersicht aufgenommenes Haus einen beherrschenderen, überwältigenderen Eindruck als ein von oben gefilmtes Haus; ein Objekt im Panorama aufzunehmen, bedeutet etwas anderes, als es in Nahaufnahme zu zeigen. Auf der anderen Seite resultiert aus der Tatsache, dass die repräsentierten Objekte und Geschehnisse vor und nach anderen gezeigt werden, eine syntagmatische Bedeutungskomponente. Diese Ebene betrachtet somit die Verkettung und Reihung von Einstellungen bzw. Bildern (vgl. Monaco 2000: 162f.). Solche Klassifikationen sind heuristisch fruchtbar und kön-
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nen erste Beschreibungsordnungen liefern. Dennoch ist ein Film an sich nicht prinzipiell nach solchen festen Regeln oder Bausteinen konzipiert. Daher ist insbesondere im Einzelfall zu untersuchen, welche Gestaltungsmittel im Film wie eingesetzt werden.
Aufbau und Verlauf der Untersuchung Die empirischen Untersuchungen zur Repräsentation stützen sich zunächst auf Filmanalysen zu zehn Kölner Kriminalfilmen, die Rahmen einer Examensarbeitet erarbeitet worden sind. Die hier gewonnenen Erkenntnisse haben das Vorverständnis geprägt und eine wichtige Grundlage für die weitere Strukturierung geschaffen. Für die vorliegende Untersuchung ist jedoch der Analysekorpus stark erweitert und die Fragestellung konkretisiert worden: Die Materialbasis besteht aus insgesamt 32 Kölner Tatort-Folgen (siehe Filmliste im Abspann), die zwischen 1997 und 2005 produziert wurden. Zur Datenaufbereitung wurde das filmische Material auf DVD oder Videokassette gespeichert. Während des mehrmaligen Ansehens der Filme wurden zunächst die Filmhandlungen stichwortartig protokolliert und in Handlungsverläufe gegliedert, bevor anschließend die Struktur der Bildlichkeit über Standbilder der Schauplätze und der raumrelevanten Bildaussagen fixiert und gespeichert wurde. Schließlich wurden die Handlungseinheiten der Filme in Bildprotokollen (vgl. Feil/Kließ 2003: 119) festgehalten. Im Gegensatz zu Sequenzen, die in der Regel mehrere Schauplätze umfassen, ermöglicht das ›Bild‹ eine genaue Strukturierung des Films nach den Motiven, wie sie im Drehbuch einzeln ausgewiesen werden. Dabei markiert ein Wechsel des Schauplatzes den Anfang bzw. das Ende eines Bildes; Innen- und Außenschauplätze werden separat aufgeführt. Kriterien für die raumbezogenen Aussagen sind die Visualisierungen und Verbalisierungen von Räumen, Grenzen, Gruppen und Identitäten sowie die Thematisierung von Werten, Normen und räumlichen Symbolen. Der Zugang zur Interpretation erfolgt dabei über folgende Ebenen: Zunächst ist das Verhältnis zwischen der räumlichen Ordnung und der Struktur der filmischen Narration mit seinem Handlungsverlauf von Interesse. Daneben finden die Figurencharakterisierungen und die Konstellation individueller und kollektiver Akteure zueinander Berücksichtigung. Sodann muss die sprachlichtonale Ebene von Figurenäußerungen, Geräuschen und Musik beachtet werden. Schließlich interessieren die Mittel der ästhetischen Inszenierung des filmischen Raums. Die konkreten Untersuchungseinheiten orientierten sich an einer formalen Gliederung des Filmtextes nach Schauplätzen und an einer inhaltlichen Gliederung in Themen und Handlungsstränge. Auf der Grundlage
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von Verlaufsprotokollen werden die Aussagen bezüglich ihrer Setzung und Gewichtung beschrieben und ihre semantische sowie semiotische Dimension analysiert. In der Filminterpretation geht es darum, in mehreren Schritten und durch wiederholte Sichtung des Materials die einzelnen Filme der Reihe zu analysieren, um dann über den Vergleich aller Filme zu generalisierenden Aussagen für den Kölner Tatort zu kommen. In diesem Rahmen wird zunächst ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Inhalten und deren Bedeutung hergestellt, so dass die Frequenz und Varianz von Indizien sowie die Strukturierung von Themen und Räumen beleuchtet werden kann. Anschließend müssen die Strukturelemente in ihren Beziehungen und unter Berücksichtigung ihrer gegenseitigen Abhängigkeit wieder zu einem systematischen Ganzen zusammengefügt und in die narrativen Zusammenhänge eingeordnet werden. Ein solches Verfahren ermöglicht dann die Interpretation der spezifischen Vorstellungsmuster, Sinnentwürfe und räumlichen Identitäten im Kölner Tatort. Dabei ist zunächst bedeutend, welche räumlichen Motive und Inhalte den Text bestimmen, wie sie dargestellt werden und warum sie so dargestellt werden. Dies zielt dann auf die Frage, welche Symbole, Argumentationslinien und Widersprüche sich hinter den Repräsentationen verbergen und diese organisieren. Als zitierfähige Basis für die mikrostrukturellen Detailanalysen der Filme dienen vor allem Einstellungen und Sequenzen mit besonderen visuellen Zeichenkonstellationen, die für die Konstitution des Filmraums signifikant sind. Sie werden mit Hilfe detaillierter Beschreibungen fixiert und gegebenenfalls durch Standbilder1 vergegenwärtigt. Relevante Redebeiträge, Einblendungen und Textkommentare werden transkribiert und als kursiv gesetzte Zitate aufgeführt.
Produktionsanalyse Methodischer Zugriff Fernsehfilme entstehen aus dem Zusammenspiel unterschiedlicher Bereiche eines arbeitsteiligen Prozesses. Eine Analyse dieser Kommunikator-
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Auch wenn eine Analyse, die auf Standbilder verweist, der Flüchtigkeit bewegter Bilder nur bedingt gerecht werden kann, so schärft sie umgekehrt den Blick für die Komplexität filmischer Texte: »Wer den filmischen Prozess verstehen will, muss den filmischen Verlauf experimentell anhalten können; denn nur so wird exemplarisch deutlich, was alles in der Bewegung eines ›bewegten Bildes‹ in Bewegung ist« (Keppler 2006: 77). 120
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organisation ermöglicht die Darstellung von Produktionsabläufen und der Redaktionsorganisation. Dabei bieten eine Erklärung der feststellbaren Entscheidungsprozesse sowie die Einbettung der Fernsehinhalte in die hierarchischen Strukturen der Kommunikationsflüsse die notwendige Basis für eine kultur- und kommunikationswissenschaftliche Perspektivierung der Fernsehproduktion. Der Schwerpunkt der empirischen Untersuchung liegt auf der systematischen Analyse des Herstellungsprozesses des Raumbildes im Kölner Tatort. Im Vordergrund steht die Ermittlung der relevanten Einflussfaktoren auf die Auswahl von Motiven, Drehorten und Inhalten sowie deren Konsequenzen für die filmische Inszenierung von Raum im Rahmen der Postproduktion. Der Zweck der Analyse liegt darin, die für den Tatort relevanten Kodierungspraktiken zu ermitteln und an ökonomische wie inhaltliche Aspekte rückzubinden. Um diese Aufgabe zu bewältigen, wird die Perspektive der Vertreter der Produktionsfirma, der WDR-Redaktion und des Produktionsteams an konkreten Fallbeispielen rekonstruiert, um Einblicke in den Produktionsalltag und die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge zu erhalten. Ursache für die gewählte Sichtweise ist die Bedeutung der einzelnen Produktionsabteilungen für die Auswahl von Motiven und Drehorten sowie allgemein für den Entstehungsprozess räumlicher Inhalte im Tatort. Dabei geht es nicht so sehr darum, was sich die Filmemacher im Einzelnen gedacht haben, sondern vielmehr darum, welche Semantik sie in den öffentlichen Raum gesetzt haben. Gegen die Möglichkeit einer mimetischen Abbildung der Dinge und ihre authentische Erscheinung gerichtet, zielt die Analyse auf die ökonomische und ästhetische Realitätsbedingung für Motive, Inhalte und Aussagen: Was gegeben zu sein scheint, wird auf Produktionszwänge und Entscheidungsstrukturen zurückgeführt. Im Rahmen einer Untersuchung, welche die kreativen Tätigkeiten und Vorstellungen der Filmemacher als Grundlage nimmt, empfiehlt sich in methodischer Hinsicht eine offene Form der Befragung. ›Offen‹ bedeutet, dass der Forscher auf der Grundlage eines kurzen Gesprächsleitfadens Fragen formuliert, die grundsätzlich variabel hinsichtlich Abfolge, Zielrichtung und Formulierung sind (vgl. Hopf 2000: 351). Besonders fruchtbar erscheint die Anwendung problemzentrierter Interviews, da der Vorzug dieser Methode darin besteht, dass sie statt einer isolierten Betrachtung der personellen Aufgabenbereiche eine problembezogene Betrachtung ermöglicht (siehe allgemein Mayring 2002: 67ff. und Witzel 2000). Für die gewünschte Mikroperspektive erlaubt ein solcher methodischer Zugriff im Wesentlichen, über das persönliche Gespräch mit den Befragten die Argumentationsfiguren und Entscheidungskriterien, die
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Aufschluss über die Motiv- und Drehortauswahl liefern, zu rekapitulieren. Der Begriff ›problemzentriert‹ meint hier zunächst, dass der Ausgangspunkt der Untersuchung ein vom Forscher wahrgenommenes Problem ist, in diesem Fall die Produktion einer filmischen Stadt unter fernsehspezifischen ökonomischen und ästhetischen Bedingungen. Das Ziel der Untersuchung liegt somit darin, dieses Phänomen verstehend zu interpretieren. In dieser Perspektive wird das Interview selbst um das ›Problem‹ herum ›zentriert‹, d.h. die Aussagen der Befragten stehen immer in Bezug zum Thema der Untersuchung. Das Vorwissen der Forschers dient in der Erhebungsphase somit als analytischer Rahmen für den Dialog zwischen dem Interviewer und den Befragten, um die Explikationen der Interviewten verstehend nachzuvollziehen und am Problem orientierte Fragen bzw. Nachfragen zu stellen. Während des Gesprächs arbeitet der Interviewer schon an der Interpretation der subjektiven Sichtweise der befragten Individuen und spitzt die Kommunikation immer präziser auf das Forschungsproblem zu. Insgesamt ist es wichtig, die Rekonstruktion von Orientierungen und Handlungen sensibel zu erarbeiten, damit bei den Befragten eine Vertrauensbasis entsteht, die eine Entfaltung der Problemsicht ermöglicht. Dadurch lassen sich im Laufe des Gesprächs immer wieder neue Aspekte zum gleichen Thema, Korrekturen an vorangegangenen Aussagen, Redundanzen und Widersprüchlichkeiten entwickeln. Um sich auf ungewohntem Terrain den Innenperspektiven und Wirklichkeitsdeutungen der Filmemacher nähern zu können, ist die Gesprächsführung von besonderer Wichtigkeit. Im Leitfaden sind die Forschungsthemen als Gedächtnisstütze und Orientierungsrahmen zur Sicherung der Vergleichbarkeit der Interviews festgehalten. Im Idealfall begleitet der Leitfaden den Kommunikationsprozess als eine Art Hintergrundfolie, die zur Kontrolle dient, inwieweit seine einzelnen Elemente im Laufe des Gesprächs behandelt worden sind. Die weitere Gestaltung des Gesprächs erfolgt dann zum einen über den Gesprächseinstieg, allgemeine Sondierungen und Ad-hoc-Fragen, zum anderen über die spezifische Sondierung, die Verständnisfragen und Konfrontationen beinhaltet. Um den eigenen Erkenntnisfortschritt zu optimieren, kombiniert der Interviewer das Zuhören mit Nachfragen (nach Witzel 2000). Diese Dynamik der Gesprächsführung trägt dann der Prozesshaftigkeit qualitativer Forschung Rechnung (vgl. Reuber/Pfaffenbach 2005: 137).
Aufbau und Verlauf der Untersuchung Die Interviews zur Produktion sind überwiegend in einem persönlichen Gespräch am Arbeitsplatz der Befragten oder in einem Café, zum Teil
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aber auch telefonisch durchgeführt worden, sofern die Befragten aus terminlichen Gründen nicht anders zu erreichen waren. Die Gespräche wurden im Einverständnis mit den Gesprächspartnern auf Tonband aufgezeichnet und anschließend transkribiert, um eine authentische und präzise Erfassung des Kommunikationsprozesses zu gewährleisten. Da die Fragestellungen der Untersuchung nicht auf die kommunikativen Prozesse an sich, sondern auf inhaltliche Aspekte gerichtet sind, genügt ein geringer Feinheitsgrad der Verschriftlichung, der die Texte sprachlich kontrolliert und auf inhaltlicher Ebene wortgetreu wiedergibt (s. dazu Meuser/Nagel 2005). Daher orientiert sich die Übertragung an den Vorgaben für eine Transkription in normales Schriftdeutsch, welche die Charakteristik der gesprochenen Sprache bewahrt und eine deutliche Lesbarkeit garantiert (Reuber/Pfaffenbach 2005: 154f.). Grundlage der Gesprächsauswertungen ist die Fallanalyse auf der Basis der transkribierten Interviews. Für die Auswertung wird jedes Interview in der Chronologie des Gesprächsverlaufs paraphrasiert, indem der Text in Sinneinheiten zerlegt und thematisch zusammengefaßt wird. Die Resultate dieses Prozesses bestehen zunächst in der Markierung des Textes mit Stichworten aus dem Leitfaden und mit Begrifflichkeiten, welche die thematischen Aspekte aus den Darstellungen der Interviewpartner kennzeichnen. Im Anschluss an diese Verdichtung werden die paraphrasierten Textelemente der einzelnen Interviews mit Überschriften versehen und mit anderen Passagen, die gleiche oder ähnliche Themen behandeln, zusammengefasst, um die im Interview aufscheinenden Themen und Relevanzbereiche anhand der subsumierten Passagen zu dokumentieren und anhand signifikanter Interviewstellen zu illustrieren (vgl. Ackermann 2000). Schließlich wird nach Vorliegen aller Einzelauswertungen nach vergleichbaren Textpassagen in allen Interviews gesucht, die zusammengestellt und mit vereinheitlichten Überschriften versehen werden. Dies ermöglicht dann eine Kategorisierung der Aussagen, um das Wissen der Experten in ihren Sinnzusammenhängen zu typisieren. Über die Verknüpfung der Schlagwörter lassen sich dann unter verschiedenartigsten Aspekten Originaltextstellen zuweisen und Querverbindungen zwischen unterschiedlichen Einzelfällen herstellen. Dabei werden die Einzelfälle in ihren inhaltlichen Ausprägungen und Merkmalen miteinander verglichen und Ähnlichkeiten bzw. kontrastive Aussagen gesucht, um interessante Problembereiche und Querverbindungen herausarbeiten und festhalten zu können (vgl. Witzel 2000). Die Analyse der Entscheidungsstrukturen und Herstellungsprozesse im Allgemeinen ist immer an die konkrete Interpretation und Verortung der Drehorte einzelner Tatort-Folgen rückgebunden. Auf diese Weise sollen die erarbeiteten Ergebnisse veranschaulicht und vertieft sowie die
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GEOGRAPHIEN DES FERNSEHENS
allgemeine Funktion der Drehorte für die filmische Darstellung der Stadt herausgearbeitet werden. Ausgangsmaterial sind die Motivlisten der einzelnen Filme, die einen umfassenden Überblick über die Drehorte ermöglichen.2
Rezeptionsanalyse Methodischer Zugriff Wenn in der Repräsentations- und Produktionsanalyse versucht wird, die Bedeutungen, die der Stadt zugeschrieben werden, zu rekonstruieren, um den filmischen Text so weit wie möglich zu öffnen, dann geht es in der Rezeptionsanalyse darum, herauszuarbeiten, wie der filmische Text von den Zuschauern bzw. den öffentlichen Institutionen wieder geschlossen wird. Gleichwohl kann diese Teiluntersuchung nur den Charakter einer ergänzenden ›Spurensuche‹ annehmen und einzelne ›Indizien‹ der Rezeptions- und Aneignungsprozesse zusammentragen, um dem theoretisch entwickelten Kreislauf empirisch zu folgen. Es wird angestrebt, anhand ausgewählter Beispiele die Bandbreite der Rezeptionspraktiken zu rekonstruieren, die die Rolle des Tatort für die Zuschauer belegen, und nicht, einen umfassenden Überblick zu geben. Vielmehr sollen mögliche Erfahrungsräume der Rezeption ausfindig gemacht und mögliche kommunikative Verhältnisse herausgearbeitet werden, die den Rahmen für eine Auseinandersetzung mit den Filmen überhaupt erst ermöglichen. Dabei lassen sich zahlreiche Symbole und Verweise finden, die es ermöglichen, unterschiedliche Wirkungsweisen der Filme aufzuspüren, die in der Öffentlichkeit durch eine breite Palette von sozialen Diskursen Eingang in die Medienkultur finden und eine Vielfalt von verschiedenen Effekten artikulieren. Die bewusste Wahrnehmung und das kritische Aufzeigen dieser Verweise und Symbole im Alltag, sind die zwei wichtigsten Schritte bei der Spurensuche (vgl. Deninger 1999: 121). Konkret werden zunächst einzelne, lokale Reaktionen auf die filmische Stadt vorgestellt, um einen generellen Eindruck vom thematischen Diskurs in Köln zu vermitteln. Schließlich versucht die Untersuchung eines Fan-Forums im Internet die konkrete Auseinandersetzung mit dem 2
Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass nicht zu jeder Tatort-Folge eine Motivliste vorliegt, da gerade das Produktionsmaterial zu den älteren Filmen nicht ausreichend dokumentiert und archiviert wurde. Zudem können Motivlisten generell Unstimmigkeiten und Lücken aufweisen, wenn etwa der Drehplan kurzfristig geändert oder ergänzt werden musste. 124
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Köln-Tatort nachzuzeichnen, um typische Formen und Muster in der Aneignung der fiktionalen sozialen Realität zu verdeutlichen. Dabei geht es um die Herausarbeitung bestimmter Elemente des Tatort, die für die Zuschauer emotional bedeutsam werden und im Rahmen ihrer individuellen Lebenswelt Sinn machen. Dadurch soll versucht werden, die Verarbeitung und subjektive Deutung der filmischen Angebote zur räumlichen Orientierung und zur Definition von Stadt und Gesellschaft zu ermitteln. Die qualitative Inhaltsanalyse stellt hier einen geeigneten Ansatz der empirischen, methodisch kontrollierten Auswertung des Textmaterials dar, wobei das Material in seinen Kommunikationszusammenhang eingebettet und nach inhaltsanalytischen Regeln auswertet wird. Im Zentrum der Forumsauswertung steht ein Ansatz, der induktive Kategorienentwicklung und deduktive Kategorienanwendung verbindet (vgl. Mayring 2000). Grundgedanke ist hier, aus der Fragestellung der Studie ein Definitionskriterium abzuleiten, das bestimmt, welche Aspekte im Material berücksichtigt werden sollen, und dann schrittweise das Material danach durchzuarbeiten. Gleichzeitig werden die entwickelten Kategorien in einer Rückkopplungsschleife überarbeitet, einer Reliabilitätsprüfung unterzogen und ergänzt oder zusammengefasst. Innerhalb der Analysekategorien wird schließlich eine Verdichtung und Generalisierung der Aussagen vorgenommen, so dass die verwendeten Originalzitate als typisch und stellvertretend für eine Reihe von Aussagen mit ähnlicher Intention angesehen werden können. Das Ziel der Textanalysen ist somit darin zu sehen, potenzielle Lesarten herauszupräparieren, ohne auf diese Weise so etwas wie eine Botschaft der Filmreihe liefern zu wollen. Vielmehr werden im Interpretationsprozess die kontextuellen Zusammenhänge der Rezeptionspraktiken beachtet, da die Filme ihre Bedeutungen und Effekte erst in den semantischen Einbettungen erhalten. Dabei ist grundsätzlich festzuhalten, dass die Bedeutungen, welche die Fans dem Tatort zuschreiben, lediglich Momentaufnahmen darstellen und keine endgültige Fixierung liefern können (vgl. Mutzl 2005: 20f.). Die Studie bleibt somit zwar offen, die Themen, die die Fans aus der Reihe aufgreifen, spiegeln jedoch immer auch ein aktuelles gesellschaftliches Bild, das sich lohnt, untersucht zu werden.
Aufbau und Verlauf der Untersuchung Ein Forum ist allgemein dadurch gekennzeichnet, dass die angemeldeten Mitglieder verschiedene, frei gewählte Themen diskutieren. Innerhalb eines Themas antworten die Teilnehmer zunächst direkt auf die vom Initiator gestellte Frage bzw. Problemorientierung, im weiteren Verlauf verselbständigt sich jedoch die Kommunikation und wird in mehrere Kon-
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GEOGRAPHIEN DES FERNSEHENS
versationsstränge aufgebrochen, da die Teilnehmer ihre Äußerungen gegenseitig kommentieren oder direkte Bezüge auf Aspekte des Vorredners nehmen. Die Forumsstruktur lässt sich somit insgesamt als eine textbasierte, individualisierte Diskussion charakterisieren, bei der individuelle und kontroverse Meinungen parallel zu Wort kommen. Diese Form hat jedoch dort ihre methodischen Grenzen, wo sie sich dem Einfluss des Forschers entzieht: Auch wenn das Spektrum der geäußerten Meinungen durchaus heterogen ist, werden die Äußerungen oft nur unzureichend illustriert und ausgeführt. Der Vorteil besteht allerdings darin, dass sich die Kommunikationsteilnehmer unvermittelt mit den Themen beschäftigen. Rund um den Tatort hat sich eine große Fankultur entwickelt, die sich in zahlreichen Fanpages und Publikationen dokumentiert. Das hier analysierte Forum ist Teil der wohl bekanntesten Internetseite zum Thema Tatort, dem »tatort-fundus« (http://www.tatort-fundus.de). Die Seite ist sehr umfangreich und informativ, da sie von den Fernsehsendern autorisiert und regelmäßig über die aktuellen Produktionen informiert wird. Der Beobachtungszeitraum erstreckte sich auf die Zeit vom 01. Mai 2003 bis 15. Oktober 2005. In die Analyse konnten so insgesamt rund 120 Meldungen aufgenommen werden, die sich direkt auf die räumliche Gestaltung des Kölner Tatort bezogen haben. Nach Abschluss der Datensammlung wurden sämtliche Postings, deren Umfang sich zwischen wenigen Zeilen und einer halben Seite bewegte, in eine Datenbank eingetragen und ausgewertet.
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ERZÄHLTE RÄUME: ZUR REPRÄSENTATION
DER
STADT
Die Untersuchung der Repräsentation von Köln im Fernsehkriminalfilm Tatort zielt auf die Rekonstruktion der räumlichen Organisation und Bedeutungszuschreibungen im Medium Film. Ausgangshypothese ist, dass die Kategorie Raum nicht nur den Plot, sondern auch das soziale und kulturelle Repräsentationssystem organisiert. Hauptanliegen der folgenden Filmanalyse ist einerseits die Herausarbeitung der räumlichen Muster und Strukturen des Tatort unter Berücksichtigung der typischen Genremerkmale, andererseits die Rekonstruktion der städtischen Realität wie sie in der Fiktion der Reihe erscheint. Für eine Untersuchung der Repräsentation einer Stadt im Film ist somit zunächst die dramaturgische Struktur von Interesse, mit der die Stadt ins narrative Geschehen eingreift. Sodann geht es um die Einbindung der genrebedingten Raumkonventionen in ästhetische Mittel und symbolische Bedeutungszuschreibungen einer Konstruktion der Stadt. Konkret wird untersucht, welche Raumsemantisierungen in die Filme eingeschrieben sind und wie die Filme den städtischen Raum durch Schauplätze, Bewegungen, Anschlüsse, Grenzen und Schnitte konstruieren und funktionalisieren. Für die Analyse sind daher die narrativen Verfahren der erzählerischen Vermittlung ebenso von Belang wie die spezifischen Arten der Raumsemantisierung, aus denen sich die Strukturierung und die Bedeutungsgehalte der filmischen Stadt sowie die ästhetisch-stilistische Modellierung ihrer Darstellung ergeben. In diesem Rahmen soll eine Geographie des Fernsehens rekonstruiert werden, welche die filminterne Funktion der Stadt sowie die Formen und Strategien der filmischen Stadtkonstitution nachzeichnet.
Die Stadt als Topographie des Verbrechens Für den Fernseh-Kriminalfilm erscheint die Integration von ›Realität‹ als zentrales Phänomen, wobei die Beziehung zur filmexternen Wirklichkeit durch die Eigenschaften des audiovisuellen Mediums besonders akzentuiert wird: Während die fiktive Geschichte durch materielle, referenzi127
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alisierende Signale auf der Ebene des Visuellen Rezeptions- und Handlungsanweisungen vorgibt, erzeugt eben diese (scheinbare) Faktizität den Eindruck einer Abbildung von Realität (vgl. Bauer 1992: 14ff.). Raumdarstellung und Bedeutungsstruktur sind jedoch vom Inhalt und Genre gefordert, so dass der Film zuallererst eine Geschichte präsentiert und der Raum entsprechend instrumentalisiert und funktionalisiert wird. Der Tatort verwendet dabei gezielt raumgebundene Figuren, Themen und Geschehnisse als Material zur Konstruktion fiktionaler Bildwelten, um die Geschichten interessant und attraktiv zu gestalten. Lokale Bezüge werden als Authentizitätsbelege eingebaut, um eine Verbindung zwischen der fiktionalen Welt der Filmreihe und der für die Zuschauer als ›real‹ geltenden Welt des Geschehens herzustellen. Der inszenierte Raum ist somit ein Konstrukt, das real und fiktional zugleich wirkt: Die fiktive Spielhandlung wird in einer authentischen Kulisse angesiedelt und mit Hilfe wiedererkennbarer, referenzialisierender Zeichen der Anschein von Realität verstärkt. Sämtliche Schauplätze im Film sind somit nicht nur geographische Indizien der Stadt, sondern als dramaturgische Elemente der Geschichte immer auch Ausstattungsmerkmale der Figuren und Handlungen. So lässt der Tatort zwei Dinge erkennen: Zunächst verläuft eine Erschließung des Raumes mit Strukturen, Grenzen und Tabus über ein Verfahren der Referenz. Man kann deshalb von einer klaren Ortsgebundenheit sprechen. Sodann zeigt sich eine innere Logik der Erzählung, ein symbolischer Raum, um den sich die Filme selbst organisieren. Ein Film bewegt sich nicht nur durch Zeit und Raum, sondern zugleich durch die narrative Entwicklung seiner Geschichte. Diese Verknüpfung der Kategorien Raum und Genre ist gerade im Kriminalfilm ein konstitutives Element der Darstellung. Indem der Erzählstrang den filmischen Raum strukturiert, werden die unterschiedlichen Räume zu Schauplätzen der Handlung wie auch die verschiedenen räumlichen Anschlüsse und die Zeitabschnitte nur dramaturgische Wegstrecken sind. Gleichwohl findet der Erzählstrang, indem er sich der einzelnen Raumsegmente bedient, erst über diese Einbettung in einen visuell gestalteten Raum zu seinem Ziel. In dieser Perspektive erscheinen die Schauplätze der Filmhandlung als Komponenten der narrativen Konventionen und als Spezifizierung des Kriminalgenres. Es lässt sich aber ebenso gut andersherum argumentieren: Im Kriminalfilm ist die Ausgestaltung der Handlungen und Figuren davon abhängig, wo die Geschichte stattfindet. Denn ohne die richtigen Raumtypen und Schauplätze ist eine kohärente Narration der gefordeten Geschichte nicht möglich. Die Konfiguration des Raums organisiert also den Plot wesentlich mit und entfaltet ein komplexes Repräsentationssystem, in das die Geschichte eingebunden ist. Die Kategorie Raum erweist sich somit als zentrale Gelenkstelle der drama-
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ERZÄHLTE RÄUME
turgischen Gestaltung, insofern das Genre bestimmte Räume fordert und gleichzeitig der Raum spezifische Identitäts- und Handlungskonstellationen erzeugt und ermöglicht. Auch wenn hier eine allzu simple Verknüpfung von Raum und Genre problematisch bleiben muss, spielt die Geographie doch eine wesentliche Rolle beim Zustandekommen eines Kriminalfilms: Die narrative Darstellung des Krimis ermöglicht Implikationen und Aussagen, die den Raum zahlreichen Semantisierungen unterwerfen und gleichzeitig auf die soziale Realität verweisen können. Dieses Wirkungspotenzial äußert sich in den Verhaltensweisen und Handlungen der Figuren, in den Arten der Beschreibung und Beurteilung von Räumen in den Dialogen sowie in der Erfassung und Darstellung des Raumausschnitts durch die Kamera. Die Genre-Elemente lassen sich somit als Funktionen einer Narration des filmischen Raums beschreiben: Der Kriminalfilm wird als narrativer Komplex aufgefasst, der den Funktionalisierungsrahmen bereitstellt, um diese Elemente zu integrieren und zum Träger spezifischer Raumbedeutungen zu machen. Der Raum wird dann genutzt, um darüber eine Geschichte mit eigenen Gesetzmäßigkeiten, Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten zu entfalten. Die Art der Inszenierung von Raum ist im Fernehkriminalfilm aufgrund der breiten Ausdifferenzierung des Genres nicht auf die verschiedenen Formen bezogen, sondern an verschiedenen Charakteristika festgemacht, die sich durch alle Formen ziehen: Tat-Orte und Milieus der Handlung sowie Charakterisierungen von Tätern, Opfern und Ermittlern. So liegen auch jedem Tatort – trotz aller thematischen und figurativen Unterschiede der einzelnen Folgen – einige grundlegende, genretypische Gemeinsamkeiten zu Grunde, die sowohl Stereotype der Handlung und der Verräumlichung bedingen als auch eine Topographie des Verbrechens erkennbar werden lassen. Generell weisen die Krimis eine spezifische Erzähl- und Handlungsstruktur auf. Am Anfang steht ein Mord. Dieser Mord ist von jemandem verübt worden, von der Täterin bzw. dem Täter, und es gab jemanden, an dem er verübt wurde, das oder die Opfer. Da Mord ein Verbrechen ist, das einer Aufklärung bedarf, kommen wietere Figuren hinzu, die versuchen den Fall zu lösen – hier das Ermittlerteam Max Ballauf und Freddy Schenk. Die Ausgestaltung von Spannung und Handlung orientiert sich vor allem an drei wesentlichen Elementen (vgl. Nusser 2003: 22f.): Der Mord als rätselhaftes Verbrechen bietet durch seine komplizierte Konstruktion den Anlass für die Tätigkeit der Detektion. Diesem Rätsel gegenüber steht somit die Fahndung nach den Tätern, und damit die Entschlüsselung des Tathergangs, des Motivs und die Feststellung der Täter. Dabei kommt es zu Beobachtungen, Verhören, Flucht und Verfolgung. Die Ermittlungen werden schließlich durch die Aufklärung des Verbrechens und die Überführung der Täter erfolgreich
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abgeschlossen. Diese grundlegende dramaturgische Struktur bestimmt auch, welche Raumaspekte im Mittelpunkt der Geschichten stehen, und begründet die Handlungsorte, die zentralen Personenkonstellationen sowie die Bewegungen der Protagonisten. Die Stadt ist dabei als Hintergrund des Erzählmusters besonders geeignet, da fortlaufend neue Figuren und Schauplätze auftauchen und in die Handlung eintreten können. Dabei sind durch das Genre bestimmte Erzählformen von Konflikt, Verbrechen und Ermittlung vorgegeben, die nicht zuletzt auch an einer standardisierten Visualisierungsform des städtischen Raums zu erkennen sind. Hier spielt vor allem die Verdichtung und Etablierung von Ort, Zeit und Werthaltungen über visuelle Zeichen und Stereotype eine wesentliche Rolle.
Tat-Orte, Täter und Opfer Jede erzählerische Funktion und jeder noch so kleine Handlungsabschnitt ist an einen bestimmten Raum gebunden und oftmals ist das Räumliche selbst in die Definition der Topographie des Verbrechens eingeschrieben: Entführungen, Verfolgungen, Verhöre, Tat-Orte und Verstecke generieren bereits ein räumliches System im Handlungsgeflecht des Kriminalfilms. So findet der Mord zu Beginn jeweils an einem spezifischen Ort statt, dem Tat-Ort. Damit ist oft bereits zu Anfang eine bestimmte Art der Verknüpfung von Raumdarstellung und Handlungskonvention vorgegeben. In der Regel ist der Mord selbst nicht zu sehen, am Anfang eines typischen Tatort steht vielmehr der Fund der Leiche. Gefahren und Verbrechen nehmen meist in privaten, familiären Hintergründen ihren Ausgang, was darauf hindeutet, dass Täter und Opfer in einer persönlichen Beziehung zueinander standen. Als Tat-Orte kommen entsprechend Wohnungen und Büros in Betracht. Zahlreiche Fundorte müssen aber auch mit öffentlichen Räumen und der Anonymität der Großstadt in Verbindung gebracht werden. Vor allem am und im Rhein, in Industriebrachen und Grünanlagen, in Großwohnsiedlungen oder auf dem Campus der Universität werden die Leichen aufgefunden. All diesen Orten ist gemeinsam, dass ihre besondere Atmosphäre, ihre Abgeschlossenheit oder Unzugänglichkeit genutzt wird, um Spannung zu erzeugen und die Kriminalität an die Ränder der Stadt zu verweisen. Hier schafft die Inszenierung, das Arrangement von Licht, Musik und Kameraführung, eine Situation der Angst und Bedrohung, die das Verbrechen untermalt. So verwundert es nicht, dass kaum typisch städtische Merkmale zu erkennen sind. Wenn auf typische Wahrzeichen der Stadt Bezug genommen wird, so reichen meist wenige Einstellungen und Kameraschwenks aus, um den Handlungsort zu definieren. Augenfällig ist, dass die bekannten Mo-
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tive lediglich als Fassade funktionalisiert werden und nicht in die Handlung eingebunden sind. Intensität und Semantik der Raumdarstellung im Krimi hängen wesentlich von der Charakterisierung der zentralen Figuren ab. Das Milieu, in dem die Taten ausgeübt worden sind, bringt dabei auch etwas über die Täter und Opfer zum Ausdruck. Bei einem ermordeten Drogenabhängigen, der von mehreren Schüssen durchsiebt auf einem alten Eisenbahngelände gefunden wird, ist zu vermuten, dass es sich bei der Tat um gewalttätige Auseinandersetzungen im Drogenmilieu handelt. Wird der Süchtige hingegen in seiner Wohnung aufgefunden und als Todesursache stellt sich ein gezielter Messerstich ins Herz heraus, der mit dem neben der Leiche liegenden Brotmesser ausgeführt wurde, dann steht hinter dieser Tat scheinbar eine persönliche Auseinandersetzung mit Personen aus dem direkten sozialen Umfeld (vgl. auch Mikos 2002: 21). Indem also die Indizien und Fundstücke am Tat-Ort eine raumbezogene Biographie des Opfers zu erkennen geben, lässt sich ihr sozialer und geographischer Standort bestimmen. Sowohl die Verbrechen wie auch die Tat-Orte selbst sind somit nicht nur Genre bedingte Notwendigkeit, sondern durch die Typisierung ihrer Motive und Figuren immer auch Mittel zur Verdichtung des Raumbildes. Auf diese Weise zeichnen allein ungenutzte Fabrikanlagen, heruntergekommene Wohnviertel oder der Hafen als Unterschlupf für Täter und Verdächtige ein atmosphärisch dichtes und einprägsames Bild der Stadt. Die Milieuzugehörigkeit des Opfers, die Art der Tat und der Tat-Ort selbst geben hier erste wichtige Hinweise auf die Darstellung der Stadt. Die räumliche Darstellung der Kriminalgeschichten übersetzt das soziale Umfeld der Opfer und der Verdächtigten, den Alltag der Ermittlungsarbeit, das Privatleben der Kommissare und natürlich die Tat-Orte selbst in eine Topographie des Verbrechens. Den meisten Orten der sozialen Begegnung und der kriminellen wie polizeilichen Aktivität werden überwiegend wenig signifikante, universelle Motive zugeschrieben, welche die Handlung verorten, die Atmosphäre der Stadt verdichten oder die psychologische Verfasstheit bzw. den sozialen Status einer Figur unterstreichen sollen. Dabei korrelieren die Raumentwürfe mit den äußeren Erscheinungen der Figuren und mit den gesellschaftlichen Kreisen, in denen sich diese Figuren bewegen. Auf diese Weise markiert und kommuniziert der Kriminalfilm mit der räumlichen Ausstattung konkrete Figurenmerkmale und ihren gesellschaftlichen Status, um sie so untereinander unterscheidbar zu machen. Die Handlungsräume tragen so zur Strukturierung der erzählten Welt bei und werden von dieser wiederum zum Ausdruck gebracht. Erst durch diese Eingebundenheit in den narrativen Kontext wird der Raum bedeutungsvoll und verweist beispielsweise
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auf Beziehungsgefüge und Machtverhältnisse zwischen den handelnden Figuren oder auf den weiteren Verlauf der Handlung. In Schattenlos etwa gerät ein Ehepaar, das sich nichts mehr zu sagen hat und längst getrennte Wege geht, in den Fokus der Ermittlungen. Durch die gezielte Inszenierung des Wohnhauses lässt sich die Entfremdung filmisch einfangen und die zwischenmenschliche Beziehung im Schauplatz spiegeln: Das Paar lebt in einem streng funktionalen, weißen Bungalow, der in japanischem Stil eingerichtet und in ein kühles und nüchternes Ambiente getaucht ist. Alle Ausstattungselemente sind auf das Wesentliche reduziert und es gibt nichts, was für Ablenkung sorgt. Gleichzeitig wird mit vielen Halbtotalen gearbeitet, so dass das Haus und ihre Bewohner von außen und distanziert beobachtet werden. Die Schauplätze sind hier von den Motiven der Handlung gefordert und auf eindeutige Raumqualitäten reduziert. Sie üben eine stellvertretende, metaphorische Funktion aus und bezeugen die uneigentliche Verwendung von räumlichen Kategorien, um mittels rhetorischer Strategien nicht-räumliche Sachverhalte zu beschreiben und damit bestimmte Eigenschaften herauszustreichen und zu evozieren. Filmische Räume sind dann nicht nur Orte der Handlung, indem sie ganz konkrete Bedingungsrahmen für die handelnden Figuren setzen. Raumentwürfe werden immer auch funktionalisiert, um Stimmungen und Gemütszustände der Figuren zu untermalen. Eine Sonderform der metaphorischen Räume bilden die »isolierten Räume« (Nusser 2003: 45): Das Altenheim (Hundeleben), die Schule (Kinder der Gewalt), die öffentliche Ausstellung (Bildersturm), die Burschenschaft (Quartett in Leipzig) oder das exklusive Internat (Verraten und verkauft) stellen für die Kommissare das Problem dar, sich von außen und zumeist mit fremder Identität in den Tat-Ort hineinzubegeben, um den Mörder unter den anwesenden Figuren ausfindig zu machen. Bezogen auf die Figuren sind die isolierten Räume somit funktionale Orte, welche die Handelnden in eine Konfliktsituation verwickeln, die für die gegebene räumliche Einheit spezifisch ist. Dramaturgisch hat dies zur Folge, dass ein Großteil der Handlung an einem Ort spielt, der eine enorme Spannung erzeugt und die Geschichte vielschichtig verrätselt, aber aufgrund seiner Abgeschlossenheit kaum Möglichkeiten der räumlichen Verflechtung bietet. Gleichwohl evozieren die isolierten Räume eine ganz spezifische Atmosphäre, welche die Stimmung der filmischen Stadt wie ein Brennglas zu bündeln und zu reflektieren vermag. Die isolierten Räume sind meist an den Stadtrand verwiesen oder bleiben topographisch gänzlich unbestimmt: »Schon seltsam, dass die meisten Altenheime soweit draußen liegen« (Ballauf in Hundeleben). Somit entwerfen sie nicht nur idealisierte Gegenpole zur Großstadt oder kritische Kommen-
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tierungen an den Zuständen der Gesellschaft, sondern sind auch diejenigen Orte, an denen das Außergewöhnliche und Rätselhafte zur Entfaltung kommt. Dadurch ergeben sich zahlreiche Spielarten, um die Schauplätze schließlich über intensive Dialoge und eine detaillierte Ausstattung wieder an soziale Zusammenhänge und symbolische Artikulationen der Stadt anzubinden.
