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German Pages 420 [422] Year 2016
EHS
PETER LANG · Academic Research X XIII / 953
Theologie
B
Bernd Jaspert war langjähriger Präsident der Internationalen Regula Benedicti Kongresse, Lehrbeauftragter für Kirchengeschichte an der Universität Marburg, Studienleiter und stellvertretender Direktor der Evangelischen Akademie Hofgeismar. Er ist Pfarrer i. R., evangelischer Mönchtumsforscher sowie Autor und Herausgeber mehrerer Bücher über Kirchengeschichte, Systematische Theologie und Ökumene.
Bernd Jaspert
Bernd Jaspert · Theologie und Geschichte – Band 5
and 5 von Theologie und Geschichte enthält Aufsätze aus den Jahren 1982 bis 2016 sowie einen bisher unveröffentlichten Beitrag. In drei Abteilungen werden behandelt: 1) Grundfragen und Methodenprobleme (Kirchengeschichte als Wissenschaft), 2) Alte Kirche (Die Regula Benedicti im Urteil der deutschen evangelischen Theologie des 20. Jahrhunderts), 3) 19.-21. Jahrhundert (Geschichte des kurhessischen Pfarrervereins, Nachrufe auf W. Zeller, A. de Vogüé, H. Hübner). Die Beiträge zeigen den Zusammenhang von Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte.
ISBN 978-3-631-67152-8
Theologie und Geschichte Gesammelte Aufsätze: Band 5
www.peterlang.com
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Europäische Hochschulschriften
PL
ACADEMIC RESEARCH
22.01.16 KW 03 13:13
EHS
PETER LANG · Academic Research X XIII / 953
Europäische Hochschulschriften Theologie
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Bernd Jaspert war langjähriger Präsident der Internationalen Regula Benedicti Kongresse, Lehrbeauftragter für Kirchengeschichte an der Universität Marburg, Studienleiter und stellvertretender Direktor der Evangelischen Akademie Hofgeismar. Er ist Pfarrer i. R., evangelischer Mönchtumsforscher sowie Autor und Herausgeber mehrerer Bücher über Kirchengeschichte, Systematische Theologie und Ökumene.
Bernd Jaspert
Bernd Jaspert · Theologie und Geschichte – Band 5
and 5 von Theologie und Geschichte enthält Aufsätze aus den Jahren 1982 bis 2016 sowie einen bisher unveröffentlichten Beitrag. In drei Abteilungen werden behandelt: 1) Grundfragen und Methodenprobleme (Kirchengeschichte als Wissenschaft), 2) Alte Kirche (Die Regula Benedicti im Urteil der deutschen evangelischen Theologie des 20. Jahrhunderts), 3) 19.-21. Jahrhundert (Geschichte des kurhessischen Pfarrervereins, Nachrufe auf W. Zeller, A. de Vogüé, H. Hübner). Die Beiträge zeigen den Zusammenhang von Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte.
Theologie und Geschichte Gesammelte Aufsätze: Band 5
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ACADEMIC RESEARCH
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Theologie und Geschichte
Europäische Hochschulschriften European University Studies Publications Universitaires Européennes
Reihe XXIII
Theologie
Series XXIII
Theology
Série XXIII
Théologie
Band/ Volume 953
Bernd Jaspert
Theologie und Geschichte Gesammelte Aufsätze: Band 5
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISSN 0721-3409 ISBN 978-3-631-67152-8 (Print) E-ISBN 978-3-653-06515-2 (E-Book) DOI 10.3726/978-3-653-06515-2 © Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 2016 Alle Rechte vorbehalten. PL Academic Research ist ein Imprint der Peter Lang GmbH. Peter Lang – Frankfurt am Main · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Warszawa · Wien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Diese Publikation wurde begutachtet. www.peterlang.com
Inhalt Vorwort _______________________________________
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I. Grundfragen und Methodenprobleme Kirchengeschichte als Wissenschaft ________________
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II. Alte Kirche Die Regula Benedicti im Urteil der deutschen evangelischen Theologie des 20. Jahrhunderts ___________________ 19 III. 19.-21. Jahrhundert Zur Geschichte des kurhessischen Pfarrervereins, besonders im Dritten Reich ______________________
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Kirchengeschichte aus der Begegnung mit Jesus Christus Zum Tode von Winfried Zeller ___________________ 385 Adalbert de Vogüé OSB (1924-2011) - Erinnerungen an einen Forscher und Freund ______________________
391
Wahrheit im Wort - Gedenken an den Göttinger Neutestamentler Hans Hübner (1930-2013) _________
403
Register _______________________________________
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Vorwort Die im Folgenden veröffentlichten Beiträge umfassen den Zeitraum von 1982 bis 2016. Sie schließen sich an die Beiträge in den Bänden 1-4 von „Theologie und Geschichte“ an. Der 4. war also nicht der letzte Band meiner Gesammelten Aufsätze, wie ich im Vorwort dazu damals vermutete (S. 9). Nach meiner Krebserkrankung hat Gott mir noch etwas Zeit gelassen zum Weiterarbeiten. Dafür bin ich dankbar, ebenso meiner Frau, die mir den nötigen Freiraum im Haus geschaffen hat. Dass jetzt auch der umfangreiche Beitrag von 1994 „Zur Geschichte des kurhessischen Pfarrervereins, besonders im Dritten Reich“ nachgedruckt werden konnte, freut mich im 125. Jahr seines Bestehens besonders. Denn die Untersuchung hatte seinerzeit einige Diskussionen ausgelöst, deren Ergebnisse nicht nur ein Schlaglicht auf die Geschichte des Pfarrervereins selbst, sondern auch auf den Umgang mit ihr warfen. Auch diesmal werden die Texte wortgetreu nach den Vorlagen wiedergegeben. Die Schreibweise der Autoren (kursiv mit abgekürztem Vornamen) wurde ebenso wie die der Zwischenüberschriften wieder vereinheitlicht. Druckfehler habe ich wie in den früheren Bänden stillschweigend korrigiert und spätere Zusätze in eckige Klammern [ ] gesetzt. Abkürzungen erscheinen im Allgemeinen nach den Vorschlägen, die Siegfried M. Schwertner in seinem im Umkreis der „Theologischen Realenzyklopädie“ erstellten, in drei Auflagen erschienenen Abkürzungsverzeichnis gemacht hat. Dem Landeskirchlichen Archiv Kassel, besonders Herrn Thomas Gothe, danke ich für hilfreiche Auskünfte hinsichtlich der kurhessischen Pfarrergeschichte. Ich danke den Verlagen, die den Nachdruck der Erstveröffentlichungen freigegeben haben, außerdem Herrn Dr. Hermann Ühlein (Essen) vom Verlag Peter Lang für die gute Zusammenarbeit und - last not least - meiner früheren Sekretärin Marianne
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Fischer (Hofgeismar), die seinerzeit den größten dieser Aufsätze, den Beitrag zur Geschichte des kurhessischen Pfarrervereins, für den Erstdruck nach meinen handschriftlichen Notizen mit Maschine geschrieben hat. Tann (Rhön), im Spätherbst 2015
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Bernd Jaspert
I. Grundfragen und Methodenprobleme
Kirchengeschichte als Wissenschaft* 2013 Über die Kirchengeschichte als Wissenschaft wird gestritten, seitdem es sie als eigene Disziplin (historia sacra im Unterschied zur historia profana1) an den Hochschulen gibt, also seit dem 17. Jahrhundert. Die Sache, um die es dabei in Forschung und Lehre geht, ist allerdings wesentlich älter. Sie betrifft das geschichtliche Dasein der Kirche in ihren verschiedenen Formen von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Der Begriff der Kirchengeschichte ist jedoch „nur eine der möglichen Bezeichnungen für eine organisierte christliche Geschichtsdeutung, wohl aber die verbreitetste“2. Andere Begriffe wie Geschichte des Christentums, Christentumsgeschichte, Geschichte der christlichen Religion usw. haben sich, wissenschaftsgeschichtlich betrachtet, nicht durchsetzen können.3 * Erstveröffentlichung unter dem Titel: „Einleitung“ in: Bernd Jaspert (Hg.), Kirchengeschichte als Wissenschaft, Münster 2013, Aschendorff Verlag, 9-12 (hier um die drei letzten Absätze gekürzt). 1 Dass die beiden nicht einfach mit der historia divina und der historia humana oder historia naturalis identisch sind, hatte man spätestens im 18. Jahrhundert begriffen, als Männer wie Christoph Matthäus Pfaff (1686-1760) in Tübingen und Johann Lorenz von Mosheim (1693-1755) in Göttingen der pragmatischen Methode der Kirchengeschichtsschreibung zum Sieg verhalfen; vgl. B. Jaspert, Hermeneutik der Kirchengeschichte (1989), in: ders., Theologie und Geschichte. Ges. Aufsätze, Bd. 1 (EHS.T 369), Frankfurt a. M. 1989, (19-77) 24ff. 2 Ch. Markschies, Art. Kirchengeschichte/Kirchengeschichtsschreibung. I. Begrifflichkeit und Voraussetzungen, RGG4 4 (2001) (1170-1179) 1170. 3 Zur Geschichte des Verständnisses und der Bedeutung der Kirchengeschichte als Wissenschaft vgl. anstelle vieler Einzelnachweise nach P. Meinhold, Geschichte der kirchlichen Historiographie, 2 Bde. (OA III/5), Freiburg/München 1967, und dem Themenheft: Grundfragen der kirchengeschichtlichen Methode heute, RQ 80 (1985) 1-258, die Überblicksartikel mit weiterführender Literatur von A. Schindler/K. Koschorke, EKL3 2 (1989)
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Die Frage, ob die Kirchengeschichte eine theologische Wissenschaft ist oder nicht vielmehr als ein Teil der Geschichtswissenschaft zu begreifen und dementsprechend strikt historisch und nicht (auch) theologisch zu behandeln ist, wurde schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gestellt.4 Aber erst im 20. Jahrhundert führte sie unter evangelischen und römischkatholischen Theologen zu heftigen Auseinandersetzungen, und zwar sowohl konfessionsintern als auch interkonfessionell. Es sei nur an die Antrittsrede des Erlanger evangelischen Kirchenhistorikers Hermann Jordan (1878-1922) vom 2. Mai 1914 über „Die Kirchengeschichte als theologische Wissenschaft“5, an den Hofgeismarer Vortrag des Marburger evangelischen Kirchenhistorikers Winfried Zeller (1911-1982) vom 4. August 1949 über „Kirchengeschichte als theologisches Problem“ 6 , den Vortrag, den der katholische Kirchenhistoriker Hubert Jedin (1900-1980) beim Dies Academicus der Universität Bonn am 9. Dezember 1953 über „Kirchengeschichte als Heilsgeschichte?“ 7 gehalten 121-127; E. Stöve, TRE 18 (1989) 535-560; K. Ganzer/E. L. Grasmück/G. Podskalsky/K. Ganzer, LThK3 6 (1997) 1-10; Ch. Markschies/E. Plümacher/H. Ch. Brennecke/A. Beutel/K. Koschorke/St. Gerö/Ch. Markschies/J. Ohlemacher, RGG4 3 (2001) 1170-1196; außerdem B. Jaspert, Hermeneutik der Kirchengeschichte (wie Anm. 1), 19-77; A. Beutel, Vom Nutzen und Nachteil der Kirchengeschichte. Begriff und Funktion einer theologischen Kerndisziplin (1997), in: ders., Protestantische Konkretionen. Studien zur Kirchengeschichte, Tübingen 1998, 1-27; K. Nowak, Wie theologisch ist die Kirchengeschichte? Über die Verbindung und die Differenz von Kirchengeschichtsschreibung und Theologie (1997), in: ders., Kirchliche Zeitgeschichte interdisziplinär. Beiträge 1984-2001, hg. v. J.-Ch. Kaiser (KoGe 25), Stuttgart 2002, 464-473; B. Jaspert (Hg.), Ökumenische Kirchengeschichte. Probleme, Visionen, Methoden, Paderborn/Frankfurt a. M. 1998. 4 Beispielsweise von Jean Bodin (1529-1596) und Reiner Reineccius (15411595); vgl. B. Jaspert, Hermeneutik der Kirchengeschichte (wie Anm. 1), 24. 5 NKZ 26 (1915) 52-63. 6 In: W. Zeller, Theologie und Frömmigkeit. Ges. Aufsätze, Bd. 1, hg. v. B. Jaspert (MThSt 8), Marburg 1971, 1-8. 7 Saec. 5 (1954) 119-128, ND in: H. Jedin, Kirche des Glaubens - Kirche der Geschichte. Ausgew. Aufsätze und Vorträge, Bd. I: Kirchengeschichtsschrei-
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hat, an die Philippika, die der Luzerner katholische Kirchenhistoriker Victor Conzemius (geb. 1929) gegen den theologischen Charakter der Kirchengeschichte 1975 hielt 8 oder an die viel beachtete Mainzer Akademieabhandlung des katholischen Kirchenhistorikers Erwin Iserloh (1915-1996) von 1982 über „Kirchengeschichte - eine theologische Wissenschaft“9 erinnert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts, zu einer Zeit, in der an deutschen Hochschulen das Theologiestudium entsprechend modernen Reformvorgaben von staatlicher Seite immer mehr nach sog. Modulen absovliert wird10, ist die Diskussion über den Wissenschaftscharakter und die Bedeutung der Kirchengeschichte für die Theologie, speziell für die Ausbildung von Theologen und Theologinnen für das Pfarramt in den Kirchen, das Lehramt in den Schulen oder an den Hochschulen, keineswegs abgeschlossen. 11 Die Frage, was Kirchengeschichte ist, wie sie und was bung, Italien und das Papsttum, Deutschland, Abendland und Weltkirche, Freiburg i. Br. 1966, 37-48. 8 Kirchengeschichte als „nichttheologische“ Disziplin. Thesen zu einer wissenschaftstheoretischen Standortbestimmung, ThQ 155 (1975) 187-197 (ND in: ThJb[L] [1984] 31-48; RQ 80 [1985]31-48). 9 AALM.G 1982, Nr. 3, Mainz/Wiesbaden 1982, ND in: E. Iserloh, Kirche Ereignis und Institution. Aufsätze und Vorträge, Bd. I: Kirchengeschichte als Theologie (RGT.S 3/1), Münster 1985 (21987), 1-29. 10 Vgl. Module der Theologie, 5 Bde., Gütersloh/Berlin 2009 (Bd. 3: K. Fitschen, Kirchengeschichte). 11 Anstelle vieler Einzelnachweise vgl. G. Besier, Western Debate on Theories of Church History, Religion, Staat, Gesellschaft 6 (2005) 5-18; W. Brandmüller, Kirchengeschichte in Deutschland (2006), in: ders., Scripta maneant. Raccolta di studi in occasione del suo 80° genetliaco, hg. v. C. Semeraro (Pontificio Comitato di Scienze Storiche. Atti e Documenti 30), Città del Vaticano 2009, 392-407; K. Fitschen, Aktuelle Methodendebatten in der protestantischen Kirchengeschichtsschreibung, in: W. Kinzig/V. Leppin/G. Wartenberg (Hg.), Historiographie und Theologie. Kirchen- und Theologiegeschichte im Spannungsfeld von geschichtswissenschaftlicher Methode und theologischem Anspruch (AKThG 15), Leipzig 2004, 39-52; ders., Kirchengeschichte, in: E.-M. Becker/D. Hiller (Hg.), Handbuch Evangelische Theologie. Ein enzyklopädischer Zugang (UTB 8326), Tübingen 2006, 157-213,
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von ihr an den Hochschulen gelehrt und gelernt werden soll, ist vielmehr aufs Neue zu stellen. 12 Denn die Kirchengeschichte „hat nicht nur antiquarische Bedeutung. Die Kirche in ihrer heutigen Form ist vielmehr nur zu verstehen unter Berücksichtigung ihres geschichtlichen Werdens und ihrer Entwicklungen durch all die Jahrhunderte. Die Kenntnis von Kontinuität, Komplexität und Relativität kirchengeschichtlicher Entwicklungen befähigt dazu, sich ein selbständiges Urteil zu bilden und in der Gegenwart verantwortungsvoll zu handeln.“13 Noch mehr als damals gilt heute, was Hubert Jedin schon vor fünfzig Jahren festgestellt hatte: „Wie in allen Zweigen der Wissenschaft, so vollzieht sich auch in der Kirchengeschichte der Fortschritt der Erkenntnis vor allem in der Spezialforschung. Sie hat sich derart ausgeweitet, daß kein Gelehrter imstande ist, das ganze Gebiet der Kirchengeschichte zu überschauen.“14 Dieser Feststellung von 1962 entsprechen die Beobachtungen, die neuerdings die evangelischen Kirchenhistoriker Eckehart Stöve (geb. 1941) und Albrecht Beutel (geb. 1957) über die Spezialisierung und die Segmentierung in der kirchengeschichtlichen
bes. 177ff; ders., „Kirchengeschichte muß um das Wesen von Kirche wissen“. Selbstbesinnung und Selbstbegrenzung des Faches Kirchengeschichte nach 1945, Mitteilungen zur kirchlichen Zeitgeschichte 1 (2007) 27-46. 12 Aus der Fülle der Beiträge zur neueren Diskussion über die Kirchengeschichte vgl. nach der z. T. konfessionsübergreifend mehrere Jahrzehnte lang gültigen Besinnung von H. Jedin, Einleitung in die Kirchengeschichte, in: K. Baus, Von der Urgemeinde zur frühchristlichen Großkirche/H. Jedin, Einleitung in die Kirchengeschichte (HKG[J] 1), Freiburg i. Br. 1962 (41978), 1-55, außer den in Anm. 11 schon genannten Arbeiten neuerdings bes. den Überblick bei St. Storck, Kirchengeschichtsschreibung als Theologie. Theorien der Kirchengeschichtsschreibung in der deutschsprachigen evangelischen und katholischen Theologie seit 1945, Aachen 1997. 13 K. Ganzer, Art. Kirchengeschichte/Kirchengeschichtsschreibung. VI. Aktualität der KG, LThK3 6 (1997) 10. 14 H. Jedin, Einleitung in die Kirchengeschichte (wie Anm. 12), 55.
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Forschung und Lehre gemacht haben.15 Umso dringender stellen sich heute im wissenschaftlichen Diskurs Fragen wie: - Was zeichnet die Kirchengeschichte als Wissenschaft aus? - Wie und zu welchem Ziel wird Kirchengeschichte als Wissenschaft betrieben? - Ist Kirchengeschichte als Wissenschaft für die Theologie in der Differenzierung und Spezialisierung ihrer Fächer (Altes und Neues Testament, Systematische Theologie, Praktische Theologie, Ökumenik usw.) wie auch für die Theologie als Ganze notwendig und sinnvoll und ist sie ein unerlässlicher Beitrag zum theologischen Denken, Reden und Handeln? - Leistet Kirchengeschichte als Wissenschaft einen unabdingbaren Beitrag zum historischen Denken und Verstehen als solchen, oder ist sie in historischer Hinsicht nur binnenkirchlich orientiert? - Fördern die Erkenntnisse der Kirchengeschichte als Wissenschaft die Menschlichkeit, die Verständigung zwischen den Konfessionen und Religionen, den Frieden in der Welt? - Welche Auswirkungen hat die Kirchengeschichte als Wissenschaft auf die theologische Praxis in Pfarramt und Schule? - Inwiefern ziehen die Kirchen als Organisationen des Christentums aus den Erkenntnissen wissenschaftlich betriebener Kirchengeschichte Konsequenzen in der praktischen Ausbildung und Förderung ihres Theologen- und Theologinnennachwuchses, in der Synodalarbeit, in der Kirchenorganisation und -verwaltung usw.? Solche Fragen nach der Bedeutung der Kirchengeschichte als Wissenschaft in der heutigen Zeit und unter den Bedingungen der Globalisierung des Denkens, Forschens, Lehrens, Lernens 15 Ihre entspr. Bemerkungen von 1989 bzw. 2001 habe ich zitiert in: B. Jaspert, Mönchtum und Protestantismus. Probleme und Wege der Forschung seit 1877, Bd. 5: Das Mönchtum in evangelischen Handbüchern der Kirchengeschichte. Die Neubegründung des Mönchtums im Protestantismus. Mönchtum als ökumenisches Problem (RBS.S 21), St. Ottilien 2011, 23f.
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und Lebens insgesamt könnten noch leicht um weitere vermehrt werden. Deutlich ist jedenfalls, dass die heute Kirchengeschichte Lehrenden um eine den modernen Anforderungen und Gegebenheiten gerecht werdende Standort- und Sinnbestimmung ihres Faches nicht herumkommen, gerade wenn sie davon überzeugt sind, dass Kirchen- und Heilsgeschichte nicht in jedem Fall identisch sein müssen und Heilsgeschichte immer auch Weltgeschichte ist.16
16 Vgl. F. X. Kaufmann, Entweltlichte Kirche?, FAZ (27. Januar 2012) Nr. 23, S. 11: „Es gibt keine Heilsgeschichte außerhalb der Weltgeschichte.“ - Dass die Kirchengeschichte dabei im größeren Zusammenhang der allgemeinen Geschichte zu verorten und zu verstehen ist und daher die hier geführten hermeneutischen Debatten mit zu berücksichtigen sind, versteht sich von selbst; vgl. dazu z. B. Ch. Markschies, Vergangenheit verstehen. Einige Bemerkungen zu neueren Methodendebatten in den Geschichtswissenschaften, MJTh 18 (2006) 23-52.
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II. Alte Kirche
Die Regula Benedicti im Urteil der deutschen evangelischen Theologie des 20. Jahrhunderts* Bei ihrer Kritik am mittelalterlichen Mönchtum haben die Reformatoren des 16. Jahrhunderts die Regula Benedicti und die nach ihr lebenden Mönche und Nonnen weitgehend ausgenommen1, auch wenn manche Benediktiner- und Zisterzienserklöster von Männern und Frauen im Laufe der Reformation geschlossen werden mussten. Auch später hat sich die evangelische Theologie meistens positiv über die Regula Benedicti geäußert.2 Das gilt auch für die deutsche evangelische Theologie des 20. Jahrhunderts. Im Einzelnen ist festzustellen: 1. Adolf von Harnack Einer der Theologen, die den Weg zur positiven Beurteilung der Regula Benedicti im 20. Jahrhundert in der evangelischen Theologie geebnet haben, war Adolf von Harnack (1851-1930). 3 Zwar lehnte er in seiner Gießener Vorlesung von 1880 über
* Bisher unveröffentlicht. 1 Vgl. B. Jaspert, Mönchtum und Protestantismus. Probleme und Wege der Forschung seit 1877, Bd. 1: Von Hermann Weingarten bis Heinrich Boehmer (RBS.S 11), St. Ottilien 2005, 49-95. - Abkürzungen nach S. M. Schwertner, IATG3 - Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben, 3., überarb. u. erw. Aufl. Berlin/Boston 2014. 2 Vgl. zum Folgenden auch B. Jaspert, Die Regula Benedicti-Forschung und die protestantische Theologie (1975), in: ders., Studien zum Mönchtum (RBS.S 7), Hildesheim 1982, 118-132. 3 Über seine Stellung zum Mönchtum vgl. Jaspert, Mönchtum und Protestantismus, Bd. 1 (wie Anm. 1), 123-182.
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„Das Mönchtum, seine Ideale und seine Geschichte“4 die Weltflucht des Mönchtums ab und meinte, erst der Jesuitenorden des 16. Jahrhunderts habe „das letzte und authentische Wort des abendländischen Mönchtums“ gesprochen, als er jene Probleme gelöst hat, die weder Benedikt noch die Cluniacenser noch die Bettelorden des Mittelalters zu bewältigen imstande gewesen seien. Er habe nämlich „eine neugestimmte Frömmigkeit“ in der Kirche erzeugt, „die Laien für die Kirche zu interessieren verstanden und ihnen in seiner Mystik das zugänglich gemacht, was ihnen bisher versagt gewesen war. Er hat“ - bei einer gewissen sich selbst bewahrten Unabhängigkeit von der Kirche - „das gesamte Leben der Kirche auf allen Gebieten durchdrungen und die Gläubigen dem Papste zu Füßen gelegt“5. Vor allem kritisierte Harnack, dass das abendländische Mönchtum aufs Ganze gesehen die ursprünglichen Ideale des Mönchtums nicht bewahrt, sondern sich im Jesuitenorden in eine Kompanie umgewandelt hat, „die ihre Freiheit von der Welt in der weltlichen, politischen Reaktion gegen die Kultur und die Geschichte bekundet und deshalb die Verweltlichung der Kirche zum Abschluß gebracht hat“6. Die Überwindung der altmonastischen Ideale wie beispielsweise der Weltflucht und der Suche nach Einsamkeit sah er in Martin Luthers Neudeutung der Nachfolge Christi mitten in der Welt, im weltlichen Beruf7 und Stand gegeben: „Wohl kann das Mönchtum noch heute einzelnen Weltmüden Frieden geben, aber die Geschichte weist über dasselbe hinaus auf die Predigt Luthers, daß der Mensch die Nachfolge Christi beginnt, der in seinem Beruf und Stand 4
Gießen 1881 (6. verb. Aufl. 1903, 8-101921); auch in: A. Harnack, Reden und Aufsätze, 1. Bd., Gießen 1904 (21906), 81-139. 5 A.a.O. (Reden und Aufsätze, 1. Bd.), 136. 6 A.a.O., 138. 7 Vgl. dazu später K. Holl, Die Geschichte des Worts Beruf (1924), in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte, Bd. III: Der Westen, Tübingen 1928, 189-219.
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durch Glauben und dienende Liebe mitarbeitet am Reiche Gottes. Auch dieses Ideal fällt nicht einfach zusammen mit dem Inhalt der evangelischen Botschaft, aber es gibt die Richtung an, in welcher der Christ sich zu bewegen hat und stellt ihn gegen Selbsttäuschung und Unwahrheit sicher.“8
Harnack sah in Benedikt jedoch den Mann, der das Mönchtum im 6. Jahrhundert auf eine neue Stufe gehoben hat. Denn er gab ihm eine Regel, die es „zu geordneter Tätigkeit und ersprießlichem Wirken befähigt hat“9. Inhaltlich gesehen war diese Regel „keineswegs neu“ 10 . Benedikts Verdienst bestand in den Augen Harnacks jedoch darin, dass er die verschiedensten Formen, die das Mönchtum damals um ihn herum angenommen hatte, „auf die zweckmäßigste“11 reduzierte. So war dieser Regel und den ihr folgenden Mönchen auch der Erfolg sicher. Harnack beschrieb ihn mit den Worten: „Der strenge Gehorsam, zu welchem die Mönche verbunden wurden, der geordnete Zusammenschluß, die Opposition gegen die vagierenden und nichtsnutzigen Mönche, die feste Regelung des täglichen Lebens und die strenge Pflicht zur Arbeit, zunächst zum Ackerbau, sind beachtenswert. Die Forderung des Gehorsams und der Arbeit treffen wir zwar schon in den orientalischen Regeln, sie treten auch in der neuen Bestimmung zunächst nicht an die Spitze, aber sie sind doch in der Folgezeit vor allem wichtig geworden. Und welche Veränderungen brachten sie hervor! Aus den rohen, zum Teil bereits zersprengten und zerrütteten Mönchskolonien entstanden gesetzliche Verbände mit einer Kraft der Arbeit, die ein Feld der Tätigkeit suchen mußte. Jener große Bischof auf dem Stuhle Petri, Gregor I., selbst Mönch von Kopf und Herzen, hat diese neue Macht in seinen Dienst genommen und für die Kirche verwertet. Schon vorher hatte der ostgotische Minister Cassiodorus, nachdem er sich eines langen Lebens müde in das Kloster zurückgezogen, auch wissenschaftliche Beschäftigung in den Klosterplan aufgenommen; er selbst hatte damit begonnen, theologische und geschichtliche Handbücher für die Klöster zu verfassen. Vom siebenten Jahrhundert ab treffen wir Brüder vom Orden des hl. Benedikt weithin im Abendlande. Sie roden Wälder aus, 8
Harnack, a.a.O. (Reden und Aufsätze, 1. Bd.), 139. A.a.O., 118. 10 A.a.O., 118f. 11 A.a.O., 119. 9
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sie schaffen Wüsteneien zu Ackerland, sie studieren mit bösem oder mit gutem Gewissen die Gesänge heidnischer Poeten und die Schriftwerke der Geschichtsschreiber und Philosophen. Klöster und Klosterschulen erblühen, und eine jede Ansiedelung ist zugleich ein Mittelpunkt des religiösen Lebens und der Bildung im Lande. Mit Hilfe dieser Scharen hat der römische Bischof das Christentum und einen Rest der alten Kultur dem Abendland bringen oder erhalten können; durch sie hat er die neuen germanischen Staaten zu römisch-germanischen umgeformt.“12
Harnack wusste, dass das nicht Benedikts Absicht war, als er seine Regel schrieb. Aber das benediktinische Mönchtum stellte sich, besonders in der Zeit des Bonifatius, ganz in den Dienst und unter die Leitung der römischen Bischöfe. Nur so ist auch „die Romanisierung der von ihrem Ursprunge her verstaatlichten fränkischen Kirche“ 13 zu erklären. Harnack sah sie als „das wichtigste Ereignis der Epoche“ an und meinte, „die Verdrängung aller nicht nach der Regel Benedikts geleiteten Klöster ist dem Orden nur gelungen, indem er sich dem von Rom aus geleiteten Kirchenwesen unterstellte“14. Dies führte nach Harnack jedoch nicht zu einer geistlichen Erneuerung der Kirche, sondern Stück für Stück zu einer Verweltlichung des Mönchtums, das zu einem „Institut der Kirche“15 herabsank. Auch die Rückkehr einiger ernsthafter Mönche, die nichts anderes im Sinn hatten, als ihr Leben ganz und gar Gott zu weihen, zur strengsten ursprünglichen Askese, nutzte nichts. Ebenso waren - aufs Ganze gesehen - die Reformversuche Benedikts von Aniane und seiner Freunde im 8./9. Jahrhundert erfolglos: „Die Klöster gerieten immer mehr in Abhängigkeit nicht nur von den Bischöfen und der Kirche, sondern auch von den Großen des Landes. Die Äbte wurden immer mehr, was sie schon seit lange gewesen - Vornehme des Ho12
A.a.O., 119f. A.a.O., 120. 14 Ebd. 15 Ebd. 13
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fes; es waren bald nur Zeremonien, durch die sich Mönche und Weltkleriker unterschieden.“16
Nach Harnacks Eindruck schien das Mönchtum im 10. Jahrhundert „seine Rolle im Abendland nahezu ausgespielt zu haben, es schien - von einigen Klöstern, namentlich Nonnenklöstern, abgesehen - der Gefahr erlegen zu sein, die im Orient überhaupt nicht auftauchen konnte: es war selbst Welt geworden, gemeine Welt, um keines Haaresbreite über sie erhaben. Papsttum, Kirche, Mönchtum schienen im zehnten Jahrhundert gleichmäßig verfallen.“17 Dass das Mönchtum dennoch die Zeiten überdauerte, hatte es, so sah es auch Harnack, seinen immer wieder neuen Reformen zu verdanken. Ob er allerdings recht hatte, als er schrieb, in der Kirche des Abendlandes habe das ursprüngliche Mönchtum mit seinen Idealen „nur einen gebrochenen Erfolg gehabt“, und es habe nur überdauern können, indem es sich in eine kirchliche Kompanie, die Societas Jesu, umgewandelt habe, „die ihre Freiheit von der Welt in der weltlichen, politischen Reaktion gegen die Kultur und die Geschichte bekundet und deshalb die Verweltlichung der Kirche zum Abschluß gebracht hat“18, ist fraglich. Auch seine Ansicht, dass das Mönchtum eine Kraft der Schwachen und im Streit der Konfessionen ein Friedenszeichen sein könne, wenn es nicht mehr sein wolle „als das Eingeständnis, daß an die Vollkommenheit des Lebens, welche in dem Evangelium vorgestellt ist, Niemand hinanreicht, und wenn es der Ausdruck dafür ist, daß der Christ in jeder Lage der göttlichen Hilfe und Gnade vertrauen darf“19, dürfte nicht überall auf Verständnis stoßen.
16
A.a.O., 121. Ebd. 18 A.a.O., 138. 19 A.a.O., 139. 17
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Dennoch hat Harnack mit seinen Studien seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts nicht nur in einer für einen Protestanten erstaunlichen Offenheit die Jahrhunderte lange Geschichte des Mönchtums in ihren Höhen und Tiefen gerecht beurteilt, sondern ihm als einer der ersten evangelischen Theologen auch eine Chance in der Erneuerung des evangelischen Christentums zugebilligt. Dabei spielte die Regel Benedikts für ihn eine maßgebliche Rolle. Dass sein entsprechender Vorstoß zunächst singulär und akademisch blieb, „ohne Folgen für eine monastische Praxis im evangelischen Christentum“20, obgleich es schon im 19. Jahrhundert im diakonischen Bereich der evangelischen Kirche einen entsprechenden monastischen Réveil gab21, der im 20. Jahrhundert dann unter dem Einschluss einer kritischen Revision der reformatorischen Kritik am Mönchtum zu einer Neubegründung des Mönchtums im Protestantismus führte, ist offenkundig.22 2. Georg Grützmacher Im 1. Band meiner Abhandlung „Mönchtum und Protestantismus“ schrieb ich 2005, dass mit Georg Grützmacher (1866-1939) am Ende des 19. Jahrhunderts jener Schüler Harnacks hervorgetreten sei, „der aus der Zunft der Kirchenhistoriker das Bild des Mönchtums, wie es die evangelische Universitätstheologie hauptsächlich unter Harnacks und Haucks Einfluß in Deutsch20
Jaspert, Mönchtum und Protestantismus, Bd. 1 (wie Anm. 1), 182. Vgl. z. B. E. Schering, Ordo und Caritas. Der Ordensgedanke in den Anfangszeiten der inneren Mission, in: G. Müller/W. Zeller (Hg.), Glaube, Geist, Geschichte. Festschrift für Ernst Benz zum 60. Geburtstage am 17. November 1967, Leiden 1967, 244-256. 22 Vgl. B. Jaspert, Mönchtum und Protestantismus. Probleme und Wege der Forschung, Bd. 5: Das Mönchtum in evangelischen Handbüchern der Kirchengeschichte, Die Neubegründung des Mönchtums im Protestantismus, Mönchtum als ökumenisches Problem (RBS.S 21), St. Ottilien 2011, 683-766. 21
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land vermittelte, neben Holl jahrelang entscheidend mitbestimmte, bis Forscher wie Heussi, Bousset und von Campenhausen nach dem Ersten Weltkrieg mit neuen Erkenntnissen aufwarteten“23. Das galt vor allem für Grützmachers Heidelberger Habilitationsschrift von 1892 über „Die Bedeutung Benedikts von Nursia und seiner Regel in der Geschichte des Mönchtums“24. Nach einem Vergleich der Regula Benedicti mit anderen monastischen Regeln und Schriften wie etwa von Basilius d. Gr., Johannes Cassian, Caesarius von Arles oder Columban 25 kam Grützmacher - anders als andere evangelische Theologen jener Zeit - zu dem Schluss, dass die Benediktusregel „keineswegs in der Geschichte des Mönchtums epochemachend genannt werden kann“, denn sie sei „nur eine geschickte Fixierung der Entwicklung, die das Mönchtum zu seiner Zeit genommen hatte, neben anderen ebenbürtigen Werken.“ Die Bedeutung, die das benediktinische Mönchtum in der Folgezeit hatte, erklärte Grützmacher „nicht aus inneren Gründen, aus der Trefflichkeit der Regel [wie Otto Seebaß26 und andere evangelische Theologen des 19. Jahrhunderts], sondern aus äusseren, auch ihrer Bevorzugung durch die grossen Päpste Gregor I, Gregor II, Gregor III, Zacharias und den römischen Legaten Bonifacius.“ Nach Ansicht Grützmachers förderte Gregor d. Gr. nämlich „zunächst mehr direkt die Verbreitung der Regel“, während „seine Nachfolger als Ziel die alleinige Anerkennung der Regel Benedikts“ anstrebten und es auch „ohne Schwierigkeiten“ durchsetzten. „Hierdurch wurde das Mönchtum im römischen Geiste uniformiert. Dieses Werk fand dann an den fränkischen Königen, Karl
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Jaspert, Mönchtum und Protestantismus, Bd. 1 (wie Anm. 1), 190. Berlin 1892. 25 § 6 des Buches. 26 Art. Benedikt von Nursia, Benediktinerregel, Benediktinerorden, RE3 2 (1897) 577-584. 24
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dem Grossen und Ludwig dem Frommen, seine Erhalter und Fortsetzer.“27 Ihren Siegeszug im Abendland während des 6.-9. Jahrhunderts verdankte die Regula Benedicti nach Grützmachers Ansicht also nicht ihrer Trefflichkeit und Milde 28 , sondern der Weisung und Durchsetzungskraft geistlicher und weltlicher Autoritäten jener Zeit. Dass dieses Urteil aber in der kritischen Regelforschung nicht lange bestehen konnte, war klar. „Nicht nur, daß Grützmacher in dem für seine These grundlegenden Vergleich der Regel Benedikts mit Schriften anderer Mönchsschriftsteller sich nicht strikt an die Form der Regel als einem klösterlichen Gesetz und spirituellen Führer gehalten hat, auch der völlig fehlende Versuch, die monastische Theologie Benedikts im Vergleich zu anderen zu erfassen29, mußte zwangsläufig zu Fehlurteilen führen wie jenem, daß der innere Wert der Regula Benedicti nicht zu ihrem Siegeszug beigetragen hätte. Daß Grützmachers These von jenen Benediktinern, die mit der Regelgeschichte vertraut waren, so nicht hingenommen werden konnte, war verständlich.“30
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Grützmacher, Die Bedeutung Benedikts von Nursia und seiner Regel in der Geschichte des Mönchtums (wie Anm. 24), 71f. Der römische Einfluss bei der Ausbreitung der Regula Benedicti darf ebenso wenig unterschätzt werden wie die germanische Romverehrung im Mittelalter; statt vieler Einzelnachweise vgl. P. Engelbert, Regeltext und Romverehrung. Zur Frage der Verbreitung der Regula Benedicti im Frühmittelalter, RQ 81 (1986) 39-60, sowie die diesbezügliche Kontroverse zwischen Klaus Zelzer und Eugène Manning, dokumentiert bei B. Jaspert, Benedikt von Nursia und seine Regel in theologischen Lexika, Nordhausen 22012, 72, Anm. 283. 28 Vgl. Grützmacher, Die Bedeutung Benedikts von Nursia und seiner Regel in der Geschichte des Mönchtums (wie Anm. 24), 71. 29 Später versuchte Grützmacher dies nachzuholen: Zur Charakteristik der Frömmigkeit der Benediktinerregel, in: Harnack-Ehrung. Beiträge zur Kirchengeschichte. Ihrem Lehrer Adolf von Harnack zu seinem siebzigsten Gebuirtstage (7. Mai 1921) dargebracht von einer Reihe seiner Schüler, Leipzig 1921, 212-218. 30 Jaspert, Mönchtum und Protestantismus, Bd. 1 (wie Anm. 1), 196; vgl. z. B. C. Butler, Benediktinisches Mönchtum, St. Ottilien 1929, 157f.
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Zwar hatte Grützmacher als einer der ersten in der neueren evangelischen Theologie auf die Regula Benedicti „als eines der Basisdokumente abendländischer Frömmigkeit“ hingewiesen. Ihre Christozentrik, die er in seiner erwähnten Abhandlung von 1892 noch nicht im Blick hatte, entdeckte er jedoch erst relativ spät, nämlich in seinem Beitrag zur Harnack-Festschrift von 1921, als er sie als den Grundzug der benediktinischen Frömmigkeit kennzeichnete. Jetzt meinte er auch, die Verbindung von Milde und Strenge in der Regula Benedicti sei ein Vorzug gegenüber den anderen von ihm untersuchten altmonastischen Regeln. Jedenfalls hatte Grützmacher 1921 seine Meinung von 1892 geändert und nun mit der Mehrzahl der Forscher behauptet, dass es die innere geistliche Kraft der Regula Benedicti und nicht die äußere kirchlich und politisch motivierte Durchsetzung von Päpsten und Königen gewesen sei, die ihr den Siegeszug durchs frühmittelalterliche Abendland bescherte. Auch wenn dieser Wandel im Urteil über die Benediktusregel beachtenswert ist, so bleibt doch festzuhalten, dass der seit 1911 in Münster tätige Kirchenhistoriker Grützmacher einer der ersten protestantischen Theologen seiner Zeit war, der sich nicht nur wie eine Reihe von Kollegen in der Aufbruchsstimmung des religionsgeschichtlichen Denkens am Ende des 19. Jahrhunderts mit den Ursprüngen der christlichen Askese und des Mönchtums im Orient beschäftigte, sondern auch jenen Mönchsvater würdigte, der mit seiner Regel das Abendland auf Jahrhunderte hinaus prägte: Benedikt von Nursia. 3. Karl Heussi In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es nach Harnack und Grützmacher vor allem der zunächst in Leipzig und später in Jena tätige Kirchenhistoriker Karl Heussi (1877-1961), der
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durch seine zahlreichen gründlichen Askese- und Mönchtumsstudien die glückliche Verbindung von Strenge und Milde in der Regula Benedicti erst einsichtig machte. 31 Die Gründung des Klosters Monte Cassino und die Abfassung der Regula Benedicti bezeichnete er als eine „weltgeschichtliche Tat“ des Benedikt von Nursia.32 Wegen seiner Regel, die Heussi im Anschluss an das von Otto Seebaß gebrauchte Klischee von der Milde und Maßhaltung, verbunden mit dem römisch-militärischen Geist, deutete (er nannte die Regel „umsichtig und maßvoll“33), hatte das benediktinische Mönchtum über die Jahrhunderte hinweg überlebt, auch wenn das Mönchtum insgesamt, wie Heussi wiederum klischeehaft meinte, schließlich in Verfall geriet, bevor Luther es - mit Recht - kritisierte und für das evangelische Christentum abschaffte.34
31 Vgl. K. Heussi, Art. Benediktiner, RGG2 1 (1927) (894-896) 894; ders., Abriß der Kirchengeschichte, Weimar 61960, 43. Schon in seinem großen Art. Mönchtum, RGG1 4 (1913) (427-446) 436, zeichnete sich die Regula Benedicti nach Heussi durch „Milde und Verständigkeit“ aus. Vgl. zum Folgenden auch Jaspert, Benedikt von Nursia und seine Regel in theologischen Lexika (wie Anm. 27), 80-85. 32 Heussi, Art. Mönchtum, RGG1 4 (1913) (wie Anm. 31) 436. 33 Ebd. 34 Dass Luther damals bei seiner Kritik am spätmittelalterlichen Mönchtum die geistlichen Reformen und den Neuaufbruch im Mönchtum des späten 15. Jhs. übersah, hatte Heussi nicht bemerkt; vgl. Jaspert, Mönchtum und Protestantismus, Bd. 1 (wie Anm. 1), 49-67; B. Moeller, Frömmigkeit in Deutschland um 1500 (1965), in: ders., Die Reformation und das Mittelalter. Kirchenhistorische Aufsätze, hg. v. J. Schilling, Göttingen 1991, 73-85, 307-317; ders., Spätmittelalter (KIG 2/H 1), Göttingen 1966, bes. 36-38; ders., Geschichte des Christentums in Grundzügen (UTB 905), Göttingen/Oakville, CT, 102011, 201 (das hier, 404, genannte Todesjahr Benedikts von Nursia, „Ca. 534“, ist korrekturbedürftig); K. Elm (Hg.), Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen (BHSt 14 = Ordensstudien 6), Berlin 1989; A. Lexutt/V. Mantey/V. Ortmann (Hg.), Reformation und Mönchtum. Aspekte eines Verhältnisses über Luther hinaus
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Im Jahr 1927, also vierzehn Jahre nach seinem Artikel über Benedikt von Nursia in der RGG1, nannte Heussi den Mönchsvater vom Monte Cassino mit Blick auf seine Regel „den großen Erzieher des abendländischen Mönchtums“, dessen historische Gestalt aber nur in Umrissen zu erfassen sei, zumal die alten Biographien, vor allem die Darstellung Gregors d. Gr., von Legenden überwuchert seien, so dass auch sein Geburts- und Todesjahr als unbekannt gelten müssten.35 Auch 1927 blieb Heussi bei seiner Aussage von 1913, dass die monastischen Prinzipien der Regula Benedicti eine glückliche Synthese von „Strenge und Milde“ bildeten. Verbunden mit dem in der Regel greifbaren „römisch-militärischen Geist“ (hier schloss er sich ganz Otto Seebaß an), haben diese Prinzipien der Regula Benedicti das Überdauern der nächsten Jahrhunderte gesichert.36 Nach Heussi ist das benediktinische Mönchtum im Laufe des Mittelalters immer mehr verfallen. Schuld daran war seine Kulturarbeit, die es zunehmend „seinem eigentlichen Zweck, der ausschließlichen Arbeit der Mönche am Heil der eigenen Seele“, entfremdete. 37 So entstanden vom 8. bis 12. Jahrhundert verschiedene monastische Reformen, in denen Heussi aber kaum
(SMHR 43), Tübingen 2008; V. Leppin, Geschichte des mittelalterlichen Christentums, Tübingen 2012, 421-423. 35 K. Heussi, Art. Benedikt von Nursia, RGG2 1 (1927) 893-894; Zitat: 893. Trotz dieser Kritik an der historisch ungenügenden Quellenlage schilderte Heussi Benedikts Lebenslauf ganz der Gregor’schen Benediktsvita entsprechend. Seine pauschale Heiligennimbuskritik hinderte ihn also nicht, in den historischen Angaben zur Vita Benedikts der hagiographischen Darstellung Gregors zu folgen. - Später nannte Heussi als Lebensdaten Benedikts die Zeit „um 480“ (Geburt) und „bald nach 547“ (Tod); K. Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte, Tübingen 121960 (181991), § 38c. 36 K. Heussi, Art. Benediktiner, RGG2 1 (1927) 894-896; Zitat: 894. 37 K. Heussi, Art. Mönchtum: II. Christliches Mönchtum, RGG2 4 (1930) (134-145) 139.
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den Reformgeist der Regula Benedicti, sondern mehr äußerliche monastische Prinzipien erkannte.38 In seinem großen „Kompendium der Kirchengeschichte“, das zu seinen Lebzeiten 12 Auflagen erlebte und an dem nach seinem Tod nichts verändert werden durfte39, schrieb Heussi, in der Benediktinerregel seien „altmönchische Traditionen und römischer militärischer Geist“ zusammengeflossen, und Benedikts Hauptbedeutung bestehe darin, dass er das Kloster Monte Cassino gegründet und dafür diese Regel verfasst habe.40 Damit hatte der Jenaer Kirchenhistoriker die seit Seebaß traditionelle Deutung der Regula Benedicti im Protestantismus als einer in ihren asketisch-monastischen Vorschriften ausgeglichenen und maßvollen römischen Regel, die dem Abendland den guten römisch-antiken Militärgeist in Verbindung mit ursprünglich christlichen Prinzipien (nützliche Arbeit, Gastfreundschaft, Armenpflege und Bildung) überlieferte, übernommen. Auch wenn in den beiden ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, besonders unter dem Einfluss der Religionsgeschichtlichen Schule, forschungsgeschichtlich im Protestantismus die Ursprünge der christlichen Askese und des christlichen Mönchtums mehr beachtet wurden als die Anfänge und die Bedeutung der Regula Benedicti (Wilhelm Frankenberg, Hermann Strathmann, Richard Reitzenstein, Wilhelm Bousset, Erik Peterson), so war doch spätestens seit Heussis Buch „Der Ursprung des Mönchtums“ von 193641 deutlich, dass die Bedeutung der Regula Benedicti für die Geschichte der Kirche nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit ihrer Abhängigkeit vom frühen öst-
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Vgl. ebd. Tübingen 1907-1909 (121960, 181991). 40 Tübingen 121960 (181991), § 38c. 41 Tübingen 1936 (ND Aalen 1981); vgl. neuerdings P. Nagel, Die Motivierung der Askese in der alten Kirche und der Ursprung des Mönchtums (TU 95), Berlin 1966. 39
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lichen Mönchtum, insbesondere von Pachomius 42 , verstanden werden konnte. Er selbst hat allerdings zu dieser hermeneutischen Lösung des Problems der Quellen der Benediktusregel ebenso wenig beigetragen, wie er sich an der seit den vierziger Jahren geführten Debatte um die Priorität der Regula Benedicti oder der Regula Magistri beteiligt hat.43 4. Walter Nigg Seit Heussis Studien aus den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts stand in der evangelischen Theologie fest, dass Benedikts Regel ein beachtliches Dokument der Kirchengeschichte war, das seinen besonderen Charakter aus einer Mischung von östlich-monastischer Spiritualität und westlich-römischem Militärgeist hatte. Auch wenn dieser Beschreibung durch Friedrich Parpert, Friedrich Heiler, Hermann Dörries, Dietrich Bonhoeffer, Hans Freiherr von Campenhausen und Wilhelm Stählin in den kommenden Jahren noch einige Nuancen, besonders hinsichtlich der Bedeutung der Regel für den Protestantismus, hinzugefügt wurden, und Karl Barth schon in seiner Münsteraner Ethik-Vorlesung im Sommer 1928 die gesamte mittelalterlich-christliche Ethik in nuce in der Regula Benedicti enthalten sah44, so war es doch eigentlich erst der Schweizer Kirchen42
Vgl. K. Heussi, Der Ursprung des Mönchtums (wie Anm. 41), 115; außerdem die Pachomius-Art. Heussis in: RGG2 4 (1930) 853 und PRE 18 (1942) 2070-2071. 43 Vgl. B. Jaspert, Die Regula Benedicti-Regula Magistri-Kontroverse (RBS.S 3), Hildesheim 1975 (21977); ders., Die Regula Benedicti-Forschung 1880-1980 (1981), in: ders., Studien zum Mönchtum (wie Anm. 2), 133-146; ders., Die Regula Benedicti im Spiegel der Forschungsgeschichte. Mit zwei Bibliographien, in: ders., Theologie und Geschichte. Gesammelte Aufsätze, Bd. 4 (EHS.T 929), Frankfurt a. M. 2012, 86-150. 44 Vgl. K. Barth, Ethik I. Vorlesung Münster Sommersemester 1928, wiederholt in Bonn Sommersemester 1930, hg. v. D. Braun (Karl Barth-
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historiker Walter Nigg (1903-1988), der 1953 in seinem Buch „Vom Geheimnis der Mönche“45 Benedikts Regel einem weiteren evangelischen Leserkreis nahegebracht hat. Als tragendes Element der Regula Benedicti sah Nigg Benedikts geistliche Aufbauleistung, die in den drei Prinzipien beziehungsweise Mönchsversprechen der „stabilitas“ (Beständigkeit), „conversatio morum“ (monastischer Lebenswandel) und „oboedientia“ (Gehorsam) bestand. Für Nigg war die Regel „lebendige Wahrheit und nicht toter Buchstabe“, denn „sie baut das Klosterleben ganz auf Christus auf und weist unaufhörlich auf Gott hin“46. Ja, die Regula Benedicti wurde zur „Magna Charta“ des kommenden Mönchtums überhaupt. In ihr wurde „nichts vergessen und alles auf die einfachste Form gebracht“. So kann, wer sie befolgt, leben. Und das war ganz im Sinne Benedikts, der mit ihr nichts anderes wollte, als eine „Schule des Lebens“ begründen.47 Nigg meinte: „Mit der Bestimmtheit, die genau weiß, was sie will und nirgends im unklaren stecken bleibt, ist die Regula eine der denkbar stärksten bildnerischen Mächte, die dem christlichen Abendland geschenkt wurden. Da sie keine uferlosen Diskussionen aufkommen läßt und allezeit vom Bewußtsein der Verantwortung getragen ist, übt sie einen eminent erzieherischen Einfluß aus. Ihr liegt ein psychologisches Empfinden zugrunde, wie es nur ein tiefer Menschenkenner besitzt. Die Anordnungen nehmen stets Rücksicht auf die Beschaffenheit der menschlichen Seele, und man kann nur staunen über die Durchdachtheit jeder Verfügung. Ein hervorragender Seelenführer nur besitzt diesen feinfühligen Takt. Es ist in ihr eine pneumatische Pädagogik enthalten, und aus ihr spricht die Stimme des göttlichen Logos. Die Regula ist ein religiöses Schriftstück ersten Ranges, das immer nur von Gott redet, in dessen Dienst der Mönch steht. Von ihrer Größe und Tiefe kann nicht genug gesagt Gesamtausgabe 2, Abt. II), Zürich 1973, 6; B. Jaspert, „Ethik in nuce ...“ Karl Barth und die Regula Benedicti (1977), in: ders., Studien zum Mönchtum (wie Anm. 2), 105-117. 45 Zürich 1953 (21957; Tb.ausg.: detebe 21844, Zürich 1990). Ich zitiere nach der 2. Aufl. von 1957. 46 A.a.O., 175. 47 A.a.O., 176.
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werden, sonst hätte sie sich nicht über 1400 Jahre in der Christenheit erhalten können. Wenigen Schöpfungen ist eine solche Dauer beschieden - man nannte sie schon das bedeutendste Monument des Mittelalters. [...] Ihre Seele schenkt sie freilich bloß dem, der sie nicht nur liest, sondern auch versucht, sie in seinem Leben zu verwirklichen.“48
Ein solches Loblied hatte bisher noch kein protestantischer Theologe auf die Regula Benedicti gesungen. Und bislang hatte es unter den modernen evangelischen Theologen auch noch niemand gewagt, den Lebensgang Benedikts ganz nach der hagiographischen Methode Gregors d. Gr. nachzuzeichnen. Nigg tat es unter Beachtung der hagiographischen Gesetze mit Erfolg sowohl in seinem Geheimnis-Buch als auch in dem 1979 zusammen mit Helmuth Nils Loose veröffentlichten Band „Benedikt von Nursia - Der Vater des abendländischen Mönchtums“49. Und Nigg hatte recht, als er Benedikt von Nursia zusammen mit Katharina von Siena als „Lehrmeister der Christenheit in verwirrter Zeit“ bezeichnete.50 Denn Benedikts Regel gab vielen Menschen seiner Zeit und in späteren Epochen der Geschichte rund um die Erde Orientierung für ein christliches Leben, gerade wenn die äußeren Umstände schwierig sind. Insofern war es auch verständlich, dass der Schweizer evangelische Kirchenhistoriker der Ansicht war, die Regel gebe eine klare Antwort auf die Frage, wie der Mensch christlich leben könne, und deshalb gehöre sie „in jede christliche Handbibliothek, ganz gleich, ob der Besitzer Mönch ist oder nicht“51. Für Nigg war die Regula Benedicti „eines der wirklich helfenden Bücher, für die man nur große Dankbarkeit empfinden kann“52.
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Ebd. Freiburg i. Br. 1979 (21980). 50 Vgl. W. Nigg, Lehrmeister der Christenheit in verwirrter Zeit. Benedikt von Nursia, Katharina von Siena (HerBü 871), Freiburg i. Br. 1981. 51 Nigg, Benedikt von Nursia (wie Anm. 49), 38. 52 A.a.O., 39. 49
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Mit dieser Sicht der Regula Benedicti hatte Nigg nicht nur einige Anregungen seiner protestantischen Vorgänger aufgegriffen, sondern vor allem die Brücke zur katholischen, besonders zur innerbenediktinischen Regelinterpretation gebaut. Das war in der interkonfessionell schwierigen Lage der fünfziger Jahre eine wahrhaft ökumenische Leistung, auch wenn dabei die neuere Regula Benedicti-Regula Magistri-Debatte außer Betracht blieb. 5. Die neuere Forschung Hatten die meisten evangelischen Theologen von den fünfziger bis in die achtziger Jahre die sich vor allem seit Karl Heussi ausbreitende Ansicht von der in der Regula Benedicti auftretenden „Verquickung der Lichtseiten altrömischen Wesens mit christlichem Geist, von Familiensinn und militärischer Disziplin“53 übernommen und das ausgleichende Wesen Benedikts als für die gesamte Kirche förderlich angesehen, so nahmen erst evangelische Theologen gegen Ende des 20. Jahrhunderts wie beispielsweise Wolfgang A. Bienert (geb. 1939), Wolf-Dieter Hauschild (geb. 1941) oder Heinrich Holze (geb. 1955) die neuere internationale Regelforschung zur Kenntnis.54 Dabei wurden 53
So H.-O. Weber, Art. Benedikt von Nursia, EKL1-2 1 (1956, 1961) (386387) 387. 54 Vgl. W. A. Bienert, Art. Benediktiner, EKL3 1 (1986) 424-427; Jaspert, Mönchtum und Protestantismus, Bd. 5 (wie Anm. 22), 382-389; W.-D. Hauschild, Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 1: Alte Kirche und Mittelalter, 2., durchges. u. erw. Aufl. Gütersloh 2000 (42011), 300-303; Jaspert, a.a.O., 390-431; H. Holze, Erfahrung und Theologie im frühen Mönchtum. Untersuchungen zu einer Theologie des monastischen Lebens bei den ägyptischen Mönchsvätern, Johannes Cassian und Benedikt von Nursia (FKDG 48), Göttingen 1992; ders., Art. Benedikt von Nursia (ca. 480/90-ca. 547), ELThG1-2 1 (1992, 1998) 219; B. Jaspert, Mönchtum und Protestantismus. Probleme und Wege der Forschung seit 1877, Bd. 4: Von Eva SchulzFlügel bis Karl Pinggéra (RBS.S 20), St. Ottilien 2010, 521-607.
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nicht nur die geistige Abhängigkeit Benedikts vom frühen Mönchtum und seine Anleihen beim Magister hinreichend gewürdigt, sondern auch die Bedeutung seiner Regel für den weiteren Verlauf der Kirchengeschichte historisch angemessener, weil zurückhaltender dargestellt als früher. Dennoch muss man sagen, dass die neuere katholische Regelforschung, besonders von Anselmo Lentini, Gregorio Penco, Adalbert de Vogüé, André Borias, Frumentius Renner, Emmanuel von Severus, Rudolf Hanslik, Eugène Manning, François Masai, Klaus Zelzer, Michaela Zelzer, Aquinata Böckmann, Michaela Puzicha, Manuela Scheiba oder Michaela Pfeifer, kaum wahrgenommen wurde. Insofern war es gerechtfertigt, dass die neueren Lexikonartikel über Benedikt und seine Regel durchweg von katholischen Autoren verfasst wurden.55 Einer der literarisch produktivsten, von 1982 bis 1995 in Saarbrücken wirkenden deutschen evangelischen Kirchenhistoriker, Friedrich Wilhelm Kantzenbach (1932-2013), nannte 1964 Benedikt von Nursia „den eigentlichen Begründer abendländischen Mönchtums“, der „die Weichen für die weitere Entwicklung mönchischer Lebensgestaltung gestellt“ habe, und meinte in Übereinstimmung mit den meisten evangelischen Mönchtums- und Regelforschern des 20. Jahrhunderts etwas euphemistisch und dabei das monastische Werk des gerade von ihm erwähnten Augustinus übersehend: „Die Impulse benediktinischen Mönchtums beschränken sich nicht allein auf die noch heute unter uns gelebte benediktinische Frömmigkeit und Geisteshaltung, sondern wirkten sich auch auf zahlreiche Reformbewegungen und Gründungen anderer mönchischer Gemeinschaften segensreich aus. Benedikts Regel mit ihren 73 Kapiteln darf als Urregel abendländischen Mönchtums gelten.“ Über ihr „liegt der wohltuende Hauch ausgeglichener Menschlichkeit. An manchen Zügen der Bestimmungen verrät sich der liebenswürdige Charakter des großen Mönchsvaters, der zugleich doch majestätische 55
Vgl. Jaspert, Benedikt von Nursia und seine Regel in theologischen Lexika (wie Anm. 27), 27ff, 86-91, 96-108, 110-111.
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Würde ausstrahlte und das Charisma der Herzenserforschung und Seelenführung in hohem Maße besaß. Unerbittlichkeit im Geltendmachen seiner geistlichen Führung bei denen, die sich ihm freiwillig anschlossen, und gesunde Nüchternheit in der Formulierung der Leitsätze benediktinischen Mönchtums machen das Geheimnis seines Erfolges aus, der ihm allerdings nicht so ohne weiteres in den Schoß fiel. Bei Benedikt, der selbst noch scharfe asketische Forderungen an sich stellte, läßt sich der allmähliche Übergang von der Form östlichen Mönchtums zur westlichen Tradition gut studieren.“56
Von der älteren Generation evangelischer Theologen, die die neuere Sicht der Regula Benedicti im Protestantismus entscheidend prägten, sind noch zwei zu erwähnen, die sich auch intensiv mit den Ursprüngen des christlichen Mönchtums im Orient befassten: Rudolf Lorenz (1914-2003) und Fairy von Lilienfeld (1917-2009). Hatte Lorenz in zwei Arbeiten von 1966 und 1970 nachgewiesen, was zuvor schon Friedrich Prinz und Willy Schatz behauptet hatten57, dass es bereits vor Benedikt im Abendland ein vielfältiges Mönchtum gegeben hat, dessen Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte bislang aber kaum beachtet wurde 58 , 56 F. W. Kantzenbach, Urchristentum und alte Kirche. Das Christentum von seinen Anfängen bis zum Zerfall des Römischen Reiches (EvEnz 3), Gütersloh 1964, 119f. 57 Vgl. F. Prinz, Frühes Mönchtum im Frankenreich. Kultur und Gesellschaft in Gallien, den Rheinlanden und Bayern am Beispiel der monastischen Entwicklung (4. bis 8. Jahrhundert), München 1965 (2., durchges. u. um einen Nachtrag erg. Aufl. 1988); W. Schatz, Studien zur Geschichte und Vorstellungswelt des frühen abendländischen Mönchtums, Diss. phil. Freiburg i. Br. 1957; vgl. später auch F. Prinz, Askese und Kultur. Vor- und frühbenediktinisches Mönchtum an der Wiege Europas, München 1980. 58 Vgl. R. Lorenz, Die Anfänge des abendländischen Mönchtums im 4. Jahrhundert, ZKG 77 (1966) 1-61; ders., Das vierte bis sechste Jahrhundert (Westen) (KIG 1/C 1), Göttingen 1970; vgl. auch D. Knowles, From Pachomius to Ignatius. A Study in the Constitutional History of the Religious Orders (The Sarum Lectures 1964-65), Oxford 1966, und später die gründliche Arbeit von G. Jenal, Italia ascetica atque monastica. Das Asketen- und Mönchtum in Italien von den Anfängen bis zur Zeit der Langobarden (ca. 150/250-604), 2 Bde. (MGMA 39/I-II), Stuttgart 1995, sowie die große Literargeschichte des
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und war Lorenz einer der ersten evangelischen Theologen in Deutschland, die die seit 1938 heftig geführte Debatte um die Priorität der Regula Benedicti oder der Regula Magistri wahrnahmen und Benedikts Regel als ein Sammelbecken älterer monastischer Traditionen (Pachomius, Basilius, Augustin, Cassian u. a.) verstanden, aus denen der Mönchsvater vom Monte Cassino das für sein Kloster Praktische auswählte, so ordnete die Erlanger Kirchenhistorikerin Fairy von Lilienfeld mit Recht die von ihr wegen ihrer Knappheit und Klarheit bewunderte Regula Benedicti aufgrund der neueren, vor allem katholischen Regelforschung als ein für den späteren christlichen orbis terrarum im Westen wichtiges Element in den großen Regelstrom des frühchristlichen östlichen und westlichen Mönchtums ein und meinte: „Trotz aller Einflüsse von den bedeutenden Lehrmeistern des Mönchtums vor ihm hat Benedikt seine Regel zu einem lateinischen Meisterwerk sui generis gestaltet, in dem die Stimme des Mönchsvaters mit der Stimme der Bibel Alten und Neuen Testaments und durch sie hindurch mit der Stimme Christi selbst verschmilzt.“59 Insgesamt ist festzustellen, dass die neuere evangelische Theologie in Deutschland, soweit sie sich mit dem alten Mönchtum beschäftigte, allmählich auch die Ergebnisse der internationalen katholischen Forschung zur Regula Benedicti wahrnahm. Allerdings meines Erachtens nicht genügend, denn sonst hätte eine katholische Theologin wie Heike Grieser nicht nur die altalten Mönchtums von A. de Vogüé, Histoire littéraire du mouvement monastique dans l’antiquité. Première partie: Le monachisme latin, 12 Bde., Paris 1991-2008; Deuxième partie: Le monachisme grec, 3 Bde., Roma 2015. Für den spanischen Raum haben García M. Colombás und Antonio Linage Conde, für Italien Giuseppe Turbessi und Gregorio Penco in mehreren Arbeiten auf die grundlegende Bedeutung des vorbenediktinischen Mönchtums hingewiesen. Ähnliches gilt für Frankreich, für das Gérard Moyse entspr. Nachweise erbracht hat. 59 F. von Lilienfeld, Art. Mönchtum. II. Christlich, TRE 23 (1994) (150-193) 166.
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bekannten Klischees von den maßvollen Forderungen, der praktischen Ausrichtung und der römischen Herkunft der Benediktusregel nicht wiederholt und sehr zurückhaltend gesagt, dass „gegenwärtig“ (sic! 60 ) die Kirchen der Reformation Formen monastischen Lebens neu entdeckten, was sich „in der Bildung von einigen Bruder- und Schwesternschaften bzw. Kommunitäten“ manifestiere61, sondern auch mit Nachdruck auf den beachtlichen Neuaufbruch des Mönchtums im Protestantismus während des 20. Jahrhunderts - und zwar nicht nur in Deutschland hingewiesen. Die monastische Lebenskunst 62 ist mittlerweile nicht mehr nur eine Angelegenheit katholischer oder orthodoxer Mönche und Nonnen. Es gibt sie auch im Protestantismus. Deshalb wird auch die Regula Benedicti heute unter modernen Fragestellungen neu interpretiert.63
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Die Communauté de Taizé, um nur diese zu nennen, besteht bereits seit den vierziger Jahren des 20. Jhs.! 61 H. Grieser, Art. Mönchtum, TRT5 2 (2008) (809-813); Zitat: 813. 62 Vgl. Th. Quartier, Monastische Lebenskunst. Hermeneutische Reflexionen zur benediktinischen Lebensform heute, StMon 56 (2014) 169-197. 63 Vgl. R. Gollnick, Benediktusregel und Benediktusvita. Unter modernen Fragestellungen neu erschlossen. Ein interdisziplinärer Leitfaden (Forum Religion & Sozialkultur A 17), Berlin/Münster 2008.
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III. 19.-21. Jahrhundert
Zur Geschichte des kurhessischen Pfarrervereins, besonders im Dritten Reich* 1994 1. Anfänge und Konsolidierung Die Anfänge des kurhessischen Pfarrervereins, der seit dem 29. September 1992 „Verein evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Kurhessen-Waldeck e. V.“ heißt, reichen ins 19. Jahrhundert zurück. Im Laufe des sogenannten Kulturkampfes in ihrer protestantischen Position innerhalb des Deutschen Reiches bestärkt, entwickelte die evangelische Pfarrerschaft in der Auseinandersetzung mit kirchenfeindlichen und antimonarchistischen Tendenzen ein ausgeprägtes Standesbewußtsein. Durch das allgemeine Zivilrecht erhielten die Pfarrer nun jenen rechtlichen Schutz, der ihnen zuvor lediglich nach dem Ermessen des jeweiligen Landesherrn zukam. Gleichzeitig wuchs seit dem Aufblühen der Inneren Mission1 das Interesse der Pfarrerschaft an sozialen Fragen in dem Maße, * Erstveröffentlichung in: Bernd Jaspert (Hg.), Dem Evangelium Raum geben. Pfarrerinnen und Pfarrer auf dem Weg in die Zukunft. Predigten und Abhandlungen anläßlich des 100jährigen Bestehens des Vereins evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Kurhessen-Waldeck, Hofgeismar 1994, Evangelische Akademie Hofgeismar, 35-284 [hier ohne die in der Vorlage auf S. 283f abgebildeten Fotos der Vereinsvorsitzenden. Die ohne Anführungszeichen gebrachten längeren Zitate im Kleindruck werden hier originalgetreu, also ebenfalls ohne Anführungszeichen, wiedergegeben]. 1 Grundlegend J. H. Wicherns Denkschrift von 1849: Die innere Mission der deutschen evangelischen Kirche. Eine Denkschrift an die deutsche Nation im Auftrage des Central-Ausschusses für die innere Mission verfaßt; Abdruck in: P. Meinhold (Hg.), Johann Hinrich Wichern, Sämtliche Werke, Bd. I, Berlin/Hamburg 1962, 175-366, dazu die Erläuterungen Meinholds: 409-441. Erinnert sei auch an das Wirken Friederike und Theodor Fliedners, Friedrich von Bodelschwinghs und Wilhelm Löhes. - Die Archivalien, die im folgen-
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in dem die Industrialisierung und Verstädterung Deutschlands fortschritten. Hier gab es Probleme in Intensität und Ausmaß, wie sie die Kirche bis dahin nicht kannte: Nivellierung der Stände, Proletarisierung, Armut, Alkoholismus, Zunahme verschiedener Straftaten, Politisierung der Massen, Kirchenfeindlichkeit und Kirchenaustritte, Sportbegeisterung und Körperkult anstelle von christlicher Andacht und sonntäglichem Gottesdienst. In dieser Situation galt es, sich innerhalb des Pfarrerstandes der amtsbrüderlichen Solidarität zu versichern und sich vereint den Problemen der Zeit zu stellen. So kam es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überall in Deutschland zur Gründung von Pfarrervereinen. Sie sollten nicht nur die Standesinteressen gegenüber Kirche und Gesellschaft vertreten, sondern auch die nötige geistliche Kraft für den pfarramtlichen Dienst in den sozialen Umbrüchen der Zeit geben. Denn gerade diese Kraft erwartete ein Großteil der Pfarrer damals nicht mehr von der Universitätstheologie, obgleich es hier verschiedene Strömungen wie Neuorthodoxie, liberale Theologie, Vermittlungstheologie gab, die je auf ihre Weise die Pfarrer auf das geistliche Amt vorbereiten und zu ihrem Dienst befähigen wollten. So wurde fast zeitgleich mit anderen auch in Kurhessen ein Pfarrerverein gegründet.
den zitiert werden, befinden sich zum größten Teil im noch ungeordneten Archiv des Vereins evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in KurhessenWaldeck in Marburg, zu einem kleineren Teil beim derzeitigen Vorsitzenden, Dekan i. R. Friedrich Malkemus, Ziegenhain. Die Akten werden unter dem Sigel „PfrVAkten“ mit Zusatztitel der entsprechenden Mappe und die Protokollbücher der Vorstands- und Ausschusssitzungen sowie der Mitgliederversammlungen als „Protokollbuch“ mit Nennung des Sitzungsdatums zitiert. Daß ich die Archivalien uneingeschränkt nutzen konnte, verdanke ich dem freundlichen Entgegenkommen des Vereinsvorsitzenden. [Inzwischen befindet sich das Archiv des Vereins im Landeskirchlichen Archiv Kassel, Signatur: G 2.09].
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1.1 Gründung Am 1. Oktober 1891 konstituierte sich im Evangelischen Vereinshaus („Herberge zur Heimat“) in der Hohentorstraße zu Kassel der „Pfarrerverein für den Consistorialbezirk Cassel“.2 Nach längerer Debatte unterzeichneten 23 der 35 anwesenden Pfarrer die Satzungen. Sie waren in mehreren Sitzungen eines Gründungsausschusses von Juni bis September 1891 beraten und entworfen worden. Bereits am 3. Juni 1891 versammelten sich im Pfarrhaus des Dorfes Eberschütz bei Hofgeismar anläßlich eines Missionsfestes mehrere niederhessische Amtsbrüder, darunter auch der Superintendent der Diözese Hofgeismar, Francke. Bei dieser Gelegenheit stellte Pfarrer Haupt (Helmarshausen) den Plan zur Gründung eines Pfarrervereins im Kasseler Konsistorialbezirk vor. Das Vorbild war der am 8. September 1890 in Gießen und dann landesweit am 18. November 1890 gegründete „Evangelische Pfarrerverein im Großherzogtum Hessen“.3 2
Einen ersten Überblick über seine Geschichte gibt R. Francke, Zur Geschichte des Pfarrervereins für den Kons.-Bez. Cassel, Pastoralblatt 25 (1916) 74-80; ders., Zur Geschichte des Pfarrervereins, in: Evangelischer Pfarrerverein Hessen-Kassel, seine Geschichte, seine Satzungen, Kassel 1934, 1-23; vgl. außerdem Th. Dithmar, Vor 50 Jahren, Pastoralblatt 47 (1938) 65-73; H. Schimmelpfeng, Rückblick und Ausblick. 75 Jahre Pfarrerverein KurhessenWaldeck, Pastoralblatt 68 (1966) 147-170. 3 Vgl. M. Benad, „Gott zur Ehr, der Kirche zur Wehr“. Die Anfänge der Pfarrervereinsbewegung um 1890, Hess. Pfarrerblatt, Sondernummer (September 1990). Allerdings handelt es sich bei diesem weder um den „ältesten deutschen Pfarrerverein“ (a.a.O., 5), noch um den „ersten Pfarrerverein im Deutschen Reich“ (a.a.O., 6; vgl. 65). Daß Benad dem südhessischen Pfarrerverein die Ältestenehre unter allen deutschen Pfarrervereinen mit der Begründung zuspricht, er sei „als freier Verein nach bürgerlichem Recht“ (a.a.O., 15) organisiert worden und darin liege z. B. gegenüber dem Oldenburgischen Generalpredigerverein von 1833 (vgl. a.a.O., 14, Anm. 1; 26, Anm. 3) „das Novum“ (a.a.O., 15), ist nicht überzeugend. Denn das 1890 geltende bürgerliche Recht existierte 1833 noch nicht. Folglich konnten die Oldenburger ihren Verein auch nicht nach diesem Recht gründen. Es gab
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Schon zwei Tage nach der Eberschützer Zusammenkunft lud ein vorläufiger Ausschuß, dem neben dem Initiator Haupt die Pfarrer Schrader (Gottsbüren) und Vilmar (Immenhausen) angehörten, alle Geistlichen der Superintendentur HofgeismarWolfhagen zu einer „Vorbesprechung behufs Gründung eines Pfarrervereins“ auf den 11. Juni ins Hotel „Deutscher Kaiser“ in Hofgeismar ein. 15 Amtsbrüder kamen und einigten sich über die Grundzüge der Satzungen, die sich im wesentlichen an die Statuten des südhessischen Pfarrervereins anlehnten. Man war sich einig, daß unverzüglich Verhandlungen mit dem hessischen „Rechtsschutzverein für das geistliche Amt innerhalb der gesamten evangelischen Kirche“ aufgenommen werden sollten. Erst jetzt nämlich wurde bekannt, daß ein solcher Verein am 28. April 1891 im Anschluß an eine Diözesankonferenz für Innere Mission in Bebra ins Leben gerufen worden war. Die Anregung dazu kam von den Pfarrern Conrad (Berneburg) und Schaub (Hersfeld). 42 Amtsbrüder schlossen sich dem Verein bei jener Konferenz an. Seine Ziele waren die „Sicherung einer dem evangelischen Gewissen gerecht werdenden Rechtsentwicklung in der Gesetzgebung sowohl als namentlich auch in der Rechtsprechung“ sowie die „Gewährung von Schutz und Beistand an die Mitglieder durch den Vorstand des Vereins, insbesondere in der Ausübung der Predigt, der Seelsorge und der Kirchenzucht: 1. auf Anfrage durch Erteilung von Auskunft; 2. durch Zuweisung und - nach Maßgabe der vorhandenen Mittel - Bezahlung eines geeigneten Rechtsbeistandes bis zur höchsten Instanz; 3. durch Vertretung des angefochtenen jedoch noch mindestens einen weiteren Pfarrerverein, der älter war als der südhessische: der Neustädter Kreispredigerverein, später im Weimarer Pfarrerverein aufgegangen. Vgl. dazu K. Arper, Der älteste Pfarrerverein, in: Der Pfarrerverein, Abt. A - Verbandsblatt der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine, Nr. 2 (Mai 1909) 29-31 [Zum südhess. Pfarrerverein vgl. jetzt auch M. Fritsch, 125 Jahre Pfarrverein der EKHN. Solidarität, Freiheitlichkeit und Kontinuität (Sondernummer des Hess. Pfarrblattes), Frankfurt a. M. 2015].
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Geistlichen - soweit erforderlich - in der Tagespresse; 3. durch moralische und materielle Unterstützung ...“4 Aber „an einen eigentlichen Pfarrerverein zur Vertretung der Anliegen des geistlichen Standes dachte die Bebraer Versammlung indessen noch nicht, vielmehr sollte nach § 6 der Satzungen auch Laien, insbesondere kirchlich gesinnten Rechtskundigen, der Eintritt in den Verein offenstehn.“5 Ein Vereinsorgan wurde noch nicht gegründet. Etwaige Mitteilungen an die Mitglieder sollten im „Sonntagsboten aus Kurhessen“ veröffentlicht werden. Der einstweilige Vorstand, dem die Pfarrer Bode (Buchenau), Conrad (Berneburg), Feyerabend (Nentershausen), Schimmelpfeng (Solz) und Metropolitan Wittekindt (Sterbfritz) angehörten, benachrichtigte das Kasseler Konsistorium und den Gesamt-Synodalausschuß von der Gründung des Rechtsschutzvereins. Am 1. Juni 1891 erhielt der Vorstand vom GesamtSynodalausschuß die Mitteilung, daß dieser „mit Befriedigung von der Gründung des Vereins Kenntnis genommen habe“.6 Der Hofgeismarer Gründungsausschuß informierte noch im Laufe des Juni 1891 die Pfarrerschaft des Kasseler Konsistorialbezirks über die Absicht, nach dem Vorbild der südhessischen Amtsbrüder auch in Nordhessen einen Pfarrerverein zu gründen. Innerhalb weniger Wochen erklärten etwa „100 Pfarrer ihre Zustimmung und ihren voraussichtlichen Beitritt“, einige allerdings nur unter der Bedingung, „daß eine Einigung mit dem Rechtsschutzverein zustande komme“.7 Die Kasseler Kirchenbehörde stand der Sache skeptisch gegenüber. Sie vermutete eine entstehende Opposition der Pfarrer und vertrat die Ansicht, „daß ein Pfarrerverein überflüssig sei und keinen Erfolg verspreche. Die Pfarrer hätten in den Synoden ihre geordnete Vertretung, und was diesen Körperschaften 4
Zit. nach Francke (s. Anm. 2), 2. Ebd. 6 Zit. ebd. 7 A.a.O., 4. 5
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nicht gelänge, werde ein Pfarrerverein erst recht nicht erreichen“. 8 Aber der Gründungsausschuß und die inzwischen auf Diözesankonferenzen durch eifrige Werbung gewonnenen Sympathisanten ließen sich durch die konsistoriale Skepsis nicht entmutigen. Die in den Sommerwochen mit dem auch noch in den Anfängen steckenden Rechtsschutzverein geführten Verhandlungen kamen schließlich zu einem guten Abschluß. So konnten beide Parteien am 1. September 1891 in Guntershausen die „Satzungen des Pfarrervereins für den Consistorialbezirk Cassel“ vereinbaren. In ihnen fanden auch die Anliegen des Rechtsschutzvereins weitgehende Berücksichtigung. Anschließend wurden die Satzungen an die Pfarrerschaft versandt, zusammen mit einer Einladung zu der bereits erwähnten Gründungsversammlung des Vereins am 1. Oktober 1891, 10.00 Uhr in Kassel. 1.2 Erster Vorstand - Vereinsorgan „Pastoralblatt“ Dem ersten Vorstand des Pfarrervereins gehörten die Pfarrer Conrad (Berneburg) als Vorsitzender, Haupt (Helmarshausen) als dessen Stellvertreter, Schrader (Gottsbüren) als Kassenführer, Sardemann (Wehlheiden), Feyerabend (Nentershausen), Wittekindt (Sterbfritz), Bode (Buchenau) und Eckhardt (Calden) an. Für das vom Verein herausgegebene „Pastoralblatt für den Consistorialbezirk Cassel“ übernahm Pfarrer Conrad die Schriftleitung. 9 Am Freitag, dem 15. Januar 1892, erschien Nummer 1 8
Ebd. Bis 31. 12. 1892, danach waren Schriftleiter die Pfarrer Feyerabend (Nentershausen; 1. 1. 1893 - 31. 12. 1893), Lic. Rudolf Francke (Karlshafen, später Kassel, danach Heckershausen; 1. 1. 1894 - 30. 9. 1933), Dr. Hans Schimmelpfeng (Marburg; 1. 10. 1933 - 30. 4. 1949), Dr. Frey (Langenselbold; 1. 5. 1949 - 30. 6. 1953), Ludwig Francke - Sohn von Lic. Rudolf Francke (Hombressen; 1. 7. 1953 - 30. 6. 1962), Werner Dettmar (Kassel; 1. 7. 1962 - 31. 5. 1977), Lothar Grigat (Erlensee; 1. 6. 1977 - 30. 11. 1987), 9
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des 1. Jahrganges mit vier Seiten im Quartformat, „gedruckt von L. Keseberg, Hofgeismar“. Bis zum 20. Dezember 1893 erschien das Blatt vierzehntägig, danach monatlich, später zweimonatlich. Seit dem Jahre 1971 wird es als gemeinsames Vereinsorgan der beiden evangelischen Pfarrervereine in HessenNassau und Kurhessen-Waldeck herausgegeben. Um den berechtigten Ansprüchen der weiblichen Mitglieder der beiden Vereine auch sprachlich entgegenzukommen, heißt das Vereinsorgan heute „Hessisches Pfarrblatt“ - eine Wortprägung, die nach wie vor umstritten ist, da sie philologisch keineswegs so klar ist wie die alte Bezeichnung „Pastoralblatt“.10 1.3 Satzungen 1891-1924 Abgesehen von der Zeit des Dritten Reiches sind von der Gründung bis heute Zweck und Ziel des Pfarrervereins im wesentlichen dieselben geblieben. Sie kommen in den verschiedenen
Helmut Ludwig (Niederaula; seit 1. 12. 1987). Seit August 1971 besteht eine Gemeinschaftsredaktion mit dem hessen-nassauischen Pfarrerverein. 10 Die Bezeichnung des Vereinsorgans wurde mehrfach geändert: 1 (1892) 12 (1903): „Pastoralblatt für den Consistorialbezirk Cassel“; 13 (1904) - 28 (1919): „Pastoralblatt für den Konsistorialbezirk Cassel“; 29 (1920) - 46 (1937) Nr. 8/9: „Pastoralblatt für Hessen-Kassel“; 46 (1937) Nr. 10/11 - 50 (1941) Mai und 51 (1949) Mai - 63 (1961): „Pastoralblatt für KurhessenWaldeck“; 64 (1962) - 73 (1971) Nr. 3: „Pastoralblatt des Evangelischen Pfarrervereins Kurhessen-Waldeck“; 73 (1971) Nr. 4 - 92 (1990): „Hessisches Pfarrerblatt“; 93 (1991) bis heute: „Hessisches Pfarrblatt“ [im Jahr 2015 firmiert das Organ unter dem Titel „Hessisches Pfarrblatt - Zweimonatsschrift für Pfarrerinnen und Pfarrer aus Hessen-Nassau und KurhessenWaldeck“. Die Schriftleitung hat Pfarrer Ingo Schütz, Eschborn. Ihm steht eine Redaktionskommission zur Seite. Ihr gehören an: Pfarrer Frank Illgen, Kassel; Pfarrer Dr. Martin Zentgraf, Darmstadt; Pfarrer Dierk Glitzenhirn, Schwalmstadt-Treysa; Pfarrerin Susanne Holz-Plodeck, Hünfelden; Pfarrerin Susanna Petig, Felsberg-Gensungen].
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Satzungen zum Ausdruck. So heißt es in den Vereinssatzungen vom 1. Oktober 1891: § 1. Der Pfarrerverein für den Consistorialbezirk Cassel will unter steter Berücksichtigung der Lebensbedingungen und Lebensaufgaben unserer Kirche die berechtigten Anliegen des geistlichen Amtes und Standes vertreten und zwar in den Grenzen und mit den Mitteln, wie sie durch die Eigenart einer freien Vereinigung bedingt und gegeben sind. Er will ferner dahin wirken, daß die vorhandenen kirchlichen Arbeitsorganisationen zum geistlichen und leiblichen Wohl der Gemeinde erweitert und mit kräftigem christlichen Geist und Leben erfüllt werden. Er erstrebt endlich eine dem christlich-evangelischen Gewissen entsprechende Rechtsentwicklung sowohl in der Gesetzgebung als namentlich auch in der Rechtsprechung und zwar mit allen gesetzlichen Mitteln. § 2. Diese Zwecke sucht der Verein zu erreichen durch festen Zusammenschluß aller Standesgenossen, Pflege des Amtsbewußtseins und Gemeinschaftssinnes, sowie durch geschlossenes Vorgehen in allen Fragen, die im Bereich seiner Thätigkeit liegen. § 3. Der Verein macht seinen Mitgliedern die gewissenhafte Amtsführung nach Maßgabe ihres Reverses zur strengsten Pflicht, schützt aber dieselben auch mit aller Kraft in Ausübung ihrer Pflichten und in ihren Rechten. Schutz und Beistand gewährt der Verein durch seinen Vorstand insbesondere in der Ausübung der Predigt, der Seelsorge und der Kirchenzucht: 1. auf Anfrage durch Erteilung von Auskunft; 2. durch Zuweisung und nach Maßgabe der vorhandenen Mittel Bezahlung eines geeigneten Rechtsbeistandes bis zur höchsten Instanz; 3. durch Vertretung des angefochtenen Geistlichen, soweit erforderlich in der Tagespresse; 4. durch moralische und materielle Unterstützung anderer Art.11
In der schlecht besuchten Frühjahrshauptversammlung des Pfarrervereins am 6. Mai 1901 in Kassel erstattete in Vertretung des verhinderten Vorsitzenden, Metropolitan Soldan (Röddenau), 11
Vollständiger Text: Anhang Nr. 1. Weitere Satzungen: Anhang Nr. 2-8.
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der Schriftführer12, Pfarrer Schrader (Breitenbach), den Jahresbericht. Im Rückblick auf die zehnjährige Geschichte des Vereins sagte er u. a.: „Im Ganzen und Großen können wir mit der Entwickelung unseres Vereins wohl zufrieden sein, besonders was die äußerlichen Verhältnisse anlangt. Hinsichtlich der Weckung des rechten Standesgefühls und Corpsgeistes ist allerdings noch Manches zu wünschen übriggeblieben, wir hoffen indeß von der Zukunft, daß der Pfarrerverein auch hier sich als segensreich erweisen wird. Unser Verein war in diesem Jahre zum ersten Male durch eine größere Anzahl von Mitgliedern in der Gesamtsynode vertreten. Auch von anderer Seite ist anerkannt worden, daß die Verhandlungen infolgedessen durch eine gewisse Lebhaftigkeit sich ausgezeichnet haben, sowie daß von unserer Seite mit Ruhe und Sachlichkeit vorgegangen worden ist. Ich hoffe, man hat uns angemerkt, daß auch wir Mitglieder des Pfarrervereins nach bestem Wissen bemüht sind, der Sache der Kirche zu dienen. In den 10 Jahren ist es ja durch mancherlei Schwankungen hindurchgegangen, doch können wir wohl sagen, daß der Pfarrerverein die Kinderkrankheit überwunden hat und mehr und mehr gefestigt worden ist, auch bei den Amtsbrüdern gerade in letzter Zeit an Vertrauen gewonnen hat. Sind es vielleicht auch keine großen Dinge, deren wir uns rühmen können und sind wir zu Zeiten nur wenig in der Öffentlichkeit hervorgetreten, so hat doch auch unser Verein manchen Segen gestiftet. So wollen wir furchtlos und treu auch in das neue Jahrzehnt hinübergehen.“13 Bei dieser Frühjahrshauptversammlung wurden auch die Satzungen „zwecks Eintragung des Vereins in das Vereinsregis-
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Er galt als Zweiter Vorsitzender; vgl. Pastoralblatt 10 (1901) 47 und 49. Zit. in: Die Frühjahrs-Hauptversammlung des evangl. Pfarrervereins für den Cons.-Bez. Kassel am 6. Mai 1901, Pastoralblatt 10 (1901) 47.
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ter“ 14 geändert. Die Eintragung erfolgte am 13. Juli 1901 als „Evangelischer Pfarrerverein für den Consistorialbezirk Cassel“ mit „Sitz in Cassel ... unter Nr. 9 in’s Vereinsregister des Königlichen Amtsgerichts zu Cassel“.15 Durch die offizielle Bestätigung als Verein war es nun möglich, daß der kurhessische Pfarrerverein der Genossenschaft „Deutsches Pfarrerblatt“ beitrat. Dies geschah durch einstimmigen Beschluß der Herbstversammlung am 2. Oktober 1901 in Marburg. Das „Deutsche Pfarrerblatt“16 war im Jahre 1900 von Pastor Paasche (Dieskau) gegründet worden „und hat bis dahin auch lediglich auf dessen Schultern geruht. Um diesen davon zu entlasten“, so berichtete der Schriftführer des kurhessischen „Pastoralblattes“, Pfarrer Lic. Francke (Kassel), der Marburger Versammlung, „ist nun eine Genossenschaft gebildet worden, welche nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche zum Mindesten aus 7 Teilnehmern bestehen muß, wenn eine Eintragung in’s Vereinsregister erfolgen soll“. 17 Aufgrund einer entsprechenden Aufforderung an alle Pfarrervereine trat der Kasseler Verein mit dem erwähnten Beschluß als einer der ersten der damals im deutschen Reichsgebiet bestehenden 19 Pfarrervereine der Genossenschaft bei. Da sich das „Deutsche Pfarrerblatt“, wie Francke ausdrücklich bemerkte, ganz gut rentiere, sei der Beitritt für die Kasseler „vorteilhaft insofern, als unser Verein dadurch am Gewinn des Blattes beteiligt werden wird“.18 Die Satzungsänderung von 1901 war durch das Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) am 1. Januar 1900 not14 A.a.O., 48; auf der Einladung stand als Punkt 4 der Tagesordnung: „Abänderung der Satzungen behufs Eintragung des Vereins in das Vereinsregister“, Pastoralblatt 10 (1901) 39. 15 Pastoralblatt 11 (1902) Beilage zu Nr. 1, S. II. 16 Nachfolgeorgan des 1896 als „Organ des Verbandes deutscher Pfarrervereine“ gegründeten Blattes „Der Pfarrerverein“. 17 Zit. in: Die Herbstversammlung des Pfarrervereins zu Marburg am 2. Oktober, Pastoralblatt 10 (1901) 92. 18 A.a.O., 93.
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wendig geworden. Nun wurden die Satzungen auf zwanzig Paragraphen ausgeweitet und in vier Hauptabschnitte unterteilt: I. Name, Sitz und Zweck des Vereins, II. Mitgliedschaft, III. Leitung und Vertretung, IV. Mitglieder-Versammlung, eine Einteilung, die im wesentlichen bis in die Gegenwart beibehalten wurde. In den Satzungen vom 6. Mai 1901 wurde gegenüber denen vom 1. Oktober 1891 bei der Nennung des Vereinszwecks und seiner Durchsetzung - jetzt in den §§ 3 bis 5 - nichts geändert. Am Rande sei vermerkt, daß sich zwischen der am 6. Mai 1901 beschlossenen Fassung 19 und ihren späteren Abdrucken im „Pastoralblatt“ von 1910 und 191220 ein Fehler eingeschlichen hat. So wurde aus: „Der Verein ... schützt“ seine Mitglieder „mit aller Kraft in Ausübung ihrer Pflichten und in ihren Rechten ...“ in den späteren Abdrucken: „Der Verein ... stützt“ seine Mitglieder usw. Inzwischen bemerkte man den Fehler und korrigierte ihn im Satzungsabdruck von 191421, wo es dann wieder „schützt“ statt „stützt“ hieß. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden an verschiedenen Stellen Satzungsänderungen vorgenommen. Die Satzungen mußten an die neue Hessen-Kasseler Kirchenverfassung von 192422 angepaßt werden, in der z. B. der alte Begriff Pfarreiklasse bzw. Inspektur durch die neue Bezeichnung Kirchenkreis ersetzt wurde. So mußten die bisherigen §§ 9 bis 10 geändert werden. Dies geschah bei der Hauptversammlung am 12./13. November 1924 19
Abgedruckt in: Pastoralblatt 10 (1901) 49-50; in dieser Fassung auch in: Pastoralblatt 11 (1902) Beilage zu Nr. 1; 15 (1906) Beilage zu Nr. 3; 17 (1908) Beilage zu Nr. 4; s. Anhang Nr. 2. 20 Pastoralblatt 19 (1910) Beilage zu Nr. 2; Pastoralblatt 21 (1912) Beilage zu Nr. 4. 21 Pastoralblatt 23 (1914) Beilage zu Nr. 9. 22 Vgl. Th. Dithmar, Wann kommt die neue Verfassung und was bringt sie uns Pfarrern?, Pastoralblatt 32 (1923) Nr. 4, S. 4; 33 (1924) Nr. 1, S. 3-4; R. Francke, Die neue Verfassung. Wie’s nun weiter zu gehen hat, Pastoralblatt 33 (1924) Nr. 2, S. 6-7; s. Anhang Nr. 3.
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in Kassel. Auch der Vereinsname wurde geändert in „Evang. Pfarrerverein Hessen-Cassel“. Der Vorschlag Franckes, ihn „Kurhessischer Pfarrerverein“ zu nennen, wurde zwar bei den Beratungen des Gesamtausschusses am 12. November zunächst mit „großem Beifall“ aufgenommen, fand dann aber doch keine Mehrheit.23 Die Frage, ob künftig in den Verein „nicht auch Candidaten aufgenommen werden können“, wurde zwar erörtert, aber negativ beantwortet, nachdem Francke befürchtete, „daß dadurch die innere Geschlossenheit gefährdet wird“.24 Im Protokoll der Mitgliederversammlung vom selben Tag heißt es zum Tagesordnungspunkt 1 („Anpassung der Satzungen an die neue Verfassung“): „Hervorzuheben ist der Zusatz in § 1 der Satzungen: ‚Der Pfarrerverein ist die Berufsvertretung der hessischen Pfarrer.’ Dieser Anspruch hat sein gutes Recht. Denn dem Pfarrerverein gehören mit wenigen Ausnahmen die Pfarrer (der gesamten Landeskirche; B. J.) an, auch steht jedem der Eintritt offen und endlich ist eine anderweitige Zusammensetzung der hessischen Pfarrer nicht vorhanden“25, der kurhessischen natürlich. Betrafen die Satzungsänderungen von 1924 im wesentlichen lediglich die Bezeichnung des Vereins und die Zusammensetzung des Gesamtausschusses - er bestand jetzt aus den Vertrauensmännern der 26 Kirchenkreise, dem Vorsitzenden, dem Schriftleiter und dem Kassenführer (vgl. § 11) -, so wurden die Satzungen in der Zeit des Nationalsozialismus allerdings erheblich geändert.26 Das betraf nicht nur die Struktur und Organisation, sondern vor allem auch Ziel und Zweck des Vereins.
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Protokollbuch IV, Ausschußsitzung, 12. 11. 1924. Ebd. 25 Protokollbuch IV, Mitgliederversammlung, 12. 11. 1924. 26 Zu § 11 der Satzungen von 1924 s. Anhang Nr. 3. - Satzungen während der NS-Zeit: Anhang Nr. 4-5. Satzungen nach dem Zweiten Weltkrieg: Anhang Nr. 6-8. 24
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1.4 In der Weimarer Republik Bis dahin hatte sich der Verein auf verschiedenen Gebieten engagiert. Am 1. Oktober 1926 wurde die Hanauer Pfarrwitwenund Waisenkasse mit der Allgemeinen Witwen- und Waisenkasse Hessen-Cassel zur Vereinigten Pfarrwitwen- und Waisenkasse in Hessen-Kassel e. V. zusammengeschlossen. Es wurden an mehreren Orten wie z. B. in Hersfeld Schülerheime eingerichtet, um Pfarrerskindern, die vom Lande kamen, durch ein Internat lange und umständliche Fahrten zum Gymnasium in der Stadt zu ersparen. Im übrigen nahm der Verein auf den jährlichen Mitgliederversammlungen offiziell Stellung zu verschiedenen Fragen des kirchlichen Amtes, so z. B. zu einer neuen Friedhofs- und Bußzuchtordnung, zur Gemeinderneuerung, zur Besoldung der Pfarrer, die aufgrund staatlicher Notverordnungen während der Inflationszeit entsprechend den Beamtengehältern gegen Widerstand aus der Pfarrerschaft mehrfach gekürzt wurde. Auch zur theologischen und geistlichen Aus- und Fortbildung der Pfarrer, zu ihrer Stellung innerhalb der Gesellschaft bezog der Pfarrerverein Position. Ebenso gab es zur Kirchenpolitik immer wieder deutliche Äußerungen. So wurde einerseits die während der Weimarar Zeit als Rückschritt empfundene Trennung zwischen Staat und Kirche (z. B. im Schulbereich), andererseits die gleichzeitige gesetzliche Bevormundung der Kirche durch den Staat (Einfluß Preußens in Kurhessen) heftig kritisiert. Seit Mitte der zwanziger Jahre bis 1932 gab es eine „Arbeitsgemeinschaft der Theologischen Fakultät (Marburg), der evangelischen Pfarrerschaft und der akademisch gebildeten Lehrer“, deren Federführung beim Pfarrerverein lag. Sie veranstaltete theologische Vorträge und Ferienkurse zur Fortbildung und diente der gegenseitigen Information zwischen Universität, Pfarr- und Schulamt. Mit der neuen Demokratie auf deutschem Boden konnten sich nur wenige Vereinsmitglieder anfreunden. Die meisten,
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besonders die Weltkriegsteilnehmer, waren immer noch monarchisch-deutschnational gesonnen und hielten eine Trennung zwischen Thron und Altar, wie sie aus den Reihen der Sozialdemokratie gefordert wurde, für fatal. Den Ausgang des Krieges, in dem eine Reihe von Mitgliedern ihr Leben „für das Vaterland“ ließ, und das „Diktat von Versailles“ empfanden sie als Schmach. Die Demokratie betrachteten sie höchstens als eine Verlegenheitslösung der politischen und wirtschaftlichen Probleme der Zeit. Wie andere Vereinigungen, so litt auch der Pfarrerverein in wirtschaftlicher Hinsicht unter den finanziellen Auswirkungen der Inflation. Dennoch gelang es den jeweiligen Vorständen, den Verein einigermaßen solide und durchweg ohne tiefergehende Auseinandersetzungen mit der Kasseler Kirchenregierung durch diese harten Zeiten zu führen, bis durch die Wende in der Politik im Jahre 1933 eine neue Zeit anbrach, die von den meisten Pfarrern hoffnungsvoll als Gottesfügung zu einem nationalen Neuanfang begrüßt wurde. Alles in allem hatte sich der Pfarrerverein trotz mancher Schwierigkeiten am Anfang (z. B. schlecht besuchte Mitgliederversammlungen, nachlassender Standes- und Gemeinschaftssinn, zurückgehendes literarisches Engagement im „Pastoralblatt“ nach dem Motto „Hassia non scribit“) und der ungewissen politischen Zukunft Deutschlands wie Hessen-Kassels in den Jahren nach 1918 konsolidiert, als spätestens im Sommer 1932 eine grundlegende Veränderung der politischen Situation abzusehen war. Die Frage war, welche Auswirkungen dies auf die zukünftige Entwicklung des Vereins haben würde.
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2. Im Dritten Reich 2.1. Erste Stellungnahme nach dem „Sieg der nationalen Revolution“ Nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ äußerte sich der Pfarrerverein offiziell zum ersten Mal am 1. Mai 1933 im „Pastoralblatt“ mit einem vom Vorsitzenden, dem Eschweger Pfarrer Hermann Wepler (1878-1955), verfaßten Artikel: Zur kirchenpolitischen Lage. Aus Anlaß der kirdchenpolitischen Lage, die zur Entscheidung drängt, trat der Ausschuß des Pfarrervereins am Mittwoch, den (sic!) 19. April, in Kassel zu einer Beratung zusammen. Außer den Vertrauensleuten waren noch einige Amtsbrüder geladen, die an der Gestaltung des kirchlichen Lebens hervorragenden Anteil haben. Es wurde folgende Entschließung angenommen, deren Formulierung einem gewählten Ausschuß übertragen wurde: Entschließung des Pfarrervereins der evangel. Landeskirche Hessen-Kassel. „In einer Stunde, da der Sieg der nationalen Revolution neue und große Möglichkeiten für alle Arbeit an der Erneuerung unseres Volkslebens geschenkt hat, ist der Pfarrerverein unserer Heimatkirche von der Verantwortung bewegt, daß unsere Kirche die Stunde wahrnehme. Nur dann wird der nationale Aufbruch unserem Volk zum Heil gereichen, wenn es jetzt die Verbindung mit den Leben schaffenden und reinigenden Kräften des Evangeliums sucht. Damit die Kirche ihren von Gott befohlenen Dienst an unserem Volk tun könne, muß die bereits in ihr erwachte Besinnung auf ihre wahren ewigen Grundlagen durchdringen und zu einer umfassenden Erneuerung aller ihrer Lebensformen führen. Alte Zersplitterung aus der Zeit deutscher Uneinigkeit und Ohnmacht und Verfälschung ihres Verfassungslebens durch ihre (sic!) wesensfremde Einflüsse müssen abgetan sein. Wir fordern, daß nunmehr die Reichskirche endlich geschaffen wird, auf die schon ein Beschluß des Landeskirchentages im Jahre 1928 zielte. Dieser notwendige Umbau der Kirche muß aber in völliger Freiheit von allen staatspolitischen Entwicklungen aus dem eigenen Bekenntnis und Leben der Kirche geschehen. Denn wir sind uns bewußt, daß die Kirche nur
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dann den unentbehrlichen Dienst an Volk und Staat tun kann, den die nationale Bewegung mit Recht von ihr erwartet. Die Pfarrerschaft erwartet von den Führern der Kirche, daß sie sich unverzüglich zu entschlossenem Handeln zusammenfinden und ein handlungsfähiges Organ schaffen, das mit Vollmacht auszustatten ist.“ Der Pfarrerverein braucht der Öffentlichkeit gegenüber nicht ausdrücklich zu versichern, daß er dem nationalen Geschehen der Gegenwart freudig zustimmt. In den Reihen der Pfarrerschaft bedurfte es keiner Umstellung, um ein Ja zum nationalen Aufbruch im deutschen Volke sagen zu können. Wir standen seit 1918 immer unter dem Verdacht, in unserem politischen Denken und nach unserer Haltung Träger des nationalen Gedankens zu sein. Wenn die preußische Regierung unter dem Ministerpräsidenten Braun den Abschluß des Konkordats mit den evangelischen Landeskirchen lange Zeit hinauszuschieben versuchte, so wissen wir, daß die Regierung es damit begründete, daß sie der Haltung der evangelischen Pfarrerschaft gegenüber starkes Mißtrauen hegte. Unsere Mitarbeit am Aufbau des nationalen Volksstaates legt uns in diesem Augenblick eine besondere Verantwortung auf. Die Kirche weiß sich in einer völlig neuen Lage dem Staate gegenüber und empfängt durch die staatliche Umwälzung den Ruf, ernstlich zu prüfen, ob ihre Lebensformen, die in der Verfassung von 1924 festgelegt wurden, ihrem Wesen entsprechen. Es kann sich also für uns nicht darum handeln, wieder in den alten Fehler von damals zu verfallen und eine Neuordnung der Kirche am staatspolitischen Geschehen zu orientieren. Es ist vielmehr jetzt der Augenblick gekommen, die Kirche aus den ihr wesensfremden Bindungen und Formen endgültig zu lösen und sie so zu verfassen, wie es ihren Bekenntnissen entspricht. Diese Neugestaltung darf unter keinen Umständen durch staatliche Zwangsmaßnahmen geschehen. Das würde nicht (sic!) weniger als Schwächung ihrer Verkündigungskraft bedeuten. Mit Parteigewalt kann man keine Kirche bauen. Eine solche Kirche würde nicht in der Lage sein, in der Freiheit ihrer Verkündigung dem nationalen Staate das geben zu können, was er zu seiner Gesundung braucht. Um so mehr weiß sich die Pfarrerschaft durch das Gebot der Stunde dazu aufgerufen, nicht zu warten, was etwa zwangsläufig durch kirchenfremde Einflüsse geschehen könnte, sondern entschlossen und einmütig mitzuarbeiten an dem, was kommen soll: Eine deutschevangelische Reichskirche, aufgebaut auf dem evangelischen Führerprinzip unter völliger Wahrung des Bekenntnisstandes. Während ich diese Zeilen schreibe, überstürzen sich bereits die Ereignisse, die zum Ziele führen wollen. Vor mir liegen zwei Berliner Zeitungen vom 23. April mit den Überschriften: „Evangelische Reichskirche“; „Wie würde
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sich Luther zur evangelischen Reichskirche stellen?“; „Staatskommissar für die evangelisch-lutherische Kirche in Mecklenburg“; „Bauern(,) erobert die Kirchen!“ Das genügt, um zu wissen, daß wir in einer Entscheidungsstunde der evangelischen Kirche stehen. Vielleicht hat gerade unsere Landeskirche in dieser Lage im Blick auf ihre Gestaltung unter Einfluß der drei Konfessionen ein geschichtliches Recht, an der kommenden Reichskirche mitzuarbeiten. Die beiden Themen, die wir auf unserer Tagung in Sooden-Allendorf behandeln wollen, weisen darauf hin.27
Die „Amtsbrüder ..., die an der Gestaltung des kirchlichen Lebens hervorragenden Anteil haben“ und an der Kasseler Sitzung vom 19. April als Berater teilnahmen, waren der Präsident des Landeskirchenamtes, Dr. Karl Bähr (Kassel), Pfarrer Dr. Karl 27
Pastoralblatt 42 (1933) 13-14. Ähnlich äußerte sich der am 15. 5. 1933 ernannte, aufgrund des Drängens des Pfarrervereins mit „besonderer Vollmacht“ ausgestattete Landesoberpfarrer als Bevollmächtigter der Kirchenregierung in Kassel, D. Möller, in einem Rundschreiben vom 17. 5. 1933 an die Pfarrerschaft, in dem es u. a. heißt: „Zu der durch den geschichtlichen Umbruch gestellten Aufgabe einer kirchlichen Erneuerung sprechen wir alle ein klares Ja. Die Erneuerung kann nur aus den Kräften des Evangeliums kommen. Sie hebt an bei uns selbst mit ernster Selbstprüfung vor dem Herrn der Kirche und dem heiligen Amt, das er uns anvertraut hat. Sie treibt zu brüderlichem Zusammenschluß. Sie fordert den letzten Einsatz unserer Liebe und Kraft zum Dienst an allen, den Nahen und den Fernen. Sie ringt um das Werden und Wachsen der Gottesherrschaft im nationalen Staat.“ In demselben Brief teilte Möller mit, auch er habe namens der Landeskirche für den zum Reichsbischof nominierten Pastor von Bodelschwingh votiert. Wepler sicherte Möller am 18. 6. 1933 zu, daß die „Arbeit im Pfarrer-Verein dahin gehen soll, daß sich die Pfarrerschaft geschlossen und treu hinter Sie als ihren Führer stellen wird“. Er würde es freudig begrüßen, wenn durch Möllers Besuch bei der Hauptversammlung in Bad Sooden-Allendorf am 22. Juni die Pfarrerschaft das „Gelöbnis ihrer Gefolgschaft mündlich zum Ausdruck zu bringen“ Gelegenheit hätte. - Rundbrief Möllers und Brief Weplers, Durchschrift: PfrVAkten, Mappe „1929-1934. Verkehr mit den kirchlichen Behörden“. Zum Jahr 1933 vgl. G. van Norden, Der deutsche Protestantismus im Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung, Gütersloh 1979. Vita Weplers in: G. Bätzing, Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Homberg von den Anfängen bis 1984 (VHKH 33/3), Marburg 1988, 381f.
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Bernhard Ritter (Marburg) und Pfarrer Thilo Ziegler (Sontra).28 Bähr und Ritter hatten sich wie auch Francke seit einiger Zeit besonders mit der Frage einer Revision der geltenden Kirchenverfassung, der Kirchenvereinigung der kurhessischen mit anderen Landeskirchen sowie mit dem übergreifenden Problem einer Neuordnung der Deutschen Evangelischen Kirche als einer einheitlichen Reichskirche befaßt.29 2.2 Hauptversammlung 1933 in Bad Sooden-Allendorf: Bekenntnisstand - Reichskirche - Deutsche Christen Die von Wepler für die Frühjahrshauptversammlung 1933 in Bad Sooden-Allendorf angekündigten Themen wurden in zwei Referaten behandelt. Das erste hielt Privatdozent Lic. theol. Wilhelm Maurer (Michelbach bei Marburg) am 21. Juni vor der Mitgliederversammlung im Hotel „Werratal“ zum Thema: „Der Bekenntnisstand der hessischen Kirche und ihre Stellung zur Reichskirche“. Am 22. Juni sprach dann auf Empfehlung Maurers30 ein enger Freund des DC-Reichsleiters Hossenfelder, Dompfarrer Dr. 28 Vgl. Protokollbuch 1927-1933, Sitzungsprotokoll mit dem falschen Datum „13. April 1933“. Die „Entschließung ward einstimmig beschlossen“; ebd. Zur kirchenpolitischen Lage im Frühjahr und Frühsommer 1933, besonders im Blick auf die Landeskirche Hessen-Kassel, s. H. Slenczka, Die evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck in den Jahren von 1933 bis 1945, Göttingen 1977, 26-34. 29 Vgl. R. Francke, Die Vorarbeiten in der Frage der Verbindung der benachbarten Landeskirchen, Pastoralblatt 42 (1933) 1-5; K. Bähr, Kirchenvereinigungsfragen, Pastoralblatt 42 (1933) 7-9; vgl. auch die entsprechenden Beiträge Bährs in: Das evangelische Deutschland (11. 12. 1932), und: Der Reichsbote (12. 1. 1933); K. B. Ritter, Deutsches Pfarrerblatt 36 (1932) Nr. 51. 30 Vgl. Brief vom 21. 4. 1933 an Wepler: PfrVAkten, Mappe „1929-1934: Die Hauptversammlung“. Maurer hatte an der Kasseler Sitzung vom 19. April teilgenommen und dabei Wieneke als Referenten vorgeschlagen. Über
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phil. Friedrich Wieneke (Soldin), Reichsreferent für Theologie und Hochschule in der Glaubensbewegung „Deutsche Christen“, vor der Hauptversammlung des Pfarrervereins im Kurhaussaal über die Frage: „Was wollen die Deutschen Christen?“31 „Der Vortrag ward mit Beifall aufgenommen. Er war sachlich ... Noch größeren Beifall ernteten die von gleicher Sachlichkeit getragenen Ausführungen des Correferenten Dr. Ritter Marburg“, heißt es im Protokollbuch.32 die kirchenpolitische Lage schrieb er am 21. April, a.a.O., an Wepler: „Es wird aller - offizieller und inoffizieller - Anstrengungen bedürfen, um die Pfarrerschaft unserer Kirche innerlich und äußerlich so zu mobilisieren, daß sie den ungeheuren Anforderungen, die die fast täglich erfolgenden Veränderungen der kirchenpolit. Lage mit sich bringen, gewachsen ist. Es fallen jetzt Entscheidungen für Jahrzehnte, die sich Jahrzehnte hindurch langsam angebahnt haben. Meine Angst war offen gestanden die, einmal, daß einflußreiche Kreise im Pfarrerverein (Francke!) halten wollen, was sterben will, dann aber, daß durch die ‚Gleichschaltung’ des Reichsbundes höherer Beamten auch im Pfarrerverein polit. Kräfte kirchenpolit. Einfluß suchen würden. Beide Beängstigungen sind mir durch den Verlauf unserer Tagung (Sitzung vom 19. April; B. J.) völlig genommen worden.“ 31 Der gleichzeitig von Wepler als Referent angefragte Leiter der apologetischen Abteilung im „Central-Ausschuss für die Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche“, Lic. Dr. Walter Künneth (Berlin), sagte am 5. 5. 1933 wegen „wichtiger Arbeiten im Kirchenbundesamt“ und wegen Terminkollision mit seinen Vorlesungen an der Universität ab. Im übrigen müsse er raten, „das Thema zu ändern, da die Deutschen Christen als Thema wohl im Augenblick nicht in Frage kämen“. Stattdessen schlug Künneth als Redner Dr. Karl Muster (Kassel), Verfasser eines Buches über den Tannenbergbund und Stellvertreter des Führers der Deutschen Christen in Hessen-Kassel, Stadtrat Dr. Wilhelm Paulmann (Kassel), vor; Brief an Wepler, Original: PfrVAkten, Mappe „1929-1934: Die Hauptversammlung“. 32 Grundlegende Informationen über die DC, auch in Kurhessen-Waldeck, bietet K. Meier, Die Deutschen Christen. Das Bild einer Bewegung im Kirchenkampf des Dritten Reiches, Göttingen 1964 (31967); Wienekes Bedeutung für die NSDAP und für die Entstehung und Geschichte der DC wird von Meier ausführlich behandelt. Von Wieneke stammt übrigens die Bezeichnung „Glaubensbewegung Deutsche Christen“, vgl. Meier, a.a.O., 14. Bis zur Sooden-Allendorfer Tagung war Wieneke, der mit einer Arbeit über „Die Entwicklung des philosophischen Gottesbegriffs bei Ernst Troeltsch“, Soldin
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Mit Schreiben vom 13. Juni 193333 hatte Wepler Karl Bernhard Ritter, Mitglied des am 19. April gebildeten Aktionsausschusses, ausdrücklich in seiner Funktion als Leiter der Jungreformatorischen Bewegung in Hessen-Kassel gebeten, nach dem Referat Wienekes die Aussprache zu eröffnen. Dafür bekam er „etwa eine halbe Stunde“ Redezeit zugebilligt. Mit dieser Bitte wollte Wepler „zum Ausdruck bringen, daß der Pfarrer-Verein auch im Augenblick schärfster politischer Gegensätze an seiner Tradition festhält. Er umfaßt alle Pfarrer unserer Landeskirche ohne Rücksicht auf ihre kirchliche und theologische34 Stellung und hat immer den ernsten Willen bekundet, sich mit allen Strömungen und Bewegungen sachlich und in brüderlichem Geiste auseinanderzusetzen. Jedes Mitglied muß den ernsten Willen zu solcher Aussprache mitbringen und soll rückhaltlos und offen ohne Verletzung des brüderlichen Gegners seiner Überzeugung Ausdruck geben. Soweit es an mir liegt“, schrieb Wepler an Ritter, „werde ich dafür Sorge tragen, daß wir von dieser Linie nicht abweichen.“ Und warnend schrieb er weiter: „Eine Abstimmung in solchen Fragen, die Glauben und Gewis1929, zum Dr. phil. promoviert wurde, als „Reichsreferent für Theologie und Hochschule in der Glaubensbewegung ‚Deutsche Christen’“ vor allem mit zwei Schriften hervorgetreten: Christentum und Nationalsozialismus, Küsterin 1930 (21931), und: Die Glaubensbewegung „Deutsche Christen“, Soldin 1932 (Mai 1933: 3. Aufl.; August 1933: 6. Aufl.). Im Sommer 1933 zum Oberkonsistorialrat im EOK Berlin ernannt, veröffentlichte Wieneke im Herbst das Buch: Deutsche Theologie im Umriß, Soldin 1933. Darin wird u. a. K. Barths Theologische Existenz heute!, München 1933, „eine der bedauerlichsten Entgleisungen aus der Feder eines Theologen“ genannt, „der von der tiefsten Not des deutschen Herzens nichts versteht“. Wieneke fragt sich verwundert, wie es komme, „daß der sonst so ernsthafte Theologe anläßlich des völkischen Wiedererwachens im deutschen Protestantismus derartig aus der Rolle fällt?“ (a.a.O., 13). 33 Brief, Durchschrift: PfrVAkten, Mappe „1929-1934: Die Hauptversammlung“. 34 „politische“ (maschinenschriftlich) von Wepler in „theologische“ (handschriftlich) korrigiert.
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sen angehen, hat auf der Tagung des Pfarrer-Vereins niemals stattgefunden. Es könnte dadurch eine Situation geschaffen werden, die es einem Teil der Amtsbrüder unmöglich macht, im Pfarrer-Verein zu bleiben.“35 Daß Wepler Maurer und Wieneke als Hauptredner für Bad Sooden-Allendorf gewann, erklärt sich aus folgendem Hintergrund. Die Frage, welche Rolle der Bekenntnisstand bei der künftigen Gestalt der hessischen Kirche im Rahmen der angestrebten Neufassung einer einheitlichen Reichskirche spielen werde, war für nicht wenige Pfarrer und Gemeinden ein brennendes Problem. Zu diesem Thema Stellung zu nehmen, schien Maurer besonders gut geeignet. Zum einen galt er seit seiner großen Darstellung der hessischen Kirchengeschichte des 18./19. Jahrhunderts36 als ein ausgezeichneter Kenner der historischen, theologischen und rechtlichen Seite des Konfessionsstandes. Zum andern zeigte er, obgleich Schüler des liberalen Demokraten Heinrich Hermelink37, bereits kurz nach der „Machtergreifung“ Hitlers großes Verständnis für die Ziele der „nationalen Revolution“ und des neuen Staates. Dies kam vor allem in einem Vortrag zum Ausdruck, den Maurer im April 1933 auf der Treysaer Konferenz in Hephata über „Das Amt und seine Ver-
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Wepler, a.a.O. W. Maurer, Aufklärung, Idealismus und Restauration. Studien zur Kirchen- und Geistegeschichte in besonderer Beziehung auf Kurhessen 17801850 (SGNP 13/14), 2 Bde., Gießen 1930. Über dieses Thema hatte Maurer bereits anläßlich des 2. theologischen Ferienkurses, veranstaltet vom Pfarrerverein und der Theologischen Fakultät Marburg, am 11. 4. 1928 referiert; vgl. Pastoralblatt 37 (1928) 21. 37 Zu Hermelink und seiner Haltung zum NS-Staat s. B. Jaspert (Hg.), Karl Barth - Rudolf Bultmann, Briefwechsel 1922-1966 (Karl Barth-Gesamtausgabe [1], Abt. V), Zürich 1971, 148f; B. Jaspert, Der Kirchenhistoriker Heinrich Hermelink (1977), in: ders., Theologie und Geschichte. Gesammelte Aufsätze, Bd. 1 (EHS XXIII/369), Frankfurt a. M. 1989, 219-239, bes. 230ff. 36
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kündigung im neuen Reich“38 gehalten und der Wepler beeindruckt hatte. Maurer sagte damals u. a.: „Die ungeheuren Veränderungen der letzten Wochen, die weit über das politische Gebiet hinausgehen und die Seele unseres Volkes verwandelt haben, haben uns in unserm Amt vor gänzlich neue Aufgaben gestellt. Wir können sie nur lösen, wenn wir uns in Ernst und Stille auf das Wesen unseres Amtes besinnen. Zugleich aber nur dann, wenn wir uns aufrichtig und klar zu dem Staat der nationalen und sozialistischen Revolution bekennen. Wir tun dies, weil unser Amt wie kein anderes mit allen Schichten unseres Volkes in innere Berührung bringt und wir unter seiner Zerklüftung unsern Auftrag bisher nicht, wie es sein sollte, zu Gehör bringen konnten. Wir danken Gott, daß er unserm Volke mit der nationalen Revolution die Anfänge einer sittlichen Erneuerung geschenkt hat, so daß Stände und Interessengruppen als Glieder am Volksganzen wieder zu einheitlichem Wirken zusammengefaßt werden und die Ehre jedes Volksgenossen, auch des ärmsten, die Ehre der ganzen Nation, und die Ehre der Nation die Ehre jedes Volksgenossen ausmacht. Jahrelang haben wir versucht, mit den Mitteln, die unser Amt bot, durch Predigt, Sakramentsverwaltung und Seelsorge, die Verbindung zwischen den streitenden Volksgenossen wiederherzustellen. Wir dürfen für uns in Anspruch nehmen, wenigstens das Bewußtsein von der Notwendigkeit der nationalen und sozialen Volksgemeinschaft in unserem Volke in den Zeiten der Zersetzung lebendig erhalten zu haben; wir waren zu schwach, auf das Volksganze gesehen, mehr zu erreichen ... Wir freuen uns deshalb am meisten ..., daß die nationale zugleich eine soziale Revolution ist, und erwarten in einem Staate, in dem die gottgewollte gliedhafte Ordnung der Stände
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W. Maurer, Das Amt und seine Verkündigung im neuen Reich, Pastoralblatt 42 (1933) 19-22.
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wiederhergestellt ist, neue Wirkungsmöglichkeiten für unsere Verkündigung.“39 Maurer betonte, das Pfarramt sei um der Verkündigung willen da; „sie zu sichern und sie richtig zu üben ist unsere einzige politische Aufgabe in der Gegenwart. Politisch nenne ich sie, weil wir dem ganzen Volke Gottes Wahrheit zu verkündigen haben ... Weil unser kirchliches Amt ein politisches Amt ist, deshalb ist es mir eine sehr ernste Gewissensfrage, ob wir Amtsbrüder an der politischen Bewegung unserer Tage durch Eintritt in eine politische Organisation Anteil nehmen sollten.“40 Der Parteienstaat von Weimar, in dem viele Pfarrer sich politisch neutral verhielten - eine Haltung, deren Richtigkeit Maurer bezweifelte -, ist „tot und wird niemals wieder zu echtem Leben erwachen“. Maurer fuhr fort: „Wir haben jetzt wieder echte Obrigkeit. Wer deshalb die heutige Staatsordnung freudig bejaht und in ihr seine Berufspflicht erfüllt, gehört zum Staate. Ich verstehe deshalb, wenn die unter uns, die für das Werden dieses neuen Staates gekämpft und Opfer gebracht haben, stolz ihr Abzeichen als Ehrenzeichen tragen; sie sind dadurch nicht als Parteileute, sondern als Offiziere der neuen Ordnung gekennzeichnet ...“41 Aufgrund der veränderten politischen Situation plädierte Maurer im Blick auf das „neue Reich“ für eine klare Entscheidung der Pfarrer „für den Staat, den uns Gott neu geschenkt hat; und zwar um unsres Amtes willen, das uns zum Dienst am ge39
A.a.O., 19. Ebd. 41 A.a.O., 19f. Zur politischen Haltung der evangelischen Pfarrer in der Weimarer Zeit s. K.-W. Dahm, Pfarrer und Politik. Soziale Position und politische Mentalität des deutschen evangelischen Pfarrerstandes zwischen 1918 und 1933 (Dortmunder Schriften zur Sozialforschung 29), Köln-Opladen 1965; K. Nowak, Evangelische Kirche und Weimarer Republik. Zum politischen Weg des deutschen Protestantismus zwischen 1918 und 1932, Göttingen 21988; [R. Ziegert (Hg.), Die Kirchen und die Weimarer Republik, Neukirchen-Vluyn 1994]. 40
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samten Volke beruft. Und wir müssen wissen: die kommenden Entscheidungen fallen für uns auf dem Boden der Kirche ... Die werden so schwer sein und der Aufgaben so viele, daß die Diener der Kirche sich ihr mit Haut und Haaren verschreiben müssen, um allen Anforderungen gerecht zu werden ... In den Auseinandersetzungen der Zeit hat die Kirche kein anderes Recht mehr, als das in Gottes Wort und in ihren Bekenntnissen ruht; und sie besitzt keine auf Gottes Wort und Bekenntnis ruhende Institution mehr außer dem Amt, das die Versöhnung predigt.“42 In diesem Sinne deutete Maurer den „Kampf, der um das Wesen der Kirche entbrannt ist und immer heftiger entbrennen wird“, als einen „Kampf um die Freiheit des kirchlichen Amtes“. Die Freiheit der Verkündigung ist keine individualistische, wo jeder Pfarrer „seine eigene Theologie“ hat und „sie in seiner Gemeinde als seine heilige Überzeugung“ vertritt. „Nicht diese Freiheit wollen wir“, rief Maurer aus, „sondern für sie wollen wir Buße tun und wollen uns ins tiefste Herz hinein schämen, daß erst die politische Erneuerung sich bei uns durchsetzen mußte, um einen neuen Weg aus dieser Unordnung freizumachen. Aber bitten wollen wir den Herrn der Kirche, daß er ihr die Kraft gebe, aus sich selbst heraus eine Ordnung zu finden, die ihren Amtsträgern die Freiheit der Verkündigung sichert. Und nahe zusammenrücken wollen wir, daß einer den andern stützt und trägt. Wir erleben eine Zeit, die den Heroismus des Opfers wieder kennt. Gottes Kirche ist niemals ohne Opfer gebaut worden. Freiheit der Verkündigung setzt Opferbereitschaft voraus.“43 Einen Eingriff des Staates in die Freiheit der kirchlichen Verkündigung hielt Maurer aufgrund der geschichtlichen Erfahrungen der Kirche allerdings für fatal. Er hoffte, „daß staatliche Eingriffe unterbleiben, wenn in der Kirche selbst ein radikaler
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Maurer, a.a.O., 20. Ebd.
