Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts: Bundesstaatliche Ordnung und europäische Integration - Objektives Recht und subjektive Rechte - Information als Staatsfunktion. 28. Tagung der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Fachrichtung »Öffentliches Recht« vom 15. - 18. März 1988 in Trier [1 ed.] 9783428465866, 9783428065868


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German Pages 298 Year 1988

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Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts: Bundesstaatliche Ordnung und europäische Integration - Objektives Recht und subjektive Rechte - Information als Staatsfunktion. 28. Tagung der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Fachrichtung »Öffentliches Recht« vom 15. - 18. März 1988 in Trier [1 ed.]
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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 552

Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts Bundesstaatliche Ordnung und europäische Integration Objektives Recht und subjektive Rechte Information als Staatsfunktion

Herausgegeben von

Dirk Heckmann und Klaus Meßerschmidt

Duncker & Humblot · Berlin

Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 552

Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts Bundesstaatliche Ordnung und europäische Integration Objektives Recht und subjektive Rechte Information als Staatsfunktion

28. Tagung der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Fachrichtung „Öffentliches Recht 4 vom 15. -18. März 1988 in Trier

Herausgegeben von Dirk Heckmann und Klaus Meßerschmidt

Duncker & Humblot • Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts: bundesstaatliche Ordnung und europäische Integration, objektives Recht und subjektive Rechte, Information als Staatsfunktion / 28. Tagung d. Wiss. Mitarb. d. Fachrichtung „Öffentl. Recht" vom 15.-18. März 1988 i n Trier. Hrsg. von Dirk Heckmann u. Klaus Meßerschmidt. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1988 (Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 552) ISBN 3-428-06586-7 NE: Heckmann, Dirk [Hrsg.]; Tagung der Wissenschaftlichen Mitarbeiter der Fachrichtung Öffentliches Recht < 28,1988, Trier >; GT

Alle Rechte vorbehalten © 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 61 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06586-7

Vorwort Der vorliegende Band dokumentiert die 28. Tagung der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Fachrichtung „Öffentliches Recht", die vom 15. bis 18. März 1988 in Trier stattfand. Die in der Reihenfolge des Tagungsprogrammes abgedruckten Beiträge wurden gegenüber der Vortragsfassung lediglich um Anmerkungen ergänzt oder geringfügig erweitert. Die Thementrias „Bundesstaatliche Ordnung und europäische Integration - Objektives Recht und subjektive Rechte - Information als Staatsfunktion" nimmt ein breites Spektrum von „Gegenwartsfragen des öffentlichen Rechts" auf. Die Veranlassung der Themenwahl ist zumindest bei dem ersten und dem dritten Beratungsgegenstand offensichtlich: Mit der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. Februar 1986 und der Herstellung des gemeinsamen Binnenmarktes bis Ende 1992 tritt der europäische Einigungsprozeß in ein Stadium, das die um ihre Kompetenzen besorgten deutschen Bundesländer auf den Plan ruft; nicht minder aktuell sind die Rechtsprobleme staatlicher Informationstätigkeit, die seit sich häufenden umweit- und gesundheitspolitischen Produktwarnungen staatlicher und quasi-staatlicher Stellen und spätestens nach dem Informationswirrwarr in der Folge von Tschernobyl heftiger denn je, wenn auch eher selektiv, diskutiert werden. Etwas verdeckter sind die vielfältigen praktischen Bezüge der säkularen Frage nach dem Verhältnis von objektivem und subjektivem Recht: Verwiesen sei vorerst nur auf den Dauerstreit um die Klagebefugnis im Verwaltungsprozeß. Der Buchtitel w i l l daher auch kein Bekenntnis zu einer im Nachspüren des jeweils Aktuellen sich erschöpfenden „Tagesjurisprudenz" ablegen, sondern möchte im Grunde lediglich eine Zitierhilfe bieten. Das Thema „Bundesstaatliche Ordnung und europäische Integration" liegt im Schnittpunkt von Europarecht und Verfassungsrecht. Das europäische Gemeinschaftsrecht betrachtet den sich beschleunigenden Vorgang der Integration vor allem unter der Perspektive einer effizienten und lastenverteilungsgerechten Aufgabenbewältigung und der Harmonisierung unterschiedlicher nationaler Rechtsordnungen. Im Interesse eines starken und wettbewerbsfähigen Europa sollen partikuläre nationale Interessen zurücktreten. Erst relativ spät wurde in voller Tragweite erkannt, daß der Einigungsprozeß nicht nur Zugeständnisse der Mitgliedstaaten verlangt, sondern auch auf das Bund-Länder-Verhältnis durchschlägt. Dies öffnet den Blick auf das Verfassungsrecht. Erscheint auch bereits die zwischen-

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Vorwort

staatliche Balance schwierig, dürfen doch innerstaatliche Bindungen, wie insbesondere die Verfassungspflicht zur Bundesstaatlichkeit, nicht der Kür einer raschen europäischen Einigung und Vereinheitlichung geopfert werden. Das in der Verfassung angelegte Spannungsverhältnis zwischen Art. 24 GG und Art. 20 Abs. 1, 79 Abs. 3 GG beherrscht die Kontroverse um Bundesstaatlichkeit und europäische Integration in allen Phasen der Setzung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Einerseits sind die Kompetenzverluste der Bundesländer durch die supranationale Option schon im Grundgesetz angelegt; andererseits erfordert das besondere Bekenntnis zum Föderalismus eine Kompensation, die - wegen der „Landesblindheit" des Gemeinschaftsrechts - im nationalen Recht zu suchen ist: Fragen der Übertragung des Kompetenzverteilungsmodells der Art. 70 ff. GG auf das Verhältnis von EG und Mitgliedstaaten (dazu Streinz), der innerstaatlichen Informations- und Konsultationsrechte - Art. 2 EEAG - als primäre Kompensation (dazu Blanke) und der Durchführung des Gemeinschaf tsrechts, nicht zuletzt auf Länderebene, mit ihrer Problematik der Verordnungsermächtigung (Barnstedt) verdeutlichen die Affinität der Integrationsproblematik zur bundesstaatlichen Ordnung. Dabei erscheint die Mitwirkung der Bundesländer nicht nur als unvermeidliches Tribut an deren Eigenstaatlichkeit unter dem Gesichtspunkt des Föderalismus oder gar als Hemmnis für die möglichst geschlossene Wahrnehmung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland auf Gemeinschaftsebene. Es eröffnet sich umgekehrt die Chance, durch Beteiligungs- und Kontrollmechanismen im Verbund mit dem Ausbau demokratischer Legitimationsstränge die Akzeptanz des „Projekts Europa" zu erhöhen. Als ein wissenschaftliches Wagnis mag es von manchem empfunden werden, daß sich'die 28. Assistententagung dem Thema „Objektives Recht und subjektive Rechte" gestellt hat. Gilt nicht einerseits das Hegel-Wort: „Objektiv und subjektiv sind bequeme Ausdrücke, deren man sich mit Geläufigkeit bedient und bei deren Gebrauch gleichwohl sehr leicht Verwirrung entsteht" (Werke Bd. 8, Frankfurter Ausgabe, 1970, S. 116) - und erfordert nicht andererseits die Bewältigung einer derartigen Aufgabe umfassende rechtstheoretische und rechtsphilosophische ebenso wie prozeß-, verwaltungs- und verfassungsrechtliche Untersuchungen, welche das Aufnahmevermögen einer - mehrere Themenschwerpunkte vereinigenden Tagung übersteigen? Solche Skepsis ist freilich mitverantwortlich dafür, daß rechtswissenschaftliche Grundlagenfragen oftmals vernachlässigt oder Vertretern der „reinen Theorie" überlassen werden. Mit der Themenstellung „Objektives Recht und subjektive Rechte" wurde ein doppeltes Ziel verfolgt: Zum einen sollte die bekannte und teilweise festgefahrene Diskussion um die Klagbarkeit von Rechten im Verwaltungsprozeß aufgegriffen und aus thematischer Verengung herausgeführt werden. Zu

Vorwort

diesem Zweck wurden bislang weitgehend getrennte Diskussionsstränge verknüpft, indem einer Analyse des subkutanen Wandels der Schutznormtheorie (Bauer) verfassungsrechtliche Überlegungen zum Verhältnis von objektivem Recht und subjektiven Rechten zur Seite gestellt wurden, die zu klassischen Fragestellungen der Verfassungsrechtsdogmatik überleiten. Die ausdrückliche Modifikation zentraler Elemente der Schutznormtheorie in der Rechtsprechung (vgl. insbesondere BVerwG, JZ 1988, 404: Aufgabe der Forderimg nach einem fest abgrenzbaren Kreis der Normbetroffenen) unterstreichen die Notwendigkeit der Suche nach neuen bzw. zusätzlichen Leitlinien. Zum anderen sollte den vielfältigen und keineswegs widerspruchsfreien Wechselbeziehungen zwischen objektiver Rechtsgewährleistung und subjektiven Berechtigungen nachgegangen werden, wobei besonderes Augenmerk den von der Verfassungsrechtsdogmatik entwickelten „Transformationsregeln" (z.B. zur institutionellen Interpretation von Grundrechten wie auch umgekehrt zur Herleitung subjektiver Schutzansprüche aus objektiven Schutzpflichten) galt (Herdegen). Ein weiteres Beispiel für die Umsetzung objektiven Rechts in subjektive Rechte auf der Ebene des Verfassungsrechts bildet etwa die im Elfes-Urteil des BVerfG etablierte, seither ständige Interpretation der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG (auch) i m Sinne eines Grundrechts auf Freiheit von gesetzwidrigem Zwang (BVerfGE 6, 32, 41), das z.B. bei Verstößen gegen bundesstaatliche Kompetenzvorschriften mobilisiert werden kann. Ein eher anfechtbares Beispiel für den - reziproken? - Vorgang der Konkretisierung von bundesstaatlichen Kompetenzen unter individualschützenden Gesichtspunkten liefert demgegenüber die Sonderabgabenjudikatur des BVerfG (BVerfGE 55, 274; 57, 139; 67, 256, vgl. Meßerschmidt, UTR 3,1987, S. 83 ff.). Ein solches Verfahren hat in einem allgemeineren Sinne einst Carl Schmitt immerhin mit den harschen Worten bedacht: „Kompetenzfragen damit zu beantworten, daß auf das Materielle hingewiesen wird, heißt einen zum Narren halten" (Politische Theologie, 4. Aufl., 1975, S. 44). Wie dem auch sei: Es bleibt der Eindruck einer gewissen rechtsdogmatischen Beliebigkeit, mit der institutionelle und individualrechtliche Betrachtungsweisen einander abwechseln und die eine schroffe Gegenüberstellung von objektivem Recht und subjektiven Rechten ebenso zuzulassen scheint wie deren dialektische Versöhnung. So ist etwa daran zu erinnern, daß sich in Rechtsnischen (wie dem Zwangsverbandsrecht) der generell abgelehnte allgemeine Gesetzesvollziehungsanspruch und die sonst heftig bekämpfte Popularklage weitgehend unbemerkt und unbeanstandet einrichten konnten. Ihren rechtspolitischen Niederschlag findet die Differenzierung zwischen objektivem Recht und subjektiven Rechten schließlich in der Diskussion um die Einführung einer (objektivrechtlichen) Staatszielbestimmung „Umweltschutz" und ihre möglichen grundrechtlichen Implikationen, ferner in den modischen, im wörtlichen Sinne „naturrechtlichen" Versuchen, eigene Rechte der Natur zu begründen (hierzu kritisch Heinz).

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Vorwort

„Information als Staatsfunktion" spricht ein Grundthema moderner Staatlichkeit an: In der „Informationsgesellschaft" des 20. Jahrhunderts sieht sich der Staat einerseits mehr denn je auf eine Vielzahl von Informationen als Grundlage seiner Aufgabenerfüllung angewiesen. Andererseits erscheint die Verbreitung von Informationen selbst zunehmend als Staatsaufgabe. Beide Aspekte dürften zudem in einem engen Wechselverhältnis stehen. War die Legitimität staatlicher Informations^ ewinnung Gegenstand einer ausgedehnten - auch verfassungsrechtlichen - Diskussion vor allem in den 70er und der ersten Hälfte der 80er Jahre, die zu dem Volkszählungsurteil des BVerfG vom 15.12.1983 (BVerfGE 65, 1) führte, so ist die Zulässigkeit staatlicher Informations^ erbreitung - vor allem seit der Studie Ossenbühls über „Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen" - zu einem der wichtigsten Themen der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts und wohl auch noch der nächsten Jahre geworden: Die staatliche Informationspolitik namentlich im Bereich des Umwelt-, Gesundheits- und technischen Sicherheitsrechts dürfte der rechtlichen Auseinandersetzung um Grundlagen und Grenzen der - vom Staat zum Teil bewußt als Steuerungsmittel eingesetzten, zum Teil aber auch unterlassenen (jüngstes Beispiel: der verschwiegene Störfall im Atomkraftwerk Biblis) - Information der Öffentlichkeit weiteren Auftrieb geben. Erörtert werden sowohl die verfassungsrechtlichen Grundlagen und Grenzen der staatlichen Informationstätigkeit als auch deren Einordnung in die verwaltungsrechtliche Handlungsformenlehre (zu beidem Schulte). Dabei bewegt sich die politische und rechtswissenschaftliche Diskussion um staatliche Informationsgewinnung, -Verarbeitung und -Verbreitung zunehmend zwischen zwei Extremen. Einerseits findet sich eine unbegrenzt informationsfreundliche Position: Auf ihre Anhänger dürfte die Charakterisierung zutreffen, welche die amerikanische Schriftstellerin Joan Didion dem Protagonisten ihres Romanes „Democracy" zugedeihen läßt: " . . . one of those men for whom information was an end in itself." Andererseits begegnet zunehmend eine ausgesprochen informationskritische Haltung, welche den Staat auf das Ideal jener drei ostasiatischen Affen verpflichten zu wollen scheint, die weder hören, sehen noch sprechen. In dieser - sicherlich überspitzt dargestellten - Diskussionslage sollte ein rechtsvergleichender Blick ins deutschsprachige Ausland (vgl. die Beiträge von Schwaighofer / Ueberwasser) den notwendigen Abstand schaffen und die etwas erstarrten Fronten überwinden helfen. Daß die Rechtsentwicklung hierbei nicht immer synchron verläuft, belegt der Beitrag von Schwaighofer über das neue österreichische Auskunftspflichtgesetz, mit dem der Bogen zu dem großen Komplex der staatlichen Informationsp/Zzchten geschlagen wird. Die Notwendigkeit der Schwerpunktbildung ließ es leider nicht zu, das umfassende Thema der staatlichen Information in seiner ganzen Bandbreite

Vorwort

zu behandeln: Zwischenstaatliche Informationspflichten, herkömmliche Formen staatlicher Öffentlichkeitsarbeit (vgl. BVerfGE 44, 125) oder auch der Fortbestand staatlicher Arkanbereiche im „Informationszeitalter" sind Themen, die sich in der wissenschaftlichen Diskussion sicherlich nicht erledigt haben und deren sich eine künftige Assistententagung vielleicht annehmen könnte. Für die fördernde Begleitung der diesjährigen Assistententagung bedanken w i r uns bei der Juristischen Fakultät und der Universität Trier. Besonderer Dank gilt unserem Kollegen, Hochschulassistent Dr. Paul Henseler, für die Diskussionsleitung am zweiten Beratungstag. Die Publikation des Tagungsbandes wäre ohne die großzügige finanzielle Förderung durch den Bundesminister des Innern und den Sparkassen- und Giroverband Rheinland-Pfalz sowie das Entgegenkommen des Verlages nicht möglich gewesen. Schließlich hat die sorgfältige und geduldige technische Betreuung des Bandes durch Frau Gertraude Michitsch vieles erleichtert. Dafür möchten wir an dieser Stelle Dank sagen. Trier, im Dezember 1988 Die Herausgeber

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Bundesstaatliche Ordnung und europäische Integration Rudolf Streinz, Passau Die Auswirkungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Kompetenzen der deutschen Bundesländer

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Hermann-Josef Blanke, Osnabrück Die Bundesländer im Spannungsverhältnis zwischen Eigenstaatlichkeit und Europäischer Integration. Beteiligungsformen bei der Entstehung und Durchführung des Gemeinschaftsrechts

53

Elke Luise Barnstedt, Osnabrück Die Praxis der Ausführung des Gemeinschaftsrechtes in der Bundesrepublik Deutschland. Dargestellt an Beispielen aus der Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen

83

Zweiter Teil Objektives Recht und subjektive Rechte Hartmut Bauer y Augsburg Die Schutznormtheorie im Wandel

113

Matthias Herdegen, Heidelberg Objektives Recht und subjektive Rechte. Bemerkungen zu verfassungsrechtlichen Wechselbeziehungen 161 Hans Kersten Heinz, Osnabrück Die Problematik des Staatszieles Umweltschutz im Lichte der Unterscheidung von subjektiven Rechten und objektivem Recht. Zugleich ein Beitrag zur Frage der rechtlichen Verankerimg von Eigenrechten der Natur 181

Dritter Teil Information als Staatsfunktion Martin Schulte, Münster Informales Verwaltungshandeln als Mittel staatlicher Umwelt- und Gesundheitspflege 213

Inhaltsverzeichnis

12 Heinrich Ueberwasser, Basel

Staatliche Information beim Umweltschutz i n der Schweiz

233

Christoph Schwaighofen Wien Recht auf Information gesetz

Zum neuen österreichischen Auskunftspflicht-

Verzeichnis der Autoren und Herausgeber

263

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ERSTER TEIL

Bundesstaatliche Ordnung und europäische Integration

Die Auswirkungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Kompetenzen der deutschen Bundesländer Von Rudolf Streinz A. Einleitung I. Die Entdeckung des Problems Die am 28. Februar 1986 beschlossene und am 1. Juli 1987 in Kraft getretene Einheitliche Europäische Akte (EEA) 1 hat den deutschen Bundesländern, wie die Diskussion über das erforderliche Zustimmungsgesetz offenbart hat 2 , die Problematik des Verlustes ihrer Kompetenzen an die Europäischen Gemeinschaften (EG) bewußt gemacht. Seitdem wenden die Länder und die in ihnen politisch Verantwortlichen den Fragen der Europapolitik, die bislang eher als Abstellgleis für alt- und ausgediente Politiker, als allenfalls für Festreden geeignete Materie, jedenfalls als peripher und damit zweit- oder gar drittrangig angesehen wurde, gesteigerte Aufmerksamkeit zu, die sich sowohl in politischen wie wissenschaftlichen Stellungnahmen 3 als auch in institutionellen und personellen Entscheidungen niederschlägt 4 . Die EEA ist aber sicherlich nur ein Grund, wenn nicht überhaupt lediglich der Anlaß für die Entdeckung des Problems. Unmittelbar spürbar wurde für die Regierungen der Länder der Kompetenzverlust, als sie - insbesondere im Agrarbereich - von den Betroffenen für Maßnahmen verantwortlich gemacht wurden, auf die sie wegen des Kompetenzübergangs auf die EG gar keinen Einfluß mehr haben 5 , und als die Kommission in verstärkter Wahr1

ABl. 1987 Nr. L 169; BGBl. 1986 II, S. 1104; BullEG Beil. 2/86. Zustimmungsgesetz vom 19.12.1986, BGBl. 1986 II, S. 1102. Zur Diskussion vgl. Stefan Schmidt-Meinecke, Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, 2. Aufl., Speyer, 1988, S. 51ff.; BR-Drucks. 31/86, 50/86, 150/86, BT-Drucks. 10/6392 und 10/ 6418 sowie die stenographischen Protokolle der 560., 561. und 564. Sitzung des Bundesrats am 21.2., 31.3. und 16.5.1986. 3 Vgl. z.B. die Beiträge in Rudolf Hrbek / Uwe Thaysen (Hrsg.), Die deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften; Referate und Diskussionsbeiträge eines Symposiums der deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen am 20./21. Juni 1986 i n Stuttgart, Baden-Baden, 1986. Vgl. auch die relativ eingehende Antwort der Bayerischen Staatsregierung vom 3.2.1988 auf eine Interpellation aus dem Bayerischen Landtag, Plenarprotokoll Nr. 11/48, Anlage 2. 4 Wie der Einrichtung von Länderbüros in Brüssel (vgl. dazu Schmidt-Meinecke (Fn. 2), S. 45 ff.) oder der Bestellung des bayerischen Staatsministers Peter Schmidhuber zum Mitglied der EG-Kommission (vgl. dazu EG-Magazin Nr. 10-1987, S. 32). 2

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Rudolf Streinz

nehmung ihrer - tatsächlichen oder vermeintlichen - Befugnisse in Bereichen tätig wurde, die zu den essentiellen Ländermaterien gehören, und daher den Aktivitäten der Länder Konkurrenz machte oder gar das Ende androhte. Genannt sei für ersteres die Bildungs- und Kulturpolitik, für letzteres die regionale Wirtschaftsförderungspolitik 6 .

II. Bestand und Anwachsen des Problems Die Beeinträchtigimg der Länder durch die „Übertragung von Hoheitsrechten" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG wurde von diesen zwar von Anfang an gesehen7. Da der Kompetenzübergang - soweit überhaupt beachtet - dem Grunde nach zutreffend als unausweichlich angesehen wurde 8 , beschränkten sich ihre Forderungen auf die Mitwirkung im innerstaatlichen Willensbildungsprozeß hinsichtlich EG-Entscheidungen. Hier konnten von bloßen Informations- über informelle Berücksichtigungsrechte jetzt im Zustimmungsgesetz zur EEA formelle Beteiligungsrechte erreicht werden 9 . Erstaunlich ist aber, daß Ausmaß und Folgen des Kompetenzübergangs erst anläßlich der Debatte der EEA bewußt wurden und - wie eine Neuigkeit aufschrecken ließen 10 . Denn dieser Kompetenzübergang war ja bereits in den Gründungsverträgen von 1951 und 1957 11 angelegt und der Kompetenzverlust trat teilweise bereits mit dem Inkrafttreten der Verträge, hauptsächlich aber - von Anfang an und ständig zunehmend - durch vorrangiges 12 Sekundärrecht ein. Eine gravierende Verminderung der materiellen Länderkompetenzen kann in der EEA selbst aber kaum gesehen werden, da die neu in den Vertrag aufgenommenen Kompetenzen 13 weitgehend bereits 5 Vgl. Edmund Stoiber, Auswirkungen der Entwicklung Europas zur Rechtsgemeinschaft auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland, EA 22 (1987), 543 - 552 (543). 6 Vgl. ebd., S. 546ff. 7 Vgl. bereits die Diskussionsbeiträge aus der Sitzung des Bundesrats vom 27.6.1951, Stenographische Berichte, S. 427ff., 445f. 8 Daß die Integrationsermächtigung des Art. 24 Abs. 1 GG auch Rechte der Länder umfaßt, ist heute ganz h.M., vgl. Christian Tomuschat, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 24, Rdnr. 25 m.w.N. 9 Vgl. dazu Schmidt-Meinecke (Fn. 2), S. 11 ff. und den Beitrag von Hajo Blanke in diesem Band. 10 Vgl. dazu Schmidt-Meinecke (Fn. 2), S. 51 ff. 11 Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18.4.1951 (BGBl. 1952 II, S. 447); Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bzw. der Europäischen Atomgemeinschaft vom 25.3.1957 (BGBl. II, S. 766 bzw. S. 1014). 12 Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber nationalem Recht (Bundes- und Landesrecht) ist im Grunde unbestritten (vgl. Michael Schweitzer / Waldemar Hummer, Europarecht, 2. Aufl., Frankfurt/M., 1985, S. 205ff. und zuletzt BVerfGE 75, 223 (244f.)). 13 Insbes.: Strukturpolitik (Art. 1 3 0 c - e EWGV); Forschung und technologische Entwicklung (Art. 130f - q EWGV); Umweltpolitik (Art. 130r - t EWGV).

Auswirkungen des EG-Rechts auf die Kompetenzen der Bundesländer

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unter Berufung auf Art. 235 EWGV von den EG wahrgenommen worden waren 1 4 und somit die EEA nur einen bereits eingetretenen Zustand vertraglich fixiert 1 5 . Gleichwohl haben die Bedenken der Länder gegen die EEA aus mehreren Gründen eine sachliche Berechtigung: Die Bestätigung von Aufgabenbereichen in relativ detaillierten Bestimmungen wird die Kommission nach den bisherigen Erfahrungen zu gesteigertem Tätigwerden ermuntern. Die eingebauten Sicherungsinstrumente (Subsidiaritätsklausel und über den Mindeststandard hinausgehende Schutzmaßnahmen 16 ) dürften kaum operationalisierbar sein 17 . Der Kommission wird ihr Vorgehen dadurch erleichtert, daß ihr in Bereichen, die die Herstellung des Binnenmarktes betreffen, gesteigerte Durchführungsbefugnisse übertragen wurden 1 8 . Soweit das „supranationale" Organ Kommission tätig werden kann, fehlt der Einfluß der den nationalen Parlamenten verantwortlichen Regierungen der Mitgliedstaaten. Schließlich wurde auch für den Rat die Möglichkeit, nach dem Recht der Verträge mit qualifizierter Mehrheit zu entscheiden, ausgeweitet 19 . Die nach wie vor wirksame Abstimmungspraxis nach der Luxemburger Vereinbarung vom 29. Januar 19 6 6 2 0 bleibt davon allerdings unberührt. Insgesamt gesehen w i r d die Verwirklichung der EEA das Problem der Beeinträchtigung von Länderkompetenzen anwachsen lassen. III. Instrumente der Problembewältigung Die Länder beklagen nicht nur die Kompetenzeinbußen, insbesondere wenn sie auf einer angenommenen „Usurpation" von Kompetenzen durch die Kommission beruhen 21 . Sie stellen auch Forderungen, die darauf hinaus14

Vgl. die Aufzählung bei Eberhard Grabitz, in: ders. (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, Loseblatt, München, Art. 235, Rdnr. 10. 15 Ebenso Georg Ress, Die Europäischen Gemeinschaften und der deutsche Föderalismus, EuGRZ 13 (1986), 549 - 558 (550). 16 Vgl. Art. 130r Abs. 4 Satz 1 EWGV; Art. 100 a Abs. 5 und Art. 130 t EWGV. 17 Fraglich ist, wie ein Verstoß gegen die Subsidiaritätsklausel (Art. 130 r Abs. 4 Satz 1 EWGV) justiziabel sein soll. Art. 130 t EWGV gestattet zwar verstärkte Schutzmaßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten. Diese müssen aber mit dem EWGV vereinbar sein. Der Sinn dieser Ermächtigung kann damit nur darin bestehen, die abschließende Wirkung einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung (hier gemäß Art. 130s EWGV) auszuschließen. Daß solche Schutzklauseln spezifische nationale Standards nicht effizient schützen können, beweist das Urt. des EuGH vom 23.2.1988, Rs. 216/84 - Kommission/Frankreich Tätigkeiten des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften Nr. 5/88, S. l f f . (3) zu einer entsprechenden sekundärrechtlichen Regelung (Art. 5 der Verordnung Nr. 1898/87, ABl. Nr. L 182, S. 36). 18 Vgl. Art. 100 a Abs. 4 EWGV und die Erklärung der Konferenz der Vertreter der Regierungen dazu vom 28.2.1986, Bull EG Beil. 2/86, S. 23. Vgl. auch Art. 145, 3. Spiegelstrich EWGV. 19 Art. 8b, 28, 57 Abs. 2, 70 Abs. 1, 84 Abs. 2, 100a Abs. 1 EWGV. 20 BullEWG 3/1966, S. 8 ff. Vgl. dazu Rudolf Streinz, Die Luxemburger Vereinbarung, München, 1984. 21 Vgl. dazu z. B. die Rede des damaligen bayerischen Staatsministers - und jetzigen Mitglieds der EG-Kommission - Schmidhuber im Deutschen Bundestag vom 2 Gegenwartsfragen

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Rudolf Streinz

laufen, den Kompetenzverlust zu begrenzen. Soweit diese Forderungen die Kompetenzausübung durch die EG betreffen 22 , sind sie allein politische Appelle, die allerdings seitens der EG-Organe nicht unterschätzt werden sollen, sind doch die Gemeinschaften zum Vollzug des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik Deutschland häufig auf die Mitwirkung der Länder angewiesen. Da der Kompetenzverlust ipso facto durch das Entstehen von Gemeinschaftsrecht eintritt, kann eine effektive Wahrung der Länderrechte nur über die Mitwirkimg an diesem Entstehungsprozeß erfolgen. Hier ist zwischen Primärrecht und Sekundärrecht zu unterscheiden. Hinsichtlich der Übertragung neuer Kompetenzen auf die EG mittels völkerrechtlicher Verträge erfolgt die Mitwirkung der Länder über den Bundesrat (vgl. Art. 50 GG) im Gesetzgebungsverfahren des jeweils erforderlichen Zustimmungs-, d.h. Vertragsgesetzes. Hier wollen die Länder eine Änderung des Art. 24 Abs. 1 GG dahingegend, daß Rechte der Länder nur noch mit Zustimmung des Bundesrates übertragen werden dürfen 23 . Viel dürfte dies allerdings nicht bringen: Änderungen der Verträge sind relativ selten 24 , und das Ausmaß des Kompetenzübergangs zeigt sich in der Regel erst in der Ausfüllung der primärrechtlichen Befugnisse durch Sekundärrecht 25 . Entscheidend ist daher die Einwirkungsmöglichkeit auf den Erlaß eben dieses Sekundärrechts selbst. Unmittelbarer Einfluß kann hier nur auf die Rechtsetzung im Rat erreicht werden, da an dieser weisungsgebundene Vertreter der Bundesregierung beteiligt sind 26 . Ansatzpunkt kann auch hier - jedenfalls was die Beschlußfassung anbelangt - nicht die Gemeinschaftsebene, sondern allein die nationale Ebene sein. Dies macht die in Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zur EEA 2 7 getroffene Regelung verständlich: Über den Bundesrat bekommen die Länder in den sie berührenden Materien der Gemeinschaftsrechtssetzung Informationen und Gelegenheit zur Stellungnahme (Art. 2 Abs. 2), die von der Bundesregierung qualifiziert berücksichtigt wer13.11.1986, Stenographischer Bericht über die 246. Sitzung der 10. Wahlperiode, S. 18 979ff. (18 980); ferner Stoiber (Fn. 5), 546ff. Zur Berechtigung des Vorwurfs exzessiver Kompetenzausübung bis hin zur Kompetenzüberschreitung vgl. unten C I 2b. 22 Vgl. Stoiber (Fn. 5), 550f.; Peter Schmidhuber, Bei der EG-Reform einen Verfassungskonflikt vermeiden! Die EG-Kommission muß bei ihren Vorschlägen die Hoheitsrechte der Länder respektieren. EG-Magazin 3-1986, S. 5. 23 Vgl. die Beschlüsse des Bundesrats vom 21.2.1986, BR-Drucks. 50/86, Ziffer 12, und vom 16.5.1986, BR-Drucks. 150/86, Ziffer 3. Diese Forderung wird auch nach dem Erlaß des Zustimmungsgesetzes zur EEA aufrechterhalten, vgl. Bulletin der Bayerischen Staatsregierung Nr. 7/88 vom 5.4.1988, S. 35. 24 Der EWGV wurde bisher 15mal geändert (vgl. die Übersicht in Hans-Joachim Glaesner (Hrsg.), Textausgabe Europarecht, Baden-Baden, 1987, S. 13f.). Die wenigsten dieser Änderungen brachten spezifische Kompetenzeinbußen der Länder. 25 Diese Dynamik wird nach der Rechtsprechung des BVerfG von Art. 24 Abs. 1 GG gedeckt, wenn nur das „Integrationsprogramm" bestimmt genug ist. Vgl. BVerfGE 58, 1 (36ff.); 68, 1 (98ff.) und 75, 223 (240ff.). 26 Vgl. Art. 2 FusV gegenüber Art. 10 Abs. 2 FusV. Vgl. Fn. 2.

Auswirkungen des EG-Rechts auf die Kompetenzen der Bundesländer

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den muß (Art. 2 Abs. 3 und 4). Gemäß Art. 2 Abs. 5 besteht sogar die Pflicht, Vertreter der Länder zu den Beratungen auf Gemeinschaftsebene - Rat und Kommission - hinzuzuziehen, soweit dies möglich ist. Darin liegt freilich keine Kompensation des Kompetenzverlustes 28 , wohl aber seine Abmilderung. B. Die Kompetenzverteilung und -abschichtung zwischen E G und Mitgliedstaaten sowie zwischen Bund und Ländern I. Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern 1. Die Regelungen des Grundgesetzes

a) Kompetenz-Kompetenz

des Bundes

Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern w i r d durch das Grundgesetz als der Bundesverfassung vorgenommen (vgl. Art. 70 GG). Änderungen obliegen dem Bundesgesetzgeber. Damit hat der Bund - im Gegensatz zu den EG - die Kompetenz-Kompetenz, d.h. die Kompetenz, Kompetenzen zu begründen. Von dieser Kompetenz-Kompetenz wurde auch in beachtlichem Umfang Gebrauch gemacht, was die Bedeutung der Landesgesetzgebung und damit auch der Landesparlamente erheblich schrumpfen ließ 29 . Materielle Schranke i^st allein Art. 79 Abs. 3 GG. Diese ist aber keineswegs bedeutungslos: Die Länder sind zwar nicht in Bestand und Anzahl, wohl aber gegen Verfassungsänderungen gesichert, durch die sie die Qualität von Staaten oder ein Essentiale der Staatlichkeit einbüßen. Zum unentziehbaren „Hausgut" gehört eine Grundsubstanz an Legislativbefugnissen und insbesondere eine angemessene Finanzhoheit 30 . Dies setzt auch der Integrationsermächtigung des Art. 24 Abs. 1 GG Schranken 31 .

28 Vgl. zu diesem Aspekt Ress (Fn. 15), 555ff. und Meinhard Schröder, Bundesstaatliche Erosionen im Prozeß der europäischen Integration, JöR N.F. 35 (1986), 83 102 (87 ff.). 29 Vgl. z.B. Art. 74 Nr. 4a (Waffenrecht); Nr. I I a (Atomrecht); Nr. 13 (Forschungsförderimg); Nr. 19a (Krankenhauswesen); Nr. 20 (Tierschutz); Nr. 24 (Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung, Lärmbekämpfung); Art. 74a (Beamtenrecht); Art. 75 Nr. l a (Hochschulrecht). Vgl. dazu z.B. Stoiber (Fn. 5), 543. 30 BVerfGE 34, 9 (19 f.). 31 Vgl. Bruno Schmidt-Bleibtreu / Franz Klein, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl., Neuwied-Darmstadt, 1983, Art. 79, Rdnr. 15 m.w.N.

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b) Ausschließliche, konkurrierende, Rahmen- und Grundsatzgesetzgebung Die Kompetenzabschichtung zwischen Bund und Ländern w i r d von Art. 70 Abs. 1 GG dahingehend vorgenommen, daß grundsätzlich den Ländern das Recht zur Gesetzgebung zukommt, es sei denn, das Grundgesetz verleiht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse. Die Prüfung der Gesetzgebungskompetenz hat demnach am Bestehen oder Nichtbestehen einer Bundeskompetenz anzusetzen. Art. 70 Abs. 2 GG differenziert nach ausschließlicher und konkurrierender Gesetzgebung. Besteht eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Materien des Art. 73 GG sowie alle Einzelzuweisungen des GG, ferner Kompetenz des Bundes aus der Natur der Sache und kraft Sachzusammenhangs32), so haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden (Art. 71 GG). Die Kompetenzabgrenzungsprobleme erschöpfen sich hier in der richtigen Zuordnung der jeweiligen Materie 33 . Im Regelungstyp exklusive, in der Regelungsmaterie beschränkt konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen des Bundes stellen die Rahmengesetzgebung (Art. 75 GG) und die ihr nahekommende Grundsatzgesetzgebung (Art. 109 Abs. 3 und Art. 91a Abs. 2 Satz 2 GG) dar. Die Kompetenzabgrenzungsprobleme bestehen hier allein in der zutreffenden Bestimmung des „Rahmens" und damit der zulässigen Bindung des Landesgesetzgebers einerseits 34 , der Prüfung, ob der Landesgesetzgeber sich an den vorgegebenen Rahmen gehalten hat, andererseits 35 . Anders verhält es sich dagegen im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung: Hier haben die Länder die Kompetenz, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht (Art. 72 Abs. 1 GG). Das Gesetzgebungsrecht des Bundes erstreckt sich auf die Materien des Art. 74 GG und ist durch die Bedürfnisklausel des Art. 72 Abs. 2 GG beschränkt. Diese Beschränkung spielt aber nach der Rechtsprechung des BVerfG keine Rolle 36 . Probleme 32 Vgl. Hansjörg Dellmann, in: Karl-Heinz Seifert / Dieter Hömig (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Baden-Baden, 1985, Art. 73, Rdnr 1; Theodor Maunz, in: Theodor Maunz / Günter Dürig, Grundgesetz-Kommentar (M/D), Loseblatt, München, Art. 73, Rdnr. 8f. 33 Vgl. z.B. zur Auslegung des Art. 73 Nr. 1 GG Maunz, in: M/D (Fn. 32), Art. 32, Rdnr. 33. 34 Vgl. BVerfGE 4, 115 (129f.); 36, 193 (202); 43, 291 (343). Dies zeigt, daß die Rahmenkompetenz kein Unterfall der konkurrierenden Kompetenz ist (so aber Ingo von Münch, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 2, 2. Aufl., München, 1983, Art. 75, Rdnr. 2; richtig dagegen Maunz, in: M/D (Fn. 32), Art. 75, Rdnr. lf.). Gemeinsamkeiten bestehen nur insoweit, als zwischen Bund und Ländern dieselbe Regelungsmaterie aufgeteilt ist. Im Gegensatz zur konkurrierenden steht bei der Rahmengesetzgebung dem Bund aber nicht die gesamte Breite der jeweiligen Materie offen, sondern nur die Setzung des Rahmens, dessen Ausfüllung den Ländern überlassen bleiben muß. 3 * Vgl. Maunz, in: M/D (Fn. 32), Art. 75, Rdnr. 18.

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wirft dagegen der „solange und soweit "-Vorbehalt auf. Zeitlich tritt die Sperrwirkung grundsätzlich erst mit dem Erlaß des Bundesgesetzes ein 3 7 . Bei umfangreichen und schwierigen Materien verbietet es aber jedenfalls die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten, daß die Länder noch von ihrem Gesetzgebungsrecht Gebrauch machen, sobald der Bund dieselbe Materie zum Gegenstand eines Gesetzgebungsverfahrens zu machen beginnt 38 . Beseitigt der Bundesgesetzgeber die Sperre, so lebt die Kompetenz der Länder wieder auf, nicht aber etwa kompetenzlos erlassenes Landesrecht 39 . Materiell tritt die Sperrwirkung im Ausmaß der bundesgesetzlichen Regelung ein. Dieses Ausmaß ist hinsichtlich der jeweiligen Materie konkret festzulegen, w i l l man die der landesgesetzlichen Regelung offenstehende Lücke bestimmen 40 . Der Bund kann jedoch nicht durch ein bloßes Sperrgesetz ohne eigene inhaltliche Regelung die Kompetenz der Länder ausschließen41. Davon zu unterscheiden ist aber der erkennbare Wille des Bundesgesetzgebers, eine Frage überhaupt nicht zu regeln oder ein Landesgesetz nicht zuzulassen, dem gegenüber sich der Landesgesetzgeber nicht in Widerspruch setzen darf 4 2 . 2. Die Kompetenzverteilung in EG-relevanten Bereichen

Weil der Bund vom Recht der konkurrierenden Gesetzgebung umfassend Gebrauch gemacht hat, verblieben den Ländern an gewichtigen Gesetzgebungsmaterien im wesentlichen nur noch das Recht der kulturellen Angelegenheiten, das Sicherheits- und Polizeirecht und das Kommunalrecht 43 . Allein diese unausgewogene innerstaatliche Kompetenzaufteilung führt zwangsläufig dazu, daß die „Vergemeinschaftung" in erster Linie Bundesmaterien trifft. Von den gewichtigen Landesmaterien scheint auf den ersten Blick keine zentral betroffen. Jedoch zeitigt die Herstellung der Grundfreiheiten des EWG-Vertrages (freier Warenverkehr, Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungsfreiheit, Freiheit des Dienstleistungsverkehrs, Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs 44 ) gravierende Auswirkungen auch 36

Vgl. BVerfGE 4, 115 (127); 13, 230 (233); 18, 407 (415); 26, 338 (383); 65, 1 (63). Dies dürfte auch ein Licht auf die Effektivität der Subsidiaritätsklausel des Art. 130 r Abs. 4 Satz 1 EWGV werfen. 37 Dellmann (Fn. 32), Art. 72, Rdnr. 2. Das BVerfG hat es offengelassen, ob ein „Gebrauchmachen" bereits mit dem Einbringen des Gesetzentwurfs im Bundestag beginnt, vgl. BVerfGE 34, 9 (28f.). 38 BVerfGE 34, 9 (28f.). 39 Vgl. BVerfGE 29, 11 (17). 40 Vgl. Maunz, in: M/D (Fn. 32), Art. 72, Rdnr. 5 und 8. 41 BVerfGE 5, 25 (25); 34, 9 (28). 42 Vgl. BVerfGE 32, 319 (327). 43 Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 15. Aufl., Heidelberg, 1985, Rdnr. 244. 44 Art. 30 - 36 EWGV; Art. 48 - 73 EWGV.

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auf die Bildungspolitik (wegen des Diskriminierungsverbots 45 ) und die Sicherheitspolitik (wegen des bestehenden Aufenthaltsrechts 46 ), die lange Zeit kaum wahrgenommen wurden. Die EG erfaßt über den freien Dienstleistungsverkehr Materien wie das Rundfunkrecht 47 und zeigt Ansätze, selbst Fragen des Kommunalrechts zu behandeln 48 . Gemeinschaftsrechtliche Kompetenzbeeinträchtigungen schließen aber auch im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung verbliebene Regelungslücken für die Länder, so z.B. in der Agrar-, Verkehrs- und Wirtschaftspolitik 49 . Offenbar wurde dies anläßlich der Maßnahmen der EG gegenüber regionalen Beihilfen, die innerstaatlich ausschließlich in die Länderkompetenz fallen 50 . Erweiterte Möglichkeiten der Rechtsangleichung werden die legislativen Spielräume in den den Ländern verbliebenen Bereichen weiter schrumpfen lassen 51 . Daneben dürfen aber die durchgehenden Beeinträchtigungen in der - im Gegensatz zur Gesetzgebung - Domäne der Länder, nämlich dem Verwaltungsvollzug, nicht vergessen werden 52 . II. Die Aufteilung der Kompetenzen zwischen EG und Mitgliedstaaten 1. Aussagen der Gründungs Verträge zur Kompetenz Verteilung

Die Gründungsverträge enthalten kein den Art. 70 - 75 GG vergleichbares System der Kompetenzverteilung. Ansatzpunkt ist das in Art. 4 Abs. 1

45 Vgl. EuGH, Urt. vom 3.7.1974, Rs. 9/74 - Casagrande/Landeshauptstadt München - Rspr. 1974, S. 773; Urt. vom 13.2.1985, Rs. 293/83 - Gravier/Stadt Lüttich Rspr. 1985, S. 593. Siehe dazu im einzelnen unten C I 2b (dd). 46 Vgl. EuGH, Urt. vom 26.2.1975, Rs. 67/74 -Bonsignore/Stadt K ö l n R s p r . 1975, S. 297ff.; Urt. vom 28.10.1975, Rs. 36/75 - Rutili/Minister des Innern Rspr. 1975, S. 1219ff. 47 Vgl. das Grünbuch der Kommission über die Errichtung des Gemeinsamen Marktes für den Rundfunk, insbesondere über Satellit und Kabel, Fernsehen ohne Grenzen, Dok. KOM (84) 300 endg. und den Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Rundfunktätigkeit, Dok. KOM (86) 146 endg. Siehe dazu im einzelnen unten C I 2b (dd). 48 Zum Problem der EG-Initiativen hinsichtlich eines Kommunalwahlrechts für Ausländer siehe unten Fn. 216. Zu den Auswirkungen von RichtlinienVorschlägen der EG-Kommission für die Vereinheitlichung der öffentlichen Bauaufträge und der Bauprodukte (ABl. 1987 Nr. C 161, S. 10, Nr. C 303, S. 3 und Nr. C 93, S. 1) vgl. Kommunalpolitische Blätter, Heft 3/1988, S. 209. 49 Siehe dazu unten C I 2b. 50 Vgl. Bulletin der bayerischen Staatsregierung Nr. 6/88 vom 22.3.1988, S. 3f., Ziffer 1. 51 Vgl. Eberhard Grabitz, Die deutschen Länder i n der Gemeinschaft. Das Ratifizierungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte aus der Sicht des Grundgesetzes, EuR 22 (1987), 310 - 321 (313f.). 52 Vgl. ebd., 311 f. und unten C I I 2 und 3.

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Satz 2 EWGV (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EAGV; Art. 3, Art. 5 Abs. 1 EGKSV) begründete Prinzip der enumerativen Einzelermächtigung. D.h.: Jede Zuständigkeit der EG muß sich aus einer Einzelbestimmung der Verträge begründen lassen 53 . Keine Durchbrechung, aber Aufweichungen dieses Prinzips stellen Generalermächtigungen wie die zur Rechtsangleichung 54 und insbesondere Art. 235 EWGV 5 5 (Art. 203 EAGV; Art. 95 EGKSV) dar 5 6 . Das Prinzip der enumerativen Einzelermächtigung stimmt mit Art. 70 GG darin überein, daß die Kompetenz der EG wie die des Bundes der ausdrücklichen Zuweisung bedarf. Es unterscheidet sich aber von der Regelung des Grundgesetzes dadurch, daß ein abstrakter Kompetenzkatalog und insbesondere eine generelle Differenzierung nach Kompetenzverhältnissen (ausschließliche und konkurrierende Kompetenz) mit dazugehöriger Kompetenzregelung (vgl. Art. 71, 72 GG) fehlt. Dies hat Wissenschaft, Rechtsprechung und Praxis vor erhebliche, noch weitgehend ungelöste Probleme gestellt 57 . 2. In der Literatur entwickelte Kompetenzabschichtungsmodelle

Die Frage der Kompetenzaufteilung wurde häufig mit der Frage der Rechtsnatur der Kompetenz-„Übertragung" und den Fragen des Ranges des Gemeinschaftsrechts und der Gültigkeit gemeinschaftsrechtswidrigen nationalen Rechts verwoben und davon überlagert 58 . Das gewünschte Ergebnis führte hier bisweilen zu Konstruktionen, die einer Nachprüfung nicht standhalten. Dies gilt z.B. für Ophüls, der für seine Lehre vom Kompetenzvorrang entsprechend dem bundesstaatlichen System von einer vollkommenen und nahtlosen Kompetenzaufteilung zwischen EG und Mitglied-

53 Vgl. zu dieser Gegenüberstellung Bengt Beutler, in: Bengt Beutler / Roland Bieber / Jörn Pipkorn / Jochen Streil (BBPS), Die Europäische Gemeinschaft - Rechtsordnung und Politik, 3. Aufl., Baden-Baden, 1987, S. 75. 54 Art. 100,100 a EWGV. 55 Vgl. dazu Grabitz, in: ders. (Fn. 14), Art. 235, Rdnr. l f . 56 Wegen der Weite der Ermächtigung und der damit verbundenen erheblichen Eingriffsmöglichkeiten i n die Kompetenzen der Mitgliedstaaten unterliegen Richtlinien nach Art. 100 EWGV und Maßnahmen gemäß Art. 235 EWGV dem Erfordernis der Einstimmigkeit im Rat. Davon weicht allerdings Art. 100 a EWGV ab. 57 Vgl. Beutler und Pipkorn, in: BBPS (Fn. 53), S. 78ff. bzw. S. 514ff. Ein Beispiel aus der Praxis ist das Unvermögen der EG-Kommission, die von Annex IX, Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (UN Doc. A/CONF. 62/122) geforderte Angabe der Kompetenzaufteilung zwischen EG und Mitgliedstaaten hinsichtlich der von der Konvention betroffenen Materien vorzunehmen. Vgl. dazu Markus Ederer, Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen von 1982, München, 1988, § 5 C. 58 Vgl. dazu Matthias Pechstein, Die Mitgliedstaaten der EG als „Sachwalter des gemeinsamen Interesses" - Gesetzgebungsnotstand im Gemeinschaftsrecht, BadenBaden, 1987, S. 23 ff.

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Staaten ausgeht 59 . Eine derartige Kompetenzaufteilung ist aber nicht ersichtlich 60 . Mangels einer generellen Kompetenzabschichtungsregel in den Verträgen haben andere Autoren sich darum bemüht, die Kompetenzaufteilung in einzelnen Sachbereichen zu ergründen und zu systematisieren 61 , was angesichts des Prinzips der enumerativen Einzelermächtigung auch naheliegt. Dabei wird auf einigen Sachgebieten die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft, grundsätzlich aber eine konkurrierende Gemeinschaftszuständigkeit angenommen, soweit die EG von ihrer Zuständigkeit noch keinen Gebrauch gemacht hat 6 2 . Um zu einer abstrakt bereichsweisen Feststellung der Kollision nationaler mit gemeinschaftsrechtlichen Normen zu kommen, wendet Pechstein im Verhältnis der EG zu ihren Mitgliedstaaten ein Zuständigkeitsverteilungskonzept wie das des Bundesstaates an, ohne damit eine Bundesstaatlichkeit oder wesentliche Bundesstaatsähnlichkeit der EG behaupten zu wollen 6 3 . Wenngleich die von ihm gegebenen Begründungen für Berechtigung und Erfordernis eines solchen Vorgehens kaum zu überzeugen vermögen 64 , kann ihm im Ergebnis gefolgt werden: Wendet man die Kategorien der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht als normative Vorgaben zur Lösung des Kompetenzverhältnisses EG - Mitgliedstaaten, sondern lediglich als Hilfsmittel zur Systematisierung der in den Verträgen vorgefundenen Kompetenzaussagen an, und legt man dies offen, so entspricht dies der freien Wahl von Methoden und Kriterien einer wissenschaftlichen Untersuchung und unterliegt lediglich der K r i t i k dahingehend, ob die damit gewonnenen Ergebnisse aussagekräftig sind 6 5 . Die auf dieser Grundlage vorgenommene Analyse der Verträge unter Berücksichtigung der 59 Carl Friedrich Ophüls, Zwischen Völkerrecht und staatlichem Recht. Grundfragen des geltenden Rechts, Juristisches Jahrbuch 4 (1963/64), S. 137 - 162 (155f.); ders., Quellen und Aufbau des Europäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1963, 1697 1701 (1698); ders., Die Geltungsnormen des Europäischen Gemeinschaftsrechts, in: Bernhard Aubin u.a. (Hrsg.), Festschrift für Otto Riese, Karlsruhe 1964, S. 1 - 26 (17ff.); ders., Staatshoheit und Gemeinschaftshoheit. Wandlungen des Souveränitätsbegriffs, in: Recht im Wandel. Festschrift 150 Jahre Carl Heymanns Verlag, Köln/Berlin/Bonn/München, 1965, S. 519 - 590 (566). 60 Vgl. Manfred Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, Köln/Berlin/Bonn/München, 1969, S. 89ff. m.w.N.; Eberhard Grabitz, Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht, Hamburg, 1966, S. 64ff. Zu den weiteren Schwächen der Lehre von Ophüls vgl. Rudolf Streinz, Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Baden-Baden, 1988, Kap. 2 Teil 1 C IV 2d) cc). 61 Vgl. z. B. Hartmut Wurzbacher, Die Aufteilung von Vertragsschlußkompetenzen zwischen der EWG und den Mitgliedstaaten, München, 1973; Wolfgang Vorwerk, Die Ausführung von Gemeinschaftsakten durch Bund und Länder unter besonderer Berücksichtigung von Art. 57 EWGV, Würzburg, 1977. 62 Beutler, in: BBPS (Fn. 53), S. 78 m.w.N. Vgl. auch die Nachweise bei Pechstein (Fn. 58), S. 49f. 63 Pechstein, (Fn. 58), S. 43 f. 64 Vgl. ebd., S. 31 ff. bzw. S. 44. 65 Vgl. dazu Streinz (Fn. 60), Kap. 3 Teil 1 A I I 2b).

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Rechtsprechung des EuGH 6 6 offenbart zwar einerseits die Grenzen der Leistungsfähigkeit des grundgesetzlichen Modells für eine gemeinschaftsrechtliche Typologie 67 , liefert aber auch durchaus aussagekräftige Ergebnisse, auf die hier zurückgegriffen werden kann 6 8 . 3. Die Rechtsprechung des EuGH

Beutler stellt zur Frage der Folgen der Gemeinschaftszuständigkeit für die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten lapidar fest, daß die Rechtsprechung des EuGH hierzu nicht ganz einheitlich sei 69 . Dies trifft, wie auch die relativ eingehende Analyse Pechsteins zeigt, zu 7 0 . Diese Uneinheitlichkeit legt jedenfalls eine gewisse Vorsicht hinsichtlich der Verallgemeinerung einzelner Entscheidungen nahe. So berief sich z.B. Ophüls zur Stützung seiner Kompetenzausscheidungsthese auf eine Entscheidung des EuGH, die nur einen einzelnen Bereich einer Kompetenzabgrenzung betraf 71 . Selbst eine auf eine Generalisierung hindeutende Terminologie darf nicht zu vorschnellen Schlüssen verleiten 72 . Überhaupt kann bei einer vergleichenden Gegenüberstellung von national- und gemeinschaftsrechtlichen Instituten bzw. wie hier - einer zu Typisierungszwecken erfolgten Übertragung ersterer auf letztere von einem terminologischen Gleichklang in der nationalen Rechtsordnung und der Rechtsprechung des EuGH nicht ohne weiteres auf eine Übereinstimmung in der Sache geschlossen werden 73 . Die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich auch daraus, daß der Gerichtshof in der Beurteilung der Zulässigkeit nationaler Maßnahmen, die in Kollision mit Gemeinschaftsbestimmungen geraten können, keinem einheitlichen Konzept folgt 7 4 . Soweit er dabei neben dem kompetenziellen auch den materiellen Ansatz bemüht, geschieht dies - wie zu zeigen sein w i r d 7 5 - zu Recht. Was den kompetenziellen Ansatz betrifft, nimmt der EuGH mehrfach unmißverständlich, bisweilen sogar expressis verbis eine ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit an 7 6 . Hinsichtlich der konkurrierenden Kom66

Vgl. Pechstein (Fn. 58), S. 47ff. und S. 211ff. Vgl. dazu unten B I I 4b (aa). 68 Vgl. unten B I I 4b (bb) und (cc). 69 Beutler, in: BBPS (Fn. 53), S. 78 m.w.N. in Fn. 28. 70 Vgl. z.B. Pechstein (Fn. 58), S. 51, S. 55ff., S. 65ff., S. 93ff. und zusammenfassend S. 96. 71 Vgl. Ophüls (Fn. 59) und EuGH, Urt. vom 23.2.1961, Rs. 30/59 - De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde Rspr. 1961, S. 1 (47). Vgl. dazu auch Pechstein (Fn. 58), S. 50f. 72 Vgl. z.B. Pechstein (Fn. 58), S. 54; S. 70ff.; S. 93; S. 156f. 73 Vgl. dazu in anderem Zusammenhang Streinz (Fn. 60), Kap. 3 Teil 1 A I I I 1. 74 Vgl. dazu Pechstein (Fn. 58), S. 96. 75 Siehe unten B I I 4 a. 7 6 Vgl. z.B. Urt. vom 23.2.1961, Rs. 30/59 (Fn. 71), Rspr. 1961, S. 1 (47); Urt. vom 5.5.1981, Rs. 804/79 - Kommission/Vereinigtes Königreich - , Rspr. 1981, S. 1045 67

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petenz sind die Aussagen zwar nicht so deutlich, jedoch läßt sich die Rechtsprechung in einer Anzahl von Fällen nur dahingehend sinnvoll deuten 77 . Unterschiedliche Variationen dieser Konzeptionen, insbesondere was die Wahrnehmungspflicht konkurrierender Zuständigkeit durch die Mitgliedstaaten und die Anknüpfungspunkte für den Eintritt bis dato nicht gegebener ausschließlicher Gemeinschaftszuständigkeiten anbelangt 78 , erscheinen durch Besonderheiten der Konzeption der Verträge bedingt. Dies ist allgemein bei der Typisierung nach dem bundesstaatlichen Vorbild in Rechnimg zu stellen. 4. Versuch der Entwicklung dogmatischer Kriterien zur Systematisierung der Kompetenzabschichtung zwischen EG und Mitgliedstaaten

Im folgenden soll versucht werden, ansatzweise dogmatische Kriterien zur Systematisierung der Kompetenzabschichtung zwischen EG und Mitgliedstaaten zu entwickeln. Dies erscheint als eine notwendige Vorarbeit, um zum einen die Quellen, zum anderen die Materien und dabei die abgestufte Intensität der Kompetenzbeeinträchtigung der Länder durch das Gemeinschaftsrecht zu erfassen. a) Differenzierung: Kompetenzbeeinträchtigung durch gemeinschaftsrechtliche Kompetenz- und Sachnormen Pechstein stößt bei der Untersuchimg einzelner Sachbereiche mehrfach auf Materien, die nicht durch Kompetenzzuweisungen an die EG, sondern allein durch vertragliche Bindungen der Mitgliedstaaten geregelt werden 79 . Wegen seines anders gerichteten Erkenntnisinteresses scheidet er diese Bereiche aus seiner Untersuchung - zu Recht - aus 80 . Der Zusammenhang, in dem er auf diese Regelungen stößt, offenbart aber die kompetenzbeschränkende Wirkung solcher Sachnormen. Aus diesem Grunde müssen sie hier mitberücksichtigt werden.

(Leitsatz 1); Urt. vom 31.3.1971, Rs. 22/70 - Kommission/Rat („AETR") - , Rspr. 1971, S. 263 (275); Urt. vom 15.12.1976, Rs. 41/76 - Donckerwolke - Rspr. 1976, S. 1921 (1937). 77 Vgl. z. B. die Interpretation des Urt. des EuGH vom 14.7.1976, verb. Rs. 3, 4 und 6/76 - Kramer u.a. - , Rspr. 1976, S. 1279 (1310f.) und des Urt. des EuGH vom 28.11.1978, Rs. 97/78 - Schumaller - , Rspr. 1978, S. 2311 (2311) durch Pechstein (Fn. 58), S. 76 bzw. S. 82. 78 Vgl. Pechstein (Fn. 58), S. 96. 79 Vgl. ebd., S. 52f., S. 60, S. 71f., S. 83f., S. 95, S. 212f. 80 Vgl. ebd., S. 52, S. 60, S. 83, S. 212f.

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aa) Unterscheidung zwischen Kompetenz- und Sachnorm Kompetenznormen sind diejenigen Rechtssätze, die bestimmte Aufgabenbereiche einem bestimmten Träger zuweisen. Hierbei kann man zwischen Verbands- und Organkompetenz unterscheiden. Verbandskompetenzvorschriften weisen verschiedenen Herrschaftsverbänden (z. B. EG, Bund, Länder) Zuständigkeiten zu, Organkompetenzvorschriften einzelnen Organen innerhalb eines Herrschaftsverbandes (z. B. Rat oder Kommission der EG; Bundestag oder Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland). Hier interessieren nur diejenigen Kompetenznormen, die Verbandskompetenzen begründen und damit zugleich die Kompetenzverteilung zwischen verschiedenen Herrschaftsverbänden festlegen. Unter Sachnormen werden hier dagegen diejenigen Rechtssätze verstanden, die für die Rechtssubjekte Rechte und Pflichten begründen. Aus diesem weiten Bereich interessieren hier allein diejenigen Normen des Gemeinschaftsrechts, die den Mitgliedstaaten als den Adressaten Pflichten, insbesondere Unterlassungspflichten (Verbote) auferlegen. bb) Kompetenzbeeinträchtigung durch Kompetenznormen Kompetenznormen, die den EG eine Zuständigkeit zuweisen, schließen in ihrer Reichweite und Intensität vice versa die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und damit, soweit die betroffene Materie innerstaatlich den Ländern übertragen ist, die Zuständigkeit der Länder aus. Die Feststellung der konkreten Kompetenzbeeinträchtigung der Länder setzt die Ermittlung dieser Tatbestände voraus. Von großer Bedeutung ist dabei die Intensität der Gemeinschaftskompetenz, d.h. ob sie eine ausschließliche ist, die vorbehaltlich anderweitiger gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen jegliche Rechtsetzung der Mitgliedstaaten untersagt, oder eine konkurrierende, die den Mitgliedstaaten bis zum Tätigwerden der EG die Regelungsbefugnis beläßt 81 . cc) Kompetenzbeeinträchtigung durch Sachnormen Sachnormen wirken dadurch kompetenzbeeinträchtigend, daß sie als gemeinschaftsrechtliche Vorgaben dem Tätigwerden der Mitgliedstaaten und damit in den entsprechenden Bereichen dem Tätigwerden der Länder Schranken setzen. Diese Vorgaben entfalten erhebliche Wirkung. So läßt z.B. das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung im Handel zwischen den Mitgliedstaaten (Art. 30 - 34 EWGV) nationale Regelungen wie z.B. Qualitätsanforderungen nur noch im Rahmen 81

Siehe dazu unten B I I 4 b (bb) und (cc).

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des Art. 36 EWGV bzw. der vom EuGH im Cassis-Urteil entwickelten „immanenten Schranken" des Art. 30 EWGV 8 2 zu. Davon sind so ehrwürdige Institute wie das deutsche Reinheitsgebot für Bier betroffen 83 . Dieser Rahmen bleibt aber auch nur „vorbehaltlich einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung" offen 84 . Dies zeigt zum einen die unterschiedliche, zum anderen aber auch die ggf. ergänzende Kompetenzbeeinträchtigung durch Sach- und Kompetenznorm: Ergeht aufgrund einer gemeinschaftsrechtlichen Kompetenz (z.B. Art. 100 oder jetzt Art. 100a EWGV) eine sekundärrechtliche Vorschrift, w i r d der offengebliebene Regelungsspielraum der Mitgliedstaaten weiter verengt (bei einer Richtlinie) oder völlig geschlossen (bei einer Verordnung). Als Sachnorm mit erheblicher kompetenzbeschränkender Wirkimg ist ferner das Beihilfeverbot in Art. 92 EWGV zu nennen, das nationalen Wirtschafts- einschließlich Landwirtschaftsförderungsmaßnahmen Grenzen setzt. Weitere Beispiele sind die materiellen Vorgaben der gemeinsamen Agrarpolitik (Art. 39 - 46 EWGV) 85 , das EWG-Wettbewerbsrecht 86 und das Gleichbehandlungsgebot des Art. 119 EWGV 8 7 . b) Das Kompetenzverhältnis

zwischen EG und Mitgliedstaaten

aa) Parallelen und notwendige Differenzierungen zum Kompetenzverteilungsmodell des Bundesstaates (Bundesrepublik Deutschland) Die Kompetenzverteilung zwischen EG und Mitgliedstaaten ist in den Gründungsverträgen im Gegensatz zur Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Grundgesetz weder nach Kompetenztypen noch nach Kompetenzkatalogen differenziert. W i l l man über die konkrete Einzelfallprüfung hinaus einen allgemeinen Über- und Durchblick für das Kompetenzverhältnis EG - Mitgliedstaaten bekommen, muß man versuchen, die vereinzelten Zuständigkeitszuweisungen der Gründungsverträge auf ein System zu bringen. Als ein solches System bietet sich das des Grundgesetzes 82 Urt. des EuGH vom 20.2.1979, Rs. 120/78 - Rewe/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein („Cassis de Dijon") - , Rspr. 1979, S. 649 (662, Entscheidungsgrund 8). 83 Vgl. Urt. des EuGH vom 12.3.1987, Rs. 178/84 - Kommission/Bundesrepublik Deutschland-, NJW 1987, 1133ff. 84 Vgl. die in ständiger Rechtsprechung des EuGH seit der im Cassis-Urteil (Fn. 82), Entscheidungsgrund 8 verwendeten Formel. Vgl. dazu Heinrich Matthies, in: Grabitz (Fn. 14), Art. 36, Rdnr. 9. 85 Vgl. Pechstein (Fn. 58), S. 71 f. Vgl. dort auch zur Überschneidung kompetenzieller und materieller Argumente in der Rechtsprechung des EuGH, Urt. vom 16.3.1977, Rs. 68/76 - Kommission/Frankreich - , Rspr. 1977, S. 515 (531). 86 Vgl. Pechstein (Fn. 58), S. 82 f. 87 Vgl. ebd., S. 95.

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an, wenn ihm typengeeignete Kategorien entnommen werden können. Für die Kategorien der ausschließlichen, konkurrierenden und Rahmen- bzw. Grundsatzgesetzgebung ist dies aber zu bejahen. Der Typ der ausschließlichen Kompetenz ist dadurch gekennzeichnet, daß die Regelungsmacht einem Herrschaftsverband allein zugewiesen ist. Andere Herrschaftsverbände dürfen nur noch aufgrund dessen Ermächtigung regelnd tätig werden. Auf das Gebrauchmachen des Kompetenzinhabers von dieser kommt es nicht an. Die konkurrierende Kompetenz läßt dagegen mehrere Herrschaftsträger zur Regelung derselben Materie zu, muß aber, um der Steuerungsfunktion von Kompetenzvorschriften gerecht zu werden, für die Kompetenzausübung eine Rangfolge vorsehen. Sinnvoll, wenn auch nicht denknotwendig, wird diese Rangfolge dahingehend vorgenommen, daß im Umfang des Gebrauchmachens der Kompetenz der Zentralgewalt die der Glieder erlischt (so Art. 72 Abs. 1 GG). Die Rahmen- bzw. Grundsatzkompetenz teilt schließlich ebenfalls die Zuständigkeiten innerhalb derselben Materie auf. Sie ist insoweit konkurrierend, als erst das Gebrauchmachen der Zentralgewalt von der Rahmenkompetenz die Kompetenz der Glieder beschränkt. Anders als bei der konkurrierenden Gesetzgebung w i r d dadurch aber die Kompetenz der Glieder eben nur beschränkt, nicht verdrängt. Im Gegenteil, sie bleibt zur Ausfüllung des Rahmens unverzichtbar. Die Aufstellung von Kompetenzkatalogen ist lediglich die Zuweisung konkreter Materien an einen bestimmten Kompetenztyp. Die Kompetenztypen des Grundgesetzes können somit zu Systematisierungszwecken auf das Verhältnis EG - Mitgliedstaaten übertragen werden, zumal die zu lösenden Kompetenzprobleme bis zu einem gewissen Grade ähnlich sind. Bei dieser Übertragung muß man sich aber immer bewußt sein, daß dies eine Systematisierung „von außen" ist 8 8 . D.h.: Anders als bei der grundgesetzlichen Ordnung kann diese keine normative Vorgabe, sondern lediglich ein Erkenntnisbehelf sein. Dieser w i r d sich um so ertragreicher erweisen, je mehr aus dem Vertragstext selbst für die Zuordnung zu einer der Kompetenzkategorien gewonnen werden kann 8 9 . Auch die Rechtsprechung des EuGH kann und muß wegen ihrer bestimmenden Bedeutung für das Gemeinschaftsrecht (vgl. Art. 164 EWGV) einbezogen werden. Jedoch hat man sich dabei bewußt zu sein, daß sie die herangezogenen Begriffe des Grundgesetzes nicht gebraucht 90 . Schließlich dürfen Besonderheiten der Gemeinschaftsrechtsordnung nicht außer acht gelassen werden, wie das Bestehen einer Übergangszeit 91 , der Prozeßcharakter der Integration 92 oder vom EuGH entwikkelte eigenartige Kompetenzanknüpfungspunkte 93 . 88

Vgl. dazu in anderem Zusammenhang Streinz (Fn. 60), Kap. 3 Teil 1 A I I 2 b). Vgl. dazu Pechstein (Fn. 58), S. 51ff., S. 60ff., S. 80f., S. 82f, S. 86ff. 90 Vgl. ebd., S. 76. 91 Art. 8 EWGV. Vgl. auch die vorgesehenen Übergangszeiten in den Beitrittsverträgen, insbes. Art. 9 und Art. 102 der Akte über die Beitrittsbedingungen und die 89

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Rudolf Streinz bb) Ausschließliche Gemeinschaftskompetenz

Die Analyse des Vertrages und der Rechtsprechung des EuGH ergibt für den EWGV (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) folgende Materien der ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz: (1) Die Zollunion. Die Mitgliedstaaten sind weder einzeln noch kollektiv zu einer Änderung des gemeinsamen Zolltarifs befugt 94 . Damit unterliegt jedenfalls der Bereich materieller Normsetzung der ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz. Die Mitgliedstaaten dürfen hier lediglich aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Ermächtigung tätig werden 95 . Die Rechtsprechimg zu den Ausführungsmaßnahmen in diesem Bereich deutet allerdings eher auf eine konkurrierende Kompetenz hin 9 6 . (2) Die Handelspolitik. Die gemeinsame Handelspolitik (Art. 113 EWGV) fällt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH 9 7 , der sich im wesentlichen auch die Literatur angeschlossen hat, in die ausschließliche Kompetenz der EG 9 8 . Die Mitgliedstaaten sind von handelspolitischer Rechtsetzung ausgeschlossen, es sei denn, die EG hat sie dazu ermächtigt 99 . Ist dies grundsätzlich geklärt, so bereitet die tatbestandliche Bestimmung und Abgrenzung des Begriffes Handelspolitik im Sinne des Art. 113 EWGV Probleme, die sich z.B. bei den Kooperationsabkommen der Mitgliedstaaten mit Staatshandelsländern 100 und bei Sanktionsmaßnahmen gegenüber Drittstaaten 1 0 1 zeigten. Diese Fragen wurden in der Praxis einer pragmatischen Lösung insbesondere durch den Abschluß sog. „gemischter Abkommen" zugeführt 102 .

Anpassungen der Verträge vom 22.1.1972, ABl. 1972, Nr. L 73, S. 14; ABl. 1973, Nr. L 2, S. 2, S. 6 und dazu Pechstein (Fn. 58), S. 75 ff. 92 Vgl. BVerfGE 22, 293 (296): EG als „eine im Prozeß fortschreitender Integration stehende Gemeinschaft eigener Art". Vgl. auch BVerfGE 75, 223 (244). 93 Z.B. Außenkompetenz als Annex einer realisierten Innenkompetenz, Urt. vom 31.3.1971, Rs. 22/70 (Fn. 76), Rspr. 1971, S. 274f., Entscheidungsgründe 15/19 angeschlossen. Vgl. dazu Pechstein (Fn. 58), S. 90 f. 94 Vgl. dazu Pechstein (Fn. 58), S. 51f. m.w.N., S. 212. 95 Vgl. Urt. des EuGH vom 12.12.1973, Rs. 131/73 - Grosoli - , Rspr. 1973, S. 1555 (Leitsatz 1). 96 Vgl. Urt. des EuGH vom 15.12.1971, Rs. 35/71 - Schleswig-Holsteinische landwirtschaftliche Hauptgenossenschaft/HZA Itzehoe - , Rspr. 1971, S. 1083 (1095). Vgl. dazu im einzelnen Pechstein (Fn. 58), S. 57 ff. 97 Vgl. die Nachweise bei Christoph Vedder, in: Grabitz (Fn. 14), Art. 113, Rdnr. 3. 98 Vgl. im einzelnen Pechstein (Fn. 58), S. 86ff. und S. 219f. 99 EuGH, Urt. vom 15.12.1976, Rs. 41/76 (Fn. 76), Rspr. 1976, S. 1937; Urt. vom 18.2.1986, Rs. 174/84 - Bulk Oil/Sun International Ltd. und Sun Oil Trading Company Rspr. 1986, S. 559 (585, Entscheidungsgrund 26). Dies entspricht Art. 71 GG. 100 Vgl. dazu Vedder (Fn. 97), Art. 113, Rdnr. 12 m.w.N. 101 Vgl. ebd., Rdnr. 54ff. i2 Vgl. dazu Vedder (Fn. 97), Art. 228, Rdnr. 18ff. m.w.N.

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cc) Sonderfall: Konkurrierende Kompetenz mit vorgezogenem Kompetenzverlust der Mitgliedstaaten Nach der Rechtsprechung des EuGH im AETR-Urteil obliegt den EG die alleinige Zuständigkeit zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge in Materien, die die Gemeinschaft im Innern geregelt hat (Außenkompetenz als Annex realisierter Innenkompetenz 103 ). Die Besonderheit dieser Konstruktion liegt darin, daß die vom EuGH postulierte ausschließliche Zuständigkeit erst, aber immerhin schon mit dem Gebrauchmachen von der Innenkompetenz eintritt. Bis dahin bleiben aber offensichtlich die Mitgliedstaaten zuständig, so daß der typische Fall einer konkurrierenden Kompetenz vorliegt, aber mit atypischem Eintritt des Zuständigkeitsverlustes des verdrängten Kompetenzträgers 104 . dd) Konkurrierende Kompetenz Die meisten der „vergemeinschafteten" Materien fallen unter die konkurrierende Kompetenz von EG und Mitgliedstaaten. Einige besonders bedeutsame seien hier herausgegriffen. (1) Agrarpolitik Angesichts der dominierenden Rolle der Agrarpolitik in der EG-Praxis mag es verwundern, daß diese zu den konkurrierenden Materien gerechnet wird. Und doch führen Vertrags- und Rechtsprechungsanalyse zu diesem Ergebnis 105 . Die weitgehende Einengung mitgliedstaatlicher Rechtsetzung rührt hier zum einen daher, daß die EG ihre allumfassende Regelungskompetenz weitgehend ausgeschöpft hat (das Agrarrecht ist die am weitesten durchstrukturierte Materie des Gemeinschaftsrechts) 106 , zum anderen aus den weitgehenden materiellrechtlichen Bindungen der Art. 39 - 46 EWGV 1 0 7 . In Abweichung von der Konzeption des Grundgesetzes kann die kompetenzielle Tragweite von landwirtschaftlichen Marktordnungen über die konkret geregelten Tatbestände hinaus sich auf eigentlich mitzuregelnde, aber wegen Funktionsstörungen im gemeinschaftlichen Rechtsetzungsprozeß 108 (noch) ungeregelt gebliebene Bereiche erstrecken. Für solche Fälle wurde die Figur der Mitgliedstaaten als „Sachwalter des gemeinsamen Interesses" entwik!03 Urt. des EuGH vom 31.3.1971, Rs. 22/70 (Fn. 76), Rspr. 1971, Leitsatz 1 und S. 274f. 104 Vgl. dazu Pechstein (Fn. 58), S. 90 f. 105 Siehe im einzelnen ebd., S. 60ff. und S. 213ff. 106 Peter Gilsdorf, in: Grabitz (Fn. 14), Art. 38, Rdnr. 28. 107 Vgl. Urt. des EuGH vom 16.3.1977, Rs. 68/76 (Fn. 85), Rspr. 1977, S. 531. 108 Vgl. dazu Pechstein (Fn. 58), S. 101 ff.

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kelt 1 0 9 . Dies läßt sich am ehesten mit der Ermächtigung zur Rechtsetzung gemäß Art. 71 GG vergleichen, wobei aber den Mitgliedstaaten eine Wahrnehmungspflicht obliegt. (2) Rechtsangleichung Eine typische Konkurrenzlage findet man in den Materien vor, die der Rechtsangleichung durch die EG offenstehen (Art. 100, Art. 100 a EWGV). Solange die EG nicht tätig geworden sind, steht es den Mitgliedstaaten frei, im Rahmen der materiellen Bindungen des Gemeinschaftsrechts entsprechende Regelungen zu treffen, wobei Unterschiede hingenommen werden 110 . Eine gemeinschaftsrechtliche Regelung läßt abweichende nationale Maßnahmen dann nicht mehr zu 1 1 1 . Die Rechtsangleichung gemäß Art. 100 EWGV erfolgt mittels Richtlinien. Diese werden z.T. mit der Rahmengesetzgebung verglichen 112 . Angesichts der Zulässigkeit und Verbreitung detaillierter Richtlinien 1 1 3 ist dieser Vergleich aber fragwürdig 1 1 4 . Die typologische Einordnimg nach der jeweils zulässigen materiellen Regelungsdichte erscheint hier sachgerechter. Die Rechtsangleichung mittels Richtlinie ist auch das Hauptinstrument zur Verwirklichung des Binnenmarktes 115 . (3) Weitere wichtige Materien der konkurrierenden Gemeinschaftskompetenz sind der Umweltschutz 116 , die Verkehrs- 117 , die Wettbewerbs- 118 und die Konjunkturpolitik 1 1 9 . 109 Urt. des EuGH vom 5.5.1981, Rs. 804/79 (Fn. 76), Rspr. 1981, S. 1073ff.; Urt. vom 28.3.1984, verb. Rs. 47 und 48/83 - Pluimveeslachterij Midden-Nederland und Pluimveeslachterij C. van Miert Rspr. 1984, S. 1721 (1738f.). Vgl. dazu Pechstein (Fn. 58), S. 72 ff. 110 Ständige Rechtsprechung, vgl. Urt. des EuGH vom 22.6.1982, Rs. 220/81 Robertson-, Rspr. 1982, S. 2349 (2360). 111 Vgl. Matthies (Fn. 84), Art. 86, Rdnr. 9. Anders aber jetzt Art. 100 a Abs. 4 und 5 EWGV. Kritisch dazu Pierre Pescatore, Die „Einheitliche Europäische Akte". Eine ernste Gefahr für den Gemeinsamen Markt, EuR 21 (1986), S. 153 - 169 (160ff., 168). Vgl. dazu auch Pipkom, in: BBPS (Fn. 53), S. 380. 112 So Pechstein (Fn. 58), S. 45 f. 113 Vgl. dazu Bieber, in: BBPS (Fn. 53), S. 183. 114 Ebenso Heinz Wagner, Grundbegriffe des Beschlußrechts der Europäischen Gemeinschaften, Köln/Berlin/Bonn/München, 1965, S. 222 f. 115 Art. 100a EWGV spricht zwar von „Maßnahmen", in der Erklärung der Regierungskonferenz zu Art. 100 a EWGV wurde aber festgestellt, daß die Kommission bei ihren Vorschlägen nach Art. 100 a Abs. 1 der Rechtsform der Richtlinie den Vorzug geben wird, wenn die Angleichung in einem oder mehreren Mitgliedstaaten eine Änderung von gesetzlichen Vorschriften erfordert (BullEG, Beilage 2/86, S. 24). Für die zur Errichtung des Binnenmarktes grundlegende Steuerharmonisierung sind ohnehin Richtlinien erforderlich (vgl. Art. 100 a Abs. 2 i. V.m. Art. 99 und Art. 100 EWGV). 1 16 Früher gestützt auf Art. 235 EWGV, jetzt 3. Teil, Titel V I I (Art. 130r - t) EWGV. Zur Subsidiaritätsklausel des Art. 130r Abs. 4 Satz 1 EWGV vgl. oben Fn. 17.

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ee) Rahmenkompetenz Die Rahmenkompetenz wird hier als eigenständiger Kompetenztyp, nicht als Unterfall der konkurrierenden Kompetenz verstanden 120 . Da hier als Zuordnungskriterium allein die zulässige materielle Regelungsdichte, nicht aber die Form der Regelung eingesetzt wird, sind die Fälle der Zuständigkeit zum Erlaß von Richtlinien nicht pauschal diesem Kompetenztyp zuzuordnen 121 . Für die Rahmenkompetenz verbleiben somit diejenigen Materien, in denen die Verträge selbst allein Koordinations- und Kooperationsbefugnisse vorsehen, die sich in der Aufstellung von Rahmenbestimmungen und Programmen erschöpfen. Dazu gehören Teilbereiche der Grundfreiheiten Freizügigkeit, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr 1 2 2 , die Sozialpolitik 1 2 3 , sowie Forschung und technologische Entwicklung 1 2 4 . Die Abgrenzung zwischen konkurrierender und Rahmenkompetenz fällt nicht immer leicht. Da sie hier aber allein zu Systematisierungszwecken dienen kann und - anders als nach dem Grundgesetz - normative Folgen daraus nicht gezogen werden können, ergeben sich für die Praxis allein daraus keine Folgen. Für diese kommt es aber darauf an, die jeweils zulässige Regelungsintensität aus den Verträgen selbst zu bestimmen.

C. Konkrete Kompetenzbeeinträchtigungen der Länder Länderkompetenzen werden in allen Bereichen der Staatstätigkeit (Legislative, Exekutive, Judikative) beeinträchtigt. Wenngleich der Schwerpunkt und auch das Hauptaugenmerk auf der Gesetzgebung liegt, dürfen die erheblichen Auswirkungen auf die L,änderverwaltungen nicht übersehen werden.

117 Art. 74 - 84 EWGV. Vgl. dazu Pechstein (Fn. 58), S. 80f. und S. 216f. 118 Art. 85 - 94 EWGV. Vgl. dazu Pechstein (Fn. 58), S. 82f. und S. 217. Iis Art. 103 EWGV, vgl. insbes. Art. 103 Abs. 2 EWGV. Vgl. dazu Pechstein (Fn. 58), S. 85 f. 120 Siehe oben Fn. 34. A.A. Pechstein (Fn. 58), S. 45, was vielleicht auch dessen Zuordnung der Richtlinienkompetenz zur Rahmenkompetenz erklärt, vgl. ebd., S. 47. 121 Anders Pechstein (Fn. 58), S. 45ff. 1 22 Vgl. Art. 49 lit. a; Art. 54 Abs. 1; Art. 63 Abs. 1 EWGV. Generell können diese Materien aber - entgegen Pechstein (Fn. 58), S. 79f. - nicht lediglich der Rahmenkompetenz zugeordnet werden. So gehen z.B. die Zuständigkeiten gemäß Art. 51, Art. 56 Abs. 2, Art. 57 EWGV sicher darüber hinaus. 1 23 Vgl. Art. 118 a Abs. 2 EWGV. Die Richtlinienbefugnis beschränkt sich hier auf die Festsetzung von Mindestbedingungen. 1 24 3. Teil, Titel V I (Art. 130f - 130q) EWGV. 3 Gegenwartsfragen

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I. Im Bereich der Gesetzgebung Länderkompetenzen bestehen im Bereich der Gesetzgebung nicht nur in der Landes-, sondern auch in der Bundesgesetzgebung. Denn gemäß Art. 50 GG wirken die Länder durch den Bundesrat bei der Gesetzgebung des Bundes mit. 1. Im Bereich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Durch die Übertragung von Gesetzgebungskompetenzen des Bundes auf die EG sind insoweit die Mitwirkungsbefugnisse der Länder über den Bundesrat (Initiativrecht, Art. 76 Abs. 1 GG; Recht zur Stellungnahme, Art. 76 Abs. 2 GG; Recht des Einspruchs bzw. der Zustimmung, Anrufimg des Vermittlungsausschusses, Art. 77 Abs. 2 und 3 GG) verlorengegangen. Während der Kompetenzverlust des Bundes hierbei teilweise dadurch ausgeglichen wird, daß der Bundesregierung nach Gemeinschaftsrecht über den Vertreter im Rat Mitwirkungsbefugnisse zukommen 125 , der Bund also von der Regelung der übertragenen Materien nicht ausgeschlossen ist - das Problem ist hier die Machtverschiebung vom Parlament zur Regierung 126 - , entfallen die Mitwirkungsbefugnisse der Länder über das Bundesorgan Bundesrat mit dessen Ausschaltung völlig 1 2 7 . Die Unterrichtungspflicht gemäß Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu EWGV und E A G V 1 2 8 war dafür kein Ersatz. Dies erklärt, warum auf die Aufnahme von Mitwirkungsbefugnissen in Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zur E E A 1 2 9 so großer Wert gelegt wurde 1 3 0 .

2. Im Bereich der Gesetzgebungskompetenz der Länder

a) Quellen der Beeinträchtigung Als Quellen der Beeinträchtigung der Länderkompetenzen konnten oben einerseits Kompetenz-, andererseits Sachnormen des Gemeinschaftsrechts aufgezeigt und ihre mitunter ergänzende Wirkung dargelegt werden 1 3 1 . Diese Quellen im einzelnen erschöpfend zu erfassen, erscheint als wohl hoff125 Vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 2 FusV. 126 Vgl. dazu z.B. Tomuschat (Fn. 8), Art. 24, Rdnr. 104f. 1 27 Vgl. dazu Walter Rudolf, Bundesländer und Europäisches Gemeinschaftsrecht, in: Ingo von Münch (Hrsg.), Festschrift für Hans-Jürgen Schlochauer, Berlin/New York, 1981, S. 117 - 136 (123f.). 128 BGBl. 1957 II, S. 753. 129 BGBl. 1986 II, S. 1102. i3° Vgl. die Beschlüsse des Bundesrats vom 21.2. und vom 16.5.1986, BR-Drucks. 50/86, Ziffer 12 und 13 bzw. BR-Drucks. 150/86, Ziffer 2. Vgl. zum neuen Bundesratsverfahren Schmidt-Meinecke (Fn. 2), S. 61 ff. i3i Vgl. oben B I I 4 a.

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nungsloses Unterfangen: Zunächst wäre der innerstaatliche Gesetzgebungskompetenzbereich der Länder zu ermitteln. Sodann müßte das gesamte Primärrecht auf mögliche beeinträchtigende Wirkungen untersucht werden. Erscheint dies noch überschaubar, erforderte die Untersuchung des Sekundärrechts die Durchsicht von Tausenden von Rechtsakten 132 . Und auch dann wären die Quellen noch nicht sicher erfaßt: Manche Wirkungen des Gemeinschaftsrechts zeigen sich erst in seiner Auslegung durch den EuGH, die oft sehr weit geht und überraschende Ergebnisse zeitigt 1 3 3 . Nicht ohne Grund haben die Besorgnisse und die K r i t i k der Länder auch an der Rechtsprechung des EuGH angesetzt, die die „ausufernde Auslegung der EG-Kompetenzen" decke und ermuntere 134 . Diese „Ausuferungen" werden insbesondere durch die generelle Kompetenzvorschrift des Art. 235 EWGV ermöglicht 1 3 5 , aber auch durch die Rechtsangleichung gemäß Art. 100 und 100 a EWGV 1 3 6 . Damit ist jede Quellenbeschreibung aus mehreren Gründen nur eine Momentaufnahme. Die dargelegten Probleme dürften verständlich machen, warum hier eine Beschränkung auf einzelne Beispiele der Kompetenzbeeinträchtigung erfolgen muß. b) Beispiele aa) Landwirtschaft Die Agrarpolitik der EG stieß in den Ländern, in denen die Landwirtschaft noch eine erhebliche Rolle spielt 1 3 7 , auf die größte Kritik. Dies ist nicht verwunderlich, bekamen die jeweiligen Landesregierungen doch den Zorn enttäuschter Bauern im Wahlverhalten zu spüren. Prüft man hingegen die durch die weitreichende Vergemeinschaftung der Agrarpolitik herbeigeführten Kompetenzverluste der Landeslegislative, so ist der Befund nicht sonderlich ergiebig. Dies liegt daran, daß innerstaatlich die Gesetzgebungskompetenz über diese Materie hauptsächlich dem Bund obliegt und dieser von der konkurrierenden Kompetenz weitgehend Gebrauch gemacht hat 1 3 8 . 132 Der aktuelle Stand des geltenden Gemeinschaftsrechts findet sich in einem von der Kommission der EG herausgegebenen Verzeichnis (8. Aufl. 1986). 133 vgl. z.B. aus dem hier interessierenden Bereich das Urt. des EuGH vom 13.2.1985, Rs. 293/83 (Fn. 45). 134

Vgl. Stoiber (Fn. 5), S. 545. Vgl. dazu Grabitz , in: ders. (Fn. 14), Art. 235, Rdnr. l f . 136 v g l z u r Praxis der Rechtsangleichung Bernd Langeheine , in: Grabitz (Fn. 14), Art. 100, Rdnr. 53 ff. Ohne die Angleichung aller die Herstellung, den Vertrieb und die Besteuerung eines Produktes betreffenden Rechtsvorschriften ist die Herstellung eines wirklichen Binnenmarktes nicht möglich. 137 Z.B. Bayern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, aber auch Rheinland-Pfalz (Weinbau). 138 Vgl. Art. 74 Nr. 17 GG: Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung, Sicherung der Ernährung, Ein- und Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, 135

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Bedeutsame Länderkompetenzen verbleiben allein im Bereich der Agrarstruktur. Diese ist eine Gemeinschaftsaufgabe gemäß Art. 91a Abs. 1 Nr. 3 GG, d.h. eine Länderaufgabe, an deren Erfüllung der Bund mitw i r k t 1 3 9 . Die hier bestehenden Länderkompetenzen werden beeinträchtigt, soweit die EG von ihrer konkurrierenden Rechtsetzungskompetenz in diesem Teilbereich Gebrauch macht. Dies ist zwar bei weitem nicht in dem Umfang geschehen wie in der Agrarmar/ctpolitik 140 . Gleichwohl findet sich auch hier eine Reihe sekundärrechtlicher Vorgaben 141 , die durch die materiellen Bestimmungen des EWG-Vertrages ergänzt werden. Das Hauptproblem liegt im Erkennen der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, das erst den verbliebenen Spielraum offenbart. Dieses wird durch die rechtssystematische Undurchschaubarkeit der Strukturpolitik der E G 1 4 2 und die Probleme bei der Bestimmung der Tragweite der materiellen Vorgaben (z.B. Art. 92 EWGV 1 4 3 ) erschwert. Allgemein ist zu berücksichtigen, daß erhebliche Auswirkungen für die Landwirtschaft aus den materiellen Bestimmungen über den freien Warenverkehr herrühren. So wird z.B. die gemeinschaftsrechtlich gebotene Aufhebung des deutschen Reinheitsgebots für Wurst für Importware 1 4 4 die ohnehin großen EG-Fleischberge weiter anwachsen lassen. Diese Erwägungen können aber die Aufrechterhaltung nationaler Maßnahmen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt rechtfertigen 145 . In der Legislativkompetenz ist auch hier der Bund betroffen 146 . Hochsee- und Küstenfischerei, Küstenschutz (vgl. dazu Maunz, in: M / D (Fn. 32), Art. 74, Rdnr. 196); Art. 74 Nr. 18 GG: Grundstücksverkehr, Bodenrecht, landwirtschaftliches Pachtwesen (vgl. dazu Maunz, ebd., Rdnr. 199); Art. 74 Nr. 20 GG: Schutz beim Verkehr mit Lebens- und Genußmitteln, Bedarfsgegenständen, Futtermitteln und land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge, Tierschutz (vgl. dazu Maunz, ebd., Rdnr. 228ff.). Ferner bestehen Rahmenkompetenzen gemäß Art. 45 Nr. 3 und Nr. 4 GG. 139 Vgl. Maunz, in: M/D (Fn. 32), Art. 91a, Rdnr. 19. Zu den Einzelheiten dieser Aufgabe vgl. ebd., Rdnr. 41 ff. 140 Vgl. Gilsdorf (Fn. 106), Art. 39, Rdnr. 43 ff. 141 vgl. ebd., Rdnr. 49 ff. Zu den Auswirkungen auf die Länder vgl. Karlheinz Oberthür, Die Bundesländer im Entscheidungssystem der EG, Integration 1 (1978), S. 58 65 (59). 142 Vgl. Gilsdorf (Fn. 106), Art. 39, Rdnr. 66. 143 Vgl. dazu Landwirtschaftliche Wochenzeitung vom 27.2.1988: Vereinbarkeit einer Bewirtschaftungsprämie mit Art. 92 EWGV. Gutachten von Michael Schweitzer. 144 Anhängige Rs. 274/87 - Kommission/Bundesrepublik Deutschland - , vgl. Tätigkeiten des EuGH Nr. 19/87, S. 13. Anders als beim Reinheitsgebot für Bier kann das Argument des Gesundheitsschutzes, das allein Maßnahmen rechtfertigen könnte, die über eine Deklarierungspflicht hinausgehen, nicht einmal schlüssig vorgebracht werden. 145 Ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urt. des EuGH vom 19.12.1961, Rs. 7/61 Kommission/Italien - , Rspr. 1961, S. 699 (720) und Urt. vom 29.1.1985, Rs. 231/81 Allert u.a./Centre Leclerc - , Rspr. 1985, S. 305 (324, Entscheidungsgründe 31 - 33). Vgl. auch Streit, in: BBPS (Fn. 53), S. 289 m.w.N. Daß solchen Erwägungen allein die

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bb) Wirtschaftsförderung Die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur ist Gemeinschaftsaufgabe gemäß Art. 91a Abs. 1 Nr. 2 GG, unterfällt damit der Kompetenz der Länder 1 4 7 . Sie ist nur ein Instrument der regionalen Wirtschaftsförderung. Auf diesem Gebiet wurden vielfältige Aktivitäten entwickelt 1 4 8 , die in ihrem Umfang auch innerstaatliche K r i t i k ausgelöst haben 149 . Diesen Maßnahmen setzt aber das Beihilfenverbot des Art. 92 EWGV Grenzen, die erst jetzt von der Kommission in verstärktem Maße aktiviert werden 1 5 0 . Problematisch ist aber die Gefahr einer Kombination mit der durch die EEA im EWG-Vertrag verankerten EG-Strukturpolitik 1 5 1 , wenn diese als konkurrierende EG-Kompetenz zur Wirtschaftsförderung allgemein interpretiert und nach ihrem Gebrauchmachen nationale Kompetenzen verdrängend angesehen würde. Durch entsprechende Erfahrungen gewarnt, verlangen die Länder hier zu Recht eine rechtlich verbindliche Klarstellung 1 5 2 . Denn EG-Wirtschaftsförderung und nationale Wirtschaftsförderung haben unterschiedliche Ziele und notwendig unterschiedliche Bezugsgrößen: Erstere soll Unterschiede und Nachteile innerhalb der gesamten EG ausgleichen 153 , letztere innerhalb eines jeden einzelnen Mitgliedstaates bzw. sogar innerhalb einzelner Länder oder Regionen eines Mitgliedstaates 154 . Dies bedingt zwangsläufig unterschiedliche Maßstäbe der Förderungswürdigkeit 155 . Gemeinschaft selbst Rechnung tragen kann, hat der EuGH jüngst i n seinem Urt. vom 23.2.1988, Rs. 216/84 (Fn. 17), S. 2 hervorgehoben. Vgl. auch Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25.2.1964 (ABl., S. 850). 146 Art. 74 Nr. 20 GG. Hier § 4 der Fleisch-Verordnung vom 21.1.1982, BGBl. I, S. 90. 1 47 Vgl. Hans Ruhe, in: Seifert / Hömig (Fn. 32), Art. 91 a, Rdnr. 1. 148 Vgl. Maunz, in: M / D (Fn. 32), Art. 91a, Rdnr. 40; Schmidt-Bleibtreu / Klein (Fn. 31), Art. 91a, Rdnr. 7. 149 Vgl. Schmidt-Bleibtreu / Klein (Fn. 31), Art. 91a, Rdnr. 7. In der Tat kann nach dem Sinn der Institution gefragt werden, wenn zwei Drittel des Bundesgebietes zu Fördergebieten gemäß Art. 91a Abs. 1 Nr. 2 GG geworden sind (vgl. Maunz) in: M/D (Fn. 32), Art. 91a, Rdnr. 39 m.w.N. 150 Vgl. Streil, in: BBPS (Fn. 53), S. 364f. Vgl. auch die Antwort der Bayer. Staatsregierung vom 3.2.1988 (Fn. 3), S. 26ff. Im Sommer 1987 einigten sich die Bundesregierung und die EG-Kommission darauf, daß bundesweit die Fördergebiete von 31% auf 29% der Bevölkerung reduziert werden. Die landeseigenen Fördergebiete mußten um zwei Drittel reduziert werden. Vgl. dazu und zu den Auswirkungen auf Länderebene Bulletin der bayerischen Staatsregierung Nr. 6/88 vom 22.3.1988, S. 3. Art. 130 a - 130 e EWGV. 152 Vgl. den Beschluß des Bundesrats vom 16.5.1986, BR-Drucks. 150/86, Ziffern 5 und 10. Die Bedenken richten sich hier insbes. gegen die durch Art. 10 EEA (= Art. 145, 3. Spiegelstrich n.F. EWGV) eingeräumte Delegation von Befugnissen an die Kommission. 153 Vgl. Art. 130 a Abs. 2, Art. 130c EWGV. 154 Vgl. §§ 1 und 2 des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" vom 6.10.1969, BGBl. I, S. 1861. 1 55 Vgl. den Beschluß des Bundesrats vom 16.5.1986, BR-Drucks. 150/86, Ziffer 15 und die Antwort der Bayer. Staatsregierung vom 3.2.1988 (Fn. 3), S. 27.

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cc) Umweltschutz Der Umweltschutz unterliegt nach der innerstaatlichen Kompetenzaufteilung zwar nicht generell, aber in wichtigen Teilbereichen der konkurrierenden bzw. der Rahmengesetzgebimg des Bundes 156 . Obwohl durch die Aktivierung dieser Kompetenzen das geltende Umweltschutzrecht überwiegend Bundesrecht ist, gibt es durchaus noch bedeutsame landesrechtliche Regelungen (z.B. im Naturschutz) 157 . Die EG hat bereits mittels der Rechtsangleichung über Richtlinien gemäß Art. 100 EWGV sowie der Ergänzungskompetenz des Art. 235 EWGV, aber auch durch die Einbeziehung einschlägiger Nebenaspekte, z.B. in die gemeinsame Agrar- und Verkehrspolitik (Art. 43 bzw. Art. 74 EWGV), erhebliche umweltpolitische Aktivitäten entfaltet 158 . Diese Tätigkeiten werden jetzt durch den durch die EEA eingefügten Titel V I I des dritten Teils des EWG-Vertrages (Art. 1 3 0 r - 1 3 0 t EWGV) auf eine neue vertragliche Grundlage gestellt. Die K r i t i k der Länder richtete sich hier gegen die bisherige Praxis mit teils gleichlaufender, teils aber gegenläufiger Tendenz: Einerseits wird befürchtet, daß durch verbindliche Vorgaben der hohe deutsche Schutzstandard abgesenkt w i r d 1 5 9 . Andererseits w i r d ein „vom Zentralismus infiziertes Denken" 1 6 0 beklagt, das auch dort gemeinschaftlichen Regelungsbedarf erkennt, wo eine grenzüberschreitende Bedeutung nicht ersichtlich ist, und dort in den geforderten Schutzstandards übers Ziel hinausschießt. Für beides gibt es eindrucksvolle Beispiele: So konnten einerseits die deutschen Vorstellungen weder beim abgasarmen A u t o 1 6 1 noch bei den Grenzwerten für die zulässige radioaktive Belastung von Lebensmitteln 162 durchgesetzt werden. Bei beiden Materien ist wegen der Bedeutung für den freien Warenverkehr der gemeinschaftsrechtliche Regelungsbedarf unabweisbar. Andererseits hat die Bundesrepublik Deutschland - wie andere Mitgliedstaaten 156 Art. 74 Nr. 24 GG; Art. 75 Nr. 3 und 4 GG. Daneben z.T. Art. 74 Nr. 11, I I a , 17, 20 und 22 GG. Eine umfassende Bundeszuständigkeit gibt es nicht. Vgl. Dellmann (Fn. 32), Art. 74, Rdnr. 24. 157 Vgl. Helmut Müller, Landeskompetenzen im Umweltrecht, BayVBl. 1988, 289 293; Dieter Engelhardt, Die Ausschöpfung der Landeskompetenzen im Umweltrecht, BayVBl. 1988, 294 - 298. iss vgl. dazu Hans Scheuer, in: Grabitz (Fn. 14), Anhang I I m.w.N. iss Beschluß des Bundesrats vom 16.5.1986, BR-Drucks. 150/86, Ziffer 9; Schmidhuber, 561. Sitzung des Bundesrats vom 21.2.1986, Stenographische Protokolle, S. 107. 16° Ebd., S. 108. 161 Vgl. dazu Neue Zürcher Zeitung vom 30.6.1985 und EG-Magazin 6-1985, S. I. Erreicht wurde die Richtlinie 85/210/EWG des Rates vom 20. März 1985, ABl. Nr. L 96, S. 25. 162 Vgl. dazu Jürgen Grunwald, Die Entwicklung des Gemeinschaftsrechts, EuR 23 (1988), 91 - 112 (97f.) m.w.N.

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auch - weder die Richtlinie über die Erhaltung der w i l d lebenden Vogelarten 1 6 3 noch die Richtlinien über die Qualitätsanforderungen an Oberflächengewässer für die Trinkwassergewinnung 164 , den Schutz des Grundwassers gegen die Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe 165 oder die Qualität der Badegewässer 166 ordnungsgemäß umgesetzt 167 . Ist bei vielen Umweltschutzrichtlinien - auch im Bereich des Gewässerschutzes 168 - der gemeinschaftsrechtliche Bezug darstellbar, so fragen sich auch ausgesprochene Integrationsfreunde, warum sich die EG um die Qualität des Badewassers in der Isar bei München kümmern muß. Ob die hinsichtlich beider Kritiktendenzen durch die EEA im EWG-Vertrag verankerten Qualitätsbzw. Subsidiaritätsklauseln 169 ihren Zweck erfüllen werden, ist zweifelhaft. dd) Bildung und Kultur Eine der wenigen bedeutsamen Materien, die den Ländern verblieben sind, ist die Bildungs- und Kulturpolitik. Lediglich für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens besteht eine Rahmenkompetenz des Bundes (Art. 75 Nr. l a GG), ferner eine konkurrierende Kompetenz zum Schutz von Kulturgut gegen Abwanderung ins Ausland (Art. 74 Nr. 5 GG) und die Ausbildungs- und Forschungsförderung (Art. 74 Nr. 13 GG) sowie die Kompetenz kraft Natur der Sache in kulturellen Fragen des Gesamtstaates. Der Hochschulbau ist als Gemeinschaftsaufgabe (Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 GG) Sache der Länder, an der der Bund mitwirkt. Es ist nicht verwunderlich, daß die Länder gegenüber Angriffen auf ihre Kulturhoheit besonders sensibel reagieren. Dementsprechend haben die Auswirkungen der EG auf die Bildungs- und Kulturkompetenzen der Länder eine relativ eingehende wissenschaftliche

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Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2.4.1979, ABl. Nr. L 103, S. 1. i ß 4 Richtlinie 75/400/EWG des Rates vom 16.6.1975, ABl. Nr. L 194, S. 24. 165 Richtlinie 80/68/EWG des Rates vom 17.12.1979, ABl. 1980 Nr. L 20, S. 43. iss Richtlinie 76/160/EWG vom 8.12.1975, ABl. 1976 Nr. L 31, S. 1. 167 Zur Nichteinhaltung der Vogelschutzrichtlinie vgl. Urt. des EuGH vom 17.9.1987, Rs. 412/85 - Kommission/Bundesrepublik Deutschland - , Tätigkeiten des EuGH Nr. 16/87, S. 3ff. Ferner Urt. des EuGH vom 8.7.1987, Rs. 262/85 - Kommission/Italien Tätigkeiten des EuGH Nr. 15/87, S. 9ff.; Urt. vom 8.7.1987, Rs. 247/85 - Kommission/Belgien Tätigkeiten des EuGH Nr. 15/87, S. 5ff.; Urt. vom 13.10.1987, Rs. 236/85 - Kommission/Niederlande - , Tätigkeiten des EuGH Nr. 20/ 87, S. 1 ff. Zu den Wasserrichtlinien vgl. Pascale Kromarek, Trinkwasser. Der Musterknabe bockt, EG-Magazin 5/1987, 18. 168 Dies sind alle Richtlinien, die durch einheitliche Anforderungen auch Wettbewerbsverzerrungen (vgl. z.B. die i n Fn. 165 genannte Grundwasserrichtlinie oder Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 79/923/EWG des Rates vom 30.10.1979 über die Qualitätsanforderungen an Muschelzuchtgewässer, ABl. Nr. L 281, S. 47) beseitigen wollen. 169 Art. 100a Abs. 3 und Art. 130g bzw. Art. 130r Abs. 4 Satz 1 EWGV.

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Behandlung erfahren 170 . Hier können nur einige Grundlinien aufgeführt und Entwicklungen angedeutet werden. In den Bereichen Bildung und Kultur bestehen unmittelbare Zuständigkeiten der EG nur ganz vereinzelt 171 . Mittelbare Zuständigkeiten leiten sich allerdings in erheblichem Umfang aus den Bestimmungen über die Freizügigkeit, die Sozialpolitik, die Dienstleistungs- und die Niederlassungsfreiheit ab. Die in Art. 128 EWGV eingeräumte Kompetenz zur Aufstellung allgemeiner Grundsätze für die Berufsausbildung hat der Rat bereits 1963 aktiviert 1 7 2 . In den darüber hinausgehenden Bereichen arbeiteten ab 1971 die für Bildung zuständigen Minister der Mitgliedstaaten zusammen. 1976 hat diese Zusammenarbeit durch die Verknüpfung mit den Gemeinschaftsinstitutionen Rat und Kommission eine besondere Institutionalisierung erfahren 173 . Daraus hat der EuGH im Gravier-Urteil erstaunliche Folgerungen gezogen 174 . Insgesamt entstand im Ergebnis eine europäische Kultur-, Bildungs- und Forschungspolitik aus einem Mosaik von Maßnahmen, die häufig in der juristischen Grauzone zwischen Gemeinschaftsrecht und zwischenstaatlichem Recht angesiedelt sind 1 7 5 . Einige der Auswirkungen der Grundfreiheiten auf die Bildungspolitik mögen zwar auf den ersten Blick überraschen, wohl weil manchen Tragweite und (Neben-)Folgen der europäischen Integration nicht richtig bewußt geworden sind, erweisen sich aber als zwangsläufig. So gibt Art. 57 Abs. 1 EWGV ausdrücklich dem Rat die Kompetenz, Richtlinien zur gegenseitigen Anerkennung von Zeugnissen und Diplomen zu erlassen, soweit dadurch die Aufnahme und Ausübimg selbständiger Tätigkeit erleichtert wird. Nach langen und schwierigen Verhandlungen sind zahlreiche solche Anerkennungsrichtlinien zustande gekommen 176 . Nicht immer unmittelbar aus dem Vertrag ablesbar, aber durchaus nachvollziehbar ist auch die Rechtsprechung des EuGH, daß die Bildimgspolitik als solche zwar in die Kompetenz der Mitgliedstaaten falle, jedoch diese Kompetenz durch mate170 Vgl. z.B. Wolfgang Vorwerk, Die Ausführung von Gemeinschaftsakten durch Bund und Länder unter besonderer Berücksichtigung von Art. 57 EWGV, Diss. Würzburg, 1977; Ingo Hochbaum, Politik und Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften im Bildungswesen, BayVBl. 1987, 481 - 490; Hermann Avenarius, Zugangsrechte von EG-Ausländern im Bildungswesen der Bundesrepublik Deutschland. Zum Einfluß des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf das innerstaatliche Bildungsrecht, NVwZ 1988, 385 - 393. Vgl. z.B. Art. 4 Abs. 1, Art. 9 Abs. 2 EAGV; Art. 130g Buchst, h EWGV. 172 Vgl. den Beschluß des Rates 63/266 vom 2.4.1963 über die Aufstellung allgemeiner Grundsätze für die Durchführung einer gemeinsamen Politik der Berufsausbildung, ABl. S. 1338. 173 Vgl. das bildungspolitische Aktionsprogramm der Entschließung des Rates und der i m Rat vereinigten Minister für Bildungswesen vom 9.2.1986, ABl. Nr. C 38, S. 1. Vgl. zu dieser Entwicklung Hochbaum (Fn. 170), 487 ff. 174 EuGH, Urt. vom 13.2.1985 (Fn. 45), Rspr. 1985, S. 593 (612 ff.). Pipkorn, in: BBPS (Fn. 53), S. 484 ff. 176 Vgl. die Nachweise bei Hochbaum (Fn. 170) 483, Fn. 18.

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rielle Vorgaben der Grundfreiheiten des EWG-Vertrages eingeschränkt werden könne. So folgt beispielsweise aus der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ein Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Ausbildungsförderung für ihre Kinder 1 7 7 . Auch der durch die Freizügigkeit begründete Anspruch eines EG-Ausländers auf Aufnahme in den Vorbereitungsdienst für Studienreferendare 178 hat Auswirkungen auf die Bildungspolitik. Überschritten w i r d dieser Ansatz aber jedenfalls in der Entscheidungsbegründung des GravierUrteils. Gestützt w i r d das Ergebnis auf das Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWGV. Dieses setzt aber eine Diskriminierimg im Anwendungsbereich des Vertrages, d.h. eine Anknüpfungsmaterie im EWG-Vertrag voraus. Dazu gelangte der EuGH nur, indem er zum einen den Begriff „Berufsausbildung" (Art. 128 EWGV) über die berufliche Bildung hinaus auf die allgemeine Bildung erstreckt und zum anderen unter Bezugnahme auf Art. 128 EWGV die gemeinsame Politik im Bereich der Berufsausbildung durch die rechtlich nicht verbindlichen und z.T. im Rahmen der EPZ gefaßten Beschlüsse der Bildungsminister sich „schrittweise" fortentwickeln sieht 1 7 9 . Solchen Beschlüssen normativen Charakter zuzumessen, geht entschieden zu weit. Es ist Sache der Regierungen der Mitgliedstaaten, in den dafür vorgesehenen gemeinschaftsrechtlichen bzw. zwischenstaatlichen Verfahren unter Einhaltung des jeweiligen nationalen Verfassungsrechts die entsprechenden Kompetenzen zu schaffen, wenn dies politisch gewollt ist 1 8 0 . 177 Vgl. Art. 12 der auf Art. 49 EWGV gestützten Verordnung 1612/68/EWG des Rates vom 15.10.1968 (ABl. Nr. L 257, S. 2) und dessen Auslegung durch Urt. des EuGH vom 3.7.1974, Rs. 9/74 (Fn. 45), Rspr. 1974, S. 773. Im Urt. vom 13.7.1983, Rs. 152/82 - Forcheri/Belgien - , Rspr. 1983, S. 2323 (2335f.) leitete der EuGH für die Ehefrau die gleiche Rechtsstellung unmittelbar aus Art. 48 EWGV ab. 178 EuGH, Urt. vom 3.7.1986, Rs. 66/85 - Deborah Lawrie-Blum/Baden-Württemberg - , EuGRZ 1986, S. 558 ff. Vgl. dazu und zur naheliegenden Frage, ob dies auch für Lehrer gelten würde, Stefan Förch, Freizügigkeit für Studienreferendare, NvWZ 1987, 27 - 31 (30) sowie Avenarius (Fn. 170), 392f. und Siegfried Magiera, Die Europäische Gemeinschaft auf dem Wege zu einem Europa der Bürger, DÖV 1987, 221 231 (227). Initiativen zur Verwirklichung der Freizügigkeit der Lehrer in der EG laufen bereits, vgl. die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Förderung der Mobilität der Lehrer in der Europäischen Gemeinschaft vom 24.10.1986 (ABl. Nr. C 297, S. 158, insbes. Ziffer 7). Zu den möglichen Folgen für das Beamtenrecht vgl. Avenarius (Fn. 170), 393 und Ingo Hochbaum, Eine Attacke aufs Beamtenrecht? DuZ 5/ 1988, 15 f. 179 EuGH, Urt. vom 13.2.1985, Rs. 293/83 (Fn. 45), Rspr. 1985, S. 612ff., insbes. S. 613 (Entscheidungsgrund 23). 180 Vgl. die insoweit zutreffende K r i t i k des OVG Berlin, Beschluß vom 15.7.1986, NVwZ 1987, 720f. (720) am Gravier-Urteil. Diese K r i t i k betrifft nicht die Fälle, i n denen ein anderer gemeinschaftsrechtlicher Anknüpfungspunkt als die Berufsausbildung (Art. 128 EWGV) besteht, so z.B. im Beschluß des VG Frankfurt/Main vom 11.2.1987, NVwZ 1987, 731ff. und auch im Forcheri-Fall (vgl. Fn. 177). Auf dessen Unterschied zum Gravier-Fall hatte auch der Generalanwalt hingewiesen, wenngleich er zum gleichen Ergebnis kam wie der EuGH, vgl. Rspr. 1985, S. 593/594 (599 bzw. 605). Die Position des OVG Berlin dürfte sich allerdings nach dem Urt. des EuGH vom 2.2.1988, Rs. 24/86 - Blaizot/Université de Liège u.a. - , Tätigkeiten des EuGH Nr. 3/88, S. 15 ff. nicht halten lassen (vgl. auch Fn. 182). Zu Recht kritisch zu solchen zweifelhaften „Kompetenzbegründungen" auch die Antwort der Bayer. Staatsregierung vom 3.2.1988 (Fn. 3), S. 16f., 18f.

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Nur bei Beachtung dieser Verfahren können auch die Länderinteressen überhaupt wahrgenommen werden 1 8 1 . Die Folgen aus dem Gravier-Urteil sind noch nicht absehbar. Jedenfalls hat es zu einiger Verunsicherung geführt 1 8 2 . Soweit es zu allgemeinen Teilhabe» und Anspruchsrechten (z.B. BAföG) 1 8 3 für Bürger aus EG-Mitgliedstaaten führen sollte, ist zu beachten, daß damit die nationalen Leistungssysteme wegen Überforderung zu einer Nivellierung gezwungen würden 1 8 4 . Als Beispiel aus der Kulturpolitik, das die Länder aufschrecken ließ, sei das „Grünbuch" der Kommission über die Errichtung des gemeinsamen Marktes für den Rundfunk, insbesondere über Satellit und Kabel („Fernsehen ohne Grenzen") 185 und der darauf aufbauende Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Rundfunktätigkeit vom 29. April 1986 186 genannt. Hauptziel dieses Richtlinienvorschlags ist es, daß Rundfunk- und insbesondere Fernsehsendungen, die den Vorschriften der Richtlinie genügen, frei in allen Mitgliedstaaten zirkulieren und empfangen und weiterverbreitet werden können 1 8 7 . Die Kommission betrachtet die Rundfunktätigkeit als Dienstleistung und stützt sich daher auf Art. 57 Abs. 2 i.V.m. Art. 66 EWGV 1 8 8 , nimmt aber auch auf Art. 10 der Europäi181 Beim Erlaß von Sekundärrecht gemäß Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zur EEA (Fn. 2) und der gemäß Art. 2 Abs. 6 dieses Gesetzes getroffenen Vereinbarung vom 17.12.1987 (abgedruckt i n Schmidt-Meinecke (Fn. 2), S. 98ff.), bei einer Änderung der Gründungs V e r t r ä g e (Primärrecht) gemäß dem Lindauer Abkommen von 1957 (abgedruckt bei Maunz, in: M/D (Fn. 32), Art. 32, Rdnr. 45). 182 Vgl. dazu Avenarius (Fn. 170), 386ff.; Hochbaum (Fn. 170), 485f.; Magiera (Fn. 178), 227f. Dies zeigte sich auch in Unsicherheiten der Kommission bzgl. des gebotenen weiteren Vorgehens, vgl. Urt. des EuGH vom 2.2.1988, Rs. 293/85 - Kommission/Belgien - , Tätigkeiten des EuGH Nr. 3/88, S. 8ff. (9). Im Urt. vom 2.2.1988, Rs. 24/86 - Blaizot (Fn. 180) - hat der EuGH das Studium im Fachbereich Tiermedizin an einer Universität unter den Begriff der Berufsausbildung subsumiert, was entsprechende Folgen für die Zugangsberechtigung von EG-Ausländern zeitigt, die nicht mehr auf die allgemeine Ausländerquote verwiesen werden dürfen. Da dies auch der EuGH als eine Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts ansieht, über die selbst die Kommission sich im Unklaren gewesen war, maß er dieser Entscheidung hinsichtlich der Erstattung von erhobenen Einschreibegebühren keine Rückwirkung bei (anders als im Urt. vom 2.2.1988 in der Rs. 309/85 - Bruno Barra/Belgien und Stadt Lüttich Tätigkeiten des EuGH Nr. 3/88, S. 12 ff., i n der es um die Ausbildung an einer Berufsfachschule ging). 183 Dazu liegen dem EuGH mehrere Vorabentscheidungsersuchen vor, vgl. Magiera (Fn. 178), 228, Fn. 87 (der dort aufgeführte Fall Blaizot (vgl. Fn. 180) betraf diese Frage jedoch nicht). Einen Anspruch auf Ausbildungsförderung lehnen Avenarius (Fn. 170), 389, Hochbaum (Fn. 170), 486 und Magiera (Fn. 178), 228 ab. 184 vgl. auch Avenarius (Fn. 170), 389. Ein verstärkter Zustrom von Studenten aus Mitgliedstaaten, in denen Studiengebühren erhoben werden, könnte die betroffenen Mitgliedstaaten darüber hinaus zur Wiedereinführung allgemeiner, d. h. nicht diskriminierender Studiengebühren veranlassen. 18 s Dokument K O M (84) 300 endg. 186 Dokument KOM (86) 146 endg. 187 Dokument KOM (86) 146 endg., S. 1, Nr. 11.

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sehen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) 1 8 9 Bezug 190 und möchte ihren Richtlinienvorschlag nicht isoliert, sondern als einen wichtigen Aspekt einer umfassenden Medienpolitik gesehen wissen 191 . Die deutschen Bundesländer bestreiten die Kompetenz der EG zum Erlaß einer solchen Richtlinie 1 9 2 . I n der Tat stößt die „Vergemeinschaftung" des Rundfunks auf erhebliche kompetenzrechtliche 193 und materielle Probleme 194 . Sollte es aber einmal zu einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung der vorgeschlagenen Art kommen, so würde diese als vorrangiges Gemeinschaftsrecht die deutsche Rundfunkverfassimg verdrängen und die Konstruktionen aus bislang fünf Rundfunkurteilen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) 195 zur Makulatur machen 196 . Denn selbst wenn man die Rundfunkverfassung zu den „Essentialia" der deutschen Verfassungsordnung zählen sollte, stellt der zur Unkenntlichkeit deformierte Prüfungsmaßstab, den das BVerfG im Solange Ii-Beschluß konstruiert hat, kaum eine Sicherung dar 1 9 7 . Diese Aussichten können selbst diejenigen nicht begeistern, deren Wertschätzung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sich ansonsten in Grenzen hält 1 9 8 . ee) Weitere Bereiche Eine generelle Beeinträchtigung der Länder tritt im Bereich des Finanzwesens und damit der Haushaltsgesetzgebung ein, und zwar sowohl auf der Einnahmen- wie auf der Ausgabenseite. So können durch die Harmonisiere Ebd., S. 8ff. iss Vom 4.11.1950, BGBl. 1952 II, S. 686, 953; 1968 II, S. 1116, 1120. 190 Dokument KOM (86) 146 endg., S. 5, Nr. 10. 191 Ebd., S. 7 (Nr. 14). Vgl. auch Carlo Ripa di Meana (Mitglied der EG-Kommission), Aktionen der Gemeinschaft im kulturellen Bereich, EG-Magazin 9-1987,16f. 192 Beschlüsse des Bundesrats vom 1. März 1985, BR-Drucks. 360/84, und vom 20.2.1987, BR-Drucks. 259/86. Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz vom 1. 3.10.1986, Media Perspektiven Dokumentation 1/87, S. 78f., und vom 21.23.10.1987, Bayer. Landtag, Plenarprotokoll 11/48 (vgl. Fn. 3), Anlage 2, Beilage Nr. 2, S. 43, Punkt 5, mit einem Vorbehalt Niedersachsens (ebd., S. 43). 193 vgl. z.B. Fritz Ossenbühl, Rundfunk zwischen nationalem Verfassungsrecht und Europäischem Gemeinschaftsrecht, Frankfurt/Main, 1986; Hans-Dieter Jarass , EGRecht und nationales Rundfunkrecht, EuR 22 (1986), 75 - 94 (92f.). 194 Unterschiedliche Rechtsformen der Rundfunkveranstalter (öffentlich-rechtliche i n unterschiedlicher Ausgestaltung, privatrechtliche) und divergierende Vorschriften über die Sendeinhalte (Ausgewogenheit, Werbeverbote, Jugendschutz) müssen harmonisiert oder zumindest koordiniert werden. Hinsichtlich der Festlegung der Sendeinhalte leistet der Richtlinienvorschlag der Kommission (vgl. Fn. 186) durchaus Beachtliches. 195 BVerfGE 12, 205; 31, 314; 57, 295; 73, 118; 74, 297. 196 Ebenso Erich Schneider, Europäische Einigung - Erwartungen der Landesparlamente, Beitrag der Länder, in: Hrbek/Thaysen (Fn. 3), S. 57 - 68 (63). 197 BVerfGE 73, 339. Vgl. dazu Streinz (Fn. 60), Kap. 1 B V 2b) und Kap. 2 Teil 4 A I I 3 c) bb). 198 Vgl. Stoiber (Fn. 5), S. 545 f.

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rung bestimmter steuerrechtlicher Vorschriften gemäß Art. 99 EWGV auch Steuern betroffen sein, deren Aufkommen den Ländern zusteht 199 . Die Abführung eines Anteils der Mehrwertsteuer an die E G 2 0 0 kann sich auf die innerstaatliche Umsatzsteuerverteilung auswirken 201 . Die in Art. 109 GG verankerte Haushaltsautonomie kann durch konjunkturpolitische Maßnahmen gemäß Art. 103 EWGV 2 0 2 beeinträchtigt werden 2 0 3 . Problematischer und noch ungelöst ist aber die Ausgabenseite 204 . Hier ergeben sich mehrerlei Belastungen: Zum einen durch die Verwaltungskosten, die durch den den Ländern obliegenden Vollzug von EG-Recht 2 0 5 entstehen. Diese tragen die Länder gemäß Art. 104 a Abs. 5 GG. Zum anderen die Kosten für Leistungen, die durch EG-Recht ermöglicht oder gefordert werden. Fakultative Leistungen sind weniger problematisch, da bei ihnen kein rechtlicher Ausgabenzwang besteht. Allerdings können EG-Regelungen einen faktischen (politischen) Druck in Richtung auf nationale Ergänzungsmaßnahmen auslösen 206 . Gleichwohl findet darauf unmittelbar Art. 104 a GG Anwendung 2 0 7 . Obligatorische Leistungen können sich zum einen aus unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht (Primärrecht und Verordnungen), zum anderen aus nationalem Vollzugsrecht (von Primärrecht und Richtlinien) ergeben 208 . Nach einer Meinimg soll auf den Vollzug von nationalem Recht Art. 104 a GG auch dann unmittelbar angewendet werden, wenn dieses gemeinschaftsrechtlich determiniert ist 2 0 9 . Richtig dürfte aber sein, alle 199 Z.B. die Biersteuer gemäß Art. 106 Abs. 2 Nr. 5 GG. Vgl. dazu Hartmut Heinrich Schwan, Die deutschen Bundesländer im Entscheidungssystem der Europäischen Gemeinschaften, Beschlußfassung und Durchführung, Berlin, 1982, S. 20 m.w.N. 200 Derzeit werden, gestützt auf Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 des Beschlusses des Rats vom 7.5.1985 über das System der eigenen Mittel der Gemeinschaften (ABl. Nr. L 128, S. 15) 1,4% der nach einer einheitlichen Bemessungsgrundlage erhobenen Mehrwertsteuer (vgl. Art. 3 Abs. 3 dieses Beschlusses) an die EG abgeführt. 201 Vgl. Art. 106 Abs. 3 und 4 GG. 202 Vgl. dazu Hans R. Krämer, in: Grabitz (Fn. 14), Art. 103, Rdnr. 11 ff. 203 Vgl. Schwan (Fn. 199), S. 20f. 204 v g l dazu im einzelnen z.B. Siegfried Magiera, Bundesstaat und EG-Finanzordnung. Zur Verteilung der Finanzlast zwischen Bund und Ländern bei der Durchführung von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften, in: Jost Delbrück / Knut Ipsen / Dietrich Rauschning (Hrsg.), Recht im Dienst des Friedens, Festschrift für Eberhard Menzel zum 65. Geburtstag, Berlin, 1975, S. 621 - 644; Peter Selmer, Zur bundesstaatlichen Lastenverteilung bei der Anwendung von Geldleistungsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft, in: Roland Bieber u.a. (Hrsg.), Das Europa der zweiten Generation, Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, Bd. 1, Baden-Baden, 1981, S. 229 - 245; Maunz, in: M/D (Fn. 32), Art. 104a, Rdnr. 19ff. und 32. 205

Siehe dazu unten C I I 2 und 3. 206 vgl. die Kompensationen (Milchrente, Vorsteuerpauschale) für gemeinschaftsrechtlich verursachte Einkommenseinbußen der Landwirtschaft (Milchquotenregelung, Abbau des Währungsausgleichs). 207 Vgl. Maunz, in: M/D (Fn. 32), Art. 104a, Rdnr. 19. 208 Vgl. die Differenzierung bei Magiera (Fn. 204), S. 627f. 209 So Selmer (Fn. 204), S. 231 m.w.N. (auf Maunz (vgl. Fn. 207) und Magiera (vgl. Fn. 204, S. 642 f.) beruft er sich allerdings zu Unrecht, da deren Aussagen sich allein auf fakultative Leistungen bzw. ermächtigende EG-Vorschriften beziehen).