Topographisch-symbolische Ordnung Der zentrale narrative Konflikt bzw. der typische narrative Verlauf ist untrennbar verbunden mit einer topographisch-symbolischen Ordnung der Kriminalfilme. Die typische Struktur von Gut und Böse, von Mord und Aufklärung ist entsprechend gebunden an eine fundamentale räumliche Ordnung und ordnet sich ihr funktional zu. In diesem Sinne fungieren Schauplätze und soziale Milieus auch nicht als bloßer, tendenziell austauschbarer Hintergrund einer Handlung, sondern Räume markieren symbolische Felder, die normativ besetzt sind und narrativ entsprechend genutzt werden. Anders ausgedrückt: Die erzählte Welt ist in Handlungsräume strukturiert, die zugleich weiterführende Bedeutungen annehmen, indem sie immer auch das personelle Nahfeld der Figuren sowie eine spezifische soziale und kulturelle Ordnung mit bestimmten Werten, Verhaltensregeln, Ge- und Verboten entwerfen. Vor allem für die Filmanfänge kommt solchen Prozessen der Informationsvergabe über die symbolische Auskleidung von Handlungsräumen eine zentrale Funktion zu (vgl. Hartmann 1999: 115). An der Basis der internen Organisation der Kriminalgeschichte findet sich in der Regel ein Prinzip binärer semantischer Opposition, das mit sozialen und räumlichen Realisierungen korreliert. So offenbart ein erster Blick auf den Kölner Tatort zwar eine enorme soziale Bandbreite der Geschichten: da sind die wohlhabenden Traditionshäuser, die Neureichen, die Freiberufler, die Künstler, die Beamten, die Sozialhilfeempfänger und die Hilfsarbeiter. Auffällig ist jedoch, dass alle sozialen Schichten in ständiger Konfrontation und Wechselwirkung so zueinander stehen, dass sich die Beziehungen zumeist auf ein gegensätzliches Muster überführen lassen. Und auch die Darstellung der einzelnen Schauplätze ist auf eine Vereinfachung ausgerichtet und auf Gegensätze reduziert, die das urbane System durchschaubar und handhabbar machen: gut/böse, arm/reich, hell/dunkel, laut/leise (siehe dazu auch Lukinbeal/ Kennedy 1993). Ein Beispiel hierfür mögen die Abbildungen 1 und 2 liefern:
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Abbildung 1: ›Gute‹ Adresse (aus: Bombenstimmung)
Abbildung 2: ›Schlechte‹ Adresse (aus: Bombenstimmung) Auf diese Weise werden städtische Raumausschnitte zu Mitteln einer Typisierung, die der vom Genre des Kriminalfilms geforderten Dramatisierung folgen. Die strenge Typisierung der Schauplätze als Form der Raumabstraktion wird durch die Verwendung von Einstellungen in der Halbnahen und Halbtotalen verstärkt, da so ein Einblick in größere räumliche Zusammenhänge verwehrt bleibt. Die Kamera verlässt fast nie die Normalperspektive und zeigt das Geschehen aus mittlerer Distanz ohne in Totalen oder Großaufnahmen zu verfallen. Wenn aber die Schauplätze nicht mehr in ihrem Kontext gezeigt werden, wenn sie nur noch von einem bestimmten Kamerastandpunkt aus gesehen werden können, dann werden es »absolute Objekte« (Peters 2002: 35), die vollständig von der Art und Weise des Aufnehmens durchdrungen sind. Die Reduzierung der Vielschichtigkeit der Stadt auf symbolische Überhöhungen und Gegensätze offenbart eine Ausblendung der Alltagswelt, die schließlich zu einer Austauschbarkeit des städtischen Raums führt, weil stadtspezifische Historismen, Traditionen und Bauweisen ausgeschlossen bleiben. Aufgerufen werden lediglich punktuelle Imagekomponenten, die allgemeine soziale Begebenheiten und Sachverhalte oder typisch (groß-)städtische Eindrücke aufrufen und durch Hinweise auf Sozialstatus, Lebens-
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stil, Statussymbole, Architektur, räumliche Infrastruktur und Raumfunktionen erkennbar werden. Für die Präsentation dieser typisierten Schauplätze genügt eine Definition über den sozialen Status und die Intentionen einer handelnden Figur meist aus. Eine Wohn- oder Arbeitssituation ist allein durch die Charakterisierung ihrer Personen bereits hinreichend zuzuordnen, eine Parkanlage wird durch ein Liebespaar zum erotischen Ort oder durch einen Mord zum Ort des Verbrechens. Auch Orte der sozialen Begegnung und der Kommunikation wie das Brauhaus, die Karnevalszüge, ja sogar das Präsidium sind visuell kaum greifbar, sondern vielmehr von einer unscheinbaren Bildlichkeit gekennzeichnet, die fotographisch wenig aussagekräftig bleibt. Die Psychologie der Figuren, ihre Handlungen und Dialoge können somit einen Schauplatz soziokulturell konkretisieren, ohne dass er notwendigerweise im Detail beschrieben werden muss. Gleichwohl stellt sich die topographische Gliederung der abgebildeten Welt im Tatort nicht als strikt getrennte Sphären von ›Gut‹ und ›Böse‹ mit eindeutigen Demarkationslinien dar. Vielmehr haben wir es mit Räumen und normativen Bereichen zu tun, die einander durchdringen und bedingen, wenn auch das Oppositionsverhältnis aufrechterhalten bleibt. Der Tatort scheint zwar insgesamt einem einfachen Dualismus zu gehorchen, indem er von der Auseinandersetzung zwischen den Gegensätzen bestimmt wird, es erweist sich aber nicht immer so einfach, den genauen Grenzverlauf zwischen den verschiedenen normativ besetzten Räumen zu ermitteln. Wenn auch die Pole der Auseinandersetzung und die Konfliktlinien klar definiert sind, so bringen die Ambivalenzen in den Handlungsmustern der Figuren doch immer auch ein dynamisches Element in die erzählte Welt der Filme ein. Dies wird immer dann greifbar, wenn die Kommissare ihr Privatleben nicht vom Beruf trennen können und sich in eine Verdächtige verlieben oder ihrem Gefühl mehr vertrauen als den Fakten und Indizien. Aber auch die vielfach gestreuten falschen Fährten vermögen die semantischen Grenzen aufzuweichen, wenn eine Person absichtlich in unterschiedlichen räumlichen Kontexten eingeführt wird, um aus dieser Mehrdeutigkeit einen Verdachtsmoment zu begründen.
Bewegungen, Grenzen und Anschlüsse Menschliche Beziehungen und soziale Strukturen werden zugleich in eine räumliche Ordnung und Symbolik übertragen. Fragt man also, wie sich die filmische Stadt und ihre Gemeinschaften konstituieren, dann heißt dies, die Gemeinschaften durch die filmische Stadt hindurch zu betrachten. Und hier übersetzt sich die Frage von Gemeinschaft in das Ziehen von Grenzen. Der Raum und seine Grenzen hat dabei nicht nur im
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metaphorischen, sondern auch im konkret materiellen Sinn Bedeutung für soziale Strukturen. Grenzen produzieren ein Innen und ein Außen, und zwar wechselweise für beide durch die Grenze getrennten Bereiche. Die räumliche Differenzierung sozialer Gruppen verweist somit immer auch auf ihre Beziehungsstruktur. In diesem Zusammenhang werden die Schauplätze auf unterschiedliche Weise miteinander kombiniert und kontrastiert, um die Visualisierung von Identität und Alterität wirkungsvoll in Szene zu setzen. So gestaltet sich auch die Arbeit der Ermittlungen über eine Konzeption der Verbrechen und Konflikte, die die Handlungsräume über die Abtrennung und Markierung verschiedener Räume als öffentlich zugänglich oder privat bzw. geheim besetzt. In Bestien beispielsweise ist der Zugang zum Treff einer Motorrad-Gang durch Türsteher gesichert, die Außenstehenden oder Nichtmitgliedern den Einlass verwehren. Insgesamt entsteht auf diese Weise eine Staffelung verschiedener Räume des eher öffentlichen bis zum geheimen, abgeschlossenen und unzugänglichen Bereich der Stadt. Die Einblicke in die Stadt sind vorrangig durch die Figuren und ihre Bewegungen motiviert, so dass der filmische Raum Kölns ein in höchstem Maße sozial bestimmter Raum ist. Die räumliche Kontinuität der Filme wird im Wesentlichen durch die zentralen Ermittlerfiguren hergestellt, die die Handlung von Einstellung zu Einstellung, von Schauplatz zu Schauplatz vorantreiben. Dieser krimitypische Erzählverlauf, bei dem die Ermittlung und Verfolgung im Mittelpunkt steht, verändert die Schauplätze nicht nach räumlichen, sondern nach dramaturgischen Aspekten. Die lineare Handlungsführung dominiert die Raumgestaltung derart, dass die Stadt in einzelne Komponenten und Räume zerlegt wird, die durch die Kausalität der Geschichte und Formen des Filmschnitts neu zusammengesetzt werden. Die dramatische Notwendigkeit des Krimis ordnet somit die Reihenfolge, Auswahl und Entfernungen der Schauplätze den inhaltlichen und ästhetischen Bedürfnissen unter. Der räumliche Zusammenhang entsteht dann durch das Nebeneinanderstellen der einzelnen Bilder im Zuge der Montage und bleibt entsprechend unbestimmt, da kaum Versuche unternommen werden, um die räumlichen Entfernungen entweder zu erklären oder zu kaschieren. Einzig die Straße vermag so etwas wie eine Ordnung der Stadt zu ermöglichen, indem sowohl physische Bewegungen und Entfernungen als auch symbolische Relationen zwischen den verschiedenen Orten der Handlung angezeigt werden können. Darüber hinaus erfüllt die Straße gleichzeitig unterschiedlichste dramaturgische Funktionen: Als retardierendes Moment bietet sie Zeit zum Erzählen und gestaltet über die Bewegung eine Dynamisierung des Raums, die einen Blick in das urbane Leben der Stadt ermöglicht. Als funktionaler Bestandteil im Spannungsaufbau hingegen wird gerade die-
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se Bewegung gebremst, wenn die Straße durch eine rote Ampel oder einen Stau zu einem physischen Hindernis wird, um narrative Elemente wie Verfolgungen zu dramatisieren.
Die Stadt als inszenierte Authentizität Im vorherigen Kapitel ist deutlich geworden, dass die wechselseitige Inszenierung von Stadt und Figuren konstitutiv für das Kriminalgenre ist, um einerseits die Psychologie der Figuren und die Detektion des Verbrechens visuell erzählen zu können und andererseits die städtische Sichtbarkeit in die Ausgestaltung emotionaler Befindlichkeiten der Handelnden einzubeziehen. Gleichzeitig wird die Stadt in den untersuchten Fernseh-Kriminalfilmen aber immer auch durch referenzielles Verweisen und dessen Stützung über semantische bzw. thematische Bedeutungskomponenten konstituiert. Der Eindruck von Realität im Sinne einer unverkennbaren städtischen Identität wird wesentlich durch die formale Gestaltung des Films erzeugt. Zu diesem Zweck wird die Glaubhaftmachung der fiktiven Handlung durch die Verwendung von »Alltagssignalen« (Stegmann 1997: 45) erleichtert. Hierunter werden reale bzw. authentische Versatzstücke verstanden, die regelmäßig wiederkehren. Daneben ermöglichen »Authentisierungsstrategien« (vgl. Pinseler 2003), den fiktionalen Szenen einen Anschein von Realität zu verleihen. Diese Strategien betreffen sowohl das absichtsvolle Sichtbarmachen von Lokalität als auch die bewusste Selektion und Reduktion städtischer Wirklichkeit.
Die Stadt im Zeichen Für den Handlungsort Köln als topographischer Mikroraum setzt jeder der ausgewählten Kriminalfilme durch referenzialisierende Zeichen konstitutive Raumsignale. So wird auf eine Fülle von kölntypischen Alltagssignalen zurückgegriffen, die je nach Thematik und Motivlage unterschiedlich eingesetzt und meist in Nahaufnahmen fixiert oder in die Kulisse integriert werden. Dabei sind die Ausstattung und Requisite von besonderer Bedeutung, da sie nicht nur die handelnden Figuren charakterisieren, sondern auch vielseitige Kommentare zum Geschehen auf dem Bildschirm leisten. Auf diese Weise gewinnen die Alltagssignale nicht nur als ikonische Zeichen Relevanz, sondern sie besitzen vor allem indexikalische Qualitäten, indem sie Gegenstände nicht nur darstellen, sondern gleichzeitig auch Spuren der Stadt sind. Einzelne Gegenstände können auch stark symbolische Züge annehmen und weitere soziale und
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räumliche Bedeutungen erschließen. Insgesamt gehören dann Werbebotschaften, Zeitungen, Briefe, Landkarten, Bildschirme oder Verkehrsschilder zwar zur Kulisse einer Szene, sie erhalten aber für die Darstellung der Stadt auch immer eine identifikatorische oder irreführende Bedeutung. Der Filmtitel des ersten Köln-Tatort von 1997 nimmt bereits eine Lokalisierung des Handlungsortes vor: Willkommen in Köln. In der Regel wird die Lokalisierung aber weniger plakativ über andere Formen der Schriftlichkeit eingeführt. Neben unterschiedlichen »Köln«-Schriftzügen ist vor allem das Autokennzeichen ein wichtiger Zeichenträger (Abbildung 3). Die Konstitution Kölns geschieht dann nicht mehr über die direkte Benennung, sondern metonymisch über eine Teilreferenz. Mit der gleichen Stoßrichtung erhalten stadttypische Verkehrsmittel (Bus, Strassenbahn, Schiff), Haltestellen, U-Bahn-Schilder sowie Stadtwappen Eingang in die Filmwelt Kölns. Ein weiteres, stark frequentiertes Authentizitätssignal setzen die Kriminalfilme mit der Großaufnahme einer lokalen Tageszeitung. Meist wird die Titelseite des »Express« oder einer fiktiven Boulevard-Zeitung genutzt, um an den Handlungsort zu erinnern. Lediglich in Restrisiko wird die »Kölnische Rundschau« genutzt, der »Kölner Stadtanzeiger« taucht nur als Werbelogo im Bildhintergrund auf. In jedem Falle werden durch die Verwendung der Tageszeitungen die auf die filmexterne Realität verweisende Lokalisierung und die fiktionale Spielhandlung augenfällig miteinander verbunden. Die einseitige Auswahl hängt dabei wesentlich mit der Gestaltung der Zeitungen zusammen. So bietet lediglich der »Express« aufgrund seines Boulevard-Charakters erheblich größere und damit besser lesbare Schriftzeichen. Darüber hinaus verweist die Schriftfarbe (rot auf weiß) auf die offiziellen Stadtfarben Kölns. Diese Art der Lokalisierung über den Code der Farbgebung hat der »Express« mit anderen visualisierten Alltagssignalen gemeinsam (ÖPNV der KVB, Stadtwappen), was zur Einheitlichkeit der Darstellung und zur Identifikation der Stadt beiträgt. Sehr wirksam erfolgt eine räumliche Zuordnung über den riesigen Stadtplan im Büro des Polizeipräsidiums (Abbildung 4). Dieser ist besonders geeignet, um bei längeren oder häufig frequentierten Innenaufnahmen den Handlungsort präsent zu halten, wenn er als Hintergrund für Verhöre oder als statische Einblendung eingesetzt wird. Dadurch wird dezidiert ein Ortsbezug des Tatort installiert, indem auf einen ortsgebundenen Zusammenhang der Geschichten verwiesen und der Stadtplan im Hintergrund als Verweisfunktion thematisiert wird. Doch diese Strategie zur Schaffung von Ortsidentität zieht sich in ihrer visuell-zeichenhaften Funktion lediglich als Stereotyp durch die Filme und versäumt, die Karte
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in Kombination mit einem Verbrechen, als Verortung von Ereignissen oder als Mittel der Veranschaulichung für strategische Zwecke zu funktionalisieren. Nur in drei Filmen wird die Karte als kriminologisches Werkzeug genutzt, um räumliche Relationen und Verbindungen im Kontext der Verbrechen zu thematisieren. Letztlich dient der Stadtplan dann nicht mehr der tatsächlichen Orientierung, sondern steht nur noch in einem vagen Bezug zu den topographischen Positionen der Geschichten. Dem Stadtplan geht es dann weniger um eine exakte Ereignisverortung als vielmehr um die Zuweisung einer generellen Verankerung der Geschichten in einem referenziellen Raum. Damit wird die filmische Verwendung des Stadtplans auf seine Funktion als Zeichen für Köln reduziert.
Abbildung 3: Nummernschild (aus: Restrisiko)
Abbildung 4: Stadtplan (aus: Schützlinge) Die filmische Darstellung der Stadt erfolgt nicht allein durch Bilder. Auch Geräusche und Musik sind Teil dieses Vorgangs, da sie Stimmungen evozieren und eine Beziehung zur Stadt herstellen können: Der Straßenverkehr, das Echo einer Sirene oder das Klingeln der Straßenbahn verstärken die Bilder der Großstadt und deren urbane Atmosphäre. Betrachtet man Lokalnachrichten oder die Berichterstattungen über den Verkehr und das Wetter der Stadt, so lässt sich beobachten, wie diese In-
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formationen in die Ereignishaftigkeit einer räumlichen Argumentation überführt und derart dramaturgisiert werden, dass sie zu einer Erzählung über die Stadt gerinnen. In Manila etwa übernimmt das Autoradio die Verortung: »Achtung eine wichtige Verkehrsdurchsage: Infolge einer Ringfahndung kommt es zu erheblichen Behinderungen im Kölner Raum«. Auditive Signale bestätigen also die topographische Zuordnung, wenn im Radio die Verkehrsbedingungen oder aktuelle Ereignisse eingeblendet werden. Ganz ähnlich arbeitet das ›Bild-im-Bild‹, d.h. die Integration eines Fernsehers aus der Kulisse in das Filmbild. Diese Einblendungen sind durchzogen von Verweisen auf und Einsichten in die Stadt, sowohl durch die immer wiederkehrende Figur des Senderlogos der Lokalzeit als auch durch die Visualisierung städtischer Zeichen. Nicht zuletzt verweisen aber diese Bild-im-Bild-Techniken auf sich selbst, d.h. auf den WDR, wenn sie zugleich Ankündigung einer Sendung als auch Lokalkolorit des Tatort sind. Um die Zeichnung sozialer Milieus zu unterstützen, wird die Filmmusik funktionalisiert. Dabei lassen sich Unterschiede der Musikstile als Charakterisierung sozialer Differenzierung verstehen, so dass etwa harte Rockmusik als Soundtrack krimineller Jugendlicher und klassische Musik als Merkmal des Bildungsbürgertums fungiert. Auf diese Weise können die Lieder ihre raumkonstituierende Wirkung entfalten und die Stadt, die Handlung oder die Figuren illustrieren. Als musikalisches Zitat stehen im Tatort auch verschiedene mit Köln verbundene Lieder, um den Handlungsort zu bezeichnen. In Schürfwunden ertönt symbolisch ein Karnevalslied als Handyton, in Bestien wird der Song »Blot es decker als Wasser« der Kölner Band »LSE« als Zeichnung des Lokalkolorits verwendet, in Willkommen in Köln begleiten die Bläck Fööss die Kommissare durch die Stadt und in Rückspiel setzt Willi Millowitschs »Ich bin ne kölsche Jung« einen symbolischen Schlusspunkt. Auffällig ist, dass während der Liedeinsätze weitgehend auf Dialoge verzichtet wird, um die Musik für sich sprechen zu lassen. Eine ganz ähnliche Funktion hat die kölsche Mundart. Zumeist die Nebenfiguren, die des Dialekts mächtig sind, bringen eine lokale Färbung in die Handlung und verorten so die Geschichte auf ihre Weise. Der lokale Wortschatz bricht aber äußerst selten durch und hat nur eine geringe dramaturgische Funktion, so dass seine Verwendung von einer eher unfreiwilligen Komik begleitet wird. Zu Recht konstatiert der Regisseur Dominik Graf für den Tatort eine fehlende »Ernsthaftigkeit im Umgang mit der Schönheit der Alltagssprache der Menschen - wer Dialekt spricht, ist in Deutschland nämlich zwangsläufig eine Witzfigur« (Graf 1998: 11). Was sich jedoch abzeichnet – und daran ist die komische Intonierung nicht ganz unbeteiligt –, ist eine soziale Differenzierung, die über
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den dialektalen Sprachgebrauch legitimiert wird. So wird die Mundart überwiegend von einfachen Leuten gesprochen: Vom Hausmeister oder Kiosk-Besitzer, von der Hausfrau in der Großwohnsiedlung, vom Schuhmacher. Die Kommissare und die anderen Hauptfiguren hingegen sprechen Hochdeutsch. Somit dient der Dialekt im Tatort immer auch dazu, eine Kluft zwischen Klein- und Bildungsbürgertum zu markieren. Eine kurze Szene in Bombenstimmung unterstreicht diese Unterscheidung, wenn Freddy in die Rolle eines Gaststättenbesitzers schlüpft und die kölsche Mundart nachahmt, um ein Alibi zu überprüfen. Insgesamt hinterlässt die Verwendung der Mundart eine paradoxe Situation: Obwohl sie ein typisches Merkmal Kölns aufrufen soll, wird ihre Bedeutung marginalisiert und an den sozialen Rand der Stadt verwiesen. Als abstrakte Form der Authentisierung sei zudem auf Formen der Kamerahandlung verwiesen, mit deren Hilfe der Eindruck von Realität besonders anschaulich unterstrichen wird, da hier die Kamera selbst in die Filmhandlung einbezogen wird. So legen folgende Authentisierungsstrategien eine »dokumentarisierende Lektüre« (Grewenig 2000: 83) nahe. Zum einen ist die Handkamera stilistisch dem Realismus verpflichtet. Sie ermöglicht die Nachahmung von Bewegungsabläufen, die der natürlichen Alltagserfahrung nahe kommen, indem die kontinuierlichen Gleitbewegungen von Stockungen und Bewegungswechseln unterbrochen werden. Im Ergebnis erscheinen die Aufnahmen dann leicht verwackelt, lassen Unschärfen und Ungenauigkeiten der Belichtung zu und sind insgesamt weniger ›perfekt‹. In Verrat wird dieses Verfahren auf eindrückliche Weise mit der Geschichte verknüpft, die von der Entwurzelung der Menschen und ihrer Bindungslosigkeit an die Gesellschaft handelt. Zum anderen zeigt die Folge Bildersturm eindrücklich, wie Formen städtischer Öffentlichkeit inszeniert werden. Der öffentliche Charakter und die Bedeutung der Wehrmachtsausstellung, die hier den inhaltlichen Rahmen abgibt, bedürfen der Offenlegung und Akzentuierung von Beobachterperspektiven sowie eine direkte Anbindung an den Handlungsort (vgl. Grewenig 2000: 81): »Liebe Hörerinnen und Hörer, aus aktuellem Anlass haben wir eine Live-Sendung der ›Aktuellen Stunde‹ in unser Programm aufgenommen: Das Thema: Die Kölner Ausstellung ›Verbrannte Erde – Die Verbrechen der deutschen Wehrmacht und ihre Folgen‹ im Kölner Stadtmuseum. Seien Sie herzlich willkommen geheißen zur ›Aktuellen Stunde‹ und zu unserem heutigen ›Thema der Woche‹. Auf die umstrittene Ausstellung im Kölner Stadtmuseum und die Ausstellungsmacherin Anne Klee wurde gestern Abend ein Anschlag verübt«.
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Verstärkt wird dieses offensichtliche Thematisieren der Beobachterperspektive durch unterschiedliche Stilmittel der Visualisierung, die die Handlung begleiten und emotionalisierte Reaktionen und mediale Skandalisierungen ansatzweise nachzeichnen. So ist von Beginn an der Blick durch eine laufende Fernsehkamera signifikant, um unter Verwendung von grobkörnigen und verwackelten Bildern eine Live-Übertragung der Geschehnisse zu simulieren und in der Handlung selbst die Ebene ihrer Dokumentation greifbar zu machen. Die verwackelte Kamera, die unruhigen und zum Teil unscharfen Bildausschnitte, die mangelnde Ausleuchtung und ein allgemeines Bild- und Tonrauschen weisen so den Betrachter immer wieder darauf hin, dass es sich lediglich um eine filmische Repräsentation handelt.
Landmarks: Zeichen der Stadt Physisch-materielle Wahrzeichen erhalten die zentrale Rolle als Erkennungssignale für die in Köln spielenden Krimis. So bindet der Tatort allgemein bekannte Stadtansichten in die Geschichte ein, um den Reiz zu erhöhen und Realität zu suggerieren. Die meisten Folgen rufen innerhalb der ersten Filmminuten die markanten und wohlvertrauten Signifikanten der Stadt ab, um so über wenige Bilder und Teilreferenzen ein prototypisches Film-Köln entstehen zu lassen. Im Verlauf der Geschichten wird der filmische Aufbau der Stadt dann zunehmend verdichtet und stabilisiert, indem weitere oder gleiche Referenzen immer wieder neu aufgerufen werden. Das filmische Köln besteht somit aus einem Katalog von Orten, Monumenten, Plätzen und Brennpunkten sowie der damit verbundenen Semantik. Eine räumliche Etikettierung anhand von Referenzobjekten informiert und ermöglicht eine Orientierung in der Stadt. Die historisch-zeitliche Dimension der Stadt tritt jedoch hinter das narrative Element der Geschichten zurück, weil die Tat-Orte, die sozialen Milieus und die räumliche Gestaltung der Ermittlungen den Verlauf der Kriminalgeschichten metaphorisch verdichten. Die Technik der Referenzialisierung ist aber dennoch eine der wirksamsten Konstruktionstechniken der filmischen Stadt, da sie die markanten und sichtbaren Signifikanten lesbar machen. Trotz der Fülle möglicher Symbolzeichen kristallieren sich in den untersuchten Filmen jedoch deutlich drei Elemente heraus, die das Zentrum der filmischen Stadt markieren: Der Kölner Dom und der Rhein mit seinen Brücken. Gerade diese landmarks können dabei von ihrem hohen Bekanntheitsgrad und einer emotionalen Intensität profitieren. Der Dom ist der zentrale Bezugspunkt für Kamera und Zuschauer. Er bietet räumliche Orientierung, einen hohen Wiedererkennungswert und
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funktioniert dramaturgisch als retardierendes Moment der Geschichte. Somit übernimmt der Dom die Funktion eines Zentrums der Stadt. Aber dieses Zentrum erscheint leer, ist weder krimineller noch sozialer Ort. Die Visualisierung des Doms ist stets handlungsungebunden, es erfolgt keine thematische, inhaltliche oder auditive Einbindung. Der Dom als Teil der Rheinkulisse ist lediglich Gegenstand des Betrachtens. Vor dem Hintergrund, dass Stadtzentren gewöhnlich durch Fülle gekennzeichnet sind, wirkt dies paradox. Betrachtet man den Umstand jedoch genauer, so wird deutlich, dass es sich bei dem Dom um ein Objekt ohne funktionale Einbindung handelt, das seine Bedeutung erst mittelbar durch Konnotationen erlangt. Das filmische Zentrum Kölns ist somit im höchsten Maße immateriell besetzt. Es ist ein symbolisches Zentrum, dessen Fülle aus den filmexternen Bedeutungszuschreibungen des Doms resultiert: Kirchliche Macht, Geld, historische Beständigkeit, Weltkulturerbe, architektonische Einmaligkeit, internationaler Bekanntheitsgrad. Dieses vielschichtige Identifikationsangebot sowie sein hoher Bildwert konstituieren den Dom als wichtigstes Raumsymbol der filmischen Repräsentation von Köln.
Abbildung 5: Filmisches Zentrum (aus: Rückspiel) Anders der Rhein mit seinen Brücken. Auch diese landmarks sind auf ihre Weise unverwechselbar und typisch für Köln. Auch sie schreiben ihre eigenen Bedeutungsgeschichten und fungieren als Orientierung und atmosphärischer Hintergrund. Ihre Symbolik ist aber deutlich schwächer, so dass sie fast nichts anderes zum Referenten haben als Köln selbst. Während der Rhein noch in die Handlung eingebunden wird, indem er immer wieder einen Fundort der Opfer markiert und somit aufs Engste mit dem zentralen Thema fast aller Kriminalgeschichten – dem Mord – verknüpft wird, sind die Brücken zwar Orte sozialer und krimineller Erfahrungen und damit Treffpunkte und Stationen der Handlung. Ihre Einbindung in die Handlung ist jedoch deutlich schwächer und sie wer-
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den im Wesentlichen funktionalisiert, um eine Verbindung der Stadtansicht mit der Thematik oder Motivik der Geschichten zu ermöglichen. Dies liegt darin begründet, dass die Brücken eine privilegierte Sicht auf das filmische Zentrum gewährleisten. So bieten und tradieren die zahlreichen Autofahrten über den Rhein die bekannte Postkartenmotivik Kölns – und sind dadurch funktional und visuell an den Dom, an das filmische Zentrum, rückgebunden (Abbildung 5). Insgesamt wird über die Referenzobjekte ein ästhetisches Schema konstituiert, das in stereotyper Form immer wieder die gleichen Bilder verwendet und mit neuen Geschichten füllt und verbindet. Auf diese Weise wird eine Konstante, eine Stabilität etabliert, die unabhängig von den Handlungen der Figuren immer wieder angehalten ist, die festen Bezugspunkte der Stadt neu zu etablieren. Diese Selektionsleistungen, die durch die Filme entstehen, bleiben somit an Konventionen verhaftet und lassen die Möglichkeit, durch die wiederholte Verwendung auch andere Orte und Zuschreibungen zu definieren, ungenutzt. Die im Film gezeigten Stadtansichten erfordern von der Kamerahandlung eine erhöhte Aufnahmedistanz, eine ruhige Bildführung und einen Blickwinkel aus der Obersicht. Vor allem die so genannten establishing shots, d.h. weite Einstellungen in der Totalen, bieten einen Überblick über die Schauplätze, an denen eine Szene spielt und die Charaktere agieren. Dadurch können die Filme allgemein bekannte Gebäude, Plätze und Straßen als Bezugs- und Mittelpunkt der Ansicht in die Geschichte einflechten, um den Wiedererkennungswert für den Zuschauer zu erhöhen. Diese spezifischen Orte liefern zwar bekannte Identitätskennzeichen der Stadt, werden jedoch nicht weiter thematisiert oder benannt und bieten als attraktiver Hintergrund lediglich den räumlichen Bezugskontext. Damit finden sie letztlich eine Verwendung, die ohne Bezug zur eigentlichen Kriminalgeschichte steht. Gerade wegen dieser Handlungsungebundenheit auf filminterner Ebene sind die spezifischen Orte untereinander aber beliebig austauschbar und bedeutungsleer. Die Spezifität der einzelnen Orte wird nicht zu einem konstitutiven Bestandteil des Ereignisses, vielmehr findet sie nur als bloße abstrakte Größe Eingang in die Geschichte. Somit werden die filmischen Signifikanten einzig aufgrund ihrer Sichtbarkeit zum Merkzeichen der Stadt. Es ist dramaturgisch nicht relevant, ob sich die Ermittler vor dem Kölner Dom oder vor der Messe, an der Severinsbrücke oder am Rudolfplatz treffen, wichtig erscheint, dass dies exponierte Plätze sind, um eine malerische Fassade ins Bild zu rücken. Die Stadtzentren sind somit symbolische Zentren, die ihre Bedeutungsfülle allein durch ästhetische Qualitäten und filmexterne Zuschreibungen erhalten. Am deutlichsten wird dieses Prinzip wohl am Beispiel der Imbissbude, wo die Kommissare regelmäßig
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über den Stand der Ermittlungen debattieren. Für diese Einstellung ist der Schnellimbiss selbst weder von besonderem narrativen oder ästhetischen Interesse. Er ist aber geradezu ideal, um vom östlichen Flussufer aus einen Blick auf die Silhouette der Stadt zu ermöglichen (Abbildung 6). Die weitergehende Funktion der Imbissbude besteht somit darin, den Dom aus seiner Alltäglichkeit herauszuheben und den Blick und die Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken. Auf diese Weise wird der Dom keinem direkten Zugriff ausgesetzt, sondern verweilt in der Distanz zum Geschehen. Wie in einem Schaufenster ersetzt dann der Blick auf das Objekt das Objekt selbst, weil der Blick zum eigentlichen Zweck der Darstellung geworden ist. Auf diese Weise übersetzt sich die physische Distanz der Handlung zum Dom in eine emotionale Distanz. Diese äußerst stimmungsvolle Inszenierung des Doms wird häufig zusätzlich gesteigert, indem die Altstadt bei Nacht oder in der Dämmerung gezeigt wird.
Abbildung 6: Imbissbude (aus: Rückspiel, Foto: Böhme/WDR) Verlässt die Kamera einzelne Referenzobjekte und geht ins Panorama, so entsteht ein Blick aus der Entfernung oder von oben in den Raum. Der Panoramablick als extreme Form der räumlichen Visualisierung erfüllt mit dem Stillstand der Kamera eine wesentliche Bedingung für die Betrachtung einer Stadt. Dennoch vermag der Bildausschnitt den geographischen Ort des Geschehens lediglich als homogenes Objekt zu zeigen, das sich durch wenige markante Gebäude, Brücken und Wasserflächen definiert. Diese bildmächtige Perspektivierung des Blickes auf die Stadt ist hier nicht durch das Dabeisein gewonnen, sondern durch die Distanz, die sich aus dem Modus einer voyeuristischen Beobachtung ergibt. Die Panoramen stützen eine Wahrnehmung der Simultanität von weiträumigen Beziehungen, so dass ein aperspektivischer Raum entsteht, der synthetisiert wird und alle denkbaren Fluchtpunkte versammelt. Eine solche Perspektive kann und soll keine Details der Stadt liefern, sondern evo-
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ziert im Bildbezug die Orientierungsprobleme innerhalb der filmischen Stadt. Zudem nehmen die Darstellungen zumeist den Charakter von Einfügungen an, wenn sie losgelöst von Handlungsinhalten und Reflexionen der Figuren präsentiert werden. Ihren erzähltechnischen Anschluss finden solche Exkurse lediglich durch die formelle Identität von Lokalität und die visuelle Beteuerung eines Zusammenhangs zur Kriminalgeschichte. Nicht zu vernachlässigen ist jedoch die dramaturgische Funktion weiter Kamera-Einstellungen: Einerseits ermöglichen sie die Darstellung zeitlicher Sprünge und verweisen somit als retardierendes Moment auf Stillstände in den Ermittlungen oder auf nachdenkliche Momente der Handlung. Andererseits können weite Einstellungen ein Gefühl von räumlicher und/oder emotionaler Distanz vermitteln, etwa durch die bloße Entfernung einer Wohnsiedlung zum Zentrum, durch das Anzeigen räumlicher Bewegungen oder durch die Kontrastierung von Personen und Räumen. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Darstellung des Doms wieder funktional einbinden: Gerade seine malerische Inszenierung und die dadurch generierte Spannung zwischen ihm und dem übrigen Köln liefert den Tatorten den nötigen Fluchtpunkt für Verbrechen jenseits der schönen Oberfläche einer Stadt. Der abstrahierte Blick von oben ist nicht die dominante Perspektive der Filme. Von unten, auf der Straße und durch die Menschen in den Milieus, geben die Filme der Stadt Sinn in Form von Mythen und Grenzziehungen. Diese stellen wichtige Gestaltungsweisen dar, um soziale Unterschiede und Trennungen zu erfassen, die die sozialen und räumlichen Beziehungen der Stadt markieren.