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Neugestaltungswille sich durchsetzt“. 44 Maurer warnte: „Wird die Kirche eine Erziehungs- und Propagandaanstalt des Staates, so stirbt sie; und unser Volk stirbt mit ... Die evangelische Kirche kann der Seele des deutschen Volkes nur dienen, wenn sie ganz frei und ungebunden (sic!) an Schrift und Bekenntnis dem deutschen Volke Gottes Wort in Gesetz und Evangelium verkündigt.“45 Gerade „um der Verkündigung des Gesetzes willen bedarf der neue Staat des Dienstes der Kirche. Wenn er sich mit Bewußtsein einen christlichen Staat nennt, so bedeutet das etwas anderes als vor dem Kriege ... Der heutige christliche Staat ist überkonfessionell; neben der Überwindung des Klassengegensatzes hat er sich die Beseitigung des Kampfes der beiden Konfessionen zum Ziele gesetzt ... Christlicher Staat und Kirche treffen sich in der Nachachtung der allgemeinen göttlichen Gebote, wie sie der göttlichen Schöpfungsordnung zugrunde liegen.“46 Katholischerseits liegt das göttliche Naturrecht „in den Soziallehren der Kirche sicher formuliert vor und braucht nur auf die neuen Verhältnisse angewandt zu werden, um die innere Gleichschaltung (sic!) mit dem neuen Staate zu vollziehen.“ Nach Maurers Ansicht ist die Lage der evangelischen Kirche aber viel schwieriger. „Sie hat den Blick für die göttlichen Schöpfungsordnungen verloren und damit, wie schon Vilmar klagte, den usus legis politicus verlernt. Ihre Ethik ist seit mehr als 2 Jahrhunderten rein individualistisch; und auch die Ansätze evangelischer Sozialethik, die wir in den letzten Jahren haben, sind vielfach nur auf einen Ausgleich zwischen den Ansprüchen des Einzelnen und der Gesamtheit gerichtet. Ein Führer der Deutschen Christen wie Wienecke (sic!) hat daher ganz recht, wenn er unser(er) Kirche mangelnden Glauben an den ersten Artikel zum 44
Ebd., Anm. 4. A.a.O., 20f. 46 A.a.O., 21. 45
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Vorwurf macht. Luther dagegen hat ein christliches Naturrecht gekannt, das von Gott dem Schöpfer gegeben, durch den Sündenfall unerfüllbar und durch die in Christus geschehene Versöhnung und in Kraft der dadurch im Menschen geweckten Liebe erfüllbar geworden ist. Er hat uns damit Rasse und Volkstum, Staat, Ehe und Familie zugleich als göttliche Stiftung, als Tummelplatz menschlicher Sünde und als Wirkungsbereich göttlicher Gnade verstehen gelehrt.“47 Nach Maurers Meinung wurden die Pfarrer in ihrer notwendigen Gesetzespredigt, die Unruhe hervorrufen soll, welche „sich in Haß umsetzt, ... nicht nur gegen die Sünde, sondern ... lieber gegen uns selber“, „... von der bisherigen Theologie fast völlig im Stich gelassen; wer in diesen Stücken sich nicht in Reformatoren und reformatorische Bekenntnisse soweit eingelesen hat, daß er sie frei in die Gegenwart übersetzen kann, der ist heute verraten und verkauft.“48 Mit der damaligen Erlanger Theologie, wie sie Paul Althaus und Werner Elert vertraten, plädierte Maurer für ein Ernstnehmen der Schöpfungsordnung und der darin zum Ausdruck kommenden göttlichen Uroffenbarung. Denn nur so könne „die Heiligkeit der göttlichen Ordnungen von Staat, Volkstum und Familie, die sich in der gefallenen Welt erhalten haben“, wieder gepriesen werden. „Wir predigen das Gesetz und sichern damit die Grundlagen von Staats- und Volksleben; aber wir predigen es so, daß zugleich die menschliche Sünde und das göttliche Erbarmen dadurch fühlbar wird (sic!).“49 Allerdings „darf die Predigt des Gesetzes nie ohne die Predigt des Evangeliums sein; es darf der fordernde Wille nie ohne den schenkenden Gotteswillen verkündigt werden.“ Maurer rief 47
Ebd. Ebd. 49 A.a.O., 21f. Zum theologischen Hintergrund vgl. W. Tilgner, Volksnomostheologie und Schöpfungsglaube. Ein Beitrag zur Geschichte des Kirchenkampfes (AGK 16), Göttingen 1966. 48
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den in Hephata versammelten Amtsbrüdern zu: „Es darf nie so aussehen, als richteten wir Staatsordnung und Volkssitte lieblos zugrunde; sondern man muß es unserer Predigt abspüren: Liebevoll richten wir beides auf. Nimmermehr dürfen wir vergessen: Wir predigen den heiligen Gott des Gesetzes, der die Sünde heimsucht, dann am eindrucksvollsten, wenn wir die Menschen gegenüberstellen dem Gott des Evangeliums, der die Sünde straft, indem er seinen Sohn des Kreuzes Pein leiden läßt. Dieser Dienst der Evangeliumsverkündigung ist die Krone unseres Amtes. Er vollzieht sich in einer Sphäre, die dem Machtbereich des Staates absolut unzugänglich ist, der sich deshalb auch jeder staatlichen Förderung entzieht. Von Gott erbitten und vom christlichen Staatsmann erwarten dürfen wir freilich, daß dieser den Dienst evangelischer Verkündigung an sich selber erfahren hat, und daß er deshalb alle Tore im Volk weit aufmacht, damit die Diener der Kirche die Verkündigung des Evangeliums überall hin tragen können.“50 Das sollte auch für „die Seelsorge in den staatlichen Konzentrationslagern“ gelten. So verlangte Maurer von der Kirche, „daß sie sofort Amtsträger für diesen Dienst frei macht und daß an diesen Stätten satanischer Verführung nicht nur Gesetz, sondern auch Evangelium verkündigt wird, damit zerschlagene und enttäuschte Herzen geheilt werden können“.51 50
Maurer, a.a.O., 22. Ebd. Am 10. 7. 1933 schrieb Wepler in Ausführung eines Vorstandsbeschlusses des Pfarrervereins vom 6. Juli über „Die Seelsorge in den Gefangenenlagern“ an das LKA in Kassel: „Der Vorstand des Pfarrer-Vereins bittet das Landeskirchenamt, die Pfarrer darauf hinzuweisen, daß die gegebenen Verhältnisse eine seelsorgerliche Betreuung der Familien erfordern, deren Väter in Schutzhaft genommen und in Lagern untergebracht sind. Für die seelsorgerliche Versorgung des Lagers in Breitenau schlagen wir den Pfarrer Möller aus Dörnhagen vor, der als altes Mitglied der N. S. D. A. P. in Erfüllung dieser Aufgabe nicht in falschen Verdacht kommen kann.“ Das LKA gab das Schreiben an den Landespfarrer des Nordsprengels, D. Möller, weiter, der am 8. August antwortete, Kreispfarrer Hollstein habe sich zur Seelsorge im Lager Breitenau bereit erklärt. Wegen der Betreuung der betreffen51
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Mitten im Ersten Weltkrieg hatte der später durch seine Theorie vom „Gemeindekern“ bekannt gewordene Rostocker Praktische Theologe Gerhard Hilbert eine kirchliche Volksmission gefordert.52 Sie sollte das „Zurückebben der religiösen Flut von 1914“ verhindern und die zunehmende Kirchenaustrittsbewegung eindämmen.53 Die zunächst von den verschiedenen Vereinen der Inneren Mission betriebene, seit 1925 dann im „Deutschen Evangelischen Verband für Volksmission“ koordinierte Arbeit hatte unter stark nationaler Prägung eine kirchliche Erneuerung des ganzen Volkes zum Ziel. Denn „das Volk als Ganzes ... ist dem sittlichen Untergang verfallen, wenn es aufhört, ein christliches Volk zu sein“.54 Anknüpfend an diesen aus dem Krieg erwachsenen Gedanken der Volksmission und an den Satz des DC-Reichsleiters den Familien werde zusammen mit den anderen Landespfarrern eine Entscheidung getroffen. - Briefe, eine Durchschrift und zwei Originale: PfrVAkten, Mappe „1929-1934. Verkehr mit den kirchlichen Behörden“. - Über später in Breitenau inhaftierte Pfarrer und eine am 28. 5. 1937 anläßlich einer BK-Pfarrerkonferenz dort gehaltene, von der Gestapo abgehörte Predigt von Hans Schimmelpfeng s. D. Krause-Vilmar, Evangelische und katholische Geistliche im Lager Breitenau (1941-1944). Ein Bericht, in: Verein zur Förderung der Gedenkstätte und des Archivs Breitenau e. V., Rundbrief Nr. 12, Kassel 1993, 22-37. 52 Vgl. G. Hilbert, Kirchliche Volksmission, Leipzig 1916 (21919); ders., Volksmission und Innere Mission, Leipzig 1917; ders., Ecclesiola in ecclesia. Luthers Anschauungen von Volkskirche und Freiwilligkeitskirche in ihrer Bedeutung für die Gegenwart, Rostock 1920; ders., Wie kommen wir zu „lebendigen Gemeinden“, Leipzig 1922; ders., Der Pfarrer als Volksmissionar, Leipzig 1925. Vgl. auch G. Füllkrug (Hg.), Handbuch der Volksmission, Schwerin 1919 (41925); ders., Die Bedeutung der Volksmission für die Erweckung und Erneuerung unseres Volkes, Schwerin 1920 (21920); ders./L. Weichert (Hg.), Die Volksmission. Monatsschrift für Evangelisation, Apologetik und Vertiefung christlichen Volkslebens (1920ff). 53 G. Hilbert, Art. Volksmission: I. Evangelische V., RGG2 V (1931) (16771680) 1677. 54 A.a.O., 1679. Vgl. zum Ganzen auch E. Beyreuther, Kirche in Bewegung. Geschichte der Evangelisation und Volksmission, Berlin 1968.
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Joachim Hossenfelder vom Frühjahr 1933: „Das Christentum ist die Seele unseres Volkes“ 55 , rief Maurer in seinem HephataVortrag die Pfarrer dazu auf, Gott zu bitten, „daß er in dieser entscheidungsreichen Zeit der Kirche die Kraft gebe, nicht nur ihren inneren Aufbau festzulegen, sondern die Gelegenheiten zu benutzen, um in die entfremdeten und irregeleiteten Massen das Evangelium zu tragen“. Er warnte ausdrücklich vor dem „nicht wieder gut zu machenden Schaden, wenn Verfassungs- und Personalfragen unser Denken ganz mit Beschlag belegten. Wenn heute nicht eine innere Mission größten Stils von unserer Kirche aus einsetzt, wird der Zwiespalt in unserm Volke nie geheilt; staatliche Machtmittel allein zwingen’s nicht, völkische Weltanschauung allein vermag nichts aufzubauen, was vor Gottes Gerichten bestehen kann. Von uns, die wir das Amt der Evangeliumsverkündigung haben, wird dermaleinst bei der Rechenschaft über diese entscheidungsvollen Tage nicht nur die Seele unserer Gemeinde, sondern die Seele unseres Volkes gefordert werden.“56 Drei Monate nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ stand für den Marburger Kirchenhistoriker Wilhelm Maurer in Übereinstimmung mit den führenden DC-Theologen fest, daß „die Führer des Staates in legalem Kampfe die Macht errungen haben“. Deshalb „imponiert ihnen“ aus der Pfarrerschaft letztlich „nur der, der strikt auf seine Amtspflicht sich berufend für die Erneuerung der Kirche im neuen Staate kämpft“.57 Abgesehen von seinem mutigen Hinweis auf die Seelsorgeaufgabe der Kirche in den Konzentrationslagern und auf die Begrenzung der staatlichen Macht und der völkischen Weltanschauung hinsichtlich des Heilungsprozesses der „irregeleiteten Massen“ durch die Verkündigung des Evangeliums, war Maurers Forderung einer klaren Trennung der Verantwortungsberei55
Zit. bei Maurer, a.a.O., 20. A.a.O., 22. 57 A.a.O., 20, Anm. 2. 56
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che von Staat und Kirche bei gleichzeitigem Appell an das Gewissen des christlichen Staatsmannes, seinerseits die Verkündigung des Evangeliums im Volk zu fördern, mit der frühen DCPropaganda durchaus identisch. Auch diese hatte immer wieder auf die Erneuerung der Kirche aus sich selbst heraus zum Wohle des ganzen deutschen Volkes hingewiesen. Die Wertschätzung des neuen, nationalsozialistischen Staates und die Hoffnung auf ihn als eines Garanten „freier kirchlicher Verkündigung“ wie umgekehrt die Zusicherung der Unterstützung seiner Aufgaben durch die Kirche hatte Maurer damit klar ausgesprochen. Von daher war also nicht zu erwarten, daß Maurer in Bad Sooden-Allendorf eine Kontroverse mit dem Redner der DC, Wieneke, auslösen und damit eventuell eine Spaltung unter den Pfarrervereinsmitgliedern herbeiführen würde. In der Tat kam es dazu auch nicht. Zum einen, weil Maurer sein Thema als Kirchengeschichtlicher historisch-systematisch entfaltete. Zum andern, weil er die Stellung der erst noch zu bauenden neuen hessischen Kirche innerhalb der Reichskirche unter dem Gesichtspunkt des Bekenntnisses vornehmlich aus konfessionsgeschichtlichen und nicht aus aktuellen kirchenpolitischen Überlegungen heraus zu umreißen versuchte. Er machte klar, daß der alte Streit über die Bekenntnisfrage zwischen Heinrich Heppe und August Vilmar im 19. Jahrhundert nur zur Verwirrung geführt habe und erledigt sei. Angesichts der gegenwärtigen Lage des Protestantismus in Deutschland, wo noch vor kurzem der ZoellnerAusschuß „eine Aufgliederung der Reichskirche in lutherische und reformierte Kirchenkörper unter Auflösung der Union vorsah“58, gehe es heute für die hessische Kirche um eine „Rück58
W. Maurer, Der Bekenntnisstand der hessischen Kirche u. ihre Stellung innerhalb der Reichskirche. Vortrag, gehalten auf der Hauptversammlung des Kurhessischen Pfarrervereins in Bad Sooden, am 21. Juni 1933, Kassel 1933, 3, 19. Das Heft, das - abgesehen von den 50 Exemplaren, die der Autor gleich nach dem Druck erhalten hatte - in der Restauflage auf ominöse Weise ein Jahr lang verschwunden war, wurde erst am 1. 7. 1934 als Beilage zum „Pastoralblatt“ an alle Pfarrervereinsmitglieder verschickt; vgl. Pastoralblatt
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kehr zu den Kräften der Reformation, das bedeutet ... Rückkehr zu ihren ursprünglichen, vom Luthertum bestimmten und dennoch niemals exklusiv gewandten Bekenntnissen. Und das bedeutet zugleich ein Vorwärtsschreiten zu einem neuen gemeinsamen Bekennen unserer Kirche, das die lebendigen Kräfte der Reformation dem Menschen der Gegenwart wieder nahebringt.“59 Nach einem historisch-theologischen Überblick über die konfessionelle Entwicklung des Protestantismus in Hessen von der Reformation bis zur Gegenwart und der Betonung des besonderen, durchaus schwer zu begreifenden Weges, den die Hessen im Vergleich zu anderen Teilen Deutschlands dabei genommen haben, stellte Maurer lapidar fest: „Unsere Hessische Kirche ist auf ihren Ursprung aus der deutschen Reformation lutherischen Gepräges zurückgeworfen; und es ist keine historische Spielerei, wenn wir heute mit den übrigen deutschen Kirchen gleichen Ursprungs die gleiche Bekenntnisgrundlage wieder suchen. Rückkehr zu den Kräften der Reformation, so lautet heute die Parole der Theologie, so lautet zugleich unser Streben für den Neubau der Reichskirche.“60 Auf die Frage, wie das in der Praxis bewerkstelligt werden könnte, antwortete Maurer: durch „eine ehrliche und vernünftige Union. Nicht eine Verwaltungsunion“ ist damit gemeint, denn „eine rein bürokratische Verwaltung“61 reicht nicht aus, die Kirche zu leiten; sondern es geht um eine „wirkliche Bekenntnisunion“. Sie kann durch einen „Rückgang auf unser gemeinsames Bekenntnis“ 62 aus der Reformationszeit erreicht werden. 43 (1934) 31. Die Schrift wurde übersehen in der ansonsten gründlichen Arbeit von H.-J. Reese, Bekenntnis und Bekennen. Vom 19. Jahrhundert zum Kirchenkampf der nationalsozialistischen Zeit (AGK 28), Göttingen 1974. 59 Maurer, Der Bekenntnisstand, 17. 60 Ebd. 61 Ebd. 62 A.a.O., 18.
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Das heißt nach Maurer im Blick auf Hessen: Alles, was später an Bekenntnissen hinzukam, ist wegzulassen. Die einzige Grundlage ist die Confessio Augustana. Denn sie „ist das Bekenntnis der Kirche deutscher Reformation; zu ihr sich bekennen heißt zur Reformation Luthers sich bekennen, heißt, daß die Kirche zurückkehren will zu dem Ausgangspunkt ihres Weges, ... um sich von neuem zu füllen mit den Kräften, die sie einst geschaffen haben, und um weiterzuschreiten neuen Aufgaben entgegen mit neuer Kraft.“63 In bezug auf die künftige Reichskirche hielt Maurer entgegen anderen zeitgenössischen Bestrebungen aus ekklesiologischen Gründen „eine solche hessische Bekenntnisunion auf der Grundlage der C. A. praktisch“ für „unmöglich im Rahmen der bisherigen altpreußischen Kirche“. Denn deren Unionsstatus sei nichts anderes als eine Verwaltungsunion. „Das bedeutet aber für uns in Hessen den Verzicht auf jedes Bekenntnis; denn wollten wir unser gemeinsames Bekenntnis, die C. A., wirklich bekennen, fielen wir als bekennende Kirche aus dem Rahmen der altpreußíschen Union. In einer Verwaltungsunion, wie sie bisher besteht, kann nur die Einzelgemeinde sich zu einem bestimmten reformatorischen Bekenntnis bekennen, nicht die Kirche als solche.“ 64 Da aber nach Meinung Maurers die altpreußische Union in einer Krise steckt, in deren Verlauf sich wahrscheinlich lutherische und reformierte Bekenntnisgemeinschaften noch schärfer gegeneinander abgrenzen werden oder - was weniger wahrscheinlich ist - die Union selbst den Weg zur Confessio Augustana als dem einheitlichen Bekenntnis der in ihr zusammengeschlossenen Kirchen nimmt, sollten die Hessen törichterweise nicht den Umweg über Preußen, sondern das Ziel einer echten, reformatorisch gegründeten Bekenntnisunion direkt angehen. Und zwar „auf dem schon längst geplanten Wege über den Zusammenschluß der vier südwestdeutschen Kirchen Kas63 64
A.a.O., 19. A.a.O., 20.
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sel, Darmstadt, Frankfurt und Wiesbaden. Hier ist unserer hessischen Tradition ... die freie Entfaltung ihrer Eigenart sicher, zumal sie mit ähnlichen Verhältnissen in dem auf die gleichen Traditionen zurückblickenden Darmstadt rechnen kann.“65 Die Gemeinden im Gebiet der Hanauer Union von 1818 werden in Zukunft nach Ansicht Maurers „infolge ihrer geschichtlichen Verbundenheit mit Kurhessen und ihrer stammesmäßigen Verbundenheit mit Rhein- und Mainfranken das notwendige Bindeglied zwischen den verschiedenen Teilen der großhessischen Kirche darstellen. Wo aber die Union nicht schon mit innerer Berechtigung besteht, wird die Sprengeleinteilung unter konfessionellen Gesichtspunkten erfolgen müssen. Von hier aus“, so meinte Maurer, „gestaltet sich die Einteilung am besten so: Das jetzige Nassau wird ein unierter Sprengel für sich bleiben; ebenso Großfrankfurt mit dem Hanauer Land und der südlichen Hälfte des Landes Hessen-Darmstadt. Die anderen beiden Sprengel aber werden evangelische Sprengel Augsburger Konfession sein: das alte Niederhessen mit dem Kreis Ziegenhain im Westen, dem Kreis Eschwege im Osten, dem Kreis FuldaGersfeld im Süden; und daneben das alte Oberhessen, das am Montag, den (sic!) 12. Juni d. J. seinen Zusammenschluß innerhalb der großhessischen Kirche proklamiert hat, mit dem Lande um den Vogelsberg, den Kreisen Marburg, Kirchhain, Frankenberg, dem alten Hinterland des Kreises Biedenkopf und dazu dem Kreis Schmalkalden. Und Oberhessen und Niederhessen mit ihrer großenteils ländlichen Bevölkerung werden die beiden Kernlande der neuen Kirche sein, wenn sie fest zusammenstehen auf der gemeinsamen Tradition der reformatorischen Väter. Sie werden wirkliche Bekenntnisgemeinschaften darstellen, die auch unter dem alle(n) gemeinsamen Landesbischof Sprengelführer, Prälaten oder wie sie heißen werden, ihres Bekenntnisses haben werden. Und nur wo solche Bekenntnisgemeinschaften 65
A.a.O., 21.
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vorhanden sind, ... wird auch im echten Sinne gerungen um das neue kirchliche Bekenntnis, das kommen muß, wenn der deutsche Protestantismus sein geschichtliches Erbe aus der Vergangenheit erfüllen soll.“66 Am Ende seines Vortrages betonte Maurer vor den in Bad Sooden-Allendorf versammelten Pfarrern: Das Ziel allen Nachdenkens über den Bekenntnisstand der hessischen Kirche muß es sein, „daß unsere Kirche mit neuen Zungen bezeugt, wie das in der Reformation neu entdeckte Evangelium wirklich Kirche des Heiligen Geistes zu bilden vermag, Kirche, in der nicht bloß einzelne selig werden, sondern die die Kräfte der Gesundung und Belebung für ein ganzes Volk von Gott anvertraut bekommen hat. Wir stehen vor der Kirchwerdung des deutschen Protestantismus. Sie erfolgt nur durch ein neues Bekenntnis. Aber sie erfolgt zugleich nur da, wo das alte kirchliche Bekenntnis der Reformation neu erfaßt und neu in das Leben der Kirche und des Volkes hineingestellt wird.“67 Daß genau dies ein Jahr später bei der Barmer Bekenntnissynode durch die dort versammelten Vertreter lutherischer, reformierter und unierter Kirchen, u. a. mit der Stimme Hans von Sodens aus Marburg, geschah, konnte Maurer damals noch nicht ahnen, war im Juni 1933 so sicher auch nicht seine Absicht. Denn dazu hatte er, wie wir sahen, noch kurz zuvor zu freudig die nationalsozialistische Erneuerung des deutschen Volkes begrüßt. Mit der überwiegenden Mehrheit der deutschen Theologen sah er im Nationalsozialismus eine „neue, gottgeschenkte Zukunft“ anbrechen. Ihr sollte die evangelische Kirche ihren Dienst dadurch erweisen, daß sie die alten innerprotestantischen Konfessionskämpfe bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Front „gegen die römischen Machtansprüche“ in einem gemeinsamen „Bekennen der neuen, großen Taten Gottes an Volk und Kirche“ zu einer wirklichen Union überwindet. 66 67
A.a.O., 21f. A.a.O., 22.
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Unter dem Vorzeichen der nationalsozialistischen Volkserneuerung war dann auch der Spitzensatz aus der Einleitung von Maurers Referat zu verstehen, dem der schon zitierte Schluß des Vortrages korrespondierte: „Wir warten darauf, daß Gott unser deutsches evangelisches Volk von innen heraus neu anpackt und ihm neue geistliche Erfahrungen schenkt, so daß eine innerlich erneute (sic!) evangelische Kirche mit neuen Zungen in neuem Bekenntnis ihn loben und preisen kann.“68 Ganz ähnlich wie Maurer am Tag zuvor, äußerte sich Wepler am Donnerstag, dem 22. Juni 1933, vor der Hauptversammlung im Jahresbericht des Vorstandes, als er ausführte: Wenn jemals in der Geschichte der evangelischen Kirche von der Erfüllung der Zeit gesprochen werden konnte, so gilt das für die gegenwärtige Lage. Mit dem nationalen Aufbruch im deutschen Volk und der neugeschenkten Einigung der deutschen Stämme ist auch die Sehnsucht nach kirchlicher Einheit in weiten Kreisen des Volkes neu erwacht. Die Zeit des kirchlichen Partikularismus ist endgültig vorbei. Die Neugestaltung der Kirche kommt, und wir wissen, daß sie sich allen Widerständen zum Trotz durchsetzen wird. Wir Pfarrer begrüßen es dankbar, daß uns Gott diese Erfüllung der Zeit geschenkt hat, und daß neben dem Pfingsten der deutschen Nation auch das Pfingsten der Kirche steht. Wir wissen aber auch, daß die neue evang. Kirche des neuen Deutschlands nur durch den Pfingstgeist gebaut werden kann. Alle der Kirche wesensfremden Mächte werden dabei nicht aufbauen, sondern zerstören. Die Erneuerung wird sich nicht ohne starke Erschütterung vollziehen. Gottes Geist kommt nicht nur in Sanftmut. Wenn er die Menschen in träger Beharrung trifft, wird er mit revolutionärer Kraft den Aufbruch herbeiführen. Die Zeichen dieses Sturmes sind da. Sie sind Leidenschaft und völliges Fortgerissenwerden. Man darf sich nicht wundern, daß solche Menschen dann immer etwas ganz anderes tun wollen und tun müssen, als die anderen, die eine Erfüllung der Zeit nicht erleben. Die Tagung unseres Pfarrer-Vereins steht ganz unter dem Eindruck dieser Lage. Wir gehören mit unserer ganzen Kraft der Kirche und es brennt uns auf der Seele, den rechten Weg zu finden, den wir gehen sollen. Darum sind wir offen für alle Weisungen, die aus Glauben und Verantwortung, aus Liebe und Ehrfurcht vor der gottgewollten Eigenart der Kirche kommen. Wir lei68
A.a.O., 4.
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den aber darunter, daß wir bei unserer Unvollkommenheit nicht in allem einig sein können. Das ist Schuld, die uns demütig macht. Lassen Sie uns wie bisher so auch heute und bei den kommenden Verhandlungen im Pfarrerverein unter dem Motto stehen: In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas! Weil sich die Begründer des Vereins vor 42 Jahren zu diesem Grundsatz bekannten, haben sie die Einigkeit zu aller Zeit gewahrt, auch wenn sie heißes Eisen anfassen mußten. Im Kampf um das Apostolikum ist unsere Bruderschaft nicht zerbrochen. Als es noch ein Wagnis war, vom Sozialismus zu reden, haben wir auf unseren Tagungen um das Verständnis dieser Frage miteinander gerungen. Bei ganz verschiedener Stellung seiner Mitglieder zum Großhessischen Kirchenproblem hat gerade in unserem Pfarrerverein die Bemühung um seine Lösung den stärksten Antrieb erhalten. Es ist darum unser Wunsch, daß nun auch der Kampf um die Neugestaltung unserer Landeskirche und ihrer Eingliederung in die Reichskirche im Geiste der brüderlichen Verbudenheit geführt werden möchte. Wenn wir diese Forderung nicht mehr für den Kampf in unseren Reihen erheben könnten, wo sollte sie sonst noch geltend gemacht werden dürfen! Ein Pfarrerverein mit 500 Mitgliedern birgt in sich starke kirchenpolitische und theologische Gegensätze. Im nationalen Wollen sind wir eins. Deutschtum und Volkstum sind uns Geschenk von Gott, für das wir dankbar sind und kämpfen wollen. Sollten wir das nicht auch im Blick auf unsere Kirche sein können? Dazu schenke uns Gott seines Geistes Kraft und das Feuer seiner göttlichen Liebe!69
Im Anschluß an Weplers Bericht sprach dann vor nahezu 200 Pfarrern in Anwesenheit u. a. des Landesoberpfarrers D. Möller und des Dekans der Theologischen Fakultät der Universität Marburg, Professor D. Hans von Soden, der die „auf Gedeih und Verderb“ enge Verbundenheit der Landesfakultät mit der hessischen Landeskirche betonte 70 , im Kurhaussaal von Bad
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H. Wepler - H. Schimmelpfeng, Frühjahrshauptversammlung des Ev. Pfarrervereins Hessen-Kassel, Pastoralblatt 42 (1933) (25-28; Wepler: 25-27; Schimmelpfeng: 27-28) hier: 27. 70 A.a.O., 26 [Zur südhessischen Entwicklung 1933-1945 vgl. jetzt K.-D. Grunwald/U. Oelschläger (Hg.), Evangelische Landeskirche Hessen-Nassau und Nationalsozialismus. Auswertung der Kirchenkampfdokumentation der EKHN (QSHK 22), Darmstadt 2014].
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Sooden-Allendorf der DC-Mann Wieneke über das Thema „Was wollen die Deutschen Christen?“ 2.2.1 Nachklänge zur Hauptversammlung 1933 Aus einer in den folgenden Tagen geführten Korrespondenz zwischen dem Caldener DC-Pfarrer Meyenschein und Wepler geht hervor, daß Wienekes Vortrag bei den Zuhörern zum Teil auf heftige Kritik stieß, so daß der Vorstand davon absah, den vollständigen Text im „Pastoralblatt“ abzudrucken. Auf Bitten des Schriftleiters Schimmelpfeng faßte daher der Redner später die wesentlichen Gedanken seines Vortrages für einen Bericht im „Pastoralblatt“ so zusammen: Der Vortragende führte zunächst Näheres über die Entstehung der Glaubensbewegung aus (ihre Vorläufer Maurenbrecher, Naumann, Deutschkirche), betonte aber, daß es in ihr um ein organisch-positives Christentum gehe. Nicht Politik soll in die Kirche getragen werden, sondern Gott soll dem Volke gebracht werden. Er berichtete dann von seinen persönlichen Erfahrungen in der Aufbauarbeit der Bewegung, charakterisierte die führenden Männer und den Stand der Arbeit im Reich. Die Theologie Deutschlands stand um die Jahrhundertwende im Zeichen der Systematik. Barth trat ihr entgegen und stellte das Individuum wieder unter Gott. Leider aber sonderte er praktisch von Gott ab. Vgl. Schairer („Volk - Blut - Gott“), der die dialektische Theologie ein „negatives“ Christentum nennt. Gott aber ist uns offenbar im Lebensprozeß und seinen Ordnungen (Ehe, Familie, Rasse usw.). Sünde ist Abfall vom Organischen („Sonderung“) und nicht „moralisch“. Die Deutschen Christen wollen das „positive Christentum“ bringen, das Adolf Hitler in seinem System andeutet, das selbst aber von der Ewigkeit her als ein Wind in dieses System hineinblasen muß. Es ist darum eine große Stunde für die deutsche Theologie gekommen. - Das göttliche Leben kommt uns entgegen in Natur, Geschichte (Christus), Kirche. Darin liegen die drei Artikel, deren erster im Besonderen durch die bisherige Theologie vernachlässigt wurde. Die Kirchenpolitik stellt uns vor die Entscheidung: Bodelschwingh oder Müller. Hirsch unterscheidet hier die „wahrende“ und die „wagende“ Kirche.
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Aber der eigentliche Kampf der Deutschen Christen richtet sich gegen die, welche Bodelschwingh vorschlagen, die Jungreformatoren, die in These 7 den Arierparagraph aus der Reichskirche ausschalten wollen und damit dieser Kirche überhaupt das wirklich deutsche Gepräge nehmen. Sie wollen nur eine internationale Christenkirche, Abteilung Deutschland. Die deutschen (sic!) Christen wollen die neutestamentliche Kirche, die allen Völkern gegeben ist; aber als Organisation soll diese Kirche nur Deutsche umfassen, Andersrassige höchstens als Gäste. Auch wir Deutsche Christen stehen unter der Not der Sünde. Aber wir handeln aus „Wagnis“ des Glaubens (Kierkegaard), weil Gott in dieser Zeit uns in besonderer Weise vom Volke her anruft. Bodelschwingh ist der große Diener der Liebe. Man mag ihn beim Wort nehmen und ihn im besten Sinne zum Reichsdiakon machen. Bischof muß ein Mann werden, der innerlich ja sagt zum großen Gottgeschehen des völkisch erwachten Deutschlands.71
Diese Zusammenfassung Wienekes ergänzte Schimmelpfeng, indem er seinerseits noch einige Thesen und Gedankengänge des Redners hinzufügte bzw. breiter ausführte: Dem Spezialistentum, in dem auch die Theologie - einst die Königin der Wissenschaften - versunken ist, tritt die nationale Bewegung gegenüber, von ihrem Führer zu einem großen System zusammengefaßt. Dieses System hat eine offene Tür, das ist der Ruf nach dem positiven Christentum. Dinters politischer Versuch, ein sog. positives Christentum zu erarbeiten, wurde von Hitler abgelehnt. Die Tür ist noch offen. So brach die Glaubensbewegung der deutschen (sic!) Christen (der Titel: deutsche Christen stammt von Hitler) auf, um als eine Glaubensbewegung (gegen Dinters politischen Versuch) der nationalen Bewegung ihren tiefsten Sinn zu geben. - Zum ersten Artikel: Sein Anliegen ist lange vernachlässigt worden. Die Schöpfung ist zwar gefallene Schöpfung, jedoch offenbart sich auch Gottes Gnade in ihr. Zur Schöpfung gehört [sic! gehören] Volk und Volkstum, Blut und Rasse. Die letzten 14 Jahre haben diese Schöpfung zerschlagen, in sündhafter Verkehrung des göttlichen schöpfungsmäßigen Charakters der Rasse. Deshalb sollte sich die Kirche nicht nur allgemein, sondern ganz konkret zu diesem neuen Staat bekennen, der sich auf Blut und Rasse aufbaut (gegen Altonaer Bekenntnis). Zum zweiten Artikel: Gegen materialistische Geschichtsauffassung ist festzuhalten, daß Christus, der Herr groß und mächtig, A und O der Weltgeschichte ist. Dieser Christus lebt in der heutigen Volksbewegung. Gott ließ 71
A.a.O., 27f.
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diesen Christus unter den Juden Fleisch und Blut annehmen, weil sich gerade hier die Sünde in den Mantel der Religion kleidet. Zum dritten Artikel: Die neutestamentliche Kirche umfaßt alle Rassen und Völker. Deshalb ist Heidenmission kein Appendix christlicher Betätigung, sondern muß in die kirchliche Ämterlehre hineingearbeitet werden. Deshalb ist auch Judenmission notwendig. Freilich darf sie nicht in der Kirche Art und Rasse zerstören.72
Die Kritik an Wienekes Ausführungen kam von dem Vertreter der Jungreformatorischen Bewegung, Karl Bernhard Ritter, dessen „Korreferat“ im gedruckten Einladungsprogramm wohlweislich - nicht angekündigt, sondern erst neun Tage vorher von Wepler zwecks Eröffnung der Diskussion erbeten worden war. Auch von Soden hielt mit Kritik nicht zurück. In seinem Schlußwort ging Wieneke aber nicht näher darauf ein. Schimmelpfeng berichtete im „Pastoralblatt“: Amtsbruder Ritter erhielt darauf das Wort zu einem Korreferat. Ritter erläutert zuerst § 7 der jungreformatorischen Richtlinien (Arierparagraph). In Übereinstimmung mit Wieneke betont Ritter, daß der dritte Artikel konkrethaft zu verstehen ist, Gott geht ein ins Fleisch, der Heilige Geist wird und wirkt leibhaftig (Wiedergeburt). Jedoch ist Wiedergeburt des Volkes noch nicht eo ipso identisch mit derjenigen durch den Heiligen Geist. Wenn man deshalb die Rasse aus Glauben bejahen soll, dann bedeutet das nicht, daß man schon in der Rasse den christlichen Glauben erheben könnte. Bejahung der Rasse kann auch zur Ablehnung der Notwendigkeit der Rassenerlösung führen. In der Neuschöpfung des dritten Artikels stellt deshalb der Rassenunterschied keinen absoluten Gegensatz mehr dar. Von dieser absoluten Grundsetzung zu unterscheiden ist die Frage nach der Opportunität und kirchlichen Pädagogik: es ist nicht tunlich, einer Bauerngemeinde z. B. einen Pfarrer jüdischen Blutes zu geben. Im Kampf um den Reichsbischof geht es jedoch weniger um diesen Arierparagraph als um die Omnipotenz des Staates und [die] Freiheit der Kirche. Nach einer Darstellung der Berliner Vorgänge der Himmelfahrtswoche betont Ritter ihren symbolischen Charakter. Es habe sich dabei gehandelt um den Kampf um eine solche Kirche, die ohne politische Eingriffe ihren Neubau in Verfassung und Verwaltung errichten wollte, eine solche Kirche, die gerade durch Wahrung und Erhaltung ihrer Freiheit [...] Volk und Staat den echtesten Dienst erweise. Kurhessen hat die Renitenz 72
A.a.O., 28.
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hinter sich und ist deshalb feinfühliger in diesem Kampf als ostelbisches Unionskirchentum. Der Versuch einer „Gleichschaltung der Kirche“ läßt fernerhin die Frage nach der bisher unangetasteten Existenz der katholischen Kirche sowie nach der Una Sancta wach werden, die in bezug auf Deutschland etwas anderes sei als die Internationale Kirche, Abteilung Deutschland. Schließlich ist zu bedenken, daß der Herr der Kirche für alle da ist, auch und insbesondere heute für die Verfehmten und Zerbrochenen. Nach kurzen Diskussionsreden der Amtsbrüder Finke [sic! Fincke] und Eichhöfer stellt Professor von Soden in kurzen knappen Sätzen die theologische Frage. Daß der erste Artikel in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt ist, ist zuzugeben. Aber ebenso auch die Schwierigkeit, den Begriff Volk zu bestimmen. Ganz wesentlich zum Volk gehört der Begriff des „Nächsten“. So sehr Volk Schöpfung ist, so sehr ist es auch gefallene Schöpfung. Vergißt man dies, versteckt man hinter „Volk“ die eigene Sünde. Fernerhin ist Sünde nicht Absonderung von Gott, denn Gott ist nicht ein Organismus, sondern Wille. Deshalb ist Sünde nie organisch, sondern moralisch zu verstehen. Daß Gott seinen Sohn gerade in Judäa hat Fleisch werden lassen, ist in der Tat ein ernstes theologisches Anliegen (Röm. 9-11), dessen Schärfe man jedoch, so wie es der Referent tat, verkennen dürfte. Nach Stellungnahme zu den Vorgängen der Himmelfahrtswoche, wobei der Nachdruck auf der Tatsache liegt, daß die Kirche ordnungsgemäß gehandelt hat, schloß Professor von Soden mit einer Verwahrung gegen die Auslegung der Bodelschwinghschen Selbstbezeichnung Reichsdiakon. In diesem wörtlichen Sinn sei das Wort Reichsdiakon nicht gemeint worden. In einem kurzen Schlußwort beantwortete der Referent einige Fragen: Die Fezerschen Richtlinien haben die ersten Leitsätze der Deutschen Christen nicht außer Kraft gesetzt. Daß die katholische Kirche bis heute unerschüttert geblieben sei, liegt daran, daß der Staat von der evangelischen Kirche mehr erwartet als von der katholischen. Der Begriff deutsche Kirche bedeutet eine art- und blutgemäße Kirche. Der Arierparagraph gehört nicht in die kirchliche Pädagogik, sondern in die Theologie. Deshalb bricht hier der grundsätzliche Gegensatz zwischen der Glaubensbewegung und den Jungreformatorischen auf. Es kommt heute nicht auf einen konkreten Kirchenbegriff an, sondern auf eine wagende Kirche (Kirche ist Wagnis, Kierkegaard). Zu diesem Wagnis ist die Kirche in diesen Tagen der nationalen Erhebung aufgerufen. Deshalb gibt die Glaubensbewegung, für welche (und nicht für den Staat) Müller Exponent ist, ihren Kampf gegen Bodelschwingh nicht auf. Bodelschwingh, dessen persönliche Lauterkeit außer Zweifel steht, kann allen Ernstes und in einem viel tieferen Sinn Reichsdiakon werden, als es bisher gedacht war.
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Der Vorsitzende Amtsbruder Wepler dankte zum Schluß dem Referenten für seinen Vortrag, der Versammlung für ihre Mitarbeit und schloß gegen 2 Uhr die Tagung des Pfarrervereins.73
Die Sooden-Allendorfer Hauptversammlung vom 21.-22. Juni 1933, an der etwa ein Drittel der Mitglieder teilnahm, war in mehr als einer Hinsicht eine der denkwürdigsten in der Geschichte des Pfarrervereins. Denn auf ihr zeigte sich nicht nur die gegen den „Versailler Verrat“ und die „Weimarer Liberaldemokratie“ gerichtete nationalkonservative politische Überzeugung der großen Mehrheit der Pfarrer in Hessen-Kassel. Auch die ihr entsprechende Schöpfungsordnungs- und Uroffenbarungstheologie, wie sie damals an den Universitäten vor allem Althaus, Elert, Fezer und Hirsch vertraten, und die direkt zur Ideologie der Deutschen Christen führen mußte, kam bei dieser Gelegenheit so klar wie nie zuvor bei einer offiziellen Tagung des Pfarrervereins zum Ausdruck. Im übrigen wurden, rückblickend betrachtet, bereits bei der Sooden-Allendorfer Versammlung die Weichen für das künftige Verhalten der meisten hessischen Pfarrer in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen der kommenden zwölf Jahre gestellt: nicht zu einem Kirchenkampf mit dem Staat, sondern zu einer gleichzeitigen Loyalität nach zwei Seiten, Kirche und Staat. Und da sich die Hessen-Kasseler Kirche in den meisten Gemeinden wie auf Kreis- und Landeskirchenebene - trotz Widerstands im einzelnen und Widerspruchs aus den Reihen der BK-Pfarrer unter Leitung Hans von Sodens und anderer, kleinerer Gruppierungen - aufs Ganze gesehen der von den Nationalsozialisten an sie gerichteten Forderung nach unbedingter Gefolgschaft gegenüber dem neuen Staat und ihrem Führer nicht verweigerte, war die Pfarrerschaft mit wenigen Ausnahmen durch eine ihrem eigenen Bekenntnis untreu gewordene Kirche nur noch einem gegenüber loyal: dem NS-Staat. Die Versuche 73
Ebd.
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des im Herbst nach dem Vorbild des altpreußischen Pfarrernotbundes74 gegründeten Bruderbundes Kurhessischer Pfarrer, die Freiheit der Kirche gegenüber dem Staat zu erhalten und den Machteinfluß des Staates auf die Kirche in Grenzen zu halten bzw. zurückzudrängen, blieben marginal, da der offene Kirchenkampf - von wenigen Episoden abgesehen - vermieden wurde. Von Soden nannte bereits in der Sooden-Allendorfer Versammlung die beiden Faktoren, um deren angemessenes theologisches Verständnis mit entsprechenden Konsequenzen für die Ethik die Pfarrerschaft sich hätte bemühen müssen, sich aufs Ganze aber nicht bemüht hat, weil sie sich durch vordergründige Versprechungen Hitlers (Einigungswerk der DEK u. ä.) von den auch schon Mitte 1933 klaren Absichten des NS-Staates gegenüber der Kirche hat blenden lassen. Zum einen warnte von Soden vor der Gefahr, Volk und Schöpfung zu identifizieren, zumal beide Begriffe gerade in einer Weise glorifiziert wurden, die das Gefallensein der Schöpfung und damit die Sünde des Menschen, auch als ganzes Volk, übersah oder geringachtete. Wo aber die Sünde aus dem schöpfungstheologischen Denken ausgeblendet wird, entsteht in menschlicher Selbstüberschätzung ein grenzenloser Machtanspruch, der die ethischen Normen der menschlichen Gemeinschaft rücksichtslos außer Kraft setzt. Zum andern betonte von Soden gegen die von den Deutschen Christen vertretene rassistische Fehlinterpretation der Heiligen Schrift mit dem Ziel, die semitisch-jüdische Kultur als eine minderwertige von der angeblich arisch-christlichen Tradition zu trennen und schließlich auszulöschen, daß Jesus Jude war und als solcher im Glaubensbekenntnis der Christenheit als der Sohn Gottes bekannt wird. Damit war klar, daß christlicher Glaube, wie er sich im Zeugnis des Neuen Testaments darstellt, 74 Am 21. 9. 1933 auf Initiative von Martin Niemöller und anderen in Berlin gegründet.
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im Judentum Jesu Christi seine Grundlage hat und daß die Kirche die Schwester der Synagoge ist. Wer die Synagoge angreift, richtet sich auch gegen die Kirche. Beide, Schöpfungstheologie und Ekklesiologie, standen in den folgenden Jahren im deutschen Kirchenkampf immer wieder zur Debatte. Hier fielen, vor allem mit der Barmer Theologischen Erklärung von 1934, weitreichende Entscheidungen, die die Fronten in der Pfarrerschaft und den Gemeinden klärten. Das galt auch für die Kurhessen, wo dem Bruderbund Kurhessischer Pfarrer im Januar 1935 234 Pfarrer angehörten. Darunter waren auch Mitglieder des Pfarrervereins. Im Bruderbund waren damals über 150 BK-Pfarrer vertreten.75 2.3 Streit um die Pfingstbotschaft 1933 von Reichsbischof Friedrich von Bodelschwingh Zwei Tage nach der Sooden-Allendorfer Versammlung, bei der seine Position immer noch heftig umstritten war, trat Friedrich von Bodelschwingh, „allerseits im Stich gelassen“ 76 , am 24. Juni 1933 von seinem Amt als Reichsbischof zurück. Am 26./27. Mai 1933 war er im Zuge der Beratungen über die Verfassung der neuen Deutschen Evangelischen Kirche gegen den Königsberger Wehrkreispfarrer und Schirmherr der DC, Ludwig Mül75
Die Zahlen verdanke ich einer freundlichen Mitteilung vom 8. 2. 1993 meines Kollegen Studienleiter Pfarrer Dr. Martin Hein (Hofgeismar), des Leiters des BK-Ausschusses in der von mir an der Evangelischen Akademie Hofgeismar gegründeten und geleiteten „Arbeitsgruppe Kirche 1933-1945 in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck“. [Vgl. jetzt M. Hein (Hg.), Kirche im Widerspruch, (Bd. I:) Die Rundbriefe des Bruderbundes Kurhessischer Pfarrer und der Bekennenden Kirche von Kurhessen-Waldeck 1933-1935 (QSHK 2), Darmstadt 1996; M. Dorhs (Hg.), Kirche im Widerspruch, Bd. II/1-3: Texte aus der Bekennenden Kirche Kurhessen-Waldeck 1936-1945 (QSHK 18-20), Darmstadt 2013]. 76 E. Wolf, Art. Kirchenkampf, RGG3 III (1959) (1443-1453) 1446.
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ler 77 , von der Mehrzahl der Vertreter der Landeskirchen zum Reichsbischof „bestimmt“ worden.78 Das „Grußwort an die Gemeinden“, das von Bodelschwingh „aus Anlaß seiner Bestimmung zum Reichsbischof der künftigen deutschen evangelischen Kirche“ am 31. Mai 1933 „an die obersten Kirchenbehörden der im Deutschen Evangelischen Kirchenbund zusammengeschlossenen Landeskirchen“ mit der Bitte hat versenden lassen, es an Pfingsten in allen Gemeinden von der Kanzel verlesen zu lassen, sorgte in der kurhessischen Pfarrerschaft für einige Unruhe. Und zwar nicht so sehr das Grußwort selbst, als vielmehr der Umstand seiner Weitergabe durch die Kasseler Kirchenregierung an die Pfarrer.79 Am Pfingstsamstag telegraphierte nämlich der Vorsitzende des Pfarrervereins an die Vertrauensleute: „Der Pfingstgruß braucht, wie ich erfahre, nicht verlesen zu werden. Ich bitte das zu beachten und den Amtsbrüdern davon Mitteilung zu machen.“80 Dagegen protestierte am 3. Juni der Mansbacher Pfarrer Wilhelm Wolff „mit tiefer Empörung“ und schrieb an den zuständigen Vertrauensmann, Pfarrer Rausch: „Daß Bodelschwinghs Grußwort nicht verlesen zu werden braucht, geht aus dem Wortlaut sowohl auf der Rückseite des gedruckten Textes wie aus der Verfügung der Kirchenregierung deutlich hervor. Dazu brauchen wir kein Telegramm Weplers. Daß dieser aber 77 Über ihn vgl. C. Nicolaisen, Dokumente zur Kirchenpolitik des Dritten Reiches, Bd. I. Das Jahr 1933. Hg. im Auftrage der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte von G. Kretschmar, München 1971, 43, Anm. 2; Th. M. Schneider, Reichsbischof Ludwig Müller. Eine Untersuchung zu Leben, Werk und Persönlichkeit (AKIZ/B 19), Göttingen 1993. 78 Vgl. Nicolaisen, a.a.O., 55; Wolf, a.a.O.; Schneider, a.a.O., 122-128. [Vgl. jetzt auch: C. Nicolaisen, Fritz von Bodelschwingh als Kirchenpolitiker, in: M. Benad (Hg.), Friedrich v. Bodelschwingh d. J. und die Betheler Anstalten. Frömmigkeit und Weltgestaltung, Stuttgart 1997, 82-100]. 79 S. Anhang Nr. 9 a-c. 80 S. Anhang Nr. 10-11.
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sein Amt als Vorsitzender des Pfarrervereins gebraucht, um uns in dieser Sache, die das Fundament der Kirche angeht, Ratschläge zu erteilen, dagegen erhebe ich hiermit in aller Form Widerspruch, den ich weiterzuleiten bitte. Sollte dies Telegramm in Allendorf nicht zurückgenommen werden, so behalte ich mir meinen Austritt aus dem Pfarrerverein vor.“81 Auch eine Versammlung von 176 Pfarrern, die sich unter Leitung des Kreispfarrers Hollstein am 8. Juni in Treysa in Fortsetzung der Hephataer April-Konferenz zur Besprechung der kirchenpolitischen Lage trafen, verwahrte sich in einem Schreiben an Landesoberpfarrer D. Heinrich Möller, ohne Wepler allerdings namentlich zu nennen, „gegen jede Durchkreuzung kirchenbehördlicher Anordnungen“. Aus einem handschriftlichen Zusatz Hollsteins auf der Abschrift des Schreibens, die er Wepler zukommen ließ, geht jedoch hervor, daß sich der Satz eindeutig auf dessen Telegramm vom Pfingstsamstag bezog. Gleichzeitig erbaten die Pfarrer „klare und eindeutige kirchliche Weisungen“.82 Im übrigen bekundeten 161 der 176 in Hephata versammelten Pfarrer in einem Telegramm an von Bodelschwingh ihre treue Gefolgschaft. „In einem zweiten Telegramm an Wehrkreispfarrer Ludwig Müller wird dieser unter Zustimmung von 166 Pfarrern davon in Kenntnis gesetzt, daß diese Einigung mit Reichsbischof von Bodelschwingh erhoffen und dies zur Erneuerung der Kirche.“83 Schließlich hatte Wepler als Mitglied eines Arbeitskreises, den der Landesoberpfarrer zur Besprechung von Fragen der kommenden Kirchenreform zum 26. Mai nach Kassel einberufen hatte, einer Verlautbarung zugestimmt, die an die Presse ging und in der es u. a. hieß: „Die Versammlung begrüßt es, daß nunmehr durch Benennung eines Reichsbischofs die 81
Brief, Original: PfrVAkten, Mappe „1929-1934: Die Hauptversammlung“. Brief, Abschrift mit hsl. Zusatz: PfrVAkten, Mappe „1929-1934: Die Hauptversammlung“. 83 Slenczka (s. Anm. 28), 31f. 82
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Grundlinien zu der kommenden Reichskirche aus kirchlichem Handeln heraus sichtbar geworden sind ...“84 Aufgrund dieser Situation mußte Wepler Stellung zu den Vorwürfen nehmen. Er tat dies zunächst brieflich und dann in Bad Sooden-Allendorf im Vorstand, im Ausschuß und schließlich auch öffentlich in der Mitgliederversammlung des Pfarrervereins, bei der in Anwesenheit von 83 Amtsbrüdern die Angelegenheit schließlich als „geklärt und abgeschlossen“ 85 bezeichnet wurde. Seine Sicht der Vorgänge erhellt u. a. aus einem Rundbrief vom 7. Juni an die Vorstandsmitglieder.86 2.4 Für eine Großhessische Kirche In Sachen der Kirchenreform forderte der Pfarrerverein wie Maurer in seinem Referat eine Großhessische Kirche. Dazu beschloß die Mitgliederversammlung am 21. Juni 1933 als „einmütigen Wunsch der kurhessischen Pfarrerschaft“87 eine VierPunkte-Resolution an den Landesoberpfarrer. Sie war zwischen diesem und Wepler zuvor abgeklärt und in der der Mitgliederversammlung vorausgehenden Ausschußsitzung festgelegt worden. Die Punkte wurden als „dringlichstes Sofortprogramm des 84 Zit. bei Slenczka, a.a.O., 32. Der Arbeitskreis wurde in Vertretung von Landesoberpfarrer D. Möller vom LKA-Präsidenten Dr. Bähr geleitet. Ihm gehörten an: Kirchenrat D. Merzyn, Kirchenrat D. Eisenberg, Studiendirektor Lic. Dr. Neubauer, Kreispfarrer Hollstein, Pfarrer Wepler, Pfarrer Dr. Ritter, Pfarrer Ziegler, Pfarrer Heppe. 85 A.a.O. (s. Anm. 69), 25. Vgl. die Einträge im Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 20. 6. 1933; Ausschußsitzung, 21. 6. 1933; Mitgliederversammlung, 21. 6. 1933. 86 S. Anhang Nr. 10. 87 So im Protokollbuch 1933-1948, Ausschußsitzung, 21. 6. 1933. Später hieß es im Bericht über die Mitgliederversammlung: „als Wunsch des Pfarrervereins“, dessen Mitgliederzahl ja nicht deckungsgleich mit der Zahl der kurhessischen Pfarrer war - damals wie auch später nicht; a.a.O. (s. Anm. 69), 25.
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Pfarrervereins“ am 22. Juni in der Hauptversammlung von Wepler Möller übergeben. Dabei gelobte Wepler „bei zielbewußter Führung treue Gefolgschaft der Pfarrerschaft“. Die Punkte hießen: „1. Der in Aussicht genommene Aktionsausschuß möchte bis zum Beginn der nächsten Woche zusammentreten. 2. Es möchten drei Männer, gegebenenfalls bei gleichzeitiger Beurlaubung aus ihrem jetzigen Amt für eine gewisse Zeit, zur ständigen Mitarbeit nach Kassel berufen werden. 3. Die Schaffung einer groß-hessischen Kirche möchte unter bewußter Abwehr aller Versuche, unsere Landeskirche mit der altpreußischen Union zu verbinden, vorbereitet werden. 4. Sofortige Fühlungnahme mit dem Kirchenbundesamt in Berlin möchte aufgenommen werden, um Einsicht in die Richtlinien für den geplanten Neubau der Kirchenverfassung zu erhalten und nach ihm das Neuwerk von Verfassung und Verwaltung der hessischen Kirche zu beginnen.“88 Schließlich wurde an demselben Tag auch eine Änderung der Satzungen beschlossen. Diese wurden gegenüber den Satzungen von 1924 klarer gegliedert und gestrafft. Neu wurde in § 4 bestimmt, daß die Mitglieder „den bestehenden Wohlfahrtseinrichtungen des Pfarrervereins, wie Krankenkasse, Vereinigte Pfarrwitwen- und Waisenkasse und Pfarrtöchterhilfe, angehören“ müssen. Gegenüber der früheren Bestimmung wurde in § 6 der Vorstand unter Einbeziehung des Schriftleiters des „Pastoralblattes“ von vier auf fünf Mitglieder erweitert. Es wurde geklärt, daß im Sinne des § 26 BGB der Vorsitzende und sein Stellvertreter sowie der Schriftführer „den Verein gerichtlich und außergerichtlich“ vertreten. Ausdrücklich festgelegt wurde zum ersten Mal, daß die Vorstandsmitglieder ihre Aufgabe eh88 Ebd. Durch diese Resolution sollte Möller vom Pfarrerverein „der Rücken gestärkt werden“, nachdem „der Landesoberpfarrer durch Beschluß der Kirchenregierung v. 15. 6. von dieser bevollmächtigt worden ist ‚zu allen Maßnahmen, die aus der Neuordnung des deutschen Kirchenwesens sich als notwendig ergeben’“; Protokollbuch 1933-1948, Ausschußsitzung, 21. 6. 1933.
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renamtlich erfüllen, aber finanzielle Auslagen zurückerstattet bekommen. Dem Schriftleiter wurde „eine vom Gesamtausschuß festzusetzende Vergütung“ zugebilligt (§ 6). 2.5 Gefahr der Gleichschaltung Schon vor der Sooden-Allendorfer Versammlung war innerhalb der Pfarrerschaft die Befürchtung laut geworden, daß die verschiedenen Pfarrervereine im Deutschen Reich gleichgeschaltet werden sollten. Dazu erklärte Wepler in seinem Vorstandsbericht: „Der Verbandsvorsitzende D. Dr. Schäfer hat den Pfarrervereinen unter dem 7. Juni mitgeteilt, daß nach einer Aussprache mit dem Kommissar für Beamtenfragen, Reichskommissar Sprenger, eine Gleichschaltung der Pfarrervereine vorläufig nicht in Frage kommt.“89 Schon wenige Monate später heißt es im Protokoll der Vorstandssitzung vom 17. August 1933: „Versuch der Gleichschaltung des Pfarrervereins. Darüber, sowie über die Abwehr der versuchten Aktion durch eine Versammlung der Vertreter der 4 Pfarrervereine Hessen-Kassel, HessenDarmstadt, Frkf. a. M. u. Nassau berichten Wepler u. Schmidt ...“90 89
A.a.O. (s. Anm. 69), 26. Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 17. 8. 1933. Das Treffen fand im zeitweiligen Beisein des Vorsitzenden des Verbandes Deutscher Evangelischer Pfarrervereine, D. Dr. Schäfer, am 11. 8. 1933 in Frankfurt a. M. statt. Vgl. brieflichen Bericht von Schmidt (Hersfeld) an Wepler: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“. - Die „Abwehr“ war ein Brief an Meyer vom 11. 8. 1933, in dem die Vertreter der vier Pfarrervereine (Enders Frankfurt a. M.; Widmann - Hessen; von Oven - Nassau; Schmidt - Kassel) Meyers Ansinnen zurückwiesen mit der Begründung, „daß Herr Präses D. Dr. Schäfer mit der Reichsleitung in Verbindung steht und mehrfach über die in Frage stehende Angelegenheit Fühlung genommen hat. Es wird nichts geschehen, was nicht über die Adresse von Herrn Präses D. Dr. Schäfer läuft, der die Vollmacht hat, für die sämtlichen Pfarrervereine gegenüber allen kirchlichen, staatlichen und Reichsstellen Vereinbarungen zu treffen und 90
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Erklärungen abzugeben. Wir werden zu gegebener Zeit von uns aus das Nötige veranlassen und Wünschen der Reichsleitung bezgl. der Organisation der Pfarrervereine jede gebührende Rechnung tragen“; Abschrift des Briefes an Meyer und Hektographie von Rundbrief Schäfers vom 12. 8. 1933 „An die Mitglieder des Weiteren Vorstandes des Verbandes Dtsch. Evang. Pfarrervereine“ mit Hinweis auf „ähnliche Nachrichten“ aus Oldenburg und Baden („Ich bitte, alle derartigen Versuche zunächst abzuweisen und mir Nachricht zu geben.“): PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“. - Auf einem von ihm am 16. 8. 1933 geschriebenen, aber nicht abgesandten Brief (Original: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“) notierte Wepler mit Bleistift: „Gleichschaltung nicht nötig! Führertum haben wir immer gehabt!“ Gegen die Art und Weise des Vorgehens von Meyer äußerte Wepler „als Mitglied der N. S. D. A. P.“ sein Bedenken und schrieb weiter: „Sie werden verstehen, daß Ihr Vorgehen ohne Fühlungnahme mit den nationalsozialistischen Pfarrern unseres Vereins starkes Befremden hervorruft. Weder ich als Vorsitzender noch viele andere nationalsozialistische Kollegen wissen überhaupt von einem Bestehen einer Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Pfarrer in unserem Bezirk. Wenn eine Gleichschaltung der Pfarrer-Vereine erfolgen soll, so müßte doch zunächst erst mit solchen Kollegen in jedem PfarrerVerein Klarheit über die Angelegenheit geschaffen werden. - Es ist mir nicht bekannt, wie viele unserer Mitglieder der N. S. D. A. P. angehören. Ich schätze, daß es wohl 20-25 % sein werden. Deshalb würde ein unvorbereiteter Eingriff in die innere Angelegenheit unseres Pfarrer-Vereins ohne vorherige Fühlungnahme mit seinen Führern den Verein völlig zerstören. Führerschaft kann nur dort sein, wo ihr Vertrauen entgegengebracht wird. Unsere Mitglieder würden es aber entschieden ablehnen, sich von außen her einen Führer aufoktroieren zu lassen. Ich glaube unsere Verhältnisse richtig zu beurteilen, wenn ich sage, daß man diesem Verfahren passiven Widerstand entgegensetzen würde, d. h. man würde aus dem Pfarrer-Verein austreten und sich in kleinen Arbeitsgemeinschaften zusammenschließen. Damit würden wir die Gefahr des Partikularismus in unserer Pfarrerschaft heraufbeschwören. Wir würden also als Nationalsozialisten durch unser Vorgehen das Gegenteil von dem erreichen, was wir erstreben. - Ich bin dagegen überzeugt, daß sich unsere Mitglieder berechtigten Wünschen nach Gleichschaltung nicht widersetzen werden. Nach rechter Vorbereitung würde es leicht zu erreichen sein, daß dem Gedanken des Führertums mehr als bisher Rechnung getragen würde. - Ich weise darauf hin, daß wir in unserem Verein niemals eine Spaltung der Pfarrerschaft kennen gelernt haben. Sogenannte kirchliche Parteien, die von Pfarrern geführt und getragen wurden, hat es bei uns niemals gegeben. Die Pfarrerschaft hat in unserer Landeskirche, weil sie sich
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Mit Schreiben vom 11. August 1933 hatte Pfarrer G. A. Wilhelm Meyer (Frankfurt a. M.), Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer evangelischer Geistlicher, Hessen“, Wepler eine schriftliche „Vollmacht zur Gleichschaltung des Pfarrvereins (sic!) in Hessen-Kassel“ vorgelegt, nachdem er bereits am 6. August eine entsprechende Forderung erhoben hatte. Gleichzeitig teilte er mit, Pfarrer Karl Johannes Kaiser (Groß-Auheim) sei „bevollmächtigt, den Vorsitz zu übernehmen, den Vorstand neu zu bilden und neue Vertrauensmänner zu ernennen. Es handelt sich dabei um sachliche, durch die veränderte politische Lage geforderte Notwendigkeiten, bei denen also alle persönlichen Momente ganz auszuschalten sind und nicht in Frage kommen. Eine Weigerung zur Gleichschaltung würde die Auflösung des Pfarrvereins durch das Reich zur Folge haben und also zur Schädigung der einzelnen Mitglieder dienen. Im eigentlich selbstverständlich anderen Fall wird der Pfarrverein loyal zum Besten seiner Mitglieder weitergeführt durch die dazu berufenen neuen Männer.“91 immer zu ihrem Führer bekannt hat, einmütig zusammengestanden. Sie wird das auch in Zukunft tun. - Unser Verein hat durch seine großzügige Bruderhilfe, die er organisiert hat, seine besondere Note. Wer könnte es verantworten, daß Amtsbrüder, die lange Jahre hindurch große Opfer gebracht haben, durch einen Zwang, der sich bei gutem Willen vermeiden läßt, sich verbittert zurückziehen und den Verein auflösen? - Unser Verein hat ferner die Aufgabe, die Mitglieder zu theologischer Besinnung zu führen und zu kirchlicher Arbeit aufzurufen, die der Stunde Rechnung trägt. - Als Mitglied der N-S-DA-P trage ich die Verantwortung dafür, daß alles vermieden wird, was die segensreiche und brüderliche Arbeit in unserem Verein stört. Diesen Wunsch haben auch Sie ausgesprochen, und darum weiß ich mich mit Ihnen im Ziele eins, aber unterscheide mich von Ihnen vorläufig in der Wahl der Mittel, die zu diesem Ziele führen. - Ich bin gern bereit, mit Ihnen über die bei uns bestehenden Verhältnisse mündlich zu sprechen und Ort und Zeit für die Aussprache zu vereinbaren ...“ 91 Brief, Original: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“. Anlage: „Vollmacht, Frankfurt a/M., 1933 August 3. Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer evang. Geistlicher. Reichsführung. gez. Klein“ über die „Gleichschaltung der Pfarrervereine: Evangelischer Pfarrerverein in Frankfurt a/M.,
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Einen Tag nach der Vorstandssitzung berichtete Wepler am 18. August in fast gleichlautenden Briefen an Dithmar und Ritter, der auch Schimmelpfeng unterrichten sollte, über das, „was in diesen Tagen gegen den Pfarrerverein gespielt wurde“: „Meyer-Frankfurt scheint einen letzten verzweifelten Versuch gemacht zu haben, sich irgendwelchen Einfluß zu sichern. Ich weiß nicht, ob es Ihnen bekannt ist, daß er aus der Glaubensbewegung Deutscher Christen ausgeschlossen wurde. In einem Zeitungsartikel hatte er seinerzeit die Kirchenbehörden als marxistische Einfallstore bezeichnet. Diese leichtfertige Anschuldigung mußte er zurücknehmen und um Verzeihung bitten. Probst hat ihn daraufhin aus der Bewegung ausgeschlossen. In Frankfurt ist er jetzt völlig unmöglich. Nun scheint er auf politischem Wege eine Rolle spielen zu wollen. - Als er bei den Verhandlungen in Frankfurt am vorigen Freitag die Bevollmächtigung von der Reichsleitung vorlegen sollte, erklärte er sie zu Hause liegengelassen zu haben. Er war bereit, sie sofort beizubringen. Stattdessen sandte er anliegende Vollmacht eines Pfarrers Klein aus Bayern, von dessen Existenz niemand etwas wußte. Die ganze Sache mutet an wie eine Köpenickiade.“92 Offenbar um weiteren Gleichschaltungsversuchen vorzubeugen, berief der Vorstand am 17. August den Sontraer Pfarrer Thilo Ziegler, der wie Wepler DC-Mann war und der NSDAP angehörte, als beratendes Mitglied. Sobald Francke im Oktober gleichzeitig mit Eintritt in den Ruhestand nach über 40jähriger Pfarrerverein im Großherzogtum Hessen, Evangelischer Pfarrerverein in Hessen-Kassel, Evangelischer Pfarrerverein in Hessen-Nassau“. 92 Brief Weplers an Karl Bernhard Ritter, 18. 8. 1933, Durchschrift: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“. Vgl. Brief Weplers an Theodor Dithmar, 18. 8. 1933, Durchschrift: a.a.O. Dithmar war für Wepler ein wichtiger Informand über die Vorgänge in der Kirchenleitung wie über die Verhandlungen auf DEK-Ebene über die Kirchenreform in Großhessen. Dithmar antwortete am 19. 8. 1933 mit einem Brief, der seine Beurteilung der kirchenpolitischen Lage und der Rolle des Pfarrervereins zeigt: s. Anhang Nr. 12.
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Tätigkeit aus dem Vorstand ausschied, sollte Ziegler als ordentliches Mitglied dessen Nachfolger werden. Damit waren alle Vorstandsmitglieder außer Schimmelpfeng Parteigenossen und vertraten in der Kirchenpolitik die DC-Linie. Inzwischen hatte Wepler eine Antwort auf seinen Brief vom 16. August an den Verbandsvorsitzenden D. Dr. Schäfer (Remscheid) in der Hand. Unter dem 17. August schrieb dieser, er behandele die Angelegenheit ganz in Weplers Sinne, wie aus einer entsprechenden Notiz in Nr. 34/1933 des „Deutschen Pfarrerblattes“ ersichtlich. Dann fuhr er fort: „Mit Hossenfelder hatte ich schon längst vereinbart, daß von einer Gleichschaltung der Pfarrervereine nicht geredet werden könnte, zumal alles Politische von der Kirche fernzuhalten sei. Mittlerweile hat sich dieser Grund noch verstärkt und wird es nicht möglich sein, von der Politik aus in die Pfarrervereine mit Erfolg hinein zu funken. In der im Pfarrerblatt erscheinenden Notiz habe ich aufgefordert, daß von den Vorständen mir berichtet wird, wie die Zusammensetzung der Vorstände ist und daß von mir aus aus eigner Initiative eine Anpassung an die neuen Verhältnisse sinngemäß veranlaßt würde.“ Außerdem sei im Blick auf die Vorstandspostenbesetzungen „die Zahl der nationalsozialistischen Pfarrer so gering, daß sie aufs Ganze der Pfarrervereine gesehen nur bescheidene Ansprüche stellen können. Ich werde dafür sorgen, daß diese Sache gut in Ordnung kommt.“93 Daß die Entrüstung, die Wepler in seinen beiden Briefen an Dithmar und Ritter über den Gleichschaltungsvorgang zum Ausdruck brachte, nicht ganz ehrlich war, zumindest jedoch als Schutzbehauptung gedeutet werden kann, um die Sache aus kirchenpolitischen Gründen auf einen späteren, günstigeren Zeitpunkt verschieben zu können, geht aus einem Briefwechsel Anfang September zwischen dem in dem Schreiben Meyers vom 11. August genannten Pfarrer Kaiser (Groß-Auheim) und Wepler hervor. 93
Brief, Abschrift: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“.
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Kaiser an Wepler, 1. September 1933: Sehr geehrter Herr Amtsbruder! Was ich Ihnen jetzt schreibe, bitte ich streng vertraulich zu behandeln. Es wird Ihnen schon bekannt sein, daß auch die Pfarrervereine i. B. auf ihre Führung gleichgeschaltet werden sollen. Ich bin mit der Gleichschaltung des Kurhessischen und des Waldecker Pfarrervereins beauftragt worden. Der Vorstand wird in Zukunft nur aus nationalsozialistischen Pfarrern bestehen. Mir wurde gesagt, daß Sie der N. S. D. A. P. angehören. Ich bitte Sie, mir das umgehend zu bestätigen und mir in dem Falle, daß Sie schon die Mitgliedskarte besitzen, das Datum Ihres Eintrittes mitzuteilen, oder falls Sie erst Ihren Eintritt angemeldet haben, das Datum Ihrer Anmeldung. Ich würde dann veranlassen, daß Sie den Vorsitz des Kurhessischen Pfarrervereins behalten. Schmidt und Otto müßten ausscheiden, ich würde Ihnen die Kollegen Velbinger in Kassel und Veerhoff in Marburg zur Seite stellen. Falls Sie aber einen besonderen Wunsch i. B. auf die Vorstandsmitglieder haben sollten, bitte ich Sie, ihn mich wissen zu lassen. Sämtliche Herren des Vorstandes werden aber verpflichtet, der in Kürze von mir zu bildenden Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer evangelischer Geistlicher beizutreten. Heil Hitler!
Mit brüderlichem Gruß Kaiser94
Wepler an Kaiser, 8. September 1933: Sehr geehrter Herr Amtsbruder! Auf das Schreiben des Amtsbruders Meyers (sic!) in Frankfurt vom 6. 8. haben die Pfarrervereine von Hessen-Darmstadt, Wiesbaden, Frankfurt und Kassel u. a. geantwortet, daß Präses D. Dr. Schäfer in Remscheid mit der Reichsleitung der N. S. D. A. P. seit langer Zeit in Verbindung steht. Es darf nichts geschehen, was nicht über die Adresse von Schäfer läuft, der die Vollmacht hat, für die sämtlichen Pfarrervereine gegenüber allen kirchlichen, staatlichen und Reichsstellen Vereinbarungen zu treffen und Erklärungen abzugeben. Allen Wünschen der Reichsregierung bezügl. der Organisation der Pfarrervereine wird gebührende Rechnung getragen. Jede Sonderaktion scheint nach Lage der Dinge ausgeschlossen.
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Brief, Original: a.a.O.
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Mit Ihnen weiß ich mich völlig eins in der Forderung nach Gleichschaltung, aber lassen Sie uns nicht vergessen, daß 90 % der Pfarrerschaft seit den Novembertagen von 1918 die Träger des nationalen Gedankens gewesen sind, trotz aller Anfeindung von seiten der marxistischen Führer. Sie wissen auch, daß die Stellung unserer hessischen Pfarrer zum nationalsozialistischen Staate wohl ausnahmslos eine bejahende ist, auch dann, wenn die Mitgliedschaft der Partei noch nicht erworben wurde. Wenn einmal die deutsche Kulturgeschichte über die Zeit nach 1918 geschrieben wird, braucht die Pfarrerschaft im Vergleich zu allen anderen Beamtenschaften das Urteil der Geschichte nicht zu fürchten. Deshalb darf man den Pfarrervereinen nicht mit Mißtrauen begegnen. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß der Staat von jedem Pfarrer eine restlose Bejahung seiner heutigen Form und Aufgabe fordern kann. Darum sollte man jeden Amtsbruder auf die Verfassung des neuen Staates eidlich verpflichten. Ich bin der Ansicht, daß die kirchliche Behörde einen Pfarrer in seinem Amt nicht eher einstellen darf, bevor ihn der Regierungspräsident auf die heutige Staatsverfassung verpflichtet hat. Sie sehen also, daß ich mich mit Ihnen grundsätzlich völlig einig weiß. Ich habe aber Bedenken, ob wir jetzt den gesamten Vorstand äußerlich gleichschalten dürfen. Ich fürchte, daß das von weiten Kreisen unserer Mitglieder als ein Mißtrauensvotum empfunden wird. Unter keinen Umständen darf das vertrauensvolle Zusammenarbeiten, wie es die hessische Pfarrerschaft seit 42 Jahren gepflegt hat, gestört werden. Der Arbeit unseres Pfarrervereins ist es zu danken, daß es in unserer Landeskirche bisher niemals eine Partei- und Gruppenwirtschaft gegeben hat. Wir müssen also bei der Gleichschaltung so vorgehen, daß unsere Geschlossenheit nicht auseinander bricht. Vor allem muß der Eindruck vermieden werden, als ob unserer Pfarrerschaft von außen her etwas aufoktroiert [sic!] werden sollte. Da wir in unserem Verein seit langen Jahren bereits das Führerprinzip gehabt haben, müßte sich von da aus am besten die Gleichschaltung auswirken. Gegen Ihre Vorschläge betreffend Velbinger und Veerhoff habe ich grundsätzlich keine Bedenken. Veerhoff ist in weiten Teilen der Pfarrerschaft sehr beliebt. Unter (sic! soll heißen: Um der) Arbeitsfähigkeit des Vorstandes willen und aus Sparsamkeitsgründen sind mancherlei Rücksichten zu nehmen. Am besten würden wir uns einmal mündlich aussprechen müssen. Ich schlage Ihnen vor, daß wir einen Tag vereinbaren, an dem wir uns vielleicht in Bebra treffen. Die Kosten der Reise trägt der Pfarrerverein. Da am Dienstag, den [sic! dem] 12. der Landeskirchentag beginnt, werde ich Ihnen erst nach dessen Beendigung einen Vorschlag zu unserem Zusammentreffen machen.
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Mit amtsbrüderlichem Gruß Heil Hitler!
Ihr Wepler95
Wepler war also nicht grundsätzlich gegen eine Gleichschaltung des Pfarrervereins, dessen „Vorstand in Zukunft nur aus nationalsozialistischen Pfarrern bestehen“ sollte. Er wollte nur einen günstigen Zeitpunkt dafür abwarten und den Vorgang nach außen als eine innere Notwendigkeit erscheinen lassen. Jedoch nahm im Herbst 1933 die kirchenpolitische Entwicklung sowohl im Reich als auch in Hessen-Kassel einen Verlauf, der für eine Gleichschaltung ungünstig war, so daß diese vorerst noch unterblieb. 2.6 Deutsche Christen und Bruderbund Kurhessischer Pfarrer im Kampf um die Kirche - Staatliche Eingriffe Am 26. Juni 1933 war unter Mißachtung kirchlichen Rechts der Kasseler Stadtrat und Gaubeauftragte der DC Dr. Wilhelm Paulmann vom Staatskommissar für die evangelischen Landeskirchen in Preußen, dem Wiesbadener Landgerichtsrat Dr. August Jäger, zum „Bevollmächtigten für die Evangelischen Landeskirchen in Hessen-Kassel und von Waldeck und Pyrmont“ ernannt worden. Er hatte die Aufgabe, beide Kirchen in die neue Deutsche Evangelische Kirche, die am 11. Juli ihre neue Verfassung erhielt, im Sinne der DC-Kirchenpolitik einzu95
Brief, Durchschrift: a.a.O. Übrigens erhielt Pfarrer Kaiser wenige Wochen später vom Vorstand ein Darlehen „in Höhe der rückständigen Beiträge zu 5 % tilgbar mit 10 RM. am 1. 4. 1934“! Beschluß der Vorstandssitzung vom 2. 11. 1933 (Protokollbuch 1933-1948). Noch in der vorausgehenden Vorstandssitzung vom 11. 9. 1933 waren „ein neuer Versuch der Gleichschaltung von seiten Kaisers-Großauheim und die Schreiben D. Schäfers dazu mitgeteilt“ worden (a.a.O.).
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gliedern. Die am 23. Juli erfolgten Kirchenwahlen, die aufgrund eines Abkommens zwischen Paulmann für die DC und Ritter für die „Arbeitsgemeinschaft Kurhessische Kirche“ zwecks einer Einheitsliste keine Wahlen im eigentlichen Sinne waren, führten zu einem neuen Landeskirchentag, in dem die Mehrheit der Abgeordneten DC-Mitglieder waren. Er trat am 12. September nach einem Gottesdienst in der Karlskirche zu Kassel im Rathaus der Stadt zu seiner ersten Sitzung zusammen. Der Landeskirchentag beschloß die Einsetzung einer Einstweiligen Kirchenleitung (EKL), an deren Spitze der Vorstandsvorsitzende des Landeskirchentages, der fast 70jährige frühere Kasseler Metropolitan D. Theodor Dithmar, ein langjährig führender Mann des Pfarrervereins, enger Vertrauter Wep-lers und Freund der DC, stand. Mit der EKL sollte „der Weg freigemacht werden für eine Neuordnung in sachlicher und personeller Hinsicht. Es war die Absicht, eine Änderung der Verfassung in der Richtung auf das Bischofsamt herbeizuführen“.96 96
Slenczka (s. Anm. 28), 37. Zur EKL s. a.a.O., 35-47. Zum Engagement des Pfarrervereins im Blick auf den Landeskirchentag s. Weplers „nicht für die Öffentlichkeit bestimmtes“ Runschreiben vom 4. 7. 1933, abgedruckt bei Slenczka, a.a.O., 34. Bereits zwei Tage nach dem Landeskirchentag schrieb Wepler am 14. 9. 1933 „An die Leitung der Evangl. Landeskirche zu Hessen-Kassel“: „Der Pfarrer-Verein Hessen-Kassel ist ein eingetragener Verein und umfaßt die Pfarrerschaft der Landeskirche. Nach seinen Satzungen hat er die Aufgabe, seine Mitglieder zu theologischer Besinnung und zu lebendiger Teilnahme an den kirchlichen Aufgaben der Gegenwart zu rufen. In seinen Wohlfahrtseinrichtungen gewährt er den Mitgliedern und ihren Hinterbliebenen Hilfe in Not. Der Pfarrer-Verein hat sich wiederholt dankbar zum neuen Deutschland bekannt und dem ihm von Gott geschenkten Führer treue Gefolgschaft gelobt. Die Pfarrerschaft ist sich der Verantwortung voll bewußt, daß es ihre vornehmste Aufgabe ist, in Wortverkündigung, Seelsorge und praktischer Tat mit den ewigen Kräften des Evangeliums an der sittlichen Erneuerung des deutschen Volkes mitzuarbeiten. Der Pfarrer-Verein wird von einem Vorstand geführt, der sich z. Zt. aus folgenden Mitgliedern zusammensetzt: 1. Hermann Wepler, Pfarrer in Eschwege, Mtgl. d. N.S.D.A.P. u. d. Glaubensbewegung Deutsche Christen. 2. Helwig Schmidt, Pfarrer in Hersfeld, Mtgl. d. Glaubensbewegung Deutsche Christen. 3. Thilo Ziegler,
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In seinem Bericht über den Verlauf des Landeskirchentages im „Pastoralblatt“ vom 1. Oktober schrieb Wepler, unverblümt offenbarend, wie der politische Stil der Nationalsozialisten auch innerhalb der Kirche Einzug hielt, u. a.: „Niemals ist in der Geschichte unserer Landeskirche die Tagung der Generalsynode oder des Landeskirchentages in den Kreisen der Pfarrerschaft mit solcher Spannung erwartet worden, wie die Tagung vom 12. September ... Wer große Reden erwartet hatte, kam nicht auf seine Kosten und wurde enttäuscht. Die alte Form des Parlamentarismus ist nicht zur Geltung gekommen. Dafür ist die Zeit auch im kirchlichen Leben vorbei. Die Entscheidungen, die fallen sollten, waren vorbereitet. Niemand konnte auf den Gedanken kommen, in letzter Stunde noch Überraschungen bereiten zu wollen ... Der Wille zur Einmütigkeit war vorhanden. Man war sich bewußt, daß es nicht dem Wesen der Kirche entspricht, Sieger und Besiegte erkennen zu lassen. Die Evangelische Kirche hat Raum für alle, die guten Willens sind. Märthyrer (sic!) soll es in ihr nicht geben. Beim besten Willen zu brüderlicher Verständigung werden sich gewisse Härten niemals ganz vermeiden lassen. Die Neugestaltung der Kirche aus Glauben drängt zu Entschlüssen, die nicht von allen Vertretern gebilligt werden. So war es auch in der evangelischen Kirche des vergangenen Deutschlands, so wird es auch in der des Dritten Reiches bleiben. Nur mit dem Unterschied, daß bestehende Gegensätze Pfarrer in Sontra, Mtgl. d. N.S.D.A.P. u. d. Glaubensbewegung Deutsche Christen. 4. Wilhelm Otto, Pfarrer in Marjoss, Mtgl. d. N.S.D.A.P. u. d. Glaubensbewegung Deutsche Christen. 5. Dr. Hans Schimmelpfeng, Pfarrer in Marburg. Die Leitung der Landeskirche zu Hessen-Kassel bitte ich, den Pfarrer-Verein als Vertretung der hessischen Pfarrerschaft anerkennen und bestätigen zu wollen, daß die Zusammensetzung seines Vorstandes dem Beschluß des Landeskirchentages vom 12. September betr. Umstellung nach dem Ergebnis des 23. Juli 1933 entspricht“; Brief, Durchschrift: PfrVAkten, Mappe „1929-1934. Verkehr mit den kirchlichen Behörden“. - Die Anerkennung erfolgte am 21. September, mitgeteilt von der EKL (D. Dithmar) am 9. 11. 1933; Brief, Original: a.a.O.
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nicht durch langen Wortkampf erst in die Öffentlichkeit getragen werden. Das ist eine erfreuliche Erscheinung, die uns der Nationalsozialismus auch für unser kirchliches Leben gebracht hat.“ Das Gesamtergebnis des Landeskirchentages hat aber, wie Wepler meinte, viele enttäuscht. Denn „der heiße Wunsch nach einer Großhessischen Kirche, wie sie unter Philipp dem Großmütigen bestand, wurde nicht erfüllt.“ Hier hatten die staatlichen Verwaltungsbehörden gebremst: „Schwebende Verhandlungen über die künftige Gestaltung eines Kurhessischen Wirtschaftsgebietes mit Kassel als Mittelpunkt geboten es, diesen Bestrebungen durch einen Zusammenschluß mit den Landeskirchen von Frankfurt a. M., Nassau und Hessen-Darmstadt nicht vorzugreifen.“ Im übrigen gelte es, „zunächst die Länderreform des Reiches“ abzuwarten. „Sobald der Reichskanzler sie gegeben hat, steht unsere Landeskirche erneut vor der Frage, sich über ihre künftige Gestaltung zu entscheiden.“ Die Kirche muß dabei „die Freiheit haben, sich das zu geben, was ihrer Lebensmöglichkeit und ihrer Eigenart entspricht“. Mehrfach wurde „zum Ausdruck gebracht, daß die Lösung der Kirchenfragen von politischen Erwägungen nicht abhängig gemacht werden dürfe“. Der Beschluß des Landeskirchentages, daß alle kirchlichen Behörden und Verwaltungsorgane wie die von der Kirche unterstützten Verbände und Anstalten „in bezug auf ihre Besetzung durch Geistliche, Beamte und Angestellte dem Ergebnis des 23. Juli 1933 entsprechend umzustellen“ sind, was in der Praxis bedeutete, daß die DC überall Einzug halten würden, deutete Wepler beschwichtigend so: Die Leitung der Landeskirche wird bei der Umsetzung dieses Beschlusses „so verfahren, daß nicht eine mechanische Umstellung nach Prozentsätzen erfolgt. Verdiente und unentbehrliche Pfarrer und Beamte werden nicht abgelöst. Das würde auch nicht dem Geiste des Nationalsozialismus entsprechen, aus dem dieser Beschluß hervorgegangen ist.
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Der Führer des Deutschen Volkes hat entschieden, daß nicht die Parteizugehörigkeit, sondern die Fähigkeit der Wertmaßstab für den Beamten ist. Das gilt besonders für das kirchliche Leben.“97 Aber die DC waren mit ihrer Kirchenpolitik in HessenKassel damit keineswegs am Ziel angelangt. Denn das seit dem sogenannten Heß-Erlaß vom 13. Oktober 193398 spürbare Abrücken der NSDAP von den DC und die wachsende Kritik nach der berüchtigten Sportpalastkundgebung in Berlin am 13.
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H. Wepler, Der Landeskirchentag, Pastoralblatt 42 (1933) (31-32) 31. Innerhalb der Kirche stand im Blick auf die „Fähigkeit“ der Beamten die Frage zur Debatte, welche Folgerungen das am 7. 4. 1933 erlassene staatliche „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ für die Pfarrerschaft und Kirchenbeamten habe. Denn am 6. 9. 1933 hatte die Generalsynode der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union die Übernahme dieses Gesetzes und damit die Einführung des sog. Arierparagraphen in einem kirchlichen „Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Geistlichen und Kirchenbeamten“ beschlossen. Die Theologischen Fakultäten Marburg und Erlangen erstellten daraufhin gegensätzliche Gutachten - Marburg gegen, Erlangen für die Einführung des Arierparagraphen. Die Texte sind abgedruckt u. a. in: H. Liebing (Hg.), Die Marburger Theologen und der Arierparagraph in der Kirche. Eine Sammlung von Texten aus den Jahren 1933 und 1934, Marburg 1977. Der Marburger Text stammte von Hans von Soden, vgl. die unten in Anm. 120 genannte Dokumentation, 52-59, 352-358. Beide Gutachten gingen auf eine von Kreispfarrer Schmidmann (Marburg) am 11. 9. 1933 namens einer aus geistlichen und weltlichen Abgeordneten des kurhessischen Kirchentages aus drei oberhessischen Kirchenkreisen an die beiden Fakultäten gesandten Eingabe mit der Bitte „um eine feierliche und verantwortliche Belehrung“ zurück. Wepler äußerte sich - wie übrigens auch der Pfarrerverein - offiziell nicht zu dem Problem. In einem Brief an Dithmar schrieb er aber am 25. 10. 1933: „In Nr. 20 der Christlichen Welt vom 21. Oktober las ich das Gutachten der Erlanger theologischen Fakultät über den ArierParagraph. Es steht in schroffem Gegensatz zu dem Marburger Gutachten. Ich stimme voll und ganz mit Erlangen überein und freue mich, daß Althaus diese Antwort gefunden hat“; PfrVAkten, Mappe „1929-1934. Verkehr mit den kirchlichen Behörden“. 98 Abgedruckt in: J. Gauger (Hg.), Chronik der Kirchenwirren I, Elberfeld 1934, 106.
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November 1933 99 mit der Folge zahlreicher Austritte aus der „Glaubensbewegung“ führten auch in Kurhessen zu Ansehensverlust und Meinungsänderungen. In dieser Situation wandten sich die DC in Hessen-Kassel unter Vermittlung des Pfarrervereins (Wepler) an die Leitung des mittlerweile gegründeten „Bruderbundes Kurhessischer Pfarrer“ und schlugen die Bildung einer „Einheitsfront“ der gesamten Pfarrerschaft vor. Ritter antwortete am 12. Dezember mit einem Schreiben an Paulmann, das den Mitgliedern des Bruderbundes wie auch Wepler und Ziegler zur Kenntnisnahme zuging. Er schrieb, er wende sich an ihn „als Gauobmann und nicht an Herrn Pfarrer Wepler, weil wir es nicht für die Aufgabe des Pfarrervereins halten können, in die kirchenpolitische Lage einzugreifen. Seine Aufgaben liegen auf anderem Gebiet, und jedes derartige Unternehmen seiner Leitung müßte dazu führen, daß der kirchenpolitische Kampf in den Pfarrerverein selbst hineingetragen wird und ihn sprengt ... Wir Glieder des Bruderbundes begrüßen es, daß diese Versammlung dem Wunsch nach einer Einheitsfront Ausdruck gegeben hat. Wie Ihnen bekannt sein wird, haben wir zu Beginn der kirchenpolitischen Kämpfe den ernsthaften und wiederholten Versuch gemacht, unserer Kurhessischen Landeskirche diese Einheit zu erhalten, haben aber zu unserem Schmerz erleben müssen, daß sie in dem Augenblick zerbrach, wo von außen her in einer Weise in die Entwicklung der Dinge eingegriffen wurde, die wir nicht als gerechtfertigt anerkennen können. Erst dadurch, daß ein Teil der Amtsbrüder in diesem Augenblick den Kampf um eine organische Neugestaltung unserer Landeskirche nach rein kirchlichen Gesichtspunkten preisgab, wurden wir gezwungen, eine Front innerhalb der Amtsbrüder aufzurichten.“ Und in aller Deutlichkeit betonte Ritter: „Verhandlungen zur Herstellung einer Einheitsfront erscheinen uns deshalb nur dann sinnvoll, wenn Sicherheit besteht, 99 Generalversammlung der Mitglieder des DC-Gaues Groß-Berlin mit Rede von Reinhold Krause über „Die völkische Sendung Luthers“.
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daß auch auf Seiten der Amtsbrüder der G. D. C. der ernsthafte Wille vorhanden ist zu einer ernsthaften Revision der Verhältnisse, die durch eine dem Wesen der Kirche widerstreitende Machtpolitik entstanden sind. Wir vermögen den auf diesem Wege geschaffenen Zustand als innerlich berechtigt und wahrhaftig nicht anzuerkennen, obgleich wir uns mitschuldig fühlen, weil wir seinerzeit nicht auf jede Gefahr hin protestiert haben.“ Weiter führte Ritter aus: „Wir sind auch der Auffassung, daß wir unsere unter unerträglichen Zwangsmaßnahmen und einer die Gewissen beschwerenden Willkürherrschaft leidenden Amtsbrüder in anderen Landeskirchen in ihrem schweren Ringen um ein mit geistlicher Vollmacht ausgestattetes Regiment und klare, geordnete Rechtsverhältnisse nicht im Stich lassen können. Solange der Kurhessische Teil der Amtsbrüder der G. D. C. durch seine Zugehörigkeit zu der Berliner Reichsleitung diese Politik stützt, sehen wir uns außer Stande, auf eine gemeinsame Front Hoffnung für unsere Kirche zu setzen. Den tieferen Grund aber für die sprengende Wirkung der G. D. C. in unserer Kirche sehen wir jenseits aller Personenfragen der Leitung in der theologischen Entscheidung für Lehrsätze (Hossenfelders 10 Punkte), die im Widerspruch stehen zu der eindeutigen Grundlage der Kirche in der Offenbarungsquelle der Hl. Schrift. - Durch Halbheiten und Unklarheiten in den Entscheidungen dieses Sommers ist die Autorität der Kirche bereits in einem Maße preisgegeben, das Gewissen der Gemeinden so verwirrt, die Verstörung der treusten Glieder unserer Kirche so groß, daß wir nur dann eine Hoffnung sehen, die Kirche vor dem Zerfall zu retten und sie gegenüber der bereits bedrohlich anwachsenden Front eines neuen Heidentums kampftüchtig zu machen, wenn aus der Bindung an Schrift und Bekenntnis auch alle Konsequenzen gezogen und die Erneuerung der Kirche aus ihren Grundlagen entschlossen in Angriff genommen wird.“ Ritter schloß seinen Brief mit den Sätzen: „Wir möchten nichts sehnlicher wünschen, als daß sich in diesem Willen unse-
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re Kurhessische Amtsbruderschaft zusammenfinden möchte. Von Kompromissen aber um des lieben Friedens willen vermögen wir uns nach dem erschütternden Gericht, das sich an der evangl. Kirche vollzogen hat, nichts mehr zu versprechen.“ Nachdem Ritter am 11. Dezember im Auftrag des Konvents des Bruderbundes Kurhessischer Pfarrer brieflich Wepler seinen Eintritt in die Führung der Glaubensbewegung Deutsche Christen (GDC) vorgehalten hatte, und zwar „in einem Augenblick, wo erhebliche Teile der G. D. C. sich in Erkenntnis der unheilvollen Auswirkung der Hossenfelder’schen Reichsleitung auf Einheit und Bestand der neu geschaffenen Reichskirche von dieser Reichsleitung losgesagt haben, wo der entschlossene Versuch gemacht wird, der Vergewaltigung und Verwüstung des kirchlichen Lebens in weiten Teilen vornehmlich Norddeutschlands ein Ende zu machen“, ein Schritt, mit dem Wepler auch die Verantwortung trage „für Methoden, die in den Augen jedes verantwortlich denkenden Gliedes der Kirche gerichtet sind“, antwortete ihm Wepler in einem dreiseitigen vertraulichen Brief vom 14. Dezember u. a.: „In die Führung der Kurhessischen GDC bin ich nicht eingetreten. Das habe ich stets als Vorsitzender des Pfarrer-Vereins und aus inneren persönlichen Gründen abgelehnt. Ich bin weit davon entfernt, mich mit all dem zu identifizieren, was bei Neugestaltung der Kirche durch die GDC geschehen ist. Seit Wochen bin ich über das, was in unserer Kirche vorgeht, stark beunruhigt. Darüber habe ich die einstweilige Kirchenleitung nicht im Unklaren gelassen. Zu Dithmar und Muster habe ich ganz offen davon gesprochen, daß man in der Pfarrerschaft jetzt auf eine Klärung der Verhältnisse drängt, und daß man schon von einer Bonzenwirtschaft in unserer Landeskirche spricht. Ich habe es ihnen nahe gelegt, selbst auf eine Entscheidung zu drängen und nicht abzuwarten, bis ein Sturm in der Kirche losbricht. Eine einstweilige Kirchenleitung ist nicht in der Lage, die Kirche in der Gegenwart zu führen und ihre Aufgaben zu lösen. Ich habe das mit aller Deutlichkeit gesagt,
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selbst auf die Gefahr hin, unbequem zu werden ... Sie ersehen daraus, daß ich auf kein System eingeschworen bin und mir die völlige freie Entscheidung im kirchlichen Handeln nach der jeweiligen Lage bewahrt habe. Das kann ich nicht in der Öffentlichkeit aussprechen, aber Ihnen darf ich es sagen, weil ich weiß, daß Sie verantwortungsbewußt handeln. Dabei will ich nicht verschweigen, daß ich nicht mit allen Ihren Maßnahmen einverstanden bin.“ Dann erklärte Wepler, wie die DC-Pfarrer-Entschließung vom 7. Dezember zustandegekommen ist. Auf seine Veranlassung hin habe „die Gauleitung die Pfarrerschaft der GDC zu einer Aussprache eingeladen. Ein Mitglied der Gauleitung wollte unbedingt dieser Aussprache beiwohnen. Ich habe das entschieden abgelehnt, weil wir Pfarrer allein sein wollten.“ In der Versammlung sollten die Gegensätze nicht noch verschärft werden. Besagte Entschließung hatte Wepler bereits „vorher formuliert. Es kam mir lediglich darauf an“, schrieb er an Ritter, „die Zustimmung der Pfarrerschaft dazu zu erreichen. Klar und deutlich sollte bei uns zum Ausdruck kommen, daß wir zur Kirche nicht anders stehen als Sie und Ihre Freunde. Hätte die Pfarrerschaft der GDC eine andere Stellung eingenommen, hätte ich mich von ihr trennen müssen.“ Die Leitung künftiger DCPfarrer-Versammlungen wollte Wepler nicht übernehmen, um sich damit angesichts seines Vorsitzes im Pfarrerverein nicht zu belasten. Wepler weiter an Ritter: „Zur Kirchenpolitik stehe ich anders als Sie. Sie möchten dieselbe von theologischen Grundsätzen und bekenntnismäßigen Bindungen geführt wissen. Ich lasse mich dabei nur von sachlichen Notwendigkeiten bestimmen. In aller Kirchenpolitik ist es früher wie heute recht menschlich zugegangen. Dafür haben wir auch leider genügend Beispiele aus unserer Landeskirche der Vor- und Nachkriegszeit. Oft waren es sehr persönliche Motive der Eitelkeit, des Machtstrebens, der studentischen Bindungen u. a. Kurz gesagt, es war oft ein
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recht unsauberes Geschäft. Auch die Personalpolitik, wie sie früher getrieben wurde, fällt weithin unter dieses Urteil. Zu jenen Motiven kam [sic! kamen] zuweilen noch Furcht und Unaufrichtigkeit hinzu. Das alles hat mich mit Ekel erfüllt und in meinem Urteil bestärkt, daß man sich in der Kirchenpolitik nicht auf sein Gewissen zurückziehen soll.“ Eine solche Begründung beruhte nach Weplers Eindruck „oft auf innerer Unwahrhaftigkeit ... Darum mein Grundsatz: Kirchenpolitik nur aus sachlichen Erwägungen heraus“! Gegen Ritters Einwände, die er als „durchaus beachtlich“ einschätzte, waren Wepler aber im Augenblick „Männlichkeit und restlose Aufrichtigkeit im Blick auf unsere Lage wertvoller als theologische Erwägungen“. Und in dieser Hinsicht sei zu sagen: „Wenn die Pfarrerschaft keine Einheitsfront bilden kann, und wenn Sie dieselbe von Vorgängen abhängig machen, die außerhalb unserer Landeskirche geschehen sind, dann tragen Sie die Verantwortung für die künftige Entwicklung. Ich sehe nur zwei Möglichkeiten. Entweder die Einheitsfront der Pfarrer, oder neue Kirchenwahlen. Wie diese Kirchenwahlen ausfallen werden, darüber kann für den, der die Dinge wirklich sieht, kein Zweifel sein. Mit Ablehnung der Einheitsfront wäre für etwaige Neuwahlen auch die Ablehnung von Einheitslisten gegeben. Darauf müssen wir um der Wahrheit willen drängen. Es würde sich dann zeigen, wer von uns in einer heillosen Illusion befangen ist, und wem es darum geht, Volkskirche oder Theologenkirche zu bauen. Ich glaube, daß eine Zusammensetzung des Landeskirchentages durch die Entscheidung eines Wahlkampfes weder Ihrem Wunsche noch dem meinigen entsprechen würde. Vor diese Entscheidung sehe ich mich gestellt, und von da ist meine Haltung einzig und allein bestimmt. Nun handeln Sie, lieber Herr Amtsbruder, entweder vom grünen Tisch oder von der konkreten Lage aus!“100 100 Am 16. 12. 1933 antwortete Ritter: „Sie wissen, daß ich mit Leidenschaft der Überzeugung bin, daß es auch in der Kirchenpolitik um die Substanz der
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Noch vor Ritters Absage an die DC, die im Zusammenhang mit der allmählichen Sammlung von Pfarrern und Gemeindegliedern im Sinne der späteren Bekennenden Kirche zu verstehen ist, berichtete der ihm nahestehende und am 24. April 1933 in einem Brief an Wepler von ihm als Schriftleiter des „Pastoralblattes“ vorgeschlagene Marburger Amtsbruder Dr. Schimmelpfeng über eine „Tagung des Vorstandes und der Vertrauensmänner des Pfarrervereins am 29. November 1933 im ‚Nordischen Hof’ zu Kassel“ am 1. Dezember im Vereinsorgan: „Wepler gab einen Überblick über den gegenwärtigen Frontenstand. Neben der Glaubensbewegung Deutsche Christen steht seit einiger Zeit der Pfarrernotbund, bei uns in Kurhessen auch Pfarrerbruderbund genannt. Nicht ausgeschlossen ist, daß analog ähnlichen - politischen - Zusammenschlüssen anderer Berufe auch für den Pfarrerstand in Kürze ein solcher Zusammenschluß erfolgt. Angesichts dieser Tatsachen muß der Pfarrerverein sich seines ‚neutralen’ Charakters als einer Standesorganisa-
Kirche geht und daß man darum auch in der Kirchenpolitik nicht einem Realismus huldigen darf, wie er etwa im Wilhelminischen Zeitalter im Staate üblich war, die letzte Kraftlosigkeit dieser Art von Realpolitik ist m. E. inzwischen offensichtlich geworden. Die Stärke des Nationalsozialismus beruht ja doch wohl darauf, daß er Politik von einer Idee her treibt ... Auch ich hoffe sehr auf eine Einheitsfront unserer Pfarrerschaft. Ich glaube nur, man kann sie nicht konstatieren, sondern muß sie in Orientierung an den grundsätzlichen Anliegen, die uns heute bewegen, erkämpfen. Ich will diese Einheitsfront nicht von Vorgängen außerhalb unserer Landeskirche abhängig machen, sondern hoffe, daß das Gros der Pfarrerschaft sich bei uns in dem Kampf darum zusammenfindet, daß die Kirche nach ihren eigenen Lebensgesetzen erbaut und regiert werden muß. Um nichts anderes geht es uns ... Den Gegensatz Volkskirche - Theologenkirche kann ich nicht anerkennen. Es kann immer nur gehen um die Frage Kirche oder Nicht-Kirche ...“ Alle Briefe Weplers und Ritters: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“. [Zu den Anfängen und den frühen Aktionen des Bruderbundes Kurhessischer Pfarrer s. jetzt Hein, Kirche im Widerspruch, (Bd. I) (s. Anm. 75)].
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tion bewußt bleiben und versuchen, auch weiterhin den ehrlichen Makler zu spielen.“101 2.7 Aufruf zur Volksmission Bei dieser Tagung wurde die Notwendigkeit der Volksmission in der Landeskirche betont. Dabei sollte nicht so sehr an die Volksmissionsbewegung in der Weimarer Zeit angeknüpft werden, als vielmehr dem soeben, am 10. November 1933, von der Leitung der Reichskirche ergangenen Aufruf zur Volksmission entsprochen werden. Zugleich sollten die „Richtlinien der Reichskirchenregierung für die Volksmission der Deutschen Evangelischen Kirche“102 den Pfarrern in der Landeskirche zur Beachtung empfohlen werden. 101
Pastoralblatt 42 (1933) 38. Schriftführer Pfarrer Helwig Schmidt (Hersfeld) protokollierte über den Tagesordnungspunkt der Ausschußsitzung (Vertrauensmänner) vom 29. 11. 1933 „Die Lage der Pfarrerschaft und ihre Neugestaltung in der Reichskirche“ (Protokollbuch 1933-1948): „Da eine Einheitsfront der Pfarrerschaft heute nötiger denn je tue, sei die Arbeit des Pfarrervereins nicht zu entbehren. Die verschiedenen Gruppen der Pfarrerschaft (G.D.C., N.S.P.B. und Notbund) zogen an unserem Auge vorüber und wurden charakterisiert. Ihnen allen gegenüber stellt der Pfarrerverein seine Aufgabe klar heraus, er treibt keine Politik und Kirchenpolitik und muß alle Richtungen umschließen.“ Weplers Plan, „einige Pfarrer der G.D.C. und der Notgemeinschaft zu brüderlicher Aussprache zusammenzurufen“, wurde vom Ausschuß gebilligt. Bei der Besprechung der kirchlichen Lage wurde auf „die drohende Verschüttung der hess. kirchl. Sitte durch S.A. und H.J. hingewiesen und um ihre Abwendung beraten. Bei den Konfirmanden muß u. a. (unter allen; B. J.) Umständen kirchlicher Dienst vor H.J.-Dienst gehen.“ Im übrigen solle der Vorstand in der Jahresversammlung Vorschläge machen, „wie dem Führergedanken in unserer Satzung Rechnung zu tragen sei“. 102 Abdruck in: Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche (15. 11. 1933) 25-28. Der ebenfalls vom Kirchenminister Hossenfelder unterzeichnete „Aufruf“ (a.a.O., 23f) mußte am 19. 11. 1933 in allen Gottesdiensten verlesen werden.
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Am 15. und 16. Januar trafen sich daraufhin in der Evangelischen Akademie Kassel auf Aufforderung der Kirchenleitung etwa 20 Pfarrer der Landeskirche zu einer Volksmissionstagung.103 Den Hauptvortrag hielt Kreispfarrer D. Steinweg (Rotenburg/Fulda): „Volksmission. Grundsätzliches zu den ‚Richtlinien für die Volksmission der deutschen evangelischen Kirche’“.104 Für Steinweg war Wicherns Ruf zur Inneren Mission „genau dasselbe wie der heutige Ruf zur Volksmission“. Diese hat von der „inneren Not der Volkskirche“ auszugehen. Sie „ist Kampf um die Seele unseres Volkes, ist ... ‚Kirche im Angriff’, d. h. ist Angriff auf die Glaubenslosigkeit und kirchliche Entfremdung in der eigenen Mitte“. Daß die Volksmission es „ganz wesentlich mit dem Volk zu tun“ hat, „empfinden wir heute stärker als früher, denn der Nationalsozialismus hat uns ein neues überwältigendes Erlebnis dessen gebracht, was Volk, Volksgemeinschaft, Volkszusammenhang und Volksverbundenheit bedeuten. Durch dies Erlebnis ist die Volksmission von heute aufs stärkste bestimmt.“ Bei einem Vergleich zwischen früher und heute stellte Steinweg fest: „Die Evangelisation alter Zeit, insbesondere die auf dem Boden der Gemeinschaftsbewegung gewachsene Evangelisation, war wesentlich individualistisch, sie war auf den einzelnen gerichtet und darüber hinaus höchstens noch auf die Gemeinschaft der einzelnen bekehrten Christen. Die Volksmission, die nach der Revolution 1918 einsetzte, ist über die individualistische Einstellung der alten Evangelisation nicht wesentlich hinausgekommen, trotz des Namens Volksmission. Die Volksmission von heute, die Volksmission im nationalsozialistischen Dritten Reich kann gar nicht anders als ihren Ausgangspunkt nehmen von der Tatsache der Volkskirche und von der neuerlebten Wirklichkeit des Volkes als einer in Rasse und Blut, Boden und gemeinsamer Geschichte begründeten Größe. Sie muß 103 104
Vgl. den Bericht von Erich Freudenstein in: Pastoralblatt 43 (1934) 1-2. Pastoralblatt 43 (1934) 2-5.
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als letztes Ziel ins Auge fassen, Volk und Kirche wieder in engste Verbindung miteinander zu bringen, damit nicht nur das Volk, sondern auch die Volkskirche ein Erlebnis von zwingender Gewalt für den deutschen evangelischen Menschen wird.“ Die Volksmission hat „Menschen zu Christus zu rufen und in die Gemeinde einzugliedern. Sie hat darum zu ringen, daß eine Gemeinde der Gläubigen in unserem Volke entsteht, und daß diese Gemeinde durch das Mittel der Volkskirche mit dem Volke, seinem Leben und seinem Schicksal aufs engste verbunden ist und sich diesem Volk aufs tiefste verpflichtet fühlt ... Gemeinde Jesu Christi im Volke, mit dem Volke verbunden und dem Volke verpflichtet, das ist das Ziel volkskirchlicher Mission!“105 Nach Steinweg geht es darum, „die sich aus der gegenwärtigen politischen und geistigen Lage in Deutschland“ ergebenden Themata theologisch zu bearbeiten und in volksmissionarische Aktion umzusetzen. Vor allem aber müssen „die elementarsten und einfachsten christlichen Glaubenswahrheiten und Lehren über Glaube, Bibel, Sakramente, Sünde, Erlösung, Schöpfung, Kirche“ bearbeitet und dargeboten werden. „Denn gerade über diese einfachsten Elemente christlicher Glaubenslehre herrscht die meiste Unklarheit. Am allernotwendigsten haben wir einen einfachen Katechismusunterricht für Erwachsene.“ Das erfordert nicht nur eine ernsthafte theologische Besinnung, sondern auch, wie die Volksmissionsrichtlinien der DEK betonen, eine zeitgemäße und verständliche Sprache. In diesem Zusammenhang kritisierte Steinweg das Deutsch der jüngeren Theologen. Es sei „zum Teil durch die dialektische Theologie unglaublich verdorben. Die Terminologie, die sie sich angewöhnt haben und nicht selten auch der Gemeinde darbieten, kann man direkt eine Geheimsprache nennen, in die selbst gebildeten Menschen und Pfarrern aus früherer Zeit einzudringen nicht immer leicht wird.“ Das Evangelium muß aber „in der Sprache unserer Tage einfach und schlicht“ verkündigt 105
A.a.O., 3.
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werden. Dabei hat die Volksmission als „gegnerische Fronten“, die in Absatz 4 der Richtlinien genannt sind, im Blick: 1. das Freidenkertum marxistischer und völkischer Prägung, 2. das liberal-individualistisch-intellektualistisch geprägte Bürgertum, 3. das Sektentum, den Irr- und Aberglauben. Hinzu kommt „als schwierigste Front ... die unglaublich weitverbreitete Unwissenheit in den einfachsten Dingen des christlichen Glaubens und der Kirche“.106 In diesem Sinne ist Volksmission „das Ringen um die Seelen der Einzelnen und um die Volksseele - denn so etwas wie Volksseele gibt es, darin hat Stöcker völlig recht und darum Kampf gegen alle religiöse und kirchliche Not und das Heidentum in der Kirche selbst“.107 In derselben Nummer des „Pastoralblattes“ machte Pfarrer Lic. Altendorf (Hofgeismar) den Vorschlag, der Volksmission auch bei der Ausbildung des Theologennachwuchses besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Außer auf der Universität im Fach der Praktischen Theologie ist das Aufgabengebiet der Volksmission im Predigerseminar zu berücksichtigen. „Dem Predigerseminar fällt die Aufgabe zu, die Pfarramtskandidaten mit der praktischen Arbeit der Volksmission vertraut zu machen, am besten durch Beteiligung und Verwendung bei volksmissionarischen Veranstaltungen.“108 Für die Vorbereitung und praktische Durchführung der Volksmission schlug Altendorf den Kirchenkreis als verantwortliche Instanz vor: „Der Kreispfarrer leitet unter Assistenz besonders beauftragter Pfarrer die Organisation der Volksmission im Kirchenkreis. Ein Kreis kann sich sehr gut dadurch selber helfen, daß ein Austausch geeigneter Pfarrer in den einzelnen Kirchspielen zu volksmissionarischen Wochen oder dergleichen vorgenommen wird.“ Auf diese Wei-
106
A.a.O., 4. A.a.O., 5. 108 E. Altendorf, Die Volksmission und wir Pfarrer, Pastoralblatt 43 (1934) (6-7) 7. 107
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se „bleibt die Volksmission nicht nur Programm, sondern sie wird zur Tat“. Mit diesem Vorschlag einer Verortung volksmissionarischer Schulung in den Kirchenkreisen wollte Altendorf aber keineswegs „die Bedeutung einer evangelischen Akademie für das Werk der Volksmission“ schmälern. Eine solche Akademie war damals gerade von den Kasseler Kirchengemeinden als eine Art staatskonformes Schulungszentrum in zeitgenössischen religiösen und ideologischen Fragen für Pfarrer und interessierte Laien gegründet worden. Nach Altendorfs Vorstellung sollten bei der Volksmission Kirchenkreis und Akademie „in fruchtbarster Wechselwirkung zueinander stehen. Nur, der Akademie allein kann die Schulung nicht überlassen bleiben, schon deshalb nicht, weil sie in den laufenden Kursen immer nur wenige Pfarrer erfassen und den Fortgang der Volksmission in den Kreisen unmöglich leiten und organisieren kann. Der Gefahr, über der Instruktion in den modernen weltanschaulichen und religiösen Bewegungen die Schulung zum positiven Aufbau in Gemeinde und Volk zu vernachlässigen, ist naturgemäß eine Akademie in besonderer Weise ausgesetzt.“109 Bei der erwähnten Kasseler Volksmissionstagung betonte Pfarrer Lic. Dr. Eylenstein (Kassel) aus seiner Erfahrung in der Männerarbeit, es gehe bei der Volksmission darum, „eine für die Aufgaben und den Kampf der Gegenwart bereite Christusgemeinschaft“ zu gewinnen. „Das Ziel stellt somit eine seelsorgerliche Aufgabe dar: Menschen einen neuen Lebensinhalt zu geben durch die rechte Einführung in die evangelische Wahrheit, dadurch, daß jeder in seiner konkreten Situation Gottes Wort hört und Gottes Willen erfüllt. Es geht nicht darum, irgendwelche Kenntnisse weltanschaulicher, moralischer oder auch religiöser Art zu vermitteln, noch viel weniger geht es bloß um die Überwindung gegnerischer Angriffe oder um die Herstellung 109 Ebd. Seit dem 13. 11. 1933 führte die Evangelische Akademie Kassel ihre Lehrgänge durch.
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einer formalen Kirchlichkeit, sondern es gilt, die Mächtigkeit des Evangeliums in der Gegenwart in den Irrungen des Menschenherzens und in der Verwirrung des Zeitgeistes aufzuweisen und zu bezeugen. Wo dieses Ziel erreicht ist, wo der Bruder durch Christus überwunden ist, da ist er auch immun gegen Unglauben und Irrglauben.“110 Als Zielgruppen der Volksmission benannte Eylenstein die verschiedenen Gemeindegruppen: die Kirchlichen, die Wiedereintretenden, die Arbeitslosen, die SA und die HJ.111 Inhaltlich gehe es bei der Volksmission um das Evangelium in den aktuellen Fragestellungen der Zeit. „Darum kann an sich Alles Unterrichtsstoff werden: von dem persönlichen Alltagsleben, das eine Auseinandersetzung mit dem Geist des Un- und Antichristentums erfordert und von den apologetischen Fragen des alten und neuen Freidenkertums und der landläufigsten Sekten, von der Geschichte mit ihrem Ringen zwischen Christus und Antichristus und von den heutigen großen politischen Fragen im weitesten Wortsinne (Rasse, Vererbung, heldisches Menschentum) bis zur systematischen Glaubenslehre und praktischen Bibelkunde und Bibelarbeit.“ Damit ist klar, daß die Schulung zur Volksmission „politisch sein muß“. Denn die Menschen müssen „als politische Menschen, d. h. als Glieder der neuen Volksgemeinschaft“ angesprochen werden. Einschränkend gestand Eylenstein allerdings zu, daß „die politische Verkündigung nie zur politischen Rede oder gar zur Gloriole des Politischen werden“ darf. Zwar „bleibt die persönliche Glaubensentscheidung dem Einzelnen“ vorbehalten. „Aber am Ende eines individualis110
E. Eylenstein, Männerdienst - Zur Gestaltung volksmissionarischer Männerschulung, Pastoralblatt 43 (1934) (7-9) 7. 111 Vgl. a.a.O., 7f. Kreispfarrer Laabs (Ziegenhain) nannte in seinem bei der Kasseler Tagung gehaltenen Referat über „Volksmission in Hessen“ ein dreifaches Ziel der Volksmission: 1. Erfassung der kirchenfremden Kreise, 2. Auflockerung gewohnheitsmäßiger Kirchlichkeit (Neudurchdringung mit innerem Leben), 3. Vertiefung im Glauben; vgl. Pastoralblatt 43 (1934) 1.
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tischen Zeitalters ist jede Privatisierung des Christentums verwerflich.“ Von daher war nach Eylensteins Auffassung nur derjenige zur Leitung von volksmissionarischen Schulungskursen befähigt, „der eine klare geistliche, geistige und kirchliche Führung zu geben vermag“. Die Leiter solcher Kurse dürfen „weder weltfremd noch weltverloren“ sein. „Die dazu fähigen und dafür interessierten Pfarrer müssen gesammelt und alljährlich geschult werden.“ Denn wie sie sich in biblischer Theologie und Dogmatik auskennen müssen, so müssen sie auch „in den heutigen Fragen der Rasse, Eugenik, in der deutsch-völkischen Bewegung (wie Deutschkirche, Tannenbergbund, Hermann Wirth, Rosenberg und Hauer) nicht schlagwortartig, sondern gründlich geschult sein.“ Die äußere Technik und die verschiedenen möglichen Arten der Schulung wie z. B. offene Form oder Vereinsabende, geschlossene Schulung in Volkshochschulen, Freizeiten usw. sind nicht so wichtig, meinte Eylenstein. Wichtig ist die Verwurzelung der Schulungsleiter in der „Gefolgschaft Christi“ im „Gemeindekern“, der als „symbolhafte Ausprägung der Kirche“ die „Bruderschaft Christi“ ist, „bereit zum Dienst und zum Kampf“. Wo die Volksmission am Werk ist, darf es „nicht beim Theologisieren und Debattieren bleiben“. Die von ihr Erfaßten müssen vielmehr „je nach ihrer Begabung und ihrem Christenstand in den Dienst“ als „Mithelfer und Mitkämpfer für das Evangelium“ in der eigenen Familie, am Arbeitsplatz oder in den eigenen kirchlichen Kreisen gestellt werden. Denn „was die Sekten von ihren Mitgliedern nicht vergeblich erwarten, was die politische Arbeiterbewegung und jetzt die Kämpfer des Dritten Reiches selbstverständlich fordern, das kann auch die Kirche beanspruchen“.112 Die Kirche kann also von der Welt lernen. In diesem Sinne stellte Pfarrer Lic. Thimme (Elm) in einem Artikel über „Schrif112
Eylenstein, a.a.O., 8.
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tenmission“ im „Pastoralblatt“ fest, es sei von den weltlichen Organisationen viel zu lernen, um eine erfolgreiche kirchliche Schriftenmission durchzuführen: „Adolf Hitler hat mit größter Sorgfalt die Flugblattliteratur der Entente studiert und daraus gelernt (vergl. Mein Kampf). Sehr viel ist für uns aus dem nationalsozialistischen Schrifttum, ja sogar aus dem bolschewistischen Schrifttum zu lernen. Sagt doch Christus nicht ohne Grund: Die Kinder der Welt sind klüger als die Kinder des Lichts in ihrer Art. Lernen wir, was zu lernen ist. Sapienti sat.“113 2.8 Auf dem Weg zur „Einheitsfront der Amtsträger“? Der Pfarrerverein stand dieser Art Volksmission positiv gegenüber, vor allem, wenn dadurch auch die Geschlossenheit der Pfarrerschaft im Kampf „um die Seele des Volkes“ zum Ausdruck kam. Überhaupt waren „Geschlossenheit“ und „Einheitsfront der Amtsträger“ die Parolen, die der Pfarrerverein damals ausgab. Schon im Sommer hatte Dithmar anläßlich des Gleichschaltungsversuches durch Meyer und Kaiser dem Vorsitzenden des Pfarrervereins geraten: „Wir brauchen mehr denn je die Geschlossenheit.“114 In diesem Sinne veröffentlichte Wepler dann auf der letzten Seite jener Nummer des „Pastoralblattes“ vom Januar 1934, in der die beiden oben erwähnten Beiträge zur Volksmission erschienen, folgenden Aufruf: An die Amtsbrüder, die sich dem Pfarrer-Verein noch nicht angeschlossen haben. Was will der Pfarrer-Verein?
