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German Pages 176 Year 2015
FRITZ NATHAN – ARCHITEKT
Andreas Schenk in Zusammenarbeit mit Roland Behrmann
FRITZ NATHAN – ARCHITEKT Sein Leben und Werk in Deutschland und im amerikanischen Exil
Birkhäuser Basel
Mit freundlicher Unterstützung durch das Leo Baeck Institute, New York und die Heinrich-Vetter-Stiftung, Ilvesheim bei Mannheim
Librar y of Congress Cataloging-in-Publication data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillier te bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vor trags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwer tung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Dieses Buch ist auch als E-Book (ISBN PDF 978-3-03821-087-0; ISBN EPUB 8-3-03821-600-1) erschienen.
© 2015 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Layout, Covergestaltung und Satz Helga Behrmann Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF ∞ Printed in Germany
ISBN 978-3-03821-468-7
987654321 www.birkhauser.com
Inhalt Teil 1
Teil 2
Teil 3
Geleitwor te Vorwor t LEBEN UND WERK FRITZ NATHANS Andreas Schenk Der Weg zum Architekten, 1891–1920 Die Berliner Jahre, 1920–1922 Die Frankfur ter Jahre, 1922–1938 Die Emigration, 1938–1940 Die New Yorker Jahre, 1940–1960 Epilog Das Lebenswerk im Rückblick
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BAUTEN FRITZ NATHANS HEUTE Fotografien von Roland Behrmann
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DIE BEDEUTUNG DER FOTOGRAFIE FÜR FRITZ NATHAN Roland Behrmann Die Architekturfotografie bei Fritz Nathan
Teil 4
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und anderen Architekten seiner Zeit
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LEBEN UND WERK IM ÜBERBLICK Roland Behrmann und Andreas Schenk Lebensdaten Werkverzeichnis Verzeichnis der Or te Veröffentlichungen und Ausstellungsbeiträge Werkbesprechungen
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ANMERKUNGEN Zum Architektennachlass Zu den Quellenangaben Bildnachweis
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Geleitworte Als Andreas Schenk vor einigen Jahren mit der Idee auf mich zukam, ein Buch über meinen Vater, den Architekten Fritz Nathan, zu schreiben, erschien mir dies wie die langersehnte Erfüllung eines Traums. Es schmerzte mich seit Langem, dass mein Vater, dessen Karriere zweimal vorzeitig beendet wurde, nicht genug Zeit hatte, die seinem Werk zustehende Anerkennung zu erreichen. Ein Buch bietet die Möglichkeit, sein Werk vorzustellen, und gibt die Chance, sich mit diesem auf einer breiteren Basis zu beschäftigen und es zu bewer ten. Fritz Nathan hatte dieses ‚innere Feuer‘ – er wusste genau, Bauwerke zu schaffen, war das, was er wollte und tun musste. Mit der Zeit konnte ich mehr und mehr würdigen, was er zu leisten imstande war. Als junger Mann schuf er in nur wenigen Jahren, von 1921 bis 1933, einige Bauwerke von besonderer Bedeutung; dazu zählen das Kaufhaus Wronker in Hanau, ein Geschäftshauskomplex mit Büros, Warenhaus und Kino in Mannheim, ein Altersheim ebenfalls in Mannheim, eine Zigarrenfabrik in Heidelberg, der Jüdische Friedhof in Frankfur t am Main sowie mehrere Villen. Seine berufliche Tätigkeit begann, Früchte zu tragen, und gab ihm die Möglichkeit, bedeutungsvolle Bauprojekte zu verwirklichen, die – wie meine Mutter Lucie immer sagte – „seine Handschrift bis hin zu den Türgriffen tragen“. All dies kam zum Stillstand, als die Nazi-Gesetze ihn, weil er jüdisch war, zwangen, seinen Beruf aufzugeben. Meine Familie war glücklicherweise in der Lage, das Land zu verlassen. Nach einiger Zeit des War tens in Amsterdam auf ein Einreisevisum kamen wir 1940 in die Vereinigten Staaten. Mein Vater begann seine Arbeit als Bauleiter eines Wohnhochhauses. Als er nach wenigen Monaten an einem Freitagnachmittag gekündigt wurde und man ihm sagte, er brauche am nächsten Montag nicht zurückkommen, war er so aufgebracht, dass er sich schwor, niemals mehr für jemand anderen zu arbeiten. So fing er wieder an zu lernen, bestand die Sprachprüfung in Englisch und die Examina, die Voraussetzung für seine berufliche Zulassung waren, und erhielt schließlich die Genehmigung, als freier Architekt in den Vereinigten Staaten zu arbeiten.
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Allen Widerständen zum Trotz begann er, im Alter von 49 Jahren in einem fremden Land mit einer fremden Sprache und sogar einem anderen Maßsystem wieder als Architekt zu arbeiten. Er arbeitete viele Stunden, zumeist an sieben Tagen in der Woche, und hatte Mitarbeiter für die reguläre Arbeitszeit sowie weitere für die zusätzlichen Stunden. Irgendwie funktionier te diese Methode, obwohl wir, seine Familie, gerne mehr Zeit mit ihm zusammen verbracht hätten. In den zwanzig Jahren bis zu seinem Tod waren, über viele kleinere Projekte hinaus, Synagogen seine Hauptwerke, so die Congregation Sons of Israel in Woodmere, NY, das Jewish Community Center (jetzt Congregation Kol Ami) in White Plains, NY, die Congregation Mishkan Israel in Hamden, CT, und die Congregation B’Nai Jacob in Woodbridge, CT. Diese Bauwerke belegen seine Begabung und sein Können, aber auch seine enorme Tatkraft, Entschlossenheit und Beharrlichkeit. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass die Veröffentlichung dieses Buches mit seinen ausführlichen Darstellungen und Auseinandersetzungen dazu führen wird, dass das Werk von Fritz Nathan eine breitere Wer tschätzung erfähr t. Ich bin Andreas Schenk, Roland Behrmann und Helga Behrmann außerordentlich dankbar für ihre Arbeit und ihr Engagement bei der Erstellung dieses Buches. Doris Nathan New York, im Juli 2015 Aus dem Englischen über tragen von Michael Diehl
Dieses Buch gibt uns die seltene Gelegenheit, die Arbeit eines in Deutschland wirkenden Architekten der Zwischenkriegszeit detaillier t einsehen zu können, wie auch die For tsetzung seiner Arbeit in der amerikanischen Emigration. Basierend auf dem Nachlass von Fritz Nathan im Archiv des Leo Baeck Institutes gibt es uns einen ersten, tiefen Einblick in sein Leben und Werk und die Möglichkeit, ihn in den Kontext anderer Architekten seiner Zeit zu stellen, wie etwa dem eine Generation älteren Leo Nachtlicht, dessen Werk auch noch zu entdecken ist. Fritz Nathan wie auch sein jüngerer Bruder Otto (dessen Lebensgeschichte noch auf Bearbeitung wartet) waren exemplarische Ver treter einer neuen Generation deutscher Juden. Geboren in einer Region, die seit mehr als einem Jahr tausend durch die jüdischen Gemeinden und ihre Mitglieder mitgeprägt war, der Vater im oft von Juden betriebenen Weinhandel, aufgewachsen im Kaiserreich als Bürger eines vereinten Deutschlands mit starken nationalen und kulturellen Bindungen, war Fritz Nathan Teil einer Gesellschaft, die für ihn als Deutscher und als Jude Heimat war. Aus seiner Ausbildungs- und ersten Berufslaufbahn ist nicht zu ersehen, dass er sich von anderen deutschen Architekten seiner Zeit wesentlich unterschied. So wie seine ersten Berufserfahrungen war auch sein Ziel für die weitere Laufbahn eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst. Seine Teilnahme im Ersten Weltkrieg einschließlich militärischer Beförderungen geben das Bild eines selbstbewussten deutschen Staatsbürgers jüdischen Glaubens.
Ich denke, es ist angesichts einer tragischen Geschichte eine glückliche Situation, Fritz Nathans Nachlass im Archiv des Leo Baeck Institutes vorzufinden, da er so den ihm gebührenden Kontext erhält, als Teil der Geschichte Deutschlands, die einmal gleichermaßen von Juden wie Nicht-Juden geprägt war. So wie er auch im Rahmen des Centers for Jewish History, bei dem das Leo Baeck Institute eine der Par tnerorganisationen ist, seinen Platz in der allgemeinen jüdischen Geschichte hat. Man wünscht sich, dass dem Beispiel von Andreas Schenk gefolgt wird und andere für die deutsche Geschichte bedeutende jüdische Personen dem heutigen Lesepublikum zugänglich gemacht werden. Frank Mecklenburg Director of Research and Chief Archivist, Leo Baeck Institute, New York New York, im Juli 2015
In der nach dem Krieg auch für Architekten schwierigen Berufssituation war sein Versuch, als Beamter tätig zu werden, ohne Erfolg. Nach kurzem Aufenthalt in Berlin, u. a. in der seine spätere Arbeit prägenden Phase in der Bauabteilung der jüdischen Gemeinde, wo er an bedeutenden Bauprojekten, wie der erst zehn Jahre später realisier ten Synagoge in der Prinzregentenstraße und den Kriegsopferdenkmalsprojekten, mitwirkte, sowie den anschließenden Versuchen, in Hessen in den öffentlichen Dienst zu gelangen, wählte er den anderen und wohl seiner Kreativität besser entsprechenden Weg und machte sich selbstständig. Das Nebeneinander von Projekten für jüdische Einrichtungen und kommerziellen wie privaten Bauten ist charakteristisch für Fritz Nathan, wie sich aus seiner Werkbiografie ersehen lässt. Die im Archiv des Leo Baeck Institutes und auch über das Internet einsehbare Sammlung macht dies im Detail deutlich.
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Vorwort Als Fritz Nathan 1960 in New York starb, würdigte das Mitteilungblatt jüdischer Gemeinden in Baden den Verstorbenen: „In den Zeiten vor Hitler haben in Deutschland hervorragende jüdische Architekten gewirkt – Messel in Berlin baute das Warenhaus Wertheim, Kaufmann baute neue Theater – in Süddeutschland wirkte Fritz Nathan. Das weit bekannte Altersheim der früheren Gemeinde Mannheim ist sein Werk, in Mannheim hat er noch das erste Hochhaus erbaut – der jüdische Friedhof in Frankfurt gelangte zu Weltruf […].“I 1891 in Bingen am Rhein geboren, hatte Fritz Nathan kurz vor dem Ersten Weltkrieg an den Technischen Hochschulen in Darmstadt und München Architektur studier t, ehe er sich nach einem Zwischenaufenthalt in Berlin 1923 in Frankfur t a. M. selbständig machte. Er trat sowohl im Wohnungs- als auch im Industriebau hervor. Bekannt wurde er aber vor allem durch den Neuen Jüdischen Friedhof in Frankfur t, den er als eindrucksvolles Ensemble sakraler Baukunst schuf. Darüber hinaus fand er mit seinen Kaufhäusern weithin Beachtung. In Mannheim verwirklichte er mit dem Gebäude der Samt und Seide GmbH, dem Deutschen Beamtenwarenhaus und dem Universum-Kino einen Geschäftshauskomplex, der ihm den Vergleich mit Erich Mendelsohn einbrachte. In dieser Stadt schuf er auch das Israelitische Altersheim, ebenfalls ein viel beachtetes Beispiel des Neuen Bauens. Seine Mannheimer Projekte führ ten zu meiner ersten Begegnung mit dem Werk des Architekten. Im Rahmen meiner Forschungen zur Architekturgeschichte Mannheims ging ich ihrer Planungs- und Baugeschichte nach und machte sie bald zum Ausgangspunkt weiterer Recherchen über Nathan und sein Schaffen.II Es war eine Spurensuche, die stets auch mit der Frage nach dem Schicksal eines jüdischen Architekten im Deutschland der 1920er und 1930er Jahre und seinem Lebensweg im amerikanischen Exil verknüpft war. Nathan hatte Deutschland 1938 verlassen, war zunächst nach Holland geflohen und 1940 in die USA emigrier t, wo er als Architekt wieder Fuß fassen konnte. Nur wenige Fakten waren bekannt, die durch die Recherchen nach und nach mit Leben gefüllt werden konnten. So hatte er lange Zeit gezöger t, den Weg ins Exil zu gehen. Er hatte angenommen, man würde ihn, einen mit dem „Ehrenkreuz für Frontkämpfer“ ausgezeichneten Teilnehmer am Weltkrieg, nicht aus der Reichskulturkammer ausschließen. Die
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Machtergreifung der Nationalsozialisten beendete seine Karriere jedoch mit einem Schlag. Fortan blieben ihm nur noch Projekte für jüdische Auftraggeber, in der Regel kleinere Aus- und Umbauten, aber auch eine so bedeutende Aufgabe wie die Errichtung eines jüdischen Friedhofs in Stuttgar t. Ein weiteres überraschendes Detail seiner Vita ist, dass er 1938 eine zweiwöchige Reise in die USA unternahm, um dor t den Wiedereinstieg in den Beruf vorzubereiten. Dass die Anfänge in New York dann alles andere als einfach waren, dass er noch bis zu seinem Lebensende um Restitution kämpfte, sind weitere Ergebnisse der Nachforschungen, die ohne den im Leo Baeck Institut in New York vorhandenen Architektennachlass allerdings kaum möglich gewesen wären. Doris Nathan, seine noch in Deutschland geborene Tochter, hatte den umfangreichen Bestand von Schriftstücken, Plänen und Fotografien vor vielen Jahren dem Leo Baeck Institut überlassen. Dort wurde er zunächst auf Mikrofilm dokumentier t, dann digitalisier t und auf die Homepage des Instituts gestellt, was die Recherchen in erheblichem Maße erleichter te. Die Dokumente gewähren Einblick in das Leben und Werk eines unermüdlich tätigen Architekten und verdeutlichen dessen Leistung in Deutschland wie in den USA. Zahlreiche, teils nicht mehr erhaltene Bauten sind durch Entwurfszeichnungen und Baupläne überliefer t, ebenso die Projekte, die Nathan nicht ausführen konnte. Zu diesen gehören so bemerkenswer te Planungen wie die für ein Rathaus in Bochum, einen Fruchthof in Frankfur t und eine Synagoge in Zürich. Auch der Entwurf für ein Parkhaus im Stil des Neuen Bauens in Mannheim zählt zu den überraschenden Funden. Desgleichen kann die bis dahin wenig bekannte Tätigkeit Nathans für die US-amerikanischen Unternehmen Har tz Mountain Products und Hunter Douglas nachgezeichnet werden. Allerdings weist der Bestand für die Jahre vor der Emigration erhebliche Lücken auf. Ob dies damit zusammenhängt, dass die Nationalsozialisten 1940 einen Container mit Umzugsgut beschlagnahmten? Möglicherweise befanden sich darin die fehlenden Unterlagen. Dass Nathan seine Gebäude bis ins Detail plante, dass er auch Möbel, Lampen und andere Einrichtungsgegenstände entwarf, zeigen zahlreiche Blätter, die zugleich das zeichnerische Talent des Architekten belegen.
Nachruf aus den Mitteilungen jüdischer Gemeinden in Baden. LBI: FN 4, 21, p. 427. Erste von mir verfasste Beschreibungen zu den Mannheimer Bauten in: Andreas Schenk, Architekturführer Mannheim, hrsg. von der Stadt Mannheim, Berlin (Dietrich-Reimer-Verlag) 1999, S. 10, 123; Andreas Schenk, Mannheim und seine Bauten 1907–2007, 6 Bde., hrsg. vom Stadtarchiv Mannheim – Institut für Stadtgeschichte und Mannheimer Architektur- und Bauarchiv e.V., Bd. 1, S. 55, 66; Bd. 2, S. 45 f.; Bd. 3, S. 149–151, Mannheim (Edition Quadrat) 2000–2008.
Aufschlussreich sind zudem die überliefer ten Fotografien. Viele stammen von namhaften Fotografen, Meistern ihres Fachs, die im Auftrag des Architekten die wichtigsten Bauten ablichteten. Diesem Aspekt widmet das Buch ein eigenes Kapitel. Sein Autor Mag. Roland Behrmann, Fotografenmeister und Kunsthistoriker, beschäftigte sich bereits mit Nathan, als er seine Magisterarbeit über das Israelitische Altersheim in Mannheim schrieb.III Er half auch bei der Sichtung des Nachlasses und beim Werkverzeichnis; zudem übernahm er die aufwendige Bildbearbeitung der bauzeitlichen Pläne und Fotografien. Einen wichtigen Beitrag leistete er darüber hinaus durch die eindrucksvolle fotografische Dokumentation erhaltener Gebäude. Gemeinsam mit Doris Nathan besichtigten wir 2012 die Synagogen in New York, Woodmere, White Plains, Hamden und Woodbridge. Leider konnten wir in White Plains aber nur noch eine Baustelle in Augenschein nehmen, da die Synagoge der heutigen Congregation Kol Ami für einen Umbau entkernt worden war. Durch Abbruch ging 2010 auch das ehemalige Israelitische Altersheim in Mannheim verloren. Bereits 1967 fiel die Mannheimer Geschäftshausgruppe, die mit ihrem markanten Turm ein stolzes Beispiel des Neuen Bauens gewesen war. Andere Gebäude wurden im Zweiten Weltkrieg zerstör t oder später durch Um- und Neubauten stark veränder t. So lässt sich das baukünstlerische Genie Nathans heute nur noch an wenigen erhaltenen Gebäuden nachvollziehen. Unter diesen ragen der Frankfur ter Friedhof, das Geschäftshaus Hertz-Grünstein in Luxemburg und die Synagogen in Hamden und Woodbridge heraus. Die Synagoge in Woodbridge befand sich kurz vor ihrer Vollendung, als Nathan durch eine Krebserkrankung viel zu früh, mit 69 Jahren, aus dem Leben gerissen wurde. Hätte er länger gelebt, wären weitere Meisterwerke zu erwar ten gewesen. Sein Tod brachte in Deutschland seine Leistungen zwar noch einmal in Erinnerung, dann aber teilte er das Schicksal vieler anderer emigrier ter Architekten. Die Erinnerung an Nathan verblasste. Erst das wachsende Interesse an den Schicksalen deutscher jüdischer Architekten rückte ihn wieder mehr ins Bewusstsein. Klemens Klemmer skizzier te 1998 in seiner zusammenfassenden Darstellung jüdischer Baumeister in Deutschland auch III IV V VI
die Biografie Nathans.IV Ebenso widmete ihm Myra Warhaftig 2005 einen längeren Beitrag.V Auf die Bedeutung der Frankfur ter Trauerhalle verwies 2007 Ulrich Knufinke in seiner Forschungsarbeit über Bauwerke jüdischer Friedhöfe in Deutschland.VI So verdienstvoll diese Publikationen sind, blieb die umfassende Würdigung von Leben und Werk Nathans doch ein Desiderat, das mit diesem Buch erfüllt werden soll. Fritz Nathan wieder zu entdecken, ihn wieder in den Kanon der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunder ts zurückzuholen, ist das Anliegen dieser Biografie. Die Veröffentlichung wäre nicht ohne die Unterstützung und Hilfe anderer zustande gekommen. Das Leo Baeck Institut stellte Fotografien und Pläne kostenlos zur Verfügung und ermöglichte so diese Dokumentation. Besten Dank dafür an den Forschungsleiter und Chefarchivar des LBI, Dr. Frank Mecklenburg. Der Heinrich-Vetter-Stiftung, welche die Produktion des Buches großzügig unterstützte, sei ebenso gedankt wie Frau Dr. des. Verena Bestle und Frau Dr. Katja Richter vom Birkhäuser Verlag für die gute und ver trauensvolle Zusammenarbeit. Dank gilt auch Wolfgang Müller, der aus dem Nachlass seines Vaters Carl Müller, des langjährigen Mitarbeiters Nathans, wichtige Dokumente zur Verfügung stellte. Roland Behrmann, der wesentlich zum Entstehen dieses Buches beigetragen hat, danke ich für die gute und konstruktive Zusammenarbeit. Von unserer Begeisterung für Nathan ließ sich auch seine Frau Helga Behrmann anstecken. Sie organisier te unsere Reisen, stellte den Kontakt mit dem Verlag her und gestaltete als Diplom-Grafikdesignerin dieses Buch in so großar tiger Weise. Auch ihr sei herzlich gedankt. Ebenso danke ich Vanessa Buffy für ihre wer tvollen redaktionellen Anmerkungen. Eine weitere Stütze hatte ich in meinem Lebenspar tner Michael Diehl, der die Entstehung des Buches engagier t und hilfreich begleitete. Nicht zuletzt danke ich Doris Nathan für die vielen aufschlussreichen Gespräche, die Geduld, mit der sie auf dieses Buch gewar tet, und für das Ver trauen, das sie in mich als Biograf ihres Vaters gesetzt hat. Andreas Schenk Mannheim, im Juli 2015
Roland Behrmann, Neues Bauen in Mannheim. Das Pauline-Maier-Haus, Magisterarbeit an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Philosophische Fakultät, 2009. Klemens Klemmer, Jüdische Baumeister in Deutschland. Architektur vor der Shoah, Stuttgart (Deutsche Verlags-Anstalt) 1998, S. 184, 267 f. Myra Warhaftig, Deutsche jüdische Architekten vor und nach 1933 – Das Lexikon. 500 Biographien, Berlin (Dietrich Reimer Verlag) 2005, S. 128–130. Ulrich Knufinke, Bauwerke jüdischer Friedhöfe in Deutschland, Petersberg (Michael Imhof Verlag) 2007, S. 291–296.
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Teil 1 Andreas Schenk
LEBEN UND WERK FRITZ NATHANS
Der Weg zum Architekten 1891–1920 „Er beabsichtigt sich dem Studium der Architektur zu widmen.“ Als das Oster-Gymnasium in Mainz im Februar 1909 dem damals 17-jährigen Fritz Nathan die „Reife zum Besuche der Universität“ bescheinigte, nannte es auch den Berufswunsch des Schulabgängers.1 Der angehende Architekturstudent war der ältere der beiden Söhne des Weinhändlers Jacob Nathan (1860 –1959) und dessen Frau Sara (1868 –1961), geborene Freiberg. Die Eltern hatten sich am 29. Mai 1890 auf dem Standesamt in Göllheim, dem Heimator t der Braut, das Ja-Wor t gegeben, um sich am 1. Juni desselben Jahres im nahen Worms auch nach jüdischem Ritus trauen zu lassen.2 Sie wohnten in Bingen am Rhein, das am Ende des 19. Jahrhunder ts rund 10.000 Einwohner zählte; davon waren über 700 jüdischen Glaubens.3 Nicht wenige Einwohner verdienten ihren Lebensunterhalt durch den Weinanbau oder waren, wie Jacob Nathan, im Weinhandel tätig. Möglicherweise spielten die Eltern mit dem Gedanken, den Stammhalter, der am 14. April 1891 in Bingen geboren wurde, später einmal am Geschäft zu beteiligen. Fritz hatte aber andere Interessen und träumte schon mit zwölf Jahren davon, eines Tages als Architekt wirken zu können.4 Auch sein jüngerer Bruder Otto, geboren am 15. Juli 1893, hatte keine Neigung, in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Er machte vielmehr als Nationalökonom Karriere.5 Dass die Eltern ihren Kindern keinen jüdischen, sondern einen typisch deutschen Vornamen gaben, kann als Hinweis auf ihre liberale religiöse Haltung gesehen werden. Die Söhne wuchsen in gutbürgerlichen Verhältnissen auf, die ihnen nicht nur eine höhere Schul1 2 3 4 5 6
ausbildung, sondern auch ein Studium ermöglichten. Fritz besuchte von 1903 bis 1907 das Realgymnasium in Bingen und wechselte danach an das OsterGymnasium im rund 30 km entfernten Mainz. Seine Abiturnoten weisen ihn als Schüler mit guter bis durchschnittlicher Leistung aus. Die Note „sehr gut“ erhielt er nur im Zeichnen – ein Talent, das sich mit dem Berufswunsch des Schulabgängers bestens verband.6
Das Architekturstudium, 1909 –1914 Kaum aus der Schule entlassen, schrieb sich Nathan zum Sommersemester 1909 als Architekturstudent an der Technischen Hochschule Darmstadt ein. Damit trennten den inzwischen 18-Jährigen nur rund 70 km vom Elternhaus. Bereits zum Wintersemester wechselte er in die weit entfernte bayrische Hauptstadt München, wo er in der renommier ten Architekturabteilung der dor tigen Technischen Hochschule bei Friedrich von Thiersch, Carl Hocheder, Theodor Fischer und Erich Goebel studier te. Deren Werke sind teils typische Beispiele des späten Historismus; teils zeigen sie den Einfluss neuer baukünstlerischer Strömungen der Zeit um 1900, wie den des Jugendstils und der zwischen Moderne und Tradition stehenden Reformarchitektur. Zugleich sind ihre Bauten vom Wunsch nach einer funktionalen, zweckmäßigen Gestaltung bei zugleich hoher repräsentativer Wirkung geprägt. Dies dürfte auf den Studenten maßgeblichen Einfluss gehabt haben; vor allem die Schöpfungen Theodor Fischers, des for tschrittlichsten unter seinen Lehrern, wiesen ihm den Weg zu einer modern aufgefassten Architektur.
Zeugnis vom 12.2.1909. LBI: FN 26B, 16, p. 742. Daten entsprechend Unterlagen im LBI: FN 26, 2, p. 485 und FN 26, 7, p. 419. http://www.alemannia-judaica.de/bingen_synagoge.htm (9.2.2014). Doris Nathan in einem Bericht über ihren Vater, 1.5.1985. LBI: FN 1, 2, p. 43. Zu Otto Nathan (1893–1987) u. a. Walter Tetzlaff, 2000 Kurzbiographien bedeutender deutscher Juden des 20. Jahrhunder ts, Lindhorst (Askania-Verlag) 1982. Wie Anm. 1.
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D e r We g z u m A rc h i t e k t e n 1 8 9 1 – 1 9 2 0 Erste praktische Erfahrung im Bauwesen erwarb Fritz Nathan in den Semesterferien. Am18. September 1909 begann er ein vierwöchiges Praktikum in der Heimatstadt Bingen, das ihm Einblick in die Aufgaben beim Neubau einer Friedhofsanlage, dem 1910 fer tig gestellten Waldfriedhof, gewähr te und möglicherweise zur späteren intensiven Auseinandersetzung des Architekten mit der Frage der Gestaltung von Begräbnisstätten beitrug. Bedeutsam war dieses Praktikum aber auch deshalb, weil es Nathan die Gelegenheit bot, sich mit „Konstruktionen des Eisenbetonbaus“ ver traut zu machen, wie das Arbeitszeugnis vom 27. Oktober 1909 vermerkt.7 Darüber hinaus war er vom 15. März bis zum 8. April 1911 als Volontär im Münchner Stadtbauamt in ein Projekt zur Errichtung eines Bürgerheims eingebunden.8 Dessen Architekt war Hans Grässel, ein Exper te im Friedhofsbau, der Nathans Karriere noch an entscheidender Stelle befördern sollte. Eine weitere Station der praktischen Ausbildung war das Bauamt in Mainz, das ihm die zeichnerische Aufnahme der Kirche des ehemaligen Karmeliterklosters anvertraute. Dem Arbeitszeugnis vom 26. Oktober 1911 ist zu entnehmen, dass Nathan diese Aufgabe zur „vollen Zufriedenheit“ erfüllte.9
Georg Wickop, deren Werk einem modern interpretier ten Historismus entspricht, dürften auf den Studenten Eindruck gemacht haben. In Darmstadt erwarb Nathan für seine berufliche Laufbahn weitere wichtige Erfahrungen auch durch seine Mitarbeit im Zeichenatelier der Hofmöbelfabrik Joseph Trier. Die Firma bescheinigte ihm am 18. Oktober 1912 nach achtwöchiger Anstellung, dass er sich „in jeder Weise ausserordentlich fleißig betätigt“ habe; man sei mit seinen Leistungen „in technischer wie in künstlerischer Beziehung sehr zufrieden“ und käme gerne seinem Wunsch nach, ihn noch den praktischen Teil der Tischlerei erlernen zu lassen.12 Vom Fleiß und Können Nathans beeindruckt zeigte sich auch die Darmstädter Herd- und Emaillierfabrik, für die er Herdteile entwarf, die „bei unserer gesamten Kundschaft und besonders auch bei der […] grossen Gasfachausstellung den besten Beifall“ fanden, wie die Unternehmensleitung im Februar 1914 an den „stud. cand. arch.“ schrieb, um ihm weitere Aufträge anzubieten.13 Von diesen positiven Rückmeldungen zweifellos ermutigt, trat Nathan im März 1914 seine Diplomarbeit an.
Entwürfe für die Diplomarbeit, 1914 Während des Studiums standen Vorlesungen und Seminare unter anderem in den Fächern „Gebäudekunde“, „Übungen in der Darstellenden Geometrie“, „Skizzieren von Bauwerken“, „Hochbaukonstruktionslehre“, „Planzeichnen“ und „Vermessungskunde“ auf dem Programm. Auch „Grundzüge der höheren Mathematik“ und das Fach „Einführung in die Mechanik“ gehörten zur Ausbildung, ebenso „Ornamentzeichnen“ und „Übungen in der Formanalyse der antiken Baukunst und der Renaissance“, um nur einige der Seminare und Vorlesungen zu nennen, die in den überliefer ten Studienbescheinigungen genannt sind.10 Nach der im Juli 1911 in München mit der Gesamtnote „gut“ absolvier ten Diplom-Vorprüfung kehr te Nathan zum Wintersemester desselben Jahres wieder an die Technische Hochschule Darmstadt zurück, wo er bei Karl Hofmann, Paul Meissner, Friedrich Pützer, Ernst Friedrich Vetterlein und Georg Wickop studier te.11 Wieder traf er auf typische Ver treter der Baukunst jener Jahre. Vor allem Friedrich Pützer und
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Zentrale Aufgabe der Diplomarbeit an der Technischen Hochschule Darmstadt war die Ausarbeitung von Entwürfen für eine Sektkellerei auf der Grundlage eines exakt vorgegebenen Bauprogramms.14 Neben den Lager- und Verladeflächen, der Kelterei und der Halle mit der Flaschenabfüllanlage waren Sozialräume für die Arbeiter, eine Hausmeister- und eine Direktorenwohnung ebenso vorzusehen wie ein großer Empfangs- und Festsaal, ein Sitzungssaal sowie gastronomische Einrichtungen für die Besucher der Sektkellerei. Nathan setzte sich intensiv mit der Bauaufgabe auseinander und besichtigte die Kellereien Burgeff in Hochheim, Henkell in Biebrich und Kupferberg in Mainz, um sich ein Bild über die Produktion von Schaumwein und die daraus resultierenden Anforderungen an die Architektur zu machen. Im Erläuterungsbericht seines Entwurfs, den er am 1. Juli 1914 dem Prüfungsausschuss der Hochschule vorlegte, führ te er aus, dass der Grundriss aus der notwendigen Anordnung der Keller entwickelt sei.15
7 Arbeitszeugnis, 27.10.1909. LBI: FN 26B, 16, p. 764. 8 Arbeitszeugnis, 12.4.1911. LBI: FN 26B, 16, p. 765. 9 Arbeitszeugnis, 26.10.1911. LBI: FN 26B, 16, p. 766. 10 Studiennachweise und Zeugnisse im LBI: FN 26B, 16, p. 745–763. 11 Ebd. 12 Arbeitszeugnis,18.10.1912. LBI: FN 26B, 16, p. 768. 13 Brief vom 14. 2.1914. LBI: FN 26B, 16, p. 767. 14 Aufgabenstellung vom 7.3.1914. LBI: FN 26B, 17, p. 828. 15 Erläuterungsbericht, 8.6.1914 (mit Stempel vom 1.7.1914). LBI: FN 26B, 17, p. 816–828.
D e r We g z u m A rc h i t e k t e n 1 8 9 1 – 1 9 2 0 Drei parallelen tonnengewölbten Räumen, die er über Querbauten miteinander verband, fügte er auf der einen Seite die Hauptarbeitsräume, auf der anderen die Lagerflächen sowie die Gleisanlagen für den An- und Abtranspor t an.16 Über die Keller setzte er ebenfalls mittels Querbauten verbundene Hallen, die im vorderen Bereich dem Arbeiterfestsaal, der Empfangshalle und den Büros dienen, während der rückwär tige Teil die Füll-, Enthefe- und Packhalle aufnimmt. Aus der Mitte dieser Baugruppe ragt ein Turm mit Aussichtsplattform als weithin sichtbare Landmarke auf. Zwei Direktorenwohnhäuser flankieren als symmetrische Abschlussbauten den vorgelagerten Hof und dessen Gar tenanlagen. Bei der Durchbildung der Fassaden richtete Nathan das Hauptaugenmerk darauf aus, die Anlage als einen Industriebau zu kennzeichnen, in dem „nicht schwere Maschinen da erstehen sollen, sondern ein appetitlicher Fabrikationsgang der Herstellung eines edlen Erzeugnisses dient“.17 Diesen Anspruch spiegelt das Gebäude mit seiner fein durchgestalteten Schauseite wider. Prägend sind vor allem das elegante Zusammenspiel des getreppten Mittelgiebels und der geschwungenen Dächer sowie der hinter dem mittleren „Repräsentations-Eingang“ schlank aufsteigende Turm. Große Glasflächen und lange Fensterreihen zwischen schmalen Pfeilerstellungen verleihen der Architektur nicht nur Leichtigkeit und Eleganz, sie erfüllen auch die Forderung nach hell belichteten Räumen. Für die Fassaden dachte sich Nathan eine Verkleidung mit Traver tin, kombinier t mit Kupfer und weiß gestrichenen Holzelementen. Wie er im Erläuterungsbericht selbstbewusst schrieb, war auch „manche lustige Plastik“ berücksichtigt, so zum Beispiel ein tanzendes Figurenpaar über dem Hauptgiebel.18 Die Grundzüge des Entwurfs weisen den angehenden Architekten als Planer aus, der neben dem repräsentativen baukünstlerischen Erscheinungsbild auch der Funktionalität und Zweckmäßigkeit besondere Beachtung schenkt. Bezeichnenderweise geht er in seinen schriftlichen Erläuterungen mit keinem Wor t auf die Frage der stilistischen Gestaltung ein. Offenbar interessier te ihn nicht die Nachahmung historischer Baustile, sondern eine im Verständnis der Zeit moderne Architektursprache, in der traditionelle Bauformen neu interpretier t werden. Die strenge Symmetrie des Aufrisses mit der Betonung des Mitteltrakts und der Akzentuierung der Eckbauten wiederholt zwar das traditionelle Schema repräsentativer Fassaden in Anleh-
nung an die Feudalarchitektur der Renaissance und des Barock. Die Stilkonventionen des Historismus sind jedoch zugunsten eines individuellen, zeitgemäßen Erscheinungsbildes überwunden. Damit steht Nathan zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn der Reformarchitektur nahe – jener Richtung in der Baukunst des frühen 20. Jahrhunderts, die sich gegen die strenge Nachahmung historischer Baustile wandte, aber auch dem von jeglicher Tradition sich lösenden Jugendstil eine Absage er teilte.
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Abb. 1:
Entwurf für eine Sektkellerei, Diplomarbeit, 1914 (LBI: FN 19, p. 290).
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Abb. 2:
Entwurf für eine Sektkellerei, Diplomarbeit, 1914, Ansicht der Portalfassade mit dahinter aufragendem Turm
Zu den weiteren Aufgaben der Diplomarbeit zählten Entwürfe für einen Herrensitz, ein Rathaus und ein Krematorium.19 Der Herrensitz zeigt die für ein Palais charakteristische dreiteilige Gliederung mit der Betonung der breiten Mittelachse durch einen Dreiecksgiebel. Der Stil entspricht einem modern aufgefassten Neuklassizismus, der auch beim Rathaus und dessen seitlichem Turm zur Geltung kommt. Das Krematorium ist in Anlehnung an den frühchristlichen Kirchenbau im dezidier t neuromanischen Stil gehalten.
16 Die Entwürfe der Sektkellerei im LBI: FN 19, p. 289–296, 300 f.; FN 39, p. 257–260. 17 Erläuterungsbericht a.a.O. (Anm. 15). 18 Ebd. 19 Alle drei Entwürfe mit Stempel „Diplom-Hauptprüfung 1. Juli 1914”. LBI: FN 19, p. 297–299.
(LBI: FN 19, p. 301).
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D e r We g z u m A rc h i t e k t e n 1 8 9 1 – 1 9 2 0 u
Abb. 3:
Entwurf für ein Herrenhaus, Diplomarbeit, 1914 (LBI: FN 19, p. 297).
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Abb. 4:
Entwurf für ein Rathaus, Diplomarbeit, 1914 (LBI: FN 19, p. 299).
Der angehende Regierungsbaumeister und seine Lehrtätigkeit an der Baugewerkschule Bingen, 1914 –1915
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Abb. 5:
Entwurf für ein Krematorium, Diplomarbeit 1914 (LBI: FN 19, p. 298).
Die mächtige Vierungskuppel und der erhöht sitzende Por talvorbau verleihen dem Gebäude eine ausgeprägt würdevolle, geradezu monumentale Wirkung. Damit berühr t dieser Entwurf ein Thema, das den Architekten bei seinen späteren Friedhofsbauten noch intensiv beschäftigten sollte. Nathan befand sich mit seinen Entwürfen auf der Höhe der Zeit und überzeugte so auch den Prüfungsausschuss der Hochschule, der die Diplomarbeit mit der Note „sehr gut“ bewer tete. Auch die Studienzeichnungen und die mündlichen Prüfungen in Baustofflehre, Kunstgeschichte und Städtebau erhielten die Bestnote. Andere Leistungen wurden mit „ziemlich gut“ beur teilt, einige aber nur mit „genügend“, wie „Formenlehre und Geschichte der Baukunst“ – Themen, die möglicherweise nicht zu den vordringlichen Interessen Nathans zählten. Mit dem am 16. Juli 1914 datier ten Zeugnis überreichte die Technische Hochschule Darmstadt dem 23-jährigen Absolventen die Diplomurkunde, die ihn dazu berechtigte, den Titel des Diplom-Ingenieurs zu tragen.20
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20 Diplomzeugnis, 16.7.1914 im LBI: FN 26B, 16, p. 762. 21 Brief des Ministeriums, 31.7.1914. LBI: FN 26B, 16, p. 773 f. 22 Arbeitszeugnis, 4.2.1915. LBI: FN 26B, 16, p. 769. 23 Ebd.
Nathan hatte wahrscheinlich schon während des Studiums entschieden, sich durch eine Zusatzausbildung zum Baubeamten für den Staatsdienst zu qualifizieren. So bewarb er sich noch 1914 um eine Ausbildungsstelle im Großherzoglichen Ministerium der Finanzen des Landes Hessen, Abteilung Bauwesen, das ihn mit Bescheid vom 7. Oktober dem Kreisamt seiner Heimatstadt Bingen und dessen Kreisbauinspektor Richard Limper t zuwies. Er durfte sich nun offiziell Regierungsbauführer nennen.21 Da ihm nach damaliger Praxis im ersten Ausbildungsabschnitt keine Vergütung gewähr t wurde, suchte er nach einer Verdienstmöglichkeit, die er in der Hessischen Baugewerk- und Gewerbeschule in Bingen fand. Die 1897 gegründete renommier te Ausbildungsstätte für Bauhandwerker stellte ihn zum 9. September 1914 als Dozent ein. Auf der zeitlich befristeten, auf drei Wochenstunden beschränkten Stelle ver trat er jene Lehrer, die nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs als Soldaten „im Felde“ standen.22 Er unterrichtete die Fächer Bauzeichnen, Trigonometrie und Entwerfen. Doch schon im Februar 1915 hielt er ein Kündigungsschreiben in der Hand, nicht etwa weil man mit seiner Leistung unzufrieden gewesen wäre, sondern weil die Schule in finanziellen Nöten steckte. Sämtliche unverheiratete Dozenten – und zu diesen zählte Nathan – mussten entlassen werden. Im Arbeitszeugnis, das man ihm mit auf den Weg gab, hob der Direktor der Schule hervor : „Nathan hat […] gute Lehrbefähigung und reiche Fachkenntnisse an den Tag gelegt, war stets bestrebt, seine Schüler dem vorgeschriebenen Lehrziele entgegenzuführen und hat durch Gewissenhaftigkeit und eifrige Pflichterfüllung die besten Unterrichtsergebnisse erzielt“.23
D e r We g z u m A rc h i t e k t e n 1 8 9 1 – 1 9 2 0 Kriegsdienst, 1915 –1918 Obwohl die Kündigung erst zum 1. April 1915 wirksam wurde, quittier te Nathan die Stelle einen Monat früher, um sich freiwillig zum Dienst an der Waffe zu melden. Es scheint, als habe er sich vom patriotischen Taumel anstecken lassen, der nach dem Kriegsausbruch ganz Deutschland erfasste. Dass ebenso viele deutsche Juden wie Nichtjuden zu den Waffen griffen, belegte noch während des Krieges die sogenannte „Judenzählung“, eine statistische Erhebung des Anteils der Juden im deutschen Heer. Sie war vor dem Hintergrund des antisemitischen Vorur teils durchgeführ t worden, Juden zeigten zu wenig Vaterlandsliebe und drückten sich vor dem Kriegsdienst. Die Statistik erbrachte das Gegenteil. Allerdings wurde sie bis zum Kriegsende geheim gehalten. 1914 hatte der Centralverband deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens sogar dazu aufgerufen, „über das Maß der Pflicht hinaus“ die „Kräfte dem Vaterland zu widmen“.24
Für den zweiten Ausbildungsabschnitt wechselte er im Sommer 1919 wieder nach Darmstadt. Dor t arbeitete er im Architekturbüro von Georg Markwor t und Eugen Seiber t, die sich durch Industrie- und Siedlungsbauten einen Namen gemacht hatten.27 Eines ihrer Hauptwerke ist die Grube Amalienhöhe in Waldalgesheim bei Bingen. Die Anlage mit Förderturm, Silo und Betriebsgebäuden in teils barockisierendem, teils neuklassizistisch geprägtem Stil entstand 1916 bis 1920, so dass davon auszugehen ist, dass Nathan an der letzten Phase der Bauausführung des heute denkmalgeschützten Ensembles mitwirkte. Am 20. Dezember 1919 wechselte er für drei Monate in die Abteilung für Bauwesen des Finanzministeriums in Darmstadt. Dor t war er mit Verwaltungsaufgaben betraut; er prüfte Baupläne und Kostenvoranschläge, arbeitete im Sekretariat mit und wurde zudem in Registratur, Kanzlei und Buchhaltung eingesetzt.28
Nathan trat den Militärdienst am 3. März 1915 an, wenige Wochen vor seinem 24. Gebur tstag. Er wurde zunächst dem Ersatzbataillon eines Fußar tillerieRegiments zugewiesen. In den folgenden dreieinhalb Jahren wechselte er mehrfach die Kompanie und war im Südosten Europas, unter anderem in Mazedonien und Slowenien, im Einsatz. Bald stieg er zum Gefreiten auf und wurde 1916 sogar zum Unteroffizier und 1917 zum Vizefeldwebel befördert.25 Sein Militärdienst endete am 28. November 1918, wenige Tage nach dem Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Reich und den beiden Westmächten Frankreich und Großbritannien.
Ihren Abschluss fand die Ausbildung im Mai 1920 mit der Staatsprüfung für das höhere Baufach, für die er als Probearbeit den Entwurf für ein Kreisamtsgebäude in Bensheim schuf. Die mit der Note „gut“ bewer tete Arbeit erschien dem Ministerium so interessant, dass es den Entwurf ankaufte und in die Plankammer des bautechnischen Dienstes übernahm.29 Mit „gut“ schnitt Nathan auch in den mündlichen Prüfungen ab, die er in den Fächern „Ästhetische Durchbildung der Gebäude“, „Land- und Städtebau“, „Bautechnische Zweiggebiete“, „Geschichte der Baukunst“ sowie „Verwaltung, Bau und Geschäftsführung“ absolvier te.30
Abschluss der Ausbildung zum Regierungsbaumeister, 1918 –1920 Bereits am 11. Dezember 1918 nahm Nathan im Ar tilleriedepot in Milber tshofen bei München ein Praktikum auf, um seine Ausbildung als Regierungsbaumeister for tzusetzen.26 Dass er das Praktikum in einer militärischen Einrichtung absolvier te, mag mit seiner Laufbahn als Soldat zusammenhängen. In Milbertshofen wirkte Nathan an der Planung von Straßen mit und betreute als Bauführer die Errichtung eines Wohnheims für Unteroffiziere. 24 25 26 27 28 29 30 31
Mit dem Zeugnis des Staatsexamens vom 21. Mai 1920 beantragte Nathan beim Ministerium für Finanzen den Titel des Regierungsbaumeisters, der ihm mit der Auflage zuerkannt wurde, sich als Anwär ter auf eine Stelle im Staatsdienst registrieren zu lassen. Er kam dieser Aufforderung zwar nach, bat aber sogleich um seine Beurlaubung, da ihn zwischenzeitlich ein Ruf aus Berlin erreicht hatte. Sein früherer Lehrer an der Technischen Hochschule Darmstadt, Karl Hofmann, hatte ihn dem Baubüro der dor tigen jüdischen Gemeinde als Mitarbeiter empfohlen.31
Zitiert nach http://www.dw.de/juden-im-ersten-weltkrieg/a-17808361 (28.11.2015). Zu diesem Themenkomplex vgl. u. a. Jacob Rosenthal, Die Ehre des jüdischen Soldaten. Die Judenzählung im Ersten Weltkrieg und ihre Folgen. Frankfurt a. M., New York (Campus Verlag) 2007. Militärpass Nathans, 15.2.1916. LBI: FN 26B, 15, p. 621–639. Arbeitszeugnis, 28.3.1919. LBI: FN 26B, 16, p. 770 f. Das Ministerium genehmigte die Tätigkeit bei Markwor t und Seiber t am 18.7.1919. LBI: FN 26B, 15, p. 707. Arbeitsauftrag, 20.12.1919. LBI: FN 26B, 15, p. 694. Schreiben des Oberprüfungsamts, 18.6.1920. LBI: FN 26B, 15, p. 676. Hinweis auf den Ankauf auch im Lebenslauf mit Werkverzeichnis von 1921. LBI: FN 26B, 18, p. 839 f. Der Verbleib des Entwurfs ließ sich nicht in Erfahrung bringen. Zeugnis des Staatsexamens, 21.5.1920. LBI: FN 26B, 16, p. 777 f. Erinnerung Nathans an seinen beruflichen Aufstieg in Deutschland, Anhang zum Schreiben an den Regierungspräsidenten in Wiesbaden, 20.3.1958. LBI: FN 26, 15, p. 158–162.
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Die Berliner Jahre 1920–1922 Nathan war 29 Jahre alt, als er in die Reichshauptstadt zog. Dor t nahm er sich eine Wohnung in einem Mietshaus in der Dörnbergstraße 1 im Or tsteil Tiergar ten. Im selben Haus, vielleicht sogar im selben Appar tement, wohnte sein Bruder Otto, der in Berlin als Berater der Regierung arbeitete.32 Beide erwarben im Januar 1923, als der Architekt die Stadt bereits wieder verlassen hatte, zu gleichen Teilen ein Mietshaus in der Lietzenburger Straße 12. Noch im selben Jahr bezog Otto eine der Wohnungen; die anderen Wohnungen wurden vermietet und sicherten so beiden Brüdern ein Nebeneinkommen.33 Am 21. Juni 1920 trat der Architekt die ihm angebotene Stelle im Baubüro der jüdischen Gemeinde an. Er wurde dem Gemeindebaumeister Alexander Beer zur Seite gestellt, der das Büro seit 1910 leitete und seit 1916 mit der Planung der Synagoge in der Prinzregentenstraße beauftragt war. Nathan war zur künstlerischen Mitwirkung bei der Bearbeitung des bedeutenden Projekts berufen. Doch kaum hatte er sich dieser Aufgabe angenommen, wurde das Bauvorhaben infolge der Inflation zurückgestellt, so dass die Synagoge ohne weitere Beteiligung Nathans erst 1928–1930 zur Ausführung kam. 34 Der Architekt hätte Berlin also 1920 wieder unverrichteter Dinge verlassen können, hätte ihm Beer nicht noch ein anderes Projekt zur Mitarbeit angeboten. Er sollte an der Gestaltung des Ehrenfelds für gefallene jüdische Soldaten des Ersten Weltkriegs mitwirken.
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Mitarbeit am Ehrenfeld gefallener jüdischer Soldaten in Berlin, 1920 Die jüdische Gemeinde in Berlin hatte schon in den ersten Kriegsmonaten den Entschluss zur Gründung dieser Begräbnisstätte auf dem jüdischen Friedhof Weißensee gefasst und zunächst Regierungsbaumeister Max Grünfeld mit der Erstellung des Entwurfs beauftragt.35 Dessen Plan von 1915 gliederte das 49 m breite und 90 m lange Gelände im Südwestteil des 1880 angelegten Friedhofs in eine erhöht liegende, rechteckige Fläche mit einem halbrunden Abschluss, vor dem ein Denkmal zu Ehren der Toten – ein liegender Löwe auf einem Postament – errichtet werden sollte. Rings um das Areal war eine 2 m hohe Umfassungsmauer vorgesehen. Nach dem Kriegsende überarbeitete Beer diesen Entwurf; beratend standen ihm drei Exper ten für Friedhofsbauten zur Seite: der Architekt Hans Seek aus Berlin, welcher auf die Verwendung von Naturstein bei Grabanlagen spezialisier t war, der Stettiner Friedhofsdirektor Georg Hanning, der sich als Sachverständiger bei der Gestaltung von Kriegergedenkstätten einen Namen gemacht hatte, sowie der Architekt des Neuen Israelitischen Friedhofs in München, Hans Grässel, bei dem Nathan während seines Studiums ein Praktikum absolvier t hatte. Grässel dürfte möglicherweise ein gutes Wor t für seinen früheren Schüler eingelegt und ihn als Mitarbeiter empfohlen haben.
Nachgewiesen im Berliner Adressbuch für das Jahr 1922, S. 192 und 2232 (http://adressbuch.zlb.de/). Die Dörnbergstraße wurde 1980 aufgelöst, sie lag zwischen Lützowufer und Lützowstraße. Der Kaufver trag vom 5.1.1923 im LBI: FN 26, 1, p. 311–314. Im Berliner Adressbuch für das Jahr 1924 ist die Lietzenburger Straße 12 als Wohnsitz Otto Nathans genannt. Ein Foto der realisier ten Synagoge im LBI: FN 6, 15, p. 584. Angaben zum Friedhof Weißensee und seinem Ehrenfeld aus Sabine Hank / Hermann Simon (Bearb.), „Bis der Krieg uns lehrt, was der Friede bedeutet“. Das Ehrenfeld für die jüdischen Gefallenen des Weltkrieges auf dem Friedhof der Berliner Jüdischen Gemeinde. Hrsg. von der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaikum und dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam, Teetz (Hentrich & Hentrich) 2004.
Die Berliner Jahre 1920–1922
Wie ihm die Gemeinde später bescheinigte, war Nathan mit der „Bearbeitung der Entwürfe für die Ausgestaltung des Ehrenfelds […] insbesondere mit der Durchbildung der Umfriedungsmauer“ beauftragt.36 Die Mauer sollte beide Teile des Ehrenfelds architektonisch zusammenfassen und sie von den anderen Gräbern des Friedhofs abgrenzen. Zur Refinanzierung der Gesamtkosten von 500.000 RM waren an der Außenseite der Mauer sogenannte Erbbegräbnisanlagen vorgesehen, die an interessier te Mitglieder der Gemeinde verkauft werden sollten. Darüber berichtete das Nachrichtenblatt der Berliner Gemeinde am 11. Juni 1920.37 Bald danach dürften die im Nachlass des Architekten erhaltenen Zeichnungen der Erbgräber entstanden sein. Sie zeigen einzelne Mauerabschnitte mit den zur Aufnahme der Grabsteine bestimmten Nischen.38 Auf der Grundlage dieser Pläne wurde die Mauer entsprechend dem Profil des Geländes bis zu einer Höhe von 2 m errichtet. Sie besteht aus Kalksteinquadern mit bossier ten, also grob behauenen Oberflächen, die eine naturnahe, rustikale Wirkung erzeugen. Um den Käufern individuell gestaltete Gräber zu ermöglichen, variier te Nathan die Nischen in Form, Höhe und Größe. Teils sind sie mit geraden, teils mit halbrunden oder abgewinkelten Abschlüssen versehen. Andererseits achtete er auf ein einheitliches
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schlichtes Erscheinungsbild und folgte so den Vorstellungen Beers, der sich intensiv mit der Frage der Gestaltung jüdischer Grabstätten auseinandersetzte. Beer kritisier te die aufwendig dekorier ten Grabmäler des 19. Jahrhunder ts und forder te stattdessen die Rückbesinnung auf die „gleichförmig gebildeten schmucklosen Grabtafeln“ alter jüdischer Friedhöfe, in denen er den „Ausgleich zwischen arm und reich“ verwirklicht sah.39 Bei der Gestaltung der Soldatengräber orientier te er sich konsequent an diesem Leitbild. Auch Nathan setzte bei den Erbbegräbnissen individuellen Gestaltungswünschen Grenzen. Die von Beer formulier ten Gedanken wird er gegen Ende der 20er Jahre bei der Planung des Neuen Jüdischen Friedhofs in Frankfur t wieder aufgreifen.
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Abb. 6:
Erbbegräbnisanlage des Ehrenfelds für gefallene jüdische Soldaten auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee, 1920, Entwurf (LBI: FN 34, p. 5).
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Abb. 7:
Erbbegräbnisanlage des Ehrenfelds für gefallene jüdische Soldaten auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee, 1920, Entwurf (LBI: FN 23, 16, p. 148).
Das Ehrenfeld war 1924 weitgehend vollendet und nahm zu diesem Zeitpunkt 350 Gefallenengräber auf; heute zählt es 394 Ruhestätten. Im erhöhten halb-runden Teil entstand 1926–1927 das Gefallenendenkmal – ein vergleichsweise schlichtes, trotz seiner Einfachheit eindrucksvolles Monument, das als Kubus mit pfeilerar tig erhöhten Ecken an den in der Bibel beschriebenen Altar in der Stiftshütte erinner t. Die Vorderseite schmückt das Relief eines ruhenden Löwen, von Beer als Symbol „der ruhenden Kraft“ beschrieben.40 Als die Anlage am 27. Juni 1927 offiziell ihrer Bestimmung übergeben wurde,
Arbeitszeugnis der jüdischen Gemeinde Berlin, 17.12.1920. LBI: FN 26B, 16, p. 771. Hank / Simon a.a.O. (Anm. 35), S. 21. Zeichnungen im LBI: FN 23,16, p. 148 f.; FN 34, p. 1–6. Alexander Beer, Friedhofskultur, in: Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, 19. Jg., Nr. 12, Dez. 1929, S. 641 f. Zitier t nach Inge Lammel, Alexander Beer – Baumeister der Berliner jüdischen Gemeinde (Jüdische Miniaturen. Lebensbilder, Kunst, Architektur, Bd. 41), Potsdam (Hentrich & Hentrich) 2006, S. 28. Vgl. auch Alexander Beer, Das Ehrenmal auf dem Friedhof der Jüdischen Gemeinde zu Berlin-Weißensee, in: Deutsche Bauzeitung, 58. Jg., Nr. 64, 9.8.1924; ebd. 61. Jg., Nr. 66, 17.8.1927. Hank / Simon a.a.O. (Anm. 35), S. 28.
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D i e B e r l i n e r J a h re 1 9 2 0 – 1 9 2 2 war Nathan längst aus dem Baubüro der jüdischen Gemeinde ausgeschieden. Denn schon im Dezember 1920, gerade sechs Monate, nachdem er die Stelle angetreten hatte, wurde ihm aufgrund der angespannten finanziellen Situation als Folge der Inflation gekündigt. Davor entwarf Nathan noch „ein größeres Grabdenkmal“, wie im Arbeitszeugnis vom 17. Dezember 1920 vermerkt ist. Das Zeugnis selbst ist von Beer ausgestellt, der dem Architekten ein „treffliches zeichnerisches Darstellungsvermögen“, „besonderes künstlerisches Können“, „sicheres Erfassen der ihm gestellten Aufgaben“ und ein „eingehendes Interesse“ für die ihm über tragenen Arbeiten bescheinigte.41
Arbeitsplatzsuche Arbeitslos geworden, wandte sich Nathan am 5. Januar 1921 von Berlin aus an die Abteilung für Bauwesen im Finanzministerium in Darmstadt, um sich für eine Stelle im Staatsdienst zu bewerben. Er bot sich als Architekt für die im Ausbau begriffene Kelterei der Hessischen Weinbaudomäne in Büdesheim bei Bingen an und hoffte so, in einer Bauaufgabe Fuß fassen zu können, mit der er sich in seiner Diplomarbeit bereits intensiv auseinandergesetzt hatte.42 Das Antwortschreiben vom 7. Februar 1921 fiel wenig erfreulich aus. Den Auftrag für die Kelterei habe bereits ein anderer Architekt erhalten, auch sonst gebe es keine Verwendung; andere Dienststellen seien hinreichend mit Aushilfskräften versorgt.43 Einen weiteren Vorstoß unternahm Nathan mit Bewerbungen bei den Reichsvermögensämtern in Mainz und Koblenz, die aber ebenfalls abschlägig beschieden wurden.44 Am 19. Juli 1921 wurde er noch einmal beim Ministerium in Darmstadt vorstellig, ob sich nicht bei der Projektbearbeitung der vom Landtag beschlossenen 100 Beamtenwohnungen eine Beschäftigungsmöglichkeit für ihn biete. Vermutlich handelte es sich um die Beamtenwohnhäuser der Hefft’schen Kunstmühle im damals hessischen Worms, die Nathan in einem Verzeichnis seiner Bauten und Projekte von 1921 erwähnt hat.45 Wie der Kopie des
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Anschreibens zu entnehmen ist, fügte er dem Brief sogar eigene Skizzen für die Gebäude bei.46 Eine positive Antwor t blieb allerdings aus.
Erste Bauten in privatem Auftrag Am 21. März 1921 empfahl sich Nathan dem Centralverband deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens in Berlin und bat „um Vormerkung bei eventuellen Anfragen nach einem Architekten für baukünstlerische und kunstgewerbliche Fragen des jüdischen Kultus“.47 Dem Schreiben legte er seinen Lebenslauf bei, in dem er eine Reihe eigener Arbeiten nannte, darunter den Umbau des Warenhauses Guggenheim & May in Darmstadt, eine Lagerhalle der Firma Lippmann May, ebenfalls Darmstadt, sowie den Ausbau einer Wohnung in Bingen.48 Auch zwei Referenzprojekte aus Berlin sind angeführ t: ein Umbau für die Paragon Kassenblock AG in Berlin-Oberschöneweide, ein Unternehmen, das auf die Herstellung und den Ver trieb von Druckerzeugnissen für Industrie, Handel und Behörden spezialisier t war, sowie die „Aufstockung N. Israel Berlin“, was auf eine Tätigkeit für eines der größten und ältesten, bereits 1815 gegründeten Kaufhäuser Berlins schließen lässt. Dieses firmier te unter dem Namen „N. Israel“ und hatte seinen Sitz seit 1843 in der Spandauer Straße 28. Leider sind im Architektennachlass von keinem dieser frühen Projekte Entwürfe oder andere Dokumente enthalten.
Entscheidung für die freiberufliche Tätigkeit Durch die privaten Aufträge ermutigt, dürfte Nathan bereits mit dem Gedanken einer freiberuflichen Tätigkeit gespielt haben, als ihm am 10. August 1921 doch noch eine Stelle bei einer staatlichen Behörde avisier t wurde. Das Hessische Hochbauamt in Alsfeld bot ihm die „Geschäftsaushilfe“ bei der „Beratung von Kriegerehrungen, die sich stark angehäuft haben“ an.49 Es war eine für einen Architekten wenig herausfordernde und zudem befristete Stelle. Dennoch sagte Nathan zunächst zu. Kurz danach bat er jedoch, vom Auftrag befreit zu werden, da er inzwischen mit einer industriellen Bauaufgabe in Berlin betraut worden sei und somit für zwei bis drei Monate Verwendung gefunden habe.50
Wie Anm. 36. Das im Arbeitszeugnis erwähnte Grabdenkmal lässt sich nicht nachweisen. Vielleicht besteht ein Zusammenhang zu einer Detailzeichnung mit der Notiz „Letzte Korrektur 24. Jan. 21“. LBI: FN 38, p. 204. Bewerbungsschreiben, 16.3.1921. LBI: FN 26B, 15, p. 668. Antwor tschreiben, 7.2.1921. LBI: FN 26B, 15, p. 669 f. Bewerbungsschreiben für Mainz, 26.5.1921. LBI: FN 26B, 15, p. 665. Darin ist die Bewerbung für Koblenz erwähnt. Lebenslauf 1921 a.a.O. (Anm. 29). Bewerbungsschreiben, 19.7.1921. LBI: FN 26B, 15, p. 660. Der Verbleib der Skizzen ist nicht bekannt. Bewerbungsschreiben, 21.3.1921. LBI: FN 26B, 15, p. 835. Lebenslauf 1921 a.a.O. (Anm. 29). Brief vom 10.8.1921. LBI: FN 26B, 15, p. 654. Handschriftlicher Briefentwurf Nathans, nicht datier t. LBI: FN 26B, 15, p. 655.
Die Berliner Jahre 1920–1922
Trotz der Absage durfte Nathan den Titel des Regierungsbaumeisters noch vier Jahre tragen, bis ihn im Juni 1925 ein Schreiben der Abteilung für Bauwesen des hessischen Ministeriums für Finanzen erreichte. Infolge des Personalabbaus in der staatlichen Bauverwaltung sei mit der Möglichkeit seiner „Einberufung oder Anstellung im hessischen Staatsdienste“ nicht zu rechnen. Deshalb fehle „der weiteren Führung Ihres Namens in der Liste der Regierungsbaumeister, sowie weiterer Beurlaubung die innere Berechtigung und praktische Bedeutung“.51 For tan sei an den Titel des Regierungsbaumeisters der Zusatz „a. D.“, außer Dienst, anzufügen – ein Hinweis, dem Nathan allerdings wenig Beachtung schenkte. Wie andere Kollegen in ähnlicher Situation nannte er sich unbeirr t noch über viele Jahre Regierungsbaumeister und ließ die beiden Buchstaben „a. D.“ auf seinen Plänen und Briefköpfen fast immer weg.
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Brief vom 4.6.1925. LBI: FN 26B, 15, p. 651.
Aufnahme in den Bund Deutscher Architekten, 1922 Nathan versuchte in Berlin weiter Fuß zu fassen und bewarb sich dor t auch um die Aufnahme in den Bund Deutscher Architekten, BDA. Die Interessenver tretung freiberuflicher Architekten war 1903 mit dem Ziel gegründet worden, die Qualität des Planens und Bauens in Deutschland zu heben; dementsprechend legte sie an die Auswahl ihrer Mitglieder strenge Maßstäbe. Obwohl er erst am Beginn seiner Karriere stand, hatte sich Nathan in Fachkreisen aber bereits Anerkennung erworben, so dass er Anfang 1922 durch die Fürsprache des damaligen Vorsitzenden, Eduard Jobst Siedler, als neues Mitglied des BDA begrüßt wurde.
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Abb. 8:
Entwurf für den Umbau des Wohnhauses Bendlerstraße 8 in Berlin, 1922, Aufriss, Querschnitt und Grundrisse, nicht realisiert (LBI: FN 11, 4, p. 439).
Siedler berichtete später : „Da Herr Nathan […] einige besonders gelungene größere Bauwerke ausgeführt hatte, wurde er auf meine Anregung hin […] in den
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D i e B e r l i n e r J a h re 1 9 2 0 – 1 9 2 2 Bund Deutscher Architekten (BDA), die erste Organisation der Privatarchitekten Deutschlands, aufgenommen. Diese Organisation nahm nur solche Architekten als Mitglieder auf, die eine über das Mittelmaß hinausgehende künstlerische Betätigung durch eigene praktische Tätigkeit bewiesen und sich zu einer in jeder Hinsicht einwandfreien Geschäftspraxis als freischaffende Architekten verpflichtet hatten.“52
Weitere Bauten und Projekte in Berlin Viele Jahre später vermerkte Nathan in seinen Werkverzeichnissen neben den Aufträgen für die Paragon Kassenblock AG und das Kaufhaus N. Israel auch das Projekt für ein „Penthouse“ des renommier ten Zeitungsverlegers Hans Lachmann-Mosse, den Schwiegersohn des 1920 verstorbenen Gründers des legendären Berliner Zeitungskonzerns Rudolf Mosse.53 Diesem Projekt lassen sich Pläne vom Frühjahr 1922 für die Aufstockung eines heute nicht mehr erhaltenen viergeschossigen Mietshauses des 19. Jahrhunder ts in der Bendlerstraße 8, der heutigen Stauffenbergstraße, zuordnen.54 Das Gebäude im Neurenaissance-Stil mit vier Hauptgeschossen gehör te einem „Privatier“ namens G. Lachmann, vermutlich Georg Lachmann, der Vater des bekannten Zeitungsverlegers.55 Es sollte um eine Etage erhöht und nicht mehr, wie bisher, mit einem niedrigen Satteldach, sondern mit einem Mansardwalmdach abgeschlossen werden. Auch die Mietwohnungen des zweiten und dritten Obergeschosses sollten aus- und umgebaut werden.
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Das Raumprogramm entsprach dem großbürgerlicher Wohnungen jener Jahre. So waren unter anderem große Empfangsdielen, Damen- und Herrenzimmer, Bibliothek, Speisezimmer und Dienstbotenzimmer vorgesehen. Im Entwurf ist das neue Stockwerk dem Stil des Hauses angepasst und besitzt als Besonderheit eine Oberlichtkonstruktion, die mit einem Lichtschacht im Dachgeschoss verbunden ist. Mit diesem ungewöhnlichen Einbau sollte die fensterlose Diele Tageslicht erhalten. Aus nicht näher bekannten Gründen kam die Planung nicht über den Entwurf hinaus. 1923 gehör te das Haus einem neuen Eigentümer, der Lützowufer Grundstücks- und Verwer tungsgesellschaft AG, die das Projekt offenbar nicht weiter verfolgte.56 Erfolgreicher gestalteten sich andere Aufträge, wie die Werklisten des Architekten für die Jahre 1921 und 1922 belegen. Sie nennen ein Hutgeschäft in der Lützowstraße, die Erweiterung der Kleiderfabrik Stern & Co., die ihren Sitz in der Jerusalemer Straße 60 – 65 hatte, sowie eine Hausaufstockung und Wohnung in der Knesebeckstraße 47 – 48.57 Nathan konnte in seiner Berliner Zeit also erste Erfolge als selbstständiger Architekt für sich verbuchen, diese beschränkten sich aber auf Erweiterungs-, Ausund Umbauten, während eigenständige Neubauten im Frühwerk offenbar noch keine Rolle spielten. Dies änder te sich erst in seinen Frankfur ter Jahren.
Brief vom 10.9.1938. LBI: FN 26, 15, p. 379 f. Hierzu auch Brief Nathans an Siedler, 3.9.1938. LBI: FN 26B, 18, p. 853. Werkverzeichnis in deutscher und englischer Sprache, vermutlich 1958. LBI: FN 26, 15, p. 163–166, 351–355. Die Pläne (teilweise mit Datierungen von März bis Mai 1922) im LBI: FN 11, 4, p. 437–458. Nennung des Hauseigentümers im Straßenverzeichnis des Berliner Adressbuches von 1922, S. 68 (http://adressbuch.zlb.de/). Angabe aus dem Berliner Adressbuch von 1923, S. 69 (http://adressbuch.zlb.de/). Werkverzeichnis 1958 a.a.O. (Anm. 53).
Die Frankfurter Jahre 1922–1938 Ende 1922 verließ der Architekt die Reichshauptstadt, um sich in der Nähe seiner Heimat, im rund 70 km von Bingen entfernten Frankfur t am Main, niederzulassen. Frankfur t war mit seinen damals knapp 480.000 Einwohnern zwar wesentlich kleiner als die Viermillionenstadt Berlin, als blühendes Zentrum von Handel und Industrie bot es aber ebenfalls beste Chancen für den inzwischen 31-Jährigen. Dabei scheint der Anstoß, nach Frankfur t zu wechseln, von einem Kollegen ausgegangen zu sein. Denn, wie Nathan später berichtete, folgte er „Im Jahre 1922 […] einer Aufforderung des Architekten B.D.A. Fritz Epstein, in Frankfurt am Main, als Teilhaber in sein Architekturbüro einzutreten.“58 Der 1877 in Dresden geborene, mithin 14 Jahre ältere Epstein gehörte der Frankfurter Israelitischen Gemeinde an, für die er vor dem Ersten Weltkrieg die Synagoge am Börneplatz erweiter t und das ehemalige Bankgebäude M.A. Rothschild & Söhne an der Bornheimer Pfor te zum Verwaltungsgebäude umgebaut hatte. Offenbar war er auch im Wohnungsbau erfolgreich, wie eine heute unter Denkmalschutz stehende Villa bezeugt, die er 1924 in der Ditmarstraße 5 im Stadtteil Bockenheim schuf.59 Bereits nach wenigen Wochen – noch vor der Durchführung gemeinsamer Projekte – trennten sich beide Architekten wieder. Vielleicht waren sie sich über die Führung eines gemeinsamen Büros nicht einig oder Nathan erkannte, dass ihm eine Architektenpar tnerschaft zu wenig Entfaltungsmöglichkeiten ließ. Aus welchen Motiven auch immer gründete er zum 58 59 60 61 62 63
1. Januar 1923 als „Architekt B.d.A. und Innenarchitekt“ sein eigenes Büro.60 Dieses hatte seinen Sitz zunächst im Bäckerweg 8 – 10 in einem bis heute erhaltenen einfachen, mehrgeschossigen Mietshaus des 19. Jahrhunder ts im Stadtteil Nordend, in dem sich auch die Wohnung Nathans befand.61 Um sich im Kreis der Frankfur ter Architekten einzuführen, trat Nathan 1923 dem Frankfur ter Architekten- und Ingenieurverein bei. Außerdem nahm er zu Beginn des Jahres Kontakt zur Or tsgruppe des Bundes Deutscher Architekten auf. Deren Vorstandsmitglied, Franz Delcher, wird später berichten, dass sich der Neuankömmling „durch Können und Fleiß“ als Architekt rasch durchsetzte.62
Erste Bauten und Projekte in Frankfurt a. M. Nathan kam zugute, dass er in Frankfur t bereits über „gute persoenliche Beziehungen“ verfügte, die ihm schon bald Aufträge für größere Büro- und Wohnungsumbauten sowie die damit verbundenen Innenausstattungen verschafften, wie er 1958 im Rückblick auf die Anfänge seiner Karriere schilder te. Explizit führ te er in seinen Erinnerungen einen Büroumbau für die Frankfur ter Lebensmittelgroßhandlung Carl Fröhling AG an, um sodann hervorzuheben: „Im Fruehjahr 1923 wurde mir der erste groessere Bau, ein grosses Einfamilienhaus an der Forsthausstraße in Frankfurt am Main übertragen, dessen moderne Architektur mich rasch bekannt machte und mir andere Einfamilienhausauftraege zufuehrte.“63
Erinnerung 1958 a.a.O. (Anm. 31). Laut polizeilichem Führungszeugnis vom 19.8.1938 meldete Nathan am 14.11.1922 seinen Wohnsitz in Frankfur t an. LBI: FN 26B, 18, p. 948. http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kulturdenkmäler_in_Frankfur t-Bockenheim (30.5.2013). Zu Epstein, der 1933 nach Palästina auswander te, vgl. Myra Warhaftig, Deutsche jüdische Architekten vor und nach 1933 – Das Lexikon. 500 Biographien, Berlin (Dietrich Reimer Verlag) 2005, S. 128–130. Erinnerung 1958 a.a.O. (Anm. 31). Ende 1922 wohnte Nathan noch in der Böhmerstraße 5. Nennung dieser Adresse in einem Dokument vom 23.12.1922 zum Berliner Hauskauf. LBI: FN 26, 1, p. 312. Brief vom 7.9.1938. LBI: FN 26B, 16, p. 787. Erinnerung 1958 a.a.O. (Anm. 31).
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Abb. 9:
Villa Moritz May in Frankfurt a. M., 1923 – 1924, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 6, 18, p. 3).
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Abb. 10:
Villa Moritz May in Frankfurt a. M., 1923–1924, Blick in das Speisezimmer, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 6, 18, p. 6).
der Schmalseite zur früheren Forsthausstraße eine von schlanken Pfeilern geglieder te Loggia anschließt. Das Vorbild barocker und klassizistischer Palais klingt an. Die damit einhergehende repräsentative Wirkung unterstreichen zum einen die strenge Symmetrie durch die beiden Standerker, zum anderen die Betonung der Mittelachse, die sich von der Anordnung der Fenster bis in die Gaube des Daches for tsetzt.
Villa Moritz May in Frankfurt a. M., 1923 – 1924 Nach der Erbbegräbnisanlage des Berliner Soldatenfriedhofs ist die Villa Moritz May das erste greifbare Bauwerk des Architekten überhaupt.64 Die Villa steht in der heutigen Kennedyallee 49, ehemals Forsthausstraße, in einem bevorzugten Wohngebiet des Stadtteils Sachsenhausen. Bauherr war der Inhaber der Frankfur ter Baumwollweberei Moritz May & Co. Das über einem rechteckigen Grundriss angelegte, zweigeschossige Gebäude ist mit einem Walmdach ausgestattet und besitzt an der vorderen Längsfassade zwei halbrunde Vorbauten, während sich an
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Zur repräsentativen Wirkung tragen auch die fein durchgestalteten, harmonisch aufeinander abgstimmten Details bei. Die schlanken Eckpfeiler der Loggia bilden elegante ver tikale Akzente, die sich als Gliederung in der darüber sitzenden Balkonbrüstung fortsetzen; sie kehren an den Fenstern und Brüstungen der Längsseite wieder. Die Lichtöffnungen des Obergeschosses reichen bis an das Hauptgesims heran, das somit nicht nur als Wandabschluss, sondern auch als Fenstersturz dient und durch diese Doppelfunktion traditionelle Gestaltungen neu interpretier t. Die spitzkantigen Profile der Pfeiler und Fensterrahmen sowie vor allem die Zickzack-Bänder der Brüstungszonen lassen den Einfluss des Ar t déco erkennen, jener Stilrichtung, die in den frühen 1920er Jahren nicht nur im Design, sondern auch in der Architektur Verbreitung fand. Sie zeichnet sich durch die Verwendung eleganter, teils aus historischen Vorbildern abgeleiteter, teils neu erfundener, expressionistisch geprägter Schmuckformen aus.
64 Im Nachlass finden sich zwar Fotografien, aber keine Pläne des Hauses. LBI: FN 6, 18.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938 Nathan schuf mit diesem Gebäude ein typisches Beispiel eines gutbürgerlichen Wohnhauses der frühen 1920er Jahre. Es ist einerseits noch traditionell in den Bauformen, andererseits besitzt es Gestaltungselemente und Schmuckformen, die nicht auf frühere Epochen rekurrieren, sondern neu entwickelt wurden. Es unterscheidet sich dadurch klar vom Historismus des 19. Jahrhunder ts und lässt so den Einfluss der Reformarchitektur erkennen, unter deren Eindruck Nathan ja auch während seines Studiums stand, wie seine Diplomarbeit anschaulich gezeigt hat. Von einem nachträglichen Anbau an der südöstlichen Schmalseite abgesehen, hat sich das ansprechende äußere Erscheinungsbild der Villa bis heute erhalten. Nur die Funktion ist eine neue, denn heute dient das Gebäude als Sitz des Generalkonsulats von Vietnam. Einen Eindruck von der früheren Ausgestaltung der Räume vermittelt eine Fotografie des Esszimmers im Nachlass des Architekten. Der schlichte Raum mit seinen schmucklosen Wänden, dem Lamellenvorhang an der Fensterseite und den beiden in der Decke eingelassenen parallelen Lichtbändern mutet überraschend modern an. Hier zeigt sich der Einfluss der Neuen Sachlichkeit, der ebenfalls vor dem Ersten Weltkrieg sich entwickelnden Strömung in der Baukunst des frühen 20. Jahrhunder ts, die dem Ornament und der Dekoration als Mittel der Architektur eine Absage er teilte.
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Abb. 11:
Entwurf für die Villa Josef Levi in Frankfurt a. M., 1923, Ansichtszeichnung, nicht realisiert (LBI: FN 13, 8, p. 513).
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Abb. 12:
Entwurf für die Villa Josef Levi
Nachdem Nathan schon während seiner Studienzeit erfolgreich Möbel entworfen hatte, setzte er seine Begabung in diesem Bereich weiter ein, wie die zahlreichen im Architektennachlass überliefer ten Entwürfe für Inneneinrichtungen zeigen. So zeichnete er offensichtlich auch für einen Teil der Ausstattung der Villa May verantwor tlich. Vor allem der niedrige Schrank mit den abgerundeten Ecken ist charakteristisch für den gediegenen und eleganten Stil, den der Architekt bei seinen Interieurs wählte.65
Entwurf für die Villa Josef Levi in Frankfurt a. M., 1923 Im Unterschied zum Anwesen an der Kennedyallee zeigt der Entwurf für die Villa Josef Levi eine asymmetrische, malerische Baugruppe, bestehend aus einem von der Straße weit zurückgesetzten, zweigeschossigen Wohntrakt und einem seitlich angefügten
in Frankfurt a. M., Grundriss des Erdgeschosses, datiert im März 1923, nicht realisiert (LBI: FN 13, 8, p. 511).
niedrigeren Vorbau für die Garage und den Küchenbereich.66 Vom Grundriss mit der v-förmig sich öffnenden Gar tenseite über den Aufriss und die Details der Fassadengestaltung bis hin zum hohen Walmdach und dessen nach zwei Seiten hin leicht ansteigendem First erweist sich das projektier te Gebäude als Beispiel des Landhausstils, wie er sich um 1900 in der Villenarchitektur entwickelte und noch bis weit in die 1920er Jahre Verbreitung fand. Unverkennbar ist der Einfluss der Bauten des Hermann Muthesius, des führenden Landhausarchitekten in Deutschland, der mit seinen Villen und seiner berühmten dreibändigen Abhandlung über das englische Landhaus eine ganze Generation von Architekten beeinflusste.67
65 Vgl. die Möbelentwürfe im LBI: FN 7, 2, hier insbesondere die Entwürfe für ein Sideboard (p. 26) und für einen runden Ausziehtisch nebst Sessel und Stuhl für ein Speisezimmer (p. 39). 66 Pläne im LBI: FN 13, 8, p. 502 – 514. 67 Hermann Muthesius, Das englische Haus: Entwicklung, Bedingungen, Anlage, Aufbau, Einrichtung und Innenraum. 3 Bände, Berlin (Ernst Wasmuth GmbH),1904 – 1905.
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Abb. 13:
Entwurf für die Villa Moller-Racke in Bingen, 1924, Ansichtszeichnung, nicht realisiert (LBI: FN 7, 2, p. 2).
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Abb. 14:
Entwurf für die Villa
Der Entwurf für das „Haus Josef Levi“ stammt vom März 1923. Die Frankfur ter Adressbücher jener Zeit verzeichnen zwei Personen mit diesem Namen, einen Börsenmakler und einen Kaufmann. Welcher der beiden den Auftrag er teilte, geht aus den vorliegenden Quellen nicht hervor und muss hier offen bleiben. Als Bauplatz war ein Eckgrundstück zwischen Zeppelinallee und Hans-Sachs-Straße in einem Villenvier tel im Stadtteil Bockenheim vorgesehen. Aus nicht näher bekannten Gründen gelangte das Gebäude aber nicht über das Stadium der Planung hinaus.
Moller-Racke in Bingen, Grundriss des Erdgeschosses, datiert im November 1924, nicht realisiert (LBI: FN 7, 2, p. 8).
Entwurf für die Villa Moller-Racke in Bingen, 1924 1924 entwarf der Architekt auch eine Villa für die Weinhändlerfamilie Moller-Racke im heimatlichen Bingen.68 Deren Domizil sollte am Rochusweg in erhöhter Lage am Or tsrand von Bingen errichtet werden. Die elegant gezeichnete Ansicht zeigt ein auf einer Anhöhe thronendes, zweigeschossiges Gebäude mit konkav geschwungener Schaufassade und einem aus der Mittelachse tretenden halbrunden Vorbau. Reminiszenzen an Feudalbauten des Barock und Klassizismus klingen an und finden ihre Entsprechung in der landschaftlichen Gestaltung des Anwesens. Ein terrassenförmig angelegter Gar ten führ t von der Einfahr t am Fuß der Anhöhe nach oben zur Villa, während sich der Rückseite des Hauses ein weitläufiger Hof und ein Park anschließen. Der Grundriss definier t das palaisar tige Gebäude als streng symmetrische Dreiflügelanlage. Korrespondierend zur kon-
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kaven Front schieben sich die Seitenflügel v-förmig in den rückwärtigen Hof. Desgleichen fassen die beiden vorgelager ten Terrassen den halbrunden Vorbau v-förmig ein. Auch bei diesem Projekt zeigt sich der Einfluss der Landhaus-Entwürfe des Hermann Muthesius. Das Raumprogramm berücksichtigt mit Empfangsdiele, Boudoir, Salon, Wintergar ten, Speise- und Frühstückszimmer typische Einrichtungen des großbürgerlichen Villenbaus seit dem 19. Jahrhunder t. Zudem sind im Untergeschoss neben den Funktionsräumen für Heizung, Lagerflächen, Garage und Waschküche zwei Räume vorgesehen, die einer Weinhändlerfamilie zweifellos geziemten: eine Trinkhalle und ein Weinkeller. Wie bei der Villa Levi machte Nathan aber auch bei diesem Gebäude die Erfahrung, dass er nicht jeden seiner Aufträge auch tatsächlich zu Ende führen konnte. Wieso das Haus Moller-Racke trotz der weit for tgeschrittenen Planung nicht realisier t wurde, ist nicht bekannt.
Villa Max Hirsch in Frankfurt a. M., 1924 – 1925 Erfolgreicher verlief die Planung der Villa des Kaufmanns Max Hirsch in Frankfur t.69 Das stattliche Wohnhaus wurde 1924–1925 in der Frankfur ter Cronstettenstraße 14, einem vornehmen Wohnvier tel im Stadtteil Nordend, errichtet. Es erhebt sich über einem rechteckigen Grundriss mit zwei Geschossen und einem hohen, weit auskragenden Walmdach, durch das es dem Landhausstil nahesteht.
68 Pläne vom Nov. 1924 im LBI: FN 7, 2, p. 2, 4, 6, 8 – 9. 69 Pläne von Februar 1925 bis April 1926 im LBI: FN 9, 2; FN 9, 3; FN 13, 8. Fotos im LBI: FN 7, 1; FN 6, 16. Angabe zum Bauherrn aus dem Frankfur ter Adressbuch.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938
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Abb. 15:
Villa Max Hirsch in Frankfurt a. M., 1924 –1925, Gartenseite, bauzeitliche Aufnahme (LBI: FN 7, 1, p. 335).