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d u r c h E G - R e c h t o b l i g a t o r i s c h vorgeschriebenen L e i s t u n g e n i n s o w e i t einh e i t l i c h z u b e h a n d e l n 2 1 0 . Bis z u einer speziellen Regelung d u r c h eine G r u n d gesetzergänzung 2 1 1 erscheint die sachgerechteste u n d - da einen verfassungsrechtlich n i c h t u n m i t t e l b a r geregelten Bereich betreffend - zulässige L ö s u n g die einer V e r e i n b a r u n g zwischen B u n d u n d L ä n d e r n über die jeweils d u r c h E G - V o r g a b e n anfallenden Ausgaben, w o b e i A r t . 104 a Abs. 2 u n d 3 G G die R i c h t s c h n u r b i l d e t 2 1 2 . Daneben g i b t es eine V i e l z a h l v o n B e e i n t r ä c h t i g u n g e n der L e g i s l a t i v k o m petenzen der L ä n d e r d u r c h E G - M a ß n a h m e n , die n u r einige Bundesländer speziell betreffen oder sich i n Randbereichen zeigen. Genannt seien b e i spielhaft die A u s w i r k u n g e n der E G - V e r k e h r s p o l i t i k auf die den L ä n d e r n verbliebene S e e h a f e n p o l i t i k 2 1 3 u n d der E G - R i c h t l i n i e über die U m w e l t v e r t r ä g l i c h k e i t s p r ü f u n g auf das B a u r e c h t 2 1 4 . Z u m großen T e i l k a n n sich h i e r die E G auf einwandfreie K o m p e t e n z e n stützen u n d ist a l l e i n die politische Z w e c k m ä ß i g k e i t der einen oder anderen Maßnahme d i s k u t a b e l 2 1 5 . Daneben g i b t es aber auch E G - A k t i v i t ä t e n , f ü r die die Kompetenz zweifelhaft oder m e h r als z w e i f e l h a f t 2 1 6 ist. 210

Ebenso wohl Magiera (Fn. 204), S. 642f. (7b (aa)). Vgl. den Vorschlag der Enquete-Kommission Verfassungsreform, einen Art. 104a Abs. 3 a GG einzuführen. Zur Sache 2/77, Beratungen und Empfehlungen zur Verfassungsreform (II), S. 173 (1.4.2). 212 Vgl. dazu Maunz, in: M/D (Fn. 32), Art. 104 a, Rdnr. 24; Magiera (Fn. 204), S. 640 ff. 213 Vgl. dazu Schwan (Fn. 199), S. 18f.; Hans Eberhard Birke, Die deutschen Bundesländer in den Europäischen Gemeinschaften, Berlin, 1973, S. 22; Oberthür (Fn. 141), S. 58. 214 Vgl. dazu Jochen Schroer, Umweltverträglichkeitsprüfung im Bauplanungsrecht, DVB1. 1987, 1096 - 1101. 215 Kritisiert wurden dahingehend z.B. die Badegewässer-Richtlinie (vgl. Fn. 166) und die Vogelschutz-Richtlinie (Fn. 163), soweit sie auch die Bejagung von Eichelhäher, Elster und Rabenkrähe untersagt. Selbst wenn man die Kompetenz bejaht, kann man sich durchaus fragen, ob die Kommission nichts Wichtigeres zu tun hat, als Segelregatten und Radrennen durchzuführen (vgl. Stoiber (Fn. 5), S. 546). Bei der beliebten K r i t i k an kurios erscheinenden Detailregelungen (z.B. Uberrollbügel für Weinbau-Zugmaschinen, vgl. Europäische Zeitung 7/8-1985, S. 10) ist zu berücksichtigen, daß diese in einem gewissen Maße nur eine Reaktion auf entsprechende bestehende nationale Vorschriften darstellen. 216 Der Rechtsausschuß des Bundesrates hat seit 1976 i n über 50 Fällen Kompetenzüberschreitungen der EG-Organe festgestellt und in vielen anderen Fällen Zweifel an der Zuständigkeit der Gemeinschaft geäußert (vgl. Rede des bayerischen Ministerpräsidenten Strauß vor dem Bayerischen Landtag am 3.2.1988, Plenarprotokoll 11/48, S. 3146). Beispielsfälle nennt die Antwort der Bayerischen Staatsregierung vom 3.2.1988 (Fn. 3), S. 17. Keine EG-Zuständigkeit besteht auch für die Einführung eines Kommunalwahlrechts für EG-Ausländer, das vom Europäischen Parlament gefordert wird (vgl. Entschließung vom 15.12.1987, EuGRZ 1988, S. 89). Art. 235 EWGV greift nicht durch, weil es am Merkmal der „Erforderlichkeit" fehlt. Widersprüchlich Magiera (Fn. 178), S. 230, der einerseits das Merkmal der Erforderlichkeit als z. Zt. nicht eindeutig erfüllt feststellt, gleichwohl aber die Gemeinschaftskompetenz bejaht. Zur Einführung eines Ausländerwahlrechts bedürfte es eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen den Mitgliedstaaten, der i n der Bundesrepublik - und das ist der gravierende Unterschied zu einer Richtlinie gemäß Art. 235 EWGV, die 211

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II. Im Bereich der Verwaltung Die Verwaltung obliegt nach der Kompetenzverteilung durch das Grundgesetz grundsätzlich den Ländern 2 1 7 . Dies gilt auch, soweit Gemeinschaftsrecht oder aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben erlassenes Bundesrecht auszuführen ist. Die Gegenmeinung, die hier eine Bundeskompetenz annehmen möchte 218 , ist weder gemeinschaftsrechtlich geboten noch mit dem Grundgesetz vereinbar und hat sich daher zu Recht nicht durchsetzen können 2 1 9 . Bei der Ausführung von Gemeinschaftsrecht lassen sich drei Typen unterscheiden 220 : Die unmittelbare Gemeinschaftsverwaltung, die unmittelbare und die mittelbare mitgliedstaatliche Vollziehung. Jeder dieser Verwaltungstypen beeinträchtigt Länderkompetenzen in unterschiedlicher Weise. 1. Unmittelbare Gemeinschafts Verwaltung

Bei diesem Verwaltungstyp wird das Gemeinschaftsrecht von den Gemeinschaftsorganen selbst vollzogen. Dadurch werden die ansonsten innerstaatlich zuständigen Landesbehörden in den betreffenden Materien aus ihrer Kompetenz verdrängt. Diese zentrale Verwaltung ist bisher die Ausnahme 221 . Jedoch ermöglicht der durch die EEA eingefügte Art. 145, 3. Spiegelstrich dem Rat die Übertragung weiterer Durchführungsbefugnisse auf die Kommission, was bei den Ländern bereits entsprechende Befürchtungen auslöste 222 . 2. Unmittelbare mitgliedstaatliche Vollziehung auf der Ebene der Länder

Bei der unmittelbaren mitgliedstaatlichen Vollziehung, dem Regelfall, wird unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht von den Mitgliedstaaten, d. h. in der Bundesrepublik grundsätzlich von den Ländern vollzogen 223 . auch der Einstimmigkeit bedürfte - gemäß Art. 59 Abs. 2 GG der Zustimmung oder der Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat bedürfte. Auf die verfassungsrechtliche Problematik kann hier nicht eingegangen werden, vgl. dazu Alexander Schlink, Kommunalwahlrecht für Ausländer?, DVB1. 1988, 417 - 426 m.w.N. 217 Art. 30, Art. 83 ff. GG 218 Vgl. Wagner (Fn. 114), S. 169; Birke (Fn. 213), S. 121 ff. (jedenfalls für legislative Ausführung). 219 Ebenso z.B. Magiera (Fn. 204), S. 636f.; Tomuschat (Fn. 8), Art. 24, Rdnr. 85. 220 Vgl. dazu Michael Schweitzer, Die Verwaltung der Europäischen Gemeinschaften, Die Verwaltung 17 (1984), 137 - 168 (139ff.). 221 Vgl. die Aufzählung bei Schweitzer / Hummer (Fn. 12), S. 110 und zu den Vollzugsorganen ebd., S. l l l f f . sowie Schweitzer (Fn. 220), 139ff. 222 Vgl. den Beschluß des Bundesrats vom 16.5.1986, BR-Drucks. 150/86, Ziffer 5. 223 Vgl. Schweitzer / Hummer (Fn. 12), S. 110; Schweitzer (Fn. 220), S. 142 f.

Auswirkungen des EG-Rechts auf die Kompetenzen der Bundesländer

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Das Verwaltungsverfahren richtet sich dabei zwar grundsätzlich nach nationalem Recht, jedoch sind auch Vorschriften durch sekundäres Gemeinschaftsrecht möglich. Daneben ist das Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWGV (Art. 4 b EGKSV) zu beachten 224 . Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben können auch die Prüfungsmaßstäbe der Grundrechte und der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Verwaltungsrechts relativieren 225 . 3. Mittelbare mitgliedstaatliche Vollziehung auf der Ebene der Länder

Die mittelbare mitgliedstaatliche Vollziehung betrifft deutsches Ausführungsrecht zu Gemeinschaftsrecht 226 . Das Verwaltungsverfahren richtet sich dabei ausschließlich nach nationalem Recht 227 . Soweit das deutsche Ausführungsrecht gemeinschaftsrechtlich determiniert ist, können diese Vorgaben aber auch hier die Prüfungsmaßstäbe der Grundrechte und der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Verwaltungsrechts relativieren 228 .

m . Im Bereich der Rechtsprechung Auch die Gerichte der Länder unterliegen dem Auslegungsmonopol des EuGH für Rechtsfragen des Gemeinschaftsrechts (Art. 164, 177 EWGV 2 2 9 ). Die obligatorische Vorlage gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV trifft zwar als letztinstanzliche Gerichte in erster Linie die obersten Gerichtshöfe des Bundes (vgl. Art. 95 Abs. 1 GG), jedoch können dies in bestimmten Fällen auch Gerichte der Länder sein 230 . Unabhängig davon haben die Urteile des EuGH für alle nationalen Gerichte eine Leitfunktion 2 3 1 . Die Anerkennung des EuGH als gesetzlichem Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 G G 2 3 2 224

Schweitzer / Hummer (Fn. 12), S. 114 f. Vgl. dazu Streinz (Fn. 60), Kap. 2 Teil 3 E I I I 4. 226 Schweitzer / Hummer (Fn. 12), S. 110 f. 227 Ebd., S. 115. 228 Soweit zwingende gemeinschaftsrechtliche Vorgaben die nationalen Vollzugsbehörden binden, haben diese zumindest die Gemeinschaftsgrundrechte zu beachten. Vgl. dazu Streinz (Fn. 60), Kap. 2 Teil 4 B I I 2d (c) (cc), Fn. 163. 229 Entsprechende Bestimmungen finden sich i n Art. 136, 150 EAGV bzw. Art. 41 EGKSV. 230 Vgl. Birke (Fn. 213), S. 30. Nach der zutreffenden konkreten Theorie kommt es darauf an, ob das betreffende Gericht im Einzelfall zur letztinstanzlichen Entscheidung berufen ist (vgl. Streil, in: BBPS (Fn. 53), S. 238 und Jürgen Wohlfahrt , in: Grabitz (Fn. 14), Art. 177, Rdnr. 50. Nach dem Urteil des EuGH vom 22.10.1987, Rs. 314/ 85 - Foto Frost/HZA Lübeck-Ost - Tätigkeiten des EuGH Nr. 21/87, S. 9 sind nationale Gerichte nicht befugt, selbst die Ungültigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane festzustellen. Da sie nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit solche Handlungen aber auch nicht anwenden dürfen, ergibt sich damit mittelbar eine Vorlagepflicht für alle Gerichte über Art. 177 Abs. 3 EWGV hinaus. 231 Vgl. dazu Wohlfahrt (Fn. 230), Art. 177, Rdnr. 71. 232 BVerfGE 73, 339 (366f.); BVerfGE 75, 223 (233f.). 225

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kann in Verbindung mit dem vom BVerfG dem EuGH anvertrauten Grundrechtsschutz 233 die Instanzgerichte der Länder verfassungsrechtlich zu Vorlagen gemäß Art. 177 Abs. 2 EWGV verpflichten 234 .

D . Fazit und Ausblick Die Auswirkungen des EG-Rechts auf die nationale Rechtsordnung und die Innenpolitik im allgemeinen wie auf die deutschen Bundesländer im besonderen sind anläßlich der Diskussion über die EEA erkannt worden. Angesichts der involvierten Materien ist Europapolitik auch als ein Bestandteil der Innenpolitik anzusehen. Durch die Realisierung der innerstaatlichen Kompetenzverteilung sind den Ländern gegenüber dem Bund nur noch in wenigen Materien gewichtige Kompetenzen verblieben. Von diesen sind seitens der EG durch teils unabweisbare, teils fragwürdige Kompetenzwahrnehmung die Bildungs- und Kulturpolitik und die Wirtschaftsförderungspolitik besonders betroffen. Auf andere Materien w i r k t sich das EG-Recht in Randbereichen aus, wobei die Länder aber - durch entsprechende Erfahrungen gewarnt - sorgfältig darauf achten wollen, daß es nicht in den Kernbereich ausufert. Die Hauptbeeinträchtigung findet aber in den Materien der Bundesgesetzgebung statt, die von den Verwaltungen der Länder ausgeführt wird. Aus diesem Grund ist die im Zustimmungsgesetz zur EEA eingeräumte Beteiligung über den Bundesrat zumindest in diesem Bereich der richtige Ansatz. Auf die Judikative der Länder können angesichts jüngster rechtlicher Entwicklungen neue Aufgaben zukommen. Daß der Integrationsprozeß zur Selbstbehauptung Europas unausweichlich ist, wird im Grunde eingesehen. Man möchte aber über ihn die Kontrolle behalten und den Zentralismus auf das unumgängliche Maß beschränken. Dies erklärt und erweist es als richtig, daß die Länder so großen Wert auf die innerstaatliche und - soweit möglich - gemeinschaftsrechtliche Beteiligung am Entstehungsprozeß von EG-Recht legten und mit dem Zustimmungsgesetz zur EEA durchaus Erfolg hatten. Die Bundesratslösung wirft zwar Probleme sowohl hinsichtlich der Majorisierung einzelner Länder 2 3 5 als auch hinsichtlich der Beteiligung der Landesparlamente 236 auf, 233 Vgl. BVerfGE 73, 339 (Leitsatz 2). 234 vgl. dazu Streinz (Fn. 60), Kap. 2 Teil 4 A I I 3d. 235 vgl. zu diesem - auch verfassungsrechtlichen - Problem und zu den Gründen seiner Hintanstellung Schmidt-Meinecke (Fn. 2), S. 64 m.w.N. 236 Vgl. dazu Walter Rudolf, Mitwirkung der Landtage bei völkerrechtlichen Verträgen und bei der EG-Rechtsetzung, in: Bodo Börner / Hermann Jahrreiß / Klaus Stern (Hrsg.), Einigkeit und Recht und Freiheit, Festschrift für Karl Carstens, Bd. II, Köln/Berlin/Bonn/München, 1984, S. 757 - 772 (770ff.).

Auswirkungen des EG-Rechts auf die Kompetenzen der Bundesländer

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d ü r f t e aber, w i e die E r f a h r u n g e n m i t dem bisherigen L ä n d e r b e t e i l i g u n g s verfahren gezeigt h a b e n 2 3 7 , die einzig p r a k t i k a b l e sein. D i e Vorbehalte der L ä n d e r gehen z w a r n i c h t i m m e r v o n zutreffenden V o r stellungen u n d Ansätzen aus. So w e r d e n zwangsläufige Folgen der I n t e g r a t i o n m a n c h m a l n u r schwer a k z e p t i e r t 2 3 8 , die Rolle der K o m m i s s i o n u n d i h r e r M i t g l i e d e r m i ß v e r s t a n d e n 2 3 9 , der verbliebene K o m p e t e n z s p i e l r a u m b e i v i e len R i c h t l i n i e n ü b e r s c h ä t z t 2 4 0 . Andererseits ist aber die M a h n u n g an die E G durchaus angebracht, z u erkennen, daß der I n t e g r a t i o n s f o r t s c h r i t t v o n den M i t g l i e d s t a a t e n getragen sein u n d , u m ein w i r k l i c h e r z u sein, v o n deren V ö l k e r n v e r i n n e r l i c h t k ö n n e n w e r d e n muß, u n d sich auf das w i r k l i c h gemeinschaftlich Regelungsbedürftige z u beschränken. Dies muß der I n t e g r a t i o n s breite u n d - d i c h t e materielle Grenzen setzen. D e r W i l l e z u r K o n t r o l l e des Integrationsprozesses d u r c h die M i t g l i e d s t a a t e n u n d i n n e r h a l b dieser d u r c h die dazu verfassungsrechtlich berufenen Organe setzt w i e d e r u m der W e i t e r e n t w i c k l u n g der supranationalen Formen, w i e der E r w e i t e r u n g der K o m p e tenzen der K o m m i s s i o n , der M e h r h e i t s a b s t i m m u n g e n i m Rat oder der Z u w e i s i m g allgemeiner L e g i s l a t i v k o m p e t e n z e n an das Europäische P a r l a ment, Grenzen. H i e r sollten die Bekenntnisse i n europäischen Festtagsreden auch m i t dem tatsächlichen p o l i t i s c h e n W i l l e n ü b e r e i n s t i m m e n 2 4 1 . 237

Vgl. dazu Schmidt-Meinecke (Fn. 2), S. 20ff., insbes. S. 26ff. 238 v g l dazu Schmidt-Meinecke (Fn. 2), S. 77 f. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß der Charakter der EG als Integrationsgemeinschaft gegenüber dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung von der Kommission und manchmal auch vom EuGH überstrapaziert wird. 239 v g l Schmidhuber (Fn. 22), S. 5, der (damals als bayerischer Staatsminister) der Kommission riet, dem Rat keine Vorschläge zu unterbreiten, die in der Bundesrepublik in die Hoheitsrechte der Länder eingreifen, und dazu Götz-Eike zur Hausen, Die deutschen Länder als Souffleure auf der Brüsseler Bühne? - Das Ratifizierungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte aus Brüsseler Sicht, EuR 23 (1987), 322 - 332 (328f.). Zu erinnern ist hier auch an die K r i t i k an dem deutschen Kommissar Narjes anläßlich des Reinheitsgebot-Falles (vgl. dazu Bengt Beutler, Was ein Mitglied der EG-Kommission zu tun und zu lassen hat, EG-Magazin 8-1984, S. 3 - 5). Über solche Auffassungen braucht man sich allerdings nicht zu wundern, wenn man das Verhalten des italienischen Generalanwalts Mancini im Pasta-Fall betrachtet (vgl. dazu Reinhold Bocklet, Bier und Pasta, Bayern-Kurier vom 28.5.1988, S. 1 f.). 240 Vgl. Stoiber (Fn. 5), S. 551: „Richtlinien statt Verordnungen, damit den Ländern ein eigenverantwortlicher Gestaltungsspielraum verbleibt". 241 Vgl. z. B. das widersprüchliche Verhalten hinsichtlich der Mehrheitsabstimmungen im Rat: Während einerseits die Erweiterung der Anwendungsfälle des Mehrstimmigkeitsprinzips durch Art. 100 a n.F. EWGV wegen des Wegfalls nationaler Einspruchsmöglichkeiten als Gefahr gesehen (vgl. z.B. Schmidhuber (Fn. 22), S. 5) und fortbestehende Einstimmigkeitserfordernisse begrüßt werden (vgl. den Beschluß des Bundesrats vom 16.5.1986, BR-Drucks. 150/86, Ziffer 7), haben sich die Vertreter mehrerer Bundesländer im Bundesrat dazu positiv geäußert, vgl. Schmidt-Meinecke (Fn. 2), S. 79, Fn. 121. Das Mehrstimmigkeitsprinzip ist ungeachtet aller Festtagsrhetorik in der Tat ein ambivalentes Problem, vgl. dazu die Antwort der Bayerischen Staatsregierung vom 3.2.1988 (Fn. 3), S. 21 f. Eine Lösungsmöglichkeit wäre die disziplinierte Anwendung der Luxemburger Vereinbarung vom 29.1.1966, die von der EEA unberührt bleibt. Vgl. dazu Streinz (Fn. 20), S. 155ff. Zum Problem von Legislativbefugnissen für das Europäische Parlament vgl. Klaus Hänsch, Europäische Integration und parlamentarische Demokratie, EA 21 (1986), 191 - 200 (197 ff.).

4 Gegenwartsfragen

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Die errungenen Beteiligungsrechte der Länder müssen nun genutzt und in die Praxis umgesetzt werden. Der Einfluß auf die EG-Rechtsetzung kann nur wirksam werden, wenn einerseits die Informationen verläßlich und rechtzeitig geliefert, andererseits aber auch zur Kenntnis genommen werden 2 4 2 und verarbeitet werden können. Dies setzt aber voraus, daß das EGRecht eine seiner Bedeutung entsprechende Berücksichtigung in der Verwaltungsorganisation und -praxis der Länder und damit auch in der darauf vorbereitenden Ausbildung erfährt.

E. Thesen 1. Die Diskussion um die Einheitliche Europäische Akte (EEA), die anläßlich des deutschen Zustimmungsgesetzes zu dieser in Gang gekommen war, hat den deutschen Bundesländern, aber auch der politischen Öffentlichkeit allgemein die Auswirkungen der europäischen Integration auf die nationale Rechtsordnimg und damit auf die Innenpolitik im allgemeinen und auf die Bundesländer im besonderen bewußt gemacht. 2. Die Kompetenzverluste der Länder sind hauptsächlich innerstaatlich durch die Kompetenzverteilung im Grundgesetz und den intensiven Gebrauch des Bundes von seinem konkurrierenden Gesetzgebungsrecht verursacht. 3. Die Kompetenzverteilimg zwischen EG und Mitgliedstaaten ist in den Gründungsverträgen nicht systematisiert. Wenn man sich der Problematik einer Systematisierung „von außen" bewußt ist und gemeinschaftsrechtliche Besonderheiten berücksichtigt, kann die Kompetenzordnimg des Grundgesetzes als Vorlage dienen. Diese ist aber hier keine normative Vorgabe, sondern lediglich ein Erkenntnisbehelf. 4. Bei der Kompetenzbeeinträchtigung durch EG-Recht ist neben der durch Kompetenznormen auch und insbesondere die durch Sachnormen zu berücksichtigen. Beide wirken unterschiedlich, ergänzen aber gegebenenfalls einander. 5. Die EG-Zuständigkeiten kann man nach den Typen der ausschließlichen, der konkurrierenden und der Rahmenkompetenz differenzieren. 6. Unter die ausschließliche Gemeinschaftskompetenz fallen insbesondere die Zollunion und die Handelspolitik. Regelfall ist die konkurrierende 242

Vgl. dazu Hänsch (Fn. 241), S. 197: Von den 1980 - 1986 dem Bundestag zugegangenen 2506 EG-Vorlagen behandelte das Plenum nur 256 mit einer Beschlußempfehlung des zuständigen Ausschusses, wovon zum Zeitpunkt der Befassung 167 bereits im Amtsblatt der EG verkündet und i n Kraft getreten waren. Der Bundesrat nimmt anerkanntermaßen die EG-Rechtsetzung erheblich ernster, vgl. Schmidt-Meinecke (Fn. 2), S. 17 ff.

Auswirkungen des EG-Rechts auf die Kompetenzen der Bundesländer

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Kompetenz. Darunter fallen meist auch die Materien, die der Rechtsangleichung durch Richtlinien offenstehen. 7. Die konkreten Kompetenzbeeinträchtigungen der Länder liegen wegen der innerstaatlichen Kompetenzordnung hauptsächlich im Bereich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, da hier die Mitwirkungsbefugnis über den Bundesrat (Art. 50 GG) entfällt. Das im Zustimmungsgesetz zur EEA gefundene Beteiligungsmodell ist jedenfalls insoweit sachgerecht. 8. Die Beeinträchtigungen im Bereich der Gesetzgebungskompetenz der Länder sind kaum erschöpfend zu erfassen. Gravierende Kömpetenzbedrohungen finden sich auf den Feldern Wirtschaftsförderung und Bildung und Kultur, während im Umweltschutz sich die K r i t i k vorrangig gegen die Nichtbeachtung des Subsidiaritätsprinzips richtet. 9. Unterschiedliche Auswirkungen je nach dem Verwaltungstyp hat das EG-Recht auf die Domäne der Länder, die Verwaltung. Auf die Gerichte der Länder dürfte eine Intensivierung des Zusammenwirkens mit dem EuGH zukommen. 10. Da der Kompetenzverlust ipso facto durch das Entstehen von Gemeinschaftsrecht eintritt, kann eine effektive Wahrung der Länderrechte nur über deren Mitwirkung an diesem Entstehungsprozeß erfolgen. Dies kompensiert die Kompetenzverluste zwar nicht, mildert sie aber und hält sie unter einer gewissen Kontrolle. Das Zustimmungsgesetz zur EEA hat hier für die Länder Fortschritte gebracht und ist auch insoweit als sachgerecht zu begrüßen. 11. Der Integrationsprozeß wird auch von den Ländern im Grunde als unabdingbar angesehen. Sie möchten ihn aber unter Kontrolle behalten und den Zentralismus auf das unbedingt Notwendige beschränken. Dies setzt materiell der Integrationsbreite und -dichte, institutionell der Fortentwicklung der supranationalen Formen (Kompetenzen der Kommission, Mehrheitsentscheidungen im Rat, Legislativkompetenzen für das Europäische Parlament) Grenzen. 12. Die Erkenntnis der Bedeutung des EG-Rechts hat bereits zu institutionellen und personellen Reaktionen der Länder geführt. Der damit bezweckte Erfolg kann aber nur eintreten, wenn dem EG-Recht auch in Ausbildung und Praxis der gebührende Stellenwert eingeräumt wird.

4:

Die Bundesländer im Spannungsverhältnis zwischen Eigenstaatlichkeit und Europäischer Integration Beteiligungsformen bei der Entstehung und Durchführung des Gemeinschaftsrechts Von Hermann-Josef Blanke „Der deutsche Föderalist muß sich langsam darüber klarwerden: Integration auf europäischer Ebene und Eigenstaatlichkeit der deutschen Länder sind unvereinbar." (Heinz Wagner) „Europäisierung und Vergemeinschaftung dürfen nicht blindlings mit monopolisierendem Zentralismus gleichgesetzt werden. Die Demokratie hat ihre Wurzeln an der Basis - in der Bundesrepublik wie in den anderen Ländern der Gemeinschaft." (Christian Tomuschat)

I. Der Erosionsprozeß der Bundesstaatlichkeit Im Kreis der zwölf Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaften ist die Bundesrepublik Deutschland der einzige Staat, der von der Konstituante als Bundesstaat definiert wird (Art. 20 Abs. 1 GG). Weder den aufgrund der Verfassung von 1978 in Spanien entstandenen Autonomen Gemeinschaften noch den Regionen Italiens oder Belgiens, die teilweise ausgeprägte präföderale Strukturen aufweisen 1 , steht wie den Bundesländern das Recht zu, sich selbst aus einem eigenständigen pouvoir constituant eine Verfassung zu geben. Die auf die dortigen unterstaatlichen Einheiten übertragenen Kompetenzen sind dementsprechend nicht originär, sondern vielmehr abgeleitet von der Souveränität des Zentralstaates 2 . Zu einem der wesentlichen Ele1 Vgl. P. Häberle, Europa in kulturverfassungsrechtlicher Perspektive, JöR N.F. 32 (1983), S. 9 (12, Fn. 18); G. Ress, Die Europäischen Gemeinschaften und der deutsche Föderalismus, EuGRZ 1986, 549 (551); M. Schröder, Bundesstaatliche Erosionen im Prozeß der Europäischen Integration, JöR N.F. 35 (1986), S. 83 (84f.); A. Weber, Die Bundesländer und die Reform der Gemeinschaftsverträge, DVB1. 1986, 800. 2 W. Rudolf, Bundesländer und Europäisches Gemeinschaftsrecht, in: Staatsrecht Völkerrecht - Europarecht. Festschrift für Hans-Jürgen Schlochauer, 1981, S. 117 (121); ausdrücklich so für die spanischen Autonomen Gemeinschaften: R. Schütz, Spanien auf dem Weg zum Autonomiestaat, Der Staat, 22. Bd. (1983), 187 (195, 197/

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mente der Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland gehört im Gegensatz dazu die jeweilige Staatlichkeit von Bund und Ländern. Die Staatsqualität der Länder ist nach dem Grundgesetz unstreitig 3 . Das Bundesverfassungsgericht hat sie bereits früh festgestellt und später bestätigt 4 . Dabei ist die Staatsqualität der Gliedstaaten originär, d.h. eben nicht vom Gesamtstaat abgeleitet, sondern von ihm nur anerkannt. Hieraus ergibt sich u. a. der Anspruch auf den eigenen Verfassungsraum der Gliedstaaten, eine eigene Verfassungsgerichtsbarkeit sowie auf einen unentziehbaren Kernbereich eigener Aufgaben als „Hausgut" 5 . Zu letzteren gehört die freie Bestimmung über die Organisation einschließlich der in der Landesverfassung enthaltenen organisatorischen Grundentscheidungen ebenso wie die Wahrnehmung von Leitungsfunktionen, die die Bundesländer als Zentren demokratisch legitimer politischer Entscheidungen ausweisen6. Die Ursprünglichkeit der gliedstaatlichen Staatsgewalt w i r d freilich nach außen - d.h. im völkerrechtlichen Bereich - mediatisiert durch den Gesamtstaat. Insofern kommt den Gliedern eines Bundesstaates keine Souveränität zu, sondern nur dem Gesamtstaat7. Dieses bundesstaatliche Prinzip ist im Rahmen der Gründung und des Ausbaus der Europäischen Gemeinschaften in einen offenbaren Widerstreit mit einem anderen verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz getreten: In Konkretisierung des in der Präambel des Grundgesetzes beschriebenen Verfassungsziels 8, wonach das deutsche Volk als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen soll, kann gemäß Art. 24 Abs. 1 GG der Bund durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaat198); Gumersindo Trujillo Fernandez, Der neue spanische Föderalismus, in: A. Randelzhofer, Deutsch-Spanisches Verfassungsrechtskolloquium, 1982, S. 115. 3 Vgl. O. Kimminich, Der Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 1,1987, § 26 Rdnr. 40; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 1984, § 19 I I I 1; H.-J. Vogel, Die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes, in: Benda / Maihof er / Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1983, 5. Kap., I I l b . 4 BVerfGE 1, 14 (34); 36,342 (360f.). 5 BVerfGE 4, 9 (20). 6 K. Hesse, Bundesstaatsreform und Grenzen der Verfassungsänderung, AöR 98 (1973), 1 (14ff.); E. Klein, Föderalistische Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1985, S. 3; Stern (Fn. 3), § 19 I I I 2; Vogel (Fn. 3), 5. Kap., I I 1 b; In diesem Sinne auch die Entschließung der Präsidenten der deutschen Landesparlamente vom 14.1.1983, abgedruckt in: R. Hrbek / U. Thaysen (Hrsg.), Die Deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, 1986, S. 242. 7 Kimminich (Fn. 3), § 26 Rdnr. 40. 8 Vgl. hierzu: K Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1985, Rdnr. 115, 116; H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 50, 52; Ress (Fn. 1), S. 555f.; U. Scheuner, Gutachten: Beitritt der Bundesrepublik zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und Grundgesetz, in: Der Kampf um den Wehrbeitrag, 2. Halbband, 1953, S. 94 (138); Ch. Tomuschat, Bundesstaats- und Integrationsprinzip in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, in: Magiera / Merten, Bundesländer und Europäische Gemeinschaft (im Druck).

Bundesländer zwischen Eigenstaatlichkeit und EG-Integration

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liehe Einrichtungen übertragen. In dieser Bestimmung wie auch in Art. 24 Abs. 2 und 3 GG manifestiert sich die Entscheidung des Verfassungsgebers für eine offene Staatlichkeit 9 . Durch Art. 24 Abs. 1 GG, wonach der Bund durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen kann, wird nach gängigen Formulierungen eine Öffnung des „Souveränitätspanzers" 10 bewirkt und damit ein „Integrationshebel" für den „Gesamtakt staatlicher Integrationsgewalt" 11 geschaffen. Die überwiegende Ansicht im Schrifttum 1 2 räumt dem Übertragungsgesetz den Rang eines verfassungsändernden Gesetzes im materiellen Sinn ein, für das nur das Verfahren des Art. 79 Abs. 1 und 2 GG nicht gelte; teilweise 13 wird demgegenüber in Art. 24 Abs. 1 GG bereits eine vom Verfassungsgeber gewollte antizipierende, sich erst im Übertragungsakt konkretisierende Ermächtigimg zur Verfassungsänderung gesehen. Fast unbestritten und entsprechende Staatspraxis ist es aber, daß der zum Vertragsabschluß ermächtigte Bund dabei nicht nur Hoheitsrechte seines eigenen Kompetenzbereiches, sondern auch solche der Länder (Rechtsetzungs- wie Vollzugskompetenzen) übertragen darf 1 4 . Dies wird aus der ratio essendi des Art. 24 Abs. 1 GG geschlossen, nämlich eine von den Hindernissen binnenstaatlicher Föderalstruktur befreite Integration zu erreichen 15 . Der Eingriff in Länderkompetenzen durch eine Übertragung von Hoheitsrechten, die nach innerstaatlicher Kompetenzverteilung staatswesentlichen Charakter haben und zum besag9 Vgl. zu diesem Konzept: E. Grabitz, Die Rechtsetzungsbefugnis von Bund und Ländern bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht, AöR 111 (1986), 1 (5); Ipsen (Fn. 8), S. 52f.; Ruppert, Die Integrationsgewalt, 1969, S. 242; K. Vogel, Die Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit, 1964, S. 42 ff. 10 Ch. Tomuschat, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 24 Rdnr. 102. 11 Ipsen (Fn. 8), S. 58. 12 E. Grabitz, Die Deutschen Länder in der EG-Politik: Verfassungsrechtliche Grundlagen, in: Die Deutschen Länder . . . (Fn. 6), S. 169 (179); Ipsen (Fn. 8), S. 57f.; O. Rojahn, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 1983, Art. 24 Rdnr. 20; Ruppert (Fn. 9), S. 227, 238. 13 Stern (Fn. 3), § 15 I I 7 ß; Tomuschat (Fn. 10), Rdnr. 34; Weber (Fn. 1), S. 802. 14 Statt vieler: Grabitz (Fn. 9), S. 6; Ipsen (Fn. 8), S. 55; R. Riegel, Gliedstaatkompetenzen im Bundesstaat und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DVB1. 1979, 245 (246); Rojahn (Fn. 12), Rdnr. 39; E. Schneider, Europäische Einigung - Erwartung der Landesparlamente, Beitrag der Länder, in: Die Deutschen L ä n d e r . . . (Fn. 6), S. 57 (65); H. Schröder, Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Länder der Bundesrepublik Deutschland - Zu verfassungsrechtlichen Fragen des Vertrags vom 25.3.1957, BGBl. II, S. 766,1964, S. 50; Stern (Fn. 3) § 15 I I 8; Tomuschat (Fn. 8); ders. (Fn. 10), Rdnr. 25; im Ergebnis ebenso: J. Spelten, Gemeinschaftsrecht und Bundesländerkompetenzen im Lichte des GG, 1970, S. 16 (26) mit der fragwürdigen Begründung, die Gesetzgebungskompetenz der Länder auf den ihnen noch verbliebenen Gebieten stellten keinen essentiellen Bestandteil der bundesstaatlichen Ordnung dar, weshalb eine Übertragung dieser Gesetzgebungsbefugnisse durch den Bund die bundesstaatliche Ordnung der Bundesrepublik nicht beeinträchtige und dem Sinn und der Zielsetzung des Art. 24 GG entspreche; anderer Ansicht ist Th. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 2, 1987, Art. 24 Rdnr. 18. 15 Stern (Fn. 3), § 15 I I 8.

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ten „Hausgut" der Länder gehören, erscheint daher zwecks effektiver Ausstattung der begünstigten Einrichtung unumgänglich 16 . Nach den bekannten Worten Hans-Peter Ipsens 17 hat somit die Eingehung der Integrationsverträge die föderale Kompetenzverteilung „mutiert", soweit der Vertragsvollzug auf die Ausübung von Landeskompetenzen angewiesen ist. Obwohl damit Art. 24 Abs. 1 GG eine Schleuse für einen Einbruch in Länderkompetenzen eröffnet 18 , darf er dennoch nicht zu einem „Freibrief zur Liquidation" des Föderalismus werden 19 . Das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Bundesstaatsprinzip wird anders als das Integrationsprinzip durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG vor jeglichen Änderungsbestimmungen geschützt, weshalb ihm das „ A t t r i but des höherrangigen Verfassungsrechts" 20 anhaftet. Aus dieser Absicherung des Bundesstaatsprinzips folgt freilich noch nicht dessen Vorrang vor dem grundgesetzlichen Bekenntnis zur Integration, da für seine Aufnahme in Art. 79 Abs. 3 GG im wesentlichen historische Gründe maßgeblich waren, die bei einer verfassungsrechtlichen Güterabwägung die dargestellte Antinomie nicht im Sinne eines Primats der Bundesstaatlichkeit auflösen können. Vielmehr scheint auch hier der „Weg des schonendsten Ausgleichs" 21 angezeigt zu sein. Bevor w i r uns nun der Frage zuwenden, ob und wie dieser Weg in der Bundesrepublik Deutschland bei Entstehung und Durchführung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften beschritten wurde, ist allerdings eine Prüfung der Frage geboten, wieweit der Prozeß der europäischen Integration, insbesondere die Setzung von primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht, bereits in den „Bestand der föderalen A k t i v a " 2 2 eingegriffen hat. Gefahren für die Bundesstaatlichkeit ergeben sich zum einen daraus, daß infolge der Verlagerung der Entscheidungsfindung auf den Rat der Europäischen Gemeinschaften bezüglich all jener Materien, für die nach den Verträgen zur Gründung der Gemeinschaften eine gemeinschaftsrechtliche Regelungszuständigkeit besteht, der Bundesrat seines Rechtes nach Art. 50 GG 16 Grabitz (Fn. 9), S. 5f.; als unrealistisch ist daher der Vorschlag von Min. P. M. Schmidhuber, EG-Magazin 1986 (Nr. 3), S. 5 zu werten, die EG-Kommission sei „gut beraten, dem Ministerrat keine Vorschläge zu unterbreiten, die in der Bundesrepublik in die Hoheitsrechte der Länder eingreifen". 17 H. P. Ipsen, Als Bundesstaat in der Gemeinschaft, in: Probleme des europäischen Rechts, Festschrift für Walter Hallstein, 1966, S. 248 (264); ders. (Fn. 8), S. 58. 18 Riegel (Fn. 14), S. 246. 19 Riegel (Fn. 14), S. 245. 20 Tomuschat (Fn. 8). 21 Tomuschat (Fn. 8) unter Hinweis auf den Topos des Bundesverfassungsgerichts von der „Einheit der Verfassung" (BVerfGE 39, 334, 368; 55, 274, 300), sowie auf Hesse (Fn. 8), Rdnr. 72. 22 Tomuschat (Fn. 8).

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zur Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes, sei es im Wege des Einspruchs oder der Zustimmung bzw. der Verweigerimg der Zustimmung, verlustig gegangen ist. So ist die Europäisierung von Bundeskompetenzen mit einer Schwächung des föderalen als auch des demokratisch-parlamentarischen Elements und mit einer Stärkung der im Rat vertretenen Exekutivgewalten einhergegangen. Im Hinblick auf den Prozeß der „Entparlamentarisierung" befindet sich der Bundesrat in derselben Lage wie der Bundestag. Insofern bilden die Einbußen an Organkompetenz die Folgen des vorangegangenen Verlustes an Verbandskompetenz. Die Bundesrepublik hat ihr souveränes Selbstentscheidungsrecht bei den übertragenen Kompetenzen eingetauscht gegen ein Recht auf Mitwirkung bei der Entscheidungsfindung und Rechtsetzung im Rat 2 3 . Gravierender als dieser nur mittelbare Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Mitwirkungsrecht des Bundesrates infolge einer horizontalen Gewaltenverschiebung 24 wiegt jedoch im Hinblick auf die Gefahr eines Verlustes der Eigenstaatlichkeit der Länder im Zuge der europäischen Integration die Vergemeinschaftung von Länderkompetenzen. Insofern sind die Bundesländer durch die Römischen Verträge vom 17.4.1957 im wesentlichen in den folgenden Kompetenzbereichen betroffen 25 : In der Länderdomäne der Bildungs- und Kulturpolitik sowie des Hochschulbereichs, und zwar auf der gemeinschaftsrechtlichen Grundlage der Art. 41 lit. a)/43 Abs. 2 EWGV, der eine Koordinierung auf dem Gebiet der Berufsausbildung vorsieht, sowie des Art. 57 Abs. 1 und 2 GG, der zu einer Erleichterung der Freiheit der Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten führen soll 2 6 . Eine mögliche Beeinträchtigung kann sich für die 23 H. H. Schwan, Die Deutschen Bundesländer im Entscheidungssystem der Europäischen Gemeinschaften, 1982, S. 23; Tomuschat (Fn. 8); vgl. auch die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte (Beschluß), Drucksache 150/86, A. 1. 24 St. Schmidt-Meinecke, Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, 1988, S. 5; vgl. auch Rudolf (Fn. 2), S. 128. 25 Vgl. hierzu A. Bleckmann, Mitwirkung der Länder der Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, RIW/AWD, 1978, S. 144; Grabitz (Fn. 9), S. 2f.; ders. (Fn. 12), S. 311ff.; Schwan (Fn. 23), S. 15ff. 26 Vgl. Entschließung des Rates vom 25.5.1971, AB1EG 1971 C 52/1 (5); Richtlinie 72/161 vom 17.4.1972, AB1EG 1972 L 96/insbes. 16 ff.; s. auch jüngst den Beschluß des Rates vom 15.6.1987 über ein gemeinschaftliches Aktionsprogramm zur Förderung der Mobilität von Hochschulstudenten (Erasmus), AB1EG 1987 L 166/20 ff. sowie den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, vom 13.5.1986, AB1EG 1986 C 143/7ff.; dazu R. Wägenbaur, Neue Wege zur Anerkennung der Hochschuldiplome - Die Verwirklichung der Freizügigkeit in der Gemeinschaft - EuR 1987, 113ff.; vgl. weiterhin E. Stoiber, Auswirkungen der Entwicklung Europas zur Rechtsgemeinschaft auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland, EA 1987, 543 (546f.), wo weitere Beispiele für die aus Ländersicht abzulehnende Tätigkeit der EG im Kulturbereich genannt werden.

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Länder ferner aus Art. 119, 123/126, 128 EWGV ergeben, wonach im Rahmen der europäischen Sozialpolitik Fragen der Berufsausbildung geregelt werden können 27 . Die Kulturhoheit der Länder w i r d ferner durch Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit auf den Gebieten von Rundfunk und Fernsehen berührt 2 8 . Nach Art. 7 4 - 84 EWGV sind Eingriffe in das der Länderzuständigkeit unterliegende Gebiet des Verkehrswesens (Seehafenpolitik, Straßeninstandhaltung) möglich 29 . Zu erwähnen ist schließlich der Bereich des Finanzwesens. Einen Eingriff in die Steuerhoheit der Länder stellt beispielsweise die auf der Grundlage von Art. 99 EWGV erfolgte Einführung eines harmonisierten Verbrauchssteuersystems u.a. für Bier 3 0 dar, womit die nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 5 GG den Ländern zustehende Biersteuer tangiert wird. Betroffen ist die Länderfinanzhoheit auch durch die den Ländern anteilig als Einnahmequelle zufallende Umsatzsteuer durch Abführung eines bestimmten Prozentsatzes an die Gemeinschaft 31 . Gestützt auf Art. 103 EWGV sind im Rahmen der Konjunkturpolitik Rechtsakte ergangen 32 , die zu einem Eingriff in Haushaltsrechte der Länder führen können. In die Aufgabenverantwortung der Länder wird ferner durch Art. 92 EWGV eingegriffen, der staatliche Subventionen verbietet und damit auch Länderbeihilfen betrifft. Neben solchen Einzelermächtigungen verfügen die Europäischen Gemeinschaften aber auch aufgrund von Generalermächtigungen über Kompetenzen zur Rechtsetzung auf Gebieten ausschließlicher Länderzuständigkeit. Entsprechende Einfallstore stellen die gemeinschaftsrechtlichen Kompetenzen zur Rechtsangleichung nach Art. 100/101 EWGV wie auch die in Art. 235 EWGV enthaltene Generalermächtigung zur Rechtsetzung in Bereichen dar, für die der EWG-Vertrag zwar eine Zielbestimmung, aber keine Einzel27 Vgl. Beschluß vom 2.4.1963, AB1EG 1963, S. 1338ff.; Verordnung 337/75 des Rates vom 10.2.1975, AB1EG 1975 L 39/1 ff. 28 Vgl. Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Rundfunktätigkeit, vom 30.4.1986, KOM (86) 146 (endg.) AB1EG C 179/4; ferner: Kommission der Europäischen Gemeinschaften: „Fernsehen ohne Grenzen", Grünbuch über die Mitgliedstaaten über die Ausübung der Rundfunktätigkeit (KOM 84, 300 endg.); siehe hierzu den Beschluß des Bundesrates vom 20.2.1987, BR-Drucks. 259/86, Ziff. 1, der von „einem nicht hinnehmbare[n] Eingriff in den Kernbereich [der] Rundfunkhoheit" der Länder spricht; vgl. aus dem Schrifttum H. D. Jarras, EGRecht und nationales Rundfunkrecht. Zugleich ein Beitrag zur Reichweite der Dienstleistungsfreiheit, EuR 1986, 75ff.; J. Schwarze (Hrsg.), Fernsehen ohne Grenzen, 1985. 29 Vgl. dazu die Forderung des Europäischen Parlaments nach Inangriffnahme einer gemeinsamen Seehafenpolitik, AB1EG 1972 C 46/14ff. 30 Vgl. Richtlinie 78/1032 vom 19.12.1978, AB1EG 1978 L 366/28ff. 31 Vgl. Beschluß des Rates vom 21.4.1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften, AB1EG 1970 L 94/19 ff. 32 Vgl. Richtlinie 74/121 vom 18.2.1974, AB1EG 1974 L 63/19f.

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e r m ä c h t i g u n g b e r e i t h ä l t 3 3 . A u f g r u n d dieser K o m p e t e n z e n h a t die G e m e i n schaft V o r s c h r i f t e n auf dem u m w e l t r e c h t l i c h e n Sektor erlassen, w o b e i i m H i n b l i c k auf die Länderkompetenzen vor allem die entsprechenden Regelungen des Wasserrechts 3 4 relevant sind, f ü r das der B u n d n a c h A r t . 75 N r . 4 G G n u r eine Z u s t ä n d i g k e i t z u r Rahmengesetzgebung (Wasserhaushalt) besitzt. E i n e die L ä n d e r beeinträchtigende K o m p e t e n z w a h r n e h m u n g d u r c h die Gemeinschaften k a n n ferner auf die Kompetenz „ k r a f t

Sachzusammen-

hangs", die „ i m p l i e d p o w e r s " - L e h r e , die „ A n n e x k o m p e t e n z " oder i n einem gewissen U m f a n g auf die K o m p e t e n z „aus der N a t u r der Sache" gestützt werden35. W i e ein „ K u l m i n a t i o n s p u n k t [im] Erosionsprozeß der Bundesstaatlichk e i t " 3 6 erscheint den L ä n d e r n die a m 27.1.1986 verabschiedete u n d i n der Bundesrepublik

Deutschland

am

19.12.1986

ratifizierte

„Einheitliche

Europäische A k t e " ( E E A ) 3 7 , deren zentrale Z i e l s e t z i m g es ist, die V e r w i r k l i c h u n g des B i n n e n m a r k t e s bis z u m Jahre 1992 sicherzustellen. D i e h i e r f ü r vorgenommene E r g ä n z u n g des EWG-Vertrages f ü h r t n a c h A n s i c h t der L ä n der abermals z u „ w e s e n t l i c h e n E i n g r i f f e n i n die föderative S t r u k t u r des Grundgesetzes" 3 8 . Diese Bedenken beziehen sich auf die mögliche weitere Ingerenz der Gemeinschaften i n nachstehende L ä n d e r z u s t ä n d i g k e i t e n 3 9 :

33 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates (Fn. 23), E. 14, wo dieser moniert, daß „ i n der Vergangenheit die Gemeinschaft oft Regelungen erlassen oder vorgeschlagen ha[be], für die sie [. . .] über keine ausreichende Rechtsgrundlage verfüg[e]". In diesem Zusammenhang wird auch das Gebiet der Umweltpolitik genannt. 34 Vgl. hierzu die Richtlinie über die Qualitätsanforderung für Trinkwasser vom 16.6.1975, AB1EG 1975 L 194/34ff.; Richtlinie 76/160 betreffend die Qualität der Badegewässer vom 8.12.1975, AB1EG 1976 L 31/1 ff. 35 A. Bleckmann, Europarecht, 4. Aufl. 1985, S. 147, 162; Weber (Fn. 1), S. 802. 36 Schröder (Fn. 1), S. 86. 37 Gesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. Februar 1986 vom 19.12.1986, BGBl. II, S. 1102; Text (EEA): Bulletin EG Beilage 2/86; ferner abgedruckt in: EuR 1986, 175ff.; Zur EEA vgl. im Schrifttum: M. Borchmann, Bundesstaat und europäische Integration, AöR 112. Bd. (1987), 586 (598ff.); Editorial Comment, The Single European Act, CMLR 1986, S. 249ff.; Erhardt, Europa zwischen nationaler Souveränität und Integration, Außenpolitik 1987, S. 103ff.; H. J. Glaesner, Die Einheitliche Europäische Akte, EuR 1986,119ff.; ders., Die Einheitliche Europäische Akte - Versuch einer Wertung, in: J. Schwarze (Hrsg.), Der gemeinsame Markt Bestand und Zukunft in wirtschaftsrechtlicher Perspektive, 1987, S. 9ff.; R. Hrbek / Läufer, Die Einheitliche Europäische Akte. Das Luxemburger Reformpaket: eine neue Etappe im Integrationsprozeß, EA 1986, 173ff.; P. Pescatore, Die „Einheitliche Europäische Akte" - Eine ernste Gefahr für den Gemeinsamen Markt, EuR 1986, 153ff.; de Ruyt, L'Acte unique européen, Bruxelles 1987; Weidenfeld, Die Einheitliche Europäische Akte, Außenpolitik 1986, 375ff.; de Zwaan, The Single European Act: Conclusion of a Unique Document, CMLR 1986, S. 747 ff. 38 Stellungnahme des Bundesrates (Fn. 23), Ziff. A . l . 39 Vgl. hierzu: E. Grabitz, Die deutschen Länder i n der Gemeinschaft, EuR 1987, 310 (313f.); Schröder (Fn. 1), S. 86ff.; W. Schumann, Föderative Struktur und Europäische Integration, EG-Magazin 1986 (Nr. 6 - 7), 12ff.; Tomuschat (Fn. 8); Weber (Fn. 1), S. 804.

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Bei der im Titel V I des geänderten EWG-Vertrages angestrebten „Technologiegemeinschaft" (Art. 130 f) ist nicht auszuschließen, daß sie in die zum Landesbereich gehörende Hochschulautonomie und wohl auch in landesrechtliche Entscheidungsrechte nach Art. 91b GG eingreifen kann. Nach Art. 130 g EWGV sollen diese EG-Zuständigkeiten nur ergänzend in Anspruch genommen werden (sog. „Subsidiaritätsvorbehalt"). Gemeinschaftsrechtliche Eingriffe in umweltrechtliche Länderkompetenzen werden sich mangels einer diesbezüglichen Alleinzuständigkeit des Bundes (vgl. Art. 74 Nr. 24 GG; Art. 75 Nr. 3, 4 GG) aus der - ebenfalls unter einem Subsidiaritätsvorbehalt zugunsten der Mitgliedstaaten (Art. 130 r Abs. 4 EWGV) - erfolgten Verankerung der Umweltkompetenz der EG in Titel V I I des geänderten EWGV ergeben, ein Sektor, auf dem die Gemeinschaft allerdings - wie bereits erwähnt - auch schon zuvor auf der Grundlage von Art. 100 und 235 EWGV tätig geworden ist 4 0 . Die nach Art. 91a Abs. 1 Nr. 2 GG weitgehend in die Länderverantwortung fallende regionale Wirtschaftsförderung wird durch die in Titel V des geänderten EWGV ausgebauten Instrumentarien der Regionalpolitik tangiert. Die Konsolidierung des Regionalfonds durch den neu eingeführten Art. 130 c EWGV kann zu dem Schluß verleiten, daß künftig die Regionalpolitik als eine ausschließlich der Gemeinschaft vorbehaltene Angelegenheit gelten soll 41 . Betroffen sind die Länder schließlich durch die aufgrund Art. 10 EEA erweiterte Kompetenz der Kommission zum Erlaß gemeinschaftsrechtlicher Durchführungsakte (Art. 155 EWGV), die auch eine Entmachtimg der Länder in ihren administrativen Befugnissen 42 befürchten läßt, worauf später noch einzugehen sein wird. Die Gründe für den so eingetretenen bzw. noch drohenden Kompetenzverlust der Länder werden ebenso wie dessen Rechtfertigung zum einen im 40 Vgl. die vier seit dem Jahr 1973 verabschiedeten Aktionsprogramme für den Umweltschutz: AB1EG 1973 C 112/1; AB1EG 1977 C 139/1; AB1EG 1983 C 46/1; zuletzt die Entschließung des Rates vom 16.12.86 zur Verstärkung der gemeinschaftlichen Maßnahmen zum Schutze der Umwelt, AB1EG 1987 C 3/3; Entwurf einer Entschließung des Rates zur Fortschreibung und Durchführung einer Umweltpolitik und eines Aktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz (1987 - 1992), AB1EG 1987 C 70/3; vgl. aus dem Schrifttum; F. Montag, Umweltschutz, Freier Warenverkehr und Einheitliche Europäische Akte, RIW/AWD 1987, 935 ff. 41 Vgl. Tomuschat (Fn. 8); Stoiber (Fn. 26), S. 547: „Kreuzzug der EG-Kommission gegen die Regionalförderung i n der Bundesrepublik Deutschland"; zur regionalen Strukturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland vgl. H. Neupert, Regionale Strukturpolitik als Aufgabe der Länder: Grundlagen, Verknüpfungen, Grenzen, 1986, insbes. S. 343 ff. 42 Zur möglichen Einschränkung von Verwaltungskompetenzen der Länder allein aufgrund der EG-Verträge vgl. H. E. Birke, Die deutschen Bundesländer in den Europäischen Gemeinschaften, 1973, S. 26ff.; Schwan (Fn. 23), S. 22.

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Ziel und Zweck der Gemeinschaft überhaupt gesehen, nämlich Aufgaben und Probleme nicht mehr im engen nationalstaatlichen Rahmen, sondern auf europäischer Ebene zu bewältigen. Die Existenz des gemeinsamen Marktes, in dem Güter, Menschen und Kapital frei zirkulieren sollen, bringe eine Fülle notwendiger Konsequenzen mit sich: dieser müsse durch vielfältige regelnde Eingriffe gesichert und gewährleistet werden. Der Charakter der Europäischen Gemeinschaft als Integrationsgemeinschaft zeige sich gerade darin, daß es zur Verwirklichung eines ihrer Ziele erforderlich sei, Bereiche (mit) zu regeln, die aufgrund der innerstaatlichen Aufgabenverteilung eine exklusive Zuordnung aufwiesen 43 . Schließlich dränge das in Art. 7 EWGV verankerte Prinzip der Gleichbehandlung, auch wenn dieses nicht die gleiche Breiten- und Tiefenwirkung äußere wie sein innerstaatliches Pendant, neben dem Sozialstaatsgebot auf eine Einebnung regionaler Differenzierungen hin 4 4 . II. Ausgleich durch Mitwirkung der Bundesländer bei der Entstehung des Gemeinschaftsrechts Die Länder hingegen haben schon früh die Befürchtung geäußert, zu „reinen" von Bonn und Brüssel abhängigen „Verwaltungseinheiten" 45 , „zu farblosen Oberprovinzen ohne jegliches Eigenleben" 46 zu degenerieren. Es stellt sich daher zum einen die Frage nach der Grenze, jenseits derer ein Eingriff in die Länderzuständigkeiten unzulässig ist, zum anderen jene nach einem möglichen oder gar unter bundesstaatlichen Auspizien gebotenen Ausgleich für bereits erlittene Kompetenzverluste. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht besteht mangels einschlägiger Bestimmungen i n den Gemeinschaftsverträgen weder eine ausdrückliche Pflicht zur Berücksichtigimg der föderalen Struktur der Bundesrepublik 47 , noch kann aus ungeschriebenem Gemeinschaftsrecht, etwa dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue, nach herrschender Meinung 48 eine unmittelbare Bindung der Gemeinschaftsorgane an nationale Verfassungsprinzipien abgeleitet werden. Da auch ein allgemeiner, die Gemeinschaftsorgane bindender Rechtsgrundsatz des Föderalismus angesichts der überwiegend zentralstaatlich organisierten Mitgliedstaaten sich nicht aus deren Verfassungsordnungen ableiten läßt 4 9 , ist die Gemeinschaftsordnung für die 43

Schmidt-Meinecke (Fn. 24), S. 78. Tomuschat (Fn. 8). 45 K.Arnold, Deutscher Bundesrat, 61. Sitzung vom 27.6.1951, Sitzungsberichte S. 445 (B). 46 Min. E. Stoiber, wiedergegeben in: Die Deutschen L ä n d e r . . . (Fn. 6), S. 262 (264); ders. (Fn. 26), S. 549. 47 Birke (Fn. 42), S. 71; Ipsen (Fn. 17), S. 257; Ress (Fn. 1), S. 550. 48 Ress (Fn. 1), S. 550; Schwan (Fn. 23), S. 48. 44

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Lösimg beider Probleme unergiebig: die Europäischen Gemeinschaften sind nach einer anschaulichen Formulierung Hans Peter Ipsens mit „Landesblindheit" 5 0 geschlagen. Nach innerstaatlichem Verfassungsrecht erscheinen hingegen die im Zusammenhang stehenden Problembereiche eines unangreifbaren, gleichsam integrationsresistenten Kernbereichs von Länderzuständigkeiten einerseits und einer Ausgleichspflicht bzw. -möglichkeit andererseits im Lichte des Art. 79 Abs. 3 GG erörterungswürdig. Danach ist eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche u. a. die „Gliederung des Bundes in Länder [...] berührt [wird], unzulässig". Nach herrschender Ansicht im Schrifttum hat die Einwirkung der supranationalen Gemeinschaften in den Hoheitsbereich der Länder allerdings noch nicht die Warnmarke des Art. 79 Abs. 3 GG erreicht 51 . Selbst die Einbrüche in ihre Hauptdomäne, die Kulturhoheit, dürften nicht überdramatisiert werden. Von einer echten Vergemeinschaftung der Schul- und Hochschulpolitik könne nicht die Rede sein, da sich der Zugriff der Gemeinschaft eben auf die enge Perspektive der Herstellung von Gleichheit beschränke 52 . Es handle sich mithin nur um notwendige „Integrationsopfer", die der Bund im gleichen Maße zu erbringen habe 53 . Aber auch wenn der nach Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Kernbereich der Bundesstaatlichkeit noch nicht tangiert ist, wird gleichwohl überwiegend die Berechtigung eines Lösungsmodells anerkannt, wonach der Kompetenzverlust der Länder, dessen Brisanz vor allem auf der Entwicklung des sekundären Gemeinschaftsrechts beruht 5 4 , einen Ausgleich in Form von Mitwirkungsrechten bei der innerstaatlichen Willensbildung, aber auch im Entscheidungsprozeß auf europäischer Ebene finden soll 55 . Diese unter dem

49 Schwan (Fn. 23), S. 50; vgl. dazu weiterhin das oben in Fußnote 1 zitierte Schrifttum. so Ipsen (Fn. 17), S. 256. si Vgl. Birke (Fn. 42), S. 101; Bleckmann (Fn. 25), S. 147; Ress (Fn. 1), S. 555; Tomuschat (Fn. 10), Rdnr. 68a, Weber (Fn. 17), S. 802; a.A. ist Schneider (Fn. 14), S. 62 f., der durch die EEA die Grenze des Art. 79 Abs. 3 GG als erreicht ansieht. 52 Vgl. Tomuschat (Fn. 8). 53 Riegel (Fn. 14), S. 251. 54 Vgl. Schmidhuber in der 564. Sitzung des Bundesrates am 16.5.1986, Sten. Prot. 305 D; Schröder (Fn. 1), S. 86 u. 95; Riegel (Fn. 14), S. 246. 55 Vgl. Malanczuk, European affairs and the „Länder" (states) of the Federal Republic of Germany, CMLR 22 (1985), S. 236 (253, 270); Ress (Fn. 1), S. 550 u. 555; Schröder (Fn. 1), S. 90 u. 97ff.; Schwan (Fn. 23), S. 106ff.; so auch Tomuschat (Fn. 8), vgl. aber unten Fußnote 118; a.A. ist Birke (Fn. 42), S. 114, der unter Bezugnahme auf H. Mosler, Internationale Organisation und Staatsverfassung, in: Rechtsfragen der Internationalen Organisation, Festschrift für Hans Wehberg, 1956, S. 273 (299), eine Kompensation nur im Bereich der absoluten Garantie der bundesstaatlichen Gliederung als verfassungsrechtliche Notwendigkeit ansieht. Nur der Grundsatz der Bundestreue sei die geeignete generelle Grundlage für eine Länderbeteiligung, womit Birke Beteiligungsformen aufgrund der Bundestreue nicht als Kompensation

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Topos „Kompensation" 5 6 beschriebene partielle Ablösung der „Eigenstaatlichkeit i. S. verbürgter Alleinentscheidungsmacht" durch die Möglichkeit der Einbringung „eigener Entscheidungsanteile" 57 durch die Länder in den Entscheidungsprozeß über integrationspolitische Angelegenheiten w i r d verfassungsrechtlich teilweise mit Hilfe einer „binnenpolitischen FolgeInterpretation" des Art. 24 Abs. 1 GG gerechtfertigt 58 , teilweise aus dem Bundesstaatsprinzip selbst abgeleitet 59 . Umstrittener als die Frage des „Ob" ist die Frage des „Wie" einer solchen Kompensation. Im Zusammenhang mit der Ratifikation der EEA haben die Bundesländer zunächst die Forderung nach einer Neufassung des Art. 24 Abs. 1 GG erhoben: Gesetze, die Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen, sollten danach künftig nicht ohne Zustimmung des Bundesrates möglich sein, zumindest nicht in den Fällen, in denen Hoheitsrechte der Länder betroffen sind, was einem Vorschlag der Enquete-Kommission Verfassungsreform entspricht 60 . Die Änderungswünsche, die konkreten Widerstand gegen Integrationsfortschritte und das Konzept offener Staatlichkeit signalisieren könnten 61 , sind jedoch im Rahmen der Ratifizierung der EEA einstweilen nicht weiter verfolgt worden. Es erscheint auch fraglich, ob der vornehmlich in der Expansion des gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrechts wurzelnde Länderkompetenzverlust durch eine Neufassimg des Art. 24 Abs. 1 GG in befriedigender Weise ausgeglichen werden könnte. Statt einer Lösung des Problems auf verfassungsrechtlicher Ebene ist in eher pragmatischer Weise durch Art. 2 des Gesetzes vom 19.12.1986 zur EEA (EEAG) versucht worden, dem Anliegen der Länder zumindest entgegenzukommen. Durch diese Regelung w i r d das durch den Briefwechsel zwischen dem Bundeskanzler und dem Vorsitzenden der Ministerpräsidenbetrachtet (vgl. auch insoweit unten Fußnote 118); ablehnend auch Bleckmann (Fn. 25), S. 147. 56 Zur Entwickung des Gedankens der bundesstaatlichen Betroffenheit durch internationale Beziehungen vgl. Schröder (Fn. 1), S. 97 ff.; im Hinblick auf den Diskussionsstand im Schrifttum bzgl. der unitarisierenden Tendenz der heutigen Bundesstaatlichkeit vgl. E. Klein , Die Kompetenz- und Rechtskompensation, DVB1.1981, 661 ff. (663f.); K. Hesse (Fn. 6), S. lff.; M. Bothe, in: Alternativ-Kommentar Bd. 1, 1984, Rdnr. 35 zu Art. 20 Abs. 1 - 3 1 . 57 Schröder (Fn. 1), S. 90. 58 Vgl. Ress (Fn. 1), S. 555, der allerdings auch die Begründung einer Kompensation mit Hilfe des Bundesstaatsprinzips in seine Erwägungen einbezieht (S. 556 f.). 59 Schröder (Fn. 1), S. 99; eine Kompensationspflicht aus dem Gesichtspunkt der Bundestreue nimmt Min. Einertl NRW i n der 570. Sitzung des Bundesrates am 7.1.1987, Sten. Prot. 581 D. an. 60 Vgl. BR-Drucksache 150/86 (Beschluß) (Fn. 23), Ziff. C 3; Beratungen und Empfehlungen zur Verfassungsreform, Bd. II, Bund und Länder, Kap. 14.2; aus dem Schrifttum vgl. desweiteren Schwan (Fn. 23), S. 178. 61 Vgl. zu dieser Einschätzung Schröder (Fn. 1), S. 94 f.

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tenkonferenz vom September 1979 vereinbarte Koordinierungsverfahren 62 abgelöst. In Art. 2 Abs. 1 dieses Gesetzes w i r d das bereits in Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen vorgesehene Unterrichtungsverfahren seitens der Bundesregierung gegenüber Bundestag und Bundesrat gleichsam in erweiternder Form „bekräftigt" 6 3 . Die Bundesregierung unterrichtet den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, die für die Länder von Interesse sein könnten. Bezüglich einer derartigen umfassenden Unterrichtung bestehen keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken: die Pflicht zur rechtzeitigen Information der Länder bei allen bevorstehenden Beratungen und Verhandlungen im Rat ergibt sich bereits aus Art. 53 S. 3 GG 6 4 , kann aber auch dem Prinzip der Bundestreue entnommen werden 65 . Sie besteht in besonderem Maße, wenn eine Beschlußfassung im Rat Materien betrifft, die die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder berühren 66 . Damit w i r d die bisherige als unbefriedigend empfundene Unterrichtungspraxis 67 , die den Bundesrat mit einer Flut von EG-Dokumenten konfrontierte, ohne eine Vorauswahl nach den spezifischen Interessen der Länder zu treffen, ersetzt durch ein Verfahren, bei dem die Bundesregierung „die Last einer sinnvollen Akzentsetzung" 68 trifft: sie hat nun62 Wiedergabe des Schreibens des Bundeskanzlers vom 19.9.1979 sowie der Antwort des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Rau als Vorsitzendem der Ministerpräsidentenkonferenz bei R. Morawitz, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Gemeinschaft, 1981, S. 102, 105 sowie in: Die Deutschen Länder . . . (Fn. 6), S. 237/238; vgl. zu dem Koordinierungsverfahren: D. Blumenwitz, Europäische Gemeinschaft und Rechte der Länder, in: Das Europa der zweiten Generation, Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, Bd. I, 1981, S.215, (223 - 227); Borchmann (Fn. 37), S. 593ff.; G. Jaspert, Der Bundesrat und die Europäische Integration, Aus Politik und Zeitgeschichte B12, 1982, S. 17 (27); Malanczuk (Fn. 55), S. 248 - 254; Morawitz (Fn. 62), S. 57 - 77; K. O. Nass, Staaten oder Regionen? Die Bundesländer in der Europäischen Gemeinschaft, in: Eine Ordnungspolitik für Europa. Festschrift für Hans von der Groeben, 1987, S. 285, (289f.); G. B. Oschatz / H. Risse: Europäische Integration und deutscher Föderalismus, EA 1988, S. 9 (11 f.); Rudolf (Fn. 2), S. 131 - 134; ders., Mitwirkung der Landtage bei völkerrechtlichen Verträgen und bei der EG-Rechtsetzung, in: Einigkeit und Recht und Freiheit. Festschrift für Karl Carstens, Bd. 2, 1984, S. 757 (769); Schmidt-Meinecke (Fn. 24), S. 20 - 28; Schwan (Fn. 23), S. 112 - 123. 63 Tomuschat (Fn. 8); bezügl. der genauen Ausgestaltung dieses Verfahrens vgl. die „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder über die Unterrichtung und Beteiligung des Bundesrates und der Länder bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften in Ausführung von Art. 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 1986 zur Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. Februar 1986 (BGBl. II, S. 1102f.)", (17.12.1987) Ziff. I., abgedruckt bei Schmidt-Meinecke (Fn. 24), S. 98 (99f.). 64 Grabitz (Fn. 39), S. 317; Tomuschat (Fn. 8); G. Ziller, Die EG-politische Mitwirkung des Bundesrates, in: Die Deutschen Länder . . . (Fn. 6), S. 89 (92 f.). es Ipsen (Fn. 8), S. 254; Ress (Fn. 1), S. 556. 66 Bleckmann (Fn. 25), S. 147; Grabitz (Fn. 39), S. 316; Schwan (Fn. 23), S. 147. 67 Vgl. Morawitz (Fn. 62), S. 27 - 31; Schmidt-Meinecke (Fn. 24), S. 11 - 19; Schwan (Fn. 23), S. 108 - 112; Ziller (Fn. 64), S. 92 - 94; Jaspert (Fn. 62), S. 20f.

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mehr abzuschätzen, ob das jeweilige Vorhaben Länderbelange berühren könnte. Auch das in Art. 2 Abs. 2 EEAG vorgesehene Konsultationsverfahren ist ein Ausfluß des Grundsatzes der Bimdestreue 69 . Dem Bundesrat wird „Gelegenheit zur Stellungnahme" vor der Zustimmung der Bundesregierung bei Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaften eingeräumt, und zwar unter zwei Bedingungen: die Gemeinschaftsvorhaben müssen entweder ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betreffen oder deren wesentliche Interessen berühren. Ein derartiger Konsultationsvorgang w i r d im Hinblick auf die doppelte Betroffenheit der Länder, nämlich hinsichtlich ihrer Legislativgewalt wie auch ihrer sonstigen Belange - letztere sind vor allem durch finanzwirksame EG-Bestimmungen berührt 7 0 - als sachgerecht angesehen71. Auch erscheint dies für die spätere Durchsetzung des sekundären Gemeinschaftsrechts durch die Bundesländer sinnvoll 72 . Als zumindest „problematisch" wird hingegen die Regelung des Art. 2 Abs. 3 S. 2 EEAG gewertet 73 . Zwar wird eine Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates durch die Bundesregierung bei den EG-Verhandlungen nach Art. 2 Abs. 3 S. 1 EEAG selbst unter dem Aspekt der Pflicht der Mitgliedstaaten zum gemeinschaftsfreundlichen Verhalten als zulässig erachtet, da es insoweit an einem faktischen oder rechtlichen Zwang bzw. an einer Bindung der Bundesregierung durch den Bundesrat fehlt. Der Umstand jedoch, daß die Bundesregierung von dessen Stellungnahme bei „ ausschließliche[n] Gesetzgebungsmaterien der Länder [ 7 4 . . .] nur aus unabweisbaren außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen darf", stößt auf Bedenken: zum einen w i r d der Verdacht geäußert, es sei hier der Versuch gemacht worden, durch ein einfaches Gesetz ein Rechts68 Tomuschat (Fn. 8); G. Ress, Das Deutsche Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte - Ein Schritt zur „Föderalisierung" der Europapolitik, EuGRZ 1987, 361 (366); a. A. ist G.-E. zur Hausen, Die Deutschen Länder als Souffleure auf der Brüsseler Bühne, EuR 1987, 322 (324), der vermutet, daß es letztlich einfacher sein wird, weiterhin die Vorschläge dem Bundesrat zuzuleiten, ohne im Einzelfall entscheiden zu müssen, ob die Länder an der Maßnahme interessiert sind. 69 Ress (Fn. 1), S. 556; Tomuschat (Fn. 8); so bereits aufgrund der alten Rechtslage Bleckmann (Fn. 25), S. 144, 147; Vogel (Fn. 3), 5. Kap. V. 2. 70 Morawitz (Fn. 62), S. 64. 71 Tomuschat (Fn. 8), S. 13. 72 Ress (Fn. 1), S. 553. 73 Unproblematisch ist diese Regelung für Schröder (Fn. 1), S. 96. 74 Ungeklärt bleibt durch diese Regelung, ob der Fall eines Abweichens von der Stellungnahme des Bundesrates erfaßt wird, wenn durch Gemeinschaftsangelegenheiten „wesentliche Interessen" der Länder berührt werden. Bezweifelt wird dies von Schröder (Fn. 1), S. 99; vgl. auch Ziff. I I 4 der „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder . . . " (Fn. 63), wo nur der Fall des Abweichens von einer Stellungnahme des Bundesrates „zu einer ausschließlichen Gesetzgebungsmaterie der Länder" geregelt ist.

5 Gegenwartsfragen

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Verhältnis zwischen zwei Verfassungsorganen näher auszugestalten und zu Lasten der Bundesregierung „ein Element der checks und balances" 75 einzuführen, von dem jedenfalls ausdrücklich an keiner Stelle des Grundgesetzes die Rede sei. Die Regelung „des heiklen Gleichgewichts" 76 zwischen den obersten Bundesorganen sei aber dem Verfassungsrecht vorbehalten, wo speziell für diese Interorganbeziehungen eine abschließende Normierung getroffen worden sei, in die der einfache Gesetzgeber schon mangels eigener Unparteilichkeit nicht eingreifen dürfe. Zum anderen werde der Bundesregierung durch den Begriff der „zwingenden Gründe" eine verschärfte Rechenschaftspflicht auferlegt. Sie könne zu einer so maßgeblichen Hemmung der Entschließungsfreiheit der Bundesregierung und damit des deutschen Ratsvertreters führen, daß eine Ausrichtung an den gesamteuropäischen Gemeinwohlbelangen zumindest erheblich erschwert werde 77 . Mit dieser Befürchtung wird nicht nur die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zu einem gemeinschaftsfreundlichen Verhalten gemäß Art. 5 EWGV („in dubio pro communitate" 78 ) angemahnt, sondern auch das Problem einer möglichen Unvereinbarkeit der erweiterten Beteiligungsrechte der Bundesländer mit der Kompetenz des Bundes für die Pflege der auswärtigen Beziehungen (Art. 32 Abs. 1 GG) in die Diskussion eingebracht. Die Wahrnehmung der Befugnisse in den Organen der EG fällt nämlich nach herrschender Meinimg in den Bereich der dem Bund vorbehaltenen Außenvertretungsbefugnis 79 , ein Tatbestand, der auch nicht durch die Argumentation entkräftet werden könne, Art. 32 Abs. 1 GG habe die Folgen von Art. 24 Abs. 1 GG bundesstaatlich nicht aufgearbeitet. Aus Ländersicht muß die Annahme dieser Zuständigkeit allerdings in dem Augenblick zum Kompetenzproblem werden, in dem eine zwischenstaatliche Organisation wie die Europäische Gemeinschaft innerstaatlich anwendbares Recht setzt. Die für die Bundeskompetenz in auswärtigen Angelegenheiten wesentliche Unterscheidung zwischen innen- und außen75

Tomuschat (Fn. 8). Tomuschat (Fn. 8); ebenso: Grabitz (Fn. 12), S. 179. 77 Vgl. z. Hausen (Fn. 68), S. 329; R. Hellwig, Die Rolle der Bundesländer in der Europa-Politik, EA 1987, 297 (300f.); S. Magiera, Diskussionsbeitrag, in: Die Deutschen Länder.. . (Fn. 6), S. 134; Morawitz (Fn. 62), S. 22; Ress (Fn. 1), S. 553, 556; ders. (Fn. 68), S. 364. 78 Riegel (Fn. 14), S. 247. 7 ® Birke (Fn. 42), S. 124; Bleckmann (Fn. 25), S. 146f.; Ress (Fn. 1), S. 554f.; ders. (Fn. 68), S. 366; F. Klein, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, Kommentar zum GG für die Bundesrepublik Deutschland, 1983, Art. 32, Rdnr. 6; Tomuschat (Fn. 10), Rdnr. 100; nach Riegel (Fn. 14), S. 246 ergibt sich die Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte durch den Bund aus Art. 24 GG, wonach jener auch Träger der „Folgelasten" der Integrationsgemeinschaft sei; dieses Ergebnis könne daneben nur auf eine analoge Anwendung des Art. 32 Abs. 1 GG gestützt werden, weil es bei der Ausführungsgesetzgebung zu den EG-Verträgen eben nicht um auswärtige Beziehungen gehe, unter denen im Sinne des Art. 32 Abs. 1 GG ja gerade die klassischen völkerrechtlichen Beziehungen zu verstehen seien. 76

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wirksamen Akten des Staates w i r d - so die Befürchtungen der Länder - in Frage gestellt 80 ; die Bundesrepublik ist nach den Worten Walter Rudolfs 81 in der Gefahr, sich zum „gouvernementalen Einheitsstaat" zu entwickeln. Dieser Gefahr kann auch nicht mit einer analogen Anwendimg des Art. 32 Abs. 3 GG begegnet werden, der den Ländern eine Abschlußkompetenz in den in ihre Gesetzgebungszuständigkeit fallenden Bereichen zuerkennt. Diese Bestimmung ist nach zutreffender Ansicht als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und bezieht sich nur auf den Abschluß von Verträgen mit auswärtigen Staaten. Zudem kann die Beschlußfassung in internationalen Organisationen nicht mit dem Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages gleichgesetzt werden 82 . Auf dem Hintergrund dieses auf Verfassungsebene ungelösten Problems der Beteiligung der Bundesländer bei der Ausübung der Mitgliedschaft in internationalen Organisationen einschließlich supranationaler Gemeinschaften ist die umstrittene einfachgesetzliche Vorschrift des Art. 2 Abs. 3 S. 2 EEAG zu sehen. Soweit die Bedenken gegen diese Regelung aus dem Umstand herrühren, daß dort ein genuin verfassungsrechtliches Problem nämlich das Verhältnis von Bundesregierung und Bundesrat in einem bestimmten Bereich - geregelt ist, wird man diese mit dem Hinweis auf das objektiv feststellbare Bedürfnis nach Rechtsklarheit und -Sicherheit in einer Frage, die verfassungsrechtlich nicht mit einem hinreichenden Grad an Präzision lösbar ist, ausräumen können. Der Gesetzgeber wird jedenfalls dort rein deklaratorische Rechtsaussagen formulieren dürfen, wo sich diese bei genauer Analyse bereits aus dem Grundgesetz selbst ergeben. Insofern werden von Christian Tomuschat 83 als Rechtfertigung für Art. 2 Abs. 3 S. 2 80

Schröder (Fn. 1), S. 93. s. Fn. 2, S. 126: als Ausgleich für diese Entwicklung fordert er, daß dem Bundesrat bei der Instruktion des deutschen Ratsvertreters die gleiche Position eingeräumt wird, die er hinsichtlich der Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen besitzt; vgl. auch Schröder (Fn. 1), S. 93. 32 Bleckmann (Fn. 25), S. 146/147; Ress (Fn. 1), S. 555; Riegel (Fn. 14), S. 246; Tomuschat (Fn. 10), Rdnr. 101; Weber (Fn. 1), S. 805; M. Zuleeg, Zum Standort des Verfassungsstaates im Geflecht der internationalen Beziehungen, DöV 1977, 462 (465f.); a. A. ist Schwan (Fn. 23), S. 103f., der auf dem Hintergrund der Entscheidung für eine offene Staatlichkeit in Art. 24 Abs. 1 GG von einer konkurrierenden Befugnis des Bundes zur Mitwirkung bei Rechtsetzungsakten der Gemeinschaften, die Länderinteressen berühren, ausgeht. Für ihn ist die Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Gemeinschaften auf Gebieten der Ländergesetzgebungskompetenzen mit der Beteiligung am Abschluß völkerrechtlicher Verträge vergleichbar; vgl. insofern auch Schmidhuber, 564. Sitzung des Bundesrates am 16.5.1986, Sten. Prot. 307 C, der bemängelt, der Bund habe unter Verstoß gegen die Lindauer Absprache nicht das vorherige Einverständnis der Länder zur Akte eingeholt. 83 Tomuschat (Fn. 8); im Ergebnis ebenso Grabitz (Fn. 12), S. 179, der in Fällen, in denen sich aus der Begründung von Hoheitsgewalt bei einer ZE zwingende verfassungsrechtliche Konsequenzen nach innen ergeben, diese in einem Gesetz nach Art. 24 Abs. 1 GG als regelbar ansieht. Grundsätzlich sei für Regelungen verfassungsrechtlicher Fragen zwischen Organen bzw. Ebenen des Bundesstaats aber der Staatsvertrag die geeignete Staatsform. 81

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EEAG zutreffend der Gedanke der Kompensation wie auch das Prinzip der Bundestreue angeführt. Gravierender sind die erwähnten Einwände gegen die mandatorische Aussage des Art. 2 Abs. 3 S. 2 EEAG hinsichtlich einer möglichen Einengung des außenpolitischen Handlungsspielraums der Bundesregierung in Gemeinschaftsangelegenheiten mit Länderbezug. Weder das Prinzip der Bundestreue noch der in seinen Folgewirkungen für die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen der Staatsoffenheit und Völkerrechtsfreundlichkeit schwer abschätzbare Gesichtspunkt der Kompensation 84 vermögen nach der Meinimg der Kritiker einen Zwang gegenüber einem Staatsorgan hier der Bundesregierung - zu rechtfertigen, sich den Auffassungen eines potentiell betroffenen anderen Beteiligten - dem Bundesrat - zu unterwerfen. Dies insbesondere angesichts des Umstandes nicht, daß nach der klaren Kompetenzzuweisung des Grundgesetzes in Art. 32 Abs. 1 zugunsten des Bundes föderale Vielfalt in der Pflege der auswärtigen Beziehungen - und damit auch zu internationalen Organisationen einschließlich supranationaler Gemeinschaften - keinen Platz habe 85 . Als verfassungsrechtlich haltbar ist die besagte Vorschrift daher nur dann anzusehen, wenn sie keine de-jure-Bindung der Bundesregierung an die Stellungnahme des Bundesrates erzeugt, die über eine Konkretisierung des Grundsatzes der Bundestreue hinausgeht, wonach der Bund die auswärtige Gewalt nicht mißbräuchlich, d. h. nicht ohne Rücksicht auf die Belange der Länder, ausüben darf 8 6 . Darüber hinaus muß die Bundesregierung in der Frage, ob zwingende Gründe für eine Abweichung von der Stellungnahme des Bundesrates vorliegen, über eine verfassungsgerichtsfeste „Einschätzungsprärogative" verfügen 87 . Die Regelung ist somit verfassungskonform dahingehend zu interpretieren, daß eine „Aufforderung an die Adresse der 84

Tomuschat (Fn. 8). Birke (Fn. 42), S. 115; Grabitz (Fn. 12), S. 173; Ress (Fn. 1), S. 556; Tomuschat (Fn. 8); ders. (Fn. 10), Rdnr. 100; vgl. auch die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates vom 16. Mai 1986, Drs. 10/6418 S. 2 (Ziff. II); anders wohl Schröder (Fn. 1), S. 96, der dem Recht der Bundesregierung, nach außen als Vertreterin des Gesamtstaates zu wirken, nicht zwangsläufig die Befugnis entnimmt, den Inhalt dieses Handelns i n jedem Fall selbst zu bestimmen. 86 Grabitz (Fn. 12), S. 178; ders. (Fn. 39), S. 319; a. A. bezügl. dieser Bindungswirkung ist Schröder (Fn. 1), S. 99, der bei Art. 2 Abs. 3 EEAG von einer „verbindlichen Einflußnahme der Länder auf die Bundes Willensbildung" im Bereich ihrer ausschließlichen Kompetenzen ausgeht; ebenso A. Böhringer, Die Mitwirkung der Deutschen Bundesländer in EG-Angelegenheiten, 1987 (bisher unveröffentlicht), S. 26, der davon ausgeht, daß eine rechtliche Bindung der Bundesregierung an den Länderstandpunkt eintritt und daß insoweit aus den EG-Verträgen Hindernisse nicht zu entnehmen sind. 87 Schröder (Fn. 1), S. 96, der damit aber zu dem Ergebnis kommt, daß trotz einer verbindlichen Einflußnahme durch den Bundesrat gleichwohl die Abweichungsgründe einer Verfassungskontrolle nicht zugänglich sind; Oschatz / Risse (Fn. 62), S. 13/16 bejahen ebenfalls eine Einschätzungsprärogative der Bundesregierung, zugleich aber auch die „verpflichtende Wirkung" der Stellungnahme des Bundesrates. 85

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Bundesregierung" ausgesprochen wird, „wenn irgend möglich im Einklang mit den Wünschen des Bundesrates zu handeln" 8 8 . So gesehen erscheint Art. 2 Abs. 3 S. 2 EEAG als eine Art „Vorstufe" 8 9 zu der in Art. 4 Abs. 2 EEAG verankerten Mitteilungspflicht seitens der Bundesregierung im Abweichungsfall. Diese verfassungskonforme Interpretation w i r d durch die aufgrund Art. 2 Abs. 6 EEAG getroffene Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder vom 17. Dezember 1987 bestätigt, die insoweit (Ziff. I I 4) den Inhalt des Art. 2 Abs. 4 EEAG fast wortgleich wiedergibt, ohne der Bundesregierung eine im Rahmen einer Bund-LänderStreitigkeit rechtlich nachprüfbare Rechtfertigungspflicht aufzuerlegen 90 . Über die geschilderte Beteiligung der Länder im innerstaatlichen Willensbildungsprozeß hinaus sieht Art. 2 Abs. 5 EEAG in Anknüpfung an eine entsprechende Regelung im Schreiben des Bundeskanzlers vom 19.9.1979 91 und die Bestimmungen der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (§ 85 a GGO II) auf Verlangen eine Hinzuziehung von Landesvertretern zu den Verhandlungen in den Beratungsgremien der Kommission und des Rates vor, soweit der Bundesregierung dies möglich ist. Schon bisher stellten die Länder u. a. ein ordentliches Mitglied der deutschen Delegation im ständigen Agrarstrukturausschuß und im beratenden Ausschuß für Berufsbildung. Im Ausschuß für Regionalpolitik benennen sie ein stellvertretendes Mitglied der deutschen Delegation und im Verwaltungsausschuß des Europäischen Sozialfonds wird ein Vertreter des Landes hinzugezogen, das von dem behandelten Projekt betroffen ist 9 2 . Ob allerdings eine rechtliche Verpflichtung des Bundes für eine derartige Beteiligung besteht, ist umstritten. Während Hans Eberhard Birke 93 dies mit dem Hinweis verneint, es gehe bei der Mitwirkung in den Ausschüssen allein um die Wahrnehmung des Gesamtinteresses der Bundesrepublik, um einen Bereich also, den die Länder wegen ihrer Pflicht zum bundesfreundlichen Verhalten dem Bund zu überlassen hätten, sieht Hartmut Heinrich Schwan 94 eine unmittelbare Beteiligung der Länder an der Beschlußvorbereitung der Gemeinschaften aufgrund des Gesichtspunktes der Kompensation zur Erhaltung des im Grundgesetz zum Ausdruck kommenden Gleich88

Tomuschat (Fn. 8); a. A. ist Schröder (Fn. 86). Tomuschat (Fn. 8). 90 Vgl. „Vereinbarung . . . " (Fn. 63); die Bedenken von Ress (Fn. 1), S. 550/553 (Fn. 32) ergeben sich vor allem aus der Befürchtung, mit dem Abschluß eines BundLänder-Abkommens werde die rechtliche Bindung der Bundesregierung an eine Stellungnahme des Bundesrates sowie die Justitiabilität einer vom Bundesratsvotum abweichenden Entscheidung der Bundesregierung avisiert. 91 Schreiben bei Morawitz (Fn. 62), S. 103; GGO I I abgedruckt i n GMB1. 1980, S. 471. 92 Vgl. hierzu Schwan (Fn. 23), S. 124. 93 s. Fn. 42, S. 116. 94 s. Fn. 23, S. 124ff. 89

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gewichts zwischen Völkerrechtsfreundlichkeit und Bundesstaatlichkeit als gerechtfertigt an. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gesichtspunkt der Kompensation oder der Grundsatz der Bundestreue einen derartigen Anspruch der Länder zu tragen vermag 95 . Denn eine justitiable Verpflichtung des Bundes zu einer solchen Beteiligung der Länder in Erfüllung eines entsprechenden Anspruchs kann Art. 2 Abs. 5 EEAG jedenfalls nicht entnommen werden. Vielmehr verfügt die Bundesregierung auch hier, wie sich aus dem Wortlaut klar ergibt, über eine Einschätzungsprärogative: sie soll „soweit möglich" Ländervertreter in Angelegenheiten des Art. 2 Abs. 2 EEAG hinzuziehen. Damit wird auch dem Umstand Rechnung getragen, daß eine Hinzuziehung der Ländervertreter im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über Kommission und Rat auch von den Vertretern der anderen M i t gliedstaaten abhängt 96 . Die Mitglieder der Delegation handeln in jedem Fall, auch soweit sie Ländervertreter sind, nach außen als Vertreter des Bundes 97 . Eine unmittelbare Kontaktaufnahme der Länder mit den Gemeinschaftsorganen vollzieht sich ferner durch den sog. „Länderbeobachter", dessen Tätigkeit sich auf eine Verabredung zwischen dem Bundesaußenminister und den Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg aus dem Jahre 1956 gründet 98 . Seine Bedeutung liegt in erster Linie darin, daß er den Ländern ausreichende Informationen über die Tätigkeiten der Gemeinschaften verschafft, und zwar durch Weiterleitung der jeweiligen Informationen an die je nach Federführung zuständigen Fachministerien der Län95 Ablehnend Birke (Fn. 42), S. 116; Tomuschat (Fn. 10), Rdnr. 106; ders., Umweltschutzkompetenzen der EWG und Beteiligung der Bundesländer bei der Vorbereitung von Ratsentscheidungen über Umweltschutzmaßnahmen, Rechtsgutachten, 1976, S. 117. 96 Vgl. C.-D. Ehlermann, Die Einflußnahme der deutschen Länder auf den Entscheidungsprozeß in der Europäischen Gemeinschaft aus Brüsseler Sicht, in: Die Deutschen Länder . . . (Fn. 6), S. 139ff.; Ress (Fn. 68), S. 364; unzutreffend ist die Ansicht von z. Hausen (Fn. 68), S. 322, die im Gesetz formulierte Einschränkung bringe im Grunde nur eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck. 97 Grabitz (Fn. 39), S. 320; Schwan (Fn. 23), S. 126. 98 Zu dieser Institution vgl. im Schrifttum Birke (Fn. 42), S. 53ff.; Borchmann (Fn. 37), S. 590ff., 619f.; Jaspert (Fn. 55), S. 21; Malanczuk (Fn. 55), S. 254ff.; K. Oberthür, Die Bundesländer im Entscheidungssystem der EG, Integration, Heft 2, 1978, 58 (62); U. Oetting, Bundestag und Bundesrat im Willensbildungsprozeß der Europäischen Gemeinschaften, 1973, S. 95ff.; Juan Romero Pi, Los Länder alemanes en las Comunidades Europeas, in: La aplicación del derecho de la Comunidad Europea por los organismos subestatales, 1986, S. 13 (54f.); Ch. Sasse, Bundesrat und Europäische Gemeinschaft, in: Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, 1974, S. 333 (341); Schmidt-Meinecke (Fn. 24), S. 35ff., 67ff.; Schwan (Fn. 23), S. 126f.; F. Stöger, Aufgaben und Tätigkeit des Beobachters der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften, in: Magiera / Merten (Fn. 8); Ziller (Fn. 64), S. 91; bezügl. der Aufgaben des Länderbeobachters sowie seiner sachlichen und personellen Ausstattung vgl. auch das am 1.1.1989 in Kraft tretende Abkommen über den Beobachter der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften.

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der. Darüber hinaus hat er die Funktion, bestimmte Wünsche einzelner oder aller Bundesländer an die Kommission zu übermitteln. Als eine weitere wichtige Form der immittelbaren Kontaktaufnahme ist die Errichtung von mittlerweile acht Länderbüros in Brüssel anzusehen". Diese nehmen primär Aufgaben der Informationsvermittlung und -aufbereitung wahr, indem sie Informationen über die Tätigkeit der Kommission und anderer EG-Institutionen an die jeweilige Landesverwaltung, an Kommunen, Unternehmen und weitere Interessenten leiten und so der Interessenwahrnehmung des jeweiligen Bundeslandes wie auch seiner Wirtschaft, aber auch der Pflege von Kontakten und der Selbstdarstellung dienen. Die Tätigkeit dieser Vertretungen ist im Hinblick auf Art. 32 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unbedenklich, soweit die Länder den Gemeinschaftsinstanzen gegenüber lediglich ihre spezifischen Interessen vertreten und so einen positiv verstandenen „Lobbyismus" 1 0 0 auf europäischer Ebene betreiben, der sich unterhalb der Schwelle der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben bewegt. Zwar w i r d den Bundesländern überwiegend die Kontaktaufnahme mit fremden Staaten untersagt, soweit sie hierzu nicht vom Bund ermächtigt sind oder es sich um Vertragsverhandlungen im Rahmen des Art. 32 Abs. 3 GG handelt 1 0 1 . Was immer von dieser rigorosen Interpretation des Art. 32 Abs. 1 GG zu halten ist, dem Phänomen der Europäischen Gemeinschaft als einer supranationalen Einrichtung wird sie jedenfalls nicht gerecht. Der Umstand, daß Supranationalität mehr darstellt als einen Verband von Völkerrechtssubjekten, indem sie u.a. nämlich unmittelbare Rechtswirkungen im nationalen Bereich erzeugt, rechtfertigt im Hinblick auf die direkte Betroffenheit der Bundesländer diese Art eines unmittelbaren Verkehrs der Bundesländer mit den Gemeinschaftsorganen 102 . Freilich dürfen jene trotz gewisser Schwierigkeiten einer scharfen Abgrenzung zwischen Politik und Interessenvertretung 103 den außenpolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung auf EG-Ebene nicht zuwiderhandeln und damit 99 Vgl. hierzu Böhringer (Fn. 86), S. 32; Borchmann (Fn. 37), S. 596ff.; ders., Verbindungsbüros der Bundesländer bei der EG - Berechtigte Interessenvertretung oder Nebenaußenpolitik?, NVwZ 1988, 218ff. O. Hahn, EG-Engagement der Länder: Lobbyismus oder Nebenaußenpolitik?, in: Die Deutschen Länder . . . (Fn. 6), S. 105 (109); Ress (Fn. 68), S. 366f.; W. Strohmeier, Ständige Vertretungen der Länder bei den Europäischen Gemeinschaften, BayVBl. 1982, 206ff.; Schmidt-Meinecke (Fn. 24), S. 45ff., 76f., 114ff., mit einer Synopse der bestehenden Länderbüros: Niedersachsen sowie Schleswig-Holstein haben sich an das bestehende Hanse Office Hamburgs „angehängt". 100 O. Hahn (Fn. 99), S. 105, 110. 101 Vgl. Rojahn (Fn. 12), Art. 32, Rdnr. 22f.; a.A. sind U. Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, 1986, S. 88f.; R. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 1985, S. 146. 102 Schneider (Fn. 14), S. 66ff.; Tomuschat (Fn. 8). 103 Schmidt-Meinecke (Fn. 24), S. 47.

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die von manchem Bundespolitiker befürchtete „Nebenaußenpolitik" betreiben 1 0 4 . Das hier skizzierte Beteiligungsverfahren im Rahmen der sog. aszendierenden Phase, d.h. der Entstehung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften, bedarf einer Wertung, vor allem hinsichtlich der Beteiligung der Länder im innerstaatlichen Willensbildungsprozeß. Der dieser inner-, aber auch „außerstaatlichen" Beteiligung zugrunde liegende Kompensationsgedanke wird in seinen Konturen als unscharf und in seinen verfassungsrechtlichen Konsequenzen als schwer abschätzbar qualifiziert 1 0 5 . Gleichwohl ist m.E. seine Berechtigimg angesichts des dargestellten Widerstreits zwischen der supranationalen Option des Grundgesetzes einerseits und dem Grundsatz der Bundesstaatlichkeit andererseits unbestreitbar 1 0 6 . Er entspringt nicht einer bloßen „rechtspolitischen Wünschbark e i t " 1 0 7 , sondern ist vielmehr ein Ausfluß des Grundsatzes, daß Verfassungsrechtssätze, die im Spannungsverhältnis stehen, harmonisiert und in Konkordanz zueinander gebracht werden müssen 108 , um auf diese Weise einen Zustand des Gleichgewichts zu wahren oder wiederherzustellen. Eine Verpflichtimg zur Erhaltung einer solchen Balance ergibt sich aber nicht erst dann, wenn der Kernbereich eines Verfassungsgrundsatzes - hier der Bundesstaatlichkeit - berührt ist 1 0 9 , wobei es ohnehin schwierig ist, den Verlauf unüberschreitbarer föderaler Grenzlinien zu bestimmen. Vielmehr ist ein Ausgleich in Form einer Gewährung von Beteiligungsrechten zugunsten der Länder bereits dort verfassungsrechtlich geboten, wo eine Verschiebung von Entscheidungsbefugnissen in einem gewissen substantiellen Ausmaß stattgefunden hat, die mit der bundesstaatlichen Kompetenzordnung nicht in Einklang steht. In diesem Zusammenhang greift jene Argumentation, die die Mitbestimmung der Bundesregierung im Rat der EG als dem wesentlichen gesetzgebenden Beschlußorgan lediglich als einen auf Bundes- wie Länderebene gleichermaßen zu verzeichnenden Verlust an Parlamentarismus, nicht aber 104 v g l die Wiedergabe entspr. Äußerungen bei Einert/NRW i n der 564. Sitzung des Bundesrates am 16.5.1986, Sten. Prot. 305 D, S. 303 C und Schmidhuber, ebd., S. 307 C; vgl. im Schrifttum M. Borchmann, Auswärtige Aktivitäten der Bundesländer - Recht und Realität, VwR 1987, 1; Hellwig (Fn. 77), S. 302; K. O. Nass, „Nebenaußenpolitik der Bundesländer, EA 1986, 619 (623 ff.). 105 Tomuschat (Fn. 8). 106 Böhringer (Fn. 86), S. 12, 35; Oschatz / Risse (Fn. 62), S. 14/16; Schwan (Fn. 23), S. 106f.; vgl. zu diesem Gedankengang aus spanischer Sicht im Hinblick auf die Beteiligung der Autonomen Gemeinschaften, S. Muñoz Machado, La ordenación de las relaciones del estado y las Comunidades Autónomas con la Comunidad Europea, Revista Española de Derecho Constitucional, Nr. 14 (1985), 9 (51 ff.). 107 Tomuschat (Fn. 8). ios Stern (Fn. 3), § 4 I I I 8; ähnlich Hesse (Fn. 8), Rdnr. 72. 109 Ausdrücklich a. A. sind Birke (Fn. 42), S. 114 sowie Bleckmann (Fn. 25), S. 147.

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als einen Übergang von Länderkompetenzen auf den Bund ansieht 110 , zu kurz und mutet sophistisch an. Zwar hat unstreitig eine Entmachtung der nationalen Parlamente in Angelegenheiten der EG auf beiden staatlichen Ebenen in der Bundesrepublik stattgefunden, ohne daß bislang an ihre Stelle ein mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattetes Europäisches Parlament getreten ist 1 1 1 . Gleichzeitig ist aber durch einen A k t vertikaler und horizontaler Gewaltenverschiebung 112 die Bundesexekutive - allein sie - gestärkt worden, die nimmehr infolge der intergouvernementalen Struktur des Ministerrats 1 1 3 durch ihren Ratsvertreter auf europäischer Ebene nicht nur ein Mitentscheidungsrecht auf Gebieten erhalten hat, die vor der Integration in die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers fielen, sondern auch für solche Bereiche, die nach der innerstaatlichen Kompetenzordnung zuvor zur Entscheidungssphäre des Landesgesetzgebers gehörten oder für die zumindest eine Zustimmung durch den Bundesrat erforderlich war 1 1 4 . Diese durch die Kompetenz des Bundes für auswärtige Angelegenheiten bedingte innerstaatliche Verschiebung von Entscheidungsbefugnissen auf die Bundesexekutive rechtfertigt die Entwicklung von Instrumentarien, die zwecks Harmonisierung zweier konfligierender verfassungsrechtlicher Grundsätze eine Stärkung der beeinträchtigten Bundesstaatlichkeit durch die Einräumung gestaltender Mitwirkungsbefugnisse ermöglichen. Der Umstand, daß der Hauptaderlaß bezüglich der Landeskompetenzen im nationalen Raum durch Übergang von ehemaligen Landeskompetenzen auf den Bund, nicht aber so sehr auf die EG stattgefunden hat 1 1 5 , steht dem nicht entgegen. Die Skepsis der Bundesländer gegenüber einer fortschreitenden „Kommunitarisierung", die allein durch ihre verstärkte Einbindung in die Entscheidungsfindung der Gemeinschaften überwunden werden kann, rührt von ihren Erfahrungen aus dem Vorgang innerstaatlicher Unitarisierung 116 : Auf Dauer kann die kompensationslose Summierung punktueller Eingriffe in Länderzuständigkeiten im Rahmen dieser beiden Vorgänge zu einer qualitativen Veränderung der Bundesstaatlichkeit führen 1 1 7 . 110

Vgl. Ress (Fn. 1), S. 556f.; Hellwig (Fn. 77), S. 298: „Die Bundesregierung ist nicht Träger dieser Zuständigkeiten, sondern im Verein mit den Regierungen der übrigen Mitgliedstaaten Sachverwalter der Kompetenzen der supranationalen Europäischen Gemeinschaft. Dem Bund sind also keine Rechte zugewachsen . . 111 Rudolf ( Fn. 2), S. 124; ders. (Fn. 62), S. 772. 112 Schmid-Meinecke (Fn. 24), S. 5 f. 113 Stern (Fn. 3), § 15 I I 9 a. 114 Im Ergebnis ebenso Malanczuk (Fn. 55), S. 269; Oschatz / Risse (Fn. 62), S. 10; Rudolf (Fn. 2), S. 123f., 127f., der aber den Kompetenzverlust der Bundesländer im Vergleich zum Verlust des Mitwirkungsrechtes des Bundesrates als geringer ansieht; Tomuschat (Fn. 10), Rdnr. 84. 115 Ress (Fn. 1), S. 556; Tomuschat (Fn. 8); vgl. auch Stoiber (Fn. 26), S. 548, der die Bereiche aufzählt, in denen nach dieser zweifachen Unitarisierung den Ländern noch uneingeschränkte Regelungsbefugnisse verblieben sind. 116 Tomuschat (Fn. 8); Weber (Fn. 1), S. 806; vgl. auch Stoiber (Fn. 26), S. 543/544. 117 Vgl. Schröder (Fn. 1), S. 91; Ziller (Fn. 64), S. 18.

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Es stellt sich aber die Frage, ob Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG dazu zwingt, ein derartiges „kompensatorisches Instrumentarium" im Wege der verfassungsändernden Gesetzgebung zu schaffen, um es so bezüglich Beschaffenheit und Reichweite mit dem Prinzip der Offenheit der Staatsverfassung in Einklang bringen zu können. Eine solche verfassungsrechtliche Absicherung genießen bisher allein die Formen der Mitbeteiligung der Länder durch Information und Konsultation, welche auf dem Grundsatz der Bundestreue beruhen, der seinerseits eine Konkretisierung des bundesstaatlichen Prinzips darstellt 1 1 8 . Darüber hinausgehende Kompensationsformen, die nicht in derart unmittelbarer Weise aus der Verfassung abgeleitet werden können, sondern sich vielmehr als eine Ausformung des Bundesstaatsprinzips auf einfach-gesetzlicher Ebene darstellen, sind jedenfalls dann als unbedenklich anzusehen, wenn sie wie im Fall des Art. 2 Abs. 3 S. 2 EEAG einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich sind und einem Bedürfnis nach Rechtsklarheit und Rechtssicherheit entsprechen 119 . Einzuräumen ist allerdings, daß der aus einer harmonisierenden Interpretation widerstreitender Verfassungsgrundsätze gewonnene Maßstab für die Reichweite gebotener oder gerade noch möglicher Kompensation weit weniger exakt und objektivierbar ist als jener der Bundestreue, den die Verfassungsrechtsprechung durch die Formulierung von Rechtssätzen bereits in hohem Maße konkretisiert hat 1 2 0 . Verfassungsrechtliche Bedenken werden jedoch angesichts des Umstandes geäußert, daß gerade der Bundesrat zum Träger der statuierten Mitwirkungsrechte bestimmt wurde, nicht aber die Länder, die im Hinblick auf ihre schwindenden Gesetzgebungsbefugnisse jedenfalls die in erster Linie Kompensationsberechtigten wären. Diese Zuweisung einer Sachwalterrolle an den Bundesrat widerspricht seiner Stellung im Verfassungsgefüge als oberstem Bundesorgan, das nicht als eine Einrichtung der Länder zur Koor118 Für eine am Maßstab des Grundsatzes der Bundestreue orientierte Beteiligungsmöglichkeit der Länder bei gleichzeitiger Skepsis gegenüber weitergehenden Kompensations- bzw. Beteiligungsformen treten ein: Birke (Fn. 42), S. 102; Bleckmann (Fn. 25), S. 147; Grabitz (Fn. 39), S. 316: Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Formen und den zulässigen Grad der Mitwirkung der Bundesländer ließen sich „nur dem Grundsatz der Bundestreue entnehmen". Dabei stellt dieser Grundsatz für Grabitz eine Konkretisierung des nach Art. 50 GG prinzipiell bestehenden Rechts und der prinzipiell bestehenden Pflicht zur Mitwirkung der Länder an der Willensbildung des Bundes in Angelegenheiten der EG dar. Gegen einen Rekurs auf Art. 50 GG wenden sich Ress (Fn. 68), S. 361, 367; Tomuschat (Fn. 8); ders. (Fn. 10), Rdnr. 106; Zuleeg (Fn. 82), S. 466; nach Schröder (Fn. 1), S. 97 hat hingegen die Beteiligung der Länder in Form bloßer Information und Konsultation mit einer Kompetenzkompensation „kaum etwas zu tun", da diese nicht an die bundesstaatliche Kompetenzordnung anknüpfe. 119 Im Ergebnis ebenso Ziller (Fn. 64), S. 99; für eine verfassungsändernde Gesetzgebung plädieren hingegen J. H. Kaiser, Anhörung in der Sitzung des Ständigen Beirats des Bundesrates vom 6.11.1985, Sten. Prot., S. 10; Ress (Fn. 68), S. 367; Schröder (Fn. 1), S. 101; Tomuschat (Fn. 8). 120 Vgl. Stern (Fn. 3), § 19 I I I 4 c, e.

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dinierung im Bereich ihrer ausschließlichen Gesetzgebimg bzw. ihrer wesentlichen Interessen angelegt ist 1 2 1 . Die Attraktivität dieser Lösung besteht jedoch in der Möglichkeit, den Bundeswillensbildungsprozeß mit einer einheitlichen, auf dem Mehrheitsprinzip fußenden Stimme beeinflussen zu können, ohne einem Einigungszwang zu unterliegen, worunter das zuvor seit 1980 praktizierte Länderbeteiligungsverfahren l i t t 1 2 2 . Mit der Bestimmung des Bundesrates zu einem Koordinierungsmedium der Länder haben diese auf die Wahrung ihres jeweils eigenen, aus der ausschließlichen Landeskompetenz fließenden Standpunktes verzichtet. Dies ist im Hinblick auf ihre gleichmäßige integrationspolitische Betroffenheit möglich, bei der es nur noch um eine generelle Abwägung zwischen den Länderinteressen einerseits und den Gemeinschaftsinteressen andererseits geht 1 2 3 . Letztendlich folgt die gefundene Lösung einem Gebot praktischer Vernunft 1 2 4 . Die Länderparlamente erhalten infolge dieser Regelung allerdings keinerlei Mitwirkungsrechte als „Äquivalent" oder „Surrogat" für verlorengegangene Gesetzgebungsbefugnisse 125. Dieser Umstand läßt die trotz aller Kompensationsbemühungen ohnehin mangelnde Gleichwertigkeit von eigenstaatlicher Alleinentscheidung auf Länderebene und indirekter Mitwirkung an supranationalen Entscheidungen nur noch deutlicher werden 1 2 6 . Um eine gewisse Eigenständigkeit der Länder zu wahren, kann daher nur an die Brüsseler Organe appelliert werden, unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips, das sich ausdrücklich nunmehr in Art. 130 r Abs. 2 EWGV (vgl. ebenso Art. 130g EWGV) findet, auch im Interesse bürgernaher Regelungen nur solche Aufgaben zu übernehmen, die „nach der Logik des gemeinsamen 121 Ress (Fn. 1), S. 557ff.; Tomuschat (Fn. 8); Schröder (Fn. 1), S. 100f.; Oschatz / Risse (Fn. 62), S. 14f. bejahen eine funktionale Zuständigkeit des Bundesrates gem. Art. 50 GG im Anschluß an Grabitz (Fn. 118) sowie ein Recht des Bundesrates, zu europäischen Vorhaben Stellung zu nehmen, welches sich aus Art. 53 S. 3 GG ableite; einer besonderen Kompetenzvorschrift bedürfe es daher hierfür nicht. 122 v g l d a s i n j r n i 2 1 zitierte Schrifttum; zu beiden Verfahren vgl. des weiteren I. Hannaleck / W. Schumann, Die Beteiligung der Länder an der EG-Politik des Bundes: Probleme und Alternativen, Zeitschrift für Parlamentsfragen, 1983, 362 ff.; G. Einert y EG-Entwicklung unter Ländervorbehalt, in: Die Deutschen Länder . . . (Fn. 6), S. 41 (45) stellt bezügl. des Länderbeteiligungsverfahrens folgende Bilanz auf: i n den Jahren 1980 bis 1986 seien 1000 EG-Vorlagen dem Länderbeobachter übermittelt worden. Davon seien 300 Vorlagen an die für eine Koordinierung der Länder zuständigen Stellen weitergeleitet worden. Nur i n 37 Fällen sei eine Stellungnahme der Länder erarbeitet worden. In keinem einzigen Fall sei es zur Weiterleitung einer Stellungnahme an die Bundesregierung und damit überhaupt zur Einleitung eines gemeinsamen Meinungsbildungsprozesses gekommen. 123

Tomuschat (Fn. 8). Böhringer (Fn. 86), S. 23; Borchmann (Fn. 37), S. 609. 125 Vgl. Borchmann (Fn. 37), S. 621f.; Rudolf (Fn. 62), S. 770ff.; Oschatz / Risse (Fn. 62), S. 14; s. auch Entschließung der Landtagspräsidenten vom 4.11.1986 zur Beteiligung der Landesparlamente in Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaften, wiedergegeben in: Die Deutschen Länder . . . (Fn. 6), S. 287 f. 126 Vgl. Schröder (Fn. 1), S. 99; Tomuschat (Fn. 8). 124

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Marktes zwangsläufig der übergeordneten Gemeinschaftsebene zuzuschlagen sind" 1 2 7 . III. Durchführung des Gemeinschaftsrechts durch die Bundesländer Eine Darstellung der Beteiligung der Bundesländer am europäischen Integrationsvorgang wäre unvollständig, ohne zumindest kurz auf ihre Rolle im Rahmen der sog. deszendierenden Phase, d.h. der innerstaatlichen Durchführung des Gemeinschaftsrechts, einzugehen 128 , auch wenn dieser Bereich aus rechtlicher wie verfassungspolitischer Sicht weit weniger spektakulär ist. Ob die innerstaatlich geltenden Rechtsakte der EG der rechtsetzenden Durchführung durch die Mitgliedstaaten bedürfen, hängt von der Struktur und dem Inhalt des konkreten Gemeinschaftsrechtsaktes ab. Ein wenig verkürzt kann gesagt werden, daß eine EG-Verordnung im Regelfall nicht der rechtsetzenden Durchführung durch die Mitgliedstaaten bedarf, da sie nach Art. 189 Abs. 2 EWGV und Art. 161 Abs. 2 EAGV „unmittelbar" in jedem Mitgliedstaat gilt. Anders die EG-Richtlinie (Art. 189 Abs. 3 EWGV und Art. 161 Abs. 3 EAGV): sie ist für die Mitgliedstaaten nur hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich und überläßt den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Damit ist sie trotz zunehmender Detailliertheit auf rechtsetzende Durchführung durch die Mitgliedstaaten angelegt. Nach herrschender und zutreffender Ansicht, die von der Rechtsprechimg des EuGH bestätigt w i r d 1 2 9 , treffen die Gemeinschaftsverträge grundsätzlich keine Regelungen über die innerstaatliche Kompetenzverteilung zur Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien. Es liegt ihnen vielmehr als Prinzip nur eine Kompetenzaufteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten zugrunde. Auch bei nationalem Vollzug des Gemeinschaftsrechts bleibt die innerstaatliche Funktionsverteilung den Verfassungen der Mitgliedstaaten überlassen. Eine Veränderung der grundgesetzlichen Ver-

127 Tomuschat (Fn. 8); Stoiber (Fn. 26), S. 551 f.; vgl. auch die Gegenäußerung der Bundesregierung (Fn. 85), S. 1 (Ziff. I); bezügl. der Bedenken, ob das Subsidiaritätsprinzip den Bundesländern ausreichenden Schutz bietet, vgl. Ress (Fn. 68), S. 362 f. 128 Vgl. hierzu Birke (Fn. 42), S. 116ff.; Grabitz (Fn. 9), S. 2ff.; Riegel (Fn. 14), S. 249ff.; Schwan (Fn. 23), S. 133ff.; Spelten (Fn. 14), S. 69ff.; W. Vorwerk, Ausführung von Gemeinschaftsakten durch Bund und Länder unter besonderer Berücksichtigung von Art. 57 EWG-Vertrag, 1977, S. 275ff.; A. Weber, Rechtsfragen der Durchführung des Gemeinschaftsrechts i n der Bundesrepublik, 1987; M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, 1969, S. 209 ff., 314 ff. 129 Birke (Fn. 42), S. 118f.; Grabitz (Fn. 9), S. 9ff.; Spelten (Fn. 14), S. 69f.; Vorwerk (Fn. 128), S. 275f.; Zuleeg (Fn. 128), S. 315; EuGH vom 11.2.1971, RS 39/70, Slg. 1971, S. 41 ff.; EuGH vom 25.5.1982, RS 96/81, Slg. 1982, S. 1791 (1833).

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teilung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern erfolgt somit nicht. Aus dem Grundgesetz selbst ergibt sich keine generelle Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zur Durchführung von Gemeinschaftsrecht. Art. 73 Nr. 1 GG, der dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die auswärtigen Angelegenheiten zuweist, ist eng auszulegen: auswärtige Angelegenheiten sind nur solche, die sich direkt aus den Beziehungen zu anderen Völkerrechtssubjekten ergeben und die nicht in irgendeiner Form in den innerstaatlichen Bereich hineinragen. Art. 73 Nr. 1 GG stellt keine Generalklausel zum Erlaß aller Normen dar, die für die Beziehungen zum Ausland bedeutsam sind 1 3 0 . Aus dieser Norm kann sich eine Kompetenz des Bundes zur Durchführung von Rechtsakten der EG mithin nicht ergeben. Auch Art. 73 Nr. 5 GG (Handels- und Schiffahrtsverträge, Waren- und Zahlungsverkehr) vermag eine generelle Durchführungskompetenz des Bundes für gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht zu stützen: nicht alle gemeinschaftsrechtlichen Normen sind auf den Warenverkehr bezogen; folglich ist dies ebenso für die nationalen Durchführungsmaßnahmen zu gemeinschaftsrechtlichen Normen zu verneinen 131 . Die Frage, ob eine Durchführungsregelung zu einem Rechtsakt der Kompetenz nach Art. 74 Nr. 11 GG unterfällt, muß gleichfalls im konkreten Fall überprüft und kann nicht generell bejaht werden 1 3 2 . Die Herleitung einer entsprechenden Bundeskompetenz aus Art. 32 Abs. 1 GG zwecks Sicherung einer vertragsgerechten Durchführung der vom Bund in völkerrechtlichen Verträgen übernommenen Verpflichtungen vermag ebensowenig zu überzeugen. Die Durchführung völkerrechtlicher Verträge wie auch des Gemeinschaftsrechts stellt einen Akt innerstaatlicher Gesetzgebung dar, der in der Eingehung völkerrechtlicher Verpflichtungen durch den Bund im Rahmen seiner auswärtigen Gewalt lediglich seinen äußeren Anlaß findet 1 3 3 . Die bloße Gefahr, daß völkerrechtlich übernom-

130 Bleckmann (Fn. 25), S. 147; Grabitz (Fn. 9), S. 14ff.; J. Kölble , Auslandsbeziehungen der Länder?, DöV, 1965, 145 (147, Fn. 20); von Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. II, 1964, Art. 73 Anm. I I I 2 a; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 3, 1987, Art. 73 Rdnr. 9; H. Mosler, Die auswärtige Gewalt im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, in: Völkerrechtliche und staatsrechtliche Abhandlungen, Festschrift für Carl Bilfinger, 1974, S. 266; I. v. Münch, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Bd. 3, 1983, Art. 73 Rdnr. 10. 131 Grabitz (Fn. 9), S. 17ff.; Maunz (Fn. 130), Art. 73, Rdnr. 77. 132 Grabitz (Fn. 9), S. 18f.; Schwan (Fn. 23), S. 154; Spelten (Fn. 14), S. 72; Vorwerk (Fn. 128), S. 302ff.; Zuleeg (Fn. 128), S. 315f. 133 Grabitz (Fn. 9), S. 21ff.; von Mangoldt / Klein (Fn. 130), Art. 32 Anm. V 1; Rojahn (Fn. 12), Art. 32 Rdnr. 40; im Ergebnis ebenso wohl Reichel, Die auswärtige Gewalt nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, 1967, S. 218.

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mene Verpflichtungen aufgrund der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern unter Umständen nicht vertragsgerecht erfüllt werden, rechtfertigt keine Änderung der innerstaatlichen Zuständigkeitsordnung 134 . Im Schrifttum befürwortet schließlich Hans Eberhard Birke 135, aus Art. 24 Abs. 1 GG als verfassungsrechtlicher Grundlage für innerstaatliche Regelungen im Bereich supranationaler Einrichtungen eine Kompetenz zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts zugunsten des Bundes abzuleiten. Der mit der Übertragung i.S. von Art. 24 Abs. 1 GG grundsätzlich ermöglichte Verzicht der Bundesrepublik Deutschland auf die Ausschließlichkeit ihrer Staatsgewalt werde erst durch die Durchführungsvorschriften zu den gemeinschaftsrechtlichen Maßnahmen konkretisiert. Schon der Ausgangspunkt dieser Argumentation kann nicht überzeugen: Die „Übertragung" nach Art. 24 Abs. 1 GG bedeutet keine Beseitigung staatlicher Hoheitsrechte, sondern nur eine Öffnung der Staatsgewalt. Diese hat sich aber mit dem Vollzug der Maßnahmen nach Art. 24 Abs. 1 GG erschöpft. Da es keiner weiteren Maßnahmen bedarf, um Gemeinschaftsgewalt innerstaatlich entstehen zu lassen, stellen die Ausführungsvorschriften keinen weiteren Integrationsakt dar, zu dessen Vornahme allein der Bund nach Art. 24 Abs. 1 GG befugt wäre 1 3 6 . Das Ergebnis dieser kursorischen Analyse lautet, daß die Länder im Rahmen ihrer Kompetenzen auch zur rechtsetzenden Durchführimg des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 70 Abs. 1 GG zuständig sind 1 3 7 . Ob von diesem Grundsatz im Hinblick auf die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Gemeinschaftstreue gemäß Art. 5 EWGV dort zugunsten einer präventiven Ersatzgesetzgebungskompetenz des Bundes abgewichen werden soll, wo dies zwecks einheitlicher Umsetzung des Gemeinschaftsrechts oder im Falle einer nicht fristgerechten bzw. gemeinschaftsrechtswidrigen Umsetzung als erforderlich angesehen w i r d 1 3 8 , erscheint fragwürdig, da diese Forderungen keinerlei verfassungsrechtliche Stütze finden 1 3 9 .

!34 Grabitz (Fn. 9), S. 23. 185 s.Fn. 42, S. 121 (124f.). 136 Grabitz (Fn. 9), S. 24; Schwan (Fn. 23), S. 147. 137 V. Götz, Europäisches Gemeinschaftsrecht und deutsches Recht, JZ 1963, 265 (266); Ipsen (Fn. 17), S. 264; Rojahn (Fn. 12), Art. 32, Rdnr. 45; Schwan (Fn. 23), S. 154; Tomuschat (Fn. 10), Rdnr. 85; Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 86/87; Zuleeg (Fn. 128), S. 315 - 318; ders., Entwicklung des Verfassungsrechts im europäischen Raum, JöR 20 (1971), 1 (33); zu weiteren möglichen Kompetenztiteln des Bundes im Rahmen seiner ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit, die aber alle nicht zu dessen generellen Kompetenz zur rechtsetzenden Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Rechtsakte führen, vgl. Grabitz (Fn. 9), S. 19f., 25ff. 138 Riegel (Fn. 14), S. 250; ders., Überlegungen zum Problem EG-Richtlinie und nationale Rahmenkompetenz, EuR 1976, S. 79 (87); Zuleeg (Fn. 128), S. 321. 39 1 Tomuschat (Fn. 10), Rdnr. 85.

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Unstreitig sind die Länder gemäß Art. 83 ff. GG analog für den Verwaltungsvollzug des Gemeinschaftsrechts zuständig 140 . Auch diese Lösung entspricht der Staatspraxis, die die Länder nicht mehr als rechtlich und praktisch geboten von der Mitwirkung an der Ausführung des Gemeinschaftsrechts ausschaltet. Um sich einen möglichst hohen Anteil an der verwaltungsmäßigen Ausführung des EG-Rechts zu sichern, hat der Bund nach Art. 87 Abs. 3 GG allerdings eine ganze Reihe von Bundesoberbehörden und Anstalten geschaffen 141 . Auch diese von dem Prozeß der Europäisierung bisher relativ verschont gebliebenen administrativen Befugnisse sehen die Länder durch Art. 10 der EEA bedroht 1 4 2 . Dieser erweitert die nach Art. 155 EWGV bestehende Kompetenz der Kommission zum Erlaß gemeinschaftsrechtlicher Durchführungsakte, womit in verstärktem Maß eine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen vom Rat auf die Kommission ermöglicht werden soll. Das hiermit verfolgte Ziel einer Beschleunigung des gemeinschaftsrechtlichen Entscheidungsprozesses birgt primär die Gefahr einer Verstärkung zentralistischer Tendenzen, denen die Mitgliedstaaten wegen ihrer nur noch beratenden Funktion nicht mehr wirksam entgegentreten können. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, daß die der Kommission eingeräumten Kompetenzen auch angesichts der fortschreitenden Entwicklung eines einheitlichen europäischen Verwaltungsrechts zu einer Einschränkung der Verwaltungszuständigkeiten der Bundesländer führen 1 4 3 , zumal dann, wenn die von diesen befürchteten zusätzlichen Bürokratien auf EG-Ebene geschaffen werden. Die Länder sind zur rechtsetzenden Durchführung des Gemeinschaftsrechts sowie zu dessen Verwaltungsvollzug allerdings nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, was für den Bereich der normativen Durchführung überwiegend aus dem Grundsatz der Bundestreue und Art. 24 Abs. 1 GG 1 4 4 , für jenen der administrativen Durchführung aus Art. 83 GG HO vgl. B i r k e ( F n > 42), s. 125; Ipsen (Fn. 8), S. 220; Malanczuk (Fn. 55), S. 246; Otting (Fn. 98), S. 21; Riegel (Fn. 14), S. 251; Rudolf (Fn. 2), S. 126; Schwan (Fn. 23), S. 167ff. (174f.). 141 Grabitz (Fn. 39), S. 311; Tomuschat (Fn. 10), Rdnr. 86. 142 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates (Fn. 23), D 5. 143 Grabitz (Fn. 39), S. 311 f.; Schröder (Fn. 1), S. 89; Schumann (Fn. 39), S. 14. 144 Grabitz (Fn. 9), S. 30; Malanczuk (Fn. 55), S. 263, Tomuschat (Fn. 10), Rdnr. 85; Weber (Fn. 128), 6. Kap., II, der zum einen eine Pflicht der Länder gemeinschaftsrechtlich aus Art. 24 Abs. 1 GG, Art. 5 EWG-Vertrag, Art. 59 Abs. 1 GG, verfassungsrechtlich aus dem Prinzip der Bundestreue in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 GG ableitet; Zuleeg (Fn. 128), S. 320; ders . (Fn. 82), S. 466; im Ergebnis ebenso Ipsen (Fn. 17), S. 264: „Kraft der Vergemeinschaftung des Gesamtstaates [ . . . ] sind die Länder gehalten, ihre Kompetenzen gemeinschaftsgemäß wahrzunehmen"; für eine Verpflichtung der Bundesländer unmittelbar aus Art. 24 Abs. 1 GG ohne Rückgriff auf den Grundsatz der Bundestreue plädiert D. H. Scheuing, Rechtsprobleme bei der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, EuR 1985, S. 242; gegen die Annahme einer entsprechenden Verpflichtung der Bundesländer wenden sich Schwan (Fn. 23), S. 160f. sowie Spelten (Fn. 14), S. 58.

