Filioque: Geschichte und Theologie eines ökumenischen Problems 3525562071, 9783525562079

English summary: The history of the filioque controversy and its implications for contemporary dialogues between the Wes

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Filioque: Geschichte und Theologie eines ökumenischen Problems
 3525562071, 9783525562079

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V&R

BERND OBERDORFER

Filioque Geschichte und Theologie eines ökumenischen Problems

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Reinhard Slenczka und Gunther Wenz Band 96

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Oberdorf er, Bernd: Filioque: Geschichte und Theologie eines ökumenischen Problems / Bernd Oberdorfer. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2001 (Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie; Bd. 96) Zugl.: München, Univ., Habil.-Schr., 1999 ISBN 3-525-56207-1

© 2001 Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen. http://www.vandenhoeck-ruprecht.de Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen.

Vorwort

Der Versuch einer umfassenden Darstellung des Filioque-Problems mag als Ritt über den Bodensee erscheinen. Denn wer ihn unternimmt, dem tun sich unter der glatten Oberfläche sehr schnell die Abgründe einer unüberschaubaren Fülle der Aspekte und des historischen Materials auf, in der zumal der systematische Theologe zu versinken droht. Das rettende Ufer erreicht der Reiter freilich in diesem Fall nicht durch entschlossenes Wegschauen. Denn das Filioque-Problem ist ein besonders exponiertes Beispiel für die generelle Einsicht, daß systematische Theologie gerade durch Verzicht auf historische Vergewisserung .bodenlos' wird. Dem unvermeidlichen Dilemma, daß das Problem nicht ohne Entfaltung eines differenzierten Gesamtbildes seiner historischen Bedingungsfaktoren zu behandeln ist, daß diese Entfaltung aber von einem Einzelnen kaum aus eigenen Kräften geleistet werden kann, ist deshalb nur durch beherzten Mut zum historischen Überblick und zur Konzentration auf das Wesentliche zu begegnen. Wie anfechtbar das im einzelnen ist, ist dem Autor selbst vielleicht am deutlichsten bewußt. Die hier vorgelegte Studie ist im Sommersemester 1999 unter dem Titel „Filioque - Erinnerung an ein Problem" von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Habilitationsschrift für das Fach Systematische Theologie angenommen worden. Sie wurde für den Druck leicht überarbeitet. Ich habe vielfältige Unterstützung erfahren. Daß wissenschaftliches Arbeiten eines auch atmosphärisch förderlichen Umfelds bedarf, ist bekannt. Ich hatte das Glück eines solchen Umfelds. Herr Prof. Dr. Jan Röhls hat den Habilitanden von Anfang an ermutigt und am Wachsen der Arbeit mit Zuspruch und Rat lebhaften Anteil genommen; was akademische Freiheit im besten Sinne bedeuten kann, habe ich bei ihm erfahren. Herr Prof. Dr. Gunther Wenz hat auch nach seinem Wechsel von Augsburg nach München meinen Weg in vielfältiger Weise menschlich und fachlich gefördert. Beide haben zudem durch ihre Gutachten die Annahme der Arbeit ermöglicht. Ich danke ihnen von Herzen. Auch Herrn Prof. Dr. Dr. Michael Welker danke ich sehr dafür, daß er sich über viele Jahre hinweg nachhaltig für mich eingesetzt hat; sein Interesse und seine Anregungen haben mich auf der langen Wegstrecke in vielfacher Hinsicht bestärkt.

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Vorwort

Daß Herr Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf dem .geerbten' Assistenten den Freiraum gelassen hat, der nötig war, um die Arbeit fertigzustellen, vermerke ich dankbar. Den Herausgebern der „Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie", Herrn Prof. Dr. Reinhard Slenczka und Herrn Prof. Dr. Gunther Wenz, danke ich ftlr die Aufnahme in diese Reihe. Im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht wurde mir durchwegs das erfreuliche Gefühl vermittelt, willkommen zusein. Dr. Jörg Lauster (Mainz) und Peter Gemeinhardt (Marburg) haben weite Teile des Manuskripts gelesen; ich verdanke ihnen ermutigenden Zuspruch im allgemeinen und viele wertvolle Hinweise im einzelnen. Zitate und Belege zu kontrollieren ist ein undankbares Geschäft. Die studentischen Hilfskräfte Andrea Neß (Heidelberg), Katharina Dollinger und Mathias Wolfbeiss (Augsburg) haben es mit großem Engagement und erheblicher Akribie auf sich genommen. Ich danke ihnen herzlich. Zu danken habe ich ebenfalls dem Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, der mir durch ein Stipendium über finanzielle Engpässe hinweggeholfen und zudem für die Veröffentlichung einen Druckkostenzuschuß gewährt hat. Auch dem Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort schulde ich Dank; er hat die Drucklegung durch einen namhaften Förderungsbetrag großzügig unterstützt. Auf der zweiten Postgraduiertentagung des „Theologischen Arbeitskreises Pfullingen" konnte ich im November 1998 die These dieses Buches zur Diskussion stellen. Die sich daran anschließende Kontroverse - sie ist jetzt nachzulesen in MJTh XII, Marburg 2000, 117-186 - hat mich in dem Eindruck bestätigt, daß die Filioque-Frage keineswegs nur ,doxographisch' interessant, sondern geeignet ist, Debatten auszulösen, die wesentliche Aspekte aktueller Selbstverständigung über den christlichen Glauben betreffen. Daß die hier vorgelegte Untersuchung dazu anregt, solche Debatten weiterzuführen, ist mein Wunsch. Meine Eltern haben meinen Weg mit selbstverständlicher Loyalität und umstandsloser Hilfsbereitschaft begleitet. Ihnen sei dieses Buch gewidmet. Augsburg, im Oktober 2000

Bernd Oberdorfer

Inhalt

Einführung

11 Teil I: Die Voraussetzungen des

Filioque-Problems

1. Ansätze und Motive für die Ausbildung einer Trinitätslehre 1.0. Einleitung 1.1. Christus und Gott im Neuen Testament 1.2. Die Eigenständigkeit des Geistes 1.2.1. Der Geist ,an sich' 1.2.1.1. Die johanneischen Paraklet-Sprüche 1.2.1.2. Der „Geist aus Gott": 1 Kor 2,10-16 1.2.1.3. „Gott ist Geist": Joh 4,23f 1.2.1.4. „Der Herr ist der Geist": 2 Kor 3,17a 1.2.2. Die Heilsgegenwart des Geistes 1.2.2.1. Die pfingstliche Geistsendung: Act 2 1.2.2.2. Die Gemeinde als pneumatischer Leib Christi: 1 Kor 12 1.2.2.3. Christus als Geistträger - die Gemeinde als Geistträger 1.2.3. Geist, Gemeinde und Amt in den neutestamentlichen Schriften und im 2. Jahrhundert 1.2.4. Zusammenfassung 1.3. Die Avantgarde der Gotteslehre: Origenes 2. Die Entstehung des Trinitätsdogmas im 4. Jahrhundert 2.0. Einleitung 2.1. Das Nicänum und seine Probleme 2.1.1. Der Auslöser: Arius 2.1.2. Das Nicänum 2.2. Die grundlegende Weichenstellung: Athanasius 2.3. Die exemplarische Lösung: Die „großen Kappadoziei" 2.3.1. Basilius von Caesarea 2.3.2. Gregor von Nazianz 2.3.3. Gregor von Nyssa 2.4. Zusammenfassung 3. Das Nicäno-Constantinopolitanische Bekenntnis (NC) 3.1. Die Entstehung des NC 3.2. Die pneumatologischen Aussagen des NC

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Inhalt

4. Lateinische Trinitätstheologie: Augustinus 4.1. Der Hervorgang des Geistes in Augustins Explikation des nicänischen Trinitätsdogmas 4.2. Das Verhältnis von Sohn und Geist anhand von Augustins Trinitätsanalogien 4.3. Zusammenfassung

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Teil II: Entstehung und Geschichte des Filioque-Problems 1. Die Entstehung des Filioque 1.1. Frühe Ansätze 1.2. Die spanischen Synoden 1.3. Die Geschichte der Normativität des NC und das Filioque 1.4. Der Beginn der Filioque-Äbw/roverse im karolingischen Zeitalter 1.4.1. Die östliche Wahrnehmung des Filioque 1.4.2. Die Etablierung des Filioque in der karolingischen Zeit

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2. Die Filioque-Kritik des Patriarchen Photios 2.1. Das ,photianische Schisma' 2.2. Photios' „Mystagogia" 2.3. Die Wirkung des Photios

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3. Das Filioque im Hochmittelalter 3.1. Das Filioque in der westlichen Scholastik 3.1.1. Die Ereignisse von 1054 und ihre geschichtliche Bedeutung 3.1.2. Radikaler Augustinismus - Transformation des Augustinismus: Anselm von Canterbuiy 3.1.3. Augustinistische FrOhscholastik: Petrus Lombardus 3.1.4. Wirkmächtige Synthese: Thomas von Aquin 3.2. Die Filioque-Frage in byzantinischer Perspektive 3.2.1. West-östliche Verständigungsversuche - ein Überblick 3.2.2. Die Strukturbildung orthodoxer Theologie im Mittelalter 3.2.3. Väterhermeneutik 3.2.4. Rezeption und Abstoßung der Scholastik 3.2.5. Kulturelle Differenz und Ausdifferenzierung theologischer Stile

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4. Die gescheiterte Union: Ferrara und Florenz 1438/39 4.1. Hervorgangsfrage und Väterhermeneutik 4.2 Photianischer Protest: Markos Eugenikos 4.3. Die Frage des Bekenntniszusatzes

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Teil III: Das Filioque unter den Bedingungen der Moderne Einleitung

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1. Apostolische Kontinuität und biblische Relativierung: Reformation und Filioque-Frage

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Inhalt

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1.1. Reformatorische Trinitätstheologie 1.2. Die Bedeutung der altkirchlichen Konzilien und Symbole in der reformatorischen Theologie 1.3. Konfessionelle Bekenntnisbildung 1.4. Reale Begegnung mit der Orthodoxie: Die Filioque-Frage im Briefwechsel der Tübinger Lutheraner mit Patriarch Jeremias II

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2. Der neuzeitliche Neuansatz: Die altkatholisch-orthodoxe Diskussion 2.1. Die Bonner Unionskonferenzen von 1874 und 1875 2.2. Die St. Petersburger und die Rotterdamer Kommission und ihre Gutachten (1893-1913) 2.3. Die theologische Diskussion im Umkreis der Kommissionsverhandlungen 2.3.1. Das Filioque als legitime theologische Meinung: Der Altkatholik Eugen Michaud 2.3.2. Orthodoxe Unionsgegner 2.3.3. Grenzüberschreitende Vertiefung: Bolotov 2.4. Altkatholischer .Revisionismus' im Anschluß an Sergius Bulgakov: Urs Küry

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3. Trinitätstheologische Neuorientierung in den westlichen Großkirchen: Barth, Rahner, Moltmann, Pannenberg 3.1. Karl Barth 3.2. Karl Rahner 3.2.1. Die Identität von ökonomischer und immanenter Trinität: Rahners Neuansatz der Trinitätslehre 3.2.2. Konsequenzen für die Filioque-Frage 3.3. Trinität und Geschichte: Die kritische Anknüpfung an Barth und Rahner durch Moltmann und Pannenberg in ihren Konsequenzen für die Filioque-Frage 3.3.1. Filioque-Kritik im Namen des „trinitarischen Prinzips der Einmaligkeit": Jürgen Moltmann 3.3.2. Filioque-Kritik im Namen der Wechselseitigkeit der trinitarischen Beziehungen: Wolfhart Pannenberg 4. Das Filioque-Problem in der neueren orthodoxen Theologie 4.1. Kontinuität und Erneuerung: Zu den Entwicklungen in der neueren orthodoxen (Trinitäts-) Theologie 4.2. Kritik der „Kultur des ,filioque'": Chomjakov und Karsavin 4.3. Neopalamismus und dogmatische Filioque-Kritik: Vladimir Losskij 4.4. Neuere orthodoxe Diskussionen des Filioque-Problems im Gefolge des Neopalamismus 4.4.1. Neuplatonische Überfremdung: Joseph P. Farrells Fundamentalkritik des Augustinismus 4.4.2. Die Filioque-Frage im Zusammenhang einer pneumatologischen Erneuerung: Boris Bobrinskoy 4.4.3. Anti-filioquistische Christozentrik: Dumitru Staniloae 4.5. Das Filioque-Problem in der neueren griechischen Theologie

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Inhalt

4.5.1. Griechische Schultheologie: Christos Androutsos 4.5.2. Johannes Kanniris 4.5.3. Pneumatische Durchdringung der Heilsökonomie: Nikos Nissiotis 4.6. Differenzierter Konsens - ein Rückblick 5. Ökumenische Gespräche und kirchliche Stellungnahmen 5.1. ökumenische Memoranden 5.1.1. Der „Bericht" von Klingenthal 5.1.2. Das Faith-and-Order-Studiendokument „Gemeinsam den einen Glauben bekennen" 5.1.3. Glaubensbekenntnis und Kirchengemeinschaft: Die „Gemeinsame Erklärung des Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen" von 1981 5.2. Neuere kirchliche Stellungnahmen 5.2.1. Die Empfehlung der anglikanischen Lambeth-Konferenz von 1978 5.2.2. Die vatikanische „Klarstellung" von 1995 und ihre Rezeption 5.2.3. Die „Stellungnahme der Kirchenleitung der VELKD" von 1997

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Teil IV: Der Hervorgang des Geistes: Theologie eines ökumenischen Problems Einleitung 1. Das Filioque und das lutherische Bekenntnis - Lösungsoptionen 2. Trinitätstheologische Problemknoten 2.1. Die Vergleichbarkeit trinitätstheologischer Konzeptionen 2.2. Der Ansatz der Trinitätslehre beim Verhältnis zwischen immanenter und ökonomischer Trinität 2.3. Analogizität und kategoriale Bestimmtheit der trinitätstheologischen Begrifflichkeit 2.4. Die Personalität des Geistes und seine Beziehungen zu Vater und Sohn 2.5. Innergöttliche ,Seinskonstitution' 2.6. Die Einheit des dreieinen Gottes 3. Gegenwartsdeutung und Traditionsanschluß: Methodologische Schlußbemerkung

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Literaturverzeichnis Personenregister Sach- und Begriffsregister

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Einführung

Eine nicht nur historisch, sondern systematisch interessierte Untersuchung zum Filioque-Problem hat in mehrerer Hinsicht mit skeptischer Resonanz zu rechnen. Dies gilt zumindest für seine trinitätstheologische Dimension. Zwar scheinen die Zeiten vorbei, in denen das Trinitätsdogma und die dieses verantwortende Trinitätstheologie primär als anachronistisches Relikt einer Epoche wahrgenommen wurden, in der die christliche Kirche die Glaubensinhalte im Medium der griechischen Metaphysik und im Modus des verbindlichen Glaubenssatzes explizierte. Man kann geradezu von einer „Renaissance der Trinitätslehre" sprechen, die im übrigen quer durch alle großen Konfessionen geht und durch die vermehrten ökumenischen Kontakte vielfältig gefördert worden ist.1 Dennoch argumentieren auch aktuelle Beiträge immer noch gegen den Eindruck der Bedeutungslosigkeit der Trinitätslehre für christliche Selbstverständigung und Weltorientierung an2; dies dürfte u.a. damit zusammenhängen, daß dieser Renaissance in den westlichen Großkirchen nicht durchgängig eine vergleichbare Verstärkung der Trinitäts-Frömmigkeit und der Präsenz des Trinitätsgedankens in religiösen Selbst- und Weltdeutungsvollzügen korrespondiert.3 Alle Versuche, die Trinitätslehre zu erneuern, teilen indes ausgesprochen oder unausgesprochen den Anspruch, daß dies im Interesse der Entfaltung der Erfahrungsdeutungsrelevanz des christlichen Glaubens geschehe. Kants berühmter Satz: „Aus der Dreieinigkeitslehre, nach den Buchstaben genommen, läßt sich schlechterdings nichts fiirs Praktische machen"4 hat mithin jedenfalls insofern theologische Berücksichtigung gefunden, als der Aufweis eines (nicht notwendig als unmittelbar verstandenen) Erfahrungsbezugs zu den Konstituentien neuerer trinitätstheologischer Entwürfe gehört; Trinitätslehre soll nicht als .reine' metaphysische Begriffsspekulation erscheinen. In neueren westlichen Ansätzen schlägt sich dieses Interesse vielfältig nieder. So ist die Betonung der Trinitätslehre häufig mit der Kritik eines ,theistischen' 1 So Christoph Schwöbel, Trinitätslehre als Rahmentheorie des christlichen Glaubens. Vier Thesen zur Bedeutung der Trinität in der christiichen Dogmatik, in: Wilfried Härle / Reiner Preul (Hg.), Marburger Jahrbuch Theologie X: Trinität, Marburg 1998, 129-154, hier: 130. 2 Vgl. exemplarisch in dem genannten Sammelband neben Schwöbeis Beitrag auch: Hermann Deuser, Trinität und Relation, a.a.O., 95-128, bes. 95-99. 3 Allerdings ist - besonders, aber nicht nur in der charismatischen Bewegung - eine vehemente Verstärkung der Bedeutung des Heiligen Geistes zu beobachten. 4 Immanuel Kant, Der Streit der Fakultäten, in: ders., Werke in zehn Bänden, hg. von Wilhelm Weischedel, Bd. 9, Dannstadt 1983,261-393, hier: 303.

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Einführung

(oder gar: .monotheistischen') Gottesbegriffs verbunden, der in einem abstrakten Gegenüber von Gott und Welt verharre und die Weltpräsenz Gottes nicht auszusagen vermöge. Dies korreliert mit einer dezidiert trinitarischen Auslegung des Wirkens und Geschickes Jesu Christi, die in einem Verständnis des Kreuzes als Goftei-Geschehen kulminiert. Auch die .Entdeckung' der Pneumatologie als Theorie der individuellen und sozialen religiösen Erfahrung steht in diesem Zusammenhang. Generell läßt sich von einer ungemeinen Aufwertung der sog. „ökonomischen", d.h. die Erkenntnis der heilswirkenden Weltgegenwart Gottes betreffenden Trinitätslehre sprechen. Die „immanente" Trinitätslehre, d.h. die Rede vom trinitarischen Sein Gottes ,an sich', wird der ökonomischen weithin nicht mehr vorgeordnet, sondern funktional zugeordnet, im Sinne der Explikation der theo-logischen Implikate der trinitarischen Weltpräsenz Gottes. Karl Rahners Satz „Die .ökonomische' Trinität ist die immanente Trinität und umgekehrt"5 ist deshalb auf breite Zustimmung gestoßen. Pointiert zusammengefaßt: Eine Trinitätslehre scheint methodisch unter gegenwärtigen Bedingungen nur noch als .Trinitätslehre von unten' möglich zu sein.6 Damit aber gerät das Filioque-Problem unter einen gesteigerten Esoterikund Irrelevanzverdacht. Denn der kirchengeschichtlich ohne Zweifel außerordentlich wirkungsreiche Streit, ob der Heilige Geist „vom Vater", „vom Vater allein", „vom Vater durch den Sohn" oder aber „vom Vater und vom Sohn" „aus- bzw. hervorgeht"7, betrifft eindeutig die immanente Trinität, ist dabei doch umstritten, ob der Geist sein ewiges Sein dem Vater allein oder diesem gemeinsam mit dem Sohn verdankt. Geht es hier nicht um Differenzen innerhalb einer Semantik, deren .Erfahrungsdeutungsrelevanz' überhaupt fraglich geworden ist? Werden hier nicht Subtilitäten verhandelt, deren religiöse Bedeutung selbst wohlwollenden Zeitgenossen zumindest im Westen kaum mehr verständlich gemacht werden kann? Ja, gehört das Problem nicht selbst für theologische Spezialisten mit Recht zu den „Doktorfragen der alten Dogmatik (...), deren dogmatischer Gehidt schwer zu erkennen ist"8? Sollte es dann aber nicht getrost der Dogmen-, Theologie- und Kirchenhistorie übergeben werden, wo es wegen seiner Bedeutung für das Auseinandertreten der lateinisch-westlichen 5 Karl Rahner, Bemerkungen zum dogmatischen Traktat „de trinitate", in: ders., Schriften zur Theologie, Bd. IV, Einsiedeln 1960, 103-133, hier: 115. Positiv aufgegriffen etwa von Eberhard Jüngel, Das Verhältnis von „ökonomischer" und „immanenter" Trinität, in: ZThK 72 (1975), 353-364; wieder abgedruckt in: ders., Entsprechungen, München 1980, 265-275. Vgl. aber auch die kritischen Anmerkungen zu Rahners Axiom bei: Michael Murrmann-Kahl, „Mysterium Trinitatis"? Fallstudien zur Trinitätslehre in der evangelischen Dogmatik des 20. Jahrhunderts, Berlin / New York 1997, 128-130. 6 Damit ist ein Begriff aus der christologischen Diskussion in die Trinitätstheologie eingetragen. Vgl. Wolfhart Pannenberg, Systematische Theologie, Bd. 2, Göttingen 1991, 315-336. 7 Griechisch: EKnopEUETCii ek, lateinisch (aber in dieser Übersetzung verbergen sich massive Probleme!) procedit a (bzw. ex). 8 Karl Barth, Die christliche Dogmatik im Entwurf (1927), hg. von Gerhard Sauter, Bd. 1, Zürich 1982,284f.

