»Fight for Americanism« - Preparedness-Bewegung und zivile Mobilisierung in den USA 1914-1920 9783839455210

Als in Europa der Erste Weltkrieg ausbrach, fürchteten viele Amerikaner um die Souveränität der USA. Unter der Parole »P

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German Pages 322 Year 2021

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Table of contents :
Inhalt
Danksagung
1 Einleitung
2 Prolog: Die historischen Ursprünge von Preparedness
3 »A Moral Equivalent For War« – Preparedness während der Neutralitätsperiode
4 »The Awakening of America Has Created a National Soul« – Preparedness in Kriegszeiten
5 »The Integrity of Our Country Depends on the Homogeneity of its Citizens« – Preparedness während der Red Scare
6 Epilog: Preparedness in der Zwischenkriegszeit
7 Schlussbetrachtungen: Ein Rückblick auf Preparedness
Abkürzungsverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis
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»Fight for Americanism« - Preparedness-Bewegung und zivile Mobilisierung in den USA 1914-1920
 9783839455210

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Manuel Franz »Fight for Americanism« – Preparedness-Bewegung und zivile Mobilisierung in den USA 1914-1920

Histoire  | Band 186

Manuel Franz, geb. 1989, war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Universität Heidelberg. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte und Politik der USA.

Manuel Franz

»Fight for Americanism« – Preparedness-Bewegung und zivile Mobilisierung in den USA 1914-1920

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2021 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagcredit: Harris & Ewing, photographer. PREPAREDNESS PARADE. United States, Washington D.C., 1916. https://www.loc.gov/item/2016867000/. Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-5521-6 PDF-ISBN 978-3-8394-5521-0 https://doi.org/10.14361/9783839455210 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download

Inhalt

Danksagung ........................................................................ 9 1 1.1 1.2 1.3

1.4

Einleitung..................................................................... 11 Erkenntnisinteresse, Methodik und Aufbau der Arbeit ...........................13 Quellenlage................................................................... 23 Forschungsstand ............................................................. 25 1.3.1 Die USA und der Erste Weltkrieg........................................ 26 1.3.2 Preparedness-Bewegung und Preparedness-Organisationen ............ 28 1.3.3 Die ideengeschichtlichen Grundlagen von Preparedness ................ 36 Kernthesen und wissenschaftliche Relevanz der Arbeit ........................ 44

Prolog: Die historischen Ursprünge von Preparedness ....................... 49 Die amerikanische Sicherheitspolitik am Vorabend des Ersten Weltkriegs (1898-1914) ................................ 49 2.2 Die Entstehung der Preparedness-Bewegung (Herbst 1914) ..................... 58 2 2.1

3

»A Moral Equivalent For War« – Preparedness während der Neutralitätsperiode ............................................. 71 3.1 Formierung und Spaltung: Die Genese ziviler Preparedness-Organisationen (Winter 1914/15 – Sommer 1915) ................................................. 71 3.1.1 Die Gründung der National Security League............................. 72 3.1.2 Der Lusitania-Effekt ................................................... 79 3.1.3 Die Sezession der American Defense Society ........................... 87 3.1.4 Das große Preparedness-Schisma....................................... 91 3.2 Mobilisierung und Radikalisierung: Der Streit um die Militärgesetzgebung (Sommer 1915 – Sommer 1916) ................................................. 96 3.2.1 Die Preparedness-Pläne der Wilson-Administration ..................... 97 3.2.2 Widerstand im Kongress und Druck der Straße ........................ 105

3.2.3 Heeresreform und Flottenprogramm von 1916 ........................... 110 3.2.4 Preparedness als nationalistisches Integrationsprojekt ................ 115 3.3 Friktion und Protest: Vom Wahlkampf zum Kriegseintritt (Sommer 1916 – Frühling 1917)................................................. 128 3.3.1 Preparedness im Präsidentschaftswahlkampf 1916 ..................... 129 3.3.2 Der ›Kongress für Konstruktiven Patriotismus‹ ........................ 134 3.3.3 Das Ende der amerikanischen Neutralität .............................. 141 4

»The Awakening of America Has Created a National Soul« – Preparedness in Kriegszeiten.............................................................. 149 4.1 Kontinuität und Transformation: Die Mobilisierung der amerikanischen Zivilgesellschaft (Frühling 1917 – Frühling 1918) ........... 149 4.1.1 Die amerikanische Mobilisierung und der Bedeutungswandel von Preparedness ..................................................... 151 4.1.2 Zwischen Loyalität und Opposition .................................... 158 4.1.3 Bildungsarbeit und Vigilantismus ..................................... 164 4.1.4 Der Feind im Innern................................................... 173 4.2 Hybris und Kontroverse: Das letzte Kriegsjahr (Frühling 1918 – Winter 1918/19) ............................................... 183 4.2.1 Personalquerelen und Skandale ....................................... 183 4.2.2 Intervention in den Kongresswahlkampf 1918 .......................... 194 4.2.3 Kriegsziele und Kriegsende ........................................... 203 5

»The Integrity of Our Country Depends on the Homogeneity of its Citizens« – Preparedness während der Red Scare...................................... 211 5.1 Verlust und Übergang: Neuaufstellung nach dem Kriegsende (Winter 1918/19) ... 211 5.1.1 Neue Ziele und alte Visionen ...........................................212 5.1.2 Der Tod Theodore Roosevelts ......................................... 218 5.2 Eskalation und Entfremdung: Krisenrhetorik in Friedenszeiten (Winter 1918/19 – Herbst 1920) ................................................ 224 5.2.1 Kontroverse um den Völkerbund....................................... 225 5.2.2 Amerikanismus und Antikommunismus ............................... 235 5.2.3 Amerikanismus und Nativismus ...................................... 245 5.2.4 Preparedness im Präsidentschaftswahlkampf 1920 .................... 255 6 6.1

Epilog: Preparedness in der Zwischenkriegszeit ............................ 265 Rückkehr zur Normalität und Niedergang der Preparedness-Bewegung (1921-1929) ..................................... 265

6.2 Von der Großen Depression zum Zweiten Weltkrieg (1929-1941)................. 277 7

Schlussbetrachtungen: Ein Rückblick auf Preparedness .................... 285

Abkürzungsverzeichnis........................................................... 299 Quellen- und Literaturverzeichnis ................................................ 301 Quellenverzeichnis ................................................................ 301 Literaturverzeichnis .............................................................. 307

Danksagung

Das vorliegende Werk entspricht in weiten Teilen der Dissertation, die ich im November 2019 an der Philosophischen Fakultät der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg eingereicht und im April 2020 verteidigt habe. Der erfolgreiche Abschluss meines Promotionsprojekts war nur dank der großen Unterstützung möglich, die ich in den vergangenen Jahren erfahren habe und für die ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte. Besonderer Dank gilt meinem geschätzten Doktorvater Manfred Berg, der die Dissertation von Anfang bis Ende begleitet und mir stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat. Während er als Betreuer immer ein offenes Ohr für mich hatte, ließ er mir als Vorgesetzter am Historischen Seminar den nötigen Freiraum für meine Forschung. Ohne Professor Bergs exzellente Betreuung wäre das Projekt wohl niemals realisiert worden. Dank geht ebenfalls an Tanja Penter für die Übernahme der Zweitbegutachtung der Dissertation. Auch meinen Hochschullehrern während des Geschichtsstudiums an der Universität Kiel bin ich nach wie vor dankbar. Dies gilt insbesondere für Volker Seresse, dessen engagierte Betreuung meiner Masterarbeit einen wichtigen Grundstein für meine spätere Promotion legte. Meine Forschung in Heidelberg ist stark von der anregenden intellektuellen Atmosphäre inspiriert worden, die das Historische Seminar und das Heidelberg Center for American Studies auszeichnet. Neben den institutionalisierten Formaten des akademischen Austauschs (Konferenzen, Kolloquien, Vorträge etc.) werden mir vor allem die informellen Gesprächsrunden beim Mittagessen in positiver Erinnerung bleiben. Nirgendwo debattiert es sich besser als im »charmanten« Ambiente der legendären Triplex-Mensa! Hier wurden zahlreiche freundschaftliche Kontakte geknüpft, die das eine oder andere Motivationstief während meiner Doktorandenzeit zu überwinden halfen. Bessere Kolleginnen und Kollegen kann sich kein Historiker wünschen.

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»Fight for Americanism«

Als besonders glückliche Fügung des Schicksals (beziehungsweise Manfred Bergs) erwies es sich, nach meiner Einstellung als Wissenschaftlicher Mitarbeiter das Büro mit Lara Track zu teilen. Sie wurde schon bald zu meiner wichtigsten Ratgeberin in allen akademischen (und den meisten nichtakademischen) Lebenslagen. Gemeinsam haben wir die Höhen und Tiefen des Universitätsbetriebs immer gut gemeistert. Entscheidenden Anteil daran, dass ich jeden Morgen gern ins Büro gegangen bin, hatte auch Georg Wolff, der es mit seinem hintergründigen Humor stets verstand, uns zum Lachen zu bringen. Ihnen sowie dem gesamten Team des Curt-Engelhorn-Lehrstuhls danke ich für die ausgesprochen angenehme Arbeitsatmosphäre. Die Quellenrecherche für die vorliegende Arbeit erfolgte im Rahmen eines sechsmonatigen Forschungsaufenthalts in den USA, den ich im Sommersemester 2016 absolviert habe. In diesem Zeitraum habe ich zahlreiche Archive (unter anderem die Library of Congress und die New-York Historical Society) besucht, deren Mitarbeitern ich für die Unterstützung bei der Recherche dankbar bin. Unterstützung habe ich in diesem Zeitraum zudem durch Adam Tooze und das History Department der Columbia University erfahren, die mich als Gastwissenschaftler an ihrer Institution willkommen hießen. Für die Finanzierung meines Forschungsaufenthalts in den USA bin ich dem Deutschen Historischen Institut in Washington und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst zu Dank verpflichtet. Gleiches gilt für den Schurman-Verein für Amerikanische Geschichte, durch dessen Stipendium ich 2015/16 die ersten Monate meines Promotionsstudiums bestreiten konnte. Für die unschätzbare Hilfe bei der Formatierung meines Dissertationstextes bin ich meiner Schwester Sarah Franz sehr dankbar. Besondere Verdienste um inhaltliches Feedback und orthografische Korrektur haben sich neben Sarah Franz auch Georg Wolff und Hanna Swartzendruber erworben. Gewidmet ist diese Arbeit den besten Eltern der Welt: Astrid und Rüdiger Franz.

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Einleitung

Der 15. April 1916 fiel auf einen Samstag. Am Abend waren viele Bürger von Washington, DC, noch auf den Beinen, um über die National Mall zu flanieren oder ein Theater zu besuchen. Als die Sonne gegen 19.45 Uhr unterging, tauchte plötzlich ein Flugzeug am Himmel auf. Der Doppeldecker war in der anbrechenden Dämmerung unerkannt in den Luftraum über der Hauptstadt eingedrungen und hatte Kurs auf das Regierungsviertel im Südwesten genommen. Auf Höhe des Washington Monument angekommen, begann der Pilot mit der Bombardierung. In den kommenden 20 Minuten erschütterten mehr als 300 laute Explosionen die Stadt. Die Bevölkerung wurde völlig unvorbereitet getroffen. Viele Bürger blickten verängstigt in den Himmel oder riefen die Polizei; auf der vielbefahrenen Pennsylvania Avenue kam der Verkehr zum Erliegen. Von dem Tohuwabohu aufgeschreckt, eilte selbst der Präsident der Vereinigten Staaten auf den Südbalkon des Weißen Hauses. Auch die Washingtoner Sicherheitskräfte wirkten völlig überfordert. Die örtliche Marinegarnison versuchte das Flugzeug mit Suchscheinwerfern zu orten, musste aber tatenlos zusehen, wie der Pilot sein Werk verrichtete und im Anschluss unbehelligt davonflog.1 Zur Erleichterung der Washingtoner Bevölkerung stellte sich rasch heraus, dass man nicht Ziel eines feindlichen Luftangriffs, sondern einer spektakulären PR-Aktion geworden war. Statt echter Bomben hatte der Pilot Feuerwerkskörper über der Hauptstadt abgeworfen, die in 300 Metern Höhe geräuschvoll verglüht waren, ohne tatsächlichen Schaden anzurichten. Am nächsten Morgen konnten die Bürger die Hintergründe der Tat in der Zeitung nachlesen. In einem ›Bekennerschreiben‹ offenbarte der 26-jährige Pilot

1

Vgl. Aero »Bombs« Capitol. Realistic Demonstration Staged by Security League, in: The Washington Post, 16. April 1916.

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»Fight for Americanism«

DeLloyd Thompson, dass er den Bombenangriff simuliert habe, um die politischen Amtsträger in Washington auf die Schwächen der amerikanischen Luftabwehr aufmerksam zu machen. Ein Flieger in feindlicher Absicht, so Thompson, hätte das Weiße Haus und das Kapitol dem Erdboden gleichmachen können. Er dagegen habe der Nation eine »Lektion in Preparedness«2 erteilen wollen. Mit diesen Worten gab sich Thompson als Anhänger des Preparedness Movement zu erkennen – einer sozialen Bewegung3 , die sich zum Ziel gesetzt hatte, die amerikanische Gesellschaft für Fragen der nationalen Sicherheit4 zu sensibilisieren. Das im Herbst 1914 vor dem Hintergrund des Kriegsausbruchs in Europa entstandene Preparedness Movement prangerte vehement die militärischen Defizite der USA an. Die Anhänger der Bewegung waren der Auffassung, dass die Vereinigten Staaten unzureichend gewappnet seien, um sich der mannigfaltigen Gefahren einer zunehmend unsicheren Welt zu erwehren. Zentrale Forderungen des Movement waren eine massive Aufrüstung von Heer und Flotte, die Einführung der Wehrpflicht in Friedenszeiten sowie Maßnahmen zur Koordinierung der Rüstungsindustrie. Tatsächlich hatte der ›Europäische Krieg‹, wie der Erste Weltkrieg während der zweiunddreißig Monate der amerikanischen Neutralität gemeinhin genannt wurde, bei vielen US-Bürgern tiefe Besorgnis hervorgerufen. Wurden Fragen der nationalen Sicherheit zuvor allenfalls in den Expertenzirkeln der militärisch-politischen Eliten diskutiert,

2 3

4

Aviator Drops »Bombs« Over Washington; »Preparedness Lesson,« He Tells The Times, in: The New York Times, 16. April 1916. Der Begriff der sozialen Bewegung ist im allgemeinen Sprachgebrauch stark normativ geprägt und wird heute vor allem mit progressiv-emanzipatorischen Anliegen assoziiert; vgl. Guidry, John A.: Social Movements, in: Hawkesworth, Mary/Kogan, Maurice (Hg.): Encyclopedia of Government and Politics, Vol. 1, 2. Aufl., London/New York 2004, S. 616-627, hier: S. 622. Demgegenüber geht diese Arbeit von einer technisch-akteurszentrierten Definition des Begriffs aus: Soziale Bewegungen sind demnach »auf gewisse Dauer gestellte Versuche von netzwerkförmig verbundenen Gruppen und Organisationen, sozialen Wandel durch Protest herbeizuführen, zu verhindern oder rückgängig zu machen«; Rucht, Dieter: Art. »Soziale Bewegungen«, in: Nohlen, Dieter/Grotz, Florian (Hg.): Kleines Lexikon der Politik, 6. Aufl., Bonn 2015, S. 594-597. Die kaum als emanzipatorisch zu bezeichnenden Anliegen des Preparedness Movement sprechen seiner Klassifizierung als soziale Bewegung insofern nicht entgegen. Für einen begriffsgeschichtlichen Überblick über die zeitgenössische Verwendung des Ausdrucks ›nationale Sicherheit‹ vgl. Shulman, Mark R.: The Progressive Era Origins of the National Security Act, in: Dickinson Law Review 104 (2000), S. 289-330, hier: S. 290293.