An der nach Süden ausgerichteten Gar tenseite zeigt es einen breit gelager ten Vorbau, der einen Balkon trägt und darunter durch Rundbogenarkaden geprägt ist, in die hohe Fenster türen eingelassen sind. Unterhalb der Bögen bilden dicht übereinander sitzende Gesimse waagerechte Gliederungen, die sich in die beiden seitlichen Anbauten for tsetzen sowie zwischen den Fenstern des Obergeschosses und der breiten Dachgaube wiederkehren. Die Gesimse sind spitzwinklig ausgebildet und zeigen den schon bei der Villa May erkennbaren Einfluss des Ar t déco. Die Grundrisse bestätigen den großbürgerlichen Anspruch der Bauherrschaft, der sich bereits im repräsentativen äußeren Eindruck widerspiegelt. Im Erdgeschoss befinden sich die Eingangshalle, das Herrenzimmer, der Salon und das Esszimmer sowie, als seitliche Anbauten, ein Musikzimmer und ein Wintergar ten. Neben den Schlafräumen der Familie enthält das Obergeschoss ein großes Ankleide- und ein Frühstückszimmer, während im Dachgeschoss die Zimmer der Hausangestellten und ein Gästezimmer eingerichtet sind. Der Musikerker und der Wintergar ten an den Schmalseiten des Hauses fallen als Rundbauten auf, die sich jeweils mit einem großen Fensterfeld zum Garten hin öffnen. Diese eigenwilligen Ergänzungen sind dem Wunsch nach intimen, aber dennoch lichtdurchfluteten Rückzugsorten geschuldet. Nathan entwarf auch Teile der Innenausstattung. Dazu zählen die Verkleidung eines Kamins in der Eingangsdiele sowie Schränke, Stühle und Sessel, die
70 Pläne im LBI: FN 23, 14, p. 80 – 99. 71 Ebd., außerdem LBI: FN 13, 8, p. 515 – 518.
durch ihren eher konservativen Stil den übernommenen Möbeln des Bauherrn angepasst sind. Dagegen setzen im Ar t-déco-Stil gestaltete Lampen extravagante moderne Akzente. So wie die Villa May ist das Wohnhaus bis heute erhalten.
Entwürfe für ein Mietshaus in Frankfurt a. M., 1924 – 1925 Mitte der 20er Jahre befasste sich Nathan auch mit dem Projekt eines Mietshauses im Stadtteil Westend.70 Auf dem im Entwurf nicht näher bezeichneten Bauplatz waren über einem U-förmigen Grundriss fünf Hauptgeschosse und ein Mezzaningeschoss vorgesehen. In zwei Entwurfsvarianten sollte das in verhalten expressionistischem Stil gestaltete Gebäude an den Ecken durch dreieckige Erker betont werden; in der dritten Variante fehlt dieses Motiv. Weitere Entwürfe, möglicherweise ein Alternativprojekt für denselben Auftraggeber, gelten einem Gebäude ähnlicher Auffassung.71 Neben der strengen Symmetrie, die sich bereits in den Plänen für die Wohnhausgruppe „Westend“ findet, zeichnet es sich durch seine kraftvollen horizontalen Gliederungen, die klare Hervorhebung der mittleren Por talachse und das hohe Walmdach mit halbrunden Gauben aus. Zudem sind die Sprossenfenster im zweiten und dritten Obergeschoss über Eck geführ t. Die Pläne des Hauses datieren vom Oktober 1924 und Februar 1925 und nennen mit der Georg-Speyer-Straße 11–13 einen Bauplatz im Stadtteil Bockenheim.
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 Heute ist von der Fabrik nur noch ein ehemaliges betriebseigenes Wohnhaus in der Frankfur ter Landstraße 7 erhalten. Alle anderen Gebäude wurden nach der Einstellung der Produktion 1977 abgerissen. Das Wohnhaus aus der Mitte der 1920er Jahre könnte noch von Nathan stammen. Allerdings fällt es im Vergleich zu den vorgenannten Bauten durch seine einfache, geradezu nüchterne Gestaltung auf. Seine beiden Geschosse erheben sich über einem rechteckigen Grundriss und schließen mit einem nach einer Seite abgewalmten Satteldach ab. Die Sockelzone ist mit dunkelrotem Klinker verkleidet, die darüber sitzende Putzfassade besitzt als einzige Schmuckelemente ein Fensterbankgesims und damit verbundene rechteckige Fensterrahmen.
Zeichnungen für ein „Domwerk“, 1924
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Abb. 16:
Entwurf für ein Mietshaus in Frankfurt-Bockenheim, Aufriss der Fassade an der Georg-Speyer-Straße, datiert am
Sämtliche Entwürfe beziehen sich vermutlich auf das in den Werklisten des Architekten erwähnte Projekt für ein „Mehrfamilienhaus Jakob S. Hess“.72 Somit kommt als Auftraggeber die Frankfur ter Immobilienfirma Jakob S. Hess in Frage.
25.2.1925, nicht realisiert (LBI: FN 13, 8, p. 516).
Nudelfabrik in Bad Homburg vor der Höhe, 1924 –1926 1958 erwähnt Nathan auch eine „Nudelfabrik Homburg v. d. Hoehe“. Als Planungs- und Baudaten nennt er die Jahre 1924–1926.73 Diese knappen Angaben lassen sich auf die Teigwaren- und Zwiebackfabriken Bad Homburg vor der Höhe AG unweit von Frankfur t beziehen. Dieses 1873 von Jakob Andreas Morr gegründete Unternehmen hatte seinen Sitz in der früheren Gonzenheimer Landstraße 100, heute Frankfur ter Landstraße 1–7. Durch den Standor t gehör te die Fabrik zu Gonzenheim, einem erst 1937 eingemeindeten Voror t Bad Homburgs. Dennoch firmierte das Unternehmen seit 1898 unter dem Namen der weithin bekannten Kurstadt.74 Mitte der 1920er Jahre kam es zu Aus- und Umbauten.
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Eine ganz andere Aufgabe verdankte Nathan dem Frankfur ter Kunsthistoriker Professor Dr. Rudolf Kautzsch, der den Architekten 1924 um Zeichnungen für ein „Domwerk“ bat. Kautzsch bereitete damals einen Aufsatz über die Dome in Speyer, Mainz und Worms sowie eine zweibändige Monografie über den Mainzer Dom vor.75 Offenbar sollte Nathan die Illustrationen für eine dieser Abhandlungen liefern. Im Architektennachlass hat sich der Briefwechsel mit Kautzsch erhalten. Der Kunsthistoriker bedankte sich am 5. Oktober 1924 für die Darstellungen, die, wie er schrieb, alle seine Wünsche erfüllten, und bat um Mitteilung, wie die Leistung des Architekten vergütet werden könne.76 Dieser antwor tete, er empfinde die Mitarbeit am „Domwerk“ als „beglückende Auszeichnung“ und freue sich über die gute Aufnahme der Zeichnungen. Statt ein Honorar zu erbitten, schrieb er : „Wenn Sie mir darüber hinaus eine Gegenleistung schuldig zu sein glauben, so würden Sie mich außerordentlich erfreuen, wenn Sie mich durch die Dedikation einer von Ihnen veröffentlichten Arbeit auszeichnen wollten.“77 Kautzsch veröffentlichte das Buch und den Aufsatz 1925. Ob die darin enthaltenen Bauzeichnungen aus der Hand Nathans stammen, muss offen bleiben. Sie sind weder signier t, noch finden sich in den Bildunterschriften und Anmerkungen Hinweise auf den Zeichner.
72 Werkverzeichnis 1958 a.a.O. (Anm. 53). 73 Ebd. 74 Vgl. Ger ta Walsh, Schornsteine in der Kurstadt. Anfänge der Bad Homburger Industrie, Frankfur t a. M. (Waldemar Kramer) 1993, S. 59 – 62. Dies., Gonzenheim als Industriestandor t für Teigwaren, in: Gonzenheimer Geschäftswelt, Geschichtlicher Arbeitskreis Gonzenheim, Teil 2, H. 9, 1997, S. 60 – 67. 75 Rudolf Kautzsch, Die mittelrheinischen Dome zu Speyer, Mainz und Worms als Denkmäler deutscher Geschichte, in: Westdeutsche Monatshefte, Bd. 1, 1925, S. 313 – 339. Ders., Der Mainzer Dom und seine Denkmäler, Frankfur t a. M. (Frankfur ter Verlagsanstalt) 1925. 76 Brief vom 5.10. [1924]. LBI: FN 26B, 18, p. 844 f. 77 Brief vom 14.11.1924. LBI: FN 26B, 18, p. 843.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938 Ausbau des Büros und Umzug innerhalb Frankfurts, 1924 –1926 Ein Jahr, nachdem er in Frankfur t sein eigenes Büro gegründet hatte, ließ die Auftragslage bereits einen Ausbau des Büros zu, so dass Nathan 1924 nicht nur eine Sekretärin, sondern auch einen Architekten einstellte. Die Wahl des Mitarbeiters fiel auf den sieben Jahre jüngeren, 1898 in Offenbach am Main geborenen Carl Müller. Dieser hatte bei Dominikus Böhm an den Technischen Lehranstalten in Offenbach studier t und zeitweise im Büro dieses bedeutenden Architekten des deutschen Expressionismus gearbeitet. 78 Im Ver trag vom 4. Februar 1924 wurde zunächst eine Probezeit von 14 Tagen vereinbart, in der sich Müller als Möbelzeichner und Innenarchitekt bewähren sollte. Danach wurde er in fester Anstellung übernommen.79 Müller wirkte in den folgenden Jahren bei der Planung und Durchführung auch größerer Bauprojekte mit. Dennoch taucht sein Name auf kaum einem der Entwürfe und Pläne auf. Denn Nathan behielt sich 1924 ausdrücklich vor, dass alle in seinem Büro entstandenen Arbeiten sein alleiniges geistiges Eigentum seien. Dementsprechend zeichnete er die Skizzen und Vorprojekte, erst recht die Ausführungspläne, ausschließlich mit seinem Namen ab. Noch im Lauf des Jahres 1924 gab Nathan Wohnung und Büro am Bäckerweg auf, um sich in besserer Lage, im Geschäftsviertel am Hauptbahnhof, in einem teilweise bis heute erhaltenen gründerzeitlichen Gebäudekomplex zwischen der Kaiserstraße und der heutigen Münchener Straße eine größere Atelierwohnung zu mieten. Die Privatadresse lautete nun Kaiserstraße 37, die Büroadresse Kronprinzenstraße 8.80 1926 folgte der zweite Umzug innerhalb Frankfur ts. Büro und Wohnung wechselten nun in die Neue Mainzer Straße, die sich durch ihre verkehrsgünstige Lage am Rand der Altstadt zum bevorzugten Geschäftsviertel der Frankfurter Finanzwelt entwickelt hatte.81 Dor t richtete er im Dachgeschoss des Hauses Neue Mainzer Straße 56 – 58 eine Atelierwohnung ein. Das
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Gebäude der Zeit um 1910 war durch eine bis heute erhaltene, monumentale neuklassizistische Fassade geprägt. Vermutlich hatte der Architekt bei der Wahl der Atelierwohnung nicht nur auf die gute Lage, sondern auch auf die repräsentative Wirkung des neuen Domizils geachtet. Die im Nachlass erhaltenen Grundrisse, in denen er die Aufteilung der Räume plante, spiegeln den beruflichen Aufstieg wider. Das Atelier umfasste Schreibmaschinen- und Anmelderaum, Sprechzimmer, Büro, Zeichenatelier, Modellierraum und Archiv. Der private Bereich glieder te sich in Wohn-, Schlaf- und Frühstückszimmer nebst Küche und Bad. Selbstverständlich entwarf Nathan die Einrichtung für Büro und Wohnung selbst, wobei er seinem Stil treu blieb und Möbel von schlichter, gediegener Eleganz schuf, während er sich bei den Lampen wieder moderner und experimentierfreudiger zeigte.82
Eheschließung, 1927 Nathan lebte in der ersten Zeit als Junggeselle in der Neuen Mainzer Straße; augenscheinlich plante er die Privaträume aber als Familienwohnung. Am 22. Dezember 1927 ging der inzwischen 36-Jährige im Frankfur ter Standesamt den Bund der Ehe mit Lucie Mayer, der 1897 geborenen Tochter des Weingroßhändlers Moritz Mayer und dessen Gattin Ida, geborene Her tz, ein. Noch am selben Tag vollzog der Rabbiner der Frankfur ter Israelitischen Gemeinde, Dr. Georg Salzberger, die religiöse Trauung.83 Die Eltern Lucies lebten in Cochem am Rhein, unweit von Bingen. Beide waren engagier te Mitglieder ihrer Gemeinde. Moritz Mayer war 1929/30 Stadtverordneter in Cochem; er leitete die Jüdische Armenkasse, Ida Mayer den Israelitischen Frauenverein.84 Zur Hochzeit erhielt der Architekt auch Glückwünsche seines früheren Vorgesetzten im Stadtbauamt München, Hans Grässel.85 Die Ehe von Fritz und Lucie Nathan blieb zunächst kinderlos; erst 1935 wurde das einzige Kind, Doris Babette Nathan, geboren.
Hinweise zum Architekten von dessen Sohn Wolfgang Müller. Brief Nathans an Carl Müller, 26.3.1924. Nachlass Carl Müller, Privatbesitz Wolfgang Müller. Nachgewiesen im Frankfur ter Adressbuch für 1925 und 1926. Nathan erinner t sich 1958, a.a.O. (Anm. 31), offenbar falsch, als er den 1.10.1923 als Datum der Eröffnung des neuen Büros nennt. Noch am 26.3.1924, a.a.O. (Anm. 79), lautet die Adresse Bäckerweg 8 – 10. Nachgewiesen im Frankfur ter Adressbuch ab 1927. Auch in diesem Fall scheinen die Angaben von 1958, a.a.O. (Anm. 31), nicht zu stimmen. Nathan schreibt, das Atelier habe sich seit 1925 in der Neuen Mainzer Straße 58 befunden. Die Pläne für das neue Büro stammen jedoch vom Juli 1926. LBI: FN 10, 7; FN 11, 7. Grundrisspläne und Möbelentwürfe im LBI ebd. Die Urkunde der religiösen Trauung im LBI: FN 26B, 16, p. 797. Der Heiratsschein des Frankfurter Standesamts im LBI: FN 26B, 15, p. 736. http://www.alemannia-judaica.de/cochem_synagoge.htm (30.5.2013). http://www.mosella-judaica.de/gemeinden/spuren202.html (6.8.2015) Angaben zu den Eheleuten Mayer auch aus einem Brief vom 24.5.1957 an das Regierungsbezirksamt für Wiedergutmachung in Koblenz, im LBI: FN 26B, 5, p. 158–161. Heiratsurkunde Mayers im LBI: FN 26B, 16, p. 798. Brief vom 18.2.1928. LBI: FN 26B, 18, p. 842.
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Abb. 17:
Vorentwurf für den Neuen Jüdischen Friedhof in Frankfurt a. M., Ansicht des Verwaltungsgebäudes (links) sowie der Trauer- und Leichenhalle (rechts), datiert im Januar 1925 (LBI: FN 10, 6, p. 196).
Die Israelitische Gemeinde der Mainmetropole besaß bereits zwei jüdische Friedhöfe. Der ältere an der Battonstraße ging auf das Mittelalter zurück und wurde seit fast einhunder t Jahren nicht mehr genutzt. Der andere an der Rat-Beil-Straße war 1828 an der Südseite des städtischen Hauptfriedhofs gegründet worden. Er wurde im Lauf des 19. Jahrhunder t erweiter t, stieß aber in den 1920er Jahren endgültig an die Grenzen seiner Aufnahmefähigkeit. Schon vor dem Ersten Weltkrieg reservier te die Gemeinde einen Bauplatz an der Homburger Landstraße zwischen Friedberger War te und Marbachweg.87
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Abb. 18:
Vorentwurf für den Neuen Jüdischen Friedhof in Frankfurt a. M., Lageplan, datiert im Januar 1925 (LBI: FN 10, 6, p. 199).
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Erste Pläne für den Neuen Jüdischen Friedhof in Frankfurt a. M., 1925 Noch vor dem 1926 erfolgten Umzug des Büros in die Neue Mainzer Straße befasste sich Nathan mit dem bis dahin wichtigsten Projekt seiner beruflichen Laufbahn, dem Neuen Jüdischen Friedhof in Frankfur t. Den Auftrag verdankte er vermutlich dem Renommee, das er sich als Architekt der Erbbegräbnisanlage des jüdischen Friedhofs in Berlin erworben hatte. Vielleicht hatte sogar sein Vorstoß von 1921 Wirkung gezeigt, als er sich dem Verband deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens als Architekt für „baukünstlerische und kunstgewerbliche Fragen des jüdischen Kultus“ empfohlen hatte.86 Nicht zuletzt dürfte von Vor teil gewesen sein, dass Hans Grässel in die Planung des Friedhofs eingebunden war.
Nach dem Krieg erstellte Hans Grässel das Bauprogramm, auf dessen Grundlage 1921 ein auf acht Frankfur ter Architekten beschränkter Wettbewerb ausgelobt wurde. Als Ergebnis dieses Verfahrens vergab die Jury drei gleiche Preise, die an Paul Vincent Paravicini, Max Seckbach und Franz Roeckle gingen.88 Letzterer hatte vor dem Ersten Weltkrieg die Frankfur ter Westendsynagoge und das Israelitische Krankenhaus im Stadtteil Bornheim errichtet und entwickelte 1922 seinen Entwurf für den Friedhof weiter. Bald darauf muss es jedoch zum Zerwürfnis zwischen ihm und der Gemeinde gekommen sein. Denn Roeckle, der selbst kein Jude war, betätigte sich schon 1923 als Gönner der im Aufbau befindlichen NSDAP. Als die Planung 1924 wieder aufgenommen wurde, überarbeiteten Grässel und das Baukomitee das Bauprogramm. Nathan, der zunächst als Berater hinzugezogen wurde, wusste seine Chance zu nutzen und präsentier te im Januar 1925 einen Vorentwurf, der ihm dann auch den Auftrag für die Bauplanung einbrachte.89
86 Wie Anm. 47. 87 Hierzu: Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfur t a. M., Sept. 1928, H. 1–2, S. 3–5 (http://sammlungen.ub.uni-frankfur t.de/cm/periodical/titleinfo/3094266). 88 Zum Wettbewerb: Deutsche Bauzeitung Jg. 55, 1921, H. 75, S. 336. Der Entwurf Roeckles ist im Nachlass Nathans überliefer t: LBI: FN 6, 19, p. 18–23. Zu Roeckle: www.de.wikipedia.org/wiki/Franz_Roeckle. 89 Hierzu: Brief des Vorstands der Israelitischen Gemeinde Frankfurt, 29.6.1938. LBI: FN 26, 14, p. 273. Zu den Planungen und zum realisierten Bau vgl. auch Ulrich Knufinke, Bauwerke jüdischer Friedhöfe in Deutschland, Petersberg (Michael Imhof Verlag) 2007, S. 291–296.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938 Der Architekt überzeugte mit der gut durchdachten Anlage der Gräber, Wege und Plätze sowie der stimmigen Anordnung und Gestaltung der Gebäude.90 Er ordnete dem Eingang zwei sich versetzt gegenüber stehende Gebäudegruppen zu: auf der einen Seite einen zweigeschossigen Bau für die Verwaltung, die Friedhofsgär tnerei und den Pför tner, auf der anderen die Trauerhalle mit der an der Rückseite sitzenden Leichenhalle. Der Or t, in dem sich die Trauergemeinde versammelt, um am aufgebahr ten Sarg die Totengebete zu sprechen und die Leichenpredigt zu hören, ist architektonisch hervorgehoben. Er ist über dem Grundriss eines griechischen Kreuzes angelegt, so dass er als Zentralbau in der Tradition des Synagogenbaus in Deutschland steht. Die Vierung ist mit einer Kuppel überwölbt, über der als äußerer Abschluss des Bauwerks ein Tambour mit niedrigem Pyramidendach sitzt. Den Eingang beherrscht eine Vorhalle, die durch ihre parabolischen Rundbögen auffällt. Diese finden sich auch an anderen Stellen des Ensembles und verleihen ihm eine orientalische Anmutung, so dass der Entwurf jener Stilrichtung im Synagogenbau des frühen 20. Jahrhunderts nahe steht, die unter dem Einfluss der Emanzipationsbewegung der Juden und der damit einhergehenden Betonung der orientalischen Herkunft Verbreitung fand.91 Ihren Vorläufer hatte diese Richtung in den Synagogen des sogenannten maurischen Stils des letzten Drittels des 19. Jahrhunder ts, von denen, gewollt oder ungewollt, eine exotische Wirkung ausging. Dieser Effekt ist im Entwurf Nathans klar vermieden, da die parabolischen Rundbögen wie selbstverständlich in die zwischen Tradition und Moderne stehende Architektur integrier t sind. Die Baukommission beauftragte den Architekten im Februar 1925 mit der Realisierungsplanung. In den folgenden Monaten variier te Nathan das Platz- und Wegesystem, die Grund- und Aufrisse und tauschte die Standor te von Trauer- und Leichenhalle sowie Verwaltungstrakt und Gär tnerei aus. Die entscheidende Überarbeitung erfolgte im März 1925, als er die verschiedenen Funktionen zu einem in sich geschlossenen, achsensymmetrisch angelegten Gesamtgrundriss vereinigte.92 Beide Gebäudegruppen stehen sich nun exakt gegenüber und sind über zwei überdachte Wandelgänge miteinander verbunden,
von denen einer die Funktion des Eingangsgebäudes übernimmt, während sich der andere zu den Grabstätten hin öffnet. Der so entstandene Por talhof zielt auf eine feierliche und würdevolle Wirkung, um den Friedhof als Or t der Ruhe und Besinnung gegen die profane Umwelt abzugrenzen. Nathan sprach von einem „Vorraum der Sammlung, der Abkehr vom irdischen Streben“.93 Die Wandelgänge stattete er mit Bänken und Wasserspeiern aus, um den „Kommenden und Weilenden Sitzgelegenheit und den Gehenden beim Verlassen des Friedhofs Brunnen zum rituell gebotenen Waschen der Hände“ zur Verfügung zu stellen.94
90 Pläne vom Januar 1925 im LBI: FN 10, 6, p. 196–201. 91 Hierzu: Harold Hammer-Schenk, Synagogen in Deutschland. Geschichte einer Baugattung im 19. und 20. Jahrhunder t, Hamburg (Hans Christians Verlag) 1981. 92 Gesamtlageplan vom März 1925 im LBI: FN 23, 8, p. 275. Weitere Entwürfe dazu vom Mai/Juni 1925 im LBI: FN 10, 6, p. 203–215. 93 Baugilde, Zeitschrift des Bundes Deutscher Architekten, 1930, Nr. 19, S. 1784–1787, Zitat S. 1785. 94 Fritz Nathan im Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfur t a. M., 8. Jg., H. 2–3, Okt.–Nov. 1929, S. 68 (http://sammlungen.ub.uni-frankfur t.de/cm/periodical/titleinfo/3094266).
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Abb. 19:
Vorentwurf für den Neuen Jüdischen Friedhof in Frankfurt a. M., Lageplan, datiert im März 1925 (LBI: FN 23, 8, p. 275).
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Abb. 20:
Vorentwurf für den Neuen Jüdischen Friedhof in Frankfurt a. M., Gebäudegrundriss, datiert im März 1925 (LBI: FN 10, 6, p. 203).
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Abb. 21:
Vorentwurf für den Neuen Jüdischen Friedhof in Frankfurt a. M., Längsschnitt durch die Gebäudegruppe, datiert im März 1925 (LBI: FN 10, 6, p. 207).
Mit dem neuen Grundriss erfuhr auch das Hauptgebäude eine entscheidende Veränderung; der stufenförmige Aufbau wurde zugunsten einer einheitlich hohen Halle mit einem niedrigen Walmdach aufgegeben.95 In dieser Phase der Projektbearbeitung zeichnet sich die Hinwendung des Architekten zum Neuen Bauen ab, die dann in den weiteren Planungsschritten immer deutlicher zum Tragen kommen wird. Als die Tiefbauarbeiten im Juli 1925 eingeleitet wurden, dürfte Nathan davon ausgegangen sein, den Friedhof bald seiner Bestimmung übergeben zu können. Was er nicht vorhersehen konnte, war, dass die Stadtverwaltung noch im selben Monat gegen den Standort der Anlage intervenierte. Nach den Erinnerungen Nathans hing dies mit dem neuen Stadtbauplan infolge der Berufung Ernst Mays zum Siedlungsdezernenten zusammen.96 Demnach sollte auf dem Gelände dringend benötigter Wohnraum geschaffen werden. Obwohl die Israelitische Gemeinde Protest einlegte, mussten die Arbeiten in der zweiten Augusthälfte 1925 eingestellt werden. Danach verging über ein Jahr, bis sich beide Parteien auf einen neuen Bauplatz einigten, und ein weiteres Jahr, bis am neu gefundenen Standor t an der Eckenheimer Landstraße der erste Spatenstich für den Friedhof und seine Bauten erfolgte. In der Zwischenzeit entwickelte Nathan die Pläne weiter, wobei er sich mehr und mehr am Neuen Bauen orientier te und so den Entwurf seiner Vervollkommnung entgegenführ te. Parallel dazu befasste er sich mit einer Vielzahl weiterer Bauaufgaben, wobei er sich auch an Architektenwettbewerben beteiligte.
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Entwurf für ein Krankenhaus in St. Ingbert, 1925 Nathan stellte sich 1925 in gleich drei Wettbewerben der Konkurrenz mit anderen Architekten. Eines dieser Verfahren galt dem Bezirkskrankenhaus der saarländischen Stadt St. Ingber t, rund 170 km von Frankfur t entfernt. Die Ausschreibung vom 11. August 1925 galt einem Neubau in der Elversberger Straße, für den fünf Krankenstationen mit zusammen 70 Betten, dazu Operationssäle, Büros, Krankenhauskapelle, Leichenhaus und weitere Sonderräume vorzusehen waren. Das Gebäude sollte „in seinem Äußeren der Zeit entsprechend möglichst einfach sein“ und seine repräsentative Wirkung in erster Linie „durch gute Verteilung der Massen und entsprechende Gliederung“ erreichen.97 Die Entwürfe mussten bis zum 25. Oktober 1925 abgegeben werden. Nathan plante einen breitgelager ten, ein- bis dreigeschossigen Komplex, der zum Mitteltrakt stufenförmig ansteigt, durch Arkaden im Erd- und ersten Obergeschoss geglieder t ist und in der mittleren Por talachse durch einen zur Krankenhauskapelle gehörenden kleinen Glockenturm akzentuier t ist. Niedrige Walmdächer schließen die symmetrische Anlage unauffällig ab, so dass die kubische Baukörpergliederung den Gesamteindruck bestimmt. Der Entwurf ist von geradezu südländischer Leichtigkeit geprägt; nicht zufällig reichte der Architekt seinen Wettbewerbsbeitrag unter dem Kennwor t „Sol“, dem Namen des römischen Sonnengottes, ein.
95 So im Entwurf vom 12.6.1925, im LBI: FN 10, 6, p. 215. 96 Erinnerung 1958 a.a.O. (Anm. 31). 97 Bauprogramm, Pläne Nathans und Erläuterung des Entwurfs im LBI: FN 8, 2, p. 261-291.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938
So gut durchdacht die Planung in funktionaler wie gestalterischer Hinsicht auch war, so bevorzugte die Jury doch die Entwürfe anderer Architekten.98 Mit dem ersten Preis wurde der Stuttgar ter Ernst Leister ausgezeichnet. Sein 1927 realisier ter Entwurf galt einem von konservativer Architekturauffassung geprägten Gebäude. Im Unterschied zu Nathan hatte Leister offensichtlich den Geschmack der Jury, namentlich ihres Vorsitzenden, des Münchner Architekten und Hochschullehrers German Bestelmeyer, getroffen. Jener sollte 1928 mit einer Gruppe anderer konservativ Gesinnter die Architektenvereinigung „Der Block“ gründen, die sich dezidier t gegen das Neue Bauen und die Bauhausmoderne wandte. Bestelmeyer schloss sich auch dem 1928 gegründeten antisemitischen „Kampfbund für deutsche Kultur“ an und trat 1933 in die NSDAP ein, um zwei Jahre später zum Reichskultursenator aufzusteigen. Im Wettbewerb für das Krankenhaus waren die Entwürfe anonymisier t, so dass die Religionszugehörigkeit der Teilnehmer bei der Entscheidung keine Rolle spielen konnte. Bei anderen Projekten ist dagegen nicht auszuschließen, dass Nathan auch schon in den Jahren der Weimarer Republik allein aufgrund des jüdischen Namens von Bauprojekten ausgeschlossen wurde.
Entwurf für die Handelskammer in Mannheim, 1925 Ein weiterer Wettbewerbsbeitrag galt der Handelskammer im rund 80 km südlich von Frankfur t liegenden Mannheim. Da Mannheims Innenstadt planmäßig in rechteckige Baublöcke, die sogenannten Quadrate, unter teilt ist und diese durch Koordinaten bezeichnet sind, lautete die Adresse des für den Neubau vorgesehenen Grundstücks „M 6“. Über die Ausschreibung berichtete das Zentralblatt der Bauverwaltung am 12. August 1925.99 Ihr konnte der Architekt ent-
nehmen, dass dem Preisgericht neben dem bedeutenden Stuttgar ter Architekten Paul Bonatz auch der ihm bestens bekannte Hans Grässel aus München angehör te. Weitere Jurymitglieder waren Mannheims Stadtbaudirektor Josef Zizler sowie die Architekten Rudolf Tillessen (Mannheim) und Karl Roth (Darmstadt). Die Abgabefrist endete zum 1. November 1925.
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Abb. 22:
Wettbewerbsentwurf für das Krankenhaus in St. Ingbert, 1925, nicht realisiert (LBI: FN 8, 2, p. 274).
Nathan gab seinem Entwurf das Kennwor t „Locarno“ – ein Or t von damals aktueller politischer Bedeutung. Denn im schweizerischen Locarno wurden vom 5. bis 16. Oktober 1925 die Ver träge auf den Weg gebracht, die den völkerrechtlichen Status von Deutschland nach dem Ende des Ersten Weltkriegs neu regelten. Sofern der Architekt darauf Bezug nehmen wollte, wäre dies Ausdruck seiner liberalen politischen Haltung und damit indirekt ein Statement gegen die Propaganda der Deutschnationalen, die das Ver tragswerk wegen der darin enthaltenen Anerkennung der neuen Westgrenze Deutschlands ablehnten. Der Entwurf zeigt ein fünfgeschossiges Gebäude in einem modernisier ten neuklassizistischen Stil.100 Die Hauptfassade ist durch ihre horizontalen Gliederungen mittels Gesimsen, rustizier tem Erdgeschoss, zwei Mezzaningeschossen sowie eng sitzenden, zu Reihen verbundenen Fenstern geprägt. Den Eingangsbereich im Erdgeschoss betont ein dreiachsiger Vorbau, der das repräsentative Erscheinungsbild des Hauses unterstreicht. Die klare Linienführung und unaufdringliche Gewichtung der Motive verleihen dem Gebäude ein von nobler Eleganz geprägtes Erscheinungsbild. Nathans Entwurf war einer von 159 Wettbewerbsbeiträgen, von denen aber keiner die volle Zustimmung der Jury fand. Ein erster Preis wurde nicht vergeben, dafür gingen zwei dritte Preise an Gottlob Schaupp aus Frankfur t a. M. sowie die Projektpar tner Karl Leuber t und Hans Lehr aus Nürnberg.
98 Dazu Zentralblatt der Bauverwaltung vom 9.12.1925, Nr. 29, S. 601 (http://opus.kobv.de/zlb/volltexte/2008/5794/). 99 Bericht über den Wettbewerb in Zentralblatt der Bauverwaltung, 1925, Nr. 35, S. 389; Nr. 48, S. 589. Die Werkverzeichnisse Nathans von 1958, a.a.O. (Anm. 53), geben als Planungsdatum fälschlicherweise das Jahr 1924 an. 100 Entwürfe im LBI: FN 14, 10, p. 163–174.
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Abb. 23:
Wettbewerbsentwurf für die Handelskammer in Mannheim, 1925, nicht realisiert (LBI: FN 14, 10, p. 163).
Den zweiten Preis erhielt der Mannheimer Christian Schrade, der ein vergleichsweise konventionelles Gebäude mit historisierenden Anleihen an die italienische Renaissance entworfen hatte.101 Nathan wird später erfahren haben, dass die Handelskammer auf den Neubau aus finanziellen Gründen ganz verzichtete und stattdessen als neues Domizil ein barockes Palais im Quadrat L 1 wählte.
Entwurf für ein Rathaus in Bochum, 1925 Im dritten Wettbewerb des Jahres 1925 stand die Planung des neuen Rathauses der Stadt Bochum zur Aufgabe.102 Über die Auslobung berichtete das Zentralblatt der Bauverwaltung am 6. Mai 1925. Ihr war zu entnehmen, dass die Kommune eine markante Gebäudegruppe mit einem Hochhaus als neuem städtebaulichem Wahrzeichen wünschte. Der Wettbewerb stand ganz im Zeichen der Begeisterung für den „Wolkenkratzer“ als neuem Bautypus, die Anfang der 1920er Jahre von den USA auf Deutschland übersprang und das Hochhaus geradezu zum Symbol für die architektonische Moderne und den technischen For tschritt erhob.
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Rechtzeitig zum Abgabetermin am 1. September 1925 reichte Nathan einen bemerkenswerten Vorschlag ein.103 Ausgehend von einer U-förmigen Grundrissfigur, entwarf er für den geplanten Standor t zwischen Alber t-, Allee- und Mühlenstraße eine bis zu sechs Geschosse hohe Dreiflügelanlage, die sich in einem zweiten Bauabschnitt um einen vierten Flügel erweitern lassen sollte. Aus der kubischen Baumasse schiebt sich am Rathausplatz ein neungeschossiges Hochhaus, begleitet und überragt von einem Glockenturm mit einer Aussichtsterrasse. Der Glockenturm erhebt sich über einem runden Grundriss und präsentier t sich durch seinen stufenförmigen Aufbau, die zinnenförmigen Abschlüsse sowie die Gliederungen, welche die Höhenausdehnung unterstreichen, als ein Paradebeispiel expressionistischer Architektur. Das Hauptgebäude dagegen ist ganz im Stil des Neuen Bauens konzipier t und dementsprechend spiegelt es die Funktion des Hauses als Verwaltungssitz und Bürogebäude in einer klar geglieder ten, sachlichen Fassadengestaltung wider. Der Weg, den der Architekt künftig beschreiten wird, die Hinwendung zur Bauhausmoderne, deutet sich hier bereits an.
101 Hierzu: Neue Mannheimer Zeitung, 20.11.1925, 3.12.1925. 102 Berichte über den Wettbewerb in Zentralblatt der Bauverwaltung, 1925, Nr. 18, S. 212; Nr. 45, 578; Nr. 48 589 (http://opus.kobv.de/zlb/volltexte/2008/5779/); Wasmuths Monatshefte für Baukunst, 10. Jg. 1926, H. 11, S. 452–457 (http://opus.kobv.de/zlb/volltexte/2006/803/pdf/WMB_1926_11.pdf). 103 Entwurf im LBI: FN 14, 10, p. 149–161.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938
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Abb. 24:
Wettbewerbsentwurf für das Rathaus in Bochum, 1925, nicht realisiert (LBI: FN 14, 10, p. 157).
Nathan hatte dem Entwurf das Kennwort „videant consules“ beigegeben: „Die Konsuln mögen darauf sehen“ – eine Formel, die in römischer Zeit bei Notstandsbeschlüssen des Senats im Sinne von „Vorsorge treffen“ angewendet wurde. Dies ließ sich auf die Funktion des Rathauses ebenso beziehen wie auf die Wettbewerbssituation. Doch auch in diesem Fall fiel das Ur teil der Jury nicht im Sinne Nathans aus. Als der Siegerentwurf der Düsseldorfer Architekten Rober t Meyer und Hans Freese im November 1926 in Wasmuths Monatsheften für Baukunst veröffentlicht wurde, dürfte Nathan jedoch mit Interesse festgestellt haben, dass man sich für einen Entwurf entschieden hatte, der seiner Planung vergleichbar war.104 Im darauffolgenden Jahr sollte das Fachblatt allerdings berichten, dass weder das prämier te Projekt noch ein anderer Wettbewerbsentwurf zur Realisierung angenommen worden war.105 Die Hochhauspläne hatten zu heftigem öffentlichem Widerspruch geführ t, so dass sich letztlich der Darmstädter Architekt Karl Roth mit einem Entwurf durchsetzte, der von der ursprünglichen Idee vollkommen abwich und zu einem Bauwerk konservativen Stils führ te. Dies dürfte denn auch im Sinne des bereits erwähnten German Bestelmeyer gewesen sein, der auch der Jury des Bochumer Wettbewerbs angehör t hatte.
Aus- und Umbau von Wohnungen
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Während der Erfolg in den Wettbewerben ausblieb und der Neue Jüdische Friedhof auf seine Realisierung war tete, betätigte sich Nathan weiter im Wohnungsbau. Zahlreich waren die Aufträge für den Um- und Ausbau bestehender Wohnungen einschließlich der Möblierung und sonstigen Innenausstattung. Die dem gehobenen Bürger tum angehörende Kundschaft stammte fast immer aus Frankfurt. Sie schätzte offenbar seine ansprechenden, von schlichter Eleganz geprägten
Wettbewerbsentwurf für
104 Wasmuths Monatshefte für Baukunst a.a.O. (Anm. 102). 105 Wasmuths Monatshefte für Baukunst, 11. Jg., 1927, H. 2, S. 88–89 (http://opus.kobv.de/zlb/volltexte/2006/939/pdf/WMB_1927_02.pdf).
Abb. 25:
das Rathaus in Bochum, 1925, nicht realisiert (LBI: FN 14, 10, p. 161).
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 Der Entwurf vom Oktober 1926 galt einem Gebäude von einfacher kubischer Gestalt mit glatten, schmucklosen Wänden, schlichten Rechteckfenstern und einer Gar tenfassade, der ein Vorbau mit Plattenfassade und Balkon sowie eine durch schlanke Pfeiler geglieder te Loggia angefügt ist. Nathan zeigt bei diesem Projekt insofern einen eher verhaltenen Umgang mit dem Neuen Bauen, als das Gebäude in seiner modernen Gestaltung von einer ausgesprochen soliden Grundhaltung geprägt ist. So besitzt der Kubus auch kein echtes, sondern ein leicht geneigtes Flachdach, um das Abfließen von Regenwasser zu erleichtern. In gestalterischer Hinsicht deutet sich in diesem Entwurf der Einfluss von Adolf Loos an. p
Abb. 26:
Entwurf für die Villa Ludwig Beckhardt in Frankfurt a. M., Ansicht der Gartenseite, datiert am 7.10.1926, nicht realisiert (LBI: FN 13, 8, p. 481).
Interieurs, wie die im Nachlass überliefer ten Entwürfe für Lampen, Schränke, Tische, Betten, Sofas, Sessel und Stühle zeigen. Gelegentlich kam es auch zum Ausund Umbau von Einfamilienhäusern. Die Werklisten Nathans nennen drei Einfamilienhäuser in Frankfur t, jeweils eines am Mozartplatz, in der Dante- und in der Mer tonstraße.106 Wie den überliefer ten Plänen von 1926 für den Mozar tplatz 22 zu entnehmen ist, erweiterte Nathan dieses heute nicht mehr erhaltene Gebäude durch einen im Stil des Altbaus ausgeführten Trakt mit Salon und Bibliothek im Erdgeschoss sowie Frühstückszimmer, Bad und Balkon im Obergeschoss.107 1927 wurde der Architekt sogar in die Niederlande gerufen, um in Rotterdam, in der Heemraadssingel 38, das Haus des Fabrikanten F. Blankenstein auszubauen.108 Der Auftrag umfasste neben der Neugestaltung der Räume auch die Möbel. Nathan entwarf unter anderem eine Küchenzeile, die in ihrer sachlichfunktionalen Gestaltung den Einfluss der 1926 von Margarete Schütte-Lihotzky entwickelten Frankfur ter Küche zeigt.
Entwurf für die Villa Ludwig Beckhardt in Frankfurt a. M., 1926 Zu den Aus- und Umbauten traten weitere Projekte für Wohnungsneubauten, unter anderem für eine Villa in der Cronstettenstraße im Frankfur ter Stadtteil Nordend, bei der sich der Architekt wie schon beim Wettbewerb für das Bochumer Rathaus dem Neuen Bauen zuwandte.109
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So einfach das Wohnhaus auf den ersten Blick erscheint, so ist es doch für gehobene Ansprüche konzipier t. Das Erdgeschoss sollte eine Wohnhalle, ein Musik- und Gar tenzimmer, einen Salon sowie ein Esszimmer erhalten. Im ersten Obergeschoss waren die Schlaf- und Gästezimmer nebst Frühstückszimmer vorgesehen, darüber die Räume für die Dienstmädchen, während das Untergeschoss nicht nur den Heizungsraum, die Waschküche und das Bügelzimmer, sondern auch einen Weinkeller und eine mit einem Speiseaufzug ausgestattete Küche aufnehmen sollte. Das Haus hätte für den Frankfur ter Kaufmann Ludwig Beckhardt errichtet werden sollen. Bei diesem handelte es sich um einen der beiden Inhaber des Konfektionshauses „W. Fuhrländer Nachf.“, das seinen Sitz auf der Frankfur ter Zeil hatte.110 Der andere, Adolf Beckhardt, ist der Eigentümer des bereits erwähnten, 1926 durch einen Anbau erweiter ten Wohnhauses Mozar tplatz 22.
Haus Enric Lupescu in Frankfurt a. M., 1926 – 1929 Dem Neuen Bauen zeigte sich der Architekt auch bei der Planung des Wohnhauses des Direktors der renommier ten Baufirma Wayss & Freytag, Enric Lupescu, offen. Das Unternehmen hatte seinen Hauptsitz 1925 von Neustadt an der Weinstraße nach Frankfur t verlegt. Im Folgejahr schuf Nathan zwei Entwürfe, die der Erweiterung einer Doppelhaushälfte in der Georg-Speyer-Straße 47 im Stadtteil Bockenheim galten.111
106 Werkverzeichnis 1958 a.a.O. (Anm. 53) und Verzeichnis der Frankfur ter Bauten im Brief an die Baupolizei Frankfur t, 26.8.1938. LBI: FN 26, 15, p. 340 f. 107 Pläne im LBI: FN 9, 5, p. 266–351. 108 Fotos im LBI: FN 6, 10. Pläne im LBI: FN 9, 1; FN 23, 9. 109 Pläne im LBI: FN 13, 8, p. 478–486. 110 Angabe zum Bauherrn aus den Frankfur ter Adressbüchern jener Jahre. Zur Firma: Benno Nietzel, Handeln und Überleben: Jüdische Unternehmer aus Frankfur t am Main 1924–1964, Göttingen (Vandenhoeck und Ruprecht) 2012, S. 324. 111 Pläne im LBI: FN 23, 14, p. 119–123.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938
Das zweigeschossige Gebäude im Landhausstil der Zeit um 1910, gekennzeichnet durch ein hohes Mansardwalmdach und einen halbrunden Erker mit Balkon, sollte durch einen Anbau erweiter t werden. Als Vertreter eines führenden Unternehmens im Eisenund Stahlbetonbau dürfte Lupescu auf eine moderne Gestaltung Wer t gelegt haben. Die vom Oktober 1926 datier ten Pläne zeigen in zwei Varianten einen kubischen Baukörper mit großer Dachterrasse, die in einem der beiden Vorschläge mit einem hohen Treppenhausturm kombinier t ist. Dieser tritt als markanter, moderner Akzent hervor, der den Neubau klar gegen den Altbau absetzt. Über Eck gezogene Fenster unterstreichen die moderne Wirkung. In einer dritten Variante vom Januar 1927 milder te Nathan den Kontrast zum Altbau ab, indem er einen niedrigeren Turm mit konventionell eingebundenen Fenstern vorsah.112 Zeitweise stand auch der Abriss des vorhandenen Hauses zugunsten eines Neubaus zur Diskussion. Zuletzt fiel die Entscheidung, diesen Neubau auf einem anderen, bisher unbebauten Grundstück in der Georg-Speyer-Straße 63 zu errichten.113
gesetzten Treppenhausfenstern das Turmmotiv der Vorentwürfe an. Die Rückseite trägt Balkone, die mit ihren relingar tigen Geländern ebenfalls typisch für den Stil des Neuen Bauens sind.
Abb. 27:
Vorentwurf für das Haus Enric Lupescu in Frankfurt a. M., Erweiterung des Hauses GeorgSpeyer-Straße 47, datiert am
Als das Gebäude 1929 fer tiggestellt war, zog Enric Lupescu mit seiner Familie in das erste und zweite Obergeschoss. Im obersten Stockwerk befanden sich Kammern und Dienstmädchenzimmer, während das Erdgeschoss eine Dependance der Paragon Kassenblock AG aufnahm, für die Nathan während seiner Berliner Zeit gearbeitet hatte.114 Das Haus Lupescu war von Anfang an als Teil eines Doppelhauses geplant. Der zweite Bauabschnitt in der Georg-SpeyerStraße 61 wurde 1931 fer tiggestellt; Bauherr war ein Arzt namens Dr. E. Keil.115 Das Gebäude präsentier t sich im Stil des ersten, ist aber durchgehend dreigeschossig und besitzt weder eine Dachterrasse noch einen seitlichen Erker.
Das an diesem Standor t realisier te kubische Bauwerk mit heller Putzfassade stuft sich zur Straße von vier Etagen auf drei Geschosse ab und bildet so die bereits im Erweiterungsprojekt vorgesehene Dachterrasse aus. Die Hauptansicht ist von strenger Sachlichkeit geprägt; drei Fensterreihen sitzen übereinander und besitzen als Rahmen schmale Betongesimse; die den Fenstern zugeordneten dunkelroten Klinkerfelder bilden ver tikale Gliederungen. An der Seitenfront kragt im Obergeschoss ein der Küche zugeordneter Erker aus; zugleich deutet sich im vorgezogenen Rückgebäude und seinen an die Ecke 112 113 114 115
tt
Pläne im LBI: FN 23, 14, p. 124–127. Pläne im LBI: FN 23, 14, p. 109–113, 131 f.; FN 15,1, p. 319, 363 u. a. Angaben aus dem Frankfur ter Adressbuch für das Jahr 1930. Der einzige im Nachlass überlieferte Plan des Hauses Georg-Speyer-Straße 61 ist ein vom Juni 1927 datiertes Blatt mit einem Fassadendetail. LBI: FN 15, 1, p. 272. Hinweis zum Bauherrn aus dem Frankfur ter Adressbuch.
25.10.1926, nicht realisiert (LBI: FN 23, 14, p. 119).
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Abb. 28:
Haus Enric Lupescu in Frankfurt a. M., 1927 – 1929, Planzeichnung der Seitenfassade, datiert im Juli 1927 (LBI: FN 15, 3, p. 319).
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Abb. 29:
Haus Enric Lupescu in Frankfurt a.M, 1927–1929, Fotografie 2010 von Roland Behrmann.
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 Das prototypische Vorbild des Hauses ist das einfache bürgerliche Wohnhaus des 18. und frühen 19. Jahrhunder ts. Im Übrigen ist die Villa das erste bekannte Bauwerk Nathans, das vollständig in Klinker, einem später mehrfach verwendeten Material, ausgeführ t ist.
Villa Ludwig Mayer in Aschaffenburg, 1927–1928
Abb. 30:
Villa Rudolf Raabe in Frankfurt a. M., 1926–1927
Villa Rudolf Raabe in
Während sich Nathan bei der Planung der Villen Beckhardt und Lupescu klar zum Neuen Bauen bekannte, setzte er bei anderen Häusern weiter auf traditionelle Gestaltungen. Die heute nicht mehr erhaltene Villa in der Holzhausenstraße 61 in Frankfur t-Westend entstand für Rudolf Raabe, seines Zeichens Staatlicher Lotterieeinnehmer, für den der Architekt ein zweigeschossiges Gebäude über einem quadratischen Grundriss mit Klinkerfassaden, Fensterläden und weit auskragendem Walmdach schuf.116 Der Grundriss teilt das Erdgeschoss in zwei Zonen unterschiedlicher Breite. Im etwas schmäleren rückwär tigen Teil befinden sich der Salon und das Esszimmer, die sich jeweils über zwei Fenster türen zur Gar tenterrasse öffnen, während der vordere Bereich neben Flur und Treppenhaus das Herrenzimmer und die Küche aufnimmt.
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Frankfurt a. M., 1926–1927, bauzeitliche Fotografie (LBI: FN 7, 1, p. 333).
Die Propor tion, das Walmdach und die Fensterläden prägen das malerische Erscheinungsbild des Hauses, zu dem auch die Gliederung der Front in eine hohe Obergeschoss- und eine niedrige, seitlich leicht vorspringende Erdgeschosszone beiträgt. Kennzeichnend ist auch die Gestaltung der Gar tenfassade, die nicht nur Fenster türen mit Rundbögen und entsprechend geformten Läden besitzt, sondern über den Türen sogar mit Schlusssteinen verzier t ist, einem in Barock und Klassizismus gerne verwendeten Schmuckelement. Bei all diesen malerischen Motiven zeichnet sich das Bauwerk durch eine strenge achsensymmetrische Gliederung aus.
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Eine weitere Villa in traditioneller Form schuf Nathan im nahen Aschaffenburg. Ihr Auftraggeber war Ludwig Mayer, Mitinhaber des Aschaffenburger Warenhauses „Geschwister Mayer“, der das Einfamilienhaus in einem Villengebiet über dem Mainufer errichten ließ.117 Das zur Straße zweigeschossige Gebäude zeigt durch das Satteldach, das Rustikamauerwerk an den Hausecken und das turmförmige Zwerchhaus eine durchaus konservative Gestaltung. Ein eingeschossiger Vorbau mit Walmdach (er dient nicht nur der Garage, sondern auch der Küche) locker t die strenge Anmutung der Architektur auf, zumal er, der unregelmäßigen Form des Grundstücks folgend, in schrägem Winkel zum Hauptgebäude steht. Der Baustil erinnert an Häuser von Paul Bonatz und Paul Schmitthenner. Beide waren Ver treter der sogenannten Heimatschutzarchitektur, jener traditionalistischen Strömung, die auf den 1904 in Dresden gegründeten Deutschen Bund für Heimatschutz zurückging und dezidier t für die Aufnahme regional- und landestypischer Bauformen warb. Wirkt die Vorderseite der Villa Mayer einigermaßen konventionell, so überrascht die dreigeschossige Gar tenfassade durch ihren Seitentrakt, der mit einem großzügig verglasten, halbrunden Wintergar ten abschließt – eine interessante Variante des Wintergartens der Villa Hirsch in Frankfur t. Auch das filigrane, relingar tige Balkongeländer, das sich über die gesamte Breite des Hauses erstreckt und in elegantem halbrundem Schwung das Dach des Wintergar tens umschließt, setzt einen modernen Akzent. Dagegen ist das Terrassengeschoss im kraftvollen Kontrast zur Glaswand in rustikalem Bossenmauerwerk ausgeführ t. Terrasse, Balkon und Wintergar ten berücksichtigen die attraktive Lage der Villa über dem Maintal. Im Inneren profitieren auch das Herrenzimmer, der Salon und das Speisezimmer vom weiten Blick über das Tal. Heute dient das Haus als privat geführ te Frauenklinik, wobei es durch Um- und Anbauten fast zur Unkenntlichkeit veränder t ist.
Pläne im LBI: FN 13, 8, p. 303–406; Fotografien im LBI: FN 6, 15, p. 582; FN 7, 1, p. 333, 356. Angabe zum Bauherrn aus den Frankfur ter Adressbüchern jener Jahre. Pläne auch der Möbel der Villa Mayer im LBI: FN 7, 2, p. 42–55; FN 10, 4. Fotografien im LBI: FN 6, 15, p. 590; FN 7, 1, p. 328–332, 348. Angaben zu Ludwig Mayer aus: Förderkreis Haus Wolfsthalplatz e.V., Datenbank in http://www.historisches-unterfranken.uni-wuerzburg.de/friedhoefe/HausWolfsthalplatz/homepage/verein_foerderkreis.html (31.5.2013).
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938
Tradition und Moderne Dass Nathan seine Wohnhäuser mal im traditionellen, mal im modernen Stil entwarf, mag dem Geschmack der Auftraggeber geschuldet sein, zeigt aber auch, dass er sich – zumindest im Wohnungsbau – nicht als Vorkämpfer des Neuen Bauens sah. Bekanntlich hatte diese Richtung ihre Anfänge schon vor dem Ersten Weltkrieg, als eine zunächst kleine Zahl von Architekten bei der Suche nach einem zeitgemäßen Baustil einen radikalen neuen Weg ging und sich von jeglichen traditionellen Bauformen lossagte. 1911 verwirklichte Walter Gropius mit den Faguswerken in Alfeld an der Leine eines der ersten Beispiele der architektonischen Moderne, das von der Idee einer sachlichen, aus der Funktion abgeleiteten Gestaltung geprägt war. Die Begriffe Neues Bauen und Neue Sachlichkeit beschreiben diese Richtung. 1908 erklärte der Wiener Architekt Adolf Loos das Ornament sogar zum Verbrechen.118 Nach dem Krieg gewann das Neue Bauen durch das im Jahr 1919 von Gropius gegründete Bauhaus zunehmend an Bedeutung. Die staatliche Kunstschule hatte ihren Sitz zunächst in Weimar und präsentier te dor t 1923 im Rahmen einer Ausstellung das Haus am Horn, das nach dem Entwurf Georg Muches in streng kubischer Form, ohne jeglichen Fassadenschmuck, ausgeführ t worden war. Beim Umzug der Kunstschule 1925 nach Dessau schuf Gropius mit dem heute weltberühmten Ensemble des Bauhausgebäudes und der Meisterhäuser weitere Ikonen der Architekturavantgarde der Weimarer Republik. 1926 wurde in Berlin die Architektenvereinigung „Der Ring“ gegründet, die sich die Förderung des Neuen Bauens zur Aufgabe machte. Programmatischen Charakter hatte auch die 1927 unter der Leitung Mies van der Rohes 118 119
errichtete Weißenhofsiedlung in Stuttgar t. Zwei Jahre später formier te sich die bereits erwähnte Gruppe „Der Block“, die in entschiedener Gegnerschaft zum Neuen Bauen eine konservative und traditionelle Formensprache propagier te. Der Begriff der Heimatschutzarchitektur spielte dabei eine maßgebliche Rolle.
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Abb. 31:
Villa Ludwig Mayer in Aschaffenburg, 1927–1928, Straßenseite, bauzeitliche Fotografie (LBI: FN 7, 1, p. 329).
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Abb. 32:
Villa Ludwig Mayer in Aschaffen-
Nathan gehör te keiner dieser beiden Vereinigungen an und ließ sich auch nicht auf die kontroverse und unversöhnliche Auseinandersetzung zwischen beiden Richtungen ein. Dies aber war nicht Ausdruck einer indifferenten Haltung, sondern eines ideologiefreien Verständnisses von Architektur. Ihm kam es weniger auf die Bewahrung oder Überwindung der Tradition an, sondern darauf, ein Gebäude entsprechend seiner Funktion und der Bedürfnisse des Bauherrn zu entwickeln. So setzte er die Prinzipien des Neuen Bauens bei anderen Aufgaben und Auftraggebern wesentlich konsequenter als im Wohnungsbau um. Ein weiteres Beispiel eines zwischenTradition und Moderne stehenden Wohnhauses schuf er 1929 – 1930.
burg, 1927–1928, Gartenseite, bauzeitliche Ansicht (LBI: FN 7, 1, p. 331).
Villa Richard Eisemann in Frankfurt a. M., 1929–1930 Den Auftrag für diese Villa verdankte Nathan dem Steueranwalt Dr. Richard Eisemann.119 Das mit einem hohen Walmdach versehene einfache Gebäude besitzt eine Putzfassade, in der die Fensterreihen mit ihren strengen Rahmen einen interessanten modernen Akzent setzen. In Verbindung mit der korrespondierenden Dachgaube betonen die Fenster die Mittelzone der Fassade und verleihen so der schnörkellosen Architektur repräsentative Wirkung. Wie im Nachlass vorhandene Fotografien zeigen, entwarf Nathan auch
„Ornament und Verbrechen“ lautete der berühmte Aufsatz von 1908, den Loos durch Vorträge bekannt machte. Posthum veröffentlicht in: Adolf Loos, Sämtliche Schriften, hrsg. v. Franz Gluck, Wien, München (Herold) 1962, S. 276–288. Im Architektennachlass sind nur Fotografien des Kinder- und Wohnzimmers überliefert. LBI: FN 7, 1, p. 354 f. Siehe hierzu auch Anm. 236. Angabe zum Bauherrn aus dem Frankfurter Adressbuch für 1931.
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 Das wachsende Interesse des Architekten für das Neue Bauen mag ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass er den bis dahin eher traditionell geprägten Entwurf noch einmal grundlegend überarbeitete. Im März 1927 stattete er die Trauerhalle nicht mehr mit Schrägdächern aus, sondern gestaltete sie als reinen Kubus.122 Entsprechend verfuhr er auch bei der Leichenhalle sowie beim Verwaltungs- und Gär tnereigebäude. An den parabolischen Bogenstellungen hielt er zunächst fest, ehe er sie im Zuge der weiteren Planung im Januar 1928 auf den Por tikus der Trauerhalle reduzier te und die Arkaden der Wandelgänge zu Kolonnaden umformte. Zuletzt gab Nathan auch die Bögen der Vorhalle auf und ersetzte sie durch einen waagerechten Abschluss. Durch all diese Maßnahmen erhielten die Friedhofsbauten ihr ausgeprägt modernes Erscheinungsbild.
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Abb. 33:
Villa Eisemann in Frankfurt a. M., 1929 – 1930, Fotografie 2013 von Andreas Schenk.
Teile der Inneneinrichtung, darunter einen im Ar tdéco-Stil gestalteten Kamin, während die Möbel den Einfluss der Bauhausmoderne widerspiegeln. Das gut erhaltene Gebäude steht in Frankfur t-Bockenheim, Zeppelinallee 89. Es wurde just in dem Jahr begonnen, in dem der Architekt nach langjähriger Planung den Neuen Jüdischen Friedhof im Stil des Neuen Bauens vollendete.
Neuer Jüdischer Friedhof in Frankfurt a. M., 1928–1929 Nachdem die Bauarbeiten für den Neuen Jüdischen Friedhof 1925 eingestellt worden waren, weil die Stadt das Gelände an der Homburger Landstraße für den Wohnungsbau beanspruchte, einigten sich Kommune und jüdische Gemeinde im darauf folgenden Jahr auf einen Bauplatz an der Eckenheimer Landstraße neben dem christlichen Nordfriedhof. Nathan war in die Verhandlungen mit eingebunden und wirkte auch beratend mit, als neue Schwierigkeiten bewältigt werden mussten.120 Denn die Kleingär tner, die das Areal seit Langem für sich nutzten, wehr ten sich vehement gegen die Umsiedlung ihrer Gär ten. Der Konflikt wurde erst beigelegt, als die Israelitische Gemeinde den Gär tnern eine finanzielle Entschädigung anbot. Im Mai 1927 wurde das Gelände frei; bald danach erfolgte die Anlage der Wege und Plätze und wurden die ersten Anpflanzungen vorgenommen.121
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Dabei blieb die Frage des Baumaterials lange Zeit ungeklär t. 1925 war noch vorgesehen gewesen, die Außenwände zu verputzen und die Architekturglieder durch Werkstein hervorzuheben. Spätere Überlegungen galten einer Verkleidung aus Basaltstein und Schiefer, was zweifellos dem Wunsch nach einer noch repräsentativeren, imposanteren Lösung geschuldet war. Die Entwürfe dieser Planungsphase deuten auf den Einfluss von Paul Bonatz und dessen berühmten Stuttgar ter Hauptbahnhof hin. Die Werksteinfassaden, Kolonnaden und überhohen Rundbögen dieses kurz vor dem Ersten Weltkrieg begonnenen Bauwerks dürften auf Nathan bleibenden Eindruck gemacht haben. Als 1928 die Wahl auf dunkelrote Klinkerfassaden fiel, ging diese Entscheidung möglicherweise auf die Einflussnahme des städtischen Bauamts zurück. Darauf deutet der Bericht des Vorsitzenden der Baukommission, Arthur Forchheimer, der eine „uns aufgezwungene Änderung des Werksteinmaterials“ beklagte.123 Einen weiteren Hinweis liefern die Sitzungsprotokolle der jüdischen Gemeindever tretung. In ihnen ist von „mit der Stadt gepflogenen Verhandlungen wegen Baumaterials für die Gebäude“ und von einer durch die Stadtverwaltung „erzwungene(n) Verwendung teureren Steinmaterials bei dem Friedhofsneubau“ die Rede.124 Denkbar ist, dass seitens der städtischen Baubehörde anstelle von Backstein oder Ziegel wetterbeständigerer Klinker geforder t wurde, der aufgrund der auf-
120 Hierzu Schreiben des Gemeindevorstands, 29.6.1938. LBI: FN 26, 14, p. 273–275. 121 Angaben zur Planungs- und Baugeschichte auch aus Knufinke a.a.O. (Anm. 89), ferner Paul Arnsberg, Die Geschichte der Frankfur ter Juden seit der Französischen Revolution, Bd. 1: Der Gang der Ereignisse, Darmstadt (Eduard Roether) 1983, S. 898. 122 Pläne im LBI: FN 10, 6, p. 221–227. 123 Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfur t a. M., H. 2–3, Okt. 1929, S. 71 (http://sammlungen.ub.uni-frankfur t.de/cm/periodical/titleinfo/3094266). 124 Ebd. H. 9, Mai 1928, S. 280 (Sitzungsbericht vom 29.4.1928); H. 3, Nov. 1928, S. 61 (Sitzungsbericht vom 28.9.1928).
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wendigeren Herstellung zu höheren Kosten führ te. Immerhin war Nathan mit dem Baumaterial bestens ver traut, wie neben der Villa Raabe von 1927 vor allem auch die im selben Jahr begonnene Zigarrenfabrik Hochherr in Heidelberg zeigt, über die noch zu berichten sein wird. Als Ergebnis der Neu- und Umplanung entstand ein Gebäudekomplex, der durch seine strenge, reduzierte Architektur von ebenso markanter wie monumentaler Wirkung ist.125 Das Herzstück der Anlage bildet der Por talhof, der, über einem nahezu quadratischen Grundriss angelegt, an der Ost- und Westseite von den Pfeilerhallen und deren Mittelpor talen begrenzt wird. Die Wandelgänge verbinden sich mit den kubischen Bauten an der Nord- und Südseite. Sie fassen die breit gelager te Trauerhalle wirkungsvoll ein, die sich als monolithische Anlage mit zurückgestuftem Attikageschoss und mächtiger, in den Baukörper einschneidender Por talhalle präsentier t. Die Pfeiler dieser Halle sind nicht nur doppelt so hoch wie die der Wandelgänge, sondern auch leicht geböscht, indem sie sich nach oben verjüngen, so dass sie noch höher erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind. Nathan bediente sich hier eines optischen Tricks, der sein prototypisches Vorbild in ägyptischer Tempelarchitektur hat. Den Öffnungen der Kolonnaden und der Vorhalle sind große geschlossene Wandflächen entgegengesetzt, die so wie alle anderen Bauteile in rotbraunem Klinker ausgeführ t sind. Das Material steiger t durch die dunkle Farbigkeit den monumentalen Eindruck und bildet an den Architraven und Wandabschlüssen
Bänder aus senkrecht stehendem Klinker, sogenannte Rollschichten, welche die horizontalen Linien der Architektur unterstreichen und in reizvolle Wechselbeziehung zu den ver tikalen Akzenten der Pfeiler stehen. Außerdem ist der weiträumige Hof korrespondierend zu den Klinkerfassaden mit roten Steinen gepflaster t, was die Einheitlichkeit der Gesamtanlage unterstreicht.
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Abb. 34:
Vorentwurf für den Neuen Jüdischen Friedhof in Frankfurt a. M., März 1927, Portalhof und Trauerhalle (LBI: FN 10, 6, p. 222).
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Abb. 35:
Neuer Jüdischer Friedhof in
Durch den Verzicht auf jeglichen bauplastischen Dekor treten die ebenfalls von Nathan entworfenen Inschriften umso wirkungsvoller hervor. Sie zieren die Torbauten in der Ar t eines Frieses und sind teils in hebräischer, teils in deutscher Sprache wiedergegeben.
125 Das umfangreiche Konvolut der Pläne mit den verschiedenen Zwischenstufen bis zur Realisierung im LBI: FN 10, 5; FN 10, 6.
Frankfurt a. M., 1928 – 1929, Plan der Gesamtanlage, links oben der projektierte Friedhof für orthodoxe Juden (LBI: FN 7, 2, p. 57).
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 Bei der Planung des Friedhofs musste Nathan die spezifischen Erfordernisse einer jüdischen Begräbnisstätte berücksichtigen und dabei vor allem die strengen Regeln für die Kohanim einhalten, die als Nachkommen der Priester des Jerusalemer Tempels nur unter bestimmten Auflagen einen Friedhof betreten dürfen. Um ihre Eignung für den Tempeldienst nicht zu verlieren, dürfen sie mit den als unrein geltenden Toten weder in Berührung kommen, noch dürfen sie sich unter einem Dach mit einem Leichnam aufhalten. Deshalb haben jüdische Trauerhallen oft einen eigenen Raum für die Kohanim, der durch einen Schlitz an der Wand und im Dach vom übrigen Gebäude getrennt ist. p
Abb. 36:
Neuer Jüdischer Friedhof in Frankfurt a. M., 1928 – 1929, Trauerhalle, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (Privatbesitz Doris Nathan).
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Abb. 37:
Neuer Jüdischer Friedhof in Frankfurt a. M., 1928 – 1929, Blick aus dem Wandelgang auf die Trauerhalle, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 25, 1, p. 175).
Die Inschrift an der Außenseite des Por talbaus ist bewusst in Hebräisch gehalten, um die Zugehörigkeit des Friedhofs zum jüdischen Glauben kenntlich zu machen. Sie lautet: „Wandeln werde ich vor dem Antlitz des Ewigen in den Gefilden des Lebens“ (Psalm 116, 9). Im Por talhof ist zu lesen: „Die in Gradheit gewandelt, kommen in Frieden und ruhen auf ihren Lagern“ (Jesaja. 57, 2), „Alle Tränen, die einer vergießt um einen rechten Menschen, der Heilige, gelobt sei er, zählt sie und verwahrt sie in seinem Schatzhaus“ (Babylonischer Talmud, Schab 105b).126
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Nur bei Regen wird die Öffnung geschlossen. Von diesem Raum können die Kohanim die Trauerfeierlichkeiten verfolgen. Auch Nathan wählte diese seit dem 18. Jahrhunder t übliche Lösung. Zu den weiteren notwendigen Einrichtungen gehör te ein Gebetsraum, in welchem zum Gedenken an die Toten das Kaddisch-Gebet gesprochen wird. Außerdem waren ein Waschraum für rituelle Reinigungen, ein Kondolenzzimmer und eine zweite Trauerhalle für kleinere Versammlungen vorzusehen.
Zitier t nach Gemeindeblatt Frankfur t a.a.O. (Anm. 94), S. 68 und Max Eisler, Der Friedhof in Frankfur t a. M., in: Menorah, Jüdisches Familienblatt für Wissenschaft, Kunst und Literatur, 8. Jg., Nr. 5–6, Mai–Juni 1930, S. 237 f. Nachweis der Quelle des letztgenannten Zitats nach Hermann L. Strack / Paul Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, Bd. 3: Die Briefe des Neuen Testaments und die Offenbarung Johannis, München (C.H. Beck) 1926, S. 657.
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Abb. 38:
Neuer Jüdischer Friedhof in Frankfurt a. M., 1928–1929, großer Saal der Trauerhalle, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 6, 12, p. 263).
Das Bauprogramm berücksichtigte darüber hinaus einen Sängerraum mit Harmonium und ein Zimmer für die Aufbewahrung von Pflanzen. Denn obwohl Musik und Blumen bei jüdischen Trauerfeiern nicht üblich sind, wollte man doch „den Erfordernissen derjenigen Kreise gerecht werden […], die eine besondere Ausgestaltung der Trauerfeier, abweichend von dem Althergebrachten, wünschen“.127 Fünf Bronzetüren führen von der Vorhalle in den Hauptraum, in dem sich die Trauergemeinde am Sarg des Toten versammelt und der Rabbiner die Trauerrede hält. In einer breiten Nische gegenüber dem Eingang wird der Sarg aufgebahr t; dor t befindet sich auch das Rednerpult. Der Nische sind links und rechts zwei Zimmer zugeordnet, deren Wandöffnungen die Teilnahme an der Liturgie ermöglichen. Auf der einen Seite befindet sich der Sängerraum, auf der anderen der Raum für die Kohanim, dem ein ebenfalls für die Kohanim bestimmter Kondolenzraum angegliedert ist. Den vorderen Bereich begleiten der Kaddischraum und die kleine Trauerhalle, die sich beide mit der Haupthalle zu einem großen Saal verbinden lassen.
Nathan gestaltete alle diese Räume in einem der Architektur angepassten Stil, wobei er die zentrale Halle im Unterschied zu den rechteckigen Formen des Außenbaus mit abgerundeten Ecken versah und korrespondierend dazu im Bereich des Rednerraums säulenar tige Wandvorsprünge schuf, so dass er den strengen Eindruck abmilder te. Zugleich umgreift eine Wandver täfelung aus „matt geräucherter Eiche“ mit horizontalen Bändern den Saal.128 Passend dazu finden sich in den oberen verputzten Wandzonen Gesimsgliederungen und ist der Linoleumboden durch versetzt angeordnete parallele Streifen grafisch geglieder t. 129 Abgerundet wird dieses Gestaltungsprinzip durch die Farbbänder in den knapp unter der Decke sitzenden Fenstern. Wesentlich für den Raumeindruck ist auch die zurückhaltende Beleuchtung. Im Hauptraum lenken die oberen Fensterbänder farbig gefilter tes Tageslicht in den dunklen Saal. Über dem Rednerpult befindet sich hinter schmalen Schlitzen ein Oberlicht, das den Or t der Predigt und der Aufbahrung stimmungsvoll hervorhebt. All dies dient der inneren Einkehr und verleiht der Halle einen der Funktion entsprechenden würdevollen, ernsten Charakter.
127 Erläuterung Nathans im Gemeindeblatt Frankfur t a.a.O. (Anm. 94), S. 68. 128 Ebd. 129 Ein Foto des Linoleumbodens veröffentlichten die Nachrichten der Deutsche Linoleum-Werke A.-G., Sept. 1933, Nr. 23, S. 13.
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Abb. 39:
Neuer Jüdischer Friedhof in Frankfurt a. M., 1928–1929, kleiner Saal der Trauerhalle, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 6, 12, p. 239). .
zwischen den Zellen und den benachbar ten Zimmern der Wär terinnen und Wär ter machen die Räume „übersehbar“.130 Für Untersuchungen am Leichnam ist entsprechend behördlicher Vorschriften auch ein Sezierraum vorhanden.
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Abb. 40:
Neuer Jüdischer Friedhof in Frankfurt a. M., 1928 – 1929, Nische mit Rednerpult im großen Saal der Trauerhalle, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 6, 5, p. 122).
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Im gleichen Stil präsentieren sich der Raum für die Kohanim und die kleine Trauerhalle. Letztere zeichnet sich zudem durch eine vom Boden bis zur Decke reichende, farbig verglaste Fenstergruppe aus. Dagegen ist die Leichenhalle entsprechend ihrer Funktion durch eine ausgeprägt sachliche Gestaltung mit hell gekachelten Wänden geprägt. Ein Mittelflur bildet zwei Hälften mit jeweils sechs Zellen aus, in denen die Toten gewaschen und für die Beerdigungsfeier vorbereitet werden. Eine Seite ist weiblichen, die andere männlichen Leichen vorbehalten. Glaswände
Schon während der Bauzeit informier te Nathan die Mitglieder der Gemeinde regelmäßig über die Einrichtungen des Friedhofs. Er hielt Vor träge, und nach der Fer tigstellung der Anlage bot er Führungen an, in denen er gewiss auch das der Trauerhalle gegenüber stehende Gebäude nicht außer Acht ließ.131 Dor t befinden sich neben den Büros der Friedhofsverwaltung und einem Schalterraum für Besucher auch drei Wohnungen, eine Kantine für Friedhofsangestellte sowie ein Wir tschaftshof mit Gär tnerei, Geräteraum, Stall und Remise.
Die Einweihung des Friedhofs und der Trauerhalle, 1929 Nach der langjährigen Planungs- und Bauzeit erfolgte am 19. Mai 1929 die Einweihung des Friedhofs. Am selben Tag wurde auch eine erste Beerdigung durchgeführ t. Die Trauerhalle, damals „noch im Bau begriffen
130 Gemeindeblatt Frankfur t a.a.O. (Anm. 94), S. 69. 131 Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt a. M., H. 1, Sept. 1929, S. 29. Dort sind drei Führungen für den 8.9.1929 angekündigt. (http://sammlungen.ub.uni-frankfur t.de/cm/periodical/titleinfo/3094266).
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und noch nicht benutzbar“, wurde wenige Monate später fer tiggestellt und am 8. September 1929 in einer feierlichen Zeremonie ihrer Bestimmung übergeben.132 Unter den Gästen befanden sich neben den Ver tretern der jüdischen Gemeinde auch Abgesandte der evangelischen Kirche und der Stadtverwaltung, darunter Mar tin Elsässer als Leiter des Frankfur ter Hochbauamts, ebenso Stadtbaurat Ernst May, der offiziell als Ver treter des verhinder ten Oberbürgermeisters Ludwig Landmann kam. Nathan dankte in seiner Ansprache der Gemeinde und der Baukommission für das in ihn gesetzte Vertrauen und richtete weitere Wor te des Danks an die am Bau beteiligten „zahlreichen Meister, Handwerker und Fachleute“, um sodann auf die „ernste und traurige Bestimmung“ des Friedhofs zu sprechen zu kommen: „Generationen werden hier bestattet werden, und die Formen und Bräuche, in denen diese Bestattung erfolgt und die Trauer sich zeigt, werden sich gleich bleiben, wie sie Jahrhunderte lang unverändert geblieben sind. In diesem Sinne ist dieser Tempel der Trauer, jüdischer Trauer, in all seiner ernsten Nüchternheit geschaffen, in diesem Sinne ist die Friedhofsanlage erdacht und angelegt, daß jeder von uns gehende Mitmensch unterschiedslos auf gleiche Art betrauert, bestattet und der Erde übergeben wird, wie es von altersher in unserer jüdischen Gemeinschaft Selbstverständlichkeit ist“.133
Nach diesen Wor ten übergab der Architekt den Friedhofsschlüssel dem Vorsitzenden der Baukommission, Ar thur Forchheimer, der an die lange Planungsgeschichte erinner te und nicht nur Nathan, sondern auch dessen Mitarbeiter Carl Müller dankte. An Nathan gewandt, betonte er : „Sie haben unter Einsatz Ihrer ganzen Kunst die Ihnen gestellte schwere Aufgabe glänzend gelöst. Sie haben sich ihr nicht nur mit dem Kopf gewidmet, Ihr Herz war bei der Sache und deshalb ist Ihnen voller Erfolg beschieden.“ Forchheimer zeigte sich überzeugt, dass die Schöpfung des Architekten weit über Frankfur t hinaus Beachtung finden würde und schloss seine Würdigung mit den Wor ten ab: „Sie haben sich selbst ein Denkmal für alle Zeit gesetzt.“134
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Abb. 41:
Neuer Jüdischer Friedhof in Frankfurt a. M., 1928–1929, Gesamtanlage von oben, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 24, 1, p. 154).
Lob und Anerkennung für den Friedhof Große Beachtung und Anerkennung fand der Friedhof nicht nur innerhalb der jüdischen Gemeinde, sondern auch in der Fachwelt. 1930 pries das Journal für Architekten und Bauindustrie, Stein Holz Eisen, die Anlage als „Bekenntnis zu unserer Zeit“.135 Der Berliner Kunsthistoriker Dr. Karl Schwarz würdigte sie sowohl in der Deutschen Bauzeitung als auch in der Zeitschrift Kunst und Kirche. Er nahm den Neubau zum Anlass für eine allgemeine Betrachtung jüdischer Kultbauten der Gegenwar t und sah zu Recht
132 Der Israelit. Ein Centralorgan für das or thodoxe Judentum, Frankfur t, H. 21, 23.5.1929, S. 9 (http://sammlungen.ub.uni-frankfur t.de/cm/periodical/titleinfo/2446951). 133 Die Rede des Architekten ist abgedruckt im Gemeindeblatt Frankfur t a.a.O. (Anm. 94), S. 70. 134 Die Rede Forchheimers ebd. S. 70–72. 135 Stein Holz Eisen, 1930, H. 19, S. 429–431.
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 eine dem Kirchenbau vergleichbare Entwicklung: Die Hinwendung zu „sachlich betonter und prunklos gediegener Gestaltung“, bei der „jedes falsche Pathos“ vermieden und „Verinnerlichung“ gesucht wird.136 Neben dem Frankfur ter Friedhof verwies Schwarz auf die zeitgleich errichtete Friedhofshalle Erich Mendelsohns im damaligen Königsberg, heute Kaliningrad, die ebenfalls durch dunkle Klinkerfassaden und strenge kubische Bauformen geprägt war. Beim Vergleich zwischen beiden Gebäuden kam der Rezensent jedoch zu einem eindeutigen Ur teil: „Den stärksten Ausdruck aber bildet der neue Friedhof der israelitischen Gemeinde Frankfurt a. M., ein Meisterwerk des Architekten Fritz Nathan“.137 Letzterem sei es gelungen, „eine bis ins Detail mustergültige Anlage zu schaffen, die für die Zukunft richtungsgebend sein wird […].“138 Auch die Ausstellung „Kirchliche Kunst der Gegenwart“, die 1930 in Stuttgar t gezeigt wurde, und der dazu erschienene Bildband von Hans Herkommer würdigten den Friedhof.139 Das Buch veranschaulicht die Anlage und ihre Bauten in den auch hier wiedergegebenen Lichtbildern des Frankfur ter Fotografen Hermann Collischonn, in denen die Ehrfurcht gebietende Architektur der Trauerhalle eindrucksvoll ins Bild gesetzt ist. 1930 widmete sich auch der Wiener Kunsthistoriker Professor Max Eisler dem Friedhof. Im Jüdischen Familienblatt für Wissenschaft, Kunst und Literatur, Menorah, sprach Eisler von einem Werk „von außerordentlicher Bedeutung […], das die Aufmerksamkeit der gesamten jüdischen Welt verdient“. Er hob hervor, dass der Friedhof, so modern er auch wirke, durch „die Aufnahme der einfachen Elemente, auf denen Monumentalität beruht“, der Tradition verbunden sei – eine treffende Beobachtung, die auch den Unterschied zwischen dem Vorgehen Nathans und dem Mendelsohns erklär t.140 Denn während Mendelsohn den Bruch mit der Architekturgeschichte zum Programm erhob, setzte Nathan auf eine Moderne, die altbewährte Prinzipien weiterführ t und neu interpretiert. Es ist kein Zufall, dass von den Pfeilerhallen und dem Portikus der Trauerhalle eine geradezu archaische Wirkung ausgeht. Eisler sah denn auch in der Schöpfung Nathans eine äußere Beziehung zu „ägyptisch oder sonstwie ‚orientalisch‘“, und der Rezensent der Zeit-
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schrift Stein Holz Eisen bemerkte, dass das Gesamtbild „etwas einer ägyptischen Tempelanlage Ähnliches“ zeige.141 Der Architekt nahm zu solchen Vergleichen nie Stellung, jedenfalls nicht in seinen Veröffentlichungen. Zwar berichtete er 1929 im Israelitischen Gemeindeblatt und ein Jahr später in der Zeitschrift des Bundes Deutscher Architekten über den Friedhof.142 Auf die Frage des Stils und des Verhältnisses zu Moderne und Tradition ging er aber mit keinem Wor t ein. Stattdessen stellte er die funktionalen Aspekte heraus und betonte, dass das Bauprogramm von 1924 „der gewaltigen Aufgabe Grundlage und Grenze zugleich“ gegeben habe: „Der neue jüdische Friedhof soll die hohe alte Tradition der alten würdigen und einheitlichen jüdischen Begräbnisplätze verbinden mit neuzeitlichen Anforderungen hygienischer und technischer Art, die die Häufigkeit der Beerdigung einer Großgemeinde bedingen. Die äußere Erscheinung des Portales, der Einfriedung und der Gebäude soll durch die Verwendung soliden Materiales und einfacher Formen, durch geschlossene Silhouetten der Baugruppe eine weihevolle Monumentalität erzielen. Mit den einfachsten Mitteln gilt es, durch Proportionen und Farbgebung eine Stätte des Friedens zu schaffen, die ohne Verwendung plastischen und malerischen Schmuckes die ernste und pietätvolle Bestimmung der Anlage auszeichnet.“ Wie Nathan weiter ausführ te, bestimmten diese Sätze des Bauprogramms „jede Skizze der wechselvollen Vorbereitung dieses Baues […] im großen und im kleinen, in der Urform und im Detail, in der Raumlösung und im kleinsten Raumglied, in der Farbgebung und in der Formbestimmung“.143 Dem Architekten war der Friedhof Aufgabe und Herausforderung zugleich gewesen. Wie Ar thur Forchheimer bei der Einweihung der Trauerhalle bemerkte, hatte sich Nathan dem Werk nicht nur „mit Liebe und Sorgfalt“, sondern auch „in der Arbeit immer größer werdend“ angenommen.144 Das Ergebnis überzeugt bis heute. Nathan schuf mit dem Neuen Jüdischen Friedhof ein Hauptwerk sakraler Baukunst in den Jahren der Weimarer Republik. Heute genießt die bedeutende Anlage den Status eines Kulturdenkmals.