Einführung

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und der griechisch-östlichen kirchlichen und theologischen Traditionen seinen legitimen Platz hat? Gegen eine solche Verabschiedung des Problems spricht jedoch mehreres. Zunächst ist durch die Betonung der ökonomischen' Trinität die .immanente' ja nicht eskamotiert, sondern nur die Regel formuliert, daß Aussagen über das trinitarische Sein Gottes allein unter Bezug auf die Offenbarungsgestalt Gottes epistemologisch vergewissert werden können; die Berechtigung und der Sinn solcher Aussagen erweist sich dann daran, inwieweit sie aus der Wahrnehmung dieser Offenbarungsgestalt erhoben werden können, inwieweit sie als deren sachliche Implikate zu verstehen sind und inwieweit sie mithin (nach dem oben Gesagten) der Aufgabe, die Erfahrungen des christlichen Glaubens und in ihrem Medium Selbst- und Welterfahrungen überhaupt zu deuten, als relevanter Faktor zuzuordnen sind. Dies ist jedenfalls die Bedingung, unter der in der westlichen Theologie des 20. Jahrhunderts die Trinitätslehre steht und unter der allein die traditionellen Formen, Formeln und Konzepte - die ihre Entstehung und Prägung ihrerseits weithin nicht diesem Begründungsgefälle verdanken! - kritisch revitalisiert werden konnten. Die Filioque-Frage muß dabei schon deshalb berücksichtigt werden, weil sie bekanntlich nicht nur, ja nicht einmal in erster Linie ein Detailproblem der dogmatischen Gotteslehre ist, sondern den Textbestand des sog. „Nicaeno-Constantinopolitanischen" Glaubensbekenntnisses (fortan: NC) betrifft, des einzigen Textes, der in allen drei großen Konfessionen bzw. Konfessionsfamilien bis heute (wenn auch mit unterschiedlicher Begründung und Intensität) als liturgisch und kirchenrechtlich verbindliche symbolische Repräsentation der apostolischen Ursprungstreue der wesentlich einen Kirche verwendet wird. Der west-östliche Dissens hob ja nicht unmittelbar mit der Entstehung einer ,filioquistischen'9 Trinitätstheologie im lateinischen Westen an, sondern mit dem Protest der byzantinischen Kirche gegen die Einfügung der Formel „Filioque" in den lateinischen Wortlaut des NC. Diese Einfügimg wurde als formal unstatthaft beurteilt, da die Orthodoxie das auf dem Konzil von Ephesus 431 ausgesprochene Verbot einer Veränderung des „Glaubens, der von den in Nikaia mit dem Heiligen Geist versammelten Vätern festgelegt wurde" (DH 265), als autoritatives Verbot auffaßte, in den Wortlaut des NC einzugreifen, das als normative Entfaltung des „Glaubens von Nicäa" galt. Ein solcher Eingriff erschien auch als ekklesiologisch illegitim, da er einseitig von der westlichen Kirche vorgenommen wurde, statt - was allenfalls möglich wäre - durch ein ökumenisches Konzil. Der Protest zielte freilich spätestens seit dem Patriarchen Photios durchaus auch inhaltlich auf die mit der Formel verbundene Trinitäts-

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Der Ausdruck „filioquistisch" (ebenso wie „Filioquismus") dient hier wie im folgenden als deskriptive Kurzformel für diejenigen Gestalten der Trinitätslehre, die das „Filioque" einschließen. Anders als häufig in der orthodoxen Literatur impliziert er als solcher noch keineswegs eine kritische Stoßrichtung. Seine Verwendung hat rein stilistische Gründe.

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Einführung

theologie, der vorgeworfen wurde, sie zerstöre die wohlausgewogenen Strukturen der Trinitätslehre der Väter. Für die aktualisierende Verantwortung der Trinitätslehre wird die Diskussion der Filioque-Frage dadurch aus mindestens zwei Gründen unverzichtbar. Zum einen gehört das filioquistisch erweiterte NC etwa im Luthertum zu den Bekenntnisschriften, also zu denjenigen basalen Dokumenten der konfessionellen Selbstrepräsentation, zu denen sich die gegenwärtige theologische Reflexion jedenfalls in ein Verhältnis setzen muß.10 Zum anderen aber macht das Faktum der orthodoxen Filioque-Kritik eine ungebrochene Konzentration der trinitätstheologischen Verantwortung allein auf das Filioque-Konzept unmöglich. So wie zumal am Ende des .Jahrhunderts des Ökumenismus' generell gilt, daß die Kirchen ihre eigene Lehre und Praxis nicht mehr unter Absehung von der Pluralität der Konfessionen verantworten können und durch die Wahrnehmung des Anderen zur Revision des Eigenen genötigt sind, so kann auch in der westlichkonfessionsinternen trinitätstheologischen Selbstverständigung nicht mehr nur die filioquistische Version auf ihre ,Erfahrungsdeutungsrelevanz' untersucht werden, sondern dies muß im Horizont der orthodoxen Kritik jenes Konzepts und also unter Diskussion der orthodoxen Einwände und Alternativen erfolgen. Dies gilt im übrigen gerade unter den Bedingungen gesteigerter Anforderungen an die Funktionalität der Trinitätslehre für die Erhellung religiöser Erfahrung. Denn besonders seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verbanden orthodoxe Theologen und Religionsphilosophen traditionelle Argumente gegen die trinitätstheologische Entwicklung des Westens mit umfassenden kulturkritischen Diagnosen. Sie suchten dabei das Filioque und die nach orthodoxer Ansicht darin implizierte Subordination des Geistes unter den Sohn als kausal verantwortlich oder jedenfalls als symptomatisch zu erweisen für eine spirituelle Verarmung der westlichen Kirchen, für eine defizitäre Wahrnehmung der in der Kirche als ganzer konkretisierten Geistfülle - was sich im Katholizismus in einer Monopolisierung des autoritativen Geistbesitzes auf das römische Lehramt und der damit gegebenen Juridisierung kirchlicher Entscheidungsvollzüge, im Protestantismus aber in einer die Gemeinschaft der Kirche atomisierenden Individualisierung niederschlage für einen die Geheimnisse der Gottheit ausspähenden Rationalismus in der theologischen Methode, ja sogar überhaupt für einen Logozentrismus, Technizismus, Ökonomismus der alles verrechnenden, instrumentalisierenden, funktionalisierenden, gewachsene Traditionen und soziale Bindungen zerstörenden westlichen Kultur. Da nun die westlichen Bestrebungen einer Erneuerung der Trinitätslehre ihrerseits eine massive innerwestliche Selbstkritik im Blick auf Theologie, kirchliches Leben und Frömmigkeit einschlössen, konnten solche Diagnosen als besonders attraktiv erscheinen. Dies zumal deshalb, weil auch gesamtkulturell im Westen die Wahrnehmung der mit 10

Entsprechendes gilt - mutatis mutandis - auch fllr die römisch-katholische Kirche. Einschlägig sind dort die Entscheidungen der Konzilien von Lyon (1274) und Ferrara-Florenz (1438/39).

Einführung

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den Errungenschaften der Moderne einhergehenden Selbstgefährdungen verstärkt einer Kritik der Moderne, der neuzeitlichen ,instrumentellen Vernunft', der entwurzelnden und entfremdenden Effekte der sozialen und ökonomischen Entwicklungen öffentliches Gehör verschaffte. Diese innerwestliche Krisendiagnose wurde in den westlichen Kirchen einerseits stark rezipiert, andererseits aber auch massiv gefördert. Schon die „dialektische Theologie" begründete ihr theologisches Erneuerungspathos mit einer scharfen und fundamentalen Kritik der modernen Kultur und steht damit im Zusammenhang der modernitätskritischen Theorien einer „anti-historistischen Revolution" in den zwanziger Jahren.11 Obwohl diese theologische Erneuerungsbewegung durchaus auch .antireaktionär' war und keineswegs eine Repristination der überkommenen kirchlichen Lehre und Praxis erstrebte, ist an dieser Stelle eine Kontinuität zu den weitverbreiteten Reserven des Protestantismus gegen die Kultur der Moderne unverkennbar. Die Spannung zwischen Antitraditionalismus und Antimodernismus kennzeichnet vielfach auch spätere protestantische Stellungnahmen zur Neuzeit. In dieser Perspektive konnte die orthodoxe Kulturkritik auf Interesse stoßen; von vornherein ist aber zu vermuten, daß sie (bewußt oder unbewußt) nur selektiv amalgamiert werden konnte, da das orthodoxe Traditionsverständnis mit den genannten Rezeptionsinteressen nur schwer vereinbar sein dürfte. Daß die Orthodoxie ihre Kritik der westlichen Moderne auf einen Aspekt der Trinitätstheologie beziehen konnte, an dem seit über einem Jahrtausend die Ausdifferenzierung einer östlichen und einer westlichen theologischen und kirchlichen Tradition festgemacht worden war, konnte im Zeitalter der Ökumene die Attraktivität dieser Position nur vergrößern. Denn es erlaubte die Hoffnung, daß im Vollzug der am Filioque-Problem geleiteten kritischen Revision der Trinitätstheologie zugleich die theologische und kulturelle Deutungsrelevanz der Trinitätslehre besser expliziert und ein wichtiger Faktor der westöstlichen Kirchenspaltung aus dem Weg geräumt oder zumindest in seiner kirchentrennenden Bedeutung depotenziert werden könnte. Anhalt konnten solche Erwartungen auch daran finden, daß in der Orthodoxie die trinitätstheologische Dimension des Problems mit der formalen Frage der Veränderung des konziliar approbierten Glaubensbekenntnisses systematisch eng verknüpft werden konnte: Die einseitige Einfügung des Filioque in das NC erschien als formaler Vollzug genau jenes partikularistischen Autoritarismus, der sich der Geistvergessenheit verdankt, die sich wiederum trinitätstheologisch in der Lehre vom Hervorgang des Geistes aus Vater und Sohn artikuliert. Ließe sich ein solcher Zusammenhang unter westlichen Bedingungen rekonstruieren und verifizieren, so wäre die zum ursprünglichen Text zurückkehrende Streichung des Filioque aus dem liturgisch und kirchenrechtlich verbindlichen Wortlaut des NC eo ipso 11

Vgl. dazu Friedrich Wilhelm Graf, Die ,antihistoristische Revolution' in der protestantischen Theologie der zwanziger Jahre, in: Jan Röhls / Gunther Wenz (Hg.), Vernunft des Glaubens. Festschrift zum 60. Geburtstag von Wolfhart Pannenberg, Göttingen 1988, 377-405; vgl. jetzt auch: Georg Pfleiderer, Karl Barths praktische Theologie, Tübingen 2000.

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als Implikat und Ausdruck einer geistlich-ekklesialen und theologischen Erneuerung zu erkennen und ineins mit dieser anzustreben. In einem solchen Schritt würden sich dann auch das neuerwachte Interesse und die positive Würdigung symbolisch-konkret niederschlagen, die der Reichtum der orthodoxen Spiritualität in den vergangenen Jahrzehnten in den westlichen Kirchen zunehmend gefunden hat und die das weitverbreitete Bild von der in dogmatischem und liturgischem Traditionalismus erstarrten Orthodoxie zurücktreten ließen, so daß ein unverhohlenes westliches Superioritätbewußtsein der Vorstellung einer wechselseitigen Belehrung und Bereicherung wich. Indes erheben sich gegen die insinuierte Konsequenz gravierende Bedenken, die nahezu alle Aspekte des aufgefächerten Problempanoramas betreffen. So kann die Verknüpfung der Filioque-Doktrin mit einer umfassenden Kritik der westlichen Kirche, Theologie und Kultur durchaus in mehr als einer Hinsicht angezweifelt werden. Daß das Filioque ursächlich verantwortlich sein sollte für Struktur und Zustand des westlichen Christentums und der davon geprägten Kultur, ist historisch kaum plausibel zu machen (und wird auch bei weitem nicht von allen Orthodoxen behauptet). Die Möglichkeit, daß sich im Filioque und seiner theologischen Begründung eine spezifische Rationalität ausdrückt, die signifikant ist für eine bestimmte Kultur, bleibt davon unbenommen. Daß diese Kultur und die ihr eigene Rationalität so eindeutig negativ zu qualifizieren sind, kann jedoch ebenso bestritten werden wie, daß die unbeweifelbaren Probleme und Selbstgefährdungen der westlichen Moderne gerade im Filioque ihren theologischen Inbegriff finden: Könnten nicht mindestens ebenso gut die nicht weniger offenkundigen Leistungen, Errungenschaften und Erfolge der westlichen Kultur mit einer theologischen Theoriestruktur in Verbindung gebracht werden, deren Ausdruck das Filioque ist? Umgekehrt muß eine innerwestliche Kritik der Moderne keineswegs notwendig einhergehen mit einer Ablehnung des Filioque. Besonders eindrucksvoll ist das Beispiel Karl Barths, der seine fundamentale Neuzeitkritik sogar mit einer Neuetablierung der Trinitätslehre verknüpfte - und dabei die westliche Konzeption vehement verteidigte. Doch einmal gesetzt, daß die unterstellte strikte Korrespondenz und Interdependenz zwischen theologischer Lehre, kirchlicher Praxis und Kultur tatsächlich besteht: Müßte sie dann nicht auch in der Orthodoxie angenommen werden? Dann müßten aber neben der hochgeschätzten Spiritualität auch andere Faktoren in die .Rechnung' eingehen: Was spricht nämlich etwa dagegen, so problematische und konfliktträchtige Aspekte wie die orthodoxe Verwerfung der Frauenordination oder die stark nationale Ausrichtung der östlichen Kirchen auf eine Haltung zurückzuführen, der auch die Ablehnung des Filioque entspringt (oder gar: auf eine Haltung, die dieser Ablehnung entspringt)?12 12 Gerade die jüngste Entwicklung im ökumenischen Rat der Kirchen könnte Anlaß bieten, derartige Bedenken zu verstarken. Vgl. Matthias Drobinski, Eiszeit im Weltkirchenrat. Orthodoxe greifen liberale Positionen der Protestanten an, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 279, 3.12. 1998,1.

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Noch gravierender ist jedoch, daß die Erneuerung der Trinitätstheologie in den westlichen Großkirchen unter hermeneutischen Bedingungen erfolgte, die zum Ansatz trinitarischen Denkens in der Orthodoxie in erheblicher Spannung stehen. Gerade die Forderung, daß sich immanente und ökonomische Trinität strikt entsprechen müssen, genauer: daß Aussagen über die innertrinitarischen Beziehungen der göttlichen Personen aus Aussagen über ihre wechselseitigen Relationen im Heilswirken abgeleitet werden müssen, wird von orthodoxen Theologen vielfach abgelehnt, da dies die Freiheit des göttlichen Handelns ad extra konterkariere und das Geheimnis des göttlichen Seins antaste. Im Hintergrund steht dabei häufig die 1351 offiziell approbierte Theologie des Mönchs und Bischofs Gregorios Palamas, die im 20. Jahrhundert mit dem Anspruch einer Erneuerung der orthodoxen Theologie verstärkt wiederaufgegriffen worden ist. Palamas schrieb die göttliche Weltzuwendung und Weltgegenwart statt den trinitarischen Hypostasen ewigen innergöttlichen „Energien" zu, die nicht jeweils einzelnen göttlichen Personen, sondern dem seinerseits radikal transzendent gedachten, unzugänglichen einen Wesen zugeordnet sind. Die innertrinitarischen Relationen können dann nicht aus den heilsökonomischen abgelesen werden, ihre Kenntnis verdankt sich vielmehr einer worthaften Offenbarungsinformation. Obwohl sich der .Neopalamismus' in auffälliger Parallele zu westlichen Entwicklungen innerorthodox als erfahrungsorientiertes Reformprogramm etablierte und obwohl neopalamitische Theologen Palamas' Energienlehre durchaus stärker trinitarisch imprägnierten, als dies bei Palamas selbst geschehen war, konnte in westlich-moderner Perspektive der Eindruck einer ,soteriologischen Funktionslosigkeit' der Trinitätslehre entstehen, da diese weder für das göttliche Heilshandeln noch für die Erfahrungen des Glaubens wirklichkeitserschließenden Charakter zu haben, sondern auf bloß doxologische Bedeutung beschränkt zu sein scheint. Sollte dies nichts mit der orthodoxen Ablehnung des Filioque zu tun haben? Diese Frage stellt sich schon deshalb, weil die westliche Erneuerung der Trinitätslehre mit einer starken Christozentrik verbunden war. Im Verein mit dem Entsprechungsgedanken steigert diese die Plausibilität des Filioque enorm, kann jetzt doch das alte westliche Argument, aus der ökonomischen Sendung des Geistes (auch) durch den Sohn folge mit Notwendigkeit dessen innergöttlicher Hervorgang „aus Vater und Sohn", mit verstärktem Gewicht erneut zur Geltung gebracht werden; umgekehrt wird dadurch das Mißtrauen gegen eine christologisch nicht .disziplinierte' orthodoxe Pneumatologie vermehrt.13 13 Daß auf der anderen Seite die dezidiert biblische Verankerung des Entsprechungsgedankens die Beschrankung der ,entsprechungsfähigen' ökonomischen Beziehungen auf die Sertdungs-Relation problematisch machte, so daß eine sehr viel differenziertere Eintragung der komplexen ökonomischen Beziehungsstrukturen in die immanente Trinität erforderlich wurde, trat erst nach und nach ins Bewußtsein. Erst jetzt konnte die westliche Theologie aus eigenen Gründen und in eigener, westlich-moderner Perspektive das Filioque relativieren, ohne damit auch die problematischen Aspekte der orthodoxen Filioque-Kritik übernehmen zu müssen.

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Überhaupt sind die traditionellen westlichen Gegengründe gegen die orthodoxe Filioque-Kritik mit dem trinitätstheologischen Neuansatz noch keineswegs eo ipso obsolet geworden. So wurde etwa das ephesinische „Verbot eines anderen Glaubens" als des nicänischen im Westen nicht auf den Wortlaut des nicäno-konstantinopolitanischen Glaubens-Symbols (oder auf irgendeinen anderen autoritativen Wortbestand) bezogen, sondern auf den Sinn des in Nicäa 325 definierten und in Konstantinopel 381 verteidigten und entfalteten trinitarischen Gottesgedankens. Deshalb konnten und mußten Eingriffe in kirchliche Texte auch hoher Normativität niemals so prinzipiell ausgeschlossen werden wie in der Orthodoxie, sofern sie den Sinn des Glaubens nicht veränderten, sondern nur in einer gewandelten geschichtlichen Situation verdeutlichten; unter den Bedingungen des protestantischen Schriftprinzips und der damit verbundenen Bekenntnishermeneutik ist grundsätzlich sogar eine Korrektur kirchlicher Bekenntnisse möglich. Konsequenterweise hat im Westen auch niemals ein Text singulären Status als einzigverbindliche symbolische Explikation des Glaubens gewonnen; die lutherischen Bekenntnisschriften etwa enthalten drei altkirchliche Glaubensbekenntnisse, von denen eines, das „Athanasianum", im übrigen den Ausgang des Geistes aus Vater und Sohn unzweideutig lehrt. Die moderne historische Forschung hat zudem die orthodoxe Berufung auf das Ephesinum von 431 durchaus fragwürdig gemacht, ist das NC doch erst seit dem Konzil von Chalcedon 451 als das Bekenntnis der Väter von Konstantinopel nachweisbar und wird darüber hinaus in Chalcedon neben und nach dem nicänischen Bekenntnis genannt, so daß die Behauptung, in Ephesus sei einzig und genau der Wortlaut des NC sanktioniert worden, zumindest erläuterungsbedürftig ist. Auch die Frage nach der kirchlichen Autorisierung von Veränderungen normativer kirchlicher Texte erweist sich als ausgesprochen diffizil. In den drei großen Konfessionsfamilien haben sich massiv differierende Formen kirchlicher Lehrentscheidungen oder allgemeiner: sehr verschiedene Kriteriologien kirchlicher Verbindlichkeit entwickelt. Vor allem das Verhältnis von Heiliger Schrift, Tradition und gegenwärtiger Lehrinstanz sowie die Auswahl normativer Traditionen und die Bestimmung gegenwärtiger Entscheidungsinstanzen und Entscheidungsvollzüge sind zwischen den Konfessionen strittig geblieben. Dies hat Konsequenzen bereits für die Beurteilung der geschichtlichen Entwicklungen. So kann die Einfügung des Filioque in das lateinische NC aufgrund ihrer (schließlich 1014 erfolgten) Approbation durch den Papst und ihrer Bestätigung durch die Konzilien von Lyon 1274 und Ferrara-Florenz 1438/39 in römischkatholischer Perspektive nur als legitim beurteilt werden. Die Reformatoren hingegen lehnten diese Begründungsstrukturen ebenso ab wie eine formale Berufung auf die altkirchlichen Konzilien; sie übernahmen die altkirchlichen Bekenntnisse, weil sie sie für schriftgemäß und deshalb theologisch sachgemäß hielten, und rezipierten dabei unbetont auch das Filioque. Ein solcher inhaltlich qualifizierter Traditionsanschluß ist grundsätzlich unabhängig vom Aufweis bruchloser Kontinuitätslinien und von der geschichtlichen Verortung sachlicher

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Entscheidungen in der kirchlichen Tradition; die orthodoxe Begründung des Protestes gegen die einseitige Bekenntnisveränderung ist in protestantischer Perspektive deshalb nicht durchschlagend. Alle Konfessionen stimmen jedoch darin Uberein, daß kirchliche Lehrentscheidungen unter dem Anspruch gesamtkirchlicher Verantwortung zu erfolgen haben. Nur wird diese Verantwortung unter jeweils spezifische Bedingungen gestellt, die es erschweren, sie in den je anderen Konfessionen gewahrt zu finden. So sind päpstliche Entscheidungen in der römischen Binnenperspektive wegen des päpstlichen Universalprimats per definitionem gesamtkirchlich, während sie in orthodoxer (und unter anderem Gesichtspunkt auch in protestantischer) Wahrnehmung durchaus als partikularistisch erscheinen können. Aus dem allen folgt aber, daß die Frage, ob in den westlichen Großkirchen der ursprüngliche Text des NC wiederhergestellt werden soll, nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Binnenloyalitäten in bezug auf die je eigene Geschichte und die darin vollzogenen theologischen und ekklesialen Selbstfestlegungen und mithin aufgrund von je eigenen Gründen und Begründungsformen entschieden werden kann, die (in protestantischerseits und römisch-katholischerseits wiederum unterschiedlicher Weise) von den in der Orthodoxie entwickelten erheblich differieren. Eine Streichung des Filioque kann dann grundsätzlich nur verantwortet werden, wenn gesichert ist, daß sie nicht notwendig eine Anerkennung der orthodoxen Ekklesiologie und Vergewisserungshermeneutik impliziert. Dem entspricht, daß der trinitätstheologische Neuansatz im Westen zwar eine kritische Revision der westlichen Tradition trinitarischen Denkens bedeutete, daß diese aber keineswegs mit innerer Notwendigkeit zu einer prinzipiellen Ablehnung oder gar Häretisierung der vor allem mit dem Namen des Augustinus verbundenen Tradition oder zur Übernahme der orthodoxen Konzeption führen muß. Obwohl nämlich, wie bereits erwähnt, die innere Dynamik und die biblische Verankerung des heilsökonomischen Zugangs zur Trinitätslehre die Monopolisierung der personkonstuierenden innergöttlichen Relationen auf die Kategorie der Ursprungsbeziehung zunehmend fragwürdig machten und dadurch ein tragender Pfeiler des filioquistischen Ansatzes sich als brüchig erwies, muß deswegen dem westlich-augustinischen Weg durchaus nicht grundsätzlich abgesprochen werden, eine - systematisch revisionsbedürftige, in gravierenden Elementen unzureichende, aber dennoch - legitime Form der Auslegung des „nicänischen Glaubens" und also ein essentieller Teil von dessen Auslegungsgeschichte zu sein. Selbst scharfe innerwestliche Kritik an der konkreten filioquistischen Gestalt der westlichen Trinitätslehre versäumt es in aller Regel nicht, auf auch unter den Bedingungen der Moderne unbedingt festzuhaltende Motive und unaufgebbare Wahrheitsmomente des filioquistischen Konzepts hinzuweisen, die dann aber auch gegenüber der Orthodoxie kritisch zur Geltung gebracht werden müssen. Dazu gehört etwa die Forderung, daß für eine hinreichende Bestimmung des trinitarischen Seins Gottes das Verhältnis zwischen Sohn und Geist eigens expliziert werden muß; in dieser Perspektive erscheint es