1. Einleitung

hatten die verheerenden Entwicklungen in der Alten Welt dem Thema drängende Relevanz verliehen: Was, wenn die USA in den europäischen Konflikt hineingezogen werden sollten? Wäre man ausreichend gerüstet, um gegen eine ernst zu nehmende Militärmacht zu bestehen? Und wie würde Amerikas heterogene Einwanderungsgesellschaft auf die Herausforderungen einer umfassenden Mobilisierung reagieren? Erstmals seit langem traten sicherheitspolitische Fragen wieder ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit. Das Schlagwort Preparedness wurde in dieser gesellschaftlichen Debatte zur Parole all jener, die sich für eine umfassende Stärkung der amerikanischen Verteidigungsfähigkeit einsetzten. Der Bewegung gelang es rasch, organisatorische Schlagkraft zu entwickeln. So war DeLloyd Thompsons vermeintlicher Luftangriff auf Washington keineswegs die übermütige Idee eines einzelnen Preparedness-Enthusiasten, sondern Teil einer größeren Kampagne. Logistisch und finanziell unterstützt wurde die Aktion des Piloten von der National Security League (NSL) – Amerikas führender Lobbyorganisation für Preparedness.5 Die NSL und eine Reihe ähnlich gesinnter Gruppierungen hatten sich der Öffentlichkeitsarbeit verschrieben, um die Ideen des Movement in der amerikanischen Bevölkerung zu popularisieren. Die Geschichte dieser zivilen PreparednessOrganisationen steht im Zentrum der vorliegenden Studie.

1.1

Erkenntnisinteresse, Methodik und Aufbau der Arbeit »I desire […] to express […] my belief that the movement, in which you are engaged, is one of the really vital movements – indeed at the moment it is I think the really vital movement – for the ultimate honor and welfare of this country.«6

Dieses Zitat ist einem Brief entnommen, den Theodore Roosevelt im Januar 1917 an S. Stanwood Menken, den Gründer und Vorsitzenden der NSL, schrieb. Wenige Monate vor dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg brachte der ehemalige US-Präsident zum Ausdruck, wie sehr er die öffentlichkeitswirksame Kampagne der Preparedness-Organisation zu schätzen wusste. 5 6

Vgl. Aero »Bombs« Capitol, in: The Washington Post, 16. April 1916. Theodore Roosevelt an S. Stanwood Menken (10. Januar 1917), in: Morison, Elting E. (Hg.): The Letters of Theodore Roosevelt, Bd. 8, Cambridge 1954, S. 1143.

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»Fight for Americanism«

Obwohl sich sowohl Roosevelt als auch Menken für Preparedness engagierten, repräsentierten Verfasser und Adressat des Briefes doch zwei unterschiedliche Teile der Bewegung: die staatlich-institutionelle und die nichtstaatlich-zivile ›Säule‹. Diese Differenzierung in der Struktur des Preparedness Movement ist analytisch von entscheidender Bedeutung, agierten beide Akteursgruppen doch unter divergierenden Voraussetzungen. Als Kriegsheld und ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten stand der bestens vernetzte Roosevelt exemplarisch für den Zweig des Preparedness Movement, der im Spannungsfeld zwischen Politik, Verwaltung und Militär wirkte. Die hier aktiven Akteure sahen sich einer Reihe von strukturell-institutionellen Zwängen ausgesetzt, die ihren Einsatz für die Bewegung deutlich beeinflussten. So mussten Politiker, die für Preparedness eintraten, unter Opportunitätsgesichtspunkten stets die Interessenlage ihrer Partei und ihrer Wählerschaft berücksichtigen. Gleichzeitig haftete ihrem Engagement in der zeitgenössischen Wahrnehmung der Makel der Parteilichkeit an. Wenn etwa Theodore Roosevelt im Herbst 1914 lautstark eine grundlegende Neuausrichtung der US-Sicherheitspolitik forderte, tat er dies wirklich vor dem Hintergrund seiner militärischen Expertise oder nicht vielmehr in der Absicht, die regierenden Demokraten bei den bevorstehenden Kongresswahlen zu schwächen? Anhänger der Bewegung, die innerhalb der Verwaltung arbeiteten, waren wiederum anderen Einschränkungen unterworfen: Als weisungsgebundene Angehörige einer Behörde – etwa des Kriegs- oder Marineministeriums – wurde ihr Spielraum von den politischen Vorgaben des amtierenden Präsidenten und seiner Minister begrenzt. Sie konnten ihre Institutionen daher nicht einfach nach Gutdünken auf Preparedness-Kurs bringen. Gleiches galt für die Mitglieder der Militärführung, die für Preparedness eintraten. Von amerikanischen Offizieren wurde gemeinhin erwartet, dass sie sich aus politischen Debatten heraushielten und sich dem Primat der zivilen Staatsführung unterordneten. Würden sie als allzu eigensinnig wahrgenommen, so konnte dies ihrem Anliegen – und ihren Karrieren – massiv schaden. Sowohl die Akteure innerhalb des Verwaltungsapparats als auch jene innerhalb des Militärs hatten insofern einen Anreiz, sich diskret für die Ziele des Preparedness Movement einzusetzen. Für das Engagement des zivilen Teils der Bewegung galten derartige Einschränkungen nicht. Im Gegenteil: Stanwood Menken hatte die National Se-

1. Einleitung

curity League explizit als nichtstaatliche Organisation gegründet,7 um die Zivilgesellschaft8 für Preparedness zu mobilisieren. Menkens ziviler Status als ›Privatmann‹ – er war ein erfolgreicher New Yorker Anwalt – gab ihm die nötige Glaubwürdigkeit, die NSL als unabhängige Organisation zu präsentieren, die weder von parteipolitischen Erwägungen noch von institutionellen Partikularinteressen geleitet wurde. Der zivile Hintergrund der NSL und anderer Preparedness-Lobbygruppen, die zusammengenommen die nichtstaatliche Säule des Movement konstituierten, ließ ihnen eine Schlüsselrolle innerhalb der Gesamtbewegung zukommen. Schließlich war es in der öffentlichen Debatte um Preparedness wesentlich einfacher, Männern wie Roosevelt unlautere Absichten zu unterstellen, als dies bei Organisationen zu tun, die mit einiger Berechtigung den Anspruch erheben konnten, als Sprachrohr zehntausender Bürger zu dienen, die in patriotischer Sorge um ihr Land waren. Wie noch herausgearbeitet wird, ging der ursprüngliche Impetus der Preparedness-Kampagne zwar auf einen kleinen Kreis von Militärreformern zurück, die ihre sicherheitspolitischen Ziele im Kontext der staatlichen Institutionen entwickelten, in denen sie führende Positionen bekleideten. Dennoch war es letztlich die wachsende Unterstützung aus der Bevölkerung, die das Elitenprojekt Preparedness zur Jahreswende 1914/15 in eine soziale Bewegung mit breitem öffentlichem Rückhalt transformierte.9 Erst die 7

8

9

Heute würde sich eine Organisation wie die National Security League wohl selbst als NGO (»non-governmental organization«) bezeichnen; im frühen 20. Jahrhundert war der Begriff jedoch noch nicht etabliert. Zum NGO-Begriff siehe Nohlen, Dieter: Art. »NGO«, in: Nohlen, Dieter/Schultze, Rainer: Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe, 4. Aufl., München 2010, S. 657-659. Der Begriff der Zivilgesellschaft hat zahlreiche Bedeutungsebenen und ist in den letzten Jahrzehnten vor allem von den Neuen Sozialen Bewegungen positiv besetzt worden. Demgegenüber geht diese Arbeit von einer wertfreien, akteurszentrierten Definition von Zivilgesellschaft aus: Die Zivilgesellschaft umfasst in diesem Sinn »konkret handelnden Personen und Organisationen […], die selbstorganisiert tätig werden. Dies geschieht nicht in traditionellen Familienstrukturen und auch nicht im Rahmen von privatwirtschaftlichen Unternehmen oder staatlichen Behörden, sondern primär in einem gesellschaftlichen Bereich jenseits von Markt, Staat und Privatsphäre und damit in Kontext von Vereinen, Verbänden, Stiftungen, Netzwerken, informellen Zirkeln, sozialen Beziehungen und Bewegungen sowie Nichtregierungsorganisationen (NGOs)«; Zimmer, Annette: Die verschiedenen Dimensionen von Zivilgesellschaft, unter: Bundeszentrale für Politische Bildung, URL https://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/138713/dimensionen (Zugriff am 18. 07.2019). Vgl. Pearlman, Michael: To Make Democracy Safe for America. Patricians and Preparedness in the Progressive Era, Urbana/Chicago 1984, S. 44.

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»Fight for Americanism«

Abbildung 1: Die zwei Säulen des Preparedness Movement

Herausbildung seiner zivilen Säule gab dem Movement eine komplementäre Struktur, die sich als ausreichend tragfähig erwies, den Kampf um die Deutungshoheit in der amerikanischen Sicherheitspolitik aufzunehmen. Während beide Teile der Gesamtbewegung konstitutiv für die wachsende Bedeutung von Preparedness waren, wirkten sie doch auf unterschiedliche Art und Weise für die Ziele der Bewegung. Innerhalb der staatlich-institutionellen Säule kam Politikern in der Regel eine Vorreiterrolle zu, indem sie etwa mit pointierten Wortmeldungen für landesweite Schlagzeilen im Sinne des Movement sorgten oder ihre Wahl in ein Amt als öffentliches Mandat für Preparedness deuteten. Diejenigen unter ihnen, die in bestimmten Legislativoder Exekutivfunktionen direkten Einfluss auf die US-Sicherheitspolitik nehmen konnten, bemühten sich zudem nach Kräften, konkrete PreparednessMaßnahmen zu implementieren. Administrativ unterstützt wurden sie dabei von gleichgesinnten Männern des Verwaltungsapparats, die bereitwillig ihren Sachverstand zur Verfügung stellten. Mitglieder der Militärführung wiederum nahmen in der öffentlichen Debatte häufig die Rolle von ›Kronzeugen‹ ein, deren fachliche Expertise und betont neutrale Rationalität den Forderungen des Movement zusätzliches Gewicht verleihen sollten. Die nichtstaatlich-zivilen Akteure, die numerisch den weitaus größeren Teil der Gesamtbewegung stellten, hatten demgegenüber vor allem eine zentrale Handlungsmaxime: Ih-

1. Einleitung

re PR-Kampagne war darauf ausgelegt, die Öffentlichkeit von Preparedness zu überzeugen. Angesichts der Funktionsmechanismen der amerikanischen Demokratie waren sie überzeugt, dass die Mobilisierung der Bevölkerung unabdingbar sei, um eine sicherheitspolitische Wende herbeizuführen. Die bisherige Forschung hat die beschriebene Zweiteilung des Preparedness Movement in eine staatlich-institutionelle und eine nichtstaatlich-zivile Säule kaum reflektiert.10 Wie noch eingehend erläutert wird, haben geschichtswissenschaftliche Untersuchungen vor allem Einzelpersonen aus Politik, Verwaltung und Militär in den Mittelpunkt ihrer Analyse gestellt und aus deren Wirken die Prämissen der Gesamtbewegung extrapoliert. Die PRAktivitäten ziviler Akteure wurden in einer Reihe von Studien zwar erwähnt, aber als eher periphere Begleiterscheinung der Preparedness-Kampagne skizziert. Dabei ist die Schlüsselrolle von nichtstaatlichen Lobbyorganisationen als wichtigen Trägern und Ideengebern der Bewegung weitgehend unberücksichtigt geblieben. Die vorliegende Studie zielt darauf ab, dieses Forschungsdesiderat zu beheben, indem sie die Geschichte des zivilen Engagements für Preparedness ins Zentrum ihres Erkenntnisinteresses rückt. Wie lässt sich diesem Erkenntnisinteresse im Rahmen einer geschichtswissenschaftlichen Untersuchung auf methodisch fundierte Weise nachgehen? Für den analytischen Zugriff muss innerhalb der nichtstaatlichen Säule der Bewegung zunächst zwischen zwei Untergruppen von Akteuren differenziert werden, die dem zivilen Engagement des Movement organisatorische Struktur verliehen: genuinen Preparedness-Organisationen und sonstigen ›patriotischen‹ Organisationen. Preparedness-Organisationen – die englischen Begriffe »Preparedness Society« und »Defense Society« werden in den Quellen synonym verwendet – waren zivile Organisationen, deren Formierung in direktem kausalem Zusammenhang mit der amerikanischen Perzeption des ›Europäischen Krieges‹ standen. Vor dem Hintergrund der bedrohlichen Weltlage war die Sorge um die Defizite der amerikanischen Sicherheitspolitik sowie das Bekenntnis zu Preparedness als geeigneter Gegenmaßnahme die explizite Gründungsmotivation der betreffenden Vereinigungen. Preparedness-Organisationen

10

Eine Ausnahme stellt John Chambers Monografie über die Einführung der Wehrpflicht in den USA dar. Chambers äußert sich zwar nur knapp zur Struktur des Preparedness Movement, kommt aber zu der Erkenntnis, dass dessen ziviler Teil zentral für das Verständnis der Gesamtbewegung sei; vgl. Chambers, John W.: To Raise an Army. The Draft Comes to Modern America, New York/London 1987, S. 80.

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»Fight for Americanism«

im Sinne dieser Definition11 waren mithin nichtstaatlich-zivile Lobbyvereinigungen, die während der amerikanischen Neutralitätsphase gegründet wurden und deren Agenda – zumindest in der Außendarstellung – einen primär sicherheitspolitischen Bezug hatte. Neben den genuinen Preparedness-Organisationen gab es zahlreiche weitere Gruppierungen, die sich – zumindest zeitweise – zu den Zielen der Bewegung bekannten. Diese heterogene Gruppe von nichtstaatlichen Organisationen, die von Zeitgenossen meist unter dem englischen Überbegriff der »Patriotic Societies« subsumiert wurden, waren bereits vor 1914 gegründet worden und nahmen vor dem Hintergrund des Krieges Preparedness zeitweise in ihre Programmatik auf.12 Als Interessenvertretungen einer Vielzahl von unterschiedlichen gesellschaftlichen Anliegen hatte nur ein Teil dieser Organisationen einen explizit sicherheitspolitischen Schwerpunkt. So waren hier einerseits ältere, militärnahe Lobbyvereinigungen wie beispielsweise die Navy League oder die Army League vertreten. Andererseits setzten sich aber auch so unterschiedliche Gruppierungen wie die Pfadfinderorganisation Boy Scouts, die Frauenorganisation Daughters of the American Revolution oder der Fliegerclub Aeronautic Society für Preparedness ein. Das Engagement für die zeitweise sehr populäre Bewegung war während des Ersten Weltkriegs Teil ihres gemeinnützig-patriotischen Selbstverständnisses; aus Opportunitätsgründen ließen sie das Preparedness-Leitmotiv nach Kriegsende aber auch rasch wieder fallen. Ihr Einfluss auf die Bewegung blieb insgesamt begrenzt. Gleiches gilt für die kurzlebigen Vigilantismus-Organisationen wie etwa die American Protective League,13 die vor allem während der anderthalb Jahre 11

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In der Literatur wird der Begriff der Preparedness-Organisation (»Preparedness Society« oder »Defense Society« im Englischen) bisweilen weiter gefasst, sodass er einen Teil der hier als ›sonstige patriotische Organisationen‹ bezeichneten Gruppierungen einschließt; vgl. beispielsweise Doenecke D., Justus: Nothing Less Than War. A New History of America’s Entry Into World War I, Lexington 2011, S. 360-361. Entgegen der unscharfen Verwendung des Begriffs in Teilen der Forschung werden in der vorliegenden Arbeit nur solche Gruppierungen als Preparedness-Organisationen bezeichnet, die der hier aufgestellten Definition entsprechen. Der Briefkopf des National Committee of Patriotic and Defense Societies, das als Koordinierungsinstanz einen Großteil der im zivilen Zweig der Bewegung aktiven Gruppierungen unter seinem Dach vereinte, listete im März 1917 mehr als 40 Organisationen auf, die sich für Preparedness engagierten; vgl. George W. Pepper an Leonard Wood (16. März 1917), in: Leonard Wood Papers, Manuscript Division, Library of Congress, Washington DC, Box 102. Zum Vigilantismus vgl. Kap. 4.1.3 dieser Arbeit.