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Pastoralblatt 43 (1934) (11-12) 12. Brief Dithmars an Wepler vom 19. 8. 1933, Original: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“. 114
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Nach § 3 der Satzungen: Pflege der brüderlichen Gemeinschaft, der theologischen Besinnung und Vertiefung zum Wohle der Kirche, Wahrung der Standesinteressen, Gewährung von Rechtsschutz, brüderliche Ermahnung, gegenseitige Hilfe. Was will der Pfarrer-Verein nicht? Er hält sich von jeder politischen Betätigung fern. Bei seinen Mitgliedern setzt er Bejahung des heutigen Staates und Gefolgschaft seinen Führern gegenüber als selbstverständlich voraus. Er treibt keine Kirchenpolitik im Sinne kirchenpolitischer Gruppen. Warum ist der Pfarrer-Verein heute nötig? Er ist die durch die Kirchenleitung anerkannte Standesvertretung der Pfarrer unserer Landeskirche. Seine Mitglieder schließt er trotz theologischer und kirchenpolitischer Gegensätze zu einer geistigen Kameradschaft zusammen und stellt die Einheitsfront der Amtsträger her, ohne dieses zu einem einmütigen Einsatz der in der Kirche lebenden Kräfte um die Seele des Volkes nicht kommen kann. An jeden Amtsbruder richtet sich die Frage: „Willst Du außerhalb dieser Einheitsfront Deines Standes stehen?“ Beitrittserklärungen nehmen die Vertrauensmänner in jedem Kirchenkreise an. Sie erteilen gern die gewünschte Auskunft. Der Evangelische Pfarrer-Verein Hessen-Kassel115
Mit Heft Nr. 6 des 42. Jahrganges des „Pastoralblattes“ gab Pfarrer Lic. Rudolf Francke (Heckershausen bei Kassel) am 1. Oktober 1933 die Schriftleitung an Pfarrer Dr. Hans Schimmelpfeng (Marburg) ab.116 In einer kurzen Notiz über „Die Ge-stalt des Pastoralblattes“ in der Zukunft wies dieser in derselben Nummer darauf hin, daß der Redaktionswechsel „in eine Zeit der Neugestaltung unserer Kirche“ falle. „Alte Fronten versinken, neue Fronten bilden sich. Theologische Gegner seither finden sich als Mitstreiter zusammen, und manche, die sich einander verbunden wußten, rücken auseinander. Ein völliger Stellungswechsel findet statt.“ Da das Vereinsorgan davon natürlich nicht verschont bliebe, war es Schimmelpfengs „aufrichtiger Wunsch, daß es Zeugnis ablege von diesem völligen Umbruch 115 116
Pastoralblatt 43 (1934) 12. Vgl. die Übergabemitteilung in: Pastoralblatt 42 (1933) 30 und 36.
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der Fronten“. Durch seine Verbindung mit dem Pfarrerverein, der ja Pfarrern verschiedener Meinungen und Richtungen offenstand, müsse das Blatt in seinen Äußerungen selbstverständlich „gewisse Rücksichten“ nehmen. Aber das dürfe das „Pastoralblatt“ nicht davon entpflichten, „Stellung zu nehmen zu den großen Geschehnissen dieser Zeit und insonderheit widerzuspiegeln, was uns kurhessische Pfarrer bewegt“.117 Seit Juni (Hauptversammlung des Pfarrervereins in Bad Sooden-Allendorf), seit dem Kasseler Landeskirchentag im September, spätestens jedoch seit der Vorstands- und Vertrauensmänner-Tagung am 29. November 1933 in Kassel war klar, was in dieser Umbruchszeit in Staat und Kirche die kurhessischen Pfarrer bewegte. Die im Frühsommer noch unklaren Fronten zwischen den verschiedenen kirchenpolitischen Richtungen in der Pfarrerschaft nahmen im Herbst durch die Gründung des Bruderbundes Kurhessischer Pfarrer unter weitgehender Integration der Jungreformatorischen Bewegung deutliche Konturen an. Gleichzeitig wurde, wie wir sahen, der Ruf nach einer Geschlossenheit und Einheitsfront der gesamten kurhessischen Pfarrerschaft unter dem Dach des Pfarrervereins immer lauter. So veröffentlichte Schimmelpfeng unmittelbar im Anschluß an den oben zitierten Aufruf Weplers an die Amtsbrüder, zwecks Bildung einer Einheitsfront der Amtsbrüder dem Pfarrerverein beizutreten, folgende Entschließung deutsch-christlicher Pfarrer unserer Landeskirche Eine Versammlung der Pfarrer, die sich als Mitglieder der Glaubensbewegung Deutsche Christen bekennen, hat am 7. Dezember 1933 in Kassel folgende Entschließungen einstimmig gefaßt: 1. Zur Abwehr unbegründeter Vorwürfe erklären wir, daß unsere Zugehörigkeit zur Glaubensbewegung Deutsche Christen nichts an unserer gewissensgebundenen Stellung zu den Grundlagen der Evangelischen Kirche in
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Pastoralblatt 42 (1933) 35.
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Heiliger Schrift und Bekenntnissen ändert, und daß das Ordinationsgelübde des Pfarrers dadurch nicht berührt wird. 2. Wir fordern, daß der Pfarrer in unbeschränkter Freiheit das Evangelium verkündigen kann. Jede Willkür, die ihm in Ausübung seines Amtes Fesseln anzulegen sucht, lehnen wir ab. Um der Kirche willen müssen wir erwarten, daß ein Pfarrer nur auf Grund eines ordentlichen Verfahrens, das durch das Kirchenrecht bestimmt ist, seines Amtes enthoben werden kann. 3. Wir bekennen uns zur notwendigen Herstellung einer Einheitsfront der Pfarrer unserer Landeskirche, ohne die ein geschlossener Einsatz der in unserer Kirche lebendigen Kräfte für die volksmissionarische Aufgabe nicht möglich ist. Die Einheit der Kirche und unser Dienst am Wort stehen uns höher als kirchenpolitische Wünsche. Die Einheitsfront suchen wir nicht durch Kompromisse und Abschwächung unserer Ziele herzustellen, sondern durch Verständnis und Achtung vor der Überzeugung der Amtsbrüder, die von ernstem Willen für die Aufgaben der Kirche beseelt sind.118
Zur Rechtfertigung der Veröffentlichung dieses Textes, dessen Inhalt besonders auf den Bruderbund („Notbund“) zielte, bemerkte Schimmelpfeng in einer Fußnote, es sei nicht seine „Absicht, kirchenpolitische Auseinandersetzungen irgendwelcher Gruppen in diesem Blatt zuzulassen. Die Aufnahme obiger Entschließung erfolgte nur deshalb, weil sie den Wunsch nach einer wirklichen Einheitsfront der Amtsbrüder ausspricht, worin die deutsch-christlichen Amtsbrüder sich in Übereinstimmung mit den Mitgliedern des Notbundes befinden.“ 119 Daß diese Übereinstimmung in Wirklichkeit aber nicht bestand, zeigte Ritters bereits erwähntes Schreiben in dieser Sache vom 12. Dezember 1933 an Paulmann. Die martialische Sprache all dieser Äußerungen, besonders aus den Reihen der DC-Pfarrer und aus dem entsprechend besetzten Vorstand des Pfarrervereins, kann jedoch die Tatsache nicht überdecken, daß Ende 1933 eine Geschlossenheit oder gar eine Einheitsfront der kurhessischen Pfarrerschaft - auch unter 118 Pastoralblatt 43 (1934) 12; so dazu die oben im Text genannte Antwort Ritters vom 12. 12. 1933 an Paulmann. 119 Pastoralblatt 43 (1934) 12.
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den Vereinsmitgliedern - nicht mehr existierte. Sie war bereits zerbrochen, bevor sie angestrebt wurde. Wenn sie überhaupt je zuvor existiert hatte (woran aufgrund der Quellen Zweifel angebracht sind), so war die Einheit des Pfarrerstandes, wie sie der Pfarrerverein immer schon angestrebt hatte, in kirchenpolitischer Hinsicht spätestens im Frühjahr (Hephata-Konferenz) oder Frühsommer (Hauptversammlung, Bad Sooden-Allendorf) brüchig geworden. Konnten bis dahin bei den großen Fragen, die die kurhessische Kirche bewegten (Ablösung von der Monarchie und damit Ende der Union zwischen Thron und Altar im weltanschaulich neutralen Staat der Weimarer Republik - Großhessische Kirche usw.), die Pfarrer unter der Ägide ihres Vereins sich immer wieder zu einer gewissen kirchenpolitischen Einmütigkeit zusammenfinden, so war dies im Laufe des Jahres 1933 - zumindest für die Zeit bis 1945 - endgültig dahingefallen. Dies kann im Rahmen dieses Beitrages aus Platzgründen im einzelnen nicht weiter ausgeführt werden. Aber einige Bemerkungen zu den Jahren 1934-1945 im Hinblick auf die Geschichte des Pfarrervereins in dem schwierigen Beziehungsgeflecht zwischen der kurhessischen Kirche, der angestrebten Reichskirche und dem nationalsozialistischen Staat mögen wenigstens die Richtung zeigen, in die der Pfarrerverein in diesen Jahren im Kampf um den Weg der Kirche gegangen ist. Aus der Fülle der den Pfarrerverein im Vorstand, im Ausschuß, in der Hauptversammlung wie in seinem Vereinsorgan „Pastoralblatt“ beschäftigenden Probleme wähle ich die kontinuierlich gestellte Frage nach der jeweiligen kirchlichen Lage aus. Darauf in verantwortungsvoller Weise als Standesvertretung der Pfarrerschaft immer wieder neu im ehrlichen Ringen um eine tiefgreifende Erneuerung der Kirche im nationalsozialistischen Staat überzeugende Antworten zu finden, war ein Bemühen, das sich durchgehend feststellen läßt. Wie weit sich der Verein in seinen verschiedenen Gremien dabei von theologischen und kirchlichen oder politischen und staatlichen Überzeu-
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gungen oder von einer Mischung aus beiden leiten ließ, wird sich zeigen. Methodisch lassen sich die Frage nach der jeweiligen kirchlichen Lage und ihre Beantwortung am besten chronologisch an Hand der bisher unveröffentlichten Protokolle der Vorstands- und Ausschußsitzungen, der Jahresberichte des Vorsitzenden und der Berichte über die Jahreshauptversammlungen sowie weiterer, zumeist noch unveröffentlichter Dokumente aus dem Pfarrervereinsarchiv darstellen. 2.9 Das Jahr 1934 Im Jahr 1934 fanden neun Vorstands- und zwei Ausschußsitzungen, zwei Mitglieder- und eine Hauptversammlung[en] des Pfarrervereins statt. Aus den Protokollen der Sitzungen und Versammlungen ergibt sich folgende Einschätzung der kirchlichen Lage. Im Protokoll der Vorstandssitzung vom 18. Januar 1934 (anwesend: Wepler, Francke, Schmidt, Ziegler, Striening) heißt es: „Der Vorsitzende gab eine Übersicht über die kirchliche Lage. Er betonte, daß wir zwar zur Kirchenpolitik, aber nicht zur Kirche anders stehen als die Brüder des Notbundes. Ferner ward das Provisorium der Kirchenregierung und die Evangelische Akademie in Wolfsanger ausgiebig besprochen. Ebenso die Lage des Reichsbischofs und der D.C.“120 120
Dieses und die folgenden Zitate, wenn nicht anders vermerkt, nach: PfrVAkten, Protokollbuch 1933-1948. Offensichtliche Schreibfehler habe ich stillschweigend korrigiert, ebenso falsche Satzzeichen. - „Wolfsanger“: Stadtteil von Kassel. Zur weiteren Orientierung über die Geschichte der Evangelischen Kirche von Hessen-Kassel (später: von Kurhessen-Waldeck) in den Jahren des Dritten Reiches s. außer dem oben Anm. 28 genannten Buch von H. Slenczka vor allem G. Schmidmann, Ich denke der alten Zeit ... Erinnerungen, Dreihausen über Marburg-Lahn o. J. (Sonderdruck aus „Deine Kirche“ - Gemeindeblatt des Kirchenkreises Marburg-Land); W. Maurer, Aus dem Kirchenkampf in Kurhessen, Pastoralblatt 52 (1950) Nr. 4, S. 4-6; J.
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Steinweg, Die Kreispfarrer-Konferenz im Kirchenkampf in KurhessenWaldeck, Pastoralblatt 56 (1954) 162-167; M. Hederich, Um die Freiheit der Kirche. Geschichte der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (MonHas 1), Kassel 21977 [ders., Im Würgegriff der Diktatur. Beiträge zur Geschichte der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck in der Zeit des Dritten Reiches (Überwachungs- und Strafmaßnahmen der Geheimen Staatspolizei im Bereich der Evangelischen Kirche von KurhessenWaldeck in den Jahren 1933-1938) (Sondernummer des Hessischen Pfarrblatts für den Bereich von Kurhessen-Waldeck), Marburg 2000; ders., Über den Kirchenkampf im „Dritten Reich“. Zur Problematik von kirchenhistorischen Darstellungen, HPB (2004) 215-219; ders., Dem Unrecht widerstehen. Der Kampf des waldeckischen Pfarrers Wilhelm Menge um seine Kirche und Gemeinde in Nieder-Ense von 1933 bis 1936 (Waldeckische historische Hefte 8), Bad Arolsen 2004; ders., Bekenntnis im Widerstreit. Bernhard Heppe (Mitbegründer, Organisator und Seelsorger der Bekennenden Kirche von Kurhessen-Waldeck) (Sondernummer des Hessischen Pfarrblatts für den Bereich von Kurhessen-Waldeck), Kassel 2007; ders., Die in der Mitte sieht man nicht! Kurhessische Theologen zwischen BK und DC, HPB (2007) 164167; ders., Karl Bernhard Ritter. Reformer, Kämpfer, Seelsorger. Ein Lebensbild, Kassel 2010; ders., Theodor Dithmar (1863-1948). Ein kurhessischer Kirchenführer in schwierigen Kampfjahren, HPB (2012) 65-67]; D. Waßmann, Waldeck. Geschichte einer Landeskirche (MonHas 10), Kassel 1984; E. Dinkler/E. Dinkler-von Schubert (Hg.), Theologie und Kirche im Wirken Hans von Sodens. Briefe und Dokumente aus der Zeit des Kirchenkampfes 1933-1945, bearb v. M. Wolter (AKIZ A/2), Göttingen 21986; U. Schneider, Bekennende Kirche zwischen „freudigem Ja“ und antifaschistischem Widerstand. Eine Untersuchung des christlich motivierten Widerstandes gegen den Faschismus unter besonderer Berücksichtigung der Bekennenden Kirche in Kurhessen-Waldeck und Marburg, Kassel 1986 (dazu die kritischen Rezensionen von Th. Klein: HJL 36, 1986, 351-375; ders.: ZHG 92, 1987, 9-26; H. Kemler: JHKV 38, 1987, 69-76; K. Nowak: ZKG 99, 1988, 268-270); M. Hein, Geistliche Leitung und Einheit der Kirche. Zur Vorgeschichte und Einführung des Bischofsamtes in der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck, in: H. Kerner (Hg.), Lebendige Vergangenheit - Geprägte Gegenwart. Dona Historica Ecclesiae. Festgabe für Herrn Landesbischof Prof. Dr. Gerhard Müller DD, Nürnberg 1989, 17-45 [ND in: M. Hein, Weichenstellungen der evangelischen Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Beiträge zur Kirchengeschichte und Kirchenordnung (AKG 109), Berlin/New York 2009, 54-79]; B. Jaspert (Hg.), Erinnern - Verstehen - Versöhnen. Kirche und Juden in Hessen 1933-1945. Dokumentation einer Tagung
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2.9.1 Erster Konflikt mit dem Gauleiter von Kassel In der Vorstandssitzung vom 15. Februar 1934 (anwesend: Wepler, Francke, Schmidt, Schimmelpfeng, Ziegler, Steinmetz, Bachmann, Striening) wurde die kirchliche Lage „ergiebig besprochen, ebenso die Verordnung vom 4. 1. 1934, die laut kirchlichem Amtsblatt vom Februar 1934 zu Recht besteht: Jede kirchenpolitische Abkündigung von der Kanzel ist verboten. Francke stellt den Antrag, an die Kirchenregierung heranzutreten und sie zu bitten, unter Hinweis auf die hessische Renitenz von 1874, daß die Pfarrer, die gegen jene Verordnung in der Vergangenheit gefehlt haben, nicht mehr nachträglich belangt werden, zumal die Kirchenregierung selbst von ihrer Durchführung abzusehen gebeten hatte.“ In dieser Sitzung wurde auch auf dem Hintergrund eines Schreibens, in dem Wepler im Auftrag einer am 18. Januar eilends in Kassel abgehaltenen DC-Pfarrerkonferenz als Vorsitzender des Pfarrervereins am 25. Januar heftige Vorwürfe des Kasseler Gauleiters Karl Weinrich gegen die Pfarrerschaft zuder Evangelischen Akademie Hofgeismar (Didaskalia 40), Kassel 1992; [H. Schneider (Hg.), Bernhard von Hallers Aufzeichnungen über den Kirchenkampf in Waldeck 1933/1934, Geschichtsblätter für Waldeck 77 (1989) 81188; ders., Art. Kurhessen-Waldeck, TRE 20 (1990) 337-342; D. Waßmann, Evangelische Pfarrer in Kurhessen und Waldeck von 1933 bis 1945 (MonHas 24), Kassel 2001; sowie die in Anm. 75 genannten Sammelbände von M. Hein und M. Dorhs; G. Schmerbach, „Welche Stellung nimmst du nun zwischen den Fronten ein?“ D. Friedrich Happich (1883-1951). Pfarrer, Vorsteher des Hessischen Brüderhauses, Direktor der „Anstalten Hephata“ ... Leben und Erleben zwischen Wilhelm II. und Adenauer, Schwalmstadt-Treysa 2004; J.-Ch. Kaiser, Die Landeskirche zwischen 1925 und 1945, in: R. Hering/J.Ch. Kaiser (Hg.), Kurhessen und Waldeck im 20. Jahrhundert. Beiträge zur Kirchengeschichte, Bd. II, Kassel 2012, 227-383; M. Stahl, Vom Nationalsozialismus in die Demokratie. Die Evangelische Landeskirche von KurhessenWaldeck während der Amtszeit von Bischof Adolf Wüstemann (1945-1963) (KoGe 48), Stuttgart 2013 (mit wichtigen Abschnitten über Wüstemann und die kurhessische Pfarrerschaft im Dritten Reich)].
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rückweist, Weinrichs Antwort vom 9. Februar besprochen. Außerdem wurde vereinbart, daß drei Mitglieder des Bruderrates (Bachmann, Conrad, Velbinger) den Fall Uhl behandeln und dem Vorstand berichten sollten. Pfarrer Uhl (Kassel) hatte nach einer Großkundgebung Weinrichs am 18. Januar auf dem Kasseler Friedrichsplatz fünf Tage später dem Gauleiter brieflich mitgeteilt, er teile dessen Anklage gegen die Pfarrerschaft, denn leider sei es „bisher nicht gelungen, alle Pfarrer zu restloser und freudiger Bejahung des Werkes unseres Führers zu gewinnen“. Uhl äußerte „die herzliche Bitte: glauben Sie uns, daß es einen sicheren Stamm dem Führer bis zum Letzten treuer Pfarrer auch im Hessenlande gibt, die mit letzter Energie um ihre Amtsbrüder ringen. Wir müssen sie für den Nationalsozialismus gewinnen, dann werden alle kleinlichen theologischen Streitereien von selbst verstummen. Darum muß jetzt in jedem Kreis eine systematische Schulungsarbeit der Pfarrer und Kirchenvorstände in bewußt nationalsozialistischem Sinne beginnen.“ Dazu sollten „die besten Redner“ zur Verfügung gestellt werden, ja, Weinrich selbst möge „einmal zu solch einer Tagung, wenigstens hier in Kassel“, kommen. „Nur so wird die Sphäre des Vertrauens geschaffen, die zur Überwindung des letzten Pfarrers nötig ist. Nehmen Sie unseren ehrlichen Willen als eine Garantie dafür, daß unsere hessische Kirche bereit ist zu Treue und Hingabe für Adolf Hitlers Werk.“121 Waren Wepler und andere von ihm über diesen Brief Orientierte wie z. B. Dithmar zunächst empört, so verlief der Fall Uhl nach den Beratungen im Bruderrat bald im Sande. Ziegler sollte als „alter Kämpfer“ und Parteigenosse die Angelegenheit im direkten Gespräch mit Weinrich „gerade rücken“. Daß Weinrich durch Uhls Äußerungen sich in seiner Sicht der Pfarrerschaft bestätigt fühlte, zeigte seine Antwort auf Weplers Brief vom 25. Januar. Darin schrieb er, er brauche nicht zu erhärten, daß er 121
Brief vom 24. 1. 1934, Abschrift: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“.
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Grund genug zu seinen Auslassungen auf dem Friedrichsplatz gehabt habe; „... und daß man in Ihren eigenen Kreisen auch dieser Ansicht ist“, könne Wepler „aus beiliegender Abschrift eines Schreibens des Herrn Pfarrer W. Uhl, Kassel ersehen“. Angesichts der augenblicklich dringenderen Arbeiten und da „uns die Umformung des gesamten deutschen Volkes zur nationalsozialistischen Ideenwelt nicht die geringste Zeit übrig läßt, irgend einer Gruppe eine besondere Behandlung zuteil werden zu lassen“, könne er zur Zeit dem Vorschlage Uhls nach einem Redner nicht folgen. Aber das Werk „unseres Führers ‚Mein Kampf’ dürfte für die Pfarrerschaft ausreichen, sich in alle Teile des Nationalsozialismus zu vertiefen. Wenn sich im Laufe der letzten Kampfjahre so mancher einfache Arbeiter zum Nationalsozialismus durchgerungen hat, so hätte es den geistig gebildeteren Pfarrern nicht schwerer fallen dürfen, als diesen Arbeitern, sich in der gleichen Zeit das nationalsozialistische Geistesgut anzueignen.“122 122
Brief vom 9. 2. 1934, Original: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“. Zur Biographie Weinrichs s. D. Rebentisch, Persönlichkeitsprofil und Karriereverlauf der nationalsozialistischen Führungskader in Hessen 1928-1945, HJL 33 (1983) (293-331) 298ff; W. Bernhardt, Der NSDAP-Kreis Kassel (Stadt) in den Jahren vor der Machtergreifung. Organisation, allgemeine Wahlen und politische Aktivitäten, Kassel 1982 (Maschr.; Examensarbeit Gesamthochschule Kassel), 74ff. Laut Protokoll der Verhandlung des vom Vorstand des Pfarrervereins eingesetzten Bruderrates (Pfarrer Conrad, Pfarrer Velbinger, Kreispfarrer D. Bachmann) in der Sache Uhl vom 19. 2. 1934 wurde dieser gefragt, „1. ob er mit seinem Schreiben die Amtsbrüder staatsfeindlicher Umtriebe habe bezichtigen wollen, 2. ob er wirklich nicht daran gedacht habe, daß sein Vorgehen mehr als unglaublich ist, geradezu als Dolchstoß bezeichnet werden muß, und vor allem die geschlossene Einheit des Hessischen Pfarrerstandes, die um der Kirche willen bitter nötig ist, außerordentlich gefährdet“. Uhl bestritt, an dem Beschluß der DC-Pfarrer vom 18. 1. 1934, gegen die Anklage des Gauleiters Einspruch zu erheben, beteiligt gewesen zu sein, „zumal er sich von vornherein von einem Protest an den Gauleiter keinen Erfolg versprach“. Uhl bedauert gegenüber dem Bruderrat, „daß sein Brief an den Gauleiter vom 24. Januar 1934 die Wirkung gehabt hat, wie sie in dem Brief des Gauleiters an Wepler, den Führer der Kurhessi-
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Am 25. Januar hatte Wepler, zum Teil unter wörtlicher Verwendung von Vorschlägen Ritters (so z. B. im fünften und letzten Absatz)123, an Weinrich geschrieben: Sehr geehrter Herr Staatsrat! Die Kurhessische Landeszeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom Freitag, den (sic!) 19. Januar über die große Kundgebung auf dem Friedrichsplatz, aus deren Anlaß Sie in Ihrer Rede mit den Kreisen der Reaktion Abrechnung schen Pfarrerschaft, zur Darstellung kommt. Er gibt zu, daß er unvorsichtig gehandelt hat, aber er betont, daß seinem Schreiben an den Gauleiter keinerlei unlautere Motive zugrunde lagen und er der Sache der Kirche und des Pfarrerstandes zu dienen glaubte, als er schrieb: nehmen Sie unseren ehrlichen Willen als Garantie dafür, daß unsere Hessische Kirche bereit ist zu Treue und Hingabe an Adolf Hitlers Werk“; Verhandlungsprotokoll, Original: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“. - Am 19. 2. 1934 schrieb Uhl an Wepler zur Rechtfertigung seines Briefes an den Gauleiter: Er habe gewußt, daß Weinrich wegen des reaktionären Verhaltens vieler Amtsbrüder „auf uns alle erbost war“. Sollte sich im Blick auf die kirchlich-politische Schulungsarbeit, zu der er nach Absprache mit Dr. Paulmann Weinrich gewinnen wollte, „überhaupt eine Möglichkeit der Zusammenarbeit ergeben, war es dringend nötig, den Herrn Gauleiter zu überzeugen, daß eine ganze Reihe Pfarrer restlos überzeugte Nationalsozialisten sind und wir es durch die Tat weiter zu beweisen bereit seien ... Ich kann nur ehrenwörtlich versichern, daß ich nichts anderes mit dem Brief wollte“; Brief, Original, a.a.O. - Am 2. 3. 1934 teilte Wepler Uhl mit, nach der Aussprache im Bruderrat sei an der Lauterkeit seiner Motive nicht zu zweifeln. Damit sei die Angelegenheit für den Vorstand erledigt, aber die unheilvollen Wirkungen seines Briefes müßten durch ein Gespräch mit dem Gauleiter beseitigt werden. Im übrigen solle der Gauleiter es ausdrücklich sagen, wenn er katholische Pfarrer treffen wolle. „Er muß aber wissen, daß wir evangelischen Pfarrer, wenn wir uns auf Heilige Schrift und Bekenntnis berufen, den Gehorsam gegen Staat und Obrigkeit als ein Stück unseres evangelischen Glaubens ansehen und darum keine staatsfeindliche Haltung einnehmen können“; Brief, Durchschrift: a.a.O. 123 Vgl. dazu Brief Ritters vom 24. 1. 1934 an Wepler, Original: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“. Wepler hatte einen Entwurf seines Schreibens an Weinrich zuvor Ritter mit der Bitte um Äußerung zugeschickt. Ritter konnte „diesen Versuch, den Pfarrerstand vor politischer Diffamierung zu schützen, nur mit herzlicher Dankbarkeit begrüßen“; a.a.O.
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gehalten haben. Zu diesen Kreisen, die die nationalsozialistische Arbeit sabotieren, zählten Sie ausdrücklich Männer, die das Evangelium verkündigen. Damit haben Sie ganz allgemein und ohne jede Einschränkung die Pfarrerschaft vor allen anderen Ständen als staatsgefährlich bezeichnet und sie vor aller Öffentlichkeit als politische Reaktionäre gebrandmarkt. In dem Zeitungsbericht wird gesagt, daß sich Pfarrer auf Grund ihres Gewandes alles erlauben. Das ist doch so zu verstehen, daß die Pfarrer ihr Amtsgewand mißbrauchen und zum Deckmantel ihrer staatsgefährlichen Umtriebe machen. Damit werden diese Pfarrer nicht nur als Staatsbürger angegriffen, sondern auch als Träger ihres Amtes, das sie im Gehorsam gegen die Bekenntnisse der Kirche auszurichten haben. In diesen Bekenntnissen wird aber mit aller Deutlichkeit vom Gehorsam gegen die Obrigkeit gesprochen. In der Voraussetzung, daß dieser Pressebericht sich tatsächlich mit den Ausführungen Ihrer Rede deckt, sehe ich mich als Führer der kurhessischen Pfarrerschaft in meinem Gewissen genötigt, gegen diese öffentliche Anklage Protest zu erheben und Sie zu bitten, für die Richtigkeit Ihrer Anschuldigung den Beweis zu erbringen. Da Ihre Vorwürfe ganz allgemein der Pfarrerschaft galten, und da Sie als Gauleiter von Kurhessen sprachen, mußte die Öffentlichkeit annehmen, daß Ihre Worte gegen die kurhessische Pfarrerschaft gerichtet waren. In der Annahme, daß Sie über die Stellung der Pfarrer falsch unterrichtet wurden, stelle ich Folgendes fest: Die kurhessische Pfarrerschaft, die mit ganz geringen Ausnahmen in unserem Verein zusammengeschlossen ist, zählt etwa 450 im Amt befindliche Mitglieder. Davon haben sich ungefähr 100 der N. S. D. A. P. angeschlossen. Auf Grund vieler Aussagen bin ich der Überzeugung, daß diese Zahl viel größer sein würde, wenn nicht seit dem 1. Mai die Mitgliedersperre eingetreten wäre. Andere, die längst von der politischen Richtigkeit der Idee des Nationalsozialismus überzeugt gewesen sind, haben sich nach Übernahme der Macht durch die nationalsozialistische Partei nicht angeschlossen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, daß sie mit diesem Entschluß zu spät gekommen seien. Von den beiden kirchenpolitischen Gruppen gehören 180 Pfarrer den „Deutschen Christen“ und 160 dem „Notbund“ an. Der Verdacht, daß die Pfarrer, die sich zur Glaubensbewegung deutscher Christen bekennen, dem heutigen Staate unfreundlich gegenüber ständen, wird wohl ernstlich nicht erhoben werden können. Dasselbe gilt auch für die Pfarrer, die sich dem Notbund angeschlossen haben. Diese Gruppe wird von dem Pfarrer Dr. Ritter in Marburg geleitet. Er ist Kriegsteilnehmer und mit dem E. K. 1 ausgezeichnet. Als deutschnationaler Abgeordneter wurde er 1919 in den preußischen Landtag gewählt zu einer Zeit, wo es als ein Zeichen persönlichen Mutes galt,
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sich in den marxistischen Versammlungen für deutsche Ehre und nationale Würde einzusetzen. Für seine Überzeugung hat er sich in kommunistischen Versammlungen blutig schlagen lassen. Pfarrer Ritter hat wiederholt mit Entrüstung den Vorwurf zurückgewiesen, daß er seine religiöse und kirchenpolitische Haltung dazu gebrauche, gegen den heutigen Staat zu arbeiten, den er selbst politisch bejaht. Sehr verehrter Herr Staatsrat, ich darf auf Grund unserer Verhältnisse versichern, daß ich unter den jetzt im Amt befindlichen Pfarrern unserer Landeskirche keinen kenne, der den nationalsozialistischen Staat und das Führerprinzip ablehnt. Ich bin jederzeit bereit, mich für die Richtigkeit dieser Behauptung Ihnen gegenüber als dem verantwortlichen Träger der politischen Macht in Kurhessen zu verantworten, und darf noch hinzufügen, daß auf den bisherigen Tagungen der Pfarrerschaft ohne jeden Widerspruch das Treugelöbnis zum nationalsozialistischen Staat und seinem Führer abgelegt worden ist. Die evangl. Pfarrer dürfen unter allen deutschen Ständen mit besonderem Recht für sich in Anspruch nehmen, daß sie seit den Tagen der marxistischen Revolution die Träger des nationalen Gedankens gewesen sind. Es ist in der Öffentlichkeit nicht allgemein bekannt geworden, daß die marxistische Regierung mit der katholischen Kirche das Konkordat bereitwilligst abgeschlossen hat, daß aber der damalige preußische Ministerpräsident Braun eine Gleichbehandlung der evangl. Kirche mit den Worten ablehnte: „Die evgl. Pfarrer sind der Hort der Reaktion gegen den marxistischen Staat, darum haben wir kein Interesse an der Evangl. Kirche.“ Gerade deshalb hat unser Führer, der Volkskanzler, sein Vertrauen der evangl. Kirche gegenüber wiederholt ausgesprochen. Es bliebe noch ein Wort darüber zu sagen, wie sich die evangl. Pfarrer zum Sozialismus stellen. Wir sind dankbar dafür, daß der Nationalsozialismus den politischen Kampf gegen den die Volksgemeinschaft zersetzenden Marxismus geführt und ihn als politische Macht zerschlagen hat. Der Marxismus war aber nicht nur politische Macht, sondern zugleich verkappte Religion. Dadurch übte er seine stärkste Anziehungskraft aus. Seit Jahrzehnten haben Kirche und Pfarrerschaft den Kampf gegen diesen Marxismus geführt in einer Tiefe, die dem politischen Kampfe nicht zugängig ist. Wir wissen uns deshalb mit dem Nationalsozialismus in einer Front und kämpfen mit ihm gemeinsam für den deutschen Sozialismus, der seine letzte Begründung im Evangelium von Jesus Christus hat. Einen Pfarrer, der sich nicht mit ganzem Herzen zum deutschen Sozialismus bekennt, würde die evangl. Kirche ebenso wenig ertragen können, als der deutsche Volksstaat. Ein Teil der Pfarrerschaft ist der Überzeugung, daß durch Gesetzgebung und kirchenpolitische Maßnahmen der Reichskirche der Bekenntnisstand der
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Kirche gefährdet wird. Gegen diese Maßnahmen lehnt man sich auf, wobei nicht übersehen werden darf, daß die grundlegenden Bekenntnisschriften der evangl. Kirche es dem Pfarrer und der Gemeinde zur Pflicht machen, die Anordnungen ihrer kirchlichen Oberen nach dem Maßstabe der Heiligen Schrift und der Bekenntnisse zu prüfen. In allen Dingen, die den Glauben angehen, kann keine kirchliche Behörde und kein kirchlicher Führer dem Pfarrer und der Gemeinde die selbständige gewissensmäßige Entscheidung und Verantwortung abnehmen. Das Wort unseres Führers, daß sich die politischen Stellen jeden Eingriffs in innerkirchliche Angelegenheiten zu enthalten hätten, gibt ihnen von Seiten des Staates die Freiheit für solche Verantwortung. Der Staat will zur Gesundung der Volksseele die starken Glaubenskräfte einer Kirche, die von Gott für das deutsche Volk bestimmt und also Volkskirche ist. Diese Pfarrer sind der Überzeugung, daß die evangl. Kirche nur dann dem nationalsozialistischen Staate das geben kann, was er zu fordern hat, wenn ihr eine freie Entfaltung der in ihr lebendigen Glaubenskräfte zugesichert wird. Heil Hitler! gez. Wepler124 Abschrift An die Vertrauensleute des Pfarrer-Vereins mit der Bitte um entsprechende Mitteilung an die Amtsbrüder in der nächsten Konferenz.
In der Vorstandssitzung vom 1. März 1934 (anwesend: Wepler, Francke, Schimmelpfeng, Schmidt, Otto, Striening) berichtete Wepler „über die Tagung des Vorstandes des Verbandes deutscher Pfarrervereine in Berlin. Er gibt Kunde von der Bildung eines Ausschusses, der den Reichsbischof bewegen soll a) zur Amnestie für alle die Pfarrer, die in Folge des kirchenpolitischen Streites suspendiert sind, b) zur Aufhebung der Notverordnung vom 4. 1. 34 u. 5. 2. 1934. Er berichtet ferner vom Pfarrerblatt, von der Thüringer Kirche, von der Verhandlung mit dem Führer, von den Plänen, die Pfarrerschaft in den Erzieher124 Brief, Hektographie: a.a.O. Wepler schickte mit Begleitschreiben je ein Exemplar dieses Briefes auch an die EKL (Kassel), Prof. D. von Soden (Marburg), Präses D. Dr. Schäfer (Remscheid).
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bund einzureihen, endlich von den am 1. 4. in Erscheinung tretenden Gehaltskürzungen. Diese betragen für die hessische Landeskirche 187 000 Reichsmark.“ Auf das Schreiben, das am 15. Februar an die Kirchenregierung beschlossen worden war, antwortete diese „durchaus im Sinne der Pfarrerschaft“. Dieser Brief Weplers an Weinrich löste bei 17 NotbundPfarrern eine Reaktion aus, die Wepler als eine ernsthafte Anfrage an alle DC-Pfarrer in Kurhessen auffaßte, die kirchenpolitische Lage so zu klären, daß zwischen beiden Richtungen um des gemeinsamen Auftrages des Dienstes am Evangelium willen doch noch eine Verständigung möglich würde. Durch Vermittlung Ritters erhielt Wepler am 28. Februar 1934 einen in Breitenbach (Bebra-Land) am 9. Februar 1934 verfaßten Brief, den Pfarrer Battenberg (Breitenbach) als Erstunterzeichner weitergab: Sehr geehrter Herr Amtsbruder! Auf unserer letzten Kirchenkreiskonferenz wurde uns durch den Herrn Kreispfarrer Ihr Brief an den Gauleiter von Hessen-Kassel, Herrn Staatsrat Weinrich, vorgelesen. Wir, die unterzeichneten Pfarrer, möchten Ihnen für Ihr klares und männliches Wort in diesem Brief herzlich danken, insbesondere dafür, daß Sie jeden Verdacht der politischen Unzuverlässigkeit für unsere kurhessische Pfarrerschaft einschließlich des Notbundes zurückweisen. Dieser Ihr Brief gibt uns Pfarrern des Notbundes aber auch das Vertrauen und die Freudigkeit, durch Sie an alle D.C.-Pfarrer Kurhessens ein offenes und brüderliches Wort zu richten, Ihnen eine Not auszusprechen, die vielen Brüdern unserer Landeskirche auf dem Herzen brennt. Wir können nicht glauben, daß der Großteil der D.C.-Pfarrer Kurhessens die Notverordnung des Herrn Reichsbischofs vom 4. Januar 1934, noch auch die 28 neuen Thesen der jetzigen Reichsleitung der D.C. billigt. Wir haben vielmehr den Eindruck, daß die meisten Amtsbrüder unter den D.C. in Kurhessen dem Notbund innerlich näher stehen als dem Reichsbischof oder irgend welchen führenden Mitgliedern in der Reichsleitung der D.C. Vorausgesetzt, daß wir uns in dieser Annahme nicht täuschen, richten wir an alle D.C.-Pfarrer Kurhessens um des Evangeliums, um der Kirche, um der gemaßregelten Amtsbrüder willen die ernstliche und ergebene Bitte, daß sie ihre wahre innere Einstellung gegenüber den Thesen und Methoden sowohl
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der Reichskirchenregierung als der dieselbe stützenden Reichsleitung der D.C., auch äußerlich und öffentlich irgendwie zum Ausdruck bringen. Diese Bitte ist uns umso ernster, als bei maßgebenden Stellen der Reichsregierung immer noch die den Tatsachen widersprechende Überzeugung besteht, daß der größte Teil des evangelischen Kirchenvolkes nach wie vor zu den D.C. stehe. Wie wir erfahren, hat auch bei dem Empfang der Bischöfe durch den Herrn Reichskanzler dieses falsche Bild von der evangelischen Kirche weittragende Folgen gehabt. Wir müssen Ihnen darum in dieser Entscheidungsstunde der evangelischen Kirche als brüderliche Frage vorlegen: Wollen Sie weiterhin dazu beitragen, daß dieses falsche Bild von der evangelischen Kirche aufrecht erhalten wird, wollen Sie weiterhin die Front derer stärken, die durch Irrlehren und Gewaltmethoden unsere Kirche verwüsten und die nun schon eine beträchtliche Anzahl bekenntnistreuer Brüder aufs schärfste gemaßregelt haben? Durch Schweigen Ihrerseits decken Sie die Autorität der Reichsleitung der D.C. und damit der Reichskirchenregierung und werden mit verantwortlich an der Verwüstung unserer Kirche. Es geht uns nicht um Kirchenpolitik, geschweige denn um Politik überhaupt, sondern um das Wesen und die Grundlage der Kirche. Wir sind mit Ihnen eins in dem Punkt 3 Ihrer Entschließung vom 7. Dezember vorigen Jahres, d. h. der Herstellung einer starken Einheitsfront der Pfarrer unserer Landeskirche, und wir erkennen die große Bedeutung gesunder Landeskirchen für die Notwendigkeit einer Gesundung der Reichskirche. Aber darin, daß wir zuerst solche gesunden Einzelkirchenkörper brauchen, liegt schon der Wille zur Gesundung der Gesamtkirche enthalten. Wir leben nicht in Kurhessen auf einer Insel der Seeligen [sic!], sondern sind Glieder der gesamt-deutschen Kirche, und wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit. Darum ist ein Ernstmachen mit dem Punkt 2 Ihrer obigen Entschließung im Blick auf die neuesten Gesetze und Verordnungen in Altpreußen über Versetzung im Interesse des Dienstes, Versetzung in den einstweiligen Ruhestand und Beurlaubung ganz unerläßlich. Bitte, fassen Sie dieses Schreiben nicht auf als den Versuch, einen Druck auf Sie auszuüben, sondern nur als eine Bitte um klare Handhabung Ihrer Entschließung vom 7. 12. 33, d. h. um ein deutliches Abrücken von den Methoden, wie sie heute in Altpreußen gehandhabt werden. Eine Einheitsfront in Kurhessen scheint uns nur möglich in der Solidarität mit diesen schwerringenden Brüdern. Es geht um eine Not, die gar bald auch in unserer katholischen Kirche an den Tag kommen muß. Die Fronten im kirchlichen Kampf verschärfen sich zunehmend; daß wir darum diesem Kampf um Bibel und Bekenntnis, um Wesen und Grundlagen der Kirche in den D.C.-Pfarrern
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Kurhessens keinen Gegner zu sehen brauchten, das ist unser herzlicher Wunsch, den wir Sie bitten, entsprechend weiterzuleiten. Mit amtsbrüderlichem Gruß ...125
Der Brief, der außer an Wepler in Durchschlägen auch an einige andere DC-Pfarrer der Landeskirche geschickt wurde, trug die Unterschriften folgender Pfarrer: Battenberg (Breitenbach), Wessel (Philippstal), Albrecht (Frielingen), Frischkorn (Kirchheim), Bäumler (Tann/Rhön), Boos (Schenklengsfeld), Siebert (Burghaun), Wolff (Mansbach), Schäfer (Berneburg), Engelbrecht (Oberellenbach), Führer (Nesselröden), Dehnhard (Rengshausen), Müller (Richelsdorf), Walther (Solz), Bücking (Heringen/Werra), Siebert (Densberg), Hammann (Rotenburg/ Fulda). Wepler antwortete den Amtsbrüdern über Pfarrer Battenberg am 7. März 1934: Verehrte, liebe Brüder! Für Ihr Schreiben vom 9. Februar, das am 28. ds. M. in meine Hand gelangt ist, danke ich Ihnen herzlich. Ich weiß mich mit Ihnen eins in der Erkenntnis der Not, in der sich unsere Kirche befindet. Wie ich persönlich zur Notverordnung des Herrn Reichsbischofs vom 4. 1. stehe, mögen Sie aus beiliegenden Schreiben an die Einstweilige Kirchenleitung in Kassel ersehen, deren Antwort ich auch angefügt habe. Aus meiner Stellungnahme bitte ich Sie, den ernsten Willen zu erkennen, daß ich als Mitglied der D.C. mich bemühe, alle Vorgänge des kirchenpolitischen Lebens von der Kirche her zu prüfen, und daß ich nicht daran denke, ihre Grundlage in Schrift und Bekenntnis in Frage stellen zu lassen. Diesen Standpunkt vertrete ich auch in der Pfarrerschaft der D.C. und bin dort bisher auf keinen Widerstand gestoßen. Seien Sie überzeugt, daß hinsichtlich der Grundlagen unserer Kirche in der Kurhessischen Pfarrerschaft keine wesentliche Meinungsverschiedenheit besteht. In der Beurteilung dessen, was geschehen ist, gehen unsere Ansichten auseinander. Irrlehren, die unsere Kirche verwüsten sollen, und die von ver125
Brief, Original: a.a.O.
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antwortlicher Stelle vertreten werden, sehe ich nicht. Solche Irrlehren sind wohl gelegentlich von einigen radikalen Elementen ausgesprochen worden, aber sie wurden ebenso wie die bedauerlichen Vorgänge in der Sportpalastkundgebung von verantwortlicher Stelle widerrufen. Alle Gewaltmaßnahmen, von denen Sie sprechen, haben sich ausschließlich gegen solche Amtsbrüder gerichtet, die sich gegen die Disziplin innerhalb der Kirche auflehnten. Ich billige diesen Amtsbrüdern durchaus die Lauterkeit ihrer Gesinnung zu und zweifle nicht daran, daß sie subjektiv richtig gehandelt haben. Objektiv bedauere ich diesen Kampf und sehe darin unter den gegenwärtigen Verhältnissen die größte Gefahr für die Kirche. Diese Gefahr läßt sich nur abwenden durch Wiederherstellung der Einheitsfront in der Pfarrerschaft. Dazu rufe ich auch Sie und die mit Ihnen im Notbund verbundenen Brüder unserer Landeskirche auf. Die Einigung ist möglich, wenn wir das Gemeinsame betonen und das Trennende hintenanstellen. Das Gemeinsame sehe ich in der Forderung der vollen Freiheit zur Verkündigung des Evangeliums gemäß Schrift und Bekenntnis. Unter dieser Parole wollen wir unsere Reihen wieder schließen. Wer nicht mit uns gehen kann, muß sich von uns trennen. Könnten Sie mir den Nachweis erbringen, daß ich unter den augenblicklichen Verhältnissen in der Kirche an der freien Wortverkündigung behindert würde, dürfte ich keinen Augenblick länger in den Reihen der D.C. stehen. Der Kampf beider kirchenpolitischen Gruppen hat allmählich eine Atmosphäre geschaffen, die schon die Dinge nicht mehr klar sehen und sachlich beurteilen läßt. Der Notbund wird weithin der politischen Reaktion beschuldigt. Gegen die Anhänger der D.C. wird der Vorwurf der Untreue gegen Schrift und Bekenntnis erhoben. Beide Anschuldigungen entbehren jeder Begründung. Fehler sind auf beiden Seiten gemacht worden. Das wollen wir offen eingestehen. Unter diesen Voraussetzungen lassen Sie uns das Vergangene vergessen und die Aufgaben der Stunde gemeinsam lösen! Die letzte Ursache des Mißtrauens liegt in der Stellung begründet, die wir zu der Frage nach dem Verhältnis von Bekenntnis und Verfassung zueinander einnehmen. Ich selbst bekenne mich zur Augustana. Kirche ist da, wo das Evangelium richtig verkündet und die Sakramente ordentlich verwaltet werden. Für Luther war die Frage nach der Verfassung der Kirche eine durchaus sekundäre. Solange die Bischöfe keine Irrlehre verkünden und keine Lehrautorität für sich in Anspruch nehmen, bin ich ihnen den Gehorsam schuldig. Darum stelle ich mich unter den gegebenen Verhältnissen hinter den Reichsbischof und sehe in jeder Auflehnung gegen ihn eine Disziplinlosigkeit, die zur Verwirrung in der Kirche und zur Beunruhigung im Volke beiträgt. Ich billige damit durchaus nicht alles, was geschieht. Eine sachliche Kritik halte ich nur im geschlossenen Raum für mög-
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lich, weil ich die Verantwortung dafür trage, daß durch öffentliche Kritik die Einheit der Kirche nicht gefährdet wird. Ich halte es auch für unzuträglich, unsere Gemeinden mit Dingen zu belasten, die sie weder zu übersehen noch zu beurteilen in der Lage sind. Wir haben im Vorstand des Gesamtverbandes Deutscher Pfarrer-Vereine in der vergangenen Woche einen Ausschuß beauftragt, mit der Reichsleitung der D.C., dem Reichsbischof und Reichsinnenminister zu verhandeln. Die Verhandlungen zielen darauf hin, 1. Eine allgemeine Amnestie für alle diejenigen Pfarrer zu erwirken, gegen die ein Strafverfahren wegen kirchenpolitischer Vergehen eingeleitet wurde. Von dieser Amnestie sind solche Pfarrer auszunehmen, die sich gegen den Staat aufgelehnt haben. Die Gewährung der Amnestie halten wir zur Befriedung der kirchlichen Verhältnisse für unbedingt notwendig. 2. Der Herr Reichsbischof soll veranlaßt werden, seine Verordnungen vom 4. 1. und 5. 2. zurückzuziehen. Ich darf Ihnen noch mitteilen, daß die Verhandlung mit der Reichsleitung der D.C. bereits stattgefunden und zu einem vollen Einverständnis mit unseren Zielen geführt hat. Aus unserer eigenen Landeskirche kann ich noch berichten, daß eine baldige erfreuliche Lösung der Frage nach der endgültigen Gestaltung der Führung unserer Landeskirche in Aussicht steht. Mit amtsbrüderlichem Gruß Ihr Wepler126
Am 19. Juni 1934 stellte Wepler in Melsungen bei der Ausschußsitzung der Vertrauensleute aus den Kirchenkreisen die Vertrauensfrage. Am 8. Juni hatte nämlich der kurz zuvor 127 zum stellvertretenden GDC-Gauobmann des Gaues KurhessenWaldeck ernannte Korbacher Pfarrer und Kirchenrat (= Kreis126 Brief, Durchschrift: a.a.O. Auf Abdruck der Beilagen wird hier verzichtet, da aus dem Briefinhalt Weplers Haltung deutlich wird. 127 Im Mai 1934 wurde von der GDC-Reichsleitung gegen den Protest kurhessicher DC-Pfarrer inklusive Weplers (vgl. Slenczka, s. Anm. 28, 44), anstelle von Dr. Paulmann der Netzer Pfarrer Dr. Otto Lüdke zum Obmann des neu gebildeten GDC-Gaues Kurhessen-Waldeck ernannt. Dieser wiederum ernannte sofort Keller zu seinem Stellvertreter. Zu Lüdke s. D. Waßmann, Die evangelische Kirche von Waldeck-Pyrmont in der Zeit der Weimarer Republik, Diss. theol. Marburg 1992 (Typoskript), 351.
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pfarrer) Claus Heinrich Keller128 in der Kasseler Stadthalle bei einer öffentlichen Veranstaltung heftige Angriffe gegen den Vorsitzenden des Pfarrervereins gerichtet. 129 Der Ausschuß sprach Wepler „das einmütige Vertrauen“ aus. Keller, „der noch unserem Pfarrerverein angehört“, sollte sich vor einem „zu diesem Zweck besonders gebildeten Bruderrat“ (Hollstein, Ziegler, Schmidt) verantworten.130 In derselben Sitzung gab Wepler „einen eingehenden Bericht über die augenblickliche Lage, in dem die Vorgänge auf dem unlängst stattgehabten Landeskirchentag 131 sowie der Konflikt 128
Keller wurde 1936 vom Landeskirchenausschuß der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck in den einstweiligen Ruhestand versetzt, u. a. weil er „nach dem Urteil der bei weitem überwiegenden Mehrheit der Pfarrer aller Richtungen zu einer Gefahr für die Einheit und den Bestand der Landeskirche“ geworden war. So erklärten „Pfarrer, die führende Mitglieder der Deutschen Christen waren oder noch sind, dem Landeskirchenausschuß, daß Keller ihr Unglück und das Unglück der Kirche gewesen sei und durch seine Methoden zerstörend gewirkt habe“; Beschluß des Landeskirchenausschusses (Kassel, 7. 5. 1936), zit. nach Slenczka (s. Anm. 28), 204f. Zum „Fall Keller“ s. a.a.O., 203-209; zu Kellers Vita s. Waßmann, a.a.O., 343f. 129 Laut Zeitungsberichten hatte Keller gesagt: „Wenn erst in jüngster Zeit versucht wurde, in die Reihen der Pfarrerschaft Konflikte hereinzutragen, um Unruhe herbeizuführen, wie es der Vorsitzende des hessischen Pfarrervereins, Herr Pfarrer Wepler in Eschwege, getan hat, so treffen solche Bestrebungen nicht die verantwortliche Leitung der Deutschen Christen“; zit. v. H. Wepler, Bericht des Vorstandes, Pastoralblatt 43 (1934) (30-31) 30. 130 Der „Fall Keller“ wurde auch im Pfarrervereinsvorstand mehrfach verhandelt. Keller wurde zweimal vor den Bruderrat geladen. Sein Austritt wird in der Vorstandssitzung vom 31. 1. 1935 mitgeteilt; Protokollbuch 19331948. 131 Über den Landeskirchentag vom 12. 6. 1934 (und den folgenden vom 29. 6. 1934) vgl. auch G. Schmidmann, Zur kirchlichen Lage in Kurhessen, Marburg o. J. (1934); ders., Ich denke der alten Zeit ... (s. Anm. 120), 25-27; Slenczka (s. Anm. 28), 48-51. Am 30. Juni verschickte die EKL allen Pfarrämtern einen „Bericht über den Landeskirchentag vom 29. Juni 1934“ mit der Mitteilung: „Entgegen den Beschlüssen des nicht beschlußfähigen gestrigen Landeskirchentages ist die seitherige Kirchenleitung nach wie vor im Amt, gez. D. Dithmar“; PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“.
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der Gauleitung mit Fritsch im Mittelpunkt standen. Danach stellte Ziegler einige Anträge, die dahin gingen: 1) die hess. Pfarrerschaft soll es ablehnen, einen Bruder wegen seiner politischen oder religiösen Stellungnahme zum Verräter am Volk oder Bekenntnis zu stempeln. 2) eine Auflehnung gegen die Reichskirchenregierung wird nicht gebilligt. 3) die dem Landeskirchentag vorgelegten Gesetze sollen alsbald zur Annahme kommen, um den einheitlichen Kampf gegen die A. D. G. aufnehmen zu können.“ Der Ausschuß stimmte nach längerer Aussprache dem ersten Antrag „als selbstverständlich gut“ zu. Die beiden anderen Anträge lehnte er als Verhandlungsgegenstand vor der Mitgliederversammlung ab, „da sie den Pfarrerverein zu sehr in die kirchenpolitischen Gegensätze verwickeln würden“. Diese Begründung war insofern nicht überzeugend, als der Vereinsvorsitzende selbst wenige Tage vorher in einem Aufsatz „Zur kirchlichen Lage“132 im „Pastoralblatt“ vom 1. Juni 1934 in seinen eigenen, namens der Pfarrerschaft erhobenen Forderungen sachlich mit Zieglers Anträgen übereinstimmte. Im übrigen sollte dieser Aufsatz eine Einstimmung auf die Verhandlungen der für den 19./20. Juni 1934 nach Melsungen einberufenen Mitglieder- und Hauptversammlung sein. Wepler nannte drei Themen, zu denen der Verein jetzt Stellung nehmen müsse: - 1. „Wahl des Landesbischofs“, - 2. „Anschluß der Waldecker Kirche an uns“, - 3. „Eingliederung unserer Kirche in die Deutsche Evangelische Reichskirche“. Zu Punkt 1 (Bischofsgesetz) meinte Wepler, es sei nicht länger tragbar, „daß der schwebende Zustand der kirchlichen Leitung fortdauert. Die Pfarrerschaft hat in der Bischofsfrage eine einmütige Stellungnahme gefunden. Sie hat mit allen in ihr vertretenen kirchlichen politischen Gruppen sich dafür ausgesprochen, daß unserer Landeskirche in dem Oberkirchenrat D. Mer132
Pastoralblatt 43 (1934) 27-28.
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zyn ein Führer gegeben ist, zu dem die Pfarrerschaft das unbedingte Vertrauen hat, daß er in der gegenwärtigen Lage den Frieden und den Aufbau unserer Landeskirche gewährleistet.“ Diesen Wunsch der Pfarrerschaft sollten die staatlichen Stellen respektieren. Denn die Landeskirche Hessen-Kassel habe „in den Kämpfen um die Neugestaltung kirchlicher Ordnung eine Haltung bewahrt ..., die sich von anderen evangelischen Landeskirchen erheblich unterscheidet. Es ist geradezu sprichwörtlich geworden, daß unsere Landeskirche in dem wogenden Meer der Beunruhigung wie eine Insel der Seligen im Frieden liegt.“133 Vielen Pfarrern, besonders den Mitgliedern des Bruderbundes, kam die kirchliche Lage allerdings nicht so idyllisch vor, wie Wepler meinte. Als einem der Wortführer der DC lag ihm allerdings daran, die zuständigen staatlichen Stellen auf der einen und die Pfarrerschaft auf der anderen Seite auf diesen angeblichen Frieden einzuschwören, damit die evangelische Kirche die Erwartung des Nationalsozialismus nach Geschlossenheit aus Gehorsam gegen Gott heraus erfüllen könne.134 Wepler behauptete, die Tatsache des rechtswidrigen staatlichen Eingriffes in die kirchliche Verwaltung ignorierend und den Gleichschaltungsversuch Paulmanns sanktionierend: „Diesen Frieden verdanken wir den Maßnahmen unserer Kirchenleitung und der Besonnenheit des Gauleiters der D.C. Dr. Paulmann, der sich als langjähriges Mitglied eines Kasseler Kirchenvorstandes bei allen Anordnungen nur von kirchlichen Gesichtspunkten leiten ließ. Er kannte die Eigenart seiner Heimatkirche und wußte um ihre Lebensinteressen. Auch die Pfarrerschaft unserer Kirche hat in diesen Kämpfen bisher die alte Disziplin bewahrt. Bei allen Gegensätzen und Spannungen, die nicht geleugnet werden sollen, ist der Wille zur Einheitsfront doch so stark gewesen, daß niemand aus dieser Geschlossenheit ausgebrochen ist.“ Die La133 134
A.a.O., 27. Vgl. a.a.O., 28.
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ge historisch keineswegs richtig wiedergebend, fuhr Wepler dann fort: „Die Zersetzung und Auflösung kirchlichen Lebens in anderen Landeskirchen ist bekanntlich in vielen Fällen nur durch das Geltungsbedürfnis einiger Pfarrer hervorgerufen, die sich weder über ihre kirchliche noch über ihre theologische Eignung klar geworden sind.“ Wie schon Ende 1933 rief Wepler auch jetzt wieder die Pfarrerschaft zur Geschlossenheit auf und leugnete dabei bewußt die Tatsache, daß es unter den Amtsbrüdern längst keine Einmütigkeit mehr gab: „In dem jetzt für uns entscheidenden Augenblick wollen wir an der bisherigen Einmütigkeit festhalten! Dann braucht uns um die Zukunft unserer Kirche nicht bange zu sein. Wir müssen uns dessen stets bewußt bleiben, daß eine geschlossene Pfarrerschaft in der Kirche eine Macht darstellt, vor der alle kirchenfremden Mächte zurückweichen müssen.“ Wepler war davon überzeugt, daß die kurhessische Kirche „durch ihre Haltung bewiesen hat, daß sie von seiten des Staates und der Reichskirchenregierung vollstes Vertrauen verdient“. Wenn dementsprechend die Staatsregierung „bestrebt ist, den Belangen der Kirche weithin Rechnung zu tragen“135, d. h. Merzyn als Bischof akzeptiert, dann kann nach Auffassung des Pfarrervereinsvorsitzenden eine Beunruhigung kirchlicher Kreise vermieden werden. Daß sich aber die staatlichen Machthaber und die ihnen verbündete GDC-Reichsleitung keineswegs mit der von Wepler und der Mehrheit der Pfarrerschaft für Kurhessen angestrebten moderaten Lösung der Kirchenleitungsfrage zufrieden geben würden, war spätestens mit der am 13. Mai von Berlin aus verfügten Absetzung Paulmanns als GDC-Gauobmann und seiner Ersetzung durch den wesentlich radikaleren Keller klar. Da half auch Weplers Protest und Hinweis nichts, daß Paulmann gerade im Blick auf die Anschlußverhandlungen zwischen den Kirchengebieten von Waldeck und Pyrmont und Hessen-Kassel 135
A.a.O., 27f.
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vom Landeskirchentag zur Verhandlungsführung bevollmächtigt worden sei.136 Zu Punkt 2 (Anschluß Waldecks) führte Wepler aus: „Diesen Zusammenschluß begrüßen wir grundsätzlich, obwohl er von Waldeck zunächst zurückgewiesen worden war. Wir erwarten aber, daß er sich in voller Freiheit und Einmütigkeit der beiden Kirchen und unter Wahrung der Rechte vollzieht, die durch die Verfassung der beiden Landeskirchen und durch das von der Reichsregierung bestätigte Reichskirchengesetz gegeben sind.“ Auch in dieser Frage gelte es für die Pfarrer, „eine einmütige feste Haltung zu bewahren und nicht von unserem Rechtsboden abzuweichen“.137 Bereits zwölf Tage später unterschrieben am 12. Juni 1934 nach einem entsprechenden Beschluß des Kasseler Landeskirchentages die Vertreter der Einstweiligen Kirchenleitung in Hessen-Kassel, D. Dithmar, D. Merzyn, Gerlach, Köhler, Schade und der am 22. Januar 1934 widerrechtlich von Berlin ernannte Bevollmächtigte der Deutschen Evangelischen Kirche für die Evangelische Landeskirche von Waldeck und Pyrmont, Dr. Happel (Korbach), das „Kirchengesetz über die Vereinigung der Evangelischen Landeskirche von Waldeck und Pyrmont mit der evangelischen Landeskirche in Hessen-Kassel“.138 Der am 3. Juli 1934 vom Reichsbischof zum Bevollmächtigten für die Evangelische Landeskirche von Kurhessen-Waldeck ernannte Hannoveraner Vizepräsident Dr. Richter setzte das Kirchengesetz zehn Tage später in Kraft und installierte am 16. Juli eine Kommissarische Kirchenregierung aus den NSDAPtreuen DC-Männern Veerhoff, Dr. Happel, Steffens und Velbinger. Da sich die bisherige Einstweilige Kirchenleitung für rechtmäßig erklärte und sich auch nicht durch ihre Vertreibung mit Polizeigewalt aus dem Kasseler Amtsgebäude am Renthof 5 136
Vgl. a.a.O., 28. A.a.O., 28. 138 Abdruck in: Waßmann ([Waldeck] s. Anm. 120), 239-242. 137
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an ihren amtlichen Handlungen hindern ließ, bestanden in Kurhessen-Waldeck nun bis zur Etablierung eines Landeskirchenausschusses unter Leitung von Präses D. Happich (Treysa) am 2. Dezember 1935 zwei Kirchenleitungen.139 Zu Punkt 3 (Eingliederung in die Reichskirche) wies Wepler darauf hin, daß die Landeskirchen von Thüringen, Hannover, Hessen-Nassau, Schleswig-Holstein, Freistaat Sachsen und Hamburg „bereits ihre Selbständigkeit aufgegeben und sich der Reichskirche eingegliedert“ haben. Über die Vorbereitungsverhandlungen und Gesetzesentwürfe der Eingliederung war Wepler laufend durch Dithmar brieflich und mündlich unterrichtet worden 140 , so daß Wepler schreiben konnte: „Unsere Kirchenleitung bejaht diese Frage der Eingliederung, und die gesamte Pfarrerschaft hat in einer Tagung in Kassel am 18. Mai sich einmütig dahin ausgesprochen, für den Ausbau der Reichskirche und die in ihr beschlossene Einigung des Protestantismus einzutreten. Diese Eingliederung kann sich aber nur organisch und verfassungsgemäß vollziehen. Ein entsprechender Entschluß, der der Einstweiligen Kirchenleitung mitgeteilt wurde, lautet: ‚Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden, und die Hoheitsrechte unserer Landeskirche können erst dann aufgegeben werden, wenn durch entsprechende Bestimmung der Reichskirchenverfassung der Bekenntnischarakter des Kirchengebiets und seiner Leitung sichergestellt ist. - In gleicher Weise müssen durch gesetzliche Ordnungen sichergestellt sein die Unabhängigkeit der nur an Schrift und Bekenntnis gebundenen Verkündigung des Evangeliums einschließlich der Rechte des Landesbischofs und die im Bekenntnis begründeten Rechte des geistlichen Amtes und der Gemeinden. - Bis dahin halten wir an der Reichskirchenverfassung und der Verfassung unserer Lan139
Vgl. dazu Slenczka (s. Anm. 28), 48ff; Hederich ([Um die Freiheit der Kirche] s. Anm. 120), 55ff; Waßmann ([Waldeck] s. Anm. 120), 196ff. 140 Vgl. die entsprechende Korrespondenz zwischen Dithmar und Wepler in den verschiedenen Mappen der PfrVAkten zu den Jahren 1933/34.
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deskirche als den z. Zt. geltenden Rechtsgrundlagen des kirchlichen Lebens fest.’141 Diese Linie“, so Wepler, „muß unter allen 141
Diese Entschließung wurde bei einer Versammlung der DC-Vertrauensmänner der Pfarrerschaft aller Kirchenkreise (aber nicht bei einer Tagung der „gesamten Pfarrerschaft“, wie Wepler schreibt!) gefaßt. Sie ist enthalten in einem Schreiben Weplers vom 22. 5. 1934 an die EKL in Kassel (PfrVAkten, Mappe „Kirchenangelegenheiten 1933-1948“) sowie in einem undatierten, jedenfalls nach dem 8. 6. 1934, wohl von Wepler verfaßten und Ritter zur Mitunterzeichnung zugeschickten, Entwurf eines Briefes „An die Herren Mitglieder des Landeskirchentages“ (PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“). Darin wird auf die gleiche Haltung einer Versammlung von etwa 250 Pfarrern am 31. 5. 1934 in Kassel und der Kreispfarrer-Versammlung am 8. 6. 1934 hingewiesen und betont: „Wir müssen es als eine schwere Bedrohung des bisher gewahrten Friedens und der ruhigen Entwicklung in unserer Landeskirche empfinden, daß jetzt von außen her versucht wird, durch eine erzwungene Tagung des Landeskirchentages eine andere Bischofskandidatur durchzusetzen und zugleich damit die Bahn für eine Eingliederung unserer Kurhessischen Landeskirche in die Verwaltung der Deutschen Evangelischen Kirche ohne die unerläßlichen rechtlichen Sicherungen für ihren Bekenntnisstand, ihre Eigenart und die Rechte von Gemeinde und Amt gemäß ihrer bisherigen Verfassung freizumachen. Damit würde auch für unser Gebiet der Zustand eintreten, daß die Gemeinden mit der willkürlichen Versetzung von Pfarrern, die ihr Vertrauen genießen, bedroht werden und jeden rechtlich gesicherten Einfluß auf die Besetzung der Pfarrstellen verlieren. Ebenso würden alle rechtlichen Garantien für die Unabhängigkeit der Verkündigung des Wortes wegfallen. Unsere Kurhessische Pfarrerschaft würde damit unter einen unerträglichen Gewissensdruck gestellt. Es zeichnet die Ordnungen unserer Landeskirche aus, daß sie seit der Reformationszeit sorgfältig bemüht gewesen sind, diesen Gewissensdruck gerade zu vermeiden. Kirche und Gemeinden aufs tiefste erschütternde Kämpfe können dann nicht ausbleiben.“ Sollte es trotzdem „zu einer erzwungenen Einberufung des Landeskirchentages“ kommen, so wollten die Unterzeichneten „im Interesse des Bestandes unserer Landeskirche“ einen Antrag auf Vertagung stellen. Diesem Antrag sich dann anzuschließen, war ihre herzliche und dringende Bitte an die angeschriebenen Mitglieder des Landeskirchentages. - Vgl. auch die bei Slenczka (s. Anm. 28), 45, abgedruckten weiteren Entschließungen sowie das Telegramm, das diese DC-Vertrauensmänner am 18. 5. 1934 an die DCReichsleitung in Berlin schickten: „In Kassel versammelte kurhessische Pfarrer der Deutschen Christen erheben einmütig schwere Bedenken gegen die Ernennung eines neuen Gauobmanns. Bitten dringend, PG. Pfarrer Zieg-
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Umständen eingehalten werden ... Vielleicht ist es gerade unserer Landeskirche in der augenblicklichen Zeit vorbehalten, den Weg aus der Verworrenheit der kirchlichen Lage zu zeigen. Der Nationalsozialismus erwartet die Geschlossenheit einer lebensfähigen evangelischen Kirche, die ihren Auftrag an dem deutschen Menschen im Dritten Reich nur dann ausrichten kann, wenn sie ihren Weg in Gehorsam gegen den Herrn der Kirche geht. Und nun an die Arbeit! ‚Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Zucht.’“142 ler zu ernennen, da sonst neue Entschließungen hier unvermeidlich sind. Brief folgt“; zit. bei Slenczka, a.a.O., 44. 142 Pastoralblatt 43 (1934) 28. Zu Weplers Ansicht, daß sich die Eingliederung der kurhessischen Kirche in die DEK organisch vollziehen müsse, schrieb ihm Kreispfarrer D. Bachmann (Kassel) am 10. 7. 1934: „Der Begriff eines organischen Aufbaues ist viel zu unbestimmt. Es kommt uns ja vielmehr darauf an, der päpstlichen Allgewalt eines Reichsbischofs und der damit gegebenen römisch katholischen Uniformierung (gegenüber; B.J.) eine echt evangelisch protestantische Haltung der evangelischen Kirche zu schaffen.“ Bachmann schickte Wepler in Form eines Antrages vier Punkte „Zur Eingliederung der Landeskirche Hessen-Kassel in die Deutsche Evangelische Kirche“. Sie sollten am 16. 7. 1934 auf dem vom Kirchenkommissar Dr. Richter bzw. dessen Vertreter Dr. Happel nach Kassel telegraphisch einberufenen illegalen Landeskirchentag (in Rumpfgestalt!) verhandelt werden. Da sie auch für die spätere Rechtsentwicklung der Landeskirche bedeutsam waren, seien sie hier wörtlich zitiert: „Um die Gefahr einer römischkatholischen Uniformierung der deutschen evangelischen Kirche abzuwehren, sind folgende Bestimmungen in den Eingliederungsvertrag aufzunehmen: 1. Die Selbständigkeit im Bekenntnis und Kultus kann nur dadurch gewahrt werden, daß die Gaubischöfe (Landesbischöfe) auf Lebenszeit allein durch den zuständigen Landeskirchentag gewählt werden und durch den Reichsbischof weder eingesetzt noch abgesetzt werden können. - 2. Die Pfarrer als Diener am Wort und als Diener ihrer Gemeinden können weder durch den Reichsbischof noch durch den Gau- (Landesbischof) ohne ordentliches dem Dienststrafgesetz für die Pfarrer und kirchl. Beamten v. 1. 12. 28 und dem Kirchengesetz betr. die Versetzung der Pfarrer im Interesse der Kirche v. 17. 3. 31 entsprechendes Verfahren abgesetzt, noch in den Ruhestand versetzt, noch in eine andere Stelle versetzt werden. - 3. Das Recht der Kirchenge-
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Wie schon in der der Frühjahrshauptversammlung des Pfarrervereins vorausgegangenen Ausschußsitzung wurde Wepler auch von der Mitgliederversammlung am 19. Juni 1934143 bezüglich des von Keller gegen ihn öffentlich erhobenen Vorwurfs der Unruhestiftung innerhalb der Pfarrerschaft einmütig das Vertrauen ausgesprochen. Wepler berichtete dann über die Vorgeschichte, den Ablauf und den „traurigen Ausgang“ des Landeskirchentages vom 12. Juni. Er teilte mit, daß die 23 Stimmen, mit denen das Bischofsgesetz zu Fall gebracht wurde, von 11 Pfarrern und 12 Laien stammten. Im Protokollbuch heißt es dann weiter: „Einmütig war man sich darüber, daß ein Kirchenkampf mit politischen Druckmitteln unter allen Umständen abzulehnen sei.“ In seinem Bericht über die Mitgliederversammlung meinte Schimmelpfeng im „Pastoralblatt“ vom 1. Juli 1934: Aus den in Melsungen einstimmig beschlossenen Anträgen144 erhelle, „daß meinden, in jedem zweiten Erledigungsfalle ihre Pfarrstellen zu besetzen, bleibt erhalten. - 4. Das Recht des Kirchenkreisvorstandes und der auf dem Kreiskirchentag stimmberechtigten Pfarrer des Kirchenkreises, den Kreispfarrer zu wählen, bleibt erhalten“; Brief, Original: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“. - Vgl. dazu das vom Landeskirchentag am 16. 7. 1934 beschlossene und von der KKR noch am selben Tag verkündete „Kirchengesetz über die Übertragung von Befugnissen der Organe der evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck auf die Deutsche Evangelische Kirche“, Kirchl. Amtsblatt ELkKW 49 (1934) 81. 143 Nach Protokollbuch 1933-1948 waren 65 Mitglieder anwesend; nach H. Schimmelpfeng, Frühjahrshauptversammlung des Evang. Pfarrervereins Hessen-Kassel, Pastoralblatt 43 (1934) 29, waren es „ungefähr 80 Amtsbrüder“. 144 1. Dank an den Präsidenten der Einstweiligen Kirchenleitung, D. Dithmar, für seinen wahrenden Einsatz für „das Recht und die Eigenart unserer Landeskirche“; 2. Bitte an die Kirchenleitung, „durch Bericht und Vorstellung bei der Reichsregierung und der Leitung der Partei dafür zu sorgen, daß in Zukunft keinerlei parteipolitischer Druck auf die kirchlichen Entscheidungen in unserer Landeskirche ausgeübt wird“; Vertrauensbeweis für D. Merzyn in der Überzeugung, daß durch dessen ordnungsgemäße Wahl zum Landesbischof „ein das kurhessische Kirchenvolk zerreißender Kirchenstreit vermieden“ würde; vgl. Pastoralblatt 43 (1934) 31f.
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die kurhessische Pfarrerschaft nach wie vor geschlossen hinter der Einstweiligen Kirchenleitung und ihrer Bischofs-Kandidatur steht“.145 2.9.2 Hauptversammlung 1934 in Melsungen: Konflikt mit dem Kreisleiter - Bekenntnis zum NS-Staat Spannend war die Hauptversammlung am 20. Juni 1934. Zu Beginn hielt Pfarrer Biel (Melsungen) eine Andacht über 2. Timotheus 1, 7, jenes Bibelwort also, mit dem Wepler in der letzten Nummer des „Pastoralblattes“ seinen Bericht „Zur kirchlichen Lage“ geschlossen hatte. Dann eröffnete Wepler in Anwesenheit von 86 Mitgliedern, dem Dekan der Theologischen Fakultät Marburg, Professor Freiherr von Soden, dem Marburger Praktischen Theologen Professor Uckeley, dem Präsidenten des Landeskirchentages und Mitglied der Kirchenregierung in Kassel D. Dithmar sowie dem NSDAP-Kreisleiter Dr. Reinhardt um 10.00 Uhr die Versammlung. Im Protokollbuch hielt Schmidt fest: Wepler betonte, daß vor 34 Jahren die Hauptversammlung des Pfarrervereins in Melsungen zum letzten Male stattgefunden habe. Der Kreisleiter und die Vertreter der Fakultät werden begrüßt. Dann nahm der Präsident des Landeskirchenamts das Wort zur Begrüßung und ermahnte den hessischen Pfarrerstand, doch ja an seiner bisherigen Einigkeit festzuhalten; darauf ergriff der Kreisleiter Dr. Reinhardt das Wort und sprach zunächst als politischer Leiter des Kreises; er betonte, daß die N. S. D. A. P. Trägerin des heutigen Staates sei, sich an sich nicht um religiöse Sachen kümmere und daß der Einzige, der im neuen Staat zu schulen habe, Alfred Rosenberg sei; oberstes Gesetz sei, was dient dem Volk! Und alle Parteigenossen hätten Disziplin zu üben; wer das nicht tue, treibe Verrat am deutschen Volk. Das evangelische Volk wolle eine einige deutsche Kirche, die Pfarrer hätten restlos die Verbindung mit dem Volke verloren. Er gab Wegweisung für die Predigt und betonte, daß das alleinige Verdienst Adolf Hitlers es sei, daß die Kirche und Deutschland 145
Schimmelpfeng (s. Anm. 143).
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heute noch bestehe. Als Mitglied des Landeskirchentages teilte auch er mit, daß er erschüttert sei über das, was auf der Tribüne aus Anlaß des Landeskirchentages geschehen sei. Nach Mitteilung von Reden Fricks und Görings ermahnte er die Pfarrer sehr ernst zur Einigkeit und bat um Einberufung des Landeskirchentages für nächste Woche. Wenn die Kirche nicht gutwillig die Eingliederung vollziehe, dann hätten wir den Kommissar. Persönliche Ausfälle gegen Pfarrer Dr. Ritter, Marburg, der auf die N. S. D. A. P. wie ein rotes Tuch wirke und ein schlechter Seelsorger sei, wurden vom Vorsitzenden unterbrochen. Als Wepler ihm dankt und erklärt, daß seine Worte weit über den Rahmen einer Begrüßung hinausgegangen seien und sich seine Worte nicht mit der Meinung der Versammlung deckten, verläßt er unter Ablehnung jeder Kritik den Saal. Prof. von Soden begrüßt die Versammlung und wünscht weitere Zusammenarbeit mit der Fakultät. Den Aufenthalt auf dem Wege zur Reichskirche soll man nicht bedauern, denn das allein zwinge zur theologischen Besinnung. Wir wollen eine einheitliche Volkskirche und alle daran mitarbeiten, aber eine christliche, die auf dem Boden der Wahrheit stehe, die alle gerecht mache; jede Lösung, die theologisch nicht reif sei, sei abzulehnen. Dann gab der Vorsitzende den Jahresbericht des Vorstandes und betonte darin, daß das evgl. Pfarrhaus in nationaler Beziehung immer an erster Stelle gestanden habe. Wenn man heute von undeutschen Geistlichen rede, so muß die Pfarrerschaft Protest dagegen erheben, freilich sollte sie auch keine Beiträge zur Diffamierung ihres Standes liefern. Danach hielt Studiendirektor Dr. Neubauer, Hofgeismar, einen Vortrag über das Thema: Wie predige ich den Menschen im dritten Reich? Der Vortrag wird im Pastoralblatt im Druck erscheinen. Darauf sprach Prof. Hertzberg, Caldern, über das Thema: Die Aufgabe des Pfarrers in der heutigen Gemeinde unter besonderer Berücksichtigung von Seelsorge und Jugendarbeit.
Aufgrund dieses Melsunger Ereignisses stellte Reinhardt beim NSDAP-Kreisgericht Eschwege, Sitz Wanfried, den Antrag, „den Parteigenossen Pfarrer Wepler in Eschwege wegen Disziplinlosigkeit und Schädigung des Ansehens der Partei aus der Partei auszuschließen“. Begründung: „Er hat in einer Pfarrerversammlung in Melsungen, die er leitete und zu der ich offiziell von ihm als Kreisleiter eingeladen war, mich zur Ordnung gerufen, mir Vorwürfe gemacht, daß ich zu lange geredet hätte, daß er sich ferner meinen politischen Ausführungen nicht anschließen könne. Er hat dies vor 150 (sic!) Pfarrern getan, obwohl er
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das Parteiabzeichen trug. Ich habe daraufhin mit Protest das Lokal verlassen.“ Am 5. Juli 1934 teilte der Vorsitzende des Kreisgerichts, A. K. Israel, diesen Antrag Reinhardts mit der Bitte um Gegenäußerung Wepler mit. 146 Dieser antwortete am folgenden Tag mit einem ausführlichen Schreiben an Israel, das er zusammen mit dessen Brief in Abschrift am 7. Juli im Umlaufverfahren den Vorstandsmitgliedern Schmidt, Schimmelpfeng, Francke und Dithmar (nicht aber an den PG Ziegler, der im Unterschied zu Wepler positiv zu Weinrich, Reinhardt und Keller stand) zur Kenntnis gab mit der Bemerkung: „Man wird ja heute durch nichts mehr in Erstaunen versetzt, und wie der Antrag Reinhardt zeigt, ist alles möglich.“ Schmidt notierte bei seinem Sichtvermerk auf dem Rücklauf als Corrigendum der von Reinhardt genannten Zahl von „150 Pfarrern“: „Anwesend in Melsg. 86!“ Wepler schrieb am 6. Juli an Israel: Sehr geehrter Herr Parteigenosse! Um die gereizte Stimmung, mit der Kreisleiter Reinhardt-Melsungen als Gast an unserer Pfarrerversammlung teilgenommen hat, verstehen zu können, wäre es nötig, die Vorgänge aus Anlaß des Landeskirchentages in Kassel vom 12. Juni kennen zu lernen. Kreisleiter Reinhardt hat dort als Wortführer der Mitglieder, die Nationalsozialisten und Deutsche Christen sind, versucht, durch stärksten Druck und Drohung mit Ausschluß aus der Partei die Entscheidung der Mitglieder zu beeinflussen. Eine Anzahl nationalsozialistischer Mitglieder des Landeskirchentages - auch alter Parteigenossen - haben sich diesem Druck nicht gefügt und ihn in Widerspruch mit dem ausdrücklichen Befehl unseres Führers und der wiederholten Erklärung der Reichsregierung zurückgewiesen. Der Führer hat den klaren und unmißverständlichen Befehl gegeben, daß die Kirche ihre inneren Angelegenheiten selbständig ordnet, und daß die Partei sich jeder Einmischung in kirchliche Angelegenheiten zu enthalten hat. Es gibt also in kirchlichen Dingen keinen Parteibefehl und keine Gefolgschaft. Als Pfarrer sind wir außerdem an unseren Amtseid gebunden und können uns deshalb in kirchlichen Dingen nur gewissensmäßig entscheiden, ohne Weisung von anderer Seite entgegenzunehmen. 146
Brief, Abschrift: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“.
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Die Reichsleitung der Partei in Berlin hat bereits am 4. Juli einen Bericht über die unerhörten Vorgänge in Kassel eingefordert, um die Parteigenossen zur Rechenschaft zu ziehen, die sich in Kurhessen dem Befehl des Führers widersetzt haben. Ich enthalte mich deshalb jedes weiteren Urteils. Es wird sich dann ergeben, ob von seiten der Opposition oder der Gruppe Reinhardt der Nationalsozialismus sabotiert ist. Unter diesen Umständen befand ich mich als Führer der kurhessischen Pfarrerschaft in einer sehr schwierigen Lage, als ich mich entschließen mußte, zu der am 19. und 20. Juni in Melsungen stattfindenden Tagung die örtlichen Behörden einzuladen. Den Kreisleiter Reinhardt wollte ich dabei nicht übergehen, obwohl ich nach den Vorgängen in Kassel auf starken Widerspruch bei der Pfarrerschaft stoßen mußte. Ich sagte mir, daß es nur dienlich sein könne, wenn der Kreisleiter durch die Teilnahme an unseren Verhandlungen und die beiden Referate, die zur Verhandlung standen, ein günstigeres Urteil über die Arbeit und Einstellung der Pfarrer bekommen wird. Die beiden Referate: 1. „Wie predige ich den Menschen im dritten Reich?“ und (2.) „Die Arbeit des Pfarrers in der heutigen Zeit im Blick auf Seelsorge und Jugendarbeit in seiner Gemeinde“, führten unmittelbar in die Aufgaben der Gegenwart hinein. Persönlich stellte ich mich auf den Standpunkt, daß die verschiedene Auffassung in einer Sache 2 Männer nicht zu trennen braucht, und daß man die Verpflichtung hat, jede ehrliche Überzeugung zu achten und zu verstehen. So habe ich trotz aller Bedenken den Kreisleiter Reinhardt eingeladen. Er kam, ich begrüßte ihn freundlich und bat ihn, neben mir Platz zu nehmen. In meinem Begrüßungswort an die Gäste sagte ich dem Kreisleiter, daß es mir eine besondere Freude sei, ihn unter uns zu sehen. Wir seien zwar kürzlich in Kassel ohne Erfolg unserer Arbeit auseinander gegangen, aber als deutsche Männer kämpfen wir um die Sache und begegnen uns dort als Brüder wieder, wo uns Gemeinsames verbindet. Es sei das erste Mal, daß an der Jahresversammlung der kurhessischen Pfarrerschaft ein Vertreter des Nationalsozialismus teilnehme. Ich deutete diese Tatsache als ein Symbol dafür, daß der Nationalsozialismus nicht abseits der Kirche, sondern in der Kirche stehen will, und daß die Kirche ihrerseits nur dadurch wirklich Volkskirche sein werde. Bei Erwiderung meiner Grüße an die Gäste gab ich auch dem Kreisleiter Reinhardt das Wort. Er sprach nicht wie die anderen Gäste von seinem Platz aus, sondern schritt sofort mit einem Aktenbündel zu dem Rednerpult. Er sagte kein Wort des Grußes, sondern hielt eine lange Rede und erweckte sofort den Eindruck, als wolle er jetzt als Gast einmal die Gelegenheit benutzen, mit der Pfarrerschaft abzurechnen. Er kam auf die Vorgänge im Landeskirchentag zu sprechen, verurteilte diejenigen, die sich nicht auf seine Seite
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gestellt hatten[,] und verdächtigte sie des Ungehorsams gegen den Führer. Er wandte sich sogar gegen den anwesenden Pfarrer Dr. Ritter und schleuderte ihm ins Gesicht, daß er für den Nationalsozialismus ein rotes Tuch sei. Ich bemerke dazu: Ritter ist alter Frontkämpfer[,] mit dem E. K. 1 ausgezeichnet, in manchem Wahlkampf mit Kommunisten und Marxisten blutig geschlagen, nach der Novemberrevolution 1918 der erste nationale Abgeordnete im preußischen Landtag. Bei dem persönlichen Angriff des Kreisleiters auf diesen Mann erhob ich mich sofort, um zu sagen, ich könne es nicht zulassen, einen Anwesenden in dieser Form angreifen zu lassen. Der Kreisleiter sprach weiter von der Stellung des Pfarrers in seiner Gemeinde. Seine scharf kritisierende, zuweilen drohende Art rief Widerspruch der Versammlung hervor. Ich hatte alle Mühe, den Protest zu unterdrücken, sonst wäre ein Sturm der Entrüstung ausgebrochen. Die alten Ladenhüter, daß der Pfarrer nichts zur Bekämpfung des Kommunismus getan habe[,] u. a. wurden vorgesetzt. Der Redner sprach etwa 25 Minuten. Ich sah wiederholt beunruhigt nach der Uhr, weil durch dieses Begrüßungswort des Kreisleiters unser Tagesprogramm gestört wurde. Ich hätte eigentlich nicht zulassen dürfen, daß die Teilnehmer, die z. T. unter Opfern an Zeit und Geld von weither gekommen waren, in dieser Weise kritisiert und getäuscht wurden. Auf der anderen Seite aber wollte ich dem Kreisleiter entgegenkommen und wenigstens von mir aus das Gastrecht nicht verletzen. Die Disziplin der Versammlung habe ich bewundert. Als der Redner geendet hatte, ging er nicht auf seinen Platz zurück, sondern entfernte sich von dem Rednerpult sofort in Richtung des Ausganges. Er hatte also garnicht die Absicht, nun als Gast an unserer Versammlung teilzunehmen. Ich rief ihm deshalb zu: „Herr Kreisleiter, ich habe Ihnen zu Ihren langen Ausführungen das Wort gelassen, obwohl es der Gepflogenheit einer Begrüßung nicht entsprach, und obgleich ich mit allen Ausführungen nicht einverstanden sein konnte. Ich habe damit das Gastrecht wahren wollen.“ Kreisleiter Reinhardt fiel mir sofort ins Wort und rief: „Herr Parteigenosse, als Träger des Hoheitsabzeichens kann ich keine Kritik dulden!“ Mit diesen Worten eilte er dem Ausgang zu. Ein alter Parteigenosse, der über das Verhalten des Kreisleiters empört war, rief ihm zu: „Herr Kreisleiter, wollen Sie nicht wenigstens ein Wort von einem alten Parteigenossen anhören?“ Reinhardt verließ aber fluchtartig den Saal. Eine solche Verletzung des Gastrechtes habe ich noch niemals erlebt. Da aber der Kreisleiter nicht mehr anwesend war, konnte ich Kritik und Aussprache über das Gehörte nicht zulassen. Soweit der Tatbestand. Zu den Anschuldigungen des Parteigenossen Reinhardt habe ich noch kurz zu erwidern:
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1. Ich kann als Versammlungsleiter nicht zulassen, daß ein Teilnehmer von einem Gast in einem Begrüßungswort angegriffen und völlig grundlos politisch diffamiert wird. Dem mußte ich entgegentreten, indem ich sagte: „Ich kann nicht zulassen ...“ 2. Als Versammlungsleiter trage ich für Erledigung der Tagesordnung die Verantwortung und kann mir weder durch einen Gast, noch durch einen Teilnehmer vorschreiben lassen, wie lange er reden will. Den Verlauf der Verhandlungen hatte ich zu bestimmen und nicht der Parteigenosse Reinhardt als Gast. 3. Ich habe kein Wort über die politischen Ausführungen des Kreisleiters gesagt. Meine Bemerkung, daß ich mich nicht allen Ausführungen anschließen kann, bezieht sich ausschließlich auf die kirchenpolitischen Äußerungen und die falsche Kritik an der Pfarrerschaft. In politischen Dingen leiste ich als Nationalsozialist unbedingte Gefolgschaft, in kirchlichen Dingen aber beanspruche ich völlige Gewissensfreiheit, wie sie jedem Parteigenossen zugebilligt wird. 4. Mit starker Entrüstung weise ich den Vorwurf zurück, durch mein Verhalten in Melsungen das Ansehen der Partei geschädigt zu haben, bin vielmehr der Überzeugung, daß der Kreisleiter Reinhardt durch sein Verhalten vor versammelter Pfarrerschaft Kurhessens das Ansehen der Partei nicht mehr schädigen konnte, als es tatsächlich geschehen ist. Ich darf noch hinzufügen, daß ich heute 2 alte Parteigenossen - den Pfarrer Meyenschein in Kilianstädten und den Kirchenrat Pfarrer Koehler in Kassel -, die Augen- und Ohrenzeugen der Vorgänge gewesen sind, schriftlich gebeten habe, ihrerseits einen Bericht bei dem Kreisgericht Eschwege einzureichen. Ich könnte noch andere Parteigenossen als Zeugen für die Richtigkeit meiner Darstellung namhaft machen. Heil Hitler! Wepler147 147
Brief, Abschrift: a.a.O. Der Streit mit Dr. Reinhardt ging weiter bis in den Herbst 1934. Am 16. 11. 1934 weist dazu Pfarrer Meyenschein Wepler brieflich auf einen Erlaß des fränkischen Gauleiters Streicher vom 23. 10. 1934 hin, wonach es den Amtswaltern der NSDAP verboten sei, „die Parteiorganisation zur Austragung kirchlicher Gegensätze zu mißbrauchen“. Jedem PG evangelischer Konfession sei es unbenommen, „als Mitglied der Evangelischen Kirche und außerhalb der Parteitätigkeit seine Meinung zu vertreten“. PG Meyenschein empört: Und dann soll in einem „hanebüchenen Schreiben“ des Kreisrichters Israel im Fall Dr. Reinhardt „in geradezu erpresserischer Weise ... der Führer der Hessischen Pfarrer durch die Lockung mit
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Nachdem das Bischofsgesetz wie auch die Eingliederung der kurhessischen Kirche in die Reichskirche auf dem Landeskirchentag am 12. Juni keine Mehrheit gefunden hatten und die DC-Abgeordneten daraufhin mit großem Tumult und mit „Sieg Heil“-Rufen ausgezogen waren, so daß weitere Verhandlungen und Abstimmungen unmöglich waren, wurde der Landeskirchentag aufs neue für den 29. Juni einberufen. Bei dieser Sitzung blieb, wie Kreispfarrer Schmidmann später berichtete, die Minderheit der Bruderbund-Abgeordneten fern, so daß Oberkirchenrat Schade (stellvertretender Präsident) die Beschlußfähigkeit feststellen und die Versammlung schließen mußte. Die anwesenden Mitglieder der Einstweiligen Kirchenleitung verließen den Saal. Dann „beanspruchte der Abgeordnete Dr. Reinhardt aus Melsungen, ein wilder Nazi, das Hausrecht und forderte die Abgeordneten auf, die Tagung als Rumpfparlament fortzusetzen. Dieses famose Gremium bildete nun ein neues Präsidium unter Dr. Reinhardt und setzte eine neue einstweilige Kirchenleitung ein, bestehend aus Pfarrer Veerhoff, Pfarrer Ziegler, Rechtsanwalt Pfeiffer und Herrn Happel, dem Bevollmächtigten für Waldeck. Als Landesbischof wurde Pfarrer Theys, Kassel, gewählt, ein ehrenwerter Mann, der gar bald merkte, wie er mißbraucht war und zurücktrat. Natürlich konnte hier von rechtsgültigen Beschlüssen oder Wahlen überhaupt persönlichen Vorteilen (... Falls ... ist die Angelegenheit ... erledigt) dazu genötigt werden, seine kirchliche Stellungnahme vor dem Parteigericht in einer Weise zu bezeugen, von der die Öffentlichkeit wissen kann, daß sie obendrein eine Lüge involvierte. Das ist alles andere als nationalsozialistisch. Sollte man Sie damit auch nach der ausdrücklichen Anordnung des Führers zur Nichteinmischung (des Staates in kirchliche Interna; B. J.) noch nicht in Ruhe lassen, so würde ich an Ihrer Stelle unter nochmaliger Darstellung der ganzen Ungeheuerlichkeit dieser Forderung dem Kreisgericht eine unmittelbare Vorlage der Angelegenheit bei Adolf Hitler in Aussicht stellen. Vielleicht bringt das die Herren zum Bewußtsein, daß sie als Nationalsozialisten sich nach den Befehlen des Führers und nicht nach den Launen irgend eines Kreisleiters zu richten haben, wenn diesem die Sache auch peinlich genug sein mag“; Brief, Original: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“.
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nicht die Rede sein. Wenn auch die Reichskirchenregierung und Herr Jäger dahinter standen. Aber wir hatten nun zwei ‚Einstweilige Kirchenregierungen’ in unserer Kirche, eine rechtmäßige (Merzyn, Dithmar usw.) und eine unrechtmäßige. Man hatte von außen her einen ‚Notstand’ in unserer hessischen Kirche geschaffen und rief nun nach einem Staatskommissar, der ihn beseitigen sollte. Eine grenzenlose Verlogenheit.“ Über die Folgen dieser „Räubersynode“ in Kassel berichtete Schmidmann weiter: Am 10. Juli 1934 „wurde die rechtmäßige Einstweilige Kirchenleitung mit Polizeigewalt aus dem Renthof vertrieben, und die unrechtmäßige hielt dort ihren Einzug. Sie hatte die Akten und den ganzen Apparat, aber von 422 Pfarrern nur einige Dutzend hinter sich, während die rechtmäßige im Nordischen Hof am Bahnhofsplatz ohne Akten, aber mit Zustimmung von 335 Pfarrern und 18 Kreispfarren (von 22) regierte.“148 Am 10. Juli veröffentlichten die Zeitungen einen Erlaß des Reichsministers des Innern vom Vortage an die Länderregierungen. Mit ihm wurde jede öffentliche Erörterung des „evangelischen Kirchenstreites“ bis auf weiteres untersagt: Der von der Reichsregierung und dem deutschen Volk im evangelischen Kirchenstreit herbeigewünschte Friede liegt bedauerlicherweise noch immer in der Ferne. Ungeachtet meiner wiederholten öffentlichen Hinweise auf die Notwendigkeit einer Befriedung wird der Kampf erbittert weitergeführt und dadurch das Aufbauwerk der Regierung gefährdet und gehemmt. Die Reichsregierung hält nach wie vor daran fest, daß es nicht Aufgabe der Staatsbehörden ist und sein kann, sich in innerkirchliche Angelegenheiten einzumengen, kann aber unter keinen Umständen zulassen, daß durch die Fortsetzung des Kirchenkampfes ihr Ziel, die Schaffung einer wahren Volksgemeinschaft, gewollt und ungewollt untergraben wird. Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Ruhe verbiete ich daher hiermit bis auf weiteres alle den evangelischen Kirchenstreit betreffenden Auseinandersetzungen in öffentlichen Versammlungen, in der Presse, in 148 Schmidmann (s. Anm. 120), 26f. Die von Schmidmann manchmal falsch wiedergegebenen Personennamen habe ich stillschweigend korrigiert.
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Flugblättern und Flugschriften und ersuche, die in Betracht kommenden Dienststellen unverzüglich zur Durchführung dieses Verbotes mit den erforderlichen Weisungen zu versehen. Amtliche Kundgebungen des Bischofs bleiben hiervon unberührt.149
Der Kirchenkampf wurde nun also noch schwieriger. Hatte auf Reichsebene die Barmer Bekenntnissynode vom 29.-31. Mai 1934 mit ihrer im wesentlichen Karl Barth zu verdankenden Theologischen Erklärung einerseits für Klarheit, andererseits für neue Heftigkeit im theologischen und kirchenpolitischen Streit gesorgt, so war die Situation im Laufe des Sommers in Kurhessen dadurch noch schwieriger geworden, daß sich am 6. Juni die GDC in Kurhessen aufgelöst hatte. Wepler teilte dies sofort dem DC-Reichsleiter Dr. Kinder mit. Dieser telegraphierte am 7. Juni an Wepler: „Bedauern außerordentlich voreiligen schritt zumal für freitag nachmittag 3 uhr sämtliche dcpfarrer kurhessen zu einem beisammensein mit dem Reichsleiter in kassel eingeladen sind Reichsleitung.“150 Die Selbstauflösung der GDC in Kurhessen bedeutete 1. einen Protest gegen die im Mai 1934 von der Berliner Reichsleitung auf Betreiben Dr. Happels und Kellers verfügte Ablösung des Gauobmannes Dr. Paulmann151 durch den Waldecker Pfar149
Zit. nach: Kurhessische Landeszeitung (10. 7. 1934). Telegramm, Original: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“. Auf der Rückseite des Telegrammes handschriftlich von Wepler notiert: „Auflösung der DC in Kurhessen am 6/VI 34 im Nordhof erfolgt. Antwort von Dr. Kinder auf meine Mitteilung dazu.“ 151 Bereits am 22. 4. 1934 schrieb Dithmar in einem vertraulichen Brief: „Lieber Wepler, die Dinge haben eine überraschende Zuspitzung erfahren. Dunkle Mächte sind am Werk, die Stellung Paulm’s zu unterminieren. Er ist der Reichsleitung der D.C. in Berlin nicht scharf genug. Darum will man ihn weghaben. Man hat ihm zugemutet, freiwillig zurückzutreten. Wen man an seine Stelle postieren will, ist völlig im Dunkel. Ich habe aufs schärfste widerraten, diesen Weg zu betreten, er soll es drauf ankommen lassen, ob die Berliner den Willen haben, ihn gewaltsam zu entthronen. Es wäre verhängnisvoll für die ganze Entwicklung, wenn die Dunkelmänner Erfolg hätten. Die Folgen können Sie sich gut genug ausmalen. Vielleicht müssen wir der 150
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rer Dr. Lüdke (Netze) und 2. eine Niederlage der DC in der Landeskirche. Zwar konstituierten sich am 8. Juni in Kassel unter Führung von Pfarrer Berthold Volkenand (Obergude bei Rotenburg/Fulda) die äußerlich von der Berliner Reichsleitung unabhängige „Selbständige Gruppe deutscher Christen in Kurhessen“ (SGDCK), aber ihr Einfluß auf die kirchenpolitische Entwicklung in der Landeskirche blieb im Vergleich zum Einfluß der Vorgängerorganisation der GDC verhältnismäßig gering. Seit 1937 hatten die Deutschen Christen in ihren unterschiedlichen Gruppierungen und Organisationen in KurhessenWaldeck keine nennenswerte Bedeutung mehr weder für die innerkirchliche Auseinandersetzung, noch für die Spannungen und den Kampf zwischen Kirche und Staat.152 Immerhin engagierte sich der Vorsitzende des Pfarrervereins bald auch in der SGDCK. So schickte er am 23. Juni einen von Pfarrer Fritz Happich (Treysa) und ihm selbst verfaßten „Entwurf unserer Grundsätze, zu denen wir uns bekennen“, allen Mitgliedern der SGDCK zu mit der Bitte: „Geben Sie diese Grundsätze in den Kreisen der Amtsbrüder bekannt und werben Sie dafür, daß sich möglichst schnell alle Amtsbrüder, die weder der Reichsleitung (der GDC; B. J.) noch dem Notbund angehören wollen, sich unserer Gruppe anschließen. Alle Anmeldungen sind sofort dem Amtsbruder Meyenschein in Kilianstädten Krs. Hanau mitzuteilen. Es darf in Kürze kein Amtsbruder mehr
Reichsleitung eine Erklärung der D.C. Pfarrer überreichen, daß wir dann unsere Verbindung mit Berlin lösen u. eigene Wege gehen. Die Sachlage ist bezeichnend für den Wind, der in Berlin weht. Ob Jäger verschnupft ist? Ob Keller die Karten gemischt hat? Waldeck ist eine Windecke geworden ... Jetzt ist der Friede ernstlich bedroht“; PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“. 152 Zur Entwicklung der DC in Kurhessen-Waldeck vgl. J. Gauger (Hg.), Chronik der Kirchenwirren II, [o. O., Elberfeld 1935], 240ff; Meier (s. Anm. 32), 89f, 187f.
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abseits stehen und die anderen für sich kämpfen lassen. Mit deutschem Gruß. Heil Hitler! gez. Wepler.“153 Im übrigen war Wepler seit Januar 1934 (erste Auseinandersetzung mit Gauleiter Weinrich) immer wieder damit beschäftigt, die kurhessische Pfarrerschaft, als deren „Führer“ ihn Dithmar einmal bezeichnete und er sich selbst auch verstand, vor ungerechtfertigten Angriffen von seiten der NSDAP und der Staatsvertreter in Schutz zu nehmen. Er tat dies, indem er wie bei der Hauptversammlung in Melsungen immer wieder auf die nationale Treue der Pfarrer hinwies und dabei ihren Kampf gegen Heidentum, Marxismus und Bolschewismus hervorhob. So sagte er am 20. Juni 1934 in Melsungen in seinem „Bericht des Vorstandes“ u. a.: Die gesamte Pfarrerschaft hat im Laufe des vergangenen Jahres unter dem schwersten Druck politischer Diffamierung gestanden, und der Vorstand unseres Vereins hat es versucht, die maßgebenden Stellen über das Unrecht aufzuklären, das dem Pfarrerstande damit zugefügt worden ist. Es soll nicht bestritten werden, daß unter den etwa 450 im Amte befindlichen kurhessischen Pfarrern einige gewesen sind, die sich zunächst in unsere neue geschichtliche Lage nicht finden konnten. Es ist bekannt, daß auch einige Amtsbrüder sich vor dem politischen Aufbruch in unserem Volk zum Marxismus bekannt haben. Man suche aber in unserem Vaterlande einen einzigen Stand, der nicht mehr als 1 Prozent nationalunzuverlässige Elemente in seinen Reihen gehabt hätte. Wir hätten unsere nationale Haltung und soziale Verantwortung, die in unserem evangelischen Glauben ihre tiefste Verankerung hat, nach der nationalen Revolution nicht zu betonen brauchen. Trotzdem haben wir das wiederholt feierlich getan, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß wir uns freudig zu dem großen Führer unseres Volkes bekennen und uns als dienstbereite Männer dem Dritten Reich einordnen. Der Vorstand darf Ihnen nicht vorenthalten, daß ein Amtsbruder im Ruhestand seinem schmerzlichen Erleben infolge politischer Difammierung in einem ausführlichen Schreiben Ausdruck verliehen hat. Die breiteste Öffentlichkeit sollte erfahren, welcher Geist im deutschen Pfarrhaus jederzeit gelebt hat. Nur einige Beispiele aus diesem Schreiben sollen uns das in Erinnerung bringen. 153 Brief, Durchschrift: PfrVAkten, Mappe „1929-1934: Die Hauptversammlung“; die „Grundsätze“ fehlen bei der Durchschrift.
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„1. Als vor etwa 40 Jahren der preußische Kriegsminister auf das Drängen des Zentrums den katholischen Theologiestudierenden das Zugeständnis machte, daß sie nicht mit der Waffe, sondern als Soldaten des Sanitätsdienstes dienen durften, wurde aus paritätischen Gründen auch den evangelischen Theologen dasselbe Angebot gemacht. Fast einstimmig haben sie das mit den evangelischen Pfarrhäusern abgelehnt. Als eine Zurücksetzung wurde es empfunden, wenn sie mit ihrem deutschen Volk nicht auch das Schwerste tragen sollten. 2. Als der Krieg 1914 ausbrach, eilte aus den hessischen Pfarrhäusern alles, was waffenfähig war, zur Front. Oft waren es noch halbe Kinder. Ein rühmliches Zeugnis für den Geist, mit dem das Pfarrhaus seine Kinder erzogen hat. Eine Statistik aus 1917 über die Opfer an Blut und Leben, die von den einzelnen Ständen unseres Volkes gebracht waren, ergab folgendes: 6 Prozent Gefallene von der gesamten Volkszahl, 9 Prozent aus den akademischen Ständen, 12 Prozent aus den evangelischen Pfarrhäusern. Aus vielen hessischen Pfarrhäusern sind zwei Söhne gefallen, aus einer beträchtlichen Zahl drei Söhne und Schwiegersöhne. Der Stand, der die blutigsten Opfer für sein Volk gebracht hatte, hatte darum auch im Jahre 1917, als die Kriegsmüdigkeit sich in den Gemeinden bemerkbar machte, das Recht und die Kraft, dem in aller Schärfe entgegenzutreten. 3. Angesichts der Vorwürfe, die gegen Pfarrer erhoben wurden, ist es nicht überflüssig, darauf hinzuweisen[,] wie sich in Rheinhessen die evangelischen Pfarrer gegenüber der geplanten rheinischen Republik und den Separatisten bewährt haben. Daß viele katholische Pfarrer mit der Bewegung sympathisierten, ist allgemein bekannt. Man suche einen einzigen evangelischen Geistlichen, der zu diesem Landesverrat stand! Sie haben vielmehr zum Kampf gegen die Separatisten ermuntert. Flugblätter und Waffen wurden in den Pfarrhäusern versteckt und von dort aus im gegebenen Augenblick verteilt. Das alles kann heute noch durch hunderte von Zeugen bewiesen werden. Viele von diesen Pfarrern sind wegen ihrer Treue ausgewiesen worden. Damals sprach man verächtlich von der Rückständigkeit des Pfarrerstandes, und die marxistische Regierung hat wegen dieser nationalen Haltung niemals eine Neigung verspürt, mit uns zu verhandeln. Heute nennt man uns ‚Gegner des deutschen Volkes’ und ‚undeutsche Geistliche’. Wir fühlen uns deshalb in unserer Ehre verletzt und werden auch in Zukunft gegen jeden unbegründeten Vorwurf auf das Schärfste protestieren. In unserer Volksverbundenheit wollen wir uns von keinem Stande übertreffen lassen. Wir bekennen uns zum nationalsozialistischen Staat und seiner Obrigkeit und dürfen dem späteren Urteil der Geschichte mit dem Vertrauen entgegensehen, daß unsere nationale Ehre wieder hergestellt wird. Um der Wahrhaftigkeit
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und Brüderlichkeit willen erwarten wir, daß Amtsbrüder in Zukunft keine Beiträge zur Diffamierung ihres eigenen Standes liefern.“ Von dieser Gesamthaltung der Pfarrerschaft aus ist der Kampf zu beurteilen, den wir um die Erhaltung des Bekenntnisstandes und der Eigenart unserer Kirche führen. Wir können es nicht verstehen, daß unsere kirchenpolitische Haltung zur Beurteilung unserer staatspolitischen genommen wird. Innerhalb der Pfarrerschaft ist in allen grundsätzlichen Fragen eine erfreuliche Einmütigkeit zutage getreten. In dem Zusammenschluß mit Waldeck ist niemals eine gegenteilige Ansicht kund geworden. Darum konnte die entsprechende Gesetzesvorlage im Landeskirchentag einstimmig von den Pfarrern angenommen werden. Wir haben in unseren wiederholten Verhandlungen auch festgestellt, daß es keine Meinungsverschiedenheit in der Bischofsfrage gibt. Wir haben uns deshalb bereit erklärt, in der Leitung unserer Kirche einem Gesetz auf Änderung der Verfassung zuzustimmen. In der Personalfrage haben erst im letzten Augenblick einige Amtsbrüder eine andere Stellung eingenommen. Ohne Widerspruch treten wir für die Eingliederung unserer Landeskirche in die Reichskirche ein. Die überwiegende Mehrheit der Pfarrerschaft will diese Eingliederung auf organischem Wege unter Voraussetzung eines neuen Reichskirchengesetzes. Einige von uns sind gewillt, diese Eingliederung unter Aufgabe unserer Rechtsordnung lediglich in Hoffnung auf ein noch kommendes Reichskirchengesetz zu vollziehen. Da wir uns in den grundsätzlichen Fragen in völliger Übereinstimmung wissen, ist nicht einzusehen, warum sich bei gutem Willen nicht der Weg finden ließe, der sehr bald zum Ziele führen muß. Dieser Weg muß aber dem Wesen und der Würde der Kirche entsprechen ... Die Pfarrerschaft hat sich im Laufe des Jahres großen Hilfsaktionen der Regierung gegenüber Arbeitslosen und notleidenden Volksgenossen nicht verschlossen. Der Vorstand hat im Blick auf das Arbeitsbeschaffungsprogramm durch die Vertrauensmänner der Kirchenkreise die Aufforderung an die Amtsbrüder ergehen lassen, als Mindestbetrag 30 RM an die betreffenden Stellen abzuführen. Für die Winterhilfe sind wir über die von der Reichsregierung vorgeschriebenen Sätze hinausgegangen in der Erwartung, daß wir Pfarrer in der Bereitschaft zur Bruderhilfe hinter keinem Stand zurückstehen wollen. Wir wissen uns gegenüber aller Not in unserem Volke mit verantwortlich, wir wollen in Zukunft nicht nur Zeugen des Wortes, sondern auch der Tat sein, weil wir unter dem Gesetz Christi stehen: „Einer trage des anderen Last!“154
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H. Wepler, Bericht des Vorstandes, Pastoralblatt 43 (1934) 30-31.
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Der von Wepler zitierte „Amtsbruder im Ruhestand“ war Pfarrer Kahler (Marburg, früher Treisbach). Er hatte sich am 14. März 1934 mit einem vierseitigen Brief an den Vorstand des Pfarrervereins gewandt in der Hoffnung, daß dieser gegen die Beschuldigungen der Pfarrerschaft durch den Kasseler Gauleiter Weinrich in seiner Rede vom 18. Januar auf dem Kasseler Friedrichsplatz Einspruch erhebt, was Wepler, wie wir sahen, bereits vor Kahlers Brief am 25. Januar getan hatte. Kahlers Brief gibt die Stimmung vieler älterer Pfarrer jener Zeit wieder. Im übrigen ist es aufschlußreich, daß Wepler in seinem Vorstandsbericht beim Zitieren dieses Briefes mit keinem Wort erwähnt, daß hier gegen die Pfarrerschelte des Gauleiters protestiert wird. Schließlich zeigt ein Vergleich zwischen Weplers Zitaten und Kahlers Original, daß und wie Wepler den ursprünglichen Text verändert und wesentliche Teile, die zum Verständnis der gebrachten Zitate wichtig gewesen wären, der Versammlung nicht zu Gehör gebracht hat. Kahler schrieb: An den Vorstand des hess. kass. Pfarrvereins (sic!) Ich nehme an, daß der Vorstand des hess. kass. Pfarrvereins gegen die ehrenrührigen Beschuldigungen, die der Herr Gauleiter und Staatsrat Weinrich in Kassel gegen einen großen Teil der hessisch. Pfarrerschaft ausgesprochen hat, Einspruch erhebt. Zu den Gründen, welche diese Beschuldigungen widerlegen, erlaube ich mir als alter Pfarrer einen Beitrag zu liefern, weil einige dieser Gründe nicht allgemein bekannt sind. Ich schicke folgendes voraus: 1) wird in den Worten des Herrn Gauleiters mit dem bekannten Trugschluß operiert, daß sämtliche nat.soz. denkende Geistliche auch deutsche Christen waren. Das ist nicht der Fall. Und daß nach der bekannten Sportpalastversammlung hunderte von evang. Geistlichen aus den deutschen Christen ausgetreten sind, dazu fast der gesamte Gnadauer Verband von Gemeinschaften, darf man doch als allgemein bekannt voraussetzen. 2) Daß es auch unter der ev. Geistlichkeit etliche gibt, die sich nicht mehr in den neuen Verhältnissen zurecht finden können, wird nicht bestritten; aber das ist eine Erfahrung, die man in allen Ständen macht. Und sie gibt kein Recht dazu, einem großen Teil des ganzen Pfarrstandes die ehrenrührigen Beschuldigungen zu machen, die gemacht sind in heiliger Stunde, in breitester Öffentlichkeit. Wie würde man auf der anderen Seite auffahren, wenn
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man um ein paar schlechter Mitglieder willen, die sich auch in der nat.soz. Partei finden werden, die ganze Partei danach beurteilen würde! Wir dürfen aber erwarten, daß man gegen uns ebenso handelt! Doch nun die Gründe selbst: 1) Als vor etwa 40 Jahren der preußische Kriegsminister auf Drängen des Centrums den kathol. Theologiestudierenden das Zugeständnis machte, daß sie nicht mit der Waffe, sondern als Sanitäter dienen durften, bot er aus Parität dasselbe auch den evang. Theologen an. Fast einstimmig haben die das mit den evang. Pfarrhäusern abgelehnt; sie wollten mit ihrem deutschen Volk auch das Schwerste tragen, wenn ein Krieg käme und empfänden das als eine Zurücksetzung, wenn sie es nicht könnten. 2) Als der Krieg ausbrach, eilte aus den hessisch. Pfarrhäusern alles, was waffenfähig war, zum Heer, oft noch halbe Kinder - ein rühmliches Zeugnis für den vaterländischen Geist, in dem sie erzogen waren. 3) Als 1917 eine Statistik aufgestellt wurde über die schweren Opfer an Blut und Leben, die von den einzelnen Ständen gebracht waren, haben die Zeitungen damals folgendes gebracht: 6 % Gefallene von der großen Masse; 9 % aus den akademischen Ständen, 12 % aus den ev. Pfarrhäusern. 4) Aus vielen hessischen Pfarrhäusern sind 2 Söhne gefallen, aus einer ganzen Reihe 3 Söhne u. Schwiegersöhne. Diese allerschwersten Verluste wurden mit Tränen und Herzeleid, aber in ungebeugter Vaterlandsliebe getragen. In Ehrfurcht und höchster Anerkennung wurden die Namen dieser Pfarrfamilien nicht nur in der eigenen Gemeinde, sondern weit darüber hinaus von unserem Hessenvolk genannt. Das gab uns auch 1917, als tiefe Kriegsmüdigkeit sich auf unser Volk legte, das Recht u. die Macht, der in aller Schärfe entgegenzutreten; dem Stand, der selbst die blutigsten Opfer gebracht hatte, konnte man das nicht verweigern. 5) Als 1925 bei der Reichspräsidentenwahl einzelne Professoren der ev. Fakultät in Marburg das Unglaubliche fertig brachten, sich für den Centrumsmann Marx einzusetzen gegenüber dem ev. kerndeutschen Generalfeldmarschall von Hindenburg, hat die hessische Pfarrerschaft in Empörung darüber das Tischtuch zwischen sich und diesen Professoren entzwei geschnitten. 6) Man darf wohl auch darauf hinweisen, wie sich in Rheinhessen die ev. Geistlichen gegenüber der geplanten rheinischen Republik u. den Separatisten bewährt haben. Daß viele kath. Geistliche, hohe u. niedere, mit der Bewegung sympatiesierten (sic!), ist ja allgemein bekannt. Man möge aber einen einzigen ev. Geistlichen suchen, der das gethan (sic!) hat. Viele wurden ausgewiesen und alle haben Versuche, sie auf die andere Seite zu ziehen, entschlossen abgelehnt, auch als man ihnen Geldhilfe gegen die drückende
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Not in Aussicht stellte. Aber das haben sie getan: zum Kampf gegen die Separatisten im Geheimen ermuntert u. geschürt; eingeschmuggelte Flugblätter u. Waffen wurden in den Pfarrhäusern versteckt u. von dort aus verteilt, als es galt. Alles das kann heute noch durch hunderte von Zeugen bewiesen werden! 7) Als vor etwa 8 Jahren die sogenannten „Fememörder“ von der damaligen Regierung gehetzt u. verfolgt wurden, faßte man den Plan, sie verschwinden zu lassen unter falschen Namen u. Pässen u. zwar in abgelegenen Gegenden, wo das Auge der Polizei nicht so scharf hinsehen konnte. Selbstverständlich dachte man da zuerst an das ev. Pfarrhaus als geeignete, offen stehende Zufluchtsstätte! Und von den beiden Pfarrhäusern, von denen ich weiß, daß man sie in dieser Sache anging - sie war natürlich ganz geheim -[,] kann ich sagen, daß sie sofort als eine selbstverständliche Pflicht gegen diese glühenden Patrioten zusagten. Daß diese Pfarrer aber damit nicht nur ihre Existenz auf das Spiel setzten, sondern auch schwere Gefängnisstrafe riskierten, weiß jeder, der die böswillige Einstellung der damaligen Regierung gegen den ev. Pfarrerstand eben wegen seiner nationalen Gesinnung kannte! Von vielen wurden wir damals als „rückständiger Stand“ angesehen u. bezeichnet, weil wir Rückgrat zeigten gegen die unpatriotische Regierung. Und hunderte von Männern aus diesem von Vaterlandsliebe erfüllten Stand wagt man „Gegner des deutschen Volkes“ u. „undeutsche Geistliche“ zu nennen! Das ist meines Wissens das erstemal, daß man gegen Glieder des ev. Pfarrerstandes diese ehrenrührige Anklage erhebt. Die Historiker der deutschen Volk- u. Culturgeschichte, soweit sie diesen Stand erwähnen, rühmen neben seiner Gastfreiheit seine vaterländische Gesinnung. Das allgemeine Urteil liegt seit den Freiheitskriegen bis heute fest. Spricht heute ein Mann die gegenteilige Ansicht aus, dann hat er die Pflicht, das nicht mit allgemeinen Redensarten oder mit Berufung auf einzelne Persönlichkeiten auszusprechen - derartig schwere Anklagen können nicht mit ein paar Redensarten abgetan werden -, sondern sie gründlich u. ausführlich zu beweisen. Und um so mehr, als die Äußerungen in feierlicher Stunde der Vereidigung von vielen hundert Amtswaltern, also in breitester Öffentlichkeit getan sind u. man die Empfindung hat, daß diese Gedanken den Amtswaltern eingeimpft werden sollten u. die sie in ihre Gemeinden hineintragen. Wir Pfarrer haben nicht nur das Recht, sondern die Pflicht gegen unseren Stand, dessen Ansehen von hoher Bedeutung für unser Volksleben ist, eine klare, ausführliche Begründung der Vorwürfe zu fordern. Den Geistlichen, die nicht mit den deutschen Christen gehen, wird als Beweggrund ihres Verhaltens „Behauptung ihrer Macht“ untergeschoben. Damit tritt eine Unfähigkeit, einen Andersdenkenden innerlich zu verstehen, an das Licht, die bedeauerlich ist. Die „nat.soz. denkenden Geistlichen“, auf die sich der
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Herr Gauleiter beruft, denken anders von ihren Amtsbrüdern, wie aus ihrem am 7. Dez. 1933 in Kassel gefaßten Beschluß hervorgeht. Dort heißt es: „Die Einheitsfront suchen wir nicht durch Kompromisse u. Abschwächung unserer Ziele herzustellen, sondern durch Verständnis u. Achtung vor der Überzeugung der Amtsbrüder, die von rechtem Willen für die Aufgabe der Kirche beseelt sind.“ Der letzte schwerste Vorwurf lautet: „Diese Undankbaren haben das Recht verwirkt, sich Hüter des Wortes Gottes zu nennen.“ Dieser Vorwurf bedarf wohl keiner Widerlegung - der redet für sich selbst! Bitter aber ist es, daß Männer mit solchen Anschauungen über einen großen Teil der Pfarrerschaft mitberatend sind für wichtige kirchenpolitische Fragen. Kahler, Pfr. i. R.155
Der Vergleich der beiden Dokumente zeigt, daß Wepler nicht nur einzelne Stellen aus Kahlers Brief abgeändert hat, sondern darüber hinaus gerade im letzten Zitatabsatz, in dem er die Volksverbundenheit der Pfarrer, ihr Bekenntnis zum Nationalsozialismus und die Wiederherstellung ihrer nationalen Ehre erwähnte, Kahler gar nicht mehr zitierte. Er gebrauchte vielmehr den „Amtsbruder im Ruhestand“ dazu, seine eigene staatstreue Position und die der, wie er meinte, gesamten kurhessischen Pfarrerschaft klar herauszustellen. 2.9.3 „Stehen und bekennen“ - BK contra DC In der Vorstandssitzung vom 5. Juli 1934 in Kassel (anwesend: Wepler, Francke, Schimmelpfeng, Schmidt, Striening, als Gast Pfarrer Happich) berichtete Wepler über die kirchliche Lage nach dem Landeskirchentag vom 29. Juni „und das noch nicht angekündigte Eintreffen des Kirchenkommissars“. Dann stellte er „den Antrag, Pfr. Ziegler soll an die Amtsbrüder, die noch Mitglieder der Reichsleitung der DC sind, herantreten und sie 155
Brief, Original: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“.
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fragen, ob sie sich mit dem Pamphlet der D.C. Gau Kurhessen vom 26. 6., unterzeichnet Grebe, solidarisch erklären; wenn nein, welchen neuen Weg sie zu gedenken gehen (sic!), um dies zu korrigieren. Der Antrag wird einstimmig angenommen.“ Happich nahm wohl als Mitverfasser der Grundsätze der neuen SGDCK an dieser Sitzung teil. Am 10. Juli wies Wepler brieflich Ziegler auf das gedruckte Rundschreiben des Vikars Grebe „An sämtliche Herren Pfarrer der Landeskirche von Kurhessen-Waldeck“156 hin, das „in der hessischen Pfarrerschaft eine tiefe Entrüstung hervorgerufen hat. Dieses Rundschreiben ist in Bezug auf seine Verlogenheit und Form ein Kulturdokument, das noch nach langer Zeit die evang. Pfarrerschaft mit tiefer Beschämung darüber erfüllen wird, daß es einen angehenden Theologen zum Verfasser hat.“ Die bisherigen Proteste von seiten einiger weniger DC-Amtsbrüder genügten nicht. „Die kurhessische Pfarrerschaft muß aber wissen, ob es Amtsbrüder gibt, die sich mit diesem Machwerk solidarisch erklären, um dann daraus ihre Folgerungen zu ziehen.“ Ziegler solle ihm mitteilen, wie er „selbst und die Kollegen, die sich zu dem Gauobmann Keller bekennen, zu dem Rundschreiben Grebes stehen“, und was er zu tun gedenke, „damit diese unerhörte Diffamierung der Pfarrerschaft gesühnt wird“.157 An demselben 10. Juli, an dem in den Zeitungen das oben schon erwähnte staatliche Verbot jeder öffentlichen Erörterung des „evangelischen Kirchenstreites“ verbreitet wurde und Wepler an Ziegler schrieb, erschien der angekündigte Kirchenkommissar Dr. Richter in der EKL in Kassel „und forderte die Übergabe der Amtsräume und die Geschäfte an ihn ... Als ihm dies verweigert wurde, wandte er sich um polizeiliche Unterstützung an den Polizeipräsidenten in Kassel. Auf das Erschei156
S. Anhang Nr. 13. Brief, Durchschrift: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“. Eine Antwort Zieglers war in den PfrVAkten nicht aufzufinden.