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analog, Art. 24 Abs. 1 GG sowie dem Prinzip der Bundestreue 145 oder aus Art. 83 GG analog allein i.V.m. Art. 24 G G 1 4 6 entnommen wird. Ihrem jeweiligen Recht korrespondiert mithin eine - auch zwangsweise durchsetzbare - Verpflichtung („Vornahmepflicht") 1 4 7 . IV. Ausblick Erscheint eine Substitution von ländereigenen legislativen Entscheidungsbefugnissen durch bloße Partizipationsrechte unter dem Blickwinkel der Gleichwertigkeit bereits im Rahmen der aszendierenden Phase problematisch, so ist erst recht die These zu bezweifeln, der fortschreitende originäre Kompetenzverlust der Länder könne möglicherweise durch Ausführungskompetenzen ausgeglichen werden, die sich auf den Rechtsetzungsund Verwaltungsvollzug richten 1 4 8 . Es sind nämlich vor allem die aus eigenem Verfassungsrecht entspringenden Gesetzgebungskompetenzen, die ein konstitutives Element der Staatlichkeit der deutschen Bundesländer darstellen und diese von bloßen Verwaltungseinheiten eines Zentralstaates unterscheiden 149 . Aus verfassungsrechtlichen wie verfassungspolitischen Gründen ist die nunmehr gesetzlich geregelte frühzeitige Einschaltung der Länder daher zu begrüßen. Auch unter gemeinschaftspolitischen Gesichtspunkten erscheint es als ein gebotenes Postulat, diese Regelungen im Geiste einvernehmlicher Kooperation mit dem Ziel einer engagierten Beteiligung von Bund und Ländern bei der Fortentwicklung der Gemeinschaften zu praktizieren 150 . Die Praxis w i r d zeigen, ob die Länder - mediatisiert durch den Bundesrat - in der Lage sind, die ihnen eingeräumten Möglichkeiten durch eine konzentrierte Verarbeitung der Fülle europäischer Informationen sowie eine zügige Reaktion auf anstehende Entscheidungen zu nutzen 1 5 1 . Letztendlich ist eine frühzeitige Einschaltung der Länder bei Gemeinschaftsvorhaben mit föderativen Auswirkungen die beste Garantie für einen effektiven und gemeinschaftskonformen Vollzug auf der zweiten

"5 Weber (Fn. 128), 6. Kap., II. 146 Hierfür wohl P. Lerche in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetzkommentar, Bd. 3, Art. 83, Rdnr. 54, Fn. 210, der jedenfalls für die Ausführung der Bundesgesetze einen Rückgriff auf die Bundestreue ablehnt. 147 Vgl. Grabitz (Fn. 9), S. 31 ff.; Rojahn (Fn. 12), Art. 32, Rdnr. 45; J. H. Kaiser, Die Erfüllung der völkerrechtlichen Verträge des Bundes durch die Länder, ZaöRV 18 (1957/58), S. 526 (544f.); Spelten (Fn. 14), S. 94ff.; Tomuschat (Fn. 10), Rdnr. 85; Schwan (Fn. 23), S. 164ff. verneint generell eine Rechtspflicht der Länder zur Ausführung des Gemeinschaftsrechts, so daß es auch keine Möglichkeit gebe, die Ausführung des Gemeinschaftsrechts durch die Bundesländer über eine Norm des Gemeinschaftsrechts oder eine Norm des Verfassungsrechts sicherzustellen. 148 Vgl. Riegel (Fn. 14), S. 251; Tomuschat (Fn. 10), Rdnr. 68a; Weber (Fn. 1),S. 802. 149 Rudolf (Fn. 2), S. 119, 121; vgl. auch Schröder (Fn. 1), S. 91. 150 Vgl. zu diesem Aspekt z. Hausen (Fn. 68), S. 332. 151 Borchmann (Fn. 37), S. 622.

Bundesländer zwischen Eigenstaatlichkeit und EG-Integration

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staatlichen Ebene der Bundesrepublik 152 . Zum Vorteil der Gemeinschaft wird sich aber auch jener Sachverstand auswirken, den die Länder in die Gestaltung der Gemeinschaftspolitik über den Bund einbringen und der zur inhaltlichen Qualität von Gemeinschaftsregelungen beitragen kann 1 5 3 . Der Bundesrepublik selbst ist schließlich die Möglichkeit eröffnet, sich trotz ihrer unter den Mitgliedstaaten singulären bundesstaatlichen Konzeption zu einem Modellfall für ihre präföderativ strukturierten Gemeinschaftspartner im Hinblick auf die dortige Lösung gleichgelagerter Rechts- und Sachfragen zu entwickeln 1 5 4 .

152 Vgl. z. Hausen (Fn. 68), S. 329; Malanczuk (Fn. 55), S. 271; Weber (Fn. 128), 6. Kap., II. 153 z. Hausen (Fn. 68), S. 328; Malanczuk (Fn. 55), S. 271. 154 Malanczuk (Fn. 55), S. 272; Rudolf (Fn. 2), S. 122; Schröder (Fn. 1), S. 85; Weber (Fn. 1), S. 801. 6 Gegenwartsfragen

Die Praxis der Ausführung des Gemeinschaftsrechtes in der Bundesrepublik Deutschland Dargestellt an Beispielen aus der Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen Von Elke Luise Barnstedt Durch die jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von nationalen Grundrechten und sekundärem Gemeinschaftsrecht 1 sowie zur Bindungswirkung der gemeinschaftlichen Richtlinie 2 sind zwar wesentliche und lang diskutierte 3 Grundsatzfragen zum Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht als beantwortet anzusehen4, jedoch stehen noch viele weitere Detailfragen zur Beantwortimg an. Mögen diese zum Teil von ihrer grundsätzlichen Bedeutung her nicht als derart gewichtig anzusehen sein, so sind doch insbesondere die auf die Durchführung bezogenen entscheidend für die praktische Entwicklung einer europäischen Einheit. Die Ausführung ist ein Teilbereich der Durchführung des Gemeinschaftsrechts, unter welcher nach der von Zuleeg geprägten Terminologie 5 zum einen eben die Ausführung in Form des Erlasses von rechtsetzenden Akten 6 jeglicher Art, somit Gesetze, Rechtsverordnungen und sogar das verwaltungsinterne Recht, das in Form von Verwaltungsvorschriften erlassen wird, und zum anderen die Anwendung bzw. der Vollzug durch die Verwaltung 7 zu verstehen ist. In der Bundesrepublik ist sowohl bei der Ausführung wie aber vor allem bei der Durchführung zunächst die besondere Konstellation 1 BVerfGE 73, 339ff. 2 BVerfG, DVB1. 1988, 38ff. 3 Vgl. etwa Hans-Peter Ipsen, EuR 1975, l f f . (insbes. 7ff.); Scheuner, AöR 100 (1975), 38 (49); Pestalozza, DVB1. 1974, 716ff.; Erichsen, VerwArch 66 (1975), 177ff.; Tomuschat, NJW 1980, 261 l f f . 4 Vgl. zu BVerfGE 73, 340ff.; Rupp, Anm. zu dem Beschluß, JZ 1987, 241ff.; Hilf, EuGRZ 1987, lff.; Fischer, JR 1987, 253f. 5 Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, in: Kölner Schriften zum Europarecht, Bd. 9 (1969), S. 47 f.; diesem folgend Hans-Peter Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 218f.; Rengeling, Rechtsgrundsätze beim Verwaltungsvollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts, in: Kölner Schriften zum Europarecht Bd. 27 (1977), S. 8f.; Boest, Die Agrarmärkte im Recht der EWG, 1984, S. 285. 6 Zuleeg (Fn. 5), S. 226. 7 Zuleeg (Fn. 5), S. 47.

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der Bundesstaatlichkeit zu berücksichtigen. Mag auch die ehemals geführte Diskussion 8 über die Zuständigkeit von Bund und Ländern zum Erlaß von ausführenden Akten als in dem Sinne ausgetragen anzusehen sein, daß sich die Zuständigkeit zum Erlaß von ausführenden Gesetzen nach den allgemeinen Kompetenznormen des GG richtet 9 , so wird jedoch in jüngster Zeit erneut einer typisch bundesstaatlichen Problematik in der Literatur nachgegangen und zwar der der Zuständigkeit zum Verwaltungsvollzug des Gemeinschaftsrechtes und damit der Frage der direkten oder indirekten Anwendung der Art. 30, 83 ff. GG 1 0 . Während diese Fragestellungen vornehmlich in der Literatur diskutiert werden, tun sich insbesondere bei der rechtsetzenden Ausführimg ganz konkret in der Praxis neue Detailfragen auf. So insbesondere jene, welche Möglichkeiten dem bundesdeutschen Gesetzgeber durch das Grundgesetz an die Hand gegeben sind, um möglichst schnell auf die über Nacht neu erlassenen oder geänderten rechtsetzenden Akte der Gemeinschaft reagieren zu können. Um eine schnellere Anpassung des nationalen Rechts zu gewährleisten, wird das Ausführungsrecht in der Regel in Form der Rechtsverordnung erlassen. Bei den hier verwandten oder auch nur im Rechtsetzungsverfahren diskutierten Formen von Rechtsverordnungsermächtigungen stellt sich das Problem, ob die allgemeinen Grundsätze wie z.B. die Bestimmtheit von Verordnungsermächtigungen gem. Art. 80 Abs. 1 GG anwendbar sind oder aber ob hier die allgemeinen Regelungen einer Modifikation bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht bedürfen. I. Struktur der gemeinschaftlichen Verordnungen und des nationalen Ausführungsrechtes Da die Anwendung sowie der Umfang der legislativen Ausführung durch die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts bestimmt werden, ist zunächst erfor8 Vgl. zu den Lösungsansätzen insbes. Birke, Die deutschen Bundesländer in den europäischen Gemeinschaften, 1973, S. 121 f., der dem Bund eine umfassende Kompetenz aus Art. 24 Abs. 1 GG zuordnen möchte; Grewe, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, W D S t R L 12 (1954), 129 (177); Menzel, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, W D S t R L 12 (1954), 179 (205 f.), die eine Bundeskompetenz aus Art. 32 GG ableiten wollen; Bunten, Staatsgewalt und Gemeinschaftshoheit bei der innerstaatlichen Durchführung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften durch die Mitgliedstaaten, 1977, S. 44f., 122f., 147f., der im Rahmen einer Kompetenzübertragungstheorie eine Zuständigkeit des Bundes begründet; vgl. zur ausführlichen Darstellung des Meinungsstandes Heinrich Schwan, Die deutschen Bundesländer im Entscheidungssystem der Europäischen Gemeinschaften, 1982, S. 145 ff. 9 So Voß, RiW/AWD 1979, 657 (660); Scheuing, EuR 1985, 229 (249); Schwan (Fn. 8), S. 145 m.w.N. in Fn. 84; bereits schon Götz, JZ 1963, 265 (267); grundsätzlich auch schon Zuleeg (Fn. 5), S. 315; Grabitz, AöR 111 (1986), 1 (13). 10 Vgl. Voß, RiW/AWD 1979, S. 657 (660); Birke (Fn. 8), S. 125; Schwan (Fn. 8), S. 175; Scheuing, EuR 1985, 229 (249); Vorwerk, Die Ausführung von Gemeinschaftsakten durch Bund und Länder unter besonderer Berücksichtigung von Art. 57 EWGV, 1977, S. 329; Everling, DVB1. 1983, 649 (653).

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derlich, auf die Struktur des durchzuführenden Rechts und damit des Gemeinschaftsrechts einzugehen. Grundlage und Beispiele sollen hierfür aus einer am dichtesten durchnormierten Rechtsmaterie des Gemeinschaf tsrechtes, nämlich der der Gemeinsamen Marktorganisationen und ihrer gemeinschaftlichen Durchführungsverordnungen entnommen werden. Wesentliches Merkmal dieser Rechtsmaterie ist neben der großen Anzahl gemeinschaftlicher Vorschriften und damit der gemeinschaftlichen Regelungsdichte, daß diese fast ausschließlich in der Rechtsform der gemeinschaftlichen Verordnimg erlassen werden. 1. Die Verordnung als unmittelbar anwendbares Recht und das nationale Vollzugsrecht

Die gemeinschaftliche Verordnung, auch als der „eigentliche Gesetzgebungsakt" 1 1 bezeichnet, hat gem. Art. 189 Abs. 2 EWG-V allgemeine Geltung, sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat. Diese Verbindlichkeit und unmittelbare Geltung ist gleichzusetzen mit der immittelbaren Anwendbarkeit in jedem Mitgliedstaat. Die Wirkungen kommen vor allem darin zum Ausdruck, daß Verordnungen keines Transformationsaktes bedürfen. Nicht jedoch bedeuten diese Merkmale, daß es keiner weiteren ausführenden nationalen Akte bedarf. Bereits aus dem Umstand, daß der Gemeinschaft nur eine Kompetenz zum Erlaß von Normen nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung zusteht 12 , kann die Notwendigkeit nationaler ausführender Rechtsetzungsakte folgen. So z.B. fehlt der Gemeinschaft grundsätzlich die Kompetenz, in die nationale Behördenzuständigkeit einzugreifen 13 oder Strafnormen zu erlassen 14 , so daß sich, soweit derartige Normen zur Realisierung der unmittelbaren und vollständigen Anwendung erforderlich sind, daraus die Erforderlichkeit nationaler Ausführungsakte ergibt. Vor allem aber die Tatsache, daß die Anwendung des Gemeinschaftsrechtes bei den nationalen Behörden liegt und sich nach der Rechtsprechung des EuGH der Vollzug des Gemeinschaftsrechtes grundsätzlich nach den natio11

Vgl. Bleckmann, Europarecht, 4. Aufl. 1985, S. 67. Welche aber auch durch Art. 235 EWG-V und das Prinzip der implied powers modifiziert wird, vgl. Beutler, in: Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Die Europäische Gemeinschaft - Rechtsordnung und Politik, 3. Aufl. 1987, S. 75ff.; Bleckmann (Fn. 11), S. 58ff. 13 So Götz, EuR 1986, 29 (33); Rengeling (Fn. 5), S. 28ff.; Zuleeg (Fn. 5), S. 211; Everling, DVB1.1983, 649 (651); Bunten (Fn. 8), S. 126; Schwan (Fn. 8), S. 137; Scheuing, EuR 1985, 229 (249). 14 So Paul Otto Schmitz, Die Durchführung des gemeinschaftlichen Landwirtschaftsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, in: Gemeinschaftsrecht und nationale Rechte, Kölner Schriften zum Europarecht, Bd. 13 (1971), S. 1 (34); Tiedemann, NJW 1983, 727 (729); Pescatore, EuR 1970, 307 (315); Wilhelm Bruns, Der strafrechtliche Schutz der europäischen Marktordnungen für die Landwirtschaft, 1980, S. 86. 12

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nalen Form- und Verfahrensvorschriften richtet 1 5 , erfordert die Bereitstellung nationalen Ausführungsrechtes 16 . Dabei kann sich die Erforderlichkeit entweder aus dieser grundsätzlichen Konstellation 17 oder aber ausdrücklich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben, wenn dort geregelt ist, daß „die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Erhebung der Abgabe sicherzustellen" 18 oder auch, daß „die Mitgliedstaaten gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltimgsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen treffen" 1 9 . Obgleich in den letzten Jahren eine Tendenz des Rates und der Kommission festzustellen ist, entweder in übergreifenden Verordnungen oder aber in einzelnen Normen der die materiellen Maßnahmen regelnden Verordnungen Vorschriften mit verwaltungs- und verwaltungsverfahrensrechtlichem Charakter selbst zu erlassen 20 , und auch parallel dazu in der bundesdeutschen Literatur die Forderung nach einer verstärkten Vereinheitlichung auf diesem Gebiet durch gemeinschaftliche Rechtsetzungsakte erhoben wird 2 1 , kann zum heutigen Zeitpunkt - unabhängig davon, daß eine derart allumfassende Kompetenz der Gemeinschaften mehr als fragwürdig ist - noch von

« St. Rspr. vgl. EuGH Slg 1971, 49 (58); Slg 1971,116; Slg 1972, 307; Slg 1976,1989 (1998f.); Slg 1976, 2043 (2053); Slg 1980, 501 (521f.); Slg 1980, 1205 (1226); Slg 1983, 2633 (2665); Slg 1983, 2395. 16 So auch Kalbe, DVB1. 1975, 753 (756); Schweitzer, DV 1984, 137 (167); Daig, in: Groeben / Boeckh / Thiesing / Ehlermann, Art. 189 Rdnr. 29; Everling, DVB1. 1983, 649 (654); Boest (Fn. 5), S. 290. 17 Der EuGH verwendet hier den Begriff der „stillschweigenden Verweisung", vgl. EuGH Slg 1982, 1449 (1463). 18 So in Art. 16 der VO Nr. 137/84 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Art. 5 c der Gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse, VO Nr. 804/68, ABl. Nr. L 132/1. 19 Vgl. Art. 8 der VO Nr. 329/70 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik, ABl. Nr. L 94/13; ähnlich auch die Regelung i n Art. 7 der VO Nr. 1767/82 mit Durchführungsbestimmungen für die Sonderabschöpfungen bei der Einfuhr für bestimmte Milcherzeugnisse, ABl. Nr. L 196/14; vgl. auch die weiteren Beispiele bei Voß, RiW/AWD 1979, 657 sowie Boest (Fn. 5), S. 292. 20 Vgl. die VO über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben, VO Nr. 1430/79, ABl. Nr. L 175/1 i.d.F. der VO Nr. 3069/86, ABl. Nr. L 286/1 sowie die dazu ergangenen Durchführungsverordnungen: VO Nr. 1574/80 der Kommission zur Durchführung von Art. 16 und 17 der VO (EWG) Nr. 1430/79, ABl. Nr. L 161/1; VO Nr. 1575/80 der Kommission zur Durchführung von Art. 13 VO (EWG) Nr. 1430/79, ABl. Nr. L 161/13 i.d.F. der VO Nr. 945/83, ABl. Nr. L 194/14; VO Nr. 3799/86 der Kommission zur Durchführung der Art. 4a, 6a, I I a und 13 der VO (EWG) Nr. 1430/79 des Rates über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- und Ausfuhrabgaben, ABl. Nr. L 352/19; VO Nr. 3040/83 der Kommission zur Durchführung der Art. 2 und 15 der VO (EWG) Nr. 1430/79 des Rates über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- und Ausfuhrabgaben, ABl. Nr. L 297/13 sowie die VO betreffend die Nacherhebung von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben, VO Nr. 1697/79, ABl. Nr. L 197/1 i.d.F. der VO Nr. 918/83, ABl. Nr. L 105/1 sowie die dazu ergangene Durchführungsverordnung: VO Nr. 1573/80 der Kommission zur Durchführung von Art. 5 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1679/79 des Rates, ABl. Nr. L 161/1. 21 So z.B. Kasten, DÖV 1985, 570 (574); Jürgen Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht im Werden, 1982, S. 21; Kalbe, DVB1. 1975, 753 (757).

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der grundsätzlichen Erforderlichkeit nationaler ausführender Gesetze für diese Materie ausgegangen werden. Hervorzuheben ist aber, daß dieses Ausführungsrecht zwar, der Anwendimg des Gemeinschaftsrechtes dient und insoweit für dessen Vollzug erforderlich ist, es darf jedoch weder dessen unmittelbare Anwendbarkeit tangieren noch den materiellen Gehalt des Gemeinschaftsrechtes verändern. Insoweit wohnt diesem nationalen Ausführungsrecht, welches ausschließlich dem Verwaltungsvollzug dient, keine eigene Gestaltung der materiellen Rechtslage inne, und es ist daher präziser als Vollzugsrecht zu bezeichnen. Es steht den Mitgliedstaaten dabei frei, entweder spezielles Ausführungsrecht zu erlassen oder aber allgemeine, bereits existierende Gesetze auch beim Vollzug des Gemeinschaftsrechtes zur Anwendimg zu bringen 22 . Letzteres liegt in der Bundesrepublik angesichts allgemeiner verwaltungsund verwaltungsverfahrensrechtlicher Gesetze, wie etwa das Verwaltungsverfahrensgesetz, das Zollgesetz, das Außenwirtschaftsgesetz und die Abgabenordnung, nahe, und es w i r d aus diesem Grunde in dem speziellen Ausführungsrecht darauf verwiesen und diese Gesetze oder einzelne Vorschriften aus denselben für entsprechend anwendbar erklärt 2 3 . 2. Die Verordnung als eine durch materielles nationales Recht ergänzungsbedürftige Rechtsform

Neben diesem, aufgrund der Verteilung von Gesetzgebungskompetenzen zwischen Mitgliedstaaten und Europäischer Gemeinschaft und der grundsätzlichen Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Verwaltung zum Verwaltungsvollzug des Gemeinschaftsrechtes erforderlichen, Vollzugsrecht kann das Erfordernis nationaler ausführender Normen in den materiellen Vorschriften der gemeinschaftlichen Verordnungen vorgesehen sein. Das Bedürfnis nach nationalen ausführenden Rechtsetzungsakten mit materiellem Regelungsinhalt kann derart gestaltet werden, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber die Regelung von Voraussetzungen, Modifikationen und sonstigen Anforderungen an die Gewährung von Vergünstigungen oder die Erhebung von Abgaben durch nationales Recht verpflichtend oder lediglich ermächtigend vorschreibt 24 . Die Verpflichtung zeichnet sich dadurch aus, daß sie zwingend einen nationalen Rechtsetzungsakt erforderlich macht, damit das Gemeinschafts22 Dieses folgt daraus, daß sich die Form des nationalen Ausführungsrechtes nach dem bundesdeutschen Recht richtet, vgl. Schmitz (Fn. 14), S. l f f . ; Riegel, DVB1.1979, 245 (250), Zuleeg (Fn. 5), S. 225. 23 Vgl. §§ 10 Abs. 2, 23 Abs. 1, 24 Abs. 2 und 3, 28 MOG; § 2 Abs. 2 Abschöpfungserhebungsgesetz; sowie die zahlreichen Verweise in der EWG-Ausfuhrerstattungsverordnung v. 19.3.1980, BGBl. I, S. 323. 24 Vgl. auch Zuleeg (Fn. 5), S. 225.

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recht angewandt werden kann. Der verpflichtende Charakter bezieht sich dabei jedoch nur auf die Notwendigkeit eines nationalen Ausführungsaktes, nicht aber darauf, in welcher Rechtsform ein solcher Akt erfolgt und welches Organ in dem jeweiligen Mitgliedstaat tätig wird 2 5 . Ein Beispiel für eine zu materiellen nationalen Ausführungsakten verpflichtende Norm ist Art. 5 c der VO Nr. 804/68 26 , da hiernach die Mitgliedstaaten bestimmen müssen, ob die Quote zur Berechnimg der noch abgabenfreien Milchlieferungen nach der in Art. 5 c vorgesehenen Formel A oder B zu erfolgen hat. Ebenfalls als verpflichtende Vorschriften sind solche anzusehen, nach denen die Mitgliedstaaten Anforderungen an die Betriebsstätten von Interventionswaren 27 oder aber eine gerechte Verteilung der Abgabe von verbilligten Agrarprodukten 28 festzuschreiben haben. Während die verpflichtenden Gemeinschaftsnormen bereits wegen der unmittelbaren Wirkung der gemeinschaftlichen Verordnung, aber auch wegen der damit bezweckten Vereinheitlichung nicht nur des gemeinsamen Agrarmarktes, sondern des gesamten gemeinschaftlichen Marktes insgesamt, die Ausnahme darstellen, w i r d die Ermächtigung zum Erlaß nationaler ausführender Vorschriften im Gemeinschaftsrecht häufiger verwandt. Diese Form setzt nicht wie die Verpflichtung zwingend einen nationalen Rechtsetzungsakt voraus, jedoch zieht sie in der Regel nationale Rechtsetzungsakte nach sich, da sie dem nationalen Gesetzgeber ermöglicht, durch Modifikationen nationalen Besonderheiten Raum zu lassen. Hierbei sind verschieden intensive Ermächtigungen festzustellen. Besonders weite Ermächtigungen stellen jene Vorschriften dar, die nicht nur dem nationalen Gesetzgeber ermöglichen, einzelne im Gemeinschaftsrecht vorgesehene Maßnahmen zu erweitern oder zu modifizieren 29 , sondern worin den Mitgliedstaaten eröffnet wird, neben den Regelungen des Gemeinschaftsrechtes flankierende Maßnahmen und damit gemeinschaftsunabhängige Instrumente zu regeln 30 . 25

So auch Zuleeg (Fn. 5), S. 225 sowie die in Fn. 22 aufgeführten Nachweise. I.d.F. der VO Nr. 856/84, ABl. Nr. L 90/10 der Gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse. 27 Vgl. hierzu VO Nr. 685/69 über die Durchführungsbestimmungen für die Intervention auf dem Markt für Butter und Rahm, ABl. Nr. L 9/12, worin in Art. 7 Abs. 2 die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die an Kühlhäuser zu stellenden Anforderungen festzuschreiben. 28 Vgl. dazu die VO Nr. 2956/84 über den Absatz von Butter zu ermäßigten Preisen und zur Veränderung der VO Nr. 1687/84, ABl. Nr. L 279/4, insbes. Art. 4 dieser VO. 29 So die Ermächtigung in Art. 25 der Gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse, VO Nr. 804/68, ABl. Nr. L 148/13, wonach die Mitgliedstaaten ermächtigt werden können, den im Gemeinschaftsrecht geregelten Erzeugerorganisationen weitere, über das Gemeinschaftsrecht hinausgehende Rechte einzuräumen. 30 Eine derartige Ermächtigung enthielten Art. 19 und 20 der VO Nr. 19/62 (ABl. 1962, S. 933), da hierin die Mitgliedstaaten ermächtigt worden waren, selbständig eine Erstattung bei der Ausfuhr zu gewähren. Im heutigen Recht befindet sich eine derartige Regelung in Art. 4 Abs. 1 der VO Nr. 857/84 über die Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gem. Art. 5 c der VO Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. Nr. L 90/13 i.d.F. der VO Nr. 2316/86, ABl. Nr. L 202/3), da hierin 26

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Eine derart weite, wenn auch nur sehr kurzzeitig anwendbare Ermächtigung ist in den Regelungen über Schutzklauseln enthalten, da hiernach bei ernstlichen Störungen des Marktes die Mitgliedstaaten von den zwingenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechtes abweichen können 31 . 3. Die Verschränkung der Verordnung mit dem nationalen Recht

Diese in kurzen Zügen skizzierte Struktur der gemeinschaftlichen Verordnungen auf dem Gebiet der Gemeinsamen Agrarmarktorganisationen läßt zutage treten, in welchem Maße die an sich unmittelbar anwendbare und verbindliche gemeinschaftliche Verordnimg des Erlasses nationaler Ausführungsakte bedarf bzw. solche ermöglicht. Es zeigt sich nicht nur, daß das Gemeinschaftsrecht nicht nur einen Verlust nationaler Rechtsetzungsgewalt und eine Flut gemeinschaftlicher Normen und damit ein Nebeneinander von nationalem und Gemeinschaftsrecht mit sich führt, sondern daß die frühzeitige Beschreibung des Bundesverfassungsgerichts sich bewahrheitet: Gemeinschaftsrecht und nationales Recht sind zwar zwei selbständige Rechtsordnungen, sie stehen jedoch nicht unverbunden nebeneinander, sondern greifen vielmehr auf mannigfache Weise ineinander 32 , verzahnen sich 33 und sind miteinander verschränkt 34 . Hierdurch w i r d der Bundesgesetzgeber zu einem Verhalten gezwungen, welches im übrigen nur den Ländern, insbesondere bei Ausschöpfung einer Rahmengesetzgebungskompetenz durch den Bund, in diesem Maße bekannt ist, denn im Verhältnis von Gemeinschafts- und Bundesrecht ist der Bundesgesetzgeber verpflichtet, auf einen vorgegebenen rechtlichen Rahmen zu reagieren und seine Rechtsetzungsakte diesem anzupassen. In der Praxis w i r d das aber vor allem wegen der inzwischen anerkannten „Vorrangwirkung" des Gemeinschaftsrechts 35 durch die das Gemeindie Mitgliedstaaten zur selbständigen Regelung einer Vergütungsgewährung bei der Aufgabe von Milchproduktionen ermächtigt werden. 31 Vgl. Art. 4 Abs. 1 der VO Nr. 2748/75 über die Voraussetzungen für die Anwendung der Schutzmaßnahmen auf dem Sektor Getreide, ABl. Nr. L 281/1. 32 BVerfGE 29, 198 (210). 33 Vgl. BVerfGE 31, 145 (173f.); 37, 271 (277f.); 73, 339 (368). 34 Vgl. BVerfGE 73, 339 (368). 35 So die st. Rspr. des EuGH, EuGH Slg 1964,1251 (1271); Slg 1969,1 (15); vgl. auch BVerfGE 31, 145 (174ff.); BVerwGE 45, 72 (74); BFHE 93, 102 (105); vgl. hierzu auch Robert Kovar, Das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht, in: 30 Jahre Gemeinschaftsrecht, Sammlung Europäische Perspektive, Hrsg.: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Luxemburg 1983, S. 119ff. (123); Boest (Fn. 5), S. 256; Volkmar Götz, in: Handwörterbuch des Agrarrechts, Bd. 1, Sp. 552; Bleckmann (Fn. 11), S. 249; Hans-Peter Ipsen (Fn. 5), S. 285ff.; Everling, NJW 1967, 465 (471); ders., DVB1. 1985, 1201 ff.; Komendera, Normenkonflikte zwischen EWG- und BRD-Recht - insbesondere indirekte Normenkollisionen, 1974, S. 186; Jochen Abraham Frowein, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 2, S. 187 (195); Michael Schweitzer / Waldemar Hummer, Europarecht, 2. Aufl. 1985, S. 171; Karl

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schaftsrecht unter Hinzuziehung des nationalen Ausführungsrechts anwendenden nationalen Verwaltungsbehörden verwirklicht. Diesen obliegt danach die Aufgabe, festzustellen, ob das mitanzuwendende nationale Ausführungsrecht dem Gemeinschaftsrecht entspricht oder aber diesem widerspricht, und im Falle der letztgenannten Konstellation dem Gemeinschaftsrecht dergestalt Vorrangwirkung zukommen zu lassen, daß das nationale Recht unanwendbar bleibt. Umstritten ist hier die Kompetenz der bundesdeutschen Verwaltung zur Nichtanwendung förmlicher nationaler Gesetze36. II. Struktur, Inhalt und Verfassungsmäßigkeit des bundesdeutschen Ausführungsrechtes Obliegen daher Bundes- und Landesgesetzgeber die Aufgabe, ein nahtloses Zusammenwirken von Gemeinschaftsrecht und nationalem Ausführungsrecht zu verwirklichen, so ist von besonderem Interesse, welche Formen hierbei verwandt werden und wie sich deren Gestaltung in das allgemeine System der Rechtsetzungstechnik nach dem Grundgesetz einordnet. Bei dem hier als Beispiel gewählten Ausführungsrecht zu den Gemeinsamen Marktorganisationen ist insoweit eine besondere Situation gegeben, als für dieses Gebiet dem Bund geradezu umfassend die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Nr. 11 und 17 GG zusteht und er diese auch fast vollständig ausgeschöpft hat, so daß die folgenden Beispiele ausschließlich solche aus der Bundesgesetzgebung sind. 1. Die Ausführungsgesetze des Bundes

I n der Bundesrepublik werden die allein zu den Gemeinsamen Marktorganisationen erlassenen, fast 1000 Verordnungen umfassenden 37 gemeinschaftlichen Rechtsetzungsakte im wesentlichen 38 durch fünf Gesetze ausgeführt. Dieses sind: das Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen

Eugen Huthmacher, Die Vorrangwirkung des Gemeinschaftsrechts bei indirekter Kollision, 1975, S. 1. 36 Vgl. zum Meinungsstand Scheuing, EuR 1985, 229 (251 ff.); Everling, DVB1.1985, 1201 f.; Weber, Rechtsfragen der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik, 1987, S. 73. 37 Vgl. den Fundstellennachweis des geltenden Gemeinschaftsrechts, herausgegeben von der europäischen Gemeinschaft B. 1, Stand 1.12.1986, S. 195 - 200, wobei hier flankierende und übergreifende Regelungen, die gleichfalls im Recht der Gemeinsamen Marktorganisationen Anwendung finden, zum Teil nicht mitaufgeführt sind; vgl. die gesamte Aufstellung, S. 91 - 310. 38 Außer acht bleiben insoweit allgemeine Gesetze, die ggf. zur Ausführung des Gemeinschaftsrechtes im Detail geändert wurden oder im übrigen zur vollen Verwirklichung der Gemeinsamen Marktorganisationen Anwendung finden, so z.B. das Strafgesetzbuch, insbes. § 264 Abs. 6 StGB, das Handelsklassengesetz, das Zollgesetz.

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Marktorganisationen - MOG - 3 9 , das Abschöpfungserhebungsgesetz 40, das Milchaufgabevergütungsgesetz - MAVG - 4 1 , das Beitreibungsgesetz-EG BeitrG-EG - 4 2 und das Gesetz über die Neuorganisation der Marktordnungsstellen - MOStG - 4 3 . Von diesen ist das MOG das eigentliche Ausführungsgesetz, denn es regelt übergreifend für alle 21 Gemeinsamen Marktorganisationen sowie der darauf erlassenen gemeinschaftlichen Durchführungsverordnungen die Ausführung in der Bundesrepublik. Dieses kommt vor allem in § 6 Abs. 1 MOG zum Ausdruck, da darin die durch das MOG ausgeführten 19, in den verschiedenen gemeinschaftlichen Verordnungen vorgesehenen besonderen Vergünstigungen aufgelistet sind. Daneben erfaßt das MOG gem. § 5 MOG auch die Ausfuhrabgaben, Ausfuhrerstattungen, Interventionen und Lizenzen. Lediglich das Instrument der Abschöpfung wird speziell im Abschöpfungserhebungsgesetz und die Gewährung einer Subvention für die Aufgabe von Milchproduktion i m Milchaufgabevergütungsgesetz geregelt. Das MOStG betrifft lediglich die bundesdeutsche Behördenorganisation, da hierdurch die Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung errichtet wurde, die gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 MOG die Funktion der Interventionsstelle hat. 2. Die Bedeutung der Recht sVerordnungsermächtigungen in diesen Gesetzen

Der zunächst aufgrund der geringen Anzahl bundesdeutscher Ausführungsgesetze erweckte Eindruck, daß es in der Bundesrepublik gelungen sei, die große Anzahl gemeinschaftlicher Verordnungen durch nur wenige Rechtsetzungsakte auszuführen, trügt. Wenn auch ohne Zweifel dem MOG wegen der dadurch fast vollständig erfaßten Vielzahl gemeinschaftlicher Instrumente eine Bündelungsfunktion zukommt, so erschöpft sich der Regelungsgehalt des MOG bezüglich der gemeinschaftlichen Maßnahmen darin,

39 In der Neufassung vom 27.8.1986, BGBl. I S. 1397. Gesetz über die Erhebung der Abschöpfungen nach Maßgabe der VO der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die schrittweise Errichtung Gemeinsamer Marktorganisationen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse vom 25.7.1962, BGBl. I S. 453 i.d.F. vom 12.9.1980, BGBl. I S. 1695. 41 Gesetz über die Gewährung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung für den Markt vom 17.7.1984, BGBl. I S. 942. 42 Gesetz zur Durchführung der Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 15.3.1976- 76/3087 EWG - ABl. Nr. L 73/18 vom 19.3.1976- Beitreibungsrichtlinie - über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierimgssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie Abschöpfungen und Zölle (Beitreibungsgesetz-EG - BeitrG-EG) vom 10.8.1979, BGBl. I, S. 1429. 43 Vom 23.6.1976, BGBl. I, S. 1608. 40

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vor allem Straf- und Bußgeldvorschriften 44 , Definitionen 45 , Zuständigkeitsregelungen 46 sowie allgemeine verwaltungs- und verwaltungsverfahrensrechtliche 47 Vorschriften zu enthalten. Die eigentliche, jeweils auf die einzelne Maßnahme bezogene Ausführung geschieht nicht innerhalb des MOG, sondern erfolgt in, aufgrund der in großer Anzahl im MOG vorgesehenen 48 Rechtsverordnungsermächtigungen, der Form der Rechtsverordnung. Infolgedessen zersplittert sich in der Bundesrepublik die Ausführimg der Gemeinsamen Marktorganisationen in viele verschiedene Rechtsverordnungen 49 . So wurden alleine zur Ausführung der Gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse sowie der dazu ergangenen gemeinschaftlichen Verordnungen 16 Rechtsverordnungen erlassen 50. Die Bündelung von Rechtsverordnungsermächtigungen im MOG hat auch zu der Bezeichnimg des Gesetzes als „Rahmengesetz" geführt 51 . Die gleiche Struktur ist auch bei den übrigen, spezielleren Ausführungsgesetzen festzustellen. So enthält auch das Abschöpfungserhebungsgesetz in § 9 die Ermächtigung des Bundesfinanzministers, zur Regelung der sonstigen Ausführungsvorschriften Rechtsverordnungen zu erlassen. Ebenso w i r d im Handelsklassengesetz, welches nur partiell ein Ausführungsgesetz ist, die eigentliche Ausführung des Gemeinschaftsrechtes dem Verordnungsgeber übertragen 52 . Insgesamt tritt damit deutlich zutage, daß die Rechtsverordnung in der Bundesrepublik eine entscheidende Rolle bei der Ausführung des Gemeinschaftsrechtes zukommt 5 3 . 3. Die Form der RechtsVerordnungsermächtigungen

Von der Form her gleichen sich die dargestellten Rechtsverordnungsermächtigungen alle; der im folgenden zitierte § 6 Abs. 1 MOG hat insoweit nur die Funktion eines Beispiels: 44

Vgl. §§ 35 und 36 MOG. Vgl. §§ 1; 2; 4; 5 MOG. 46 Vgl. §§ 3; 7 Abs. 1; 8 Abs. 1; 19; 27; 31 MOG. 47 So die Rücknahme, der Widerruf, die Erstattung in § 10; die Beweislast i n § 11, die Zinsen i n § 12, die Entnahme von Proben, die Kosten der Überwachung in § 17 Abs. 1 und 2, die Sicherheiten in § 20 Abs. 1 usw. 48 Vgl. §§ 3 Abs. 3; 6 Abs. 1, 2, 4 und 5; 7; 8; 9; 12 Abs. 2; 13 Abs. 1; 15; 16; 21; 24; 25 Abs. 1, 2b und 3; 29; 30; 31; 32 MOG. 49 Vgl. zur K r i t i k an der Vielzahl bundesdeutscher Rechtsverordnungen Götz, EuR 1986, 29 (48). 50 Vgl. die Aufstellung bei Ortwin Gottsmann, Der Gemeinsame Agrarmarkt (Stand 1.10.1987), Bd. 3, Teil B 4. 51 So Laumann, ZFZ 1972, 225; Ipsen (Fn. 5), S. 856. 52 So insbes. § 1 Abs. 2 Handelsklassengesetz. 53 So auch Leonard Meyer zu Brickwedde, Die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen nach Art. 80 Abs. 1 GG zur Ausführung von Gemeinschaftsrecht, 1987, S.7f. 45

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„Der Bundesminister w i r d ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, soweit dies zur Durchführimg von Regelungen i.S.d. § 1 Abs. 2 hinsichtlich Marktordnungswaren erforderlich ist, Vorschriften zu erlassen über das Verfahren bei 1. Ausfuhrerstattungen, 2. Produktionserstattungen, 3. usw. sowie über die Voraussetzungen und die Höhe dieser Vergünstigungen, soweit sie nach den Regelungen im Sinne des § 1 Abs. 2 bestimmt, bestimmbar und begrenzt sind" 5 4 . Bemerkenswert ist b e i diesen Rechtsverordnungsermächtigungen, daß sie z u m Erlaß v o n Rechtsverordnungen ermächtigen, soweit dies z u r D u r c h f ü h r u n g des z u r Z e i t existierenden u n d z u k ü n f t i g z u erlassenden Gemeinschaftsrechts e r f o r d e r l i c h ist, denn Regelungen i m Sinne des § 1 Abs. 2 M O G sind: „1. die Bestimmungen des EWG-Vertrages, 2. die Bestimmungen i n Verträgen, einschließlich der zu ihnen gehörigen Akte mit Protokollen, die aufgrund des EWG-Vertrages zustandegekommen sind oder zu dessen Erweiterung, Ergänzung der Durchführung oder zur Begründung einer Assoziation, Präferenz oder Freihandelszone abgeschlossen und im Bundesgesetzblatt, im Bundesanzeiger oder im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht und als in Kraft getreten bekannt gegeben sind, 3. Rechtsakte des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften aufgrund oder im Rahmen der in den Nr. 1 und 2 genannten Verträge." Diese F o r m der Rechtsverordnungsermächtigung w i r f t die Frage auf, ob eine derartige Bezugnahme auf das Recht einer s u p r a n a t i o n a l e n Organisat i o n g r u n d s ä t z l i c h u n d insbesondere i n Rechtsverordnungsermächtigungen n a c h dem Grundgesetz zulässig ist. a) Bezugnahmen auf das

sui generis oder

Verweisungen

Gemeinschaftsrecht?

S o w o h l das Bundesverfassungsgericht 5 5 w i e auch die L i t e r a t u r 5 6 bezeichnen die dargestellte A r t der Bezugnahmen auf das Gemeinschaftsrecht als „Verweisungen"

auf das Gemeinschaftsrecht, w o b e i das Bundesverfas-

54 Vgl. die ähnlich lautenden Verordnungsermächtigungen i n §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1, 9 Abs. 1,12 Abs. 2,13 Abs. 1 usw. MOG; ähnlich auch § 8 Abs. 1 Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der Weinwirtschaft (Weinwirtschaftsgesetz) vom 29.08.1961, BGBl. I, S. 1622 i.d.F. der Bekanntmachung vom 11.09.1980, BGBl. I, S. 1665; § 1 Abs. 2 und 3 Handelsklassengesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 23.11.1972, BGBl. I, S. 2201; siehe aber auch zu weiteren Beispielen Weber (Fn. 36), S. 23. 55 BVerfGE 29,198 (206). 56 Staats, in Jürgen Rödig, Studien zur Theorie der Gesetzgebung, 1976, S. 247; Clemens, AöR 111 (1986), 63 (82); Weber (Fn. 36), S. 24.

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sungsgericht sogar ausdrücklich ausführt, daß die enge Verzahnung von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht es verbiete, Verweisungen auf Gemeinschaftsrecht anders zu beurteilen als Verweisungen auf nationales Recht 57 . Derartige Verweisungen im innerstaatlichen Recht sind grundsätzlich anerkannt, sie zeichnen sich dadurch aus, daß ein Gesetzgeber innerhalb einer Vorschrift auf eigene oder Vorschriften eines anderen Gesetzgebers Bezug nimmt. Die wesentliche Wirkimg der Verweisung besteht darin, daß der Inhalt der in bezug genommenen Vorschrift „inkorporiert" wird, d.h. ihr Inhalt wird zum Bestand des verweisenden Gesetzes58. aa) Abgrenzung der Verweisung von der Delegation und dem Rechtsetzungsvorbehalt Von der Verweisung abzugrenzen sind die Delegation und der Rechtsetzungsvorbehalt. Während durch eine Verweisung eine andere Norm oder ein näher bezeichneter Normenkomplex in bezug genommen und sein/ihr Inhalt inkorporiert wird, wird durch eine Delegation einem anderen Normgeber in einem ihm sonst nicht eröffneten Bereich die Befugnis zur Setzung eigener Normen eingeräumt 59 . Für die Bezugnahme auf das Gemeinschaftsrecht im nationalen Ausführungsrecht würde das Vorliegen einer Delegation bedeuten, daß der nationale Gesetzgeber durch die Bezugnahme dem Rat oder der Kommission die Möglichkeit zur Rechtsetzung erst einräumen will. Dieses ist aber gerade nicht der Fall, denn durch die Bezugnahme in den Rechtsverordnungsermächtigungen bezweckt der bundesdeutsche Gesetzgeber nicht den Gesetzgebern der europäischen Gemeinschaften eine Kompetenz einzuräumen, sondern sie stellen eine aktuell erforderliche oder aber auch vorsorgliche Reaktion auf gemeinschaftliche Normen dar, die aufgrund den der Gemeinschaft bereits nach dem EWG-V zustehenden Kompetenzen erlassen worden sind bzw. noch erlassen werden. Die Kompetenz zum Erlaß des in bezug genommenen Gemeinschaftsrechtes besteht vielmehr bereits vor Erlaß des in bezug nehmenden Rechtes und dem Bundesgesetzgeber verbleibt auch schon wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts keine Entscheidung darüber, ob er den Gesetzgebern der Gemeinschaft Raum zum Erlaß von Normen lassen möchte. Aus diesem Grunde kann in den genannten Fällen keine Delegation vorliegen. Der Rechtsetzungsvorbehalt bzw. die „geltungsbeschränkenden Kollisionsnormen" 60 haben als besonderes Merkmal, daß durch sie der Rechtset57 58 59 60

BVerfGE 29, 198 (210). Vgl. Clemens, AöR 111 (1986), 63 (65 f.). Vgl. Clemens, AöR 111 (1986), 63 (67). Vgl. Clemens, AöR 111 (1986), 63 (68).

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zende zum Ausdruck bringt, in einem bestimmten Bereich nicht selbst rechtsetzend tätig zu werden, sondern den Regelungen eines anderen Rechtsetzers Raum lassen zu wollen. Zwar kommt in den Rechtsverordnungsermächtigungen zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber die Voraussetzungen für das Eingreifen der Ermächtigungen („soweit dies zur Durchführung von Regelungen i. S. d. Art. 1 Abs. 2 . . . erforderlich ist") nicht selbst regeln w i l l / kann, jedoch geht die Wirkimg der vorliegenden Bezugnahmen noch darüber hinaus, denn es soll nicht nur den gemeinschaftlichen Rechtsetzungsakten Raum gelassen werden, sondern diese werden insoweit „Teil" der Rechtsverordnungsermächtigung, als sie deren Anwendungsbereich bestimmen. Diese besondere Konstellation zeigt deutlich, daß die hier zu untersuchenden Bezugnahmen keine, gerade im Bereich des internationalen Privat- und Verwaltungsrecht ansonsten übliche „geltungsbeschränkenden Kollisionsnormen" 61 darstellen, denn es w i r d gerade nicht die Anwendung des nationalen Rechts von der „Nichtgeltung" des internationalen Rechts abhängig gemacht, sondern umgekehrt, erst mit der Geltung des gemeinschaftlichen Rechts und abhängig von dessen Geltungsumf ang erhält die Verordnungsermächtigung Wirkung. Es geht daher diese Bezugnahme über die reine Kollisionsnorm hinaus. bb) Das Vorliegen einer Verweisung in den Rechtsverordnungsermächtigungen Die Subsumtion der Verordnungsermächtigungen unter bzw. deren Abgrenzung von Delegation sowie Rechtsetzungsvorbehalt und das Einbeziehen der gemeinschaftlichen Normen in den Wirkungsbereich der Ermächtigung legen zunächst die Vermutung nahe, daß tatsächlich eine Verweisung im eigentlichen Sinne auf das Recht der Europäischen Gemeinschaften vorliegt. Dagegen spricht aber, daß durch die der Verweisung innewohnende Inkorporation das inkorporierte Recht mit dem verweisenden Recht dessen Geltungskraft und Ranghöhe teilt 6 2 . Indem die Verordnungsermächtigungen erst mit Erlaß von gemeinschaftlichen Regelungen materielle Wirkung entfalten, ist zwar ein Teil der materiellen Wirkung einer Inkorporation gegeben, jedoch hat eine Inkorporation darüber hinausgehend noch weitere Wirkungen. Diese beziehen sich darauf, daß der Inhalt der in bezug genommenen Vorschrift auch die Ranghöhe mit derselben teilt und infolgedessen auch dem gleichen Rechtsschutzsystem unterliegt wie die verweisende Norm, daher wie diese gerichtlich überprüfbar ist 6 3 . Folglich müßte 61 Hans-Ulrich Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, 1970, S. 49f.; Clemens, AöR 111 (1986), 63 (73); BVerfGE 31, 58 (72ff.). 62 BVerfGE 47, 285 (309f.); Clemens, AöR 111 (1986), 63 (65). 63 Zur Revisibilität des Inhalts des i n bezug genommenen Landesrechts BVerwGE 32, 249 (250f.); Karpen (Fn. 61), S. 32; Clemens, AöR 111 (1986), 62 (65f.).

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eine Verweisung auf das Gemeinschaftsrecht implizieren, daß letzteres dem bundesdeutschen Rechtsschutz unterliegt und daher wie bundesdeutsches Recht überprüfbar ist. Eine derartige Einbeziehung der gemeinschaftlichen Verordnungen widerspricht aber dem grundsätzlichen Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht, da es den Mitgliedstaaten verwehrt ist, über Bestand und Inhalt des Gemeinschaftsrechts zu befinden 64 . Das BundesVerfassungsgericht hat gerade in einer seiner neueren Entscheidungen zu diesem Problembereich sich als zur Überprüfung von sekundärem Gemeinschaftsrecht auch anhand der Grundrechte nicht zuständig erachtet 65 und damit einen längst fälligen Schritt hin zur Integration vollzogen. Jedoch folgt daraus auch die Unzuständigkeit der deutschen Gerichte zur mittelbaren Überprüfung des Gemeinschaftsrechts im Rahmen einer solchen Bezugnahme. In einem weiteren Schritt folgt daraus, daß die in bezug genommenen Normen des Gemeinschaftsrechtes durch die Inbezugnahme eben nicht gerichtlich ebenso überprüfbar sind wie das bezugnehmende bundesdeutsche Gesetz. Wegen dieser besonderen Konstellation von Gemeinschafts- und mitgliedstaatlichem Recht w i r d man daher bei Bezugnahmen auf das Gemeinschaftsrecht nicht von einer Verweisung im oben dargestellten Sinne sprechen können und insoweit ist die Verwendung des Begriffs bei einer Bezugnahme auf das europäische Gemeinschaftsrecht unzutreffend. Vielmehr handelt es sich um eine Bezugnahme eigener A r t 6 6 , bei welcher das Gemeinschaftsrecht inhaltlich den Umfang des deutschen Rechts mitbestimmt, jedoch nicht im obigen Sinne in vollem Umfang inkorporiert wird. b) Die Zulässigkeit der Bezugnahmen nach dem Grundgesetz Das Grundgesetz gibt selbst keine speziellen und unmittelbar auf Bezugnahmen zugeschnittenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe an die Hand, jedoch enthält es immerhin selbst Verweisimgsnormen, so z.B. Art. 25 Satz 1 GG 6 7 sowie Art. 140 GG, was auf eine grundsätzliche Zulässigkeit dieser Gesetzgebungstechnik nach dem Grundgesetz schließen läßt. Da aber die Bezugnahmen auf das Gemeinschaftsrecht einen „dynamischen Charakter" haben, indem nicht nur auf das z.Z. geltende, sondern 64 Volkmar Götz, in: Handwörterbuch des Agrarrechts, Bd. 2, Sp. 449ff.; Boest (Fn. 5), S. 260f. mit zahlreichen Nachweisen der st. Rspr. des EuGH. es BVerfGE 73, 339 (374ff.). 66 In diesem Sinne wohl auch Ernst-Werner Fuß, Zur Verweisung des deutschen Umsatzsteuergesetzes auf den gemeinsamen Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften, in: Festschrift für Paulick, 1973, S. 295; ähnlich Christoph Engel, Völkerrecht als Tatbestandsmerkmal deutscher Normen (im Erscheinen), S. 267ff. 67 Welche als dynamische Verweisung i n der Literatur qualifiziert wird, vgl. Clemens, AöR 111 (1986), 63 (81f.).

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auch auf das zukünftig zu erlassende Gemeinschaftsrecht Bezug genommen wird, könnten gegen die Zulässigkeit der vorliegenden Art der Inbezugnahme die gleichen verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, wie sie bei der Zulässigkeit von dynamischen Fremdverweisungen, d. h. Verweisungen auf das Recht eines anderen Gesetzgebers 68 eingewandt werden 69 . Diese Bedenken bestehen darin, daß einer dynamischen Verweisung ein Verstoß gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip innewohnen könnte, da sich der Gesetzgeber nicht völlig seiner Rechtsetzungsbefugnis entäußern und seinen Einfluß auf den Inhalt des von ihm erlassenen Gesetzes nicht preisgeben darf 7 0 . Eine unzulässige Entäußerung könnte auch bei den Bezugnahmen auf das Gemeinschaftsrecht deshalb vorliegen, weil hier der bundesdeutsche Gesetzgeber den Inhalt des zukünftig gegebenenfalls zu erlassenden Gemeinschaftsrechtes nicht kennt und daher den Inhalt seiner eigenen verweisenden Norm nicht absehen und daher nicht mitbestimmen kann. Dieser Einwand der unzulässigen Entäußerung der Gesetzgebungsgewalt durch die Bezugnahme kann jedoch bei einer Bezugnahme auf Gemeinschaftsrecht nicht tragend sein, da und soweit der Gesetzgeber gem. Art. 24 Abs. 1 GG seine Gesetzgebungsbefugnis delegiert hat. Durch Abschluß der Verträge gem. Art. 24 Abs. 1 GG wurde den Europäischen Gemeinschaften die Befugnis eingeräumt, innerhalb der Bundesrepublik geltendes Recht zu erlassen. Damit haben sich Bundes- und auch Landesgesetzgeber der Ausübung ihrer Rechtsetzungsgewalt im Umfang des EWG-V und der daraufhin wahrgenommenen Rechtsetzungsgewalt durch die Organe der Gemeinschaften zu enthalten, so daß in diesem Akt bereits die befürchtete Entäußerung besteht. Soweit daher das deutsche Ausführungsrecht in seiner Funktion als Ausführungsrecht zu dem im Rahmen der Übertragimg gem. Art. 24 Abs. 1 GG erlassenen Gemeinschaftsrechtes auf letzteres verweist, können die Bedenken gegen die dynamische Fremdverweisung hier nicht greifen, da in der Delegation eine zulässige Entäußerung zu sehen ist 7 1 und die Bezugnahme lediglich dem aufgrund der Delegation erlassenen Recht zur vollen Anwendbarkeit verhilft. Lediglich in Fällen, in denen der deutsche Gesetzgeber nicht aus Gründen der Ausführung, sondern der freiwilligen Übernahme einer gemeinschaftli68

Vgl. zum Begriff Clemens, AöR 111 (1986), 63 (92 und 101). Vgl. zu den Bedenken gegenüber innerstaatlichen dynamischen Verweisungen BVerfGE 47, 301 (312); Ossenbühl, DVB1. 1967, 401 (402ff.); Karpen (Fn. 61), S. 122. 70 Vgl. BVerfGE 33, 125 (158); 69, 208 (214f.); ähnlich bereits auch schon BVerfGE 26, 338 (366); so auch Ossenbühl, DVB1. 1967, 401 (402); Karpen (Fn. 61), S. 122; Clemens, AöR 111 (1986), 63 (100f.); Wolf-Rüdiger Schenke, Verfassungsrechtliche Grenzen gesetzlicher Verweisungen, in: Verwaltung im Dienst von Wirtschaft und Gesellschaft, Festschrift für Ludwig Fröhler, 1980, S. 100. 71 In diesem Sinne bereits BVerfGE 29, 201 (206); im Ergebnis ebenso Staats (Fn. 56), S. 251; Schenke (Fn. 70), S. 115 Fn. 86; Fuß (Fn. 66), S. 295. 69

7 Gegenwartsfragen

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chen Regelung in bundesdeutsches Recht auf das Gemeinschaftsrecht verweist oder aber bei Ausführung von nicht kompetenzgerecht erlassenem Gemeinschaftsrecht, könnten die aufgezeigten Bedenken ggf. greifen 72 . Für den hier darzustellenden Bereich der Ausführung zulässigen Gemeinschaftsrechts ist die Verfassungsmäßigkeit einer Bezugnahme im dargestellten Sinne gegeben. c) Die Vereinbarkeit der Verordnungsermächtigungen mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG Wenn auch die dynamische Bezugnahme auf das Gemeinschaftsrecht grundsätzlich durch die Delegation gem. Art. 24 Abs. 1 GG legitimiert ist, so müssen auch im Bereich zulässiger Delegationen die allgemeinen Anforderungen an deutsche Gesetzgebungsakte gemäß den sonstigen Vorschriften des Grundgesetzes beachtet werden. Bei den hier zu prüfenden Verordnungsermächtigungen stellt sich aber wegen der Bezugnahmen auf das jeweils geltende Gemeinschaftsrecht ohne Nennung der einzelnen gemeinschaftlichen Verordnungen die Frage nach deren Vereinbarkeit mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und dem darin geregelten Erfordernis der näheren Bestimmtheit von Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigung. Dabei ist die nähere Bestimmtheit des Zwecks der Verordnungsermächtigung - die Ausführung der jeweils näher bezeichneten Maßnahme des Gemeinschaftsrechts - in der Regel gegeben. Fraglich ist lediglich, ob Inhalt und Ausmaß hinreichend bestimmt sind. Mit dem Argument, daß Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich für innerstaatliche, nicht aber für supranationale Verhältnisse konzipiert sei, wird in der Literatur im Hinblick auf die aufgeworfenen Fragestellungen die Unanwendbarkeit der genannten Vorschrift bei Verordnungsermächtigungen zur Ausführung des Gemeinschaftsrechts vertreten 73 . aa) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der Zulässigkeit der Bezugnahmen auf das Gemeinschaftsrecht in Rechtsverordnungsermächtigungen Entgegen dieser Meinung in der Literatur hat das Bundesverfassungsgericht, welches sich in zwei Entscheidungen mit der Zulässigkeit von auf das Gemeinschaftsrecht „verweisenden" Rechtsverordnungsermächtigungen zu befassen hatte 7 4 , Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG als Maßstab angewandt. Diese 72

Vgl. hierzu insbesondere Fuß (Fn. 66), S. 293 ff. So Scheuing, EuR 1985, 229 (235). 7 * BVerfGE 29, 198ff.; 45, 142ff. 73

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beiden Entscheidungen - wenn auch im Ergebnis gleich - unterscheiden sich in bezug auf die Begründung der Einhaltung der Erfordernisse des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG erheblich. In dem Beschluß aus dem Jahre 1970 begründet das Bundesverfassungsgericht die nach seiner Ansicht im Einklang mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichende Bestimmtheit von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Verordnungsermächtigung damit, daß durch die Nennung der in bezug genommenen EG-Verordnimg Nr. 19 sowohl in der Überschrift des Gesetzes75 als auch in der konkret verweisenden Norm in Form des § 5 Durchführungsgesetz VO Nr. 19 76 der mögliche Inhalt der zu erlassenden Rechtsverordnung hinreichend bestimmt sei 77 . Demgegenüber stellt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1977 nicht mehr auf die konkrete Benennung der in bezug genommenen EG-Verordnung ab. Dieser Entscheidung lag die Rechtsverordnungsermächtigung gem. § 7 Durchführungsgesetz-EWG-Getreide 78 zugrunde, in welcher der Bundesminister ermächtigt wurde, durch Rechtsverordnung die nach den Gemeinsamen Marktorganisationen bei Marktstörungen oder drohenden Marktstörungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen 79 . Die vorliegende Bezugnahme beschränkte sich nicht auf eine bestimmte, näher bezeichnete gemeinschaftliche Verordnung, sondern die Ermächtigung beinhaltete den Erlaß von Rechtsverordnungen betreffend bestimmte Maßnahmen der Gemeinsamen Marktorganisationen. Sie war demzufolge wesentlich weiter gefaßt als die der Entscheidung aus dem Jahre 1970 zugrundeliegende Ermächtigung. Das Bundesverfassungs75 Vgl. Gesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 26.07.1962, BGBl. I, S. 455, zuletzt geändert durch das Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24.05.1968, BGBl. I, S. 503. 76 Dieser lautet: „Der Bundesminister bestimmt im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Schwellenpreise für die einzelnen Monate des Getreidewirtschaftsjahres für die in Art. 1 a - c der Verordnung Nr. 19 genannten Erzeugnisse". 77 BVerfGE 29, 198 (210f.). 78 Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen für Getreide u.a. vom 30.06.1967, BGBl. I, S. 617 i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 30.07.1968, BGBl. I, S. 874. 79 Die Vorschrift lautet: „Für Maßnahmen, die im Rahmen der Gemeinsamen Marktorganisationen bei Marktstörungen oder drohenden Marktstörungen vorgesehen sind, gelten, sofern die Maßnahmen nicht vom Rat oder der Kommission unmittelbar getroffen werden, die folgenden Vorschriften: 1. . . . 2. Im übrigen kann der Bundesminister . . . durch Rechtsverordnung . . . die erforderlichen Maßnahmen treffen und hierbei insbesondere Vorschriften erlassen über eine Erhöhung oder Ermäßigung von Abschöpfungen (§ 1 des Abschöpfungserhebungsgesetzes), über Mindestpreise, Verwendungsbeschränkungen und Verpflichtungen des Einführers, die einzuführenden Erzeugnisse der zuständigen Marktordnungsstelle zur Übernahme zu überlassen sowie bei Getreide auch über Vermahlungsregelungen und Beimischungspflichten . . . " 1*

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gericht sah auch diese Ermächtigung als mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar an, obgleich in einem obiter dictum die Frage aufgeworfen wurde jedoch dahingestellt blieb - , ob der Maßstab des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG überhaupt für diese Fälle anwendbar ist, da insoweit eine gemeinschaftsrechtliche Bindung der Bundesrepublik gegeben ist, die in den Gestaltungsspielraum des deutschen Gesetzgebers eingreift 80 . Begründet wird die Vereinbarkeit mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG in dieser Entscheidung damit, daß durch die „Insbesondere-Auf zählung" der an sich nicht hinreichend bestimmte Begriff der „erforderlichen Maßnahmen" eingeschränkt und daher die Ermächtigung näher eingegrenzt werde 81 . Über diese weite Auslegung hinaus erweitert das Bundesverfassungsgericht sogar noch den Anwendungsbereich der Rechtsverordnungsermächtigung, indem in ihr nicht nur eine Ermächtigimg zum Erlaß ausführender Rechtsverordnungen, die aufgrund weiterer in Ausführung der Gemeinsamen Marktorganisationen erlassener EG-Verordnungen notwendig geworden sind, gesehen wird, sondern das Bundesverfassungsgericht sieht darin auch eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage zum Erlaß von ausführenden Rechtsverordnungen, die aufgrund von direkt auf Art. 226 EWG-V erlassener gemeinschaftlicher Verordnungen ergangen sind 8 2 . Zu diesem Ergebnis kommt das Bundesverfassungsgericht mittels Auslegung und eines materiellen Verständnisses des in der Ermächtigungsnorm verwandten Begriffs der Gemeinsamen Marktorganisation, der danach alle auch solche, die immittelbar auf dem EWG-V gestützt sind, - Maßnahmen in bezug auf ein Erzeugnis erfaßt, für das eine Gemeinsame Marktorganisation erlassen worden ist 8 3 . Da es in diesen Entscheidungen an einer ausdrücklichen Stellungnahme dazu fehlt, ob durch die gemeinschaftsrechtliche Bindung des Bundesgesetzgebers durch die Übertragung der Hoheitsrechte gem. Art. 24 Abs. 1 GG eine modifizierte Form der Anwendung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG im Ausführungsrecht anzunehmen ist, vielmehr das Bundesverfassungsgericht ohne eine solche Differenzierung Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG anwendet und prüft, muß davon ausgegangen werden, daß das Bundesverfassungsgericht eine derartige Modifikation hier nicht für erforderlich hält. Angesichts neuerer, nicht speziell zum Ausführungsrecht, sondern allgemein zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ergangener Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in welchen bei der Frage der Bestimmtheit einer Rechtsverordnungsermächtigung nicht auf einen einheitlichen Bestimmtheitsmaßstab 84 , son80

BVerfGE 45, 142 (166). BVerfGE 45, 142 (165). 82 BVerfGE 45, 142 (160ff.). S3 BVerfGE 45, 142 (160f.). 84 In diesem Sinne BVerfGE 58, 257 (278); ebenso Ramsauer, in: Alternativkommentar, Bd. 2, Art. 80 Rdnr. 51. 81

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dem auf die Komplexität der Rechtsmaterie 85 abgestellt w i r d und im Hinblick auf frühere Entscheidungen, welche bereits schon auf das „Programm" 8 6 der Ermächtigung zurückgreifen, könnte man geneigt sein, die Entscheidungen zu den Rechtsverordnungsermächtigungen im Rahmen des Ausführungsrechts zum Gemeinschaftsrecht insoweit in den allgemeinen Duktus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG einzuordnen. bb) Kritische Anmerkungen zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die angesprochene Zuordnung der Rechtsprechimg in den allgemeinen Duktus des Gerichts begegnet jedoch Bedenken, wenn man berücksichtigt, daß das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung nicht nur auf das Programm des Gesetzes oder auf die Komplexität der Rechtsmaterie, sondern auch darauf abstellt, daß die hinreichende Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage gem. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG dem Bürger ermöglichen soll, schon aus dem ermächtigenden Gesetz hinreichend deutlich vorhersehen zu können, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden kann und welchen möglichen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben werden 87 . Auch in der Entscheidung zu § 7 Durchführungsgesetz-EWG-Getreide geht das Bundesverfassungsgericht auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit ein und bejaht dessen Einhaltung, da es für die von der Möglichkeit einer Verordnung Betroffenen im Rahmen des von § 7 Durchführungsgesetz-EWG-Getreide zugelassenen Systems nicht unvorhersehbar gewesen sei, mit welcher Zielrichtung und in welcher Art und Weise von den Fällen der gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht werden kann. Es mag die damals erlassene Maßnahme der Interventionsbeschränkung in Fachkreisen zu erwarten gewesen sein, was in der Entscheidung dadurch angedeutet wird, daß die Betroffenen „ i m wesentlichen ein Kreis branchenkundiger Getreideeinführer" 88 waren. Stellt man aber auf die tatsächliche Gegebenheit im Gemeinschaftsrecht ab, welches dauernden Änderungen unterliegt und rein technisch erforderlich macht, daß der Bürger jeweils die Änderungen der einzelnen Verordnungen im Europäischen Amtsblatt verfolgt, so vermag die Entscheidung kaum bezüglich ihrer Begründung der Vorhersehbarkeit aus der Ermächtigungsgrundlage zu überzeugen, denn es konnte 85

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So BVerfGE 58, 257 (277 f.). BVerfGE 18, 52 (62); 19, 354 (365); 20, 257 (270), auch in BVerfGE 58, 257 (277). BVerfGE 1, 14 (60) st. Rspr.; 58, 257 (277). BVerfGE 45, 142 (166).

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auch damals bereits bezüglich der gemeinschaftlichen Rechtsordnung nicht mehr von einer Überschaubarkeit der Rechtsmaterie gesprochen werden 89 . Deutlich w i r d dieses bei den Rechtsverordnungsermächtigungen neueren Datums daran, daß sich der Bundesgesetzgeber darin nicht einmal auf eine bestimmte Fundstelle des inbezuggenommenen Rechtes festlegt, sondern auf eine Bekanntgabe des Gemeinschaftsrechts „ i m Bundesgesetzblatt, im Bundesanzeiger oder im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften" abstellt. Die Fragwürdigkeit der Annahme einer Überschaubarkeit wird in der Entscheidung auch daran deutlich, daß das Bundesverfassungsgericht zwar von der Einschränkung des Begriffs der „erforderlichen Maßnahmen" durch die „Insbesondere-Aufzählung" spricht, aber offenläßt, worin diese Einschränkung tatsächlich bestehen soll. Denn eine „Insbesondere-Aufzählung" beinhaltet immer nur eine exemplarische Aufzählung, so daß darunter auch nicht aufgezählte Konstellationen fallen können, wie es auch in dem vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidenden Fall tatsächlich vorgelegen hat 9 0 . Dieser Umstand zeigt, daß das Bundesverfassungsgericht anscheinend von dem durchaus berechtigten Anliegen bestimmt gewesen sein muß, ein flexibles und praktizierbares bundesdeutsches Ausführungsrecht zu ermöglichen. Angesichts der schnellen Wandelbarkeit gemeinschaftlicher Verordnungen würde eine unnötige und kaum praktizierbare Belastung des bundesdeutschen Gesetzgebers entstehen, wenn man die Aufzählung sämtlicher, in bezug genommener gemeinschaftlicher Vorschriften verlangen würde. Auch wird eine größere Übersichtlichkeit nicht dadurch herbeigeführt, daß, wie in § 69 a WeinG 9 1 geschehen, die Bezugnahmen auf das Gemeinschaftsrecht durch eine Angabe der jeweiligen Fassimg in einer Anlage näher spezifiziert werden, denn durch die Aufzählung der jeweiligen Verordnungen kann der Bürger nicht entnehmen, welchen Inhalt deren Vorschriften haben. Trotz der durch die Praxis geforderten Notwendigkeit derartiger Ermächtigungsnormen sollte man nicht übersehen, daß durch sie dem Kriterium der Überschaubarkeit der aufgrund der Ermächtigung zu erlassenden Rechtsverordnungen nicht entsprochen wird. Diesem Mangel kann auch nicht durch den Hinweis entgegengetreten werden, daß der Gesetzgeber durch die Übertra89 Vgl. zur K r i t i k an der Unüberschaubarkeit in der juristischen Literatur Boest (Fn. 5), S. 25; Braudel, RiW/AWD 1972, 545 (554); Tiedemann, EuR 1980, 219 (221); Ditges / Ehle, NJW 1964, 473 (475), die bereits 1964 von dem „Gestrüpp der Marktordnungen" sprachen. 90 Vgl. BVerfGE 45, 142 (166). 91 Gesetz über Wein, Likörwein, Schaumwein, weinhaltige Getränke und Branntwein aus Wein vom 14.07.1971, BGBl. I, S. 893 i.d.F. vom 01.09.1982, BGBl. I, S. 1177.

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gung der Hoheitsrechte gem. Art. 24 Abs. 1 GG gebunden ist und durch die Ausführung lediglich seinen im EWG-V bestimmten Pflichten nachkommt, denn daraus folgt noch nicht eine Modifikation der Anforderungen an eine Verordnungsermächtigung gemäß Art. 80 Abs. 1 GG. Nach alledem könnte man aus Gründen der praktischen Notwendigkeit geneigt sein, mit einer Meinung in der Literatur die Unanwendbarkeit des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG für nationales Ausführungsrecht anzunehmen. Das hierzu angeführte Argument, Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG sei nur für rein innerstaatliche Konstellationen kreiert, erscheint auch gerade im Hinblick auf die Probleme in der Praxis zunächst überzeugend zu sein. Ordnet man dieses Argument aber in die allgemeine Systematik des Grundgesetzes ein, so wird man dann zu fast allen Artikeln und ihrer Anwendbarkeit einwenden können, daß sie jeweils in der Regel nicht im Hinblick auf eine europäische Integration der Intensität, wie sie heute bereits erreicht ist, konzipiert und daher nicht anwendbar sind. Damit wäre die Gefahr gegeben, daß mit diesem Argument das Grundgesetz für den großen Bereich des Ausführungsrechtes in weiten Bereichen für unanwendbar erklärt werden könnte. Um daher die Gefahr eines „Sonderverfassungsrechts" für das nationale Ausführungsrecht zum Gemeinschaftsrecht möglichst gering zu halten, ist es angezeigt, nach anderen Lösungswegen zu suchen. Berücksichtigt man hier die bereits dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die gerade nicht auf einen einheitlichen Bestimmtheitsmaßstab abstellt, so hält sich eine bewußte und ausdrücklich weite Auslegung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nur für den Bereich des Ausführungsrechtes zum Gemeinschaftsrecht innerhalb dieser Rechtsprechung, ohne die Voraussetzungen der Norm auch für das rein innerstaatliche Recht weiter zu verwässern. Gerade jenes würde aber eintreten, wenn man unter Nichtbeachtung der fehlenden Bestimmtheit die Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG für gegeben erachtet. Aus diesem Grunde muß daher Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG unter Rückgriff auf die bereits vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten sonstigen Modifikationen und im Hinblick auf die gemäß Art. 24 Abs. 1 GG verfassungskonform erfolgte Übertragung von Hoheitsrechten sowie die dadurch verursachten Probleme beim Erlaß gemeinschafts- und verfassungskonformen Ausführungsrechtes weit ausgelegt werden 92 . 4. Ansätze zur beschleunigten Anpassung des Ausführungsrechts an Änderungen des Gemeinschaftsrechts

Bereits die weite Auslegung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und auch die häufige Verwendung der Rechtsverordnung als Ausführungsakt bezweckt 92 Eine weite Auslegung ebenfalls bejahend Rambow, DVB1. 1968, 445 (449); ihm folgend Weber (Fn. 36), S. 24ff.; ebenso Meyer zu Brickwedde (Fn. 53), S. 95f.

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die schnellere Durchführung und Anpassung des zu erlassenden Ausführungsrechts und soll ein zeitraubendes Gesetzgebungsverfahren vermeiden. Diese Form der Ausführungsgesetzgebung dient daher der schnelleren Anpassung an das Gemeinschaftsrecht. Es finden sich aber noch weitere Ansätze, zum Teil nur im Gesetzgebungsverfahren diskutierte oder aber auch praktizierte, die dem gleichen Zweck dienen. a) Die gesetzesändernde Rechtsverordnung Die Bundesregierung hat im Entwurf des 4. Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes aus der Not heraus, daß der den Mitgliedstaaten obliegenden Pflicht, ihr Recht dem Gemeinschaftsrecht anzupassen, „angesichts der in rascher Folge erlassenen und geänderten Gemeinschaftsverordnungen bei Einhaltung des normalen Gesetzgebungsverfahrens nicht entsprochen werden kann", folgenden Entwurf eines § 71 a eingebracht: „Durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates können Vorschriften dieses Gesetzes gestrichen oder in ihrem Wortlaut einem verbleibenden Anwendungsbereich angepaßt werden, soweit sie durch den Erlaß entsprechender Verordnungen des Rates oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften unanwendbar geworden sind" 9 3 .

Die besondere Bedeutung dieser Rechtsverordnungsermächtigung, die nicht verabschiedet, sondern lediglich beraten wurde, besteht darin, daß hiernach durch Rechtsverordnung Vorschriften eines formellen Gesetzes gestrichen oder in ihrem Wortlaut verändert werden können. aa) Die Zulässigkeit gesetzesändernder Verordnungen im rein innerstaatlichen Bereich Für das rein innerstaatliche Recht ist nicht nur die Zulässigkeit derartiger Rechtsverordnungsermächtigungen umstritten, sondern es bestehen bereits bei der Bezeichnung dieser Art der Ermächtigung erhebliche Divergenzen. Während z.B. Bryde 9 4 ausdrücklich zwischen „gesetzesvertretenden Verordnungen", „gesetzesändernden Verordnungen" und einem „ Verordnungsvorbehalt" unterscheidet, meint Lepa, daß alle diese Verordnungen gleich zu behandeln seien und erörtert sie unter dem Begriff gesetzesändernde Rechtsverordnungen 95 . Da sich jedoch die drei genannten Arten von Verordnungen wesentlich unterscheiden, soll hier der Terminologie von Bryde gefolgt werden. 93

BT-Drucks. 9/785, S. 21. In: Ingo v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3 (sowohl 1978 als auch in der 2. Aufl. 1983), Art. 80 Rdnr. 3. 95 Vgl. Lepa, AöR 105 (1980), 337 (352 ff.), wobei er sich fälschlicherweise für seine recht globale Meinimg auf Bryde beruft. 94

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Unter „gesetzesvertretenden Verordnungen" sind solche Rechtsverordnungen zu verstehen, denen ein umfassender materieller Regelungsanspruch zusteht und deren Zulässigkeit bereits wegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ausgeschlossen ist. Unter den Begriff der „gesetzesändernden Verordnungen " sind demgegenüber die Rechtsverordnungen zu fassen, denen formelle Gesetzeskraft insoweit zukommt, als durch sie das Gesetz und sein Wortlaut geändert wird. Der „ Verordnungsvorbehalt " zeichnet sich dadurch aus, daß die gesetzliche Regelung nur einen subsidiären Geltungsanspruch erhebt und Ausnahmen von ihrem Wortlaut zuläßt, die durch eine Rechtsverordnung festgelegt werden können 96 . Bezüglich der Zulässigkeit der genannten Verordnungsarten ist festzustellen, daß insbesondere in der älteren Literatur die Unzulässigkeit aller drei Formen vertreten wurde 9 7 , während in der neueren Literatur eine differenzierende Betrachtungsweise vorrangig ist. Deutlich vermehrt sind die Stimmen, die einen Verordnungsvorbehalt für zulässig erachten 98 , während die gesetzesändernden und auch die gesetzesvertretenden Verordnungen überwiegend auch heute noch für unzulässig angesehen werden 99 . Nur wenige Stimmen sind demgegenüber in der Literatur dazu zu finden, daß auch die gesetzesändernden Verordnungen als mit dem Grundgesetz vereinbar anzusehen sind 1 0 0 . Gegen die Zulässigkeit der gesetzesändernden Verordnungen, wie sie die vorliegende Rechtsverordnungsermächtigung vorsieht, sprechen vor allem die im Grundgesetz vorgesehenen Vorschriften über das förmliche Verfahren bezüglich des Zustandekommens von Gesetzen. Diese Verfahrensvorschriften würden durch eine gesetzesändernde Verordnung mißachtet, denn es würde mit dem Erlaß derartiger Verordnungen gleichzeitig formell und materiell das zugrunde liegende Gesetz geändert und im Umfang der Änderung „indirekt" ein neues Gesetz erlassen. Eine derartige Mißachtimg der im Grundgesetz vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann auch nicht durch den 96

Ein solcher Vorbehalt, abweichend vom Gesetzeswortlaut, Regelungen innerhalb einer Rechtsverordnung zu erlassen, lag auch der Entscheidung des BVerfG zum Gesetz über den Lastenausgleich zugrunde, BVerfGE 8, 155 ff., deren Zulässigkeit vom BVerfG angenommen wurde (S. 171 ff.). 97 Vgl. zum Meinungsstand Peter, AöR 92 (1967), 357 (360 Fn. 6); Helmut Sinn, Die Änderung gesetzlicher Regelungen durch einfache RechtsVerordnung, 1970, S. 12, insbes. Fn. 22. 98 So Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I (1977, die 2. Aufl. 1984 enthält hierzu keine Stellungnahme mehr), S. 644; Bryde (Fn. 94), Art. 80 Rdnr. 3; Sinn (Fn. 97), S. 37; OssenbÜhl, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1986, S. 32. 99 Vgl. Ossenbühl (Fn. 98), S. 82, der, da er auf Art. 119 GG verweist, anscheinend unter gesetzesvertretenden Rechtsverordnungen auch die hier als gesetzesändernde Rechtsverordnungen bezeichneten Verordnungen zu meinen scheint; Bryde (Fn. 94), Art. 80 Rdnr. 3; Sinn (Fn. 97), S. 31ff. 100 So aber Lepa, AöR 105 (1980), 337 (352ff.); unklar insoweit Peter (Fn. 97), S. 361 ff. sowie S. 381.

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Hinweis entkräftet werden, daß der Verordnungsvorbehalt eine ähnliche Wirkung habe, da auch durch ihn der Wortlaut eines Gesetzes durch eine Rechtsverordnung einschränkbar gemacht werde 1 0 1 ; denn die Form- und Verfahrensvorschriften haben nicht nur eine Bedeutung im Hinblick auf den Inhalt des Gesetzes, sondern haben eine eigenständige Funktion, die u. a. in der öffentlichen Beratimg besteht. Ferner kommt der Unterschied in der Wirkung der beiden Verordnungen spätestens im Rechtsschutz zum Ausdruck. Während bei einer Verfassungswidrigkeit einer aufgrund eines Verordnungsvorbehaltes erlassenen Rechtsverordnung es im Falle einer zulässigen Nichtanwendung der Verordnung durch die Gerichte zu der Anwendung der ursprünglichen Gesetzesfassung mit der Folge käme, daß hier lediglich eine Vorlage gem. Art. 100 GG zulässig wäre, verbliebe es wegen der gesetzesändernden Wirkung bei der gesetzesändernden Verordnung bei der Nichtanwendung derselben. Hier muß die gerade durch die gesetzesändernde Verordnung bezweckte Wirkung, nämlich „Streichung und Änderung des Wortlautes" des zugrunde liegenden Gesetzes, dazu führen, daß das Gesetz insoweit endgültig verdrängt und daher nicht mehr existent, infolgedessen auch bei Verfassungswidrigkeit der Rechtsverordnung unbeachtlich ist. Zu Recht begründet daher Sinn die Unzulässigkeit derartiger Verordnungen auch mit einem Verstoß gegen die Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit 102 . bb) Die Zulässigkeit gesetzesändernder Verordnungen aufgrund der Vorrangwirkung des Gemeinschaftsrechts? Bestehen daher gegen die grundsätzliche Zulässigkeit einer Verordnungsermächtigung der vorliegenden Art erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, so könnte die konkret hier zur Diskussion gestellte Verordnungsermächtigung jedoch aufgrund des besonderen Verhältnisses von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht für zulässig zu erachten sein. Dieses könnte aus der Vorrangwirkung des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht folgen, wenn die „Vorrangwirkung" nicht nur die bloße Unanwendbarkeit, sondern die Nichtigkeit des nationalen Rechts mit sich führen würde, denn dann hätte die Änderung des Gesetzes durch eine Rechtsverordnung lediglich deklaratorische Bedeutung. In der neueren Literatur wird eine derart umfassende Wirkung der Vorrangwirkung noch vertreten 103 . Nicht nur die Tatsache, daß eine derart 101 So aber Lepa, AöR 105 (1980), 337 (352f.). 102 Sinn (Fn. 97), S. 36f. 103 Ernst-Werner Fuß, Die Verantwortung der nationalen Gerichte für die Wahrung des Europäischen Gemeinschaftsrechts, in: Gedächtnisschrift für Sasse, Bd. 1, 1981, S. 171 (185 ff.); zur älteren Literatur vgl. Eberhard Grabitz, Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht, 1965.

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weitreichende Konsequenz der Vorrangwirkimg zur Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts nicht erforderlich ist, denn dessen volle Wirksamkeit wird auch durch einen relativen Anwendungsvorrang in Form einer „bloßen Überlagerung" verwirklicht 1 0 4 , spricht für die überwiegende Ansicht in der Literatur, die der zunächst genannten nicht folgt 1 0 5 , sondern auch der Umstand, daß damit geltendes Recht aufgrund der Vorrangwirkung des Gemeinschaftsrechtes nichtig wäre, obgleich es in einem gemeinschaftsunabhängigen Bereich weiterhin Wirksamkeit entfalten könnte 1 0 6 . Damit kann die Vorrangwirkung des Gemeinschaftsrechts als solche, da aus ihr nicht die Nichtigkeit des nationalen Rechts folgt und somit die gesetzesändernden Rechtsverordnungen nicht nur deklaratorischen Charakter besitzen, grundsätzlich nicht zur umfassenden Lösung dieses Problems beitragen. Auch soweit man in der neueren Literatur den Verwaltungsbehörden die Kompetenz einräumt, widersprechendes nationales Recht nicht anzuwenden 1 0 7 , kann daraus nicht gefolgert werden, daß erst recht durch den Erlaß einer Rechtsverordnung durch die Exekutivspitze diese Wirkung herbeigeführt werden könne. Auch bei einer Nichtanwendungskompetenz der Verwaltung bezüglich widersprechenden nationalem Recht w i r d die formelle Gesetzeskraft nicht tangiert, sondern lediglich im Rahmen einer relativen Nichtanwendung die materielle Gesetzeskraft eingeschränkt. Aus alledem folgt, daß eine Verordnungsermächtigung wie die in § 71a Entwurf des Weingesetzes nicht verfassungsgemäß wäre und auf diesem Wege daher nicht eine beschleunigte Anpassung gemeinschaftswidriger Gesetze erfolgen könnte. b) Die Zulässigkeit des Verzichts auf Zustimmung des Bundesrates bei Eilbedürftigkeit des Rechtsverordnungserlasses Eine nicht nur im Entwurf vorgesehene, sondern mit Novellierung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen in das Gesetz an vielen Stellen aufgenommene Formulierung ist: 104 In diesem Sinne auch das BVerfG, BVerfGE 31,145 (174), worin davon die Rede ist, daß dem Gemeinschaftsrecht entgegenstehendes nationales Recht von ersterem überlagert und verdrängt wird. 105 In diesem Sinne Zuleeg (Fn. 5), S. 61 ff.; Tomuschat, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 24 (Zweitbearbeiter/April 1981), Rdnr. 81; H. P. Ipsen (Fn. 5), S. 287. 106 So z.B. die nationalen Marktordnungen, welche aufgrund der europäischen Gemeinsamen Marktorganisationen im Verhältnis zu den übrigen Mitgliedstaaten unanwendbar sind, jedoch weiterhin im innerdeutschen Handel Geltung beanspruchen, vgl. Fritz Modest , in: Handwörterbuch des Agrarrechts, Bd. 2, Sp. 424. 107 Scheuing, EuR 1985, 229 (253); Everling , DVB1. 1985, 1201 (1202); Zuleeg (Fn. 5), S. 215.

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„Rechtsverordnungen bedürfen abweichend von Abs. 1 der Zustimmung des Bundesrates, wenn die Behörden der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände oder der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts Maßnahmen nach Abs. 1 durchführen oder an der Durchführung dieser Maßnahmen mitwirken. Rechtsverordnungen nach Abs. 1 können auch in den Fällen des Satz 2 ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden, wenn ihr unverzügliches Inkrafttreten zur Durchführung von Regelungen im Sinne des § 1 Abs. 2 erforderlich ist und ihre Geltungsdauer auf einen bestimmten Zeitraum von höchstens sechs Monaten begrenzt w i r d " 1 0 8 .

Durch die Novellierung des MOG im Jahre 1966 tritt anhand der erheblichen zahlenmäßigen Zunahme von der Zustimmimg des Bundesrates bedürftigen Rechtsverordnungen 109 deutlich ein wachsendes Interesse der Länder an der Durchführung des Gemeinschaftsrechts zutage, welches sicherlich in Verbindung mit den Diskussionen um die Einheitliche Europäische Akte zu sehen ist. Jedoch bedeutet auch dieses Zustimmungserfordernis bereits eine mögliche Verzögerung des nationalen Ausführungsrechts. Um eine solche bei Eilbedürftigkeit einer Ausführungsverordnung zu verhindern, wurde jener in dem obigen Zitat enthaltene Satz 2 eingeführt, daß nämlich bei Eilbedürftigkeit und einer bestimmten zeitlichen Begrenzung der Geltung der Ausführungsverordnung auf die Zustimmung verzichtet werden kann. Die Zulässigkeit einer solchen Klausel richtet sich nach Art. 80 Abs. 2 GG. Danach bedürfen Rechtsverordnungen aufgrund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrag des Bundes oder als eigene Angelegenheiten ausgeführt werden, der Zustimmung des Bundesrates vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung. Aus dem Vorbehalt der anderweitigen bundesgesetzlichen Regelung ist zu folgern, daß durch zustimmungsbedürftiges Gesetz auf das Zustimmungserfordernis bei einer grundsätzlich mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassenden Rechtsverordnung verzichtet werden kann 1 1 0 . Jedoch dürfte die nunmehr im MOG geregelte Einschränkung der Zustimmungsbedürftigkeit aus Gründen der Eilbedürftigkeit des Rechtsverordnungserlasses eine spezielle Ausformung bundesdeutschen Ausführungsrechts sein. Im allgemeinen Bundesrecht wird eine derartige Klausel nur in Fällen besonderen Gefahrenverzuges, wie etwa in § 7 Abs. 2 TierseuchenG 111 ver108 vgl. §§ 6 Abs. 4 Satz 2, 8 Abs. 1, 9 Abs. 1, 12 Abs. 2, 13 Abs. 1, 15, 17 Abs. 3, 21, 31 Abs. 2 und 3 MOG. 109 Während im MOG a.F. lediglich in § 23 ein solches Zustimmungserfordernis enthalten war, ist dieses jetzt i n 12 Verordnungsermächtigungen vorgesehen. 110 Vgl. BVerfGE 28, 66 (76f.); Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Bd. I I I Stand: Januar 1987, Art. 80 Rdnr. 68; Bryde (Fn. 94), Art. 80 Rdnr. 27. 111 I.d.F. der Bekanntmachung vom 28.03.1980, BGBl. I, S. 386.

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wandt. Auch hier darf die ohne Zustimmung des Bundesrates erlassene Rechtsverordnung nur eine bestimmte Zeit Geltung beanspruchen, da § 7 Abs. 2 TierSeuchenG vorschreibt, daß die Rechtsverordnung in diesen Fällen 6 Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft tritt. Trotzdem ist diese Regelung nur bedingt mit denen des MOG vergleichbar, denn hier verlangt eine Sachlage, bei der ein Schaden eintreten würde, wenn nicht die Behörde tätig wird, den Erlaß der Rechtsverordnung. In der Regel sind hierbei Menschen oder Tiere gefährdet. Hingegen führt bei den Ermächtigungen des MOG lediglich der Umstand, daß die unverzügliche Durchführimg des Gemeinschaftsrechtes es erforderlich macht, zu dem Verzicht des Erfordernisses einer Zustimmung. Trotz dieser unterschiedlichen Voraussetzungen wird man auch den weiteren Verzicht auf die Zustimmung des Bundesrates in den Rechtsverordnungsermächtigungen des MOG als mit Art. 80 Abs. 2 GG vereinbar ansehen müssen, da hier das Verfassungsrecht das Zustimmungserfordernis unter eine unbeschränkt vorbehaltliche Regelung in einem zustimmungsbedürftigen Gesetz stellt. Gerade der Vergleich mit der parallelen Regelung im Tierseuchengesetz zeigt, welch hohen Wert der Bundesgesetzgeber der ordnungsgemäßen Durchführung des Gemeinschaftsrechtes einräumt. III. Resumée Die Praxis der Ausführung des Gemeinschaftsrechts, insbesondere der Gemeinsamen Marktorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland läßt zum einen das Bemühen und auch die Phantasie des bundesdeutschen Gesetzgebers erkennen, bei der Ausführungsgesetzgebung gesetzgebungstechnisch in möglichst optimaler Weise auf das Gemeinschaftsrecht zu reagieren. Trotz der Sonderstellung des Ausführungsrechts, die darin besteht, daß der Bundesgesetzgeber ergänzend zu den Rechtssätzen der Europäischen Gemeinschaft tätig wird, welcher er selbst aufgrund des Art. 24 Abs. 1 GG die Befugnis übertragen hat, im innerstaatlichen Bereich wirkendes Recht zu erlassen, müssen bei seinem Erlaß die allgemeinen Grenzen der Verfassung beachtet werden. Demzufolge sind auch beim Ausführungsrecht gesetzesändernde Verordnungen als verfassungswidrig und daher als unzulässig anzusehen. Demgegenüber führt jedoch Art. 24 Abs. 1 GG insoweit zu einer Modifikation bei der Auslegung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, als daß hier das Erfordernis der Bestimmbarkeit und Vorhersehbarkeit von Verordnungen aufgrund einer Rechtsverordnungsermächtigung weit auszulegen ist. Ebenfalls als verfassungsrechtlich unbedenklich sind die Bezugnahmen auf

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das Gemeinschaftsrecht im Ausführungsrecht anzusehen, da es hier aufgrund der Übertragung von Hoheitsrechten aus Art. 24 Abs. 1 GG an einer unzulässigen Entäußerung der Gesetzgebungsgewalt mangelt. Sowohl die beiden letztgenannten Techniken der Ausführungsgesetzgebung als aber auch die Beschränkung der Zustimmungsbedürftigkeit bei dem Erlaß von Rechtsverordnungen zeigen, daß das Grundgesetz einen breiten Raum zur Gestaltung des Ausführungsrechtes anbietet. Die dadurch bedingte Flexibilität der Gestaltung läßt auch das Grundgesetz in einem neuen Licht erscheinen, denn der Umfang der inzwischen erreichten europäischen Integration, die gleichzeitig gewachsene Verzahnung der Rechtsordnungen und die aufgezeigten Möglichkeiten des Ausführungsgesetzgebers innerhalb der Schranken des Grundgesetzes dürften den Vätern desselben bei Erlaß des Grundgesetzes nicht einmal erahnbar gewesen sein. Damit läßt die Rechtsmaterie des Ausführungsrechtes den schützenden und doch offenen Aufbau des Grundgesetzes zutage treten, der auch das föderative Prinzip, wie Art. 80 Abs. 2 GG insbesondere in der Ausformung im MOG zeigt, in das Ausführungsrecht zu integrieren vermag.

ZWEITER TEIL

Objektives Recht und subjektive Rechte

Die Schutznormtheorie im Wandel* Von Hartmut Bauer I. Die Schutznormtheorie als Problem des öffentlichen Rechts In dem Rahmenthema „Objektives Recht und subjektive Rechte" spielt die Schutznormtheorie 1 eine wichtige Schlüsselrolle, weil sie nach der in Literatur und Rechtsprechung noch immer vorherrschenden Meinung von ausschlaggebender Bedeutung für die Begründung subjektiver öffentlicher Rechte der Bürger ist 2 . Danach hängt die Gewährung solcher Rechte von * Für fruchtbare Gespräche zum Thema „Schutznormtheorie" im Vorfeld der Tagung danke ich Rolf Gröschner, Klaus Meßerschmidt, Eduard Meyer-Tscheppe und Martin Schulte. - Der nachstehende Text wurde aus Zeitgründen nur teilweise vorgetragen. 1 Der Sprachgebrauch ist nicht ganz einheitlich. Neben dem heute wohl überwiegend verwendeten Begriff „Schutznormtheorie" finden sich zuweilen auch Bezeichnungen wie „Schutzzwecktheorie" (z.B. Wahl), „Schutztheorie" (Stelkens), „Schutznormlehre" (z.B. Schmidt-Aßmann), „Schutzzwecklehre" (z.B. Ramsauer), „Schutzgesetzlehre" (Tschira / Schmitt Glaeser) und - mit kritischer Grundhaltung „Schutznormthese" (Joachim Martens) sowie „Schutznormdoktrin" (z.B. Suhr)\ verbreitet ist auch von der in Anführungszeichen gesetzten sog. „Schutznormtheorie" die Rede (z.B. Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 1986, S. 358). Siehe zur uneinheitlichen Begrifflichkeit auch Geist-Schell, Verfahrensfehler und Schutznormtheorie, 1988, S. 20. In der Sache selbst verbinden sich mit diesen terminologischen Abweichungen jedoch keine unterschiedlichen Vorstellungen. Immerhin läßt aber schon diese schwankende Terminologie Zweifel daran aufkommen, ob der „Theoriebegriff" ernst zu nehmen ist, ob es sich bei der „sogenannten Schutznormtheorie" also tatsächlich um eine wissenschaftlichen Anforderungen genügende Theorie handelt. Besonders deutliche Vorbehalte wurden diesbezüglich jüngst von Rehbinder angemeldet (56. Deutscher Juristentag, Sitzungsbericht L, 1986, S. 150ff. (151): „Ich kann i n der sog. Schutznormtheorie auch nicht den Hauch einer einigermaßen widerspruchsfrei, konzeptionell sauber gearbeiteten Theorie erkennen."). 2 Z.B. Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1985, S. 66ff.; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1985, S. 131 ff.; Berger, Grundfragen umweltrechtlicher Nachbarklagen, 1982, S. 97ff., 144ff., 172ff.; Gassner, Anfechtungsrechte Dritter und „Schutzgesetze", DÖV 1981, 615ff.; Jarass, Der Rechtsschutz Dritter bei der Genehmigung von Anlagen, NJW 1983, 2844ff.; Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u.a. (Hrsg.), Festschrift Menger, 1985, S. 191 ff. (201 ff.); Langer, Staatshaftung für Waldschäden wegen Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten?, NVwZ 1987, 195ff. (197); Ramsauer, Die Rolle der Grundrechte im System der subjektiven öffentlichen Rechte, AöR 111 (1986), 501 ff. (509 ff.); Ronellenfitsch / Wolf, Ausbau des Individualschutzes gegen Umweltbelastungen als Aufgabe des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts?, NJW 1986, 1955ff. (1955f.); Schmidt-Aßmann, Funktionen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Erichsen u.a. (Hrsg.), Festschrift Menger, 1985, S. 107ff. (122); Sachs, Zur dogmatischen Struktur der Gleichheitsrechte als Abwehrrechte, DÖV 1984, 411ff. (411f.); 8 Gegenwartsfragen

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Hartmut Bauer

dem Vorliegen eines Rechtssatzes ab, der „ n i c h t n u r d e m öffentlichen I n t e r esse, sondern - zumindest auch - dem Interesse einzelner Bürger z u dienen b e s t i m m t i s t " 3 . F ü r den Bestand s u b j e k t i v e r Rechte des einzelnen soll also der gesetzlich bezweckte Interessenschutz maßgebend sein: Ist der jeweilige Rechtssatz (zumindest auch) z u m Schutz der I n d i v i d u a l i n t e r e s s e n des B ü r gers erlassen, so begründet er f ü r diesen s u b j e k t i v e öffentliche Rechte, w ä h r e n d er b e i einer ausschließlich auf öffentliche

Interessen

bezogenen

S c h u t z r i c h t u n g den einzelnen allenfalls „ r e f l e x a r t i g " 4 begünstigt. D i e i n h a l t l i c h d a m i t i n groben Z ü g e n wiedergegebene Schutznormtheorie i m allgemeinen u n d ihre A n w e n d u n g i m besonderen s i n d b e k a n n t l i c h m i t erheblichen Unsicherheiten behaftet. So ist beispielsweise schon zweifelhaft, ob diese Theorie d e m Verwaltungsprozeßrecht 5 oder dem m a t e r i e l l e n öffentlichen R e c h t 6 zuzuordnen i s t 7 . N i c h t abschließend g e k l ä r t ist, ob sie n u r f ü r die E r m i t t l u n g v e r w a l t u n g s r e c h t l i c h e r s u b j e k t i v e r Rechte 8 oder auch f ü r die B e s t i m m i m g des s u b j e k t i v - r e c h t l i c h e n Charakters der G r u n d rechte 9 herangezogen w e r d e n muß. A l s w e i t h i n u n g e k l ä r t gelten k a n n ferner Sellner, Ausbau des Individualschutzes gegen Umweltbelastungen als Aufgabe des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts, 56. Deutscher Juristentag, Sitzungsbericht L, 1986, S. 8ff. Aus der Rechtsprechung siehe z.B. BVerfGE 27, 297 (307); BVerwGE 28, 268 (270); 41, 58 (63); 52, 122 (128); 65, 167 (171ff.); 65, 313 (320); 66, 307 (308); BVerwG, NVwZ 1987, 409f.; DVB1.1987,1267ff.; BFH, NVwZ 1985, 375f. Zahlreiche weit. Nachw. bei Marburger, Ausbau des Individualschutzes gegen Umweltbelastungen als Aufgabe des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts, 56. Deutscher Juristentag, Gutachten C, 1986, S. 18ff., 29ff., 97; Kopp, VwGO, 7. Aufl., 1986, Rdnr. 48ff. zu § 42 und Erbguth, Raumbedeutsames Umweltrecht, 1986, S. 313ff. 3 Vgl. statt vieler Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., 1986, S. 120. 4 Siehe zur Figur des „Rechtsreflexes" etwa Bühler, Altes und Neues über Begriff und Bedeutung der subjektiven öffentlichen Rechte, in: Bachof u.a. (Hrsg.), Gedächtnisschrift Walter Jellinek, 1955, S. 269ff. (278ff.); Bachof, Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, ebd., S. 287ff.; Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., 1974, S. 322ff.; Battis (Fn. 2), S. 68. 5 Siehe etwa Stüer, Das Eigentum als subjektiv-öffentliches Recht und als abwägungserheblicher Belang in der Planfeststellung, NuR 1981, 149ff. (150: „ . . . die zu § 42 Abs. 2 VwGO entwickelte Schutznormtheorie") und Hufen, Heilung und Unbeachtlichkeit grundrechtsrelevanter Verfahrensfehler?, NJW1982, 2160ff. (2161: „prozessuale Schutzzwecktheorie"). 6 Vgl. Breuer, Ausbau des Individualschutzes gegen Umweltbelastungen als Aufgabe des öffentlichen Rechts, DVB1. 1986, 849ff. (854). 7 Eng damit verbunden ist die weitere Frage, inwieweit Probleme der Schutznormtheorie und des subjektiven öffentlichen Rechts im Rahmen der Zulässigkeits- (§ 42 Abs. 2 VwGO) oder der Begründetheitsprüfung (vgl. § 113 VwGO) abzuklären sind; hierzu etwa Stüer, NuR 1981, 149ff. (150ff., 152ff.). 8 So Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig u.a., Grundgesetz, Kommentar, Lieferung: 1985, Rdnr. 116ff. zu Art. 19 Abs. 4 GG, der zwischen den beiden Kategorien „Grundrechte als subjektive Rechte" (Rdnr. 121 ff.) und „Subjektive Rechte des einfachen Rechts (Schutznormlehre)" (Rdnr. 127ff.) unterscheidet. Vgl. auch die Darstellung und die K r i t i k der herrschenden Lehre bei Maurer (Fn. 3), S. 117 ff. sowie Bleckmann, Die Klagebefugnis im verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsverfahren, VB1BW 1985, 361 ff. (361). 9 So etwa Lerche, Wirtschaftliche Agenda der Gemeinden und Klagerecht Privater, JurA 1970, 821 ff. (831 f. Fn. 40); Pietzcker, „Grundrechtsbetroffenheit" in der ver-

Schutznormtheorie i m Wandel die

Bedeutung

des Verfassungsrechts

bei

der

115 schutznormorientierten

B e g r ü n d u n g (einfacher) s u b j e k t i v e r öffentlicher Rechte 1 0 . Zusätzliche Probleme ergeben sich außerdem aus der E n t w i c k l u n g neuer „ A r g u m e n t a t i o n s f i g u r e n " w i e n a m e n t l i c h des Gebots der R ü c k s i c h t n a h m e 1 1 , die sich z u m i n dest n i c h t nahtlos i n die h e r k ö m m l i c h e S c h u t z n o r m d o g m a t i k einfügen lassen 1 2 . U n d schließlich b i l d e t die S c h u t z n o r m t h e o r i e den rechtsdogmatischen A u s g a n g s p u n k t f ü r eine verbreitet als kasuistisch eingestufte Rechtsprechungspraxis13. Angesichts dieses Befundes v e r w u n d e r t es n i c h t , daß die i m öffentlichen Recht der k o n s t i t u t i o n e l l e n M o n a r c h i e w u r z e l n d e 1 4 herrschende M e i n u n g waltungsrechtlichen Dogmatik, in: Püttner (Hrsg.), Festschrift Bachof, 1984, S. 131 ff. (140); Sachs, DÖV 1984, 411 ff. (411 f.); ders., Unterlassungsansprüche gegen hoheitliche Immissionen aus § 22 BImSchG, NVwZ 1988, 127ff. (129). 10 Siehe dazu an dieser Stelle nur Pietzcker (Fn. 9), S. 138ff.; Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 81 ff.; ders. (Fn. 2), S. 205ff.; jeweils m. w. N. und neuerdings Kunig, „Dritte" und Nachbarn im Immissionsschutzrecht, in: Selmer u.a. (Hrsg.), Gedächtnisschrift Wolfgang Martens, 1987, S. 598ff. (601f.), der darauf hinweist, daß sich Schutznormtheorie, Rücksichtnahmegebot und die Aktivierung verschiedener Grundrechtspositionen i n unübersichtlicher Weise vermengt haben, und i n diesem Zusammenhang treffend von einem „argumentativen Sumpf" spricht. 11 Dazu aus jüngerer Zeit etwa Martin Schulte, Die dogmatischen Grundlagen des Rücksichtnahmegebotes im Baurecht, UPR 1984, 212ff.; Redeker, Das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme, DVB1. 1984, 870ff.; Schlichter, Das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme, DVB1. 1984, 875ff.; Peine, Das Gebot der Rücksichtnahme im baurechtlichen Nachbarschutz, DÖV 1984, 963ff.; Dürr, Das Gebot der Rücksichtnahme - eine Generalklausel des Nachbarschutzes im öffentlichen Baurecht, NVwZ 1985, 719ff.; Jade, Planungsgebot - Abwägungsgebot - Rücksichtnahmegebot, BayVBl. 1985, 577ff.; Schröer, Naht das Ende des Gebotes der Rücksichtnahme im Baurecht, BauR 1985, 406ff.; Geiger, Die Bedeutung des Gebots der Rücksichtnahme für den Nachbarschutz, JA 1986, 76ff.; Stühler, Zur Geschichte und methodologischen Einordnung des Gebots der Rücksichtnahme im privaten und öffentlichen Nachbarrecht, VB1BW 1987, 126ff. sowie Alexy, Das Gebot der Rücksichtnahme im baurechtlichen Nachbarschutz, DÖV 1984, 953 ff., der zutreffend auf die über das Baurecht hinausweisende „Expansionskraft des Rücksichtnahmegebots" aufmerksam macht (955 m. Nachw.); jeweils m.w.N. auf die umfangreiche Literatur. Das BVerwG verfolgte zunächst tendenziell die Linie, den Anwendungsbereich des Rücksichtnahmegebots im wesentlichen auf das Baurecht zu beschränken (BVerwGE 66, 307 (308f.) - 7. Senat; vgl. hierzu auch Jade, BayVBl. 1985, 577 ff. (insbes. 577 Fn. 1)); mittlerweile ist durch die Verankerung des Rücksichtnahmegebots (auch) im Wasserrecht (BVerwG, DVB1. 1987, 1267ff. - 4. Senat m. Anm. Kunig, DVB1. 1988, 237ff.) freilich auch dieser Damm weggeschwemmt worden. 12 So sieht beispielsweise Geist-Schell (Fn. 1), S. 36ff. die Anerkennung eines nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots als „Durchbrechung der Schutznormtheorie" an. In der Rechtspraxis fungiert das Rücksichtnahmegebot als eine flexibel handhabbare Argumentationsfigur zur Erweiterung des ursprünglich nach den Kriterien der Schutznormtheorie festgestellten, mittlerweile aber offenbar als zu eng empfundenen Nachbarschutzes (vgl. hierzu etwa Redeker, DVB1. 1984, 870ff. (insbes. 874); Schlichter, DVB1.1984, 875ff. (877) und Marburger (Fn. 2), S. 33; instruktiv jetzt auch Berkemann, Rechtsfortbildung - Aspekte tatsächlichen Richterverhaltens, KritV 1988, 29 ff. (38)). So gesehen erweist sich das Rücksichtnahmegebot letztlich als eine von mehreren Hilfskonstruktionen zur „Aufweichung" der traditionellen Schutznormtheorie und der auf ihr basierenden Ergebnisse. 13 Dazu unten III. 3. 8'

116

Hartmut Bauer

nicht unwidersprochen geblieben ist. Vielmehr wurden die Schutznormtheorie und die darauf aufbauende Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes wiederholt mit dem Ziel einer grundsätzlichen Neuorientierung kritisch hinterfragt 15 . Gegenstand der K r i t i k waren u.a. die zu geringe Berücksichtigung des (gewandelten) Verfassungsrechts 16, die Ausblendung der tatsächlichen Wirkungen der 14 Die heutige „Schutznormtheorie" geht - worauf hier nur hingewiesen werden kann - auf die Rechtsentwicklung des Spätkonstitutionalismus zurück und war ursprünglich als „Schutznorm"- oder „Schutzzweckkriterium" integrierter Bestandteil der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht. Letztere ist zwischenzeitlich mehreren Modifikationen und Akzentverschiebungen unterworfen gewesen, die u. a. dazu führten, daß sich das ursprüngliche Konstitutionsmerkmal des subjektiven öffentlichen Rechts („Schutznorm") zunehmend verselbständigte und schließlich sogar zur Schutznormtheorie avancierte. Vgl. zum Ganzen eingehender Hartmut Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 69ff. (80ff.), 90ff., 94ff. (100f.), 129ff. (140ff.). 15 Die Liste der Kritiker ist - was von den Vertretern der herrschenden Meinung gelegentlich übersehen wird - lang. Vgl. zur K r i t i k etwa Bartlsperger, Das Dilemma des baulichen Nachbarrechts, VerwArch 60 (1969), 35ff. (47ff.); ders., Der Rechtsanspruch auf Beachtung von Vorschriften des VerwaltungsVerfahrensrechts, DVB1. 1970, 30ff.; ders., Subjektives öffentliches Recht und störungspräventive Baunachbarklage, DVB1. 1971, 723ff.; Bernhardt, Zur Anfechtung von Verwaltungsakten durch Dritte, JZ 1963, 302ff.; Bleckmann, VB1BW 1985, 361ff.; Bothe, Die Entscheidung zwischen öffentlich-rechtlich geschützten Positionen Privater durch Verwaltung und Gerichte, JZ 1975, 399ff.; Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, VVDStRL 30 (1972), 245 ff. (insbes. 271 ff.); Wilhelm Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 57ff., 86ff. und passim (vgl. aber auch ders., Das subjektive Recht im System des öffentlichen Rechts, DÖV 1980, 621 ff. (621)); Ladeur, Die Schutznormtheorie - Hindernis auf dem Weg zu einer modernen Dogmatik der planerischen Abwägimg?, UPR 1984, l f f . (zu planungsrechtlichen Problemstellungen); Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 5lff.; Joachim Martens, Der verwaltungsrechtliche Nachbarschutz - eine unendliche Geschichte?, NJW 1985, 2302ff.; ders., Der Bürger als Verwaltungsuntertan?, KritV 1986, 104ff.; Mayer-Tasch, Umweltrecht im Wandel, 1978, S. 82ff.; Peine, DÖV 1984, 963ff. (969f.); Sailer, Subjektives Recht und Umweltschutz, DVB1. 1976, 52lff.; ders., Naturschutz ohne Rechtsschutz?, NuR 1987, 207ff. (211ff.); Reiner Schmidt, Der Rechtsschutz des Konkurrenten im Verwaltungsprozeß, NJW 1967, 1635ff.; Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971, insbes. S. 90ff., 122ff.; ders., Die öffentlich-rechtliche Konkurrentenklage i n der Rechtsprechung der Verwaltungs- und Zivilgerichte, WiR 1972, 35ff. (insbes. 53 ff.); Sening, Systemdynamische und energetische Überlegungen zur Klagebefugnis im Naturschutzrecht, NuR 1979, 9ff.; ders., Abschied von der Schutznormtheorie im Naturschutzrecht, NuR 1980,102ff.; ders., Umweltzerstörung, Recht und Information, NuR 1985,125ff. (131); Suhr, Immissionsschäden vor Gericht, 1986, insbes. S. HOff.; ders., Grundrechte in sterbender Umwelt, in: Baumann (Hrsg.), Rechtsschutz für den Wald, 1986, S. 45ff.; Zuleeg, Hat das subjektive öffentliche Recht noch eine Daseinsberechtigung?, DVB1. 1976, 509ff. (514ff.). Auch in der Lehrbuchliteratur ist K r i t i k an der herrschenden Lehre verbreitet; vgl. etwa Maurer (Fn. 3), S. 123ff.; Tschira / Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 7. Aufl., 1985, S. 91 ff.; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, S. 97f., 309 sowie neuerdings auch die Bedenken bei Erichsen, in: Erichsen / Martens (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., 1988, S. 158 ff. Und schließlich finden sich auch i n der Rechtsprechung Vorstöße, die von der Schutznormtheorie wegführen; siehe dazu etwa die vielbeachtete, mittlerweile vom BVerwG (NVwZ 1984, 38f.) allerdings aufgehobene Entscheidung des OVG Münster, NVwZ 1983, 414ff. zum Baunachbarrecht. 16 Z.B. Bernhardt, JZ 1963, 302ff. (306f., 308); Reiner Schmidt, NJW 1967, 1635ff. (16371, 1639, 1640f.); Bartlsperger, DVB1. 1971, 724ff.; Lorenz (Fn. 15), insbes. S. 62ff.; Sailer, DVB1. 1976, 521ff.; Zuleeg, DVB1. 1976, 509ff. (514ff.).

Schutznormtheorie i m Wandel

117

jeweiligen konkreten Normen (bzw. Normanwendung) 17 und die Unvorhersehbarkeit sowie die Widersprüchlichkeit der unter Heranziehung der Schutznormtheorie gewonnenen Ergebnisse 18 . Vor allem in den sechziger und siebziger Jahren wurde dabei nicht selten für einen „Abschied von der Schutznormtheorie" plädiert 1 9 , eine Abkehr von der Schutznormtheorie als ein Gebot des Grundgesetzes angesehen20 oder zumindest die schutznormorientierte Begründung subjektiver öffentlicher Rechte stark zurückgedrängt. War demnach lange Zeit eine tendenziell von der Schutznormtheorie wegführende Grundströmimg zu beobachten, so dürfte sich gegen Mitte der achtziger Jahre das Blatt erneut gewendet haben. In jüngerer Zeit ist nämlich eine gewisse „Renaissance" des Schutznormdenkens und der - heute überwiegend als Bestandteil der einfachrechtlichen Dogmatik begriffenen Schutznormtheorie feststellbar 21 . Ihren vorläufigen Höhepunkt erlebte diese Gegenbewegung auf dem 56. Deutschen Juristentag, als sich eine geradezu erdrückende Mehrheit der dort in erster Linie für das Umweltrecht aufgestellten These anschloß, die Schutznormtheorie habe sich „grundsätzlich bewährt" 2 2 . Freilich konzedierte man auch auf dem Berliner Juristentag ein „spekulative(s) Element, das die Schutznormtheorie enthält" 2 3 , und forderte größere oder kleinere Korrekturen innerhalb der herrschenden Lehre 24 . Das entspricht einer unter den Vertretern der „herrschenden" Mei17 Vgl. hierzu vor allem Wilhelm Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 54, 57, 60f. und Bartlsperger, VerwArch 60 (1969), 35ff. (49) sowie ders., DVB1. 1971, 723ff. (723, 728ff.). 18 Statt vieler Zuleeg, DVB1. 1976, 509ff. (511): Die mit der Schutznorm- oder Schutzzwecktheorie erzielten Ergebnisse sind „widersprüchlich und leuchten nicht ein". 19 So noch Anfang der achtziger Jahre Sening, NuR 1980,102 ff. zum Naturschutzrecht; vgl. dazu auch die sich unter dem Titel „Rettung der Umwelt durch Aufgabe der Schutznormtheorie?" anschließende Kontroverse zwischen Keller und Sening, BayVBl. 1981, 681ff.; 1982, 428ff. 20 Bothe, JZ 1975, 399ff. (401): „Die Abkehr von der Schutznormtheorie ist zweifellos durch das Grundgesetz geboten". Ähnlich schon Meyer-Tscheppe, Das subjektive öffentliche Recht auf den verschiedenen Stufen seiner Konkretisierung, vom Autor genehmigte maschinenschriftliche Abschrift einer unleserlichen handschriftlichen Vortragsfassimg (Assistententagung 1957), S. 19f.: „Unter dem Grundgesetz bedarf das subjektive öffentliche Recht einer grundsätzlichen Neubestimmung. Eine solche Neubestimmung verlangt namentlich auch die Abkehr von dem sog. Schutznormkriterium" . 21 Z.B. Berger (Fn. 2); Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 127ff. zu Art. 19 Abs. 4 GG; ders. (Fn. 2), S. 122f.; Krebs (Fn. 2), S. 203; Ramsauer, AöR 111 (1986), 501ff. (509ff.); Marburger (Fn. 2) m.w.N.; ders., These I zum Gutachten für den 56. Deutschen Juristentag; Seilner, These I zum Referat auf dem 56. Deutschen Juristentag (Sitzungsbericht L, S. 42). Völlig verstummt ist die K r i t i k an der Schutznormtheorie freilich auch in den achtziger Jahren nicht; siehe nur etwa Peine, DÖV 1984, 963ff. (970: „Auf dem Boden dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben ist die Schutznormtheorie aufzugeben."). 22 Sitzimgsbericht L zum 56. Deutschen Juristentag, 1986, S. 263. 23 So die erwähnte These von Seltner (Fn. 21).

118

Hartmut Bauer

nung durchaus verbreiteten Übung, im gedanklichen Ansatz zwar prinzipiell an der Schutznormtheorie festzuhalten, gleichzeitig aber für eine Änderung, Ergänzung oder Modifikation der mit dieser Theorie verbundenen Einzelaussagen einzutreten 25 . Es überrascht deshalb nicht, wenn heute zum Teil bereits zwischen „älteren und jüngeren Fassungen" der Schutznormtheorie unterschieden w i r d und die für „das derzeitige Verständnis" maßgebenden Punkte dieser Lehre herausgearbeitet werden 26 . Obwohl die herrschende Meinung also einerseits mit Nachdruck die Schutznormtheorie fortführen will, gibt es andererseits doch auch unübersehbare Anzeichen für einen Wandel der damit verbundenen inhaltlichen Vorstellungen. Den augenfälligsten Beleg hierfür liefert die in vielen Regelungsbereichen zu konstatierende „Expansion" 2 7 bzw. „Zunahme subjektiver öffentlicher Rechte" 28 . A l l dies sollte Anlaß genug sein, sich über die Gehalte der Schutznormlehren älterer und neuerer Provenienz Gedanken zu machen (II), die Leistimgsfähigkeit dieser Theorien zu überprüfen (III, IV) und - gegebenenfalls - Ausschau nach solchen Ansätzen zur Begründung subjektiver öffentlicher Rechte zu halten, die ohne Rückgriff auf die Schutznormtheorie auskommen (V).

24 Siehe dazu nur die Vorbehalte gegenüber Einzelaspekten der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum öffentlichen Baunachbarrecht i n der These von Marburger (Fn. 21). 25 Die Forderung nach derartigen (unterschiedlichen) Modifikationen findet sich u.a. bei Breuer, Baurechtlicher Nachbarschutz, DVB1. 1983, 431ff. (436f.); ders., DVB1. 1986, 849ff. (854); Schenke, Baurechtlicher Nachbarschutz, NuR 1983, 81ff.; Schlichter, Baurechtlicher Nachbarschutz, NVwZ 1983, 641 ff.; Steinberg, Grundfragen des öffentlichen Nachbarrechts, NJW 1984, 457ff. (460); Wahl, Der Nachbarschutz im Baurecht, JuS 1984, 577ff. (585f.); vgl. auch Alexy, DÖV 1984, 953ff. (961f.); Bleckmann, DVB1. 1986, 666f. (667); Maurer (Fn. 3), S. 123ff. und Tschira / Schmitt Glaeser (Fn. 15), S. 91 ff. sowie die demnächst erscheinende Kommentierung zum BauGB von Schlichter / Stich, Vorbemerkung zu §§ 29ff. BauGB Rdnr. 11. 26 So Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 128 zu Art. 19 Abs. 4 GG. Vgl. auch Winter, Bevölkerungsrisiko und subjektives öffentliches Recht im Atomrecht, NJW 1979, 393 ff., der schon vor knapp zehn Jahren i m Meinungsspektrum mehrere verschiedene Schutznormtheorien ausmachte und zwischen einer „Schutznormtheorie der Rechtsdogmatik" und einer „Schutznormtheorie der Rechtspraxis" (394) sowie zwischen einer „alten" und einer „neuen" Schutznormtheorie (397) unterschied; ferner Ladeur, UPR 1984,1 ff., der auf Unterschiede zwischen der „ursprünglichen Form der Schutznormtheorie" und deren heutiger Lesart aufmerksam macht. 27 Isensee, Der Zugang zum öffentlichen Dienst, in: Bachof u.a. (Hrsg.), Festgabe BVerwG, 1978, S. 337ff. (337). 28 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, 1982, S. 22.

119

Schutznormtheorie i m Wandel I I . D i e älteren und neueren Fassungen der Schutznormtheorie 1. Die älteren „Schutznormtheorien"

W i e bereits e r w ä h n t , geht das heute zur „ S c h u t z n o r m t h e o r i e " avancierte S c h u t z n o r m d e n k e n auf die R e c h t s e n t w i c k l u n g des S p ä t k o n s t i t u t i o n a l i s m u s zurück. D a m a l s setzte sich die A n s i c h t durch, daß ein o b j e k t i v e r „Rechtssatz subjektive öffentliche Rechte" f ü r die „ U n t e r t a n e n . . . n u r d a n n z u r E n t s t e h u n g (bringt), w e n n er . . . z u r Befriedigung i h r e r I n d i v i d u a l i n t e r e s sen u n d n i c h t n u r i m Interesse der A l l g e m e i n h e i t erlassen i s t . . , " 2 9 . D a b e i w u r d e die „ B e s t i m m u n g " des Rechtssatzes „ z u m Schutz v o n I n d i v i d u a l i n teressen" 3 0 u r s p r ü n g l i c h als B e g r i f f s m e r k m a l u n d Voraussetzung der subj e k t i v e n öffentlichen Rechte der U n t e r t a n e n v e r s t a n d e n 3 1 u n d beanspruchte dementsprechend G e l t u n g f ü r sämtliche 32

s u b j e k t i v e n öffentlichen Rechte

der einzelnen. D i e d a r a u f aufbauende Lehre v o n den s u b j e k t i v e n ö f f e n t l i chen Rechten der U n t e r t a n e n 3 3 w a r schon u m die J a h r h u n d e r t w e n d e Gegenstand heftiger K o n t r o v e r s e n 3 4 , auf die hier n i c h t einzugehen ist. A n dieser Stelle muß es v i e l m e h r genügen, die älteren „ S c h u t z n o r m t h e o r i e n " exemp l a r i s c h a n h a n d der S c h u t z n o r m k o n z e p t i o n v o n Ottmar

Bühler

vorzustel-

len. Diese Beschränkung läßt sich d a m i t rechtfertigen, daß die v o n

Bühler

29 Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 21; Klammerzusatz hinzugefügt. Die weiteren dort genannten Voraussetzungen haben heute in dem hier interessierenden Zusammenhang keine zentrale Bedeutung mehr. so Bühler (Fn. 29), S. 42. 31 Bühler (Fn. 29), S. 21 (Voraussetzung), 224 (Definition). 32 Zu dieser Hervorhebung besteht vor allem aus zwei Gründen Anlaß: Zum einen wurde das Schutznormkriterium damals auch zur Begründimg des subjektiv-rechtlichen Charakters der Grundrechte herangezogen (so z.B. von Bühler (Fn. 29), S. 43f., 61 ff.; vgl. aber auch sogleich unten Fn. 38), was heute nicht mehr selbstverständlich ist. Und zum anderen wurde das Schutznormkriterium ursprünglich auch für die Ermittlung von subjektiven öffentlichen Rechten des Adressaten herangezogen; der heute gelegentlich zu beobachtende gedankliche Dreischritt „subjektives öffentliches Recht" - „Schutznormtheorie" - „Drittrechte" (vgl. etwa Kunig (Fn. 10), S. 601, der die Kategorie der „Schutznorm" als „Überschrift für Probleme des verwaltungsgerichtlichen Drittschutzes" bezeichnet) war der damaligen Dogmatik noch fremd. 33 Nur am Rande sei darauf hingewiesen, daß sich die damalige Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht vielfach nicht auf Rechtspositionen der einzelnen beschränkte, sondern insbesondere auch subjektive öffentliche Rechte des Staates anerkannte (so z.B. Bühler (Fn. 29), S. 6f., 132ff.; dersVerwArch 27 (1919), 283ff. (294)). Zu einseitig ist es deshalb, wenn bei heutigen „Ex-Post-Betrachtungen" der „klassischen Lehre von den subjektiven öffentlichen Rechten" diese Lehre auf Rechtspositionen der Bürger verengt wird (so aber Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 ff. (503f.)); vgl. hierzu und zur heutigen Problematik dieser Rechte Jan Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977, S. 154ff.; Hartmut Bauer, Subjektive öffentliche Rechte des Staates, DVB1. 1986, 208ff. m.w.N. sowie Martens, KritV 1986, 104ff. (insbes. 116f.). 34 Vgl. nur Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905 (Fotomechanischer Nachdruck, 1963); Giese, Die Grundrechte, 1905, S. 27ff., 43ff., 54ff., 62ff., 75f.; Bühler (Fn. 29); ferner Thoma, Das System der subjektiven öffentlichen Rechte und Pflichten, HdbDStR II, 1932, S. 607ff.; jeweils m.w.N.