1. Einleitung

der US-Kriegsbeteiligung aktiv waren und sich partiell an der PreparednessKampagne beteiligten. Letztendlich waren es die genuinen Preparedness-Organisationen, die den zivilen Teil des Movement prägten. Als allein den Zielen der Bewegung verpflichtete Organisationen verfügten sie über den nötigen Handlungsspielraum, um ihre Idealvorstellungen von Preparedness ungefiltert zu propagieren. In der Wahrnehmung der Zeitgenossen wurden sie so zum wichtigsten Sprachrohr des Movement im öffentlichen Raum. Als prägende Akteure der nichtstaatlichen Säule der Bewegung sind Preparedness-Organisationen der zentrale Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. Konkret liegt der Fokus der Studie auf der Untersuchung zweier exemplarischer Preparedness-Organisationen: der bereits erwähnten National Security League sowie der American Defense Society (ADS). Als bundesweit aktivste und mitgliederstärkste Gruppierungen stellten sie die beiden wichtigsten Einzelorganisationen innerhalb des Movement dar.14 Beide prägten die sicherheitspolitische Diskussion innerhalb der Bevölkerung und generierten einen Großteil der öffentlichen Aufmerksamkeit für die Bewegung. Zwar gab es neben NSL und ADS auch eine Reihe von kleineren Preparedness-Organisationen; diese hatten aber Schwierigkeiten, mit ihren Botschaften gegen die beiden Großorganisationen durchzudringen. Angesichts ihres begrenzten Einflusses werden die kleineren Preparedness-Organisationen in der Untersuchung nur partiell beleuchtet. Demgegenüber ist die Betrachtung von NSL und ADS systematisch angelegt. Der exemplarische Charakter beider Gruppierungen ermöglicht es, den historischen Untersuchungsgegenstand ›Preparedness-Organisation‹ analytisch greifbar zu machen. Arbeitsprämisse der Studie ist es, die Strukturen, Aktivitäten und Programmatiken von NSL und ADS herauszuarbeiten, um deren Bemühungen, die Zivilgesellschaft für Preparedness zu mobilisieren, historische Kontur zu verleihen. Dieser in der Forschung bisher kaum vorgenommene Wechsel der analytischen Perspektive – weg von den Einzelakteuren in staatlichen Institutionen und hin zu den nichtstaatlichen Kollektivakteuren – eröffnet einen neuartigen Blickwinkel auf das Preparedness Movement. Anders als in älteren Studien werden nicht einfach die Prämissen einzelner institutioneller Akteure mit denen der Gesamtbewegung gleichgesetzt. Stattdessen basiert die

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Vgl. Spiro, Jonathan P.: Patrician Racist. The Evolution of Madison Grant, Diss., University of California Berkeley 2000, S. 381.

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20

»Fight for Americanism«

Arbeit auf der Grundannahme, dass Preparedness-Organisationen, die zeitweise mehr als 100.000 Mitgliedern eine Stimme verliehen, wesentlich repräsentativer für die Gesamtbewegung waren als einzelne Protagonisten wie etwa Theodore Roosevelt. Schließlich stellten die Programmatiken von NSL und ADS das Ergebnis eines gemeinschaftlichen Aushandlungsprozesses dar, an dem erhebliche Teile der Bewegung – zumindest indirekt-symbolisch über Delegierte – beteiligt waren. Als Konsequenz dieses Perspektivwechsels kann schließlich eine zentrale Forschungskontroverse neu in den Blick genommen werden: die Frage nach der ideologischen Verortung von Preparedness. Die Zielsetzung der Untersuchung findet ihre Entsprechung in einem zweifachen Leitfragenkomplex, der der Arbeit zugrunde liegt: ein organisationsgeschichtlicher, der auf Strukturen, Aktivitäten und Strategien der Preparedness-Organisationen rekurriert sowie ein ideengeschichtlicher, der auf ihre Programmatik und Ideologie abhebt. Die folgende Übersicht enthält die wichtigsten Fragen, die im Verlauf der Untersuchung beantwortet werden:

1. Einleitung

Tabelle 1: Zweifacher Leitfragenkomplex der Dissertation Organisationsgeschichtliche Fragestellungen

Ideengeschichtliche Fragestellungen

Welche Motivation stand hinter der Gründung der Preparedness-Organisationen?   Welche innere Struktur hatten die Preparedness-Organisationen? Wie liefen Entscheidungsprozesse typischerweise ab?   Wie interagierten die verschiedenen Preparedness-Organisationen miteinander? War ihr Umgang von Konkurrenz oder Kooperation geprägt?   Welche Verbindungen gab es zwischen den Preparedness-Organisationen und den führenden Akteuren des institutionellen Teils der Bewegung?   Welche Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit nutzten die PreparednessOrganisationen, um ihre Botschaften in die Bevölkerung zu tragen?   Welche PR-strategischen Erwägungen standen hinter den Aktivitäten der Preparedness-Organisationen?   Welches Bild zeichnete die amerikanische Presse von den Aktivitäten der Preparedness-Organisationen?

Welche programmatischen Forderungen erhoben die PreparednessOrganisationen? In welchen größeren gesellschaftlichen Diskussionszusammenhängen standen diese Forderungen?   Wie veränderte sich die Programmatik der Preparedness-Organisationen im Zeitverlauf, insbesondere vor dem Hintergrund sich verändernder außen- und innenpolitischer Rahmenbedingungen?   An welche ideologischen Bezugspunkte knüpften die Forderungen der Preparedness-Organisationen an? Wie ließen sie sich weltanschaulich verorten?   Welches Gesellschaftsbild stand hinter der Preparedness-Rhetorik der Organisationen?

Zur Beantwortung dieser Fragen wird die Geschichte von NSL und ADS rekonstruiert und in die Historie der Gesamtbewegung eingebettet. Um ein kohärentes Narrativ zu wahren und Redundanzen zu vermeiden, folgt die Arbeit einem weitgehend chronologischen Aufbau. Das bedeutet, dass in der Kapitelstruktur weder zwischen den beiden schwerpunktmäßig betrachteten Preparedness-Organisationen noch zwischen den beiden Leitfragenkomplexen eine formale Trennung erfolgt. Dieser holistische Ansatz ermöglicht

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es, die organisations- und ideengeschichtlichen Themen in ihrer jeweiligen Wechselwirkung zu betrachten. Angesichts ihres Selbstverständnisses als nationale Vereinigungen liegt der Fokus der Untersuchung zudem auf den bundesweiten Aktivitäten von NSL und ADS. Lokale Begebenheiten von übergeordnetem Interesse werden zwar berücksichtigt; auf regionale Fallstudien wird jedoch zugunsten einer umfassenden Makroperspektive verzichtet.15 Der Umfang der insgesamt fünf auf die Einleitung folgenden Hauptkapitel orientiert sich am Aktivitätsgrad der beiden betrachteten PreparednessOrganisationen. Dementsprechend ergibt sich ein Untersuchungszeitraum, dessen Schwerpunkt auf den Jahren 1914 bis 1920 liegt. Der Prolog in Kapitel 2 nimmt knapp die historischen Ursprünge von Preparedness in den Blick, indem er zunächst die Grundprämissen der amerikanischen Sicherheitspolitik im frühen 20. Jahrhundert skizziert und sich dann inhaltlich zunehmend verdichtet, je weiter er sich zeitlich dem Entstehen der Bewegung annähert. Kapitel 3 – der umfangreichste Part der Arbeit – setzt im Winter 1914/15 mit der Gründung der NSL ein und vollzieht die Geschichte der Preparedness-Organisationen während der Neutralitätsperiode nach. Daran anschließend nimmt Kapitel 4 die Transformation der Preparedness-Kampagne unter den Bedingungen der US-Kriegsbeteiligung (April 1917 bis November 1918) in den Fokus. Darauf folgt in Kapitel 5 eine Betrachtung der PreparednessOrganisationen während der sogenannten Red Scare, welche die Vereinigten Staaten zwischen dem Abschluss des Waffenstillstands und dem Jahresende 1920 erfasste. Der Epilog in Kapitel 6 fasst schließlich in knapper Form den rapiden Niedergang des Movement in den 1920er und 1930er Jahren zusammen und endet mit der Auflösung von NSL und ADS, die zeitlich in etwa mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg zusammenfiel. Es folgen die Schlussbetrachtungen, in denen die Ergebnisse der Untersuchung noch einmal zusammengefasst und historisch eingeordnet werden.

15

Fallstudien über vier Ortsgruppen der NSL finden sich bereits in einer älteren Monografie und wären daher redundant; siehe Edwards, John C.: Patriots in Pinstripe. Men of the National Security League, Washington 1982. Für Fallstudien zu Ortsgruppen der ADS fehlt es an überlieferten Quellenmaterial.

1. Einleitung

1.2

Quellenlage

Um die Leitfragen zu beantworten, wertet die Studie eine Vielzahl unterschiedlicher Quellen aus. Deren Auswahl orientiert sich an der Prämisse, verwertbare Erkenntnisse über die Organisations- und Ideengeschichte der beiden schwerpunktmäßig betrachteten Preparedness-Organisationen zu gewinnen. Für die Rekonstruktion der Organisationsgeschichte von National Security League und American Defense Society ist vor allem das interne Aktenmaterial von besonderem Quellenwert. Sitzungsprotokolle, Korrespondenz, Memoranden und andere Dokumente zeichnen ein authentisches und vielschichtiges Bild ihres Wirkens. Ergänzt werden diese Quellen durch die offiziellen Pressemitteilungen beider Organisationen sowie die öffentliche Berichterstattung über ihre jeweiligen Aktivitäten in der Tagespresse. Darüber hinaus sind auch die persönlichen Papiere einzelner Führungspersönlichkeiten von NSL und ADS relevant, da sich deren Einsatz ›in offizieller Mission‹ häufig nicht trennscharf von ihren privaten Aktivitäten abgrenzen ließ. Die entsprechenden Passagen der Arbeit berücksichtigen freilich quellenkritisch den subjektiven Charakter dieses Materials, will die Untersuchung doch explizit die in der Literatur vorherrschende Verengung auf Einzelakteure des Preparedness Movement überwinden. Eine besondere Quellenart stellen zudem die stenografischen Protokolle des NSL-Untersuchungsausschusses dar, den der US-Kongress im Winter 1918/19 einsetzte.16 Im Rahmen der Untersuchung befragten Abgeordnete des Repräsentantenhauses die gesamte Führungsriege der NSL, um den Aktivitäten der Preparedness-Organisation auf den Grund zu gehen. Da die entsprechenden Aussagen unter Eid fielen und untereinander abgeglichen werden konnten, zeichnen die Protokolle ein verhältnismäßig akkurates Bild von der Organisationsgeschichte der NSL.17 In Hinblick auf die ideengeschichtlichen Grundlagen der Preparedness-Bewegung sind insbesondere Publikationen zentral, aus denen die Programmatiken – also Forderungen und Ziele – der zivilen Organisationen hervorgehen. Tatsächlich veröffentlichten NSL und ADS hunderte

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17

Siehe National Security Hearings Before a Special Committee of the House of Representatives. Sixty-Fifth Congress, Third Session on H. Res. 469 and H. Res. 476, 2 Bände, Washington 1919 (im Folgenden abgekürzt als ›NSL Hearings‹). Zu den Hintergründen des NSL-Untersuchungsausschusses vgl. Kap. 4.2.2 dieser Arbeit.

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verschiedene Pamphlete, Broschüren und Bücher, aus denen sich ihr Weltbild rekonstruieren lässt. Hinzu kommen offizielle Pressemitteilungen sowie Zeitungsinterviews mit den führenden Repräsentanten der Organisationen – beides PR-Instrumente mit ausgesprochen hoher Reichweite. Unter quellenkritischen Gesichtspunkten lässt sich aus den programmatischen Schriften ein besonders repräsentatives Bild der Preparedness-Ideologie ableiten. Schließlich gaben die Texte nicht nur die Vorstellungen des jeweiligen Autors wieder, sondern hielten – beglaubigt durch offiziellen Schriftzug – die Forderungen und Ziele der jeweiligen Gesamtorganisation fest. Wenn sich NSL oder ADS im Rahmen ihrer internen Abstimmungsprozesse auf eine Preparedness-Agenda einigten, dann taten sie dies, zumindest symbolisch, im Namen von zehntausenden Mitgliedern – mithin stellvertretend für den Großteil der Bewegung. Da sie ihre (zahlende) Anhängerschaft nicht mit abseitigen Einzelmeinungen verprellen wollten, hatten die zivilen Organisationen ein genuines Interesse daran, ihre programmatischen Schriften am Mainstream des Preparedness Movement auszurichten. Neben den genannten Materialien, die konstitutiv für die Bearbeitung der organisations- und ideengeschichtlichen Leitfragen sind, liegen der Arbeit auch zahlreiche weitere Quellen zugrunde, die vor allem dazu dienen, Erkenntnisse aus der Forschungsliteratur ergänzend zu illustrieren. So werden beispielsweise zeitgenössische Reden, Parteiprogramme oder Gesetzestexte zitiert, um ein quellennahes Bild vom historischen Kontext der PreparednessKampagne zu zeichnen. Wie gestaltet sich der praktische Zugriff auf die genannten Quellen? Im Fall der American Defense Society profitiert die Studie vom vollständig erhaltenen Archiv der Organisation. Dieses beinhaltet das gesamte Aktenmaterial der ADS und ist über die New-York Historical Society in Manhattan zugänglich.18 Der Zugriff auf die internen Unterlagen der National Security League gestaltet sich demgegenüber wesentlich problematischer, da der letzte Vorsitzende der NSL das privat gelagerte Aktenmaterial der zu diesem Zeitpunkt längst obsolet gewordenen Organisation im Jahr 1940 verbrannte. Glücklicherweise finden sich Kopien der wichtigsten Unterlagen in den privaten Nachlässen einiger zentraler Repräsentanten der NSL; für die Arbeit wurden sie aus den Beständen verschiedener amerikanischer Archive zusam-

18

Siehe American Defense Society Records, New-York Historical Society, New York City.

1. Einleitung

mengetragen.19 Um die Verbindungen der Preparedness-Organisationen zu den beiden wichtigsten Wortführern des Movement nachzuvollziehen, berücksichtigt die Arbeit außerdem den Archivnachlass Theodore Roosevelts und Leonards Woods.20 In den genannten Archivbeständen befinden sich auch größere Sammlungen von Publikationen beider Organisationen. Das Gros der analysierten Schriften basiert jedoch auf den Pamphlet- und Buchbeständen der New York Public Library und der Tamiment Library der New York University. Für eine angemessene Berücksichtigung der Presselandschaft wurde zudem die Preparedness-Berichterstattung der New York Times systematisch ausgewertet; darüber hinaus finden weitere zeitgenössische Zeitungen und Magazine partiell Berücksichtigung.