Die Mythen der Stadt Das filmische Köln wird jenseits der konkreten Ortsreferenzen und Alltagssignale auch über eine konstante sekundäre Semantisierung entworfen. Dieses mythische Köln dreht somit die Charakteristika der zeichenhaft visualisierten Stadt um, indem es nun eine Fixierung auf abstrakter Ebene leistet und sich so über eine mit der Stadt konnotativ verbundene Bedeutungsebene konstituiert. Die städtischen Mythen sind symbolische Narrationen, also Geschichten, die von den Ursprüngen, dem Sinn und der Geschichte territorialer Gemeinschaften handeln, um allgemeine Orientierungen und Handlungsoptionen zu ermöglichen. Dadurch werden sie zum Mittel der räumlichen Legitimation und Integration für Gruppen von Menschen. Köln wird dabei als semantisches Ganzes erfasst, d.h. die Mythen fungieren im Sinne von Barthes (1964) als komplexe Zeichen, die heterogene Elemente zu einem homogenen Ganzen akkumulieren und kollektiv verankern. Fiske und Hartley (1978) sprechen in diesem
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Zusammenhang auch von »bardic television«, also von der bardischen Funktion des Fernsehens: Wie ein Barde sammeln und zirkulieren die Fernsehtexte kulturelle Ereignisse und grundlegende Mythen einer Gesellschaft im Sinne eines kommunikativen Zentrums. Wesentlichster Punkt dieses Vergleiches ist aber, dass der Barde diese Mythen sowohl schafft und mitformt als auch verbreitet – und nicht zuletzt auch selbst von ihnen durchdrungen wird. Als Ort einer zeremoniellen Funktion und einer kollektiven Erinnerung versichert das Fernsehen somit einer Kultur ihre zweckmäßige Angemessenheit durch die Bestätigung ihrer Mythologien (vgl. Hepp 1999: 126). Der Tatort selbst hat für diese Mythisierung ein schönes Bild hervorgebracht: Die Übergabe eines Köln-Globus als Gastgeschenk an die Leipziger Kollegen in Rückspiel ruft eine Vorstellung von Köln als Mikrokosmos ab, indem die Grenzen der Stadt mit den Grenzen der Welt gleichgesetzt werden. Der Köln-Globus vermag auf diese Weise Sinnstiftungen von Ortsgebundenheit über die Visualisierung einer kartographischen Darstellungsformen herzustellen: Die Form der Erdkugel überträgt die allgemeine Idee von Einheitlichkeit und Homogenisierung auf die Stadt. Gleichzeitig erscheint Köln als Nabel der Welt (Abbildung 7).
Abbildung 7: Köln-Globus (aus: Rückspiel) Hinsichtlich der angebotenen Deutungsmuster knüpft der Tatort durch die inszenierten Mythen und Symbole an Wissensbestände an, die im gemeinsamen kollektiven Gedächtnis verankert sind. Vor allem die Nebenhandlungen der Geschichten liefern immer wieder einen direkten Bezug zur Stadt. Ein beständig aufgerufenes Motiv ist der Kölner Karneval – sei es über auditive Nennungen (»Prunksitzung der Kölner Prinzengarde« [Willkommen in Köln], »Kölle alaaf« [Restrisiko]) oder über die visuelle Präsenz von Jecken und festlich geschmückten Straßen oder Kneipen. Wann immer die fünfte Jahreszeit thematisiert wird, gerät die Stadt in einen Ausnahmezustand: Die Metapher des Karnevals transpor-
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tiert dann die mythische Konstruktion von Köln als Zentrum von Frohsinn und Freiheit. Doch der Karneval symbolisiert auch eine Kölner Parallelwelt im dem Sinne, dass sich hinter der Fassade immer wieder Schlupfwinkel des Bösen abzeichnen. In enger semantischer Verbindung mit dem Karneval sind daher das Vereinsleben und die Vetternwirtschaft zu sehen, die als soziale Attribuierungen festgeschrieben werden. Auch Freddy ist in diesen ›Kölschen Klüngel‹ involviert und bietet Angriffsflächen für die narrative Gestaltung seiner sozialen Beziehungen. In Restrisiko behindert der Kommissar sogar die Ermittlungen, da er einen Vereinskollegen zu verdächtigen und zu verhören scheut. Von diesem Punkt aus ist der Weg nicht mehr weit, bis das Bild einer Stadt gezeichnet werden kann, in der jeder jeden kennt, ein Bild, das die Großstadt als dörflich und überschaubar charakterisiert. Aber auch ein mal mehr, mal weniger komplexes Bündel spezifizierender Elemente weisen der Stadt bedeutungssemantische Merkmale zu, die sich beständig durch die Filme ziehen. Hierzu gehören das Abrufen der Fernsehmetropole, der größten Universitätsstadt, der Messe und des kulturellen Angebots der Stadt. Ein Beispiel: Die thematische Verarbeitung der Kölner Medienwirtschaft in Bombenstimmung verweist jedoch nicht nur auf das rheinische ›Hollywood‹, sondern wird auch als Mittel der Selbstreferenz genutzt, um den WDR zu präsentieren. Hintergrund der Ermittlungen bildet ein Sprengstoffattentat, dessen der Leiter einer kleinen Fernsehproduktionsfirma namens »Grimme TV« verdächtigt und schließlich überführt wird. Der Film schildert neben Einblicken in die Produktionsabläufe auch das von Konkurrenz bestimmte Marktverhalten der Firmen untereinander. Während »Grimme TV« als schwarzes Schaf der Branche gezeichnet wird, das zahlreiche Reportagen nachstellt und Auslandsberichte im Inland dreht, dient der WDR als seriöser, positiver Gegenpart. Dieser Kontrast wird visuell durch die Kamerahandlung unterstrichen: Die Macht- und Monopolstellung des WDR spiegelt sich in Totalen aus der Untersicht, die Inszenierung des schäbigen HinterhofStudios erfolgt hingegen in der Halbnahen und Nahen, was eine größere Enge und Heimlichkeit suggeriert.
Instabile Zeichen und Mythen Das filmisch konstruierte System von Kollektivsymbolen dient zunächst dazu, Widersprüche zuzudecken bzw. ein harmonisches Bild zu erzeugen, es dient aber auch dazu, eine dramatische Veränderung symbolisch kenntlich zu machen: Es existiert eine ›Normalität‹ und im Gegensatz dazu eine Abweichung, die kodiert und überhöht wird. Was in einzelnen Filmen noch als Provokation und Irritation beginnt, wenn etwa in einem
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Krankenhaus eine Schießerei stattfindet (Bildersturm), die Rheinbrücken von Selbstmördern aufgesucht werden (Bombenstimmung) oder die Universität zum Ort krimineller Handlungen gerinnt (Mördergrube), entwickelt sich dann nach und nach zu einer Auflösung bekannter Zeichen und Referenzen. Besonders gut greifbar wird dies dort, wo die kriminellen Handlungen mit den lokalen Eigenheiten und Stereotypen der Stadt korreliert werden. In gewisser Hinsicht ermöglicht also das Krimigenre durch die Ortsgebundenheit des Verbrechens immer auch Angriffe auf die Stadt und ihre Zeichen. Dabei gerät die Intimität, die durch traditionelle KölnImages vermittelt wird, in Gefahr und Lasterhaftigkeiten und Ängste werden unter der geglätteten Oberfläche sichtbar. In Trittbrettfahrer wird in einer Brauerei ermittelt, da mehrere Personen durch vergiftetes Kölsch getötet wurden. Dabei unterläuft die Geschichte konsequent die Erwartung rheinisch-kölscher Fröhlichkeit, indem sich von der ersten toten Ratte im Sudhaus bis zum ermordeten Brauereidirektor eine stilisierte Schäbigkeit wie eine Schmutzschicht auf den Film legt, die alle Gesichter blass und die Schauplätze verrottet erscheinen lässt. Aber der Film verweist zudem auf brisante Hintergründe des Verbrechens, auf den Verkauf Kölner Brauereien an nicht ortsansässige, vorrangig Düsseldorfer Unternehmen.1 Dieses Eindringen des Fremden in die lokale Tradition dient als Motiv des Verbrechens: der verkaufswillige Direktor wird aus dem Weg geräumt, um den status quo aufrechterhalten zu können. Ganz ähnlich wird das Image des Karneval gegen den Strich gekämmt. In Restrisiko übertritt der Film die bekannte Symbolik von Heiterkeit und Ausgelassenheit, indem Schlägereien, Überfälle und Schusswechsel inmitten des Umzugs in Szene gesetzt werden. Insgesamt lässt sich diese Destruktion bekannter Images, Traditionen und Raumsymbole von Köln als Umwertung verstehen, denn sie löscht nicht einfach konventionelle Bedeutungen und Werte aus, sondern schreibt neue fest. In diesem Sinne muss von einem Prozess der Dekonstruktion gesprochen werden: Der Film konstruiert neue Wirklichkeitsaspekte anstelle der bisherigen, wobei diese neuen den Gegebenheiten genauso oder besser entsprechen als die alten, sie werden jedoch aufgrund ihrer Unkonventionalität als provokativ wahrgenommen. Dennoch haben die Dekonstruktionsleistungen der Filme klare Grenzen. Die bekannten Zeichen und Mythen sind aufgrund ihrer Omnipräsenz letztlich unumgehbar und bleiben als semantisches Zentrum selbst dort greifbar, wo die Filme versuchen, sie zu destruieren oder zu vermeiden – ein Tatort ohne 1
Damit spielt der Film auf eine mehr oder weniger bewusste, alltägliche Rivalität und Feindschaft zwischen Kölnern und Düsseldorfern an. 149
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Dom macht diesen gerade durch die gezielte Auslassung und Umgehung wieder als Leerstelle greifbar. Somit ist spätestens nach 90 Minuten die symbolische Ordnung wieder hergestellt.
Räume und Grenzen (in) der Stadt Im vorherigen Kapitel konnte gezeigt werden, dass das filmische Köln auf gesamtstädtischer Maßstabsebene eine mit Zeichen hoch aufgeladene Raumeinheit bildet. Doch das Erleben und Darstellen der filmischen Stadt benötigt auch Grenzen, die diesen Raum artikulieren und von denen her die Stadt ihre Struktur und Prägung erhält. Die Stadt muss dabei jedoch weniger als Bedingung von Grenzziehungen denn als deren Produkt verstanden werden, indem ein ›Innen‹ vor dem Hintergrund eines ›Außen‹ entsteht und betont wird (vgl. Pabst 2001a: 200). Betrachtet man nun die raumbezogenen Aussagen zu einzelnen Stadtteilen und Stadtvierteln sowie die Abgrenzungen der Stadt nach innen und außen, so werden die Zuordnungen und Klassifizierungen stark abstrahiert und pauschalisiert. Gleichwohl wird deutlich, dass die in den Filmen entworfenen Begegnungen zwischen Figuren und Orten sowie die Charakterisierungen einzelner Menschen oder Gruppen ganz bestimmte räumliche Funktionen haben, die über die bloße Beschreibung einzelner Schauplätze und ihre genrespezifischen Anforderungen hinausgehen. Sie verweisen vielmehr auf Raumbeziehungen, auf Ähnlichkeiten und Abgrenzungen, die die Ordnungen der Filme durchqueren. Die Raumorganisation ist also verbunden mit der Frage nach den Raumrelationen, also nach den Interdependenzen von Räumen. Für das Verständnis der städtischen Ordnung sind somit Formen der Lokalisierung bzw. Territorialisierung sowie Bewertungen und Semantisierungen von Innen- und Außenräumen relevant. Jeder Raum schließt bestimmte Gruppen ein und andere aus, so dass sich die Topographie Kölns gerade entlang von Grenzen, Hindernissen und Überschreitungen verdichtet. Dabei spielen sowohl physische als auch symbolische Grenzziehungen eine besondere Rolle. Gleichzeitig erfolgen die räumlichen Aussagen auf mikro- und makroskopischer Ebene, so dass sich insgesamt ein äußerst komplexes und mehrschichtiges Bild der Stadt ergibt. Die auf diese Weise inszenierten Diskurse der Differenz basieren auf der Konstruktion unterschiedlicher Räume und Gruppen, welche durch Benennung, Etikettierung und Bewertung erfolgt. Deutlich wird aber auch, wie wichtig Formen der Bewegung und Relationen zwischen verschiedenen Orten für die Geschichten sind, deren dramaturgisches Zentrum in der Topographie einer Großstadt zu suchen ist. Die Verortung des Eigenen verläuft dabei immer dann über eine Funktionali-
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sierung des Anderen, wenn eine Unterscheidung zu Köln bzw. zu kölschen Eigenschaften, Vorstellungen und Meinungen getroffen wird: das andere Viertel, die andere Stadt, das andere Land, die andere Religion oder politische Überzeugung, die andere Kultur mit all ihren Facetten.
Die physische und soziale Organisation der Stadt Die soziale Zuordnung von Täter und Opfer ist ein zentraler Punkt aller Verbrechensgeschichten, während die Kommissare in der Ermittlungsarbeit zumeist Außenstehende in den Milieus und den Räumen der Verbrechen bleiben. Auffällig ist, dass sich der Kölner Tatort sich meist mehr mit der Gesellschaft als mit den konkreten Kriminalfällen befasst. Im Mittelpunkt steht die soziale Vielfalt der Stadt, stehen allgemeine Problemlagen und Konflikte wie Drogenhandel, Kindesmissbrauch, Rechtsradikalismus, Vereinsamung und Wirtschaftsspionage, die zum Teil weit über die städtischen Grenzen hinausweisen. Die Geschichten selbst wecken somit meist keine direkten Assoziationen mit der Stadt, sie könnten überall in Deutschland stattfinden. Wirklich kölntypische2 Verbrechen bilden die Ausnahme (zu nennen sind Restrisiko, Trittbrettfahrer, Mördergrube und allenfalls noch Bombenstimmung), die Geschichten funktionieren überregional. Daher verwenden die Filme in großem Maße bekannte Referenzobjekte und kölntypische Signale, bringen gehäuft Panorama-Einstellungen und Autofahrten in die Handlung mit ein und versuchen Innenraum-Aufnahmen mit Alltagssignalen auszustatten. Dies bedeutet aber auch, dass gerade dort, wo die visuellen Monumente der Stadt besonders herausgestellt werden, die Geschichten auf eine Verallgemeinerung zielen, welche die Grundstrukturen von Verbrechen und Ermittlung überregional gleich erscheinen lassen. Dennoch ist die Stadt mehr als bloße Kulisse: Die Kommissare müssen versuchen, die Menschen und ihr Handeln zu verstehen, müssen mit ihnen reden und in ihre Milieus gehen, um die Ursachen und Kontexte der Verbrechen zu ergründen. Auf diese Weise wird Köln zu einem Raum, der durch die Möglichkeit bestimmt wird, seine sozialen Beziehungen über räumliche Strukturen und Ordnungen zu erzählen. Dramaturgisch verfolgen die Filme dafür eine direkte, chronologische Erzählweise, so dass elliptische Muster und Rückblenden weitgehend vermieden werden. Entsprechend linear sind auch die räumlichen Anschlüsse und Verbindungen angelegt, wobei Zeitsprünge auch Raumveränderungen bedeuten können und umgekehrt. 2
Kölntypisch meint hier, dass bereits über die thematische Rahmung des Verbrechens ein direkter Bezug zur Stadt hergestellt wird. So bilden der Karneval, eine Kölsch-Brauerei, die Universität und das Stadtmuseum die Hintergründe für die genannten Filme. 151
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Die Vielfalt an räumlichen Informationen und Eindrücken, die sich aus den Verbrechensgeschichten und den angebotenen Lösungswegen ergeben, wird im Laufe der Ermittlungsarbeiten der Kommissare geordnet und systematisiert. Dadurch entsteht zunächst eine physische Raumgliederung, die sich durch die topographische Einteilung der Stadt in größere Einheiten und Regionen (wie Innenstadt oder Vororte), begrenzte Strassenzüge und Stadtteile (wie Ehrenfeld oder Deutz) bis hin zu einzelnen Häusern oder Einrichtungen (wie Universität oder Stadtwald) ergibt. Gleichzeitig ist dieser physische Raum durch die soziale Struktur der Stadt definiert und gegliedert, wobei über diese Ordnung hinaus die Namensgebungen, Zuschreibungen und Assoziationen den Raum erweitern. Dieses räumliche System wird ergänzt durch die narrative und logische Ordnung von Handlungsabläufen, Bewegungen und kausalen Bezügen. Nur wenige städtische Räume werden detailliert beschrieben, die meisten Bereiche zeichnen sich lediglich durch eine skizzenhafte Darstellung aus. Aufgrund dieser Fülle und Oberflächlichkeit der Informationen beschränkt sich die räumliche Ordnung auf das physische Erscheinungsbild und Markierungen der Abgrenzung. Die Folge Martinsfeuer zeigt nicht eine Stadt, sondern ein Viertel, oder genauer: eine Schicht. Die Siedlung Almeidaweg ist eine typische Stadtrandsiedlung. Ihr soziales Zentrum bildet ein Platz mit einer Imbissbude, einem Kiosk, einem Wellblechcontainer, der als Video-Shop dient, einer Telefonzelle und einer Bushaltestelle als Anschluss an die Großstadt. Die Siedlung erscheint trist, ohne verwahrlost zu wirken, und auch die sozialen Probleme sind nicht sofort zu erkennen, sondern werden erst nach und nach offenbar. Mit wenigen Worten und Bildern schafft der Film hier ein in sich geschlossenes, fast hermetisch abgeriegeltes Viertel, in dem jeder jeden kennt. Als dann ein Mord an dem kleinen Jungen Michael geschieht, ist klar, dass der Täter aus dem Viertel kommen und sein Opfer gekannt haben muss: »Wir kennen uns hier alle untereinander. Irgendein asoziales Gesocks kommt hier nicht rein«, so der Freund des Vaters von Michael. Die Mörderin des Kindes ist selbst noch ein Kind: Marion, die selbstbewusste und weltabgewandte Wortführerin unter den Kindern im Ort, hat den kleinen Michael erstickt und ihm anschließend mit einer Rasierklinge ein Mal in den Bauch geritzt. Wie schon zuvor ihr Kaninchen und ihre Katze hat Marion den Jungen ins »Jenseits« geschickt, denn dort, das zumindest weiß der kleine Mirko, haben es die Kinder besser: »Da kümmert man sich um einen«. Hier aber, wo Mirko und Marion leben, kümmert sich um die meisten der Kinder keiner. Das Jenseits kann hier als Hilfeschrei gedeutet werden, der den Wunsch nach Geborgenheit und einer besseren Welt artikuliert; hier manifestiert sich eine Grenze, welche die Siedlung umrahmt. Die Abgeschlossenheit des
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Viertels übersetzt sich in eine klare, kontrastive Inszenierung des filmischen Raums, wobei der tristen, aber homogenen Siedlung ein diffuser, großstädtischer Rest gegenübergestellt wird. Eine dunkle, breite Eisenbahnunterführung lässt die Grenzen dieser Welt sichtbar und nachvollziehbar werden. Für die Kinder der Siedlung beginnt hinter dem Bahndamm das Abenteuer, das sich mal als Spiel- und Tummelplatz, mal als Angstraum zeigt. Die Unterführung markiert damit eine Grenze zwischen zwei semantischen Räumen, die jedoch immer wieder überschritten wird (Abbildung 8).
Abbildung 8: Grenzmarkierung (Martinsfeuer) Es sind aber nicht nur die Häuser, Straßen und Plätze allein, die filmische Grenzen ziehen. Auch die Darstellung und Verortung der Menschen gibt Auskunft über räumliche Verhältnisse. Im ersten Köln-Tatort (Willkommen in Köln) leitet sich aus der thematischen Verknüpfung von Drogenhandel und Prostitution eine differenzierte Topographie des Verbrechens ab: Stadtteile und -viertel werden namentlich aufgerufen, mit Bedeutung gefüllt und visuell umgesetzt. So ist der Hafen ein gefährlicher Umschlagplatz des organisierten Drogenhandels: »Wir glauben hier die zentrale Verteilerstelle für das gesamte Rheinland gefunden zu haben«. In diesem kriminellen Milieu wird Kommissar Ballauf bewusstlos geschlagen und der Mord an einem V-Mann verübt. Die Atmosphäre wird visuell durch verkommene Lagerhallen, Unübersichtlichkeit und Dunkelheit unterstrichen. Neben dem Hafen spielt die weitere Verortung der Drogenszene eine große Rolle in diesem Tatort: »Unser Verdächtigter heißt Zorro. Ich kenn’ den. Treibt sich drüben in Deutz rum«. Diese Aussage macht auf zwei Raumattribute aufmerksam. Zum einen wird der Stadtteil Deutz3
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Der Kölner Stadtteil Deutz ist ein bürgerliches Viertel, das im Zuge der aktuellen rechtsrheinischen Stadtentwicklung zunehmend aufgewertet und in153
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homogenisiert und negativ konnotiert. Hier ist der Treffpunkt zahlreicher Dealer und Hehler sowie der Wohnort des mutmaßlichen Täters. Ferner zeigt das Wort »drüben« eine räumliche Abgrenzung zum Zentrum an – Deutz liegt auf der rechten Rheinseite. Doch auch die linksrheinisch gelegene Innenstadt erhält ein Negativ-Image: »Ziel ist es, die Dealer und Junkies aus dem Innenstadtbereich zu vertreiben«. Doch diese Zuschreibung muss differenziert werden. So grenzt die weitere Darstellung den Bereich deutlich ein: Drogenverkauf und die damit einhergehende Beschaffungskriminalität (Prostitution) kristallieren sich im Eigelsteinviertel. Konkret nennt der Film die Adresse »Im Stavenhof 19« als ›Arbeitsort‹ einer Prostituierten – das Image eines Rotlichtviertels wird aufgebaut. In unmittelbarer Nähe befindet sich der Ebertplatz. Hier werden Drogen verkauft und konsumiert, ein sich prostituierender Junkie verdient sein Geld auf der Männertoilette. Doch die Darstellung des Ebertplatzes ist in sich ambivalent, der Film baut eine Opposition zwischen krimineller, dunkler ›Unterwelt‹ und geschäftiger, heller ›Oberwelt‹ auf. Diese Merkmalszuweisung führt insgesamt zu einer Aufteilung der Stadt in disjunkte Teilräume. Wichtigstes topologisches Merkmal ist dabei die Abgrenzung, durch die ein semantisches Feld in Teilfelder untergliedert wird und die Figuren spezifische Raumbindungen erhalten. In Kinder der Gewalt werden Kollektivzuschreibungen explizit zur Charakterisierung figurativer Beziehungen und städtischer Merkmale herangezogen: »Nun übertreib mal nicht. Wir sind hier doch nicht in der Bronx. Wir sind hier mitten in Köln«, sagt Max Ballauf zu dem Sohn seiner Pensionswirtin, als dieser ihm nach Minuten des Schweigens nur soviel über seinen Schulalltag anzuvertrauen wagt: »Wenn ich was sage, dann machen die mich fertig. Dann töten die mich«. Die »Bronx« bezeichnet hier den Superlativ eines Milieus von sozialem Elend und psychischer Verwahrlosung, mit dem die Kölner Situation verglichen wird. Der Schuldirektor nennt die Gründe: »Überfüllte Klassenzimmer, ein extrem hoher Ausländeranteil, .... viele der Eltern habe ich noch nie gesehen, ... die Kinder bekämpfen sich gegenseitig, sogar mit dem Messer«. Der Vergleich mit den amerikanischen Verhältnissen, den Max hier sucht, leistet somit zwar zunächst eine Verallgemeinerung des lokalen Konflikts, grenzt das Eigene dann aber derart gegen die amerikanischen Verhältnisse ab, dass die Bronx als negative Kontrastfolie funktionalisiert wird. Im weiteren Verlauf verdichtet sich die Metaphorik der Abgrenzung, indem weitere Oppositionen hergestellt werden. So fordert die Thematisierung von schulischen Jugendbanden die Ausgestaltung deutsch-türkischer Konflikte. Zunächst ist der Versuch sichtbar, den eifrastrukturell als Ergänzung bzw. Fortführung der Innenstadt begriffen wird. 154
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genen sozialen Kontext im interkulturellen Prozess zu beschreiben und begreifbar zu machen: Während ein Schüler die Situation hilflos darstellt, versucht Schenk zu vermitteln: »Vor der Schule ist Krieg: Türken gegen Deutsche« – »Was heißt denn hier ›Türke‹? Sind doch alles kölsche Jungs!«. Letztlich wird aber ein deutlicher Prozess der räumlichen Differenzierung erkennbar: Deutsche und türkische Jugendliche sind klar getrennt und durch unterschiedliche Räume gekennzeichnet. Dabei folgt die Darstellung eines türkischen Viertels einer deutlichen Typisierung und Exotisierung. Die Verwendung von Groß- und halbnahen Aufnahmen und deren Stützung durch Schriftzeichen und auditive Signale nutzt die Verflechtung der Zeichen für eine affektstarke, eindeutige Metaphorik des Fremden: »Kebab«, »Lahmacun«, »Pizza« suggerieren Fremdheit, die Untermalung der Einstellung mit orientalischer Musik sowie die Unterhaltung der Imbiss-Betreiber in türkischer Sprache verstärken die emotionalisierende Atmosphäre (Abbildung 9).
Abbildung 9: Türkisches Viertel (aus: Kinder der Gewalt)
Symbolische Grenzziehungen I: Ein Westfale in Köln Das Kölner Ermittlerteam bildet eine Figurenkonstellation, die durch ihre kontrastive Ausstattung an Eigenschaften und Handlungsmöglichkeiten gegeneinander gesetzt ist. Die Unterschiedlichkeit der Kommissare entwirft dabei ein Tableau an Verhaltensdimensionen, das auch räumliche Konflikte und Abgrenzungen zum Ausdruck bringt. Bereits die erste Begegnung zwischen Freddy Schenk und Max Ballauf legt über die Figurencharakterisierungen eine erste Grundlage räumlich begründeter Differenzierungen: Freddy Schenk hat es sich im Büro des Kölner Polizeipräsidiums gemütlich gemacht: Die Pokale stehen ordentlich auf dem Schrank, darüber hängen Fotos vom Schießkurs, Ehrenurkunden und ein Plakat vom Dom; im Hintergrund läuft Musik von den
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Bläck Fööss. Freddy will seine Beförderung feiern und plant seinen Einstand mit Kölsch, Flöns und Halve Hahn4. Doch nicht er, der alt gediente Kölner Kommissar, sondern ein neuer, von außen zugereister Kollege wird zum Hauptkommissar ernannt. Das Düsseldorfer Innenministerium setzt dem etwas gesetzten und rundlichen Schenk einen sportlich-jugendlichen Junggesellen vor die Nase: Max Ballauf, ehemaliger Assistent von Hauptkommissar Flemming in Düsseldorf5 und später in den USA zum Spezialisten für organisiertes Verbrechen ausgebildet, wird vom Bundeskriminalamt reaktiviert und als Hauptkommissar nach Köln entsendet – Willkommen in Köln. Die beiden Hauptfiguren Ballauf und Schenk sind Zeichen räumlicher Demarkationslinien, indem sie mit unterschiedlichen Charakteristika und Attributen ausgestattet werden. Während Schenk als »gelernter Kölner« die regionale Küche und das Kölsch zu schätzen weiß und seine rheinische Frohnatur im Karnevalsverein auslebt, fühlt sich Ballauf seiner westfälischen Heimat und dem amerikanischen Lebensstil näher. Dies drückt sich in seinem Unmut gegenüber dem Karnevalstreiben und dem Katholizismus sowie in seiner Affinität für Fastfood und Pils aus. In Restrisiko wird die Kontrastierung der beiden Protagonisten besonders scharf gezeichnet. Thematische Grundlage der Geschichte bietet hier der Karneval, so dass der Mord an dem Tanzmariechen die Kommissare auf Spurensuche im Umfeld von Vereinswesen und Feierlichkeiten schickt. Höhepunkt der Ermittlungen ist schließlich die Verfolgung zweier Verdächtiger inmitten des bunten Treibens der Veedelsumzüge. Der Karneval fungiert jedoch nicht nur als thematischer Rahmen, auch wenn dadurch die Kriminalgeschichte auf angenehme Weise mit einem regionalen Brauch verbunden wird. Als Form einer lokalen kulturellen Eigenheit wird der Karneval auch als Mittel der Abgrenzung zwischen Freddy und Max instrumentalisiert. So ist Max der einzige Pilsfreund unter den Kölschtrinkern und inmitten der fröhlichen Perückenträger bleibt er allein mit den spärlichen Insignien des Frohsinns, die ihm sein Freund und Kollege hat zukommen lassen: ein Elektrostecker am Gummiband als Pappnase und ein auf den Rücken geklebter Zettel mit der Aufschrift »Anschluss gesucht«. Deutlicher lässt sich eine Figur nicht deplatzieren – »Max ist Westfale. Keinen Humor. Nur beten und arbeiten«, so Freddy. Die Gegensätzlichkeit von Max und Freddy eröffnet den Blick dafür, wie kommunizierte Raumbedeutungen als zentrales Mittel zur Konstitution 4
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Flöns ist eine besondere Art von Blutwurst, welche Grütze enthält (deshalb auch als Grützwurst bezeichnet), unter Halve Hahn wird in Köln ein Roggenbrötchen mit Gouda und Senf verstanden. Gemeint ist die Düsseldorfer Tatort-Reihe des WDR, der zwischen 1992 und 1997 produziert wurde. 156
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einer räumlichen Identität eingesetzt werden, indem Lokalbezüge als Charaktereigenschaften funktionalisiert werden und Identitäten im Spiel von räumlicher Differenz antagonistisch konstruiert werden (Abbildungen 9 und 10).
Abbildung 9: Max Ballauf (aus: Restrisiko)
Abbildung 10: Freddy Schenk (aus: Restrisiko) Der Kontrast der beiden Charaktere überträgt sich sowohl auf bestimmte räumliche Handlungsschemata als auch auf die konkrete Wohnsituation der beiden Kommissare. Freddy lebt mit seiner Frau und den gemeinsamen Töchtern in einem Reihenhaus am Stadtrand von Köln. Er hat seinen festen Platz in der Stadt gefunden und sich einsortiert in eine bestimmte Schicht, zu der er gehört. Das Reihenhaus erzählt somit ein gewisses Bedürfnis nach Sicherheit und Heimat, ein Gefühl, dass die unmittelbare Nachbarschaft überschaubar sein soll, weil der Beruf schon genug Chaos mit sich bringt. Freddys Drang nach Freiheit manifestiert sich allenfalls noch in den ledernen Cowboy-Stiefeln und dem Faible für ausgefallene Dienstwagen. Max hingegen wohnt in einem kleinen Hotel in zentraler Lage der Stadt. Seine Versuche, eine eigene Wohnung zu finden, scheitern nicht zuletzt an seinem Unbehagen, sich auf Dauer zu binden. Das Hotel als Provisorium bietet keinen festen Ort, negiert förmlich die Sesshaftigkeit und unterstreicht somit die Unbeständigkeit und Unge-
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bundenheit des Kommissars, der nie richtig in Köln anzukommen scheint. Betrachtet man schließlich die privaten Rückzugsräume der Kommissare, so zeigt sich auch hier ein äußerst partikuläres Stadtbild, das ganz an die Figuren gebunden bleibt: Während Freddy die häusliche Couch oder das Polizeipräsidium aufsucht, um vom Beruf oder der Familie Abstand zu gewinnen, stürzt sich Max in die urbane Kulisse der Stadt und taucht ab in Kneipen, zur Geliebten oder in die Anonymität der Straßen.
Symbolische Grenzziehungen II: Der »Nahe Osten« Als besonders markantes Beispiel dafür, wie Vorurteile und kulturelle Eigenarten zur Abgrenzung verwendet werden, seien hier die beiden Koproduktionen von MDR und WDR angeführt, in denen die Leipziger und Kölner Kommissare gemeinsam die Fälle lösen: Quartett in Leipzig und Rückspiel. Beide Filme versuchen das Thema der deutschen Einheit mit einer Kriminalgeschichte zu verbinden, indem vordergründig die Aufdeckung zweier Verbrechen und quasi nebenbei die Begegnung und Annäherung der ost-westdeutschen Kommissare erzählt wird. In ihrer Darstellung werden die Protagonisten als Vertreter zweier verschiedener Gruppen in ihren sozialen Identitäten inszeniert: Ostdeutsche vs. Westdeutsche. Die sich aus den Differenzen ergebenden Spannungen werden in den Filmen mittels Zuschreibung, Kategorisierung und Typisierung dargestellt. Sie manifestieren sich etwa im bewussten Einsetzen sprachlicher und sozialer Besonderheiten oder in der Verwendung regionaler Essgewohnheiten, die aber insgeamt einer deutlichen Stereotypisierung unterworfen sind. Gleichzeitig konstituieren die Kommissare über ihr sprachliches und gestisches Verhalten Gruppenzugehörigkeit und Abgrenzung. Mit dem Leichenfund eines Westdeutschen in Leipzig und eines Ostdeutschen in Köln beginnt in Quartett in Leipzig die mehr oder weniger ungeplante Kontaktaufnahme der beiden Ermittlerteams. Wohl nicht ohne Grund klingelt das Handy eines Opfers mit der Melodie »Freude schöner Götterfunken« und bettet die Opfer wie die Kommissare in einen gesamtdeutschen Rahmen (vgl. Welke 2005: 29). Die gewählte Konstellation führt zunächst dazu, dass sich die Kommissare einander über Klischees und Vorurteile anzunähern versuchen: Als Max vorschlägt, nach Leipzig zu fahren, da die Ermittlungen in Köln ins Stocken geraten, antwortet Freddy flapsig: »In den nahen Osten? Mit alten Volkspolizisten rumstreiten?«. Mit der Gleichsetzung von Leipzig und dem Nahen Osten
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drückt Freddy eine Distanz und ein Gefühl von Fremdheit aus, das der Region Bedrohlichkeit zuschreibt. Dadurch weist er den Vorschlag mit Nachdruck zurück. Die Verwendung des Verbs »rumstreiten« betont zudem einen erwarteten Konflikt. Die Beschreibung der potentiellen Konfliktpartner als »alte Volkspolizisten« kann sowohl auf vermeintlich bejahrte Kommissare bezogen oder aber als historischer Hinweis verstanden werden. So oder so verweist die Bezeichnung Volkspolizist auf einen DDR-spezifischen Wortschatz und impliziert damit die Abwertung des Wortinhaltes, die sich aus der historischen Zuschreibung und den darauf aufbauenden Stereotypen im Rahmen eines Ost-West-Diskurses ergibt. Ballauf nutzt schließlich den direkten Weg des Telefons, um sich von den Leipziger Kollegen erste Ermittlungsergebnisse geben zu lassen. Bei diesem Telefonat zwischen Ehrlicher und Ballauf wird der Bildschirm geteilt: Die Kölner Kommissare werden in die linke Bildhälfte, die Leipziger in die rechte Bildhälfte montiert (Abbildung 11). Die Verwendung des split screens ermöglicht hier, die räumliche Entfernung zu kaschieren und die Annährung der beiden Teams symbolisch zu visualisieren. Gleichzeitig spiegelt sich in der bildlichen Aufteilung aber auch die geopolitische Landkarte Deutschlands wider: links der Westen, rechts der Osten.
Abbildung 11: Köln versus Leipzig (aus: Quartett in Leipzig) Da Ballaufs Versuch der Kooperation nicht von Erfolg gekrönt ist, reagiert Freddy gereizt: »Lass die in Leipzig ihre Suppe doch selber auslöffeln – und unsere gleich mitessen«. Die fortgeführte Antipathie wird von Max nur auf den ersten Blick hinterfragt: »Sag mal, du hast in der Zwischenzeit schon mitgekriegt, dass die da drüben jetzt auch zu uns gehören oder nicht?«. Max verweist zwar implizit auf die staatliche Einheit, bleibt jedoch der binären Kategorisierung von »da drüben« und »uns« verhaftet, so dass insgesamt der Eindruck der Abgrenzung eher noch verstärkt wird.
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Freddy akzeptiert schließlich die Argumentationskette Ballaufs und findet sich mit der Reise nach Leipzig ab: »Da gibts bestimmt kein Kölsch«. Mit dieser Äußerung wird Leipzig über das behauptete NichtVorhandensein einer regionalen Biermarke beschrieben, die für Freddy offenbar ein wichtiges Attribut seiner Identität ist. Damit wird Leipzig erneut als Fremde stigmatisiert. In Rückspiel treffen die beiden Teams noch einmal aufeinander, diesmal in Köln und mit umgekehrter Rollen- und Aufgabenverteilung. Der Film thematisiert Ost-West-Differenzen in ähnlicher Weise und fokussiert erneut die Unterschiede in Sitten und Gebräuchen – wenn auch unter größerem Einsatz von Komik und Ironie. So überrascht Freddy seinen Kollegen Ehrlicher mit einem Trabbi als Dienstwagen und eine Kölschkneipe schafft den Rahmen für eine gastronomische Lehrstunde, die in der Verwechslung von Halve Hahn und Broiler6 ihren Höhepunkt findet. Damit schaffen und verstärken die Versuche, das Ost-West-Gefälle zu thematisieren und zu karikieren, erst die Klischees, die sie eigentlich unterlaufen wollen. Insgesamt belegen die beiden Filme, wie zwischen den Figuren eine Differenzbildung auf räumlicher Grundlage geschaffen wird. Ständig dient der ›Osten‹ als Negativfolie für den ›Westen‹ und umgekehrt: Die Leipziger sind spießig und verbockt, damit die Kölner flexibel und modern erscheinen können; die Kölner genießen Kölsch und Halve Hahn, wo die Leipziger Pils und Rostbratwurst bevorzugen. Insgesamt werden die gemeinsamen Ermittlungen dazu genutzt, den jeweiligen Gästen die Traditionen und Besonderheiten der Stadt in plakativer Form vor Augen führen. So gleichen die Bewegungen durch die Städte touristischen Führungen, die keine Sehenswürdigkeit auslassen. Wenn auch die in den Filmen inszenierten Brüche der Annäherung meist ironisch gestaltet sind und sich im bewussten Einsetzen sprachlicher und visueller Spezifika manifestieren, so umgehen die Filme dennoch jegliche Gefahr der Destruktivität, indem sie letztlich nur die Klischees und eine konventionelle Bildersprache bedienen. Die deutsch-deutschen Tatorte zeigen insgesamt, wie die filmische Verarbeitung der deutschen Einheit in einer wechselseitigen Konfrontation mit dem Fremden mündet, bei der die jeweils eigenen Identitätsmerkmale bestätigt und als Mittel der Distanzierung funktionalisiert werden. Die Verwendung der sozialräumlichen Images hat hier letztlich symbolische Funktion, wenn die eigene Identität unter Abwertung des Anderen privilegiert wird. Diese Form des othering belegt anhand räumlich konstruierter Gruppenzugehörigkeiten den Prozess der Identitätskon6
Im Gegensatz zum kölschen Halven Hahn (siehe Fußnote 4) ist Broiler der DDR-spezifische Begriff für Halbes Hähnchen. 160
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stitution durch Bedeutungszuschreibungen sehr eindrucksvoll (vgl. S. 54f.). Dabei definiert sich die jeweilige Lebensart im Wesentlichen darüber, was sie nicht ist. Das Eigene wird in Relation und Abgrenzung zu dem Anderen generiert, wobei für beide Seiten raumspezifische Stereotype und Mythen verbindlich sind. Eine solche Darstellung basiert somit im Wesentlichen auf einer Methode der Distanzierung, indem eine nicht eigene Alterität konstruiert wird und als instrumentelle Folie für die eigene Identitätskonstitution dient. Damit ist die Konstruktion des Anderen zugleich die Konstruktion des Selbst. Auf diese Weise konservieren und tradieren die jeweils aufgerufenen Klischees und Vorurteile stereotype Stadt-Mythen, so dass die städtische Wirklichkeit hinter die Macht der Images zurücktritt. Wenig organisch mutet eine solche Erzählkonstruktion dadurch an, dass beide Seiten mittels eines formellen Anschlusses synthetisiert werden, der Integration und Identität behauptet und doch nur Differenzen zum Vorschein bringt. Die entstehenden Differenzen und die in ihnen und durch sie konstituierten Positionen markieren dann weniger Eigenschaften der Eigen- und Andersheit, als vielmehr soziale wie räumliche Mechanismen der Ein- bzw. Ausschließung. Was Kommissar Ehrlicher am Anfang von Quartett in Leipzig noch als »freundliche Begegnung mit den Kollegen aus dem Westen« klassifiziert, erweist sich wohl treffender als eine ›feindliche Übernahme‹.