136 Karl Schwarz, Jüdische Kultbauten, in: Kunst und Kirche, 7. Jg., 1930, H. 2–3, S. 89–92. 137 Ebd. 138 Karl Schwarz, Der Israelitische Friedhof in Frankfur t a. M., in: Deutsche Bauzeitung, 65. Jg., Nr. 39–40, 13.5.1931, S. 229–233. 139 Hans Herkommer, Kirchliche Kunst der Gegenwar t, Stuttgar t (Verlag Deutsche Bauten) 1939, S. 46 f. 140 Eisler a.a.O. (Anm. 126), S. 233–238. Ein Exemplar des Aufsatzes im LBI: FN 4, 14, p. S. 32. 141 Ebd. und Stein Holz Eisen a.a.O. (Anm. 135). 142 Gemeindeblatt Frankfur t a.a.O. (Anm. 94), S. 67–70; Die Baugilde, 12. Jg., Sept. 1930, Nr. 17, S. 1784–1787. 143 Gemeindeblatt Frankfur t a.a.O. (Anm. 94). 144 Ebd. S. 70.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938 Gräber und Grabdenkmäler Bei der Gründung des Friedhofs stellte sich auch die Frage der künftigen Gestaltung der Grabstätten. Baukommission und Architekt waren sich darin einig, dass die Gräber im Sinne eines ernsten und würdevollen Gedenkens an die Toten in strengen und ruhigen Formen ausgeführt werden sollten. Darüber berichtete Nathan im Februar 1929 in einem Lichtbildvor trag, den er gemeinsam mit Stadtbaurat Ernst May vor der Frankfur ter Gesellschaft für jüdische Volksbildung hielt. Beide Referenten plädier ten für die Wiederbelebung der schlichten und einfachen Ar t alter jüdischer Grabsteine – ein Gedanke, der bereits bei der Planung der Erbbegräbnisanlage des Berliner Friedhofs eine Rolle gespielt hatte. Bei der Gestaltung der Grabsteine sollten zwar strenge Grundsätze gelten, dabei war aber „keine öde Gleichmacherei“ geplant, wie Nathan mögliche Kritiker beschwichtigte. Die Grabordnung lasse „im weiten Rahmen viele Variationen“ zu, die aber „dem Gesamtcharakter angepasst werden müssten“.145 Der Architekt veranschaulichte die Gestaltungsmöglichkeiten vermutlich mit eigenen Plänen. So finden sich in seinem Nachlass Zeichnungen verschiedener Entwurfsvarianten: liegende und stehende Grabsteine, Steine in rechteckiger Form, mit abgerundeten Ecken oder mit trapezförmigem Zuschnitt. Gemeinsam sind ihnen einfache Formen, klare Schriftzüge und zurückhaltend eingesetzte Schmuckelemente.146 Grabsteine dieser Ar t entwarf Nathan seit Mitte der 20er und bis weit in die 30er Jahre hinein. Die meisten plante er für verstorbene Mitglieder der Frankfurter Gemeinde; einige entstanden aber auch für die jüdischen Friedhöfe anderer Städte wie Bingen, Mainz, Mannheim, Oberwesel und Saarbrücken. Beispielhaft kann hier auf das Grab der Familie Meyer-Gerngross in Mannheim verwiesen werden, das die symbolträchtige Form eines Por tikus zeigt.147
Entwurf für den neuen Friedhof der Israelitischen Religionsgesellschaft in Frankfurt a. M., 1926 und 1933 Im Zusammenhang mit der Gründung des Neuen Jüdischen Friedhofs galten weitere Planungen einem separaten Gräberfeld für die Israelitische Religionsgesellschaft in Frankfur t. Diese 1851 gegründete Gemeinschaft or thodoxer Juden bestattete ihre Toten seit 1886 in einem abgegrenzten Bezirk auf dem alten 145 Zitier t aus einem Bericht über den Vor trag in: Der Israelit. Ein Centralorgan für das or thodoxe Judentum, H. 9, 28.2.1929, S. 11 (http://sammlungen.ub.uni-frankfur t.de/cm/periodical/titleinfo/2446951). 146 Die Entwürfe im LBI: FN 40, 3. 147 Der Entwurf vom 14.3.1930 im LBI: FN 23, 13, p. 315. Foto im LBI: FN 6, 9, p. 190. Weitere Entwürfe für Grabmäler und Grabsteine im LBI: FN 23, 13; FN 34, 9; FN 40, 2; FN 40, 3; FN 40, 4.
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Abb. 42:
Entwurf für ein Doppelgrab, um 1930 (LBI: FN 40, 3, p. 319).
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Abb. 43:
Familiengrab Meyer-Gerngross auf dem jüdischen Friedhof an der Röntgenstraße, Mannheim, um 1930, Fotografie 2015 von Roland Behrmann.
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Abb. 44:
Entwurf für den Friedhof der Israelitischen Religionsgesellschaft in Frankfurt a. M., Grundriss des Eingangsbereichs, datiert am 30.7.1926, nicht realisiert (LBI: FN 23, 12, p. 304).
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Abb. 45:
Entwurf für den Friedhof der Israelitischen Religionsgesellschaft in Frankfurt a. M., Portalgebäude, datiert am 30.7.1926, nicht realisiert (LBI: FN 23, 12, p. 306).
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Abb. 46:
Entwurf für den Friedhof der Israelitischen Religionsgesellschaft in Frankfurt a. M., Lageplan und räumliche Darstellung der Gebäudegruppe, datiert am 30.7.1926, nicht realisiert (LBI: FN 13, 5, p. 78).
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Abb. 47:
Entwurf für den Friedhof der Israelitischen Religionsgesellschaft in Frankfurt a. M., Portalgebäude, Vorder- und Seitenansicht, datiert im Februar 1933, nicht realisiert (LBI: FN 23, 12, p. 310).
jüdischen Friedhof an der Rat-Beil-Straße. Da sich diese Anlage nicht erweitern ließ, fiel schon vor dem Ersten Weltkrieg die Entscheidung für eine neue Begräbnisstätte.148 Die Realisierung rückte aber erst 1926 in greifbare Nähe, als der endgültige Standor t für den Neuen Jüdischen Friedhof gefunden war. Damals wurde am nordöstlichen Ende des an der Eckenheimer Landstraße liegenden Geländes eine Fläche für 2.500 or thodoxe Gräber reservier t.149 Nathan legte am 30. Juli 1926 einen ersten Entwurf mit Vorschlägen für die Gebäude vor.150 Die Leichenhalle sollte gemeinsam mit dem Pförtnerhaus und dem Rabbinerzimmer in das Eingangsgebäude integrier t
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werden. In der Achse gegenüber dem Por tal war die Trauerhalle vorgesehen, dazwischen ein von Hecken eingefasster Hof. Der zurückhaltend moderne Stil der projektier ten Anlage mag der konservativen Ausrichtung der Religionsgesellschaft geschuldet sein, während die vergleichsweise einfache Konzeption die geringen finanziellen Möglichkeiten der Gemeinschaft widerspiegelt, die dann auch dazu führ ten, dass das Bauvorhaben über viele Jahre ruhte. Im Februar 1933 erstellte Nathan noch einmal einen Entwurf, der aber in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur – am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt – keine Chance mehr hatte, realisier t zu werden.151
148 Hierzu: Der Israelit. Ein Centralorgan für das or thodoxe Judentum, H. 25, 18.6.1925, S. 9 (http://sammlungen.ub.uni-frankfur t.de/cm/periodical/titleinfo/2446951). 149 Die Pläne von 1926 im LBI: FN 13, 5, p. 78; FN 23, 12. 150 Ebd. Zum Projekt vgl. auch Knufinke a.a.O. (Anm. 89), S. 296, 302. 151 Die Pläne von 1933 im LBI: FN 23, 12.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938 Weitere Bauten und Projekte für die jüdischen Gemeinden in Frankfurt Nathan verdankte den beiden Frankfurter Gemeinden eine Reihe weiterer Aufträge, die aber an die Bedeutung der beiden Friedhofsprojekte bei Weitem nicht heranreichten. Wie die Israelitische Religionsgesellschaft später berichtete, zog sie den Architekten seit 1926 bei allen Bau- und Grundstücksangelegenheiten als „Baumeister und Berater“ hinzu. In dieser Funktion zeichnete er für die Umwandlung von Großwohnungen in Kleinwohnungen zuständig, wodurch die „Rentabilität dieses Grundbesitzes wesentlich gesteigert“ wurde.152 Außerdem modernisier te er 1930–1931 das Israelitische Krankenhaus im Röderbergweg 97 in Frankfurt-Ostend.153 Allem Anschein nach kam es dort Mitte der 30er Jahre zu weiteren Aus- und Umbauten nach Entwürfen Nathans, ehe das Krankenhaus im Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche sank. Andere Dokumente im Architektennachlass verweisen auf Vorarbeiten des Architekten für eine Sanierung der or thodoxen Synagoge in der Friedberger Anlage im Jahr 1929.154 Das Gotteshaus war 1905–1907 in monumentalem neuromanischem Stil errichtet worden und mit 1.600 Plätzen die größte Synagoge Frankfur ts. In der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurde es in Brand gesetzt und zerstör t. Das gleiche Schicksal hatte die Hauptsynagoge der reformier ten Israelitischen Gemeinde am Börneplatz, ein 1855–1860 im maurischen Stil (mit neuromanischen und neugotischen Anklängen) ausgeführ tes Gebäude, für das Nathan 1926 in zwei Entwurfsvarianten die Standor te von Kanzel, Orgel und Sängerempore prüfte und eine neue Galerie entwarf.155 1928 schuf der Architekt einen neuen Saal für die 1897 gegründete Jüdische Haushaltungsschule in Frankfur t, Königswar ter Straße 20.156 Bei der Einweihung am 6. Februar 1928 hielt er vor Mitgliedern der Gemeinde und Ver tretern der städtischen Schul-
behörde einen Vor trag über das Neue Bauen, was darauf schließen lässt, dass er den Saal im modernen Stil der Zeit gestaltete.157 Aus den Jahren 1928 bis 1930 stammen Pläne für Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen im jüdischen Kinderhaus in der Hans-Thoma-Straße 24 in Frankfurt.158 Diese Einrichtung befand sich in einem ehemaligen Wohnhaus des 19. Jahrhunder ts, sie war 1919 von einem israelitischen Frauenverein gegründet worden, um bedürftigen jüdischen Kindern Obhut, Verpflegung und Unterweisung zu geben. Aufgenommen wurden Waisenkinder und Kinder aus schwierigen Familienverhältnissen. 1942 wurden die etwa 50 Kinder des Heims und ihre Betreuerinnen in das Ghetto Theresienstadt depor tier t. Nur drei Kinder erlebten ihre Befreiung. Das nach 1945 unterschiedlichen Nutzungen dienende Gebäude wurde vor einigen Jahren für einen Neubau abgerissen.159 Als Mitglied der reformierten Gemeinde wirkte Nathan auch in ehrenamtlicher Arbeit.160 Er gehör te dem Vorstand der Gesellschaft zur Erforschung jüdischer Kunstdenkmäler an, war im Schulrat des gemeindeeigenen Realgymnasiums Philanthropin ver treten und engagier te sich in der Gesellschaft für jüdische Volksbildung, die 1919 vom Frankfur ter Rabbiner Georg Salzberger gegründet worden war.161 Ende der 20er Jahre ließ sich Nathan in die Gemeindevertretung wählen. Weitere Aufgaben erfüllte er in der Friedhofskommission und in der Beratungsstelle für Grabsteine.162
Entwurf für eine jüdische Schule in Eschwege, 1927 Auch jüdische Gemeinden in anderen Städten suchten den Rat des Architekten. So plante Nathan 1927 für das 200 km nordöstlich von Frankfur t liegende Eschwege eine jüdische Schule.163 Die Klassenzimmer
152 Brief vom 27.6.1938. LBI: FN 26, 14, p. 227. 153 Gegründet 1870 als „Fremdenhospital Georgine Sara von Rothschild’sche Stiftung für erkrankte fremde Israeliten“. Hierzu http://www.juedische-pflegegeschichte.de/. Fotos und Pläne im LBI: FN 6, 24; FN 6, 25; FN 6, 26; FN 7, 6. 154 Pläne im LBI: FN 23, 7. 155 Pläne im LBI: FN 23, 2. 156 Zur Haushaltungsschule: Claudia Prestel, Jugend in Not: Fürsorgeerziehung in deutsch-jüdischer Gesellschaft (1901–1933), Wien, Köln, Weimar (Böhlau-Verlag) 2003, S. 202. 157 Zur Einweihung: Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfur t a. M., H. 7, März 1928, S. 219 (http://sammlungen.ub.uni-frankfur t.de/cm/periodical/titleinfo/3094266). 158 Pläne in LBI: FN 14,9, S. 48–72. 159 http://www.fr-online.de/frankfur t/sachsenhausen-platz-der-vergessenen-kinder,1472798,28423512.html (19.12.2014). 160 Hierzu Brief der Gemeinde vom 29.6.1938 an Nathan. LBI: FN 26, 14, p. 273–275. 161 Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfur t a. M., H. 4, Dez. 1929, S. 149. In H. 10, Juni 1932, S. 221 ist Nathan als Schriftführer der Gesellschaft zur Erforschung jüdischer Kunstdenkmäler genannt. Vgl. auch H. 10, Juni 1934, S. 409 (http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/3094266). Ein Plan vom April 1937 für eine Klassenaufteilung im LBI: FN 14, 9, p. 14. 162 Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde in Frankfur t a. M., H. 6, Febr. 1928, S. 181; H. 4, Dez. 1930, S. 119 (http://sammlungen.ub.uni-frankfur t.de/cm/periodical/titleinfo/3094266). 163 Pläne im LBI: FN 14, 9, p. 15–29.
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 22 jüdische Schulkinder auf, die während ihres Aufenthalts von einer Lehrerin oder einem Lehrer unterrichtet wurden. Am 3. Juni 1928 wurde ein neuer Speisesaal seiner Bestimmung übergeben, über den die Zeitschrift Der Israelit berichtete: „[…] Herr Bauarchitekt Nathan stellte seine hohe Kunst in den Dienst der guten Sache. Ein neuer prachtvoller Speisesaal und mannigfache Nebenräume, die eine Erweiterung und Verbesserung in hygienischer Art darstellen, sind wie über Nacht entstanden.“164 Im Architektennachlass sind nur wenige Pläne überliefer t, darunter der Entwurf eines fast 4 m langen Küchenschranks sowie ein Grundriss des Erdgeschosses, dem zu entnehmen ist, dass der Speisesaal aus der Zusammenlegung zweier Zimmer entstanden war.165 Später diente das Haus als Landschulheim der or thodoxen Samson-RaphaelHirsch-Schule, ab 1936 nahm es als Ausbildungsstätte auch auswanderungswillige Jugendliche auf. 1938 wurde es verwüstet und enteignet. Heute ist es in mehrere Eigentumswohnungen aufgeteilt.166 p
Abb. 48:
Entwurf für die Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in Friedberg, Grundriss, Vorder- und Seitenansicht, datiert am 13.1.1933, nicht realisiert (LBI: FN 13, 5, p. 95).
sollten gemeinsam mit den Wohnungen der Lehrer und des Hausmeisters in ein älteres Gebäude vermutlich der Zeit um 1910 eingefügt werden. Mehrere Skizzen des Architekten zeigen ein zweigeschossiges Haus mit Walmdach und halbrundem Turm, der mit einer breiten Kuppel abschließt. In weiteren Zeichnungen ist die Kuppel durch eine spitz aufragende Variante ersetzt und das Erdgeschoss durch einen einfachen rechteckigen Anbau für eine Turnhalle erweiter t. Diese sollte bei Bedarf als Versammlungsstätte dienen und sich mit Hilfe einer Faltwand in einen weiteren, variabel zu nutzenden Raum öffnen lassen. Im Entwurf ist dieser Raum als Sitzungszimmer und Werktagssynagoge bezeichnet. Eine Realisierung dieses Projekts lässt sich nicht nachweisen.
Ausbau des Kindererholungsheims in Hofheim am Taunus, 1927–1928 In Hofheim am Taunus existier te seit 1909 ein Erholungsheim für Kinder aus dem nahen Frankfur t, das auf Initiative des Rabbiners Dr. M. Horovitz gegründet worden war. Es hatte seinen Sitz in der Kapellenstraße 12 in einer Villa, die ein Mitglied der jüdischen Or tsgemeinde zur Verfügung gestellt hatte. Die Gönnerin Jeanette Ettlinger leitete die Einrichtung, die nach ihr und ihrem verstorbenen Gatten „Raphael- und Jeanette-Ettlinger-Heim“ hieß. Das stattliche Gebäude im Fachwerkstil der Zeit um 1900 nahm jeweils bis zu
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Pläne für die jüdische Gemeinde in Friedberg, 1932–1933 Zwei andere Projekte führen nach Friedberg nördlich von Frankfur t.167 Dor t sollte das auf das Mittelalter zurückgehende und 1880/81 erweiter te jüdische Gotteshaus ausgebaut werden. 1932 schuf Nathan eine Reihe von Plänen für die Emporen und Sitzplätze, den Treppenturm sowie den Eingangsbereich und die sanitären Anlagen. Tatsächlich wurde Anfang der 30er Jahre die Zahl der Sitzplätze auf 320 erhöht.168 Nathan plante damals auch eine Trauerhalle für den jüdischen Friedhof der Stadt Friedberg. Die Entwürfe vom Winter 1932/33 zeigen ein kleines Gebäude in einfachem, eher traditionell geprägtem Stil. Wie der Architekt später in einem seiner Werkverzeichnisse anmerkte, kam es infolge „antijüdischer Maßnahmen der Hitlerregierung“ nicht zur Ausführung.169
Erste Aufträge für die jüdische Gemeinde in Mannheim, 1926–1927 Weitere Aufträge er teilte die jüdische Gemeinde in Mannheim. 1925 hatte sich Nathan noch erfolglos am Wettbewerb für die Mannheimer Handelskammer beteiligt. Bald danach erhielt er von der jüdischen Gemeinde des Or tes einen ersten Auftrag, der zu einer kleinen, aber entscheidenden Baumaßnahme
Zitier t nach http://www.alemannia-judaica.de/hofheim_taunus_synagoge.htm (19.12.2014). Dor t weitere Quellen zum Haus. Pläne von 1927 und 1928 in LBI: FN 14, 9, p. 73–77. http://main-taunus.deutscher-koordinierungsrat.de/gcjz-main-taunus-spuren-hofheim-am-taunus (19.12.2014). Pläne im LBI: FN 13, 4, p. 37–51. Angaben aus: http://www.alemannia-judaica.de/friedberg_synagoge.htm. Werkverzeichnis 1958 a.a.O. (Anm. 53). Pläne im LBI: FN 13, 5, p. 93–104. Vergleiche auch Knufinke a.a.O. (Anm. 89), S. 300.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938 an der Einsegnungshalle des jüdischen Friedhofs an der Röntgenstraße führ te: eine „Dachtrennung für Kohanim“.170 Das um 1900 im neuromanischen Stil ausgeführ te Gebäude stand zwischen dem Aufseherwohnhaus und der Leichenhalle und war mit beiden über einen gedeckten Wandelgang verbunden. 1926 entwarf Nathan für die Dachtrennung zwei Klappen, die beim Besuch eines Kohanim geöffnet werden konnten, damit sich dieser entsprechend den Vorschriften für die rituelle Reinheit nicht unter einem Dach mit einem Toten aufhalten musste. Noch 1938 würdigte die Gemeinde die „in ritueller Hinsicht sehr interessante Bauarbeit an dem Friedhofsgebäude“.171 Weitere Pläne liefer te der Architekt im Winter 1926/27 für Grabsteinfundamente und 1928/29 für den Umbau der Lemle-Moses-Claus-Synagoge. 172 Diese 1708 gegründete und in den 1880er Jahren im maurischen Stil neu gebaute Synagoge im Quadrat F 1 sollte modernisier t werden. Möglicherweise bereitete Nathan als Gutachter den Umbau vor, mit dem dann aber ein anderer Architekt, Siegfried Seidemann aus Heidelberg, beauftragt wurde.
Israelitisches Altersheim in Mannheim, 1928–1931 Das wichtigste Projekt Nathans für die Mannheimer jüdische Gemeinde war das des Israelitischen Altersheims. Der Bauplatz in der heutigen Bassermannstraße in der vornehmen Mannheimer Oststadt befand sich bereits seit 1919 im Besitz der Gemeinschaft, die dort ursprünglich ein Krankenhaus als Ergänzung oder Ersatz für das alte jüdische Hospital in der Mannheimer Innenstadt errichten wollte.173 Nach dem Ersten Weltkrieg rückte jedoch aufgrund der demografischen Entwicklung das Problem der Altersfürsorge in den Vordergrund, so dass das 7.000 qm große Grundstück zum Standor t beider Einrichtungen bestimmt wurde. Die Planung des Altersheims stand unter dem Vorsatz, alternden Menschen „die Befreiung von der sorgen- und mühevollen, oft beengten eigenen Wirtschaftsführung“ sowie eine „wirtschaftlich erleichterte
Lebensführung und verbesserte Pflege und Betreuung“ zu ermöglichen, wie Nathan bei der Eröffnung des Hauses am 1. April 1931 erläuter te. Er verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass das Heim nicht für die „Armen und Kranken“, sondern für die gesunden, „noch lebensfrohe(n) Menschen“ als Wohnstätte vorgesehen war. Deshalb habe er als Architekt vor der Aufgabe gestanden, „frei zu werden von der Erinnerung an die Altersheime der Vorkriegszeit, frei zu werden von den Beispielen, die deutsche Kommunen, Kreise und andere Regionalverbände als Wohlfahrtseinrichtungen geschaffen haben“. Dementsprechend sollten die Bewohner „in den einfachen und unaufdringlichen Formen unserer Zeit das heitere, sonnige, gepflegte Gepräge finden […], das die Gefahr der unpersönlichen Reihung der Zimmer vermeidet und den ästhetischen Reiz des Eigenheimes bietet“.174 Von diesen Gedanken ausgehend, schuf Nathan eine streng symmetrische, kubisch geglieder te Dreiflügelanlage, bestehend aus zwei Seitenflügeln mit jeweils zwei Geschossen und einem um ein Stockwerk erhöhten Mitteltrakt. Das Gebäude umgreift von drei Seiten einen rechteckigen Vorplatz, der nach Süden hin zur ehemaligen Collinistraße ausgerichtet ist, während sich das Untergeschoss in den unter Straßenniveau liegenden Gar ten an der Rückseite des Gebäudes öffnet. Das Raumkonzept weist diesem Bereich neben dem Heizungsraum, der Wäscherei und anderen Wir tschaftsräumen eine koschere Küche mit der Trennung von Milch- und Fleischspeisen sowie einen zum Gar ten orientier ten großen Speisesaal und eine Versammlungshalle zu. Das Erd- und erste Obergeschoss sind den Zimmern der Heimbewohner vorbehalten, während die oberste Etage des Hauptflügels die Wohnungen des Pflegepersonals und des Hausmeisters aufnimmt. Prägend für das äußere Erscheinungsbild sind die strenge Symmetrie, der stufenförmige, zum Mitteltrakt führende Aufbau und die kubische Baukörpergliederung. Kennzeichnend sind auch die glatten, hellen Putzfassaden und deren Gliederung durch hohe Fensterbänder und breite Balkone, die den Heimbewohnern entsprechend den Idealen des Neuen Bauens Licht, Luft und Sonne bieten sollten.
170 Zitier t aus dem Entwurf vom 16.11.1926 im LBI: FN 13, 5, p. 80, 82. Vergleiche auch Knufinke a.a.O. (Anm. 89), S. 296. 171 Brief des Synagogenrats Mannheim, 24.6.1938 im LBI: FN 26, 15, p. 276. 172 Pläne der Grabsteinfundamente im LBI: FN 13, 5, p. 79, 81; Pläne für die Synagoge im LBI: FN 17, 3, p. 220–225. Zum Umbau der Synagoge vgl. Bericht des Architekten Seidemann im Israelitischen Gemeindeblatt, Offizielles Organ der Israelitischen Gemeinden Mannheim und Ludwigshafen, 8. Jg., 5.3.1930, Sonderausgabe, S. 6 (https://archive.org/details/israelitischesgemeindebl). 173 Zu Planung und Bau des Altersheims auch: Roland Behrmann, Neues Bauen in Mannheim. Das Pauline-Maier-Haus, Magisterarbeit an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Philosophische Fakultät, 2009. 174 Israelitisches Gemeindeblatt. Offizielles Organ der israelitischen Gemeinden Mannheim und Ludwigshafen, 9. Jg., 27.3.1931, Sonderausgabe (https://archive.org/details/israelitischesgemeindebl).
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Abb. 49:
Israelitisches Altersheim in Mannheim, 1928 – 1931, Entwurfszeichnung mit Blick auf Haupt- und Seitenfassade (LBI: FN 6, 8, p. 159).
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Abb. 50:
Israelitisches Altersheim in Mannheim, 1928 – 1931, Grundriss Erdgeschoss (LBI: FN 8, 4, p. 201).
Obgleich die Planung Ende 1928 weitgehend abgeschlossen war, überarbeitete Nathan im darauffolgenden Jahr noch mehrfach die Details.175 Zum Beispiel umgreifen die Balkone des ersten Obergeschosses in den Plänen von 1928 noch fast den gesamten Baukörper, während sie am realisier ten Bau, wohl aus finanziellen Gründen, verkürzt und nur noch den Wohnräumen zugeordnet sind. Auch die zunächst vorgesehenen Flachdächer über den Flügelbauten wurden aufgegeben. An ihre Stelle traten flach geneigte Dächer, die das Abfließen von Regenwasser erleichtern sollten, aber so niedrig ausgeführ t wurden, dass sie das kubische Erscheinungsbild nicht beeinträchtigen. Nur an zwei Stellen, den an der Gar tenseite vorhandenen Aufbauten der seitlichen Treppenhäuser, dienen die Neigungen der Dächer auch als gestalterisches Element. Gegenstand intensiver Planungen waren die beiden Treppenhäuser am Übergang des Mitteltrakts zu den Seitenflügeln. Nathan variier te mehrfach ihre Lage und Form, wobei er neben den funktionalen
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Erfordernissen auch die Wirkung auf den Außenbau berücksichtigte. Im September 1929 entwarf er zwei halbrunde gläserne Treppentürme als markante Einfassung der Gar tenfassade und reizvollen Kontrast zur kubischen Architektur.176 Ein Vorschlag, der an ein frühes Beispiel des Neuen Bauens erinner t: die Musterfabrik der Werkbundausstellung in Köln von 1914, die nach dem Entwurf von Walter Gropius und Adolf Meyer ebenfalls eine von zwei verglasten, runden Treppentürmen flankier te Fassade besaß. Zuletzt gelangten die beiden seitlichen Treppen in das Innere des Hauses, ohne dass sie nach außen sichtbar sind. In der Mittelachse des Hauptflügels sitzt das breite Haupttreppenhaus, welches mit Hilfe eines großen Fensterfelds hell beleuchtet ist. Auch dieses Fenster erhielt erst nach mehreren Entwurfsvarianten seine endgültige Gestalt. Die akribische Planung dieser und anderer Details führ te zu einem Bauwerk von hoher ästhetischer Qualität. Dies trägt denn auch zur repräsentativen Wirkung bei, die bereits durch den Bautypus vorgegeben ist. Denn als achsensymmetrische Dreiflügelanlage präsentier t sich das Gebäude in einer letztlich auf feudale Architekturen zurückgehenden klassischen Form. Wie bei der Frankfur ter Trauerhalle hat Nathan also auch beim Altersheim das Neue Bauen mit einem Merkmal verbunden, das der Baugeschichte entlehnt ist. Das subtile Vorgehen des Architekten bei der Durchbildung des Gebäudes zeigt sich auch in der Gestaltung des Haupteingangs, der mit den angrenzenden Fensterzonen von einem rechteckigen Rahmen eingefasst wird. Kennzeichnend ist auch die leicht vorkragende Unterkonstruktion des Balkons, die sich an den beiden Seitenflügeln als ver tikale
175 Pläne im LBI: FN 12, 1; FN 12, 2; verschiedene weitere Pläne in FN 23, 13; FN 23, 14 . 176 Der Entwurf mit gläsernen Treppentürmen im LBI: FN 12, 1, p. 369, 373.
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Abb. 51:
Israelitisches Altersheim in Mannheim, 1928 – 1931, bauzeitliches Luftbild (LBI: FN 6, 8, p. 160).
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Abb. 52:
Israelitisches Altersheim in Mannheim, 1928 – 1931, Detailansicht des Haupteingangs, Fotografie von Ilse Bing, datiert 1932 (LBI: FN 6, 8, p. 162).
Wandvorlage for tsetzt. Zur besonderen Wirkung tragen auch die mit dunkelbrauner Keramik verkleideten, pfeilerar tigen Wandflächen zwischen den Fenstern des Erdgeschosses bei. Nathan erweist sich beim Mannheimer Altersheim ein weiteres Mal als Architekt mit feinem Gespür für anspruchsvolle, repräsentative Gestaltungen. Dies zeigt sich auch im Inneren und bei den ebenfalls von ihm entworfenen Möbeln. Die Grundsteinlegung des Bauwerks erfolgte am 23. Februar 1930 „vor einem kleinen Kreis von Menschen“177. Der Leiter des städtischen Hochbauamts, Oberbaudirektor Josef Zizler, der Nathan bei der Vorbereitung und Durchführung der Bauaufgabe „amtlich und persönlich“ unterstützt hatte, überbrachte die Glückwünsche der Stadt und zeigte sich von der Leistung des Architekten tief beeindruckt.178 Am 1. April 1931 zogen die ersten Bewohner ein. Eine Einweihungsfeier hätte zwar stattfinden sollen. Sie musste aber, wie die Mannheimer Presse schrieb, aufgrund von „Misshelligkeiten, die aus unserer Zeit heraus zu erklären sind“, kurzfristig abgesagt werden. Nathan sprach von einer „Vereitelung der Einweihungsfeier“.179 Offenbar hatte die Agitation der im Gemeinderat und im Bürgerausschuss der Stadt Mannheim ver tretenen NSDAP gegen das Altersheim die offizielle Feier verhinder t.
Bei einem Rundgang erläuter te der Architekt die Besonderheiten des Bauwerks und nahm bei dieser Gelegenheit, so die Presse, „einen schriftstellerischen Ausspruch für seine hervorragende architektonische Schöpfung für sich in Anspruch: Ein ganz kleiner Funken Inspiration und der größte Teil Transpiration“.180 Dies war das augenzwinkernde Understatement des Architekten, der sich der Anerkennung seines Werkes sicher sein konnte. Wie ihm der Mannheimer Synagogenrat später schrieb, fand das Altersheim „sowohl in seiner äusseren, als auch in seiner inneren Gestaltung allgemeine Bewunderung und wurde von anerkannten Sachverständigen als eine Spitzenleistung bezeichnet“.181
177 Israelitisches Gemeindeblatt. Offizielles Organ der israelitischen Gemeinden Mannheim und Ludwigshafen, Nr. 3, 1930, S. 17 (https://archive.org/details/israelitischesgemeindebl). 178 Neue Mannheimer Zeitung, 26.10.1931, S. 3. 179 Ebd. 180 Ebd. Der Formulierung lag der berühmte Satz des Erfinders Thomas Alvar Edison zugrunde. 181 Synagogenrat Mannheim a.a.O. (Anm. 171).
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8
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Abb. 53:
Israelitisches Altersheim in Mannheim, 1928 – 1931, Gartenseite, bauzeitliche Fotografie von Max Göllner (LBI: FN 6, 8, p. 178).
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Abb. 54:
Israelitisches Altersheim in Mannheim, 1928 – 1931, Lageplan mit dem projektierten Krankenhaus, datiert am 27.6.1929 (LBI: FN 12, 1, p. 391).
Nathan wird davon ausgegangen sein, auch das Krankenhaus realisieren zu können. In den Lageplänen vom Juni und Juli 1929 zeichnete er denn auch dessen äußeren Grundriss ein.182 Demnach dachte er an einen langgestreckten axialsymmetrischen Bau in paralleler Lage zum Altersheim. Das Hospital sollte nach Norden in klassischer repräsentativer Aufteilung einen Mittelrisalit für den Haupteingang und zwei Seitenrisalite ausbilden. Auch für den Gar ten zwischen beiden Gebäuden entwickelte er erste Ideen. Passend zur Architektur entwarf er eine regelmäßige, klar geglieder te Anlage mit strenger Anordnung der Wege, Hecken und Bäume. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme war an die Realisierung des Krankenhauses in der geplanten Form allerdings nicht mehr zu denken. Stattdessen sah sich die Israelitische Gemeinde gezwungen, einen Teil des Altersheims zur Krankenstation umzubauen. Hierauf und auf das weitere Schicksal des Bauwerks wird noch zurückzukommen sein.
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182 Lagepläne vom 24.6.1929 und 10.7.1929 im LBI: FN 8, 4, p. 35; FN 12, 1, p. 391.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938 Gründung eines Zweigbüros in Mannheim, 1927 Noch vor dem Auftrag für das Israelitische Altersheim mietete Nathan in Mannheim eine Wohnung und richtete dor t ein Zweigbüro ein. Diese Dependance seines Frankfurter Ateliers befand sich in M 5, 7 im sogenannten Sulzerhaus, einem aus dem frühen 19. Jahrhunder t stammenden, heute nicht mehr erhaltenen Gebäude in der Mannheimer Innenstadt. Im Adressbuch der Stadt ist Nathans Name erstmals 1928 im Einwohnerverzeichnis und in der Liste der or tsansässigen Architekten aufgeführ t.183 Infolge des Auftrags für das Israelitische Altersheim behielt er die Wohnung bis etwa 1931. Ausschlaggebend für die Gründung des Zweigbüros war, dass in Mannheim und im nahen Heidelberg größere industrielle und gewerbliche Bauaufgaben anstanden. Denn während Nathan als Architekt jüdischer Gemeinden hervor trat, betätigte er sich seit Mitte der 20er Jahre auch erfolgreich im Industrieund Gewerbebau. Zwei seiner wichtigsten Werke auf diesem Gebiet entstanden ebenfalls in Mannheim.
Geschäftshaus der Samt und Seide GmbH in Mannheim, 1926–1927 Die Samt und Seide GmbH war auf die Produktion und den Ver trieb von Damenhüten spezialisier t. Sie war 1921 in Mannheim gegründet worden und besaß Dependancen in Frankfur t und Köln. 1926 erwarb die Firma im Mannheimer Quadrat N 7 ein dreigeschossiges Wohnhaus (N 7, 4), um an seiner Stelle einen Neubau für Fabrikation, Verkauf und Versand zu errichten.184 In einem ersten Entwurf vom 20. Dezember 1926 präsentier te Nathan noch ein im Übergangsstil zum Neuen Bauen konzipiertes Gebäude mit vier Hauptund zwei Staffelgeschossen, das im Erdgeschoss durch breite Arkaden und darüber durch Lisenen gegliedert ist und so an die Gestaltungsmerkmale der typischen Warenhauspaläste des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunder ts anknüpft.185 Im März 1927 wandte er sich konsequent dem Stil des Neuen Bauens zu.186 Die Fassade ist nun durch eine rechteckig unter teilte Schaufensterzone und lange Fensterbänder horizontal 183 184 185 186 187 188
geglieder t. In einem weiteren Planungsschritt im April 1927 erhöhte er die Zahl der Geschosse von sechs auf sieben, wobei er die beiden oberen Stockwerke wie schon im Erstentwurf als Staffelgeschosse ausbildete, um die Höhenentwicklung des Gebäudes mit Rücksicht auf die Dimensionen der Mannheimer Innenstadt optisch zurückzunehmen und die Schattenwirkung sowohl zur Straße wie auch zum Hinterhof zu reduzieren.187 Zudem setzte er die Vorderfassade hinter die vorhandene Bauflucht zurück. Dies erfolgte in Absprache mit der örtlichen Stadtplanung und bildete den ersten Schritt für die Verbreiterung des Straßenraums, die in späteren Jahren im Zuge weiterer Neubaumaßnahmen zu Ende geführ t wurde.
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Abb. 55:
Vorentwurf für das Geschäftshaus der Samt und Seide GmbH in Mannheim, datiert am 20.12.1926 (LBI: FN 7, 5, p. 408).
Für den Grundriss wählte Nathan die Form eines T, bestehend aus einem an der Straße sitzenden Frontbau von 32 m Länge und 10 m Tiefe sowie einem rückwär tigen, 45 m langen und 16 m breiten Flügelbau, der durch seinen Standor t ausreichend Platz für Lichthöfe ließ. Um „weitgespannte, stützenlose, allseits gut belichtete, ungeteilte Räume“ realisieren zu können, wie der Architekt 1930 im Zentralblatt der Bauverwaltung erläuter te, nutzte er die moderne Technik des Stahlskelettbaus.188
Mannheimer Adressbücher für 1928 bis 1930/31. In Mannheim, in S 6, 21, wohnte auch sein Onkel Heinrich Freiberg, der Bruder seiner Mutter. Zur Samt und Seide GmbH: Christiane Fritsche, Ausgeplünder t, zurückerstattet und entschädigt – Arisierung und Wiedergutmachung in Mannheim. Sonderveröffentlichung des Stadtarchivs Mannheim – Institut für Stadtgeschichte. Hrsg. von Ulrich Nieß, Stadt Mannheim, Ubstadt-Weiher (verlag regionalkultur) 2013, S. 448–451. Pläne und Fotografien im LBI: FN 7,1, p. 284–312 (in Verbindung mit dem Deutschen Beamtenwarenhaus); FN 7, 5. Plan im LBI: FN 7, 5, p. 408, vgl. auch p. 424. Plan vom 14.3.1927 im LBI: FN 7, 5, p. 446. Plan im LBI: FN 7, 5, p. 448. Zentralblatt der Bauverwaltung, 50. Jg., Nr. 36, 1930, S. 629–634.
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 andere als selbstverständlich war, wenn ein Kauf- oder Geschäftshaus auf der Grundlage eines stählernen Tragwerks errichtet wurde.
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Die von den Eisenwerken Kaiserslautern erstellte Konstruktion erlaubte mit einer Spannweite von 15,50 m große Stockwerksflächen mit einer Ausdehnung von 1.000 qm. Ein weiterer Vor teil war, dass die gemauer ten Zwischenwände keine tragende Funktion übernehmen mussten. Dementsprechend wurden sie zur Einsparung von Material und Kosten auf die Breite nur eines Ziegelsteins beschränkt. Drei Treppenhäuser und zwei Aufzüge dienten der Erschließung des Gebäudes, das neben den Nähsälen und Ateliers auch Verkaufsräume für den Groß- und Einzelhandel, Büros sowie Lagerräume für Rohwaren, fer tige Produkte und Packmaterialien aufnahm. Auch Geschäftsräume anderer Firmen fanden im Gebäude Platz. 1927 zog die deutsch-amerikanische Petroleumgesellschaft Dapolin als Mieter in das dritte Obergeschoss ein. Zwei weitere Etagen wurden von der mit der Samt und Seide GmbH geschäftlich verbundenen Mannheimer Hutfabrik GmbH genutzt. Im fünften Obergeschoss befanden sich vier Wohnungen.190
Abb. 56:
Geschäftshaus der Samt und
Die 32 m lange Hauptfassade zeichnete sich im Erdgeschoss durch ihre Schaufenster und darüber durch Fensterbänder mit plastisch vor tretenden Rahmen aus. Diese Rahmen waren ebenso wie die Zwischenstützen mit Kupfer verkleidet, so dass sie im Kontrast zu den hellen Putzflächen der Wände elegante Akzente setzten. Das Treppenhaus an der Hofseite bildete einen turmförmigen Anbau mit abgerundeter Hauptecke und großen Glasflächen.
Seide GmbH in Mannheim, 1926 – 1927, Entwurf der realisierten Hauptfassade (LBI: FN 7, 5, p. 411).
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Abb. 57:
Geschäftshaus der Samt und Seide GmbH in Mannheim, 1926 – 1927, bauzeitliche Aufnahme mit dem Rückgebäude und der Brandwand zum späteren Deutschen Beamtenwarenhaus (Deutsche Bauhütte H. 26, 1928).
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Diese war zwar schon Ende des 19. Jahrhunder ts in den USA beim Bau erster Wolkenkratzer entwickelt worden, in Deutschland setzte sie sich aber erst allmählich durch. Nachdem Walter Gropius bereits 1911 mit den Faguswerken in Alfeld an der Leine die Möglichkeiten dieser Konstruktionsar t eindrucksvoll vor Augen geführ t hatte, gehör te Nathan zwar nicht zu den Pionieren, aber doch zu den ersten Architekten in Deutschland, welche die Vorzüge des Stahlskelettbaus konsequent nutzten. Zeitgenössische Beschreibungen des Mannheimer Geschäftshauses schenkten deshalb vor allem auch der Bauweise Beachtung.189 Dies wiederum verdeutlicht, dass es 1927 noch alles
189 190 191 192
„Amerikanische Bauart in Mannheim“ – schwärmte 1928 die Neue Mannheimer Zeitung. Nathan habe nach hiesigen Verhältnissen ein „kleines Hochhaus“ geschaffen; die Konstruktion sei der amerikanischer Wolkenkratzer vergleichbar.191 Auch die Fachpresse zeigte sich beeindruckt. Renommier te Architekturzeitschriften wie das Zentralblatt der Bauverwaltung, Der Stahlbau und die Deutsche Bauhütte würdigten den Neubau in Wor t und Bild.192 Nach 1933 wurde die Samt und Seide GmbH als jüdisches Unternehmen allerdings ein Opfer der „Arisierung“. Als die Firma und das Gebäude 1938 an den Kaufmann Carl Heinrich Vetter verkauft wurden, vermeldete die Neue Mannheimer Zeitung, eine der
Ebd.; s.a. Der Stahlbau, 1. Jg., H. 4, 1928, S. 45 f.; Deutsche Bauhütte Jg. 32, 1928, H. 26, 400 f. Angaben aus den Mannheimer Adressbüchern für die Jahre 1928–1930/31. Neue Mannheimer Zeitung, 8.9.1928. Wie Anm. 188 und 189.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938 „bedeutendsten Putzgroßhandlungen in Deutschland“ sei „in arischen Besitz übergegangen“.193 Zehn Jahre davor war auf dem Nachbargrundstück N 7, 3 das Deutsche Beamtenwarenhaus als ein weiteres herausragendes Bauwerk Nathans entstanden. Dieses bildete mit der Samt und Seide GmbH ein signifikantes Ensemble moderner Architektur der 1920er Jahre, das jedoch 1967 abgebrochen wurde, um einem anderen Kaufhaus Platz zu machen.
Deutsches Beamtenwarenhaus in Mannheim, 1928–1929 Nathan hatte sich mit dem Gebäude der Samt und Seide GmbH als Architekt moderner Geschäftshäuser eindrucksvoll Geltung verschafft. Und so konnte er später berichten: „Die Erwerber des großen NachbarEckgrundstücks an der Kunststrasse, die Terra A.G., trat aufgrund dieser neuartigen Konstruktion und Architektur Ende 1927 mit mir in Verbindung, um ein Kaufhaus fuer das von ihr vertretene Deutsche Beamtenwarenhaus (DEBEWA) in der gleichen Bauweise zu planen.“194 Die Deutsche Beamten-Waren-Versorgung-GmbH, die 1925 aus einer gemeinnützigen Konsumgenossenschaft für Beamte hervorgegangen war, verfügte über ein Netz eigener Kaufhäuser, die unter dem Namen DEBEWA firmier ten und Beamten die Möglichkeit zum preisgünstigen Einkauf boten.195 Die Häuser gehör ten der 1921 gegründeten Berliner Terra AG für Haus und Grundbesitz, die als Investor und Eigentümer einen Teil der Räume auch an andere Unternehmen vermietete. Dieses Modell gelangte auch in Mannheim zur Anwendung und führ te dor t, wie Nathan 1930 schrieb, zu einem „ungewöhnlich komplizierte(n) Raumprogramm“.196 Denn der Zweitmieter war das legendäre deutsche Filmunternehmen UFA, das 1917 in Berlin als Universum Film AG gegründet worden war und in Mannheim ein Großkino für über 1.000 Besucher wünschte. Eine weitere Herausforderung bestand in der „städtebaulich wichtige(n) Lage an einer Platzecke als Blickziel einer Verbindungsstraße zur Hauptverkehrsachse Mannheims“, den Planken. 197 Der Bauplatz in N 7, 3 war durch den Abbruch eines viergeschossigen
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Wohnhauses frei geworden, wobei „zur Erreichung der notwendigen Hoffläche“ auch der Wohnflügel eines Etagenhauses in N 7, 2 beseitigt wurde.198 Wie schon bei der Samt und Seide GmbH wählte Nathan für den Gebäudekomplex einen T-förmigen Grundriss, über dem sich das Vorderhaus mit fünf Haupt- und zwei Staffelgeschossen sowie das Rückgebäude als nach oben zurückgestufter siebengeschossiger Trakt erhob.199 Ergänzend dazu stellte er an die Westseite als markanten städtebaulichen Akzent einen achtgeschossigen, fast 40 m hohen Eckturm, der mit seinen Obergeschossen eindrucksvolle 4,50 m über die Straße auskragte. Vir tuos demonstrier te Nathan hier die konstruktiven Möglichkeiten des von der Baufirma Lavis Söhne in Offenburg am Main erstellten Stahlskelettbaus.
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Abb. 58:
Deutsches Beamtenwarenhaus in Mannheim, 1928 – 1929, Modell der Warenhausgruppe, links die Samt und Seide GmbH, bauzeitliche Fotografie von Arthur Köster (LBI: FN 6, 4, p. 12).
Die Montage der Stahlkonstruktion wurde am 1. Januar 1929 begonnen; die Herstellung des Rohbaus dauerte nur 175 Arbeitstage, wie die Presse damals betonte.200 Bei einem Rundgang durch das fer tige Gebäude am 1. Oktober 1929, dem Tag der feierlichen Einweihung, hob Nathan die Vor teile der Stahlskelettkonstruktion hervor, über die er sich dann auch im Zentralblatt der Bauverwaltung äußer te: „Die Verschiedenheit der Bestimmung, die Verschiedenheit der inneren Verkehrsverhältnisse und die Verschiedenheit
Neue Mannheimer Zeitung, 9.5.1938. Erinnerung 1958 a.a.O. (Anm. 31). Ähnlich formulier t im Zentralblatt der Bauverwaltung von 1930 a.a.O. (Anm. 188). Vgl. Erwin Hasselmann, Die wir tschaftliche Selbsthilfe der Beamten und ihre Entartung, in: Sozialistische Monatshefte, 1930, H. 5, S. 462–465. Zentralblatt der Bauverwaltung 1930 a.a.O. (Anm. 188). Ebd. Ebd. Pläne im LBI: FN 11, 6; FN 11, 7; FN 11, 8. Außerdem LBI: FN 7, 5, p. 347. Fotos im LBI: FN 6, 4; FN 6, 21; FN 7, 1. Erläuterungsbericht Nathans vom 14.5.1928 im LBI: FN 11, 7, p. 201–206. Bericht in Neue Mannheimer Zeitung, 2.10.1929.
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 die Fassade mit Fensterbändern, deren Rahmen und Zwischenstützen mit Kupfer verkleidet waren. Am Turm verdichtete er die waagerechten Kupfergliederungen zu expressiver Wirkung, indem er sie nicht nur den Fenstern, sondern auch den, nun verglasten, Brüstungszonen zuordnete. So entstand eine rhythmische Abfolge von Fensterbändern und kraftvoll hervor tretenden Gesimsen, die sich jeweils um die Gebäudeecken zogen und eine höhere Geschosszahl vor täuschten, als tatsächlich vorhanden war. Spektakulär war die fast vollständige Verglasung der Front. Sie gab den Blick auf das innenliegende Treppenhaus frei und ließ den Turm – ganz im Sinne moderner großstädtischer Architektur – bei abendlicher Beleuchtung noch wirkungsvoller zur Geltung kommen. An der städtebaulich wichtigen Westecke befand sich als ver tikale Leuchtschrift der Kaufhausname, DEBEWA, während auf dem Dach die weithin sichtbaren Leuchtbuchstaben den Namen des Kinos, UNIVERSUM, bildeten. Historische Aufnahmen zeigen, dass sich die Gebäudegruppe effektvoll von Mannheims Altstadtbauten des 18. und 19. Jahrhunder ts abhob. Der Kontrast zur historischen Architektur war Ausdruck des modernen Gestaltungswillens jener Jahre.
Das Deutsche Beamtenwarenhaus im Urteil der Fachwelt
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Abb. 59:
Deutsches Beamtenwarenhaus in Mannheim, 1928–1929, Blick auf die Hauptfassade und den Turm, von der Kunststraße aus gesehen, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 6, 4, p. 47).
der für das Publikum und das Personal behördlich vorgeschriebenen Sicherheitseinrichtungen verlangten auf engstem Raum ein im Aufbau und in der Grundrißanordnung so kompliziertes Gebilde, daß nur ein Minimum an konstruktivem Querschnitt ein Flächenmaximum für jeden Benutzungsteil und ein Maximum an Fensterflächen für die natürliche Beleuchtung und Belüftung des Warenhauses schaffen konnte. Die Stahlskelett-Konstruktion erfüllte, neben der T-Form des ‚Samt und SeideGeschäftshauses‘ diese Bedingung. […] Die Architektur des Bauwerkes wurde von den Erfordernissen des Grundrisses und der Konstruktion bestimmt“.201 Entsprechend dem Wunsch der Bauherrschaft nach architektonischer Angleichung des Kaufhauses an das Gebäude der Samt und Seide GmbH gestaltete Nathan
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Als das Kaufhaus am 1. Oktober 1929 seiner Bestimmung übergeben wurde, nahmen Ver treter der Kommune und verschiedener Beamtenorganisationen an der Eröffnungsfeier teil. Mannheims Oberbaudirektor Josef Zizler – selbst Anhänger und Verfechter des Neuen Bauens – zeigte sich nach einem Bericht der Lokalpresse von Nathans Leistung tief beeindruckt: „Das Haus sei glänzend angelegt, klar und übersichtlich angeordnet, glänzend beleuchtet, Schalter- und Kassenräume vollkommen neuzeitlich. Worüber sich die Stadtverwaltung besonders freue, sei die Anlage des Hauses in der äußeren Erscheinung. Der mächtige Turm, die ruhige, weit zurückgesetzte Front kämen wundervoll in Erscheinung.“202 Die Deutsche Bauzeitung nahm das Gebäude auf das Titelblatt der Ausgabe vom 17. September 1930 und bescheinigte Nathan, „daß er durch imponierende Konstruktionen den technischen Betrieb eines Warenhauses räumlich zweckmäßig zu lösen und aus der Konstruktion eine architektonisch klare und zugleich einer vornehmen Werbewirkung gerecht werdenden Bauform zu
201 Zentralblatt der Bauverwaltung 1930 a.a.O. (Anm. 188). Fast wör tlich erschien dieser Passus auch in der Neuen Mannheimer Zeitung vom 2.10.1929. 202 Ebd.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938
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Abb. 60:
Deutsches Beamtenwarenhaus in Mannheim, 1928–1929, Blick auf den Turm, von den Planken aus gesehen, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 6, 4, p. 34).
entwickeln versteht.“203 Die Fotografie auf dem Titelblatt stammte wie andere Aufnahmen von Hermann Collischonn, jenem Fotografen, der im Auftrag Nathans auch den Neuen Jüdischen Friedhof in Frankfur t abgelichtet hatte. 203 Deutsche Bauzeitung 64. Jg., 1930, Nr. 75–76. 204 Stein Holz Eisen 1930, H. 19, S. 419–427.
In der Zeitschrift Stein Holz Eisen bemerkte der als Architekt und Fachautor bekannte Otto Völkers, dass sich der „Turmerker“ einer Anregung durch das Stuttgar ter Kaufhaus Schocken verdankte.204 Tatsächlich erinner t die Schöpfung Nathans an jenes bedeutende
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Abb. 61:
Samt und Seide GmbH und Deutsches Beamtenwarenhaus in Mannheim, 1928–1929, Grundriss und Schnitt der Gesamtanlage (Die Baugilde Nr. 17, Sept. 1930).
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Die Frankfur ter Jahre 1922–1938 und einflussreiche Bauwerk Erich Mendelsohns aus den Jahren 1926–1928. In Stuttgar t war der Turm zwar nicht rechteckig, sondern halbrund, er wies aber ebenfalls dicht übereinander sitzende Gesimse auf. Genau dieses Gestaltungselement stieß jedoch auf die Kritik Völkers. Nathan habe versucht, „eine nur heutiger Technik erreichbare Konstruktion mit einem Mittel architektonisch zu binden, das nicht ebenso unserer Zeit entspricht: nämlich mit profilierten Gesimsen.“ Die Kritik des Rezensenten entzündete sich also an der Verwendung eines Elements, das der Baugeschichte entlehnt ist. Dies lässt erahnen, wie kontrovers in den 1920er Jahren über die zeitgenössische Architektur diskutier t wurde. Manchem Befürwor ter der architektonischen Moderne konnte der Bruch mit der Vergangenheit nicht radikal genug sein. Wie schon beim Frankfur ter Friedhof und beim Israelitischen Altersheim deutlich wurde, zählte Nathan aber gerade nicht zu den Protagonisten einer kompromisslosen Moderne. Völkers indes machte für die Gesimsgliederungen den Einfluss des Kaufhauses Schocken geltend. Deshalb verband er seine Kritik mit einer Empfehlung: „[…] so fühlt man sich versucht, Fritz Nathan zu bitten, sich späterhin nie wieder anregen zu lassen, denn es ist offenbar, dass er aus Eigenem völlig genug hat.“205 Keine drei Jahre nach der Eröffnung firmier te das Kaufhaus schon nicht mehr unter dem Namen des Deutschen Beamtenwarenhauses, sondern unter dem des 1925 gegründeten Deutschen Familien-Kaufhauses, DeFaKa.206 Jenes zog 1936 in einen Neubau in den Planken, so dass das Gebäude für das traditionsreiche Mannheimer Kaufhaus Vetter frei wurde. Im November desselben Jahres erfolgten erste Umbauten im Inneren und wurde der Haupteingang an die Seitenstraße verlegt, so dass die Schaufenster an der Kunststraße erweiter t werden konnten. Das Kaufhaus Vetter gehör te dem bereits erwähnten Carl Heinrich Vetter, der 1938 durch „Arisierung“ auch in den Besitz des Geschäftshauses der Samt und Seide GmbH in N 7, 4 gelangte. Beide Bauwerke überstanden den Zweiten Weltkrieg ohne größere Schäden und prägten das Stadtbild noch zwei Jahrzehnte, ehe sie 1967 für den Neubau des Kaufhauses Hor ten abgerissen wurden.207 Somit traf die Gebäudegruppe das gleiche Schicksal wie das
Kaufhaus Schocken in Stuttgar t, das sieben Jahre zuvor zum Abbruch freigegeben worden war. Anders als beim berühmten Bauwerk Erich Mendelsohns blieben beim Mannheimer Gebäude internationale Proteste aus. Auch auf lokaler Ebene gab es keinen Widerspruch. Dafür war Nathan im Deutschland der Nachkriegszeit dann doch zu wenig bekannt. Mit dem Abbruch ging damals auch das Kino Universum verloren, ein weiteres Hauptwerk des Architekten.
205 Stein Holz Eisen 1930, H. 19, S. 419–427. 206 Nachgewiesen durch die Mannheimer Adressbücher für die Jahre 1932–1936. 207 Hierzu auch Andreas Schenk, Mannheim und seine Bauten 1907-2007, Bd. 2: Bauten für Verwaltung, Handel und Gewerbe, S. 45 f., Bd. 3, Bauten für Bildung, Kultus, Kunst und Kultur, S. 149–151, hrsg. von Stadtarchiv Mannheim – Institut für Stadtgeschichte und Mannheimer Architektur- und Bauarchiv e.V., Mannheim (Edition Quadrat) 2000 (Bd. 2), 2002 (Bd. 3).
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Abb. 62:
Deutsches Beamtenwarenhaus in Mannheim, 1928–1929, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 7, 1, p. 298).
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Abb. 63:
Kino Universum im Deutschen Beamtenwarenhaus in Mannheim, 1928–1929, Blick zur Leinwand, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 6, 4, p. 16).
Kino Universum in Mannheim, 1928–1929 Das Kino hatte seinen Sitz nicht im Kaufhausturm, wie der dor t angebrachte Name vermuten lässt, sondern im Erdgeschoss neben dem Turm.208 Sechs in Bronze ausgeführ te Doppeltüren und ein breit auskragendes „Leucht-Vordach“ prägten den an der Kunststraße liegenden Eingang, hinter dem eine weiträumige Halle den „Eintretenden in festlich hellen Farben und reichem Licht aus unsichtbaren Quellen“ umfing, wie die Neue Mannheimer Zeitung 1929 berichtete. Polier te Holzflächen schmückten die Kassenschalter und Garderoben sowie die Zugänge zum Parkett und den „lichtdurchfluteten Rangtreppen.“209 Den drei Stockwerke hohen Zuschauersaal überspannte eine quer geglieder te Lichtdecke, über der das Technikgeschoss und darüber die Verkaufsflächen des Warenhauses saßen. Eine elegant geschwungene Empore umschloss den Raum von drei Seiten, während sich die vier te Seite zur Bühne und der darüber sitzenden Leinwand öffnete. Ein raffinier tes Gliederungselement bildete die dreifache Abstufung der Unterseite der Empore, die sich in den ver tikalen Wandvorlagen zu beiden Seiten der Leinwand for tsetzte. Ein Leuchtband, das sich an den mit hellem Ahorn verkleideten Wänden auf einer Länge von ins-
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gesamt 78 m entlang zog, unterstrich die Linienführung. Die Leinwand war in der Ar t eines Guckkastentheaters von einem breiten Rahmen umgeben, der durch seine abgerundeten Ecken die geschwungenen Formen aufgriff. Wie bei der Friedhofshalle bewies Nathan mit diesem Saal sein besonderes Gespür für Raumwirkungen. Die raumumgreifenden Elemente führ ten in fließender Bewegung auf die Leinwand zu. Das moderne Erscheinungsbild entsprach der Funktion und Bedeutung des Kinos als neuzeitlicher Unterhaltungsstätte. Nicht zuletzt erfüllte es die Erwar tungen, die das äußere Erscheinungsbild des Kaufhauses beim Publikum weckte. Die kühne Architektur des Turms fand im Kinosaal ihre Resonanz. Das am 2. Oktober 1929 eröffnete Kino bot 1.250 Besuchern Platz und fand so wie das Kaufhaus in der Fachwelt höchste Anerkennung. Paul Zucker und Georg Otto Stindt veröffentlichten 1931 zwei Fotografien des Innenraums in ihrem Buch Lichtspielhäuser und Tonfilmtheater.210 Auch Gustav Adolf Platz würdigte als Autor des Bildbandes Baukunst der neuesten Zeit das Kino. Neben Hans Poelzigs Capitol und Erich Mendelsohns Universum in Berlin galt ihm das Mannheimer Haus als gutes Beispiel für „die steigende Baukultur“ im Bereich der Theater.211 Er veröffentlichte
Pläne im LBI: FN 11, 6. Nachweis weiterer Pläne, Fotografien und eines Erläuterungsberichts Nathans unter Anm. 199. Beide Zitate aus Neue Mannheimer Zeitung, 1.10.1929. Aufschlussreich auch die zur Eröffnung erschienene Festschrift: Lichtspieltheater der Badischen Urania-Gesellschaft Mannheim N 7 [1929]. LBI: FN 6, 14, p. 526–541. Paul Zucker / Georg Otto Stindt, Lichtspielhäuser und Tonfilmtheater, Berlin 1931, S. 16–23. Gustav Adolf Platz, Die Baukunst der neuesten Zeit, Berlin (Propyläen-Verlag) 1930, S. 76.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938
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Abb. 64:
Kino Universum im Deutschen Beamtenwarenhaus in Mannheim, 1928–1929, Blick auf die der Leinwand gegenüberliegende Seite, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 6, 4, p. 20).
ein Foto der Stahlskelettkonstruktion und führ te so auch die for tschrittliche Bautechnik vor Augen. Anfang der 50er Jahre erhielt das Universum eine breitere Leinwand; dazu wurde die Bühne vergrößert und die Seitenempore verkürzt. 212 1966 fanden die letzten Filmaufführungen statt. Danach wurde das Kino gemeinsam mit dem Kaufhaus und dem Gebäude der ehemaligen Samt und Seide GmbH abgerissen.
Zigarrenfabrik Hochherr in Heidelberg, 1927–1929 Der Stahlskelettbau der Samt und Seide GmbH muss 1927 in der Nachbarstadt Mannheims die Aufmerksamkeit der Brüder Simon und Ferdinand Hochherr geweckt haben, als sie einen geeigneten Architekten für den Neubau ihrer Zigarrenfabrik suchten. Dass sie sich an Nathan wandten, lag aber auch aus einem anderen Grund nahe. Denn zwischen beiden Familien bestanden verwandtschaftliche Bande, da Nathans Gattin Lucie die Cousine der Ehefrau Simon Hochherrs war.213 Das Unternehmen, das unter dem Namen „B. Hochherr & Co. GmbH“ firmierte, war gegen Ende des 19. Jahrhunder ts von Bernhard Hochherr, dem
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Vater der beiden Brüder, gegründet worden. Es hatte seinen Sitz zunächst in Heilbronn und wechselte 1919 nach Heidelberg, wo es bis 1929 in der Brückenstraße 51 im Stadtteil Neuenheim Zigarren produzier te und ver trieb. Dann zog es in den bis heute erhaltenen Neubau in der Kaiserstraße 78 am Rand der Heidelberger Weststadt. Als Bauplatz diente ein dreieckiges, von der Kaiser-, Ring- und Hildastraße umschlossenes Grundstück – eine Form, die für einen Fabrikbau nicht unproblematisch war, von Nathan aber geschickt genutzt wurde. Da es sich um ein rechtwinkliges Dreieck mit zwei gleich langen Schenkeln handelte, schuf er eine achsensymmetrische Gebäudegruppe aus drei Flügeln, die einen ebenfalls dreieckigen Innenhof für den An- und Abtranspor t der Waren umschließen. Die beiden dreigeschossigen Flügel an der Kaiser- und Hildastraße entstanden als Lager-, Produktions- und Sor tierhallen, während der niedrigere Trakt an der Ringstraße zusätzlich mit Büroräumen, Werkmeisterwohnung und Garage ausgestattet wurde. Zwei Tore zum Innenhof dienten der Ein- und Ausfahr t. Die breit gelager te Front dieses Gebäudeteils bildet die
Vgl. Schenk, Bd. 3 a.a.O. (Anm. 207). Auskunft Doris Nathans. Zur Familie Hochherr vgl. Ellen Mendel / Paul Eric Joseph, Zur Familien- und Firmengeschichte der jüdischen Unternehmer Ferdinand und Simon Hochherr und ihrer Angehörigen, in: Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt, hrsg. vom Heidelberger Geschichtsverein e.V., Nr. 8, 2003/04, S. 203 ff.
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8
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Abb. 65:
Zigarrenfabrik Hochherr in Heidelberg, 1927–1929, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 17, 1, p. 119).
konstruktiven Kern der Anlage bildet ein Eisenbetonbau. Da die Firma geschäftliche Beziehungen nach Amsterdam pflegte, liegt die Vermutung nahe, dass sich Hochherrs ein Gebäude im Stil der seinerzeit viel beachteten holländischen Moderne und ihrer Klinkerbauten wünschten. Die Wände wurden sogar von speziell aus Holland rekrutier ten Maurern erstellt und die „Fassaden und Hofflächen, sowie die Hofplasterung […] mit Klinkern im holländischen Format verblendet“.214
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Abb. 66:
Zigarrenfabrik Hochherr in Heidelberg, 1927–1929, Aufrisse Haupt- und Seitenfassade
Schauseite der Fabrik, die sich von der abgesenkten Mittelzone mit dem darauf angebrachten Firmennamen seitlich in die Höhe stuft, um vom rückwärtigen Bereich hinterfangen und überragt zu werden.
(Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau, H. 3, 1931).
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Abb. 67:
Zigarrenfabrik Hochherr in Heidelberg, 1927–1929, Grundrisse Erd- und 1. Obergeschoss (Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau, H. 3, 1931).
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Die strenge Symmetrie, die Staffelung der Höhe und der repräsentative Gestus, der den Hauptflügel prägt, verleihen dem modernen Industriebau eine fast schon monumentale Wirkung, die durch die dunkelroten Klinkerfassaden noch gesteiger t wird. Dies erinner t an die Frankfur ter Trauerhalle. In den Brüstungs- und Sturzhöhen sitzen Rollschichten aus hochkant gestellten Klinkersteinen, welche die Wände mittels waagerechter Bänder gliedern. Den 214 215 216 217
Zur Eröffnung der Fabrik am 9. September 1929 wurden Fachkollegen sowie Ver treter der Behörden und Zeitungen eingeladen. Wenige Tage später berichtete die Süddeutsche Tabakzeitung: „Unter Führung und Erläuterung des Erbauers, Herrn Regierungsbaumeister Fritz Nathan, Frankfurt a. M., fand die neue Fabrikzentrale mit ihren praktischen modernen Einrichtungen die allgemeine Anerkennung und Bewunderung der Beteiligten. […] Herr Regierungsbaumeister Nathan hat die an ihn gestellte Aufgabe, einen modernen Bau mit allen praktischen, gesunden Einrichtungen versehen, zu erstellen, glänzend gelöst.“215 Der Heidelberger General-Anzeiger veröffentlichte am 18. September 1929 ein Foto des Neubaus, um hervorzuheben, dass „hier der Geschmack eines modern empfindenden Architekten und der künstlerische Wille einer Fabrikleitung Hand in Hand eine gediegene Ausdrucksform für den Bau gefunden und gleichzeitig eine reizvolle städtebauliche Aufgabe gelöst haben.“216 Nicht zuletzt fand das Gebäude auch als Beispiel gelungener Werbung für ein Unternehmen Beachtung.217
Zitat aus Bericht Nathans in Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau, 1931, H. 3, S. 109–112. Hinweis auf holländische Maurer aus Mendel / Joseph a.a.O. (Anm. 213). Zweites Blatt der Süddeutschen Tabakzeitung (Mannheim), 12.9.1929. LBI: FN 6, 14, p. 430. Heidelberger Tageblatt General-Anzeiger, 18.9.1929. LBI: FN 6, 14, p. 524. Das Blatt berichtete auch am 10.9.1929 über den Neubau. LBI: FN 6, 14, p. 434. Ein weiterer Bericht in Heidelberger Neueste Nachrichten, Heidelberger Anzeiger, 17.9.1929. LBI: FN 6, 14, p. 476, 491. Ludwig Schmieder, Reklame und Heimatschatz, in: Mein Heimatland, Badische Blätter für Volkskunde, ländliche Wohlfahr tspflege, Familienforschung, Heimatschutz und Denkmalschutz, 16. Jg., H. 7, Okt 1929, S. 240.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938
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Abb. 68:
Zigarrenfabrik Hochherr in Heidelberg, 1927–1929, Innenhof, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 6, 17, p. 623).
Wie bei seinen anderen Hauptwerken beschränkte sich Nathan nicht nur auf die Planung und den Bau der Fabrik, vielmehr sorgte er auch dafür, dass das Gebäude in der Fachwelt bekannt wurde. Er ließ es fotografisch dokumentieren und beschrieb die Anlage
1931 in Wasmuths Monatsheften für Baukunst und Städtebau. Dabei nutzte er die Gelegenheit, auf die seiner Meinung nach unvor teilhafte Einflussnahme der Baubehörde der Stadt Heidelberg bei der Realisierung hinzuweisen.218 Denn ursprünglich war vor-
218 Dieses und die beiden folgenden Zitate aus Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau, 1931 a.a.O. (Anm. 214).
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 wurde Nathan mit dem Bau des Kaufhauses Wronker in Hanau bei Frankfur t beauftragt.219 Das Kaufhaus entstand in exponier ter Lage an der Westseite des heutigen Freiheitsplatzes, damals Platz der Republik genannt, der von repräsentativen Bauten des 18. und 19. Jahrhunder ts geprägt war.
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Abb. 69:
Zigarrenfabrik Hochherr in Heidelberg, 1927–1929, Hauptfassade an der Ringstraße/ Ecke Kaiserstraße, bauzeitliche Fotografie von Hermann Collischonn (LBI: FN 6, 17, p. 625).
gesehen, sämtliche Räume im zweiten Obergeschoss mittels Sheddächern von oben zu belichten. Diese sollten jeweils nach Norden ausgerichtet werden, um eine blendfreie Ausleuchtung ohne Schlagschatten zu gewährleisten. Damit hätten sich die Sheds an der Hildastraße „offen als sägeförmige Silhouette“ gezeigt, ein Effekt, den der Architekt in der Bauzeitschrift nicht nur als „besonderen architektonischen Reiz“ charakterisier te, sondern auch mit der Veröffentlichung der Entwurfszeichnung demonstrier te. Zum Leidwesen Nathans genehmigte die Baubehörde aus ästhetischen Gründen aber nur die Sheddächer an der Kaiserstraße, was sich auch in anderer Hinsicht negativ auswirkte. Denn durch den fehlenden Aufbau an der Hildastraße ging die intendier te Symmetrie in der Höhenentwicklung der Anlage verloren. Der ungeachtet dieses Mangels imposante Klinkerbau zeigt sich heute durch spätere Aufstockungen und Umbauten veränder t. Auch dient er längst nicht mehr als Zigarrenfabrik, sondern wird als Büro-, Werkstatt- und Lagergebäude genutzt. Die früheren Eigentümer verloren die Firma 1938 an das Deutsche Reich. Ferdinand und Simon Hochherr emigrierten 1939 mit ihren Familien nach Amsterdam, allerdings gelang ihnen nicht mehr die Flucht nach Übersee. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Holland wurden sie depor tier t und ermordet. Nur Ella Hochherr, die Cousine Lucie Nathans, überlebte.
Kaufhaus Wronker in Hanau, 1928–1929 Noch während die Heidelberger Fabrik und das Mannheimer Beamtenwarenhaus Gestalt annahmen,
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219 Pläne im LBI: FN 12, 5; FN 12, 6. 220 Stein Holz Eisen, 1930, H. 19, S. 419.
Wie in Mannheim setzte der Architekt dem historischen Bestand ein Bauwerk von konsequent moderner Gestaltung entgegen. Wiederum mit Hilfe eines Stahlskelettbaus schuf er über einem rechteckigen Grundriss von 36,5 m Länge und 21,7 m Breite ein Kellergeschoss und vier Hauptgeschosse, die jeweils einen einzigen großen Raum bildeten, in dem die Deckenlasten von Mittelstützen aufgefangen wurden. Dies erlaubte ein Maximum an variablen Nutzungen. Nathan setzte hier die zeitgenössische Forderung nach funktionaler Architektur noch radikaler als in Mannheim um. Bei der Einweihung betrug die Verkaufsfläche im Erd- und in den beiden ersten Obergeschossen jeweils rund 800 qm; das dritte Obergeschoss wurde zur Hälfte als Bürofläche genutzt. An der Nordseite befanden sich Treppenhäuser mit Personen- und Lastenaufzug, Kundentoiletten, Kaffeeküche und weiteren Nebeneinrichtungen. Der Architekt entwarf auch Teile der Innenausstattung, wie Regale und Verkaufstheken, die er selbstverständlich dem modernen Stil der Architektur anpasste. Nach außen präsentier te sich das Kaufhaus als kubischer Bau mit einer langen Schaufensterzone im Erdgeschoss, über der die Obergeschosse um einen Meter auskragten. Sie waren in Anlehnung an die roten Sandsteinbauten der Stadt mit rötlichem Porphyr verkleidet, einem im Neuen Bauen eher ungewöhnlichen Material, das aber bestens geeignet war, der Front ein nobles Erscheinungsbild zu verleihen. Dazu trugen auch die von der Mannheimer Geschäftshausgruppe bekannten Kupferrahmen der Fensterbänder bei. Auffallend ist, dass die obere Fensterreihe gegenüber den beiden unteren nicht nur etwas weiter abgesetzt, sondern auch leicht verkürzt ist. Diese moderne Variante des klassischen Attikageschosses akzentuier te den Wandabschluss, ohne ihn übermäßig zu betonen. An der Gebäudeecke zwischen dem Platz der Republik und der Sternstraße entwickelte sich aus dem Vordach zwischen Erd- und erstem Obergeschoss ein Firmenschild mit Leuchtbuchstaben senkrecht nach oben. Dieses vertikale Element, das Nathan ebenfalls mit Kupfer verkleidete, schuf den „nötigen Werbeakzent“.220
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938
In gestalterischer Hinsicht setzte es ein Gegengewicht zur horizontalen Fassadengliederung und bildete den Kulminationspunkt der Eckgestaltung zur Sternstraße, die durch die Staffelung der Gebäudehöhe von zwei auf drei Obergeschosse geprägt war. Als weitere Besonderheit war das Schaufenster nahezu übergangslos, nur mit Hilfe einer Sprosse, um die Gebäudeecke geführ t. Der Architekt hatte hier bewusst auf eine Eckstütze verzichtet, um die Wirkung des Schaufensters und der Ausstellungfläche zu erhöhen. Zum Ausgleich befand sich in der Decke zwischen Erd- und erstem Obergeschoss eine Sonderkonstruktion, die das von oben drückende Gewicht auffing. Nathan stellte hier ein weiteres Mal die vom traditionellen Bauen abweichenden Möglichkeiten des Stahlskelettbaus unter Beweis. Als er das Gebäude 1930 in der Zeitschrift Die Baugilde beschrieb, ließ er es sich denn auch nicht nehmen, noch einmal die Vorzüge des Stahlskelettbaus hervorzuheben. Dazu gehör te auch, dass die Frontstützen auf das konstruktiv notwendige Minimum reduzier t worden waren, um „die für Licht und Sicht wichtigen Fenster bis zum letzten cm2 auszunutzen“.221 Als maßgebliches Kriterium für die Außengestaltung führte er die klare Silhouette als Ausdruck des einheitlichen Grundrisses an. Die Planung des konstruktiven Gerüsts erfolgte wie beim
Mannheimer Beamtenwarenhaus in enger Zusammenarbeit mit der Baufirma Michael Lavis Söhne in Offenbach, die für den Aufbau der Konstruktion gerade mal 26 Arbeitstage benötigte, wie die Zeitschrift Stein Holz Eisen 1930 anerkennend berichtete.222 Der Bauplan berücksichtigte die Möglichkeit einer späteren Erweiterung, zu der es aber nicht mehr kam. Bereits 1934 führ te die „Arisierung“ zur Einverleibung des Kaufhauses in die Hansa AG. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde die erhaltene Stahlkonstruktion in den 1948 eröffneten Wiederaufbau übernommen, der nach dem Wechsel des Kaufhauses an den Her tie-Konzern 1957 aufgestockt wurde und eine neue Fassade erhielt. Zuletzt als Kaufhaus Karstadt geführ t, wurde dieses Gebäude 2010 geschlossen und 2012 zugunsten der Neugestaltung des heutigen Freiheitsplatzes abgebrochen. 223
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Abb. 70:
Kaufhaus Wronker in Hanau, 1928 – 1929, Entwurfszeichnung (LBI: FN 12, 5, p. 14).
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Abb. 71:
Kaufhaus Wronker in Hanau, 1928 – 1929, bauzeitliche Fotografie von Hermannn Collischonn (LBI: FN 6, 23, p. 227).
Weitere Bauten und Projekte für Hermann Wronker Bauherr des Hanauer Kaufhauses war der Frankfur ter Unternehmer Hermann Wronker, für den Nathan seit 1925 arbeitete.224 Wronker hatte 1891 in der Frankfur ter Zeil, der Haupteinkaufsstraße der Main-
221 Die Baugilde, 1930, Nr. 15, S. 1602-1609. LBI: FN 4, 17, p. 218-223. 222 Stein Holz Eisen, 1930, H. 19, S. 419. Ein weiterer Artikel ebd. H. 12, S. 268-270. Vgl. auch Frankfurter Zeitung, 17.6.1929. LBI: FN 6, 14, p. 319. 223 Vergleiche: Markus Häfner, Zur Problematik der Gestaltung des Freiheitsplatzes. Eine historische Studie, hrsg. vom Magistrat der Stadt Hanau, Fachbereich Stadtentwicklung und Bürgerservice, Hanau 2010 (http://www.hanau.de/mam/cms01/lih/por trait/geschichte/h__fner_-_historische_entwicklung_freiheitsplatz.pdf). 224 Hierzu Brief Wronkers vom 15.9.1938. LBI: FN 26B, 16, p. 791.
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 In diesen und den folgenden Jahren nahm Nathan weitere Aus- und Umbauten im Frankfur ter Kaufhaus vor. 1927/28 schuf er einen Verbindungstrakt zu einem benachbar ten Geschäftshaus, dem er zur Zeil eine elegante, modern gestaltete Passage mit großen Schaufenstern einfügte, die durch das von innen belichtete Vordach vor allem bei nächtlicher Beleuchtung wirkungsvoll zur Geltung kam.226 Des Weiteren plante er eine neue Betriebskantine, dazu neue Garderoben- und Waschräume für die Angestellten, und zeichnete für den Einbau einer neuen Heizungs- und Lüftungsanlage nebst einer Kühlanlage für die Konditorei verantwor tlich.
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Abb. 72:
Ladenpassage des Kaufhauses Wronker in Frankfurt a. M., 1927–1928, Ansicht bei nächtlicher Beleuchtung, bauzeitliche Fotografie (LBI: FN 7, 1, p. 299).
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Abb. 73:
Entwurf für das Geschäftshaus Gutmann in Berlin, 1928, Realisierung nicht nachgewiesen (LBI: FN 8, 5, p. 240).
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metropole, sein erstes Kaufhaus eröffnet. Dieses hatte nach einem Brand im Jahr 1897 einen Neubau erhalten, der noch vor dem Ersten Weltkrieg umfangreich erweiter t worden war und seitdem eine rund 80 m lange Straßenfront besaß. Für dieses größte Kaufhaus der Stadt entwarf Nathan 1925 einen Um- und Erweiterungsbau mit einem Turm- und Dachrestaurant, der aber aus nicht näher bekannten Gründen unausgeführ t blieb. Dafür erfolgte 1927 der Ausbau des zweiten Obergeschosses mit einer Großküche und einem „Erfrischungsraum“ für 1.500 Personen. Die groß angelegte Maßnahme „nach dem Entwurf und unter der Leitung des Architekten B.D.A. Reg.-Baumeister Fritz Nathan“ beschäftigte etwa 60 Fachfirmen, wie die zur Einweihung am 15. Januar 1928 erschienene Festschrift erläuter te.225
225 226 227 228
Dazu kamen Aufgaben in anderen Warenhäusern des Unternehmens. In einem Brief Hermann Wronkers von 1938 ist von Projektbearbeitungen für den Umbau der Filialen in den Frankfur ter Stadtteilen Bockenheim und Sachsenhausen sowie in Mannheim und Nürnberg die Rede.227 Dem Schreiben ist des Weiteren zu entnehmen, dass sich der Unternehmer auch in Wohnungsfragen auf Nathan verließ; er ver traute ihm den Umbau seines Sommerhauses in Königstein im Taunus an und suchte seinen Rat als Gutachter beim Bau einer Villa in Berlin.
Geschäftshäuser Geschwister Gutmann, 1927–1928 Offenbar hielt auch der Mannheimer Unternehmer Mar tin Wohlgemuth große Stücke auf Nathan. Wohlgemuth leitete die Samt und Seide GmbH, also jene auf die Herstellung und den Handel von Damenhüten spezialisier te Firma, für die Nathan 1926–1927 das Geschäftshaus an der Kunststraße in N 7, 4 erstellt hatte. Der Unternehmer stand auch der Mannheimer Hutfabrik GmbH vor, die 1891 durch die Geschwister Melanie und Sofie Gutmann gegründet worden war und ihren Stammsitz in G 3 hatte. Diese Fabrik betrieb weitere Geschäfte in Frankfur t, Berlin und Stuttgar t, die unter dem Namen „Geschwister Gutmann“ firmier ten. In Frankfur t existier ten gleich zwei Gutmann-Filialen, eine im sogenannten Haus zum Grimmvogel am Liebfrauenberg 39, Ecke Neue Kräme, die andere in der Großen Friedbergerstraße 22. 1927 plante Nathan für beide Niederlassungen Ausund Umbauten. Desgleichen zeichnete er im selben Jahr für die Neugestaltung der Stuttgar ter Filiale im Graf-Eberhards-Bau an der Eberhardstraße 10 verantwor tlich und projektier te 1928 den Umbau des Berliner Geschäftshauses in der Prinzenstraße 8.228
Zitier t aus der Festschrift: Erfrischungsraum Hermann Wronker Aktiengesellschaft Frankfurt a. M., [1927], S. 9. LBI: FN 6, 14, p. 370–396. Fotos der Passage im LBI: FN 6, 5, p. 125; FN 7, 1, p. 298. Brief Wronkers a.a.O. (Anm. 224). Pläne aller drei Objekte im LBI: FN 8, 5, p. 212–278.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938
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Abb. 74:
Kaufhaus E. Schiffmann in Bingen, 1928–1929, Entwurf mit Nachbarhäusern, datiert am 25.4.1928 (LBI: FN 23, 14, p. 34).
Kaufhaus E. Schiffmann in Bingen, 1928–1929 Auch in seiner Gebur tsstadt Bingen trat Nathan als Kaufhausarchitekt hervor. Für das Damen- und Herrenbekleidungsgeschäft E. Schiffmann in der Salzstraße 22 schuf er 1928–1929 einen vergleichsweise einfachen Bau mit Flachdach, Schaufensterzone im Erdgeschoss und Fensterbändern in den drei Obergeschossen.229 Nathan verzichtete hier auf effektvolle Betonungen, gleichwohl setzte er durch die konsequent moderne Gestaltung einen signifikanten Akzent in der von historischen Bauten geprägten Straße. Das Gebäude hat sich bis heute als Geschäftshaus für den Einzelhandel erhalten, ist jedoch stark veränder t. So besitzt die Fassade inzwischen eine fensterlose Wandverkleidung. Wie den Plänen Nathans zu entnehmen ist, beauftragte die Familie Schiffmann den Architekten 1929 auch mit dem Umbau ihres Binger Wohnhauses.230
Kaufhaus Mathias Löwenthal in Aschaffenburg, 1929–1930 Ein weiteres Kaufhausprojekt führ te Nathan Ende der 20er Jahre in die Stadt, in der er kurz zuvor die Villa Mayer geschaffen hatte. Der Auftrag galt der Erweiterung des Kaufhauses Mathias Löwenthal, das seinen Sitz im historischen Zentrum Aschaffenburgs, in der Herstallstraße 17, hatte. Diesem Gebäude von 1913, das in den Formen des Historismus und
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Jugendstils ausgeführ t war, setzte er einen kubisch geglieder ten Komplex entgegen, der die Bauhausmoderne selbstbewusst in das malerische, teils von mittelalterlichen Fachwerkhäusern geprägte Aschaffenburg hineintrug.231 Das Eckgebäude mit seiner großzügigen Schaufensterzone, den Fensterbändern der vier Obergeschosse und dem zurückgesetzten Dachgeschoss erhielt durch einen schlanken Treppenhausturm eine signifikante ver tikale Betonung. Dieser Turm, der den Alt- vom Neubau klar trennt, lässt sich als kleine Variante des Mannheimer DEBEWA-Hochhauses sehen. Er kragte rund 1,50 m über die Straße aus und war an seiner gläsernen Front durch dicht übereinandersitzende Gesimse gegliedert. Im zurückgesetzten Dachgeschoss befanden sich Büros und Wohnungen, darunter lagen die Verkaufsräume, die sich bis in das Untergeschoss erstreckten. Die dem Bauwerk zugrunde liegende Stahlskelettkonstruktion stammte von der Firma Michael Lavis Söhne in Offenbach, mit der Nathan bereits bei den Warenhäusern in Mannheim und Hanau zusammengearbeitet hatte. Im Januar 1932 wurde die Konstruktion in der Zeitschrift Der Stahlbau im Detail beschrieben.232 Das am 2. Dezember 1930 seiner Bestimmung übergebene Kaufhaus erlitt das gleiche Schicksal wie fast alle Geschäftsbauten Nathans in Deutschland. Als
Pläne im LBI: FN 23, 14; FN 34. Eine Bescheinigung über die Baumaßnahme stellte der Bürgermeister von Bingen am 7.9.1938 aus, als Nathan die Emigration in die USA vorbereitete. LBI: FN 26B, 16, p. 781. Pläne von 1929 im LBI: FN 14, 5. Fotografien aus der Bauzeit im LBI: FN 6, 15, p. 562, 566 f. Der Stahlbau, Beilage zur Zeitschrift Die Bautechnik, 5. Jg., 1932, H. 1, S. 8. LBI: FN 4, 14, p. 50.