Hartmut Bauer

120

1914 e n t w i c k e l t e Lehre die weitere R e c h t s e n t w i c k l u n g n a c h h a l t i g beeinflußte u n d bis i n die Gegenwart h i n e i n als „ g r u n d l e g e n d " eingestuft w i r d 3 5 . Sie k a n n deshalb als Musterbeispiel f ü r die älteren „ S c h u t z n o r m t h e o r i e n " angesehen werden. I n Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t einer bereits damals verbreiteten M e i n u n g 3 6 setzte n a c h A n s i c h t v o n Ottmar

Bühler

die A n e r k e n n u n g eines s u b j e k t i v e n

öffentlichen Rechts das Vorliegen eines „ o b j e k t i v e n Rechtssatzes" voraus, der z u m „ S c h u t z v o n I n d i v i d u a l i n t e r e s s e n " b e s t i m m t ist. D a b e i g i n g Bühler d a v o n aus, daß es v o n „gewissen Rechtssätzen . . . ohne weiteres k l a r (sei), daß sie n i c h t z u m Schutz v o n I n d i v i d u a l i n t e r e s s e n geschaffen s i n d " , so z.B. v o n b e s t i m m t e n Regelungen des Staatsorganisationsrechts 3 7 . A u f der ander e n Seite gäbe es aber auch Rechtssätze, die „ u n z w e i f e l h a f t z u m Schutz v o n I n d i v i d u a l i n t e r e s s e n geschaffen" sind; h i e r z u zählte Bühler Grundrechte,

u.a. „ d i e sog.

. . . die den Schutz des Eigentums u n d der persönlichen F r e i -

h e i t . . . usw. des E i n z e l n e n sichern s o l l e n " 3 8 . Z w i s c h e n diesen beiden N o r m k o m p l e x e n liege aber - so Bühler

weiter -

„ e i n erhebliches Gebiet zweifelhafter F ä l l e " . I n diesen F ä l l e n w u r d e f ü r die E r m i t t l u n g der Interessenschutzrichtung folgende E m p f e h l u n g gegeben: 35 Siehe etwa Ronellenfitsch / Wolf, NJW 1986, 1955ff. (1955 Fn. 8: „Grundlegend"); Marburger (Fn. 2), S. 19 Fn. 47 („In der Literatur grundlegend"); Stüer, NuR 1981, 149ff. (151 Fn. 15: „Die von Bühler . . . begründete Schutznormtheorie . . . " ) ; ferner Wolff / Bachof (Fn. 4), S. 327; Wilhelm Henke, Zur Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, in: Schneider u.a. (Hrsg.), Festschrift Weber, 1974, S. 495ff. (495); Ress, Das subjektive öffentliche Recht, in: Ermacora u.a., Allgemeines Verwaltungsrecht, 1979, S. 105ff. (112); Löwer, Rechtskontrolle von Straßenplanungsentscheidungen, in: Azizi u.a. (Gesamtredaktion), Rechtsstaat und Planung, 1982, S. 73ff. (85); Sening, NuR 1980, 102ff. (104). Die Wurzeln des Schutznormdenkens reichen freilich weit über Bühler zurück. 36 Vgl. etwa Jellinek (Fn. 34), S. 69ff.; Giese (Fn. 34), S. 70, 71f.; ferner Bauer (Fn. 14), S. 73ff., 77 f., 80ff. m.w.N. 37 Fn. 29, S. 43; Klammerzusatz hinzugefügt. 38 Ebenda, S. 43f.; Hervorhebung hinzugefügt. Der subjektiv-rechtliche Charakter der Grundrechte war im Spätkonstitutionalismus zwar äußerst umstritten, wurde aber - mit teilweise unterschiedlichen Konstruktionen und Begründungen - nicht nur von Bühler, sondern auch von zahlreichen anderen namhaften Staatsrechtslehrern bejaht (zum damaligen Streitstand siehe z.B. Giese (Fn. 34), insbes. S. 35ff.; Meyer / Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 6. Aufl., 1905, S. 799ff.). Bühler selbst kommt in seiner Schrift an späterer Stelle bei der Beschäftigung mit dem Verhältnis von Grundrechten und Gesetzmäßigkeitsprinzip zwar zu dem Ergebnis, daß die Grundrechte durch das Gesetzmäßigkeitsprinzip teilweise „überholt" seien (S. 61 ff., insbes. S. 155). Für die (als unmittelbares Recht geltenden) Grundrechte der Weimarer Reichsverfassung hat Bühler allerdings wieder ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich bei diesen Rechten um subjektive öffentliche Rechte handelt (Bühler, Die Reichsverfassung vom 11. August 1919, Kommentar, 3. Aufl., 1929, S. 121: „Warum i n aller Welt sollten diejenigen rechtlichen Einrichtungen, die von jeher als Prototyp der subjektiven öffentlichen Rechte aufgefaßt wurden . . . keine Rechte sein? Nur eine aus der Zeit des noch kaum durchdrungenen Konstitutionalismus stammende . . . Ängstlichkeit.. . kann das zweifeln!"). Davon, daß „die Grundrechte i n der klassischen Lehre von den subjektiven öffentlichen Rechten keine besondere Rolle gespielt" hätten (so aber Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 ff. (504)), kann demnach keine Rede sein.

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Zur Entscheidung der Frage, ob der jeweilige Rechtssatz dem Schutz von Individualinteressen dient, „hat man natürlich in erster Linie auf die Gesetzesmaterialien zurückzugehen. Sehr häufig w i r d man aber diesen etwas Bestimmtes nicht entnehmen können. Dann hat man im Zweifel wohl anzunehmen, daß ein Rechtssatz, der faktisch Individualinteressen zugute kommt, mindestens dann, wenn dies ohne weiteres vorauszusehen war, auch den Zweck hat, ihnen zu dienen, und daß er daher geeignet i s t , . . . subjektive öffentliche Rechte für die Destinatäre dieses Rechtssatzes hervorzubringen, und dies ist wohl auch für Bestimmungen anzunehmen, die beidem dienen, Allgemeininteressen und Individualinteressen" 39 . Diese etwas verschlungene Passage lohnt eine aufmerksame Lektüre. Arbeitet man ihre wesentlichen Aussagen heraus, dann verweist Bühler nämlich zunächst auf die Auslegung des jeweiligen Rechtssatzes und insbesondere auf den in den Materialien zum Ausdruck kommenden Gesetzgeberwillen. Dabei mußte man offenbar schon damals „sehr häufig" feststellen, daß die vorrangig am Willen des historischen Gesetzgebers orientierte Auslegung zu keinem klaren Ergebnis führt. Für die danach verbleibenden Zweifelsfälle sollte in der Regel entscheidend darauf abgestellt werden, ob der Rechtssatz „faktisch Individualinteressen zugute kommt". Die weiteren hierzu gemachten Ausführungen sind tastend und unsicher formuliert („wohl"), werden zudem sachlich eingeschränkt („mindestens dann . . .") und bleiben entsprechend konturenunscharf. Die Frage, ob damit eine Rechtsvermutung („im Zweifel"), eine Auslegungsregel, ein Rechtsgrundsatz oder ähnliches aufgestellt werden sollte, kann deshalb nicht abschließend beantwortet werden. Festzuhalten ist aber, daß die „Schutznormtheorie" schon um die Jahrhundertwende mit erheblichen Anwendungsproblemen behaftet war, daß man diese Probleme mit (im weitesten Sinne) „Auslegungsdirektiven" zu bewältigen suchte, und daß man hierbei den faktischen Wirkungen der Normanwendung (mit-)entscheidende Bedeutimg zumaß. 2. Die neueren Schutznormtheorien

Die soeben referierte Konzeption ist für die weitere Rechtsentwicklung zwar wegweisend geblieben. Dennoch wurde sie aber zwischenzeitlich nicht unerheblich modifiziert 40 , weshalb man heute teilweise bereits zwischen älteren und-neueren Schutznormtheorien unterscheidet. Eine solche, sich bewußt und ausdrücklich von früheren Vorstellungen absetzende „jüngere 39

Bühler (Fn. 29), S. 45. Auf die Notwendigkeit solcher Modifikationen machte vor allem Bachof (Fn. 4), insbes. S. 294, 296ff., 303f. frühzeitig aufmerksam; vgl. hierzu auch Henke (Fn. 35), S. 495 Fn. 1, der darauf hinweist, daß Bachof der Bühlerschen Konzeption die „entscheidende rechtsstaatliche Wende" gab, ohne sie jedoch „ i m wesentlichen zu ändern". 40

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Fassung" der Schutznormlehre wurde unlängst von Eberhard SchmidtAßmann zur Diskussion gestellt 41 . Sie ist ein Beispiel für das heute im Vordringen begriffene Schutznormdenken 42 , eine der wenigen systematisierenden und grundsätzlich gehaltenen Stellungnahmen und soll deshalb - stellvertretend für die modernen Schutznormtheorien - im folgenden kurz dargestellt werden. Nach der von Schmidt-Aßmann vertretenen Konzeption muß die „normative Basis der subjektiven Rechte . . . zu allererst im einfachen Recht gesucht werden" 4 3 . Fehlen im einfachen Gesetzesrecht eindeutige Aussagen, dann muß zur Ermittlung der dort „vielfach verschlüsselt" enthaltenen subjektiven Rechte auf die Schutznormlehre zurückgegriffen werden 44 , d. h. es ist zu prüfen, ob die jeweilige Norm „Individualinteressen zu dienen bestimmt" ist 4 5 . Dabei wird die Schutznormlehre heutigen Verständnisses gedeutet als eine Sammelbezeichnung für einen (entwicklungsoffenen) „Kanon von Methoden und Regeln, nach denen der subjektiv-rechtliche Gehalt eines Rechtssatzes erschlossen werden soll" 4 6 . Für die so konturierte moderne Schutznormtheorie sollen nach SchmidtAßmann drei Punkte wesentlich sein: Zum einen ist der Schutzzweck der Norm nicht ausschließlich und nicht einmal vorrangig aus dem nachweisbaren Willen des Normsetzers abzuleiten 47 . Zum anderen kann der Schutzzweck der Norm oft nicht aus ihr allein, sondern nur aus dem umgebenden Normengefüge und aus seinen „institutionellen Rahmenbedingungen" ermittelt werden. Und endlich können bei der Ermittlung des Schutzzwecks - drittens - die Grundrechte „ i n ihrer norminternen Wirkungsweise eine wertverdeutlichende, systematisierende Rolle spielen" 48 . 3. Die älteren und neueren Fassungen der Schutznormtheorie im Vergleich

Vergleicht man diese beiden Konzeptionen, dann ist unschwer erkennbar, daß sie einerseits zwar in wichtigen Punkten übereinstimmen, andererseits aber auch in durchaus zentralen Fragen voneinander abweichen: 41 Fn. 8, Rdnr. 127 ff. zu Art. 19 Abs. 4 GG. 42 Zur in wesentlichen Punkten positiven Aufnahme des von Schmidt-Aßmann entworfenen „heutigen Verständnisses" der Schutznormlehre vgl. z.B. Krebs (Fn. 2), S. 200ff.; Seltner (Fn. 2), S. 10ff. und Schnapp, Der Streit um die Sitzungsöffentlichkeit i m Kommunalrecht, VerwArch 78 (1987), 407 ff. (428 Fn. 92). « Fn. 8, Rdnr. 127 zu Art. 19 Abs. 4 GG. 44 Fn. 8, Rdnr. 127 zu Art. 19 Abs. 4 GG a.E. 45 Fn. 8, Rdnr. 136 zu Art. 19 Abs. 4 GG. 46 Fn. 8, Rdnr. 128 zu Art. 19 Abs. 4 GG. 47 Fn. 8, Rdnr. 128 und 138 zu Art. 19 Abs. 4 GG. In dieser „Abstandnahme vom historischen Auslegungstopos" sieht Schmidt-Aßmann den entscheidenden Unterschied zur „älteren verengten Fassung" der Schutznormlehre; die Unterschiede gehen jedoch - worauf sogleich zurückzukommen sein w i r d - viel weiter. 48 So Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 128 zu Art. 19 Abs. 4 GG; näher konkretisiert werden diese drei Punkte i n den Rdnrn. 123 f. und 137 ff. zu Art. 19 Abs. 4 GG.

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Gemeinsam ist den beiden Konzeptionen zunächst, daß sie zur Begründung subjektiver Rechte von dem jeweils in Betracht kommenden Rechtssatz verlangen, daß er nicht nur allgemeinen, sondern zumindest auch „Individualinteressen zu dienen bestimmt sein" muß. Enthält der jeweilige Rechtssatz zweifelsfreie Aussagen über die sich aus ihm ergebenden oder nicht ergebenden subjektiven Berechtigungen, so wird diese gesetzgeberische Entscheidung übereinstimmend jedenfalls prinzipiell akzeptiert. Dabei ist man sich jedoch bewußt, daß derartige Aussagen „häufig" bzw. „vielfach" fehlen 49 . In diesen Fällen soll - auch insoweit besteht Einigkeit - die Anerkennung eines subjektiven Rechts von der Auslegung des Rechtssatzes abhängen. Die Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte w i r d dadurch in erster Linie zu einem Problem der Gesetzesinterpretation, die von den mit der Schutznormlehre verbundenen Grundsätzen, Regeln, Vermutungen, Direktiven, „Auslegungshilfen" u. ä. gesteuert werden soll. Abweichungen bestehen zwischen der älteren und neueren Schutznormkonzeption vor allem in zwei Punkten. Schon bei vordergründiger Lektüre fällt nämlich - erstens - auf, daß die Bedeutung der Grundrechte im Gefüge der subjektiven öffentlichen Rechte von den beiden Autoren unterschiedlich beurteilt wird. Während Bühler davon ausgeht, daß die Grundrechte, die den Schutz des Eigentums und der persönlichen Freiheit usw. des einzelnen sichern sollen, „unzweifelhaft zum Schutz von Individualinteressen geschaffen" 50 und dementsprechend subjektive öffentliche Rechte sind, weist Schmidt-Aßmann den Grundrechten die Funktion zu, „den Bestand subjektiver Rechte des einfachen Rechts" zu ergänzen und zu verdeutlichen 51 . Dabei wird von Schmidt-Aßmann zwar nicht in Abrede gestellt, daß subjektive Rechte auch aus den Grundrechtsverbürgungen folgen; gleichwohl geht er aber - und zwar ausdrücklich auch für „abwehrrechtliche Situationen" - von einem „Vorrang des einfachen Rechts" aus 52 , verortet dementsprechend die normative Basis der subjektiven Rechte (zusammen mit der Schutznormlehre) „zu allererst" im einfachen Recht 53 , stutzt die „grundrechtsunmittelbaren" subjektiven Rechte auf den Bereich zurück, „wo der verfassungsfeste Garantiebereich betroffen ist" 5 4 , und mißt im übrigen den Grundrechten lediglich „bei der Interpretation einfach-gesetzlicher Rechtssätze" eine sog. norminterne Wirkimg bei 5 5 . Neben diesem durchaus strukturtiefen Unterschied besteht die zweite wesentliche Abwei49

Bühler (Fn. 29), S. 44f.; Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 127 zu Art. 19 Abs. 4 GG. so Fn. 29, S. 43 f. 51 Fn. 8, Rdnr. 121 zu Art. 19 Abs. 4 GG; vgl. auch Rdnr. 123. 52 Fn. 8, Rdnr. 121 zu Art. 19 Abs. 4 GG; vgl. aber auch den in Rdnr. 122 für „die klassischen Eingriffsbereiche" i n Betracht gezogenen Vorbehalt. 53 Fn. 8, Rdnr. 127 zu Art. 19 Abs. 4 GG. 54 Fn. 8, Rdnr. 126 zu Art. 19 Abs. 4 GG a.E. 55 Fn. 8, Rdnr. 123 f. zu Art. 19 Abs. 4 GG.

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chung in dem „Kanon von Methoden und Regelnder in Zweifelsfällen der Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte zugrundegelegt wird. Während Bühler insoweit noch der Auslegung nach dem Willen des historischen Gesetzgebers eine herausragende Bedeutung zuweist 56 , fordert SchmidtAßmann ausdrücklich, daß der Schutzzweck-der Norm „nicht ausschließlich und nicht einmal vorrangig aus dem nachweisbaren Willen des Normsetzers" abzuleiten ist 5 7 . Letzteres entspricht einer bei den Vertretern der neueren Schutznormtheorien häufig anzutreffenden Auffassung, wonach es bei der Ermittlung des Schutzzwecks eines Rechtssatzes nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Normgebers ankomme, „sondern auf eine objektive Bewertung der Interessen; und zwar auf eine gegenwärtige Interessenwertung, nicht auf diejenige zur Zeit des Erlasses des Rechtssatzes" 58 . Ähnliche Akzentverschiebungen sind auch hinsichtlich der tatsächlichen bzw. faktischen Wirkungen der Norm bzw. Normanwendimg feststellbar. Hierzu ist nämlich Bühler noch explizit der Ansicht, daß ein Rechtssatz, „der faktisch Individualinteressen zugute kommt", im Zweifel „auch den Zweck hat, ihnen zu dienen" und „daher geeignet ist, . . . subjektive öffentliche Rechte für die Destinatäre dieses Rechtssatzes hervorzubringen" 59 . Demgegenüber hält es Schmidt-Aßmann für entscheidend, daß „ein nicht nur faktisch, sondern rechtlich geschütztes Individualinteresse vorliegt"; da das subjektive Recht an Normen ausgerichtet ist, „schaffen Faktizitäten oder eine rein faktisch ermittelte »Betroffenheit 4 noch keine subjektiven Rechte" 60 . III. Fragwürdigkeiten und Kritik der Schutznormtheorien älterer und neuerer Provenienz Insgesamt zeigt die Gegenüberstellung von älterem und neuerem Schutznormdenken eine beachtliche Variationsbreite der Vorstellungen, die unter dem Begriff „Schutznormtheorie" zusammengefaßt werden. Gemeinsam ist ihnen im Grunde genommen lediglich, daß sie sich zu dem Schutznormdenken bekennen und die Ermittlung subjektiver Rechte als eine Aufgabe juristischer Auslegung ansehen; im übrigen finden sich aber schon bei dieser Auslegungsarbeit und namentlich bei der Festlegung der hierbei zu beachtenden Auslegungsdirektiven unterschiedliche Akzentsetzungen. Dementsprechend diskutiert die herrschende Lehre bei der Beschäftigung mit der Schutznormtheorie bevorzugt anwendungsorientierte Auslegungsprobleme. se Fn. 29, S. 45. 57 Fn. 8, Rdnr. 128 zu Art. 19 Abs. 4 GG (Hervorhebungen teilweise abweichend vom Original); siehe dazu aber auch die Präzisierungen i n Rdnr. 138. 58 Wolff/ Bachof (Fn. 4), S. 322. 59 Fn. 29, S. 45; vgl. auch ebenda, S. 44: „Man hat, um die wirkliche Natur eines Gesetzes zu erforschen, danach zu sehen, wem es in Wirklichkeit unmittelbar zustatten kommt". 60 Fn. 8, Rdnr. 119, 128, 136 zu Art. 19 Abs. 4 GG.

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Kaum je werden dagegen die theoretischen Grundlagen des Schutznormdenkens thematisiert. Nimmt man diese Grundlagen in den Blick, dann läßt sich nachweisen, daß die allenthalben beklagte Kasuistik zur Schutznormtheorie bereits in der Grundkonzeption dieser „Theorie" angelegt ist, daß die rechtspraktischen Anwendungsunsicherheiten also lediglich Folge von tiefer verwurzelten Unklarheiten sind. 1. Unklare begriffliche Grundlagen und Grundkategorien

Die Schutznormtheorie basiert auf der Grundkategorie des „Interesses" und der sich daran anschließenden Unterscheidung von „öffentlichen" und „privaten Interessen". Obwohl sich diese Begriffe jedenfalls bei imbefangener Lektüre durch eine gewisse inhaltliche „Offenheit" auszeichnen, sind sie für die Vertreter der Schutznormtheorie in aller Regel nicht abklärungsbedürftig. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Konturenlosigkeit dieser Begriffe kaum zu übertreffen ist: a) Zum Begriff

des Interesses

Dies gilt zunächst für den Begriff des „Interesses" 61 , der so vielfältigen Deutungen wie „Dabei-sein", „Dazwischen-sein" und „Anteil nehmen" sowie „Neigung", „Aufmerksamkeit", „Nutzen", „Vorteil" usw. 6 2 zugänglich ist. Dementsprechend wurde schon um die Jahrhundertwende darauf hingewiesen, daß das „Interesse" ein „Allerweltnagel" sei, der „nichts sagt, aber vielerlei andeutet"; es handle sich um einen Ausdruck, unter dem der Schreiber „bald dies, bald das versteht", und der „viel zu schwach" sei, „um ernsthafte Gedankenarbeit daranzuhängen" 63 . Diese Begriffsunschärfen und die damit zwangsläufig verbundenen Unklarheiten wurden bis in die jüngere Zeit immer wieder eingeräumt und kritisiert. So hat man dem Interessenbegriff beispielsweise eine schillernde Gemeinplatznatur bescheinigt 64 . Von anderer Seite wurde gerügt, daß die 61

Der Begriff geht auf die sog. „Interessentheorie" zurück. Vgl. v. Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Dritter Theil, Erste Abtheilung, 3. Aufl., 1877, S. 328; dazu Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 1986,S.221ff. Zum Einfluß der „Interessentheorie" auf die Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht siehe z.B. Henke (Fn. 17), S. 28, 61; Fezer a.a.O., S. 239f. und Scherzberg, Grundlagen und Typologie des subjektiv-öffentlichen Rechts, DVB1. 1988,129ff. (insbes. 131f.); vgl. auch Schnapp, VerwArch 78 (1987), 407ff. (422f.), der das „Interesse" als das „zentrale Definiens innerhalb des überlieferten Begriffs des subjektiven Rechts" bezeichnet. 62 Vgl. Wolff/ Bachof (Fn. 4), S. 167f.; Brockhaus Enzyklopädie i n 20 Bänden, 17. Aufl., Bd. 9, 1970, Stichwort „Interesse"; Duden, Bd. 10, 2. Aufl., 1985, Stichwort „Interesse". 63 So - i n anderem Zusammenhang - Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. I, 3. Aufl., 1916, S. 362.

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herrschende Meinung mit einer „ganz undifferenzierten" Pauschalverweisung auf den Interesse-Gesichtspunkt Bezug nehme und offen lasse, „was unter diesem Interesse zu verstehen ist" 6 5 . Außerdem hat man längst darauf aufmerksam gemacht, daß „das gänzlich ausgedroschene Wort »Interesse'" 66 keine klaren Unterscheidungen erlaube, weil es „überhaupt keinen Rechtsgehalt" besitze 67 . Gleichwohl ist das „Interesse" jedoch bis heute der zentrale Schlüsselbegriff der Schutznormtheorie geblieben. Und mit ihm ist auch der Erklärungsbedarf geblieben. Ohne solche begrifflichen Klarstellungen ist das „Interesse" aber ein blasser, juristisch gehaltloser Blankettbegriff, der aus sich selbst heraus keine Grundlage für nachvollziehbare rechtliche Problemlösungen abgibt und deshalb auch keine überzeugende Steuerungsleistung für die Ermittlung subjektiver Rechte erbringen kann. b) Zur Unterscheidung von öffentlichen

und privaten Interessen

Was für den Interessenbegriff gilt, trifft in ähnlicher Weise auch auf das „öffentliche" und das „private Interesse" zu 6 8 . Dabei braucht hier nicht auf die verschiedenen Bemühungen um eine Konturierung der Kategorien „öffentliches Interesse" und „privates Interesse" 69 sowie um deren Trennung 7 0 eingegangen werden, zumal diese auch von den Vertretern der Schutznormtheorie zumeist nicht aufgegriffen werden. An dieser Stelle genügt es vielmehr festzuhalten, daß die mit der Unterscheidimg von Allgemein- und Einzelinteressen verbundenen Schwierigkeiten bereits in den Anfängen des Schutznormdenkens bekannt waren. So bemerkte etwa Georg Jellinek, daß die Abgrenzung subjektiver Rechte gegen den Reflex objektiven Rechts „außerordentlich schwierig" sei; eine „absolute Grenzlinie zwi64

Dubischar, Grundbegriffe des Rechts, 1968, S. 42 f. So Lorenz (Fn. 15), S. 60, der in Fn. 27 zutreffend darauf hinweist, daß sich die herrschende Meinung hierüber keine Gedanken macht, „wiewohl auch sie eigentlich fragen müßte, welcher Art diese »Interessen4 sind, deren Schutz der Gesetzgeber im Auge hat". ee Henke, DÖV 1980, 621 ff. (626 Fn. 21). 67 Wilhelm Henke, Das subjektive öffentliche Recht auf Eingreifen der Polizei, DVB1. 1964, 649 ff. (652). 68 Vgl. nur Scholz, WiR 1972, 35ff. (54: „inhaltliche Unschärfe der Begriffe von »öffentlichem' und »privatem Interesse' (begriffliche Offenheit)"); vgl. neuerdings auch die Vorbehalte bei Erichsen (Fn. 15), S. 159. 69 Vgl. etwa Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970; Scholz, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, W D S t R L 34 (1976), 145ff. (198ff.); Pfaff, Planungsrechtsprechung und ihre Funktionen, 1979, S. 48ff.; Joachim Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, 1985, S. 36f., 133f., 355. 70 Nach Ansicht von Leisner, Privatinteressen als öffentliches Interesse, DÖV 1970, 217 ff. (217), ist eine klare Trennung von öffentlichen und privaten Interessen selbst dort, wo im Einzelfall beide im Gemenge liegen, durch die Rechtsstaatlichkeit geboten; gleichwohl sei dies „noch nie gelungen!" 65

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sehen dem materiellen Gemein- und dem materiellen Einzelinteresse läßt sich mit Sicherheit kaum ziehen" 71 . Ottmar Bühler räumt ein, „daß jede Norm, die dem Schutz von Individualinteressen dient, gleichzeitig auch indirekt Allgemeininteressen dient. Die letztere Bestimmung tritt häufig wohl so sehr zurück, daß sie kaum mehr bemerkt wird, häufig macht sie sich aber auch so sehr geltend, daß man zweifeln kann, ob sie oder die andere der Hauptzweck des Gesetzes ist" 7 2 . Und Friedrich Giese stellte fest, daß „eine scharfe Scheidung der staatlichen und der Individualinteressen nicht möglich ist - die einen kommen doch immer mittelbar den anderen zugute"; deshalb könne „man von einseitigem Interessenschutz nur insofern sprechen, als man damit ausdrücken will, wessen Interesse die Norm am unmittelbarsten schützt .. ." 7 3 . Festen Boden hatte man mit dem Schutznormdenken also schon damals nicht unter den Füßen, ganz abgesehen davon, daß bereits um die Jahrhundertwende in anderem Zusammenhang betont wurde, daß „alle unsere Rechtsnormen zugleich öffentlichen wie privaten Interessen dienen . . ., sowohl die bürgerlichen wie die publizistischen" 74 . Die demnach von Beginn an bestehenden Probleme haben sich mittlerweile eher noch verschärft. Mehr denn je ist heute nämlich bewußt geworden, daß zwischen diesen beiden Arten von Interessen kein notwendiger Gegensatz besteht 75 : „Öffentliche" und „private Interessen" - was immer man darunter verstehen mag - können vielmehr „durchaus konvergieren" 76 und sind teilweise sogar zwangsläufig und unentwirrbar miteinander verflochten 77 . Sie haben sich „immer schon überschnitten", sind „zuweilen deckungsgleich" 78 und zunehmend vielfach miteinander „verschränkt" 79 . 71

Fn. 34, S. 70f. Fn. 29, S. 44. 73 Fn. 34, S. 71. 74 Kaufmann, Stichwort „Verwaltung, Verwaltungsrecht", in: Fleischmann (Hrsg.), StWbVerwR, Bd. 3, 2. Aufl., 1914, S. 688ff. (702). Zur Fortführung derartiger Gedankengänge bis in die Gegenwart vgl. etwa Häberle, Die Wesensgehaltgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, 3. Aufl., 1983, S. 23: „Das Wesen aller Rechtsnormen besteht nämlich darin, daß sie zugleich den Schutz von öffentlichen und privaten Interessen bezwecken". 75 Vgl. Scholz, WiR 1972, 35ff. (54); ferner Martens (Fn. 69), S. 133f., 355; Walter Schmidt, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit an den Grenzen des Verwaltungsrechtsschutzes, NJW 1978, 1769ff. (1770ff.) und Ladeur, UPR 1984, l f f . (4ff.). 76 Scholz, WiR 1972, 35ff. (54). Vgl. auch Häberle, Das Verwaltungsrechtsverhältnis - eine Problemskizze, in: ders., Die Verfassung des Pluralismus, 1980, S. 248ff. (insbes. 267 Fn. 4: „Das subjektive öffentliche Recht ,lebt' von der Gegenüberstellung von Staat und Bürger; mit der Aufweichung dieser Konfrontation' und dem Zusammenfließen, der Doppelnatur von öffentlichen Interessen ,als' privaten und privaten ,als' öffentlichen erfährt das subjektive öffentliche Recht jedoch eine Funktionseinbuße, die letzten Endes über eine Öffnung des subjektiven öffentlichen Rechts mit teilweiser Umstrukturierung zu einer Funktions V e r l a g e r u n g führen w i r d . .."). 77 Vgl. Lorenz (Fn. 15), S. 69. 78 Schmitt Glaeser, Die Position der Bürger als Beteiligte im Entscheidungsverfahren gestaltender Verwaltung, in: Lerche u.a., Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, 1984, S. 35ff. (59); vgl. auch Maurer (Fn. 3), S. 5. 72

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Hinzu kommt, daß bei einzelnen Interessen im Lauf der Zeit Wanderungsbewegungen zwischen den Zuordnungspolen „öffentlich" und „privat" zu beobachten sind, daß also „Transformationen privater in öffentlichen Interessen möglich sind und umgekehrt" 80 . Nur eine Konsequenz hiervon ist es, wenn auch von Vertretern der Schutznormtheorie eingestanden wird, daß die Schutzrichtung der jeweiligen Norm nur von Fall zu Fall ermittelt werden könne 81 . 2. Ungesicherte Auslegungsmethoden und -regeln

Die Beschäftigung mit den begrifflichen Grundlagen und Grundkategorien der herrschenden Lehre wäre von überwiegend akademischer Bedeutimg, wenn über den unter der Bezeichnung „Schutznormtheorie" zusammengefaßten „Kanon von Methoden und Regeln" Einigkeit bestehen würde. Indes ist die herrschende Meinung weit davon entfernt, einen solchen Bestand an gesicherten „canones" auszuweisen. Besondere Beachtung verdienen insoweit vor allem zwei Problemkreise, nämlich einerseits die Überformung des klassischen Methodenkanons und andererseits einzelne, mit der Schutznormtheorie verbundene „Auslegungsdirektiven". a) Zur Modifikation

des herkömmlichen Methodenkanons

Aus rechtspraktischer Sicht macht die Schutznormtheorie die Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte des einzelnen vornehmlich zu einem Problem der Gesetzesinterpretation. Nach dem traditionellen Methodenkanon 82 müßte deshalb an sich der jeweils in Betracht kommende Rechtssatz unter Heranziehung der Regeln über die grammatische, systematische, historische und teleologische Auslegung 83 darauf untersucht werden, ob er (zumindest auch) Individualinteressen zu dienen bestimmt ist. Vordergründig bekennt sich nun zwar auch die herrschende Meinung - jedenfalls teilweise - zu den „allgemeinen Auslegungsregeln" und w i l l dementsprechend die Frage nach der Interessenschutzrichtung „aus dem Wortlaut, der Stellung im Gesetzeszusammenhang, nach Sinn und Zweck der Vorschrift sowie gegebenenfalls unter Auswertung der Vorstellung des Gesetzgebers, soweit sie sich aus den Materialien ergibt" 8 4 , beantwortet wissen. Bei genauerer Betrachtung zeigt 79

Vgl. Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 117 zu Art. 19 Abs. 4 GG. Schmitt Glaeser (Fn. 78), S. 59. 81 Vgl. nur Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., 1973, S. 189: „ . . . läßt sich nur von Fall zu Fall nach der Logik der Vorschrift entscheiden". 82 Dazu z.B. Bull (Fn. 15), S. 133ff.; zur Problematik der Methodenlehren siehe aus jüngerer Zeit etwa Berkemann, Interpretatio juris doctrinalis - erfüllbar?, in: Fürst u.a. (Hrsg.), Festschrift Zeidler, Bd. 1, 1987, S. 523ff. S3 Vgl. auch Reiner Schmidt, NJW 1967, 1635 ff. (1638). 80

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sich jedoch, daß sich die herrschende Lehre bei dieser zentralen Methodenfrage in einem diffusen Meinungskonglomerat auflöst: Hervorhebung verdient insoweit zunächst die starke Zurückdrängimg des historischen Interpretationsansatzes und damit auch des Gesetzgeberwillens. Während nämlich noch das ältere Schutznormdenken den „Gesetzesmaterialien" 8 5 primäre Bedeutung beilegte und sich die daran anschließende (ältere) Schutznormrechtsprechung den Vorwurf gefallen lassen mußte, ihre Suche nach dem „gesetzgeberischen Willen" bliebe „nur zu oft spekulat i v " 8 6 , erteilt die neuere Schutznormlehre der historischen Auslegung eine mehr oder weniger deutliche Absage. Der Schutzzweck der Norm sei - so sagt man - nicht ausschließlich und nicht einmal vorrangig aus dem nachweisbaren Willen des Normsetzers abzuleiten 87 - für „die Ermittlung des Schutzzwecks eines Rechtssatzes" komme „es nicht auf die (idR gar nicht festzustellenden) subjektiven Vorstellungen des Normgebers an, sondern auf eine objektive Bewertung der Interessen; und zwar auf eine gegenwärtige Interessenwertung, nicht auf diejenige zur Zeit des Erlasses des Rechtssatzes" 88 . Für diese einseitige Bevorzugung einer offenbar an objektiv-teleologischen Kriterien orientierten Auslegung zu Lasten der genetischen Interpretation fehlt freilich jede Begründung 89 . Gewiß läßt sich der „Genesis" eines Gesetzes - wie schon Bühler bemerkte - sehr häufig „etwas Bestimmtes nicht entnehmen". Auch mag - namentlich bei älteren Gesetzen - im Lauf der Zeit ein Wandel des „Schutzzwecks" denkbar sein. Und endlich nimmt man auch verbreitet keine verbindliche Rangordnung unter den einzelnen Auslegungsmethoden an 9 0 . A l l dies rechtfertigt aber nicht die pauschale Zurückdrängung der historischen Auslegungsmethode, der ganz allgemein immerhin teilweise sogar „eine wichtige, ja primäre Rolle" 9 1 zugesprochen wird. Zumal bei jüngeren Gesetzen entsteht durch diese Zurückdrängung die Gefahr, „daß die teleologische Interpretation dem subjektiven

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Berger (Fn. 2), S. 100. Bühler (Fn. 29), S. 45. 86 Scholz, WiR 1972, 35ff. (53); ähnlich ders., Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971, S. 91; zustimmend z.B. Zuleeg, DVB1. 1976, 509ff. (511). 87 Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 128 zu Art. 19 Abs. 4 GG, der an späterer Stelle allerdings dem nachweislichen Willen des Normsetzers eine „gewisse Rolle" zuerkennt und seine Äußerung (wohl) ganz überwiegend auf die Fälle bezieht, in denen „eine Begünstigungsabsicht des historischen Gesetzgebers nicht nachweisbar ist" (Rdnr. 138). Vgl. auch Marburger (Fn. 2), S. 35 Fn. 140: „Zwar ist die Schutznormtheorie ursprünglich im wesentlichen auf die subjektive Interpretation zugeschnitten. Mit Recht stellt man heute jedoch . . . zunehmend auf den objektiven Normzweck ab . . . " . 88 Wolff / Bachof (Fn. 4), S. 322; ähnlich Bachof (Fn. 4), S. 297. 89 Ähnlich Reiner Schmidt, NJW 1967, 1635ff. (1638). 90 Z.B. Bull (Fn. 15), S. 136. 91 Starck, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, W D S t R L 34 (1976), 43 ff. (72). 85

9 Gegenwartsfragen

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Hartmut Bauer

Verständnis des jeweiligen Rechtsanwenders vom Normzweck und den aktuell herrschenden Wertungen zum Durchbruch verhilft" 9 2 . Hervorhebens wert ist weiter die mit der Präponderanz des objektiv-teleologischen Interpretationsansatzes einhergehende Ausrichtung der Rechtsfindimg auf „Werte", „Wertvorstellungen", „Wertungen", „Interessenbewertungen" und ähnliches. Dabei w i r d regelmäßig nicht zweifelsfrei geklärt, welche „Werte", „Wertgrundlagen" und „Wertmaßstäbe" bei der Gesetzesauslegung heranzuziehen sind. Statt die überaus problematische Kategorie des „Wertes" abzuklären, weist man vielmehr darauf hin, daß eine „gegenwärtige Interessenwertung" entscheidend sei, weshalb sich der Inhalt eines Rechtssatzes „unter dem Einfluß sich wandelnder Wertvorstellungen wie insbesondere unter der Einwirkung höherrangiger Rechtssätze der Verfassung ändern" könne 93 . Bei den „unvermeidlichen" Wertungen sei insbesondere „der auf Lückenlosigkeit des Rechtsschutzes gerichteten Tendenz der heutigen öffentlichen Ordnung und der durch die soziologischen Gegebenheiten der individuellen Daseinsführung bedingten hohen Schutzbedürftigkeit des einzelnen und nicht zuletzt auch sozialen Erwägungen . . . Rechnung zu tragen" 9 4 . In Grenzfällen komme es darauf an, „durch eine wertende Auslegung der einschlägigen Regelungen eine angemessene Lösung zu finden" 9 5 . Die Grundrechte könnten „ i n ihrer norminternen Wirkungsweise eine wertverdeutlichende, systematisierende Rolle spielen" 96 . Andere gehen wiederum davon aus, daß sich die Art der jeweiligen Interessenlage „nicht aus allgemeinen Überlegungen und Thesen oder aus der allgemeinen Rechtsstellung des Betroffenen, sondern einzig und allein aus Sinn und Zweck der jeweils in Frage stehenden Einzelregelung" ergebe 97 . A l l diese Stellungnahmen stammen wohlgemerkt von Autoren, die sich selbst der herrschenden Lehre zurechnen und/oder von anderen der herrschenden Meinung zugeordnet werden. Sie verdeutlichen, daß die Anerkennung subjektiver Rechte nach dem Schutznormdenken letztlich von den Wertvorstellungen des Rechtsanwenders abhängt und unterwerfen damit das „Recht den gerade herrschenden . . . rechtspolitischen Atmosphären" 98 . 92

Vgl. allgemein Bull (Fn. 15), S. 136. Wolff / Bachof (Fn. 4), S. 322. 94 Forsthoff (Fn. 81), S. 189. 95 Obermayer, in: Mang / Obermayer / Berg / Knemeyer, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 5. Aufl., 1988, S. 119f. 96 Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 128 zu Art. 19 Abs. 4 GG; ähnlich z.B. Marburger (Fn. 2), S. 97: „Freilich sind die Grundrechte i n ihrer ,wertverdeutlichenden' Funktion bei der Interpretation von Schutznormen bedeutsam". 97 Franz Mayer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1977, S. 53. 98 So allgemein zur objektiven Auslegungslehre Naucke, Versuch über den aktuellen Stil des Rechts, KritV 1986,189ff. (204). Vgl. auch die kritischen Bemerkungen zur Interessenjurisprudenz von Jan Schapp, Hauptprobleme der juristischen Methodenlehre, 1983, insbes. S. 12 f. (13: „Der Begriff der,Wertung' ist vage, aber gerade darum vielseitig verwendbar. Er beantwortet vor allem die Frage nicht, wie sich denn die Wertung zu dem Gewerteten verhält."). 93

Schutznormtheorie i m Wandel

131

b) Zu einzelnen „Auslegungsdirektiven" Eröffnet demnach der methodologische Ansatz des Schutznormdenkens weit ausgezogene Wertungsspielräume, so darf doch nicht übersehen werden, daß die Vertreter der herrschenden Meinung darum bemüht sind, eben diese Entscheidungsfreiheit wieder einzuengen. Offenbar in dem Bestreben, der Rechtsanwendung sicheren dogmatischen Halt zu geben, haben sie nämlich im Lauf der Zeit eine Reihe von Regeln, Grundsätzen und Indizien entwickelt, die den Prozeß der Rechtsfindung steuern sollen und hier unter der Sammelbezeichnung „Auslegungsdirektiven" zusammengefaßt werden. Ob diese Direktiven die ihnen beigelegte Steuerungskraft tatsächlich besitzen, erscheint allerdings schon bei einer nur kursorischen Durchsicht fraglich. Denn zum einen räumt selbst mancher Vertreter der Schutznormtheorie ein, daß das Gewicht der einzelnen Kriterien in der Vergangenheit geschwankt hat und das auch künftig tun w i r d " . Und zum anderen kann der Katalog der Auslegungsdirektiven keineswegs als gesichert gelten. So finden sich nämlich einerseits Autoren, die zwar prinzipiell an der Schutznormtheorie festhalten, gleichwohl aber für die Verabschiedung von einzelnen damit verbundenen Kriterien eintreten 100 . Andererseits gibt es aber auch solche Autoren, die an der Schutznormtheorie festhalten und für die Aufnahme zusätzlicher, bislang noch nicht allgemein anerkannter Auslegungsdirektiven plädieren 101 . Hier wird deutlich, daß es eine in sich geschlossene herrschende Meinung, die über das gemeinsame Bekenntnis zur Schutznormtheorie hinaus auch sämtliche damit verbundenen Vorstellungen und Theoreme erfaßt, eigentlich gar nicht gibt. Vielmehr bestehen auch innerhalb der „herrschenden" Lehre beachtliche Meinungsverschiedenheiten. Dies kann im Hinblick auf die „Auslegungsdirektiven" hier wiederum nur exemplarisch dargestellt werden: Nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes hat man sich lange Zeit darum bemüht, eine verfassungsrechtliche Vermutung für die Begründung subjektiver Rechte aufzustellen 102 . In der vom BVerfG sanktionierten Formulie99

Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 128 zu Art. 19 Abs. 4 GG. 100 v g l n u r Marburger, der dafür plädiert, „die vom BVerwG vor allem im Baurecht vertretene Einschränkung" aufzugeben, „wonach eine Norm Drittschutz nur vermittelt, wenn sie einen zahlenmäßig begrenzten, überschaubaren Kreis von Berechtigten erkennen läßt" (These 1.2. zum Gutachten (Fn. 21) und - zur Begründung - (Fn. 2), S. 32 ff.). 101 Siehe dazu beispielsweise Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, W D S t R L 34 (1976), 221 ff. (246), wonach auch „ein institutionelles Element aus dem Administrativbereich" beachtlich sein könne, „die Frage nämlich, wie der verpflichtete Verwaltungsträger nach Aufgabe, Organisation und Verwaltungskraft eingerichtet ist". Dieses Element könne für das subjektive Recht „entstehungsfordernd" oder „entstehungshindernd" wirken. 102 Vgl. z.B. Bachof (Fn. 4), S. 296, 301, 303; Ernst Rudolf Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl., 1953, S. 680f., 683ff.; Laubinger, Der Verwaltungsakt mit Doppelwirkung, 1967, S. 24ff.; Bleckmann, VB1BW 1985, 361ff. (361f.); ferner

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rung besagt diese Vermutung, daß „aus der - von Art. 19 Abs. 4 entscheidend mitgeprägten - Gesamtsicht des Grundgesetzes vom Verhältnis des einzelnen zum Staat folgt, daß im Zweifel diejenige Interpretation eines Gesetzes den Vorzug verdient, die dem Bürger einen Rechtsanspruch einräumt" 1 0 3 . Danach hält das Verfassungsrecht also für alle Zweifelsfälle eine Auslegungsregel bereit: Im Zweifel ist diejenige Auslegung zu wählen, die dem Bürger ein subjektives öffentliches Recht einräumt! Diese Regel hätte für die weitere Entwicklung wegweisend werden können, wäre sie nicht wenig später vom BVerwG wieder in Frage gestellt worden: „Freilich mag (!) aus der . . . Gesamtsicht des Grundgesetzes . . . folgen, daß im Zweifel diejenige Interpretation den Vorzug verdient, die dem Bürger einen Rechtsanspruch e i n r ä u m t . . . Aber dieser Auslegungsregel begegnen jedenfalls (!) im Baurecht bei Beteiligung eines Dritten .. . Bedenken" 104 . Die vom BVerfG ohne jedes „Wenn" und „Aber" entworfene Auslegungsregel wird hier in doppelter Hinsicht relativiert. Zum einen bleibt offen, ob das Verfassungsrecht überhaupt eine derartige Vermutung bereithält, weil sie sich nach Meinung des BVerwG nur aus dem Grundgesetz ergeben „mag". Und zum anderen w i r d diese Auslegungsregel - selbst wenn sie existieren sollte - vom BVerwG nur für „Normalfälle" anerkannt; denn in Fallkonstellationen, die nach Ansicht des Gerichts einer differenzierenden Betrachtung bedürfen, stößt die Auslegungsregel „jedenfalls" auf Bedenken. Es ist deshalb nicht weiter verwunderlich, daß die Tragweite der - im übrigen auch nicht improblematischen 105 - „verfassungsrechtlichen Vermutung" bis heute nicht abschließend geklärt 1 0 6 und insbesondere in der bundesverwaltungsgerichtlichen Judikatur gerade in Zweifelsfällen nur wenig von einer solchen Vermutung zu lesen ist. Ähnliche Unklarheiten sind festzustellen bei der Frage nach der Bedeutung des Verwaltungsverfahrensrechts für die Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte. Hierzu finden sich in der frühen Rechtsprechungspraxis eine Reihe von Entscheidungen, in denen das BVerwG der Ausgestaltung des Verfahrens relativ große Bedeutung für die Bestimmung von Drittrechten beigemessen hat. Dabei neigte das Gericht insbesondere der Auffassung zu, aus der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung eines Konkurrenten nicht nur ein subjektives Recht auf Beteiligung in dem Verfahren abzuleiten, sondern darüber hinaus von dieser verfahrensrechtlichen Rechtsposition den Wiedenbrüg, Der Einfluß des Sozialstaatsprinzips auf die Zuerkennung subjektiver öffentlicher Rechte, 1978, S. 376ff., der zutreffend auf die zwischen den einzelnen Vermutungslehren bestehenden Abweichungen hinweist. 103 BVerfGE 15, 275 (281 f.) unter Hinweis auf Bachof Urteilsanmerkung, DVB1. 1961, 128, 131. i° 4 NJW 1968, 2393ff. (2394); Klammerzusätze hinzugefügt. 105 Z.B. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971, S. 129f. 106 Vgl. nur Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 143 ff. zu Art. 19 Abs. 4 GG.

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Schluß auf eine (dahinterstehende) m a t e r i e l l - r e c h t l i c h e Rechtsposition z u z i e h e n 1 0 7 ; p a r a l l e l h i e r z u h a t das Gericht m e h r f a c h f ü r umgekehrte F a l l k o n stellationen - also f ü r Fälle, i n denen gesetzlich keine A n h ö r u n g oder Beteil i g u n g der K o n k u r r e n t e n vorgeschrieben w a r - u. a. u n t e r B e r u f u n g auf das Fehlen

solcher

verfahrensrechtlicher

Positionen

subjektive

öffentliche

Rechte des K o n k u r r e n t e n v e r n e i n t 1 0 8 . Konsequenterweise h a t m a n diese f r e i l i c h n i c h t schwankungsfreie - J u d i k a t u r z u m A n l a ß genommen, u m aus der gesetzlichen E i n r ä u m i m g v o n Beteiligungsrechten w i e e t w a der A n h ö r i m g zugleich wenigstens ein I n d i z b z w . eine V e r m u t u n g auch f ü r eine m a t e r i e l l - r e c h t l i c h e Berechtigung z u sehen 1 0 9 . Diese bei der A u s l e g u n g z u berücksichtigende I n d i z w i r k u n g verfahrensrechtlicher Positionen ist m i t der w e i t e r e n Entscheidungspraxis des BVerwG

zunehmend zweifelhaft

geworden, z u m a l das G e r i c h t - auch i n Fällen, i n denen dazu A n l a ß bestanden h ä t t e - das e r w ä h n t e I n d i z ohne jede B e g r ü n d u n g einfach n i c h t m e h r aufgegriffen h a t 1 1 0 . N a m h a f t e Vertreter der Schutznormlehre haben aus dieser T r e n d w e n d e der Rechtsprechung die n o t w e n d i g e n Folgerungen gezogen: „ E i n e V e r m u t u n g , derzufolge aus der Existenz eines Verfahrensrechts auf e i n dahinterstehendes materielles subjektives Recht geschlossen w e r d e n könnte, besteht n i c h t " 1 1 1 !

E i n e u r s p r ü n g l i c h m ü h s a m herausgearbeitete

Auslegungsdirektive h a t t e h i e r offenbar i h r e S c h u l d i g k e i t g e t a n 1 1 2 . 107 BVerwGE 2, 141; 9, 340 (341 f.); 10, 122 (124). los BVerwGE 10,122 (124f.); 16,187 (187f.); vgl. dazu auch Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, 5. Aufl., 1987, S. 301. 109 Siehe z.B. Dürig, in: Maunz / Dürig u.a., Grundgesetz, Kommentar, Lieferung: 1958, Rdnr. 34 zu Art. 19 Abs. 4 GG: „Ein praktikables Indiz für das Vorhandensein eines subjektiven öffentlichen Rechts . . . bildet meist auch die förmliche ,Beteiligung' Dritter im Verwaltungsverfahren, das zum Verwaltungsakt führt. Wo Beteiligten etwa im Verwaltungsverfahren förmliche .Einwendungen' gesetzlich zugestanden werden, besteht die kaum widerlegbare Vermutung, daß diese Einwendungen auch klageweise (weiter) verfolgt und durchgesetzt werden können". Vgl. weiter Meng er, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht, VerwArch 51 (1960), 262ff. (268); Wolff / Bachof (Fn. 4), S. 325; Laubinger (Fn. 102), S. 57f.; Benderl Dohle, Nachbarschutz im Zivil- und Verwaltungsrecht, 1972, S. 15f.; Schwarze, Rechtsfragen bei der Errichtung von Kernkraftwerken, DÖV 1973, 700ff. (701 f.); Kopp (Fn. 2), Rdnr. 83f. zu § 42 sowie BVerwGE 41, 58 (65). 110 So bei der vielbeachteten Klage eines Kutterfischers gegen die Erteilung der Erlaubnis zur Dünnsäureeinleitung in die Nordsee. Anläßlich dieses Verwaltungsrechtsstreits wurde sowohl von den beiden Vorinstanzen als auch in den diesbezüglichen Stellungnahmen seitens der Literatur die Frage erörtert, welche Bedeutung der in dem der Erlaubniserteilung vorausgehenden Verwaltungsverfahren nicht vorgesehenen Beteiligung des Hochseefischers für die Ermittlung von dessen subjektiven Rechten zukommt (VG Hamburg, DVB1. 1981, 269ff. (270 r. Sp.); OVG Hamburg, JZ 1981, 701 ff. (702f.); Peters, Urteilsanmerkung, DVB1.1981, 271ff. (272: die nicht vorgesehene Anhörung ist „jedenfalls ein Indiz gegen ein subjektiv-öffentliches Recht"); Kunig, Zur Rechtsstellung Dritter bei erlaubter Abfallbeseitigung auf Hoher See, JZ 1981, 295 ff. (301)). I n der abschließenden Entscheidung des BVerwG sucht man vergeblich nach einer Stellungnahme zu dieser Frage (BVerwGE 66, 307). 111 Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 151 zu Art. 19 Abs. 4 GG. 112 Ähnliche Schwankungen in der gerichtlichen Entscheidungspraxis sind feststellbar bei der grundsätzlichen Bewertung der „Interessenschutzrichtung" von Verwaltungsverfahrensvorschriften. Vgl. dazu nur einerseits BVerwGE 28, 268 (270) und

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Ein letztes Beispiel: Mit Blickrichtung auf den öffentlich-rechtlichen Nachbarschutz wurde von der Rechtsprechung wiederholt festgestellt, daß subjektive Rechte grundsätzlich nur „ i m Gefolge solcher Rechtsvorschriften anzunehmen (seien), die das individuell geschützte private Interesse, die Art seiner Verletzimg und den Kreis der unmittelbar geschützten Personen hinreichend deutlich klarstellen und abgrenzen" 113 . Im Anschluß an diese „Auslegungsregel" 114 geht man nicht selten davon aus, daß die „Abgrenzbarkeit eines spezifisch geschützten Personenkreises" für die Ermittlung subjektiver Rechte „wichtig" sei 1 1 5 . Eine Konkretisierung dieses Grundsatzes sieht man u. a. in der ausdrücklichen Erwähnung des betreffenden Dritten in der jeweiligen Vorschrift, die als ein Indiz für Drittschutz gewertet w i r d 1 1 6 . Dementsprechend wurde in der fachgerichtlichen Rechtsprechung die nachbarschützende Funktion einer Norm mehrfach vor allem deshalb bejaht, weil die „Nachbarschaft" in dem jeweiligen Normtext ausdrücklich genannt w a r 1 1 7 - so z.B. bei der immissionsrechtlichen Schutz- oder Abwehrpflicht 1 1 8 . I m Gegensatz hierzu und ohne sich mit diesem Indiz auch nur ansatzweise auseinanderzusetzen, hat das BVerwG der immissionsschutzrechtlichen Vorsorgepflicht bekanntlich jede nachbarschützende Funktion abgesprochen 119 - und dies, obwohl die „Nachbarschaft" über die Legaldefinition der „schädlichen Umwelteinwirkungen" in § 3 Abs. 1 BImSchG ebenfalls „ausdrücklich" in der Norm erwähnt wird und obwohl andererseits BVerwG, BayVBl. 1981, 122ff. (123) - in diesen beiden Entscheidungen wird ein ursprünglich angenommenes „Regel-Ausnahme-Verhältnis" schlichtweg umgekehrt; siehe zu den diesbezüglichen Schwankungen in der Judikatur jetzt auch Geist-Schell (Fn. 1), S. 62 ff. 113 BVerwGE 41, 58 (63); Klammerzusatz hinzugefügt. Vgl. auch BVerwGE 27, 29 (33); 28, 268 (275); 32, 173 (175); 52, 122 (129); 62, 243 (247); 65, 313 (320); 66, 307 (308). Siehe jetzt aber auch die Modifikation dieser Rechtsprechung in BVerwG, NVwZ 1987, 409 f. (409) und BVerwG, DVB1.1987,1265 ff. (1266); nach dieser neueren Judikatur soll es entscheidend darauf ankommen, „daß sich aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen läßt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet". 114 Vgl. Kopp, Mittelbare Betroffenheit im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß, DÖV 1980, 504ff. (509). 115 Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 140 zu Art. 19 Abs. 4 GG. 116 So z.B. Jarass, NJW 1983, 2844ff. (2845); ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht und Wirtschaftsverfassungsrecht, 2. Aufl., 1984, S. 180; BVerwG, NVwZ 1987, 409f. (409); vgl. auch Seilner (Fn. 2), S. 42 und Schlichter, DVB1. 1984, 875ff. (878). 117 Z.B. OVG Münster, DVB1. 1976, 790ff. (791) zu § 5 Nr. 1 und 2 BImSchG (a.F.) und VG München, GewArch 1979, 29ff. (31), das ausdrücklich darauf hinweist, daß sich der „nachbarschützende Charakter des § 5 Nr. 1 BImSchG . . . bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung" ergibt; vgl. auch bereits BVerwGE 28,131 (133) zu der Formulierung „Besitzer oder Bewohner der benachbarten Grundstücke". 118 Siehe dazu die zu § 5 Nr. 1 BImSchG a.F. (jetzt: § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) nachgewiesene Rechtsprechung in Fn. 117; vgl. auch Marburger (Fn. 2), S. 57 und Seltner (Fn. 2), S. 11, 42. "« BVerwGE 65, 313 (320) zu § 5 Nr. 2 BImSchG a.F. (jetzt: § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Die Neufassung des BImSchG hat an der bisherigen „drittschutzrechtlichen" Beurteilung weder der Schutz- noch der Vorsorgepflicht etwas geändert; dazu Marburger (Fn. 2), S. 57, 61.

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die Instanzgerichte teilweise unter Berufung auf eben dieses Indiz den nachbarschützenden Charakter der Vorsorgepflicht bejaht hatten 1 2 0 . Diese Beispiele dürften hinreichend belegen, daß die von der Rechtspraxis wie selbstverständlich in Anspruch genommene Entscheidungsfreiheit über die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung einer Auslegungsdirektive zu einer Rechtsunsicherheit führt, die in vielen Fällen erst mit einer entsprechenden letztinstanziellen Entscheidung beseitigt werden kann. c) Zusammenfassende Bemerkungen zur Deutung der Schutznormtheorie als „Kanon von Methoden und Regeln" Versteht man die Schutznormtheorie als einen „Kanon von Methoden und Regeln" und nimmt man die damit verbundenen Vorstellungen zusammenfassend in den Blick, dann hinterläßt diese Theorie einen unguten Gesamteindruck. Die Schutznormtheorie erweist sich dann nämlich als ein Instrument zur Überformung des herkömmlichen Methodenkanons, das bei der Ermittlung subjektiver Rechte im gedanklichen Ansatz den Wertvorstellungen des Normanwenders Tür und Tor öffnet. Die sich daran anschließenden Gewißheitsverluste werden nicht verringert durch das an sich begrüßenswerte Bemühen der herrschenden Lehre, dem Rechtsfindungsprozeß durch verschiedene Auslegungsdirektiven feste Korsettstangen einzuziehen. Denn erstens ist der Katalog der Auslegungsdirektiven nicht gesichert. Zweitens dokumentiert die zurückliegende gerichtliche Entscheidimgspraxis, daß einzelne Auslegungsdirektiven innerhalb kurzer Zeit stillschweigend ihre Bedeutung völlig einbüßen können und überdies - umgekehrt - auch neue Auslegungsdirektiven hinzukommen können. Außerdem hat - drittens - die Vergangenheit gezeigt, daß einzelne, bislang durchaus gefestigte Auslegungskriterien in der Rechtspraxis wahlweise in dem einen Fall herangezogen und in dem anderen Fall schlichtweg vernachlässigt wurden. Diese Unzulänglichkeiten können auch nicht dadurch beseitigt werden, daß man die unter dem Begriff „Schutznormtheorie" oder „Schutznormlehre" zusammengefaßten Regeln und Methoden als einen nicht geschlossenen, sondern entwicklungsoffenen Auslegungskanon konzipiert und ergänzend darauf hinweist, daß das Gewicht der einzelnen Kriterien in der Vergangenheit geschwankt hat und auch künftig schwanken w i r d (SchmidtAßmann). So treffend damit das moderne Schutznormdenken auf den Punkt gebracht wird, so trügerisch sind die in eine solche Konzeption gesetzten Hoffnungen. Nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte sind nämlich die „Methoden und Regeln", nach denen in der Rechtspraxis der subjektiv120 Hierzu besonders prägnant OVG Lüneburg, GewArch 1980, 203ff. (205f.); vgl. auch die erwähnte Entscheidung des OVG Münster (Fn. 117); Jarass, NJW 1983, 2844ff. (2845f.) und Rehbinder (Fn. 1), S. 151.

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rechtliche Gehalt von Rechtssätzen erschlossen wird, mehr oder weniger ständig im Fluß; ein Schutznormkanon, der die jeweils vorherrschenden Tendenzen, neuen Tendenzen und abermaligen Tendenzwenden angemessen erfassen wollte, müßte deshalb spätestens nach etwa jeweils einer Dekade der Rechtsentwicklung neu geschrieben werden 121 . Hinzu kommt, daß gerade ein entwicklungsoffener Methodenkanon keine zuverlässige Orientierung für den Prozeß der Rechtsfindung bereitstellen kann und damit letztlich ein dogmatisches Fundament für subjektive Beliebigkeiten des Rechtsanwenders abgibt. Diese kritischen Bemerkungen sind bekanntlich nicht sonderlich originell. Schon vor Jahren wurde gerügt, daß „die Frage nach der Schutzfunktion der Norm zu einem kaum mehr zu überblickenden Dickicht von Einzelfallentscheidungen geführt" habe 1 2 2 und „viel zu sehr i n das Fahrwasser subjektiver Meinungen geraten" sei 123 . Und selbst intime Sachkenner der Schutznormrechtsprechung räumen ein, daß die Abhängigkeit der subjektiven Rechte des Bürgers „von der Auslegung der jeweils anzuwendenden Vorschrift - und was heißt hier schon, da doch die Vorschriften über ihren (Dritt-)Schutzwillen kaum je etwas verlauten lassen, Auslegung? - . . . zwangsläufig Unübersichtlichkeiten zur Konsequenz" habe 1 2 4 . Völlig zu Recht hat man denn auch die Frage aufgeworfen, ob sich die Schutznormtheorie noch „ i n den Bahnen der anerkannten Auslegungsgrundsätze" bewege 125 . 3. Zu den Anwendungsunsicherheiten der Schutznormtheorie

Nach den bisherigen Überlegungen zu den mehr grundsätzlichen Fragen ließe sich die These, die Schutznormtheorie habe sich „bewährt", allenfalls dann noch halten, wenn sich diese Theorie wenigstens in der Rechtspraxis als „brauchbar" erwiesen hätte. Auch davon kann jedoch keine Rede sein: 121 Zur exemplarischen Verdeutlichung: Der „IndizWirkung" von Verfahrensrechtspositionen wurde früher eine andere Bedeutung beigemessen als heute (dazu oben bei Fn. 107 ff.). Entsprechendes gilt für die „verfassungsrechtlichen Vermutungen" zugunsten eines subjektiven Rechts des Bürgers (dazu oben bei Fn. 102 ff.) und für den Interpretationstopos des „von der Norm her hinreichend deutlich klargestellten und abgegrenzten Personenkreises" (dazu oben bei Fn. 113ff.). Gute Chancen, als neue wichtige „Interpretationshilfe" i n den „Methoden- und Regelkanon" aufgenommen zu werden, wird man heute dem Rücksichtnahmegebot einräumen können; Anhaltspunkte hierfür finden sich jetzt bei Schlichter / Stich (Fn. 25), Rdnr. 35, die das Rücksichtnahmegebot „als eine Art Auslegungshilfe für die in Rede stehenden einfachrechtlichen Vorschriften" bezeichnen. 122 Hailbronner, Die Zusage auf Einhaltung des objektiven Rechts, DVB1. 1979, 767ff. (768). 123 Randelzhofer, Der Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidimg i n Rechtslehre und Rechtsprechung, BayVBl. 1975, 573 ff. (576). 124 So zum baurechtlichen Nachbarschutz Weyreuther, Das Bundesbaurecht in den Jahren 1980, 1981 und 1982, DÖV 1983, 575ff. (587). 125 Zuleeg, DVB1. 1976, 509ff. (511).

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Der Nachweis mangelnder „Brauchbarkeit" kann zunächst mit einem Hinweis auf die Einschätzung der Schutznormpraxis in der Literatur geführt werden. „Nicht zu leugnende Anwendungsunsicherheit" 126 , verwirrendes Bild „einer kaum mehr überschaubaren und teilweise widersprüchlichen Kasuistik" 1 2 7 , „umfassende und z. T. auch verwirrende Kasuistik" 1 2 8 , „schwer erträgliche Unsicherheit" 1 2 9 , „sehr differenzierte Kasuistik" 1 3 0 , „Fülle der Kasuistik und der Einzelerwägungen", „umfangreiche, unübersichtliche Kasuistik" 1 3 1 , „nicht widerspruchsfreie Rechtsfortbildung", „vielfältige Rechtsunsicherheiten", „überreiche Kasuistik nachbarschützender Normen und Normensplitter", „nur schwer abschätzbare Rechtsentwicklung", „verwirrendes Bild" der Rechtsprechung u.ä. 1 3 2 , „unübersichtliche und schwankende Kasuistik" 1 3 3 , „kaum mehr überschaubare, aller Berechenbarkeit widerstreitende Kasuistik", „nahezu willkürlich erscheinende Kasuistik" 1 3 4 - all das ist nur eine kleine Auswahl kritischer Äußerungen, die - stellvertretend für eine verbreitete, nicht selten auch von an der Schutznormtheorie festhaltenden Autoren geteilte Meinimg - die „gemeinhin als kasuistisch eingestufte Rechtsprechungspraxis" 135 zur Schutznormtheorie ausreichend belegen. Die sich dahinter verbergende „Ratlosigkeit der Judikatur, bis sich eine herrschende Interpretation eingespielt hat, spricht eine nur zu deutliche Sprache" 136 . Der Nachweis fehlender „Bewährung" läßt sich weiter am Beispiel ausgewählter Rechtsgebiete erbringen, in denen das Schutznormdenken praktisch w i r d und problematisch ist. Als eines dieser Gebiete kann das öffentliche Baunachbarrecht gelten. Diese Materie ist mittlerweile bekanntlich durch eine jahrzehntelange Rechtsprechungstradition geprägt 137 , weshalb man eigentlich glauben sollte, daß zwischenzeitlich wenigstens die damit zusammenhängenden prinzipiellen Fragen geklärt sein müßten. Weit ge126 Löwer (Fn. 35), S. 86; ähnlich Schmidt-Aßmann, Der öffentlich-rechtliche Schutz des Grundeigentums in der neueren Rechtsentwicklung, DVB1. 1987, 216 ff. (221: mit manchen Unsicherheiten verbunden). * 27 Battis (Fn. 2), S. 68. 128 Maurer (Fn. 3), S. 121. 129 Friauf, Der Rechtsschutz des sog. Dritten in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, JurA 1969, 3ff. (19). !3o Degenhart, Neuere Entwicklungen im baurechtlichen Nachbarschutz, JuS 1984, 187ff. (188). 131 Wahl, JuS 1984, 577 ff. (577, 579). 132 Berger (Fn. 2), S. 35, 94,100,106, 161,166, 168 und passim. 133 Breuer, DVB1. 1983, 431 ff. (432). 154 Randelzhofer, BayVBl. 1975, 573 ff. (576). 135 Vgl. Heinrich, Der Rechtsschutz Dritter in der Rechtsprechung zum Gewerberecht, WiVerw 1985, l f f . (2). 136 Vgl. Ress (Fn. 35), S. 113. 137 Die Wurzeln des öffentlich-rechtlichen Baunachbarrechts reichen bis weit i n das ausgehende 19. Jahrhundert zurück; siehe dazu nur Laubinger (Fn. 102), S. 34 ff. m.w.N.

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fehlt: Obwohl der öffentlich-rechtliche Baunachbarschutz längst „einen festen Platz in der verwaltungsgerichtlichen Praxis erobert" hat, wurde nämlich erst kürzlich wieder festgestellt, daß „seine dogmatischen Grundlagen, tatbestandlichen Voraussetzungen und Grenzen ebensowenig abschließend geklärt (seien) wie sein Verhältnis zum privatrechtlichen Nachbarschutz" 1 3 8 . Hauptursache für das seit langem beklagte „Dilemma des baulichen Nachbarrechts" 139 ist eine schwankende Judikatur, die sich zwar im gedanklichen Ansatz dem Schutznormdenken verpflichtet fühlt, gleichwohl aber unter Heranziehung von sorgsam gegeneinander abgeschotteten Tatbeständen des Verfassungs- und Verwaltungsrechts sowie des zwischen Grundgesetz, Baugesetzen und allgemeinem Rechtsgrundsatz hin- und hervagabundierenden Rücksichtnahmegebots 140 eine eher verwirrende „Kategorien- und Kriterienvielfalt" 1 4 1 entwickelt hat, die letztlich in einen „Irrgarten des Richterrechts" 142 münden mußte. Derartige Unsicherheiten sind keine Besonderheit von Regelungsmaterien, die mit dem Ballast einer langj ährigen uneinheitlichen Rechtsprechungsentwicklung zurechtkommen müssen. Ähnliches trifft vielmehr auch für Bereiche zu, in denen sich die Gerichte erstmals mit Anwendungsproblemen der Schutznormtheorie konfrontiert sehen. Ein Musterbeispiel hierfür liefert die bereits erwähnte 143 Klage eines Kutterfischers gegen die Genehmigungserteilung zur Dünnsäureverklappung. Nimmt man die hierzu über die Instanzen hinweg ergangenen Entscheidungen insgesamt in den Blick, dann kann man am Beispiel dieser Klage vom einfachrechtlichen Drittschutz über das Gebot der Rücksichtnahme bis hin zu verfassungsrechtlichen Abwehransprüchen nahezu die gesamte Klaviatur der zur Bewältigung des öffentlich-rechtlichen „Drittschutzes" entwickelten Denkfiguren und Argumentationszusammenhänge durchspielen - müßig zu betonen, daß jedes der drei mit der Klage befaßten Gerichte für die Begründimg der Rechte des Fischers unterschiedliche normative Anknüpfungspunkte wählte, die in Betracht kommenden „Rechtssätze" unterschiedlich auslegte und von der Schutznormtheorie uneinheitlichen Gebrauch machte 144 . In solchen Fällen werden die mit der

138 Marburger (Fn. 2), S. 17f.; Klammerzusatz hinzugefügt. Bartlsperger, VerwArch 60 (1969), 35ff. 140 z u r unterschiedlichen Verortung des Rücksichtnahmegebots vgl. Breuer, Das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme - ein Irrgarten des Richterrechts, DVB1. 1982, 1065ff. (1067ff.); Martin Schulte, UPR 1984, 212ff.; Dürr, NVwZ 1985, 719ff.; jeweils m.w.N.; ferner BVerwG, NVwZ 1985, 37f.; NVwZ 1987, 409f. 1 41 Breuer, DVB1. 1982, 1065ff. (1067). 142 So Breuer, DVB1. 1982, 1065 ff. zum baurechtlichen Rücksichtnahmegebot. 143 ObenFn. 110. 144 Dazu Näheres bei Bauer (Fn. 14), S. 149 ff. Bezeichnenderweise w i r d die Frage, ob sich die abschließende Entscheidung des BVerwG mit dem Schutznormdenken älterer oder neuerer Prägimg vereinbaren läßt, i n der Literatur unterschiedlich beurteilt; vgl. dazu einerseits Breuer, DVB1. 1986, 849ff. (854 Fn. 59) und andererseits Kloepfer, Rechtsschutz im Umweltrecht, VerwArch 76 (1985), 371ff. (383 f.). 139

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Schutznormtheorie verbundenen Vorstellungen schlichtweg zu einer Geheimwissenschaft richterlicher Rechtsfindung. Endlich können die Anwendungsunsicherheiten des Schutznormdenkens auch an der allenthalben festgestellten Zunahme subjektiver öffentlicher Rechte des einzelnen 145 abgelesen werden. Frühe Marksteine dieser Rechtsentwicklung sind u. a. die Anerkennung von ursprünglich äußerst umstrittenen und unter Berufung auf das Schutznormdenken verneinten Ansprüchen wie das Recht auf Fürsorge 146 und das Recht auf polizei- bzw. ordnungsbehördliches Einschreiten 147 ; den augenfälligsten Beleg liefern aber nach wie vor die sog. Drittrechte, die heute beispielsweise im Baurecht 148 , im Subventionsrecht 149 , im Immissionsschutzrecht 150 , im Atomrecht 1 5 1 , im Gewerberecht 1 5 2 , im Berufszulassungsrecht 153 , im Recht der Wirtschaftsaufsicht 154 , im Ausländerrecht 155 , im Steuerrecht 156 , im Polizeirecht 157 und im Beamtenrecht 1 5 8 bejaht werden oder zumindest diskussionsfähig geworden sind. Für die Väter des Schutznormdenkens dürfte das Insgesamt dieser neuen Ansprüche, deren Anerkennimg ja vielfach nicht das Ergebnis einer Änderung der jeweiligen gesetzlichen Regelungen, sondern einer gewandelten Auslegung bestehenden Rechts war und ist 1 5 9 , kaum vorstellbar gewesen 145

Vgl. dazu schon oben bei Fn. 27f. Grundlegend BVerwGE 1, 159; dazu Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, 1970, S. 3 ff. m.w.N. 147 Grundlegend BVerwGE 11, 95; dazu Bachof, Urteilsanmerkung, DVB1. 1961, 128ff. 148 Zusammenfassend z.B. Wahl, JuS 1984, 577ff.; Marburger (Fn. 2), S. 16ff. 149 Z.B. Bleckmann, Subventionsrecht, 1978, S. 148ff.; Friauf, Ordnungsrahmen für das Recht der Subventionen, 55. Deutscher Juristentag, Sitzungsbericht M, 1984, S. 8 ff. (23 f.). 150 z.B. Berger (Fn. 2), S. 131ff.; Marburger (Fn. 2), S. 53ff. !5i Marburger (Fn. 2), S. 72 ff. 152 Heinrich, WiVerw 1985, l f f . ; Frers, Die Klagebefugnis des Dritten im Gewerberecht, 1988. 153 Z.B. Scher er, Öffentlich-rechtliche Konkurrentenklagen im Wirtschafts- und Beamtenrecht, Jura 1985, 11 ff. 154 Z.B. Scholz (Fn. 105). 155 Dazu Schwarze, Die Klagebefugnis der Ehefrau gegen die Ausweisung ihres ausländischen Ehemanns, DÖV 1972, 273ff. m.w.N.; BVerwGE 42, 141 (142). 158 Dazu Knobbe-Keuk, Die Konkurrentenklage im Steuerrecht, BB 1982, 385ff.; BFH, NVwZ 1985, 375f. 157 Z.B. Erichsen, Der Schutz der Allgemeinheit und der individuellen Rechte durch die polizei- und ordnungsrechtlichen Handlungsvollmachten der Exekutive, W D S t R L 35 (1977)t 171ff. (210ff.); Wolfgang Martens, Wandlungen im Recht der Gefahrenabwehr, DÖV 1982, 89ff. 158 Z.B. Schmitt-Kammler, Konkurrentenklage im Beamtenrecht?, DÖV 1980, 285ff.; Lecheler, Die Konkurrentenklage - abgelehnt aus Angst vor Folgen?, DÖV 1983, 953ff.; Norbert Müller, Die Konkurrentenklage im Beamtenrecht, JuS 1985, 275 ff. 159 Vgl. etwa zum Polizeirecht Wolfgang Martens, DÖV 1982, 89 ff. (96) und - allgemein - Ossenbühl, Die Weiterentwicklung der Verwaltungswissenschaft, in: Jeserich u.a. (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 5, 1987, S. 1143ff. (1146f.). 146

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sein. Dennoch haben sich viele der erwähnten subjektiven Rechte nach ihrer prinzipiellen Anerkennung durch die Judikatur rasch durchgesetzt und zwar oftmals gegen die bis dahin jeweils herrschende Meinung. Dieser Prozeß dokumentiert einerseits die enorme Elastizität der Schutznormtheorie und andererseits die Variabilität der unter Heranziehimg dieser Theorie gewonnenen Ergebnisse. Alles in allem erweist sich die Schutznormtheorie demnach auch aus rechtspraktischer Sicht als wenig tragfähig; sie ist vielmehr mit ganz erheblichen Anwendungsunsicherheiten belastet. I n vielen Bereichen und vor allem in den zahlreichen Grenzfällen, in denen sich eine gute Theorie bewähren muß, ist nicht mehr vorhersehbar und erkennbar, mit welchem Ergebnis oder auch nur mit welcher Tendenz von der Schutznormtheorie und den mit ihr verbundenen Vorstellungen Gebrauch gemacht wird. Vieles - zu vieles bleibt bis zu den jeweils abschließenden Gerichtsentscheidungen offen 160 . IV. Das Schutznormdenken zwischen Bewahrung und Neuorientierung Die geringe Belastbarkeit des Schutznormdenkens wirft die Frage auf, weshalb dieses Denken dennoch vom ausgehenden Kaiserreich über die Weimarer Zeit bis hin zum öffentlichen Recht der Gegenwart aller K r i t i k so erfolgreich widerstanden hat. Der hierfür letztlich entscheidende Grund dürfte in der Elastizität des Schutznormdenkens und in der (relativen) „Offenheit" der damit begründenden Ergebnisse liegen. So paradox es klingen mag: Die Schwäche der Schutznormtheorie ist zugleich ihre Stärke! Gerade weil das Ensemble der unter dem Stichwort „Schutznormlehre" zusammengefaßten und in dessen Umfeld angesiedelten Theoreme in all seinen Schattierungen zu keinem Zeitpunkt zweifelsfrei festgestellt wurde und heute teilweise sogar als ein „entwicklungsoffener" Kanon 1 6 1 verstanden wird, ist es nämlich möglich, die bei der Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte der Bürger heranzuziehenden Grundsätze, Indizien, Regeln usw. zu variieren. Dadurch kann der Bestand dieser Rechte immer wieder behutsam an Veränderungen der tatsächlichen Gegebenheiten, Wandlungen der Wertvorstellungen und einen Wechsel der Anschauungen angepaßt werden, ohne daß der dogmatische Ansatzpunkt „Schutznormtheorie" aufgegeben werden müßte. Das subjektive Recht wird dadurch gleichsam zu einem Rechtsinstitut, durch das „die Zeit hindurchgehen kann". 160 vgl. auch die (auf das Baunachbarrecht) bezogene pointierte K r i t i k von Martens, KritV 1986, 104ff. (124): Systematischer „Wirrwarr muß früher oder später zu Situationen führen, i n denen eine einigermaßen verläßliche Voraussage über den anstehenden Richterspruch noch hinter der Sicherheit langfristiger Wetterprognosen zurückbleibt". 161 Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 128 zu Art. 19 Abs. 4 GG.

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Kehrseite hiervon sind beträchtliche Konturenunschärfen. Wegen der „Offenheit" des Schutznormdenkens sieht man sich nämlich in vielen Regelungsbereichen bei der Ermittlung subjektiver Rechte nicht selten auf die allgemeinen „Anschauungen" 162 , auf das „Rechtsgefühl" 163 oder auf die „konsensbildende Rechtsprechung des BVerwG" 1 6 4 verwiesen. In Fällen, in denen sich eine gefestigte (höchstrichterliche) Judikatur noch nicht herausgebildet hat oder in denen sich bisherige Rechtsprechungslinien in einer Korrekturphase befinden, w i r d die gerichtliche Austragung von Rechtsstreitigkeiten deshalb oftmals zu einem „Vabanquespiel" 165 . Gleichzeitig verflüchtigt sich die ehemals systembildende Kraft der Verwaltungsrechtsdogmatik in Akzentsetzungen von mehr oder weniger marginaler Bedeutung, verkümmert die Verwaltungsrechtswissenschaft zum (Post-)Glossator der verwaltungsgerichtlichen Judikatur. Es spricht deshalb vieles dafür, sich verstärkt um eine grundsätzliche Neuorientierung zu bemühen. Anstöße für eine solche Neuorientierung gehen nicht zuletzt auch von der „herrschenden" Meinung aus. Denn die Schutznormtheorie heutiger Lesart ist ja nicht mehr identisch mit dem Schutznormdenken der Jahrhundertwende. Vielmehr wurden - wie dargestellt - zahlreiche Positionen, die früher mehr oder weniger als gesichert gelten konnten, längst aufgegeben oder zumindest modifiziert. In dieser sich zwischen der Bewahrung des dogmatischen Ansatzpunktes „Schutznormtheorie" einerseits und der Veränderung des „Schutznormkanons" sowie der „Schutznormpraxis" andererseits bewegenden Entwicklung lassen sich in der Sache Annäherungen zwischen der „herrschenden" Meinung und ihren Kritikern ausmachen. Das gilt zunächst für die seit Jahren mit wechselnden Schwerpunkten geführte Grundsatzdiskussion über die Bedeutung des Verfassungsrechts und insbesondere der Grundrechte für die Begründung subjektiver Rechte 166 . In dieser Frage gehen die Vertreter der Schutznormtheorie heute zwar offenbar prinzipiell von dem Primat des Verwaltungsrechts aus und suchen dementsprechend die „normative Basis der subjektiven Rechte . . . zu allererst" im einfachen Recht 1 6 7 ; dennoch wird der „Verfassungsbezug" aber auch von der herrschenden Lehre zunehmend anerkannt 168 . Grundrechtsunmittelbare 162 v g l bereits Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., 1928, S. 173. 163 v g l Hans Heinrich Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 247 (zur Absonderung des „rechtlichen" vom „persönlichen" oder „ w i r t schaftlichen" Interesse). 164

Vgl. Berger (Fn. 2), S. 168, 184. So Redeker, DVB1. 1984, 870 ff. (870) mit Stoßrichtung gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot. 166 Zu den diesbezüglichen Angriffen gegen die herrschende Meinung siehe z.B. Bernhardt, JZ 1963, 302ff.; Reiner Schmidt, NJW 1967, 1635ff.; Bartlsperger, DVB1. 1971, 723ff.; Lorenz (Fn. 15), S. 62ff.; Zuleeg, DVB1. 1976, 509ff.; Sening, NuR 1980, 102ff.; Bleckmann, VB1BW 1985, 361ff. 167 Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 127 zu Art. 19 Abs. 4 GG. 165

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Reaktionsrechte i m „verfassungsfesten G a r a n t i e b e r e i c h " 1 6 9 w e r d e n v o n der gegenwärtig vorherrschenden M e i n u n g ebensowenig i n Abrede gestellt w i e die N o t w e n d i g k e i t , das einfache Recht „ i m L i c h t e " des Verfassungsrechts u n d n a m e n t l i c h „ i m L i c h t e " der jeweils t h e m a t i s c h einschlägigen G r u n d rechte z u i n t e r p r e t i e r e n 1 7 0 , mögen derartige

„Im-Lichte-Interpretationen"

auch eher Steine statt B r o t g e b e n 1 7 1 . Ä h n l i c h e s g i l t f ü r die - o h n e h i n v o n Mißverständnissen ü b e r l a g e r t e 1 7 2 - Auseinandersetzung über die „Rechtssatz-" b z w . „Gesetzesabhängigkeit" des s u b j e k t i v e n R e c h t s 1 7 3 . O b w o h l das S c h u t z n o r m d e n k e n i n s o w e i t n a c h w i e v o r d a r u m b e m ü h t ist, sich gegenüber solchen A u t o r e n abzugrenzen, die b e i der B e g r ü n d i m g s u b j e k t i v e r Rechte (mit-)entscheidend auf die (konkrete) Betroffenheit i n eigenen Angelegenheiten abstellen w o l l e n 1 7 4 , h a t sich die S c h u t z n o r m p r a x i s n ä m l i c h verschied e n t l i c h doch i n gewissem U m f a n g dieser Gegenposition a n g e n ä h e r t 1 7 5 . 1 68 Maurer (Fn. 3), S. 124. 169 Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 126 zu Art. 19 Abs. 4 GG. 170 So eine in jüngerer Zeit verbreitete Formulierung. Vgl. z.B. Schlichter, NVwZ 1983, 641 ff. (641: Auslegung der baurechtlichen Vorschriften „ i m Lichte des Art. 14 Abs. 1 GG"); Heinrich, WiVerw 1985, l f f . (5: Normen, bei denen Grundrechte Dritter in Frage stehen, „müssen nach einer heute wohl allgemein anerkannten Auslegungsregel auch im Lichte der Grundrechte und ihres subjektiv-rechtlichen Verständnisses ausgelegt werden"); Tschira / Schmitt Glaeser (Fn. 15), S. 91 (die i n Betracht stehende gesetzliche Vorschrift muß „ i m Lichte der Verfassung und insbesondere der Grundrechte (als subjektiv-öffentliche Rechte par excellence) gesehen und von daher interpretiert werden"); Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 123 zu Art. 19 Abs. 4 GG (z.B. sind „baurechtliche Vorschriften im Lichte des Art. 14, wirtschaftsverwaltungsrechtliche Normen i n Bezug zu Art. 12 zu interpretieren"); Marburger (Fn. 2), S. 35 („im Lichte der Grundrechte und ihrer,wertverdeutlichenden' Funktion"), 50, 97; Erbguth (Fn. 2), S. 337 („Interpretation im ,Lichte der Grundrechte'"). 171 Um im Bild zu bleiben: „Bei Licht betrachtet" sind solche „Im-Lichte-Interpretationen" schon allein deshalb wenig hilfreich, weil sie lediglich einen allgemeinen Interpretationstopos zur Verfügung stellen, nicht aber zweifelsfrei klären, in welchen Fällen das „verfassungsrechtliche Licht" einzuschalten ist, mit welcher Intensität dieses Licht strahlt und welche konkrete Bedeutimg die verfassungsrechtlichen Einstrahlungen im Einzelfall haben; vgl. dazu auch Bauer (Fn. 14), S. 161 f. Im übrigen zeichnet sich hier ansatzweise ein Rekurs „von unten" auf die allgemeinen Grundrechtslehren ab, von denen allerdings wahlweise bald die eine („subjektiv-rechtliches Verständnis" - so Heinrich, Fn. 170), bald die andere („wertverdeutlichende Funktion" - so Marburger, Fn. 170) herangezogen wird, ohne daß man sich offenbar jedoch der damit verbundenen Problematik (siehe dazu nur Böckenförde, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW 1974, 1529 ff.) bewußt ist oder diese wenigstens als Problem anspricht. Bei alledem deutet manches darauf hin, daß es sich bei den „Im-Lichte-Interpretationen" um ein pragmatisches Zugeständnis an die K r i t i ker der herrschenden Meinung handelt, vielleicht freilich aber auch nur um einen (dilatorischen?) Formelkompromiß. 172 Siehe dazu die Klarstellungen von Bartlsperger, DVB1. 1971, 723ff. (730f.) und von Henke (Fn. 35), S. 510ff. 173 Vgl. dazu z.B. Scholz (Fn. 105), S. 122ff.; Wahl, DÖV 1975, 373ff. (376f.); ders JuS 1984, 577ff. (579f.); Menger, VerwArch 69 (1978), 313ff. (315f.). 174 Siehe statt vieler nur die K r i t i k von Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 120 zu Art. 19 Abs. 4 GG. 175 Darauf macht u.a. Berger (Fn. 2), S. 118f. im Zusammenhang mit dem drittschützenden Charakter des Rücksichtnahmegebots aufmerksam. Ein weiteres Beispiel für derartige Annäherungen im Bereich grundrechtsdogmatischer Fragestellun-

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Diese Veränderungen, die immerhin zwei zentrale Brennpunkte der Auseinandersetzung betreffen, sind letztlich Ausdruck von osmotischen Annäherungen zwischen der „herrschenden" Meinung und ihren Kritikern. Sie machen deutlich, daß es die viele Jahre über die Schutznormtheorie hinweggegangenen Angriffswellen zwar nicht vermochten, diese Theorie „umzustoßen", aber gleichwohl - weit mehr als oftmals angenommen wird - ihre Spuren hinterlassen haben. Bei sehr globaler Betrachtung dürfte sich dementsprechend manche Meinungsverschiedenheit im Umfeld von Scheinalternativen bewegen, wobei allerdings die unglückliche Polarisierung zwischen den Befürwortern und den Gegnern der Schutznormtheorie die Verständigung über Sachfragen erschwert. Nicht ohne Grund wurde deshalb schon vor Jahren festgestellt, daß für den „unbefangenen Beobachter" nicht mehr genau ersichtlich sei, ob die Diskussion „wirklich noch von unterschiedlichen Vorstellungen ausgeht und zu unterschiedlichen Ergebnissen f ü h r t " 1 7 6 . Mit alledem sollen die nach wie vor bestehenden Meinungsunterschiede nicht in Abrede gestellt oder gar eingeebnet werden. Deutlich geworden sein sollte aber, daß die Gräben zwischen den Vertretern und den Gegnern der herrschenden Meinimg nicht unüberbrückbar sind, sobald man sich von der Frage nach der prinzipiellen Beibehaltung oder Verabschiedung der Schutznormtheorie entfernt und den konkreten Sachfragen zuwendet. In die im folgenden vorgeschlagene Neuorientierung können deshalb Überlegungen sowohl aus dem Umfeld des Schutznormdenkens wie auch aus dem Lager der Kritiker eingebracht werden. V. Zur Begründung subjektiver öffentlicher Rechte im Ordnungsrahmen der Rechtsverhältnislehre Die Problematik der Schutznormtheorie ist in die umfassendere Gesamtthematik des „subjektiven öffentlichen Rechts" eingebunden und kann deshalb an sich nur im Rahmen einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht abschließend geklärt werden. Einer solchen Grundsatzdiskussion weichen Rechtslehre und Rechtspraxis jedoch überwiegend aus und beschäftigen sich statt dessen unter dem Stichwort „Schutznormtheorie" bevorzugt mit der Frage nach der Ermittlung subjektiver Rechte des Bürgers gegenüber der Verwaltung. Dies läßt es gerechtfertigt erscheinen, die folgenden Überlegungen auf die Frage zu konzentrieren, ob und inwieweit subjektive öffentliche Rechte des Bürgers ohne gen liefert BVerwGE 30, 191 (198), wo der gemeinhin einer gegen die herrschende Meinung gerichteten Position zugeordnete Aufsatz von Bernhardt (JZ 1963, 302 ff.) mit durchaus positivem Unterton aufgegriffen wird. 176 So Wahl, DÖV 1975, 373ff. (377) zu der unter dem Stichwort „Gesetzesabhängigkeit - Gesetzesunabhängigkeit des subjektiven Rechts" geführten Grundsatzdiskussion.

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R ü c k g r i f f auf die „ S c h u t z n o r m t h e o r i e " b e g r ü n d b a r sind. D e r dabei z u r D i s kussion gestellte Neuansatz o r i e n t i e r t sich an der derzeit i m V o r d r i n g e n begriffenen L e h r e v o m V e r w a l t u n g s r e c h t s v e r h ä l t n i s 1 7 7 u n d legt besonderes G e w i c h t auf z w e i v o n der herrschenden M e i n u n g b i s l a n g n i c h t überzeugend geklärte Problemschwerpunkte, n ä m l i c h auf die Bedeutimg, die einerseits dem Verfassungsrecht u n d andererseits den tatsächlichen S a c h s t r u k t u r e n des j e w e i l i g e n Regelungsbereichs f ü r die B e g r ü n d u n g s u b j e k t i v e r öffentl i c h e r Rechte des Bürgers z u k o m m t . 1. Die Rechtsverhältnislehre als dogmatischer Ansatzpunkt für die Begründung subjektiver öffentlicher Rechte Dogmatische G r u n d l a g e der s u b j e k t i v e n öffentlichen Rechte s i n d i n dem h i e r interessierenden Z u s a m m e n h a n g die zwischen der V e r w a l t u n g b z w . einzelnen V e r w a l t u n g s t r ä g e r n u n d einem oder mehreren Bürger(n) bestehenden (konkreten) Rechtsverhältnisse 1 7 8 . W i e schon der N a m e sagt, s i n d 177 Vgl. dazu allgemein z.B. Achterberg, Rechtsverhältnisse als Strukturelemente der Rechtsordnung, Rechtstheorie 9 (1978), S. 385ff.; ders., Die Rechtsordnung als Rechtsverhältnisordnung, 1982; ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, insbes. S. 367ff.; ders., Die rechtsverhältnistheoretische Deutung absoluter Rechte, in: Just u.a. (Hrsg.), Gedächtnisschrift Günther Küchenhoff, 1987, S. 14ff.; Bachof, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, W D S t R L 30 (1972), 193ff. (230ff.); Häberle (Fn. 76), S. 248ff.; Wilhelm Henke, Die Rechtsformen der sozialen Sicherung und das Allgemeine Verwaltungsrecht, W D S t R L 28 (1970), 149ff. (156ff.); ders. (Fn. 35), S. 498ff.; ders., Das Recht der Wirtschaftssubventionen als öffentliches Vertragsrecht, 1979, S. 5ff.; ders., DÖV 1980, 621 ff. (622ff.); ders., Juristische Systematik der Grundrechte, DÖV 1984, l f f . ; Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, 1986, S. 258ff.; Martens (Fn. 69), S. 24ff., 41ff. und passim; ders., KritV 1986, 104ff. (insbes. 120ff., 128ff.); Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee u.a. (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 1987, S. 987ff. (1000); Schmitt Glaeser (Fn. 78), S. 84ff.; Schnapp, Sozialrecht und Verwaltungsrecht, SGb 1979, S. 200 ff. sowie die Begleitaufsätze zur Münchener Staatsrechtslehrertagung (1986) zum Thema „Rechtsverhältnisse in der LeistungsVerwaltung" von Ehlers (DVB1. 1986, 912ff.), Hill (NJW 1986, 2602 ff.), Löwer (NVwZ 1986, 793ff.) und Schnapp (DÖV 1986, 81 lff.) und die dort gehaltenen Referate von Fleiner-Gerster, Öhlinger und Krause ( W D S t R L 45 (1987), 152ff., 182ff., 212ff.); siehe auch die Hinweise bei Gröschner, Wirtschaftsüberwachung in gewerbepolizeilicher Tradition und wirtschaftsverwaltungsrechtlichem Wandel, in: Makswit / Schoch (Hrsg.), Aktuelle Fragen . . ., 1986, S. 177ff. (insbes. 201 f.); ders., Der Staat 26 (1987), 497ff. (500); ferner Bauer (Fn. 14), S. 167ff., 170ff., 176ff.; ders., DVB1. 1986, 208ff. (215ff.), jeweils m. w. N. auf die inzwischen kräftig angestiegene Literatur. Die Bedeutung der Rechtsverhältnislehre für das öffentliche Recht und insbes. für das Verwaltungsrecht ist bislang noch nicht abschließend geklärt. Eine solche Klärung ist selbstverständlich auch im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich. Das hier verfolgte Anliegen muß sich vielmehr darauf beschränken, einige Aspekte aus der jüngeren Diskussion über die Rechtsverhältnislehre für die Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte fruchtbar zu machen. 178

Vgl. Henke, DÖV 1980, 621 ff. (623: „Entscheidung für das Rechtsverhältnis als Grundlage aller subjektiven Rechte"); ders., DÖV 1984, lff.; Hill, NJW 1986, 2602ff. (2610). Die hier vom Ansatzpunkt des Rechtsverhältnisses gezogenen Konsequenzen für das subjektive Recht sind freilich nicht selbstverständlich. So macht z.B. nach Ansicht von Achterberg (Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, S. 391) die

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diese Beziehungsverhältnisse rechtlich geregelt, geordnet und gestaltet. Für die Ermittlung der sich aus ihnen ergebenden konkreten Einzelberechtigungen und -Verpflichtungen sind dementsprechend die jeweils einschlägigen Normen des geschriebenen und ungeschriebenen Rechts maßgebend 179 , also insbesondere das Verfassungsrecht, das Verwaltungsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze. In Übereinstimmung mit den verschiedenen Varianten der Schutznormtheorie bleibt damit zwar einerseits die „Normativität" bzw. „Rechtssatzabhängigkeit" des subjektiven Rechts 180 erhalten. Gleichzeitig ergeben sich aber andererseits durch die Einbindimg der subjektiven Rechte in die konkreten Verwaltungsrechtsverhältnisse gegenüber dem Schutznormdenken wichtige Akzentverschiebungen, und zwar in mehrfacher Hinsicht: Die Einbindung der subjektiven Rechte in konkrete Rechtsverhältnisse führt - erstens - zu einer Gesamtbetrachtung der jeweiligen Rechtsbeziehung und ebnet damit den Weg, die hieraus resultierenden Einzelrechte aus dem gesamten, das jeweilige Rechtsverhältnis regelnden Normenmaterial abzuleiten. Entgegen einer mit dem Schutznormdenken nicht selten verbundenen und schon bislang oft kritisierten Vorstellung ist bei der Frage nach subjektiven öffentlichen Rechten also nicht allesentscheidend auf die isolierte Betrachtung einzelner Normen oder Normensplitter und deren nicht selten spekulativ festgelegter „Interessenschutzrichtung" abzustellen. Vielmehr besteht die für eine „konkrete Berechtigung eines Rechtssubjekts maßgebende Rechtsnorm . . . in aller Regel nicht aus einer einzigen Vorschrift, sondern ergibt sich aus einer mehr oder weniger großen Zahl von Normen des geschriebenen und ungeschriebenen Rechts" 181 . Das steht - wie gesagt - im Widerspruch zu einer verbreiteten Grundannahme des Schutznormdenkens, dürfte sich aber nicht unüberbrückbar von der Position solcher Vertreter der Schutznormtheorie unterscheiden, die eingestehen, daß der Schutzzweck einer Norm „oft nicht aus ihr allein, sondern nur aus dem umgebenden Normengefüge und aus seinen institutionellen Rahmenbedingungen ermittelt werden" kann 1 8 2 . Rechtsverhältnislehre das subjektive öffentliche Recht „schlicht überflüssig", was jedoch nicht überzeugt; vgl. zum Ganzen eingehender Bauer (Fn. 14), S. 170ff. m.w.N. Nur ergänzend sei noch darauf hingewiesen, daß schon v. Savigny i n dem Rechtsverhältnis die „tiefere Grundlage" der einzelnen Rechte sah und das einzelne subjektive Recht als eine „durch Abstraktion ausgeschiedene Seite" des Rechtsverhältnisses bezeichnete (System des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, 1840, S. 7). 179 Vgl. hierzu und zu der u.U. hinzukommenden autonomen Gestaltung der jeweiligen Rechtsverhältnisse etwa Martens (Fn. 69), S. 24ff. und Achterberg (Fn. 178), S. 377f. 180 Vgl. Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 118 zu Art. 19 Abs. 4 GG und oben bei Fn. 172f. m.w.N.; zur „Rechtssatzabhängigkeit" der Rechtsverhältnisse siehe etwa Ehlers, DVB1. 1986, 912ff. (912f.); Hill, NJW 1986, 2602ff. (2605f.); Schnapp, DÖV 1986, 811 ff. (819). 181 Martens (Fn. 69), S. 26 m.w.N. 10 Gegenwartsfragen

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Die Gesamtbetrachtung des jeweiligen Rechtsverhältnisses und die damit verbundene Blickerweiterung auf das Insgesamt der diese Beziehung regelnden Normen eröffnet zweitens die Möglichkeit zu einer verstärkten Berücksichtigung des Verfassungsrechts und insbesondere der Grundrechte. Nach dem Text des Grundgesetzes ist nämlich auch die Verwaltung an „Gesetz und Recht" und insbesondere an die Grundrechte als „unmittelbar geltendes Recht" gebunden 183 . Mit diesem Textbefund ist es nicht zu vereinbaren, einen wie auch immer begründeten generellen Anwendungsvorrang der (einfachen) Gesetze zu postulieren 184 oder die normative Basis der subjektiven Rechte des einzelnen zu allererst im einfachen Recht zu suchen 185 und damit dem Verfassungsrecht allgemein eine nachrangige oder sekundäre „Lückenbüßerrolle" zuzuweisen. Vielmehr ist es für zahlreiche Rechtsverhältnisse zwischen Verwaltung und Bürger(n) charakteristisch, daß sie normativ durch das Verwaltungsrecht und durch das Verfassungsrecht geregelt und geordnet sind. Dieser (auch) verfassungsrechtlichen Determination der Verwaltungsrechtsverhältnisse ist bei der Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte Rechnimg zu tragen. Der Prozeß der Rechtsfindung ist deshalb auf eine Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht integrierende Betrachtung auszurichten und muß in manchen Regelungsbereichen sogar in erster Linie am Verfassungsrecht ansetzen 186 . Dies steht im Gegensatz zu dem im Zusammenhang mit der Schutznormlehre neuerer Prägung häufig anzutreffenden Theorem vom „Primat des einfachen Rechts", kann aber jedenfalls i n gewissem Umfang Äußerungen von älteren Schutznormdenkern, wonach die Grundrechte seit „jeher als Prototyp der subjektiven öffentlichen Rechte aufgefaßt wurden" 1 8 7 , für sich in Anspruch nehmen und ist überdies nicht sehr weit entfernt von der auch von manchem Vertreter der heute herrschenden Meinung geteilten Ansicht, daß sich subjektive 182 Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 128 und 139 zu Art. 19 Abs. 4 GG; zustimmend Sellner (Fn. 2), S. 10f. iss Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG. 184 So aber Maurer (Fn. 3), S. 124. Vgl. auch Kunig (Fn. 10), S. 602, der zwar einräumt, daß der Hinweis, die Überprüfung einfachen Rechts auf eine drittschützende Normwirkung könne unterbleiben, wenn das Verfassungsrecht den Dritten ohnehin zur Klage befuge, vor dem Hintergrund der Rechtsquellenhierarchie „gewiß eine logische Argumentation" sei, diese dann allerdings dennoch zurückweist. 185 So Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 127 zu Art. 19 Abs. 4 GG; vgl. auch Schlichter, NVwZ 1983, 641 ff. (642f.) und Sellner (Fn. 2), S. 11. 186 Dabei sind allerdings pauschale Rückgriffe auf das Verfassungsrecht zu vermeiden. Das Zusammenspiel von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht ist viel zu komplex, als daß es auf eine einfache und zugleich aussagekräftige Formel gebracht werden könnte. Vielmehr sind insoweit bereichsspezifische Differenzierungen vorzunehmen, die der unterschiedlichen Intensität und Dichte der verfasssungsrechtlichen Aussagen zu den jeweiligen konkreten Verwaltungsrechtsverhältnissen Rechnung tragen. Dementsprechend kommt auch dem einfachen Recht für die Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte bereichsspezifisch eine unterschiedliche Bedeutung zu. 187 Bühler, Die Reichsverfassung vom 11. August 1919, Kommentar, 3. Aufl., 1929, S. 121 f. für die als unmittelbar geltendes Recht und nicht als bloße Programmsätze verstandenen Grundrechte.

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Rechte gerade in dem wichtigen Teilbereich des Drittschutzes nur gewinnen lassen, „wenn man den Blick zwischen dem vorstrukturierenden Normenmaterial des einfachen Rechts und den zentralen Grundrechtsaussagen hinund herwandern läßt" 1 8 8 . Die Orientierimg an den konkreten Verwaltungsrechtsverhältnissen macht es schließlich - drittens - erforderlich, bei der Ermittlung subjektiver Rechte des einzelnen die konkreten Sachstrukturen des jeweiligen Regelungsbereichs verstärkt einzubeziehen. Denn mit der Einbindung der subjektiven Rechte in die Rechtsverhältnisse zwischen Verwaltung und Bürgerin) ist zugleich „eine Hinwendung zur Wirklichkeit des täglichen Lebens" verbunden, also eine Beschäftigung mit den „konkreten Lebensverhältnissen", auf welche die Rechtsanwendung bezogen ist und in denen das Recht wirksam w i r d 1 8 9 . Damit wird letztlich auch einer bereits mehrfach erhobenen Forderung nach der Berücksichtigung der „Faktizität" bzw. der „faktischen Wirkungen der Normanwendung" 1 9 0 Rechnung getragen und gleichzeitig die Brücke zu der neueren Methodenlehre geschlagen, in der längst anerkannt ist, „daß ein Gesetzestext seinen Sinnzusammenhang erst aus den faktischen Gegebenheiten erfährt, wie umgekehrt diese i n ihrer juristischen Relevanz wiederum von der Gesetzesnorm her bestimmt werden" 1 9 1 . Die Frage, welche Rechte und Pflichten sich aus einem konkreten Rechtsverhältnis ergeben, kann nämlich oftmals nur beantwortet werden, nachdem man den Blick zwischen dem jeweiligen „Normenmaterial" und den „Sachgegebenheiten" bzw. „Lebenssachverhalten" hat „hin- und herwandern" lassen 192 . Faßt man diese Aspekte zusammen, dann sind für die Bestimmung der in Rechtsverhältnisse eingebundenen subjektiven Rechte (und Pflichten) drei Punkte von entscheidender Bedeutung, nämlich (1.) die Orientierung an dem gesamten, das jeweilige Rechtsverhältnis regelnden Normenmaterial, (2.) 188 Schmidt-Aßmann (Fn. 8), Rdnr. 121 zu Art. 19 Abs. 4 GG. In dieselbe Richtung weisen tendenziell auch die Stellungnahmen derjenigen Autoren, die für eine Interpretation des einfachen Rechts „ i m Lichte des Verfassungsrechts" eintreten; vgl. dazu auch oben Fn. 170f. 189 Vgl. Henke, DÖV 1980, 621 ff. (623). 190 Siehe dazu an dieser Stelle nur Bühler (Fn. 29), S. 45 (zur „Auslegungsregel" für Individualinteressenschutz, wenn der jeweilige Rechtssatz „faktisch Individualinteressen zugute kommt"); Scholz (Fn. 105), S. 124f. (zur Berücksichtigung der „Faktizität der GesetzesW i r k u n g " bei der Gesetzesinterpretation); Tschira / Schmitt Glaeser (Fn. 15), S. 92 sowie bereits oben bei Fn. 172ff. m. w.N. 191 Brohm, Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit als Steuerungsmechanismen in einem polyzentrischen System der Rechtserzeugung, DÖV 1987, 265ff. (268) unter Hinweis auf Friedrich Müller, Esser und Kriele. 192 Zu dem Erfordernis, im Prozeß der Rechtsfindung den Blick zwischen Verfassung, (einfachem) Gesetz und Lebenssachverhalt „hin- und herwandern" zu lassen, vgl. allgemein etwa Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl., 1963, S. 15; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 2. Aufl., 1976, S. 197ff., 203ff. und Reiner Schmidt, Wirtschaftspolitik und Verfassung, 1971, S. 104ff., 237ff.

io-

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die damit verbundene integrierende Betrachtung von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht und (3.) die Berücksichtigung der konkreten Sachstrukturen des jeweiligen Regelungsbereichs. Damit sind freilich nur sehr allgemeine Aussagen gewonnen, die keine pauschalen Schlußfolgerungen zulassen, sondern in den einzelnen Regelungsbereichen des Rechts einer differenzierenden Konkretisierung zugänglich und bedürftig sind. Das mag auf den ersten Blick wenig befriedigen, ergibt sich aber aus der Natur des Allgemeinen Verwaltungsrechts. Wenn das Allgemeine Verwaltungsrecht diejenigen Regeln und Grundsätze umfaßt, die für alle oder wenigstens die wichtigsten Bereiche des Besonderen Verwaltungsrechts maßgebend sind 1 9 3 , dann muß es sich für die normativen und sachlichen Besonderheiten der einzelnen Gebiete offenhalten. Das gilt insbesondere auch für das Verhältnis von Verfassungsrecht und einfachem Recht, das in all seinen Einzelausprägungen viel zu komplex ist, als daß es auf eine griffige, in sämtlichen Gebieten des Besonderen Verwaltungsrechts gleichermaßen Geltung beanspruchende Einheitsformel zurückgeführt werden könnte. Insoweit muß hier der Hinweis auf die Stichworte „Eingriffs-", „Leistungs-" und „Planungsverwaltung" genügen 194 . Im übrigen können die Konsequenzen der hier verfolgten Konzeption nur exemplarisch und nur in sehr komprimierter Form für eine ausgewählte Fragestellung aus dem Bereich des Baunachbarrechts skizziert werden. 2. Zur exemplarischen Verdeutlichung: Der sog. Genehmigungsabwehranspruch des „Dritten" im materiellen öffentlichen Baunachbarrecht

Der baurechtliche Nachbarschutz des öffentlichen Rechts 195 zählt bekanntlich zu den umstrittensten Anwendungsgebieten der Schutznorm193 Vgl. Maurer, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 45 (1987), 280; ders. (Fn. 3), S. 21. 194 Die Auseinandersetzung über die Schutznormtheorie leidet ganz allgemein darunter, daß sie oftmals mit der völlig verengten Blickrichtung auf „Drittschutzprobleme" geführt wird. Dadurch entstehen einseitige Betrachtungsweisen und Lösungsansätze. Namentlich für die These vom primär einfach-rechtlichen Problemzugang ist der klassische polizeiliche Eingriff der Prüfstein schlechthin; w i l l man hier nicht mit einer mittlerweile jahrzehntelangen (gegensätzlichen) Tradition brechen, dann läßt sich die genannte These jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht aufrechterhalten. Im Ergebnis vermag daher weder ein (im wesentlichen) einseitig-verwaltungsrechtlicher noch ein (im wesentlichen) einseitig-verfassungsrechtlicher Ansatz zu überzeugen. 195 Auf das neuerdings wieder verstärkt problematisierte Verhältnis von öffentlichem und privatem Nachbarrecht kann hier nicht eingegangen werden (siehe zu dieser Diskussion etwa Peine, Öffentliches und Privates Nachbarrecht, JuS 1987, 169ff. m.w.N.). Die folgenden Überlegungen gehen davon aus, daß das öffentliche Nachbarrecht im Baunachbarschutz zwischenzeitlich eine „Führungsrolle" (Breuer) übernommen hat und eine Umkehr dieser Entwicklung de lege lata weder erreichbar noch wünschenswert ist. Vgl. zur Betonung des verwaltungsrechtlichen „Primärrechtsschutzes" im Anschluß an die Naßauskiesungsentscheidung des BVerfG (E 58, 300) auch BVerwG, NJW 1988, 434ff. (435); Goerlich, JZ 1988, 406f. (406) und Schlichter / Stich (Fn. 25), Rdnr. 3ff.

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theorie, ist Gegenstand einer umfangreichen L i t e r a t u r 1 9 6 u n d k a n n h i e r n u r u n t e r d e m Gesichtspunkt des verfassungsrechtlich gewährleisteten benachb a r t e n Grundeigentums behandelt werden. a) Herkömmliche

Betrachtungsweisen

I m öffentlichen Baurecht unterscheidet m a n h e r k ö m m l i c h zwischen den Rechtsbeziehungen der V e r w a l t u n g z u m B a u h e r r n einerseits u n d

den

Rechtsbeziehungen der V e r w a l t u n g z u m B a u n a c h b a r n andererseits. D a b e i geht m a n h i n s i c h t l i c h der Rechtspositionen des B a u h e r r n

überwiegend

davon aus, daß die Eigentumsgarantie ( A r t . 14 Abs. 1 GG) das Recht des Eigentümers

umfasse,

„sein Grundstück

im

Rahmen der

Gesetze

zu

bebauen. Das Recht z u bauen ist d a m i t Ausfluß des Eigentums a m G r u n d stück. . . . D e r A n s p r u c h auf E r t e i l u n g einer B a u g e n e h m i g u n g f i n d e t i n f o l gedessen seine G r u n d l a g e u n m i t t e l b a r i n der verfassungsrechtlichen E i g e n tumsgarantie u n d ist insofern , g r u n d r e c h t l i c h f u n d i e r t ' " 1 9 7 . B e i der B e g r ü n 196

Siehe dazu neben der bereits ausgewiesenen Literatur aus jüngerer Zeit z.B. Kleinlein, Das System des Nachbarrechts, 1987; Konrad, Verwaltungsrechtsschutz im Nachbarschaftsverhältnis, BayVBl. 1984, 33ff., 70ff.; Parodi, Baurechtlicher Nachbarschutz an Art. 14 GG gemessen, BauR 1985, 415ff.; Schröer, Nachbarschützende Wirkung öffentlicher Baurechtsnormen, DVB1. 1984, 456f.; Schwerdtfeger, Grundrechtlicher Drittschutz im Baurecht, NVwZ 1982, 5ff.; ders., Baurechtlicher Drittschutz und Parlamentsvorbehalt, NVwZ 1983,199 ff.; und - bereits zum neuen BauGB - Hahn, Das baurechtliche Nachbarabwehrrecht, JuS 1987, 536ff.; Wasmuth, Überlegungen zur Dogmatik des öffentlichen Nachbarrechtsschutzes, NVwZ 1988, 322ff. sowie Schlichter / Stich (Fn. 25). Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, daß das neue BauGB die Problematik des baurechtlichen Nachbarschutzes keiner grundsätzlichen gesetzgeberischen Lösung zugeführt hat; vgl. hierzu etwa Peine, Das neue Baugesetzbuch, JZ 1987, 322ff. (330). 197 So - unter Ablehnung von gegenteiligen Verstößen, welche die Baubefugnis vom Eigentum lösen wollen - Friauf, Baurecht, in: v. Münch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Aufl., 1985, S. 439ff. (503 m.w.N.); ähnlich z.B. Emst / Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Raumplanungsrecht, 2. Aufl., 1981, S. 85ff.; Oldiges, Baurecht, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, S. 399ff. (447ff.); Battis, Novelliertes Bundesbaugesetz und Grundgesetz, DÖV 1978, 113 ff. (118ff.); Rengeling, Das Grundeigentum als Schutzobjekt der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und als Gegenstand verwaltungsrechtlicher Planung, Gestaltung und Schrankensetzung, AöR 105 (1980), 422ff. (441 ff.); Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, 1987, S. 22 f.; jeweils m.w.N. In der Rechtsprechung wird z.B. der „Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung" in Art. 14 Abs. 1 GG verankert (BVerwGE 48, 271 (273); siehe dort auch zur Bedeutung von Art. 2 Abs. 1 GG) und das Recht des Bauherrn, sein „Grundstück im Rahmen der Gesetze zu bebauen", als durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt angesehen (BVerfGE 35, 263 (276)); weit. Nachw. zur Judikatur bei Rengeling, a.a.O., S. 444f. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, daß auch dieses „Recht des Eigentümers, sein Grundstück im Rahmen der Gesetze zu bebauen", seinem konkreten Inhalt nach wiederum nur unter gleichzeitiger Heranziehung des Verfassungsrechts und des Verwaltungsrechts („im Rahmen der Gesetze") bestimmt werden kann. Die Position der herrschenden Meinung ist bekanntlich nicht unbestritten; siehe zur Diskussion etwa Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, 1976, S. 162ff.; Hans Schulte, Das Dogma Baufreiheit, DVB1. 1979, 133ff. und Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 170ff., 201ff.; jeweils m.w.N.

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dung subjektiver öffentlicher Rechte des Bauherrn besteht deshalb für die Suche nach Schutznormen des einfachen Rechts regelmäßig weder Raum noch Bedürfnis. Ganz anders verhält es sich dagegen mit den Rechtspositionen des Baunachbarn: Wo beim Bauherrn grundrechtliche und grundrechtlich fundierte Ansprüche einer rechtlich geordneten „Baufreiheit" anerkannt sind, die im praktischen Ergebnis das gesamte einschlägige (einfache) Baurecht im wesentlichen „subjektivieren", klafft beim Nachbareigentümer ein „verfassungsrechtliches Loch". Nur in den bis an die „Schwelle der Enteignung" 1 9 8 zurückgedrängten Fällen der schweren und unerträglichen Beeinträchtigung geben ihm die Grundrechte einen Abwehranspruch 199 , für den in der Praxis allerdings wenig Raum bleibt 2 0 0 . Im übrigen w i r d der Baunachbar auf Schutznormen und Schutznormsplitter des einfachen Rechts sowie auf das derzeit bevorzugt wieder in einzelne Tatbestandsmerkmale des einfachen Rechts eingebundene 201 „Gebot der Rücksichtnahme" verwiesen, das unter bestimmten Voraussetzungen „drittschützenden Charakter" haben soll. Daß diese empfindliche verfassungsrechtliche Lücke beinahe zwangsläufig zu einer „Schieflage" 202 zu Lasten des Baunachbarn führen mußte, ist offensichtlich. b) Rechtsverhältnisdogmatische

Betrachtungsweise

Die damit in groben Zügen umrissene dogmatische Ungleichbehandlung läßt sich vermeiden, wenn man bei der Ermittlung der Rechtspositionen der Beteiligten an dem drei- und mehrseitigen Verwaltungsrechtsverhältnis ansetzt, dessen Bedeutung für das öffentliche Baunachbarrecht in jüngerer Zeit zwar oft betont wurde 2 0 3 , das in seiner Tiefenwirkung aber noch nicht ausreichend verarbeitet ist 2 0 4 . Inhalt dieses dreiseitigen 205 Verwaltungs198

Martens, NJW 1985, 2302ff. (2305). i " Z.B. BVerwGE 32,173 (178f.); 52,122 (124f.). Darüber hinaus wird bei „unmittelbaren" Eingriffen unter bestimmten Voraussetzungen schon im Vorfeld der „schweren und unerträglichen" Betroffenheit ein grundrechtsunmittelbarer Abwehranspruch anerkannt; dazu BVerwGE 50, 282 (286ff.) - Notwegerecht. 200 Ortloff, Die Entwicklung des Bauordnungsrechts, NVwZ 1987, 374ff. (381). 201 Z.B. BVerwG, NVwZ 1985, 37f.; NVwZ 1987, 409f.; Ortloff, NVwZ 1987, 374ff. (380); siehe zur Diskussion des Rücksichtnahmegebots auch die Nachw. oben in Fn. 11 und 12. 2 2 Martens, NJW 1985, 2302 ff. (2305, 2306). 203 v g l s t a t t vieler Marburger (Fn. 2), S. 18: „ I m Gegensatz zur früher herrschenden Sichtweise beschränken sich die durch die Baugenehmigung geschaffenen Rechtsbeziehungen nicht auf das Verhältnis der Behörde zum Bauherrn, sondern tangieren auch die Rechtssphäre des Nachbarn. . . . Man spricht insoweit von dreiseitigen, mehrseitigen, mehrpoligen oder polygonalen Verwaltungsrechtsverhältnissen und kennzeichnet damit eine Situation, die auch bei anderen - z.B. immissionsschutzrechtlichen, atomrechtlichen oder sonstigen gewerberechtlichen - Genehmigungen typischerweise gegeben ist"; Hervorhebungen hinzugefügt. 204 So Wahl, JuS 1984, 577ff. (577ff.) mit weiteren grundsätzlichen Ausführungen zu dem damit verbundenen „fundamentalen Wandel des Verwaltungsrechts"; vgl. auch die instruktive Buchbesprechimg von Scheuing, AöR 112 (1987), 297 ff. (301 f.).