Jenseits der Stadt – jenseits der Heimat? Ein Verlassen der bekannten und heimatlichen Gefilde markiert im Tatort gleich in mehrfacher Hinsicht eine Grenzüberschreitung. So führt die damit verbundene Einbindung neuer, meist unbekannter Schauplätze nicht nur zu einer Begegnung mit fremden Orten und Menschen, die durch Vorurteile und Abgrenzungen gekennzeichnet ist (s.o.). Die temporären Reisen außerhalb der Stadt finden ihre Entsprechungen auch in Reisen ins Innere der Figuren, die vom Verlust der Identität und Heimat zeugen. Und das heißt dann auch: die Durchquerung einer emotionalen, psychologischen Grenze erfordert die Versetzung einer Figur über eine räumliche Grenze, erfordert einen konkreten Ortswechsel. Grenze und Grenzüberschreitung können dabei als Idee der Ich-Konstitution verstanden werden, also der Konstruktion sozialer oder individueller Identität vor dem Hintergrund einer kontrastiven Folie des Anderen. Bewegung stellt somit eine Markierung des Erzählens dar, um Identitäten über die Koppelung an Handlungsorte aufzubauen.
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Wenn sich Freddy Schenk am Kölner Hauptbahnhof in den Zug Richtung Holland begibt, um seiner Frau in den Urlaub nachzureisen, so entfaltet sich die Fahrt als latenter Angriff auf sein Berufsethos als Polizist (Die Frau im Zug). Eine unbekannte Frau mit Gipsbein bittet ihn, für sie wichtige Medikamente aus einem Schließfach in Aachen zu holen. Als er zurückkehrt ist die Hilfsbedürftige verschwunden, Freddy wird kurze Zeit später von Kollegen überrascht, die während der Grenzkontrollen Kokain bei ihm finden. Binnen weniger Minuten verliert Freddy sein Gesicht, ihm werden die beruflichen Insignien enthoben, seine Persönlichkeit und Identität ist zerbrochen. Selbst Max misstraut ihm später, so dass Freddy bei der Aufklärung des Falls völlig isoliert und auf sich gestellt ist. Seine inoffiziellen Ermittlungen in Aachen verorten den Kommissar dann nicht nur räumlich neu, sondern gestalten sich als Zerreiß- und Bewährungsprobe: Freddy schläft im Auto, verwahrlost zusehends und steht ohne Einbettung in die polizeilichen Institutionen jenseits des Gesetzes. Erst nach und nach kann er Indizien und Beweismittel zu seiner Entlastung sammeln, um schließlich zu sich selbst, in den Beruf und nach Köln zurückzufinden. Dieser Handlungsverlauf markiert somit einerseits den durch die Grenzüberschreitung inszenierten inneren Wandel Freddys, andererseits seine Rückkehr in den Ausgangsraum, die den früheren Zustand wieder herstellt. Ein komplexeres Beispiel findet sich in Schürfwunden. Die Ermittlungen im rheinischen Tagebau konfrontieren die Kommissare nicht nur mit den konkreten Folgen einer Dorfumsiedlung, sondern auch mit den Rändern der Stadt und der Gesellschaft. Die erste Grenze, die überschritten wird, ist also die physische Grenze der Stadt. Dabei markieren die Fahrten zum Ort des Verbrechens den Übergang ins Dörflich-Ländliche als Konfrontation mit dem Fremden. Die beiden Kommissare fühlen sich sichtbar unwohl und überrascht ob des neuen Einsatzortes, der ihnen mit Verwirrung und Unübersichtlichkeit entgegen tritt. Die erste Hürde stellt sich, noch bevor sie den Ort erreicht haben. Die erste Fahrt nach Schaffrath endet plötzlich auf einer einsamen Landstraße. Wo sie laut Karte nach Schaffrath führen sollte, breitet sich vor den Augen der beiden Kommissare ein Feld aus, über das ein Traktor rattert (Abbildung 12). Die Szene wird durch ruhige Kamerabewegungen und Totalen getragen, in denen sich die Weite der Landschaft offenbart. Freddy steigt aus dem Wagen und macht seiner Wut Luft – »Was ist das denn für ne Scheiße!«. Max bleibt gefasst und versucht sich anhand einer Strassenkarte zu orientieren: »So, jetzt mal ganz langsam. Hier sind wir von der Autobahn runter und dann sind wir auf die B1. Das ist die Straße hier«. Freddy schaut in die Ferne: »Da ist der Tagebau«. Max: »Wahrscheinlich hat es die Straße letztes Jahr noch gegeben!«. Freddy: »Ich
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sach nur eins: Navigationssystem. Das wär mit dem alten Wagen nicht passiert«. Nun schaut auch Freddy in die Karte, während sich Max ein Fernglas nimmt, um die Umgebung abzusuchen. Diese Szene macht deutlich, wie hilflos und verloren die beiden Städter in der sich ständig verändernden Tagebaulandschaft sind. Sie stehen vor Ortschaften, die verschwinden, weil der Braunkohletagebau sie langsam verschluckt. Die Suche nach der richtigen Straße und die Abhängigkeit von technischen Errungenschaften (Navigationssystem, Fernglas) demonstrieren die Unsicherheit, mit der sie die Fremde zu beherrschen versuchen.
Abbildung 12: Jenseits der Stadt (aus: Schürfwunden) Das Bild der Sackgasse steht exemplarisch für die Themen dieses Films, für den Identitäts- und Gewissensverlust von Menschen, die spüren, dass ihnen das Leben nicht mehr viel bietet, für Abgeschiedenheit, für die Zerstörung einer Ortschaft, die entrümpelt wird als sei sie eine Ruine. Im Verlauf der Geschichte wird das Motiv der Grenzüberschreitung anhand der Parallelisierung dreier Handlungsstränge vertieft. Dabei korrelieren räumliche Muster der Bewegung mit Symbolen für den Verlust von Identität und Heimat: Da ist zunächst die unausweichliche Dorfumsiedlung von Schaffrath. Die endzeitliche Stimmung der alten Siedlung wird hier über die ›Totenwanderung‹, d.h. die Umsiedlung des Friedhofes in das neue Dorf, wohl am Eindrucksvollsten symbolisiert. Im Bild der Leichenwagen werden Abschied und Neuanfang, Leben und Tod, leitmotivisch zusammengeführt. Und während dies passiert, liegt eine alte Frau im Bett und hält sich die Ohren zu – bis sie schließlich am Tag des Umzugs verstirbt. Doch die bereits verpflanzten Lebenden fühlen sich in ihrer neuen Umgebung nicht zu Hause, finden weder Halt noch Identität, und trotzen dem Wandel in ihrer gewohnten Stammkneipe im alten Dorf. Die Geschichten der Menschen geben auch den Impuls für ein zweites Motiv, das den Zerfall der Dorfgemeinschaft bereits seziert bevor der Tagebau die Häuser frisst. Die Ehe eines deutsch-asiatischen
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Paares zerbricht an den Folgen der Umsiedlung, so dass die physischen Veränderungen auch soziale mit sich ziehen. Auch das Scheitern der Ehe wird metaphorisch ins Bild gesetzt, wenn die asiatische Frau am Ende des Films an einer Bushaltestelle steht und eine Reise ins Ungewisse beginnt. Auf diese Weise wird eine Bewegung, eine räumliche Distanzierung, als Lösung angeboten. In diese Symbolik reiht sich schließlich Ballaufs vergebliche Wohnungssuche in Köln ein, ein Motiv das auch in früheren Folgen immer mal wieder auftaucht, aber durch den hier gewählten Kontext der Geschichte von besonderer Brisanz ist. Doch während alle anderen Figuren an den Folgen der räumlichen Veränderung zerbrechen, kann sich Ballauf am Ende einer Umstellung entziehen, indem er in seine alte Wohnung im Hotel »Palast« zurückkehrt: »Ich geh wieder zurück ins Hotel«. Freddy: »Schön, wenn man weiß wo man hingehört«. Max: »Du sagst es«. Das Motiv des Heimatverlusts wird so durch unterschiedliche Darstellungen der physischen wie emotionalen Distanz zur Stadt bzw. zum Dorf markiert.
Die Stadt als Rätsel Neben den städtischen Zeichen bestimmt vor allem die Montage bzw. der Filmschnitt die topologische Gestaltung des Films. Diese Technik muss im Kriminalfilm die Leistung vollbringen, die verschiedenen Schauplätze sowie die Kontinuität einer Geschichte sinnvoll in ein zeitliches Nacheinander und räumliches Nebeneinander zu setzen. Indem dabei Distanzen und Relationen beliebig gelöscht, erzeugt oder verwischt werden können, prägt die Montage ganz entscheidend das Gefühl für Raum und Zeit. Der Schnitt unterbricht die raum-zeitliche Kontinuität von Geschehen und Bewegung, um sie filmisch neu zusammenzusetzen. Ebenso lassen sich neue Bewegungen erschaffen, die eine Konstruktion räumlicher und zeitlicher Zusammenhänge oder Divergenzen ermöglichen. Dabei verschwindet die Topographie der Stadt aber keineswegs, sie wird vielmehr von der narrativen Logik entstellt bzw. neu erstellt. Für diese narrative Morphologie spielen Bewegungen, Musik und Dialoge eine zentrale Rolle, indem sie auf kreative Weise eine spezifische, filmische Geographie entstehen lassen. In jedem Tatort gibt es zahllose Zeitsprünge und Raumsprünge. Gleichwohl impliziert nicht jeder Zeitsprung zwangsläufig einen Raumsprung und umgekehrt. Meist wird nur die eine der beiden Dimensionen in ihrer Kontinuität unterbrochen oder die Sprünge in den Dimensionen sind von unterschiedlich großem Ausmaß, wie bei Rückblenden oder Pa-
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rallelmontagen. Die meisten szenischen Übergänge und Anschlüsse zwischen unterschiedlichen Schauplätzen werden durch harte Schnitte markiert, so dass eine augenblickliche Verschiebung von Raum und/oder Zeit stattfindet. Dabei bewegt sich eine Figur – und damit die Handlung – durch mehrere Einstellungen hindurch bzw. über mehrere Schnitte hinweg, während hinsichtlich der Räume und damit auch der Zeit erhebliche Sprünge stattfinden. Viele Formen der Figurenbewegung, sei es als Spaziergang, Verfolgung oder Autofahrt, sind so mit sehr dynamischen Raumbeschreibungen verbunden. Sie veranschaulichen Verbindungen zwischen den verschieden Schauplätzen, Übergänge und Anschlüsse von einem Raum zum anderen sowie unterschiedliche Möglichkeiten, Bewegung im Raum mit Dialogen oder narrativen Elementen zu verknüpfen. Die Möglichkeit, einzelne Szenen durch die Bewegungen vor und mit der Kamera sowie durch eine beschleunigte Schnittfolge als Momente einer in sich geschlossenen, zusammenhängenden Raumdarstellung zu nutzen, bleibt jedoch weitgehend ungenutzt. Vielmehr wird zumeist eine »Dramaturgie der gehemmten Bewegung« (vgl. Weber 1994: 268) erkennbar, wenn sich die Handlung von Schauplatz zu Schauplatz hangelt, an denen sie jeweils einen neuen Ansatz nimmt und sich in kurze Sequenzen auflöst. Dann stehen viele kleine Bewegungen nebeneinander, die sich gegenseitig zu neutralisieren scheinen und räumliche wie zeitliche Relationen vermissen lassen. Als Orientierungspunkte erscheinen nur die Anfangs- und Endpunkte sowie die referenzialisierenden Orte von Relevanz. Der Raum zwischen diesen Orten muss zwar überwunden werden, bleibt aber leer, konsistent und bedeutungsfrei. Diese Fragmentierung des städtischen Raums schafft eine Distanz, die die Stadt in ein Mosaik kleiner, isolierter Bereiche verwandelt, die sich berühren, ohne sich gegenseitig zu durchdringen. Köln erscheint so wie ein riesiges Puzzle, dessen Teile lediglich im Licht der Verbrechen einen einheitlichen Sinn bekommen. Inmitten der Konfrontation von transparenten Orten und dem Labyrinth der Großstadt stehen daher die Kommissare: Die Kriminalgeschichte inszeniert die Stadt als Rätsel, als gefährliches und faszinierendes Netzwerk sozialer und räumlicher Beziehungen, die einer Entschlüsselung bedürfen. Und es sind die Kommissare, die die geheimen Geschichten der Stadt entwirren und sich wie selbstverständlich durch die unterschiedlichsten Milieus bewegen. Der Tatort präsentiert den urbanen Raum somit als fragmentiert und sozial differenziert. Gleichzeitig wird dieser Raum mit Bedeutung besetzt, sowohl durch die Ereignisse, die darin stattfinden als auch durch die Erfahrung der Bewegung zwischen den Räumen. Zur Illustrierung der Bewegungsmuster seien hier beispielhaft die zahllosen Autofahrten der Kommissare durch Straßen und Unterführun-
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gen, über Brücken und Stadtautobahnen oder vorbei an Industrie- und Hafenanlagen, Dom und Altstadt genannt. An dieser Stelle übernimmt das Fenster die Organisation des Räumlichen: der Blick aus dem Auto bestimmt zunächst den Handlungsort, wenn er wie zufällig bekannte Straßenansichten und Gebäude ins Visier nimmt. Darüber hinaus verdeutlicht er aber auch die Entfernung zum Zentrum und markiert damit sowohl eine Grenze als auch eine Form der Vermittlung zwischen Drinnen und Draußen. Die Bewegung ermöglicht dabei nicht nur, einen Ortswechsel anzuzeigen oder Köln als Großstadt zu inszenieren, sondern auch, das Auto als konspirativen Ort zu nutzen, um das Geschehen aus der Distanz zu kommentieren. Diese Visualisierung der Stadt markiert aber auch die Möglichkeiten und Grenzen der gewählten Form der Kamerabewegung: Bei der Horizontalfahrt gleitet die Kamera horizontal an einem statischen Bildinhalt vorbei. Während sich das Näherliegende sehr rasch im Bild bewegt und Wischeffekten unterliegt, verharrt das Entferntere in scheinbarer Ruhe. So bleibt etwa der Dom in der Distanz als Referenzobjekt erkennbar, während Straßenschluchten jegliche Orientierung verweigern und einen geordneten Blick unmöglich machen. Dennoch evoziert gerade diese Unordnung eine großstädtische Atmosphäre, die in dem Rauschen der Häuser und Menschen, der Farben und (nächtlichen) Lichter greifbar wird. Straßen werden also nicht wegen ihres topographischen Verweischarakters auf konkrete Orte in Köln gebraucht, sondern als bloße Signifikanten, die lediglich über ihre Visualität einen Bezug zur Großstadt unterhalten. Dadurch gerät die Straße jedoch zur bloßen Dekoration, die einen ansprechenden Rahmen für die Handlung gibt. Im Zuge der zahlreichen Ortswechsel wird in einem einzigen Film oft die ganze Stadt bereist, so dass der Raum auf eine schier unförmige Weise geweitet erscheint. Die komplexe räumliche Struktur der Stadt wird durch das Mittel der Bewegung in eine lineare Struktur übersetzt und im Handlungsverlauf prozesshaft konstituiert. Denn ein Bewegen im Raum bedeutet, Zeit zu brauchen, und das heißt auch, dass das Nacheinander von Eindrücken und differenten Bildern zu einem topographischen Erzählzusammenhang verschmolzen wird. Dabei stellen die filmischen Raumbeschreibungen zunächst räumliche Relationen dar, die in eine zeitliche Reihenfolge überführt werden. Die Stadt wird dann nicht mehr in Kilometern, sondern in zeitlichen Maßstäben vermessen. Gleichzeitig entwirft die filmische Raumdarstellung ein visuelles Bezugssystem, das die Komplexität der Stadt überschaubar und beschreibbar macht. Auf diese Weise konstituiert sich in der filmischen Realisierung ein Orientierungssystem, das auf den zu beschreibenden Raum projiziert wird. Referenzpunkte wie der Rhein und der Dom, die wiederholt in die Darstellung eingeflochten werden, dienen hier als Zentren der Orientie-
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rung innerhalb der filmischen Stadt. Sie stecken den visuellen Rahmen ab, der die Szenen trennt und verbindet. Die Funktion referenzieller Orte liegt dann nicht nur darin, den Handlungsort anzuzeigen, sondern auch darin, die Geschichten dramaturgisch und rhythmisch zu gliedern. Diese Form der Darstellung ermöglicht es zwar, den städtischen Raum ausgehend von einer begrenzten Anzahl von fest umrissenen Objekten und ihren Bildern zu erfassen und zu konstruieren. Die zurückgelegten Distanzen verlieren dabei aber jeden konkreten Charakter und sind weder berechenbar noch begreifbar. Der Eindruck der räumlichen Zusammengehörigkeit aller Schauplätze bleibt lediglich dadurch bestehen, weil referenzialisierende und metaphorische Orte im ständigen Wechsel und in kausaler Folge aneinander gereiht werden. Unabhängig von der Entfernung der Schauplätze untereinander wird die Stadt im Film so als Gesamterlebnis, als Einheit erfahren. Gleichzeitig kaschiert vor allem die Filmmusik räumliche und zeitliche Sprünge, indem eine musikalische Figur über den Schnitt hinweg gespielt wird. Diese »Klammerfunktion« (Kamp/Rüsel 1998: 45) ermöglicht die Verbindung disparater Bilder und erschafft dadurch einen Zusammenhang. Auf diese Weise wird ein durch den Schnitt erzeugter Ortswechsel oder Zeitsprung durch die Musik verknüpft und in der Erzählung als eindeutig zusammengehörig markiert (vgl. dazu auch Henecka 2002). Eine ähnliche Funktion übt die auditiv vermittelte Topographie der Stadt aus. Stichwörtern gleich, die den Rahmen einer Lokalisierung bieten, streuen die Filme Straßen- und Stadtteilnamen ein, die als geographische Zuordnungen erkennbar sind. Sie stiften Vertrautheit und Bezugspunkte für die Erzählung, wenngleich keine kohärente Darstellung der Stadt geliefert werden kann. Gleichwohl lässt sich auf diese Art und Weise eine Geographie konstruieren und legitimieren, die auf keinem Stadtplan zu finden ist. So mag man sich darüber wundern, dass ein Box-Club in Kalk, dem Arbeitervorort östlich von Deutz, einen direkten Ausgang zu den Poller Rheinwiesen nahe der Südbrücke hat (Das Phantom) – ein kreativer Umgang mit der Stadt fragt danach nicht. Eine solche Inszenierung des filmischen Raumes garantiert die eindeutige Identifizierung bzw. Semantik der Stadt über differente Räumlichkeiten hinweg. Indem aber die räumlich-zeitlichen Koordinationen und Maßstabsverhältnisse dabei verloren gehen, werden die Verbindungen innerhalb des Stadtraumes willkürlich. Sie folgen nur noch der inneren Logik der Erzählung. Insgesamt ist dann weder die relationale Anordnung oder die Vernetzung der Orte zueinander noch die innere Kohärenz einzelner Raumeinheiten oder Stadtviertel erfahrbar. Auffällig ist vielmehr die unmittelbare Nähe von heterogenen, widersprüchlichen Bereichen: von Armut und Reichtum, von Industrie und Grünflächen, von
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Fußgängerzone und Einfamilienhäusern. Mit einer einzigen Bewegung verändern sich so räumliche Strukturen und soziale Beziehungen. Wenn auch die einzelnen Teile noch geordnet erscheinen, so ist das städtische Ganze doch weitgehend dem Zufall überlassen. Und auch die Verdichtung der Handlungsführung kann diese Abwesenheit von Zusammenhängen nicht aufbrechen, sondern lediglich ein engmaschigeres Netz voneinander unabhängiger Räume schaffen. Der filmisch konstituierte Plan der Stadt bleibt auf diese Weise äußerst abstrakt und erscheint als ein kaum bestimmbares Netzwerk aus einzelnen Orten und den Verbindungslinien zwischen ihnen. Solange sich dieses Netz narrativ erklärt, ist jede Art von Wegführung plausibel wie auch ein jeder Handlungsort ohne Wieteres aus der Narration ausscheiden oder in sie eintreten kann (vgl. Pabst 2001b: 71). Die Stadt gerät auf diese Weise zu einem Gewebe, in der die sozialen Gegensätze und historischen Kontraste willkürlich zusammenfallen. Gleichzeitig erlaubt dies den Figuren, schnell und direkt von einem sozialen Umfeld zum anderen zu wechseln, um zugleich in verschiedenen und voneinander getrennten Welten zu agieren. Mit einem Schnitt verschwindet so eine nächtliche Rotlicht-Szenerie, um im nächsten Moment vor den Fassaden einer wohlhabenden Wohngegend ihre Fortsetzung zu suchen. Insgesamt bestimmen dann die Wechsel der Perspektiven, die Querverbindungen und Kontraste zwischen verschiedenen Räumen, die Bewegungen der Figuren sowie die Montage von Kameraeinstellungen mit unterschiedlichen Standpunkten die filmische Inszenierung der Stadt. Die dramaturgische Konzentration und Funktionalisierung des Raums ermöglicht also einerseits eine enorme Differenzierung und Gestaltung einzelner Teile der Stadt. Andererseits wird aber auch all das zurückgewiesen, was nicht handhabbar ist und der funktionalistischen Ordnung entgegen läuft. Diese Art der filmischen Strukturierung der Stadt kann mit dem Deleuzeschen Begriff des »beliebigen Raumes« in Verbindung gebracht werden: »Ein beliebiger Raum ist keine abstrakte Universalie jenseits von Zeit und Raum. Es ist ein einzelner, einzigartiger Raum, der nur die Homogenität eingebüßt hat, das heißt das Prinzip seiner metrischen Verhältnisse oder des Zusammenhalts seiner Teile, so daß eine unendliche Vielfalt von Anschlüssen möglich wird« (Deleuze 1997: 153).
Die Montage schafft also räumliche Nähe, wo die verschiedensten Schauplätze stilistisch und historisch oft weit auseinander liegen, schafft imaginäre geographische Zusammenhänge, die es so nur im Film geben kann. Auf diese Weise eröffnet sich eine neue, filmische Topographie der Stadt, ein synthetischer Raum, der unterschiedlichste Bedeutungen
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und Qualitäten zu einer kohärenten Einheit zusammenführt. Die Stadt wird zum bloßen Ort des Möglichen, der singuläre, qualitative Bedeutungen aneinandergereiht re-präsentiert. Dargestellt und wahrgenommen werden einzelne atmosphärische Qualitäten, die gezielt inszeniert und beliebig kombiniert werden. Jegliche städtische Komplexität oder gar Totalität im Sinne eines sinnvollen Ganzen geht verloren. Die räumliche Organisation und Strukturierung der filmischen Stadt ist konstruiert. Noch einmal Deleuze: »[Der beliebige Raum] hat keine Koordinaten mehr, er ist reines Potential, er zeigt sich nur in reinen Vermögen und Qualitäten, die unabhängig von Zuständen oder Umständen sind« (ebd.: 166f.). Im filmischen montierten Raum zeigt sich deutlich, wie sehr der Raum den Vorgaben seiner Einschreibungen und vor allem seiner Auslassungen unterworfen wird. Die Kamera liefert einen Blick auf einen an sie selbst angepassten und durch sie konstituierten Raum, der pragmatisch und bedürfnisorientiert organisiert wird. Auf diese Weise erhält die Welt vor der Kamera ein neues Gesicht, eine andere Bedeutung, die durch das filmisch Abgebildete konstituiert wird. Gleichzeitig können sowohl Zeitbezüge als auch räumliche Beziehungen, Assoziationen und Anschlüsse, die im aufgenommenen Material so nicht vorhanden sind, durch die Montage visualisiert werden. Damit beweist die imaginative Geographie hier ihre ganze Wirksamkeit.
Verortung des Verbrechens In diesem letzten Abschnitt soll nicht mehr die narrative Entfaltung räumlicher Zusammenhänge im Licht der Verbrechen stehen, sondern die Verortung der konkreten Verbrechen. Wie geht der Tatort mit der Komplexität einer Stadt um? Wie wird der städtische Raum verhandelt und wie wird die Kriminalität lokalisiert? Die räumliche Verteilung der TatOrte lässt ein Schema erkennen, das vor allem Ausschlüsse anzeigt: kein rechtsrheinisches Köln, kein Zentrum, aber auch keine Peripherie. Die Tat-Orte haben somit eines gemeinsam: sie geben nicht einen Einblick in die Stadt, sondern in einen Teil davon. Die deutliche Zweiteilung der Metropole entlang des Rheins lässt eine geordnete, übersichtliche Situation zurück, die der Urbanität zu widersprechen scheint. Auf der einen Seite also die vielen Möglichkeiten der Verortung, auf der anderen Seite die tatsächlich im Film enthaltenen Tat-Orte. Die Reduktion der Stadt auf die linksrheinischen Viertel, die sich konzentrisch um eine unangetastete Mitte bewegen, bestätigt somit das handlungsungebundene filmische
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Zentrum ebenso wie die scheinbar beliebige Streuung der handlungsgebundenen Stadtteile und -viertel, in denen die Verbrechen spielen. Die skizzierte Verortung des Verbrechens erscheint in einem anderen Licht, wenn man die Hintergründe der Verbrechen in Betracht zieht und danach fragt, welche räumliche Verflechtung die Verbrechen im Kontext ihrer Motive und Ursachen gestalten: Manila, Kolumbien, Angola, Russland, Niederlande, Belgien, Leipzig, Aachen und das Rheinland liefern die Kontexte für die Kölner Kriminalfälle. Der narrative Raum erscheint hier mit einem Mal enorm geweitet, so dass der Tatort eine globale Dimension annimmt. Wie verfährt nun aber der Tatort mit dieser Internationalisierung von Verbrechen? Zum Teil führen die Ermittlungen die Kommissare weit über die Stadtgrenzen hinaus, um die weit verzweigte Organisation der Kriminalität aufzudecken. Für die Aufklärung des Falls in Manila spielt Köln dann fast keine Rolle mehr. Im Wesentlichen wird jedoch in der Rheinmetropole gearbeitet, um gerade dadurch die überregionale Verortung der Verbrechen plausibel zu machen. So wird im Falle von Minenspiel eine Topographie lokal greifbarer globaler Strukturen entwickelt, indem der Plot die Praxis der Landminenproduktion in Köln mit Räumen des Widerstandes verknüpft. Auf diese Weise bietet Köln den Raum für eine Lokalisierung überregionaler Verbrechen. Diese globale Struktur des Tatort lässt nun zweierlei Schluss zu: Einerseits wird die Kriminalität exterritorialisiert, d.h. die Verbrechen finden zwar in Köln statt, ihr Anstoß bzw. ihre Ursachen liegen jedoch weit außerhalb der Stadt (vgl. auch Guder 2003: 203f.). Dadurch wird dem Verbrechen ein ferner und fremder Platz zugewiesen, der immer mal wieder in Köln hineinragt. Die Projektion der Kriminalität nach außen geht dann mit einer passiven Rolle Kölns einher, wobei die Stadt den fremden Einflüssen hilflos ausgeliefert ist. Andererseits zeigt sich hier eine Globalisierung der Kriminalität, wobei Köln lediglich einen aktiven Schauplatz des Verbrechens darstellt. In dieser Perspektive verweisen die Verbrechen über sich selbst hinaus und stellen komplexe Bezüge zu gesellschaftlichen, politischen und sozialen Themen her. Gleichwohl werden auch hier die inneren Konfrontationen und Konflikte der Stadt externalisiert. Die Tatorte zeigen also insgesamt eine räumliche Asymmetrie: Während die Geschichten fast zur Gänze in Köln angesiedelt sind, liegen die Ursachen der Verbrechen weit verstreut. Formal übersetzt sich diese Diskrepanz in die Darstellung einer eng umgrenzten und wohlbekannten Welt aus familiären Beziehungen und alltäglichen Ordnungen, die sich der unbekannten Fremde als Leerstelle bedient und als negative Fluchtund Gegenpunkte imaginiert. Das bedeutet dann auch: Wenn von Köln überhaupt noch als Ort des Verbrechens gesprochen werden kann, dann
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ist die Stadt hier doppelt, ja widersprüchlich besetzt, indem sie einen groben Unterschied eines globalisierenden und wenig ortsgebundenen Argumentierens im Rahmen der Verbrechenskontexte gegenüber einer deutlichen orts- und zeitgebundenen Ordnung der Tat-Orte und der sozialen Milieus, die das Verbrechen auszugrenzen suchen, markiert – eine Beobachtung, die der lokalen Verankerung des Tatort zuwider zu laufen scheint.
Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse In diesem Kapitel konnte gezeigt werden, dass die Art, in der die Stadt im Kriminalfilm erzählt wird, bestimmte Perspektiven und Sehwiesen bereitstellt, um eine geographische Imagination zu strukturieren. Der Kriminalfilm ist ein Genre, das sehr stark durch seine Raumkonventionen geprägt ist. Die Gestaltung von Räumen ist somit als ein wichtiges filmisches Darstellungsmittel zu verstehen, das bestimmte dramaturgische Funktionen erfüllt. Die Raumdarstellung gelangt dann dort an ihre Grenzen, wo die mediale Darstellung an genrespezifische Mittel und Konventionen zurückverwiesen ist. So vermittelt der urbane Raum zunächst vielfältige Gesichtspunkte einer städtischen Komplexität und Differenzierung. Dabei fungieren räumliche Zeichen in durchaus unterschiedlicher Weise: Sowohl als städtische Attraktionen im Sinne von Aufmerksamkeitszeichen wie auch als Narrationen bestimmter Bedeutungsstrukturen, als Erzählungen über die Stadt. Andererseits scheint die formale Organisation diese urbane Heterogenität und Fülle zu bändigen und der strukturellen Geschlossenheit des Erzählens unterzuordnen. Die filmische Darstellung räumlicher Identität im Kölner Tatort hat mit vielfältigen Formen der Verankerung, Positionierung und Verortung zu tun, sei es anhand von sozialen Gruppen- und Nationenbildern oder geographischen Raumzuschreibungen. Diese Darstellungen beziehen sich auf soziale und kulturelle Normen und Werte, so dass sie als Komponenten eines komplexen Zeichensystems aufzufassen sind und als Bedeutungsträger fungieren. Die getroffene Perspektive auf eine Stadt lässt den ausgegrenzten Bereich besonders groß werden, da andere sinnstiftende Ebenen zur Identifikationsmöglichkeit fehlen und nur die lokalen Bindungen funktional eingebunden werden können. Daraus resultiert einerseits eine Übertreibung der emotionalen Positiv-Bewertung der städtischen Stereotype, andererseits wird Unübersichtlichkeit bewusst reduziert, indem das Fremde, das Neue und Unbekannte ausgegrenzt oder abgelehnt wird. Die Repräsentation Kölns umfasst somit zwei durchaus ge-
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gensätzliche Phänomene. Nach innen gerichtet konstruiert sie eine Identifikation oder Verbindung mit der Stadt, die durch einen gemeinsamen Symbolvorrat und spezifische Verhaltensregeln, Normen und Rituale gekennzeichnet ist. Nach außen gerichtet werden kulturelle Stereotype verwendet um Differenzen und Grenzen zu anderen Städten und Regionen zu konstruieren. Der Einsatz von bekannten Stadtansichten, die Standardisierung und Schematisierung der Handlungsorte, die Selektion und Dramatisierung von Ereignissen haben insgesamt einen Raum entworfen, der sich um eine fortlaufende Polarisierung zwischen Eigenem und Fremden und um eine Typisierung des Sozialen organisiert. Die filmische Stadt gerinnt dabei zu einer Konstruktion, zu einer geographischen Imagination, die einen Zusammenhang von Geschichten und Vorstellungen, Landschaften und Szenarien, geschichtlichen Ereignissen und Deutungen, städtischen Symbolen und Ritualen darstellt, auf dessen Basis sowohl eine eindeutige Abgrenzung nach außen als auch eine Nivellierung von internen Unterschieden möglich wird. Der Kölner Karneval, der Dom und der Rhein, der Rekurs auf die Kulturmetropole, die Messestadt und den Filmstandort, die Mythen von der rheinischen Frohnatur und der dörflichen Millionenstadt – diese Repräsentation Kölns ist das Raster, das der Tatort über die Stadt legt. Betont werden Ursprünge, Kontinuität und Zeitlosigkeit einer städtischen Identität, die als Konstruktion entlarvt werden muss. Diese Häufung regionaler Labels legt eine Lesart nahe, die im Tatort ein eher grobes Bemühen erkennen lässt, fast alles mit einer starren Fokussierung auf die städtischen Stereotype zu betrachten. In den Geschichten selbst ist der regionale Charakter hingegen nur von untergeordneter Bedeutung. Die Stereotype sind zunächst narrative und ästhetische Muster, die im filmischen Material beobachtet werden können. Sie werden jedoch dort zu Klischees, wo sie bereits bewährte Lösungen wiederholen, variieren und zu einer stabilen Struktur prognostizierbarer Schemata verfestigen, ohne auf narrativer oder formaler Ebene eigene und kreative Lösungen zu entwickeln. Dadurch laufen die immer gleichen Stadtansichten und -images Gefahr, sich in fixierte Bilder, in »Visiotypen« (Pörksen 1997) zu verwandeln und ein festes Muster filmisch erzeugter Bilder der Stadt zu begründen. An dieser Stelle wechselt dann die Repräsentation in bloße Distanz: Das Geschehene, der Abdruck des Realen wird zu einer operablen Größe verdinglicht, seine Komplexität wird reduziert und zum eigentlichen Handlungsträger erhoben. Die Stadtdarstellung im Tatort erweist sich damit insgesamt als schwieriges und paradoxes Verhältnis zwischen dem Bemühen um Authentizität einerseits und der Inszenierung städtischer Individualität andererseits. Während die untereinander unverbundenen Schauplätze der
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Stadt die Dissonanzen und die Komplexität der Handlungen steigern, wirken die Filme dahingehend, sie auf Gegensätze und Stereotype zu reduzieren, um eine einfache Lesbarkeit der filmischen Stadt zu ermöglichen. Am Ende steht dann ein konstruiertes System mit labilem Gleichgewicht, das beständig Gefahr läuft, sich in entgegengesetzte Richtungen aufzulösen: in eine Aneinanderreihung isolierter Szenen oder in eine aufdringliche, lieblose Zurschaustellung lokaler Klischees, die versucht, jene wieder zusammenzufügen.
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ZUR
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Ein Blick hinter die Kulissen des Tatort soll im Folgenden zeigen, wie die Inszenierung der Stadt und die Auswahl und Koordination der Drehorte unter spezifischen finanziellen und inhaltlichen Bedingungen funktioniert. Es ist ein Blick, der in die Materialität der filmischen Räume vordringt und Verbindungslinien zwischen den Repräsentationsstrategien und den ökonomischen und ästhetischen Prozessen aufspürt. So erfolgt die Selektion bzw. Konstruktion der Schauplätze nicht beliebig oder zufällig, sondern nach Kriterien, die es zu ermitteln gilt. Es stellt sich somit die Frage, welche Mechanismen einen möglichst reibungslosen und effizienten Produktionsablauf garantieren, und welche Voraussetzungen die materielle Textur des Raums erfüllen muss, um sowohl die geforderten Motive und Handlungen als auch die thematisierte Stadt zu vermitteln. Auf diese Weise lässt sich eine Geographie des Fernsehens nachzeichnen, die sich über die dynamische Beziehung von ökonomischen, narrativen und ästhetischen Vorgaben und materiellen Möglichkeiten und Gegebenheiten konstituiert. Dabei eröffnet die gewählte Perspektive auf die Produktionspraktiken und Entscheidungsstrategien nicht so sehr die Aussicht auf eine eindeutige Identifizierung eines bestimmten Gegenstandes, die den Gradmesser für den Realitätsgehalt des Tatort vorgibt, sondern vielmehr die Möglichkeit einer differenzierten Betrachtung der eingesetzten Stilmittel und Entscheidungsgrundlagen, die diesen Gegenstand mehr oder weniger inszeniert erscheinen lassen.