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 veränder te Wiederaufbau, bei dem der gut erhaltene Turm abgerissen und die Treppe in das Innere des Hauses verlegt wurde. Das Gebäude wechselte damals an die Kaufhof AG in Köln, die es bis 1975 nutzte. Danach diente es verschiedenen Geschäften und beherbergte zeitweise auch die Stadtbibliothek, ehe es 1994/95 für einen Neubau des Kaufhauses Peek und Cloppenburg abgebrochen wurde. 233
Teppich- und Gardinenhaus J. Brumlik in Frankfurt a. M., 1928–1930
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Ende der 20er Jahre arbeitete Nathan auch für das renommier te Teppich- und Gardinenhaus J. Brumlik in Frankfur t. 1928 plante er für das Unternehmen einen großen Geschäftsbau unter Einbeziehung älterer Häuser in der Neuen Kräme 28–30 sowie zweier Rückgebäude in der Ziegelgasse 7–9.234 Die überliefer ten Entwürfe zeigen neben den Details des geplanten Innenausbaus auch eine bis zur Ziegelgasse führende Passage mit Schaufenstern und Ausstellungsräumen sowie eine in zwei Bauabschnitten vorgesehene Neugestaltung der Hauptfassade. Die viergeschossige Front mit der Schaufensterzone im Erdgeschoss und den Fensterbändern in den Obergeschossen wiederholt bereits bekannte Gestaltungselemente. Wie beim Kaufhaus Wronker in Hanau schiebt sich als werbewirksamer Akzent an der Hauptecke des Gebäudes ein Schild mit dem Firmennamen aus dem Vordach des Erdgeschosses senkrecht nach oben.
Abb. 75:
Kaufhaus Mathias Löwenthal in Aschaffenburg, 1929 – 1930, bauzeitliche Fotografie (Der Stahlbau, 1932).
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Abb. 76
Teppichhaus Brumlik in Frankfurt a. M., Neue Kräme 28–30, 1928, Entwurfszeichnung, Realisierung nicht nachgewiesen (LBI: FN 13, 7, p. 269).
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der jüdische Unternehmer Mathias Löwenthal 1935 mit seiner Familie nach Südafrika emigrier te, zog die Textilfirma Franz H. Winkelmann ein, welche die Räume zunächst mietete, bevor sie durch Zwangsversteigerung im Jahr 1940 zum neuen Eigentümer des Gebäudes wurde. Nach der Kriegszerstörung folgte der
Ob die Fassade in dieser Form ausgeführ t wurde, ist nicht bekannt. Einem Bericht des Israelitischen Gemeindeblatts vom November 1928 ist zu entnehmen, dass der Erweiterungsbau für das Teppich- und Gardinenhaus Brumlik am 20. Oktober desselben Jahres als „Lager-, Verwaltungs- und Verkaufslokal“ seiner Bestimmung übergeben wurde. Der Verfasser des Ar tikels findet folgendes Lob: „Helle luftige Räume, zarte Farben, und weite Flächen bilden ein Charakteristikum dieses neuzeitlichen Geschäftsbaues“.235 Nur drei Jahre später gab Brumlik das Gebäude auf. Das Unternehmen wechselte in das ehemalige Geschäftshaus Nobel in der Liebfrauenstraße 1–3, das aus der Mitte der 1920er Jahre stammte und durch eine bis heute erhaltene Pfeiler-Backsteinfassade geprägt ist.236 Nathan baute dieses Gebäude 1930 im Inneren um;
233 Hierzu: Lukas Kolb, Kaufhaus Löwenthal – Neue Sachlichkeit in Aschaffenburg, in: Spessar t, Monatszeitschrift für die Kulturlandschaft Spessar t, 104. Jg., Sept. 2010, S. 13–19. 234 Pläne im LBI: FN 13, 7 (Detailpläne p. 230–265, Fassadenpläne und Grundrisse p. 267–274). 235 Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfur t a. M., H. 3, Nov. 1928, S. 79 (http://sammlungen.ub.uni-frankfur t.de/cm/periodical/titleinfo/3094266). 236 Fotos im LBI: FN 6, 15, p. 571–578. Eine Broschüre des Brumlik-Hauses Liebfrauenstraße 1–3 im LBI: FN 6, 14, p. 346–354, darin findet sich als Beispiel einer Raumausstattung ein Foto des Esszimmers im Haus Eisemann (s. S. 37 f.).
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938
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Abb. 77:
Strumpfhaus Metzger in Frankfurt a. M., Neugestaltung der Schaufenster im Erdgeschoss, 1927, bauzeitliche Fotografie (LBI: FN 6, 15, p. 596).
außerdem schuf er eine von Schaufenstern eingefasste Passage und gestaltete die Eingänge neu. Eine interessante Ergänzung bildeten elegant abgerundete Vordächer, deren Unterseiten abgestuft und indirekt beleuchtet waren.
Weitere Bauten und Projekte für Handel und Gewerbe 1927 ließ das Frankfur ter Strumpfhaus Metzger in der Kaiserstraße 75 seine Geschäftsräume von Nathan umbauen. In diesem Zusammenhang entstanden neue Schaufenster, die dem Haus des 19. Jahrhunder ts einen modernen Akzent im Stil des Neuen Bauens verliehen.237 Wie den Werklisten des Architekten zu entnehmen ist, schuf Nathan auch einen „Ausstellungsraum Moritz Sternberg“ (1931) – es gab eine Textilhandelsfirma dieses Namens – sowie Umbauten einer Filiale des Schokoladenherstellers Sarotti (1930) und eines Tack-Schuhgeschäfts (1931).238 Des Weiteren sind in den Werklisten Projekte für ein Hansa-Kaufhaus in Frankfur t (1929) und ein Warenhaus der Firma Alsberg in Bielefeld (1932) erwähnt. Im Nachlass finden sich darüber hinaus Entwurfszeichnungen für ein Woolwor th-Kaufhaus, das seinen
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Standort an der Frankfurter Brönnestraße, einer Seitenstraße der Zeil, erhalten sollte. Nathan legte für dieses Gebäude 1928/29 zwei Fassadenentwürfe vor, einmal mit rechtwinkliger und einmal mit abgerundeter Ecklösung.239 So wie beim Mannheimer Beamtenwarenhaus war der Einbau eines Kinos der UFA vorgesehen. Dessen Größe war auf 1.818 Zuschauer berechnet. Für ein anderes, namentlich nicht genanntes Kino in einem Eckhaus am Kaiserplatz in Frankfur t entwarf er im November 1928 vier Varianten. Zwei zeigen einen rechteckigen Saal für 1.134 bzw. 1.754 Zuschauer ; bei den beiden anderen nutzte er den Zuschnitt des Gebäudes zugunsten eines dreieckigen fächerförmig ausgebildeten Saals mit einer Größe von 1.152 bzw. 2.025 Plätzen.240 Weitere Projekte galten dem Einbau von Schauvitrinen in der Bahnhofshalle von Bingen (1929), dem Umbau eines Geschäftshauses mit einer Autoschauhalle in der Frankfur ter Kaiserstraße 16, Ecke Kirchnerstraße 3 (1930) und der Erweiterung der Schuhfabrik Ada-Ada in Höchst am Main bei Frankfur t (1930).241 Die Schuhfabrik stand schräg gegenüber dem Bahnhof an der Adolf-Haeuser-Straße und sollte über die Straße hinweg zum Bahnhofsvorplatz
Fotos auch des alten Schaufensters im LBI: FN 6, 15, p. 593–598. Werkverzeichnis 1958 a.a.O. (Anm. 53). Pläne im LBI: FN 14, 10, p. 175–197, die Fassadenentwürfe ebd. p. 186, 197. Pläne im LBI: FN 14, 10, p. 200–204, 206–209. Pläne im LBI: FN 10, 3, p. 14, 10, p. 210–212; FN 32, 14, p. 78 f. Foto der Schuhfabrik Ada-Ada im LBI: FN, 6, 22, p. 158.
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 sind beide Gebäude über einen geschlossenen Steg miteinander verbunden, in den beiden anderen Lösungsvorschlägen dockt der Neubau mit einem Obergeschoss bzw. vier Stockwerken direkt an den Altbau an. Weitere Entwurfsskizzen zeigen, dass sich Nathan auch um einen Auftrag beim Automobilhersteller Opel in Rüsselsheim bemühte. Der Darmstädter Architekt Paul Meißner hatte das Verwaltungsgebäude des Unternehmens ab 1919 in mehreren Bauabschnitten als langgestreckten 5-geschossigen Trakt errichtet, für den Nathan 1927 einen Reklameturm mit dem Schriftzug des Unternehmens skizzier te.242 Nathan dachte sich diesen Turm allem Anschein nach an der Stelle, an der dann 1929 ein von Meißner geplantes 14-geschossiges Hochhaus fertiggestellt wurde. p
Abb. 78:
Ein anderer Entwurf vom 11. Juni 1932 bildet eine nicht näher bezeichnete Fabrik mit Montagehalle, Werkstatt sowie Büro- und Wohngebäude ab.243 Ein weiteres Projekt galt dem Ausbau der Privatklinik des Arztes Dr. Max Mainzer, eines engagier ten Mitglieds der Israelitischen Gemeinde.244 Die Klinik für or thopädische Chirurgie befand sich in einem stattlichen Gebäude der Zeit um 1900 in der Neckarstraße 5, für das Nathan 1926/27 einen kleinen und einen großen Operationssaal sowie verschiedene Behandlungs- und Patientenzimmer einschließlich der Möbel entwarf. 1928 plante er zudem eine Aufstockung, bei der er das neue Geschoss dem neoklassizistischen Stil des Hauses anpasste. Wie das bis heute erhaltene Gebäude zeigt, kam diese Etage über das Stadium der Planung aber nicht hinaus.
Entwurf für ein WoolworthKaufhaus mit Universum-Kino in Frankfurt a. M., 1928/29, nicht realisiert (LBI: FN 14, 10, p. 186).
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Abb. 79:
Vereinsgebäude „Gesellschaft der Freunde“ in Frankfurt a. M., 1928
Entwurf für die Schuhfabrik Ada-Ada in Höchst a. M., drei Vorschläge für die Erweiterung, 1930, nicht realisiert (LBI: FN 10, 3, p. 412).
erweiter t werden. Nathan plante einen kubischen Neubau, bestehend aus vier um einen Hof gruppierten Flügeln. Im April 1930 spielte er drei Varianten der Anbindung zum Altbau durch. In der ersten Variante
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In diese äußerst produktiven Jahre gegen 1930 fiel auch der Umbau eines heute nicht mehr erhaltenen Wohnhauses in der Eschenheimer Anlage 35, das 1928 aus dem Besitz der Bankiersfamilie Strauß an die „Gesellschaft der Freunde“ verkauft wurde. Diese war bereits 1805 gegründet worden, um „jüdischen jungen Leuten geistige Anregung in geselligem Rahmen zu bieten“.245 In den Bauplänen von 1928 befindet sich im Erdgeschoss ein Speisesaal für 56 Personen sowie ein Unterhaltungs- und ein Schreibzimmer.246
242 Pläne im LBI: FN 10, 2. Darin (p. 367) eine Zeichnung mit Vermerk der Baufirma Wayss & Freitag vom 25.4.1927. Dem Vermerk ist zu entnehmen, dass die Skizzen dem Architekten wieder zurückgeschickt wurden. 243 Pläne im LBI: FN 10, 3, p. 426 f. 244 Pläne im LBI, FN 8, 1. Foto des Hauses im LBI: FN 6, 15, p. 585. Zur Privatklinik: http://www.juedische-pflegegeschichte.de/ (16.1.2014). Zu Mainzer s.a. Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfur t a. M., H. 4, Dez. 1927, S. 101: Neuwahl der Gemeindever tretung (http://sammlungen.ub.uni-frankfur t.de/cm/periodical/titleinfo/3094266). 245 Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfur t a. M., H. 2, Okt. 1933, S. 71 f. 246 Pläne im LBI: FN 14, 10, p. 97–116.
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Abb. 80:
Entwurf für einen Fruchthof in Frankfurt a. M., um 1928, Perspektive mit Brückenbogen der Honsellbrücke, nicht realisiert (LBI: FN 10, 1, p. 356).
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Die Räume sind so konzipier t, dass sie sich auch für größere Veranstaltungen nutzen lassen. Der entsprechende Bestuhlungsplan sieht 239 Sitzplätze vor. Das erste Obergeschoss dient als „Spielraum“ für Kar tenoder Brettspiele, ausgestattet mit insgesamt 20 Tischen. Das Kellergeschoss enthält die Küche, eine Garderobe, das Vorstandszimmer und ein „Büro-Archiv“, während das Dachgeschoss neben einem Billard- und einem kleinen Spielzimmer eine Wohnung, vermutlich die des Hausmeisters, aufnimmt. Nathan entwarf auch einen Teil des Mobiliars.247
Abb. 81:
Entwurf für einen Fruchthof in Frankfurt a. M. um 1928, nicht realisiert (LBI: FN 10, 1, p. 360).
Entwurf für einen Fruchthof in Frankfurt a. M., um 1928 Unter den vielfältigen Aufgaben, denen sich der Architekt am Ende der 20er Jahre widmete, befinden sich auch so ungewöhnliche Projekte wie ein Fruchthof in Frankfur t und eine Großgarage in Mannheim. Der Fruchthof sollte seinen Standor t im Frankfur ter Osthafen an der Kreuzung der Honsellstraße zur Mayfahr tstraße erhalten.248 Da im erhaltenen Lageplan die in der Nähe des Platzes stehende Großmarkthalle Mar tin Elsässers eingezeichnet ist, lässt sich der Entwurf auf die Zeit um 1928 datieren. Nathan entwarf einen großen kubisch geglieder ten Komplex, bestehend aus vier Flügeln, die sich über einem langgestreckten Grundriss um einen Innenhof gruppieren. Der Hof war für den An- und Abtranspor t der Waren nicht nur mit Lastkraftwagen, sondern auch mit Güterzügen ausgelegt; ein Stellwerk sollte das Ein- und Ausfahren der Züge ermöglichen. Das Gebäude selbst ist als weithin sichtbare Landmarke konzipier t – mit einem breit gelagerten, hohen Kopfbau und einem Längstrakt, den drei aus dem Riegel herausgeschobene Treppentürme und ein Abschlussbau rhythmisieren. Rundbogenarkaden gliedern das Erdgeschoss, und korrespondierend dazu überspannen breite Rundbögen die Hofeinfahr ten.
So wie die Heidelberger Fabrik zeichnet sich die Anlage durch die Verbindung der Merkmale des Neuen Bauens mit einer zum Monumentalen neigenden Architektursprache aus. Wie schon bei der Planung des Frankfur ter Friedhofs steht Nathan mit diesem Entwurf der Architekturauffassung des Paul Bonatz nahe. Darüber hinaus erinner t die Rhythmisierung der Längsfassade durch vor- und zurückspringende Bauten an die fast zeitgleich geplante IG-Farben-Zentrale Hans Poelzigs in Frankfur t.
247 Nachweis des erfolgten Umbaus im Werkverzeichnis realisier ter Frankfur ter Bauten vom 26.8.1938. LBI: FN 26, 15, p. 340 f. Nachweis der Eigentümerverhältnisse über die Frankfur ter Adressbücher für 1927–1929. 248 Pläne in: LBI, FN 10, 1.
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Abb. 82:
Fruchthof in Frankfurt a. M., um 1928, Grundriss des Erdgeschosses, nicht realisiert (LBI: FN 10, 1, p. 363).
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bauten mit spiralförmigen Rampen für die Zu- und Abfahr ten eingestellt sind. Das Konzept ist aus der Idee entwickelt, den Verkehr möglichst kreuzungsfrei zu den Parkplätzen im Keller- und Erdgeschoss sowie den vier Obergeschossen zu lenken.
Abb. 83:
Entwurf für eine Großgarage in Mannheim, 1928, räumliche Ansicht, nicht realisiert
In einem weiteren Entwurf, datier t im Dezember 1928, ist die Zahl der Obergeschosse auf zwei und die der Stellplätze auf 450 reduzier t; die Rampen im Inneren der Anlage sind nun nicht mehr als Rundbauten ausgebildet, sondern führen in gerader Linie an den Flügelbauten entlang, während eine Tankstelle das Zentrum des Hofs einnimmt. In beiden Entwürfen zeigt die Großgarage eine klar geglieder te Fassade, die mit Fensterbändern die horizontale Ausdehnung des Gebäudes unterstreicht und die moderne Architektursprache mit repräsentativen Gestaltungselementen verbindet. Prägend sind die klare Gliederung, die strenge Symmetrie und die Betonung der Mittelachse durch die beiden Tore der Ein- und Ausfahr t sowie die in großen Lettern angebrachte Aufschrift „Grossgarage“. Im Entwurf vom Dezember 1928 sind zudem zwei gläserne Treppentürme als markante seitliche Einfassungen vorgesehen, bei denen Nathan wie beim Mannheimer Beamtenwarenhaus und beim Kaufhaus Löwenthal in Aschaffenburg eine Horizontalgliederung aus dicht übereinandersitzenden Gesimsen wählte.
(LBI: FN 10, 3, p. 460).
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Abb. 84:
Entwurf für eine Großgarage in Mannheim, Fassade zur Rheinhäuserstraße, datiert am 2.6.1928, nicht realisiert (LBI: FN 10, 3, p. 462).
Wären die Mannheimer Großgarage und der Frankfur ter Fruchthof realisier t worden, hätten sie als weitere bedeutende Werke des Neuen Bauens in Deutschland gelten können. Andere interessante Entwürfe des Architekten entstanden 1930 im Rahmen von Architekturwettbewerben, die einem Hochschulgebäude in Kassel, einer Brunnenanlage in Wiesbaden und einer Synagoge in Zürich galten. p
Abb. 85:
Entwurf für eine Großgarage in Mannheim, Querschnitt und Ansicht der Fassade zur Rheinhäuserstraße, datiert am 7.12.1928, nicht realisiert (LBI: FN 10, 3, p. 456).
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Entwurf für eine Großgarage in Mannheim, 1928 Ein erster Entwurf für die Mannheimer Großgarage stammt vom Juni 1928.249 Als Standor t war die Rheinhäuser Straße 24 –30 in der Schwetzingerstadt, einem Arbeiterstadtteil Mannheims, vorgesehen. Das Parkhaus sollte an der Stelle einer zum Abbruch freigegebenen Fabrik errichtet werden und die gesamte Tiefe des Baublocks bis zur Schwetzinger Straße einnehmen. Die über einem nahezu quadratischen Grundriss entworfene Anlage umschließt von vier Seiten einen weiträumigen Hof, in den zwei Rund-
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Entwurf für die Pädagogische Akademie in Kassel, 1930 In Kassel wurde Ende der 1920er Jahre eine pädagogische Akademie als Ausbildungsstätte für Lehrer gegründet. Die Ausschreibung für die Seminar- und Hörsaalgebäude erfolgte im März 1930 und gab als Bauplatz eine an der Regenten- und Heerstraße liegende Fläche vor.250 Nathan reichte den Entwurf gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Carl Müller ein, der sich hier erstmals aus dem Schatten seines Chefs löste und als Mitverfasser genannt wurde.251
Pläne im LBI: FN 10, 3, p. 450, 452–468. Zum Wettbewerb: Zentralblatt der Bauverwaltung, 50. Jg., Nr. 12, 1930, S. 243, 247; ebd. Nr. 24, 1930, S. 443 (opus.kobv.de/zlb/volltexte/2008/6051/). Bau-Wettbewerbe, H. 58, 1931. LBI: FN 4, 17, p. 224. Pläne im LBI: FN 14, 9, p. 3–13.
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Abb. 86:
Wettbewerbsentwurf für die Pädagogische Akademie Kassel, 1930, Aufrisszeichnungen, nicht realisiert (LBI: FN 14, 9, p. 7).
Der Entwurf zeichnet sich durch die konsequente Anwendung der Prinzipien des Neuen Bauens aus. Kubische Körper in langgestreckter, horizontaler Ausdehnung bilden einen funktional geglieder ten Komplex mit sieben Innenhöfen, um die sich Einrichtungen verschiedenster Funktion gruppieren: Hörsäle, Seminar- und Büroräume, Werkstätten, Bibliothek, Festhalle, Turnsaal und Direktorenwohnung. An städtebaulich exponier ter Stelle ist die Anlage durch einen leicht vorgezogenen turmförmigen Baukörper mit einer über Eck geführ ten Fensterfläche sowie einen eingeschossigen Annex mit halbrundem Abschluss betont. Die Jury, in der Heinrich Tessenow und Paul Mebes ver treten waren, setzte den mit der Kennzahl „21343 Nr. 159“ anonymisier ten Vorschlag auf den fünften Platz. Dies brachte den beiden Verfassern 2.000 RM ein und führ te 1931 zur Veröffentlichung des Entwurfs in der Zeitschrift Bau-Wettbewerbe.252 Den ersten Preis erhielten die Frankfur ter Architekten H. F. W. Kramer und Gottlob Schaupp, die das Bauwerk allerdings nicht realisieren konnten, da die Pädagogische Akademie infolge der Weltwir tschaftskrise bald nach ihrer Gründung wieder aufgelöst wurde.
Entwurf für den Reisinger-Brunnen in Wiesbaden, 1930 Über die Auslobung des zweiten Wettbewerbs, der 1930 das Interesse Nathans fand, berichtete am 29. Oktober das Zentralblatt der Bauverwaltung. Die
mondäne Kurstadt Wiesbaden plante im Bereich des Bahnhofs ein neues repräsentatives Entree in Gestalt eines Parks mit einer Brunnenanlage, die nach dem Stifter, Kunstmäzen Hugo Reisinger, als ReisingerBrunnen bezeichnet werden sollte.253 Nathan beteiligte sich an der Konkurrenz mit zwei Entwurfsvarianten und ließ sich in beiden Fällen ebenso ungewöhnliche wie originelle Lösungen einfallen.
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Abb. 87:
Wettbewerbsentwurf für die Pädagogische Akademie Kassel, 1930, Grundriss, nicht realisiert (LBI: FN 14, 9, p. 11).
Der mit dem Kennwort „Vierklang“ versehene Beitrag ordnet um eine runde Brunnenschale vier hohe Pfeiler an, die jeweils von der Skulptur eines athletischen Schwimmers bekrönt werden.254 Offenbar sollte mit
252 Bau-Wettbewerbe a.a.O. (Anm. 250). 253 Zum Wettbewerb: Zentralblatt der Bauverwaltung 50. Jg., Nr. 43, 1930, S. 759; ebd. 51. Jg., Nr. 8, 1931, S. 131 (http://opus.kobv.de/zlb/abfrage_collections.php?coll_id=238). 254 Pläne im LBI: FN 23, 13, p. 325, 327–331; FN 35, p. 89, 92; FN 37, p. 177, 184; FN 39, p. 222, 226, 233. Ein Foto des Modells „Vierklang“ im LBI: FN 6, 15, p. 581.
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Abb. 88:
Wettbewerbsentwurf für den Reisinger-Brunnen in Wiesbaden, 1930, Kennwort „Vierklang“, nicht realisiert (LBI: FN 23, 13, p. 328).
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Abb. 89:
diesen Figuren auf die Bäder der Kurstadt Bezug genommen werden. Der Alternativentwurf verzichtet auf figürliche Darstellungen und zeigt stattdessen eine turmförmige Konstruktion über kreisförmigem Grundriss, die aus übereinandersitzenden, nach oben breiter werdenden Scheiben besteht. Für diesen avantgardistischen Entwurf wählte Nathan als Kennwor t den Namen des römischen Gottes der Quellen, Brunnen und fließenden Gewässer: „fons“.
Wettbewerbsentwurf für den Reisinger-Brunnen in Wiesbaden, 1930, Kennwort „fons“, nicht realisiert (LBI: FN 37, p. 177).
Dass keiner dieser Vorschläge im Wettbewerb einen Preis erhielt, mag an der Zusammensetzung der Jury gelegen haben. Denn ihr gehörten mit dem Architekten Theodor Fischer, einem der Lehrer Nathans, sowie den Bildhauern Karl Albiker und Max Läuger Ver treter einer Kunstauffassung an, die noch traditionellen Gestaltungen den Vorzug gab. Bezeichnenderweise erhielten die Wiesbadener Architekten Friedrich Wilhelm Hirsch und Edmund Fabry den ersten Preis. Gemeinsam mit dem Bildhauer Arnold Hensler schufen sie eine durchaus konventionelle Brunnenanlage mit Fontänen und der Skulptur einer Quellnymphe.
Entwurf für eine Synagoge in Zürich, 1930 Der dritte Wettbewerbsbeitrag des Jahres 1930 galt einer Synagoge der liberalen Israelitischen Kultusgemeinde in Zürich. Zum Wettbewerb, der neben dem Gotteshaus auch die Verwaltungsgebäude und die Schule umfasste, wurden zehn Architekturbüros aus Zürich und zehn weitere aus Deutschland eingeladen.255 Auf der Liste der ausgewählten Teilnehmer stand auch der Name Fritz Nathans, der durch den Frankfur ter Friedhof auf sich aufmerksam gemacht hatte. Eines der Jurymitglieder war Erich Mendelsohn.
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Für den Bauplatz auf einem Eckgrundstück an der General-Wille- und Lavaterstraße sah Nathan eine kubische Gebäudegruppe vor, in der die Synagoge wirkungsvoll vom Verwaltungstrakt und Schulhaus eingefasst wird.256 Das durch die Höhenabstufung, die Symmetrie und die Mittelachsenbetonung repräsentative Erscheinungsbild erinner t an die Frankfur ter Friedhofshalle und zeigt ein weiteres Mal die Vorliebe des Architekten für strenge, klar geglieder te Formen. Nur an der General-Wille-Straße lockern ein langgestreckter Seitentrakt für den Betsaal und ein in schrägem Winkel abzweigender Abschlussbau den Komplex auf. Nathan dachte sich die Synagoge als weiträumige Halle, die sich über einem gedrungenen rechteckigen Grundriss erhebt und an drei Seiten von Emporen umgeben ist. Die vier te Seite ist dem Schrein vorbehalten, in dem die Thorarollen aufbewahr t werden. Sie bildet eine geschlossene Wandfläche, die horizontal in zwei Zonen unter teilt ist, und lässt allein durch ihre Größe den in der Mitte stehenden Thoraschrein wirkungsvoll in Erscheinung treten. In den Seitenwänden sitzen hohe ver tikale Fensterbahnen, die farbig gefilter tes Licht in den Saal lenken. Wie bei der Frankfur ter Trauerhalle plante Nathan einen Raum von ernster und erhabener Wirkung, um so die innere Einkehr und die Konzentration auf das liturgische Geschehen zu fördern.
Zum Wettbewerb: Das Werk. Architektur, freie Kunst, angewandte Kunst, 17. Jg., Nr. 4, Zürich, April 1930, S. XVII, XIX; ebd. Nr. 6, S. XXIII (http://retro.seals.ch/digbib/de/dossearch). Außerdem Schweizerische Bauzeitung, Wochenschrift für Architektur, Ingenieurwesen, Maschinentechnik, Bd. 96, Nr. 4, Zürich, 25.1.1930, S. 50, 160–172 (http://retro.seals.ch/digbib/de/dossearch). Pläne und Fotos des Modells in: LBI: FN 6, 7; FN 23, 6.
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Abb. 90:
Wettbewerbsentwurf für eine Synagoge in Zürich, 1930, Modell, nicht realisiert (LBI: FN 6, 15, p. 579).
Als die Jur y am 14. Juli 1930 die fünf ersten Preise vergab, ging der Frankfur ter Architekt allerdings leer aus. Der erstprämier te Entwurf stammte vom jungen Salomon Liaskowski aus Zürich, der einer asymmetrischen, aufgelockerten Gebäudegruppe mit teils trapez- und segmentbogenförmigem Grundriss den Vorzug gab. Aber auch Liaskowski konnte seinen Entwurf nicht verwirklichen. Ausschlaggebend dafür waren die Ereignisse in Deutschland nach der Machtergreifung Hitlers. 1934 beschloss die Gemeinde, auf das neue Gotteshaus zu verzichten, da sie befürchtete, die Realisierung eines solch exponier ten jüdischen Bauwerks könne ein Übergreifen des Antisemitismus von Deutschland auf die Schweiz provozieren.257
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Abb. 91:
Wettbewerbsentwurf für eine Synagoge in Zürich, 1930, Grundriss des 1. Obergeschosses, nicht realisiert (LBI: FN 6, 7, p. 143)
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Abb. 92:
Wettbewerbsentwurf für eine Synagoge in Zürich, 1930, Zeichnung des großen Saals, nicht realisiert (LBI: FN 6, 7, p. 150).
257 Vgl. Dorothea Lüddeckens / Christoph Uehlinger / Rafael Walthert (Hrsg.), Die Sichtbarkeit religiöser Identität: Repräsentation – Differenz – Konflikt, Zürich (Theologischer Verlag) 2013, S. 178.
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und des wachsenden Antisemitismus in Deutschland Nach dem berüchtigten Schwarzen Freitag, also dem Zusammenbruch der New Yorker Börse am 25. Oktober 1929, gingen in Deutschland tausende Firmen in den Bankrott, die Bauindustrie brach ein und die Zahl der Arbeitslosen schnellte innerhalb kürzester Zeit in die Höhe. Nathan erhielt nun kaum noch Aufträge, was durch den wachsenden Antisemitismus und das Erstarken der 1920 gegründeten NSDAP noch verschlimmert wurde. Die Partei hatte nicht nur den Einzug in die Gemeinderäte und Landtage, sondern auch in den Reichstag geschafft, in dem sie 1930 mit 18,3 Prozent sogar zur zweitstärksten Kraft hinter der SPD wurde. Die antisemitische Hetze fand vieleror ts fruchtbaren Boden, und Schläger trupps der SA, der „Sturmabteilung“ der NSDAP, versetzten die jüdische Bevölkerung in Angst und Schrecken. Es kam immer öfter zu antisemitischen Übergriffen, vereinzelt auch zu pogromartigen Zwischenfällen, wie den Kurfürstendamm-Krawallen vom 12. September 1931, dem Tag des jüdischen Neujahrsfestes, als Berliner Juden nach dem Besuch der Synagogen auf offener Straße von SA-Trupps überfallen wurden. Zudem wurden seit Beginn der Wir tschaftskrise Geschäfte und Warenhäuser jüdischer Eigentümer schikaniert und boykottiert. Nathan bekam die Auswirkungen durch den Rückgang der Aufträge zu spüren. Viele Jahre später schrieb er : „Die nationalsozialistische Propaganda hatte sich jahrelang vor der Machergreifung durch Hitler vornehmlich gegen das juedische Warenhaus gewandt. Diese Agitation wurde fuer mich – als Spezialist auf dem Gebiet des Warenhausbaues – schon in den Jahren 1930–1931 fühlbar, da das Deutsche Beamtenwarenhaus (DEBEWA) einen jüdischen Architekten nicht mehr zu beschäftigen wagte; der Warenhauskonzern Hermann Wronker A.G. mit seinen Filialen mich zwar noch mit seinen Projekten beauftrage, diese aber infolge des wesentlichen Geschäftsrückgangs nicht durchführen konnte.“258 Wie er weiter ausführte, scheiter te damals auch das (im Entwurf nicht überliefer te) Projekt eines Warenhauses der Gebr. Alsberg AG. Dieses bedeutende Handelsunternehmen mit Sitz in Bochum hatte den Architekten Anfang 1932 mit einem Kaufhausneubau in Bielefeld beauftragt, um kurz danach die Einstellung aller Arbeiten zu veranlassen.
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Ausschlaggebend dafür war das Ergebnis der preußischen Landtagswahl vom 24. April 1932, das den weiteren Aufstieg der Nationalsozialisten signalisier te. Die NSDAP lag damals mit über 36 Prozent weit vor den demokratischen Par teien. Vielleicht hoffte Nathan auf bessere Zeiten und glaubte, eines Tages in Deutschland wieder an seine früheren Erfolge anknüpfen zu können. Immerhin hatte er sich hohes Ansehen in der Fachwelt erworben, wie neben den zahlreichen Veröffentlichungen seiner Werke auch die Einladung zur Teilnahme an der Deutschen Bauausstellung in Berlin im Jahr 1931 bewies. In dieser bedeutenden Leistungsschau des Bauens in Deutschland präsentier te der Bund Deutscher Architekten von Mai bis Juli 1931 die Sonderausstellung „Das Bauwerk in unserer Zeit“ mit Arbeiten von 155 Architekten, darunter auch Beiträge Nathans.259 Der Architekt glaubte sich damals erst am Beginn seiner Karriere. „Es war ein sehr erfolgreicher Anfang für einen im Jahre 1931 40-jährigen!“260 So schrieb er viele Jahre später im amerikanischen Exil – wissend, dass er sich getäuscht und der Nationalsozialismus seine Karriere in Deutschland zunichte gemacht hatte. Hatte er 1929 noch rund 94.000 RM verdient, so sank sein Einkommen 1930 auf zirka 31.000 und 1932 auf 22.000 RM.261 Diese enormen finanziellen Einbußen und der allgemeine Rückgang der Aufträge mag mit dazu beigetragen haben, dass sich Nathan Anfang der 30er Jahre einer Bauaufgabe zuwandte, die er bis dahin vernachlässigt hatte. Denn obwohl Frankfurt durch das von Stadtbaurat Ernst May initiier te, groß angelegte Stadterweiterungsprojekt „Neues Frankfurt“ seit 1925 im Siedlungsbau in Deutschland führend war, zeigte er lange Zeit keine Ambitionen, sich in diesem Bereich zu engagieren. Dies änder te sich erst im Zuge der Weltwir tschaftskrise, als die wachsende Armut und Obdachlosigkeit den Bau kostengünstiger Wohnungen dringender denn je machten.
Entwurf für eine Stadtrandsiedlung, um 1930 Um 1930 beteiligte sich Nathan erstmals an einem Wettbewerb für eine Stadtrandsiedlung. Die näheren Umstände des Wettbewerbs sind nicht überliefer t; dagegen lässt eine von Carl Müller erstellte Skizze den Schluss zu, dass jener maßgeblich in die Planung
Erinnerung 1958 a.a.O. (Anm. 31). Ein Exemplar des Begleitheftes zur Ausstellung (Das Bauwerk unserer Zeit. Ausstellung des Bundes Deutscher Architekten. Berlin 1931) im LBI: FN 26, 15, p. 321–331. Erinnerung 1958 a.a.O. (Anm. 31). Nathan legte seine Einkommensverhältnisse für den Zeitraum von 1927 bis 1937 im Zuge des Wiedergutmachungsverfahrens in den 50er Jahren offen. Liste Berufseinkommen, Anhang zum Brief seines Anwalts vom 20.3.1958 an die Entschädigungsbehörde Wiesbaden. LBI: FN 26, 15, p. 171.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938 eingebunden war. Die überliefer ten Zeichnungen bestehen aus zwei Entwurfsvarianten, die mit den Kennworten „Übereinander“ und „Ein-Dach“ versehen sind. Es sind geradezu mustergültige Lösungen für einen günstigen und effektiven Siedlungsbau, wie er in den Zeiten der Wir tschaftskrise seitens der Kommunen eingefordert wurde.262 Die Pläne zeigen Doppelhäuser, die entsprechend den Idealen des Siedlungsbaus jener Jahre mit Nutzgärten und Stallungen verbunden sind. Dadurch sollten Erwerbslose und Geringverdiener die Möglichkeit zur Selbstversorgung erhalten. In einer Variante ist jedes Doppelhaus mit einem anderen über zwei Seitenflügel, die als Ställe dienen, verbunden. Dazwischen liegen zwei voneinander getrennte Innenhöfe. Nathan dachte sich die Häuser als Fachwerkkonstruktionen aus Holz und Ziegelmauerwerk. Durch die einfache Bauweise sollten Kosten gespar t und die Siedler wie bei anderen vergleichbaren Anlagen der Zeit ermutigt werden, ihr Heim in Eigenarbeit zu errichten. Die Planung berücksichtigte zudem die Möglichkeit, die Häuser in mehreren Bauabschnitten zu realisieren, um sie zum Beispiel bei Familienzuwachs erweitern zu können. Im Erdgeschoss waren die Küche und das Wohnzimmer, im Obergeschoss die Schlafzimmer vorgesehen.
Wohnungsbauausstellung in Frankfurt, 1932 1932 beteiligte sich Nathan auch an einer Ausstellung der Frankfur ter Or tsgruppe des Bundes Deutscher Architekten, die am 23. März 1932 unter dem Titel „Billige Häuser zu festen Preisen“ in der Kaiserstraße 6 eröffnet wurde. Die Ausstellung richtete sich gezielt an Bauherren, Architekten, Bauindustrie und Bauhandwerk, um zu zeigen, dass auch in den Krisenzeiten „der Wunsch nach einem eigenen Heim erfüllt werden kann“.263 Insgesamt 29 Mitglieder des BDA stellten ihre Entwürfe in Verbindung mit ör tlichen Baufirmen aus, um die Häuser zu garantier ten Preisen anzubieten. Dabei schwankten die Summen, je nach Objekt, zwischen rund 10.000 und 30.000 RM. Nathan präsentier te zwei Projekte.264 Eines galt einer zweigeschossigen Reihenhauszeile, bestehend aus 13 Wohneinheiten mit jeweils 4 Zimmern nebst Küche und Bad sowie einem Kellergeschoss mit Vorratsraum und Waschküche. Jeder Wohnung ist ein Ziergar ten mit einer von einer Pergola überdachten Terrasse
zugeordnet. Hohe Mauern dienen als Sichtschutz zu den Nachbarn. Diese Details zeigen, dass die Häuser für Familien mit mittlerem Einkommen vorgesehen waren. Des Weiteren offerier te Nathan ein zweigeschossiges Einfamilienhaus für gehobene Ansprüche, es sollte sogar ein Zimmer für eine Haushaltshilfe erhalten. Dieser Raum ist im Entwurf im Erdgeschoss eingerichtet, in dem auch die Küche, das Wohn-, Essund Arbeitszimmer vorgesehen sind, während das Obergeschoss zwei Kinderzimmer, das Schlafzimmer der Eltern und ein „Zimmer der Hausfrau“ aufnimmt. Ein niedriger Anbau mit über Eck geführ tem Fenster und überdachter Terrasse sollte dem Arbeitszimmer des Hausherrn und einer im Untergeschoss sitzenden Garage dienen.
262 Pläne im LBI: FN 13, 8, p. 488–500. 263 Zitier t aus dem nicht illustrier ten Begleitheft der Ausstellung. LBI: FN 26, 15, p. 278–282. 264 Die Pläne Nathans im LBI: FN 13, 8, p. 281–303.
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Abb. 93:
Wettbewerbsentwurf für eine Stadtrandsiedlung, um 1930, Kennwort „Übereinander“, Lageplan und Gesamtansicht, nicht realisiert (LBI: FN 13, 8, p. 489).
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Abb. 94:
Wettbewerbsentwurf für eine Stadtrandsiedlung, um 1930, Kennwort „Übereinander“, Doppelhaus, nicht realisiert (LBI: FN 13, 8, p. 495).
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Abb. 95:
Entwurf für Reihenhäuser, Beitrag zur Ausstellung „Billige Häuser zu festen Preisen“, 1932, Lageplan, Grund- und Aufrisse, nicht realisiert (LBI: FN 13, 8, p. 285).
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Abb. 96:
Entwurf eines Einfamilienhauses, Beitrag für die Ausstellung „Billige Häuser zu festen Preisen“, 1932, Modell, nicht realisiert (LBI: FN 7, 1, p. 326).
Geschäftshaus in Luxemburg, 1932–1933 Da er in Deutschland um seine berufliche Existenz fürchten musste, bemühte sich Nathan auch im benachbar ten Ausland um Bauprojekte. So konnte er Anfang der 30er Jahre in Luxemburg, der über 200 km von Frankfur t entfernten Hauptstadt des gleichnamigen Großherzogtums, ein Geschäftshaus errichten. Auftraggeber waren Nathan Hertz und dessen Frau Jenny, geborene Grünstein, die ein Geschäft für Pelzwaren betrieben. Die Ausführungsarbeiten vor Or t leitete Léon Leclerc, ein or tsansässiger Architekt.266
Nathan bot das Einfamilienhaus gemeinsam mit der Frankfur ter Firma Schmidt-Diehler zum Preis von 20.000 RM an. Wohl als Ergebnis der Ausstellung erhielt er 1932 den Auftrag für ein ähnliches Wohnhaus, das an der Eichendorffstraße zwischen Mörikeund Karl-Stieler-Straße errichtet werden sollte, das aber über das Stadium der Planung nicht hinaus kam.265
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265 Pläne im LBI: FN 14, 4, p. 262–272. 266 Fotos des Modells im LBI: FN 7, 1, p. 317–320; FN 7, 4, p. 262.
Das sechsgeschossige Geschäftshaus, Fourrures Jenny genannt, bildet bis heute einen eleganten modernen Akzent in der Altstadt Luxemburgs. Es steht in der Grand-Rue 9–11 an der Ecke zur Rue du Fossé und fällt zunächst durch seine abgerundete, von Fenstern durchbrochene Hauptecke auf. Die Wände sind mit hellem Traver tin verkleidet, während das Erdgeschoss mit Schaufenstern großzügig verglast ist. Horizontale Fensterbänder gliedern die darüber sitzenden Stockwerke, wobei die Fensterzone des ersten Obergeschosses, ähnlich wie bei den beiden Mannheimer Kaufhäusern, durch Metallfassungen akzentuier t ist. Zum ansprechenden Erscheinungsbild trägt auch das leicht zurückgesetzte Dachgeschoss bei, das einen stufenförmigen Abschluss verleiht. Die Visitenkar te
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938 des Hauses ist jedoch die abgerundete Ecke, die hier auch als Element städtebaulicher Gestaltung dient und an einen der beiden Entwürfe von 1928–1929 für das Woolwor th-Kaufhaus in Frankfur t erinnert. Das Geschäftshaus war eines der ersten Eisenskelettgebäude in Luxemburg. Dor t näher te man sich dem Neuen Bauen um 1930 erst zaghaft an, so dass die Schöpfung Nathans nicht nur Aufsehen erregte, sondern auch zum Vorbild anderer Häuser wurde. Bereits 1934 entstand auf dem gegenüberliegenden Grundstück als städtebauliches Pendant die Gebäudegruppe „À la Bourse“ mit ebenfalls abgerundeter Ecke. Nicht zufällig ist der Name des Architekten mit jenem identisch, der die Bauarbeiten in der Grand-Rue 9 –11 leitete.
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Abb. 97:
Geschäftshaus Fourrures Jenny in Luxemburg, 1932–1933, bauzeitliche Fotografie des Modells (LBI: FN 7, 1, p. 320).
Als Luxemburg im Zweiten Weltkrieg von deutschen Truppen bedroht war, floh das Ehepaar Her tz 1939 in die USA, gerade noch rechtzeitig vor dem Einmarsch der Wehrmacht. Davor nutzten die Geschäftsleute die Dienste des Frankfur ter Architekten auch für den 1936 durchgeführ ten Umbau eines Verkaufsraums in der Rue de Fossé, Ecke Rue du Curé. Außerdem beauftragten sie ihn mit der Einrichtung ihrer Wohnung. Nathan entwarf Tische und Stühle, einen Schrank für das Herrenzimmer sowie die Einrichtungen des Speise- und des Schlafzimmers. Auch die Vergabe der Arbeiten an eine Möbelfabrik gehörte zu seiner Aufgabe.267 Mehr als je zuvor war er auf solche kleineren Aufträge angewiesen, geriet er doch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 endgültig ins berufliche Abseits.
Planen und Bauen in der NS-Zeit, 1933 –1938 Nach dem Sieg der NSDAP bei der Reichstagswahl vom 5. März 1933 rief Joseph Goebels am 22. September desselben Jahres die Reichskulturkammer ins Leben, um sie als Instrument der Gleichschaltung und Überwachung von Künstlern, Architekten und anderen Kulturschaffenden einzusetzen. Per Gesetz durfte der Organisation keine Person angehören, welche „die für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung nicht besitzt.“268 Sinn und Zweck dieser Bestimmung war die systematische Ausgrenzung von Juden aus dem Kulturleben, denn nur wer in der Reichskulturkammer gemeldet war, durfte seinen Beruf frei ausüben. Jüdische Künstler und Architekten, die dies beantragten, wurden aber mit Schreiben
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Abb. 98:
Geschäftshaus Fourrures Jenny in Luxemburg, 1932–1933, Fotografie 2013 von Roland Behrmann.
dieser Ar t abgespeist: „Ihr Antrag auf Aufnahme in die Reichskammer der bildenden Künste, Fachverband für Baukunst, lehne ich gemäß dem § 10 der ersten Verordnung zur Durchführung des Reichskammerkulturgesetzes vom 1. November 1933 (RGBlI, S. 797) ab, da Sie Nichtarier sind und als solcher die für die Erzeugung deutschen Kulturguts erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung nicht besitzen“.269
267 Pläne und Korrespondenz zu beiden Projekten im LBI: FN 7, 4. Dor t auch ein Foto des Geschäftshauses Rue du Fossé (p. 248). 268 1. Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetz vom 1.11.1933, § 4 (www.verfassungen.de/de/de33-45/kulturkammer33.htm). 269 Zitier t aus einem Brief der Reichskammer der bildenden Künste vom 8.5.1935 an den Berliner Architekten Franz L. Jaretzi, veröffentlicht in Warhaftig a.a.O. (Anm. 59), S. 18.
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 Nathan berichtete später : „Die nationalsozialistische Bewegung und die Machtergreifung durch Hitler hatten mich als Architekt großer Projekte ausgeschaltet und schließlich im Jahre 1934 mir die Ausuebung des Berufs fast unmöglich gemacht, da ich als Jude nicht in die Kulturkammer aufgenommen und aus allen Berufsverbaenden ausgeschlossen wurde.“270 Der Architekt war erst 1930 dem Deutschen Werkbund beigetreten. Vier Jahre später wurde die Mitgliedschaft aufgelöst, 1935 strich ihn auch der Bund Deutscher Architekten, dem er seit 1922 angehörte, aus der Mitgliederliste.271 In seiner beruflichen Existenz bedroht, versuchte sich Nathan gegen die Ausgrenzung zur Wehr zu setzen. Nicht anders lässt sich erklären, dass er als Kriegsveteran für sich das „Ehrenkreuz für Frontkämpfer“ beantragte, das Reichspräsident Generalfeldmarschall von Hindenburg 1934 zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg stiftete. Die Auszeichnung wurde ihm zwar am 2. August 1935 „Im Namen des Führers und Reichskanzlers“ verliehen.272 Dies freilich schützte ihn aber nicht vor Diskriminierung und Ausgrenzung. Die perfide Logik des Antisemitismus schränkte die Berufsausübung allerdings nicht in jedem Fall ein. Denn für jüdische Auftraggeber durfte Nathan noch arbeiten, so dass er auch nach 1933 noch eine Reihe von Projekten durchführen konnte. Diese erreichten zwar nicht die früheren Größenordnungen, sicherten ihm aber doch kleinere Einnahmen, wobei das Jahreseinkommen zeitweise sogar leicht anstieg: von 11.400 RM im Jahr der „Machtergreifung“ auf über 16.000 RM in den Jahren 1934 und 1935.273 Dies mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass sich Nathan im Unterschied zu vielen seiner jüdischen Kollegen erst gegen Ende der 30er Jahre für die Emigration entscheiden sollte. Sein Bruder Otto floh dagegen bereits 1933 in die USA, wo er zunächst als Lehrbeauftragter an der Fakultät für Wir tschaftswissenschaften der Princeton University tätig war und 1935 an die New York University wechselte. Der weitere Lebensweg Otto Nathans sei hier nur kurz skizzier t. Otto war seit seinem Aufenthalt in Princeton eng mit Alber t Einstein befreundet, der ihn 1950 zum Verwalter seines wissenschaftlichen Nachlasses bestimmte. Nach dem Tod des Wissenschaftlers im Jahr 1955 widmete er sich dem Aufbau eines Einstein-Archivs, das er 1982 der Hebräischen Universität Jerusalem übergab. Er
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wurde aber auch als linker Pazifist bekannt, der in das Visier der berüchtigten McCar thy-Ausschüsse geriet. Er verlor seine Stelle an der Universität, und als er außerhalb der USA unterrichten wollte, verweiger ten ihm die Behörden den Reisepass. Dagegen setzte er sich erfolgreich zur Wehr und wurde so zu einer Symbolfigur des Widerstands gegen die Verfolgung linker Intellektueller in den USA der 1950er Jahre.274 Dass Fritz seinem Bruder nicht schon früher ins amerikanische Exil folgte, mag neben der noch einigermaßen er träglichen finanziellen Situation auch familiäre Gründe gehabt haben. Die Schwangerschaft von Lucie sowie die Gebur t der kleinen Doris 1935 dürften ebenso eine Rolle gespielt haben wie die Tatsache, dass er Eltern und Schwiegereltern nicht allein in Deutschland zurücklassen wollte. Dabei fiel es ihm keinesfalls leicht, den Beruf des Architekten weiter auszuüben. Denn seine jüdischen Auftraggeber scheuten aufgrund der antisemitischen Anfeindungen größere Baumaßnahmen, wenn sie denn überhaupt noch zu bauen wagten. Sein nichtjüdischer Mitarbeiter Carl Müller blieb Nathan auch in dieser schwierigen Zeit verbunden, obwohl er sich dadurch ebenfalls der Gefahr von Anfeindungen aussetzte. Andererseits musste Müller an die Sicherung seines eigenen Lebensunterhalts denken, so dass er sich vermehr t um eigene Aufträge bemühte. 1933 einigten sich beide Architekten auf ein neues Ver tragsverhältnis, das Nathan wie folgt zusammenfasste: „Da die vorliegenden Aufgaben mir nicht mehr die Möglichkeit geben, Sie voll zu beschäftigen, und andererseits bei Ihnen der Wunsch besteht, sich durch eigene Bauaufträge eine neue Existenz zu schaffen, haben wir uns verständigt, dass Sie vom 1. Juni 1933 ab nur noch halbtägig – bei stundenweiser Berechnung – bei mir beschäftigt sind […].“ Er schloss das Schreiben mit der Formulierung ab: „Ich würde es begrüßen, wenn wider Erwarten die Verhältnisse sich zu meinen Gunsten verändern würden, um auch Ihr Vertragsverhältnis wieder in vollem Umfange in Kraft treten zu lassen.“275 Die Werklisten des Architekten verzeichnen bis 1937 ein Dutzend Wohnungsteilungen, jeweils eine in Berlin und Heidelberg, die anderen in Frankfur t.276 Die Bauaufgabe war der wir tschaftlichen Not der jüdischen Eigentümer geschuldet, die ihre Wohnungen verkleinern ließen, um einen Teil untervermieten
Erinnerung 1958 a.a.O. (Anm. 31). Angaben aus dem vom Architekten verfassten Lebenslauf bis zur Emigration. LBI: FN 26, 15, p. 157. Schreiben des Polizeipräsidenten Frankfur t vom 2.8.1935. LBI: FN 26B, 16, p. 794. Liste Berufseinkommen a.a.O. (Anm. 261). Zu Otto Nathan, der 1987 im Alter von 93 Jahren in New York starb, u.a. Tetzlaff a.a.O. (Anm. 5). Brief vom 2.6.1933 an Carl Müller. LBI: FN 1, 2, p. 62.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938 oder verkaufen zu können. Den widrigen Zeitumständen zum Trotz kam es vereinzelt aber auch zum Ausbau von Wohnungen sowie zu einer Reihe kleinerer Aufträge für Fabriken und Ladengeschäfte. Dies änder te sich ab Mitte der 30er Jahre im Zuge der sogenannten „Arisierung“, als immer mehr jüdische Unternehmer unter Druck gesetzt wurden, ihre Betriebe deutlich unter Wer t zu verkaufen. Endgültig setzten die Nationalsozialisten die „Arisierung“ mit der Verordnung vom 3. Dezember 1938 über den Einsatz des jüdischen Vermögens durch. Die noch vorhandenen jüdischen Betriebe wurden nun zwangsweise aufgelöst oder nichtjüdischen Inhabern über tragen.
Entwurf für die Schuhfabrik J. und C. A. Schneider in Frankfurt a. M., 1933 Eines jener Unternehmen, das in den ersten Jahren der NS-Diktatur noch Investitionen wagte, war die Frankfurter Schuhfabrik J. und C. A. Schneider.277 Diese 1908 gegründete Firma, die weltweit führend in der Fabrikation von Hausschuhen war und ihren Sitz in der Mainzer Landstraße 281–285 hatte, sollte auf die Nachbargrundstücke Nr. 287–291 vergrößert werden. Nathan schuf im Juni 1933 den Entwurf für einen zweigeschossigen Neubau an der Kleyerstraße, der durch rechteckige Fensterfelder geglieder t und zur Nachbarbebauung auf vier Geschosse erhöht ist. Im Treppenhaus und an der Hofeinfahr t sind als einfaches modernes Gestaltungselement Rundfenster eingefügt. Die Durchführung dieses Projekts lässt sich nicht nachweisen. Die Fabrik wurde 1938 „arisier t“ und im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstör t.
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Abb. 99:
Entwurf für die Erweiterung der Schuhfabrik Schneider in Frankfurt a. M., Planzeichnung mit Ansicht und Querschnitt, datiert am 26.6.1933, Realisierung nicht nachgewiesen (LBI: FN 10, 3, p. 417).
Strickwarenfabrik L. S. Brinkmann AG in Eschwege, 1934–1935 Die Strickwarenfabrik L. S. Brinkmann AG in Eschwege war nach Levi Brinkmann benannt, dem 1907 verstorbenen Gründer des Unternehmens und langjährigen Vorstand der jüdischen Gemeinde des Ortes, für die Nathan 1927 eine jüdische Schule entworfen hatte.278 Mitte der 30er Jahre schuf er für die bestehende Werksanlage zwischen der Friedrich-Wilhelm-Straße 40–42 und der heutigen Lessing-, ehemals Königstraße, einen einfachen zweigeschossigen Anbau „mit Bügelsaal und anderen weitläufigen Arbeitsräumen, mit gekachelten Wasch- und Badezellen, einem Sanitätsraum und großzügig ausgestattetem Speise- und Gemeinschaftsraum“.279 276 277 278 279
Das heute nicht mehr erhaltene Gebäude war in Anlehnung an das Neue Bauen ausgeführ t, das von den Nationalsozialisten zwar aus ideologischen Gründen abgelehnt, im Industriebau aber wegen der funktionalen Vor teile noch akzeptier t wurde. 1938 „arisier t“, wurde die Fabrik 1949 wieder den früheren jüdischen Eigentümern zurückgegeben. Danach existier te sie noch bis 1974. An ihrer Stelle steht seit 1977 das Gebäude der Sparkasse Werra-Meißner.
Werkverzeichnis 1958 a.a.O. (Anm. 53). Pläne im LBI: FN 10, 3, p. 415–422. www.alemannia-judaica.de/eschwege_texte.htm. Pläne im LBI: FN 10, 3, p. 377–406. Zitat aus der Festschrift 90 Jahre L.S. Brinkmann G.m.b.H. Strick- und Wirkwarenfabrik Eschwege, M. Gladbach [1954], S. 15. Dor t (S. 10 f.) findet sich auch eine Zeichnung der Fabrik mit dem Erweiterungsbau Nathans.
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Abb. 100:
Erweiterung der Strickwarenfabrik L. S. Brinkmann AG in Eschwege, 1934–1935, Planzeichnung mit zwei Ansichten, datiert am 18.6.1934 (LBI: FN 10, 3, p. 377).
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 Einer der wichtigsten Auftraggeber in den 30er Jahren war die Frankfur ter Niederlassung des Londoner Bankhauses Erlangers Ltd. Die Bank besaß eine Immobilie in der Neuen Mainzer Landstraße 225–227, zu der das sogenannte Golohaus, eine ehemalige Schuhfabrik, gehör te. Nathan zeichnete über mehrere Jahre, von 1933 bis 1938, für Reparaturen, Modernisierungs- sowie Aus- und Umbauarbeiten verantwor tlich.285
Entwurf für ein Gemeindehaus in Darmstadt, 1934
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Abb. 101:
Entwurf für ein Jüdisches Gemeindehaus in Darmstadt, 1934, Gemeindesaal, nicht realisiert (LBI: FN 14, 10, p. 142).
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Die Werkverzeichnisse des Architekten nennen eine Reihe weiterer Bauten und Projekte. Realisier t wurden ein Möbelgeschäft namens Kaiserkeller in Frankfur t (1933), ein Ausstellungsraum der auf Badeund Kücheneinrichtungen spezialisier ten Butzke AG, ebenfalls Frankfur t (1935), sowie ein Verkaufsraum des Frankfur ter Damenkonfektionshauses Wagener & Schlötel (1937–1938).280 Bei zwei anderen Objekten, der Kleiderfabrik Fritz Vogel in Frankfur t (1937– 1938) und der Kamerafabrik der Gebrüder Wirgin in Wiesbaden (1938), notier te der Architekt: „Nicht ausgefuehrt infolge antijuedischer Massnahmen der Hitlerregierung“.281 Die Frankfur ter Kleiderfabrik war 1923 zwischen der heutigen Theodor-Heuss-Allee und der Hamburger Allee errichtet worden. Es ist davon auszugehen, dass sie modernisier t oder erweiter t werden sollte. Gleiches lässt sich für die 1924 gegründeten Wirgin Kamerawerke in Wiesbaden vermuten.
Eine Reihe weiterer Aufträge verdankte Nathan jüdischen Gemeinden und Vereinen. So plante er 1934 ein Gemeindehaus mit einem Betsaal für das rund 30 km südlich von Frankfur t gelegene Darmstadt, wo er einst sein Architekturstudium begonnen hatte.286 Das Haus sollte hinter der liberalen Synagoge in der Friedrichstraße 2, einem neoromanischen, mit maurischen Stilelementen versehenen Bau von 1876, errichtet werden. Der überliefer te Entwurf zeigt einen einfachen Saal mit rechteckigem Grundriss und Walmdach. In früheren Jahren hätte der Architekt das Gemeindehaus möglicherweise im Sinne des Neuen Bauens gestaltet und mit einem Flachdach ausgestattet. Nach 1933 war dies aber infolge des Kampfes der Nationalsozialisten gegen die Bauhausmoderne nicht möglich. Nathan musste sich dem Heimatschutzstil anpassen, der teilweise schon in früheren Jahren, nun aber erst recht in der NS-Zeit mit völkischem Gedankengut einherging. Selbstverständlich waren der Architekt und seine jüdischen Auftraggeber weit davon entfernt, sich diese Auffassung zu eigen zu machen. Das Gebäude zeigt denn auch keine heimattümelnde Gestaltung, sondern greift letztlich nur durch ein Satteldach die Forderung nach landestypischer Architektur auf.
Nathan befasste sich auch mit dem Ausbau technischer Einrichtungen in der Lederfabrik Epstein in Frankfur t-Niederrad (1935).282 Ein nicht datier ter, vermutlich aber ebenfalls in den 30er Jahren erstellter Entwurf galt einer Lagerhalle der Firma Jacob Dreifuß im Frankfur ter Osthafen.283 Andere Pläne betrafen den Neubau von Garagen, freilich keine Großgarage mehr, wie er sie 1928 für Mannheim geplant hatte, sondern einfache kleinere Unterstellplätze.284
Wäre es zur Realisierung gekommen, hätte das Haus einen einfachen Versammlungs- und Betsaal umschlossen, in dem knapp unterhalb der Decke sitzende Fensterbänder Tageslicht in das Innere gelenkt hätten. Die Vermutung liegt nahe, dass die Gemeinde auf tiefer sitzende Fenster nicht nur verzichtete, um die Konzentration auf den Gottesdienst zu stärken, sondern auch um bei Versammlungen und Gottesdiensten keine Übergriffe nationalsozialistischer
Weitere Bauten und Projekte für Industrie und Gewerbe
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Werkverzeichnis 1958 a.a.O. (Anm. 53). Ebd. Plan im LBI: FN 10, 3, p. 424. Plan ebd., p. 407. Pläne im LBI: FN 10,3, p. 437–448, 450, 469–481. Hierzu Brief des Bankhauses an Nathan vom 13.7.1939. LBI: FN 26B, 16, p. 792. Entwürfe im LBI: FN 10, 3, p. 430–449. Pläne im LBI: FN 14, 10, p. 118–147.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938
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Abb. 102:
Jüdische Schule in Offenbach, 1934–1937, Planzeichnung mit Außenansichten, datiert am 15.5.1934 (LBI: FN 14, 9, p. 36).
Schläger trupps zu provozieren. Spätestens aber in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 hätte das Gemeindehaus mit hoher Wahrscheinlichkeit das gleiche Schicksal wie die Synagoge erfahren. Sie wurde von den Nazis geschändet, angezündet und vollständig zerstör t. Auch die or thodoxe Synagoge in der Bleichstraße gegenüber (ein Jugendstilbau von 1906) fiel dem braunen Terror zum Opfer.287
Jüdische Schule in Offenbach a. M., 1934– 1937 Im April 1934 gründeten vom Schuldienst suspendier te jüdische Lehrer eine Israelitische Bezirksschule in Offenbach bei Frankfur t. Sie reagier ten damit auf einen Erlass der Nationalsozialisten, der jüdischen Kindern den weiteren Besuch öffentlicher Schulen verwehr te. Nathan schuf im Mai und Juni 1934 die Pläne des Unterrichtsgebäudes, die als Bauplatz das an der Kaiserstraße liegende Areal der Offenbacher Synagoge nennen. Das Gotteshaus im Stil eines neuklassizistischen Kuppelbaus stammte von 1915; heute dient es als Veranstaltungshaus „Capitol“. Der Architekt entwarf das einfache Schulhaus und dessen 287 288 289 290 291
Turnhalle teils als Neubau, teils unter Einbeziehung vorhandener Gebäude.288 Nach den Werklisten Fritz Nathans wurde die Schule, an deren Stelle heute ein Neubau der Nachkriegszeit steht, 1937 errichtet.289
Trauerhalle in Bingen, 1935 Zwei Jahre zuvor zeichnete Nathan für die Erweiterung der Trauerhalle auf dem jüdischen Friedhof seiner Gebur tsstadt verantwor tlich.290 Er fügte dem kleinen Gebäude von 1878, das mit einem Satteldach abschloss und direkt an die Friedhofsmauer angrenzte, einen schlichten Anbau mit flach geneigtem Dach an, unter dem die bis dahin fehlende Leichenhalle Platz fand. Die Pläne stammen vom Mai und Juni 1935. Die noch im selben Jahr durchgeführ te Baumaßnahme dürfte damit zusammenhängen, dass der jüdischen Gemeinde die zuvor genutzten Leichenräume des benachbar ten christlichen Friedhofs nicht mehr zugänglich waren.291 Das Gebäude hat sich nach der Vernichtung der jüdischen Gemeinde in Bingen nicht erhalten; nach jahrelanger Vernachlässigung wurde es 1970 abgebrochen.
Hierzu Mar tin Frenzel (Hrsg.), „Eine Zierde unserer Stadt“. Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Liberalen Synagoge in Darmstadt, Darmstadt (Justus von Liebig Verlag) 2008. Pläne im LBI: FN 14, 9, p. 30–47. Vgl. auch www.alemannia-judaica.de/offenbach_synagoge.htm. Werkverzeichnis 1958 a.a.O. (Anm. 53). Pläne im LBI: FN 13, 5, p. 88–91. Nach Knufinke a.a.O. (Anm. 89), S. 302. Vgl. auch http://www.alemannia-judaica.de/bingen_friedhof.htm (11.3.2014).
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Abb. 103:
Entwurf für eine Trauerhalle der Israelitischen Religionsgesellschaft in Binz-Witikon bei Zürich, Vorder- und Seitenansicht, 1934, nicht realisiert (LBI: FN 13, 4, p. 60).
Lehrerheim in Bad Ems, 1935 1935 wurde Nathan auch nach Bad Ems gerufen, rund 100 km westlich von Frankfur t. Dor t befand sich ein Alters- und Erholungsheim für jüdische Kantoren und Lehrer, das 1930 auf Initiative einer Gruppe Frankfur ter Juden gegründet worden war und aus der Umnutzung des ehemaligen Israelitischen Waisenhauses in der Römerstraße 89 hervorging. 1933 berichtete das jüdische Gemeindeblatt, das „segensreiche Wirken“ der Einrichtung sei inzwischen allgemein bekannt und „Hunderte von Lehrern und Lehrerinnen, Kantoren, Gemeinde- und Sozialbeamten, sowie deren Ehefrauen und Witwen“ hätten inzwischen „zu sehr mäßigen Preisen Aufenthalt und Erholung“ im Heim gefunden.292 Im Januar und Februar 1935 plante Nathan die Aufstockung des einfachen zweigeschossigen Gebäudes um eine dritte Etage; im April erstellte er den Möblierungsplan.293 Ein Anbau, vermutlich nach dem Entwurf Nathans, wurde am 8. Juli 1935 seiner Bestimmung übergeben. Bei der Einweihung der neuen Räume hob der Frankfur ter Rabbiner Dr. Jacob Horovitz hervor, dass „für den Zweck der Schaffung einer Stätte der Ruhe für altgediente jüdische Lehrer und Beamte ein Erweiterungsbau auch in dieser Zeit allgemeine Billigung finden könne.“294 Das Heim existier te noch bis 1939, dann wurde es von den Nationalsozialisten aufgelöst. An seiner Stelle befindet sich heute ein Bau jüngeren Datums.
Entwurf für eine Trauerhalle in Binz-Witikon bei Zürich, 1934 Nachdem Nathan 1930 am Wettbewerb für eine neue Synagoge in Zürich teilgenommen hatte, befasste er sich 1934 ein weiteres Mal mit einem Bau-
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vorhaben in der schweizerischen Stadt. Damals plante die or thodoxe Israelitische Religionsgesellschaft einen neuen Friedhof, der seinen Standor t in der Nähe von Zürich, in Binz-Witikon, einem Ortsteil der Gemeinde Maur, erhalten sollte. Die Skizzen und Planzeichnungen, die nach Angaben des Architekten 1934 entstanden, zeigen die Trauerhalle als einen längsgerichteten Bau, der im hinteren Bereich dem Kondolenz- und Leichenraum dient, während der vordere Teil eine offene Eingangshalle und daran anschließend den Saal für die Trauerfeiern aufnimmt.295 Im Unterschied zur Frankfur ter Trauerhalle trennt ein Spalt in Wand und Dach nicht nur den Leichenraum, sondern auch die Nische für die Aufbahrung der Toten von der Abdankungshalle. In dem or thodoxen Haus sollten die Kohanim also nicht in einem abgetrennten Nebenraum, sondern inmitten der Trauergemeinde an der Zeremonie teilnehmen können. Der Saal ist mit einer Tonne überwölbt, während ein hohes Satteldach mit umlaufenden, niedrig geneigten Dächern das auffallend traditionelle Erscheinungsbild prägt. Dass Nathan nach 1933 auch außerhalb Deutschlands nicht mehr den Stil des Neuen Bauens verwendete, mag der eher konservativen Ausrichtung der Israelitischen Religionsgesellschaft geschuldet sein. Abgesehen davon, wurde in diesen Jahren auch in der Schweiz das Neue Bauen zunehmend durch regionaltypische Bauformen abgelöst. Die Trauerhalle wurde 1938 ihrer Bestimmung übergeben. Allerdings lag der Ausführung der Entwurf eines anderen Architekten zugrunde, der ein sehr viel schlichteres, aber ebenfalls in traditionellem Stil gehaltenes Gebäude realisier te.
Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfur t a. M., H. 7, März 1933, S. 171 (http://sammlungen.ub.uni-frankfur t.de/cm/periodical/titleinfo/3094266). Vgl. auch die Berichte in H. 6, Februar 1929, S. 183; H. 5, Januar 1930, S. 202. Weitere Quellen in http://www.alemannia-judaica.de/bad_ems_texte.htm (10.3.2014). Pläne in FBI: FN 14, 9, p. 78–93. Bericht über die Einweihung in: Der Israelit. Ein Centralorgan für das or thodoxe Judentum, 18. 7.1935, http://www.alemannia-judaica.de/bad_ems_texte.htm (10.3.2014). Pläne im LBI: FN 13, 4, p. 55–63. Im Werkverzeichnis 1958 a.a.O. (Anm. 53) mit Datum 1934 vermerkt. Zum Friedhof http://www.alemannia-judaica.de/zuerich_friedhof_binz.htm (6.4.2014).
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938
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Abb. 104:
Vorentwurf für den Jüdischen Friedhof in Stuttgart, Vorprojekt B mit Ansicht der Trauerhalle vom Friedhofseingang (LBI: FN 14, 1, p. 7).
Jüdischer Friedhof in Stuttgart, 1935 – 1938 t
Das bedeutendste Projekt Nathans in den Jahren der NS-Diktatur galt dem neuen jüdischen Friedhof in Stuttgar t, der rund 200 km südlich von Frankfur t liegenden wür ttembergischen Hauptstadt. Die Stuttgar ter Juden bestatteten ihre Toten seit 1874 im östlichen Bereich des christlichen Pragfriedhofs, der in den 20er Jahren des letzten Jahrhunder ts größtenteils belegt war. Deshalb erwarb die jüdische Gemeinde 1930 neben dem städtischen Steinhaldenfriedhof an der Ziegelbrennerstraße in Stuttgar t-Bad Cannstatt ein 200 Ar großes Areal für eine neue Begräbnisstätte.296 Ende 1935 präsentier te Nathan zwei Vorentwürfe, mit denen er sich gegen die im selben Jahr entstandenen Entwürfe des Münchner Architekten Fritz Landauer durchsetzte.297 Im „Vorprojekt A“ stellte er die nach außen und innen einfach gestaltete Trauerhalle an einen gepflaster ten Por talhof, den ein Zaun von der Straße und vom Gräberfeld abgrenzt. Der Rückseite schließen sich die um einen Hof gruppier ten Funktionsräume an: Leichenzellen, Kondolenzraum, Zimmer des Rabbiners, Leichenwaschraum, Sarglager und Wohnung des Friedhofswärters. Im „Vorprojekt B“ ist die Trauerhalle an die Rückseite des Geländes gerückt, nun aber mit dem Eingang direkt gegenüber
296 297
Abb. 105:
Vorentwurf für den Jüdischen Friedhof in Stuttgart, 1935, Vorprojekt B, Plan der Gesamtanlage (LBI: FN 14, 1, p. 5).
dem Friedhofspor tal, von dem ein von Bäumen und Grabsteinen gesäumter Weg in gerader Linie auf die zweigeschossige Halle führ t. Niedrigere Flügelbauten, die sich um zwei Innenhöfe gruppieren, fassen die Halle ein. Diese repräsentativere Variante wurde aus
Zum Stuttgar ter Friedhof vgl. auch Knufinke a.a.O. (Anm. 89); http://www.alemannia-judaica.de/stuttgar t_friedhofste.htm (11.3.2014). Pläne Nathans im LBI: FN 14, 1. Pläne Landauers im Architekturmuseum Schwaben: Nachlass Landauer 141–146; Royal Institute of British Architects: Ran 15/H/3 1–5. Zu Landauer, der von 1933 an die Emigration nach Großbritannien vorbereitete: Sabine Klotz, Fritz Landauer (1883–1968). Leben und Werk eines jüdischen Architekten, Berlin (Dietrich Reimer Verlag) 2001.
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Abb. 106:
Jüdischer Friedhof in Stuttgart, 1935–1938, Entwurf mit Außenansicht der Trauerhalle (LBI: FN 14, 1, p. 31).
ein Rundfenster mit einem Davidstern besitzt. Dieses Motiv hatte Nathan bereits 1935 vorgesehen.299 Vielleicht aufgrund der Gefahr antisemitischer Übergriffe hatte man damals aber auf ein solches Zeichen der Zugehörigkeit des Friedhofs zum jüdischen Glauben verzichtet.
Umbau des Israelitischen Altersheims in Mannheim, 1935–1936
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Abb. 107:
Jüdischer Friedhof in Stuttgart, 1935–1938, Entwurf mit Innenansicht der Trauerhalle (LBI: FN 14, 1, p. 30).
finanziellen Gründen nicht weiter verfolgt, während das Projekt „A“ zwar favorisiert wurde, im Zuge der weiteren Planung aber mehr und mehr vereinfacht werden musste. So entfiel der Innenhof; die Funktionsräume gelangten in einen einfachen Querriegel und die ursprünglich vorgesehenen Fenster zu beiden Seiten des Por tals wurden ersatzlos gestrichen. Dennoch war das Projekt so umfangreich, dass Nathan die Unterstützung Carl Müllers suchte, mit dem er am 10. August 1936 die gemeinsame künstlerische und technische Durchführung der Entwurfs- und Ausführungspläne vereinbar te.298 Die Planung zog sich bis Juni 1938 hin. Danach entstand ein einfacher Bau mit niedrigem Satteldach, der lediglich im Inneren durch die seitliche indirekte Beleuchtung eine sakrale Wirkung entfaltet, während sich die religiöse Funktion am Außenbau kaum mehr ablesen lässt. 2012 wurde die in Kriegs- und Nachkriegszeit erhalten gebliebene Trauerhalle sanier t und mit einem Por talvorbau ausgestattet, der über dem Eingang
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Ein weiteres Projekt, das besondere Beachtung verdient, ist das des Umbaus des Israelitischen Altersheims in Mannheim. Nachdem der Architekt das Altersheim 1931 vollendet hatte, wurde er 1935 wieder nach Mannheim gerufen. Das alte jüdische Hospiz in E 5 musste auf Anweisung der gleichgeschalteten Stadtverwaltung aufgegeben werden, da es der Verbreiterung der Planken, also der innerstädtischen Hauptstraße, und dem Bau des Technischen Rathauses im Wege stand. Die jüdische Gemeinde war gezwungen, innerhalb kürzester Zeit Ersatz für das zum Abbruch freigegebene Hospiz zu finden, so dass der beabsichtigte Neubau des Krankenhauses neben dem Israelitischen Altersheim nicht mehr in Frage kam. Deshalb entschied man, einen Teil des Altersheims zur Krankenstation umzubauen.300 Am 6. Februar 1936 wandte sich Nathan an Müller, um ihn zu informieren, dass er nun „unbedingt raschestens einen Mitarbeiter benötige, da am Montag mit dem Altersheim-Umbau in Mannheim begonnen wird […]“.301 Die Bearbeitung des Projekts sollte in künstlerischer und technischer Hinsicht als Gemeinschaftsarbeit erfolgen,
298 Brief vom 10.8.1936. Nachlass Carl Müller, Privatbesitz Wolfgang Müller. 299 Entwurf vom 20.11.1935 im LBI: FN 14, 1, p. 16. 300 Zum Umbau vgl. auch Behrmann a.a.O. (Anm. 173), S. 124–129. 301 Brief Nathans vom 6.2.1936. LBI: FN 7, 4, p. 223.
Die Frankfur ter Jahre 1922–1938
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Abb. 108:
Einbau des Krankenhauses im Israelitischen Altersheim in Mannheim, 1935–1936, Planzeichnung mit Anbau des Operationssaals, datiert am 6.9.1935 (LBI: FN 39, p. 246).
während die Verhandlungen mit der Bauherrschaft und den Behörden sowie die Ausschreibung und Vergabe der Arbeiten an die Baufirmen und Handwerker die Sache Nathans blieben. Da jener die wesentlichen Vorarbeiten bereits geleistet hatte und er somit die Urheberschaft am Entwurf besaß, einigte man sich darauf, „die Gemeinschaftsarbeit nicht zu kennzeichnen“.302 Durch den Umbau erhielt die Dreiflügelanlage zwei voneinander getrennte Bereiche.303 In der westlichen Hälfte blieb das Altersheim bestehen, das nun statt 50 nur noch 25 Bewohnern Platz bot. Die Krankenanstalt im östlichen Teil des Gebäudes erhielt durch Umsetzen der Innenwände sieben Einbett- und ebenso viele Zweibettzimmer, außerdem zwei Säle für je drei Betten, zwei weitere Säle für je vier Betten und zwei Isolierräume, so dass insgesamt 37 Patienten aufgenommen werden konnten. Vor dem Hintergrund der wachsenden Zahl von Juden, die sich dazu entschieden, Nazi-Deutschland zu verlassen, schien dies jedoch auszureichen.304 Zusätzlich entstanden in einem eingeschossigen Anbau an der Rückseite des Hauses zwei durch einen Sterilisationsraum getrennte Operationssäle. Ein weiterer Anbau an der Südwestecke wurde dem Altersheim zugeordnet. Um beide Bereiche klar voneinander zu trennen, fügte Nathan in das breite Haupttreppenhaus eine Zwischenwand ein, die er ganz in Glas ausführen ließ, um die Lichtund Raumwirkung nicht zu beeinträchtigen. Trotz der angespannten finanziellen Lage der Gemeinde verwirklichte der Architekt eine Lösung, die „durchaus hinreichend auch für anspruchsvolleren Geschmack“ war, wie das Israelitische Gemeindeblatt 1936 berichtete.305 Im Juni 1938 bemerkte der Vor302 303 304 305 306
stand des örtlichen Synagogenrats, Nathan habe die Aufgabe „in genialer Weise gelöst“; die architektonische Wirkung des Gebäudes sei nicht beeinträchtigt, sondern „sogar an der Gartenseite durch den Vorbau der zwei Operationssäle erhöht“.306
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Abb. 109:
Einbau des Krankenhauses im Israelitischen Altersheim in Mannheim, 1935–1936. Ansichtszeichnung der Gartenfassade mit dem Anbau
Wenige Monate später bot das Heim Frauen und Männern Zuflucht, die nach dem Novemberpogrom aus dem abgebrannten jüdischen Altersheim im nahen Neustadt geflohen waren. Am 22. Oktober 1940 räumten die Nationalsozialisten das Gebäude. Die Bewohner wurden in das Konzentrationslager im französischen Gurs verschleppt. Viele starben später in den Vernichtungslagern im Osten. Im Mai 1942 übernahm die Polizeiverwaltung das ehemalige Israelitische Altersheim und richtete dor t ein Polizeikrankenhaus ein. Bald darauf wurden Teile des Gebäudes bei Luftangriffen zerstör t. Nach dem Krieg erfolgte die Instandsetzung durch den Mannheimer Architekten Wilhelm Schmucker, der alle drei Flügel um ein Geschoss aufstockte. Der Komplex diente zunächst als
Brief vom 1.3.1938. Nachlass Carl Müller, Privatbesitz Wolfgang Müller. Pläne des Umbaus im LBI: FN 23, 13, p. 314, 319–324, 384–387; FN 23, 14, p. 3–6. Ein Bericht über das Krankenhaus und Altersheim im Israelitischen Gemeindeblatt. Offizielles Organ der israelitischen Gemeinden Mannheim und Ludwigshafen, 14. Jg., Nr. 17, 9.9.1936, S. 22–24 (https://archive.org/details/israelitischesgemeindebl). Ebd., S. 23. Brief vom 24.6.1938. LBI: FN 26, 15, S. 276.
des Operationssaals (LBI: FN 23, 13, p. 387).
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D i e F r a n k f u r t e r J a h re 1 9 2 2 – 1 9 3 8 Krankenhaus für Tuberkulose-Kranke. 1964 erfolgte die Umwandlung zum städtischen Altersheim, das nach der früheren Krankenschwester und Leiterin des Hauses, Pauline Maier, benannt wurde. Diese hatte die von ihr betreuten Alten und Kranken freiwillig in die Depor tation nach Gurs begleitet und war ihnen auch in die Vernichtungslager des Ostens gefolgt. Sie starb in Auschwitz. Obwohl das Haus das letzte Bauwerk war, das die jüdische Gemeinde Mannheims vor der Shoah errichtet hatte, obwohl es ein Or t der Depor tation war und obwohl es trotz Umbau, Kriegsschaden und Aufstockung noch immer die Moderne der 20er Jahre repräsentier te, wurde es 2010 abgerissen. Der Denkmalschutz wurde ihm mit der Begründung verweiger t, das Haus weise zu wenig originale Bausubstanz auf.307 An der Stelle des ehemaligen Israelitischen Altersheims erhebt sich heute die Wohnanlage eines privaten Investors. Das Pauline-Maier-Haus zog 2007 in einen Neubau, der sich auf dem Platz befindet, der einst für das Israelitische Krankenhaus bestimmt gewesen war. Seit Januar 2013 erinnern drei Gedenktafeln in der Bassermannstraße an Pauline Maier sowie das Gebäude und seinen Architekten.
Weitere Bauten und Projekte für jüdische Gemeinden und Vereine In der Zeit, in der Nathan den neuen jüdischen Friedhof in Stuttgar t schuf, entwarf er auch eine Mikwe für die Israelitische Religionsgesellschaft der württembergischen Landeshauptstadt.308 Die Mikwe sollte im Gemeindehaus der orthodoxen Juden in der Hospitalstraße eingerichtet werden. Ob sie dor t auch tatsächlich zur Ausführung kam, ist nicht bekannt. Ein anderer Auftraggeber Nathans in diesen Jahren war der Jüdische Kulturbund Rhein-Main in Frankfur t, der 1934 als Selbsthilfeorganisation für vom Berufsverbot betroffene jüdische Musiker und Schauspieler gegründet worden war.309 Die Organisation nutzte für Konzer te und Theateraufführungen das Vereinshaus
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der Frankfur t-Loge, eine jüdische Einrichtung in der Eschersheimer Landstraße 27, in der rund 600 Besucher Platz fanden. Für größere Vorstellungen mietete sie den Saalbau der Frankfurter Museums-Gesellschaft. Gelegentlich wich sie auch auf das von Nathan 1928 geschaffene Clubhaus der Gesellschaft der Freunde in der Eschenheimer Anlage 35 aus. Dieses war aus dem Umbau eines Wohnhauses hervorgegangen und sollte nun möglicherweise mit dem im Werkverzeichnis des Architekten als Projekt erwähnten „Theatersaal des Juedischen Kulturbunds Frankfurt“ ausgestattet werden.310 Als Datum sind die Jahre 1936–1937 genannt. Offenbar wurde das Theater aber nicht mehr realisier t. Eine der letzten Aufgaben des Architekten vor der Emigration galt der Instandsetzung einer Synagoge, die Opfer eines Brandanschlags geworden war. Es handelte sich um das Gotteshaus der jüdischen Gemeinde in Konstanz am Bodensee, ein neuromanisches Gebäude von 1882/83, das am 1. November 1936, also noch vor dem Novemberpogrom von 1938, in Brand gesetzt wurde. Die Nische, in der sich der Thoraschrein befand, brannte aus; sechs der sieben Thorarollen wurden ein Raub der Flammen; auch die Orgel, Teile des Gestühls sowie die Gebetsmäntel und Gebetsbücher gingen verloren.311 Im Nachlass ist die Instandsetzung von 1937 weder durch Pläne noch Fotografien dokumentier t. Doch hat die Gemeinde die Leistung Nathans im Juni des darauffolgenden Jahres mit den Wor ten gewürdigt, dass die wiederaufgebaute Synagoge nun sogar schöner als zuvor sei.312 Bald danach, in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, stand das Gotteshaus erneut in Flammen. SS-Männer verhinder ten, dass das Feuer gelöscht wurde, so dass die Synagoge vollständig ausbrannte; dann wurde die Ruine von der SS gesprengt. Ob Nathan davon erfuhr, ist nicht bekannt. Er hatte Deutschland einen Monat zuvor verlassen, war tete in Amsterdam gemeinsam mit seiner Frau und der dreijährigen Tochter auf das Einreisevisum in die USA.