1.3

Forschungsstand

Für eine Einordnung der Studie in die historiografischen Diskussionszusammenhänge ist eine vertiefte Würdigung des Forschungsstandes unerlässlich. Dies muss in der gebotenen Ausführlichkeit getan werden, gestaltet sich die wissenschaftliche Rezeptionsgeschichte von Preparedness doch überaus komplex: »The preparedness movement was paradoxical and odd«21 – dieser leicht resigniert anmutende Kommentar Paul Koistinens vermittelt einen Eindruck von den Schwierigkeiten, vor die die Bewegung Historiker bisweilen gestellt hat. Um die wichtigsten Befunde der Literatur dennoch verständlich darzustellen, wird im Folgenden zunächst ein kurzer Abriss über die zentralen Themenfelder der geschichtswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit 19

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Im Einzelnen handelt es sich hier um folgende Archivbestände: Charles E. Lydecker Papers, Manuscripts and Special Collections, New York State Library, Albany; Robert McNutt McElroy Papers, Manuscript Division, Library of Congress, Washington DC; George H. Putnam Papers, Rare Books and Manuscript Library, Columbia University, New York City; Elihu Root Papers, Manuscript Division, Library of Congress, Washington DC; Henry L. Stimson Papers, Manuscripts and Archives, Yale Library, New Heaven; William H. Taft Papers, Manuscript Division, Library of Congress, Washington DC; William T. Hornadays Papers, Library of Congress, Manuscript Division, Washington DC. Siehe Theodore Roosevelt Papers, Manuscript Division, Library of Congress, Washington DC; Leonard Wood Papers, Manuscript Division, Library of Congress, Washington DC. Koistinen, Paul A.C.: Mobilizing for Modern War. The Political Economy of American Warfare, 1865-1919, Lawrence 1997, S. 110.

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der amerikanischen Rolle im Ersten Weltkrieg gegeben. Nach Klärung dieser Grundlagen wird die Spezialforschung über das Preparedness Movement im Allgemeinen und Preparedness-Organisationen im Besonderen nachvollzogen und kritisch kommentiert. Schließlich erfolgt ein Überblick über die ideengeschichtliche Forschungsdebatte um die ideologischen Wurzeln von Preparedness.

1.3.1

Die USA und der Erste Weltkrieg

Die Teilnahme der Vereinigten Staaten am Ersten Weltkrieg ist im historischen Gedächtnis der Amerikaner heute kaum noch präsent.22 Damit unterscheidet sich der Konflikt erkennbar von anderen großen Waffengängen in der US-Geschichte wie etwa dem Bürgerkrieg, dem Zweiten Weltkrieg oder dem Vietnamkrieg – ein Befund, der nicht zuletzt der moralischen Ambivalenz des »War to End All Wars« geschuldet sein mag. Anders als die amerikanische Öffentlichkeit hat die Fachwissenschaft aber ein durchaus reges Interesse an der Rolle der Vereinigten Staaten in dem Konflikt entwickelt.23 Mit David Kennedys erstmals 1980 erschienenem Standardwerk über die US-Gesellschaft im Ersten Weltkrieg liegt die wohl wichtigste Einführung in die Thematik mittlerweile in einer erneuerten Auflage vor.24 Ergänzt wird Kennedys Arbeit durch eine Reihe von Überblickswerken jüngeren Datums, die ein differenziertes Bild der Neutralitätsperiode, der anderthalb Jahre der amerikanischen Kriegsbeteiligung und der unmittelbaren Nachkriegszeit zeichnen.25 Daneben gibt es zahllose Monografien und Aufsätze, die spezi22 23

24 25

Vgl. Berg, Manfred: Die USA und der Erste Weltkrieg, in: Loureda, Oscar (Hg.): Der Erste Weltkrieg und die Folgen, Heidelberg 2016, S. 77-105, hier: S. 78. Vgl. Jones, Heather: As the Century Approaches. The Regeneration of World War Historiography, in: The Historical Journal 56/3 (2013), S. 857-878, hier: S. 857; MacKenzie, Simon P.: A Forgotten War. World War I in the United States, in: Comillas Journal of International Relations 2 (2015), S. 49-60, hier: S. 50. Siehe Kennedy, David M.: Over Here. The First World War and American Society, 2. Aufl., New York 2004. Die folgende Auswahl an jüngeren Arbeiten gibt einen guten Überblick über die Rolle der Vereinigten Staaten im Ersten Weltkrieg: Doenecke: America’s War Entry; Farwell, Byron: Over There. The United States in the Great War 1917-1918, New York 1999; Harries, Meirion/Harries, Susie: The Last Days of Innocence. America at War 1917-1918, New York 1997; Keene, Jennifer D.: The United States and the First World War, Harlow u.a. 2000; Neiberg, Michael S.: The Path to War. How the First World War Created Modern America, New York 2016; Zieger, Robert H.: America’s Great War. World War I and

1. Einleitung

fische Teilaspekte der amerikanischen Verwicklung in den Ersten Weltkrieg beleuchten, an dieser Stelle aber nur grob angerissen werden können. Traditionelle Fragestellungen, die die Forschung lange dominiert haben, liegen im Bereich der Diplomatie- und Militärgeschichte sowie der bis heute umstrittenen Bewertung des Kriegspräsidenten Woodrow Wilson.26 Doch auch die Heimatfront ist von vielen Historikern in den Blick genommen worden. So haben sich etwa Themen wie die Mobilisierung der Zivilgesellschaft oder die kriegsbedingten Repressionsmaßnahmen als fruchtbare Forschungsfelder erwiesen.27 Gleiches gilt für die Frage, welche Implikationen der Krieg auf Frauen und Afroamerikaner hatte.28 Zudem ist insbesondere in den letzten Jahren die erinnerungskulturelle Dimension des Konflikts auf historiografisches Interesse gestoßen.29 Insgesamt lässt sich konstatieren, dass die Forschungsliteratur zur amerikanischen Rolle im Ersten Weltkrieg inzwischen äußert ausdifferenziert und selbst für Fachleute kaum noch zu überblicken ist. Umso hilfreicher sind bibliografische Aufsätze, die einen

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the American Experience, Lanham u.a. 2000. Zudem liegt eine hilfreiche Enzyklopädie zum Thema vor: Venzon, Anne C. (Hg.): The United States in the First World War. An Encyclopedia, 2. Aufl., New York u.a. 1999. Beispielsweise ist viel diskutiert worden, welche Gründe die USA nach 32 Monaten der Neutralität zum Kriegseintritt veranlassten und inwieweit der militärische Beitrag der Amerikaner entscheidend für den Sieg über Deutschland war. Siehe für die diplomatiegeschichtliche Historiografie Doenecke, Justus D.: Neutrality Policy and the Decision for War, in: Kennedy, Ross A. (Hg.): A Companion to Woodrow Wilson, Malden u.a. 2013, S. 243-269 sowie für die militärgeschichtliche Historiografie Showalter, Dennis: The United States in the Great War. A Historiography, in: OAH Magazine of History 17/1 (2002), S. 5-13, hier: S. 6-9. Eine umfassende Forschungsbibliografie über Woodrow Wilson findet sich bei Kennedy (Hg.): Companion Wilson. Stellvertretend für die Fülle an Literatur sei an dieser Stelle Christopher Capozollas Studie genannt, die eine Synthese beider skizzierter Forschungsfelder darstellt: Capozolla, Christopher: Uncle Sam Wants You. World War I and the Making of Modern America, Oxford 2010. Capozolla argumentiert schlüssig, dass die patriotische Mobilisierung der Zivilbevölkerung auf lokaler Ebene eine Art ›Zwangsaktivismus‹ (»coercive voluntarism«) entstehen ließ, der mit einem Klima der Repression korrespondierte. Als Beispiel für die zahlreichen Veröffentlichungen zum Thema seien hier nur zwei aktuelle Monografien genannt: Dumenil, Lynn: The Second Line of Defense. American Women and World War I, Chapel Hill 2017; Lentz-Smith, Adriane: Freedom Struggles. African Americans in World War I, Cambridge u.a. 2009. Siehe beispielsweise Trout, Steven: On the Battlefields of Memory. The First World War and American Remembrance, Tuscaloosa 2010.

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»Fight for Americanism«

konzisen Abriss über die wichtigsten Studien und Forschungskontroversen geben.30

1.3.2

Preparedness-Bewegung und Preparedness-Organisationen

Die Relevanz der Preparedness-Bewegung als wichtiges Forschungsfeld der amerikanischen Geschichte im Ersten Weltkrieg ist der Fachwissenschaft nicht verborgen geblieben. In seinem 2013 erschienenen Literaturüberblick zur Thematik bezeichnet Ross Kennedy die Preparedness-Debatte als eine der bedeutsamsten Entwicklungen in Woodrow Wilsons erster Amtsperiode.31 Tatsächlich fanden sich erste Analysen der Bewegung bereits in historischen Arbeiten, die nur wenige Jahre nach Kriegsende veröffentlich wurden – mithin kann die Spezialforschung zum Preparedness Movement auf eine mittlerweile fast hundertjährige Tradition zurückblicken. Betrachtet man die geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Bewegung, so lässt sich ein deutlicher Entwicklungsprozess in ihrer historiografischen Deutung erkennen: Vom feindseligen Narrativ der Zwischenkriegszeit über eine graduell wohlwollendere Neubewertung nach dem Zweiten Weltkrieg ist in der Literatur erst ab den 1970er Jahren eine ausdifferenzierte Forschungsdiskussion identifizierbar, die die komplexe Geschichte der Bewegung angemessen würdigt. Die ersten Historiker, die das Preparedness Movement in ihrer Forschung berücksichtigten, gehörten der revisionistischen Schule der amerikanischen Geschichtswissenschaft an, die die US-Kriegsbeteiligung in den 1920er und 1930er Jahren äußerst kritisch kommentierte. Namhafte Revisionisten wie C. Hartley Grattan oder Walter Millis vertraten in ihren Arbeiten die Auffassung, dass Wilsons Neutralitätspolitik höchst einseitig und der Kriegseintritt 1917 ein schwerer Fehler gewesen sei. Der Präsident, so die Revisionisten, habe sich von alliierter Propaganda sowie den kriegstreiberischen Lobbyinteressen

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31

Siehe Keene, Jennifer: Remembering the »Forgotten War«. American Historiography on World War I, in: The Historian 78/3 (2016), S. 439-468; Keene, Jennifer D.: What Did It All Mean? The United States and World War I, unter: Histoire@Politique. Politique, Culture, Société 22, URL https://www.histoire-politique.fr/documents/22/dossier/pdf/ HP22_Dossier_Jennifer_Keene_DEF.pdf (Zugriff am 14.07.2017). Vgl. Kennedy, Ross A.: Preparedness, in: Kennedy (Hg.): Companion Wilson, S. 270-285, hier: S. 270.

1. Einleitung

des US-Großkapitals manipulieren lassen und den Vereinigten Staaten einen sinnlosen Waffengang aufgebürdet.32 Dieser Interpretation zu Folge sei das Preparedness Movement lediglich ein weiteres Propagandawerkzeug der an einer Intervention interessierten Kräfte in der amerikanischen Gesellschaft gewesen. Die Revisionisten bewerteten die Bewegung als gemeinsames Projekt von bellizistischen Imperialisten und raffgierigen Rüstungsfabrikanten. Demnach sei die vielbetonte Sorge um die nationale Sicherheit lediglich ein Deckmantel gewesen, unter dem man den skrupellosen Partikularinteressen von »Fanatikern« und »Extremisten«33 den Anschein des Patriotismus gegeben habe. Um die amerikanische Öffentlichkeit sukzessive auf eine Intervention einzustimmen, habe die Bewegung zunächst vorgetäuscht, dass Preparedness ein rein defensiv ausgerichtetes Konzept sei – in Wahrheit hätten die führenden Repräsentanten der Kampagne aber bereits seit 1914/15 einen Waffengang gegen Deutschland herbeigesehnt.34 Das Movement war in den Augen der revisionistischen Historiker überaus erfolgreich darin, eine interventionistische Stimmung in der Bevölkerung zu erzeugen. Die »Preparedness-Manie«35 , so das einhellige Urteil, habe einen erheblichen Anteil an dem unseligen Kriegseintritt der Vereinigten Staaten gehabt. Zivile Preparedness-Organisationen fanden in den Arbeiten der revisionistischen Historiker dagegen kaum Erwähnung.36 Dieser Befund überrascht wenig, hätte eine von breiten Bevölkerungsschichten getragene Kampagne doch dem Narrativ widersprochen, dass die friedliebenden Amerikaner von einem imperialistisch-kapitalistischen Verschwörerzirkel in den Militarismus

32

33 34 35 36

Siehe Grattan, C. Hartley: Why We Fought (1929), 2. Aufl., Indianapolis/New York 1969; Millis, Walter: Road to War. America 1914-1917, Boston/New York 1935. Für den exemplarischen Charakter der genannten Revisionisten vgl. Cohen, Warren I.: The American Revisionists. The Lessons of Intervention in World War I, Chicago/London 1967, S. viiix. Grattan: Why We Fought, S. 125. Vgl. Grattan: Why We Fought, S. 113. Millis: Road, S. 256. Während die Geschichtswissenschaft der Zwischenkriegszeit PreparednessOrganisationen kaum Beachtung schenkte, rechneten Teile der amerikanischen Linken 1927 in einer umfassenden Schmähschrift mit dem Wirken von NSL und ADS ab; siehe Hapgood, Norman (Hg.): Professional Patriots. An Exposure of the Personalities, Methods and Objectives Involved in the Organized Effort to Exploit Patriotic Impulses in These United States During and After the War, New York 1927.

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getrieben worden seien. Sofern die Historiker der Zwischenkriegszeit Organisationen wie die National Security League oder die American Defense Society überhaupt erwähnten, porträtierten sie sie als Marionetten der Wall Street.37 Auch jene Revisionisten, die das Movement stärker mit imperialistischen Interessen als mit dem Großkapital in Verbindung brachten, waren von einer Fremdsteuerung der Preparedness-Organisationen überzeugt. Millis führte in diesem Kontext vor allem den ehemaligen Präsidenten Theodore Roosevelt und den General Leonard Wood als Hintermänner an.38 Jenseits der starken Thesen findet sich in den genannten Arbeiten allerdings keine tiefer gehende Untersuchung der so kritisch kommentierten Organisationen. Als Manövriermasse in den Händen von einflussreichen Individuen kam ihnen in den Augen der revisionistischen Historiker schlichtweg keine Akteursqualität zu. Die ausgesprochen negative Bewertung der Preparedness-Bewegung, die die revisionistische Literatur der 1920er und 1930er Jahre dominierte, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch eine partiell wohlwollendere Sicht abgelöst. Angesichts der Erfahrungen mit Nationalsozialismus und Kommunismus hatte im Mainstream der amerikanischen Geschichtswissenschaft ein Umdenken eingesetzt; militärische Stärke und Interventionismus wurden mittlerweile weniger kritisch gesehen als in der Zwischenkriegszeit. So übernahmen die Historiker der 1950er und 1960er zwar viele Annahmen der Revisionisten, bemühten sich aber um eine differenziertere Würdigung der Bewegung. In seinem erstmals 1953 erschienenen Standardwerk über die Diskursmuster amerikanischer Außen- und Sicherheitspolitik verwarf Robert Osgood das revisionistische Narrativ von Preparedness als profitgetriebenem Projekt der Wirtschaftslobby. Die Problematik des Movement, so Osgood, habe nicht in seiner Verbindung zur Wall Street, sondern zum imperialistischen Flügel der GOP bestanden. Die Nähe zu den pro-alliierten Propagandisten unter den Republikanischen Politikern habe die Bewegung gleich mit einem doppelten Makel der Parteilichkeit behaftet.39 Dies sei umso bedauerlicher, als

37 38 39

Vgl. Turner, John K.: Shall It Be Again?, New York 1922, S. 260; Grattan: Why We Fought, S. 118-119. Vgl. Millis: Road, S. 148-149. Vgl. Osgood, Robert E.: Ideals and Self-Interest in America’s Foreign Relations. The Great Transformation of the Twentieth Century, 2. Aufl., Chicago u.a. 1955, S. 200-201.