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als defizitär, wenn in der Orthodoxie die trinitarische Differenzierung ausschließlich über die jeweils vom Vater ausgehende Abkunftsrelation begründet wird. Ebenso steht dem orthodoxen Vorwurf, durch das Filioque werde der Geist dem Sohn subordiniert, weiterhin das westliche Monitum gegenüber, daß die Ebenwürde von Sohn und Geist mit dem Vater trinitätstheologisch nicht verdunkelt werden darf, was bei der starken Stellung des Gedankens von der Monarchie des Vaters in der Orthodoxie jedenfalls eine Gefahr darstellt; repräsentiert das Filioque nicht ein unverzichtbares Motiv, dieser Tendenz gegenzusteuern? Und um ein letztes Beispiel zu nennen: Zwar enthält der (mit dem Filioque eng, wenn auch nicht unauflöslich verbundene) augustinische Gedanke vom Geist als der Liebe, Gemeinschaft, ja Einheit von Vater und Sohn einen kaum vermeidlichen Militärischen Schein und tendiert dazu, die wechselseitigen Beziehungen zwischen Vater und Sohn zu nivellieren; aber er ist doch zumindest ein Platzhalter für die Aufgabe, die gemeinschaftstiftende Wirkung des Geistes in der Heilsökonomie innergöttlich zu verankern und die Bedeutung des Geistes für Vater und Sohn in Begriffe zu fassen, eine Aufgabe, der sich keine Trinitätstheologie entziehen kann. Die innerwestliche Erneuerung der Trinitätslehre hat also, zusammenfassend gesagt, die filioquistische Tradition tiefgreifend in Frage gestellt, zugleich aber die dieser zugrundeliegenden Motive teils aufgegriffen, teils sogar verstärkt und hält dadurch deren Fragestellungen selbst da präsent, wo sie ihre Durchführung kritisiert. Von einer generellen Annäherung an das orthodoxe Verständnis der Trinität kann nicht die Rede sein, obwohl die Gesprächskonstellation in vieler Hinsicht neu konfiguriert ist. Der mit den vorstehenden Bemerkungen nur erst knapp umrissene Versuch, das dem ersten Anschein nach periphere und anachronistische Filioque-Problem auch nur präzise zu beschreiben, führt, wie deutlich geworden sein dürfte, zur Wahrnehmung eines außerordentlich dichten, ebenso facettenreichen wie unübersichtlichen Problemkomplexes, der an entscheidende Fragen der Gotteslehre ebenso rührt wie an Grundlagen der konfessionellen Selbstrepräsentation und der interkonfessionellen Verständigung, der die Geschichte der Glaubensreflexion ebenso betrifft wie deren gegenwärtigen Vollzug. Diese Beschreibung bildet den Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung; ihre Entfaltung und Vertiefung gehört zugleich zu deren intendierten Resultaten. Denn obwohl das Filioque-Problem gerade in den vergangenen Jahrzehnten vor allem im Rahmen ökumenischer Konsultationen intensiv diskutiert worden ist und obwohl dabei die verschiedenen Problemdimensionen durchaus distinkt voneinander abgehoben und auf ihre Interferenzen hin untersucht wurden, sind die angedeuteten geistes- und theologiegeschichtlichen und kulturdiagnostischen Hintergründe kaum hinreichend zur Sprache gekommen, ohne deren Erhellung aber weder das gegenwärtige Interesse am Thema noch die unterschiedlichen traditions- resp. konfessionsspezifischen Perspektiven, unter denen das Problem jeweils wahrgenommen wird, noch gar die vielfaltigen konkreten Lösungsversu-

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che in ihren Motiven und Strukturen verstehbar sind. Das heißt: Das FilioqueProblem muß nicht nur in der differenzierten Vernetzung der kirchengeschichtlichen, trinitätstheologischen, bekenntnisheimeneutischen, ekklesiologischen und ökumenischen Aspekte angegangen werden, sondern dies muß wiederum unter konsequenter Berücksichtigung der genannten Hintergründe geschehen. Nur so ist auch einer Gefahr zu begegnen, die gerade in jüngster Zeit das Mißtrauen gegen ökumenische Lehrgespräche massiv verstärkt hat und deren m.E. unbestreitbaren Erfolge zu diskreditieren droht: der Gefahr nämlich, daß die Diskurse der ,Fachökumeniker' sich abkoppeln von den jeweiligen innerkonfessionellen Gesprächskontexten und von der generellen Aufgabe der Theologie, den Realitätsgehalt des christlichen Glaubens in den vielfältigen konkreten Konfigurationen der Gegenwart zu explizieren, so daß bei Außenstehenden zumindest der (wie auch immer berechtigte oder unberechtigte) Eindruck entstehen kann, hier werde nur von einer Gruppe von Experten mit ohnehin obsoleten Formeln jongliert. Mittel bereitzustellen, um diesem Eindruck mit Gründen entgegenzuwirken, ist eines der Ziele der vorliegenden Arbeit. Vorausgesetzt ist mithin, daß die Frage dezidiert gegenwartsorientiert, im weitgefaßten theologischen und kulturellen Horizont des ausgehenden 20. Jahrhunderts behandelt werden muß. Um so auffälliger ist, daß das Filioque-Problem schon sehr lange keine umfassende monographische Darstellung mehr gefunden hat. Sieht man ab von Maria-Helene Gamillscheg, die in ihrer Dissertation über die „Kontroverse um das Filioque" „Möglichkeiten einer Problemlösung auf Grund der Forschungen und Gespräche der letzten hundert Jahre" ventiliert, dabei aber historische Tiefenschärfe und systematische Prägnanz weithin vermissen läßt,14 muß man bis in die zwanziger und dreißiger Jahre zurückgehen, als der Katholik Martin Jugie im Rahmen seiner monumentalen vierbändigen „Theologia Dogmatica Christianorum Orientalium ab Ecclesia Catholica Dissidentium" dem Filioque-Streit breiten Raum gab15. Doch obwohl Jugie eine Fülle von Informationen bietet und die kontroverstheologische Tradition bis hin zu den orthodox-altkatholischen Diskussionen am Ende des 19. Jahrhunderts aufarbeitet16, repräsentiert er natürlich den Forschungsstand seiner Zeit und bleibt zudem in Perspektive und Wertungen der neuscholastischen Prägung des zeitgenössischen Katholizismus verhaftet. Seitdem hat sich die theologische Landschaft radikal verändert. Dies betrifft nicht nur die systema14

Maria-Helene Gamillscheg, Die Kontroverse um das Filioque. Möglichkeiten einer Problemlösung auf Grund der Forschungen und Gespräche der letzten hundert Jahre, WQrzburg 1996. Vgl. dazu meine Rezension in: ThLZ 123 (1998), Sp. 919-922. 15 Martin Jugie, Theologia Dogmatica Christianorum Orientalium ab Ecclesia Catholica Dissidentium, Bd. 1, Paris 1926,154-223; Bd. 2, Paris 1933,296-535. 16 Die ältere Diskussion ist ebenfalls recht gut zugänglich in dem Kommentar Joseph Hergenröthers zur „Mystagogia" des Photios: In librum de Spiritus Sancti mystagogia animadversiones historicae et theologicae ad operis illustrationem refutationemque pertinentes, in: PG 102, Paris 1900, Sp. 399-542. Diese Anmerkungen sind allerdings durch und durch polemisch und atmen gänzlich den Geist der Neuscholastik. Erklärtes Ziel ist die Widerlegung des Photios.

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tisch-dogmatischen Urteile im engeren Sinn, sondern auch die historischkritische Darstellung der geschichtlichen Sachverhalte, die sich seitdem erheblich verschoben hat. Es gilt sogar für die konfessionelle Perspektivität, hat doch die römisch-katholische Theologie in einem mühevollen Prozeß die Verengungen der Neuscholastik überwunden und dabei im übrigen in ganz neuer Weise den Denkstil der altkirchlichen Väter wiederentdeckt, so daß einige kontroverstheologische Fronten gegenüber der Orthodoxie aufweichten. Überhaupt haben die vielfältigen ökumenischen Kontakte den Charakter der interkonfessionellen Beziehungen gravierend gewandelt, was wiederum (im Verein mit anderen geschichtlichen Einflüssen) auf die Selbstbeschreibungen der einzelnen Denominationen modifizierend zurückwirkte. Wie gezeigt, kann dies alles der Erörterung des Filioque-Problems nicht äußerlich bleiben. Natürlich soll damit nicht behauptet werden, daß die Filioque-Frage in der theologischen Forschung generell keine hinreichende Beachtung gefunden hätte, noch daß dabei die skizzierten Problemdimensionen und die Wandlungen, die sie bzw. ihre Interferenzen im Zuge der Veränderungen der theologischen, kirchlichen und kulturellen Landschaft erfahren haben, überhaupt unbemerkt geblieben wären. Im Gegenteil gibt es in der Tat eine „Fülle von Literatur"17 zum Thema: Untersuchungen - seien es Monographien, Aufsätze oder Abschnitte in übergreifenden Werken - zu einzelnen Epochen des FilioqueDissenses oder zur Position einzelner theologischer Klassiker in dieser Frage, zur dogmen-, theologie- und kirchengeschichtlichen Genese des Streites, zur Entstehung und Wirkungsgeschichte des NC, zur Ausdifferenzierung theologischer und liturgischer , Stile' in Ost und West, zur konfessionsspezifischen Bekenntnishermeneutik, zu neueren Entwicklungen der Theologie im allgemeinen und der Trinitätslehre im besonderen; ebenso gegenwartsbezogene Vorschläge zur Überwindung des Dissenses, Versuche, die Vereinbarkeit (.Komplementarität') der unterschiedlichen Traditionen und Konzeptionen aufzuweisen, allerdings auch kritische Einsprüche gegen solche Tendenzen aus allen betroffenen Denominationen, etc. Doch obwohl dabei in vielfacher Hinsicht geschichtliche und systematische Zusammenhänge erhellt und Problemlösungsoptionen subtil konstruiert und diskutiert worden sind, ist die systematische Verdichtung und Vernetzung der einzelnen Problemaspekte bisher nur teilweise erreicht, von der in der vorliegenden Arbeit aber unterstellt wird, daß sie notwendig ist, um ein begründetes Urteil zu ermöglichen, das wiederum die westlichen - aufgrund der konfessionellen Herkunft des Autors näherhin: lutherischen - Kirchen beratend unterstützen soll bei der Aufgabe, verantwortlich über eine Streichung des Filioque aus dem liturgisch und kirchenrechtlich verbindlichen Wortlaut des NC zu entscheiden. Daß die jüngste „Stellungnahme der Kirchenleitung der 17 Reinhard Slenczka, Das Filioque in der neueren ökumenischen Diskussion, in: Karl Lehmann / Wolfhart Pannenberg (Hg.), Glaubensbekenntnis und Kirchengemeinschaft. Das Modell des Konzils von Konstantinopel (381), Freiburg (Br) / Göttingen 1982, 80-99, hier: 80, Anm. 1.

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VELKD zu einigen Fragen des Wortlautes des Nicaeno-Constantinopolitanums" von 199718 (ganz unabhängig von der Beurteilung ihres Resultats!) argumentativ von der zu fordernden Umsicht noch weit entfernt ist19, unterstreicht nur noch einmal das Desiderat. Nicht von ungefähr entstammt die bislang umfassendste, die verschiedenen Aspekte und Problemdimensionen aufgreifende Darstellung der Filioque-Frage unter den skizzierten theologischen und kirchlichen Bedingungen der Gegenwart dem ökumenischen Diskurs über die Möglichkeit, Verantwortbarkeit und Realisierbarkeit einer den großen Konfessionen bzw. Konfessionsfamilien gemeinsamen Formulierung des NC. Das von Lukas Vischer herausgegebene Sammelwerk „Geist Gottes - Geist Christi"20 dokumentiert die Referate zweier 1978 und 1979 von der „Kommission fiir Glauben und Kirchenverfassung" des ORK veranstalteten Tagungen auf Schloß Klingenthal im Elsaß sowie einen dort verabschiedeten Bericht, der die gewonnenen historischen und theologischen Einsichten zu bündeln und in einen praktizierbaren Lösungsvorschlag überzuführen sucht. Der Reiz dieses Bandes besteht darin, daß die Komplexität des Themas darin gewissermaßen personalisiert erscheint, indem nämlich Theologen aus bemerkenswert vielen Denominationen (russische, griechische, rumänische Orthodoxe, römische Katholiken, Altkatholiken, Anglikaner, Reformierte; auffälligerweise allerdings keine Lutheraner) die historischen, theologischen und bekenntnishermeneutischen Dimensionen der Kontroverse und die diversen angebotenen Lösungsoptionen aus ihrer jeweiligen Sicht darstellen und erörtern. Zurecht ist das Werk deshalb zum Kristallisationspunkt der weiteren Diskussion geworden.21 Dennoch verlangt gerade der multiperspektivische und multikonfessionelle Zugriff eine vertiefte Ausarbeitung, die die vorgebrachten Argumente und Konzepte in einen umfassenderen, ihre Perspektivität miterhellenden Deutungshorizont einstellt und anhand ausführlicherer, detaillierterer Untersuchungen zu beurteilen ermöglicht. Spezifikum des Filioque-Problems ist es, daß nicht nur seine Geschichte selbst, sondern auch die diversen wiederum geschichtlichen Deutungen dieser Geschichte wesentlich zu ihm gehören. Dies betrifft nun aber keineswegs allein die Geschichte der Kontroverse im engeren Sinn, deren Beginn man in die Karolingerzeit datieren kann; es betrifft vielmehr ebenso die Geschichte der strukturellen Voraussetzungen des Streites, deren Interpretation zu den beson18

Abgedruckt in: VELKD-Informationen Nr. 81 (Mai 1998), 17-21, sowie in: ÖR 47 (1998), 265-268. Vgl. dazu ausführlich unten Teil III, 5.2.3. 19 Differenzierter argumentiert im übrigen die 1995 „in Verantwortung des Päpstlichen Rates zur Forderung der Einheit der Christen" veröffentlichte römische „Klarstellung" über „Die griechische und die lateinische Überlieferung über den Ausgang des Heiligen Geistes", abgedruckt in: US 50 (1995), 316-324. Vgl. dazu ausführlich unten Teil III, 5.2.2. 20 Lukas Vischer (Hg.), Geist Gottes - Geist Christi, ökumenische Überlegungen zur Filioque-Kontroverse. Bericht und Vorträge zweier Tagungen auf Schloß Klingenthal (Frankreich), Frankfurt (M) 1981 (= Beiheft zur ökumenischen Rundschau Nr. 39). 21 Vgl. dazu unten Teil III, 5.1.1.

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ders heftig umkämpften Gegenständen des Konflikts gehörte und gehört. Näherhin die Deutung der altkirchlichen Ansätze der Trinitätstheologie und einzelner diesbezüglicher Aussagen der Kirchenväter sowie das Verständnis der geschichtlichen Bedeutung des NC und der Genese von dessen Normativität sind hochumstritten geblieben und haben sich auch innerhalb der jeweiligen Traditionen weiterentwickelt und verschoben, und in diesen Streit und diesen Deutungswandel ist konsequenterweise auch die Exegese entscheidender biblischer Referenztexte hineingezogen worden. Aus dem allen folgt zunächst, daß eine rein systematisch-konstruktive, etwa trinitätstheologische Behandlung dem Problem nicht gerecht wird. Die geschichtliche Darstellung kann nicht bloß ein äußerlich-informativer Vorlauf zur ,eigentlichen' Aufgabe sein; sie ist ein essentieller Teil von dieser. Hier begegnet nun aber ein methodisches Dilemma. Auf der einen Seite kann ein begründetes Urteil über die Filioque-Frage nicht gewonnen werden, ohne daß auch deren Geschichte und dabei besonders die in dieser, wie gezeigt, rekursiv thematisierten Urteile über diese Geschichte selbst resp. über die dafür relevanten Faktoren kritisch analysiert werden. Da etwa ein wesentlicher Aspekt der Kontroverse die Auslegung von Aussagen der Kirchenväter und die Frage der Differenz und Kompatibilität griechischer und lateinischer trinitätstheologischer Traditionen ist, muß die Genese dieser Traditionen ihrerseits rekonstruiert und müssen die strittigen Texte der Väter in diesem Zusammenhang verortet und auf ihren geschichtlichen Sinn hin befragt werden. Nur eine solche methodische, historisch-kritische Distanzierung ermöglicht die Beurteilung der in der Geschichte des Konflikts vorgetragenen Argumente und Bezugnahmen auf die Tradition. So spielte zum Beispiel die Frage, ob bei den griechischen Vätern Aussagen zu finden sind, die der westlichen Lehre vom Hervorgang des Geistes aus Vater und Sohn jedenfalls nahe kommen, im Verlauf der Kontroverse bis in die Gegenwart eine zentrale Rolle, und die verschiedenen Antworten, die diese Frage gefunden hat, müssen anhand einer distanzierenden Außenperspektive erwogen werden. Auf der anderen Seite aber repräsentiert genau dieses Verfahren einer geschichtlichen Betrachtung des normativen kirchlichen Textbestands eine genuin westlich-neuzeitliche (und dabei sogar stärker protestantische als römischkatholische) Bestimmung des Verhältnisses zwischen Geschichte und Normativität.22 Von ihrem Ursprung her eignet der historisch-kritischen Methode ein kirchen- und dogmenkritischer Impuls, der zwar die reformatorische Relativierung der kirchlichen Dogmen und Bekenntnisse als normae normatae hin auf die Schrift als norma normans23 aufnahm, sie aber zugleich sukzessive radikalisierte, indem durch die Historisierung auch der Schrift und ihrer Kanonisierung das Kriterium normativer Geltung überhaupt problematisch wurde. Da22

Eine mangelnde Berücksichtigung dieses Aspekts in den neueren ökumenischen Konsultationen zum Thema beklagt Slenczka, a.a.O., bes. 85f. 23 Vgl. Konkordienformel, Summarischer Begriff, BSLK, 769.

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durch veränderte sich das Koordinatensystem von Theologie gravierend; die Funktion von Theologie, von Dogmen und Bekenntnissen in ihrem Verhältnis zur Kirche, zur Glaubensreflexion der einzelnen Gläubigen, zu anderen Wissenschaften mußte neu bestimmt werden. Dies gilt im übrigen als Beschreibung der geschichtlichen Konstellation für alle neuzeitlich-protestantischen theologischen Konzeptionen und Schulen. Selbst wenn man etwa Emanuel Hirschs pathetisch-affirmativer Deutung jener „neuzeitlichen Umformungskrise" und den theologischen Konsequenzen, die er daraus zieht, nicht zustimmt, bleibt die Historisierung als Problem der geschichtliche Ort neuzeitlich-protestantischer Theologie.24 Bezeichnenderweise hat die römisch-katholische Theologie die dogmengeschichtliche Fragestellung erst aufgenommen, als ihr eine Theorie der Dogmenentwicklung zur Verfügung stand, die als vereinbar verstanden werden konnte mit der (ihrerseits dogmatischen) Bestimmung von Dogma als lehramtlich autorisierter, definitiv und überzeitlich verbindlicher wahrer Aussage über Glaubensinhalte: Die Geschichte des Dogmas ist dann die Geschichte der evolutionären Explikation des im ursprünglichen (schriftlich und mündlich in der successio apostolica tradierten) Glaubensgut implizit immer schon Enthaltenen. Das einzelne Dogma kann deshalb nie unwahr, aber durchaus unvollständig sein; seine Formulierung darf nicht, muß aber auch nicht verändert werden, gleichwohl kann es notwendig werden, es näher zu bestimmen, gegen Mißverständnisse abzugrenzen etc. Die orthodoxe Theologie hingegen lehnt zwar die römische Lehramtstheorie ab, betont aber gerade deshalb die unbedingte Verbindlichkeit der Lehrentscheidungen der sieben von ihr selbst als ökumenisch anerkannten altkirchlichen Konzilien im Zusammenhang der diese Lehrentscheidungen tragenden und formenden Theologie der Kirchenväter; diese Verbindlichkeit speist sich aus der apriorischen (also nicht erst auszuweisenden) Überzeugung von der vollendeten, durch den Heiligen Geist selbst gewirkten Harmonie, Zusammenstimmung von Kirchenvätern und Schriftzeugnissen. Historische Forschung ist nur dann sinnvoll, wenn sie diese Harmonie bestätigt und die Gegenwartsverbindlichkeit der altkirchlichen Lehre nicht gefährdet.25 Das gängige Urteil, die orthodoxe Theologie habe sich seit dem Ende des Bilderstreites jeder Entwicklung verweigert und sei in eine museale Erstarrung und zu archivarischer Reproduktion des überkommenen Stoffes übergegangen26, macht zwar offenkundig einseitig ein bestimmtes, nämlich westlichneuzeitliches Entwicklungs-Verständnis zum Maßstab schon der Beobachtung, um so mehr aber der Beurteilung der Geschichte der östlichen Theologie. Rich24 Vgl. zur Problemstellung grundlegend: Trutz Rendtorff, Kirche und Theologie, Gütersloh 2 1970. 25 Dem entspricht die autoritative, unkommentierte Verwendung von Kirchenväterzitaten als Sachargument auch in neueren orthodoxen Dogmatiken. 26 So die klassische protestantische Dogmengeschichtsschreibung.Vgl. exemplarisch: Adolf von Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. 2, Tübingen 1990 (Nachdruck von 4 1909), 443-445.