307 Brief des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 15.2.2006 an den Verfasser. 308 Grundriss der Mikwe, datier t am 21.2.1937. LBI: FN 15, 4, p. 104. Das Gemeindehaus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstör t. 309 Vgl. Karl Erich Grözinger (Hrsg.), Jüdische Kultur in Frankfur t am Main von den Anfängen bis zur Gegenwar t, Wiesbaden (Harrassowitz Verlag) 1997, S. 373–405. Außerdem: http://www.frankfur t1933-1945.de/ (9.3.2014). Hinweise auch aus den Veranstaltungshinweisen im Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt a. M., u.a. H. 1, Okt. 1936, S. 2 (http://sammlungen.ub.uni-frankfur t.de/cm/periodical/titleinfo/3094266). 310 Werkverzeichnis 1958 a.a.O. (Anm. 53). 311 Nach http://www.alemannia-judaica.de/konstanz_synagoge_a.htm (4.8.2014). 312 Brief vom 30.6.1938. LBI: FN 26B, 18, p. 848.
Die Emigration 1938 –1940 Die Entscheidung für die Emigration fiel dem Architekten nicht leicht, wie er am 15. September 1938 dem früheren Leiter der Frankfurter Baupolizei Rudolf Reinicke bekannte. Trotz einer „nur kümmerlichen Beschäftigung“ habe ihn die „selbstverständliche Verbundenheit mit der Heimat“ über viele Jahre nicht zu diesem „entscheidenden Schritt der Loslösung“ führen können.313 Abschiedsschmerz klingt in einem Brief vom 2. September 1938 an, in dem er sich von seinem früheren Kriegskameraden, Rechtsanwalt Dr. Zehle, verabschiedete: „Es wird Sie nicht wundern, dass ich in diesen letzten Wochen in der Heimat gerne und wehmutsvoll der Kameradschaft der Kriegsjahre gedenke. Es drängt mich daher Ihnen in alter Verehrung Lebewohl zu sagen.“314 Seit Mitte der 30er Jahre hatte der Architekt immer weniger Aufträge erhalten. Ein Teil seiner Kundschaft war durch die „Arisierung“ jüdischer Firmen weggefallen. Außerdem trauten sich immer weniger jüdische Gemeinden, angesichts der offenen und aggressiven antisemitischen Hetze, an den Ausbau ihrer Einrichtungen. Das Jahreseinkommen Nathans sank 1936 von zuvor 16.500 RM auf 13.550 RM und erreichte 1937 den Tiefststand von 11.300 RM.315 Dazu kam der finanzielle Verlust durch die sogenannte „Judenvermögensabgabe“, die im November 1938 eingeführ t wurde und von jedem Juden 20 Prozent seines Vermögens einzog, wenn es über 5.000 RM lag. Allein dadurch verlor Nathan eine Summe von 23.000 RM. 316 Wer aus Deutschland auswandern wollte, wurde zudem mit der „Reichsfluchtsteuer“ belegt. 313 314 315 316 317 318 319
Sie war während der Wirtschaftskrise 1931 eingeführt worden, um Kapital- und Steuerflucht zu verhindern; 1934 wurde sie jedoch drastisch verschärft, um for tan für die Ausbeutung jüdischer Emigranten missbraucht zu werden, die Deutschland ja nicht freiwillig verließen, sondern durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft zur Emigration gezwungen wurden. Nathan musste für seine Auswanderung 49.000 RM an den deutschen Staat zahlen; dazu kamen als weitere Belastungen 10.000 RM als „Umzugsgutabgabe“.317 Obwohl die Zeit drängte, wollte er Deutschland aber nicht Hals über Kopf verlassen. Er plante die Emigration in die USA mit größter Sorgfalt, wollte mit Frau und Tochter nicht unvorbereitet in die Staaten aufbrechen, so dass er sich zunächst zu einer Informationsreise nach New York entschloss, um dor t Kontakte zu knüpfen und erste Weichen für den raschen Wiedereinstieg in den Beruf zu stellen. Zu diesem Vorgehen dürfte ihn sein Bruder Otto ermutigt haben. Er, der schon seit 1933 in den USA lebte, war es auch, der als Gewährsmann gegenüber den amerikanischen Behörden auftrat und am 27. Dezember 1937 die für das Besuchsvisum geforder te Garantie der Wiederausreise Fritz Nathans bestätigte.318
USA-Reise, Juli 1938 Nach Überwindung etlicher bürokratischer Probleme konnte Nathan die USA-Reise schließlich im Juli 1938 antreten. 319 In New York wandte er sich an die für
Brief vom 15.9.1938. LBI: FN 26B, 18, p. 848. Brief vom 2.9.1938. LBI: FN 26B, 18, p. 850. Liste Berufseinkommen a.a.O. (Anm. 261). Hierzu Dokument von 1954 zur Entschädigungsklage. LBI: FN 26, 12, p. 463–471. Ebd. Formular von 27.12.1937. LBI: FN 26B, 18, p. 906. Buchungsbestätigung des Hotels Central Park für den 13.–29.7.1938. LBI: FN 26B, 13, p. 268.
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Die Emigration 1938–1940 die Zulassung von Architekten zuständige Kommission, um zu erfahren, dass in den USA ein amerikanisches Staatsexamen Voraussetzung zur Ausübung des Architektenberufs war. Davon wurden nur Architekten ausgenommen, die einen Abschluss an einer Universität oder Hochschule und eine mindestens zehnjährige freiberufliche Tätigkeit nachweisen konnten. Nathan nutzte den 14-tägigen Aufenthalt auch dazu, sich ein Bild von der amerikanischen Architektur und der Situation der Architekten in den USA zu machen. Noch ganz unter dem Eindruck der gewonnenen Erfahrungen schrieb er im September 1938 an Mannheims früheren Stadtbaumeister Gustav Adolph Platz: „Ich war von dem Ernst und der Intensität der architektonischen Arbeiten überrascht und erfreut und muss sagen, dass ich eine so ausgezeichnete Durcharbeit der Bauten und in vielen Fällen auch baukünstlerisch hervorragende Leistungen nicht in diesem Ausmass erwartet hatte.“ Was die Berufsaussichten in den USA anging, zeigte er sich jedoch ernüchtert, da „die wirtschaftliche Depression zweifellos einheimische tüchtige Architekten brotlos gemacht hat, und auch in absehbarer Zeit eine Baukonjunktur nicht zu erwarten sein dürfte.“ Dennoch wolle er die Auswanderung wagen, „da für mich eine andere Lösung zur Schaffung meines Lebensunterhalts nicht zur Verfügung steht.“320
Referenzschreiben für die USA Nathan hatte sich an Platz gewandt, weil er für die amerikanischen Behörden eine Bestätigung seiner bisherigen freiberuflichen Tätigkeit benötigte. Er bat Mannheims früheren Stadtbaumeister um eine solche Bescheinigung und „ein frdl. Wort der Kritik über meine Ihnen bekannten Arbeiten“. Ergänzend fügte er hinzu: „Es wäre vielleicht für Amerika von Wert, wenn Sie mir bestätigen wollten, daß ich als einer der ersten in Deutschland den modernen Stahlskelettbau gefördert habe.“ 321 Weitere Briefe ähnlichen Inhalts gingen an andere Architekten und Behörden. Am 26. August 1938 schrieb er ebenso offen wie selbstbewusst an das städtische Bauamt in Frankfur t: „Da mir die weitere Berufstätigkeit als Architekt von dem Herrn Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste versagt ist, habe ich mich zur Auswanderung nach den Verein. Staaten von Amerika entschlossen. […] Auf Grund der Anregung des Herrn Präsidenten der amerikanischen Prüfungs-
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320 Brief 321 Ebd. 322 Brief 323 Brief 324 Brief 325 Brief 326 Brief
vom 14.9.1938. LBI: FN 26B, 18, p. 851. vom vom vom vom vom
26.8.1938. LBI: FN 26, 15, p. 340 f. 16.9.1938. LBI: FN 26B, 16, p. 790. 30.8.1938. LBI: FN 26B, 16, p. 783. 19.9.1938. LBI: FN 26B, 16, p. 786. 7.9.1938. LBI: FN 26B, 16, p. 787.
kommission richte ich nun mehr die erg. Bitte an Sie, mir güt. zu bestätigen, dass ich seit 1923 ununterbrochen als Architekt in Ihrem Amtsbezirk tätig war und bis zum Jahre 1937 die Lizenz zur Ausübung besass, und dass meine Bauten in baupolizeilicher Hinsicht niemals zu Beanstandungen Anlass gegeben haben.“ 322 Unter den Adressaten seiner Anfrage befanden sich auch das Bezirksamt Heidelberg, die Baupolizeiämter in Mannheim und Bingen sowie das Stadtbauamt in Luxemburg. Dazu kamen Briefe unter anderem an die früheren Vorstände im Bund Deutscher Architekten, Eduard Jobst Siedler in Berlin sowie Franz Delcher und Rober t Wollmann in Frankfur t. Auch zwei Architekten aus Darmstadt, Ministerialrat Walter Knapp und Paul Weissner, wurden um Referenzen gebeten. Die meisten Adressaten er teilten bereitwillig Auskunft über die Tätigkeit des Architekten. Gustav Adolf Platz zum Beispiel legte in seiner „Bescheinigung zur Vorlage bei den amerikanischen Erfassungs- und Prüfungsbehörden“ dar, dass ihm Nathan seit 1927 als Architekt des Geschäftshauses Samt und Seide und des Deutschen Beamtenwarenhauses bekannt sei. Er habe den Eindruck gewonnen, dass „Herr Nathan die technischen Aufgaben des Geschäftshaus- und Wohnhausbaues in jeder Beziehung beherrscht“. Jener habe sich als „routinierter Architekt“ bewähr t und mit Hilfe einer „kühnen Eisenskelettkonstruktion“ die beiden unterschiedlichen Bauaufgaben Kino und Warenhaus verbunden. Auch der jüdische Friedhof in Frankfur t und das Kaufhaus in Aschaffenburg zeugten „von seinem Können als tüchtiger Architekt“.323 Luxemburgs Stadtarchitekt Petit charakterisier te den Eisenskelettbau des Geschäftshauses Fourrures Jenny als das erste Bauwerk dieser Ar t in Luxemburg und bemerkte: „In seiner Verkleidung mit edlen Metall- und Travertinplatten ist es architektonisch und geschmacklich mit ungewöhnlichem Geschick, künstlerischem und technischem Können ausgeführt […]“.324 Der frühere Chef der Frankfur ter Baupolizei Rudolf Reinicke betonte: „Herr Nathan hat sich stets als hochbegabter Architekt bewiesen, und seine künstlerischen Fähigkeiten sind außergewöhnlich – Herr Nathan ist ein strebsamer, sehr fleißiger Mann, dessen Tätigkeit und Eigenschaften sicher überall hoch bewertet werden.“325 Auch Franz Delcher fand nur lobende Wor te: „Alle seine Bauten ragen nach meiner Meinung über den Durchschnitt hinaus und bezeugen ein meisterhaftes Können“.326
Die Emigration 1938–1940 Ein Redakteur der Frankfurter Zeitung, Diplom-Ingenieur Rodenbach, brachte die Leistung Nathans vielleicht am besten auf den Punkt: „Ihre überraschende Mitteilung, dass Sie ihren Wohnsitz nun nach den Vereinigten Staaten verlegen, macht mir bewusst, dass Frankfurt in Ihnen einen seiner begabtesten Architekten verlieren wird. […] Nicht nur die zahlreichen Villen und Wohnhäuser, die Sie hier gebaut haben, sondern auch so stimmungsvolle Architektur wie Ihre schöne Friedhofskapelle der Jüdischen Gemeinde oder so großzügige, geschmackvolle oder so konstruktiv kühne Bauwerke wie Ihr Waren- und Lichtspielhaus in Mannheim oder Ihr Kaufhaus in Hanau oder Ihre Zigarrenfabrik in Heidelberg – sie alle sind glänzende Zeugnisse eines modernen, kultivierten, sorgfältig konstruierten Architekturwillens.“ 327 Nathan nahm auch Kontakt zu Dominikus Böhm in Köln auf, dem Lehrer seines früheren Mitarbeiters Carl Müller.328 Am 30. August 1938 antwor tete Böhm: „Sehr geehrter Herr Kollege! In Beantwortung Ihres Schreibens vom 27.8.1938 erkläre ich Ihnen gerne, dass ich Sie seit dem Jahre 1923 als freischaffenden Architekten in Frankfurt a. M. kenne. Die mir bekannten, von Ihnen ausgeführten und projektierten Arbeiten habe ich stets als künstlerisch hochstehend eingeschätzt; insbesondere Ihre Friedhofsanlage in Frankfurt a. M. Ich wünsche Ihnen zur Gründung Ihrer neuen Existenz alles Gute“.329 Weitere Briefe sandte Nathan an frühere Auftraggeber. Hermann Wronker bestätigte in seiner Antwor t vom 15. September 1938 die umfangreiche Bautätigkeit für das Kaufhausunternehmen und charakterisier te Nathan als einen „besonders begabten, tüchtigen und ideenreichen Architekten […], der sich in jeder Hinsicht meine vollste Zufriedenheit erworben hat“.330 Wronker emigrier te wenige Wochen später nach Frankreich. Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht wurde er jedoch internier t und gemeinsam mit seiner Frau Ida 1942 ins Konzentrationslager Auschwitz verschleppt, wo sie beide ermordet wurden. Am 27. Juni 1938 bestätigte die Frankfur ter jüdische Gemeinde die langjährige Zusammenarbeit mit Nathan und rühmte neben den Bauwerken – namentlich sind der jüdische Friedhof und das Georgine-Sarah-vonRothschild-Hospital erwähnt – auch das Organisationsgeschick des Architekten. Das Schreiben endet mit
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der Formulierung: „Angesichts seines kreativen Talents als Architekt und angesichts seiner Intelligenz und seines Charakters können wir ihn sehr jeder jüdischen Gemeinde empfehlen, insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass er durch die vielen Jahre seiner Zusammenarbeit mit uns mit allen Fragen vertraut ist, die den Ritus in solchen Gebäuden betreffen. Wir würden es sehr begrüßen, wenn er eine Position erhalten würde, die seinem außerordentlichen Können entspricht.“ 331 In einem weiteren Schreiben des Gemeindevorstands ist zu lesen: „Wir erklären gern, dass Nathan nach unserer Ansicht und nach der Meinung massgebender Kreise als einer der tüchtigsten und zuverlässigsten führenden jüdischen Architekten in Deutschland gelten kann.“ 332 Ebenso würdigten die Israelitische Religionsgesellschaft Frankfur t und die Konstanzer Gemeinde die Leistungen Nathans.333 Der Vorstand des Mannheimer Synagogenrats zeigte sich zuversichtlich: „Ich bin mir sicher, dass, wo immer Sie sich auch niederlassen werden, Ihnen Ihre ausgezeichnete Vorbildung und Ihre starke Begabung ein erfolgreiches Arbeitsfeld schaffen werden“.334
Aufenthalt in Holland, 1938–1940 Nathan und seine Frau standen vor der Entscheidung, in Deutschland oder in einem Nachbarland auf das Einreisevisum in die USA zu war ten. Sie entschieden sich für den Aufenthalt in Holland, denn in Deutschland bestanden aufgrund der hohen Nachfrage für Visa sehr viel längere Wartezeiten als im amerikanischen Konsulat in Rotterdam. Zudem war es angesichts der Kriegsgefahr und des immer schärferen Vorgehens der deutschen Behörden gegen Juden dringend angeraten, die Auswanderung nicht länger hinauszuzögern. Nach den Entlassungen jüdischer Lehrer, Beamter und Angestellter ab 1933 und den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 wurde die systematische Entrechtung der deutschen Juden 1938 nicht nur durch die bereits erwähnte „Judenvermögensabgabe“, sondern auch durch die „Vierte Verordnung des Reichbürgergesetzes“ weitergetrieben, die jüdischen Ärzten, Apothekern und Rechtsanwälten die Approbation entzog. Zum 1. Januar 1939 wurde das Berufsverbot auf alle selbständigen Tätigkeiten von Juden in Handel
vom 21.9.1938. LBI: FN 26B, 16, p. 788. vom 27.8.1938. LBI: FN 26B, 18, p. 856. vom 30.8.1938. LBI: FN 26B, 16, p. 784. vom 15.9.1938. LBI: FN 26B, 16, p. 791. vom 27.6.1930. LBI: FN 26B, 18, p. 846 f. vom 29.6.1930. LBI: FN 26, 15, p. 273–275. aus Frankfur t vom 27.6.1938. LBI: FN 26, 14, p. 227. Brief aus Konstanz vom 30.6.1938. LBI: FN 26B, 18, p. 848. vom 24.6.1938. LBI: FN 26, 15, p. 276.
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Die Emigration 1938–1940 und Handwerk ausgedehnt. An diesem Tag trat auch das Gesetz vom 17. August 1938 in Kraft, das alle Juden zwang, einen jüdischen Vornamen anzunehmen. Männer mussten sich „Israel“, Frauen „Sarah“ nennen. Am 25. September 1938, einen Tag vor dem jüdischen Neujahrstag 1.Tischri 5699, schrieb Nathan einer Mitarbeiterin des Berliner Reisebüros Atlantic Express GmbH, die besonderen Verhältnisse hätten zum Entschluss geführ t, in den Niederlanden auf die Visa zu war ten. Der Zwischenaufenthalt sollte jedoch nicht in Rotterdam erfolgen, obwohl sich dor t das amerikanische Konsulat befand, sondern in Amsterdam. Die Adressatin des Briefes war die Jüdin Frieda Marcus. Nathan wünschte ihr „mit besonderer Herzlichkeit Glück […] für alles, was Sie in dem morgen beginnenden Neuen Jahr an Neuem beginnen und unternehmen werden.“ Den guten Wünschen fügte er ernste Gedanken hinzu: „Wir sind ja Alle ausnahmslos in einer so bedrängten und gehetzten Lage, dass eigenes Erleben unsere Wünsche für unsere Freunde zu einer Aufrichtigkeit gesteigert hat, zu der wir früher glaube ich selten fähig waren.Wir sind uns so viel näher gekommen, und das sollte als ein positives Ergebnis dieser furchtbaren Zeit nicht unterschätzt werden.“ 335 Noch am selben Tag reiste er nach Amsterdam; tags zuvor hatte seine Frau mit der kleinen Doris die deutsch-holländische Grenze passier t. In Amsterdam bereitete er alles für den erhofften kurzen Aufenthalt bis zur Abreise in die USA vor und kehrte kurz danach noch einmal für einige Tage nach Frankfur t zurück, um weitere Angelegenheiten für die Auswanderung zu regeln. In Amsterdam fanden Nathans zunächst bei einer Familie namens Heilbut in der Heerengracht 503 Unterkunft, später zogen sie zu einer Familie Briels in der Vijzelstraat 82. Dann wohnten sie nacheinander in zwei Pensionen, in der Albrecht Dürerstraat 1 und in der Nicolaas Witsenstraat 21. Das Konsulat in Rotterdam hatte eine War tezeit von nur zwei Monaten versprochen, aus denen dann aber ein Jahr und drei Monate wurden. Denn die amerikanischen Behörden gingen Ende 1938 dazu über, die Listen aller Visaanträge in Europa miteinander abzugleichen. In dieser langen Zeit des Ausharrens erhielt Nathan aufgrund seines Status als „Durchwanderer“ keine Arbeitsgenehmigung. Den Lebensunterhalt für sich und seine Familie musste er teils aus Erspar tem bestreiten, teils aus Anleihen bei Ver-
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wandten und Freunden. Sein Bruder Otto unterstützte ihn mit Geldanweisungen aus New York. In einem Brief vom 10. April 1939 riet er, nicht länger in Amsterdam zu bleiben, nach London weiterzureisen oder die Auswanderung nach Kuba zu versuchen.336 Die Gefahr eines Krieges wuchs von Tag zu Tag und damit auch die Gefahr eines Einmarsches deutscher Truppen in Holland. Am 4. Mai 1939 schrieb Nathan dem Ehepaar Her tz in Luxemburg: „Wir warten jetzt schon so lange, dass wir zuletzt jetzt schon daran irr geworden sind, ob wir nicht ein anderes Ziel versuchen sollen. Wir werden aber zunächst noch von unserem Wunsche festgehalten, unsere beiden Eltern herauszuholen.“ Große Sorge bereitete vor allem das Schicksal der Schwiegereltern Moritz und Ida Mayer, die „im November schweres durchzumachen hatten und mit 2 jüdischen Familien in Kochem vollkommen isoliert“ waren.337 In der Pogromnacht im November 1938 hatten NS-Schergen die Wohnungseinrichtung der Mayers demolier t und zerstör t.338 Danach wollten sie Deutschland so schnell wie möglich verlassen. Die War telisten des zuständigen amerikanischen Konsulats in Stuttgar t ließen aber mit ihrer Auswanderung nicht vor 1942 rechnen. Aussichtsreicher stellte sich die Situation für Jacob und Sara Nathan dar. Denn ihr jüngster Sohn erreichte im Zuge seines Einbürgerungsverfahrens in die USA, dass sie auf eine Vorzugsliste für Immigranten gesetzt wurden. Beide konnten am 28. August 1939 von Rotterdam aus und in Begleitung Ottos, der eigens aus den Staaten angereist war, die Schifffahr t nach New York antreten. Bei all den Schwierigkeiten und Sorgen bemühte sich Fritz unbeirr t um die Abwicklung des Umzugs in die USA. Im Spätjahr 1938 ließ er die Frankfur ter Wohnung und das Büro in der Neuen Mainzer Straße 56–58 räumen. Zum Sor tieren und ordentlichen Verpacken bestand kaum Zeit, da die Deutsche Arbeitsfront am 30. September des Jahres die sofor tige Freimachung der Zimmer verlangte.339 Nachdem die Wohnungs- und Büroeinrichtung zunächst von der Frankfur ter Spedition Danzas & Cie. GmbH zwischengelager t, dann unter Aufsicht eines Zollbeamten in zwei Containern für den Überseetranspor t verpackt worden war, gelangte das fast 7.000 kg schwere und rund 40 Kubikmeter große Umzugsgut in ein Lagerhaus der Schifffahr tsgesellschaft Holland-Amerika-
Brief vom 25.9.1938. LBI: FN 26B, 13, p. 215. Brief vom 10.4.1939. LBI: FN 26B, 13, p. 270. Brief vom 4.5.1939. LBI: FN 7, 4, p. 238. Dokument des Landesamts für Wiedergutmachung vom 2.12.1954. LBI: FN 26B, 11, p. 689. Brief Nathans an Danzas & Co. vom 22.1.1939. LBI: FN 26B, 15, p. 442.
Die Emigration 1938–1940 Linie in Rotterdam. Es war vorgesehen, die Container zunächst nach New York und von dor t auf dem Landweg nach San Francisco zu transpor tieren.340 Offenbar wollten Nathan und seine Frau nach Kalifornien ziehen. Auch die Tickets, die er 1938 bei der Atlantik Express GmbH order te, nennen als Ziel San Francisco. Noch am 1. August 1939 ließ der Architekt die Gültigkeit dieser Tickets bis zum 23. Dezember verlängern.341 Erst später fiel die Entscheidung, in New York zu bleiben. Denn ursprünglich wollte Nathan dor t nur die Prüfungen absolvieren, die er benötigte, um in den USA als Architekt anerkannt zu werden. Dem Rat Ottos folgend, beantragte er weitere Visa auch für England. Diese wurden zwar gewähr t, verloren aber mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ihre Gültigkeit. Zwei Tage nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Polen am 1. September 1939 erklär ten Großbritannien und Frankreich Deutschland den Krieg. Der Einmarsch der Deutschen in das neutrale Holland war nur eine Frage der Zeit. Er erfolgte am 10. April 1940. Drei Monate davor, am 24. Januar 1940, lief im Rotterdamer Hafen die „Veendam“ mit über 500 Passagieren aus, unter ihnen Fritz, Lucie und Doris Nathan. Im Reisegepäck befanden sich die erst drei Tage zuvor vom amerikanischen Konsulat ausgestellten Visa. Am 5. Februar 1940 erreichten die Emigranten wohlbehalten New York.343
340 Brief Nathans an Danzas & Co. vom 7.4.1939. LBI; FN 26B, 15, p. 435. Ebenso Brief vom 9.12.1939. LBI: FN 26B, 15, p. 398. 341 Brief vom 20.9.1938. LBI: FN 26B, 13, p. 216. 342 Passagierliste im LBI: FN 26B, 13, p. 225-233. 343 Einreiseformulare im LBI: FN 26B, 14 und 26B, 18.
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Die New Yorker Jahre 1940 –1960 „Wir freuten uns herzlich als wir Ihren lieben Brief von Ihrer glücklichen Landung in Ihrer neuen Heimat erhielten und danken Ihnen sehr dafür. Hoffentlich haben Sie sich nach den ersten erregten Tagen nun schon etwas an das neue Leben gewoehnt und koennen schon empfinden, dass Sie sich hier wohlfühlen werden.“ Diese Zeilen erhielten Fritz und Lucie Nathan nur wenige Wochen nach der Ankunft in New York von Trude Meybach aus Seattle, eine ebenfalls aus Deutschland emigrier te gute Freundin der Familie. Sie schrieb, sie hoffe auf baldige weitere Nachrichten und sei insbesondere „sehr begierig zu hoeren, […] ob es dabei bleibt, dass Sie lieber Herr Nathan, zunächst ein Jahr in New York zur Absolvierung Ihres Examens bleiben müssen und wie Sie sich dort zunächst einrichten“.344 Tatsächlich musste Nathan in New York ein einjähriges Aufbaustudium besuchen, um nach erfolgreichem Abschluss der Kurse und Vorlesungen in den USA in seinem Beruf arbeiten zu können. Während dieser Zeit nahm er für sich und seine Familie eine Wohnung im Zentrum Manhattans, zunächst in der 12. Straße 145 West, dann, ab Mitte des Jahres 1940, in der 69. Straße 205 East. Um seine bisherige Berufstätigkeit nachzuweisen, ließ Nathan die Referenzschreiben und Arbeitszeugnisse, die er aus Deutschland mitgebracht hatte, vom Übersetzungsbüro Lawyers & Merchants ins Englische über tragen.345 Außerdem schloss er am 23. Dezember 1940 am State Education Depar tment Albany der University of the State of New York einen Englischkurs für Ausländer ab.346 Über den Antrag
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auf die Registrierung des fast 50-Jährigen als Architekt in den USA entschied die Prüfungskommission am 6. März 1941. Wie nicht anders zu erwar ten, wurde das Gesuch positiv beantwor tet.347 Im selben Jahr leiteten Nathan und seine Frau das Verfahren zur Einbürgerung in die USA ein. Aufgrund des gesetzlich vorgeschriebenen Ablaufs zog sich das Verfahren allerdings bis 1945 hin, ehe sie und die damals zehnjährige Tochter zu amerikanischen Staatsbürgern wurden.348 Im September 1941 zog das Paar ein weiteres Mal in New York um. Die Adresse lautete nun 640 For t Washington Avenue und lag in For t George, einem bevorzugten Wohngebiet jüdischer Einwanderer in Upper Manhattan. Davor muss die Entscheidung gefallen sein, doch nicht nach San Francisco zu ziehen, sondern in New York zu bleiben – vielleicht, weil der Architekt hier inzwischen über gute Kontakte verfügte, die ihm beim Wiedereinstieg in den Beruf behilflich sein konnten, ganz sicher aber auch aus familiären Gründen. Denn neben dem Bruder und den Eltern wohnten inzwischen auch die Schwiegereltern in New York. Ida und Moritz Mayer hatten im Januar 1940 zunächst in der Schweiz Zuflucht gefunden, wo sie in Genf noch eineinhalb Jahre auf ihr Einreisevisum in die USA hatte warten müssen, bevor sie im Juli 1941 New York glücklich erreichten.349 Dort zogen sie in dasselbe Apartmenthaus, in dem auch Fritz mit seiner Familie wohnte. Hierbei handelt es sich um ein bis heute erhaltenes einfaches, mehrgeschossiges Gebäude von 1928. In einem Nachbarhaus, in der 660 Fort Washington Avenue, befand sich die Wohnung von
Brief vom 2.3.1940. LBI: FN 1, 16, p. 109. Beglaubigung der Übersetzungen vom 7.10.1940. LBI: FN 1, 2, p. 103. Bestätigt durch Schreiben vom 20.1.1941. LBI: FN 1, 2, p. 128. Nicht datier tes Dokument mit Bericht Nathans über seinen Werdegang. LBI: FN 26B, 18, p. 891. Die am 7. März 1941 datier te Lizenz zur Ausübung des Architektenberufs im Staat New York im LBI: FN 23, 15, p. 138. Einbürgerungsformulare im LBI: 26B, 18, p. 867–902. Von Genf aus unterstützte Moritz Mayer mit Spenden jüdische Wohlfahr tseinrichtungen in Köln und Berlin. Hierzu Dokumente vom 24.5.1957 a.a.O. (Anm. 84) und von 1940/41 im LBI: FN 26B, 10, p. 659–661.
D i e N e w Yo r ke r J a h r e 1 9 4 0 – 1 9 6 0 Jakob und Sara Nathan. Allerdings hatte die Familie nur wenige Wochen nach der Ankunft der Schwiegereltern einen schmerzlichen Verlust zu beklagen. Am 12. Oktober 1941 starb Moritz Mayer im Alter von 75 Jahren.
Wiedereinstieg in den Beruf Während der einjährigen Vorbereitungszeit auf sein Examen bemühte sich Nathan um die Mitarbeit bei Architekten und Baufirmen. Von April bis Juli 1940 war er bei der renommier ten Baufirma Gotham Construction tätig.350 Im Februar des darauffolgenden Jahres trat er als Bauzeichner in das Büro des für seine Theater- und Kinobauten bekannten Thomas Lamb ein. Hatte er früher in Zentimetern, Metern und Quadratmetern geplant, so musste er nun in inch, foot, yard, square foot und square yard rechnen. Von Juni bis September 1941 arbeitete er bei Lessman Interiors, einem Unternehmen für Innenarchitektur, das sich auf die Ausgestaltung von Hotels spezialisiert hatte. Der Architekt profitier te hier von seiner Erfahrung als Möbeldesigner. Zeitweise arbeitete Nathan auch bei Eugene Schoen, einem 1880 in New York geborenen Sohn jüdischer Einwanderer aus Ungarn, der nicht nur durch eine Reihe bedeutender Synagogen, Geschäfts- und Industriebauten, sondern auch als Designer und Professor der Innenarchitektur an der New York University Renommee und Ansehen besaß.351 Er sollte für Nathans Karriere in den USA noch eine entscheidende Rolle spielen, da er ihn 1946 zu seinem Par tner beim Bau der Synagoge in Woodmere machte, mit der dem deutschen Immigranten nach verschiedenen kleineren Projekten für jüdische Gotteshäuser der Durchbruch als Synagogenarchitekt gelang. Als Nathan Ende 1941 den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, richtete er sein Büro zunächst in der Wohnung in der For t Washington Avenue ein. Diese provisorische Lösung konnte er Anfang 1943 mit Hilfe Schoens beenden, der ihm einen Raum in seinem Atelier in Manhattan, 19 East 53rd Street, überließ. Nathan sollte dor t acht Jahre lang seine Büroadresse haben.
maligen Chef gemacht und ihn über dessen Bruder Otto gefunden hatte. Nathan antwor te tief gerühr t: „Ihr gestern angekommener Brief vom 18ten Oktober hat mich und uns herzlichst erfreut [...]. Was ist alles passiert seitdem wir uns mit Traenen in den Augen vor dem Hause Neue Mainzerstrasse 58 Ende September 1938 verabschiedet haben. Wie oft haben wir in den letzten Jahren von Ihnen, Ihrer Frau und Ihren Kindern gesprochen, und uns bangend gefragt, wie es Ihnen wohl ergangen ist und ergehen moege, und haben doch von niemand eine Antwort bekommen koennen. […]. Ich moechte Sie stundenlang nach allem fragen, was Sie und Ihre Familie zu erleben hatten und durchgemacht haben, wie Sie nun selbst Ihr Leben wieder aufbauen, wie sich Ihre Kinder entwickelt haben, ob und wie es Ihnen moeglich war, sie von der Nazi-Vergiftung freizuhalten […] und was sonst alles in Ihrer naechsten Umgebung in der langen Zeit der Unterbrechung jeglicher Verbindung zwischen uns geschehen ist. Welche unserer Bauten haben überlebt?“352 Dass der Frankfur ter Friedhof wenig beschädigt, andere Bauten schwer getroffen oder gar zerstör t waren, dies erfuhr Nathan einige Wochen später aus einem weiteren Brief Müllers.353 „Wie geht es unseren gemeinsamen Freunden und Bekannten?“ – auch dies wollte Nathan wissen. „Hat Prof. Boehm die fuerchterliche Zeit ueberstanden, und wo lebt er? Wie geht´s Franz Delcher, Robert Wollmann, Baurat Christ (frueher Baupolizei), Jobst Siedler, Rodenbach (Frankfurter Zeitung) etc. Ich hoffe doch, dass all die genannten sich und uns treu geblieben sind und auch in Hitler´s Glanzzeit nicht irre werden konnten. […] Schreiben Sie mir bitte, bitte ganz ausfuehrlichst ueber Alle und Alles, Sie wissen natuerlich dass ich nicht interessiert bin, von oder ueber Menschen zu hoeren, die innerlich oder aeusserlich an den entsetzlichen Geschehnissen teilgehabt haben, die in mir jede Verbindung in meine einst so geliebte Heimat vernichtet haben.“ Nathan ließ keinen Zweifel daran, dass er mit Deutschland gebrochen hatte: „Ich weiss, dass leider die ueberwaeltigende Mehrheit des deutschen Volkes jegliches menschliche Gewissen verloren hatte, und nicht das geringste Gefuehl fuer die unverschuldeten Leiden von Millionen von Mitmenschen aufbringen konnte, die zufaellig als Polen, Russen, Franzosen oder Juden auf die Welt gekommen waren.“354
Briefwechsel mit Carl Müller, 1946 Im Dezember 1946 traf aus Deutschland ein Brief des früheren Mitarbeiters Carl Müller ein, der sich nach dem Krieg auf die Suche nach seinem ehe350 351 352 353 354
In seiner Antwor t vom 12. Februar 1947 äußer te Müller Verständnis für diese Haltung, zumal auch er in seiner Familie ein Opfer des nationalsozialistischen
Nachgewiesen in Meldeunterlagen Nathans. LBI: FN 26B, 18, p. 883, 885. Nachruf auf Eugene Schoen (1880–1957) im LBI: FN 4, 5, p. 621. Brief vom 15.12.1946. Nachlass Carl Müller, Privatbesitz Wolfgang Müller. Brief vom 12.2.1947. Nachlass Carl Müller, Privatbesitz Wolfgang Müller. Brief vom 15.12.1946 a.a.O. (Anm. 352).
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D i e N e w Yo r ke r J a h re 1 9 4 0 – 1 9 6 0 Rassenwahns zu beklagen hatte. Sein Neffe war als „Mischlingskind“ von den Nationalsozialisten zunächst vom Studium ausgeschlossen, dann wegen angeblich staatsfeindlicher Haltung verhaftet und ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt worden. Dort war er ums Leben gekommen – nach offizieller Erklärung bei einem Bombentreffer auf das Lager, was Müller, sicher zu Recht, in Zweifel zog. Auf das Schicksal seines Neffen Bezug nehmend, schrieb er : „Daher verstehe ich auch zu gut, daß Sie im Hinblick auf die schrecklichen Geschehnisse eine Verbindung mit unserer Heimat nicht mehr wünschen können. Gewiß würden Sie Vielen begegnen, die keinen Anteil an den furchtbaren Geschehen der Zeit hatten u. die auch heute noch rein als deutsche Menschen in Hochachtung und Verehrung ihrer Mitmenschen gedenken und sie lieben. Trotzallem und vielleicht gerade deshalb möchte ich Sie bitten, zurückzukommen. Ich weiß auch gut, daß dies im Augenblick zu früh sein wird, wo Trümmer über Trümmer die deutschen Städte beherbergen und wir Deutsche erst wieder ‚andere Menschen‘ werden sollten.“ 355 Nathan schloss die Rückkehr nach Deutschland jedoch aus, er hatte in den USA ein neues Zuhause gefunden, in dem er für sich und seine Familie eine Perspektive sah. Auf die vergangenen Jahre seit der Einwanderung zurückblickend, berichtete er : „Wir sind einen unendlich schweren Weg gegangen, sind aber gesund und mit uns und in uns zufrieden. Unser Kind hat sich zu einem 11jaehrigen aeusserlich, geistig und seelisch gut begabten Maedchen entwickelt. Meine Frau hat neben der Hausarbeit – selbstverstaendlich ohne Dienstboten – auf verschiedene Arten Geld verdient, als Verkaeuferin, mit Heimarbeit, etc. und betaetigt sich nun seit etwa einem Jahr als „Innen-Architekt“ […]. Sie ist Beraterin beim Einkauf von Moebeln, Vorhaengen, etc. fuer Leute, die sich eine Wohnung oder ein kleines Haus einrichten. […] Ich selbst habe als Zeichner und Baufuehrer vor nun beinahe 7 Jahren hier angefangen, und in Abend-Vorlesungen mich auf die Examina vorbereitet, die notwendig waren, bevor ich mich als selbstaendiger Architekt niederlassen konnte. Ich habe dann Ende 1941 zunaechst in meiner Wohnung angefangen, und habe seitdem einen recht schweren, aber immerhin aufwaerts fuehrenden Weg zurueckgelegt.“356
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Entschädigungsklagen Wie andere Emigranten hoffte Nathan nach dem Kriegsende auf Entschädigung aus Deutschland für die schweren Einkommens- und Vermögensverluste infolge des nationalsozialistischen Unrechts. Seine Einkünfte lagen 1941 – umgerechnet in Reichsmark – bei nur 1.365 RM, bis 1943 stiegen sie auf 6.312 RM und im Jahr 1944 erreichten sie mit 13.450 RM etwa die Größenordnung, mit der er sich auch in den 30er Jahren noch halbwegs über Wasser gehalten hatte. 357 Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland machte er erstmals am 23. März 1950 beim Hessischen Innenministerium seine Ansprüche in der Frage der sogenannten Wiedergutmachung geltend. Aus Deutschland unterstützte ihn seine frühere Sekretärin in Frankfur t, Anni Carle; sie bezeugte seine Einkommensverhältnisse in den Jahren vor der Emigration und erledigte notwendige Behördengänge.358 Als sich das Verfahren hinzog, rief er 1953 die 3. Entschädigungskammer des Landgerichtes Wiesbaden an, die einen Teil seiner Ansprüche zwar bestätigte, ihn aber auch aufforder te, sein Einkommen nicht nur für den Zeitraum bis 1944, sondern auch für die Jahre von 1945 bis 1947 offen zu legen.359 Nathan teilte sein Befremden darüber seinem Anwalt mit: „Ich glaubte, dass es nicht Sache der deutschen Behoerde sei, wenn ich aufgrund intensivster Arbeit mich nach relativ wenig Jahren in meinem neuen Berufskreis soweit durchgesetzt habe, dass sich mein Einkommen von Jahr zu Jahr etwas erhoeht hat. Ich glaube auch nicht, dass ich verpflichtet bin, darueber Auskunft zu geben. Falls Sie es jedoch für richtig halten dies zu tun, so moechte ich anregen darauf hinzuweisen, dass dies für mich ein Muss war, da ich nicht nur eine grosse Familie [neben Frau und Tochter auch Eltern und Schwiegermutter, Anm. d. Verf.] zu ernaehren, sondern auch die Dollaranleihen fuer meinen Unterhalt in Holland zurueckzuzahlen hatte. Wie Sie wissen, habe ich in diesen Jahren oft 90 und 100 Stunden gearbeitet und habe seither in allen diesen Jahren nie einen Urlaub genommen um dieses Ziel zu erreichen und durchzuhalten“.360 Ein weiterer Streitpunkt betraf die Entschädigung für verloren gegangenes Umzugsgut. Nathan hatte 1940 nur einen Teil seines Besitzes mit in die USA nehmen können, der andere war in Rotterdam mit der Option
Brief vom 12.2.1947. Nachlass Carl Müller, Privatbesitz Wolfgang Müller. Brief vom 15.12.1946 a.a.O. (Anm. 352). Liste Einkommensverhältnisse für den Zeitraum 1933–1944, nicht datierte Anlage zum Brief Nathans vom 23.3.1950 an das Hessische Staatsministerium. LBI: FN 26, 9, p. 33. Hierzu u.a. Brief Anni Carles vom 28.5.1959 an Nathan. LBI: FN 26, 15, p. 172 f. Zur Klage u.a. LBI: FN 26, 13 bis 26, 17. Brief vom 30.5.1954 in 26, 9, p. 13 f.
D i e N e w Yo r ke r J a h r e 1 9 4 0 – 1 9 6 0 einer späteren Zustellung zurückgeblieben. Tatsächlich aber wurde der Inhalt des Containers, in dem sich Möbel und Hausrat befanden, nach der Einnahme Hollands durch die Deutschen nicht herausgegeben und im Juni 1944 von der „Sammelverwaltung feindlicher Hausgeräte“ beschlagnahmt. Wie in anderen vergleichbaren Fällen dürfte vieles davon versteiger t worden sein. Nathan taxier te den ihm entstandenen Schaden auf 12.000 DM.361 Als seine Klage scheiter te, legte er Wiederspruch ein. Dies alles führ te zu einem langen und zermürbenden Kampf mit den deutschen Behörden, der ihn bis zu seinem Lebensende begleiten sollte.
Erste Aufträge Nachdem er sich Ende 1941 wieder selbstständig gemacht hatte, zeichnete Nathan zunächst vor allem für den Aus- und Umbau von Wohnungen, Geschäften und Büroräumen verantwortlich.362 So befasste er sich 1942 mit der Erweiterung eines Büros der Firma Speed Products in Queens, Nor thern Boulevard 78 –18, und arbeitete etwa zur selben Zeit für die auf Malerfarben spezialisier te Paragon Paints in der 46. Avenue 549. Für das Bankunternehmen Bears, Stearns & Co. baute er Büros im Irvin Trust Company Building um, einem Ar t-déco-Hochhaus in der Wallstreet 1. Zu seinen Kunden gehörte auch die Familie Herzberg, vermutlich ebenfalls aus Deutschland emigrier te Juden, für die er von 1941 bis 1943 den Ausbau eines Sommerhauses in Luray, Virginia, plante.363 Zu alldem kamen erste Aufträge für Synagogen. Vor allem die Gemeinden deutscher Einwanderer, die ihn als Architekt des Frankfur ter Friedhofs und anderer jüdischer Einrichtungen in Deutschland kannten, griffen für die Planung ihrer Gotteshäuser gerne auf ihn zurück.
Entwurf für das Gemeindezentrum K’Hal Adath Jeshurun in New York City, 1942 Nachdem er in Deutschland mehrfach für die or thodoxe Israelitische Religionsgesellschaft in Frankfur t gearbeitet hatte, traf Nathan in New York auf die von or thodoxen Juden aus Frankfur t gegründete Gemeinde K’Hal Adath Jeshurun, die ihn Anfang 1942 361 362 363 364 365 366 367
mit dem Ausbau einer einfachen Versammlungshalle zum Gemeindezentrum mit Synagoge und Schule beauftragte.364 Das eingeschossige Gebäude lag in der Bennett Avenue 90 im New Yorker Stadtteil Washington Heights, einem von jüdischen Emigranten bevorzugt bewohnten Vier tel im Norden Manhattans. Im April 1942 präsentier te der Architekt seinen Entwurf, der für das schlichte Bauwerk anstelle des vorhandenen flachen Dachs ein Tonnendach vorsah. Dessen selbsttragende Konstruktion sollte die vorhandenen Innenstützen überflüssig machen und mit Hilfe eines von Fenstern durchbrochenen Dachaufbaus für bessere Lichtverhältnisse sorgen. Da die Höhe des Raums den für or thodoxe Synagogen geforder ten Einbau einer Empore für Frauen nicht erlaubte, war für die Trennung beider Geschlechter eine halbhohe Wand mit Sichtgitter beabsichtigt. Hinter dieser Wand sollten 250 Frauen und davor 410 Männer Platz finden.365
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Abb. 110:
Entwurf für das Gemeindezentrum K’Hal Adath Jeshurun in New York City, Washington Heights, Grundriss des Erdgeschosses mit einem Vorschlag für den Umbau, datiert am 5.4.1942, nicht realisiert (LBI: FN 15, 4, p. 222).
Der Architekt führ te die Verhandlungen mit den Behörden und den vom Ausbau betroffenen Nachbarn, er holte die Kostenvoranschläge der Baufirmen ein und bearbeitete den Vorentwurf nach den Wünschen der Gemeinde weiter. Umso überraschter war er, als er im Oktober 1942 erfuhr, dass in der Frage der endgültigen Auftragsvergabe „ernsteste Verhandlungen nach anderer Seite“ geführ t wurden.366 Tatsächlich erhielt ein Architekt namens Lehmann, der offenbar ein preisgünstigeres Angebot erstellt hatte, den Zuschlag.367
Brief seines Anwalts Dr. Eugen Loew vom 12.6.1960. LBI: FN 26, 17, p. 235 f. Diverse Dokumente von 1940–1941 zum verlorenen Umzugsgut im LBI: FN 26B, 12, hier insb. Brief vom 27.4.1941 (p. 45 f.). Nicht auszuschließen ist, dass bei der Auswanderung auch Unterlagen des Büros verloren gingen. Dies jedenfalls könnte erklären, wieso im Architektennachlass teils erhebliche Lücken zu einzelnen Bauprojekten bestehen. Verzeichnis der Bauten und Projekte im LBI: FN 4, 4. Pläne im LBI: FN 23, 5. Dokumente zum Projekt im LBI: FN 15, 4. Entwurf im LBI: FN 15, 4, p. 220–222. Brief Nathans an Dr. Carl Goldschmidt, Mitglied des Baukomitees, 11.10.1942. LBI: FN 15, 4, p. 145 f. Vermutlich handelte es sich um den aus Mannheim emigrier ten Ar thur Lehmann. Zu ihm Warhaftig a.a.O. (Anm. 59) S. 301.
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D i e N e w Yo r ke r J a h re 1 9 4 0 – 1 9 6 0 Rückschläge dieser Ar t musste Nathan noch mehrfach einstecken. Die finanzielle Situation der Emigrantengemeinden verhinder te eine Reihe von Bauprojekten oder führte dazu, dass er im Wettbewerb um einen Auftrag anderen Architekten mit günstigeren Angeboten unterlag. Auch die Folgen des Zweiten Weltkriegs auf die Wirtschaft in den USA wirkten sich negativ aus. Sie verhinderten zum Beispiel eine Synagoge, mit der Nathan schon Anfang der 1940er Jahre die Chance gehabt hätte, im amerikanischen Exil als Architekt eines größeren Neubaus hervorzutreten.
Entwurf für das Kew Gardens Jewish Center in New York City, 1941– 1944 Den Auftrag für diese Synagoge verdankte Nathan einer der zahlreichen sogenannten konservativen Gemeinden in den USA, die einerseits dem reformier ten Judentum nahe stehen, andererseits aber eine Reihe von Gesetzen und Praktiken auch mit den orthodoxen jüdischen Gemeinden gemeinsam haben, wie die Speisegebote und Ruhevorschriften für den Sabbat. Ebenso orientiert sich die Liturgie weitgehend an der traditionell bewahr ten Form, während in der Frage der Auslegung der Thora fundamentale Unterschiede zu den Or thodoxen bestehen. Die Gemeinde, die sich im Spätjahr 1941 an Nathan wandte, hatte ihren Sitz in Kew Gardens, einem von jüdischen Emigranten bevorzugten Vier tel im New Yorker Stadtteil Queens. Das Bauprogramm sah eine Synagoge mit 750 Sitzplätzen im Hauptgeschoss und 250 auf dem Emporengeschoss vor ; dazu einen Versammlungssaal, der bei voller Bestuhlung 800 Personen aufnehmen sollte.368 Des Weiteren war ein Verwaltungs- und Schulgebäude zu planen, das neben Büroräumen, Klassen- und Lehrerzimmern auch eine Turnhalle sowie Räume für die Jugend, eine Küche und eine Hausmeisterwohnung erhalten sollte. Der Bauplatz lag zwischen Talbot Street, 83rd Drive und 84th Avenue. Nathan legte im Oktober 1941 einen ersten Entwurf vor, der als Grundlage der weiteren Planung diente. Als die Realisierung im März 1943 in greifbare Nähe rückte, veröffentlichte die Gemeinde im Kew Gardens Jewish Center Bulletin eine perspektivische Zeichnung der projektier ten Gebäudegruppe. Die Bildlegende dazu lautete „The new Center Building dedicated to victor y, peace and to the Service of God“.369 Der Entwurf zeigt eine aufgelocker te Anlage aus lang-
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gestreckten, flachgedeckten Flügelbauten mit dem Gemeindesaal als Übergang zwischen der Synagoge und dem Verwaltungs- und Schultrakt. Das Eingangsgebäude ist durch seine Höhe, den breit gelager ten Por tikus und das darüber sitzende Rundfenster hervorgehoben; daran schließt sich längs der 84th Avenue die Synagoge an, deren Fassade mittels langer ver tikaler Fensterbahnen geglieder t ist. Der Bereich, der die Bima und den Thoraschrein aufnimmt, ist nach außen durch ein Relief gekennzeichnet, das die von zwei Löwen flankier ten mosaischen Gesetzestafeln darstellt und zur Steigerung des repräsentativen Eindrucks von schlanken Bäumen eingefasst wird. Auch die im Innenhof stehenden Bäume sind Teil des architektonischen Konzepts und unterstreichen durch den säulenar tigen Wuchs und ihre strenge Anordnung die Würde des Or tes. So einfach der auf wenige Gestaltungselemente reduzier te Entwurf erscheinen mag, so wichtig muss dieses Projekt für Nathan gewesen sein. Nach den beruflichen Einschränkungen im Deutschland der NS-Zeit hatte er erstmals wieder die Hoffnung, eine größere Gebäudegruppe realisieren zu können. Hinzu kam, dass er sich im Unterschied zu den 1930er Jahren wieder klar zur Bauhausmoderne bekennen konnte. Dass er von seinem früheren Prinzip der Ausbildung symmetrischer Anlagen abwich, ist dem unregelmäßigen Zuschnitt des Bauplatzes geschuldet, zeigt aber auch, dass er bereit war, neue Wege zu gehen. Als der Entwurf im März 1943 veröffentlicht wurde, befand sich die USA seit über einem Jahr mit Deutschland, Italien und Japan im Krieg. Aus diesem Grund musste das Bauvorhaben vom War Production Board genehmigt werden, einer Behörde, die darüber wachte, dass das Militär über genügend Ressourcen an Personal, Material und Produktionsmitteln verfügte. In den Notzeiten des Krieges durften nur noch solche Neubauten realisier t werden, die von hohem öffentlichem Belang waren. Im Mai 1943 reichte Nathan den Genehmigungsantrag ein, der detaillier te Auskünfte über das Projekt einschließlich der vorgesehenen Materialien und Kosten enthielt.370 Der Architekt zählte akribisch die Masse der Ziegelsteine (20.000 Stück), des Betons (30 Kubikyard) sowie weiterer zu verarbeitender Materialien auf; selbst die Anzahl der Bolzen und Nägel (800 Stück) ist aufgelistet. Auch die Bedeutung des Bauvorhabens für das Kriegsprogramm und seine Relevanz für die öffentliche Sicherheit und Gesundheit mussten begründet werden.
368 Dokumente zu Kew Gardens im LBI: FN 6, 6; FN 13, 1. Grundriss und Perspektive in FN 6, 6, p. 130, 133 f.; FN 22, 2, p. 195. 369 Kew Gardens Jewish Center Bulletin vom März 1943 im LBI: 13, 1, p. 240. 370 Antrag vom 15.5.1943 im LBI: FN 13, 1, p. 252 f.
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Abb. 111:
Entwurf für das Kew Gardens Jewish Center in New York City, Kew Gardens, 1943, nicht realisiert (LBI: FN 6, 6, p. 134).
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Abb. 112:
Entwurf für das Kew Gardens Jewish Center in New York City, Kew Gardens, 1943, Grundriss der Gesamtanlage und Aufriss der Synagoge, nicht realisiert (LBI: FN 22, 2, p. 195).
Nathan betonte, dass das Gebäude künftig nicht nur allen Mitgliedern der Gemeinde, sondern auch anderen Nutzungen offen stehen solle. Es könne zum Beispiel als Zuflucht für heimatlose Menschen oder für Luftschutz- und Erste-Hilfe-Übungen sowie für Pfadfindertreffen und andere von der Regierung veranlasste Aktionen dienen. Nicht zuletzt führ te er an, dass die Synagoge dem Frieden und dem Sieg der USA über den Feind gewidmet werden sollte. Die Behörde antwor tete jedoch am 14. Juni 1943, der Krieg mache eine Verschiebung vieler Baumaßnahmen notwendig und selbst Projekte für religiöse Zwecke könnten davon nicht ausgenommen werden. „Request denied“ – Antrag abgelehnt, lautete das Ur teil.371 Immerhin blieb die Hoffnung, das Bauwerk nach Kriegsende realisieren zu können. So bat die Gemeinde 1944 noch einmal um eine Überarbeitung des Entwurfs. Danach aber kam es zu einem heftigen Streit zwischen Architekt und Auftraggeber, da sich Nathan für seine Leistung nicht ausreichend entlohnt sah.372 Ob sich Gemeinde und Architekt einvernehmlich voneinander trennten, ist nicht bekannt. Die Synagoge jedenfalls wurde 1949 nicht nur von einem anderen Architekten, Samuel Brian Baylinson, errichtet, sondern auch an einem neuen Standor t, in der Mainstreet 71–25. Baylinson schuf eine streng symmetrische, traditionell geprägte Anlage im damals so bezeichneten
„Georgian Colonial“. Letztlich hatte sich also der Vorschlag des Immigranten aus Deutschland für eine Gestaltung im Stil des Neuen Bauens der 1920er Jahre nicht durchsetzen können.
371 Brief vom 14.6.1943 im LBI: FN 13, 1, p. 182. 372 Hierzu z. B. der Brief Nathans vom 25.11.1944 an die Gemeinde. LBI: FN 13, 1, p. 175.
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D i e N e w Yo r ke r J a h re 1 9 4 0 – 1 9 6 0 Vor dem Hintergrund dieser negativen Erfahrungen sprach Nathan in seinem Brief an Carl Müller auch die Schwierigkeiten an, mit denen er in den ersten Jahren nach der Einwanderung in die USA zu kämpfen hatte. „Da wäehrend des Krieges und auch heute noch PrivatBauten sehr erschwert oder fast unmoeglich waren, war meine Taetigkeit in den letzten Jahren im Wesentlichen auf Umbauten und Erweiterungen beschraenkt.“ 373 Ergänzend fügte er hinzu: „Da die Honorare im allgemeinen sehr viel niedriger sind als bei Ihnen, und die Spesen wesentlich hoeher […], so ist das Verdienst eines Architekten verhaeltnismaessig wesentlich kleiner als drueben, umsomehr als ein Durchschnittsarchitekt an die Riesen-Auftraege, die taeglich hier vergeben werden, nicht herankommt.“ Die Enttäuschung über das Ausbleiben größerer Aufträge in diesen ersten Jahren des Exils brachte er am 20. Mai 1947 auch in einem Brief an Henry Sonnenberg, einen ebenfalls aus Deutschland emigrier ten Unternehmer, zum Ausdruck. „Ich bin begreiflicherweise sehr traurig, dass ich als Refuge und Jude hier die Aufgaben noch nicht gefunden habe, die meinen Ruf begruenden konnten.“374 Zwei Jahre später schienen bessere Zeiten angebrochen: 1949 machte Nathan mit einem Ladengeschäft auf sich aufmerksam, das sogar zwei namhaften Zeitungen, der New York Times und der New Yorker Staats-Zeitung, einen Bericht Wer t war.
Einzelhandelsgeschäft Bernath & Co. in New York City, 1944 –1949 Auftraggeber des durch seine signifikante gläserne Fassade geprägten Verkaufsraums war Egon Bernath, ein ebenfalls aus Deutschland emigrier ter Geschäftsmann, der einst in der Berliner Tauentzienstraße 5 ein Kaufhaus für Sportmoden betrieben hatte.375 In New York gründete er die Firma Bernath & Co. Spor tswear, die auf Spor tbekleidung für Frauen spezialisier t war und ihren Sitz zunächst in einem Gebäude in der Madison Avenue 517 hatte. Die Verkaufs- und Geschäftsräume waren für einen Zeitraum von zehn Jahren gemietet und mussten nach dieser Frist aufgegeben werden. Rechtzeitig einen Ersatz suchend, wandte sich Bernath bereits 1944 an Nathan, um ihn mit der Begutachtung des Wohn- und Geschäftshauses in der 56. Straße 28 East, schräg gegenüber dem bisherigen Standor t, zu beauftragen.376 Das fünfgeschossige Eck-
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gebäude stand an der Stelle, an der sich seit 1984 das AT&T Building (jetzt Sony Building) von Philip Johnson erhebt. Es stammte aus dem späten 19. Jahrhunder t und besaß in seinen beiden unteren Etagen große, von historisierendem Dekor eingefasste Schaufenster. Für den Umbau dieser beiden Geschosse legte Nathan im Mai 1944 erste Skizzen vor, die zunächst aber auf Unverständnis beim Bauherrn stießen. Denn dieser hatte keine Grundriss- oder Raumpläne, sondern Entwürfe für die Neugestaltung der Fassade erwar tet. Im daran anschließenden Disput zwischen beiden verlieh Nathan seiner Überzeugung Ausdruck, dass „der Architekt mit der Grundrissloesung seiner Bauten und Umbauten zu beginnen pflegt“.377 Damit stellte er sich gegen die Meinung Bernaths, dass sich nach der Planung der Fassade das Innere des Geschäfts von alleine ergebe. Nathan konterte, erst müssten die Grundrisse festgelegt werden, dann erst könnten Fassadendetails wie die Lage der Schaufenster und des Eingangs bestimmt werden. Uneinig war man sich auch in der Frage der Gestaltung der Innenräume. Die Skizzen dazu erschienen Bernath zu modern. Er wünschte eine eher rustikale Lösung entsprechend dem Corporate Design der Firma. Der Architekt fügte sich diesem Wunsch, sprach sich aber dafür aus, nicht nur die Innenräume, sondern auch die Fassade „semi-rustical“ auszubilden.378 Ein weiterer Grundsatz kam so zur Sprache: das einheitliche, in sich stimmige Erscheinungsbild, das Nathan seit jeher bei seinen Gebäuden anstrebte. Er schlug vor, die äußeren Wandflächen zwischen den Schaufenstern mit Eichenholz zu verkleiden, konnte sich damit aber nicht durchsetzen, da der Bauherr auf eine fast vollständig in Glas aufgelöste Front beharr te. Da Nathan mit der Gestaltung moderner Schaufenster bestens ver traut war, fiel es ihm leicht, dem Wunsch des Auftraggebers zu entsprechen. Allerdings korrigier te er dessen überzogene Vorstellungen einer 90-prozentigen Verglasung und fügte an den Stellen, an denen es ihm aus funktionalen und gestalterischen Gründen notwendig erschien, Wandflächen ein. Die schließlich realisier te Lösung zeigt zur Madison Avenue eine mittels Brüstungs- und Fensterzonen horizontal geglieder te Front, während die Seitenfassade an der 56. Straße durch eine über Eck geführte,
Brief vom 15.12.1946 a.a.O. (Anm. 352). Briefentwurf vom 20.5.1947. LBI: FN 3, 1, p. 212 f. Humboldt Universität Berlin: Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1930–1945, in: http://www2.hu-berlin.de/djgb/www/find/ (5.7.2013). Dokumente zu Bernath & Co. im LBI: FN 1, 13; FN 1, 14. Nicht datier ter Briefentwurf im LBI: FN 1, 13, p. 561 f. Ebd.
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Abb. 113:
Einzelhandelsgeschäft Bernath in New York City, Manhattan, 1944–1949, bauzeitliche Fotografie von Rudy Bleston (LBI: FN 1, 14, p. 626).
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Abb. 114:
Einzelhandelsgeschäft Bernath in New York City, 1944–1949, bauzeitliche Fotografie bei nächtlicher Beleuchtung von Rudy Bleston (LBI: FN 1, 14, p. 627).
zweigeschossige Glaswand effektvoll geprägt ist. Letztere gibt den Blick auf eine zweigeschossige Halle im Inneren des Ladens frei, in der die obere Verkaufsetage mit einer Empore in den Raum auskragt. Schlanke Pfeiler tragen die darüber sitzenden Geschosse und dienen zugleich als vertikale Gliederungen, die sich durch ihre dunkle Farbe von den hellen Wandflächen abheben. Umso mehr fällt auf, dass die gläserne Ecke keinen Pfeiler besitzt, also stützenlos ausgebildet ist. Damit wiederholte Nathan ein Motiv, das er viele Jahre zuvor beim Kaufhaus Wronker in Hanau entwickelt hatte. In New York steiger te er die Wirkung durch die Zweigeschossigkeit. Ein Metallrahmen fasst die Glasflächen optisch zusammen und umgreift sie in einer fließenden Bewegung. Auch dieses Detail knüpft, so wie die Gesamtgestaltung, an die Bauten der 1920er Jahre an. Die gläserne Architektur kam insbesondere bei abendlicher Beleuchtung wirkungsvoll zur Geltung. Das Geschäft wurde am 14. September 1949 eröffnet. Als die New York Times und die New Yorker Staats-Zeitung über das architektonische Juwel berichteten, erfolgte dies nicht ohne das Zutun Nathans.379 Denn die New Yorker Agentur für Public Relations und Publicity J. P. Lohmann hatte in seinem Auftrag
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Fotos und Beschreibungen des Bauwerks an die Presse geschickt.380 Zudem hatte er den ebenfalls aus Deutschland emigrier ten Architekten und Fachautor Paul Zucker um eine Rezension gebeten. Dieser hatte bereits 1931 in seinem Bildband über Lichtspielhäuser das Universum-Kino in Mannheim gewürdigt. In New York arbeitete Zucker als Dozent für Architekturund Kunstgeschichte an der New School of Social Research und der Cooper Union Ar t School.381
Presseberichte in New York Times vom 30.10.1949 sowie New York Staatsanzeiger und Herold vom 16.11.1949. LBI: FN 1, 14, p. 639 f. Ein weiterer Ar tikel in Women’s Wear Daily im LBI: FN 1, 14, p. 646. LBI: FN 1, 14; darin nicht datier tes Manuskript der J.P. Lohman Organization (p. 649). Zu Paul Zucker : Wolfgang Schäche / Norber t Szymanski, Paul Zucker. Der vergessene Architekt, Berlin (jovis Verlag) 2005.
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D i e N e w Yo r ke r J a h re 1 9 4 0 – 1 9 6 0 Für das Ladengeschäft fand er höchstes Lob: „Die Synthese von europäischer Tradition und amerikanischer Ausdrucksform – New Yorkisch im besten Sinne – scheint vollkommen gelungen.“ Die Gestaltung lasse die „architektonische persönliche Handschrift des Künstlers“ erkennen. Kennzeichnend erschienen Zucker das fein ausgewogene Spiel offener und geschlossener Wandflächen, die klare Abgrenzung des Ladens von den darüber sitzenden Wohngeschossen sowie die reizvollen Details der Innenausstattung. Das Bauwerk verkörpere einen „konser vativen Modernismus, fern von aller ‚modernistischen‘ Verspieltheit“.382 Damit fand der Autor eine Charakterisierung, die sich auch auf andere Bauten Nathans in Deutschland wie in den USA anwenden lässt. Zucker schickte das Manuskript im September 1949 mit dem Vermerk „Hoffentlich richtig“ an Nathan, der den unveränder ten Text der Redaktion der deutschsprachigen New Yorker Staats-Zeitung weiterleitete – verbunden mit der Bitte um Unterredung und dem Wunsch, dass seinem Werk, insbesondere seinen „hiesigen Arbeiten“ weitere Artikel gewidmet würden.383 Er wird hier vor allem an die Synagoge in Woodmere gedacht haben, sein bis dahin größtes und wichtigstes Bauprojekt in den USA.
Synagoge Congregation Sons of Israel in Woodmere, New York, 1946–1950 Im rund 30 km südöstlich von New York City liegenden Woodmere war 1928 die konservative Gemeinde Sons of Israel gegründet worden, die seit 1933 über ihr eigenes Gotteshaus am Irving Place 107 verfügte. Die Synagoge in traditionell geprägtem Stil – mit Satteldach, rustikalem Sichtmauerwerk und einer Außentreppe zum erhöht liegenden Eingang – stammte vom New Yorker Architekten Max Horn, der das Gebäude 1935 durch eine jüdische Schule erweiter te. Das zweigeschossige Unterrichtsgebäude ist bis heute durch eine Mauerwerksfassade mit neuklassizistischen Details wie Pilastern und dreieckigen Ziergiebeln geprägt.384 Bereits Mitte der 40er Jahre war das Gotteshaus für die rasch wachsende Gemeinde zu klein, so dass eine Erweiterung unumgänglich war. Der Vorstand wandte
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sich Anfang 1946 an den im Synagogenbau seit Langem erfahrenen Eugene Schoen, jenen Architekten also, der seit 1943 mit Nathan eine Ar t Bürogemeinschaft pflegte und ihn davor zeitweise als Mitarbeiter beschäftigt hatte. Nun bewies Schoen ein weiteres Mal, dass er große Stücke auf Nathan hielt.Denn er machte ihn zu seinem Par tner bei der Planung und Durchführung des Projekts.385 Die Aufgabe war klar definier t: Die Synagoge sollte auf 400 Sitzplätze vergrößer t und mit einer Versammlungshalle für 800 Personen verbunden werden. Auch eine Kapelle für Gottesdienste und Andachten an den Wochentagen stand auf der Wunschliste der Gemeinde. Außerdem waren neue Büroräume, vier zusätzliche Klassenzimmer, eine Bibliothek und eine Küche vorzusehen. Die Architekten nutzten die Erweiterung für eine grundlegende Überformung der alten Synagoge und schufen unter Einbeziehung eines Teils der Konstruktion einen breit gelager ten, kubisch geglieder ten Klinkerbau mit einer hohen Pfeilerhalle, der augenscheinlich in der Nachfolge der Trauerhalle des Frankfur ter Friedhofs steht.386 Die deutsch-jüdische Emigrantenzeitschrift Aufbau berichtete im Juni 1949: „Der Außenbau wird in tief dunkelroten Backsteinklinkern erscheinen. Seine Monumentalität, seine ausgezeichnet abgewogenen Proportionen, seine funktionelle Klarheit, die die Klarheit des Innenraums widerspiegelt, lassen den entscheidenden Einfluss Fritz Nathans erkennen. Man erinnert sich seiner vorzüglichen jüdischen Kultbauten in Deutschland, von denen einzelne, wie der Frankfurter Friedhof glücklicherweise, noch heute erhalten sind.“387 Der Autor dieser Zeilen, Guido Schoenberger, kannte Nathan und sein Werk bestens. Bevor er 1939 in die USA emigrier te, war er Kustos am Museum jüdischer Alter tümer sowie am Historischen Museum in Frankfur t. Mehr noch als im Entwurf zeigt sich die Handschrift Nathans am realisier ten Gebäude. Kennzeichnend sind die strenge Kubatur und Symmetrie, die hohe, in den Baukörper einschneidende Pfeilerhalle, die rotbraunen Klinkerwände und die mit diesen Merkmalen einhergehende sachliche Monumentalität. So wie die Frankfur ter Trauerhalle besitzt das Bauwerk ein der sakralen Funktion entsprechendes würdevolles
Das in der New Yorker Staats-Zeitung veröffentlichte Manuskript Zuckers im LBI: FN 1,14, p. 658. Brief Zuckers vom 26.9.1949. LBI: FN 1, 14, p. 641. Brief Nathans vom 4.11.1949 im LBI: FN 1, 14, p. 659. Zeichnung der alten Synagoge und Schule im LBI: FN 2, 10, p. 212. Brief vom 28.5.1946 mit der Auftragsbestätigung Schoens, die Nathan am 4.6.1946 mitunterschrieb. LBI: FN 5, 2, p. 21. Der eigentliche Ver tragsabschluss der Gemeinde mit Schoen und Nathan erfolgte erst am 5.4.1948. LBI: FN 5, 2, p. 12–15. Korrespondenz und andere Dokumente zur Synagoge in Woodmere im LBI: FN 2, 6 bis 2, 11; FN 4, 5; FN 4, 8; FN 5, 2; FN 22, 1; FN 22, 2; Grundrisse in FN 17, 3, p. 216–219, 228 f.; Baubeschreibung Nathans in FN 3, 20, p. 294 f. Die meisten Pläne gelangten nach Abschluss der Baumaßnahme in das Büro Schoens. Dies erklär t, wieso sich im Nachlass Nathans kaum Planzeichnungen der Synagoge finden. Aufbau, Vol. 15, Nr. 25, 24.6.1949, S. 26 (https://archive.org/details/aufbau). Ein Exemplar des Berichts im LBI: FN 2, 9, p. 149. Das Manuskript Schoenbergers im LBI: FN 6, 5, p. 623 f.
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Abb. 115:
Synagoge Congregation Sons of Israel in Woodmere, Long Island, NY, 1946–1950, Ansichtszeichnung (LBI: FN 5, 1, p. 439).
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Abb. 116:
Synagoge Congregation Sons of Israel in Woodmere, Long Island, NY, 1946–1950, bauzeitliche Fotografie (LBI: FN 22, 2, p. 190).
und ernstes Erscheinungsbild. Zu beiden Seiten der hohen Por talöffnungen sitzen zwei Relieftafeln aus Terrakotta mit den jüdischen Symbolen der mosaischen Gesetzestafeln und des siebenarmigen Leuchters, denen jeweils ein Löwe zugeordnet ist. Die Klinkerfassade ist wie in Frankfur t durch die Verwendung hellerer und dunklerer Steine sowie die Akzentuierung der Fenster- und Wandabschlüsse mittels Rollschichten geprägt. Wäre es nach den Vorstellungen des Baukomitees gegangen, hätte die Anlage allerdings eine Natursteinfassade in Anlehnung an den Vorgängerbau und das Schulhaus erhalten. Dagegen hatten die Architekten argumentier t, das Bauwerk werde durch dieses Material viel zu massiv wirken.388 Nicht durchsetzen konnte sich im Unterschied dazu der Vorschlag für eine konsequent moderne Gestaltung, wie sie ein Alternativentwurf im Nachlass Nathans zeigt.389 Dargestellt ist eine kubisch gegliederte Anlage mit zu beiden Seiten des Eingangsbereichs symmetrisch sitzenden Vorbauten. Das Erdgeschoss ist großzügig verglast, während die Obergeschosse mit quadratischen Steinplatten verkleidet sind. Dieser Vorschlag greift auf den 1930 entstandenen Wettbewerbsentwurf Nathans für die Synagoge in Zürich zurück. Im Inneren des realisier ten Gebäudes führ t die Treppenanlage des weiträumigen Foyers in das vom Vorgängerbau übernommene Tief- und Hochpar terre. Die untere Etage nimmt neben Büros, Gesellschafts388 Brief vom 26.3.1948. LBI: FN 2, 12, p. 340. 389 Alternativplan im LBI: FN 22, 1, p. 161; FN 22, 2, p. 183.
räumen, Speisesaal und Küche die Kapelle auf, während das Hochpar terre der Synagoge und dem Festsaal dient. Die Wand zwischen diesen beiden Räumen ist horizontal geteilt und lässt sich nach oben und unten verschieben, so dass die 400 Plätze fassende Synagoge entsprechend dem Bauprogramm von 1946 an Hohen Feier tagen vergrößer t werden kann. Dann können bis zu 1.200 Besucher dem Gottesdienst beiwohnen.
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Abb. 117:
Vorentwurf für die Synagoge Congregation Sons of Israel in Woodmere, Long Island, NY, etwa 1946/47 (LBI: FN 22, 1, p. 161).
Die Synagoge ist nach Südosten und damit entsprechend der Tradition Richtung Jerusalem ausgerichtet. Infolgedessen grenzt die Nische, in der die Thora-Rollen aufbewahr t werden, an das alte Schulgebäude an. Um die Thorawand dennoch mit Farbglasfenstern gestalten zu können, fügten die Architekten zwischen Synagoge und Schule zwei schmale Lichthöfe ein. In Übereinstimmung mit dem or thodoxen Ritus erhebt sich die Bima, an der die Thora gelesen wird, im Zentrum des Raums. Sie ist, so wie die Kanzel und das Gestühl, in dunklem Walnussholz ausgeführ t, das dem Saal in Verbindung mit der stimmungsvollen Wirkung der blau leuchtenden, den Himmel symbolisierenden Farbfenster eine ernste Feierlichkeit verleiht. Auch die Kapelle im Tiefpar terre zeichnet sich durch eine Gestaltung mit dunklem Holz aus, um als Or t der Besinnung und Einkehr wirken zu können. Weitere Räume über dem Foyer dienen als Klassenzimmer und werden über ein eigenes Treppenhaus erschlossen. Die Synagoge wurde am 25. März 1950 feierlich ihrer Bestimmung übergeben. Nathan sollte jedoch noch bis Ende 1952 in Woodmere beschäftigt sein, um das Gebäude in all seinen Details zu vollenden. Obwohl er sich den Erfolg mit Eugene Schoen teilen musste, war es doch sein bis dahin wichtigster Bau in den USA. 1954 wurde das Gemeindezentrum in einem von der Union of American Hebrew Congregations herausgegebenen Buch über neue Synagogen vorgestellt.390 Im selben Jahr bat Stephen S. Kayser vom
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Jüdischen Museum in New York, um Zeichnungen und Fotos für die große Jubiläumsausstellung anlässlich des „jewish tercentenary“, der Dreihunder tjahrfeier, mit der an die Einwanderung der Juden in Amerika erinner t wurde. Die Schau beleuchtete den Weg der amerikanischen Juden in Religion, Wissenschaft, Kunst und Kultur. In diesem Zusammenhang wurden alte und neue Synagogen gegenübergestellt. Kayser war sich sicher, dass die Materialien über den Neubau in Woodmere großes Interesse finden würden, „since they show how well a synagoge can be rebuilt“.391 Durch Vermittlung Kaysers meldete sich im November 1956 die Zeitschrift Newsweek bei Nathan. Sie wünschte Bildmaterial und weitere Informationen für einen Ar tikel über „imagination and creativity“ im zeitgenössischen Sakralbau; kurz darauf allerdings sagte Newsweek den Bericht aus redaktionellen Gründen ab.392 Die Funktionalität des Bauwerks und die schlichte, würdevolle Architektur fanden in den 1950er Jahren allgemein Anerkennung. In späteren Jahren stieß die strenge Gestaltung der Innenräume aber nur bedingt auf das Verständnis der Gemeinde. Die Ausstattung wurde im Lauf der Zeit veränder t und dekorativ überformt. Zum Glück blieben aber der Synagogenraum und die Kapelle von den „Verschönerungsversuchen“ verschont, so dass sie auch heute noch ihre von den Architekten intendier te Wirkung als Or te der Einkehr und religiösen Erbauung entfalten können.
390 Peter Blake, An American Synagogue for Today and Tomorrow, A Guide Book to Synagogue Design and Construction, New York (Union of American Hebrew Congregations) 1954. Ein Auszug aus dem Buch (“Contemporary Designs by architects and ar tists”) im LBI: FN 5, 1, p. 431–463, darin zwei Ansichtszeichnungen und ein Grundriss der Synagoge. 391 Brief an Nathan vom 26.10.1954. LBI: FN 4, 2, p. 138. Zur Ausstellung: Der Aufbau 3.12.1954, S. 5 f., 10.12.1954, S. 15 f. (https://archive.org/details/aufbau) 392 Briefe an Nathan vom 11.11.1956 und 24.11.1956. LBI: FN 4, 2, p. 145, 151.
D i e N e w Yo r ke r J a h r e 1 9 4 0 – 1 9 6 0 Synagoge Congregation Beth Hillel in New York City, 1947– 1948 Während des Synagogenneubaus in Woodmere galt ein weiteres Projekt Nathans dem Gotteshaus der Gemeinde Beth Hillel im New Yorker Stadtteil Washington Heights.393 Die konservative Gemeinde war von deutschen Emigranten gegründet worden und erinnerte mit ihrem Namen an die Schule des bedeutenden pharisäischen Rabbiners Hillel. Sie feierte ihre Gottesdienste in einem Raum der Paramount Hall in der 183. Straße, als sie 1946 ein ehemaliges Postgebäude in der 182. Straße 571 West erwarb, um es zur Synagoge umbauen zu lassen. Das von 1922 stammende zweigeschossige Gebäude besaß einen rechteckigen Grundriss und zeichnete sich durch eine neuklassizistische, von Pilastern geglieder te Mauerwerksfassade aus. Zum Zeitpunkt des Ankaufs diente es bereits nicht mehr seiner ursprünglichen Funktion. Das Erdgeschoss beherbergte einen Supermarkt, während ein jüdischer Arbeiterverein das Obergeschoss nutzte. Ein Mitglied der Gemeinde, Frederick D. Weil, setzte sich am 25. August 1947 beim ersten Vorsitzenden des Baukomitees Dr. Richard Jung für Nathan als Architekt des Umbaus ein. „Der grosse Ruf des Herrn Nathan als ein bedeutender Architekt ist nicht nur unter den eingewanderten Juden ungeteilt, sondern Herr Nathan ist bereits hier in amerikanischen Kreisen bekannt als ein äusserst seriöser und grosser Fachmann auf seinem Spezialgebiet. Ich selbst kenne Nathan seit vielen Jahren nicht nur als den bedeutenden Architekten, sondern als einen Freund, einen Schicksalsgenossen von uns allen und als einen guten Juden“.394 Die Gemeinde legte die Bausumme auf zirka 13.000 Dollar fest – ein Betrag, der nach Ansicht Nathans aber viel zu niedrig angesetzt war. Er veranschlagte die Kosten zunächst auf rund 18.000 Dollar, dann korrigier te er sie auf fast den doppelten Betrag, auf 35.000 Dollar. Neben dem schlechten Zustand des Gebäudes waren dafür auch die wachsenden Ansprüche der Kongregation an die Ausgestaltung des Hauses ausschlaggebend. Um die Finanzierung zu ermöglichen, wandte sich die Gemeinde am 5. April 1948 an ihre Mitglieder : „Es ist wohl der wuerdigste und heiligste Aufruf, den wir hiermit an Sie ergehen lassen: Die Errichtung eines Gotteshauses.“ 395 Der Appell zum
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Kauf von Anteilsscheinen brachte den gewünschten Erfolg, so dass die Synagoge bereits am 26. September 1948 ihrer Bestimmung übergeben werden konnte. Nathan gestaltete das Erdgeschoss zu einem „praktischen, durch Schlichtheit des Raumes und glueckliche Farbengebung stimmungsvoll wirkenden Betraum“ – so das spätere Lob der Gemeinde. Auch baute er „in besonders glücklicher Weise“ die Stirnwand so um, „dass die Heilige Lade zwischen den beiden sie einschließenden Viertelkreisen den Blick des Beschauers durch ihre ansprechende Form auf sich zieht“.396 Die Synagoge bot 900 Personen Platz. Im Untergeschoss befanden sich die mit einer Bühne ausgestattete Versammlungs- und Festhalle sowie eine Küche. Für das Obergeschoss mit Unterrichts- und Büroräumen war ursprünglich noch eine Werktagskapelle mit 200 Sitzplätzen vorgesehen, die aber aus finanziellen Gründen nicht mehr zustande kam.397 So einfach die Baumaßnahme letzten Endes war, so war sie doch für die Gemeinde von herausragender Bedeutung. Zur Einweihung erschien eine Festschrift, in welcher der Präsident der American Federation of Jews from Central Europe betonte, dass Beth Hillel eine der ersten Immigrantengemeinden war, die eine Synagoge auf eigenem Grund und Boden geschaffen hatte.398 In seiner Ansprache anlässlich der feierlichen Schlüsselübergabe kam Nathan auf seine Rolle als Architekt bei dieser „bescheidenen, aber doch so grossen Aufgabe“ zu sprechen: „Ich war mir bewusst, dass ich nicht berufen wurde, einen stolzen Bau zu erschaffen, vielmehr Form zu finden fuer das Gotteshaus einer Gemeinde, deren Mitglieder […] erst vor einer kurzen Reihe von Jahren einen neuen und harten Lebensweg begonnen hatten.“ 399 Am heutigen Gebäude ist die „Metamorphose“ vom Supermarkt zur Synagoge, wie Nathan den Umbau beschrieb, nicht mehr nachvollziehbar.400 Die Gemeinde wurde im Lauf der Jahre durch den Tod älterer Mitglieder und die Abwanderung der erwachsenen Kinder in die Voror te immer kleiner, so dass sie sich 1980 mit der Congregation Beth Israel vereinigte. Zwei Jahrzehnte später kam es zur Schließung der Synagoge; seitdem dient das Bauwerk wieder als Supermarkt.
Dokumente dazu im LBI: FN 4, 10; FN 16, 3. Brief vom 25.8.1947. LBI: FN 16, 3, p. 413–416. Dokument vom 5.4.1948. LBI: FN 16, 3, p. 386. Aus dem nach dem Tod Nathans 1960 veröffentlichen Nachruf der Gemeinde. LBI: FN 4, 21, p. 422. Grundriss des Obergeschosses vom 1.12.1947 im LBI: FN 16, 3, p. 438. Festschrift vom Sept. 1948. LBI: FN 4, 10, p. 487–508. Manuskript der Rede im LBI: FN 4, 10, p. 521. Ebd.
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Abb. 118:
Synagoge Congregation Ahavath Torah in New York City, Washington Heights, 1949–1950, bauzeitliche Fotografie (LBI: FN 22, 2, p. 182)
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Abb. 119:
Synagoge Congregation Ahavath Torah in New York City, Washington Heights,1949–1950, heute Paradise Baptist Church, Fotografie 2012 von Roland Behrmann.