Allgemeine Produktionskontexte des Tatort Bis am 5. Oktober 1997 der erste Kölner Tatort des Westdeutschen Rundfunks (WDR) auf Sendung gehen konnte, waren viele organisatorische, inhaltliche und technische Aufgaben zu bewältigen. Grundlegend für das neue Reihenkonzept ist bis heute die Teamarbeit zwischen der WDR-Redaktion und der Filmproduktionsfirma Colonia Media, die die 175
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Themen gemeinsam entwickeln und betreuen. In der Regel entstehen vier Kölner Tatorte pro Jahr, wobei die Produktionen auf zwei Drehphasen im Frühjahr und Herbst aufgeteilt sind. Gleichwohl gilt jeder Film als selbständige Produktion hinsichtlich Kalkulation, Vorbereitung und Durchführung. Entsprechend des zeitlichen Ablaufs der Produktion lassen sich prinzipiell drei Inszenierungsphasen unterscheiden, die eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen: die Prä-Produktion, die Produktion selbst und schließlich die Post-Produktion. Mit Blick auf die Prä-Produktion von medial vermittelten Aussagen ist vor allem der Prozess der Inhaltsentwicklung zentral: Dazu gehört das Erstellen eines Drehbuchs und die Erfassung inhaltlicher Vorgaben, die Sicherstellung der Finanzierung sowie die Zusammenstellung des ausführenden Teams. Aber auch das Festlegen von Spielorten und Figuren gehört in diese Phase der Produktion, wobei der Grad an Gestaltung, der auf die Drehorte und Motive ausgeübt werden kann, von unterschiedlichen Faktoren abhängt. Generell ist ein Dreh im Studio weniger störungsanfällig als ein Außendreh oder spontan ausgewählte Spielorte, für die erst noch eine Drehgenehmigung eingeholt werden muss. Die Produktionsphase selbst umfasst sämtliche Etappen des Drehs inklusive Tonaufnahmen vor Ort, wobei die Gestaltungsmöglichkeiten im Wesentlichen davon abhängen, ob das Abzufilmende eigens für die Dreharbeiten gebaut, eingerichtet und aufbereitet wurde oder nicht. In die Phase der Postproduktion fällt alles, was die einmal gedrehten Filmsequenzen zur Ausstrahlung im Fernsehen bringt. Dazu zählen die selektive Auswahl der gemachten Aufnahmen und die Nachbearbeitung von Bild- und Tonmaterial. Schließlich werden die einzelnen Aufnahmen am Schneidetisch zusammengefügt, mit Off-Tönen, Einblendungen und Untertitelungen versehen und eventuell um Archivaufnahmen ergänzt. Jeder Film entsteht aus einer fruchtbaren Mischung von Talenten, Künstlern und Persönlichkeiten. Vor allem Regisseur, Szenenbildner, Kameramann, Locationscout und Cutter teilen sich in unterschiedlichem Maß die Verantwortung für die Gestaltung eines Films. Die Produktion einer Fernsehsendung erfordert also das Zusammenwirken vieler unterschiedlicher Aufgabenbereiche, weshalb eine Vielzahl an Schnittstellen zu koordinieren ist. Das zentrale Merkmal des Produktionssystems zur Herstellung eines Tatort liegt in der konsequenten Aufteilung der Aufgabenbereiche und deren weitgehende Auslagerung auf unabhängige Einzelpersonen, die nur für die Dauer ihres Einsatzes angestellt werden und auf einen Tätigkeitsbereich spezialisiert sind. Das Produktionssystem ist dadurch ausgesprochen flexibel und orientiert sich an den Erfordernissen der einzelnen Sendung. Durch die überwiegend befristete Anstellungs-
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dauer lassen sich für die ausführenden Unternehmen Ersparnisse bei den Personalkosten und eine erhebliche Reduzierung der Fixkosten erreichen. Der kreative Stab und das Produktionsteam werden meist für jeden Film, zumindest aber für jede Produktionsphase, neu zusammengestellt. Dabei arbeiten Szenenbildner und Regisseure jedoch immer mit Leuten zusammen, mit denen sie in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht haben. In der Regel wird ihnen vertraglich zugesichert, das Team nach eigenen Wünschen zu gestalten, so dass sich insgesamt eine gewisse Kontinuität in den Arbeitsbeziehungen und der filmischen Gestaltung einstellt. Um innerhalb des festgesetzten Budgets zu bleiben, ist die Produktion an einen schnellen und effizienten Produktionsablauf gebunden. Deshalb ist die Praxis üblich, Szenen unabhängig von ihrer narrativen Abfolge aufzunehmen. Ein Drehplan verschafft hier die nötige Übersicht und stellt die Drehtage und Drehorte nach ökonomischen Gesichtspunkten zusammen. Versteht man Kostenminimierung als ein wesentliches Ziel bei der Erstellung von Drehplänen, so bieten sich Gagen und Drehorte als Angriffspunkte besonders an. Deshalb wird einerseits versucht, die Drehtage der Schauspieler zu minimieren, indem man möglichst viele Einstellungen mit Nebendarstellern auf einen Drehtag und die Drehtage der Hauptdarsteller auf aufeinander folgende Tage legt. Andererseits werden alle Innen- und Außendrehs, die zu einem Drehort gehören, aus der Chronologie der späteren Filmerzählung herausgenommen und hintereinander abgedreht. Dabei ist eine sinnvolle und effiziente Kombination von Tages- und Nachtdrehs zu berücksichtigen, um der Lichtsituation der einzelnen Bilder sowie den Arbeitszeiten des Teams Rechnung zu tragen. Wenn ein Film nicht nur in einer Stadt, sondern an mehreren Orten gedreht wird, ist zudem eine genaue Reisorganisation notwendig, um Kosten und Aufwand für An- und Abreise, Unterbringung und technisches Equipment zu berücksichtigen. Der optimale Drehplan stellt dann einen Kompromiss zwischen Nutzen und Kosten der Drehorte und Schauspieler dar. Dennoch ist der Produktionsprozess eines Spielfilms im Voraus nur schwer berechenbar, da an den Außenschauplätzen immer mit wechselnden Wetterverhältnissen und externen Störungen gerechnet werden muss. Für die erfolgreiche Durchführung einer Filmproduktion ist eine sorgfältige Organisation der Arbeiten notwendig. Dazu gehört auch, dass für alle Drehorte die Drehgenehmigungen der zuständigen Behörde, Firma oder Privatperson eingeholt und vertraglich festgehalten werden. Vertragsinhalte sind Ort, Datum, Dauer der Dreharbeiten sowie die Höhe der Motivmiete.
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Die Inszenierung der Stadt aus Sicht der Filmemacher Es soll nun die Aufmerksamkeit auf die konkrete räumliche Gestaltung im Tatort gelenkt werden. Aufzuspüren gilt, welche Raumdefinitionen und Drehortentscheidungen in den einzelnen Produktionsabteilungen vorgenommen werden und welchen Kriterien und Zwängen diese Festschreibungen unterliegen. Auf diese Weise wird ein Prozess nachgezeichnet, in dem sich das Drehbuch nach und nach den materiellen Bedingungen des Produktionsortes unterwirft und sich über konkrete Drehorte ein Bild der Stadt konstituiert.
Vom Drehbuch zum Drehort Für den Kölner Tatort zeichnen zwei Produktionsteams verantwortlich, welche die Themen und Inhalte der Reihe betreuen. Dies bedeutet zunächst, dass beide Teams bestimmte Rahmenbedingungen hinsichtlich Figurenentwicklung und Nebenhandlungen einhalten müssen und sich untereinander entsprechend zu koordinieren und abzusprechen haben. Dies bedeutet aber auch, dass zwei völlig selbständig agierende Redaktionen die Themen und Verantwortlichen bestimmen: »Zur Hälfte arbeiten wir mit sehr erfahrenen Leuten, z.B. Hinter und Kanz, die immer wieder Tatorte schreiben, wobei diese erfahrenen Autoren eher bei Frau Goslicki angesiedelt sind. Katja de Bock und ich – also quasi das junge Team – müssen immer wieder neu anfangen. Da baut sich jetzt so langsam, nach vier, fünf Jahren, ein kleiner Autorenstamm auf« (Interview Scheib, Produzentin der Colonia Media).
Das Zitat betont hier nicht nur die Teilung der Produktion, sondern legt auch eine erste gestalterische Konsequenz offen: Die Akquirierung neuer Autoren erfolgt im nationalen Kontext, so dass viele der Autoren nicht aus Köln kommen. Gerade in dem jungen Team mit wechselnden Leuten wird dann die Stadt immer wieder neu entdeckt und erst beim Schreiben selbst entworfen: »Wenn ein Berliner das Drehbuch schreibt, dann steht da überall xxx-Straße und xxx-Platz, da er Köln nur ein bisschen kennt und die Szenen nicht an eine bestimmte Adresse knüpfen kann. Im Buch steht dann: Ballauf kommt aus der U-Bahn und da muss dann ein Platz sein oder eine Telefonzelle, damit er einen Anruf bekommen kann, oder eine Postfiliale. Das müssen wir dann entweder
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bauen oder nachstellen oder was Passendes finden« (Interview De Bock, Redakteurin des WDR).
Wie lässt sich dieses »was Passendes finden« nun näher bestimmen? Gehen wir zunächst einen Schritt zurück. Am Anfang eines jeden Films steht die stoffliche Idee, die von den Redakteuren, Autoren, und Produzenten gemeinsam entwickelt wird. Bei der Ausgestaltung der Drehbücher entfaltet sich dann über mehrer Stufen aus dem Thema die Idee zu einer spannenden Geschichte. Zunächst ist da ein erster Plot, in dem die Geschichte auf einer Seite zusammengefasst wird, bevor ein Exposé entstehen kann, in dem Figuren und die Charaktere angedeutet und der grobe Handlungsablauf vorgezeichnet wird. Nach mehreren Überarbeitungen und Ergänzungen liegt dann ein sogenanntes Treatment vor, das schon genau festhält, wo was stattfindet und wie sich die Figuren und Handlung konkret herausbilden. Die Dialoge werden schließlich für das Drehbuch ausgearbeitet, um eine fertige Vorlage des Krimis für die Dreharbeiten zu liefern. Erst an dieser Stelle ist die eigentliche Dramaturgie des Films über den Verlauf der Handlung, über die Charakterisierung von Täter(n) und Opfer(n) sowie über die Beschreibung sozialer Milieus ausgestaltet. Ein Drehbuch liefert dabei den Ablauf der Handlungen nach Schauplätzen, wobei erzählerische und visuelle Elemente getrennt beschrieben werden. Während die Dialoge meist schon fertig ausgearbeitet sind, werden die Schauplätze wenig detailliert skizziert und noch an keinen konkreten Drehort gebunden. Es genügt zunächst eine Etikettierung der Motive nach Art, Funktion und Milieu. Neben der Entwicklung der Stoffidee benötigt die Tatort-spezifische Dramaturgie ihre Ausarbeitung. Das bedeutet, dass jede Geschichte der vorgegebenen Länge von 85-88 Minuten angepasst werden, dem Seriencharakter entsprechen und die Standardfiguren und -schauplätze bedienen muss: »An sich habe ich überhaupt keine festen Vorgaben. Was ich einhalten muss, ist, dass die Geschichte in 90 Minuten erzählt wird, es muss einen Mord am Anfang geben, möglicherweise noch einen weiteren in der Mitte; die beiden Kommissare Ballauf und Schenk müssen bis zu 80% der Handlung die Hauptfiguren sein, mit denen wir als Zuschauer mitgehen und mit ermitteln und mitraten. Der Blick ins Milieu, in das Leben der Gastfiguren, ist in der Regel weniger stark ausgeprägt« (Interview De Bock).
Den wesentlichen Ausschlag für die Gestaltung des Drehbuchs geben also zunächst die Hauptfiguren, um die herum sich die Geschichte aufspannt, und der typische Krimiplot mit Mord, Detektion und Auflösung.
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Wie die Produzentin Sonja Goslicki jedoch betont, spielt gleichwohl die Funktionalisierung des Raums bereits zu Beginn eine Rolle: »Den Autoren wird vorgegeben, dass das Präsidium auf jeden Fall mehrmals auftauchen muss, auch aus Kostengründen, weil wir das ja mieten müssen. Dann gibt es Szenen, die man ins Drehbuch reinschreibt: Köln muss immer über die Optik zu identifizieren sein, also über den Dom, die Brücken, die anderen Kirchen« (Interview Goslicki, Produzentin der Colonia Media).
An dieser Stelle wird deutlich, wie redaktionelle Vorgaben und Dramaturgie Hand in Hand gehen. Die ersten, zentralen Koordinaten der filmischen Stadt liegen somit bereits vor dem Schreiben der Geschichte fest, ja sie müssen sogar als feste Punkte im Spannungsaufbau Berücksichtigung finden: Präsidium, Rheinpromenade und Kirchen bilden den notwendigen Rahmen einer jeden Geschichte und geben so wesentliche Handlungen, Bewegungen und Schauplätze vor. Auf der anderen Seite definiert das Drehbuch die übrigen Motive und Kulissen sowie die Verknüpfung und Gewichtung aller Schauplätze über eine klare Einbindung in die konkrete Geschichte. Die visuelle Ausgestaltung der Motive obliegt jedoch den Regisseuren und Szenenbildnern: »Natürlich gibt der Autor Locations vor, die sind aber nicht 100%-ig bindend. Wenn der Regisseur das Buch liest, hat er ja eine ganz bestimmte Vorstellung wie er den Stoff umsetzen will« (Interview Goslicki).
Die filmfertige Gestaltung der Schauplätze beginnt in der Produktionsvorbereitung mit Besprechungen zwischen Regisseur und Szenenbilder, in denen das kreative Grundkonzept und jede einzelne Drehbuchszene des Films gemeinsam entwickelt wird. Ziel dieser fortlaufenden Diskussionen ist nicht nur, Entscheidungen auf dem Set vorwegzunehmen und den Produktionsablauf reibungsloser zu gestalten. Es bietet sich auch die Möglichkeit, visuelle und narrative Ideen zu entwickeln, bevor das Drehen beginnt. Auf diese Weise lassen sich dramaturgische Schwerpunkte einer Szene, stilistische Optionen und die Inszenierung von Dialogen einschätzen. Auch wenn der Regisseur die Bildsprache eines Films wesentlich bestimmt und konkrete Vorstellungen für die Gestaltung des Szenenbildes hat, so ist doch der Szenenbildner mit seinen Mitarbeitern für die Entwicklung und Umsetzung des visuellen Konzepts zuständig. Neben dem Entwurf und der Gestaltung des Gesamtstils, der in Sets, Requisiten und Kostümen zum Ausdruck kommt, kümmert er sich weitgehend um die Einstellungsfolge und die dynamischen Elemente der Filmgestaltung.
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Der Szenenbildner entwirft so nicht nur das Aussehen von Set, Kostümen, Ausstattung und Requisite, sondern vor allem das, was an den Drehorten angefertigt, verändert, abgedeckt und beschafft werden muss, um die Motive für den Film zu präparieren. Dabei ist grundsätzlich zu klären, welche Voraussetzungen ein Motiv erfüllen und was für einen Handlungsstrang das Motiv bedienen muss. So muss beispielsweise in einer Szene ein See in der Nähe oder ein Garten vorhanden sein oder es müssen Autos vor eine Gaststätte fahren können, weil dort ein Teil der Szene spielt. Das szenische Arrangement stellt somit die wichtigste Anforderung an das Motiv, die über bloße Optik und Dramaturgie hinausgeht. Entscheidend ist vielmehr, dass das Produktionsteam mit möglichst wenig Abstrichen die jeweils geforderte Szene an und mit dem Motiv optimal umsetzen kann. Der Locationscout Frank Meter fasst dies so zusammen: »Grundsätzlich ist es wichtig, ein Motiv zu haben, das den Leuten, die am Set arbeiten, so wenig Einschränkungen wie möglich gibt. Je mehr Freiheiten man hat und je unabhängiger man vom Tageslicht und vom Lärm ist, desto besser ist das Motiv« (Interview Meter, Locationscout).
Die szenische Gestaltung steht also vor der Aufgabe, das Drehbuch in Visualität zu übersetzen, d.h. die dramatische Struktur durch technische und ästhetische Mittel an den geeigneten Drehorten umzusetzen. So müssen auch scheinbar gewöhnliche Orte oder Innenräume einen bestimmten gestalterischen Zweck erfüllen, um den Notwendigkeiten der Handlung Rechnung zu tragen. Generell lassen sich Erzählungen nur dann auf visueller Ebene eines Films vermitteln, wenn sich inhaltlich geforderte Motive der Handlung und idealtypische Situationen (lebendiges Straßenbild, Villenviertel o.ä.) über die Symbolisierung mit Hilfe von Räumen und Bauwerken ausdrücken lassen. Die Motive sind somit als materieller Niederschlag der geforderten Semantik zu verstehen, die den Raum und die Handlung strukturiert. Wesentlich ist aber, dass auch die Charaktere und ihr Innenleben in äußerer Handlung dargestellt und visuell verdichtet werden müssen. Die Schauplätze müssen also immer auch die psychologische Verfasstheit der Figuren unterstreichen. Die Orte, an denen die Figuren agieren, sind also nicht einfach nur eine Kulisse im Sinne einer neutralen Umgebung. Die Schauplätze erzählen immer auch die Personen und die Stimmung der Geschichte, der sie dienen: »Man ist ja an das Thema gebunden und dann orientieren sich die Ästhetik und auch die Drehorte vor allem an dem Milieu, in dem man sich bewegt. […] Man sucht also die Drehorte nach den Figuren aus: Wo würde die Figur wohnen,
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oder wie; in welches Restaurant würde sie gehen. Das ist ja unterschiedlich, je nachdem ob ich einen Manager, eine Krankenschwester oder einen Obdachlosen oder Lehrer habe« (Interview Przybylski, Kameramann).
Grundsätzlich ist also wichtig, dass die Motive innerhalb des dramaturgischen Rahmens funktionieren und in ihrer Charakteristik zu der Geschichte und zu den Figuren passen. Das Drehbuch bestimmt somit zunächst die Figuren mit ihren Hobbies und Eigenarten, die dann in ein räumliches Pendant übersetzt werden müssen. Schauplätze wie »hübsche Villa mit Vorgarten« oder »Straßencafé mittlerer Preisklasse« sind jedoch vielerorts realisierbar. Der Entscheidung, genau diesen oder jenen Drehort zu wählen, geht daher ein Selektionsprozess voraus, der dann ein Motiv als am besten geeignet erscheinen lässt, um es mit der Geschichte, den Figuren und dem Milieu zu verbinden. Drehorte sind somit Orte, die dem Film dienlich gemacht werden und das bedeutet grundsätzlich, dass sie dem Inhalt und den Motiven der Geschichte nachgestellt und untergeordnet sind: »Im Drehbuch steht z.B., dass ein Typ Vögel züchtet und dann sucht man sich ein Gebiet wo es Wohnungen mit ein bisschen Grün gibt oder Schreberanlagen und geht ganz gezielt in diese Viertel« (Interview Meter).
Für die Außenaufnahmen suchen zunächst die Locationscouts nach geeigneten Motiven. Diese Aufgabe erfüllt zwei Funktionen: Erstens wird der Regie und der Ausstattung schon früh ermöglicht, ihre Ideen in Bilder fassbar zu machen und sie in mehreren Phasen zu bearbeiten. Zweitens zeigen die Motivvorschläge die äußere Umgebung der Drehorte und die räumlichen Verhältnisse der zu realisierenden Szene, um auf anschauliche Weise eine Verständigung über Stimmungen und Inhalte innerhalb des Produktionsteams zu gewährleisten. Die Locationscouts beachten bereits bei der Motivsuche einige grundlegende Prämissen, um eine Vorauswahl zu treffen, die sich an den finanziellen, narrativen und ästhetischen Vorgaben orientiert. Dazu gehören etwa: Einheitlichkeit des Baustils, visuelle Besonderheiten des Motivs, Licht- und Tonverhältnisse, räumliches Umfeld und räumliche Anschlüsse sowie Strom- und Wasseranschluss, Parkmöglichkeiten, Erreichbarkeit und Zufahrtswege. Es sind also ganz oft pragmatische Gründe, die über die Motivauswahl entscheiden: »Wichtig ist, ob das Motiv überhaupt drehbar ist, d.h. ist genug Platz vorhanden, liegt es im Erdgeschoss, um für viel Technik und schweres Equipment erreichbar zu sein. Dann ist wichtig, dass das Motiv in einer verkehrsgünstigen
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Situation liegt, d.h. es muss a) für die Produktion bezahlbar sein und b) gute Drehbedingungen ermöglichen, darf also beispielsweise nicht an einer Autobahn oder Flughafen liegen. Schließlich muss die finanzielle Vergütung des Hauseigentümers geklärt werden« (Interview Feil, Locationscout und Requisiteur).
Im Anschluss an die Motivsuche gehen Szenenbildner, Regisseur und Kameramann gemeinsam zu den ausgewählten Drehorten, um die Handlung der Szenen in möglichen Blickwinkeln, Einstellungen und Bewegungen direkt am Motiv zu konkretisieren. Bei diesen Motivbesichtigungen werden die technischen und stilistischen Vorstellungen mit den Gegebenheiten des Schauplatzes abgeglichen und über die Verwertbarkeit der Motive entschieden. Am Ende dieses Prozesses ist eine Auswahl getroffen, die der Geschichte und den Vorstellungen der Filmemacher entspricht. Häufig müssen die Motive noch verändert werden, um den Anforderungen der Regie gerecht zu werden. So sind eventuell Einrichtungsgegenstände zu beschaffen, Maler- und Schreinerarbeiten zu verrichten oder Dekorierungen der Fassaden und Grundstücke vorzunehmen. Es ist Aufgabe der Ausstattung und Requisite, die Motive so zu gestalten, dass eine inhaltlich und stilistisch passende Umgebung geschaffen wird, in der die geforderten Szenen und sämtliche technischen Anforderungen von Kamera und Ton durchführbar sind. »Die letzte Entscheidung über die Drehorte trifft der Regisseur. Meist ist es aber eine Zusammenarbeit zwischen Szenenbildner, Regisseur und Kameramann. Die überlegen sich dann zusammen erst mal ein Gesamtkonzept für den Film und gucken, was der Film überhaupt für eine Stilistik und Ästhetik hat. Das fängt bei den Farben an, da geht es um Baustile und natürlich um die Figuren: wie würden die leben, wo würden die essen gehen, in was für eine Schule würden die ihre Kinder schicken usw. Im Drehbuch steht ja nur Schule oder Wohnung oder Restaurant. Und dann geht man los und sucht und findet meistens was anderes als man sich vorgestellt hat und denkt wieder um usw. Das ist ja ein Prozess, in dem man zu dritt die Entscheidung trifft. Oft kann man auch an einem Motiv nicht drehen, das ist gerade in Köln ziemlich schwierig geworden. Dann spielt natürlich die Produktion eine Rolle, weil ein Motiv den finanziellen Rahmen sprengt oder es gibt organisatorische Probleme in öffentlichen Gebäuden« (Interview Przybylski).
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Location matters: Dreharbeiten im Kontext von Ökonomie und Ästhetik Die Grundproblematik bei der Auswahl und Gestaltung der Motive lässt sich dort festmachen, wo die ökonomischen Kontexte der Drehorte auf die notwendige narrative Einbindung der Schauplätze in die Ästhetik des Kriminalfilms treffen. Das Interesse der Filmschaffenden weist somit in zwei Richtungen, die nicht immer miteinander vereinbar sind: Einerseits wird eine kostengünstige Produktion angestrebt, andererseits muss das Ergebnis den künstlerischen Ansprüchen genügen. Mit der Suche nach Möglichkeiten, ökonomisch zu drehen, verbringen die Filmemacher daher meist ebensoviel Zeit wie damit, die dramatischen und visuellen Elemente des Films zu optimieren: »Der erste Zwang besteht darin, im Budget zu bleiben« (Interview Schumacher, Szenenbildner). Zunächst spielen also wirtschaftliche Beschränkungen eine ganz entscheidende Rolle bei der Organisation der Dreharbeiten. Ausschlaggebend dafür, wo gedreht wird, sind ökonomische und logistische Faktoren, die dem Produktionsablauf zu Grunde liegen. Hierzu zählen Drehgenehmigungen, Aufwand und Ablauf der Dreharbeiten, Motivmieten, Verknüpfungsmöglichkeiten und Entfernung zwischen den Drehorten, Reiseorganisation: »Grundsätzlich versucht man, die Wege kurz zu halten, weil sich so ein Filmteam extrem zäh bewegt und jeder Umzug Zeit und Geld kostet. Man versucht also, Motive möglichst nah zu einander zu halten, um lange Fahrten zu ersparen« (Interview Meter).
Auch die Organisation des Drehplans hat Einfluss auf die Auswahl der Motive und zwingt die Filmemacher oft zu Entscheidungen, die den ästhetischen und dramaturgischen Zielen nur bedingt folgen: »Du hast ja auch Drehzwänge, also logistische Faktoren, die oft ganz banal kleingen, aber den Produktionsablauf bestimmen. Wenn du etwa eine Szene in Ehrenfeld oder sonstwo drehst, die einen ¾ Tag dauert, und alle Leute da hast, die du brauchst, um noch schnell eine kurze Szene drehen zu können, dann nimmt man halt ein Motiv um die Ecke und zieht nicht mit der ganzen Produktion komplett um, nur weil das Originalmotiv vielleicht woanders steht« (Interview Kottmann, Szenenbildner).
Aber auch das Gegenteil, also ein Zwang zur räumlichen Streuung der Drehorte, ist möglich, wenn etwa die Geschichte zwei Motive mit einer einheitlichen Architektur benötigt, aber die logistischen Rahmenbedin-
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gungen ein Drehen in direkter Nachbarschaft verhindern. Dann müssen die Ähnlichkeiten und Anschlüsse der Motive gesucht und inszeniert werden, um die Kontinuität der Einstellung wahren zu können: »Angenommen wir drehen einen Film, der spielt deutlich am Eigelstein und die Fíguren sind dort angesiedelt, wir kriegen aber in einer Straße am Eigelstein keine Dreherlaubnis. Da wir aber immer erzählen, das spielt im Eigelstein, müssen wir die Straße also woanders drehen, die so ähnlich aussieht, wie die Straße, die wir gerne hätten drehen wollen und nennen die dann so. Das sind also ganz typische Produktionszwänge, finanzielle und organisatorische« (Interview Goslicki).
Auf diese Weise gerät der Filmschnitt zum Gestaltungsmittel einer Kohärenz des filmischen Raumes, indem Differenzen und Entfernungen zwischen unterschiedlichen Drehorten kaschiert werden: »Ein Schnitt, der einen z.B. vom Polizeipräsidium in der Gaedestraße zu einem Altstadtviertel bringt, muss manchmal einfach gemacht und dann als passend gekauft werden, weil es logistisch nicht anders zu machen ist oder die Motive in beiden Fällen ideal sind für die Geschichte, aber nicht nebeneinander liegen« (Interview Ahrweiler, Kameramann).
Neben den logistischen Schwierigkeiten beeinflussen auch Widerstände bei den Anwohnern und bei den potenziellen Motiv-Vermietern die Filmarbeiten in oft unvorhersehbarer Weise. Ist es ohnehin schon schwierig genug, immer wieder interessante und finanzierbare Motive zu finden, so kommen also auch noch verschiedene rechtliche und alltägliche Gründe dazu, die das Drehen erschweren oder gar verhindern: »In Köln wird es immer schwieriger Motive zu suchen, speziell Wohnungen, weil der Reiz für die Anwohner und Eigentümer vorbei ist. Da haben sich sogar Bürgerbewegungen zusammengetan, die Dreharbeiten verhindern wollen – im Belgischen Viertel z.B. oder in Hahnwald« (Interview Polosek, Szenenbildner).
Die hier erwähnten Bürgerbewegungen lassen sich nur aus der enormen Bedeutung Kölns als Medienstandort und der damit verbundenen großen Anzahl an Filmaufnahmen in der Stadt erklären.1 Die anfängliche Eupho1
Innerhalb der deutschen Film- und Fernsehwirtschaft hat sich Köln zu einem der wichtigsten Standorte für die Produktion von Kinofilmen und TV-Sendungen entwickelt (vgl. Moßig 2004b). Dies hat zur Folge, dass jährlich mehr als 1500 Drehgenehmigungen erteilt werden und rund 2000 Unternehmen in Köln ansässig sind, die im weitesten Sinne zur Medienbranche gehören (vgl. Aretz/Schoor 2004: 351). 185
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rie der Einwohner ist in zehn Jahren Erfahrung mit den Dreharbeiten für Film und Fernsehen einer allgemeinen Abwehrhaltung gewichen, da die ständigen Straßensperrungen und Parkverbote den Alltag allzu oft lähmen und zusätzliche Unruhe in die Viertel bringen. Die Aufwandsentschädigungen können diese Belastungen dann oft nicht mehr aufwerten: »Wir haben große Schwierigkeiten in Marienburg zu drehen. Da gibt es richtige Einwohnerzusammenschlüsse, die wollen nicht, dass wir da drehen, die haben es auch nicht nötig, die haben genügend Geld. Obwohl wir von der Stadt die Genehmigung haben, ist es schon passiert, dass ein Anwalt da steht und die Dreharbeiten unterbricht und wir kämpfen müssen, dass wir da drehen dürfen. Es sind schon Hausbesitzer, die uns drehen lassen, gemobbt worden, weil die anderen es nicht wollen« (Interview Scheib).
Schwierigkeiten bereiten aber auch Vereine und Institutionen des öffentlichen Lebens, die ihre rechtliche Hand über zahlreiche Aktivitäten in der Stadt halten. So lässt sich erklären, wieso die Filmemacher für Restrisiko einen Teil der Handlung nicht wie geplant im Rosenmontagszug drehen konnten, sondern auf einen kleineren Umzug im Stadtteil Nippes zurückgreifen mussten: »Wir wollten hier den Rosenmontagszug drehen. Die Stadt hat uns die Genehmigung gegeben, der WDR hat uns die Erlaubnis gegeben, weil der die Hoheit über die Bilder hat, aber die Karnevalszüge haben es uns verboten und der WDR konnte sich nicht durchsetzen. Da haben wir dann so einen Veedelszug gedreht« (Interview Goslicki).
In Anbetracht der zahlreichen Risiken, die ein effektives Arbeiten an gewünschten Drehorten erschweren, erscheint es notwendig und konsequent, Strategien zu entwickeln, welche den kreativen und finanziellen Spielraum der Produktion optimal auszunutzen verstehen.
Motivimporte Wenn ökonomische und ästhetische Bedingungen sowie rechtliche und institutionelle Widerstände ein Drehen vor Ort erschweren, stellt sich natürlich die Frage, wie die Filmemacher darauf reagieren können, um eine reibungslose Produktion zu gewährleisten. Eine Möglichkeit ist, häufiger auf bekannte Drehorte mit optimalen Voraussetzungen zurückzugreifen. Eine andere Option besteht darin, Motive außerhalb von Köln zu drehen – eine Option, die immer dann attraktiv ist, wenn logistische und finanzielle Faktoren eine besondere Rolle spielen:
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»Die Alternative besteht dann darin, woanders hinzugehen, nach Aachen, Düren, Düsseldorf, ins Bergische, auch in Bonn ist viel gedreht worden. Man muss zwangsläufig ausweichen, weil die Motive in Köln nicht immer zu einem erschwinglichen Preis zu kriegen oder abgefrühstückt sind, d.h. man hat ja alles schon gesehen von Köln« (Interview Polosek).
Polosek spricht hier einen Aspekt an, der bereits in der Serialität des Tatort begründet ist. Aus dem Impetus heraus, nicht immer die gleichen Ansichten, Szenerien und Motive zeigen zu wollen, resultiert der Zwang, innovative und neue Schauplätze zu finden. Dies hat dann zur Folge, dass auch außerhalb von Köln nach attraktiven und günstigen Drehbedingungen gesucht wird. Diese Schauplätze, die hier als Motivimporte bezeichnet werden sollen, fügen der thematisierten Stadt immer auch semantische Zuschreibungen zu und verfügen über eine eigene optische Atmosphäre, die den Film oft entscheidend mitprägt. Hinter der Auswahl stehen dann ästhetische Konzepte und weniger die Idee einer Abbildung von ›Realität‹. Insgesamt entstammen zahlreiche Orte des alltäglichen Lebens und der sozialen Begegnung dann nicht der Stadt, die thematisiert wird, sondern sie werden von außen dem filmischen Bedeutungsangebot hinzugefügt (Abbildung 13).
Abbildung 13: Motivimport – Der PostTower in Bonn (aus: Hundeleben) Die produktionspraktischen Überlegungen zur Inszenierung der Juristischen Fakultät der Universität in der Folge Mördergrube markieren beispielhaft die Anforderungen, die an ein Motiv gestellt werden, als komplexes Zusammenspiel von Ökonomie und Ästhetik: »Viele Szenen sind einfach nicht realisierbar an Originalmotiven, weil der Aufwand viel zu groß ist und das Motiv zu schwer zu handlen ist. Den finanziellen Rahmen für weiträumige Absperrungen, Massenkomparserie usw. kann keine Firma zur Verfügung stellen. […] Wir können nicht einfach die Uni einen gan-
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zen Tag lang schließen. Also suchen wir uns ein Ausweichmotiv. Und natürlich will man auch szenisch noch was ins Spiel bringen. Die Kölner Uni gibt vom Bild her nicht viel her. Aber wenn in der schönen, friedlichen Abtei, die die Uni darstellen soll, ein Mord passiert, dann kommt das da natürlich viel brutaler als wenn ich ihn in einer hektischen Umgebung drehe« (Interview Geidosch, Außenrequisiteur).
Wo die grauen Zweckbauten der Universität nicht recht ins Bild passen, wird schließlich eine barocke Abtei, die rund zwanzig Kilometer vor Köln liegt, zum Double. In ähnlicher Form ließen sich noch weitere Beispiele anführen, die mal mehr, mal weniger deutlich zeigen, dass Motivimporte immer auch funktionalisiert werden, um die Hässlichkeit der Originalmotive umgehen zu können: »Die echte Babyklappe haben wir dann auch besucht, aber die ist so hässlich, dass wir die Szenen in der Venloer Straße gedreht haben, in den alten Gebäuden von ›4711‹. Da haben wir eine Babyklappe gebaut, die schöner aussieht« (Interview De Bock).
Ein Blick in die Motivlisten zeigt insgesamt, dass in den letzten Jahren zunehmend mehr Motive jenseits der Kölner Stadttore abgefilmt worden sind, so dass die Stadt allmählich zu verschwinden droht oder über so allgemeine Motive visualisiert wird, dass Köln austauschbar und beliebig wird. Die Beispiele verdeutlichen somit, dass der filmisch einheitlichen Stadt eine diffuse und weiträumige Streuung der Drehorte gegenübersteht. Die eindeutige Zuordnung der Handlungsräume wird im Film durch die Ausstattung und Requisite, also durch Zeichen, ermöglicht. Die Stadt ist dann einzig in den Signifikanten zu finden, in den Dialogen, in den Stadtplänen und Nummernschildern, in den Tageszeitungen (vgl. S. 137ff.). Auf diese Weise konstituiert die Ausstattung ein Bedeutungsangebot jenseits der Materialität der Drehorte. Diese Alltagssignale halten die Stadt in zeichenhaft reduzierter Form präsent und füllen die Schauplätze mit einem einheitlichen Signifikaten auf: Köln. Im Umkehrschluss erfordern es die Motivimporte aber auch, dass bestimmte Formen der Kamerabewegung wie Schwenks und Totalen zur Inszenierung der Schauplätze meist nicht zum Einsatz kommen können, da diese Einstellungsgrößen zu viele ›fremde‹ Zeichenräume bzw. Zeichen ›fremder‹ Räume erfassen. Insgesamt werden die Bedeutungsgehalte dieser Drehorte hinsichtlich ihrer räumlichen Kontinuität, ihrer Architektur und ihrer Funktion also mehrfach negiert, um der neuen, filmischen Geographie Platz zu machen. Gleichwohl haben die derart konstru-
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ierten Raumbilder als semiotische Ressourcen auch Rückwirkungen auf ihre filmischen Bezugsräume: die Motivimporte fügen der filmischen Stadt ihr Bedeutungspotenzial hinzu und unterstützen auf diese Weise ihren Konstruktcharakter. Die Tatsache, dass zahlreiche Motive außerhalb Kölns gedreht werden müssen, hat schließlich auch dramaturgische Konsequenzen, die sich in einem ›Trend nach draußen‹ festmachen lassen. Damit ist gemeint, dass die ökonomischen Prinzipien ihre inhaltlichen Umsetzungen fordern, so dass die Geschichten selbst die Stadt verlassen und dort angesiedelt werden, wo sich die Drehorte befinden. Ermittlungen in Aachen, Düsseldorf oder Leipzig sowie Verbrechen in der Ville oder im Bergischen Land resultieren dann nicht zuletzt aus den Schwierigkeiten des Produktionsstandortes Köln: »Dass man sich so ein Thema sucht wie in Schürfwunden, das ist sicherlich kein Zufall« (Interview Stein, Regisseur).
Multiple Raumzuschreibungen Natürlich verursacht das Primat der Motive über die ›Realität‹ der Stadt eine enorme Verschiebung in der filmischen Darstellung der Topographie, unter konstruktivistischer Perspektive macht es aber kaum einen Unterschied, an welchen Drehorten eine Geschichte verortet und zusammengesetzt wird. Aber dennoch: Werden gleiche Drehorte für verschiedene Motive verwendet, entstehen multiple Raumzuschreibungen innerhalb der filmischen Stadt. Als markantes Beispiel sei hier die Abtei in Brauweiler genannt, die mit der gleichen Bebilderung einmal als Diözesan-Museum und einmal als Juristische Fakultät der Universität eingeführt wird (Abbildungen 14-17). Dieselben Bilder lassen sich also mit unterschiedlichen Narrativen unterlegen und erlangen so gänzlich unterschiedliche Bedeutungen, obschon die Art und Weise, wie sie produziert werden, ähnlich ist: Schauplätze einer Stadt, die durch Funktion und Handlung versinnbildlicht werden. Das Motiv gewinnt dann Identität erst durch in es hineingelegte Bedeutungen. Dies macht deutlich, dass Drehorte semantische Leerstellen sind, die je nach den dramaturgischen Anforderungen unterschiedlich gefüllt werden. Damit stellt die beliebige Umformung eines Drehortes in ein dramaturgisch erfordertes Motiv die Voraussetzung dar für die Fassung von Raum- als Stimmungsbildern.