1. Einleitung

die Preparedness-Kampagne durchaus ein wichtiges Thema aufgeworfen habe – schließlich sei die Einstellung vieler Amerikaner zu Fragen der nationalen Sicherheit naiv gewesen. Tatsächlich würdigt Osgood die Bewegung als »potenzielle Quelle eines neuen Realismus«40 . Das zentrale Dilemma habe jedoch darin bestanden, dass das Movement nicht in der Lage gewesen sei, eine kohärente Programmatik zu formulieren, die sich an den außenpolitischen Interessen der Vereinigten Staaten orientierte. Stattdessen sei man mit absurden Bedrohungsszenarien allzu alarmistisch aufgetreten und habe so die eigene Glaubwürdigkeit beschädigt.41 Anders als die Revisionisten bewertete Osgood das Preparedness Movement nicht als erfolgreich, sondern als bedauernswert inkompetent. In seiner Studie über die Geschichte der U.S. Army, die 1967 in erster Auflage erschien, kommt Russel F. Weigley zu ähnlichen Ergebnissen wie Osgood vor ihm. Weigley betont besonders die Rolle Leonard Woods als geistigem Vater der Bewegung. Demnach habe der General das Preparedness Movement als Vehikel genutzt, um seine Vision einer amerikanischen Wehrpflicht in Friedenszeiten zu verwirklichen. Weigley liefert keinerlei Anhaltspunkte, die die Bewegung als Teil einer erfolgreichen Verschwörung von Interventionisten erscheinen lassen. Vielmehr sei die Kampagne daran gescheitert, nennenswerten Einfluss auf die Außen- und Sicherheitspolitik der Vereinigten Staaten auszuüben. Schließlich seien die USA trotz mehrerer Jahre der Preparedness-Agitation völlig unvorbereitet gewesen, als sie im April 1917 in den Weltkrieg eintraten.42 Obwohl Osgood und Weigley die meisten Thesen der Revisionisten verwarfen, schenkten auch sie der nichtstaatlichen Säule der Bewegung wenig Beachtung. Erst Robert D. Ward leistete 1960 Pionierarbeit, als er eine der zivilen Preparedness-Organisationen ins Zentrum seines Forschungsinteresses rückte. In seinem Aufsatz unterzog er die Gründungsumstände und Aktivitäten der National Security League einer eingehende Analyse.43 Als erster His40 41 42

43

Ebd., S. 133. Ebd., S. 208-211. Vgl. Weigley, Russel F.: History of the United States Army, New York 1967, S. 342-354. Andere Arbeiten aus diesem Zeitraum stützen Osgoods und Weigleys Einschätzungen; siehe beispielsweise Grenville, John A.S./Young, George B.: Politics, Strategy, and American Diplomacy. Studies in Foreign Policy, 1873-1917, New Haven/London 1966, S. 328-335. Siehe Ward, Robert D.: The Origin and Activities of the National Security League, 19141919, in: The Mississippi Valley Historical Review 47/1 (1960), S. 51-65.

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»Fight for Americanism«

toriker wies Ward darauf hin, dass das Aufkommen von Organisationen wie der NSL die wohl »greifbarste Manifestation«44 des Preparedness-Gedankens in der amerikanischen Gesellschaft gewesen sei. Entgegen der damals vorherrschenden Annahmen beschrieb er die NSL nicht bloß als vernachlässigbare Randerscheinung der Bewegung. Ihre Gründung, so Ward, sei weder von Großkapitalisten, noch von Imperialisten forciert worden, sondern von breiter gesellschaftlicher Sorge um die nationale Sicherheit getragen gewesen.45 Nachdem die überkommenen Interpretationen der Revisionisten bereits in der Nachkriegszeit nachhaltig erschüttert worden waren, machte sich in den 1970er und 1980er Jahren eine jüngere Generation von Historikern daran, das Preparedness Movement neu in den Blick zu nehmen. Als bedeutendste Errungenschaft dieser Bemühungen kann John P. Finnegans 1974 erschienene Studie Against the Specter of a Dragon: The Campaign for American Military Preparedness, 1914-1917 gelten.46 Sie stellt bis heute das Standardwerk über die Bewegung dar und wird in nahezu jeder wissenschaftlichen Arbeit, die in irgendeiner Weise Bezug auf die Thematik nimmt, prominent zitiert. Finnegan untersucht auf umfassender Quellenbasis die Geschichte der PreparednessKampagne und kommt dabei zu teils völlig anderen Erkenntnissen als seine Vorgänger. So führt er etwa die Ursprünge der Bewegung auf einen kleinen Zirkel von Militärreformern im Offizierskorps und der Ministerialverwaltung zurück, der bereits seit der Jahrhundertwende mit mäßigem Erfolg für eine strukturelle, finanzielle und personelle Stärkung der amerikanischen Streitkräfte geworben habe. 1914 habe der Ausbruch des Krieges in Europa diesem Expertenkreis schließlich den nötigen Vorwand geliefert, um öffentliche Unterstützung für sein bislang als schwer vermittelbar geltendes Anliegen zu generieren. Dabei sei rasch eine Dynamik entstanden, die das vormalige Elitenprojekt in eine breit getragene Bewegung transformiert habe. Finnegan verwirft oder relativiert in seiner Studie einen Großteil der bis dahin vorherrschenden Annahmen über das Preparedness Movement:

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46

Ebd., S. 51. 1962 erschien mit Armin Rappaports Studie zur Navy League zudem die erste umfangreiche Monografie über eine Organisation, die im Ersten Weltkrieg Lobbyarbeit für das US-Militär betrieb; siehe Rappaport, Armin: The Navy League of the United States, Detroit 1962. Siehe Finnegan, John P.: Against the Specter of a Dragon. The Campaign for American Military Preparedness, 1914-1917, Westport/London 1974.

1. Einleitung

»Preparedness was bi-partisan, although Theodore Roosevelt seemed increasingly to be its standard-bearer. It was a nationwide movement, but its heartland lay in the East and its fountainhead was New York City […]. The movement involved the middle class in general […] and not just the old-stock social elite. […] Nor was the preparedness movement generally interventionist. Foreign policy was too controversial; it was simpler to campaign for increased armaments than to encourage speculation on the uses to which they might be put.«47 Ähnlich wie vor ihm schon Osgood kommt auch Finnegan zu dem Schluss, dass sich die Vorstellungen der Bewegung wenig an den außenpolitischen Realitäten der Zeit orientiert hätten. Ihre bisweilen abstrakt wirkenden Forderungen lagen seiner Meinung nach in den Ursprüngen des Movement begründet und seien ein Indikator dafür, dass Preparedness nicht den interventionistischen Interessen von profitgierigen Wirtschaftsführern oder imperialistischen Republikanern gedient habe: »Preparedness was almost purely defensive. Its thrust was isolationist, not interventionist, despite the personal attitudes of many supporters. In a collapsing world, America was arming against nameless dangers which would follow the European War. This approach partially resulted from the origins of the movement. Without rethinking its own premises, the Army General Staff cheerfully used a war-generated hysteria to help pass the program it had designed in peacetime.«48 Insgesamt kommt Finnegan in seiner umfangreichen Studie zu einem differenzierten Urteil über das Preparedness Movement. Zwar seien der Bewegung wenig konkrete Erfolge während der Neutralitätsperiode vergönnt gewesen; die Kampagne habe die Amerikaner aber durchaus mental auf die späteren Belastungen der Kriegsteilnahme vorbereitet. Vom normativen Standpunkt aus betrachtet hätten sowohl Anhänger wie auch Gegner von Preparedness gute Argumente für ihre jeweilige Position gehabt – die einseitige Betrachtungsweise früherer Jahrzehnte sei mithin nicht haltbar.49 Andere geschichtswissenschaftliche Arbeiten aus den 1970er und 1980er Jahren kommen zu ähnlichen Ergebnissen wie Finnegans Studie. In seiner

47 48 49

Ebd., S. 92. Ebd., S. 4. Vgl. ebd., S. 189-195.

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»Fight for Americanism«

Monografie über Leonard Woods Bemühungen, die Wehrpflicht durch militärische Trainingscamps für Zivilisten zu popularisieren, urteilt John G. Clifford ebenfalls recht wohlwollend über die Bewegung. Parteipolitische Interessen hätten demnach kaum eine Rolle gespielt. Vielmehr sei es dem Preparedness Movement trotz seiner analytischen Defizite um »notwendige Reformen«50 gegangen. Cliffords Auffassung nach habe sich die Bewegung darum verdient gemacht, die Amerikaner zu einem Hinterfragen ihrer naiven Vorstellungen von nationaler Sicherheit zu animieren.51 In seiner gruppenbiografisch angelegten Studie über die ideologischen Hintergründe der wichtigsten Führungspersönlichkeiten des Preparedness Movement verwirft auch Michael Pearlman das alte Narrativ von einer Kampagne, die lediglich Partikularinteressen gedient habe. Vielmehr seien Männer wie Roosevelt oder Wood ›Überzeugungstäter‹ gewesen, die aus einem patriotischen Selbstverständnis heraus ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen von einem besseren Amerika mittels Preparedness verwirklichen wollten. Auf Finnegans Thesen aufbauend, identifiziert Pearlman eine kleine Gruppe in der Militärführung, die ihre – sogar innerhalb der eigenen Institution hoch umstrittenen – Wehrpflichtpläne durchzusetzen versucht habe, indem sie ein Bündnis mit gleichgesinnten Patriziern des Ostküsten-Establishments eingegangen sei.52 Die genannten Historiker gehen in ihren Betrachtungen der Bewegung auch auf zivile Preparedness-Organisationen ein – ihr Urteil fällt allerdings nicht immer schmeichelhaft aus. So konstatiert Finnegan zwar, dass NSL oder ADS bisweilen als Speerspitze der Bewegung aufgetreten seien, ihr Einfluss aber nur begrenzte Wirkung entfaltet habe: »With enrollments of thousands and letterheads decorated with the names of the prominent, the societies proved able to generate a good deal of attention and publicity for the defense cause. Highly visible, the societies were perhaps a little less solid than they looked. […] The defense leagues concentrated on mobilizing public opinion rather than lobbying, and they proved more noisy than adept at influencing congressional legislation.«53 Finnegan betrachtet Preparedness-Organisationen lediglich als Randphänomen der von Militärreformern in staatlich-institutionellen Positionen domi50 51 52 53

Clifford, John G.: The Citizen Soldiers. The Plattsburg Training Camp Movement, 19131920 (1972), 2. Aufl., Lexington 2015, S. 36. Vgl. ebd., S. 30-53. Vgl. Pearlman: Patrician and Preparedness, S. 43-44. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 96-97.

1. Einleitung

nierten Kampagne, weshalb er auf eine tiefer gehende Analyse verzichtet. Clifford geht ebenfalls nur kurz auf zivile Vereinigungen wie die NSL oder die ADS ein und betont in diesem Zusammenhang vor allem deren Defizite. Die Landschaft an Preparedness-Organisationen sei derart fragmentiert gewesen, dass ihre Kampagnenfähigkeit stark darunter gelitten habe.54 Auch Pearlman sieht von einer genaueren Betrachtung ab und beschreibt sie nur knapp als Plattformen, die den führenden Persönlichkeiten der Bewegung ein organisatorisches Vehikel geboten hätten.55 Erst John C. Edwards 1982 erschienene Monografie Patriots in Pinstripe: Men of the National Security League rückte eine Preparedness-Organisation ins Zentrum ihres Erkenntnisinteresses.56 Die Studie rekonstruiert die Organisationsgeschichte der NSL und illustriert deren Aktivitäten in einer Reihe von lokalen Fallstudien. Edwards kommt zu der zentralen Erkenntnis, dass die NSL eine Vermittlerrolle zwischen der Militärführung und der amerikanischen Bevölkerung eingenommen habe. Da es sich für Offiziere nicht geschickt habe, offen Lobbyarbeit zu betreiben, hätten gleichgesinnte Zivilisten diesen Part übernommen und der Kampagne organisatorische Struktur verliehen. Edwards folgt im Kern Finnegans Interpretation, dass das Movement letztlich von den Militärreformern in staatlichen Positionen dominiert worden sei – auch wenn er der NSL durchaus einen größeren Handlungsspielraum zubilligt als es der Doyen der Preparedness-Forschung getan hat. Ebenso wie Finnegan verwirft Edwards die revisionistischen Vorwürfe älterer HistorikerGenerationen. Zwar wies er durchaus auf die autoritär-repressiven Tendenzen der NSL – insbesondere nach dem Kriegseintritt – hin; insgesamt gesteht er den Anführern der Organisation aber zu, aus patriotischen Überzeugungen heraus gehandelt zu haben.57 Betrachtet man den Forschungsstand zu Preparedness, so ist augenfällig, dass die letzten bedeutenden Arbeiten zur Thematik mehr als 30 Jahre alt sind. Das in den letzten Jahrzehnten vorherrschende Desinteresse an der Thematik ist wohl vor allem der wissenschaftlichen Qualität von Finnegans Stu-

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Vgl. Clifford: Plattsburg, S. 35-36. Vgl. Pearlman: Patricians and Preparedness, S. 7 Siehe Edwards: NSL. Außerdem veröffentlichte Edwards einen Teil seiner Forschung in Aufsatzform; siehe Edwards, John C.: The Price of Political Innocence. The Role of the National Security League in the 1918 Congressional Election, in: Military Affairs 42/4 (1978), S. 190-196. Vgl. ebd., S. 139-143.

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die geschuldet, die unter Historikern sehr positiv rezipiert worden ist.58 Die schlüssige und quellennahe Argumentation des Standardwerkes mag diesem bisweilen den Charakter einer »definitiven«59 Untersuchung gegeben und den Eindruck erweckt haben, dass zum Preparedness Movement ›alles gesagt‹ worden sei. So wird die Bewegung in der jüngeren Weltkriegsforschung zwar durchaus abgehandelt; ein Blick in den Fußnotenapparat offenbart jedoch schnell, dass die entsprechenden Autoren auf eigene Quellenarbeit verzichtet und sich an der vorherrschenden Darstellung in der von Finnegan dominierten Literatur orientiert haben.60 Da eine vertiefte Würdigung der aktuelleren Arbeiten mit Preparedness-Bezug entsprechend redundant wäre, kann an dieser Stelle darauf verzichtet werden.61

1.3.3

Die ideengeschichtlichen Grundlagen von Preparedness

Während bei den meisten historiografischen Einschätzungen der Bewegung seit John Finnegans Studie weitgehend Konsens in der Geschichtswissen-

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Siehe beispielsweise Gregory, Ross: Rezension zu: Patrick Finnegan: Against the Specter of a Dragon. The Campaign for American Military Preparedness, Westport 1974, in: The American Historical Review 82/1 (1977), S. 201-202; Hirschfeld, Charles: Rezension zu: Patrick Finnegan: Against the Specter of a Dragon. The Campaign for American Military Preparedness, Westport 1974, in: The Historian 38/3 (1976), S. 535536. Hill, Thomas M.: Rezension zu: Patrick Finnegan: Against the Specter of a Dragon. The Campaign for American Military Preparedness, Westport 1974, in: The Annals of the American Academy of Political and Social Science 424 (1976), S. 148-149, hier: S. 149. Ein gutes Beispiel für die Dominanz der Preparedness-Forschung der 1970er und 1980er in aktuellen Bibliografien zur Thematik findet sich im entsprechenden Artikel der wichtigsten wissenschaftlichen Online-Enzyklopädie zum Ersten Weltkrieg; siehe Yockelson, Mitchell: Pre-War Military Planning (USA), unter: Daniel, Ute u.a. (Hg.): 1914-1918-online. International Encyclopedia of the First World War, URL https:// encyclopedia.1914-1918-online.net/article/pre-war_military_planning_usa (Zugriff am 31.01.2018). Wenig überzeugend ist dagegen der Preparedness-Artikel der wichtigsten gedruckten Enzyklopädie zum amerikanischen Engagement im Ersten Weltkrieg, der zum Teil noch auf revisionistischer Literatur der 1930er Jahre basiert; siehe Nielson, Jonathan M.: Art. »Preparedness«, in: Venzon (Hg.): Encyclopedia, S. 469-471. Ein aktuellerer Artikel zur Organisationsgeschichte der NSL liegt zwar vor, basiert aber fast vollständig auf bereits in früheren Arbeiten ausgewerteten Quellen; siehe Shulman: National Security. Die Organisationsgeschichte der ADS wird im Unterkapitel einer im Jahr 2000 erschienenen Dissertation über den Eugeniker Madison Grant knapp skizziert, stellt aber nur einen Randaspekt der Studie dar; siehe Spiro: Grant.