Synagoge Congregation Ahavath Torah in New York City, 1949–1950 1950 vollendete der Architekt im selben Stadtteil eine weitere aus einem Umbau hervorgegangene Synagoge.401 Diese entstand im Auftrag der or thodoxen Congregation Ahavath Torah, die ebenfalls von deutschen Emigranten gegründet worden war. Die Gemeinde erwarb 1948 das leer stehende Costello Theater in der Fort Washington Avenue 23, ein kleines Kino mit 585 Sitzplätzen, das von 1914 stammte und eine üppig dekorier te Fassade im Stil der Neurenaissance besaß. Das Baukomitee der Gemeinde lud Nathan im Februar 1949 zur Ausarbeitung des Raumprogramms ein. Demzufolge sollte die Synagoge 350 Männern und, entsprechend or thodoxer Vorschrift von diesen durch eine Empore getrennt, ebenso vielen Frauen Platz bieten. Auch eine Versammlungshalle war vorgesehen; sie sollte bis zu 300 Besucher aufnehmen und sich an den Hohen Feiertagen mit dem Betsaal zu einem großen Raum für die Gottesdienste verbinden lassen. Da das kleine Gebäude den Einbau von Klassenzimmern nicht zuließ, schlug Nathan variable Wände vor, damit im Bedarfsfall getrennte Bereiche für den Religionsunterricht ausgebildet werden konnten. Der Ver trag mit dem Architekten wurde am 22. März 1949 abgeschlossen.402 Die bald danach eingeleiteten Bauarbeiten hätten vielleicht noch im selben Jahr vollendet werden können, wenn die Gemeinde nicht nachträglich eine Vergrößerung des Synagogenraums sowie eine Überarbeitung der Entwürfe für Empore, Eingänge und Treppen veranlasst hätte. Am 23. Ok-
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tober 1949 schrieb Nathan an den Präsidenten der Gemeinde, Max Oppenheimer, er habe inzwischen hunder te von Plänen bearbeitet und „nicht voraussehbare Aufwendungen an Zeit und Geld“ in Kauf nehmen müssen.403 Auf eigene Kosten hatte er sogar drei Zeichner eingestellt, die zusammen fast 600 Arbeitsstunden verbrauchten und den Architekten nicht weniger als 1.770 Dollar kosteten.404 Weniger Probleme als der Umbau der Innenräume bereitete die Neugestaltung der Fassade. Das ehemalige Kino war an seiner Straßenseite mittels Pilastergliederungen, Friesen und einem weit ausschwingenden Vordach reich geschmückt. Da dies der Idee eines schlichten und würdevollen Synagogengebäudes widersprach, befreite Nathan die Wand vollständig vom alten Dekor und verkleidete sie mit dunkelrotem Klinker, jenem Material also, das er schon in den 20er Jahre verwendet hatte und das er nun wieder mit einer Gestaltung im Stil des Neuen Bauens in Deutschland verband. Die sakrale Funktion des Hauses deutete er mit einfachen Mitteln an. Prägend sind das mit einem gestuften Gewände ausgestattete Portal und das darüber sitzende große Rundfenster, in dem als jüdisches Symbol ein Menora-Leuchterdargestellt ist. Weitere Lichtöffnungen sind als Fensterbäder gestaltet. Die Klinkerflächen bilden mittels Rollschichten, also den von Nathan gerne verwendeten, hochkant gestellten Steinlagen, dezente waagerechte Gliederungen. Im Unterschied zur alten fällt die neue Fassade auch durch ihre sanft geschwungene Ecke auf – ein Detail, mit dem der Architekt eine Unregelmäßigkeit in der Kubatur des Kinogebäudes elegant bereinigte. Denn durch den
Dokumente hierzu im LBI: FN 16, 1. Festschrift zur Einweihung in FN 16, 1, p. 531–549. Werkver trag vom 22.3.1949 im LBI: FN 16, 1, p. 489. Brief vom 23.10.1949. LBI: FN 16, 1, p. 471. Ebd.
D i e N e w Yo r ke r J a h r e 1 9 4 0 – 1 9 6 0 Zuschnitt des Grundstücks war an der rechten Außenseite ursprünglich ein stumpfer Winkel vorhanden, den Nathan, wie er dem Auftraggeber im Juli 1949 erläuterte, in eine „gekurvte Linie“ verwandelte, „so dass die neue Front in einer großen Kurve die Apartment Buildings an beiden Seiten unseres Grundstueckes verbindet.“405 Die Synagoge wurde Ende 1950 ihrer Bestimmung übergeben, später aber aus demselben Grund aufgegeben wie Beth Hillel, da die Emigrantengemeinde im Lauf der Zeit ihre Mitglieder durch Tod und Abwanderung verlor.406 Bereits 1965 und dann noch einmal 1975 schloss sie sich mit anderen Gemeinschaften zur heutigen Congregation Shaare Hatikvah, Ahavath Torah V’Tikvoh Chadoshoh zusammen. Das Gebäude blieb erhalten und dient seit 1999 der Paradise Baptist Church als Gemeindekirche.
Entwurf für einen Erinnerungshain Europäischer Juden im Cedar Park Cemetery in Paramus, New Jersey, 1947 Ende der 1940er Jahre entwarf Nathan auch einen „Memorial Grove of European Jews“, einen Erinnerungshain für Europäische Juden.407 Die Initiative für die Errichtung dieser Gedenkstätte an die „Opfer der Naziverfolgung“ ging vom New World Club aus, der 1924 von emigrier ten Juden aus Deutschland unter dem Namen German Jewish Club gegründet worden war.408 Der Verein hatte seinen Sitz in New York und gab seit 1934 mit der Emigrantenzeitung Aufbau das wichtigste Sprachrohr deutschsprachiger Juden in aller Welt heraus. Das Ehrenfeld sollte im CedarPark-Cemetery in Paramus, New Jersey, errichtet werden, der zehn Autominuten vom New Yorker Stadtrand entfernt liegt und gemeinsam mit einem zweiten Friedhof, den Beth El Cemeteries, in den 1930er Jahren als zentrale jüdische Begräbnisstätte für den Großraum New York angelegt worden war. Der Entwurf Nathans zeigt eine von Hecken eingefasste quadratische Anlage, in deren Zentrum das Denkmal steht, ein liegender Steinblock in strenger, kubischer Form, der an einen Sarkophag erinner t. Ein Baum mit hängenden Ästen symbolisier t Trauer. Sitzbänke laden zum Verweilen ein. Um das Zentrum gruppieren sich in zwei Reihen angeordnete Gedenk-
steine, die den ernsten Charakter des Or tes ebenso unterstreichen wie der in den Erinnerungshain führende, von Hecken und Pappeln gesäumte Weg. Die Gedenksteine nennen die „Namen der Umgekommenen“, wie die Zeitschrift Aufbau im Mai 1947 ihren Lesern berichtete. Dem Artikel ist auch zu entnehmen, dass „die niedergebrannten Synagogen […] in symbolischen Inschriften weiterleben“ sollten.409 Damals präsentierte das neu eröffnete Jüdische Museum an der Fifth Avenue in New York das Entwurfsmodell Nathans in einer „Ausstellung lebender jüdischer Künstler“.410 Danach allerdings verlieren sich die Spuren des Projekts.
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Abb. 120
Entwurf für einen Erinnerungshain Europäischer Juden im Cedar Park Cemetery in Paramus, New Jersey, Zeichnung der Gesamtanlage, 1947, Realisierung nicht nachgewiesen (LBI: FN 25, 1, p. 180).
Friedhof und Gedenkstätte der Congregation Habonim im Cedar Park Cemetery in Paramus, New Jersey, 1946–1949 Renommee und Ansehen Nathans als Architekt des jüdischen Friedhofs in Frankfur t führ ten auch dazu, dass er mit der Planung des Friedhofs seiner eigenen Gemeinde, der von deutschen Emigranten gegründeten Congregation Habonim, beauftragt wurde.411 Die Begräbnisstätte sollte ebenfalls im Cedar Park Cemetery angelegt werden. Im Entwurf vom Januar und Februar 1946, den er Anfang 1948 noch einmal überarbeitete, teilte Nathan die an der Nordflanke des Cedar Parks liegende Fläche in rechteckige Abteilungen für Familien-, Doppel-, Einzel- und Urnengräber.
405 Brief vom 8.7.1949 an die Gemeinde. LBI: FN 16, 1, p. 487. 406 Eine erste feierliche Handlung in der Synagoge bildete die Totenfeier für den am 18.11.1950 verstorbenen Gründer der Gemeinde, den aus Mannheim stammenden Max Oppenheimer. Ein Bericht dazu in der Emigrantenzeitung Aufbau, Vol. 16, Nr. 47, 24.11.1950, S. 7 (https://archive.org/details/aufbau). 407 Entwurf im LBI: FN 25, 1, p. 180. 408 Zitier t aus einer Notiz in der Zeitschrift Aufbau, Vol. 13, Nr. 20, 16.5.1947, S. 28 (https://archive.org/details/aufbau). 409 Ebd. 410 Ebd. 411 Lagepläne in LBI: FN 15, 4, p. 231–234.
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D i e N e w Yo r ke r J a h re 1 9 4 0 – 1 9 6 0 Die Zahl der Grabplätze ist mit 298 und die der Urnenplätze mit 14 angegeben. Eine Hecke und zwei Bäume fassen eine als „War-Memorial“ bezeichnete Gedenkstätte am Eingang des Friedhofs ein. In weiteren Planungsschritten im Laufe des Jahres 1948 erhöhte Nathan die Zahl der Gräber auf fast 400. Am 13. November 1949 wurde das „Ehrenmal für die Opfer der Judenverfolgung und die im zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten“, so die Zeitschrift Aufbau, seiner Bestimmung übergeben.412 Es handelte sich um einen auf Postamente gehobenen Steinquader in schlichter, strenger Form mit einer in großen Lettern wiedergegebenen englischsprachigen Inschrift: „In memory of our martyred brothers and sisters and in gratitude to our beloved ones who died during second world war for the preservation of freedom and humanity“. Eine weitere von einer hebräischen Inschrift begleitete Zeile lautet: „Yea strong as death is love“.413
Entwurf für die Synagoge der Congregation Habonim in New York City, 1949 –1955 Ein weiteres Projekt Nathans für seine Gemeinde galt einer Synagoge. Die Congregation Habonim entstand 1939 durch die Initiative des aus Essen stammenden Rabbiners Hugo Hahn und anderer emigrier ter Juden aus Deutschland. Der hebräische Name Habonim war durch einen Aufsatz des jüdischen Gelehr ten Franz Rosenzweig inspirier t und bedeutet übersetzt „Bauleute“. Die zunächst liberale Gemeinde schloss sich 1944 der Reformbewegung an; seit 1995 bekennt sie sich zum konservativen Judentum.414 Nathan trat der Gemeinschaft kurz nach seiner Ankunft in New York bei.415 Die Gemeinde zählte damals bereits 200 Mitglieder, sie besaß zunächst aber keine eigene Synagoge, sondern traf sich zum Gottesdienst in wechselnden Räumen. Mitte der 40er Jahre begann sie, nach einem Gebäude für den Einbau einer Synagoge zu suchen, wobei Nathan vier in Frage kommende Häuser im Zentrum Manhattans begutachtete.416 Einen Neubau schloss man aus finanziellen Gründen noch aus. Dies änder te sich, als der Gemeinde Ende 1948 ein Bauplatz zu günstigen Konditionen angeboten wurde. Das Grundstück befand sich westlich des
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Central Parks, in der 66. Straße 42–48 West. Nachdem Architekt und Gemeinde übereinstimmend zum Ur teil kamen, dass der Standor t für eine Synagoge geeignet war, wurde es käuflich erworben. Am 6. Januar 1949 zeichnete Nathan einen ersten Entwurf, ein einfaches kubisches Gebäude, das wie bei anderen Projekten jener Jahre dem Neuen Bauen verpflichtet ist.417 Die streng symmetrische Hauptfassade besitzt zwei seitliche Anbauten für Schul- und Büroräume, welche den in der Mittelachse sitzenden Eingang hervorheben und der einfachen Anlage einen stufenförmigen Aufbau verleihen. Die Synagoge sollte 506 Sitzplätze aufnehmen. Wenige Monate später wurde die Größe auf 800 Plätze festgelegt und das Raumprogramm um den Einbau einer Empore sowie einen im Untergeschoss einzurichtenden Festsaal mit einer Bühne nebst Küche, Garderobe und Lobby erweiter t. Als die Gemeinde Ende 1949 ihr zehnjähriges Bestehen feier te, war sie voller Zuversicht, das Gotteshaus bald verwirklichen zu können, und so veröffentlichte sie die Grundrisse für das Erd- und Untergeschoss in der zum Jubiläum vorgelegten Festschrift.418 Die beiden Pläne zier ten sogar den Einband des Heftes. Dass der Urheber des Entwurfs nicht genannt wurde, trübte indes die Freude Nathans, der sein Befremden darüber in einem Brief an den Gemeindevorstand zum Ausdruck brachte. Jener versuchte die Wogen zu glätten und sprach von einer begeister ten Aufnahme des Entwurfs.419 Eher kritisch äußer te sich allerdings der Kurator des Jüdischen Museums in New York, Stephan S. Kayser. Er brachte sein Bedauern zum Ausdruck, dass die „neuerdings übliche“ Vergrößerung des Synagogenraums für die Hohen Feier tage nicht berücksichtigt worden war.420 Kayser spielte damit auf jene Synagogen an, die sich über verschiebbare Wände mit einem Fest- oder Versammlungssaal verbinden lassen. Es wäre für Nathan ein Leichtes gewesen, dieses Raumkonzept auch für das Habonim-Haus vorzusehen, schließlich hatte er es bereits bei der Synagoge in Woodmere und bei Ahavath Torah erfolgreich umgesetzt. Ungeachtet dessen hielt die Gemeinde noch
412 Aufbau, Vol. 15, Nr. 45, 4.11.1949, S. 37 (https://archive.org/details/aufbau). 413 Ein Foto in der Festschrift: Congregation Habonim. Anniversary Year Book 1939–1949, S. 595. Ein Exemplar der Festschrift im LBI: FN 4, 13 (Foto p. 596). 414 Zur Gemeinde vgl. http://habonim.net/about-us/history-habonim 415 Brief Nathans an das Baukomitee der Gemeinde, 16.7.1955. LBI: FN 13, 2(b), p. 66. 416 Dokumente dazu und zur weiteren Planung des Gemeindezentrums im LBI: FN 13, 2(a) und 13, 2(b). 417 Plan im LBI: FN 13, 2(b), p. 545. Pläne vom September 1952 in FN 13, 3. 418 Festschrift a.a.O. (Anm. 413). LBI: FN 4, 13, p. 584, 632. 419 Briefe vom 12.1., 19.1., 25.1.1950. LBI: FN 13, 2(b), p. 475, 573, 574. 420 Brief Kaysers an Rabbiner Dr. Hahn, 27.1.1950. LBI: FN 13, 2(b), p. 471.
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fast zwei Jahre am veralteten Raumprogramm fest, ehe sie Ende 1951 eine grundlegende Neuplanung veranlasste. Nun sollten die Synagoge und der Festsaal im Erdgeschoss vereint werden. Voraussetzung dafür war die Verkleinerung des Gottesdienstraumes, was dem Rabbiner zufolge aber nicht problematisch war, da am Sabbat 250 Sitzplätze genügten. An gewöhnlichen Feier tagen sollte auf die mit 670 Plätzen ausgestattete Festhalle ausgewichen werden, während für die Hohen Feiertage die Vereinigung beider Räume beabsichtigt war. Mit dem neuen Entwurf präsentierte Nathan ein auch in seiner Fassade völlig veränder tes Bauwerk.421 Die Synagoge mutet nun wesentlich moderner an, insofern als sie nicht mehr dem Stil der 1920er Jahre verhaftet ist, sondern die Moderne der Nachkriegszeit verkörper t. Die Obergeschosse beherrscht eine großflächige Klinkerwand mit mittig sitzenden Fenstern, während Granitplatten das mit einem breiten Mittelpor tal und zwei Nebeneingängen versehene Erdgeschoss prägen. Den markanten Abschluss der
strengen Front bildet ein durch eine Kolonnade geglieder tes, großzügig verglastes Staffelgeschoss, über das ein Kragdach gelegt ist. In diesem Entwurf findet weniger die Funktion einer Synagoge als vielmehr die eines Gemeindezentrums architektonischen Ausdruck. In einer Variante ist die Profanisierung der Bauaufgabe noch weiter vorangetrieben, indem der Haupteingang an die rechte Gebäudeecke geschoben ist, so dass die Betonung der Mittelachse als Element repräsentativer Wirkung entfällt. Eine Zeichnung zeigt den projektier ten Synagogenraum als schmalen längsgerichteten, einfach ausgestalteten Saal. Das Gestühl ist in zwei Reihen auf den Lesepult und die Nische des Thoraschreins ausgerichtet. Geometrisch geglieder te Farbglasfenster sollten dem Raum eine sakrale Atmosphäre verleihen. Als Trennung zwischen Synagoge und Festsaal plante Nathan einen „metallenen Vorhang“.422
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Abb. 121:
Entwurf für die Synagoge der Congregation Habonim in New York City, Grundrisse, Ansicht der Straßenfassade und Längsschnitt, datiert am 6.1.1949, nicht realisiert (LBI: FN 13, 2b, p. 545).
Am 5. April 1952 sandte der Architekt eine Besprechung des Entwurfs an die Emigrantenzeitung Aufbau. Verfasst hatte sie Guido Schoenberger, der sich bereits
421 Zeichnungen im LBI: FN 13, 2(a), p. 495, 496; FN 27, 1, p. 2. Baubeschreibung von 1952 im LBI: FN 1, 15. 422 Nicht datier tes Manuskript Guido Schoenbergers mit Rezension des Entwurfs. LBI: FN 4, 2, p. 120.
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D i e N e w Yo r ke r J a h re 1 9 4 0 – 1 9 6 0 1953 zu rechnen sei.426 Diese Einschätzung erwies sich als Irr tum. Die veranschlagte Bausumme von 300.000 Dollar war gerade mal zu einem Drittel gesicher t, so dass Nathan seinen Entwurf zur Einsparung der Kosten noch einmal überarbeiten musste. Dabei führ ten immer neue Änderungswünsche seitens des Baukomitees sowie die Frage der Vergütung der Leistung des Architekten zu erheblichen Missstimmungen zwischen beiden Par teien. Als die Gemeinde im Juni 1955 in einem Ver tragsentwurf kurz zuvor getroffene Absprachen negier te, zog Nathan die nach seiner Meinung einzig mögliche Konsequenz. Aufgrund des verlorenen Ver trauens in den Auftraggeber, so seine Begründung, kündigte er am 16. Juni 1955 die weitere Zusammenarbeit auf.427
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Abb. 122:
Entwurf für die Synagoge der Congregation Habonim in New York City, 1952, Straßenfassade, nicht realisiert (LBI: FN 13, 2, p. 495).
von der Synagoge in Woodmere begeister t gezeigt hatte. Über Habonim schrieb er: „New York, das keinen Ueberfluss an guten Beispielen neuer Architektur hat, wird bald einen ausgezeichneten modernen Synagogenbau aufweisen koennen. […] Auf der Westseite wird in der 66. Straße zwischen Centralpark und Columbus Avenue Fritz Nathan, dem Deutschland eine Anzahl der besten modernen Bauten verdankt und der jetzt in Woodmere, Long Island, eine vorbildliche Synagoge fertig gestellt hat, den Neubau für Habonim errichten“. Schoenberger hob hervor, dass das einfache Rechteck der Fassade „durch die tektonische Soliditaet des schoenen Materials und durch seine ausgezeichneten Verhaeltnisse – von jeher eine Staerke Nathans – ein zurueckhaltender, aber doch feierlich-wuerdevoller Akzent der Straßenfront“ sein werde.423 Die Zeitschrift veröffentlichte den Ar tikel in leicht veränder ter und gekürzter Form am 9. Mai 1952.424 Bei der Feier des ersten Spatenstichs am 30. März 1952 sprach Nathan in einer kurzen Rede von einem inspirierenden Projekt, dessen Vollendung ihm Aufgabe und Verpflichtung sei.425 Die New York Herald Tribune berichtete über das Ereignis und informier te ihre Leser, dass mit der Fer tigstellung im Frühjahr
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Sollte er noch auf ein Einlenken der Kongregation gehofft haben, so hatte er sich hierin getäuscht. An seiner Stelle wurde Stanley Prowler beauftragt, der einen gänzlich neuen Entwurf schuf. Die einzige Übereinstimmung mit dem Vorschlag Nathans ist darin zu sehen, dass auch Prowler eine Fassadengestaltung wählte, die weniger die sakrale Funktion, als die des Gemeindezentrums zum Ausdruck bringt. Die Synagoge wurde im Januar 1958 ihrer Bestimmung übergeben. Im Juni des Vorjahres wandte sich die Gemeinde noch einmal an Nathan, diesmal um ihm die Mitgliedschaft in der Friedhofskommission anzubieten. Jener antwor tete in knappen, aber höflichen Wor ten, angesichts seines sehr engen Terminplans bedaure er, die Ernennung nicht annehmen zu können.428
Thesen zum Synagogenbau Anfang der 50er Jahre formulier te Nathan erstmals theoretische Überlegungen zum zeitgenössischen Synagogenbau. Anlass dazu gab die Neukonzeption des Habonim-Hauses, wie er sie um 1952 entwickelte.429 So schrieb er zum projektier ten Neubau: „Unsere Synagoge und Gemeindehaus muss ein vielgestaltiges, kompliziertes Bauwerk sein, um auf relativ kleiner Fläche den mannigfaltigen Anspruechen zu genuegen, die von dem Haus einer religioesen Gemeinde in diesem Land und in unserer Zeit verlangt werden. Seine Wandlungsfaehigkeit und Zeitgebundenheit ist in offenbar grundlegendem Gegensatz zu der unveraenderlichen Geschlossenheit und der stolzen scheinbaren Bestaendigkeit unserer ehemaligen Synagogen. Ihr einraeumiger
Nicht datier tes Manuskript Guido Schoenbergers mit Rezension des Entwurfs. LBI: FN 4, 2, p. 120. Aufbau, Vol. 19, Nr. 20, 9.5.1952, S. 6 (https://archive.org/details/aufbau). Nicht datier tes handschriftliches Redemanuskript Nathans. LBI: FN 13, 2(a), p. 488 f., 491. Ein Foto Nathans bei der Einweihung ebd., p. 492. New York Herald Tribune, 31.3.1952. Ein Exemplar des Ar tikels im LBI: FN 13, 2(a), p. 487. Brief vom 16.6.1955. LBI: FN 13, 2(b), p. 54, auch p. 55, 56. Briefe vom 11.6.1957 und 16.6.1957. LBI: FN 15, 4, p. 291 f. Die folgenden Zitate aus dem nicht datier ten Manuskript „Habonim-Haus“. LBI: FN 13, 2(a), p. 383–387.
D i e N e w Yo r ke r J a h r e 1 9 4 0 – 1 9 6 0 Baukoerper diente dem Sakralen und Abstrakten, unsere vorliegende Aufgabe gilt dem vorwiegend Praktischen, der Alltaeglichkeit. Unsere frueheren Synagogen koennen, sollen und duerfen daher nicht Vorbild unseres Bauplanes sein.“ Die Forderung nach einem flexiblen, multifunktionalen Bau begründete Nathan aus dem Selbstverständnis und den vielfältigen Aufgaben der Gemeinde: „Ihre saekularen Aufgaben sind daher verschiedenartig und veraenderlich. Die Gemeinde ist der Mittelpunkt des Gemeinschaftslebens ihrer Gruppen; sie gibt neben ihren gottesdienstlichen Aufgaben kulturelle Anregung und geistige Belehrung. Sie bildet den gesellschaftlichen Mittelpunkt zu ernstem und freudigem Zusammensein, zu Familienfesten und Festessen aller Art, zum Spiel der Kinder und zum Tanz der Erwachsenen. Religioeser Unterricht ist nicht mehr Lehrfach der oeffentlichen Schulen und bleibt vollkommen der Initiative der Gemeinde ueberlassen. All diesen Zwecken muss der Bau dienen.“ Auf Habonim bezogen, leitete Nathan daraus folgende Forderungen ab: „So verlangt unser Bauprogramm einen kleineren Synagogenraum fuer die Sabbath-Gottesdienste, einen groeßeren für Feiertags-Gottesdienste, und eine Synagoge mit einer Hoechstzahl von Sitzen fuer die Hohen Feiertage. Das Programm verlangt ein Auditorium fuer Vortraege, Konzerte, Tonbildvorfuehrungen und Schaustellungen auf einer Buehne, einen Festsaal, der fuer Festessen aller Art, Hochzeiten, Bar Mitsvah, Konfirmationen, Seder-Abende, etc. dienen muss. Die bauliche Loesung dieses im Wesentlichen allen amerikanischen Gemeinden eigenen Programms wurde frueher in der Anordnung eines Auditoriums und einer Synagoge uebereinander gesucht. Wir sehen jedoch die bessere Loesung in dem Nebeneinander der beiden Hauptraeume unseres Baues. Ein Drittel der zur Verfuegung stehenden Flaeche wird von der Synagoge eingenommen, zwei Drittel von dem Auditorium.“ Mit Blick auf die Frage der architektonischen Gestaltung formulier te Nathan folgende Grundsätze des Bauens, die seine von der Neuen Sachlichkeit und der Bauhausmoderne der 20er Jahre geprägte Architekturauffassung widerspiegeln: „Da ein guter Bau vornehmlich von den Erfordernissen des Grundrisses der Konstruktion, den technischen Bedingtheiten, und den zur Verfügung stehenden Mitteln bestimmt wird, ist es die Aufgabe des Architekten, das Bauprogramm in Schlichtheit und Zurueckhaltung, durch Proportion und Farbengebung, ohne unangebrachtes Pathos zu erfuellen und eine reine Baugestaltung nach innen und außen zu schaffen.“ Dementsprechend sei der Entwurf für 430 Brief Nathans an Carl Müller, 15.12.1946 a.a.O. (Anm. 352).
Habonim aus dem „Streben nach dieser Organisation im Inneren und Aeusseren, aus der Ablehnung aller Romantik und alles bloss Dekorativen, aus der Ablehnung aller Spielerei mit und aus den Symbolen“ entstanden. Dieses „Bekenntnis zur Beschraenkung“ habe die Fassade geschaffen „als Ausdrucksform unserer Gemeinde in diesem Lande und in dieser Zeit – eigenständig in ihrem Wesen u. in ihrer äußeren Erscheinung als ein Neues zwischen Bauten einer vergangenen Epoche.“ Diese als „Bulletin“ bezeichneten Ausführungen waren offenbar zur Veröffentlichung anlässlich der Grundsteinlegung oder Einweihung des Habonim-Hauses vorgesehen. Daran allerdings war nach dem Zerwürfnis zwischen Architekt und Gemeinde nicht mehr zu denken.
Ausbau des Büros, 1951 Nathan hätte den Auftrag für Habonim kaum niedergelegt, wenn es ihm nach den ersten mühsamen Jahren in den USA nicht gelungen wäre, wieder erfolgreich in seinem Beruf Fuß fassen zu können. Bereits 1945 begann er, „wenn die Arbeiten sich haeuften“, eine Zeichnerin und einen Zeichner zu beschäftigen.430 1951 verbesser te er sich auch in räumlicher Hinsicht; er gab das Büro im Atelier Eugene Schoens in der 53. Straße auf und richtete sein eigenes Atelier in einem Gebäude an der Südseite des Central Parks ein. Die prominente Adresse lautete nun: 200 Central Park South. Außerdem stellte er den damals 33-jährigen Ber tram L. Bassuk als Assistenten ein, der ihm in den folgenden Jahren bei der Planung und Durchführung vieler Bauprojekte zur Seite stehen sollte. Wie schon in Deutschland beschäftigte Nathan selbstverständlich auch eine Sekretärin. Einen weiteren festen Mitarbeiter übernahm er 1953 mit dem Architekten Theodore R. Hammond.
Berufung in den Fachbeirat der Union of American Hebrew Congregations, 1951 Das wachsende Renommee und Ansehen Nathans als Architekt jüdischer Einrichtungen in den USA spiegelt sich auch in seiner Tätigkeit für die Union of American Hebrew Congregations wider. Dieser Dachverband reformier ter Gemeinden, der 1873 in Cincinnati, Ohio, gegründet worden war und Vorgänger der heutigen Union for Reform Judaism ist, verlegte seinen Hauptsitz 1951 nach New York und berief noch im selben Jahr einen Fachbeirat von Architekten, der die Gemeinden bei der Planung und beim Bau von Synagogen unterstützen sollte. Die Union
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D i e N e w Yo r ke r J a h re 1 9 4 0 – 1 9 6 0 reagierte damit auf die wachsende Zahl der Gemeinden, die ihre alten Gotteshäuser modernisieren, ausbauen oder durch Neubauten ersetzen wollten. In den Fachbeirat wurden elf Architekten gewählt. Einer dieser Experten war Fritz Nathan, der in den folgenden Jahren zahlreiche Gemeinden beriet.431
Mitgliedschaft in Architektenvereinigungen In das Jahr 1951 fiel auch die Entscheidung Nathans, seine Aufnahme in die traditionsreiche, 1906 gegründete New York Society of Architects zu beantragen. Doch anders als er dies erwartet hatte, wurde ihm die Mitgliedschaft zunächst verweiger t. Ausschlaggebend dafür waren nicht fachliche Gründe, sondern die vier Jahre zurückliegende Vorgänge um die Vergabe des Auftrags für die Synagoge Beth Hillel. Damals hatte die Gemeinde noch einen anderen Architekten um einen Vorentwurf gebeten. Nathan hatte hiervon erfahren und aufgrund schlechter Erfahrungen bei anderen Projekten seine Bereitschaft zur Mitarbeit von der Zusage abhängig gemacht, die Synagoge auch tatsächlich realisieren zu können. Sein damaliger Konkurrent, dessen Name in den vorliegenden Dokumenten nicht überliefer t ist, intervenier te nun gegen die Aufnahme Nathans in die New York Society of Architects. Offenbar warf er ihm unlautere Methoden vor ; die Architektenvereinigung sprach von unethischem Verhalten. Der so Beschuldigte sah seine Reputation gefährdet und wandte sich hilfesuchend an den ehemaligen Vizepräsidenten der Gemeinde, Paul Simon, der den Sachverhalt aufklär te.432 Er machte deutlich, dass sich Nathan nichts anderes hatte zu Schulden kommen lassen als geschickte Verhandlungsführung. Nach dieser Richtigstellung konnte Nathan 1952 die Urkunde seiner Mitgliedschaft in der New York Society of Architects entgegennehmen.433 Zum 1. Januar 1954 trat er auch in das American Institute of Architects (AIA) ein, den bereits 1857 gegründeten überregionalen Berufsverband der Architekten in den USA.434 Ungeachtet dessen musste er sich entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen bei Bauvorhaben außerhalb des Staates New York in den jeweiligen US-Staaten als Architekt registrieren lassen. Dies war zumeist ein sehr langwieriges, mit großem bürokratischem Aufwand verbundenes Ver-
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fahren, das sich aber nicht umgehen ließ. Denn Nathan war inzwischen auch in anderen Teilen der USA als Synagogenarchitekt gefragt.435
Entwurf für das United Jewish Center in Danbury, Connecticut, 1951– 1953 1951 führte der Architekt erste Gespräche mit der liberalen Gemeinde in Danbury, einer rund 110 km nördlich von New York liegenden Stadt in Connecticut.436 Die Gemeinde war 1926 unter dem Namen United Jewish Center gegründet worden und besaß eine Synagoge in der West Street 30, die durch einen größeren Neubau in der Deere Hill Avenue 141 ersetzt werden sollte. Nathan musste sich aufgrund der finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde auf die Planung eines schlichten Gebäudes beschränken. Das Raumprogramm zielte auf eine Synagoge mit 230 Sitzplätzen und einen Festsaal für 310 Besucher, der durch eine Hubwand mit dem Kultraum verbunden werden sollte. Der Entwurf zeigt einen rechteckigen Saalbau mit flach geneigtem Satteldach und einer Hauptfassade, die durch ihren Dreiecksgiebel und die darunter sitzenden pfeilerar tigen Gliederungen des großen rechteckigen Fensterfelds Assoziationen an einen Tempel klassischer Prägung weckt. Zwei Anbauten fassen die Front symmetrisch ein und steigern so den repräsentativen Eindruck. Sie dienen auf der einen Seite der Lobby und der Werktagskapelle, auf der anderen der Bühne des Auditoriums und der Küche. In einem dritten Anbau an der Rückseite des Saals befinden sich fünf Klassenzimmer, ein Büro und das Zimmer des Rabbiners. Der Entwurf fand am 29. August 1952 die grundsätzliche Zustimmung des Baukomitees. Im März 1953 segnete das Gremium den Vorschlag des Architekten ab, die Fassaden im hochwer tigen „roman brick“ auszuführen.437 Zudem wurde Nathan beauftragt, Angebote von Baufirmen einzuholen, so dass er davon ausgehen konnte, das Projekt realisieren zu können. Im Juli 1953 teilte man ihm jedoch mit, das von ihm geplante Gebäude sei zu teuer und könne deshalb nicht ausgeführ t werden. Ohne dass er die Chance erhalten hätte, den Entwurf noch einmal zu überarbeiten, kündigte die Gemeinde wenig später die Zusammenarbeit auf, was Nathan freilich nicht als
Dokumente zur Tätigkeit Nathans in der Union of American Hebrew Congregations im LBI: FN 5, 1. Brief Simons vom 16.1.1952. LBI: FN 16,3, p. 276. Urkunde vom 5.2.1952 im LBI: FN 1,4, p. 240. Die am 1.1.1954 datier te Urkunde der Mitgliedschaft im American Institute of Architects im LBI: FN 23, 15, p. 140. Im Nachlass finden sich Urkunden für die Berufsausübung in Connecticut (1958), Texas (1959), District of Columbia (1958), New Jersey (1959). LBI: FN 1, 5, p. 244–246; FN 23, 15, p. 141. Dokumente zu Danbury im LBI: FN 4, 6; FN 4, 7; Pläne in 17, 2. Eine von Nathan verfasste Chronologie der Ereignisse im LBI: FN 4, 7, p.102–109.
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Abb. 123:
Entwurf für das United Jewish Center in Danbury, Connecticut, um 1952, nicht realisiert (LBI: FN 17, 2, p. 177).
Zeichen der Missachtung seines beruflichen Könnens verstehen dürfe.438 So erhielt der or tsansässige Architekt Harold Pokras den Auftrag. Das danach entstandene Gebäude gleicht dem Entwurf Nathans auffallend. Allerdings sind die modernen senkrechten Fensterbahnen durch traditionelle Rundbogenfenster ersetzt. In einer Chronik der Ereignisse notierte Nathan, dass Pokras offenbar von seiner Vorarbeit profitier t habe.439 Er versuchte zwar, gegen die Gemeinde juristisch vorzugehen, das einberufene Schiedsgericht wies seine Klage auf eine Entschädigung aber zurück.440
Entwurf für das Torah Israel Community Center in New York City, 1953 In die Reihe der vom Architekten nicht zu Ende geführten Projekte fällt auch die Synagoge der Torah Israel Sephardic Society, einer Gemeinde im New Yorker Stadtteil Brooklyn, die Nathan am 28. Mai 1953 mit der Planung ihres Gotteshauses beauftragte.441 Die Kongregation zählte zu den Sepharden, den Nachkommen der bis zu ihrer Ver treibung in den Jahren 1492 und 1531 auf der iberischen Halbinsel lebenden Juden. Das Bauprogramm berücksichtigte eine Versammlungshalle mit 350 Plätzen, die sich mit dem für 125 Besucher berechneten Synagogenraum verbinden
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lassen sollte. Mit Rücksicht auf die geringen finanziellen Mittel der Gemeinde war man sich darin einig, dass das Erscheinungsbild einfach und die Materialien und Dekorationen schlicht sein sollten. Die Adresse des Bauplatzes lautete: 11th Street 60 Brighton. Der Entwurf Nathans zeigt ein eingeschossiges, mit einem Flachdach versehenes kubisches Gebäude mit nahezu quadratischem Grundriss.442 Das in der Mittelachse sitzende Por tal ist von gestuften Gewänden umrahmt, darüber erstreckt sich ein Fensterband für die Belichtung der Eingangshalle und zweier Nebenräume. Über dem Eingang sollten als Symbol der Gemeinde die mosaischen Gesetzestafeln in einem Relief abgebildet werden. Wie andere frühe Projekte des Architekten in den USA steht auch dieser Entwurf ganz unter dem Eindruck des Neuen Bauens der 20er Jahre in Deutschland. Nathan zeichnete das Blatt am 2. November 1953 ab und widmete sich im Laufe des folgenden Jahres der weiteren Planung. Im Dezember 1954 und ein weiteres Mal im April 1955 drängte die Gemeinde den Architekten, Detailangaben und Pläne für die Ausschreibung der Bauarbeiten zu liefern. Offenbar war Nathan bei der Endbearbeitung des Projekts in
Hierzu LBI: FN 4, 7, p. 109: Notiz über ein Gespräch mit einem Vertreter des Baukomitees am 14.7. und 12.8.1953. Ebd., p. 109: Gespräch zwischen dem Anwalt Nathans und dem Baukomitee am 16.9.1953. Nathan gibt den Namen des Architekten fälschlicherweise mit Pokias an. Ebd. p. 153, p. 172. Dokumente zum Projekt im LBI: FN 16, 3 (Architektenver trag p. 87–91). Pläne ebd., p. 180–183.
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Abb. 124:
Entwurf für das Torah Israel Community Center in New York City, Brooklyn,
Verzug geraten, was vielleicht damit zusammenhängt, dass inzwischen bedeutendere Bauvorhaben, wie vor allem die Synagoge in White Plains, auf der Agenda des Architekten standen.
Portalfassade datiert am 2.11.1953, nicht realisiert (LBI: FN 16, 3, p. 183).
Im Oktober 1956 fragte er nach, ob die Gemeinde noch daran interessier t sei, seinen Entwurf zu realisieren, was ihm auch versicher t wurde. Über die weitere Entwicklung schweigen die Dokumente. Nur eine handschriftliche Notiz eines Telefongesprächs vom Januar 1958 findet sich: „They have new plans.“443 Diese neuen Pläne stammten von den New Yorker Architekten Sirof, Rosenberg & Siver tsen und führ ten zu einem zweigeschossigen Klinkergebäude, das sich deutlich vom Entwurf Nathans unterscheidet. Es besitzt einen längsgerichteten Grundriss, schließt mit einem Tonnendach ab und vereinigt die Versammlungshalle und den Synagogenraum nicht in einem Geschoss, sondern ordnet sie getrennt voneinander dem Unter- und Erdgeschoss zu.
Jewish Community Center in White Plains, New York, 1953–1957 1953 wandte sich auch die reformier te jüdische Gemeinde in White Plains an Nathan, um ihn mit der Planung einer Synagoge zu beauftragen.444 Das Jewish Community Center im rund 50 km nördlich von Manhattan liegenden White Plains wurde 1923 gegründet; seit 1926 besaß es eine eigene Gottesdienststätte, die in einer ehemaligen Privatschule in der Soundview Avenue untergebracht war. Bei einem
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ersten umfangreichen Ausbau Ende der 40er Jahre verlegten die New Yorker Architekten Ben C. Bloch und Walter Hesse die Synagoge in einen Seitentrakt und funktionier ten den alten Betsaal zum Auditorium um. Als das rasche Wachstum der heutigen Congregation Kol Ami den weiteren Ausbau notwendig machte, beauftragte die Gemeinde 1952 zunächst die Architektenpar tner Bloch & Hesse sowie Anfang 1953 den New Yorker Architekten Harry M. Prince mit der Ausarbeitung eines Entwurfs.445 Derweil empfahl ein Ehepaar „Ferd. H. Kaufmann“ aus New Rochelle, sich an Nathan zu wenden.446 Mit ihm nahm das Baukomitee im Mai 1953 Kontakt auf. Nathan überraschte in zweierlei Hinsicht. Zum einen plante er, die erst 1948 fer tiggestellte Synagoge in einen zweiten Gemeindesaal umzuwandeln und an diesen Saal ein neues Gotteshaus anzufügen, das sich mittels versenkbarer Wände in den Nachbarraum erweitern lässt. Zum anderen entwarf er die neue Synagoge nicht über einem rechteckigen, sondern einem parabelförmigen Grundriss. Hierbei ließ er sich möglicherweise von neuen Tendenzen im amerikanischen Synagogenbau der 1950er Jahre anregen. Vor allem reformier te Gemeinden und deren Architekten zeigten sich zunehmend für neue Lösungen im Synagogenbau aufgeschlossen und experimentier ten mit Grundund Aufrissen. Ein Vorreiter dieser Richtung war Erich Mendelsohn, der im Unterschied zu Nathan bereits 1933 aus Deutschland emigriert war und sich nach Zwischenaufenthalten in Großbritannien und Palästina 1941 in den USA niedergelassen hatte.
LBI: FN 16, 3, p. 92. Ein Foto des realisier ten Baus ebd., p. 86. Dokumente zu White Plains in LBI: FN 3, 14 bis 3, 23; FN 4, 12; FN 22, 2; FN 28, 1 bis 33, 1. Die Entwürfe dieser Architekten im LBI: FN 33, 1. Brief Nathans an Mr. und Mrs. Ferd. H. Kaufmann, 4.5.1953. LBI: FN 3, 14, p. 625.
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Von 1945 bis zu seinem Tod 1953 lebte er in San Francisco. Ob sich Mendelsohn und Nathan jemals persönlich, in Deutschland oder in den USA, begegnet sind, ist nicht bekannt. Eines der Hauptwerke Mendelsohns in den Staaten wurde die 1950 vollendete Park-Synagoge in Cleveland, Ohio, die als runder Kuppelbau eine über einem parabelförmigen Grundriss angelegte Kapelle besitzt. Es wird kein Zufall sein, dass zwei aus Deutschland emigrier te Architekten diese Form aufgriffen, die in den 1920er Jahren auch im deutschen Kirchenbau Verbreitung gefunden hatte, wie beispielhaft die berühmte Stahlkirche Otto Bartnings für die internationale PresseAusstellung von 1928 in Köln zeigt. Der parabelförmige Grundriss erlaubte die Ausbildung von Sakralräumen, die sich durch eine fließende Bewegungsrichtung von der Gemeinde hin zum liturgischen Or t im Scheitel der Parabel auszeichnen. Dieser Aspekt mag den Vorschlag Nathans entscheidend geprägt haben. Erst an zweiter Stelle dürfte der Wunsch eine Rolle gespielt haben, die strenge Architektur des vorhandenen Komplexes aufzulockern und den rechteckigen Bauformen ein kurvenförmig geschwungenes Gebäude entgegenzusetzen. Dies indes wäre kaum möglich
gewesen, wenn das Jewish Community Center seinen Standor t nicht in einem weitläufigen, parkar tigen Gelände am Or tsrand von White Plains gehabt hätte. Ein innerstädtischer Standor t hätte kaum eine so freie Grundrissgestaltung erlaubt.
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Abb. 125:
Jewish Community Center in White Plains, New York, 1953–1957, Ansichtszeichnung mit der neuen Synagoge (LBI: FN 3, 20, p. 343).
Bereits im Juli 1953 kam es zum Ver tragsabschluss zwischen Gemeinde und Architekt. Nach intensiver Planung und Vorbereitung der Baumaßnahme fand am 19. Dezember 1954 die Feier des ersten Spatenstichs statt. Am 10. März 1957 konnte die Synagoge eingeweiht werden. Mit ihr wurden auch ein neuer Eingangsbereich mit großer Lobby, ein neuer Küchentrakt sowie neue Schulzimmer, Büroräume und ein Konferenzsaal ihrer Bestimmung übergeben. Nathan passte sich bei diesen Gebäudeteilen dem geradlinigen, strengen Stil der vorhandenen Bauten der 1940er Jahre an, von denen er auch die roten Klinkerfassaden, ein vom Architekten ohnehin bevorzugtes Material, übernahm. Umso stärker tritt die Synagoge mit ihren geschwungenen, aus Glas und Beton bestehenden Wänden hervor. Nur die Apsis, die durch ihre Lage den signifikanten Auftakt der Baugruppe bildet, ist korrespondierend zu den anderen Fassaden mit Klinker verkleidet.
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D i e N e w Yo r ke r J a h re 1 9 4 0 – 1 9 6 0 sich Percival Goodman, ein bedeutender Architekt und Theoretiker des modernen Synagogenbaus in den USA, gegen Farbglasfenster ausgesprochen, da diese zu sehr an die christliche Baukunst erinner ten.448 In White Plains schloss man sich diesen Bedenken augenscheinlich nicht an. Die Fenster verleihen dem Raum nicht nur eine feierliche, sakrale Atmosphäre; sie verhindern auch störende Ein- und Ausblicke und unterstreichen als horizontales Band die Bewegungsrichtung zum Thoraschrein im Scheitel der Parabel und der davor aufgestellten Bima, die darüber hinaus durch zwei mit Mosaiksteinen geschmückte Rundsäulen hervorgehoben ist. Wie die Fachzeitschrift Architectural Record im Juni 1958 ihren Lesern erläuter te, sind die Säulen als Hinweis auf den Salomonischen Tempel zu sehen; sie erinnern an die Säulen Boaz und Joachim am Eingang dieses ersten Tempels in Jerusalem.449 Zugleich bilden sie innerhalb des ansonsten stützenlosen, weit gespannten Raums einen Teil des konstruktiven Gerüsts. p
Abb. 126:
Jewish Community Center in White Plains, New York, 1953 – 1957, Grundriss der Gesamtanlage (LBI: FN 25, 1, p. 183).
Die abgerundete Wand schmückt als effektvoller Blickfang eine an eine Flamme erinnernde abstrakte Skulptur, die von José de Creeft stammt, einem 1884 in Spanien geborenen Bildhauer, der 1929 in die USA ausgewander t war. Im Unterschied zur fensterlosen Apsis besitzen die Längswände hohe, vom Boden bis zum Dach reichende Fenster, die mit den schlanken Pfeilern der Stahlbetonkonstruktion abwechseln, so dass das klassische Motiv der Kolonnade anklingt. Während die Pfeiler am Außenbau als dreidimensionales gliederndes Element hervor treten, dominieren im Innenraum die Glasflächen, die im oberen Bereich vollständig transparent sind. Ein weißer durchscheinender Vorhang dämpft das ungefilter t einfallende Tageslicht ab, so dass Lichtreflexe und Schattenwirkungen vermieden werden. Im Unterschied dazu ist die untere Zone farbig verglast. Unregelmäßige kleinteilige Felder aus weißen, gelben, braunen, violetten und blauen Tönen ergeben eine helle Farbpalette, passend zum hellen Holz des Gestühls. Die Farbglasfenster sind das Werk Rober t Sowers, eines renommier ten New Yorker Glaskünstlers jener Jahre, der 1965 ein Buch über farbiges Glas als Element der Architektur veröffentlichte und darin auch die Synagoge in White Plains vorstellte.447 1947 hatte
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Das Gotteshaus ist für 300 Personen berechnet und lässt sich an Hohen Feier tagen in die beiden älteren Säle auf 1.500 Sitzplätze vergrößern. Als heller, lichtdurchfluteter Raum unterscheidet es sich deutlich von den früheren Sakralbauten Nathans, in denen gedämpftes Licht und dunkle Farben vorherrschen. Die ernste Feierlichkeit und Monumentalität, wie sie Nathan zuerst in der Frankfur ter Friedhofshalle und dann in der Synagoge in Woodmere verwirklicht hatte, ist in White Plains einer geradezu heiteren Eleganz und Leichtigkeit gewichen. Die Synagoge war das bis dahin wichtigste Bauwerk Nathans in den USA, das als Beispiel moderner jüdischer Sakralbaukunst weithin Beachtung und Anerkennung fand. Die New York Times und andere Zeitungen berichteten; auch Ausstellungen würdigten die Synagoge. Das Modell wurde 1957 in der Ausstellung „The Patron Church“ im Museum of Contemporary Crafts in New York gezeigt. Danach gelangte es in die von der American Federation of Arts initiierte Wanderausstellung „God and Man in Art“, die am 2. März 1958 im Museum of Fine Ar ts in Houston eröffnet wurde und nach mehreren Stationen am 29. März 1959 im Washington County Museum in Hagerstown, Maryland, ihren Abschluss fand.450
Rober t Sowers, Stained Glas. An Architectural Ar t, New York (Universe Books) 1965. In deutscher Übersetzung: Farbiges Glas als Element der Architektur, 1965 im Wasmuth Verlag Tübingen. Hierzu Susan G. Solomon, Louis I. Kahn’s Jewish Architecture. Mikveh Israel and the Midcentury American Synagogue, Hanover und London (University Press of New England) 2009, S. 48. Jewish Community Center, White Plains, New York, in: Architectural Record, Juni 1958, S. 196–199. Ein Exemplar des Ar tikels im LBI: FN 4, 14, p. 372–375. Zu dieser Ausstellung LBI: FN 4, 2, p. 194 ff., 254 ff.
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Abb. 127:
Jewish Community Center in White Plains, New York,1953–1957, Blick auf die Apsis der Synagoge, bauzeitliche Fotografie von Marc Neuhof (LBI: FN 3, 20, p. 338).
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Abb. 128:
Jewish Community Center in White Plains, New York,1953–1957,
Als die angesehene Fachzeitschrift Architectural Record im Juni 1958 in einem Aufsatz über Kultbauten der Gegenwar t die Synagoge vorstellte, sandte Nathan den Ar tikel an Guido Schoenberger und schrieb dazu: „Ich weiß, dass Sie sich dafuer interessieren, umsomehr als neben fuenf Kirchen auch meine Synagoge besprochen wird. Meine erste Publikation in diesem Lande.“451 Mit dem Erfolg in White Plains war, nach schwierigen Anfängen und manch herbem Rückschlag, endgültig der Durchbruch als Synagogenarchitekt in den USA gelungen. Ungeachtet der Qualität und Bedeutung als herausragendes Beispiel eines amerikanischen Synagogenbaus der Moderne der 1950er Jahre wurde das Gebäude jedoch 2012 grundlegend veränder t. Eine Generalsanierung führ te zur Entkernung, die nur die Stahlbetonkonstruktion übrig ließ. Die Farbglasfenster wurden entfernt (sie gelangten in den Kunsthandel) und durch transparente Fenster ersetzt. Seit dem Umbau sind die Pfeiler teilweise in den Innenraum einbezogen; auch Decke, Stühle, Bima und Thoraschrein wurden erneuer t. Durch diese Maßnahmen ging nach den Verlusten in Deutschland auch ein amerikanisches Hauptwerk Nathans verloren.
Entwurf für das Gemeindezentrum Temple de Hirsch in Seattle, Washington, 1955 Die Synagoge in White Plains befand sich noch im Bau, als Nathan im Mai 1955 nach Seattle im Nordwesten der USA eingeladen wurde, um dort die Synagoge der liberalen Gemeinde Temple de Hirsch zu begutachten.452 Die 1899 gegründete Gemeinde erinner t mit ihrem Namen an Baron Maurice de Hirsch, einen Eisenbahnunternehmer, der sich im 19. Jahrhunder t
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Blick in das Innere der Synagoge, bauzeitliche Fotografie von Ezra Stoller (LBI: FN 3, 20, p. 337).
als Wohltäter jüdischer Bildungseinrichtungen in Südosteuropa und Kleinasien sowie Förderer der Emigration russischer Juden nach Amerika einen Namen gemacht hatte. Die Synagoge in der 15. Avenue, Ecke Union Street stammte von 1908; sie war in einem Stilgemisch zwischen Neuklassizismus und Neuromanik ausgeführ t und besaß als weithin sichtbares Wahrzeichen eine Doppelturmfassade. Die Gemeinde hatte das stattliche Gebäude bereits zweimal erweiter t: 1924 für Büros, Bücherei, Veranstaltungshalle und Klassenzimmer und 1950 für ein Schulhaus. Nun sollten der Betsaal und die Veranstaltungshalle für die auf über 1.000 Familien angewachsene Gemeinschaft vergrößer t werden. Der Vorstand hatte sich aus diesem Grund an die Union of American Hebrew Congregations gewandt, die als Berater und möglichen Architekten den im Fachbeirat der Vereinigung ver tretenen Fritz Nathan empfohlen hatte.453 Jener flog im Juni 1955 für drei Tage nach Seattle, wo er sich mit den Mitgliedern des Baukomitees traf, die Synagoge besichtigte und erste Vorschläge für den Ausbau unterbreitete. Gespräche und Eindrücke hielt er in ausführlichen Gedächtnisprotokollen fest, wie er sie seit Ende der 40er Jahre bei vielen Bauprojekten als Erinnerungshilfe und wohl auch als Absicherung für mögliche Streitfälle erstellte. In der Regel verfasste er diese „Memos“ in englischer Sprache, so dass sie gegebenenfalls von Mitarbeitern und Geschäftspartnern, die nicht der deutschen Sprache mächtig waren, gelesen werden konnten.454
Brief vom 7.7.1958. LBI: FN 4, 2, p. 239. Architectural Record a.a.O. (Anm. 449). Zu den Vorgängen um die Veröffentlichung ebd., p. 215–240. Dokumente zu diesem Projekt LBI: FN 1,16. Ebd., p. 111. Das Memo zum Aufenthalt in Seattle im LBI: FN 1, 16, p. 116–119.
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Abb. 129:
Entwurf für das Gemeindezentrum Temple de Hirsch in Seattle, Washington, 1955, Ansicht der Gesamtanlage von oben, nicht realisiert (LBI: FN 22, 2, p. 187).
In Seattle erfuhr Nathan, dass ein or tsansässiger Architekt namens Ben Maurice Priteca, der seit vielen Jahren für die Gemeinde arbeitete, bereits einen Entwurf erstellt hatte. Allerdings hatte dieser Entwurf nicht die Erwar tungen des Baukomitees erfüllt. Die Gespräche ergaben auch, dass die Gemeinde ein Gebäude mit einer Kuppel und maurischen Anklängen wünschte, da dies der Stil der Synagogen seit hunder ten von Jahren sei. Nathan gab zu Bedenken, dass Synagogen im maurischen Stil eine Erfindung des 19. Jahrhunder ts waren und der Luxus einer Kuppel nur die Akustik zerstöre. Desgleichen stellte er die vorgesehene Vergrößerung der Synagoge auf 1.500 Sitzplätze in Frage und propagier te stattdessen sein Konzept flexibler Raumgrößen, indem er für den Bau einer kleinen Synagoge in Kombination mit zwei größeren Veranstaltungshallen warb. Nach diesen ersten Gesprächen erhielt Nathan den Auftrag für den Vorentwurf, der nach dem Willen der Gemeinde möglichst schnell vorliegen sollte, um für
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eine Spendenkampagne genutzt zu werden. Dem Baukomitee kam es daher weniger auf die Durchbildung der Grundrisse an, als auf eine möglichst attraktive Ansichtszeichnung des Neubaus. Über den endgültigen Plan sollte zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Nathan konnte dieses Vorgehen, das an die Auseinandersetzung mit Egon Bernath erinnert, nicht unwidersprochen lassen. „We architects are planners and not fiction ‚poets‘“ – mit diesen Worten, die sein Selbstverständnis als rational planender Architekt widerspiegeln, brachte er seine Bedenken auf den Punkt.455 Konsequenterweise fügte er seinem Entwurf eine ausführliche Beschreibung bei, in der er das Bauvorhaben klar umriss und wichtige Eckdaten festlegte.456 Beides reichte er im Oktober 1955 ein. Der Entwurf zeigt eine Gebäudegruppe, die sich über einem lang gestreckten rechteckigen Grundriss parallel zu den vorhandenen Gebäuden des Gemeindehauses und der Schule entwickelt und sich in drei hintereinander gestaffelte Räume für die
455 Brief vom 8.8.1955. LBI: FN 1, 16, p. 144. 456 Baubeschreibung vom 7.10.1955 im LBI: FN 1, 16, p. 204–227. Pläne im LBI: FN 22, 2, p. 197, 199. Grundriss in einer Werbebroschüre im LBI: FN 4,14, p. 290–316, hier p. 297.
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Abb. 130:
Entwurf für das Gemeindezentrum Temple de Hirsch in Seattle, Washington, 1955, Ansicht der Längsfassade, nicht realisiert (LBI: FN 22, 2, p. 199).
Synagoge und die beiden Gemeindesäle glieder t. Der Baukörper steigt zum Synagogenraum leicht an, um mit einem sanft nach oben geschwungenen Flugdach und der optisch hervorgehobenen Thorawand seinen markanten Abschluss zu finden. Zwei große Rundfenster akzentuieren den Bereich, in dem der Gottesdienst stattfindet, während rechteckige Fensterflächen mit den für Nathan typischen ver tikalen Fensterbahnen die anderen Bauteile gliedern. Ein eingeschossiger Seitentrakt dient vorrangig der Eingangshalle; ein Annex mit halbrundem Abschluss nimmt die Kapelle auf. Der Vorschlag wurde vom Baukomitee geradezu begeister t aufgenommen und fand rasch als Signet der Marketingkampagne in Presseberichten, Spendenaufrufen, Werbebroschüren und Briefköpfen der Building Fund Campaign Verbreitung. Doch dann wiederholte sich, was Nathan schon mehrfach erlebt hatte. Im Juni 1956 teilte die Gemeinde mit, man habe sich gegen ihn als Architekten entscheiden müssen.457 Als einzigen Grund nannte man die räumliche Distanz zwischen Seattle und New York. Dagegen machte Nathan geltend, dass er längst mit einem lokalen Baumeister, nämlich Ben Marcus Priteca, zusammenarbeitete. Schon bei seinem ersten Besuch in Seattle hatte er den Kontakt zum zwei Jahre älteren Priteca gesucht, nachdem er von dessen Tätigkeit für die Gemeinde erfahren hatte. Zwischen beiden Männern hatte sich ein enges kollegiales, ja sogar freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Nathan tauschte sich 1955 regel-
mäßig mit Priteca über das Bauvorhaben aus und empfahl ihn der Gemeinde als künftigen Bauleiter, während jener Pläne des vorhandenen Gebäudes und andere Informationen aus Seattle nach New York schickte. Als die Lokalpresse über das Projekt berichtete, nannte sie Pritecas Namen sogar noch vor dem des Urhebers des Entwurfs.458 Nathan mag diesem Sachverhalt zunächst keine größere Bedeutung beigemessen haben. Als ihm aber das Baukomitee die weitere Zusammenarbeit aufkündigte, glaubte er, von Priteca hintergangen worden zu sein, so dass er nun auf seine alleinigen Rechte am Entwurf pochte. Priteca wiederum sah sich zu Unrecht verdächtigt. Jäh zerbrach so die Freundschaft zwischen beiden Architekten. Am 8. Oktober 1957 erfuhr Nathan, dass der Auftrag für die neue Synagoge und ihre Gemeindesäle einer ortsansässigen Planungsgemeinschaft übertragen worden war.459 Es verwunder te ihn sicher nicht, dass Priteca dieser Gemeinschaft angehör te. Weitere Mitglieder waren die Architektenpar tner John Dettie und John Peck. Doch anders als von ihm befürchtet, entstand der 1960 fertiggestellte Neubau in einer grundlegend anderen Gestalt: als zeltförmiger, mit ornamentalen Fassadenelementen versehener Zentralbau. Insofern entspricht das realisier te Bauwerk jener experimentellen Richtung in der Synagogenarchitektur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder ts, die das Jüdische durch Formen und Motive betont, die Assoziationen an Orientalisches wecken. So gesehen, hatte sich die von der Gemeinde favorisierte moderne Variante „maurischer“ Architektur zuletzt doch noch durchgesetzt.
457 Dies geht aus der Antwor t Nathans hervor : Nicht datier ter Briefentwurf an Mr. Starin im LBI: FN 1, 16, p. 178–180. 458 Der Ar tikel findet sich ohne Quellenangabe und Datum im LBI: FN 1, 16, p. 108. 459 Brief von Sanford M. Bernbaum an Nathan, 8.10.1957. LBI: FN 1, 16, p. 330 f.
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D i e N e w Yo r ke r J a h re 1 9 4 0 – 1 9 6 0 National Shrine for Jewish War Dead, Washington D. C., 1955 –1959 Anfang August 1955 – nur wenige Wochen nach dem ersten Besuch in Seattle – folgte Nathan einer Einladung der Vereinigung der Jewish War Veterans nach Washington D. C. Die 1896 gegründete Organisation zur Unterstützung jüdischer Kriegsheimkehrer hatte 1954 ein fünfgeschossiges Wohn- und Geschäftshaus in Washington, New Hampshire Avenue 1712, erworben. In diesem Gebäude wurden nicht nur Büros, Sitzungs- und Veranstaltungsräume, sondern auch ein Archiv, eine Bibliothek und eine Erinnerungsstätte eingerichtet, die an die gefallenen jüdischen Soldaten aller Kriege der Vereinigten Staaten von der Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg erinnerte. Dieser „National Shrine for Jewish War Dead“ wurde im Mai 1955 seiner Bestimmung übergeben; er war mit einem Thoraschrank und einer Vitrine für Dokumente und Erinnerungsstücke ausgestattet. Nathan vergrößer te den „Schrein“ unter Einbeziehung weiterer Zimmer zum Museum und fügte ihm eine „Kapelle der Erinnerung“ an. Zudem wurde das Treppenhaus zur „Hall of Heroes“ umgewidmet, in der gerahmte Bilder und Dokumente an jüdische Kriegshelden erinner ten. Bis Ende der 50er Jahre zeichnete Nathan noch für eine Reihe weiterer Aus- und Umbauten verantwor tlich.460 Im September 1958 schrieb Nathan der Emigrantenzeitschrift Aufbau, als diese über die Erinnerungsstätte berichtete: „Es duerfte Sie und sicher Ihre Leserschaft interessieren, dass diese Anlagen von mir – einem Architekten aus unseren Kreisen – seit Jahren geplant und nach meinen Plaenen ausgefuehrt wurden, und dass Frau Louise Kayser, die Frau des Kurators des Juedischen Museums, den großen Wandbehang und die Bleiverglasung der Fenster entworfen hat, und dass Dr. und Frau Kayser die Jewish War Veterans als Museumsfachleute bei der Anordnung der Ausstellung beraten haben.“461 Nachdem die Jewish War Veterans das Gebäude 1983 aufgaben, beherbergt das Haus heute die Botschaft von Swasiland.
Weitere Bauten und Projekte für jüdische Gemeinden und Vereine Unter den weiteren jüdischen Institutionen, für die Nathan tätig war, befanden sich die Zionist Organization of America, das National Jewish Welfare Board und die American Federation of Jews from Central
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Europe, für die er um 1953/54 den Um- und Neubau von Büroräumen plante.462 1958 entwarf er für das Jüdische Museum in New York an der 5th Avenue, Ecke 92. Straße einen Skulpturenhof.463 Ein Jahr später wurde ein solcher Hof zwar seiner Bestimmung übergeben, ob dieser aber auf den Entwurf Nathans zurückging, lässt sich aus den vorliegenden Quellen nicht erschließen. Weitere Projekte galten einer JewishCommunity-Schule in Manhattan, der seinerzeit bei der Synagoge Sons of Israel gelegenen BrandeisSchule in Woodmere (gegen 1959), einem Kindergar ten in Hamden, Connecticut (1959), und dem Jewish Community Center Health Club in New Haven, Connecticut (1958).464 Kurz vor seinem Tod 1960 schuf Nathan noch zwei Gemeindezentren in Connecticut, eines in Hamden, das andere in Woodbridge, auf die bei der Betrachtung der letzten Lebensjahre des Architekten zurückzukommen sein wird. Außerdem zeichnete er für den Aus- und Umbau folgender Synagogen und Gemeindezentren verantwor tlich: Sherman Avenue Synagogue in Jersey City (um 1950), Congregation Ohab Zedek in New York City (1953), Bayswater Jewish Center in Far Rockaway (1954), Princeton Jewish Center (1957), Temple Beth Sholom in Flushing, Queens (1959), und Temple Beth El in Utica, New York (1959). Dieser stattlichen Liste sind die Namen der Gemeinden hinzuzufügen, für die Nathan als Berater und Gutachter wirkte, wie: Ahavath Achim in Atlanta, Georgia; Beth Israel in Flint, Michigan; Jewish Center in Coral Gables, Florida; Temple Emanuel in Miami Beach, Florida; Beth Thora in Orange, New Jersey; Temple Beth El in Knoxville, Tennessee, und Congregation Orach Chaijm in New York City.465 Bei all diesen Projekten und Aufgaben verwunder t es nicht, dass der Architekt im Februar 1960 in einem Brief an Max Wronker anmerkte: „Bei mir persoenlich keine Veränderung. Fuerchterlich viel Arbeit – viel zu viele Synagogen!“466 Das Schreiben war an den in die USA emigrier ten Sohn Hermann Wronkers gerichtet. Für letzteren hatte Nathan einst als Kaufhausarchitekt gearbeitet. So erfolgreich er in diesem Bereich in den 20er Jahren gewesen war, so sehr hatte er sich nun als Spezialist für Synagogen etablier t. Gleichwohl war er auch im Wohn-, Industrie- und Gewerbebau gefragt und viel beschäftigt.
Dokumente im LBI: FN 16, 2 (p. 442 f.: Memo zum Treffen am 3.8.1955). Brief vom 11.9.1958, dem Vor tag des Erscheinens des Artikels. LBI: FN 4, 2, p. 244. Der Artikel „Erinnerungsstätte für Amerikas jüdische Kriegsgefallene“ in Aufbau, Vol. 24, Nr. 37, 12.9.1958, S. 24 (https://archive.org/details/aufbau). Liste der Projekte des Büros im LBI: FN 4, 4. Plan des Skulpturenhofs im LBI: FN 22, 2, p. 186. Pläne des Jewish Community Center Health Club im LBI: FN 17, 3, p. 231–234. Handschriftliche Liste Nathans, vermutlich 1956/57. LBI: FN 4, 2, p. 287. Dokumente hierzu im LBI: FN 16, 1 (Teil 2). Brief vom 14.2.1960. LBI: FN 26, 15, p. 180.
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Abb. 131:
Entwurf für den Health Club des Jewish Community Centers in New Haven, Connecticut, 1958, Realisierung nicht nachgewiesen (LBI: FN 17, 3, p. 231).
Wohn-, Industrie- und Gewerbebauten Wie in Deutschland übernahm der Architekt regelmäßig Aufträge für den Aus- und Umbau von Wohnungen und Einfamilienhäusern. In einem seiner Werkverzeichnisse sind drei „Apartments“, zehn „Residences“ und ein „Apt. House“ genannt, dazu kommen etwa 40 weitere Einträge, die sich auf den Wohnungsbau beziehen lassen, wobei unklar ist, ob es sich jeweils nur um bauliche Veränderungen oder vereinzelt auch um Neubauten handelte.467 Das einzige Dokument im Architektennachlass, das die Planung eines neuen Wohnhauses klar belegt, ist eine nicht näher bezeichnete Skizze für ein zweigeschossiges Haus mit weit auskragendem, flach geneigtem Dach und seitlichem Anbau für eine Garage.468 Im Bereich des Industrie- und Gewerbebaus nennen die Werklisten des Architekturbüros für den Zeitraum von 1941 bis 1961 fast 100 Projekte.469 Die meisten davon beziehen sich ebenfalls auf den Aus- und Umbau bestehender Räume. 1957 schrieb Nathan dem Direktor der State Building Code Commission in New York, um sich allgemein als Architekt zu empfehlen. Als Referenz fügte er einen Ar tikel aus einem deutschen Fachblatt von 1930 bei, vermutlich die Seiten aus dem Zentralblatt der Bauverwaltung, in denen die Mannheimer Geschäftshausgruppe mit dem Turmbau des Deutschen Beamtenwarenhauses beschrieben ist.470 Ähnliche Projekte hatte er sich 467 468 469 470 471
aufgrund seiner Erfahrung im Stahl- und Hochhausbau auch in den USA erhofft. Schon früh machte er jedoch die Erfahrung, dass an solche „Riesen-Auftraege“, wie er 1947 bemerkte, nicht leicht heranzukommen war.471 Umso erfreulicher war, dass er im Lauf der Jahre von zwei Unternehmen regelmäßig für größere Aufgaben, ja sogar für Büro- und Fabrikneubauten, herangezogen wurde.
Bautätigkeit für die Hunter-Douglas Corporation, 1946–1956 Die Anfänge der Hunter-Douglas Corporation liegen in Deutschland und sind mit dem Unternehmer Henry Sonnenberg verbunden. Dieser hatte 1919 in Düsseldorf eine Firma gegründet, die sich zunächst auf den Ver trieb von Maschinenwerkzeugen, dann auf die Maschinenproduktion spezialisier te. Noch im Jahr der nationalsozialistischen Machtübernahme verlegte er das Unternehmen nach Rotterdam. Als er 1940 in die USA emigrier te, ließ er sich in New York nieder, wo er die Douglas Machinery Company gründete, die nach der Fusion mit Joe Hunter im Jahr 1946 zur Hunter-Douglas Corporation wurde. Das Unternehmen deckte mit der Produktion von Aluminium und der Herstellung von Leichtmetall-Jalousien ein Marktsegment ab, das den Wohnungs- und Bürobau erober te. Nathan war für Sonnenberg zunächst als Gutachter beim Erwerb eines Wohnhauses tätig.
Werkverzeichnis für die Jahre 1941–1961 im LBI: FN 4, 4, p. 408–420. Ein Neubau ist am ehesten bei dem mit der Jahreszahl 1957 angegebenen Apar tmenthaus wahrscheinlich. Unter der genannten Adresse 222 Columbia Heights befand sich ein Gebäude des 19. Jahrhunder ts, das offenbar in den 50er Jahren abgebrochen wurde. Heute steht dor t ein Wohnhaus von 1980 (http://ny.curbed.com/tags/222-columbia-heights, 17.12.2014). Zeichnung eines Wohnhauses ohne Datum und Objektangabe im LBI: FN 15, 2, p. 252. Werkverzeichnis 1941–1961 a.a.O. (Anm. 467). Brief vom 20.11.1957. LBI: FN 4, 2, p. 192. Zum Ar tikel von 1930 s. Anm. 188. Brief vom 12.2.1947 an Carl Müller a.a.O. (Anm. 353).
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Abb. 132:
Firmengebäude Hunter-Douglas Corporation in Riverside, Kalifornien, 1949 – 1950, räumliche Ansicht des ersten Bauabschnitts und Grundriss mit zweitem Bauabschnitt, datiert am 3.12.1949 (LBI: FN 15, 2, p. 304).
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Abb. 133:
Firmengebäude Hunter-Douglas Corporation in Rosewill bei Sydney, Australien, 1953 – 1954, Grundriss, Schnitt durch Büros und Kantine, Eingangs- und Längsfassade, datiert am 26.5.1953 (LBI: FN 15, 2, p. 284).
Er besichtigte dafür mehrere Häuser in Riverdale, einem gutbürgerlichen Wohnvier tel im Nordwesten New Yorks, ehe er 1946 mit neuen Büroräumen im New Yorker Verwaltungsgebäude 150 Broadway und dem Ausbau einer Fabrik im rund 20 km entfernten New Hyde Park auf Long Island, in der Nassau Terminal Road, beauftragt wurde.472 Bald folgten weitere Projekte für das rasch expandierende Unternehmen, von denen das bedeutendste einem Bürogebäude in Riverside, Kalifornien, 3016 Kansas Avenue, galt. Für Riverside entwarf Nathan 1949 –1950 eine L-förmige eingeschossige Anlage mit 20 Einzelbüros und einem über die anderen Räume erhöhten Großraumbüro für 44 Arbeitsplätze.473 Ein zur Straße vorgezogener Baukörper mit trapezförmigem Grundriss locker t die Architektur auf und hebt den Eingangsbereich hervor. Der Rückseite fügt sich ein überdachter Wandelgang an, den schlanke Stützen gliedern. Dem Gebäude sollten zu einem späteren
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472 LBI: FN 3, 4; FN 4, 3. 473 Pläne im LBI: FN 15, 2, p. 291–304. 474 Dokumente im LBI: FN 3, 12.
Zeitpunkt weitere Büros, eine Cafeteria und eine Ingenieurabteilung angefügt werden. In einem Entwurf verbinden sich beide Bauabschnitte zu einem U-förmigen Komplex, in einem anderen bilden sie eine H-förmige Anlage. Somit findet sich auch bei diesem Projekt die von Bauten der 20er und 30er Jahre bekannte Vorliebe Nathans für Hofanlagen und symmetrische Gebäudegruppen. Allerdings wurde keine dieser beiden Varianten verwirklicht. Nathan konnte zwar den ersten Bauabschnitt ausführen, nicht aber den zweiten, da die Firma Mitte der 1950er Jahre den Standor t aufgab und nach Kanada zog. Das realisier te Gebäude ist von einfacher, funktionaler Eleganz und wird heute von der Firma Luxfer Gas Cylinders genutzt. Hunter-Douglas war ein weltweit agierendes Unternehmen, so dass Nathan ab 1952 auch mit dem Bau einer Fabrik in Australien beschäftigt war. In einem Voror t Sydneys, in Rosewill, Barcoo Street 30–32,
D i e N e w Yo r ke r J a h r e 1 9 4 0 – 1 9 6 0 sollte ein lang gestrecktes zweigeschossiges Gebäude über rechteckigem Grundriss mit Produktionshalle, zwei Büroräumen, Sozialraum und sanitären Einrichtungen entstehen.474 Nathan begutachtete und überarbeitete die Pläne des ortsansässigen Architekten E. L. Allars aus Eastwood bei Sydney. Die Bauausführung erfolgte 1953–1954. Heute befindet sich unter der Adresse Barcoo Street 30–32 ein Gebäude jüngeren Datums, das im Kern aber vermutlich noch auf die 1950er Jahre zurückgeht. Nach weiteren Aufträgen, die dem Aus- und Umbau bestehender Einrichtungen galten, endete die Tätigkeit Nathans für Hunter-Douglas im Jahr 1956, als Henry Sonnenberg seine Niederlassungen in den USA verkaufte und mit dem Unternehmen nach Kanada zog.
Bautätigkeit für die Hartz Mountain Products Co., 1941–1959 Die Firma, die in den Werkverzeichnissen Nathans am meisten genannt ist, nämlich fast 30 Mal, ist die auf den Verkauf von Haustieren und Tierfutter spezialisier te Har tz Mountain Products Co.475 Dieses Unternehmen wurde von den 1926 aus Deutschland ausgewander ten Brüdern Max und Gustav Stern gegründet, die ihr Geschäft mit dem Verkauf von aus dem Harzgebirge impor tier ten Kanarienvögeln begonnen hatten. Der Sitz des Unternehmens befand sich am Cooper Square 36 in Manhattan in einem siebengeschossigen Geschäftshaus von 1894. Bereits 1944/45 zeichnete Nathan für die Modernisierung der Räume und die Erweiterung in die Nachbarhäuser 38 und 40 verantwor tlich. Er plante und überwachte die Baumaßnahmen, die den Abriss von Zwischenwänden, den Einbau neuer Treppen und Fenster, die Erneuerung der Böden und Dacheindeckungen und anderes mehr umfassten. 1955–1959 folgte schließlich der sukzessive Ausbau eines viergeschossigen, aus sieben Einheiten bestehenden Häuserblocks des ausgehenden 19. Jahrhunder ts.476 Ihren Abschluss fand die umfangreiche Baumaßnahme mit der Neugestaltung der Hauptfassade, bei der Nathan die früheren Putzflächen und Werksteingliederungen aufgab. An ihrer Stelle schuf er eine einzige, lange Front mit einer Verkleidung aus hellem, ockerfarbenem Klinker. Wie bei anderen Bauten nutzte der Architekt dieses Material als Gestaltungselement, wobei er in die Fenster- und Brüstungszonen der Obergeschosse leicht vor tretende, waagerechte
Klinkerstreifen einfügte. Dadurch entstanden rechteckige Felder, die auf der Fassade eine Ar t Schachbrettmuster ausbilden und der Front eine reizvolle individuelle Note verleihen. Abgerundet wird die Gestaltung durch das großzügig verglaste Erdgeschoss. Zwei übereinander sitzende Fensterzonen betonen die horizontale Ausdehnung und besitzen als Trennlinie zwischen Haupt- und Oberlicht ein durchgehendes schmales Klinkerband. Die Fassade des Gebäudes, das 2012 für die High School Division der Grace Church School umgebaut wurde, hat sich bis heute erhalten.
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Abb. 134:
Firmengebäude Hartz Mountain Products Co. in New York City, Manhattan, 1955–1959, Fotografie 2012 von Roland Behrmann.
1952–1954 war Nathan auch mit dem Bau eines Produktions-, Büro- und Lagergebäudes in Chicago in der Nor th Nashville Avenue 1961 beschäftigt.477 Planung und Ausführung führ ten zu einer lang gestreckten Halle mit Flachdach, aus der sich ein markanter Kopfbau von strenger monolithischer Form schiebt. Dies verleiht der Fabrik die für Nathan typische sachliche Monumentalität. Auch hier setzte der Architekt den Klinker geschickt als Gestaltungselement ein. Er betonte Ecken und Stirnseite des Kopfbaus durch horizontale Bänder aus leicht vor tretenden, dicht an dicht sitzenden Klinkerstreifen. Diesen Bändern sind schmale Fenster zugeordnet, die mit ihren Lamellen in die Gliederung eingebunden sind. Zudem gestaltete er mit Hilfe des Klinkers zwei in der Mittelachse der Abschlusswand sitzende Fenster zu einer markanten geometrischen Figur. Hier bewies Nathan ein weiteres Mal seine Fähigkeit, einer funktionalen Fassade mit einfachen Mitteln Ausdruck zu verleihen.
475 Werklisten im LBI: FN 4, 4. Dokumente zu Har tz Mountain im LBI: FN 2, 12 bis 2, 18; FN 33, 2. 476 Dokumente im LBI: FN 2, 12 bis 2, 18. 477 Dokumente im LBI: FN 2, 15; FN 2, 16.
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Abb. 135:
Firmengebäude Hartz Mountain Products Co. in Chicago, 1952–1954, bauzeitliche Fotografie (LBI: FN 22, 2, p. 188).
Wie den Aufzeichnungen des Architekten zu entnehmen ist, reiste er in den beiden Jahren der Vorbereitung und Durchführung der Baumaßnahme nicht weniger als 15 Mal nach Chicago. Ein anderer Auftrag führ te ihn 1955 nach Kanada, wo er in St. Thomas, Ontario, einen breit gelager ten, ein- bis zweigeschossigen Klinkerbau in streng funktionalem Stil schuf.478 Unter der Adresse Talbot Street 1125 hat sich auch dieses Fabrikgebäude bis heute erhalten. Außerdem ist in einem Referenzschreiben des Unternehmens von einem Bauprojekt für eine Industrieanlage in Denville, New Jersey, die Rede.479
Die letzten Lebensjahre So zahlreich die Aufträge im Industrie- und Gewerbebau waren, Nathans eigentliche Berufung blieb der Synagogenbau. Er sah sich als Fachmann für Synagogen weithin anerkannt und so wurde er 1957 von der Union of American Hebrew Congregations zur zweiten Nationalen Konferenz „Synagogue architecture and art“ eingeladen, um ein Kolloquium zu leiten, in dem der Standor t von Synagogen und die daraus resultierenden Auswirkungen auf das Gemeindeleben zur
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Diskussion standen.480 In seiner Einführungsrede verwies Nathan auf die Mobilität in der amerikanischen Gesellschaft als Phänomen, das auch für jüdische Gemeinden relevant sei, so dass sich die Frage nach den Auswirkungen auf die Synagoge als Gebäude und Institution stelle.481 Die Konferenz fand vom 30. November bis zum 2. Dezember 1957 im Barbizon Plaza Hotel in New York statt. 1958 wandte sich einer der Autoren des Buches „Churches and Temples“, Richard M. Bennett, an den Architekten und bat ihn um fachliche Unterstützung für eine Neuauflage dieses 1954 veröffentlichten Werks, da das Kapitel über Synagogen aktualisier t werden sollte.482 Nathan nahm deshalb Kontakt zur Organisation der Juden in Deutschland auf, um sich über neue Synagogen in seiner früheren Heimat zu informieren. Die Antwor t, eine Liste von 15 Objekten, darunter Synagogen in Frankfur t a. M., Mannheim, Offenbach, München und Stuttgar t, leitete er Bennett weiter.483 Ergänzend verwies er auf zwei herausragende Bauwerke der Zeit „pre-Hitler“, die beide die Bauhausmoderne verkörpern: Die Synagoge Fritz Landauers in Plauen und die Synagoge von Felix
LBI: FN 1, 3, p. 187. Ebd. Dokumente im LBI: FN 5, 1. Das Manuskript der Rede und das Programm des Kongresses im LBI: FN 5, 1, p. 588, 602 f. Brief vom 29.8.1958. LBI: FN 4, 2, p. 243. Brief vom 15.11.1958. LBI: FN 4, 2, p. 246.
D i e N e w Yo r ke r J a h r e 1 9 4 0 – 1 9 6 0 Asche und Robert Friedmann in Hamburg. Im Übrigen ließ er es sich nicht nehmen, Bennett Informationsmaterial über den Neuen Jüdischen Friedhof in Frankfur t zu schicken, denn, wie er ihm schrieb, hatte er den Eindruck, dass über dieses Gebäude zu wenig bekannt war. Doch leider kam die Neuauflage des Buches nicht zustande, so dass die von Nathan erhoffte Würdigung des Friedhofs in einer amerikanischen Publikation ein Desiderat blieb. Im März 1956, kurz vor seinem 65. Gebur tstag und etwa ein Jahr vor der Vollendung des Gemeindezentrums in White Plains, wurde Nathan zum Architekten der Congregation Mishkan Israel in Hamden, Connecticut, berufen. 1957 folgte der Auftrag für das jüdische Gemeindezentrum in Woodbridge, einem Nachbaror t Hamdens. Diese beiden Gebäude sollten seine letzten Werke als Synagogenarchitekt sein. Im Juni 1960 äußerte er die Hoffnung, seine körperlichen Beschwerden, die ihm seit einiger Zeit zu schaffen machten, seien „nur die Folge von zwanzig Jahren ununterbrochener harter und schwerer Arbeit“.484 In Wirklichkeit litt Nathan aber an einer Krebserkrankung; er sollte nur noch wenige Monate zu leben haben. Als er am 3. November 1960 im Alter von 69 Jahren starb, war das Gemeindezentrum in Hamden gerade vollendet; das Bauwerk in Woodbridge hingegen musste von seinem Mitarbeiter Ber tram L. Bassuk zu Ende geführ t werden.
Gemeindezentrum Mishkan Israel in Hamden, Connecticut, 1956–1960 Das Gemeindezentrum in der rund 140 km nordwestlich von New York liegenden Stadt Hamden präsentier t sich als ausgedehnte Anlage, die in einem hohen, langgestreckten Baukörper die Synagoge und zwei Säle vereint. Dieser Teil der Gebäudegruppe schließt ähnlich wie in White Plains mit einer Apsis ab, besitzt aber keinen parabelförmigen, sondern einen rechteckigen Grundriss. Seitlich lagern sich dem Hauptgebäude die Kapelle und der flache Riegel des Bürotrakts an, der sich in drei Flügelbauten für Schule und Kindergar ten for tsetzt; diese wiederum gruppieren sich U-förmig um einen Hof. Der großzügige Komplex liegt am Or tsrand Hamdens, in einem parkar tig angelegten Anwesen zwischen Ridge Road und Har tford Turnpike. Er entstand im Unterschied zu den früheren Synagogen und Gemeindezentren Nathans nicht durch Erweiterung oder Umbau, sondern als kompletter Neubau. 484 485
Die 1840 gegründete Gemeinde bildet bis heute das Zentrum reformier ter Juden im Bundesstaat Connecticut mit dem Einzugsgebiet New Haven County. Mitte der 1950er Jahre gehör ten ihr rund 800 Familien an. Ein erster Entwurf Nathans, den die Gemeinde 1956 im Fund Raising Bulletin veröffentlichte, zeigt eine kleinere Baugruppe, bestehend aus nur einem Festsaal und einem Seitentrakt für Büros, Bibliothek, Schule und Kindergar ten. Die Synagoge fehlt noch, da die Gemeinde das Gotteshaus aus finanziellen Gründen zu einem späteren Zeitpunkt realisieren wollte. Im Laufe der weiteren Planung fiel die vermutlich von Nathan forcier te Entscheidung, sämtliche Gebäude nicht nur gemeinsam zu errichten, sondern auch das Raumprogramm deutlich zu erweitern.
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Abb. 136:
Gemeindezentrum Mishkan Israel in Hamden, Connecticut, 1956–1960, Entwurf der Gesamtanlage, datiert am 1.7.1960 (LBI: FN 20, p. 398).