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nen eines Polizeioffiziers hin verließen die Mitglieder der einstweiligen Kirchenleitung die Amtsräume ... Diese wurden von Dr. Richter in Besitz genommen.“158 Wie die Situation in der Kirchenleitung kurz zuvor war, erfuhr Wepler durch eine Schilderung D. Dithmars, des Präsidenten der EKL, der ihm am 8. Juli „aus dem sonntäglichen Frieden heraus“ folgenden brieflichen Bericht gab: Die Verhandlungen mit Richter waren nicht leicht, da er eine gütliche Lösung wollte. Wenn wir ihn anerkannten, war er bereit von seinen Vollmachten zunächst keinen Gebrauch zu machen. Meine Bitte ging dahin, daß L. Müller auf Grund eines Berichtes, den er erstatten möchte, die Bevollmächtigung zurückstellen solle bis Anfang August, damit wir Zeit hätten, in Ruhe alle Hindernisse zu beseitigen. Aber er ging von seiner Voraussetzung nicht ab und wünschte, daß wir ein Amtsblatt vorbereiteten mit einem Aufruf, den er erlassen wollte. Ich habe es natürlich abgelehnt. - Nachmittags verhandelte er mit gewissen Stellen und außerdem mit Ziegler, Pfeiffer, Happel, Keller und Grebe (!!) und brachte das Ergebnis mit: Burgfriede bis in August, er wollte Vermittler sein, die EKL bleibt so lange im Amte. Theys wird Labis (= Landesbischof, B. J.). Wir haben den guten Willen anerkannt, aber erklärt, daß wir unter keinen Umständen ihn als Bevollmächtigten vorher anerkennten. Dramatischer Schluß!! ab! Merzyn, Gerlach und Köhler fahren heute nach Berlin, um im Reichsinnenministerium eine Entscheidung herbeizuführen. - Morgen bin ich allein im Renthof und warte auf das Handeln des Dr. Richter. Übrigens ein sehr gewandter und tapferer Gegner. Aber es waren nervenverbrauchende Tage: Freitag und Sonnabend! ich werde sie mir merken. Sehr interessant waren die Berichte der Deputation aus Berlin. Schade, daß ich Ihnen davon keinen Bericht geben kann. Am Mittwoch hat sich die Bekenntnisfront gebildet 156 Pfarrer und Laien. Mittwoch und Donnerstag soll theolog. Prüfung in Marburg sein. Die Facultät prüft nur unter meinem Vorsitz. Auch ein interessanter Rechtsfall! Wenn ich also in Marburg bin, bitte ich mein Fehlen im Nordhof zu entschuldigen. Ich stehe natürlich zu Ihnen ... Man weiß oft nicht, wo einem der Kopf steht. Daß ich mich da raussehne, können Sie sich gut denken. 158
Aus dem „Tatbestand“ des Räumungsurteils der II. Zivilkammer des Landgerichts in Kassel vom 2. 2. 1935 gegen die KKR zugunsten der EKL, zit. bei Slenczka (s. Anm. 28), (172-186) 175. Ein Sonderdruck des Urteils befindet sich in: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“.
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Besten Gruß Ihr D.159
Gleichzeitig mit der Mitteilung Pfarrer Dr. Ritters (Marburg) über eine Anklageerhebung gegen ihn wegen „Herabsetzung der SA“ 160 erhielt Wepler ein Schreiben, das ein neu gebildeter „Vertrauensrat für die Ev. Landeskirchen Hessen-Kassel und Waldeck“ am 20. Juli an sämtliche Pfarrämter schickte: Den Pfarrern und Gemeinden unserer Landeskirchen (sic!) Kurhessen und Waldeck ist bekannt, daß der Bevollmächtigte des Herrn Reichsbischofs die vom L. K. T. am 12. September 1933 eingesetzte einstw. Kirchenleitung in Kassel mit polizeilicher Gewalt aus ihren Diensträumen entfernt hat. Die E. K. L. hat dagegen sofort Rechtsverwahrung eingelegt und hat die Reichsregierung um Schutz angerufen. Sie hat festgestellt, daß ein Einverständnis der Reichsregierung mit dem Vorgehen des Bevollmächtigten nicht vorlag. Die E. K. L. hat demzufolge erneut Rechtsverwahrung eingelegt gegen die Einberufung des L. K. T. durch den Bevollmächtigten, gegen die von ihm verfügte Aufhebung von Bestimmungen unserer Kirchenverfassung über die Beschlußfassung im L. K. T. und gegen die auf dieser völlig ungesetzlichen Grundlage zustande gekommenen Gesetze und Wahlen. Diesen Rechtsverwahrungen haben sich die verfassungstreuen Mitglieder des L. K. T. angeschlossen. Ebenso haben sich zahlreiche Pfarrer unserer Landeskirche dieselben zu eigen gemacht; bis heute sind mehr als 180 Unterschriften eingegangen. Aus den verfassungstreuen Pfarrern und Mitgliedern des L. K. T. hat sich ein Vertrauensrat für die Ev. Landeskirche Hessen-Kassel und Waldeck gebildet, der alle Pfarrer und Gemeinden zusammenfassen will, die dafür eintreten, daß in der Christl. Kirche alles „ehrbar und ordentlich zugehen soll, und daß durch Unrecht und Gewalt keine Vollmacht zur Leitung einer Evangel. Kirche geschaffen werden kann, vielmehr die Wahrheit und 159
Brief, Original: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“. Anklage aufgrund eines Berichtes, den Ritter im Gemeindeblatt der evangelisch-reformierten Gemeinde in Marburg (Nr. 5 vom Juni 1934) über die Vorgänge beim Landeskirchentag vom 12. 6. 1934 gab; Rundbrief Ritters vom 20. 7. 1934 mit Originalunterschrift: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“; vgl. auch Th. Klein, Die Lageberichte der Geheimen Staatspolizei über die Provinz Hessen-Nassau 1933-1936. Mit ergänzenden Materialien herausgegeben, eingeleitet und erläutert, Teilbd. I (Veröff. aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz 22/I), Köln 1986, 121f. 160
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Freiheit des Bekennens gefördert werden muß.“ Wir bitten die Herren Pfarrer und Kirchenvorstände dringend, der von der E. K. L. beantragten Rechtsentscheidung nicht vorzugreifen, indem sie die gegen Recht und Gesetz gebildete neue Kirchenregierung anerkennen. Wir halten insbesondere nicht für zulässig, von dieser angeordnete Abkündigungen zur Verlesung zu bringen, etwaige Beurlaubungen und Entlassungen als rechtmäßig anzusehen, Vorladungen zu folgen und dergl. Wir dürfen es den Herrn Pfarrern anheim stellen, Ihren Kirchenvorständen in geeigneter Weise vom Inhalt dieses Schreibens Kenntnis zu geben. Die Form der Kanzelabkündigung erscheint uns zur Zeit nicht rätlich. Wir empfehlen, der Not unserer Kirche in Fürbitte zu gedenken. Der Vertrauensrat: Rechtsanwalt Dr. Blesse, Kirchenrat Bücking, Forstmeister Henckel, Pfarrer Heppe, Oberlandeskirchenrat Koehler, Kreispfarrer Laabs, Professor D. von Soden.161
Nachdem die SGDCK unter Führung Pfarrer Volkenands in einem Rundschreiben vom 25. Juli an alle Pfarrer das Bündnis mit dem Vertrauensrat aufgekündigt und der illegal einberufene Landeskirchentag vom 2. August eine neue, unrechtmäßige Landessynode gebildet hatte, war eine neue Lage entstanden. So sagte Professor Hans von Soden (Marburg) in einem Referat über die gegenwärtige kirchliche Rechtslage auf einem vom Vertrauensrat für den 1. August in Kassel einberufenen Pfarrkonvent in Anwesenheit von 75 Pfarrern und auch Laienmitgliedern des Landeskirchentages u. a.: „Durch Auflösung der einzig noch bestehenden verfassungsmäßigen Instanz, nämlich des Landeskirchentages, ist den Gemeinden jegliche Ausübung ihrer Rechte, die ihnen aufgrund des evang(elischen) Gemeindeprinzips vom allgemeinen Priestertum zustehn, genommen. Das Führerprinzip ist damit in einem unevangelischen Sinne auch in unserer Landeskirche restlos durchgeführt, und wir haben es nun letzten Endes nicht mehr mit unserer Kirchenregierung in Kassel und dem neugewählten Landesbischof zu tun, sondern mit dem Reichsbischof, der diesem ‚Weisung erteilt’. 161
Rundbrief: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“.
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Diese völlig neue, veränderte Lage hat den Vertrauensrat veranlaßt, in seiner Sitzung am 31. Juli zu beschließen, dem Pfarrerkonvent die Bildung einer bekennenden Kirche in Kurhessen zu empfehlen. Der Vertrauensrat sieht die ihm gestellte Aufgabe der Herstellung einer Abwehrfront auf dem Boden der Rechtsverwahrung als überholt an, löst sich auf und legt die neuen Aufgaben in die Hände eines noch zu wählenden Bruderrates dieser bekennenden Kirche in Kurhessen und Waldeck.“162 Die Ausführungen von Sodens wurden durch Pfarrer Heppe (Cölbe), den Leiter des kurhessischen Pfarrernotbundes, aus der Sicht des praktischen Amtes noch ergänzt: „Schon der von uns geführte Kampf um das Recht war von Anfang an mehr, nämlich ein Kampf um die alleinige Geltung biblischer Grundsätze im Raum der Kirche. Dauernde, bewußte Verletzung von Recht und Wahrheit erschüttert das Fundament der Kirche. Wir sind den Weg Schulter an Schulter mit den D.C.-Amtsbrüdern bisher mit Willen gegangen, um unsere kurhessische Landeskirche geschlossen zum Einsatz zu bringen im Ringen innerhalb der Reichskirche. Wir hofften, erst D. Möller, dann D. Merzyn zur entschlossenen Führung der geeinten Pfarrerschaft bewegen zu können. Besonders letzterer hätte mit einem so starken Fond von Vertrauen im ganzen Hessenland arbeiten können, wie ihn selten ein kirchlicher Führer besitzt. Mit der bewußten Zerschlagung dieser Vertrauensgrundlage für die Bischofskandidatur D. Merzyns durch eine Reihe unverantwortlicher Geschehnisse, die vor allem von außerhessischen Stellen veranlaßt waren, begann ein trauriger Abschnitt hessischer Kirchengeschichte. Nun hob ein Zertreten vieler schwacher Gewissen an. Mit brutaler Gewalt wurde in einem Augenblick, in dem unser Volk Ruhe und Frieden braucht, über den Aufschrei einer in ihrem verfaßten und beschworenen Recht verletzten und vergewaltig162
Aus einem Rundbrief (August 1934) Bernhard Heppes und Hans von Sodens an die Pfarrer der kurhessischen Kirche, in: Dinkler/Dinkler-von Schubert (Hg.) (s. Anm. 120), (97-100) 98.
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ten Kirche, nämlich der gerade immer mit besonderem Rechtssinne ausgestatteten Kurhessischen Landeskirche und des maßgeblichen Teiles ihrer Pfarrerschaft, hinweggeschritten. Weder in der Presse noch sonst in der Öffentlichkeit war ein Lautwerden des einmütigen und überragenden Protestes gegen ein solches Vorgehen möglich. Es wurde dem Volk so dargestellt, als sei alles in bester Ordnung. Die Kräfte, welche die Geschlossenheit unserer Kirche gewaltsam zerstörten, haben ihr das neue Regiment beschert, welches deshalb innerlich diesen seinen Auftraggebern verpflichtet bleibt. Daher ist der neu gewählte Bischof als ‚rite vocatus’ niemals zu betrachten. Wenn er das Plazet des Herrn Reichsbischofs und des Herrn Kultusministers erhält, so gilt dies seiner Person. Der Staat hat damit keineswegs seine Wahl und die ihr voraufgehenden Ungesetzlichkeiten anerkannt. Wir stehen nach allen diesen Ereignissen vor der innersten Entscheidung, zu welcher Kirche wir uns bekennen. Vor uns steht als für uns zuständig jetzt die auf dem staatlichen Führerprinzip aufgebaute Reichskirche, in der an verantwortlicher Stelle Männer stehen, die sich immer neuer Verletzungen des biblischen Evangeliums schuldig machen. Ihnen und ihrem absoluten Regiment gegenüber gibt es keine Stelle innerhalb der Kirche und ihrer Verfassung, die sie darüber zur Rechenschaft ziehen könnte. Mit und in dieser Kirche soll der uns erst noch bevorstehende Kampf gegen die offenen Häresien der Gegenwart geführt werden! Hier fällt die Entscheidung. Wir können nur arbeiten, verkündigen und wirksam und glaubhaft predigen in einer Kirche, die in Wesen und Gestalt aus dem biblischen Zeugnis lebt. Eine Kirche, die als evangelisch nicht mehr angesprochen werden kann, hat keine kirchlich obrigkeitliche Gewalt, ihre Macht ist angemaßt. Ihr zu gehorchen, würde bedeuten, sich mitschuldig zu machen an der Verleugnung evangelischen Geistes im Raume der Kirche. Unser Gehorsam gilt allein der Schrift und den aus ihr erwachsenen Bekenntnissen der Reformation. Dieser Gehorsam verlangt von uns den Zusammen-
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schluß auf Grund dieser Bekenntnisse und ein Zusammentreten aller derer, die Gott mehr gehorchen wollen als den Menschen, zu einer bekennenden Kirche in Kurhessen und Waldeck. Ein Vergleich mit der Renitenz von 1874 erscheint im Blick auf die durchaus anders gelagerten zeitgeschichtlichen und politischen Verhältnisse von damals abwegig. Heute stoßen wir zu der großen Bekenntnisfront im ganzen Reich, die durch alle Landeskirchen hindurchgeht und einige große Kirchenkörper geschlossen umspannt. Vom Glauben her gilt es jetzt nicht zu weichen, sondern zu stehen und zu bekennen.“163 Auf der Wittenberger Nationalsynode vom 9. August 1934 versuchte „Rechtswalter“ Jäger die Zentralisierung der Deutschen Evangelischen Kirche gesetzlich abzuschließen. Das Ziel der Eingliederungspolitik, alle Landeskirchen in letzter Verfügung dem Reichsbischof zu unterstellen, scheiterte schließlich am Widerstand Württembergs (Landesbischof D. Wurm) und Bayerns (Landesbischof D. Meiser). 2.9.4 Einführung des Führerprinzips im Pfarrerverein Kontakte mit dem Reichsbund der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine Im Spätsommer sollten dann wenigstens die Pfarrervereine in den einzelnen Kirchengebieten sowie der Verband Deutscher Pfarrervereine so unter das Führerprinzip gestellt werden, daß sie letztlich zu Ausführungsorganen des am 23. September im Dom zu Berlin offiziell als Reichsbischof eingeführten Wehrkreispfarrers Ludwig Müller wurden. Die Satzungen mußten also, wie es im Protokoll der Vorstandssitzung vom 27. August (anwesend: Wepler, Schmidt, Ziegler, Schimmelpfeng, Dithmar, Francke) heißt, „der Zeit angeglichen“ werden: „Jeder Verein 163 A.a.O., 98-100. [Zu Heppe s. jetzt bes. M. Hein, Bernhard Heppe (18971945) (1997), in: ders., Weichenstellungen (s. Anm. 120), 135-144].
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hat einen Führer. Schirmherr des Verbandes ist der Reichsbischof. Er beruft die ihm vom Bundesvorstand vorgeschlagenen Führer.“ Die damit gegebene Gleichschaltung der einzelnen Pfarrervereine und ihres Gesamtverbandes sollte auf dem für den 5.-8. September in Frankfurt a. M. geplanten, aber wegen einer Zeitüberschneidung mit dem Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg auf den 11.-13. September verschobenen Deutschen Pfarrertag164 vollzogen werden. Gegen diese Unterstellung der organisierten Pfarrerschaft unter den Reichsbischof protestierte gleich am 11. September Pastor Schoof (Rodenberg/Deister) in einem Brief an Wepler als Vereinsvorsitzenden. Er schrieb, Wepler solle dies verhindern, weil sonst der Pfarrerverein „seine Selbständigkeit verliert. Sie wissen aus eigener Erfahrung, daß der Pfarrerverein vermöge seiner Selbständigkeit öfters auf die Kirchenregierung einwirken konnte. Ist das nicht mehr möglich, so ist er bedeutungslos.“165 Am 13. September schrieb Pfarrer Heppe (Cölbe) an Wepler: Sehr geehrter Herr Amtsbruder! Sowohl im Namen des Bruderrates des Bruderbundes166 als auch im Namen des Bruderbundes der Bekennenden Kirche lege ich bei Ihnen als dem Vorsitzenden des Kurhessischen Pfarrervereins Protest ein gegen die Satzung des Reichsbundes der deutschen evangelischen Pfarrervereine. Der neue Satzungsentwurf sieht in § 6 die Berufung des mit besonderen Vollmachten ausgestatteten Reichsbundesführers auf Vorschlag des Reichsbundesvorstandes durch den Reichsbischof vor. Wir müssen es ablehnen, bei 164
Dokumente in: DtPfrBl 38 (1934) Nr. 41. Brief, Original: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“. 166 Über den 1933 u. a. von Ritter und Heppe gegründeten „Bruderbund Kurhessischer Pfarrer“, der sich mit einigen Mitgliedern auch im Vertrauensrat engagierte und der schließlich die Bekennende Kirche in Kurhessen-Waldeck forcierte, orientiert eine umfangreiche Dokumentensammlung. Sie wurde von einem Ausschuß der „Arbeitsgruppe Kirche 1933-1945 in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck“ (s. Anm. 75) erstellt und soll demnächst im Druck erscheinen [vgl. die am Ende von Anm. 75 genannte Literatur]. 165
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dem jetzigen Stand der Dinge den Pfarrer-Verein in die Front des deutschchristlichen Reichs-Kirchen-Regiments eingliedern zu lassen. Wir bitten unseren Protest in Frankfurt anzumelden. Mit amtsbrüderlichem Gruß Ihr gez.: Heppe, Pfarrer (da abwesend: I. A. Engelbrecht, Diakon)167
Wepler antwortete Schoof und Heppe am 15. September. Er teilte ihnen mit, „daß die Angelegenheit in Ihrem Sinne erledigt worden ist“, und fügte jeweils einen Durchschlag von §§ 6 und 7, Abs. 5168 der neuen Satzung des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine169 bei, an der er selbst als Mitglied eines entsprechenden Ausschusses maßgeblich mitgewirkt habe. Im Brief an Heppe heißt es dann weiter: Unser Entwurf, den wir in der Hauptversammlung am übernächsten Tage vorlegen konnten, wurde einstimmig ohne jeden Widerspruch von der gesamten deutschen Pfarrerschaft angenommen. Von unserem Sprecher wurde bei Begründung unseres Entwurfes ausdrücklich betont, daß wir als Pfarrer im Blick auf unsere Arbeit in unseren Vereinen völlige Unabhängigkeit von den kirchlichen Behörden brauchten. Es lag uns vor allem daran, im PfarrerVerein einen Raum zu schaffen, in dem alle Amtsbrüder sich durch gemeinsame Aufgaben verbunden fühlen können. Neu hineingearbeitet haben wir in unsere Satzungen einige Bestimmungen hinsichtlich unserer Stellung zum Staat und seinen Aufgaben, ohne die eine Eintragung beim Registergericht nicht erfolgen kann. Die Satzungen unseres Vereins werden wir dann in den entsprechenden Punkten den Satzungen des Reichsbundes angleichen müssen. Die einmütige Annahme der Satzungen war eine historische Stunde in der Geschichte der deutsch-evangl. Pfarrerschaft, ganz besonders im Blick auf die im kirchlichen Leben so schmerzliche Spaltung und Zerrissenheit. Unter dem Eindruck dieser Stunde wurde der erste Reichsbundesführer von der 167
Brief, Original: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“. Zit. auch in Weplers Bericht: Deutscher Pfarrertag in Frankfurt a. M., Pastoralblatt 43 (1934) (43-44) 43. 169 S. Anhang Nr. 14. Eine kritische Stimme dazu im Anhang Nr. 15. 168
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Mitgliederversammlung einmütig gewählt. Für die Wahl konnte nur D. Dr. Schäfer, Remscheid, in Frage kommen, weil er tatsächlich unser Führer war.170
In seinem Bericht über den Frankfurter Pfarrertag im „Pastoralblatt“ vom 3. November erwähnte Wepler auch das im „Deutschen Pfarrerblatt“ (1934, Nr. 41) abgedruckte Ergebenheitstelegramm des Pfarrertages an den Reichsbischof. Im Zusammenhang damit zitierte er ausdrücklich die §§ 6 und 7, Abs. 5 [der Reichsbund-Satzung], in denen zwar der Reichsbischof nicht erwähnt wird, aber das staatliche Führerprinzip auch in der Organisation des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine rechtlich verankert wurde. So z. B. in den Bestimmungen über den Reichsbundesführer, der durch den Reichsführerrat gewählt werden muß. „Die Mitglieder des Reichsführerrates schenken durch die Wahl des Führers diesem ihr ganzes Vertrauen und richten sich deshalb nach seinen Entscheidungen. Sie bringen ihre Wünsche und Anträge vor, besprechen und behandeln dieselben, überlassen aber die letzte Entscheidung dem Führer.“ (§ 6) Zur Verwirklichung der Ziele des Reichsbundes hat sich sein Führer „unter Beachtung der Forderungen der nationalsozialistischen Bewegung voll und ganz einzusetzen. Insbesondere hat er dem Grundsatz: ‚Gemeinnutz geht vor Eigennutz’ praktische Geltung zu verschaffen.“ (§ 7, Abs. 1) Auch wenn der Reichsbundesführer mit mehr als der Hälfte der anwesenden Mitglieder von der Versammlung des Reichsführerrates abgewählt werden kann (vgl. § 7, Abs. 5), so hat er jedenfalls während seines Amtierens uneingeschränkte Macht: „In allen Fragen entscheidet allein der Führer. Damit übernimmt er aber auch die volle Verantwortung für das gesamte Tun und Lassen des Reichsbundes sowohl gegenüber den Behörden und der Öffentlichkeit als auch gegenüber den Mitgliedsverei170
Durchschriften beider Briefe: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“.
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nen“ (§ 7, Abs. 4), ein Passus, den Wepler verschwieg. Statt dessen interpretierte er §§ 6 und 7, Abs. 5 dahin, daß die Selbständigkeit der einzelnen Pfarrervereine gewahrt bliebe, insofern „sie auch in Zukunft ihren Vorsitzenden selbst bestimmen“.171 Er wertete dies als Erfolg der in Frankfurt an den Beratungen beteiligten Vertreter der einzelnen Vereine, weil damit eine Ernennung des jeweiligen Vorsitzenden von außen her vermieden worden sei. Im Blick auf die Bestimmungen des § 7, Abs. 1 meinte Wepler: „Um die Anerkennung als e. V. zu erlangen, war es nötig, daß das Herzstück des nationalsozialistischen Kulturprogramms in die Satzungen aufgenommen wurde“ 172 so als ob je die ausdrückliche Erwähnung des Grundsatzes „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“, der bekanntlich weit älter ist als der Nationalsozialismus, die Voraussetzung für die vereinsmäßige Anerkennung einer Organisation und ihrer Statuten durch ein Amtsgericht (auch im NS-Staat) gewesen wäre. Ob Wepler in seinem Bericht bewußt oder unbewußt § 1, Abs. 2, § 4, Abs. 2, § 10, Abs. 4, § 11, Abs. 3 und § 13, Abs. 3 unerwähnt ließ? Hier heißt es: § 1, Abs. 2 Der Reichsbund setzt sich weiter zur Aufgabe, die Arbeit der nationalsozialistischen Regierung zum Wiederaufbau des deutschen Reiches nach Kräften zu unterstützen. Insbesondere soll dies durch Förderung der kulturellen Aufgaben in enger Zusammenarbeit mit den von der nationalsozialistischen Bewegung gegründeten Organisationen erfolgen. § 4, Abs. 2 Jeder Mitgliedsverein ist verpflichtet, die Anordnungen des Reichsbundesführers zu befolgen. Bei schwerwiegenden Bedenken eines Mitgliedsvereins kann der Reichsbundesführer Ausnahmen gestatten.
171 172
Wepler (s. Anm. 168), 43. Ebd.
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§ 10, Abs. 4 Der Reichsbundesvorstand tritt in Beratungen ein, wenn der Reichsbundesführer oder sein Stellvertreter und mindestens 5 Mitglieder zugegen sind. Beschlüsse werden nicht gefaßt. In brüderlicher Aussprache wird die Meinung festgestellt; danach trifft der Reichsbundesführer unter Abwägung der Gründe seine Entscheidung. § 11, Abs. 3 Der Reichsführerrat ist verhandlungsfähig, wenn ... Beschlüsse werden nicht gefaßt. In brüderlicher Aussprache wird die Meinung festgestellt; darnach [sic!] trifft der Reichsbundesführer unter Abwägung der Gründe seine Entscheidung. § 13, Abs. 3 Schriftliche Einladungen zum Pfarrertag ergehen an die Reichs- und Landeskirchenregierung, die Reichs-, Landes- und Gemeindebehörden sowie die leitenden Parteistellen der NSDAP und die Theologischen Fakultäten. Diese Einladungen sind aber beschränkt auf die Amtsstellen, die für den Tagungsort zuständig sind.173
Ganz im Sinne der neuen Satzung befaßte sich in Frankfurt die Mitgliederversammlung des Reichsbundes auch mit der Rechtslage des Pfarrers. Dem gegenwärtigen Zustand völliger Rechtsunsicherheit müsse unbedingt ein Ende gemacht werden, denn nur so sei eine unabhängige Amtsführung in Verkündigung und Seelsorge möglich. Der Pfarrer müsse vor willkürlichen Eingriffen von außen in seine amtlichen Befugnisse geschützt sein. „Die Mitgliederversammlung erwartet deshalb von den kirchlichen Behörden, daß sie, soweit kein politisches Vergehen gegen den Staat und den Geist der neuen Volksgemeinschaft vorliegt, ihre Pfarrer schützen. Die evangelische Kirche hat es nicht nötig, ihre Staatstreue erst unter Beweis zu stellen. Die 400jährige Geschichte der Kirche hat nicht ein einziges Beispiel aufzuwei173
S. Anhang Nr. 14.
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sen für eine schwankende und unzuverlässige Haltung gegenüber dem Staat. Darum ist es an der Zeit, daß das Kapitel des Mißtrauens und fortgesetzter Verdächtigung restlos geschlossen wird. Alle Maßregelungen der Pfarrer, die nicht politisch begründet werden können, sind rückgängig zu machen, damit wieder Vertrauen und Befriedung in die Kirche einzieht. Der Vorstand erhält deshalb den Auftrag, sich mit allem Nachdruck für eine baldmögliche Wiederherstellung der Rechtssicherheit der Pfarrer einzusetzen.“174 Auch mit der Frage des Diensteides der Pfarrer, wie er auf der Nationalsynode beschlossen worden war, beschäftigte sich die Mitgliederversammlung. Man war sich darin einig, daß „jede weitere Beunruhigung und Spaltung in der Kirche ... unter allen Umständen zu vermeiden“ sei. „Deshalb darf über den Pfarrer kein Ausnahmezustand dadurch verhängt werden, daß ihm eine besondere Eidesform zugemutet wird. Er wird selbstverständlich den Staatseid leisten, wie er von jedem Beamten gefordert werden muß. Aber eine Verquickung dieses Eides mit dem Ordinationsgelübde ist nicht tragbar.“ 175 Diese Meinung richtete sich insbesondere gegen Bestrebungen aus den Reihen der BK, die die vom Staat verlangte Eidesleistung auf den Führer Adolf Hitler statt - wie bisher üblich - auf die Verfassung dadurch in ihrer Auswirkung einschränken wollten, daß sie auf die für jeden Pfarrer geltende Maßgabe des Ordinationsgelübdes hinwiesen. Wepler war der Auffassung, daß „die vollkommen einmütige Annahme“ der Satzung des Reichsbundes durch die Mitgliederversammlung „in der Geschichte der Pfarrerschaft die Bedeutung einer historischen Stunde“ hatte. „Unter dem starken Eindruck dieser Einmütigkeit fand der Vorschlag, sofort den bisherigen Vorsitzenden, D. Dr. Schäfer, zum Reichsbundesführer zu berufen, einstimmigen Beifall. So wurde der erste Reichsbun174 175
Wepler (s. Anm. 168), 43f. A.a.O., 44.
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desführer durch die Mitgliederversammlung gewählt.“ 176 Die große Festversammlung des Pfarrertages wurde dann von Schäfer in der Aula der Goethe-Universität „mit einem Treugelübde zu Führer und Reich“ eröffnet. „In Dankbarkeit gedachte er des heimgegangenen Reichspräsidenten sowie des Volkskanzlers, der sich in Nürnberg erneut zum positiven Christentum bekannte. Nach dem Gesang des Deutschland- und des Horst-WesselLiedes begrüßte er die Vertreter der kirchlichen und staatlichen Behörden. In Erwiderung der Grüße sprach u. a. Ministerialdirektor Dr. Jäger über die kirchliche Entwicklung des letzten Jahres, wobei er besonders stark hervorhob, daß die Gebietskirchen einen unantastbaren Raum in Bekenntnis und Kultus darstellen. Indem er ein Gesetz über die Pflichten des Pfarrers in Aussicht stellt, betont er, daß der Pfarrer in Predigt, Sakramentsverwaltung und Seelsorge Gott verantwortlich sei. Die Anerkennung dieses für das Amt unentbehrlichen Grundsatzes wird von der Versammlung durch Beifall unterstrichen ... Die Versammlung war zuletzt ganz stark von dem Eindruck erfüllt, daß es in den großen letzten Fragen ein Gemeinsames gibt, das uns alle verbindet und die Gegensätze zurücktreten läßt ... Die Kirche muß Volkskirche sein. Das widerspricht nicht dem Wesen des Christentums und entspricht dem Willen des heutigen Staates. Für diese Aufgaben bringt die Kirche einzig und allein die Botschaft von Christus mit. In ihrer Verkündigung und ihrer Abgrenzung liegt zugleich ihr Bekenntnischarakter begründet.“177 In diesem Sinne referierte D. Knak über „Die Bedeutung von Bibel und Bekenntnis für Kirche und Gegenwart“. In der theologischen Beurteilung stimmte der Korreferent Oberkonsistorialrat Langmann überein, unterschied „sich aber von ihm bewußt in der Beurteilung der Situation. Hätten Bibel und Bekenntnis die ihnen gebührende Anerkennung besessen, wäre das Buch Alfred Rosenbergs von geringerem Einfluß auf die 176 177
A.a.O., 43. A.a.O., 44.
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Gegenwart gewesen. Dem Totalitätsanspruch des Nationalsozialismus soll die Kirche den Totalitätsanspruch Gottes gegenüberstellen.“178 Aufgrund der Veränderungen auf Reichsebene durch die Frankfurter Beschlüsse der dort versammelten Vertreter der verschiedenen Pfarrervereine drang Wepler darauf, daß auch der kurhessische Pfarrerverein seine Satzungen bald „auf den Stand der Zeit“ brachte. So wurde in der Vorstandssitzung vom 18. Oktober (anwesend: Wepler, Schmidt, Francke, Schimmelpfeng, Otto, Dithmar, Ziegler) beschlossen, die Angleichung der Satzungen an die des Reichsbundes vorzunehmen und eine entsprechende Vorlage für die nächste Sitzung vorgesehen. Mit Schreiben vom 22. Oktober berief D. Dr. Schäfer in seiner Eigenschaft als Reichsbundesführer Wepler in den Reichsbundesvorstand des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine, und mit Schreiben vom 24. Oktober berief D. Dr. Schäfer in seiner Eigenschaft als Bundesführer des Bundes der Preußischen Pfarrervereine Wepler in den Bundesvorstand des Bundes der Preußischen Pfarrervereine. Am 25. Oktober nahm Wepler beide Berufungen an.179 Kurz darauf erhielt Wepler die Nachricht, daß Schäfer von seinen Führerämtern innerhalb der Pfarrerverbände zurückgetreten sei. Man hatte ihm Vetternwirtschaft zum Vorwurf gemacht. Da nicht sofort eine Interimslösung herbeigeführt werden konnte, der Reichsbund also einstweilen führerlos war, wartete man auch von seiten des kurhessischen Pfarrervereinsvorstandes mit einer Angleichung der Satzungen ab. Die Neufassung der Satzungen wurde erst im Juli 1935 vorgenommen. Am 8. November schrieb Wepler einen Rundbrief an die Vertrauensleute des Pfarrervereins mit folgendem Wortlaut:
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Ebd. Briefe, Originale und Durchschriften: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“. 179
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Lieber Herr Amtsbruder! Am 6. November fand eine Sitzung des Vorstandes des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine in Berlin statt, in der dem Vorsitzenden D. Dr. Schäfer wegen seiner Führung der Pfarrerschaft das Mißtrauen ausgesprochen werden sollte. Der Antrag wurde besonders damit begründet, daß das zur Einführung des Reichsbischofes abgesandte Begrüßungstelegramm zu einer Irreführung über die Haltung der evangelischen Pfarrerschaft Anlaß gegeben habe. Die letzte Entscheidung über diese Angelegenheit wurde auf den 30. November vertagt. Folgende Entschließung wurde mit 24 gegen 10 Stimmen bei Enthaltung von 5 Stimmen angenommen: „Angesichts der ernsten und bedrohlichen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche bittet die Vertretung des Verbandes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine den Herrn Reichsbischof, um der Kirche willen auf sein Amt zu verzichten und dadurch den Weg zur sofortigen Befriedung in der Kirche freizumachen“. Diese Entschließung wurde telegrafisch an den Reichsbischof, an die z. Zt. tagende Reichsbischofskonferenz und an die Ministerien des Innern, der Justiz und an das Außenministerium gegeben. Die kirchliche Gesamtlage ist noch nicht geklärt. Dr. Kinder wurde am 6. November zum Rechtswalter der Kirche ernannt. Aus der Unterredung des Reichskanzlers mit den Landesbischöfen Meiser, Wurm und Marahrens, die vom Führer persönlich geladen worden waren, soll zunächst nichts in die Öffentlichkeit dringen. Es steht aber fest, daß die Partei sich um die kirchlichen Vorgänge nicht mehr kümmern wird. Der Staat will lediglich sein ius circa sacra der Kirche gegenüber wahrnehmen. Die Lage der Kirche scheint ernstlich bedroht zu sein, wenn eine restlose Befriedung in nächster Zeit nicht gelingt. Er wird nach meiner Überzeugung keine Interesse daran haben, seine Kirchenhoheit länger auszuüben und seine Mittel für eine Kirche bereit zu stellen, die durch Kampf in völlige Auflösung gerät. Eine Prüfung der kirchlichen Rechtslage ist zugesagt. Bei einer Überprüfung sämtlicher Disziplinarfälle wurde die Mitwirkung der Vertretung der evangelischen Pfarrerschaft zugesichert. Mit amtsbrüderlichem Gruß! gez. Wepler180
180
Rundbrief: a.a.O.
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Bereits in der Kasseler Vorstandssitzung vom 27. August wurde im Protokoll festgehalten, daß für das Rechtsverfahren zwischen Harder und Schäfer „kein Geld mehr flüssig gemacht wird“. Es war also dem kurhessischen Vorstand bereits Ende August bekannt, daß Schäfer wegen seiner Amtsführung verklagt worden war. Im November kam es zu einem schiedsgerichtlichen Vergleich, in dessen schriftlicher Fassung lediglich festgehalten wurde, daß bei der Führung der Pfarrer-Krankenkasse durch den Sohn Schäfers nicht die nötige Sorgfalt angewendet worden sei. Schäfer selbst verpflichtete sich, sofort seinen Vorsitz im rheinischen Pfarreverein, im Bundesvorstand des Bundes der Preußischen Pfarrervereine sowie im Reichsbundesvorstand des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine niederzulegen. Wepler informierte nach einer Vorstandssitzung des Reichsbundes in Berlin Dithmar am 3. Dezember ausführlich von den Vorgängen mit der Bemerkung, es sei „eine sehr schmerzliche Mitteilung ..., die die alten Freunde Schäfers auf das Tiefste erschüttert hat“. Man habe sich in Berlin entschlossen, „Schäfer den Freundesrat zu erteilen, sich sofort in den Ruhestand versetzen zu lassen. Wir glauben, Schäfer diesen Dienst schuldig zu sein, um ihn vor einem Verfahren zu bewahren, das ihn sämtlicher Ehrenämter in der Kirche entheben würde. Es ist uns allen völlig unbegreiflich, daß Schäfer ein solches Spiel gespielt hat. Für mich ein psychologisches Rätsel.“ Wepler berichtete weiter: „In unseren Verhandlungen entbrannte nun der Kampf um den neuen Führer im Reichsbund der deutschen Pfarrer. Von den Vertretern des Notbundes wurde Riehl als Kandidat aufgestellt, die anderen Vertreter haben mich vorgeschlagen. Wir hielten es für richtig, die Führerwahl auf den Januar zu vertagen und jetzt ein Auseinanderbrechen des Verbandes unter allen Umständen zu vermeiden. Ich hoffe, daß sich die Geister bis dahin etwas
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beruhigt haben und die Wahl Riehls dann mit großer Mehrheit erfolgen kann.“181 Superintendent Lic. Riehl (Crossen/Oder) blieb weiterhin stellvertretender Bundesführer, während er von der Preußengruppe einstimmig zu ihrem Vorsitzenden gewählt wurde. Zum Reichsbundesführer wählte der Reichsführerrat einstimmig den bisherigen stellvertretenden Reichsbundesführer Kirchenrat Klingler (Nürnberg). Weitere Mitglieder des Reichsbundesvorstandes waren neben Wepler: Pfarrer Meyer (Berlin) als Schriftführer, Kirchenrat Stadtdekan Renner (Karlsruhe) als Kassenführer, Kreisoberpfarrer Günther (Zerbst), Pfarrer Schulze (Mölbis), Pfarrer Kage (Hannover) und Propst Vitense (Jabel/Mecklenburg). Dem Bundesvorstand des Bundes der Preußischen Pfarrervereine gehörten neben dem neuen Bundesführer Lic. Riehl und Wepler die Pfarrer Meyer (Berlin) als Schriftführer und Rechnungsführer und Mühlichen (Seifersdorf) an. Somit hatte Wepler über die Grenzen des kurhessischen Pfarrervereins hinausgehende Verantwortung auch in den beiden überregionalen Pfarrerverbänden. Seine Beziehungen, gerade zu Klingler, entwickelten sich auf einer freundschaftlichen Basis und stärkten seine eigene Position innerhalb der kurhessischen Pfarrerschaft. Am 13. August 1934 verstarb in Marburg der langjährige Vorsitzende des Pfarrervereins, Metropolitan Soldan (geb. 15. Januar 1854), Sohn des Treisbacher Pfarrers Eduard Soldan. Francke schrieb namens des Vorstandes in seinem Nachruf: „Soldan ist von Anfang an ein warmer Freund und kräftiger Förderer des Pfarrervereins gewesen und hat besonders auch durch seinen in den ersten Nummern des Pastoralblattes vom Jahre 1892 erschienenen Aufsatz: ‚Das gute Recht des Pfarrervereins’ die gegen diesen erhobenen Bedenken zerstreut und dem Verein den Weg gebahnt. Vor allem aber hat er als Vorsitzender vom Jahre 1897 an bis zum Mai 1911 es verstanden, den 181
Brief, Durchschrift: a.a.O.
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Verein nicht bloß äußerlich auszubauen, sondern auch innerlich zu festigen und ihm die Richtlinien zu geben, die noch heute maßgebend sind. In der Geschichte des Pfarrervereins wird er daher stets einen ehrenvollen Platz einnehmen. ... Nach dem Besuche des Gymnasiums in Corbach studierte er in Marburg und Berlin, war vier Jahre Repetent in Marburg und kam 1881 als Pfarrer nach Haina, wo er zum Metropolitan der Klasse Frankenberg ernannt wurde. Dieser seiner ersten Stelle gehörte auch seine erste Liebe, zu ihr kehrte er daher auch im Jahre 1917 zurück, nachdem er 11 Jahre in Röddenau (1894-1905) und 12 Jahre in Kirchhain (1905-1917) gewirkt hatte. Noch 7 Jahre hat er dort im alten Kloster mit Freuden seine Arbeit getan, dann zog er als Siebzigjähriger nach Marburg, wo er seinen Lebensabend in aller Stille verbrachte. Leider ist mit ihm das alte hessische Pfarrergeschlecht Soldan ausgestorben. Seine beiden Söhne starben vor ihm, der älteste an Typhus, der jüngere fiel im Oktober 1918 als Leutnant und Kompagnieführer in Frankreich.“182 2.9.5 Kriegsgedenkbuch Der große Verlust von Pfarrerssöhnen im Ersten Weltkrieg gab Wepler den Gedanken ein, anläßlich des 20. Jahrestages des Kriegsbeginns von 1914 ein Kriegsgedenkbuch für das kurhessische Pfarrhaus durch den Pfarrerverein herauszubringen. Als er bei Dithmar anfragte, wer diese Arbeit übernehmen könnte, schlug dieser ihm am 30. Juli 1934 Pfarrer Richard Meyenschein (Kilianstädten, früher: Calden) vor. Auf Weplers Anfrage antwortete dieser am 10. Oktober: „Nun habe ich mir nach Ihrem Rat die Sache mit der Kriegstafel des kurhessischen Pfarrhauses ja wohl lange genug überlegt, sodaß ich Ihnen antworten darf ... Gerne übernehme ich die Fertigstellung, wenn auch, was 182
R. Francke, Zwei Nachrufe, Pastoralblatt 43 (1934) 46.
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ja wohl nicht nötig ist, ein bestimmter Termin dafür nicht so leicht genannt werden kann.“183 Dieses Kriegsgedenkbuch, das eine Zusammenstellung aller gefallenen Theologen aus der Landeskirche und die Beteiligung der Pfarrer und ihrer Hausgenossen am Kriege draußen und daheim aufweisen sollte, kam nicht zustande. Stattdessen erschien zum „Heldengedenktag Reminiszere“ (sic!) im März 1937 ein Heft mit dem Titel: „Zum Heldengedenktag 1937 - Ein Verzeichnis im Weltkrieg gefallener Söhne kurhessischer Pfarrer. Herausgegeben vom Evangelischen Pfarrer-Verein Hessen-Kassel“. Im Vorwort wird das zum zwanzigsten Jahrestag des deutschen Angriffes auf die Festung Verdun im Jahre 1936 erschienene Buch „Verdun“ des ehemaligen Marburger Theologen und jetzigen Oberregierungsrates im Reichspropagandaministerium, Dr. Wilhelm Ziegler, als „die beste, weil sachlichste und zugleich herzwärmste“ Schilderung jenes Kampfes gelobt. Dann heißt es weiter: „Außer dem aktiven Soldatenstande selber hat kein anderer Beruf als solcher eine so enge Berührung mit dem großen und kleinen Geschehen des Krieges gehabt, wie der Pfarrerstand. Von denen, die ihm damals angehörten, haben zwar, eben um des Amtes willen, an der äußeren Front nur wenige gestanden. Doch wer sich jener Jahre lebendig erinnert, der weiß um den besonderen Anteil des Pfarrers an den Riesenlasten des gesamten Volkes. Und wird diesen Anteil nicht mißachten ... Wie stark der eigene Beitrag zu den Blutopfern des Krieges auch aus diesem Stande selber war, kann für unsere hessische Heimat aus den folgenden Blättern ermessen werden. Rund 500 evangelische Pfarrhäuser umfaßte damals die Landeskirche Hessen-Kassel. Einhundertfünfzig Tote hat der Krieg von ihnen gefordert ... Unter diesen Einhundertfünfzig befindet sich auch eine Pfarrertochter, deren Grab in Polen liegt inmitten deutscher Soldaten, bei deren Pflege im freiwillig übernommenen Seuchenlazarett sie ihr junges Leben ließ. Ferner sind in diese Zahl 183
Briefe, Original: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“.
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mit eingeschlossen sieben Pfarrersöhne, die erst nach langem Schmerzenslager ihrer Verwundung, und sechs, die einer Krankheit erlagen, deren Ursprung anerkanntermaßen ihr Kriegsdienst war. Schon im Frieden waren 16 von diesen Einhundertfünfzig Berufssoldaten, andere 26 hatten bereits gedient oder kurz vor Kriegsbeginn ihre militärische Dienstzeit begonnen, 15 wurden während des Krieges eingezogen und 93 meldeten sich kriegsfreiwillig. Als aktive Offiziere des Heeres oder der Marine sind 32 Pfarrersöhne gefallen. Von den 500 kurhessischen Pfarrhäusern haben 2 je drei Söhne und 22 je zwei Söhne verloren. Aber unsere Zusammenstellung will nicht durch Zahlen reden. Ein Dank- und Gedenkblatt möchte sie sein all denen aus unsern Reihen, die ihres Hauses Stolz und ihres Herzens Freude hingegeben haben für unser aller Mutter: Deutschland. ... Wir Christen trauern nicht als solche, die keine Hoffnung haben. Doch wissen auch wir unsre Toten zu ehren, zumal die Scharen, die den Boden der Heimat bewahrten. Die folgenden Blätter sollen nur eine Vorarbeit sein für ein Kriegsgedenkbuch des kurhessischen Pfarrhauses.“184 Trotz der minutiösen Vorarbeiten, die Meyenschein mit Hilfe eines Fragebogens des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine über „Das evangelische Pfarrhaus und die evangelische Kirche in und nach dem Weltkrieg“ vornahm (über 500 Fragebogen mit zum Teil detaillierten Antworten hatte Meyenschein gesammelt), kam es nicht zu dem von Wepler beabsichtigten Pfarrer-Gedenkbuch. Damit konnte sich der kurhessische Pfarrerverein auch nicht in die Reihe der Vereine stellen, die ihre Frontkämpfer in entsprechender Weise ehrten. Immerhin war Mitte 1935 Gelegenheit, anläßlich einer gegen die 184 Evangelischer Pfarrer-Verein Hessen-Kassel (Hg.), Zum Heldengedenktag 1937. Ein Verzeichnis im Weltkrieg gefallener Söhne kurhessischer Pfarrer, o. O. 1937, 3-5. In einer Mappe „Ehrenblatt 1914. Nichthessische Veröffentlichungen“ hat Meyenschein über 30 weitere Gedenktafeln anderer Pfarrervereine aus dem ganzen Reichsgebiet gesammelt; PfrVAkten.
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Pfarrerschaft gehaltenen Rede des preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring von seiten des Reichsbundes den Einsatz der deutschen Pfarrerschaft im Weltkrieg zu verteidigen und zu würdigen. 2.9.6 Pfarrerverein für die Einstweilige Kirchenleitung Im Protokoll der Ausschußsitzung vom 26. November heißt es: „Kirchliche Lage. Es wurde von Wepler die Stellung der Pfarrerschaft zu ihrem Vorsitzenden erläutert; ebenso gab Wepler dem Ausschuß eine Erklärung dafür, daß er sich mit dem Pfarrerverein in die Front der Gegner der kommissarischen Kirchenregierung von Kurhessen-Waldeck eingereiht habe, damit habe sich der Pfarrerverein nicht in die Kirchenpolitik eingelassen, sondern er sei zum Handeln gezwungen worden, um die Rechtsgrundlagen der Kirchen (sic!) wiederherzustellen zu helfen. ... Vor allem beschäftigte man sich auch mit der Rechtmäßigkeit der einstweiligen Kirchenregierung, die erneut festgestellt wurde. Meyenschein sprach über seine Vorarbeiten für ein Gedächtnisbüchlein für die Beteiligung des hessischen Pfarrhauses am Weltkriege.“ Bei der Mitgliederversammlung am 27. November stand das Thema Volksmission im Mittelpunkt. Wepler wurde beauftragt, im Namen der Pfarrerschaft „alsbald an das neue Kirchenregiment heranzutreten mit der Bitte ..., die Aufgabe der Volksmission tatkräftig in die Hand zu nehmen“. In seinem Bericht über den Frankfurter Pfarrertag und die kirchliche Lage wandte sich Wepler „gegen die sittliche Verwilderung (Ton der schriftlichen Ergüsse) im Verkehr der Brüder miteinander. Eine längere Aussprache über die kirchliche Lage, die kommissarische Regierung und die wieder in Aktion getretene einstweilige Kirchenregierung folgte.“
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In der letzten Vorstandssitzung des Jahres 1934 am 12. Dezember informierte Wepler über die Berliner Vorstandssitzung des Reichsbundes „und über die Gründe, die den Führer des Verbandes zum Niederlegen seines Amts nötigten. Ferner wurde die noch bestehende, verworrene kirchliche Lage besprochen.“ In fast allen Vorstandssitzungen wurden Anträge der Mitglieder auf Unterstützung durch Darlehen oder Beihilfen aus verschiedenen Anlässen (Feuerschaden, Erziehungsunterstützung, Krankheit, Kuraufenthalt usw.) besprochen und in den meisten Fällen auch gewährt. 2.9.7 „Bekenntnis und Bekenner“ Daß am Ende des für den deutschen Kirchenkampf so wichtigen Jahres 1934 ein großer Aufsatz von Hans Schimmelpfeng über „Bekenntnis und Bekenner“, ursprünglich ein Vortrag vom 23. November 1934 im Marburger Philippshaus vor einem Kreis dortiger Studenten, erschien, war ein Zeichen, daß die kurhessische Pfarrerschaft sich nicht nur auf die historischen Hintergründe des christlichen Bekenntnisses konzentrierte, sondern gerade auch die aktuelle Situation im Blick hatte. Schimmelpfeng schrieb: „Dort, wo die Frage nach Bekenntnis aufwacht, dringt oft genug neues Leben in die Kirche ein. Zeiten der Bekenntnisbildung sind allermeist Zeiten lebendiger Kirchen gewesen. Das ist nicht verwunderlich. Zum Bekenntnis kommt es doch nicht so, wie man sich das in gesicherten Zeiten vielleicht vorstellt: ein Theologe hat zuviel Zeit und nimmt gewissermaßen den Generalbestand seiner theologischen Erkenntnisse auf, setzt sich an den Schreibtisch, schreibt sein Glaubensbekenntnis auf handgeschöpftem Büttenpapier nieder und dediziert es dann hinterher einem lieben Menschen. Nein. Ganz abgesehen davon, daß ein Bekenntnis keine ausgeführte Dogmatik sein will und kann, ist es nie das Produkt von Mußestunden und
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freundlichen Meditationen, sondern ein flammendes Fanal, eine flatternde Fahne, ein mächtiger Aufruf, eine klare, scharf gerissene Front gegen den Feind. Bekenntnisse sind immer nur mit großen Wehen zur Welt gekommen, nie vom Himmel gefallen wie ein fertiges Buch, sondern viele Vorarbeiten, Vorstufen, Vorbekenntnisse sind nötig gewesen, um dann dem abschließenden Schuldbekenntnis zum Leben zu verhelfen. Wir erleben ja jetzt gerade den Advent einer neuen Bekenntnishaltung, wir haben bereits eine ganze Anzahl von Vorarbeiten, wir denken an die Kundgebung von Ulm (Frühjahr 34), Barmen, Dahlem auf der einen, an die Ansätze zu einem Bekenntnis auf der anderen Seite (die Richtlinien Hossenfelders, die verbesserten Richtlinien Fezers, die Thesen der sächsischen Deutschen Christen, die das offizielle Programm der Deutschen Christen geworden sind). Vielleicht - es ist unser heißer Wunsch - erwächst aus dem Durcheinander und Gären der theologischen Lehrpunkte einmal eine solche Haltung, die uns dann ein solches Bekenntnis schenkt, in dem klar und unmißverständlich christlicher Glaube unserer Zeit ausgesprochen wird. Wenn aber dies Bekenntnis dann da ist, ist die Front, die bis zum Moment seiner Geburt noch nicht ganz Form hatte, fest. Dann hält das Bekenntnis seine Front und verpflichtet die Kämpfer auf seinen Inhalt ... Das Bekenntnis ist im Kampf geworden und will nichts anderes sein als eine Waffe, die es gegen einen bestimmten Gegner zu handhaben heißt.“185 Schimmelpfeng wies besonders auf das Kreuz und die Auferstehung Jesu als die Mitte der christlichen Verkündigung hin. Das Kreuz Jesu stelle uns ins verdiente Gericht und „so können wir wohl verstehen, wenn die Welt gegen dies Kreuz rebelliert ... Weil das Kreuz dieselbe Weltbefangenheit und Weltimmanenz des natürlichen Menschen richtet und deshalb angegriffen oder verkürzt wird, darum steht natürlich die Welt auch fassungslos 185 H. Schimmelpfeng, Bekenntnis und Bekenner, Pastoralblatt 43 (1934) (4751) 48.
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oder verständnislos vor dem zweiten Brennpunkt evangelischer Verkündigung, der Auferstehung. Denn diese Auferstehung ist ja eben nicht das sich jeden Frühling erneuernde natürliche Leben, diese Auferstehung gehört nicht zum unendlichen Ablauf des Jahres, zum Auf und Ab von Sommer und Winter, sondern diese Auferstehung ist genau so weltfern und erdenfremd wie das Kreuz. Sie bricht nicht mit sieghafter Frische aus den aufgetauten Schollen des Erdreichs hindurch, sie entfaltet sich nicht von innen her, dem Gesetz natürlichen Wachstums folgend, sondern sie kommt von oben, als unbegreifbare, wunderbare Tat Gottes ... Wer so hart und erbittlich die Gerechtsame und Arteigenheit der evangelischen Verkündigung verteidigt, wer sich insonderheit von ihrer Weltferne und Erdenfremdheit keinen Strich abmarkten läßt, verdient sich zwar einen Gotteslohn, aber zugleich die Gleichgültigkeit, Ablehnung, Feindschaft, Verfolgung der Welt.“186 Nicht an ihren Bekennern hat die Kirche zu tragen gehabt, „sondern an den Verrätern. Ihre Bekenner hielt sie hoch, so hoch, daß manche Kompetenzstreitigkeit zwischen ihnen und den eigentlichen Amtsträgern im Lauf der Jahrhunderte entstand. ... Bekennen heißt auf Griechisch ‚martyrein’, und Märtyrer waren solche, die geblutet hatten. Bekenner heißt auf Lateinisch ‚Confessor’ und darunter verstand man einen, der im Kreuzfeuer der Welt gewesen war. Wollen wir nicht deshalb sparsam sein mit diesem Wort? Aber, wenn wir wissen, was es von uns fordert, dann lasset uns auch laufen in dem Kampf, der uns verordnet ist und nicht müde werden.“ Auf die „sehr schwierige Frage, was denn im gegenwärtigen Augenblick des Bekennens wert ist“, antwortete Schimmelpfeng: „Handelt es sich, wenn wir solche Punkte des Bekenntnisses benennen, dann doch wirklich um zentralste Sätze, die heute neu herausgestellt und gegen andere Sätze, die wir Irrlehre nennen, abgegrenzt werden müßten! Wer sich von dieser Arbeit 186
A.a.O., 49.
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dispensiert mit dem Hinweis darauf, wir hätten ja nun wirklich genug Bekenntnisschriften, und die sollten wir erst einmal lesen, hat gewiß in letzterem recht. Aber in ersterem kaum. Denn das ist ja gerade der Sinn eines Bezeugens, daß es aus einer anderen Situation und auf einem anderen Frontabschnitt erfolgt ... Heute will es scheinen, als ob wir nicht mehr nur einen ungeklärten Restbestand, der uns vom reformatorischen Bekenntnis her zu bereinigen übrig geblieben sei, klären müßten, sondern als ob wir fast zwei Jahrtausende zurückgeworfen, wieder von vorne anfangen müßten. Das heißt, mit dem Apostolikum buchstabieren, daß Jesus Christus unter dem Kaiser Augustus zur Welt kam und unter Pontius Pilatus gekreuzigt ward und gestorben ist, um die Offenbarung des Sohnes Gottes deutlich und unmißverständlich abzugrenzen gegen alle modernen Versuche, diese entweder zu historisieren (der geschichtliche Jesus von Nazareth) oder sogar die geschichtliche Offenbarung ganz zu leugnen und von einem Mythus her zu verstehen. Es würde den Rahmen dieses Vortrags sprengen“, fuhr Schimmelpfeng fort, „wenn wir die einzelnen Versuche in dieser Hinsicht schildern wollten (Hossenfelder, Krause, Dritte Konfession). Hier wird sich die eine Front im Lauf des Geisteskampfes immer deutlicher herausbilden und unsere Kirche zu einem Bekenntnispunkt treiben, was die Formel: ‚Jesus Christus ist Gottes Sohn’ heute bedeutet.“ Nach Schimmelpfengs Ansicht läßt es „sich nicht verheimlichen, daß die evangelische Kirche allerdings kaum noch gewußt hat, was das Amt bedeutet. Nun sind uns die Zähne stumpf geworden, und es wird wohl einige Zeit währen, bis sie wieder ihre Schärfe erhalten ... Unsere Zeit findet die Volkskirche vor. Wir verkennen keineswegs ihre großen geschichtlichen Werte. Aber andererseits können wir auch die Besorgnis nicht ganz unterdrücken, daß die volkskirchlichen Massen, nur weil sie getauft sind und Kirchensteuern bezahlen - und das vielleicht noch widerwillig -[,] einen ungerechtfertigten Anspruch erheben könnten, Form und Inhalt der Kirche zu bestimmen. Das Ver-
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hältnis von volkskirchlicher Massenkirche und eigentlicher Gemeinde Jesu Christi, in seiner Problematik schon von Luther empfunden, neu zu überdenken, scheint ein sehr dingendes Gebot der Stunde zu sein. Alles Übel des letzten Jahres hat ja doch schließlich von der angeblich aus dem Anspruch der volkskirchlichen Masse des Kirchenvolkes resultierenden Forderung nach einem gewissen Prozentsatz der Zusammensetzung kirchlicher Körperschaften seinen Anfang genommen.“187 2.9.8 Orientierungsprobleme Gegen Ende des Jahres 1934 wurde Wepler einerseits durch den neuen Bischof Theys und seine Kirchenleitung, andererseits durch die Linie der unter Volkenand arbeitenden SDC oder SGDCK als Deutscher Christ und Parteigenosse zunehmend irritiert. Alte Weggefährten wie Kreispfarrer Falk (Gelnhausen) und Pfarrer Meyenschein wandten sich an ihn mit zum Teil mahnenden, zum Teil beschwörenden Worten. Wepler hatte am 6. November namens des Pfarrervereins als Mitunterzeichner eines Schreibens mehrerer kirchlicher Verbände und Anstalten „gegen die augenblickliche Führung der Landeskirche“188 durch die EKL protestiert. Gleichzeitig wurde bekannt, daß er Bischof Theys für eine schwache kirchliche Führerfigur hielt. Eine eilends durch die Vertrauensmänner des Pfarrervereins durchgeführte Umfrage in der Pfarrerschaft ergab, daß die überwiegende Mehrheit (ca. 80-90 Prozent) der Mitglieder hinter Weplers Protest stand. Am 16. November schrieb Meyenschein an Wepler, er habe
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A.a.O., 50f. Brief, Durchschrift: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“; vgl. Rundbrief Weplers an die Mitglieder des Vorstandes und des Gesamtausschusses vom 13. 11. 1934, a.a.O.
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Veranlassung, zu betonen, daß meine Austrittserklärung aus der SDC, die mit ihrem Namen noch nicht ihren Kurs und nicht ihre Geschichte ändern kann, nicht etwa der Ausfluß einer augenblicklichen Enttäuschung, sondern reiflich überlegt und völlig ernstgemeint war. Wenn Sie sich als Vorsitzer des Pfarrervereins persönlich entschlossen haben, gegen den Landesbischof zu protestieren, so bedeutet das das Zehnfache an Entschlußkraft und Mannesmut von dem, was zu der lahmen Erklärung Volkenands nötig war. Mit Ihnen bin ich jederzeit bereit gewesen, die Wege zu gehen, die Ihr größerer Überblick über die Sachlage Ihnen vorschrieb, auch wenn ich selber manchmal gerne mit der Peitsche auf die lahmen Gäule eingehauen hätte. Unter Ihrer (getarnten) Führung wäre ich auch weiter mit der SDC gegangen. Aber der Führerwechsel, an dem ich ja leider nicht unschuldig bin, scheint mir die ganze Hohlheit dieser „Bewegung“ erst richtig offenbart zu haben. Es gibt schon einen Weg zwischen den Fronten. Aber nur prädestinierte Diplomaten, wie Dithmar einer war, können ihn mit Erfolg gehen. Bei andern Leuten wird es zu einem Sich-zwischen-zwei-Stühle-setzen. Ich glaube schon, daß Volkenand eine Kämpfernatur ist und zwar eine durchaus lautere, aber gerade deshalb wird er mit der schlappen Gesellschaft der SDC-Suite, die nicht einmal zu den Versammlungen erscheint, und wenn sie da ist, sich zunächst eine halbe Stunde über pfarrkränzchenhafte Quisquilien unterhält, nichts ausrichten können. Vielleicht wird gerade seine SA-Vergangenheit ihn in diesem Kreise auf Schritt und Tritt hemmen, sodaß bei seinen Schritten und Tritten nichts herauskommt. Sein Schreiten wird im Großen und Ganzen sich darauf beschränken, Gewehr bei Fuß zu stehen, und sein Treten wird niemandem wehe tun. Oder war er etwa bei dem Protest gegen Theiss (sic!) (nachdem bereits die Kreispfarrer sich gegen ihn entschieden hatten), etwas anderes als AERA DERON von I. Kor. 9? Was bedeutet es, wenn solche, die aus der wahrlich nicht zaghaften DC herkommen, und deren rauhe Waffen zu gebrauchen gelernt haben sollten (wenn sie sie auch aus Geschmacksgründen gewöhnlich verschmähen), in einem solchen Schreiben von „Glaube und Liebe“ reden, die der Labi (Landesbischof; B. J.) habe vermissen lassen? Nicht Sie, wohl aber Volkenand als Führer der SDC hätte ihm lieber sagen sollen, wie Th. (Theys; B. J.) nun in mehreren Fällen Pfarrer, Gemeinden und Kirche aufs Feigste verraten hat, sich als ein lächerlicher Schwächling erwiesen hat, der sich, statt selbst zu entscheiden, einmal hinter irgend einen kirchenfremden Gauleiter, das andere Mal hinter eine verantwortungslose sogen. Synode verkrochen und damit jedes Recht verwirkt hat, sich weiterhin als Führer aufzuspielen. Wahrscheinlich hätte das ebenso wenig gewirkt, als sein lahmes Schreiben, aber der SDC-Führer hätte seine Pflicht getan. Und vielleicht hätte eine derartige Epistel doch einige von den pfarrherrlichen Schläfern im Lande aufgeweckt.
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Weil aber eine solche Epistel im gegebenen Augenblick nie wird geschrieben werden, wird die SDC auch unter dem neuen Namen (Volkskirchliche Arbeitsgemeinschaft; B. J.) nichts anderes bleiben, als ein Kinderspielball, der sich, weil er hin- u. hergeworfen wird, einbildet, Zünglein an der Waage zu sein. Im Lande aber kümmert sich kein Mensch darum. Und der ursprünglich uns so hoffnungsvolle Name „Deutsche Christen“ wird, nachdem er von denen, die ihn heute noch in verblendeter Borniertheit oder blenderischer Bosheit weitertragen, in Schmutz gezogen ist, nun von denen, die ihn in beschämter Selbsterkenntnis abgelegt haben, der öffentlichen Lächerlichkeit preisgegeben. Ich weiß, es sind scharfe Worte, die ich da schreibe, ich würde sie auch so leicht keinem andern sagen, als Ihnen, von dem ich fühle, daß er sich in diesen Zusammenhängen selber nicht allzu wohl befindet. Sie jedoch sind durch Ihre Stellung nicht so leicht wie ich in der Lage, sich den Platz auszusuchen, an dem Sie stehen wollen. Ich muß auch anerkennen, daß für den kirchenpolitisch im Normalfall neutralen Führer des Pfarrervereins eine Gruppe wie die „Vereinigung für Evangelium und Volkstum“ die einzig mögliche „Partei“ ist. Mir aber seien Sie nicht böse, daß ich meine größere Bewegungsfreiheit ausnutze und dahin gehe, wohin meiner Überzeugung nach jeden rechten Pfarrer das Herz treibt. Ich bitte Sie auch, meine Hoffnung nicht zu enttäuschen, die dahin geht, daß Sie mich nach wie vor als einen von denen ansehen, der Ihnen jederzeit zur Verfügung steht, zur Arbeit sowohl als auch zum unverantwortlichen Finger- oder Mundverbrennen. Ich werde, wo ich auch stehe, mich bemühen, eine gewisse Selbständigkeit und einen durch Parteimeinungen möglichst ungetrübten Blick auf das Ganze mir zu bewahren. Gott leite und segne Sie, lieber Bruder Wepler, bei allen schweren Entscheidungen dieser Zeit. Ich bleibe Ihr ergebener Meyenschein.189
Im Blick auf Weplers Wechsel aus der SDC zur Vereinigung für Evangelium und Volkstum, den er nur wenigen Freunden und Bekannten mitteilte, schrieb ihm am 22. November sein Bundesbruder Falk:
189 Brief, Original: a.a.O.; zum Wandel von SDC in Volkskirchliche Arbeitsgemeinschaft s. Slenczka (s. Anm. 28), 67.
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Lieber Wepler! Recht herzlich danke ich Dir für Deinen Brief und für die Gesinnung, aus der Du ihn geschrieben hast. Die Bundesbrüderlichkeit ist doch mehr als die Amtsbrüderlichkeit, deren Wertlosigkeit in dieser Zeit sich erschreckend kundgibt. In der Tat! Der gleiche Gedanke bewegt Dich wie mich; wenn ich nun sage, was mich schon immer bewegt hat: „Wie kommt Wepler in die Gesellschaft?“ Was will Wepler eigentlich? Nur mit dem Unterschied, daß Du Dich kirchenpolitisch die ganze Zeit über betätigt hast, während ich mich von jeder Aktion ferngehalten habe. Durch die Drahtzieher in Marburg sind die Kreispfarrer eingefangen worden. Jene Herausstellung Merzyns hatte ihre Hintergründe. Der Mann wurde geschoben, ob ers gewußt hat oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Als dann der Wagen nicht so lief, wie mans gewollt, berief Dithmar, den Du mir seinerzeit auf dem Weg von Rothenditmold nach Kassel genügend charakterisiert hast, die Kreispfarrer, um auf diese die Verantwortung abzuschieben. Als dann die Einstweilige ob mit Recht oder Unrecht abgeführt wurde, gab sie uns den Auftrag, weiterzuarbeiten. Das haben die Kreispfarrer dem Kommissar zugesagt. An diese Zusage sind sie m. E. gebunden, solange die Rechtsfrage nicht geklärt ist. Die neuerliche Aktion der Kreispfarrer unter der nun aus der Versenkung wiederaufgetauchten Einstweiligen halte ich für unmöglich. Darum meine Erklärung, die ich abgefaßt habe.190 Wer sich (sic!) noch unterschrieben hat, ist mir gleichgiltig. Wenn Keller ein Gewaltmensch ist, dann ist es Laabs auch. Wenn Keller intrigiert, dann Dithmar erst recht. Wenn Theys, wie Du schreibst, „ein willenloses, völlig abhängiges Werkzeug ist“, dann ist es Merzyn auch.191 Und wer Herr Köhler ist, das weiß ich von Dir! Also so schmerzlich es Dir ist, meinen Namen in der Gesellschaft zu sehen, noch viel schmerzlicher ist es mir, wenn ich Deiner gedenke. Faß das bitte nicht als Retourkutsche auf! Es geht aber nicht an, der jetzigen Kirchenregierung Machtanspruch vorzuwerfen und zu denen zu halten, die selbst durch rücksichtslose Machtausnützung gezeichnet sind. Interessant ist, daß auch Herr Paulmann wieder auf dem Plan erscheint, der die drei Landespfarrer, Eisenberg und Bähr „erledigt“ hat, der auch Merzyn erledigt hätte, wenn er ihn nicht zur Aufrechterhaltung des „Betriebes“ gebraucht hätte. Du irrst jedenfalls, lieber Wepler, wenn Du den Landesbischof als abhängiges Werkzeug bezeichnest. Der wahrt sich seine Freiheit auch denen ge190
Vgl. Slenczka (s. Anm. 28), 67. Von „Wenn Keller ...“ bis „... auch“ von Wepler am Briefrand mit einem Bleistiftstrich markiert. 191
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genüber, die angeblich auf dem Renthof herrschen. Er hat, das weiß ich, mehr für die Freiheit der Kirche getan als die vielen, die davon reden. Und wenn er wegen der Hanauer Vorkommnisse verurteilt wird, so sollte man ihn erst einmal hören. Wenn er Kaiser suspendierte, so geschah es zu dessen Schutz vor denen, die Kaiser einmal so angeredet hatte: „Sorgen Sie dafür, daß ich Landesbischof werde!“ Doch genug davon! Theys verdient es, daß man ihm vertraut. Er ist jedenfalls unabhängiger als mancher, der mit seiner Neutralität hausieren geht. Wie es mit Müller (Reichsbischof; B. J.) steht, weiß ich nicht. Authentische Nachrichten sind bei der allgemeinen Verlogenheit wohl schwerlich zu bekommen. Nun das Grundsätzliche! Endlich höre ich mal die Wahrheit, wenn Du schreibst, daß das Bekenntnis nicht in Gefahr ist. Dem stimme ich gern zu und auch dem zweiten, daß es um das Evangelium geht. Letzteres aber in anderem Sinne, wie Du es meinst. Du sagst, das Evangelium ist Gerechtigkeit und Liebe und stellst dann die Ungerechtigkeit und Macht bei den D. C. und ihrem Gauobmann fest. Nun Gerechtigkeit und Liebe im Evangelium ist denn doch etwas anderes. Und ich füge hinzu, Evangelium ist Friede und Freude im heiligen Geist. Diese Gnadengaben sind von der Evang. Kirche, will sagen ihrer Pfarrerschaft, aber auch völlig verwirtschaftet. Wenn Du bei den D. C. nur Wille zur Macht aus Eitelkeit und Brutalität siehst, die zur Zerstörung des Evangeliums führen, dann wundere ich mich, daß Du so lange Deutscher Christ gewesen bist und, wenn Du es jetzt nicht mehr bist, mithilfst, der von den D. C. gebildeten „Einstweiligen“ wieder zur Geltung zu verhelfen. Denn deren Weg begann, wie oben gesagt, mit Gewalt. Dann war also vor Jahresfrist bereits das Evangelium „zerstört“. Wenn Du bei der herrschenden Gruppe der D. C. in ihrer Anerkennung von Volk, Blut und Rasse die Vernichtung des Wesens echter Religion feststellen mußt, so kann ich dem nur entgegenhalten, daß sie diese Dinge mit Recht anerkennen, sie aber nicht zu Götzen erheben. Wenn das aber Deine Überzeugung ist, lieber Wepler, wie konntest du [sic!] dann so lange D. C. sein, vor allem in der Frühzeit der Bewegung, als sich die Grundsätze noch nicht so geklärt hatten? Ich bin der Meinung, die liberale Theologie hat von der Substanz des Christentums viel mehr zerstört, als die radikale Gruppe der D. C., die ja garnicht mehr maßgebenden Einfluß ausübt. Die Methoden des Herrn Jäger waren ja schließlich nicht mehr tragbar. Wie es dazu kam, davon spricht kein Mensch mehr. Daß die Unbotmäßigkeit der undisciplinierten Evang. Pfarrerschaft, ihre Unfähigkeit, sich unter- geschweige denn einzuordnen, dazu führen mußte, daß durchgegriffen wurde, ist für mich unzweifelhaft. Das vergewaltigte evang. Gewissen!! Es könnte
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einen gruseln, wenn man die Bekenntnisfront sich ansieht, die Einigkeit in der Negation, diese Protestanten! Du siehst, lieber Wepler, ich bin schwer zu bekehren. Allerdings von den Bekennern will ich mich nicht bekehren lassen, diesen Phantasten, die eine Kirche in einem luftleeren Raum bauen wollen. Ich schreibe an dem dunkeln Kapitel der Kirchengeschichte nicht mit, ich halte aber, solange ich’s vermag, schützend meine Hände über meine Gemeinde, denn der ist es gleichgiltig, ob Müller oder Theys gehen oder bleiben. Für die ist es aber die Lebensfrage, ob ihre Pfarrerschaft ein von Streitlust besessener Haufe ist, oder eine verantwortliche Gemeinschaft von solchen Männern, die den Frieden wollen. Die Notbundpfarrer in meinem Kirchenkreis haben eine persönliche Aussprache vor dem Bußtag rundweg abgelehnt, zum Teil unter schwersten ausgesprochenen Beleidigungen, mit denen sie mich bedacht haben. Da sage ich, das Evangelium ist schlechten Haushaltern anvertraut. Ich weiß es auch bei etlichen D. C.ern in keiner guten Hut. Wir müssen von vorn anfangen, ob wir das können, da wir selbst unsern Kredit bei den Gemeinden, bei unserm Staat und Volk untergraben haben, bezweifle ich. Wer kann die verwirrte Pfarrerschaft sammeln? Du, lieber Wepler, müßtest es tun, aber nicht mit der Feststellung dieses oder jenes Schuldkontos, nicht mit Deiner Propagierung der Einstweiligen, auch nicht Merzyn’s, des „Mannes des allgemeinen Vertrauens“, dessen Abhängigkeit von Ritter offenbar ist, sondern mit einem Ruf zur Besinnung, mit einem Hinweis auf die drohende Trennung von Staat und Kirche, unter dem Zeichen, das Du doch wohl noch trägst, und seiner Verpflichtung gegenüber unserm Volk. Wenn wir die Volkskirche noch wollen, dann ist keine Zeit zu verlieren. Viele schwärmen ja von der „kleinen Herde“, die die Verheißung hat. O, diese Schwärmer, diese verantwortungslosen Hirten der ganzen Gemeinde!! Ich jedenfalls will kein Sektenprediger sein. Nun sehe ich mich vom Grundsätzlichen schon wieder beim Persönlichen. Der arme beunruhigte Geist kann hierbei nicht ganz die sachliche Linie einhalten. Ich habe Dir ganz offen geschrieben. Ich hoffe, Du nimmst meine Worte so auf, wie ich die Deinen. Diese Hoffnung beruht auf unserer Zugehörigkeit zur Alemannia, mehr noch, wie Du schreibst, auf unserer Freundschaft. Es wäre gut, wenn unsere Wege uns bald einmal zusammenführten. Heute grüße ich Dich und die Deinen herzlichst Dein Falk.192
192
Brief, Original: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“.
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Aus diesem Brief Falks teilte Wepler am 6. Dezember Dithmar den Passus mit: „Wenn Keller ein Gewaltmensch ist ..., wenn ich Deiner gedenke“ und schrieb dazu: „Aus diesen Worten, lieber Dithmar, sehen Sie also, daß Falk sich im Banne der anderen befindet und ein klares Urteilsvermögen völlig verloren hat. Ich bin darüber so tief betrübt, daß ich mich zu einer Antwort noch nicht überwinden konnte ... Vielleicht kommt sehr bald die Stunde, wo sich Falk seiner Besessenheit schämen wird.“193 Am 9. Dezember antwortete Dithmar: „Falks Urteil berührt mich innerlich nur so weit, als ich eine höhere Meinung von ihm hatte, als es nun leider der Fall sein muß.“ In demselben Brief bedauerte Dithmar die schlechte Nachricht über Schäfer, die ihn „innerlich sehr tief betroffen“ habe. „Ich habe doch so manches Jahr mit ihm zusammen gestanden und zusammen gearbeitet und dabei stets seine vornehme und tapfere Haltung kennen gelernt; und was wir alle ihm verdanken, läßt sich durch nichts wegwischen. Ich habe ihm auch ein paar freundl. Zeilen geschrieben. Dieses Ende seines glanzvollen Aufstiegs muß ja schrecklich für ihn sein. Daß bei einem Rücktritt Schäfers an Sie als seinen Nachfolger gedacht werden würde, hatte ich schon neulich zu Muster geäußert. Ich würde mich ja rieisg freuen, wenn es dazu käme; aber ob ich es Ihnen gerade jetzt wünschen soll, weiß ich nicht. Nach allem gehen wir doch sehr schweren Entscheidungen entgegen. Und dabei die Verantwortung für 15 000 Pfarrer tragen, ist keine leichte Sache. Ich spüre die Schwierigkeit täglich bei uns im engen Raum. Wäre ich Intrigant von Charakter, wie es Falk vorschwebt, müßte ich ja meine Freude an den Dingen haben. Aber genau das Gegenteil ist der Fall, und ich sehne den Augenblick herbei, daß ich endlich zu meiner Ruhe komme.“ In demselben Brief informierte Dith-
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Brief, Durchschrift: a.a.O.
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mar Wepler, daß die Kasseler DC-Pfarrer sich endlich von Keller losgelöst hätten.194 Einen Tag nach der Landessynode vom 12. November schrieb der Synodale Pfarrer Georg Blendin (Wachenbuchen)195, der als DC-Mann auch Mitglied des Gesamtausschusses des Pfarrervereins war, in einem Rundbrief an die Amtsbrüder seines Kirchenkreises Hanau-Land im Blick auf die Situation in der Landeskirche: Das Kirchenvolk versteht seine Kirche nicht mehr, begreift nicht, warum seine Pfarrer streiten, denen niemand verwehrt hat, dem Evangelium und Bekenntnis gemäß ihr Amt zu treiben. Wenn die Kirche durch Theologenstreit auseinanderfällt, dürfen wir uns nicht wundern, wenn vor allem in der Partei andere Richtungen groß werden, die vom Christentum abführen, und wenn man sich da einen eigenen Glauben bildet, der von der Kirche nicht mehr beeinflußt wird. Darum bitte ich die Amtsbrüder, auch die, die etwa auf die Seite der sogen. Bekenntniskirche sich gestellt haben, noch einmal ernstlich zu überlegen, ob die Einheit der Kirche nicht mehr wert ist, als sich zu zersplittern, statt den Kampf mit den wirklichen Feinden des Christentums überhaupt aufzunehmen. Will jemand von Ihnen den dornenvollen und doch schließlich unnützen Weg gehen, den einst die hessische Renitenz gegangen ist? Es ist kein Zweifel darüber gelassen, daß der Staat nur die Evangelische Reichskirche, gleichgilitg, wer an der Spitze steht, anerkennt - unter der Voraussetzung, daß er sein placet geben kann -, und alle sich neben ihr bildenden Gruppen, etwa die Bekenntniskirche, nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkennen wird.196
War damit der Weg zur Befriedung aufgezeigt, oder galt es jetzt erst recht für einen Teil der Pfarrerschaft in Kurhessen-Waldeck, den Kampf um das rechte Bekenntnis und die ihm gemäße rech194
Brief, Original: a.a.O. Später Mitglied des am 25./26. 10. 1935 durch den Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten, Kerrl, eingesetzten Landeskirchenausschusses der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck; vgl. Slenczka (s. Anm. 28), 99ff; Klein (s. Anm. 160), 349ff. 196 Brief, Durchschrift, 13. 11. 1934, mit hsl. Vermerk: „Zurückerbeten an Meyenschein, Kilianstädten“: PfrVAkten, Mappe „1933 u. 1934: Vorstand“. 195
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te Ordnung der Kirche vom Evangelium her zu führen? Die BKPfarrer entschieden sich jedenfalls für diesen Kampf. Eine Befriedung ersehnten zwar auch Gruppen wie die DC, SDC, Volkskirchliche Arbeitsgemeinschaft u. a., in gewisser Hinsicht auch die EKL, die aber bis zur Entscheidung ihres Prozesses mit der Kommissarischen Kirchenregierung im Februar 1935 kaum noch in Aktion trat. Aber alle diese Gruppen wußten letztlich nicht, wie und in welche Richtung der Weg einer solchen Befriedung der innerkirchlichen und kirchlich-staatlichen Gegensätze einzuschlagen sei. Auch die führenden Männer des Pfarrervereins waren ratlos. 2.10 Das Jahr 1935 Vergleicht man die Jahrgänge 1934 und 1935 des vom Pfarrerverein herausgegebenen „Pastoralblattes“, so fällt auf, daß im Jahrgang 1935 die Berichterstattung über die aktuelle kirchliche Lage und die entsprechenden Tendenzen in der Pfarrerschaft wesentlich zurückhaltender geworden ist. In den Vordergrund traten dafür historische Besinnungen wie z. B. eine Artikelserie des in der hessischen Kirchengeschichte so versierten alten Vereinsmitgliedes Rudolf Francke zusammen mit einigen Kollegen über „Die im Jahre 1887 ernannten hessischen Superintendenten“ oder ein Aufsatz des Ulfener Pfarrers Gipper über „Die Glocken des Kreises Eschwege“. Erst das große Referat, das Hans von Soden am 3. Juli 1935 bei der Hauptversammlung des Pfarrervereins im Marburger „Kurhotel“ in Anwesenheit von drei Gestapo-Männern über „Die Kirche Christi und die weltliche Obrigkeit“197 hielt und das 197
Pastoralblatt 44 (1935) 19-26; Nachdruck in: H. von Soden, Urchristentum und Geschichte. Gesammelte Aufsätze und Vorträge, hg. v. H. von Campenhausen, Bd. 2: Kirchengeschichte und Gegenwart, Tübingen 1956, 248-271. Zur Gestapo-Überwachung s. Klein (s. Anm. 160), 827; vgl. allge-
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am 23. August 1935 im „Pastoralblatt“ erschien, brachte den Vereinsmitgliedern die spannungsreiche Lage, in der sich Kirche und Staat in ihrem gegenseitigen Verhältnis gegenwärtig befanden, auch wieder von seiten des Vereins zum Bewußtsein. Bis dahin war der Vorstand des Pfarrervereins, abgesehen von seinen laufenden Verwaltungs- und Hilfsaufgaben (Pfarrwitwenkasse, Pfarrerkrankenkasse, Pfarrtöchterhilfe, Rechtsschutz usw.), gelegentlich weiter mit der Unruhe befaßt, die Keller nach wie vor in die Pfarrerschaft trug.198 Außerdem beschäftigte man sich mit dem Lohnabzugsverfahren bei der Kirchensteuer, Kassenangelegenheiten, Versicherungsfragen, Streitigkeiten zwischen Pfarrern im Zuge des Kirchenkampfes, Disziplinargerichtsbarkeit u. a. m. Am 6. November 1934 hatte der Verband der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine den Reichsbischof gebeten, „um der Kirche und ihrer sofortigen Befriedung willen von seinem verantwortungsvollen Amt zurückzutreten“. Da Müller einen Rücktritt zunächst ablehnte, forderte der neue Vorsitzende namens des inzwischen in Reichsbund der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine umbenannten Verbandes, Pfarrer Klingler (Nürnberg), am 4. Dezember 1934 noch einmal mit Nachdruck „den Rücktritt des Herrn Reichsbischofs und seiner bisherigen Helfer und Mitarbeiter und damit die Aufgabe des ganzen Systems als die einzige Möglichkeit, zur Befriedung der Kirche zu kommen und eine geschlossene Front gegen den gemeinsamen Feind herzustellen. Er appeliert [sic!] dabei an das nationalsozialistische Gewissen des Herrn Reichsbischofs, wonach ‚Ge-
mein J. Kammler, Gestapo und Gesellschaft. Zur Praxis der Staatspolizeistelle Kassel und ihren Voraussetzungen, in: Verein (s. Anm. 51), 38-47; D. Krause-Vilmar, Zur Rolle der Geheimen Staatspolizei Kassel im Krieg (1940-1945), ebd., 48-60. 198 Keller war lt. Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 31. 1. 1935, Anfang 1935 aus dem Pfarrerverein ausgetreten; s. Anm. 130.
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meinnutz vor Eigennutz geht’.“199 Es dauerte allerdings noch bis zum September 1935, bis Müller durch die Einsetzung des Reichskirchenausschusses (Gesetz zur Sicherung der DEK vom 24. September 1935 mit Durchführungsverordnung vom 3. Oktober 1935) praktisch entmachtet wurde. Auch in Kurhessen-Waldeck trat erst im Laufe des Jahres 1935 nach Bildung des Landeskirchenausschusses mit D. Happich an der Spitze eine gewisse Ruhe in den kirchenpolitischen und bekenntnismäßigen Auseinandersetzungen ein. Das war zu einem großen Teil das Verdienst der klugen Verhandlungsführung und theologischen Fundierung Hans von Sodens und seiner Freunde auf der einen und des taktischen Verhaltens der EKL unter D. Dithmar auf der anderen Seite. Der Pfarrerverein spielte in dieser Phase keine besondere kirchenpolitische Rolle, außer daß er mit dem grundlegenden Referat von Sodens zum Verhältnis von Kirche und Obrigkeit auf der Marburger Hauptversammlung im Juli 1935 die Pfarrerschaft zu einem Urteil darüber befähigte, in welche Richtung der Kampf um die Kirche nun geführt werden müsse. Daß der Verein im Vergleich zu früher jetzt eine solche Zurückhaltung übte, hatte drei Gründe: - 1. Der Vorsitzende, der den Verein nach außen vertrat, war neben seinem Hauptamt als Kreispfarrer durch die personellen und kirchenpolitischen Probleme im Vorstand des Reichsbundes stark in Anspruch genommen. - 2. Im Frühjahr 1935 trübte sich aufgrund zunehmender unterschiedlicher politischer Auffassungen das persönliche Verhältnis zwischen Ziegler und Wepler so sehr, daß der Vorsitzende bei kirchenpolitischen Äußerungen des Vorstandes der Unterstützung Zieglers nicht mehr sicher sein konnte. Mit seiner Neigung zur politischen Radikalität im Sinne der NSDAP und der ihr anhängenden kirchlichen Gruppen wurde Ziegler in den 199 Rundbrief an die Mitgliedsvereine: PfrVAkten, Mappe „Reichsbund Deutscher Evangelischer Pfarrervereine“.
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Augen Weplers zur Gefahr für die seines Erachtens parteipolitische Unabhängigkeit des Vereins, so daß Wepler für Zieglers Ersetzung im Vorstand durch Pfarrer Scheig sorgte. Dieser wurde schließlich auch stellvertretender Vereinsführer.200 - 3. Wepler war seit Mai 1935 erneut in eine längere Auseinandersetzung mit Gauleiter Weinrich in Kassel geraten. Auch die EKL war durch ihre Anzeige gegen Weinrich bei der Kasseler Staatsanwaltschaft involviert. 2.10.1 Neuer Konflikt mit dem Gauleiter Am 18. Mai 1935 erhob Weinrich in einer Rede auf dem 5. Hessentag schwere Vorwürfe gegen die Pfarrerschaft, die EKL und besonders gegen Oberlandeskirchenrat D. Merzyn. Daraufhin beschloß die EKL, „für die Ehre des Pfarrerstandes und ihre eigenen Mitglieder einzutreten und bei der Staatsanwaltschaft Anzeige zu erstatten. Zugleich wird sie bei den zuständigen Stellen der Reichs- und Staatsregierung ernsteste Vorstellungen erheben. Unabhängig davon wird auch der Pfarrerverein seine Schritte tun.“ 201 Dies tat er in Form eines Protestbriefes, den Wepler am 22. Mai 1935 namens des Vorstandes an Weinrich richtete: 200
Am 26. 3. 1935 teilte Wepler den Pfarrern Ziegler (Kassel) und Otto (Fulda) mit, daß sie „nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit“ der Amtsbrüder besäßen; Briefe, Durchschrift: PfVAkten, Mappe „Kirchenkampf“. Am 16. 7. 1935, vierzehn Tage nach der Marburger Hauptversammlung, bei der Otto und Ziegler aus dem Vorstand unfreiwillig ausschieden, fragte Wepler dann die Pfarrer Karl Scheig (Hanau) und Berthold Volkenand (Obergude), ob sie bereit wären, in den Vorstand einzutreten. Wepler schloß mit dem Satz: „Ich lege besonderen Wert darauf, daß sich ein alter Pg in dem Vorstand befindet, der die Möglichkeit hat, manche Wege zu ebnen“, womit Volkenand gemeint war; Brief, Abschrift: a.a.O. 201 Rundschreiben der EKL (gez. D. Dithmar) vom 21. 5. 1935 an die Pfarrer und Kirchenvorstände, abgedruckt bei Slenczka (s. Anm. 28), 84; auch vorhanden in: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“, hiernach zitiert.
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Herr Staatsrat und Gauleiter! Sie haben auf der Führertagung anläßlich des fünften Hessentages in Ihrer programmatischen Rede auch zur Haltung der Pfarrerschaft in Kurhessen Stellung genommen und nach dem Bericht der Presse u. a. wörtlich gesagt: „Wie zänkische Weiber haben sie sich aufgeführt. Nur immer an sich, an ihren Einfluß, an ihre Pfründe haben sie gedacht. Wer Gelegenheit hatte, die Verhandlungen, die zwischen zwei Kirchen geführt wurden, um persönliche Pfründe zu sichern, mitzuerleben, wurde an Karl May’s Lektüre erinnert. Damals hatte man farbige Medizinmänner, die mit dem Stammesgott Schacher trieben, sich mit Hilfe dessen Einfluß verschafften und auch Verbrechen begingen. Diese Medizinmänner sind uns auch heute noch beschert. Ihnen ist es ganz gleich, ob das Volk, die Religion, zugrunde gehen, die Hauptsache ist, daß sie selbst bestehen.“ Sie vergleichen die Pfarrer mit farbigen Medizinmännern, die mit ihrem Stammesgott Schacher treiben, um sich Einfluß zu verschaffen und Verbrechen zu begehen, und behaupten, daß diese Pfarrer um ihrer Existenz willen Volk und Religion zugrunde gehen lassen. Damit ist die Verurteilung unseres Standes in einer solchen Schärfe und mit einem solchen Grade von Verachtung ausgesprochen, wie es unseres Wissens die deutsche Geschichte nicht kennt. Sind wir Pfarrer im Gau Kurhessen vogelfrei, daß man uns als sittlich minderwertige und verlogene Menschen vor aller Öffentlichkeit brandmarken darf? Herr Staatsrat und Gauleiter, wenn ein solcher Ausnahmezustand für uns bestünde, und uns nur noch der eine Weg bliebe, der jedem deutschen Gewissen, das sich nicht knechten läßt, offen steht, nämlich der Kampf um die Ehre, dann wollen wir diesen Weg gehen. Das Recht, für seine Ehre zu kämpfen, kann dem deutschen Manne nicht genommen werden. Der Nationalsozialismus bezeichnet die Mannesehre als größtes und wertvollstes Gut. Wir erheben deshalb unter Berufung auf den Nationalsozialismus als deutsche Männer, Offiziere und Kämpfer im Weltkrieg Protest gegen die öffentliche Ehrenkränkung und fordern als Volksgenossen die Wiederherstellung unserer Ehre in der Öffentlichkeit. Wir zanken nicht um kleinliche Dinge wie „Weiber“, wir kämpfen einen ernsten heiligen Kampf um die Wahrheit für unser Volk in dem Bewußtsein, daß unser Volk, zu dem wir uns jederzeit mit dem vollen Einsatz unserer Kraft und unseres Lebens bekennen, mit dieser Wahrheit besteht, oder ohne sie zugrunde geht. In diesem Kampf werden wir von einer kleinen Minderheit mit den übelsten Mitteln diffamiert und terrorisiert. Gegen diese Vergewaltigung lehnen wir uns auf und werden weiterkämpfen in der Bereitschaft, alles zu ertragen und auf uns zu nehmen. Seien Sie versichert, daß wir
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lieber Amt und Brot verlieren, als uns diesem Terror zu beugen, der die Kirche zerstört. Herr Staatsrat und Gauleiter, Sie wollen den Frieden, weil die Unruhe und der Streit in der Kirche die Volksgemeinschaft gefährdet, die uns der Führer erkämpft hat. Auch wir wollen nichts sehnlicher als diesen Frieden, aber unter keinen Umständen einen faulen Frieden. Sie allein haben die Macht, der Landeskirche von Kurhessen und Waldeck diesen Frieden zu geben. Wir zeigen Ihnen den Weg dazu. Geben Sie der Kurhessischen Pfarrerschaft für 14 Tage die Freiheit des Handelns auf kirchlichem Gebiet! Dann würde sie nach Ablauf dieser Frist in der Lage sein, Ihnen zu melden, daß der Friede wieder hergestellt ist, und Sie würden dem Führer sagen können, daß im Gau Kurhessen alles in Ordnung ist. An der Pfarrerschaft aber, die in ihren Reihen keinen Feind der Volksgemeinschaft duldet, würden Sie in Ihrem Gau die treuesten Mitarbeiter im Bereich des kirchlichen Lebens haben. Heil Hitler! Der Vorstand der Kurhessischen Pfarrerschaft. gez. Wepler, Pfr.202
Weinrich antwortete Wepler am 27. Mai 1935: Sehr geehrter Herr Pfarrer! Ich bestätige den Erhalt Ihres Schreibens vom 22. 5. 35 und sehe keinen Grund ein, von meinen Ausführungen am 18. 5. 35 auch nur einen Deut zurückzunehmen, besonders dann nicht, wenn, wie geschehen, ich von Seiten sehr vieler Pfarrer, die sich aus der Zänkerei herausgehalten haben, Zustimmungserklärungen zu meinen Ausführungen erhalten habe. Sie freuen sich alle, daß endlich einmal denen, die immer das Wort Gottes im Munde führen, aber anders handeln, die Maske vom Gesicht gerissen worden ist. Sie empfinden es selbst, daß leider Gottes so mancher in ihren Reihen steht, der nicht als Priester vor Gott bestehen kann. Solange die Pfarrer unter sich uneinig sind und sich zanken, habe ich als verantwortlicher Führer des Gaues Kurhessen keine Veranlassung, mich in ihre Angelegenheiten einzumischen. Seit man aber feststellen mußte, daß durch einzelne Pfarrer Unruhe in die Bevölkerung getragen worden ist, habe ich pflichtgemäß auf das unchristliche Gebaren hingewiesen. Daß sich nicht 202
Abgedruckt bei Slenczka, a.a.O., 85f; Abschrift auch vorhanden in: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“, hiernach zitiert.
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alle Pfarrer getroffen fühlen, ist aus den oben erwähnten Zuschriften zu ersehen, und das ist der bessere Teil, weil sie wissen, was ihres Amtes ist und weil sie sehen, daß durch die Machenschaften einzelner unchristlicher Pfarrer die evangelische Kirche zugrunde gerichtet wird. Herr Pfarrer Wepler! Ist die Aufstellung des Programms für die nächste Pfarrerversammlung, bei der durch die Stellung der Vertrauensfrage einzelne nationalsozialistische Pfarrer aus der Führung ausgebootet werden sollen, etwa auch christlich und als gottgefällig zu bezeichnen? Warum wohl diese Machenschaften? Mich geht dieses Intrigenspiel nichts an, aber es ist bezeichnend für den Geist gewisser Leute, die sich das Amt eines Seelsorgers anmaßen. Mehr zu sagen halte ich nicht für angebracht. Der Herrgott, der doch Gerechtigkeit walten läßt, wird auch diejenigen, die sich anmaßen, seine Diener zu sein und die es doch nicht sind, zur rechten Zeit und gerecht zu treffen wissen. Heil Hitler! (L. S.) Weinrich203 203
Brief, Original: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“. Diesen Brief Weinrichs schickte Wepler am 3. 6. 1935 in Abschrift an die Vertrauensleute des Pfarrervereins mit der Bemerkung: „Es ist sehr schmerzlich für unseren Stand, daß von seiten sehr vieler Pfarrer dem Herrn Gauleiter Zustimmungserklärungen zu seiner Rede zugegangen sein sollen.“ Auf eine Anregung von Kreispfarrer D. Bachmann (Kassel) hin bat Wepler, um das Vertrauen in den Vereinsvorsitzenden zu erkunden, die Vertrauensleute, „an jeden einzelnen Amtsbruder in einer alsbald zu berufenden Konferenz mündlich oder schriftlich folgende Fragen zu stellen, die innerhalb von 3 Tagen zu beantworten sind: 1. Sind Sie bereit, auf folgende Fragen Antwort zu geben? 2. Haben Sie eine mündliche oder schriftliche Zustimmungserklärung zur Rede des Herrn Gauleiters gegeben? 3. Sind Sie mannhaft genug, vor dem Pfarrer-Verein, d. h. vor seinem Vorstand, Ihr Verhalten zu rechtfertigen?“; Rundbrief: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“. - Bereits am 31. 5. 1935 schrieb Wepler an Pfarrer Volkenand (Obergude), der am 4. Juni zusammen mit Pfarrer D. Happich (Treysa) mit dem Gauleiter über einen „Burgfrieden“ zwischen Kirche und Staat verhandelte, unter Bezug auf den in Abschrift beigefügten Brief des Gauleiters vom 27. Mai: „Die Pfarrer, die ihre Zustimmung geäußert haben, sind nur im anderen Lager zu suchen. Wenn Sie in den nächsten Tagen von dem Gauleiter zu einer Aussprache eingeladen werden, versuchen Sie, Näheres über diese Zustimmungserklärungen zu erfahren. Daß es einen Amtsbruder geben könnte, der die amtsbrüderliche Gemeinschaft und die
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Nach einer Vermutung des nachmaligen Vereinsvorsitzenden Walther Roth (Dekan in Ziegenhain, später Prälat in Kassel) war es in Wirklichkeit diese Auseinandersetzung mit dem Gauleiter, die Wepler in den Jahren 1943-1945 eine Zuchthausstrafe in Ziegenhain eintrug, während im Gerichtsurteil vom 28. September 1943, das auf drei Jahre Zuchthaus und fünf Jahre Ehrverlust lautete, das Abhören von Feindsendern als Strafgrund angegeben wurde. Der durch Bischof Wüstemann, selbst langjähriges Mitglied des Pfarrervereins und in der Nazizeit von Wepler als Finanzsachverständiger in den weiteren Vorstand berufen, bald nach dem Ende des Krieges an Wepler verliehene Titel „Kirchenrat“ war ebenso wie seine Berufung als Sprecher des Finanzausschusses der neuen Landessynode ein Zeichen der Versöhnung und Anerkennung zugleich. - Versöhnung, insofern Wepler durch seine dem NS-Staat bewiesene Treue den von ihm geführten Verein wie auch manche Amtsbrüder, die staatspolitisch anders standen, in schwierige Situationen brachte. - Anerkennung, insofern Wepler durch seine Staatstreue andererseits den Verein vor unmäßigen Übergriffen des Staates bewahrte und ihm - gleichsam in ständigem Schweben zwischen Widerstand und Ergebung - das Überleben der NS-Zeit ermöglichte. Wie Weinrich die damalige kirchliche Lage in Kurhessen einschätzte, geht aus einem Schreiben hervor, das er wenige Monate vor Weplers Protest am 21. Januar 1935 an den der unrechtmäßigen Kommissarischen Kirchenregierung (KKR) angehörenden Parteigenossen Steffens schrieb. Darin heißt es u. a.: „Ich lehne es rundweg ab, mich von den Herren Dithmar, MerWürde unseres Amtes so weit verleugnen könnte, wie es hier geschehen ist, hätte ich nie für möglich gehalten ... Ich habe jetzt nur den einen Wunsch, die Verräter an der Pfarrerschaft zu entlarven.“ Ähnlich äußerte sich Wepler an demselben Tag gegenüber der EKL; Briefe, Durchschriften: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“.
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zyn und Genossen ins Schlepptau nehmen zu lassen. Eingedenk dessen, daß der weitaus größere Teil der Mitglieder und Anhänger der ‚E.K.L.’ während der Kampfjahre nicht nur unsere hartnäckigsten, sondern auch unsere gefährlichsten Gegner waren, habe ich zu diesen Männern auch nach (dem) nat.soz. Umbruch kein Vertrauen fassen können.“ Weinrich war der Ansicht, „daß diese Männer zu keiner Zeit das Interesse der evangelischen Kirche gewahrt haben und auch nicht zu wahren willens waren, denn sonst hätten sie während der Kampfjahre zu uns stoßen müssen, weil nur ganz allein die nat.soz. Bewegung der Kirche Schutz und Hilfe angedeihen lassen konnte. Obwohl ihre Kirchen leer standen, haben sie nicht den Kampfruf ‚Das Evangelium ist in Gefahr’ in das deutsche Volk hineingerufen, vielmehr haben sie jede Gelegenheit wahrgenommen, der Freiheitsbewegung in den Arm zu fallen. Jetzt aber, wo der Marxismus und die Gottlosenbewegung besiegt sind, die Kirchen wieder Zustrom haben, erheben diese Geister wieder ihre Häupter, um persönliche Macht zu gewinnen. Etwas anderes ist unter ihrem Kampfruf ‚Das Evangelium ist in Gefahr’ nicht zu suchen.“204 In diesem Sinne hatte sich die EKL in zwei Schriftsätzen am 9. und 15. Januar 1935 an den Gauleiter gewandt und im Zuge der Auseinandersetzung mit der KKR deutlich gegen die derzeitige Kirchenpolitik der NSDAP Stellung bezogen. Der Hintergrund der von der EKL wie auch vom Pfarrervereinsvorsitzenden bedauerten Absetzung des DC-Gauobmanns Dr. Paulmann im Mai 1934, dessen Vorgehen bei der Vereinigung der Kirchen von Kurhessen und Waldeck-Pyrmont der Partei allzu moderat war, wird durch Weinrichs Äußerung aufgehellt. Dr. Paulmann habe in den Kirchenfragen grundsätzlich anders gedacht und gehandelt als er. Dagegen hätte ihm - der auf seiten der KKR agierende und mit der EKL wie mit dem Pfarrervereinsvorsitzenden als selbsternannter Präsident des Landeskirchentages im Streit liegende - Dr. Reinhardt mit sei204
Brief, Hektographie: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“.
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nem Verhalten „bis heute noch keinen Anlaß gegeben, irgend etwas gegen ihn zu unternehmen. Wegen seiner Geradlinigkeit genießt er noch heute mein volles Vertrauen. Die ungehörigen Angriffe gegen Dr. Reinhardt müssen entschieden zurückgewiesen werden ... Dr. Reinhardt ist der Mann, der ihnen205 schon das nötige sagen wird. Als alter Nationalsozialist und ehrlicher Christ hat er sich wohl um die evangelische Kirche mehr verdient gemacht als alle Herren, die heute so laut schreien. Ein Mann, der mehr als 10 Jahre für Deutschland und das Christentum gekämpft hat, ist mir mehr wert als ein paar Dutzend derer, die nur das Wort Christus im Munde führen und ihr Leben lang nur Unfrieden gesät haben.“ Im übrigen, so Weinrich an Steffens, besäße auch Dr. Happel als Nationalsozialist und evangelischer Christ sein volles Vertrauen.206 Einen Monat vor der Jahreshauptversammlung des Pfarrervereins in Marburg fand am 4. Juni 1935 in Kassel eine zweistündige Verhandlung statt, in der Pfarrer D. Happich und Pfarrer Volkenand mit Gauleiter Staatsrat Weinrich die kirchliche Lage besprachen und versuchten, zu einem Burgfrieden zu kommen. Im Zuge der Vorbereitung der Marburger Versammlung schickte Wepler am 6. Juni einen wohl von Happich verfaßten Bericht über dieses Gespräch an die Vorstandsmitglieder Schimmelpfeng und Schmidt mit dem Hinweis, Merzyn und Happich hätten angeregt, die Hauptversammlung zu verschieben, um den „Burgfrieden“ mit Renthof 5 (Sitz der KKR) nicht zu gefährden. Dazu meinte Wepler in seinem Begleitschreiben an die Brüder des Vorstandes: Es sei daher zwar „wünschenswert, alles zu vermeiden, was die Gemüter von Neuem erhitzt“, aber eigentlich könne er in seinem „Bericht über die Lage in der Kurhessischen Pfarrerschaft nicht vermeiden, mit den schärfsten Worten das fortgesetzte Verhalten der Amtsbrüder zu verurteilen, die bewußt die brüderliche Gemeinschaft zerstören, die 205 206
D. h. den Männern der EKL. A.a.O.
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Würde des Amtes verletzen und unter Anwendung von Lüge und Gewaltmitteln in die Gemeinden der anderen eindringen.“ Dazu hatte Wepler aus mehreren Kirchenkreisen konkrete Hinweise. Er hielt es selbst für fraglich, so etwas in diesem Augenblick zu äußern. Denn „die Atmosphäre in der Pfarrerschaft ist schwer geladen, und ich fürchte, daß es zu recht heftigen Auseinandersetzungen kommen wird. Die unglaubliche Haltung einiger Amtsbrüder läßt keinen Zweifel darüber aufkommen, daß der Gauleiter am nächsten Tage alles erfahren würde.“207 So lud Wepler die ihm in dieser schwierigen Lage zuverlässig erscheinenden Brüder Schimmelpfeng, Schmidt, Dithmar und Francke zu einer Vorstandssitzung nach Waldkappel ein. Ziegler, Otto und Steinmetz wurden mit Bedacht nicht geladen. Der Bericht über die Verhandlung mit Weinrich war für den Pfarrerverein von großer Bedeutung. Denn immerhin war in der Vorstandssitzung vom 23. Mai 1935 (anwesend: Wepler, Schimmelpfeng, Francke, Schmidt), in der Wepler volle Rückendeckung für sein Protestschreiben vom Vortag an den Gauleiter erhielt, überlegt worden, ob der Pfarrerverein - ähnlich wie die EKL - Anklage wegen „Verunglimpfung des Pfarrerstandes“ gegen Weinrich erheben sollte. Man wollte allerdings zunächst noch die Antwort des Gauleiters abwarten. Nach Eintreffen dieser Antwort vom 27. Mai bei Wepler war das Gespräch mit dem Gauleiter eine gute Chance, die Haltung des Pfarrervereins wie auch der EKL zur kirchenpolitischen Entwicklung darzustellen bzw. Fehlinformationen auf seiten Weinrichs zu korrigieren. Wie der Bericht zeigt, nutzte Happich diese Chance, so gut er konnte:
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Brief, Durchschrift: PfrVAKten, Mappe „Kirchenkampf“.
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Bericht über die Verhandlung zwischen Herrn Gauleiter Staatsrat Weinrich und Pfarrer Dr. Happich und Pfarrer Volkenand am 4. Juni 1935, vorm. 11-gegen 13 Uhr. Der Gauleiter kommt zu Eingang sofort auf den Pfarrer-Verein zu sprechen; er habe gehört, daß die nationalsozialistischen Mitglieder des Vorstands (Ziegler und Otto) aus dem Vorstand entfernt werden sollten. Er weist darauf hin, daß der Pfarrer-Verein in weitem Umfang durch Krankenkasse, Sterbekasse usw. eine wirtschaftliche Vereinigung sei. Sollte eine Umbildung des Vorstandes, wie oben angedeutet, tatsächlich vorgenommen werden, so werde er gegen den Pfarrer-Verein wegen politisierender Tendenzen mit allen Mitteln vorgehen, sodaß das Bestehen des Pfarrer-Vereins in Zukunft auf das allerstärkste gefährdet wäre. - Es wird erwidert, daß der Zweck des Vereins nicht in erster Linie ein wirtschaftlicher sei, ferner, daß nach einer mündlichen Erklärung des Vorsitzenden, Pfarrer Wepler, dieser selbst umkämpft sei, und daß er infolgedessen sich genötigt sehe, mit dem gesamten Vorstand die Vertrauensfrage zu stellen. Der Gauleiter nimmt davon Kenntnis und ersucht noch einmal nachdrücklich, den Pfarrer-Verein vor seiner Tagung in Marburg auf die unheilvollen Folgen hinzuweisen, die entstehen würden, wenn die Herren Ziegler und Otto aus dem Vorstand entfernt würden. Dann kommt der Gauleiter auf den Besuch der beiden Herren des Kultusministeriums am 29. und 30. Mai zu sprechen. Er sei gewillt, jeden nur annehmbaren Vorschlag, der die Befriedung der Landeskirche herbeiführe, anzunehmen. Er schildert die unmöglichen Zustände, die zurzeit herrschen. Bis jetzt habe er sich bemüht, ein Werben der Deutschen Glaubensbewegung in größeren Maßstäben in seinem Gau zu verhindern; wenn der Kirchenkampf nicht beendet werde, sei ihm das auf die Dauer unmöglich. Falls ein zu erwartender Vorschlag des Kultusministeriums zur Beilegung des Streites abgelehnt werde, werde er am Sonntag nach Pfingsten in einer Rede in Marburg noch viel kräftiger und unzweideutiger (mit Namennennung) reden, als er es beim Hessentag in Kassel getan habe. - Es wird erwidert, daß die E. K. L. den Vertretern des Kultusministeriums die Bereitwilligkeit zum Burgfrieden erklärt habe, falls die Gegenseite ihn auch noch halte und Mittel habe, zu verhindern, daß wie November 1934 ein ihr unterstehender Mann ihn breche. D. Merzyn habe am letzten Sonntag Pfarrer Ziegler in seiner Wohnung aufgesucht und ihm gesagt, daß die E. K. L. sich zum Burgfrieden verpflichte und ihn dringend gebeten, alles aufzubieten, daß der Burgfrieden von keiner der K. K. R. nahestehenden Stelle gebrochen werde. Ferner habe die E. K. L. den Vertretern des Kultusministeriums zugesichert, einen von dort kommenden Vorschlag auf das gewissenhafteste und entgegenkommendste zu prüfen
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und ihn anzunehmen, wenn nur irgend wie die Möglichkeit dazu bestände. Happich schildert dann eingehend die Entwicklung der kirchenpolitischen Lage vom Mai 1934 an und macht deutlich, warum Pfarrer Theys als Landesbischof sich nicht halten und durchsetzen konnte. Volkenand schildert als politischer Amtswalter der Partei die große Gefahr, die nicht nur der Kirche, sondern auch der Partei durch Eingreifen in die Kirche und den Kirchenstreit in den weitesten Kreisen, namentlich der ländlichen Kirchengemeinden, entstanden ist. Er weist dabei den Gauleiter auf die einzigartige Möglichkeit hin, als erster Gauleiter im Reich dem Führer den Frieden in der Kirche melden zu können, wenn die begonnenen Verhandlungen zum Ziele führen. Eingehend wird Aufklärung über den angeblichen Brief gegeben, den D. Merzyn über ein Jahr lang in seinem Schreibtisch verborgen haben sollte, wodurch großes Unglück entstanden wäre. Der Gauleiter wird darauf hingewiesen, daß D. Merzyn nie einen Brief bekommen hat, den er liegen ließ, in welchem ihm Verfehlungen eines Pfarrers auf sittlichem Gebiet mitgeteilt waren. An mehreren Einzelfällen wird ihm geschildert, wie überaus gewissenhaft D. Merzyn gehandelt habe, wenn ihm tatsächliche oder angebliche Verfehlungen eines Pfarrers mündlich oder schriftlich bekannt wurden. Der Gauleiter äußert dann Bedenken gegen einzelne Mitglieder der E. K. L. wegen ihrer politischen Einstellung und ihres Verhaltens vor der nationalsozialistischen Revolution. Er weist dabei u. a. auf Verhalten im Kommunal-Landtag hin. - Happich erklärt ihm, daß er nicht erst jetzt, sondern schon seit 1930 und dann ununterbrochen weiter bei Wahlen die NSDAP gewählt habe. Der Gauleiter erklärt zum Schluß seine Bereitschaft, durch alles, was gewesen sei, einen Strich zu machen („den ganzen alten Dreck beiseite zu lassen“) und jede neue Kirchenleitung anzuerkennen, die in der Lage sei, die Kirche zusammenzuhalten und Friede zu schaffen und die gewillt und stark genug sei, Friedensstörer, möchten sie von einer Seite kommen, von welcher sie wollen, fallen zu lassen. Keinesfalls dürfe jetzt schon die Frage eines Landesbischofs erörtert werden. Es würde dadurch ein erneuter Kampf heraufbeschworen. Zurzeit könne es sich nur darum handeln, eine neue Kirchenregierung auf breitester Basis zu schaffen. Der Gauleiter bat erneut, die beteiligten Stellen darauf hinzuweisen, daß er unerbittlich „hineinschlagen“ werde, wenn ein vom Kultusministerium gezeigter geeigneter Weg zum Frieden nicht beschritten werde.208 208
Original und Hektographie: PfrVAkten, Mappe „Kirchenkampf“. Zur kirchenpolitischen Lage, insbesondere über den „Evangelischen Kirchen-
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2.10.2 Vor der Hauptversammlung 1935 Auf der Grundlage dieses Berichtes beschlossen Wepler, Dithmar, Schimmelpfeng und Schmidt in der Vorstandssitzung vom 11. Juni 1935 in Waldkappel: Falls der Burgfriede zustande komme, solle die Jahreshauptversammlung mit Vorstandsbericht auf den Herbst verschoben werden. Die Tagung in Marburg solle dann lediglich „zwecks Entgegennahme des von Sodenschen Referats gehalten werden“. Komme der Burgfriede aber nicht zustande, so finde die Hauptversammlung am 3. Juli wie geplant statt, „weil lt. § 3 der Satzung (‚die Pflege der brüderlichen Gemeinschaft, Wahrung der Standesinteressen, brüderliche Ermahnungen und Beratungen’) die Zweckbestimmung des Pfarrervereins gefährdet ist“. Unter diesem Aspekt lud man auch den stellvertretenden Führer der Deutschen Pfarrervereine, Kirchenrat Klingler (Nürnberg), nach Marburg ein. Man erhoffte sich von ihm gegenüber den Angriffen des Kasseler Gauleiters eine gewisse moralische Hilfe. Im übrigen solle im Falle eines Burgfriedens „an den Gauleiter ein Schreiben gerichtet werden, in dem zum Ausdruck kommt, daß in seinem Schreiben209 die zugefügte Ehrenkränkung nur noch unterstrichen wird und es deshalb keineswegs befriedigt, daß wir aber im Interesse des Friedens von weiteren Schritten absehen wollen. Kommt der Burgfriede nicht zustande, so schließt sich der Vorstand des Pfarrervereins der Klage der E. K. L. gegen den Gauleiter als Nebenkläger an.“ Der Burgfriede kam nicht zustande. Die Marburger Hauptversammlung fand daher wie geplant statt. Eine Woche zuvor richtete die EKL am 26. Juni 1935 folgendes Schreiben an die streit“, in den Jahren 1933-1936 vgl. auch die verschiedenen monatlichen Lageberichte der Staatspolizeistelle Kassel sowie deren Tagesberichte und Ereignismeldungen an das Gestapoamt, abgedruckt bei Klein (s. Anm. 160), passim. 209 Vom 27. 5. 1935 an Wepler.
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Pfarrer und Kirchenvorstände der Evangelischen Landeskirche Kurhessen-Waldeck: An die Pfarrer und Kirchenvorstände der Evang. Landeskirche Kurhessen-Waldeck. In die vom Kultusministerium eingeleiteten und von uns tätig unterstützten Verhandlungen zur Befriedung unserer Landeskirche durch Neubildung der Kirchenleitung platzt die Nachricht von der beabsichtigten Bereisung unserer Landeskirche durch den Reichsbischof Ludwig Müller. Das Erscheinen des Reichsbischofs im gegenwärtigen Augenblick bedeutet gewollt oder ungewollt eine Sabotage des von Berlin angeregten und auch vom Gauleiter begrüßten Friedenswerkes. Auf unsere Gefolgschaft, der allein wenigstens 85 % aller im Amte befindlichen Pfarrer erklärterweise zugehören, wird der Besuch des Reichsbischofs keinerlei Eindruck machen, wohl aber steht zu befürchten, daß im Kirchenvolk die bereits vorhandene Verwirrung wachsen könnte. Deshalb sehen wir uns verpflichtet, unsere Stellung zur Reichskirche und zur Person des Reichsbischofs Ludwig Müller zusammenfassend im folgenden darzulegen. Die Einigung der deutschen evangelischen Landeskirchen in einer Deutschen Evang. Reichskirche ist von den Gemeinden und Pfarrern unserer Landeskirche einmütig begrüßt worden. Ebenso hat die Verfassung der Deutschen Evang. Kirche vom 11. Juli 1933 im Bezirk unserer Landeskirche die volle Zustimmung gefunden. In dieser Verfassung ist die Institution des Reichsbischofs vorgesehen. Mit der Annahme der Verfassung ist auch dieser Institution zugestimmt worden. Bei der Wahl des damaligen Wehrkreispfarrers Ludwig Müller zum Reichsbischof hat auch der Vertreter unserer Landeskirche mitgewirkt. War der damalige Wehrkreispfarrer Ludwig Müller auch bei uns in Hessen ein unbekannter Mann, so hat man ihm doch als dem gewählten Reichsbischof zunächst Vertrauen entgegengebracht. Dieses Vertrauen ist allerdings sehr bald erschüttert worden und schließlich völlig zerbrochen. Die E. K. L. hat im Frühjahr 1934 dem Reichsbischof und seinem Vertreter zu wiederholten Malen die Zusicherung gegeben, daß die Eingliederung auch unserer Landeskirche im Sinne der Reichskirchenverfassung durchgeführt werden solle. Trotz dieser Zusage hat der Reichsbischof durch seinen Rechtswalter diese Eingliederung durch Rechtsbruch und auf dem Wege der Gewalt zu erzwingen versucht. Die nach dem Sturze Jägers im November 1934 gegebene Zusage, die Rechtslage, wie in den andern Landeskirchen, so auch in unserer Landeskirche wiederherzustellen, hat der
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Reichsbischof nicht eingelöst, auch dann nicht, als das Landgericht zu Kassel am 2. 2. 35 gegen ihn entschieden hatte. Er hat durch sein Handeln und durch das Handeln seines Rechtswalters, für das er durch seine Unterschrift verantwortlich gezeichnet hat, unserer Landeskirche den schwersten Schaden zugefügt, hat ihr seit nunmehr einem Jahr den inneren Frieden genommen und Gemeinden und Pfarrer, die bis vor einem Jahr geschlossen und einmütig waren, getrennt. Und nicht nur unserer Landeskirche hat der Reichsbischof solchen Schaden zugefügt. Es ist kaum eine einzige Landeskirche im Bereich des deutschen Reiches zu nennen, die nicht gleichen oder ähnlichen Schaden von dem Reichsbischof erfahren hätte. Vor dem Jahre 1933 war trotz der vorhandenen 28 Landeskirchen eine geschlossene Einheit des deutschen Protestantismus vorhanden. Die deutsche evang. Christenheit trat nicht nur bei besonderen Anlässen, sondern auch in den großen allgemeinen kirchlichen Aufgaben als eine einheitliche, innerlich verbundene Größe in die Erscheinung und wurde als solche, zumal auch von dem kirchlichen Ausland, gesehen und in ihrer Bedeutung für den Gesamtprotestantismus anerkannt. Ganz wesentlich durch das Verhalten des Reichsbischofs ist dieses hohe Ansehen, das die deutsche evangelische Christenheit genoß, vernichtet worden. Bezeichnend ist, daß bei der Einführung des Reichsbischofs nicht eine einzige Kirche des Auslandes zur Teilnahme hat gewonnen werden können. Zu alldem kommt, daß der Reichsbischof die großen praktischen Aufgaben der Kirche sowohl im Jugend- wie im Frauenwerk nicht nur nicht in wahrhaft kirchlichem Geist gepflegt und gefördert, sondern sie auf das schwerste geschädigt hat. Es ist nicht zufällig, daß gerade die missionarischen und diakonischen Verbände in der unkirchlichen Leitung der Kirche durch den Reichsbischof die größte Gefahr, nicht nur für die Arbeit der Inneren und Äußeren Mission, sondern für den Bestand der Deutschen Evangelischen Kirche überhaupt erkannt und ganz wesentlich mit dazu beigetragen haben, daß die Vorläufige Leitung der Deutschen Evang. Kirche sich dieser Notlage angenommen und dadurch den völligen Verfall der Kirche aufgehalten hat. Aus alledem ergibt sich, daß der Reichsbischof Ludwig Müller durch seine Amtsführung ein kirchenzerstörendes Regiment im Bereich der deutschen Landeskirchen geführt und dadurch sein Amt als Reichsbischof der Deutschen Evangelischen Kirche (Reichskirche) verwirkt hat. Unter dem erschütternden Eindruck dieser Sachlage haben schon im Herbst 1934 die großen evangelischen Anstalten und Verbände wie z. B. die Gustav-Adolf-Stiftung, der Evangelische Bund, der Verband der evang. Pfarrervereine, die überwältigende Mehrzahl der Theologieprofessoren, an ihn die dringende Bitte gerichtet, um der Kirche willen von seinem Amte zurückzutreten. Angesichts dieser Forderungen und unter dem Gewicht zahlreicher gegen ihn ergangenen Gerichtsurteile
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hat er zwar einen Teil seiner Maßnahmen zurückgenommen, aber nicht über sich vermocht, für seine Person die Folgerung zu ziehen. Alle diese Umstände haben dahin geführt, daß der Reichsbischof Ludwig Müller fast völlig isoliert dasteht und eine ersprießliche Tätigkeit in der Kirche nicht ausübt noch ausüben kann, und daß durch sein Verhalten das Amt des Reichsbischofs völlig entleert ist. Aus allen diesen Gründen müssen wir um unserer Kirche willen dem Besuch des Reichsbischofs völlig ablehnend gegenüberstehen. gez. D. Dithmar.210
Die erwähnte Reise des Reichsbischofs durch KurhessenWaldeck fand, mitorganisiert von der Kommissarischen Kirchenregierung in Kassel, vom 3.-6. Juli 1935 statt. In mehreren Reden trat er am 3. Juli in Kassel, am 4. Juli in Korbach, am 5. Juli in Marburg und am 6. Juli in Gelnhausen an die Öffentlichkeit, in Kassel sogar, wie die Staatspolizei berichtete, „vor 2 000 Zuhörern“ mit einer „formvollendet volkstümlichen“ Ansprache. Der Zeitzeuge Hans Slenczka, BK-Pfarrer in Kassel, schrieb 1977 über diese Reise: „Eine nachhaltige Wirkung ging von diesem Besuch nicht aus. Es gab lediglich an einigen Stellen eine gewisse Unruhe, die sich aber sehr schnell wieder legte. In den gleichen Tagen war in Marburg der Pfarrerverein versammelt, um ein Referat Prof. von Sodens entgegenzunehmen über das Thema: Das Verhältnis von Staat und Kirche.“211 210 Rundbrief, Hektographie: PfrVAkten, Mappe „Kirchliche Behörden 19351949“. 211 Slenczka (s. Anm. 28), 91. Im Rundschreiben 50 vom 28. 8. 1935 der Bekennenden Kirche Kurhessen-Waldeck hieß es zur Müller-Reise: „Die Reise bedeutete eine psychologische Stärkung der stark auseinander fallenden Gruppe der DC. Für einige Kreise bedeutete sie, wie im Voraus zu sehen war, ein stärkeres Wiederaufleben des Kirchenkampfes, im Verlaufe dessen nachher die Schuldfrage ins Gegenteil verkehrt wurde und verschiedenen Amtsbrüdern, die klar zur Reise des Reichsbischofs Stellung genommen hatten, Beunruhigung der Öffentlichkeit vorgeworfen wurde.“ Vgl. auch die Stapoberichte vom 4. und 9. 7. 1935 über die Müller-Reise, abgedruckt bei Klein (s. Anm. 160), 827f.