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tig daran ist allerdings, daß die orthodoxe Theologie ihre eigene Geschichte zwar durchaus als Sequenz kontingenter Entscheidungen in konkreten geschichtlichen Situationen wahrnehmen kann und daß sie auch für die Zeit nach 787 wichtige theologische Näherbestimmungen, Explikationen, polemische Verteidigungen des Dogmas kennt, die als unentbehrliche Einsichten von im Vergleich zum Dogma selbst freilich minderer Autorität gelten,27 daß sie aber die Resultate ihrer Ursprungs-Epoche als absolut verbindlich setzt und für den seitherigen Verlauf ihrer Geschichte keine Perspektivenverschiebung der Geschichtswahrnehmung, keine Funktionsveränderung der Theologie, keinen Bedeutungswandel des Dogmas, keine die Einheit störenden Differenzen innerhalb der .rechten Lehre' anerkennt.28 Deshalb ist zwar gegen die älteren Dogmenhistoriker statt von einem sterilen und stereotypen Rearrangement von Altbekanntem durchaus von einer facettenreichen, nach Epochen unterscheidbaren Geschichte der orthodoxen Theologie zu sprechen; je subtiler diese Geschichte freilich beschrieben wird, desto größer droht die Spannung zur orthodoxen Selbstwahrnehmung zu werden. Jedenfalls gilt es präsent zu halten, daß die Orthodoxie selbst ihre Geschichte unter der Prämisse fundamentaler Einheit beschreibt.29 Dem angezeigten methodischen Dilemma, daß auf der einen Seite eine distanzierte Wahrnehmungs- und Beurteilungsperspektive nötig ist, die auf der anderen Seite jedoch auf elementaren Positionen einer der .Konfliktparteien' beruht, ist nicht zu entkommen. Wohl aber ist ein kontrollierter Umgang damit möglich. Die westliche Perspektivität der Untersuchung kann, soll und muß indes auch gar nicht übersprungen werden. Ziel ist ja gerade, unter westlichen Bedingungen ein tragfähiges Fundament für die Beurteilung der historischen und systematischen Dimensionen des Problems zu gewinnen, und dazu gehört auch eine innerwestlichen Standards gehorchende und insofern im westlichen Diskurs verantwortbare Rekonstruktion der Genese und des Verlaufs des Konfliktes und der darin vertretenen Positionen und Optionen. Im übrigen impliziert die historische Kritik ja auch eine methodische Distanzierung von den eigenen Motiven und Interessen, und im gelingenden Fall kann sie dazu beitragen, die Binnenlogik und das Eigenrecht fremder Traditionen besser zu verstehen und durch solche immanente Rekonstruktion überkommene Polarisierungen zu ver27 Ein klassisches Beispiel sind die Abgrenzungen gegen den Calvinismus im 17. Jahrhundert. Vgl. dazu unten Teil III, 4.1. 28 Bezeichnenderweise stammen die differenziertesten, differenzbewußtesten Arbeiten zur Geschichte der orthodoxen Theologie von einem Katholiken: Gerhard Podskalsky, Theologie und Philosophie in Byzanz, München 1977; ders., Griechische Theologie in der Zeit der Türkenherrschaft 1453—1521. Die Orthodoxie im Spannungsfeld der nachrefonnatorischen Konfessionen des Westens, München 1988. 29 Dies gilt selbst dann noch, wenn etwa die neopatristische und neopalamitische innerorthodoxe Emeuerungsbewegung im 20. Jahrhundert die orthodoxe „Schultheologie" seit dem 17. Jahrhundert als verwestlicht kritisiert. Denn zumindest liturgische Kontinuität der rechtgläubigen Formen wird auch dieser Epoche zugestanden. Vgl. näher unten Teil III, 4.1.

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flüssigen. Daß historische Information das systematische Urteil weder ersetzt noch determiniert, sondern in gewisser Weise selbst von systematischen Vorgaben abhängig ist, bleibt davon unbenommen. Ein weiteres Dilemma ist eher pragmatischer Natur. Wie gezeigt, ist eine historische Rekonstruktion in dem genannten Umfang und der skizzierten Komplexität aus systematischen Gründen unverzichtbar. Eine auch nur einigermaßen vollständige Geschichte des Filioque-Problems dürfte aber jedenfalls von einem einzelnen Forscher kaum erarbeitet werden können, erfordert sie doch ausführliche patristische, byzantinistische, theologiegeschichtliche, konfessionskundliche, dogmatische, ökumenische etc. Kenntnisse und Untersuchungen, die zumindest was die griechische Tradition betrifft - das ausgiebige Studium unedierter Quellen einschließen müßten. Angesichts dessen könnte der hier vorgetragene Versuch einer Gesamtschau als vermessen erscheinen. Jedoch ermöglicht gerade die systematische Abzweckung, die doch die historische Rekonstruktion verlangt, zugleich auch deren limitierende Steuerung. Im folgenden soll darum (in den Teilen I und II) das oben dargelegte Problemsyndrom in einer systematisch verantworteten Verbindung von historischer, teils überblickshafter, teils analytisch-rekonstruktiver Information mit exemplarischen Fallstudien in Gestalt von dichten Interpretationen zentraler Einzeltexte genetisiert werden. Eine solche Kombination extensiver und intensiver Darstellungsformen dürfte geeignet sein, eine hinreichend breite und hinreichend solide Grundlage zu bieten für die Beurteilung der Behandlung des Filioque-Problems unter den Bedingungen der Moderne (in Teil III, systematisch gebündelt in Teil IV). Ehe nun Anlage und Aufbau der Arbeit genauer erläutert werden, sei auf einige Werke hingewiesen, die für die Konzeption und Durchführung der Untersuchung in besonderem Maße prägend geworden sind. In bahnbrechender Weise hat Dorothea Wendebourg mit ihrer Dissertation „Geist oder Energie"30 die Aufmerksamkeit gelenkt auf Strukturen und Probleme der byzantinischen Trinitätstheologie, namentlich im Zusammenhang mit der palamitischen Energienlehre. Unter starker Orientierung an den modern-westlichen Paradigmen trinitarischen Denkens, besonders an dem Axiom von der Entsprechung der ökonomischen und immanenten Relationen der trinitarischen Personen und der noetischen Transparenz der Ökonomie hin auf die Immanenz, hat sie vehement moniert, daß der Palamismus den göttlichen Weltkontakt ganz den .ungeschaffenen Energien' zuschreibe, denen aber die trinitarische Differenzierung Gottes äußerlich sei, so daß die Trinitätslehre „soteriologisch funktionslos" werde und zu einer bloßen Offenbarungsinformation verkümmere, die für das Verständnis der Weltgegenwart Gottes nichts austrage. Indirekt plädierte sie damit für eine .filioquistische' Trinitätslehre, die wegen der Analogie zwischen der irdischen Sendung des Geistes an die Gläubigen durch den Sohn und dem ewigen Her30 Dorothea Wendebourg, Geist oder Energie. Zur Frage der innergöttlichen Verankerung des christlichen Lebens in der byzantinischen Theologie, München 1980.

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Vorgang des Geistes auch aus dem Sohn das geistgewirkte „christliche Leben" ungleich deutlicher .innergöttlich verankern' könne. Wendebourgs PalamismusDeutung hat eine scharfe Kontroverse im Blick auf ihre theologiehistorischen und systematischen Implikationen ausgelöst. Gewiß setzt Wendebourg den Entsprechungsgedanken, der erst unter den erkenntnistheoretischen Bedingungen der Neuzeit und näherhin erst im 20. Jahrhundert ins Zentrum des westlichen Trinitätsdenkens gerückt ist, wenig differenziert als normatives Kriterium rechter Trinitätstheologie voraus und reflektiert nicht die Aporien dieses Gedankens selbst sowie der westlichen Trinitätslehre überhaupt; außerdem verrechnet sie gegenläufige Äußerungen des Palamiten allzu schnell als inkonsequenterweise mitgeschleppte Relikte der Tradition und erwägt auch nicht die Möglichkeit, im Kontext der palamitischen Konzeption Energien und Hypostasen stärker zusammenzudenken, als dies möglicherweise bei Palamas selbst geschieht. Doch obwohl die vorliegende Untersuchung u.a. aus diesen Gründen in der FilioqueFrage zu anderen Ergebnissen kommt als Wendebourg, hat diese ohne Zweifel das Anforderungsprofil für die ökumenische Diskussion des Filioque-Problems enorm vertieft.31 Wendebourgs historische Deutung des Gregorios Palamas fand im übrigen in Reinhard Flogaus' Monographie „Theosis bei Palamas und Luther"32 trotz Differenzen im einzelnen eine eindrucksvolle Bestätigung. Flogaus macht allerdings darauf aufmerksam, daß moderne orthodoxe Neopalamiten anders als Palamas selbst die Energienlehre ,personalistisch' fassen und damit jedenfalls dem Anspruch nach dem Gedanken einer trinitarischen Weltpräsenz Gottes näher gekommen sind als dieser, während sie dem Westen genau in dieser Hinsicht Defizite unterstellen, obwohl doch die westliche Erneuerung der Trinitätslehre sich durchgängig unter Berufung auf jene trinitarische Weltpräsenz zu legitimieren suchte und sie, wie gezeigt, im Osten vermißte. Was diese eigentümlich verschränkte Konvergenz der Motive systematisch austrägt, gehört zu den entscheidenden Fragen für die gegenwärtige Diskussion. Grundlegend für das Verständnis der Ausdifferenzierung einer spezifischen theologischen Methode, eines eigenen theologischen Stils in der byzantinischen Theologie des Mittelalters in Auseinandersetzung mit der lateinischen Scholastik sind die Analysen von Gerhard Podskalsky33. Er rekonstruiert die Genese 31

Gleichsam die andere Seite des Dissenses, nämlich die Genese einer lutherischen Perspektive auf die Filioque-Frage, beleuchtet Wendebourg in ihrer Habilitationsschrift: Reformation und Orthodoxie. Der ökumenische Briefwechsel zwischen der Leitung der Württembergischen Kirche und Patriarch Jeremias II. von Konstantinopel in den Jahren 1573-1581, Göttingen 1986, treten in diesem Briefwechsel doch nicht nur die verschiedenen Dimensionen des Filioque-Problems lutherischen Theologen erstmals ins Gesichtsfeld (was sie das Filioque verteidigen läßt), sondern werden auch die stark differierenden Konzepte kirchlicher Normvergewisserung (vor allem im Blick auf die Bedeutung der kirchlichen Tradition) thematisch. 32 Reinhard Flogaus, Theosis bei Palamas und Luther, Göttingen 1997. 33 Gerhard Podskalsky, Theologie und Philosophie in Byzanz. Der Streit um die theologische Methodik in der spätbyzantinischen Geistesgeschiche (14./15. Jahrhundert), seine systematischen Grundlagen und seine historische Entwicklung, München 1977.

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dieser methodischen Verzweigung von der Patristik her und erhellt gleichsam die theoriegeschichtliche und kulturelle Tiefendimension des Filioque-Konfliktes, indem er eine in Ost und West unterschiedliche Bestimmung des Verhältnisses von Glauben und Wissen bzw. zwischen Theologie und Philosophie und in der Konsequenz eine unterschiedliche Konzeption von Theologie als .Wissenschaft' namhaft macht und in ebenso materialreicher wie subtil-konstruktiver Darstellung historisch konkretisiert. Bedenkt man etwa den bis in die Gegenwart gängigen orthodoxen Rationalismusvorwurf gegen die westliche Trinitätslehre, kann die Bedeutung derartiger Rekonstruktionen für die FilioqueFrage kaum Uberschätzt werden, strahlt die methodische und ,stilistische' Ausdifferenzierung doch weit über das Mittelalter hinaus und prägt langfristig nicht nur Strukturen und Institutionen theologischer Vergewisserung, sondern fast mehr noch die Selbststilisierungen der verschiedenen Traditionen in wechselseitiger Selbstunterscheidung voneinander. Allerdings zeigt Podskalsky auch, daß die in Ost und West üblich gewordene (teils kritisch, teils affirmativ verwendete) scharfe Antithese zwischen einer dem Lehramt und der Liturgie immer auch kritisch gegenüberstehenden, die Glaubensinhalte methodisch kontrolliert rational verantwortenden wissenschaftlichen Theologie hier, einer dem Glaubensvollzug eingegliederten doxologisch-apophatischen, die Sprachlosigkeit nur durch rearrangierende Wiederholung der Aussagen der normativen Tradition überwindenden theologischen Weisheit dort die vielfältigen Gestalten griechisch-patristischer und byzantinischer Theologie keineswegs durchgängig trifft (von der Frage, inwieweit die Beschreibung des westlichen Typs stimmig ist, einmal zu schweigen), sondern allenfalls das Resultat eines Selektionsprozesses darstellt, dem dann freilich wichtige, auch der griechischen Tradition innewohnende Dimensionen theologischer Rationalität und Diskursivität zum Opfer gefallen wären. Podskalskys unverhohlene Sympathie gilt jedenfalls den griechischen Unionsbefürwortern, jenen also, die im innerorthodoxen Streit unterlegen sind; die Positionen der Unionsgegner werden mit erkennbarem kritischem Vorbehalt dargestellt, ihre theologischen Motive geraten dadurch in das fahle Zwielicht reflexionsfeindlicher Intransigenz. Inwieweit dies zutrifft (und wieweit die scharfe Antithese überhaupt den Phänomenen gerecht wird), wird zu untersuchen sein. Entscheidende Aufschlüsse über die dezidiert theologischen Gründe für das Scheitern der Union von Florenz 1439 verdankt die vorliegende Arbeit der Untersuchung von Hans-Jürgen Marx, „Filioque und Verbot eines anderen Glaubens auf dem Florentinum"34. Marx rekonstruiert und kommentiert nicht nur konzis und mit hohem systematischen Problembewußtsein die Verhandlungen des Konzils und macht dabei plausibel, daß der die Union zu Fall bringende Protest der Unionsgegner um Markos Eugenikos tatsächlich zentrale Sachfragen 34 Hans Jürgen Marx, Filioque und Verbot eines anderen Glaubens auf dem Florentinum. Zum Pluralismus in dogmatischen Formeln, St. Augustin 1977.

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betraf, die die orthodoxe Identität elementar tangierten. Er untersucht vielmehr auch in eigenem theologie- und kirchenhistorischem Zugriff die auf dem Konzil verhandelten historischen Probleme, näherhin die Frage der adäquaten Auslegung der trinitätstheologischen Aussagen der patristischen Tradition, besonders aber das Verständnis des ephesinischen Veränderungsverbots von 431. Marx' Werk ist daher weit über seine enge Themenstellung hinaus ein wichtiger Beitrag zur historischen Erforschung und systematischen Durchdringung des Filioque-Problems überhaupt. Leitend für die vorliegende Untersuchung ist die Überzeugung, daß die Neuakzentuierung der Trinitätstheologie in den westlichen Kirchen im 20. Jahrhundert die Bedingungen für die Behandlung der Filioque-Frage gravierend gewandelt hat. Diese Neuakzentuierung kann im einzelnen erst in Teil m erörtert und in ihren Konsequenzen entfaltet werden; sie ist aber in den die Genese und Geschichte des Filioque-Problems darstellenden Teilen I und II konzeptionell bereits vorausgesetzt. Die dort die Anordnung bestimmende chronologische Abfolge soll also nicht den Eindruck erwecken, als könne diese Geschichte gleichsam neutral und frei von gegenwartsrelativen Interessen ,nacherzählt' werden. Die Darstellung erfolgt unter systematischen Gesichtspunkten; besonders die Fallstudien an klassischen Positionen suchen deren Theoriestruktur zu erheben und validieren ihre innere Kohärenz und argumentative Stringenz. Dennoch erhebt die Rekonstruktion natürlich historischen Anspruch, ja sie muß ihn erheben, wenn sie ihre systematische Funktion erfüllen soll. Die Untersuchung nimmt nun folgenden Gang: Teil I genetisiert die strukturellen Voraussetzungen des Filioque-Problems. Das verlangt nicht weniger als die Nachzeichnung der Entwicklungsgeschichte des Trinitätsdogmas unter besonderer Berücksichtigung derjenigen Faktoren, denen in der Filioque-Kontroverse Bedeutung zuwachsen sollte, nämlich näherhin der Frage nach Kriterien, Kategorien und Begriffen für die distinkte Unterscheidung der göttlichen .Instanzen' Vater, Sohn und Geist. Die Ansätze und Motive für die Ausbildung einer Trinitätslehre müssen bereits im Neuen Testament und in der frühen Kirche namhaft gemacht werden (1.). Origenes wird deshalb besonders herangezogen (1.3.), weil er epochebildend war für die Entwicklung einer Gotteslehre, die Kategorien anbietet für eine die göttliche Einheit nicht aufhebende interne Differenzierung in Gott. Der arianische Streit und mit ihm die Entstehung des Trinitätsdogmas im 4. Jahrhundert können durchaus als Weiterarbeit an den von Origenes vorgegebenen Strukturen und Problemen verstanden werden. Im 4. Jahrhundert wird jene spezifische Konstellation im wesentlichen konfiguriert, die das Filioque-Problem generiert (2.-4.). Denn die Ausbildung einer komplexen trinitätstheologischen Semantik erfolgt in engem Zusammenhang mit der Etablierung institutioneller Strukturen der normativen Lehrvergewisserung und mit der Prägung bzw. Autorisierung von Formeln, die das Wesentliche des christlichen Glaubens verbindlich zusammenfassen. Materialer und forma-

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ler Inbegriff dieses Zusammenhangs ist das auf der ersten gesamtkirchlichen Bischofssynode in Nicäa 325 approbierte „nicänische" Bekenntnis, dem gleichsam als Abschlußdokument einer jahrzehntelangen, höchst strittigen Diskussion 381 auf dem Konzil von Konstantinopel in einer historisch schwer erhellbaren Weise das später sog. „Nicäno-Constantinopolitanum" zur Seite trat und es langfristig sogar als verbindlichen Ausdruck des „nicänischen Glaubens" ersetzte. Zudem entwickelte Augustinus auf dem Boden dieses „nicänischen Glaubens" (freilich ohne Kenntnis des NC!) eine von den griechischen Konzeptionen charakteristisch unterschiedene lateinische Trinitätstheologie von enormer inhaltlicher und methodischer Wirkmächtigkeit. Damit war der Grund gelegt für die Ausdifferenzierung unterschiedlicher theologischer .Stile' in West und Ost. Wenn die Trinitätslehre Augustiiis am Ende von Teil I dargestellt und also den Voraussetzungen des Filioque-Problems zugerechnet wird, so soll damit nicht gesagt sein, sie enthalte die Lehre vom doppelten Hervorgang des Geistes nicht jedenfalls sinngemäß. Vielmehr wird dadurch angezeigt, daß der Konflikt erst unter den Bedingungen charakteristisch unterschiedener trinitätstheologischer Entwürfe ausbrechen konnte, und es duldet keinen Zweifel, daß diese Konstellation (trotz traditionsgeschichtlicher Vorläufer) erst mit Augustin gegeben war. Obwohl er selbst seine Trinitätslehre gänzlich unpolemisch ausarbeitete und einen Konflikt mit den Griechen weder intendierte noch billigend in Kauf nahm, sind es die Wirkungen der augustinischen Theologie, die die Kontroverse auslösten. Teil II vollzieht die Entstehung und Geschichte dieser Kontroverse nach. Dazu wird zunächst die durch die Durchsetzung des Augustinismus katalysierte und von diesem her legitimierte Einfügung der Filioque-Formel in den lateinischen Text des NC von frühen Ansätzen (1.1.) über die spanischen Synoden (1.2.) bis in die Karolingerzeit (1.4.), die den Beginn des eigentlichen Konflikts markiert, historisch rekonstruiert, wobei die in West und Ost unterschiedlich verlaufende Geschichte der Normativität des NC mitberücksichtigt werden muß (1.3.). Als die erste umfassende und außerordentlich wirkmächtige griechische Replik muß daraufhin die Filioque-Kritik des Patriarchen Photios aus dem 9. Jahrhundert eingehend analysiert werden (2.). Die päpstliche Autorisierung der Bekenntniserweiterung 1014 und das (freilich erst mit zunehmender zeitlicher Entfernung als epochale Zäsur empfundene) Schisma von 1054 signalisieren ein neues Stadium der Entfremdung zwischen der griechischen und der lateinischen Kirche, für die der Filioque-Dissens zwar nicht ursächlich, wohl aber als Indikator und Steigerungsmoment steht (3.). Trotz vielfältiger teils politisch, teils durchaus kirchlich-theologisch motivierter Verständigungsversuche schreitet die Ausdifferenzierung grundsätzlich unterschiedener Typen von Theologie und kirchlicher Lehrvergewisserung voran. Dies wird mit Blick auf die FilioqueProblematik zunächst in exemplarischen Einzelstudien an der westlichen Scholastik dargestellt (3.1.). In Byzanz (3.2.) erfolgte die explizite Auseinandersetzung mit der Scholastik erst in einer relativ späten Phase eines langfristigen

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Prozesses theologischer Strukturbildung, der, obwohl immer begleitet von Unionsversuchen (3.2.1.), primär als interne Etablierung und Entfaltung einer spezifischen theologischen Methode in Relation zu einer spezifischen kirchlichen Frömmigkeit verlief (3.2.2.-3.2.5.). Diese Entwicklung kulminierte im hesychastischen Streit des 14. Jahrhunderts, dessen Schlüsselfigur der bereits mehrfach erwähnte Gregorios Palamas war. Sei es in introvertierter Abwendung vom Westen, sei es in Konfrontation mit ihm: Resultat war eine gesteigerte Differenz in Stil und Methode. Gleichwohl waren beide Seiten auf dem Konzil von Ferrara und Florenz 1438/39 noch einmal fähig zu höchst gehaltvollen und subtilen theologischen Verhandlungen, in denen alle Dimensionen des Filioque-Problems ausführlich zur Sprache kamen, und es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Untersuchung, sowohl die große Nähe, die dabei erreicht wurde, als auch das schließliche Scheitern der vereinbarten Union zu analysieren und auf theologische Gründe hin zu befragen (4.). Es mag überraschen, daß der dem Filioque „unter den Bedingungen der Moderne" gewidmete Teil III mit der Reformation beginnt. Nicht nur ist bekanntlich strittig, inwieweit die Reformation tatsächlich der Neuzeit zuzuordnen ist. Vielmehr haben sich die Reformatoren auch gerade in der Trinitätslehre durchgängig um den Nachweis ihrer Übereinstimmung mit der .altgläubigen' Tradition bemüht. Dennoch ist bei ihnen strukturell der Grund gelegt für die Neukonstitution der Trinitätstheologie im 20. Jahrhundert, indem sie die Trinitätslehre dezidiert heilsökonomisch verankern und indem sie neue Legitimierungsstrukturen für kirchliche Lehrbildung entwickeln, die eine stärkere Wahrnehmung des biblischen Zeugnisses fordern. Außerdem gehört die mit der Reformation einsetzende innerwestliche konfessionelle Ausdifferenzierung zu den entscheidenden Bedingungsfaktoren des gegenwärtigen ökumenischen Diskurses; das einfache west-östliche Gegenüber ist einem vielschichtigen mehrstelligen Geflecht bi- und multilateraler Konfigurationen gewichen. Schließlich berufen sich zumindest die lutherischen Kirchen bis heute in ihrer theologischen Selbststeuerung auf die Lehrentscheidungen des 16. Jahrhunderts; doch auch die reformierten Kirchen vergewissern ihre Identität ungeachtet der weithin gelockerten formalen Bekenntnisbindung unter Rekurs auf die theologischen Weichenstellungen des Reformationsjahrhunderts. Die Darstellung von Luthers bzw. Melanchthons und von Calvins Aufnahme des trinitarischen Dogmas, von ihrer Stellung zu den altkirchlichen Konzilien und Symbolen und von der Ausbildung einer eigenen konfessionellen Bekenntnistradition in den Reformationskirchen (1.1.-1.3.) bildet mithin gleichsam das Vorspiel für die breit angelegte Untersuchung der Wahrnehmung des Filioque-Problems in der ,erweiterten Gegenwart', sprich: im späten 19. und im 20. Jahrhundert. Mit der Behauptung, in der Theologie der Reformatoren seien die trinitätstheologischen Problemlagen des 20. Jahrhunderts präfiguriert, ist indes nicht unterstellt, daß für die Wiederentdeckung und produktive Wiederaufnahme der