1. Einleitung

schaft herrscht, wird die Frage nach der ideologischen Verortung von Preparedness bis heute kontrovers diskutiert. Erschien diese Problematik den Revisionisten noch kaum relevant (mit Profitgier und Imperialismus hatten sie schließlich ein vermeintlich kohärentes Motiv hinter der Bewegung identifiziert), rückte das Thema mit zunehmender Popularität der Teildisziplin Ideengeschichte ins Zentrum der Forschung. Historiker haben immer wieder konstatiert, dass sich hinter der Parole Preparedness mehr verborgen habe als es die vordergründig betonte Sorge um die nationale Sicherheit der USA vermuten lasse. Tatsächlich offenbart bereits ein oberflächlicher Blick in die Quellen, dass sich der Ehrgeiz der Bewegung nicht in Militärreformen erschöpfte. Die sicherheitspolitische Agenda der Kampagne hatte stets auch eine gesellschaftspolitische Komponente – die Rüstung gegen äußere Bedrohungen sollte Amerika gleichsam im Inneren stählen. Während diesem grundsätzlichen Befund kaum widersprochen werden kann, ist die ideologische Stoßrichtung derartiger Bestrebungen unter Historikern umstritten. Im Wesentlichen gibt es zwei gegensätzliche Interpretationsansätze, die der Debatte um die ideengeschichtlichen Wurzeln der Bewegung Kontur verleihen: eine dominierende Denkrichtung, die Preparedness als Manifestation des zeitgenössischen Progressivismus versteht, sowie eine kleinere Strömung, die das Movement in der Tradition des amerikanischen Konservativismus verortet. Die historiografische Charakterisierung des Preparedness Movement als einer typischen Reformbewegung des Progressivismus erscheint intuitiv wenig überraschend. Der Erste Weltkrieg gilt in der Geschichtswissenschaft als Höhe- beziehungsweise Wendepunkt der Progressive Era, deren Leitmotive die USA um 1900 prägten. Unabhängig davon, dass die analytische Eignung des Progressivismus-Begriffs von einigen Historikern bestritten wird,62 ist das frühe 20. Jahrhundert als »Goldenes Zeitalter der Reform«63 in die amerikanische Geschichte eingegangen. Die zahlreichen – und äußerst heterogenen – Reformbewegungen der Ära zielten darauf ab, die zunehmenden Missstände der modernen Industriegesellschaft zu beheben, indem sie Politik und Gesellschaft fundamental erneuerten. Dabei beriefen sie sich auf die Prinzipien von rationaler Planung und professioneller Organisation; die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft – verkörpert durch die Leitfigur des gebildeten 62 63

Für die Debatte um den Progressivismus-Begriff vgl. Rodgers, Daniel T.: In Search of Progressivism, in: Reviews in American History 10/4 (1982), S. 113-132, hier: S. 113-114. Depkat, Volker: Geschichte der USA, Stuttgart 2016, S. 174.

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Experten – sollten dabei helfen, die Probleme Amerikas zu lösen. Unter den Prämissen dieses Effizienzdenkens erfuhr das Bild des Staates eine grundlegende Neubewertung. Das traditionelle Laissez-Faire-Denken wurde durch die etatistischere Vorstellung abgelöst, dass die Regierung eine aktiv-gestalterische Rolle in sozialen und ökonomischen Fragen spielen müsse. Eng damit verbunden waren die Bestrebungen des Progressivismus, politisches Handeln durch einen Ausbau von Partizipationsmöglichkeiten weiter zu demokratisieren. Größtenteils von der weißen protestantischen Mittelschicht getragen, hatte der Reformeifer der Progressive Era aber auch eine autoritäre Komponente. Viele seiner führenden Repräsentanten waren von einem moralischen Paternalismus geleitet, der sie abweichende Lebensweisen bekämpfen ließ – soziale Disziplinierungsvorstellungen waren in der Gedankenwelt des Progressivismus tief verankert.64 Historiker haben viele der typischerweise mit dem Progressivismus assoziierten Charakteristika beim Preparedness Movement wiedererkannt. So wies David Noble in seiner Untersuchung des progressiven Leitmediums New Republic bereits 1951 darauf hin, dass dessen Herausgeber (Herbert Croly, Walter Weyl und Walter Lippmann) Preparedness vor allem aus sozialpolitischen Motiven publizistisch unterstützt hätten. Demnach hätten sie gehofft, dass durch Maßnahmen wie die Koordinierung der Rüstungsindustrie oder die allgemeine Wehrpflicht der Laissez-Faire-Kapitalismus und die Vereinzelung des Individuums überwunden werden könne. Die Reform der amerikanischen Sicherheitsstrukturen, so Noble, sei für diese Vordenker vor allem ein Katalysator für die erhoffte Kollektivierung der amerikanischen Gesellschaft gewesen.65 Zu einem ähnlichen Befund kommt Charles Hirschfeld, der das Denken Theodore Roosevelts genau wie das der Herausgeber der New Republic unter dem Schlagwort des »nationalistischen Progressivismus«66 subsumiert. Nach der Vorstellung dieser Männer sei für

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Stellvertretend für die Fülle an Literatur zur Progressive Era siehe Dawley, Alan: Changing the World. American Progressives in War and Revolution, Princeton u.a. 2003 sowie Flanagan, Maureen A.: America Reformed. Progressives and Progressivism 1890s-1920s, New York 2007. Für einen Forschungsüberblick siehe Diner, Steven J.: Linking Politics and People. The Historiography of the Progressive Era, in: OAH Magazine of History 13/3 (1999), S. 5-9. Vgl. Noble, David W.: The New Republic and the Idea of Progress, 1914-1920, in: The Mississippi Valley Historical Review 38/3 (1951), S. 387-402, hier: S. 397. Hirschfeld, Charles: Nationalist Progressivism and World War I, in: Mid-America 45 (1963), S. 139-156, hier: S. 143.

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die moderne Kriegsführung eine zentralisierte, nach Effizienzgesichtspunkten geführte Staatsbürokratie notwendig gewesen. Ihr militärreformerischer Impetus als Preparedness-Enthusiasten, so Hirschfeld, sei mithin auf eine sozialreformerische Grundmotivation zurückzuführen.67 Finnegan bestätigt in seinem Standardwerk den bereits häufig konstatierten Eindruck, dass es den Repräsentanten der Bewegung um viel tiefer gehende Ziele als einer bloßen Reform der amerikanischen Sicherheitspolitik gegangen sei: »Preparedness was a symptom as well as a movement; it was the expression of a deep unrest beneath the surface of American life. […] Preparedness, in its wider sense, was at once a tool to integrate America and a way to express national vigor and purpose.«68 Finnegan folgt der These, dass das Movement im Progressivismus verortet gewesen sei. Viele progressive Vordenker hätten in Preparedness eine Art »Trojanisches Pferd«69 gesehen, mit dessen Hilfe man endlich die lang ersehnten Sozialreformen durchsetzen könne. Finnegan macht diesen Punkt vor allem am Beispiel Theodore Roosevelts deutlich. Dessen progressive Programmatik sei bei der Präsidentschaftswahl 1912 von Amerikas Wirtschaftselite noch vehement bekämpft worden, während er wenige Jahre später als Vorkämpfer für Preparedness zu deren Hoffnungsträger avanciert sei: »Rejected at the door, progressivism seemed to be coming in through the ammunition hatch.«70 Finnegan beschreibt die Wehrpflicht, das Hauptanliegen der Bewegung, als zeitweise »angesagteste Reform der Progressive Era«71 . Sie sei zum Allheilmittel stilisiert worden, um nicht nur Amerikas militärische, sondern auch seine gesellschaftlichen Probleme zu beheben. Finnegan weist zudem auf die

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Vgl. Hirschfeld: Nationalist Progressivism, S. 143-145. John A. Thompson bestätigt Nobles und Hirschfelds Befund über die New Republic, weist aber darauf hin, dass dieser keinesfalls Allgemeingültigkeit beanspruchen könne. Preparedness sei unter der Gesamtheit der progressiven Intellektuellen hoch umstritten gewesen; es habe unter ihnen sowohl zahlreiche Befürworter als auch Gegner der Bewegung gegeben, siehe Thompson, John A.: Progressive Publicists and the First World War, in: The Journal of American History 58/2 (1971), S. 364-383. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 106-107. Ebd., S. 108. Ebd., S. 109. Ebd.

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nationalistische Stoßrichtung des Preparedness Movement hin, führt diesen wichtigen Punkt allerdings nicht detaillierter aus.72 Bei Weltkriegshistorikern, die in ihren Arbeiten Bezug auf das Movement nehmen, hat die Vorstellung einer ideengeschichtlichen Verortung von Preparedness im Progressivismus weite Verbreitung gefunden. Ein Blick in das jeweilige Literaturverzeichnis offenbart freilich schnell, dass diese Darstellung vor allem auf den Einschätzungen Finnegans beruht. Dessen ideengeschichtlichen Thesen sind nicht nur in zahlreichen Überblickswerken zum US-Engagement im Ersten Weltkrieg wiedergegeben worden, sondern dominieren auch die militärgeschichtliche Spezialforschung.73 Bei der ideengeschichtlichen Verortung in der Literatur fällt zudem auf, dass fast alle einschlägigen Arbeiten auf die beiden Leitfiguren des Movement, Roosevelt und Wood, als progressive Kronzeugen verweisen.74 Obgleich die ideengeschichtliche Verortung von Preparedness im Progressivismus als ›herrschende Meinung‹ in der Forschung gelten kann, ist diese Charakterisierung nicht unumstritten. In Teilen der Literatur sind Historiker zu einer gänzlich anderen Einschätzung gekommen. Dort wird die Bewegung in die Tradition des amerikanischen Konservativismus eingeordnet. Gemeinhin als Gegenpart zum Progressivismus wahrgenommen, war der Konservativismus im frühen 20. Jahrhundert in die diskursive Defensive geraten. In der Progressive Era entsprach die politische Philosophie nicht länger dem gesellschaftlichen Zeitgeist Amerikas. Konservative begegneten dem weit verbreiteten Reformeifer ihrerseits mit Skepsis; tiefgreifende Strukturveränderungen der tradierten US-Institutionen lehnten sie mit Verweis auf das republikanisch-konstitutionelle Erbe der Gründerväter ab. In Abgrenzung zu den progressiven Visionen einer starken regulativen Zentralregierung hielten sie am althergebrachten Ideal des ›schlanken Staates‹ fest, der – administrativ eingehegt durch die Prinzipien von Föderalismus

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Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 109. Clifford verortet das Preparedness Movement ebenfalls im Progressivismus und erwähnt die nationalistische Stoßrichtung der Bewegung knapp; vgl. Clifford: Plattsburg, S. 195-203. Vgl. stellvertretend für die Überblicksdarstellungen Zieger: America’s Great War, S. 68; vgl. stellvertretend für die militärgeschichtliche Forschung Clark, Jason P.: The Many Faces of Reform. Military Progressivism in the U.S. Army, 1866-1917, Diss., Duke University 2009, S. 382-383. Theodore Roosevelts Verortung im Progressivismus gilt in der Forschung als unstrittig; gleiches gilt laut seinem Biografen für Leonard Wood, vgl. Lane, Jack C.: Armed Progressive. General Leonard Wood, 2. Aufl., Lincoln/London 2009, S. xvi.

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und Gewaltenteilung – möglichst wenig in die individuelle Lebensführung seiner Bürger eingreifen sollte. Konservative standen der weit verbreiteten Demokratisierungsrhetorik der Progressive Era kritisch gegenüber, gingen sie doch davon aus, dass die Existenz einer meritokratischen Elite Ausdruck einer harmonisch-organischen Gesellschaftsordnung sei. Der schärfste Gegensatz des Konservativismus zum vorherrschenden Progressivismus manifestierte sich jedoch in den ökonomischen Debatten der Zeit: Soziale und wirtschaftliche Reformen, die auf eine regulative Domestizierung des traditionellen Laissez-Faire-Kapitalismus abzielten, traten Konservative entschlossen entgegen; in Bereichen, in denen der Status quo offenkundig nicht mehr tragbar war, warben sie um maßvolle Veränderungen.75 Die These von der ideengeschichtlichen Verortung von Preparedness im Konservativismus wurde erstmals in Robert Wards Aufsatz über die National Security League auf Quellenbasis ausgeführt. Ähnlich wie die Vertreter der Progressivismus-These geht auch Ward davon aus, dass es dem Movement um mehr als eine Stärkung des US-Militärs gegangen sei; tatsächlich habe das eigentliche Grundmotiv von Preparedness in der »Formulierung kollektiver Standards des Denkens und Handelns«76 bestanden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Historikern identifiziert Ward hinter diesen Disziplinierungsbestrebungen jedoch keine progressive Ideologie. Die militärpolitischen Forderungen der Bewegung seien nicht einfach eine weitere Manifestation des zeitgenössischen Reformgeistes, sondern müssten als Maßnahme zum Schutz der traditionellen republikanisch-konstitutionellen Ordnung verstanden werden. Die gesellschaftspolitischen Ambitionen von Preparedness hätten nicht ein Mehr an Egalitarismus und Partizipation zum Ziel gehabt, sondern den Erhalt der tradierten Eigentumsordnung und der elitenzentrierten Regierungsform. Ward stellt fest, dass die antikommunistische Rhetorik der Bewegung sich ab 1918 stark radikalisiert und zunehmend auch gemäßigte Linke ins Visier genommen habe – ein Befund, der ebenfalls gegen eine progressive Grundierung sprechen würde. Sozioökonomische Gegensätze, so 75

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Die Erforschung des amerikanischen Konservativismus ist in den letzten Jahren zu einem fruchtbaren Feld der US-Geschichtswissenschaft geworden. Ein allgemeiner Überblick findet sich bei Phillips-Fein, Kim: Conservatism. A State of the Field, in: The Journal of American History 98/3 (2011), S. 723-743. Für eine spezifischere Betrachtung des Konservativismus in der Progressive Era siehe Postell, Joseph W./O’Neill, Johnathan (Hg.): Toward an American Conservatism. Constitutional Conservatism during the Progressive Era, New York 2013. Ward: Origin and Activities NSL, S. 58.