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Die oben geschilderte Entschlossenheit des Gauleiters, bei Nichterfüllung seiner Bedingungen gegen den Pfarrerverein vorzugehen, trat in Marburg zwar zutage, alleine schon durch die Anwesenheit der Gestapo während von Sodens Vortrag. Aber es zeigte sich, „daß bei der Neuwahl zum Vorstand des Pfarrervereins trotz heftiger Drohungen und massiven Druckes die Kandidaten, die sich zur kom. KR hielten, keine Berücksichtigung fanden. Allerdings beobachteten die Mitglieder der Leitung des Pfarrervereins, daß ihre Post eine Zeitlang kontrolliert wurde ... Vorsichtshalber hatte man das nicht ganz unbedeutende Vermögen des Pfarrervereins so eindeutig in seiner Zweckbestimmung für soziale Zwecke festgelegt, daß ein möglicher Zugriff keine Aussicht auf Erfolg haben konnte.“212 Laut einer Übersicht vom 1. Januar 1935213 belief sich das Vermögen des Pfarrervereins damals auf 96 592,34 RM. Der Finanzausschuß hatte den Betrag auf vier Fonds aufgeteilt: - 1. Erziehungsfonds (Schülerheim Hersfeld): 33 800,- 2. Feuerschutzfonds: 29 844,- 3. Notstandsfonds: 25 270,70 - 4. Betriebsfonds: 7 677,64 96 592,34
RM RM RM RM RM
Der Bar-Bestand der Kasse des Pfarrervereins, der ebenfalls am 26. Juni 1935 für die Marburger Hauptversammlung vom Kassenführer Striening und Vorsitzenden Wepler nachgewiesen wurde214, ergab für das Jahr
212 Slenczka, a.a.O. Zur Postkontrolle, die über Wepler und die Vertrauensmänner des Pfarrervereins verhängt wurde, s. Klein, a.a.O., 294, Anm. 13, mit Dokument vom 23. 7. 1935 auf S. 733. 213 Hektographie, unterzeichnet am 26. 6. 1935 von Wepler: PfrVAkten, Mappe „Organisation 1930-48“. 214 Hektographie: a.a.O.
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- 1935 an Einnahmen: Ausgaben: Bestand: - 1934 an Einnahmen: Ausgaben: Bestand:
131 830,71 121 652,55 10 178,16 146 375,03 128 449,23 17 925,80
RM RM RM RM RM RM
2.10.3 Hauptversammlung in Marburg 1935 2.10.3.1 Die Satzungen vom 3. Juli 1935 Bei der schon erwähnten Marburger Vorstandswahl schieden in der Tat Otto und Ziegler aus. Bereits im Februar lud Wepler sie nicht mehr zu einer Vorstandssitzung ein. 215 Aufgrund der in Marburg angenommenen neuen Satzungen, die in Angleichung an die Satzungen des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine das Führerprinzip einführten (s. Anhang Nr. 5, § 6; Nr. 14, §§ 5-8), wurde Wepler am 3. Juli 1935 einstimmig von der Mitgliederversammlung gewählt. Am Tag zuvor wurde im Gesamtausschuß einstimmig vorgeschlagen, Wepler solle anstelle von Otto Pfarrer Scheig (Hanau) als seinen Stellvertreter und anstelle von Ziegler Pfarrer Volkenand (Obergude) berufen. Die Pfarrer Schmidt (Hersfeld) als Schriftführer und Dr. Schimmelpfeng (Marburg) als Schriftleiter des „Pastoralblattes“ sollten weiter im Vorstand bleiben.216 Am 26. August 1935 schickte Wepler die neuen Satzungen in der für die staatlichen Stellen bestimmten Fassung (s. Anhang 215
Vgl. außer Protokollbuch 1933-1948, Sitzung vom 28. 2. 1935, die Einladung Weplers vom 23. 2. 1935 zu dieser Sitzung, Original; PfrAkten, Mappe „Vereinsvorstand 1935-1938“. Bei dieser Sitzung trug Wepler den übrigen Mitgliedern seine Einwände gegen einen weiteren Verbleib Ottos und Zieglers im Vorstand vor. 216 Vgl. Protokollbuch 1933-1948, Ausschußsitzung vom 2. 7. 1935; Mitgliederversammlung vom 3. 7. 1935.
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Nr. 5) durch den Landrat in Eschwege an die Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Kassel und teilte zugleich Name, Beruf, Wohnort und Funktion der fünf Mitglieder des neuen Vereinsvorstandes mit. 217 Da der PG Volkenand als Vertrauensmann des Gauleiters galt, war damit zu rechnen, daß der Pfarrerverein von dieser Seite her nunmehr in Ruhe gelassen würde. Aber das war eine Illusion. Denn der Konflikt mit dem Staat war durch von Sodens Marburger Vortrag eher noch verschärft worden. Außerdem führten die Proteste des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine vom 10. Juli 1935 sowie vom Evangelischen Pfarrverein in Württemberg vom 5. September 1935, dem sich auch der kurhessische Pfarrerverein anschloß, gegen eine die Pfarrerschaft diffamierende Rede Görings am 23. Juni beim Frankentag auf dem Hesselberg zu weiterer Verstimmung.218 Die Jahreshauptversammlung vom 2.-3. Juli 1935 im Marburger „Kurhotel“, an der auch Kirchenrat Klingler (Nürnberg) 217
Durchschrift: PfrVAkten, Mappe „Vereinsvorstand 1935-1938“. Der Protestbrief des stellvertretenden Reichsbundesführers Kirchenrat Fritz Klingler ist abgedruckt in: DtPfrBl 39 (1935) 457-458; auch in: Dokumente zum Abwehrkampf der deutschen evangelischen Pfarrerschaft gegen Verfolgung und Bedrückung 1933-1945. Für den Verband der deutschen evang. Pfarrervereine e. V. verantwortlich hg. v. seinem Vorsitzenden Fritz Klingler, Nürnberg o. J. (1946), 78-81. Text des Protestbriefes des württembergischen Pfarrervereins: Anhang Nr. 16. - Bereits am 20. 12. 1934 hatte Klingler zusammen mit Kreispfarrer Dr. Böhm (Berlin-Zehlendorf) als Vertreter der Preußischen Pfarrervereine im Innenministerium in Berlin gegenüber Ministerialdirektor Dr. Buttmann Diffamierungen der Pfarrerschaft durch Staatsvertreter energisch zurückgewiesen. Konkreter Anlaß war eine Rede des Staatsministers Frick in Wiesbaden, „in welcher von Pastorengezänk die Rede war, wobei im Zusammenhang damit von staatsfeindlichen und landesverräterischen Elementen gesprochen wurde“. Dazu berichtete Klingler am 24. 1. 1935 in einem Rundbrief an die Vorstände der Einzelvereine: „Im Namen der gesamten deutschen Pfarrerschaft haben wir dagegen Verwahrung eingelegt, weil dadurch die Ehre des ganzen evangelischen Pfarrerstandes aufs Schwerste getroffen wird“; PfrVAkten, Mappe „Reichsbund Deutscher Evangelischer Pfarrervereine 1934-1948“. 218
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teilnahm, wurde von Anfang an von der Gestapo überwacht. Im Protokoll der Ausschußsitzung vom 2. Juli heißt es: „Die Sitzung fand unter außerordentlichen Verhältnissen statt. Die Geheime Staatspolizei in Kassel hatte 3 Herrn zur Überwachung der Tagung gesandt.“ Dem Ausschuß berichtete Klingler in seiner Eigenschaft als stellvertretender Führer des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine über die Schwierigkeiten, die es im Genehmigungsverfahren mit der bereits am 13. September 1934 in Frankfurt a. M. beschlossenen Satzung des Reichsbundes mit Übertragung des Führerprinzips auf die Pfarrervereine-Organisation gab. Da nun Aussicht bestand, daß nach den Korrekturen, wie sie die staatlichen Behörden verlangt hatten, die Satzung in Kürze genehmigt würde, beschloß der Ausschuß, ihren Eintrag ins Vereinsregister nicht mehr abzuwarten 219 , sondern „unverzüglich“ die eigenen kurhessischen Satzungen der Reichsbundsatzung hinsichtlich der Einführung des Führerprinzips und der Gehorsamsverpflichtung gegenüber dem nationalsozialistischen Staat „anzugleichen“ und gleich am nächsten Tag „die so geänderte(n) Satzung(en) der Mitgliederversammlung zur Genehmigung vorzulegen, dann die Wahl des Führers vorzunehmen, der wiederum seine Mitarbeiter beruft“. Damit erübrigte sich für Wepler die Vertrauensfrage, die zu stellen er aufgrund der vorausgegangenen Auseinandersetzungen im Vorstand mit Ziegler und Otto sowie in der Öffentlichkeit mit dem Kasseler Gauleiter und Dr. Reinhardt gezwungen gewesen wäre. Im „Pastoralblatt“ vom 22. Oktober 1935 äußerte sich Wepler dann über Die neue Satzung Nachdem die Satzung des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine durch den Herrn Reichsminister des Innern genehmigt und durch 219
Die Eintragung erfolgte am 8. 7. 1935, s. Anhang Nr. 14.
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das Amtsgericht in Berlin in das Vereinsregister eingetragen worden war, mußten wir unsere Satzung ändern und der des Reichsbundes angleichen. Dazu verpflichtete uns § 2 Abs. 2 der Satzung des Reichsbundes, der lautet: „Mitgliedsvereine sollen ihre Satzung der Satzung des Reichsbundes angleichen. Der Reichsbundesführer entscheidet, ob die Angleichung durchgeführt ist.“ Aus dieser Bestimmung ergab sich für uns die Einführung des Führerprinzips [Satzungen, beschlossen: 3. Juli 1935, Anhang Nr. 5]. Der Führer wird vom Gesamtausschuß mit einfacher Mehrheit gewählt. Er entscheidet in allen Fällen auf Grund der Aussprache, die in den Sitzungen des Vorstandes, des Gesamtausschusses und bei Tagungen der Mitgliederversammlungen stattgefunden hat. Er trägt allein die volle Verantwortung gegenüber den Behörden, der Öffentlichkeit und den Vereinsmitgliedern für alles, was geschieht. Diese weitgehende Ausstattung mit Vollmacht findet nach § 6 Abs. 6 ihre Begrenzung darin, daß der Gesamtausschuß mit einfacher Stimmenmehrheit jederzeit dem Vereinsführer das Vertrauen entziehen und einen neuen Vereinsführer berufen kann, wenn seine Ausführungen und Entscheidungen nicht die Billigung der Mehrheit finden. Nach § 3 der neuen Satzung gehört es zu den Aufgaben des Vereins, die Arbeit der nationalsozialistischen Regierung nach Kräften zu unterstützen. Das ist für den evangelischen Pfarrer eine selbstverständliche Voraussetzung, die sich aus dem Gehorsam des Glaubens ergibt. Indem aber diese staatspolitische Gesinnung ausdrücklich zu einer satzungsgemäßen Pflicht unserer Standesorganisation gemacht wird, bringen wir damit zum Ausdruck, daß jede andere politische Einstellung mit der Zugehörigkeit zum Pfarrerverein nicht vereinbar ist. Die Aufnahme in den Verein setzt also die volle Bejahung des nationalsozialistischen Staates und den Gehorsam gegen seinen Führer voraus. Ich hoffe, daß damit für die Zukunft der politischen Diffamierung unseres Standes der Boden entzogen ist. Den Mitgliedern des Pfarrervereins ist aber damit zugleich die Verantwortung gegenüber der gesamten Pfarrerschaft auferlegt, sich jeder mißverständlichen Äußerung zu enthalten, die den Verdacht unzuverlässiger staatspolitischer Haltung erregen könnte. Diese Bejahung des nationalsozialistischen Staates schließt nicht aus, daß wir uns nach § 3 Abs. 1 voll und ganz für den Dienst an der Kirche einsetzen, für den wir die alleinige Weisung aus dem Evangelium empfangen. Die neue Satzung wurde von der Mitgliederversammlung einstimmig angenommen. Sie liegt für alle Mitglieder dieser Ausgabe des Pastoralblattes bei. Auf Vorschlag des Gesamtausschusses (§ 6, 3) habe ich den Vorstand berufen: 1. Karl Scheig, Hanau, als Stellvertreter des Vereinsführers;
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2. Helwig Schmidt, Hersfeld, als Schriftführer; 3. Berthold Volkenand, Obergude; 4. Dr. Hans Schimmelpfeng, Marburg, als Schriftleiter des Pastoralblattes. Die Eintragung der Satzung in das Vereinsregister ist beantragt.220
Mit dieser Verpflichtung zur „vollen Bejahung des nationalsozialistischen Staates“ und dem damit verbundenen „Gehorsam gegen seinen Führer“ lieferte sich der kurhessische Pfarrerverein mit seinen 543 Mitgliedern (Stand: 3. Juli 1935) von selbst dem Eingriff des Staates in seine inneren Angelegenheiten aus. Denn von nun an konnte jeder Pfarrer und entsprechend auch der Verein als ganzer, wenn er nach Auffassung der nationalsozialistischen Regierung und ihrer nachgeordneten Stellen deren Arbeit nicht nach Kräften unterstützte und damit der „satzungsgemäßen Pflicht“ seiner Standesorganisation nicht nachkam, eines Satzungsverstoßes geziehen werden. Ja, mehr noch: Wo ein Pfarrer oder der Verein als ganzer die - wie schon vom Staat [d. h. von den Staatsdienern] - nun auch vom Pfarrerverein verlangte nationalsozialistische Gesinnung mit absolutem Gehorsam gegenüber den staatlichen Gesetzen und Anordnungen vermissen ließ, konnte der Staat ihn als Verräter der von ihm (Pfarrer/Pfarrerverein) zuvor selbst propagierten „staatspolitischen Gesinnung“ brandmarken. Damit war es dem Staat ein Leichtes, Anklage gegen jeden Pfarrer zu erheben, der ihm nicht unbedingte Gefolgschaft leistete. Die im gerade erst begonnenen Kirchenkampf von Männern in den Reihen der Bekennenden Kirche wie z. B. Karl Barth, Martin Niemöller oder Dietrich Bonhoeffer für notwendig gehaltene Kritik am politischen System des totalen Staates mit dem absoluten Führerprinzip war damit im Keim erstickt. Wohlbemerkt: nicht von außen her, sondern wie andere im Reich auch hatte sich der kurhessische Pfarrerverein im schnellen Anschluß an den Reichsbund trotz der bei der Frankfurter Bundes220
Pastoralblatt 44 (1935) 38.
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tagung im Herbst 1934 laut gewordenen Kritik von selbst die Fesseln angelegt. Von nun an war der Kasseler Verein bis zum Ende des Dritten Reiches unfähig, im Namen des Evangeliums Jesu Christi seine Stimme gegen Terror und Unrecht zu erheben, die im Namen des Nationalsozialismus in den folgenden Jahren der Hitler-Diktatur ausgeübt wurden. Der Pfarrerverein hatte sich selbst, wo er noch meinte, sich kritisch gegenüber dem Staat äußern zu müssen, zum Taktieren verurteilt. Die von Wepler seit 1933 immer wieder vorgebrachte These, es gehe dem Verein gegenüber dem Staat lediglich um das Bewahren der innerkirchlichen Freiheit und das interne Ordnen der kirchlichen Angelegenheiten, also um die Freiheit der Verkündigung des Evangeliums und so um die freie Amtsausübung der Pfarrer, wurde von seiten des Staates als Vorwand gedeutet, unter dem sich die Kirche ungestraft in die politischen Angelegenheiten des Staates einzumischen versuchte. Seit Alfred Rosenbergs „Mythus des 20. Jahrhunderts“221 stand für viele, die in der NSDAP und im Staat führende Positionen hatten, fest, daß „das kirchliche Christentum geistig überwunden, politisch entmächtigt und zur organisatorischen Verkümmerung gebracht werden“222 müsse. Hatte der Pfarrerverein mit seiner Satzungsänderung vom Juli 1935 einer solchen Überwindung, Entmächtigung und Verkümmerung der Kirche - bis dahin ohne direkten Zwang vom Staat, also ohne Not - nicht selbst Vorschub geleistet?
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München 1930 u. ö. Zit. bei H. von Soden, Die Kirche Christi und die weltliche Obrigkeit, Pastoralblatt 44 (1935) (19-26) 19 = ders., Urchristentum und Geschichte II (s. Anm. 197, im folgenden: UG II), (248-271) 250.
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2.10.3.2 Hans von Sodens Vortrag „Die Kirche und die weltliche Obrigkeit“ Die Gesinnung, aus der heraus in Marburg das nationalsozialistisch-politische Führerprinzip auch für eine innerkirchliche Organisation, den Pfarrerverein, gutgeheißen wurde, war schon aus der ersten offiziellen Äußerung des Vereins zum neuen Staat, der „Entschließung“ der Vertrauensleute vom 19. April 1933, deutlich. Wepler veröffentlichte sie am 1. Mai 1933 im „Pastoralblatt“.223 Obgleich damals der „notwendige Umbau der Kirche“ zu einer einheitlichen Reichskirche - aufgrund der Erfahrungen in der Weimarer Republik - noch aus dem Bekenntnis und Leben der Kirche erhofft und dafür „völlige Freiheit von allen staatspolitischen Einwirkungen“ gefordert wurde, war man sich im klaren darüber, daß die Kirche einen „unentbehrlichen Dienst an Volk und Staat“ zu leisten hat und der Pfarrerverein infolgedessen „dem nationalen Geschehen der Gegenwart freudig zustimmt“ und „am Aufbau des nationalen Volksstaates“ mitarbeitet. Die Trennung, die hier einerseits, und die Verbindung, die hier andererseits gefordert wurden, beruhten auf einer Theologie, die die biblische Aussage über das Verhältnis der Gemeinde zu der über sie gesetzten Obrigkeit (Römer 13) immer noch unter der Prämisse des christlichen Staates einer mit dem Ende des Summepiskopates 1918 längst vergangenen Zeit verstand. Dieser Sicht war der Pfarrerschaft, die zu Beginn des Dritten Reiches im Amt war und die insgesamt noch vor dem Ersten Weltkrieg, zum Teil sogar noch vor der Jahrhundertwende, monarchie- und staatstreu und kirchenbewußt studiert hatte, auch im Sommer 1935 die einzig mögliche. Insofern hatte der Marburger Neutestamentler und Kirchenhistoriker Hans von Soden von seiten der Pfarrer mit keinem Widerspruch zu rechnen, als er vor der Hauptversammlung am 3. Juli „Die Kirche Christi und die weltliche Obrigkeit“ in ihrem gegenseiti223
S. Anm. 27.
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gen Verhältnis zwar sehr differenziert, aber alles in allem unter dem Vorzeichen von der Möglichkeit des friedlichen Lebens der Gemeinde bzw. Kirche Jesu Christi im totalen Staat darstellte, so als sei es möglich, daß der NS-Staat der Kirche die Freiheit gewähre, die sie dem Evangelium nach für sich beanspruchte. Von Sodens Vortrag bestätigte einerseits also die Pfarrer in ihrer bisherigen Anschauung, daß der über das Volk gesetzten Obrigkeit grundsätzlich Gehorsam zu leisten sei. Andererseits und hier zeigten sich die ersten Auswirkungen des frühen Kirchenkampfes - war von Soden jenen Pfarrern eine Stütze, die wie er selbst Mitte 1935 schon ahnten, daß auch die Stunde des Widerstandes kommen könnte, wenn der Staat die ihm von Gott gesetzten Grenzen überschreite. Was das allerdings im totalen Staat bedeutete, war wohl so wie von Soden nur wenigen klar: Leid und Tragik. „Wir alle, wie immer wir in dem gegenwärtigen Kampf in unserer deutschen evangelischen Kirche Stellung nehmen, empfinden es als seine besondere Schwierigkeit und seine besondere Schmerzlichkeit, daß er zugleich ein Kampf in unserem Staate, im Staate unseres deutschen Volkes geworden ist“, sagte von Soden zu Beginn seines Referates vor den in Marburg versammelten kurhessischen Pfarrern. Und ganz im Sinne der bisherigen öffentlichen Stellungnahmen des Pfarrervereins seit 1933 fuhr er fort, „jeder von uns wäre wohl bereit, sehr viel darum zu geben, wenn wir den Kampf entpolitisieren könnten. Denn als politischen Kampf will ihn keiner von uns. Wir würden ihn gern auskämpfen mögen als einen rein kirchlichen Kampf, als einen Kampf um den der Kirche durch ihr urchristliches und ihr reformatorisches Bekenntnis geschichtlich gesetzten Charakter, als einen Kampf um die Reinheit und Echtheit der ihr in der Bibel aufgegebenen Verkündigung, als einen Kampf um die diesem Bekenntnis und dieser Verkündigung wirksam dienende Gestalt der Einrichtungen der Kirche, um den ihnen gemäßen Gottesdienst und seine Ordnungen, um den ihnen entsprechen-
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den, sie als Normen zur Wirkung bringenden Aufbau der Kirche in ihren Ämtern, ihrer Verfassung, als einen Kampf auch um das rechte Verhältnis von Theologie und Kirche.“ Nach Einschätzung von Sodens wußte jeder, der bewußt und gewissenhaft in der Kirche gestanden hat, seit langem, daß es in der Kirche der Reformation „zu einer Revolution, die jede Reformation ja irgendwie ist, kommen müßte ... Wir haben wohl auch alle gewußt, daß die seit 1918 geschaffenen Einrichtungen nur eine Übergangsgeltung haben könnten.“ Wenn sich nun aber ein solches Ringen um die Kirche mit dem gleichzeitigen „Ringen um nationale und soziale Einswerdung unseres deutschen Volkes und um eine Entwicklung und Erfüllung unseres deutschen Staatsgedankens im Sinne des nationalsozialistischen Volksstaates“ verbindet, „und wenn sich dabei die Wahrung des Bekenntnischarakters der evangelischen Kirche irgendwie gegen den Volkscharakter des deutschen Volkes und Staates zu richten scheint“, so kann das nur als „eine schwere Verwicklung und eine schmerzliche Verschärfung des Kampfes“ bezeichnet werden. Aus ihrer Liebe zum Volk meinen viele, diesen „Kampf um die Wahrheit des Bekenntnisses in der Kirche nicht mitkämpfen zu dürfen“, ihn sogar „als etwas Volksfremdes und Staatsfeindliches beklagen und anklagen zu müssen“. Der Leiter der kurhessischen Bekennenden Kirche traf die Meinung vieler Pfarrer, auch wenn sie im einzelnen kirchenpolitisch unterschiedlicher Auffassung waren, als er ausrief: „Man glaubt uns nicht, daß wir unsern Kampf um die Kirche um unseres Volkes willen führen, und meint, er sei volkvergessendes Pastorengezänk oder er gehe um Besitz und Macht. Dieses gutgläubige oder böswillige Mißverstehen und Mißtrauen deutscher Volksgenossen ist das schwerste Kreuz, das wir in unserem Kampf um die evangelische Kirche des deutschen Volkes zu tragen haben.“224 224
von Soden, a.a.O., 19 = UG II, 248f.
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Der Konflikt, der sich in diesem Kirchenkampf zeigte, rührte nach von Soden daher, daß sich die Kirche ihrem Auftrag gemäß mit ihrer Verkündigung an den ganzen Menschen richtet und damit den einzelnen auch als Staatsbürger anspricht, der als solcher im nationalsozialistischen Staat einer bestimmten Weltanschauung begegnet, die den Volksgenossen im Sinne eines völkisch-politischen Glaubens (Blut, Boden, Ehre, Vaterland) ebenfalls ganz für sich in Anspruch nimmt. Diese Konstellation war nicht neu. Es gab sie in der Geschichte der Kirche immer wieder. Infolgedessen war auch die Politisierung des Kampfes schon so alt wie „der Kampf der Kirche um ihre eigene Reformation, um ihre Wahrheit und Reinheit ... Die Kirche lebt nun einmal im Staat, nicht nur in seinem Raum, nicht nur unter seiner Hoheit, nicht nur unter seinem Recht, sondern in seinem Leib und in seinen Gliedern; sie leidet seine Leiden mit.“ In dieser Verknüpfung und Verquickung kirchlicher und staatlichpolitischer Anliegen hat die Kirche, da ihre Probleme in den Augen der staatstragenden und -leitenden Personen politischen Charakter haben, je nachdem zuweilen den Beistand, zuweilen den Widerstand des Staates erlebt. Wer nun „für die Kirche und in der Kirche kämpfen will“, der muß diese Verwicklung nach Ansicht von Sodens „einfach auf sich nehmen“. Er muß sich auch klar machen, „daß er dabei zugleich für sein Volk und um sein Volk zu kämpfen hat. Er hat nur mit höchstem Eifer darüber zu wachen, daß er nicht ins Politische abgleitet, sich nicht daran verliere, den politischen Mächten nicht hörig werde, sei es in Fügung und Preisgabe oder auch in Widerstand und Reaktion. Daß Kirche nur Kirche, aber wirkliche Kirche ist, daß sie es bleibe, daß sie es immer wieder werde - das ist in der Tat ihre politische Aufgabe, ihre Aufgabe in der Polis. Das ist, was sie dem Volke und dem Staat überall und zu jeder Zeit schuldet und was sie vertreten muß ‚zur Zeit und zur Unzeit’, sei es den Politikern und den Staatsmännern gefällig oder mißfällig. Es gibt keine politische Lage, in der sie da-
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rauf verzichten dürfte; dies wäre Verrat an ihrem Beruf. Aber eben deshalb ist alles andere, alles im engeren und eigentlichen Sinn Politische der Kirche verboten; sie hat keine eigentlich politische Sendung, sie hat den Staat nicht zu regieren. Sie ist sacerdotium und nicht imperium; sie soll jenes immer und ganz, dieses nie und gar nicht sein wollen.“225 Mit diesen Worten sprach von Soden, der seinerzeit dem klaren Ruf zur Aufgabe der Kirche, wie er ein Jahr zuvor in der Barmer Theologischen Erklärung laut wurde, als Synodaler zugestimmt hatte, nicht nur vielen Pfarrern aus dem Herzen, sondern auch jenen nicht wenigen Anhängern des neuen Staates, die die Kirche - eine längst überflüssige Institution - als eine unpolitische Größe und den christlichen Glauben als eine Privatangelegenheit aus dem öffentlichen Leben verbannt sehen wollten. Und doch konnte von Soden mit diesen Sätzen und mehr noch im folgenden seines Vortrages auch als Kritiker verstanden werden, der die Pfarrerschaft bei allem Gehorsam, den sie auch der nationalsozialistischen Obrigkeit gegenüber schulde, in bestimmter Hinsicht zum Widerstand aufrief. Wenn die Kirche, wie es das reformatorische Verständnis von Römer 13, 1ff aufgibt, ihre Aufgabe im und am Staat als Dienst des Gehorsams und der Fürbitte in Liebe zu tun hat226, und wenn dies so grundsätzlich auch für die Kirche im totalen
225 A.a.O., 20 = UG II, 251f. Ähnlich äußerte sich H. von Soden wieder zwei Jahre später: Der Dienst des Staates und der Kirche an der Volksgemeinschaft, Evangelisch-Sozial 42 (1937) 77-101 = UG II, 219-247. 226 von Soden, Die Kirche Christi und die weltliche Obrigkeit, a.a.O., 20f = UG II, 253: „Während sich die rechtlichen Beziehungen von Staat und Kirche unter verschiedenen geschichtlichen Bedingungen verschieden gestalten lassen und sich auch verschieden gestaltet haben - ein starres Dogma ist hier durchaus vom Übel -, so ist jene Haltung in Gehorsam und Fürbitte von der Bibel vorgeschrieben und gilt unbedingt und unwandelbar, wie immer die politischen Verhältnisse und rechtlichen Formen sich auch wandeln mögen“; vgl. 24f = UG II, 263-266.
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Staat des Nationalsozialismus gilt227, so hat solche Gehorsamspflicht ihren Grund, aber auch ihre Grenze „im Gehorsam gegen Gottes Wort“.228 Einen „Gehorsam im Widerspruch zu Gottes Wort gibt es auf dem Gebiet der Weltanschauung genau so wenig wie auf einem anderen“.229 Wo der totale Staat mit seinen Anordnungen, Weisungen, Gesetzen und Befehlen aber die Freiheit der Verkündigung, daß Gott, der Vater Jesu Christi, höher ist als alle menschliche Vernunft, weil er über seiner Schöpfung steht und bleiben muß, einschränkt oder verhindert, da muß der Christ Widerstand leisten. Denn der Anspruch des totalen Staates und seiner Weltanschauung hat seine Grenze im Anspruch des Wortes Gottes an den Christen. Er hat nach von Sodens Auffassung Widerstand zu leisten einschließlich der Konsequenz des Leidens, weil er seiner Nation das Zeugnis für Gottes Wort und somit den Protest gegen die Sünde einer Obrigkeit schuldig ist, „welche etwas gegen Gottes Wort befehlen und dadurch das Volk gefährden würde. Die Obrigkeit mag, indem sie das tut, voll überzeugt sein, der Nation zu dienen; ich bin ebenso überzeugt“, sagte von Soden, „daß ein Befehl wider Gottes offenbares Wort nicht der Nation zum Heil sein kann und daß ich mit meinem leidenden Gehorsam auch für die Nation leide. Kommt der Konflikt nicht zur Lösung, so endet er tragisch. Das muß ich Gott anheim stellen, der mir sein Wort als 227 A.a.O., 24 = UG II, 262f: „Wenn ich es als Gottes Ruf auffasse, meiner Nation, die er mir gegeben hat, zu dienen, so gehorche ich auch der Obrigkeit, die er dieser Nation gesetzt hat.“ Eine andere politische Meinung als die der Regierenden, „etwa über die Führung eines Krieges, den Abschluß eines Vertrages, die Einführung eines Gesetzes ... entbindet mich doch nicht vom Gehorsam! Gott hat die Regierung und nicht mich zur Obrigkeit berufen!“ A.a.O., 24f = UG II, 265f: „Die Gehorsamspflicht gegenüber der Obrigkeit ist in ihrer Verbindlichkeit und in ihrer Begrenzung ganz unabhängig davon, ob diese liberal oder total regiert. Die Obrigkeit kann alles tun, wozu sie Macht hat, und sie muß tun, was sie für den Staat als notwendig erachtet.“ 228 A.a.O., 24 = UG II, 264. 229 A.a.O., 25 = UG II, 267.
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verbindliche Offenbarung gegeben hat, aber den Willen, aus dem er die Obrigkeit dagegen verstockt und nicht dafür leiden läßt, in seinem Geheimnis bewahrt. Es ist m. E. ein schwerer Irrtum, der unter uns umgeht, zu meinen, daß sozusagen die Parole ‚national’ uns davon entbinde, an Gottes Wort zu prüfen, was unter dieser Parole von uns gefordert wird, weil Gott doch die Nation wolle, weil er sie geschaffen und berufen habe. Gerade deshalb ist nur wirklich national, was im Gehorsam gegen Gottes Wort geschieht, denn Gott bleibt ja Herr der Nation, für die er uns berufen hat. In der Sache kann es einen Konflikt zwischen der völkischen und der christlichen Pflicht letztlich nicht geben. Die Nation ist gewiß nicht Sünde, sondern aus Gott und zu Gott wie alle Dinge, und an der nationalen Haltung ist nichts Unchristliches, wenn sie dabei die Nation des Nächsten nicht vergißt, sondern achtet und Gott nicht an die Nation, sondern die Nation an Gott gebunden weiß. Aber der Mensch kann irren und sündigen, auch wenn er überzeugt ist, national zu reden und zu handeln, und der Teufel kann sich auch einmal in einen Engel der Nation verkleiden. Dagegen haben wir Gottes Wort, und wer Gottes Wort nicht gelten lassen will, der sollte sich nicht auf Gott berufen, wenn er nicht ganz offen und konsequent zu vertreten bereit ist, daß das Evangelium von Christus nicht Gottes Wort ist.“230 Konnte man diese Sätze von Sodens als Aufruf zum Widerstand gegen den nationalsozialistischen Staat, wo dieser die Kirche, insbesondere die Pfarrer in ihrer Verkündigung eingrenzen oder in eine bestimmte Richtung beeinflussen will, deuten, so durfte jedoch der Referent bei genauerem Hinhören gerade als Synodaler von Barmen keineswegs als Propagandist eines kirchlichen Widerstandes gegen den Staat verstanden werden. Denn auch noch im Sommer 1935 stand für ihn nach wie vor fest: Der Kirchenkampf richtet sich nicht gegen diesen Staat. Da hat die Kirche aufgrund von Römer 13 heute so wenig zu kämpfen, wie 230
A.a.O., 24 = UG II, 263f.
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sie es 1919 und während der Weimarer Republik getan hat. Der heutigen Obrigkeit ist zu gehorchen wie der damaligen. Beide Male hat Gott sie zum Regieren eingesetzt. „Die Kirche hat für ihr Amt zu kämpfen und nur dafür“.231 Wie die Obrigkeit zum Christentum steht, hat die Kirche in ihrem Handeln nicht zu bestimmen. Hier gibt es kein „do-ut-des-Verhältnis“, sondern die Gehorsamsverpflichtung der Kirche gegenüber dem Staat steht und bleibt. „Denn der Staat ist das Gut meines Nächsten, meines Volksgenossen, und zwar sein allerhöchstes irdisches Gut; wenn ich am Staat irgendwie versage, an dem Gehorsam und an dem Zeugnis, das ich ihm als Christ schuldig bin, versage ich an meinem Nächsten, den Gott mir geboten hat zu lieben.“232 In seiner Eigenschaft als Leiter der eben gebildeten Bekennenden Kirche von Kurhessen-Waldeck schrieb von Soden bereits am 26. Oktober 1934 in einem Rundbrief an die Pfarrer der BK 233 , jetzt seien große Anforderungen an den persönlichen Einsatz jedes einzelnen gestellt. „Aber die schwere Not unserer Kirche, in der es wahrlich längst nicht mehr um äußere Ordnungen, sondern um den Bestand der Verkündigung geht, soll uns nicht schwach finden ... die Entscheidung für die Herrschaft Christi in seiner Kirche ist ohne deutlich vollzogene Scheidung von denen, die seine Gebote im Regiment der Kirche nicht halten, ein leeres Wort! Eine Bekennende Kirche kann jetzt nur eine kämpfende, eine mit Ernst leidende Kirche sein.“234 Die Zweite Bekenntnissynode der DEK am 19./20. Oktober 1934 in Berlin-Dahlem hatte das kirchliche Notrecht proklamiert. Damit war die strikte Trennung vom deutsch-christlichen 231
A.a.O., 26 = UG II, 269. A.a.O., 26 = UG II, 271. 233 Theologie und Kirche im Wirken Hans von Sodens (s. Anm. 120), 114121; zuvor in: UG II, 294-301 [vgl. dazu jetzt auch den Rundbrief v. B. Heppe von demselben Tag, abgedruckt in: Hein (Hg.), Kirche im Widerspruch, (Bd. I) (s. Anm. 75), 150f]. 234 Theologie und Kirche, 121 = UG II, 301. 232
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Kirchenregiment ausgesprochen. Die Bekennende Kirche erhob damit den Anspruch, die rechtmäßige Kirchenleitung der DEK zu sein. Spätestens seitdem sich der kurhessische BK-Bruderrat dem Bruderrat der Bekenntnissynode der DEK in Berlin unterstellt hatte, stand für von Soden fest, daß es sich beim Kirchenkampf auch in Kurhessen und Waldeck „nicht um eine vorübergehende Störung des kirchlichen Lebens in Folge der Umstellung unserer politischen Ordnung“ handelte, „sondern um den durch diese nur entbundenen Ausbruch einer Krisis unseres Kirchenwesens, die wir Geistlichen in ihrer ganzen Weite und Tiefe erkennen und zu einer Lösung führen müssen, die nicht eine bloße Beruhigung des Erschütterten ist, sondern ein Neues pflügt. Dazu hat uns Gott einander und sich selber in Christus verbunden; lasset uns diesen Bund halten.“235 Dieser Aufruf an die Mitglieder des kurhessischen Bruderbundes ebenso wie von Sodens Marburger Vortrag über „Die Kirche Christi und die weltliche Obrigkeit“ stärkten damals jene Pfarrer in ihrer Überzeugung, die meinten, der Kirchenkampf sei eine rein innerkirchliche Angelegenheit zwischen den Gruppierungen der DC auf der einen und der BK auf der anderen Seite und vermittelnden Positionen zwischendrin. Eine Auseinandersetzung mit dem Staat als solchem stehe aufgrund der im Sinne von Römer 13 recht verstandenen Zwei-Reiche-Lehre nicht zur Debatte. Die von den meisten Pfarrern als notwendig erkannte und auch vom Pfarrerverein seit 1933 bereits mehrfach geforderte Erneuerung der Kirche müsse ausschließlich kirchenintern erfolgen. Ein staatliches Regiment innerhalb der Kirche dürfe es - das meinte man aus den Folgen der Wende von der Monarchie zur Weimarer Demokratie gelernt zu haben - nicht mehr geben. Die Kirche müsse staatsunabhängig, aber als Volkskirche staatstreu sein.
235 A.a.O. - Übrigens wurde Hans von Soden am 29. 1. 1936 vom Vorstand als Mitglied des Pfarrervereins aufgenommen; Protokollbuch 1933-1948.
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Auch ein so scharfsinniger Analytiker der politischen und kirchlichen Situation wie Hans von Soden nahm im Sommer 1935 noch nicht wahr, in welcher Weise der damalige Staat bereits in die kirchlichen Interna eingriff, indem er sich die überwiegend nationalkonservative politische Grundhaltung der deutschen, eben auch der kurhessischen Pfarrerschaft zunutze machte. Bei aller Kritik im einzelnen236 konnte sich von Soden wie der Großteil der Pfarrerschaft aus dieser Grundhaltung heraus nicht zu einer prinzipiell kritischen Sicht der nationalsozialistischen Obrigkeit durchringen, auch nicht, nachdem das Unrecht und die Übergriffe des Staates wie z. B. die Diffamierung und Vernichtung der Juden in den KZ’s, das Verbot der kritischen Presse, die Zensur mißliebiger Intellektueller, die Vorbereitung des Krieges usw. bekannt wurden. Für den Vorstand des Pfarrervereins war die Marburger Hauptversammlung ein voller Erfolg: Das Führerprinzip war einmütig nun auch im Verein anerkannt worden; das politische Ja der Pfarrerschaft zum NS-Staat war bekräftigt, der Kirchenkampf eindeutig als kircheninterne Angelegenheit deklariert worden, so daß man sich sicher sein durfte, nun endlich vom Staat in Ruhe gelassen zu werden. Aber in Kurhessen wie heftiger noch andernorts sahen nicht wenige Amtsträger des Staates die Dinge ganz anders. Die Kirche, vor allem die Aktivitäten ihrer Pfarrervereine, wurden als eines der Felder betrachtet, auf dem der Kampf um den neuen Menschen ausgetragen und entschieden werden müsse. Die Erziehungsmöglichkeiten der Kirche, insbesondere die Einwirkung der Pfarrer auf Jugend und Erwachsene, unterschätzte man auf seiten des Staates keineswegs. Insofern stand der eigentliche Kirchenkampf, nämlich der mit dem Staat, auch in Kurhessen-Waldeck, erst noch bevor. 236
Vgl. z. B. über von Sodens kritische Distanz von der NS-Judenpolitik die aufhellende Studie von M. Hein, Hans von Soden und die „Judenfrage“, in: Jaspert (Hg.), Erinnern - Verstehen - Versöhnen (s. Anm. 120), 33-58 [ND in: ders., Weichenstellungen (s. Anm. 120), 111-134].
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2.10.4 In der Ära der Kirchenausschüsse Von nun an wurde fast in jeder Vorstands- und Ausschußsitzung des Pfarrervereins die kirchliche Lage besprochen. Die Protokolle dieser Besprechungen sind zwar durchwegs kurz, aber in den zehn Jahren bis 1945 insgesamt doch so umfangreich, als daß sie hier Stück für Stück dokumentiert werden könnten. Ich greife daher beispielhaft einige wichtige Ereignisse heraus, um zu zeigen, wie die Vereinsleitung die jeweilige Situation einschätzte und darauf reagierte. In einer Besprechung beim Vereinsführer am 31. Juli 1935, an der vom Vorstand lediglich Schimmelpfeng und Schmidt teilnahmen, wurde vereinbart, daß „im Pastoralblatt erneut auf § 1 Abs. 2 der Reichssatzung hingewiesen und deutlich zum Ausdruck gebracht werden“ soll, „daß ein Pfarrer, der sich in irgend einer Form gegen den nationalsozialistischen Staat wendet, in den Reihen des Pfarrervereins unmöglich ist“.237 Das tat Wepler dann in der Ausgabe des „Pastoralblattes“ vom 22. Oktober. 238 Kurz zuvor hatte der eben neu gewählte Führer des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine, Kirchenrat Klingler, bei der Reichsführertagung in Wernigerode am 17./18. September seinerseits § 1 Abs. 2 als einen Beitrag, der von der Pfarrerschaft im Volk „weithin erwartet und erhofft wird“, verteidigt und betont: „Wir evangelischen Geistlichen können und sollen in besonderer Weise die Arbeit der nationalsozialistischen Regierung unterstützen, indem wir mithelfen am Bau der einigen evangelischen Reichskirche.“ In demselben Zusammenhang begrüßte Klingler die Einrichtung des Reichskirchenministeriums unter Minister Kerrl. Ihm 237 Gemeint war die Satzung des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine, s. Anhang Nr. 14: vgl. den entsprechenden Passus in § 3 Abs. 2 der kurhessischen Satzungen vom 3. 7. 1935, s. Anhang Nr. 5. 238 Die neue Satzung, Pastoralblatt 44 (1935) 38, auch abgedruckt oben im Text: 212ff.
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hatte der Reichsbund der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine bereits am 29. Juli schriftlich seine Unterstützung zugesagt. Den in Wernigerorde anwesenden Ministerialrat Dr. Stahn bat Klingler, das Ministerium möge sein besonderes Augenmerk auf die Tatsache lenken, daß gerade in letzter Zeit eine ganze Reihe von Pfarrern „der Willkür der Straße und den hemmungslosen Angriffen der Presse preisgegeben war“. Klingler nannte weiterhin Diffamierungen, Schutzhaft, Ausweisungen, Redeverbote, Aufhebung der kirchlichen Versammlungsfreiheit als Tatbestände, die die Geistlichen unter schweren Druck brächten, die Gemeinden beunruhigten und das Vertrauen in den Staat erschütterten. Durch die zunehmende antichristliche Propaganda „von allen möglichen amtlichen und nichtamtlichen Parteistellen“ würde die Kirche „gegen ihren Willen in einen Kampf auf Leben und Tod hineingetrieben, der auch auf die Volksgemeinschaft nur verwirrend wirken kann“. Daher sei es „dringend wünschenswert, daß, sobald eine neue geistliche Leitung der Kirche erreicht ist, durch ein Pfarrergesetz die Rechte und Pflichten der Pfarrer genau umschrieben, und so Pfarrer und Gemeinden aus dem Zustand der Rechtlosigkeit und der Beunruhigung herausgeführt werden“.239 In der Vorstandssitzung vom 26. September 1935 (anwesend: Wepler, Schmidt, Scheig, Steinmetz, Francke, Steinweg, Striening, später: Dithmar, Wüstemann)240 teilte Wepler mit, daß er 239 Der Reichsbund der deutschen evang. Pfarrervereine und die kirchliche Lage, Pastoralblatt 44 (1935) 37-38. 240 Nach siebenjähriger Tätigkeit als Kassenführer wurde Striening - wegen Unregelmäßigkeiten in der Geldverwaltung - in dieser Sitzung verabschiedet und für seine angeblich „treue Arbeit in 7 Jahren herzlich gedankt“. Bereits am 29. 1. 1936 mußte sich der Vorstand wieder mit dem „Fall Striening“ befassen. Noch neun Jahre später schuldete Striening dem Pfarrerverein 6 456,- RM, so daß der Vorstand am 3. 8. 1944 beschloß, den Rechtsweg zu beschreiten. Aufgrund eines Ausschußbeschlusses vom 2. 7. 1935 (vgl. Protokollbuch 1933-1948) übernahm zum 1. 10. 1935 Otto Knaak die Kassenführung. Nach dessen Einzug zum Militär wurde am 1. 9. 1942 Walter
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in Wernigerode wieder in den Vorstand des Reichsbundes berufen worden sei. Stahn habe der Pfarrerschaft versichert, daß jetzt „jede Polizeigewalt auf kirchlichem Gebiet ... auf den Kirchenminister übertragen worden“ sei. Wegen ungünstiger Kassenlage beschloß der Vorstand am 7. November 1935, die übliche Herbstversammlung des Pfarrervereins in diesem Jahr ausfallen zu lassen. In der Vorstandssitzung vom 12. Dezember 1935 (anwesend: Wepler, Francke, Steinmetz, Schmidt, Dithmar, Schimmelpfeng, Volkenand) informierte Wepler „über die Führertagung in Berlin und den Stand der kirchlichen Lage. Soll die Arbeit des Reichsministers Kerrl und der von ihm eingesetzten Ausschüsse gelingen, so muß die Freiheit der Ausschüsse garantiert werden. Um diese wichtige Frage geht es zur Zeit.“241 Der Vorstand beschloß, an den für Kurhessen-Waldeck unter Vorsitz von D. Happich eingesetzten Ausschuß242 „ein Grußwort zu schicken, in dem die Bereitschaft zur Mitarbeit versichert wird“. 2.11 Das Jahr 1936 Nachdem die Vereinssatzungen vom 3. Juli 1935 auf Betreiben Weplers denen des Reichsbundes angeglichen, von den staatlichen Stellen in Kassel genehmigt und im Vereinsregister eingetragen worden waren, wurden auch Aktionen der Staatspolizei und das immer noch anhängige Parteigerichtsverfahren von seiKramm als Rechnungsführer bestellt (Anstellungsvertrag, Durchschrift: Beilage zum Protokoll der Vorstandssitzung vom 3. 8. 1944). 241 Zur Ära der Reichskirchenausschüsse s. K. Meier, Der evangelische Kirchenkampf, Bd. 2: Gescheiterte Neuordnungsversuche im Zeichen staatlicher „Rechtshilfe“, Göttingen 1976 (21984), 66-378. 242 Zum kurhessischen Landeskirchenausschuß vgl. Slenczka (s. Anm. 28), 93-117; Meier (s. Anm. 241), 301-303, 442f (bes. Anm. 800f); zu Happich s. außerdem die persönlichen Erinnerungen seiner Tochter M. Trost, geb. Happich, Friedrich Happich 1883-1951, o. O. 1983.
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ten Dr. Reinhardts gegen Wepler am 29. Dezember 1935 eingestellt.243 In der Ausschußsitzung vom 30. Januar 1936, bei der alle Mitglieder anwesend waren, berichtete Happich in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Landeskirchenausschusses „eingehend über das am 6. 2. in Berlin zu beschließende Disziplinargesetz für Geistliche. Für kirchl. Beamte wird eine Disziplinarkammer gebildet, deren Mitglieder vom RKA ernannt werden. Für Pfarrer wird ein Disziplinarhof mit einem Vorsitzenden und 6 Mitgliedern gebildet, dieser gilt als Berufungsinstanz. Die ersten Instanzen bleiben bei den Landeskirchen, werden aber der Reichsinstanz angeglichen ... Entscheidungen über Lehrbeanstandungen bleiben bei der Landeskirche.“ Es handelte sich um die schließlich am 8. Februar 1936 vom Reichskirchenausschuß erlassene Disziplinarordnung der Deutschen Evangelischen Kirche.244 Sie diente als Instrument „zur Wiederherstellung geordneter Zustände in der Deutschen Evangelischen Kirche und in den evangelischen Landeskirchen“ 245 , wie sie mit dem am 24. September 1935 von Kerrl und Hitler unterzeichneten „Gesetz zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche“246 angestrebt wurde. Am 11. September 1935 hatte Hitler auf dem Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP, „auf dem die berüchtigten ‚Nürnberger Rassengesetze’ beschlossen wurden, auf die ‚Gefahren der politisierenden Konfessionen’ hingewiesen und es als staatspolitisch notwendig bezeichnet ..., dem Kirchenkampf ein Ende zu bereiten“.247 Hitler verfolgte dieses Ziel spätestens seit Ende 243
Vgl. Protokollbuch 1933-1948, Ausschußsitzung, 30. 1. 1936. In: K. D. Schmidt (Hg.), Dokumente des Kirchenkampfes II. Die Zeit des Reichskirchenausschusses 1935-1937. Erster Teil (1935 bis 28. Mai 1936) (AGK 13), Göttingen 1964, Nr. 152, S. 340ff. 245 W. Conrad, Der Kampf um die Kanzeln, Berlin 1957, 133. 246 Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche (1935) Nr. 28, S. 99. 247 Meier (s. Anm. 241), 78. „Nürnberger Rassengesetze“: Faksimile-Abdruck der maschinenschriftlichen Fassung mit den Originalunterschriften des 244
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Januar 1935. Damals legte ihm der soeben aus dem Reichsinnenministerium entlassene Staatssekretär und später an den „Nürnberger Rassengesetzen“ maßgeblich beteiligte Dr. Wilhelm Stuckart eine Denkschrift über „Staat und Evangelische Kirche“ vor. Sie sah u. a. einen erheblichen staatlichen Einfluß auf die kirchliche Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit sowie eine Zentralisierung des gesamten Kirchenwesens unter staatlicher Aufsicht vor. 248 Es ist offenkundig, daß die Einrichtung und Politik des Reichskirchenministeriums auf dieser Denkschrift und den entsprechenden Anordnungen Hitlers beruhten. 2.11.1 Antisemitismus Zwölf Wochen nach dem Nürnberger „Reichsparteitag der Freiheit“ veröffentlichte Vereinsführer Wepler am 10. Dezember 1935 im „Pastoralblatt“ den ersten von zwei Aufsätzen über den Berliner „orthodox-antisemitischen Hofprediger“ Adolf Stoecker (1835-1909).249 Äußerer Anlaß waren der auf den 11. De„Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ vom 15. 9. 1935 in: E. Röhm/J. Thierfelder, Juden, Christen, Deutsche 1933-1945, Bd. 2: 1935 bis 1938, Tl. 1 (ctb 9), Stuttgart 1992, 27f; „Reichsbürgergesetz“ vom 15. 9. 1935: Kopie des Druckes im Reichsgesetzblatt (1935) Tl. 1, S. 1146: a.a.O., 26. 248 Vgl. Meier, a.a.O., 66f [Kaiser, Die Landeskirche zwischen 1925 und 1945 (s. Anm. 120), 284 schreibt den Namen falsch: „Stuckardt“; vgl. das entspr. Biogramm: 644]. 249 Zum 100. Geburtstage Adolf Stoeckers, Pastoralblatt 44 (1935) 61-63. Der zweite Aufsatz, Adolf Stoecker und das Judentum, Pastoralblatt 45 (1936) 11-15, erschien als Schlußteil des ersten. Zum theologischgesellschaftlichen Hintergrund des hier zum Ausdruck kommenden Antisemitismus s. M. Smid, Deutscher Protestantismus und Judentum 1932/1933 (HUWJK 2), München 1990; außerdem J.-Ch. Kaiser/M. Greschat (Hg.), Der Holocaust und die Protestanten. Analysen einer Verstrickung (KoGe 1), Frankfurt a. M. 1988 [vgl. auch G. Koch, Adolf Stoecker 1835-1909. Ein Leben zwischen Politik und Kirche (Erlanger Studien 101), Erlangen/Jena
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zember 1935 fallende 100. Geburtstag Stoeckers und das gerade in zweiter Auflage erschienene Buch von Walter Frank über den „Hofprediger Adolf Stoecker und die christlich-soziale Bewegung“.250 Wepler wollte den Lesern des Hessen-Kasseler Pfarrervereinsblattes Stoecker zum einen als ein unübertroffenes Vorbild politisch-national-konservativer Gesinnung und kirchlichen Reformgeistes, zum andern als richtungweisend in der Behandlung der nun wieder aktuellen „Judenfrage“ vorstellen. Wepler meinte, Stoecker sei mit seinen Gedanken seiner Zeit weit vorausgeeilt, als er das unter Bismarcks außenpolitischen Erfolgen von 1866 und 1870/71 einsetzende „Erwachen nationaler Kräfte“ begrüßte und daran die Hoffnung auch einer kirchlichen Erneuerung hin zu einer evangelischen Nationalkirche knüpfte. „Wie hat er gejubelt, als die Einigung der deutschen Stämme 1871 die Erfüllung des alten deutschen Kaisertraumes brachte! ‚Aber die Kirche, die Kirche! ... nichts rührt sich, um auch im Geistesleben die Grenzpfähle und Schlagbäume der Territorialkirchen zu zerbrechen ... in dem neuen Deutschen Reich sollte doch auch die Kirche von einem neuen Geist der Lebenskraft und Energie durchhaucht werden!’ Bei diesen Worten Stoeckers“, schrieb Wepler, „glauben wir uns mitten in den Aufbruch unserer Zeit versetzt.“ In Weplers Augen war allerdings das „Zweite Reich, dessen Anbruch Stoecker erlebte, noch nicht der Boden, auf dem sich die Wünsche nach Neugestaltung des deutschen Protestantismus erfüllen konnten. Die Vorbedingung dafür sollte erst das Dritte Reich schaffen.“ Nun aber steht nach Meinung Weplers „die evangelische Kirche in der Gefahr, die gottgegebene Stunde ihrer Neugestaltung durch eigene Schuld zu versäumen!“251 1993; G. Brakelmann, Adolf Stoecker als Antisemit, 2 Tle. (Schriften der Hans-Ehrenberg-Gesellschaft 10/11), Waltrop 2004; V. Dombaj, Adolf Stoecker als Wegbereiter des Antisemitismus, München 2011]. 250 Hamburg 21935. 251 Zum 100. Geburtstage Adolf Stoeckers, a.a.O., 62.
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Wenige Monate vor seiner Berufung zum vierten Hof- und Domprediger nach Berlin am 15. Juli 1874 schrieb Stoecker: „Meine kirchliche Stellung ist klar ... Was mir am Oberkirchenrat verhängnisvoll erscheint, daß er weder dem Kultusminister, also dem Staat, noch der Masse, also dem politischen Liberalismus, gegenüber die Selbständigkeit der Kirche bewahrt. Eben diese Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche in den vom Staat gezogenen und von mir mit aller Überzeugung anerkannten Grenzen: das scheint mir die Hauptfrage der Gegenwart. Was ich einmal an Einfluß gewinnen sollte, werde ich dazu gebrauchen, um der Kirche zur Selbständigkeit zu verhelfen.“252 Dazu Wepler: „Das ist kirchliche Haltung. Dieses Bekenntnis Stoeckers möchte man den künftigen Leitern unserer Kirche tief ins Gewissen schreiben.“253 Stoecker war nicht nur, wie der ihm keineswegs immer zustimmende Bismarck urteilte, „ein außerordentlicher, streitbarer, nützlicher Kampfgenosse ..., ein tüchtiger, furchtloser, standhafter Mann“, allerdings mit einem „Maul, das nicht totzumachen ist“. Er war nach Weplers Ansicht auch der einzige Abgeordnete im Reichstag, „der dem Führer der Sozialdemokratie, August Bebel, gewachsen war“, ein Mann, der ebenso furchtlos in öffentlichen sozialdemokratischen Massenversammlungen redete, wie er sich auch nicht scheute, „die Mächte der kapitalistischen Gesellschaft“ scharf anzugreifen. Ganz auf der Linie Franks stellte Wepler im folgenden die schließlich von Wilhelm II. verfügte Entlassung Stoeckers als Hofprediger im Jahre 1890 als die Folge des intriganten Gegenstoßes jener Mächte dar, „die von ihm am heftigsten bekämpft wurden: die Sozialdemokratie und das jüdische Kapital mit seiner einflußreichen Presse“. Der Baecker-Prozeß, der durch einen Artikel gegen Stoecker in der „Berliner Freien Zeitung“ mit der Überschrift „Hofprediger, Reichstagskandidat, Lügner“ her252 253
Zit. ebd. Ebd.
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vorgerufen wurde, brachte Stoecker eine schwere geistliche Niederlage, so daß er Kaiser Friedrich im Hofpredigeramt nicht mehr tragbar erschien. Wepler behauptete: Dieser Prozeß ist „mit jüdischem Geld und unerhörter Frechheit“ geführt worden. Er war der Anfang vom Ende des ehrenwerten „orthodox-antisemitischen Hofpredigers“, dessen „starke Persönlichkeit“ Wilhelm II. nicht neben sich dulden konnte. Seinem „Bestreben, vor der öffentlichen Meinung als populär zu gelten“254, opferte der Kaiser einen „glaubensstarken und streitbaren Kirchenmann“. Diese Persönlichkeit, davon war Wepler 1935 überzeugt, gewinnt „gerade in der gegenwärtigen Lage ihre besondere Bedeutung“.255 Das gilt besonders im Blick auf „Adolf Stoecker und das Judentum“, wie Wepler im Januar 1936 den zweiten seiner beiden Stoecker-Gedächtnis-Aufsätze überschrieb. Er schilderte darin Stoeckers „Kampf gegen das moderne Judentum“ 256 als einen sich aus dem Evangelium als notwendig ergebenden Glaubenskampf. Anders als im gegenwärtigen nationalsozialistischen Kampf („Nürnberger Rassengesetze“) lag Stoecker nach Auffassung Weplers „der rassenpolitische Gesichtspunkt ... völlig fern. Sein Kampf gilt dem modernen Judentum, das von Gott abgefallen ist und die Börse zu seinem Tempel gemacht hat. Dieses wurzellose Judentum verkörpert für ihn die Macht, die den christlichen Glauben und das Nationalgefühl zerstört.“ Gefährlich in dieser Hinsicht hält Stoecker vor allem „die jüdische Presse, die ihr Gift in die Adern des Volkes spritzt“ und damit zur Entchristlichung der Deutschen beiträgt.257 Für ihn wie für Wepler sind das „die bösen Mächte, welche unser Volk dem Abgrund
254
Ebd. A.a.O., 61. 256 A.a.O. (s. Anm. 249), 11. 257 A.a.O., 12. 255
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zutreiben“. 258 „Der Jammer um mein Volk, das dabei sittlich und religiös zugrunde geht, treibt mich“, so Stoecker, „diese Bosheit in die Öffentlichkeit zu ziehen und den Kampf gegen dieselbe aufzunehmen. Dieser Kampf um die Seele meines Volkes hat mich in die antisemitische Bewegung hineingetrieben.“259 Mit diesem meistens in öffentlichen Versammlungen mit agitatorischen Reden ausgetragenen Kampf fand Stoecker in Berlin eine so breite Zustimmung, wie sie ihm in seinem Auftreten „gegen den Marxismus versagt geblieben war“. 260 Wogegen sich dieser Kampf konkret richtete, schilderte Wepler so: „Das moderne Judentum hatte 1869 die letzten Schranken, die ihm auferlegt waren, gesprengt. Die politische Hochkonjunktur des Liberalismus hatte ihm den Weg zu seiner Emanzipation geebnet. Das Judentum rückte jetzt in alle Stellungen des öffentlichen Lebens ein. Nur der Offiziersstand, die Regierungsstellen und die Staatsanwaltschaft blieben ihm noch verschlossen. Das Wirtschaftssystem hatte dem zahlenmäßig geringen Judentum infolge seiner Kapitalkraft einen überragenden Einfluß eingeräumt, und die von ihm beherrschte Presse sicherte ihm seine Stellung in der öffentlichen Meinung. An der Börse gab der Jude den Ausschlag. Soweit er nicht im Wirtschaftsleben wurzelte, suchte er Anschluß an die proletarische Bewegung und drang in die Parlamente vor. Durch Wort und Schrift kämpfte er für die Rechte des Arbeiters, riß ihm seinen Gottesglauben aus dem Herzen und setzte an dessen Stelle den bereits vom Bürgertum überwundenen Geist der Aufklärung und des Materialismus.“261 Diese klischeehafte, historisch verzerrte und teilweise unzutreffende Darstellung genügte Wepler aber noch nicht. Das 258
Zit. ebd. Zit. a.a.O., 13. 260 A.a.O., 11. 261 A.a.O., 11f. 259
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„moderne Judentum“ war für den Kreispfarrer aus Eschwege nicht nur der Betrüger des deutschen Bürgertums und der Arbeiterschaft in den Städten und Industriegebieten. Es beutete auch die einfachen „kleinen Leute“ auf dem Lande aus, die Bauern und Handwerker, denen die Kirche wie in Kurhessen-Waldeck seit jeher besonders verbunden war. Daß und wie berechtigt also Stoeckers Antisemitismus damals war, ergab sich für Wepler aus folgender Sicht der Lage gegen Ende des 19. Jahrhunderts: „In den Kreisen der Bauernschaft und der Handwerker hatte bereits eine tiefe Erbitterung über die Auswüchse der manchesterlichen Wirtschaft Platz gegriffen. Mit Hilfe des Kapitals hatten jüdische Unternehmer durch Wucher und fabrikmäßige Ausbeutung der Betriebe den Handwerker in seiner Existenz gedrückt und den Bauern in hoffnungslose Abhängigkeit gebracht und um den Lohn seiner Arbeit betrogen. Aus dieser Lage heraus ist es zu verstehen“, meinte der Pfarrervereinsvorsitzende, „daß Stoecker mit seinem Kampf in die Öffentlichkeit geht und eine geradezu begeisterte Zustimmung im deutschen Volke findet. Die Führer der Arbeiterschaft machten für die soziale Not ganz allgemein den Arbeitgeber verantwortlich. Stoecker tritt diesem Vorwurf entgegen, indem er die Ursache der sozialen Not in dem Mammonsgeist der Börse erblickt“, die nach dem oben schon erwähnten Vorurteil von Juden beherrscht wurde.262 Sieht man die deutsche Geschichte des ausgehenden 19. Jahrhunderts so unter das Joch des modernen Judentums gezwängt, wie Wepler es hier schilderte, so wurde natürlich auch der bis aufs Letzte gehende kämpferische Antisemitismus eines 262 A.a.O., 12. Zur Korrektur der Vorurteile und Klischees über die Juden, wie sie Wepler hier gebraucht, s. G. B. Ginzel, Vom religiösen zum rassischen Judenhaß. „Deutschland, Christenvolk, ermanne dich!“ Gegen Juden, „Judengenossen“ und „jüdischen Geist“, in: ders. (Hg.), Antisemitismus. Erscheinungsformen der Judenfeindschaft gestern und heute, Bielefeld 1991, 124-169.
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Stoecker verständlich und akzeptabel. Ja, mehr noch: Er war auf einmal sogar notwendig, um Deutschland von seinem Verderben zu erlösen. Der Genozid der Juden war, wenn nicht in dieser, so doch in der nächsten Generation für Stoecker eine notwendige staatspolitische Aufgabe, die dadurch, daß sie auch noch mit christlich-missionarischen Motiven vermischt wurde, nur um so notwendiger erschien. Nach Wepler hing für Stoecker - und gerade darin war er Vorbild für die gegenwärtige Zeit des Nationalsozialismus „die Zukunft des deutschen Volkes ... davon ab, inwieweit es gelingt, den unheilvollen Einfluß des jüdischen Geistes zu brechen. In einem Artikel der Kreuzzeitung schreibt er 1888: ‚Nur Mangel an staatsmännischem Sinn oder an politischem Mut kann sich der Einsicht verschließen, die Judenfrage in Angriff zu nehmen; es sei denn daß man den Juden durch materielle Vorteile verbunden und dadurch verfallen ist ... in Rom rief Cato sein ceterum censio, bis Karthago zerstört war; so rufen wir den heutigen Regierungen unser ceterum censio, bis die Judenherrschaft gebrochen ist. Entweder das Judentum verzichtet auf seine unerträgliche Stellung oder es fordert einen Kampf heraus, der nur mit seiner allgemeinen Unterdrückung enden kann. Daß der nächste innere große Staatsmann Europas diesen Kampf aufnehmen wird u n d m u ß, i s t g e w i ß.’“263 Klang dieser - von Wepler durch Sperrdruck hervorgehobene - Satz von 1888 im Jahre 1936, wenige Monate nach dem Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP, nicht wie eine Vision auf Adolf Hitler, der sich selbst damals der Welt immer wieder als eben diesen großen Staatsmann Europas präsentierte? Wepler deutete Stoeckers Antisemitismus als „im tiefsten Sinne Seelsorge an seinem Volk“. Sein Kampf gegen die Juden sei nicht aus Rassebewußtsein entstanden. Es sei ihm daher anders als jetzt im Dritten Reich - „nicht um die Reinerhaltung 263
Wepler, a.a.O., 13.
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der Rasse“, sondern um „die Wiederbelebung der staats- und volkserhaltenden Mächte, die uns aus dem unverfälschten Evangelium zufließen“, zu tun gewesen. Damit habe Stoecker der Kirche ihren Missionsauftrag an den Juden wieder eingeschärft. Er wollte „die Juden solange bekämpfen, als sie sich wie Feinde des Christentums und des deutschen Volkstums betragen“.264 Nach Weplers Ansicht war Stoecker in seiner Stellung zur Judenfrage seiner Zeit weit vorausgeeilt. Das beweise die von ihm mitinitiierte sogenannte Antisemitenpetition, die im April 1881 mit über 200 000 Unterschriften 265 dem Reichskanzler vorgelegt wurde. Darin wurden „das Verbot weiterer jüdischer Einwanderung, der Ausschluß der Juden von allen obrigkeitlichen Ämtern und von der Volksschullehrerschaft, ihre Beschränkung im Justizdienst, im höheren Schulwesen und die Wiederaufnahme der konfessionellen Statistik gefordert“. 266 Wepler betonte, daß der Ausgangspunkt des Stoeckerschen Antisemitismus einzig und allein „in der Liebe zur Kirche und in der Sorge um die Seele des Volkes lag“. Von daher habe „sich Stoecker stets mit den altkonservativen und strengkirchlichen Kreisen verwandter gefühlt als mit den Kräften, die zum politischen Radikalismus und zum religiösen Liberalismus neigten. Stoeckers Handeln ist nur aus seinem Glauben zu begreifen und
264
Ebd. Die Zahlen werden unterschiedlich angegeben. Wepler nennt 255 000, Philipp 265 000, Düwell 225 000 Unterschriften: Wepler, a.a.O., 14; F.-H. Philipp, Protestantismus nach 1848, in: K. H. Rengstorf/S. von Kortzfleisch (Hg.), Kirche und Synagoge. Handbuch zur Geschichte von Christen und Juden. Darstellung mit Quellen, Bd. 2, Stuttgart 1970 (= dtv 4478, München 1988), (280-357) 299; K. Düwell, Zur Entstehung der deutschen Antisemitenparteien in Deutschland und Österreich. Christlich-sozial - National Deutsch-sozialistisch, in: Ginzel (Hg.), Antisemitismus (s. Anm. 262), (170180) 173. 266 Wepler, a.a.O., 14. 265
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zu beurteilen.“267 Genau dies aber ist - nicht erst seit heute - zu bezweifeln. Denn schon eine Reihe von Zeitgenossen wiesen Stoecker nach, wie er in unzulässiger Weise seine politischen Motive mit dem Mantel des Christentums umkleidete.268 Seit seiner im Jahre 1880 erschienenen Schrift über das moderne Judentum in Deutschland269, spätestens jedoch seit seiner Rede vom 2. Juni 1883, „gehalten vor der Versammlung deutscher Bürger in den Sälen der Berliner Bockbrauerei“, wo er den Anwesenden zurief: „Schämt euch, daß ihr Judensklaven seid“, denn „das jüdische Wesen ist ein Gifttropfen in dem Herzen unseres deutschen Volkes“270, war klar, daß Stoecker ähnlich wie Treitschke271 die Juden als das Unglück des deutschen Volkes ansah. Wer sich erinnert, daß Julius Streichers nationalsozialistische Hetzschrift „Der Stürmer“ auf der ersten Seite jeder Nummer Treitschkes Losung „Die Juden sind Deutschlands Unglück“ in großen Balkenlettern verkündete 272 , kann ermessen, welche unmittelbare geistesgeschichtliche Verbindung zwischen dem nationalkonservativen und kirchlichen An267
A.a.O., 15. Einige von denen, die gegen den von Stoecker vertretenen Antisemitismus Protest erhoben wie z. B. der evangelische Politiker I. Pestalozzi, die evangelischen Pfarrer Moritz Schwalb (Bremen), Paul Stephan Cassel (Berlin), B. Gruber (Reichenbach/Schlesien) und der Rostocker evangelische Theologieprofessor und Reichstagsabgeordnete Michael Baumgarten, werden mit ihren Zeugnissen bei Philipp (s. Anm. 265), 300-303, erwähnt. 269 A. Stoecker, Das moderne Judenthum in Deutschland, besonders in Berlin. Zwei Reden in der christlich-sozialen Arbeiterpartei gehalten, Berlin 1880. 270 A. Stoecker, Christlich-Sozial. Reden und Aufsätze, Bielefeld/Leipzig 1885 (2. Aufl. Berlin 1980), 222, 232. 271 Nicht umsonst erwähnt Wepler (s. Anm. 249), 62, gerade ihn! 272 Vgl. W. Grab, Juden und Demokratie. Zwei Jahrhunderte sozialen und politischen Engagements in Deutschland, in: A. Nachama/J. H. Schoeps/E. van Voolen (Hg.), Jüdische Lebenswelten. Essays, Frankfurt a. M. 21992, (336-351) 343. Zu Treitschkes Ausspruch „Die Juden sind unser Unglück“ s. seine beiden Aufsätze „Unsere Aussichten“ und „Herr Graetz und sein Judenthum“, PrJb 44 (1879) 559-576, bes. 575. 268
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tisemitismus eines Stoecker und dem nationalsozialistischen und deutsch-christlichen Antisemitismus des Dritten Reiches bestand. Kein Zweifel, daß, was den rassistischen NS-Antisemitismus betraf, vor allem Antisemiten wie Paul Anton de Lagarde, Eugen Dühring, Houston Stewart Chamberlain und andere 273 von größtem Einfluß waren. Aber auch kein Zweifel, daß im Blick auf den kirchlichen Antisemitismus im Dritten Reich, vor allem in der evangelischen Pfarrerschaft nationalkonservativer und deutsch-christlicher Prägung, Stoecker der Gewährsmann war.274 Auch schon 1935/36, als Wepler Stoecker der kurhessischen Pfarrerschaft zum Vorbild für das kirchliche Engagement in der Gegenwart empfahl, lag am Tage, daß alle seine Aktivitäten, Initiativen und Agitationen auf dem Felde der Politik und der Kirche nicht darüber hinwegtäuschen konnten, „daß er eine zukunftsweisende Antwort für die Probleme der Kirche im Zeitalter der Industrialisierung nicht anzubieten hatte ... Was er an Tendenzen und Strömungen seiner Zeit aufbot und zu nutzen suchte für die Durchsetzung seines Konzepts, ließ sich weder zähmen noch integrieren, sondern riß stattdessen die Kirche und ihre Verkündigung in verhängnisvolle Entwicklungen hinein: sein Antisozialismus und sein Antiliberalismus ebenso wie der Antisemitismus, nicht minder der von ihm so nachdrücklich proklamierte Nationalismus und Konservatismus.“275 Die Feindbilder, die Stoecker in seiner antisemitischen Agitation mit Nachdruck einsetzte, reichten „vom jüdischen Sozialismus bis zum jüdischen Kapitalismus, von der ‚Verjudung’ bis 273
Vgl. Philipp (s. Anm. 265), 306ff. Im übrigen benutzte Stoecker durchaus eine rassistische Sprache, wenn er über die Juden redete, auch wenn er immer wieder betonte, er behandele die „Judenfrage“ nicht als Rassenfrage; Nachweise bei Ginzel (s. Anm. 262), 154-156. 275 M. Greschat, Adolf Stoecker, in: ders. (Hg.), Gestalten der Kirchengeschichte, Bd. 9, 2: Die neueste Zeit II, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1985, (261-277) 276. 274
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zur tödlichen jüdischen Gefahr“. Sie verfehlten, insbesondere bei der jungen Theologengeneration um die Wende des 19./20. Jahrhunderts, ihre Wirkung nicht. So hat Stoecker „wie kein zweiter in Deutschland dem christlich verbrämten RadauAntisemitismus im konservativ-bürgerlichen Lager Zugang verschafft“.276 In der bereits erwähnten Ausschußsitzung des Pfarrervereins vom 30. Januar 1936 brachte Schmidt zwei für die weitere Geschichte der kurhessischen Landeskirche bedeutsame Anträge ein: - 1. Die Kreispfarrer sollten wieder wie früher von der Pfarrerschaft gewählt werden. Der kirchenpolitisch angesichts der DC/BK-Verhältnisse durchaus brisante Antrag wurde aber wieder „zurückgezogen, nachdem D. Happich erklärt hatte, daß sich der (Landeskirchen-)Ausschuß schon dahin festgelegt habe, es bei der Benennung zu belassen; daß aber diese Benennung nach Anhören der Pfarrer des Kirchenkreises stattfinden solle“. - 2. Die Kirchenleitung solle eingreifen, „um für die Zukunft einen wahrhaft christlichen Unterricht zu retten“. Denn derzeit sei der Religionsunterricht in den evangelischen Schulen „schwer erschüttert und grenzenloser Willkür preisgegeben“, die bis hin zur Christusfeindschaft reiche. Ergeben sich zu einer solchen Rettung des Religionsunterrichtes aber keine anderen Möglichkeiten, so „muß die Kirche schon jetzt die Möglichkeit und Notwendigkeit ins Auge fassen, in Zukunft den Religionsunterricht von eigenen Kräften erteilen zu lassen“. Der Antrag wurde einstimmig angenommen und an den Landeskirchenausschuß weitergeleitet. Schließlich beriet man noch über „Wege zur Wiederherstellung brüderlicher Gemeinschaft“. Dabei wurde vor allem „auf die Liebe als die höchste Geistesgabe und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit in den praktischen Dingen und in theol. 276
Ginzel (s. Anm. 262), 156.
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Arbeit hingewiesen. Dadurch wird neue Gemeinschaft geschaffen.“ Um die Jahreswende 1935/36 war sowohl die allgemeine kirchenpolitische Situation im Reich und in Kurhessen-Waldeck so ungewiß als auch die Kassenlage des Pfarrervereins so ungünstig277, daß man im Vorstand nicht recht wußte, ob die für Juli in Hersfeld geplante Jahreshauptversammlung zustande kommt.278 2.11.2 Vereinigung mit dem Waldeckischen Pfarrerverein In den nächsten Monaten war die kurhessische Pfarrerschaft außer mit den Fragen, die sich aus den Entscheidungen und Verordnungen des Reichs- und des Landeskirchenausschusses ergaben, kirchenpolitisch vor allem mit dem Problem der Vereinigung des Waldecker mit dem Hessen-Kasseler Pfarrerverein befaßt. Der Zusammenschluß der beiden Landeskirchen war bereits durch das „Kirchengesetz über die Vereinigung der Evangelischen Landeskirche von Waldeck und Pyrmont mit der Evangelischen Landeskirche in Hessen-Kassel“ zur Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck vom 13. Juli 1934 erfolgt.279 Im Vorstand wurde die Vereinigungsfrage der beiden Vereine erstmals am 20. Februar 1936 besprochen. Am 26. Oktober verhandelten dann Wepler, Wüstemann und Schmidt in Bad Wildungen mit Meyer (Arolsen) und Gallenkamp (Wega) über die „Bedingungen für die Eingliederung der Waldecker Pfarrer in den Pfarrerverein Hessen-Kassel“280. Drei Tage später 277 Außenstände von 29 286,- RM; vgl. Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 29. 1. 1936. 278 Vgl. Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 12. 12. 1935. 279 Abdruck: Amtsblatt der Ev. Kirche von Waldeck und Pyrmont (17. 7. 1934); auch bei Waßmann ([Waldeck] s. Anm. 120), 239-242. 280 Text: Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 29. 10. 1936, Beilage; vgl. Vorstandssitzung, 29. 4. 1936, Beilage. Der Pfarrerverein Hessen-Kassel verfügte demnach am 31. 12. 1935 über ein Gesamtvermögen von 104 271,-
241
wurde das Verhandlungsergebnis vom Vorstand des HessenKasseler Pfarrervereins unter kleinen Abänderungen der „Bedingungen“ 281 gebilligt und ein Abkommen mit den Waldeckern getroffen, das folgenden Wortlaut hatte: Vereinbarung mit dem Pfarrerverein in Waldeck Der Pfarrerverein in Waldeck hat 36 Mitglieder, die sich im Amt befinden. Außerdem gehören ihm noch 10 emeritierte Pfarrer an. An Vermögen besitzt der Waldecker-Verein 166.- RM. Die von ihm begründete Hilfskasse hat einen Bestand von 321.- RM. Der Waldecker-Verein löst sich auf und legt es seinen 36 noch im Amte befindlichen Mitgliedern nahe, in den Pfarrerverein von Hessen-Kassel einzutreten. Vermögen wird nicht mitgebracht. Der Hessen-Kasseler Pfarrerverein nimmt die Waldecker Mitglieder zu den satzungsgemäßen Bedingungen als seine Mitglieder auf und gewährt ihnen alle Rechte mit Ausnahme des Anspruchs auf Beihilfen aus dem Erziehungsfonds. Nach Ablauf einer 10jährigen Mitgliedschaft beim Hessen-Kasseler Pfarrerverein soll diese Beschränkung für die ehemaligen Waldecker Mitglieder als aufgehoben gelten. Feuerschutz tritt erst nach Ablauf der Versicherung mit Privat-Gesellschaften ein. Bei etwaiger Auflösung des Hessen-Kasseler Pfarrervereins erhalten die ehemaligen Waldecker Mitglieder nur ein Anrecht auf Renten aus dem seit dem 1. November 1937 zugewachsenen Kapitelvermögen. Die im Ruhestand befindlichen ehemaligen Mitglieder des Waldecker-Pfarrervereins, die nicht die Mitgliedschaft bei dem Hessen-Kasselerverein erwerben, können gegen eine jährliche Zahlung von 10.- RM das Deutsche Pfarrerblatt und das Pastoralblatt zugestellt erhalten und werden zu den Tagungen des Pfarrervereins als Gäste eingeladen. Die Waldecker Mitglieder erhalten entsprechend der Zahl, mit der sie sich dem Hessen-Kasseler Pfarrerverein anschließen, im Gesamtausschuß eine Vertretung bis zu zwei Vertrauensleuten. RM, aufgeteilt in: Erziehungsfonds 34 000,- RM, Feuerschutzfonds 31 000,RM, Notsstandsfonds 25 800,- RM, Rücklagen 7 051,- RM, Betriebsfonds 7 210,- RM. 281 So stand z. B. in den „Bedingungen“, daß jedes Waldecker Mitglied entsprechend dem für die Hessen-Kasseler Mitglieder ausgerechneten Vermögen ein Betrag von 214,- RM mitzubringen hätte. In der späteren „Vereinbarung“ wurde darauf aber verzichtet.
242
Der Eintritt in die Pfarrer-Witwen- und Waisenkasse steht grundsätzlich allen Mitgliedern von Waldeck zu. Um einer möglichst großen Zahl den Eintritt zu erleichtern, wird denjenigen, die bis zum 1. 1. 1937 ihre Mitgliedschaft zur Kasse erklärt haben, die Nachzahlung der Beiträge auf 10.- RM für jedes Dienstjahr seit der Ordination herabgesetzt. Das Eintrittsgeld in Höhe von 10.- RM muß gezahlt werden. Später eintretende ehemalige Mitglieder des Waldecker Vereins haben die volle Nachzahlung zu leisten. Falls mindestens 20 Waldecker der Pfarrerwitwen- und Waisenkasse beitreten, übernimmt sie vom 1. Januar 1937 ab die Unterstützung der bisher vom Waldecker Hilfsverein unterstützten 2 Pfarrwitwen und 5 bedürftigen Pfarrtöchter nach der bei ihr geltenden Form, soweit sie nicht aus anderen Unterstützungsfonds ausreichende Bezüge erhalten. Die Witwen der im Ruhestand befindlichen Waldecker Pfarrer werden zur Versorgung nicht mit übernommen. gez. Schmidt, Pfr.282
Der Öffentlichkeit wurde die Vereinigung der beiden Pfarrervereine anläßlich der Jahreshauptversammlung am 3. Juni 1937 im Gemeindehaus der Karlskirche zu Kassel in Anwesenheit von 176 Mitgliedern283 und 30 Gästen bekanntgegeben. Im Protokollbuch notierte Schmidt lapidar: „Da sich nach dem Zusammenschluß unserer Landeskirche mit der Kirche von Waldeck der Waldecker Pfarrerverein aufgelöst hat und zahlreiche Pfarrer aus Waldeck bereits Mitglieder bei uns geworden sind, ward folgende Namensänderung des Vereins einstimmig beschlossen: Der Name ‚Evangelischer Pfarrerverein HessenKassel’ wird geändert in ‚Evangelischer Pfarrerverein Kurhessen-Waldeck’.“ Daß es so lange dauerte, bis die Pfarrervereine der beiden schon seit drei Jahren vereinigten Landeskirchen ein 282
Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 29. 10. 1936, Beilage. Zur Geschichte des 1832 gegründeten Waldeckischen Pfarrervereins bis zu seiner Vereinigung mit dem Hessen-Kasseler Pfarrerverein s. Waßmann (s. Anm. 127), 106-111. 283 Darunter auch Hans von Soden und Friedrich Happich, die bei dieser Gelegenheit mit dem Abzeichen des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine geehrt wurden.
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Zusammengehen vereinbarten, hat u. a. wohl auch darin seinen Grund, daß die Auseinandersetzungen zwischen den Waldecker DC-Männern Happel, Keller, Lüdke, Grebe und Vorstandsmitgliedern des kurhessischen Pfarrervereins in den Jahren 1933/34 wie auch der anfängliche Widerstand der Waldecker gegen die Eingliederung in die Hessen-Kasseler Kirche hier noch nicht vergessen waren. Mit Beginn des 45. Jahrganges (1936) erschien das vom Pfarrerverein herausgegebene „Pastoralblatt für Hessen-Kassel“ in Marburg284, nachdem es jahrelang in Kassel285 herausgekommen war. Das brachte dem in Marburg wohnenden Schriftleiter Dr. Schimmelpfeng eine schon länger erwünschte Vereinfachung der Redaktionsarbeit. Gleichzeitig stellte Schimmelpfeng mit Genehmigung des Vorstandes auch das Format um vom zeitungsmäßigen Quart- auf Oktavformat, in dem das Vereinsblatt noch heute erscheint. 2.11.3 Hauptversammlung 1936 in Bebra: Pädagogik und nationalsozialistische Weltanschauung Die Hauptversammlung vom 23.-24. Juni 1936 fand in Bebra statt. Sie war mit einem Referat des früher an der Lehrerakademie Weilburg, seit kurzem in der Kirchenkanzlei der DEK in Berlin tätigen Professors Lic. Theodor Ellwein über „Fragen des Religionsunterrichts“ geplant.286 Da Ellwein kurzfristig absagte, 284 Druck und Versand: Hessischer Verlag Karl Euker. Die Kosten für den Jahrgang 1936 betrugen laut Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 21. 1. 1937, Beilage: 3 546,80 RM. 285 Druck: Edmund Pillardy, Versand: Ernst Röttger’s Buch- und Kunsthandlung, Inh. Friedrich Lometsch. 286 Vgl. Einladung, Pastoralblatt 45 (1936) 113. Im Anschluß an diese Hauptversammlung fand eine gut besuchte Volksmissionskonferenz statt, zu der der Leiter des Volksmissionarischen Amtes der Evangelischen Landeskirche Kurhessen-Waldeck, Kreispfarrer D. Steinweg (Rotenburg/Fulda),
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sprang der Reichsverbandswart der deutschen evangelischen Schulgemeinden, Hermann Windel (Wuppertal-Barmen), ein. „Nach einem Sieg-Heil auf den Führer“ 287 und der üblichen Gästebegrüßung erstattete zunächst Wepler seinen Jahresbericht.288 Anschließend sprach Windel über „Die Erziehungsfragen im Brennpunkt des weltanschaulichen Ringens unserer Tage“. 289 Es war ein Vortrag, der sich „durch Sachkenntnis und Lebensnähe“ auszeichnete. Das Protokoll vermerkt weiter: „Er weckte seine Zuhörer auf (sic!) und machte es ihnen ganz deutlich, daß die Schulfrage eine Frage ersten Ranges sei, mit der auch weithin über die Zukunft der Kirche entschieden werde. An Stelle der christl. Schule droht weithin die entchristlichte deutsche Gemeinschaftsschule zu treten. Wenn die evangelische Elternschaft, bei der letzten Endes die Entscheidung liegt, auf die Gefahr zeitig hingewiesen wird (Erziehungspredigten), so erscheint der aufzunehmende Kampf nicht aussichtslos.“ An der Aussprache beteiligten sich laut Protokoll neben dem Korreferenten Pfarrer Scheig der Leiter des Volksmissionarischen Amtes, Kreispfarrer D. Steinweg, Pfarrer Müller-Osten, Pfarrer Eichhöfer, Pfarrer Wüstemann, Studiendirektor Lic. Dr. Neubauer vom Predigerseminar Hofgeismar, Vereinsführer Wepler und als einzige Frau: „Frl. Bade“290. Gemeint war die eingeladen hatte; vgl. Steinwegs Bericht in: Pastoralblatt 45 (1936) 164-172. Damit wurden Anregungen aufgegriffen, die bereits in früheren Jahren von Mitgliedern des Pfarrervereins gegeben wurden. 287 H. Schimmelpfeng, Bericht über die Hauptversammlung des Pfarrervereins am Mittwoch, den (sic!) 24. Juni 1936 in Bebra, Pastoralblatt 45 (1936) (158-164) 159. 288 Bericht des Vereinsführers, Pastoralblatt 45 (1936) 136-141. Hier wird (S. 138) m. W. zum ersten Mal in der Geschichte des Pfarrervereins - irrtümlicherweise - Bebra als Ort der „Anfänge unseres Pfarrervereins“ unter Hinweis auf die Konferenz vom 28. 4. 1891 genannt, eine Legende, die sich bis in die Gegenwart gehalten hat. 289 Kurzfassung im Bericht Schimmelpfengs (s. Anm. 287), 160-163. 290 Vollständige Namensnennung im Protokollbuch 1933-1948, in Schimmelpfengs Bericht unvollständig.
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Vikarin Claudia Bader, bald eine der ersten Pfarrerinnen im Dienst der kurhessen-waldeckischen Landeskirche. Die Problematik des Religionsunterrichtes, wie sie der Pfarrerverein schon in seiner Ausschußsitzung vom Januar behandelt hatte, wurde von Windel klar umrissen. Gegenüber der Absicht des Staates, eine vom Völkischen her bestimmte Schule durchzusetzen, plädierte Windel dafür, daß die Kirche sich für „eine Pädagogik vom Evangelium und vom Bekenntnis her“ einsetzt „und die daraus notwendigen Konsequenzen“ zieht. Das heißt, es sind Schulgemeinden und Elternbünde zu bilden, „die mit der Forderung entscheidend hervortreten und diese durchsetzen, Bekenntnisschulen zu schaffen, in denen der gesamte Unterricht vom Evangelium her bestimmt wird.“291 Gegenüber dieser klaren Zielangabe fragte der Korreferent, das Vorstandsmitglied Pfarrer Scheig (Hanau), angesichts der gegenwärtigen schulpolitischen Lage: „Was heißt Pädagogik vom Evangelium und vom Bekenntnis her?“292 Scheig war der Meinung, daß frühere Chancen, eine solche Pädagogik durchzusetzen, vertan worden seien. Spätestens seit 1927 bestand nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften auf der einen und dem Staat auf der anderen Seite die gesetzliche Regelung, daß in Deutschland drei Schularten gleichberechtigt nebeneinander existieren: Gemeinschaftsschule, Simultanschule und Konfessionsschule. Nur in einigen Gegenden wie in Bayern oder Württemberg hat man versucht, aufgrund von Abstimmungen der Erziehungsberechtigten die Gemeinschaftsschule als Regelschule einzurichten. „Die evangelische und katholische Elternschaft sah sich dabei stark in die Minderheit gedrängt.“ Schimmelpfeng faßte Scheigs Ausführungen zusammen: „Wir stehen also kurz vor einer neuen, im Vergleich zu den Entwürfen 1921 und 1925 ungleich stärkeren Angriffswelle, die 291 292
Pastoralblatt 45 (1936) 163. Ebd.
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auf Grund eines neuen volkhaften Denkens (ein Staat, ein Führer, eine Kultur, eine Schule) sich sehr stark bemerkbar macht. Angesichts dieser neuen, von der Vorstellung der Totalität der völkischen Weltanschauung getragenen Schulbewegung muß unsere Besinnung einsetzen über ihre theoretischen Grundlagen. Wer es anders anfängt, also einfach an Schulgestaltung auf der Grundlage des Bekenntnisses herangehen will, wird zu einem ‚wilden Aktivisten’ ohne tiefere Kenntnis der Problematik.“ In dieser sachlichen Besinnung geht es nach Scheigs Auffassung hauptsächlich um drei Fragen: „1. Wer soll erziehen? Als Erziehungsfaktoren werden immer nur Elternhaus, Schule und Hitlerjugend genannt, nicht aber die Kirche. Was bedeutet das? 2. Wozu soll erzogen werden? ‚Hier muß man sich zuerst theoretisch durch die Geschichte der Pädagogik mit den pädagogischen Objektivationen vertraut machen lassen, die in der Geschichte schon entfaltet worden sind, und nach der Bedeutung und dem Rechte dieser früheren Erziehungsziele fragen, um das eigene oder das völkisch gewollte Erziehungsziel zu begreifen oder aber abzulehnen.’ 3. Mit welchen Mitteln soll erzogen werden? Bekommt die Ganzheit nationalen Lebens, auch im Rahmen der Erziehung, aus sich selbst ihre letzte Sinneinheit oder aber aus einer transzendenten Macht? Und wie soll im letztgenannten Fall das Erziehungsziel verwirklicht werden? Wo liegen die beiderseitigen Grenzen? Wann ist der Augenblick gegeben, an dem man um jeden Preis Widerstand leisten muß?“293 Die Frage nach dem Bekenntnis, die die Pfarrerschaft seit einiger Zeit theologisch und kirchenpolitisch bewegte, war vom Pfarrerverein nun auch aus religionspädagogischer Sicht gestellt worden. Damit war ein heikles Thema aufgegriffen, das den Staat und seine pädagogischen Ziele und Maßnahmen im Sinne des Nationalsozialismus direkt betraf. Im übrigen befaßte man sich in den Reihen des Pfarrervereins seit einigen Monaten wieder intensiver mit der historischen Entwicklung der verschiede293
A.a.O., 163f.
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nen Bekenntnisse in Hessen.294 Daß man sich gerade jetzt, wo der Kampf mit dem totalen Staat zu führen war, wieder der Theologie und Politik August Friedrich Christian Vilmars, des großen Gegenspielers Heinrich Heppes im alten Streit um den Bekenntnisstand in Hessen, zuwandte295, zeigt, wie man sich in der Geschichte Rat für die Gegenwart holen wollte. Wie wenig das gelingen konnte, mußte aber jedem klar sein, der um die Unvergleichlichkeit verschiedener historischer Epochen wußte. Aber wie wenige wußten offenbar darum! In seinem Jahresbericht vor der Bebraer Hauptversammlung sagte Wepler als Vereinsführer u. a.: Wir sind der einzige Stand in unserem Staate, der noch keine Eingliederung erfahren hat. Versuche dazu sind von mancher Seite gemacht worden, aber die Pfarrerschaft hat die Vorschläge nicht für annehmbar gehalten. Es darf in dieser Frage nur ein gemeinsames Handeln geben. Ihre Lösung ist zunächst bis nach dem Neuaufbau der Kirche zurückgestellt. Ich warne deshalb die Amtsbrüder vor jeder Einzelentscheidung und bitte, bei allen etwaigen Versuchen einer Eingliederung auf die Standesorganisation hinzuweisen, die nur im Einvernehmen mit dem Reichsbund handeln wird. Daß sich die kirchliche Lage im Vergleich zum Vorjahre wesentlich geändert hat, ist der weitgehenden Geschlossenheit der Pfarrerschaft zu verdanken. Als Vereinsführer wurde ich von der E. K. L. zu allen Beratungen hinzugezogen und habe auch an den entscheidenden Verhandlungen unserer Kirche mit dem Reichskirchenausschuß teilgenommen. In der Überzeugung, 294
Vgl. z. B. Pastoralblatt 44 (1935) 29-34 (Wessel); 48-53 (Landau); Pastoralblatt 45 (1936) 1-11 (Maurer); 15-18 (Dehnhard); 45-50 (Maurer); 79-81 (Dehnhard); 107-110 (Maurer); 114-119 (Dithmar). 295 Th. Happich, Welche Fingerzeige gibt uns Vilmar in kirchlichen Fragen der Gegenwart?, Pastoralblatt 45 (1936) 121-136, 149-158. Ein Vortrag des 1919 verstorbenen Superintendenten vom 8. 5. 1901 auf der Lutherischen Konferenz zu Bielefeld, den sein Sohn, D. Friedrich Happich, aus dem Nachlaß herausgab, weil er der Meinung war, der Vater habe als dessen Schüler Vilmars Anliegen gut verstanden und das Wesentliche der Gegenwart von 1901 und von 1936 sei gleich und die längst totgesagten Ideen Vilmars würden im Ringen um die Kirche heute wieder lebendig. - Der Vortrag erschien auch als Sonderdruck mit eigener Seitenzählung mit einer Einführung Wilhelm Maurers in Vilmars Schriften, Marburg o. J. (1936).
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daß das damals Mögliche erreicht worden ist, habe ich dem Landeskirchenausschuß das Vertrauen der Pfarrerschaft ausgesprochen. Die neue Leitung unserer Kirche sollte wissen, daß die Pfarrerschaft hinter ihr steht, wenn sie gewillt ist, das Bekenntnis der Kirche und die Rechtsordnung des Amtes zu wahren. Nach Lage der Verhältnisse kann die Befriedung der Kirche nur mit dem Pfarrerstand, aber niemals gegen ihn erreicht werden. Die Polarität von Amt und Gemeinde ist im Kirchenkampf zerstört worden. In diesem Kampf ging es letzten Endes nicht um die alte Frage, ob das Amt der Träger der Kirche sei, oder ob die Gemeinde aus sich heraus das Amt gesetzt hat und darum die alleinige Trägerin der Kirche sei, sondern von beiden Seiten zugleich wurde unter Verleugnung echter kirchlicher Bindung die Auflösung herbeigeführt. Es ist die Aufgabe der Pfarrerschaft, bei der bevorstehenden Neuordnung zunächst die echte Polarität von Amt und Gemeinde wieder herzustellen. Bei dieser Arbeit wird die kurhessische Pfarrerschaft dem Landeskirchenausschuß jede gewünschte Hilfe zuteil werden lassen. Zu einer Vorberatung über eine Verordnung, die das Lehrzuchtverfahren betrifft, hat der Landeskirchenausschuß einige Pfarrer hinzugezogen. Wir leben in einer ungewöhnlichen Zeit kirchlicher Beunruhigung. Diese außergewöhnlichen Verhältnisse erfordern besondere Sicherungen, die zu anderer Zeit nicht nötig gewesen wären. Eine Verordnung über das Lehrzuchtverfahren wird nicht die Freiheit der evangelischen Verkündigung gefährden, aber sie wird darüber zu entscheiden haben, ob die Verkündigung noch auf dem Boden des evangelischen Bekenntnisses steht.296
Sicher sprach Wepler allen Vorstandsmitgliedern und vielen der anwesenden Vereinsmitglieder aus dem Herzen, als er dann weiter ausführte: Im Laufe des Kirchenkampfes haben wir besonders darunter gelitten, daß sich die Glieder unseres Standes untereinander politisch diffamierten und damit oft eine wilde Hetze hervorriefen, die in den meisten Fällen völlig unbegründet war, aber das Vertrauen zur Amtsführung in der Gemeinde zerstörte. Solche Vorgänge dürfen sich nicht wiederholen. Jedes Mitglied des Pfarrervereins hat unsere Satzung anerkannt und bedarf keiner weiteren Legitimierung bezüglich seiner staatstreuen Haltung. Nach § 3, 2 hat sich jeder Pfarrer verpflichtet, die Arbeit der nationalsozialistischen Regierung zum Aufbau des Deutschen Reiches nach Kräften zu unterstützen. Wir brauchen 296
Bericht des Vereinsführers (s. Anm. 288), 138f.
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deshalb einen wirksamen Schutz innerhalb unserer Kirche gegen künftige politische Diffamierung von seiten eines Amtsbruders und erhoffen von dem Landeskirchenausschuß eine Verordnung, die eine Handhabe dazu bietet, das Disziplinarverfahren gegen jeden Pfarrer einzuleiten, der einen Amtsbruder politisch diffamiert oder ihn bei einer außerkirchlichen Stelle hinsichtlich seiner Amtsführung beschuldigt. Wir benötigen sobald als möglich ein Kirchengesetz, das den Aufbau der Kirche von der Stelle aus ermöglicht, an der 1933 der Einbruch in die kirchliche Ordnung erfolgte. Wir müssen zu einer Neubildung der Kirchenvorstände kommen, weil die echte Befriedung der Kirche nicht von oben, sondern nur organisch von unten, von der Gemeinde her, erfolgen kann. Wir werden deshalb in der Pfarrerschaft einen Verfassungsausschuß bilden, der die Fragen bearbeitet und dem Landeskirchenausschuß seine Vorschläge unterbreitet. Wir sind der Ansicht, daß die künftige Reichskirchenverfassung die Ordnung der Landeskirche so einheitlich wie möglich gestalten soll, daß sie aber zugleich jede Vergewaltigung der Landeskirchen vermeiden muß, um nicht ihre wertvolle Eigenart zu zerstören. In der Beachtung dieses Gesichtspunktes liegt die Aufgabe, die wir Pfarrer im Blick auf unsere Landeskirche haben. Eine andere Aufgabe haben wir in bezug auf das kommende Pfarrergesetz, das die Vorbildung, Anstellung, Weiterbildung des Pfarrers, das Disziplinarrecht und die Versetzung im Interesse des Dienstes, das Verhältnis unseres Amtes zu staatlichen und kirchlichen Behörden neu gestalten muß. Wir dürfen uns kein Gesetz vorlegen lassen, bei dessen Gestaltung die Pfarrerschaft nicht einen wesentlichen Anteil gehabt hat. Sie sehen, daß eine Fülle von Fragen vor uns liegt, die ihre Lösung gefunden haben sollen, wenn die befristete Zeit der interimistischen Kirchenleitung abgelaufen sein wird. Gemeinsame Arbeit an denselben Aufgaben verbindet. Möge die kurhessische Pfarrerschaft in diesen Fragen möglichst einmütig zusammenstehen. Wir wollen keine Pfarrerkirche, aber auch das gilt heute mit demselben Recht: es wird sich kein Neubau der Kirche ohne die geschlossene Mitarbeit der Pfarrerschaft vollziehen können.297
2.11.4 Bekenntnistreue und Geschlossenheit Wieder der Ruf nach Einmütigkeit und Geschlossenheit in der Pfarrerschaft, wie er schon 1933 laut wurde. Gerade eben hatte 297
A.a.O., 140f.
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ein alter Pfarrervereins-Mann, der in den Auseinandersetzungen um die Einheit des Bekenntnisses immer für eine innere Gemeinschaft bei äußerlich unterschiedlichen Formen eingetreten war, Theodor Dithmar, die alte kurhessische Gemeinsamkeit, wie sie sich etwa auf der Hauptversammlung vom 19. Januar 1921 in Kassel unvergeßlich gezeigt habe und die nun im Kirchenkampf von außen her aufgebrochen worden sei, den Pfarrern gegenüber wieder als Aufgabe angemahnt. Die charakteristische Einstellung des Pfarrervereins zu allen kirchlichen Fragen sei immer die des Dienenwollens gewesen. „Immer nur hat er der Kirche dienen wollen, und auch in den allerschwersten Zeiten hat er die Linie des Dienenwollens bewußt und fest innegehalten. Von ihm wird die Sorge um die innere Befriedung unserer Kirche wesentlich ihrem Endziel näher geführt werden müssen. Eine große inhaltschwere Aufgabe liegt vor ihm. Die kommenden Kämpfe werden eine in sich geschlossene Pfarrerschaft finden müssen.“ 298 Und je gewissenhafter sie das Bekenntnis der Väter in Predigt und Unterricht auswertet und von da aus die Fragen unserer Zeit aufgreift, um so mehr fördert sie die bekenntnismäßige Einheit des deutschen Protestantismus und trägt so zur Erfüllung der Aufgabe bei, „die der Kirche Jesu Christi in dieser Zeit von ihrem Herrn gesetzt ist“. 299 Wenn sich die kurhessen-waldeckische Pfarrerschaft diese Erkenntnis Wilhelm Maurers zur Richtschnur ihres Handelns nimmt, dann lichtet sich nach Auffassung Dithmars „das Dunkel, das über der Zukunft der Kirche liegt, ganz von selbst. Wir kommen näher zum Ziele, ohne konfessionelle Kämpfe, auf dem Wege der Entwicklung der in unserer Kirche vorhandenen lebendigen Kräfte“.300 Eine Bekenntnisunion in Kurhessen-Waldeck war 1936 für Dithmar so wenig denkbar wie für Maurer. Vielleicht erklärt 298
Th. Dithmar, Der „unklare“ Zustand von 1924?, Pastoralblatt 45 (1936) (114-119) 119. 299 W. Maurer, Bekenntnis und Kirche, Pastoralblatt 45 (1936) (45-50) 50. 300 Dithmar, a.a.O.
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sich - auch bei den führenden Männern im Pfarrerverein - gerade von daher der immer wieder laut werdende Ruf nach Geschlossenheit und Einheit der Pfarrerschaft. Denn nur auf diesem Grund konnte man sich einen Neubau der Kirche im Dritten Reich mit einer starken konservativen Führungsstruktur301 und die Ablösung der Ausschüsse vorstellen. Aber anders als in anderen Kirchengebieten blieb gerade in Kurhessen-Waldeck das Ausschuß-System gegenteiligen Tendenzen zum Trotz bis 1945 erhalten. Dazu trugen sicher die starken Elemente der BK unter Hans von Soden und die generelle kurhessische Abneigung gegen starre Fronten ihren Teil bei. In der schwierigen Frage des Lehrzuchtverfahrens waren Wepler und Dithmar unterschiedlicher Auffassung. Hielt Wepler ein solches Verfahren angesichts der kirchenpolitischen Entwicklung und aufgrund der Erfahrungen, die er in den Auseinandersetzungen mit Amtsbrüdern wie dem Waldecker DCVikar Grebe oder Kirchenrat Keller gesammelt hatte, für dringend notwendig, so war Dithmar zur gleichen Zeit dagegen. Im Juni-Heft des „Pastoralblattes“ von 1936 schrieb er - rechtzeitig zur Hauptversammlung in Bebra, auf der Wepler sein Plädoyer dafür hielt: „Als im Jahre 1910 die Frage eines Lehrzuchtverfahrens auch für unsere Kirche erwogen wurde, ergab sich eindeutig, daß in ihr kein Platz dafür war. Einfach um der ganzen Struktur unserer Kirche willen! Ein Fall ‚Jatho’ war bei uns ganz ausgeschlossen. Die Tradition unserer Kirche, der es an Lehrstreitigkeiten wahrhaftig nicht gefehlt hat, verbot die Errichtung eines Spruchkollegiums. Das ist heute nicht anders.“302 Die innere Zucht und Geschlossenheit unter den Pfarrern versuchte man auch auf geistlichem Wege herzustellen. So legten Dithmar, Francke und Wepler in der Vorstandssitzung vom 301
Vgl. Dithmars Hinweis auf die Schöpfer der Kirchenverfassung von 1924, „echt-konservative Männer, die wahrhaftig keinen Umsturz, sondern im Gegenteil den Aufbau wollten“, a.a.O., 118. So sollte es jetzt wieder sein! 302 A.a.O., 114.
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29. Oktober 1936 den Entwurf einer Konventsordnung vor, der dann am 9./10. November auch auf der Kreispfarrerkonferenz vorgestellt wurde. Zum 25. November 1936 lud Wepler den Vorstand zu einer gemeinsamen Sitzung mit BK-Vertretern und Bernhard von Haller, der als Vertreter Waldecks für kurze Zeit noch als Kirchenrat der EKL angehört hatte, aber kein BK-Mitglied war, ein.303 Von den früheren Vorstandsmitgliedern nahmen Dithmar und Francke teil. Auf seiten der BK waren es Professor von Soden, Kreispfarrer Schmidmann und die Pfarrer Heppe und Slenczka. Außer Wepler waren aus dem Vorstand Scheig, Schmidt und Volkenand zugegen. Wepler sprach „zunächst über die letzte Sitzung des Bundes deutscher Pfarrervereine in Berlin, berichtete über die kirchliche Lage und gab das Schreiben bekannt, das der Reichsbund an die Kanzlei des Führers und seinen Stellvertreter und zahlreiche Reichsministerien gerichtet hat.304 Ferner wurde über die D.C. und ihren Zusammenschluß sowie über die Ausschüsse der Kirchen und ihre weitere Arbeit gesprochen. Prof. v. Soden ergänzte die Ausführungen des Vorsitzenden und vertrat den Standpunkt, daß die Trennung zwischen Staat und Kirche wohl beabsichtigt gewesen sei, aber heute nicht zur Durchführung kommen werde, wies hin auf die ständig wichtige Frage des Religionsunterrichtes, den Kampf gegen das A. T. und auf die neuen Lehrpläne, sprach über die theologischen Fa303 Vgl. Slenczka (s. Anm. 28), 69f; Meier (s. Anm. 241), 300; H. Schneider (Hg.), Bernhard von Hallers Aufzeichnungen über den Kirchenkampf in Waldeck 1933/34, Geschichtsblätter für Waldeck 77 (1989) (81-188) 84. Die von Schneider genannte Jahreszahl „1936“ für von Hallers Eintritt in die Kasseler EKL kann nicht stimmen, da um diese Zeit bereits der Landeskirchenausschuß im Amt war, dem von Haller aber nicht mehr angehörte; vgl. Slenczka, a.a.O., 103f; Meier, a.a.O., 442f, Anm. 801. 304 Brief Klinglers vom 11. 11. 1936, Durchschrift im Protokollbuch 19331948, irrtümlicherweise Beilage zur Vorstandssitzung vom 21. 1. 1937, s. Anhang Nr. 17; text auch in: Schmidt (Hg.) (s. Anm. 244), Zweiter Teil (29. Mai 1936 bis Ende Februar 1937) (AGK 14), Göttingen 1965, 1150.
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kultäten und den akademischen Nachwuchs, der trostlos sei ... Die Versammlung war fest entschlossen, dahinzuwirken, daß sich unsere Landeskirche für den Fall rüste, der mit der Aufhebung des Reichskirchenausschusses305 eintreten könne ...“ 2.12 Das Jahr 1937 Im Jahre 1937 engagierte sich der Pfarrerverein durch seine Vorstandsmitglieder Wepler, der im Mai Eschweger Kreispfarrer wurde, Schmidt und Volkenand auch im Verfassungsausschuß, den der Landeskirchenausschuß eingesetzt hatte. Der Entwurf der hier erarbeiteten neuen Gemeindeverfassung wurde in der Vorstandssitzung vom 21. Januar 1937 (anwesend: Wepler, Dithmar, Francke, Schmidt, Volkenand, Wüstemann, Steinmetz, Knaak) vom Pfarrerverein gutgeheißen. Zwei Pfarrern, darunter dem Vorstandsmitglied Schmidt, mußte jetzt Rechtsschutz gegen die Gestapo gewährt werden. Für die Zukunft sicherte sich der Vorstand aber mit der Klausel ab, daß der Rechtsschutz nicht mehr gewährt werde, „wenn die Brüder Torheiten in eigener Verantwortung begehen und nicht vorher die Behörde oder ihren Pfarrerverein um Rat fragen“. Zur kirchenpolitischen Lage heißt es im Protokoll weiter: „Den Thüringer D.C.ern ist mit einem Lehrzuchtverfahren nicht beizukommen. Ein solches gibt es bei uns nicht. Ein Hineinwirken von ihnen in andere Gemeinden muß verhindert werden.“ Zehn Tage nach dem Rücktritt des Reichskirchenausschusses hieß es in der Vorstandssitzung vom 22. Februar 1937: „Der Reichskirchenausschuß mußte zusammenbrechen, a) weil die Thüringer (D.C.) Schwarmgeister weithin vom Minister gehalten und Einsetzung von Ausschüssen in diesen nicht in Ordnung befindlichen Kirchen verhindert wurde.“ Dem Reichskirchenausschuß und seinem Vorsitzenden sei, zum Beispiel in Lübeck, 305
Er trat am 12. 2. 1937 zurück; vgl. Schmidt (Hg.) (s. Anm. 304), 1339ff.
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die Redefreiheit beschränkt worden. Der Reichskirchenausschuß mußte zusammenbrechen, „b) weil die V. K. L. (Vorläufige Kirchenleitung der Bruderräte) Zöllner (sic!) hinderte, dem Führer mitteilen zu können, daß 9/10 der evangelischen Kirche im Reichskirchenausschuß geeint seien ... Der Erlaß des Führers vom 15. 2. 37, der Kirchenwahlen ‚in voller Freiheit nach eigener Bestimmung’ anordnet, ward als sehr geschickt beurteilt.“306 Welches Ziel die NSDAP im Blick auf die evangelische Kirche verfolgte, war dem in Kassel versammelten Vorstand schleierhaft: „Ob Rücksichten auf die Außenpolitik ..., ob Innenpolitik (Unruhen in München über Gemeinschaftsschule) mitsprechen? Will man die Kirche zerschlagen, will man die Staatskirche? - Jedenfalls erwartet die Kirche Kampf, der wieder kirchenbildend wirkt. Der bevorstehende Wahlkampf erfordert treues Zusammenstehen der Pfarrer. Was D. Zöllner (sic!) geleistet hat, wird erst ganz (in) späteren Tagen klar werden. Er hat auch die theologische Linie klar gehalten!“ Was die in diesen Wochen von der Kirchenleitung in Kassel verfügten Kürzungen der Pfarrergehälter betraf, so setzte sich der Pfarrerverein mehrmals mündlich und schriftlich analog der Regelung in den altpreußischen Kirchengebieten für eine moderate Lösung ein. Eine Klage, die das Vorstandsmitglied Volkenand wegen Gehaltsabzügen gegen die Kirchenbehörde führte, mußte schließlich im Herbst 1937 als aussichtslos zurückgezogen werden. Endlich wurde bei der Neureglung der Dienst- und Versorgungsbezüge doch noch eine Verbesserung erreicht, die im wesentlichen Weplers Einsatz zu verdanken war.307 306
Zu diesen Wahlen ist es nicht gekommen. Über die Hintergründe s. Meier (s. Anm. 241), 142-154. 307 Vgl. Protokollbuch 1933-1948, Ausschußsitzung, 2. 6. 1937. Bei dieser Gelegenheit teilte Schimmelpfeng in einem eingehenden Bericht über die kirchliche Lage mit, daß sich etwa 15 DC-Pfarrer der Thüringer Richtung in der Landeskirche befänden. „Die Neugründung einer Mittelpartei“ der Pfarrerschaft wollte man unter allen Umständen vermeiden. Stattdessen sollte der Pfarrerverein „darauf hinarbeiten, daß unsere Pfarrerschaft in Kurhessen die
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2.12.1 Hauptversammlung in Kassel 1937: Volkskirche oder Sekte Auf der Hauptversammlung vom 2.-3. Juni 1937 in Kassel sprach Pfarrer und Dozent D. Georg Merz (Bethel) im Gemeindehaus der Karlskirche vor 176 Vereinsmitgliedern und 30 Gästen in einem „mit Aufmerksamkeit und Dankbarkeit“ entgegengenommenen „gründlichen Vortrag“ über das Thema: „Staatskirche - Volkskirche - Freikirche - Sekte“.308 An der anschließenden Aussprache beteiligten sich vor allem Maurer, von Soden und Scheig. Zuvor hatte Wepler „die beiden Mitglieder von Soden und Happich mit der Verleihung des Abzeichens der deutschen Pfarrervereine geehrt“. Damit waren die beiden - der eine in der BK, der andere im Landeskirchenausschuß - führenden Männer der Landeskirche, zwischen denen es ein Jahr später zu einer ernsthaften Krise kommen sollte309, ausgezeichnet und den Anliegen des Pfarrervereins weiter verpflichtet worden. Sowohl in der Sitzung des Gesamtausschusses am 2. Juni als auch in der Mitgliederversammlung am 3. Juni gab Wepler wieder die Parole aus, die Pfarrerschaft in Kurhessen-Waldeck müsse einig und geschlossen die vor ihr liegende Aufgabe der Befriedung der Kirche anpacken. Dabei seien „die schärfsten sittlichen Maßstäbe“ an die kirchlichen Amtsträger anzulegen, „da sonst ihr Dienst an unserem Volke gefährdet sei. Ungeeignete Elemente sind vom Pfarrerstand fernzuhalten“. Einen entsprechenden Antrag hatte Dithmar mit Zielrichtung Kirchenleialte Geschlossenheit bewahrt“. Das war die Reaktion auf ein Rundschreiben, das der „Pfarrerkreis“ des eben gegründeten „Wittenberger Bundes“ in der zweiten Maihälfte 1937 allen evangelischen Pfarrern in Deutschland zugeschickt hatte und in dem dieser sich als „Bund der Mitte“ vorstellte. In Kurhessen-Waldeck propagierte vor allem Pfarrer Gotthelf Conrad (Kassel) diesen Bund. Über Einzelheiten informiert Meier (s. Anm. 241), 371-378. 308 Abdruck unter dem Titel „Volkskirche oder Sekte“ in: Pastoralblatt 47 (1938) 49-59. 309 Vgl. Slenczka (s. Anm. 28), 136-138.
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tung schon in der Sitzung des Gesamtausschusses eingebracht.310 In diesem Sinne wurde dann auch von der Mitgliederversammlung eine „Entschließung der Pfarrerschaft“ verabschiedet. Wepler ließ sie gleich am darauffolgenden Tag drucken und als Flugblatt an alle Vereinsmitglieder schicken: Eschwege, den 4. Juni 1937 An alle Mitglieder des Pfarrervereins! Entschließung der Pfarrerschaft auf der Hauptversammlung des Evgl. Pfarrervereins Kurhessen-Waldeck in Kassel am 3. Juni 1937 Die Not der Kirche ist auch die Not des Pfarrerstandes. Gegen diese Not lehnt sich die Pfarrerschaft nicht auf, sondern trägt sie in Gehorsam gegen Gottes Willen und in der Bereitschaft zum Dienst, den der Herr der Kirche von seinen Dienern in dieser Stunde fordert. Jede Notzeit ruft zum Zusammenschluß. Die Pfarrerschaft steht aber im Blick auf die vergangenen Jahre unter dem schmerzlichen Zeichen, daß ihre brüderliche Gemeinschaft zerbrochen ist. Diesen Riß zu heilen, ist in Sonderheit Aufgabe des Pfarrervereins, dessen Wahlspruch es ist: in necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas! Die Forderung der Stunde ist eine klare, kirchliche Haltung der Treue zum Evangelium und zum Bekenntnis der Kirche. Hinsichtlich dieser Notwendigkeit gibt es in unserem Amt nur Gemeinschaft oder Scheidung. Deshalb rufen wir noch einmal mit dem Hinweis auf den Ernst der kirchlichen Lage allen Brüdern zu: Laßt uns diese Einheit wieder herstellen, ohne die es keine Bruderschaft unter uns geben kann! Die Forderung der Stunde ist weiter, in allen Stücken auf sittliche Sauberkeit in unseren Reihen zu halten, jeden bösen Schein zu meiden und mit unerbittlicher Strenge jeden Amtsbruder zur Rechenschaft zu ziehen, der in seinem Wandel nicht ein Vorbild der Gemeinde sein will. An den Träger des kirchlichen Amtes muß der schärfste Maßstab sittlicher Beurteilung gelegt werden. 310
Die Sache wurde am 24. 6. 1937 im Vorstand mit Kirchenrat Dr. Neubauer (Kassel) erörtert. Dabei war man sich einig, daß künftig die Ortspfarrer in die Pflicht genommen werden und „die Kirche vor ungeeignetem (Theologen-)Nachwuchs bewahren sollen“.
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Sorgen wir dafür, daß man der evangelischen Pfarrerschaft nur den einen „Vorwurf“ machen kann, daß sie in unwandelbarer Treue zum Evangelium steht, um mit seiner Wahrheit unserem lieben deutschen Volk zu dienen! Das sei in allem Kampf unser Ehrenschild. Wepler311
2.12.2 Hoffnungslose Lage Am 24. Juni 1937 erfuhr der Vorstand aus Berlin, daß die Kirchenwahlen „auf lange, lange Zeit“ hin verschoben worden seien. Am 24. November 1937 teilte Kirchenminister Kerrl anläßlich einer Rede über „Weltanschauung und Religion im nationalsozialistischen Staat“ 312 in Fulda mit, die Kirchenwahlen seien vorläufig ausgesetzt. Die evangelische Kirche sei selbst Schuld daran, daß es zu keiner einheitlichen Willensbildung gekommen sei. Darum sei eine Kirchenwahl jetzt nicht möglich. Der Staat werde nun abwarten und bis auf weiteres die äußere Ordnung der Kirche aufrechterhalten. Erstmals in der Geschichte des Pfarrervereins wurde im Protokoll jener Sitzung vom 24. Juni eine Verhaftung von (über 40) Pfarrern wegen Verlesens von Kanzelabkündigungen festgehalten. In den kommenden Jahren nahm vor allen Dingen der Reichsbund der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine, zu dessen Vorstand Wepler gehörte, gegenüber verschiedenen Behörden mit Protest zu solchen Verhaftungen Stellung und forderte jeweils die Freilassung der Inhaftierten sowie ein ordentliches Gerichtsverfahren, das meistens aber nicht gewährt wurde. 311
PfrVAkten, Mappe „Kirchenangelegenheiten 1933-1948“. - Bei der Kasseler Tagung wurde, da Dippel (Immenhausen) verstorben war und Blendin (Wachenbuchen) sein Mandat niedergelegt hatte, eine Ergänzungswahl für den Vorstand notwendig. Einstimmig wurden gewählt: D. Schäfer, Steinmetz, Wüstemann, Römheld. 312 Vgl. Zur Geschichte des Kirchenkampfes. Ges. Aufsätze II (AGK 26), Göttingen 1971, 123.
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Auf Reichsebene fanden sich am 5./6. Juli 1937 im sogenannten „Kasseler Gremium“ im Blick auf die Neuordnung der DEK und die angestrebten, aber umstrittenen Kirchenwahlen Kirchenführerkonferenz, Lutherrat und VKL zu einer, allerdings bald vorübergehenden, Kooperation zusammen. Sie ließ nach der sogenannten „Kasseler Botschaft“ vom 23. August 1937, in der die Bedrückung der BK und die deutschgläubige Überfremdung des öffentlichen Lebens beklagt wurden313, in der Pfarrerschaft neue Hoffnung aufkeimen, die aber durch die Ereignisse in den nächsten Wochen bald wieder zugrunde ging. Zur Vorstandssitzung am 21. Oktober 1937 (anwesend: Wepler, Schmidt, Scheig, Volkenand, Schimmelpfeng, Wüstemann, Francke, Dithmar, Steinmetz, Knaak) brachte Wepler von der Führertagung der Pfarrervereine in Bautzen (20.-22. September) die Information mit, „daß es zwischen Staat und Kirche kein Verstehen mehr zu geben scheint, auch Staatskirche nicht mehr möglich ist. Antwort Künneths auf Rosenbergs RomPilger ist mit 70 000 Exemplaren beschlagnahmt, ebenso der Druck selber ... Die gesamtkirchliche Lage ist sehr traurig und z. Zt. hoffnungslos. Die Auflösung der Landeskirchenausschüsse und die Zerstörung der Gesamtkirche schien kaum abwendbar. - Dennoch erhält (sic!) das Gerücht, daß das Wort des Führers doch eingelöst würde und die Wahlen im Frühjahr kämen.“ In der letzten Vorstandssitzung des Jahres 1937 am 9. Dezember (anwesend: Wepler, Scheig, Wüstemann, Volkenand, Schimmelpfeng, Dithmar, Francke; als Vertreter der Witwenund Waisenkasse: Steinmetz, D. Schäfer, Römheld; als Vertreter der Schaumburger: Wolff) ging es außer um die üblichen Finanzhilfen an einzelne Mitglieder um die Regelung der Versor313 Zum „Kasseler Gremium“ vgl. Meier (s. Anm. 241), 153f; ders., Der evangelische Kirchenkampf, Bd. 3: Im Zeichen des zweiten Weltkrieges, Göttingen 1984, 26-33; „Kasseler Botschaft“, in: H. Hermelink, Kirche im Kampf. Dokumente des Widerstands und des Aufbaus in der Evangelischen Kirche Deutschlands 1933-1945, Tübingen/Stuttgart 1950, 411.
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gung der Rinteln-Schaumburger Pfarrerschaft, die zum 1. Januar 1938 in die Hannoversche Landeskirche inkorporiert werden sollte. Im übrigen berichtete Wepler, daß Klingler an einem neuen Gesetz zur Pfarrergehaltszahlung auf DEK-Ebene mitarbeitet und daß er eben den Reichsjustizminister „um Freilassung aller inhaftierten Pfarrer“ gebeten habe.314 Schließlich noch die Nachricht, das „Deutsche Pfarrerblatt“ sei so in Existenznot geraten, daß die Bischöfe Wurm (Stuttgart) und Meiser (München) zur Zeit mit Kerrl wegen möglicher Rettung verhandelten. Auf die Mitteilung hin, daß die Innere Mission säkularisiert werden solle und ein entsprechendes Gesetz schon in Vorbereitung sei, wurde Wepler beauftragt, eine Zusammenstellung des Vermögens in Kurhessen-Waldeck zu veranlassen und mit anderen Landeskirchen sowie mit dem Reichsbund der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine in dieser Angelegenheit Fühlung zu nehmen. 2.13 Das Jahr 1938 Im Laufe des Jahres 1938 beschäftigten Vorstand und Mitglieder des Pfarrervereins neben dem für den 1. April angekündigten neuen Besoldungsgesetz, der auf Initiative des Vorstandes entstandenen neuen Bestattungsordnung für Pfarrer und einer Lebensordnung für Studierende der Theologie auch die Arbeiten an einem Heft mit Begräbnisliedern, „damit auch den städtischen Gemeinden wieder die Möglichkeit gegeben werde, bei der Bestattung ihrer Glieder den evangelischen Choral zu sin314 Brief Klinglers an Reichsjustizminister Dr. Gürtner, 1. 11. 1937, in: Dokumente (s. Anm. 218), 115f. Vgl. auch Klinglers Bitte vom 17. 12. 1937 um Freilassung „einer großen Anzahl evangelischer Geistlicher“ noch vor Weihnachten an Reichsminister Kerrl, a.a.O., 117. Daraufhin wurden 100 Pfarrer aus der Haft entlassen; vgl. Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 10. 1. 1938.