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rechtsverhältnisses s i n d abgestufte Rechte u n d P f l i c h t e n aller B e t e i l i g t e n 2 0 6 , die w i e d e r u m d u r c h das V e r w a l t u n g s r e c h t und das Verfassungsrecht geregelt u n d geordnet sind. I n der P r a x i s des b a u r e c h t l i c h e n Nachbarschutzes steht dabei der gegen die Bauaufsichtsbehörde z u verfolgende sog. Genehm i g u n g s a b w e h r - oder -Unterlassungsanspruch i m V o r d e r g r u n d 2 0 7 , auf den sich die folgenden Überlegungen beschränken. N a c h der hier verfolgten K o n z e p t i o n ist b e i der E r m i t t l u n g der k o n k r e t e n Einzelberechtigungen u n d -Verpflichtungen i m dreiseitigen Baurechtsverh ä l t n i s zunächst auf das Verfassungsrecht abzustellen, also i n dem h i e r interessierenden Z u s a m m e n h a n g auf die d u r c h A r t . 14 G G gewährleisteten Befugnisse der (benachbarten) Grundeigentümer. Gegenstand dieses verfassungsrechtlich gesicherten E i g e n t u m s ist n i c h t n u r das „ H a b e n "

eines

G r u n d s t ü c k s i m Sinne der r e c h t l i c h e n Z u o r d n u n g z u einem Rechtsträger, sondern jedenfalls i n gewissem U m f a n g auch der „ E i g e n t u m s g e b r a u c h " 2 0 8 b z w . die N u t z u n g u n d N u t z b a r k e i t des G r u n d e i g e n t u m s 2 0 9 , welche ihrerseits 205 Aus Gründen der Darstellungsvereinfachung beschränken sich die folgenden Ausführungen auf das dreiseitige (dreipolige) BaunachbarrechtsVerhältnis. 206 v g l z u diesen abgestuften Rechten und Pflichten z.B. Martens, NJW 1985, 2302ff. (Anspruch des Bauherrn „auf Errichtung des in seinem Bauantrag näher bezeichneten Vorhabens", „eigene Rechte und Pflichten" der Verwaltung, Duldungspflichten von Verwaltung und Nachbarn, öffentlich-rechtlich normierte Verhaltenspflichten für den Nachbarn und den Bauherrn, Abwehranspruch und Anspruch auf behördliches Einschreiten des Nachbarn, Schutzverpflichtung der Behörde gegenüber dem Nachbarn). Vgl. zum drei- und mehrseitigen Verwaltungsrechtsverhältnis weiter Steinberg, NJW 1984, 457ff. (458: „Das zweipolige Rechtsverhältnis weitet sich . . . zum drei- oder mehrpoligen Rechtsverhältnis, in dem Rechte und Duldungspflichten des Dritten auszumachen sind."); Oldiges (Fn. 197), S. 473; Wahl, JuS 1984, 577ff.; ferner allgemein Scholz, W D S t R L 34 (1976), 145ff. (157); Schmidt-Aßmann, W D S t R L 34 (1976), 221 ff. (236); ders. (Fn. 28), S. 23; ders. (Fn. 8), Rdnr. 3, 22,144 zu Art. 19 Abs. 4 GG; die Arbeiten von Achterberg (etwa Fn. 178, S. 372f.; Die rechtsverhältnistheoretische Deutung absoluter Rechte, in: Just u.a. (Hrsg.), Gedächtnisschrift Günther Küchenhoff, 1987, S. 13ff. (16, 19, 22ff.)); weiter Häberle (Fn. 76), S. 262; Hoffmann-Riem, Selbstbindungen der Verwaltung, W D S t R L 40 (1982), 187ff. (217f.); Hill, NJW 1986, 2602ff. (2606); ders., Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, 1986, S. 262ff.; Langer, NVwZ 1987,195ff. (198); Bauer (Fn. 14), S. 175f.; ders., DVB1. 1986, 208ff. (217f.). Mittlerweile hat die Figur des „mehrpoligen" Rechtsverhältnisses i n ersten Ansätzen auch Eingang in die Rechtsprechung gefunden (BVerwGE 60, 297 (307); BVerfGE 61, 82 (114)). Der „Mehrpoligkeit" bzw. „Mehrseitigkeit" dieser Verwaltungsrechtsverhältnisse w i r d man allerdings nicht gerecht, wenn man sie vorschnell i n selbständige Zweierbeziehungen zerlegt (so aber offenbar Krause, W D S t R L 45 (1987), 212ff. (221f.)); denn der dogmatische Erkenntniswert des mehrpoligen bzw. -seitigen Rechtsverhältnisses besteht ja u.a. gerade darin, daß der Nachbar nicht mehr - wie früher - als „Dritter", „Störer" oder „Fremdkörper" außerhalb der strikt zweiseitig verstandenen Rechtsbeziehung „Bauaufsichtsbehörde - Bauherr" steht, sondern mit eigenen Rechten und Pflichtem in das Rechtsverhältnis „hereingeholt" wird. Bei der gerichtlichen Geltendmachung steht dann freilich das einzelne Recht im Vordergrund, das jedoch nur eine besondere, durch Abstraktion ausgeschiedene Seite des Rechtsverhältnisses darstellt. 207

Vgl. Marburger (Fn. 2), S. 18. Siehe dazu z.B. Ernst / Hoppe (Fn. 197), S. 88 („Gebrauchenkönnen" als Ausfluß des Eigentumsfreiheitsrechts) und allgemein zur „Privatnützigkeit" des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums etwa BVerfGE 50, 290 (339 ff.). 209 vgl. wiederum Ernst / Hoppe (Fn. 197), S. 89 („Eigentumsnutzungsfreiheit"). 208

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wiederum entscheidend durch die „konkrete Situation" geprägt sind, in die das jeweilige Grundstück „hineingestellt i s t " 2 1 0 . Ebenfalls im Verfassungsrecht angelegt sind außerdem Beschränkungen, Bindungen und Pflichtigkeiten 2 1 1 , die - wie etwa die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Umgebung 2 1 2 - „grenzüberschreitende" Wirkungen des Eigentumsgebrauchs mit in den Blick nehmen. Berücksichtigt man bei der Ermittlung der verfassungsrechtlich abgestützten Eigentümerbefugnisse weiter die konkreten Sachstrukturen des Regelungsbereichs „Baunachbarrecht", dann w i r d deutlich, daß diese Befugnisse nicht allein im Wege einer isolierten Betrachtimg nur eines Grundeigentümers abschließend geklärt werden können 2 1 3 . Aus rechtstatsächlicher Sicht ist nämlich jedes Grundstück „Teil eines Lebensraumes, dessen Charakter weitgehend von der Art der Nutzung der gesamten Fläche bestimmt wird. Benachbarte Grundstücke stehen daher untereinander in so engen Beziehungen, daß man kaum irgendeine Art der Benutzung des eigenen Grundstücks denken kann, die nicht in irgendeiner Weise eine Einwirkung auf benachbarte Grundstücke enthält" 2 1 4 und umgekehrt. Die Grundgegebenheit, daß Grundstücke unbeweglich sind und deshalb alles, was mit und auf ihnen geschieht, potentiell umgebungswirksam ist 2 1 5 , läßt sich mit dem Gedanken einer rechtlichen „Schicksalsgemeinschaft" bzw. „Vorteils- und Lastengemeinschaft" 216 angemessen erfassen. In 210 Zur Bedeutung der „Situationsgebundenheit" bzw. ,,-prägung" für den verfassungsrechtlichen Schutz des Grundeigentums vgl. BVerwGE 32,173 (178f.); SchmidtAßmann, DVB1. 1987, 216ff. (217) und Wahl, JuS 1984, 577ff. (583). Vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG. 212 Das „baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme" wird heute zwar bevorzugt i n einzelne Tatbestandsmerkmale des einfachen Rechts eingebunden (dazu oben bei Fn. 201), wurde aber immerhin von seinem maßgeblichen Wegbereiter i n letzter Abstraktion als eine „wenig Schwierigkeiten" bereitende Kategorie des Verfassungsrechts verstanden (Weyreuther, Das bebauungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme und seine Bedeutung für den Nachbarschutz, BauR 1975, l f f . (1)). Vgl. allgemein zur Pflicht bzw. zum Topos der Rücksichtnahme in der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 14 GGz.B. BVerfGE 37,132 (140); 38, 348 (370); 50, 290 (341); 52, 1 (32); 68, 361 (368); i n BVerwGE 51, 15 (30) ist noch von einem „verfassungsrechtlich verankerten ,Gebot der Rücksichtnahme'" die Rede (Hervorhebung hinzugefügt). Richtiger Ansicht nach dürfte es sich bei dem Rücksichtnahmegebot um einen Rechtsgrundsatz (vgl. hierzu Dürr, NVwZ 1985, 719ff. (722); Stühler, VB1BW 1987, 126ff. (130 f.)) handeln, dem (auch) verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt. Zu den verfassungsrechtlichen Bezügen siehe etwa Martin Schulte, UPR 1984, 212 ff. und Alexy, DÖV1984, 953 ff. 213 Siehe allgemein zur Problematik einseitiger Betrachtungsweisen in mehrseitigen (mehrpoligen) Verwaltungsbeziehungen etwa Wahl, JuS 1984, 577ff. (578); Achterberg, Die rechtsverhältnistheoretische Deutung absoluter Rechte, in: Just u.a. (Hrsg.), Gedächtnisschrift Günther Küchenhoff, 1987, S. 13ff. (23); Bauer, DVB1. 1986, 208 ff. (217 f.). 214 Meisner / Stern / Hodes / Dehner, Nachbarrecht im Bundesgebiet (ohne Bayern), 6. Aufl., 1982, S. 5. 215 Weyreuther, BauR 1975, l f f . (1). 216 Zum Gedanken der „Nutzungsgemeinschaft", der „rechtlichen Schicksalsgemeinschaft" und der „Vorteils- und Lastengemeinschaft" vgl. z.B. Sendler, Der Nachbarschutz im Städtebaurecht (Teil 1), BauR 1970, 4ff. (5ff., 8ff. zum Planbe-

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dieser Vorteils- und Lastengemeinschaft stehen benachbarte Grundstücke untereinander in einem „wechselseitigen Austauschverhältnis" 217 , in dem sich Nutzimgsvorteile des einen Grundeigentümers häufig als Nutzungsnachteile des benachbarten Grundeigentümers auswirken und umgekehrt 2 1 8 . I m Grunde genommen handelt es sich also um Probleme der „Grundrechtskollisionen" 219 oder genauer: um ein Problem konkurrierender Ausübung (subjektiv-)grundrechtlich abgestützter Eigentumsnutzungsfreiheit. Bei dieser grundrechtlichen Ausgangslage sind dreiseitige Rechtsverhältnisse im Baunachbarrecht, also Rechtsverhältnisse zwischen Staat, Bauherrn und Baunachbarn bereits verfassungsrechtlich vorgezeichnet 220 . Mit diesem Ansatz ist allerdings nur eine verfassungsrechtliche Grundrelation erarbeitet, anhand deren sich die konkreten Einzelberechtigungen und -Verpflichtungen der Beteiligten regelmäßig noch nicht abschließend bestimmen lassen 221 . Richtiger Ansicht nach erfolgt die nähere Ausgestaltung und Konkretisierung der verfassungsrechtlich fundierten Eigentümerbefugnisse (und -Verpflichtungen) des Bauherrn wie des Baunachbarn vielmehr durch das (verfassungsmäßige 222) einfache Gesetzesrecht 223 , und zwar insbesondere auch durch das öffentliche Bauplanungs- und Bauordnungsrecht 2 2 4 , das zugleich die Befugnisse der Bauaufsichtsbehörden festlegt. Für reich); Brohm, Die Konkurrentenklage, in: Erichsen u.a. (Hrsg.), Festschrift Menger, 1985, S. 235ff. (241 f.); Dürr, NVwZ 1985, 719ff. (721); Erichsen (Fn. 15), S. 161 und Wahl, JuS 1984, 577ff. (580, 583), der zutreffend darauf hinweist, daß sich dieser Grundgedanke (etwa zur Begründung des nachbarschützenden Charakters der Vorschriften über den seitlichen Abstand) auch auf das Bauordnungsrecht übertragen läßt (580 Fn. 24); vgl. auch Henke (Fn. 17), S. 88f. 217 Vgl. Wahl, JuS 1984, 577ff. (580, 581); Degenhart, JuS 1984, 187ff. (191 f.) und die - mittlerweile allerdings vom BVerwG (NVwZ 1984, 38 f.) aufgehobene - Entscheidung des OVG Münster, NVwZ 1983, 414ff. (415). 218 Vgl. auch hierzu wiederum Wahl, JuS 1984, 577ff. sowie Martin Schulte, UPR 1984, 212 ff. (216). 219 Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 377 ff. behandelt u.a. die hier interessierende Problematik unter dem Stichwort „Grundrechtskollision"; vgl. auch Fehn, Grundrechtskollisionen i n der Praxis, JA 1987, 12ff. (13f.). 220 Wahl (JuS 1984, 577 ff. (578)) macht darauf aufmerksam, daß die „Ausweitung zum dreiseitigen .Rechtsverhältnis" grundrechtlich vorgezeichnet sei. 221 Nach der hier verfolgten Konzeption ist es zu pauschal, den für den Eingriffsadressaten entwickelten verfassungsrechtlichen Anspruch auf „Abwehr rechtswidriger staatlicher Eingriffe" auf den Baunachbarn zu übertragen, wie dies von Teilen der Literatur befürwortet wird. Denn die vom Nachbarn angegriffene Baugenehmigung enthält - ebenso wie das einfache öffentliche Baurecht - regelmäßig zahlreiche Feststellungen und Regelungen, die nicht den Nutzungskonflikt benachbarten Grundeigentums zum Gegenstand haben und zu einem Ausgleich bringen. 222 Im folgenden wird davon ausgegangen, daß die jeweils einschlägigen Normen des öffentlichen Baurechts den dem Gesetzgeber durch die Verfassung gezogenen Rahmen zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht überschreiten. 223 v g l z u r Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Eigentums durch den Gesetzgeber allgemein z.B. BVerfGE 52, 1 (29f.). 224 Zur Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Eigentümerbefugnisse (auch) durch das öffentliche Baurecht siehe z.B. Breuer, DVB1. 1983, 431 ff. (436f.).

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die Begründung der Rechte des Baunachbarn ist dabei von entscheidender Bedeutung, daß das öffentliche Baurecht eine umfassende Regelung der Bodennutzungskonflikte und insbesondere auch der Konflikte benachbarter Grundeigentumsnutzungen in dem oben erwähnten wechselseitigen Austauschverhältnis enthält 2 2 5 . Dementsprechend konkretisieren diejenigen Normen und Grundsätze des öffentlichen Baurechts, die ihrem objektiven Regelungsgehalt nach den nachbarschaftlichen Eigentumsnutzungskonflikt durch die „Postulate der Zuordnung . . . und Abstimmung benachbarter Nutzungen regeln und zu einem Ausgleich bringen" 2 2 6 , nicht nur die grundrechtlich fundierten Nutzungsbefugnisse des Bauherrn, sondern auch die des Baunachbarn. Der Baunachbar ist zwar bei einem mit diesen Normen übereinstimmenden und durch die Baugenehmigung insoweit als zulässige Eigentumsnutzung festgestellten Bauvorhaben im Rahmen des öffentlichen Rechts zur Duldung verpflichtet 2 2 7 , kann sich aber im Fall der rechtswidrigen Abweichung von diesen Normen mangels Duldungsverpflichtung gegen die eine Nachbarrechtsverletzung rechtsfehlerhaft verneinende Genehmigung 2 2 8 zur Wehr setzen. Oder anders: Die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie regelt die subjektiven Nachbarrechte dem Grunde nach, die eigentumsprägenden und -konkretisierenden Normen des einfachen Rechts bestimmen den konkreten Inhalt, den konkreten Umfang und die konkrete Reichweite der Rechtspositionen des Baunachbarn 229 . Im praktischen 225

Breuer, DVB1. 1983, 431 ff. (435). So eine Formulierung von Breuer, DVB1. 1983, 431 ff. (437), die u.a. von Wahl, JuS 1984, 577ff. (585f.); Steinberg, NJW 1984, 457ff. (460); Peine, JuS 1987, 169ff. (173 Fn. 59) und Oldiges (Fn. 197), S. 476 zustimmend aufgegriffen wurde; vgl. auch Albers, Die Krise der Verwaltungsgerichte und der Grundrechtsschutz im Atomrecht, in: Brandt u.a. (Hrsg.), Festschrift Simon, 1987, S. 519ff. (537 Fn. 99); zweifelnd dagegen z.B. Sailer, NuR 1987, 207ff. (211 Fn. 36). Der darin angesprochene Zuordnungs-, Abstimmungs- und Ausgleichsgedanke ist für das Nachbarrechtsverhältnis von zentraler Bedeutung. In der Sache instruktiv hierzu neuerdings auch BVerwG, BayVBl. 1988, 89ff. (90): Der Drittschutz im Baurecht wurzelt im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis. Er leitet sich daraus her, daß bestimmte Vorschriften des öffentlichen Baurechts auch der Rücksichtnahme auf individuelle Interessen oder deren Ausgleich (!) untereinander dienen. 227 Vgl. zu dieser Duldungsverpflichtung etwa Martens, NJW 1985, 2302ff. (2303f., 2305). 228 Vgl. hierzu auch Steinberg, NJW 1984, 457 ff. (461 f.), der den Eingriff i n die Rechte des Nachbarn in der von der Behörde in der Genehmigung getroffenen rechtswidrigen Feststellung sieht, „daß Rechte des Nachbarn nicht verletzt werden", und darauf hinweist, daß die Genehmigung (als Verwaltungsakt mit Drittwirkung) „auch dem Nachbarn gegenüber bestimmt, was seines Rechtes ist"; vgl. auch Breuer, DVB1. 1983, 431 ff. (435) sowie ders., DVB1. 1986, 849ff. (853). 229 Vgl. dazu auch Wahl, JuS 1984, 577ff. (579f.: „ I m Ergebnis ist also das subjektive Nachbarrecht zwar nicht dem Grunde nach, aber i n der konkreten Ausgestaltung gesetzesabhängig".); Schröer, DVB1. 1984, 426f.; Breuer, DVB1. 1983, 431ff. (436f.: „Die Grundrechte, insbesondere die Eigentumsgarantie, bilden somit die normative Grundlage subjektiver öffentlicher Nachbarrechte. Andererseits greifen diese Rechte nur insoweit durch, als die öffentlich-rechtliche Regelung der Bodennutzungskonflikte den nachbarlichen Interessenausgleich . . . gewährleistet...". Es bleibt jedoch dabei, „daß die konkrete Reichweite der subjektiven öffentlichen Nachbarrechte der 226

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Ergebnis bedeutet dies, daß n i c h t n u r die Rechte des B a u h e r r n , sondern auch die Rechte des B a u n a c h b a r n i m wesentlichen g r u n d r e c h t l i c h f u n d i e r t u n d i n i h r e r k o n k r e t e n Ausgestaltung d u r c h das einfache Recht geregelt sind, daß also b e i der E r m i t t l u n g der k o n k r e t e n s u b j e k t i v e n Rechte s o w o h l des B a u h e r r n 2 3 0 w i e auch des B a u n a c h b a r n 2 3 1 das Verfassungsrecht u n d das V e r w a l t u n g s r e c h t heranzuziehen s i n d 2 3 2 , u n d z w a r ohne daß es eines R ü c k griffs auf die S c h u t z n o r m t h e o r i e bedürfte. D i e h i e r dargestellte K o n z e p t i o n der d r e i - u n d mehrseitigen V e r w a l t u n g s rechtsverhältnisse bezieht sich z w a r n u r auf das materielle B a u n a c h b a r recht, ist aber i n den G r u n d s t r u k t u r e n m i t m a n c h e n anderen Problembereichen der sog. D r i t t r e c h t e vergleichbar. D i e d r e i - u n d mehrseitigen V e r w a l tungsrechtsverhältnisse d ü r f t e n deshalb auch i n anderen Bereichen des sog. Drittschutzes ein f r u c h t b a r e r dogmatischer A n s a t z p u n k t f ü r die B e g r ü n d u n g s u b j e k t i v e r öffentlicher Rechte des einzelnen sein. V I . Zusammenfassung und Ausblick N a c h den hier angestellten U n t e r s u c h u n g e n h a t sich das heute z u r sog. Schutznormtheorie belastbar

erwiesen.

avancierte S c h u t z n o r m d e n k e n Die

Fragwürdigkeiten

dieser

insgesamt als „Theorie"

wenig

beginnen

bereits m i t der dogmatischen G r u n d l e g u n g u n d setzen sich über alle w i c h t i gesetzlichen Ausprägung und Aktualisierung bedarf".). Vgl. allgemein zu dem Ansatz, das Verfassungsrecht (d.h. vor allem die Grundrechte) und das einfache Recht zur Begründung subjektiver öffentlicher (Dritt-)Rechte heranzuziehen, etwa (mit teilweise unterschiedlichen Akzentsetzungen) Lorenz (Fn. 15), S. 65, der auf die „Relation" des jeweiligen Gesetzes „zum jeweiligen Grundrecht" abstellen will, „durch die die Regelung, je nach dem, ob sie im Dienst der Mißbrauchswehr, der Kollisionslösung oder der Grundrechtsprägung steht, i n verschiedener und abgestufter Weise subjektive Bezüge empfängt"; Peine, DÖV 1984, 963ff. (969f.); Scholz (Fn. 105), S. 131ff.; Tschira / Schmitt Glaeser (Fn. 15), S. 91ff.; Degenhart, JuS 1984,187ff. (191f.); OVG Münster, NVwZ 1983, 414ff. (415). Der hier befürwortete Ansatz ist - nebenbei bemerkt - von den Konzeptionen mancher „neueren" Schutznormtheorie nicht sehr weit entfernt. Während die Schutznormtheorie jedoch mit der traditionellen Ausgangsfrage nach der Interessenschutzrichtung des jeweiligen Rechtssatzes den Blick an den tatsächlichen und rechtlichen Sachproblemen vorbeilenkt und überdies vielfach auf zweifelhafte „Werte", „Wertungen" und „Interessenbewertungen" zurückgreift, w i r d nach der hier verfolgten Konzeption mit konkreten (auch verfassungsrechtlich abgestützten) Rechtspositionen gearbeitet, die rational nachvollziehbare Begründungen der einzelnen subjektiven Rechte ermöglichen. 230 Zur Begründung der Rechte des Bauherrn aus dem einfachen Recht und dem Verfassungsrecht siehe bereits oben Fn. 197. 231 Vgl. auch BVerfGE 35, 263 (276): Das Recht des Bauherrn, sein Grundstück im Rahmen des Gesetzes zu bebauen, ist durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt; die „Nachbarn wiederum können sich aus demselben Grundrecht gegen unrechtmäßige Einwirkungen auf ihre Grundstücke wehren". 232 Hiervon zu unterscheiden ist die weitere Frage, ob dem jeweiligen konkreten Nachbarn diese Rechtspositionen zustehen (sog. Individualisierung); diese Frage ist nach dem Kriterium der „konkreten Beeinträchtigung" zu entscheiden (vgl. hierzu Breuer, DVB1. 1983, 431 ff. (437) und Wahl, JuS 1984, 577 ff. (586)).

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gen Schaltstellen bis hin zu den Anwendungsunsicherheiten im konkreten Einzelfall fort; hinzu kommen tiefgreifende Veränderungen im Zeitverlauf. Mit einiger Berechtigung wurde deshalb erst jüngst wieder festgestellt, daß in der sog. Schutznormtheorie auch nicht ein „Hauch einer einigermaßen widerspruchsfrei, konzeptionell sauber gearbeiteten Theorie" zu erkennen sei 2 3 3 . Mag diese K r i t i k auch ein wenig überspitzt formuliert sein, so trifft sie doch den Kern der Sache: Die sog. Schutznormtheorie war von Anfang an keine „Zauberformel" 2 3 4 und ist deshalb auch bis in die Gegenwart ein „Dauerstreitthema" 235 geblieben. Soll die Schutznormtheorie dennoch eine in sich einigermaßen konsistente Grundlage für die Begründung subjektiver öffentlicher Rechte des einzelnen abgeben, so läßt sich dies allenfalls dann erreichen, wenn man sie etwa mit Schmidt-Aßmann als einen entwicklungsoffenen Kanon von Methoden und Regeln, nach denen der subjektivrechtliche Gehalt eines Rechtssatzes erschlossen werden soll, deutet. Eine solche offene Konzeption läßt es nämlich zu, die das Schutznormdenken seit jeher begleitenden Wandlungen und Modifikationen älterer Anschauungen sowie der auf ihrer Grundlage gewonnenen Ergebnisse dogmatisch „einzufangen". Dies darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine derartige Konzeption nur noch sehr bedingt zuverlässige Aussagen über die jeweilige Begründung und den jeweiligen Bestand subjektiver Rechte gestattet. Denn durch das Bekenntnis zur „Entwicklungsoffenheit" reichert man die Schutznormtheorie mit einem dynamischen Element an, das die Auflösung bzw. Modifikation des zu einer bestimmten Zeit als mehr oder weniger verbindlich anerkannten Methoden- und Kriterienkanons und damit zugleich auch des jeweiligen Bestandes an subjektiven Rechten bereits im Keim in sich trägt, zumal es keine Instanz gibt, die letztverbindlich über die jeweils maßgebende Fassung dieses Kanons entscheidet. Welch tiefgreifende Veränderungen im Rahmen einer solchen „Entwicklung" über die Zeiten hinweg möglich sind, dokumentiert die Gegenüberstellung von älteren und neueren Fassungen der Schutznormtheorie, die immerhin so zentrale Fragen wie die Einbindung der Grundrechte in das Schutznormdenken und die faktischen Wirkungen der Normanwendung unterschiedlich beantworten 236 . Aber auch in der Gegenwart können die einzelnen Elemente eines solchen Kanons keineswegs als gesichert gelten. Insoweit sollte es nachdenklich stimmen, wenn 233 So Rehbinder (Fn. 1), S. 151; vgl. auch Kunig (Fn. 10), S. 601: „Die Kategorie der ,Schutznorm' ist mehr eine Überschrift für Probleme des verwaltungsgerichtlichen Drittschutzes als daß sich hinter ihr eine kohärente, geschweige denn dogmatisch anerkannte Lehre verbergen würde". 234 Vgl. Bühler (Fn. 29), S. 224: „Diese Definition soll und kann keine Zauberformel sein...". 235 Murswiek, Zur Bedeutung der grundrechtlichen Schutzpflichten für den Umweltschutz, WiVerw 1986, 179ff. (200 Fn. 66). 236 Dazu oben II.

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etwa im Baunachbarrecht die Schutznormtheorie von dem einen Autor als Grundlage eines abgestuften, sich aus einfachgesetzlichen Schutznormen, unter bestimmten Voraussetzungen drittschützendem Gebot der Rücksichtnahme und - bei besonders schweren Eingriffen - verfassungsunmittelbarem Eigentumsschutz zusammensetzenden Systems des Nachbarschutzes verstanden w i r d 2 3 7 , von dem anderen Autor als Grundlage für einen ausschließlich einfachrechtlich konzipierten Drittschutz herangezogen wird, der den Rückgriff auf ein drittschützendes Gebot der Rücksichtnahme ebenso überflüssig mache wie die Gewährung von grundrechtsunmittelbaren Nachbarrechten 238 , und von wieder einem anderen Autor offenbar nur noch als Ansatzpunkt für einen einfachgesetzlichen Problemzugang verwendet w i r d 2 3 9 - all diese unterschiedlichen Konzeptionen sollen sich wohlgemerkt innerhalb der Schutznormtheorie bewegen 240 . Gesicherte Aussagen über den Bestand subjektiver Rechte sind auf der Basis einer derartigen Vielfalt von Schutznormtheorien kaum möglich. Für eine Verwaltungsrechtslehre, die sich nicht auf eine die Judikatur nur referierende und (mehr oder minder marginal kritisch) begleitende Rolle beschränken will, muß dieser Zustand unbefriedigend und zugleich eine Herausforderung für eine grundsätzliche Neuorientierung sein. Sie sollte sich deshalb verstärkt mit den von dem gegenwärtigen Pluralismus der Schutznormtheorien abweichenden Konzeptionen des subjektiven öffentlichen Rechts beschäftigen. Als erfolgversprechender Ansatz für eine solche Neuorientierimg bietet sich die derzeit im Vordringen begriffene Lehre vom Verwaltungsrechtsverhältnis an. Von diesem Ansatzpunkt ergeben sich auch für die Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte wichtige Konsequenzen, weil hierbei das gesamte das jeweilige Rechtsverhältnis regelnde Normenmaterial, d.h. insbesondere auch das Verfassungsrecht, sowie die konkreten Sachstrukturen des jeweiligen Regelungsgebietes zu berücksichtigen sind 2 4 1 . Diese Konzeption ist - wie erwähnt - von den modernen Fassungen der Schutznormtheorie nicht durch einen unüberwindbaren Graben getrennt. Vielmehr können wesentliche Teilelemente dieser Theorien inkorporiert werden, ohne daß jedoch die problematischen und für die konkrete Rechtsfindung wenig geeigneten Grundannahmen und -kategorien dieser Theorien (Interesse, Dualismus von öffentlichen und privaten Interessen, gegenwärtige Interessenwertungen usw.) fortgeschrieben werden müßten. Die damit verbundene Herausführimg des Verfassungsrechts aus der Lükkenbüßerrolle, in die es von manchem Autor abgedrängt wurde, wird nicht 237

Ronellenfitsch / Wolf NJW 1986, 1955 ff. (1956). Marburger (Fn. 2), S. 32ff. (37). 239 vgl. Breuer, DVB1. 1986, 849ff. (854). 238

240 241

Vgl. Marburger (Fn. 2), S. 19f. Fn. 47, 37. Dazu oben V.l.

158

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unwidersprochen bleiben. Gegenüber der zu erwartenden K r i t i k ist jedoch darauf aufmerksam zu machen, daß namentlich die Grundrechte in den Anfängen des Schutznormdenkens noch eine weitaus größere Bedeutung für die Begründung subjektiver Rechte des einzelnen hatten als heute gelegentlich angenommen wird. Außerdem wird auch in der täglichen Rechtspraxis bei Fragestellungen, die sich nicht mit der spezifischen Problematik der sog. „Drittrechte" beschäftigen, jedenfalls im Bereich der „Eingriffsverwaltung" regelmäßig ohne jede Suche nach Schutznormen und Schutznormsplittern des einfachen Rechts von (auch) verfassungsrechtlich abgesicherten Ansprüchen des einzelnen ausgegangen. Und schließlich ist darauf hinzuweisen, daß gerade auch für die in der jüngeren Zeit feststellbare Zunahme der sog. „Drittrechte" vielfach entscheidende Impulse von dem Verfassungsrecht ausgegangen sind 2 4 2 . Daran ist zu erinnern, bevor durch eine derzeit feststellbare Grundströmung zu primär auf Schutznormen des einfachen Rechts abstellenden Betrachtimgsweisen die letzten Reste von (auch) verfassungsrechtlich abgestützten Rechtspositionen des Bürgers gegenüber der Verwaltung unterspült und weggeschwemmt werden. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Verfehlt wäre es freilich anzunehmen, daß mit der hier befürworteten verstärkten Akzentuierung des Verfassungsrechts und insbesondere der Grundrechte ein Allheilmittel gefunden ist, mit dem schlagartig sämtliche Probleme der Begründung subjektiver öffentlicher Rechte (des einzelnen) gelöst wären. Vielmehr bedarf es einer differenzierenden, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht und die je spezifischen Sachstrukturen des jeweiligen Regelungsbereichs integrierenden Entfaltung des oben entworfenen Ansatzes. Dabei kann es sich durchaus ergeben, daß das jeweils zur Diskussion stehende Rechtsverhältnis im konkreten Einzelfall verfassungsrechtlich nur sehr „schwach" determiniert, geregelt und geprägt ist. Im übrigen werden sich selbstverständlich auch bei dem hier verfolgten Ansatz - mit veränderter Blickrichtung - Streitfragen ergeben. Und endlich ist es nicht ausgeschlossen, daß sich bei der vorgeschlagenen Neuorientierung im Verlauf der Rechtsentwicklung wie schon bisher auch zukünftig Veränderungen im Bestand der subjektiven Rechte ergeben werden. Gegenüber dem Schutznormdenken, das die Entscheidung dieser Fragen sowie die Fort- und Rückentwicklung des Bestands subjektiver Rechte letztlich den jeweils vorherrschenden Anschauungen und Wertungen ausliefert, bietet die hier verfolgte Konzeption aber den entscheidenden Vorteil, daß sie die Begründung subjektiver Rechte normativ absichert und damit zugleich den Prozeß der Rechtsfindung juristisch diszipliniert und rational nachvollziehbar macht. Insoweit kommt dem Verfassungsrecht vielfach auch und gerade auch bei der Beantwortung derjenigen Rechtsfragen, bei denen es neuerdings nicht selten in eine Randposition abgedrängt 242

Siehe dazu nur den Überblick bei Maurer (Fn. 3), S. 124 f.

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wird, eine ganz entscheidende Bedeutung zu. Solange dies keine ausreichende Berücksichtigung findet, w i r d die sog. Schutznormtheorie auch nach ihrer „Renaissance" ein Dauerstreitthema bleiben, ganz abgesehen davon, daß sich die Konturen dieser Theorie wegen der heute anzutreffenden Vielfalt von Schutznormtheorien ohnehin immer mehr verwischen 243 .

243 Bezeichnenderweise wird heute bei einer eingehenderen Analyse bundesverwaltungsgerichtlicher Entscheidungen, die sich vordergründig noch zum Schutznormdenken bekennen, bereits vermerkt, daß sie „die Schutznormtheorie nur noch verbal" aufrechterhalten; so Kunig, DVB1. 1988, 237ff. (239) zu BVerwG, DVB1. 1987,1265ff. (öffentlich-rechtlicher Nachbarschutz im Wasserrecht).

O b j e k t i v e s Recht u n d s u b j e k t i v e Rechte Bemerkungen zu verfassungsrechtlichen Wechselbeziehungen Von Matthias Herdegen Die folgende Skizze zu verfassungsrechtlichen Wechselbeziehungen zwischen objektivem Recht und subjektiven Rechten verzichtet auf eine systematische Durchdringung oder Auslotung der angeschnittenen Probleme und w i l l in erster Linie als schlichte Kommentierung neuerer Entwicklungen verstanden werden. Im Vordergrund steht dabei nicht die Diskussion um Begrifflichkeiten; Unsicherheiten über die Begriffsmerkmale tragen die Diagnose einer „Krise" des subjektiven öffentlichen Rechts allenfalls im Rahmen einfachen Rechts, insbesondere im Hinblick auf verwaltungsprozessuale Fragen. Der Schwerpunkt soll hier auf funktionalen Erwägungen zur Komplementarität von Individualschutz und Allgemeininteresse sowie auf bestimmten Rollenerwartungen liegen, die an den Einzelnen als Inhaber eines subjektiven Rechts herangetragen werden.

I. Vorbemerkungen: Individualschutz und Allgemeininteresse Der Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts bestimmt sich nach den mit diesem Institut verbundenen Funktionen; aus verfassungsrechtlicher Sicht beziehen sich diese Funktionen in erster Linie auf den Rechtsschutz und auf die staatliche Haftung für rechtswidrige Eingriffe. Normativ begründete Positionen, deren Verletzung keine auch von der Entschließung des Einzelnen abhängigen Rechtsfolgen im Sinne von Abwehr-, Leistungsoder Haftungsansprüchen nach sich zieht, lassen sich nicht als Gegenstand eines subjektiven öffentlichen Rechts begreifen, ohne daß der Begriff völlig inhaltslos würde. Ob und inwieweit individualschützende Rechtspositionen derartigen Flankenschutz genießen, ist zunächst einmal schlicht eine im A l l gemeininteresse getroffene Regelung objektiven Rechts. Korrekterweise stellt daher das herrschende Verständnis des subjektiven öffentlichen Rechts nicht auf eine strenge Dichotomie zwischen Individual- und Allgemeininteresse ab, sondern vielmehr - in Anlehnung an die von Jellinek 1 und 1 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1905 (Neudruck 1919), S. 51, 68ff., 79 und passim.

11 Gegenwartsfragen

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Matthias Herdegen

Bühler 2 entwickelte Definition - auf die dem Einzelnen verliehene Befugnis ab, in individualschützenden Normen verankerte Positionen geltend zu machen und durchzusetzen 3. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive greift diese Definition insoweit zu kurz, als sie die Rechtspositionen von Hoheitsträgern nicht erfaßt, die dem Staat in einzelnen Beziehungen ähnlich gegenüberstehen wie Private. Die Frage, ob ein Rechtssatz zum Individualschutz bestimmt ist oder nicht, beantwortet sich nach objektivem Recht, welches seinerseits normativer Ausdruck des Allgemeininteresses ist. Ein vom objektiven Recht gelöstes Allgemeininteresse kann es jedenfalls aus rein positivistischer Sicht nicht geben. Dies zeigt sich etwa an den Beschränkungen, denen ein wirksamer Grundrechtsverzicht unterliegt 4 . Belegt wird dieser Befund auch dadurch, daß es kaum subjektive Rechte gibt, die ohne den Vorbehalt der Beschränkung durch Belange der Allgemeinheit oder Dritter gewährleistet sind. Dies schließt freilich nicht aus, daß die „Staatsidee" bestimmte Individualinteressen über existentielle Belange des gesamten Staatsverbandes stellt. Insoweit negiert das normativ begriffene Allgemeininteresse schlicht die Überlebensfähigkeit der Staatsordnung als oberster Belang. In diesem Falle findet sich die Rechtsordnimg damit ab, daß die verdrängten Belange der Allgemeinheit oder Dritter nicht in die staatliche Organisationsstruktur eingebundenen Kräften überantwortet werden; der Staat als Friedensordnung tritt damit hinter individuellen Lebensgestaltungswünschen oder Gruppeninteressen zurück. I m übrigen lassen sich „abwägungsfrei" gewährleistete Rechtspositionen in erster Linie dort finden, wo die Gewährleistung des subjektiven Rechts besonders eng mit der jeweiligen „Staatsidee" verwoben ist. Unter der Geltung des Grundgesetzes gilt dies namentlich für den Schutz der Menschenwürde 5 , der nicht durch kollidierende Grundrechtspositionen relativiert werden kann; dies zeigt sich etwa beim publizistischen Ehrangriff auf die Persönlichkeit 6 . Die Anerkennung subjektiver Rechte 2 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 224 und passim. 3 Hierzu jeweils m.w.N. O. Bachof, Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, 1955, S. 287ff.; U. Ramsauer, Die Rolle der Grundrechte im System der subjektiven öffentlichen Rechte, AöR 111 (1986), 501 ff. (50.3ff., 509ff.); A. Scherzberg, Grundlagen und Typologie des subjektiv-öffentlichen Rechts, DVB1. 1988, 129ff. (130); E. Schmidt-Aßmann, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Kommentar (Stand: Januar 1987), Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 118. Zur Entwicklung des herrschenden Begriffs V e r s t ä n d n i s s e s mit einer kritischen Analyse H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 69ff., 117ff. Kritisch zum Schutznormdenken im Grundrechtsbereich D. Suhr, Immissionsschäden vor Gericht, 1986, S. 110 ff. 4 Hierzu m.w.N. I. v. Münch, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Vorb. 62f. zu Art. 1 - 19. 5 Hierzu P. Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der menschlichen Gemeinschaft, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von J. Isensee / P. Kirchhof, Bd. 1, 1987, S. 815ff. 6 Vgl. BVerfGE 75, 369 (379f.).

Objektives Recht und subjektive Rechte

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dient ebenso wie deren Durchsetzung letztlich der Wahrung objektiven Rechts7 und sichert damit die Normativität der positiven Rechtsordnung insgesamt. Der Einzelne agiert mit der Geltendmachung subjektiver Rechtspositionen sozusagen als „Funktionär der Gesamtrechtsordnung" im Sinne der Zwecklehre von Rudolf Jhering. Diese Funktion, die in der Mobilisierung subjektiver Rechte liegt, äußert sich insbesondere in der „Anstoßwirkimg" von Verfassungsbeschwerden, welche die umfassende Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des angefochtenen Rechtsaktes eröffnet 8 . Illustrieren läßt sich dies in markanter Weise anhand des „Brokdorf-Beschlusses" zur Versammlungsfreiheit 9 . Dort hat das Bundesverfassungsgericht nach weit ausgreifenden Erörterungen zur Bedeutung der Versammlungsfreiheit die Verfassungsbeschwerden wegen der unzulässigen Anwendung einer Beschwerderegelung für den einstweiligen Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren durchgreifen lassen 10 ; die von einem gewissen Pathos nicht ganz freien Darlegungen des Gerichts zur zentralen Funktion der Versammlungsfreiheit innerhalb eines demokratischen Gemeinwesens11 verkümmern damit zu schlichten obiter dicta. Schließlich zeigt sich der objektiv-rechtliche Gehalt subjektiver Rechtspositionen in der Anerkennung von Institutsgarantien 12 und institutionellen Garantien 13 sowie in der Ableitung einer objektiven Wertordnung 14 und von objektiven Schutzpflichten 15 aus den Grundrechten. In der Regel sind mit der Begründung subjektiver öffentlicher Rechte materielle Rechtspositionen als Grundlage eigenverantwortlicher Lebens7

Vgl. Jellinek (Fn. 1), S. 68 f. Hierzu W. Meyer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl., Bd. 3, 1983, Art. 93 Rdnr. 65. 9 BVerfGE 69, 315. 10 BVerfGE 69, 368ff. " BVerfGE 69, 343 ff. 12 BVerfGE 24, 367 (389). 13 BVerfGE 52, 283 (296); 57, 295 (319ff.); 73, 118 (152f.); BVerfG, EuGRZ 1987, 261 ff. (267 ff.). 14 BVerfGE 7, 198 (204ff.). Hierzu H. D. Jarass, Grundrechte als Wertentscheidungen bzw. objektiv-rechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 110 (1985), 363 ff. 15 BVerfGE 39,1 (41f.); 46,160 (164); 49, 89 (141f.); 53, 30 (57); 76,1 (49f.); BVerfG, EuGRZ 1987, 565ff. (577). Zu grundrechtlich begründeten Schutzpflichten etwa R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 410ff.; G. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, S. 43 ff., 187 ff. und passim; J. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, S. 27ff. und passim; Jarass, AöR 110 (1985), 378ff.; D. Murswiek, Die staatliche Verantwortung für Risiken der Technik, 1985, S. 88ff.; G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 121 ff.; H. Steiger, Entwicklung i m Grundrechtsverständnis i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, in: T. Berberich / W. Holl / K.-J. Maaß (Hrsg.), Neue Entwicklungen im öffentlichen Recht, 1979, S. 255ff.; rechtsvergleichend C. D. Classen, Die Ableitung von Schutzpflichten des Gesetzgebers aus Freiheitsrechten - ein Vergleich von deutschem und französischem Verfassungsrecht sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention, JÖR N.F. 36 (1987), S. 29ff. 8

Ii*

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gestaltung verbunden. Wird dagegen die individualschützende Komponente auf eine rein formale Position reduziert, stellt sich das subjektive Recht als die Einräumung einer Art Prozeßstandschaft zur Wahrung objektiven Rechts dar. Hier ist vor allem an den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu denken, der über seinen rein objektiv-rechtlichen Gehalt 1 6 hinaus einen Anspruch des Einzelnen auf innere Schlüssigkeit und Plausibilität gegen den Gesetzgeber sowie gegen die vollziehende Gewalt einen Anspruch auf Normanwendungsgleichheit vermittelt. Freilich setzt die Berufung auf den allgemeinen Gleichheitssatz stets eine durch die angegriffene Regelung betroffene anderweitig vorgegebene Rechtsposition voraus 17 . Daß die subjektive Komponente individualschützender Rechtsnormen auf Aktualisierung durch einen persönlichen Willensakt als Ausdruck eigenverantwortlicher Lebensgestaltung gerichtet ist, unterscheidet das subjektive Recht von den Befugnissen und Kompetenzen staatlicher Organe. Diese Befugnisse stehen nicht einfach zur Disposition der jeweiligen Organe und können daher auch nicht in gleichem Maße wie Ansprüche Privater durch Mißbrauch oder Individualrechtsverletzungen „verwirkt" werden. Deshalb ist gegenüber Denkfiguren wie der Verwirkung des staatlichen „ Strafanspruchs" (etwa im Zusammenhang mit dem Einsatz von Lockspitzeln oder sonstiger Schuldverstrickung durch Behördenhandeln) deutliche Skepsis geboten 18 . Die normativ abgesicherte Verflechtung von individueller Willensmacht und allgemeinen Belangen dient der legitimationsstiftenden Wirkung von Grundrechten; in diesem Sinne tragen namentlich die Kommunikationsgrundrechte zu einer Stabilisierung des repräsentativen Systems bei 1 9 ; insoweit verdient die „Brokdorf-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts Zustimmung. Dabei geht es freilich nur um die Legitimation in einem soziologischen Sinne, da es aus rein positiver Perspektive eine über die Verfassung selbst hinausweisende Legitimationsbasis nicht geben kann 2 0 . Wenn für die Intensivierung eines Grundrechtsschutzes wie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Versammlungsfreiheit 21 mögliche Integrationsdefizite und sonstige Akzeptanzmängel von rechtmäßig zustande gekommenen Mehrheitsentscheidungen ins Feld geführt werden, droht die

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Vgl. zum Gebot der Rechtsgleichheit als objektives Recht Jellinek (Fn. 1), S. 72. 17 Vgl. BVerwGE 39, 235; OVG Münster, NJW 1987, 2695ff. (2696); J. Pietzcker, Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, JuS 1982, 106ff. (110); SchmidtAßmann (Fn. 3), Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 122. 18 Siehe hierzu etwa BGH, NStZ 1985, 131 (m. Anm. von K. Meyer); vgl. M. Herdegen, Die völkerrechtswidrige Entführung eines Beschuldigten als Strafverfolgungshindernis, EuGRZ 1986, l f f . (2). 19 BVerfGE 69, 315 (347). 20 VG1. BVerfGE 62, 1 (43). 2 1 BVerfGE 69, 315 (347).

Objektives

echt und subjektive Rechte

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Gefahr, daß dadurch der normative Legitimationsanspruch verfassungsmäßiger Staatsakte ausgehöhlt und abgewertet wird.

II. Subjektive Rechte und koordinationsrechtliche Strukturen Der Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts, welches dem Schutz der individuellen Freiheitssphäre dient, setzt die Subordination des Einzelnen unter staatliche Gewalt und den Gehorsamsanspruch des positiven Rechts unmittelbar voraus. In diesem Sinne findet in der Begründung subjektiver Rechte die Subjektqualität des Einzelnen doppelten Ausdruck. Der Einzelne erscheint dabei als Rechtsträger ebenso wie als Rechtsunterworfener. Die Berufung auf durch staatliche Gewalt begründete und allein durch sie zu sichernde subjektive Rechte ist daher nicht geeignet, den einzelnen Rechtsträger in ein echtes Koordinationsverhältnis gegenüber dem Staatsverband zu rücken. In diesem Sinne kann sich die namentlich von Isensee eindrücklich formulierte Frage, wer die Freiheitsrechte definiert 22 und ihren Umfang gegebenenfalls in Abwägimg mit kollidierenden Rechtspositionen zu bestimmen hat, aus normativer Sicht gar nicht stellen. Die neuere Rechtsprechung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat diesen schlichten Befund zwar nicht ernsthaft erschüttert, wohl aber ihm einiges von seiner Banalität genommen. Das Urteil zum Volkszählungsgesetz von 1983 23 hat im Rahmen des neugeschaffenen Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung die Akzeptanzfähigkeit einer gesetzlichen Regelung als verfassungsrechtliche Kategorie eingeführt 24 . Durch die Einspiegelung dieses Elements in die Prüfung der Geeignetheit der jeweiligen Regelung für den verfolgten Zweck hat das Gericht dabei allerdings den Kanon anerkannter Justitiabilitätskriterien nicht verlassen. Noch deutlicher haben sich Tendenzen eines Koordinationsdenkens in der „ Brokdorf Entscheidung" zur Versammlungsfreiheit Bahn gebrochen. Dort hat das Bundesverfassungsgericht die Versammlungsfreiheit mit der Aura eines sich dem organschaftlichen Bereich nähernden Grundrechts von zentraler Bedeutung für den politischen Willensbildungsprozeß umkleidet 2 5 . Besonders markanten Ausdruck findet die Koordinationsperspektive in dem Postulat, daß Staatsmacht und Demonstranten beiderseits Aggressionsanreize zu unterlassen hätten und die Ordnungsbehörden bei Großdemonstrationen zu einer „vertrauensvollen Kooperation" mit den Veranstaltern finden 22

Siehe J. Isensee, Wer definiert die Freiheitsrechte?, Schriftenreihe der Juristischen Studiengesellschaft Karlsruhe, Heft 145, 1980. 23 BVerfGE 65, 1. 24 BVerfGE 65, 50. 25 BVerfGE 69, 315 (345ff.); hierzu m.w.N. H. Bethge, Die Demonstrationsfreiheit ein mißverstandenes Grundrecht, ZBR 1988, 205ff.

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sollten 26 . In diesem Szenario figurieren Ordnungsbehörden und Versammlungsteilnehmer als quasi gleichgeordnete Partner. Die am demonstrativen Protest Mitwirkenden erscheinen nicht nur als Verfechter von Individualinteressen, sondern auch als Sachwalter von Allgemeinbelangen (es geht ja auch um das Sichtbarmachen von „Integrationsdefiziten" 27 ), während die Wahrung konkreter Rechts- und Lebensgüter durch die Organe der vollziehenden Gewalt etwas aus dem Blickfeld gerät. Diese Rechtsprechimg ist jedenfalls potentiell geeignet, die Schranken zwischen der im gesellschaftlichen Bereich verbleibenden individuellen Freiheitssphäre einerseits und dem staatsorganschaftlichen Bereich andererseits einzuebnen. Noch erheblich weiter als die sich hier vorsichtig andeutende Tendenz geht eine in der Literatur an Boden gewinnende Strömung, welche einzelne Grundrechte für eine Relativierung der Verbindlichkeit von Mehrheitsentscheidungen und anderer verfassungsmäßig zustande gekommener Staatsakte mobilisieren will. So unternehmen einzelne Stimmen in der Literatur den Versuch, der ethischen Legitimation von Zuwiderhandlungen gegen allgemein verbindliche Verhaltensgebote unter Rückgriff auf das Grundrechtssystem, insbesondere auf die Kommunikationsgrundrechte, rechtfertigende Kraft zuzusprechen 28 . In diesem Zusammenhang w i r d auch die Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) bemüht, die als Vehikel zur Herstellung eines aktiven Infragestellens von Mehrheitsentscheidungen in Grundsatzfragen im Sinne der Herstellung eines „herrschaftsfreien Diskurses" in Anspruch genommen wird 2 9 . Dabei wird der Dissident als Inhaber eines ihm von Verfassungs wegen anvertrauten „öffentlichen Amtes" verstanden 30 . In diesen Erwägungen findet die Auflösung subordinationsrechtlicher Beziehungen in vertragsrechtliche Kategorien Niederschlag. Als Hinwendung zu koordinationsrechtlichen Strukturen läßt sich auch im Staatskirchenrecht die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zur Selbstverwaltungsgarantie für Religionsgesellschaften (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) deuten, welche ausdrücklich nach Maßgabe der „für alle geltenden Gesetze" eingeschränkt ist. Für das Bundesverfassungsgericht bezieht sich diese Schrankenregelung nur auf solche Gesetze, die für die Kirche die gleiche Bedeutung haben „wie für den Jedermann" 31 ; für die Beurteilung dieser Frage soll das Selbstverständnis der Kirchen mitent26

BVerfGE 69, 355 ff. BVerfGE 69, 347. 28 Siehe etwa R. Dreier, Widerstandsrecht im Rechtsstaat? - Bemerkungen zum zivilen Ungehorsam, in: Festschrift für Hans Ulrich Scupin zum 80. Geburtstag, 1983, S. 573 ff. (589ff.). 29 In diesem Sinne etwa P. Tiedemann, Gewissensfreiheit i n der Demokratie, Der Staat 26 (1987), 371ff. (389ff.); vgl. auch U. Rühl, Das Grundrecht auf Gewissensfreiheit im politischen Konflikt, 1987, S. 159ff., 246ff. und passim. 30 Tiedemann, Der Staat 26 (1987), 391. 3 * BVerfGE 42, 312 (334). 27

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scheidend sein 32 . Damit wird entgegen dem Wortlaut der Verfassung bei der Bestimmimg von Freiheitsgarantien die Definitionsmacht weitgehend auf die begünstigten Religionsgesellschaften verlagert 33 . Freilich liegt bei vorzunehmenden Abwägungen zwischen Interessen der Religionsgemeinschaft und kollidierenden Belangen die Letztentscheidung stets bei den Organen des - bestimmten Schutzaufgaben verpflichteten - Staates. Dabei kann es einen von vornherein einer Abwägung nicht zugänglichen, nach Maßgabe des kirchlichen Selbstverständnisses absolut geschützten Kernbereich religiösen Wirkens nicht geben 34 . Hier zeigt sich zugleich, daß ein strenges Koordinationsdenken letztlich auf eine Fiktion zurückführt 35 . Grundsätzlichen Bedenken bleibt die staatskirchenrechtliche Judikatur des Bundesverfassungsgerichts vor allem deswegen ausgesetzt, weil sie zu einer „gestuften Normativität" von Gesetzen führt. Denn sie eröffnet die Möglichkeit einer Ausgrenzung bestimmter Normadressaten von der Verbindlichkeit und Anwendbarkeit allgemein geltender gesetzlicher Regelungen. So sollen einzelne an sich weltanschaulich neutrale Regelungen - etwa des Betriebes und der Organisation von Krankenanstalten - auf Religionsgemeinschaften und von diesen getragene Einrichtungen keine Anwendung finden 36 . Diese Judikatur gewinnt nicht dadurch an Überzeugungskraft, daß sie auf eine - an sich konsequente - Differenzierung nach dem jeweiligen Selbstverständnis der betroffenen Religionsgemeinschaften (welche bestimmten Bereichen diesseitigen Wirkens nach ihrem Selbstverständnis durchaus unterschiedliche Bedeutung beimessen) verzichtet und statt dessen unter Orientierung an den Großkirchen pauschal auf ein „überkommenes kirchliches Selbstverständnis" abstellt 37 . Soweit hinter dieser generalisierenden Betrachtungsweise das verständliche Anliegen einer Wahrung von Rechtssicherheit und Homogenität steht, so läßt sich diesen Belangen dadurch angemessen Rechnung tragen, daß der Vorrang des allgemeinen Gesetzes entsprechend dem Verfassungswortlaut Beachtung findet. Im Sinne einer Klarstellung sei hier betont, daß mit der Diagnose koordinationsrechtlicher Tendenzen nicht etwa das Gespenst einer Fragmentierung der Rechtsordnung durch eine Hypertrophie des subjektiven Rechts evoziert werden soll. Es sei auch nicht bestritten, daß es vom Boden eines demokratietheoretisch fundierten Funktionsverständnisses der Grundrechte naheliegt, den Grundrechtsschutz - insbesondere im Bereich der Kommunika32

BVerfGE 42, 336f. Kritisch hierzu etwa J. Wieland, Die Angelegenheiten der Religionsgesellschaften, Der Staat 25 (1986), 321 ff. (331). 34 Vgl. M. Herdegen, EuGRZ 1984, 244 (245) m.w.N. 35 Vgl. K. Doehring, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1984, S. 47. 36 BVerfGE 53, 366; kritisch hierzu Sondervotum des Richters Rottmann, BVerfGE 53, 408ff. 37 BVerfGE 53, 392ff. (402f.). 33

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tionsgrundrechte - in Beziehung zur Rolle des Einzelnen als Glied einer demokratisch verfaßten Gemeinschaft zu setzen 38 . Wenn sich der Einzelne etwa bei der Ausübung der Meinungs- oder Versammlungsfreiheit - nicht für eigene Interessen, sondern vielmehr für (wie auch immer verstandene) Allgemeinbelange einsetzt, so mag unter rechtspolitischen Gesichtspunkten ein solches Engagement im Gegensatz zu egoistischem Handeln den Lorbeer einer (von manchen Demokratiekonzepten inzwischen aufgesogenen) republikanischen Tugend 39 in Anspruch nehmen oder als Beitrag zu einem lebendigen Meinungs- und Willensbildungsprozeß in rebus publicis Zuspruch verdienen. Mit diesen Erwägungen läßt sich jedoch nicht die Schwierigkeit einer verbindlichen Bewertung und Gewichtung des jeweils verfolgten Anliegens 40 beiseite schieben. Der dem Grundrechtssystem immanente Schutz eigenverantwortlicher Lebensgestaltung deckt auch den „unrepublikanischen" Rückzug auf sich selbst, die innere Emigration und die Distanz gegenüber dem Staat oder demokratischen Leitprinzipien. Eine Verknüpfung des Grundrechtsschutzes mit der Orientierung an Gemeinschaftsbelangen und mit Fragen von allgemeinem Interesse ist geeignet, die Schranke zwischen dem staatsorganschaftlichen Bereich und der individuellen Freiheitssphäre einzuebnen. Wenn die Grundrechtsausübung in Ausrichtung an Belange des Allgemeinwohles aus demokratietheoretischer Perspektive in die Nähe der Ausübimg staatlicher Kompetenzen gerückt w i r d 4 1 , dann läßt sich mit einer gewissen Plausibilität auch die Grundrechtsausübung in eine Zweck-Mittel-Relation einspannen und so einer gewissen Verhältnismäßigkeitskontrolle unterziehen. Gerade der weltanschaulich neutrale, auf eine verbindlich gemachte Identifikation verzichtende Staat 4 2 sollte darauf bedacht sein, seine Organe nicht mit Bewertungsfragen zu belasten, welche sich einer sicher prognostizierbaren, normativ festgelegten Beantwortung entziehen. Ebensowenig sollte er eine solche Bewertung individuellen Verhaltens dem Selbstverständnis größerer oder kleinerer gesellschaftlicher Gruppierungen überantworten. Diese Tendenzen lassen sich freilich auch - weniger kritisch - als Versuch eines „Konsensmanagements" durch Einbeziehung gesellschaftlicher Gruppen deuten, bei dem der Staat auf das Monopol der Bestimmung von öffentlichen Interessen verzichtet; jemand, der in diesem Sinne für das flexible 38 Vgl. BVerwGE 14, 21 (25). 39 Hierzu etwa J. Isensee, Republik - Sinnpotential eines Begriffs, JZ 1981, l f f . (6f.). 40 Vgl. E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW 1974, 1529ff. (1534f.). 41 Zu dieser Grundrechtskonzeption etwa Böckenförde, NJW 1974,1535. 42 Zum Prinzip der Nichtidentifikation etwa H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 178ff.

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Gleichgewichtsmodell einer „Gesellschaft der Organisationen" plädiert 4 3 , wird diese Entwicklung eher begrüßen. III. Schutz der individuellen Freiheitssphäre und Kompetenzvorschriften 1. Die freiheitssichernde Funktion von Kompetenz Vorschriften

Die Erkenntnis, daß Kompetenznormen häufig ebenso wirksam Freiheitsräume zu sichern und zu bewahren vermögen wie Gewährleistungen subjektiver Abwehrrechte, hat Tradition. Bei der Diskussion um die Annahme der amerikanischen Bundesverfassung von 1787 führten die Verfasser der „Federalist Papers" gegen den Einwand eines damals noch fehlenden Grundrechtskataloges das Argument ins Feld, Eingriffe in die Freiheit des Einzelnen seien ja ohnehin nach Maßgabe der den Unionsorganen eingeräumten Kompetenzen beschränkt 44 . Ein ähnliches Verständnis der Beziehungen zwischen Kompetenznormen und subjektiven Rechten keimt innerhalb der deutschen Rechtslehre in der Qualifizierung von Grundrechten als „negative Kompetenzvorschriften" 45 in etwas schiefer Begrifflichkeit fort 4 6 . Unter der Geltung des Grundgesetzes hat sich die Einsicht in die freiheitsstiftende Bedeutung von Kompetenznormen vor allem im Bereich der Finanzverfassung Bahn gebrochen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von außersteuerlichen, gegenleistungsunabhängigen Abgaben 47 hat im Hinblick auf die Grundgesetzregelungen über das Finanzwesen den Kompetenznormen eine „grundrechtssichernde" Funktion attestiert 48 ; dabei findet sich das Gericht im Einklang mit einer starken Literaturmeinung 49 . Diese Konzeption dürfte sich als Frucht des 43

So etwa K. H. Ladeur, Klassische Grundrechtsfunktion und post-moderne Grundrechtstheorie, KJ 19 (1986), 197 ff. (201). 44 A. Hamilton, Federalist No. 84 in: The Federalist Papers (1787 - 88), hrsg. von G. Wills, 1982, S. 437. 45 In diesem Sinne etwa K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 1988, S. 118, Rdnr. 291. Siehe zum Zusammenhang zwischen Grundrechten und Kompetenzen auch BVerfGE 4, 7 (15); H. Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, W D S t R L 20 (1963), 53ff. (89ff.); H. Goerlich, „Formenmißbrauch" und Kompetenzverständnis, 1987, S. 43ff.; F. Ossenbühl, Probleme und Wege der Verfassungsauslegung, DÖV 1965, 649ff. (657). 46 Diese Terminologie hat unter der Geltung des Grundgesetzes weitaus weniger Berechtigung als im amerikanischen Bundesverfassungsrecht; dort sind die Freiheitsrechte des ersten Verfassungszusatzes als Kompetenzbegrenzungen formuliert: „Congress shall make no law . . . " . 47 Hierzu etwa P. Henseler, Begriffsmerkmale und Legitimation von Sonderabgaben, 1984, S. 15 ff. und passim. 48 BVerfGE 55, 274 (302f.); ähnlich BVerfGE 67, 256 (275). 49 K. H. Friauf, Zur Zulässigkeit von außersteuerlichen Finanzabgaben, in: Festschrift für Willi Haubrichs zum 65. Geburtstag, 1976, S. 103ff. (104). Siehe zum

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Bemühens verstehen lassen, den Grundsatz der Einheit der Verfassung in eine integrative Auslegung umzumünzen 50 . Wie sich gerade im Finanzverfassungsrecht zeigt, wecken Formeln, welche die freiheitssichernde Wirkung von Kompetenzvorschriften beschwören, freilich Erwartungen, welche nicht überspannt werden dürfen 51 . I m Grunde geht es hier um die Begründung bestimmter konzeptioneller Erfordernisse im Hinblick auf die besondere Verantwortung einzelner Gruppen und erhöhte Rationalitätsbedingungen für nichtsteuerliche Abgaben 52 . Darüber hinaus leistet die Finanzverfassung nichts für den Schutz der individuellen Freiheitssphäre gegen Abgaben. Wann etwa die Höhe der Belastung oder die Auferlegung eines Sonderopfers zur Unzulässigkeit einer Abgabe führt, ergibt sich letztlich nicht aus Kompetenzvorschriften, sondern aus dem Grundrechtssystem 53 . 2. Kompetenz Vorschriften und Güterabwägung

Wie etwa die Judikatur zur Begrenzung vorbehaltlos gewährter Grundrechte wie des Rechtes auf Kriegsdienstverweigerung 54 deutlich macht, dient der Rückgriff auf Kompetenzvorschriften - die Bestimmungen über die Aufstellung von Streitkräften (Art. 87 a GG) - immer wieder der Gewinnung von Abwägungspositionen, welche in die Begrenzimg von Grundrechten eingebracht werden. Kompetenzvorschriften werden so zum Ausdruck materieller Wertentscheidungen des Verfassungsgebers hochgestuft. Hintergrund dieser Entwicklung bildet das vom Bundesverfassungsgericht selbst entwickelte Postulat, daß die Einschränkbarkeit von vorbehaltlos gewährten Grundrechten auf einen in der Verfassung selbst anerkannten Belang rückführbar sein muß 5 5 ; ähnliches gilt für die besondere Einschränkbarkeit von Grundrechten in Sonderstatusverhältnissen 56 . Daß die Heranziehung von Kompetenznormen als Quelle von materiellen AbwäZusammenhang zwischen Kompetenznormen und Individualschutz im Hinblick auf die Finanzverfassung auch K. Meßerschmidt, Umweltabgaben im Gefüge der Finanzverfassung, in: Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1987 (Umwelt- und Technikrecht, Bd. 3), S. 83 ff. (104 ff.). 50 Meßerschmidt (Fn. 49), S. 105 Anm. 121, S. 106. 51 Vgl. Meßerschmidt (Fn. 49), S. 107, 110. 52 Vgl. BVerfGE 75, 108 (158); Meßerschmidt (Fn. 49), S. 108. 53 Ähnlich P. Henseler, Die Künstlersozialabgabe im System der öffentlichen Abgaben, NJW 1987, 3103 (3105ff.). Zum Schutz gegen Steuer- und andere Abgabenlasten durch die Eigentumsgarantie jeweils m.w.N. P. KirchhofBesteuerung und Eigentum, W D S t R L 39 (1981), S. 213ff. (234ff.); R. Wendt, Besteuerung und Eigentum, NJW 1980, 2111 ff. (2112 ff.). Zum Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) als Prüfungsmaßstab für außersteuerliche Abgaben BVerfGE 18, 315 (329, 331 ff.); 75, 108 (157 ff-, 160 ff., 164 f.). 54 BVerfGE 28, 243 (261); 48, 127 (159ff.); 69, 1 (21ff.). 55 BVerfGE 28, 243 (261). se BVerfGE 33, 1 (9ff.).

Objektives Recht und subjektive Rechte

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gungspositionen höchst problematisch ist, hat namentlich ein Sondervotum zur Verfassungsmäßigkeit des Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetzes deutlich gemacht 57 . Die Einschränkbarkeit von Grundrechten richtet sich nach Wertentscheidungen, die auch in einem Zentralstaat in gleicher Weise anstehen, und ist streng von der mehr oder weniger ausdifferenzierten bundesstaatlichen Kompetenzverteilung zu trennen 58 . Der Rückgriff auf Vorschriften des Staatsorganisationsrechts führt dazu, daß subjektive Rechte in einen „Abwägungsbrei" eingestellt werden und zu Abwägungspositionen verkümmern 59 . Kompetenzvorschriften bilden keine Präferenzregeln; die Wertigkeit bestimmter Belange gegenüber kollidierenden Interessen w i r d nicht durch ihre Aufnahme oder Anerkennung in Kompetenznormen aufgeschlüsselt. Diese K r i t i k sollte jedoch nicht übersehen lassen, daß der Verzicht auf die Heranziehimg von Kompetenznormen an sich weder zu einer Intensivierung des Grundrechtsschutzes noch zu einer wesentlich klareren Struktur von Abwägungsvorgängen führt. Es erscheint durchaus denkbar, daß die Rechtsprechung zur notwendigen Anerkennung von Sonderstatusverhältnissen in der Verfassung und zur alleinigen Einschränkbarkeit vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte durch Belange von Verfassungsrang auch von der Ausdifferenziertheit der Kompetenzverteilungsregeln im Grundgesetz geleitet worden ist. Der alternative Weg einer Begründung von Grundrechtseinschränkungen mit den Schutzpflichten gegenüber kollidierenden Grundrechtspositionen - etwa der Pflicht des Staates zu effektivem Rechts- und Lebensgüterschutz durch Maßnahmen des Strafrechts und der Strafrechtspflege 60 - verspricht selten besser prognostizierbare Abwägungsergebnisse; jedoch hat dieses methodische Vorgehen den Vorzug, sich auf in der Verfassung selbst angelegte materielle Wertentscheidungen innerhalb grundrechtlicher Spannungsverhältnisse zu stützen.

IV. Umsetzung objektiven Rechts in subjektive Rechte 1. Allgemeines

Der Anspruch des Einzelnen auf Rechtmäßigkeit hoheitlichen Handelns, welches die individuelle Freiheits- und Interessensphäre berührt, wird hierzulande durch die prozessual ausgerichtete Perspektive in subjektivrechtlichen Kategorien erfaßt. Wie demgegenüber der rechtsvergleichende Befund ausweist, sind prozessual abgesicherte Positionen auf Gewährleistungen 57 Sondervotum der Richter Mahrenholz und Böckenförde zum Urteil des BVerfG vom 24.4.1985, BVerfGE 69, 57 (58 ff.). 58 Sondervotum der Richter Mahrenholz und Böckenförde, BVerfGE 69, 62. 59 Sondervotum der Richter Mahrenholz und Böckenförde, BVerfGE 69, 63. 60 Siehe etwa BVerfGE 39, 1 (41ff.); 46, 214 (222f.); 49, 24 (54); 51, 324 (343ff.).

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rechtmäßigen Handelns staatlicher Gewalt vielfach von einer Zuerkennung subjektiver Rechte gelöst und statt dessen etwa an eine qualifizierte Betroffenheit in eigenen Interessen geknüpft 61 . I m deutschen Verfassungsrecht ist die Grauzone zwischen subjektiven Rechten und sonstigen Interessenpositionen, die nicht mit kassatorischen Rechtsbehelfen durchgesetzt werden können, anders als im Verwaltungsprozeßrecht, nicht bekannt. Freilich stellt sich die Frage, wann sich die Betroffenheit in individuellen Interessen zur Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts verdichtet, im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG 6 2 auch auf verfassungsrechtlicher Ebene. Diese verfassungsrechtliche Problematik strahlt insbesondere über die Klagebefugnis ins Verwaltungsprozeßrecht aus. Neben der allgemeinen Handlungsfreiheit kommt vor allem dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG eine zentrale Funktion bei der Umsetzung objektiven Rechts in subjektive Positionen zu. 2. Die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)

a) Zur Rechtsfigur

der „Belastung" und des „Eingriffs"

Die Berufung auf die allgemeine Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 1 GG setzt voraus, daß der Einzelne irgendwie in seiner Handlungsfreiheit beeinträchtigt ist 6 3 . Eine solche Beeinträchtigung wird man unschwer stets dann annehmen können, wenn die angegriffene Maßnahme sich direkt an den Einzelnen im Sinne eines Handlungs- oder Duldungsgebotes richtet. In anderen Fällen w i r d man die Berufung auf das Grundrecht dagegen nicht schon immer dann zulassen können, wenn die allgemeine Handlungsfreiheit im weitesten Sinne berührt ist. Dies gilt etwa bei adressatenlosen Regelungen wie dinglichen Verwaltungsakten, die eine Unzahl von Einzelpersonen nachteilig in ihrer Freiheitssphäre tangieren, ohne daß dieser Beeinträchtigimg ein subjektives Abwehrrecht korrespondiert. So verletzt etwa die rechtswidrige Einziehung oder Umwidmung einer Straße nicht jeden potentiellen Benutzer in seinen subjektiven Rechten. I n diesen Fällen ist es unerläßlich, die subjektive Rechtsposition durch eine Heranführung des angegriffenen Hoheitsaktes an den Kernbereich der durch Art. 2 Abs. 1 GG ebenfalls geschützten Persönlichkeitssphäre (etwa den sog. Intimbereich) zu 61 Hierzu etwa aus rechtsvergleichender Sicht A. Bleckmann, Das Ziel des gerichtlichen Rechtsschutzes: Schutz des Einzelnen oder objektive Kontrolle der vollziehenden Gewalt? Die Rolle der Klagebefugnis, in: Gerichtsschutz gegen die Exekutive, hrsg. von H. Mosler (Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 52), Bd. 3, 1971, S. 21 ff. (31 ff.); M. Bullinger, Der Gerichtsschutz gegenüber der vollziehenden Gewalt in rechtsvergleichender Sicht, ebd. S. 199ff. (220). Siehe auch Art. 173 Abs. 2 des EWG-Vertrages. 62 BVerfGE 6, 32 (36ff.). 63 BVerfGE 6, 36ff.

Objektives Recht und subjektive Rechte

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begründen oder sonst auf eine qualifizierte Interessenbeeinträchtigung zu stützen. Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, daß Art. 2 Abs. 1 GG seine „Binnenstruktur" vielfach erst durch Wertungen des einfachen Rechts gewinnt 64 . Dabei bietet sich der im Verwaltungsrecht entwickelte Rückgriff auf die Schwere der Beeinträchtigung und die Überschaubarkeit des betroffenen Personenkreises an. Eine derartige Begrenzung fordert gerade die „Filterfunktion", die den subjektiven öffentlichen Rechten bei Ansprüchen auf Wahrung der Legalität zukommt. Hier wird deutlich, daß sich der genaue Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit nur mit Hilfe materieller Kriterien ermitteln läßt, die sich mit abstrakten Formeln zur Freiheit, im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung tun und lassen zu können, was einem beliebt, oder zur allgemeinen Freiheit von gesetzwidrigem Zwange nicht erschließen. b) Verstöße gegen rein objektiv-rechtliche Normen am Beispiel allgemeiner Regeln des Völkerrechts Rein staatsgerichtete Normen des Völkergewohnheitsrechts, die nicht von ihrem Inhalt her auch dem Individualschutz dienen, sind nicht geeignet, im innerstaatlichen Recht gemäß Art. 25 Satz 2 GG subjektive Rechte zu erzeugen 65 . So begründet die rechtswidrige Vornahme von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet - etwa in Zusammenhang mit der völkerrechtswidrigen Entführung eines Straftäters - nur Wiedergutmachungsansprüche des verletzten Staates; bei der Beeinträchtigung von Individualinteressen durch einen derartigen Verstoß gegen rein objektives Recht entspricht der staatengerichteten Verpflichtung kein Individualrecht 66 . Im innerstaatlichen Recht bestünde in einem solchen Fall ohne die Begründung einer subjektiven Rechtsposition keine Möglichkeit, im Wege gerichtlichen Individualrechtsschutzes einer völkerrechtlichen Verantwortung der Bundesrepublik für völkerrechtswidriges Handeln ihrer Organe entgegenzuwirken. Hier greift nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Geltendmachung allgemeiner Regeln des Völkerrechts durch den Einzelnen die mögliche Berufung auf die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete freie Entfaltung der Persönlichkeit ein; diese Berufung auf das allgemeine Freiheitsrecht soll nicht davon abhängig sein, daß die verletzte Völkerrechtsregel ihrem Inhalt nach auch Rechte oder Pflichten für den Einzelnen begründet 67 . Das dem Einzelnen derart nach innerstaatlichem Recht zuerkannte 64

110. 65

Schmidt-Aßmann

(Fn. 3), Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 122; ähnlich Pietzcker, JuS 1984,

BVerfGE 63, 343 (373); anders G. Hoffmann , Der Durchgriff auf die Mitgliedstaaten internationaler Organisationen für deren Schulden, NJW 1988, 585 ff. (589). 66 Vgl. BVerfGE 63, 343 (373 f.); M. Herdegen , Völkerrechtliche Restitutionspflichten und ihre Wirkungen im innerstaatlichen Recht, NJW 1988, 593ff. (595f.).

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subjektive Recht ist freilich in seinem Bestand und Inhalt völlig akzessorisch mit der Rechtsposition des fremden Staates verknüpft und folgt ihm sozusagen als Reflex. Erlischt der Anspruch des fremden Staates durch Erfüllung, Verzicht oder Verwirkung, so erfaßt dies auch die subjektive Rechtsposition des Einzelnen. I n erster Linie geht es hier also nicht um die Sicherung von Individualschutz, sondern vielmehr um die Wahrung der objektiven Rechtsordnung durch staatliche Organe. Ahnliche Erwägungen gelten auch für die verschärfte Überprüfimg von Vertragsrechtsverletzungen auf Verfassungsbeschwerden hin, die sich auf die allgemeine Handlungsfreiheit stützen 68 ; insoweit scheint eine erhöhte Kontrolldichte auch bei der Überprüfung richterlicher Entscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht im Interesse einer Sicherung völkerrechtskonformen Verhaltens der Bundesrepublik das allgemeine Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab zu verdrängen. c) Haftungsfragen Im Rahmen des grundrechtlichen Schutzes der freien Entfaltung der Persönlichkeit können primäre Rechtsschutz- und Haftungsansprüche bei rechtswidrigen Eingriffen nicht völlig parallel laufen 69 . Auch wenn sich jede Beeinträchtigung dieser allgemeinen Entfaltungs- und Handlungsfreiheit durch - objektives Recht mißachtende - Eingriffe als Verletzung subjektiven Rechts darstellt, ist für die Zuerkennung von Haftungsansprüchen eine qualifizierte Beeinträchtigung - etwa durch Verletzung der Intimsphäre, der Wettbewerbsfreiheit oder anderer spezieller, „unbenannter" Freiheitsrechte 70 - zu fordern 71 .

67

BVerfG, NJW 1986, 1425 (1426). Siehe etwa BVerfG, a.a.O.; BVerfGE 74, 358 (369 ff.). Zu dieser Entwicklung J. A. Frowein, Anmerkung zur Pakelli-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, ZaöRV 46 (1986), 286ff. (288); Herdegen, NJW 1988, 595f.; H. Steinberger, Entwicklungslinien i n der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu völkerrechtlichen Fragen, ZaöRV 48 (1988), l f f . (6 ff.). 69 Zur Amtshaftung bei Grundrechtsverletzungen nach geltendem Recht etwa G. Haverkate, Amtshaftung bei legislativem Unrecht und die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, NJW 1973, 441 ff. Siehe auch § 2 Abs. 2 des vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten Staatshaftungsgesetzes vom 26.6.1981 (BGBl. I, S. 553). 70 Zur Lehre von den unbenannten Freiheitsrechten m.w.N. Ch. Starck, in: H. v. Mangoldt / F. Klein / Ch. Starck, Das Bonner Grundgesetz, 3. Aufl., Bd. 1, 1985, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 12. 71 Ähnlich für die Regelung des § 2 Abs. 2 des Staatshaftungsgesetzes von 1981 A. Schäfer / H. J. Bonk, Staatshaftungsgesetz, 1982, §2 Rdnr. 65, 119ff. Vgl. auch BGH, BB 1988, 1701. 68

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3. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)

Auf verfassungsrechtlicher Ebene vermittelt das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG für den Einzelnen Schutz vor grob fehlerhafter, von sachfremden Erwägungen getragener oder sonst unhaltbarer Anwendung einfachen Rechts durch richterliche Entscheidungen 72 . In diesem Sinne sichert der allgemeine Gleichheitssatz die Wahrung objektiven Rechts durch verfassungsgerichtliche Nachprüfbarkeit. Ob der Gleichheitssatz auch umgekehrt wirken kann und geeignet ist, den Grundsatz strikter Gesetzesbindung staatlichen Organhandelns zu relativieren, ist eine höchst umstrittene Frage. Gegen das herrschende Dogma, es dürfe keine Gleichheit im Unrecht geben 73 , hat jüngst der Verwaltungsgerichtshof Kassel Position bezogen; das Gericht hat die bauordnungsrechtlich zwingend vorgeschriebene Anordnung eines Nutzungsverbotes deswegen aufgehoben, weil die Behörde in vergleichbaren Fällen nicht eingeschritten war 7 4 . Hier geht es nur vordergründig um ein subjektives Recht auf eine Relativierung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung oder gar um eine „Popularklage des Neides" 75 . Im Grunde stehen sich hier nämlich zwei kollidierende Postulate objektiven Rechts gegenüber, der Vorrang des Gesetzes und das Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit, das nur durch Art. 3 Abs. 1 GG auch zum Gegenstand eines subjektiven Rechts gemacht worden ist. Hier dürfte die angemessene Lösung davon abhängen, ob das diskriminierende Behördenhandeln im konkreten Falle an gesetzmäßige Zustände eher heranführt als ein völliges Untätigbleiben. Davon abgesehen, bleibt die Frage, ob der Betroffene bei einem Vollzug der Verbotsverfügung einen Anspruch auf Einschreiten gegen die anderen rechtswidrigen Nutzer hat; diese Frage ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn man die Berufung auf den allgemeinen Gleichheitssatz an eine rechtlich geschützte materielle Position knüpft 7 6 .

72 BVerfGE 57, 39 (42); 58, 163 (167f.); 62, 189 (192); hierzu etwa AT. Kromer, Objektive Willkür von Gerichtsentscheidungen - BVerfGE 57, 39 und 58, 163, JuS 1984, 601 ff. 73 In diesem Sinne etwa BVerwGE 34, 278 (282ff.); G. Dürig, in: Maunz / Dürig (Fn. 3), Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 178ff. m.w.N. 74 VGH Kassel, NVwZ 1986, 683; hierzu kritisch P. Rechenbach, Verfassungsanspruch auf „Gleichbehandlung im Unrecht"?, NVwZ 1987, 383ff. 7 * So Düng (Fn. 73), Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 468. 7 « Siehe Fn. 17.

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V. Schutz- und Fürsorgepflichten aus Grundrechten 1. Objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalt und Schutzpflichten

Aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte hat die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts die Pflicht der staatlichen Organe deduziert, schützend vor die grundrechtlich gewährleisteten Rechts- und Lebensgüter zu treten und diese Güter vor rechtswidrigen Eingriffen anderer zu bewahren 77 . Aus dem Abwehrrecht gegen Eingriffe staatlicher Organe wird so das Recht auf Eingriffsabwehr durch diese Organe. Es erscheint keineswegs fernliegend, daß durch diese weitreichende Erweiterung des Grundrechtsschutzes letztlich die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten verdrängt wird. Denn die aus den Grundrechten abgeleiteten Schutzpflichten richten sich auch an die Organe der rechtsprechenden Gewalt. Zugleich beschränken sich diese Schutzpflichten nicht auf die Gesetzesanwendung im Rahmen privatrechtlicher Rechtsbeziehungen, sondern sind auch vom Gesetzgeber selbst zu beachten. Mit guten Gründen läßt sich die sogenannte mittelbare Drittwirkung von Grundrechten als ein Sonderfall grundrechtlich begründeter Schutzpflichten verstehen 78 . In diesem Sinne ist es von besonderer Bedeutung, daß bei verfassungsgerichtlicher Überprüfung Kontrollmaßstäbe harmonisiert und Wertungswidersprüche vermieden werden. Die Rechtsprechung trägt diesem Postulat insoweit Rechnung, als sie den staatlichen Organen im Hinblick auf die Modalitäten der Erfüllung von Schutzpflichten eine gewisse Einschätzungsprärogative einräumt und erst die offensichtliche Verletzung einer in den Grundrechten zum Ausdruck kommenden Wertentscheidung einen Verfassungsverstoß begründet 79 ; dieser gelockerten Kontrolle entspricht im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten die eingeschränkte Nachprüfbarkeit fachgerichtlicher Entscheidungen 80 . 2. Schutzpflichten und die Bündelung von Individualinteressen

Anders als unmittelbar aus der subjektiv-rechtlichen Komponente von Grundrechtsgarantien fließende Abwehransprüche sind die aus dem objektiven Gehalt der Grundrechte abgeleiteten Schutzpflichten jedenfalls insoweit nicht auf die persönliche Lebensgestaltung nach einem bestimmten 77 BVerfGE 39,1 (42); 46,160 (164); 49, 89 (141 f.); 53, 30 (57); 56, 54 (73); siehe auch die Literaturhinweise in Anm. 15. 78 Vgl. J. Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, S. 13 f., 66; siehe auch B. Schlink, Freiheit durch Eingriffsabwehr - Rekonstruktion der klassischen Grundrechtsfunktion, EuGRZ 1984, 457 ff. (464). 7 ® BVerfGE 56, 54 (80f.). 80 BVerfGE 30, 173 (197).

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Selbstverständnis oder sonst auf individuell geprägte Lebensumstände zugeschnitten, als es um den Schutz gebündelter Individualinteressen geht; in diesem Zusammenhang ist etwa an den Schutz bestimmter Lebensgüter durch strafrechtliche Maßnahmen 81 oder Sicherheitsanforderungen bei der Zulassung risikoträchtiger Techniken 82 zu denken. Der Rückgriff auf grundrechtlich begründete Schutzpflichten zur Wahrung gebündelter Individualinteressen erfüllt bei der Begrenzung von kollidierenden Grundrechtspositionen über spezielle Schrankenregelungen hinaus 8 3 nicht nur als Abwägungsmoment von Verfassungsrang Funktionen, die allgemeine Ordnungserwägungen oder die Berufung auf einen Gemeinschaftsvorbehalt nicht wahrnehmen können. Während die Berufung auf abstrakte Allgemeinbelange oder Ordnungsinteressen des Staates das alte Gespenst des staatlichen Leviathan lebendig werden lassen, macht der Gedanke staatlicher Schutzpflichten deutlich, daß hinter zentralen Ordnungsprinzipien letztlich die geschützten Individualinteressen einer Vielzahl Einzelner stehen. Der Gedanke der Schutzpflichten liefert eine rationale Rechtfertigung für den Staat als verfaßte Friedens- und Ordnungsmacht 84 und erfüllt damit eine wesentliche legitimitätsstiftende Funktion. Der Rekurs auf Schutz- und Fürsorgepflichten als Konkretisierung von Ordnungsbelangen ist geeignet, einer Hypertrophie bestimmter subjektiver Rechte im Kollisionsfall entgegenzuwirken. Freilich fordert die den staatlichen Organen bei der Wahrnehmung von Schutzpflichten zuerkannte Einschätzungsprärogative und die auf evidente Verkennung grundrechtlich verankerter Wertentscheidungen beschränkte Kontrolle große Behutsamkeit bei der Ausfüllung hieraus erwachsender Entscheidungsspielräume. Im vorliegenden Zusammenhang ist auch vor der Gefahr zu warnen, daß sich der Staat unter übermäßiger Akzentuierung von Schutzpflichten zunehmend in primär privatrechtlich geordnete Rechtsbeziehungen zwischen einzelnen Bürgern einschaltet und es so durch die wachsende Inanspruchnahme von Aufsichtsfunktionen durch den Staat zu einer Umpolung von Ordnungsstrukturen kommt 8 5 .

81

Vgl. BVerfGE 39, 1 (36ff.). S2 Vgl. BVerfGE 49, 89 (141 ff.). 83 Siehe zur Einschränkbarkeit vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte BVerfGE 28, 227 (261); 30, 173 (193). 84 Vgl. BVerwG, NJW 1976, 490 (492): „Die Sicherheit des Staates als verfaßte Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit seiner Bevölkerung sind Verfassungswerte, die mit anderen im gleichen Rang stehen und unverzichtbar sind, weil die Institution Staat von ihnen die eigentliche und letzte Rechtfertigung herleitet". Hierzu auch W. Zeidler, Die neue Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylrecht, in: Otto-Benecke-Stiftung (Hrsg.), Grenzfragen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 1987, S. 51 ff. (63). 85 Hierzu etwa H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1 (Fn. 5), S. 1187 ff. (12161). 12 Gegenwartsfragen

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Matthias Herdegen 3. Schutzpflichten als Gegenstand subjektiver Rechte

In seiner jüngsten Rechtsprechung zum Ehegattennachzug bei Ausländern und zur Lagerung von C-Waffen hat das Bundesverfassungsgericht betont, daß grundrechtlich begründeten Schutzpflichten des Staates jeweils ein subjektives Recht des einzelnen Grundrechtsträgers entspricht 86 . Diese doppelte Wendimg, der Schritt von der subjektiv-rechtlichen Garantie zur aus dem objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalt abgeleiteten Schutzpflicht und der dann folgende weitere Schritt zum - erweiterten - subjektiven Recht, zum Individualanspruch auf Einhaltung eben dieser Pflicht, erschließen sich keiner selbstverständlichen Deutung. Diese neue Rechtsprechung dürfte vor allem auf eine Klarstellung gerichtet sein, nachdem in der Literatur Zweifel darüber laut geworden sind, ob der objektiven Schutzpflicht jeweils subjektive Rechte entsprechen 87 . Einer Gleichsetzung des Individualanspruchs auf Schutzpflichterfüllung mit der „primären" subjektiven Gewährleistung steht entgegen, daß es hier um einen vorverlegten Schutz von Grundrechtssubstraten entweder gegen Gefährdungen von hoher Hand oder gegen Beeinträchtigungen durch Private geht. Einen der Schutzpflicht korrespondierenden Anspruch des Einzelnen wird man dann annehmen können, wenn sich die Gefährdungslage zu konkreter, individueller Betroffenheit verdichtet 88 . Im übrigen scheitert eine Identifizierung des individuellen Schutzanspruches mit dem „primären" Abwehrrecht daran, daß den staatlichen Organen auch nach der neuesten Rechtsprechung bei der Erfüllung von Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommen soll 89 . Am ehesten begreifen läßt sich der Schutzanspruch des einzelnen Grundrechtsträgers vielleicht als derivatives Leistungsrecht, als subjektives Recht zweiter Stufe. VI. Zur „Vergesellschaftung" von Grundrechten Für eine an der eigenverantwortlichen Lebensgestaltung des Menschen ausgerichtete Sicht besteht der Kern subjektiver Garantien in der von vorgegebenen Rollenverteilungen unabhängigen, autonomen Ausfüllung von Handlungsspielräumen 90 . Hiermit ist auch die Freiheit des Einzelnen zu irrationalem oder egoistischem Handeln verknüpft. Demgegenüber verkopse BVerfGE 76, 1 (49f.); BVerfG, EuGRZ 1987, 565 (577). 87 Siehe etwa M. Hund, Staatliche Schutzpflichten statt Teilhaberechte?, in: Festschrift für Wolfgang Zeidler, hrsg. von W. Fürst / R. Herzog / D. Umbach, 1987, Bd. 2, S. 1445ff. (1455); Isensee (Fn. 15), S. 49f.; D. Rauschning, Entscheidungsanmerkung, DVB1. 1980, 831 ff. (832f.); Steiger (Fn. 15), S. 275ff. Bejahend etwa Hermes (Fn. 15), S. 208 ff. 88 In diesem Sinne etwa Hermes (Fn. 15), S. 214 ff. 89 BVerfGE 76, 1 (51); BVerfG, EuGRZ 1987, 565 (577). 90 Vgl. Rupp (Fn. 85), S. 1213 f.; Schmidt-Aßmann (Fn. 3), Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 117.

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pelt eine starke Tendenz in einzelnen Bereichen die Intensität des Grundrechtsschutzes mit der Wahrung demokratietheoretischer oder sonstiger objektiver Ordnungsprinzipien durch die Grundrechtsträger. Dies zeigt sich vor allem bei den Kommunikationsgrundrechten. So soll die Versammlungsfreiheit gerade dann besonderen Schutz verdienen, wenn es um die Auseinandersetzung mit politischen Grundsatzfragen geht, welche die verfaßte Gemeinschaft als ganze tangieren, und wenn dabei mögliche Fehlentwicklungen innerhalb des parlamentarischen Entscheidungsprozesses sichtbar gemacht werden sollen 91 ; Versammlungen werden in diesem Zusammenhang geradezu als „ein Stück ursprünglicher und ungebändigter unmittelbarer Demokratie" verstanden 92 . Im Hinblick auf die Rundfunkfreiheit w i r d die „dienende" Funktion des Grundrechtes beschworen 93 . Literaturstimmen plädieren für eine demokratiespezifische Funktion der Gewissensfreiheit beim kritischen Hinterfragen von Mehrheitsentscheidungen 94 . Hinter diesen Tendenzen steht die Gefahr einer Erosion subjektiver Gewährleistungen durch deren Rückbindung an objektive Ordnungsprinzipien und an bestimmte Rollenerwartungen gegenüber dem Einzelnen 95 . VII. Ausblick Wie die vorausgehenden Bemerkungen vielleicht deutlich gemacht haben, geht es bei Wechselbeziehungen zwischen objektivem Recht und subjektiven Rechten nicht um den Gegensatz zwischen Individual- und Allgemeininteresse oder einen positiv nicht begründbaren Primat des subjektiven Rechts 96 . Entscheidendes Anliegen aus verfassungsrechtlicher Sicht sollte vielmehr sein, subjektive Rechte nicht in den staatsorganschaftlichen Bereich übergreifen zu lassen und umgekehrt die Gewährleistung subjektiver Freiheitsrechte von der Bindung des Einzelnen an politische Ordnungsprinzipien möglichst freizuhalten. Damit wird nicht nur einer Atomisierung der objektiven Rechtsordnung durch Auflösung in kollidierende Individualrechtspositionen entgegengewirkt; es läßt sich so auch ein Höchstmaß an eigenverantwortlicher Lebensgestaltung bewahren, die sich einer Bewertung durch staatliche Organe entzieht.

91

BVerfGE 69, 315 (346). BVerfGE 69, 346. 93 BVerfGE 57, 295 (320). 94 So etwa Tiedemann, Der Staat 26 (1987), 389ff. 95 Kritisch zu auf eine „externe Sinnzuteilung" beim Grundrechtsgebrauch zielenden Tendenzen F. E. Schnapp, Toleranzidee und Grundgesetz, JZ 1985, 857ff. (862 f.) m.w.N. 96 Vgl. demgegenüber Robbers (Fn. 15), S. 148 ff. 92

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Die Problematik des Staatszieles Umweltschutz im Lichte der Unterscheidung von subjektiven Rechten und objektivem Recht* Zugleich ein Beitrag zur Frage der rechtlichen Verankerung von Eigenrechten der Natur Von Hans Kersten Heinz A. Einleitung: Das Spannungsfeld zwischen objektivem Recht und subjektiven Rechten I. Problemübersicht Wenn im folgenden die Problematik der geplanten Staatszielbestimmung Umweltschutz im Lichte der Unterscheidung zwischen subjektiven Rechten und objektivem Recht näher beleuchtet werden soll, so geschieht dies unter einem eingeschränkten Blickwinkel. Weder soll im Detail das Für und Wider unterschiedlicher Formulierungsvorschläge erörtert werden 1 , noch soll im grundsätzlichen der Frage nach dem verfassungsrechtlichen und -politischen Bedürfnis einer Staatszielbestimmung Umweltschutz nachgegangen werden 2 . Gegenstand der Untersuchung ist die Frage, ob vor dem Hintergrund der Unterscheidung von objektivem Recht und subjektiven Rechten es als möglich erscheint, eine - wie vielfach im politischen Bereich gefordert 3 - ökozentrisch ausgerichtete Staatszielbestimmung im Grundgesetz zu verankern. Besonders im Bereich der Frage ökozentrischer oder anthropozentrischer Orientierimg der Umweltpolitik tritt heute ein großer konzeptioneller Streit zutage, der auch und gerade auf unterschiedliche * Gerne danke ich für fachkundige Mithilfe und großes Engagement Herrn stud. jur. Detlef Kröger, Osnabrück. Wertvolle Anregungen verdanke ich Herrn Prof. Dr. Horst Stegemeyer, Fachbereich Chemie, Universität Paderborn. 1 Dazu jüngst nur: Michael Kloepfer, Umweltschutz und Verfassungsrecht, DVB1. 1988, 305 (311 ff.). 2 Dazu: Dietrich Murswiek, Umweltschutz - Staatszielbestimmung oder Grundsatznorm?, ZRP 1988, 14. 3 Hierzu u.a. die SPD; vgl. Hans-Jochen Vogel, Verändern und Bewahren - Bedingungen für den inneren Frieden, in: Däubler-Gmelin / Adlerstein (Hrsg.), Menschengerecht, 1986, S. 90 (100); Hermann Bachmaier (SPD): „Schutz der Natur um ihrer selbst willen für die SPD unverzichtbar", zit. nach SZ Nr. 59 v. 11.03.1988, S. 2; s. auch Gesetzentwurf der Grünen, BT-Drs. 11/663, S. 4.

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Hans Kersten Heinz

Weltbilder zurückzuführen ist 4 . Ob mittels einer ökozentrisch ausgerichteten Staatszielbestimmung Eigenrechte der Natur - die umgesetzt in die juristische Terminologie als subjektive Rechte der Natur zu verstehen wären verfassungsrechtlich zu verankern sind, ist keine ad hoc zu beantwortende Frage; dazu müssen vielmehr eine Reihe von Vorfragen geklärt werden. Nach einigen grundsätzlichen Bemerkungen zum Verhältnis von subjektiven Rechten zum objektiven Recht (A.II.) sollen die objektiv- und subjektivrechtlichen Gehalte von Staatszielbestimmungen näher untersucht werden (B), um sodann auf eine mögliche ökozentrische Ausrichtung der geplanten Staatszielbestimmung Umweltschutz einzugehen (C). Letzteres w i r d in zwei Schritten zu erfolgen haben: nach einer kurzen Darlegung der geistesgeschichtlichen Vorausbedingungen eines möglichen Eigenrechts der Natur (C.I. l.,2.) w i r d die juristische Frage zu stellen sein, ob mittels einer Staatszielbestimmung subjektive Rechte der Natur verfassungskräftig begründet werden können, ohne daß es dabei zu Friktionen kommt (C.II. 1.,2.). Auch auf eine mögliche Alternative, nämlich die Verankerung eines objektiv-rechtlichen Naturstaatsprinzips als möglicher Inhalt einer Staatszielbestimmung, wird einzugehen sein (C.II.3.). Insgesamt w i r d sich zeigen, daß eine Verankerung von subjektiven Rechten der Natur (Eigenrechte der Natur) mittels einer Staatszielbestimmung zu unlösbaren verfassungsrechtlichen Brüchen führen würde, daß aber ein der grundgesetzlichen Anthropozentrik verhaftetes, gleichwohl ökologische Schutzwirkungen i.S. eines Verantwortungsprinzips entfaltendes, objektiv-rechtliches Naturstaatsprinzip einer behutsamen Öffnung der Verfassimg für ökologische Fragen dienlich sein könnte (D). II. Einige Bemerkungen zum Verhältnis von subjektiven Rechten zum objektiven Recht Nachdenken über das Verhältnis von subjektiven Rechten zum objektiven Recht bedeutet heute, von der selbstverständlichen Dualität von objektivem und subjektivem Recht auszugehen5, wobei insbesondere die Diskussion um das subjektive Recht eine lange Tradition hat, ohne daß bisher über Inhalt und Leistungsfähigkeit des Begriffes Einigkeit erzielt werden konnte 6 . Weitgehend ungeklärt ist bis heute, auf welche Frage der Begriff des subjektiven Rechts eine Antwort sein soll 7 . Für die rechtliche Verortung w i r d auf Bruchstücke und Definitionsmerkmale des Spätkonstitutionalismus 4

Näheres dazu unter C I. Arno Scherzberg, Grundlagen und Typologie des subjektiv-öffentlichen Rechts, DVB1. 1988, 129. 6 Robert Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 159. 7 So schon: Hans Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatz, 1911, S. 618. 5

Staatsziel Umweltschutz

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zurückgegriffen 8 , die, gelöst von ihren historischen Zusammenhängen, ein wenig tragfähiges Fundament für eine zutreffende Einordnung des subjektiven öffentlichen Rechts in das System des Verwaltungs- und Verfassungsrechts der Bundesrepublik bilden. Im Gegensatz zu den zahlreichen Erörterungen zum subjektiven Recht 9 steht die bisher wenig beachtete Frage nach Inhalt und Reichweite des objektiven Rechts, welches in der Regel mit der Rechtsordnung gleichgesetzt 10 oder definiert w i r d als das Recht, welches unabhängig von einer Person für sich besteht 11 . Hinzu kommt eine weitere Schwierigkeit: rechtstheoretisch kann bisher nicht von einem einheitlichen Begriff des Rechts ausgegangen werden - was der jüngste Streit um den Begriff des Rechts belegt 12 so daß auch in dieser Hinsicht Unsicherheiten bestehen, die sich sowohl auf Inhalt als auf Begriff und Reichweite des subjektiven Rechts auswirken. Des weiteren fehlt es an einer befriedigenden dogmatischen Einordnimg der vielfachen Rückbezüglichkeiten zwischen objektivem Recht und subjektiven Rechten, so daß der Zusammenhang zwischen beiden oft nur ungenügend beachtet wird. Aufgrund der hier skizzierten Unsicherheiten werden unter dem Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts teilweise völlig unterschiedliche Positionen rubriziert 1 3 . Deshalb ist verschiedentlich vorgeschlagen worden, diesen Begriff zu verabschieden und an seiner Stelle die Grundrechte - zumindest weitgehend - treten zu lassen 14 oder aber mit Hilfe der Lehre von den Rechtsverhältnissen 15 eine 8

Näheres bei: Gerhard Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 144ff. Siehe aus neuerer Zeit: Wilhelm Henke, Das subjektive Recht im System des öffentlichen Rechts, DÖV 1980, 621; Georg Ress, Das subjektive öffentliche Recht, in: Ermacora / Winkler / Koja / Rill / Funk (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, Wien 1979, S. 105ff.; Manfred Zuleeg, Hat das subjektive öffentliche Recht noch eine Daseinsberechtigung?, DVB1. 1976, 509; Scherzberg, DVBl. 1988, 129; Jan Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977; Hartmut Bauer, Geschichtliche Grundlage der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986; aus früherer Zeit u. a. grundlegend: Ottmar Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft, Berlin 1914; ders., Altes und Neues über Begriff und Bedeutung der subjektiven öffentlichen Rechte, in: Gedächtnisschrift Walter Jellinek, 1955, S. 269ff.; Otto Bachof Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: Gedächtnisschrift Walter Jellinek, 1955, S. 287ff.; Hans Heinrich Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 246ff.; Wilhelm Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968. 10 So bspw.: Jürgen Baumann, Einführung in die Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1980, S. 230. 11 So: Henke, DÖV 1980, 622; zum Ganzen auch: Robbers (Fn. 8), 146. 12 Siehe zu dem rechtstheoretischen Streit um den „richtigen Rechtsbegriff", der sehr wohl Rückwirkungen auf die Bestimmung des subjektiv-öffentlichen Rechts hat, jüngst: Ralf Dreier, Der Begriff des Rechts, NJW 1986, 890, der den Begriff des Rechts weitgehend vom objektiven Recht her definieren w i l l ; gegen ihn: Norbert Hoerster, Zur Verteidigung des Rechtspositivismus, NJW 1986, 2480; gegen beide: Werner Krawietz, Neues Naturrecht oder Rechtspositivismus, Rechtstheorie 18 (1987), 209, der insbesondere Dreier vorwirft, bei seiner Bestimmung des Rechtsbegriffs die subjektiven Rechte ignoriert zu haben (S. 213 f.). » Zur Vieldeutigkeit Alexy (Fn. 6), S. 168 ff. 14 So schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt: Rudolf Bernhardt, Zur Anfechtung von Verwaltungsakten durch Dritte, JZ 1963, 302; Zuleeg, DVBl. 1976, 514ff. m. w.N.; 9

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größere Klarheit und Stringenz in die Diskussion zu bringen. Beide Positionen konnten sich noch nicht in vollem Umfang durchsetzen, so daß für die weiteren Erörterungen - unter den genannten Einschränkungen - weiterhin von der Begrifflichkeit des subjektiven Rechts ausgegangen wird, wobei allerdings gerade bezogen auf die Staatszielbestimmung Umweltschutz Erwägungen zum objektiven Recht verstärkt miteinzubeziehen sind, ohne daß hier die Gesamtproblematik auch nur annähernd vollständig erörtert werden könnte. Wenn im folgenden von subjektiv öffentlichen Rechten oder von subjektiv-rechtlichen Berechtigungen und Gehalten gesprochen wird, w i r d vorausgesetzt, daß diese Begrifflichkeit nicht auf das Verwaltungsrecht beschränkt ist, sondern das Verfassungsrecht mit einschließt. Dies bedeutet, daß im Rahmen einer Betrachtung von Funktion und Inhalt des subjektivöffentlichen Rechts für ein Trennungsdenken zwischen Verfassungs- und Verwaltungsrecht kein Raum ist, wenngleich sich heutige Grundrechtslehren häufig anderen Fragen zuwenden, als solchen des subjektiven öffentlichen Rechts 16 . Jedoch läßt sich ebensowenig der Charakter der Grundrechte als subjektiv öffentliche Rechte leugnen 17 , wie übersehen werden kann, daß einerseits im Zuge der Wertordnungsrechtsprechung 18 die Grundrechte zahlreiche objektiv-rechtliche Funktionen erfüllen 19 , andererseits es aber Christian Sailer, Subjektives Recht und Umweltschutz, DVB1.1976, 521; aus neuester Zeit auch der zusammenfassende Überblick bei: Ulrich Ramsauer, Die Rolle der Grundrechte im System der subjektiven öffentlichen Rechte, AöR 111 (1986), 501 (513 ff.). 15 Aus neuester Zeit grundlegend zum Komplex Rechtsverhältnislehre / subjektives öffentliches Recht: Norbert Achterberg, Rechtsverhältnisse als Strukturelemente der Rechtsordnung, Rechtstheorie 9 (1978), 385; ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 20, S. 367 ff., zum subjektiven öffentlichen Recht, S. 391 ff., welches er für schlicht überflüssig hält; ders., Die Rechtsordnung als Rechtsverhältnisordnung, 1982; Henke, DÖV 1980, 623; Bauer (Fn. 9), S. 170ff.; ders., Subjektive öffentliche Rechte des Staates, DVB1. 1986, 208 (215ff.); sowie ders., Die Schutznormtheorie im Wandel, in diesem Band. 16 Dazu m.w.N. Bauer, DVB1. 1986, 213f.; s. auch den Versuch einer Verbindung der Lehre von subjektiv-öffentlichem Recht mit Fragen der Grundrechtslehren bei: Schapp (Fn. 9), S. 181 ff. (191 ff.). 17 Zuleeg, DVB1. 1976, 509; Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 15. Aufl. 1985, Rdnr. 283ff.; Alexy (Fn. 8), S. 159ff.; Ramsauer, AöR 111, 513ff. 18 Aus der Rechtsprechung bspw.: BVerfGE 39,1 (41); 46,160 (162); 49, 89 (141); 53, 30 (57); 56, 54 (73). 19 Aus der umfangreichen Literatur nur: Hesse (Fn. 17), Rdnr. 290ff.; Peter Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, 3. Aufl. 1984, S. 35ff.; ders., Grundrechte im Leistungsstaat, W D S t R L 30 (1972), 43; Dieter Grimm, Grundrechte und soziale Wirklichkeit, in: Hassemer u.a. (Hrsg.), Grundrechte und soziale Wirklichkeit, 1982, S. 39; Hans D. Jarass, Grundrechte als Wertentscheidungen bzw. objektiv-rechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 110 (1985), 368; Michael Hund, Staatliche Schutzpflichten statt Teilhaberrechte?, in: Festschrift Wolfgang Zeidler, 1987, Bd. 2, S. 1445ff.; Ulrich Karpen, Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes, 1987, S. 71 f., jeweils m.w.N.; s. auch noch grundlegend und umfassend dazu: Helmut Goerlich, Wertordnung und Grundgesetz, 1973.

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auch eine starke Tendenz zur Versubjektivierung von klassischerweise dem objektiven Recht zugerechneten Rechtsprinzipien gibt 2 0 . Gerade diese zumindest vordergründig gegenläufigen - Tendenzen aufzunehmen und in ein geschlossenes und einheitliches System einzupassen, wäre Aufgabe einer Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, so daß sich die eigentliche Bedeutung dieses Instituts aus dem Verwaltungsrecht - und der dortigen Frage der Vermittlung einer Klagebefugnis 21 - in das Verfassungsrecht verlagern würde. Soweit unter dem subjektiven öffentlichen Recht heute - von einzelnen Unterschieden abgesehen - seinem Inhalt nach die individualisierte Rechtsmacht, die Rechtsordnung zur Verfolgung eigener Interessen in Bewegung zu setzen, wobei die damit angesprochene Position auf einer Norm beruhen muß, die - zumindest auch - dem Schutz der Interessen des Berechtigten zu dienen bestimmt ist 2 2 , verstanden wird, kann diese Definition hier - unter den vorangegangenen einschränkenden Ausführungen - als Arbeitshypothese verwendet werden. Insbesondere braucht nicht auf die einzelnen - zu Recht äußerst umstrittenen - Definitionsmerkmale 23 eingegangen werden. Wichtig für die weiteren Erörterungen ist lediglich, daß es sich beim subjektiven Recht um „eigene Interessenwahrnehmung" handelt, wobei diese Rechtsstellung aus einem Satz des objektiven Rechts folgen muß 24 . Die Notwendigkeit der Scheidung zwischen subjektiven Rechten - bei denen es sich um gerichtlich einklagbare Rechte handelt - und objektivem Recht wird in der Regel damit begründet, daß es keinen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch gibt 2 5 . Diese Trennung birgt allerdings die Gefahr in sich, den Blick für die zahlreichen Überschneidungen von subjektiven Rechten und objektivem Recht zu verlieren. So werden gerade im Verfassungsrecht aber nicht nur da - aus der Entscheidung über Existenz oder Nichtexistenz subjektiver Rechte im Wege der Generalisierung und Abstraktion über die Grenzen des Einzelfalles hinausweisende Prinzipien und Regeln gewonnen 26 , die Teil des objektiven Rechts werden können. Umgekehrt folgen auch aus Sätzen des objektiven Rechts subjektiv-rechtliche Berechtigungen, indem in zunehmendem Maße Gehalte, die ursprünglich einer objektiven Rechtssphäre zugeordnet waren, in die subjektiven Ansprüche der Grund20 Robbers (Fn. 8), S. 193 ff. 21 Dies gilt weiterhin als Hauptanwendungsfall der Lehre von den subjektiv öffentlichen Rechten, dazu: Zuleeg, DVB1. 1976, 509. 22 Vgl. statt vieler: Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG-Kommentar, Art. 19 Abs. 4, Rdnr. 118 m.w.N. 23 Zur geschichtlichen Entwicklung: Bauer (Fn. 9), für die Lehre unter dem Grundgesetz insb. S. 129 ff. 24 Statt vieler: Baumann (Fn. 10), S. 230; Robbers (Fn. 8), S. 145f.; Scherzberg, DVB1. 1988, 130 m.w.N. 25 Ress (Fn. 9), S. 109. 26 Näheres bei: Krawietz (Fn. 12), Rechtstheorie 18, 214.

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rechte verlagert werden 27 . Über Art. 2 Abs. 1 GG kann auch - unter gewissen Einschränkungen - die Verletzung bloßen objektiven Rechts als Beeinträchtigung individualisierter Rechtspositionen gerügt werden 28 . Desweiteren werden im Rahmen einfachgesetzlicher Abwägungsentscheidungen objektiv-rechtliche Prinzipien subjektiviert, indem diese Optimierungsgebote aufstellen 29 , deren Nichtrealisierung vom Einzelnen im Rahmen der gerichtlichen Nachprüfbarkeit der Entscheidimg als subjektiv-rechtliche Rechtsverletzung geltend gemacht werden kann, nämlich als Verletzung zu beachtender Abwägungsgebote 30 . Vollends aufgehoben wird die traditionelle Unterscheidung, wenn man bedenkt, daß das objektive Recht nicht nur subjektive Rechte vermittelt, sondern auch als deren Begrenzung im Rahmen der Gemeinschaftsbezogenheit der subjektiv-rechtlichen Grundrechte erscheinen kann 3 1 . Diese hier beschriebenen zahlreichen Wechselwirkungen zwischen objektivem Recht und subjektiven Rechten lassen die herkömmliche Unterscheidung mit deren einseitiger Fixierung auf die Ablehnung eines allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruchs als nicht mehr ausreichend erscheinen. Deshalb w i r d man - statt in der einseitigen Gegenüberstellung von objektivem Recht und subjektiven Rechten zu verharren - die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen beiden verstärkt ins Blickfeld nehmen müssen. So lassen sich in einer Art Klassifikation mindestens folgende Formen und Zwischenstufen zwischen objektivem Recht und subjektiven Rechten benennen: - rein objektives Recht - versubjektiviertes objektives Recht 32 - subjektives Recht mit ummantelten objektiv-rechtlichen Gehalten als Verstärkungsposition des subjektiven Rechts 33 - subjektives Recht mit der Schranke objektiv-rechtlicher Pflichtigkeiten. Im einzelnen bereitet die Zuordnung zu den unterschiedlichen Zwischenformen große Schwierigkeiten, ebenso wie damit auch nicht alle Fälle der 27

Näheres bei: Robbers (Fn. 8), S. 193. Aus der Rechtsprechung nur: BVerfGE 6, 32 (36ff.); 41, 88 (116); 42, 374 (385); dies gilt aber auch für spezielle Grundrechte bspw. Art. 12 GG; E 51, 166 (173f.); näheres dazu statt vieler bei: Christian Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, 2. Aufl. 1982, §14, S. 105ff. 29 Aus rechtstheoretischer Sicht: Dreier, NJW 1986, 892. 30 Zur Abwägung und den dabei zu beachtenden objektiv-rechtlichen Verfassungsprinzipien, deren Verletzung subjektive Rechte gewährleisten: BVerwGE 34, 301 (309ff.); 45, 309 (312ff.); 59, 87 (lOOff.); aus der Literatur: Werner Hoppe, Grundstrukturen und Grundelemente der Planung, in: ders. / Schoeneberg, Raumordnungsund Landesplanungsrecht des Bundes und des Landes Niedersachsen, 1987, Rdnr. 130ff.; m.w.N. 31 Vgl. dazu unter dem Gesichtspunkt der „Sozialpflichtigkeit": Hesse (Fn. 17), Rdnr. 213. 32 Näheres bei: Robbers (Fn. 8), S. 193ff. 33 So bspw. die Rechtsprechung: BVerfGE 27,195 (200); 64, 367 (379); aus der Literatur näheres bei: Hund (Fn. 19), 1448ff.; Jarass, AöR 110, 373ff. 28

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denkbaren Wechselwirkungen erfaßt sind. Aber erst das Erkennen dieser unterschiedlichen Formen und Zwischenformen ermöglicht eine differenzierte rechtliche Betrachtungsweise. Im Rahmen der hier vorgenommenen Einteilung erscheint dann das objektive Recht nicht mehr als bloßer Zuweisungssatz für subjektive Rechte, sondern es stellt einen Ordnungsrahmen dar, in dem sich die subjektiven Rechte entfalten 34 . Dabei ist zu beachten, daß die hier vorgenommene „Einteilung" unter dem „Primat" der anfangs aufgezählten Unsicherheiten steht. Unter diesen einschränkenden Voraussetzungen kann sie aber fruchtbar gemacht werden für das zu untersuchende Spannungsfeld zwischen objektivem Recht und subjektiven Rechten, in dem sich Staatszielbestimmungen bewegen (sogleich unter B). Erst danach sind weitere rechtliche Aussagen möglich über eine Verankerimg von subjektiv-rechtlich wirkenden Eigenrechten der Natur in einer Staatszielbestimmung Umweltschutz (unter C). B. Staatszielbestimmungen als Anwendungsfall des Spannungsfeldes zwischen objektivem Recht und subjektiven Rechten unter besonderer Berücksichtigung des Staatszieles Umweltschutz I. Staatsziele zwischen objektivem Recht und subjektiv-rechtlichen Gehalten W i l l man Staatszielbestimmungen in das beschriebene Spannungsfeld einordnen, so ist es erforderlich, sich zunächst begriffliche Klarheit zu verschaffen. Eine Definition von Staatszielbestimmungen bewegt sich dabei zwischen zwei Polen, die mit den Stichworten „Grundrechte" einerseits und „Programmsatz" andererseits umschrieben werden können. Inhaltlich handelt es sich um Bestimmungen, die „ i n allgemeiner oder auch begrenzter Form Grundsätze und Richtlinien für das staatliche Handeln aufstellen und ihm in bestimmte Richtungen durch Gebote und Weisungen Orientierungen und sachliche Aufgaben geben" 35 . Solchermaßen verstandene Staatszielbestimmungen wenden sich mit rechtlicher Verbindlichkeit grundsätzlich an alle Staatsorgane 36 . In der Regel betreffen sie sehr allgemeine Grundeinstellungen staatlichen Tuns, 34 Ähnlich: Robbers (Fn. 8), S. 148 ff. 35 Ulrich Scheuner, Staatszielbestimmungen, in: Festschrift Ernst Forsthoff, 1972, S. 325ff. (335). 36 So die ganz h.M., s. nur: Sachverständigenkommission Staatszielbestimmungen/ Gesetzgebungsaufträge, hrsg. v. Bundesminister des Inneren/Bundesminister der Justiz, 1983, Rdnr. 60; Dietrich Rauschning, Aufnahme einer Staatszielbestimmung über Umweltschutz in das Grundgesetz?, DÖV 1986, 489 (490); Ekkehard Wienholz, Arbeit, Kultur und Umwelt als Gegenstände verfassungsrechtlicher Staatszielbestimmungen, AöR 109 (1984), 532 ff. (536).

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fordern aber kraft ihrer normativen Verbindlichkeit Beachtung und erreichen so eine gewisse rechtliche Bindung staatlicher A k t i v i t ä t 3 7 . Die Gestaltungsfreiheit und Reaktionsfähigkeit der parlamentarischen Gesetzgebung darf aber durch Staatszielbestimmungen nicht so stark gebunden werden, daß politische Entscheidungen angesichts der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung behindert oder mit dem Schein rechtlicher „Verfassungsverwirklichung" umkleidet werden 38 . Damit ist die Funktion von Staatszielbestimmungen eine doppelte: einerseits beinhalten sie einen politischen Gestaltungs- und Verwirklichungsauftrag und erzeugen politischen Handlungsdruck, andererseits haben sie einen spezifisch verfassungsrechtlich-normativen Gehalt, der zumindest im Rahmen der Inzidenterkontrolle der Gerichte justitiabel ist. Festzuhalten ist auch, daß Staatszielbestimmungen in ihrem Kern keine subjektiv-rechtlichen Ansprüche gewährleisten. Sie werden aber durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dadurch „einklagbar" gemacht, daß sie einen zusätzlichen richterlichen Kontrollmaßstab im Rahmen der Überprüfimg von Grundrechts^Verletzungen darstellen 39 . Insoweit unterscheiden sich Staatszielbestimmungen einerseits von Grundrechten, welche primär subjektive Rechte gewährleisten und andererseits von bloßen Programmsätzen, die keine rechtliche Verbindlichkeit besitzen. Rechtssystematisch und -theoretisch können Staatszielbestimmungen jedoch nicht ausschließlich dem objektiven Recht zugeordnet werden. Nach der vorgenommenen Klassifikation lassen sie sich in die Rubrik „versubjektiviertes objektives Recht" einordnen. Einerseits besitzen sie nämlich einen primär objektiv-rechtlichen Gehalt, der sich insbesondere in dem Handlungsauftrag an den Gesetzgeber ausdrückt. Andererseits entfalten sie sowohl auf Verfassungsebene wie auf einfachgesetzlicher Ebene subjektiv-rechtliche Wirkungen. Auf einfachgesetzlicher Ebene stellen sie im Rahmen von Abwägungsentscheidungen Optimierungsgebote auf, deren Nichtbeachtung gerichtlich gerügt werden kann. Auf Verfassungsebene können u. U. aus den Inhalten von Staatszielbestimmungen konkrete subjektiv-rechtliche Gebote und Ansprüche folgen, die in Verbindung mit den Grundrechten einklagbar sind. Der Bürger kann sich im Rahmen der Verfassungsbeschwerde auf die in den einzelnen Staatszielbestimmungen normierten Aufgaben und Ziele berufen und die Pflicht des Staates zur Erfüllung der in den Staatszielen inkorporierten Gehalte einfordern 40 . Damit kann gesagt werden, daß Staatsziele einen primär 37

Scheuner (Fn. 35), S. 336. Peter Badura, Staatsrecht, 1986, D 43, S. 202. 39 Aus der Rechtsprechung: BVerfGE 33, 303 (331f.); 36, 237; 42, 176 (188); 43, 291 (313f.); weitere Schrifttums- und Rechtsprechungsnachweise bei: Hesse (Fn. 17), Rdnr. 207 ff. 40 Bspw.: BVerwGE 1, 159 (162) - für das Sozialstaatsprinzip; näheres dazu bei: Wolf gang Martens / Peter Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, W D S t R L 30 (1972), 4ff./43ff.; Kloepfer, DVB1. 1988, 314. 38

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objektiv-rechtlichen Gehalt besitzen, der aber in Verbindung mit den Grundrechten oder über das einfache Gesetz subjektiv-rechtliche Ausstrahlungen entfalten kann. Auf der anderen Seite bedeutet dies auch, daß der in Staatszielen inkorporierte objektiv-rechtliche Wertgehalt auch subjektivrechtlichen Berechtigungen im Rahmen der den Grundrechten immanenten Gemeinschaftsgebundenheit als Ausübungsschranke der subjektiv-rechtlichen Berechtigung entgegengehalten werden kann. Mit dieser Einbindung objektiv-rechtlicher Prinzipiengehalte in die Schrankenproblematik subjektiv-rechtlicher Berechtigungen werden die objektiv-rechtlichen Elemente selbst wiederum subjektiviert. Dies kann dazu führen, daß aus objektiv-rechtlichen Prinzipien selbst eigene subjektiv-rechtliche Anspruchsoder Begrenzungsinstitute entwickelt werden, deren ursprünglich objektivrechtlicher Kern dann nicht mehr so ohne weiteres erkennbar ist 4 1 . Dieser Janusköpfigkeit von Staatszielbestimmungen als versubjektiviertem objektiven Recht ist bei der weiteren Diskussion besondere Aufmerksamkeit zu schenken (dazu unter C. II. 2.). Insoweit können Staatszielbestimmungen als Ausdruck einer stets aufgegebenen und zu erreichenden gesellschaftlichen Grundhaltung verstanden werden, so daß in ihnen auch immer ein „Stück Utopia" mitnormiert ist, worin die eigentliche Ursache für die Tendenz zu einer „Subjektivierung" von Staatszielbestimmungen verborgen liegt 4 2 . Bezogen auf das geplante Staatsziel Umweltschutz sind die hier ausgemachten „Wesensmerkmale" von Staatszielen nun einer genaueren und konkreteren Prüfung zu unterziehen. II. Der zu erwartende Inhalt des Staatszieles Umweltschutz Der zu erwartende Inhalt einer Staatszielbestimmung Umweltschutz ist gerade in jüngster Zeit Gegenstand rechtswissenschaftlicher Erörterungen gewesen43. Ausgehend vom Bericht der Sachverständigenkommission sind sowohl positive 44 wie negative Wirkungen 45 einer solchen Bestimmung man41

Dazu ausführlich: Robbers (Fn. 8), S. 193 ff. Näheres bei: Robbers (Fn. 8), S. 193ff.; s. auch: Kersten Heinz, Die geplante Staatszielbestimmung Umweltschutz - Ein Weg zu einem besseren Grundgesetz?, ZfU 1988, 1 ( l l f . ) . 43 Zu den einzelnen Vorschlägen: Heinz, ZfU 1988, 16ff.; Murswiek, ZRP 1988,15; Kloepfer, DVB1.1988, 311 ff.; s. auch: Gesetzesinitiative des Bundesrates v. 10.7.1987, BR-Drs. 275/87, sowie Anhörung am 14.10.1987, dazu: Klaus Stern, Zur Aufnahme eines Umweltschutzstaatszieles in das Grundgesetz, NWVB1. 1988, 1 ff. 44 So hebt die SV-Kommission insb. die Appell-, Impuls- und Integrationsfunktion einer neuen Staatszielbestimmung hervor, SV-Kommission (Fn. 36), Rdnr. 166ff.; auch eine Stärkung des Kooperationsgedankens im Umweltrecht wäre eine mögliche positive Impulswirkung, näheres dazu bei: Hans-Werner Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, § 7, S. 80f. 45 Als negativer Effekt wird insb. eine Verlagerung der Gewichte von der Legislative zur Judikativen befürchtet; dazu: Hans H. Rupp, Ergänzung des Grundgesetzes 42

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n i g f a c h beschrieben w o r d e n 4 6 . A u c h auf mögliche verfassungsrechtliche Desintegrationseffekte einer solchen B e s t i m m u n g w u r d e h i n g e w i e s e n 4 7 . G e g e n w ä r t i g liegt dem Bundestag e i n Gesetzentwurf des Bundesrates vor, der m i t M e h r h e i t der unionsgeführten L ä n d e r beschlossen h a t 4 8 , folgenden A r t . 20a i n das Grundgesetz einzufügen: Art. 20 a (1) Die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen stehen unter dem Schutz des Staates. (2) Bund und Länder regeln das nähere in Gesetzen unter Abwägung mit anderen Rechtsgütern und Staatsaufgaben. Dagegen haben die S P D - B u n d e s t a g s f r a k t i o n sowie die SPD-regierten L ä n der folgenden A r t . 20 a vorgeschlagen 4 9 : Art. 20 a Die natürlichen Lebensgrundlagen stehen unter dem besonderen Schutz des Staates. D a r ü b e r hinaus sieht der E n t w u r f auch eine Ä n d e r i m g v o n A r t . 28 G G vor. A u c h diese Vorschläge s i n d i n jüngerer Z e i t u m f a n g r e i c h erörtert w o r d e n 5 0 , w o b e i insbesondere auf die S c h w i e r i g k e i t e n hingewiesen w u r d e , die m i t einer j u r i s t i s c h e n B e s t i m m u n g des Schutzgutes „ n a t ü r l i c h e Lebensg r u n d l a g e n " v e r b u n d e n s i n d 5 1 . Gerade b e i der B e s t i m m u n g dieses Schutzgutes treffen auch unterschiedliche G r u n d p o s i t i o n e n u n d Auffassungen h i n s i c h t l i c h des Umweltschutzes a u f e i n a n d e r 5 2 . So w i l l die SPD d u r c h Weg-

um eine Vorschrift über den Umweltschutz, DVB1. 1985, 990; Murswiek, ZRP 1988, 17; Lutz H. Michel, Staatszwecke, Staatsziele und Grundrechtsinterpretation unter besonderer Berücksichtigung der Positivierung des Umweltschutzes im Grundgesetz, 1986, S. 329ff.; Stern, NWVB1. 1988, 4.; s. auch die Zusammenstellung der Für-undWider-Argumente bei: Rolf Stober, Umweltschutzprinzip und Umweltgrundrecht, JZ 1988, 426 (428). 46 Aus der umfangreichen Literatur außer den bisher Genannten noch: Hans-Günter Henneke, Landwirtschaft und Naturschutz, 1986, S. 492 ff.; Albert v. Mutius, Staatszielbestimmung „Umweltschutz", WiVerw. 1987, 51; Otto Depenheuer, Politischer Wille und Verfassungsänderung, DVB1. 1987, 809; Jörg Lücke, Umweltschutz und Verfassung in der DDR, in: Gedächtnisschrift Wolfgang Martens, 1987, S. 153 (173ff.); w.N. bei: Heinz, ZfU 1988, 2 in Fn. 4. 47 Dazu: Heinz, ZfU 1988, 23ff., 28ff.; kritisch unter dem Gesichtspunkt der Integration auch: Rainer Wahl, Grundrechte und Staatszielbestimmungen im Bundesstaat, AöR 112 (1987), 27 (44f.). 48 BR-Drs. 275/87. 49 BT-Drs. 11/10; BR-Drs. 275/2/87. 50 Zu dem Für und Wider der einzelnen Vorschläge jüngst: Murswiek, ZRP 1988, 15ff.; Stern, NVWB1.1988, 3ff.; Kloepfer, 1988, 311ff.; Heinz, ZfU 1988,16ff.; Stober, JZ 1988, 428f.; unter dem Gesichtspunkt der Kooperation: Rengeling (Fn. 44), S. 80; umfassend zu früheren Vorschlägen auch: Michel (Fn. 45), S. 268ff. 51 Michel (Fn. 45), S. 275ff.; Stern, NVWB1. 1988, 4f.; Murswiek, ZRP 1988, 16f.; Kloepfer, DVB1. 1988, 312f.; Rauschning, DÖV 1986, 490f. 52 Dazu besonders: Kloepfer, DVB1. 1988, 312; Stern, NVWB1. 1988, 5.

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lassung des Zusatzes „des Menschen" erreichen, daß der Umweltschutz aus seiner anthropozentrischen Grundposition gelöst wird und auch ein Schutz der Natur um ihrer selbst willen sowie ein Schutz zukünftiger Generationen möglich wird 5 3 . Zutreffend ist allerdings darauf hingewiesen worden, daß der Begriff „natürliche Lebensgrundlagen" nur prozeßhaft verstanden werden kann, d.h. zugrundegelegt werden muß ein dem jeweiligen Entwicklungsstadium des Menschen als kultur- und wirtschaftsschaffenden Wesen angepaßtes Verständnis der natürlichen Lebensgrundlagen 54 . Einer Änderimg der Verfassung im Umweltschutzbereich steht z.Z. besonders der beschriebene Grundkonflikt um einen „ökozentrischen" oder „anthropozentrischen" Umweltschutz entgegen 55 . Verfassungsrechtlich werden gerade im Bereich des ökozentrischen Umweltschutzes, d.h. des Schutzes der Umwelt um ihrer selbst willen, Schutzlücken ausgemacht 56 , so daß diesen Fragen im folgenden auch im Hinblick auf behauptete Weltbildveränderungen im philosophischen Bereich besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll (unter C.). Ein solcher Schutz der Natur um ihrer selbst willen hätte auch erhebliche Auswirkungen auf die bisherige Unterscheidung zwischen subjektiven Rechten und objektivem Recht (näheres unter C.II.2.). Somit w i r d - wie im Problemaufriß dargelegt - die Frage nach Eigenrechten der Natur oder nach einem Naturstaatsprinzip als Inhalt eines Umweltschutzstaatszieles sowohl unter philosophischen wie rechtlichen Gesichtspunkten zu erörtern sein. Dies bedeutet, daß im Rahmen eines vorausschauenden Möglichkeitsdenkens 57 eine ex ante Analyse möglicher Interpretationen und Interpretationsfelder vorzunehmen ist, da nur so eine mögliche Folgenabschätzung von neuen Verfassungsrechtsbestimmungen möglich ist.