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Thematik, die nach dem bereits erwähnten Briefwechsel der Tübinger Lutheraner mit Patriarch Jeremias II. (1.4.) gewissermaßen in Tiefschlaf versunken und nur formelhaft weitertradiert worden war, faktisch reformatorische Impulse maßgeblich geworden wären. Bezeichnenderweise erwachte das Interesse ja zuerst bei den Altkatholiken (2.), und zwar in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer konfessionellen Selbstkonstitution. Doch obwohl sie schnell bereit waren, die formale Unzulässigkeit der Einfügung des Filioque ins NC einzuräumen, und den liturgisch ursprünglichen Text des NC wiederherzustellen begannen, setzte die Frage, ob auch eine das Filioque enthaltende Trinitätstheologie, jedenfalls solange sie eine (Ko-) Prinzipialität des Sohnes impliziere, als häretisch auszugrenzen sei, einen nahezu hundert Jahre dauernden Reflexionsprozeß frei, der erst 1970 mit einer Erklärung der altkatholischen Bischofskonferenz seinen Abschluß fand, die jede Lehre verwarf, in der der Sohn als innergöttliche Ursache (aixia) erscheint. Die großkirchlichen Traditionen des Westens hatten den gehaltvollen altkatholischen Diskussionen lange Zeit wenig Vergleichbares zur Seite zu stellen. Erst mit großer Verzögerung, seit den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, hat die oben skizzierte Neuakzentuierung der Trinitätslehre neue Bewegung in die Filioque-Diskussion gebracht. Neuere Stellungnahmen zum Filioque können nur im Zusammenhang dieses umfassenden und konfessionsübergreifenden Neueinsatzes angemessen gewürdigt werden. Deshalb wird in der vorliegenden Untersuchung nicht der Weg gewählt, anhand möglichst vieler punktueller Erwähnungen des Filioque-Problems etwa in neueren dogmatischen Lehrbüchern eine Art Landkarte westlicher Positionen zu erstellen. Vielmehr wird in vier exemplarischen Fallstudien jener trinitätstheologische Neueinsatz eingehend analysiert und in seinen Auswirkungen auf die FilioqueFrage reflektiert (3.). Die Auswahl - Barth, Rahner, Moltmann, Pannenberg rechtfertigt sich bei Barth und Rahner zwanglos wegen der offenkundigen Bedeutung ihrer Entwürfe für die neuere westliche Trinitätstheologie. Moltmann und Pannenberg werden herangezogen, weil sie in je spezifischer Weise den Ansatz von Barth und Rahner aufgreifen, aber kritisch auf diese selber zurückwenden und dergestalt weiterentwickeln. Daß dabei auch das Filioque eine veränderte Beurteilung erfährt, dürfte kein Zufall sein, ohne daß mit dieser Auswahl und Sequenz freilich insinuiert sein soll, daß neuere westliche Trinitätslehre generell und mit innerer Notwendigkeit zu einer Kritik des Filioque hintendiere. Entgegen der stereotypisierten westlichen Außenwahrnehmung, aber auch entgegen häufiger orthodoxer Selbststilisierung kann man auch in der orthodoxen Theologie des 20. Jahrhunderts von einer erfahrungsbezogenen Neuorientierung sprechen, die auffällige strukturelle Parallelen zu den westlichen Entwicklungen aufweist. Unter Rückgriff auf die griechischen Väter und besonders auf Gregorios Palamas als den hermeneutischen Schlüssel für die Väterexegese wurde eine .Reformation' des theologischen ,Stils' im Zeichen einer ekklesial-

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liturgisch und spirituell verstandenen Erfahrung angestrebt. Diese Erneuerungsbewegung, für die sich Begriffe wie „neopatristische Synthese" oder besonders „Neopalamismus" eingebürgert haben, wandte sich kritisch gegen die russische und griechische „Schultheologie" seit dem 17. und 18. Jahrhundert, der eine methodische Verwestlichung vorgeworfen wurde. Allerdings ist diese (zur prinzipiellen orthodoxen Kontinuitätsunterstellung ohnehin nicht ganz spannungsfreie) Entfremdungsthese umstritten geblieben, zumal von einer gänzlichen Durchsetzung des Neopalamismus faktisch nicht die Rede sein kann: Die ökumenische Attraktivität des Neopalamismus darf für die bleibende Bedeutung der „Schultheologie" nicht den Blick verstellen. Zudem ist klärungsbedürftig, ob die neopatristische Erneuerung auch die trinitätstheologischen Parameter verschoben hat. In einer materialreichen Analyse orthodoxer Dogmatiken der vergangenen zwei Jahrhunderte hat Dorothea Wendebourg dies bestritten und (mit kritischer Stoßrichtung) eine starke Strukturkontinuität neuerer ostkirchlicher Trinitätstheologie ausgemacht.35 Die Erörterung dieser Fragen (4.1.) bildet die hermeneutische Grundlage für die Darstellung moderner orthodoxer Deutungen des Filioque-Problems. Angesichts der Kopräsenz von neopalamitischer und Schul-Theologie, die sich tendenziell abbildet in der Kopräsenz einer (exil-) russischen und einer griechischen Traditionslinie, aber auch angesichts eines erstaunlichen Pluralismus der Positionen bedarf diese Darstellung einer gewissen Breite, um ein differenziertes Bild zu geben. Gleichwohl bleibt auch hier ein exemplarisches Vorgehen unvermeidlich (4.2.-4.5). Am Ende muß resümierend bedacht werden, inwieweit sich in der neueren orthodoxen Theologie ein wie auch immer differenzierter Konsens in der Beurteilung der Filioque-Frage erkennen läßt (4.6.). Viele der angesprochenen westlichen und östlichen Theologen argumentieren bereits bewußt im Horizont der interkonfessionellen Verständigungsversuche der vergangenen Jahrzehnte oder nahmen sogar aktiv an diesen teil. Diese Versuche fanden auf Theologen-Ebene unter dem Dach verschiedener ökumenischer Organisationen (5.1.), aber auch in Gestalt bilateraler zwischenkirchlicher Gespräche statt und mündeten teilweise bereits in autorisierte Stellungnahmen einzelner Kirchenleitungen (5.2.). Die Diskussion trat dadurch in ein Stadium gesteigerter, institutionell abgestützter Verbindlichkeitsansprüche ein. Gerade deshalb muß sie besonders genau studiert werden. Der abschließende Teil IV faßt nicht einfach die Ergebnisse der Untersuchung zusammen, sondern sucht in perspektivischer Verdichtung noch einmal die entscheidenden Problempunkte aufzunehmen. Zunächst wird (in impliziter Auseinandersetzung mit der genannten Stellungnahme der VELKD) thetischkonzentriert erwogen, ob, wie und unter welchen Bedingungen das Luthertum sich ohne Selbstaufgabe zu einer Rückkehr zum griechischen Text des NC ver35

Dorothea Wendebourg, Person und Hypostase. Zur Trinitätslehre in der neueren orthodoxen Theologie, in: Jan Röhls / Gunther Wenz (Hg.), Vernunft des Glaubens. Festschrift zum 60. Geburtstag von Wolfhart Pannenberg, Göttingen 1988, 502-524.

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stehen könnte (1.)- Darauf folgen systematische Überlegungen zu konzeptionellen Fragen der Trinitätstheologie, die die Untersuchung beständig begleitet haben (2.). Die Beobachtung, daß die elaborierten trinitätstheologischen Traditionen in West und Ost jeweils einen hohen Grad von innerer Kohärenz und Schlüssigkeit erreicht haben, gerade deshalb sich aber wechselseitig gegeneinander stabilisieren, nötigt zu der methodologischen Reflexion, wie derart verdichtete Traditionen überhaupt miteinander verglichen werden können, wenn ein der konfessionellen Differenzierung übergeordneter Beobachterstandpunkt nicht zur Verfügung steht bzw. entweder jener Differenzierung äußerlich bleibt oder sich faktisch (mit ähnlichem Effekt) seinerseits einer konfessionellen Perspektive verdankt (2.1.). Als entscheidender Differenzpunkt in der Frage des Zugangs zur Trinitätserkenntnis hat sich gerade in der neueren Diskussion der westliche Gedanke einer Entsprechung von ökonomischer und immanenter Trinität, genauer: von ökonomischen und immanenten Relationen zwischen den trinitarischen Personen, erwiesen. Das Verfahren, wie aus ökonomischen immanente Relationen erschlossen werden, bedarf allerdings der methodologischen Erhellung (2.2.). Das führt auf die schlechterdings grundlegende Frage der kategorialen Bestimmtheit der trinitätstheologischen Terminologie (2.3.). Die Einsicht, daß kreatürliche Begriffe im Blick auf Gott nur analogisch verwendet werden können, macht es erforderlich, den theo-logischen Sinn jener Begriffe jeweils präzise zu erheben. Dies gilt in besonderem Maße für die in West und Ost in unterschiedlicher Ausprägung dominante, ja bei der Bestimmung der trinitarischen Personen monopolisierte Ursprungs- und AbkunftsSemantik. Erweist sich schon diese Monopolisierung als problematisch, so kommt in der westlich-anselmischen Konzeption der Personunterscheidung qua Gegenüberstand in Ursprungsrelationen problemverschärfend hinzu, daß dabei die personalen Relationen kategorial nivelliert werden. Beide Engfuhrungen müssen überwunden werden. Die Trinitätslehre muß die göttlichen Personen in einem „komplexen Beziehungsgeflecht" (Pannenberg) beschreiben, für das strikte kategoriale Differenzierung und Wechselseitigkeit konstitutiv sind. Im Zuge solcher Überlegungen wird in Umrissen eine trinitätstheologische Konzeption angedeutet, die die Einsichten aus der intensiven Beschäftigung mit der westlichen und der östlichen Tradition systematisch fruchtbar zu machen versucht und Lösungsansätze für manche der dargestellten Aporien vorschlägt. Leitend ist hierfür der Gedanke, die Trinität als kategorial differenziertes innergöttliches Erschließungsgeschehen zu deuten. Die Tragfähigkeit dieses Konzepts wird anhand der klassischen Fragen der Personalität des Geistes und seiner Beziehungen zu Vater und Sohn (2.4.), der innergöttlichen .Seinskonstitution' (2.5.) und der Einheit des dreieinen Gottes überprüft. Am Ende (3.) steht schließlich eine knappe Bemerkung zum in der vorliegenden Arbeit zugrundeliegenden Theologieverständnis, näherhin zum Traditionsanschluß einer dezidiert gegenwartsorientiert angelegten systematischen Theologie.

Teil I Die Voraussetzungen des Filioque-Problems

1. Ansätze und Motive für die Ausbildung einer Trinitätslehre 1.0. Einleitung Die neutestamentlichen Schriften kennen keine ausgeführte Trinitätslehre im Sinne des späteren Dogmas. Gleichwohl enthalten sie Aussagen, Bilder, Begriffe, Argumentationen etc., die zu Reflexionen, Deutungen, Vernetzungen veranlassen konnten, die später als Schritte auf dem Weg zu einer Trinitätslehre erkennbar bzw. interpretierbar wurden. Fokus dieser Entwicklung ist sicherlich die Frage des Verhältnisses Jesu Christi zu Gott. In deren Windschatten gewissermaßen folgte die Frage nach dem Geist als eigenständiger göttlicher Handlungsinstanz1 neben Christus. Platzhalter dafür, daß beide Fragen zusammengehalten, daß sie als Fragen der Gotteslehre behandelt und daß sie von der Behandlung anderer Gottesbezeichnungen (z.B. Weisheit, Name) und Gotteskräfte kategorial unterschieden werden mußten, waren die triadischen Formeln Mt 28,19 und 2 Kor 13,13, von denen die matthäische in ihrer katalysatorischen Bedeutung kaum zu überschätzen ist, da sie im Zusammenhang der Taufe als des Elementarereignisses der christlichen Existenz erscheint2. Von einer Platzhalterfunktion dieser Formeln ist freilich deshalb zu sprechen, weil die genannten Implikationen noch keineswegs zur Geltung kamen und weil die Entwicklung zudem auch nicht entelechisch auf eine trinitarische Gotteslehre zulief. Alle im folgenden zu nennenden biblischen Ansätze zu einer Näherbestimmung des Verhältnisses Christi zu Gott und des Geistes zu Christus und zu Gott konnten ebensogut, ja möglicherweise sogar eingängiger subordinatianisch gedeutet und entfaltet werden, und zwar auf zweierlei Weise: als Abstufung innerhalb der überweltlichen Sphäre Gottes oder als Hinaufstufung welthafter Geschöpfe in die Gottessphäre (wobei beide Möglichkeiten auch kombiniert werden konnten). Dieser grundlegenden ambivalenten Deutbarkeit der biblischen Zeugnisse entspricht eine ebenso grundlegende Ambivalenz in 1 Die Begriffe „Hypostase" und „Person" müssen von dieser frohen Phase ferngehalten werden. 2 Vgl. allerdings die differenzierenden Erwägungen von Georg Kretschmar zur Verwendung der Formel in frühchristlichen Taufgottesdiensten: ders., Studien zur frühchristlichen Trinitätstheologie, Tübingen 1956,125-134 und 196-216.

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Die Voraussetzungen des Filioque-Problems

den philosophisch-weltanschaulichen Denkformationen des Hellenismus, die als das Medium der begrifflichen Darstellung und der kulturellen Plausibilisierung spätestens seit den Apologeten des 2. Jahrhunderts die theologische Explikation von Sinn und Inhalt des christlichen Glaubens formgebend prägten und deshalb als die zweite tragende , Säule' am Bau der Trinitätstheologie gelten müssen3. Diese Ambivalenz zeigt sich etwa in der Zwischenstellung des LogosBegriffs zwischen einer hypostasierten Entität im göttlichen Ideenhimmel wobei auch hier die Frage nach Pluralität und Abstufung in Gott bzw. in der göttlichen Sphäre sich stellte - und einem weltdurchwaltenden Gestaltungsprinzip des Geschaffenen, welches Prinzip seinerseits als geschaffen oder als göttlich verstanden werden konnte. Gerade diese Zwischenstellung ermöglichte nun freilich auf der einen Seite die Übertragung des Logos-Begriffs auf Christus, genauer: die Verbindung der jüdischen (ihrerseits bereits hellenistisch amalgamierten), christologisch applizierten Logos-Tradition mit dem philosophischweltanschaulichen Logos-Konzept, was neue, für die Entstehung der Trinitätslehre wichtige Leitbegriffe und Leitunterscheidungen in das christliche Denken einführte und insgesamt eine betont kosmologische Explikation der frühchristlichen Gotteslehre bewirkte4; auf der anderen Seite partizipierte das Christentum eben dadurch an den Ambiguitäten jenes Konzepts, und mehr noch: die Koordinaten der theo-logischen Reflexion verschoben sich grundlegend5. 1.1. Christus und Gott im Neuen Testament Doch zunächst gilt es jene biblischen Konstellationen zu benennen, die die theologische Entwicklung in Richtung auf eine Trinitätslehre anstießen, indem sie vor allem zur Reflexion des Verhältnisses Jesu Christi zu Gott nötigten und dabei einer theo-logischen Bearbeitung dieses Problems den Weg bereiteten, die über eine Messianologie hinauswies.6 Ein Motiv besonderer Ausstrahlungskraft war gewiß, daß Jesus Gott emphatisch als seinen Vater anspricht und sich so in 3

Natürlich sind hellenistisch-pagane Züge, Einflüsse, Assonanzen bereits in den neutestamentlichen und überhaupt den frühchristlichen Schriften selbst enthalten. Schon deshalb ist der Eintritt des Christentums in die hellenistische Kultur keineswegs undifferenziert als - wie auch immer unvermeidlicher - Weg in die Fremde zu bezeichnen (gegen Hamack). Zu Harnack vgl. jetzt freilich präzisierend: Markus Schröder, „Wiedergewonnene Naivität". Protestantismus und Bildung nach Adolf von Hamack, in: ders. / Arnulf von Scheliha (Hg.), Das protestantische Prinzip. Historische und systematische Studien zum Protestantismusbegriff, Stuttgart etc. 1998, 119-135. 4 Vgl. Karlmann Beyschlag, Grundriß der Dogmengeschichte. Bd. 1: Gott und Welt, Darmstadt 21988 [fortan zitiert als: Beyschlag I], 105-120. 5 Das ist nicht per se kritisch gemeint. Es muß aber registriert sein. 6 Wohlgemerkt: Es geht nicht um das historisch-kritische Aufzeigen von Traditionslinien; es sollen vielmehr Motive und Motiwerbindungen untersucht werden, die unter ja keineswegs historisch-kritisch orientierten geistesgeschichtlichen Bedingungen katalysierend für die Entstehung einer Trinitätslehre wirken konnten, und zwar gerade durch Verknüpfimg disparater Traditionslinien.

Ansätze und Motive für die Ausbildung einer Trinitätslehre

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eine singulare Vater-So/wi-Relation zu diesem stellt. Diese Relation wird nach Jesu Taufe im Jordan von der Stimme aus dem Himmel ausdrücklich kundgetan (Mt 3,17 par). Sie ist singulär in der wechselseitigen Kenntnis (Mt 11,27; vgl. aber Mt 24,36); das Johannesevangelium spricht sogar von der Einheit der dennoch voneinander Unterschiedenen (Joh 10,30). Die metaphorische Beschreibung des Verhältnisses Jesu zu Gott als personal-relationale Einheit von Vater und Sohn dürfte der Nukleus der späteren Trinitätslehre sein - einschließlich der Schwierigkeiten, den Geist in diesen Kategorien zu denken. Die spezifische Nähe Jesu zu Gott kann sachlich verbunden werden mit dem Anspruch, in Jesus Christus den exklusiven, authentischen, autoritativen, vollmächtigen (weil bevollmächtigten) Offenbarer und Ausleger des Gotteswillens zu erkennen (Bergpredigt). Sie äußert sich aber ebenso darin, daß Jesus Sünden vergibt, was doch ausdrücklich Gott vorbehalten ist (Mk 2,7). Hier ist der Übergang zu dem Vorstellungskreis, daß mit Christus Gottes verheißene Rettung für sein Volk definitiv eingetroffen, das „Reich Gottes" bzw. das „Reich der Himmel" angebrochen ist. Im Bild vom geöffneten Himmel in der Taufgeschichte (vgl. aber auch Act 7,55) ist der im Auftreten Jesu vollzogene eschatologische Äonenwechsel verräumlicht dargestellt7; hier ist ein möglicher Ansatz für einen Übergang des theologischen Denkens aus dem Zeitlich-Geschichtlichen in das GleichzeitigRäumliche und das Zeitlos-Wesenhafte zu vermuten. Die Dimensionen dieser Nähe Christi zu Gott, die zugleich die heilsame Nähe Gottes zur Welt indiziert, werden in der Folge kosmologisch-theologisch ausgeweitet und in dieser neuen Weite rückbezogen auf die Interpretation der Gestalt Jesus Christus selbst. Der Auferstandene und zum Himmel Gefahrene sitzt zur Rechten Gottes (Act 2,34; vgl. Ps 110,1), wo ihn der Märtyrer Stephanus bei geöffnetem Himmel auch (allerdings stehen) sieht; die verwandten Menschensohn-Traditionen können dafür verwendet werden, die Verortung im Himmel mit dem Gedanken der Rückkehr aus dem Himmel zu verknüpfen, was wiederum durch die Vorstellung von der endzeitlichen Erscheinung des Menschensohnes zum Gericht Christus die Bedeutung des Richters zuwachsen läßt. Hat hier Christi Funktion und Stellung seine konkrete raumzeitliche Identität bereits weit überstrahlt, so ist es nur konsequent, daß nicht allein Christi Empfängnis und Geburt den Charakter des Wunderbaren erhalten, sondern überhaupt seine Existenz vor seinem irdischen Leben gedacht wird, und zwar keineswegs nur in dem gewissermaßen trivialen Sinn einer Präexistenz der unsterblichen Seele, vielmehr im emphatischen Sinn des Seins-bei-Gott (Joh 1,1), der Gestaltgleichheit mit Gott (Phil 2,6), ja des Gott-Seins (noch einmal Joh 1,1). Die Präexistenz-Christologie bedeutet einen gewaltigen Schritt hinaus über eine rein messianologische Deutung der Gestalt Jesus Christus als eines besonders erwählten Menschen, obwohl sie 7 Eine Parallele dazu ist, daß der Vorhang vor dem Allerheiligsten im Tempel beim Tod Jesu zerreißt (Mt 27). Das Kirchenlied kennt die erneute öffiiung des Gartens Eden bei der Geburt Christi: „Heut' schließt er wieder auf die Tür / zum schönen Paradeis / der Cherub steht nicht mehr dafür ..." (EG 27,6).