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gen“.315 In den sieben Vorstands- und Ausschußsitzungen von 1938 waren die Befriedung der DEK und die jeweilige kirchenpolitische Lage immer wieder Gegenstand der Beratungen, so zum Beispiel auch die drohende „Beseitigung des Religionsunterrichts in der Schule“.316 Im Protokoll der Vorstandssitzung vom 17. Februar 1938 (anwesend: Wepler, Dithmar, Francke, Steinmetz, Schmidt, Scheig, Volkenand, Wüstemann) heißt es nach einem Bericht Weplers über „Prozeß Niemöller, Amtsbrüderliche Nothilfe, den Bau eines Pfarrhausarchivs in Wittenberg, wozu der Pfarrerverein317 100 000 RM Beihilfe gibt, besonders über die männliche Diakonie“ zur kirchlichen Lage: „Gegen die Beschimpfung der Kirche im schwarzen Korps: ‚Ein feste Burg ist unser Gold’ ward mit scheinbarem Erfolg Beschwerde erhoben, in Düsseldorf ward zum Vorsitzenden der kirchlichen Finanzverwaltung ein aus der Kirche Ausgetretener gemacht. In Mecklenburg sind 22 Nichttheologen und 40 ohne das 1. Examen im Pfarramt: sonderbare Werbemethoden des Landesbischofs Schultz dort ... In Sachen des Kreisleiters Bohl in Hofgeismar, der Kreispfarrer und Pfarrerschaft schwer beleidigt hat, wird Wepler beauftragt, mit (Rechtsanwalt) Strippel zu verhandeln und vom Staatsanwalt eine befristete Antwort zu erbitten, da sonst Abkündigung erfolgen soll“. Bohl hatte geäußert: „Kein Pfarrer war im Schützengraben. Ja vielleicht ist einer gelegentlich wie eine RotKreuz-Schwester durch eine versprengte Granate getroffen worden. Die Pfarrer sind Schweinehunde.“318
315
H. Schmidt, Bericht über die Frühjahrshauptversammlung in Hanau am 5. und 6. Juli 1938, Pastoralblatt 47 (1938) (97-98) 98. 316 Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 10. 1. 1938. 317 Gemeint war der Reichsbund der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine. 318 Zit. von H. Wepler, Bericht des Vorstandes, Pastoralblatt 47 (1938) (98101) 100. Zu Weplers Protest: ebd. Wepler betonte, daß im Weltkrieg 200 Pfarrer, 500 Vikare und Kandidaten, 1 800 Theologiestudenten gefallen seien, a.a.O., 101.
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2.13.1 Pfarrereid Am 12. Mai 1938 beschloß der Vorstand (anwesend: Dithmar, Francke, Steinmetz, Wepler, Scheig, Schmidt, Schimmelpfeng, Wüstemann) nach Informationen Wüstemanns über die Behandlung der Eidesfrage 319 in der sogenannten Preußengruppe der Pfarrervereine, zu der auch der kurhessische Verein zählte: „Der Eid soll ‚gebunden an das Ordinationsgelübde’ ohne Talar und Kirchenraum geleistet werden.“ Der Landeskirchenausschuß hatte aber bereits am 2. Mai eine „Verordnung über den Treueid der Pfarrer und Kirchenbeamten“ erlassen, in deren „Ausführungsverordnung“ (§ 2) vom selben Tage die Ableistung des Eides „in Amtstracht“ vorgeschrieben wurde. 320 Ebenfalls am 12. Mai ließ Hans von Soden als Vorsitzender des Landesbruderrates der BK den Vertrauensleuten eine ausführliche Stellungnahme zur Eidesfrage zukommen. In ihr wurde die im obigen Pfarrervereinsvorstandsbeschluß eingefügte Klausel, ohne daß von Soden von diesem Beschluß wußte, aus rechtlichen Gründen zurückgewiesen.321 Daß der Eid auf den Führer Adolf Hitler322 seit der Weigerung Karl Barths, ihn uneingeschränkt zu 319
Dazu Näheres im Blick auf Kurhessen-Waldeck bei Slenczka (s. Anm. 28), 139f, 221-228; im Blick auf die gesamte evangelische Kirche vgl. A. Gerlach-Praetorius, Die Kirche vor der Eidesfrage. Die Diskussion um den Pfarrereid im Dritten Reich (AGK 18), Göttingen 1967. - Wepler (s. Anm. 318), 101: „Wir haben selbst auch da, wo vom Ordinationsgelübde her Bedenken gegen die Formulierung des Eides laut wurden, die Gewißheit gehabt, daß in unserer Landeskirche kein einziger Pfarrer ist, der nicht gewillt wäre, dem Führer des dritten Reiches Treue und Gehorsam zu geloben und dem Staate zu geben, was des Staates ist.“ 320 Dokumente bei Slenczka, a.a.O., 221f; zuerst veröffentlicht in: Kirchl. Amtsblatt (6. 5. 1938) Nr. 5, S. 27. 321 Rundbrief, 12. 5. 1938, in: Theologie und Kirche im Wirken Hans von Sodens (s. Anm. 120), 267-270 [ND in: Dorhs (Hg.), Kirche im Widerspruch, Bd. II/2 (s. Anm. 75), 353-357]; auch in: Slenczka, a.a.O., 223-226 (mit kleineren Fehlern). 322 Wortlaut, a.a.O., 221.
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leisten, auch innerhalb der BK umstritten war, zeigt gerade von Sodens andere Position, die er übrigens mit Rudolf Bultmann teilte.323 2.13.2 Hauptversammlung in Hanau 1938: Ja zum nationalen Geschehen der Gegenwart Vom 5.-6. Juni 1938 trafen sich wieder zahlreiche Mitglieder zur Hauptversammlung in Hanau. Neben dem üblichen Jahresbericht des Vereinsführers standen zwei Vorträge auf dem Programm: 1. Studiendirektor des Predigerseminars Hofgeismar, Professor D. Hans-Wilhelm Hertzberg: „Der lebendige Gott im Alten Testament“; 2. Vorsitzender des Evangelisch-Sozialen Kongresses, Pfarrer D. Johannes Herz, Leipzig: „Was hat uns das deutsche soziale Prophetentum Wicherns, Stoeckers und Naumanns für die kirchliche Gegenwart zu sagen?“324 Auch auf dieser Versammlung betonte der Pfarrerverein wieder seine tiefe Verbundenheit mit dem nationalen Geschehen in Deutschland. Nachdem sich seit Anfang des Jahres 1938, vor allem seit der Zusammenkunft des österreichischen Bundeskanzlers Schuschnigg mit Hitler am 12. Februar in Berchtesgaden, die Zeichen mehrten, daß auf terrorähnliches Drängen der österreichischen NSDAP hin die „Machtergreifung“ auch hier kurz bevorstand, marschierten auf Befehl Hitlers am 12. März deutsche Truppen in Österreich ein.325 Ein Tag später wurde der „Anschluß“ durch gleichlautende Gesetze der deutschen und der 323
Vgl. Jaspert (Hg.), Karl Barth - Rudolf Bultmann, Briefwechsel 19221966 (s. Anm. 37), 155-158, 165, 263-267, 269-279; H. Prolingheuer, Der Fall Karl Barth. Chronologie einer Vertreibung, Neukirchen-Vluyn 21984; Theologie und Kirche im Wirken Hans von Sodens, a.a.O., 271-278. 324 Abdruck in: Pastoralblatt 47 (1938) 113-126. Der Vortrag Hertzbergs erschien in: JK 6 (1938) 490-496. 325 Vgl. zum folgenden J. Fest, Hitler. Eine Biographie, Frankfurt a. M./ Berlin/Wien 1973 (Neuausgabe 1987), 748-756.
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österreichischen Regierung auch rechtlich vollzogen. Bei einer von den Nationalsozialisten unter Bundeskanzler Seyß-Inquart mit Druck eilends durchgeführten Volksabstimmung am 10. April votierten 99,73 % der abgegebenen Stimmen für die „vollzogene Wiedervereinigung mit dem Deutschen Reich“. Der Vereinsführer des Pfarrervereins kommentierte am 6. Juni in Hanau diesen Vorgang mit den Worten: „Die Abstimmung über die Eingliederung der deutschen Ostmark (sic!) in das Deutsche Reich hat den Verdacht zum Schweigen gebracht, als könnte der evangelische Pfarrer an dem großen nationalen Erleben solcher Stunde nicht mit ganzem Herzen teilnehmen ... Ich bin gewiß, daß kein evangelischer Pfarrer in Deutschland ohne Dank und Freude die Wiedervereinigung der Ostmark (sic!) mit dem Reich begrüßt hat. Wie könnte das auch anders sein bei Männern, die das Verständnis für deutsche Geschichte pflegen wollen!“326 Nachdem Wepler die Zustimmung der Pfarrerschaft zum nationalen Geschehen der Gegenwart auch noch unter Hinweis auf den selbstverständlichen Gehorsam bei der Ableistung des Beamteneides auf den Führer Adolf Hitler unterstrichen hatte, fragte er die Kirchen- und Pfarrerkritiker aus den Reihen der Partei: Dürfen die so loyalen Pfarrer „nicht mit Recht die stille Hoffnung hegen, daß das Märchen von der politischen Reaktion in den Reihen der Pfarrerschaft nun endlich ausstirbt?“ Und selbstbewußt fuhr er fort: „Wir erwarten, daß man sich nunmehr ernsthaft bemüht, unsere kirchliche Haltung einzig und allein vom Evangelium her zu verstehen. Sollten wir uns aber in dieser Erwartung täuschen, so wollen wir uns trotzdem in unserer Haltung nicht beirren lassen.“ Anknüpfend an ähnliche Äußerungen von 1933 und ganz auf der Linie des großen Vortrages von Sodens über Kirche und Obrigkeit bei der Hauptversammlung 1935, rief Wepler den in Hanau versammelten Vereinsmitgliedern und Gästen schließlich zu: „In der Treue zu Obrig326
Wepler (s. Anm. 318), 101.
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keit und Staat läßt sich das deutsche evangelische Pfarrhaus treu seiner 400jährigen Tradition von keinem anderen Stand übertreffen. Diese Treue hat ihre Wurzel, ihre Kraft und ihr Ziel in dem Bekenntnis: „’Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.’“ 327 Das konnte doch nur bedeuten: diesen Staat unter keinen Umständen in seinen Forderungen und Handlungen kritisieren oder gar bekämpfen, weil er ein von Gott gegebener und geschützter Staat war. Mit dieser Art von Staatstreue hatte der Pfarrerverein aber jene durch von Soden bei aller Obrigkeits-treue noch deutlich ausgesprochene Grenze des unbedingten Gehorsams dem Staat gegenüber aus den Augen verloren, nämlich wo der Staat selbst - d. h. die staatlichen Machthaber und alle, die ihnen folgen - gegen Gottes Gebot handelt und damit die Linie überschreitet, die als äußerste Grenze seines Handelns von Gott selbst gesetzt ist. Man könnte auch sagen: wo der Staat totalitär sich selbst an die Stelle Gottes setzt und bestimmt, was gut und was böse ist. Damit hatte der Pfarrerverein aus einem nationalkonservativen Interesse seiner Führung heraus sich selbst der Möglichkeit beraubt, in den kommenden Kämpfen die Geister zu unterscheiden und um Gottes und der der Pfarrerschaft anvertrauten Menschen willen Ja zu sagen, wo das Ja geboten, und Nein zu sagen, wo das Nein erforderlich war. Ein wirklicher Widerstand gegen den staatstotalitären Nationalsozialismus war auf diesem Wege nicht mehr möglich. Um so tragischer war es, daß der Pfarrerverein, wie schon bald nach Beginn des Dritten Reiches, so auch in den folgenden Jahren, immer wieder mit den staatlichen Behörden in zum Teil harte Auseinandersetzungen geriet, da jeder zu seinem Teil meinte, dem Staat und seinen politischen Anliegen echt treu zu sein - die Pfarrer als Kirchenbeamte auf der einen, die Staatsbeamten auf der anderen Seite.
327
Ebd.
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2.13.3 Reichspogromnacht und „Befriedung der Kirche“ Nach der Olympiade 1936 in Berlin, während der die Kirchen von seiten des Staates vorübergehend etwas geschont wurden, setzte aber nicht nur für diese eine neue Phase des Kampfes ein. Auch der Druck auf die Juden in Deutschland wuchs in der folgenden Zeit wieder merklich an, bis er sich in dem systematisch organisierten Pogrom in der sogenannten Reichskristallnacht vom 9./10. November 1938 auf entsetzlichste Weise entlud.328 Das war der Anfang der massenhaften Vernichtung der Juden in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches. Die Unterdrückung der Juden in Deutschland, wie sie durch Hitlers „Mein Kampf“ und die bereits genannten „Nürnberger Rassengesetze“ vorgezeichnet war und jetzt Stück für Stück ausgeweitet wurde, „läßt sich an den vielen Einzelverboten ablesen, die in den folgenden Monaten und Jahren in einer nicht mehr abreißenden Folge verkündet wurden: So wurden zum Beispiel jüdischen Kleinrentnern Unterstützungszahlungen versagt. Oder: Das Verbot, die Reichs- und Nationalflagge zu hissen, wurde auch auf die in ‚Mischehe’ lebenden ‚Deutschen’ ausgedehnt. Die Berufsverbote und Berufsbeschränkungen mehrten sich, so zum Beispiel für jüdische Viehhändler, Notare, Diätküchenleiter und Schornsteinfeger. Juden wurde die Erlangung des Doktorgrades untersagt. Sie bekamen keine Jagdscheine mehr. Im Sommer 1937 wurde an den Kurorten die strenge Trennung zwischen ‚Deutschen’ und ‚Juden’ eingeführt. Im 328 Vgl. H. Graml, Der 9. November 1938 - „Reichskristallnacht“ (Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimatdienst 2), Bonn 61958; ders., Reichskristallnacht. Antisemitismus und Judenverfolgung im Dritten Reich, München 1988; H. Mommsen, Die Funktion des Antisemitismus im „Dritten Reich“. Das Beispiel des Novemberpogroms, in: G. Brakelmann/M. Rosowski (Hg.), Antisemitismus. Von religiöser Judenfeindschaft zur Rassenideologie, Göttingen 1989, 179-192, Nachdreuck in: D. Blasius/D. Diner (Hg.), Zerbrochene Geschichte. Leben und Selbstverständnis der Juden in Deutschland, Frankfurt a. M. 1991, 161-171, 234-236.
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November 1937 wurde Juden der Hitlergruß im Gericht untersagt. Mildtätigen jüdischen Stiftungen wurden die bisherigen Steuervergünstigungen abgesprochen. Am entscheidendsten war wohl, daß mit einer Verordnung vom August 1938 die Juden öffentlich gebrandmarkt werden sollten durch das Verbot, nichtjüdische Namen zu tragen, und durch die Auflage, den Zwangsnamen ‚Israel’ bzw. ‚Sara’ zu führen. ... Diese Namen mußten auch im Paß und in der Kennkarte eingetragen sein. Wer seinen jüdischen Namen ‚im Rechts- und Geschäftsverkehr’ verschwieg, wurde mit Gefängnis bis zu einem halben Jahr bestraft. Seit Anfang 1938 verstärkte sich auffällig die Vertreibung der Juden aus dem gesamten Wirtschaftsleben. Selbständige jüdische Unternehmen hatten praktisch keine Chance mehr, ihren Betrieb weiterzuführen, da sie keine Devisen und keine Genehmigung zum Rohstoffbezug bekamen. Ihre Betriebe wurden jetzt ‚arisiert’. Ab September 1939 durften jüdische Ärzte nur noch jüdische Patienten behandeln. Jüdische Anwälte waren nicht mehr bei Gericht zugelassen und konnten als sog. ‚Konsulenten’ nur noch jüdische Klienten beraten und vertreten. In der zweiten Hälfte des Jahres 1938 schwoll darum die Welle der Auswanderung unaufhörlich an ...“329 Vier Wochen nach der Reichspogromnacht notierte Schmidt über die Vorstandssitzung vom 15. Dezember 1938 (anwesend: Wepler, Scheig, Schmidt, Schimmelpfeng, Dithmar, Francke und Steinmetz) im Protokollbuch: „Wepler berichtete über die kirchliche Lage. Im Gefolge der Niederbrennung der jüdischen Synagogen sind auch einige Pfarrer von vermummten Gestalten bedroht, geschlagen oder ihrer Freiheit beraubt worden. So in Simmern im Hundsrück (sic!), in Wunsiedel, in Nahstätten a. Rh., Ruppertshofen und Frankenau. Vorstellungen des Reichsbundesführers sind bei Göring erhoben worden.“ Der Pogrom scheint die Brüder nicht näher beschäftigt zu haben. Dafür war die „Befriedung der Kirche“ wieder einmal 329
Röhm/Thierfelder (s. Anm. 247), 29f.
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Gegenstand der Beratungen. Die Bemühungen Kerrls in dieser Hinsicht („Oktoberprogramm“) erschienen dem Vorstand als „wenig aussichtsreich. Der einzig noch mögliche Weg scheint über die Pfarrerschaft zu führen ... Von Soden lehnt den Entwurf Kerrls ab, weil Art. I und II der Verfassung von 1933 widersprechend.“330 In der Weihnachtsnummer des „Pastoralblattes“ von 1938 auch das verdient angesichts der Lebensumstände des Dichters hier Erwähnung - wurden den Lesern von Schriftleiter Schimmelpfeng gleich vier Bücher Jochen Kleppers vorgestellt: das erste, das in die Hand eines jeden Pfarrers gehöre, 1937, die drei anderen 1938 erschienen: „Der Vater. Roman eines Königs“, „In tormentis pinxit. Briefe und Bilder des Soldatenkönigs“, „Der Soldatenkönig und die Stillen im Lande“ und „Kyrie. Geistliche Lieder“.331 2.14 Das Jahr 1939 Im Jahr 1939 fanden eine Ausschuß- und fünf Vorstandssitzungen des Pfarrervereins statt. Wie der Bruderrat der BK in Marburg begrüßte auch der Pfarrerverein am 13. Februar 1939 (Ausschußsitzung) das am 11. Januar in Berlin von der Kirchenführerkonferenz beschlossene „Grundsätzliche Wort zur Neuordnung der DEK“.332 Er stimmte ihm weitgehend zu und emp330
Zum Entwurf Kerrls für eine Neuordnung in der Verwaltung der DEK, dem sog. Oktoberprogramm, und den verschiedenen Reaktionen darauf vgl. Meier (s. Anm. 313 [Der evangelische Kirchenkampf, Bd. 3]), 62ff. Vgl. auch Theologie und Kirche im Wirken Hans von Sodens (s. Anm. 120), 278292; H. von Soden, Artikel I der Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche vom Juli 1935 und die Barmer Theologische Erklärung, Gießen 1937 = UG II, 272-293. 331 Vgl. Pastoralblatt 47 (1938) 181-185, 189. 332 KJ (1933-1944), Gütersloh 21976, 276ff; dazu Meier (s. Anm. 313 [Der evangelische Kirchenkampf, Bd. 3]), 72.
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fahl allen Amtsbrüdern, das gleiche zu tun, „damit eine möglichst einmütige Haltung der deutschen Pfarrerschaft zustande kommt“. Wepler, der am 12. Januar an der Führerratssitzung des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine teilgenommen hatte, war dort an dem Beschluß mitbeteiligt, dieses „Wort“ sofort allen Pfarrern in Deutschland zukommen zu lassen. Die von den Landesbischöfen Marahrens und Wurm sowie Landessuperintendent Hollweg namens der Kirchenführerkonferenz ausgearbeitete und „dem Kirchenminister eingereichte Denkschrift gewann insofern noch größere Bedeutung, als sie am 12. Januar 1939 vom Reichsführerrat des ‚Reichsbundes der deutschen evangelischen Pfarrervereine’ allen Mitgliedern der deutschen Pfarrervereine im Wortlaut zugestellt und von über elftausend Pfarrern gutgeheißen wurde. Durch die Tatsache, daß die Kirchenführerkonferenz unter Landesbischof Marahrens von den Pfarrervereinen zentral gezielte Unterstützung erhielt, wurde deutlich, daß die Orientierung Kerrls auf die Kreise der ‚Mitte’, die er für seine damalige kirchenpolitische Linie heranzog, ein breites gesamtkichliches Echo nicht finden konnte. Solange das Potential der bekenntnisbestimmten Landeskirchen nicht engagiert werden konnte, gewann die kirchenpolitische Linie Kerrls keine Tragkraft. Daß es Kerrl hernach unter Einbeziehung des landeskirchlichen Potentials der Nationalkirchler versuchte ..., sollte dem Unternehmen größere Breitenwirkung verschaffen.“333 2.14.1 Kerrls „Grundsätze“ - von Sodens Rückzug In den Frühjahrsmonaten unternahm Kirchenminister Kerrl, nachdem er mit seinen Vorstellungen über ein friedliches Zusammengehen von Kirche und Staat bei den elf DC-Kirchen333
Meier, a.a.O., 72 und 626, Anm. 204.
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leitungen im Reich nicht wie erhofft durchgedrungen war, auf einen Hinweis von Landesbischof Marahrens hin einen neuen Versuch einer Einigung.334 Mit dem Entwurf von entsprechenden Grundsätzen, auf die sich alle kirchlichen Richtungen einigen könnten, beauftragte er Oberkonsistorialrat Professor Lic. Theodor Ellwein von der DEK-Kanzlei (seinerzeit vom Pfarrerverein vergeblich als Referent der Hauptversammlung 1936 eingeladen), der seinerseits als Helfer noch Oberkonsistorialrat Heinz Brunotte und Domprediger Hans Schomerus hinzuzog. Nachdem die sogenannte Godesberger Erklärung vom 26. März 1939 mit ihrer antiökumenischen und antisemitischen Tendenz335 keine Basis für eine kirchliche Befriedung hat abgeben können, war eine breitere Grundlage dringend erforderlich. Die von Ellwein und seinen Helfern ausgearbeiteten und von Kerrl am 16. Mai 1939 Marahrens und Siegfried Leffler (Nationalkirchliche Einigung Deutsche Christen, Weimar) vorgelegten „Grundsätze für eine den Erfordernissen der Gegenwart entsprechende neue Ordnung der Deutschen Evangelischen Kirche“ sollten diese Grundlage bilden. Sie lauteten: Durch den Erlaß des Führers und Reichskanzlers vom 15. Februar 1937 (RGBl I, S. 203) ist angeordnet, daß die Kirche in voller Freiheit nach eigener Bestimmung des Kirchenvolkes sich selbst die neue Verfassung und damit eine neue Ordnung geben solle. Um die Vorbereitung und Durchführung einer Generalsynode in Form eines Großdeutschen Evangelischen Kirchentages zu sichern und fruchtbar zu gestalten, bedarf es klarer Grundsätze. Solche Grundsätze sind: 1. Die Evangelische Kirche hat von Martin Luther gelernt, die Bereiche der Vernunft und des Glaubens, der Politik und der Religion, des Staates und der Kirche scharf zu unterscheiden. Die nationalsozialistische Weltanschauung ist die völkisch-politische Lehre, die den deutschen Menschen bestimmt und gestaltet. Sie ist als solche auch für den christlichen Deutschen verbindlich. Die Evangelische Kirche ehrt im Staate eine von Gott gesetzte Ordnung und fordert von ihren Gliedern treuen Dienst in dieser Ordnung. 334 335
Vgl. zum folgenden Meier, a.a.O., 78ff. Text bei Meier, a.a.O., 75f.
270
2. Das Evangelium gilt allen Völkern und allen Zeiten. Die Evangelische Kirche hat aber von Martin Luther gelernt, daß wahrer christlicher Glaube sich nur innerhalb des von Gott geschaffenen Volkstums kraftvoll entfalten kann. Wir lehnen daher den politischen Universalismus römischer und weltprotestantischer Prägung entschieden ab. 3. Die nationalsozialistische Weltanschauung bekämpft mit aller Unerbittlichkeit den politischen und geistigen Einfluß der jüdischen Rasse auf unser völkisches Leben. Im Gehorsam gegen die göttliche Schöpfungsordnung bejaht die Evangelische Kirche die Verantwortung für die Reinerhaltung unseres Volkstums. Darüber hinaus gibt es im Bereich des Glaubens keinen schärferen Gegensatz als den zwischen der Botschaft Jesu Christi und der jüdischen Religion der Gesetzlichkeit und der politischen Messiashoffnung. 4. Die Evangelische Kirche hat die Aufgabe, dem deutschen Menschen die Botschaft von der Offenbarung Gottes in Jesus Christus so zu verkündigen, wie sie uns die Reformatoren, insbesonders D. Martin Luther, verstehen gelehrt haben. 5. Ob ein einmütiges Verständnis dieser Botschaft möglich ist, wird nur entschieden werden können, wenn die bestehenden Spannungen innerhalb des deutschen Protestantismus in kraftvoller Lebendigkeit getragen und das notwendige Gespräch im Geiste der Wahrhaftigkeit und der Verträglichkeit fortgeführt wird. Daher ist eine klare Ordnung zu schaffen, die die Verkündigung des Evangeliums sichert und eine ausreichende geistliche Versorgung aller Glieder der Kirche gewährleistet.336
Am 26. Mai wurde der Text allen Landeskirchenführern zur Unterschrift zugeschickt. Aber nicht nur aus den Reihen der DC-Kirchenleitungen, auch aus den anderen Landeskirchen kamen Bedenken gegen die „Grundsätze“. Einen Gegenvorschlag der Kirchenführerkonferenz mit Modifikationen337 wollte Kerrl nicht akzeptieren. 336 A.a.O., 80; Text auch in: KJ (1933-1944), Gütersloh 21976, 290f; Theologie und Kirche im Wirken Hans von Sodens (s. Anm. 120), 298. Vgl. dazu L. Wenschkewitz, Politische Versuche einer Ordnung der Deutschen Evangelischen Kirche durch den Reichskirchenminister 1937 bis 1939, in: Zur Geschichte des Kirchenkampfes. Ges. Aufsätze II (AGK 26), Göttingen 1971, (121-138) 136f. 337 Vgl. Meier, a.a.O., 81. Grundsatz 3 ist hier, ein halbes Jahr nach dem Novemberpogrom von 1938, immer noch scharf antijudaistisch und rassis-
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Nachdem es in der Kirchenführerkonferenz darüber zu heftigen Auseinandersetzungen und Vorwürfen der süddeutschen Bischöfe Wurm und Meiser gekommen war, daß Marahrens, Landesbischof Johnsen (Braunschweig) und Happich (Kurhessen-Waldeck) die theologisch-kirchlichen Bedenken gegen die „Grundsätze“ gering schätzten und sich von Kerrl mit vagen Hoffnungen abspeisen ließen, unterzeichnete Marahrens schließlich doch noch am 20. Juni die unveränderten „Grundsätze“. Johnsen und Happich folgten ihm. Aber zu der erhofften Neuordnung innerhalb der DEK kam es nicht, da auch die DCSeite mehrheitlich ihre Unterschrift verweigerte. Mit der Unterzeichnung hatte Happich als Vorsitzender des Landeskirchenaussachusses, nachdem er sich am 29. Juni der Zustimmung der Kreispfarrer versichert hatte, „Grundsätze“ anerkannt, die in der Landeskirche von Kurhessen-Waldeck auf seiten der BK keineswegs akzeptiert werden konnten. Von Soden, der an der Kreispfarrerkonferenz teilgenommen hatte, bat am 2. Juli in einem ausführlichen Schreiben an Happich, ihn künftig nicht mehr zu Sitzungen des Landeskirchenausschusses oder der Kreispfarrerkonferenz einzuladen und ihn von seiner Mitgliedschaft im Prüfungsausschuß der Landeskirche für die zweite theologische Prüfung zu entbinden. Er schrieb, wie er bereits bei der Kreispfarrerkonferenz in Kassel erklärt habe, könne er „einer Kirche, deren Leitung die Unterschrift unter die vom Reichsminister Kerrl vorgelegten Grundsätze für vertretbar bzw. in der gegebenen Situation für gewissensmäßig geboten halten müßte, nur (noch) als passives Mitglied angehören“.338 tisch formuliert: „Im Bereich des Glaubens besteht der scharfe Gegensatz zwischen der Botschaft Jesu Christi und seiner Apostel und der jüdischen Religion der Gesetzlichkeit und der politischen Messiashoffnung, die auch schon im Alten Testament mit allem Nachdruck bekämpft ist. Im Bereich des völkischen Lebens ist eine ernste und verantwortungsbewußte Rassenpolitik zur Reinerhaltung unseres Volkes erforderlich.“ 338 Brief von Sodens an Happich vom 2. 7. 1939, in: Theologie und Kirche im Wirken Hans von Sodens (s. Anm. 120), (299-306) 299.
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Im Blick auf die Haltung der Kreispfarrer gegenüber den Kerrlschen „Grundsätzen“ schrieb von Soden: Von dem Inhalt der Sätze abgesehen, abgesehen auch von dem hier angenommenen m. E. falschen Verhältnis zwischen sachlichen Aussagen und politischen bzw. kirchenpolitischen Erklärungen kommen für mich noch zwei Faktoren von großer Bedeutung hinzu, durch die meine weitere Mitarbeit in Kassel ausgeschlossen wird. Es handelt sich einmal darum, daß am 29. Juni als grundsätzlicher Standpunkt getätigt (und auch ausgesprochen) wurde, daß Kurhessen, Hannover und Braunschweig zusammengehören. Ist also, wie es im Augenblick der Fall ist, ein sachlicher Konflikt gegeben, bei dem die Kirchenleitung von Hannover auf der einen Seite, die süddeutschen Kirchenleitungen aber auf der entgegengesetzten Seite stehen, so ist es für Hessen als feststehend erachtet, daß sein Platz auf der Seite von Hannover ist. Ich habe wiederum durchaus Verständnis und Achtung dafür, wenn eine kleinere Landeskirche sich an eine größere anschließt; ich kann aber irgendeine Art von Mitverantwortung für einen Kurs, der durch den jeweiligen Vorgang von Hannover grundsätzlich bestimmt wird, bei aller hohen Schätzung des Inhabers der dortigen Kirchenleitung nicht übernehmen. Ich halte das auch angesichts der Konstitution unserer Landeskirche nicht für berechtigt. Es wäre m. E. erwünscht gewesen, wenn wie D. Marahrens so auch D. Meiser oder D. Wurm Gelegenheit bekommen hätten, vor der Kreispfarrerkonferenz ihren Standpunkt zu entwickeln. Daß sie in München und Stuttgart Bischöfe sind, besagt ja nichts gegen ihren Standpunkt. Der andere Faktor liegt im Verhalten der Mehrheit der Kreispfarrerkonferenz. Die Aussprache hat sich eigentlich ganz auf den ersten Satz beschränkt und ist auch bei diesem nur unter beschränkten Gesichtspunkten geführt worden, nämlich ob „nationalsozialistische Weltanschauung“ nach Rosenberg zu deuten sei. Der dritte Satz, den ich gleich von Anfang mit zur Aussprache gestellt hatte, ist in diese gar nicht einbezogen worden. Und nach den drei anderen Sätzen, die nur einmal vorgelesen waren, hat überhaupt niemand mehr gefragt. Von ihnen ist besonders der fünfte höchst wichtig und unvereinbar mit der Kirchenführererklärung vom Januar. Wie kann man eigentlich verkennen, daß er bewußt gegen die Erklärung gerichtet ist? Wie kann man nicht erkennen, daß alle fünf Sätze (und nicht nur der zweite) die deutsche evangelische Kirche von der Ökumene lösen sollen? Es war in Kassel deutlich zu erkennen, daß der Inhalt der Sätze der Mehrheit der Kreispfarrerkonferenz überhaupt gar nicht wichtig waren [sic!]; sonst hätten [sic!] sie sich diesen Inhalt doch wenigstens gründlicher angesehen. Für sie war entscheidend, wie es ja in dem immer wieder gebrauchten und unglücklichen Bilde vom Befehlsgehorsam zum Ausdruck kam, daß hier ein angese-
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hener und vertrauenswürdiger Kirchenführer eine Unterschrift geleistet hatte, und das genügte ihr vollkommen, um an ihrem Teil und im Maße ihrer Zuständigkeit und Verantwortlichkeit, Sie zu autorisieren, die gleiche Unterschrift zu leisten. Das ist eine Weise der Behandlung schwierigster und verantwortlichster sachlicher Entscheidungen, die ich als unsachlich und unverantwortlich beurteilen muß. In einer Kreispfarrerkonferenz, die zu einer Unterschrift unter Erklärungen an ihrem Teil autorisiert, ohne diese Erklärungen überhaupt eingehender zu prüfen, habe ich keine Aufgabe mehr.339
Der schweren Enttäuschung über die führenden Männer der kurhessischen Kirche und ihre mangelnde theologische Kompetenz und Sorgfalt gab von Soden Ausdruck, als er schrieb: Für mich, der ich die geschichtliche Entwicklung unserer evangelischen Kirchen einigermaßen zu kennen glaube und auch eine eigne sich schon über Jahrzehnte erstreckende Erfahrung habe, steht es fest, daß unsere Kirchen mit am schwersten an Leitungen kranken, die zwischen einer theologischen Reaktion, deren Symbole sie für solche des Glaubens halten, und einer theologischen Substanzlosigkeit, ohne eigene theologische Direktion, hin und her schwanken. Im ganzen 19. Jahrhundert hat offiziell eine Orthodoxie oder eine Positivität gegolten, die auch bei den Kirchenleitungen nie wirklicher Glaube war, und weithin wurde zugleich Rechtlichkeit und Moralität gepflegt und gepredigt, die einen christlich-gläubigen Charakter gar nicht hatte. Ich sehe in dieser theologischen Direktionslosigkeit ein Übel unserer evangelischen Kirche, das uns Millionen von Christen entfremdet hat, und sah eine meiner Lebensaufgaben darin, an meinem Teil dazu zu helfen, daß mehr theologische Wahrheit und Klarheit in unsere Kirchenleitungen wie andererseits mehr kirchliche Verantwortung in unsere Fakultäten käme. Wie schwer das ist, habe ich keineswegs erst und nur in Kassel erfahren. Daß es aber neulich in so deutlicher Weise von der Mehrheit der Kreispfarrer abgelehnt worden ist, nach der theologischen Vertretbarkeit einer eingenommenen Position überhaupt zu fragen, bedeutet meine Entlassung aus dem Dienst, den ich dort zu leisten versucht habe. Unter theologischer Wahrheit und Klarheit bzw. Vertretbarkeit verstehe ich dabei nichts anderes als die strenge Sorgfalt, die darauf achtet, daß kirchliche Aussagen nur Aussagen des christlichen Glaubens bzw. auf ihn bezogene oder begründete Aussagen sind.340 339
A.a.O., 303f. A.a.O., 304f. Ob Happich schon im Besitz dieses Briefes von Sodens war, als er am 4. 7. 1939 auf der Hauptversammlung des Pfarrervereins in Bad 340
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2.14.2 Hauptversammlung in Bad Wildungen 1939: Menschenwort und Gotteswort Am 27. Juli 1939 heißt es im Protokoll der Vorstandssitzung des Pfarrervereins lapidar: „Kirchliche Lage: Sie, die trüber ist als je, ward eingehend besprochen. Von Soden-Marburg hat alle seine kirchlichen Ämter niedergelegt. Happich hat seinen Wohnsitz nach Kassel verlegt. Wenn in der Kirche nur noch opportune Gründe ausschlaggebend sind, ist sie verloren. Kirche ist nur noch in den Gemeinden. Die Pfarrervereine halten an den Grundsätzen vom Januar 1939 fest.“ Damit war das „Grundsätzliche Wort der Kirchenführerkonferenz zur Neuordnung der DEK“ sowie der diesbezügliche Beschluß des Reichsführerrates der Pfarrervereine vom 12. Januar gemeint. Immerhin war der Vorstand des kurhessischen Vereins seit seiner Sitzung vom 25. Mai 1939 durch Wepler auch über die grundsätzliche Zustimmung des Reichsbundesvorstandes zu den fünf Kerrlschen „Grundsätzen“ informiert. Mittlerweile hatte in Bad Wildungen vom 4.-5. Juli 1939 die Hauptversammlung des Pfarrervereins - erstmals in Waldeck nach dem Zusammenschluß der beiden früheren Vereine - stattgefunden. Vor rund 150 Pfarrern referierte D. Dr. Helmuth Schreiner, Professor für Praktische Theologie in Münster, über „Menschenwort und Gotteswort im christlichen Glauben“. 341 Wildungen in der Ausschußsitzung ausführlich über die augenblickliche kirchliche Lage berichtete? Jedenfalls wurde sein Bericht, wie wir von Schmidt wissen (s. Anm. 341), durch den auf seiten von Sodens stehenden Marburger Kreispfarrer Schmidmann ergänzt. Zum gesamten Vorgang seit der „Godesberger Erklärung“ vgl. auch Slenczka (s. Anm. 28), 136-138, 211221. 341 Auszüge in: Pastoralblatt 48 (1939) 105-108. Nach H. Schimmelpfeng, Frühjahrshauptversammlung in Bad Wildungen, Pastoralblatt 48 (1939) (9394) 93, nahmen 125 Pfarrer einschließlich Vikare und Kandidaten aus dem Predigerseminar Hofgeismar und 25 Pfarrfrauen teil. Im Bericht von Helwig Schmidt, der anstelle der sonst üblichen Protokolle über die Wildunger Ta-
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Schreiner warnte die Pfarrer davor, etwa unter der zur Zeit üblichen, unter anderem von dem am 6. Mai 1939 in Eisenach eröffneten Entjudungsinstitut 342 betriebenen Ausmerzung der „Hebraismen“ oder „Zionismen“, „die Substanz der Botschaft an die jeweilige Lage der Hörer anzugleichen“. 343 Er verwies auf Johann Georg Hamann und seine Bibelauslegung, die für die heutige Zeit insofern von großer Bedeutung sei, als sie die Angst vor der historischen Forschung nehmen könne. Das „Bibelverständnis dieses Propheten unserer Kirche“ sollte man sich zu eigen machen, um durch eine entsprechende Verkündigung unser Volk wieder an die Bibel heranzuführen.344 In seinem Jahresbericht vor der Hauptversammlung konnte Wepler wie schon so oft auf den guten finanziellen Zustand des Pfarrervereins mit seinen zur Zeit 517 Mitgliedern hinweisen.345 Am 1. Januar 1939 betrug das Gesamtvermögen des Vereins 121 254,62 RM. An amtsbrüderlicher Nothilfe leistete der Verein 3 252,- RM, an unterstützungsbedürftige alleinstehende Pfarrtöchter wurden 4 200,- RM, als Erziehungsbeihilfen 1 500,- RM und als außerordentliche Beihilfen 935,- RM gezahlt. Das Vermögen der Witwen- und Waisenkasse des Pfarrervereins betrug zur gleichen Zeit 219 347,- RM. Den 150 Pfarrwitwen wurde eine Rente in Höhe von jeweils 100,- RM gezahlt. Die 32 Pfarrwitwen der ehemaligen Hanauer Kasse erhielten satzungsgemäß darüber hinaus noch einen Zuschuß von 30,- RM pro Person. gung im Protokollbuch 1933-1948 eingeheftet ist, ist von 150 Amtsbrüdern, die noch durch die Kandidaten des Predigerseminars verstärkt worden seien, die Rede. 342 Sein Zweck war die „Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“, s. dazu Meier, a.a.O., 78. 343 Schreiner (s. Anm. 341), 108. 344 A.a.O., 107; vgl. auch 108 (Fußnote) mit den Hinweisen auf die beiden Hamann-Studien Schreiners. 345 H. Wepler, Bericht des Vorstandes, Pastoralblatt 48 (1939) (94-96) 94f.
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Einen großen Raum im Jahresbericht nahm die Abstimmung ein, um die der Reichsbundesführer Klingler die deutsche Pfarrerschaft gebeten hatte. Ziel war es, herauszufinden, ob die Pfarrerschaft hinter seiner kirchenpolitischen Haltung stand, die das Befriedungsanliegen des Reichskirchenministers für die DEK grundsätzlich unterstützte. Damit war die Vertrauensfrage an die 16 000 evangelischen Pfarrer in Deutschland gestellt. Die Abstimmung in Kurhessen-Waldeck ergab ein Votum von 93,5 % für Klingler, damit 25,5 % mehr als der Reichsdurchschnitt von 68 %. Als Vorstandsmitglied des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine war Wepler stolz darauf, „daß die Pfarrerschaft in Kurhessen-Waldeck bereit ist, eine solche Geschlossenheit in kirchlichem Handeln zu zeigen“. 346 Trotzdem waren „alle Bemühungen um eine Neuordnung in der Kirche ... bis jetzt ohne Erfolg“. Die Pfarrerschaft läßt sich nach Überzeugung des kurhessischen Vereinsführers dadurch aber nicht entmutigen. Sie „ist von der Notwendigkeit der Neuordnung überzeugt und von dem heißen Wunsch nach baldiger Erfüllung beseelt. Wir haben oft genug in Wort und Schrift zum Ausdruck gebracht, daß wir eine einige deutsche evangelische Kirche wollen. Die Abstimmung in der Pfarrerschaft hat den Beweis dafür erbracht, daß wir auch in dem Ziel dieser Neuordnung einig sind. So wollen wir nicht aufhören, für die Zukunft unserer Kirche zu bitten und zu kämpfen, wie es der Herr der Kirche von seinen Dienern erwartet.“347
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Dazu Schmidt in seinem von Wepler unterzeichneten Bericht (s. Anm. 341): „Die nahezu einmütige Front unserer Pfarrerschaft, die auch in der Abstimmung mit 93½ % zum Ausdruck kam, soll und muß allen Gefahren zum Trotz aufrecht erhalten werden. Zu diesem Zwecke ist ständige Fühlungnahme zwischen Pfarrerverein und Bruderrat vorgesehen.“ 347 Wepler, a.a.O., 96.
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2.14.3 „Hassia (non) scribit“ Die Neuordnung der Kirche hatten sich die kurhessischen Pfarrer schon seit den Anfängen ihres Vereins immer wieder von einer gründlichen Volksmission erhofft. So auch mehrfach im Dritten Reich. Selbstkritisch stellte der Schriftleiter des „Pastoralblattes“, Hans Schimmelpfeng, 1938 für die hiesige Pfarrerschaft fest, es seien zwar Romanschriftsteller darunter und solche, die die Kunst der Volkserzählung beherrschten. Es gäbe unter den Pfarrern schriftstellernde Alt- und Neutestamentler, Kirchenhistoriker und Missionsleute, Pädagogen und Psychologen, Liturgiker und Homileten, Männer der Inneren Mission und der Volksmission, Systematiker und Volkskundler. Aber die kurhessische Pfarrerschaft habe sich „aus der literarischen Auseinandersetzung seit 1918 fast ganz herausgehalten“. 348 Ja, es fehle „der besondere kurhessische Beitrag zu dem im Schrifttum sich offenbarenden Leben der evangelischen Kirche Deutschlands“. 349 Wichtige „Fragen wie die nach Kirche und Staat, Wort und Sakrament, Offenbarung und Nomos, Bibel und Bekenntnis usw. sind von uns literarisch kaum erörtert worden. Die großen Kämpfe und Entscheidungen sind außerhalb unserer Landeskirche vor sich gegangen, und nur wenige von uns haben an ihnen Anteil gehabt. Wenn es manchmal so sein mag, daß erst die Not irgendeines Zerfalls und die sich daraus ergebende innere Unsicherheit zur Selbstbesinnung und Selbstklärung durch das gedruckte Wort führt, so ist uns diese treibende Not noch nicht unmittelbar gegenwärtig geworden. Wir heißen darum eine ‚Insel der Seligen’. Stünden wir bereit, wenn unser Insulanerdasein plötzlich aufhörte? Ist unser geistiger Standort, um den uns viele beneiden und etliche bemitleiden, ein Zeichen innerer Stärke und so etwas wie eine splendid isolation, die wir 348 H. Schimmelpfeng, Hassia non scribit?, Pastoralblatt 47 (1938) (129-132) 131. 349 A.a.O., 130.
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uns leisten können? Oder aber müßten wir uns Pauli Wort gesagt sein lassen: ‚Kaufet die Zeit aus, denn es ist böse Zeit’, etwa weil wir nicht Anteil nähmen an dem Gesamtschicksal der Kirche in Deutschland? Überblickt man die geistige Arbeit unseres Standes der letzten zwei Jahrzehnte in Kurhessen, soweit sie sich publizistisch erfassen läßt, können wir uns die bittere Feststellung nicht ganz ersparen, daß uns unser kurhessischer Beitrag bis heute nicht geschenkt ist. Ganz im Unterschied zu unserm vorletzten Pfarrergeschlecht, das sich in besonderer Weise von den Ideen der Inneren Mission getragen wußte.“350 Mit Blick auf die heute noch dringender notwendige Aufgabe der Volksmission als in der Generation zuvor beklagte Schimmelpfeng auch das Fehlen einer auf der Grundlage guter volkskundlicher Kenntnisse beruhenden Kirchenkunde für Kurhessen-Waldeck, einer Arbeit, der sich dann später der frühere Vereinsvorsitzende Dithmar unterzog.351 Schimmelpfeng resümierte: „Überblickt man das literarische Werk unseres Standes in Kurhessen, so läßt sich abschließend sagen, daß er zwar nach wie vor emsig an der Arbeit ist. Dennoch ist die literarische Beweglichkeit der Generation um 1900 größer gewesen. Was uns jedoch vor allem andern von unsern Vätern trennt, ist der Mangel einer einheitlichen Ausrichtung auf ein Ziel, ist das Fehlen einer amtsbrüderlichen Arbeitsgemeinschaft, die um gemeinsame Aufgaben weiß und diese in gesammeltem Einsatz zu lösen versucht. Was uns fehlt, ist - bei aller Freiheit des einzelnen - theologische Führung, geistliche Erziehung, Schule von Meistern und Jüngern, und dennoch ein waches Hören auf die Stimmen der Zeit.“352 350
A.a.O., 131. Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 10. 12. 1945: „Die Kirchenkunde von D. Dithmar ist fertig und soll später vom Pfarrerverein herausgegeben werden, nachdem sie Prof. Hertzberg und Schimmelpfeng geprüft haben.“ Sie erschien jedoch nie. 352 Schimmelpfeng, a.a.O., 132. 351
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Nun war ein solches Hören auf die Stimmen der Zeit für einen angemessenen Beitrag des kurhessischen Pfarrerstandes zu den brennenden Fragen der Gegenwart gewiß nicht möglich ohne das gleichzeitige Hören auf die Stimmen der Vergangenheit. Darin war man sich einig. Von daher verdiente auch ein Vorschlag Aufmerksamkeit, der 1939 bei der Wildunger Hauptversammlung des Pfarrervereins gemacht wurde. Der den Vereinsmitgliedern durch mehrere Vorträge und Veröffentlichungen schon gut bekannte Marburger Privatdozent Lic. Wilhelm Maurer berichtete in Bad Wildungen vor dem Vertrauensleute-Ausschuß über seine Pläne, eine „Arbeitsgemeinschaft für Kurhessisch-Waldeckische Kirchengeschichte“ ins Leben zu rufen. Schon kurz vor dem Ersten Weltkrieg hatte der damalige Schriftleiter des „Pastoralblattes“, der in der hessischen Territorialkirchengeschichte äußerst kundige Lic. Rudolf Francke, den Vorstand des Pfarrervereins dazu bewegen können, einen „Verein für Kurhessische Kirchengeschichte“ zu gründen.353 Trotz intensiver Bemühungen Franckes kam er allerdings nie so recht zum Zuge. Wegen des mangelhaften Engagements von seiten der Pfarrerschaft und der unzureichenden Koordination mit der Theologischen Fakultät in Marburg mußte er schließlich seine Arbeit einstellen. Die von Maurer - wiederum vor Beginn eines Weltkrieges! - beabsichtigte Neugründung kam auch erst nach anfänglichen Schwierigkeiten zustande und führte schließlich nach Kontakten zu einer schon in der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau bestehenden entsprechenden Einrichtung zur Gründung der „Hessischen Kir353 Vgl. Pastoralblatt 22 (1913) 44; 23 (1914) 45f, 56. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die 25 Jahre umfassende Bibliographie, zusammengestellt von R. Francke, Hassia non scribit. Beiträge zur Kurhessischen Kirchengeschichte, Pastoralblatt 26 (1917) 17-20. Daran schloß eine von H. Schimmelpfeng erarbeitete Bibliographie von Zeitgenossen an: Erste Liste von schriftstellernden Amtsbrüdern der Landeskirche Kurhessen-Waldeck, Pastoralblatt 47 (1938) 87-93; ders., Zweite Liste von schriftstellernden Amtsbrüdern der Landeskirche Kurhessen-Waldeck, Pastoralblatt 47 (1938) 132-135.
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chengeschichtlichen Vereinigung“ am 5. Oktober 1950 in Frankfurt am Main.354 Auf diese Weise hatte die seinerzeit von Francke so lebhaft angeregte und dann von Maurer und später von den Marburger Professoren Dr. Winfried Zeller, Dr. Alfred Niebergall, Dr. Heinz Liebing und Dr. Hans Schneider forcierte Forschung auf dem Gebiet der kurhessischen und waldeckischen Kirchengeschichte einen Ort des geistigen Austausches und der Veröffentlichungsmöglichkeit erhalten.355 2.14.4 Krieg, Seelsorge und Predigt Seit Kriegsbeginn am 1. September 1939 erschien das „Pastoralblatt“ bis zu seiner vorübergehenden Einstellung im Jahre 1941 in einem reduzierten Umfang. Jeden zweiten Monat erschien ein Doppelheft mit insgesamt nur noch 12 Seiten. Schimmelpfeng eröffnete das Heft Nr. 9/10 vom September/Oktober 1939 mit einem Auszug „Aus dem Katechismus für den deutschen Kriegs- und Wehrmann“ von Ernst Moritz Arndt. Ihm folgten auf der zweiten Seite Worte Luthers über das Sorgen, die Schimmelpfeng einer alten Sammlung entnommen hat-
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In Südhessen gab es bereits seit dem 30. 1. 1901 eine „Vereinigung für Hessische Kirchengeschichte“, die am 30. 3. 1949 in „Kirchengeschichtliche Vereinigung in Hessen und Nassau“ umbenannt wurde. Ihr Vorsitzender war der Wormser Pfarrer und spätere Mainzer Kirchenhistoriker D. Dr. Heinrich Steitz. Über ihre Publikationen s. o. Vf., Aus der Jahreshauptversammlung 1976, JHKV 27 (1976) (243-247) 243. Im Jahre 1949 erschien Bd. 1 des „Jahrbuches der Kirchengeschichtlichen Vereinigung in Hessen und Nassau“, das ab Bd. 2 (1950) „Jahrbuch der Hesssischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung“ hieß und in dem nun auch Autoren aus der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck publizieren konnten. 355 Für die ersten 30 Jahre vgl. das von A. Rühl erstellte Inhaltsverzeichnis der Bände 1-30 (1949-1979) des JHKV, Darmstadt 1981. Zuletzt erschien Bd. 43 (1992) [65/66 (2014/2015)].
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te.356 „Ein wackerer Soldat soll sein Vaterland und sein Volk über alles lieben und gern seinen letzten Blutstropfen verspritzen, wann das liebe Vaterland in Gefahr steht ...“ Mit diesen Worten Arndts und seinen Mahnungen, wie ein Soldat Christ sein und bleiben solle, wollte der Pfarrerverein die Männer stärken, die nun auch aus seinen eigenen Reihen bald ins Feld ziehen sollten. 357 Der Text konnte aber auch für stürmisch-aufmunternde Predigten am Anfang des Krieges verwendet werden. Die Zustimmung und Begeisterung für diesen Krieg, wie sie in der Pfarrerschaft durchaus verbreitet waren, konnten aber letztlich die Not nicht überdecken, in der sich viele Pfarrer damals befanden. Es war die Frage: Was und wie predigen wir im 356
Vgl. Pastoralblatt 48 (1939) 117f. Die Sammlung stammte von Ph. Saltzmann, Singularia Lutheri, das ist Alle Geistreiche, Heroische und nachdenkliche Reden und Worte, welchen in allen teutsche Schriffte Martini Lutheri zu finden, Naumburg/Saale 1664. 357 Bereits im November/Dezember-Heft veröffentlichte Schimmelpfeng eine erste „Liste der eingezogenen Geistlichen, Vikare, Kandidaten und Beamten des Landeskirchenamtes unserer Landeskirche“ mit 124 Namen, Pastoralblatt 48 (1939) 134-136, der in den folgenden Heften weitere Listen folgten. Dadurch sollte Verbindung zwischen den im Feld stehenden und den in der Heimat Dienst tuenden Amtsbrüdern gehalten werden. Im Frühjahr 1940 setzte der Vorstand des Pfarrervereins einen Arbeitsausschuß (Mitglieder: Wepler, Dithmar, Schimmelpfeng, Hertzberg, Karig, Gess) ein, der sich zum einen mit dem Kontakt zu den an der Front stehenden Pfarrern, zum andern mit den von der Front heimkehrenden Amtsbrüdern näher befassen sollte. In einem Schreiben vom 5. 2. 1940 an die Vertrauensmänner und einem angefügten „Promemoria“ werden die verschiedenen Aufgaben der Vertrauensmänner im Blick auf die Kontakthaltung zu den Frontpfarrern dargestellt. Diese Aufgaben werden für besonders wichtig gehalten, da von den Frontpfarrern die künftige „Umgestaltung der Kirche ausgehen“ werde; PfrVAkten, Mappe ohne Aufschrift. Bis zum 3. 8. 1944 (Vorstandssitzung) waren „42 Pfarrer und Theologen und 75 Pfarrerssöhne“ aus Kurhessen-Waldeck gefallen. Am 16. 6. 1947 (Vorstandssitzung) waren „17 Amtsbrüder noch vermißt“; Protokollbuch 1933-1948. Die Liste der im Zweiten Weltkrieg gefallenen Pfarrer, Hilfspfarrer und Kandidaten, Studenten der Theologie, Diakone und Missionare aus Kurhessen-Waldeck findet sich in: Pastoralblatt 51 (1949) Nr. 1, S. 5.
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Krieg? Hier mußte unbedingt geholfen werden. So stellte der Vorstand des Pfarrervereins in seiner Sitzung vom 28. September 1939 (anwesend: Wepler, Dithmar, Francke, Steinmetz, Schmidt, Wüstemann, Scheig, Schimmelpfeng) nach eingehender Besprechung der Situation fest: „Gewissenhafte Seelsorge erscheint mehr denn je dringlich.“ Es wurde beschlossen, ein entsprechendes Gesuch an das Landeskirchenamt zu richten. Zwei Tage später schickte Wepler es mit folgendem Wortlaut nach Kassel: Der Vorstand des evgl. Pfarrervereins von Kurhessen-Waldeck hat in seiner Sitzung am 28. 9. beschlossen, dem Landeskirchenausschuß und dem Landeskirchenamt folgendes zu unterbreiten: Die Pfarrerschaft fühlt sich in der Anweisung und Hilfe für Predigt und Seelsorge von ihrer kirchlichen Behörde völlig verlassen. 1. Wir halten es deshalb für unbedingt erforderlich, daß ein ausdrückliches Wort über die Kriegspredigt gesagt wird. 2. Für die Lesegottesdienste müßten gute Kriegspredigten vervielfältigt und den Kirchenkreisen monatlich in der gewünschten Zahl zugänglich gemacht werden. Man sollte in der Pfarrerschaft zur Einsendung von Predigten aufrufen und das Beste davon zur Vervielfältigung auswählen. Wir besitzen zur Zeit für diesen Zweck nichts Brauchbares. 3. Liturgisches Material und Gebete sind nicht vorhanden. Wenn eine besondere Herausgabe für unsere Landeskirche nicht geplant werden kann, dann wäre z. B. auf die gute Kriegsagende hinzuweisen, die jetzt von der bayrischen Landeskirche neu herausgegeben ist. 4. Wir benötigen dringend Schriften und geeignete Bibelworte für die Heimat und zur Verteilung an die zum Kriegsdienst einberufenen Gemeindeglieder. Es ist uns bekannt, daß zur Zeit diese Arbeit weder vom Landeskirchenausschuß noch vom Landeskirchenamt erwartet werden kann. Dazu fehlt die Zeit, und die dafür zuständigen Brüder sind einberufen. Darum bitten wir dringend, Herrn Professor Hertzberg mit dieser Arbeit zu beauftragen und es ihm zu überlassen, ob er die beiden Amtsbrüder Ritter und Schimmelpfeng hinzuziehen will. Für den Fall, daß D. Hertzberg wieder einberufen wird, empfehlen wir, mit Professor von Soden in Verbindung zu treten. Wir würden uns freuen, wenn wir im Blick auf die gegenwärtige Zeit und die kirchliche Lage seine Mitarbeit in der Kirche wieder gewinnen könnten. Der Unter-
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zeichnete würde bereit sein, eine entsprechende Fühlung mit Professor von Soden aufzunehmen, wenn es gewünscht wird. Wepler358
Der Pfarrerverein selbst ließ durch Dithmar, der schon entsprechende Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg hatte und zur jetzt wieder viel gefragten Vätergeneration gehörte, im „Pastoralblatt“ einen fingierten „Brief eines alten Pfarrers an seinen jungen Freund im Pfarramt“ unter der Überschrift „Kriegsdienst in der Gemeinde“ erscheinen. 359 Der Tenor dieser Mischung von Gedanken aus seelsorgerlicher Ermutigung, theologischpraktischen Erkenntnissen, vaterländischer Treue und unbedingtem Gottvertrauen war: Hören auf die Stimme unseres Gewissens. Darauf kommt jetzt alles an. Denn aus der inneren Wahrheit gilt es, den Weg Gottes zu erkennen. Das Grübeln darüber, „warum Gott in so unbegreiflicher Weise mit den Menschen verfahren hat“, führt einen zu „lauter Rätseln und Geheimnissen. Aber Du spürst auch ganz deutlich: Gott selbst schreitet durch Deine Gemeinde, wie er durch unser Volk und durch die Welt schreitet; Gott verknüpft all die losen Schicksalsfäden zu einem festen Gewebe. Du erschrickst über die Hand Gottes, die in jedes Haus und Herz hineingreift. Wo hinaus will Gott mit uns armen sündigen Menschen? Diese Frage treibt Dich ins Gebet. Du lernst, was es heißt: Betet ohne Unterlaß! Du wirst aufgeschlossen für den Willen Gottes, Deine Seele wird ergriffen von dem Wehen und Weben des heiligen Geistes ... Ganz tief beugt Dich Gott in den Staub, bis Du seine Hand greifst und Dich von ihr in das Licht seiner Gnade ziehen lässest. Wenn Gott Dich demütigt, macht er Dich groß. In Dir ringt sich ein Neues durch, das Einswerden mit Gott in Jesus Christus. Du gewinnst daraus ein ganz anders geartetes Verständnis für Deine Umwelt. Gott 358 Durchschrift als Beilage zum Protokoll der Vorstandssitzung vom 28. 9. 1939; Protokollbuch 1933-1948. 359 Pastoralblatt 48 (1939) 129-132.
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öffnet Dir die Augen für die inneren seelischen Nöte, von denen Deine Gemeindeglieder heimgesucht werden, aber auch für die starken Glaubenskräfte, die sich aus der Verborgenheit ans Licht wagen.“360 Ein Aufwachen geht durch die Gemeinde. Jetzt kommt es darauf an, daß der Pfarrer aus der „Kraft der inneren Wahrheit“ predigt und Seelsorge treibt. „Nicht Dich wollen die Leute hören, sondern Gott, aber durch Dich!“ Dithmar warnt den Prediger vor dem Politisieren und Prophezeien. Sein Beruf bestehe vielmehr darin, die Seelen aus ihren Nöten herauszuführen „zum inneren Frieden, zum lebendigen Glauben und zur brennenden Liebe“. Das geschieht durch die Predigt von der „Vergebung der Sünden durch das Blut Christi. Nichts anderes haben wir zu verkündigen.“361 Dithmar rät den Pfarrern, den Menschen sachlich und wahrhaftig zu begegnen. Sie sollten ihre Zunge im Zaum halten und kein unnützes Wort aus ihrem Munde gehen lassen. Der Krieg sei eine ernste Prüfungszeit, in die Gott hineingeführt habe. Ihr muß eine von Selbstbeherrschung gekennzeichnete Gesamthaltung des Pfarrers entsprechen bis hinein ins „Augen- und Mienenspiel. Auf die äußere Haltung kommt viel mehr an, als Du glaubst. Dein Tun und Lassen bis in die winzigste Kleinigkeit hinein muß zum Ausdruck bringen, ob und wieweit Christus in Dir lebt. In diesem Krieg handelt es sich nicht nur um Bestand und Zukunft des Christentums inmitten unseres Volkes. Täglich werden im Kriege ungeheure Werte vernichtet, aber täglich wird auch in weiten Gebieten der christliche Glaube zu Grabe getragen. Anliegen und Aufgabe der Kirche ist es, für die Ausbreitung und den Aufbau des Glaubens zu streiten.“ Und weil die Pfarrer „für das Kommen des Reiches Gottes auf Erden mitverantwortlich“ sind, sollen sie gerade jetzt im Krieg „das Evangelium von der Gnade Gottes in Christo Jesu mit Freudigkeit und 360 361
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Kraft verkündigen, auf der Kanzel und neben der Kanzel“. 362 Inmitten der vielen Schwankungen, Erschütterungen und Zusammenbrüche gilt es für den Pfarrer, fest zu stehen auf dem Felsen Jesus Christus und das Kreuz aufzurichten, „ein Zeichen, dem widersprochen wird, aber auch ein Zeichen des endlichen Sieges“.363 Eher verhaltene, besinnliche Töne als Jubel, wie er genau 25 Jahre zuvor erschall. Damals hatte Dithmar als Pfarrervereinsvorsitzender am 1. September 1914 im „Pastoralblatt“ voller Stolz und auch angesichts des Krieges mit nicht bezähmter konfessioneller Polemik geschrieben, er habe bei manchem Anlaß „die katholische Kirche darum beneidet und ihr einen Vorzug zuerkannt, daß sie ihre Diener ohne Rücksicht auf hemmende Verhältnisse da benutzen kann, wo sie dieselben braucht. Sie ist nun einmal durch ihre ganze Organisation eine ecclesia militans. Seit ich den Ausbruch des Krieges miterlebte, kann ich Gott nur danken, daß wir evangelischen Pfarrer Frau und Kinder haben. Ich nehme nicht für uns in Anspruch, daß wir eine größere Vaterlandsliebe als der katholische Amtsbruder besitzen, sondern will gern glauben, daß er sich nicht von uns übertreffen läßt. Aber dadurch sind wir ihm voraus, daß wir unsere Söhne, Schwiegersöhne und Enkel mit ins Feld schicken können. Das evangelische Pfarrhaus stellt eine stolze Reihe von Mitkämpfern. Es gibt kein Regiment, in dem nicht Glieder des Pfarrhauses stehen; und gewiß sind es nicht die schlechtesten Soldaten, Gesinnung und Erziehung, soldatischer Geist und fromme Gottergebung machen sie tüchtig zum Dienst mit der Waffe. Wo das Vaterland ruft, bringen auch wir Pfarrer freudig die Blutopfer, die gefordert werden. Dadurch aber schmelzen wir mit unseren Gemeinden ganz anders zusammen. Wir fühlen wie jeder Vater; unsere Frauen empfinden wie alle Mütter in der Gemeinde. Wir wissen aus dem eigenen Schmerz heraus, wie es in den Häusern 362 363
A.a.O., 131. A.a.O., 132.
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der Gemeinde aussieht, und wenn erst die Verlustlisten kommen, dann wird auch die Klage um die Erschlagenen unseres Volkes im stillen Pfarrhaus laut und schmerzlich anheben. Der katholische Priester wird mittels der besonderen Amtsgaben in seiner Gemeinde viel Trost wecken und durch seine lebendige Anteilnahme die Herzen wieder aufrichten. Aber wir stehen mittendrin in der Gemeinde in gemeinsamem Leid und in gleichem Stolz.“ Aus tiefster Überzeugung schrieb Dithmar damals: „Für uns und unser Amt hat eine gesegnete Zeit begonnen. Haben wir in den Jahren glänzender Aufwärtsentwickelung und sorgloser Friedenszeit oft geseufzt über die scheinbare Erfolglosigkeit unserer Arbeit und über die religiöse Gleichgültigkeit weiter Kreise, so flutet nun der Strom der Sehnsucht wieder zur Kirche zurück, und wenn die Glocken rufen, dann wird ihr Schall auch von den tauben Ohren vernommen, die Spötter werden still, sie spüren, wie Gott der Herr über den Erdboden schreitet, und alle Welt hält den Odem an, der Stimme Gottes zu lauschen. Was für eine wunderbare Saatzeit, wo die Herzen so durstig sind nach Trost und die stolzen Nacken sich beugen unter dem Kreuz!“364 Ähnlich wie dann 1939 betonte Dithmar auch 1914 schon: Neben der praktischen Arbeit gebe „es jetzt so viele religiöse Probleme, über die wir zur inneren Klarheit kommen müssen und die nur in der Person Jesu ihre befriedigende Lösung finden können“. Zwar sei das „Vertrauen auf einen endlichen Sieg der deutschen Waffen“ unter den Pfarrern unerschütterlich. Aber die Existenz und das Walten Gottes dürfen nicht von den Gedanken abhängig gemacht werden, „die wir über Völkerschicksale uns haben bilden können“. Wie schon „das evangelische Pfarrhaus an dem Aufbau und der sittlichen Erneuerung unseres Volkes“ nach dem Dreißigjährigen Krieg „das allergrößte Verdienst gehabt“ hatte, so ähnlich hat auch das heutige evangelische 364 Th. Dithmar, Das evangelische Pfarrhaus im Kriege, Pastoralblatt 23 (1914) (67-68) 67.
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Pfarrhaus die Aufgabe, „unser Volk zu erziehen, daß es die furchtbare Last in Geduld und Ergebung trägt und sich die große Zeit zum inneren Segen werden läßt. Es muß von sich aus erkennen, daß ein Volk Gottes reine Hände und reine Herzen haben muß, daß es ein heiliges Volk sein muß. Dazu stellen wir Pfarrhaus und Pfarramt unter das Kreuz Christi. Von hier aus bauen wir die neue religiöse Welt, die unser Volk zu seiner Gesundung braucht, und arbeiten das deutsch-evangelische Christentum zu voller Reinheit heraus. Die neue Zeit bedarf eines neuen Geistes. Sorgen wir dafür, daß die evangelische Kirche und die evangelische Predigt voranschreiten im Suchen und Finden der Kräfte, die unentbehrlich sind für eine segensreiche Neugestaltung der Verhältnisse, die die neue Zeit mit sich bringen wird. Sie liegen verschlossen einzig und allein in Jesus Christus, unserm Herrn!“365 2.15 Die Jahre 1940-1945 Durch den Beginn und Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurde die Arbeit des Pfarrervereins in mancher Hinsicht erschwert. Funktionierten die finanziellen Leistungen des Vereins fast bis zum Kriegsende einigermaßen gut, so wurden der Zusammenhalt und brüderliche Austausch in der Pfarrerschaft durch den Wegfall des „Pastoralblattes“ und durch die kriegsbedingten Ausfälle der Hauptversammlungen schmerzlich spürbar. Auch Vorstand und Vertrauensleute konnten sich nur noch selten treffen. Ein besonders schwerer Schlag für Vorstand und Mitglieder war die bereits erwähnte Verhaftung des Vereinsführers am 3. April 1943. Zwar vertrat ihn dann das Hanauer Vorstandsmitglied Scheig, aber die Dezimierung des Vorstandes durch den Einzug einiger Mitglieder zur Wehrmacht erforderte mehrmals personelle Veränderungen. Eine reibungslose Handhabung der 365
A.a.O., 67f.
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laufenden Vorstandsgeschäfte war unter diesen Bedingungen in den Kriegsjahren kaum noch möglich. Das in den Jahren 1933-1939 oft energische kirchenpolitische Engagement des Pfarrervereins kam im Laufe des Krieges völlig zum Erliegen. Ja, man kann sagen: In kirchenpolitischer Hinsicht ergriff der Pfarrerverein erst im Sommer 1947 die Initiative wieder, nachdem die neue Struktur der Landeskirche von Kurhessen-Waldeck längst feststand und das langjährige Vorstandsmitglied des Pfarrervereins, Adolf Wüstemann, am 27. September 1945 von der Notsynode einstimmig zum Bischof der Landeskirche gewählt worden war.366 So beschloß der Vorstand in seiner Sitzung vom 14. August 1947 (anwesend: Wepler, Schmidt, Schimmelpfeng, Paulus, Rübesam), den Bischof zu bitten, „auch den jeweiligen Vorsitzenden des Pfarrervereins in die Landessynode berufen zu wollen“. Aber auch im Kriege mühte man sich in den Vorstandssitzungen darum, nicht nur die üblichen finanziellen Angelegenheiten zu erledigen. Auch literarische Arbeiten aus dem Raum der Landeskirche wurden besprochen und mit finanzieller Unterstützung aus der Vereinskasse veröffentlicht, so z. B. ein von Walter Lotz unter dem Titel „Christliches Hausbuch“ 1941 zusammengestelltes Gebetbuch (Neuausgabe unter dem Titel: „Evangelisches Hausbuch - Lesung und Gebet für alle Tage und besondere Zeiten“, Kassel 1968 [ND unter dem Titel: „Tag für Tag - Texte der Sammlung“, Kevelaer 1973]) und mehrere Schriften in der seit 1940 erschienenen neuen „Schriftenreihe des Pfarrervereins Kurhessen-Waldeck“ im Johannes StaudaVerlag zu Kassel. Der 1940 im Berliner Eckart-Verlag von Siegbert Stehmann herausgegebene „Pfarrerspiegel“ wurde vom Pfarrervereinsführer einer ganzen Reihe von Persönlichkeiten 366
Zu seiner Einführung als Bischof erhielt Wüstemann zwecks Unterstützung bedürftiger Theologiestudenten vom Pfarrerverein 5 000,- RM; vgl. Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 10. 12. 1945 [vgl. jetzt Stahl, Vom Nationalsozialismus in die Demokratie (s. Anm. 120), 107].
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des öffentlichen Lebens in Kurhessen-Waldeck mit einem entsprechenden Begleitbrief als Geschenk zugeschickt. Damit sollte deutlich gemacht werden, in welcher Weise das evangelische Pfarrhaus an der deutschen Kultur in Vergangenheit und Gegenwart Anteil hatte und hat. Dahinter stand die Absicht, die aus den Reihen der NSDAP immer wieder zu hörenden Vorwürfe gegen die Unzuverlässigkeit des Pfarrerstandes begründet zurückzuweisen. Zugunsten der schlecht bezahlten „oft verheirateten Hilfspfarrer“ nahm der Pfarrerverein Ende August 1940 Verhandlungen mit dem Landeskirchenamt auf. Daraufhin erhielten die Hilfspfarrer ab Jahresende eine monatliche Gehaltsaufbesserung von 150,- RM.367 Bereits am 15. August 1940 hatte der Vorstand (anwesend: Wepler, Dithmar, Francke, Steinmetz, Schmidt, Scheig, Schimmelpfeng, Wüstemann) empfohlen: „Grundsätzlich sollte ... kein geeigneter Kandidat und Hilfspfarrer vom Dienst in der Landeskirche abgehalten werden. Wo die gesamtkirchlichen Mittel fehlen, da sollten Kreis, Gemeinde und Pfarrerverein helfend einspringen.“ In der Vorstandssitzung vom 30. September 1940 (anwesend: Wepler, Schmidt, Scheig, Wüstemann, Steinmetz, Francke, Dithmar) wurde bei der eingehenden kirchlichen Lagebesprechung auch „die akute Frage der Euthanasie im Zusammenhang mit dem Fall Pfarrer Braune-Hoffnungstal, der noch immer in Haft ist“, erörtert. 368 „Die Beanstandungen des Reichsbundes 367
Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 16. 12. 1940. Paul Braune, Leiter der Hoffnungstaler Anstalten und Vizepräsident des Central-Ausschusses für die Innere Mission der DEK, hatte in Absprache mit Friedrich von Bodelschwingh (Bethel) im Juli 1940 über die „Planmäßige Verlegung der Insassen von Heil- und Pflegeanstalten“ eine Anti-EuthanasieDenkschrift an Adolf Hitler verfaßt, die am 16. 7. 1940 vom Geistlichen Vertrauensrat der DEK an die Reichskanzlei weitergeleitet wurde. Am 12. 8. 1940 wurde Braune von der Gestapo verhaftet und am 31. 10. 1940 wieder entlassen. Abdruck der Denkschrift in: B. Braune, Hoffnung gegen die Not. Mein Leben mit Paul Braune 1932-1954, Wuppertal 21984, 130-141; vgl. 368
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zum Hintergrund der Denkschrift: 61-80. Angesichts der „Bedeutung der Eugenik für unser Volk und seine Zukunft“ rief der Pfarrerverein bereits am 7. 9. 1932 zusammen mit den Schulbehörden, dem Ärzteverein und der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in Kassel zur Gründung einer „Eugenischen Arbeitsgemeinschaft“ auf. Die Federführung lag bei Kreispfarrer D. Bachmann (Kassel). Im Winterhalbjahr 1932/33 wurde zu neun Vorträgen eingeladen. Themen waren u. a.: „Möglichkeiten und Grenzen eugenischer Maßnahmen. Vernichtung minderwertigen Lebens und differenzierte Fürsorge“ (Dr. Harmsen, Berlin), „Die eugenische Bedeutung der Geistes- und Nervenkrankheiten“ (Prof. Dr. med. Stern, Kassel), „Folgen von Alkoholmißbrauch und Unzucht für die Nachkommenschaft“ (Direktor Pfarrer Happich, Treysa-Hephata), „Grundsätzliches zum Kampf um den § 218“ (Prof. Dr. med. Kirstein, Bremen), „Eugenik und Pädagogik“ (Direktor Lesemann, Hannover). Wepler schrieb am 27. 8. 1932 an Bachmann, er sei gerne bereit, sich an dieser Arbeitsgemeinschaft zu beteiligen, und stellte auch eine Kostenbeteiligung des Pfarrervereins an den Vortragsabenden in Aussicht; PfrVAkten, Mappe ohne Aufschrift. - Zur Gesamtproblematik vgl. G. Koch, Euthanasie, Sterbehilfe. Eine dokumentierte Bibliographie (Bibliographica genetica medica - Schriftenreihe aus dem Gesamtgebiet der Humangenetik und Anthropologie 18), Erlangen 21990; besonders K. Nowak, „Euthanasie“ und „Sterilisierung“ im „Dritten Reich“. Die Konfrontation der evangelischen und katholischen Kirche mit dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ und der „Euthanasie“-Aktion (AGK.E 12), Göttingen 31984; E. Klee, „Euthanasie“ im NS-Staat. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, 17.-18. Tsd. Frankfurt a. M. 1991; ders. (Hg.), Dokumente zur „Euthanasie“, 11.-12. Tsd. Frankfurt a. M. 1992, hier auch Abdruck der Denkschrift Braunes: 151-162. Eine Gesamtdarstellung über die NS-Euthanasie in Hessen fehlt noch. Über die Vorgänge in Kurhessen vgl. z. B. Slenczka (s. Anm. 28), 154f; M. Klüppel, „Euthanasie“ und Lebensvernichtung am Beispiel der Landesheilanstalten Haina und Merxhausen. Eine Chronik der Ereignisse 1933-1945 (Nationalsozialismus in Nordhessen - Schriften zur regionalen Zeitgeschichte 4), Kassel 1984; Mensch achte den Menschen. Frühe Texte über die Euthanasieverbrechen der Nationalsozialisten in Hessen. Gedenkstätten für die Opfer. Eine Dokumentation des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Kassel 1985 (31989); P. Göbel/H. E. Thormann, Verlegt, vernichtet, vergessen ...? Leidenswege von Menschen aus Hephata im Dritten Reich (Diakonische Praxis 2), Schwalmstadt-Treysa 1985 (21986); Psychiatrie im Nationalsozialismus. Ein Tagungsbericht des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Kassel 1989; H. E. Thormann, Abtransportiert aus Hephata - ermordet in Hadamar, Eichberg, Weilmünster, Idstein,
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zum Gesetz über die Versetzung von Geistlichen in den Ruheund Wartestand wurden bekanntgegeben.“ Im Jahre 1941 nahm der Vorstand „von der Einziehung der evangelischen Kindergärten und von noch größerer Gefahr, die der gesamten konfessionellen Presse droht“, Kenntnis. 369 Am 19. Juni 1941 erfuhr der Vorstand, daß die Staatspolizei die Führerratstagung des Pfarrervereine-Reichsbundes vom 11.-12. Juni in Naumburg/Saale verboten hatte und daß in Zukunft alle mehrtägigen Tagungen zu unterbleiben hätten. Mehrere Pfarrerverhaftungen wurden bekanntgegeben und daß bisher 157 Pfarrer und 233 Pfarrerssöhne im Krieg „für das Vaterland“ gefallen seien. Im Protokoll der Ausschußsitzung vom 24. August, in der 23 Kirchenkreise vertreten waren, heißt es: „Der Kampf gegen die öffentliche Stellung des Pfarrers und gegen die Kirche geht weiter (Krieger-Verein). Die Kirche darf keinen Grundbesitz mehr ererben noch erwerben. Der Pfarrer darf keinen Privatunterricht mehr erteilen ...“ Man beschloß, das 50jährige Bestehen des Pfarrervereins im einfachsten Rahmen stattfinden zu lassen. Zu diesem Zweck fand am 1. Oktober 1941 eine Jubiläums-Ausschußsitzung in Kassel statt. Neben 23 Kirchenkreisvertretern und Vorstandsmitgliedern waren als Vertreter des Landeskirchenamtes und der Kirchenleitung D. Happich, D. Merzyn und Haupt anwesend. Wepler gab „einen eingehenden geschichtlichen Rückblick über Gründung und die vergangenen 50 Jahre des Pfarrer-Vereins. Zum Schluß dankte er für das Vertrauen, das man ihm in den 12 Jahren seiner Amtsführung entgegengebracht habe.“ Nach Happichs Grußwort sprach Merzyn und wies darauf hin, „daß an diesem 1. Oktober
Herborn ... Das Gedenk- und Mahnzeichen in Hephata. Eine Dokumentation (Diakonische Praxis 4), Schwalmstadt-Treysa 1992. 369 Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 17. 4. 1941.
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auch das Predigerseminar Hofgeismar seinen 50. Geburtstag begehe“.370 Anläßlich seines 50jährigen Bestehens stiftete der Pfarrerverein einen Stipendienfonds für Theologiestudenten, „dessen Jahreszinsen der Förderung der theologischen Arbeit unter den Studenten und Kandidaten unserer Landeskirche zugute kommen sollen“.371 Dies war ein Schritt, der in der Not der kommenden Jahre für eine Reihe von jungen Amtsbrüdern angesichts der desolaten finanziellen Situation in nicht wenigen Elternhäusern und wegen des Wegfalls staatlicher Förderung von großer Bedeutung war. Fast in jeder Vorstandssitzung wurden kirchenpolitische Fragen besprochen, ohne daß - aus Vorsichtsgründen - die Vorgänge immer im einzelnen protokolliert wurden, wie z. B. ein Eintrag vom 15. April 1942 zeigt: „Endlich wurden Fragen der hohen Kirchenpolitik in unserer kleinen Landeskirche durch(ge)sprochen.“ In derselben Sitzung wurde festgestellt: „Die Eliminierung von Kirche und Pfarrerschaft aus der Volksgemeinschaft schreitet fort.“ Regelmäßig teilte Wepler seinen Kollegen im Vorstand die Verlustzahlen der im Krieg gefallenen Pfarrer und Pfarrerssöhne mit - für Kurhessen-Waldeck wie für das Reich. Mehrfach befaßte sich der Vorstand auch mit Problemen der Pfarrstellenbesetzung, die durch die vielen Vakanzen entstanden. Allerdings stand bis 1942 immer noch genügend Theologennachwuchs zur Verfügung. 370 Die Einweihung fand am 5. 10. 1891 statt. Zu seiner frühen Geschichte s. M. Hein, Die Anfänge des Predigerseminars in Hofgeismar, in: ders. (Hg.), Ein Jahrhundert Predigerseminar in Hofgeismar 1891-1991. Festschrift anläßlich des hundertjährigen Bestehens, Kassel 1991, 27-38 (mit älterer Lit.). Merzyn war dort der zweite Studiendirektor 1908-1924. 371 Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 23. 3. 1943, Beilage „Studienfonds“. Das Thema wurde mehrfach behandelt, vgl. die entsprechenden Beschlüsse vom 1. 10. 1941, 20. 8. 1942, 10. 12. 1945. Unter dem letzten Datum wurde der Fonds auf 30 000,- RM erhöht.
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Am 10. Dezember 1942 erfuhr der Vorstand, daß Happich als Leiter der diakonischen Anstalten Hephata in Treysa derart in Anspruch genommen sei, daß der Landeskirchenausschuß Merzyn gebeten habe, „das Amtskreuz zu tragen“, d. h. die Landeskirche nach außen hin zu repräsentieren. „Ferner ward die Einigungsaktion Wurm besprochen. D. Happich hat sie für sich persönlich unterschrieben. Die Beurteilung der 13 Punkte selbst schwankt zwischen freudiger Bejahung und gehässiger Ablehnung (Wittenberger Bund).“ 372 Schließlich wurde mitgeteilt, daß Traueranzeigen von BK-Bruderratsmitgliedern im „Deutschen Pfarrerblatt“ nicht mehr erscheinen dürfen. In der Vorstandssitzung vom 23. März 1943 (anwesend: Wepler, Dithmar, Francke, Schmidt, Scheig, Angersbach, Wüstemann und als Gast Kreispfarrer Schmidmann aus Marburg) hieß es: „Die Sätze Wurms sollen weiter als Unterlage einer Einigung dienen und ohne Werbung hinausgehen. In Kassel sind weitere Bemühungen des Landeskirchenausschusses im Gange, von sich aus die geistliche Leitung der Landeskirche zu bestimmen. Dazu hat er kein Recht. Er hat die kirchenpolitische Leitung in der Hand. Auftrag zur geistlichen Leitung kann nur
372 Vgl. dazu J. Thierfelder, Das kirchliche Einigungswerk des württembergischen Landesbischofs Theophil Wurm (AKIZ/B 1), Göttingen 1975; Slenczka (s. Anm. 28), 164-166; Meier (s. Anm. 313 [Bd. 3]), 161-180. Slenczka, 165: „In Kurhessen selbst hat die Aktion des Bischofs D. Wurm keine besondere Wirkung hervorgerufen. Die Lage hatte sich weithin beruhigt.“ Slenczka, 166: „Im ganzen kann man feststellen, daß deshalb kein Interesse für die Aktion von D. Wurm bestand, weil diese Entwicklung in Kurhessen bereits erfolgt war.“ Daß dem keineswegs so war, zeigt zum einen der oben schon genannte Dissens zwischen von Soden und Happich, zum andern die Geschichte des Pfarrervereins, dessen Vorstand sich immer wieder um eine Geschlossenheit der Pfarrerschaft bemühte, die von 1933-1945 de facto nie erreicht wurde.
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die Kreispfarrerkonferenz mit den geistlichen Kirchenräten geben.“373 Am 12. April 1943, fünf Tage nach Weplers Verhaftung, traf der restliche Vorstand (anwesend: Scheig, Schmidt, Schimmelpfeng, Wüstemann, Dithmar) Vorkehrungen für die künftige Geschäftsführung. Gleichzeitig wurden die übergeordneten Stellen wie Landeskirchenamt und Reichsbund über die neue Lage des Pfarrervereins unterrichtet. Scheig führte nun seit dem 30. April satzungsgemäß aufgrund seiner Berufung von 1935 „vorläufig die Geschäfte als Stellvertreter des behinderten Vereinsführers weiter. Er erklärt, daß er den Vorsitz nur solange behält, bis der neue Vereinsführer gewählt ist.“374 Noch an demselben Tag wurde der Ausschuß über den „Fall Wepler“ informiert und wurden auf Vorschlag des Vorstandes einmütig die Pfarrer Walther (Eschwege), Schmidmann (Marburg) und Paulus (Lichtenau) in den Vorstand berufen. Damit konnte der wegen mehrerer Einziehungen zum Militär dezimierte Vorstand weiter handlungsfähig bleiben. Im Zusammenhang mit der Inhaftierung Weplers warnte Dithmar diplomatisch im Ausschuß „vor jeder impulsiven Handlung und rief die Ausschußmitglieder zum Zusammenhalten der Pfarrer auf, damit den Brüdern im Felde der Pfarrerverein erhalten bleibe!“ Frau Wepler sollte ein Gruß übermittelt werden. Später ließ ihr der Vorstand auch finanzielle Unterstützungen zukommen. Ihrem Mann und dem ebenfalls verhafteten Pfarrer Kaiser (Enkheim) wurde nach § 3 Abs. 1 der Satzungen Rechtsschutz gewährt.375 373 Zu der schon seit Jahren kontroversen Frage der geistlichen Leitung der Landeskirche und ihrer Virulenz bis 1975 s. Slenczka, a.a.O., 167-171; Hein (s. Anm. 120), 35-40 [ND: 70-74]. 374 Protokollbuch 1933-1948, Vorstandssitzung, 30. 4. 1948. 375 A.a.O., Vorstandssitzung, 20. 10. 1943 (schon in Treysa). Am 17. 5. 1944 beschloß der Vorstand, die Gerichtskosten für Wepler in Höhe von 1 820,RM zu begleichen. Im übrigen konnten damals weder Kirchenleitung noch Pfarrerverein eine (später dann doch eingetretene) Strafverkürzung oder Begnadigung Weplers erreichen. - Hatten die Vorstandssitzungen bisher
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Nachdem Wepler mit Schreiben vom 29. September 1943 an den Vorstand sein Amt zur Verfügung gestellt hatte, wurde Paulus hatte abgelehnt - Wüstemann gefragt, ob er Weplers Nachfolger werden wolle. Aber Wüstemann lehnte ebenfalls ab. So einigte man sich, daß es bei der stellvertretenden Leitung durch Scheig bleiben solle. Dessen Stellvertreter wurde Paulus.376 Wepler war am 28. September 1943 vom Oberlandesgericht in Kassel wegen „Rundfunkverbrechen“ (Abhören von „Feindsendern“) zu drei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust verurteilt worden. Eine andere Version seiner Verhaftungsbegründung teilte sein Freund Kirchenrat Klingler 1946 mit. Danach hatte sich Wepler „unvorsichtig und ungünstig über den Ausgang des Krieges und die Partei geäußert“.377 Wepler war auch noch nach seiner Verhaftung fest davon überzeugt, daß ein Vertrauensverhältnis zwischen Staatsführung und Pfarrerschaft möglich ist. In einer Denkschrift über das Verhältnis des evangelischen Pfarrers zu Volk und Staat vom 1. Mai 1943, verfaßt im Kasseler Gefängnis und an die Gestapo adressiert, betonte er die unerschütterliche Treue der Pfarrerschaft zum nationalsozialistischen Staat. 378 Man kann diese Denkschrift ihres Adressaten wegen vielleicht als den verständlichen Versuch werten, die eigene Unschuld zu betonen, um auf diese Weise wieder die Freiheit zu erlangen. Sicher ist die Diktion auch davon beeinflußt. Jedoch dürfte der Text - so wie Wepler sich bis dahin immer wieder in der Öffentlichkeit geäußert hatte - in erster Linie die ehrliche Meinung eines Mannes wiedergeben, der aus ganzem Herzen deutscher Patriot, Christ meistens in Kassel stattgefunden, so traf sich der Vorstand seit der schweren Zerstörung Kassels am 22. 10. 1943, bei der auch das Landeskirchenamt ausgebombt wurde, zu seinen Sitzungen regelmäßig in Treysa (Hephata). 376 A.a.O., Vorstandssitzung, 20. 10. 1943 und 2. 2. 1944. 377 Dokumente (s. Anm. 218), 11. 378 S. Anhang Nr. 18.
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und Nationalsozialist zugleich war; eines Mannes, der auch bis ans Ende seiner Haft am 29. März 1945 vom Nationalsozialismus als einer Gabe Gottes an das deutsche Vaterland überzeugt blieb. 2.16 Zwischen Kontinuität und Bruch In der ersten Vorstandssitzung nach Kriegsende am 12. September 1945 in Hephata (anwesend: Wepler, Dithmar, Schimmelpfeng, Schmidt, Paulus) wurde einmütig festgestellt, „daß Wepler wieder Vorsitzender des Pfarrervereins ist, nachdem seine gewaltsame Behinderung in Fortfall gekommen ist ... Wepler soll baldmöglichst an alle Pfarrer des Vereins ein ausführliches Rundschreiben richten ... Dr. Schimmelpfeng soll ebenso bald die Lizenz für das Pastoralblatt beantragen.“ In der Ausschußsitzung vom 11. Dezember 1945 in Hephata (anwesend: 5 Vorstandsmitglieder und 10 Vertrauensmänner) wurde beschlossen, den berüchtigten § 3 Abs. 2 der Satzungen von 1935 zu streichen und § 6 zu ändern und entsprechend dem Registergericht mitzuteilen. „Wepler ward das Vertrauen ausgesprochen.“ Er blieb noch bis zum 30. November 1948 Vorsitzender des Pfarrervereins. Sein am 6. September 1948 in Marburg einstimmig gewählter Nachfolger wurde Pfarrer Dr. Hans Schimmelpfeng, der sein Amt am 1. Dezember 1948 antrat und später auch Vorsitzender des Verbandes der Evangelischen Pfarrervereine in Deutschland wurde. Anläßlich der Marburger Hauptversammlung am 7. September 1948 wurde Dekan (früher: Kreispfarrer) Wepler von Bischof Wüstemann wegen seiner Verdienste um Kirche und Pfarrerschaft in den vergangenen Jahren zum Kirchenrat ernannt.379 379
Wie er selbst seine Haltung im Dritten Reich beurteilte, schilderte Wepler in dem Aufsatz: Der Evangelische Pfarrerverein Kurhessen-Waldeck im Kirchenkampf, Pastoralblatt 52 (1950) Nr. 12, S. 8-12; 53 (1951) Nr. 1, S. 1-
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Der Pfarrerverein verlieh ihm und dem langjährigen Schriftführer, Pfarrer Schmidt, „wegen ihrer fast 20jährigen treuen Arbeit im Vorstand“ die Ehrenmitgliedschaft in diesem Gremium. Die Ära Wepler, der seit dem 5. Juni 1929 den Pfarrerverein in der schwierigsten Periode seit seiner Gründung geleitet hatte, war zu Ende. 3. Nach dem Zweiten Weltkrieg Schon die Zeit seit der Treysaer Notsynode 1945 bis Ende 1948 mit zum Teil weitreichenden kirchenrechtlichen und kirchenpolitischen Entscheidungen auf der Ebene der DEK bzw. EKD wie Landeskirchenebene ließ erkennen, daß eine neue Periode begonnen hatte. Aber nicht nur in der Kirche und im Pfarrerverein, auch im öffentlichen Leben, in Staat und Gesellschaft stand man angesichts des Zusammebruches des Dritten Reiches vor Fragen und Problemen, auf die weder die Antworten und Lösungen aus der Zeit der Weimarer Republik noch einer anderen Zeit deutscher Vergangenheit paßten. Es galt, neu zu denken, neu zu handeln. Zugleich durfte die Geschichte nicht verdrängt werden. An ihrem Verlauf vom Kaiserreich über die Weimarer Demo5. Der Absicht Weplers, sich im nachhinein als entschiedenen Gegner des Nationalsozialismus darzustellen, stehen die oben geschilderten Fakten entgegen. Auch die S. 5 mitgeteilten Sätze seines Freundes Dithmar (aus einem Nachkriegsbericht zugunsten Weplers) sind eine Verdrehung der Tatsachen: „Gehorsam seinem kirchlichen Gewissen kämpfte er (der Pfarrerverein; B. J.) unerschrocken gegen die Partei und die nationalsozialistische Weltanschauung. Ende 35 gelang es durch sein entschiedenes Auftreten und die tatkräftige Unterstützung, den Kirchenstreit zu einem guten Ende zu bringen.“ Zum Problem der Entnazifizierung, das im Blick auf die kurhessische Pfarrerschaft bis heute noch keine Darstellung erfahren hat, vgl. C. Vollnhals, Evangelische Kirche und Entnazifizierung. Die Last der nationalsozialistischen Vergangenheit, München 1989; ders., Entnazifizierung und Selbstreinigung im Urteil der evangelischen Kirche. Dokumente und Reflexionen 1945-1949 (SKZG 8), München 1989.
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kratie bis zum Ende der Hitlerdiktatur hatte der evangelische Pfarrerstand in politischer Hinsicht in einer Weise Anteil, die von Ausnahmen abgesehen - beschämend war: auch in Kurhessen-Waldeck, das wahrlich keine „Insel der Seligen“ war. Hatte sich die evangelische Pfarrerschaft von KurhessenWaldeck in der Zeit des Nationalsozialismus, zum Teil notgedrungen, viel mit sich selbst und ihren eigenen Nöten beschäftigt, natürlich um der Kirche willen, so wurde sie jetzt dazu aufgerufen, sich wieder auf den Weg zur Gemeinde zu machen, die Enttäuschten und Belogenen, die Traurigen und Entwurzelten, die Hoffnungs- und Orientierungslosen zu sammeln, zu trösten und zu stärken mit der Gabe, die höher ist als alle menschliche Vernunft und in Ewigkeit bleibt: dem Wort Gottes im Evangelium. Daß dabei schließlich auch die Umgestaltung des menschlichen Lebens in Familie, Beruf und Gesellschaft, wie sie in den letzten Jahrzehnten vor sich gegangen war, in Predigt, Seelsorge, Unterricht und einer neuen Gemeindestruktur mit geistlich akzeptablen Größen in den Blick genommen wurde, war das programmatische Anliegen, das der neue Vereinsvorsitzende Schimmelpfeng auf der ersten Nachkriegshauptversammlung in Marburg 1948 den Amtsbrüdern und -schwestern vortrug.380 Seither war bis heute das Leben der Gemeinde das vorrangige Interesse des Pfarrervereins. Die Standesfragen traten zurück. Sie wurden behandelt, gerade im Zusammenhang der Neuordnung der Landeskirche, vor allem bei der Einführung des neuen Pfarrerdienstrechtes, später bei der Frage der Gleichberechtigung der Frauen im Pfarramt und der Mitsprache der Pfarrerschaft in den verschiedenen kirchlichen Entscheidungsvorgängen (Demokratisierung) usw., aber sie nahmen von 1948 bis zur Gegenwart nie mehr den Rang ein, den sie in früheren Jahren hatten. Was sein Verhältnis zu Staat und Politik betraf, zeigte 380 Vgl. H. Schimmelpfeng, Auf dem Weg zur Gemeinde. Ein brüderliches Wort zur theologischen Besinnung und kirchlichen Entscheidung, Siegen 1948.
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sich der Pfarrerverein nach dem Kriege - durch die Fehler im Dritten Reich gewarnt und vorsichtig geworden - im übrigen äußerst spröde und zurückhaltend. Engagierten sich einzelne Mitglieder immer wieder politisch, und zwar in verschiedenen Richtungen und auf unterschiedliche Art, so tat sich der Verein als ganzer politisch nicht mehr in besonderer Weise hervor.381 In caritativer Hinsicht half der Pfarrerverein nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem seinen ausgebombten oder auf sonstige Weise zu Schaden gekommenen Mitgliedern, vielen in Kurhessen-Waldeck vorübergehend oder für immer untergekommenen Ostpfarrern. Schon frühzeitig organisierte er eine Osthilfe für die Pfarrerschaft in der Sowjetischen Besatzungszone, der späteren Deutschen Demokratischen Republik. Für Emeriten wurden 1950 in Marburg und später auch in Kassel Häuser gebaut, für erholungsuchende Pfarrfamilien das Wepler-Haus in Waldkappel eingerichtet, Studierenden der Theologie finanzielle Hilfen gewährt u. v. a. m. Versuche, sich mit dem Pfarrerverein von Hessen-Nassau zu vereinigen, schlugen fehl. Aber das seit August 1971 gemeinsam herausgegebene Vereinsorgan „Hessisches Pfarrerblatt“ und verschiedene gemeinsame öffentliche Veranstaltungen brachten die süd- und nordhessische Pfarrerschaft einander näher. Die unsichtbare, aber in der Praxis immer wieder spürbare Grenze zwischen Hessen-Nassau und Kurhessen-Waldeck wurde auf diese Weise durchlässiger. Das Engagement des Vereinsvorsitzenden Werner Dettmar (1977-1987) außerhalb der kurhessischen Landeskirche sowohl in verschiedenen EKD-Gremien als auch im Vorstand des Ver381 Über die Ziele, Taten und Erwartungen des Pfarrervereins 15 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gab ein Werbeblatt Auskunft, das der Vorsitzende, Dekan Walther Roth (Ziegenhain), im Frühjahr 1960 in einer Auflage von 1 500 Stück drucken und, u. a. als Beilage zum Pastoralblatt 62 (1960) Nr. 2, an die Pfarrer und Vikare in Kurhessen-Waldeck verteilen ließ, s. Anhang Nr. 19.
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bandes der Evangelischen Pfarrervereine in Deutschland und in der Schriftleitung des „Deutschen Pfarrerblattes“ brachte dem kurhessischen Pfarrerverein auch immer wieder die Weite und Vielfalt der Evangelischen Kirche in Deutschland zu Bewußtsein, in deren geographischer Mitte die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck liegt. Die Ökumene aus evangelischen und katholischen Christen, wie sie vor allem nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, den großen Weltversammlungen des Ökumenischen Rates der Kirchen in Neu Delhi (1961) und Uppsala (1968) und dem Ökumenischen Pfingsttreffen in Augsburg (1971) in den 60er und 70er Jahren mit großer Begeisterung erfahren wurde, erhielt auch in Kurhessen-Waldeck eine Erweiterung durch die Ökumene der Religionen, besonders zwischen Judentum und Christentum. Auch hier gab Dettmar in vielfacher Weise nicht nur in der Landessynode, sondern auch im Pfarrerverein Impulse zur Begegnung zwischen Kirche und Synagoge, Christen und Juden.382 Zuvor hatte Walther Roth während seiner Amtszeit als Vorsitzender des Pfarrervereins (1959-1963) das Gespräch mit der modernen Theologie, wie sie damals auf exegetischem Gebiet vor allem von dem wegen seiner Entmythologisierungsthese heftig umstrittenen Rudolf Bultmann in Marburg vertreten wurde, in der Pfarrerschaft gefördert. Die Vorsitzenden Rausch (1954-1958) und Heck (1963-1977) rückten in ihrer Arbeit vor allem die Frage in den Vordergrund, welche Aufgaben die Pfarrer in der modernen Gesellschaft haben und wie sie diese wahrnehmen können. In Hecks Amtszeit fiel auch die Einführung der neuen Agende für KurhessenWaldeck, an deren Entstehung der Pfarrerverein wesentlich beteiligt war. Dem heutigen Vorsitzenden, Friedrich Malkemus (seit 1987) [bis @ZDUYRQ$QIDQJDQGDV*HVSUlFK]Zi382 Vgl. z. B. die beiden Bände: Kirche und Israel (Didaskalia 34/42), Kassel 1989/1992.
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schen Kirche und gesellschaftlichen Gruppen sowie der Dialog der verschiedenen Generationen in der Pfarrer- und Pfarrerinnenschaft ein besonderes Anliegen. Auch die volle Gleichberechtigung der Frauen im Pfarramt, für die sich im Vorstand Pfarrerin Roswitha Alterhoff (später Dekanin und Pröpstin in Bad Hersfeld [und Prälatin in Kassel]) schon in Dettmars Amtszeit eingesetzt hatte, fand in Malkemus gerade gegenüber der Kirchenleitung einen entschiedenen Fürsprecher. Das manchmal festzustellende Auseinanderdriften der Generationen und die im Zuge der Bildungsreform auch schwieriger gewordene theologische Ausbildung an den Universitäten, zum Teil auch im Ausland, machte eine Begegnung der unterschiedlichen Sicht- und Verstehensweisen von Kirche und Gemeinde und ihren verschiedenen Ämtern einschließlich des Pfarramtes zu einer dringenden Aufgabe. Schließlich wurde auch die wachsende Bedeutung des Engagements der sogenannten Laien in der Kirche als Notwendigkeit erkannt. All diesen Aufgaben hat sich Malkemus zusammen mit dem Vorstand immer wieder gestellt. Seit seiner letzten Wahl im April 1993 gehören dem Vorstand an: Dekan Friedrich Malkemus (Vorsitzender, Schwalmstadt-Ziegenhain), Pfarrer Walter Wagner (stellvertretender Vorsitzender, Hessisch Lichtenau), Pfarrerin Irene Umbach (Schriftführerin, Kassel), Pfarrer Horst Althaus (Marburg-Cappel), Pfarrer Lothar Grigat (Erlensee-Langendiebach). Zum Kassenprüfer wurde Pfarrer Martin Becker (Kassel-Lohfelden) bestellt und Pfarrer i. R. Helmut Ludwig (Niederaula) wieder als Schriftleiter des kurhessischen Teils im „Hessischen Pfarrblatt“. Der Schwerpunkt unserer Darstellung lag auf der Geschichte des Pfarrervereins im Dritten Reich. Das Ringen seiner Mitglieder und vor allem seines Vorstandes um die Anerkennung als Standesorganisation, auf die sich der nationalsozialistische Staat in seiner Politik ganz und gar verlassen konnte, wurde von der vollen Bejahung Hitlers und seiner Ziele im Jahre 1933 bis zum bedrückenden Erlebnis der Anprangerung der Pfarrer als „poli-
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tisch unzuverlässige Elemente“ und der Inhaftierung des Vereinsführers als eine tragische Entwicklung sichtbar. Tragisch, weil kaum eine andere Standesorganisation aufgrund einer einseitigen theologisch-praktischen Orientierung am aus Römer 13 abgeleiteten Gebot des absoluten Gehorsams gegenüber der Obrigkeit der Verführung der nationalsozialistischen martialischen Weltanschauung so erlegen war wie der Pfarrerverein und nicht nur der kurhessische. Daß hier und da auch Kritik und mutiger Widerstand gegen Unterdrückung, Unrecht und Verbrechen des diktatorischen Staates hör- und sichtbar wurden, steht fest. Aber die Parole des Pfarrervereins hieß in den Jahren 19331945 selten: Widerstand, meistens: Anpassung. 383 Wenn wir dies heute feststellen, so nicht als Urteil im Sinne eines Richterspruches, sondern als Faktum der Geschichte. Es gilt, im Abstand eines halben Jahrhunderts dieses Faktum wahrzunehmen und die Ursachen und Beweggründe aufzuspüren, die die damalige Pfarrerschaft in ihrer großen Mehrheit dazu bewegten, im Ernstfall Hitler mehr zu gehorchen als Gott. Das historische Material, das uns vorliegt, gibt uns die Möglichkeit, der Legendenbildung zu wehren, als habe es die Pfarrerschaft verstanden, die evangelische Kirche in Kurhessen-Waldeck durch den Strudel der Zeit des Dritten Reiches hindurch als eine „Insel der Seligen“ zu retten. Die Auseinandersetzung darüber, was aus der Vergangenheit der Kirche nun endlich dem Wandel preiszugeben und was als 383
Schimmelpfeng (s. Anm. 2), 157f, formulierte 1966 in seinem Rückblick anläßlich der 75-Jahrfeier noch vorsichtitg, der Pfarrerverein habe sich „korporativ ... sowenig wie etwa die Innere Mission ... der Bekennenden Kirche anschließen“ können. „Andererseits muß aber auch gesagt werden, daß es den Männern in der Führung des Pfarrervereins nicht geschenkt wurde, ein eindeutiges Bekenntnis ohne Wenn und Aber abzulegen, wobei die vielen Gefährdungen, Geldstrafen, Inhaftierungen, Schutzhaften, Hausdurchsuchungen, Rede-, Schreib- und Reiseverbote, öffentliche Verunglimpfungen und dergleichen mehr, die auch den Männern des Pfarrervereins auferlegt wurden, allerdings nicht verschwiegen werden sollen.“
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Bestand zu erhalten, vielleicht in neue Formen zu gießen war, hat nach dem staatlichen Zusammenbruch 1945 innerhalb des Pfarrervereins nicht stattgefunden. Dies geschah im wesentlichen dann in den Synoden. Aufgrund seiner Involvierung in die nationalsozialistische Geschichte war der kurhessische Pfarrerverein nicht dazu in der Lage, der Kirche zu einem kritischen, d. h. die Geister unterscheidenden Neuanfang zu verhelfen. Trotz ihrer jahrelangen Kontakte zum Pfarrerverein hatten Hans von Soden und seine Weggefährten aus dem Bruderrat des BK es nicht vermocht, die führenden Männer des Vereins zu einer staatskritischeren Haltung im Sinne der Barmer Theologischen Erklärung zu bewegen. Wie in Württemberg war auch die Pfarrerschaft in Kurhessen-Waldeck davon überzeugt, daß man mit dem NS-Staat leben müsse, „um die Volkskirche zu erhalten“. Das Barmer Bekenntnis galt für viele als ein „Weg in die Freikirche“. 384 Nach 1945 war aber eine organisatorische Neuordnung und geistliche Neuorientierung der kurhessischen Kirche nur noch auf der theologischen Basis möglich, die in Barmen 1934 grundgelegt worden war. Die damaligen Erkenntnisse wurzelten im Bekenntnis der Reformation, die das geistliche Amt als ein „ministerium docendi evangelii et porrigendi sacramenta“ verstand. Auf dieser Grundlage beschloß die Landessynode am 22. Mai 1967 in Hofgeismar die „Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck“, deren Zustandekommen der Pfarrerverein gefördert hatte. Ihre Präambel lautet: (1) Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck ist gerufen zum Dienst am Evangelium von Jesus Christus, das in der Botschaft der Heiligen Schrift gegeben und im Bekenntnis der Reformation bezeugt ist. (2) Sie tritt ein für die Gemeinschaft der Evangelischen Kirche in Deutschland und für die ökumenische Gemeinschaft der Kirchen in der Welt. 384 H. Ehmer, Hundert Jahre Württembergischer Pfarrverein, in: H. Mittendorf (Hg.), „Gottes gesammelte Stückwerke“. Hundert Jahre Evangelischer Pfarrverein in Württemberg, Stuttgart 1991, (37-109) 72.
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(3) Sie ist vor allem durch das Augsburgische Bekenntnis und die von ihm aufgenommenen altkirchlichen Symbole geprägt und in der Vielfalt der überlieferten Bekenntnisse der Reformation zu einer Kirche zusammengewachsen. (4) In dieser geschichtlich gewordenen Einheit und in Wahrnehmung des gemeinsamen Auftrages hat die Landeskirche mit ihren Gemeinden und allen ihren Gliedern die Verantwortung, das Evangelium in Wort und Sakrament, in Seelsorge, Unterweisung, Mission und Diakonie in rechter Weise auszurichten ...
Am 28./29. April 1991 feierte der Pfarrerverein, ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Jubiläum am 1. Oktober, sein 100jähriges Bestehen mit einer großen Festveranstaltung in Bebra. Die Predigt im Festgottesdienst am Sonntag, dem 28. April, mit heiligem Abendmahl in der Stadtkirche Bebra hielt Bischof Dr. Hans-Gernot Jung. Am Montag, dem 29. April, hielt der thüringische Landesbischof Dr. Werner Leich (Eisenach) in der Stadtkirche den Festvortrag über das Thema „Ministerium docendi evangelii et porrigendi sacramenta semper reformandum est“.385 Die Geschichte des Pfarrervereins seit 1945 konnte in unserem Zusammenhang des Umfanges wegen nur noch in groben Zügen angedeutet, aber nicht im Detail dargestellt werden. Sie bleibt ein dringendes Desiderat nicht nur für die kirchliche Zeitgeschichtsforschung, sondern auch für den Verein selbst. Denn nur, wenn er sich seiner Geschichte stellt, wird er in der Gegenwart angesichts der Zukunft seinen Weg in Verantwortung vor Gott und den Menschen gehen können. Nur so wird er auch dem treu bleiben, was die Gründer des Pfarrervereins sich zum
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H.-G. Jung, „Laßt das Wort Christi reichlich unter euch wohnen“, in diesem Band [B. Jaspert (Hg.), Dem Evangelium Raum geben. Pfarrerinnen und Pfarrer auf dem Weg in die Zukunft. Predigten und Abhandlungen anläßlich des 100jährigen Bestehens des Vereins evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Kurhessen-Waldeck, Hofgeismar 1994], 9-14; W. Leich, „Ministerium docendi evangelii et porrigendi sacramenta semper reformandum est“, in diesem Band [s. o.], 15-23, und in: ThBeitr 24 (1993) 85-94.
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Ziele gesetzt hatten und was auch nach 100 Jahren noch Gültikeit haben kann: In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas.
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ANHANG Nr. 1 Satzungen vom 1. Oktober 1891 (Pastoralblatt 1 [1892] Nr. 15, S. 3) Satzungen des Pfarrervereins für den Consistorialbezirk Cassel. § 1. Der Pfarrerverein für den Consistorialbezirk Cassel will unter steter Berücksichtigung der Lebensbedingungen und Lebensaufgaben unserer Kirche die berechtigten Anliegen des geistlichen Amtes und Standes vertreten und zwar in den Grenzen und mit den Mitteln, wie sie durch die Eigenart einer freien Vereinigung bedingt und gegeben sind. Er will ferner dahin wirken, daß die vorhandenen kirchlichen Arbeitsorganisationen zum geistlichen und leiblichen Wohl der Gemeinde erweitert und mit kräftigem christlichen Geist und Leben erfüllt werden. Er erstrebt endlich eine dem christlich-evangelischen Gewissen entsprechende Rechtsentwicklung sowohl in der Gesetzgebung als namentlich auch in der Rechtsprechung und zwar mit allen gesetzlichen Mitteln. § 2. Diese Zwecke sucht der Verein zu erreichen durch festen Zusammenschluß aller Standesgenossen, Pflege des Amtsbewußtseins und Gemeinschaftssinnes, sowie durch geschlossenes Vorgehen in allen Fragen, die im Bereich seiner Thätigkeit liegen. § 3. Der Verein macht seinen Mitgliedern die gewissenhafte Amtsführung nach Maßgabe ihres Reverses zur strengsten Pflicht, schützt aber dieselben auch mit aller Kraft in Ausübung ihrer Pflichten und in ihren Rechten. Schutz und Beistand gewährt der Verein durch seinen Vorstand insbesondere in der Ausübung der Predigt, der Seelsorge und der Kirchenzucht: 1. auf Anfrage durch Erteilung von Auskunft; 2. durch Zuweisung und nach Maßgabe der vorhandenen Mittel Bezahlung eines geeigneten Rechtsbeistandes bis zur höchsten Instanz; 3. durch Vertretung des angefochtenen Geistlichen, soweit erforderlich in der Tagespresse; 4. durch moralische und materielle Unterstützung anderer Art.
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§ 4. Ordentliches Mitglied ist jeder Theologe, der im Kirchen- oder Schuldienst steht oder im Ruhestand sich befindet, wenn er sich zu den Vereinssatzungen bekennt und den von der Haupt-Versammlung festgesetzten Jahresbeitrag zahlt, wofür ihm das Vereinsblatt unentgeltlich geliefert wird. Ehrenmitglieder (auch Nichtgeistliche) mit Stimmrecht können auf Vorschlag des Vorstandes von der Hauptversammlung ernannt werden. § 5. Jede Pfarreiklasse bezw. Inspectur, sowie die Städte Cassel, Marburg, Hanau bilden eine Vereinsabteilung. Die Mitglieder wählen aus ihrer Mitte einen geschäftsführenden Vertrauensmann und dessen Stellvertreter. Alle 3 Jahre findet spätestens bis zum 1. April Neuwahl statt. § 6. Die Vertrauensmänner bilden in ihrer Gesammtheit für jede Diöcese den Bezirksausschuß. Derselbe verteilt die Geschäfte unter sich und beruft nach Bedürfnis die Mitglieder der Diöcese zur Bezirksversammlung. § 7. Der Pfarrerverein wird geleitet und vertreten durch einen Vorstand, der sich aus je einem von dem Bezirksausschuß aus seiner Mitte gewählten Abgeordneten (bezw. dessen Stellvertreter) der 13 Diöcesen zusammensetzt und aus sich einen Vorsitzenden wählt, in dessen Hand die Leitung der Geschäfte liegt. § 8. Die Hauptversammlung aller Mitglieder des Pfarrervereins tritt jährlich einmal zusammen. Sie beschließt über Vereinsangelegenheiten auf Grund von Vorlagen des Vorstandes oder von Anträgen der Mitglieder. In derselben berichtet der Vorstand über die Thätigkeit des Vereins, legt Rechnung und holt, wenn er in dringenden Fällen in Gemäßheit des § 3, 2 und 4 bereits thätige Hülfe geleistet hat, nachträglich die etwa notwendige Genehmigung der Hauptversammlung ein. § 9. Als Vereinsblatt dient dem Verein ein zu gründendes „Pastoralblatt für den Consistorialbezirk Cassel.“ Der Vorstand hat dafür Sorge zu tragen, daß dieses Blatt möglichst bald ins Leben tritt.
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§ 10. Jedes Vereinsmitglied hat bis zum 15. Januar jedes Jahres seinen Beitrag ganz frei dem Kassenführer einzusenden. Bleibt der Beitrag länger als 6 Monate trotz Erinnerung rückständig, so erlischt die Mitgliedschaft. Nr. 2 Satzungen vom 6. Mai 1901 (Pastoralblatt 10 [1901] 49-50) Pfarrerverein für den Consistorial-Bezirk Cassel, gegründet am 1. Oktober 1891. (Eingetragener Verein.) Satzungen. I. Name, Sitz und Zweck des Vereins. § 1. Der Verein führt den Namen „Evangelischer Pfarrerverein für den Konsistorialbezirk Cassel.“ Er soll in’s Vereinsregister eingetragen werden. Von der Eintragung ab erhält er den Zusatz: „eingetragener Verein.“ § 2. Der Sitz des Vereins ist Cassel. § 3. Der Verein hat den Zweck: unter steter Berücksichtigung der Lebensbedingungen und Lebensaufgaben unserer Kirche die berechtigten Anliegen des geistlichen Amtes und Standes zu vertreten und zwar in den Grenzen und mit den Mitteln, wie sie durch die Eigenart einer freien Vereinigung bedingt und gegeben sind. Er will ferner dahin wirken, daß die vorhandenen kirchlichen Arbeitsorganisationen zum geistlichen und leiblichen Wohl der Gemeinde erweitert und mit kräftigem christlichem Geist und Leben erfüllt werden. Er erstrebt endlich eine dem christlich-evangelischen Gewissen entsprechende Rechtsentwicklung sowohl in der Gesetzgebung als namentlich auch in der Rechtsprechung und zwar mit allen gesetzlichen Mitteln. § 4. Diese Zwecke sucht der Verein zu erreichen durch festen Zusammenschluß aller Standesgenossen, Pflege des Amtsbewußtseins und Gemeinschaftssinnes, sowie durch geschlossenes Vorgehen in allen Fragen, die im Bereich seiner Thätigkeit liegen. § 5. Der Verein macht seinen Mitgliedern die gewissenhfate Amtsführung nach Maßgabe ihres Reverses zur strengen Pflicht, schützt aber dieselben auch mit aller Kraft in Ausübung ihrer Pflichten und in ihren Rechten.
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Schutz und Beistand gewährt der Verein durch seinen Vorstand insbesondere in der Ausübung der Predigt, der Seelsorge und der Kirchenzucht: 1. auf Anfrage durch Erteilung von Auskunft; 2. durch Zuweisung und - nach Maßgabe der vorhandenen Mittel - Bezahlung eines geeigneten Rechtsbeistandes bis zur höchsten Instanz; 3. durch Vertretung des angefochtenen Geistlichen, soweit erforderlich in der Tagespresse; 4. durch moralische und materielle Unterstützung anderer Art. II. Mitgliedschaft. § 6. Ordentliches Mitglied kann jeder dem Kons.-Bez. Cassel angehörige Theologe, der im Kirchen- oder Schuldienst, im Dienst der inneren oder äußeren Mission steht oder im Ruhestande sich befindet, werden, wenn er sich zu den Vereinssatzungen bekennt. Ehrenmitglieder (auch Nichtgeistliche) mit Stimmrecht können auf Vorschlag des Gesamtausschusses von der Hauptversammlung ernannt werden. § 7. Die Mitgliedschaft beginnt nach erfolgter Anmeldung bei dem Vertrauensmann der Pfarreiklasse oder Diöcese oder bei dem Vorstande mit dem Empfang der Vereinssatzungen. Als Jahresbeitrag sind 5 M. im voraus zu entrichten, wofür das Vereinsblatt unentgeltlich geliefert wird. § 8. Der Austritt aus dem Vereine erfolgt durch schriftliche Anzeige gegenüber dem Vorsitzenden. Beim Wegfall ihrer Voraussetzung kann die Mitgliedschaft durch Beschluß des Gesamtausschusses entzogen werden, insbesondere auch dann, wenn ein Mitglied mit der Zahlung des Jahresbeitrages bis zum Schlusse des Jahres im Rückstande bleibt. III. Leitung und Vertretung. § 9. Jede Pfarreiklasse bezw. Inspektur, sowie die Städte Cassel, Marburg, Hanau bilden eine Vereinsabteilung. Die Mitglieder wählen aus ihrer Mitte einen geschäftsführenden Vertrauensmann und dessen Stellvertreter. Alle drei Jahre findet spätestens bis zum 1. April Neuwahl statt. Den Vertrauensmännern liegt es ob, Anmeldung neuer Mitglieder entgegenzunehmen und an den Vorstand weiterzugeben, sowie die Beiträge von den Mitgliedern einzuziehen und spätestens bis zum 1. März jedes Jahres an den Kassenführer einzusenden. § 10. Die Vertrauensmänner bilden in ihrer Gesamtheit für jede Diöcese den Bezirksausschuß und verteilen die Geschäfte unter sich. Dem Bezirksausschusse liegt es ob, nach Bedürfnis die Mitglieder der Diöcese zur Bezirksversammlung zu berufen, sowie einen Geistlichen aus seiner Mitte alle drei
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Jahre spätestens bis zum 15. April der Hauptversammlung zur Wahl in den Gesamtausschuß als Abgeordneten der Diöcese, desgleichen einen Stellvertreter desselben, vorzuschlagen. § 11. Der Pfarrerverein wird geleitet durch einen Gesamtausschuß, der alle drei Jahre von der Hauptversammlung des Pfarrervereins gewählt wird und je einen Abgeordneten der 13 Diözesen bezw. Stellvertreter desselben, sowie den jeweiligen Schriftleiter des Vereinsblattes enthalten soll. § 12. Der Gesamtausschuß wählt aus seiner Mitte den Vorsitzenden und den Schriftführer und je einen Stellvertreter. Diese vertreten den Verein gerichtlich und außergerichtlich und bilden den Vorstand im Sinne des § 26 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Um den Verein durch ihre Handlungen zu verpflichten, müssen der Vorsitzende und der Schriftführer oder im Falle der Verhinderung eines von ihnen oder beider, einer von ihnen mit einem Stellvertreter, bezw. die beiden Stellvertreter zusammenwirken. Im Verhältnisse zum Verein ist der Vorstand nicht zum selbständigen Handeln berechtigt, sondern hat nur die Beschlüsse des Gesamtausschusses auszuführen und dessen Weisungen zu befolgen. § 13. Neben dem Vorstand ist der jeweilige Schriftleiter des Vereinsblattes zum Vertreter des Vereins für alle Geschäfte bestellt, welche die Leitung des Blattes mit sich bringt. Dem Verein gegenüber ist er hierbei an die Weisungen des Gesamtausschusses gebunden. § 14. Der Gesamtausschuß tritt auf Einladung des Vorsitzenden nach Bedürfnis zusammen und faßt seine Beschlüsse in den Sitzungen nach Stimmenmehrheit der erschienenen Mitglieder. Über die Verhandlungen wird vom Schriftführer ein Protokoll geführt und von ihm und dem Vorsitzenden unterzeichnet. In dringenden Fällen ist der Vorsitzende befugt, auf schriftlichem Wege eine Abstimmung sämtlicher Mitglieder des Gesamtausschusses herbeizuführen. In dem einen, wie in dem anderen Falle entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter. IV. Mitglieder-Versammlung. § 15. Die Hauptversammlung des Pfarrervereins tritt jährlich einmal zusammen, außerdem wenn es die Geschäfte erfordern. Die Einladung zu derselben erfolgt acht Tage zuvor durch den Vorstand im Vereinsblatte oder durch besondere Mitteilung. Der Vorsitzende leitet die Versammlung.
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Über die Verhandlungen hat der Schriftführer ein Protokoll aufzunehmen, das von ihm, dem Vorsitzenden und mindestens drei Mitgliedern zu unterzeichnen ist. § 16. Der Hauptversammlung liegt ob: 1. die Entgegennahme des Jahresberichts und des Kassenberichts, sowie der Bilanz. 2. die Prüfung der Jahresrechnung und die Entlastung des Rechnungsführers. 3. alle drei Jahre die Wahl des Gesamtausschusses. 4. die Beschlußfassung über Vereinsangelegenheiten auf Grund von Vorlagen des Gesamtausschusses oder von Anträgen der Mitglieder. § 17. Eine Beschlußfähigkeit der Mitglieder-Versammlung hängt von der Zahl der erschienenen Vereinsmitglieder nicht ab. Die Beschlüsse werden nach einfacher Stimmenmehrheit gefaßt, bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter. Ein Mitglied, welches bei einem zu fassenden Beschluß in irgend einer Weise interessiert ist, hat kein Stimmrecht. § 18. Als Vereinsblatt dient dem Verein das „Pastoralblatt für den Konsistorialbezirk Cassel.“ § 19. Zu einem Beschlusse über Abänderung der Satzungen ist eine Mehrheit von drei Vierteln der erschienenen Mitglieder erforderlich. § 20. Bei einer Auflösung des Vereins oder bei Entziehung der Rechtsfähigkeit fällt das vorhandene Vereinsvermögen dem Landesverein für Innere Mission in Cassel zu. Sind jedoch Anstalten des Vereins mit Corporationsrecht vorhanden, so fällt diesen das Vereinsvermögen zu. Cassel, am 6. Mai 1901. Nr. 3 Satzungen vom 12. November 1924 (Beilage zum Pastoralblatt 33 [1924] Nr. 7) Evang. Pfarrerverein Hessen-Cassel gegründet am 1. Oktober 1891. (Eingetragener Verein.)