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Ward, sollten durch Preparedness-Maßnahmen nicht wirklich nivelliert, sondern lediglich sediert werden. Entsprechend eindeutig fällt seine Untersuchung der ideengeschichtlichen Verortung des Movement aus: »Taken in sum, the policies […] appeared to constitute a counterattack, in the name of conservative business interests, against political and economic liberalism […].«77 Wie vor ihm bereits Ward verwirft auch John Edwards in seiner Monografie über die NSL die vorherrschende Progressivismus-These. Das Movement, so Edwards, habe sich in scharfer Opposition zum vorherrschenden Zeitgeist befunden. Die wachsende Individualisierung der amerikanischen Gesellschaft und der außer Kontrolle geratene Reformeifer der Progressive Era sei von der Bewegung als Bedrohung für den nationalen Zusammenhalt empfunden worden. Zudem habe Preparedness als weitgehend von der Oberschicht getragenes Elitenprojekt die tradierte Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung grundsätzlich erhalten wollen. Punktuell kritisiert worden sei nicht die mit dem Laissez-Faire-Kapitalismus einhergehende sozioökonomische Ungleichheit an sich, sondern dessen Indifferenz gegenüber den Belangen des Gemeinwesens.78 Michael Pearlman, dessen Studie den elaboriertesten Forschungsbeitrag zur Ideengeschichte von Preparedness darstellt, wendet sich ebenfalls entschieden gegen die Progressivismus-These. Die Bewegung, so das Ergebnis seiner gruppenbiografischen Untersuchung, verstand ihre Forderungen nicht als moderne, auf rationalem Expertenrat beruhende Reformvorschläge, sondern als Rückbesinnung auf die idealisierte Vergangenheit des puritanischen Neuenglands. Das eigentliche Grundübel, gegen das sich Preparedness gewandt habe, sei der Materialismus der industriellen Moderne und der mit ihr einhergehende Wertewandel gewesen. Die Bewegung habe die Auffassung vertreten, dass Massenpartizipation, Individualismus und Sozialismus die gewachsene Gesellschaftsordnung mit ihren natürlichen Hierarchien zerstören und damit die Grundlagen der Republik selbst gefährden würden. Preparedness, so Pearlman, habe zwar Überschneidungen mit progressiven Reformbemühungen, die auf eine gestärkte Rolle des Staates hinausliefen, gehabt. Dabei sei es aber nie um die Domestizierung des amerikanischen Ka77 78

Ebd., S. 61. »Liberalism« wird hier von Ward als Synonym für den Progressivismus verwendet. Vgl. Edwards: NSL, S. 141-143.

1. Einleitung

pitalismus gegangen, sondern lediglich um dessen Ergänzung um eine moralische Komponente. Tatsächlich habe sich das Movement vor den populistischen Tendenzen des Progressivismus gefürchtet, in dessen ökonomischer Egalitätsrhetorik es eine Bedrohung seiner elitären Gesellschaftsvorstellungen gesehen habe. Die militärpolitische Forderung nach der Wehrpflicht könne in diesem Sinne durchaus als Gegenprogramm zu den radikaleren sozialpolitischen Reformbemühungen der Progressive Era verstanden werden. Der gemeinsame Dienst an der Waffe sei von der Bewegung als vergleichsweise gemäßigtes Instrument verstanden worden, das Gemeinwesen gegenüber den partikularen Einzelinteressen seiner Bürger zu stärken.79 Pearlman kommt daher zu dem Schluss, dass das Preparedness Movement ideengeschichtlich im Konservativismus verortet gewesen sei.80 Anders als ihr progressives Pendant hat die Konservativismus-These wenig Nachhall in der Forschung gefunden. Bei den meisten geschichtswissenschaftlichen Arbeiten, die sich literaturgestützt auf Preparedness beziehen, findet sich keine der drei genannten Studien in den bibliografischen Angaben. Trotz der unterschiedlichen historiografischen Verbreitung der beiden Thesen muss es verwundern, wie Historiker zu derart gegensätzlichen Ergebnissen bei der ideengeschichtlichen Verortung von Preparedness kommen konnten. Zurückführen lassen sich die gegensätzlichen Befunde letztlich auf divergierende methodische Ansätze: Vertreter der Progressivismus-These haben sich in ihren Studien vor allem auf prominente Wortführer wie Roosevelt oder Wood konzentriert und aus den Ansichten dieser exponierten Einzelakteure auf die Ideologie der Gesamtbewegung geschlossen. Verfechter der Konservativismus-These stellten ihre Arbeiten dagegen auf eine breitere Untersuchungsgrundlage und nahmen eine ganze Preparedness-Organisation (Ward und Edwards) oder zumindest eine größere Gruppe von wichtigen Einzelakteuren (Pearlman) in den Blick. Die Tatsache, dass sich beide Thesen bis heute in der Forschung gehalten haben, bedeutet jedoch nicht, dass die ihnen zugrundeliegenden Prämissen wissenschaftlich gleichermaßen stichhaltig sind. Wie eingangs bereits erläutert wurde, ist der methodische Ansatz der Konservativismus-Vertreter

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Vgl. Pearlman: Patricians and Preparedness, S. 1-7, 266-270. Pearlman stuft das Preparedness Movement zwar als konservativ ein, wirft in seinen Schlussbetrachtungen aber auch die – nicht weiter problematisierte – Frage auf, ob man nicht sogar von einer »reaktionären« Bewegung sprechen müsse; Pearlman: Patricians and Preparedness, S. 266.

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wesentlich überzeugender, eröffnet die historische Berücksichtigung möglichst vieler Akteure doch eine deutlich repräsentativere Perspektive auf die Preparedness-Bewegung. Dennoch können die Ergebnisse Wards und Edwards nicht einfach unkritisch übernommen werden, da beide Historiker die ideengeschichtliche Dimension in ihren primär organisationsgeschichtlichen Studien nur rudimentär problematisiert haben. Demgegenüber baut die vorliegende Arbeit auf dem methodischen Ansatz Wards und Edwards auf, verbreitert und systematisiert die Untersuchungsgrundlage aber nochmals deutlich. Auf diese Weise wird auf umfassender Quellengrundlage ergebnisoffen analysiert, in welcher ideengeschichtlichen Strömung sich Preparedness verorten lässt.

1.4

Kernthesen und wissenschaftliche Relevanz der Arbeit

Drei Kernthesen bilden das wissenschaftliche Fundament der Studie. Diese geben einerseits dem bisher kaum erforschten zivilen Engagement für Preparedness Kontur; andererseits stellen sie aber auch alte Gewissheiten über die Gesamtbewegung infrage. So baut die Arbeit zwar grundsätzlich auf der in den 1970er und 1980er Jahren geleisteten Pionierarbeit auf, kommt in entscheidenden Punkten jedoch zu Befunden, die auf die Revision einiger jahrzehntealter Annahmen über das Movement hinauslaufen. Um der weiteren Untersuchung einen analytischen Rahmen voranzustellen, werden die drei Kernthesen der Arbeit an dieser Stelle knapp skizziert und den abweichenden Befunden in der Forschungsliteratur gegenübergestellt.81 (1) In der Literatur wird davon ausgegangen, dass eine kleine Gruppe von Individuen das Preparedness Movement kontrolliert und dessen Kampagne dominiert hätte. Während die revisionistische Verschwörungstheorie, dass die Bewegung im Wesentlichen vom Großkapital fremdgesteuert worden sei, als weitgehend widerlegt gelten kann, hat das auf Finnegan zurückgehende Forschungsnarrativ ebenfalls einen losen Zirkel von Einzelpersonen als zentrale Preparedness-Akteure identifiziert: die Reformer in Militärverwaltung

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Die erste und zweite Kernthese der Arbeit sind dem Fachpublikum bereits im Rahmen eines 2018 erschienen Aufsatzes vorgestellt worden; siehe Franz, Manuel: Preparedness Revisited. Civilian Societies and the Campaign for American Defense, 1914-1920, in: Journal of the Gilded Age and Progressive Era 17/4 (2018), S. 663-676.

1. Einleitung

und Armeeführung um General Leonard Wood sowie einige lautstarke Politiker um Theodore Roosevelt. Demnach seien die Akteure in staatlich-institutionellen Positionen die wesentlichen Träger der Bewegung gewesen; ihre Vorstellungen und ihr Handeln werden in der Literatur mithin als konstitutiv für das historische Verständnis von Preparedness dargestellt. Zivile Preparedness-Organisationen hätten demgegenüber kaum über Akteursqualität verfügt, da ihre reaktiv bleibenden Aktivitäten stark vom Input dieser Männer abhängig gewesen seien. Entgegen dem Tenor in der Literatur zeigt die Untersuchung auf, dass zivile Preparedness-Organisationen keineswegs bloß das Ausführungsorgan einer zentral gesteuerten Kampagne waren. Vielmehr handelte es sich bei ihnen um weitgehend autonome Akteure und wichtige Ideengeber der Bewegung, die sich in der Praxis nur sporadisch mit Männern wie Roosevelt oder Wood austauschten. Tatsächlich dürften Preparedness-Organisationen von vielen Amerikanern als prononcierteste Repräsentanten des Movement wahrgenommen worden sein, prägten sie mit ihren umtriebigen PR-Aktivitäten doch das öffentliche Bild der Kampagne. Als zentrale Akteure innerhalb der Gesamtbewegung kommt ihnen eine Schlüsselrolle für das historische Verständnis von Preparedness zu. (2) Die Gleichsetzung der Gesamtbewegung mit ihren staatlich-institutionellen Akteuren hat in der Forschungsliteratur zu einer entsprechend verengten Periodisierung des Movement auf die Neutralitätsperiode geführt. Finnegan und andere haben festgestellt, dass sich sowohl die Militärreformer um Wood als auch Politiker wie Roosevelt nach dem Kriegseintritt der USA den praktisch-logistischen Herausforderungen der Kriegsführung zuwandten und sich aus dem bisweilen recht abstrakten Diskurs um das ideale Maß an Verteidigungsbereitschaft zurückzogen. Immerhin waren Forderungen wie die Wehrpflicht nunmehr offizielle Regierungspolitik geworden. Aus diesem Befund haben Historiker ganz selbstverständlich geschlossen, dass die gesamte Preparedness-Debatte ab April 1917 obsolet geworden sei.82 Als Konsequenz dieser Annahme findet sich heute in nahezu jedem Überblickswerk der nicht weiter problematisierte Hinweis, dass die Preparedness-

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Bei Finnegan findet sich dieser Befund besonders pointiert zusammengefasst: »America’s participation in World War I fulfilled and destroyed the preparedness movement«; Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 194.

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Kampagne zeitlich auf die zweieinhalbjährige Periode der amerikanischen Neutralität begrenzt gewesen sei.83 Die Untersuchung zeigt demgegenüber auf, dass das PreparednessLeitmotiv im Nachgang des amerikanischen Kriegseintritts 1917 nicht an Relevanz verlor. Anders als viele Akteure in Politik, Verwaltung und Militär setzten die mindestens ebenso bedeutenden zivilen Organisationen ihre Kampagne auch während des Krieges und nach dem Waffenstillstand fort; teilweise intensivierten sie ihr Engagement in dieser Zeit sogar noch. Tatsächlich lässt sich ein deutlicher Rückgang ihres Aktivitätsgrades erst nach 1920 feststellen. Die auf die historiografische Gleichsetzung der Gesamtbewegung mit ihrer staatlich-institutionellen Säule zurückgehende Verengung des Movement auf die Phase der amerikanischen Neutralität ist mithin nicht haltbar. Eine angemessene Periodisierung von Preparedness muss die Kriegszeit und die daran anschließende Red Scare miteinbeziehen. Der Zeitraum 1914 bis 1920 erscheint hierfür angemessen. (3) Historiker haben bereits früh erkannt, dass sich Preparedness nicht auf militär- und rüstungspolitische Fragen beschränkte. In der Literatur ist immer wieder betont worden, dass der vielschichtigen Parole ein holistisches Konzept von nationaler Sicherheit zugrunde lag. Im Jahr 1914 durch die äußere Gefahr des europäischen Krieges popularisiert, zielte die Bewegung ebenso auf die Behebung der von ihr identifizierten innergesellschaftlichen Problemlagen der Vereinigten Staaten ab. In der Forschung sind die ideengeschichtlichen Wurzeln dieser Bestrebungen mit Verweis auf einzelne Wortführer wie Roosevelt oder Wood zumeist auf die Gedankenwelt des zeitgenössischen Progressivismus zurückgeführt worden; eine Minderheit von Historikern hat Preparedness dagegen ideologisch im amerikanischen Konservativismus verortet. Ausgehend von dem Befund, dass Preparedness-Organisationen zentrale Akteure der Bewegung waren, nimmt die Untersuchung ihre programmatischen Schriften als Quellen ernst. Auf Basis einer systematischen Auswertung dieses in der Forschung bisher nur rudimentär beachteten Materials wird die alte Frage nach der ideologischen Verortung von Preparedness neu in den Blick genommen. Zwar waren die verschiedenen Organisationen ideologisch kein monolithischer Block; ein gemeinsamer Kanon an Grundwerten ist aber

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Vgl. beispielsweise Kennedy: Preparedness, S. 270-271 oder siehe Nielson: Art. »Preparedness«.

1. Einleitung

durchaus identifizierbar. Tatsächlich vermögen im Ergebnis weder die Adjektive ›progressiv‹ noch ›konservativ‹ das Phänomen Preparedness adäquat zu charakterisieren. Die Bewegung bediente sich vielmehr im ideologischen Fundus beider politischer Großphilosophien. Während das Movement seine Forderungen häufig in eine progressive Fortschritts-, Reform- und Effizienzrhetorik kleidete und sich auf Erkenntnisse der modernen Wissenschaften berief, lassen sich in seinen Vorstellungen von einer organisch-harmonischen Gesellschaft und seiner Idealisierung der vorindustriellen Vergangenheit Amerikas klar konservative Elemente ausmachen. Angesichts dieses widersprüchlichen Befunds stellt die Arbeit die These auf, dass es sich bei Preparedness um ein Integrationsprojekt handelte, das die gesellschaftliche Spaltung zwischen Progressiven und Konservativen überwinden sollte, indem es Charakteristika beider Lager zusammenführte. Das gemeinsame Banner, unter dem dies geschah, war ein autoritäres Narrativ des zeitgenössischen Konzepts des Amerikanismus. Wollte man die komplexe Ideologie hinter Preparedness unter ein ideengeschichtliches Schlagwort subsumieren, so wäre nicht Progressivismus oder Konservativismus, sondern Nationalismus der geeignete Begriff. Welche Relevanz kommt der Untersuchung für die Geschichtsschreibung über die USA im Ersten Weltkrieg zu? Als Studie über die Kampagne ziviler Preparedness-Organisationen kann die Arbeit gleichsam als eine Komplementärgeschichte zu den bestehenden Werken über die staatlich-institutionellen Akteure in Politik, Verwaltung und Militär verstanden werden, die in der Literatur allzu oft mit der Gesamtbewegung gleichgesetzt wurden. Durch den strukturellen Ansatz, die Preparedness-Kampagne in Form einer Organisationsgeschichte von NSL und ADS zu illustrieren, wird ein Schlaglicht auf zwei wichtige Vereinigungen geworfen, die in den historiografischen Debatten bisher vernachlässigt worden sind. Tatsächlich ist insbesondere die American Defense Society in der Forschung bisher kaum beachtet worden.84 Über die gleichsam im Fokus stehende National Security League liegen dank Wards und Edwards Forschungsarbeit dagegen bereits seit längerem wichtige Studien vor. Die Untersuchung baut auf den dort publizierten Befunden auf, ergänzt diese aber um Erkenntnisse aus damals nicht berücksichtigten

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Der Hinweis, dass eine organisationsgeschichtliche Studie über die American Defense Society dringend aussteht, findet sich beispielsweise im bibliografischen Essay von Doeneckes Monografie zum amerikanischen Kriegseintritt; vgl. Doenecke: America’s War Entry, S. 260-261.