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Siehe dazu die Nw. unter Fn. 3. Heinhard Steiger in: BR-Prot. der 551. Sitzung des Rechtsausschusses und der 544. Sitzung des Ausschusses für innere Angelegenheiten v. 10.06.1985, S. 48f.; Heinz, ZfU 1988, 24. 55 Siehe SZ Nr. 59 v. 11.3.1988, S. 2. 56 Dies betont besonders Murswiek, ZRP 1988, 16; Kompromißmöglichkeiten sieht hier Kloepfer, DVB1. 1988, 313, da die praktisch erreichbaren Ergebnisse zwischen anthropozentrischem und ökozentrischem Umweltschutz nicht so weit auseinanderliegen. 57 Zum „Möglichkeitsdenken" als juristischer Kategorie Peter Häberle, Demokratische Verfassungstheorie im Lichte des Möglichkeitsdenkens, AöR 102 (1977) 27; ders., Utopien als Literaturgattung des Verfassungsstaates, in: Gedächtnisschrift Wolfgang Martens, 1987, S. 73 (76f.). 54

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C. Das Staatsziel Umweltschutz: Begründung von Eigenrechten der Natur oder objektiv-rechtliches Naturstaatsprinzip? I. Die geistesgeschichtlichen Vorausbedingungen eines möglichen Eigenrechts der Natur 1. Vorbemerkungen

In jüngster Zeit ist - auch unter Bezugnahme auf das philosophische Schrifttum - versucht worden, den Umweltschutz auf „neue Füße" zu stellen, indem Eigenrechte der Natur postuliert wurden 5 8 . Begründet w i r d dies in der Regel mit dem Hinweis auf eine sich im philosophischen Schrifttum abzeichnende Ablösimg des anthropozentrischen Weltbildes, anstelle dessen in zunehmendem Maße ein ökozentrisch orientiertes trete, welches alleine es ermöglichen soll, weitere Schäden von der Natur fernzuhalten 59 . Im juristischen Schrifttum ist diese Diskussion nur teilweise aufgenommen worden 60 , obwohl gerade Änderungen philosophischer Grundpositionen Rückwirkungen auf das Recht haben. Normen - und dies gilt insbesondere für Verfassungsnormen - sind nämlich in ihrer Gänze nicht allein aus ihrem rein juristisch-abstrakten Gehalt zu erfassen, sondern sie stehen in einem geistesgeschichtlich-philosophischen und teilweise auch religiösen Ideenzusammenhang, aus dem heraus sie erst verständlich werden. Das „Erfassen" des Gehaltes des Grundgesetzes ist nicht möglich ohne Rückgriff auf grundsätzliche ideengeschichtliche Zusammenhänge. Philosophische Grunderkenntnisse sind notwendige Vorbedingungen von Recht und ermöglichen erst ein „Sinnverstehen" der Normen; sie sind aber nicht selbst Recht oder rechtliche Handlungsanweisungen, sondern bedürfen dafür der Umsetzung in 58 Siehe dazu aus jüngerer Zeit: Klaus Bosselmann, Wendezeit im Umweltrecht, KJ 1985, 345; ders., Eigene Rechte für die Natur?, KJ 1986, 1; ders., Die Natur im Umweltrecht, NuR 1987, 1; Peter Saladin / Jörg Leimbacher, Mensch und Natur Herausforderung für die Rechtspolitik, in: Menschengerecht (Fn. 3), S. 195ff.; aus der amerikanischen Rechtsliteratur schon früher: Christopher Stone, Should trees have standing? Toward legal rights for natural objects, Southern California Law Review, vol. 45 (1972), 450ff., dt. m. Ergänzungen: Umwelt vor Gericht, München 1987, m. Anm. Eckard Rehbinder, UPR 1988,134f.; Lawrence H. Tribe, Was spricht gegen Plastikbäume?, in: Dieter Birnbacher (Hrsg.), Ökologie und Ethik (1980), S. 20 ff. (56 ff.). 59 Klaus Michael Meyer-Abich, Wege zum Frieden mit der Natur, 1984; ders., Mensch und Natur: Herausforderung für die Rechtspolitik, in: Menschengerecht (Fn. 3), S. 173ff.; Beat Sitter, Plädoyer für das Naturrechtsdenken: Zur Anerkennung von Eigenrechten der Natur, 1984; Frank Fraser-Darling, Die Verantwortung des Menschen für seine Umwelt, in: Birnbacher (Fn. 58), S. 9ff.; Martin Rock, Theologie der Natur und ihre anthropologisch-ethischen Konsequenzen, in: Birnbacher (Fn. 58), S. 72ff.; kritisch aus philosophisch-ethischer Sicht dazu: Jochen Reiche / Georges Fülgraff, Eigenrechte der Natur und praktische Umweltpolitik - Ein Diskurs über anthropozentrische und ökozentrische Umweltethik, ZfU 1987, 231 ff. 60 Dazu die Nw. unter Fn. 58.

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rechtliche Kategorien. Recht ist keine geronnene Philosophie, aber ohne philosophischen Hintergrund auch nicht verstehbar. Ethisch-philosophische Fragen können unabhängig von der Geltung einer positiven Rechtsordnimg gestellt werden; ihr Gegenstand spielt für das Recht aber im Rahmen der Rechtsdogmatik und der Interpretation eine Rolle 61 . Deshalb ist nachfolgend zu untersuchen, ob im philosophisch-ethischen Bereich die behauptete „kopernikanische" Wende im Weltbild Verständnis stattgefunden hat, was auf Dauer nicht ohne Rückwirkungen auf das Recht bleiben würde. 2. Die geistesgeschichtlichen Entwicklungslinien

Ausgangspunkt jedweden philosophischen Denkens ist die Bestimmung des Standortes des Menschen in der Welt und im gesamten Kosmos; Hauptpunkt hierbei das Verhältnis von Mensch und Natur zueinander, das von jeher im abendländischen Denken von zwei Entwicklungslinien geprägt war 6 2 . So wurde u.a. von Plato die Vorstellung entwickelt, daß der Kosmos als harmonisches Ganzes aufzufassen sei, in dem die Ordnung der Natur und die Ordnung menschlichen Verhaltens vereint sind 6 3 - 6 4 . Dieser Harmoniethese stellte schon in der Antike Aristoteles eine andere These entgegen, die ihren Ausgangspunkt in dem Grundgedanken von der „wunderbaren Zweckmäßigkeit" in der Natur genommen hat und die heute als Beginn der anthropozentrischen Naturbetrachtung angesehen wird. Ihre stärkste Ausprägung erfuhr diese Denkrichtung - worauf noch zurückzukommen sein wird - bei Descartes und philosophisch grundlegend bei Kant 65. Beide Entwicklungsstränge sollen im folgenden - soweit sie auch heute noch die Diskussion mitbestimmen - näher aufgefächert und in ihren Grundzügen dargestellt werden (a und b), um danach auf die heutigen Sichtweisen einzugehen (c). Dieses Vorgehen ist erforderlich, da ohne Rück61

Siehe zu diesen Zusammenhängen auch: Alexy (Fn. 6), S. 159 f. Reiche / Fülgraff, ZfU 1987, 232. 63 Zu diesem Harmoniemodell, welches eng mit der Staatsauffassung Piatos zusammenhängt: Plato, Der Staat (Politeia), Philosophische Bibliothek, Bd. 80 (1961); zur Naturkonzeption Piatos näheres bei: Lothar Schäfer, Wandlungen des Naturbegriffs, in: Jörg Zimmermann (Hrsg.), Das Naturbild des Menschen, 1982, S. 11 (14ff.). 64 Gut kommt die Naturvorstellung Piatos auch in dem berühmten Gleichnis über die Schafe zum Ausdruck, nachdem der Hirte die Schafe zu ihrem Besten fett macht und nicht im Hinblick auf den späteren Verzehr, vgl. dazu: Plato, Der Staat (Fn. 63), 345d(S. 31), 345b (S. 27). 65 Zu diesen Grundpositionen abendländischen Denkens näheres bei: Hans Ryffel, Rechts- und Staatsphilosophie, 1969, S. 104ff.; s. jetzt auch: Klaus Michael MeyerAbich, Wissenschaft für die Zukunft, 1988, S. 83ff.; siehe zu den philosophischen Grundlagen des Denkens mit und über die Natur auch den umfassenden Beitrag von: Hasso Hofmann, Natur und Naturschutz im Spiegel des Verfassungsrechts, JZ 1988, 265 (267ff.); Gerd Winter, Perspektiven des Umweltrechts, DVB1. 1988, 659ff. 62

13 Gegenwartsfragen

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griff auf die historischen Entwicklungsstränge die heutigen Auffassungen nicht verstehbar sind. a) Grundlegend für die Sichtweise der weitgehenden Einheit von Mensch und Natur ist die sog. Identitätsphilosophie, die auf eine ganzheitliche Betrachtungsweise abstellt und so zur vollkommenen Harmonie der Dinge gelangen will. Unter dem Stichwort des holistischen Weltbildes findet diese Theorie heute wieder Beachtung. Von fundamentaler Bedeutung für dieses Denken ist Spinozas Erkenntnis der Einheit des Geistes mit der gesamten Natur 6 6 , wobei der Geist ganz in die Natur eingeordnet wird 6 7 . Bezogen auf das Verhältnis Mensch-Natur gelangt Spinoza zu der Feststellung, daß die Menschen die Natur nicht in ihrer Gesamtheit erkennen, weil sie nicht nach deren Eigenwert suchen, sondern die Natur lediglich als Mittel zu ihrem eigenen Nutzen begreifen und die Natur dem menschlichen Nützlichkeitsdenken unterordnen 68 . Dieses menschliche Erkenntnisdefizit rührt daher, daß der Mensch an den Dingen nur das als die Hauptsache schätzt, was ihm am nützlichsten ist, und so niemals die Vollkommenheit der Dinge begreift, die er nur dann erkennen könnte, wenn er die Dinge nach ihrem Eigenwert zu schätzen lernen würde und nicht danach, ob sie der menschlichen Natur zusagen oder ihr widerstreiten 69 . In der (außermenschlichen) Natur selber ist nämlich alles aus einer ewigen Notwendigkeit und mit höchster Vollkommenheit bestimmt, weil die Natur nicht nach Zwecken handelt 70 , so daß der Mensch mit seiner zweckgerichteten Vernunft niemals die Natur um ihrer selbst willen begreifen wird und somit auch keine absolute Macht hat, die Natur seinem Nutzen anzupassen. Vielmehr ist der Mensch als Teil der Natur gezwungen - die er in ihrer Vollkommenheit nicht erkennen kann - , sich deren Gesetzen anzupassen und seine lediglich nutz- und zweckgerichtete Vernunft 7 1 in die Natur einzuordnen, so daß der Mensch um seiner selbst willen gezwungen ist, mit der Ordnung der ganzen Natur übereinzustimmen 72 . Das zuletzt Ausgeführte macht eine „fundamentale Schwäche" der Philosophie Spinozas deutlich. Der Schutz der Natur um ihrer selbst willen ergibt sich lediglich als bloße Folge des mangelnden menschlichen Erkenntnisver66 Benedictus de Spinoza, Tractatus de intellectus emendatione, 1662, dt., Abhandlung über die Verbesserung des Verstandes, Sämtliche Werke (hrsg. v. Gebhardt), 1977, 5. Aufl., Bd. 5 S. 1 - 52; dazu: Werner Ziegenfuss / Gertrud Jung (Hrsg.), Philosophen Lexikon, Bd. II, 1950, Stichwort: Spinoza, S. 590ff.; zum Denken von Spinoza auch: Karl Jaspers, Spinoza, 1978 (1986), insb. S. 48ff. 67 Dazu auch: Reiche / Fülgraff, ZfU 1987, 233. 68 Benedictus de Spinoza, Die Ethik (1677), rev. Übersetzung v. Jakob Stern, Reclam 1977 (1984), Ethik I, Anhang, S. 95. 69 Spinoza, Ethik I (Fn. 68), Anhang, S. 109. 70 Spinoza, Ethik I (Fn. 68), Anhang, S. 99 ff. 71 Spinoza, Ethik IV (Fn. 68), Hauptsatz 26, S. 611. 72 Spinoza, Ethik IV (Fn. 68), Hauptsatz 32, S. 616f.

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mögens und wird nicht aus einem höheren moralischen oder ethischen Wert begründet. An diese spinozistischen Grundpositionen anschließend entwickelt Schelling seine Identitätsphilosophie, die von der Grundthese ausgeht: „Alles was ist, ist an sich Eines" 7 3 . Demgemäß steht auch der Mensch in der Natur, er ist in sie eingebunden. Des weiteren postuliert Schelling die Einheit von Vernunft und Natur, ohne daß diese Einheit durch äußeren Naturzwang hergestellt wird, vielmehr ist Vernunft und Geist in der Natur selbst inkarniert, und danach hat der Mensch zu suchen und zu streben 74 . Durch diese Konstruktion wird die Natur aus ihrer Materialstellung befreit und jedes Individuum wird zum Ausdruck der ganzen Natur 7 5 . Damit erlangt die Natur für Schelling ebenso Subjektstellung wie der Mensch, dessen Ziel es ist, mit der Natur im Zustand der Identität zu leben 76 , so daß sich prinzipiell Mensch und Natur ebenbürtig sind, beide Teile eines harmonischen Ganzen. b) Diese Vorstellung von dem harmonischen Eins des Menschen mit der Natur 7 7 wurde schon bald abgelöst von dem heute als solchen bezeichneten mechanistischen Weltbild, nach dem der „Sieg der (Ingenieurs-)Kunst über die Natur" dann zu erreichen ist, wenn man „wisse, wie die Natur es macht" 7 8 . Gerade Descartes 79 legte mit der Trennung in die res extensa, der bloßen Materie, dem bloßen Körper und die res cogitans, der Seele, dem Denken, den philosophischen Grundstein für das mechanistische Weltbild. Der Seele kommt Geist, Verstand, Vernunft zu, dem Körper Bewegung und Wärme 80 . 73 Friedrich Wilhelm Josef Schelling, Sämtliche Werke, hrsg. v. K. F. A. Schelling (1850 ff.), Abt. I/Bd. 4, S. 105 ff. (113). 74 Schelling (Fn. 73), Werke 1/7, Darlegung der wahren Verhältnisse der Naturphilosophie i n der verbesserten Fichteschen Lehre (1806), S. 1 - 126; dazu auch: Friedrich Kaulbach, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. Joachim Ritter / Karlfried Gründer, 1984, Stichwort: Natur, Sp. 475f. 75 Schelling (Fn. 73), Werke 1/3, Einleitung zu dem Entwurf eines Systems der Naturphilosophie, S. 321. 76 Schelling (Fn. 73), Werke 1/7, S. 1 - 126. 77 Dazu auch noch: Johann Wolf gang von Goethe, Naturlehre, in: ders., Schriften zur Biologie, hrsg. Konrad Dietzfellbinger, Langen Müller, 1982, S. 135 (138); zum Naturbild Goethes aus der Sicht der modernen Physik: Werner Heisenberg, Das Naturbild Goethes und die technisch-naturwissenschaftliche Welt, in: ders., Schritte über Grenzen, Gesammelte Reden und Aufsätze, Piper 1973, S. 243ff. 78 Francis Bacon, Neues Organ der Wissenschaften (1620), übers, v. A. T. Brück, 1830 (1981), Aph. 117, Erstes Buch, S. 85; zu Bacon auch: Max Horkheimer, Begriff der Aufklärung, in: ders. / Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, 1944 (1986), S. 9 ff. 79 Aus dem umfangreichen Schrifttum zu Descartes nur: Carl-Friedrich v. Weizsäcker, Descartes und die neuzeitliche Naturwissenschaft, 1958; Gabriele Herbst, Wissenschaft und Moral bei Descartes, Diss. Mannheim 1985; Alfred N. Whitehead, Process and Reality, dt. Prozeß und Realität, 1929 (1979), S. 91ff.; dazu auch: Hofmann, JZ 1988, 268. 80 Dazu: Herbst (Fn. 79), S. 88.

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Der Körper - sowohl der menschliche wie der tierische - ist für Descartes nur eine Maschine 81 und die gesamte Natur wird als Körper, als bloße Materienmenge aufgefaßt, die nur durch den Verstand erfaßt werden kann und nicht durch Betasten oder Sehen 82 . Das Denken erhebt den Menschen über die Natur und ermöglicht es ihm, deren Irrtümer zu erkennen und zu vermeiden. Diese Trennimg von Körper und Geist, von unbeseelter Materie und Denken macht die Natur zu einer Maschine, über die sich der Geist erhebt und ihr deshalb befiehlt. Es blieb Kant vorbehalten, einen Zusammenhang zwischen Vernunft und Natur in Form einer dialektischen Denkweise zu entfalten. Wesentlich ist für das Denken Kants, daß der subjektive menschliche Verstand die Rolle des Gesetzgebers gegenüber der Natur übernimmt, die dadurch in den Zustand des Gefesselt- und Gebundenseins gerät 83 . Grundlage dieser Naturkonzeption ist eine als apriorisch gedachte Vernunft, die von der an sich existenten Natur unabhängig ist 8 4 . Deshalb kann Kant den Menschen als ein seine Welt in moralischer Freiheit gestaltendes Wesen einsetzen, durch dessen Geist sich das Chaos erst in Raum und Zeit ordnet 85 . Aufgabe des Menschen ist es, sich vom „Gängelbande der Natur" zu befreien und die Natur zu zwingen, ihre Erscheinungen nach einem vom Menschen bestimmten Plane in systematischer Reihenfolge - unter weitgehender Ausschaltung des Zufalls - zu zeigen 86 . Darüber hinaus erkennt Kant aber auch, daß die Natur nicht nur als im menschlichen Verstand gefesselte existiert, indem er unterscheidet zwischen einem materialen Aspekt der Natur (natura materialiter spectata) und einem formalen Aspekt, den er definiert als „das Dasein der Dinge, sofern es nach allgemeinen Gesetzen bestimmt i s t " 8 7 (natura formaliter). Gerade das Wort „Dasein" weist auf einen sich der rein verstandesmäßigen Erfassung entziehenden, nicht bestimmbaren selbständigen

81 René Descartes, Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, Meiner (1976), Meditation VI, S. 76. 82 Descartes (Fn. 81), Meditation II, S. 29; zu diesem Naturverständnis auch: Weizsäcker (Fn. 79), S. 21. Hof mann, JZ 1988, 268, spricht von einer „Geometrisierung des Naturverständnisses" bei Descartes. 83 Näheres bei: Kaulbach (Fn. 74), Sp. 471 ff. 84 Zur Naturkonzeption Kants statt vieler: Kaulbach (Fn. 74), Sp. 47Iff.; Schäfer (Fn. 63), S. 27ff.; Sibylle Tönnies, Ist das Recht ein Biotop?, Rechtstheorie 18 (1987), 105ff. (114ff.); zur K r i t i k am apriorischen Denken Kants im Hinblick auf die Natur: Konrad Lorenz, Kants Lehre vom Apriorischen im Lichte gegenwärtiger Biologie (1941), jetzt in: ders., Das Wirkungsgefüge der Natur und das Schicksal des Menschen, 1983, S. 82ff. 85 Tönnies (Fn. 84), S. 115; zur kantschen Vernunftlehre: Günther Maluschke, Philosophische Grundlagen des demokratischen Verfassungsstaats, 1982, S. 107ff.; Wolfgang Nauke, Rechtsphilosophische Grundbegriffe, 2. Aufl. 1986, S. 94ff. 86 Immanuel Kant, K r i t i k der reinen Vernunft, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, Sonderausgabe 1981, Bd. 3, Vorrede, B XIII, S. 23. 87 Immanuel Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaften, Gesammelte Werke, Akademieausgabe, Bd. 4, S. 467.

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Zug der Natur hin 8 8 . Dieser selbständige - nicht verstandesmäßig gefesselte Aspekt der Natur kommt auch zum Ausdruck, wenn Kant auf den „bestirnten Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir" zu sprechen kommt, welche beide das Gemüt mit „immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht" erfüllen, je öfter und anhaltender das Nachdenken sich damit beschäftigt 89 . Die Auflösung dieses Widerstreites zwischen These, in der das freiheitliche Handeln des Menschen betont wird, und Antithese, welche die darüber hinausgehenden objektiven Naturzusammenhänge anerkennt, liegt darin, daß beide als Perspektiven zu werten sind, mit Hilfe derer die Idee der Freiheit mit derjenigen der Naturmacht zu versöhnen ist 9 0 . Im Laufe der weiteren Entwicklung ist diese Dialektik des kantschen Naturbegriffs verlorengegangen und es blieb lediglich die rein anthropozentrische Erkenntnis stehen, daß der Mensch die Natur beherrschen könne. c) Philosophische Gegenentwürfe wurden erst gegen Ende des letzten und zu Beginn dieses Jahrhunderts gewagt. Besonders Whitehead formuliert eine philosophische Gegenposition, indem er ausführt, daß man „den Konsequenzen der mechanistischen Denkweise nur dadurch entgehen kann, daß man entdeckt, daß gar kein Mechanismus vorliegt" 9 1 . Die „befurcation of nature", wie sie Descartes mit seiner Aufspaltung der Natur in Geist und Materie formuliert hat, ist abzulehnen, da gerade der erlebende und erfahrende Mensch wieder zum Bestandteil der Natur wird 9 2 . Ein endgültiger Bruch mit dem unter der Fahne der Aufklärung segelnden, verkürzten Naturverständnis vollzog sich in der Physik mit der Anerkennung der Lehre von der Quantenmechanik und den Lehren der Relativitätstheorien. Der Relativität der Raum-Zeit-Beziehungen entspricht auch ein anderes Naturverständnis der Physik, die, wie Heisenberg formulierte, als exakte Naturwissenschaft nicht mehr ein Bild der Natur zeichnet, sondern „ein Bild unserer Beziehungen zur Natur" 9 3 . In das Blickfeld gerät damit vor ss Kaulbach (Fn. 74), Sp. 472. 89 Kant (Fn. 87), K r i t i k der praktischen Vernunft, Bd. 5, S. 161. 90 Darauf weist zutreffend hin: Kaulbach (Fn. 74), Sp. 475. 91 Alfred N. Whitehead, Science and the Modern World, New York 1925, dt. Wissenschaft und moderne Welt, 1949, S. 77. 92 Vgl. zu dem insgesamt nur aus der Gesamtsicht seiner Werke zu erschließenden Naturverständnis noch: Alfred N. Whitehead, The Function of Reason, 1929, dt. Die Funktion der Vernunft, 1974, S. 9ff.; ders., Prozeß und Realität, 1979; zu Whitehead auch noch die eindringliche Darstellung bei: Eberhard Bubser, Stichwort Whitehead, in: Grundprobleme der großen Philosophen, Philosophie der Gegenwart I, hrsg. v. Josef Speck, 1979, S. 274ff. 93 Werner Heisenberg, Das Naturbild der heutigen Physik, in: ders. (Fn. 77), S. 109ff. (125), zu den Wandlungen und zum heutigen Naturbild in der Physik; ders., Die Entwicklung der philosophischen Ideen seit Descartes im Vergleich zu der neuen Lage in der Quantentheorie, in: ders., Physik und Philosophie, Ullstein 1959, S. 56ff.; dazu m.w.N. auch: Hofmann, JZ 1988, 268.

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allem das Netz der Beziehungen zwischen Mensch und Natur und derjenigen Zusammenhänge, durch die der Mensch als körperliches Lebewesen ein abhängiger Teil der Natur ist, die er aber als Mensch gleichzeitig zum Gegenstand seines Denkens und Handelns macht. Dieses Wechselspiel zwischen Mensch und Natur führt einerseits zu einer Entzauberung des Menschen, der der Natur nicht mehr in der Form des Herrschers gegenübertritt, andererseits wird aber auch eine Unterwerfung des Menschen unter die Natur vermieden, da der Mensch durch sein Denken und Handeln aktiv auf diese einwirkt 9 4 . In der Biologie wurde dagegen teilweise die Möglichkeit des Menschen, auf seine Umwelt aktiv einzuwirken, geleugnet. Unter dem Stichwort des Behaviorismus 95 wurde das klassische Mensch-Tier-Theorem aufgegeben 96 und der Mensch zum Tier erklärt, da der Mensch im Versuch dieselben instinktmäßigen und angeborenen Verhaltenssteuerungen zeigt wie das Tier, was u. a. durch Versuche, die auf dem Prinzip des Lernens durch Erfolg beruhten, nachgewiesen werden sollte. In dieser radikalen Gegenthese zum Vernunftdenken der Aufklärung steckt jedoch ebenso ein Reduktionismus wie im mechanistischen Weltbild, weil damit höchst reale, wesensmäßige Verschiedenheiten der unterschiedlichen Seinsformen verkannt werden 97 . Gerade die Fähigkeit des Menschen zum begrifflichen Denken, welches untrennbar mit der syntaktischen Sprache verbunden ist, unterscheidet den Menschen vom Tier 9 8 . Erst die Möglichkeit der Formung des sprachlichen Symbols macht unabhängig von der dauernden Anwesenheit des Bezugspunktes der Information und ermöglicht das Anhäufen von Wissen. Deshalb ist der Mensch nicht nur ein Konglomerat von auch bei Tieren vorhandenen Einzelleistungen, sondern er ist eine neue Ganzheit, ein Evolutionssprung, der auf vorhandenen Fähigkeiten aufbauend die Befähigung zum begrifflichen Denken besitzt, welches ihn von anderen Systemen unterscheidet 99 . 94 Zum Einfluß der Quantenmechnik auf die WeltbildV o r s t e l l u n g e n : Otto Kimminich, Umweltschutz, Prüfstein der Rechtsstaatlichkeit, 1987, S. 15f.; Reiche / Fülgraff, ZfU 1987, 234ff.; Meyer-Abich (Fn. 59), Frieden, S. 88ff.; ders. (FN 65), S. 90ff.; Karl R. Popper / John C. Eccles, Das Ich und sein Gehirn, 7. Aufl. 1987, S. 24ff. 95 Die wichtigsten Vertreter des „radikalen" Behaviourismus sind wohl B. F. Skinner und J. P. Pawlow („Pawlowsche Hunde"); zur K r i t i k an dieser empty organisme theory: Konrad Lorenz, Wissenschaft, Ideologie und das Selbstverständnis unserer Gesellschaft (1972), jetzt in: ders. (Fn. 84), S. 141ff.; Popper / Eccles (Fn. 94), S. 58ff. 96 Zum „klassischen" Mensch-Tier-Theorem, vgl. statt anderer: Jan M. Broekmann, Recht und Anthropologie, 1979, S. 43ff.; grundlegend zur Anthropologie: Arnold Gehlen, Anthropologische Forschung, 1961. 97 So zutreffend: Lorenz (Fn. 95), S. 140. 98 Lorenz, Zivilisationspathologie und Kulturfreiheit, in: ders. (Fn. 84), S. 330f.; Konrad Lorenz / Karl R. Popper, Die Zukunft ist offen - Ein Gespräch (1983), 1985, S. 33ff.; Zur Rezeption der Verhaltensbiologie im Recht: Hagen Hof, Verhaltensforschung zum Recht, Rechtstheorie 14 (1983), 349ff.; Tönnies (Fn. 84), S. 105ff.; Reinhold Zippelius, Rechtsphilosophie, 1981, S. 56ff., jeweils m.w.N. 9 9

Lorenz

(Fn. 98), S. 330 ff.

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Gerade das Unterscheidungskriterium des - wie auch immer zu definierenden Geistes 100 - befähigt den Menschen, seine Umwelt aktiv und bewußt zu gestalten, fordert von ihm aber auch, Verantwortung für seine Umwelt zu übernehmen. Verantwortungsübernahme setzt ein Mindestmaß an Freiheit, an Eigenständigkeit voraus, die nur dem Menschen zu eigen ist 1 0 1 . Damit korrelieren die besonderen Fähigkeiten des Menschen auch mit einer besonderen Pflicht zur Verantwortungsübernahme. Die zuletzt skizzierte philosophische Auffassung, die grundsätzlich am anthropozentrischen Weltbild festhält, es aber um das Prinzip Verantwortung erweitert 1 0 2 , dürfte - mit Unterschieden in Einzelfragen - heute als eine vermittelbare philosophische Basis in der Bestimmung des Verhältnisses von Mensch-Natur erscheinen 103 . Stimmen, die eine vollständige Überwindung des anthropozentrischen Weltbildes fordern, sind auch im philosophischen Schrifttum vereinzelt geblieben 104 . Soweit eine teilweise Überwindung der Anthropozentrik gefordert wird, um der Natur zu einem Eigenwert zu verhelfen 105 , scheinen dieselben Ergebnisse auch ohne die - teilweise - Aufgabe der anthropozentrischen Sichtweise erreichbar zu sein. Auch leiden die ökozentrisch orientierten Positionen an einem Grundwiderspruch, den sie nicht auflösen können: Einerseits werden sie damit begründet, daß der Mensch bisher in der Natur ein reines Verfügungsobjekt seines menschlichen Nutzens gesehen hat und das nötige Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Natur hat vermissen lassen, andererseits soll gerade dieser Mensch bei einem ökozentrisch orientierten Umweltschutz als Treuhänder für die Natur eingesetzt werden, d. h. es besteht ein Höchstmaß an Vertrauen in die Verantwortungsbereitschaft des Menschen! Daher ist an dem grundsätzlich anthropozentrisch orientierten Weltbild festzuhalten und in diesem Rahmen das Verantwortungsprinzip des Menschen hervorzuheben. Verantwortung kann dabei auch Last und Verzicht meinen und sie bedeutet immer, die Umwelt zu schonen und zu pflegen, 100 Popper / Eccles (Fn. 94), S. 61 ff.; Lorenz / Popper (Fn. 98), S. 32; zum Naturbild Poppers auch: Schäfer (Fn. 63), S. 32 ff. 101 Lorenz I Popper (Fn. 98), S. 17; vgl. auch Sitter (Fn. 59), S. 19ff., siehe aus rechtlicher Sicht auch: Günter Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG-Kommentar, Art. 1 Rdnr. 18. 102 Siehe dazu grundlegend: Hans Jonas, Das Prinzip Verantwortung, 1979; ders., Leben - Ethik - Recht, in: Menschengerecht (Fn. 3), 53 ff. - der allerdings die Anthropozentrik zumindest teilweise ablösen will, s. Fn. 105. 103 Siehe dazu auch: Arnold Gehlen, Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung i n der Welt, 5. Aufl. 1955, insb. Kap. 9 - Tier und Umwelt - S. 77ff.; jüngst: Wolfgang van den Daele, Die Moralisierung der menschlichen Natur, KritV 1987, 351 ff. 104 So bspw. Fräser-Darling (Fn. 59), S. 9ff.; Carl Amery, Umweltschutz und Politik, in: Ernst v. Weizsäcker (Hrsg.), Humanökologie und Umweltschutz (1972), 80 ff. wobei darauf hingewiesen sei, daß beide nicht von den philosophischen Wissenschaften her argumentieren - s. auch m.w.N. bei: Bosselmann, KJ 1986, 2 bei Fn. 6. 105 So bspw.: Jonas (Fn. 102), S. 18ff.; Meyer-Abich (Fn. 59), Frieden; ders. (Fn. 59), in: Menschengerecht (Fn. 3), S. 173ff.; Sitter (Fn. 59), S. 29ff.

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eben keine progressive Herrschaft über die Natur als Selbstzweck auszuüben, sondern Natur im Handeln als Maß des Handelns erinnernd zu bewahren 1 0 6 . Diese Symbiose von Mensch und Natur, die dadurch gekennzeichnet ist, daß der Mensch eine pflegende Herrschaft über die Natur ausübt und sich stets der natürlichen Voraussetzungen menschlicher Existenz bewußt erinnert 1 0 7 , ermöglicht heute, daß der zu sich selbst gekommene Mensch die Entfremdung zwischen Mensch und Natur in dem doppelten Ziel der „Humanisierimg der Natur" und der „Naturalisierung des Menschen" 108 überwindet. Eine so verstandene Anthropozentrik distanziert sich nicht denkend von der Natur, um sie zu beherrschen und verwandelt die Natur nicht in bloße Objektivität, negiert aber auch nicht den Menschen, indem sie Unterwerfung unter die Natur fordert 1 0 9 . Die aufgezeichnete philosophische Grundposition ermöglicht es, die Natur ausreichend zu schützen, und zwar unabhängig vom bloßen Nützlichkeitsdenken des Menschen, womit eine menschen- und umweltgerechte Betrachtungsweise ermöglicht wird. Was das hier gefundene Ergebnis im Verhältnis Mensch/Natur in juristischen Kategorien gedacht bedeutet, ist nunmehr anschließend zu erörtern (sogleich unter II.). II. Eigenrechte der Natur oder Naturstaatsprinzip als Inhalt einer Staatszielbestimmung Umweltschutz? 1. Vorbemerkungen

Die geistesgeschichtliche Hintergrundanalyse hat ergeben, daß die heutige modifizierte Mensch-/Naturbeziehung, die auch als „geläuterte Anthropozentrik" 1 1 0 bezeichnet wird, nicht von einem ökozentrischen - im Extremfall damit sogar gegen den Menschen gerichteten - Naturverständnis ausgeht. Auf der Basis dieser philosophischen Analyse - die im Rahmen der offenen Gesellschaft der Verfassungsinterpreten 111 auch Rückwirkungen auf die Interpretation des Verfassungsrechts entfaltet - ist nunmehr die Frage nach Eigenrechten der Natur als Inhalt eines Umweltstaatszieles 106

(33).

107

So: Robert Spaemann, Natur, in: ders., Philosophische Essays, 1983, S. 19ff.

Spaemann (Fn. 106), S. 36f. Dazu: Ernst Bloch, Tübinger Einleitung i n die Philosophie, 1970 (1986), S. 94; ders., Atheismus im Christentum. Zur Religion des Exodus und des Reichs, in: Gesamtausgabe, Bd. 14 (1973), S. 298ff. 109 Vgl. zum Ganzen auch: Max Horkheimer (Fn. 78), S. 15, 36, 46. 110 Soweit ersichtlich, stammt der Begriff von: Meyer-Abich (Fn. 59), Frieden, S. 65 ff. 111 Peter Häberle, Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, JZ 1975, 297ff.; auf die K r i t i k insb. von Böckenförde kann hier nicht eingegangen werden; vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Der Eigenwert des Staatsrechts und der Staatsrechtswissenschaft, in: Festschrift für H. U. Scupin, 1983, 317ff. (324ff.). 108

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einer näheren rechtlichen Betrachtung zu unterziehen, die auch die grundsätzlichen Überlegungen zu Staatszielen im Spannungsfeld zwischen objektivem Recht und subjektiven Rechten miteinzubeziehen hat. 2. Eigenrechte der Natur als Inhalt eines Umweltstaatszieles

Fraglich erscheint, ob Eigenrechte der Natur, verstanden als subjektive Rechte der Natur und mithin auch als Abwehrrechte der Natur gegen Eingriffe, wahrzunehmen durch menschliche Treuhänderschaft, Gegenstand eines Umweltstaatszieles sein können. Eigenrechte der Natur bedeuten rechtlich - neben der philosophischen Intention der Ablösung des anthropozentrischen Weltbildes - jedenfalls eine subjektiv-rechtliche Berechtigimg der Natur oder anders: die Natur als Anspruchsinhaber von eigenen Rechten. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß es sich bei Staatszielen primär um objektives Recht handelt, so erscheint es als höchst zweifelhaft, daß mittels einer Staatszielbestimmung die gewollten subjektiven Rechte in die Verfassung inkorporiert werden können. Deshalb setzen auch die meisten Vorschläge, die Eigenrechte der Natur in der Verfassung verankern wollen, nicht bei den Staatszielbestimmungen an 1 1 2 . Trotzdem wurde gerade in jüngster Zeit dieser Variante in der politischen Diskussion, wie auch die unterschiedlichen Textvorschläge zeigen, große Aufmerksamkeit geschenkt. Gegen eine Verankerung von Eigenrechten der Natur mittels einer Staatszielbestimmung sprechen - wie sich sogleich zeigen wird - eine Reihe von schweren verfassungsrechtlichen und -systematischen Bedenken (unter a); aber auch insgesamt leisten Eigenrechte der Natur wegen vielfacher rechtlicher Schwierigkeiten zur Zeit keinen Beitrag zur rechtlichen Lösung der Umweltschutzproblematik (unter b). a) Wenn nach den herkömmlichen Definitionsmerkmalen von subjektiven Rechten 113 es sich bei diesen immer um eigene Interessenwahrnehmung handelt, dann müßte - wollte eine Staatszielbestimmung solche Rechte vermitteln - diese zumindest - auch - auf subjektive Rechtsvermittlung angelegt sein. Auch wenn man Staatszielbestimmungen der Kategorie des versubjektivierten objektiven Rechts zuordnet 1 1 4 sind sie jedoch nicht auf primär subjektive Rechtsvermittlung angelegt. Eine subjektive Rechtsträgerschaft - hier der Natur - können sie nicht begründen. Staatszielbestim112 Dazu: Sitter (Fn. 59), 29ff.; Meyer-Abich (Fn. 59), Menschengerecht, 173ff. Erklärung der Rechte der Natur - (189f.); Bosselmann, NuR 1987, 1 (6) - Änderung Art. 2 GG - ; Saladin / Leimbacher (Fn. 58), 193ff. - Änderung der gesamten Rechtsordnung. 113 Dazu Ausführungen unter A II, bei Fn. 22 bis 24. 114 Dazu Ausführungen unter A I I .

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mungen sind vielmehr im Hinblick auf die Hechtsträgerschaft neutral, da Staatsziele ihre subjektiv-rechtlichen Ausstrahlungswirkungen nämlich erst in Verbindimg mit den Grundrechten oder in Verbindung mit einer ein subjektives Recht vermittelnden einfachgesetzlichen Norm - dort dann als Optimierungsgebot - entfalten. Dies bedeutet, daß Staatsziele, um selbst „versubjektiviert" zu werden, immer eines subjektiv-rechtlich wirkenden Anknüpfungspunktes bedürfen, der dann auch die jeweilige Rechtsträgerschaft begründet. Staatsziele setzen demgemäß die subjektive Rechtsträgerschaft voraus und können sie nicht selber begründen. Wenn aber Staatsziele der grundrechtlichen Anknüpfung bedürfen, um subjektiv-rechtliche Wirkungen zu entfalten, dann kommt es für ein in einem Staatsziel inkorporiertes Eigenrecht der Natur entscheidend darauf an, ob die Grundrechte der Natur subjektive Rechtsträgerschaft zuschreiben. Die Grundrechte gehen jedoch, wie ein Blick auf Art. 1 GG zeigt, eindeutig von einer anthropozentrischen Grundrichtung aus, der dann auch sollen Verfassungsbrüche vermieden werden - die Staatsziele entsprechen müssen 115 . Demgemäß könnte also selbst ein ökozentrisches Staatsziel die anthropozentrische Ausrichtung der Grundrechte nicht überspielen. Staatsziele sind also das rechtstechnisch und -systematisch falsche Mittel, um Eigenrechte der Natur in der Verfassung zu verankern. Soweit dies doch geschehen würde, könnten sie die mit ihnen verbundenen Erwartungen auf Begründung von Eigenrechten der Natur nicht erfüllen, da sie subjektivrechtliche Wirkungen nur in Verbindung mit den Grundrechten entfalten könnten, und sie in dieser Hinsicht - auch nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz - nur menschenbezogen interpretiert werden können. Ob für eine ökozentrische Ausrichtung des Grundgesetzes eine Änderung des Art. 2 GG - als Grundrecht zweifelsohne der systematisch richtige Ort ausreichen würde 1 1 6 , kann hier nicht näher beleuchtet werden, erscheint aber insoweit zweifelhaft, als es dann innerhalb der „Dreikönigsgrundrechte" der Art. 1 - 3 GG zu Friktionen käme. Konsequenter scheint hier der Weg zu sein, wie ihn Saladin / Leimbacher 117 skizzenhaft vorgezeichnet haben. Sie wollen nicht nur die Verfassung in ihrem Grundrechtsteil, sondern das gesamte Umweltrecht einschließlich seines Verfahrensrechtes ändern, um zu einer rechtlichen Verankerung von Eigenrechten der Natur zu gelangen 118 . Zweifelhaft ist aber, ob für einen solchen „großen Wurf" die 115 Selbstverständlich kann der verfassungsändernde Gesetzgeber die anthropozentrische Perspektive des Grundgesetzes durch eine Änderung der Grundrechte mittels einer Verfassungsänderung auflösen, dies ist aber nicht möglich mit der „kleinen Münze" der Staatszielbestimmung; hier nicht ganz eindeutig: Murswiek, ZRP 1988, 16; auf die anthropozentrische Grundrichtung, der auch die Staatszielbestimmungen entsprechen müssen, stellt auch ab: Stern, NWVB1. 1988, 5. 116 So der Vorschlag von: Bosselmann, NuR 87, 6. 1 1 7

Saladin

/ Leimbacher

(Fn. 58), 195 ff.

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Zeit schon reif ist, was auch und gerade im Hinblick auf den philosophischen Befund gilt. Ein seinen eigenen „Vor- und Wirkbedingungen" vorauseilendes Recht läuft genauso Gefahr, Akzeptanz und Befolgungsbereitschaft zu verfehlen, wie ein hoffnungslos hinterherhinkendes. b) Auch insgesamt sind Eigenrechte der Natur unter rechtlichen Gesichtspunkten problematisch. Dies gilt besonders für die mit der Rechtsträgerschaft und der treuhänderischen Rechtswahrnehmung verbundenen Probleme, die als bisher noch nicht gelöst angesehen werden können 1 1 9 . Insbesondere ist noch nicht ersichtlich, wie auf einfachgesetzlicher Ebene die zu verankernde Rechtssubjektivität der Natur in rechtliche Form gebracht werden soll. Hier ist nicht nur, wie Stone formulierte, zu bedenken, daß „throughout legal history each successive extensión of rights to some new entity has been . . . a bit unthinkable" 1 2 0 , sondern das Augenmerk ist darauf zu richten, ob der mit großem rechtsgeschichtlichen Aufwand betriebene Nachweisversuch, daß es in der Kontinuität der geschichtlichen Entwicklung der Rechtssubjektivität liege - die eine ständige Ausweitung bis hin zur Anerkennung der Rechtssubjektivität von juristischen Personen kennt - , wenn heute auch der Natur Rechtssubjektivität zugebilligt werde 1 2 1 , w i r k lich einer genaueren Nachprüfung standhält. Richtig ist, daß im Laufe der Rechtsgeschichte immer mehr Gruppen von Menschen die Rechtsfähigkeit zugestanden wurde. Auch mögen wirtschaftliche Gründe dafür gesprochen haben, Vermögensmassen und Personenverbindungen eine Teilrechtsfähigkeit zuzugestehen 122 , es bleibt jedoch immer zu bedenken, daß nur solchen Subjekten Rechtsfähigkeit zuerkannt wurde, die sich auf eine menschliche Basis zurückführen ließen. Selbst die juristische Person bleibt - wenn auch im Rechtsverkehr als selbständige Vermögensmasse auftretend - der Zusammenschluß von Menschen; hinter dieser Fiktion stehen Menschen, die sich zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks wirtschaftlicher Art der „Fiktion" der juristischen Person bedienen 123 . Wie immer man im einzelnen 118 Konsequenz der vorgeschlagenen Änderungen wäre wohl doch eine Änderung der gesamten Rechtsordnimg, auch wenn dies von den Autoren bestritten wird; vgl. Saladin / Leimbacher (Fn. 58), 205 ff. 119 Zu diesen Konzepten: Bosselmann, KJ 1986, 3 ff., 8ff.; Saladin / Leimbacher (Fn. 58), 201 ff.; s. auch das Modell eines kollektiven Umweltschutzes, ähnlich wie im Arbeitsrecht bei: Stefan Langer, Der Mensch im Umweltrecht, NuR 1986, 270ff.; zu Recht kritisch zu Eigenrechten der Natur als „Rechtskategorie" Hof mann, JZ 1988, 277f. 120 Stone (Fn. 58), 453. 121 Bosselmann, KJ 1986, 8ff.; ders., NuR 1987, 3ff.; Saladin / Leimbacher (Fn. 58), 201 ff.; Sitter (Fn. 59), 31ff. 122 Saladin / Leimbacher (Fn. 58), 200. 123 Hier kann nicht auf die verschiedenen Theorien zur juristischen Person eingegangen werden, vgl. aber immer noch grundlegend: Fritz Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 180ff.; Rolf Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 2. Aufl. 1980, S. 54ff.; dazu auch mit Verweis auf die verschiedenen Theorien: Baumann (Fn. 10), S. 110ff.; auf die Nichtvergleichbarkeit der hier in Frage stehenden Anerkennung von Rechten weist auch hin: Hof mann, JZ 1988, 277.

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das Wesen der juristischen Person deuten mag, so bleibt der Grundsachverhalt bestehen, daß, wenn auch verschleiert, hier Menschen am Werk sind und menschlichen Gebilden eine gewisse Teilrechtsfähigkeit zuerkannt w i r d 1 2 4 . Unabhängig von den dahinterstehenden Menschen jedenfalls kann die juristische Person nicht gedacht werden, die Natur müßte aber - wollte man ihr Rechtsfähigkeit zubilligen - unabhängig von den Menschen gedacht werden 125 . Auch wenn es heute teilweise um die Entsklavung der Natur geht 1 2 6 , ist dieser Vorgang nicht vergleichbar mit der Zuerkennung der Rechtsfähigkeit an Sklaven. Der wesensmäßige Unterschied zwischen der Rechtsfähigkeit von Menschen, Menschengruppen sowie auf menschliches Handeln zurückführbaren Rechtsgebilden und der vom Menschen unabhängig zu denkenden Natur kann auch nicht über Art. 3 GG negiert werden 1 2 7 . Daher handelt es sich eben doch um einen qualitativen Sprung, wenn heute der Natur subjektive Rechte zuerkannt werden sollen. Die Natur besitzt keine individualisierte oder individualisierbare Rechtsmacht, die Rechtsordnung zur Verfolgung eigener Interessen in Bewegung zu setzen 128 . Hier liegt auch und gerade der Unterschied zum nasciturus, bei dem es sich um ein individualisierbares menschliches Wesen handelt und für den lediglich in Stellvertretung bis zur eigenen Rechtsfähigkeit diese für ihn wahrgenommen wird. Der Natur selber können aber keine individualisierbaren Rechte zuerkannt werden. Damit bleibt festzuhalten, daß ein Staatsziel Umweltschutz - unabhängig von der Formulierung - Eigenrechte der Natur als subjektive Rechte der Natur nicht vermitteln kann. Sollen Eigenrechte im Rechtssystem verankert werden, so ist eine völlige Umgestaltung der Rechtsordnimg notwendig, von der jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt, sowohl aus Gründen der philosophischen Vorausbedingungen des Rechts wie auch aus Gründen der vielfachen rechtlichen Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Rechtsträgerschaft abzuraten ist.

124 Diese sehen auch Saladin / Leimbacher (Fn. 58), 201, die jedoch nicht dieses wenngleich versteckte - menschliche Handeln in den Vordergrund stellen, sondern marktwirtschaftliche Gründe für die Anerkennung der Rechtsfähigkeit von juristischen Personen verantwortlich machen. 125 Das auch und gerade bei der Anerkennung der Grundrechtsfähigkeit von juristischen Personen, Art. 19 Abs. 3 GG, der Mensch Bezugspunkt dieses Anerkenntnisses ist, dazu: Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG-Kommentar, Art. 19 Abs. 3 Rdnr. 1 - 3 . 126 Sitter (Fn. 59), 31; Saladin / Leimbacher (Fn. 58), 201. 127 So aber in einem „kühnen Sprung", Meyer-Abich (Fn. 59), in: Menschengerecht (Fn. 3), 182 ff. 128 Eigenrechte der Natur unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmacht auch ablehnend, Robbers (Fn. 8), S. 220; es ist eben auch schwer vorstellbar, wie die Natur Träger von Rechten und Pflichten sein soll, weil sie auch potentiell nicht in der Lage ist, die Rechtsordnung aktiv zu handhaben; s. auch Hof mann, JZ 1988, 277.

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3. Naturstaatsprinzip als Inhalt eines Umweltstaatszieles?

Nachdem sich gezeigt hat, daß Eigenrechte der Natur als rechtlicher Inhalt einer Staatszielbestimmung ausscheiden, ist nunmehr zu untersuchen, ob möglicherweise ein primär objektiv-rechtliches Naturstaatsprinzip Inhalt einer Staatszielbestimmung sein kann. Unter einem Naturstaatsprinzip hätte man ein Prinzip zu verstehen, das gerichtet ist auf die Herstellung, Bewahrung und Entfaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und welches der Verantwortung des Menschen für seine natürliche Umwelt Ausdruck verleiht. Ein solches Prinzip könnte als Korrelat zum Sozialstaatsprinzip wirken. Ist der Mensch einerseits auf die Herstellung, Gestaltung und Wahrung der sozialen Gerechtigkeit angewiesen 129 , so kann andererseits diese Ordnimg nur verwirklicht werden, wenn auch die natürlichen Grundlagen des Menschen in adäquater Weise geschützt werden. Diese Grundlagen sind dabei nicht als starrer, rückwärts gerichteter Begriff aufzufassen, sondern dynamisch und prozeßhaft zu verstehen 130 . Des weiteren könnte ein Naturstaatsprinzip seine vor allem zukunftsweisende Dimension dadurch entfalten, daß es als Verantwortungsprinzip auch zukünftige Generationen in den Blick nimmt 1 3 1 . Damit w i r d eine zusätzliche juristische Absicherung des geforderten Nachweltschutzes ermöglicht 132 . Fraglich ist, ob ein solchermaßen verstandenes Naturstaatsprinzip Inhalt einer Staatszielbestimmung sein kann. a) Als ein Staatsziel wäre es ein primär objektiv-rechtlich zu verstehendes Prinzip, welches einen ständigen Handlungsauftrag an den Gesetzgeber beinhalten würde und ihn dort in die Pflicht nähme, sich schützend und bewahrend vor die Natur zu stellen, wo menschen- und umweltgerechte Lebensverhältnisse bedroht sind. Darüber hinaus würde es sich im Rahmen der klassischen Funktionen eines Staatszieles auch an Judikative und Exekutive als „Optimierungsprinzip" wenden, wodurch es eine teilweise Subjektivierung erfahren würde. Subjektiv-rechtliche Berechtigungen könnte es nur im Rahmen und in Verbindung mit den Anknüpfungspunkten der Grundrechte im Einzelfall entfalten. Weil dieses Prinzip dem Menschen und der Umwelt verpflichtet ist und somit im Rahmen einer „geläuterten Anthropozentrik" seine Wirkungen entfaltet, ist es problemlos und ohne 129 So für den Sozialstaat: BSGE 6, 213 (219), die weitgehend herrschend wurde, statt anderer: Badura (Fn. 38), D33, S. 195; zum Sozialstaatsprinzip auch ausführlich, Görg Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaates, 1983, S. 36ff. 130 Siehe dazu Fn. 54. 131 Zum Schutz künftiger Generationen als heutige Aufgabe aus philosophischer Sicht: Jonas (Fn. 102), 245ff.; Robert Spaemann, Technische Eingriffe i n die Natur als Problem der politischen Ethik, in: Birnbacher (Fn. 59), S. 180ff. (184ff.); Dieter Birnbacher, Verantwortung für zukünftige Generationen, 1988. 132 Aus juristischer Sicht u.a.: Hasso Hofmann, Nachweltschutz als Verfassungsfrage, ZRP 1986, 87ff.; Saladin / Leimbacher (Fn. 58), 315ff.

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Brüche mit den Grundrechten in Einklang zu bringen. Da unter ein so verstandenes Naturstaatsprinzip als normierter Gehalt auch die Verantwortung vor künftigen Generationen fällt und diese auch in den Grundrechten als zukunftsoffenen Gestaltungsmaximen mit zum Ausdruck kommt, wäre im Einzelfall sogar ein Schutz der Natur um ihrer selbst willen - zumindest dem Ergebnis nach - aus diesem Prinzip herleitbar. Dies wäre dann der Fall, wenn aus Verantwortung vor dem Recht künftiger Generationen ein bestimmter Teil der Umwelt nicht aus „heutigen", sondern aus „zukünftigen" Erhaltungsgründen zu schützen wäre. Damit könnte das Naturstaatsprinzip als versubjektiviertes objektives Recht auch zu einer Ablösung der rein dem „Heute" verpflichteten Sichtweise beitragen, um so sowohl die Verfassung, als auch die natürlichen Lebensgrundlagen, als einen auf zukünftigen Erhalt der Gestaltungsmöglichkeiten gerichteten Begriff, noch ein weiteres Stück für die Zukunft zu öffnen. b) Über diese klassischen Ansätze hinaus - die hier nur skizzenhaft dargestellt werden konnten - ist noch eine weitere mögliche Funktion eines Naturstaatsprinzips kurz anzusprechen. Wie ausgeführt wurde 1 3 3 , können die in Staatszielen inkorporierten objektiven Wertgehalte auch den aus Grundrechten folgenden subjektiv-rechtlichen Berechtigungen im Rahmen der Gemeinschaftsgebundenheit der Grundrechte diesen als Ausübungsschranke entgegengehalten werden. Ein Naturstaatsprinzip - verstanden als Verantwortungsprinzip - könnte demgemäß dem Einzelnen als Grundpflicht und damit als Beschränkung seiner Handlungsfreiheit entgegengehalten werden 1 3 4 . Adressat dieses Verantwortungsprinzips wäre nämlich im Einzelfall auch der Einzelne, der sich prinzipiell die normierten objektiv-rechtlichen Wertgehalte als Beschränkung seiner subjektiven Rechte entgegenhalten lassen muß. Dies wäre ein konsequenter Ausfluß des als versubjektivierten objektiven Rechts verstandenen Naturstaatsprinzips, welches insoweit objektiv-rechtliche Pflichtgehalte auch dem Einzelnen gegenüber entfalten würde. Auf der anderen Seite korrespondiert damit - wie bereits festgestellt wurde - auch das Recht des Einzelnen, sich möglicherweise zu seinen Gunsten auf die subjektiv-rechtliche Ausstrahlungswirkung des objektiv-rechtlichen Prinzips zu berufen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang noch darauf, daß dadurch der Mensch seine Handlungsfähigkeit nicht an die Natur verliert, da das Naturstaatsprinzip ausgerichtet ist auf den Ausgleich von anthropogenen Aktivitäten 133 Dazu die Ausführungen unter B I. 134 Zur Gesamtproblematik von Grundpflichten, die hier nicht näher beleuchtet werden kann, ausführlich: Volkmar Götz und Hasso Hofmann, Grundpflicht als verfassungsrechtliche Dimension, W D S t R L 41 (1983), 7ff. und 42ff.; zu Recht kritisch zu einer i n der Verfassung ausdrücklich zu inkorporierenden Grundpflicht auf Umweltschutz: Lücke (Fn. 46), 174f.; neuerdings auch: Otto Luchterhand, Die Grundpflichten als Verfassungsproblem in Deutschland, 1988.

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mit der natürlichen Umwelt. Es wäre nicht einseitig auf den Schutz der Natur im Sinne einer „romantisierenden Rübezahlmentalität" ausgerichtet und würde damit der Erkenntnis Rechnimg tragen, daß auch der Einzelne einerseits für seine Umwelt Verantwortung trägt, andererseits aber gleichzeitig auch auf sie aktiv einwirkt und sie ständig gestaltet 135 . Es kann nämlich weder Sinn einer verfassungsrechtlichen Regelung sein, sämtliche umweltgestaltenden menschlichen Aktivitäten zu untersagen, noch kann eine solche Neuregelung ohne jegliche Auswirkungen und ohne jegliche Schutzfunktion für die Natur sein. Zwischen diesen beiden Extremen bietet daher das hier kurz angedeutete Naturstaatsprinzip einen Mittelweg an, der sowohl den philosophischen Vorausbedingungen des Rechts Rechnung trägt, wie auch systematisch und rechtstechnisch einen gangbaren Weg aufzeigt. c) Ein Naturstaatsprinzip könnte auch interpretatorisch aus den gegenwärtig vorliegenden textlichen Entwürfen einer Staatszielbestimmung gewonnen werden (und zwar unabhängig von deren endgültiger textlicher Fassung), wenn man dazu auch neuere Ansätze der Verfassungstheorie und der Verfassungsinterpretation aufgreift und ausbaut. Gemeint sind hier Bemühungen um eine ökologische Fundierung des Rechts 136 . Von großen Unterschieden im einzelnen abgesehen - auf die es sich hier verbietet einzugehen - ist es gemeinsames Anliegen dieser Bemühungen, die Verfassung und das gesamte Recht für ökologische Überlegungen zu sensibilisieren und zu öffnen, um das Recht für diese neuen Herausforderungen flexibler zu gestalten. Wenn darüber hinaus mit diesen Ansätzen noch erreicht werden könnte, daß die Rechtswissenschaft von einer problemorientierten-sektoralen Betrachtungsweise hin zu einer universellen Betrachtung gelangen könnte 1 3 7 , dann würden diese Bemühungen sich sicherlich fruchtbar mit einem Naturstaatsprinzip verbinden. Ein solches - sicherlich noch der weiteren Differenzierung und Ausgestaltung bedürftiges - Naturstaatsprinzip könnte dann zu einer ersten verfassungsrechtlichen Basis für eine Wiederannäherung des Rechts an moderne Weltbilder werden. Ein solcher Weg konnte mit einem möglichen Naturstaatsprinzip hier nur angedeutet werden. Aber vor einem ist sicherlich zu warnen: Wunder vollbringt auch das hier vorgeschlagene Naturstaatsprinzip als möglicher Inhalt einer Staats135 Diese Erkenntnis, die heute teilweise verlorengegangen zu sein scheint, hatte schon: Whitehead (Fn. 92), Funktion, S. 9; dezidiert auch: Popper, in: P o p p e r / L o renz (Fn. 98), S. 18. iss Dazu: Karl Heinz Ladeur, Vorüberlegungen zu einer ökologischen Verfassungstheorie, DuR 1984, 285ff.; ders., DuR 1984, 464ff.; Uli F. H. Rühl, DuR 1984, 297ff.; Thomas Blanke, Recht, System und Moral, Vorüberlegungen zu einer ökologischen Verfassungstheorie, in: Festschrift Richard Schmid, 1985, S. 395ff.; Guido Leidig, Perspektiven der ökologisch-ökonomischen Rechtswissenschaft, in: R. Voigt (Hrsg.), Neue Zugänge zum Recht, 1986, S. 105 ff. 137 So zutreffend: Leidig (Fn. 136), 114f., dabei darf die Arbeit am Detail allerdings nicht vernachlässigt werden.

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Zielbestimmung Umweltschutz nicht, wie insgesamt vor übertriebenen Erwartungen hinsichtlich der Auswirkungen von Grundgesetzänderungen zu warnen ist 1 3 8 . D . Schlußbetrachtungen Wie gezeigt wurde, wirft das neue Staatsziel Umweltschutz einige neue Aspekte des Verhältnisses von subjektiven Rechten und objektivem Recht auf und bietet Gelegenheit, über diese grundsätzliche Frage neu nachzudenken. Unter dem Blickwinkel der Eigenrechte der Natur, die nach gegenwärtigem Diskussionsstand nur als subjektive Rechte der Natur möglich erscheinen, ist ein Staatsziel generell nicht geeignet, solche Rechte zu begründen, weil es Staatszielbestimmungen dazu nach bisheriger - und richtiger - Dogmatik an der subjektiv-rechtlichen Ausprägung hinsichtlich der Möglichkeit der Begründung eigener Rechtsträgerschaft fehlt. Staatsziele können subjektiv-rechtliche Wirkungen nur in Verbindung mit Grundrechten entfalten, die wiederum ihrerseits an Art. 1 GG gebunden sind. Daraus ergibt sich, daß Grundrechte grundsätzlich nur anthropozentrisch interpretierbar sind und mithin ein ökozentrisch orientiertes Staatsziel Umweltschutz im Hinblick auf die Begründung von Eigenrechten der Natur selbst wiederum hinsichtlich seiner subjektiv-rechtlichen Auswirkungen anthropozentrisch zu interpretieren wäre. Damit ergäbe sich aber ein auch durch Interpretation kaum überwindbarer Widerspruch der Verfassung in sich, welcher die Prinzipien der Widerspruchsfreiheit und der Einheit der Verfassung gefährden würde. Daher ist eine Verankerung von Eigenrechten der Natur mittels einer Staatszielbestimmung im Grundgesetz nicht möglich. Sie wäre aber auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt mangels eines klaren und eindeutigen ökozentrischen philosophischen Weltbildes als Vorbedingung des Rechts nicht wünschenswert. Möglich erscheint demgegenüber eine vorsichtige „ökologische" Weiterentwicklung der Verfassung mittels eines überwiegend objektiv-rechtlich orientierten Naturstaatsprinzips. Dieses wäre - der vorherrschenden philosophischen Grundrichtimg der „geläuterten Anthropozentrik" entsprechend - vor allem als Verantwortungsprinzip aufzufassen. In diesem Rahmen könnte es sowohl objektiv-rechtliche Wirkungen wie auch subjektivrechtliche Ausstrahlungswirkungen entfalten, es wäre in die Kategorie des versubjektivierten objektiven Rechts einzuordnen, mit der Folge, daß der Einzelne sich in Verbindung mit den Grundrechten zu seinen Gunsten auf dieses Prinzip berufen kann, andererseits aber auch Adressat dieses Prin138 Insoweit bedeutet das Ausgeführte hier keine Relativierung der vom Verf. an anderer Stelle geäußerten Skepsis gegenüber einer neuen Staatszielbestimmung; s. dazu: Heinz, ZfU 1988, l f f .

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zips im Rahmen einer Pflichtenbindung ist. Es könnte mithin subjektivrechtlichen Berechtigungen des Einzelnen auch unter gewissen Umständen als Grundpflicht entgegengehalten werden. Insgesamt wären jedoch die subjektiven und objektiv-rechtlichen Gehalte eines Naturstaatsprinzips noch weiter auszuleuchten. Gerade an diesem Beispiel zeigt sich auch, daß die Tendenz zur Subjektivierung von den klassischerweise dem objektiven Recht zugeordneten Rechtsprinzipien weiter fortschreitet und noch einer endgültigen dogmatischen Erfassimg harrt. Darüber hinaus hängen von der eben skizzierten Frage - nämlich der Einordnung von Rechtsprinzipien als objektiv-rechtliche Prinzipien oder als subjektiv-rechtlich wirkende Rechte - auch die praktisch zu erzielenden Ergebnisse ab, so daß diese Fragen nicht rein theoretischer Natur sind. Weitere Klärung ist hier sicherlich in Zukunft angebracht.

14 Gegenwartsfragen

DRITTER TEIL

Information als Staatsfunktion

I n f o r m a l e s V e r w a l t u n g s h a n d e l n als M i t t e l staatlicher U m w e l t - u n d Gesundheitspflege* Von Martin Schulte I. Einleitung Im Dienste des Umwelt- und Gesundheitsschutzes gewinnt eine neue Form staatlicher Verhaltenssteuerung durch Empfehlungen, Warnungen und Appelle (z.B. im Hinblick auf Waschverstärkertücher, paradichlorbenzolhaltige Toilettensteine, Wasserenthärtungsanlagen, diethylenglycolhaltige Weine, radioaktiv verseuchte Nahrungsmittel usw.) zunehmend an Bedeutung. Obwohl damit ein verstärktes Problembewußtsein in der Rechtsprechung und Rechtslehre einhergeht, ist die rechtsdogmatische Einordnung (II.) und die verfassungsrechtliche Zulässigkeit behördlicher Umwelt- und Gesundheitsberatung (III.) äußerst umstritten und keineswegs hinreichend geklärt. H. Rechtsdogmatische Einordnung 1. Die Handlungsformenlehre als Ordnungsrahmen

Noch immer wird das „System rechtlicher Handlungsformen der Verwaltung" als beinahe archimedischer Punkt der klassischen Verwaltungsrechtsdogmatik betrachtet 1 . Soweit praktische Bedürfnisse und Wandlungen im Staats- und Verwaltungsverständnis neue flexiblere Formen des Verwaltungshandelns hervorbringen 2 , werden diese deshalb stets unter dem Gesichtspunkt der Handlungsformenlehre thematisiert. Traditionell wird dabei der Stellung potentiell neuer Formen des Verwaltungshandelns in der Handlungsformenlehre besondere Bedeutung beigemessen.

* Herrn Professor Dr. Norbert Achterberg in Dankbarkeit gewidmet. Vgl. dazu Ossenbühl, Die Handlungsformen der Verwaltung, JuS 1979, 681 (682); Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, 1982, S. 27. 2 Diese Entwicklung sehen bspw. Ossenbühl (Fn. 1), 681 (682) und Hill, Rechtsstaatliche Bestimmtheit oder situationsgerechte Flexibilität des Verwaltungshandelns, DÖV 1987, 885 (889ff.). 1

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a) Behördliche Umwelt - und Gesundheitsberatung als informales Verwaltungshandeln Empfehlungen, Warnungen und Appelle der eingangs genannten Art gehören zu den „weichen" Instrumenten der Verhaltenssteuerung durch informales Verwaltungshandeln. Zwar geht Eberhard Bohne davon aus, daß dieses formlos und rechtlich unverbindlich sei, auf dem Tauschprinzip beruhe und die eigentliche Sachentscheidimg aus dem rechtlichen Verfahren in einen vorgeschalteten oder parallel laufenden Entscheidungsprozeß verlagere 3. Demzufolge wäre allein das „Staat-Bürger-bargaining" im Sinne von Vorverhandlungen und Absprachen 4 dem informalen Verwaltungshandeln hinzuzurechnen. Versteht man jedoch - durchaus im Einklang mit dem nach außen deutlich werdenden Charakter - unter informalem bzw. informellem Verwaltungshandeln alle Verhaltensweisen, die „ i n der formellen Ordnung des Entscheidungsprozesses nicht vorgesehen sind" 5 , so w i r d es möglich, neben der Kooperation zwischen dem Staat und den Bürgern auch die behördliche Umwelt- und Gesundheitsberatung als (einseitig) informales Verwaltungshandeln zu begreifen 6. b) Behördliche Umwelt - und Gesundheitsberatung im System staatlicher Handlungsformen Damit stellt sich die Frage, wo die behördliche Umwelt- und Gesundheitsberatung als (einseitig) informales Verwaltungshandeln ihren Platz im System der staatlichen Handlungsformen findet. Ausgangspunkt der Betrachtung muß dabei die noch immer bestrittene, mittlerweile aber als 3 Bohne, Informalität, Gleichheit und Bürokratie, in: Gegentendenzen zur Verrechtlichung, hrsg. v. R. Voigt, JbRSoz. 9, 202 (204); vgl. auch bereits ders., Informales Verwaltungs- und Regierungshandeln als Instrument des Umweltschutzes, VerwArch. 75 (1984), 343 (344). 4 Dazu vor allem Becker, Informales Verwaltungshandeln zur Steuerung wirtschaftlicher Prozesse im Zeichen der Deregulierung, DÖV 1985,1003 (1005ff.); Bohne, Informales Verwaltungs- und Regierungshandeln (Fn. 3), 343ff.; Eberle, Arrangements im Verwaltungsverfahren, Die Verwaltung 1984, 439ff.; Jarass, Effektivierung des Umweltschutzes gegenüber bestehenden Anlagen, DVB1. 1985, 193ff.; Oebbecke, Die staatliche Mitwirkung an gesetzesabwendenden Vereinbarungen, DVB1. 1986, 793ff.; für das öffentliche Wirtschaftsrecht siehe insb. Bauer, Informelles Verwaltungshandeln im öffentlichen Wirtschaftsrecht, VerwArch. 78 (1987), 241 (246ff.); für das Staats- und Verfassungsrecht siehe insb. Schulze-Fielitz, Der informale Verfassungsstaat, 1984, S. 46 ff. 5 Ossenbühl, Informelles Hoheitshandeln im Gesundheits- und Umweltschutz, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1987, 27 (29); Quaritsch, Über formelle und informelle Wege der Entscheidung, in: Öffentlicher Dienst, FS Carl Hermann Ule zum 70. Geburtstag, 1977, S. 135 (152ff.); vgl. ferner Schulze-Fielitz (Fn. 4), S. 15. 6 So ausdrücklich auch Ossenbühl (Fn. 5), 27 (29); über die bloße „Staat-BürgerKooperation" hinausgehend ferner Bauer (Fn. 4), 241 (245 Fn. 22); Hill (Fn. 2), 885 (890f.).

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herrschend geltende Annahme sein, daß unserer Rechtsordnimg kein „abgeschlossener Kanon", sondern ein „offenes" System staatlicher Handlungsformen zugrunde liegt 7 . Dies legt es nahe, das informale Verwaltungshandeln als neue, eigenständige Form des Verwaltungshandelns anzusehen8. Sind alle hoheitlichen Handlungsformen jedoch Zweckschöpf ungen 9 , die eine Systematisierimg und Disziplinierung staatlichen Handelns bewirken sollen, so muß jeder Versuch, einer neuen Handlungsform Eigenständigkeit zuzuerkennen, in besonderer Weise dem Gedanken der Systematisierung Rechnung tragen. Unter rechtsdogmatischem Aspekt hat das System staatlicher Handlungsformen nämlich eine rationalisierende Funktion in dem Sinne, „daß nicht bei jeder im Einzelfall zu beurteilenden Verwaltungstätigkeit die grundsätzlichen Sach- und Wertungsfragen neu aufgeworfen und beantwortet werden müssen" 10 . Dieser Nachweis besonderer Strukturen, durch das sich informales Verwaltungshandeln unabhängig von seinem konkreten Inhalt in Verfahrensweise, Funktion und Rechtsfolge kennzeichnen läßt 1 1 , ist von den Befürwortern einer eigenständigen Erfassung bisher nicht erbracht worden; angesichts der Heterogenität informalen Verwaltungshandelns (Absprachen, Vorverhandlungen, Duldung, Empfehlungen und Warnungen) darf auch bezweifelt werden, daß er überhaupt erbracht werden kann. Für die hier interessierenden Empfehlungen, Warnungen und Appelle ist festzuhalten, daß sich diese aus der Sicht der herkömmlichen verwaltungsrechtlichen Dogmatik als sog. „schlichtes Verwaltungshandeln" 12 in das System staatlicher Handlungsformen einfügen lassen 13 . Denn sie stellen kennzeichnend für das „schlichte Verwaltungshandeln" - solche Verhal7 Bauer (Fn. 4), 241 (258); Becker (Fn. 4), 1003 (1008); Bülter , Raumordnungspläne als hoheitliche Handlungsformen, 1987, S. 249ff. m.w.N.; Ossenbühl (Fn. 1), 681 (682); Randelzhof er / Wilke, Die Duldung als Form flexiblen Verwaltungshandelns, 1981, S. 84; im Sinne eines „geschlossenen Kanons" noch immer v. Mutius, Rechtsnorm und Verwaltungsakt, in: Fortschritte des Verwaltungsrechts, FS Hans J. Wolff zum 75. Geburtstag, 1973, S. 167 (170ff.); Sasse, Sind Verkehrszeichen Rechtsvorschriften?, DÖV 1962, 321 (322); Voigt, Die Rechtsformen staatlicher Pläne, 1979, S. 35. 8 In diesem Sinne etwa Becker (Fn. 4), 1003 (1005ff.); ders., Handlungsformen der Verwaltung gegenüber der Wirtschaft, JA 1986, 359 (363); Bohne, Informales Verwaltungs- und Regierungshandeln (Fn. 3), 343 (345); ders., Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 28, 42; zu weiteren Nachweisen siehe Bauer (Fn. 4), 241 (258 Fn. 100). 9 Maurer , Rechtsschutz gegen Rechtsnormen, in: Tübinger FS Eduard Kern, 1968, S. 275 (285); Ossenbühl (Fn. 1), 681 (682); zu weiteren Nachweisen v. Mutius (Fn. 7), S. 167 (184). Ossenbühl (Fn. 1), 681. 11 Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, 1974, S. 14. 12 Siehe dazu neuerdings Robbers, Schlichtes Verwaltungshandeln, DÖV 1987, 272ff. m.w.N. 13 So z.B. Erichsen / Martens (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., 1988, S. 363f., 369ff.; ausdrücklich i n diesem Sinne Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 491 f.

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tensweisen dar, die nicht final auf die Bewirkung bestimmter Rechtsfolgen, sondern nur auf die Herbeiführimg eines tatsächlichen Erfolges 14 , nämlich eines geänderten Verbraucherverhaltens, gerichtet sind. c) Die Leistungsfähigkeit

der Handlungsformenlehre

Unabhängig davon, daß die Vertreter der klassischen Verwaltungsrechtsdogmatik das informale Verwaltungshandeln im allgemeinen, behördliche Empfehlungen und Warnungen im besonderen, dem „schlichten Verwaltungshandeln" zuordnen, erscheint es jedoch höchst zweifelhaft, ob die Handlungsformenlehre überhaupt einen sachgerechten Ordnungsrahmen für die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Verwaltung bildet. Daß neue Erscheinungsformen staatlichen Handelns bisweilen „ i n einer etwas gewaltsamen Weise" in das System der Handlungsformen eingefügt werden müssen 15 und in weiten Bereichen bei der Einordnung von Hoheitsakten allein der „blinde Zufall" regiert 16 , belegt dies besonders anschaulich. Tatsächlich unterliegt die Handlungsformenlehre - worauf Ehlers zutreffend hingewiesen hat - vor allem unter drei Gesichtspunkten erheblichen Bedenken: Erstens haben die Handlungsformen der Verwaltung nur „punktuell-augenblicksverhafteten Charakter", so daß sie die prozedurale Dimension der Rechtsbeziehungen zwischen der Verwaltung und dem Bürger nicht zu erfassen vermögen 17 ; zweitens gelingt es der Handlungsformenlehre nicht, die Mitwirkungshandlungen des Bürgers dogmatisch in den Griff zu bekommen, dies gilt z.B. für die Leistungsverwaltung, wo es in besonderem Maße auf eine Verhaltenssteuerung des Bürgers ankommt 1 8 ; zum dritten versagt die Handlungsformenlehre schließlich bei der Erfassung mehrseitiger Rechtsbeziehungen19. Wie im Sozialleistungsverhältnis neben den Leistungsträgern und dem Leistungsempfänger noch zahlreiche Vermittler auf Seiten des Leistungsträgers mitwirken, so entstehen im Rahmen behördlicher Umweltberatung komplexe Rechtsbeziehungen nicht nur zwischen der Behörde, dem Verbraucher und dem Produzenten, sondern auch zu den Händlern der umstrittenen Produkte. Festzuhalten bleibt daher: Die Handlungsformenlehre erscheint als Ordnungsrahmen für das informale Verwaltungshandeln ungeeignet 20 . Damit wird die Bedeutung der Handlungsformen als Impulse, mit denen die Ver14

Ehlers (Fn. 13), S. 491. Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., 1974, § 47 IXa, S. 398. 16 Renck, Verwaltungsrecht und Feststellungsklage - BVerwGE 26, 161, JuS 1970, 113 (118). 17 Ehlers, Rechtsverhältnisse i n der Leistungsverwaltung, DVB1. 1986, 912 (914). 18 Ebd. 19 Ebd., 912 (915). 20 Ebenso Bauer (Fn. 4), 241 (258f.). 15

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waltung die Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürger gestaltet, nicht geschmälert 21 . Die staatlichen Handlungsformen bedürfen allerdings der „Komplettierung von Aspekten" 22 . Dazu könnte vielleicht die Rechtsverhältnislehre einen Beitrag liefern. 2. Die Rechtsverhältnislehre als Ordnungsrahmen

a) Die Grundgedanken der Rechtsverhältnislehre Die Rechtsverhältnislehre basiert auf der Annahme, daß die gesamte Rechtsordnimg aus einer Vielzahl von Rechtsverhältnissen besteht 23 . Unter einem Rechtsverhältnis wird dabei die rechtsnormgestaltete Beziehung zwischen zwei oder mehreren Subjekten verstanden 24 . Mithin lassen sich zweiund mehrpolige Rechtsverhältnisse unterscheiden 25 . Darüber hinaus w i r d teilweise zwischen dem allgemeinen 26 und dem besonderen Rechtsverhältnis differenziert 27 . Das allgemeine Rechtsverhältnis als „abstrakt-theoretische Grundrelation" verbinde die Mitglieder des rechtlich verfaßten Gemeinwesens, verknüpfe die Bürger mit dem Staat und integriere sie zugleich in die Rechtsgemeinschaft. Konkrete Rechte und Pflichten der einzelnen ließen sich aus dem allgemeinen Rechtsverhältnis jedoch nicht herleiten 28 . Dies sei vielmehr den durch Gesetz, Vertrag oder tatsächliches Handeln begründeten besonderen Rechtsverhältnissen als relativen Rechten unter bestimmten Rechtssubjekten überlassen 29 .

21 Ebenso Ehlers (Fn. 17), 912 (915). 22 Schnapp, Sozialrecht und Verwaltungsrecht, SGb. 1979, 200 (205 f.). 23 Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, § 20 Rdnr. 1 m.w.N. 24 Ebd., § 20 Rdnr. 14; ders., Die rechtsverhältnistheoretische Deutung absoluter Rechte, in: Recht und Rechtsbesinnung, GS Günther Küchenhoff, 1987, S. 13 (15). 25 Ebd., S. 13 (15f. m.w.N.); zum mehrpoligen Rechtsverhältnis siehe aus der Rechtsprechung insb. BVerwG, Urteil v. 17.7.80 - 7 C 101/78 - , NJW 1981, 359 (360); zum Rechtsverhältnis allgemein siehe auch BVerwG, Urteil v. 12.3.85 - 7 C 48.82 - , BVerwGE 71, 85 (89); BVerwG, Urteil v. 18.10.85 - 4 C 21.80 - , NJW 1986, 1826 (1828). 26 Zum allgemeinen Verfassungs- und Verwaltungsrechtsverhältnis siehe Gröschner, Wirtschaftsüberwachung i n gewerbepolizeirechtlicher Tradition und w i r t schaftsverwaltungsrechtlichem Wandel, in: Aktuelle Fragen der Finanzordnimg im internationalen und nationalen Recht. Vom Gewerbepolizeirecht zum Wirtschaftsverwaltungsrecht, 1986, S. 177 (202 m. Anm. 51). 27 Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 167ff.; Henke, Das subjektive Recht im System des öffentlichen Rechts, DÖV 1980, 621 (624). 23 Bauer (Fn. 27), S. 169. 2 9 Henke (Fn. 27), 621 (624).

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b) Der Nutzen der Rechtsverhältnislehre für die Verwaltungsrechtsdogmatik Fragt man nach dem Nutzen der Rechtsverhältnislehre für die Verwaltungsrechtsdogmatik, so ist zunächst vor einer Überbewertung des Rechtsverhältnisses zu warnen, die dahin ginge, ein gänzlich neues System des Verwaltungsrechts entwerfen zu wollen 3 0 . Vielmehr kommt es darauf an, bereits vorhandene Strukturelemente (Verwaltungsakt, Vertrag, Realakt etc.) im Wege einer übergreifenden paradigmatischen Sichtweise neu zu ordnen. Das Rechtsverhältnis verspricht dabei - im Gegensatz zur Handlungsformenlehre - systematische Geschlossenheit, ermöglicht die Integration verschiedenster dogmatischer Einzelfragen und besitzt die nötige Entwicklungsoffenheit, um der Dynamik und dem Wandel der Rechtsentstehung gerecht zu werden 31 . Darüber hinaus berücksichtigt die Rechtsverhältnislehre den prozeduralen Charakter der Rechtsbeziehungen zwischen der Verwaltung und dem Bürger. Außerdem konzentriert sie sich nicht allein auf die zweipolige Staat-Bürger-Relation, sondern schafft mit der Anerkennung multipolarer Rechtsverhältnisse die Voraussetzung dafür, hochkomplexe Sozialstrukturen mit unterschiedlichen Interessen- und Konfliktbeziehungen sachgerecht zu erfassen 32. c) Behördliche Umwelt- und Gesundheitsberatung aus der Sicht der Rechtsverhältnislehre Der Nutzen einer Betrachtung, die das Rechtsverhältnis als zentralen Ordnungsgedanken betont, läßt sich auch am Beispiel staatlicher Umweltund Gesundheitsberatung belegen. Aus der Sicht der Rechtsverhältnislehre erweist sich „schlichtes Verwaltungshandeln" - sei es in Form vorbereitender Maßnahmen der Verbraucherberatung (z.B. Auskunftsverlangen gegenüber Produzenten), sei es in Gestalt behördlicher Empfehlungen und Warnungen selbst - als ein über das allgemeine Rechtsverhältnis hinausgehendes Entstehungsmerkmal eines konkreten Rechtsverhältnisses 33. Daß diese Betrachtimgsweise verfahrensrechtliche Konsequenzen mit sich bringt, mag ein Beispiel verdeutlichen: Überprüft das Umweltbundesamt eine bestimmte Produktgruppe in der Absicht, vor etwaigen umweltschädlichen Wirkungen zu warnen, so begründet dieser „Sonderkontakt" 3 4 30

Ebenso Hill, Rechtsverhältnisse in der LeistungsVerwaltung, NJW 1986, 2602 (2603); Schnapp, Rechtsverhältnisse in der Leistungsverwaltung, DÖV 1986, 811 (812 m.w.N.). 31 Hill (Fn. 30), 2602 (2603) m.w.N. 32 Achterberg (Fn. 23), § 20 Rdnr. 16 a.E.; Bauer (Fn. 27), S. 176; ders. (Fn. 4), 241 (266f.). 3 3 Hill (Fn. 30), 2602 (2605); vgl. auch Erichsen / Martens (Fn. 13), S. 144.

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zu den betroffenen Produzenten abweichend von den strengen Anforderungen des § 9 VwVfG ein dem Verwaltungsverfahren vorgelagertes, verfahrensrechtlich bedeutsames Rechtsverhältnis. Wollte man die daraus resultierenden Schutz- und Beteiligungspflichten 35 des Umweltbundesamtes vor Abgabe wirtschaftlich u. U. irreversibler Empfehlungen und Warnungen - leugnen, so würden die betroffenen Produzenten unter Verlust ihrer Subjektstellung in einer dem Rechtsstaatsgedanken widersprechenden Weise zum bloßen Objekt einer drohenden Empfehlung oder Warnung. Daß ein späteres Dementi stets hinter der Falschmeldung zurückbliebe, braucht an dieser Stelle wohl nicht besonders betont zu werden. Die materiell-rechtliche Ausgestaltung derartiger, durch Sonderkontakt zwischen der Verwaltung und dem Bürger begründeten Rechtsverhältnisse bestimmt sich nach den jeweils einschlägigen Normen des geschriebenen und ungeschriebenen Rechts. Angesichts des prozeduralen Charakters der Rechtsverhältnisse lassen sich über die im Einzelfall bestehenden Rechte und Pflichten nur bedingt verallgemeinerungsfähige Aussagen treffen 36 . Wie soeben festgestellt, bildet das Rechtsverhältnis aber den dogmatischen Ansatzpunkt für die Entwicklung von Sorgfalts-, Schutz- und sonstigen Nebenpflichten. Darüber hinaus liefert die Verfassung mit den Grundrechten und Staatsstrukturprinzipien wichtige konkretisierungs- und ausgleichsbedürftige, aber auch konkretisierungs- und ausgleichsfähige Richtpunkte für die inhaltliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses 37. Damit ist bereits die Brücke geschlagen, nunmehr die verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Umwelt- und Gesundheitsberatung darzustellen. m . Verfassungsrechtliche Grenzen staatlicher Umwelt- und Gesundheitsberatung Die Aufgabe der Umwelt- und Gesundheitsberatung ist einer staatlichen Behörde entweder ausdrücklich durch Gesetz oder stillschweigend zugewiesen. Eine gesetzliche Spezialzuweisung findet sich z.B. in § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Errichtung eines Umweltbundesamtes, wonach diesem die Aufgabe zukommt, die Öffentlichkeit in Umweltfragen aufzuklären 38 . Fehlt es an einer spezialgesetzlich geregelten Informationszuständig34 Siehe dazu insb. Beyerlin, Schutzpflicht der Verwaltung gegenüber dem Bürger außerhalb des formellen Verwaltungsverfahrens?, NJW 1987, 2713 (2718). 35 Ebd.; im Ergebnis übereinstimmend, aber ohne Bezugnahme auf den Rechtsverhältnisgedanken Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, 1986, S. 68 ff. 36 Bauer (Fn. 4), 241 (264f.); vgl. ferner Schnapp (Fn. 30), 811 (819). 37 Hill (Fn. 30), 2602 (2608). 38 Eine ausdrückliche Zuweisung einer behördlichen Informationszuständigkeit hat das VG Berlin ferner § 2 lit. a des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesge-

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keit, so ergibt sich diese sowohl aus der allgemeinen Transparenzpflicht staatlicher Tätigkeit 3 9 als auch kraft Sachzusammenhangs aus der Erfüllung der zugewiesenen Aufgaben 40 . Mit der grundsätzlichen Zuweisung einer behördlichen Informationszuständigkeit ist jedoch noch nicht gesagt, daß die staatliche Umwelt- und Gesundheitsberatung auch verfassungsrechtlich imbedenklich ist. Dies gilt vor allem für Empfehlungen und Warnungen, die gesetzlich zulässige, ungefährliche Produkte betreffen. Insoweit sind die Grundrechte der von solchen Produktinformationen betroffenen Unternehmer zu berücksichtigen. 1. Behördliche Umwelt- und Gesundheitsberatung als Grundrechtseingriff

Über die eingangs erwähnten Beispiele staatlicher Umwelt- und Gesundheitsberatung hinaus haben sich in der Vergangenheit vor allem die Arzneimittel-Transparenzlisten der vom Bundesgesundheitsminister gebildeten Transparenzkommission und die Empfehlungen der dem Bundesgesundheitsamt zugeordneten Kunststoffkommission als grundrechtsrelevant erwiesen. In der Zukunft dürfte dies u. U. aber auch für einzelne Maßnahmen aus dem Katalog der Bundesregierung zur Reform der Krankenversicherung gelten. Sollte dieser Maßnahme-Katalog verabschiedet werden, ist dabei insbesondere an die Preisvergleichslisten für Krankenhäuser zu denken, aufgrund derer die Ärzte verpflichtet werden, ihre Patienten unter Beachtung medizinischer Erfordernisse in ein möglichst preisgünstiges Krankenhaus einzuweisen. a) Der verfassungsrechtliche

Schutz der Wettbewerbsfreiheit

Allgemein w i r d davon ausgegangen, daß in Fällen dieser Art thematisch die Wettbewerbsfreiheit der betroffenen Unternehmer berührt ist. Umstritten ist hingegen, welches bzw. welche Grundrechte dogmatisch den verfassungsrechtlichen Schutz der Wettbewerbsfreiheit gewährleisten. Teilweise wird die wirtschaftliche Wettbewerbsfreiheit dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG zugerechnet. Das Verhalten des Unternehmers im wirtschaftlichen Wettbewerb sei nämlich Bestandteil seiner unterneh-

sundheitsamtes (BGBl. 1952 I, 121) entnommen, weil die Aufgabe, Forschung zu betreiben, die Möglichkeit und u.U. gar die Pflicht zur Veröffentlichung von Informationen beinhalte, VG Berlin, Beschluß v. 3.3.86 - 14 A 22.86 - , S. 3. 39 VG Berlin, ebd.; Lübbe-Wolff, Rechtsprobleme der behördlichen Umweltberatung, NJW 1987, 2705 (2707). 40 OVG NW, Beschluß v. 19.11.85 - 13 B 2140/85 - , NJW 1986, 2783; Lübbe-Wolff (Fn. 39), 2705 (2707).

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merischen Betätigung und damit zugleich seiner Berufsausübung 41 . Demgegenüber wird teilweise Art. 2 Abs. 1 GG für einschlägig erachtet, weil die freie Entfaltung der Persönlichkeit den grundrechtlichen Anspruch umfasse, durch die Staatsgewalt nicht mit einem Wettbewerbsnachteil belastet zu werden, welcher in der verfassungsmäßigen Ordnung keine Begründung finde 42 . Geht man davon aus, daß die Berufsfreiheit jede auf Dauer berechnete, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung schützt 43 , so fällt darunter auch die Erwerbszwecken dienende freie unternehmerische Betätigung. Umfaßt damit aber der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG tatbestandlich schon die wirtschaftliche Wettbewerbsfreiheit, so bleibt aus Gründen der Spezialität 44 kein Raum für einen Rückgriff auf das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG 4 5 . Ob für den Schutz der Wettbewerbsfreiheit neben Art. 12 Abs. 1 GG auch noch Art. 14 Abs. 1 GG zur Anwendung gelangt, wird in der Rechtsprechung und Rechtslehre ebenfalls nicht einheitlich beantwortet 46 . Ausgangspunkt aller dahingehenden Überlegungen ist die vom Bundesverfassungsgericht gewählte Abgrenzungsformel zwischen der Berufs- und Eigentumsfreiheit, derzufolge Art. 14 Abs. 1 GG das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung, schützt, Art. 12 Abs. 1 GG hingegen den Erwerb, die Betätigung selbst 47 . In diesem Sinne wird die Schutzbereichsberührung des Art. 14 41 BVerfG, Beschluß v. 8.2.72 - 1 BvR 170/71 - , BVerfGE 32, 311, 317; BVerwG, Urteil v. 18.4.85 - 3 C 34.84 - , DVB1. 1985, 857; OVG Berlin, Urteil v. 11.1.84 - OVG 7 B 3.83 S. 42; Pinger, Öffentliches Recht: Die Aufrufe des Umweltbundesamtes, JuS 1988, 53 (54); Schwerdtfeger, Verbrauchslenkung durch Information, in: FS 125jähriges Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, 1984, S. 715 (721). 42 BVerwG, Urteil v. 19.12.63 - BVerwG I C 77.60 - , BVerwGE 17, 306 (309); BVerwG, Urteil v. 30.8.68 - BVerwG V I I C 122.66 - , BVerwGE 30,191 (198); BVerwG, Urteil v. 22.5.80 - BVerwG 3 C 2.80 - , BVerwGE 60, 154 (159); BVerwG, Urteil v. 23.3.82 - BVerwG I C 157.79 - , BVerwGE 65, 167 (174); HessStGH, Beschluß v. 24.11.82 - P.St. 907 - , NVwZ 1983, 542f.; VG Berlin, Urteil v. 25.5.81 - 14 A 356.79 Pharma-Recht 1981, 169 (174); Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, 5. Aufl., 1987, Rdnr. 267 m.w.N. 43 BVerfG, Urteil v. 11.6.58 - 1 BvR 596/56 - , BVerfGE 7, 377 (397); BVerfG, Beschluß v. 28.7.71 - 1 BvR 40, 47, 175, 155, 159/69 - , BVerfGE 32, 1 (32ff.); Scholz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Stand Jan. 1987, Art. 12 Rdnr. 18, 19. 44 v. Mangoldt / Klein / Starck, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 34 f. 45 BVerfG, Beschluß v. 16.3.71 - 1 BvR 52, 665, 667, 754/66 - , BVerfGE 30, 292 (335f.); Dürig, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Stand Jan. 1987, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 6ff.; v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 44), Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 34; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 195ff. 46 In diesem Sinne z.B. Ossenbühl (Fn. 35), S. 42ff. m.w.N.; Sodan, Kollegiale Funktionsträger als Verfassungsproblem, 1987, S. 478ff. m.w.N.; vgl. zu dieser Problematik ferner OVG Berlin, Urteil v. 11.1.84 - OVG 7 B 3.83 - , S. 36ff., 42; VG Berlin, Beschluß v. 5.12.86 - VG 1 A 244.86 - , S. 5f.; Pinger (Fn. 41), 53 (56 m.w.N.). 47 BVerfG, Beschluß v. 16.3.71 - 1 BvR 52, 665, 667, 754/66 BVerfGE 30, 292 (334) im Anschluß an Wittig, Der Erwerb von Eigentum und das Grundgesetz, NJW 1967, 2185 (2188); zu weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und Rechtslehre siehe Sodan (Fn. 46), S. 485 m. Anm. 678, 679.

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Abs. 1 GG darin gesehen, daß staatliche Informationen im Rahmen behördlicher Umwelt- und Gesundheitsberatung geeignet seien, in den Kundenstamm als Bestandteil des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes sowie in die bereits hergestellten, wertlos gewordenen Produkte einzugreifen 48 . Ohne das Ergebnis in Frage stellen zu wollen, bedarf die zugrundeliegende, allzu vereinfachende Abgrenzungsformel des Bundesverfassungsgerichts vom Schutz der Erwerbsfreiheit einerseits und dem Schutz des Erworbenen andererseits jedoch in mehrfacher Hinsicht der Relativierung. Zum einen ist der funktionale Zusammenhang der Berufs- und Eigentumsfreiheit 49 zu beachten, weil es ansonsten sehr leicht zu einer unzulässigen Verkürzimg des Grundrechtsschutzes kommen kann. Zum anderen bestehen „zwischen dem Schutz des Erwerbs und dem Schutz des Erworbenen tatbestandlich nur bedingt Gegensätze . . .; häufig geht es nur um einen zeitlichphasenmäßigen Unterschied in der jeweiligen Freiheitsbetätigung, also nicht um einen auch qualitativen Rechtsunterschied" 50 . In diesem Sinne stellt sich ein staatlicher Eingriff in die gewerbliche Betätigung regelmäßig als Eingriff in das von der Eigentumsgarantie umfaßte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Gewerbliche Betätigung und gewerblicher Betrieb bedingen einander gegenseitig, sind funktional aufeinander bezogen und gehören deshalb auch rechtlich zusammen. Die wirtschaftliche Wettbewerbsfreiheit wird folglich durch den Zusammenhang der Berufs- und Eigentumsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich gewährleistet 51 . b) Der Eingriffscharakter staatlicher Empfehlungen und Warnungen Nachdem damit festgestellt werden konnte, daß behördliche Umwelt- und Gesundheitsberatung den Schutzbereich der durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG garantierten Wettbewerbsfreiheit berührt, stellt sich für die herkömmliche Grundrechtsdogmatik nunmehr die Frage nach dem Eingriffscharakter entsprechender Empfehlungen und Warnungen.

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Ossenbühl (Fn. 35), S. 48. Zum funktionalen Zusammenhang zwischen der Berufs- und Eigentumsfreiheit Scholz (Fn. 43), Art. 12 Rdnr. 139f.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 264ff., 266 m.w.N. 50 Scholz (Fn. 43), Art. 12 Rdnr. 140f. 51 Ebenso Papier, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 14 Rdnr. 216; Rüfner, Überschneidungen und gegenseitige Ergänzungen der Grundrechte, Der Staat 7 (1968), 41 (51); Scholz (Fn. 43), Art. 12 Rdnr. 140f.; Sodan (Fn. 46), S. 487f. m.w.N. i n F n . 691. 49

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Aus rechtsverhältnisdogmatischer Sicht bedeutet dies, daß die Feststellung einer verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Grundrechtsbeeinträchtigung zu einem Unterlassimgsanspruch bzw. bei eingetretener Beeinträchtigung zu einem Störungsbeseitigungsanspruch des Bürgers führen würde. Sollte es hingegen an einer Grundrechtsbeeinträchtigung fehlen, so bestünde eine Duldungspflicht des Bürgers. Weil die mit der behördlichen Umwelt- und Gesundheitsberatung verbundenen nachteiligen Wirkungen für betroffene Unternehmer nicht direkt auf staatliches Handeln zurückgehen, sondern sich erst in Verbindung mit einem hinzutretenden Verhalten Dritter ergeben, wird insoweit allgemein von „mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen" gesprochen 52. Bei der Bestimmung der Kriterien, die solche „mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen" zu einem Grundrechtseingriff werden lassen, herrscht ein kaum noch überschaubares dogmatisches Chaos. Das Merkmal der Finalität zum Ausgangspunkt nehmend, verlangt der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts im Transparenzlisten-Urteil „ein finales und grundrechtsspezifisches" Verhalten des Staates, damit „mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen" zu einem Grundrechtseingriff werden 53 . Demgegenüber hält das Bundesverfassungsgericht den Gesichtspunkt der Finalität im Hinblick auf die mittelbare Wirkung von Steuergesetzen für unerheblich, fordert aber dann jedenfalls eine „objektiv berufsregelnde Tendenz" 54 . Für faktische Eigentumsbeeinträchtigungen hängt die Eingriffsqualität nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ebenfalls ausdrücklich nicht von der Finalität staatlicher Einwirkungen ab, allerdings wird dafür stets Unmittelbarkeit verlangt 55 . In Abweichung vom 3. Senat 56 stellt der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines Grundrechtseingriffs hingegen allein auf die 52 Zur Problematik der „mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen" siehe insb. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Rahmen der Grundrechte, 1970; Haag, Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde bei mittelbarer Verletzung eines Grundrechts, 1971; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, 1980 und neuerdings Bleckmann / Eckhoff, Der „mittelbare" Grundrechtseingriff, DVB1. 1988, 373 ff. 53 BVerwG, Urteil v. 18.4.85 - 3 C 34.84 - , DVB1. 1985, 857 (859); ebenso OVG NW, Beschluß v. 19.11.85 - 13 B 2140/85 - , NJW 1986, 2783. 54 BVerfG, Beschluß v. 12.10.76 - 1 BvR 197/73 - , BVerfGE 42, 374 (384 m.w.N.); BVerfG, Beschluß v. 11.10.77 - 1 BvR 343/73, 83/74, 183 und 428/75 - , BVerfGE 47, 1 (21 m.w.N.). 55 BGH, Urteil v. 15.3.62 - I I I ZR 211/60 - , NJW 1962, 1439; zur Rechtsprechung des BGH bei faktischen Eigentumsbeeinträchtigungen siehe insb. Olivet, Die Haftungszurechnung beim Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs, NVwZ 1986, 431 ff.; vgl. ferner Lübbe-Wolff (Fn. 39), 2705 (2710 m.w.N. in Fn. 54). 56 Obwohl der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts sich ausdrücklich auf das Eingriffskriterium „final und grundrechtsspezifisch" stützt (DVB1. 1985, 857, 859), erwähnt er - wohl als salvatorische Klauseln - auch die Kriterien der Intensität (DVB1. 1985, 857, 858: „. . . kann - je nach Art und Ausmaß - auch eine tatsächliche

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Intensität der Beeinträchtigung ab. „Mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen" im Wege staatlicher Subventionierung verletzen die Wettbewerbsfreiheit des Konkurrenten deshalb nur dann, wenn er „schwer", „unzumutbar" und „unerträglich" betroffen wird 5 7 . I n der Rechtslehre ist dieser Ansatz auf die Umwelt- und Gesundheitsberatung übertragen worden, mit der Folge, daß „mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen" eine „gewisse Schwere" 58 aufweisen oder „erheblich intensiv" sein müssen 59 . Unterzieht man die einzelnen Eingriffskriterien - die Finalität, die Intensität und die Grundrechtsspezifität - einer kritischen Überprüfung, so vermögen sie alle ihr nicht standzuhalten. Das Merkmal der Finalität überzeugt als Eingriffskriterium schon deshalb nicht, weil es - grundgesetzlich nicht abgesichert - lediglich auf „pragmatischen Erwägungen" beruht, die dahingehen, einen ausufernden, dem Gemeinwesen abträglichen Grundrechtsschutz zu vermeiden 60 . Mit der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigimg findet ein konturenloses, richterliche Kasuistik geradezu provozierendes Eingriffskriterium Verwendung. So wie sich die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Frage ausgesetzt sieht, was eigentlich wesentlich an der Wesentlichkeitstheorie ist, dürfte ähnliches für die Annahme einer „erheblich intensiven" bzw. eine „gewisse Schwere" aufweisenden Grundrechtsbeeinträchtigung gelten. Schließlich erscheint auch der Gedanke der Grundrechtsspezifität als Eingriffskriterium ungeeignet, weil er entweder als inhaltslose Blankettformel eingesetzt wird oder solche Einwirkungen umschreiben soll, die in den Schutzbereich eines Grundrechts eingreifen 61 . Damit ist aber lediglich im Wege eines gedanklichen Zirkelschlusses das Problem wiederholt, zu dessen Lösung es gerade beitragen sollte 62 . Zudem dürfte die bereits angesprochene Breitenwirkung der Art. 12 und 14 GG seiner Verwendung als taugliches Eingriffskriterium für „mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen" entgegenstehen. Fehlt es demnach an einheitlichen formalen Eingriffskriterien, so wird mit einer an der zivilrechtlichen Normzwecktheorie 63 anknüpfenden BezugBetroffenheit des Grundrechtsträgers einen Grundrechtseingriff bedeuten") und den Schutzzweckgedanken (DVB1. 1985, 857, 858: „ . . . relevante Beeinträchtigung des Grundrechts... i s t . . . materiell nach Maßgabe des Schutzzwecks des jeweiligen Grundrechts zu ermitteln"). BVerwG, Urteil v. 30.8.68 - BVerwG V I I C 122.66 - , BVerwGE 30, 191 (198f.); BVerwG, Beschluß v. 1.3.78 - 7 B 144/76 - , NJW 1978, 1539f. m.w.N. 58 Ossenbühl (Fn. 35), S. 31. 59 Sodan, Gesundheitsbehördliche Informationstätigkeit und Grundrechtsschutz, DÖV 1987, 858 (866); ähnlich ders., ebd., 858 (863) u. ders. (Fn. 46), S. 504, wenn er darauf abstellt, daß der belastende Effekt für den Betroffenen jeweils der Wirkung einer entsprechenden unmittelbaren Beeinträchtigung gleich - oder zumindest nahe kommt. 60 Sodan (Fn. 46), S. 523 f. 61 Zur K r i t i k am Gedanken der Grundrechtsspezifität als Eingriffskriterium überzeugend Lübbe-Wolff (Fn. 39), 2705 (2709). 62 Insoweit bedenklich Ossenbühl (Fn. 35), S. 31.

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nähme auf den Schutzzweck der Grundrechte wohl der zukunftsträchtigste Ausgangspunkt markiert 6 4 . Die Frage nach einer konkreten Grundrechtsbeeinträchtigung läßt es nämlich unumgänglich erscheinen, das Schutzgut des jeweiligen Grundrechts materiell zu bestimmen. Dabei sind auch die Normen des einfachen Rechts in ihrer grundrechtskonkretisierenden Funktion von Bedeutung. Angesichts der sehr unterschiedlichen Interessenkonstellationen im öffentlichen und privaten Recht muß allerdings vor einer vorbehaltlosen Übertragung der zivilrechtlichen Normzwecklehre ins öffentliche Recht gewarnt werden. Insbesondere der Umstand, daß Grundrechte zwar nicht nur, aber eben doch in erster Linie staatsgerichtet wirken 6 5 , zwingt dazu, im Sinne „grundrechtlicher Verantwortlichkeit" eine der öffentlichen Gewalt zurechenbare Beeinträchtigung des Schutzzwecks eines Grundrechts zu verlangen 66 . Damit w i r d zugleich die herkömmliche Unterscheidung zwischen immittelbaren und mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen obsolet. Der Schutzzweck der Wettbewerbsfreiheit umfaßt jede erlaubte unternehmerische Betätigung, die sich im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften (UWG, GWB) hält 6 7 . Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen konkretisieren damit als einfachgesetzliche Normen die verfassungsrechtlich garantierte Wettbewerbsfreiheit. Dementsprechend w i r d das Recht des Unternehmers gewährleistet, „seine unternehmerische Dispositionsfreiheit im Wettbewerb mit anderen ohne staatliche Behinderung und ohne staatlich bewirkte Wettbewerbsverzerrungen wahrzunehmen" 68 . Dies bedeutet nicht, daß dem Staat bei der Umsetzung seiner der Gestaltung des Wirtschaftslebens dienenden Wettbewerbspolitik kein Raum verbleibt, sondern er wird damit 63 Zur zivilrechtlichen Normzwecktheorie siehe z.B. Wolf, Der Normzweck im Deliktsrecht, 1962; Stoll, Kausalzusammenhang und Normzweck im Deliktsrecht, 1968; Deutsch, Haftungsrecht, 1976, S. 234ff. 64 Ebenso Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 278; Bleckmann / Eckhoff (Fn. 52), 373 (378); Lübbe-Wolff (Fn. 39), 2705 (2710f.); Ramsauer (Fn. 52), S. 161ff., 171 ff., 173 ff.; ders., Die Bestimmung des Schutzbereichs von Grundrechten nach dem Normzweck, VerwArch. 72 (1981), 89 (101 ff.); Schoch, Folgenbeseitigung und Wiedergutmachung im Öffentlichen Recht, VerwArch. 79 (1988), 1 (50); vgl. auch Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, 8. Aufl., 1986, Rdnr. 548; im Ansatzpunkt - allerdings nur in dem (!) - ebenso BVerwG, Urteil v. 18.4.85 - 3 C 34.84 DVB1. 1985, 857 (858). 65 Alexy (Fn. 64), S. 174ff., 235; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl., 1988, Rdnr. 287; Hund, Staatliche Schutzpflichten statt Teilhaberechte?, in: FS Wolfgang Zeidler, Bd. 2, 1987, S. 1444 (1446, 1448); Schoch (Fn. 64), 1 (34). 66 Ausdrücklich in diesem Sinne BVerfG, Beschluß v. 16.12.83-2 BvR 1160, 1565, 1714/83 - , BVerfGE 66, 39 (60); Bleckmann / Eckhoff (Fn. 52), 373 (378). 67 BVerwG, Urteil v. 18.4.85 - 3 C 34.84 - , DVB1. 1985, 857 (859). es Papier (Fn. 51), Art. 14 Rdnr. 216.

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lediglich auf die zur Grundrechtsbegrenzung vorgesehenen, ausfüllungsbedürftigen Schrankenvorbehalte verwiesen 69 . Soweit der Schutzzweck der Wettbewerbsfreiheit teilweise dahingehend verengt wird, daß dem Staat im Wirtschaftssystem der sozialen Marktwirtschaft die Aufgabe der Wettbewerbsverbesserung obliege 70 und deshalb grundrechtlich auch nur der „funktionsfähige, transparente Wettbewerb" 7 1 geschützt sei, ist dem zu widersprechen. Denn so wie das Grundgesetz keine Option für eine bestimmte Wirtschaftsordnimg enthält 7 2 und keine konkreten verfassungsrechtlichen Grundsätze für die Gestaltung des Wirtschaftslebens normiert hat 7 3 , gewährleisten die Art. 12 und 14 GG nicht bloß eine „marktwirtschaftskonforme" unternehmerische Betätigimg 74 . Festzuhalten bleibt daher: Staatliche Umwelt- und Gesundheitsberatung beeinflußt die Absatzmöglichkeiten des jeweiligen Produzenten und den Kundenstamm seines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes. Damit wird er in seiner durch die Wettbewerbsfreiheit geschützten unternehmerischen Dispositions- und Betätigungsfreiheit beeinträchtigt. Weil es für den Staat insoweit auch vorhersehbar ist, daß derartige Produktinformationen bei einer immer umweltbewußteren Bevölkerung zu einem geänderten Verbraucherverhalten führen, muß ihm die daraus resultierende Grundrechtsbeeinträchtigung zugerechnet werden. Staatliche Empfehlungen und Warnungen, die gesetzlich zulässige, ungefährliche Produkte betreffen, stellen daher einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Wettbewerbsfreiheit dar. 2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs

Mit der Feststellung eines Grundrechtseingriffs ist jedoch noch nicht das verfassungsrechtliche Verdikt über die gesamte Umwelt- und Gesundheitsberatung des Staates gesprochen. Behördliche Empfehlungen und Warnungen sind nämlich dann unbedenklich, wenn sie eine formalgesetzliche 69 Sodan (Fn. 46), S. 513; Hesse (Fn. 65), Rdnr. 309. 70 I n diesem Sinne OVG Berlin, Beschluß v. 22.4.80 - OVG 1 S 231.79 - , OVGE 15 (1982), 120 (128) m. Anm. v. Forstmann, Pharma-Recht 1980, 144f.; VG Berlin, Urteil v. 25.5.81 - 14 A 356.79 - , Pharma-Recht 1981, 169 (174); OVG Berlin, Urteil v. 11.1.84 - OVG 7 B 3.83 - , S. 42f.; VG Berlin, Beschluß v. 5.12.86 - VG 1 A 244.86 - , S. 6; aus der Rechtslehre Lübbe-Wolff (Fn. 39), 2705 (2711); Schwerdtfeger (Fn. 41), S. 715 (722f.). 7 * Lübbe-Wolff (Fn. 39), 2705 (2711). 72 BVerwG, Urteil v. 18.4.85 - 3 C 34.84 - , DVB1.1985, 857 (859); vgl. dazu ausführlich Stober (Fn. 42), Rdnr. 72 ff. 73 BVerwG (Fn. 72), 857 (859); siehe aber insb. BVerfG, Urteil v. 1.3.79 - 1 BvR 532, 533/77,419/78 und 1 BvL 21/78 - , BVerfGE 50, 290 (336ff.) - Mitbestimmungsurteil - . 74 BVerwG (Fn. 72), 857 (859); Borchert, Veröffentlichung von Arzneimittel-Transparenzlisten, NJW 1985, 2741 (2742); Pinger (Fn. 41), 53 (55 m.w.N.); Sodan (Fn. 46), S. 512 m.w.N.

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Grundlage besitzen oder sich als Konkretisierung einer verfassungsimmanenten Grundrechtsschranke erweisen. Aus rechtsverhältnisdogmatischer Sicht würde es insoweit an einem Unterlassungs- bzw. Störungsbeseitigungsanspruch fehlen, mit der Folge, daß die Rechtsbeeinträchtigimg zu dulden wäre. a) Formalgesetzliche

Grundlage

Bei der Suche nach einer formalgesetzlichen Grundlage staatlicher Empfehlungen und Warnungen ist zunächst zwischen Zuständigkeits- und Befugnisnormen zu unterscheiden. Zuständigkeitsnormen weisen einer Behörde spezielle Aufgaben zu und begründen damit eine rechtliche Entscheidungskompetenz. Befugnisnormen hingegen bestimmen die Voraussetzungen, unter denen die Behörde zum Eingriff in den Rechtskreis des Bürgers ermächtigt ist 7 5 . Zuständigkeitsnormen finden sich z.B. in dem bereits erwähnten § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Errichtimg eines Umweltbundesamtes und § 2 lit. a des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesgesundheitsamtes. Im Bereich der staatlichen Gesundheitsberatung sind in den letzten Jahren auch verstärkt Befugnisnormen geschaffen worden. Beispielhaft seien hier nur genannt: § 21 Abs. 1 Nr. l d ) des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes i.V.m. § 3 a Abs. 1 der Tabakverordnung, wonach Zigarettenpackungen nur mit dem Warnhinweis „Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit" in den Verkehr gebracht werden dürfen 76 ; §§ 39 a - e des Arzneimittelgesetzes, welche die vom Bundesverwaltungsgericht für die Arbeit der Arzneimitteltransparenzkommission als unbedingt notwendig erachtete gesetzliche Grundlage bilden 7 7 und schließlich § 9 Abs. 1 des Strahlenschutzvorsorgegesetzes, der als Reaktion auf die Tschernobyl-Katastrophe den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ausdrücklich ermächtigt, zum Schutze der Bevölkerung vor radioaktiver Verseuchung bestimmte Verhaltensweisen zu empfehlen 78 . Daß § 9 Abs. 1 des Strahlenschutzvorsorgegesetzes im Hinblick auf das föderalistische Prinzip aller75

Zur Problematik der Unterscheidung zwischen Zuständigkeits- und Befugnisnormen siehe Knemeyer, Funktionen der Aufgabenzuweisungsnormen in Abgrenzung zu den Befugnisnormen, DÖV 1978, 11 ff.; Ossenbühl (Fn. 35), S. 38ff. 76 § 3 Abs. 1 der Tabakverordnung ist durch Art. 1 Nr. 2 der Ersten Verordnung zur Änderung der Tabakverordnung vom 26.10.1982 i n die Tabakverordnung vom 20.12.1977 eingefügt worden (BGBl. 1 1982, 1444). 77 Die §§ 39a - e des Arzneimittelgesetzes sind durch Nr. 21 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 16.8.1986 eingefügt worden (BGBl. I 1986, 1296, 1300). 78 § 9 Abs. 1 des Gesetzes zum vorsorgenden Schutz der Bevölkerung gegen Strahlenbelastung (Strahlenschutzvorsorgegesetz - StrVG) vom 19.12.1986, BGBl. 1 1986, 2610 (2612). 1

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dings erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist, weil er die Bundesländer weitgehend von der Empfehlungskompetenz ausschließt 79 , soll auch an dieser Stelle wenigstens am Rande vermerkt sein 80 . Im Gegensatz zur staatlichen Gesundheitsberatung ist für die behördliche Umweltberatung ein beträchtliches Defizit formalgesetzlicher Grundlagen unverkennbar. Grundrechtsbeschränkende Befugnisnormen, die Empfehlungen und Warnungen im Hinblick auf gesetzlich zulässige, ungefährliche Produkte gestatten, gibt es nicht 8 1 . Staatliche Produktinformationen dieser Art lassen sich daher verfassungsrechtlich nur legitimieren, wenn sie sich als Konkretisierung einer verfassungsimmanenten Grundrechtsschranke erweisen. b) Konkretisierung

verfassungsimmanenter

Grundrechtsschranken

Entgegen einer in der Rechtslehre vereinzelt geäußerten Auffassung 82 unterliegen nicht nur die vorbehaltlos, sondern auch die vorbehaltlich garantierten Grundrechte, wie z.B. die Wettbewerbsfreiheit, der Geltung verfassungsimmanenter Grundrechtsschranken 83 . Diese sind nämlich Ausdruck der notwendigen Begrenztheit sämtlicher Freiheiten in einem staatlich organisierten Rechtssystem84. Als integraler Bestandteil der gesamten Verfassungswertordnung werden die Grundrechte dabei zwangsläufig durch die ihnen „von Verfassungs wegen innewohnenden" Schranken begrenzt 85 . Zu diesem mit der Grundrechtsausübung u.U. kollidierenden Verfassungsrecht zählen die Grundrechte anderer und sonstige Gemeinschaf tsinteressen mit Verfassungsrang 86. Allgemeiner Auffassung zufolge kennt das Grundgesetz kein eigenständiges oder ableitbares Grundrecht auf Umweltschutz 87 , so daß die Grund79 Eine Empfehlungskompetenz der Länder besteht nur gemäß § 9 Abs. 2 StrVG: „Soweit es sich um Ereignisse im Gebiet eines Landes mit ausschließlich örtlichen Auswirkungen handelt, kann die zuständige oberste Landesbehörde Empfehlungen an die Bevölkerung richten". 80 Zu den (verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich § 9 StrVG siehe insb. Czajka, Das Strahlenschutzvorsorgegesetz, NVwZ 1987, 556 (559); Lübbe-Wolff (Fn. 39), 2705 (2708 m.w.N.); Rengeling, Das neue Strahlenschutzvorsorgegesetz, DVB1. 1987, 204 (206). 81 Ossenbühl (Fn. 35), S. 56. 82 Pieroth / Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, 2. Aufl., 1986, S. 82f. 83 BVerfG, Beschluß v. 2 5 . 1 . 8 4 - 1 BvR 272/81 - , NJW 1984, 1741 (1742); BVerwG, Urteil v. 18.4.85 - 3 C 34.84 - , DVB1. 1985, 857 (859f.); BayVerfGH, Entscheidung v. 7.7.77 - Vf. 7 - V I I - 76 - , VerfGHE 30 (1977), 109 (119f.); Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, 3. Aufl., 1983, S. 298; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975, S. 43f., 113ff.; Maunz / Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 26. Aufl., 1985, S. 155. 84 Krebs (Fn. 83), S. 114. 85 Ebd., S. 114f. 86 BVerfG, Beschluß v. 26.5.70 - 1 BvR 83, 244 und 345/69 - , BVerfGE 28, 243 (261); Alexy (Fn. 64), S. 262; Pieroth / Schlink (Fn. 82), S. 81 f.

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rechte als Legitimationsgrundlage staatlicher Umweltberatung ausscheiden. Es ließe sich jedoch daran denken, im Nachgang zu einigen bedeutenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts den Umweltschutz als wichtiges Gemeinschaftsinteresse mit Verfassungsrang anzusehen. Einschlägig sind insoweit vor allem der Mülheim-Kärlich- und der Naßauskiesungs-Beschluß sowie das KDV-Urteil. Noch relativ zurückhaltend vertrat der 1. Senat im Mülheim-KärlichBeschluß hinsichtlich einer friedlichen Nutzung der Kernenergie die Ansicht, aus Kompetenzvorschriften der Verfassung folge eine „grundsätzliche Anerkennung und Billigung des darin behandelten Gegenstandes durch die Verfassung selbst" 88 . Schon sehr viel deutlicher hieß es dann im Naßauskiesungsbeschluß desselben Senats: „Die Gewährleistung des Rechtsinstituts wird nicht angetastet, wenn für die Allgemeinheit lebensnotwendige Güter zur Sicherung überragender Gemeinwohlbelange und zur Abwehr von Gefahren nicht der Privatrechtsordnung, sondern einer öffentlich-rechtlichen Ordnung unterstellt werden" 8 9 . Ihren bisherigen Höhepunkt fand die Anerkennung wichtiger Gemeinschaftsgüter mit Verfassungsrang schließlich in der schlichten Feststellung des 2. Senats im KDV-Urteil: „Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr haben verfassungsrechtlichen Rang" 9 0 . Betrachtet man diese Entwicklung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vor dem Hintergrund, daß der Schutz unserer Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen über alle Parteigrenzen hinweg bereits seit geraumer Zeit als notwendige Staatsauf gäbe 91 angesehen wird, so liegt der Gedanke nahe, darüber hinausgehend den Umweltschutz als wichtiges Gemeinschaftsinteresse mit Verfassungsrang anzuerkennen. Eine solche Vorgehensweise müßte sich jedoch der damit verbundenen Konsequenzen für den demokratischen Rechtsstaat bewußt sein. Ohne gleich eine „kopernikanische Wende der grundrechtlichen Ordnung" 9 2 an die Wand malen zu wollen, wäre allerdings zu befürchten, daß 87 Siehe dazu ausführlich Schmidt, Einführung in das Umweltrecht, 1987, S. 13ff. m.w.N. 88 BVerfG, Beschluß v. 20.12.79 - 1 BvR 385/77 - , BVerfGE 53, 30 (56). 89 BVerfG, Beschluß v. 15.7.81 - 1 BvL 77/78 - , BVerfGE 58, 300 (339). 90 BVerfG, Urteil v. 24.4.85 - 2 BvF 2, 3, 4/83 und 2/84 - , BVerfGE 69, 1 (21); zum Begriff der „Funktionsfähigkeit" als verfassungsrechtlichem Schlüsselbegriff siehe insb. Denninger, Verfassungsrechtliche Schlüsselbegriffe, in: FS Rudolf Wassermann zum 60. Geburtstag, 1985, S. 279ff.; Lerche, „Systemverschiebung" und verwandte verfassungsgerichtliche Argumentationsformeln, in: FS Wolfgang Zeidler, Bd. 1, 1987, S. 557ff., 558f. 91 Murswiek, Umweltschutz - Staatszielbestimmung oder Grundsatznorm?, ZRP 1988, 14 (17); zum Umweltschutz als Staatsaufgabe siehe auch Rauschning, Staatsaufgabe Umweltschutz, W D S t R L 38 (1980), 167ff.; Hoppe, Staatsaufgabe Umweltschutz, W D S t R L 38 (1980), 211 ff.

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die Rechtsprechung beliebig anzunehmenden, verfassungsrechtlich nicht geschützten Gemeinschaftsinteressen vermehrt den Vorrang geben könnte. Warum sollte etwa nur der Umweltschutz und nicht ebenso die arbeitsmarktpolitische Forderung nach Vollbeschäftigung als wichtiges Gemeinschaftsinteresse mit Verfassungsrang Anerkennung finden? Bis zum verfassungsrechtlichen Schutz der Geldwertstabilität wäre es dann nur noch ein kleiner Schritt. Denkt man diese Entwicklung konsequent zu Ende, so würde damit nicht nur die Einheit der Verfassung, sondern die Verfassung selbst schlechthin überspielt 93 . Von maßgeblicher Bedeutung ist aber vor allem, daß die Anerkennung des Umweltschutzes als wichtigem Gemeinschaftsinteresse mit Verfassungsrang und damit als verfassungsimmanenter Grundrechtsschranke einen ohnehin feststellbaren Entwicklungsprozeß in unserer Rechts- und Verfassungsordnimg - vom Gesetzgebungs- zum Jurisdiktionsstaat 94 - noch entscheidend vorantreiben würde. Die damit verbundenen Gefahren für die „Integrität der Grundrechtsgeltung" und das „Grundgefüge einer demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassung" haben Böckenförde und Mahrenholz in ihrem Sondervotum zum KDV-Urteil überzeugend dargelegt: „Die Verfassung . . . legt. . . Richtpunkte und Grenzen für das staatliche Handeln gegenüber dem einzelnen fest, letzteres vor allem in den Grundrechten als Freiheitsrechten. Soweit die Verfassung solche Grenzen zieht, sind diese für das staatliche Handeln verbindlich und werden nicht durch die staatlichen Aufgaben als ,Verfassungswerte' wieder in eine Schwebelage gebracht" 95 . W i l l man deshalb möglichst vermeiden, daß Umweltpolitik nicht vom dazu berufenen Parlament, sondern von der Rechtsprechung betrieben wird, so gilt es vor einer Anerkennung des Umweltschutzes als wichtigem Gemeinschaftsinteresse mit Verfassungsrang nachdrücklich zu warnen. Behördliche Empfehlungen und Warnungen, die gesetzlich zulässige, ungefährliche Produkte betreffen, lassen sich daher nicht als Konkretisierung einer verfassungsimmanenten Grundrechtsschranke rechtfertigen 96 . Staatliche Umweltberatung dieser Art ist demnach mangels einer formalgesetzlichen Grundlage für den Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Produzenten verfassungswidrig.

92 In diesem Sinne Ossenbühl, Umweltschutz und Gemeinwohl in der Rechtsordnimg, in: Bitburger Gespräche, Jahrbuch 1983, S. 5 (18). 93 Hesse (Fn. 65), Rdnr. 72 m. Fn. 31. 94 Zu dieser Entwicklung siehe insb. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl., 1981, S. 402; Eckertz, Die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissens^ gründen als Grenzproblem des Rechts, 1986, S. 173 ff. m.w.N. 95 BVerfG, Urteil v. 24.4.85 - 2 BvF 2, 3, 4/83 und 2/84 - , BVerfGE 69,1 (63). 96 Ebenso Ossenbühl (Fn. 35), S. 52 ff.

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IV. Resümee Im Interesse eines möglichst effektiven, zugleich aber verfassungsgemäßen Umweltschutzes erscheint es dringend notwendig, bereichsspezifische Ermächtigungsgrundlagen für die behördliche Umweltberatung zu schaffen. Die beabsichtigte Einfügung einer Staatszielbestimmung Umweltschutz in das Grundgesetz 97 geht demgegenüber in die falsche Richtimg. Sie dynamisiert einen Entwicklungsprozeß vom Gesetzgebungs- zum Jurisdiktionsstaat, der in eklatanter Weise dem Grundsatz der Funktionentrennung als unverzichtbarem Bestandteil unserer demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassung zuwiderläuft. Daß w i r insoweit aber wieder einmal von der Schubkraft des politischen Prozesses überrollt werden, steht jedenfalls zu befürchten.

97 Zur Einfügung einer Staatszielbestimmung Umweltschutz in das Grundgesetz siehe aus jüngster Zeit insb. Depenheuer, Politischer Wille und Verfassungsänderung, DVB1. 1987, 809ff.; Karpen, Zu einem Grundrecht auf Umweltschutz, in: Umweltschutz im Recht, hrsg. v. W. Thieme, 1988, S. 9ff.; Kloepfer, Umweltschutz und Verfassungsrecht, DVB1. 1988, 305ff.; Murswiek (Fn. 91), 14ff.; Stern, Zur Aufnahme eines Umweltschutzstaatszieles i n das Grundgesetz, NWVBL 1988, 1 ff.; Stober, Umweltschutzprinzip und Umweltgrundrecht, JZ 1988, 426 ff.; vgl. ferner Benda, Verfassungsrechtliche Aspekte des Umweltschutzes, UPR 1982, 241 ff.; Maus, Individualrecht oder Staatsziel, JA 1979, 287ff.; Sendler, Ist das Umweltrecht normierbar?, UPR 1981, l f f .