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Satzungen. I. Name, Sitz und Zweck des Vereins. § 1. Der Verein führt den Namen „Evangelischer Pfarrerverein HessenCassel“ und ist Berufsvertretung der Hess. Pfarrer. § 2. Der Sitz des Vereins ist Cassel. § 3. Der Verein hat den Zweck: unter steter Berücksichtigung der Lebensbedingungen und Lebensaufgaben unserer Kirche die berechtigten Anliegen des geistlichen Amtes und Standes zu vertreten, und zwar in den Grenzen und mit den Mitteln, wie sie durch die Eigenart einer freien Vereinigung bedingt und gegeben sind. Er will ferner dahin wirken, daß die vorhandenen kirchlichen Arbeitsgliederungen zum geistlichen und leiblichen Wohl der Gemeinde erweitert und mit kräftigem christlichem Geist und Leben erfüllt werden. Er erstrebt endlich eine dem christlich-evangelischen Gewissen entsprechende Rechtsentwicklung sowohl in der Gesetzgebung als namentlich auch in der Rechtsprechung, und zwar mit allen gesetzlichen Mitteln. § 4. Diese Zwecke sucht der Verein zu erreichen durch festen Zusammenschluß aller Standesgenossen, Pflege des Amtsbewußtseins und Gemeinschaftssinnes, sowie durch geschlossenes Vorgehen in allen Fragen, die im Bereich seiner Tätigkeit liegen. § 5. Der Verein macht seinen Mitgliedern die gewissenhafte Amtsführung zur strengen Pflicht, schützt sie aber auch mit aller Kraft in Ausübung ihrer Pflichten und in ihren Rechten. Schutz und Beistand gewährt der Verein durch seinen Vorstand insbesondere in der Ausübung der Predigt, der Seelsorge und der Kirchenzucht: 1. auf Anfrage durch Erteilung von Auskunft; 2. durch Zuweisung und - nach Maßgabe der vorhandenen Mittel - Bezahlung eines geeigneten Rechtsbeistandes bis zur letzten Entscheidung; 3. durch Vertretung des angefochtenen Pfarrers, soweit erforderlich in der Tagespresse. II. Mitgliedschaft. § 6. Ordentliches Mitglied kann jeder der Hessen-Casseler Landeskirche angehörige Theologe, der im Kirchen- oder Schuldienst, im Dienst der inneren oder äußeren Mission steht oder im Ruhestande sich befindet, werden, wenn er sich zu den Vereinssatzungen bekennt. Ehrenmitglieder (auch Nichtgeistliche) mit Stimmrecht können auf Vorschlag des Gesamtausschusses von der Hauptversammlung ernannt werden. § 7. Die Mitgliedschaft beginnt nach erfolgter Anmeldung bei dem Vertrauensmann des Kirchenkreises oder bei dem Vorstande mit dem Empfang der Vereinssatzungen. Als Jahresbeitrag sind 20 Mk. im voraus zu entrichten,
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wofür das Vereinsblatt unentgeltlich geliefert wird. Im Ruhestand befindliche und noch nicht festangestellte Pfarrer zahlen die Hälfte des Beitrags. § 8. Der Austritt aus dem Vereine erfolgt durch schriftliche Anzeige gegenüber dem Vorsitzenden. Beim Wegfall ihrer Voraussetzung kann die Mitgliedschaft durch Beschluß des Gesamtausschusses entzogen werden, insbesondere auch dann, wenn ein Mitglied mit der Zahlung des Jahresbeitrages bis zum Schlusse des Jahres im Rückstand bleibt. III. Leitung und Vertretung. § 9. Jeder Kirchenkreis bildet eine Vereinsabteilung. Die Mitglieder wählen aus ihrer Mitte einen geschäftsführenden Vertrauensmann und dessen Stellvertreter. Alle drei Jahre findet spätestens bis zum 1. April Neuwahl statt. Wird die Wahl verabsäumt, so hat der Gesamtausschuß das Recht, bis zur ordnungsmäßigen Wahl durch den Kirchenkreis den Vertrauensmann und dessen Stellvertreter zu ernennen. § 10. Die Vertrauensmänner haben mindestens alljährlich die Mitglieder zu Kreisversammlungen zu berufen, um Vorlagen und Anträge zu beraten, die Durchführung der Hauptversammlungsbeschlüsse zu fördern und die Belange der Pfarrer im Kirchenkreise zu vertreten. Sie haben alle Änderungen im Mitgliederbestande ihres Kreises dem Vorstande mitzuteilen, sowie die Beiträge von den Mitgliedern einzuziehen und spätestens bis zum 1. März jedes Jahres an den Kassenführer einzusenden. § 11. Der Pfarrerverein wird geleitet durch einen Gesamtausschuß, der aus den Vertrauensmännern der Kirchenkreise, dem jeweiligen Vorsitzenden, dem Schriftleiter und Kassenführer besteht. § 12. Der Gesamtausschuß wählt alle drei Jahre den Vorsitzenden und aus seiner Mitte den Schriftführer und je einen Stellvertreter. Diese vertreten den Verein gerichtlich und außergerichtlich und bilden den Vorstand im Sinne des § 26 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Mit der Wahl wird ein etwa nicht aus der Mitte des Gesamtausschusses gewählter Vorsitzender Mitglied des Gesamtausschusses. Um den Verein durch ihre Handlungen zu verpflichten, müssen der Vorsitzende und der Schriftführer oder im Falle der Verhinderung eines von ihnen oder beider, einer von ihnen mit einem Stellvertreter, bezw. die beiden Stellvertreter zusammenwirken. Im Verhältnisse zum Verein ist der Vorstand nicht zum selbständigen Handeln berechtigt, sondern hat nur die Beschlüsse des Gesamtausschusses auszuführen und dessen Weisungen zu befolgen. § 13. Neben dem Vorstand ist der jeweilige Schriftleiter des Vereinsblattes zum Vertreter des Vereins für alle Geschäfte bestellt, welche die Leitung des
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Blattes mit sich bringt. Dem Verein gegenüber ist er hierbei an die Weisungen des Gesamtausschusses gebunden. § 14. Der Gesamtausschuß tritt auf Einladung des Vorsitzenden nach Bedürfnis zusammen und faßt seine Beschlüsse in den Sitzungen nach Stimmenmehrheit der erschienenen Mitglieder. Eine Beschlußfähigkeit des Ausschusses hängt von der Zahl der erschienenen Mitglieder nicht ab. Über die Verhandlungen wird vom Schriftführer ein Sitzungsbericht geführt und von ihm und dem Vorsitzenden unterzeichnet. In dringenden Fällen ist der Vorsitzende befugt, auf schriftlichem Wege eine Abstimmung sämtlicher Mitglieder des Gesamtausschusses herbeizuführen. In dem einen, wie in dem anderen Falle entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden oder dessen Stellvertreters. IV. Mitglieder-Versammlung. § 15. Die Hauptversammlung des Pfarrervereins tritt jährlich einmal zusammen, außerdem wenn es die Geschäfte erfordern. Die Einladung erfolgt acht Tage zuvor durch den Vorstand im Vereinsblatte oder durch besondere Mitteilung. Der Vorsitzende leitet die Versammlung. Über die Verhandlungen hat der Schriftführer einen Sitzungsbericht aufzunehmen, der von ihm, dem Vorsitzenden und mindestens drei Mitgliedern zu unterzeichnen ist. § 16. Der Hauptversammlung liegt ob: 1. Die Entgegennahme des Jahresberichts und des Kassenberichts, sowie der Vermögensaufstellung. 2. Die Prüfung der Jahresrechnung und die Entlastung des Rechnungsführers. 3. Die Beschlußfassung über Vereinsangelegenheiten auf Grund von Vorlagen des Gesamtausschusses oder von Anträgen der Mitglieder. § 17. Eine Beschlußfähigkeit der Mitglieder-Versammlung hängt von der Zahl der erschienenen Vereinsmitglieder nicht ab. Die Beschlüsse werden nach einfacher Stimmenmehrheit gefaßt, bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden oder dessen Stellvertreters. Ein Mitglied, welches bei einem zu fassenden Beschluß in irgendeiner Weise beteiligt ist, hat kein Stimmrecht. § 18. Als Vereinsblatt dient dem Verein das „Pastoralblatt für HessenCassel“. § 19. Zu einem Beschlusse über Abänderung der Satzungen ist eine Mehrheit von drei Vierteilen der erschienenen Mitglieder erforderlich. § 20. Bei einer Auflösung des Vereins oder bei Entziehung der Rechtsfähigkeit fällt das vorhandene Vereinsvermögen dem Landesverein für Innere
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Mission in Cassel zu. Sind jedoch rechtsfähige Anstalten des Vereins vorhanden, so fällt diesen das Vereinsvermögen zu. Nr. 4 Satzungen vom 21. Juni 1933 (R. Francke, Evangelischer Pfarrerverein Hessen-Kassel, seine Geschichte, seine Satzungen, Kassel 1934, 24-28) Satzungen des Evangel. Pfarrervereins Hessen-Kassel § 1. N a m e. Der Verein führt den Namen „Evangelischer Pfarrerverein Hessen-Kassel“ und ist die Berufsvertretung der hessischen Pfarrer. § 2. S i t z. Der Sitz des Vereins ist Kassel. Der Verein wurde am 1. Oktober 1891 gegründet und ist in das Vereinsregister in Kassel eingetragen unter dem Namen: Evangelischer Pfarrerverein Hesssen-Kassel. § 3. Z w e c k. Der Verein, der sich dem Verbande der deutschen Pfarrervereine angliedert, bezweckt: Pflege der brüderlichen Gemeinschaft, der theologischen Besinnung und Vertiefung zum Wohle der Kirche, Wahrung der Standesinteressen, Gewährung von Rechtsschutz, brüderliche Ermahnungen und Beratungen, gegenseitige Hilfe in Not. § 4. M i t g l i e d e r. Ordentliches Mitglied kann jeder der Hessen-Kasseler Landeskirche angehörige Theologe, der im Kirchen- oder Schuldienst, im Dienst der inneren oder äußeren Mission steht oder im Ruhestande sich befindet, werden, wenn er sich zu den Vereinssatzungen bekennt. Ehrenmitglieder (auch Nichtgeistliche) mit Stimmrecht können auf Vorschlag des Gesamtausschusses von der Hauptversammlung ernannt werden. Die Mitglieder müssen den bestehenden Wohlfahrtseinrichtungen des Pfarrervereins, wie Krankenkasse, Vereinigte Pfarrwitwen- und Waisenkasse und Pfarrtöchterhilfe angehören. Ausnhamen sind nur nach Maßgabe der für diese Wohlfahrtseinrichtungen geltenden Satzungen zulässig.
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Kandidaten des Pfarramtes werden nach ihrer Aufnahme in die Liste der Landeskirche auf Antrag als außerordentliche Mitglieder ohne beratende und beschließende Stimme angenommen. Sie sind von der Zahlung der Beiträge befreit, erhalten das Pastoralblatt und können Mitglieder der Pfarrerkrankenkasse in Bonn werden. Mit ihrer festen Anstellung im Amt werden sie als ordentliche Mitglieder verpflichtet und erhalten alle Rechte. § 5. O r g a n e d e s V e r e i ns. Organe des Vereins sind: Der Vorstand, der Gesamtausschuß, die Mitgliederversammlung und der Bruderrat. § 6. V o r s t a n d. Die Leitung und Vertretung des Vereins und die Verwaltung seines Vermögens liegt dem Vorstand ob, soweit nicht nach §§ 7 und 8 dieser Satzungen der Gesamtausschuß oder die Mitgliederversammlung zuständig ist. Der Vorstand besteht aus fünf Mitgliedern: Dem Vorsitzenden und dessen Stellvertreter, dem Schriftführer und dessen Stellvertreter und dem Schriftleiter des Pastoralblattes. Die ersten vier Vorstandsmitglieder werden vom Gesamtausschuß alle vier Jahre mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Nach jedem zweiten Geschäftsjahr scheiden zwei Vorstandsmitglieder aus. Der Schriftleiter des Pastoralblattes wird vom Gesamtausschuß auf unbestimmte Zeit gewählt. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter, sowie der Schriftführer bilden den Vorstand im Sinne des § 26 des B.G.B. Sie vertreten den Verein gerichtlich und außergerichtlich. Scheidet eins dieser Vorstandsmitglieder während dieser Amtszeit aus, so tritt an seine Stelle der stellvertretende Schriftführer oder der Schriftleiter des Pastoralblattes. Der Vorsitzende beruft und leitet die Sitzungen des Vorstandes, des Gesamtausschusses und der Mitgliederversammlung. Er führt die Beschlüsse aus und gibt den Jahresbericht. Der Schriftführer führt die Sitzungsberichte in den Vorstandssitzungen, im Gesamtausschuß und in den Versammlungen. Die Sitzungsberichte sind von zwei Vorstandsmitgliedern zu unterzeichnen. Der Vorstand tritt zusammen, wenn die Dringlichkeit der Geschäfte es erfordert. Er ist beschlußfähig, wenn mindestens drei Mitglieder anwesend sind. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Der Vorstand berät und beschließt die Tagesordnung für den Gesamtausschuß und für die Mitgliederversammlung. Er schließt die Jahresrechnung ab.
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Die Mitglieder des Vorstandes führen ihr Amt ehrenamtlich. Bare Auslagen werden zurückerstattet. Der Schriftleiter des Pastoralblattes erhält eine vom Gesamtausschuß festzusetzende Vergütung. § 7. G e s a m t a u s s c h u ß. Die ordentlichen Vereinsmitglieder eines Kirchenkreises wählen alle vier Jahre aus ihrer Mitte einen Vertrauensmann und seinen Stellvertreter. Diese Vertrauensmänner bilden gemeinsam mit dem Vorstand den Gesamtausschuß, der wenigstens einmal im Jahr zusmmentritt. Unterbleibt diese Wahl, so ernennt der Vorstand den Vertrauensmann und seinen Stellvertreter. Der Gesamtausschuß wählt den Vorstand und zwei im Rechnungswesen erfahrene Mitglieder, die den Vorstand in allen Kassenangelegenheiten unterstützen, prüft die Rechnung, berät über Vorlagen des Vorstandes und überwacht die ordnungsgemäße Verwaltung des Vermögens und der Wohlfahrtseinrichtungen des Vereins. Seine Beschlüsse faßt er mit einfacher Stimmenmehrheit. Er ist beschlußfähig, wenn die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Die Einladung zur Versammlung des Gesamtausschusses muß 14 Tage vorher allen Mitgliedern schriftlich zugestellt werden. § 8. M i t g l i e d e r v e r s a m m l u n g. Sie tritt jährlich mindestens einmal zusammen und ist beschlußfähig ohne Rücksicht auf die Zahl der Anwesenden. Die Einladung ergeht unter Angabe der Tagesordnung schriftlich oder durch Veröffentlichung im Pastoralblatt. Die Mitgliederversammlung muß stattfinden, wenn mindestens ein Zehntel der Mitglieder es beantragt. Sie entlastet den Vorstand, nimmt den Jahresbericht ab, beschließt über Änderung der Satzung(en) und Verwendung des Vereinsvermögens und über die Höhe der Beiträge. Bei Beschlüssen über Änderung der Satzungen ist Zweidrittelmehrheit der erschienenen Mitglieder erforderlich. § 9. B r u d e r r a t. Für jeden Kirchenkreis besteht der Bruderrat aus zwei zu wählenden Mitgliedern. Die Wahl gilt für vier Jahre. Wiederwahl ist zulässig. Er tritt zusammen, wenn ein besonderer Anlaß dazu vorliegt. Seine Verhandlungen sind streng vertraulich und werden nicht protokolliert. § 10. R e c h n e r. Die Kasse des Pfarrervereins wird von einem Rechner geführt, der nicht Mitglied des Vereins zu sein braucht.
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Der Rechner wird vom Vorstand berufen und vertraglich verpflichtet. Er hat eine genügende Sicherheit zu stellen. Über die Höhe seiner Besoldung beschließt der Gesamtausschuß. § 11. E r l ö s c h e n d e r M i t g l i e d s c h a f t. Die Mitgliedschaft erlischt durch den Tod, freiwillige Aufkündigung und Ausschließung. Der Austritt aus dem Verein kann außer beim Übergang in eine andere Landeskirche nur am Schlusse eines Geschäftsjahres erfolgen. Die Kündigung ist durch die Hand des Vertrauensmannes an den Vorstand spätestens am 1. Oktober zu richten. Die Ausschließung kann ausgesprochen werden, wenn trotz dreimaliger schriftlicher Aufforderung die Beiträge nicht gezahlt werden, oder das Standes- und Vereinsinteresse gröblich verletzt ist. Die Ausschließung erfolgt auf Antrag des Vorstandes durch den Gesamtausschuß mit drei Viertel Stimmenmehrheit. Der zuständige Bruderrat ist vorher zu hören. Austritt und Ausschluß haben den Verlust der Vereinsrechte, insbesondere des Anspruchs am Vereinsvermögen und den Wohlfahrtseinrichtungen ohne Entschädigung zur Folge. § 12. V e r e i n s b l a t t. Als Vereinsblatt dient dem Verein das „Pastoralblatt für Hessen-Kassel“. § 13. A u f l ö s u n g d e s V e r e i n s. Zur Auflösung des Vereins ist die Zustimmung von fünf Sechstel der erschienenen Mitglieder erforderlich. Das vorhandene Vermögen wird der kirchlichen Behörde übergeben, die es für Wohlfahrtseinrichtungen der Pfarrerschaft des Vereins verwaltet. § 14. Diese Satzung tritt mit dem Tage ihrer Genehmigung in Kraft. S o o d e n-A l l e n d o r f, den 21. Juni 1933. Der Vorsitzende: Hermann Wepler, Pfarrer. Die Mitglieder: 1. Helwig Schmidt, Pfarrer. 2. Lic. Rudolf Francke, Pfarrer. 3. Dr. Schimmelpfeng, Pfarrer. 4. Wilhelm Otto, Pfarrer.
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Nr. 5 Satzungen vom 3. Juli 1935 (Separatdruck o. O. o. J.) Satzungen des Evangelischen Pfarrer-Vereins Kurhessen-Waldeck (E. V.) § 1. Name. Der Verein führt den Namen „Evangelischer Pfarrer-Verein Kurhessen-Waldeck“ und ist die Berufsvertretung der Pfarrer in der Evangl. Landeskirche Kurhessen-Waldeck. § 2. Sitz. Der Sitz des Vereins ist Kassel. Der Verein wurde am 1. Oktober 1891 gegründet und ist in das Vereinsregister in Kassel eingetragen unter dem Namen: „Evangelischer Pfarrer-Verein Kurhessen-Waldeck“. § 3. Zweck. (1) Der Verein, der dem Reichsbund der Deutschen Evangelischen Pfarrer-Vereine und dem Bunde der Preußischen Pfarrervereine angehört, bezweckt: Pflege der brüderlichen Gemeinschaft, der theologischen Besinnung und Vertiefung zum Wohle der Kirche, Wahrung der Standesinteressen, Gewährung von Rechtsschutz, brüderliche Ermahnungen und Beratungen, gegenseitige Hilfe in Not. (2) Er setzt sich weiter zur Aufgabe, die Arbeit der nationalsozialistischen Regierung zum Aufbau des Deutschen Reiches nach Kräften zu unterstützen. Insbesondere soll dies durch Förderung der kulturellen Aufgaben in enger Zusammenarbeit mit den von der nationalsozialistischen Bewegung gegründeten Organisationen erfolgen.
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§ 4. Mitglieder. (1) Ordentliches Mitglied kann jeder der Kurhessen-Waldecker Landeskirche angehörige Theologe werden, der im Kirchen- oder Schuldienst, im Dienst der inneren und äußeren Mission steht, oder im Ruhestand sich befindet, sofern er sich zu den Vereinssatzungen bekennt. (2) Ehrenmitglieder mit Stimmrecht können auf Vorschlag des Gesamtausschusses von der Hauptversammlung ernannt werden. (3) Die Mitglieder müssen den bestehenden Wohlfahrtseinrichtungen des Pfarrervereins: der Kranken- und Sterbekasse, sowie der Vereinigten Pfarrwitwen- und Waisenkasse angehören. Ausnahmen sind nur nach Maßgabe der für diese Wohlfahrtseinrichtungen geltenden Satzungen zulässig. (4) Kandidaten des Pfarramtes werden nach ihrer Aufnahme in die Liste der Landeskirche auf Antrag als außerordentliche Mitglieder ohne beratende und beschließende Stimme aufgenommen. Sie sind von der Zahlung der Beiträge befreit, erhalten das Pastoralblatt und können Mitglieder der Pfarrerkrankenkasse in Düsseldorf-Benrath werden. Mit ihrer festen Anstellung im Amt werden sie ordentliche Mitglieder mit allen Rechten und Pflichten. § 5. Organe des Vereins. Organe des Vereins sind: Der Vereinsführer, der Vorstand, der Gesamtausschuß, die Mitgliederversammlung und der Bruderrat. § 6. Der Vereinsführer. (1) Die Leitung des Pfarrer-Vereins liegt in den Händen des Vereinsführers oder seines Stellvertreters. (2) Der Vereinsführer wird das erste Mal nach Annahme der Satzungen durch die Mitgliederversammlung, in allen folgenden Fällen vom Gesamtausschuß mit einfacher Mehrheit gewählt. Die Mitglieder des Gesamtausschusses schenken dem Vereinsführer durch die Wahl ihr Vertrauen und richten sich nach seinen Entscheidungen. Sie bringen ihre Wünsche und Anträge vor, besprechen und behandeln dieselben, überlassen aber die letzte Entscheidung dem Vereinsführer. (3) Auf Vorschlag des Gesamtausschusses beruft der Vereinsführer ohne Befristung die Mitglieder des Vorstandes und aus deren Mitte seinen Stellvertreter, ebenso den jeweiligen Schriftleiter des Pastoralblattes. (4) Der Vereinsführer beruft und leitet die Sitzungen des Vorstandes, des Gesamtausschusses und der Mitgliederversammlung.
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(5) In allen Fällen entscheidet der Vereinsführer und übernimmt damit die volle Verantwortung für das gesamte Tun und Lassen des Vereins gegenüber den Behörden, der Öffentlichkeit und den Vereinsmitgliedern. (6) Der Gesamtausschuß kann durch einfache Stimmenmehrheit dem Vereinsführer das Vertrauen entziehen und einen neuen Vereinsführer berufen. § 7. In allen Fällen der Verhinderung des Vereinsführers tritt sein Stellvertreter in die volle Ausübung der Rechte und Pflichten desselben ein. § 8. Der Vorstand. (1) Der Vorstand besteht aus 5 Mitgliedern: dem Vereinsführer und dessen Stellvertreter, dem Schriftführer und dessen Stellvertreter und dem Schriftleiter des Pastoralblattes. (2) Der Vereinsführer oder sein Stellvertreter und ein weiteres Mitglied des Vorstandes bilden den Vorstand im Sinne des § 26 des B.G.B. (3) Der Schriftführer führt die Sitzungsberichte in Vorstandssitzungen, im Gesamtausschuß und in den Versammlungen der Mitglieder. Die Berichte sind von ihm und dem Vereinsführer zu unterzeichnen. (4) Der Vorstand ist verhandlungsfähig, wenn mindestens 3 Mitglieder anwesend sind. (5) Die Mitglieder des Vorstandes führen ihr Amt ehrenamtlich. Bare Auslagen werden zurückerstattet. Der Schriftleiter des Pastoralblattes erhält eine vom Vorstand festzusetzende Vergütung. § 9. Gesamtausschuß. (1) Die ordentlichen Mitglieder eines Kirchenkreises wählen aus ihrer Mitte einen Vertrauensmann und seinen Stellvertreter. Diese Vertrauensmänner bilden gemeinsam mit dem Vorstand den Gesamtausschuß, der wenigstens einmal im Jahre zusammentritt. Unterbleibt die Wahl des Vertrauensmannes in einem Kirchenkreise oder tritt ein Vertrauensmann, obwohl er offenbar nicht mehr das Vertrauen seines Kirchenkreises besitzt, nicht zurück, so ernennt der Vorstand den Vertrauensmann und seinen Stellvertreter. (2) Die Vertrauensmänner können die Mitglieder des Pfarrervereins in ihren Kirchenkreisen zu Besprechungen einladen und Beschlüsse fassen, über die dem Vorstande zur Entscheidung zu berichten ist. (3) Der Gesamtausschuß ist verhandlungsfähig, wenn ²/3 seiner Mitglieder zugegen sind. In brüderlicher Aussprache wird die Meinung der Anwesenden
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festgestellt. Danach trifft der Vereinsführer unter Abwägung der Gründe seine Entscheidung. (Ausnahme § 13, 3). (4) Der Gesamtausschuß beruft 2 im Rechnungswesen erfahrene Mitglieder zur Beratung des Vorstandes in allen Kassenangelegenheiten. Er schlägt dem Vereinsführer den Rechner vor, setzt die Höhe der Vergütung fest, prüft die Jahresrechnung und erteilt Entlastung. (5) Die Einladung zur Versammlung des Gesamtausschusses muß 14 Tage vorher allen Mitgliedern unter Angabe der Tagesordnung schriftlich zugestellt werden. (§ 6, 4). § 10. Mitgliederversammlung. (1) Sie tritt jährlich mindestens einmal zusammen und ist beschlußfähig ohne Rücksicht auf die Zahl der Anwesenden. Die Einladung ergeht unter Angabe der Tagesordnung schriftlich oder durch Veröffentlichung im Pastoralblatt. (2) Die Mitgliederversammlung nimmt den Jahresbericht ab, beschließt über die Höhe der Vereinsbeiträge, über die Verwendung des Vereinsvermögens und Auflösung des Vereins. § 11. Bruderrat. (1) Für jeden Kirchenkreis besteht der Bruderrat aus 2 zu wählenden Mitgliedern und ihren Stellvertretern. Das Ergebnis der Wahl ist dem Vereinsführer mitzuteilen. (2) Er tritt zusammen, wenn ein besonderer Anlaß dazu vorliegt. Seine Verhandlungen sind streng vertraulich und werden nicht protokolliert. § 12. Rechner. (1) Die Kasse des Pfarrervereins wird von einem Rechner geführt, der nicht Mitglied des Vereins zu sein braucht. (2) Der Rechner wird vom Vereinsführer auf Vorschlag des Gesamtausschusses berufen und vertraglich verpflichtet. Über die Höhe seiner Besoldung und die zu stellende Sicherheit beschließt der Gesamtausschuß. (§ 9, 4). § 13. Erlöschen der Mitgliedschaft. (1) Die Mitgliedschaft erlischt durch den Tod, freiwillige Aufkündigung und Ausschließung.
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(2) Der Austritt aus dem Verein kann außer bei Übergang in eine andere Landeskirche nur am Schluß eines Geschäftsjahres erfolgen. Die Kündigung ist durch die Hand des Vertrauensmannes an den Vorstand zu richten. Sie muß spätestens am 1. Oktober vor dem beabsichtigten Austrittstermin in der Hand des Vertrauensmannes sein. (3) Die Ausschließung kann ausgesprochen werden, wenn trotz dreimaliger schriftlicher Aufforderung die Beiträge nicht gezahlt werden, oder das Standes- und Vereinsinteresse gröblich verletzt ist. Die Ausschließung erfolgt auf Antrag des Vorstandes durch den Gesamtausschuß mit ¾ Stimmenmehrheit. Der zuständige Bruderrat ist vorher zu hören. (4) Austritt und Ausschluß haben den Verlust der Vereinsrechte, insbesondere des Anspruchs am Vereinsvermögen und den Wohlfahrtseinrichtungen ohne Entschädigung zur Folge. § 14. Vereinsblatt. Als Vereinsblatt dient dem Verein das Pastoralblatt von Kurhessen-Waldeck. § 15. Auflösung des Vereins. Zur Auflösung des Vereins ist die Zustimmung von 5/6 der erschienenen Mitglieder erforderlich. Das vorhandene Vermögen wird der kirchlichen Behörde übergeben, die es für Wohlfahrtseinrichtungen der Pfarrerschaft im Vereinsbezirk verwaltet. Solange frühere Mitglieder des Vereins vorhanden sind, müssen dieselben bevorzugt berücksichtigt werden. (§ 10, 2). § 16. Diese Satzung tritt mit dem Tage ihrer Genehmigung in Kraft. M a r b u r g a. d. L., den 3. Juli 1935. Der Vereinsführer: Hermann Wepler, Pfarrer
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Die Vorstandsmitglieder: Helwig Schmidt, Pfarrer Dr. Hans Schimmelpfeng, Pfarrer
Nr. 6 Satzung vom 16. September 1946 (Separatdruck o. O. o. J.) Satzung des Evangelischen Pfarrer-Vereins Kurhessen-Waldeck eingetragener Verein zu Kassel I. Name, Sitz, Zweck und Organ des Vereins. §1 Der Verein führt den N a m e n „Evangelischer Pfarrer-Verein Kurhessen-Waldeck e. V.“ §2 Der S i t z des am 1. Oktober 1891 gegründeten Vereins ist Kassel. §3 Der als Berufsvertretung der Pfarrer der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck dem Reichsbund der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine angeschlossene Verein bezweckt: Pflege der brüderlichen Gemeinschaft, theologische und geistliche Besinnung und Vertiefung zur Förderung des Dienstes in der Kirche, brüderliche Hilfe in Not und Rechtsschutz, sowie brüderliche Beratung und Ermahnung. §4 Das O r g a n des Vereins ist das von ihm herausgegebene „Pastoralblatt für Kurhessen-Waldeck“. II. Mitgliedschaft. §5 (1) O r d e n t l i c h e s M i t g l i e d des Vereins kann jeder evangelische Theologe im Gebiet der Evangelischen Landeskirche von KurhessenWaldeck sein, der im Kirchen- oder Schuldienst, im Dienst der Inneren oder Äusseren Mission steht, oder sich im Ruhestand befindet. (2) Die Mitgliederversammlung kann auf Vorschlag des Gesamtausschusses E h r e n m i t g l i e d e r ernennen, denen das Stimmrecht zusteht. (3) Pfarramtskandidaten, die in die Kandidatenliste der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck aufgenommen sind, und Hilfspfarrer
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können a u ß e r o r d e n t l i c h e M i t g l i e d e r des Vereins werden. Beratungs- und Beschlußrecht steht ihnen nicht zu. Sie sind von der Zahlung der Vereinsbeiträge befreit, erhalten aber kostenlos das Pastoralblatt. Ihre außerordentliche Mitgliedschaft erlischt spätestens mit dem Tag ihrer festen Anstellung. (4) Die ordentlichen Mitglieder m ü s s e n, die außerordentlichen Mitglieder k ö n n e n den Wohlfahrtseinrichtungen des Vereins angehören. Befreiung eines ordentlichen Mitglieds von der Zugehörigkeit zu den Wohlfahrtseinrichtungen ist nur nach Maßgabe der für diese geltenden Satzungen zulässig. §6 (1) Die M i t g l i e d s c h a f t e r l i s c h t durch den Tod, durch freiwilligen Austritt und durch Ausschluß. (2) Der A u s t r i t t aus dem Verein kann außer im Fall der Übernahme eines Amtes im Gebiet einer anderen Landeskirche nur zum Schluß eines Kalenderjahres erfolgen. Die Austrittserklärung ist an den Vorstand zu richten und muß spätestens am 1. Oktober vor dem beabsichtigten Austrittstermin in der Hand des zuständigen Vertrauensmannes (§ 9) sein. (3) Der A u s s c h l u ß kann ausgesprochen werden, wenn ein Mitglied trotz dreimaliger schriftlicher Aufforderung schuldhaft die Beiträge nicht gezahlt oder nachweislich die Standes- und Vereinsinteressen gröblich verletzt hat. Der Ausschluß erfolgt nach Anhörung des Bruderrats (§ 10) auf Antrag des Vorstandes durch Beschluß des Gesamtausschusses. Dieser Beschluß bedarf einer Mehrheit von ¾ der erschienenen Mitglieder. (4) Der Austritt und der Ausschluß haben den Verlust der Vereinsrechte einschließlich jedes Anspruchs auf das Vermögen und die Leistungen des Vereins und seiner Wohlfahrtseinrichtungen zur Folge. III. Leitung und Vertretung. D e r V o r s t a n d. §7 (1) Der Verein wird durch seinen Vorstand geleitet. Dieser besteht aus fünf Mitgliedern: dem Vorsitzer des Vereins und seinem Stellvertreter, dem Schriftführer und seinem Stellvertreter, sowie dem Schriftleiter des „Pastoralblattes für Kurhessen-Waldeck“. (2) Die Mitglieder des Vorstandes werden von dem Gesamtausschuß (§§ 11 ff) auf die Dauer von sechs Jahren gewählt.
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(3) Der Vorsitzer und sein Stellvertreter, in ihrer Behinderung zwei andere Mitglieder des Vorstandes, bilden den Vorstand im Sinne des § 26 BGB. Der Verein wird durch die gemeinschaftlichen Erklärungen je zweier Vorstandsmitglieder berechtigt und verpflichtet, ohne daß die Notwendigkeit der etwaigen Vertretung nachgewiesen zu werden braucht. (4) Der Vorstand ist nach außen unbeschränkt vertretungsberechtigt, im Verhältnis zum Verein an die Satzung, Beschlüsse und Weisungen des Gesamtausschusses und der Mitgliederversammlung gebunden. (5) Der Vorstand ist beschlußfähig, wenn mindestens drei Mitglieder anwesend sind. (6) Die Mitglieder des Vorstandes führen ihr Amt ehrenamtlich. Der Vorsitzer und der Schriftleiter des Pastoralblattes erhalten eine vom Gesamtausschuß festzusetzende Aufwandsentschädigung. D e r V o r s i t z e r. §8 (1) Der Vorsitzer ist zum Vertreter des Vereins für alle Geschäfte bestellt, die die Leitung und Vertretung des Vereins gewöhnlich mit sich bringen. Dem Verein gegenüber ist er an die Weisungen des Vorstands gebunden. (2) Er beruft und leitet die Sitzungen des Vorstandes, des Gesasmtausschusses und der Mitgliederversammlung und unterzeichnet mit dem Schriftführer die von diesem angefertigten Sitzungsberichte. D i e V e r t r a u e n s m ä n n e r. §9 (1) Die ordentlichen Mitglieder des Vereins eines jeden Kirchenkreises der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck wählen aus ihrer Mitte einen Vertrauensmann und dessen Stellvertreter. Ist die Wahl trotz schriftlicher Aufforderung durch den Vorstand nicht innerhalb von 3 Monaten erfolgt, so ernennt der Vorstand den Vertrauensmann und dessen Stellvertreter für den betreffenden Kirchenkreis. (2) Ist der Vorstand der begründeten Überzeugung, daß ein Vertrauensmann nicht mehr das Vertrauen der Mitglieder des betreffenden Kirchenkreises besitzt, so haben diese auf Anordnung des Vorstands innerhalb von 3 Monaten entweder dem bisherigen Vertrauensmann ihr Vertrauen auszusprechen, oder einen neuen Vertrauensmann zu wählen. Das Gleiche findet auf den stellvertretenden Vertrauensmann Anwendung. Kommen die Mitglieder des Vereins der Anordnung des Vorstands innerhalb der obigen Frist nicht nach, so hat der Vorstand das Recht, einen Vertrauensmann oder seinen
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Stellvertreter aus den Mitgliedern des Vereins des betreffenden Kirchenkreises zu ernennen. (3) Jeder Vertrauensmann kann - und muß auf Anordnung des Vorstands - die Mitglieder des Vereins seines Kirchenkreises zu Besprechungen einberufen und sie auch Beschlüsse fassen lassen. Die Beschlüsse sind dem Vorstand zur Entscheidung einzureichen. D e r B r u d e r r a t. § 10 (1) In jedem Kirchenkreis wird ein Bruderrat gebildet, der aus dem Vertrauensmann oder seinem Stellvertreter und zwei weiteren Mitgliedern des Vereins besteht, die von den Mitgliedern in dem Kirchenkreis zu wählen sind. Stellvertreter sind zu bestellen. Das Ergebnis der Wahl ist dem Vorsitzer anzuzeigen. (2) Der Bruderrat tritt nach Bedarf zusammen (siehe z. B. § 6, 3). Seine Verhandlungen sind streng vertraulich. Eine Behandlungsniederschrift wird nicht angefertigt. D e r G e s a m t a u s s c h u ß. § 11 (1) Der Gesamtausschuß besteht aus dem Vorstand und den Vertrauensmännern sämtlicher Kirchenkreise. (2) Die Einladungen zu den Sitzungen des Gesamtausschusses müssen mindestens zwei Wochen vor dem Sitzungstermin abgesandt werden und die Tagesordnung enthalten. Zum Nachweis der fristgemäßen Einladung genügt der Nachweis ihrer fristgemäßen Absendung. (3) In der Tagesordnung nicht angegebene Verhandlungsgegenstände können, abgesehen von der Wahl des Vorstands, mit allseitiger Zustimmung der Erschienenen auf die Tagesordnung gesetzt werden. § 12 Der Gesamtausschuß ist beschlußfähig, wenn mindestens 2/3 seiner Mitglieder anwesend sind. Er beschließt, abgesehen von einer Beschlußfassung nach § 6, 3, mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzers den Ausschlag.
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§ 13 In dringenden Fällen ist der Vorsitzer befugt, auf schriftlichem Wege nach den Grundsätzen des § 12 eine Abstimmung sämtlicher Mitglieder des Gesamtausschusses herbeizuführen. § 14 (1) Der Gesamtausschuß wählt den Vorstand des Vereins. (2) Er stellt die Grundsätze auf, nach denen Vorsitzer und Vorstand den Verein zu leiten und zu vertreten haben. (3) Er schlägt der Mitgliederversammlung die Wahl von Ehrenmitgliedern vor (§ 5, 2). (4) Er schließt Mitglieder des Vereins aus (§ 6, 4). (5) Er verwaltet das Vereinsvermögen und beruft zwei im Rechnungswesen erfahrene Mitglieder des Vereins zur Beratung des Vorstands. (6) Er schlägt den vom Vorstand zu berufenden Rechner vor, der nicht Mitglied des Vereins sein muß, und beschließt über die Höhe der Sicherheit, die der Rechner zu leisten hat, sowie über die Höhe der Vergütung, die dieser erhält. (7) Er genehmigt den Voranschlag, prüft die Jahresrechnung und Bilanz und erteilt dem Vorstand Entlastung. (8) Er entscheidet über die Auflösung bestehender und über die Gründung sowie Übernahme neuer Wohlfahrtseinrichtungen des Vereins. IV. Die Mitgliederversammlung. § 15 (1) Der Vorsitzer hat jährlich einmal die Mitgliederversammlung einzuberufen, außerdem, wenn es die Geschäfte erfordern, oder wenn es der fünfte Teil der Mitglieder schriftlich unter Angabe der Gründe verlangt. (2) Die Bestimmungen des § 11, 2 und 3 finden sinngemäße Anwendung, jedoch kann die Einladung auch durch Veröffentlichung im Pastoralblatt erfolgen. Eine Beschlußfassung über Änderung der Satzung oder Auflösung des Vereins darf nicht nachträglich auf die Tagesordnung gesetzt werden. § 16 Der Mitgliederversammlung liegt ob: a) Entgegennahme des Jahresberichts, b) Festsetzung der Höhe des Vereinsbeitrags, c) Ernennung von Ehrenmitgliedern, d) Beschlußfassung über Änderung der Satzung, e) Beschlußfassung über Auflösung des Vereins.
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§ 17 (1) Die Mitgliederversammlung ist, abgesehen von einer Beschlußfassung gemäß § 16 e, ohne Rücksicht auf die Zahl der Erschienenen beschlußfähig. (2) Sie beschließt in der Regel mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzers. (3) Zu Beschlüssen über Abänderung der Satzung ist eine Mehrheit von ¾ der erschienenen Mitglieder erforderlich. (4) Beschlüsse über die Auflösung des Vereins erfordern die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und eine Mehrheit von 5/6 der Erschienenen. Erscheint weniger als die Hälfte, so hat der Vorsitzer gemäß § 15 eine neue Versammlung einzuberufen, die binnen sechs Wochen nach der ersten Versammlung stattfinden muß. Diese ist für die Gegenstände der ersten Versammlung ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder beschlußfähig, wenn bei ihrer Einberufung ausdrücklich darauf hingewiesen ist. V. Verwendung des Vermögens bei Auflösung des Vereins. § 18 Das bei Auflösung des Vereins vorhandene Vermögen fällt an die Leitung der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck, die es zu treuen Händen verwaltet und zur Linderung von Notständen von Pfarrern der Landeskirche und ihrer Hinterbliebenen verwenden muß. Mitglieder des aufgelösten Vereins und deren Hinterbliebene müssen bevorzugt berücksichtigt werden. § 19 Diese Satzung tritt mit dem Tage ihrer Genehmigung in Kraft. Kassel, den 16. September 1946 Der Vorsitzer: Wepler, Dekan
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Die Vorstandsmitglieder: Dr. Hans Schimmelpfeng, Pfarrer Helwig Schmidt, Pfarrer
Nr. 7 Satzung vom 8. März 1961 (Separatdruck o. O. o. J.) Satzung des Evangelischen Pfarrer-Vereins Kurhessen-Waldeck Eingetragener Verein zu Kassel I. Name, Sitz, Zweck und Organ des Vereins. §1 Der Verein führt den N a m e n „Evangelischer Pfarrer-Verein Kurhessen-Waldeck e. V.“ §2 Der S i t z des am 1. Oktober 1891 gegründeten Vereins ist Kassel. §3 Der als die Berufsvertretung der Pfarrer der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck dem Reichsbund der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine angeschlossene Verein bezweckt: Pflege der brüderlichen Gemeinschaft, theologische und geistliche Besinnung und Vertiefung zur Förderung des Dienstes in der Kirche, brüderliche Hilfe in Not und Rechtsschutz, sowie brüderliche Beratung und Ermahnung. §4 Das O r g a n des Vereins ist das von ihm herausgegebene „Pastoralblatt für Kurhessen-Waldeck“. II. Mitgliedschaft. §5 (1) O r d e n t l i c h e s M i t g l i e d des Vereins kann jede(r) evangelische Theologe(in), Pfarrdiakon und Pfarrverwalter im Gebiet der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck werden, der im Kirchen- oder Schuldienst, im Dienst der Inneren oder Äußeren Mission steht oder sich im Ruhestand befindet. Bei Weggang eines Mitgliedes im Dienst aus der Landeskirche oder in anderen Fällen entscheidet der Vorstand, ob es Mitglied bleiben kann.
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(2) Die Mitgliederversammlung kann auf Vorschlag des Gesamtausschusses E h r e n m i g l i e d e r ernennen, denen das Stimmrecht zusteht. (3) Pfarramtskandidaten, die in die Kandidatenliste der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck aufgenommen sind, und Hilfspfarrer können a u ß e r o d e n t l i c h e M i t g l i e d e r des Vereins werden. Beratungs- und Beschlußrecht steht ihnen nicht zu. Sie sind von der Zahlung der Vereinsbeiträge befreit, erhalten aber kostenlos das Pastoralblatt. Mit dem Tage der festen Anstellung sind sie ordentliche Mitglieder. (4) Alle Mitglieder des Vereins gehören den Wohlfahrtseinrichtungen des Vereins an. §6 (1) Die M i t g l i e d s c h a f t e r l i s c h t durch den Tod, durch freiwilligen Austritt und durch Ausschluß. (2) Der A u s t r i t t aus dem Verein kann außer im Fall der Übernahme eines Amtes im Gebiet einer anderen Landeskirche nur zum Schluß eines Kalenderjahres erfolgen. Die Austrittserklärung ist an den Vorstand zu richten und muß spätestens am 1. Oktober vor dem beabsichtigten Austrittstermin in der Hand des zuständigen Vertrauensmannes (§ 9) sein. (3) Der A u s s c h l u ß kann ausgesprochen werden, wenn ein Mitglied trotz dreimaliger schriftlicher Aufforderung schuldhaft die Beiträge nicht gezahlt oder nachweislich die Standes- oder Vereinsinteressen gröblich verletzt hat. Der Ausschluß erfolgt nach Anhörung des Bruderrats (§ 10) auf Antrag des Vorstandes durch Beschluß des Gesamtausschusses. Dieser Beschluß bedarf einer Mehrheit von ¾ der erschienenen Mitglieder. (4) Der Austritt und der Ausschluß haben den Verlust der Vereinsrechte einschließlich jedes Anspruchs auf das Vermögen und die Leistungen des Vereins und seiner Wohlfahrtseinrichtungen zur Folge. III. Leitung und Vertretung. D e r V o r s t a n d. §7 (1) Der Verein wird durch seinen Vorstand geleitet. Dieser besteht aus fünf Mitgliedern: dem Vorsitzer des Vereins und seinem Stellvertreter, dem Schriftführer und seinem Stellvertreter, sowie dem Schriftleiter des „Pastoralblatts für Kurhessen-Waldeck“. (2) Die Mitglieder des Vorstandes werden von dem Gesamtausschuß (§ 11 ff) auf die Dauer von sechs Jahren gewählt.
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Aus dem Vorstand ausgeschiedene Mitglieder können vom Gesamtausschuß zu Ehrenmitgliedern des Vorstandes ernannt werden. Sie nehmen an den Sitzungen mit beratender Stimme teil. (3) Der Vorsitzer und sein Stellvertreter, in ihrer Behinderung zwei andere Mitglieder des Vorstandes, bilden den Vorstand im Sinne des § 26 BGB. Der Verein wird durch die gemeinschaftlichen Erklärungen je zweier Vorstandsmitglieder berechtigt und verpflichtet, ohne daß die Notwendigkeit der etwaigen Vertretung nachgewiesen zu werden braucht. (4) Der Vorstand ist nach außen unbeschränkt vertretungsberechtigt, im Verhältnis zum Verein an die Satzung, Beschlüsse und Weisungen des Gesamtausschusses und der Mitgliederversammlung gebunden. (5) Der Vorstand ist beschlußfähig, wenn mindestens drei Mitglieder anwesend sind. (6) Die Mitglieder des Vorstandes führen ihr Amt ehrenamtlich. Der Vorsitzer und der Schriftleiter des Pastoralblattes erhalten eine vom Gesamtausschuß festzusetzende Aufwandsentschädigung. D e r V o r s i t z e r. §8 (1) Der Vorsitzer ist zum Vertreter des Vereins für alle Geschäfte bestellt, die die Leitung und Vertretung des Vereins gewöhnlich mit sich bringen. Dem Verein gegenüber ist er an Weisungen des Vorstands gebunden. (2) Er beruft und leitet die Sitzungen des Vorstandes, des Gesamtausschusses und der Mitgliederversammlung und unterzeichnet mit dem Schriftführer die von diesem angefertigten Sitzungsberichte. D i e V e r t r a u e n s m ä n n e r. §9 (1) Die ordentlichen Mitglieder des Vereins eines jeden Kirchenkreises der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck wählen aus ihrer Mitte einen Vertrauensmann und dessen Stellvertreter. Drei Jahre nach jeder Vorstandswahl sind sämtliche Vertrauensmänner neu zu wählen. Wiederwahl ist zulässig. Die Wahl erfolgt schriftlich. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt. Ist die Wahl trotz schriftlicher Aufforderung durch den Vorstand nicht innerhalb von 3 Monaten erfolgt, so ernennt der Vorstand den Vertrauensmann und dessen Stellvertreter für den betreffenden Kirchenkreis. (2) Ist der Vorstand der begründeten Überzeugung, daß ein Vertrauensmann nicht mehr das Vertrauen der Mitglieder des betreffenden Kirchenkrei-
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ses besitzt, so haben diese auf Anordnung des Vorstands innerhalb von 3 Monaten entweder dem bisherigen Vertrauensmann ihr Vertrauen auszusprechen, oder einen neuen Vertrauensmann zu wählen. Das Gleiche findet auf den stellevrtretenden Vertrauensmann Anwendung. Kommen die Mitglieder des Vereins der Anordnung des Vorstands innerhalb der obigen Frist nicht nach, so hat der Vorstand das Recht, einen Vertrauensmann oder seinen Stellvertreter aus den Mitgliedern des Vereins des betreffenden Kirchenkreises zu ernennen. (3) Jeder Vertrauensmann kann – und muß auf Anordnung des Vorstands – die Mitglieder des Vereins seines Kirchenkreises zu Besprechungen einberufen und sie auch Beschlüsse fassen lassen. Die Beschlüsse sind dem Vorstand zur Entscheidung einzureichen. D e r B r u d e r r a t. § 10 (1) In jedem Sprengel wird ein Bruderrat gebildet. Er setzt sich zusammen aus den Vertrauensmännern der Kirchenkreise des Sprengels und einem Vorsitzenden, der einem anderen Sprengel angehören muß. Die Vorsitzenden (und ihre Stellvertreter) werden jeweils nach der Neuwahl der Vertrauensmänner vom Gesamtausschuß gewählt. (2) Der Bruderrat wird durch seinen Vorsitzenden einberufen. Jedes Mitglied hat das Recht, sich unmittelbar an den Bruderrat zu wenden. Seine Verhandlungen sind streng vertraulich. Eine Verhandlungsniederschrift wird nicht angefertigt. D e r G e s a m t a u s s c h u ß. § 11 (1) Der Gesamtausschuß besteht aus dem Vorstand und den Vertrauensmännern sämtlicher Kirchenkreise. (2) Die Einladung zu den Sitzungen des Gesamtausschusses müssen mindestens zwei Wochen vor dem Sitzungstermin abgesandt werden und die Tagesordnung enthalten. Zum Nachweis der fristgemäßen Einladung genügt der Nachweis ihrer fristgemäßen Absendung. (3) In der Tagesordnung nicht angegebene Verhandlungsgegenstände können, abgesehen von der Wahl des Vorstands, mit allseitiger Zustimmung der Erschienenen auf die Tagesordnung gesetzt werden.
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§ 12 Der Gesamtausschuß ist beschlußfähig, wenn mindestens 2/3 seiner Mitglieder anwesend sind. Er beschließt, abgesehen von einer Beschlußfassung nach § 6, 3, mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzers den Ausschlag. § 13 In dringenden Fällen ist der Vorsitzer befugt, auf schriftlichem Wege nach den Grundsätzen des § 12 eine Abstimmung sämtlicher Mitglieder des Gesamtausschusses herbeizuführen. § 14 (1) Der Gesamtausschuß wählt den Vorstand des Vereins. (2) Er stellt die Grundsätze auf, nach denen Vorsitzer und Vorstand den Verein zu leiten und zu vertreten haben. (3) Er schlägt der Mitgliederversammlung die Wahl von Ehrenmitgliedern vor (§ 5, 2). (4) Er schließt Mitglieder des Vereins aus (§ 6, 4). (5) Er verwaltet das Vereinsvermögen und beruft zwei im Rechnungswesen erfahrene Mitglieder des Vereins zur Beratung des Vorstands. (6) Er schlägt den vom Vorstand zu berufenden Rechner vor, der nicht Mitglied des Vereins sein muß, und beschließt über die Höhe der Vergütung, die dieser erhält. (7) Er genehmigt den Voranschlag, prüft die Jahresrechnung und Bilanz und erteilt dem Vorstand Entlastung. (8) Er entscheidet über die Auflösung bestehender und über die Gründung sowie Übernahme neuer Wohlfahrtseinrichtungen des Vereins. IV. Die Mitgliederversammlung. § 15 (1) Der Vorsitzer hat jährlich einmal die Mitgliederversammlung einzuberufen, außerdem, wenn es die Geschäfte erfordern, oder wenn es der fünfte Teil der Mitglieder schriftlich unter Angabe der Gründe verlangt. (2) Die Bestimmungen des § 11, 2 und 3 finden sinngemäße Anwendung, jedoch kann die Einladung auch durch Veröffentlichung im Pastoralblatt erfolgen. Eine Beschlußfassung über Änderung der Satzung oder Auflösung des Vereins darf nicht nachträglich auf die Tagesordnung gesetzt werden.
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§ 16 Der Mitgliederversammlung liegt ob: a) Entgegennahme des Jahresberichts, b) Festsetzung der Höhe des Vereinsbeitrags, c) Ernennung von Ehrenmitgliedern, d) Beschlußfassung über Änderung der Satzung, e) Beschlußfassung über Auflösung des Vereins. § 17 (1) Die Mitgliederversammlung ist, abgesehen von einer Beschlußfassung gemäß § 16 e, ohne Rücksicht auf die Zahl der Erschienenen beschlußfähig. (2) Sie beschließt in der Regel mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzers. (3) Zu Beschlüssen über Abänderung der Satzung ist eine Mehrheit von ¾ der erschienenen Mitglieder erforderlich. (4) Beschlüsse über die Auflösung des Vereins erfordert [sic!] die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und eine Mehrheit von 5/6 der Erschienenen. Erscheint weniger als die Hälfte, so hat der Vorsitzer gemäß § 15 eine neue Versammlung einzuberufen, die binnen sechs Wochen nach der ersten Versammlung stattfinden muß. Diese ist für die Gegenstände der ersten Versammlung ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder beschlußfähig, wenn bei ihrer Einberufung ausdrücklich darauf hingewiesen ist. V. Verwendung des Vermögens bei Auflösung des Vereins. § 18 Das bei Auflösung des Vereins vorhandene Vermögen fällt an die Leitung der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck, die es zu treuen Händen verwaltet und zur Linderung von Notständen von Pfarrern der Landeskirche und ihrer Hinterbliebenen verwenden muß. Mitglieder des aufgelösten Vereins und deren Hinterbliebene müssen bevorzugt berücksichtigt werden. § 19 Diese Satzung tritt mit dem Tage ihrer Genehmigung in Kraft. Wolfhagen, den 22. Juni 1960
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Der Vorsitzer: Walther Roth
Die Vorstandsmitglieder: Ernst Heck Hans Rübesam Ludwig Francke Walter Nagel
Genehmigt Amtsgericht Kassel, den 8. März 1961, unter Abt. 14 VR 30. Nr. 8 Satzung vom 29. September 1992 (Beilage zum Hess. Pfarrblatt 85 [1993] Nr. 1) Satzung des Vereins evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Kurhessen-Waldeck beschlossen am 10. Juni 1980 in Ziegenhain geändert am 29. September 1992 in Schmalkalden I. Name, Sitz, Zweck und Veröffentlichungsorgan des Vereins §1 Der Verein führt den Namen: „Verein evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Kurhessen-Waldeck e. V.“ §2 Der Sitz des am 1. Oktober 1891 gegründeten Vereins ist Kassel. §3 (1) Der Verein ist ein freiwilliger Zusammenschluß von Pfarrerinnen und Pfarrern der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Er ist dem Verband der Vereine evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e. V. angeschlossen. (2) Der Verein vertritt die Interessen der Pfarrerschaft, pflegt ihre Gemeinschaft und fördert das theologische Gespräch, regt zur geistlichen Besinnung und zum Erfahrungsaustausch an, unterstützt ihren Dienst in der Kirche und bemüht sich in besonderen Fällen um Hilfe. (3) Der Verein pflegt das Gespräch mit dem Pfarrerausschuß und unterstützt dessen Arbeit.
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§4 Veröffentlichungsorgan ist das Hessische Pfarrblatt; es wird gemeinsam mit dem Evangelischen Pfarrerinnen- und Pfarrerverein in Hessen und Nassau e. V. herausgegeben. II. Mitgliedschaft §5 (1) Mitglieder des Vereins können alle ordinierten Pfarrerinnen und Pfarrer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck werden. Die Mitgliedschaft wird durch schriftliche Beitrittserklärung an den Vorstand begründet. Sie schließt die Beitragspflicht ein. (2) Vikarinnen und Vikare im Dienst der Landeskirche von KurhessenWaldeck können auf schriftlichen Antrag Mitglieder des Vereins werden. Ihre Beitragspflicht ist gesondert geregelt. (3) Über die Mitgliedschaft anderer Pfarrerinnen und Pfarrer entscheidet auf deren Antrag der Vorstaand. (4) Bei Ausscheiden aus dem Dienst der Landeskirche, außer durch Eintritt in den Ruhestand, erlischt die Mitgliedschaft, es sei denn, sie wird durch ausdrückliche, vorherige Erklärung des Mitglieds aufrechterhalten und vom Vorstand bestätigt. §6 (1) Die Mitgliedschaft erlischt durch den Tod, durch Austritt und durch Ausschluß. (2) Der Austritt aus dem Verein kann nur zum Schluß eines Kalenderjahres erfolgen. Die schriftliche Austrittserklärung muß spätestens am 1. Oktober dem Vorstand vorliegen. (3) Der Ausschluß kann ausgesprochen werden, wenn ein Mitglied nachweislich die Vereinsinteressen verletzt oder trotz dreimaliger schriftlicher Aufforderung die Beiträge nicht gezahlt hat. Der Ausschluß erfolgt auf Antrag des Vorstands durch Beschluß des Gesamtausschusses. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit von 2/3 der satzungsmäßigen Mitglieder des Gesamtausschusses. (4) Der Austritt und der Ausschluß haben den Verlust der Vereinsrechte einschließlich jedes Anspruchs auf das Vermögen und die Leistungen des Vereins zur Folge.
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III. Leitung und Vertretung §7 Die Vereinsorgane sind die Mitgliederversammlung, der Gesamtausschuß und der Vorstand. Der Vorstand §8 (1) Der Verein wird durch den Vorstand geleitet. Er besteht aus der/dem Vorsitzenden des Vereins, deren/dessen Stellvertreter/in und drei weiteren Mitgliedern. (2) Die/der Vorsitzende, ihr(e)/sein(e) Stellvertreter/in und die übrigen Mitglieder des Vorstandes werden vom Gesamtausschuß auf die Dauer von sechs Jahren gewählt und bleiben bis zur Neuwahl im Amt. (3) Jeweils zwei Vorstandsmitglieder, darunter die/der Vorsitzende oder ihr(e)/sein(e) Stellvertreter/in, vertreten den Verein gerichtlich und außergerichtlich. (4) Der Vorstand ist nach außen unbeschränkt vertretungsberechtigt, im Verhältnis zum Verein an die Satzung sowie an die Beschlüsse und Weisungen des Gesamtausschusses und der Mitgliederversammlung gebunden. (5) Der Vorstand ist beschlußfähig, wenn mindestens drei Mitglieder anwesend sind. (6) An den Sitzungen des Vorstands können mit beratender Stimme teilnehmen: - die/der Schriftleiter/in des Hessischen Pfarrblattes, - die Kassenprüfer/innen, - ein(e) Vertreter/in der Verwaltungsstelle (Gemeindeamt Marburg), - ein(e) Vertreter/in der Vikarinnen und Vikare, - eine Vertreterin des Pfarrfrauendienstes in Kurhessen-Waldeck. (7) Der Vorstand bestimmt die/den Schriftleiter/in des Hessischen Pfarrblattes für den Bereich der Landeskirche. (8) Die Mitglieder des Vorstandes führen ihr Amt ehrenamtlich. Die/der Vorsitzende und die/der Schriftleiter/in des Hessischen Pfarrblattes erhalten eine vom Gesamtausschuß festzusetzende Aufwandsentschädigung. §9 Die/der Vorsitzende beruft und leitet die Sitzungen des Vorstandes, des Gesamtausschusses und der Mitgliederversammlung und unterzeichnet mit einem weiteren Mitglied des Vorstandes die jeweiligen Sitzungsprotokolle.
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Die Vertrauensleute § 10 (1) In jedem Kirchenkreis der Evangelischen Kirche von KurhessenWaldeck wählen die Mitglieder des Vereins aus ihrer Mitte eine Person ihres Vertrauens und jeweils eine(n) Stellvertreter/in. Drei Jahre nach jeder Vorstandswahl sind sämtliche Vertrauensleute neu zu wählen. Die Wiederwahl ist zulässig. Ist die Wahl trotz schriftlicher Aufforderung nicht innerhalb von drei Monaten erfolgt, so ernennt der Vorstand eine(n) Vertreter/in für den jeweiligen Kirchenkreis und deren/dessen Stellvertreter/in. Die Mitglieder in einem Kirchenkreis können mit 2/3-Mehrheit die Person ihres Vertrauens wählen. (2) Jede Vertrauensperson kann - und muß nach Aufforderung durch den Vorstand - die Mitglieder des Vereins ihres Kirchenkreises zu Besprechungen einberufen und sie auch Beschlüsse fassen lassen. Die Beschlüsse sind dem Vorstand vorzulegen. (3) Die Wahl der Vertrauensleute und deren Stellvertreter/innen erfolgt in Versammlungen, die von der jeweiligen Vertrauensperson oder deren Stellvertreter/in schriftlich einberufen wurden. Die Wahl erfolgt mit einfacher Mehrheit. Die Protokolle sind von zwei Mitgliedern zu unterzeichnen. (4) Die Aufgaben der Vertrauensleute sind besonders nach den in § 3 niedergelegten Vereinszielen ausgerichtet. Der Gesamtausschuß § 11 (1) Der Gesamtausschuß besteht aus dem Vorstand des Vereins und den Vertrauensleuten sämtlicher Kirchenkreise. Er kommt mindestens einmal im Jahr zusammen. (2) Die Einladungen zu den Sitzungen des Gesamtausschusses müssen mindestens zwei Wochen vor dem Sitzungstermin schriftlich erfolgen und die Tagesordnung enthalten. Zum Nachweis der fristgerechten Einladung genügt der Nachweis der fristgerechten Absendung. (3) In der Tagesordnung nicht angegebene Verhandlungsgegenstände können, abgesehen von der Wahl des Vorstandes und dem Ausschluß eines Mitglieds, mit einmütigem Beschluß der Erschienenen auf die Tagesordnung gesetzt werden. § 12 Der Gesamtausschuß ist beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Er beschließt, abgesehen von einer Beschlußfassung
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nach § 6 (3), mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme der/des Vorsitzenden den Ausschlag. § 13 (1) Der Gesamtausschuß wählt den Vorstand des Vereins. Vorstandsmitglieder, soweit sie nicht Vertrauensleute sind, sind bei dieser Abstimmung nicht stimmberechtigt. (2) Er stellt die Grundsätze auf, nach denen Vorsitzende(r) und Vorstand den Verein zu leiten und zu vertreten haben. (3) Er stellt Richtlinien über die Leistungen des Vereins auf. (4) Er verwaltet das Vereinsvermögen und beruft zwei im Rechnungswesen erfahrene Mitglieder des Vereins als Kassenprüfer zur Beratung des Vorstands. (5) Er schlägt die vom Vorstand für die Kassenverwaltung zu berufende Person oder Verwaltungsstelle vor und beschließt über die Höhe der Vergütung, die diese erhält. (6) Er genehmigt den Haushaltsplan, überprüft die Jahresrechnung und erteilt dem Vorstand Entlastung. (7) Er schließt Mitglieder des Vereins aus (§ 6 [3] und [4]). IV. Die Mitgliederversammlung § 14 (1) Die/der Vorsitzende hat jährlich mindestens einmal die Mitgliederversammlung einzuberufen, ferner wenn es der zehnte Teil der Mitglieder schriftlich unter Angabe des Zweckes und der Gründe verlangt, sowie wenn das Interesse des Vereins es erfordert. (2) Die Bestimmungen des § 11 (2) und (3) finden sinngemäß Anwendung, jedoch kann die Einladung auch durch Veröffentlichung im Hessischen Pfarrblatt erfolgen. Eine Beschlußfassung über Änderung der Satzung oder Auflösung des Vereins darf nicht nachträglich auf die Tagesordnung gesetzt werden. § 15 Die Mitgliederversammlung nimmt den Jahresbericht entgegen, setzt die Höhe des Vereinsbeitrags fest und beschließt über die Änderung der Satzung oder über die Auflösung des Vereins.
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§ 16 (1) Die Mitgliederversammlung ist, abgesehen von einer Abstimmung über die Auflösung des Vereins, ohne Rücksicht auf die Zahl der Erschienenen beschlußfähig. (2) Die Mitgliederversammlung beschließt mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der/des Vorsitzenden. (3) Zu Beschlüssen über Änderung der Satzung ist eine Mehrheit von 2/3 der erschienenen abstimmungsberechtigten Mitglieder erforderlich. (4) Beschlüsse über die Auflösung des Vereins erfordern die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder und eine Mehrheit von 5/6 der erschienenen Stimmberechtigten. Erscheint weniger als die Hälfte, so hat die/der Vorsitzende gemäß § 14 eine neue Versammlung mit gleicher Tagesordnung einzuberufen; sie muß binnen sechs Wochen nach der ersten Versammlung stattfinden. Diese ist für die Gegenstände der ersten Versammlung ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder beschlußfähig. Darauf ist auch bei der Einladung zur zweiten Versammlung hinzuweisen. V. Verwendung des Vermögens bei Auflösung des Vereins § 17 Das bei Auflösung des Vereins vorhandene Vermögen fällt an die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, die es zu treuen Händen verwaltet und zur Linderung von Notständen von Pfarrerinnen und Pfarrern sowie ihrer Hinterbliebenen verwenden soll. Mitglieder des aufgelösten Vereins und deren Hinterbliebene sollen bevorzugt berücksichtigt werden. § 18 Diese Satzung ist am 10. Juni 1980 beschlossen und zuletzt am 29. September 1992 geändert [worden]. Vorsitzender: gez.: Friedrich Malkemus
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Vorstandsmitglied: gez.: Irene Umbach
Nr. 9 a Kirchenregierung Kassel an die Geistlichen der Landeskirche (Hektographie, PfrVAkten; Anlage „Gebet“ fehlt) Der Vorsitzende der Kirchenregierung.
Kassel, den 1. Juni 1933.
K.R. Nr. 810/33. Von dem durch die Bevollmächtigten der deutschen Landeskirchen zum Reichsbischof bestimmten P. D. von Bodelschwingh sind die in Abschrift beiliegenden 3 Anlagen übersandt. Von diesen Anlagen sind nach dem Anschreiben v. 31. v. Mts. das Grußwort an die Gemeinden zur Verlesung nach der Festpredigt, das Gebet zur Einfügung in das Festgebet bestimmt. Der Herr aber bekenne sich in Gnaden zu dem Neubau der Kirche und fördere dieses Werk auch in unserem Hessenland! gez. D. Möller. An die Herren Geistlichen der Evangelischen Landeskirche Hessen-Kassel. Nr. 9 b Reichsbischof an Landeskirchen (Hektographie, PfrVAkten) Abschrift: Der Evangelische Reichsbischof. R. B. 66 ===========
BerlinCharlottenburg 2, den 31. Mai 33 Marchstrasse 2
Die dringende Bitte einiger Landeskirchen, zu Pfingsten ein Grußwort an die Gemeinden zu sagen, begegnete meinem eigenen Wunsche. Es ist mir ein Bedürfnis, in dieser ernsten Stunde zu den Gemeinden des ganzen Reiches zu sprechen aus der Kraft des Evangeliums, das uns alle trägt und erhält. Ich bitte die in der Anlage beigefügten Stücke des Grußwortes den Pfarrern Ihrer Kirche zuzuleiten und darauf hinzuweisen, daß dieses Grußwort
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zur Verlesung von den Kanzeln, das Gebet zur Einfügung in das allgemeine Kirchengebet bestimmt ist. gez. F. v. Bodelschwingh. An die obersten Kirchenbehörden der im Deutschen Evangelischen Kirchenbund zusammengeschlossenen Landeskirchen. Nr. 9 c Pfingstbotschaft 1933 des Reichsbischofs (Hektographie, PfrVAkten) Abschrift: Grußwort an die Gemeinden von Pastor D. von Bodelschwingh, aus Anlaß seiner Bestimmung zum Reichsbischof der künftigen deutschen evangelischen Kirche. „Der wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes“. Dieses Wort D. Martin Luthers beschreibt den Reichtum und die Verantwortung der Gemeinde Jesu. Sie darf glauben; das ist ihre Freude. Sie darf dienen; das ist ihre Kraft. Der Dienst der Kirche soll nichts anderes sein als die Ausbreitung des Evangeliums durch Wort und Tat. Das Evangelium aber kann und will uns frei und selig machen. In der Wende der Zeit, die unserem Volk und Vaterlande geschenkt worden ist, schickt sich unsere deutsche evangelische Kirche an, ihre äußere Gestalt zu erneuern und sich fester als bisher zusammen zu schließen. Daraus kann nur dann bleibender Segen erwachsen, wenn wir uns alle miteinander demütig beugen vor der Majestät unseres Gottes; miteinander lauschen auf die Stimme des guten Hirten, der für uns gestorben und auferstanden ist, miteinander dem Geist gehorchen, der uns beten und lieben lehrt. Als die miteinander und füreinander Betenden laßt uns Pfingsten feiern! Der ewig reiche Gott aber wolle Gnade geben, daß jede einzelne Gemeinde wie ein grünender Garten sei, der gute Früchte trägt, und wie eine frische Quelle, die viele erquickt. Er schenke unserer ganzen Kirche, daß sie ihr neues Haus auf den festen Grund baut, der in den Stürmen der Zeit allein Bestand hat. Einen anderen Grund aber kann niemand legen als der [sic!], der gelegt ist, Jesus Christus, hochgelobt in Ewigkeit.
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Nr. 10 Wepler an Vorstandsmitglieder des Pfarrervereins (Durchschrift, PfrVAkten) Ev. Pfarrer-Verein Hessen-Kassel
Eschwege, den 7. Juni 1933
Lieber Herr Amtsbruder! Am Tage vor Pfingsten wurde ich von einigen Amtsbrüdern angerufen, die im Zweifel darüber waren, ob sie den Pfingstgruß von der Kanzel verlesen sollten. Aus dem Begleitschreiben unserer Kirchenregierung glaubten sie, eine Anordnung zur Verlesung entnehmen zu müssen. Auch ich habe das Begleitschreiben so aufgefaßt. Darin heißt es ganz klar: „Von diesen Anlagen sind nach dem Anschreiben vom 31. v. Mts. das Grußwort an die Gemeinden zur Verlesung nach der Festpredigt, das Gebet zur Einfügung in das Festgebet bestimmt“. Damit ist nach meinem Verständnis die Zweckbestimmung des Festgrußes klar zum Ausdruck gebracht. Jeder Kollege mußte aus dieser Formulierung des Begleitschreibens der Kirchenregierung entnehmen, daß hier eine kirchenbehördliche Verfügung darüber vorlag, was mit dem Schreiben geschehen sollte. Trotzdem teilte mir der Präsident des Landeskirchenamtes auf meine Anfrage hin mit, daß das Begleitschreiben so klug und vorsichtig abgefaßt sei, daß nach dem Wortlaut kein Pfarrer daraus eine Anordnung zur Verlesung entnehmen könne. Ich war anderer Ansicht und entnahm das auch aus der Gewissensnot der Amtsbrüder. Ich hielt mich darum für verpflichtet, soweit das noch am Nachmittag des Festsonnabends möglich war, die Amtsbrüder davon in Kenntnis zu setzen, wie die Kirchenregierung ihr Begleitschreiben aufgefaßt haben wollte. Darum ließ ich an alle Vertrauensleute des Pfarrer-Vereins folgende telegrafische Nachricht aufgeben: „Der Pfingstgruß braucht, wie ich erfahre, nicht verlesen zu werden. Ich bitte das zu beachten und den Amtsbrüdern davon Mitteilung zu machen.“ Für mich persönlich handelte es sich dabei gar nicht um die Frage des Reichsbischofs und der in Frage kommenden Persönlichkeit. Ich sah vielmehr in dem Begleitschreiben der Kirchenregierung und der Unentschlossenheit unserer kirchlichen Führer, die eine offene Stellung in der Reichsbischofsfrage in der Öffentlichkeit nicht wagten, den notwendigen Anlaß, als Vorsitzender des Pfarrer-Vereins die Amtsbrüder aufzuklären und ihnen zu sagen, daß die Kirchenregierung beabsichtige, jedem einzelnen Amtsbruder die Entscheidung ins Gewissen zu schieben. Diese brüderliche Verantwortung, die ich dabei empfand, glaubt ein jüngerer Amtsbruder in seinem Schreiben an Kollegen Rausch mit innerer Empörung zurückweisen zu müs-
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sen. Anstatt die Falle zurückzuweisen, in die wir durch das Schreiben der Kirchenregierung geraten sollten, lehnt man sich gegen das brüderliche Solidaritätsgefühl auf, das ein Warungssignal geben mußte. Ich teile Ihnen das kurz mit, damit Sie wissen, welche inneren Beweggründe zu dem Telegramm geführt haben. Die Verantwortung dafür trage ich allein und ich müßte an den Amtsbrüdern zweifeln, wenn sie die Unentschlossenheit und das Versteckspielen der Kirchenregierung noch Kirche nennen würden. Auf unserer Tagung in Sooden werden wir uns voraussichtlich mit der Frage zu beschäftigen haben. Mit amtsbrüderlichem Gruß Ihr Wepler Nr. 11 Wepler an Kreispfarrer D. Bachmann, Kassel (Durchschrift, PfrVAkten) Tgb. Nr. 304
7. Juni 1933
Lieber Herr Kollege Bachmann! Anliegendes Schreiben (s. Anhang Nr. 10; B. J.) sandte ich an die Vorstandsmitglieder, um mein Pfingsttelegramm an die Vertrauensleute zu begründen und zu rechtfertigen. Der Präsident war stolz darauf, daß das Begleitschreiben so geschickt abgefaßt worden sei, damit jeder Pfarrer daraus entnehmen konnte, was ihm wünschenswert war. Ich halte das einfach in der augenblicklichen Situation der Kirche für ein Verbrechen. Ich bedauere, daß ich Ihnen noch nicht früher Mitteilung über die Arbeit des Aktionsausschusses machen konnte. Meine Zeit war sehr in Anspruch genommen. Dazu habe ich noch zwei Patienten im Hause, meine Frau und Wilhelm, die mir Sorge machten. Gott sei Dank geht es beiden wieder besser. Der Aktionsausschuß tagte bisher zweimal, das erste mal unter Bähr, weil Möller in Berlin war, das andere mal unter dem Landesoberpfarrer selbst. Das erste mal richteten wir an den Landesoberpfarrer den Wunsch, sich von der Kirchenregierung bevollmächtigen zu lassen, um unter Hinzuziehung eines Ausschusses die Einordnung in die Reichskirche vorzunehmen. Im Blick auf die Vorbereitungsarbeiten, die zu einer Großhessischen Kirche führen sollen, erklärte der Ausschuß, daß mit Gründung der Reichskirche diese Frage zunächst kein Interesse für uns habe, er lege aber Wert darauf,
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daß die Eigenart unserer Landeskirche bei ihrer Eingliederung in die Reichskirche unbedingt erhalten werden müsse. Der Evang. Pressverband ließ außerdem die Mitteilung hinausgehen, daß der Landesoberpfarrer einen Ausschuß gebildet habe, der sich aus Mitgliedern des Pfarrer-Vereins, der Jungreformatorischen Bewegung, der Deutschen Christen und der jüngeren und älteren Frontgeneration zusammensetze. Als wir zur zweiten Sitzung versammelt waren, wurde ein Schreiben Dr. Paulmanns an den Landesoberpfarrer verlesen, in dem er gegen die Zeitungsmeldung, daß deutsche Christen im Ausschuß vertreten seien, Protest erhob. Er betonte, daß Vertreter der deutschen Christen nur durch die Gauleitung bestimmt werden. Der Landesoberpfarrer hätte kein Recht, Pfarrer zu berufen und sie der Öffentlichkeit gegenüber als Vertreter der deutschen Christen zu bezeichnen. Wenn die deutschen Christen mitarbeiten sollten in dem Ausschuß, dann müßten sie verlangen, daß der Jungreformatorischen Bewegung eine ihrer Bedeutung zukommende Stellung in dem Ausschuß zugewiesen wird. Ritter und sein Begleiter Heppe gingen bei diesem Schreiben hoch. Ich fand den Brief Paulmanns durchaus berechtigt. Im Ausschuß sind vertreten: Bachmann und Wepler, Ritter und Heppe, Ziegler, Neubauer und Hollstein. Für morgen ist eine Versammlung von Pfarrern nach Treysa einberufen, um wahrscheinlich im Sinne Ritters zur Bischofsfrage Stellung zu nehmen. Ich kann leider nicht daran teilnehmen, da ich vom Landesfinanzamt in Kassel ein Schreiben erhielt, wonach mich der Landesausschuß zum ehrenamtlichen Richter des Finanzgerichtes in Kassel gewählt habe, und wonach morgen Nachmittag meine Verpflichtung stattfinden soll. Wer mir das Ämtchen zugeschoben hat, weiß ich nicht, aber ich habe dadurch einen Grund, von Treysa fernzubleiben. Wir werden unsere Stellungnahme zur Bischofsfrage in Sooden klären. Was in Treysa beschlossen wird, kann keine Bindung für den Pfarrer-Verein sein. Mit Muster werde ich in den nächsten Tagen zusammenkommen und dann über Ihren Brief vom 3. Juni sprechen. Indem ich Sie herzlich grüße und gute Erholung wünsche bin ich Ihr getreuer gez. Wepler
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Nr. 12 D. Dithmar an Wepler (Original, PfrVAkten) Homberg d. 19/8. 33 Lieber Wepler, als ich gestern früh Möller aufsuchte, erzählte er mir: Pfarrer Kaiser sei von Hossenfelder zum Vorsitzenden des Pfarrervereins ernannt worden. Ich war platt u. nichts hat mich während der ganzen letzten Zeit so getroffen, wie dieses. Ich nahm mir vor, Sie heute noch anzurufen, war aber auch festentschlossen, für den Fall, daß diese Renthofgeschichte auf Tatsache beruhe, mit Protest auszutreten. Da kam zu meiner Beruhigung Ihr Brief. Ich habe ja schon früher den Standpunkt vertreten, daß etwas geschehen müsse, um der Glaubensbewegung entgegenzukommen. Wir hatten uns auch schon auf Thilo (Ziegler; B. J.) geeinigt. Also gut! Nur schien mir alles nicht mehr nötig, seit Sie selbst der Bewegung angehörten. Es ist unter den Meyerschen Absichten gut, daß der „alte Kämpfer“ in den Vorstand berufen ist. Da wird Ruhe sein, u. wir brauchen mehr denn je die Geschlossenheit. Im Lauf der nächsten Woche müssen wir unbedingt uns mal in Kassel treffen. Die Verhandlungen in Berlin waren sehr interessant. Ich lernte Jäger, Werner, Hossenfelder und Müller (!) kennen. Interessante Typen! Jäger ist ganz der Typ Göring. Da gibt es keinen Widerspruch; Probst-Frankfurt kuschte wie ein Windspiel. Um 9°° wollte er als Martyrer sterben u. um 12°° hatte er diesen Gedanken völlig aufgegeben. Ihm fehlte der begeisterte Zuruf der Masse. Klein, ganz klein war er geworden. Also, die Verfassung ist fertig u. wird mit Haut u. Haar geschluckt. Der Lktg (Landeskirchentag; B. J.) wird nicht länger als einen Tag dauern. Alles das kann ich Ihnen aber nicht schreiben. Auch die Verfassung kann ich Ihnen nicht schicken, weil sie eines mündlichen Commentars bedarf. Wenn es Ihnen recht ist, wollen wir uns Donnerstag nächster Woche bei Mäxchen 10°° treffen, ich will noch Hollstein dazu bitten. – Dienstag habe ich mir Muster hergebeten, um mit Muster einen Bericht an Jäger zu besprechen, der am II. Verhandlungstag teilnahm u. nachm. Von Werner noch in den EOK gebeten wurde, um ihm seine Gedanken vorzutragen. Donnerstag 24°° kam ich schachmatt nach Kassel zurück. War am Freitag bei Paulmann u. dann bei Möller, weil ich nicht wollte, daß er erst aus der Presse etwas erführe. Er tat, als ob das alles nichts wäre u. als ob er noch wer weiß wie lange den Lauf der Sterne am Kasseler Himmel lenken würde. (Übrigens sind Personalfragen nicht erörtert worden; außer einer in negativem Sinn.) Möller will noch eine Sitzung der Marburger Conferenz einberu-
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fen, aber außer Wiesbaden wird niemand kommen. Die Kasseler u. die Wiesbadener K.R. sind ostentativ von Jäger ausgeschlossen worden von der Besprechung. Das gibt doch genug zu denken. Ich bin doch z. Z. nur eine Privatperson. Also Donnerstag 10°° bei Mäxchen! Besten Gruß Ihr Dithmar Nr. 13 Deutsche Christen an Pfarrer der Landeskirche von Kurhessen-Waldeck (Gedruckter Rundbrief, PfrVAkten) Deutsche Christen Gau Kurhessen Amt für Orginsation, Presse und Propaganda
Kassel, den 26. Juni 1934. Gaugeschäftsstelle: Murhardstr. 4.
An sämtliche Herren Pfarrer der Landeskirche von Kurhessen-Waldeck. Deutsche Männer! In letzter Stunde wende ich mich im Namen sämtlicher Amtswalter und Amtsträger der Deutschen Christen im Gau Kurhessen mit einem persönlichen Wort an Sie alle, die Sie berufen sind, als Diener des Wortes Gottes und der Gemeinschaft der Gläubigen im Dritten Reich unsern Volksgenossen das Evangelium des lebendigen Christus zu p r e d i g e n und v o r z u l e b e n. Im Verlaufe der Verhandlungen über den Zusammenschluß der Kirche von Waldeck und Hessen-Kassel, sowie der Errichtung eines Gesamtgaues Kurhessen der D.C. sind von seiten einiger Mitglieder der waldeckischen und hessischen Pfarrerschaft Gerüchte in die Pfarrerschaft von Hessen-Kassel getragen worden, die einem Deutschen nationalsozialistischen Christen die Schamröte ins Gesicht treiben angesichts der Tatsache, daß M ä n n e r als Sachwalter von Bekenntnis und Evangelium es für richtig befinden und es mit ihrem Gewissen in Einklang bringen, die Ehre von Menschen aufs Gemeinste in den Schmutz zu ziehen, die genau wie sie selbst das Amtsgelübde abgelegt haben, für die aber die Tätigkeit bei den Deutschen Christen Grund und Schuld genug ist, daß sie vor den Augen und Ohren der gesamten kurhessisch-waldeckischen Pfarrerschaft auf die niederträchtigste Art und Weise diffamiert werden.
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Fast ein halbes Jahr haben wir geschwiegen! Welcher alte Kämpfer des großen Führers hat es nicht gelernt, Verleumdung geduldig zu tragen. Nun aber ist endgültig Schluß mit diesem anonymen und unehrlichen Feldzug gegen die Ehre unserer F ü h r e r, P a r t e i g e n o s s e n u n d M i tg l i e d e r. Mit großer Aufmerksamkeit haben wir die ganzen Vorgänge verfolgt, haben wir all’ das Greuel- und Lügenmaterial gesammelt. Was sich aber in den letzten Wochen ereignet hat, übersteigt das Maß alles dessen, was man bisher verbreitet hat. Im Auftrage und im Namen mehrerer Hundert Amtswalter der D.C. rufe ich Sie alle auf mit der herzlichen Bitte und Mahnung: Um unserer Kirche willen und der Ehre ihrer Pfarrerschaft wenden Sie sich ab von denen, die seit Monaten durch undurchsichtige Beziehungen und dunkle Machenschaften die Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens vergiften und dadurch ein Näherkommen der beiden Fronten unmöglich machen. Insonderheit wenden wir uns an die wirklichen Vertreter der Bekenntnisfront, mit denen wir uns seit Jahresfrist im innersten Anliegen eins wissen und rufen Ihnen zu: Sagt Euch los von denen, die sich heute zum Kampf um Evangelium und Bekenntnis - wie sie sagen - d r ä n g e n, die aber nicht zu Euch gehören, noch jemals innerlich in der Vergangenheit gehört haben. Um des Bekenntnisses willen - das von solchen entweiht wird - um des Evangeliums willen - das reine Wahrheit und Klarheit fordert - zieht einen Trennungsstrich zwischen solchen und Euch. Jene sind die Parasiten einer jeden Bewegung, wie auch wir sie gehabt haben und kennen. Es sind die, welche glauben, da und dort einen Vorteil zu erringen der eigenen Person wegen, denen aber früher bürgerliche Sattheit und „christliche“ Spießerei näher waren als ein männlicher Kampf um die wahren Güter unserer evangelischen Kirche. Es sind die wankenden Gestalten, die früher Gegner der NSDAP waren, am 30. Januar 1933 sich alte Nationalsozialisten nannten und heute die Clique der ewigen Nörgler und Unzufriedenen bilden. Jene sind auch heute wieder die Zwischenträger zwischen den Fronten, die durch ihre Gerüchtemacherei und ihr Ehrabschneiden dieselben verkrampfen, sodaß eine Brücke über die unselige Kluft des bestehenden Mißtrauens nicht gefunden werden kann. Es sind die, die Euch brühwarm alles als „verbürgt wahr“ „aus erster Quelle“ übermitteln, die aber nie gerade stehen für ihr Geschwätz, wenn es ihnen an den Kragen geht. Brüder von der Bekenntnisfront! Menschen, die Gleiches wollen, müssen sich finden! Menschen, die um Kirche ringen, müssen gemeinsam arbeiten können! Menschen, die ganz in der Kirche als der wahrhaft evangelischlutherischen und ganz im dritten Reich stehen, gehören zusammen! Solche aber, die sich heute zu irgendeiner Gruppe schlagen, mit denen sie keine organische Verbindung haben, ohne deren wesentliches Anliegen zu teilen,
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sind eine Belastung für die Gesamtheit, die um Kirche kämpft. Jene Zwischenträger sind es auch, die sich dazu hergeben, das Unglaublichste und Unmöglichste einem Uneingeweihten als reine Wahrheit einzuschenken. Vor Gott und Euch fragen wir: Wer stört den kirchlichen Frieden, jene oder wir? Erkennen wir es doch: Wo gelogen und diffamiert wird, kann nie und nimmermehr Friede sein. Da ist uns ein Kampf bis aufs Letzte - wenn es um die Wahrheit geht - lieber als ein solcher Friede, der dem Dämon Lüge geopfert wird. Wir sind als Nationalsozialisten gewohnt, für diese letzte Wahrheit zu kämpfen. Wir brauchen dies nicht mehr zu beweisen. Die Kampfjahre reden genug davon. Wahrhafter Friede kann nur sein, wenn ein jeder um Wahrheit ringt, wenn der Wahrheit allein die Ehre gegeben wird. (Joh. 8, 36.) Was in der Kirche von Hessen-Kassel von solchen, die sich Pfarrer nennen, über die Entwicklung der Lage in Waldeck verbreitet worden ist, erinnerte uns lebhaft an die Lügenpropaganda der Emigranten, die auch auswärts ihre Lügen anbrachten. Dies ließ uns kalt. Nunmehr geht es uns aber um die persönliche Ehre unserer Führer, sowohl unseres Gauobmannes wie seines Stellvertreters. Was hier verbreitet worden ist, kann nur aus Waldeck selbst stammen. Beide sind erhaben über das, was Ohrenbläser über sie sagen, weil es einfach erlogen ist, weil ihr lauterer Charakter ihnen einen g e r a d e n Weg vorschreibt. Unser Pg. Otto L ü d k e ist uns als Frontkämpfer und alter Parteigenosse jedoch viel zu groß, als daß er von solchen Kümmerlingen beleidigt werden kann. Wer einen Frontkämpfer beschimpft, der 4 Jahre lang draußen gewesen ist, der seinen gesunden Körper dem Vaterlande geopfert hat, der, kaum wieder genesen, den Kampf für Deutschlands Befreiung in der NSDAP aufnahm, wird von uns als d e r angesehen, wie ehrliche Männer solche Vertreter der Kunst des Afterredens bezeichnen. Das Gleiche gilt in Bezug auf das, was unserem SA-Kameraden K e l l e r angedichtet wird. Wir sind als Nationalsozialisten im zweiten Jahre der großen Revolution nicht geneigt, diesen Zustand der Diffamationen noch weiter unangefochten über uns ergehen zu lassen. Die Ehre beider schützen wir und die NSDAP. Einzelheiten hier mitzuteilen, würde zu weit führen, ist auch nicht beabsichtigt. Darüber werden wir mit den betreffenden Helden selbst vor anderer Stelle zu reden haben. Derartige Gerüchte sind vielleicht auch Ihnen zur Genüge bekannt. Wir erheben aber allerschärfsten Protest dagegen, daß auf privaten Pfarrkonferenzen unsere Ehre zum Ableiter persönlicher Minderwertigkeitsgefühle benutzt und mit Füßen getreten wird. Jenen ewig Unzuverlässigen und Unverbesserlichen sei aber jetzt in aller Deutlichkeit gesagt: Wir kennen euch ganz genau! Wir kennen alle die, die ihrer Gemeinde ihre Arbeit entzogen, dafür aber umso lieber die Spuren ihrer Wirklichkeit auf der „Insel der Seligen“ - wo nur eitel „Friede“ und Freude
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herrscht - hinterließen. Eins sagen wir Euch Saboteuren an der Volks- und Kirchengemeinschaft: Das Dritte Reich hat genug Macht und Gesetze, euer Tun und Treiben ein für alle mal zum Ende zu bringen. Denkt an das Urteil des Sondergerichts in Schwerin! Jeder vernünftige und wahrheitsliebende Mensch muß uns zubilligen, jenen seiner verdienten Strafe zuzuführen, der behauptet, wir Waldecker Deutschen Christen hätten für bares Geld „Kasseler Schlacken“ anläßlich der Landeskirchentagssitzung auf die Tribünen des Sitzungssaales entsandt. Das 8. Gebot ist in Gefahr, gerade von denen mißbraucht zu werden, die es umso lieber jedem Volksgenossen und Laien einschärfen. Wenn anläßlich der Vereidigung der 4 waldeckischen Vertreter im Landeskirchentag auf der Tribüne von Pfarrerseite geäußert wird: „Jetzt leisten sie einen Meineid“, und dieser Pfarrer erfährt auf der Stelle die rächende Hand des beleidigten Nationalsozialisten, so soll der betreffende nicht in „Märtyrertum“ machen; das Volk weiß, wie es solche Ehrabschneider beurteilt. In letzter Stunde erheben wir unsere mahnende Stimme an jeden Einzelnen aus allen Lagern, die es ehrlich meinen: Verurteilt mit uns jene „Hyänen des Schlachtfeldes“, damit die Zeit komme, wo auch wir wieder ernsthaft miteinander reden können, die wir doch die Kirche wahrhaft bauen wollen. Weist jene Lügen und ihre Schwätzer zurück, wenn sie euch einzufangen suchen für ihre dunklen Machenschaften. Sagt ihnen die Wahrheit! Euch Wühlmäusen und Lügnern aber ins Stammbuch: Unerbittlich soll euch schon auf Erden die rächende Hand des Rechtes ereilen, dafür werden wir Sorge tragen! Euer dunkles und unsauberes Handwerk wird gelegt und ihr werdet keine Gelegenheit mehr haben, dann den Märtyrer zu spielen. Die Möglichkeit zu solcher Gotteslästerung wird euch genommen werden. Frage sich ein jeder, ob er es in der Ewigkeit verantworten kann, was er mit seiner lügenhaften Zunge anrichtet. Der Ehre unserer Führer, der Ehre des Pfarrerstandes und unserer Kirche, der Ehre des Dritten Reiches und seines Führers sind wir diesen Schritt und letzte Klarheit und Wahrheit schuldig. Wem es um die Wahrheit geht, versteht uns in dieser Stunde, auch wenn er sich nicht zu uns bekennt. In diesem Augenblick - wo es um die Ehre und Treue von deutschen Männern geht hört jede kirchenpolitische Auseinandersetuzung auf, hier haben alle, die guten Willens sind, zusammenzustehen im Kampf gegen die Dämonie der Lüge und des Hasses. Wem es um Wahrheit und Ehre geht, der kämpfe mit uns diesen Kampf, der uns verordnet ist; denn nur die Wahrheit wird uns frei machen, daß wir uns endlich finden zu gemeinsamer Arbeit.
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Heil Hitler! Die Mitglieder der Gauleitung der Deutschen Christen Kurhessen, Die Kreisobmänner, Die Gemeindegruppenleiter. Sämtliche Amtsträger und Amtswalter der D. C. I. A. gez. Grebe Nr. 14 Pfarrervereine-Reichsbund-Satzung vom 13. September 1934 (Separatdruck, Karlsruhe i. B. 1935, PfrVAkten) Satzung des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine I. Zweck des Reichsbundes. § 1. (1) Der Reichsbund der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine ist die Vereinigung evangelischer Pfarrervereine in der Deutschen Evangelischen Reichskirche mit dem Zweck, einmütig für die Pflichten, Rechte und Anliegen des geistlichen Amtes und Standes einzutreten und die Weiterbildung des gesamten deutschen Pfarrerstandes zu fördern. (2) Der Reichsbund setzt sich weiter zur Aufgabe, die Arbeit der nationalsozialistischen Regierung zum Wiederaufbau des deutschen Reiches nach Kräften zu unterstützen. Insbesondere soll dies durch Förderung der kulturellen Aufgaben in enger Zusammenarbeit mit den von der nationalsozialistischen Bewegung gegründeten Organisationen erfolgen. (3) Der Reichsbund hat seinen Sitz in Berlin. (4) Der Reichsbund soll in das Vereinsregister eingetragen werden.
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II. Mitgliedschaft. § 2. (1) Die Mitgliedschaft hat zur Voraussetzung, daß die Mitgliedsvereine sich auf die Aufnahme von evangelischen Geistlichen im Gebiete der deutschen evangelischen Reichskirche beschränken und die Zwecke des Reichsbundes im Sinn von § 1 vertreten. (2) Die Mitgliedsvereine sollen ihre Satzung der Satzung des Reichsbundes angleichen. Der R e i c h s b u n d e s f ü h r e r (§§ 5-7) entscheidet, ob die Angleichung durchgeführt ist. (3) Die Aufnahme eines Vereins als Mitglied des Reichsbundes wird auf Grund schriftlicher Anmeldung und nach Prüfung der Satzung vom Reichsbundesführer vollzogen. § 3. (1) Die Mitgliedschaft geht verloren durch A u s t r i t t oder durch A u ss c h l u ß. (2) Der A u s t r i t t ist nur zum Schluß eines Rechnungsjahres zulässig und muß sechs Monate vorher dem Reichsbundesführer bedingungslos erklärt sein. (3) Der A u s s c h l u ß eines Mitgliedsvereins erfolgt nach Anhörung der Reichsbundestagung (§ 12) durch den Reichsbundesführer, insbesondere dann, wenn die Voraussetzungen der Mitgliedschaft gemäß § 2 nicht mehr vorliegen. (4) Ein ausgetretener oder ausgeschlossener Mitgliedsverein hat seine geldlichen Verpflichtungen gegenüber dem Reichsbund bis zum Schluß des Rechnungsjahres, in dem er ausscheidet, zu erfüllen. Mit dem Austritt oder Ausschluß erlöschen alle Ansprüche an den Reichsbund. § 4. (1) Jeder Mitgliedsverein ist für seine inneren Angelegenheiten und seinen Bezirk selbständig. Jede Angelgenheit von einer über den Bezirk eines Mitgliedsvereins hinausgreifenden Bedeutung darf nur im Benehmen mit der Reichsleitung in Angriff genommen werden. (2) Jeder Mitgliedsverein ist verpflichtet, die Anordnungen des Reichsbundesführers zu befolgen. Bei schwerwiegenden Bedenken eines Mitgliedsvereins kann der Reichsbundesführer Ausnahmen gestatten. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für den Bund Preußischer Pfarrervereine und ähnliche innerhalb des Reichsbundes sich etwa bildende Vereinigungen mehrerer Mitgliedsvereine.
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III. Reichsleitung. § 5. Die Leitung des Reichsbundes liegt in den Händen des Reichsbundesführers oder seines Stellvertreters. § 6. Der Reichsbundesführer wird vom Reichsführerrat ( § 11) gewählt mit Zweidrittel-Mehrheit der Stimmen, welche den Mitgliedsvereinen nach der Zahl ihrer Mitglieder zustehen (für jedes angefangene Hundert von Mitgliedern je eine Stimme). Die Mitglieder des Reichsführerrates schenken durch die Wahl des Führers diesem ihr ganzes Vertrauen und richten sich deshalb nach seinen Entscheidungen. Sie bringen ihre Wünsche und Anträge vor, besprechen und behandeln dieselben, überlassen aber die letzte Entscheidung dem Führer. § 7. (1) Der R e i c h s b u n d e s f ü h r e r hat sich für die Verwirklichung der Ziele des Reichsbundes der deutschen evangelischen Pfarrervereine unter Beachtung der Forderungen der nationalsozialistischen Bewegung voll und ganz einzusetzen. Insbesondere hat er dem Grundsatz „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ praktische Geltung zu verschaffen. (2) Der Reichsbundesführer beruft seinen Stellvertreter und ernennt die Mitglieder des Reichsbundesvorstandes sowie aus den Mitgliedern des Reichsbundesvorstandes den Schriftführer, den Kassenführer, den Schriftleiter der Bundeszeitschrift und die Mitglieder des Ausschusses für die Bundeszeitschrift. (3) Zur Regelung der geschäftlichen Angelegenheiten lädt der Führer nach Bedarf die Mitglieder des Reichsbundesvorstandes bezw. des Reichsführerrates zu Zusammenkünften ein. Bei diesen berichtet er über seine Tätigkeit und nimmt Vorschläge entgegen. (4) In allen Fragen entscheidet allein der Führer. Damit übernimmt er aber auch die volle Verantwortung für das gesamte Tun und Lassen des Reichsbundes sowohl gegenüber den Behörden und der Öffentlichkeit als auch gegenüber den Mitgliedsvereinen. (5) Finden in einer Versammlung des Reichsführerrates die Ausführungen des Reichsbundesführers nicht die Zustimmung von mehr als der Hälfte der anwesenden Mitglieder, so hat eine Neuwahl des Reichsbundesführers stattzufinden (Abstimmung wie bei § 6). (6) Der Reichsbundesführer kann seinen Stellvertreter oder andere Mitglieder des Reichsbundesvorstandes mit der Durchführung besonderer Aufgaben betrauen.
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§ 8. Der S t e l l v e r t r e t e r d e s R e i c h s b u n d e s f ü h r e r s tritt in allen Fällen der Verhinderung des Führers in die volle Ausübung seiner Rechte und Pflichten. IV. Gliederung des Reichsbundes. § 9. Der Reichsleitung sind folgende V e r w a l t u n g s o r g a n e angegliedert: 1. D e r R e i c h s b u n d e s v o r s t a n d 2. D e r R e i c h s f ü h r e r r a t 3. D i e R e i c h s b u n d e s t a g u n g. § 10. (1) Der R e i c h s b u n d e s v o r s t a n d besteht aus dem Reichsbundesführer, seinem Stellvertreter und 8 weiteren Mitgliedern. Jedes dieser 8 Mitglieder des Reichsbundesvorstandes erhält für seine Person einen Stellvertreter. Die Amtszeit dauert 6 Jahre. Die Stellen der Mitglieder und ihrer Stellvertreter werden so besetzt, daß alle 3 Jahre die eine Hälfte neu ernannt wird. Scheidet ein Mitglied vor Ablauf seiner Amtszeit aus, so tritt für den Rest der Amtszeit sein Stellvertreter ein. Bei Ausscheiden eines Stellvertreters ernennt der Reichsbundesführer einen Ersatzmann für den Rest der Amtszeit. (2) Den Vorstand des Reichsbundes im Sinne des § 26 BGB. bilden der Reichsbundesführer und der Schriftführer oder ihre Stellvertreter. (3) Der Reichsbundesvorstand wird vom Reichsbundesführer nach Bedarf zu Sitzungen eingeladen; auf Anregung von 5 Mitgliedern muß er zu einer Sitzung eingeladen werden. (4) Der Reichsbundesvorstand tritt in Beratungen ein, wenn der Reichsbundesführer oder sein Stellvertreter und mindestens 5 Mitglieder zugegen sind. Beschlüsse werden nicht gefaßt. In brüderlicher Aussprache wird die Meinung festgestellt; darnach trifft der Reichsbundesführer unter Abwägung der Gründe seine Entscheidung. (5) Die Beratungen des Reichsbundesvorstandes erstrecken sich in der Regel auf die Vorbereitung der Sitzungen des Reichsführerrats und der jährlichen Reichsbundestagung. Außerdem kann der Reichsbundesführer nach seinem Ermessen dem Reichsbundesvorstand andere Beratungsgegenstände vorlegen.
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§ 11. (1) Der R e i c h s f ü h r e r r a t besteht aus den Mitgliedern des Reichsbundesvorstandes und den Führern der Mitgliedsvereine oder ihren Stellvertretern. Ist der Führer eines Mitgliedsvereins zugleich Mitglied des Reichsbundesvorstandes, so vertritt er gleichzeitig seinen Verein, falls dieser nicht einen besonderen Vertreter entsandt hat. Ein Mitgliedsverein kann auch den Führer eines anderen Mitgliedsvereins mit seiner Vertretung beauftragen. (2) Der Reichsführerrat wird vom Reichsbundesführer nach Bedarf zu Sitzungen eingeladen. Auf Anregung von 15 Mitgliedern muß er zu einer Sitzung eingeladen werden. (3) Der Reichsführerrat ist verhandlungsfähig, wenn der Reichsbundesführer oder sein Stellvertreter, ferner zwei weitere Mitglieder des Reichsbundesvorstandes und zwei Drittel der übrigen Mitglieder zugegen oder vertreten sind. Beschlüsse werden nicht gefaßt. In brüderlicher Aussprache wird die Meinung festgestellt; darnach trifft der Reichsbundesführer unter Abwägung der Gründe seine Entscheidung. Ausnahmen siehe § 6, § 7 Abs. 5 und § 17 Abs. 1. Ebenso b e s c h l i e ß t der Reichsführerrat über die Abnahme der Jahresrechung, Festsetzung des Haushaltsplanes und Satzungsänderungen; zu Satzungsänderungen ist eine Zweidrittel-Mehrheit der durch die anwesenden Mitglieder geführten Stimmen notwendig (Abstimmung wie bei § 6). (4) Der Reichsführerrat berät die Vorlagen des Reichsbundesführers, insbesondere die Vorbereitung, die Tagesordnung, die Zeit und den Ort der ordentlichen und außerordentlichen Reichsbundestagungen. § 12. (1) Die R e i c h s b u n d e s t a g u n g besteht aus dem Reichsführerrat und den zur Tagung erschienenen Einzelmitgliedern der im Reichsbund zusammengefaßten Mitgliedsvereine. (2) Die Reichsbundestagung wird vom Reichsbundesführer in der Regel einmal im Jahr durch Veröffentlichung in der Bundeszeitschrift einberufen. Auf Wunsch der Mehrheit der Mitgliedsvereine muß die Reichsbundestagung zu einer Tagung eingeladen werden. Die Reichsbundestagung wird vom Reichsbundesführer oder seinem Stellvertreter geleitet. (3) Zu den Verhandlungsgegenständen der Reichsbundestagung gehören: 1. Entgegennahme des Jahresberichts, des Kassenberichts und etwaiger anderer Vorlagen des Reichsbundesführers. 2. Entgegennahme der Jahresrechnung und Entlastung des Kassenführers. 3. Beratung des Haushaltsplanes.
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4. Beratung über Satzungsänderungen und Auflösung des Reichsbundes. 5. Beratung über etwaige von den Vorständen der Mitgliedsvereine eingegangene und vom Reichsbundesführer angenommene Anregungen. (4) Bei den Beratungen der Reichsbundestagung können alle erschienenen Teilnehmer das Wort ergreifen. (5) Über die Verhandlungen der Reichsbundestagung ist eine Niederschrift aufzunehmen, deren Ríchtigkeit der Reichsbundesführer oder sein Stellvertreter und der Schriftführer durch ihre Unterschrift zu beurkunden haben. § 13. (1) Jeweils im Anschluß an die Reichsbundestagung findet eine öffentliche Versammlung des Reichsbundes als D e u t s c h e r P f a r r e r t a g statt. (2) Auf dem Deutschen Pfarrertag werden Vorträge gehalten und Kundgebungen der Reichsbundestagung zu Fragen der Zeit für die Öffentlichkeit verkündigt. (3) Schriftliche Einladungen zum Pfarrertag ergehen an die Reichs- und Landeskirchenregierung, die Reichs-, Landes- und Gemeindebehörden sowie die leitenden Parteistellen der NSDAP und die Theologischen Fakultäten. Diese Einladungen sind aber beschränkt auf die Amtsstellen, die für den Tagungsort zuständig sind. § 14. Die Verwaltungsorgane des Reichsbundes geben sich selbst eine Geschäftsordnung. V. Bundeszeitschrift. § 15. (1) Der Reichsbund gibt als Bundeszeitschrift das D e u t s c h e P f a rr e r b l a t t heraus, das an alle Einzelmitglieder der Mitgliedsvereine versandt wird. Die Kosten des Blattes trägt der Reichsbund. Außerdem kann gegen Zahlung eines vom Reichsbundesvorstand festgesetzten Bezugsgeldes die Bundeszeitschrift durch die Post bezogen werden. (2) Der Schriftleiter wird vom Reichsbundesführer berufen (§ 7). Dem Schriftleiter steht ein Ausschuß zur Seite, dessen Leiter und Mitglieder vom
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Reichsbundesführer berufen und dessen Zuständigkeit von ihm bestimmt wird. VI. Kosten des Reichsbundes. § 16. (1) Die dem Reichsbund entstehenden Kosten werden durch den Haushaltsplan alljährlich festgelegt und auf die Mitgliedsvereine nach ihrer Mitgliederzahl verteilt. – Das Rechnungsjahr läuft vom 1. Juli bis 30. Juni. Die Bundesbeiträge sind vierteljährlich im ersten Monat des Vierteljahres an den Kassenführer einzusenden. (2) Der Reichsbundesführer, sein Stellvertreter, der Schriftführer, der Kassenführer und der Schriftleiter der Bundeszeitschrift erhalten Aufwandsentschädigungen, die der Reichsführerrat im Haushaltsplan festsetzt. (3) Die Mitglieder des Reichsbundesvorstands, die Mitglieder etwaiger Ausschüsse und die vom Reichsbundesführer besonders berufenen Vertreter von Mitgliedsvereinen und Berichterstatter erhalten Reisekosten und Tagegelder nach den Sätzen des Haushaltsplanes. (4) Den Mitgliedern des Reichsführerrats, die nicht Mitglieder des Reichsbundesvorstandes sind, wird zu den Sitzungen des Reichsführerrats nach dem Haushaltsplan ein Reisezuschuß gewährt. VII. Auflösung des Reichsbundes. § 17. Die Auflösung des Reichsbundes der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine kann nur erfolgen, wenn der Reichsführerrat mit Zweidrittel-Mehrheit der durch die anwesenden Mitglieder geführten Stimmen der Auflösung zustimmt (Abstimmung wie bei § 6). Bei der Auflösung des Reichsbundes fällt das Vermögen des Reichsbundes an die Mitgliedsvereine nach Maßgabe ihrer Mitgliederzahl. VIII. Übergangsbestimmungen. § 18. Diese Satzung tritt in Kraft, wenn die Hauptversammlung mit ZweidrittelMehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder der Hauptversammlung der Satzungsänderung zugestimmt hat. Sie hat zur Folge, daß der
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Reichsbundesführer neu gewählt wird. Die erstmalige Wahl des Reichsbundesführers vollzieht die Hauptversammlung. Mit der Eintragung dieser Neuwahl und der neuen Satzungen in das Vereinsregister beim Amtsgericht Berlin treten die alten Satzungen außer Kraft. Frankfurt a. Main, den 13. September 1934. Vorstehende Satzung wurde beim Amtsgericht Berlin, Gerichtstraße, Abteilung 582, unter der Nr. 7060 des Registers (Blatt 57 der Register-Akten) am 8. Juli 1935 eingetragen. Nr. 15 Aufruf von D. Wahl-Essen, Pfarrertagung in Frankfurt a. M. , 11.-13. September 1934 (Separatdruck, o. O. o. J., PfrVAkten) In ernster Stunde ein treugemeintes Wort Liebe Brüder! Wir wissen alle, dass wir in ernster Stunde zu unserer Pfarrervereinstagung zusammengetreten sind. Es geht um Sein oder Nichtsein, um Tod oder Leben unsres mehr als vierzig Jahre bestehenden Verbandes, ja unsrer ganzen Pfarrervereinsbewegung überhaupt. Hier in Frankfurt ist am 18. November 1890 der erste, der Hessische Pfarrerverein ins Leben getreten. Als einer der Gründer dieses Vereins, ja, ich darf sagen, als der, der die Anregung zu der Pfarrervereinsbewegung überhaupt gegeben und zum erstenmal den Namen „Pfarrerverein“ genannt hat, glaube ich das Recht und die Pflicht zu haben - heute nach 44 Jahren[,] da wir wiederum in Frankfurt zusammen sind - nicht mehr nur wir aus dem kleinen Hessenland, sondern Vertreter aus dem ganzen weiten Vaterland -[,] ein Wort der Sorge und der treuen Warnung und Mahnung an Euch, Brüder, zu richten. Denn es geht, wie gesagt, um Sein oder Nichtsein, um Tod oder Leben unserer Pfarrervereinssache. Die schöne Stadt am Main hier, die uns so gastlich aufnahm, die einst die Geburtsstätte der Pfarrervereinsbewegung gewesen ist, soll nicht zu ihrem Sterbeort werden. Das ist der Grund, der mich alle Bedenken überwinden und dies ernste, treugemeinte Wort an Euch richten läßt. Der Vorsitzende unsres Verbandes und sein Stellvertreter haben in Zusammenarbeit mit der Reichskirchenregierung einen Satzungsentwurf für einen künftigen „Reichsbund“ der deutschen Pfarrervereine vorbereitet, der -
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wie auch ein entsprechender Satzungsentwurf für die Gruppe preußischer Pfarrervereine - bei der diesmaligen Tagung den Hauptversammlungen zur Annahme vorgelegt werden soll. Demgegenüber halte ich es für meine Pflicht, vor der Annahme dieses Entwurfes, wie auch des gleichgearteten, für die Preußengruppe bestimmten, auf das entschiedenste zu warnen und die dringende Mahnung an Euch zu richten: In dieser gegenwärtigen, so außerordentlich kritischen kirchlichen Lage, die der Klärung wie des inneren kirchlichen Friedens noch vollständig entbehrt, überhaupt keine irgendwie einschneidenderen organisatorischen Veränderungen im Verband und der Preußengruppe vorzunehmen, sondern zu warten, bis die kirchliche Lage einen wirklich klaren Blick und ein ehrlicher Friede in Kirche und Pfarrerschaft einen brauchbaren organisatorischen Um- und Aufbau gestattet und verbürgt. Beides ist zur Zeit unmöglich. Wir sind von einer Klärung der kirchlichen Lage und vor allem von einer inneren Befriedung weit entfernt. Gerade die Ereignisse der letzten Wochen beweisen das. Die von weiten Kreisen als unrechtmäßig beanstandete „Nationalsynode“ mit ihren als rechtsungültig angefochtenen Beschlüssen, die Haltung und Entschließung der Bayrischen Landessynode, der voraussichtlich entsprechende Entschließungen in Württemberg folgen werden, die unerhört gespannten Verhältnisse in Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau, die überall vorhandene und wachsende Opposition einer Bekenntnisfront - ich erinnere an die jüngsten Vorgänge in Hannover -, dazu das Urteil des ökumenischen Kongresses von Fanö - dies alles bietet zur Zeit ein Bild nicht des Friedens, sondern der Gärung, des Kampfes, der - darüber täuschen wir uns nicht - vor allem auch unsre Pfarrerschaft durchzittert und erschüttert. Unter solchen Umständen den Versuch mit den vorgelegten Satzungsentwürfen zu unternehmen, würde nach meiner Überzeugung die Sprengung und damit den Tod unsres Verbandes bedeuten. Ich gehe hier auf eine nähere Kritik der Satzungsentwürfe nicht ein, betone aber wenigstens zwei Punkte: Ich halte es nicht für tragbar, das Führerprinzip in dieser Weise - wie auf kirchliches Leben im allgemeinen so auf unsre evangelische Pfarrerschaft und Pfarrervereinssache im besonderen [-] anzuwenden; ich halte es zum anderen für unmöglich, den Verband oder künftigen Reichsbund durch § 6 des Satzungsentwurfs unmittelbar unter die Diktion der Reichskirchenregierung zu stellen. Das würde der Geschichte wie dem Wesen unsres Verbandes und seiner Mitglieder als einer freien Organisation widersprechen. Ich meine, hier müßten alle mit übereinstimmen. Laßt uns nicht Totengräber unsres Verbandes werden, der in seiner jetzigen Form sich über 40 Jahre lang bewährt hat und - mit vielleicht geringfü-
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gigen organisatorischen Änderungen - auch im Dritten Reich [...] sowie der neuen, hoffentlich bald einmal wirklich befriedeten und geeinten evangelischen Kirche dienen kann und wird. Lassen wir uns nicht bestimmen durch sorgenvolle Bedenken, als würde man uns mit Gewalt zwingen, wenn wir nicht freiwillig bereit wären. Ich bin überzeugt, man wird an den maßgebenden Stellen eine abwartende Haltung unsererseits verstehen und uns Zeit lassen, innerhalb unsrer Pfarrerschaft erst wieder zum Frieden zu kommen, ehe wir organisatorische Veränderungen größeren Ausmaßes vornehmen. Sollte man aber tatsächlich mit Gewalt das Haus zerbrechen, darin wir über 40 Jahre lang gewohnt haben, dann waren wir es wenigstens nicht. Der Verband hat seither versagt, wo es sich für ihn darum gehandelt hätte, seinem Wesen und Zweck entsprechend, für die Rechte und den Schutz unsres Pfarrerstandes und seiner Angehörigen tatkräftig einzutreten. Man mag hier die zur Zeit praktische Unmöglichkeit als mildernden Umstand anführen, aber wir haben allen Grund, einzugestehen, daß wir in diesem Punkte unsre Pflicht und Schuldigkeit nicht ausreichend getan haben. Jetzt aber durch Annahme der uns vorgelegten Satzungsentwürfe unserem Verbande eine sein inneres und äußeres Wesen völlig umstürzende Gestalt geben zu wollen, das wäre S e l b s t m o r d d e s V e r b a n d e s. Den kann und darf uns niemand zumuten. D. Wahl-Essen. Frankfurt (Main), Pfarrertagung vom 11. bis 13. September 1934. Nr. 16 Ev. Pfarrverein in Württemberg an Göring (Hektographie, PfrVAkten) Abschrift. Evang. Pfarrverein in Württemberg E. V. Der Vereinsleiter. An Herrn Ministerpräsident G ö r i n g, B e r l i n, Reichskanzlei.
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Schmiden, 5. Sept. 1935.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Sie richteten am 23. Juni d. J. bei dem Frankentag auf dem Hesselberg die öffentliche Anfrage an die Diener am Worte: Wir fragen die Diener am Wort, die ein Volk glaubenslos werden ließen: Wo waret ihr denn in jener schweren Zeit? Wo waren die Diener am Wort, als der Drache des Marxismus Deutschland verschlingen wollte? Wo waren sie, als Deutschland im Unglauben zu ersticken drohte? Sie können, Herr Ministerpräsident, erwarten, daß Ihre öffentlich gestellte Anfrage nicht ohne öffentlich gegebene Antwort bleibt. Ich gebe Ihnen die Antwort für die evangelischen Pfarrer in Württemberg als Landesleiter des Evang. Pfarrvereins in Württemberg, der mit 1378 Mitgliedern fast alle evang. Pfarrer in Württemberg in sich schließt. I. In Württemberg ließen die Diener am Wort das Volk keineswegs glaubenslos werden. Das württembergische Volk, so weit es evangelisch ist, wurde als ganzes keineswegs glaubenslos, trotz der jahrzehntelangen Hetze des marxistischen Freidenkertums, der Gottlosenbewegung, auch nicht durch das heiße Mühen Hauers und des Tannenbergbundes, dem evang. Volke auch in Württemberg den Glauben ihrer Väter aus dem Herzen zu reißen. Wenn nach der letzten amtlich vorliegenden Statistik vom Jahre 1933 von 20 392 in evangelischen Ehen geborenen Kindern 20 038 also 98,2 % evangelisch getauft wurden, gegenüber 354 Kindern, die nicht oder vielleicht nur nicht im gleichen Kalenderjahr getauft wurden, wenn im gleichen Jahre 1933 in Württemberg 25 499 Jugendliche von den Eltern zur Konfirmation in der evang. Kirche geführt wurden, wenn Sonntag für Sonntag durchschnittlich 120 000 evang. Kinder in die Kindergottesdienste für die nichtkonfirmierte Jugend von ihren Eltern geschickt werden, so ist das ein Beweis dafür, daß diese evangelischen Eltern nicht nur selbst evangelisch sein wollen, sondern daß auch ihre Kinder, wie die Eltern und Vorfahren dem Glauben und der Kirche ihrer Väter treu werden und bleiben sollen, wenn an jedem der 53 Sonntage des Jahres nach vorgenommenen Zählungen durchschnittlich 277 875 Erwachsene, an den Festtagen wesentlich mehr, an den Gottesdiensten der evang. Kirche in Württemberg teilnehmen, wenn im Jahre 1933 620 344 evangelische Volksgenossen in Württemberg das heilige Abendmahl feierten, wenn im gleichen Jahre 1 619 372 RM für kirchliche Zwecke geopfert, und, wenn die ganze große Liebesrabeit der Inneren Mission in Württemberg mit ihren 98 Anstalten und 12 770 Pfleglingen und all den vielen anderen
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Einrichtungen praktischer Liebesarbeit im Sinne eines positiven Christentums mit insgesamt über 4 000 Berufsarbeitern und Arbeiterinnen zum größten Teile vom Opfersinne des evangelischen Kirchenvolks in Württemberg getragen wird, womit hat dasselbe es verdient, in der breitesten Öffentlichkeit als glaubenslos bezeichnet zu werden? II. Sie fragen ferner, wo waret ihr in jener schweren Zeit? Die schwerste Zeit, die unser deutsches Volk in den letzten hundert Jahren durchlebt hat, waren die Jahre des Weltkrieges, als es von einer Welt von Feinden angegriffen sich um seine Freiheit, seine Heimat und um den Bestand des Deutschen Reiches zu wehren hatte, als in über vier Kriegsjahren mehr als 13 Millionen deutscher Männer beim Heere waren, von denen mehr als 2 Millionen ihr Leben für ihr Vaterland hingegeben haben. In diesen Kriegsjahren standen 275 evangelische Geistliche aus Württemberg beim Heer, die meisten davon als Offiziere. Die evangelischen Pfarrer in Württemberg, wie in ganz Deutschland, haben sich seiner Zeit mit allen Kräften dagegen gewehrt, daß sie, wie die katholischen Priester in Deutschland vom Dienste mit der Waffe „befreit“ würden. Von den im Feld stehenden sind 64, also fast der vierte Teil auf dem Feld der Ehre geblieben. Das evangelische Stift in Tübingen, die wichtigste Anstalt zur Heranbildung künftiger Geistlicher in Württemberg, hat in den vier Kriegsjahren von seinen 318 Insassen 296 zum Heere gesandt; 124 von ihnen sind gefallen. Man wird nicht viel Anstalten in ganz Deutschland finden, die ein derartig hohes Blutsopfer gebracht haben. Die Gefallenenzahl der Studierenden der verschiedenen Fakultäten der Universität Tübingen ist prozentual am höchsten bei den Studierenden der Theologie; nur bei ihnen betrug sie über 50 %. Christlicher Glaube macht den Menschen in besonderer Weise fähig und bereit zum Opfer, auch zur Hingabe des Lebens für das Vaterland. Diejenigen Pfarrer, die wegen Alters oder Unabkömmlichkeit nicht mit der Waffe gedient haben, standen teils in Lazaretten, teils in ihren Gemeinden auf schwerem Posten. Sie wurden in ihrer Arbeit, und, weil sie die Widerstandskraft der Heimat gestärkt haben, von marxistischer und kommunistischer Seite unaufhörlich und schwer beschimpft. III. Sie fragen ferner: Wo waren die Diener am Wort, als der Drache des Marxismus Deutschland verschlingen wollte? Von den jüngeren evangelischen Geistlichen Württembergs haben nach einer von mir in den letzten Wochen gemachten Erhebung 129 bei der Niederwerfung der kommunistischen Unruhen in Württemberg und Westfalen, bei der Befreiung von Augsburg und München gekämpft, deren Namen Ihnen jederzeit angegeben werden können.
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Laut einer amtlichen Mitteilung über das oben genannte Stift in Tübingen, zog, als im Frühjahr 1919 die kommunistischen Unruhen in München und Augsburg ausbrachen, das ganze Stift aus, um sich an der Bekämpfung der Unruhen zu beteiligen. Sie sind heute zum größten Teile „Diener am Worte“ in der evangelischen Kirche in Württemberg. Das einzige Blut, das in der Novemberrevolution in Württemberg 1918, dem berüchtigten 9. November geflossen ist, ist das des evangelischen Pfarrers Botsch in Untertürkheim, der damals als wachhabender Offizier im Schloß des Königs sich den Eindringlichen entgegenstellte, für das Leben und die Sicherheit seines Königs sich einsetzend, niedergeschlagen und verwundet wurde. Unser verstorbener König Wilhelm II. hat es ihm bis an sein Lebensende gedankt und als Zeichen dieses Dankes ihm seinen Degen durch Ihre Majestät die Königin persönlich überbringen lassen. D o r t, Herr Ministerpräsident, standen die Diener am Worte, als der Drache des Marxismus Deutschland verschlingen wollte. IV. Sie fragen endlich: Wo waren sie, als Deutschland im Unglauben zu ersticken drohte? Im gleichen Augenblick, als in dem Deutschland der Nachkriegszeit der Marxismus seinen Generalangriff machte, um dem deutschen Volke die Liebe zu seinem Vaterlande, die Treue zu seinem Glauben zu entreißen, schlossen sich in Württemberg evangelische Männer und Frauen, geführt von ihren Pfarrern, zu einem Abwehrbunde zusammen, dem „Evangelischen Volksbund in Württemberg“, der im Januar 1919 beschlossen, Pfingsten 1919 gegründet wurde und schon im ersten Jahre 550 Ortsgruppen [und] im ganzen Lande 160 000 Mitglieder umfaßte mit dem Zwecke, daß durch die evang. Kirche als das Gewissen des Volkes und jedem einzelnen Kirchengenossen die evangelisch-christlichen Grundsätze im öffentlichen Leben entschlossen vertreten werden, gegenüber der Gesetzgebung und den öffentlichen Zuständen, war doch in dem zu zwei Drittel evangelischen Württemberg unter 8 Ministern nur einer evangelisch, und bezeichneten sich 120 Abgeordnete der sogenannten Nationalversammlung in Weimar als religionslos. Der Kampf gegen die weltanschaulichen Grundlagen des Marxismus wurde in der Zeit von 1919 bis 1933 in tausenden von Versammlungen in Stadt und Land geführt. Ich könnte Ihnen eine Reihe von Pfarrern nennen, von denen jeder in hunderten solcher Versammlungen gesprochen hat. Vom Evangelischen Presseverband sind noch im Jahre 1932: 465 Artikel durch alle großen und kleinen Zeitungen Württembergs bis in das kleinste Dorf verbreitet worden, die eintraten gegen die Kriegsschuldlüge, gegen das Unrecht und die Schmach von Versailles, für Freiheit und gleiches Recht des
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Deutschen Volkes. Nur in der marxistischen und in der Zentrumpresse wurden sie nicht aufgenommen. Ich bin in der Lage und bereit, Ihnen diese Artikel und deren Verbreitung nachzuweisen. Die Hauptarbeit aber gegen die Verhetzung des deutschen Volkes, gegen die Gottlosenbewegung, das Freidenkertum geschah nicht nur in öffentlichen Versammlungen und der Presse, sondern besonders auch durch die stille und stetige Arbeit des Pfarrers in seiner Gemeinde in Wortverkündigung und Seelsorge. Daß das evangelische Volk in Württemberg nicht im Unglauben erstickte - und es i s t nicht erstickt - beruht auf dem guten Kern dieses Volkes, auf seiner Verbundenheit mit der Bibel, auch mit auf der Arbeit seiner Pfarrer seit Jahrhunderten, auch derjenigen in den letzten Jahrzehnten. Sie sprachen bei dem Frankentag auf dem Hesselberge vom „Geschwätz zänkischer Pfaffen“. Dieses Wort berührt uns nicht. Im evangelischen Württemberg gibt es keine Pfaffen, sondern evangelische Pfarrer, die in ihren Gemeinden stehen und arbeiten, gehorsam dem Worte des Neuen Testamentes und darum untertan der Obrigkeit, die Gewalt über sie hat, aus ihrem von Luther ihnen neugeschenkten Glauben bereit und fähig, jedes Opfer für ihr Vaterland zu bringen, das Gott ihnen geschenkt hat, das er durch den Führer in neuer Hoffnung hat wiedererstehen lassen, für das einzustehen, sie jederzeit bereit waren und auch heute bereit sind. Glauben Sie, verehrter Herr Ministerpräsident: Der deutsche Staat steht am sichersten in einem frommen Volke; und die evangelischen Pfarrer stehen auch heute noch und wieder mit Freuden um ihres Herrn willen für ihn. Die evangelischen Pfarrer können dem Staate keinen besseren Dienst tun, als wenn sie mit ihrer Arbeit die Treue zu Gott und damit die Treue zu ihrem Volke pflegen. Es war meine Pflicht, Ihnen, Herr Ministerpräsident, auf Ihre öffentlich gestellte Frage Antwort zu geben, für die Ehre der evangelischen Pfarrer in Württemberg einzustehen. Den letzteren wird von dem Antwortschreiben ordnungsmäßig Kenntnis gegeben. Heil Hitler! gez. W. Schnaufer
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Nr. 17 Pfarrervereine-Reichsbund an Hitler u. a. (Durchschrift, PfrVAkten) Reichsbund der Deutschen Evang. Pfarrervereine e. V.