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von dieser Deutung ausging und ihr gewissermaßen einen universalen Rahmen gab. Erst jetzt ist das irdische Auftreten Jesu als Inkarnation verstehbar und seine Erhöhung als Rückkehr. Zugleich aber wird damit Christi Heilswerk gegründet im ewigen Ratschluß Gottes, indem Christi Erwählung dem Bereich Gottes „vor der Grundlegung der Welt" (Eph 1,4) zugeordnet wird. Dann genügt es auch nicht mehr, Christus als authentischen Gesandten Gottes zu betrachten, um gewiß zu sein, daß der Erlöser tatsächlich „in sein Eigentum" gekommen ist, was aber Voraussetzung dafür ist, daß er die Erlösung auch tatsächlich bewirken kann8. Die geforderte Einheit von Schöpfergott und Erlösergott ist abgebildet in der Identifikation des Erlösers (bzw. Erlösungsmittlers) Christus als zugleich auch Schöpfungsmittler (Joh 1,3; 1 Kor 8,6; Kol 1,16; Hebr 1,2). Dies kann, ungemein folgenreich, durch den Logos-Begriff erfolgen (Joh 1), der schon im AT die Konnotation des Schöpfungsmediums hat (vgl. Ps 33,4), hat aber seinen traditionsgeschichtlichen Hintergrund ebenso in der frühjüdischen acxpia-Spekulation (vgl. Spr 8,22-31), die die personifizierte Weisheit als („im Anfang, ehe die Erde war", bereits existierende) geliebte Begleiterin Gottes bei der Schöpfung, ja nach LXX und Vulgata als seine „Werkmeisterin" (8,30) darstellt. Überhaupt ist die frühjüdische Tendenz, göttliche Eigenschaften und Vermögen zu hypostasieren, um so die Weltrelationen des welttranszendenten Gottes aussagen zu können, eine wichtige Voraussetzung dafür, daß eine Pluralität in Gott vorstell- und denkbar erscheinen konnte9. Wenn der schöpfungsmittelnde Logos nun nach Joh 1,1 nicht nur „bei" Gott, sondern selbst Gott ist, dann ist der Schritt nicht mehr groß, Christus selbst als „Gott" zu bezeichnen. Dies geschieht bemerkenswerter Weise nur an sehr wenigen Stellen im NT (Joh 1,18; 20,28; Rm 9,5; Tit 2,13; 2 Petr 1,1; 1 Joh 5,20). Katalysierend dafür, daß dieser „für Judenchristen inakzeptable"10 Schritt in größerem Umfang vollzogen wurde, dürfte die in den Evangelien, besonders bei Lukas, gängige Anrede und Bezeichnung Jesu als „Herr" (Kupioq) gewesen sein, da sie auf die griechische Wiedergabe des Gottesnamens in der Septuaginta bezogen werden konnte; und in der Tat wird in einigen neutestamentlichen Schriftzitaten der Kupioq-Titel vom Kontext her eindeutig auf Christus gedeutet (vgl. Rm 10,13 im Zusammenhang mit 10,9!). Theo-logische Konsequenzen wurden aus dieser qualitativen Veränderung unmittelbar noch nicht gezogen. Dies hängt vermutlich damit zusammen, daß nahezu alle genannten Faktoren und Aspekte auch ,subordinatianisch' interpretiert werden konnten, etwa im Verständnisrahmen einer frühjüdischen Gesandten-Messianologie. Selbst die Spitzenaussagen über die Präexistenz und die Schöpfungsmittlerschaft konnten als Aussagen über ein wenn auch herausgeho8

Hier dachten Marcion und die Gnostiker charakteristisch anders: Erlösen kann nur der fremde Gott. 9 Neben „Wort" und „Weisheit" wäre etwa der „Name" oder auch der „Geist" zu nennen. 10 Wolf-Dieter Hauschild, Lehrbuch der Kirchen und Dogmengeschichte, Bd. 1: Alte Kirche und Mittelalter, Gütersloh 1995,7.

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benes Geschöpf erscheinen, wie auch bereits das Frühjudentum die personifizierte Weisheit als „das erste von Gottes Geschöpfen" (vgl. Sir 1,4; 24,14) verstand. Überdies bildete die Anschauung des mit Leiden verbundenem Menschseins Jesu eine gewisse Sperre gegen seine abstufungslose Zuordnung zu Gott, stand dieses doch im Widerstreit gegen die Axiome der Apathie und Unveränderlichkeit Gottes und galt es die unüberschreitbare Differenz von Schöpfer und Geschöpf zu respektieren. Schließlich und entscheidend verhinderte der bedingungslos übernommene exklusive Monotheismus des AT zunächst alle Überlegungen, das Verhältnis des exklusiven Schöpfungs-, Offenbarungs- und Erlösungsmittlers Jesus Christus zu Gott als streng innergöttliches Seins-Verhältnis zu denken. Dies zeigt sich etwa in der eschatologischen Unterordnung des Sohnes unter den Vater (1. Kor 15,24-28; vgl. Mk 13,32). Es gilt aber noch für das zweite Jahrhundert selbst dann, wenn Ignatius Christus als „im Fleisch erschienener Gott" (Ign Eph 7,2) bezeichnet und wenn der 2. Clemensbrief fordert, man müsse „über Christus so denken wie über Gott" (1,1). Daß hier eine gefahrliche Ambivalenz und argumentative Lücke vorlag, wurde erst deutlich, als mit denselben begrifflichen Mitteln und Leitunterscheidungen, mit denen man die herausragende Stellung Christi zu beschreiben gewohnt war, Christi authentische Offenbarungsmittlerschaft bestritten werden konnte. Dies ist letztlich erst der Fall bei Arius. Dem arianischen Streit gingen aber Entwicklungen voraus, ohne die weder der Streit selbst noch die entfaltete Trinitätslehre als dessen Resultat zu verstehen sind: die Verbindung des biblischen mit dem hellenistischprofanen Logosbegriff zu einer Logoschristologie bei den Apologeten, die die Christologie verstärkt kosmologisch ausformte; die nicht-spekulativen, biblischheilsgeschichtlichen trinitätstheologischen Ansätze des Irenäus, die unerachtet ihrer subordinatianistischen Tendenz eine gewisse Rückbindung der theologischen Spekulation an die geschichtliche Offenbarung und vor allem an die Soteriologie zu gewährleisten geeignet waren; die Identifikation und Ausgrenzung einer konsequenten Christologie ,von unten' (des Adoptianismus) ebenso wie einer radikalen Christologie ,von oben' (des Modalismus); die umfassende theologisch-philosophische Synthese des Origenes, der in kosmogonischer Abzweckung die präkosmische Vielfalt in Gott spekulativ erfaßte und an den alle Parteien des späteren Streites anzuknüpfen versuchten. 1.2. Die Eigenständigkeit des Geistes Doch zunächst müssen die Anfänge des Gedankens von der Eigenständigkeit des göttlichen Geistes im Verhältnis zum Vater und zum Sohn dargestellt werden. Dabei ist zu beachten, daß das Selektionsprinzip .eigenständiges Handlungssubjekt' in der Gefahr steht, die Wahrnehmung der Eigentümlichkeit des Geistes zu nivellieren in Richtung auf .Personalität' und ,Individualität'. Dies lag freilich aufgrund des Analogiedrucks des Vater-Sohn-Verhältnisses nahe; zugleich zeigen jedoch das ,Nachhinken' der Geist-Diskussion und der langan-

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haltende Widerstand gegen die Dogmatisierung der vollen Gottheit des Geistes, daß der Geist sich als sperrig dagegen erwies, ihn einer auf Vater, Sohn und Geist zugleich anzuwendenden, als Allgemeinbegriff fungierenden Kategorie sei es „Hypostase", sei es „Person" - zu subsumieren. Angesichts der grundlegenden Schwierigkeiten, in der Gotteslehre Allgemeinbegriffe zu verwenden, ist es deshalb nicht verwunderlich, sondern geradezu sachgemäß, daß an der Frage der Personalität' des Geistes immer wieder Grundlagenprobleme der Trinitätslehre überhaupt aufbrachen; dies gilt es auch für die Filioque-Frage im Auge zu behalten.11 1.2.1. Der Geist ,an sich' 1.2.1.1. Die johanneischen Paraklet-Sprüche Wie die johanneischen Aussagen über den Logos und über die Einheit von Vater und Sohn die theo-logische Entfaltung der Christologie katalysierten, so sind der entscheidende Ausgangspunkt für alle Versuche, den Geist als eigenständige Handlungsinstanz neben Christus zu fassen, sicherlich die Aussagen über den „Parakleten" in den sog. .Abschiedsreden" Jesu an seine Jünger Joh 13,3116,33 (14,16f; 14,26; 15,26; 16,7-11.12-15). 12 Denn in ihnen erscheint der Geist in ausdrücklicher Parallelität zu Christus als dessen Stellvertreter bei den Jüngern nach (und aufgrund) der Christus der unmittelbaren Wahrnehmung entziehenden ,Erhöhung'. Er ist der „andere" Paraklet13, der für die Jünger so wichtig ist, daß sie um seines Kommens willen sogar Jesu Tod und Weggang begrüßen sollen (vgl. 16,6f). Die „Sendung" (14,26; 15,26) oder „Gabe" (14,16) des „Geistes der Wahrheit" (14,17; 15,26; 16,13) bzw. des „Heiligen Geistes" (14,26) und dessen dauernde Gegenwart „bei" und „in" den Jüngern (14,17; vgl. 14,16) ist geradezu der soteriologische Zweck des Weggangs Jesu. Denn er wird die Jünger nicht nur an alles „erinnern", was Christus gesagt hat, und sie „alles lehren" (14,26), sondern er wird, mehr noch, Christus „verherrlichen" (16,14), d.h., den Jüngern Christi Bedeutung in vollem Sinne allererst aufschließen, die 11

Zur neutestamentlichen Pneumatologie vgl. etwa: Ferdinand Hahn, Das biblische Verständnis des Heiligen Geistes, in: Claus Heitmann / Heribert Mühlen (Hg.), Erfahrung und Theologie des Heiligen Geistes, München 1974, 131-147; ferner Klaus Berger, Art. Geist / Heiliger Geist / Geistesgaben III. Neues Testament, in: TRE 12,1984,178-196. 12 Aus der exegetischen Literatur vgl. exemplarisch: Christina Hoegen-Rohls, Der nachösterliche Johannes. Die Abschiedsreden als hermeneutischer Schlüssel zum vierten Evangelium, Tübingen 1996,92-229; Christian Dietzfelbinger, Der Abschied des Kommenden. Eine Auslegung der johanneischen Abschiedsreden, Tübingen 1997, besonders Exkurs 2: Der Paraklet, 202-226; Rudolf Schnackenburg, Das Johannesevangelium. III. Teil: Kommentar zu Kap. 13-21, Freiburg / Basel / Wien 1975 [= HThK IV/3], besonders Exkurs 16: Der Paraklet und die Paraklet-Sprüche, 156-173. 13 In der Schwierigkeit, den Begriff zu übersetzen - wörtlich: Herbeigerufener, daher Advokat, Beistand, „Tröster" (so Luther) - , spiegelt sich der Facettenreichtum des Geistbegriffs selbst.

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sie vor der Auferstehung noch nicht erkennen können - und dies schließt ein, daß er ihnen auch die Bedeutung des Kreuzestodes erschließt. Erst „im" Geist erkennen die Jünger Jesus den Gekreuzigten als den Christus; erst „im" „Geist der Wahrheit" wird Christus als „die Wahrheit" (14,6) kenntlich. In den Paraklet-Sprüchen thematisiert das Johannesevangelium mithin sich selbst, genauer: seine eigene Darstellung der Geschichte Jesu und seine damit exakt korrespondierende Verkündigungsintention, Glauben daran zu wirken, „daß Jesus der Christus, der Sohn Gottes sei", einen Glauben, der „im Namen" Jesu „Leben" schenkt (20,31). Dies alles verdankt sich der erkenntnisstiftenden und zum Zeugnis motivierenden Gegenwart des Geistes14. Da der Geist Jesus als Christus kenntlich macht, wird der Geist selbst dort nicht erkannt, wo Jesus nicht als der Christus erkannt und anerkannt wird (vgl. 14,17; vgl. auch 1 Joh 4,2): Er ist der Geist der „der Welt" entgegengesetzten Jünger Christi. Deshalb gilt aber auch umgekehrt: Nur indem er Jesus als den Christus kenntlich macht, wird er bzw. macht er sich selbst kenntlich. Von kaum zu überschätzender Bedeutung für die Ausbildung der Trinitätslehre ist nun, wie in den „Abschiedsreden" das Beziehungsgeflecht von Vater, Sohn und Geist im Blick auf die nachösterliche Vergegenwärtigung des Geistes bei den Jüngern beschrieben wird. Dabei lassen sich zwei Linien unterscheiden: Auf der einen Seite „gibt" (14,16) oder „sendet" (14,26) der Vater auf „Bitten" (14,16) bzw. „im Namen" (14,26) Christi den Geist den Jüngern; auf der anderen Seite ist es Christus, der „sendet" (15,26; 16,7), freilich „vom Vater aus" (raxpaTOÖnaxpöi;; 15,26). Diese Herkunftsbezeichnung der Sendung wird nun - markiert durch die auffällige Verwendung der Präposition (rcapa) - in bezug auf den Geist selbst expliziert. Er „geht vom Vater aus" (rcapa TOU rarcpcx; eK7topEuexai). Daß nur an dieser einen Stelle im Unterschied zu den sämtlich futurischen Sendungsaussagen das Präsens steht (noch dazu unmittelbar neben einer futurischen Aussage), ist der sprachliche Ansatz für die spätere Unterscheidung von (ewigem, innergöttlichem) Hervorgang und (zeitlicher, nach , außen' gerichteter, heilsgeschichtlicher) Sendung des Geistes, welche Unterscheidung gewissermaßen die Bedingung der Möglichkeit des Filioque-Streits ist. Gewiß sind die Distinktionen ewig - zeitlich und ad intra - ad extra bei Johannes in ihrer für die Trinitätslehre charakteristischen Ausprägung noch nicht vorauszusetzen und verdanken ihre christlich-theo-logische Verwendung den kirchen- und geistesgeschichtlichen Transformationen in der Spätantike. Dennoch gibt es gerade in den johanneischen,Abschiedsreden" manifeste Anhaltspunkte für diese Entwicklung: Der Gedanke der Rückkehr des Sohnes in den den Menschen entzogenen, unzugänglichen Bereich des Vaters, dem auch der Geist zugeordnet wird, der Gedanke der offenbarenden Öffnung dieses Berei14

Die Parallelität von 14,16f und 14,18f ermöglicht die systematisierende Formulierung, der Geist sei die nachösterliche Erscheinungs- oder Gegenwartsweise Christi. Aber gerade in dieser Zuspitzung wird deutlich, wie nahe eine modalistische Lösung des Zuordnungsproblems von Vater, Sohn und Geist lag und liegt.

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ches für die Menschen durch die nachösterliche Sendung des Geistes in Parallele zur Inkarnation des Sohnes sowie besonders die Darstellung gewissermaßen interner Relationen von Vater, Sohn und Geist in jenem menschlichem Zugriff enthobenen Bereich lassen onto-theologische Folgeüberlegungen über das in sich mehrstellige, .immanente' Sein Gottes jenseits' (was noch nicht notwendig heißt: unabhängig von) seiner Weltzuwendung als plausibel erscheinen. Die enge Bindung des gesandten Geistes an den Sohn erfährt in Joh 16,1315 noch eine zusätzliche Begründung in den ,himmlischen' Verhältnissen von Sohn, Geist und Vater, wenn die Verheißung, daß der „Geist der Wahrheit" die Jünger „in alle Wahrheit leiten" (16,13) bzw. parallel dazu, daß er Christus „verherrlichen" (16,14) werde, darauf zurückgeführt wird, daß er nicht Eigenes, sondern von einer anderen Instanz Gehörtes weitergeben wird. Diese andere Instanz wird im Folgesatz mit Christus nicht schlechthin identifiziert: Die Aussage, der Geist werde „von dem Meinen" nehmen und verkündigen, wird auffälligerweise ausdrücklich erläutert und dabei durch die Betonung der Besitzgemeinschaft von Vater und Sohn sofort an den Vater rückgebunden. Damit wird freilich Christi Autorität nicht relativiert, sondern im Gegenteil immens gesteigert; eine geistgewirkte Vateroffenbarung, die nicht zugleich Christusoffenbarung ist, ist ausgeschlossen. Ebenso wird die Christusoffenbarung des Geistes durch den Vater autorisiert. Die merkwürdige (und als merkwürdig gekennzeichnete) objektivierende Formulierung „von dem Meinen" legt freilich gerade in ihrer Rückbindung an den Vater die Überlegung nahe, ob sich das offenbarende Wirken des Geistes in der Offenbarung der Bedeutung Christi erschöpft - zumal der Geist auch „das Zukünftige" verkünden und die Jünger auch insofern „in alle Wahrheit leiten" wird (16,13), eine Wahrheit, die sie vor der Erhöhung nicht „tragen" könnten. Diese Frage ist für die spätere FilioqueDiskussion sehr wichtig, weil sie das Problem einer auch inhaltlichen Eigenständigkeit der Geist-Offenbarung gegenüber dem Sohn betrifft. In jedem Fall würde sich aber auch eine solche nicht nur den Sohn beleuchtende GeistOffenbarung einem ursprünglich dem Vater eigenen, dann aber (immer schon oder aufgrund der Erhöhung?) vollständig dem Sohn mit zugeeigneten ,himmlischen Fundus' verdanken, was im übrigen genauso filioquistisch (im Sinne der vollendeten Besitzgemeinschaft von Vater und Sohn) wie nicht-filioquistisch (unter Betonung des väterlichen Ursprungs) interpretiert werden könnte15.

1.2.1.2. Der „Geist aus Gott": 1 Kor 2,10-16 Der Geist erschließt nach Johannes also aus dem den Menschen prinzipiell entzogenen Bereich Gottes mehr, als der vorösterliche Jesus erschlossen hatte, zugleich aber nichts, was er nicht von dem erhöhten Christus empfangen hätte, der 15 Interessanterweise wird Mt 10,20 den Jüngern als Beistand in der Verfolgung um Christi willen (vgl. 10,18) vor Gericht „eures Vaters Geist" (Hervorhebung von mir) verheißen.

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alles (unter noch nicht geklärtem Ursprungsverhältnis) mit dem Vater gemeinsam hat. Daß der Geist aus dem unzugänglichen (vgl. 1 Tim 6,16) .Inneren' Gottes Kunde gibt, hebt auch Paulus 1 Kor 2,10-16 (im Zusammenhang mit 2,6-9) hervor.16 Stärker als Johannes, dem es mehr um die Autorisierung der Botschaft durch Sohn und Vater zu tun ist, deutet Paulus die OffenbarungsAufgabe des Geistes von dessen Eigentümlichkeit her. Ungemein folgenreich für die theologische Entwicklung ist nun, daß Paulus diese Eigentümlichkeit nach der Analogie des Geistes eines menschlichen Individuums bestimmt: Ebenso wie nur der Geist eines bestimmten Menschen dessen Inneres kennt (im Unterschied zu anderen Menschen!), ebenso sind nur dem Geist Gottes „die Tiefen der Gottheit" (2,10) erschlossen (2,12). Deshalb ist die Gabe des Geistes Bedingung der Möglichkeit und der Glaubwürdigkeit des Wissens davon, „was uns von Gott geschenkt ist" (2,12): Der Geist Gottes selbst muß und er allein kann das göttliche .Geschenk', den „Herrn der Herrlichkeit" (2,8), erst als göttliches Geschenk identifizieren. Paulus verbindet diese Überlegungen mit der Weisheits-Tradition: „Vor der Zeit der Welt" (vgl. Spr 8,23!) hat Gott seine „den Herrschern dieser Welt" „verborgene Weisheit zu unserer Herrlichkeit verordnet" (1 Kor 2,7f) und in der Gegenwart durch „seinen Geist" (2,10) denen offenbart, „die ihn lieben" (2,9; Jes 64,3). Daß die „menschliche Weisheit" (2,4f), der „natürliche Mensch" diese pneumatisch vermittelte oder erschlossene Heilsweisheit nicht erkennt, erklärt wiederum, warum die „Herrscher dieser Welt" den „Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt" haben (2,8) und warum das „Wort vom Kreuz" bzw. vom „gekreuzigten Christus" „den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit" und nicht, wie den „Berufenen", „göttliche Kraft und göttliche Weisheit" ist (1,18-24). Allein der Geist Gottes kennt Gott und kann deshalb Gottes ,Heilsplan' und dessen Verwirklichung in Christus als Heilswirklichkeit bekunden. Hier ist von einer Beauftragung des Geistes durch den Sohn bemerkenswerterweise nicht die Rede, auch wird keine komplexe Trias Vater-Sohn-Geist aufgebaut, vielmehr werden die beiden Duale Gott Geist und Geist - Christusoffenbarung aufeinander bezogen. Dennoch ist gerade die anthropologische Analogie ein wichtiger Ansatz für die spätere „psychologische" Trinitätslehre der westlichen Tradition. Wenn der Geist in 1 Kor 2 schlicht „Gott" zugeordnet wird, scheint das freilich einer filioquistischen Interpretation zu widerstreiten; allerdings endet der Abschnitt, indem den Christen als „geistlichen Menschen" synonym zum „Sinn des Herrn" aus Jes 40,13 „Christi Sinn" (vouq) zugesprochen wird (2,15f).

16 Von den Kommentaren vgl.: Wolfgang Schräge, Der erste Brief an die Korinther. 1. Teilband: 1 Kor 1,1-6,11, Zürich / Braunschweig / Neukirchen-Vluyn 1991 [= EKK VII/1], 238-278; Hans Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, Göttingen 1969 [= Meyers Kommentar, 5. Abteilung], 72-88.

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1.2.1.3. „ Gott ist Geist": Joh 4,23f Joh 4,23f wird die Gott offenbarende Funktion des Geistes auf der einen Seite konkretisiert am Gebet, das allein „im Geist und in der Wahrheit" erfolgen kann, auf der anderen Seite zugespitzt zu der theo-logischen Seins- und Identitätsaussage „Gott ist Geist" (4,24). Dies legitimiert die Geist-Offenbarung in unüberbietbarer Weise, indem es „Geist" als Seinsmodus oder als Qualität Gottes selbst bestimmt. Dadurch entsteht freilich für die spätere Trinitätstheologie das Problem, wie der Geist zugleich als .Wesens'-,Eigenschaft' Gottes und als distinkte trinitarische „Hypostase" gedacht werden könne. Die Schwierigkeiten werden nicht geringer, wenn man beachtet, daß 4,23 als anzubetende Instanz anders als 4,24 nicht „Gott", sondern „der Vater" genannt ist; denn eine Formulierung wie „der Vater ist Geist" wäre für modalistische Konsequenzen nur allzu offen. Allerdings liegt darin der trinitätstheologisch bedeutsame Hinweis, daß „Gott" im NT weithin primär mit dem Kaier-Namen identifiziert ist17, was für die orthodoxe Lehre vom Vater als „Quelle der Gottheit" leitend geworden ist18. 1.2.1.4. „Der Herr ist der Geist": 2 Kor 3,17a Die vom Wortlaut her ähnliche Stelle 2 Kor 3,17a „Der Herr ist der Geist" identifiziert den „Herrn" (nämlich Christus) als den „Geist", der 3,7 als Inbegriff des Leben spendenden „neuen Bundes" bezeichnet worden war. Wie die unmittelbar folgende Formulierung „der Geist des Herrn" (3,17) zeigt, geht es Paulus aber nicht um eine Identität der Termini „Geist" und „Herr", sondern darum, daß der Begriff „Geist", der 3,6 dem „Buchstaben" gegenübergestellt ist und dem in den folgenden analogen Begriffspaaren die Begriffe „Leben", „Gerechtigkeit", „Dauer", „Freiheit" (bzw. „Freimütigkeit") im Unterschied zu „Tod", „Verurteilung", „Vergänglichkeit", „Verstockung" zugeordnet sind, inhaltlich konkretisiert wird durch die Christusgestalt: In Christus ist die Decke abgetan, die das Verständnis des alten Bundes als alten Bundes verhindert (3,14); es ist Christi Geist, der Freiheit (3,17) und Leben (3,6) schenkt; es ist Christi Herrlichkeit, die wir im Geist des Herrn erblicken und in deren Bild wir verwandelt werden (3,18). Wenn Paulus freilich zugleich vom „Herrn, der der Geist ist", vom „Geist des Herrn" und möglicherweise sogar vom „Herrn des Geistes"19 sprechen kann, zeigt dies an, daß das Verhältnis von „Geist" und „Christus" resp. „Herr" noch keinen festgeprägten, terminologischen Charakter gewonnen hat, von einer Relationierung zweier .Personen' ganz zu schweigen. 17 Vgl. Karl Rahner: Theos im Neuen Testament, in: ders.: Schriften zur Theologie, Bd. I, Einsiedeln etc. "1967 (' 1954), 91-167. 18 Von Ursprungsverhältnissen ist jedoch an dieser Johannes-Stelle nicht die Rede. 19 3 , 1 8 cuio Kupiou TCVEUHCHTCK; kann sowohl „vom Herrn des Geistes" als auch „vom Herrn, dem Geist" wiedergegeben werden. Rudolf Bultmann (Der 2. Brief an die Korinther. Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament, Sonderband, hg. v. Erich Dinkier, Göttingen 1976, 99) plädiert für das erste. Ebenso Christian Wolff, Der zweite Brief des Paulus an die Korinther, Berlin 1989 [= ThHK 8), 69; vgl. den Exkurs: Christus und der Geist, 79-82.