Staatliche Information b e i m U m w e l t s c h u t z i n der S c h w e i z * Von Heinrich Ueberwasser I. Abgrenzung Wenn hier von „Staatlicher Information " die Rede ist, so als der Verbreitung von Tatsachen und Wertungen durch staatliche Behörden an eine unbeschränkte Zahl von Personen ausserhalb der Verwaltung oder an einen oder mehrere Einzelpersonen zum Zwecke der Verbreitung in der Öffentlichkeit. Nicht Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen ist die Stellung der Parteien in Beschwerdeverfahren, insbesondere die Akteneinsicht oder das rechtliche Gehör. Es darf aber nicht übersehen werden, dass besonders die Verbandsbeschwerde im Umweltschutzgesetz 1 (Art. 55) für Beschwerdefähiges „Öffentlichkeit schafft". Nicht Thema dieses Referats ist auch die Information in der Katastrophe. Hier geht es also nicht um „Schadensereignisse, bei denen schlagartig ein krasses Missverhältnis zwischen der Zahl der Opfer und dem Ausmass der Schäden einerseits und dem zur Hilfeleistung und zur Schadensbekämpfung erforderlichen und verfügbaren Personal und den technischen Mitteln andererseits entsteht" 2 . Nur soviel: Information in der Katastrophe muss sich auf Information vor der Katastrophe stützen 3 . Im übrigen stehen die im Katastrophenfall Handelnden unter * Meinen verehrten Lehrern, Herrn Prof. Dr. Kurt Eichenberger, Herrn Prof. Dr. Luzius Wildhaber, Herrn Bundeskanzler Prof. Dr. Walter Buser und Herrn Dr. Heinrich Koller danke ich für Informationen und Ideen. Mein Dank dafür gilt auch Herrn Hardi Gysin, Herrn Dr. Paul Henseler, Herrn lic.iur. Dominik Koechlin, Herrn Dr. Alex Krauer, Herrn Dr. Klaus Meßerschmidt, Herrn Prof. Dr. Günther Rager, sowie meinen Assistentenkollegen lic.iur. Christoph Bertisch, lic.iur. Giovanni Biaggini, Dr. Stephan Breitenmoser, Advokat, Dr. David Jenny, lie. iur. Urs Lischer, Advokat, lic.iur. Christoph Mäder, lic.iur. Andrea Knüsel, Dr. Beat Krähenmann, Advokat, lie. iur. Pascal Spothelfer sowie lie. iur. Daniel Staehelin. 1 Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG) vom 7. Oktober 1983 (SR = Systematische Sammlung des Bundesrechts 814.01). 2 So der Begriff in § 6 der Verordnung (des Kantons Basel-Stadt) betreffend Regierungs- und Verwaltungstätigkeit in ausserordentlichen Lagen vom 23. August 1983 (SG = kantonale systematische Gesetzessammlung 153.200). Immerhin ist zu bedenken, dass auch unmittelbar bevorstehende Schadenslagen Anlass zur Einberufung des Katastrophenstabs sein können. §§ 12 f. sind hier offen formuliert. Aber auch die unmittelbar drohende Möglichkeit, ob eine katastrophale Schadenslage eintritt, erfüllt den Katastrophenbegriff im weiten Sinn. 3 Bericht des Speziellen Ausschusses Basel-Stadt vom 29. Juni 1987 zum Chemiebrand von Schweizerhalle, S. 16. Vgl. auch den Bericht der Spezialkommission (des

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einem D r u c k , der es r a t s a m erscheinen lässt, die I n f o r m a t i o n so leistungsv o l l z u organisieren, dass sie n i c h t , w i e es oft z u sein scheint, das schwächste G l i e d der K r i s e n - u n d K a t a s t r o p h e n b e w ä l t i g u n g ist. D i e Behörden haben i m ü b r i g e n dabei k e i n Recht z u r „ N o t l ü g e " , auch n i c h t z u m Z w e c k der P a n i k v e r h i n d e r i m g . Sie b l e i b e n an die Sorgfaltspflichten b e i m I n f o r m i e r e n gebunden. M e h r noch: D i e s p r i c h w ö r t l i c h e n „ Ä n g s t e " der B e v ö l k e r u n g als s u b j e k t i v e B e d r o h u n g der öffentlichen O r d n u n g sprechen nicht gegen, sond e r n für I n f o r m a t i o n 4 .

I L Der Informationsauftrag der Behörden des Bundes 1. Gesetzliche Grundlagen D e r I n f o r m a t i o n s a u f t r a g besteht aus unterschiedlichem Recht f ü r B u n d , K a n t o n e u n d Gemeinden. N a c h f o l g e n d ist v o m B u n d die Rede. D o c h s i n d die Grundsätze u n d E n t w i c k l u n g e n b e i B u n d u n d K a n t o n e n ä h n l i c h . F ü r die I n f o r m a t i o n s t ä t i g k e i t g i l t das L e g a l i t ä t s p r i n z i p 5 . D i e gesetzliche G r u n d l a g e ist b e i m B u n d schmal. D i e Verfassung s p r i c h t n i c h t a u s d r ü c k l i c h d a v o n 6 . E i n g r u n d r e c h t l i c h e r A n s p r u c h auf staatliche I n f o r m a t i o n besteht Kantons Basel-Landschaft) an den Landrat betreffend Katastrophe Schweizerhalle vom 29. Februar 1988, insbesondere Ziff. 5.4. 4 Je schwerer eine Krise, je schwieriger eine Lage, je stärker die persönliche Betroffenheit, desto grösser ist das Bedürfnis der Bevölkerung nach Information. So Bundeskanzler Walter Buser am 29.2.1988 im Ständerat in der Beantwortung einer Interpellation von Monika Weber (LdU/ZH) zur Informationspraxis der Bundesbehörden in ausserordentlichen Lagen. Vgl. auch den bundesrätlichen Schlussbericht „Folgerungen aus dem KKW-Unfall von Tschernobyl" (Bern, 1.12.1988), S. 42: „Für die Information gelten bei erhöhter Radioaktivität die gleichen Grundsätze wie i n normalen Zeiten: Die Information muss wahr, zeitgerecht und verständlich sein. Es kommt ihr eine noch grössere Bedeutung zu. (...) In einer Krise muss die Information die Bedürfnisse der Öffentlichkeit befriedigen, ohne jedoch die Anstrengungen zu beeinträchtigen, die zur Bewältigung einer Krise getroffen werden. I n der Hoffnung, Panik und Ängste zu verhindern, ist die Versuchung gross, die Information einzuschränken oder die Ereignisse beschönigend wiederzugeben. Diese Haltung könnte vielleicht vorerst gute Resultate ergeben. Das Risiko, das Vertrauen der Bevölkerung zu verlieren, ist aber gross. Zudem würden Gerüchte und Spekulationen an die Stelle der fehlenden Informationen treten. Es ist deshalb unerlässlich, von Anfang an vollständig und ehrlich zu informieren, auch wenn dabei zugegeben werden muss, dass man noch nicht alle Fragen beantworten kann." 5 Vgl. zum Legalitätsprinzip Georg Müller i n Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874, hrsg. v. J.-F. Aubert, K. Eichenberger, J. P. Müller, R. A. Rhinow u. D. Schindler, Basel / Zürich / Bern 1987 (nachfolgend „Kommentar BV" genannt), Rz. 6 ff. zu Art. 4 m.w.N. Gerade bei der Information sind Gleichbehandlung, Voraussehbarkeit und demokratische Legitimation erwünscht. 6 Vgl. immerhin Art. 7 (Informationspflicht der Behörden) des Vorentwurfs der Expertenkommission für die Vorbereitung der Totalrevision der Bundesverfassung von 1977; dazugehöriger Bericht, Bern 1977, S. 29; entsprechend die Modellstudie des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements vom 30.10.1985, Art. 6 (BB1 1985 I I I S. 81 u. 192).

Staatliche Information beim Umweltschutz i n der Schweiz

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n i c h t 7 . A l l e r d i n g s h a t eine Behörde, w e n n sie i n f o r m i e r t , w i l l k ü r f r e i u n d rechtsgleich z u informieren. M e i n u n g e n u n d N a c h r i c h t e n d ü r f e n ohne E i n griffe der Behörden empfangen werden. Jedermann darf sich aus allgemein zugänglichen Quellen u n t e r r i c h t e n 8 . Das Verwaltungsorganisationsgesetz 9 (Art. 8) v e r p f l i c h t e t Bundesrat u n d B u n d e s v e r w a l t u n g z u r dauernden O r i e n t i e r u n g über Absichten, Entscheide u n d Massnahmen sowie über die A r b e i t der B u n d e s v e r w a l t u n g 1 0 . L e g i t i m e Geheimhaltungsinteressen

des Gemeinwesens u n d des

Persönlichkeits-

schutzes gehen dabei n i c h t soweit, „dass e i n ganzer Bereich staatlicher T ä t i g k e i t v o r dem E i n b l i c k der Ö f f e n t l i c h k e i t abgeschirmt u n d der öffentlichen Meinungsbildung u n d K r i t i k

entzogen w i r d " 1 1 . Das

öffentliche

Gemeinwesen ist k e i n Geheimwesen. Das Gesetz 1 2 v e r p f l i c h t e t die Behörden z u r K o m m u n i k a t i o n 1 3 u n d V e r b i n d u n g m i t der Ö f f e n t l i c h k e i t 1 4 . Dennoch: A l s P r i n z i p g i l t richtigerweise die N i c h t Ö f f e n t l i c h k e i t der V e r w a l t u n g . Das Beamtengesetz 1 5 v e r p f l i c h t e t den Beamten z u r Verschwiegenh e i t über dienstliche Angelegenheiten, die „ n a c h i h r e r N a t u r " oder gemäss besonderer V o r s c h r i f t geheimzuhalten s i n d 1 6 . A u s n a h m e n muss das Gesetz 7 Ein genereller und individueller Anspruch auf Information besteht nicht. Aus der Meinungsfreiheit resultiert als Informationsfreiheit lediglich ein Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren (BGE 107 I a 304ff. (Fuchs u. Schweizerische Journalisten-Union); Ursula Brunner , in: Kommentar zum Umweltschutzgesetz, hrsg. v. Alfred Kölz u. Hans-Ulrich Müller-Stahel, Zürich 1987, nachfolgend „Kommentar USG" genannt, Rz. 9 zu Art. 47); Erich Maeder , Geheimhaltungs- und Offentlichkeitsprinzip im Informationsrecht, Diss. Basel 1983, S. 51 ff. Vgl. zur Informationsfreiheit Jörg Paul Müller i n Kommentar BV, Rz. 1 ff. zur Informationsfreiheit. 8 BGE 107 I a 304ff. (Fuchs u. Schweizerische Journalisten-Union); BGE 108 I a 277 (Zbinden); Jörg Paul Müller i n Kommentar BV, Rz. 3 ff. zur Informationsfreiheit; Leo Schürmann, Medienrecht, 2. A., Bern 1985, S. 19f. 9 Bundesgesetz über die Organisation und die Geschäftsführimg des Bundesrates und der Bundesverwaltung (VwOG) vom 19.9.1978 (SR 172.010). 10 Da nach Art. 3 Abs. 2 VwOG die Regierungsobliegenheiten des Bundesrats den Vorrang vor allen anderen Funktionen haben, sieht Karl Huber, Informationsgrundsätze der Landesregierung, in: documenta 5/1978, S. 16, darin eine Aufwertung der Informationsaufgabe der Regierung. 11 Jörg Paul Müller in Kommentar BV, Rz. 46 zur Informationsfreiheit. 12 Art. 8 VwOG. 13 Nach Karl Huber (Fn. 10), S. 16 wegen der „Verpflichtung zu allgemeiner Kommunikation". Huber versteht diese Kommunikation als Instrument, durch welches „die Demokratie erst die Chance (erhält), real zu werden". 14 Botschaft des Bundesrats an die Bundesversammlung über die Reorganisation der Bundesverwaltung (= Botschaft zum Verwaltungsorganisationsgesetz) vom 12. Februar 1975, BB1 1975 I S . 1453 ff. (S. 1521). Er soll einen Informationsdienst einrichten, der über die Arbeit der Bundesverwaltung berichtet. Diese Funktion kommt Bundeskanzler und Bundeskanzlei zu. Art. 33 ff. VwOG, Art. 53 VwOG (Leitung der Konferenz der Informationschefs). 15 Art. 27 (SR 172.221.10). 16 M i t dieser generellen Umschreibung erfasst das Gesetz, so Walter Buser, Der Schutz der Privatsphäre durch das Amtsgeheimnis, in: Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1985, hrsg. v. der Juristischen Fakultät der Universität Basel, Basel 1985, S. 51 ff., (S. 72), zusätzlich zu den durch besondere Vorschrift geschützten Tat-

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vorsehen 1 7 . I n der Regel w i r d i m Bundesverwaltungsrecht sogar die P f l i c h t z u r Amtsverschwiegenheit f ü r das jeweilige Rechtsgebiet i n E r i n n e r u n g g e r u f e n 1 8 ; ausnahmsweise k a n n aber auch das Recht u n d eine Obliegenheit z u r I n f o r m a t i o n der Ö f f e n t l i c h k e i t rechtssatzmässig f o r m u l i e r t sein 1 9 . E i n e Ö f f n u n g e n t h ä l t das Umweltschutzgesetz ( A r t . 6): I m U m w e l t s c h u t z bereich g i b t es keine umfassende

S c h w e i g e p f l i c h t 2 0 . Das f ü r die Bundesver-

w a l t u n g geltende G e h e i m h a l t u n g s p r i n z i p m i t Ö f f e n t l i c h k e i t s v o r b e h a l t 2 1 ist hier u m g e k e h r t w o r d e n 2 2 . D i e Behörden haben über die Lage der U m w e l t , also über die U m w e l t b e l a s t u n g ,

z u informieren.

Daneben öffnet

das

Umweltschutzgesetz den Behörden das Recht z u r E m p f e h l u n g f r e i w i l l i g e r Verhaltensweisen, sofern diese die U m w e l t b e l a s t u n g v e r m i n d e r n 2 3 . A u c h sachen all jene, deren Bekanntwerden schützenswerte Interessen der Öffentlichkeit oder Privater schlechthin verletzen würde. Vgl. dazu auch Walter Buser , Information und Amtsverschwiegenheit, in: ZBJV 1967, 209ff. (225ff.). 17 Jörg Paul Müller in Komm. BV, Rz. 53 zur Informationsfreiheit. Art. 8 VwOG statuiert dabei nach Jörg Paul Müller, Rz. 54, eine „gewisse Informationspflicht". 18 Walter Buser, Amtsgeheimnis (Fn. 16), S. 67, nennt neben vielen anderen auch das Beispiel der kantonalen Lebensmittelinspektoren, die in Verbindung mit den Ortsgesundheitskommissionen den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen auf Beschaffenheit, Unverdorbenheit und richtige Bezeichnung überwachen. Sie sind Drittpersonen gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet. Vgl. dazu die VO vom 29. Januar 1909 betreffend die technischen Befugnisse der kantonalen Lebensmittelinspektoren und der Ortsexperten (VtB) SR 817.932, Art. 12 Satz 1 i. V.m. Art. 1. Zur Vermeidung oder Bekämpfung von Epidemien verpflichtet das Epidemiengesetz Ärzte und Spitäler zur Durchbrechung des Berufsgeheimnisses (Art. 321 StGB), Erkrankungen, Verdachtsfälle und Ausscheider der zuständigen kantonalen Stelle zu melden (Art. 27 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 Abs. 1 des Epidemiengesetzes, SR 818.01). Analoges gilt für anerkannte Laboratorien für bestimmte mikrobiologische und serologische Feststellungen (Art. 27 Abs. 2 Epidemiengesetz). Die kantonalen Stellen haben ihre Informationen dem Bundesamt für Gesundheitswesen weiterzuleiten und sind wie dieses zur Verschwiegenheit verpflichtet (Art. 27 Abs. 2 Epidemiengesetz). 19 Walter Buser, Amtsgeheimnis (Fn. 16), S. 58. 20 Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 28 zu Art. 46. Jedoch nicht wegen der Funktionen (Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 19 zu Art. 47) alleine, sondern auch wegen der nötigen gesetzlichen Grundlage. 21 Die Staatsverwaltung sei als eine „Summe interner Vorgänge" zu verstehen, „über welche die Öffentlichkeit dann (und zwar umfassend) zu informieren ist, wenn der betreffende Gegenstand von allgemeinem Interesse ist und keine überwiegenden Interessen des Staates oder Privater entgegenstehen". So das Bundesgericht (BGE 107 10 S. 304ff., Fuchs u. Schweizerische Journalisten-Union): „Diese Praxis findet ihre Grundlage in Art. 320 StGB über den strafrechtlichen Schutz des Amtsgeheimnisses in Verbindung mit den meisten Beamtengesetzen, welche den öffentlichen Funktionären mit unterschiedlichen Formulierungen die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit auferlegen (..., insbesondere Art. 27 Abs. 1 des eidg. Beamtengesetzes ...). Diese Vorschriften sprechen für das Gebiet der Verwaltung deutlich zugunsten des Geheimhaltungsprinzips mit Öffentlichkeitsvorbehalt und gegen das Öffentlichkeitsprinzip mit Geheimnisvorbehalt" (S. 308). Vgl. dazu auch Erich Maeder (Fn. 7), S. 25ff. Zu den nach Art. 27 Abs. 1 „ihrer Natur nach" geheimzuhaltenden Angelegenheiten vgl. Max Nef, Ausbau der Information aus dem Bundeshaus, Schlussbericht erstattet dem Bundesrat am 4.7.1968,S.40. Zur grundsätzlichen Problematik illustrativ Carl Friedrich Hoynemann, Amtsgeheimnis und Geheimamt, Ein historischer Exkurs am Beispiel des Kammerjägeramts, Königsberg 1921, insbes. S. 15 ff. 2 2 Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 8 zu Art. 47.

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die V e r ö f f e n t l i c h i m g v o n A u s k ü n f t e n p r i v a t e r Betriebe ist geregelt. D a v o n ist später die Rede (unten Z i f f . V). 2. Funktion D i e I n f o r m a t i o n s t ä t i g k e i t v e r l a n g t v o n den Behörden, w i e Kurt

Eichen-

berger sagt, A k t i v i t ä t u n d I n i t i a t i v e . I n f o r m a t i o n darf n i c h t z u f ä l l i g sein oder blosse R e a k t i o n auf Journalistenfragen. E i n e Behörde h a t v o n sich aus zu informieren. Dies erheischt einen ständigen Informationsfluss, der weder zu k a r g n o c h ü b e r f l u t e n d die Ö f f e n t l i c h k e i t auf d e m laufenden h ä l t 2 4 . I n f o r m a t i o n e n t s p r i c h t ganz allgemein dem „ A u f k l ä r u n g s b e d ü r f n i s eines w a c h e n V o l k s " . K o m m u n i k a t i o n , also Informationsaustausch, ist i n der modernen Gesellschaft B e s t a n d t e i l menschlicher E x i s t e n z 2 5 , auch als H i l f e i n bedrängenden L a g e n 2 6 , ohne dass der Staat Befreiung schaffen k ö n n t e 2 7 . I n f o r m a t i o n 2 8 d i e n t d e m o k r a t i s c h e r 2 9 A u f s i c h t u n d K o n t r o l l e . René Rhinow

A.

versteht die Volksrechte auch als K o n t r o l l i n s t r u m e n t 3 0 . D i e I n f o r -

23 Vgl. dazu in diesem Band das grundlegende Referat von Martin Schulte, Informales Handeln als Mittel staatlicher Umwelt- und Gesundheitspflege (These II./l.). Die Schweizer Behörden haben m.E. das Recht vor zugelassenen (aber für die Umwelt schädlichen und damit auch für den Menschen mittelbar gefährlichen) Produkten zu warnen. Für die Gefährlichkeit genügt dabei bei Dringlichkeit das Vorliegen konkreter Hinweise. Ein wissenschaftlicher Nachweis ist nicht Voraussetzung. Die Behörde hat die Erwägungen, die ihrer Empfehlung zugrundeliegen, offenzulegen. 24 Kurt Eichenberger, Verfassung des Kantons Aargau, Aarau 1986, Rz. 1 zu § 73. 25 Die Integration der Bürger ist heute dadurch geprägt, dass er „immer häufiger nicht mehr gewillt ist, sich mit einer rein gefühlsmässigen Beziehung zu seiner Heimat zu begnügen, sondern diese verstehen und sich von ihrer Existenzberechtigung überzeugen will, bevor er sie akzeptiert" (Max Frenkel, Information als Lebenselement des demokratischen Staates, in: Die Schweiz, Nationales Jahrbuch der Neuen Helvetischen Gesellschaft, 40. Jg. (1969), S. 28ff., (S. 32)). 26 Für die Sondersitzung des baselstädtischen Grossen Rates vom 27.11.1986 (S. 457 des Protokolls) über den Chemiebrand von Schweizerhalle hat Barbara Kehl in ihrer Interpellationsbegründung folgende Feststellung gemacht: „Menschen in ihrer grossen Not wollen nicht nur wissen, was geschehen ist, ... sondern sie wollen wissen, was sie dort, wo sie gerade sind, an der Wiege des Säuglings, am Krankenbett, im Wissen um alleinstehende Alte, tun können und sollen. Sie wollen praktische Ratschläge, um selber nicht in Panik zu geraten und die Panik der noch Schwächeren aufzufangen." Wie an dieser Sitzung verschiedentlich zum Ausdruck gekommen ist, erscheint Information als wichtiger Teil der Katastrophenbewältigung. Vgl. dazu auch den 2. Bericht des Speziellen Ausschusses Basel-Stadt zum Chemiebrand von Schweizerhalle vom 29. Juni 1987, S. 2 f. u. 15 - 17. 27 Darüber hinaus stellt sich die Frage nach dem Auftrag des Staats, aber auch nach der Leistungsfähigkeit. 28 Vgl. zum Begriff der Information hier auch Erich Maeder (Fn. 7), S. l f . m.w.H.; Marc Thomas Hauser, Informationsbeschaffung als Rechtsproblem, Diss. Zürich 1978, S. 23f. m.w.H. 29 Zusatzbericht des Bundesrats zur Parlamentarischen Initiative „Bundesverfassung, Presseförderung", BB1 1983, S. 799ff., S. 808. Vgl. auch Max Frenkel (Fn. 25), S. 28: „Information ist nichts dem demokratischen Staat Eigentümliches. Wohl aber ist es die Art ihrer Verbreitung". Vgl. ferner Walter Buser, Amtsverschwiegenheit (Fn. 16), S. 211; Hans W. Kopp, Information in der Demokratie, Zürich / Köln 1976,

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mation ist „Antwort" auf den Verantwortlichkeitsanspruch der Bürger gegenüber den Behörden 31 und Grundlage demokratischer Willensbildung 32 . Sie ist, aus der Perspektive der Regierung betrachtet, Bestandteil der staatsleitenden Tätigkeit 3 3 . Die Arbeit der Exekutive kann nur selten direkt mitverfolgt werden 34 . Die Sitzungen insbesondere der kollegialen Behörden sind im Prinzip nicht öffentlich 35 . Die Exekutive muss deshalb über ihre Arbeit und ihre Absichten berichten, über die Erfüllung ihrer Aufgaben Rechenschaft geben 36 . Diese Rechenschaft ist Voraussetzung der für die Demokratie unentbehrS. 190ff.: „Die Notwendigkeit der K r i t i k und Kontrolle ist unbestritten. Sie ist eines der klassischen Argumente zugunsten des staatsrechtlichen Prinzips der Öffentlichkeit" (S. 192). „Die Demokratie ist auf Dauer nur funktionstüchtig, wenn ihr eine möglichst hohe Zahl von Bürgern ein möglichst grosses Vertrauen entgegenbringt. Die Vertrauenswürdigkeit der Demokratie für den Bürger hängt weitgehend davon ab, dass und wie die Staatsorgane sich und ihre Tätigkeit darstellen. Eine überzeugende Darstellung ist nur möglich bei einem umfassenden ,Offensein' gegenüber dem Bürger im Sinn des staatsrechtlichen Grundsatzes der Öffentlichkeit. ... Ohne Kommunikation keine ,communitas'." (S. 193). Vgl. auch Erich Maeder (Fn. 7), S. 18f. 30 Zum Gedanken der Volksrechte als Instrumente der Kontrolle vgl. René A. Rhinow, Grundprobleme der schweizerischen Demokratie, Referate und Mitteilungen des Schweizerischen Juristenvereins, 1984, S. 117ff. (S. 203f.) m.w.H. 31 Information ist ein „Mittel, mit der sich die Regierung einer Pflicht entledigt: der Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftsablage über die Verwendung der ihr anvertrauten Macht- und Führungsmittel". So Walter Buser, Aufgabe und Grenzen der staatlichen Information, in: Sind wir informiert?, Jahrbuch der Neuen Helvetischen Gesellschaft 40. Jg., 1969, S. 129ff. (S. 129). 32 „Jede Handlung setzt Information voraus, unabhängig davon, ob diese Information zutreffend sei oder nicht. So verstanden ist Information nicht etwas Wünschbares, sondern eine Tatsache. Da Handlungen aber ,richtig' oder fachgerecht' sein sollen, besteht die Notwendigkeit, die Willensbildung auf entsprechende Informationen zu stützen" (Max Frenkel, Fn. 25, S. 29). Bezüglich des Parlaments: Erich Kalt, Das Prinzip der Öffentlichkeit staatlichen Handelns als Voraussetzung demokratischer Willensbildung, Zug 1953, S. 43 f. Vgl. auch Jörg Paul Müller i n Komm. BV, Rz. 41 ff. zur Informationsfreiheit. Gerhard Schmid, Fragmentarisches zur Publizistik aus staatsrechtlich-politologischer Sicht, in: Festschrift für Oskar Reck, hrsg. v. Armin Walpen u. Frank A. Zölch, Aarau / Frankfurt am Main / Salzburg, 1981, S. 178ff. (S. 181), spricht von der „,Strukturierung' der Referendumsdemokratie". Vgl. auch Eduard Meyer-Tscheppe, Staat und Staatsziel, Zürich / Berlin / Wien 1968, S. U l f . zur Frage der Fehlinformation. 33 Christian Furrer, Bundesrat und Bundesverwaltung, Bern 1986, Rz. 2 zu Art. 8 VwOG. 34 Nach Erich Maeder (Fn. 7), S. 4, bestehen „keine unmittelbaren Informationsmöglichkeiten". Diese Aussage scheint zu absolut. In einer Vielzahl von Fällen besteht das Handeln der Verwaltung in Handlungen gegenüber der Öffentlichkeit oder in Zusammenarbeit mit ihr. 35 Vgl. dazu Heinrich Ueberwasser, Das Kollegialprinzip - Seine Grundsätze und Konkretisierungen i m Bereich von Regierung und Verwaltung - unter besonderer Berücksichtigung des schweizerischen Bundesrats, Diss. Basel 1988, § 4. 36 Der Private hat gegenüber der Öffentlichkeit Anspruch auf Privatsphäre, soweit er durch sein Tun nicht die Öffentlichkeit gefährdet. Vgl. dazu auch Stephan Breitenmoser, Der Schutz der Privatsphäre gemäss Art. 8 EMRK, Basel / Frankfurt am Main 1986. Selbst eine weitgehende Befürwortung eines staatsrechtlichen Prinzips der Öffentlichkeit nimmt überwiegende öffentliche und private Interessen von der Berichterstattung aus. Vgl. dazu Hans W. Kopp (Fn. 29), S. 199.

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liehen öffentlichen Meinungsbildung 37 . Eine mögliche Einseitigkeit behördlicher Information soll durch die Information unabhängiger Medien ihren täglichen Ausgleich finden 38 . Staatliche Propaganda 39 oder Desinformation 40 sind unzulässig. Auch die Umweltfachstellen dürfen nicht als Werbeagenturen staatlicher Umweltpolitik wirken. Ihre Aufgabe ist es, den Bürgern durch die Darstellung von

37 „Direkte Demokratie ohne Meinungsbildung ist undenkbar. Öffentliche Meinungsbildung ohne Information ist ein Widerspruch in sich selbst" (Karl Huber , Fn. 10, S. 15). „Heute sprechen wir geradezu von einer Informationspflicht", so Carl J. Keller, Information - eine Daueraufgabe des Staates, in: Verwaltungs-Praxis 1969, S. 163 ff. (S. 164). Information soll Ausdruck einer „Politik der offenen Tür" sein (S. 167). 38 Jörg Paul Müller, Publizistik - die Vierte Gewalt im Staat?, in Festschrift für Oskar Reck, hrsg. v. Armin Walpen u. Franz A. Zölch, Aarau / Frankfurt am Main / Salzburg 1981, S.149ff. (S. 151) spricht von der „Wächterfunktion des Publizisten". Vgl. jetzt auch ders. in Komm. BV, Rz. 47 ff. zur Informationsfreiheit; BGE 108 I a 90ff. (H.) bejaht ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit, „dass das Geschehen im Gerichtssaal durch die Berichterstattung der Massenmedien einer breiten Öffentlichkeit vermittelt wird" - als Ausdruck der „Absage an jede Form geheimer Kabinettsjustiz" (S. 92). Vgl. auch BGE 105 I a 181 ff. (Ausschluss der Öffentlichkeit/Zulassung der Presse zu einer Sitzung des Kantonsparlaments Basel-Landschaft). Neben den Volksrechten haben angesicht eines Bundesratskollegiums, das Mitglieder der vier grossen Parteien vereinigt, ja sogar als „Allparteienregierung" bezeichnet wird, gerade die Medien für die Meinungsbildung im Volk eine wichtige Funktion. Vgl. zur „ Allparteienregierung" Leo Schürmann, Probleme der Allparteienregierung, Schweizerisches Jahrbuch für politische Wissenschaft Bd. 7 (1967), S. 83 ff. Eine Wächterfunktion erscheint bei der Vorstellung Schürmann, es müsse im Staat „eine Instanz geben, die das Richtige tut - dies kann nur die Regierung sein" (a.a.O., S. 92), dringlich. Gerade, wenn es darum geht, das von Schürmann angestrebte Gesamtinteresse (als einer Sache rationalen Denkens und Beurteilens) zu ermitteln, ist ein Dialog mit den vielfältigen Medien als Instrument der Öffentlichkeit eine Möglichkeit dazu, Vorstufe direkt-demokratischer Korrektur zu sein. Nach Jörg Paul Müller, Publizistik (s. diese Fn.), S. 150f., wurde in der Politikwissenschaft aufgezeigt, dass geschichtlich und funktionell ein „direkter Zusammenhang zwischen unserer Allparteienregierung und den direkt-demokratischen Instituten des Referendums und der Initiative besteht". Vgl. dazu auch Leonhard Neidhart, Plebiszit und pluralitäre Demokratie, Bern 1970, S. 313ff. Die Opposition i n der schweizerischen Konkordanzdemokratie war und ist oft Verbändeopposition oder „spontane Volksopposition", eine Opposition von Fall zu Fall. Sie ist Ausdruck pluralistischer Verhältnisse. Vgl. dazu auch Bruno Lötscher / Karin Somm / Heinrich Ueberwasser, Zur Bedeutung der Volksrechte für das politische System der Schweiz, in: Joseph Marko und Armin Stolz (Hrsg.), Demokratie und Wirtschaft, Wien / Köln / Graz 1987, S. 59ff. Eine Vorstellung einer Vierten Gewalt lehnt Gerhard Schmid (Fn. 32), S. 181, ab: Diese Idee sei schon deshalb nicht richtig, weil die Presse nur Einfluss auf die Meinungs- und Willensbildung, nicht aber Teilhabe an institutionellen Formen des Verfassungslebens anstrebt. Nach Peter Dürrenmatt, Wie frei ist die Presse?, Bern und Stuttgart 1971, S. 99, ist „das Zeitalter der grossen, weltanschaulich ausgerichteten, durchkomponierten und in der entsprechenden Weise politisch kämpfenden Blätter" vorbei (a.a.O., S. 99f.). 39 Nach Max Nef (Fn. 21), S. 10, darf „gezielte Informationspolitik" auf der politischen Ebene der Behördentätigkeit mit „Vertrauenswerbung" gleichgesetzt werden. Mit Propaganda habe sie hingegen nichts zu tun. 40 Desinformation meint den Akt, eine Information zu unterdrücken, die Bedeutung einer Information herunterzuspielen oder deren Sinn zu verändern. Vgl. dazu Marcus Knill, Informieren - aber wie?, Frauenfeld und Stuttgart 1984.

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Zusammenhängen E i n s i c h t e n z u v e r m i t t e l n u n d sie so auch z u f r e i w i l l i g e n Verhaltensänderungen z u bewegen. B u n d u n d K a n t o n e scheinen dabei g e w i l l t z u sein, das zulässige I n f o r m a t i o n s i n s t r u m e n t a r i u m auszuschöpfen. Dies m a g das Beispiel des „ L e i t e r s des Informationsdienstes B a s e l - L a n d s c h a f t " i l l u s t r i e r e n 4 1 : Dieser soll neben der Beratung der kantonalen Öffentlichkeitsarbeit im Umweltschutz insbesondere Iniormationsstrategien entwickeln, Umweltschutzfachstellen für Medienauftritte trainieren, die Beziehungen zu den Medien „pflegen " und einen Bereich „Aktivierung und Motivation" übernehmen, nämlich „Aktionsprogramme mit Werbe - und Marketing elementen (Ausstellungen, Plakataktionen, Veranstaltungen und Wettbewerbe)" wahrnehmen. Daneben ist er auch zuständig für „Bürgerkontakte und Umwelterziehung". Als solche gelten „Vortragstätigkeit, Bürgerbriefe, Auskünfte an Gemeinden und Private, Betreuung von Besuchern sowie Umwelterziehung in Volks-, Mittel- und Berufsschulen". Er soll auch ein „Umwelttelefon" betreuen. Z u r ü c k h a l t u n g i m Einsatz v o n I n f o r m a t i o n s b e a u f t r a g t e n ist besonders b e i den D i r e k t k o n t a k t e n der Behörden z u den G e m e i n d e n 4 2 u n d z u einzelnen B ü r g e r n geboten. H i e r soll sich der z u m E n t s c h e i d zuständige P o l i t i k e r „ ver-antworten" . 3. Wandel der staatlichen Information D i e I n f o r m a t i o n s t ä t i g k e i t der B u n d e s v e r w a l t u n g befindet sich seit Ende des Z w e i t e n W e l t k r i e g e s 4 3 i m Wandel. N a c h A u f h e b u n g des V o l l m a c h t e n rechts galt es, auch die Beziehung zwischen Behörden u n d Presse „ n e u aufz u b a u e n " 4 4 . Bis u n d m i t der u n m i t t e l b a r e n Nachkriegszeit, so der frühere Bundeskanzler Karl Huber , w a r die politische I n f o r m a t i o n , v o n den bundesr ä t l i c h e n Botschaften u n d den Parlamentsdebatten abgesehen, „ d o c h stark das Reservat ganz persönlicher Beziehungen zwischen meist a u c h geistesv e r w a n d t e n M a g i s t r a t e n u n d Presseleuten" 4 5 . Heute g i l t n a c h A r t . 8 V e r w a l 41 Nach dem bereinigten Entwurf des Amts für Umweltschutz und Energie des Kantons Basel-Landschaft vom 13.11.1987. 42 Auch im Kanton Basel-Landschaft geniessen die Gemeinden die für die Schweiz typische starke Stellung. Mit dieser ist es nicht vereinbar, Direktkontakt zur „Direktwerbung" werden zu lassen. Zur Stellung der Gemeinden §§ 44 ff. der Kantonsverfassung Basel-Landschaft. Nach § 49 ist es jeweils fünf Gemeinden zusammen möglich, Begehren zum Erlass, zur Änderung oder Aufhebung von Verfassungs- oder Gesetzesbestimmungen zu stellen sowie Begehren zur Durchführung einer fakultativen Volksabstimmung. § 49 KV/BL setzt voraus, dass den Gemeinden der direkte Kontakt zu den Präparativ- und Entscheidorganen offensteht. In der Praxis des Kantons gilt es als unfreundlicher Akt, wenn sich nicht sogar der zuständige Departementsvorsteher zum Gespräch stellt. Es ist sogar üblich, dass diese von Zeit zu Zeit oder bei strittigen Fragen in den Gemeinden den dortigen Gemeindeexekutiven Red' und Antwort stehen. Der Beizug von Sachbearbeitern gilt dabei zuweilen bereits als „Schwäche". 43 Karl Huber (Fn. 10), S. 15, zitiert Bundesrat Markus Feldmann (1951 - 1958 im Amt): „Man staunt immer wieder darüber, wie schwer und mühsam sich ausgerechnet in der ältesten Demokratie das Verständnis für die staatspolitische Bedeutung einer positiven, konstruktiven Pressepolitik durchzusetzen vermag ..." a e n , . .

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tungsorganisationsgesetz das Prinzip der „Kollektivinformation" 4 6 . Art. 8 VwOG stellt eine gesetzliche Verankerung des nach dem Zweiten Weltkrieg praktizierten Grundsatzes „gezielter Information" 4 7 dar 4 8 . D.h. es muss Gewähr dafür geboten sein 49 , dass die Orientierungen aus dem Bundeshaus umfassend 50 sind, dass sie inhaltlich den Tatsachen ent45 Etwas Ähnliches entsteht dann, wenn aufgrund des Spezialisierungsbedarfs beim Umweltschutz und der kleinräumlichen Verhältnisse der Schweiz sich Journalisten und Fachbeamte persönlich kennen und auch „Geistesverwandtschaften" entwickeln. Vgl. zur früheren Informationspraxis den Expertenbericht über Verbesserungen in der Regierungstätigkeit und Verwaltungsführung des Bundesrates, erstattet durch Otto Hongier, Kurt Eichenberger, Henri Zwahlen und Felix Weber, Bern November 1967 (= Bericht Hongier), S. 29; Christian Furrer (Fn. 33), Rz. 1 zu Art. 8 VwOG. Das Handbuch der Information, Herausgeber: Schweizerische Bundeskanzlei (Informationsdienst) und Konferenz der Informationschefs, 1979, Ziff. 432, sieht vor, dass „unter Mitteilung an die Bundeshaus-Journalisten" für Fachjournalisten besondere Pressekonferenzen durchgeführt werden können. Ziff. 435 sieht sogar die Durchführung von „Vertraulichen Veranstaltungen" vor: „Für die bei der Bundeskanzlei akkreditierten Journalisten können Aussprachen und andere Veranstaltungen vertraulicher Natur durchgeführt werden. Allfällige Auflagen sind mit der Einladung bekanntzugeben." In diesem Zusammenhang ist auch die Verordnung der Bundeskanzlei über die Akkreditierung von Journalisten vom 14. Mai 1979, die sich nach Auskunft der Bundeskanzlei vom 23.12.1987 gegenwärtig in Revision befindet, zu beachten. Akkreditierungsvoraussetzung ist die hauptberufliche bzw. regelmässige Ausübung (Art. 1). Die Journalisten gemessen einen „ Vertrauensvorschuss ": Wenn ein akkreditierter Journalist vertrauliche oder geheime Informationen verbreitet, kann ihm die Bundeskanzlei (nach Anhörung der Vereinigung der Bundeshaus-Journalisten und des Betroffenen selbst) warnen, eine befristete Suspendierung aussprechen oder ihm die Akkreditierung entziehen (Art. 8). Die Massstäbe der Bundeskanzlei werden durch den Bundesrat als Beschwerdeinstanz kontrolliert (Art. 11). Die Akkreditierung ausländischer Journalisten ist in Richtlinien des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (vom 30. April 1979) geregelt. 46

Handbuch der Information (Fn. 45), Ziff. 11.: „(Ziff. 141) Wichtige Ereignisse sowie wichtige Beschlüsse und Massnahmen des Bundesrates und der Verwaltung sind stets auf dem Wege der allgemeinen Information bekanntzugeben, wobei alle Medien gleich zu behandeln sind. (Ziff. 142) Beschlüsse, welche direkt und unmittelbar die Kantone betreffen, sind auch diesen gleichzeitig bekannt zu geben." Vgl. auch Karl Huber (Fn.10), S. 16; Max Frenkel (Fn. 25), S. 34. Walter Buser (Fn. 31), S. 131, wägt zwischen kollektiver und individueller Information ab: „Überall dort, wo mit Rücksicht auf die Bedeutung eines Geschäfts innert kurzer Zeit eine kollektive Information vorgesehen ist, sollten individuelle Auskunftsbegehren zurückgestellt werden. In allen übrigen Fällen aber sollte die individuelle Information unbedingt auf ihre Rechnung kommen und es sollte namentlich von der gelegentlich feststellbaren Unsitte abgesehen werden, einer spontan erteilten individuellen Information unmittelbar auf dem Fusse eine entsprechende kollektive Information folgen zu lassen. Damit wird das Vertrauensverhältnis zwischen Verwaltung und Presse gestört, womit niemandem gedient ist." Zum Verhältnis Pressefreiheit-Informationsfreiheit vgl. Carl J. Keller, Information - eine Daueraufgabe des Staates, in: Verwaltungs-Praxis, S. 163 ff. (164). 47 Wie sie insbesondere in den Richtlinien des Bundesrates für die Verwaltungsführung im Bunde von 1974, Ziff. 54, zum Ausdruck kommt. 48 Diesen Eindruck vermittelt auch die Kommentierung durch Christian Furrer (Fn. 33), Rz. I f f . zu Art. 8 VwOG. 49 Dieser Grundsatz ist, getragen von der Einsicht in die Notwendigkeit der Grundlageninformation und der Einsicht i n das Wirken des Behördenapparats, zur Verhinderung des Misstrauens des Bürgers in praktische Informationstätigkeit umzusetzen. 1

Gegenwartsfragen

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sprechen 51, dass sie im richtigen Zeitpunkt erfolgen und dass ihnen die nötige Kontinuität , also Regelmässigkeit innewohnt 52 . „Öffentlichkeitsarbeit der Regierung ist grundsätzlich zulässig, ja geboten, solange sie Information bleibt 5 3 ." Nicht dagegen Propaganda , „die eine freie Meinungsbildung weitgehend paralysiert" und „ein uniformes Bild der Politik schafft", wie es die Regierung haben w i l l 5 4 . Staatliche Verlautbarungen sollen „Hintergrundinformation" 5 5 enthalten. Diese braucht der Bürger, um sich eine eigene Meinung zu bilden 5 6 . Einwände, Widersprüche und Dies nennt Erich Maeder (Fn. 7), S. 73 ff., als Ziele des Gesetzgebers, indem er sich auf den Bericht Hongier (Fn. 43), S. 109 ff. und auf die bundesrätliche Botschaft zum VwOG, BB1 1975 I, S. 1453ff., beruft. 50 „Ausser Zweifel ist, dass die öffentliche Verwaltung dem Bürger vor allem die Unterlagen für eine eigene freie Meinungsbildung vermitteln muss. Das ist die Hauptaufgabe der Information. Sie sollte dabei nicht zögern, dem Prinzip der vollen Offenlegung nachzuleben" (Ernst Bieri , Die Informationspraxis der öffentlichen Verwaltung, in: Verwaltungs-Praxis, 1967, S. 234ff., S. 240). Art. 6 Umweltschutzgesetz verlangt nach Hardi Gysin, Dienstleistungen des Bundesamtes für Umweltschutz für den Vollzug, in: Walter Buser (Hrsg.), Vollzug des Umweltschutzgesetzes, Schriftenreihe der Schweizerischen Gesellschaft für Verwaltungswissenschaften, Bd. 3, Juli 1986, S. 47 ff. (49), Information und Aufklärung. 51 Dies allenfalls ist ein praktikabler Ansatz für einen Begriff der Objektivität. 52 Max Nef (Fn. 21), S. 11. So früh wie möglich zu informieren, heisst im übrigen, eine den Folgen der Information (z.B. Empfehlungen eines Verhaltens) angemessene Nachrichtengrundlage zu besitzen. 53 Karl Huber (Fn. 10), S. 20. 54 Karl Huber (Fn. 10), S. 18f.; Botschaft des Bundesrats zum Verwaltungsorganisationsgesetz, BB1 1975 I 1522. Im Gegensatz zur Bundesverwaltung als Ganzem sei Propaganda in beschränkter Weise für die PTT zulässig, weil es sich um ein Unternehmen handle. So die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats, Die Information der Öffentlichkeit durch Bundesrat und Bundesverwaltung, in: Amtliches Bulletin des Nationalrats, 1982, S. 640ff. (S. 643). Weil und soweit es sich bei den Dienstleistungen der PTT jedoch um Monopole handelt, ist m.E. aber grosse Zurückhaltung geboten. I n einer offenen, propagandafreien Information über ihre Dienstleistungen muss die PTT auch ihre Stellung als Monopolbetrieb verantworten und rechtfertigen. Dies gilt auch für die SBB. Dort insbesondere in Fragen der Sicherheit des Zugsverkehrs. Was man beiden Betrieben zubilligen mag, ist es, ihren Dienstleistungen eine werbewirksame „Verpackung" i n der Öffentlichkeit zu geben. Ein Slogan wie „Der Kluge reist im Zuge" oder „Meine Träume sind rosa, mein Konto ist gelb" ist mit den Anforderungen an die staatliche Information vereinbar. Verschleierungen jeder Art, z.B. über den Datenschutz bei der Post oder die Sicherheit und Umweltverträglichkeit bei der Bahn wären es dagegen nicht. Von den privaten Unternehmen unterscheiden sich PTT und SBB dadurch, dass sie nicht nur über Angelegenheiten berichten müssen, die für die Öffentlichkeit aus Gründen der Sicherheit von Interesse sind, sondern auch über die Qualität ihrer Dienstleistungen und die Effizienz ihrer Tätigkeit informieren müssen. 55 Karl Huber (Fn. 10), S. 19: „Der Grundsatz, dass die Bekanntgabe eines Entscheid, einer Massnahme, aber auch einer Absicht, mit einer Hintergrundinformation begleitet sein muss, ist - ich glaube, dass man dies sagen darf - für die Informationspolitik des Bundes eine Selbstverständlichkeit. Kritisch wird es erst bei der Frage des Masses". 56 Karl Huber (Fn. 10), S. 18: „Die Öffentlichkeit muss erfahren, weshalb so und nicht anders entschieden wurde. Man sollte sich bemühen, die Hintergründe der grösseren Zusammenhänge aufzuzeigen. Der grosse Vorteil der mündlichen Kollektivinformation, das heisst der Pressekonferenz, liegt ja gerade darin, dass die Motive durch das Spiel von Fragen und Antworten transparenter werden."

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Schwierigkeiten sind darzulegen 57 . Vertrauen beruht immer auf Offenheit 58 , Vollständigkeit 59 und Unverzüglichkeit 60 . Das Ziel: Durch eine Verstärkung der Informationstätigkeit in „differenzierten, feinfühligen Formen" 6 1 in einer bewussten und gezielten Informationspolitik die Bundesbehörden mit der interessierten Öffentlichkeit zusammenzuführen, das Verständnis für die staatlichen Aufgaben und die getroffenen und beantragten Lösungen zu wecken und so das Vertrauen 62 zwischen Bürger und Behörden zu festigen 63 . 4. Zur Organisation der Information beim Bund

Den geschilderten Informationserfordernissen kann nur mit einer leistungsfähigen Organisation entsprochen werden. Es braucht Stellen und Personen, die einen Gesamtüberblick über das Geschehen in und ausserhalb der Verwaltung besitzen und die über das weitere Vorgehen der Entscheidungsträger im Bilde sind 64 . Es sind Verfahren nötig, um Informationen schnell zu verarbeiten und zu übermitteln und Anfragen zu beantworten. Es braucht sodann auch die nötigen finanziellen und technischen Mittel dazu. Bemerkenswert ist die Stellung der Informationsbeauftragten in den Departementen. Der Inhalt der Information stammt vom Sachbearbeiter und nur die informationelle Verarbeitung hat der Informationsbeauftragte in Händen. Die Informationsbeauftragten müssen aber über das gesamte Geschehen in ihrem Bereich ohne Zeitverlust und lückenlos orientiert sein 65 . Dies macht sie zu Trägern entscheidrelevanten Wissens und damit zu wichtigen Kontaktpersonen auch im Departementsinnern. Verstärkt wird die ¿nnerdepartementale Geltung durch Geltung nach aussen, die sich die Inf or57 Dies, so Ernst Bieri (Fn. 50), S. 240, erhöhe beim Bürger das „Gefühl", er werde wahrheitsgetreu informiert. 58 Ernst Bieri (Fn. 50), S. 241. 59 „Der Öffentlichkeit ist alles Wesentliche bekanntzugeben, soweit nicht öffentliche oder schutzwürdige private Interessen im Wege stehen. Früher oder später wird die ganze Wahrheit bekannt. Es ist daher sinnlos, Informationen in Bruchstücken zu erteilen oder wichtige Tatsachen verschweigen zu wollen", so die Richtlinien des Bundesrates zur Verwaltungsführung, Bern 1974, Ziff. 54. 60 Richtlinien des Bundesrates zur Verwaltungsführung, Bern 1974, Ziff. 54: „Die Information muss stattfinden, bevor Nachrichten aus dritter Hand oder Gerüchte zur Stellungnahme oder Berichtigung zwingen. Unter Druck abgegebene Erklärungen wirken häufig nicht glaubwürdig und verfehlen ihr Ziel." 61 Bericht Hongier (Fn. 45), S. 29. 62 Vgl. dazu Erich Kalt , Öffentlichkeit (Fn. 32), S. 38f.: „Jede Geheimnistuerei weckt automatisch Misstrauen, und Misstrauen ist der psychologische Grund für Missdeutungen und grundlose Verdächtigungen aller A r t " (S. 38). 63 Bericht Hongier (Fn. 45), S. 92. 64 Diese Personen müssen „Kenner der Mechanik der Publizistik" sein, so Max Nef (Fn. 21), S. 4. 65 Bericht Hongier (Fn. 45), S. 93.

1

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Heinrich Ueberwasser

mationsbeauftragten d u r c h i h r e n K o n t a k t m i t den Medienschaffenden (und der Ö f f e n t l i c h k e i t ganz allgemein) erwerben.

5. Zum Stil der Information I m S t i l der I n f o r m a t i o n s v e r m i t t l u n g 6 6 s i n d die A m t s s t e l l e n n i c h t frei: D i e R i c h t l i n i e n der B u n d e s k a n z l e i 6 7 f ü r die I n f o r m a t i o n der Ö f f e n t l i c h k e i t 6 8 verlangen eine k l a r e 6 9 allgemeinverständliche Sprache 7 0 . E i n I n f o r m a t i o n s p r o b l e m der öffentlichen V e r w a l t u n g ist der ger 71.

Empfän-

D e n I n h a l t der a m t l i c h e n I n f o r m a t i o n z u verbessern heisst, v o r der

Abfassung v o n T e x t e n sich i n die H a u t des Empfängers z u versetzen, seine Aufnahmebereitschaft r i c h t i g einzuschätzen u n d sein I n f o r m a t i o n s b e d ü r f nis z u r R i c h t s c h n u r zu n e h m e n 7 2 . W i r d dieser U m s t a n d n i c h t beachtet, so k a n n derjenige, über den i n f o r m i e r t w i r d , Schaden e r l e i d e n 7 3 . Z u den Stilerfordernissen der I n f o r m a t i o n gehört es auch, i m Interesse der V e r s t ä n d l i c h k e i t folgende z w e i Störfelder (Marcus Knill 1*) 66

z u meiden:

Für die Form der Information erachtet Karl Huber (Fn. 10), S. 19 folgende Regeln als massgebend: - Wo lesbare Kürze möglich ist, sollen schriftliche Pressemitteilungen verfasst werden. - Wichtige Informationen, vor allem solche, die eines Kommentars oder einer Hintergrundbeleuchtung bedürfen, sind zum Gegenstand einer Pressekonferenz zu machen. - Anfragen von Journalisten sind ergänzende Informationsmittel. - Reden, Interviews in Radio und Fernsehen sowie Gespräche von Magistraten und Chefbeamten eignen sich vor allem zur Erläuterung von Kollektivinformationen, für Lagebeurteilungen, Kommentierung von Absichten und Abstimmungs vorlagen. 67 Sie ist der „Informationsdienst", dem Art. 8 VwOG die Information der Öffentlichkeit über die Arbeit der Bundesverwaltung i n die Hand gibt. Der Bundeskanzler leitet den Informationsdienst (Art. 35 lit. f VwOG). 68 Vom 14. Mai 1979, Ziff. 11 des Handbuchs der Information, hrsg. von der Schweizerischen Bundeskanzlei (Informationsdienst) und von der Konferenz der Informationschefs. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats bewertet dieses als sehr gute Grundlage der Informationspolitik des Bundes (in ihrem Bericht über die Information der Öffentlichkeit durch Bundesrat und Bundesverwaltung, Amtliches Bulletin des Nationalrats 1982, S. 644). 69 Eine Voraussetzung klarer Sprache ist klares Denken. So Peter Dürrenmatt (Fn. 38), S. 302. 70 „Pressemitteilungen sollen klar und verständlich sein" (Ziff. 11 Satz 2 der Informationsrichtlinien der Bundeskanzlei, Bern 1974). 71 Ernst Bieri (Fn. 50), S. 236. 72 Ernst Bieri (Fn. 50), S. 237. Wer informiert, muss die beste Sprachebene wählen, so Marcus Knill (Fn. 40), S. 69ff. Vgl. auch Karl Huber (Fn. 10), S. 19. 73 So stellte die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats in ihrem Bericht „Die Lebensmittelkontrolle am Beispiel der Hormone im Kalbfleisch" vom 13.November 1982 (BB1 1981 I I I S. 996ff.) fest: „Die Entdeckung von Hormonen im Kalbfleisch wurde in erster Linie durch Mängel bei der Information der Öffentlichkeit zur ,Affäre'. ... (Es) muss festgestellt werden, dass sich die Bundesbehörden zuwenig in die Lage der Konsumenten versetzt haben. Die Informationen waren zwar sachlich zutreffend, wirkten jedoch verspätet, zurückhaltend oder gestatteten dem Laien zuwenig, die Bedeutung der amtlichen Feststellungen zu werten" (S. 1009).

Staatliche Information beim Umweltschutz i n der Schweiz

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1. D i e falsche „ M i s c h u n g " v o n B e k a n n t e m u n d N e u e m 2. D i e Ä h n l i c h k e i t s h e m m u n g Z u m ersten Störfeld: Information

darf nicht

zuviel

Bekanntes

enthalten.

E i n e I n f o r m a t i o n , die i d e n t i s c h ist m i t dem Vorwissen des Empfängers u n d k e i n e r l e i I n n o v a t i o n e n t h ä l t , ermüdet den I n f o r m a t i o n s e m p f ä n g e r 7 5 . E i n e gute I n f o r m a t i o n ist stets eine ausgewogene K o m b i n a t i o n v o n N e u e m u n d Bekanntem. B e i nur

Neuem u n d Unbekanntem

„ s t e l l t der

Empfänger

schlicht u n d einfach a b " 7 6 . Dieses P r o b l e m stellt sich b e i m U m w e l t s c h u t z : Viele betreffen

Informationen

Langzeitschädigungen der N a t u r . Waldschadensberichte

Überschreitungen v o n L u f t g r e n z w e r t e n ,

die sich w i e d e r h o l e n 7 7 ,

oder drohen

n i c h t m e h r v o l l aufgenommen z u werden. D i e Empfänger scheinen z u i g n o rieren, zu resignieren oder sogar z u trotzen: „ W e n n es mir nicht

schlecht

geht, k a n n die Lage auch n i c h t so schlecht sein, w i e es behauptet w i r d ! " Dies ist eine mögliche Immunisierungsstrategie des I n f o r m a t i o n s e m p f ä n gers 7 8 . 74

Marcus Knill (Fn. 40), S. 49 ff. beschreibt zehn Störfelder: Die Wirkung der Information wird nicht beachtet (S. 49 f.) Die Informationsschwemme (S. 51 ff.) Der Informationsmangel, insbesondere das Gerücht (S. 54ff.) Nicht zuhören können (S. 62 f.) Zuviel Bekanntes (S. 63) Zuviel Neues (S. 64 f.) Unverständliche Information (S. 65 f.) Stilkrankheiten (S. 66f.) Ähnlichkeitshemmung (s. 68 f.) Falsche Sprachebene (S. 69ff.) 75 Marcus Knill (Fn. 40), S. 63. 78 Marcus Knill (Fn. 40), S. 64f.. 77 Johannes Max Zürcher , Umweltschutz als Politikum, Bern 1978, S. 30ff. (S. 32), beschreibt eine Sensibilisierung der öffentlichen Meinung bei schleichenden Umweltbelastungen, die auf ähnlichen, aber nicht gleichen Informationen beruhen: Indem solche Sensibilisierungsvorgänge immer rascher aufeinander folgten, habe man zu erkennen begonnen, dass die ganze Umwelt schleichend belastet wird. Es habe besonders sensibilisiert, dass schleichende Umweltbelastungen überall wirkten und dass man den Bedrohungen immer weniger ausweichen kann. Selbst wenn es gelungen sei, einzelne Belastungen einzudämmen, ein allgemeines Unbehagen sei geblieben. Dieses allgemeine Unbehagen bezeichnet er als „Umweltbewusstsein". Als Beispiel nennt Zürcher die Fischsterben: Zwischen 1959 und 1967 habe es i n der Schweiz durchschnittlich alle anderthalb Tage ein Fischsterben gegeben. Dies sei Ausdruck einer chronischen Gewässerverschmutzung. Ein zusätzlicher Giftstoss habe nur noch das „Zünglein an der Waage" bedeutet. Es habe jedoch einer grossen Zahl solcher Fischsterben bedurft, bis man endlich die Belastung der Gewässer wahrgenommen habe und sensibilisiert worden sei (a.a.O., S. 31 m.w.H.). 78 Ereignisse, über welche die Medien kontinuierlich berichten, scheinen nach einiger Zeit aus den Schlagzeilen jeweils regelrecht abzustürzen. Dies hat eine Untersuchimg des Instituts für Journalistik der Universität Dortmund zur Berichterstattung im Fall Tschernobyl ergeben: Günter Rager / Elisabeth Klaus / Elmar Thyen, Der Reaktorunfall in Tschernobyl und seine Folgen in den Medien. Eine inhaltsanalytische Untersuchung des Instituts für Journalistik an der Universität Dortmund von 1987, insbesondere S. 94 ff. des Untersuchungsberichts. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

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E i n zweites Störfeld: die sog. „ Ä h n l i c h k e i t s h e m m u n g Ä h n l i c h e

Infor-

m a t i o n e n m i t u n t e r s c h i e d l i c h e m I n h a l t w i r d der Empfänger n u r schwer i n i h r e r Sinndifferenz aufnehmen können. Es entstehen, „ S t ö r u n g e n , I n t e r ferenzen, Überlagerungen, welche die V e r a r b e i t u n g e r s c h w e r e n " 7 9 . Ein Beispiel: Nachricht und Meinung. Damit man sie auseinanderhalten kann, müssen sie präzise und erkennbar getrennt sein. Andernfalls w i r d dem Empfänger die eigene Meinungsbildung erschwert 80 . Die eigene Meinungsbildung jedes Bürgers ist ein Erfordernis der Demokratie 81 .

I I I . Z u r Wandlung der Staatsaufgabe „Umweltschutz" in der Schweiz 1. Aufnahme eines Umweltschutzartikels in die Bundesverfassung D i e Z u s t i m m u n g z u m U m w e l t s c h u t z a r t i k e l i n der Bundesverfassung 8 2 (Art. 2 4 s e p t i e s ) i m Jahre 1971 w a r m i t d e m S t i m m e n v e r h ä l t n i s 1 2 : 1 ü b e r w ä l t i g e n d u n d geradezu v o n einer emotionellen G r u n d w e l l e getragen. N a c h Luzius

Wildhaber

n i c h t zuletzt deshalb, w e i l die eigentlichen p o l i t i s c h e n

79 So Marcus Knill (Fn. 40), S. 68 f. Er verwendet mit der „Ähnlichkeitshemmung" einen Begriff aus der Lernpsychologie. Wer gleichzeitig Italienisch und Spanisch lernt, merkt bald, dass die Verwechslungen verwirren und den Lernprozess hemmen. Diese Ähnlichkeitshemmung muss m.E. sowohl bei der Information durch eine einzelne Behörde beachtet werden, als auch durch die leitenden Organe bei der Information verschiedener untergeordneter Stellen. Es besteht auch eine Verantwortung des Bundes, bei seiner Informationstätigkeit in Bereichen, in denen er mit den Kantonen kooperiert oder Aufgaben teilt, die Informationstätigkeit der Kantone zu beachten. In Fällen, in denen der Bund nicht die Kompetenz zur umfassenden Information hat, darf er durch eine teilweise Vorabinformation keine solchen Ähnlichkeitshemmungen bewirken. Haben die Kantone volle Informationsbefugnis, so muss er seine Information der kantonalen anpassen. 80 Vgl. die Einschätzung von Günter Rager / Elisabeth Klaus / Elmar Thy en in ihrer Untersuchung über die Medienberichterstattung über den Reaktorunfall von Tschernobyl (Fn. 78), S. 96 (Ziff. 10). 81 Für die Meinungsbildung der Öffentlichkeit haben die privaten Medien eine entscheidende Bedeutung. Es scheint deshalb für die Verwaltung verlockend, ihre Öffentlichkeitsarbeit auf die Medien auszurichten. Für Franz Riklin ist eine Öffentlichkeitsarbeit der Regierung durch selbstgestaltetes Auftreten in privaten Medien zulässig, wenn er auch zur Zurückhaltung mahnt. Unter dem Titel „Öffentlichkeitsarbeit und Programmfreiheit" führt Franz Riklin, Die Programmfreiheit bei Radio und Fernsehen, Freiburg 1973, S. 57 f. m.w.H., aus, heute bestehe die Auffassung, die Zulassungsbedingungen für die Regierung müssten eng umschrieben werden. Er fährt fort: „Die Öffentlichkeitsarbeit soll allein schon zeitlich nur einen sehr kleinen Teil der Programme einnehmen. Ein zu häufiges Auftreten von Regierungsvertretern wäre zudem schon aus politisch-psychologischen Gründen unerwünscht. Bei der Bevölkerung könnte durch solche Auftritte leicht Misstrauen erweckt werden. Das richtige Verhalten sei deshalb nicht nur ein Rechtsproblem, sondern eine Frage des Masses und des Taktes. Im weitern müsste der Sendegesellschaft das Recht vorbehalten bleiben, Regierungserklärungen durch die Exponenten der verschiedenen Richtungen und Tendenzen kommentieren und diskutieren zu lassen." 82 Vgl. zu dessen Entstehung und Bedeutung als Programm-Kompetenznorm Heribert Rausch, Die Umweltschutzgesetzgebung (Aufgabe, geltendes Recht und Konzepte), Habil. Zürich 1977, S. 123 ff. Zu Sinn und Schwierigkeiten eines Grundrechts hinsichtlich des Umweltschutzes: ders., a.a.O., S. 133 ff.

Staatliche Information beim Umweltschutz i n der Schweiz

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S a c h k o n f l i k t e i n k e i n e r Weise ausgetragen w a r e n 8 3 . So überrascht es auch n i c h t , dass bis z u r F e r t i g s t e l l u n g eines U m w e l t s c h u t z - G e s e t z e s 8 4 ein 12jähriger L e i d e n s w e g 8 5 (1971 8 6 bis 1983 8 7 ) zurückzulegen w a r . D e r U m w e l t s c h u t z a r t i k e l i n der Bundesverfassung w i e a u c h das U m w e l t schutzgesetz s i n d A u s d r u c k ökologischer Z i e l s e t z u n g e n 8 8 : S c h u t z o b j e k t der u m w e l t p f l e g e n d e n T ä t i g k e i t s i n d die Lebensräume u n d Lebensgemeinschaften v o n Menschen, Tieren u n d P f l a n z e n 8 9 . A r t . 2 4 s e p t i e s B V spricht v o m Menschen u n d seiner Umwelt - i n der E r k e n n t n i s , dass Menschen, Tiere u n d Pflanzen voneinander abhängig

s i n d u n d ein Ganzes b i l d e n 9 0 .

Das Umweltschutzgesetz f o r m u l i e r t

dementsprechend e i n hohes

Ziel

( A r t . I ) 9 1 : Es soll „Menschen, Tiere u n d Pflanzen, i h r e Lebensgemeinschaf83 Luzius Wildhaber, Staatsaufgabe Umweltschutz in der Schweiz, in: W D S t R L 38 (1980), S. 325 ff. (329). 84 Zur begrifflichen Erfassung des Umweltschutzrechts, Heribert Rausch (Fn. 82), S. 18 ff. m.w.H. 85 Zur Frage, wieweit die Unbestimmtheit einer Norm zu deren Appellcharakter führt, Heribert Rausch (Fn. 82), S. 205: „... Eine Ausgestaltung als eigentliche Rechtspflicht kann mangels Durchsetzbarkeit nur zur Aushöhlung der Rechtsordnung beitragen ...". Zur (versuchten) Einflussnahme von Umweltschutzverbänden vgl. Johannes Max Zürcher (Fn. 77), S. l l l f f . , 126ff. u. 130f. 86 Vgl. zur Sicht der Rechtslehre zum Umweltschutz im Jahre 1973 den breit gefächerten Sammelband „Schweizerisches Umweltrecht", Zürich 1973 (hrsg. v. Ulrich Müller-Stahl). 87 Offenbar, so Luzius Wildhaber (Fn. 83), S. 329, musste sich auch das Umweltschutzrecht den ehernen Regeln der schweizerischen Konkordanzdemokratie unterziehen: - Politik wird unter Vermittlung und gelegentlich unter Führimg der Direktbetroffenen mitbestimmt und vollzogen. - Für neue Konzepte bedarf es eines breit gestreuten Konsenses. Sie müssen „erdauert" werden und unterliegen der Doppelkontrolle der obligatorischen Volksabstimmung mit Volks- und Ständemehr und des fakultativen Gesetzesreferendums. Gesetzgebung ist i n der Schweiz „kein reiner VerfassungsVollzug". In seinem Aufsatz „Kodifikation des deutschen Umweltschutzrechts?", in: Neue Entwicklungen im öffentlichen Recht (Tagungsband eines Symposiums der Alexander von HumboldtStiftung vom 10.-14.10.1978 in Ludwigsburg, hrsg. v. Thomas Berberich, Wolf gang Holl u. Kurt-Jürgen Maass), S. 317, führt Michael Kloepfer aus, es erweise sich im Umweltschutzrecht deutlich, dass eine Übernormierung ein Bärendienst für das Recht ist, das so - jedenfalls partiell - um die Chance seiner Befolgbarkeit gebracht wird. Eine Überfülle der Rechtsnormen mache nicht nur das geltende Recht völlig unübersichtlich und deshalb nur schwer anwendbar, sondern führe fast unvermeidlich zu strukturellen Inkonsequenzen innerhalb eines Rechtsgebiets. 88 Botschaft des Bundesrats zum Umweltschutzgesetz, BB1 1979 I I I S. 775: Menschen, Tiere und Pflanzen bilden ein Ganzes, d.h. eine Lebensgemeinschaft. Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 1 zu Art. 42: Jeweils zumindest ein Organ des Staats habe Umweltschutzprobleme im Sinne von Verfassungsauftrag und Zweckartikel mit betont ganzheitlicher Sichtweise zu behandeln; Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 8 zu Art. 1. 89 Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 7 und 9 zu Art. 1. Vgl. zum Natur- und Heimatschutz dens. (Fn. 80), S. 99 ff. 90 Botschaft des Bundesrats zum Umweltschutzgesetz, (Fn. 88), S. 775. 91 Zu den erwogenen und teilweise i n der übrigen Gesetzgebung und heute im Umweltschutzgesetz verwirklichten Konzeption des Umweltschutzes Heribert

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ten und Lebensräume gegen schädliche oder lästige Einwirkungen schützen und die Fruchtbarkeit des Bodens erhalten 92 . Im Sinne der Vorsorge 93 sind Einwirkungen, die schädlich oder lästig werden können, frühzeitig zu begrenzen." Diese anspruchsvolle Zielsetzung kommt im Gesetz konkret zum Ausdruck. Zwei Beispiele: - Neue Anlagen, Produktionsmittel und Stoffe, also solche, die in Umlauf gesetzt werden, sind vom Verursacher wie von den Behörden auf die zu erwartende Umweltbelastung hin zu überprüfen. Dazu dient die Umweltverträglichkeitsprüfung 94. - Das Verursacherprinzip 95 scheint rigoros. Tatsächlich sagt es als solches aber nichts darüber, ob eine Massnahme zu ergreifen ist oder wen die Pflicht dazu trifft. Nach Rausch (Fn. 82), S. 157ff. und 178ff. Vgl. dazu auch Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, Inspektionen 1983, BB1 1984 I I S. 258. 92 Heribert Rausch (Fn. 82), S. 271 ff. Die Nutzung der natürlichen Umwelt, namentlich von Wald (das Nachhaltigkeitsprinzip ist ausdrücklich im Forstrecht verankert, Art. 18 Forstpolizeigesetz, Art. 13 Forstpolizei Verordnung; vgl. Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 21 zu Art. 1.) und Boden (Art. 33 i. V.m. Art. 1 USG; Botschaft des Bundesrats zum Umweltschutzgesetz (Fn. 88), S. 779; Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 21 zu Art. 1, sieht das Nachhaltigkeitsprinzip in funktionalem Zusammenhang mit dem Vorsorgeprinzip) ist auf den Ertrag beschränkt. Die Substanz ist fruchtbar zu erhalten. Ohne Fruchtbarkeit gibt es keinen Ertrag. 93 Art. 1 Abs. 2 USG. Einwirkungen auf die Umwelt sind möglichst frühzeitig zu begrenzen (Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 18 ff. zu Art. 1. Dies gelte insbesondere für Luftverunreinigungen und Lärmimmissionen, die unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung soweit zu begrenzen seien, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist. So die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, Inspektionen 1983, BB11984 I I S. 258. Umweltverschmutzungen heutiger Ausmasse sind in hohem Masse irreversibel. Es trifft deshalb in vielen Fällen das Problem nicht, wenn man davon spricht, vorzubeugen sei besser, als zu heilen (vgl. die Zitate bei Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 18 zu Art. 1). Das Vorsorgeprinzip ist Rechtssatz. Der Ermessensspielraum der rechtsanwendenden Behörden muss bei der Abwägung wirtschaftlicher und umweltschutzbezogener Interessen dort seine Grenze finden, wo das Vorsorgeprinzip verletzt wird (Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 19 zu Art. 1 m.w.H.). Das Vorsorgeprinzip kann auch zur Grenzziehung unternehmerischer Freiheit werden: Wo der Umwelt Schaden oder unverantwortbares Risiko entsteht, kann die Handels- und Gewerbefreiheit keine unternehmerische Freiheit sichern. Das Vorsorgeprinzip findet Ausdruck u. a. in den Bestimmungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung (Art. 9 USG), die umweltgerechte Verwendung von Stoffen (Art. 28 USG), die Emmissionsbegrenzungen (Art. 11 Abs. 3 USG; Günter Heine, Umweltschutzrecht in der Schweiz, UPR 1985, 345ff., 346). Zur Frage, ob Umweltabgaben Ausdruck des Vorsorgeprinzips sind, vgl. Klaus Meßerschmidt, Umweltabgaben im Gefüge der Finanzverfassung, in: Jahrbuch des Umweltund Technikrechts 1987, Düsseldorf 1987, S. 83ff. (87). 94 Art. 9 USG; Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, Inspektionen 1983, BB1 1984 I I S. 258). Bemerkenswert immer noch die einleitende Bemerkung im Handbuch UVP (Richtlinien für die Ausarbeitung von Berichten zur Umweltverträglichkeit) des Bundesamtes für Umweltschutz, Entwurf November 1984: „Probleme, an die man gedacht hat, sind bereits halb gelöst." 95 Derjenige hat die Kosten für Umweltschutzmassnahmen zu tragen, der sie verursacht (Art. 2 USG); Bericht des Bundesrats zu den Richtlinien der Regierungspolitik 1983 - 87, BB1 1984 I S. 225; Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, Inspektionen 1983, BB1 1984 I I S. 258; Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 23 zu Art. 1, Rz. l f f . zu Art. 2. Die Verursacher (als Verursacher gilt nach Heribert Rausch, Kom-

Staatliche Information beim Umweltschutz i n der Schweiz

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Art. 2 Umweltschutzgesetz sind lediglich Massnahmen, welche dieses Gesetz vorschreibt, vom Verursacher zu tragen. Ohne I n f o r m a t i o n 9 6 genügt das I n s t r u m e n t a r i u m der V e r w a l t u n g n i c h t zur V e r w i r k l i c h i m g der Ziele des U m w e l t r e c h t s . Das U m w e l t s c h u t z r e c h t greift i n bisherige Freiräume w i r t s c h a f t l i c h e n u n d persönlichen W i r k e n s n u r z u r ü c k h a l t e n d ein. Viele der f ü r den U m w e l t s c h u t z n ö t i g e n Massnahm e n s i n d der F r e i w i l l i g k e i t anheimgestellt. D i e Behörden sollen i m m e r h i n auch f ü r die f r e i w i l l i g e Schonung der U m w e l t eintreten, i n d e m sie über den S t a n d der U m w e l t b e l a s t u n g i n f o r m i e r e n u n d d a z u M ö g l i c h k e i t e n w i e auch N o t w e n d i g k e i t e n der V e r m i n d e r u n g der U m w e l t b e l a s t u n g aufzeigen 9 7 . Es darf aber keine „einseitige gouvernementale L e n k u n g " der öffentlichen Meinung stattfinden 98. D e r Bundesrat scheint i n seinen R i c h t l i n i e n der Regierungspolitik 1983 87 anderer A n s i c h t z u sein: D e r Schutz u n d die E r h a l t u n g der n a t ü r l i c h e n Lebensgrundlagen sei eine vorrangige heute über das notwendige

A u f g a b e 9 9 . D e r B u n d verfüge dazu

gesetzliche I n s t r u m e n t a r i u m 1 0 0 . I n den k o m m e n -

mentar USG, Rz. 14 zu Art. 2, der Eigentümer der Anlage; zum Begriff der Anlage Art. 7 Abs. 7 USG) sollen motiviert werden, die Belastungen zu reduzieren, sei es mit technischen Mitteln, sei es durch Einschränkungen der betreffenden Tätigkeiten (Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 5 zu Art. 2; deutschsprachiger Berichterstatter zum Umweltschutzgesetz im Nationalrat (Amtliches Bulletin Nationalrat 1982, S. 285). 96 Botschaft des Bundesrats zum Umweltschutzgesetz (Fn. 88), S. 756, Rz. 1 zu Art. 6. Vgl. auch Heribert Rausch, Kommentar USG, der in diesem Zusammenhang auf Art. 15 der von den Vereinten Nationen am 28. Oktober 1982 verkündeten Weltcharta der Natur: "Knowledge of nature shall be broadly disseminated by all possible means, particularly by ecological education as an integral part of general education." 97 Es darf dabei eine „anwaltliche Funktion" ausüben. Diese kommt (auch) den Umweltschutzfachstellen für ihre Stabs- und Koordinationsfunktionen zu (Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 8 zu Art. 42). 98 Botschaft des Bundesrats zum Verwaltungsorganisationsgesetz, BB1 1975 I S. 1522. 99 Bericht des Bundesrats über die Richtlinien der Regierungspolitik 1983 - 87, BB1 1984 I S . 166. 100 Der Bundesrat zählt (im Bericht zu den Richtlinien 1983 - 87, BB1 1984 I S. 177) auf: Umweltschutzgesetz, Raumplanungsgesetz, Gewässerschutzgesetz, Natur- und Heimatschutzgesetz. Die sektorielle Gesetzgebung im Bereiche des Umweltschutzes ist (so die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, Inspektionen 1983, BB1 1984 I I S. 260, wobei das Instrumentarium des einen Gesetzes nicht einfach unbesehen auf die anderen übertragen werden dürfe) vorab historisch bedingt, indem nebeneinander immer neue Teilbereiche gesetzgeberisch zu regeln waren (für eine Übersicht des Stands des Umweltrechts bis 1980 vgl. Luzius Wildhaber (Fn. 83), S. 325ff.). Diese „Rahmenbedingung" (Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, Inspektionen 1983, BB1 1984 I I S. 260) erkläre, weshalb sich das Umweltschutzgesetz im wesentlichen darauf beschränken konnte, die noch fehlenden Teilbereiche des Umweltschutzes (nämlich Lufthygiene, Lärm, Abfälle, chemische Stoffe und Bodenschutz) zu normieren (Die anderen Aufgaben werden nicht vom Bundesamt für Umweltschutz betreut, sondern von Behörden, die meist andere primäre Aufgaben haben als den Umweltschutz. (Vgl. dazu Luzius Wildhaber (Fn. 83), S. 325f.). Soweit bereits Vorschriften bestanden 99 , hat das Umweltschutzgesetz hier nicht nur Lücken gefüllt, sondern zusätzlich alle die verstreut vorhandenen Bestimmungen „auf einheitliches Konzept ausgerichtet" (Geschäftsprüfungskommission des Ständerates,

Heinrich Ueberwasser

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den Jahren gehe es d a r u m , d u r c h einen „ w i r k s a m e n u n d u n k o m p l i z i e r t e n " Vollzug

dieser Gesetze 1 0 1 die n a t ü r l i c h e n Lebensgrundlagen m ö g l i c h s t z u

erhalten u n d schon eingetretene Schäden z u b e h e b e n 1 0 2 . G e g e n w ä r t i g p r ü f t m a n jedoch i m Bundesamt f ü r U m w e l t s c h u t z eine Revision des Umweltschutzgesetzes i m H i n b l i c k auf e i n

wirtschaftspoliti-

sches I n s t r u m e n t a r i u m 1 0 3 . I n seiner L e g i s l a t u r p l a n i m g 1987 - 1991 betont denn auch der Bundesrat die B e d e u t u n g wirtschaftlicher

Zielsetzungen f ü r

den U m w e l t s c h u t z . D i e „ h e u t i g e Wachstumsgesellschaft"

104

sei eine der

Ursachen der U m w e l t b e l a s t u n g . E r p l ä d i e r t deshalb f ü r das „ q u a l i t a t i v e W a c h s t u m " als L e i t i d e e 1 0 5 . D e r Bundesrat anerkennt also, dass die A n w e n d u n g der I n s t r u m e n t e des Umweltschutzgesetzes alleine n i c h t genügt u n d dass einer der Schlüssel z u m U m w e l t p r o b l e m i n der H a n d der B ü r g e r als Konsumenten, Gewerbetreibende u n d U n t e r n e h m e r liegt. Ü b e r den S t e l l e n w e r t des Umweltschutzes herrscht w e i t h i n E i n i g k e i t . B e i m U m w e l t s c h u t z h a n d e l t es sich n a c h Julius Binder Landesverteidigung

u m „eine A r t innere

v o n so grosser B e d e u t u n g w i e e t w a die äussere Landes-

v e r t e i d i g u n g " 1 0 6 . D e r S t e l l e n w e r t k o m m t auch i n der A n e r k e n n i m g des Inspektionen 1983, BB11984 I I S. 260). Zum Zusammenhang zwischen Umweltschutz und Raumplanimg vgl. Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 28 zu Art. 1. Vgl. zum Verhältnis von Umweltschutz- und Raumplanungsrecht Thomas Fleiner, Umweltschutz- und Raumplanungsrecht, in: Festgabe der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg zum Schweizerischen Juristentag 1980, Freiburg 1980, S. 113 ff. Fleiner weist in diesem Zusammenhang auf die für diesen Zusammenhang wichtige Belastung der Kantone mit Vollzugsaufgaben hin. 101 „Der Bundesrat betrachtet den Vollzug des Umweltschutzgesetzes als eine der wichtigsten Aufgaben dieser Legislaturperiode." Dabei ging und geht es vor allem um den Erlass von Ausführungsverordnungen. Den Vollzug besorgen vorwiegend die Kantone (Bericht des Bundesrats zu den Richtlinien 1983 - 87, BB1 1984 I S. 225). 102 Bericht des Bundesrats zu den Richtlinien 1983 - 87, BB119841S. 177. Der Bundesrat werde überdies den Auswirkungen aller Bundestätigkeiten auf die Umwelt grosse Beachtung schenken und die Koordination dieser Aufgabe verbessern (a.a.O., S. 225). 103 Z.B. mit dem Vorschreiben von Pfandabgaben. So Mathias Tellenbach, BUS (Sektion Abfall) am 13.1.1988 i n einem Referat in Liestal. 104 Bericht des Bundesrats vom 18. Januar 1988 über die Legislaturplanung 1987 1991, S. 10. 105 A.a.O. (Fn. 104), S. 13 f. Unter qualitativem Wachstum versteht er „jede nachhaltige Zunahme der gesamtgesellschaftlichen und pro Kopf der Bevölkerung erreichten Lebensqualität, die mit geringerem oder zumindest nicht ansteigendem Einsatz an nicht vermehrbaren oder nicht regenerierbaren Ressourcen sowie zumindest nicht zunehmenden Umweltbelastungen erzielt wird" (S. 13). Bliebe zu fragen, ob damit eines der Grundprobleme der Umweltschutzbewältigung, nämlich die anthropozentrische Betrachtungsweise überwunden wird. Dazu Luzius Wildhaber, Rechtsfragen des internationalen Umweltschutzes, HerbertMiehsler-Gedächtnisvorlesungen an der Universität Salzburg, Nr. 1/1987, S. 4. Die Forderung nach einem „Recht auf Umwelt" hat sich, wie er ausführt, als Zusatzprotokoll zur EMRK zu Recht nicht durchgesetzt. 106 Julius Binder, Umweltschutz - die Herausforderung im Industriezeitalter (in Festschrift für Kurt Furgler, hrsg. v. Otto Kaufmann, Arnold Koller u. Alois Ricklin, Z ü r i c h / K ö l n 1984, S. 154ff.), S. 160. Dies sei von den Politikern auch in unserem Land während langer Zeit nicht bedacht und realisiert worden. Nur so lasse sich

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Querschnittscharakters des U m w e l t s c h u t z v o l l z u g s 1 0 7 z u m A u s d r u c k : A l l e betroffenen Behörden des Bundes u n d der K a n t o n e 1 0 8 arbeiten u n t e r W a h r u n g des S u b s i d i a r i t ä t s g e d a n k e n s 1 0 9 idealerweise zusammen u n d ziehen weitere Kreise z u m V o l l z u g b e i 1 1 0 - auch P r i v a t e 1 1 1 . I m m e r ist a u c h die internationale

Zusammenarbeit

z u s u c h e n 1 1 2 . W e i l jedoch die V e r m i n d e r u n g v o n

U m w e l t b e e i n t r ä c h t i g u n g e n i n v i e l e n Bereichen auch ohne die Z u s a m m e n a r b e i t m i t d e m A u s l a n d m ö g l i c h ist, d a r f dies n i c h t dazu führen, dass i n n e r staatliche A k t i v i t ä t v o n i n t e r n a t i o n a l e r K o o p e r a t i o n a b h ä n g i g gemacht w i r d . Verbesserungen s i n d ohne i n t e r n a t i o n a l e Z u s a m m e n a r b e i t m ö g l i c h , das Erreichen der Ziele der U m w e l t p o l i t i k ist es jedoch n i c h t .

2. Traditioneller Umweltschutz in der Bundesverfassung Teile v o n N a t u r u n d U m w e l t s i n d z w a r n i c h t erst seit den 197Oer-Jahren Schutzobjekte der Verfassimg. I h r e Z i e l r i c h t u n g w a r allerdings p r i m ä r eine v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e 1 1 3 . Heute haben diese B e s t i m m u n g e n n a c h h a r m o n i erklären, dass zwischen der Annahme des Verfassungsartikels 2 4 s e p t i e s und dem Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes mehr als 13 „wichtige und entscheidende" Jahre vergangen sind. „ M i t diesem Nichtstun während langer Zeit haben die Politiker Schuld auf sich geladen. Die Umwelt in unserem Lande, zu der der Boden, das Wasser, die Luft sowie die Tier- und Pflanzenwelt gehören, wäre von anderer Qualität, wenn Wirtschaft und Politik die Umweltzerstörung nicht so lange bagatellisiert hätten..." (a.a.O., S. 160). 107 Auch in seiner Eigenschaft als Querschnittsaufgabe. Vgl. die Botschaft des Bundesrats zum Umweltschutzgesetz (Fn. 88), S. 776f.; Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 1 zu Art. 6; Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 1 zu Art. 42. 108 Normadressaten des Art. 6 USG (Information und Beratimg) sind sowohl die kantonalen Umweltschutzfachstellen wie auch das Bundesamt für Umweltschutz als Umweltfachstelle des Bundes (Art. 42 i. V.m. Art. 6 USG); vgl. dazu Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 11 zu Art. 6. (zur Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den Fachstellen der verschiedenen Kantone bei der Beratimg: geht es um ortsfeste Anlagen, gilt das Territorialitätsprinzip, andernfalls ist das Wohnsitzkriterium massgebend). 109 Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, Inspektionen 1983, BB1 1984 I I S. 258. Zum Subsidiaritätsprinzip beim Vollzugsföderalismus vgl. Peter Saladin i n Kommentar BV, Rz. 58 u. 93ff. zu Art. 3. 110 Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, Inspektionen 1983, BB1 1984 I I S. 258; Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 2 zu Art. 42. 111 Diesen können nach Art. 43 USG auch Überwachungs- und Kontrollaufgaben übertragen werden. Die Verantwortung für den ganzen Vollzug verbleibt aber bei den staatlichen Behörden (Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 3 zu Art. 43). Soweit aber die staatlichen Behörden Verantwortung trifft, kommt ihnen auch eine Rechtfertigungspflicht durch Information zu, wobei damit noch nicht geklärt ist, wemgegenüber diese Pflicht im einzelnen besteht. 112 Bericht des Bundesrats zu den Richtlinien der Regierungspolitik 1983 - 87, BB1 19841S. 225f.: „Umweltbelastungen machen an den Grenzen eines Landes nicht halt. Wir werden deshalb unsere Bemühungen für die internationale Zusammenarbeit verstärken." Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, Inspektionen 1983, BB1 1984 I I S. 259; Julius Binder (Fn. 106), S. 160. 113 Einen „Kompromiss" zwischen Ökologie und Ökonomie kann es nicht geben. Ökonomie setzt, sofern sie in einem langen Zeitraum gedeihen soll, eine überlebensfä-

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Heinrich Ueberwasser

scher Verfassungsauslegung und nach dem Grundsatz der Gleichrangigkeit der Verfassungsbestimmungen auch eine ökologische Relevanz. Ein Beispiel: Art. 25 BV schützt seit 1874 Fische, Wild und Vögel 114 . Schutzobjekt sind aber nicht die Fische, sondern die Fischerei 115 , nicht das Wild, sondern die Jagd, nicht die Vögel, sondern die Landwirtschaft, der hige Umwelt voraus. Eine davon unabhängige Frage ist diejenige, ob Ökologie einen teilweisen Verzicht auf technologisch Machbares erfordert oder ob das ökologische System durch technologische Instrumente im Gleichgewicht gehalten werden soll. Eher fragwürdig erscheint es allerdings, zu glauben, dass „die Nutzung umweltverändernder Techniken für friedliche Zwecke die Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Natur verbessern und zur Erhaltung und Verbesserung der Umwelt zum Nutzen heutiger und künftiger Generationen beitragen kann". So die Präambel des „Übereinkommens über das Verbot der militärischen oder einer sonstigen feindseligen Nutzung umweitver ändernder Techniken" (BB1 1987 I I I S. 805). Für eine marktwirtschaftlich orientierte Schweiz ist eine Umweltpolitik mit marktwirtschaftlichen Instrumenten wohl die am ehesten politisch realisierbare Vorgehens weise. So empfiehlt René L. Frey, (Umweltpolitik mit marktwirtschaftlichen Instrumenten, in: Heinz Buhofer (Hrsg.), Liberalismus als Verjüngungskur, Zürich und Wiesbaden 1987, S. 104f.) das Rentabilitätsstreben der Wirtschaft i n den Dienst der Umwelt zu stellen. Ökologisches Denken sei dem ökonomischen durchaus wesensverwandt, ist doch Ökonomie nichts anderes als die Lehre davon, wie man mit knappen Gütern haushälterisch umgeht: „Unsere natürliche Umwelt ist heute zweifellos zu einem knappen Gut geworden. Die Umweltschäden sind also nicht durch zuviel, sondern gerade durch zuwenig Ökonomie entstanden" (a.a.O., S. 104). Insbesondere ist das „Kurieren an Symptomen unwirtschaftlich" (a.a.O., S. 105). Der Grund für Umweltbeeinträchtigungen durch die Wirtschaft, z.B. die Luftverschmutzung, besteht in hohem Masse darin, dass Luft „ein öffentliches Gut ist und jedermann zum Nulltarif zur Verfügung steht" (a.a.O., S. 105). Zur Umweltabgabe und dem umweltökonomischen Grundgedanken, den Verbrauch knapper Umweltgüter i n die private Kostenrechnung eingehen zu lassen, vgl. Klaus Meßerschmidt, (Fn. 93), S. 86 m.w.H. Zu den möglichen stimulierenden Lenkungskonzepten vgl. Paul Kenseier, Wirtschaftslenkung durch Subventionen zwischen Förderung und Gefährdung unternehmerischer Freiheit, in: Jürgen Makswit u. Friedrich K. Schoch (Hrsg.), Tagungsband der 26. Tagung der Wiss. Mitarbeiter d. Fachr. Öffentl. Recht in Kiel, Berlin / New York 1986, S. 203ff. (211 ff.). Vgl. im gleichen Band (S. 94ff., insbes. S. HOff.) zur Frage der nötigen gesetzlichen Grundlage: David Jenny, Die finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzen von Regierung, Parlament und Volk in der Schweiz. Julius Binder (Fn. 106), S. 154ff., w i l l die „Versöhnung zwischen technischem Fortschritt und Schonung der Umwelt" (S. 157), eine „Symbiose" zwischen Wirtschaft und Umweltschutz (S. 158f.). Ein „selektives Wachstum" unter Erschliessung neuer regenerierbarer Quellen sei möglich (S. 159). Die Massnahmen des Umweltschutzes sind aufeinander abzustimmen und gesamthaft zu optimieren, da sie sonst keine optimale Wirkung entfalten. Der Staat muss seine Mittel möglichst leistungsfähig einsetzen und seine Aktivitäten koordinieren (Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 2 zu Art. 42). 114 Walther Burckhardt, Kommentar der Schweizerischen Bundesverfassung vom 29. Mai 1874, 1. Aufl., Bern 1905, S. 228 u. 229; ders., Kommentar der Schweizerischen Bundesverfassung vom 29. Mai 1874, 3. Aufl. Bern 1931, S. 155: „Das Gesetz von 1925 hat auch dem Naturschutz Rechnung getragen." Zur Entwicklung der Umweltpolitik in Deutschland vgl. Klaus-Georg Wey, Umweltpolitik i n Deutschland, Opladen 1982. 115 Zur Entwicklung der Fischereigesetzgebung seit 1875 Heribert Rausch (Fn. 82), S. 27f. (unter Einbezug der bundesrätlichen Botschaften): Art. 21 des Gesetzes von 1888 enthielt das Verbot, Stoffe ins Wasser zu leiten, die Fische schädigen können. Zu Art. 8 WRG. vgl. Karl Geiser / J. J. Abbühl / Fritz Bühlmann, Einführung und Kommentar zum Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte, Zürich 1921, S. 40, 136ff., 158.

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bestimmte Vögel n ü t z l i c h sind. Ä h n l i c h e s 1 1 6 g i l t f ü r die Wasser- u n d F o r s t polizei117. E i n Beispiel der Gesetzgebung: I m Bundesgesetz über die N u t z b a r m a c h u n g der Wasserkräfte v o n 1 9 1 6 1 1 8 w u r d e die P f l i c h t z u r Schonung der N a t u r s c h ö n h e i t e n u n d „ d a , w o das allgemeine Interesse an i h n e n ü b e r w i e g t " , i h r e ungeschmälerte E r h a l t u n g " v e r l a n g t 1 1 9 . I n der zeitgenössischen K o m m e n t i e r i m g 1 2 0 w i r d dabei ausgeführt, neben einer „idealen, ästhetischen" habe der Schutz der N a t u r s c h ö n h e i t e n u n d die W a h r u n g der „ a l l gemeinen Interessen" auch eine sehr materielle Bedeutung. D i e N a t u r s c h ö n heit sei w o h l i n k e i n e m L a n d e so intensiv geschäftlich genutzt w o r d e n w i e i n der Schweiz, w o sich seit Jahrzehnten eine sog. „ F r e m d e n v e r k e h r s i n d u strie" ausgebildet h a b e 1 2 1 . 116 Zwei Motive lagen der Verfassungsbestimmung nach Walther Burckhardt, 1. Aufl. (Fn. 114), S. 222ff. zugrunde, vgl. dazu auch Heribert Rausch (Fn. 82), S. 29ff.: Ausser Zweifel habe schon damals gestanden, dass „schattige Waldungen die Extreme in den Temperaturen und im Feuchtigkeitszustande der Luft auf eine gewisse Entfernung hin zu mildern vermögen und zur Speisung der Quellen mitwirken". Vgl. die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 14.11.1893 betreffend Revision des Art. 24 BV, BB1 1893 V 10), die man nach heutigem Verständnis als Umweltschutzmotive verstehen könnte: 1. Schutz des Landes gegen die Verheerungen der Wasserläufe (insbesondere bei ausserordentlichen Wasserständen und bei den Wildwasserläufen) durch die Korrektion dieser Wasserläufe selbst und die Erhaltung oder Anpflanzung von Waldungen. Solche Verheerungen sind bemerkenswerterweise bereits damals schädliche klimatische Einflüsse als Anliegen, das sich von den anderen - Schutz gegen Lawinen, Stein- und Eisschläge, Eisabrutschungen, Verrüfungen und ausserordentliche Wasserstände - unterscheidet. Hier wird die Schutzfunktion des Waldbestandes als Ganzes und nicht des einzelnen Waldes über einer einzelnen gefährdeten Stelle angedeutet. Der Bundesrat spricht dieses Thema in seiner Botschaft von 1898 zum BG betr. die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei von 1902 (SR 921.0, BB11898 I I I S. 545 ff.) nicht näher an. Im Vordergrund stehen wie im Bericht an die nationalrätliche Kommission von 1899 (BB1 1899 I I I S. 101 ff.) Fragen der Organisation und Finanzierung im bundesstaatlichen Gefüge. 2. Anlage von Abfuhrwegen oder sonstigen Einrichtungen für den Holztransport anstelle des dem Wald schädlichen Holzschleifens. Die Unterstützung des Bundes für die Verbauung und Korrektion der Wildwasser, wie sie noch heute als Art. 24 Abs. 2 BV gilt, muss heute im Lichte der Bestimmungen über den Natur- und Landschaftsschutz (Art. 24 s e x i e s ) und des Umweltschutzartikels (Art. 24 s e p t i e s ) ausgelegt werden. Dies hat zur Folge, dass nicht nur die Schutzfunktion des Waldes vor Wasser und Schnee, sondern sein Erhalt als Lebensraum für Mensch, Tier und Pflanze überhaupt und als Sauerstoffspender mitzuberücksichtigen ist. 117 Die Bundesverfassung enthält seit 1897 eine Kompetenz des Bundes für die Wasser- und Forstpolizei. Diese war ursprünglich auf die Hochgebirge beschränkt. In einer Änderung von Art. 24 BV (Volksabstimmung vom 11. Juli 1897) wurde diese Einschränkung fallengelassen. Ausschlaggebend war das Motiv, die zu Ungunsten der nicht inbegriffenen Landesteile bestehende Ungleichheit aufzuheben und auch ihnen zu ermöglichen, vom Bunde Subventionen zu erhalten. (Walther Burckhardt, 1. Aufl. (Fn. 114), S. 225). Immerhin sollte bei der Korrektur von Flussläufen und bei der Waldpflege Verheerungen durch Hochwasser vorgebeugt werden. 118 WRG, SR 721.80. Iis Art. 10 WRG. 120 Karl Geiser et al. (Fn. 115), S. 40, 68ff., 136f. 121 Karl Geiser et aL (Fn. 115), S. 69. Der Kommentar betont aber, dass die Gefahr, dass „das Bild einer ganzen Gegend durch die modernen Hotelpaläste gestört werden

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D i e erste Staatstätigkeit, die p r i m ä r e i n Z i e l des Umweltschutzes verf o l g t 1 2 2 , ist i n der Schweiz w o h l der Gewässerschutz. S c h u t z o b j e k t s i n d die ganzen ober- u n d unterirdischen, stehenden u n d fliessenden Gewässer als eine i n sich geschlossene B i o s p h ä r e 1 2 3 . M i t dem Gewässerschutz b e g i n n t der Staat i n grossem U m f a n g f ü r den U m w e l t s c h u t z a k t i v z u w e r d e n u n d G e l d auszugeben 1 2 4 . I V . W a n d e l u n d Besonderheiten der staatlichen I n f o r m a t i o n b e i m U m w e l t s c h u t z 1. Wandel Es lassen sich d r e i A b s c h n i t t e der staatlichen

Umweltschutztätigkeit

u n t e r s c h e i d e n 1 2 5 . I n jedem h a t sich die staatliche I n f o r m a t i o n e r w e i t e r t u n d d a m i t auch verändert: I n einer ersten Periode Artenschutzes

126

des punktuellen

Natur -

und

h a t es K a m p a g n e n z u m Schutz u n d z u r R ü c k s i c h t n a h m e

kann", allzu spät zur Erkenntnis gelangt sei. „Wir wollen nicht untersuchen, wer hiebei die Hauptschuld trägt. Im Vergleich zu den riesigen Fremdenkasernen sahen die älteren Wasserkraftwerke sehr bescheiden aus und störten das Landschaftsbild keineswegs, sie belebten es vielmehr". Immerhin w i r d auch gesagt, Heimat- und Naturschutz seien keine „blossen Bewegungen" mehr, sondern zur Erkenntnis, zur Überzeugung geworden (S. 69 f.). 122 Heribert Rausch (Fn. 82), S. 69: Hauptanliegen des Gewässerschutzgesetzes von 1971 ist die Behandlung aller Abwässer in Kläranlagen. Das Gesetz dient also vornehmlich der Nachsorge, nicht der Vorsorge: Abwässer werden nicht durch Einschränkungen der Produktionsprozesse verhindert, sondern geklärt (Heribert Rausch (Fn. 82), S. 77: „Die Gewässerschutzgesetzgebung nimmt die Abwässer im grossen ganzen als gegeben an."). Das Abwasserproblem wird so zu einem Klärschlammproblem. 123 Unter dem Titel „Öffentliche Gesundheitspflege": „Die Volksgesundheit hängt weitgehend von der Qualität des Trinkwassers ab." (BB1 1953 I I S. 8). Der Bundesrat bewertete die Verlagerung der Abwasserentsorgung aus den Siedlungen in die Gewässer als umweltgefährdend. Vgl. dazu die Botschaft des Bundesrats vom 28. April 1953 über die Aufnahme eines Artikels 2 4 q u a t e r i n die Bundesverfassung Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung, (BB1 1953 I I S. 1 ff.) sowie die Botschaft zum Entwurf eines entsprechenden Bundesgesetzes BB119541S. 333 ff. (insbesondere zum Zweck S. 335f.). 124 Das Bundesengagement sollte vorerst vor allem auf die Forschung der Abwasserklärtechnik konzentriert werden, BB1 1953 I I S. 10 f. Hans Huber lässt i n seinen Ausführungen zum Schutz der interkantonalen Gewässer gegen Verunreinigung (in: Festgabe für Erwin Ruck, Basel 1952, S. 33) den Rang der bei der Gewässerverschmutzimg verletzten - weitgefassten - Güter („Bedarf an Trink- und Brauchwasser, Unversehrheit von Anlagen und des Flussbettes selbst, die Annehmlichkeiten des Badens, die Fischbestände, die Schönheit der ruhenden und der fliessenden Gewässer") offen. 125 So Hardi Gysin (Informationschef i m Bundesamt für Umweltschutz), Umweltinformation im Wandel, in: BUS-Bulletin (hrsg. vom Bundesamt für Umweltschutz) Nr. 3/85, S. 41 ff., S. 42f.; ders. (Fn. 50), S. 57: „Eine ganzheitliche Umweltpolitik muss sich (als querschnittsbezogene Aufgabe) in praktisch allen Politikbereichen niederschlagen." 126 Zum rechtlich normierten Artenschutz vgl. Walter Gfeller, Natur- und Artenschutz (insbesondere der Artenschutz in der Schweiz), Diss. Basel 1979, S. 65 ff.

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gegenüber einzelnen Tier- und Pflanzenarten gegeben. In einer zweiten Periode sind punktuell Umweltverschmutzungen sichtbar und wahrgenommen worden. Diese hat man unterbinden oder verhindern wollen. I n der Öffentlichkeit hatten Bund und Kantone grosse Kreditvorlagen für Umweltschutzanlagen (z.B. Kläranlagen) zu vertreten. Dazu informierten sie über deren Zweck und Notwendigkeit. Heute w i r d der Umweltschutz als eine vorrangige Aufgabe mit Querschnittcharakter verstanden. Sie ist bei allen staatlichen Aktivitäten zu beachten. Man baut aber in hohem Masse auf die Selbstverantwortung der Privaten. 2. Bedürfnisse

Da jeder Einwohner potentieller Umweltverschmutzer ist, muss auch jeder über die Konsequenzen seines Verhaltens im Bilde sein. Dies ist die eine spezifische Aufgabe der Umweltinformation. Die andere liegt darin, die Mitarbeiter privater Betriebe zu informieren, denen Selbstverantwortung anvertraut wird. Zur Wahrnehmung von Selbstkontrolle und Selbstverantwortung bedarf es motivierender Information 1 2 7 . Damit sie richtig, d.h. umweltgerecht und nach Massgabe der Umweltrechtsnormen, wahrgenommen werden, braucht es instruierende Information 1 2 8 . Selbstkontrolle 129 setzt Vertrauen voraus 130 . Eine Aufsicht über die industriellen Betriebe ist nur stichprobenartig möglich. Stichproben sind das 127 Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 8 zu Art. 6. Information über die Umweltbelastung soll insbesondere umfassen: Resultate der Erhebungen (Art. 44 USG) über die Luftverunreinigungen, den Lärm, die Abfallasten usw., die Ergebnisse bestimmter Forschungsarbeiten (Art. 49 Abs. 2 USG) und die Daten einzelner Emissionsquellen. Die Lärmschutzverordnung (vom 15. Dezember 1986, SR 814.331) sieht in Art. 37 die Einrichtung von Lärmbelastungskatastern für bestehende Strassen, Eisenbahnanlagen und Flugplätze vor. Diese können von jedermann eingesehen werden, sofern das Fabrikations- und Geschäftsgeheimnis gewahrt bleibt und keine anderen überwiegenden Interessen entgegenstehen. Die Luftreinhalteverordnung (vom 16. Dezember 1985, SR 814.318.142.1) schweigt über die Frage der Bekanntgabe von Emissionswerten. Das Gesetz lässt aber deren Bekanntgabe im Rahmen von Art. 44 ff. USG zu - bei Wahrung des Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisses und beim Fehlen überwiegender entgegenstehender Interesse. 128 Hardi Gysin (Fn. 125), S. 44, zitiert in diesem Zusammenhang Aurelio Peccei, den Begründer des Club of Rome: Das Entwickeln und Verbreiten ökologischer Weisheit sei heute weit wichtiger als irgendwelche technische Durchbrüche. 129 Hardi Gysin (Fn. 125), S. 49. Nichtsdestotrotz verlangt der Gesetzgeber (Art. 44 USG), dass Bund und Kantone Erhebungen über die Umweltbelastungen vornehmen. Sie dienen einmal der Erfolgskontrolle und andererseits als Entscheidgrundlage für Rechtsetzung und Vollzug. Für einen Überblick des Umweltschutzrechts in der Schweiz aus deutscher Sicht vgl. Günter Heine (Fn. 93), S. 345 ff. Günter Heine sieht auch im Beschwerderecht von gesamtschweizerischen Umweltschutzorganisationen einen Aspekt des Kooperationsprinzips (Art. 55 USG: Die müssen mindestens 10 Jahre vor der Beschwerde gegründet worden sein).

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M i n i m u m staatlicher A u f s i c h t . Diese müssen überraschend auch gegenüber grossen P r i v a t b e t r i e b e n m i t hochtechnisierten P r o d u k t i o n s a n l a g e n d u r c h geführt w e r d e n können. Z u s ä t z l i c h ist die P f l i c h t z u r S e l b s t k o n t r o l l e m i t strengen Straßestimmungen

z u bekräftigen. D i e S t r a f d r o h u n g muss gene-

r a l p r ä v e n t i v e 1 3 1 B r e i t e n w i r k u n g e r z i e l e n 1 3 2 . D i e G e n e r a l p r ä v e n t i o n verdient i h r e n N a m e n n u r , w e n n auch n a c h U m w e l t s t r a f t a t e n u n d - s t r a f t ä t e r n gefahndet w i r d . Dietrich

Schindler

sah bereits 1965 „ E r z i e h u n g u n d A u f k l ä r u n g " als eines

der u n e n t b e h r l i c h e n M i t t e l z u r V e r h ü t u n g der Gewässerverschmutzung 1 3 3 . O b w o h l der Ruf n a c h besserem Gewässerschutz v o n jedem u n t e r s t ü t z t werde, habe n o c h bei w e i t e m n i c h t jeder die Konsequenzen f ü r sich selbst gezogen. Jeder Verschmutzer profitiere davon, dass er als U r h e b e r k a u m ausfindig gemacht w e r d e n könne. E i n s i c h t sei aber auch n ö t i g v o n Seiten der S t i m m b ü r g e r u n d der Behörden, d a m i t sie den B a u der n o t w e n d i g e n A n l a gen beschliessen u n d Opfer auf sich nehmen. N a m e n t l i c h müsse sich die E r k e n n t n i s verbreiten, dass der Schaden i m m e r grösser u n d die Sanierung i m m e r schwieriger werde, je länger m a n m i t w i r k s a m e n

Massnahmen

130 Art. 16 Abs. 3 (Vorschlagsrecht des Inhabers einer sanierungsbedürftigen Anlage), Art. 26 (Selbstkontrolle der Hersteller und Importeure umweltgefährdender Stoffe). Vgl. auch Günter Heine (Fn. 93), S. 346. 131 Als Ausdruck eines sozialethischen Unwerturteils, der Unverbrüchlichkeit einer Norm im allgemeinen Bewusstsein. Vgl. dazu näher Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, Bern 1982, § 2 N. 20ff. 132 Zur Rolle des Strafrechts im schweizerischen Umweltschutzrecht vgl. Günter Heine (Fn. 93), S. 347 ff. m.w.H. Eine Verschärfung regt der Bericht des Regierungsrates des Kantons Basel-Landschaft an den Regierungsrat zur Katastrophe von Schweizerhalle, S. 116 (Ziff. 1.2.5.) an. Das Bundesgesetz über den Gewässerschutz wurde vom Bundesgericht im Lichte des sich wandelnden Umweltverständnisses ausgelegt. Die vollziehenden Behörden sah es ganz allgemein verpflichtet, „gegen die Verunreinigung der ober- und unterirdischen Gewässer diejenigen Massnahmen zu ergreifen, die notwendig sind zum Schutze der Gesundheit von Mensch und Tier, zur Verwendung von Grund- und Quellwasser als Trink- und Brauchwasser usw." 50 BGE 90 I 198 (Spycher u. Rohrer). Ohne Bezugnahme auf behördliche Handlungspflicht BGE 92 I 414 (Bucher). Beachtenswert ist die Bemerkung: „Unter dem Gesichtspunkte des Gewässerschutzes wäre allerdings die Überdüngung für sich alleine belanglos." Gegen eine Verspritzung von Abwässern spreche lediglich die Nähe von Quellen. In BGE 84 1 156 (Sagitta AG), wurde zunächst geklärt, dass Art. 2 des damaligen Gewässerschutzgesetzes nicht bloss Zweckartikel sondern allgemeine Grundlage der Pflicht der Schutzmassnahmen sei (ebenso 861195 f. Rheinsand & Kies AG). „Die Behörden müssen sowohl künftige Verunreinigungen verhindern, als auch bestehende Misstände beseitigen (...). Dabei haben sie den technischen Möglichkeiten Rechnung zu tragen; anderseits haben sie insoweit, als es sich um die Sicherstellung gesunden Trink- und Brauchwassers handelt, keine Rücksicht auf die durch die Massnahmen entstehende wirtschaftliche und finanzielle Belastung zu nehmen". So BGE 90 I 200 (Spycher & Rohrer). Bemerkenswert ist, dass das Bundesgericht hier die Pflicht eines Privaten zur grundwassergerechten Verlegung von Heizöltanks zu beurteilen hatte. Eine aktive staatliche Schutzpflicht war gar nicht Gegenstand des Verfahrens. 133 v g l Dietrich Schindler, Rechtsfragen des Gewässerschutzes in der Schweiz, Zeitschrift für Schweizerisches Recht 1965 II, 387ff.

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zuwarte. Z u r A u f k l ä r u n g u n d E r z i e h i m g gehöre auch die V e r b r e i t u n g der K e n n t n i s der B e s t i m m u n g e n der Gewässerschutzgesetze 1 3 4 . D e r U m w e l t s c h u t z v e r l a n g t eine ständige

Auseinandersetzung

m i t den

unseren Lebensraum bedrängenden F a k t o r e n 1 3 5 . D i e U m w e l t z e r s t ö r u n g ist k o m p l e x , v a r i a n t e n r e i c h u n d w e i s t neben rechtlichen, technische, soziale, w i r t s c h a f t l i c h e u n d d i r e k t d e m o k r a t i s c h - p o l i t i s c h e 1 3 6 Elemente a u f 1 3 7 . D e r U m w e l t s c h u t z u n d m i t i h m die U m w e l t i n f o r m a t i o n greift i n viele Lebensu n d Politikbereiche ein138. D e r Informationschef des Bundesamts f ü r U m w e l t s c h u t z , Hardi

Gysin,

i l l u s t r i e r t das D a r s t e l l u n g s p r o b l e m der U m w e l t i n f o r m a t i o n folgendermassen: „ W e n n Fische m i t den Bäuchen n a c h oben einen Fluss h i n u n t e r treiben, ist offensichtlich, dass h i e r etwas n i c h t m e h r s t i m m t . W i e v i e l schwieriger ist es jedoch, p l a u s i b e l z u machen, dass ein h e r r l i c h b l a u e r H i m m e l n o c h k e i neswegs gesunde L u f t b e d e u t e t 1 3 9 . " 3. Die Information aus der Sicht des privaten Betriebes D i e V e r a n t w o r t l i c h k e i t , I n f o r m a t i o n , K r i t i k u n d Rechtfertigung spielen sich i n einem D r e i e c k zwischen Ö f f e n t l i c h k e i t , Behörden u n d p r i v a t e n U n t e r n e h m e n a b 1 4 0 . H i e r b e i geht es, w i e der Präsident des Verwaltungsrates 134 In ihrem Bericht von 1983 kommt die Geschäftsprüfungskommission zum Schluss, der Gewässerschutz habe einen Grad der Verwirklichung erreicht, der es notwendig mache, die ursprünglichen Zielsetzungen neu zu formulieren. Während es früher im Gewässerschutz darum ging, möglichst alles Abwasser zu erfassen und zu reinigen, gelte es heute, sich von „schematischen Lösungen zu befreien". Heute werde eine Gesamtbetrachtung angestrebt, aus der die Kriterien eines „differenzierten Gewässerschutzes" gewonnen werden. Die ursprünglichen Massnahmen hätten sich zum Teil als zu streng, zum Teil als ungenügend erwiesen. Die Knappheit der verfügbaren öffentlichen Mittel haben verschiedentlich zu Kosten-Nutzen-Überlegungen geführt, nach denen die verschiedenen möglichen Massnahmen des Gewässerschutzes gewichtet würden (Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, Inspektionen 1983, BB1 1984 I I S. 254ff., insbesondere S. 258). 135 Die Erhebungen über die Umweltbelastung erfüllen ihren Zweck nur, wenn sie periodisch durchgeführt und ihre Resultate periodisch publiziert werden (Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 14 zu Art. 6). Die Information zur Einführung von Umweltschutzvorschriften unterscheidet sich von den meisten anderen Gesetzeseinführungen dadurch, dass Bürger und Behörden nicht nur mit den Normen vertraut gemacht werden sollen. Es braucht Information, Motivation und Ausbildung der Kreise, die das neue Recht in einem Bereich der „Selbstverantwortung" handhaben müssen. Dies betrifft neben Personen i n Industrie, Gewerbe und Handeln teilweise auch die öffentliche Hand (Hardi Gysin, Fn. 50, S. 48). 1 36 Hardi Gysin (Fn. 125), S. 42. 137 Hardi Gysin (Fn. 125), S. 41. 138 Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 1 zu Art. 6; Hardi Gysin (Fn. 125), S. 41. 139 Hardi Gysin (Fn. 125), S. 42. ho Eine besondere Situation ergibt sich bei der privatwirtschaftlichen Tätigkeit des Gemeinwesens. Umweltschutz könnte dabei durchaus ein Motiv sein. Vgl. zu den

17 Gegenwartsfragen

Heinrich Ueberwasser

258

der Ciba-Geigy, Alex Krauer,

a u s f ü h r t 1 4 1 , u m Kommunikation:

„Kommuni-

k a t i o n ist m e h r als n u r I n f o r m a t i o n . Sie h a t z w a r i m m e r I n f o r m a t i o n als I n h a l t , ist aber zugleich eine m e h r oder w e n i g e r f r e u n d l i c h e oder feindliche Auseinandersetzung m i t Ideen, M e i n u n g e n oder G e f ü h l e n " 1 4 2 . A l s T e i l der Gesellschaft, der sie b l e i b e n w o l l e , dürfe die W i r t s c h a f t sich n i c h t abgrenzen u n d n i c h t einigeln. Sie müsse sich der D i s k u s s i o n stellen, sich öffnen u n d u m V e r t r a u e n r i n g e n 1 4 3 . U n t e r n e h m e n seien auf die gesellschaftliche A k z e p t a n z angewiesen 1 4 4 .

V. D i e Weitergabe von behördlichem Wissen über private umweltgefährdende Betriebe an die Öffentlichkeit 1. Grundsatz und Funktion Das Umweltschutzgesetz des B u n d e s 1 4 5 v e r p f l i c h t e t jeden, den Behörden die f ü r den V o l l z u g e r f o r d e r l i c h e n 1 4 6 A u s k ü n f t e z u erteilen oder sogar A b k l ä r u n g e n d u r c h z u f ü h r e n oder z u d u l d e n 1 4 7 . D e r e n Ergebnisse k ö n n e n n a c h A n h ö r e n der B e t r o f f e n e n 1 4 8 v e r ö f f e n t l i c h t w e r d e n 1 4 9 , w e n n n i c h t ü b e r wiegende öffentliche oder p r i v a t e Interessen entgegenstehen. I n jedem F a l l ist das F a b r i k a t i o n s - u n d Geschäftsgeheimnis z u w a h r e n 1 5 0 . Schliesslich Motiven, insbesondere zu den „staatspolitischen Motiven": Beat Krähenmann, Privatwirtschaftliche Tätigkeit des Gemeinwesens, Basel 1987, S. 96ff. (102). 141 Alex Krauer, Chemie und Umwelt (Plädoyer für eine offene Kommunikation), Referat vom 6. Januar 1988 vor der Basler Chemischen Gesellschaft. 142 Alex Krauer (Fn. 141), S. 7 des Manuskripts. Krauer bezeichnet Kommunikation im innerbetrieblichen Bereich als das wichtigste Instrument der Führimg. 143 Alex Krauer i n einem Referat („Die Basler Chemie stellt sich der Verantwortung") am 4. November 1987 an der Leuenbergtagung, S. 8 des Manuskripts. 144 Alex Krauer (Fn. 143), S. 11 des Manuskripts. 145 Art. 46 USG. 146 Die Auskunftspflicht besteht also nur im Rahmen des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit (Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 3 ff. zu Art. 46). 147 Zur Entstehungsgeschichte von Art. 47 - wie aus der Idee einer Bestimmung zur Information des Parlaments ein Grundsatz der Information der Öffentlichkeit und eine Konkretisierung von Art. 6 wurde - vgl. Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 1 u. 5 ff. zu Art. 47. 148 Damit sollen unzutreffende Informationen vermieden werden sowie das Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse als solche erkannt werden (vgl. Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 20 zu Art. 47). 149 Wenn sie von allgemeinem Interesse sind. Das allgemeine Interesse, das Art. 47 Umweltschutzgesetz zur Veröffentlichung verlangt, muss nicht landesweit bestehen. Es genügt regionales oder lokales Interesse (Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 19 zu Art. 47). Dies entspricht auch dem föderalistischen Vollzug des Umweltschutzgesetzes (Art. 36 USG, ebenso der Verfassungsgrundlage: Art. 2 4 s e p t i e s Abs. 2 statuiert das Prinzip des kantonalen Vollzugs des Umweltschutzrechts. Vgl. zum Widerstand gegen eine gewichtigere Rolle des Bundes i m Vollzug des USG: Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 4ff. zu Art. 36 USG). 150 Art. 47 Abs. 2 USG. Ähnliche Bestimmungen über die Weitergabe von Informationen finden sich i n Art. 62 f. u. 65 der VO über umweltgefährdende Stoffe (SR

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unterliegen alle m i t dem V o l l z u g beauftragten Personen d e m A m t s g e h e i m nis151. Das E i n h o l e n v o n A u s k ü n f t e n muss m a n sich idealerweise als „ G e s p r ä che" vorstellen, „ w e l c h e die Bereitschaft der Angesprochenen fördern, aus eigener I n i t i a t i v e umweltschonende Verfahren u n d Verhaltensweisen z u w ä h l e n " . Es h a n d e l t sich hier u m eine „ V e r b i n d i m g v o n h o h e i t l i c h e n A u s kunftsbegehren m i t »kooperativen Ü b e r z e u g u n g s s t r a t e g i e n ' " 1 5 2 .

2. In welchen Fällen überwiegt das allgemeine Interesse an der Information das Prinzip der Amtsverschwiegenheit? der Öffentlichkeit

durch Pri-

vate s i n d v o n allgemeinem Interesse u n d g r u n d s ä t z l i c h nicht

Z u den privaten

Interessen: Gefährdungen

ihrer N a t u r

n a c h geheimzuhalten. D i e Gefahr muss allerdings eine reale u n d o b j e k t i v e sein, blosse V e r m u t u n g e n s i n d 1 5 3 n i c h t genügend. D e r Entscheid, ob eine ernstzunehmende Gefahr vorliegt, ist schwierig. D i e Behörden, die über die

814.013), Art. 37 Abs. 2 LärmschutzVO (AS 1987, 338), Art. 6 Gewässerschutzgesetz (SR 814.2), Art. 28f. Giftgesetz (SR 814.8; sowie Art. 67 u. 71 der GiftVO, SR 814.801), Art. 39f. Atomgesetz (SR 732.0; sowie Art. 20ff. StrahlenschutzVO, SR 814.50). Zum Begriff des Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisses vgl. Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 26 zu Art. 47. 151 Art. 47 Abs. 3 USG. Sie unterliegen ebenso dem Datenschutz (Heribert Rausch, Kommentar USG, Rz. 15 zu Art. 6). Art. 47 USG geht nach Ursula Brunner (Kommentar USG, Rz. 2 zu Art. 47) als lex specialis den allgemeinen Richtlinien für die Bearbeitung von Personendaten in der Bundesverwaltung (BB11981 Bd. 11298/1983 Bd. I I 1177/1986 Bd. I I I 1045) vor, die im übrigen aber für die Konkretisierimg des (verbleibenden) Amtsgeheimnisses beachtlich sind. Zum Begriff des Amtsgeheimnisses Walter Buser, Amtsgeheimnis (Fn. 16), S. 56f. Vgl. dazu auch Günter Stratenwerth, Schweizerisches Straf recht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen, 3. Aufl. Bern 1984, § 60 N. 4 m. w. H. Nach Walter Buser, a.a.O., S. 57, ist am Erfordernis der „relativen Unbekanntheit" der Tatsachen, die unter das Amtsgeheimnis fallen, festzuhalten, wenn der Geheimnisbegriff nicht jegliche Konturen verlieren solle. Zum verfahrensrechtlichen Aspekt: Bei der Regelung von Art. 46 f. des Umweltschutzgesetzes handelt es sich um eine Konstellation, in welcher eine Klage auf ein richterliches Verbot drohender Verletzungen praktisch möglich ist (vgl. dazu jetzt auch Art. 28 lit.a Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). I n diesem Falle mag man es auch kaum als Nachteil empfinden, dass das i n Frage stehende Geheimnis dem Richter zur Substantiierung zumindest partiell preisgegeben werden muss. Dies gibt als Nachteil Walter Bus er, a.a.O., S. 55, zu bedenken. Er weist darauf hin, dass ein Streit um eine Beseitigung der Störung einen Geheimnisbruch nicht rückgängig macht, sondern im Gegenteil geeignet ist, erneut auf den unbefugt veröffentlichten Sachverhalt aufmerksam zu machen und damit die Verletzung und ihre Auswirkungen noch zu verstärken. Für einen Überblick über Anwendungen der Amtsverschwiegenheit und die Literatur s. im übrigen Walter Buser, a.a.O., Fn. 1 und S. 57ff., sowie für den Umweltschutzbereich Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 32 ff. 152 So Ursula Brunner, Kommentar USG, Rz. 2 zu Art. 46 m.w.H.: Hier seien oft nicht die Behördenvertreter die Experten, sondern die Verfügungsadressaten. Wenn diese die Grundlagen für Verwaltungsentscheide zur Verfügung zu stellen hätten, so würden sie in eine Situation konfligierender Interessen geraten. 153 Zumal geschäftsschädigend. 17'

Heinrich Ueberwasser

260

Gefahren w a c h e n u n d über die P u b l i k a t i o n entscheiden, b r a u c h e n technischen Sachverstand. Sie tragen eine grosse politische V e r a n t w o r t u n g 1 5 4 . B e i den z u w a h r e n d e n öffentlichen die Staatssicherheit

155

:

Interessen

h a n d e l t es sich e i n m a l u m

I n einem demokratischen Staat muss dieser B e g r i f f

z u r ü c k h a l t e n d u n d einschränkend gedeutet werden. Es k o m m e n deshalb n u r Terrorismus-

oder militärische

Gefährdungen

156

d u r c h die Veröffent-

l i c h u n g v o n genauen Objekt-Standorten (z.B. gefährliche Tanks oder e x p l o sives Lagergut) i n Frage. Es w ä r e auch z u e r w ä g e n 1 5 7 , das Parlament i n die K o n t r o l l e p r i v a t e r Betriebe teilweise einzubeziehen, i n d e m ständige parlamentarische K o m m i s s i o n e n 1 5 8 n i c h t n u r i n die K o n t r o l l t ä t i g k e i t E i n b l i c k nehmen, sondern auch ergänzend m i t eigenen Fragen u n d Auskunftsbegehren d i r e k t an die p r i v a t e n Betriebe herantreten. Sie k ö n n t e n auch i m p o l i t i s c h e n Prozess u n t e r W a h r u n g der erforderlichen V e r t r a u l i c h k e i t - w i c h t i g e I m p u l s e geben u n d die L e g i t i m i t ä t des S e l b s t v e r a n t w o r t u n g s p r i n z i p s f ö r d e r n 1 5 9 .

VI. Schluß Theo Sommer

h a t i n der „ Z e i t " 1 6 0 i m Z u s a m m e n h a n g m i t der K i e l e r

Affäre geschrieben, auch die beste Verfassung biete k e i n e n Schutz dagegen, 154 Zu wahren sind ideelle (Marc Thomas Hauser, Informationsbeschaffung als Rechtsproblem, Diss. Zürich 1978, S. 36f.) wie wirtschaftliche Belange. Es sind auch die Grundsätze der Akteneinsicht heranzuziehen. Vgl. dazu Willy Huber, Das Recht des Bürgers auf Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren - Unter besonderer Berücksichtigung der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und des Kantons Aargau, Diss. St. Gallen 1980, S. 197. 155 Vgl. dazu Marc Thomas Hauser (Fn. 154), S. 38; Erich Maeder (Fn. 7), S. 121 f. 156 Zur Frage der Informations- und Geheimhaltungspraxis des Eidgenössischen Militärdepartements vgl. den Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats, in: Amtliches Bulletin des Nationalrats 1980 (S. 596ff.) samt Diskussion im Nationalrat. Die Geschäftsprüfungskommission empfiehlt: - die Klassifikation „geheim" und „vertraulich" auf ein Mindestmass zu beschränken; - den Kreis der Geheimnisträger möglichst einzugrenzen; - die amtliche Information aus dem EMD kontinuierlich zu gestalten und so zu fördern, dass die Presse weniger in Versuchung gerät, die Nachrichten anderswie zu beschaffen; - alle bekannten Fälle von Indiskretionen streng zu verfolgen (S. 598). 157 Als Ausdruck parlamentarischer Oberaufsicht über die Verwaltung. 158 In der Art von Geschäftsprüfungs-, Finanzkontroll- oder Untersuchungskommissionen. 159 Die Einsetzung einer leistungsfähigen parlamentarischen Kommission würde auch weitgehend Bedenken ausräumen, die gegen Akteneinsicht und damit auch gegen die Information der Öffentlichkeit vorgebracht werden, nämlich die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung (Erich Maeder, Fn. 7, S. 122), die „Erreichung des Verwaltungszwecks" (Willy Huber, Fn. 154, S. 182 ff. m.w.H., spricht hier allerdings Probleme von Massenverfügungen bzw. der überraschenden Anordnung von Massnahmen an) und die Erhaltung privater Informationsquellen, vgl. ders. (Fn. 154), S. 186ff.