Nürnberg-O, den 11. November 1936 Wöhrder Schulgasse 2
Der Reichsbund der Deutschen Evang. Pfarrervereine hat auf seiner Bundesvorstandssitzung am 10. November 1936 in Berlin die gegenwärtige kirchliche Lage besprochen. Zur Befriedung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche sieht der Reichsbund der Deutschen Evang. Pfarrervereine zwei Voraussetzungen für notwendig an: I. Schicksalsverbunden mit unserem deutschen Volk kämpft die Deutsche Evang. Kirche den Kampf des nationalsozialistischen Staates gegen den Bolschewismus mit Entschlossenheit mit. Denn die letzte Wurzel des Bolschewismus ist Haß gegen Christus und seine Kirche. Die Blutopfer der evang. Kirche in diesem Kampf seit 1917 sind des Zeuge. Gleichzeitig aber den Kampf gegen Bolschewismus und Christentum zu führen ist unmöglich. Es muß daher erwartet werden, daß in unserem Volk den Schmähungen der Bibel, der christlichen Kirche, ihrer Einrichtungen und ihrer Diener unverzüglich ein Ende gemacht wird, und daß die Kirche wieder freien Raum für ihr Leben findet. II. Es muß der Kirche die Freiheit gegeben werden, sich eine neue Ordnung aus ihrem eigenen Wesen zu geben. Eine solche Neuordnung kann nur auf dem Wege kirchlicher Neuwahlen geschehen, die allein nach kirchlichen Grundsätzen alsbald durchgeführt werden müssen. Klingler. Reichsbundesführer. An die Kanzlei des Führers An den Stellvertreter des Führers, Herrn Minister Hess An das Reichskirchenministerium An den Kirchenausschuß der altpreuß. Union An das Reichsinnenministerium An das Reichspropagandaministerium An das Reichskultusministerium
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An das Reichsjustizministerium An alle Deutschen Evang. Pfarrervereine Nr. 18 Wepler an Gestapo Kassel (F. Klingler, Hg.: Dokumente zum Abwehrkampf der deutschen evangelischen Pfarrerschaft gegen Verfolgung und Bedrückung 1933-1945, Nürnberg o. J. [1946], 11-17) Abschrift Vereinsführer des Evang. Pfarrervereins e. V. von Kurhessen-Waldeck. W e p l e r, Kreispfarrer.
Kassel, den 1. Mai 1943.
An die Geh. Staatspolizei in K a s s e l. Der evangelische Pfarrer in seinem Verhältnis z u V o l k u n d S t a a t. Folgender Bericht ist veranlaßt durch ein Gespräch, das ich mit dem Kriminalkommissar Warnecke über die Haltung der Pfarrerschaft im heutigen Staat hatte. Der Bericht will weder Anklage erheben noch entschuldigen. Er will an Vorgänge erinnern, Zusammenhänge aufklären und Verständnis wecken für die augenblickliche Lage eines Standes, die um des Staates und der Pfarrerschaft willen einer dringenden Abhilfe bedarf. Ich weiß, daß ich nicht das Recht habe, im Namen der deutschen Pfarrerschaft zu sprechen. Das steht nur dem Reichsbundesführer, Kirchenrat Klingler in Nürnberg zu. Ich weiß mich aber berechtigt, für die Pfarrerschaft in Kurhessen-Waldeck zu sprechen. Die Lage der Pfarrerschaft ist aber im Großdeutschen Reich überall die gleiche. Ich bedauere, daß mir in meiner Zelle kein Beweismaterial zur Verfügung steht. Wo es aber im Laufe des Berichts nötig erscheint, werde ich darauf hinweisen. M e i n l e t z t e r u n d t i e f s t e r W u n s c h w ä r e, d a ß i c h durch meinen Bericht ein wenig dazu beitragen k ö n n t e, d a ß d a s V e r t r a u e n s v e r h ä l t n i s z w i s c h e n S t a a t s f ü h r u n g u n d P f a r r e r s c h a f t w i e d e r h e r g e-
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stellt würde und daß alle Sonderbestimmungen für P f a r r e r a u f g e h o b e n w ü r d e n, d i e s i e a l s V o l k s g e n o ss e n 2. O r d n u n g e r s c h e i n e n l a s s e n. Die Wurzeln meines Lebens liegen im deutschen Pfarrhaus. Seit 36 Jahren bin ich Pfarrer im Amt, seit 12 Jahren Führer der Pfarrerschaft von Kurhessen-Waldeck und darüber hinaus Mitglied des Vorstandes des Reichsbundes der deutschen evangelischen Pfarrervereine. Auf Grund meiner Erfahrung darf ich mir wohl ein Urteil über die Lage und Haltung des Pfarrerstandes zutrauen. Das will ich im Sinne meiner Vorbemerkungen mit voller Offenheit aussprechen. Solange die NSDAP um ihre Herrschaft kämpfte, war ihr der evangelische Pfarrer ein willkommener Mitkämpfer in den Reihen ihrer Kampfgenossen. Eine ganz natürliche Folge davon war, daß bis 1934 die Parteiorganisationen sich überall bewußt kirchlich einordneten und mit ihren Fahnen an den Gottesdiensten und besonderen Feiern teilnahmen. Ich höre noch einen mir bekannten Sturmführer in Eschwege zu mir sagen: „Sie können sich darauf verlassen, die Partei bringt den letzten Mann wieder zur Kirche.“ Wer denkt nicht an die große Zahl von Ehepaaren, die sich damals auf Veranlassung der Partei in Berlin nachträglich kirchlich trauen ließen! Die evangelischen Pfarrer haben damals ganz berechtigt der Partei ihr volles Vertrauen geschenkt. Die Kirchenvorstandswahlen von 1933 und der Kirchenkampf 1934/35 brachten leider den unvermeidbaren Bruch in dem bisherigen Verhältnis. Auf die Geschichte dieser Vorgänge kann ich hier nicht eingehen. Das Totalitätsprinzip der Partei sollte nach dem Grundsatz der Gleichschaltung auch auf kirchlichem Gebiet durchgeführt werden und zur Geltung kommen. Dieser Gedanke konnte nur von einer Seite kommen, die das Wort des Herrn Christus vergessen hatte: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Man kann wohl eine Schule, einen Gesangverein, eine Kriegerkameradschaft gleichschalten, aber keine Kirche. Die Kirche lebt im Staat und dient mit ihrem Wort dem Staat, aber sie lebt nicht von dem Staat. Sie hat nur einen Herrn über sich, dessen Geist sie gestiftet [hat] und ihr den einzigen Auftrag gab, das Wort Gottes zu verkünden. Solange die Kirche ihrem Herrn gehorsam ist, bleibt sie Kirche, sonst wird sie Verein oder ein religiöses Kulturanhängsel an den Staat, das jede Bedeutung verliert und verkümmert. Alle Ämter der Kirche haben im Auftrag und Wesen der Kirche ihren Ursprung. Man kann deshalb nicht einen beliebigen Menschen in ein kirchliches Amt einsetzen. Dazu gehört eine bestimmte Voraussetzung, sonst wird die Kirche zerstört. Nun wurden 1933 die kirchlichen Körperschaften aufgelöst und Neuwahlen angeordnet. Die Mitglieder für den Kirchenvorstand wurden von der
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Partei bestimmt und vorgeschlagen. Das lag im Zuge der Gleichschlatung. Unter diesen vorgeschlagenen Gemeindemitgliedern waren solche, die im kirchlichen Sinne wahlfähig waren, aber auch viele andere, die für ein kirchliches Amt keine innere Voraussetzung mitbrachten. Gegen dieses Werk kirchenfremder Gleichschaltung setzte von Seiten der Pfarrer und bewußt christlicher Gemeindeglieder der Kampf ein. Das war zugleich der Ausgangspunkt für den nun folgenden Kirchenkampf. Hunderte von Pfarrern wurden im Laufe dieses K a m p f e s v e r h a f t e t. W e i l s i e d e r P a r t e i i n k i r c hl i c h e n D i n g e n n i c h t g e h o r s a m w a r e n, g a l t e n s i e a l s p o l i t i s c h d i f f a m i e r t. Eine weltliche Organisation kann keinen Gehorsam in geistlichen Dingen fordern. Die Pfarrer konnten sich deshalb auf das Wort des Petrus vor dem Hohen Rat berufen: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Die Gewissensfreiheit, das kostbare Erbe der Reformation, durfte nicht verloren gehen. Jetzt werden auch die Gemeinden lebendig. Sie besinnen sich wieder auf das Wesenhafte der Kirche. Es ist eine Zeit kirchlicher Besinnung und Erneuerung, wenn in dieser Kampfzeit die Kirchen auch nach außen hin durch Unruhen und bedauerliche Vorgänge eine sehr schmerzliche Empfindung im Gegensatz zur politischen Einigung und Gleichschaltung des Staates hervorrufen mußten. Der Pfarrer wollte dem Staate geben, was des Staates ist, und der Kirche, was der Kirche ist. Weil er sich der Parteidisziplin in diesem Stück nicht fügte, mußte er den Vorwurf, politisch verdächtig zu sein, auf sich nehmen. Wenn dieses Kapitel des Kirchenkampfes später einmal geschrieben wird, so fürchte ich, daß es eines der unerfreulichsten in der Darstellung deutscher Volksgemeinschaft sein wird. Auf breiter Front beginnt jetzt der Kampf gegen die Pfarrerschaft. Wie ein Signal wirkte damals das Wort des Reichstagspräsidenten Göring in der Öffentlichkeit, als er ausrief: „Ich frage, wo waren die Pfarrer damals, als wir im Weltkrieg standen ...!“ (Ganz wörtlich kann ich den Ausspruch jetzt nicht wiedergeben.) Dieses Wort an die Öffentlichkeit mußte die Pfarrerschaft als den stärksten Angriff auf ihre deutsche Mannesehre empfinden. Wir wußten zwar, daß ein deutscher Offizier mit der Ehre nicht spielt, darum konnte es keine Kränkung sein, die auf Absicht, sondern auf völliger Unkenntnis beruhte. Die Pfarrerschaft bereitete deshalb alsbald die Antwort vor. Mit großer Eile und Sorgfalt wurde das statistische Material des Weltkrieges für das evangelische Pfarrhaus zusammengestellt und ausgewertet. Das Ergebnis war geradezu überraschend; viel ehrenvoller für die Pfarrerschaft, als wir erwarten konnten. Die Ergebnisse, die ich jetzt aus dem Gedächtnis nicht zahlenmäßig wiederzugeben vermag, liegen beim Reichsbundesführer und können dort angefordert werden. Ich will mich hier beispielsweise mit einer Angabe
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begnügen. Von den in den Kampf gezogenen Theologen sind 36,2 % gefallen. Dieser hohe Verlust wird nur noch von Infanterieoffizieren mit 37 % übertroffen. Weit hinter den Theologen reihen sich die anderen akademischen Berufe ein. Das Ergebnis unserer Aufstellung wurde dem Reichstagspräsidenten Göring und darüber hinaus allen Ministerien und staatlichen Behörden zugesandt. Da wir aber nicht vor die Öffentlichkeit treten konnten, sickerte die Verdächtigung des Pfarrerstandes noch eine Zeit lang nach unten weiter durch. Die beste Rechtfertigung und eine Wiederherstellung seiner Mannesehre erfährt der Pfarrerstand in diesem Krieg. Die schweren Opfer, die das Pfarrhaus bringt, die hohen und höchsten Auszeichnungen, die Pfarrern und ihren Söhnen zuteil geworden sind, werden dem Ehrenbuch der Pfarrerschaft ein neues Ruhmesblatt hinzufügen. Der evangelische Pfarrer bleibt seiner alten Tradition treu: A l s d e u t s c h e M ä n n e r t u n w i r u n s e r e Pflicht und lassen uns von keinem Berufsstand i n d e r T r e u e u n d L i e b e z u m V a t e r l a n d ü b e r t r e ff e n. Neben diesem Angriff auf die Ehre des Pfarrerstandes läuft bald ein neuer Vorwurf: „Die Pfarrerschaft ist verjudet.“ Wer diesen Witz erfunden hat, muß eine schlechte Stunde in seinem phantasiereichen Leben gehabt haben. Was haben wir unter diesem Vorwurf alles über uns und unsere Kirche ergehen lassen müssen! Ob der Vorwurf damit zusammenhängt, daß der Pfarrer an der uns überlieferten Gestalt der Bibel festhält? Der Verdacht der Verjudung konnte sehr leicht widerlegt werden. Nach amtlicher Feststellung betrug, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, der Prozentsatz der evangelischen Pfarrer im Deutschen Reich, die nicht rein arisch waren, 0,17 %. In unserer Landeskirche in Kurhessen-Waldeck war unter 500 Pfarrern ein Halbjude gewesen. Mit diesem Ergebnis konnte sich die Pfarrerschaft dem Prüfungsamt für arischen Nachweis stellen. Trotzdem geht auch in dieser Sache die Hetze gegen die Pfarrer weiter. Aussprüche, wie: „Die Juden samt den Pfaffen müssen aus dem Land hinaus“ oder „gleich nach den Juden kommen die Pfaffen“ zeigen deutlich, wie gewisse Elemente ungestraft gegen die Pfarrer hetzen dürfen. Trotzdem erleben wir immer wieder die Freude, daß unsere Gemeinden sich von solchen Schmähungen nicht beeinflussen lassen, sondern in großem Vertrauen zu ihren Pfarrern stehen. Der Pfarrer ist Volksgenosse 2. Grades geworden. Der Reichsbundesführer Kirchenrat Klingler hat urkundliche Unterlagen für die bekannt gewordenen Fälle gesammelt, wonach die Pfarrer aus den verschiedenen Organisationen nach und nach systematisch herausgedrängt werden. Diese Unterlagen
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stehen der Geheimen Staatspolizei zur Verfügung. Dieser Ausscheidungsprozeß hat sich in den letzten Jahren so folgerichtig vollzogen, daß heute außer der Wehrmacht kaum noch eine Organisation zu finden ist, in der die Pfarrer vollberechtigt vertreten wären. Das ist für den Pfarrer eine sehr schmerzliche Tatsache, nicht als ob er Verlangen nach Ehrenämtern und zusätzlicher Arbeit trüge, sondern weil er damit als Volksgenosse 2. Ordnung abgestempelt wird. Ich nenne nur einige Beispiele. Der Pfarrer ist von allen Ehrenämtern in den Kriegerkameradschaften ausgeschlossen. Im Felde kann er jeden Offiziersrang bekleiden, aber in der Heimat darf er nicht mehr Kameradschaftsführer sein. Der Protest an den Reichskriegerführer mußte abschlägig beschieden werden, da eine Aufhebung der Sonderstellung des Pfarrers nicht in seiner Macht lag. Kein Student der Theologie kann in einer studentischen Kameradschaft Aufnahme finden. Jedem anderen Studierenden ist der Eintritt gestattet. Diese Bestimmung ist vom Reichsstudentenführer für das ganze Reich gegeben. Es gibt also schon für den jungen Theologen ein A u s n a h m e r e c h t, d a s d e u t l i c h z u m A u s d r u c k b r i n g t, d a ß d i e B o y k o t t i e r u n g d e s P f a r r e r s t a n d e s b e r e i t s m i t s e i n e r B e r u f s w a h l e i n s e t z t. Aus den Arbeitsgruppen für das Deutschtum im Ausland müssen die Pfarrer ausscheiden, nachdem sie ihre Ämter niedergelegt haben. Selbst wenn sie die Begründer dieser Gruppen gewesen sind und jahrelang die Arbeit geleistet haben, bleiben sie von dieser Anordnung nicht verschont. Diese Ausnahmestellung des Pfarrers besteht nicht nur im Altreich, sondern gilt für das Großdeutsche Reich. Die evangelischen Pfarrer der Ostmark waren vor ihrer Eingliederung ins Altreich in freudiger Erwartung. Sie sind heute bitter enttäuscht, weil sie sich mit uns in gleicher Lage befinden. Sehr bald wurden sie von aller öffentlichen Mitarbeit ausgeschlossen und fühlen sich heute mit uns als Bürger 2. Ordnung. Das gleiche gilt für die evangelischen Pfarrer im Warthegau, die als Träger des Deutschtums Schweres zu dulden hatten und z. T. Märtyrer für ihre deutsche Haltung geworden sind. Ich spreche ganz freimütig die Überzeugung aus, daß der Staat sich selbst durch solche Maßnahmen, die er duldet, schädigt. Wieviel Geisteskräfte sind im Laufe der 400jährigen Geschichte im evangelischen Pfarrhaus geweckt und der Volksgemeinschaft dienstbar geworden. Ein Biologe der Gegenwart spricht das mit den Worten aus: „So stellt das evangelische Pfarrhaus tatsächlich ein erstaunliches Massiv geistiger Erbmasse dar, das andere Stände überragt.“ Ein Historiker stellt in seiner Kulturgeschichte 1600 Männer aus allen Gebieten des geistigen Lebens heraus, die er zu den Großen des deutschen Volkes zählt, weil sie etwas Besonderes geleistet haben. Er fragt dann nach ihrer Herkunft und muß dabei feststellen, daß 900 von diesen Wissen-
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schaftlern, Forschern und Künstlern, also mehr als 50 % aus dem evangelischen Pfarrhaus stammen. Die Pfarrerschaft ist stolz auf diese Bedeutung des evangelischen Pfarrers für Volk und Staat, weil sie von unbefangener Seite ausgesprochen wurde. Ich verweise auf die Schrift: „Was für Männer hat das evangelische Pfarrhaus dem deutschen Volk geschenkt?“ (von Angermann, erschienen im Verlag des Deutschen Pfarrerblattes.) In dieser Schrift sind auch die obigen Urteile mit Quellenangaben zu finden. E s k a n n d e s h a l b a u f d i e D a u e r w e d e r f ü r d e n S t a a t n o c h f ü r d i e P f a r r e rs c h a f t e r t r ä g l i c h s e i n, w e n n n i c h t d a s r e c h t e Vertrauensverhältnis zwischen beiden wieder h e r g e s t e l l t w i r d. Eine Volksgemeinschaft kann es sich weder leisten, noch moralisch verantworten, alle wertvollen geistigen Kräfte, die ihr aus dem Kinderreichtum des Pfarrhauses zuwachsen, für den Dienst am Ganzen in Anspruch zu nehmen und zugleich das Pfarrhaus selbst zu verneinen oder unter ein ungeschriebenes Ausnahmerecht zu stellen. Vom bevölkerungspolitischen Standpunkt [aus] gesehen stellt das evangelische Pfarrhaus auch heute noch eine wertvolle Zelle für die Erhaltung der Geburtenzahl dar. Das hat seine Begründung in einer Eheführung, die ihre sittliche Verantwortung aus dem christlichen Glauben empfängt. Die Ehe des Pfarrers ist z. B. die einzige Ehe eines akademischen Beamtenstandes, die noch nicht unterfrüchtig ist, d. h. also durchschnittlich mehr als 3,1 Kinder hat. Lange Zeit war der Kinderreichtum der evangelischen Pfarrhäuser in unserem Volk sprichwörtlich. Wenn ich in diesem Zusammenhang noch einmal die unerschütterliche Treue des Pfarrers zu Volk und Vaterland hervorheben darf, so möchte ich es nicht unterlassen darauf hinzuweisen, daß von jeher ein hoher Prozentsatz der Pfarrerssöhne den Offiziersberuf gewählt hat. Die Söhne schwankten in den letzten Jahren bei ihrer Berufswahl vielfach zwischen Offizier und Theologe. Wenn man sie nach der Ursache dieser Wahl fragte, gaben sie nicht selten die Antwort: „Wir wollen das werden, wozu Mut gehört.“ Ist diese Erscheinung nicht ein Beweis für einen gesunden vaterländischen und opferbereiten Geist, wie er in den deutschen Pfarrhäusern gepflegt wird? Mit diesem Bericht habe ich darzustellen versucht, wie die evangelische Pfarrerschaft zu Volk und Staat steht. Mit meinem Hinweis auf die Vorbemerkungen zu diesem Bericht bitte ich die Staatspolizei in Kassel, den Bericht an die Geheime Staatspolizei in Berlin weiterzugeben. gez. Hermann W e p l e r.
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Nr. 19 Werbeblatt des Pfarrervereins, Frühjahr 1960 (Fahnenabzug, PfrVAkten) Evangelischer Pfarrerverein Kurhessen-Waldeck An die Pfarrer und Vikare der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck Was will der Pfarrerverein? Der Evangelische Pfarrerverein Kurhessen-Waldeck will seiner Kirche dienen. Er will unsere Pfarrerschaft durch den Verband der Evangelischen Pfarrervereine in Deutschland in die ökumenische Pfarrbruderschaft eingliedern. Als seine Aufgabe erkennt er - entsprechend § 3 der Satzungen - : 1. Pflege der brüderlichen Gemeinschaft, 2. theologische und geistliche Besinnung und Vertiefung, 3. brüderliche Hilfe in Not und Rechtsschutz, 4. gegenseitige Beratung und Ermahnung. Was tut der Pfarrerverein? 1. In Ergänzung der dienstlichen Amtsbruderschaft knüpft er menschlichpersönliche Verbindungen. Über alle sonstigen Gruppierungen hinweg sammelt er zu einer brüderlichen Gemeinschaft. Diese pflegt er in gemeinsamen Pfarrertagen. 2. Der geistlichen Besinnung und Vertiefung dient a) das Deutsche Pfarrerblatt, das Bundesblatt der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine, b) das Pastoralblatt, das Mitgliedsblatt unseres Vereins. Neben theologischer Grundlegung von unbestrittenem Wert bringen diese Zeitschriften kirchliche Informationen in weitem Umkreis, von der Ökumene bis zur Heimatecke. Sie erteilen Rat und Anregungen für den praktischen Dienst, sie stellen familiären Kontakt zwischen den Pfarrhäusern her und leisten einen unschätzbaren Beitrag zur Selbsterziehung unseres Standes. 3. In Amts- und Berufsnot läßt der Pfarrerverein seine Mitglieder nicht allein; sie finden verläßlichen Beistand. Wird ein Pfarrer in Ausübung seines Amtes in einen Rechtsstreit verwickelt, gewährt ihm der Pfarrerverein Rechtsschutz. Jedes Mitglied einschließlich seiner Familie, Kinder und Hin-
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terbliebenen erfährt in wirtschaftlicher Bedrängnis alle mögliche Hilfe im Rahmen der Richtlinien. Über die Höhe der Hilfeleistungen gibt der Absatz „Unsere Leistungen in Zahlen“ Auskunft. Grundsätzlich erhält jedes Mitglied zu seiner Hochzeit ............................................................... 100 DM bei Geburt eines Kindes ...................................................... 75 DM bei einem Sterbefall in der Familie ..................................... 75 DM anläßlich einer Promotion ................................................... 300 DM Auf Antrag werden Beihilfen bei besonderen Notständen gewährt, (z. B. außerordentliche Krankheitskosten, Ausbildungskosten in kinderreichen Familien, unversorgte Pfarrwaisen). Der Hausrat aller Mitglieder ist durch den Verein bis zu einem Wert von je 20 000 DM (Neuwert) gegen Schäden durch Feuer, Einbruchsdiebstahl und Leitungswasser versichert. Als Gabe unseres Vereins erhalten die Mitglieder den Pfarramts-Kalender und das Pastoralblatt. Der Verein hat ein kleines Erholungsheim bei Waldkappel eingerichtet, das Weplerhaus, das bei einem Tagessatz von 3,- DM (im Winter 2,- DM) eine ganze Familie aufnehmen kann. Für Amtsbrüder im Ruhestand werden zwei Emeritenheime gebaut (Marburg 8 Wohnungen, Kassel-Kirchditmold 6 Wohnungen). Der Bau eines weiteren Emeritenheimes ist geplant. In Zusammenarbeit mit der Landeskirche und dem Landesverband der Inneren Mission und des Hilfswerks weiß sich der Pfarrerverein intensiv zur Bruderhilfe Ost, zur Nothilfe im Kirchenkreis Schmalkalden und zur Beteiligung an der Studienhilfe verpflichtet. 4. In jedem Kirchenkreis wird durch die Pfarrerschaft ein Vertrauensmann des Pfarrervereins gewählt, der zu Auskünften und zur Beratung bereit ist. Daneben bildet der Pfarrerverein Bruderräte, die in Verbindung mit den geordneten Organen der Kirche Spannungen abzufangen oder auszugleichen suchen. Das ist ein stiller, aber wichtiger Dienst. Unsere Leistungen in Zahlen 1949-1959 (ohne Bruderhilfe-Ost): Notstandsbeihilfen ...................................................... 47 308,- DM Beihilfen an Witwen .................................................. 46 523,- DM Beihilfen an Pfarrwaisen ............................................ 23 650,- DM Beihilfen an kinderreiche Familien ............................ 4 555,- DM an das Studienhilfswerk ............................................. 12 501,- DM für Hochzeitsgaben, Geburtstagsgeschenke, Sterbegelder ........................................................................ 26 250,- DM für Feuerversicherung ............................................... 24 862,- DM für das Pastoralblatt .................................................. 46 664,- DM an den Verband ......................................................... 49 200,- DM
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Was erwartet der Pfarrerverein? Der Pfarrerverein erwartet: 1. daß alle Pfarrer der Landeskirche sich dem Pfarrerverein als Mitglieder anschließen, denn „wir statuieren kein Christentum ohne Gemeinschaft“ - so lehren wir, so handeln wir. 2. daß jeder Pfarrer bei aller gerade in unserem Stand gebotenen Entwicklung einer starken Persönlichkeit der Versuchung des Einspännertums zu entgehen trachtet und in die Bruderschaft sich eingliedert. 3. daß wir Pfarrer Reichtum und Bürde unseres Amtes ausgleichend in geistlichem und materiellem Vermögen tragen. 4. daß uns Pfarrern die Verpflichtung zur opferbereiten Bruderhilfe an den Brüdern, die sich in Anfechtung und wirtschaftlicher Bedrängnis befinden, in den Herzen brennt. Lieber Bruder, der Pfarrerverein wartet auf DEINE Mitgliedschaft! Auskunft über Beitritt und Beitrag gibt der Vertrauensmann des Kirchenkreises oder der Sekretär des Pfarrervereins, Herr Otto Knaak, Treysa-Hephata. Der Vorstand Nr. 20 Jahreshauptversammlungen des Pfarrervereins 1895-1991 (Für die Zeit von 1895-1933 nach: R. Francke, Evangelischer Pfarrerverein Hessen-Kassel, seine Geschichte, seine Satzungen, Kassel 1934, 10-13; für die Zeit von 1934-1966 nach: H. Schimmelpfeng, Rückblick und Ausblick. 75 Jahre Pfarrerverein Kurhessen-Waldeck, Pastoralblatt 68 [1966] 169-170) 1895, 6. Februar, Kassel: Gesetzentwurf betr. Fürsorge für die Witwen und Waisen der evangelischen Geistlichen. 1895, 5. Juni, Bebra: Die Lage der Kandidaten in unserem Konsistorialbezirk. Die Besoldungsfrage der Geistlichen. 1896, 6. Mai, Kassel: Die geplante Neuordnung des Schulvorstandes. Die Stellvertretung der Geistlichen.
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1897, 27. April, Kassel: Erhaltung kirchlicher Ordnung und Sitte. 1897, 21. September, Kassel: Pachtgelderhebung. Vergütung für den Kirchendienst der Lehrer. 1898, 10. Januar, Kassel: Das neue Gehaltsgesetz. Besoldung des Küsters und Sicherung des Küstervermögens. 1898, 1. Juni, Kassel: Der Militärdienst der Theologen. Gründung eines Schülerheims. 1898, 12. Oktober, Hersfeld: Schülerheim in Hersfeld. Ausführung des Pfarrbesoldungsgesetzes. 1899, 18. April, Kassel: Beeinflussung der Provinzialpresse durch den Pfarrerverein. Unsere Sonntagsblätter. Begräbniskasse. 1899, 8. August, Eschwege: Begräbniskasse. Die soziale Tätigkeit des Pfarrers auf dem Lande. 1900, 30. April, Kassel: Die seitherigen Erfahrungen bei Ausführung des Besoldungsgesetzes. 1900, 7. August, Melsungen: Die rechtliche Einigung der deutschen Landeskirchen. Die Notwendigkeit einer Brüderanstalt. 1901, 6. Mai, Kassel: Christliche Einwirkung auf die Provinzialpresse. 1901, 2. Oktober, Marburg: Zusammenlegung der Klassenwitwenkassen. Einrichtung eines klassenweisen Büchervertriebs. 1902, 15. April, Kassel: Das Nominationsrecht der hessischen Geistlichen, Zusammenschluß, Korpsgeist, Kollegialität. 1902, 22. Oktober, Gelnhausen: Einrichtung ländlicher Fortbildungsschulen. Die religiös-kirchliche und rechtliche Bedeutung des Falles Horst. 1903, 28. April, Kassel: Die Kreisschulinspektion im Nebenamte. 1903, 14. Oktober, Treysa: Worauf beruht die Autorität des Pfarrers? Die Beseitigung des Fakultäts-Examens. 1904, 20. April, Kassel: Soziale Geschäftsstelle und die Zentralstelle für das evangelische Deutschland. Angriffe auf die Pfarrer und öffentliche Erwiderung auf dieselben. 1904, 5. Oktober, Kassel: Was muß geschehen, um bei der Beratung des Antrags Hackenberg die Rechtsansprüche der evangelischen Kirchengemeinden an die Volksschulen zu wahren? Regelung des Hauskollektenwesens. 1905, 10. Mai, Kassel: Unsere Mitarbeit in der Sittlichkeitssache. Anrechnung des Militärjahres auf die Dienstzeit. 1905, 25. Oktober, Hersfeld: Stellungnahme zu den Angriffen der Lehrerpresse. 1906, 26. Juni, Bad Sooden: Reform des geistlichen Gerichtsverfahrens. 1906, 7. November, Kassel: Welche Pflichten legt das neue Schulunterhaltungsgesetz den kirchlichen Organen auf? Friedhofsrecht.
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1907, 12. Juni, Hanau: Welche Pflichten legt die christlich-nationale Arbeiterbewegung dem evangelischen Geistlichen auf? Haftpflichtversicherung der Kirchengemeinden. 1908, 5. März, Eschwege: Die Erneuerung der kirchlichen Diakonie. Aufhebung oder Neugestaltung des § 166 Strafgesetzbuch (Gotteslästerungsparagraph). 1909, 5. Mai, Kassel: Soziale Rückständigkeiten in der evangelischen Kirche. 1910, 13. April, Kassel: Welche Änderungen ergeben sich aus dem Kirchengesetz betr. das Verfahren bei Beanstandung der Lehre von Geistlichen für das Disziplinargesetz? 1910, 13. Oktober, Rotenburg: Die Beteiligung der Laien am kirchlichen Leben. 1911, 3. Mai, Kassel: Reform des kirchlichen Bauwesens. 1911, 9. Oktober, Eschwege: Unsere Stellung zur Ortsschulinspektion angesichts der allgemein geplanten hauptamtlichen Kreisschulinspektion. 1912, 24. April, Kassel: Ist die Zusammenlegung kleiner Pfarreien in Hessen wünschenswert? 1912, 9. Oktober, Kassel: Was erwartet der Pfarrerverein im Interesse der Kirche von der nächsten Gesamtsynode? 1913, 23. April, Kassel: Schaffung einer Hausbibel. Versetzbarkeit im Interesse des Dienstes. Unsere Wünsche für die Neuordnung des Disziplinarverfahrens. 1913, 8. Oktober, Hersfeld: Beurlaubung der Pfarrer. Kirchenkunde und Kirchenbesuch. 1914, 13. Mai, Kassel: Verein für kurhessische Kirchengeschichte. Brauchen wir ein neues hessisches Kirchenrecht? 1915, 3. November, Kassel: Wie erhalten wir unserem Volke die Segnungen, die der Krieg gebracht hat? 1916, 19. Oktober, Kassel-Wilhelmshöhe: 25jähriges Bestehen des Pfarrervereins. Trostaufgabe der Kirche und des Pfarramtes in der Gegenwart. 1918, 29. Mai, Kassel: Vorlagen für die Gesamtsynode. 1919, 22. Oktober, Kassel: Die neue Kirchenverfassung. 1920, 19. Oktober, Kassel: Pfarrbesoldung, Verfassungsfragen. 1921, 19. Januar, Kassel: Die Vereinigung der drei Kirchengemeinschaften in Hessen. 1922, 18. Januar, Kassel: Erfahrungen bei Neuverpachtung gegen Naturalleistungen. Unsere Forderungen an die verfassungsgebende Kirchenversammlung.
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1923, 1. August, Kassel: Erhöhung des Beitrags auf 50 000 Mark. Die wirtschaftliche Lage des Pfarrerstandes. Die Regelung der Organistenvergütung. 1924, 21. Mai, Treysa: Sind die Pfarrer Kirchenbeamte oder Gemeindebeamte? Was ergibt sich für uns aus dem Fall „Trautwein“? 1924, 18. Juni, Treysa: Fortsetzung der Tagung vom 21. Mai. Errichtung einer allgemeinen Pfarrwitwenkasse. Welche Aufgaben erwachsen uns Pfarrern aus der neuen Verfassung? 1924, 12./13. November, Kassel: Organistenvertrag. Die Bedeutung des ersten Landeskirchentages. Die Ausbildung des Theologen für das Pfarramt. 1925, 3./4. Juni, Hanau: Pfarrer und Kirchbaumeister. 1925, 4./5. November, Kassel: Anschluß an die Remscheider Krankenzuschuß- und Sterbekasse. Laienpredigt in der Kirche. Pfarrer und Eigenheim. 1926, 26./27. Mai, Homberg: Der theologische Nachwuchs aus den Pfarrhäusern. Die Homberger Reformationsordnung und ihre Bedeutung für das kirchliche Leben der Gegenwart. 1926, 22. November, Kassel: Zur Lösung der Schulfrage. Pfarrer und Arbeiterschaft. Menschliche Typen und religiöses Erleben mit besonderer Rücksicht auf die Fragen der Jugendpsychologie. 1927, 8./9. Juni, Eschwege: Bildung eines Ehrenrates. Das Beichtgeheimnis. 1927, 23. November, Kassel: Welche Bedeutung hat der Entwurf der Reichsdienststrafordnung für den Pfarrerstand? 1928, 4./6. Juni, Gelnhausen: Sexualnot und Seelsorge. Das Verhältnis zwischen Offenbarung und religiöser Anlage. 1928, 14. November, Kassel: Das Verhältnis von Staat und Kirche. 1929, 4./5. Juni, Marburg: Neuordnung der Kirchenzucht in Hessen. Der Entwurf der Friedhofsordnung. 1929, 3. Dezember, Kassel: Die Beteiligung der Kirche bei Bestattung von Selbstmördern. Pfarrer und Politik. 1930, 22. Mai, Hersfeld: Die Bedeutung der Individualpsychologie für Erziehung und Selbsterziehung. Versetzung des Pfarrers im Interesse des Dienstes. Neuordnung des Pachtrechtes. 1930, 26. November, Kassel: Pfarrervertretungsgesetz. Evangelium und Erziehung. Recht und Pflicht der evangelischen Öffentlichkeitsarbeit. 1931, 16./17. Juni, Treysa: Die Bedeutung der theologischen Arbeit für den pfarramtlichen Dienst. Recht und Kirche bei Vilmar. Beschäftigung mit der kirchlichen Lokal- und Territorialgeschichte. 1932, 30./31. Mai, Kassel: Welche Voraussetzungen sind bei Anstellung im kirchlichen Dienst (Organisten und Rechner) zu erfüllen? Die evange-
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lische Kirche im neuen Deutschland. Freiwilliger Arbeitsdienst als Aufgabe der Kirche. 1933, 21./22. Juni, Bad Sooden-Allendorf: Der Bekenntnisstand der hessischen Kirche und ihre Stellung zur Reichskirche. Was wollen die Deutschen Christen? 1934, 20. Juni, Melsungen: Die Aufgabe des Pfarrers in der heutigen Gemeinde unter besonderer Berücksichtigung von Seelsorge und Jugendarbeit, Professor Dr. Hertzberg, Caldern. Wie predige ich den Menschen im Dritten Reich?, Studiendirektor Dr. Neubauer, Hofgeismar. 1935, 2./3. Juli, Marburg: Kirche und weltliche Obrigkeit, Professor D. v. Soden. 1936, 23./24. Juni, Bebra: Unterweisung und nationalpolitisches Erziehungswerk, Hermann Windel, Reichsverbandswart der deutschen evangelischen Schulgemeinden, Wuppertal-Barmen, und Pfarrer Scheig, Hanau. 1937, 2./3. Juni, Kassel: Staatskirche und Sekte, Pfarrer D. Georg Merz, Bethel. 1938, 5./6. Juni, Hanau: Was hat uns das deutsche soziale Prophetentum Wicherns, Stoeckers und Friedrich Naumanns für die kirchliche Gegenwart zu sagen?, Pfarrer D. Herz, Leipzig, Vorsitzender des Evangelisch-Sozialen Kongresses. 1939, 4./5. Juli, Bad Wildungen: Gottes Wort und Menschenwort im christlichen Glauben bzw. in unserer Predigt, Professor D. Dr. Schreiner, Münster. Ab 1940 fanden wegen des Krieges keine Hauptversammlungen statt. 1945, 10./11. Dezember, Treysa-Hephata: Statt Vortrag weittragende Beschlüsse betr. Fonds für Theologiestudenten (25 000 RM), Ostpfarrer (5 000 RM) und ausgebombte Mitglieder (30 000 RM). 1946, 16. September, Treysa-Hephata: Das Gesetz über die Versetzung der Pfarrer im Interesse des Dienstes, Senatspräsident Dr. Auffarth. 1947, 5. Dezember, Kassel: Der Geist Gottes in der Geschichte, Prof. D. Dr. Heinrich Bornkamm, Göttingen. 1948, 6./7. September, Marburg: Auf dem Weg zur Gemeinde, ein brüderliches Wort zur theologischen Besinnung und kirchlichen Entscheidung, Pfarrer Dr. H. Schimmelpfeng, Marburg. 1949, 29./30. Juni, Bad Hersfeld: Der Pfarrer und sein Amt, Bischof D. Wüstemann. 1950, 13./14. Juni, Korbach: Die Finanzlage unserer Landeskirche, Vizepräsident Dr. Jung, Kassel. Wort, Sakrament und Geist, Kirchenrat D. Dr. Karl Bernhard Ritter und Dekan Wessendorft. 1951, 11. September, Treysa-Hephata: Gesamtausschuß.
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1952, 15./17. August, Schlüchtern: Psychotherapie und christliche Seelsorge, Professor D. Köberle, Tübingen. Die Bedeutung der evangelischen Pädagogik für die Katechetik, Professor Dr. Janssen, Münster. 1953, 8./9. Juni, Witzenhausen: Wir evangelischen Pfarrer heute, Pfarrer Konrad Rausch, Rotenburg. Das Amt des Pfarrers als Seelsorger, Kirchenrat Dr. Schimmelpfeng. 1954, 5./7. Juni, Rotenburg: Der Pfarrer und seine Zeit, Studiendirektor Dr. Niebergall, Hofgeismar. Wie bewältigt die Pfarrfrau ihre vielfältigen Aufgaben?, Eva Borgards, geb. Francke. 1955, 6./8. Juni, Fritzlar: Der Pfarrer und seine Gemeinde, Dekan Lipphardt. Der Pfarrer und seine Stadtgemeinde, Pfarrer Weber, Kassel. Der Pfarrer und seine Landgemeinde, Pfarrer Fenner, Elgershausen. 1956, 11./13. Juni, Frankenberg: Die zentrale Botschaft des Neuen Testamentes und unsere Verkündigung, Professor D. Dr. Kümmel, Marburg, und Pfarrer Schluckebier, Heisebeck. 1957, 10. September, Marburg: identisch mit Deutschem Pfarrertag ebendort, deshalb kein eigenes Programm. 1958, 23./25. Juni, Hanau: Die theologischen Motive für die politischen Auseinandersetzungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland, Oberkirchenrat Wilkens, Hannover. 1959, 27./28. April, Eschwege: Die Sprache und das Wort, Dr. Willy Kramp. Die Handschriftenfunde am Toten Meer und ihre Bedeutung für das Alte und Neue Testament, Privatdozent Dr. Claus Hunzinger, Göttingen. 1960, 21./22. Juni, Wolfhagen: Konfirmation und Konfirmandenunterricht als seelsorgerliches Problem, Direktor Dr. Werner Jentsch, Hofgeismar. Die Konfirmation im Rahmen des Gesamtkatechumenats, Pfarrer Peter Hertzberg, Breuna. Um die Neuordnung der Konfirmation, Kirchenrat D. Dr. Ritter, Marburg. 1961, 20./21. Juni, Melsungen: Gemeinde und Amt in der Geschichte der hessischen Kirchenverfassung, Professor D. Dr. Wilhelm Maurer, Erlangen. Kirchenordnung in der Gegenwart, Betrachtungen zur Verfassung der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck, Professor D. Dr. Scheuner, Bonn. 1962, 13./14. Juni, Fulda: Die Evangelische Kirche und das Ökumenische Konzil, Pfarrer Joachim Lell, Direktor des Evangelischen Bundes, Bensheim. Die Evangelische Kirche und die ökumenische Bewegung, Dekan Lic. Schillberg, Aschaffenburg. 1963, 6. Juni, Bebra: Der Standort des Pfarrers in der modernen Gesellschaft, Professor Dr. Dietrich von Oppen, Marburg.
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1964, 20./21. Mai, Kassel: Kirchenbau des Protestantismus bis zur Gegenwart, Professor D. Dr. Laag, Marburg. Probleme gegenwärtigen Kirchenbaues, Architekt BDA Kurt von Wild, Kassel. 1965, 20. Oktober, Gießen (in Verbindung mit der Jubiläumstagung des Evangelischen Pfarrervereins in Hessen und Nassau): Geschichte des evangelischen Pfarramtes im hessischen Raum, Professor D. Dr. Steitz, Pfarrer in Mainz. 1966, 3./4. Oktober, Marburg: 75 Jahre Pfarrerverein Kurhessen-Waldeck, Rückblick und Ausblick, Kirchenrat D. Dr. H. Schimmelpfeng, Treysa-Hephata. 1967, 7./8. Juni, Bad Wildungen: Ordnung und Praxis der Taufe in der derzeitigen volkskirchlichen Situation, Oberkirchenrat Eugen Mayer, Speyer. 1968, 25./26. Juni, Hofgeismar: Die Hintergründe der studentischen Unruhe, Professor Dr. Hans Kuhn, Frankfurt a. M. 1969, 25./26. Juni, Schlüchtern: Pfarrerverein – heute?, Pastor Erich Vowe, Moers. 1970, 14. September, Darmstadt: (Beratung über ein Zusammengehen mit dem Pfarrerverein von Hessen-Nassau). 1971, 23./24. Juni, Homberg/Efze: Stellung und Dienst des Pfarrers in einer sich wandelnden Welt, Pfarrer Otto Kammer, Frankfurt a. M.; Das neue Pfarrerdienstrecht, Vizepräsident Armin Füllkrug, Kassel. 1972, 20. März, Kassel: (ohne Referat). 1973, 14. Juni, Marburg: Freude am Pfarramt, Pfarrer Christof Warnke, Frankfurt a. M. 1974, 20. Juni, Gelnhausen (ohne Referat). 1975, 4./5. Juni, Philippsthal: Staatliche Gebietsreform – ein Modell für die Kirche, Kurzreferate aus den verschiedenen Sprengeln der Landeskirche (Lothar Grigat, Hellmut Mengel, Walter Wagner, Peter Hertzberg). 1976, 9. Juni, Fritzlar: Hilfe – mein Mann ist Pfarrer, Dipl.-Psychotherapeut David Jordahl, Kassel. 1977, 28./29. Juni, Kleinalmerode: Taufe – befreiende Urmaniplulation (Podiumsdiskussion und Gespräch mit Pfarrerin Roswitha Alterhoff, Solz, Hans Eisenberg, Imshausen, Pfarrer Dr. Reinhold Lanz, Werleshausen, Pfarrer Uwe Mahlert, Nentershausen). 1978, 21./22. Juni, Arolsen: (Gespräch mit dem Bischof Dr. Hans-Gernot Jung, Kassel). 1979, 28./29. Mai, Hanau: Der Dienst des Pfarrers zwischen Reich Gottes und Weltverantwortung, Pfarrer Dr. Kurt Oeser, Mörfelden-Walldorf. 1980, 10./11. Juni, Ziegenhain: Probleme und Zielsetzung des modernen Strafvollzugs, Regierungsrat Karl Schneider, Schwalmstadt-Ziegen-
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hain; Der Suchtkranke im Blickfeld der kirchlichen Arbeit, Sozialarbeiter Karl-Heinz Linker, Schwalmstadt-Treysa. 1981, 11./12. Juni, Eschwege: Hoffnung auf den Frieden heute - Theologische Überlegungen zum Problem des Friedens, Professor Dr. Wolfgang Huber, Marburg. 1982, 26./27. Mai, Bad Orb/Gelnhausen: Die politische Überzeugung des Pfarrers und die Aktionen der Kirche, MdB Dr. Sibylle Engel, Kelkheim, Senator Norbert Blüm, Berlin, Sozialminister Armin Claus, Wiesbaden, Oberkirchenrat Helmut Spengler, Darmstadt. 1983, 23. März, Worms (gemeinsam mit dem Evangelischen Pfarrerverein in Hessen und Nassau): Freiheit und Bindung des Pfarrers - Luthers Anstöße für das Berufsverständnis der Pfarrerinnen und Pfarrer (Podiumsgespräch mit Pfarrer Ahsmann, Mainz, Pfarrerin Alterhoff, Hofgeismar, Pfarrer Dr. Meisiek, Frankenthal, Bischof Dr. Müller, Braunschweig, Professor Dr. Schwarz, München, Oberkirchenrat Spengler, Darmstadt, Professor Dr. Lienhard, Straßburg). 1984, 27./28. Juni, Korbach: Aus der Geschichte Korbachs und seiner Kirchen, Lehrer Wilhelm Hellwig, Korbach; Der Mensch - Sandkorn und doch Saatkorn, Ingeborg Drewitz, Berlin. 1985, 12./13. Juni, Schlüchtern: Zum christlich-jüdischen Glaubensgespräch, Professor Dr. Pinchas Lapide, Frankfurt a. M. 1986, 11./12. Juni, Bad Wildungen: Anmerkungen zur missionarischen Situation unserer Kirche, Bischof Dr. Hans-Gernot Jung, Kassel; Arbeitslosigkeit - eine Anfrage an Christen, Dr. Walter Giesler, Kassel, Gisela Schade, Frankfurt a. M., Dr. Helmut Müller, Marburg, Pfarrer Herbert Lange, Bad Orb. 1987, 3./4. Juni, Stadtallendorf: Schmelztiegel Stadtallendorf - Besuch in einer besonderen Stadt (Arbeitsgruppen). 1988, 26. September, Fulda: (ohne Referat; in Verbindung mit dem Deutschen Pfarrertag). 1989, 20./21. September, Haina: Diakonischer Auftrag zwischen Kloster und Psychiatrie (Führung durch Kloster und Klinik mit Diskussion). 1990, 24. September, Gießen: (ohne Referat; in Verbindung mit dem Deutschen Pfarrertag). 1991, 28./29. April, Bebra: 100 Jahre Evangelischer Pfarrerverein von Kurhessen-Waldeck: Ministerium docendi evangelii et porrigendi sacramenta reformandum est, Landesbischof Dr. Werner Leich, Eisenach.
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Nr. 21 Vereinsvorsitzende 1891-1894 1894-1897 1897-1911 1911-1929 1929-1948 1948-1954 1954-1958 1959-1963 1963-1977 1977-1987 1987[-2001] [2001-2011 seit 2011
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Pfarrer Conrad, Berneburg (später Niederzwehren) Pfarrer Haupt, Helmarshausen Metropolitan Soldan, Röddenau (später Kirchhain) Metropolitan D. Dithmar, Schmalkalden (später Kassel) Pfarrer/Kreispfarrer/Dekan Wepler, Eschwege Pfarrer/Dekan Dr. Schimmelpfeng, Marburg (später Treysa) Pfarrer Rausch, Rotenburg a. d. Fulda Dekan Roth, Ziegenhain (später Kassel) Pfarrer Heck, Kilianstädten Dekan Dettmar, Kassel Dekan Malkemus, Schwalmstadt-Ziegenhain Dekan Grigat, Homberg/Efze Pfarrer Illgen, Kassel]
Kirchengeschichte aus der Begegnung mit Jesus Christus Zum Tode von Winfried Zeller* 1982 Am 11. März 1982 verstarb in Marburg nach langer, schwerer Krankheit der Kirchenhistoriker Professor D. Dr. Winfried Zeller. Mit ihm verlor die Hessische Kirchengeschichtliche Vereinigung eines ihrer treuesten, langjährigen Mitglieder. Durch mehrere Wahlperioden hindurch gehörte Zeller auch zum Vorstand dieser Vereinigung, deren Geschichte er durch seine engagierte Mitarbeit mitgeprägt hat. Winfried Zeller wurde am 3. Juli 1911 in Berlin geboren. Sein Vater, Paul Zeller, den er mit 15 Jahren durch den Tod verlor, tat zwanzig Jahre Dienst in der Kaiserlichen Marine, bevor er 1905 in die Nautische Abteilung des Reichsmarineamtes als Ministerialbeamter kam. Von ihm erbte er die Liebe zum Meer. Winfried Zeller hat ihm dies im Alter noch einmal gedankt, als er in der Nr. 59 des „Mitteilungsblattes des Traditionsverbandes ehemaliger Schutz- und Überseetruppen“ im Juli/August 1979, Seite 2-10, einen Beitrag veröffentlichte mit dem Titel „Der Seeadler und der Sultan von Zanzibar. Ein Augenzeugenbericht von Paul Zeller“. Darin bringt der Sohn einen Vortrag seines Vaters aus dem Jahre 1897 „Der Sultanswechsel auf Zanzibar im August v. J.“ zum Abdruck und erläutert eingangs kurz den Hintergrund des Vortrages. Am 8. August 1979 schickte Zeller mir den Beitrag zu mit der brieflichen Bemerkung: „... vielleicht sagen Ihnen die wenigen einleitenden Worte zu einem Vortrag meines Vaters persönlich mehr über mich als mancher gelehrte Aufsatz? Führen diese Zeilen Sie doch an den Wurzelgrund heran, aus dem ich eigentlich herkomme: meine Liebe zu und Sehnsucht nach dem weiten
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Meer, das mir immer als ‚Sinnbild‘ der Weite und Unendlichkeit erschienen ist, und von dem ich mit Matthias Claudius singen könnte: ‚Was nah ist und was ferne, von Gott kommt alles her, der Strohhalm und die Sterne, das Sandkorn und das Meer‘! (EKG hess. Ausg. 476, 3).“ Wer die Editionsarbeiten Professor Zellers kennt, insbesondere seine Weigel-1 und Tersteegen-Ausgaben2, aber auch mehrere Einzeleditionen3, der weiß, mit welcher Akribie Zeller diese Werke besorgte. Solche Gewissenhaftigkeit war ihm in jungen Jahren beim Vater begegnet, der lange als umsichtiger Schriftleiter der „Nachrichten für Seefahrer“ tätig war. Später führte sein Lehrer Erich Seeberg den jungen Theologiestudenten an der Berliner Universität in die Kunst der wissenschaftlichen Editionsarbeit ein und machte ihn zum Wissenschaftlichen Hilfsarbeiter an der großen Meister-Eckhart-Ausgabe der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In dieser Tätigkeit kam Zeller Mitte der dreißiger Jahre für kurze Zeit erstmals nach Marburg, um hier Ernst Benz bei der praktischen Vorbereitung der Meister-Eckhart-Ausgabe zu entlasten. Zuvor hatte Zeller nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums in Berlin Theologie, Philosophie und Kirchenmusikgeschichte studiert. Seine Lehrer, denen er zeitlebens dankbar verbunden blieb, waren im Neuen Testament Adolf Deißmann, in der Kirchengeschichte Erich Seeberg und Reinhold Seeberg, in * Erstveröffentlichung in: Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 33 (1982) 377-383; Verlag der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung (Darmstadt). 1 V. Weigel, Sämtliche Schriften, Lfg. 1-7, 1962-1978. 2 G. Tersteegen, Werke, Bd. 1, 1979. 3 Der Protestantismus des 17. Jahrhunderts, 1962; Deutsche Mystik. Aus den Schriften von Heinrich Seuse und Johannes Tauler, 1967; Glaube, Geist, Geschichte. Festschrift für Ernst Benz zum 60. Geburtstage am 17. November 1967, 1967.
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Christlicher Kunstgeschichte Georg Stuhlfauth, in Konfessionskunde Cajus Fabricius, in der Systematischen Theologie vor allem Wilhelm Lütgert und in der Praktischen Theologie Leonhard Fendt, den er auch als Liturgiewissenschaftler schätzte. Philosophie hörte Zeller bei Eduard Spranger, David Baumgart, Artur Liebert, Kirchenmusikgeschichte bei Friedrich Blume und Hans Joachim Moser, die seine Liebe zur Musik Johann Sebastian Bachs durch Einführung in die Ideen- und Glaubenswelt des Thomaskantors noch vertieften. Profangeschichte belegte Zeller zeitweise bei Karl Holtzmann und Carl Erdmann. Den späteren wissenschaftlichen Lebensertrag Zellers hat vor einigen Jahren Rudolf Mohr in diesem Jahrbuch4 ausführlich dargestellt. Neben den drei Aufsatzbänden „Frömmigkeit in Hessen. Beiträge zur hessischen Kirchengeschichte“5 und „Theologie und Frömmigkeit“, Band 1 und 26, sei in diesem Zusammenhang noch auf die umfangreiche Festschrift hingewiesen, die Winfried Zeller zum 65. Geburtstag erhielt, und deren Beiträge ein Grundthema seines Forschens aufgriffen: „Traditio - Krisis - Renovatio aus theologischer Sicht“7. Sämtliche Veröffentlichungen Zellers sind erfaßt in zwei Bibliographien8. Hier ist nicht der Ort, das Lebenswerk des von 1946-1976 an der Marburger Philipps-Universität lehrenden Kirchenhistorikers Zeller im einzelnen zu würdigen. Auch die Aufzählung seines Engagements in verschiedenen wissenschaftlichen Gremien, seiner z. T. langjährigen Lehraufträge in Hofgeismar, Weilburg und 4
R. Mohr, Theologie und Frömmigkeit in der Kirchengeschichte. Zum Werk Winfried Zellers, in: JHKV 23, 1972, 197-211. 5 Marburg 1970. 6 Marburg 1971 und 1978. 7 Marburg 1976. 8 B. Jaspert, Bibliographie Winfried Zeller 1937-1975, in: Traditio - Krisis Renovatio aus theologischer Sicht. Festschrift Winfried Zeller zum 65. Geburtstag, hg. v. B. Jaspert und R. Mohr, 1976, S. 643-653; B. Jaspert, Bibliographie Winfried Zeller 1976-1981. Zu seinem 70. Geburtstag am 3. Juli 1981, ThLZ 107 (1982) 156-158.
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Frankfurt oder gar seiner diversen Gastvorträge wäre nicht in seinem Sinne. Er war und blieb bis zuletzt ein bescheidener, in der Stille wirkender Mann. Bewußt hatte er seit seiner Ordination im März 1941 sein Leben unter das Ordinationswort aus Galater 6, 14 gestellt: „Von mir aber sei es ferne, mich zu rühmen, als allein des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.“ Im Oktober 1941 an der Ostfront schwer verwundet, hatte Zeller, in völliger Verlassenheit zwischen den Fronten liegend, ein Christuserlebnis, bei dem ihm zur Gewißheit wurde, daß Christus ihn hält und nicht verläßt. Dieses Erlebnis war der Grund seines Glaubens und Frommseins in all den schweren Jahren des dann folgenden Leidens, das ihn bis zum Tod nicht mehr verließ. Aus diesem Glauben lebte Zeller, in diesem Glauben an die alles Leid in Freude wandelnde Macht des Kreuzes Christi trieb er Kirchen, Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte als Wissenschaftler. In diesem Glauben wirkte er jahrelang als Pfarrer in den kurhessischen Gemeinden Kirchhain, Stadtallendorf und Michelbach. Winfried Zeller hatte erfahren, daß der Gott der Geschichte auch der Gott unseres Lebens ist und uns hineinführt in die Gemeinschaft der Glaubenden, die in der Kirche Jesu Christi als „Kreuzgemeine“ leben. So kam der Kirchenhistoriker Zeller zu der Erkenntnis, daß „die Kirche ... nicht einfach das Reich Gottes in der Geschichte“ ist. „Sie ist aber auch nicht die bloße arithmetische Summe von christlichen Atomen. Die Kirche ist in der geschichtlichen Welt vielmehr stets das angefochtene ‚kleine Häuflein‘ der ‚Kreuzgemeine‘, das der Herr nach seiner Verheißung in guten und bösen Zeiten erhält. Die Kirchengeschichte fordert von uns deshalb den Mut, uns mit unserem eigenen Glauben und mit unserer persönlichen Frömmigkeit in die Reihe derer zu stellen, die sich zur Kirche Jesu Christi in der Geschichte bekennen“9. 9 W. Zeller, Theologie und Frömmigkeit. Ges. Aufsätze, Bd. 1, hg. v. B. Jaspert, 1971, S. 8.
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Dies hat Winfried Zeller getan. Dafür bleiben wir ihm dankbar. Äußeres, sichtbares Zeichen dafür ist die nach seiner Beerdigung am 16. März 1982 in Marburg gegründete „Winfried Zeller-Gesellschaft ‚Theologie und Frömmigkeit‘“. Diesem Arbeitskreis gilt als Vermächtnis, was Zeller in seinem letzten Marburger Akademischen Gottesdienst am 20. Juni 1976 so formulierte: Christus ist unser Friede und macht aus den Fernen und Nahen eins (Eph. 2, 14). So „ist uns die Kirchengeschichte nicht mehr nur ein Experimentierfeld müßiger Gedankenspiele oder eine Last drückender Traditionen, die unsere eigene Spontaneität stören, sondern sie wird uns zur Begegnung mit Jesus Christus selbst ... Wir sind nun nicht mehr Heimatlose in Zeit und Geschichte, sondern Menschen, die wissen, daß sie in die Geschichte der Kirche hineingehören. Die Zugehörigkeit zu Jesus Christus schließt uns mit denen zusammen, denen Jesus Christus der Herr gewesen ist und geworden ist in den Zeiten, die vor uns waren. Dann ist mir die Geschichte nicht mehr nur etwas, was ich selbstverständlich hinnehme oder selbstsicher von mir weise, um nur meiner Selbständigkeit leben zu können. Vielmehr erfahre ich dann, daß wahre Eigenständigkeit der Frömmigkeit nur dort wächst, wo das tiefe Wunder der Aneignung geschieht. Denn in der Aneignung selbst, im Geschenk des Zu-eigen-Werdens werde ich mithineingenommen in den Reichtum des Erbes der Gemeinde Jesu auf Erden: ‚Dein Gott ist mein Gott‘ (Ruth 1, 16)“10! So muß sich „jede Beschäftigung mit der Kirchengeschichte ... sowohl um ein Verständnis der Allgemeinbedeutung und Ökumenizität der kirchenhistorischen Phänomene bemühen als auch den Sinn für die Eigenständigkeit ihrer Gestalten wecken. Historische Universalität und geschichtliche Originalität sind die beiden Pole, auf die alle kirchengeschichtliche Arbeit ausgerichtet sein muß“11. 10
W. Zeller, Theologie und Frömmigkeit. Ges. Aufsätze, Bd. 2, hg. v. B. Jaspert, 1978, S. 296. 11 W. Zeller, Theologie und Frömmigkeit. Ges. Aufsätze, Bd. 1, S. 7.
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In diesem Sinne möge auch die Hessische Kirchengeschichtliche Vereinigung Zellers Arbeit an der hessischen Kirchengeschichte fruchtbar fortführen!
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Adalbert de Vogüé OSB (1924-2011) Erinnerungen an einen Forscher und Freund* 2012 Wer welche hat, weiß es: „Ein treuer Freund ist nicht mit Geld oder Gut zu bezahlen, und sein Wert ist nicht hoch genug zu schätzen (Sir 6, 15). Der Verfasser des Sirach-Buches, dessen hebräisches Original erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bekannt ist, bezeichnete einen treuen Freund als einen „Trost im Leben“ (Sir 5, 16). Offenbar hatte er schlechte Erfahrungen mit Freunden gemacht (vgl. Sir 6, 5-13). Aber dann bekam er ihn doch noch - einen treuen Freund. Und der war für ihn nicht nur ein Trost, er war auch ein „großer Schatz“ (Sir 6, 14). So war es auch bei Adalbert de Vogüé. Er war mein „treuer Freund“ und ein „großer Schatz“.1 Nur zweimal bin ich ihm begegnet. Das erste Mal Anfang Oktober 1971 beim Ersten Internationalen Regula Benedicti-Kongress in Rom. Das zweite Mal dreizehn Jahre später beim Fünften * Erstveröffentlichung in: Studia Monastica 54 (2012) 435-442; Abadia de Montserrat (Barcelona). 1 Als kleinen Dank habe ich zu seinem 60. Geburtstag eine Festschrift herausgegeben, RBS 13 (1984), und ihm mehrere Bücher gewidmet, zuletzt: Mönchtum und Protestantismus. Probleme und Wege der Forschung seit 1877, Bd. 1 (RBS.S 11), St. Ottilien 2005. - Einen guten Einblick in seine Auffassungen vom Mönchtum und seine Selbsteinschätzung als Wissenschaftler erhält man bei M. Dell’Omo, Adalbert de Vogüé, 80 anni (1924-2004). Una vita di studi per un monaco che cerca Dio, Ben. 51 (2004) 465-476; dt.: EuA 82 (2006) 3545.
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Internationalen Regula Benedicti-Kongresses im September 1984 in Saint-Benoît-de-Fleury.
I Der römische Kongress, der hauptsächlich dem Verhältnis zwischen der Regula Magistri (RM) und der Regula Benedicti (RB) gewidmet war und an dem zusammen mit den Gästen 25 Personen aus mehreren Ländern teilnahmen, begann am Montag, dem 4. Oktober, und dauerte bis zum Samstag, dem 9. Oktober 1971. Er fand im Collegio Sant’Anselmo auf dem Aventin statt. Mein Freund Paulus Gordan, damals Generalsekretär der Benediktinischen Konföderation, hatte die örtliche Organisation übernommen und dafür gesorgt, dass alle, Teilnehmer wie Gäste, vom damaligen Abtprimas Dr. Dr. Rembert Weakland herzlich willkommen geheißen wurden. Der Abtprimas, der, wie sich bald herausstellen sollte, nicht nur ein hervorragender Theologe, sondern auch ein ausgezeichneter Pianist war, tröstete uns mit dem Hinweis, auch wenn die Anzahl der Teilnehmer nur gering sei, so sei doch das Thema des Kongresses, einer Veranstaltung, die in dieser Art zum ersten Mal in Sant’Anselmo stattfände, von größter Bedeutung für uns alle. Denn eine gründliche Erneuerung der heutigen monastischen Orden (der Weckruf Papst Johannes’ XXIII. nach dem „aggiornamento“ der Kirche und das ihm folgende Zweite Vatikanische Konzil waren erst ein paar Jahre her) müsse mit einer korrekten Interpretation ihrer Regel beginnen. Und dann die wenigen, aber inhaltsreichen Sätze, die mir, dem gerade 27-jährigen Promovenden über die RB-RM-Kontroverse2, wie wohl auch allen anderen 2
Im Druck erschienen als Band 3 der RBS.S, Hildesheim 1975 (2. Aufl. 1977).
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Kongressteilnehmern einen guten Impuls gaben, die schwierige Frage nach der Herkunft und der historischen und aktuellen Bedeutung der Benediktusregel in den nächsten Tagen in der Referaten und Diskussionen mutig anzugehen: „It is not sufficient today to base a pious and subjective interpretation of the mind of the author. one must begin with as accurate a literal interpretation as possible before drawing conclusions of our changed times. Many today use the Rule - as many in the past were accused of using the Sacred Scripture - to confirm preconceived positions. The fruits of your scholarly work on the Rule, its sources, its background, its cultural milieu, are most important, thus, for all of us today. I can only wish you success in your discussions these days and ask God’s blessing on your work.”3
Am Tag nach Weaklands Begrüßung hielt Adalbert de Vogüé, damals Professor für altes Mönchtum an der Benediktinischen Hochschule Sant’Anselmo4, sein großes Referat über „Saint Benoît en son temps: Règles italiennes et règles provençales au VIe siècle“.5 Dieser 6. Oktober 1971, ein Mittwoch, blieb mir bis heute in lebhafter Erinnerung. Père Adalbert war der erste, der an diesem Tag vor den Kongressteilnehmern sprach. Zwei Tage vorher hatte ich ihn zum ersten Mal gesehen. Mein Freund, der belgische Trappist Eugène Manning, einer seiner wissenschaftlichen „Intimfeinde“, stellte ihn mir kurz vor dem gemeinsamen Mittagessen im großen Refektorium von Sant’Anselmo mit jener Freundlichkeit und einer kurzen respektgebietenden Laudatio vor, wie sie unübertroffen 3
R. Weakland, Word of Greeting, RBS 1 (1972) 153. Über ihre Geschichte vgl. P. Engelbert, Sant’Anselmo in Rom, Kolleg und Hochschule. Von den Anfängen (1888) bis zur Gegenwart, 2. Aufl., St. Ottilien 2012. 5 RBS 1 (1972) 169-193. Nachdruck in: A. de Vogüé, Le Maître, Eugippe et saint Benoît. Recueil d’articles (RBS.S 17), Hildesheim 1984, 490-514. 4
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wohl nur den romanischen Völkern zu eigen ist.6 Dabei erwähnte er, zwar liebenswürdig, aber klar, mit einem verschmitzten Augenzwinkern, ich könne besser Deutsch als Französisch. Sofort sprach mich de Vogüé auf Deutsch an, aber nur in zwei, drei Sätzen. Dann fuhr er auf Französisch fort, lobte, was er bisher von mir gelesen habe (das konnte nicht viel sein), und sagte schnell noch, bevor es zum Essen ging, er sei gespannt, was ich zu seinem Referat sagen würde. Damals trug er noch keinen Bart. Aus seinem fast kahlen Schädel schauten mich hinter einer starken Brille zwei freundliche Augen an. Sein Händedruck war kräftig, aber nicht unangenehm. Er signalisierte, dass der Mann, der mir da die Hand zum Gruß gab, zu dem stand, was er glaubte sagen zu müssen. Ich war in der Tat auf seinen Vortrag gespannt. Als Père Adalbert an jenem Mittwochmorgen den Vortragsraum betrat, kam er mir von Statur wesentlich kleiner vor als zwei Tage zuvor im Kreuzgang vor dem Refektorium. Schnellen Schrittes ging er auf Professor Rudolf Hanslik (Wien) zu, der zwischen Père Eugène und Professor François Masai (Brüssel) Platz genommen hatte und noch ein Kopf kleiner war als er selbst. Nach kurzer Begrüßung des Präsidiums (Hanslik, Manning, Jaspert) sprach er noch etwas länger mit Masai, endete aber plötzlich mit dem Hinweis, er müsse anfangen, er, Masai, würde gleich erfahren, wie er seine Ansicht (über das Verhältnis zwischen RB und RM) einschätze. Dann lief er rasch zum Rednertisch, legte seine Armbanduhr neben sich, ordnete etwas umständlich sein Vortragsmanuskript (sehr lange schmale Seiten, die keiner DIN entsprachen) und begann, nachdem Eugène Manning die Sitzung mit der Bemerkung 6 Obgleich Manning gebürtiger Holländer war, aber er lebte in einem belgischen Trappistenkloster (Rochefort) und sprach in der Regel Französisch.
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eröffnet hatte, nun würden wir endlich erfahren, wer wirklich der Autor der RM gewesen und wie Benedikt auf diese merkwürdige Regel aufmerksam geworden sei, mit einem leichten Lächeln seinen Vortrag in freier Rede - ohne im Laufe der nächsten Stunde auch nur ein einziges Mal auf sein Manuskript zu schauen. Der Mann musste ein phänomenales Gedächtnis haben. Allein schon die vielen Jahreszahlen und Textstellen mit genauen Versangaben aus den unterschiedlichsten monastischen Schriften zu behalten, meistens Regeltexte, die wir zu hören bekamen und die sich die wenigen Nonnen, die dabei waren7, fleißig notierten - und zwar nicht nutzlos, wie sich später in der Diskussion herausstellen sollte8 -, war eine außerordentliche Gedächtnisleistung. Offensichtlich hatte er nicht nur einige Stellen, sondern ganze Texte abrufbereit und zitierfähig im Kopf. In der Diskussion zeigte sich, welch ein Meister der französische Benediktiner aus La-Pierre-qui-Vire war, die meistens längeren Voten seiner wissenschaftlichen Kontrahenten (Masai und Manning auf der einen und Hanslik auf der anderen Seite) in drei, vier kurzen Punkten zusammenzufassen und dann Punkt für Punkt die seines Erachtens stichhaltigen und überzeugenden Gegenargumente zu liefern. Dabei argumentierte er sowohl philologisch-terminologisch als auch theologisch, historisch und geographisch. So versuchte er zum Beispiel, Masai und Hanslik, die beide nichts von seiner These von der Herkunft der RM aus der Region um Rom hielten, sondern deren Heimat in Südgallien sahen, mit dem Nachweis zu überzeugen, dass die Äußerungen des 7
Darunter Sr. Benedicta Droste (Varensell), Sr. Lazare de Seilhac (Vanves), Sr. Bernard Viralode (Pradines) und Sr. Mary-John Mananzan (Manila). 8 Vgl. bes. die Voten von L. de Seilhac, die von ihren Caesarius-Studien her einige wichtige Hinweise zum Gebrauch früherer Texte (im Falle des Caesarius: von Augustin) beisteuerte, RBS 1 (1972) 219f; vgl. später L. de Seilhac, L’utilisation par S. Césaire d’Arles de la Règle de S. Augustin. Étude de terminologie et de doctrine monastiques (StAns 62), Roma 1974.
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Magisters über den „ordo officii“ eindeutig auf die römische Region hinwiesen, sich aber fundamental von den provenzalischen Parallelen unterschieden.9 War die RM in den Augen de Vogüé’s von beeindruckender Homogenität, so sah Masai dies keineswegs so. Auch in der Frage, ob und welche Rolle der Semipelagianismus in der RM spiele, waren die beiden sich nicht einig. Am Ende seines Vortrages bezeichnete de Vogüé die RB als ein beachtliches Werk der Synthese zwischen östlichem und westlichem Mönchtum. Die RB verdanke zwar der RM wesentliche Anstöße, aber insgesamt sei sie doch eigenständig.10 Als solche habe sie das weitere abendländische Mönchtum auf Jahrhunderte hin geprägt, vielleicht auch unterstützt durch den guten Ruf Benedikts, den Papst Gregor der Große durch sein Benediktsleben im 2. Buch seiner „Dialoge“ gefördert habe, und durch den römischen Geist, der in ihr zutage trete.
II Der RM-Forscher de Vogüé11 hatte mit einer immensen Kenntnis der gesamten frühmonastischen Literaturgeschichte die über dreißig Jahre zuvor geäußerte These seines französischen Mitbruders Augustin Genestout (1888-1969) von der literarischen Priorität der RM vor der RB als stichhaltig erwiesen.12 Zugleich hatte er 9
Vgl. Diskussionsbeitrag von A. de Vogüé, RBS 1 (1972) 223. Er sprach von „une greffe africaine sur un tronc égyptien, transplanté dans le sol d’Italie“, wie man sie auch kurz zuvor in der Vita Fulgentii 23-24 (PL 65, 128-129) findet; RBS 1 (1972) 193. 11 Damals wurde überall in Patristikerkreisen seine kritische RM-Ausgabe in den SC 105-107, Paris 1964-1965, anerkennend gewürdigt. 12 Vgl. dazu im Einzelnen B. Jaspert, Die Regula Benedicti-Regula MagistriKontroverse (RBS.S 3), 2. Aufl., Hildesheim 1977, 8-148. 10
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den immer noch unbekannten Verfasser der RM mit guten Gründen in der Gegend Roms lokalisiert und nachgewiesen, dass dem Abt von Lucullanum, Eugippius, bei der Überlieferung des monastischen Ideengutes des Magisters an Benedikt eine Schlüsselfunktion zukam. Aber erst als sein großer Aufsatzband „Le Maître, Eugippe et saint Benoît“ im Jahr 1984 erschien, wurde dies einem breiteren wissenschaftlichen Publikum klar. Dies geschah wenige Monate nach dem RB-Kongress in SaintBenoît-de Fleury zum Thema „Hermeneutik der Regula Benedicti“. Den Kongress, bei dem ich Père Adalbert zum zweiten und letzten Mal begegnet bin, hatte ich zusammen mit Père André Borias aus Saint-Wandrille und Père Lin Donnat aus Fleury vorbereitet. Er fand vom 16. bis 21. September 1984 statt. Damals kamen 28 Teilnehmer aus Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Italien und Österreich. Ein australischer Trappist, Michael Casey, musste seine Teilnahme leider absagen, schickte uns aber ein Referat über RB 73, 1.13 Adalbert de Vogüé hatte inzwischen seine römische Professur beendet und war wieder in sein Heimatkloster zurückgekehrt, hielt allerdings gelegentlich noch in mehreren Ländern Vorträge über das alte Mönchtum, insbesondere über die RB. Jetzt arbeitete er vor allem an seiner großen altmonastischen Literaturgeschichte. Sie nahm seine ganze Arbeitskraft in Anspruch und erschien dann in den beiden letzten Jahrzehnten seines Lebens von 1991 bis 2008 mit einem Umfang von 5050 Seiten.14 Daneben 13
M. Casey, Orthopraxy and Interpretation. Reflections on Regula Benedicti 73, 1, RBS 14/15 (1985/1986) 165-171. 14 A. de Vogüé, Histoire littéraire du mouvement monastique dans l’antiquité. Première partie: Le monachisme latin, 12 Bde., Paris 1991-2008 [posthum erschienen mit über 900 Seiten die Bände über das griechischsprachige alte Mönchtum: A. de Vogüé, Histoire littéraire du mouvement monastique dans
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veröffentlichte er noch eine Reihe von Abhandlungen über das Mönchtum und mehrere Aufsatzbände.15 Auch in Fleury hielt de Vogüé sein Referat „Vingt-cinq ans d’herméneutique bénédictine. Un examen de conscience“16 wieder völlig frei. Während des Vortrags schrieb er mit einem Stift Stichworte auf ein Papier. Daraus wollte er, wie er mir in einer Pause gestand, später sein Typoskript entwickeln, das er mir dann auch tatsächlich ein paar Tage nach Kongressschluss zum Druck im Jahrbuch „Regulae Benedicti Studia“ zuschickte. Darin wies er nicht nur meine Bemerkung zurück, genau wie die profunden RB-Forscher Hanslik und Masai lasse auch er die Frage der Hermeneutik bei der RB-Auslegung völlig außer Acht.17 Im Anschluss an Jean Gribomont18 prüfte er nun selbstkritisch, ob er in den vergangenen 25 Jahren die Stellung Benedikts im Blick auf Basilius d. Gr. und Johannes Cassian nicht sachgerecht eingeschätzt hatte, das heißt in Anbetracht der Kritik Gribomonts, ob er den Einfluss des Basilius auf die RB etwa unter- und den Cassians überschätzt hatte. l’antiquité. Deuxième partie: Le monachisme grec (StAns 165-167 = AnMo 15-17), 3 Bde., Roma 2015]. 15 De Saint Pachôme à Jean Cassien. Études littéraires et doctrinales sur le monachisme égyptien à ses débuts (StAns 120), Roma 1996; Études sur la Règle de saint Benoît. Nouveau recueil (VieMon 34), Bégrolles-en-Mauges 1996; Regards sur le monachisme des premiers siècles (StAns 130), Roma 2000. 16 RBS 14/15 (1985/1986) 5-40, Nachdruck in: A. de Vogüé, Études sur la Règle de saint Benoît (wie Anm. 15), 417-472. 17 RBS 14/15 (1985/1986) 33f, Anm. 2 (Nachdruck: 417, Anm. 2); vgl. B. Jaspert, Die Regula Benedicti-Forschung 1880-1980, RBS 8/9 (1979/1980) 91104, bes. 101, Nachdruck in: EuA 57 (1981) 336-349, bes. 348, weiterer Nachdruck in: B. Jaspert, Studien zum Mönchtum (RBS.S 7), Hildesheim 1982, 133-146, bes. 145. 18 Les commentaires d’Adalbert de Vogüé et la grande tradition monastique, in: J. Gribomont (Hg.), Commentaria in S. Regulam (StAns 84), Roma 1982, 109-143.
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Er kam zu dem Ergebnis, dass er zwar die eine oder andere Reminiszenz Benedikts an den östlichen Mönchsvater auf der einen und an den Vermittler zwischen östlichem und westlichem Mönchtum auf der anderen Seite besser hätte herausarbeiten können, aber insgesamt sei seine Einschätzung richtig gewesen, dass der Magister und Benedikt vor allem Schüler Cassians und nicht des Basilius waren. Das hieß zugleich, man darf die große monastische Tradition Ägyptens nicht übersehen, die Cassian und nicht Basilius an den Westen vermittelt habe. Wer Basilius als den einzigen oder zumindest herausragenden Gewährsmann der östlichen Mönchstradition für die RM/RB ansehe, verkenne den historischen Einfluss des ägyptischen Mönchtums im Westen, vermittelt durch Cassian. Mit diesem Urteil nahm de Vogüé indirekt auch zu der Position Mannings und Masais Stellung, die die Entstehung der beiden Regeln, RM und RB, und ihren geistlich-monastischen Hintergrund anders sahen als er.19
III Seit dieser letzten Begegnung in Fleury sah ich Adalbert de Vogüé nicht mehr. Aber wir blieben wie schon zuvor in regem brieflichen Austausch, nannten uns seit unserer ersten Begegnung in Rom beim Vornamen, redeten uns aber mit „Sie“ an, so wie Père Adalbert als der 20 Jahre Ältere es vorschlug. Unsere Korrespondenz - viele Briefe und Postkarten - konzentrierte sich im Wesentlichen auf wissenschaftliche Probleme. Meistens war ich 19
Vgl. schon ihre Vorträge beim römischen RB-Kongress: E. Manning, Rapports entre la Regula Magistri et la Regula Benedicti. Les deux plans, RBS 1 (1972) 99-110; F. Masai, Les documents de base de la Règle, RBS 1 (1972) 111-151; dazu die Diskussionsvoten a.a.O., 155-157, 159-166.
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der Fragende und Père Adalbert der Antwortende, er der Lehrende und ich der Lernende. Aber gelegentlich fragte auch er, der mir an Forschergeist und Kenntnissen so weit Überlegene, mich, wie ich bestimmte Dinge einschätzte. Dass er katholisch und ich evangelisch war, spielte dabei keine Rolle. Trotz seiner katholisch-konservativen Lebenseinstellung konnte er von erstaunlicher ökumenischer Offenheit und Weite sein. Ich wusste, dass er einige Jahre als Einsiedler in der Nähe seines Klosters lebte. Trotzdem hielt er regelmäßig Kontakt mit seinem Konvent. Vor allem war er einer der eifrigsten Benutzer der ausgezeichneten Bibliothek von La-Pierre-qui-Vire. Er schrieb mir jedoch nicht, dass im Januar 2009 ein heftiger Sturm seine Einsiedelei zerstörte, sodass er wieder in sein Kloster zurückkehren musste, wo er sich, wie es in einem Nachruf aus seinem Kloster heißt, wieder wie selbstverständlich in die Gemeinschaft seiner Mitbrüder eingliederte und, so gut er konnte, an allem teilnahm, was die vita communis ausmachte. Sicher war der aus einer alten, in intellektuellen und politischen Kreisen gut bekannten französischen Adelsfamilie stammende Benediktiner ein großer Einzelgänger. Dennoch verschmähte er bei seinen Veröffentlichungen die Zusammenarbeit mit seinen Mitbrüdern nicht, wenn sie ihm angebracht erschien, so zum Beispiel bei der Herausgabe seiner beiden grundlegenden Ausgaben der RM und der RB.20 Bis ins hohe Alter war Adalbert de Vogüé das Gotteslob das Wichtigste an der monastischen Existenz, die er fast militärisch 20
Die RM gab er zusammen mit J.-M. Clément, J. Neufville und D. Demeslay heraus, 3 Bde. (SC 105-107), Paris 1964-1965; die RB zusammen mit J. Neufville, 7 Bde. (SC 181-186, 1 Sonderbd.), Paris 1971-1977. Auch seine Ausgabe der Dialoge Gregors d. Gr. entstand in Kooperation, diesmal mit P. Antin, 3 Bde. (SC 251, 260, 265), Paris 1978-1980.
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streng lebte. Wie er überhaupt seit seiner heftigen Auseinandersetzung mit Olivier du Roy, dem damaligen Abt von Maredsous, monastischen Neuerungen gegenüber äußerst skeptisch war.21 Bis ins hohe Alter blieb ihm auch ein wacher Geist erhalten, der es ihm ermöglichte, trotz mancher Einschränkungen wie zum Beispiel seine abnehmende Sehschärfe ein enormes Pensum an wissenschaftlicher Arbeitsleistung zu vollbringen. Zwar konnte er noch seine große monastische Literaturgeschichte für den lateinischen Sprachraum von der Antike bis hin zu Benedikt von Aniane (ca. 750-821) und seinem „Codex Regularum“ und seiner „Concordia Regularum“ herausbringen, die zusammen mit den Synodalbeschlüssen von Aachen (816 und 817) auf lange Sicht die Grundlage des mittelalterlichen Mönchtums bildeten und wesentlich zur Durchsetzung der karolingischen Reichsidee beitrugen.22 Aber die Veröffentlichung des Pendants, der monastischen Literaturgeschichte für den griechischen Sprachraum zur Zeit der 21
Vgl. O. du Roy, Moines aujourd’hui. Une expérience de réforme institutionnelle, Paris 1972; dazu A. de Vogüé, Moines aujourd’hui?, Ben. 19 (1972) 227-238, Nachdruck in: ders., Autour de saint Benoît. La Règle en son temps et dans le nôtre (VieMon 4), Bégrolles-en-Mauges 1975, 137-158. Dass de Vogüé der monastischen Erneuerung, die das Zweite Vatikanische Konzil angeregt hatte, dennoch offen gegenüberstand, zeigte er z. B. in seinem Aufsatz: Saint Benoît aujourd’hui. La vie monastique et son aggiornamento, NRTh 110 (1978) 720-733, Nachdruck in: ders., Saint Benoît. Sa Vie et sa Règle. Études choisies (VieMon 12), Bégrolles-en-Mauges 1981, 221-234, dt. in: EuA 55 (1979) 81-95. 22 Vgl. J. Semmler, Benedictus II: una regula - una consuetudo, in: W. Lourdaux/D. Verhelst (Hg.), Benedictine Culture 750-1050 (MLSt 11), Leuven 1983, 1-49; ders., Benediktinische Reform und kaiserliches Privileg. Die Klöster im Umkreis Benedikts von Aniane, in: Società, istituzioni, spiritualità. Studi in onore di Cinzio Violante (Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo - Collectanea 1), Bd. 2, Spoleto 1994, 787-823; P. Engelbert, Benedikt von Aniane und die karolingische Reichsidee, in: G. Penco (Hg.), Cultura e spiritualità nella tradizione monastica (StAns 103), Roma 1960, 67-103.
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Alten Kirche, war ihm nicht mehr möglich [sie erfolgte posthum 2015]. Seit Mitte 2010 reagierte er nicht mehr auf meine Zusendungen, Bücher wie Briefe. Auch konkrete Anfragen nach seinen Veröffentlichungen beantwortete er nicht mehr. In einem seiner letzten Briefe klagte er über seine abnehmende Gesundheit. Als ich ihm am 28. Oktober 2011 wieder eine solche Anfrage zur englischen Übersetzung eines seiner Aufsätze23 schickte, auf die ich in einer größeren Arbeit gerne hinweisen wollte24, wusste ich nicht, dass mein Freund zwei Wochen zuvor gestorben war. Am 8. November erhielt ich die Todesnachricht aus der Abbaye de la Pierre-qui-Vire durch Abbé Luc Cornuau. Ich hatte einen treuen Freund, ja, einen großen Schatz verloren. - R.I.P.
23
A. de Vogüé, Persévérer au monastère jusqu’à la mort. La stabilité chez saint Benoît et autor de lui, CCist 43 (1981) 337-365. 24 Vgl. B. Jaspert, Die Regula Benedicti im Spiegel der Forschungsgeschichte. Mit zwei Bibliographien, in: ders., Theologie und Geschichte. Gesammelte Aufsätze, Bd. 4 (EHS.T 929), Frankfurt a. M. 2012, 86-150, bes. 132.
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Wahrheit im Wort Zum Gedenken an den Göttinger Neutestamentler Hans Hübner (1930-2013)* 2013 Nach längerer Krankheit ist der Göttinger Neutestamentler Hans Hübner am 13. Juni 2013 in Bad Sooden-Allendorf, seinem letzten Wohnort, gestorben. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin fanden die dortige Trauerfeier und Beisetzung mit Auslegung des von ihm geliebten Verses Joh 1, 1 („Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“) am 19. Juni im engsten Familien- und Freundeskreis statt. Als Witwe hinterlässt er seine Ehefrau Katharina Hübner. Geboren am 22. Januar 1930 in Wuppertal-Elberfeld, legte er dort 1950 sein Abitur ab und studierte anschließend bis 1957 katholische Theologie und Philosophie in Bonn und am Priesterseminar in Bensberg bei Köln. Von 1958 bis 1962 war er als Vikar im Gemeindedienst und als Religionslehrer im Ruhrgebiet tätig. In dieser Zeit befasste er sich im Rahmen seiner theologischen Doktorarbeit, deren Thema „Rechtfertigung und Heiligung in der Römerbriefvorlesung Martin Luthers“ ihm Hubert Jedin in Bonn gestellt hatte, intensiv mit der Theologie Martin Luthers. Die Arbeit hat er dem Andenken seines Religionslehrers Hubert von Lassaulx gewidmet, der ihm und seinen Mitschülern in der Unterprima Paulus und Luther nahe gebracht hatte. Im Vorwort schrieb er, dass Hubert Jedin die Entstehung der Arbeit „mit reger Anteilnahme verfolgt“ habe, „aber die große Enttäuschung erleben“ musste, „daß der Verfasser über dieser Arbeit an Luther selbst lutherisch wurde“ (S. 7). 1962 konvertierte Hübner zur evangelischen Kirche. Anschließend besuchte er das evangelische Predigerseminar in Soest und
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beendete hier seine Dissertation, mit der er dann, inzwischen evangelischer Pfarrer in Herne, unter Betreuung von Ernst Kinder 1963/64 in Münster zum Dr. theol. promoviert wurde. 1967 wurde er zum Dozenten für Biblische Theologie und Philosophie am Katechetischen Seminar der Evangelischen Kirche von Westfalen in Bochum berufen und 1971 an der dortigen Universität im Fach Neues Testament mit einer Arbeit über „Das Gesetz in der synoptischen Tradition“ habilitiert. Seit 1975 außerplanmäßiger Professor für Biblische Theologie, erhielt er 1982 eine ordentliche Professur in demselben Fach in Göttingen, wo er auch noch während seines Ruhestandes lehrte. Dabei trat er nicht nur als Paulusforscher hervor, sondern wurde auch einer breiteren Öffentlichkeit durch seine Vorlesungen im Rahmen der „Universität des dritten Lebensalters“ über Nietzsche, Goethe, Heine und Richard Wagner und ihr Verhältnis zum Christentum sowie über den Fluch und Segen der monotheistischen Religionen unter dem Stichwort „Der biblische Gott“ bekannt. Auch als evangelischer Theologieprofessor hat Hübner seine katholische Herkunft und Ausbildung nie vergessen. So nahm er in seinem Bemühen um das Verständnis der paulinischen Theologie sowie der im 20. Jahrhundert vor allem von Rudolf Bultmann und Martin Heidegger gestellten existentialen theologischphilosophischen Fragen bei der Klärung der Frage, welchen Sinn heute eine evangelische Fundamentaltheologie hat, vielfach Anregungen aus der neueren katholischen Fundamentaltheologie auf. Dabei fühlte er sich schon seit der Arbeit an seiner Dissertation in besonderer Weise dem evangelischen Kirchenhistoriker und Systematiker Gerhard Ebeling verbunden, der selbst einmal eine Fundamentaltheologie veröffentlichen wollte, schließlich aber doch zugunsten seiner Dogmatik darauf verzichtete, und in jüngerer Zeit auch dem Ebeling-Schüler Dietz Lange, der mit ihm zusammen an der Göttinger Theologischen Fakultät lehrte und selbst eine zweibändige „Glaubenslehre“ vorgelegt hat.
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Für Hübner stand fest: „Das biblische Zeugnis ist fundamental für den christlichen Glauben.“ Deshalb hat eine Fundamentaltheologie „die Aufgabe, die in unterschiedlichen theologischen Denkweisen vorliegenden Traditionen des Neuen Testaments auf die Möglichkeit eines gemeinsamen theologischen Fundaments zu befragen“1. Von daher verstand er seine „Evangelische Fundamentaltheologie“ nicht im konfessionellen Sinne, sondern als eine „vom Evangelium als dem Fundament der Kirche her konzipierte Fundamental-Theologie“, die, da er sich als Lutheraner fühlte, natürlich auch evangelische Züge im Sinne des sola scriptura-Prinzips an sich trägt, aber doch, besonders im Insistieren „auf der Unerläßlichkeit der analogia entis für das Sein Gottes und das Sein des Menschen“2, auch die Konfessionsgrenzen hin zum Katholischen übersteigt. Deshalb meinte er: „Sicherlich bewege ich mich nicht im Schema der lange Zeit üblichen Dreiteilung der katholischen Fundamentaltheologie: demonstratio religiosa, demonstratio christiana und demonstratio catholica. Ich sehe aber keine so strikte Trennung zwischen dem kirchlich definierten Glauben und der Frage nach Gott innerhalb des Glaubens und innerhalb der Bibel. Denn es ist ja das biblische Zeugnis, das durch die Predigt der Kirche zur Anrede Gottes an den Menschen wird.“3 Um diese Anrede in unserer weithin von Technik geprägten Zeit nicht leer ausgehen zu lassen, suchte Hübner immer wieder das Gespräch mit Kollegen außerhalb seiner eigenen Zunft, vor allem mit Philosophen und Physikern. Zwei von ihnen erwähnte * Erstveröffentlichung in: Hessisches Pfarrblatt - Zweimonatsschrift für Pfarererinnen und Pfarrer aus Hessen-Nassau und Kurhessen-Waldeck (2013/5) 129-131; Ev. Pfarrerinnen- und Pfarrerverein in Hessen und Nassau e. V., Pfarrverein Kurhessen-Waldeck e. V. Frankfurt a. M./Marburg (Druck: Schwalmstadt). 1 H. Hübner, Evangelische Fundamentaltheologie. Theologie der Bibel, Göttingen 2005, 11. 2 A.a.O., 12. 3 Ebd.
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er im Vorwort seiner „Fundamentaltheologie“ als besonders intensive Gesprächspartner, den Philosophen Friedrich-Wilhelm von Herrmann und den Physiker Gert Hartmann. Beide halfen ihm bei den schwierigen Fragen im Umfeld der Kosmophysik, die in der Fundamentaltheologie berücksichtigt werden mussten, zu Klärungen. In theologisch-hermeneutischer Hinsicht war ihm sein fast gleichaltriger Wiener Kollege Kurt Niederwimmer ein aufgeschlossener und manchmal kontroverser, aber immer willkommener Gesprächspartner. Schließlich war es in zahlreichen Veröffentlichungen, besonders in seiner dreibändigen „Biblischen Theologie des Neuen Testaments“ (1990-1995) und in dem Fragment gebliebenen Werk „Vetus Testamentum in Novo“ (2 Bde., 1997-2003), eines seiner Herzensanliegen, in einer Zeit der zunehmenden Spezialisierung in den einzelnen theologischen Fächern auf den grundlegenden Zusammenhang zwischen Neuem und Altem Testament hinzuweisen. Denn ohne dessen Berücksichtigung schien ihm eine den Namen verdienende biblische Exegese nicht möglich zu sein. In dieser Hinsicht ging er aber weiter als sein geschätzter älterer Marburger Kollege Rudolf Bultmann. Trotzdem blieb er dessen theologisch-exegetischem Denkansatz (existentiale Interpretation), den er zum Erstaunen seines Münsteraner Doktorvaters schon in seiner Dissertation verwendete, ein Leben lang treu.4 Außer den genannten Arbeiten fanden auch Hübners Studien zur Weisheit Salomos (1993 und 1999) und sein großer Kommen-
4 Aus der Fülle seiner sich auf Bultmann beziehenden Arbeiten vgl. bes. sein Buch: Politische Theologie und existentiale Interpretation. Zur Auseinandersetzung Dorothee Sölles mit Rudolf Bultmann, Witten 1965, sowie seine Aufsätze: Bultmanns „existentiale Interpretation“. Untersuchungen zu ihrer Herkunft, ZThK 100 (2003) 280-324; „Existentiale“ Interpretation bei Rudolf Bultmann und Martin Heidegger, ZThK 103 (2006) 533-567.
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tar zu den Briefen an Philemon, an die Kolosser und an die Epheser (1997) in der Fachwelt und bei Pfarrern/Pfarrerinnen sowie bei Lehrern/Lehrerinnen starke Beachtung. Als kleinen Dank für seine wissenschaftlichen Anregungen und seinen freundlichen Umgang mit den Studierenden und Kollegen während der vielen Jahre seiner Hochschultätigkeit widmeten ihm die Teilnehmer einer Tagung der Projektgruppe „Biblische Intertextualität“ der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie ihre Beiträge zu seinem 75. Geburtstag unter dem Titel: „Das Ezechielbuch in der Johannesoffenbarung“ (2004)5. Hübner gehörte mehreren nationalen und internationalen wissenschaftlichen Vereinigungen an. Neben seinen theologischen Interessen befasste er sich lange auch mit philosophischen Fragen. Insbesondere Nietzsche und Heidegger waren Philosophen, deren Werke er nicht nur ausgezeichnet kannte, sondern mit deren Ansichten er sich auch immer wieder auseinandersetzte. Dabei stand meistens das Thema Hermeneutik im Blickpunkt. Zuletzt interessierte ihn auch die Begegnung des abendländischen Denkens mit den fernöstlichen Religionen, insbesondere mit dem Buddhismus in seinen verschiedenen Formen. Gerne denke ich an seine geist- und humorvolle Art zurück, deren Prägung durch seine Heimat, das Bergische Land, er bis ins hohe Alter nicht verleugnete, aber auch an seine Fähigkeit, theologische oder philosophische Ansichten, die schlecht begründet und daher seines Erachtens verfehlt waren, deutlich und scharf so zu kritisieren, dass das Gespräch darüber nicht zerbrach, sondern weitergehen und zu neuen Erkenntnissen führen konnte. Dies machte ihn in theologischen und philosophischen Kreisen international zu einem begehrten Redner und Diskutanten.
5 Zu seinem 70. Geburtstag erschien die Festschrift: Paulinische Christologie. Exegetische Beiträge, hg. v. U. Schnelle/Th. Söding in Verbindung mit M. Labahn, Göttingen 2000.
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Ansonsten war er ein bescheidener, naturverbundener Mann, der auch noch während seines Ruhestandes in Bad Sooden-Allendorf, wann immer er gefragt wurde und er es gesundheitlich konnte, selbst Gottesdienste hielt. Dabei bereitete er sich auf die Predigten mit besonderer Akribie und Liebe vor, indem er die ihm zumeist vertrauten biblischen Texte wie neu zu sich sprechen ließ, so dass er sie auch wie neu in die jeweilige Situation der Gemeinde hinein auslegen konnte. Alles in allem war und bleibt dieser geradlinige Mann ein beachtenswerter Theologe, der unter einem weiten Horizont die Wahrheit im Wort Gottes suchte und fand und nie vergaß, wer und was im Anfang war: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“ (Joh 1, 1). Dass dieses Wort, das es immer wieder zu hören gilt, also Gott, bleibt, davon war Hans Hübner überzeugt.
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Register 2. Timotheus 1,7
1. Bibelstellen
141
a) Altes Testament und Apokryphen 2. Namen Ruth 1,16
389
Jesus Sirach 5,16 6,5-13 6,14 6,15
391 391 391 391
b) Neues Testament Johannes 1,1 8,36 Römer 9-11 13 13,1ff
403, 408 351
80 216, 222, 224, 303 220
1. Korinther 9
185
Galater 6,14
388
Epheser 2,14
389
Adenauer, K. 120 Ahsmann, Pfarrer 383 Albrecht, A. 129 Altendorf, E. 109, 110 Alterhoff, R. 302, 382, 383 Althaus, H. 302 Althaus, P. 66, 81, 99 Angermann, A. 373 Angersbach, J. 294 Anselm von Canterbury/Anselmo 392, 393 Antin, P. 400 Arndt, E. M. 281, 282 Arper, K. 44 Auffarth, A. K. 380 Augustin(us), Aurelius 37, 395 Augustus, Kaiser 183 Bach, J. S. 387 Bachmann, K. 121, 122, 139, 198, 291, 346, 347 Bader, C. 245, 246 Baecker, H. 232 Bähr, K. 57, 58, 86, 187, 346 Bätzing, G. 57 Bäumler, W. 129 Barth, K. 31, 60, 61, 77, 149, 214, 262 Basilius von Caesarea, der Große 25, 37, 398, 399
409
Battenberg, A. 127, 129 Baumgart, D. 387 Baumgarten, M. 238 Baus, K. 14 Bebel, A. 232 Becker, E.-M. 13 Becker, M. 302 Benad, M. 43, 84 Benedikt von Aniane 22, 401 Benedikt von Nursia/Benedictus/ Benediktus/Benoît 19-22, 2438, 391-393, 395-399, 401, 402 Benz, E. 24, 386 Bernhardt, W. 122 Besier, G. 13 Beutel, A. 12, 14 Beyreuther, E. 68 Biel, K. 141 Bienert, W. A. 34 Bismarck, O. Fürst von 231, 232 Blasius, D. 266 Blendin, G. 191, 258 Blesse, P. 161 Blüm, N. 383 Blume, F. 387 Bode, A. E. 45, 46 Bodelschwingh d. Ä., F. von 41 Bodelschwingh d. J., F. von 57, 77, 78, 80, 83-85, 290, 343, 344 Bodin, J. 12 Böckmann, A. 35 Böhm, H. 211 Boehmer, H. 19 Bohl, H. 261 Bonhoeffer, D. 31, 214 Bonifatius/Bonifacius 22, 25
410
Boos, G. A. 129 Borgards, E. 381 Borias, A. 35, 397 Bornkamm, H. 380 Botsch, K. 365 Bousset, W. 25, 30 Brakelmann, G. 231, 266 Brandmüller, W. 13 Braun, D. 31 Braun, O. 56, 125 Braune, B. 290 Braune, P. 290, 291 Brennecke, H. Ch. 12 Brunotte, H. 270 Bücking, F. 129, 161 Bultmann, R. 61, 263, 301, 404, 406 Butler, C. 26 Buttmann, R. 211 Caesarius von Arles/Césaire d’Arles 25, 395 Campenhausen, H. Frhr. von 25, 31, 192 Casey, M. 397 Cassel, P. St. 238 Cassiodorus, Magnus Aurelius 21 Cato d. Ä., Marcus Porcius 236 Chamberlain, H. St. 239 Claudius, M. 386 Claus, A. 383 Clément, J.-M. 400 Colombás, G. M. 37 Columban 25 Conrad, A. 36, 44, 46, 384 Conrad, G. 121, 122, 256 Conrad, W. 229 Conzemius, V. 13
Cornuau, L. 402 Dahm, K.-W. 63 Dehnhard, K. 129, 248 Deißmann, A. 386 Dell’Omo, M. 391 Demeslay, D. 400 Dettmar, W. 46, 300-302, 384 Diner, D. 266 Dinkler, E. 119, 162 Dinkler-von Schubert, E. 119, 162 Dinter, A. 78 Dippel, H. 258 Dithmar, Th. 43, 51, 91, 92, 96, 97, 99, 102, 113, 119, 121, 132, 136, 137, 140, 141, 143, 148, 149, 151, 159, 164, 172, 174, 176, 185, 187, 190, 191, 194, 195, 199, 202, 205, 208, 227, 228, 248, 251-254, 256, 259, 261, 262, 267, 279, 282287, 290, 291, 294-298, 348, 349, 384 Dörries, H. 31 Dombaj, V. 231 Donnat, L. 397 Dorhs, M. 83, 120, 262 Drewitz, I. 383 Droste, B. 395 Dühring, E. 239 Düwell, K. 237 Ebeling, G. 404 Eckhardt, G. 46 Eckhart, Meister 386 Ehmer, H. 304 Ehrenberg, H. 231 Eichhöfer, K. 80, 245 Eisenberg, Ch. 86, 187
Eisenberg, H. 382 Elert, W. 66, 81 Ellwein, Th. 244, 270 Elm, K. 28 Enders, K. 88 Engel, S. 383 Engelbert, P. 26, 393, 401 Engelbrecht, E. 129 Engelbrecht, G. 166 Erdmann, C. 387 Eugippius von Lucullanum/ Eugippe 393, 397 Euker, K. 244 Eylenstein, E. 110-112 Ezechiel 407 Fabricius, C. 387 Falk, H. 184, 186, 189, 190 Fendt, L. 387 Fenner, E. 381 Fest, J. 263 Feyerabend, G. 45, 46 Fezer, K. 80, 81, 181 Fincke, E. 80 Fischer, M. 7, 8 Fitschen, K. 13 Fliedner, F. 41 Fliedner, Th. 41 Francke, L. 46, 337 Francke, R. 43, 45, 46, 50-52, 58, 59, 91, 114, 118, 120, 126, 143, 157, 164, 172, 175, 176, 192, 202, 227, 228, 252, 254, 259, 261, 262, 267, 280, 281, 283, 290, 294, 316, 319, 337, 376 Frank, W. 231, 232 Frankenberg, W. 30
411
Freudenstein, E. 107 Frey, F. 46 Frick, W. 142, 211 Friedrich III., Kaiser 233 Frischkorn, H. 129 Fritsch, K. 133 Fritsch, M. 44 Führer, P. 129 Füllkrug, A. 382 Füllkrug, G. 68 Fulgentius von Ruspe 396 Gallenkamp, P. 241 Ganzer, K. 12, 14 Gauger, J. 99, 150 Genestout, A. 396 Gerlach, E. 136, 159 Gerlach-Praetorius, A. 262 Gerö, St. 12 Geß (Gess), J. 282 Giesler, W. 383 Ginzel, G. B. 235, 237, 239, 240 Gipper, K. 192 Glitzenhirn, D. 47 Göbel, P. 291 Göring, H. 142, 179, 211, 267, 348, 362, 370, 371 Goethe, J. W. von 171, 404 Gollnick, R. 38 Gordan, P. 392 Gothe, Th. 7 Grab, W. 238 Graetz, H. 238 Graml, H. 266 Grasmück, E. L. 12 Grebe, F. 158, 159, 244, 252, 353 Gregor I., der Große, Papst 21, 25, 29, 33, 396, 400
412
Gregor II., Papst 25 Gregor III., Papst 25 Greschat, M. 230, 239 Gribomont, J. 398 Grieser, H. 37, 38 Grigat, L. 46, 302, 382, 384 Gruber, B. 238 Grützmacher, G. 24-27 Grunwald, K.-D. 76 Günther, P. 175 Gürtner, F. 260 Gustav II. Adolf von Schweden, König 207 Hackenberg, A. 377 Haller, B. von 120, 253 Hamann, J. G. 276 Hammann, F. 129 Hanslik, R. 35, 394, 395, 398 Happel, H. 136, 139, 147, 149, 159, 201, 244 Happich, F. 120, 137, 150, 157, 158, 194, 198, 201-204, 228, 229, 240, 243, 244, 248, 256, 272-275, 291, 292, 294 Happich, Th. 248 Harder, G. 174 Harmsen, H. 291 Harnack, A. von 19-24, 26, 27 Hartmann, G. 406 Hauck, A. 24 Hauer, J. W. 112, 363 Haupt, A. 43, 44, 46, 384 Haupt, K. 292 Hauschild, W.-D. 34 Heck, E. 301, 337, 384 Hederich, M. 119, 137 Heidegger, M. 404, 406, 407
Heiler, F. 31 Hein, M. 83, 105, 120, 164, 223, 225, 293, 295 Heine, H. 404 Hellwig, W. 383 Henckel, W. 161 Heppe, B. 86, 119, 161, 162, 164166, 223, 253, 347 Heppe, H. 70, 248 Hering, R. 120 Hermelink, H. 61, 259 Herrmann, F.-W. von 406 Hertzberg, H.-W. 142, 263, 279, 282, 283, 380 Hertzberg, P. 381, 382 Herz, J. 263, 380 Heß (Hess), R. 99, 367 Heussi, K. 25, 27-31, 34 Hilbert, G. 68 Hiller, D. 13 Hindenburg, P. von Beneckendorff und von 155 Hirsch, E. 77, 81 Hitler, A. 61, 77, 78, 82, 93, 95, 113, 121, 123, 126, 141, 146, 147, 151, 170, 197, 198, 215, 229, 230, 236, 247, 262-264, 266, 267, 290, 299, 302, 303, 353, 366, 367 Holl, K. 20, 25 Hollstein, H. 67, 85, 86, 132, 347, 348 Hollweg, W. 269 Holtzmann, K. 387 Holz-Plodeck, S. 47 Holze, H. 34 Horst, R. 377 Hossenfelder, J. 58, 69, 92, 101,
102, 106, 181, 183, 348 Huber, W. 383 Hübner, H. 403-408 Hübner, K. 403 Hunzinger, C. 381 Ignatius von Loyola 36 Illgen, F. 47, 384 Iserloh, E. 13 Israel, A. K. 143, 146 Jäger, A. 95, 148, 150, 164, 171, 188, 206, 348, 349 Janssen, K. 381 Jaspert, B. 8, 11, 12, 15, 19, 2426, 28, 31, 32, 34, 35, 41, 61, 119, 225, 263, 305, 387, 389, 394, 396, 398, 402 Jatho, K. 252 Jedin, H. 12, 14, 403 Jenal, G. 36 Jentsch, W. 381 Johannes, Vf. der Apokalypse 407 Johannes XXIII., Papst 392 Johannes Cassian(us)/Jean Cassien 25, 34, 37, 398, 399 Johnsen, H. 272 Jordahl, D. 382 Jordan, H. 12 Jung, H.-G. 305, 382, 383 Jung, W. 380 Kage, R. 175 Kahler, G. 154, 157 Kaiser, J.-Ch. 12, 120, 229, 230 Kaiser, K. J. 90, 92, 93, 95, 113, 188, 295, 348 Kaiser, W. 296
413
Kammer, O. 382 Kammler, J. 193 Kantzenbach, F. W. 35, 36 Karig, W. 282 Karl der Große, Kaiser 25, 26 Katharina von Siena 33 Kaufmann, F. X. 16 Keller, C. H. 131, 132, 135, 140, 143, 149, 158, 159, 187, 190, 191, 193, 244, 252, 351 Kemler, H. 119 Kerner, H. 119 Kerrl, H. 191, 226, 228, 229, 258, 260, 268-273, 275 Keseberg, L. 47 Kierkegaard, S. 78, 80 Kinder, Ch. 149, 173 Kinder, E. 404 Kinzig, W. 13 Kirstein, F. 291 Klee, E. 291 Klein, F. 90, 91 Klein, Th. 119, 160, 191, 192, 205, 209 Klepper, J. 268 Klingler, F. 175, 193, 205, 211, 212, 226, 227, 253, 260, 277, 278, 296, 367, 368, 371 Klüppel, M. 291 Knaak, O. 227, 254, 259, 376 Knak, S. 171 Knowles, D., 36 Koch, Gerhard 291 Koch, Grit 230 Köberle, A. 381 Köhler, W. 136, 146, 159, 161, 187 Kortzfleisch, S. von 237
414
Koschorke, K. 11, 12 Kramm, W. 227, 228 Kramp, W. 381 Krause, R. 100, 183 Krause-Vilmar, D. 68, 193 Kretschmar, G. 84 Kümmel, W. G. 381 Künneth, W. 59, 259 Kuhn, H. 382 Laabs, F. 111, 161, 187 Laag, H. 382 Labahn, M. 407 Lagarde, P. A. de 239 Landau, E. 248 Lang, P. 7 Lange, D. 404 Lange, H. 383 Langmann, O. 171 Lanz, R. 382 Lapide, P. 383 Lassaulx, H. von 403 Leffler, S. 270 Leich, W. 305, 383 Lell, J. 381 Lentini, A. 35 Leppin, V. 13, 29 Lesemann, G. 291 Lexutt, A. 28 Liebert, A. 387 Liebing, H. 99, 281 Lienhard, M. 383 Lilienfeld, F. von 36, 37 Linage Conde, A. 37 Linker, K.-H. 383 Lipphardt, H. 381 Löhe, W. 41 Lometsch, F. 244
Loose, H. N. 33 Lorenz, R. 36, 37 Lotz, W. 289 Lourdaux, W. 401 Ludwig I., der Fromme, Kaiser 26 Ludwig, H. 46, 47, 302 Lüdke, O. 131, 150, 244, 351 Lütgert, W. 387 Luther, M. 20, 28, 57, 66, 68, 72, 100, 106, 130, 184, 270, 271, 281, 282, 344, 366, 383, 403 Mahlert, U. 382 Malkemus, F. 42, 301, 302, 342, 384 Mananzan, M.-J. 395 Manning, E. 26, 35, 393-395, 399 Mantey, V. 28 Marahrens, A. 173, 269, 270, 272, 273 Markschies, Ch., 11, 12, 16 Marx, W. 155 Masai, F. 35, 394-396, 398, 399 Maurenbrecher, M. 77 Maurer, W. 58, 61-67, 69-75, 86, 118, 248, 251, 256, 280-282, 381 May, K. 196 Mayer, E. 382 Meier, K. 59, 60, 150, 228-230, 253, 255, 256, 259, 268-272, 276, 294 Meinhold, P. 11, 41 Meiser, H. 164, 173, 260, 272, 273 Meisiek, H. 383 Menge, W. 119 Mengel, H. 382
Merz, G. 256, 380 Merzyn, G. 86, 133-136, 140, 148, 159, 162, 187, 189, 195, 199-201, 203, 204, 292-294 Meyenschein, R. 77, 146, 150, 176, 178, 179, 184, 186, 191 Meyer, F. 175 Meyer, G. A. W. 88-93, 113, 348 Meyer, O. 241 Mittendorf, H. 304 Moeller, B. 28 Möller, H. 57, 67, 76, 85-87, 162, 343, 346, 348 Möller, R. 67 Mohr, R. 387 Mommsen, H. 266 Moser, H. J. 387 Mosheim, J. L. von 11 Moyse, G. 37 Mühlichen, H. 175 Müller, G. 24, 119, 383 Müller, H. (Kaufmann) 383 Müller, H. (Pfarrer) 129 Müller, L. 77, 80, 83-85, 159, 164, 188, 189, 193, 194, 206209, 348 Müller-Osten, K. 245 Muster, K. 59, 102, 190, 347, 348 Nachama, A. 238 Nagel, P. 30 Nagel, W. 337 Naumann, F. 77, 263, 380 Neubauer, E. 86, 142, 245, 257, 347, 380 Neufville, J. 400 Nicolaisen, C. 84 Niebergall, A. 281, 381
415
Niederwimmer, K. 406 Niemöller, M. 82, 214, 261 Nietzsche, F. 404, 407 Nigg, W. 31-34 Norden, G. van 57 Nowak, K. 12, 63, 119, 291 Oelschläger, U. 76 Oeser, K. 382 Ohlemacher, J. 12 Oppen, D. von 381 Ortmann, V. 28 Otto, W. 93, 97, 126, 172, 195, 202, 203, 210, 212, 319 Oven, W. von 88 Paasche, R. 50 Pachomius/Pachôme 31, 36, 37, 398 Parpert, F. 31 Paulmann, W. 59, 95, 96, 100, 116, 123, 131, 134, 135, 149, 187, 200, 347, 348 Paulus, Apostel 279, 403, 404 Paulus, E. 289, 295-297 Penco, G. 35, 37, 401 Pestalozzi, I. 238 Peterson, E. 30 Petig, S. 47 Petrus, Apostel 21, 370 Pfaff, Ch. M. 11 Pfeifer, M. 35 Pfeiffer, G. 147 Pfeiffer, W. 159 Philemon 407 Philipp, F.-H. 237-239 Philipp von Hessen, der Großmütige, Landgraf 98, 387
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Pillardy, E. 244 Pinggéra, K. 34 Plümacher, E. 12 Podskalsky, G. 12 Pontius Pilatus 183 Prinz, F. 36 Probst, G. 91, 348 Prolingheuer, H. 263 Puzicha, M. 35 Quartier, Th. 38 Rausch, W. 84, 301, 345, 381, 384 Rebentisch, D. 122 Reese, H.-J. 71 Reineccius, R. 12 Reinhardt, H. 141-147, 200, 201, 212, 229 Reitzenstein, R. 30 Rengstorf, K. H. 237 Renner, F. 35 Renner, V. 175 Richter, J. 136, 158, 159 Riehl, O. 174, 175 Ritter, K. B. 57-60, 79, 86, 91, 92, 100-105, 116, 119, 123-125, 127, 138, 142, 144, 160, 165, 189, 283, 347, 380, 381 Röhm, E. 230, 267 Römheld, A. 258, 259 Röttger, E. 244 Rosenberg, A. 112, 141, 171, 215, 259, 273 Rosowski, M. 266 Roth, W. 199, 300, 301, 337, 384 Roy, O. du 401 Rübesam, H. 289, 337
Rühl, A. 281 Salomo, König 406 Saltzmann, Ph. 282 Sardemann, F. 46 Schade, G. 383 Schade, K. Ch. 136, 147 Schäfer, F. 88, 89, 92, 93, 95, 126, 167, 170-174, 190 Schäfer, W. 129, 258, 259 Schairer, I. 77 Schatz, W. 36 Schaub, C. L. G. 36, 44 Scheiba, M. 35 Scheig, K. 195, 210, 213, 227, 245-247, 253, 256, 259, 261, 262, 267, 283, 288, 290, 294296, 380 Schering, E. 24 Scheuner, U. 381 Schillberg, W. 381 Schilling, J. 28 Schimmelpfeng, G. W. 45 Schimmelpfeng, H. 43, 46, 68, 76-79, 91, 92, 97, 105, 114116, 120, 126, 140, 141, 143, 157, 164, 172, 180-183, 201, 202, 205, 210, 214, 226, 228, 244-246, 255, 259, 262, 267, 268, 275, 278-284, 289, 290, 295, 297, 299, 303, 319, 325, 330, 376, 380-382, 384 Schindler, A. 11 Schluckebier, E.-F. 381 Schmerbach, G. 120 Schmidmann, G. 99, 118, 132, 147, 148, 253, 275, 294, 295 Schmidt, H. 88, 93, 96, 106, 118,
120, 126, 132, 141, 143, 157, 164, 172, 201, 202, 205, 210, 214, 226-228, 240, 242, 244, 253, 254, 259, 261, 262, 267, 275, 277, 283, 289, 290, 294, 295, 297-299, 319, 325, 330 Schmidt, K. D. 229, 253, 254 Schnaufer, W. 366 Schneider, H. 120, 253, 281 Schneider, K. 382 Schneider, Th. M. 84 Schneider, U. 119 Schnelle, U. 407 Schoeps, J. H. 238 Schomerus, H. 270 Schoof, W. 165, 166 Schrader, H. 49 Schrader, J. H. 44, 46 Schreiner, H. 275, 276, 380 Schütz, I. 47 Schultz, W. 261 Schulz-Flügel, E. 34 Schulze, J. 175 Schuschnigg, K. von 263 Schwalb, M. 238 Schwarz, R. 383 Schwertner, S. M. 7, 19 Seebaß, O. 25, 28-30 Seeberg, E. 386 Seeberg, R. 386 Seilhac, L. de 395 Semeraro, C. 13 Semmler, J. 401 Seuse, H. 386 Severus, E. von 35 Seyß-Inquart, A. 264 Siebert, H.-M. 128 Siebert, J.-Th. 129
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Slenczka, H. 58, 85, 86, 96, 118, 131, 132, 137-139, 159, 186, 187, 191, 195, 197, 208, 209, 228, 253, 256, 262, 263, 275, 291, 294, 295 Smid, M. 230 Soden, H. Frhr. von 74, 76, 79-82, 99, 119, 126, 141, 142, 161, 162, 192, 194, 205, 208, 209, 211, 215-225, 243, 252, 253, 256, 262-265, 268, 269, 271275, 283, 284, 294, 304, 380 Söding, Th. 407 Sölle, D. 406 Soldan, E. 175 Soldan, W. 48, 175, 384 Spengler, H. 383 Spranger, E. 387 Sprenger, J. 88 Stählin, W. 31 Stahl, M. 120, 289 Stahn, J. 227, 228 Stauda, J. 289 Steffens, M. 136, 199, 201 Stehmann, S. 289 Steinmetz, K. 120, 202, 227, 228, 254, 258, 259, 261, 262, 267, 283, 290 Steinweg, J. 107, 108, 118, 119, 227, 244-245 Steitz, H. 281, 382 Stern, F. 291 Stoecker, A. 109, 230-240, 263, 380 Stöve, E. 12, 14 Storck, St. 14 Strathmann, H. 30 Streicher, J. 146, 238
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Striening, Pfarrer 118, 120, 126, 157, 209, 227 Strippel, K. 261 Stuckart, W. 230 Stuhlfauth, G. 387 Tauler, J. 386 Tersteegen, G. 386 Theys, K. 147, 159, 184, 185, 187-189, 204 Thierfelder, J. 230, 267, 294 Thimme, L. 112 Thomas, Apostel 387 Thormann, H. E. 291 Tilgner, W. 66 Trautwein (Sinsheimer), H. 379 Treitschke, H. von 238 Troeltsch, E. 59 Trost, geb. Happich, M. 228 Turbessi, G. 37 Uckeley, A. 141 Ühlein, H. 7 Uhl, W. 121-123 Umbach, I. 302, 342 Veerhoff, K. H. 93, 94, 136, 147 Velbinger, P. 93, 94, 121, 122, 136 Verhelst, D. 401 Vilmar, Albert 44 Vilmar, August 65, 70, 248, 379 Violante, C. 401 Viralode, B. 395 Vitense, W. 175 Vogüé, A. de 35, 37, 391, 393, 394, 396-402 Volkenand, B. 150, 161, 184, 185,
195, 198, 201, 203, 204, 211, 214, 228, 253-255, 259, 261 Vollnhals, C. 298 Voolen, E. van 238 Vowe, E. 382 Wagner, R. 404 Wagner, W. 302, 382 Wahl, Th. 360, 362 Walther, A. 295 Walther, H. 129 Wandregiselus/Wandrille 397 Warnecke, W. 368 Warnke, Ch. 382 Wartenberg, G. 13 Waßmann, D. 120, 131, 132, 136, 137, 241, 243 Weakland, R. 392, 393 Weber, H.-D. 34 Weber, W. 381 Weichert, L. 68 Weigel, V. 386 Weingarten, H. 19 Weinrich, K. 120-123, 127, 143, 151, 154, 195, 197-203 Wenschkewitz, L. 271 Wepler, A. 295, 346 Wepler, H. 55, 57-62, 67, 75-77, 79, 81, 84-89, 91-93, 95-100, 102-106, 113, 115, 118, 120123, 126-129, 131-143, 146, 149, 151, 153, 154, 157-160, 164-168, 170-176, 178-180, 184, 186-191, 194, 195, 197199, 201-205, 209, 210, 212, 215, 216, 226-234, 239, 242, 245, 248, 249, 252-254, 262, 264, 267, 269, 275-277, 282-
284, 289-298, 319, 325, 330, 345-348, 368, 373, 375 Wepler, W. 346 Werner, F. 348 Wessel, F. 128 Wessel, H. 171 Wessel, L. 248 Wessendorft, K. 380 Wichern, J. H. 41, 107, 263, 380 Widmann, R. 88 Wieneke, F. 58-61, 65, 70, 77-79 Wild, K. von 382 Wilhelm II., Kaiser 120, 232, 233 Wilhelm II., König 365 Wilkens, E. 381 Windel, H. 245, 246, 380 Wirth, H. 112 Wittekindt, W. 45, 46 Wolf, E. 83 Wolff, W. 84, 129, 259 Wolter, M. 119 Wüstemann, A. 120, 199, 227, 242, 245, 254, 258, 259, 261, 262, 283, 289, 290, 294-297, 380 Wurm, Th. 164, 173, 260, 269, 272, 273, 294 Zacharias, Papst 25 Zeller, P. 385 Zeller, W. 12, 24, 281, 385-390 Zelzer, K. 26, 35 Zelzer, M. 35 Zentgraf, M. 47 Ziegert, R. 63 Ziegler, Th. 58, 86, 91, 92, 96, 100, 118, 120, 121, 132, 133, 138, 139, 143, 147, 157-159,
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164, 172, 194, 195, 202, 203, 210, 212, 347, 348 Ziegler, W. 177 Zoellner, W. 70, 255
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