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Eindeutig setzt die Variabilität der Zuordnungen jedoch „eine gewisse Gleichheit von Kupioq und nveujxa"20 voraus oder vielleicht genauer: einen gleichen Bedeutungs- und Verwendungskontext, den Bultmann mit dem (schwer greifbaren) Terminus des Eschatologischen kennzeichnet: „Als Kupioq ist Christus der eschatologische Herrscher, und das nvetyia ist (nach jüdischer Anschauung) die Gabe der Endzeit"21. Immerhin scheint deutlich, daß der Geist einen Bereich des „Lebens", der „Gerechtigkeit", der „Freiheit", kurz: der göttlichen Doxa absteckt, der zeitlich und sozial eindeutig abgegrenzt ist vom Bereich des Todes, der vergänglichen Doxa, der Verdammnis, und daß die Integration in diesen Lebens-Bereich ineinsföllt mit der Verwandlung in ein Bild Christi (3,18). Konnte 2 Kor 3,17 aufgrund der ungeklärten Zuordnungen keine direkte Wirkung auf die Ausgestaltung der Trinitätslehre ausüben, so hat die innige Nähe von „Geist" und „Herr" gewiß die Einsicht in die Gottheit des Geistes gefördert: Daß das Nicaeno-Constantinopolitanum vom Geist sagt, daß er „Kuptov" sei, ist zwar die sachliche Umkehrung von 2 Kor 3,17, läßt aber die Stelle dennoch deutlich anklingen.

1.2.2. Die Heilsgegenwart des Geistes 1.2.2.1. Diepfingstliche Geistsendung: Act 222 Aussagen wie die johanneischen Parakleten-Worte oder 1 Kor 2 konnten nur deshalb als Aussagen über den Geist ,an sich' verstanden und als solche wirkmächtig werden, weil sich in ihnen die Geist-Erfahrungen der frühchristlichen Gemeinden bündelten und verdichteten23. Daß es der Geist ist, der das Bekenntnis zu Jesus als dem Christus motiviert und den Glauben daran wirkt, der Menschen eben dadurch aus ihren bisherigen Lebensbezügen und Lebensorientierungen herausnimmt und zu einer neuen, von der ,Welt' unterschiedenen, als Erfüllung der biblischen Verheißungen für die Endzeit erkannten Gemeinschaft zusammenfuhrt, wird als Ursprungsgeschichte erzählt im Pfingstbericht von Act 224. Der den Jüngern von Jesus selbst vor der Himmelfahrt angekündigte 20

Bultmann, ebd. A.a.O., 100. 22 Von den Kommentaren vgl.: Rudolf Pesch, Die Apostelgeschichte. 1. Teilband: Apg 1 12, Zürich etc. 1986 [= EKK V/1], 97-133; Gerhard Schneider, Die Apostelgeschichte. I. Teil: Einleitung. Kommentar zu Kap. 1,1-8,40, Freiburg i.Br. etc. 1980 [= HThK V/1], 239-290; Gottfried Schille, Die Apostelgeschichte des Lukas, Berlin 1983 [= ThHK V], 91-122; Ernst Haenchen, Die Apostelgeschichte, 7., durchgesehene und verbesserte Auflage der Neuauslegung, GOttingen 1977,169-197. 23 In einem weiteren Schritt natürlich auch deshalb, weil sie anschlußfiihig waren an die weltanschaulichen Geist-Begriffe der paganen kulturellen Umwelt, namentlich an die anthropologisch-erkenntnistheoretische Verwendung in der griechischen philosophischen Tradition. Vgl. dazu aber unten 1.2.3. 24 Das Pfingstereignis ist ein gänzlich innerjüdisches Geschehen; die Heiden spielen hier noch keine Rolle. Dies entspricht der Gesamtkonzeption der Apostelgeschichte, die den Ober21

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(1,8) heilige Geist kommt unter sieht- und spürbaren Umständen (Wind, Feuer) „vom Himmel" auf die während des Wochenfestes versammelten Jünger herab25 und erfüllt sie, woraufhin sie in (ihnen aufgrund ihrer Herkunft und Vorbildung bisher nicht verfügbaren) „anderen Sprachen" öffentlich zu reden beginnen (2,4) von den (noch nicht näher bestimmten) „großen Taten Gottes" (2,11). Nicht der Inhalt freilich, sondern zunächst die Tatsache, daß sie die ungebildeten Galiläer in ihrer jeweiligen Sprache verstehen können, irritiert die betontermaßen aus den verschiedensten Sprachregionen stammenden Zeugen des Geschehens aufs höchste; die Identität der Botschaft ist allerdings unausgesprochen vorausgesetzt. Obwohl das Geschehen in seinem Kern ein Verstehenswunder darstellt, spricht es jedoch nicht für sich: Es zieht Bestürzung oder Spott nach sich (2,12f); es muß gedeutet werden. Deshalb gehört die Predigt des Petrus (2,1436) elementar zum Pfingstereignis hinzu: Sie, die sich ihrerseits der pfingstlichen Geistausgießung verdankt (vgl. 1,8), erschließt es den Zuschauern allererst als Ereignis der Geistausgießung; ja, mehr noch, sie offenbart die Bedeutung, die die Erscheinung des Geistes hat. Zunächst identifiziert Petrus das Geschehen als das Eintreffen der eschatologischen Verheißung des Propheten Joel, wonach Gottes prophetischer Geist „in den letzten Tagen" nicht mehr nur Einzelgestalten, sondern unabhängig von Geschlecht, Alter und sozialem Status allen zuteil werden solle, und zwar nachdem Gott apokalyptisch die Weltordnung ins Zerstörerische verkehrende Wunder am Himmel und Zeichen auf der Erde gewirkt hat, vor denen Rettung nur die Anrufung des „Namens des Herrn" schenkt. Im folgenden beantwortet Petrus die Frage, warum diese Verheißung gerade jetzt erfüllt wird, mit der Auferstehung und der Erhöhung Jesu. Denn wie Petrus exegetisch aufwendig zeigt, erweist die Auferstehung (für deren Faktizität er die Jünger als Zeugen benennt) Jesus als den Christus und wird er als der Christus zur Rechten des Vaters erhöht. Dort hat er „vom Vater"(!) den bei Joel „verheißenen heiligen Geist" „empfangen"(!); erst jetzt konnte er (!) ihn ausgießen. Christus ist freilich nicht nur (wie es scheinen könnte) die Ermöglichungsbedingung der Geistausgießung und der ,Absender' des Geistes; er ist zugleich der „Name", dessen Anrufung Rettung verspricht (vgl. 2,21 mit 2,38), denn die (implizit dem Bußruf Johannes des Täufers und dem Vorbild Jesu gehorsame) Taufe auf seinen Namen zur Vergebung der Sünden ist die gang zur Evangeliumsverkündigung unter den Heiden erst Act lOf (und die Kodifizierung der Heidenmission im ,Aposteldekret' Act 15) erzählt. Jedoch werden die Heiden dadurch hineingenommen in die nach Maßgabe von Act 2 beschreibbare endzeitliche Gemeinschaft. Obwohl dies natürlich die Trennung von Judentum und „Christentum" (vgl. Act 11,26) forciert, ist die Interpretation des Geschehens vor dem Hintergrund der biblischen Verheißungen dadurch nicht tangiert. 25 Übrigens wird nicht ausdrücklich gesagt, daß es sich nur um die zwölf Apostel gehandelt hätte, und wenn der 2,17-21 zitierte Text Joel 3,1-5 die Situation in einer mehr als nur allgemeinen Weise deuten soll, dann ist nicht aus-, sondern eher einzuschließen, daß die 1,14 erwähnten Frauen und Verwandten Jesu auch hier mitgemeint sind.

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Weise, wie Menschen Anteil an der „Gabe des heiligen Geistes" gewinnen können. Wieso konnte Petrus unterstellen, daß seine Argumentation auf Hörer glaubwürdig wirken würde, die anders als die Jünger selbst nicht bereits vom Auferstandenen auf die Geistsendung vorbereitet waren? Die Predigt verbindet mehrere z.T. traditionelle, z.T. Traditionen auf Jesus applizierende Gedanken miteinander und baut so eine Argumentationsreihe auf:26 (1) die erhoffte endzeitliche Gottesgemeinde wird konstituiert sein durch allen Beteiligten in gleichem Maße zukommenden Geistbesitz (Joel 3; vgl. auch Ez 36,26f); (2) das Eintreffen der Endzeit wird eingeleitet bzw. bewirkt durch das Auftreten des davidischen Messias (vgl. Mi 5,1); (3) daraus folgt, daß die Geistverleihung vom Erscheinen des Messias abhängig ist; (4) dieser Messias ist Jesus von Nazareth; (5) weil er es ist (dessen Schicksal den Hörern wohlbekannt ist), genügt als Erweis der Messianität nicht sein ,bloßes' Auftreten; angesichts seines dieses Auftreten desavouierenden Todes muß die Auferstehung als Überwindung des Todes den messianischen Anspruch wieder ins Recht setzen; (6) die Auferweckung ist mit einer entrückenden Erhöhung „zur Rechten Gottes" verbunden; (7) Auferstehung und Erhöhung werden qua Schriftbeweis als konstitutive Momente der Messianität nachgewiesen; (8) deshalb setzt die Geistausgießung die Erhöhung des auferstandenen Messias Jesus von Nazareth zur Rechten Gottes voraus, denn erst jetzt „empfängt" er den auszugießenden Geist „vom Vater"; (9) das pfingstliche Reden von Jesu Messianität ist der hörbare und allgemein verstehbare Erweis, daß die Geistausgießung tatsächlich erfolgt ist; (10) Anteil am endzeitlichen rettenden Geist gewinnt, wer sich auf den Namen Jesus Christus taufen läßt. Bei den grundlegenden Schritten 1 bis 3 ist weder die Auswahl der Traditionen 1 und 2 noch die daraus abgeleitete Conclusio selbstverständlich27. Gerade deshalb ist es um so bedeutsamer, daß die Apostelgeschichte die Konstitution der eschatologischen Heilsgemeinde in so emphatischer Weise als Geist26 Die folgende Reihe versucht den inneren Duktus der Argumentation zu rekonstruieren; sie folgt nicht in jeder Hinsicht dem Aufbau der Predigt. 27 Jer 31,31-34 schweigt vom Geist, spricht vielmehr von dem allen ins Herz gegebenen Gesetz, um denselben Gedanken einer endzeitlich allgemeinen Gotteserkenntnis auszudrücken (ad 1). Als Vorbote der Endzeit kann auch Elia genannt sein (Mal 3,23); auch Johannes der Täufer wurde als solcher verstanden (ad 2). Schließlich kann die eschatologische Geistgabe durchaus ohne Bezug auf den Messias verheißen werden (Ez 36,26f); dies gilt natürlich auch für Joel 3, wo die Pfingstpredigt den messianischen Bezug selbst herstellt, indem sie den „Namen des Herrn" als den Namen Jesu Christi interpretiert (ad 3).

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Ereignis beschreibt, das sich dem Wirken des Messias Jesus von Nazareth verdankt und zugleich dieses Wirken als messianisches allererst erschließt. Geistgewirkt ist aber nicht nur die apostolische Verkündigung und ihre gläubige Annahme; geistgewirkt ist auch die darauf gegründete Gemeinschaft, die sich besonders in Herrenmahl und Gebet konkretisiert (vgl. 2,42.46); geistgewirkt (und Indikatoren der Geistgegenwart) sind schließlich die vielen „Wunder und Zeichen" der Apostel (2,43; 5,12-16 u.ö.), von denen in großer Selbstverständlichkeit berichtet wird. So sehr ist für die Apostelgeschichte der Geist das Subjekt des Lebens der Gemeinde, daß das unehrliche Verhalten von Ananias und Saphira als Belügen des Heiligen Geistes (5,3) und d.h. als Vergehen nicht gegen Menschen, sondern gegen Gott (5,4) beurteilt wird, das aus der vom Geist definierten Sphäre des geretteten Lebens entfernt (5,5.10). Auch die weitere Ausbreitung des Evangeliums wird in emphatischer Weise auf den Geist zurückgeführt (vgl. etwa 9,17; 10,19; 10,44-48; 11,15; 13,2 etc.); wichtige Lehrentscheidungen werden durch ihn autorisiert (15,28). Die entscheidende Bedeutung des Geistes für inneres Leben und Ausbreitung der Kirche ist in der Pfingsterzählung angelegt und wird dort bereits so grundlegend theologisch reflektiert, daß man geradezu von einer pneumatologischen Grundsatzerklärung sprechen kann, die 2,33 in einer Bestimmung des Verhältnisses von Vater, Christus und Geist gipfelt: Der zu Gott erhöhte (also der Welt entrückte) Christus „empfängt" (Xaßöv) vom (napa) Vater28 den für die Menschen bestimmten heiligen Geist und gießt ihn daraufhin aus. Die Nähe zu den johanneischen Paraklet-Sprüchen, besonders zu Joh 15,26, liegt auf der Hand (unabhängig von gravierenden christologischen Differenzen). Natürlich geht es Act 2 nur um die nachösterliche Geist-Sendung; von ewigen innergöttlichen Relationen ist nicht die Rede. Jedoch mußte späteren Zeiten, die nach solchen Relationen fragten, auffallen, daß es zwar betontermaßen Christus ist, der den Geist den Jüngern sendet, daß Christus aber den Geist empfängt, der offenkundig .vorher' beim Vater gewesen ist. Mußte es sich hier nicht nahelegen, das Subjekt der Sendung und das Subjekt des Seins des Geistes zu unterscheiden29? Schwierig wurde es erst, wenn man weiterfragte, wie das Verhältnis von Sohn und Geist in die Bestimmung der .innergöttlichen Relationen' integriert, wie es als .innergöttliches' Verhältnis formuliert werden könne. Hier ordnete die spätere westliche Tradition den Sohn der den Geist hervorbringenden Funktion des Vaters zu, indem sie zeitliche Sendung und ewige Hervorbringung analogisierte, während die östliche Tradition, näher am Wortlaut der biblischen Texte, auf dem väterlichen Hervorbringungsmonopol und auf der 28

Der Vater-Name begegnet in der Pfingstpredigt nur hier; der Sohn-Titel fehlt völlig. Freilich ist anders als Joh 15,26 von einer Abkiinfligkeit des Geistes Act 2,33 nichts gesagt, wenngleich das Bewußtsein der Unterordnung des Geistes (und des Sohnes!) unter Gott den Vater (bei gleichzeitiger Eigenständigkeit des Wirkens) gemeinchristlich gewesen sein dürfte. Vgl. dazu Klaus Berger, Theologiegeschichte des Urchristentums. Theologie des Neuen Testaments, Tübingen / Basel 1994, Slf. 29

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prinzipiellen Unterscheidung ewiger und zeitlicher Relationen insistierte, aber in Schwierigkeiten geriet, die innergöttliche Beziehung von Sohn und Geist überhaupt benennen zu können. 1.2.2.2. Die Gemeinde als der pneumatische Leib Christi: 1 Kor 12 Daß die Existenz der christlichen Gemeinde sich dem Heiligen Geist verdankt, der das Bekenntnis zu Jesus als dem „Herrn" bewirkt und die Einzelnen in den „Leib Christi" hineintauft, und deshalb wesentlich eine pneumatische Realität ist, ist auch die Überzeugung des Paulus, die er 1 Kor 12 im Blick auf die konkrete Vielfalt und Differenziertheit der dennoch einen Gemeinde artikuliert. Dabei garantiert die Einheit des Geistes die Einheit der Gemeinde, indem deren innere Differenzierung auf diverse Gaben des einen Geistes zurückgeführt wird, der diese Gaben zusammenordnet hin auf den gemeinsamen Zweck der Auferbauung der einen Gemeinde (vgl. etwa 12,7; 14,4)30. Der Ort des Bekenntnisses zu dem einen Geist, das für die theo-logische Integration des Geistes zu Vater und Sohn von höchster Bedeutung ist, ist mithin die Einheit der Gemeinde, welche Einheit konstituiert ist durch das seinerseits geistgewirkte Bekenntnis zu dem einen Herrn Jesus (12,3). Weil dies so ist, kann diese Einheit auch zurückgeführt werden auf das Sein der Gemeinde „in Christus" (Gal 3,28 in sachlicher Parallele zu 1 Kor 12,13); die Rede vom „Leib Christi" kann die Beschreibimg des pneumatischen Gemeinde-Leibes zusammenfassen (vgl. 1 Kor 12,27 nach 12,12—26).31 1.2.2.3. Christus als Geistträger - die Gemeinde als Geistträger Ohne die Überzeugung, daß Jesus selbst der Christus allererst als Geist-Träger ist, daß also der Geist bzw. die Geistgegenwart Jesus zum Christus macht, hätte die Partizipation der Christen an Christus bzw. an der durch ihn und mit ihm gewirkten Gottesnähe, die Gemeinschaft der Christen mit Christus und untereinander vermutlich kaum plausibel als Werk und Selbstvergegenwärtigung des Geistes beschrieben werden können. Nicht also nur die Vermittlung der Botschaft von Jesus als dem Christus, die Vergewisserung der Wahrheit dieser Botschaft, das daraus folgende Bekenntnis und die Vereinigung der Bekennenden zu einer Gemeinschaft, sondern ebenso und für dies alles grundlegend der Inhalt der Botschaft selbst, die Messianität Jesu, ist bereits durch die Geistgegenwart qualifiziert: Ohne die Kategorie „Geist" kann von Jesus gar nicht angemessen gesprochen werden. Bezeichnenderweise beginnt Jesu öffentliches Wirken nach der Taufe im Jordan, in Zusammenhang mit der (genauer: als deren unmittelbare Folge) der 30

Damit ist die zweckfreie , Selbsterbauung' keineswegs abqualifiziert, wie die Diskussion des Zungenredens 1 Kor 14 deutlich zeigt. 31 Zu 1 Kor 12 vgl. auch Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, a.a.O., 240-255.

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Himmel als die unzugängliche Sphäre Gottes sich öffnet und einerseits der „Geist Gottes" (Mt 3,16) auf Jesus herabkommt, andererseits eine himmlische Stimme Jesus als Sohn und damit sich selbst als die Stimme des Vaters identifiziert. Die matthäischen und lukanischen Geburtsgeschichten (Mt lf; Lk lf) haben die Aufgabe zu zeigen, daß Jesus der Sohn nicht erst seit der Taufe, sondern von Anfang an ist, und sie tun dies, indem sie bereits seine Empfängnis auf den Heiligen Geist zurückfuhren (Mt 1,18; Lk 1,35). Es ist dann der Geist, der den „Sohn" nach der Taufe in die Konfrontation mit dem Teufel (als dem Herrn der bösen Geister, vgl. Mt 12,24 par u.ö.) um das rechte (schriftgemäße!) Verständnis dieser Sohnschaft führt. Jesu gesamtes Wirken steht im Zeichen und „in der Kraft des Geistes" (Lk 4,14), bei Lukas besonders auffällig, wenn Jesus in der Synagoge von Nazareth programmatisch Jesaja 61,lf verliest (4,18f) und ausdrücklich auf sich selbst bezieht (4,21), so daß er als der verheißene Geistträger erscheint und alle in dem Schriftzitat genannten Tätigkeiten als Wirkungen des Geistes erkennbar werden. Dies wird in den folgenden Erzählungen von Jesu prophetischer Verkündigung und Schriftauslegung, seinen Heilungen, Wundertaten, Totenerweckungen, Dämonenaustreibungen, Sündenvergebungen ausgeführt, in denen sich die von Johannes dem Täufer und Jesus selbst angekündigte Nähe des „Reiches Gottes" bzw. des „Reiches der Himmel" konkretisiert und aktualisiert, gerade im Kampf gegen die versklavenden, Leid und Tod wirkenden Mächte und Geister der,alten' Welt. Jesus ist singulärer Geistträger; die Spannung zwischen der Konzentration der Geistgegenwart auf dem ,Gesalbten' (Jes 61) und der universalen Geistausgießung (Joel 3) wird überbrückt, indem Jesus selbst den Jüngern die Teilhabe an seiner Geistbegabung für die Zeit nach seiner Auferstehung von den Toten und Erhöhung verheißt, so daß Karfreitag, Ostern und Himmelfahrt geradezu die Bedingung für die Ausbreitung des Geistes bilden. Aber nicht nur das; sie sind selbst geistgewirkt. Wird das für den Kreuzestod nur an wenigen Stellen ausdrücklich gemacht (vgl. bes. Hebr 9,14, wo es heißt, Christus habe „sich selbst als ein Opfer ohne Fehl durch den ewigen [!] Geist Gott dargebracht"), so ist es für die Auferstehung evident. Klassische Stelle hierfür mit hoher Aussagekraft im Blick auf eine (spätere) trinitarische Explikation und auf das Verständnis des Zusammenhangs von Jesu Auferweckung und dem neuen Leben der Christen ist Rm 8,11: „Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird derselbe, der Jesus Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt". Paulus argumentiert in drei Schritten: 1. Gott hat Jesus durch seinen Geist auferweckt. 2. Dieser selbe Geist wohnt nun in den Christen, deren Existenz nach 8,9 deshalb als „geistlich" zu beschreiben ist. 3. Aufgrund dieser Identität des Geistes können auch die Christen die pneumatische Auferweckung ihres Leibes erhoffen. Diese Auferweckung wird 1 Kor 15 als Transformation eines in Anlehnung an Gen 2,7 LXX „psychisch" genannten (Luther übersetzt: „natürlich") in einen „pneumatischen" Leib bestimmt, und in

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einer Gegenüberstellung des „ersten Menschen" Adam und des „letzten Adam" erscheint dieser selbst als „lebendigmachender Geist", während jener (nur) „lebendige Seele" war (1 Kor 15,45).32 Hier vollendet sich eschatologisch jener Prozeß der Anteilgewinnung an Christi Auferstehungs-Geist bzw. am auferstandenen Christus im Geist, welcher Prozeß nach Rm 6 (dort freilich ohne Erwähnung des Geistes!) mit der Taufe als Anteilgewinnung am Tod Christi mit Perspektive auf die Mit-Auferstehung angehoben hat. Kurz und summarisch: Im Glauben werden die Christen hineingenommen in die Geistgegenwart, die bisher im Wirken, Sterben und Auferstehen nur Jesus als den Christus ausgezeichnet hatte. So wie Jesus im Geist der Christus und der Sohn ist, so sind die Christen „in Christus" (2. Kor 5,17 u.ö.) - und das heißt: in Christi Geist, im Geist, der Jesus zum Christus macht - „Gottes Kinder" (Rm 8,1433).34

1.2.3. Geist, Gemeinde und Amt in den neutestamentlichen Schriften und im 2. Jahrhundert Die gewisse Unausgeglichenheit, die in Act 2 zwischen der Joel-Verheißung universaler Geistausgießung und allgemeiner Prophetie und der faktischen Beschränkung autoritativer Lehre auf die „Apostel" besteht (die neu Hinzukommenden fangen ja nicht allesamt selbst an zu „lehren"), läßt sich exegetisch möglicherweise durch die Unterscheidung des wundersam-vielsprachigen Redens, das dann dem allgemeinen Gotteslob von 2,47 entspräche, und der auslegenden Lehrpredigt des Petrus überwinden; auch Paulus betont ja die geistgewirkte Funktionsdifferenzierung in der Gemeinde, was die Unterscheidung von Aposteln, Propheten und Lehrern einschließt (1 Kor 12,28). Freilich ist ein Monopolisierung der Lehre nicht ohne weiteres mit jenen neutestamentlichen Aussagen zu vermitteln, die auf die Verheißung Jer 31,31-34 zurückgreifen, wo unter dem Vorzeichen eines „neuen Bundes" (V. 31) angekündigt wird: „Es wird keiner den anderen noch ein Bruder den andern lehren und sagen: .Erkenne den Herrn', sondern sie sollen mich alle erkennen, beide, klein und groß" (V. 34). Ist dies nicht schon überall da impliziert, wo vom neuen Bund gesprochen wird (Abendmahl!), so wird es betont aufgegriffen 1 Joh 2,20.27, und zwar ausdrücklich in Zusammenhang mit der Salbung, deren Ort ihrerseits die Geistgabe bei der Taufe ist. In jedem Fall wird hier eine Grundspannung sicht32

Vgl. dazu Christoph Burchard, 1 Korinther 15,39-41, in: ders., Studien zur Theologie, Sprache und Umwelt des Neuen Testaments, Tübingen 1998,203-228, hier: 213-215. 33 Dort ausgesagt von denen, „die der Geist Gottes treibt". 34 Was dies im einzelnen bedeutet, ist in seinen verschiedenen Dimensionen als Dimensionen des Geistwirkens in der Apostelgeschichte bereits in die Pfingsterzählung hineingelegt. Vgl. oben. 1.2.2.1.