Die Schule wurde auf 22 Klassenzimmer vergrößer t, und der Synagoge mit ihren 500 Sitzplätzen wurde eine zweite Versammlungshalle angefügt, um bei Feiertagen weiteren 1.000 bis 1.500 Besuchern Platz bieten zu können. Der seitlich vortretende Anbau der Kapelle erhielt 150 Sitzplätze. Im März 1960 wurde der Architektenver trag auf die Ausstattung und die Möbel erweitert. Im Nachlass dokumentiert ein riesiges Konvolut von Planzeichnungen und Skizzen – von der Gesamtanlage über die Innenräume bis hin zur Ausstattung – die aufwendige und bis ins Detail minutiöse Planung.485
Brief vom 19.6.1960 an Myron E. Schoen, Direktor der Synagogenverwaltung in der Union of American Hebrew Congregations, vom Verfasser aus dem Englischen übersetzt. LBI: FN 5, 1, p. 473. Pläne im LBI: FN 15, 2; FN 17, 4; FN 20; FN 22, 2. Architektenver trag und Bauprogramm: FN 4, 1, p. 10 ff., 75 ff. Weitere Dokumente: FN 2, 1 bis 2, 5; FN 19; FN 20.
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und vielgestaltigen Erscheinungsbild tragen auch die wechselnden Materialien und Farben der Fassaden bei. Graue Beton- und Steinflächen sind mit ockerfarbenem Klinker in heller und dunkler Tönung kombinier t.
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Abb. 137:
Gemeindezentrum Mishkan Israel in Hamden, Connecticut, 1956–1960, Entwurfszeichnung mit Synagoge und Werktagskapelle (LBI: FN 20, p. 397).
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Abb. 138:
Gemeindezentrum Mishkan Israel in Hamden, Connecticut,
Der Grundriss der Gesamtanlage verbindet die verschiedenen Funktionen zu einem ebenso klar wie lebendig geglieder ten Ensemble. Dabei treten die dem Gottesdienst dienenden Einheiten einschließlich der beiden Gemeindesäle optisch durch ihre Gestaltung und Höhe hervor. Das Hauptgebäude zeichnet sich dadurch aus, dass es von der Mitte nach beiden Seiten hin sanft ansteigt und im Bereich der Synagoge in der Apsis endet. Wie schon in White Plains löste sich Nathan also auch in Hamden vom statischen Gefüge rechteckiger Bauformen.
1956–1960, Entwurfszeichnung des Innenraums der Synagoge (LBI: FN 20, p. 396).
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Dass der Architekt experimentierfreudiger geworden war, zeigt auch die geradezu artifizielle Gestaltung der Pfeiler an der Außenseite der Apsis mittels versetzt sitzender Klinkersteine. Kennzeichnend ist auch die Form der Kapelle, die sich über einem trapezförmigen Grundriss erhebt, ebenfalls leicht ansteigt und mit einer konkav geschwungenen Abschlusswand endet. Ein überdachter Wandelgang, gleichfalls sanft geschwungen und mit schlanken Stützen versehen, hebt den Eingang zu Synagoge und Kapelle hervor. Über dem Eingang des Verwaltungsgebäudes kragt ein Vordach weit aus. Dahinter sitzt eine flache Kuppel mit Oberlicht, die das Foyer erhellt. Zum lebendigen
Dem imposanten Äußeren entspricht auch die Ausgestaltung im Inneren der Gebäude. In der Synagoge verbinden sich dunkle Holzverkleidungen mit hohen, blau verglasten Fensterfeldern zu beiden Seiten des Thoraschreins zu einem feierlich-sakralen Raumeindruck, wie er auch in anderen Sakralbauten Nathans zu finden ist. Auffallend ist die segelförmig gestaltete Decke des Raums; sie wölbt sich zur Apsis, unterstreicht so die Bewegungsrichtung zum liturgischen Zentrum und steigert diese Wirkung mittels indirekter Beleuchtung. Die in blaue Farbfelder geglieder ten Fenster der Apsis stammen von einem Künstler namens Rober t Pinar t, einem 1926 in Paris geborenen Glasmaler, der seit 1951 in den USA arbeitete. Wie in White Plains lässt sich die Synagoge durch nach oben und unten verschiebbare Zwischenwände in beide Hallen erweitern. Einen wesentlichen Bestandteil des Raumkonzepts bilden auch die in die Außenwand eingelassenen, bis zum Boden reichenden Fensterzonen. Sie lenken helles Tageslicht in das Gebäude und sind mit jeweils zwei Fenster türen versehen, so dass sich die Räume bei festlichen Veranstaltungen zur vorgelager ten Terrasse hin öffnen lassen. In der Kapelle fassen zwei große Farbglasfenster den Or t der Predigt ein. Sie sind das Werk des New Yorker Künstlers Jean-Jacques Duval, der auch die anderen Fenster des Raums schuf, die in stilisier ten Darstellungen die Gesetzestafeln, die Thorarolle sowie
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Abb. 139:
Gemeindezentrum Mishkan Israel in Hamden, Connecticut, 1956–1960, Fotografie 2012 von Roland Behrmann.
andere biblische und liturgische Motive zeigen. Den Thoraschrein hinterfängt eine Klinkerwand, die sich in der Mitte effektvoll zu einer Ar t Lichtband öffnet. In der Festschrift zur Einweihung des Gebäudes erläuter te Nathan, dass das Bauprogramm dem seit vielen Jahren für Reformsynagogen üblichen Schema der Verbindung der gottesdienstlichen Funktion mit Gemeinde-, Verwaltungs- und Schulräumen folge. Vieleror ts hätten die Synagogen und die Kapellen aufgrund ihrer geringen Größe aber nicht die architektonische Beachtung erfahren, die ihnen zu wünschen sei. Nathan betonte: „This was not the case in our project.“486 Ausführlich ging er auch auf die Lage des Gemeindezentrums ein, um hervorzuheben, dass die Einbindung eines Gebäudes in seine Umgebung ein grundlegendes Prinzip von Architektur sei. Dies unterscheide die Baukunst von den an keinen speziellen Or t gebundenen Gattungen der Malerei und Bildhauerei. Entsprechend diesem Gedanken hatte Nathan die Gebäudegruppe den vorgefundenen topografischen Gegebenheiten angepasst und so ihre Wirkung noch gesteiger t. Denn die Synagoge und die Kapelle stehen gut sichtbar auf einer Erhöhung innerhalb des weitläufigen Geländes, während sich die zweigeschossige Schule zu einer tiefer liegenden Fläche orientier t, an der auch Parkpätze für Personal und Besucher angelegt sind.
Die gär tnerische Gestaltung beschränkte sich 1960 zunächst auf den östlichen Teil des Areals; aus finanziellen Gründen sollte der westliche Teil zu einem späteren Zeitpunkt ausgeführ t werden. Deshalb mahnte Nathan: „Wir sollten uns gewahr werden, dass dies nur ein temporärer Zustand ist, der noch nicht die vollständige Verwirklichung des Konzepts des Architekten repräsentiert […]. Ich meine zu diesem Zeitpunkt, die Gemeinde sollte es als ihre vordringliche Aufgabe sehen, den Landschaftsplan zu vollenden, so dass es ihren Mitgliedern und ebenso den Menschen in Hamden möglich ist, sich an diesem wichtigen Projekt als vollständige ästhetische Einheit zu erfreuen.“487 Als Nathan dies schrieb, wusste er vielleicht schon von seiner Krebserkrankung. Er hatte sich im Juni 1960 in einem Hospital einer ärzlichen Untersuchung unterzogen und dürfte wenig später von der niederschmetternden Diagnose erfahren haben.488 Als das Gemeindezentrum in einer dreitägigen Feier vom 16. bis 18. September 1960 seiner Bestimmung übergeben wurde, war er bereits zu schwach, um daran teilzunehmen. Schon während der Bauarbeiten hatte er sich immer häufiger von seinem Mitarbeiter Bertram L. Bassuk bei Ortsterminen vertreten lassen. Dieser hatte ihn regelmäßig zu Hause konsultier t, um mit ihm weitere Aufgaben zu besprechen. Eine dieser Aufgaben lag Nathan besonders am Herzen: die Vollendung des Gemeindezentrums in Woodbridge.
486 Dedication-Book. LBI: FN 4, 11. Dazu undatier tes Manuskript im LBI: FN 2, 5, p. 285–287. 487 Ebd., Übersetzung des Verfassers aus dem Englischen. 488 Brief an Myron E. Schoen, 19.6.1960. LBI: FN 5, 1, p. 473.
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Abb. 140:
Gemeindezentrum B’Nai Jacob in Woodbridge, Connecticut, 1957–1961, Entwurfszeichnung mit Synagoge und Werktagskapelle (LBI: FN 21, p. 151).
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Abb. 141:
Gemeindezentrum B’Nai Jacob in Woodbridge, Connecticut, 1957–1961, Entwurfszeichnung des Kapellenraums (LBI: FN 21, p. 117).
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Gemeindezentrum B’Nai Jacob in Woodbridge, Connecticut, 1957–1961 Die 1882 gegründete konservative Gemeinde Congregation B’Nai Jacob hatte ihren Sitz ursprünglich in New Haven, einer rund 130 km nördlich von New York liegenden Stadt unweit von Hamden. Da ihre von 1905 stammende Synagoge einer Flächensanierung weichen musste, wurde dringend ein Neubau benötigt, der aber nicht in New Haven, sondern im nahen Woodbridge errichtet werden sollte.489 Denn dor t hatte man ein weitläufiges Areal gefunden, das die besten Voraussetzungen für den Bau eines großen Gemeindezentrums in einer Parklandschaft bot. Das gemeinsam mit dem Architekten 1957 erarbeitete Bauprogramm entsprach in etwa dem für Mishkan Israel.490 Die Synagoge sollte 500 Plätze erhalten und sich in eine kleine Halle für 400 und eine große Halle für 600 Besucher erweitern lassen. Dazu sollten eine Kapelle für 70 bis 100 Besucher sowie eine Schule und Büroräume errichtet werden.491
Nathan hielt an dem in Hamden realisier ten Prinzip eines längsgerichteten Baukörpers, der die Synagoge und die beiden Säle vereint, fest, während die Kapelle als eigenständiger Körper aus der Anlage heraustritt. Parallelen zu Hamden zeigen sich auch in der seitlichen Anbindung des Verwaltungstrakts und im U-förmigen, aus drei Flügeln bestehenden Schulgebäude. In der freien Grundrissgestaltung ging er aber noch einen Schritt weiter, indem er die Kapelle als Rundbau ausbildete und das Hauptgebäude ähnlich wie die Synagoge in White Plains parabelförmig anlegte. Nur ließ er die Parabel diesmal nicht in einer Apsis enden, sondern in einer dreigeteilten, in den Seitenzonen nach außen geknickten Wand. Deren Gestaltung erinner t an einen Thoraschrein und verweist somit auf das Prinzipalstück im Inneren der Synagoge. Die Mittelzone ist von Farbglasfenstern durchbrochen, in die ein siebenarmiger Leuchter als Symbol des Judentums eingebunden ist. Die durch den Grundriss bedingte Bewegungsrichtung zum Allerheiligsten unterstreicht die Höhenentwicklung des langgestreckten schiffsförmigen Baukörpers, der zur Synagoge leicht ansteigt. Die Thorawand ist so ausgerichtet, dass sie nach außen den prägnanten Auftakt der Baugruppe bildet und sich dabei dem Besucher eindrucksvoll entgegenschiebt. Die Fassaden sind einheitlich mit dunkelroten Klinkern verkleidet und steigern so die geradezu monumentale Wirkung der Baumassen. Als raffinier tes Gestaltungselement schmücken Klinkerfelder aus horizontalen Rollschichten die Längswände. Sie fassen optisch drei große Fensterzonen zusammen, die den von vielen Bauten Nathans bekannten Wechsel von schlanken ver tikalen Fensterbahnen und schmalen Pfeilern zeigen. Dadurch wird zwar Licht in das Innere des Gebäudes gelenkt, die Geschlossenheit des
489 Vgl. Memorandum Nathans im LBI: FN 1, 21, p. 4–17. 490 Das Bauprogramm im LBI: FN 1, 19, p. 509–511. 491 Architektenver trag, 8.8.1957. LBI: FN 1, 19, p. 535. Pläne im LBI: FN 17, 3; FN 21.
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Abb. 142:
Gemeindezentrum B´Nai Jacob in Woodbridge, Connecticut, 1957 –1961, Fotografie 2012 von Roland Behrmann.
Baukörpers und der Wände aber nicht aufgegeben. In reizvollem Kontrast dazu präsentiert sich die Kapelle als fast vollständig von Farbglasfenstern durchbrochene Rotunde. Die Innenräume erinnern in vielem an die Bauten in White Plains und Hamden. Die Farbverglasung der Kapelle sowie der beiden Säle und der Synagoge schuf Jean-Jacques Duval, der auch die Fenster in Hamden gestaltete. Für die Kapelle wählte er Farbmotive vorwiegend in hellem Gelb und Orange als Symbole des Lichts; darin eingebunden sind Darstellungen verschiedener Gegenstände aus der Liturgie und Glaubenswelt des Judentums wie Thorarolle, Menora, Gesetzestafeln, Bundeslade, Kelch, Harfe, Jakobsleiter und anderes mehr. Als die Details der Innenräume festgelegt wurden, war die Krankheit Nathans weit for tgeschritten. Dennoch blieb ihm die Vollendung des Gemeindezen-
trums Anliegen und Verpflichtung. Nahezu täglich ließ er sich über den For tschritt der Arbeiten berichten und feilte mit Ber tram L. Bassuk an den Plänen für die Ausstattung.492 Noch am 7. Oktober 1960 versicher te er einem Mitglied des Baukomitees, er wolle alles daran setzen und „keinen Stein umgedreht lassen“, um das Gemeindezentrum nicht mindestens ebenso eindrucksvoll wie das Bauwerk in Hamden auszuführen.493 Am selben Tag schrieb er dem Präsidenten der Gemeinde, John F. Fox, und bestätigte eine vertragliche Vereinbarung mit einem Bauunternehmen.494 Danach bricht der Briefwechsel ab. Fritz Nathan erlag am 3. November 1960 seiner schweren Krankheit. Er wurde nur 69 Jahre alt. Mit den Gemeindezentren in Woodbridge und Hamden hatte er aber noch einmal eindrucksvoll sein überragendes baukünstlerisches Können demonstrier t.
492 Vgl. den Briefwechsel mit Mitgliedern des Baukomitees. LBI: FN 1, 15, z. B. p. 107–109. 493 Brief an Bill Dworski, 7.10.1960. LBI: FN 1, 25, p. 133. 494 Brief vom 7.10.1960: LBI: FN 1, 55, p. 131.
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Epilog
tekt vieler Jüdischer Gemeinden. Er hinterlässt seine Witwe, Lucie; eine Tocher, Doris; seine Mutter, Sara; und einen Bruder, Dr. Otto Nathan, ein Ökonom.“495 Am 6. November 1960 fand ein feierlicher Gedenkgottesdienst in der Riverside Memorial Chapel in New York statt, 180 West 76th Street.496 Die sterblichen Überreste wurden auf dem Westchester Hills Cemetery in Hastings-on-Hudson, rund 30 Meilen von New York entfernt, bestattet. Den Grabstein hatte seine Tochter, die, dem Vorbild ihres Vaters folgend, ebenfalls Architektur studiert hatte, entworfen.
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Abb. 143:
Fritz Nathan um 1950 (Privatbesitz Doris Nathan).
Am 4. November 1960 erschien in der New York Times die Todesanzeige seiner Familie: „Fritz Nathan, Architekt, starb gestern in seinem Zuhause, in 640 Fort Washington Avenue, nach einer langen Krankheit. Er war 69 Jahre alt. Herr Nathan studierte an den Technischen Universitäten in München und Darmstadt, Deutschland, und war einer der vergleichsweise wenigen führenden jüdischen Architekten im Deutschland der Zeit vor Hitler. Er kam 1940 in die Vereinigten Staaten. Neben gewerblichen und industriellen Bauten entwarf er eine Reihe Jüdischer Tempel. Unter diesen waren das parabelförmig gestaltete Jewish Community Center in White Plains an der Soundview Avenue und Marmaroneck Road sowie der kürzlich geweihte Tempel der Gemeinde Mishkan Israel in New Haven, Conn. Er war beratender Archi-
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Bald berichteten weitere Tageszeitungen über das Ableben des Architekten. Einige Gemeinden, für die Nathan gearbeitet hatte, veröffentlichten Nachrufe. Die Gemeinde Beth Hillel zum Beispiel würdigte neben Leben und Werk vor allem auch die Persönlichkeit des Verstorbenen: „Was von Fritz Nathan bleiben wird, sind nicht nur seine Werke. Sein lauterer Charakter, sein vornehmes und liebenswürdiges Wesen, seine Guete und Hilfsbereitschaft, Eigenschaften, die mit einem regen Interesse für Menschen und Dinge, mit einem offenen Sinn für alles Schoene und mit feinsinniger Bildung eng verbunden waren, ergaben eine Persoenlichkeit von nicht oft anzutreffender Harmonie.“497 Die Nachricht über das Ableben des Architekten erreichte auch seine frühere Heimat. In der Allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland wurde Nathan als hervorragender jüdischer Architekt gewürdigt, der es verstanden habe, Überkommenes und Modernes zu vereinen.498 In einem Mitteilungsblatt jüdischer Gemeinden in Baden schrieb der aus Mannheim stammende und in New York lebende Rechtsanwalt Dr. Otto Simon: „In den Zeiten vor
New York Times vom 4.11.1960. LBI: FN 4, 21, p. 405. Übersetzung des Verfassers aus dem Englischen. LBI: FN 4, 21. Nachruf aus einem nicht näher bezeichneten Mitteilungsblatt der Gemeinde Beth Hillel im LBI: FN 4, 21, p. 422. Allgemeinde Wochenzeitung der Juden in Deutschland Nr. 35, 25.11.1960. LBI: FN 4, 21, p. 428.
Epilog Hitler haben in Deutschland her vorragende jüdische Architekten gewirkt – Messel in Berlin baute das Warenhaus Wertheim, Kaufmann baute neue Theater – in Süddeutschland wirkte Fritz Nathan. Das weit bekannte Altersheim der früheren Gemeinde Mannheim ist sein Werk, in Mannheim hat er noch das erste Hochhaus erbaut – der jüdische Friedhof in Frankfurt gelangte zu Weltruf […].“499 Am 22. November 1960 notier te die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „In New York ist nach langer schwerer Krankheit im Alter von 69 Jahren der Gestalter des Neuen Jüdischen Friedhofs in Frankfurt, Architekt Fritz Nathan, gestorben […].“ Die amerikanische Presse habe „dem viele Jahre auch in Frankfurt her vorragend tätig gewesenen und jetzt verstorbenen Architekten und Baumeister und seiner weithin anerkannten Arbeit würdige Nachrufe gewidmet.“500 Dem Bericht lag ein Artikel in der Zeitschrift Aufbau vom 11. November zugrunde, den ein Freund der Familie, der Schweizer Unternehmer Jacob Hecht, der Frankfur ter Redaktion geschickt hatte.501 Darin fand sich neben dem Rückblick auf Leben und Werk auch eine „fachmännische Wertung“ der Arbeiten Nathans.502 In ihr wurde hervorgehoben, dass der Architekt im Synagogenbau lange und har t nach dem architektonischen Ausdruck religiöser Grundanschauungen gesucht habe. Er sei bestrebt gewesen, Form und Symbolik wieder Geltung zu verschaffen und religiösen Grundanschauungen einen signifikanten architektonischen Ausdruck zu verleihen. In seinen Bauten sei jedes Detail von Bedeutung, seien Farben, Formen und Materialien Teile des Großen und Ganzen.
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Diesen zweifellos zutreffenden Beobachtungen des Verfassers Frank D. George ist hinzuzufügen, dass das letzte Werk Nathans, das er selbst nicht mehr vollenden konnte, eines der signifikantesten Beispiele dieser intensiven Auseinandersetzung mit der Synagoge als Bauaufgabe darstellt. Die Schule des Gemeindezentrums B’Nai Jacob in Woodbridge wurde zehn Tage nach dem Tod des Architekten ihrer Bestimmung übergeben. Zur Weihe der Synagoge am 16. Juni 1961 veröffentlichte die Gemeinde eine Festschrift, in der sie Nathan als Architekt würdigte, der Herz und Verstand eingesetzt habe, um ein Bauwerk zu schaffen, das nicht nur von großer Schönheit geprägt sei, sondern auch religiöse Inbrunst wecke. Die Synagoge sei ein lebendiges Zeugnis seines großar tigen Konzepts für ein Haus des Gottesdienstes.503 Es ist das Verdienst Ber tram L. Bassuks, dass das Gemeindezentrum B’Nai Jacob 1961 im Sinne Nathans fer tiggestellt wurde. Der langjährige und enge Mitarbeiter übernahm das Architekturbüro, um begonnene Aufgaben zu Ende zu führen und neue zu übernehmen.504 Am Weiterbestand des Büros hatte auch Doris Nathan Anteil, die kurz vor dem Tod ihres Vaters ihr Architekturstudium an der Graduate School of Design der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, abgeschlossen hatte. In den 1980er Jahren übergab sie den umfangreichen Nachlass des Architekten dem Leo Baeck Institut in New York und trug so dazu bei, dass das bedeutende Lebenswerk Fritz Nathans der Öffentlichkeit zugänglich wurde.
Nachruf aus den Mitteilungen jüdischer Gemeinden in Baden. LBI: FN 4, 21, p. 427. Frankfur ter Allgemeine Zeitung vom 22.11.1960. LBI: FN 4, 21, p 415. Hierzu Brief der FAZ vom 24.11.1960 an Hecht und Brief Hechts vom 29.11.1960 an Bell Loew. LBI: FN 4, 21, p. 416 f. Aufbau, Vol. 26, Nr. 46, 11.11.1960. LBI: FN 4, 21, p. 414 (https://archive.org/details/aufbau). LBI: FN 4, 9, p. 480. Dokumente hierzu im: LBI: FN 5, 3.
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Das Lebenswerk im Rückblick Nathan war 69 Jahre alt, als er aus einem Leben voller Höhen und Tiefen schied. Nach den Jahren der Ausbildung und dem Militärdienst im Ersten Weltkrieg setzte Anfang der 20er Jahre des letzten Jahrhunder ts seine eindrucksvolle Berufskarriere in Deutschland ein. Er war erfolgreich im Wohnungsbau tätig, machte sich als Kaufhausarchitekt einen Namen und schuf mit dem Neuen Jüdischen Friedhof in Frankfur t a. M. ein bedeutendes und viel beachtetes Werk moderner Sakralarchitektur. Weitere hervorragende Beispiele seines Könnens entstanden in Mannheim: die Samt und Seide GmbH, das Deutsche Beamtenwarenhaus mit dem Universum-Kino und das Israelitische Altersheim. Auch die Kaufhäuser Wronker in Hanau und Löwenthal in Aschaffenburg, die Zigarrenfabrik Hochherr in Heidelberg und das Geschäftshaus Fourrures Jenny in Luxemburg zählen zu seinem Hauptwerk. In seinen frühen Arbeiten zwischen Tradition und Moderne stehend, wandte er sich Mitte der 1920er Jahre dem Neuen Bauen zu. Er bekannte sich zur architektonischen Moderne der Weimarer Republik und nutzte die neue Technik des Stahlskelettbaus, um Gebäude von hoher funktionaler und gestalterischer Qualität zu schaffen. Dennoch vergaß er nicht die Grundprinzipien der Architektur vergangener Epochen, so dass er Werke von geradezu klassischer Ausstrahlung schuf. Kennzeichnend sind vor allem die Frankfur ter Trauerhalle mit ihren Pfeilergliederungen und das Israelitische Altersheim in Mannheim mit seiner axialsymmetrischen Dreiflügelanlage. Symmetrie und Mittelachsenbetonung waren seine Prinzipien, die er nur durchbrach, wenn die Bauaufgabe und die städtebauliche Situation dies sinnvoll erscheinen ließen, wie beim Deutschen Beamten-
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505 Wie Anm. 205.
warenhaus, das durch den an die Grundstücksecke gestellten Turm seine Funktion als Geschäftsgebäude noch besser zur Geltung bringen konnte. Das Mannheimer Kaufhaus verkörpert geradezu exemplarisch die mit dem Neuen Bauen einhergehende Aufbruchstimmung. Selbstbewusst und stolz präsentier t es sich als Bauwerk einer Zeit, die modern sein und Althergebrachtes weit hinter sich lassen wollte. Mit seiner expressiven Baukörper- und Fassadengliederung sowie der dynamischen Linienführung erinner t es an den Stil Erich Mendelsohns. Andere Projekte zeigen den Einfluss der Architekturauffassungen etwa eines Paul Bonatz, Adolf Loos oder Hans Poelzig. Dabei ahmte Nathan keinen dieser Architekten nach; vielmehr griff er allgemeine Entwicklungen in der Baukunst seiner Zeit auf und fand für seine Projekte jeweils individuelle Lösungen. Ganz zu Recht bemerkte Otto Völkers 1930, dass Nathan „aus Eigenem völlig genug“ hatte.505 Der Architekt stand dem Bauhaus zwar nahe, er gehör te aber nicht zum engeren Kreis dieser für die Entwicklung des Neuen Bauens so wichtigen Schule. Mehrfach propagier te er den Stahlbetonbau und hob dessen Vorzüge in funktionaler und bautechnischer Hinsicht hervor. So wichtig ihm die Gestaltung eines Gebäudes aus seiner Funktion heraus war, so sehr legte er aber auch Wer t auf eine bis ins Detail baukünstlerische Gestaltung. Am Beginn seiner beruflichen Laufbahn stand der Aufenthalt in Berlin in den Jahren 1920 –1922, dem mit der Eröffnung des Frankfur ter Büros der steile Aufstieg zum erfolgreichen Architekten folgte. Allerdings blieb ihm gerade mal ein Jahrzehnt des Erfolgs. Als seine Karriere 1933 durch die Nationalsozialisten jäh beendet wurde, durfte er zwar noch für jüdische
Das Lebenswerk im Rückblick Auftraggeber arbeiten. Viele Projekte scheiter ten jedoch an den Zeitumständen; andere mussten stark vereinfacht werden, wie zum Beispiel der jüdische Friedhof in Stuttgar t-Bad Cannstatt. Wieder andere wurden erst aus den Zwängen der Zeit geboren. So wurde die jüdische Schule in Offenbach erst notwendig, als die Nazis jüdischen Kindern den Besuch öffentlicher Schulen verwehr ten. 1937 stellte Nathan in Konstanz eine durch einen Brandanschlag zerstörte Synagoge wieder her. Ein Jahr später emigrier te er nach Holland, wo er und seine Familie über ein Jahr auf das Einreisevisum in die USA war ten mussten. Im amerikanischen Exil etablier te er sich als Spezialist für Synagogen, auch im Industrie- und Gewerbebau fasste er wieder Fuß, während der Wohnungsbau for tan nur noch eine untergeordnete Rolle spielte. In seinen Synagogen setzte er neuar tige Raumkonzepte im Sinne multifunktionaler Nutzungen um. Zunächst führ te er seinen früheren Architekturstil for t, dann beschritt er auch in der Gestaltung neue Wege. Dabei verfolgte er mit großer Hingabe und Disziplin das Ziel, Bauten für den jüdischen Glauben und das Gemeindeleben zu schaffen. Es kam ihm nicht auf effektvolle Inszenierungen an, sondern auf den Ausdruck des Religiösen durch die Architektur. Von der experimentierfreudigen amerikanischen Synagogenarchitektur der 50er Jahre ließ er sich zwar beeinflussen. Dennoch ging er wieder seinen ganz eigenen, individuellen Weg. Nachdem er schon die Frankfur ter Friedhofshalle und die Heidelberger Zigarrenfabrik in Klinker ausgeführ t hatte, nutzte er die Eigenschaften dieses Materials auch bei seinen neuen Projekten. Klinker diente ihm als Gestaltungselement, mit dem er die Baumassen zusammenfasste und die Fassaden strukturier te. Bei den Synagogen setzte er das Material gekonnt ein, um die Wirkung der Gotteshäuser als in sich ruhende Bauwerke zu erhöhen. Ebenso überzeugend nutzte er das Licht als Gestaltungselement. So bildete er mit Hilfe von Farbglasfenstern, die in enger Zusammenarbeit mit namhaften Künstlern entstanden, stimmungsvolle Räume als Or te der Besinnung und inneren Einkehr aus. Bei all dem verfolgte er den gesamtheitlichen Ansatz, der schon seine früheren Arbeiten geprägt hatte, und entwarf Möbel und andere Ausstattungsstücke als integrative Bestandteile der Architektur.
werter Leichtigkeit und Eleganz. Weitere Meisterwerke sind die Gemeindezentren in Hamden und Woodbridge, bei denen er die Ästhetik der Synagoge in White Plains mit der sachlichen Monumentalität vereinte, die auch seinem deutschen Hauptwerk eigen ist. Zugleich verband er die verschiedenen Funktionen – Synagoge, Gemeindehaus, Verwaltung und Schule – zu aufgelockerten Gesamtanlagen, die sich in die vom Architekten mitgestalteten Parklandschaften harmonisch einbetten. In Hamden und Woodbridge entstanden Nathans erste vollständig nach eigenen Vorstellungen entworfene Sakralbauten auf amerikanischem Boden. Alle anderen Gemeindezentren und Synagogen gingen aus Umbauten oder Erweiterungen bestehender Gebäude hervor. Die großar tigen Schöpfungen in Hamden und Woodbridge sind zugleich seine letzten Werke. Darin liegt die besondere Tragik seiner Biografie. Nathan war Anfang vierzig, als seine Karriere in Deutschland durch die Nationalsozialisten beendet wurde, und bereits fünfzig, als er in den USA seine zweite Karriere beginnen konnte. Durch den frühen Tod blieb aber auch seine amerikanische Laufbahn unvollendet. Als er 1960 starb, war er in Deutschland nahezu vergessen und in den Vereinigten Staaten noch nicht so bekannt, wie er es verdient gehabt hätte. Nur wenige Jahre nach seinem Tod wurde die Mannheimer Geschäftshausgruppe niedergerissen. Etliche weitere seiner Bauwerke in Deutschland erlitten, wenn sie nicht bereits im Bombenkrieg zerstör t worden waren, das gleiche Schicksal, so erst 2010 das ehemalige Israelitische Altersheim in Mannheim. Aber auch in den Vereinigten Staaten sind Verluste zu beklagen. 2012 veränder te ein Umbau die Synagoge in White Plains. Nur ganz wenige Gebäude haben sich bis heute so erhalten, wie sie ursprünglich von ihm konzipier t wurden, und geben noch Zeugnis von der Qualität und Originalität seines Schaffens. Dafür stehen vor allem der Neue Jüdische Friedhof in Frankfur t und die Synagogen in Hamden und Woodbridge. Doch erst sein gesamtes Werk macht sein außergewöhnliches Können und seine unverwechselbare Handschrift deutlich und stellt Fritz Nathan auf eine Stufe mit anderen, weitaus bekannteren Architekten seiner Zeit.
Nach der an der Frankfur ter Trauerhalle orientier ten Synagoge in Woodmere fand Nathan mit dem parabelförmigen Gotteshaus in White Plains zu bemerkens-
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Teil 2
BAUTEN FRITZ NATHANS HEUTE Fotografien von Roland Behrmann
Bauten Fritz Nathans heute
Abb. 144 bis 149: Neuer Jüdischer Friedhof in Frankfurt a. M., 2015.
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Bauten Fritz Nathans heute
Abb. 150 und 151: Ehem. Haus Enric Lupescu in Frankfurt a. M., 2015.
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Abb. 152: Ehem. Villa Moritz May in Frankfurt a. M., 2015.
Bauten Fritz Nathans heute
Abb. 153 und 154: Ehem. Zigarrenfabrik Hochherr in Heidelberg, 2009.
Abb. 155 und 156: Ehem. Israelitisches Altersheim in Mannheim, 2010, unmittelbar vor dem Abbruch.
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Bauten Fritz Nathans heute
Abb. 157: Jüdischer Friedhof in Stuttgart-Bad Cannstatt, Trauerhalle mit neuem Portalvorbau, 2015.
Abb. 158 und 159: Ehem. Geschäftshaus Fourrures Jenny in Luxemburg, 2013.
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Bauten Fritz Nathans heute
Abb. 160 und 161: Ehem. Synagoge Congregation Ahavath Torah in New York City, 2012.
Abb. 162 bis 164: Ehem. Firmengebäude Hartz Mountain Products Co. in New York City, 2012.
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Bauten Fritz Nathans heute
Abb. 165 und 166: Synagoge Congregation Sons of Israel in Woodmere, Long Island, NY, 2012.
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Bauten Fritz Nathans heute
Abb. 167 bis 172: Gemeindezentrum Mishkan Israel in Hamden, CT, 2012.
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Bauten Fritz Nathans heute
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Bauten Fritz Nathans heute
Abb. 173 bis 177: Gemeindezentrum B’Nai Jacob in Woodbridge, CT, 2012.
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Teil 3 Roland Behrmann
DIE BEDEUTUNG DER FOTOGRAFIE FÜR FRITZ NATHAN
Die Architekturfotografie bei Fritz Nathan und anderen Architekten seiner Zeit Es mag vielleicht in der Natur der Sache liegen, dass die ersten erhaltenen Fotoaufnahmen „nach der Natur“ aus den Jahren 1826 von Joseph Nicéphore Niépce und 1839 von Louis Jacques Mandé Daguerre Architektur abbilden. 1 Natur der Sache heißt, die langen Belichtungszeiten – bei Niépce acht Stunden und bei Daguerre mehrere Minuten – machen sich bewegende Menschen im Bild unsichtbar. Bei Daguerre ist lediglich ein Schuhputzer nebst Kundschaft auszumachen, die ihren Platz nicht verließen. Nachdem sich die Fotografie in den folgenden einhunder t Jahren eher in den Sujets des Por traits und der Reisefotografie verbreitete und sich in einem unfruchtbaren Anerkennungskampf gegenüber anderen bildenden Künsten verschliss, wendete sich nun ihr Schicksal mit dem Aufkommen der Bauhausideen und der Hinwendung ihrer Ver treter zum Medium Fotografie. Diese erkannten nicht nur den praktischen Nutzen in der Dokumentation ihrer Werke und Arbeitsweisen und der Möglichkeit, ihre immobil feststehenden Bauprojekte in einem größeren Umfeld zu popularisieren, sondern entdeckten schließlich auch das Foto selbst als einen Gegenstand der bildenden Kunst.2 Um letzteres soll es hier jedoch nicht gehen, meine Betrachtung zielt auf die Nutzung der Fotografie als Propagierungsmittel des Neuen Bauens und des Aufgreifens dieser Anwendung durch den Architekten Fritz Nathan.
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Auch wenn sich Fritz Nathan, der zur Architektengeneration eines Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe gehör te, der neuen Stilrichtung nicht gänzlich verschrieb, wie der hier vorgelegte Band an vielen Stellen belegt, so hat er doch, wie seine Tochter Doris Nathan mir gegenüber in New York ausdrücklich betonte, das Tun dieser Avantgardearchitekten nicht nur mit großem Enthusiasmus beobachtet, sondern ihre Ideen auch in mehr als einem Gebäude aufgegriffen und unübersehbar eingesetzt.3 Da direkte Kontakte Nathans zu den oben genannten Architekten nicht mit Dokumenten belegbar sind, mag es eine große Erleichterung für ihn gewesen sein, sich über die Fotografie einen Zugang zu deren Werken zu verschaffen, hatten diese doch einen ausgeprägten Drang, ihre Bauten umfangreich, schon in der Bauphase, fotografisch dokumentieren zu lassen, um sie in Büchern und Zeitschriften zu publizieren; meist mit beschreibenden Texten und Zeichnungsmaterial ergänzt. Es ist aber mit Sicherheit zu unterstellen, dass sich Nathan viele Gebäude des Neuen Bauens auch außerhalb Frankfur ts selbst angesehen hat. Le Corbusier war einer der Ersten, der die suggestive Kraft der Fotografie für die Bewerbung seiner Architektur umfangreich nutzte.4 Historisch hatte aber auch er Vorbilder ; so war schon ab dem Jahr 1851 in Sydenham, einem Voror t von London, von Philip Henry Delamotte die Errichtung des Kristallpalastes umfangreich fotografisch dokumentier t worden.5
Michael Frizot, Die Lichtmaschinen, An der Schwelle der Erfindung, in: Frizot Michel: Neue Geschichte der Fotografie, Köln 1998, S. 20 und Michael Frizot, 1839–1840, Fotografische Entdeckungen, in: Michel Frizot, Neue Geschichte der Fotografie, Köln 1998, S. 28. Werner Gräf, Es kommt der neue Fotograf, Berlin 1929, Nachdruck, Köln 1978. In dieser programmatischen Schrift postulier t Gräff die Auflösung bis dahin schon fest eingeführ ter Gestaltungsregeln in der Fotografie und forder t freie Perspektiven, Verfremdungen und ungewöhnliche Ausschnitte. Damit sollte sich das Foto vom Reproduktionsmittel zum eigenständigen Werk entwickeln. Das Gespräch fand im Frühjahr 2013 in Manhattan, New York City, statt. Nathalie Herschdorfer / Lada Umstätter, Le Corbusier und die Macht der Fotografie, Berlin 2012. Klaus Honnef, 150 Jahre Fotografie, Mainz 1977, S. 121.
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Die Bedeutung der Fotografie für Fritz Nathan In Zeiten wir tschaftlicher Erschütterungen waren es jedoch nicht nur der reine Dokumentationszweck, der die Avantgardearchitekten trieb, sondern auch lebenssichernde pekuniäre Interessen. Die „Reproduktion“ eines Werkes, sei es aus den Werkstätten oder der Architektur, wie die Fotografie zur Zeit der Fotografin Lucia Moholy Nagy bezeichnet wurde, bot die Möglichkeit, große Öffentlichkeit zu schaffen. Und so gehör t besonders das fotografische Werk dieser Frau, die zahlreiche Dessauer Bauhausbauten, das Bauhausgebäude selbst eingeschlossen, in der Entstehung und auch vollendet, so fotografier te, wie sie stilistisch auftraten, also neusachlich, zu den Pionierleistungen auf diesem Gebiet.6 Aus der Neuen Sachlichkeit generier te sie – die ja eigentlich „nur“ als Ehefrau von Laszlo ans Bauhaus gekommen war – das „Neue Sehen“.7 So wie für Walter Gropius Lucia Moholy Nagy ein Glücksfall war, war auch für Fritz Nathan eine Frau ein solcher Glücksfall, eine Frau, die seine Architektursprache in die der Fotografie übersetzen konnte: Ilse Bing. Sie war eine persönliche Freundin des Ehepaares Nathan, für welches sie auch zahlreiche private Fotos aufnahm, zum Beispiel von der kleinen Tochter Doris. Ilse Bing erlangte später Weltbekanntheit als die „Königin der Leica“.8 Wenn Fritz Nathan seine Öffentlichkeitsarbeit auch nicht so intensiv wie andere Avantgardearchitekten betrieb, er produzier te kein Buch wie „Die Dessauer Bauhausbauten“ von Walter Gropius, so war er doch immer wieder in namhaften Architekturmagazinen seiner Zeit vertreten – in Wor t und Bild.9 Auch er nutzte die Kombination von Architekturfotografien, Zeichnungen und erläuternden Texten. Und er überließ die Fotodokumentationen, wie die anderen bedeutenden Architekten auch, nicht den weit verbreiteten sehr aktiven Freizeitfotografen, sondern engagier te, vielleicht auch verwöhnt durch Bings hervorragende Bildqualität, stets renommier te Berufsfotografen, die er natürlich auch selbst bezahlen musste, wie im Nachlass erhaltene Rechnungen belegen.10
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Zu seinen Auftragnehmern gehörten in Deutschland zunächst die bereits genannte Ilse Bing (1899–1998). Die gebürtige Frankfurterin begann mit 21 Jahren ein Mathematik- und Physikstudium an der Universität in Frankfur t am Main. Bald wechselte sie zur Kunstgeschichte und begann 1924/25 eine Disser tation über den Architekten Friedrich Gilly (1772–1800). In diesem Zusammenhang legte sie sich eine Plattenkamera zu, um Architekturaufnahmen für diese Arbeit anzufer tigen. Die Fotografie zog sie dabei derar t in ihren Bann, dass sie 1929 die Disser tation aufgab und for tan nur noch fotografier te. Durch Veröffentlichungen wurde der niederländische Architekt Mar t Stam (1899–1986), der zeitweise auch am Bauhaus lehr te, auf sie aufmerksam und er teilte ihr 1930 den Auftrag, sein Henr y-und-Emma-Budge-Altersheim und die Hellerhofsiedlung in Frankfur t fotografisch zu dokumentieren. Er war derar t begeister t von ihrer Interpretation seiner Ideen zum Neuen Bauen, dass er sie in den Kreis der Frankfur ter Avantgarde einführ te. Nach dieser Zeit fer tigte sie auch Architekturaufnahmen zweier Bauten von Fritz Nathan an. Im Nachlass, den das Leo Baeck Institut New York beherbergt, finden sich Aufnahmen des Israelitischen Friedhofs Frankfur t.11 Aus dem gleichen Jahr liegen auch Aufnahmen des Israelitischen Altersheimes in Mannheim vor.12 Beide Serien sind signier t und datier t auf 1932. Ilse Bing lebte zu dieser Zeit bereits seit zwei Jahren in Paris, hatte aber 1932 eine Einzelausstellung in der Galerie Trittler in Frankfur t. Es ist anzunehmen, dass sie sich zur Ausstellung nach Frankfur t begab und die Aufnahmen für den Freund Fritz Nathan bei diesem Aufenthalt anfer tigte. Fünf Jahre später stellte Ilse Bing auf Einladung von Beaumont Newhall bereits im Museum of Modern Ar t in New York aus. Obwohl die Fotografin, die wie Fritz Nathan jüdische Wurzeln hatte, wie dieser auch nach New York emigrier te, sind keine Fotos seiner dor tigen Bauten von ihr mehr bekannt. Das liegt zum
Walter Gropius, Bauhausbauten Dessau, Bd. 12 der bauhausbücher, Dessau 1930, Nachdruck, Berlin 1997, S. 23–28. Rolf Sachsse, Lucia Moholy oder : Vom Wer t der Reproduktion, in: Rainer Wick (Hrsg.), Das Neue Sehen, Von der Fotografie am Bauhaus zur Subjektiven Fotografie, München 1991, S. 92. Hilary Schmalbach, Ilse Bing: Fotografin aus Passion, Katalog zur Ausstellung: Ilse Bing, Fotografien 1929–1956, 13.04–9.06.1996, Suermondt-Ludwig-Museum Aachen, S. 6. Fritz Nathan, Ein Fabrikneubau, Frankfur t 1931, in: Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau, Jg. XV, H. 3, Berlin März 1931, S. 109–112. Hierin stellt Nathan den Neubau der Zigarrenfabrik Hochherr in Heidelberg vor, unter Verwendung seiner Architekturzeichnungen sowie Fotos des Modells und des fer tigen Gebäudes von innen und außen. Der Fotograf ist nicht genannt, wie es damals üblich war ; bei einem Besuch bei Doris Nathan in ihrem New Yorker Appar tement am 15.08.2012 fand ich in einer Fotomappe diese Aufnahmen, sie stammen von Hermann Collischonn aus Frankfur t am Main, wie dem Stempel auf den Rückseiten zu entnehmen war. Rechnung für Aufnahmen des Bernath-Gebäudes von J. Alex Langley, NYC, vom 25.10.1949 und Rechnung für Vergrößerungen des Bernath Gebäudes von Rudy Bleston, NYC, vom 18.11.1949; LBI: FN 1, 15. LBI: FN 16, 5. LBI: FN 6, 8.
Die Bedeutung der Fotografie für Fritz Nathan einen daran, dass sich Ilse Bing seit dem Erwerb einer Leica 1925 mehr der künstlerisch-dokumentarischen Fotografie zuwandte, und zum anderen daran, dass sie 1956, also über vierzig Jahre vor ihrem Tod, das Fotografieren vollständig aufgab und sich anderen Künsten zuwandte.13 Wichtige Synagogenbauten Fritz Nathans entstanden aber erst nach 1956. Ein weiterer wichtiger Ver treter der Architekturfotografie, der ebenfalls das Bild vom Neuen Bauen prägte, findet sich im Fotonachlass von Fritz Nathan: Ar thur Köster (1890–1965). Der im Vogtland geborene Bauernsohn kam im Zweiten Weltkrieg zur Fotografie, die ihn zum Wasmuth Verlag führ te, wo er seine Fotografenausbildung absolvier te. 1926 machte er sich als Architekturfotograf in Berlin selbstständig. Unter seinen Auftraggebern sollten sich später Namen wie Erich Mendelsohn, Ludwig Mies van der Rohe, Hans Scharoun oder Walter Gropius, um nur einige zu nennen, finden lassen.14 Für Fritz Nathan ist bisher nur ein Fotoauftrag nachgewiesen, der aber eine für die damalige Zeit so ungewöhnliche Aufnahmetechnik zeigt, dass sie hier Erwähnung finden muss. Es sind einige Fotos vom Modell des DEBEWA-Gebäudes in Mannheim.15 Sie sind so aufgenommen, dass der Eindruck des realen Gebäudes entsteht. Dazu muss das Gebäudemodell zum einen sehr detaillier t, aber auch relativ groß (Maßstab etwa 1:15 bis minimal 1:30) gebaut werden. Mit einem speziellen shiftbaren Weitwinkelobjektiv und einem Standpunkt, der der Augenhöhe von Passanten entspricht, entsteht dann der Realitätseffekt; was hier so einfach klingt, ist aber damals eine völlig neue Anwendung fotografischer Möglichkeiten durch Köster. Ein besonderes Problem bei Modellaufnahmen ist die Tiefenschärfe. Durch den geringen Aufnahmeabstand ist sie sehr gering; Köster beweist hier ebenfalls sein Können in der Standar tenhandhabung und erreicht Tiefenschärfen, die dem späteren Bild des fer tigen Gebäudes schon sehr nahekommen. Bei Modellbildern, die er danach von anderen Bauten fer tigte, gelingt ihm das noch besser als bei dem Mannheimer Modell; er erkannte wohl auch die Wirkung auf mögliche Auftraggeber, wenn sie ein solches Foto sahen,
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und perfektionier te seine Technik, respektive Ausrüstung. Hier ist die Fotografie durchaus wirkungsvoller als das reine Architekturmodell selbst. Köster ging dabei sogar so weit, das Sonnenlicht und den Sonnenstand derar t gut zu imitieren, dass sie späteren Aufnahmen des realen Gebäudes auch darin in nichts nachstanden.Vermutlich kannte Fritz Nathan diese Spezialität des Berliner Fotografen aus Architekturzeitschriften und hat ihn deshalb für dieses eine nachgewiesene Fotoprojekt engagier t.16 Auch wenn Stöneberg in seinem Buch über Köster diese Zusammenarbeit nicht erwähnt, so findet sich der Name Fritz Nathan dennoch in seiner Schrift, und zwar, wenn er Köster mit anderen Fotografen der Avantgardearchitektur vergleicht. Es handelt sich um die Zusammenarbeit des Fotografen Hermann Collischonn aus Frankfur t am Main mit Fritz Nathan. Collischonn fer tigte zahlreiche Fotos des DEBEWA- Hochhauses in Mannheim für Nathan an. Dass seine Aufnahmestandpunkte denen der oben beschriebenen Köster-Fotos sehr nahekommen, zeigt zum einen, dass Köster sogar auch mögliche Aufnahmestandpunkte im tatsächlichen Straßenverlauf berücksichtigte, und zum anderen, dass Collischonn sich womöglich an diesen „Vorbildern“ orientier te. Weiterhin sind von Collischonn einige Fotografien der Zigarrenfabrik Hochherr in Heidelberg, des Warenhauses Wronker in Hanau und des Neuen Jüdischen Friedhofes in Frankfur t bekannt, welcher wohl sein erstes Projekt für Fritz Nathan war. Hermann Collischonn gehör t zu den Fotochronisten des „Neuen Frankfur t“ unter Ernst May und fotografier te für diesen zahlreiche Bauprojekte in Frankfur t. Seine Fotos wurden, was für die damalige Zeit keineswegs Usus war, immer mit einem Urhebervermerk veröffentlicht. Er hatte dazu eigens einen Stempel, neben dem Firmenstempel, mit der Aufforderung: „Bei Veröffentlichung muß die Firma H. Collischonn unter jedem Bilde genannt werden.“ für die Bildrückseiten anfer tigen lassen. Somit erleichter te er nicht nur künftigen Forschern die Bildrecherche, sondern tat auch einen wichtigen ersten Schritt im Urheberrecht bei veröffentlichten Fotos.
„Ilse Bing Fotografien 1929–1956“, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen vom 13.4. –9. 6. 1996, Aachen 1996, S. 107–111. Diesem Katalog sind die biografischen Daten entnommen. Michael Stöneberg, Ar thur Köster, Architekturfotografie 1926–1933, Das Bild vom „Neuen Bauen“, Berlin 2009, S. 381. Hier findet sich eine Liste aller dem Autor bekannten Auftraggeber ; es sind 41 moderne Architekten, 17 von ihnen „Ring Architekten“. Auch die Lebensdaten von Ar thur Köster sind dieser Disser tation entnommen, S. 21–54. LBI: FN 6, 4. Stöneberg a.a.O. (Anm. 14). Tafel 200 zeigt eine dieser beeindruckenden Modellaufnahmen, von denen sich auch an anderem Or t Beispiele im Buch finden lassen.
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Die Bedeutung der Fotografie für Fritz Nathan Obwohl er mit zahlreichen Aufnahmen in Architekturzeitschriften ver treten war, ist heute kaum noch etwas über ihn bekannt.17 Auch in einem Bildband über Frankfur t ist seine Arbeit dokumentier t.18 Die spärlichen Quellen verraten jedoch keine Lebensdaten, und über sein fotografisches Schaffen beschränken sich die Informationen darauf, dass er bis zum Ende des Ersten Weltkrieges hauptsächlich Por traits in eigenen Ateliers anfertigte und seit 1914 unter Anstalt für Erzeugnisse der Kunst und Industrie und – seit er ab 1919 sein Atelier in der Adlerflychtstraße 4 in Frankfur t unterhielt – als SpezialPhotograph für Kunst und Industrie firmier te. Nach den späten 1930er Jahren verlier t sich seine Spur.19 Das ist umso unverständlicher, da er nicht nur für bedeutende Ver treter der Neuen Sachlichkeit, neben den genannten zum Beispiel auch für Margarete Schütte-Lihotzky, arbeitete, sondern auch, weil seine Aufnahmen in der Qualität den vorgenannten Fotografen seiner Zeit in nichts nachstanden. Ein letzter Frankfur ter Fotograf, der für Fritz Nathan arbeitete, soll noch angesprochen werden: Max Göllner. Er fertigte eine umfangreiche Fotoserie des Israelitischen Altersheimes in Mannheim mit Innen- und Außenaufnahmen an.20 Diese Fotografien verraten nicht nur die meisterhafte Beherrschung des Mediums durch Göllner, sondern auch einen weiteren hervorragenden Interpreten des Neuen Bauens. Und wie durch die Aufnahmen Collischonns vom DEBEWAHochhaus, können wir heute nur noch durch Göllners Interpretation des Mannheimer Altersheimes etwas von der Erhabenheit dieser Gebäude erfahren, die beide für mediokre Nachfolgebauten geopfert wurden. Max Göllner (1898–1979), so verrät sein Stempelaufdruck, hatte 1930 seine Firma für Industrie- u. Werbefotos am Platz der Republik 18 in Frankfur t am Main. 1915 – also mit 17 Jahren – übernahm er in Offenbach ein bestehendes Fotoatelier zunächst als Autodidakt. 1928 holte er die Meisterprüfung nach und arbeitete als Por trait- und Industriefotograf unter anderen für Adolf Mayer, Mar tin Elsaesser, Franz Schuster, Ernst Balser, Peter Behrens, Max Taut und Fritz Nathan. Nach dem Zweiten Weltkrieg
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dokumentier te er nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1948 die Zerstörungen Frankfur ts. Von seinen Aufnahmen vor dem Krieg existier t heute nur noch ein Glasnegativ-Konvolut der Villa Reemtsma, alle anderen Negativplatten wurden bei Löscharbeiten 1944 zerstör t.21 Im Nachlass Fritz Nathans finden sich weiterhin Bilder von Fotografen, die für Baufirmen, die seine Gebäude errichteten, Aufnahmen machten und somit indirekt für den Architekten tätig waren. Er verwendete diese Bilder auch in Publikationen zu seinen Werken. So fotografier te für die Firma Eisenbau Michael Levis Söhne in Offenbach am Main der Fotograf A. H. Franck, Atelier für gewerbliche Photographie, Frankfur t am Main, die DEBEWA-Konstruktion in Mannheim. Klemens Alfen aus Aschaffenburg fotografier te für die gleiche Firma die Stahlkonstruktion des Warenhauses Wronker in Hanau. Ber told Stein aus Frankfur t machte Aufnahmen der Installation im Rothschild’schen Krankenhaus in Frankfur t am Main, wobei hier der Auftraggeber nicht bekannt ist. Auch in den USA hielt Fritz Nathan, trotz aller Widrigkeiten, daran fest, seine Gebäude von namhaften Architekturfotografen ablichten zu lassen. Da ist zunächst Ezra Stoller (1915–2004) zu nennen, der neben Julius Shulman (1910–2009) der bedeutendste Architekturfotograf in den USA zu jener Zeit war. Stoller fotografier te lediglich 1957 einige Innenansichten der Synagoge in White Plains für Fritz Nathan.22 Wenn man aber sieht, wer auf der Auftraggeberliste des Fotografen steht, dann ist auch dies ein Beleg für eine sich for tsetzende Erfolgsgeschichte Nathans in Amerika, die durch seinen relativ frühen Tod drei Jahre später leider nicht mehr for tgeschrieben werden konnte. Ezra Stoller begann schon während seines IndustrialDesign-Studiums in New York, Bauten, Modelle und Skulpturen zu fotografieren. Nachdem er im Zweiten Weltkrieg in einer Fotografie-Einheit eingesetzt war, begann er in den 1950er und 1960er Jahren, Fotos der wichtigsten Gebäude der bedeutendsten Architekten der Moderne wie Frank Lloyd Wright, Marcel
Das Neue Frankfurt, Monatsschrift für die Probleme moderner Gestaltung, 2. Jg., Frankfurt a. M.,1928, S. 120, 127 f., 130 f. 135, 140–143, 146, 149, 151 f., 156 f.; Deutsche Bauzeitung, 64. Jg., Berlin 1930, S. 529, 531–534; Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau, H. 3, Berlin 1931, S. 109–112, hierzu auch Anm. 8. Guido Schoeneberger, Die schöne Umgebung von Frankfur t am Main, Hrsg.: Frankfur ter Kunstverein Frankfur t a. M. 1925, Collischonn ist hier mit 24 Aufnahmen ver treten, die Innen- und Außenarchitektur zeigen. Marlene Herfor t-Koch, e.a. (Hrsg.), Begegnungen, Frankfur t und die Antike, Frankfur t 1994, S. 211. LBI: FN 6, 8. Roland Jaeger, Von der Publikation zur Rezeption: Die Villa Reemtsma und die Monographie über Mar tin Elsaesser, in: Hermann Hipp, e. a. (Hrsg.), Haus K. in O. 1930–32, Eine Villa von Mar tin Elsaesser für Philipp Reemtsma“, Berlin 2005, S. 173–174. LBI: FN 3, 21.
Die Bedeutung der Fotografie für Fritz Nathan Breuer oder Philip Johnson zu veröffentlichen. Im Januar 1955 fotografier te er für Edward Steichen die Katalogbilder der Ausstellung Family of Man. 1960 erhielt er als erster Fotograf vom American Institute of Architects eine Goldmedaille. Bald waren seine Aufnahmen ebenso berühmt wie die abgelichteten Gebäude, und Architekten waren stolz, wenn sich Stoller für ihr Werk interessier te.23 Stoller schaffte es, in seinen Aufnahmen nicht nur die Gebäude im Sinne des Architekten zu interpretieren, sondern kontextualisier te sie zu ihrer Umgebung und schaffte gleichzeitig ganz eigene Kompositionen, die seine ganz persönliche Sicht auf die Bauten und gleichzeitig seinen hohen Anspruch an eine autonome Fotografie in sich vereinten. Zwei weitere bedeutende Fotografen arbeiteten für Fritz Nathan schon 1950; es sind der in Brooklyn, New York, geborene Samuel Herman Gottscho (1875–1971) und ab 1935 dessen Par tner – und auch Schwiegersohn – William Herman Schleisner (1912–1962). Sie fer tigten gemeinsam eine Serie von Innen- und Außenaufnahmen der Synagoge Congregation Sons of Israel, Woodmere, die sich heute im Besitz der Library of Congress in Washington befinden, an. Gottscho und Schleisner reüssierten in den 1930er Jahren mit atemberaubenden Stadtansichten des stetig emporwachsenden Manhattan. Dabei entstanden die meisten Bilder von Dächern niedrigerer Gebäude aus, was nicht nur die Verhinderung stürzender Linien erleichter te, sondern auch ganz ungewöhnliche Ansichten aus dem erhöhten Standpunkt hervorbrachte. Das Museum of the City of New York ermöglichte Gottscho 1934 seine erste Einzelausstellung und ist heute im Besitz von über 6000 Werken beider Fotografen. 1932 war er in der einflussreichen Galerie Julien Levy bereits gemeinsam mit Walker Evans, Berenice Abbott und Margaret Bourke-White gezeigt worden. Gottschos Karriere war sehr ungewöhnlich, schlug er sich doch viele Lebensdekaden mit einfachen Arbeiten durch, bis er sich im Alter von fünfzig Jahren zum Profifotografen ausbilden ließ. In den folgenden Jahren wurde sein Name, wenn es um Architekturfotografie ging, gleichberechtigt neben Ezra Stoller, Julius Shulman sowie Ken und Bill Hedrich genannt. Jeff Rosenheim, Fotografie-Kurator am Metropolitan Museum of Ar t, sagte 2005 anlässlich einer Neuauflage der Ausstel-
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lung von 1934 im Museum of the City of New York mit 150 Gottscho Fotografien: „The architects who commissioned him found in him an extraordinarily interpreter of the work of the time.“24 Weitere New Yorker Fotografen, die für Fritz Nathan arbeiteten, aber bisher kaum erforscht sind, sollen hier zumindest namentlich erwähnt werden. So arbeitete sehr früh, 1949, Rudy Bleston (1881–1974) für den Architekten; er fotografier te den Ladenumbau im Bernath Building.25 Bleston arbeitete auch auf dem Gebiet künstlerischer Fotografie und ist mit diesen Arbeiten heute noch auf Fotoauktionen ver treten. Marc Neuhof (1915 –1990) fer tigte 1957 Innenaufnahmen des Jewish Community Center of White Plains an. Innenaufnahmen des 1960, kurz vor Fritz Nathans Tod, fer tiggestellten Gebäudes der Congregation Mishkan Israel in Hamden, Connecticut, konnte er noch bei Louis Reens (gest. 2002) in Auftrag geben, Außenaufnahmen nicht mehr. Louis Reens, dessen Sohn Richard noch heute den Fotobetrieb seines Vaters for tführ t, arbeitete unter anderem für Ulrich Franzen und befindet sich bei diesem in der Auftragsliste neben Ezra Stoller.26 Hier soll die Aufführung der Auftragsfotografen Fritz Nathans, die keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, abgeschlossen werden. Die Beispiele belegen meines Erachtens gut, wie wichtig für den Architekten, so wie für seine zeitgenössischen Mitstreiter, die qualitativ hochwer tige fotografische Darstellung ihrer Bauprojekte war. Die Fotografie war ab 1930 in einer wichtigen Umbruchphase und war von der reinen Dokumentation, wenn wir von den piktorialistischen Kunstversuchen absehen, zur par tnerschaftlichen Unterstützerin anderer Kunstgattungen avancier t. Die besondere Herausforderung für die Architekturfotografen war dabei, das Bauwerk nicht nur eindrucksvoll und werbewirksam abzulichten, sondern auch eine individuelle Handschrift zu entwickeln, die in dem Foto nicht nur den Architekten, sondern auch den Lichtbildner wiedererkennen lässt. Die oben aufgeführ ten Ver treter der Zunft gehören zu denjenigen, denen das gelungen ist. Auch wenn Walter Gropius 1930 noch beklagte: „die fotografie vermag das erlebnis des raumes nicht wiederzugeben“, so finden sich in seinen Publikationen doch
Hanna Böhm, e. a., Biografien, in: Winfried Nerdinger, Fotografie für Architekten, Die Fotosammlung des Architekturmuseums der TU München in der Pinakothek der Moderne, 31.3.–19.6. 2011, Ausstellungskatalog, Köln 2011, S. 224. Randy Kennedy, In the Mythic City, Where Beauty Is in the Eye of the Beholding Photographer, in: The New York Times, 2005/10/27, Online-Archiv Download am 6.5.2014, 09:11. LBI: FN 1, 14. Peter Blake, The architecture of Ulrich Franzen, Basel 1999.
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Die Bedeutung der Fotografie für Fritz Nathan stets mehrheitlich Fotos; Zeichnungen und Texte treten hier deutlich zurück.27 Eine kleine Anekdote belegt, dass Gropius mit seiner Klage leider nicht ganz falsch lag, so lief mir in den 1980er Jahren in Dessau, nachdem ich etwa dreißig Meter den Brückentrakt des Bauhauses auf dem Weg zum Bahnhof hinter mir gelassen hatte, ein Architektur tourist in die Arme und fragte mich verzweifelt: „Sagen Sie mal, hier muss doch irgendwo das berühmte Bauhaus sein, ich laufe jetzt schon eine halbe Stunde rum und finde es nicht, bin ich hier im falschen Stadtteil?“ Ich drehte mich um und wies auf das eben durchquer te Gebäude: „Das ist das Bauhaus – wir stehen direkt davor.“ „Das ist das Bauhaus?!?!“, sagte er erleichter t, aber immer noch leicht zweifelnd. Er kannte das Gebäude nur von Fotos, und da sieht es durch die Überzeichnung der Weitwinkelperspektiven meist viel größer aus, als es beim natürlichen Anblick wirkt; wir kennen das aus Hotelprospekten noch heute. Dieses kleine Erlebnis soll aber die Bedeutung der Fotografie für die Öffentlichkeitsarbeit keineswegs mindern, sondern deutet eher auf ein generelles Problem des fotografischen Bildes, was den Realitätsanspruch betrifft, hin. Ein letztes Medium soll hier nicht unerwähnt bleiben, da es Architektur nicht nur Interessier ten und einem Fachpublikum zugänglich machte und macht, sondern quasi jedermann: die Fotoansichtskar te. In den 1920er Jahren oft als Original-Handabzug und später auch in preiswer ten Licht- und Kupferdruckverfahren angefer tigt, transpor tier te sie die schönsten und neuesten Gebäude aufstrebender Städte und Gemeinden in alle Welt und brachte den Fotografen nebenher auch ein kleines Salär ein, das den Preis, der für ein Architekturfoto nicht sehr hoch war, ein wenig ausglich. In Nathans Nachlass finden sich zwei solcher Postkar ten, und eine weitere fand ich bei einer Internetauktion angeboten. Die Kar te aus der Auktion zeigt eine Ansicht des DEBEWA-Gebäudes und ist mit einem einbelichteten Text mit folgendem Wor tlaut versehen: „Mannheim Kunststraße mit Hochhaus“ sowie mit der Nummer 2488. Diese Kar te ist von der Süddeutschen photographischen Gesellschaft Dr. Sommer & Co. Zuffenhausen-Stuttgar t herausgegeben worden. Eine der Kar ten aus dem Leo Baeck Institut zeigt eine Luftansicht des Israelitischen Altersheimes um 1930. Hier ist ein Urheber noch nicht ermittelt. Eine dritte Ansichtskar te ist an Fritz Nathan adressier t und zeigt ein Gebäude von Le Corbusier, die Unité d’Habitation, La Cité Radieuse in
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27 28 29
Marseille.28 Dr. Alfred Werner schrieb sie 1953, also kurz nach der Fer tigstellung des Gebäudes, und bemerkt: „A nice place to visit – but no place to live!“ Und mit einem Pfeil versehen lenkt er von der Kar tenaufschrift zu der Bemerkung: „You can do much better than this.“ Hier wird der eigentliche Sinn der Kar te, nämlich für Le Corbusiers Wohnhaus zu werben, konterkariert, aber auch das war von Beginn an immer schon das Schicksal dieses aufstrebenden Mediums in der Zeit der Moderne, erinnert sei hier an die Karte mit der als Araberdorf herabgewürdigten Weißenhofsiedlung in Stuttgar t.29 Dass Dr. Werner Fritz Nathan hier quasi über Le Corbusier stellt, mag für Nathan vielleicht schmeichelhaft gewesen sein, einen Beigeschmack hatte es für den Architekten aber sicherlich auch, waren ihm doch solche Wohnhausprojekte in den USA bis dahin und auch später nicht vergönnt gewesen – auch wenn er sie vielleicht wirklich „much better“ durchgeführ t hätte. Dieser ersten „Bilderflut“ – ich schließe hier die Abbildungen in allen oben genannten Medien wie Bücher und Zeitschriften mit ein – ist aber nicht nur die Bekanntmachung der Architektur weltweit zu verdanken, sondern diese Fotografien sind nach Substanzverlust durch Krieg und Gedankenlosigkeit späterer Generationen oftmals das einzige Zeugnis der tatsächlich errichteten Werke. Nur auf den Fotos ist dokumentier t, was von den Zeichnungsvorlagen tatsächlich baulich realisier t wurde – denn das entsprach durchaus nicht immer den skizzier ten Vorgaben. Wichtige Gebäude Fritz Nathans sind aus wir tschaftlichen Gründen nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland niedergelegt worden und entfalten ihre alte Pracht nur noch auf den zahlreichen hervorragenden Fotografien, die glücklicherweise erhalten geblieben sind.
Abb. 179 bis 186: Beispiel einer fotografischen Baudokumentation am Israelitischen Altersheim (S. 50–52) durch Max Göllner (A, E, F, G, H) und weitere – nicht bekannte – Fotografen. A: Baugrundstück Bassermannstr., LBI: FN 16, 6, p. 45. B: Stahlkonstruktion, LBI: FN 16, 6, p. 72. C: Betonarbeiten, LBI: FN 16, 6, p. 72. D: Decke des Speisesaals im Bau, LBI: FN 16, 6, p. 66. E: Fertiger Speisesaal, LBI: FN 16, 6, p. 102. F: Hauptfassade mit Eingang, LBI: FN 16, 6, p. 63. G: Gartenseite, LBI: FN 16, 6, p. 103. H: Treppenhaus, LBI: FN 16, 6, p. 90.
Walter Gropius, Bauhausbauten Dessau, Bauhausbücher Bd. 12, Dessau 1930, Neuauflage, Berlin 1997, S. 11. LBI: FN 4, 2. Rolf Sachsse, moderne grüße, in: Kirsten Baumann / Rolf Sachsse (Hrsg.): moderne grüße – Fotografierte Architektur auf Ansichtskarten 1919–1939, aus der Sammlung Bernd Dicke, Stuttgar t 2004, S. 197.
Die Bedeutung der Fotografie für Fritz Nathan
A
B
D
C
E
F
G
H
151
Teil 4 Roland Behrmann Andreas Schenk
LEBEN UND WERK IM ÜBERBLICK
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k Lebensdaten
1923 –1933 Freier Architekt mit eigenem Büro in Frankfur t a. M.
1891 Geboren am 14. April 1891 in Bingen am Rhein als Sohn des Weinhändlers Jacob Nathan und dessen Frau Sara, geborene Freiberg.
1923
1909
1924
Abitur am humanistischen Oster-Gymnasium in Mainz, Zeugnis der Hochschulreife am 12. Februar.
Eintritt von Carl Müller in das Büro als Mitarbeiter. Umzug von Wohnung und Büro vom Bäckerweg 8–10 in die Kaiserstraße 37/Kronprinzenstraße 8.
Mitgliedschaft im Frankfur ter Architekten- und Ingenieurverein.
1909 –1914 Studium der Architektur an den Technischen Hochschulen in Darmstadt und München. Praktika in den Stadtbauämtern Bingen und München. Tätigkeit in der Möbelfabrik Josef Trier in Darmstadt.
1926 Umzug von Wohnung und Büro in die Neue Mainzer Straße 56 –58.
1927 1914 Abschluss des Architekturstudiums mit dem akademischen Grad des Diplom-Ingenieurs an der Hochschule Darmstadt, Diplomzeugnis am 16. Juli. Beginn der Ausbildung zum Regierungsbaumeister im Kreisamt Bingen.
Heirat mit Lucie Mayer aus Cochem, Tochter des Weinhändlers Moritz Mayer und dessen Frau Ida, geborene Her tz.
1927 –1930/31 Zweigbüro in Mannheim, Adresse: M 5, 7.
1914–1915 Lehr tätigkeit an der Hessischen Baugewerk- und Gewerbeschule in Bingen. 1915 –1918 Als Soldat im Ersten Weltkrieg. 1916 zum Unteroffizier, 1917 zum Vizefeldwebel beförder t.
Um 1930 Mitgliedschaft in der Friedhofskommission der Jüdischen Gemeinde Frankfur t a. M., ebenso im Vorstand der Frankfur ter Gesellschaft zur Erforschung jüdischer Kunstdenkmäler, im Schulrat des Philantropins Frankfur t a. M. sowie in der Ver tretung der Jüdischen Gemeinde Frankfur t a. M.
1918–1920 For tsetzung der Ausbildung zum Regierungsbaumeister in München und Darmstadt. Praktika im Artilleriedepot in München-Milber tshofen, bei Georg Markwor t und Eugen Seiber t in Darmstadt und in der Abteilung für Bauwesen des Finanzministeriums in Darmstadt.
1932 Mitgliedschaft im Deutschen Werkbund.
1933 Emigration des Bruders Otto Nathan in die USA.
1933 –1937 1920 Staatsexamen für das Höhere Baufach am 21. Mai. Titel des Regierungsbaumeisters.
Arbeit als Architekt in Frankfur t a. M., erzwungenermaßen ohne Registrierung in der Reichskulturkammer.
1920 –1922
1934
Aufenthalt in Berlin.
Ausschluss aus dem Deutschen Werkbund.
1920
1935
Mitarbeit im Baubüro der Jüdischen Gemeinde Berlin. Danach Beginn der freiberuflichen Tätigkeit.
Ausschluss aus dem Bund Deutscher Architekten. Gebur t der Tochter Doris.
1922
1937
Aufnahme in den Bund Deutscher Architekten. Ende des Jahres Umzug nach Frankfur t a. M.
Entzug der Architektenlizenz. Entschluss zur Auswanderung.
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L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k 1938
1957
Im Juli Reise nach New York zur Vorbereitung der Emigration in die USA. Im September Auflösung des Büros in Frankfur t a. M. und Übersiedlung nach Amsterdam.
Sachverständiger bei der Konferenz „Synagogue Architecture and Ar t“ der Union of American Hebrew Congregations.
1960 1938 –1940
Gestorben am 3. November in New York.
Aufenthalt mit Frau und Tochter in Amsterdam. War ten auf das Visum in die USA.
1939
Werkverzeichnis
Emigration der Eltern in die USA.
1940 Am 5. Februar Einwanderung mit Frau und Tochter in die USA.
1940 –1960 Aufenthalt in New York.
1940 –1941 Besuch von Englischkursen an der University of the State of New York und weiterer Kurse für die Zulassung als Architekt. Mitarbeit bei Gotham Construction, Thomas Lamb, Lessman Interiors und Eugene Schoen.
Das Werkverzeichnis nennt nach Baugattungen geglieder t die Bauten und Projekte Fritz Nathans, soweit diese aus den verwendeten Quellen bekannt sind. Wesentliche Grundlage bildet der Architektennachlass im Leo Baeck Institut, New York, mit den dor t vorhandenen Plänen und Fotografien, der Korrespondenz sowie den vom Architekten und seinem Büro selbst verfassten Werkverzeichnissen. Die Quellennachweise beschränken sich auf die Pläne im Leo Baeck Institut, weitere Quellen nennt Teil 1.
Studienarbeiten 1941 Architektenlizenz für den Staat New York am 7. März. Im September Umzug von Büro und Wohnung nach 640 For t Washington Avenue. Einwanderung der Schwiegereltern in die USA.
1914
1943
1914
Umzug des Büros nach 9 East 53rd Street.
Krematorium / Entwurf für die Diplomarbeit an der TH Darmstadt (D) / Pläne im LBI: FN 19, p. 298 / siehe S. 13 f., Abb. 5.
1945
Herrenhaus / Entwurf für die Diplomarbeit an der TH Darmstadt (D) / Pläne im LBI: FN 19, p. 297 / siehe S. 13 f., Abb. 3.
Staatsbürger der USA.
1914 1946 –1950 Projektgemeinschaft mit Eugene Schoen.
Rathaus / Entwurf für die Diplomarbeit an der TH Darmstadt (D) / Pläne im LBI: FN 19, p. 299 / siehe S. 13 f., Abb. 4.
1951 Umzug des Büros nach 200 Central Park South. Eintritt von Ber tram L. Bassuk in das Büro als Mitarbeiter. Berufung in den Fachbeirat für Synagogenbau der Union of American Hebrew Congregations.
1914 Sektkellerei / Entwurf für die Diplomarbeit an der TH Darmstadt (D) / Pläne im LBI: FN 19, p. 289–296, 300 f.; FN 39, p. 257–260 / siehe S. 12 f., Abb. 1 f.
1952 Mitgliedschaft in der New York Society of Architects.
1920
1954
Kreisamtsgebäude in Bensheim (D) / Entwurf für die Staatsprüfung an der TH Darmstadt / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 15.
Mitgliedschaft im American Institute of Architects.
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L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k Wohnhäuser
1926
1920/1921
Villa Ludwig Beckhardt, Frankfur t a. M. (D), Cronstettenstraße / Neubau / Projekt / Pläne im LBI: FN 13, 8, p. 478–486 / siehe S. 34, Abb. 26.
Beamtenwohnhäuser, Worms (D) / Neubau / Projekt / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 18.
1926 1920/1921 Haus Knesebeckstraße 47–48, Berlin (D) / Aufstockung und andere bauliche Veränderungen / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 20.
Haus Bloch, Frankfur t a. M. (D), Bockenheimer Landstraße / Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 10, 8, p. 319–332.
1926 1922 Haus Bendlerstraße 8, Berlin (D) / Aufstockung (Penthaus Lachmann-Mosse) und andere bauliche Veränderungen / Projekt / Pläne im LBI: FN 11, 4, p. 437– 458 / siehe S. 20, Abb. 8.
Haus Enric Lupescu, Frankfur t a. M. (D), GeorgSpeyer-Straße 47 / Erweiterungsbau / Projekt / Pläne im LBI: FN 23, 14, p. 119–123 / siehe S. 34 f, Abb. 27.
1926 1923 Villa Josef Levi, Frankfur t a. M. (D), Zeppelinallee, Hans-Sachs-Straße / Neubau / Projekt / Pläne im LBI: FN 13, 8, p. 502–514 / siehe S. 23 f., Abb. 11 f.
Haus Oskar Meyer, Bingen (D) / Einfahr ts- und Eingangstor / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 4, p. 276 f.
1926 –1927 1923 –1924 Villa Moritz May, Frankfur t a. M. (D), Forsthausstraße, jetzt Kennedyallee 49 / Neubau und Teile der Ausstattung / Gebäude erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 21–23, Abb. 9 f., Abb. 152.
Villa Rudolf Raabe, Frankfur t a. M. (D), Holzhausenstraße 6 / Neubau und Teile der Ausstattung / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 11, 4, p. 430; FN 13, 8, p. 303–406 / siehe S. 36, Abb. 30.
1924
1926 –1927
Haus Friedrichstraße 14, Frankfurt a. M. (D) / Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 11, 3, p. 410–420.
Haus und Wohnung Dr. Samuel, Frankfur t a. M. (D), Grüneburgweg 6 / Umbau und Möbel / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 9, 5, p. 181–264; FN 15, 3, p. 370 f. 1926 –1929/1931 Doppelhaus Enric Lupescu und Dr. E. Keil, Frankfur t a. M. (D), Georg-Speyer-Straße 61–63 / Neubau / Gebäude erhalten / Pläne im LBI: FN 15, 1, p. 272, 319, 363; FN 15, 2, p. 267–275, 314–385; FN 23, 14, p. 109–113,124–127; u. a. / siehe S. 34 f., Abb. 28 f., Abb. 150 f.
1924 Villa Moller-Racke, Bingen (D), Am Rochusweg / Neubau / Projekt / Pläne im LBI: FN 7, 2, p. 2, 4, 6, 8–9 / siehe S. 24, Abb. 13 f.
1924 –1925 Villa Max Hirsch, Frankfurt a. M. (D), Cronstettenstraße 14 / Neubau und Teile der Ausstattung / Gebäude erhalten / Pläne im LBI: FN 9, 2, p. 390–459; FN 9, 3, p. 1–65; FN 11, 4, p. 430; FN 13, 8, p. 438–476 / siehe S. 24 f., Abb. 15.
1927
1924 –1925
Haus Beifus, Frankfur t a. M. (D), Seilerstraße 10 / Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 11, 2, p. 398–409.
Mietshaus, Frankfurt a. M. (D) / Neubau / Projekt / Pläne im LBI: FN 23,14, p. 80–99 / siehe S. 25 f., Abb. 16.
1927
1926 Haus Adolf Beckhardt, Frankfur t a. M. (D), Mozar tplatz 22 / Umbau und Erweiterung / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 9, 5, p. 266–351 / siehe S. 34.
Haus F. Blankenstein, Rotterdam (NL), Heemraadssingel 38 / bauliche Veränderungen, Möblierungsplan und Möbel / Gebäude erhalten / Pläne im LBI: FN 9, 1, p. 280–389; FN 23, 9, p. 278–281 / siehe S. 34.
155
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k 1927 Villa Hermann Wronker, Königstein im Taunus, Rombergweg 4 / Innenausbau und Gewächshausanlage / Realisierung des Gewächshauses nicht nachgewiesen / Villa erhalten / Pläne im LBI: FN 36, p. 149–151 / siehe S. 66.
1927 –1928 Villa Ludwig Mayer, Aschaffenburg, Ziegelbergstraße 5 / Neubau mit Möbeln und anderer Ausstattung / Gebäude stark veränder t erhalten / Pläne im LBI: FN 7, 2, p. 42–55; FN 10, 4, p. 1–61 / siehe S. 36, Abb. 31 f.
1932 Haus Eschersheimer Landstraße 67, Frankfur t a. M. (D) / Wohnungsteilung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 254–265. 1932 Haus Freiherr-von-Stein-Straße 9, Frankfur t a. M. (D)/ bauliche Veränderungen / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 12, 4, p. 250.
1932 Haus Liebigstraße 9, Frankfur t a. M. (D) / bauliche Veränderungen / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 14, 8, p. 449.
1928 Haus Philippsohn, Frankfur t a. M. (D), Feldbergstraße/ Ausstattungsdetail / Realisierung nicht nachgewiesen/ Plan im LBI: FN 14, 7, p. 407.
1932 Haus Löwenthal, Frankfur t a. M. (D), Langestraße 20 / Wohnungsteilung und Schreinerarbeiten / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 218–221.
1929 Haus E. Schiffmann, Hohenschuh, Bingen (D), Umbau/ Pläne im LBI: FN 14, 5, p. 303–320.
1932 Haus Eichendorffstraße, Frankfurt a. M. (D) / Neubau / Projekt / Pläne im LBI: FN 14, 4 p. 262–272.
1929 –1930 Villa Richard Eisemann, Frankfur t a. M. (D), Zeppelinallee 89 / Neubau mit Teilen der Ausstattung / Gebäude erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 37 f., Abb. 33.
1932
1930
1932
Haus Cohn, Frankfur t a. M. (D), Fürstenbergerstraße 45 / Umbau und Möbel / Gebäude erhalten / Pläne im LBI: FN 10, 4, p. 66–179.
Einfamilienhaus / Neubau / Projekt / Foto des Modells und Pläne im LBI: FN 7, 1, p. 326; FN 13, 8, p. 281–284, 287–302 / siehe S. 77 f., Abb. 96.
1930
1932
Haus Stern, Frankfurt a. M. (D), Friedberger Anlage 22 / Umgestaltung 1. Obergeschoss / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 244–249, 252 f.
Reihenhaus / Neubau / Projekt / Pläne im LBI: FN 13, 8, p. 285 f. / siehe S. 77 f., Abb. 95.
Um 1930 Stadtrandsiedlung / Neubau / Projekt (Wettbewerb) / Pläne im LBI: FN 13, 8, p. 488–500 / siehe S. 76 f., Abb. 93 f.
Haus Schumannstraße 10, Frankfurt a. M. (D) / bauliche Veränderungen / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 185–216.
1933 Haus Beethovenstraße 13, Frankfur t a. M. (D) / Wohnungsteilung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 302 f.
1933 1931 Haus Paul Meyer, Bingen (D), Gaustraße 29 / bauliche Veränderungen / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 10, 8, p. 333–340.
Haus Beethovenstraße 27, Frankfur t a. M. (D) / Wohnungsteilung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 291–294.
1933 1931 Haus S. Seligmann, Bingen (D) / bauliche Veränderungen, Möblierungsplan und Möbel / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 10, 8, p. 352–364.
156
Haus Beethovenstraße 46, Frankfur t a. M. (D) / bauliche Veränderungen und Möblierungsplan / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 10, 7, p. 215; FN 14, 4, p. 273 f., 287–289.
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k 1933
1934
Haus Bockenheimer Landstraße 107, Frankfur t a. M. (D) / Wohnungsteilung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 316–318.
Haus Keller, Frankfur t a. M. (D), Grafenstraße 160 / Ausstattungsdetail / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 6, p. 327 –333.
1933
1934
Haus Friedensstraße 8, Frankfur t a. M. (D) / Wohnungsteilung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 266 f.
Haus Liebigstraße 35, Frankfur t a. M. (D) / Wohnungsteilung und andere bauliche Veränderungen / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 319 –338.
1933 Haus Guiollettstraße 21, Frankfurt a. M. (D) / Wohnungsteilung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN12, 4, p. 304–313.
1933
1934 Haus Mendelssohnstraße 47, Frankfur t a. M. (D) / Wohnungsteilung und Einbau einer Wohnung im Dachgeschoss / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 355–368.
Haus Guiollettstraße 55, Frankfurt a. M. (D) / bauliche Veränderung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 314 f.
1935
1933 Haus Landfriedstraße 14, Heidelberg (D) / Wohnungsteilung und weitere bauliche Veränderungen / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 295–301.
1934
Haus W. Nathan, Frankfur t a. M. (D), Schumannstraße 23 / Wohnungsteilung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 2, p. 223–243.
Haus Schaumainkai 55, Frankfur t a. M. (D) / bauliche Veränderungen / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 339–347.
1933 Haus Mendelssohnstraße 37, Frankfur t a. M. (D) / Wohnungsteilung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 7, 3, p. 114–127.
1934 Haus Winger tstraße 14, Frankfur t a. M. (D) / Wohnungsteilung / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 12, 4, p. 369.
1933 Haus Taunusanlage 10, Frankfur t a. M. (D) / bauliche Veränderungen / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 279 –290.
1933 Haus Schumannstraße 53, Frankfur t a. M. (D) / Wohnungsteilung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 276 –278.
1935 Zweifamilienhaus Neumann-Mayer, Frankfur t a. M. (D), Ludolfusstraße / Raumplanung mit Möblierung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 13, 8, p. 277–279.