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dass Unwürdige an die Spitze gelangen. Aber sie halte das Instrumentarium bereit, mit derlei Verfehlungen im nachhinein fertig zu werden. Meistens genügt es also, Fehler von Staat oder Privaten zu korrigieren und Nachsorge zu treffen. Im Umweltschutzbereich allerdings gibt es zuviele irreversible Schädigungen 161, als dass w i r es uns leisten könnten, nur im nachhinein zu informieren, zu handeln und zu lernen. Es geht darum, der Öffentlichkeit umweltpolitische Notwendigkeiten vor Augen zu führen. In der schweizerischen Demokratie gehen auch die umweltpolitischen Grundsatzentscheide vom Volk aus. Der Öffentlichkeit müssen deshalb die Entscheidungsgrundlagen rechtzeitig vorgelegt werden. Zu den Entscheidgrundlagen gehören auch konkrete Vorschläge. Dass sich dabei bisweilen kaum Alternativen anbieten, ändert nichts am Vorrang des Volksentscheids. Diesen darf die informierende Verwaltung nicht durch die Anwendung von Werbemethoden untergraben und Handlungsalternativen, wo es solche gibt, verschweigen. Thesen 1. Information in der Krise und Katastrophe muss sich auf Information vor der Krise und Katastrophe stützen. Information ist oft das schwächste Glied bei deren Bewältigimg. 2. „Ängste" der Bevölkerung als subjektive Bedrohung der öffentlichen Ordnung sprechen nicht gegen, sondern für Information. „Notlügen" sind auch zur Panikverhinderungn nicht zulässig. 3. Legitime Geheimhaltungsinteressen des Gemeinwesens und des Persönlichkeitsschutzes sind grundsätzlich zu wahren, dürfen aber nicht soweit gehen, dass ein ganzer Bereich staatlicher Tätigkeit vor dem Einblick der Öffentlichkeit abgeschirmt und der öffentlichen Meinungsbildung und K r i t i k entzogen wird. 4. Ausnahmen vom Prinzip der NichtÖffentlichkeit der Verwaltung müssten mindestens auf dem Gesetzgebungsweg erfolgen (Legalitätsprinzip bei der Information). 5. Das Recht zur Empfehlung und Beratung, insbesondere soweit es freiwillige Verhaltensweisen betrifft, bedarf der gesetzlichen Grundlage.

160

Nr. 50 vom 4. Dezember 1987, Titelseite. So ist denn auch die Gefahr irreversibler Zustände ein Kriterium des Bundesamts für Umweltschutz zur Steuerung des Mitteleinsatzes nach Prioritäten. Diese sind im Gewässerschutz entwickelt worden, und zwar neben folgenden Kriterien: besonders hohe Umweltbelastung, nationale Bedeutung des Projekts, Bedeutung der Massnahmen für die Gesundheit des Menschen, Verminderung von nachteiligen Wirkungen für die unterliegenden Regionen. „ A m besten eingesetzt ist der Franken, wenn er die Umweltbelastung an der Quelle reduziert" (Geschäftsprüfungskommission des Ständerates, Inspektionen 1983, BB1 1984 I I S. 258). 161

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Heinrich Ueberwasser

6. Im Umweltschutzbereich gibt es keine umfassende Schweigepflicht. Das für die Verwaltung in der Schweiz geltende Geheimhaltungsprinzip mit Öffentlichkeitsvorbehalt ist hier umgekehrt worden. 7. Die Exekutive muss über ihre Arbeit und ihre Absichten berichten und über die Erfüllung ihrer Aufgaben Rechenschaft geben. Dies ist Voraussetzung der für die (direkte) Demokratie unentbehrlichen öffentlichen Meinungsbildung. Behördliche Information findet dabei ihren Ausgleich i n der Wächterfunktion der Medien. 8. Umweltfachstellen dürfen nicht als Werbeagenturen staatlicher Umweltpolitik wirken. Ihre Aufgabe ist es, den Bürgern durch die Darstellung von Zusammenhängen Einsichten zu vermitteln und sie so zu freiwilligen Verhaltensänderungen zu bewegen. 9. Informationsstellen müssen so leistungsfähig sein, dass sie auch in schwierigen Situationen qualitativ und quantitativ genügend Informationen veröffentlichen können Informationsbeauftragte müssen in einer Verwaltung zentral postiert und über möglichst alle Vorgänge informiert sein. 10. Staatliche Information muss Tatsache und Meinung trennen. 11. Ohne Information genügt das Instrumentarium der Verwaltung nicht zur Verwirklichung der Ziele des Umweltrechts. 12. Die Selbstkontrolle privater Betriebe ist kaum ersetzlich. Zumutbar ist sie aber nur, wenn die Verwaltung zu wirksamen Stichproben in der Lage ist. Zudem muss die Verletzung von Umweltrecht mit hoher Strafe bedroht sein. Nach Umweltstraftätern ist zu fahnden. 13. Der Umweltschutz verlangt eine ständige Auseinandersetzung mit den unseren Lebensraum bedrängenden Faktoren. 14. Als Teil der Gesellschaft, der sie bleiben will, soll die Wirtschaft sich nicht abgrenzen und nicht einigeln. Sie soll sich der Diskussion stellen, sich öffnen und um Vertrauen ringen. Unternehmen sind auf die gesellschaftliche Akzeptanz angewiesen. 15. Gefährdungen der Öffentlichkeit durch Private sind von allgemeinem Interesse und grundsätzlich nicht geheimzuhalten.

Recht auf Information Z u m neuen österreichischen Auskunftspflichtgesetz* V o n C h r i s t o p h Schwaighofer

A.

Einleitung

A m 1. Jänner 1988 t r a t e n i n Österreich insgesamt d r e i a u f e i n a n d e r a b g e s t i m m t e gesetzliche Regelungen i n K r a f t , die die P f l i c h t v o n Behörden, A u s k ü n f t e z u erteilen, n o r m i e r e n 1 . Diese R e c h t s v o r s c h r i f t e n regeln d e n A n s p r u c h des E i n z e l n e n auf Z u g a n g z u v o n der V e r w a l t u n g gehaltenen I n f o r m a t i o n e n , w o b e i auf deren E r t e i l u n g e i n s u b j e k t i v e r A n s p r u c h einger ä u m t w i r d . Gegenstand dieses Beitrages s i n d somit n i c h t (a) I n f o r m a t i o n s flüsse i n einem anhängigen Verfahren, i n d e m der A u s k u n f t s w e r b e r P a r t e i i s t 2 , (b) I n f o r m a t i o n s p f l i c h t e n , die den E i n z e l n e n gegenüber der Behörde treffen 3 , (c) Informationsflüsse zwischen Verwaltungsdienststellen 4 , (d) der Behörde i n allgemeiner Weise u n d ohne einen korrespondierenden Rechtsanspruch aufgetragene I n f o r m a t i o n s p f l i c h t e n w i e „Servicetelefone", „ B ü r gerdienste" u n d ähnliches 5 .

* Im Anhang abgedruckt. Im Text verwendete Abkürzungen entsprechen den Abkürzungs- und Zitierregeln der österreichischen Rechtssprache, hrsg. von Gerhard Friedl und Herbert Loebenstein, i.A. des Österreichischen Juristentages, 2. Aufl., Wien 1987. 1 Bundesverfassungsgesetz vom 15.5.1987, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl 285; Bundesgrundsatzgesetz vom 15.5.1987 über die Auskunftspflicht der Verwaltung der Länder und Gemeinden (Auskunftspflicht-Grundsatzgesetz, BGBl 286; Bundesgesetz vom 15.5.1987 über die Auskunftspflicht der Verwaltung des Bundes und eine Anderimg des Bundesministeriengesetzes 1986 (Auskunftspflichtgesetz), BGBl 287. 2 Grundlegende Norm für das Verwaltungsverfahren ist § 8 AVG 1950; vgl. Antoniolli / Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1986, 271. 3 So z.B. die Auskunftspflicht gem. § 143 Abs. 1 BAO; dazu auch Doralt / Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechtes Bd. II, 2. Aufl., 1988, 204. Sowie zahlreiche Auskunftspflichten im Rahmen des Wirtschaftsrechtes, vgl. Höss, Grundzüge des Auskunftsrechts i n der Förderungs Verwaltung, in: Weng er, Förderungs Verwaltung, 1973, 235; zu der sich aus solchen Auskunftspflichten grundsätzlich ergebenden Problematik Stoll, ÖStZ 1986, 218 sowie Lienbacher, Verwaltungstrafverfahren - Anklageprinzip - Menschenrechtskonvention, ZfV 1986, 536. 4 Zur Amtshilfe gem. Art. 22 B-VG vgl. Walter / Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 6. Aufl., 1988, 201 m.w.N. 5 Dazu ausführlich Pichler, Auskunfts-, Beratungs- und Beschwerdeeinrichtungen in der Verwaltung, in: Oberndorfer (Hrsg.), Bürger und Verwaltung, 1981,117 f.

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Christoph Schwaighofer

Das Ziel dieser Bestimmungen liegt auf der Hand. Sie sollen zu einer Öffnung der Verwaltung dem Bürger gegenüber beitragen und das Bild einer transparenten Verwaltung einlösen. Dem entspricht das wenn auch zögernde Einfließen einer dynamisch geprägten Öffentlichkeit 6 in den Bereich der Verwaltung und damit die Ersetzimg des nach wie vor zäh gehaltenen Arkanprinzipes durch ein an der Abwägung zwischen Geheimhaltungsinteressen und Öffentlichkeitspflichten orientiertes Verwaltungsmodell 7 . Der Abschluß dieser Entwicklung steht freilich noch in weiter Ferne. Der Komplex der auskunftsrechtlichen Normen war ursprünglich als Bestandteil einer umfassenderen VerwaltungsVerfahrensreform vorgesehen 8, die eine Reaktion auf Ereignisse im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um den Bau eines Wasserkraftwerkes in den Donauauen von Hainburg im Dezember des Jahres 1984 darstellten 9 . Aus der Sorge um diese Legitimationskrise heraus 10 und zur Wiederherstellung der Vertrauensgrundlage im verfahrensrechtlichen Bereich wurden neben der Auskunftspflicht, die sich in der Diskussion als relativ unproblematischer Bestandteil herausstellte, auch Maßnahmen zur Verfahrenskonzentration bei Großvorhaben und die Aufnahme eines Bürgerbeteiligungsverfahrens i n das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 (AVG) vorgeschlagen 11 . Insbesondere der letztere Vorschlag ist heftig umstritten, würde er doch in den Augen der Kritiker bei zweifelhaftem Erfolg in der Bewältigung der Legitimitätskrise zur Aushöhlung des klassischen Parteibegriffes führen 12 . 6 Zu diesem Begriff vgl. Nowak / Schwaighofer, Das Recht auf öffentliche Urteilsverkündung i n Österreich, EuGRZ 1985, 725 (728) m.w.N.; vgl. auch Morscher, Öffentlichkeit und Verwaltung, ÖZöR 1980, 39f. 7 Dazu zuletzt Öhlinger, 60 Jahre Verwaltungsverfahrensgesetze - Verwaltungsstrafrechtsreform: Sind die Österreichischen Verwaltungs V e r f a h r e n s g e s e t z e noch zeitgemäß?, Gutachten zum 9. ÖJT, 1985, Bd. 1/2, 25f. 8 RV 838 BlgNR 16. GP, 3; Demmelbauer , Anmerkungen zum geplanten Auskunftspflichtgesetz, OGZ 1986 H. 5, 10. 9 Dazu Holzer, Hainburg, Naturschutz und Rechtsstaat, ZfV 1985, 11; Novak, Rechtsprobleme des Polizeieinsatzes i n der Hainburger Au, ZfV 1985, 373; Welan / Wedl, Der Streit um Hainburg i n Verwaltungs- und Gerichtsakten, 1988. 10 Die RV zur AVG Nov 240 BlgNR 17. GP, 5 (weitgehend übereinstimmend mit 841 BlgNR 16. GP) spielen recht offensichtlich auf diese Ereignisse an: „ I n den vergangenen Jahren ist i n Österreich das Interesse an direkter Demokratie, aber auch an Demokratisierung der Entscheidung der Verwaltung ganz offensichtlich stark gewachsen. Die Probleme des Umweltschutzes, großer Bauwerke, wichtiger Bauvorhaben und andrer in die Zukunft wirkender Maßnahmen erzeugen bei den Menschen eine Betroffenheit, die stärker als i n früheren Zeiten das Bedürfiiis nach mehr Mitbestimmung - auch in der Verwaltung - und die Bereitschaft zu mehr Mitbestimmung und Mitverantwortung hervorruft." 11 Verfahrenskonzentration: RV 239 BlgNR 17. GP; Bürgerbeteiligung: 240 und 241 BlgNR 17. GP. 12 Dazu Wimmer, Allgemeine Strukturprobleme des Rechtschutzes, JB1 1986, 614 (618); Mayer, Die „Demokratisierung" des Verwaltungsverfahrens, Die Verwaltung 1987, 29; Schwarzer, Probleme des Verfahrens bei der Genehmigung umweltbelastender Anlagen - Bemerkungen zur Regierungsvorlage einer AVGNov, ZfV 1987, 397 (404); Mayer, Bürgerbeteiligung zwischen Rechtsstaat und Demokratie, 1988, 41 f.;

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B. Die Auskunftspflicht in der Rechtsordnung I. Historische Entwicklung der auskunftspflichtrechtlichen Regelungen Eine der jetzigen Gesetzeslage ähnliche Regelung bestand schon seit dem Bundesministeriengesetz 1973 (BMG) 1 3 . Gemäß § 3 Z 5 BMG hatten die Bundesministerien im Rahmen ihres Wirkungsbereiches „Auskünfte zu erteilen, soweit eine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit dem nicht entgegensteht". Nach § 4 Abs. 3 BMG haben die Bundesminister „ i n geeigneter Weise dafür Sorge zu tragen, daß die ihren Bundesministerien nachgeordneten Verwaltungsbehörden, Ämter und Einrichtungen des Bundes innerhalb ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit Auskünfte erteilen, soweit eine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit dem nicht entgegensteht". Wenngleich die nunmehrige Regelung ausführlicher und weitergehender ist, so entspricht sie im Kerne doch dem, was schon bisher, zumindest auf der Ebene der Bundesministerien, rechtens war 1 4 . So war in § 3 Z 5 BMG eine Bescheiderlassungspflicht über das Bestehen einer Auskunftspflicht in einem konkreten Fall nicht angeordnet. Ein solcher Anspruch wurde jedoch vom Verwaltungsgerichtshof (im folgenden: VwGH) entwickelt 1 5 . Der Gerichtshof schloß aus dem Umstand, daß ein Recht auf Auskunft im Gesetz eingeräumt sei, darauf, daß dieses auch durchsetzbar sein müsse. Ein das Auskunftsbegehren abweisendes Schreiben eines Bundesministeriums wertete der VwGH daher als einen Bescheid, den er wegen seiner mangelhaften Begründung behob, da pauschale Hinweise auf die entgegenstehende Amtsverschwiegenheitspflicht nicht ausreichten und zwar auch dann nicht, wenn es - wie in diesem Falle - um ein vertrauliches Gutachten gehe. Gleichzeitig stellte der Gerichtshof aber als obiter dictum fest, daß in keinem Fall eine etwaige Auskunftserteilungspflicht im Wege der Säumnisbeschwerde auf ihn übergehen könne. Damit waren nun die grundlegenden Züge der Handhabung der Auskunftspflicht gefunden, die auch in das nunmehrige Auskunftspflichtgesetz (im folgenden: AuskpflG) einflössen. Zwei wesentliche Unterschiede bleiben jedoch festzuhalten. Zum einen änderte sich der Umfang der der Auskunftspflicht unterliegenden Verwaltungsorgane. War die Auskunftspflicht bisher im wesentlichen auf die Ebene der Bundesministerien beschränkt und der Bestand eines subjektiven Auskunftsrechtes hinDolp, Zum Bürgerbeteiligungsverfahren bei umweltrelevanten Großprojekten, ÖJZ 1988, 481 (487). 13 BGBl 389 wiederverlautbart als BMG 1986, BGBl 76; diese Bestimmung fand erst bei den Beratungen der RV Eingang in das Gesetz, dazu Ruppe, Auskünfte und Zusagen durch Finanzbehörden, ÖStZ 1979, 50 (53). 14 Vgl. die EB zur RV 41 BlgNR 17. GP, 3. lg .

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sichtlich der nachgeordneten funktionellen Bundesbehörden und Dienststellen unklar, hinsichtlich der Landes-, der Gemeinde- und übrigen Selbstverwaltung jedoch überhaupt nicht normiert, so erweitern die neuen gesetzlichen Bestimmungen diesen Kreis. Mit Inkrafttreten des AuskpflG wurde daher auch die Auskunftspflicht gemäß § 3 Z 5 BMG aufgehoben (§ 5 Abs. 2 AuskpflG), die wohl eher nur an die Vollziehung gewandte, aber kein subjektives Recht begründende Bestimmimg des § 4 Abs. 3 1 6 bestehen gelassen. Zum anderen versuchte man ein gravierendes Defizit der Durchsetzbarkeit der Auskunftspflicht in den Griff zu bekommen. Durch eine Entscheidung des VwGH über eine Säumnisbeschwerde, mit der die Erlassung eines Feststellungsbescheides über das Bestehen der Auskunftspflicht in einem konkreten Falle begehrt wurde, verließ der VwGH den im Erkenntnis Slg NF 9151/A vorgezeichneten Weg, wonach das Auskunftsverfahren in den nicht supplierbaren Realakt und den einer Überprüfung auf seine Rechtmäßigkeit zugänglichen, das Vorliegen der Auskunftspflicht feststellenden Rechtsakt zerfalle. Er verneinte dies mit der wenig einsichtigen Begründung, daß ihm die Entscheidung über die Feststellung des Bestehens der Auskunftspflicht deshalb verwehrt sei, weil ihm auch die Kompetenz zur Erteilung der Auskunft nicht zukomme, woraus sich die befremdliche Situation ergibt, daß Ansprüche auf Sachentscheidung bestehen 17 , die trotz des Gesetzesbefehles des Art. 132 des Bundes-Verfassungsgesetzes (im folgenden: B-VG) auf den VwGH nicht übergehen 18 . Die Konsequenzen der sich aus dieser Judikatur ergebenden Nichtsanktioniertheit der Bescheiderlassungspflicht waren offensichtlich: am besten fährt die Behörde, wenn sie überhaupt nichts tut 1 9 . Auch dieser unerwünschte Zustand sollte durch die ausdrückliche Trennung der Auskunftserteilung vom Feststellungsverfahren über das Bestehen des Auskunftsanspruches behoben werden.

16 Zustimmend Adamovich / Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1987, 308; ablehnend Oberndorfer, Bürger und Verwaltung - ein Problemaufriß, in: Oberndorfer (Fn. 5), 13 (28); Gröhs, Das bescheidene Fragerecht des Steuerzahlers, SWK, 1985, A V, 35 (36); Nikolaus, Auskünfte von Finanzbehörden nach dem Auskunftspflichtgesetz, 1987, 15. 17 VwSlg NF 9151/A, 402: „Über den Anspruch auf Auskunft ist bescheidmäßig abzusprechen wenn der Anspruch verneint werden soll." 18 Dies ist um so befremdlicher, als es unbestritten ist, daß vor dem VwGH im Säumnisverfahren Feststellungsansprüche generell geltend gemacht werden können, vgl. Binder, Untätigkeit i n der Verwaltung, in: Oberndorfer (Fn. 5), 67 (107); vgl. auch Adamovich / Funk (Fn. 16), 456, die auch für den Bereich der Auskunft einen Feststellungsanspruch anerkennen; sowie Walter / Mayer (Fn. 4), 323; Rill, Säumnis bei Beurkundungen, ZfV 1987, 615 (619). 19 Kritisch daher Oberndorfer (Fn. 16) 28; Morscher, ÖZöR 1980, 69f.

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I I . Verwandte Bestimmungen in der österreichischen Rechtsordnung N e b e n der u n m i t t e l b a r e n V o r g ä n g e r b e s t i m m u n g i m B M G 1986 bestehen weitere besondere A u s k u n f t s p f l i c h t e n , w o b e i h i e r selbstverständlich n u r die V e r p f l i c h t i m g z u r E r t e i l u n g v o n A u s k ü n f t e n d u r c h Behörden, n i c h t aber a n Behörden gemeint ist. So w u r d e i n der Steirischen Landesverfassung 1960 d u r c h die Novelle v o n 1986 2 0 i n § 47 Abs. 1 e i n i n d i v i d u e l l e r A u s k u n f t s a n s p r u c h n o r m i e r t , der i n h a l t l i c h w e i t g e h e n d m i t A r t . 20 Abs. 4 B - V G ü b e r e i n s t i m m t 2 1 . E i n e ebenfalls an den bisherigen § 3 Z 5 B M G angelehnte Regelung auf Landesebene e n t h i e l t § 3 Abs. 4 des K ä r n t n e r Landesgesetzes über die O r g a n i s a t i o n der Bezirkshauptmannschaften 22. B e i den bereichsspezifischen A u s k u n f t s p f l i c h t e n ist an erster Stelle das Recht auf A u s k u n f t s e r t e i l u n g über personenbezogene D a t e n des Betroffenen gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes v o n 1978 2 3 ( i m folgenden: D S G ) z u denken; jene N o r m , die die G r u n d lage f ü r die auf einfachgesetzlicher Ebene näher ausgeführten datenschutzrechtlichen Auskunftsrechte für den öffentlichen ( § 1 1 DSG) u n d den p r i v a t e n B e r e i c h ( § 2 5 D S G ) b i l d e t , B e s t i m m u n g e n , die d e n A n g e l p u n k t z u r D u r c h s e t z u n g datenschutzrechtlicher Schutzansprüche darstellen. Gemäß dem Grundsatz „ l e x posterior generalis n o n derogat legi p r i o r i s p e c i a l i " 2 4 20 LVG v. 9.7.1986, LGB1 86. Vgl. schon die dahingehende Empfehlung bei Morscher, ÖZöR 1980, 70. 21 Dieser Bestimmung w i r d wohl insoweit durch Art. 20 Abs. 4 B-VG derogiert sein, als der von § 47 Abs. 1 erfaßte Kreis der Organe mit der bundesverfassungsrechtlichen Regelung übereinstimmt. Da in § 47 Abs. 1 jedoch der gesamte Wirkungsbereich des Landes und nicht allein die mit Verwaltung betrauten Organe angeführt sind, könnte sich ein weiterer Anwendungsbereich der landesverfassungsrechtlichen Regelung ergeben. Vgl. auch Merli, Die Steiermark - ein direktdemokratisches Paradies?, ÖGZ 1985 H. 12, 2 (6f.); zu weiteren landesverfassungsrechtlichen Regelungen, die freilich kein subjektives Recht normieren Koja, Das Verfassungsrecht der österreichischen Bundesländer, 2. Aufl., 1988, 79f. 22 L G v. 28.1.1982, LGB1 1982/19. Dieser Bestimmung wurde durch Inkrafttreten des AuskpflG hinsichtlich der Bundesvollziehung derogiert. Für den Bereich der Landesvollziehung w i r d diese Bestimmung nach Inkrafttreten des AuskpflGrundsG als anpassungspflichtiges - Ausführungsgesetz zu deuten gewesen sein (so auch die Materialien zum AuskpflGrundsG RV 40 BlgNR 17. GP, 3), welches durch Inkrafttreten des Kärntner AuskpflLG formell derogiert wurde (§ 6 Abs. 2 Kä AuskpflLG). Zur materiellen Derogation von Landesrecht durch Bundesrecht vgl. etwa VfGH Slg 9597, 502 mit weiteren Judikaturbeispielen. 23 BG v. 18.10.1978 über den Schutz personenbezogener Daten, BGBl 565. § 1 Abs. 3 lautet: „Jedermann hat, soweit Daten über ihn automationsgestützt verarbeitet werden, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen das Recht auf Auskunft darüber, wer Daten über ihn ermittelt oder verarbeitet, woher die Daten stammen, welcher Art und welchen Inhaltes die Daten sind und wozu sie verwendet werden." Vgl. Ermacora, Grundriß der Menschenrechte i n Österreich, 1988, 172. 24 Die Geltung dieses Grundsatzes ist nicht selbstverständlich, da lex specialis zu lex posterior im Widerstreit liegen kann (vgl. schon Schima, Der Derogationsbegriff

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sind auf die Pflicht zur Erteilung von Auskünften über personenbezogene Daten weiterhin die Bestimmungen des DSG 1978 anzuwenden. Dies gilt freilich nur insoweit als der Anspruch auf Auskunft nach dem DSG reicht, nicht aber für den gesamten Anwendungsbereich des Grundrechtes auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 1 DSG. Da sich das Grundrecht auf Datenschutz auf alle Formen der Datenerfassung bezieht, und somit auch sog. „konventionelle Daten" 2 5 , die händisch verarbeitet werden, unter den Schutz des Grundrechtes stellt, andererseits die verfahrensmäßige Durchsetzbarkeit dieses Rechtes durch Einräumung von Auskunfts-, Löschungsund Richtigstellungsrechten nur für automationsgestützte Daten gewährt wird, sind für konventionelle Daten ungeachtet des datenschutzrechtlichen Grundrechtsschutzes das AuskpflG bzw. die entsprechenden Landesgesetze (AuskpflLG) anwendbar; insoweit werden also die auskunftspflichtlichen Regelungen nicht durch das DSG verdrängt. An weiteren spezifischen im Bundes- und Landesrecht enthaltenen Auskunftspflichten seien folgende beispielhaft herausgegriffen: Tarifierungsbescheide gemäß § 3 ZolltarifG 1988 26 , Lohnsteuerauskünfte gemäß § 90 EStG 1972, Meldeauskünfte gemäß § 12 Abs. 1 MeldeG 1972, Auskünfte betreffend die Eignung eines Grundstückes als Bauplatz gemäß § 42 der oberösterreichischen Bauordnung (LGB1 1976/35). Ein der Auskunftspflicht verwandtes Institut stellt die Manuduktionspflicht gemäß § 113 BAO bzw. § 13 a AVG dar; dabei handelt es sich allerdings nur um eine auf verfahrensrechtliche Anleitung beschränkte Rechtsbelehrungspflicht der Behörden gegenüber unvertretenen Parteien, deren Effektivität enge Grenzen gesetzt sind 27 .

III. Rechtsvergleichender Überblick Mit der Schaffung einer allgemeinen Auskunftspflicht schließt sich Österreich an eine auch in anderen Staaten festzustellende Entwicklung an, die und seine Bedeutimg für die verfassungsgerichtliche Normkontrolle, ÖJZ 1961, 533, 561 (564f.); siehe auch Thienel, Derogation, in: Walter (Hrsg.), Untersuchungen zur Reinen Rechtslehre II, 1988,11). Dessen Geltung im gegenständlichen Fall ergibt sich allerdings aus § 5 Abs. 2 2. Satz AuskpflG. Dies w i r d im übrigen auch für die landesgesetzlichen Auskunftspflichten gelten. 25 Dazu Stadler , Wirtschaftsinformation und Datenschutz, ÖZW 1979, 9 (11); Stolzlechner, Grundrechtsschutz auch für konventionelle Daten?, in: FS-Hellbling, 1981, 383; Rill , Das Grundrecht auf Datenschutz, in: Duschanek (Hrsg.), Datenschutz in der Wirtschaft, 1981, 27f.; Evers, Der Schutz des Privatlebens und das Grundrecht auf Datenschutz i n Österreich, EuGRZ 1984, 281 (290). 26 Diese Auskünfte über die zolltarifarische Einreihung einer Ware sind, da sie in Bescheidform ergehen, verbindlich, ansonsten haben die i n der Auflistung enthaltenen Auskünfte, was auch für die Lohnsteuerauskunft gilt, keine verbindliche Wirkung, vgl. Doralt / Ruppe (Fn. 3), 153f.; Nikolaus (Fn. 16), 17f. 27 Ausführlich Öhlinger , ÖJT 1/2, 29f.

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auf eine Verstärkung des Informationsflusses von der Verwaltung hin zum Einzelnen und in die Öffentlichkeit im allgemeinen abzielt. Als über konkrete Anlässe hinausgehende Begründung dieser Entwicklung werden folgende Gesichtspunkte genannt: die Entwicklung vom Ordnungs- hin zum Leistungsstaat, mit der gleichfalls eine Änderung der zur Erreichung der Verwaltungszwecke eingesetzten Mittel einhergeht; die zunehmende Übernahme ehemals politischer Planungsfunktionen, so daß - zumindest in Teilbereichen - die konditionale Programmierung des Verwaltungshandelns durch eine finale abgelöst wird, und nicht zuletzt die Fortschritte in der Informationstechnologie, die es der Verwaltung ermöglichen, immer größere Mengen von Informationen zu verarbeiten 28 . Insgesamt zeigt sich also, daß Informationsströme zwischen Verwaltung und Bürger zunehmend asymmetrisch verlaufen und, durch technologische Entwicklungen verstärkt, sich bei der Verwaltung immer mehr Information anhäuft. Wurde ursprünglich darin vor allem ein Mißbrauchsproblem gesehen, dem durch Schaffimg neuer und die Verstärkung bestehender Geheimhaltungspflichten zu steuern sei, so wurde in weiter Folge jedoch erkannt, daß die informationelle Chancengleichheit zwischen Bürger und Verwaltung in diesem Zusammenhang eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt 29 . Damit jedoch nehmen die Bemühungen um die Schaffung von Informationszugriff srechten ihren Anfang 30 . Die historisch ältesten Regelungen eines Zugriffsrechtes auf Informationen, die von Verwaltungsorganen gehalten werden, finden sich in Schweden und lassen sich bis 1766 zurückverfolgen 31 . Die derzeit geltenden und in Verfassungsrang stehenden Bestimmungen der Pressefreiheitsverordnung 1946 normieren ein subjektives, jedermann zustehendes Recht auf Einsicht in die Akten sämtlicher Staats- und Gemeindebehörden, welches nicht an 28 Vgl. etwa Gurlit, "Freedom of Information" - Ein Instrument zur Überwindimg staatlicher Geheimhaltungspraxis, Vorgänge 1985 H. 6, 95f. 29 So machen etwa Scholz / Pitschas, Informationstechnik zwischen Bürokratie und Datenschutz, AöR 1985, 489 (520) auf die sich aus der technikgestützten Information und Kommunikation ergebende „neue Öffentlichkeit" aufmerksam. Überhaupt ist einer der wesentlichen Züge der derzeitigen Entwicklung der Informationstechnologie vom Schritt von der Datenverarbeitung hin zur Datenkommunikation gekennzeichnet [vgl. Mayntz, Die Organisation des informationstechnischen Innovationsprozesses in der staatlichen Verwaltung, Die Verwaltung 1986, 417 (428)]. Hier greifen repressive Kontrollmechanismen freilich immer weniger. 30 So hat auch das Ministerkommittee des Europarates die Empfehlung R (81) 19 "on the access to information held by public authorities" abgegeben. Auf diese berufen sich auch die Erläuternden Bemerkungen zur RV 39 BlgNR 17. GP, 3. Zwar läßt die genannte Empfehlung in Art. I I offen, wie diese Informationen zu erlangen sind, die Vorgeschichte der Empfehlung deutet jedoch darauf hin, daß i n erster Linie damit der Zugang zu Akten gemeint ist, vgl. Explanatory Report H (82) 1 v. 1.3.1982 zu R (81) 19. 31 Vgl. Holstad, Sweden, in: Rowat, Administrative Secrecy in developed Countries, 1979, 29.

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den Nachweis eines besonderen Interesses gebunden ist. Aktenstücke, die diesem Einsichtsrecht unterliegen, sind zum einen bei Behörden „eingegangene Schriftstücke", zum anderen „errichtete Schriftstücke", die also das Ergebnis einer behördlichen Willensbildung darstellen 32 . Solche Aktenstücke unterliegen daher dem Einsichtsrecht, soweit sie nicht in eine der in Kap. 2 Art. 2 leg. cit. genannten und durch das Geheimhaltungsgesetz 1937 näher ausgeführten Kategorien fallen; nur in Ausnahmefällen kann ein von dem Dokument Betroffener vom Einsichtsrecht ausgeschlossen werden. Wird die Einsicht verweigert, so steht dagegen der verwaltungsgerichtliche Rechtszug offen. Ein der schwedischen Rechtslage nachgebildetes Recht auf Zugang zu Informationen, die von Verwaltungsorganen gehalten werden, findet sich auch in den übrigen skandinavischen Staaten , wobei die finnische Regelung am nähesten zur schwedischen steht, die dänische und norwegische sich hingegen durch eine weniger kasuistische Bestimmung der Dokumente, die von der Einsicht ausgenommen sind, auszeichnet und im Ergebnis zu einem eingeschränkteren Einsichtsrecht kommt. Auch in den Vereinigten Staaten besteht aufgrund des "Freedom of Information Act (FOIA)" 3 3 ein subjektives, jedermann zustehendes Recht auf Zugang zu Informationen, die von der Verwaltung gehalten werden. Soweit die betreffenden Akten nicht unter eine der neun i m FOIA aufgezählten Geheimhaltungstatbestände fallen, sind diese zugänglich zu machen oder es ist innerhalb einer Frist von 10 bis 30 Tagen das Begehren abzulehnen. Bei Nichteinhaltung dieser Frist greift eine Ablehnungsfiktion, die vor den Gerichten bekämpfbar ist. Zur Überprüfung der behördlichen Entscheidung sind den Gerichten die betreffenden Dokumente vorzulegen 34 . Seit 1978 besteht auch in Frankreich ein Recht auf Zugang zu Informationen der Verwaltung 35 . Danach hat jedermann Zugang zu Aktenstücken der Verwaltung, wobei dieses Recht nicht an ein besonderes Interesse gebunden ist. Aus bestimmten, im Gesetz aufgezählten Gründen wie etwa dem 32 Vgl. Mahrer , Die Öffentlichkeit amtlicher Akten i n Schweden, Zeitschrift für Schweizerisches Recht, 19691, 317 (324 f.). Diese beiden Elemente haben daher auf die Gestaltung der Behördenorganisation und die Kommunikation zwischen Behörden großen Einfluß, so Rowat, Comparative Survey, in: Rowat (Fn. 31), 1 (5). 33 Publ L No 89-554, 80 Stat 383, 5 USC § 552 (1982). Die Stammfassung stammt aus 1966 und wurde mehrmals novelliert. Vgl. Rehbinder , Die Informationspflicht der Behörden im Recht der Vereinigten Staaten, 1970; Wald, The Freedom of Information Act: A short Case Study in the Perils and Paybacks of Legislating Democratic Values, 33 Emory Law Journal, 1984, 649 (657f.); Singer, United States, in: Rowat (Fn. 31), 309; Gurlit, Vorgänge 1985 H. 6, 98f. 34 Kritisch zur jüngsten Entwicklung, die den FOIA zunehmend in seiner Wirkung abschwächt, Goldston / Granholm / Robinson, A Nation less secure: Diminished Public Access to Information, 21 Harvard Civil Rights - Civil Liberties Law Review, 1986, 409. 35 De la liberté d'accès aux documents administratifs, Gesetz Nr. 78-753 v. 17.7.1978, Journal officiel 18.7.1978; vgl. dazu Chapus, Droit administratif général, 1987, 363f.

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Schutze der Verteidigungspolitik, dem Geschäftsgeheimnis oder aus Gründen des Datenschutzes kann die Einsichtnahme in ein Dokument verweigert werden, wenn dieses in eine jener Gruppen gehört, die durch Ministerialverordnung näher zu spezifizieren sind. Die Verweigerung der Einsichtsgewährung hat durch schriftliche und begründete Entscheidung zu erfolgen, wobei nach Ablauf von zwei Monaten die Verweigerung fingiert wird. Diese Entscheidung kann bei einer besonderen unabhängigen Kommission, der „Commission d'accès aux documents administratifs" bekämpft werden. Diese Kommission hat auch jährlich einen Tätigkeitsbericht zu veröffentlichen, i n den gewöhnlich auch deren wichtigste Entscheidungen aufgenommen werden. Vergleicht man die österreichische Rechtslage mit der in den oben aufgezählten Ländern, so fällt der anders gelagerte Zugang zum Problem des Informationszugriffes auf. Alle aufgezählten Länder haben gemeinsam, daß Gegenstand der Information stets von der Verwaltung gehaltene Dokumente darstellen, der Zugang zu diesen also durch allgemeines Akteneinsichtsrecht verwirklicht wird. Soweit auch die Weitergabe von mündlichen Informationen vorgesehen ist (etwa in Schweden), hat diese lediglich ergänzende Funktion. Gegenüber dem Zugang zu Dokumenten, der als ein unmittelbarer Zugriff auf Informationen aufgefaßt werden kann, stellen Auskünfte, was immer man im konkreten darunter verstehen mag 36 , jedenfalls eine mittelbare Weitergabe dar. Dieses Einschalten einer Person zwischen Information und Informationssuchenden, die vielfach auch ein entscheidungsbefugtes Organ darstellt, w i r d meist nicht zufällig gewählt, sondern findet sich vor allem dort, wo langfristige Entscheidungsdispositionen in einem Dauerrechtsverhältnis betroffen sind. Solche Auskunftsrechte, vor allem im Steuerrecht, finden sich daher auch in Staaten, die kein allgemeines Zugangsrecht zu Dokumenten der Verwaltung kennen (etwa BRD und Schweiz) und sind häufig mit einer gewissen Bindungswirkimg für die Behörde ausgestattet 37 . C. Die rechtliche Ausgestaltung der Auskunftspflicht I. Der Komplex der auskunftsrechtlichen Bestimmungen Die Grundlage der Auskunftspflicht stellt Art. 20 Abs. 4 B - V G 3 7 a dar. Art. 20 B-VG legt in allgemeiner Weise gewisse Grundsätze für die Führung der Verwaltung, darunter das Weisungsprinzip und die Amtsverschwiegen36

Vgl. C. II. 2. Einen Überblick über die diesbezügliche Rechtslage i n der BRD, der Schweiz, Schweden und USA bietet Nikolaus (Fn. 16), 20 f. 37a Als Anhang I abgedruckt. 37

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heit fest. An die Regelung der Amtsverschwiegenheit i n Abs. 3, die im Zuge der Novellierung neu gefaßt wurde, schließt sich die Regelung des neuen Abs. 4 an. Abs. 4 hat eine doppelte Funktion: zum einen begründet er eine allgemeine Auskunftspflicht, die unter einem gesetzlichen Ausführungsvorbehalt steht, zum anderen stellt er eine Kompetenznorm dar. Um einigermaßen das föderalistische Gesicht zu bewahren, wurde anstatt einer ursprünglich vorgesehenen ausschließlichen Bundeskompetenz 38 hinsichtlich der Landesverwaltung eine Bundesgrundsatzgesetzgebungskompetenz und Länderausführungsgesetzgebungskompetenz geschaffen, dies mit dem erkennbaren Ziele einer möglichst einheitlichen Regelung der Auskunftspflicht im gesamten Bereich der Verwaltung. Der den Ländern eingeräumte Spielraum ist daher nicht eben groß, das Grundsatzgesetz übernimmt die wesentlichen Züge des Auskunftspflicht-Bundesgesetzes. Lediglich hinsichtlich der Frist, innerhalb derer die Auskunft zu erteilen ist, und hinsichtlich des Umfanges der Auskunftspflicht ist den Ländern ein Spielraum eingeräumt 39 . Für die Erlassung solcher Durchführungsgesetze wurde den Ländern ein Zeitraum von 6 Monaten eingeräumt, nach dessen Ablauf die Gesetzgebungskompetenz vorübergehend an den Bund devolvieren würde 4 0 . Bisher haben fünf der neun Bundesländer entsprechende Ausführungsgesetze erlassen 41, wobei ein gemeinsamer Musterentwurf der Länder zugrundegelegt wurde 4 2 . Dieser Musterentwurf lehnt sich so stark an das Bundesgesetz an, daß eine weitgehende Identität der Auskunftspflicht für den Bundes- und Landesbereich gegeben sein wird. Im folgenden sollen daher die einzelnen Grundzüge der Auskunftspflicht anhand des Auskunftspflicht-Bundesgesetzes behandelt werden.

IL Das Auskunftspflichtverhältnis Durch die Stellung eines Begehrens auf Auskunftserteilung wird eine Reihe von wechselseitigen Rechten und Pflichten zwischen dem Auskunftsbegehrenden und dem zur Auskunft berufenen Verwaltungsorgan ausgelöst. So trifft das Organ vor allem die Pflicht zur fristgerechten Beantwortung 38

So noch Art. I Z. 4 der RV 838 BlgNR 16. GP, 4. So die §§ 3, 5 und 6 AuskpflGrundsatzG. 40 Gem. Art. 15 Abs. 6 B-VG, dazu Mayer , Zur Devolutionskompetenz nach Art. 15 Abs. 6 B-VG, ÖJZ 1985, 545. 41 Wien: Wiener Auskunftspflichtgesetz v. 25.4.1988, LGB1 20; Kärnten: Kärntner Auskunftspflichtgesetz v. 19.5.1988; Niederösterreich: Niederösterreichisches Auskunftsgesetz v. 19.5.1988, LGB1 0020-0; Oberösterreich: Oberösterreichisches Auskunftspflichtgesetz v. 1.7.1988, LGB146 und Salzburg: Salzburger AuskunftspflichtAusführungsgesetz v. 6.7.1988, LGB1 73. 42 Musterentwurf eines Landes-Auskunftspflichtgesetzes, ausgearbeitet von der Verbindungsstelle der Bundesländer (VST-448/126 v. 17.10.1986), abgedruckt in Liehr, Kommentar zum Niederösterreichischen Auskunftsgesetz, 1988, 40 ff. 39

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bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 1 AuskpflG), auch können begleitende Informationspflichten entstehen, wenn dem Begehren nicht innerhalb der Frist entsprochen werden kann (§ 3 AuskpflG). Weiters hat das Organ das Recht, dem Auskunftsbegehrenden die Substantiierung seines Begehrens in Schriftform aufzutragen (§ 2 AuskpflG), und insoweit trifft den Auskunftswerber auch eine Mitwirkungspflicht am Auskunftserteilungsverfahren. Letztendlich kann bei Säumigkeit des zur Auskunftserteilung berufenen Organes durch den Auskunftsbegehrenden eine diese treffende Bescheiderlassungspflicht ausgelöst werden (§ 4 AuskpflG). Alle diese Elemente legen es daher nahe, im Auskunftsverhältnis nicht bloß ein schlichtes Verwaltungshandeln 43 zu sehen, sondern ein Rechtsverhältnis. Dieses ist freilich im Vergleich zu jenem, das auf die Erlassung eines individuellen Verwaltungsaktes 44 abzielt, weniger durchstrukturiert, da die Bestimmungen des AuskpflG nur wenige Grundlinien für die Handhabung der Auskunftspflicht enthalten. Nur für das dem Auskunftspflicht-Verfahren eingefügte bzw. diesem nachgelagerte Bescheiderlassungsverfahren (§ 4 AuskpflG) gelten die Bestimmungen des AVG 1950 bzw. eines anderen, von der Behörde in jenen Verwaltungsangelegenheiten anzuwendenden Verfahrensgesetzes, hinsichtlich derer die Auskunft begehrt wurde. Damit erweist sich jedoch die Regelung des Auskunftsverfahrens als äußerst lückenhaft. So können etwa die Art der Berechnung der Fristen, die Kriterien, die zur Feststellung der für den Fristenlauf relevanten Ereignisse heranzuziehen sind, oder die Behandlung von Auskunftsbegehren, deren Beantwortung nicht in den Wirkungsbereich des betreffenden Organes gehört, nicht dem AuskpflG unmittelbar entnommen werden. Da diesbezüglich vom Gesetz auch nicht die subsidiäre Anwendung einer anderen Verfahrens Vorschrift - etwa des AVG 1950 - angeordnet ist, wird man wohl eine echte Lücke annehmen

43 Vgl. zu diesem Begriff Öhlinger, Rechtsverhältnisse i n der Leistungsverwaltung, W d S t R L 45 (1987), 182 f. und v. Mutius et al. (Hrsg.), HÖV, Bd. 1, 1984, 179 sowie Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 1983, 312f. Damit ist nicht die dem österreichischen Verwaltungsrecht fremde Kategorie des „schlichthoheitlichen Verwaltungshandelns" gemeint [dazu Adamovich / Funk (Fn. 16), 146, sowie Antonioiii / Koja (Fn. 2), 23f.], also ein besonderer Verwaltungszweig, sondern bestimmte Verwaltungshandlungen [i. d. S. auch Puck, Nichthoheitliche Verwaltung Typen und Formen, in: Ermacora et al. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht (= FSAntoniolli), 1979, 275 (293)], denen gewöhnlich Rechtscharakter abgesprochen wird. Der ausschließliche Dualismus von hoheitlicher und Privatwirtschaftsverwaltung erweist sich gerade angesichts der übergreifenden Regelung der Auskunftspflicht als problematisch. Zwar kann, wie dies etwa Adamovich / Funk (Fn. 16), 148 machen, eine Aufsplitterung der Auskunftstätigkeit der Organe je nach Art des zu beauskunftenden Verwaltungshandelns erfolgen, doch dürfte damit den Intentionen des Gesetzgebers, der eine übergreifende Regelung erzielen wollte, kaum Rechnung getragen sein; zweckmäßiger dürfte die Deutung des Auskunftsverfahrens als eines bereichsneutralen Verfahrens sein. 44 Vgl. zu diesem Begriff Funk, Verwaltungshandeln und Verwaltungsakt, in: FSAntoniolli (Fn. 43), 157; Adamovich / Funk (Fn. 16), 361f.; Antonioiii / Koja (Fn. 2), 468 f., jeweils m.w.N.

n a g e

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müssen, die zweckmäßigerweise und im Sinne des Gesetzes durch analoge Anwendimg des § 4 Satz 2 AuskpflG zu schließen ist. Im folgenden sollen nun die Grundzüge des Auskunftsverhältnisses dargestellt werden. 1. Der Auskunftsverpflichtete, der Auskunftsberechtigte

Die Auskunftspflicht trifft „alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts" (Art. 20 Abs. 4 B-VG) 4 5 . Der Begriff Organ wurde vom Gesetzgeber mit Bedacht gewählt. Durch dessen Gebrauch soll zum Ausdruck gebracht werden, daß alle für juristische Personen öffentlichen Rechts tätigen Organe zur Auskunftserteilung berufen sind und nicht bloß jene, die hoheitliche Aufgaben besorgen. Neben Verwaltungsbehörden werden also alle mit Verwaltungsaufgaben betrauten Organe, einschließlich jener, die Agenden der Privatwirtschaftsverwaltung besorgen, zur Auskunftserteilung berufen. Beachtung verdient weiter der vom Gesetzgeber verwendete Begriff der „Körperschaft öffentlichen Rechts", da dessen Verwendung innerhalb der österreichischen Rechtsordnung keineswegs einheitlich ist. Zum einen kann damit eine Sammelbezeichnung für juristische Personen des öffentlichen Rechtes gemeint sein 46 , aber auch eine durch personales oder territoriales Substrat ausgezeichnete Untergruppe des Überbegriffes „juristische Person des öffentlichen Rechtes" 47 . Für einen weiten Begriff der Körperschaft öffentlichen Rechts und damit die erste Bedeutung spricht zweierlei: Zum einen darf die Trennschärfe der Begriffsbildung nicht überbewertet werden; auch dort wo der Gesetzgeber neben Körperschaften auch andere juristische Personen des öffentlichen Rechts nennt, knüpfen sich an deren Anführung meist keine rechtserheblichen Konsequenzen 48 . Zum anderen wäre es nicht 45 Bei der Zuordnung der Organe zur Bundes- oder Landesverwaltung ist nicht von einem organisatorischen, sondern einem funktionellen Organbegriff auszugehen. Dies ist angesichts des im österreichischen Verwaltungssystem häufig gebrauchten „dédoublement fonctionnel" insb. i n Form der „mittelbaren Bundesverwaltung" gem. Art. 102 f. B-VG und der Scheidung in bundes- und landesgesetzlich geregelte Auskunftspflicht zu beachten. 46 So die Verwendung dieses Begriffes im Steuerrecht, vgl. etwa § 34 Abs. 2 BAO (dazu Stoll, Bundesabgabenordnung - Handbuch, 1980, 91 f.) und § 2 Abs. 1 KStG. 47 Dazu Antonioiii / Koja (Fn. 2), 298f.; Adamovich / Funk (Fn. 16), 316f.; Pauger, Die juristische Person öffentlichen Rechts und die juristische Person privaten Rechts, ZfV 1986, l f . ; grundlegend Winkler, Rechtspersönlichkeit der Universitäten, 1988, 292 f. 48 So sind in Art. 23 Abs. 1 B-VG als der Amtshaftung unterliegend unter anderem die „sonstigen Körperschaften und Anstalten öffentlichen Rechts" genannt, im § 1 Abs. 1 des Amtshaftungsgesetzes hingegen die „sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Träger der Sozialversicherung" genannt. Dennoch wird davon

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einsichtig, wenn einerseits auf die Führung von Verwaltungsaufgaben abgestellt wird, andererseits aber wichtige Teilbereiche, die von Anstalten und Fonds besorgt werden, ausgeklammert wären 49 . Aus dem Abstellen des Gesetzgebers auf die Besorgung von Verwaltungsaufgaben folgt weiters, daß damit die Tätigkeit von Organen der Gerichtsbarkeit, soweit sie ihr richterliches Amt ausüben und nicht Agenden der Justizverwaltimg erledigen, von der Auskunftspflicht ausgeschlossen sind 5 0 . Dies betrifft freilich nur richterliche Organe i. S. d. dritten Hauptstückes des B-VG. Andere Bundes- oder Landesbehörden, die materielle Rechtsprechung ausüben, insbesondere sog. Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag gemäß Art. 133 Z 4 B - V G 5 1 sind von der Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht ausgenommen. Eine Besonderheit in der Auskunftspflicht besteht hinsichtlich der Organe der beruflichen Selbstverwaltung. Diese haben nur einem gegenüber den übrigen auskunftspflichtigen Organen eingeschränkten Personenkreis - ihren Mitgliedern - Auskünfte zu erteilen, zum Ausgleich ist jedoch die Intensität der sie treffenden Auskunftsverpflichtung gesteigert. Sie können die Behandlung von Auskunftsbegehren erst dann ablehnen, wenn sie durch deren Beantwortimg an der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben verhindert sind 52 . Alle diese Organe haben Auskünfte über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches zu erteilen. Der Wirkungsbereich eines Organes, insbesondere einer Behörde, ergibt sich aus den; Zusammenhalt von Normen, die deren sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit regeln 53 . Da sowohl ausgegangen, daß der Begriffsumfang jeweils gleich ist und i m Ergebnis alle juristischen Personen öffentlichen Rechts erfaßt, vgl. auch Antonioiii / Koja (Fn. 2), 302 f. mit weiteren Beispielen. 49 Auf die Probleme, die der Begriff der Körperschaft öffentlichen Rechts aufwirft, soll hier nicht näher eingegangen werden. Insbesondere kann m.E. für die gegenständliche Frage dahingestellt bleiben, ob nur solche Personenvereinigungen, die Hoheitsgewalt ausüben, als Körperschaften öffentlichen Rechts anzusprechen sind [so Antonioiii / Koja (Fn. 2), 297 f.] oder ein weiterer, an der Wahrnehmung von Aufgaben öffentlichen Interesses orientierter Begriff [so Stolzlechner, Öffentliche Fonds, 1982, 58f.; Adamovich / Funk (Fn. 16), 316f.] verwendet wird, wobei die enge Auffassung ohnehin nicht durchgehalten wird, wenn sog. „Interessengemeinschaften", etwa Jagdgenossenschaften, auch in den Begriff aufgenommen werden [Antonioiii / Koja (Fn. 2), 299]. Inwieweit eine Körperschaft öffentlichen Rechtes der Auskunftspflicht unterliegt, setzt stets die Prüfung voraus, ob tatsächlich Verwaltungsaufgaben besorgt werden, was gerade bei den genannten Interessengemeinschaften mitunter zweifelhaft sein kann. So verneint etwa Rose-Kaan, Die Wassergenossenschaft und ihre Mitglieder, ZfV 1988, 21 f., eben dies für Wassergenossenschaften. 50 Zum hier relevanten Begriff der Justizverwaltung siehe unten E. II. 51 Dazu Pemthaler, Die Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag, 1977. 52 Diese Einschränkung ist aus dem primär auf die Mitglieder ausgerichteten Aufgabenkreis verständlich, der gänzliche Wegfall der Möglichkeit der Einholung von Auskünften bezüglich des Wirkungsbereiches von beruflichen Selbstverwaltungskörpern gegenüber Dritten ist jedoch nicht sachgerecht, hier wird aber die Möglichkeit bestehen, daß in diesen Fällen die Aufsichtsbehörden die Auskunftspflicht trifft. Vgl. auch Harbich, Akteneinsicht, Amtshilfe und Auskunftspflicht, AnwBl 1988, 3 (24).

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die örtliche als auch die funktionelle Zuständigkeit lediglich im Hinblick auf die förmliche Erlassung eines Verwaltungsaktes von Bedeutung sind, sind sie bei der Auskunftspflicht kaum von Ausschlag 54 . M i t dem Wirkungsbereich ist damit in erster Linie der sachliche Zuständigkeitsbereich, also ganz allgemein der abstrakte Aufgabenbereich eines Organes gemeint. Soweit dieser reicht, steht es dem Auskunftswerber zu, für sein Auskunftsbegehren jenes unter mehreren sachlich zuständigen, aber nach den Kriterien der örtlichen und funktionellen Zuständigkeit gegeneinander abgegrenzten Organen nach seinem Belieben auszuwählen. Eine Ausnahme wird sich nur i n jenen Fällen ergeben, in denen eine Auskunft über eine Angelegenheit begehrt wird, die ein schon anhängiges Verwaltungsverfahren betrifft. Das Recht auf Auskunft steht jedermann 55 zu, Voraussetzung ist lediglich ein entsprechendes formungebundenes Begehren, das mündlich, telephonisch, telegraphisch, schriftlich oder fernschriftlich angebracht werden kann 5 6 . Grundsätzlich ist die Darlegung eines besonderen Auskunftsinteresses nicht Voraussetzung 57 , eine Einschränkung ergibt sich lediglich daraus, daß das Begehren nicht offenbar mutwillig sein darf. Bei einem mündlichen oder telephonischen Begehren kann dem Auskunftswerber überdies eine schriftliche Ausführung aufgetragen werden, wenn das Begehren nicht hinreichend klar ist 5 8 . 2. Der Gegenstand: Die Auskunft

Zum Gegenstand der Auskunftspflicht vermerkt der Gesetzgeber nur lapidar, daß „Organe ... Auskünfte zu erteilen (haben), soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht" (Art. 20 Abs. 4 B-VG). Der Begriff der Auskunft w i r d in keiner diesbezüglichen Rechtsvorschrift näher erläutert, was insofern Probleme aufwirft, als es sich dabei keineswegs um einen nach seinem Inhalt eindeutigen Begriff handelt 59 . Es über53 Dazu Walter / Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 3. Aufl., 1984, 28f.; Antonioiii / Koja (Fn. 2), 309f. Zu den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten hinsichtlich der Regelungskompetenz vgl. Stoizner , Ist der Organisationsgesetzgeber berechtigt Zuständigkeitsnormen zu erlassen?, ÖJZ 1986,135f. 54 So im Ergebnis auch Liehr (Fn. 42), 57f.; a.M. Nikolaus (Fn. 16), 29f., der wohl ganz allgemein die für das förmliche Verwaltungsverfahren geltenden Zuständigkeitsregelungen analog herangezogen wissen w i l l und dem Auskunftswerber nur im Bereich der funktionellen Zuständigkeit ein Wahlrecht zugesteht. 55 Zur Frage der „Popularauskünfte" vgl. Nikolaus (Fn. 16), 28. 56 Zur Qualifizierung eines mittels Telefax angebrachten Auskunftsbegehren vgl. Liehr (Fn. 42), 50 f. 57 So Rundschreiben des BKA zum AuskpflG v. 16.2.1988, GZ 602.960/32-V/1/87. 58 Folgt der Auskunftswerber diesem - nicht als Bescheid aufzufassenden - Auftrag (so 41 BlgNR 17. GP, 3) nicht, so w i r d dadurch die Frist zur Erteilung der Auskunft gem. § 3 AuskpflG gehemmt; vgl. dazu auch Nikolaus (Fn. 16), 28.

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rascht daher nicht, daß in der bisherigen Literatur ein weiterer und ein engerer Auskunftsbegriff vertreten wird 6 0 . Unbestritten ist lediglich, daß es sich bei Auskünften um Wissenserklärungen eines Organes handelt, eine Aussage, die sich auch in den Erläuternden Bemerkungen (im folgenden: EB) findet 6 1 . Damit wird an die gebräuchliche Terminologie angeknüpft, die von einer Scheidung in Willens- und Wissenserklärungen ausgeht 62 , wobei Willenserklärungen als normative verbindliche Akte aufgefaßt und Wissenserklärungen gegenübergestellt werden, denen es eben am normativen Gehalt fehlt. I n der österreichischen Terminologie ist i m übrigen die Scheidung zwischen Zusagen und Auskünften nicht gebräuchlich 63 . Ob eine verbindliche oder unverbindliche Auskunft vorliegt, ist daher aus den jeweiligen Rechtsvorschriften zu ermitteln. Für den Eintritt einer Bindungswirkung w i r d regelmäßig die Erlassung eines entsprechenden Bescheides Voraussetzung sein. Soweit eine Typisierung der Auskünfte ihrem Gegenstand nach versucht wurde, so stützen sich die meisten Autoren auf die von Monreal verwendete Einteilung 6 4 . Dieser unterscheidet Tatsachen- und Rechtsauskünfte, wobei letztere in Tatbestands- und Rechtsfolgenauskünfte zerfallen. Während Tatsachenauskünfte Informationen über faktische Gegebenheiten vermitteln, beziehen sich Tatbestandsauskünfte auf Tatbestandsmerkmale einer Norm, wobei die auskunftserteilende Behörde „ihr Wissen über die Bedeutung und den Sinngehalt eines Tatbestandsbegriffes offen (legt)" 65 . Rechtsfolgenauskünfte haben hingegen Informationen darüber, welche Rechtsfolgen an einen bestimmten Sachverhalt zu knüpfen seien, zum Gegenstand. A l l diese Formen von Auskünften sind vom AuskpflG erfaßt. Auf den praktischen Wert dieser Unterscheidungen braucht hier nicht eingegangen zu 59 Harbich , AnwBl 1988, 26; Achaz, Das Auskunftspflichtgesetz - Rechtsnatur und Rechtswirkungen von behördlichen Auskünften insbesondere im Steuerrecht, ÖNZ 1988, 209 (210). 60 Einen umfassenden Auskunftsbegriff vertreten Nikolaus (Fn. 16), 26; Achatz , ÖNZ 1988, 210; einen eher engen hingegen Harbich, AnwBl 1988, 26; Liehr (Fn. 42), 44. 61 RV 41 BlgNR 17. GP, 3. 62 Winkler, Der Bescheid, 1956, 45ff.; Funk, Der Verwaltungsakt im österreichischen Rechtssystem, 1978, 48f.; Adamovich / Funk (Fn. 16), 285; Antonioiii / Koja (Fn. 2), 466; Walter / Mayer (Fn. 4), 139. 63 Ruppe, ÖStZ 1979, 50; Nikolaus (Fn. 16), 24; vgl. hingegen Jacobs, Zur Abgrenzung der verwaltungsrechtlichen Zusage von Auskunft und Vorbescheid, Jura 1985, 234f. 64 Monreal, Auskünfte und Zusagen von Finanzbehörden, 1967,16f., der dabei auf Zeidler, Empfiehlt es sich, die bestehenden Grundsätze über Auskünfte und Zusagen in der öffentlichen Verwaltung beizubehalten?, Gutachten zum 44. DJT, 1962, 15 f. zurückgreift. Ebenso Krieger, Das Recht des Bürgers auf behördliche Auskunft, 1972, 28f. Abzulehnen ist allerdings die von diesen übernommene Aussage, daß bestimmte Arten von Auskünften, nämlich Rechtsauskünfte nicht wahr oder falsch, sondern rechtmäßig oder rechtswidrig seien. 6 5

Monreal

(Fn. 64),

16.

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werden, da das Gesetz selbst diese Unterscheidungen nicht trifft. Aus diesem Grunde sind auch Behauptungen, daß die eine oder die andre Auskunftsart nicht von Art. 20 Abs. 4 B-VG erfaßt sei, hinfällig. Dies bedeutet aber noch nicht, daß jeder mögliche Informationswunsch Gegenstand eines erfolgreichen Auskunftsbegehrens sein kann, allerdings zieht der Gesetzgeber die Grenzen nicht nach der Art der Auskunft, sondern setzt die Auskunftserteilung in Beziehung zu den anderen Verwaltungsfunktionen, wobei die Auskunft nach dem Willen des Gesetzgebers Nachrang hat. 3. Umfang und Grenzen der Auskunftspflicht

Die Auskunftspflicht unterliegt in mehrfacher Hinsicht Einschränkungen, die in drei Kategorien eingeteilt werden können: (a) Beschränkungen, die sich aus Geheimhaltungspflichten ergeben; (b) Beschränkungen, die sich aus dem Verhältnis der Auskunftspflicht zur übrigen Verwaltungstätigkeit ergeben; (c) zuletzt bleibt bei der Ermittlung des Umfanges der Auskunftspflicht noch zu klären, inwieweit diese auch die Erteilung der Akteneinsicht umfassen kann. a) Geheimhaltungspflichten Gemäß Art. 20 Abs. 4 B-VG und § 1 Abs. 1 AuskpflG dürfen Auskünfte nur erteilt werden, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht. Dies bezieht sich vorrangig auf das in Art. 20 Abs. 3 B-VG normierte Gebot der Amtsverschwiegenheit, welchem der gleiche, auch in Abs. 4 angeführte Personenkreis unterliegt. Demnach ist über ausschließlich durch die amtliche Tätigkeit bekanntgewordene geheime Tatsachen Stillschweigen zu bewahren, wenn dies im Interesse einer Partei 66 oder im näher aufgegliederten - öffentlichen Interesse, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft öffentlichen Rechts und zur Vorbereitung einer Entscheidimg geboten ist 6 7 . Neben Art. 20 Abs. 3 B-VG sind auch der Schutz personenbezogener Daten (§ 1 DSG), das Steuergeheimnis (§ 48 a BAO) und die verschiedenen Formen beruflicher Verschwiegenheitspflichten - soweit einschlägig - darunter zu subsumieren 68 . 66 Darunter fällt i n diesem Zusammenhang jeder, der mit der betreffenden Gebietskörperschaft in Berührung kommt, Ringhof er, Verwaltungsverfahrensgesetze, 1987, 32. 67 Gleichzeitig mit der Schaffung der Auskunftspflicht wurde auch die Amtsverschwiegenheit i n Art. 20 Abs. 3 neu geregelt, wobei im wesentlichen das bisher pauschal genannte „Interesse einer Gebietskörperschaft" näher umschrieben wurde, vgl. dazu Walter, Amtsverschwiegenheit und Auskunftspflicht, Der Wiener Richter, Sonderausgabe April 1986,1; sowie Haller, Amtsverschwiegenheit, Amtshilfe und Akteneinsicht, in: Ruppe (Hrsg.), Geheimnisschutz im Wirtschaftsleben, 1980, 137f.; Walter / Mayer (Fn. 4), 201. 68 Vgl. die Aufzählung bei Grigg, Amtsverschwiegenheit - Schutz der Parteien Amtshaftung, ZfV 1982, 13 (17).

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b) Zumutbarkeit Die entscheidende Einschränkung für die Auskunftspflicht besteht in ihrem Nachrang gegenüber der Erfüllung der übrigen Verwaltungsaufgaben 69 . Der zur Erfüllung der Auskunftspflicht erforderliche Verwaltungsaufwand soll in einem angemessenen Verhältnis zu den übrigen Verwaltungsaufgaben stehen. Dies kommt auch in den in den EB zum AuskpflG aufgestellten Anforderungen zum Ausdruck 70 . So kann die Auskunftspflicht nicht zu umfangreichen Ausarbeitungen oder zur Erstellung von Gutachten führen, aus dem gleichen Grund ist die Erteilung von Rechtsauskünften schwieriger Natur ausgeschlossen. Auch kommt die Durchführung von Erhebungen zur Erfüllimg der Auskunftspflicht nicht in Betracht. Nach Ansicht der EB können nur solche Informationen Gegenstand der Auskunftspflicht sein, die zum Zeitpunkt der Anfrage der Verwaltung schon bekannt sind, und auch Auskünfte, die anderweitig leicht erlangt werden können, sind ausgeschlossen. Weiter besteht, wie erwähnt, bei mutwilligen Auskunftsbegehren keine Verpflichtung zur Beantwortung. Diese in ihrer Gesamtheit sehr weitgehenden Einschränkungen haben zu Recht die kritische Frage laut werden lassen, was denn von der Auskunftspflicht noch übrig bleibe 71 . Insgesamt ist zur Beurteilung des Umfanges der Auskunftspflicht und der Zumutbarkeit von Auskunftsbegehren m. A. nach folgendes zu beachten: Die Bestimmung des Art. 20 Abs. 4 B-VG enthält explizit keine der genannten Beschränkungen, was jedenfalls zu einem großzügigen Verständnis der Wendung in § 1 Abs. 2 AuskpflG von der „nicht wesentlichen Beeinträchtigung der Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung" führen muß 72 . Zum anderen ist auf ein jüngst ergangenes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (im folgenden: VfGH) zum Umfang der Auskunftspflicht nach dem DSG zu verweisen 73 , in dem sich der Gerichtshof der Argumentation der Datenschutzkommission angeschlossen hatte, wonach allein aus der Normierung der Auskunftspflicht im DSG die Verpflichtung der Behörde erfließe, ihre Organisation so einzurichten, daß sie der Pflicht zur Auskunftserteilung nachkommen könne; wobei sie sich 69 Vgl. dazu schon Walter, Der Wiener Richter, Sonderheft April 1986, 2; Nikolaus (Fn. 16), 31; Achatz, ÖNZ 1988, 211. ™ RV 41 BlgNR 17. GP, 3. 71 Kainberger, „Auskunftspflichtgesetz" in Vorbereitung, RdW 1986, 104 (105). 72 In Art. 20 Abs. 4 B-VG ist kein Hinweis auf diese Einschränkung enthalten, allerdings steht die verfassungsrechtlich normierte Auskunftspflicht unter einem Ausgestaltungsvorbehalt, i n dessen Rahmen der einfache Gesetzgeber bei Regelung des Gegenstandes auch i m Ergebnis Einschränkungen treffen kann, soweit dabei der Wesensgehalt des Grundrechtes nicht verletzt wird. Vgl. dazu Korinek, Gedanken zur Lehre vom Gesetzesvorbehalt bei Grundrechten, FS-Merkl, 1970, 171 (181). Insoweit muß die Normierung des Kriteriums „Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht beeinträchtigt" für zulässig gehalten werden; a. A. Achatz, ÖNZ 1988, 211. 73 VfGH 30.11.1987, B 342/86.

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allerdings nicht auf Spitzenanforderungen einzurichten habe. Der Gedanke, daß die Normierung einer Auskunftspflicht die Behörde dazu zwinge, sich auf einen dadurch gesteigerten Aufwand einzurichten, hat auch für die verfassungskräftige Auskunftspflicht nach Art. 20 Abs. 4 B-VG Gültigkeit. c) Auskunft und Akteneinsicht Die Auskunftspflicht umfaßt dem Wortlaut der Bestimmimg nach nicht auch die Gewährimg von Akteneinsicht 74 , doch kann - wie der VwGH noch zur früher geltenden Regelung festgestellt hatte 7 5 - der der Behörde obliegenden Auskunftspflicht auch durch Gewährung von Akteneinsicht nachgekommen werden, auf deren Erteilung jedoch kein aus § 3 Z 5 BMG ableitbares subjektives Recht bestehe. Wenngleich damit auch die für die neue Rechtslage geltende Regel beschrieben ist, so hat sich doch durch die verfassungsmäßige Absicherung des Auskunftsanspruches eine Veränderung ergeben. Der Auskunftspflicht ist nachzukommen, soweit dies der Behörde in Anbetracht ihrer übrigen Verwaltungsaufgaben zumutbar ist. Ist das Kriterium der Zumutbarkeit nicht erfüllt, so entfällt die Verpflichtung. Ist die Erfüllung der Auskunftspflicht deswegen nicht zumutbar, weil dies langwieriger Ausführungen oder umfänglicher Studien in den dem Organ zur Verfügung stehenden Unterlagen erfordert, und ist die Auskunft nicht etwa auch aus einem anderen Grund zu versagen, so kann sich die Behörde dann nicht auf die Unzumutbarkeit des Auskunftsbegehrens berufen, wenn diese Umstände bei Gewährung von Akteneinsicht nicht einträten. Ist die Gewährung von Akteneinsicht zur Erfüllung der Auskunftspflicht an sich zulässig, so ist sie in diesem Falle geboten. Das dem Organ zustehende Auswahlermessen zwischen mehreren zur Erfüllung des Verwaltungszweckes gleichermaßen geeigneten Mitteln schrumpft in diesem Fall auf die Verpflichtung zur Anwendung jenes Mittels zusammen, das allein dem grundrechtlich geschützten Anspruch auf Auskunft genügt. Unter diesen besonderen Voraussetzungen muß daher nunmehr wohl ein Anspruch auf Akteneinsicht angenommen werden. 4. Die Durchsetzung des Auskunftsbegehrens

Auskünfte sind von der Behörde umgehend, spätestens innerhalb von 8 Wochen zu erteilen. Nach Verstreichen dieser Frist w i r d die Behörde säumig und hat auf Antrag des Auskunftsbegehrenden mit Bescheid zu erklären, 74 Gem. § 17 AVG 1950 stellt das Recht auf Akteneinsicht ein Parteirecht i m Verfahren dar, vgl. dazu Nowak, Rechtsfragen der Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren, ÖJZ 1973, 253. 7 * VwGH 29.3.1982, 81/17/0049.

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welche Gründe der Erteilung einer Auskunft entgegenstehen, sofern sie nicht den Auskunftsbegehrenden davon verständigt, daß ihr die Einhaltung dieser Frist unmöglich ist - dies unter Angabe der die Verzögerung bedingenden Gründe und wohl auch des Zeitpunktes, bis zu dem die Auskunft erteilt werden kann 7 6 . Bei der Erlassung des Bescheides hat die Behörde grundsätzlich das AVG anzuwenden, sofern nicht für die Sache, in der die Auskunft zu erteilen ist, ein anderes Verfahrensgesetz, etwa die Bundesabgabenordnung (BAO), anzuwenden wäre. Diese Bescheiderlassungspflicht, die auch Devolution und die Möglichkeit zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde einbegreift, führt zwar dazu, daß über das Bestehen der Auskunftspflicht im Einzelfall in einer nachprüfbaren Weise zu entscheiden ist, kann aber die tatsächliche Erteilung der Auskunft nicht ersetzen. Lediglich dort, wo die Erteilung von Weisungen möglich ist, kann diese mittelbare Erzwingung der Auskunftspflicht effektiv werden. Dies stellt zweifellos eine der Schwachstellen der Auskunftspflicht dar, war aber auch schon in der oben erwähnten Judikatur des VwGH enthalten 77 . Es ist zwar verständlich, daß der VwGH in Übereinstimmung mit seiner übrigen Judikatur zu Säumnisbeschwerden die Übernahme einer Auskunftsverpflichtung ablehnt. Nicht einsehbar ist jedoch, warum diese Pflicht nicht auf übergeordnete Behörden übergehen soll, etwa in jenen Fällen, in denen der Auskunftsgegenstand den vorgelegten Verwaltungsakten entnommen werden kann. Unklar ist auch das Vorgehen des Organes bei Vorliegen eines Auskunftsbegehrens im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung. Die EB vermerken dazu kryptisch, daß „(im) Zweifel und insbesondere in jenen Angelegenheiten, in denen in der Sache selbst keine Bescheide zu erlassen sind (also bei Auskünften über die Privatwirtschafts Verwaltung), ... nach dem AVG 1950 vorzugehen sein (wird)" 7 8 . Harbich 79 schließt daraus folgendes: „Bei Ablehnung von Auskünften über die Privatwirtschaftsverwaltung sind naturgemäß keine Bescheide zu erlassen, doch wird man sich auch in diesen Angelegenheiten nach dem AVG 1950 richten müssen." Durch die „Anwendimg" 76 Die Bestimmungen des § 3 über die Informationspflicht der Behörde bei Verzögerung und des § 4 bezüglich der Bescheiderlassungspflicht auf Antrag sind in ihrem Verhältnis nicht sehr klar. Einerseits könnte man die Auffassung vertreten, daß beide Bestimmungen unverbunden nebeneinander bestehen, so daß nach Ablauf von zwei Monaten in jedem Fall ein Bescheid auf Antrag zu erlassen ist. Andrerseits ist i n § 4 davon die Rede, daß ein Bescheid dann zu erlassen ist, wenn eine Auskunft „nicht erteilt" wird. § 3 legt die Pflicht zur Information des Auskunftswerbers aber dann auf, wenn die Frist nicht eingehalten werden kann, so daß durch die „Verständigung" noch keineswegs geklärt ist, ob die Auskunft überhaupt erteilt werden wird. Die zweite Lösung würde jedenfalls die Gefahr der Verschleppung eröffnen, da bei der Frist keine Obergrenze festgelegt ist. 77 Vgl. B. I. 7 ® RV 41 BlgNR 17. GP, 4. ™ AnwBl 1988, 25.

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des AVG 1950 allein ist nichts gewonnen, da hier wie auch in anderen Fällen der Bescheid selbst den Archimedischen Punkt der Rechtsdurchsetzung, etwa i m Wege der Säumnisbeschwerde darstellen würde. Geht man hingegen von einer, freilich nur auf diese Angelegenheiten beschränkten, für die Bescheiderlassungskompetenz aber erforderlichen Behördenqualität des privatwirtschaftlich tätigen Organes aus, so trifft man auf eine neue Schwierigkeit. Art. 17, 104 B-VG, die die Grundlage für die Privatwirtschaftsverwaltung der Gebietskörperschaften bilden, haben vor allem die Funktion, daß in diesem Tätigkeitsbereich die Gebietskörperschaften die in der Hoheitsverwaltung bestehenden Kompetenzschranken überspringen 80 und sich somit i n Bereichen betätigen können, in denen ihnen als Hoheitsträger das Eindringen verwehrt wäre. Fallen sie durch die auskunftspflichtrechtliche Bescheiderlassungspflicht in ihre hoheitliche Funktion zurück, so muß man die von § 4 AuskpflG (bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Regelung) normierte Bescheiderlassungspflicht als eine von der Sachfrage, auf die sich das Auskunftsbegehren bezog, gänzlich losgelöste eigenständige Verwaltungsangelegenheit betrachten, die ihre kompetenzrechtliche Dekkung allein in Art. 20 Abs. 4 B-VG findet. 5. Kostenpflicht der Auskunft

Soweit Auskunftsbegehren schriftlich gestellt werden, unterliegen sie, wie alle von Privatpersonen an Organe von Gebietskörperschaften gerichteten Eingaben, einer festen Gebühr gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 des Gebührengesetzes 1957 (GebG) 81 . Eine darüber hinausgehende, zur Deckimg des aus der Erfüllung der Auskunftspflicht erfließenden Aufwandes dienende Gebührenpflicht besteht derzeit nicht 8 2 . Hinsichtlich der Landes- und Gemeindeverwaltung bestehen keine einheitlichen Regelungen. So ist in Niederösterreich etwa die Einhebung von Landesverwaltungsabgaben vorgesehen, in Salzburg hingegen besteht eine Befreiung von diesen Gebühren 83 .

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Zur Privatwirtschaftsverwaltung vgl. Antonioiii / Koja (Fn. 2), 34 f. Diese Gebührenpflicht bezieht sich auf den „öffentlich-rechtlichen Wirkungskreis", worunter nicht bloß der hoheitlich zu besorgende Aufgabenbereich, sondern auch jener Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung, der der Gebietskörperschaft verpflichtend auferlegt ist, verstanden wird (VwGH 22.6.1987, 86/15/0008). Vgl. auch Fellner / Fellner , Gebühren und Verkehrssteuern, Bd. I, Teil 2, § 14 TP 6 GebG, Rn. I. 4. Zur Gebührenpflicht bei Auskunftsbegehren ausführlich Achatz, ÖNZ 1988, 212 f. 82 Zwar würde die Bestimmung des § 78 AVG 1950 die Einhebung einer solchen Bundesverwaltungsabgabe nicht ausschließen, doch läßt sich die Erteilung einer Auskunft unter keinem der im Allgemeinen Teil des Tarifes der Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung 1983 angeführten Tatbestände einordnen. 83 § 6 Salzburger Auskunftspflicht-Ausführungsgesetz. 81

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I I I . Verbindlichkeit von Auskünften Folgen fehlerhafter Auskünfte A u s der Q u a l i f i k a t i o n v o n A u s k ü n f t e n als Wissenserklärungen folgt, daß A u s k ü n f t e keine v e r b i n d l i c h e W i r k u n g entfalten, w i e sie f ö r m l i c h e n V e r w a l t u n g s a k t e n (Bescheiden) e i g e n t ü m l i c h i s t 8 4 . Jedoch w i r d f ü r fehlerhafte A u s k ü n f t e - n u r f ü r diese stellt sich j a das P r o b l e m - i n engen Grenzen aufg r u n d des Grundsatzes v o n T r e u u n d G l a u b e n 8 5 eine gewisse B i n d u n g s w i r kung für

ein nachfolgendes Bescheiderlassungsverfahren

angenommen.

Eine B i n d i m g an diesen Grundsatz w i r d i n der Rechtsprechung allerdings n u r sehr v o r s i c h t i g u n d l e d i g l i c h f ü r außergewöhnlich gelagerte F ä l l e behauptet, da diesem Grundsatz regelmäßig das stärkere, i n A r t . 18 Abs. 1 B - V G f o r m u l i e r t e L e g a l i t ä t s p r i n z i p gegenübersteht 8 6 . L e d i g l i c h dort, w o eine Ermessensentscheidung v o r l i e g t , u n d die Behörde b e i einer i n n e r h a l b des Ermessensspielraums sich bewegenden A u s k u n f t v o n dieser a b z u w e i chen gedenkt, k a n n der Grundsatz v o n T r e u u n d G l a u b e n eine gewisse B i n d u n g s w i r k u n g e n t f a l t e n 8 7 . S o w e i t d e m A u s k u n f t s w e r b e r d u r c h eine u n r i c h tige A u s k u n f t ein Schaden zugefügt w i r d - dabei w i r d es sich regelmäßig u m einen Vertrauensschaden h a n d e l n - stellt sich aber auch die Frage n a c h 84 Nicht haltbar ist m.E. auch die von Achatz, ÖNZ 1988, 217 f., aufgestellte These, daß bei Zugrundelegung eines besonderen Rechtsschutzinteresses des Auskunftswerbers Auskünfte „als materielle Bescheide zu qualifizieren" sind. Zwar hat der VwGH auch bisher manchmal Emanationen von Behörden aus Rechtsschutzerwägungen als Bescheide qualifiziert, doch mußte er i n diesen Fällen notwendigerweise auch immer einen zugrundeliegenden Bescheidwillen der Behörde voraussetzen. Ziel war daher stets, eine Ausflucht aus der vom Gesetz gebotenen Rechtsatzform zu verhindern. Da dem Gesetzgeber nicht zusinnbar ist, durch die Einführung der Auskunftspflicht, von der Regelung des § 4 AuskpflG abgesehen, eine erweiterte Bescheiderlassungspflicht zu statuieren, kann auch durch die Erteilung von Auskünften eine solche Wirkung nicht erzielt werden; mit anderen Worten: aufgrund der Auskunftspflicht können nicht mehr rechtmäßige Feststellungsbescheide erlassen werden als früher. Dies bedeutet natürlich nicht, daß es nicht zu Zweifelsfragen kommen kann, etwa wenn unklar ist, ob bzw. i n welchen Punkten ein Anbringen als Auskunftsbegehren oder als Antrag auf Bescheiderlassung zu werten ist, diesfalls hat sich die Behörde aber des wahren Willens des Anbringers zu versichern (hier wird § 13 AVG dem § 2 Satz 2 AuskpflG vorgehen). Steht dieser einmal fest, so ist entweder ein Bescheid zu erlassen oder die Auskunft zu erteilen bzw. deren Erledigung bescheidmäßig abzulehnen. Dies findet seine Stütze auch in der Konzeption des AuskpflG, welches klar in einen bescheidmäßig zu erledigenden Bereich, der einen gesonderten Antrag voraussetzt, und in einen „schlichten" Auskunftsbereich trennt. 85 Dessen grundsätzliche Geltung wird im österreichischen Verwaltungsrecht angenommen, vgl. Melichar, Zur Frage von Treu und Glauben im Steuerrecht, in: FSKastner, 1972, 309 (320f.); Ruppe, ÖStZ 1979, 53; Adamovich / Funk (Fn. 16), 60, 299, 387; Nikolaus (Fn. 16), 55; Geistiinger / Lebitsch / Stolzlechner, Zur Rechtstellung der Ausländer nach österreichischem Recht, in: Frowein / Stein (Hrsg.), Die Rechtstellung von Ausländern nach staatlichem Recht und Völkerrecht, 1987, 1009 (1056); a. A. Achatz, ÖNZ 1988, 214. 86 Vgl. dazu ausführlich Nikolaus (Fn. 16), 49 ff., der zu Recht auch i n diesen Fällen eine bindende Wirkung zurückweist, in denen ein Konflikt mit dem Legalitätsprinzip behauptet wird. 8 7

Nikolaus

( F n . 1 6 ) , 5 5 ; a . A . Achatz,

Ö N Z

1988,

214.

284

Christoph Schwaighofer

schadensersatzrechtlichen Konsequenzen. Für den Bereich der Auskunftspflicht kommt dabei i n erster Linie die Amtshaftung gemäß Art. 23 Abs. 1 B-VG und A H G 1948 in Betracht, wobei allerdings zu beachten ist, daß das AHG nur insoweit Anwendung findet, als Organe, die für juristische Personen 8 8 öffentlichen Rechts handeln, jemanden Schaden in Vollziehung der Gesetze zufügen. Mit „ i n Vollziehung der Gesetze" ist nur der hoheitliche Tätigkeitsbereich dieser Rechtsträger gemeint 89 . Geht man davon aus, daß schlichtes Verwaltungshandeln im Bereich der Amtshaftung nicht selbständig zu qualifizieren - was ja regelmäßig zur Annahme von privatwirtschaftlicher Tätigkeit führen würde sondern in Beziehung zu jener Verwaltungstätigkeit zu setzen ist, in dessen Kontext es gesetzt wurde 9 0 , so sind Haftungsfolgen für fehlerhafte Auskünfte nicht einheitlich zu behandeln, sondern jeweils dem hoheitlichen und dem privatwirtschaftlichen Bereich zuzuweisen 91 . Am Rande sei noch auf die Möglichkeit eines Folgebeseitigungsanspruches verwiesen, der dort Platz greift, wo Verfahrensordnungen aus Billigkeitsgründen das Absehen von einem verwirklichten Leistungsanspruch erlauben (§ 237 BAO, ZollG, LAbgO) 9 2 .

D . Recht auf Auskunft als Grundrecht Vergleicht man die Formulierung des Art. 20 Abs. 4 B - V G mit jener der §§ 1 und 2 des AuskpflG, so fällt auf, daß erst auf einfachgesetzlicher Ebene ausdrücklich ein subjektives Recht auf Auskunft eingeräumt zu sein scheint. Während Art. 20 Abs. 4 B-VG sich an die Verwaltungsorgane wendet und ihnen die Erteilung von Auskünften aufträgt, was für die Bundesverwaltung in § 1 AuskpflG wiederholt wird, spricht erst § 2 AuskpflG davon, daß „Jedermann ... Auskunftsbegehren ... anbringen (kann)". Die Wortwahl des 88 Von Art. 23 Abs. 1 B-VG sind alle juristische Personen öffentlichen Rechts erfaßt, vgl. Walter , Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 1972, 816f.; Antonioiii / Koja (Fn. 2), 680; Öhlinger, Der Anwendungsbereich des Amtshaftungsgesetzes, in: Aicher (Hrsg.), Die Haftung für staatliche Fehlleistungen, 1988, 121 (141 f.), die den gegenüber Art. 23 Abs. 1 B-VG dem Wortlaut nach eingeschränkten Begriff der Rechtsträger gem. § 1 Abs. 1 AHG i n diesem Sinne interpretieren. Durch Umdeutimg von dem Wortlaute nach ausgeschlossenen Fonds i n Körperschaften kommen auch Loebenstein / Kaniak / Schragel, Kommentar zum Amtshaftungsrecht, 2. Aufl., 1985, 23, zu einem ähnlichen Ergebnis. 89 Walter (Fn. 88), 819; Loebenstein / Kaniak / Schragel (Fn. 88), 68; Antonioiii / Koja (Fn. 2), 681; Adamovich / Funk (Fn. 16), 439; Öhlinger (Fn. 88), 122f. 90 Ausführlich Öhlinger (Fn. 88), 136 f. 91 Für Auskünfte i m hoheitlichen Vollzugsbereich war schon während der Geltung von § 3 Z 5 BMG die Möglichkeit eines Amtshaftungsanspruches anerkannt, vgl. Loebenstein / Kaniak / Schragel (Fn. 88), 144f.; Adamovich / Funk (Fn. 16), 439f.; ausführlich Nikolaus (Fn. 16), 56f. 92 Zum Folgebeseitigungsanspruch im Verwaltungsrecht Adamovich / Funk (Fn. 16), 416f.; im Steuerrecht Doralt / Ruppe (Fn. 3), 154f.; im Bezug auf Auskünfte von Finanzbehörden Nikolaus (Fn. 16), 58 f.

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Verfassungsgesetzgebers deutet an, daß hier - zumindest auf der Ebene des Verfassungsrechts - eine Pflicht der Verwaltung ohne Einräumung eines korrespondierenden subjektiven Rechtes des Einzelnen statuiert wird, ein Umstand, der auch in der Formulierung einer „Auskunftspflicht" statt eines „Auskunftsrechtes" zum Ausdruck kommt. Ein Eindruck, der durch das systematische Umfeld dieser Regelung verstärkt wird. So ist für die in Art. 20 Abs. 3 B-VG normierte Pflicht zur Amtsverschwiegenheit in Lehre und Judikatur anerkannt, daß auf deren Einhaltung kein subjektives Recht besteht 93 . An diese Bestimmimg aber schließt sich der Abs. 4 in seiner Formulierung an. Diese Bedenken, die vorerst gegen eine Einräumung eines verfassungsgesetzlichen Rechtes auf Auskunft sprechen, sind letztlich jedoch nicht durchschlagend. Zum ersten ist der Wortlaut des Art. 20 Abs. 4 B - V G i n dieser Richtung nicht eindeutig, weder normiert er ausdrücklich ein subjektives Recht, noch schließt er dessen Normierung aus. Weiters ist auch der Vergleich mit der Regelung des Art. 20 Abs. 3 B-VG nur bedingt aussagekräftig, ist doch das Verhältnis des Einzelnen zu den Verwaltungsorganen im Bezug auf die Auskunftspflicht ein gänzlich anderes als im Hinblick auf die Amtsverschwiegenheit. Letztere ist, wenn auch nicht ausschließlich, so doch überwiegend im öffentlichen Interesse aufgestellt 94 . Ist eine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, die auf die Interessen des Einzelnen keine Rücksicht nimmt, durchaus vorstellbar, so gilt dies nicht für die Auskunftspflicht, diese wäre vielmehr sinnentleert. Für die Annahme eines subjektiven Rechtes sprechen vor allem aber entstehungsgeschichtliche Erwägungen. Ziel der auskunftpflichtrechtlichen Regelungen war, wie schon oben-dargestellt 95 , die Ausweitung und verfassungsrechtliche Absicherung eines schon bisher bestehenden Rechtsinstrumentes. So sprechen auch die Erläuternden Bemerkungen davon, daß „(mit) der vorliegenden Regelung ... das Auskunftsrecht nach dem Bundesministeriengesetz 1986, das sich bisher durchaus bewährt hat, auf alle Organe der Verwaltung ausgedehnt (wird)" 9 6 . Eben diese Regelung enthielt aber schon ein subjektives Recht auf Auskunftserteilung, was dem Gesetzgeber auch durchaus nicht entgangen war 9 7 . Diese Kontinuität muß der Verfassungsgesetzgeber somit gegen sich gelten lassen, die Einräumung eines subjektiven Rechtes auf Auskunft in Verfassungsrang ist ihm daher zusinnbar 98 . 93 Walter (Fn. 88), 408; Adamovich / Funk, Österreichisches Verfassungsrecht, 3. Aufl., 1985, 248; Walter / Mayer (Fn. 4), 202; VfSlg 3005/1956, 7455/1974. 94 Vgl. Ringhof er, Die österreichische Bundesverfassung, 1977, 90. 9 s Vgl. B. I. 96 RV 39 BlgNR 17. GP, 4. 97 Vgl. den Hinweis auf VwGHSlg NF 9151/A in RV 41 BlgNR 17. GP. 98 Zu diesem Interpretationsmuster vgl. Rill, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, ZfV 1985, 461 (466).

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Daneben fällt die Auskunftspflicht als subjektives Recht aber auch in den Schutzbereich des Art. 10 EMRK, der in Österreich im Verfassungsrang steht. Art. 10 EMRK enthält neben der Meinungsbildungs- und der Meinungsäußerungsfreiheit auch das Grundrecht der Informationsfreiheit". Im Schutzbereich der letzteren wäre der Auskunftsanspruch anzusiedeln. Mit einem solchen Recht auf Information ist freilich der Randbereich der von Art. 10 EMRK aufgespannten Schutzsphäre erreicht. Die Informationsfreiheit und das Recht auf Information im besonderen sind bislang in der Rechtsprechung der Europäischen Instanzen 100 und des V f G H 1 0 1 wenig konkretisiert und mit deutlicher Zurückhaltung bezüglich eines Rechtes auf Information behandelt worden 1 0 2 . Diese Zurückhaltung hängt mit dem Umstand zusammen, daß die EMRK vor allem negative Grundrechte 103 Abwehrrechte - formuliert, primär auf staatliche Leistungen gerichtete Rechte sind in der Konvention nicht enthalten. Doch hat sich in der Rechtsprechung der Straßburger Instanzen schon bald der Gedanke durchgesetzt, daß - vom Grundsatz der Effektivität des Grundrechtsschutzes ausgehend aus primär abwehrgerichteten Konventionsrechten auch Schutzpflichten 104 und die Einräumimg von Verfahrensgarantien ableitbar sind. Das Grundrechtskonzept der EMRK ist damit zwar primär, aber keineswegs ausschließlich abwehrgerichtet 105 .

99 Zur Einteilung näher Bullinger , Freedom of Expression and Information: An Essential Element of Democracy, 6 HRLJ 1985, 339, (340). Vgl. auch Ermacora, Grundriß der Menschenrechte in Österreich, 1988,184 f. 100 v g l ¿ig Übersicht bei Leuprecht / van Dijk (Hrsg.), Digest of Strasbourg CaseLaw relating to the European Convention on Human Rights, 1984, II, 42If.; zuletzt der Faü Leander / S, EKMR 17.5.1985, Appl 9248/81, EGMR 26.3.1987,10/1985/96/ 144. 101 Vgl. die Übersicht bei Nowak, Art. 10 EMRK, in: Ermacora / Nowak / Tretter, Die Europäische Menschenrechtskonvention in der Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte, 1983, 441 f. Zuletzt zur Informationsfreiheit VfGH 16.3.1987, B 154/85; dazu kritisch Tretter, Zur Freiheit der Informationsbeschaffung, Medien und Recht 1987 H. 3, 84f. 102 v g l a u c h die Darstellung von Malinverni, Freedom of Information i n the European Convention on Human Rights and i n the International Convenant on Civil and Political Rights, 4 HRLJ 1983, 443 (448); sowie Pinto, La Liberté d'Information et d'Opinion en Droit International, 1984, 96 f. 103 Zu diesem Begriff Currie, Positive und negative Grundrechte, AöR 1986, 230f.; vgl. auch Schlink, Freiheit durch Eingriffsabwehr - Rekonstruktion der klassischen Grundrechtsfunktion, EuGRZ 1984, 457. 104 Vgl. etwa aus jüngerer Zeit EGMR Faü Klass / BRD, EuGRZ 1979, 278 (283) oder EGMR Faü Plattform Ärzte für das L e b e n / A , 21.6.1988, 5/1987/128/179, § 32 ff. Als Beispiele für die Informationsfreiheit wird auch die Verhinderung von Pressekonzentrationen zu diesen Schutzpflichten gezählt, vgl. Bullinger, 6 HRLJ 1985, 358. 105 Vgl. Berka, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die österreichische Grundrechtstradition, ÖJZ 1979, 365, 428 (369f., 374f.); Weidmann, Der Europäische Gerichtshof auf dem Wege zu einem europäischen Verfassungsgerichtshof, 1985, 75 f.; Gutknecht, Ratifikation und Prozeß der Akzeptanz der MRK in Österreich, ZfV 1987, 261 (265).

Recht auf Information

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Dieser Befund gilt auch für die Informationsfreiheit, wobei allerdings das Konzept der allgemein zugänglichen Informationsquelle, aus der man sich ungehindert unterrichten zu können die Möglichkeit haben muß, eine besondere Bedeutung erhält. Es muß nachdrücklich betont werden, daß diese Wendung nicht Textbestandteil des Art. 10 EMRK ist, sondern diese Formulierung sich in Art. 5 I Bonner G G 1 0 6 findet. Die Einbringung des hinter dieser Wendimg stehenden Gedankens in das Konzept der Informationsfreiheit des Art. 10 EMRK ist jedoch durchaus zweckmäßig, soweit es nicht zu einer Gleichsetzung des Inhaltes von Art. 10 EMRK und Art. 5 I Bonner GG kommt 1 0 7 . Mit dem Konzept der allgemeinen Zugänglichkeit kann nämlich ungefähr jene Grenzlinie gefunden werden, die i m allgemeinen die positiven oder originär auf Leistung gerichteten Grundrechte von den negativen Abwehrrechten trennt. Nun hängt aber die allgemeine Zugänglichkeit einer Informationsquelle vor allem davon ab, ob der über die Information verfügende auch bereit ist, sie anderen ohne Eingrenzung des Empfängerkreises zukommen zu lassen; der Staat hat sich nun Eingriffen i n diesen von der Informationsfreiheit - die wesentlich als Kommunikationsgrundrecht aufzufassen ist - eröffneten Freiraum zu enthalten 108 . Hier gewinnt nun die Normierung einer Pflicht zur Informationsverschaffung, wie sie Art. 20 Abs. 4 B-VG und das AuskpflG enthalten, besondere Bedeutung. Mit deren Einräumung gibt der Staat, der hier als über Informationen Verfügungsberechtigter auftritt, zu erkennen, daß er gewillt ist, in diesem Bereich einen Zugang zu Informationen für einen von vornherein nicht begrenzten Adressatenkreis zu eröffnen; insoweit wird dadurch eine Informationsquelle geschaffen 109 , wobei das Kriterium der Zugänglichkeit durch das Kriterium der Beanspruchungsmöglichkeit zu ergänzen ist 1 1 0 .

106 Art. 5 I lautet: „Jedermann hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten." Zum Begriff der allgemein zugänglichen Quelle: v. Mangoldt / Klein / Starck, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 1985, 508f.; Herzog, in: Maunz / Dürig, Kommentar zum GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rdn. 87f.; v. Münch, in: ders., Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 3. Aufl., 1985, Art. 5 Rdn. 15 f. 107 Berka, Die Kommunikationsfreiheit in Österreich, EuGRZ 1982, 413 (419). Auch die Straßburger Konventionsorgane haben i n ihren Entscheidungen zur Informationsfreiheit auch auf das Vorhandensein einer allgemein zugänglichen Quelle abgestellt: vgl. EKMR Fall X / D Appl 8383/78, 3.10.1979, DR, Bd. 17, 227 (ZE); Fall X / I r l Appl 8878/80, 7.12.1981, (ZE, unveröffentlicht); Fall G a s k i n / G B , Appl 10454/83, 23.1.1986, EuGRZ 1987, 561. Zu Recht wendet sich aber Tretter, Medien und Recht 1987 H. 3, 86, gegen eine allzu vorschnelle Gleichsetzung. 108 In diesem Umstand wird gewöhnlich der Abwehrcharakter der Informationsfreiheit gesehen, vgl. v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 106), 510f.; Herzog, in: Maunz / Dürig (Fn. 106), Art. 5 Abs. 1, 2, Rdn. 97f.; Brugger, Freiheit der Meinung und Organisation der Meinungsfreiheit - Eine liberale Konzeption der geistigen Freiheit des Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 GG, EuGRZ 1987, 189, 225 (197). 109 Es ist festzuhalten, daß sich die Zugänglichkeit einer Informationsquelle primär nach tatsächlichen Merkmalen bestimmt; der Gesetzgeber soll nicht die Möglichkeit haben, durch rechtliche Mittel den Zugang zu Informationsquellen willkürlich zu

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In letzter Zeit w i r d daher die Möglichkeit, daß die in Art. 10 EMRK normierte Informationsfreiheit ein Recht auf Zugang zu Informationen enthalten könnte, nicht mehr von vornherein abgelehnt, sondern unter Hinweis auf die verfahrensmäßigen Probleme, die dessen Durchsetzimg aufwerfe, einer vorsichtigen Öffnung das Wort geredet 111 . Aus diesen Erwägungen kann aber auch nicht die Empfehlung R (81) 19 "on the Access to information held by public authorities" des Minsterkommitees 112 als ein Argument für den Ausschluß eines Rechtes auf Information aus dem Schutzbereich des Art. 10 EMRK dienen 113 . Es ist einsichtig, daß gesetzliche Regelungen notwendig sind, um die Auskunftspflicht, ein Recht auf Information, als Teil der Informationsfreiheit effektiv zu machen. Damit ist jedoch keinesfalls entschieden, daß solche einmal ergangenen Regelungen außerhalb des Schutzes des Art. 10 EMRK liegen würden. Im übrigen haben die Straßburger Instanzen in ihrer Rechtsprechung schon begonnen, ein, wenn auch jeweils auf die Besonderheit des zu entscheidenden Falles abgestelltes Recht auf Zugang zu von der Verwaltung gehaltenen Informationen anzuerkennen, welches freilich die Züge eines datenschutzrechtlichen Auskunftsrechtes trägt 1 1 4 . Aus der Gleichsetzung der Zugänglichkeit mit der Beanspruchungsmöglichkeit folgt aber weiter, daß ein Recht auf Information nur als ein Recht auf ein Verfahren, ein Recht auf Zugang zu einer pflichtgemäßen Abwägung der Individual- und der öffentlichen Interessen an der Erteilung der Information darstellt 1 1 5 . Es sprechen daher gute Gründe dafür, daß die Auskunftspflicht zumindest teilweise in den Schutzbereich der in Art. 10 EMRK verbürgten Informationsfreiheit fällt; im übrigen muß aber die weitere Entwicklung abgewartet werden, da - wie gezeigt - noch vieles im Fluß ist.

beschränken. In diese Richtung geht auch Tretter, Medien und Recht 1987 H. 3, 86, der allerdings im Ergebnis das Vorliegen eines Medienprivilegs annimmt. 110 Krieger, Das Recht des Bürgers auf behördliche Auskunft, 1972,106f. 111 Ablehnend noch Partsch, Die Rechte und Freiheiten der europäischen Menschenrechtskonvention, in: Bettermann / Neumann / Nipperdey, Die Grundrechte, Bd. 1/1, 1966, 235 (436) und Ragaz, Die Meinungsäußerungsfreiheit in der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1979, 56f. Nunmehr vorsichtig zustimmend: Malinverni, 4 HRLJ 1983, 449 m. w.N.; van Dijk / van Hoof, Theory and Practice of the European Convention on Human Rights, 1984, 311 f.; am weitesten gehen Frowein / Peukert, EMRK-Kommentar, 1985, 229. Skeptisch Bullinger, 6 HRLJ 1985, 352f.; Berka, EuGRZ 1982, 419. 112 Vgl. Fn. 30; im übrigen ging die Parlamentarische Versammlung i n ihrer Entschließimg 428(1970), § A 3 [abgedruckt i n Council ofEurope, European Convention on Human Rights - Collected Texts, 1978, 908 (909)] davon aus, daß aus Art. 10 eine Verpflichtung staatlicher Behörden abzuleiten ist, im öffentlichen Interesse gelegene Informationen zugänglich zu machen. 113 So aber Bullinger, 6 HRLJ 1985, 354. 114 Vgl. die i n den Fn. 100 und 107 angeführten Entscheidungen. Iis Weiter ist zu bedenken, daß nicht der gesamte Bereich der Auskunftspflicht von Art. 10 EMRK erfaßt ist; so werden Rechtsauskünfte kaum darunter fallen.

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Die Auskunftspflicht in ihrer Ausgestaltung durch Art. 20 Abs. 4 B-VG und ihrer Ausführung durch die Auskunftspflichtgesetze stellt somit ein subjektives verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht dar 1 1 6 , welches auch in den Schutzbereich des Art. 10 EMRK fällt.

E. Spezielle Problembereiche („die Instrumentalisierung der Auskunftspflicht") Über allgemein gelagerte Informationsinteressen hinaus bietet ein gesetzlich festgeschriebener Anspruch auf Auskunftserteilung die Möglichkeit, ihn zur Lösung spezifischer Rechtsschutz- bzw. Regelungsdefizite zu instrumentalisieren. I. Auskunft als präventives Rechtsmittel Als erstes Beispiel möchte ich das vor allem im Bereich des Abgabenrechtes bestehende und sich aus der strengen Anwendimg des Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung 117 ergebende Bedürfnis nach präventivem Rechtsschutz anführen 118 . Es geht dabei in erster Linie um die Erlangung von Auskünften über Rechtsfolgen hypothetischer Sachverhalte, deren Verwirklichung der Steuerpflichtige erst ins Auge faßt und deren steuerliche Beurteilung durch die Behörde er kennenlernen will, um den erforderlichen Informationsstatus für beabsichtigte Dispositionen zu erhalten 1 1 9 . Es ist daher kaum verwunderlich, daß die Diskussion um Auskunftspflichten bislang vornehmlich im Bereich des Abgabenrechtes, aber auch des Sozialrechtes geführt wurde, beides Bereiche, die durch das Bestehen langfristiger Dauerrechtsverhältnisse geprägt sind. Es liegt aber auf der Hand, daß durch die Kompliziertheit der Fragen, hinsichtlich derer das Bedürfnis nach einer Vorabbeurteilung besteht, und die Beschränktheit der Auskunftspflicht, der aus dem AuskpflG zu ziehende Gewinn nicht eben überwältigend ist 1 2 0 . Die Forderung nach der Einführung verbindlicher Zusagen im Abgabenverfahrensrecht wird daher wohl auch in Zukunft erhoben werden 121 . 116 So auch Achatz , ÖNZ 1988, 209 und wohl Walter , Der Wiener Richter, Sonderheft April 1986, 2. 117 § 4 Abs. 1 BAO, wonach die Steuerschuld entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Dazu Stoll, Das Steuerschuldverhältnis, 1972,13ff.; Doralt / Ruppe (Fn. 3), 187. 118 Doralt / Ruppe (Fn. 3), 154. 119 Ruppe, ÖStZ 1979, 50. 120 Gröhs, SWK A V, 38; Achatz , ÖNZ 1988, 220; zurückhaltend auch Doralt / Ruppe (Fn. 3), 154.

n a g e

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Christoph Schwaighofer I I . Auskunft und Zugang zu gerichtlichen Entscheidungen

E i n weiteres Beispiel stellt das P r o b l e m des Zuganges z u g e r i c h t l i c h e n Entscheidungen dar. W ä h r e n d f ü r den Bereich der Gerichtshöfe des öffentl i c h e n Rechts eine allgemeine Z u g ä n g l i c h k e i t z u Entscheidungen i n der Prax i s gewährleistet ist, bestehen erhebliche S c h w i e r i g k e i t e n h i n s i c h t l i c h der S t r a f - u n d Z i v i l g e r i c h t s b a r k e i t 1 2 2 . Diese Frage soll h i e r u n t e r d e m A s p e k t der A u s k u n f t s p f l i c h t behandelt w e r d e n 1 2 3 . Das B - V G geht i n A r t . 94 v o n einer a n formal-organisatorischen K r i t e r i e n o r i e n t i e r t e n T r e n n u n g zwischen V e r w a l t u n g u n d G e r i c h t s b a r k e i t a u s 1 2 4 , die jedoch d u r c h die B e s t i m m u n g des A r t . 87 Abs. 2 B - V G 1 2 5 als einer an i n h a l t l i c h e n K r i t e r i e n o r i e n t i e r t e n A u s n a h m e (Justizverwaltung) d u r c h b r o c h e n w i r d , w o b e i diese f ü r die J u s t i z v e r w a l t u n g n o r m i e r t e A u s n a h m e ihrerseits d u r c h e i n formal-organisatorisches E l e m e n t ( „ d u r c h Senate oder K o m m i s sionen z u erledigen") überlagert w i r d 1 2 6 . D a h e r k n ü p f e n die ü b r i g e n B e s t i m m u n g e n des B - V G , soweit sie sich auf die V e r w a l t u n g beziehen, w i e d e r a m 121 GröhSy SWK A V, 38; Kainberger, RdW 1986, 104; diese Forderung de lege ferenda nimmt Achatz, ÖNZ 1988, 218in seiner Interpretation freilich schon für die geltende Rechtslage vorweg. Vgl. auch Tomandl, Plädoyer für einen Auskunftsbescheid in der Pensionsversicherung, Versicherongsrundschau 1975, 363; Krejci, Nebenpflichten der Sozialversicherungsträger gegenüber den Versicherten, ZAS 1975, 83 (91). 122 § 15 Abs. 1 OGHG 1968, BGBl 328, sieht nur die amtliche Veröffentlichung von Entscheidungen vor, wobei deren Auswahl den redigierenden Mitgliedern des Gerichtshofes überlassen bleibt. § 15 Abs. 2 räumt den Zugang zu Entscheidungen Professoren ein, die ein rechtswissenschaftliches Fach unterrichten. Zur Veröffentlichungspraxis von Entscheidungen vgl. auch Nowak / Schwaighofer, EuGRZ 1985, 729 f. Für die BRD vgl. Kramer, Informationskrise des Rechts und Veröffentlichungspraxis, ZRP 1976, 84; sowie zuletzt Hirte, Mitteilungen und Publikation von Gerichtsentscheidungen, NJW 1988, 1698. 123 Zur (Un-)Vereinbarkeit dieser Situation mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vgl. Nowak / Schwaighofer, EuGRZ 1985, 731 f.; zur Problematik dieser Bestimmungen aus dem Blickwinkel der Wissenschaftsfreiheit vgl. Welan, Wissenschaftsfreiheit und Zugang zu gerichtlichen Rechtsmittelentscheidungen, ÖJZ 1986, 641. 124 Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit, 1960, 18f.; Winkler, Das österreichische Konzept der Gewaltentrennung in Recht und Wirklichkeit, Der Staat 1967, 293; Melichar, Von der Gewaltentrennung im formellen und materiellen Sinn unter Berücksichtigung der Abgrenzimg von Gerichtsbarkeit und Verwaltung, insbesondere auf dem Gebiete des Strafrechts, Gutachten zum 4. ÖJT, 1970, Bd. 1/1, 28f.; Ermacora, Österreichische Verfassungslehre, Bd. 1,1970,155; Antonioiii / Koja (Fn. 2), 47f.; Adamovich / Funk (Fn. 16), 86f. 125 Diese Bestimmung lautet: „ I n Ausübung seines richterlichen Amtes befindet sich ein Richter bei Besorgung aller ihm nach Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte, mit Ausschluß der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind." 126 Zum Justizverwaltungsbegriff, der nach herrschender Lehre inhaltlich zu bestimmen ist, wobei zur Erfassung seines Umfangs die Versteinerungsmethode heranzuziehen ist: Walter (Fn. 124), 21 f.; Melichar (Fn. 124), 49f.; Nowak, Weitreichende Konsequenzen des 1. VfGH-Erkenntnisses zum Rundfunkgesetz (insbesondere für den Justizverwaltungsbegriff), JB1 1976, 529; Rill, Zum Verwaltungsbegriff, in: FSAntoniolli (Fn. 43), 42 f.

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formal-organisatorisch ermittelten Ergebnis an. Letztlich ist also nicht die Qualifikation einer Sache als Justizverwaltungsagende maßgebend, sondern ob sich das richterliche Organ bei dessen Besorgung in Ausübung seines richterlichen Amtes befindet. Die Auskunftspflicht im Bereich der Gerichtsbarkeit kann sich somit nur auf jenen Bereich beziehen, in dem der als „Doppelorgan" auftretende Richter nicht als unabhängiges Organ, sondern als Verwaltungsbeamter tätig wird. Als Justizverwaltungsangelegenheit ist zweifellos die Tätigkeit des Evidenzbüros des Obersten Gerichtshofes (OGH) anzusehen, welchem vor allem die karteimäßige Registrierimg der Entscheidungen des OGH obliegt; diese Aufgabe ist weiters, wie sich aus den Bestimmungen über die Einrichtung des Evidenzbüros ergibt, auch nicht in Senaten oder Kommissionen zu erledigen 1 2 7 . Demnach ist es zulässig, ein Auskunftsbegehren bezüglich unveröffentlichter Vorjudikatur zu einer bestimmten Rechtsfrage an das Evidenzbüro zu stellen. Ein Problem besteht jedoch hinsichtlich der oben erwähnten Ersetzbarkeit der Auskunftsgewährung durch die Gewährung von Akteneinsicht in besonders gelagerten Fällen 1 2 8 . Diese könnte sich hier nur auf die karteimäßigen Entscheidungsauswertungen beziehen. Hinsichtlich der Volltexte von Entscheidungen ist die - problematische - Bestimmung des § 7 Abs. 2 lit. b OGHG zu beachten 129 , die die Herausgabe von Entscheidungen in längst abgeschlossenen Verfahren - was wohl als ein A k t der Justizverwaltung anzusprechen i s t 1 3 0 - einem Senat überantwortet und damit in den Bereich der Rechtsprechung weist. Soweit aber eine bestimmte Tätigkeit einem Senat vorbehalten ist, bedeutet dies, daß die Setzung dieses Aktes, mag es sich dabei auch um eine Justizverwaltungsagende handeln, aufgrund der Anordnung des Gesetzgebers nur mehr einem Gericht im formal-organisatorischen Sinne zusteht. Solche Akte scheiden somit als Mittel (justiz)verwaltungsbehördlichen Handelns aus 131 . Ein auf die Mittei127 Vgl. § 14 OGHG; zum Justizverwaltungscharakter des Evidenzbüros Huber , Das Evidenzbüro des Obersten Gerichtshofes, RiZ 1976, 169f.; Walter, Die Gerichtsbarkeit, in: Schambeck (Hrsg.), Das österreichische Bundes-Verfassungsgesetz und seine Entwicklung, 1980, 443 (464). Jene Bestimmungen, die den Zugang zu den vom Evidenzbüro gehaltenen Informationen auf einen exclusiven Personenkreis beschränken, müssen als durch die Verfassungsnorm des Art. 20 Abs. 4 B-VG modifiziert erachtet werden. 128 Vgl. C. II. 3. d. 129 Diese lautet: „(Im Dreiersenat ... sind ferner zu erledigen:) Ansuchen um Erteilung von Ausfertigungen, Auszügen oder Abschriften oberstgerichtlicher Entscheidungen in beim Obersten Gerichtshof nicht mehr anhängigen Rechtssachen." 130 So auch Hirte, NJW 1988, 1699; a. A. die EB zu § 7 Abs. 2 lit. b OGHG (abgedruckt in Heller / Kocian / Schubert, Das österreichische Justizverwaltungsrecht, 1969, 94), die vom Vorliegen eines Aktes der Rechtsprechung ausgehen und damit die Notwendigkeit der Senatsentscheidung begründen. Insbesondere für anonymisierte Entscheidungen ist dies unverständlich. 131 Auch Walter, Das Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof, JB1 1969, 173 (180) weist darauf hin, daß zwischen der Einsicht in die karteimäßige Registrierung und der Einsicht in den Volltext einer Entscheidung klar zu trennen ist.

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lung des Volltextes einer OGH-Entscheidung gerichtetes Begehren kann damit weder erfüllt werden, noch kann ein entsprechender Anspruch auf Akteneinsicht, wie er oben formuliert wurde, entstehen. Damit ist die Auskunftspflicht im Rahmen der Justizverwaltung in ihrer Wirksamkeit zweifellos beschränkt. m . Auskunft und Zugang zu Datenbanken Zuletzt sei noch auf das Problem des Zuganges zu Informationen, die in Datenbanken der öffentlichen Hand gehalten werden, hingewiesen. Da eine Auskunftspflicht insoweit nicht besteht, als gesetzliche Verschwiegenheitspflichten dem entgegenstehen, worunter jedenfalls die durch § 1 DSG grundrechtlich abgesicherte Geheimhaltungspflicht personenbezogener Daten fällt, kann sich die oben angeschnittene Frage nur hinsichtlich des Zuganges zu Informationen stellen, die keine personenbezogenen Daten darstellen oder hinsichtlich derer kein schutzwürdiges Interesse besteht. Dies trifft vor allem auf jene Verwaltungsinformationssysteme zu, die juristische Informationen dokumentieren 132 . Ein solches System wurde etwa für den Bereich des Sozialversicherungsrechts beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger 133 aufgebaut. Der große Umfang der abrufbaren Informationen, deren Exklusivität (so werden vor allem gerichtliche und verwaltungsbehördliche Entscheidungen, die zum größten Teil unveröffentlicht sind, gespeichert) und deren Aktualität verschaffen der Verwaltung dem Bürger gegenüber eine Informationsübermacht, die dem einzelnen und dessen Rechtsvertreter gravierende Nachteile bei der Rechtsdurchsetzimg vermitteln 1 3 4 . Da der allgemeine Zugriff auf diese Datenbanken nur Verwaltungsstellen und beruflichen Interessenvertretungen eingeräumt werden kann (vgl. § 31 Abs. 8 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG), würde auch hier ein Bedürfnis bestehen, den Zugriff durch Anwendung des AuskpflG zu eröffnen. Bei Tatsachenauskünften - und um solche handelt es sich ja im gegenständlichen Fall - bedeutet Auskunft stets, daß diese nicht einen unmittelbaren Zugriff auf ein bestimmtes Datenmaterial eröffnet, sondern zwischen dem Auskunftswerber und dem Datenmaterial eine weitere Person, der Auskunftsgeber, eingeschaltet ist 1 3 5 . Zwar kann in diesen Fällen ausnahmsweise ein unmittelbarer Zugriff erfolgen, soweit die Auskunft durch Aktenein132 Zu Fachinformationssystemen Lenk, Anforderungen der Kommunikationsgrundrechte an die Fachinformationsversorgung, UFITA 1983, 5; Meilinger, Datenschutz im Bereich von Information und Dokumentation, 1984, 29 f. 133 § 31 Abs. 3 Z 19 ASVG 1955, BGBl 189; vgl. dazu auch VfSlg 9570/1982. 134 Vgl. zu diesem Problem Meilinger (Fn. 132), 51; Großfeld, Computer und Recht, in: Hohmann, Freiheitssicherung durch Datenschutz, 1987, 51 (53 f.). 135 Vgl. dazu den Text bei Fn. 36 und 37.

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sieht erfüllbar ist und diese vom Organ gewährt wird oder aufgrund einer Abwägimg zu gewähren ist, doch ist dieser Gedanke auf den Zugriff auf Datenbanken - trotz gewisser Parallelitäten zur Akteneinsicht - nicht übertragbar. Voraussetzung für die Gewährung der Akteneinsicht zur Erfüllung der Auskunftspflicht ist ja gerade das Vorliegen einer Abwägungssituation 1 3 6 . Liegt das Ziel des Begehrens hingegen in der Einräumung eines Anschlusses, der einen prinzipiell unkontrollierbaren Zugriff eröffnet, so kann die vorauszusetzende Abwägungssituation nicht mehr vorliegen, ja wird von der technischen Organisation her sogar ausgeschlossen sein. Im übrigen w i r d es gerade dann am Vorliegen einer einigermaßen konkretisierbaren Anfrage scheitern, wenn ein von vornherein unbegrenzter „Dauerbezug" den Gegenstand des Begehrens bildet 1 3 7 . Damit sind jedoch konkrete Anfragen nicht ausgeschlossen, ja die zur Auskunft Verpflichteten haben sich durch technisch-organisatorische Maßnahmen - etwa den Einsatz von geeigneten Programmen - auf die Erfüllung dieser Pflicht einzustellen 138 .

F. Schlußgedanken Bisher stellte die Auskunftspflicht nach dem BMG ein nicht eben häufig in Anspruch genommenes Institut dar, es wurde daher auch von einem wenig beachteten Recht gesprochen 139 . Die aufgezeigte beschränkte Anwendbarkeit auf der Ebene der Ministerien mag daran nicht unbeteiligt gewesen sein. Es muß aber dennoch zweifelhaft bleiben, ob die neue gesetzliche Grundlage tatsächlich, wie von manchen Behördenvertretern befürchtet, zu einer Flut von Auskunftsbegehren führen w i r d 1 4 0 . So geht etwa aus den Berichten der Datenschutzkommission und des Datenschutzrates hervor, daß der nach dem DSG bestehende Auskunftsanspruch im öffentlichen Bereich eher zurückhaltend, im privaten Bereich hingegen fast überhaupt nicht genützt w i r d 1 4 1 . Es ist daher zu vermuten, daß der schon bisher bestehende Informationsfluß zwischen Bürger und Verwaltung kaum nennenswert ansteigen wird. Eine Ausnahme mögen vielleicht jene Bereiche darstellen, innerhalb derer der Auskunftsanspruch zur Deckung anderweitiger Rechtsschutz- oder Regelungsdefizite in Anspruch genommen werden wird. Doch sollte man 136 vgl. C. II. 3. c. 137 Der Ausschluß eines solchen Begehrens ergibt sich schon aus der Bestimmung des § 2 AuskpflG. 188

Vgl. oben C. II. 3. b; a. A. Liehr (Fn. 42), 60. Ruppe, ÖStZ 1979, 53. 140 So etwa Demmelbauer, ÖGZ 1986, 16. 141 Datenschutzbericht 1983 der Datenschutzkommission, 111-78 BlgNR 16. GP, 6 f.; Datenschutzbericht 1985 der Datenschutzkommission, III-134 BlgNR 16. GP, 5, 7, 27. 139

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n i c h t übersehen, daß die A t t r a k t i v i t ä t der A u s k u n f t s p f l i c h t w e s e n t l i c h v o n deren D u r c h s e t z b a r k e i t abhängt. N a c h w i e v o r bestehen aber gerade h i e r gravierende Mängel. D i e Nachgeschichte z u jenem E r k e n n t n i s des V w G H (Slg N F 9151/A), das die wesentlichen G r u n d g e d a n k e n der A u s k u n f t s p f l i c h t formte, sollte jedenfalls z u d e n k e n geben: Jene Frau, die das A u s k u n f t s b e gehren gestellt hatte, welches z u r A u f h e b u n g des ablehnenden Bescheides des B u n d e s m i n i s t e r i u m s führte, w a n d t e sich i n der Folge m i t i h r e m Begehr e n neuerdings a n das M i n i s t e r i u m , allerdings ohne Erfolg, sie d ü r f t e verm u t l i c h n o c h heute auf die E r t e i l u n g i h r e r A u s k u n f t w a r t e n 1 4 2 .

Anhang 1. Art. 20 Abs. 4 B - V G 1929, i . d . F . B G B l 285/1987 „(4) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Die näheren Regelungen sind hinsichtlich der Organe des Bundes sowie der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung i n Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, hinsichtlich der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in der Ausführungsgesetzgebung und in der Vollziehung Landessache." 2. Auskunftspflichtgesetz 1987, B G B l 287 287. Bundesgesetz vom 15. Mai 1987 über die Auskunftspflicht der Verwaltung des Bundes und eine Änderung des Bundesministeriengesetzes 1986 (Auskunftspflichtgesetz) Der Nationalrat hat beschlossen: § i (1) Die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht. (2) Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben 142

Dies w i r d bei

Morscher ,

ÖZöR 1980, 69 berichtet.

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nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden. § 2 Jedermann kann Auskunftsbegehren mündlich, telefonisch, telegraphisch, schriftlich oder fernschriftlich anbringen. Dem Auskunftswerber kann die schriftliche Ausführung eines mündlich oder telefonisch angebrachten Auskunftsbegehrens aufgetragen werden, wenn aus dem Begehren der Inhalt oder der Umfang der gewünschten Auskunft nicht ausreichend klar hervorgeht. § 3 Auskünfte sind ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen acht Wochen nach ihrem Einlangen zu erteilen. Kann aus besonderen Gründen diese Frist nicht eingehalten werden, so ist der Auskunftswerber jedenfalls zu verständigen. § 4 Wird eine Auskunft nicht erteilt, so ist auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen. Als Verfahrensordnung, nach der der Bescheid zu erlassen ist, gilt das AVG 1950, sofern nicht für die Sache, i n der Auskunft erteilt wird, ein anderes Verfahrensgesetz anzuwenden ist. § 5 (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 1988 in Kraft. (2) § 3 Z 5 des Bundesministeriengesetzes 1986, BGBl. Nr. 76, tritt außer Kraft. Sind i n anderen Bundesgesetzen besondere Auskunftspflichten angeordnet, so gilt dieses Bundesgesetz hiefür nicht. (3) M i t der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesregierung betraut. Waldheim Vranitzky

Verzeichnis der A u t o r e n u n d H e r a u s g e b e r Barnstedt , Elke Luise, Dr. jur., Universität Karlsruhe (TH), Kaiserstraße 12, 7500 Karlsruhe Bauer , Hartmut, Dr. jur., Universität Augsburg, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Staatslehre und Staatsrecht (Professor Dr. Reiner Schmidt), Universitätsstraße 2, 8900 Augsburg Blanke , Hermann-Josef, Universität Osnabrück, Fachbereich Rechtswissenschaften (Professor Dr. Albrecht Weber), Alte Poststraße 19, 4500 Osnabrück Heckmann , Dirk, Universität Trier, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Verfassungsgeschichte und Verwaltungswissenschaft (Professor Dr. Thomas Würtenberger), Postfach 3825, 5500 Trier Heinz, Hans Kersten, Institut für Europarecht der Universität Osnabrück (Professor Dr. Hans-Werner Rengeling), Martinistraße 8, 4500 Osnabrück Herdegen, Matthias, Dr. jur., Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Berliner Straße 48, 6900 Heidelberg Meßerschmidt, Klaus, Dr. jur., Universität Trier, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Wirtschafts-, Finanz- und Umweltrecht (Professor Dr. Michael Kloepfer), Postfach 3825, 5500 Trier Schulte, Martin, Dr. jur., Westfälische Wilhelms-Universität, Institut für Öffentliches Recht und Politik, Universitätsstraße 14 - 16, 4400 Münster Schwaighof er, Christoph, Dr. jur., Universität Wien, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht (Professor Dr. Felix Ermacora), Schottenbastei 10-16, A-1010 Wien Streinz, Rudolf, Dr. jur. habil., Privatdozent, Brucknerstraße 23, 8300 Landshut Ueberwasser, Heinrich, Dr. jur., Juristische Fakultät der Universität Basel (Lehrstuhl Professor Dr. Kurt Eichenberger), Maiengasse 51, CH-4056 Basel