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Abbildungen 14 und 15: Juristische Fakultät (aus: Mördergrube)
Abbildungen 16 und 17: Diözesan-Museum (aus: Rückspiel)
Dauermotive Betrachtet man diejenigen Schauplätze genauer, die konstant über alle Folgen verwendet werden, so zeigt sich, dass gerade diese Dauermotive oft an verschiedenen Drehorten inszeniert werden und dadurch die Kohärenz der filmischen Stadt irritieren. Aus Sicht der Produktion kommen hier einerseits wieder ökonomische Aspekte ins Spiel: »Wenn man drei oder vier Tatorte im Jahr macht, dann lohnt es sich nicht alle Motive im Studio zu bauen, weil die Miete wahnsinnig hoch ist. Das Hotel Ballauf oder die Wohnung Schenk sind ja nicht in jedem Tatort drin. Das lohnt sich dann nur, wenn man das original, also für jeden Film neu macht. Problematisch ist dann natürlich, wenn man in eine Wohnung nicht mehr reinkommt, weil sie abgerissen ist oder die Vermieter nicht mehr wollen« (Interview Goslicki).
Aber auch die ästhetische Gestaltung fordert ihre Berücksichtigung: »Der Tatort ist eben keine Serie, wo man die Regisseure zwingen kann auf ein bestimmtes Motiv. Einzelne Regisseure wollen was anderes haben« (Interview Scheib).
Was die Redakteurin Anke Scheib hier anspricht, ist die relative Entscheidungshoheit der Regisseure über die inhaltliche und ästhetische Ge-
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staltung der Filme. Dadurch spürt man sowohl die Kohärenz von Regisseuren, die zahlreiche Tatort-Folgen realisiert haben, als auch die individuellen Handschriften von Regisseuren, die nur ein oder zwei Folgen zu verantworten haben: Während Kaspar Heidelbach und Niki Stein von Beginn des Kölner Tatort an maßgeblich an Gesamtkonzeption beteiligt waren und die Figuren und Motive über zahlreiche Folgen hinweg entwickelt haben, nutzen junge Filmemacher – unter ihnen Hannes Stöhr, Martin Eigler oder Züli Aladag – den WDR-Tatort, um ihr eigenes Erzählen im Kriminalfilm fortzusetzen. Dass dies zwangsläufig die Originalität der Einzelfolge stärkt und zu Brüchen und Unschärfen innerhalb der Reihe führt, ist unvermeidlich. Anhand dieser besonderen Produktionsanforderungen an die Dauermotive lassen sich einige interessante Beziehungen zwischen Produktion und Repräsentation zeigen, die sich aus der Differenz der filmischen Raumanschlüsse in Folge der Drehortunterschiede ergeben. Exemplarisch seien hier die Wohnungen der Kommissare angeführt, die über die gut dreißig Folgen des Kölner Tatort an vielen verschiedenen Drehorten inszeniert wurden: »Ein Problem ist die Wohnung Schenk, die hat auch schon variiert, leider. Ich weiß auch gar nicht, was die aktuelle Adresse ist [lacht]. Das liegt dann häufig daran, dass es verschiedene Szenenbildner oder Regisseure gemacht haben« (Interview De Bock).
Neben der unterschiedlich intendierten Ästhetik des Motivs sind aber vor allem die verschiedenen räumlichen Kontexte aufschlussreich, die der Schauplatz durch die vielfältigen Inszenierungen erhält: Einmal liegt die Wohnung in einer beschaulichen, ruhigen Seitenstraße, um einen idyllischen Gegenpol zum kriminellen Dickicht der Stadt zu etablieren. Dann wieder thront eine rauchende Industrieanlage über den Giebeln des Hauses, so dass eine eher bedrückende Stimmung über der dreckigen Stadt liegt. Das Beispiel zeigt, wie unterschiedlich das räumliche Umfeld und der soziale Status des Kommissars dargestellt werden können, wenn ein Mal eine sanierte Altbauwohnung in Zentrumsnähe und ein anderes Mal ein Einfamilienhaus am Stadtrand als Bezugspunkt einer figurativen Charakterisierung dient. Ganz ähnlich wird mit Ballaufs Hotel gearbeitet, so dass zahlreiche Ansichten dieses Motivs nebeneinander existieren. Zwar bleibt hier die Ansiedlung im urbanen Kontext der Stadt stets dieselbe, die Unterschiede liegen aber im Detail, d.h. in den Möglichkeiten, die der jeweilige Drehort dem Film und seiner Handlung bietet. So werden etwa in Willkommen in Köln die Schattenseiten großstädtischen Lebens betont und
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über Zeichen von Lärm, Dreck, Alkoholismus und Obdachlosigkeit visualisiert. Restrisiko hingegen platziert das Hotel in Sichtweite vom Dom und markiert damit eher die architektonischen Merkmale der Stadt. Dass diese Spannung ihren Reiz verliert, wenn die konträren Inszenierungen innerhalb eines Films aufeinanderprallen, zeigt der Film Mördergrube. Hier bleibt zwar die unmittelbare Ansicht des Hoteleingangs ausgespart, die räumlichen Anschlüsse variieren aber dermaßen, dass eine Irritation des Blicks zurückbleibt: Wenn das Hotel in einer Szene an eine dunkle Eisenbahnunterführung grenzt, wo sich dann später eine Fußgängerzone zu Füßen des Doms erstreckt, dann widerspricht dies jeder Logik des filmischen Raums und lässt sich nur über die jeweils von der Handlung geforderten Kulissen erklären. Die Drehortvariationen können sich jedoch nicht nur auf die Motive selbst beziehen, sondern auch auf die räumlichen Anschlüsse beschränkt bleiben. So wird das Polizeipräsidium zwar meistens über dieselbe Frontalansicht eingeführt, die Begebenheiten vor und in dem Gebäude werden jedoch je nach dem narrativ geforderten Anschluss unterschiedlich fortgeführt. Die räumliche Ordnung des Schauplatzes wird somit an variablen Drehorten umgesetzt, um den unterschiedlichen szenischen Anforderungen Rechnung zu tragen, wenn das Präsidium mal einen Parkplatz, mal eine Hauptstraße, hier ein großes Fenster und da einen verzweigten Eingangsbereich als Kontext benötigt. Gerade die Verbindungen von außen nach innen sind dabei aufgrund der Keller-Lage des Büros nicht kontinuierlich abfilmbar und müssen an verschiedenen Drehorten umgesetzt werden. Das Motiv Präsidium besteht also jeweils aus der Kombination von einem festen und einem variablen Drehort, die im Produktionsablauf räumlich und zeitlich getrennt sind und je unterschiedliche narrative, filminterne Raumeinheiten bilden. Kameratechnisch erfordert dies eine Rauminszenierung im Schuss/Gegenschuss-Verfahren, das die Drehorte assoziativ zu einem kohärenten Raum montiert, ohne für die einzelnen Einstellungen die Blickachsen zu überschreiten oder die 180°-Regel zu verletzen (vgl. S. 94). Insgesamt entstehen über die unterschiedlichen Inszenierungen der Dauermotive immer wieder neue Verortungen und Anschlüsse in der Stadt, die eine Kohärenz und ein Wiedererkennen der Schauplätze erschweren. Aber auch die Charakterisierung der einzelnen Räume und der mit ihnen verbundenen Figuren erfahren über die diversen räumlichen Attribuierungen feine Brüche, die sowohl ihre Originalität als auch ihre Entwicklung allzu oft hemmen oder unglaubhaft erscheinen lassen. Jenseits der Szenen, die on location entstehen, treten die ökonomischen und ästhetischen Hintergründe des gestalterischen Konzepts auch bei Studio- und Innenaufnahmen deutlich in Erscheinung, so dass sich
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hier wichtige Einblicke in die wesentlichen Kompositionsbedingungen beispielhaft anhand des Polizeipräsidiums formulieren lassen. Bei dem Arbeitsplatz der Kommissare als zentraler Handlungsort aller Tatort-Folgen mussten bereits vor der Produktion des ersten Kölner Tatort die Weichen für ein abwechslungsreiches Dauermotiv gestellt werden. Schließlich bietet das Polizeipräsidium wie wohl kein anderes Motiv einen konstanten Orientierungspunkt über die Vielfalt der Geschichten hinweg und verbindet grundlegende atmosphärische wie raumkonstituierende Funktionen. Die Planung erforderte dabei aber auch die Berücksichtigung langfristiger ökonomischer Faktoren, um die Dreharbeiten über Jahre hinweg an einem Schauplatz realisieren zu können: »Das Polizeipräsidium musste damals neu gesucht werden. Das ist finanziell natürlich eine sehr belastende Geschichte, wenn eine ganze Büroetage von 200300 qm für einen langen Zeitraum gemietet werden muss. Da bin ich durch Zufall auf ein Gebäude am Salierring gestoßen, wo zwei Kellergeschosse frei standen und die wurden dann komplett umgebaut zum Kölner Tatort-Büro« (Interview Polosek).
Das im Keller gelegene Büro der Kommissare konterkariert auf ideale Weise die plakative Rheinpromenade, um zugleich ein Arbeiten im Untergrund bzw. unter der Oberfläche zu versinnbildlichen. Doch die Entscheidung für ein leeres Kellergeschoss als Drehort hat auch den gestalterischen Vorteil, den szenischen Raum unter filmischen Gesichtspunkten so zu bauen, dass Zwischenwände, Zimmergrößen, Korridore sowie Blickachsen und -fluchten optimal auf die technischen Anforderungen abgestimmt werden können. Nachteile äußern sich jedoch in Hinblick auf die Ton- und Lichtverhältnisse, die kaum gestalterischen Spielraum zulassen und die Verwendung zusätzlicher, künstlicher Lichtquellen erforderlich werden lassen: »Wir haben uns aufgrund der Gegebenheiten zu einer Untergrundzentrale der Polizei entschlossen. Der Keller ist natürlich schwer zu beleuchten und wir haben dann so Kellerschächte da hineingebaut, die mit Scheinwerfern erhellt werden, um das fehlende Tageslicht zu imitieren. Der Stadtplan ist dann nicht einfach nur ein schönes Stilelement, er gibt zudem ein schönes Licht für den Keller. Wir mussten ja Lichtquellen schaffen, die den Raum aufhellen und im Bild zu sehen sein dürfen« (Interview Feil).
Das Zitat macht deutlich, das eine Reduktion des Stadtplans auf seine Verwendung als Kölner Alltagssignal zu kurz greift, wenn dabei der Blick auf technische und ästhetische Bedingungen ausgeblendet wird.
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Die Visualisierung der Karte ist – im Gegensatz zu den Postern, den Tageszeitungen, Aktenordnern und Computerprogrammen, die ganz gezielt ins Bild gerückt werden, um den Handlungsort Köln im Innenmotiv Präsidium zeichenhaft greifbar zu machen – eine Folge von Produktionszwängen, die sich auf die Anforderungen an die Requisiten des Büros durchpausen. Die finanzielle Dauerbelastung des Motivs bindet insgesamt nicht nur die Kamera an die Verwendung immer gleicher Ausstattungselemente, Ansichten und Arbeitsbedingungen, sie hat im Zusammenhang mit den über die Jahre gestiegenen Produktionskosten und kontinuierlichen Budgetkürzungen auch Auswirkungen auf die Gestaltung der übrigen Schauplätze – und damit auf den Verlauf der Handlung und die Inszenierung des filmischen Raums: »Was sich von selbst versteht, weil unser Budget erheblich gesunken ist, ist, dass wir versuchen, so viel wie möglich im Polizeipräsidium spielen zu lassen. Das spart uns wahnsinnig viel Geld, weil wir keine Außendrehs haben. Wir haben jetzt sehr viele Verhöre, für die vorgeladen wird, wo früher Ballauf und Schenk noch in die Motive gefahren sind und die Leute zu Hause besucht haben« (Interview De Bock).
Die festen Produktionskosten limitieren also die dramaturgischen Möglichkeiten und die damit verbundene Repräsentation der Stadt. Dies ist gerade dann von einschneidender Tragweite, wenn die Finanzierung bereits für Gaststars oder Auslandsdrehs stark belastet werden muss dann und für Kölner Außenmotive entsprechend wenig Mittel zur Verfügung stehen.
Die filmische Stadt zwischen Köln und Beliebigkeit Die Strategien des Motivimports und der multiplen Raumzuschreibungen verdeutlichen, dass im Prozess der Motivauswahl und Inhaltsvermittlung die visuelle Darstellung der konkreten Stadt keine wesentliche Rolle spielt. Es stellt sich daher die Frage, ob und wie Köln bei der Inszenierung des filmischen Raums überhaupt berücksichtigt werden kann, oder ob die Gestaltung der Stadt unter den gegebenen Produktionsbedingungen einer stärkeren Beliebigkeit weichen muss. Als der Kölner Tatort 1997 auf Sendung ging, hatte sich der WDR konkrete inhaltliche und produktionsästhetische Ziele gesetzt. Vor dem Hintergrund, dass die Vorgänger aus Duisburg und Düsseldorf von der Bavaria Media zu weiten Teilen in München gedreht wurden, hatte man den Produktionsstandort nach Köln verlegt, um die Filme vor Ort drehen
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zu können. Der Kölner Tatort wollte auf diese Weise dem föderalistischen Konzept Rechnung tragen und Geschichten erzählen, »die besonders regional verwurzelt sind und aus dieser Qualität heraus ihre spezifische Genauigkeit und Wahrheit beziehen« (Feil 1997). Dieser Prämisse folgend, sollten die Filme lokal verankert werden: »Jetzt ist die Gegend hinter dem Bahnhof der Eigelstein, das Bier dort, wo ein ›Dom‹ steht und wird von ›Früh‹ bis spät getrunken – und zwar in der Eckkneipe. Bestenfalls am Büdchen auf dem Friesenwall oder auf der ›Rampe‹. Die Menschen werden original sein, die Kölner Originale eingeschlossen« (ebd.).
Die ursprünglich formulierten Vorgaben seitens des Senders implizieren eine ganz konkrete Verortung und Ausstattung der Handlung, eine Topographie der Stadt, die sich um das Zentrum herum organisiert. Es erstaunt dann umso mehr, dass dieser Tatort-Idee in der filmischen Umsetzung ein loser konzeptioneller Rahmen folgt: »Es soll Köln erzählt werden als eine Stadt, in der es sich lohnt zu leben, in der es schön ist, obwohl Verbrechen passieren, obwohl viele Sachen verbesserungswürdig sind, es lohnt sich, sich dafür einzusetzen, weil Köln eben schön ist, weil die Leute freundlich sind und weil das Verbrechen eine Ausnahme ist. Wir vergeben bei der Besetzung die kleinen Rollen möglichst so, dass sie Kölsch sprechen können, um zu sagen: wir bekennen uns zu dieser Stadt und zu diesen Leuten und zu diesem Landstrich« (Interview Goslicki, eigene Hervorhebung).
Die Produzentin Sonja Goslicki stellt hier weniger eine konkrete Handreichung für die filmische Inszenierung der Stadt in Aussicht, sondern rückt den Tatort eher in den Kontext eines Stadtmarketings, das den Film als Werbemittel zu nutzen versteht – ein Aspekt, auf den später noch zurückzukommen sein wird. Die allenfalls knapp umrissene Zielsetzung bleibt somit eine potentielle Empfehlung, eine Richtlinie, die kaum Verbindlichkeiten einfordert: »Es gibt keine Vorschrift, dass ich Köln ganz spezifisch darstellen soll. Mir fehlt das ein wenig. Ich mag es z.B. gerne, wenn die Schauspieler Mundart reden. Das fehlt mir beim Kölner Tatort, das ist nur ganz selten mal drin, da würde ich mir mehr wünschen. […] Auch die Gastfiguren sprechen kaum Kölsch, weil es gar nicht so einfach ist, Darsteller zu finden, die das gut können. Einmal, in Odins Rache, hat ein Darsteller so schlechtes Kölsch gesprochen, dass wir die Dialoge komplett wieder rausschmeißen mussten, weil es einfach nicht ging« (Interview De Bock).
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Die Rahmenbedingungen zeugen somit von einem ambivalenten Spannungsverhältnis: Einerseits zwingt die föderalistische Idee dazu, die Stadt als Handlungsort zu visualisieren, andererseits bleiben die Vorgaben so vage, dass es legitim erscheint, wenn Drehorte vorrangig nach dramaturgischen oder optischen Gesichtspunkten ausgewählt werden und nicht danach, ob sie die Stadt erfassen und bebildern. Die folgenden Aussagen stehen exemplarisch für dieses Gestaltungsprinzip: »Das Motiv muss das Unauffälligste an einer Szene sein, es sei denn, es wird ganz speziell angesprochen oder es hat einen ganz bestimmten dramaturgischen Grund, wie z.B. das Haus in Schattenlos, das den Charakter der Person ganz wesentlich erklärt. Aber meistens finde ich die Ausstattung richtig gut, wenn sie nicht auffällt, wenn sich die Figuren in einem Umfeld bewegen, wo alles passt. Gerade in einem Krimi – wenn dich da ein Bild oder ein Dekor zu stark von der Geschichte ablenkt, dann stimmt etwas nicht. Und das gilt dann auch für Köln: wenn die Stadt nicht wichtig für die Geschichte ist, darf sie sich auch nicht aufdrängen« (Interview Kottmann). »Ich find’s schön, wenn man noch spürt, dass man in Köln ist, aber es ist mir bei der Motivsuche nicht wichtig, dass man wirklich immer weiß, wo man ist, weil man in den Totalen und Autofahrten sowieso immer sieht, wo der Film spielt« (Interview Meter).
Hier zeigt sich ein Blick auf die Stadt, der sich am ehesten daran orientiert, eine spannende Atmosphäre, ein bestimmtes Flair und die Extreme der Stadt einzufangen, um die Verbrechen und Figuren interessant erzählen zu können. In dieser Perspektive erscheinen vielschichtige Motive wie Industrieanlagen, Hafenareale, Eisenbahngelände oder Hinterhöfe interessanter als schlichte Gebäude oder konkrete Straßenzüge und Plätze. Wenn aber Drehorte nur aus ästhetischen Gründen auswählt werden, dann wird die Gestaltung der Stadt beliebig. Der Regisseur Kaspar Heidelbach führt dies implizit auf Genre bedingte Aspekte zurück: »Warum finden dubiose Verfolgungen denn ausgerechnet auf einem alten Eisenbahngelände oder leerstehenden Fabrikgebäude statt? Als würden sich Diebe und Gangster, wenn sie die Polizei auf den Fersen haben, bevorzugt dorthin begeben. Das Gegenteil ist der Fall, die gehen eher in die Fußgängerzone. Aber das hat zu tun mit Klischees, die sehr stark vom amerikanischen Film geprägt sind oder mit der Tatsache, dass das einfach interessante Motive sind. Da ist man natürlich dem visuellen Anreiz erlegen, da bestimmt plötzlich der Schauplatz die Geschichte« (Interview Heidelbach).
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Heidelbachs Kollege Niki Stein macht zudem die optische, architektonische Gestalt der Stadt dafür verantwortlich, dass Köln nicht oder nur über Stereotype visuell eingefangen werden kann: »Jeder Kölner weiß, was für Menschen in den einzelnen Stadtteilen wohnen, aber es erschließt sich nicht im Film. Wenn sie z.B. eine Villa in Hamburg an der Alster filmen, dann sieht jeder sofort: reiche Leute, Alster, Filetlage. Wenn sie jetzt eine Villa in Lindenthal oder in Marienburg haben, erkennt man das nicht. Man kann das visuell nicht darstellen. In dem Moment wo man in Bonn ist oder in Bad Godesberg, haben sie die Villen am Rhein, das ist in Köln nicht so. Man kann die Kölner Geographie nicht umsetzen in eine eindeutige Aussage über soziale Zuordnung, Reichtum etc.« (Interview Stein).
Niki Stein unterwirft hier die Drehorte einer ästhetischen Maxime, die darauf gerichtet ist, dass die Motive immer als metaphorische Räume funktionalisiert sein müssen. Er fordert eine Eindeutigkeit der Bildlichkeit und der Motivaussage, damit die Drehorte ganz gezielt figurative und dramaturgische Elemente zum Ausdruck bringen können (vgl. S. 130ff.). Dabei ist Niki Stein noch bemüht, die filmische Repräsentation vor der Folie der ›realen‹ topographischen Begebenheiten Kölns abzugleichen – mit der Konsequenz, dass sich bestimmte Aspekte der Stadt nicht in eine filmische Sprache übersetzen lassen. Der Kameramann Peter Przybylski betont hingegen die kreativen und konstruktiven Prozesse einer filmischen Inszenierung. Für ihn stehen dramaturgische und ästhetische Überlegungen im Zentrum der Arbeit: »Es ist nicht sinnvoll tatsächliche Ortszusammenhänge herzustellen, weil dann die Geschichte nicht mehr funktioniert. Und es ist im Grunde egal, wo eine Geschichte spielt« (Interview Przybylski).
Przybylski versucht erst gar nicht, die Stadt abbilden zu wollen, sondern macht die Geschichten zum Ausgangspunkt seines gestalterischen Tuns. Dass sich diese Ästhetik dann zwangsläufig von der konkreten Topographie der Stadt entfernt, wird nicht nur in Kauf genommen, sondern ganz bewusst forciert. Neben diesen Aspekten, die eher eine Missachtung der Stadt im Sinne einer Unverbindlichkeit ihrer Darstellung zu begünstigen scheinen, gibt es auch Versuche einer Kompensation, um den Handlungsort zu integrieren und greifbar zu machen. Damit lässt sich der ästhetisch und ökonomisch bedingten Inszenierung der Motive ein relativierendes Moment gegenüberstellen, das deutlicht macht, in wie fern auch Mechanismen der räumlichen Referenz und Fixation an die Motive ankoppeln. Auf
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diese Weise wird deutlich, wie das Reale, Authentische seine Präsenz im geographisch Imaginären spürbar macht, um Möglichkeiten für die Produktion des Tatsächlichen anzubieten. Indem die Filmemacher dabei versuchen, die Stadt so zu zeigen, dass sie wiedererkennbar wird, sind sie bestrebt, die ›Realität‹ so weit zu verdichten, dass sie echter als echt erscheint, und sind sie bemüht, die Räume so zu gestalten, dass sie mehr über die Menschen erzählen, als diese von sich preisgeben wollen. Eine erste Möglichkeit der städtischen Anbindung ist die Verwendung bekannter und bildkräftiger Kulissen, wobei sich diese Art der Inszenierung zumeist an der Dom- und Rheinmotivik abarbeitet: »Eine Leiche wird bei mir meistens im Rhein gefunden, weil man dann im Hintergrund noch den Dom sieht« (Interview Heidelbach). Wenngleich hier deutlich wird, dass sich die Filme weitgehend über die städtischen Visiotype konstituieren, scheint es mangels Alternativen äußerst schwer, auf sie verzichten zu können. Niki Stein betont: »Köln ist unglaublich schwer zu filmen, also in dem Sinn, dass man einen Wiedererkennungswert hat. Man hat den Dom und den will man nicht immer ins Bild rücken. […] Man hat im Grunde eine Stadtansicht, eine Einstellung, von der Severinsbrücke rüber auf den Dom mit der Altstadt im Vordergrund. Oder eben die Imbissbude, die ich meist nicht mit reinnehme, weil ich sie zu platt finde. Die steht ja auch direkt so, wie keine Imbissbude in Köln stehen würde, weil keiner dort eine Lizenz kriegen würde. Im Grunde sieht man da den großen Holzhammer, um überhaupt Köln zu zeigen, weil es sich in den Geschichten und normalen Szenen kaum zeigt. [...] Man fragt sich sehr oft, warum der Film in Köln spielt. Wenn man das Gesamtkonzept des Tatort als regionale Visitenkarte der ARD sieht, ist das sehr schade. Aber Köln hat das Problem, dass der Stadt eine spezielle Ausstrahlung fehlt, weil sie mehr innerlich ist als äußerlich. Der Frohsinn, die Italiener des Nordens – das spiegelt sich nicht in der Architektur oder im Stadtbild wider« (Interview Stein).
Neben der kritischen Haltung gegenüber den rein aus optischen Gründen Verwendung findenden Schauplätzen eröffnet Stein hier den Blick dafür, dass sich städtische Themen und Eigenarten über die figurative Einbindung erzählen lassen: »Die Brauhäuser können Lokalkolorit vermitteln, aber das funktioniert nur über die Menschen. Sie können Köln besser über die Menschen erzählen als über die Geographie. Schon das Rheinpanorama ist austauschbar, schon die rechte Rheinseite hat nichts Spezifsches mehr« (Interview Stein).
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Schließlich lassen sich auch durch die Formen der Kameraarbeit unterschiedlichste Erfahrungen mit und Beziehungen zu Köln gestalten. So beschreibt der Kameramann Peter Przybylski seine Arbeit folgendermaßen: »Meine Arbeitsweise richtet sich nach den Figuren, also danach, wie ich die Geschichte und die Befindlichkeiten der Figuren am besten erzählen kann. Wenn ich zeigen will, dass jemand einsam, allein und verloren ist, dann wähle ich eine weite Einstellung und zeige sie als kleinen Punkt auf einem großen Platz oder einer großen Straße; wenn ich das Gefühl habe, dass ich stärker an den Emotionen teilhaben will, dann gehe ich größer drauf; wenn ich das Gefühl habe, dass sich die Situation der Figur gerade verändert, dann bewege ich mich etwas stärker. Die Stadt habe ich dabei eigentlich weniger im Vordergrund als den Inhalt der Szene und die Befindlichkeiten der Figuren« (Interview Przybylski).
Das Zitat unterstreicht erneut die gestalterische Gewichtung: Nicht die Stadt macht den Film, sondern die Figuren und ihre Handlungen bestimmen das Bild der Stadt. Gleichwohl eröffnen sich Möglichkeiten, die Geschichten und Figuren an die Stadt zu binden, sei es über die Kameraeinstellungen, die die Stadt und die Beziehungen der Menschen zu ihr erkennbar werden lassen oder über soziale Elemente, die das Leben in der Stadt beschreiben. Bezüge auf Örtlichkeiten und Ereignisse werden hier jedoch nicht vermittelt. Vielmehr werden psychologische Zustände der Figuren auf die Standlandschaft projiziert. Somit kann dem psychischen Raum durch die Architektur und Ausstattung der Motive eine physische Substanz verliehen werden. Die sozialen Zustände, die der Tatort auf diese Weise inszeniert, offerieren eine profane Erhellung dessen, was in der Stadt vorgeht. Auf der Suche über die Motive hinaus nach sozialen Hintergründen gerät die Inszenierung dann in ein komplexes Spannungsverhältnis zwischen Ästhetik und Dramaturgie, zwischen Realität und Tatort. Wenn die konkrete Stadt jedoch in den Hintergrund gerät, dann stellt dies das charakteristische Konzept der Reihe gleich in mehrfacher Hinsicht in Frage: Bedarf ein Krimi überhaupt einer unverwechselbaren Stadt? Ist sie nicht sogar eher hinderlich für die produktionspraktische Realisierung einerseits und die narrative Gestaltung andererseits? Kaspar Heidelbach scheint sich irgendwo zwischen diesen Positionen anzusiedeln, wenn er sagt: »Als Filmemacher fragt man sich, was eigentlich eine Stadt ausmacht, was sie mit den Menschen macht. Daran hängt man dann etwas auf und formt sich eine
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Stadt. Wo man die dann dreht, mit den Facetten die Köln bietet, das ist dann eigentlich egal. Man muss die Mischung finden, die es hat und braucht drei, vier Belegbilder« (Interview Heidelbach).
Was bleibt nun am Ende dieser Diskussion? Köln ist im Tatort sehr wohl erkennbar, unverwechselbar ist es aber nicht. Die Stadt ist zugleich anwesend und abwesend, ist auf unbestimmte Art greifbar und lässt doch eine deutliche Linie der Inszenierung vermissen. Diese paradoxe und zugleich auch wenig befriedigende Situation ist den Produktionsbedingungen geschuldet, die einerseits eine Authentisierung der filmischen Stadt über kölntypische Bilder einfordern, andererseits die Individualität und Kreativität der ästhetischen Umsetzung mittragen, indem den Filmemachern ein großer Spielraum bei der Gestaltung gewährt wird. Insgesamt bieten sie aber zu wenig Möglichkeiten, um jenseits der Spannung von Ökonomie und Ästhetik ein Realismus-Konzept für den Tatort entwachsen lassen zu können. Somit benötigt der Kriminalflim zwar den Raum, das spezifisch Rheinische interessiert aber meist nicht. Die Inszenierungspraktiken gehen vielmehr dahin, die Motive in ihrer Funktion als Stellvertreter für allgemeine Räumlichkeiten auszuwählen – ein Aspekt, der zu einem nicht geringen Teil auch auf Genrekonventionen zurückzuführen ist.
Exkurs: Tatort Münster – Das schönere Köln? Um die oben beschriebenen Produktionspraktiken zur Gestaltung der filmischen Stadt in ihrer ganzen Tragweite bestimmen zu können, sei an dieser Stelle ein Blick auf den Münster-Tatort des WDR gestattet. Seit 2002 produziert der WDR eine zweite Tatort-Reihe, um dem erfolgreichen Kölner Team ein neues – und nicht minder erfolgreiches – Ermittlerduo aus Westfalen gegenüber zu stellen. Da für beide Projekte Kölner Produktionsfirmen verantwortlich zeichnen, ist hier vor allem interessant, wie der Firmensitz bzw. Produktionsort und die Darstellung einer filmischen Stadt einander bedingen. Während die Kölner Geschichten – sofern sie denn (noch) in Köln angesiedelt sind – vermehrt vor Ort abgedreht werden und nur dann auf Motivimporte zurückgreifen, wenn ein gewünschtes Motiv nicht in Köln realisierbar ist, zeigen die Münster-Tatorte ein ganz anderes Muster: Natürlich werden die referenzialisierenden Orte und die Altstadtmotivik in Münster gedreht und auch die Gerichtsmedizin ist ein Originalschauplatz. Nahezu alle anderen Motive und Raumqualitäten stammen hingegen aus Köln und Umgebung, so dass die Verwendung von Motivimpor-
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ten zur Dauereinrichtung wird. Ein ganz entscheidender Faktor für diese Art der filmischen Inszenierung einer Stadt ist der Firmensitz der Produktionsfirma, da hier alle Fäden der Organisation zusammenlaufen und auf ein eingespieltes Produktionsteam zurückgegriffen werden kann. Wenn die Filmemacher also den Produktionsort nicht nach Münster verlegen, dann vor allem deshalb, weil so sämtliche Einrichtungen und die kreativen Kräfte in Köln genutzt werden können. Es scheint also einfacher und billiger zu sein, die Stadt zu konstruieren, als zu ihr hinzufahren: »Der Münster-Tatort lässt sich nur aus der Ökonomie erklären: Münster bedeutet Reisen, das ist Zeit und das ist Geld; das bedeutet Hotels für das ganze Team und für die Schauspieler, das bedeutet die Produktion ist da – also Produktionsleiter, Kostüm usw. – und die brauchen alle Raum, den man wieder neu anmieten muss. Da versuchen wir natürlich so viel wie möglich an der Basis, also in Köln, zu machen, weil die Leute alle hier sind, weil das Büro hier ist und weil die Reisezeit wegfällt. Also nur wenn es unbedingt sein muss, drehen wir in Münster. Da beschwindeln wir natürlich die Zuschauer, weil wir so tun als würden wir alles in Münster drehen« (Interview Goslicki).
In dieser Perspektive verwundert es nicht, dass zwei Tatort-Folgen zumindest temporär in Köln spielen: Der doppelte Lott (2005) und 3x schwarzer Kater (2003). Inhaltlich ist Köln hier nicht von besonderer Relevanz, ja beliebig, und könnte durch jede andere Stadt ersetzt werden. Es würde dramaturgisch kaum einen Unterschied machen, ob ein Verdächtiger in Köln oder Bielefeld angesiedelt wird. Wenn die Ermittlungen die Münsteraner Kommissare aber dennoch in die Rheinmetropole führen, so liegt dies einzig darin begründet, dass sich die Filmcrew ohnehin in Köln befindet und auf diese Weise zusätzliche Reiskosten vermieden werden können. Die narrative Kopplung von Münster und Köln erfährt schließlich darin ihren Höhepunkt, dass die beiden Kölner Kommissare Ballauf und Schenk einen kurzen Gastauftritt in der Folge Der doppelte Lott haben. Einen weiteren Hinweis auf die Produktionspraktiken erhält man, wenn man sich die Kommentare der lokalen Printmedien anschaut, denn hier werden im Vorfeld der Fernsehausstrahlungen Eindrücke von Drehbesichtigungen und Presseterminen aktueller Produktionen geschildert. Ein außergewöhnlich lautes Presseecho erhielt dabei die Diskussion um eine einzelne Drehgenehmigung für die Tatort-Folge Ruhe sanft (2007, Arbeitstitel). Auslöser war die Suche nach einem geeigneten Drehort für die nächtlichen Friedhofsszenen des Films. Die Produktionsgesellschaft wollte auch diese zunächst in Köln drehen, doch sie bekam eine Absage
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vom heimischen Grünflächenamt: »Wir haben enge Rahmenbedingungen. Nachts bei heller Beleuchtung – das ist eine Störung der Totenruhe« (zitiert nach Berger 2006). Die Suche nach einer Alternative führte die Kölner Produktionsfirma zum Nordfriedhof in Düsseldorf, ein Ort, der mit seinen pittoresken und wunderschönen Gräbern geradezu ideale Drehbedingungen schafft. Doch auch die Düsseldorfer Stadtväter lehnten den Dreh ab: »Warum sollen wir unseren schönsten Friedhof zur Verfügung stellen, wenn wir außer einem Dankeschön im Abspann und einem Pressetermin mit den Hauptdarstellern nichts davon haben?« (ebd.). Die hier skizzierte Debatte macht deutlich, dass die Suche nach dem richtigen Motiv nicht nur den Vorstellungen und Grundsätzen der Produktionsfirma folgt, sondern auch wirtschaftlich und politisch von großer Bedeutung für die Motivgeber ist. Dabei beruht die Ablehnung durch die Verantwortlichen in Düsseldorf auf einer Reihe von Gründen. Der Medienbeauftragte Kosiedowski macht deutlich, dass sich der Dreh aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus nicht für die Stadt rechnet, weil die Produktionsfirma in Köln ansässig ist und dort ihre Steuern zahlt. Durch die räumliche Nähe zu Köln bleiben dann auch die Einnahmen aus dem Hotelgewerbe aus, da die Produktion nur für diesen Dreh nach Düsseldorf fahren würde (vgl. ebd.). Doch Düsseldorf ist neben solchen filminduzierten wirtschaftlichen Effekten vor allem an einer Vermarktung der Stadt als Filmstandort interessiert. So sollen nicht nur schöne Locations vermietet, sondern auch ganze Filme in der Stadt angesiedelt werden. Doch bei der Frage nach dem Handlungsort erweist sich der Tatort Münster als ausgesprochen schlechter Ausgangspunkt für die Landeshauptstadt. Deshalb bleibt den Kölner Filmemachern die Dreherlaubnis verwehrt und die Friedhofsszenen werden nun in Bonn gedreht. Das ohnehin irritierte Gleichgewicht zwischen Produktions- und Handlungsort wird auch an anderer Stelle strapaziert: weil die Produktion auf drei Kölner Produktionsfirmen aufgeteilt wird und somit verschiedene, selbständige Entscheidungsträger an der Darstellung Münsters mitwirken, gerät die Darstellung der Stadt zum Spielball der Verantwortlichen: »Wir waren ziemlich erfolgreich und das rief natürlich auch Neid bei den anderen Produzenten in Köln hervor, weil wir ja schon den Köln-Tatort haben. Da hat es ziemlich viel Druck auf den WDR gegeben und der WDR hat dann entschieden, dass wir [Colonia Media, B.B.] immer einen Münster-Tatort pro Jahr machen und den anderen immer eine andere Fima im Wechsel, also Filmpool oder Müller & Seelig. Das ist natürlich eine sehr bittere Sache, weil wir ja den Münster-Tatort erfunden haben, wir haben die Konzeption geschrieben und das
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ist mit sehr viel Überzeugungsarbeit und sehr viel Geld verbunden. [...] Natürlich gibt es da Absprachen zwischen den Produzenten, wir geben unser KnowHow weiter und unsere Kontakte. Wir verständigen uns über bestimmte Sachen, die übergreifend sind, damit die das nicht anders machen als wir« (Interview Goslicki).
Auch wenn über die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten hinweg versucht wird, figurative und ästhetische Kontinuitäten aufrecht zu erhalten, erweist sich die Praxis der Filmproduktion als äußerst heterogen, wenn jede Produktionsfirma ihre eigenen Dauermotive für das Präsidium und die Wohnungen der Kommissare verwendet. Indem also viele unterschiedliche Konzeptionen verwirklicht werden, gerät das übergeordnete Konzept des Münsteraner Tatort dann zwangsläufig aus den Fugen (vgl. dazu auch Bollhöfer/Hanewinkel 2006). Der Versuch des WDR, die westfälische Provinz als Tatort zu etablieren, scheint insgesamt an den Grenzen und Möglichkeiten der Fernsehwirtschaft zu scheitern, solange finanzielle Aspekte die Darstellung bestimmen. Denn rein produktionspraktisch haben wir es hier eher mit einem weiteren Köln-Tatort zu tun, der sich lediglich über einige wenige Zeichen und Referenzobjekte einen filmischen Zugang zu Münster verschafft. Der Münster-Tatort führt damit eindrücklich vor Augen, wie schwierig es ist, spannend und authentisch über eine Stadt oder Region zu erzählen, wenn es die Organisation der Produktionsfirmen nahezu unmöglich macht, die Geschichten vor Ort drehen zu können. Vor diesem Hintergrund ist der westfälische Tatort weniger durch den Ort als vielmehr durch die Tat, durch die Geschichten, bestimmbar. Die Authentizität der Stadt wird inszeniert, indem sie als gezielte Einrichtung einer Möglichkeit verstanden wird und sich weitgehend in einen Dekorationsfundus auflöst, aus dem die Filme ihre Schauplätze schöpfen. Produktionsästhetisch betrachtet, ist der Tatort Münster ein höchst multipler Raum, dem eine räumliche Willkür, eine Belibigkeit geographischer Identität droht, für die Boris Rosenkranz den schönen Namen »Tatort Kölnsterdorf« gefunden hat (Rosenkranz 2006).
Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse Der in diesem Kapitel unternommene Blick auf die Produktionsstrategien des Tatort konnte die komplexen Entscheidungstrukturen hinter den Kulissen thematisch bündeln und im Kontext der filmischen Repräsentation der Stadt interpretieren. Auf diese Weise konnten die Einbettung der Pro-
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duktion in ein spannungsreiches Beziehungsgeflecht von Ökonomie und Ästhetik herausgearbeitet und die daraus resultierenden Folgen für die Darstellung städtischer Räume bestimmt und analysiert werden. Deutlich wurde, dass die Filmemacher eine Vielzahl unterschiedlicher Strategien verwenden, um im und über Raum zu kommunizieren. Gleichzeitig stellen sie durch ihre Praktiken neue räumliche Bezüge her oder entwerfen gänzlich neue Raummuster. Somit sind es nicht allein die materiellen Aspekte des Ortes oder der Stadt, die die Räumlichkeit des Films determinieren, sondern auch die semantischen Bezüge und ästhetischen Inszenierungen, die dem materiellen Raum eingeschrieben werden. Dabei sind die Drehorte keine simplen Lokalitäten, sondern komplexe Orte kultureller Beziehungen und ökonomischer Aktivitäten, Orte von Konflikten und Übersetzungsvorgängen. Gleichzeitig sind sie mehr als nur äußerliche Faktoren des Handlungskontextes, sie konstituieren im Kontext der Themen, Figurenkonstellationen den filmischen Raum: Jeder Drehort prägt einen bestimmten Inhalt oder eine bestimmte Figur und unterstützt einen bestimmten Handlungsverlauf, wie auch umgekehrt die Themen und Figuren spezielle Anforderungen an die Motive und Drehorte stellen. Gleichzeitig ist der Tatort in ökonomische wie ästhetische Vorgaben und Zwänge eingebunden, die die Auswahl und Inszenierung der Drehorte grundlegend beeinflussen. Autoren wie Regisseure müssen einen abgesteckten Rahmen einhalten, innerhalb dessen die Elemente dann variiert, ergänzt und gewichtet werden können. Unter den Bedingungen von Ökonomie und Ästhetik liegt die Schwierigkeit der Produktion jedoch darin, dass es den Darstellern und der Redaktion zwar gelingt, über wechselnde Autoren und Produktionsteams hinweg die Kommissare überzeugend und stringent zu entwickeln, es jedoch schier unmöglich erscheint, auf ihre lokale Anbindung durch die Wiederverwendbarkeit von Schauplätzen und räumlichen Stilelementen achten zu können. Veränderungen der ökonomischen oder ästhetischen Lage führen so zu Anpassungen der dramaturgischen Gestaltung und damit zu einer Ausrichtung der filmischen Stadt an Voraussetzungen und Folgen der Produktionsbedingungen. Mit einem Seitenblick auf die Produktion des Münster-Tatort zeigte sich schließlich ein paradoxer Tatbestand: Während die westfälischen Geschichten überwiegend in Köln und Umgebung gedreht werden, zeigt der Köln-Tatort in Hinblick auf die Handlungs- und Drehorte einen konsequenten Trend nach draußen. Die Stoßrichtung ist in beiden Fällen dieselbe: die Motivation der Macher ist weniger die größere Authentizität des Tatort, als die voraussehbar niedrigeren Kostenfolgen.
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DEKODIERTE RÄUME: ZUR REZEPTION DER STADT Im Folgenden will sich die Untersuchung selbst auf Spurensuche begeben und aufzeigen, wie der Kölner Tatort von verschiedenen Öffentlichkeiten rezipiert und angeeignet wird. In den verschiedenen Institutionen entstehen immaterielle Objektivationen als ideelle Kristallisationen, die auf die Stadt Köln bezogen sind. Durch kommunikatives Handeln werden im Rahmen eines stadtbezogenen Diskurses Wirklichkeitsdeutungen bzw. Wissenselemente von der Stadt konstruiert. An dieser Kommunikation sind verschiedene Institutionen der Stadt wie auch die einzelnen Stadtbürger als Akteure beteiligt, eine besondere Rolle nehmen jedoch öffentliche Veranstaltungen und Fan-Foren ein, weil sie den Diskurs in eine breite Öffentlichkeit tragen und den Stadtbürgern und interessierten Zuschauern Wirklichkeitsdeutungen anbieten. Im Rahmen verschiedenster kommunikativer Vorgänge des stadtbezogenen Diskurses bildet sich so eine Geographie des Fernsehens heraus, die verdeutlicht, wie filmische Texte in lokale, populäre Diskurse eingebettet werden und eine Vielfalt von unterschiedlichen, räumlichen Effekten, Bedeutungen und Aneignungsformen generieren können.
Spurensuche in der Stadt Es soll hier zunächst ein kurzer Blick auf unterschiedliche Werbekampagnen geworfen werden, der zeigt, wie der Tatort als Thema und Gegenstand von verschiedenen Institutionen und Kampagnen genutzt wird, um mit dem filmischen Bild der Stadt für eigene Interessen zu werben. Sämtliche gesellschaftliche Gruppen und Organisationen versuchen dabei auf durchaus unterschiedliche Weise, einzelne Elemente und Bedeutungsmomente der filmischen Stadt zu isolieren und in ihre symbolischen Praktiken zu integrieren. Dies macht es dann jedoch zunehmend schwierig, klare Grenzen zwischen Realität und Imagination zu definieren.
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Ein erstes Beispiel führt zu der aktuellen Kampagne der Deutschen Knochenmarkspenderdatei DKMS, die mit den Kölner Tatort-Kommissaren nebst Gerichtsmediziner um Unterstützung wirbt: »Tatort Leukämie: In einer bundesweiten Kampagne will die DKMS Deutsche Knochenmarkspenderdatei gemeinsam mit den Ermittlern aus dem Kölner Tatort neue potenzielle Stammzellspender gewinnen. Spontan hatten sich die Kölner Tatortkommissare bereit erklärt, eine Plakataktion der DKMS zu unterstützen, die erstmals im Mai lief und mit dem Ziel wiederholt wird, für die kleine Eileen und andere den passenden Spender zu finden« (DKMS 2006).
Der Tatort fungiert hier als direkter Bezugsrahmen für den Aufruf und findet sowohl in der sprachlichen Formulierung (»Tatort Leukämie«) als auch in der visuellen Gestaltung des Werbeposters seinen Niederschlag (Abbildung 18). Die Fernsehkommissare bleiben ihrer Rolle verhaftet und ermitteln in der Wirklichkeit, um dem Fall der Eileen zu einer Lösung zu verhelfen.
Abbildung 18: DKMS-Kampagne 2006 Ganz ähnlich arbeitet ein Poster der Kölner Polizei (Abbildung 19). Das Interessante an diesem Plakat besteht nicht nur in der Tatsache, dass wiederum die beiden Tatort-Kommissare ausgewählt werden, um die Kölner Polizeiarbeit zu repräsentieren, sondern auch darin, dass gleichzeitig der Bezug zur realen Polizeiarbeit, ja zur realen Stadt, auf dem Cover verloren geht. Vielmehr wird hier die Arbeit der Tatort-Kommissare aufgerufen und auf die Kölner Polizei übertragen. Das Werbeplakat wird somit nur indirekt über den Raum als Bezugsrahmen strukturiert, auch wenn die Kategorien Köln, Polizei und Tatort in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen. Das Motiv reduziert dabei die Komplexität der filmischen Polizeiarbeit auf Aspekte des Erfolgs, der
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Hilfe und der städtischen Sicherheit, indem es die Interpretation durch die Bildauswahl mit den freundlichen Kommissaren kontextualisiert. Die Verbindung der Filmfiguren mit der konkreten Stadt wird hier als geradezu konstitutiv angesehen, wobei sie doch letztlich nur konstitutiv für die Werbekampagne ist. Somit nutzt die Kölner Polizei das filmisch generierte Image einer optimalen Verbrechensaufklärung für die eigenen Interessen, um ein Gefühle der Sicherheit und Verantwortung zu vermitteln. Auf diese Weise übernimmt die Werbung die im Film generierte Fiktion des Vertrauens in öffentliche Institutionen. Die Kampagne vermag somit eine Raumtransformation zu bewirken: Aus dem kriminellen Köln, wie es sich außerfilmisch darstellt, wird ein aufgeklärtes Köln, das den Tatort ideal setzt. Die Werbung steht dann nicht zuletzt im Kontext von Stadt und Marketing in dem Sinne, dass die Idee einer Stadt funktionalisiert wird, um Marketing zu gestalten.
Abbildung 19: Werbung der Polizei Köln 2005 Ein weiteres Beispiel mag die hier angedeutete Aufweichung der Grenzkonturen zwischen Filmwelt und Alltagswelt vertiefen: Am 10. März 2005 haben die Tatort-Kommissare Schenk und Ballauf von ihren Kollegen aus der echten Polizeiwelt eine hohe Auszeichnung entgegengenommen. Sie erhielten in Köln die Ehren-Kriminalmarke des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK): »Durch ihre außergewöhnliche Ausstrahlung verkörpern sie die Kommissare der wirklichen Welt sehr gut«, so der Kölner Vorsitzende des BDK, Rüdiger Thust (zitiert nach Schmitt 2005). Die Kollegen Ballauf und Schenk alias Klaus J. Behrendt und
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Dietmar Bär, so heißt es in der Laudatio, »machen in außergewöhnlicher Weise Werbung für die Kölner Kriminalpolizei und die Stadt Köln. Sie sind keine Wundermänner, sondern ehrlich, verletzlich, sie haben Fehler und manchmal sind sie auch leichtgläubig - wie ihre echten Kollegen« (ebd.). Belohnt werden hiermit die positive Repräsentation der Polizeiarbeit sowie das vorbildliche Verhalten der Tatort-Kommissare. Dabei war für die Auswahl der diesjährigen Träger der Ehrenkriminalmarke auch ihr enormes Engagement für soziale Projekte abseits der Leinwand entscheidend. Zu nennen ist hier die Kampagne »Kamelle fair – da tanzt der ›Bär‹!«, ein Kölner Projekt, das sich gegen die rigorose Ausbeutung der Armenhäuser dieser Welt und für die Unterstützung des fairen Handels einsetzt. Zudem existiert seit 1998, seit dem Tatort Manila, der Verein »Tatort – Straßen der Welt e.V.«, ein soziales Projekt, dass sich dem Kinderhandel und der Kinderprostitution widmet. Indem hier also die Moralität, das soziale Engagement, die Zivilcourage und die vorbildliche Polizeiarbeit der Fernsehkommissare gewürdigt werden, entstehen zugleich auch soziale und räumliche Modellidentitäten einer Stadt, die Vorbildcharakter haben. Was die bisherigen Beispiele deutlich zeigen, ist eine vielfältige Verschränkung von filmischen Figuren und Motiven mit außerfilmischen Themen und Situationen. Einerseits überträgt sich dabei das Image der Tatort-Kommissare, die stets erfolgreich, und souverän agieren, auf die Kölner Polizei, andererseits werden die Filmfiguren wie reale Menschen ausgezeichnet und dekoriert. Diese Dekontextualisierung filmischer Inhalte integriert Bruchstücke des Fiktiven in konkrete Diskurse der Stadt und zeigt, wie sich das Bild der Stadt insgesamt als Wechselspiel von fiktionalen und faktionalen Momenten generiert. In ähnlicher Weise lassen sich die Bemühungen des KölnTourismus deuten. Eine im Herbst 2004 veröffentlichte TV-Map weist Produktionsfirmen, Sendeanstalten, Studios und Drehorte in Köln als touristische Attraktionen aus. Besonders die Drehorte verlieren dabei ihre medieninternen Bedeutungen, um vielmehr für allgemeine Freizeitangebote der Stadt zu werben. In der Broschüre heißt es: »In der grünen Lunge von Köln, dem Stadtwald, geht es hoch her: die Kommissare Schenk und Ballauf ermitteln im 100. WDR-Tatort im Fall eines Joggers, der auf seiner morgendlichen Runde Opfer einer Minenexplosion wird. Als beliebtes Picknick- und Ausflugsziel mit Kahnweiher und kleinem Wildpark, Liegewiesen und außerdem über die Lindenthaler Kanäle verbunden mit dem Aachener Weiher und dem dort ansässigen Ostasiatischen Museum ist der Stadt-
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wald tatsächlich bevorzugtes Revier nicht nur für Kölner Jogger« (Köln Tourismus 2004: 7).
Was im ersten Moment auf eine Markierung der Nichtfiktionalität hinzudeuten scheint, lässt sich auch als eine erneute Fiktionalisierung interpretieren. Denn Drehorte wie der Stadtwald, die Imbissbude oder das Kennedy-Rheinufer setzen als touristische Motive auch andere Bedeutungen und Sinnstiftungen frei, die zu einer Umdeutung des Ereignisses anhalten. Es sind dies Erzählungen, die die filmische Repräsentation negieren zugunsten einer freien und kontextuellen Bewertung, die den Strategien des Stadtmarketings folgen; es sind semantische Aufladungen eines Tatort-Schauplatzes mit einem wirtschaftlichen Interesse der Stadt. Indem hier also bewusst eine Auswahl an Drehorten getroffen wird, welche ein Image von der »grünen Lunge« Kölns transportieren helfen, werden zugleich die gewöhnlichen, weniger attraktiven Motive ausgeblendet und verdrängt.
Die Auseinandersetzung mit der Stadt im Online-Forum einer Fanpage Im Folgenden soll das Fanforum der Sendung Tatort auf der von der ARD autorisierten Homepage Tatort-fundus untersucht werden. In diesem Forum haben Zuschauer die Möglichkeit, ihre Meinung zur Sendung und den gezeigten Inhalten zu äußern. Jede Stellungnahme erfolgt dabei unter der Angabe eines frei gewählten Namens, einem so genannten nickname. Unter einem nickname versteht man über den eigentlichen Sinn des Wortes hinausgehend eine rollenspezifische Schutzfunktion des Inhabers, um im Internet die eigentliche Identität nicht preisgeben zu müssen oder um bewusst eine spezifische Subidentität zu kultivieren. Im Fanforum von Tatort-fundus kann also jeder, der sich unter einem solchen nickname angemeldet hat, Beiträge veröffentlichen. Die Themengebiete sind hierbei variabel und können von jedem User angeregt werden. Alle Einträge unterliegen allerdings einer gewissen Kontrolle durch die Betreiber der Homepage, die gewährleistet, dass »keine beleidigenden, obszönen, vulgären, verleumdenden, gewaltverherrlichenden oder aus anderen Gründen strafbaren Inhalte«1 veröffentlicht werden. Es zeigt sich, dass die thematischen Aspekte, welche die Zuschauer in den Fernsehtexten entdecken und zur Diskussion stellen, wesentlich von den lebensweltlichen Relevanzstrukturen abhängen, so dass die Zu1
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schauer dem Material spezifische Bedeutungen in Abhängigkeit individueller Kontexte zuweisen. Die als relevant erachteten Fernsehthemen werden dann nicht nur inhaltlich interpretiert, sondern sind auch Ausgangspunkte, um eigene Erfahrungen zu berichten und zu rekonstruieren. Die produktive Auseinandersetzung der Fans zeigt sich somit nicht nur in der gemeinsamen Rezeption der erzählten Geschichten, sondern auch in der Diskussion über Machart, Hintergründe, Schauspieler und Programmgestaltung der Tatort-Reihe. Auf diese Weise werden wichtige Informationen zusammengetragen und ›Experten‹ ausgemacht, die eine besondere Aufmerksamkeit im Forum genießen. Dadurch finden sich Interessen zusammen, die über die einzelnen Tatorte und über das Genre hinausweisen, indem Bezüge zu anderen Filmen und deren Kontexten hergestellt werden. Insgesamt wird deutlich, dass Themen zur filmischen Stadt bzw. zur Darstellung der Handlungsorte einen relativ geringen Stellenwert im Forum einnehmen, da sich die Diskussion zumeist an dramaturgischen und ästhetischen Aspekten sowie an der allgemeinen Bewertung der aktuellen Tatort-Folgen entfaltet. Dennoch belegen die Kommentare, die sich im weitesten Sinn mit Raumfragen beschäftigen, dass sich die Fans ganz bewusst mit der räumlichen Organisation im Tatort auseinandersetzen, indem sie auf unterschiedlichen Bedeutungsebenen agieren und die Filme in individuelle Bezüge integrieren. Dieser aktive Umgang mit den Filmen hat insofern taktischen Charakter, als er kein von vornherein zielgerichtetes Agieren impliziert, sondern versucht, aus dem filmischen Angebot individuellen Nutzen zu ziehen (vgl. Mikos 2006: 105). Diese Anbindung einzelner Elemente aus dem Tatort an das Alltagsleben der Fans macht dann deutlich, welche Inhalte der Reihe aufgenommen werden und welchen Stellenwert sie in deren Leben einnehmen. Dabei zeigt sich auch, dass den Tatort-Fans verschiedene Möglichkeiten und Praktiken zur Verfügung stehen, um einer vermeintlichen ›Vorzugslesart‹ zumindest tendenziell eigene Meinungen, Werthaltungen und Bedeutungsproduktionen entgegenzusetzen. Im Anschluss an de Certeau (1988) lassen sich die Fans dann als Bastler bzw. Bricoleure verstehen, welche die filmischen Texte nicht einfach dekodieren, sondern umkodieren, indem einzelne Teile nach taktischen Gesichtspunkten in subjektiv bedeutsame Bezüge integrieren werden.
Allgemeiner Bezug zum Handlungsort Von besonderem Interesse ist im Folgenden, ob und wie die Fans den Tatort in ihren Alltag einbeziehen und welchen Stellenwert dessen räumliche Inhalte und Darstellungen einnehmen. Bereits eine erste Sondierung
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der Forumskommunikation zeigt, dass den Zuschauern nicht pauschal alle Tatorte gleich gut gefallen, sondern dass sich individuelle Favoriten hinsichtlich der Ermittler und Handlungsorte durchpausen. Wertet man vor diesem Hintergrund die von Martin am 1. Mai 2005 angeregte, forumsinterne Umfrage2 aus, so zeigt sich zunächst, dass das allgemeine Konzept des Tatort, wonach die Einbindung von lokalen Identitäten als Grundprinzip der Reihe verstanden wird, auf regen Zuspruch stößt. Gerade die Serialität des Tatort ermöglicht dabei ein Gefühl von Kontinuität und Verlässlichkeit, das als Stabilisator räumlicher Identitäten fungiert. Der Bezug zu dieser Darstellung wird jedoch durchaus unterschiedlich gestaltet. Betrachtet man die Antworten auf die Frage 25 der Umfrage (»Was fasziniert Dich am Tatort ganz besonders?«), so zeigt sich, dass sich die Filme erst in der Rezeption und Aneignung im Rahmen der Bedeutungen in individuellen, lebensweltlichen Kontexten realisieren und dass sie in verschiedenen Kontexten auch verschiedene Bedeutungen erlangen können: »Aus 20.000 Kilometern Entfernung [fasziniert, B.B.] vor allen Dingen auch, dass es ein kleines Fenster zur alten Heimat ist« (Farnold aus Sydney). »Die unterschiedlichen Ermittlerteams mit all ihren regionalen Besonderheiten machen für mich den Reiz des Tatort aus« (Esslevingen aus Düsseldorf).
So unterschiedlich der Zugang zum Tatort hier auch scheinen mag, zwischen dem »Fenster zur alten Heimat« und den »regionalen Besonderheiten« tut sich doch auch eine gemeinsame Erwartungshaltung auf, die auf einer authentischen, realistischen Darstellung des Regionalen basiert. Diese Erwartungshaltung lässt sich präzisieren, wenn man sich die Frage 24 des Fragebogens ansieht: »Angenommen, Du könntest eine Tatort-Folge in einer Stadt nach Wahl innerhalb des ›Tatort-Sendegebietes‹ (Deutschland, Österreich, Schweiz) inszenieren. a.) In welcher Stadt/Gegend würdest Du sie ansiedeln? b.) Um welches Thema/Milieu ginge es vermutlich?« Folgende Beispiele mögen die Stoßrichtung der Antworten umreissen:
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Das Forums-Mitglied Martin hat einen ›User-Fragebogen‹ ins Forum gestellt, der von den übrigen Teilnehmern freiwillig ausgefüllt werden kann. In den insgesamt 25 Fragen kommen neben allgemeinen Aspekten zu individuellen Lieblingsschauspielern, Lieblingsfolgen und Lieblingsermittler (-teams) auch zwei Fragen zum Handlungsort zur Sprache. 211
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»Tatort Zürich. Da ich die Gegend inzwischen recht gut kenne, könnte ich mir dort sehr gut einen Tatort vorstellen« (M8S 503 aus Bielefeld). »Franken. Da eher Oberfranken (Bamberg, Bayreuth, Kulmbach, Coburg, Hof) als die mittelfränkische Gegend (Nürnberg, Erlangen), aus rein lokalpatriotischen Gründen« (Gespenst aus Franken). »Zuhause im Weserbergland, im Moor im Mecklenbruch im Solling« (Jürgen aus Holzminden). »Kleines Dorf in Baden-Württemberg« (Christian R. aus Baden-Württemberg). »Rhein-Main-Gebiet/Rhein-Neckar-Dreieck, vermutlich Mainz, Darmstadt oder Mannheim« (Saarländer aus Stuttgart). »Wien/Simmering. Könnte mir den Zentralfriedhof als Tatort gut vorstellen (war zwar schon mehrmals im Bild; aber m. E. nach noch nie ein Tatort)« (Jürgen H. aus Wien).
Die vorherigen Postings ermöglichen es, die Beziehung zwischen User und Handlungsort folgendermaßen zu bestimmen: Indem die Wahl-Geschichten im Horizont der eigenen Alltagswelt lokalisiert werden, zeigt sich eine Erwartung, Bekanntes zu verorten und filmisch neu zu entdekken. Der Tatort wird somit »regionalisiert«: Die Präferenz, den individuellen Nahraum als gewünschten Handlungsort zu bestimmen, lässt sich als Praxis »alltäglicher Regionalisierungen« (Werlen 1995) verstehen, indem die Zuschauer den Tatort qua Aneignung auf sich beziehen und eine Raumbindung gestalten, bei der alltagsweltliche Bezüge eine zentrale Rolle spielen. Die Fans bringen somit in der Identifizierung mit dem eigenen Wohnort eine räumliche Identität zu Bewusstsein, die sich in dem Wunsch nach einer Verankerung des Tatort im heimischen Umfeld manifestiert. Dies legt die Vermutung nahe, dass hier das Medium der Bedeutungsrepräsentation für die Bedeutung selbst gehalten wird. Etwas provokant lässt sich daher formulieren: Die Fans aktivieren ihr Regionalbewusstsein, um sich stärker über den Tatort identifizieren zu können, ja sie wollen gar das regionale Konzept der Reihe zur Unterstützung ihrer regionalen Identität nutzen. Ein diffuses ›Heimatgefühl‹ und die hier angesprochene Form eines Regionalbewusstseins sind anschauliche Beispiele für medial induzierte, alltägliche Regionalisierungen. Anhand der Zuschauerreaktionen auf die Darstellung des Kölner Lokalkolorits und die Verwendung von Drehorten lässt sich diese Praxis der Regionalisierung nun näher bestimmen.
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Reaktionen auf die Darstellung des Lokalkolorits Der Tatort setzt den Zuschauer relational zu einem raumzeitlichen Ereignis in Bezug und gibt ihm und dem Ereignis die Möglichkeit zur Konstitution einer räumlichen Orientierung. Der Umgang mit der räumlichen Ordnung des Tatort vollzieht sich dabei als Aneignung von und Auseinandersetzung mit den vorhandenen Zeichenräumen innerhalb des Interaktions- und Kommunikationsprozesses mit anderen Teilnehmern des Forums. Die Interpretationen und das Verstehen der Filme durch die Zuschauer sind zunächst durch die Äußerungen zu einzelnen Sendungen beeinflusst. Dabei werden Lesarten gemeinsam ausgehandelt, indem unterschiedliche Deutungen des Geschehens abgewogen und im Hinblick auf ihre Stimmigkeit eingeschätzt werden. Die im Tatort konstruierten Raummodelle werden somit nicht blind übernommen, sondern laden ein zur gemeinsamen Auseinandersetzung mit verschiedenen sozialen Situationen, räumlichen Differenzierungen und regionalen Eigenarten. Zunächst ist für einzelne Tatort-Fans eine Rekonstruktion einzelner Szenen zur Orientierung notwendig. So kann Reto die Bedeutung des Martinszugs im Kölner Raum nicht einschätzen und erfragt daher den entsprechenden Kontext. Seine Informationsfrage belegt somit einen gewissen Bedarf an räumlichem Wissen, um die Szene hinreichend einordnen zu können. Daraufhin rekonstruiert Nik die außerfilmischen Zusammenhänge und bewertet diese zugleich: »PS: ist dieser St. Martins-Zug eigentlich eine regionale Angelegenheit, oder wie muss ich mir das als unwissender Schweizer vorstellen?« (Reto) »Hallo Reto, nein, ich denke, dieser St.-Martinsbrauch ist keine regionale Angelegenheit. Er wird auch in anderen Teilen Deutschlands gepflegt, wenn auch mancherorts vielleicht nicht so intensiv wie im Rheinland, wo diese Tradition vor allem auf den Dörfern noch einen recht hohen Stellenwert hat. Als jemand, der im Rheinland aufgewachsen ist und hier lebt, kenne ich das gar nicht anders: Mitte November ziehen die Kinder – d.h. Kindergärten und Schulen – mit Laternen im Martinszug durch die Straßen zu einem Martinsfeuer. Anschließend laufen sie dann von Tür zu Tür, singen Martinslieder und bekommen dafür Süßigkeiten« (Nik).
Das Beispiel zeigt, dass der Bedarf nach einer Klärung zunächst die Filme als Informationsquelle für eine Problematisierung von Umständen und Inhalten in Anspruch nimmt. In der Diskussion wird dann jedoch die Bedeutung verhandelt und als objektivierende Beurteilung anerkannt.
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Die gehäufte Darstellung von Stereotypen und Klischees im Tatort wird immer mal wieder innerhalb des Forums thematisiert und bewertet. Ein Gespräch über die Folge Bermuda führt hier schnell zu einem Konsens: »Mich störte, dass Freddy gleich mehrere Bekannte unter den Verdächtigen hatte. Mag zwar alles sein, auch in einer Millionenstadt, muss aber doch nicht ständig als besonderer Kniff Gegenstand des Kölner Tatort sein« (Jürgen). »Deutschlands Großstädte scheinen ja wirklich so klein zu sein, dass ein Kommissar bei jedem Mord mindestens einen der Beteiligten persönlich kennt...« (Prediger).
Andere Darstellungen provozieren hingegen breite Diskussionen. Exemplarisch sei hier eine Diskussion über eine Szene aus der Folge Rückspiel herausgegriffen. In der Aussage Flemmings lässt sich eine Enttäuschung über die klischeehafte Darstellung der deutsch-deutschen Beziehungen ablesen. Diese Lesart stößt dann bei Nik insofern auf Ablehnung, als er sich positiv über die lokale Färbung des Kölner Tatort äußert. Wilkie ironisiert daraufhin die gastronomischen Eigenheiten und stellt deren Bedeutung in Frage. Schließlich verteidigt Nik die regionalen Spezialitäten, indem er sie erklärt und an den Film zurückbindet: »Ich war doch ziemlich enttäuscht, hatte mir nach dem durchaus unterhaltsamen Quartett aus Leipzig deutlich mehr erwartet. Im Grunde hat man die ganze Geschichte nochmal aufgewärmt, diesmal die Ossi-Wessi-Unterschiede noch deutlich klischeehafter rübergebracht« (Flemming). »Das Positive vorweg: Die vier Kommissare waren gut aufgelegt, man merkte ihnen die Spielfreude deutlich an, und auch der Humor gefiel mir. Pluspunkt auch für’s Lokalkolorit, das beim Köln-Tatort sonst keine Selbstverständlichkeit ist« (Nik). »Ja, das Lokal-Kolorit war mir auch aufgefallen, das war ein wirklich tolles Restaurant-Menü bestehend aus trockenen Brötchen, gut abgehangenem Käse und natürlich Senf, damit dem guten Ehrlicher der Fraß nicht im Halse stecken blieb. War wohl eine echte Kölsche Spezialität...« (Wilkie). »Das war ›Halver Hahn‹, Du Pappnase von der Waterkant! Ortsunkundige, die hier einen ›halben Hahn‹ erwarten, sind aber auch wirklich gekniffen... Kain hatte glaub ich ›Himmel un Äd‹ vor sich stehen (noch so ’ne kölsche Speziali-
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tät, bestehend aus Kartoffeln, Äpfeln und Flönz = Blutwurst) – auch nicht unbedingt mein Fall. Immerhin hatten sie nix an unserem Bier zu mäkeln!« (Nik).
Jenseits dieser Verhandlungen darüber, wie die konkrete Inszenierung von Lokalkolorit zu bewerten ist, münden die Diskussionen der ForumsMitglieder oftmals in einer Thematisierung dessen, was sie allgemein unter einem ›realistischen‹ Tatort verstehen und erwarten. Von Interesse ist dabei auch, inwieweit Aspekte des Lokalkolorits Rückschlüsse auf die Themen und Motive der Tatorte ermöglichen. Es geht somit nicht so sehr um die isolierte Bewertung der Fernsehereignisse, sondern vielmehr um eine Verhandlung gemeinsamer Orientierungen und Werte innerhalb des Forums. Der Tatort fungiert dann als semiotisches Material, das sowohl eine gegenseitige Bestätigung als auch eine Entwicklung eigener Vorstellungen ermöglicht. Ein Beispiel für das Aushandeln von Bedeutung ist folgender Ausschnitt von Äußerungen: »Profil müssen meiner Meinung nach doch vor allem die Ermittler haben und nicht zwingend Orte, Landschaften oder Städte. Daß gewisse Themen (aber sicher auch nur sehr wenige) nur in bestimmten Städten bzw. in Städten einer gewissen Größe ›funktionieren‹, kann ich ja ansatzweise noch nachvollziehen. Aber was ist Lokalkolorit? Darüber kann man sich natürlich stundenlang streiten: Ist es ein bestimmter ›Menschenschlag‹, sind es pittoreske Kirchtürme oder Hochhäuser, Kneipen oder Nachtclubs ... Man könnte doch – rein theoretisch – überall einen Tatort drehen über Morde im Nachtclub-Milieu oder nicht? Hauptsache die Geschichte ist stimmig, die Figuren interessant und die Ermittler haben Profil« (Moltke).
Während dieser Tatort-Fan dem Lokalkolorit wenig Gewicht beimisst und das Funktionieren der Geschichten überwiegend an den Figuren und Schauspielern festgemacht sehen will, erwarten andere Zuschauer eine realistische und lokale Einfärbung der Reihe: »Lokalkolorit sind nicht so sehr Gebäude, Plätze oder andere Örtlichkeiten. Auch ein Stück, das nur aus Innenaufnahmen besteht, kann vor Lokalkolorit nur so bersten – sonst wäre Volkstheater ja gar nicht vorstellbar […] Auf der anderen Seite: Was ist ein Film wert, wo Orte und Plätze stimmen, aber die Menschen nicht?! Nicht viel, meine ich. Deshalb achtet ein guter Regisseur oder Redakteur auch auf eine passende Auswahl der Schauspieler. […] Wenn man zusätzlich für einen Film noch passende Drehorte findet, die etwas von den landschaftlichen Besonderheiten widerspiegeln, ist das natürlich ideal. Es darf aber auch nicht zur falschen Postkartenidylle führen« (Burkhard).
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»Das Lokalkolorit, das ja nicht nur sprachlich zum Ausdruck kommen soll, ist ja eines der Markenzeichen der Tatort-Reihe. Für mich ist das ein Element, auf das ich nicht verzichten möchte« (Nik). »Da ist schon etwas dran. Der Tatort sollte doch eine der Realität sehr nahe kommende Handlung haben« (Bertel_68).
Die Aussagen zeigen, dass viele Fans Anspruch auf eine authentische und unverwechselbare Darstellung der Themen, Handlungen und Schauplätze haben. Dabei wird der Tatort dann aber implizit an einer vermeintlich vorgegebenen ›Realität‹ gemessen. Nicht alle Fans sehen in den Filmen das Gleiche, nicht für alle ist der räumliche Zusammenhang von derselben Bedeutung, da die Fans unterschiedliche Erwartungen und Einstellungen an die Rezeptionssituation herantragen. Dies wird auch deutlich, wenn man sich die Diskussion über die Kölner Tatorte ansieht, die sich mit ›globalen‹ Themen (vgl. S. 169f.) beschäftigen: »Die schön düstere und unheimliche Atmosphäre, eine Geschichte, die unter die Haut geht, ohne auch nur im Geringsten mit erhobenem Zeigefinger aufzutreten und die Feinzeichnung auch gerade von Nebenfiguren (Tarrach). Irgendwie hatte der Film [Minenspiel, B.B.] etwas untergründig Faszinierendes, Unheimliches, das einen bis zum Schluss in seinen Bann zog. [...] Sehr schön eingefangen im Dunkeln wurden sowohl Gesichter als auch Landschaften« (ChristianB). »Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass ich an Filme, auch Krimis, mit ›globaler Bedeutung‹ sehr hohe Ansprüche stelle. Mir sind Tatorte, die sich mit dem Alltagskosmos der Figuren auseinandersetzen, im Prinzip lieber als hochtrabend geplante Filme, welche die Welt erklären wollen, aber aufgrund fehlender Einbettung ins ›wahre‹ Leben abstrakt bleiben – und mich als Folge davon kalt lassen« (Reto). »Ich stehe Tatorten mit ›globaler Bedeutung‹, wie Reto es so schön ausgedrückt hat, schon von vorne herein skeptisch gegenüber, weil sie meistens den hochtrabenden Ansprüchen nicht gerecht werden (siehe Manila). [...] Ein kleiner Mord in der Familie oder unter ›normalen‹ Menschen aus der Mittelschicht würde mir mal wieder gefallen« (Karl S. Berg). »Ich kann das Votum von Karl S. Berg absolut nachvollziehen. ›Je globaler, umso besser‹ gilt nämlich bei mir auch nicht. Meistens sprechen mich die ›beschaulichen‹ Tatorte mehr an« (schwyz).
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DEKODIERTE RÄUME
Ganz ähnlich – wenn auch in deutlich forscherem Tonfall – bewertet Bertel die Schauplätze in Manila. Ihrer Meinung nach wird da nur »irgendwo rumgepöbelt im fernen Asien«. Auch wenn die Thematisierung internationaler Verbrechen durchaus auch auf Zuspruch bei den Fans stößt, werden insgesamt lokale Geschichten, wird der Fernsehmord im »beschaulichen« Milieu bevorzugt.
Reaktionen auf die Drehorte Die geführte Diskussion über Lokalkolorit im Tatort findet ihren logischen Anschluss in einer Auseinandersetzung mit dem filmischen Raum und seinen Drehorten. Die intensive Beschäftigung mit diesem Aspekt der Filmproduktion ist dabei im Wesentlichen dadurch zu begründen, dass es den Zuschauern ganz offensichtlich Vergnügen bereitet, sich in dem filmischen Material auf Spurensuche zu begeben und räumliche Unstimmigkeiten als ›geographische Verbrechen‹ zu entlarven: »Ich finde es immer wieder drollig, wenn linksrheinisch ermittelt wird und sich die Kommissare nahezu jedesmal die Mühe machen, auf die »Schäl Sick« zu fahren, um von der Wurstbude aus den Blick auf Rhein und Dom freizugeben. Außerdem tue ich mich stets schwer damit, wenn Drehorte innerhalb Kölns 20 Kilometer entfernt liegen und das Geschehen sich binnen weniger Sekunden abspielt. So turnt in Restrisiko (Wdh. vergangenen Freitag) der Verdächtige Lagerhoff in der Südstadt herum und ist keine fünf Minuten später schon bei Ballauf, Schenk und Berger in Nippes auf der Neusser Straße. Für die Strecke brauche ich im Schnitt eine halbe Stunde – ohne Karnevalsumzug. Das kann und soll natürlich kein Vorwurf sein, aber ein seltsames Gefühl bleibt doch irgendwie zurück« (Norman). »Ja, da ›staune‹ ich auch immer. Diese Würstchenbude, fast in jeder Folge Schauplatz, steht wohl nur deshalb auf der Schäl Sick, weil der Zuschauer von dort einen schönen Blick auf den Dom hat, der daran erinnern soll, dass der Tatort in Köln spielt (viel mehr bleibt vom Lokalkolorit ja sonst meistens nicht übrig...) […] Ärgerlich wird es allerdings, wenn Schauplätze bewusst ›gefälscht‹ werden, wie zum Beispiel im WDR-Tatort Mördergrube: Da wurde die Juristische Fakultät der Kölner Uni – in Wirklichkeit ein paar graue Zweckbauten – in die schöne Abtei Brauweiler vor den Toren Kölns verlegt, offensichtlich nur aus Gründen der Optik. Dort war am Sonntag [Ausstrahlung von Quartett in Leipzig, B.B.] übrigens auch das Büro der Kunstexpertin angesiedelt, die dann in einer Szene ›mal eben rüber‹ musste zum Erzbischof« (Nik).