1935 Doppelhaus Ringelstraße 27, Frankfur t a. M. (D) / Neubau / Projekt / Plan im LBI: FN 23, 14, p. 94.
1934 Haus Bacher, Frankfur t a. M. (D), Freiherr-vonStein-Straße 23 / bauliche Veränderung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 268–275.
1935 Haus Richard Sontheimer, Frankfur t a. M. (D), Broßstraße 4–6 / bauliche Veränderungen / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 370– 373.
1934 Haus Beethovenstraße 30, Frankfur t a. M. (D) / Wohnungsteilung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 348 –354.
1935 Haus Wiesenau 10, Frankfur t a. M. (D) / Aufmaßplan 3. Obergeschoss / Plan im LBI: FN 14, 6, p. 367.
157
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k 1936
1922
Haus Taunusanlage 15, Frankfur t a. M. (D) / bauliche Veränderungen / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 14, 6, p. 343.
Wohnung Deutsch-Fuchs, Berlin (D), Bendlerstraße 8 / bauliche Veränderungen / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 11, 4, p. 423, 448 / siehe S. 20, Abb. 8.
Vor 1938 Haus Dantestraße, Frankfur t a. M. (D) / Um- oder Ausbau / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 34.
Vor 1938 Haus Mer tonstraße 5, Frankfur t a. M. (D) / Um- oder Neubau / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 34.
1922 Wohnung Prof. Ochs, Berlin (D), Bendlerstraße 8 / bauliche Veränderungen / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 11, 4, p. 422, 447 /siehe S. 20, Abb. 8.
1926 1941–1943 Sommerresidenz E. D. Herzberg, Luray (USA, VA) / Um- und Ausbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 23, 5, p. 241–243 / siehe S. 97.
Wohnung Adler, Frankfur t a. M. (D), Bettinaplatz 64 / Möbel / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 5, p. 322 f.
1926 1946 Haus Henry Sonnenberg, New York (USA, NY), 4503 Fieldstone Road, Bronx / Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 15, 2, p. 243–266; FN 17, 3, p. 226.
Wohnung Levy, Frankfur t a. M. (D), Parkstraße 4 / Möbel / Pläne im LBI: FN 14, 4, p. 293–297.
1926 Wohnung Reichenbach, Frankfur t a. M. (D), Feuerbachstraße / Möbel / Plan im LBI: FN 10, 8, p. 350.
1955 Wohnhaus Ernest Feist, White Plains (USA, NY), 8 Church Cour / Erweiterung / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 17, 3, p. 249.
1957 Apar tmenthaus 222 Columbia Heights, New York (USA, NY) / Um- oder Neubau / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 121 (Anm. 467).
1926 –1928, 1933 Wohnung Fritz Nathan, Frankfur t a. M. (D), Neue Mainzerstraße 58 / Umbau und Möbel / Gebäude veränder t erhalten / Pläne im LBI: FN 10, 7, p. 272– 314; FN 11, 1, p. 369–396; FN 23, 3, p. 232–236 / siehe S. 27.
1927 Wohnung Caspari, Frankfur t a. M. (D) / Möbel / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 14, 7, p. 406.
Hinweis Im Werkverzeichnis für die Jahre 1941–1961 (LBI: FN 4, 4, p. 408–420) finden sich über 50 weitere Einträge, die sich auf den Wohnungsbau beziehen lassen. Jedoch fehlen weitere Angaben über die Objekte und Baumaßnahmen. Es ist anzunehmen, dass sich diese Einträge vor allem auf Aus- und Umbauten beziehen. Auf ihre Nennung wird hier verzichtet.
Wohnungen Um 1920 Wohnung Familie Brück, Bingen (D) / Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass.
158
1929 Wohnung Buseck, Frankfur t a. M. (D), Dantestraße / Möbel und andere Ausstattung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 8, p. 425–429.
1929 W Möbel / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 7, p. 405. 1930 Wohnung im Haus W. Nathan, Frankfur t a. M. (D), Schumannstraße 23 / Möblierungsplan und Möbel / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 4, p. 223–243.
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k 1930
1934
Wohnung Rechtsanwalt R. Stern, Bingen (D), Mainzerstraße 72 / Möblierungsplan, Möbel und andere Ausstattung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 7, p. 389–404.
Wohnung Dr. Bock, Frankfur t a. M. (D), Klettenbergstraße 18 / Ausstattungsdetail und Möblierungsplan / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 6, p. 337–341.
1930 –1933
1934
Wohnung Goldschmidt, ohne Or tsangabe / Möblierungsplan, Möbel und andere Ausstattung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 4, p. 298–301; FN 14, 8, p. 441–446.
Wohnung im Haus Zeppelinallee 4, Frankfur t a. M. (D) / Möblierungsplan / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 14, 6, p. 335.
1935 1931 Wohnung Otto Mayer, Bingen (D) / Möblierungsplan, Möbel und andere Ausstattung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 3, p. 138–260.
Wohnung Dr. Gottschalk, Frankfur t a. M. (D), Rheinstraße 5 / Möbel / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 6, p. 362–366, 368 f.
1935 1931 Wohnung Sontheimer, Frankfur t a. M. (D), Eschenheimer Anlage 31A / Möblierungsplan / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 4, p. 282–286.
Wohnung Dr. Gundersheimer, Frankfur t a. M. (D) / Möbel / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 6, p. 345–347.
1935 1932 Wohnung Direktor Hugo Hecht, Frankfur t a. M. (D), Hamannstraße 1 / Möblierungsplan, Möbel und andere Ausstattung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 8, p. 431–440.
1932 Wohnung Dr. Landauer, Frankfur t a. M. (D), Savignystraße 76 / Möbel / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 4, p. 278–281.
1932 Wohnung Dr. Michel, Bielefeld (D) / Ausstattungsdetail / Plan im LBI: FN 14, 8, p. 448.
Wohnung Dr. Mannheim, Frankfur t a. M. (D), Bockenheimer Landstraße 72 / Möbel / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 6, p. 371–382.
1935 Wohnung Dr. Edith Rosenzweig, Frankfur t a. M. (D), Eysseneckstraße 16 / Möblierungsplan / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 6, p. 325.
1936 Wohnung Her tz-Grünstein, Luxemburg (LUX) / Möbel / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 7, 4, p. 270 f., 278–280 / siehe S. 79.
1936 1932 Wohnung Prof. Dr. Strupp, Frankfur t a. M. (D), Schumannstraße 10 / Möblierungsplan / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 12, 4, p. 217.
Wohnung Dr. Julius Weiler, Frankfur t a. M. (D) / Möbel / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 6, p. 358 f.
1937 1933
Wohnung Becker, ohne Or t / Möbel / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 8, p. 418–423.
Wohnung Dr. Hahn, Frankfur t a. M. (D), Mendelssohnstraße 37 / Umbau / Pläne im LBI: FN 7, 3, p. 114–127
1937
1933
Unbekannte Wohnung / Möblierungsplan / Plan im LBI: FN 13, 8, p. 280.
Wohnung Dr. Hahn, Frankfur t a. M. (D), Schumannstraße 22 / Möblierungsplan, Möbel und Instandsetzung vorhandener Möbel / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 7, 2, p. 5; FN 14, 2, p. 63–136.
1937–1938 Wohnung Trier, Frankfur t a. M. (D), Keßlerstraße 8 / Möblierungsplan und Möbel / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 6, p. 383–387.
159
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k Vor 1938
1925
Wohnung W. Wer theimer, Frankfur t a. M. (D), Schumannstraße 61 / Möblierungsplan / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 14, 5, p. 321.
Kaufhaus Wronker, Frankfur t a. M. (D), Zeil 101–105 / Ausbau mit Turm- und Dachrestaurant / Projekt / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 65 f.
Vor 1938
1925
Wohnung im Haus Dr. Stern, Frankfur t a. M. (D), Ulmenstraße / Ausstattungsdetail / Plan im LBI: FN 14, 4, p. 275.
Rathaus Bochum (D), Alber t-, Allee-, Mühlenstraße / Projekt (Wettbewerb) / Pläne im LBI: FN 14, 10, p. 149–161/ siehe S. 32 f., Abb. 24 f.
Hinweis
1925 –1927
Im Werkverzeichnis für die Jahre 1941–1961 (LBI: FN 4, 4, p. 408–420) finden sich über 50 weitere Einträge, die sich auf den Wohnungsbau beziehen lassen. Jedoch fehlen weitere Angaben über die Objekte und Baumaßnahmen. Es ist anzunehmen, dass sich diese Einträge vor allem auf Aus- und Umbauten beziehen. Auf ihre Nennung wird hier verzichtet.
Strumpfhaus Metzger, Frankfur t a. M. (D), Kaiserstraße 75 / Umbau / Gebäude nicht erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 69, Abb. 77.
Geschäfts- und Bürohäuser, Ladengeschäfte und Büros Um 1920 Kaufhaus Guggenheim & May, Darmstadt (D) / Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 18.
1920/1921 Hutgeschäft Lützowstraße, Berlin (D) / Neu- oder Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 20.
1920/1921 Kaufhaus N. Israel, Berlin (D) / Aufstockung / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 18.
1920/1921 Kleiderfabrik Stern & Co., Berlin (D), Jerusalemer Straße 60–65 / Erweiterung / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 20.
1922/1923 Lebensmittelgroßhandlung Carl Fröhling AG, Frankfur t a. M. (D) / Büroumbau / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 21.
1926 Atelier Fritz Nathan, Frankfurt a. M. (D), Neue Mainzerstraße 58 / Umbau und Möbel / Gebäude veränder t erhalten / Pläne im LBI: FN 10, 7, p. 272–314; FN 11, 1, p. 368–396 / siehe S. 27.
1926 –1927 Hutgeschäft Samt und Seide, Mannheim (D), N 7, 4 / Neubau / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 7, 5, p. 339–345, 348–455 / siehe S. 53–55, Abb. 55–58.
1927 Modehaus Geschwister Gutmann, Frankfur t a. M. (D), Liebfrauenberg 39, Neue Kräme / Umbau des Hauses „Zum Grimmvogel“ / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 8, 5, p. 222–235 / siehe S. 66.
1927 Modehaus Geschwister Gutmann, Stuttgar t (D), Eberhardstraße 10 / Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 8, 5, p. 248–278 / siehe S. 66.
1927 Kaufhaus David Bonn, Frankfur t a. M. (D) / Ausbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 12, 3, p. 178–181.
1927–1928 Kaufhaus Wronker, Frankfur t a. M. (D), Zeil 101–105 / Ladenpassage und andere Ausbauten / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 12, 3, p. 169–177; FN 12, 6, p. 144, 148 / siehe S. 65, Abb. 72.
1927–1928 1925 Handelskammer Mannheim (D), M 6 / Projekt (Wettbewerb) / Pläne im LBI: FN 14, 10, p. 163–174 / siehe S. 31 f., Abb. 23.
160
Modehaus Geschwister Gutmann, Frankfur t a. M. (D), Große Friedbergerstraße 22 / Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 8, 5, p. 212– 231 / siehe S. 66.
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k 1928
1929 –1930
Modehaus Geschwister Gutmann, Berlin (D), Prinzenstraße 8 / Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 8, 5, p. 237–247 / siehe S. 66, Abb. 73.
Kaufhaus Mathias Löwenthal, Aschaffenburg, Herstallstraße 17 / Erweiterung / Gebäude nicht erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 67 f., Abb. 75.
Um 1928
1930 –1931
Fruchthof, Frankfur t a. M. (D), Honsellstraße, Mayfahr tstraße / Projekt / Pläne im LBI: FN 10, 1, S. 354– 365 / siehe S. 71, Abb. 80–82.
Teppich- und Gardinenhaus Brumlik, Frankfur t a. M. (D), Liebfrauenstraße 1–3 / Um- und Ausbau / Gebäude erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 68.
1928 –1929
1930
Deutsches Beamtenwarenhaus DEBEWA, Mannheim (D), N 7, 3 / Neubau / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 7, 5, p. 347; FN 11, 6, p. 64–185; FN 11, 7, p. 189–200, 207–219; FN 11, 8, p. 221–326; FN 23, 14, p. 8–33; Foto des Modells im LBI: FN 6, 4, p. 12 / siehe S. 55–59, Abb. 58–62.
Geschäftshaus mit Autoschauhalle, Frankfur t a. M. (D), Kaiserstraße 16, Kirchnerstraße 3 / Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 10, p. 210–212 / siehe S. 69.
1928 –1929 Kaufhaus E. Schiffmann, Bingen (D), Salzstraße 22 / Aus- und Umbau / Gebäude stark überbaut erhalten / Pläne im LBI: FN 23, 14, p. 34–60, 62–75; FN 34, p. 17–44, 46–51, 68; FN 39, p. 261–274 / siehe S. 67, Abb. 74.
1930 Sarotti-Filiale, Frankfur t a. M. (D) / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 69.
1931 Ausstellungsraum Textilhandlung Moritz Sternberg, Frankfur t a. M. (D) / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 69.
1928 –1929
1931
Kaufhaus Wronker, Hanau, Platz der Republik, heute Freiheitsplatz / Neubau / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 12, 5, p. 3–114; FN 12, 6, p. 120–167 / siehe S. 64 f., Abb. 70 f. 1928 –1929 Kaufhaus Woolwor th, Frankfur t a. M. (D), Zeil 90–94, Brönnerstraße / Neubau / Projekt / Pläne im LBI: FN 14, 10, p. 176–197 / siehe S. 69, Abb. 78.
Tack-Schuhgeschäft, Frankfur t a. M. (D) / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 69.
1928 –1929 Teppich- und Gardinenhaus J. Brumlik, Frankfur t a. M. (D), Neue Kräme 28–30, Ziegelgasse 7–9 / Umbau und Erweiterung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 13, 7, p. 230–265, 267–274 / siehe S. 68 f., Abb. 76.
1929 Bahnhofshalle Bingen (D) / Vitrinen / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 23, 14, p. 76, 78 f.; FN 34, p. 45 / siehe S. 69.
1932 Kaufhaus Gebr. Alsberg, Bielefeld / Neubau / Projekt / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 69, 76.
1932 –1933 Geschäftshaus Fourrures Jenny (Her tz-Grünstein), Luxemburg (LUX), Grand-Rue 9–11 / Neubau / Gebäude erhalten / keine Pläne im Nachlass, Fotografien des Modells im LBI: FN 7, 1, p. 317–320; FN 7, 4, p. 262 / siehe S. 78 f., Abb. 97 f., Abb. 158 f.
Nach 1925, vor 1933 Kaufhaus Wronker, Frankfur t a. M. (D), Bockenheim, Leipziger Straße 47–51, Kurfürstenstraße 1–3 / Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Gebäude in teils veränder tem Zustand erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 66.
Nach 1925, vor 1933 1929 Kaufhaus Hansa, Frankfur t a. M. (D) / Projekt / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 69.
Kaufhaus Wronker, Frankfur t a. M. (D), Sachsenhausen / Ausbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Gebäude erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 66.
161
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k Nach 1925, vor 1933
Um 1942
Kaufhaus Wronker, Mannheim (D), E 1 / Ausbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Gebäude nicht erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 66.
Büroräume Bears, Stearns & Co., New York (USA, NY), Wallstreet 1 / Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 97.
Nach 1925, vor 1933
1944 –1945, 1955 –1959
Kaufhaus Wronker, Nürnberg (D) / Ausbau / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 66.
Geschäftshaus Hartz Mountain Products Co., New York (USA, NY), 34–50 Cooper Square / Aus- und Umbau / Gebäude erhalten / Pläne im LBI: FN 15, 2, p. 230– 232, 237–241 / siehe S. 123, Abb. 134., Abb. 162–164.
1933 Möbelgeschäft Kaiserkeller, Frankfur t a. M. (D) / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 82.
1933 –1938 Golohaus und andere Geschäftsräume für Bankhaus Erlangers Ltd., Frankfur t a. M. (D), Neue Mainzer Landstraße 225–227 / Aus- und Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / Gebäude nicht erhalten / siehe S. 82.
1944 –1949 Ladengeschäft Bernath & Co., New York (USA, NY), 28 East 56th Street / Umbau / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 17, 3, p. 239–245 / siehe S. 100–102, Abb. 113 f.
1946 –1950 Büroräume für Hunter Douglas Corporation, New York (USA, NY), 150 Broadway / Aus- und Einbau / Pläne im LBI: FN 15, 2, p. 281–283, 285–290 / siehe S. 121 f.
1935
1953
Ausstellungsraum für Butzke AG (Bade- und Kücheneinrichtungen), Frankfur t a. M. (D) / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 82.
Büroräume für Zionist Organization of America, New York (USA, NY), 145 East 32nd Street / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 120.
1954 1936 Ladengeschäft Her tz-Grünstein, Luxemburg (LUX), Rue de Fossé, Ecke Rue du Curé / Umbau / Pläne im LBI: FN 7, 4, p. 133–140, 264 f., 287, 289 f., 296, 298, 300–303, 320 / siehe S. 79.
1937–1938 Verkaufsraum Damenkonfektionshaus Wagener & Schlötel, Frankfur t a. M. (D) / Umbau / Gebäude nicht erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 82.
1942 Büroräume Speed Products, New York (USA, NY), 78–18 Nor thern Boulevard / Erweiterung / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 97.
Um 1942 Geschäftsräume Paragon Paints, New York (USA, NY), 5–49 46th Avenue / Um- oder Neubau / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 97.
162
Büroräume für American Federation of Jews from Central Europe, New York (USA, NY), 77th Street / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 120.
1954 Büroräume für National Jewish Welfare Board, New York (USA, NY), 145 East 32nd Street / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 120.
1956 Geschäftshaus „Plaza Commerce Buildung“, White Plains (USA, NY), Depot Plaza, Orawaupum Street / Neubau / Projekt / Pläne im LBI: FN 27, 1, p. 3 f.
Hinweis Im Werkverzeichnis für die Jahre 1941–1961 (LBI: FN 4, 4, p. 408–420) finden sich rund 80 weitere Einträge, die sich auf den Gewerbe- und Industriebau beziehen lassen. Weitere Angaben über die Objekte und Baumaßnahmen fehlen. Es ist anzunehmen, dass sich diese Einträge vor allem auf Aus- und Umbauten beziehen. Auf ihre Nennung wird hier verzichtet.
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k Kinos und Theater
1927
1928 –1929
Opel-Reklameturm, Rüsselsheim (D) / Projekt / Pläne im LBI: FN 10, 3, p. 426 f. / siehe S. 70.
Kino Universum im Deutschen Beamtenwarenhaus DEBEWA, Mannheim (D), N 7, 3 / Gebäude nicht erhalten / Pläne (in Verbindung mit dem Deutschen Beamtenwarenhaus) im LBI: FN 7, 5, p. 347; FN 11, 6, p. 64–185; FN 11, 7, p. 189–200, 207–219; FN 11, 8, p. 221–326; FN 23, 14, p. 8–33; Foto des Modells im LBI: FN 6, 4, p. 12 / siehe S. 60 f., Abb. 61, 63 f.
1928 –1929 Kino Universum im Kaufhaus Woolwor th, Frankfur t a. M. (D), Zeil 90–94, Brönnerstraße / Projekt / Pläne im LBI: FN 14, 10, p. 175–197 / siehe S. 69, Abb. 78.
1927–1929 Zigarrenfabrik Hochherr, Heidelberg (D), Kaiserstraße 78 / Gebäude veränder t erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 61–64, Abb. 65–69, Abb. 153 f.
1930 Schuhfabrik Ada-Ada, Höchst a. M., Adolf-HäuserStraße / Erweiterung / Projekt / Pläne im LBI: FN 10, 3, p. 410–414 / siehe S. 69 f., Abb. 79.
1930 –1937 Metallwarenfabrik Carl Beyer & Comp., Frankfur t a. M. (D), Sandweg 66 / Umbau / keine Pläne im Nachlass.
1929 Kino am Kaiserplatz, Frankfur t a. M. (D) / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 10, p. 200–204, 206–209 / siehe S. 69.
1932
1936 –1937
1933
Theatersaal des Jüdischen Kulturbunds Frankfurt a. M. (D) / Projekt / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 88.
Schuhfabrik J. u. C. A. Schneider, Frankfur t a. M. (D), Mainzer Landstraße 281–285 / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 10, 3, p. 415–422 / siehe S. 81, Abb. 99.
Fabrikanlage, ohne Or tsangabe / Projekt / Pläne im LBI: FN 10, 3, p. 426–428 / siehe S. 70.
Um 1933 Fabrikbauten Um 1920 Lagerhalle Lippmann May, Darmstadt (D) / Um- oder Neubau / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 18.
1920/1921 Firmengebäude Paragon Kassenblock AG, BerlinOberschöneweide (D) / Umbau / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 18.
1920/1921 Kleiderfabrik Stern & Co., Berlin (D) / Ausbau / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 20.
1924 –1926 Teigwaren- und Zwiebackfabriken Bad Homburg vor der Höhe AG, Gonzenheim, jetzt Bad Homburg vor der Höhe (D), Gonzenheimer Landstraße 100, jetzt Frankfur ter Landstraße 1–7 / Ausbau / ein Nathan zugeschriebenes Wohnhaus erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 26.
Lagerhalle Firma Jacob Dreifuß, Frankfur t a. M. (D), Osthafen / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 10, 3, p. 407 / siehe S. 82.
1934 –1935 Strickwarenfabrik L.S. Brinkmann AG, Eschwege (D), Fried-rich-Wilhelm-Straße 40–42 / Umbau und Erweiterung / Pläne im LBI: FN 10, 3, p. 377–406 / siehe S. 81, Abb. 100. 1935 Lederfabrik Epstein, Frankfur t a. M. (D), Niederrad / Ausbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 10, 3, p. 424 / siehe S. 82.
1937–1938 Kleiderfabrik Fritz Vogel, Frankfur t a. M. (D), Königstraße, jetzt Emil-Sulzbach-Straße / Ausbau / Projekt / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 82.
1938 Kamerafabrik Wirgin, Wiesbaden (D), Dotzheimer Straße 172 / Ausbau / Projekt / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 82.
163
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k 1946 –1947 Firmengebäude Hunter Douglas Corporation, New Hyde Park (USA, NY), Nassau Terminal Road / Ausbau / Gebäude erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 121 f.
Garagen 1928 Großgarage, Mannheim (D), Rheinhäuser Straße 24– 30 / Projekt / Pläne im LBI: FN 10, 3, p. 450, 452–468 / siehe S. 72, Abb. 83–85.
1949 Firmengebäude Hunter Douglas Corporation, Riverside (USA, CA), Kansas Avenue / Neubau / Gebäude erhalten / Pläne im LBI: FN 15, 2, p. 291–304; FN 17, 3, p. 246 / siehe S. 122, Abb. 132.
1932 Remise und Stallungen Bockenheimer Landstraße 37, Frankfurt a. M. (D) / bauliche Veränderungen / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 10, 3, p. 469.
1951 Firmengebäude Hunter Douglas Corp., Flemington (USA, NJ) / Neu- oder Ausbau / Plan im LBI: FN 15, 2, p. 305.
1933 Garage Henry Rothschild, Frankfur t a. M. (D), Schumannstraße 10–16 / Neubau / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: 10, 3, p. 470–475.
1952 –1954 Firmengebäude Hunter Douglas Corporation, Rosewill (AUS), Barcoo Street 30–32 / Neubau / gemeinsam mit E. C. Allars / Gebäude im Kern erhalten / Plan im LBI: FN 15, 2, p. 284 / siehe S. 122 f., Abb. 133
1934 Garage Mainzer Landstraße 225–227, Frankfur t a. M. (D) / Neubau / Projekt / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 10, 3, p. 430–449, 451.
1952 –1954 Firmengebäude Har tz Mountain Products Co., Chicago (USA, IL), 1961 Nor th Nashville Avenue / Neubau / Gebäude erhalten / Plan im LBI: FN 23, 3, p. 230 / siehe S. 123 f., Abb.135.
1936 Garage Bettinastraße 39, Frankfur t a. M. (D) / Erweiterung / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 10, 3, p. 476–483.
1953 Firmengebäude Cutting room Appliances Corp., New York, Woodside, Long Island, 71th Street (USA, NY) / Erweiterung / Gebäude erhalten / Pläne im LBI: FN 15, 2, p. 222; FN 17, 3, p. 192.
1955 Firmengebäude Har tz Mountain Products Co., St. Thomas (CAN, ON), 1125 Talbot Street / Neubau / Gebäude erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 124.
Um 1955 Firmengebäude Hartz Mountain Products Co., Denville (NJ, USA) / Um- oder Neubau / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 124.
Hinweis Im Werkverzeichnis für die Jahre 1941–1961 (LBI: FN 4, 4, p. 408–420) finden sich rund 80 weitere Einträge, die sich auf den Gewerbe- und Industriebau beziehen lassen. Jedoch fehlen weitere Angaben über die Objekte und Baumaßnahmen. Es ist anzunehmen, dass sich diese Einträge vor allem auf Aus- und Umbauten beziehen. Auf ihre Nennung wird hier verzichtet.
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Krankenhäuser, Alters-, Kinderund Erholungsheime 1925 Bezirkskrankenhaus, St. Ingber t (D) / Neubau / Projekt (Wettbewerb) / Pläne im LBI: FN 8, 2, p. 261–291 / siehe S. 30 f., Abb. 22.
1926 –1928 Privatklinik Dr. Max Mainzer, Frankfur t a. M. (D), Neckarstraße 5 / Aus- und Umbau / Gebäude erhalten / Pläne im LBI, FN 8, 1, p. 190–243 / siehe S. 70.
1927–1928 Kindererholungsheim, Hofheim am Taunus (D), Kapellenstraße 12 / Aubau und Möbel / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 14, 9, p. 73–77 / siehe S. 48.
1928 Jüdisches Kinderhaus, Frankfurt a. M. (D), Hans-ThomaStraße 24 / Umbau / Gebäude nicht erhalten / Pläne in LBI: FN 14, 9, S. 48–72 / siehe S. 47.
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k 1928
1953
Israelitisches Krankenhaus, Frankfur t a. M. (D), Röderbergweg 97 / Umbau / Projekt / Pläne im LBI: FN 8, 2, p. 260 f. / siehe S. 47.
Central Queens Medical Group, Health Center Queens, New York (USA, NY), 108–43 71st Avenue Forest Hills, Queens Boulevard / nicht näher bekannte Baumaßnahmen / Gebäude erhalten / keine Pläne im Nachlass.
1928 –1931 Israelitisches Altersheim, Mannheim (D), Collinistraße 47–53, heute Bassermannstraße / Neubau einschließlich Ausstattung / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 8, 2, p. 255–259; FN 12, 1, p. 329– 427; FN 12, 2, p. 3–121 / siehe S. 49–52, 86–88, Abb. 49–54, 108 f., Abb. 179–186.
1958
1929
Schulen und Kindergärten
Israelitisches Krankenhaus, Mannheim (D), ehemals Collinistraße, jetzt Bassermannstraße / Neubau / Projekt / Pläne im LBI: FN 8, 4, p. 35; FN 12, 1, p. 391 / siehe S. 52, Abb. 54.
Jewish Community Center Health Club, New Haven (USA, CT) / Neubau / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 17, 3, p. 231–234; FN 20, Teil 2, p. 2–21 / siehe S. 120, Abb. 131.
1927 Jüdische Schule, Eschwege (D) / Einbau in ein Gemeindehaus / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 14, 9, p. 15–29 / siehe S. 47 f.
1930 –1931, um 1935 Israelitisches Krankenhaus (Rotschild’sche Stiftung), Frankfur t a. M. (D), Röderbergweg 97 / Aus- und Umbau einschließlich Ausstattung / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 7, 6, p. 2–187 / siehe S. 47.
1928 Jüdische Haushaltungsschule, Frankfur t a. M. (D), Königswar ter Straße 20 / Ausbau / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 47.
1931 1935 Israelitische Erholungs- und Altersheim für Lehrer, Bad Ems (D), Römerstraße 89 / Aus- und Umbau, Möblierungsplan / Gebäude nicht erhalten / Pläne in LBI: FN 14, 9, p. 78–93 / siehe S. 84.
Pädagogische Akademie, Kassel (D), Regentenstraße, Heerstraße / Projekt (Wettbewerb) / gemeinsam mit Carl Müller / Pläne im LBI: FN 14, 9, p. 3–13 / siehe S. 72 f, Abb. 86 f.
1934 –1937 1935 –1936 Israelitisches Krankenhaus, Mannheim (D), Collinistraße 47–53, jetzt Bassermannstraße / Einbau im Israelitischen Altersheim einschließlich Ausstattung / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 23, 13, p. 314, 316, 319–324, 384–387; FN 23, 14, p. 3–6; FN 35, p. 72–81, 83 f., 86–89, 91, 93–102, 104–116; FN 36, p. 128–135; FN 37, p. 164, 166–176; FN 38, p. 223– 225, 230, 245–256 / siehe S. 86–88, Abb. 108 f., Abb. 179–186.
Jüdische Schule, Offenbach a. M. (D), Kaiserstraße, Goethestraße / Um- und Neubau / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: LBI: FN 14, 9, p. 30–47 / siehe S. 83, Abb. 102.
1937 Philanthropin, Realgymnasium der jüdischen Gemeinde in Frankfur t a. M. (D), Hebelstraße 15–17 / Klassenaufteilung / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 14, 9, p. 14 / siehe S. 47.
1946 –1947
1952, 1954, 1956 –1958
Altersheim B’Nai B’rith, Leo Baeck Lodge, New York City (USA, NY), 456 West 20th Street / Ausbau / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 15, 4, Teil 2, p. 126–135.
Jewish Community School, New York (USA, NY), 110 Manhattan Avenue / Aus- und Umbauten / Gebäude nicht erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 120.
Gegen 1959 1952 Medical Building, New York (USA, NY), 225 Middle Neck Road, Great Neck / nicht näher bekannte Planung oder Baumaßnahme / keine Pläne im Nachlass.
Brandeis School, Congregation Sons of Israel, Woodmere (USA, NY), 111 Irving Place / Ausbau der Morgenstern Hebrew School / Gebäude erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 120.
165
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k 1959 Kindergar ten in Hamden (USA, CT) siehe Gemeindezentrum Mishkan Israel, Hamden.
Friedhöfe, Friedhofsbauten und Grabmäler
Pläne (und Fotografien) im LBI: FN 6, 9, p. 190–197; FN 23, 13, p. 315, 317 f., 326, 332–370, 377–379; FN 34, p. 7–13, 51–53, 58 f.; FN 37, p. 157–163, 157, 159; FN 39, p. 227–229, 231 f., 235–245; FN 40, 2, p. 303–314; FN 40, 3, p. 316–331; FN 40, 4, p. 333–346; FN 23, 1, p. 209 f. / siehe S. 45, Abb. 42 f.
1925 –1926 1920 Erbbegräbnisanlage des Ehrenfelds für gefallene jüdische Soldaten, jüdischer Friedhof Berlin-Weißensee (D) / Neubau / Anlage erhalten / Pläne im LBI: FN 3, 16, p. 5; FN 23, 13, p. 381–383; FN 34, p. 2–5, 147 / siehe S. 16–18, Abb. 6 f.
1920 Grabdenkmal, vermutlich für den jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee (D) / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 38, p. 204 (Zuschreibung) / siehe S. 18.
1924 –1937 Grabsteine und Grabplatten für : Mathilde May, ohne Or tsangabe, 1924 Paul Weil, Saarbrücken (D),1925 Familie Freiberg, geb. Jeselsohn, Mannheim (D), 1926 Jüdel, Mannheim (D), 1926 Fritz Klein, Frankfur t a. M. (D), 1926 Heinrich Lorch, Bingen (D), 1926 Lorsch, Mainz (D), 1926 Lachs, ohne Or tsangabe, 1928 Familie Meyer-Gutheim, Frankfur t a. M. (D), 1928 Hermann und Regina Hertz, Worms (D), 1929, 1931 Carola (Karla) Nassauer, Frankfur t a. M. (D), 1929 Moritz Weil, Saarbrücken (D), 1929 Familie Meyer-Gerngross, Mannheim (D), 1930 Dr. Sigmund Eulau, Frankfur t a. M. (D), 1931 Dr. Homburger, ohne Or tsangabe, 1931 Hermann Levy, Frankfur t a. M. (D), 1931 Gerda Rosenstock, geb. Beifuss, Frankfur t a. M. (D), 1931 Elsa Heimann, Luxemburg (LUX), 1933 Lucy Mainzer, Frankfur t a. M. (D), 1933 Familie Seligmann, Oberwesel (D), 1933 Willy Wolff, Frankfur t a. M. (D), 1933 Moritz Meyer, Bingen (D), 1934 Ferdinand Nathan, ohne Or tsangabe, 1934 Jane (Jennie) Strauss, geb. Bendheim, Frankfur t a. M. (D), 1934 Willi Wolf, Frankfur t a. M. (D), 1934 Fanny Blau, geb. Hirschler, Frankfur t a. M. (D), 1937 Professor Baginsky, ohne Or tsangabe und Datum Dr. Max Bestel, ohne Or tsangabe und Datum Reitz, ohne Or tsangabe und Datum
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Jüdischer Friedhof Rat-Beil-Straße, Frankfur t a. M. (D) / Erweiterung und Brunnenanlage / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 13, 5, p. 66–67.
1925, 1928 –1929 Neuer Jüdischer Friedhof, Frankfur t a. M. (D), Eckenheimer Landstraße / Neubau mit Trauerhalle und Nebengebäuden einschließlich Ausstattung / Anlage und Gebäude erhalten / Pläne für den nicht realisier ten Standor t Homburger Landstraße im LBI: FN 10, 5, p. 193; FN 10, 6, p. 196–220; FN 23, 8, p. 275; Pläne für den Standor t Eckenheimer Landstraße im LBI: FN 8, 3, p. 296–423; FN 10, 5, p. 78–192; FN 10, 6, p. 221–227; FN 17, 3, p. 199–207 / siehe S. 28–30, 38–44, Abb. 17–21, 34–41, 144–149.
1926–1927 Grabsteinfundamente für den Jüdischen Friedhof in Mannheim (D), Röntgenstraße / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 13, 5, p. 79, 81 / siehe S. 49.
1926, 1933 Friedhof der Israelitischen Religionsgesellschaft in Frankfur t a. M. (D), Gießener Straße / Neubau / Projekt / Pläne im LBI: FN 13, 5, p. 78; FN 23, 12, p. 303–312 / siehe S. 45 f., Abb. 35, 44–47.
1926 –1927 Einsegnungshalle Israelitischer Friedhof, Mannheim (D), Röntgenstraße / bauliche Veränderung / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 13, 5, p. 80, 82 / siehe S. 49.
Um 1930 Musterentwürfe für Grabsteine / Pläne im LBI: FN 40, 3, p. 316–331 / siehe S. 45, Abb. 42.
1933 Jüdischer Friedhof in Friedberg (D), Ockstädter Straße / Erweiterung und Neubau Trauerhalle / Projekt / Pläne im LBI: FN 13, 4, p. 37–51 / S. 48, Abb. 48.
1934 Trauerhalle der Israelitischen Religionsgesellschaft in Zürich, Binz-Witikon (CH) / Projekt / Pläne im LBI: FN 13, 4, p. 55–63 / siehe S. 84, Abb. 103.
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k 1935
1932
Trauerhalle auf dem jüdischen Friedhof in Bingen (D), Waldstraße / Erweiterung / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 13, 5, p. 88–91/ siehe S. 83.
Synagoge in Friedberg (D), Judengasse 4 / Umbau / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 13, 4, p. 37–51 / siehe S. 48.
1935–1937
1934
Jüdischer Friedhof mit Trauerhalle in Stuttgart-Bad Cannstatt (D), Ziegelbrennerstraße / Anlage und Gebäude mit baulichen Veränderungen erhalten / Pläne im LBI: FN 14, 1, p. 3–59 / siehe S. 85 f., Abb. 104–107, 157.
Jüdisches Gemeindehaus, Darmstadt (D), Friedrichstraße, Ecke Bleich- und Fuchsstraße / Projekt / Pläne im LBI: FN 14, 10, p. 118–147 / siehe S. 82 f., Abb. 101.
1946–1949
1937
Friedhof und Gedenkstätte der Congregation Habonim im Cedar Park Cemetery, Paramus (USA, NJ), 735 Forest Avenue / Neubau / Pläne im LBI: FN 15,4, p. 231–234 / siehe S. 107 f.
Gemeindehaus der Israelitischen Religionsgesellschaft Stuttgar t (D), Stuttgar t (D), Hospitalstraße / Einbau einer Mikwe / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 15, 4, p. 104 / siehe S. 88.
1947
1937
Erinnerungshain Europäischer Juden, Cedar Park Cemetery, Paramus (USA, NJ), 735 Forest Avenue / Neubau / Realisierung nicht nachgewiesen / Pläne im LBI: FN 25, 1, p. 180 / siehe S. 107, Abb. 120.
Synagoge in Konstanz (D), Sigismundstraße / Instandsetzung / Gebäude nicht erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 88.
1941 –1944 1950 Grabstein für Charles Cohen / ohne Or tsangabe / Plan im LBI: FN 17, 3, p. 208.
Synagogen und Gemeindehäuser 1926 Synagoge am Börneplatz, Frankfur t a. M. (D) / Sanierung und Ausbau / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 23, 2, p. 221–227 / siehe S. 47.
1928–1929 Lemle-Moses-Claus-Synagoge, Mannheim (D), F 1, 11 / Aus- und Umbau / Projekt / Pläne im LBI: FN 15, 4, p. 117; FN 17, 3, p. 220–225 / siehe S. 49.
Kew Gardens Jewish Center, Kew Gardens, New York (USA, NY), Talbot Street, 84th Avenue, 83rd Drive / Neubau / Projekt / Pläne im LBI: FN 6, 6, p. 130, 133 f.; FN 22, 2, p. 195 / siehe S. 98 f., Abb. 111 f. 1942 Synagoge K’Hal Adath Jeshurun, New York (USA, NY), 90 Bennett Avenue / Ausbau / Projekt / Pläne im LBI: FN 15, 4, p. 220–222 / siehe S. 9, Abb. 110.
1942 Hauptsynagoge in New York (USA, NY), 652 Lexington Avenue, East 55th Street, Manhattan / bauliche Veränderung / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass.
1943 1929 Synagoge Friedberger Anlage 5–6, Frankfurt a. M. (D) / Sanierung / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 23, 7, p. 255–272 / siehe S. 47.
Synagoge emigrier ter Juden aus Österreich, New York (USA, NY) / nicht näher bekannte Planung oder Baumaßnahme vermutlich für die Synagoge im Haus 92nd Street, Broadway / keine Pläne im Nachlass.
1930 Hauptsynagoge in Mannheim (D), F 2, 13–15 / Ausbau / Projekt / Pläne im LBI: FN 13, 4, p. 33–35.
1930 Synagoge in Zürich (CH), Lavaterstraße / Projekt (Wettbewerb) / Pläne und Modellfotos im LBI: FN 6, 7, p. 139– 155; FN 23, 6, p. 245–252 / siehe S. 74 f., Abb. 90–92.
1946 –1950 Synagoge Congregation Sons of Israel, Woodmere (USA, NY), 107 Irving Place / Ausbau und Erweiterung / gemeinsam mit Eugene Schoen & Sons / Gebäude erhalten / Pläne im LBI: FN 16, 4, p. 472; FN 17, 3, p. 216–219, 228 f.; FN 22, 2, p. 183 / siehe S. 102–104, Abb. 115–117, 165 f.
167
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k 1947–1948
1954
Synagoge Congregation Beth Hillel, New York (USA, NY), 571 West 182th Street / Umbau eines ehem. Postgebäudes / Gebäude erhalten / heutiger Supermarkt / Pläne im LBI: FN 16, 3, p. 407, 437 f. / siehe S. 105.
Bayswater Jewish Center, Far Rockaway (USA, NY), 10–65 Dickens Avenue / Umbau und Erweiterung / Realisierung nicht nachgewiesen / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 120.
1956 1949 –1950 Synagoge Congregation Ahavath Torah in New York (USA, NY), 23 For t Washington Avenue / Umbau eines Theaters / Gebäude erhalten, heute Kirche einer Baptistengemeinde / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 106 f., Abb. 118 f., 160 f.
Congregation Beth Thora, Orange (USA, NJ), 270 Raynolds Terrace / Aus- und Umbau / Gebäude erhalten, heute Kirche einer AdventistenGemeinde / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 120.
1957 1949 –1955 Synagoge Congregation Habonim, New York (USA, NY), 42–48 West 66th Street / Projekt / Pläne im LBI: FN 13, 2(b), p. 495 f., 545; FN 13, 3, p. 2–30; FN 25, 1, p. 168; FN 27, 1, p. 2 / siehe S. 108–110, Abb. 121 f.
1951 –1953 United Jewish Center, Danbury (USA, CT), 141–145 Deere Hill Avenue / Projekt / Pläne im LBI: FN 17, 2, p. 150–189 / siehe S. 112 f., Abb. 123.
1953 Torah Israel Community Center, New York (USA, NY), 60 Brighton 11th Street / Projekt / Pläne im LBI: FN 16, 3, p. 180–183, 225 / siehe S. 113 f., Abb. 124.
1953 –1957 Jewish Community Center, White Plains (USA, NY), Soundview Avenue / Umbau und Erweiterung / Gebäude stark umgebaut erhalten / Pläne im LBI: FN 17, 2, p. 149; FN 25, 1, p. 170, 183 / siehe S. 114–117, Abb. 125–128.
1955 Temple de Hirsch, Seattle, Washington (USA, WA), 15th Avenue, Union Street / Erweiterung und Neubau / Projekt / Pläne im LBI: FN 22, 2, p. 197, 199 / siehe S. 117–119, Abb. 129 f.
Um 1950 Sherman Avenue Synagogue (Congregation Mount Sinai), Jersey City (USA, NJ), 128 Sherman Avenue / Ausbau, Sanierung / Gebäude erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 120.
168
Princeton Jewish Center, Princeton (USA, NJ), 435 Nassau Street / Aus- und Umbau / Gebäude erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 120.
1959 Temple Beth Sholom, Flushing (USA, NY), 171–39 Nor thern Boulevard / Erweiterung / Gebäude erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 120.
1959 Temple Beth El, Utica (USA, NY), 2710 Genesee Street / Aus- und Umbau / Gebäude erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 120.
1956 –1960 Gemeindezentrum Mishkan Israel, Hamden (USA, CT), 785 Ridge Road / Neubau / Gebäude erhalten / Pläne im LBI: FN 15, 2, p. 306–313; FN 19, p. 302–356; FN 20, p. 358–453; FN 22, 2, p. 200–205 / siehe S. 125–127, Abb. 136–139, 167–172.
1957–1961 Gemeindezentrum B’Nai Jacob, Woodbridge (USA, CT), 75 Rimmon Road / Neubau / Fer tigstellung durch Ber tram L. Bassuk / Gebäude erhalten / Pläne im LBI: FN 17, 3, p. 193–198; FN 21, p. 23–159 / siehe S. 128 f., Abb. 140–142, 173–177.
Innenausstattungen 1912 Entwürfe für die Möbelfabrik Trier in Darmstadt (D) / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 12.
1953
1913/1914
Congregation Ohab Zedek, New York (USA, NY), 118–124 West 95th Street / Ausbau, Sanierung / Gebäude erhalten / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 120.
Entwürfe für die Darmstädter Herd- und Emaillierfabrik in Darmstadt (D) / keine Pläne im Nachlass / siehe S. 12.
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k 1920 –1960
Verzeichnis der Orte
Entwürfe für Möbel und andere Innenausstattungen. Hinweis Im Nachlass finden sich zahlreiche Entwürfe für Innenausstattungen, vor allem für Möbel, häufig auch für Lampen (u.a. im LBI: FN 11, 4, p. 422–436). Die meisten dieser Entwürfe sind Bestandteile der Bauplanungen, andere sind davon unabhängige Auftragsarbeiten. Auf die Aufzählung dieser Entwürfe wird hier verzichtet.
Sonstiges
Das folgende Verzeichnis berücksichtigt alle im Werkverzeichnis genannten Objekte mit ihren Planungsund/oder Baudaten. Weitere Angaben (zum Beispiel, ob es sich um Neu-, Aus- oder Umbauten oder nicht realisier te Projekte handelt) finden sich im Werkverzeichnis. Seitenangaben und Abbildungsnummern beziehen sich auf Teil 1 dieses Buches. Aschaffenburg (D) Villa Ludwig Mayer, Ziegelbergstraße 5, 1927–1928, S. 36, Abb. 31 f.; Kaufhaus Mathias Löwenthal, Herstallstraße 17, 1929–1930, S. 67 f., Abb. 75.
1920er Jahre Kriegsgefangenen-Denkmal, ohne Or tsangabe / Projekt / Plan im LBI: FN 39, p. 233.
Bad Ems (D) Israelitische Lehrerheim, Römerstraße 89, 1935, S. 84.
1928
Bad Homburg (D) Nudelfabrik, heutige Frankfur ter Landstraße 1–7, 1924–1926, S. 26.
Clubhaus Gesellschaft der Freunde, Frankfur t a. M. (D), Eschenheimer Anlage 35 / Umbau und Möbel / Gebäude nicht erhalten / Pläne im LBI: FN 14, 10, p. 97–116 / siehe S. 70 f., 88.
1930 Reisinger-Brunnen, Wiesbaden (D), Bahnhofsvorplatz / Projekt (Wettbewerb) / Pläne im LBI: FN 23,13, p. 325, 327–331; FN 29, p. 222, 226; FN 35, p. 82, 89, 92; FN 37, p. 177, 184; FN 39, p. 222, 226, 234; Modellfoto im LBI: FN 6, 15, p. 581 / siehe S. 73 f., Abb. 88 f.
1955 –1959 National Shrine for Jewish War Dead, Washington D. C. (USA), 1712 New Hampshire Avenue / Ausbau des Geschäftshauses der Jewish War Veterans / Gebäude mit neuer Nutzung erhalten / Pläne in FN 16, 2, p. 465, 475, 533, 542 / siehe S. 120.
Berlin (D) Erbbegräbnisanlage, jüdischer Friedhof Weißensee, 1920, S. 16–18, Abb. 6 f.; Grabdenkmal, 1920, S. 18; Paragon Kassenblock AG, 1920/1921, S. 18; Haus Knesebeckstraße 47–48, 1920/21, S. 20; Hutgeschäft Lützowstraße, 1920/21; S. 20; Kaufhaus N. Israel, 1920/1921, S. 18; Kleiderfabrik Stern & Co., Jerusalemer Straße 60–65, 1920/1921, S. 20; Haus Bendlerstraße 8 mit Wohnungen DeutschFuchs und Prof. Ochs, 1922, S. 20, Abb. 8; Modehaus Geschwister Gutmann, Prinzenstraße 8, 1928, S. 66, Abb. 73. Bielefeld (D) Kaufhaus Gebr. Alsberg, 1932, S. 69, 76; Wohnung Dr. Michel, 1932.
1958 Skulpturenhof Jüdisches Museum und Jewish Theological Seminary of America, New York (USA, NY), 5th Avenue, Manhattan / Neubau / Projekt / Realisierung nicht nachgewiesen / Plan im LBI: FN 22, 2, p. 186 / siehe S. 120.
Bingen (D) Wohnung Familie Brück, um 1920; Villa Moller-Racke, Am Rochusweg, 1924, S. 24, Abb. 13 f.; Grabstein Heinrich Lorch, 1926; Haus Oskar Meyer, 1926; Kaufhaus E. Schiffmann, Salzstraße 22, 1928–1929, S. 67, Abb. 74; Bahnhofshalle, 1929, S. 69; Haus E. Schiffmann, Hohenschuh, 1929; Wohnung R. Stern, Mainzerstraße 72, 1930; Haus Paul Meyer, Gaustraße 29, 1931; Wohnung Otto Mayer, 1931; Haus S. Seligmann, 1931; Grabstein Moritz Meyer, 1934; Trauerhalle des jüdischen Friedhofs, Waldstraße, 1935, S. 83. Bochum (D) Rathaus, 1925, S. 32 f., Abb. 24 f.
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L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k Chicago (USA, IL) Firmengebäude Har tz Mountain Products Co., 1952– 1954, S. 123 f., Abb.135. Danbury (USA, CT) United Jewish Center, 141–145 Deere Hill Avenue, 1951–1953, S. 112 f., Abb. 123. Darmstadt (D) Kaufhaus Guggenheim & May, um 1920, S. 18; Lagerhalle Lippmann May, um 1920, S. 18; Jüdisches Gemeindehaus, Friedrichstraße, 1934, S. 82 f., Abb. 101. Denville (USA, NJ) Har tz Mountain Products Co., um 1955, S. 124. Eschwege (D) Jüdische Schule, 1927, S. 47 f.; Strickwarenfabrik L. S. Brinkmann AG, Friedrich-Wilhelm-Straße 40–42, 1934–1935, S. 81, Abb. 100. Far Rockaway (USA, NY) Bayswater Jewish Center, 10–65 Dickens Avenue, 1954, S. 120. Flemington (USA, NJ) Hunter Douglas Corporation, 1951. Flushing (USA, NY) Temple Beth Sholom, 171–39 Nor thern Boulevard, 1959, S. 120. Frankfurt a. M. (D) Lebensmittelgroßhandlung Carl Fröhling AG, 1922/ 1923, S. 2; Villa Josef Levi, Zeppelinallee, HansSachs-Straße, 1923, S. 23 f., Abb. 11 f.; Villa Moritz May, heutige Kennedyallee 49, 1923–1924, S. 21–23, Abb. 9 f., 152; Haus Friedrichstraße 14, 1924; Mietshaus, 1924–1925, S. 25 f., Abb. 16; Villa Hirsch, Cronstettenstraße 14, 1924–1925, S. 24 f., Abb. 15; Kaufhaus Wronker, Zeil 101–105, 1925–1928, S. 65 f., Abb. 72; Neuer Jüdischer Friedhof, Eckenheimer Landstraße, 1925–1929, S. 28–30, 38–44, Abb. 17–21, 34–41, 144–149; Jüdischer Friedhof Rat-Beil-Straße, 1925– 1926; Strumpfhaus Metzger, Kaiserstraße 75, 1925– 1927, S. 69, Abb. 77; Grabstein Fritz Klein, 1926; Haus Adolf Beckhardt, Mozar tplatz 22, 1926, S. 34; Haus Bloch, Bockenheimer Landstraße, 1926; Haus Enric Lupescu, Georg-Speyer-Straße 47, 1926, S. 34 f., Abb. 27, 150 f.; Synagoge am Börneplatz, 1926, S. 47; Villa Ludwig Beckhardt, Cronstettenstraße, 1926, S. 34, Abb. 26; Wohnung Adler, Bettinaplatz 64, 1926; Wohnung Levy, Parkstraße 4, 1926; Wohnung Reichen-
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bach, Feuerbachstraße, 1926; Friedhof der Israelitischen Religionsgesellschaft, Gießener Straße, 1926, 1933, S. 45 f., Abb. 35, 44–47; Haus und Wohnung Dr. Samuel, Grüneburgweg 6, 1926–1927; Villa Rudolf Raabe, Holzhausenstraße 6, 1926–1927, S. 36, Abb. 30; Privatklinik Dr. Max Mainzer, Neckarstraße 5, 1926–1928, S. 70; Doppelhaus Enric Lupescu und Dr. E. Keil, Georg-Speyer-Straße 61–63, 1926– 1929/1931, S. 34 f., Abb. 28 f., 150 f.; Atelier und Wohnung Fritz Nathan, Neue Mainzerstraße 58, 1926–1933, S. 27; Haus Beifus, Seilerstraße 10, 1927; Kaufhaus David Bonn, 1927; Modehaus Geschwister Gutmann, Liebfrauenberg 39, Neue Kräme, 1927, S. 66; Wohnung Caspari, 1927; Modehaus Geschwister Gutmann, Große Friedbergerstraße 22, 1927–1928, S. 66; Clubhaus Gesellschaft der Freunde, Eschenheimer Anlage 35, 1928, S. 70 f., 88; Grabstein Familie Meyer-Gutheim, 1928; Haus Philippsohn, Feldbergstraße, 1928; Israelitisches Krankenhaus, Röderbergweg 97, 1928, S. 47; Jüdische Haushaltungsschule, Königswar ter Straße 20, 1928, S. 47; Jüdisches Kinderhaus, Hans-Thoma-Straße 24, 1928, S. 47; Kaufhaus Woolwor th, Zeil 90–94, Brönnerstraße, 1928–1929, S. 69, Abb. 78; Kino Universum im Kaufhaus Woolwor th, Zeil 90–94; Brönnerstraße, 1928–1929, S. 69, Abb. 78; Teppich- und Gardinenhaus J. Brumlik, Neue Kräme 28–30, Ziegelgasse 7–9, 1928–1929, S. 68 f., Abb. 76; Fruchthof, Honsellstraße, Mayfahr tstraße, um 1928, S. 71, Abb. 80–82; Kaufhaus Hansa, 1929, S. 69; Kino am Kaiserplatz, 1929, S. 69; Grabstein Carola (Karla) Nassauer, 1929; Synagoge Friedberger Anlage 5–6, 1929, S. 47; Wohnung Buseck, Dantestraße, 1929; Wohnung Consul Erich Mokrauer, 1929; Villa Richard Eisemann, Zeppelinallee 89, 1929–1930, S. 37 f., Abb. 33; Geschäftshaus mit Autoschauhalle, Kaiserstraße 16, Kirchnerstraße 3, 1930, S. 69; Haus Cohn, Fürstenbergerstraße 45, 1930; Haus Stern, Friedberger Anlage 22, 1930; Sarotti-Filiale, S. 69, 1930; Wohnung im Haus W. Nathan, Schumannstraße 23, 1930; Teppich- und Gardinenhaus Brumlik, Liebfrauenstraße 1–3, 1930–1931, S. 68; Israelitisches Krankenhaus, Röderbergweg 97, 1930–1931, um 1935, S. 47; Metallwarenfabrik Carl Beyer & Comp., Sandweg 66, 1930–1937; Ausstellungsraum Textilhandlung Moritz Sternberg, 1931, S. 69; Grabstein Dr. Sigmund Eulau, 1931; Grabstein Hermann Levy, 1931; Grabstein Gerda Rosenstock, 1931; Tack-Schuhgeschäft, 1931, S. 69; Wohnung Sontheimer, Eschenheimer Anlage 31A, 1931; Haus Eschersheimer Landstraße 67, 1932; Haus Freiherr-von-Stein-Straße 9, 1932; Haus Liebigstraße 9, 1932; Haus Löwenthal, Langestraße 20, 1932; Haus Eichendorffstraße, 1932, S. 78; Haus Schumannstraße 10, 1932; Remise und Stallungen
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k Bockenheimer Landstraße 37, 1932; Wohnung Direktor Hugo Hecht, Hamannstraße 1, 1932; Wohnung Dr. Landauer, Savignystraße 76, 1932; Wohnung Prof. Dr. Strupp, Schumannstraße 10, 1932; Kaufhaus Wronker, Bockenheim, Leipziger Straße 47–51; Kurfürstenstraße 1–3, nach 1925, vor 1933, S. 66; Kaufhaus Wronker, Sachsenhausen, nach 1925, vor 1933, S. 66; Garage Henry Rothschild, Schumannstraße 10–16, 1933; Grabstein Lucy Mainzer, 1933; Grabstein Willy Wolff, 1933; Haus Beethovenstraße 13, 1933; Haus Beethovenstraße 27, 1933; Haus Beethovenstraße 46, 1933; Haus Bockenheimer Landstraße 107, 1933; Haus Friedensstraße 8, 1933; Haus Guiollettstraße 21, 1933; Haus Guiollettstraße 55, 1933; Haus Mendelssohnstraße 37 mit Wohnung Dr. Hahn, 1933; Haus Schumannstraße 53, 1933; Haus Taunusanlage 10, 1933; Möbelgeschäft Kaiserkeller, 1933, S. 82; Schuhfabrik J. u. C. A. Schneider, Mainzer Landstraße 281–285, 1933, S. 81, Abb. 99; Wohnung Dr. Hahn, Schumannstraße 22, 1933; Geschäftsräume Bankhaus Erlangers Ltd., Neue Mainzer Landstraße 225–227, 1933–1938, S. 82; Lagerhalle Firma Jacob Dreifuß, Osthafen, um 1933, S. 82; Garage Mainzer Landstraße 225–227, 1934; Grabstein Jennie Strauss, geb. Bendheim, 1934; Haus Bacher, Freiherr-von-Stein-Straße 23, 1934; Haus Beethovenstraße 30, 1934; Haus Keller, Grafenstraße 160, 1934; Haus Liebigstraße 35, 1934; Haus Mendelssohnstraße 47, 1934; Haus Schaumainkai 55, 1934; Haus Winger tstraße 14, 1934; Grabstein Willi Wolf, 1934; Wohnung Dr. Bock, Klettenbergstraße 18, 1934; Wohnung Haus Zeppelinallee 4, 1934; Ausstellungsraum Butzke AG, S. 82, 1935; Doppelhaus Ringelstraße 27, 1935; Haus Richard Sontheimer, Broßstraße 4–6, 1935; Haus W. Nathan, Schumannstraße 23, 1935; Haus Wiesenau 10, 1935; Lederfabrik Epstein, Niederrad, 1935, S. 82; Wohnung Dr. Edith Rosenzweig, Eysseneckstraße 16, 1935; Wohnung Dr. Gottschalk, Rheinstraße 5, 1935; Wohnung Dr. Gundersheimer, 1935; Wohnung Dr. Mannheim, Bockenheimer Landstraße 72, 1935; Zweifamilienhaus Neumann-Mayer, Ludolfusstraße, 1935; Garage Bettinastraße 39, 1936; Haus Taunusanlage 15, 1936; Wohnung Dr. Julius Weiler, 1936; Theatersaal des Jüdischen Kulturbunds, 1936–1937, S. 88; Grabstein Fanny Blau, 1937; Philanthropin, Hebelstraße 15–17, 1937, S. 47; Kleiderfabrik Fritz Vogel, heutige Emil-Sulzbach-Straße, 1937–1938, S. 82; Damenkonfektionshaus Wagener & Schlötel, 1937– 1938, S. 82; Wohnung Trier, Keßlerstraße 8, 1937– 1938; Haus Dantestraße, vor 1938, S. 34; Haus Mertonstraße 5, vor 1938, S. 34; Wohnung Haus Dr. Stern, Ulmenstraße, vor 1938; Wohnung W. Wer theimer, Schumannstraße 61, vor 1938.
Friedberg (D) Synagoge, Judengasse 4, 1932, S. 48; Jüdischer Friedhof, Ockstädter Straße, 1933, S. 48, Abb. 48. Hamden (USA, CT) Gemeindezentrum Mishkan Israel, 785 Ridge Road, 1956–1960, S. 125–127, Abb. 136–139. Hanau (D) Kaufhaus Wronker, heutiger Freiheitsplatz, 1928– 1929, S. 64 f., Abb. 70 f. Heidelberg (D) Zigarrenfabrik Hochherr, Kaiserstraße 78, 1927– 1929, S. 61–64, Abb. 65–69; Haus Landfriedstraße 14, 1933, Abb. 153 f. Höchst a. M. (D) Schuhfabrik Ada-Ada, Adolf-Häuser-Straße, 1930, S. 69 f., Abb. 79. Hofheim am Taunus (D) Kindererholungsheim, Kapellenstraße 12, 1927–1928, S. 48. Jersey City (USA, NJ) Sherman Avenue Synagoge, um 1950, S. 120. Kassel (D) Pädagogische Akademie, Regentenstraße, Heerstraße, 1931, S. 72 f., Abb. 86 f. Königstein im Taunus (D) Villa Hermann Wronker, Königstein im Taunus, Rombergweg 4, 1927, S. 66. Konstanz Synagoge, Sigismundstraße, 1937, S. 88. Luray (USA, VA) Sommerresidenz E. D. Herzberg, 1941–1943, S. 97. Luxemburg (LUX) Geschäftshaus Fourrures Jenny, Grand-Rue 9–11, 1932–1933, S. 78 f., Abb. 97 f.; Grabstein Elsa Heimann, 1933; Ladengeschäft Her tz-Grünstein, Rue de Fossé, 1936, S. 79; Wohnung Her tz-Grünstein, 1936, S. 79. Mainz (D) Grabstein Lorsch, 1926.
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L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k Mannheim (D) Handelskammer, M 6, 1925, S. 31 f., Abb. 23; Grabstein Familie Freiberg, geb. Jeselsohn, 1926; Grabstein Jüdel, 1926; Einsegnungshalle, Jüdischer Friedhof, Röntgenstraße, 1926–1927, S. 49; Grabsteinfundamente für den Jüdischen Friedhof, Röntgenstraße, 1926–1927, S. 49; Hutgeschäft Samt und Seide GmbH, N 7, 4, 1926–1927, S. 53–55, Abb. 55–58; Großgarage, Rheinhäuser Straße 24–30, 1928, S. 72, Abb. 83–85; Deutsches Beamtenwarenhaus DEBEWA, N 7, 3, 1928–1929, S. 55–59, Abb. 58–62; Kino Universum im Deutschen Beamtenwarenhaus DEBEWA, N 7, 3, 1928–1929, S. 60 f., Abb. 61, 63 f.; Lemle-Moses-Claus-Synagoge, F 1, 11, 1928–1929, S. 49; Israelitisches Altersheim, heutige Bassermannstraße, 1928–1931, S. 49–52, 86–88, Abb. 49–54, 108 f.; Abb. 179–186; Israelitisches Krankenhaus, 1929, S. 52, Abb. 54; Grabstein Familie Meyer-Gerngross, 1930, S. 45, Abb. 43; Hauptsynagoge, F 2, 13–15, 1930; Kaufhaus Wronker, E 1, nach 1925, vor 1933, S. 66; Israelitisches Krankenhaus, heutige Bassermannstraße, 1935–1936, S. 86–88, Abb. 108 f. New Haven (USA, CT) Jewish Community Center Health Club, 1958, S. 120, Abb. 131. New Hyde Park (USA, NY) Hunter Douglas Corporation, Nassau Terminal Road, 1946–1947, S. 121 f. New York City (USA, NY) Kew Gardens Jewish Center, Talbot Street, 84th Avenue, 83rd Drive, 1941–1944, S. 98 f., Abb. 111 f.; Büroräume Speed Products, 78–18 Nor thern Boulevard, 1942, S. 97; Hauptsynagoge, 652 Lexington Avenue, East 55th Street, 1942; Synagoge K’Hal Adath Jeshurun, 90 Bennett Avenue, 1942, S. 9, Abb. 110; Büroräume Bears, Stearns & Co., Wallstreet 1, um 1942, S. 97; Geschäftsräume Paragon Paints, 46th Avenue 549, um 1942, S. 97; Synagoge emigrier ter Juden aus Österreich, 92nd Street, Broadway 1943; Geschäftshaus Har tz Mountain Products Co., 34–50 Cooper Square; 1944–1945, 1955–1959, S. 123, Abb. 134, Abb. 162–164; Ladengeschäft Bernath & Co., 28 East 56th Street, 1944–1949, S. 100–102, Abb. 113 f.; Haus Henry Sonnenberg, 4503 Fieldstone Road, 1946; Altersheim B’Nai B’rith, Leo Baeck Lodge, 456 West, 20th Street, 1946–1947; Büroräume für Hunter Douglas Corporation, 150 Broadway, 1946–1950, S. 121 f.; Synagoge Congregation Beth Hillel, 571 West 182th Street, 1947–1948, S. 105; Synagoge Congregation Ahavath Torah, 23 For t Washington
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Avenue, 1949–1950, S. 106 f., Abb. 118 f., Abb.160 f.; Synagoge Congregation Habonim, 42–48 West 66th Street, 1949–1955, S. 108–110, Abb. 121 f.; Medical Building, 225 Middle Neck Road, Great Neck, 1952; Jewish Community School, 110 Manhattan Avenue, 1952, 1954, 1956–1958, S. 120; Büroräume für Zionist Organization of America, 145 East 32nd Street, 1953, S. 120; Central Queens Medical Group, Health Center Queens, 108–43 71st Avenue Forest Hills, Queens Boulevard, 1953; Congregation Ohab Zedek, 118–124 West 95th Street, 1953, S. 120; Firmengebäude Cutting room Appliances Corporation, Woodside, Long Island, 71th Street, 1953; Torah Israel Community Center, 60 Brighton 11th Street, 1953, S. 113 f., Abb. 124; Büroräume für American Federation of Jews from Central Europe, 77th Street, 1954, S. 120; Büroräume für National Jewish Welfare Board, 145 East, 32nd Street, 1954, S. 120; Apar tmenthaus 222 Columbia Heights, 1957, S. 121 (Anm. 467); Skulpturenhof des Jüdischen Museums und des Jewish Theological Seminary of America, 5th Avenue, 1958, S. 120. Nürnberg (D) Kaufhaus Wronker, nach 1925, vor 1933, S. 66. Oberwesel (D) Grabstätte Familie Seligmann, 1933. Offenbach a. M. (D) Jüdische Schule, Kaiserstraße, Goethestraße, 1934– 1937, S. 83, Abb. 102. Orange (USA, NJ) Congregation Beth Thora, 270 Raynolds Terrace, 1956, S. 120. Paramus (USA, NY) Friedhof und Gedenkstätte der Congregation Habonim, Erinnerungshain Europäischer Juden, Cedar Park Cemetery, 735 Forest Avenue, 1946–1949, S. 107 f., Abb. 120. Princeton (USA, NJ) Princeton Jewish Center, 435 Nassau Street, 1957, S. 120. Riverside (USA, CA) Firmengebäude Hunter Douglas Corporation, Kansas Avenue, 1949, S. 122, Abb. 132. Rosewill (AUS) Firmengebäude Hunter Douglas Corporation, Barcoo Street 30–32, 1952–1954, S. 122 f., Abb. 133.
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k Rotterdam (NL) Haus F. Blankenstein, Heemraadssingel 38, 1927, S. 34. Rüsselsheim (D) Opel-Reklameturm, 1927, S. 70. Saarbrücken (D) Grabstätte Paul Weil, 1925; Grabstätte Moritz Weil, 1929. Seattle (USA, WA) Temple de Hirsch, 15th Avenue, Union Street, 1955, S. 117–119, Abb. 129 f. St. Ingbert (D) Bezirkskrankenhaus, 1925, S. 30 f., Abb. 22. St. Thomas (CAN, ON) Har tz Mountain Products Co., 1125 Talbot Street, 1955, S. 124. Stuttgart (D) Modehaus Geschwister Gutmann, Eberhardstraße 10, 1927, S. 66; Jüdischer Friedhof, Bad Cannstatt, Ziegelbrennerstraße, 1935–1937, S. 85 f., Abb. 104–107, Abb. 157; Mikwe, Hospitalstraße, 1937, S. 88.
Worms (D) Beamtenwohnhäuser, 1920/1921, S. 18; Grabstein Hermann und Regina Her tz, 1929, 1931. Zürich (CH) Synagoge, Lavaterstraße, 1930, S. 74 f., Abb. 90–92; Trauerhalle, jüdischer Friedhof Binz-Witikon; 1934, S. 84, Abb. 103. Bauten und Projekte ohne Ortsangabe Kriegsgefangenen-Denkmal, 1920er Jahre; Grabstein Mathilde May, 1924; Grabstein Lachs, 1928; Wohnung Goldschmidt, 1930–1933; Stadtrandsiedlung, um 1930, S. 76 f., Abb. 93 f.; Grabstein Dr. Homburger, 1931;Einfamilienhaus, 1931, S. 77 f., Abb. 96; Fabrikanlage,1932, S. 70; Reihenhaus, 1932, S. 77 f., Abb. 95; Wohnung Becker, 1937; Grabstein Ferdinand Nathan, 1934; Grabstein Dr. Max Bestel, vor 1938; Grabstein Professor Baginsky, vor 1938; Grabstein Reitz, vor 1938; Grabstein Charles Cohen,1950.
Veröffentlichungen und Austellungsbeiträge 1929
Utica (USA, NY) Temple Beth El, 2710 Genesee Street, 1959, S. 120. Washington D. C. (USA, WA) National Shrine for Jewish War Dead, 1712 New Hampshire Avenue, 1955–1959, S. 120. White Plains (USA, NY) Jewish Community Center, Soundview Avenue, 1953–1957, S. 114–117, Abb. 125–128; Haus Ernest Feist, 8 Church Cour, 1955; „Plaza Commerce Building“, Depot Plaza, Orawaupum Street, 1956.
Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfur t am Main, 8. Jg., Nr. 2 und 3, Okt.–Nov. 1929, S. 67–70: Fritz Nathan, Der neue Friedhof [Neuer Jüdischer Friedhof in Frankfur t a. M.].
1930 Zentralblatt der Bauverwaltung, Nachrichten der Reichsund Staatsbehörden, hrsg. vom Preußischen Finanzministerium, Berlin (Hackebeil A.–G.), 50. Jg., Nr. 36, 10.9.1930, S. 629–634: Fritz Nathan, Geschäftshausgruppe Mannheim.
1930 Wiesbaden (D) Reisinger-Brunnen, Bahnhofsvorplatz, 1930, S. 73 f., Abb. 88. f.; Kamerafabrik Wirgin, Dotzheimer Straße 172; 1938, S. 82.
Die Baugilde – Baukunst, Bauwir tschaft, Bautechnik, Zeitschrift des Bundes Deutscher Architekten, Berlin (Pusch), 12. Jg., Nr. 17, Sept. 1930, S. 1602–1604: Fritz Nathan, Kaufhaus Wronker Hanau, Baubeschreibung des Architekten.
Woodbridge (USA, CT) Gemeindezentrum B’Nai Jacob, 75 Rimmon Road, 1957–1961, S. 128 f., Abb. 140–142, Abb. 173–177.
1930
Woodmere (USA, NY) Synagoge Congregation Sons of Israel, 107 Irving Place, 1946–1950, S. 102–104, Abb. 115–117, Abb. 165 f.; Brandeis School der Congregation Sons of Israel, 111 Irving Place, gegen 1959, S. 120.
1930
Ebd., 12. Jg., Nr. 17, Sept. 1930, S. 1604–1609: Fritz Nathan, Geschäftshausgruppe Mannheim, Baubeschreibung des Architekten.
Ebd., 12. Jg., Nr. 17, Sept. 1930, S. 1784–1787: Fritz Nathan, Israelitischer Friedhof in Frankfur t a. M.
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L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k 1931
1958
Israelitisches Gemeindeblatt, offizielles Organ der israelitischen Gemeinden Mannheim und Ludwigshafen, Badisches Gemeindeblatt, 9. Jg., 27.3.1931, Fritz Nathan, Das neue Israelitische Altersheim.
Ausstellungsbeitrag [Jewish Community Center, White Plains]: God and Man in Ar t, Wanderausstellung des American Federation of Ar ts, 2.3.1958–29.3.1959, Stationen: Museum of Fine Ar ts, Houston, TX, Canton Institute of Ar ts, Canton, OH, Addison Gallery of Contemporary American Ar t, Andover, MA, J. B. Speed Museum, Louisville, KY, Cincinnati Ar t Museum, Cincinneti, OH, Joslyn Ar t Museum, Omaha, NE, Purdue University, Lafayette, IN, Pennsylvania State University, University Park (PA), Syracuse Museum of Fine Ar ts, Syracuse, NY, Washington County Museum, Hagerstown, MD.
1931 Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau, Berlin, Wien, Zürich (Ernst Wasmuth), 15. Jg., 1931, H. 3, S. 109–112: Fritz Nathan, Ein Fabrikbau [Zigarrenfabrik in Heidelberg].
1931 Ausstellungsbeitrag [Neuer Jüdischer Friedhof, Frankfur t a. M.]: Deutsche Bauausstellung Berlin 1931, 9.5. –2.8.1931, Abteilung 1 B „Das Bauwerk unserer Zeit“, Ausstellung des Bundes Deutscher Architekten BDA. Katalog: Deutsche Bauausstellung Berlin 1931, 9. Mai–2. August, Amtlicher Katalog und Führer, hrsg. vom Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-Amt der Stadt Berlin, Berlin (Bauwelt-Verlag und Ullsteinhaus) 1931, S. 156.
1932 Ausstellungsbeitrag [Einfamilienhaus]: Billige Häuser zu festen Preisen, Ausstellung des Bundes Deutscher Architekten in Frankfur t a. M, 23.3. – 24.4.1932. Begleitheft: BDA Ausstellung Billige Häuser zu festen Preisen, Frankfur t a. M. Kaiserstraße 6, 23. März bis 24. April 1932, S. 5.
1947 Ausstellungsbeitrag [Memorial Grove of European Jews]: Works of Contemporary Ar tists, Inaugural Exhibition, Jewish Museum, New York, NY, 1947. Katalog: Guido Schoenberger, Stephen S. Kayser, Inaugural Exhibition Jewish Museum, The Giving of the Law and the Ten Commandments, Jewish Ar t of Late Antiquity, Works of Contemporary Ar tists, the Torah in Synagogue Ar t, New York, NY (The Jewish Theological Seminary of America) 1947.
1960 Festschrift: Dedication Congregation Mishkan Israel, 1960, S. 16 f.: Fritz Nathan, A Note from the Architect [Mishkan Israel Synagogue in Hamden, Connecticut].
Werkbesprechungen Das folgende Verzeichnis berücksichtigt nur bauzeitliche Fachbeiträge und Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und Fachbüchern bis 1966.
1928 Deutsche Bauhütte, Zeitschrift der deutschen Architektenschaft, Hannover (Vinzentz), 32. Jg., H. 26, 12.12.1928, S. 400–401: Dr. H. D.[reyfuß], Neubau der „Samt und Seide G.m.b.H.“ in Mannheim, Architekt Regierungsbaumeister Fritz Nathan (Frankfur t a. M.).
1928 Der Stahlbau, Beilage zur Zeitschrift Die Bautechnik, Fachzeitschrift für das gesamte Bauingenieurwesen, Berlin (Ernst & Sohn), 1. Jg., H. 3, 4.5.1928, S. 45–47: Ludwig Wolff, Achtgeschossiges Geschäftshausgebäude für die Firma Samt & Seide G.m.b.H. Mannheim.
1947 Ausstellungsbeitrag [Jewish Community Center, White Plains]: The Patron Church, Ausstellung im Museum of Contemporary Crafts in New York, NY, 1947.
1928 Ebd., 1. Jg., H. 20, 28.12.1928, S. 243–244: R. Moosbrucker, Geschäftshaus-Neubau der Firma Hermann Wronker A.G., Hanau.
1954 Ausstellungsbeitrag [Sons of Israel Synagogue, Woodmere]: Jewish tercentenary – 300 years of american life. Ausstellung im Jewish Museum, New York, NY, 1. Dezember 1954 bis Mai 1955.
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1929 Der Stahlbau (a.a.O.), 2. Jg., H. 15, 26.6.1929, S. 172– 175: R. Moosbrucker, Das neue Geschäftshaus der „DEBEWA“ in Mannheim.
L e b e n u n d We r k i m Ü b e r b l i c k 1929
1930
Mein Heimatland, Badische Blätter für Volkskunde, ländl. Wohlfahr tspflege, Familienforschung, Heimatschutz und Denkmalschutz, Freiburg i. Br. (Rombach), 16. Jg., H. 7, Okt. 1929, S. 240: Ludwig Schmieder, Reklame und Heimatschutz [Zigarrenfabrik Hochherr].
Ebd., 44. Jg., 1930, H. 19, S. 429–431: Gebäude des Neuen Jüdischen Friedhofs in Frankfur t a. M. [im selben Jahr auch als Sonderdruck veröffentlicht].
1930 Kunst und Kirche, Zeitschrift des Vereins für religiöse Kunst in der evangelischen Kirche, hrsg. von Lic. Dr. Horn, Pfarrer in Berlin und Dr. Kur th, Kustos an den Staatlichen Museen Berlin, Berlin (Kunst und Kirche), 7. Jg., 1930, H. 2 und 3: Karl Schwarz, Jüdische Kultbauten, S. 89–92 [Bauten des jüdischen Friedhofs Frankfur t a. M.].
1930 Hans Herkommer, Kirchliche Kunst der Gegenwar t, Stuttgar t (Verlag Deutsche Bauten) 1930, S. 46–47 [Friedhof-Anlage Frankfur t a. M.].
1930 Gustav Adolf Platz, Die Baukunst der neuesten Zeit, Berlin (Propyläen-Verlag mit Zeitschrift Bauwelt) 1930, S. 76, 96, 229, 429, 435, 607 [Kino Universum Mannheim, Geschäftsbauten in Frankfur t a. M., Hanau und Mannheim, israelitischer Friedhof in Frankfur t a. M.].
1930 Menorah, Jüdisches Familienblatt für Wissenschaft, Kunst und Literatur, 8. Jg., Nr. 5 / 6, Wien-Berlin (Habrith-Verlags-Gesellschaft), Mai/Juni 1930, S. 233–238: Max Eisler, Der Friedhof in Frankfur t a. M.
1931
1930
1931
Der Stahlbau (a.a.O.), 3. Jg., H. 17, 22.8.1930, S. 193– 198: Prof. Dr. Brunner, Statische und konstruktive Betrachtungen über den Stahlskelettbau [S. 197: Geschäftshaus Samt & Seide, Mannheim].
Deutsche Bauzeitung (a.a.O.), 65. Jg., Nr. 39–40, 13.5.1931, S. 229–233: Dr. Karl Schwarz, Der Israelitische Friedhof in Frankfur t a. M.
Bau-Wettbewerbe, Karlsruhe (Braun), 69. Jg., H. 58, Jan. 1931, S. 19–21: Pädagogische Akademie in Kassel [Entwurf von Fritz Nathan und Carl Müller].
1931 1930 Deutsche Bauzeitung, DBZ, Berlin (Deutsche Bauzeitung), 64. Jg., Nr. 75–76, 17.9.1930, S. 529–534: Dr. Schürmeyer, Zwei Warenhausbauten [I. Geschäftshausgruppe Terra-A.-G., II. Warenhaus Wronker A.-G.].
Alfred Hawranek, Der Stahlskelettbau mit Berücksichtigung der Hoch- und Turmhäuser. Vom konstruktiven Standpunkte behandelt für Ingenieure und Architekten, Berlin, Wien (Julius Springer) 1931, S. 26 f., 53 f., 81, 100–103, 152, 203, 237 [Samt und Seide GmbH, Deutsches Beamtenwarenhaus, Kaufhaus Wronker].
1930 Stein Holz Eisen, Halbmonatsschrift für neue Bauwirtschaft und Baugestaltung, Frankfurt a. M. (Stein Holz Eisen Verlags-GmbH) 44. Jg., 1930, H. 8, S. 182: Aus der Frankfurter Nachbarschaft: Hanau [Kaufhaus Wronker].
1931 Paul Zucker und G. Otto Stindt: Lichtspielhäuser Tonfilmtheater, Berlin (Ernst Wasmuth AG) 1931, S. 18–23: D.B.W.-Universum, Mannheim, Architekt Fritz Nathan.
1930 Ebd., 44. Jg., 1930, H. 12, S. 268–270: Geschäftshäuser in Stahlskelettbau [Kaufhaus Hermann Wronker, Hanau].
1932 Der Stahlbau (a.a.O.), 5. Jg., H. 1, 8.1.1932, S. 8: R. Moosbrugger, Erweiterung des Kaufhauses Mathias Löwenthal in Aschaffenburg.
1930 Ebd., 44. Jg., 1930, H. 19, S. 419–427: Geschäftshausbauten von Reg.-Baum. Fritz Nathan, BDA, Frankfur t a. M. [1. Warenhaus Wronker, Hanau, 2. Geschäftshausgruppe in Mannheim mit Kino Universum].
1933 Nachrichten der Deutsche Linoleum-Werke A.-G., Bietigheim (Deutsche Linoleum-Werke), Sept. 1933, Nr. 23, S. 13 [Einsegnungshalle Frankfur t a. M.].
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Anmerkungen 1934 Adolf Schuhmacher, Ladenbau: Anordnung, Einbau und Ausgestaltung von kleinen und großen Läden in alten und neuen Häusern, Stuttgar t (Julius Hoffmann Verlag) 1934, S. 40, 120 f. [Kaufhaus Wronker, Hanau].
1935 Louis Parnes, Bauten des Einzelhandels und ihre Verkehrs- und Organisationsprobleme (Promotionsarbeit an der Technischen Hochschule Zürich), Zürich, Leipzig (Orell Füssli) 1935, S. 36, 46, 94, 144, 149, 153– 156, 158–160, 171, 203 [Kaufhaus Wronker, Hanau].
Zum Architektennachlass Der im Leo Baeck Institut in New York verwahr te Nachlass ist in folgendem elektronischen Findmittel verzeichnet: Guide to the Fritz Nathan (1891–1960) Collection, 1914–2000, AR 1443 / MF 533, processed by Frank Mecklenburg, reprocessed by Ron Axelrod and Dana Ledger. Das Findmittel sowie die Digitalisate der Fotografien, Pläne und Schriftstücke sind abrufbar über die Homepage des Leo Baeck Instituts oder direkt über folgende URL: http://findingaids.cjh. org/?pID=121504
1935 Philo-Lexikon, Handbuch des Jüdischen Wissens, Berlin (Philo-Verlag und Buchhandlung GmbH) Berlin 1935, S. 40 und Tafel 3 [Moderner Kultbau: Neuer Jüdischer Friedhof, Frankfur t a. M.].
1949 Aufbau, Reconstruction, An american weekly, New York (New World Club), Vol. 15, Nr. 25, 24.6.1949, S. 26: Guido Schoenberger, Grundsteinlegung einer Synagoge in Woodmere.
1949
Zu den Quellenangaben Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die Quellenangaben auf die digitale Version des Architektennachlasses im Leo Baeck Institut in New York. Nach den Kürzeln LBI (Leo Baeck Institute) und FN (Fritz Nathan Collection; AR 1443) wird zuerst die Nummer der Box und dann die des Folders genannt, ergänzend dazu die Seite (p.), auf der sich das jeweilige Dokument einsehen lässt.
New Yorker Staats-Zeitung und Herold, New York, 16.11.1949: Paul Zucker, Fritz Nathan vollendet modernen Ladenbau hier [Einzelhandelsgeschäft Bernath].
1952 Aufbau, Reconstruction (a.a.O), Vol. 18, Nr. 20, 9.5.1952, S. 6: G.[uido] S.[choenberger]: Die neue Synagoge der Habonim.
1954 Peter Blake, An American Synagogue for Today and Tomorrow, A Guide Book to Synagogue Design and Construction, New York (Union of American Hebrew Congregations) 1954, Plate IV: Sons of Israel Synagogue, Woodmere.
1958 Architectural Record, New York, NY (F. W. Dodge Corporation), Vol. 123, June 1958, S. 196–199: Jewish Community Center, White Plains, New York.
1966 Avram Kampf, Contemporary Synagogue Art. Developments in the United States, 1945–1965, Hrsg.:The Union of American Hebrew Congregations, Philadelphia (The Jewish Publication Society of America) 1966, S. 37 f., 53, 160 [Jewish Community Center, White Plains, B’Nai Jacob, Woodbridge, Temple Mishkan Israel, Hamden].
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Bildnachweis Die Por traitfotografien Fritz Nathans aus dem Privatbesitz Doris Nathans zeigen den Architekten im Jahr 1929 (S. 152) sowie um 1950 (S. 10 und S. 130). Wenn nicht anders angegeben, stammen alle anderen historischen Abbildungen aus dem Archiv des Leo Baeck Instituts in New York. Nicht in allen Fällen war es möglich, die Rechteinhaber von Abbildungen ausfindig zu machen. Berechtigte Ansprüche werden selbstverständlich im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.