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bar, die die ganze Kirchengeschichte begleitet und die ganz eminent die Frage nach der (Vergewisserung der) Geistgegenwart betrifft: Gibt es Instanzen innerhalb der doch als ganze geisterfüllten, durch den Geist konstituierten Gemeinde, die in besonderer Weise befähigt sind, zu diagnostizieren, wo und wie sich in der Gemeinde die Geistgegenwart konkretisiert (und wo und wie nicht), und die diese Befähigung gerade aufgrund einer besonderen, sie legitimierenden Geistgabe besitzen, so daß jedenfalls bei ihnen der Geist mit Gewißheit zu erwarten ist? Diese Frage wird virulenter, je disparater und desintegrativer die Berufungen auf den Geist werden, und sie wirkt natürlich auf das Verständnis des Geistes und seiner Gegenwart zurück. Schon in der Apostelgeschichte und den Pastoralbriefen begegnet die programmatische Vorstellung der Übertragung einer charismatischen Amtsvollmacht qua Handauflegung. Dies muß nicht notwendig zu einer Bestreitung des pneumatischen Charakters der Gemeinde als ganzer führen, wie die Ausführungen des 1. Petrusbriefs zur Gemeinde als „geistliches Haus und heilige Priesterschaft" (2,5), als „auserwähltes Geschlecht, königliche Priesterschaft, heiliges Volk" (2,9) eindrücklich belegen. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, daß die Entwicklung stärker weg von der .freien' Prophetie hin auf geordnete Lehre tendierte, genauer: daß der prophetische Geist stärker auf das authentische Lehren hin akzentuiert wurde. Besonders seit dem 2. Jahrhundert erwies sich die unmittelbare Berufung auf den Geist als problematisch (Montanismus!), es bedurfte der Instanzen und Kriterien für die Beurteilung derartiger Ansprüche. Dabei ging mit der Zuspitzung der Geistgegenwart auf die Lehre (und auf die ethisch verstandene Liebe) einher die Entstehung einer Sammlung authentisch-autoritativer Schriften, deren Legitimation auf ihre pneumatische Inspiriertheit zurückgeführt wurde (so schon 2 Petr l,20f; 2 Tim 3,16f). Als Resultat der Auseinandersetzungen des 2. Jahrhunderts besonders wichtig ist, daß der Inspirationsgedanke nicht einfach exklusiv auf das jetzt sog. „Neue Testament" (als die Konkretion und zugleich Erübrigung der frühchristlichen Prophetie) übertragen wurde, sondern weiterhin das „Alte Testament" einschloß, so daß die ganze Schrift als vom selben Geist, vom Geist desselben Gottes inspiriert erschien. Dem entspricht die Betonung der Identität von Schöpfer- und Erlösergott, die gegen die Gnosis die Welt als Werk des wahren Gottes „rettete", und die bleibende Identifikation des Gottes Jesu Christi mit dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs (gegen Markion). In diesen Kontinuitätssicherungen liegen wesentliche sachliche Motive für die weitere Ausbildung der Trinitätslehre. Zunächst jedoch führte die Konzentration auf Lehre und Schriftinspiration zu einer Art hermeneutischer Engführung des Geistverständnisses, die eine weitere gedankliche Entfaltung der Eigenständigkeit des Geistes nicht förderte (ohne daß diese ausdrücklich bezweifelt worden wäre). Denn der Geistbegriff hatte nun primär die Funktion, sowohl Verfasserschaft als auch Verständnis (Auslegung) der Heiligen Schrift (als auch deren Identifikation als heilig!) durch denselben Geist und damit durch Gott selbst zu autorisieren; die biblische Geistverheißung vergewisserte der Authentizität der Schriftauslegung

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in der Gegenwart35. Zugleich mit dieser noetischen Zentrierung des Geistbegriffs trat freilich dessen ethisch-anthropologische Verwendung in den Vordergrund des Interesses. Dies war einerseits angelegt etwa in der paulinischen Rede vom Leib als „Tempel des heiligen Geistes" (1 Kor 6,19; vgl. 1 Kor 3,16f: „Tempel Gottes") und im durchgängigen Doppelsinn von „Heiligung" als sündenvergebend-erneuemde Geistbegabung und als daraus folgende subjektive Verhaltensprägung (dies etwa Hebr 12,14); es war andererseits forciert durch die hellenistische anthropologische Verortung des Geistbegriffs in verschiedener Zuordnung zu den Begriffen \|/uxn und a ö | i a , in welchem Kontext nun das Verhältnis von göttlichem 7cveu|aa und menschlichem Jtveöna bzw. vouq im spannungsreichen Kampf der Psyche zwischen voöq und actyxa erörtert werden konnte36, im übrigen unter Einschluß der noetischen Komponente. Das bedeutete zwar eine entscheidende Verdichtung und Differenzierung der Beschreibungsmöglichkeiten für die anthropologische Realität und Realisierung der Erlösung; aber gerade diese Nähe zur menschlichen Wirklichkeit erschwerte eine vertiefte theo-logische Bestimmung des Geistes - abgesehen allenfalls davon, daß über die vielbeachtete Stelle Rm 5,5 („die Liebe Gottes" - weithin verstanden als die Liebe zu Gott - „ist ausgegossen in unser Herz durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist") der Liebes-Begnff in herausgehobener Weise der Explikation der Geistgegenwart diente, mit Fernwirkung in der Trinitätslehre des Augustinus. In der näheren Zukunft blieb die trinitätstheologische Entwicklung freilich vorwiegend angestoßen durch christologische Fragestellungen. Daß diese Entwicklung gleichwohl eine trinitätstheologische blieb, verdankte sich in hohem Maße den eingespielten trinitarischen Formeln, in denen ohne nähere Erklärung der Geist neben Vater und Sohn genannt, genauer: bekannt wurde. Dies hielt das Bewußtsein dafUr wach, daß die Reflexionen über das Verhältnis von Vater und Sohn in irgendeiner Weise auch auf den Geist ausgeweitet werden mußten. Es verwundert allerdings nicht, daß alle frühen Versuche, das Verhältnis von Vater und Sohn (und dann auch Geist) angesichts der unvergleichlichen Würde des Sohnes theo-logisch zu denken, aus der Perspektive der späteren Trinitätslehre in je verschiedener Hinsicht als subordinatianisch zu beurteilen sind, indem sie Sohn und Geist als Offenbarungsgestalten des Vaters diesem unterordnen und einander gleichordnen (wenn sie nicht noch einmal den Geist dem Sohn subordinieren). Gilt dies schon für die großangelegte trinitarisch-heilsgeschichtliche Konzeption des Irenäus, der Sohn und Geist als die beiden in die Welt reichenden Hände des Vaters (oder Gottes?) bezeichnen kann, so gilt es um so mehr für den Adoptianismus, der Christus als qua Taufe oder Geburt in den Bereich Gottes hinaufgehobenes Geschöpf und den Geist als göttliche Wirkkraft versteht. Aber auch die kosmologisch ausgerichtete Logos-Christo35

Ein Argument, das bei der orthodoxen Lehre von der vollendeten „Harmonie" von Schrift und Kirchenvätern die entscheidende Rolle spielt. 36 Vgl. Henri Crouzel, Art. Geist (Heiliger Geist), in: RAC 9, Stuttgart 1976, Sp. 490-545.

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logie der Apologeten, die die große Stärke hatte, den Christus-Logos als Schöpfungsmittler (vgl. Joh 1,3; 1 Kor 8,6; Hebr 1,2) unter Rückgriff auf den stoischen Logos-Begriff als weltdurchwaltendes Strukturierungsprinzip der Welt denken und so Schöpfung und Erlösimg zusammenhalten, zugleich aber die Beteiligung des Sohnes an der Schöpfung aussagen zu können (ein für die spätere Lehre von dem opera ad extra wichtiger Aspekt), - auch sie hatte (übrigens gerade wegen dieser Stärke!) Schwierigkeiten, den Logos entschieden abzuheben von der Sphäre des Geschöpflichen; zudem war der so verstandene Logos kaum zu unterscheiden vom Geist - was angesichts der im Hintergrund stehenden, sowohl auf den Sohn als auch auf den Geist applizierbaren frühjüdischen Weisheitsspekulation nicht verwunderlich ist. Der Modalismus schließlich ist insofern ein Sonderfall, als er in seiner radikalen Form alle drei trinitarischen Namen als bloße Offenbarungsgestalten des hinter ihnen verborgenen einzig wahren Gottes versteht, so daß nicht einmal die Vaterschaft wesentlich zu Gott gehört37, sondern allein eine seiner Außenansichten darstellt, von denen dann auch gesagt werden kann, daß heilsepochengeschichtlich eine in die andere übergeht bzw. transformiert wird. Wie freilich die polemische Bezeichnung „Patripassianer" (Tertullian) andeutet, kennt auch diese Konzeption eine Prädominanz des Vaters gegenüber Sohn und Geist. Sieht man, daß um 200 zwar alle diese Modelle wie selbstverständlich trinitarisch strukturiert sind, daß sie aber alle von der Deutung der Schöpfungsresp. Erlösungswirklichkeit ausgehen, ohne den inneren (,Seins'^Zusammenhang der drei Offenbarungsgestalten mehr als ansatzweise zu reflektieren38, so wird deutlich, welch epochalen Sprung die umfassende Synthese des Origenes bedeutete und warum sie in Zustimmung wie Ablehnung eine kaum überschätzbare Wirkung erlangte: Hier wird erstmals (abgesehen von gnostischen Spekulationen, die aber kaum streng trinitarisch orientiert waren) das Verhältnis von Vater, Sohn und Geist als vorkosmisches, von der Schöpfungs- und Erlösungswirklichkeit unterschiedenes, ewiges Seins-Verhältnis bedacht. 1.2.4. Zusammenfassung Doch ehe diese Pointe des origenischen Systems dargestellt wird, soll im Rückblick der Ertrag der bisherigen Entwicklung für die Fragestellung dieser Untersuchung unter Orientierung an den biblischen Aussagen festgehalten werden. Die hermeneutisch-ethisch-ekklesiologische Konzentration der ,frühnachbiblischen' Entwicklung kann nicht als schlechthin unsachgemäß bezeichnet werden. Sie bewahrt und vertieft vielmehr wesentliche Aspekte des im Neuen Testament dokumentierten frühchristlichen Redens vom Geist. Denn der Geist37

Dies wird unter anderen Denkvoraussetzungen hundert Jahre später auch Arius sagen. Tertullian entwickelt zwar die Formel „una substantia - tres personae", die aber nur als Formel, nicht aufgrund einer ihr etwa hinzugefügten Interpretation zukunftsträchtig ist. 38

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begriff hat, sehr formal gesprochen, im NT die Funktion, die Überwindung der Distanz von Gott und Welt durch Gott selbst anzuzeigen. Dies schließt ein die Geistpräsenz Gottes bei und in seiner Schöpfung, kulminiert aber in der Überwindung der sündigen Selbstdistanzierung der Menschen von Gott. Der Geistbegriff erscheint überall dort, wo Gott sich bzw. seinen weltenthobenen Bereich, den Himmel, öffnet für die Menschen und diese umgekehrt in diesen Bereich integriert (Himmelreich!), indem er sie (erneut) für sich öffnet und damit zu ihrer schöpfungsgemäßen (und darum ihrerseits pneumatisch bestimmten) Bestimmung (zurück-)führt, die in der biblischen Tradition immer als sozial verfaßt vorgestellt wird. Dieses Erschließungs- und Erneuerungsgeschehen hat einen noetischen, einen ethischen und einen gemeinschaftsbildenden Aspekt: Der Geist ist Offenbarer, er gibt und erneuert Leben, und er vereint diejenigen miteinander, die Anteil an diesem Leben und jener Offenbarung erhalten haben; er ist zugleich „Weisheit" und „Kraft". Der Geist kann auf diese Weise Gott in der Welt vergegenwärtigen, weil er Gott selber qualifiziert (Joh 4,24; 1 Kor 2). Nun bezeugen die biblischen Schriften aber durchgängig und grundlegend Jesus Christus als den definitiven und authentischen Gottesoffenbarer (vgl. nur Joh 14,6; Mt 11,27) und Retter aus der sündenbedingten Todverfallenheit, z.T. auch als den Schöpfungsmittler. Aus dieser Parallelität erklären sich sowohl die vielfältigen Korrespondenzen und Interferenzen von Sohn und Geist als auch die großen Schwierigkeiten, das Verhältnis von Sohn und Geist zueinander begrifflich zu fassen. Plausibel wird von daher zunächst, daß der Sohn seine soteriologische Offenbarungs- und Rettungs- bzw. Erlösungsfunktion allein als Geistträger, „in der Kraft des Geistes" hat; plausibel wird aber umgekehrt auch, daß Menschen Anteil am offenbarenden und erlösenden Wirken des Christus Jesus allein durch den „Geist Christi" gewinnen, d.h. daß sie erst aufgrund der Zuwendung des Geistes, der Jesus zum Christus gemacht hat, Jesus als den Christus erkennen und sich als durch Christi Erlösungswirken mit-gerettet erfahren. Der Eindruck, damit würde der Geist sowohl zum Subjekt des Handelns des Sohnes als auch zum Subjekt des soteriologisch-ekklesiologischen Effektes dieses Handelns und damit gewissermaßen dem Sohn vor- und übergeordnet, wird allerdings dadurch relativiert, daß es ja ausdrücklich der auferstandene und erhöhte Christus ist, der den Geist „senden" wird und dadurch den Effekt seines Wirkens selbst vermittelt; deshalb kann die neue Existenz der Christen durchaus sachgemäß synonym mit den Termen „in Christus" und „im Geist" geschrieben werden. Dennoch kennzeichnet der Geistbegriff die ,Gottesnähe' Jesu Christi und seines Wirkens und zugleich die durch Christus vermittelte .Gottesnähe' der Christen als identische Gabe des in sich geisthaften Gottes selbst (Joh 4,24); dies ist ein wichtiger Ansatz für den (noch unausgeführten) Gedanken von der geisthaften ,Wesens'-Einheit Gottes und für die spätere augustinische Hypostasierung des Geistes als das innergöttliche Band der Einheit von Vater und Sohn, in die dann auch die Gläubigen integriert werden.

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Die Voraussetzungen des Filioque-Problems

Diese hohe Wertschätzung des Geistes macht verständlich, warum die in den trinitarischen Formeln angelegte Zuordnung des Geistes zu Gott als distinkte Wirkinstanz neben Vater und Sohn nicht aufgegeben, sondern weitertradiert wurde. Zugleich leuchtet ein, daß die (zum Zwecke einer realistischen Beschreibung des konkreten Glaubensvollzugs in der Gegenwart sinnvolle) Schwerpunktverlagerung des Inspirationsgedankens von Christus selbst auf die ihn verheißende und bezeugende Schrift und des Gedankens der Integration der Christen in den Gottesbereich von der Charismenfülle auf das Verstehen und Auslegen dieser Schrift und auf die psychisch-sittliche Erneuerung und Heiligung die Frage nach der konkreten .personalen' Eigenständigkeit des Geistes erschwerte, wenn der Geist wirklich mehr sein sollte als die göttliche Kraft der Erschließimg des Schriftsinns und der dabei implizierten Herzenserneuerung im Namen Christi. Daß hier weitergefragt werden mußte, lag nicht nur am Gegebensein jener trinitarischen Formeln. Vielmehr drängten bereits die , steilen' Aussagen über den erhöhten Christus, aber auch die beschriebene Hochschätzung des Geistes im Kontext des immer strikt festgehaltenen Monotheismus dazu, die Einheit der drei Instanzen Vater, Sohn und Geist als streng innergöttliche Einheit und also abgehoben vom Geflecht der Außenwirkungen begrifflich zu fassen; zu diesem Zweck war es zugleich notwendig, unbeschadet der Einheit die volle Gottheit auch von Sohn und Geist je für sich zu erörtern, und genau daftir bedurfte es eines Begriffes von Gottheit selbst bzw. - in der Sprache der antiken Philosophie - vom Wesen Gottes. Das Aufgreifen klassisch-philosophischer, metaphysischer Fragestellungen ist an dieser Stelle mithin nicht mehr primär motiviert durch das Hineinwachsen des Christentums in die hellenistische Welt und die missionarisch bedingte Adaptation paganer Denk- und Sprachformen (wie noch bei den Apologeten); es ist vielmehr auf einer bestimmten geschichtlich erreichten Stufe des theologischen Problembewußtseins sachlich geboten. Es war zudem erleichtert und gefördert dadurch, daß der späte Mittel- und der entstehende Neuplatonismus mit der Hypostasierung und Vernetzung der Ideen zu einer weltenthobenen, präkosmischen, der als Eines oder gar Über-Eines verstandenen Gottheit zugeordneten Ideenhimmel die Möglichkeit anbot, ohne Aufgeben, ja geradezu unter Voraussetzung der Einheit Vielheit in der Gottheit zu denken. Dies war als christlich-theologische Aufgabe schließlich auch deshalb gefordert, um die überbordenden Spekulationen der Gnosis nicht einfach nur abstrakt negieren, sondern durch eine .christliche Gnosis' ersetzen zu können. 1.3. Die Avantgarde der Gotteslehre: Origenes In epochaler Weise hat sich Origenes dieser Problemkonfiguration gestellt. Im Mittelpunkt schon der methodisch-erkenntnistheoretischen Grundentscheidung seiner Theologie steht der Geist, indem der Gedanke der pneumatischen Inspiration der Schrift deren geistgewirkte Einheit impliziert, was eine pneumatische

Ansätze und Motive für die Ausbildung einer Trinitätslehre

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Auslegung erforderlich macht, die den Wortlaut transparent macht hin auf die darin verborgene, in sich einheitliche geistig-geistliche Realität. Zugrunde liegt der Gedanke von der wesentlichen Geistigkeit Gottes (Gott ist Geist), was nach Orígenes bedeutet, daß Gott fähig ist, sich universal zu vergegenwärtigen, ohne von seiner Fülle einzubüßen. Dadurch kann Orígenes von innergöttlichen Hervorgängen sprechen, die weder die Gottheit (des Vaters) mindern noch wesensmindere Wesen hervorbringen, obgleich diese vom Vater abhängig sind39. Zugleich folgt daraus der Gegensatz zu allem Irdisch-Materiellen: Gott ist im Himmel und wendet die ihn im Geist Verehrenden von der Erde ab dem Himmel zu40. Im geistlichen Verstehen (das nicht von ungefähr verbunden ist mit einer rigiden Aszetik) konkretisiert sich mithin reflexiv die Grundausrichtung der Erlösung, die Orígenes in einem umfassenden kosmologischen Panorama beschreibt. Entscheidend ist dabei, daß Orígenes anders als noch Irenäus und Tertullian das Verhältnis von Vater, Sohn und Geist nicht primär von ihrer ökonomisch-heilsgeschichtlichen Offenbarungsfunktion her bestimmt, sondern es als ein ewiges und mithin als das Verhältnis dreier ewiger , Wesen' 41 konstruiert. Er vermag dies, weil er der irdisch-materiellen Welt die zeitenthobene Welt der Ideen vorordnet, die zwar Geschöpfe, aber gleichwohl ewig sind. Der systematische Grund für die später von der Kirche verworfene Lehre von der ewigen Schöpfung ist bemerkenswerterweise, daß der Vater nicht wesentlich Vater wäre, wenn er nicht immer schon Schöpfer wäre. Der Vater-Name ist also nicht ursprünglich auf die Hervorbringung des Sohnes, sondern auf die Schöpfung (sc. der immateriellen Geister) bezogen! Dem mit dem platonischen ursprungslosen (áyéwr|TO