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Die Äußerungen belegen zunächst, dass die Umfunktionierung von Gebäuden im Film bzw. die Überprüfung der Original-Schauplätze ein wichtiges Thema ist. Die Unterhaltung macht aber auch deutlich, dass das gemeinsame Interpretieren ein wichtiger Bestandteil der kommunikativen Aneignung räumlicher Aspekte im Tatort ist. Es ist ein argumentativer Vorgang, bei dem die Forums-Mitglieder versuchen, ihre Einschätzung mit Begründungen und Hintergrundinformationen zu stützen. Dabei werden Asymmetrien und Ungleichheiten hinsichtlich der Wissensvoraussetzungen und des entsprechenden Erkennens von und Umgangs mit Lokalität erkennbar: »Ist keinem aufgefallen, dass der gezeigte Park gar nicht in Köln war? Gegen 21:30 Uhr konnte man im Hintergrund den PostTower (Bonn) erkennen. Somit dürfte es sich bei der Grünanlage mit Seen um die Rheinauen handeln« (Busley). »So ist es, richtig erkannt. Schon relativ weit am Anfang gab es noch eine wietere Szene (mit den Hunden), die in der Rheinaue gedreht worden ist. Übrigens wurden auch bei der aktuellen Tatort-Produktion des WDR, die gerade in Arbeit ist, einige Straßenszenen in Bonn gefilmt – allerdings an einem weniger markanten Punkt, in irgendeinem Wohnviertel« (Nik).
Die bisherigen Auszüge aus den Diskussionen machen insgesamt deutlich, dass es den Zuschauern aufgrund des Tatort-spezifischen Inszenierungskonzeptes alltäglicher Situationen vor allem um das Verhältnis von Fiktionalität und Wahrhaftigkeit bzw. Inszenierung und Authentizität und damit um die Frage nach dem Realitätsgehalt der dargestellten Schauplätze und Inhalte geht. Vor diesem Hintergrund zeichnen sich verschiedene Lesarten ab, die sich grob als fiktions- und realitätsorientiert bezeichnen lassen und mit denen unterschiedliche Bedeutungsschichten erschlossen werden: Einerseits zeigt sich, dass eine detaillierte Überprüfung des Dargestellten an außerfilmischen Informationen erfolgt und es immer dann zu Protesten kommt, wenn die filmische Repräsentation nicht genügend mit der Wirklichkeit überein zu stimmen scheint. In dieser Lesart werden dann Motivimporte und Umfunktionierungen von Gebäuden konsequent als Falschrepräsentationen gedeutet, die die städtische Wirklichkeit unterlaufen und verzerren. Spezifisches Wissen und das Alltagswissen der Zuschauer stellen so die Folie bereit, vor deren Hintergrund Abweichungen vom ›Realen‹ erkennbar und als Basis der Bewertung herangezogen werden. Insofern wird das Sehen eines Tatort zur Kontrolle der räumlichen ›Normalität‹, d.h. zur Überprüfung der filmischen Einheit von Ort, Zeit und Handlung. Andererseits wird der Film
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als Konstruktion verstanden und akzeptiert, solange die Darstellung glaubhaft und realistisch daher kommt. Am ›Glaubwürdigen‹ werden somit alltägliche Taktiken greifbar, durch die die filmische Stadt für die Fans als ihre eigene Realität konstruiert wird. Die Glaubwürdigkeit wird hier also zu einem Kriterium einer subjektiven Konstruktions- und Zuschreibungsordnung, während Einflussfaktoren technischer, apparativer, repräsentativer und semiotischer Art auf die Darstellung von Wirklichkeit dabei nur selten reflektiert werden. Diese Sichtweise ist somit ex negativo wieder einem Realismus-Konzept verpflichtet, da die reale Stadt stets als Vergleichsgrundlage präsent bleibt. Insgesamt wird also der Konstruktcharakter des Films zugunsten der Akzeptanz eines Realitätseffekts weitgehend ausgeblendet. Damit lassen sich die Rezeptionsgewohnheiten anhand des vorherrschenden Realitätsverständnisses als deutlich illusionistisch beschreiben, wenngleich die Tatort-Fans neben dem grundsätzlichen Inszenierungscharakter der Reihe auch die Brüche und Grenzen dieser Inszenierung erkennen und für ihre Bewertung als fiktionaler oder authentischer Situationsschilderung heranziehen. Die Angebote der Filme werden somit selektiv auf eine subjektive Realitätskonzeption hin interpretiert, um so eine Wirklichkeit entstehen zu lassen, in der die kognitive Ebene mit der filmischen, konstruktiven Wirklichkeitskonzeptualisierung interagiert. Die Konsequenz einer so angenommenen Konstituierung einer Realitätskopplung im Zuge der Rezeption ist, dass der eigentliche bildliche Status, die eigentliche Bedeutung und Funktionalisierung des filmischen Raums dabei nicht ausschlaggebend ist. Vielmehr wird deutlich, dass eine Entscheidung durch den Zuschauer über die Realitätskopplung der Bilder sich nicht am Bild, sondern an den kontextuellen Markierungen festmacht, und so die Repräsentation selbst kaum ausschlaggebend für die Bewertung der Bilder sein kann. Einen zusätzlichen Bezugspunkt zur Raumdarstellung bildet die individuelle alltagspraktische Erfahrung, die auf die filmischen Situationen bezogen werden: »Was mir aufgefallen ist, war, dass die Baustelle auf der die Firma ›Hansa Bau‹ tätig war, der am 13. Juni eröffnete Flughafenbahnhof war. Zum Zeitpunkt des Drehs dürfte es dort tatsächlich wie im Film ausgesehen haben. Ich finde es gut, dass man da so eine prominente Baustelle eingebaut hat. Allerdings stellt man dann auch fest, welch große Distanzen unsere Kommissare so zurücklegen. Zum Flughafen, nach Odenthal, ... […] Bei den Szenen am Hauptbahnhof habe ich gemerkt, dass sie nur kurz hintereinander aufgenommen wurden. Das ist vom Aufwand her sicher nur zu begrüßen, aber wenn man das weiß, wirkt es nicht so authentisch. Dass im Hintergrund kaum oder keine Züge zu sehen waren, passt meiner Meinung nach nicht zu Köln Hbf« (Busley).
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Die hier beschriebene Erinnerung an Erlebnisse mit den Drehorten wird mit Informationen und emotionalen Konnotationen verbunden, die den anderen Forums-Mitgliedern mitgeteilt werden sollen. Dadurch schafft Busley einen Kontext zur Aneignung der Sendung. Ausgehend von den eigenen Erfahrungen werden hier die gesehenen Inhalte überprüft, bewertet und verhandelt, so dass das Dargestellte im Horizont des selbst Erfahrenen lokalisiert wird. Gleichzeitig erfolgt eine Rekonstruktion der eigenen Erlebnisse anhand der medialen Inhalte. Die Fernsehaneignung ist somit ein Vermittlungsprozess zwischen Medien- und Alltagsdiskursen, ein Prozess, durch den die Forums-Mitglieder den Kölner Tatort in ihren spezifischen alltagsweltlichen Zusammenhängen für sich nutzbar machen. Entsprechend muss die Alltagswelt als grundlegender Bezugsraum der Fernsehaneignung verstanden werden. Indem die Zuschauer also die filmischen Handlungsorte mit den eigenen Erfahrungen über die entsprechenden Drehorte abgleichen, wird das Gesehene zum eigenen Handlungsraum in Beziehung gesetzt bzw. auf den eigenen Handlungsraum projiziert. Gleichzeitig findet eine Übertragung des Wissens auf die Fernsehtexte statt, so dass die filmische Stadt rekontextualisiert wird, indem Lücken, Ungereimtheiten und Verbindungen zwischen den Schauplätzen in der erzählten Geschichte ergänzt werden. Die Handlungsorte dienen dann als Ankerpunkte, um die fiktionale Darstellung mit dem individuellen Erfahrungswissen zu verschränken. Der Tatort bietet insgesamt ein vielschichtiges Ausgangsmaterial zur Verständigung über die mediale Darstellung von alltäglichen räumlichen Situationen, von dem ausgehend die Zuschauer sowohl zu einer Form der Selbstauslegung im Sinne einer Verortung der eigenen Erfahrungen als auch zu einer kritischen Bewertung gelangen können, die ihnen einen Einblick in den Konstruktcharakter der Reihe ermöglicht.
Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse Die vorgenommene Spurensuche hat in diesem Kapitel unterschiedliche Aneignungs- und Wirkungsweisen der Filme aufgezeigt, die in der Öffentlichkeit durch ein breites Spektrum sozialer Diskurse Eingang in die Medienkultur finden. Zunächst ließ sich anhand unterschiedlicher lokaler Öffentlichkeiten skizzieren, wie die filmischen Inhalte in ihre symbolischen Praktiken integriert werden und dadurch eine Vermischung von Alltagswelt und Filmwelt fördern. Auf diese Weise wird die Alltagswelt zu einem Ort,
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der durch den Tatort besetzt wird. Es kommt zu vielfältigen Verschränkungen von filmischen Figuren und Motiven mit außerfilmischen Themen und Situationen, so dass Bruchstücke des Fiktiven Eingang in konkrete Diskurse der Stadt finden. Neben diesen Formen der Dekontextualisierung filmischer Inhalte ließen die Beobachtungen eines Internet-Forums auch Prozesse der Rekontextualisierung erkennen. Die Tatort-Fans eignen sich die Fernsehtexte durch ein Set an kommunikativen Formen an, wobei die eigene Erfahrungswelt zu einem wesentlichen Bezugsrahmen für die Aneignung wird, vor dessen Hintergrund die Fernsehtexte interpretiert werden. Die Kommunikation über den Tatort erschöpft sich dabei nicht in der Visibilisierung und Verarbeitung von Themen und Meinungen. Es kristallisieren sich auch Orientierungsmarken heraus, die als verdichtete Meinungen innerhalb des Forums weithin akzeptiert werden. Die produktive Auseinandersetzung mit räumlichen Gegebenheiten im Kölner Tatort zeichnet sich durch eine bestimmte Weise des Gebrauchs und der Interpretation der medialen Texte aus. Wie an zahlreichen Beispielen gezeigt werden konnte, muss davon ausgegangen werden, dass das Raumbild der Fernsehreihe ihren Zuschauern nicht aufgezwungen wird, sondern von diesen selbst in Auseinandersetzung mit den Inhalten einzelner Folgen konkretisiert wird. Das Potenzial der Fernsehaneignung ist somit sowohl durch den Fernsehdiskurs als auch durch ihre alltäglichen kulturellen und sozialen Kontexte bedingt: Einerseits eignen sich die Tatort-Fans die Fernsehtexte mit Bezugnahme auf ihre alltagsweltlichen Zusammenhänge an, andererseits dient der Tatort als Material im Prozess einer gemeinsamen Wirklichkeitskonstruktion. In Auseinandersetzung mit den im Fernsehen dargestellten Inhalten lassen sich alltagsweltliche Zusammenhänge rekonstruieren und ein Realitätsverständnis bewerten. Insgesamt können drei Arten von kontextualisierenden Verweisen unterschieden werden. Dies sind erstens Bezugnahmen auf Produktionskontexte wie Drehorte oder Schauspieler, zweitens Verweise, die den filmischen Kontext einzelner Inhalte betreffen, und drittens Verweise, die den alltagsweltlichen Kontext der Zuschauer aktivieren und in Beziehung zu den Inhalten setzen. Dabei lässt sich insgesamt erkennen, dass ein impliziter Anspruch auf Authentizität und Realismus besteht, der den Tatort vor dem Hintergrund einer vermeintlichen Wirklichkeit bewertet. Auch wenn sich die Ergebnisse aus der Untersuchung eines FanForums nicht problemlos verallgemeinern lassen, so geben sie doch einen fruchtbaren Einblick in die komplexen Prozesse medialer Aneignung von Geographie.
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RESÜMEE
UND
AUSBLICK
Die vorliegende Studie hat einen theoretischen Rahmen eröffnet, der die filmische Stadt als ein kulturelles Phänomen erfasst. Daraus ist ein empirisches Forschungsprogramm abgeleitet und am Beispiel des Tatort Köln umgesetzt worden. Hauptanliegen der Arbeit ist die Rekonstruktion von Wirklichkeitsdeutungen einer Stadt in ihren kommunikativen Prozessen. Die Frage, wie Fernsehen genau Räume repräsentiert und produziert und wie sich die Zuschauer orientieren, welche Aneignungsformen, welche Diskurse und Disparitäten auf verschiedensten Ebenen der Raumkonzeptualisierung konstituiert werden, kurz: wie das Fernsehen ein Bild der Stadt zirkuliert, erforderte einen kritischen Blick, der die komplexe Gestalt des Raumes in produktive und produzierende Felder zerlegte. Gerade am Kriminalfilm ließen sich dann vielfältige Möglichkeiten raumstrukturierender Diskurse verfolgen, ebenso wie sich die Abhängigkeit des Bedeutungsangebotes der so zirkulierenden Zeichen und Repräsentationen deutlich im Kontext ökonomischer und ästhetischer Praktiken der Produktion als auch mit Bezug der Aneignenden zur Alltagswelt dokumentieren ließ. Insgesamt konnte gezeigt werden, dass die filmische Stadt als Produkt kommunikativer Handlungen, d.h. als kommunikativer Konstruktionsprozess, zu verstehen ist, in dessen Verlauf sich immaterielle und materielle Konstitutionsbedingungen überlagern. Film und Stadt beschreiben somit ein komplexes Wechselverhältnis, in dem sich unterschiedliche Prozesse der Bedeutungszuschreibung und Inwertsetzung von Räumen verschränken. Das Thema erforderte zunächst, die Perspektive der Geographie zu verlassen, um kultur- und medienwissenschaftliche Theorien und Konzepte in den Blick zu bekommen. Zu diesem Zweck ist im zweiten und dritten Kapitel das Spektrum der Beziehungen zwischen Kultur, Geographie und medialer Kommunikation vermessen worden. Hier galt es, in Auseinandersetzung mit Überlegungen der Anthropologie, der Cultural Studies und der Kulturgeographie Kriterien für eine Konzeptualisierung einer räumlich orientierten Kulturforschung zu entwickeln. Sodann mussten aus diesem Panorama der interdisziplinären Forschungslandschaft diejenigen Versatzstücke herausgeschält werden, die für die kon-
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krete, geographische Fragestellung fruchtbar erschienen. Dies wurde im vierten Kapitel in Anlehnung an das Modell des circuit of culture berücksichtigt. Ausgehend von einem semiotischen Ansatz der Medienforschung wurde hier Kultur als ein zirkulärer Prozess verstanden, in dem räumliche Bedeutungen und Ordnungen unterschiedlich bestimmt und kommuniziert werden. Dabei wurden die Bereiche der Repräsentation, Produktion und Aneignung herausgehoben, um sie anhand eines einheitlichen Gegenstandes einer qualitativ-empirischen Analyse zu unterziehen. Der Tatort bot hier einen optimalen Ausgangspunkt, da sich die Filme als vielschichtige Texte lesen ließen, in denen das Bild einer Stadt über semantische Bedeutungszuschreibungen als komplexes Rahmenthema verhandelt wird. Im analytischen Teil der Arbeit ist versucht worden, den Zusammenhang von kommunikativen, ökonomischen und technisch-apparativen Faktoren auf die räumliche Konstruktion der filmischen Stadt im Tatort darzustellen. Während die Filmreihe behauptet, dass jeweils bestimmte, unverkennbare Städte dargestellt werden, konnte hier gezeigt werden, dass die Stadt, wie sie auf den Bildschirmen erscheint, eine enorme apparative Künstlichkeit erfordert, um als ›real‹ zu wirken. Dies gilt insbesondere dann, wenn aufgrund der Produktionsbedingungen nicht alle Motive vor Ort gedreht werden können. Genau diese Artifizialität unterwandert aber eine detaillierte Innensicht der Städte und lässt ihre Eigenarten verschwinden. Die Vielfalt und Differenzen innerhalb der Stadt werden zu Gunsten verengter, stereotyper Images, die auf Aus- und Abgrenzungen basieren, nivelliert. Insgesamt scheint damit die wechselseitige Beeinflussung von dem filmisch konstruierten Image und den ökonomisch bestimmten Drehorten von größerem Einfluss auf die Repräsentation der filmischen Stadt zu sein, als die Geschichte(n) der Stadt selbst. Vielmehr lässt der Film die Stadt durch seine spezifischen Darstellungs- und Ausdrucksmittel neu entstehen. Diese imaginative Geographie des Tatort ist insgesamt ein komplexes Konstrukt aus einem abgebildeten realen Raum und dem symbolischen Raum der Filmerzählung, der zum Handlungsort deklariert wird. Der Filmraum ist damit faktional und fiktional zugleich, indem er mit Informationen aus dem realen Leben gefüttert und durch Referenzen auf visuelle Wahrzeichen und Raum-Mythen genährt wird. Die filmische Stadt ist somit weniger ein bereits existierender Hintergrund der Geschichten, vielmehr konstituiert sie sich erst durch den Akt des Erzählens. Indem die Tatorte also Ereignisse in den Raum projizieren, erzeugen sie eine narrative Topographie der Stadt. Die filmische Wirklichkeit darf aber nicht als Vorgabe einer kollektiven Sichtweise oder gemeinsamer Orientierungen verstanden werden, sie stellt lediglich ein gemeinsames Bezugsfeld für Orientierungen bereit.
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RESÜMEE UND AUSBLICK
Erst in dem produktiven Umgang mit dem filmischen Material, erst in der Einbindung der Informationen in das Vorwissen der Zuschauer, ergibt sich eine Orientierung. Diese Einbindung erfolgt im Prozess der Aneignung der medialen Inhalte und ist als individuelle Konstruktionsleistung zu verstehen. Die Untersuchung eines Internet-Forums zeigt, dass die Tatort-Fans die medialen Angebote in den alltäglichen Prozess der Kommunikation einbauen, ohne die Darstellungen blind zu übernehmen. Wo die Produktion bemüht ist, Motivimporte zu verschleiern, indem die Drehorte mit lokalen Alltagssignalen aufgeladen werden, decken die Zuschauer eben diese Produktionspraktiken auf oder stellen neue räumliche Bezüge her, indem sie die Bilder vor dem Horizont ihrer eigenen Erfahrungen und im Rahmen der aktuellen Lebenssituation deuten. Wenngleich die Stadt für den Zuschauer durch die filmischen Beschreibungen vorstrukturiert und konventionalisiert wird, erfährt die filmische Stadt eine Interpretation stets mit Blick auf vorhandene Erfahrungen der TatortFans. Dies bedeutet schließlich, dass die räumliche Darstellung von unterschiedlichen Personen und in unterschiedlichen Kontexten immer wieder mit neuen und anderen Bedeutungen versehen wird und somit eine sich stets erneuernde und verändernde Konstruktion darstellen. Das Bild der Stadt, wie es sich im und in Auseinandersetzung mit dem Film konstituiert, ist ein Prozess, der nach vielen Seiten offen bleiben muss, da die Bedeutungszuschreibungen jederzeit ergänzt, verändert und neu kontextualisiert werden können. Der circuit of culture lässt sich somit nur vorläufig schließen wie auch die Untersuchung hier nur scheinbar zu einem Ende kommen kann – zu einem Ende, das als temporärer Stillstand verstanden werden muss und weitere Anschlüsse sucht und fordert. Diese Situation war schon Clifford Geertz bekannt: »Die Untersuchung von Kultur ist ihrem Wesen nach unvollständig. Und mehr noch, je tiefer sie geht, desto unvollständiger wird sie« (Geertz 1983: 41). Die vorliegende Untersuchung bearbeitet eine bisher wenig beachtete Fragestellung an der Schnittstelle von kulturgeographischen und medienwissenschaftlichen Ansätzen und Konzepten. Sie liefert dadurch einen ersten Schritt, um die theoretische Rahmung von Medien, Kultur und Geographie mit einer systematischen Analyse öffentlicher Bildwelten am Beispiel von Fernsehkriminalfilmen zu verbinden. Der mehrdimensionale Ansatz des circuit of culture hat sich dabei als ausgesprochen fruchtbar und praktikabel erwiesen, um das komplexe Phänomen des Tatort in den Griff zu bekommen. Gleichwohl konnten in dieser Untersuchung nicht alle Dimensionen des Kreislaufs mit gleicher Intensität bearbeitet werden. Die nächsten Schritte, die hier als offene Forschungsfragen zu verstehen sind, sollten daher vor allem die Aspekte der Aneignung von medialen Angeboten methodisch und empirisch vertiefen. Darüber hinaus
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gilt es aber auch, die einzelnen Bereiche des Kreislaufs noch genauer zu differenzieren. Hier erscheinen vor allem komparativ oder historisch angelegte Analysen von besonderem Interesse, damit im Vergleich oder Rückblick die Spezifika und Gemeinsamkeiten verschiedener kultureller, medialer und gesellschaftspolitischer Kontexte stärker herausgearbeitet werden können. Abschließend ist festzuhalten, dass eine geographisch perspektivierte Fernsehanalyse notwendiger ist denn je, um die Entwicklungen in der Film- und Fernsehbranche kritisch zu begleiten und die räumliche Verfasstheit öffentlicher Bildwelten im Kontext ökonomischer, technischer, ästhetischer und kommunikativer Zusammenhänge transparent zu machen. In diesem Sinne muss die Fernsehanalyse aber auch kritisch sein und die Ergebnisse der Forschung an die kulturellen Angebote rückbinden, um den sich abzeichnenden Tendenzen argumentativ entgegenzutreten. Daher schließen sich an diese Untersuchung nicht nur offene Fragen an die Forschung, sondern auch eine Kritik am ›Prinzip Tatort‹ an. Gleichwohl ist hier nicht der rechte Platz einer Empfehlung für die zukünftige Gestaltung der Krimi-Reihe. Wohl aber stellen die empirischen Ergebnisse das Konzept einer räumlich orientierten Dramaturgie in Frage: Vor dem Hintergrund, dass der Tatort eine Lokalisierung im Sinne einer Authentisierung der Geschichten und ihrer Handlungsorte vornehmen wollte, konnte hier exemplarisch gezeigt werden, dass diese Positionierung lediglich als allegorisches Konzept verstanden werden kann, indem den Geschichten und Verbrechen ein (oder auch mehrere) Ort(e) ihres Stattfindens zu eigen sind. Der Tatort an sich ist aber nicht in der Lage – und will auch nicht in der Lage sein –, tatsächlich im Sinne eines dokumentarischen Charakters Hintergrundinformationen über diese Orte zu liefern. Vehement realistisch argumentiert, stünde es dem Tatort nicht schlecht, die Stadt nicht bloß als Schauplatz irgendeines Geschehens zu instrumentalisieren, sondern sich von der Stadt thematisch und topographisch inspirieren und prägen zu lassen. Will man dem ursprünglichen Konzept der Reihe Rechnung tragen, dann sollte um eines größeren Realismus und einer stärkeren Authentizität willen die Wirklichkeit in ihrer räumlichen und historischen Kontinuität bewahrt werden. Stärker konstruktivistisch betrachtet, erscheint es wenig konsequent, die Gestaltungsmöglichkeiten einer filmischen Geographie an den Maßstäben des vermeintlich Authentischen messen zu wollen. Es wäre eher zu wünschen, die Wirklichkeit durch die Art des Aufnehmens und Montierens in einer neuen Weise zum Sprechen zu bringen, so dass die räumliche Verortung der Geschichten, die so typisch ist für den Tatort, immer wieder neu erfunden und weiterentwickelt wird. Dies erfordert aber, das
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visuelle Potenzial der Stadt in einer kreativen und ästhetischen Bildersprache so weit zu erproben, dass auf Stereotype und Klischees verzichtet werden kann, ohne in eine Beliebigkeit der Darstellung zu verfallen. Und es erfordert vor allem eins: Ein Budget, das Spielraum lässt für eine aufwendige Gestaltung und besondere Drehorte. Aus der sich derzeit abzeichnenden Entwicklung des Tatort zu wieteren Kosteneinsparungen für den Einzelfilm zugunsten einer schneller wachsenden Anzahl an Produktionen insgesamt, resultiert momentan doch eher eine Entwicklung zurück zum Kammerspiel – eine Tendenz, die beiden Überlegungen zu widersprechen scheint. Letztlich wird über den zukünftigen Erfolg der Reihe aber das Publikum entscheiden.
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DANKSAGUNG Wenn man Mitte der 1970er Jahre das Licht der Welt und im Laufe der Sozialisation dann auch den Fernseher erblickt hat, dann gehörte der Tatort am Sonntag immer schon zum Alltag dazu. Und auch während der Entstehung des Kabelfernsehens seit den späten 1980er Jahren hat er seinen Platz sowohl im Programmangebot wie auch in meinem Leben stets behalten können. Schenkt man den Einschaltquoten Glauben, so sitze ich dabei nicht allein vor dem Bildschirm, sondern betrachte der Deutschen liebstes Fernsehereignis. Dass ich meine Beschäftigung mit dem Tatort im Rahmen einer Dissertation vertiefen und mit kritischen Fragen konfrontieren konnte, verdanke ich zahlreichen Personen und Institutionen, die meine Arbeit maßgeblich unterstützt haben. Mein Dank gilt an erster Stelle Dietrich Soyez, der sich des Themas bereitwillig und mit großem Interesse angenommen hat. Gleichermaßen danke ich der Kölner Arbeitsgruppe am Lehrstuhl für Anthropogeographie, die meine Arbeit mit konstruktiver Kritik begleitet haben. Ebenso möchte ich mich bei meinem Zweitgutachter Josef Nipper bedanken, der seine Aufgabe mit Freude angenommen hat. Danken möchte ich ferner Katja De Bock und der Tatort-Redaktion des WDR für die offene Unterstützung des Projekts, der Colonia Media für die Bereitstellung interner Produktionsdaten sowie allen Interviewpartnern für die intensiven Gespräche. Ralf Bläser sowie Klaas Bollhöfer, Bastian Suhr und Anette Törß danke ich für die kritische Durchsicht einzelner Kapitel des Manuskripts. Meiner Frau Nadine sowie meiner Tochter Sophie, die irgendwann zwischen dem vierten und fünften Kapitel zur Welt gekommen ist, danke ich von Herzen für ihre Geduld und Selbstverständlichkeit, durch sie mir die nötigen Freiräume ermöglicht haben. Meinen Eltern danke ich für die bedingungslose Unterstützung und den Glauben in das Projekt. Schließlich gilt mein Dank der Graduiertenförderung der Universität zu Köln, ohne deren Stipendium die Durchführung des Projekts nicht hätte realisiert werden können. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die geringfügig überarbeitete Version meiner von der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen
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GEOGRAPHIEN DES FERNSEHENS
Fakultät der Universität zu Köln angenommenen Dissertationsschrift. Der Tag der Abschlussprüfung ist der 13.07.2006.
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ABSPANN Filmliste WILLKOMMEN IN KÖLN [1] Regie: Kaspar Heidelbach; Buch: Niki Stein Erstsendung: 05.10.1997; Zuschauer: 9,12 Mio. (26,2 %) BOMBENSTIMMUNG [2] Regie: Kaspar Heidelbach; Buch: Peter Zingler Erstsendung: 12.10.1997; Zuschauer: 8,87 Mio. (25,04 %) MANILA [3] Regie: Niki Stein; Buch: Niki Stein Erstsendung: 19.04.1998; Zuschauer: 8,61 Mio. (25,02 %) BILDERSTURM [4] Regie: Niki Stein; Buch: R. Schwentke, Jan Hinter Erstsendung: 21.06.1998; Zuschauer: 5,24 Mio. (19,08 %) STRENG GEHEIMER AUFTRAG [5] Regie: Markus Fischer; Buch: Markus Fischer Erstsendung: 11.10.1998; Zuschauer: 7,13 Mio. (20,4 %) RESTRISIKO [6] Regie: Claus Michael Rohne; Buch: Peter Zingler Erstsendung: 14.02.1999; Zuschauer: 8,09 Mio. (22,2 %) KINDER DER GEWALT [7] Regie: Ben Verbong; Buch: E. v. Cossart, B. Verbong Erstsendung: 02.05.1999; Zuschauer: 7,88 Mio. (24,4 %) LICHT UND SCHATTEN [8] Regie: Wolfgang Panzer; Buch: Wolfgang Panzer Erstsendung: 04.07.1999; Zuschauer: 6,5 Mio (25,8 %)
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GEOGRAPHIEN DES FERNSEHENS
DREI AFFEN [9] Regie: Kaspar Heidelbach; Buch: R. Schwendtke, J. Hinter Erstsendung: 26.09.1999; Zuschauer: 9,72 Mio. (29,5 %) MARTINSFEUER [10] Regie: Niki Stein; Buch: Hans Frank Erstsendung: 05.12.1999; Zuschauer: 8,24 Mio. (23,7 %) BITTERE MANDELN [11] Regie: Kaspar Heidelbach; Buch: Karl-Heinz Käfer Erstsendung: 05.03.2000; Zuschauer: 7,88 Mio. (22,1 %) TRITTBRETTFAHRER [12] Regie: Markus Fischer; Buch: M. Fischer, P. Zingler Erstsendung: 16.07.2000; Zuschauer: 6,98 Mio. (23,3 %) DIREKT INS HERZ [13] Regie: Wolfgang Panzer; Buch: Wolfgang Panzer Erstsendung: 06.08.2000; Zuschauer: 8,2 Mio. (27,9 %) QUARTETT IN LEIPZIG [14] Regie: Kaspar Heidelbach; Buch: H.-W. Honert, W. Panzer, F. Breinersdorfer Erstsendung: 26.11.2000; Zuschauer: 9,9 Mio. (26,9 %) DIE FRAU IM ZUG [15] Regie: Martin Gies; Buch: Axel Götz Erstsendung: 17.12.2000; Zuschauer: 7,71 Mio. (21,4%) MÖRDERGRUBE [6] Regie: Christiane Balthasar; Buch: Robert Schwentke Erstsendung: 25.02.2001; Zuschauer: 8,89 Mio. (25,0 %) KINDSTOD [17] Regie: Claudia Garde; Buch: E. v. Cossart, I. Martin Erstsendung: 17.06.2001; Zuschauer: 9,35 Mio. (28,3 %) BESTIEN [18] Regie: Kaspar Heidelbach; Buch: Norbert Ehry Erstsendung: 07.10.2001; Zuschauer: 9,45 Mio. (25,1 %)
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ABSPANN
SCHÜTZLINGE [19] Regie: Martin Eigler; Buch: S. Poser, S. L. Neuwöhner Erstsendung: 03.03.2002; Zuschauer: 8,22 Mio. (22,6 %) SCHLAF, KINDLEIN, SCHLAF [20] Regie: Peter Fratscher; Buch: S. Cantz, J. Hinter Erstsendung: 16.06.2002; Zuschauer: 8,02 Mio. (28 %) VERRAT [21] Regie: Hans Noever; Buch: Horst Vocks Erstsendung: 01.09.2002; Zuschauer: 6,2 Mio (17,7 %) RÜCKSPIEL [22] Regie: Kaspar Heidelbach; Buch: Wolfgang Panzer Erstsendung: 10.11.2002; Zuschauer: 8,4 Mio. (23,2 %) MUTTERLIEBE [23] Regie: Züli Aladag; Buch: Züli und Feo Aladag Erstsendung: 23.03.2003; Zuschauer: 8,97 Mio. (25,1 %) SCHATTENLOS [24] Regie: Thomas Stiller; Buch: Thomas Stiller Erstsendung: 27.04.2003; Zuschauer: 9,36 Mio. (26,8 %) DAS PHANTOM [25] Regie: Kaspar Heidelbach; Buch: Norbert Ehry Erstsendung: 09.06.2003; Zuschauer: 7,10 Mio. (26,1 %) BERMUDA [26] Regie: Manfred Stelzer; Buch: S. Kleint, R. Seidel Erstsendung: 14.09.2003; Zuschauer: 8,18 Mio. (24,6 %) HUNDELEBEN [27] Regie: Manfred Stelzer; Buch: Nina Hoger Erstsendung: 12.04.2004; Zuschauer: 7,83 Mio (22,4 %) ODINS RACHE [28] Regie: Hannes Stöhr; Buch: Hannes Stöhr Erstsendung: 11.07.2004; Zuschauer: 8,88 Mio. (27,3 %)
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GEOGRAPHIEN DES FERNSEHENS
VERRATEN UND VERKAUFT [29] Regie: Peter F. Bringmann; Buch: P. Goslicki, M. Giordano Erstsendung: 19.09.2004; Zuschauer: 8,03 Mio. (23,6 %) SCHÜRFWUNDEN [30] Regie: Niki Stein; Buch: N. Stein, F. Posiadly Erstsendung: 13.02.2005; Zuschauer: 9,43 Mio. (23,9 %) MINENSPIEL [31] Regie: Torsten C. Fischer; Buch: Karl-Heinz Käfer Erstsendung: 08.05.2005; Zuschauer: 8,77 Mio. (24,7 %) ERFROREN [32] Regie: Züli Aladag; Buch: Stephan Brüggenthies, Patrick Gurris Erstsendung: 21.08.2005; Zuschauer: 8,25 Mio. (25,1 %)
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ABSPANN
Gesprächspartner Ahrweiler, Arthur. Kameramann. Das Interview erfolgte am 26.05.2004 (40 Minuten). De Bock, Katja. Redakteurin des WDR. Das Interview erfolgte am 15.03.2004 (45 Minuten). Feil, Jan. Locationscout und Requisiteur. Das Interview erfolgte am 27.05.2004 (30 Minuten). Geidosch, Udo. Außenrequisiteur. Das Interview erfolgte am 12.04.2004 (45 Minuten). Goslicki, Sonja. Produzentin der Colonia Media. Das Interview erfolgte am 16.03.2004 (45 Minuten). Heidelbach, Kaspar. Regisseur. Das Interview erfolgte am 06.11.2003 (40 Minuten). Kottmann, Klaus. Szenenbildner. Das Interview erfolgte am 19.05.2004 (50 Minuten). Meter, Frank. Locationscout. Das Interview erfolgte am 02.11.2003 (35 Minuten). Polosek, Frank. Szenenbildner. Das Interview erfolgte am 23.10.2003 (60 Minuten). Przybylski, Peter. Kameramann. Das Interview erfolgte am 07.07.2004 (35 Minuten). Scheib, Anke. Produzentin der Colonia Media, seit 2005 Redakteurin des WDR. Das Interview erfolgte am 21.10.2003 (40 Minuten). Schumacher, Jochen. Szenenbildner. Das Interview erfolgte am 06.07.2004 (40 Minuten). Stein, Nikki. Regisseur und Autor. Das Interview erfolgte am 20.05.2004 (75 Minuten).
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Kultur- und Medientheorie Ramón Reichert Im Kino der Humanwissenschaften Studien zur Medialisierung wissenschaftlichen Wissens Juli 2007, 220 Seiten, kart., ca. 24,80 €, ISBN: 978-3-89942-647-2
Marcus Krause, Nicolas Pethes (Hg.) Mr. Münsterberg und Dr. Hyde Zur Filmgeschichte des Menschenexperiments Mai 2007, ca. 300 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-640-3
Christoph Lischka, Andrea Sick (eds.) Machines as Agency Artistic Perspectives Mai 2007, ca. 250 Seiten, kart., ca. 27,80 €, ISBN: 978-3-89942-646-5
Annett Zinsmeister (Hg.) welt[stadt]raum mediale inszenierungen April 2007, ca. 160 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 16,80 €, ISBN: 978-3-89942-419-5
Lars Koch (Hg.) Modernisierung als Amerikanisierung? Entwicklungslinien der westdeutschen Kultur 1945-1960 April 2007, ca. 350 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-615-1
Nic Leonhardt Piktoral-Dramaturgie Visuelle Kultur und Theater im 19. Jahrhundert (1869-1899) April 2007, ca. 350 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 30,80 €, ISBN: 978-3-89942-596-3
Marc Ries, Hildegard Fraueneder, Karin Mairitsch (Hg.) dating.21 Liebesorganisation und Verabredungskulturen April 2007, ca. 248 Seiten, kart., ca. 25,80 €, ISBN: 978-3-89942-611-3
Hans Dieter Hellige (Hg.) Mensch-Computer-Interface Zur Geschichte und Zukunft der Computerbedienung April 2007, 360 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-564-2
Meike Kröncke, Kerstin Mey, Yvonne Spielmann (Hg.) Kultureller Umbau Räume, Identitäten und Re/Präsentationen März 2007, ca. 176 Seiten, kart., ca. 18,80 €, ISBN: 978-3-89942-556-7
Michael Charlton, Tilmann Sutter Lese-Kommunikation Mediensozialisation in Gesprächen über mehrdeutige Texte März 2007, ca. 150 Seiten, kart., ca. 17,80 €, ISBN: 978-3-89942-601-4
Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de
Kultur- und Medientheorie Christian Bielefeldt, Udo Dahmen, Rolf Großmann (Hg.) PopMusicology Perspektiven der Popmusikwissenschaft März 2007, ca. 220 Seiten, kart., ca. 24,80 €, ISBN: 978-3-89942-603-8
Björn Bollhöfer Geographien des Fernsehens Der Kölner Tatort als mediale Verortung kultureller Praktiken Februar 2007, 258 Seiten, kart., zahlr. Abb., 25,80 €, ISBN: 978-3-89942-621-2
Florian Werner Rapocalypse Der Anfang des Rap und das Ende der Welt
Karin Knop Comedy in Serie Medienwissenschaftliche Perspektiven auf ein TV-Format
Februar 2007, 282 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 978-3-89942-608-3
Januar 2007, 364 Seiten, kart., 31,80 €, ISBN: 978-3-89942-527-7
Andreas Böhn, Christine Mielke (Hg.) Die zerstörte Stadt Mediale Repräsentationen urbaner Räume von Troja bis SimCity Februar 2007, 392 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 30,80 €, ISBN: 978-3-89942-614-4
Georg Stauth, Faruk Birtek (Hg.) ›Istanbul‹ Geistige Wanderungen aus der ›Welt in Scherben‹ Februar 2007, ca. 280 Seiten, kart., ca. 27,80 €, ISBN: 978-3-89942-474-4
vidc (Wiener Institut für Entwicklungsfragen und Zusammenarbeit) / kulturen in bewegung (Hg.) Blickwechsel Lateinamerika in der zeitgenössischen Kunst Februar 2007, 204 Seiten, kart., ca. 16,80 €, ISBN: 978-3-89942-660-1
Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de