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Quellen. Dabei kommt sie insbesondere in Hinblick auf die ideologische Ausrichtung der NSL zu einer Neueinschätzung der zuletzt in den 1980ern erforschten Preparedness-Organisation. Darüber hinaus kann die Arbeit in Hinblick auf die skizzierte ideologische Verbindung zwischen den Leitmotiven ›Preparedness‹ und ›Amerikanismus‹ nicht nur als Spezialstudie über die US-Geschichte im Ersten Weltkrieg verstanden werden, sondern auch als Diskussionsbeitrag zum größeren Forschungsfeld um den amerikanischen Nationalismus. In der PreparednessDebatte wurden Weltanschauungen offenbart, die bei einem Diskurs, bei dem es vordergründig um militär- und rüstungspolitische Fragen ging, durchaus bemerkenswert sind. In den Rückgriffen der Bewegung auf illiberale85 Argumentationsmuster manifestierten sich die langen Linien des Nationalismus in der amerikanischen Geschichte – ein Befund, der in Hinblick auf die politischen und sozialen Konflikte in der US-Gesellschaft des frühen 21. Jahrhunderts auch jenseits des konkreten Untersuchungszeitraums der Arbeit von übergeordnetem Interesse ist.

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Während das englische Wort »liberal« heute im amerikanischen Sprachgebrauch zumeist auf die politische Philosophie des Mitte-Links-Spektrums verweist, wird der Liberalismus-Begriff in dieser Arbeit ausschließlich im deutschen Wortsinn verwendet. Für das unterschiedliche Liberalismus-Verständnis von Amerikanern und Europäern, das sich insbesondere im Zuge des New Deal herausbildete, vgl. Oldopp, Birgit: Das politische System der USA. Eine Einführung, 2. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 117-118.

2 Prolog: Die historischen Ursprünge von Preparedness

2.1

Die amerikanische Sicherheitspolitik am Vorabend des Ersten Weltkriegs (1898-1914)

Das Ende des Amerikanischen Bürgerkrieges und die rapide Industrialisierung der Vereinigten Staaten schufen die Voraussetzungen, die die USA im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu einer internationalen Großmacht werden ließen, deren strategischen Interessen weit über die eigenen Landesgrenzen hinausreichten. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die innergesellschaftlichen Umbrüche, die Amerika in jenem Zeitraum erschütterten. Der Übergang zur industriellen Moderne ging mit erheblichen sozioökonomischen Verwerfungen einher; Massenimmigration und krisenhafte Wirtschaftseinbrüche beförderten den Topos, dass die Vereinigten Staaten expandieren müssten, um weiter prosperieren zu können. Umso problematischer erschien das 1890 von der US-Zensusbehörde verkündete Ende der Frontier, der westlichen Siedlungsgrenze. Sendungsbewusste Amerikaner lösten dieses Dilemma auf, indem sie das seit den 1840er Jahren zirkulierende Denkmodell der Manifest Destiny geografisch entgrenzten; fortan galt auch die Welt jenseits des nordamerikanischen Kontinents als potenzieller Expansionsraum.1 Damit traten die Vereinigten Staaten in den globalen Konkurrenzkampf um Rohstoffe, Absatzmärkte und Einflusssphären ein. In der Folge forcierten die USA die ökonomische Durchdringung Lateinamerikas und der Karibik. Die wachsende wirtschaftliche Dominanz in der westlichen Hemisphäre ging mit

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Für den Zusammenhang zwischen dem Schließen der Frontier und dem überseeischen US-Imperialismus siehe Wrobel, David M.: The End of American Exceptionalism. Frontier Anxiety from the Old West to the New Deal, Lawrence 1993.

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einschneidenden politischen Implikationen einher. Um amerikanische Handelsinteressen und die Rechte amerikanischer Bürger in Übersee zu schützen, trat die US-Regierung immer dominanter gegenüber einer Region auf, die zunehmend in amerikanische Abhängigkeit geriet. Zwar setzten die USA mit ihrem »American Way of Empire«2 – anders als die Kolonialmächte Europas – vor allem auf die informell-ökonomische Kontrolle fremder Gebiete;3 dennoch lässt sich kaum bestreiten, dass die Vereinigten Staaten im späten 19. Jahrhundert zu einer imperialen Nation geworden waren.4 Mit dem prestigeträchtigen Sieg im Krieg gegen Spanien stiegen die Vereinigten Staaten schließlich auch formell in den Kreis der Kolonialmächte auf. Selbst wenn der amerikanische Triumph von 1898 weniger glanzvoll war als es das Bonmot vom »Splendid Little War« vermuten lässt – bei Spanien handelte es sich letztlich um eine zweitklassige europäische Macht – leistete der erfolgreiche Waffengang doch einer kurzzeitigen imperialistischen Begeisterung Vorschub. Anders als in früheren Jahren gaben sich die USA nicht mit der informellen Hegemonie über Spaniens überseeische Besitzungen zufrieden, sondern sicherten sich mit den Philippinen, Guam und Puerto Rico einen Teil der Kriegsbeute als direktes Herrschaftsgebiet. Außerdem annektierten sie 1898 die bereits zuvor in amerikanische Abhängigkeit geratenen Inselgruppen Hawaii und Samoa. In einer Zeit, in der Marinestützpunkte und Hochseeflotten als entscheidender Faktor im Konkurrenzkampf der Weltmächte galten, wollte Washington nicht zurückstecken. Der 1903/04 erworbene und

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Bender, Thomas: The American Way of Empire, in: World Policy Journal 23/1 (2006), S. 45-61, hier: S. 45. Für eine Einführung in die Forschungsdiskussion um das »American Empire« siehe Speck, Ulrich/Sznaider, Natan: Empire Amerika. Perspektiven einer neuen Weltordnung, München 2003. Für eine historiografische Diskussion der wichtigsten Arbeiten zum US-Imperialismus siehe Ninkovich, Frank: The United States and Imperialism, in: Schulzinger, Robert D. (Hg.): A Companion to American Foreign Relations, Malden u.a. 2003, S. 79-102. Zur Abgrenzung des vornehmlich nicht-territorialen Imperialismus der USA vom Kolonialismus der Europäer vgl. Steinmetz, George: Return to Empire. The New U.S. Imperialism in Comparative Perspective, Sociological Theory 34/4 (2005), S. 339-367, hier: S. 340-353. Vgl. Depkat: USA, S. 152-158, 178-180; Herring, George C.: From Colony to Superpower. U.S. Foreign Relations since 1776, Oxford u.a. 2008, S. 302-306.

2 Prolog: Die historischen Ursprünge von Preparedness

1914 eröffnete Panamakanal ermöglichte es den Vereinigten Staaten zudem, ihre breitgestreuten Besitzungen flexibel verteidigen zu können.5 Durch die Annexion der Philippinen zur ostasiatischen Anrainermacht geworden, vertraten die USA ihre Interessen bald auch in China mit wachsendem Nachdruck. Als das Riesenreich um 1900 zu desintegrieren drohte und amerikanische Handelsinteressen gefährdet schienen, bestanden die Vereinigten Staaten gegenüber den europäischen Mächten auf der territorialen Integrität Chinas. Auch gegenüber Lateinamerika nahmen die USA um die Jahrhundertwende eine aggressivere Hegemonialrolle ein. Theodore Roosevelt, der nach der Ermordung William McKinleys 1901 mit nur 42 Jahren Präsident geworden war und mit seinem auftrumpfenden Habitus das Selbstbewusstsein der jungen Weltmacht geradezu personifizierte,6 setzte gegenüber den Ländern im Süden auf eine ›Big Stick Policy‹ – eine stark paternalistisch gefärbte Außenpolitik nach dem Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche. Höhepunkt dieser Entwicklung war die Roosevelt-Corollary von 1904, die einer imperialistischen Umdeutung der traditionellen Monroe-Doktrin gleichkam: Um Lateinamerika vor der Gefahr einer europäischen Einmischung zu schützen, behielten sich die USA fortan ein potenziell unbeschränktes Eingriffsrecht in ihrem ›Hinterhof‹ vor.7 Mit dieser vermeintlichen Legitimierung ausgestattet, intervenierten die Vereinigten Staaten in den folgenden Jahren zahlreiche Male in den kleineren Ländern der Neuen Welt.8 Der imperialistische Impetus der US-Außenpolitik um die Jahrhundertwende war keineswegs unumstritten, sondern wurde in der amerikanischen Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Viele Amerikaner verstanden ihre Republik als eine aus antikolonialem Kampf hervorgegangene Nation und lehnten die überseeische Expansion nach europäischem Vorbild entschieden ab. Der Streit entzündete sich insbesondere an der Frage der Annexion 5

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Vgl. Depkat: USA, S. 182-183; McCartney, Paul T.: Power and Progress. American National Identity, the War of 1898, and the Rise of American Imperialism, Baton Rouge 2006, S. 174-198. Vgl. Atta, John R. van: Charging Up San Juan Hill. Theodore Roosevelt and the Making of Imperial America, Baltimore 2018, S. 7-8. Für eine ausführliche historische Würdigung der Roosevelt-Corollary siehe Rabe, Stephen: Theodore Roosevelt, the Panama Canal, and the Roosevelt Corollary. Sphere of Influence Diplomacy, in: Serge, Ricard (Hg.): A Companion to Theodore Roosevelt, Malden u.a. 2011, S. 274-292. Vgl. Herring: U.S. Foreign Relations, S. 344-350, 363-374. Siehe außerdem Musicant, Ivan: The Banana Wars. A History of United States Military Intervention in Latin America from the Spanish American War to the Invasion of Panama, New York 1990.

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der Philippinen, die von einem breiten Bündnis unter Führung der AntiImperialist League bekämpft wurde.9 Zwar setzten sich die Befürworter einer Kolonialherrschaft über die pazifische Inselgruppe letztlich durch; dennoch zeigte die hitzige Debatte, dass es selbst in der kurzen Hochphase des USImperialismus keinen breiten gesellschaftlichen Konsens über die Prämissen amerikanischer Großmachtpolitik gab. Die Amerikaner waren in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik ein gespaltenes Volk. Dabei konnten sich beide Seiten mit einiger Berechtigung auf historische Traditionslinien10 berufen, die bis in die Gründungsphase der Republik zurückgingen.11 Während die Rolle der USA gegenüber ihrer imperialen Peripherie im frühen 20. Jahrhundert ein kontroverses Thema blieb, herrschte auf dem Feld der Europapolitik weitgehend Einigkeit: Die Vereinigten Staaten blieben den traditionellen Grundsätzen der Monroe-Doktrin verpflichtet und hielten sich aus den Konflikten der Alten Welt heraus. Dies hinderte Amerika freilich nicht daran, sein neugewonnenes Gewicht in den internationalen Beziehungen zu nutzen, um als Mediator zwischen den Großmächten zu vermitteln. So traten die USA 1905 und 1906 prestigeträchtig als Vermittler im Russisch-Japanischen Krieg und der Ersten Marokkokrise auf – eine Rolle, die Präsident Roosevelt den Friedensnobelpreis einbrachte.12 Trotz der positiven internationalen Rezeption stieß die amerikanische Teilnahme an der Algeciras-Konferenz innenpolitisch auf Widerstand. Kritiker warfen dem Präsidenten vor, er habe sich ohne Not in die Händel der Alten Welt verstrickt. Die US-Regierung sah sich bei der Unterzeichnung der Schlussakte zu der Bekräftigung veranlasst, dass die Vereinigten Staaten als an 9

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Siehe Soberano, Rawlein G.: The American Debate on Philippine Annexation at the Turn of the Century, in: Asian Studies. Journal of Critical Perspectives on Asia 11/2 (1973), S. 114-122; Welch, Richard E.: Response to Imperialism. The United States and Philippine-American War, 1899-1902, Chapel Hill 1979. Klaus Schwabe identifiziert in seinem deutschsprachigen Standardwerk fünf Traditionslinien, die das ideologische Koordinatensystem amerikanischer Außenpolitik im 20. Jahrhundert geprägt haben: der Isolationismus, die revolutionärantikolonialistisch-emanzipatorische Tradition, der humanitäre Impetus, die demokratisch-missionarische Tradition und den Expansionismus; vgl. Schwabe, Klaus: Weltmacht und Weltordnung. Amerikanische Außenpolitik von 1898 bis zur Gegenwart. Eine Jahrhundertgeschichte, Paderborn u.a. 2006, S. 4-10. Vgl. McCartney: Power and Progress, S. 224-273. Siehe Eden, Douglas: America’s First Intervention in Europe. Theodore Roosevelt and the European Crisis of 1905-1906, in: Ricard, Serge (Hg.): Companion Theodore Roosevelt, S. 350-367.

2 Prolog: Die historischen Ursprünge von Preparedness

Marokko desinteressierte Macht nicht vorhätten, sich an der praktischen Durchsetzung des Beschlossenen zu beteiligen. Der Senat ließ zudem offiziell verlautbaren, dass die USA weiterhin auf eine strikte Politik der Nichteinmischung gegenüber Europa setzten. Trotz aller Differenzen in der Debatte um die imperialistischen Ambitionen der Vereinigten Staaten herrschte in der Öffentlichkeit weitgehend Konsens, dass Amerikas strategische Interessen nicht über den Atlantik hinausreichten. George Washingtons viel zitierte Warnung von 1796, langfristige politische Verbindungen mit dem Ausland zu vermeiden, hatte im beginnenden 20. Jahrhundert zumindest in Bezug auf Europa nach wie vor Gültigkeit.13 Am Vorabend des Ersten Weltkriegs galten die Spannungen zwischen den europäischen Nationen vielen Amerikanern als abschreckendes Beispiel. Die zunehmende Konfrontation und das Wettrüsten zwischen der Entente und den Mittelmächten wurden in den USA äußerst kritisch kommentiert; die waffenstarrenden Millionenheere beider Blöcke galten als Ausdruck eines inhärenten Militarismus der kontinentaleuropäischen Gesellschaften. In der öffentlichen Meinung Amerikas fungierte der sehr negativ konnotierte Militarismus-Vorwurf gleichsam als Negativfolie, von der man sich entschieden abgrenzte. Viele US-Bürger verstanden die militärischen Traditionen ihres Landes – Freiwilligenarmee, dezentral organisiertes Milizsystem, Wehrpflicht nur in Kriegszeiten – als Ausdruck eines spezifisch amerikanischen Verständnisses von Freiheit, Föderalismus und Bürgertugend. Sie galten als wichtiger Garant dafür, dass Amerika sich nicht auf das fragwürdige Niveau europäischer Machtpolitik begeben, sondern weiter eine moralisch grundierte Außenpolitik betreiben würde, die der Welt als Vorbild dienen möge. In verteidigungspolitischen Debatten wurde immer wieder auf die positiven historischen Erfahrungen verwiesen, die man während des Unabhängigkeitskrieges mit einem dezentral organisierten Heer aus Bürgersoldaten gemacht habe. Im Übrigen war die Vorstellung weit verbreitet, dass die Vereinigten Staaten durch ihre geografische Lage von keinem ernst zu nehmenden Gegner bedroht würden. Tatsächlich fragten sich viele Bürger, wozu man überhaupt eine aufwändige Militärmaschinerie unterhalten solle, wenn die nationale Sicherheit doch gar nicht gefährdet sei.14

13 14

Vgl. Herring: U.S. Foreign Relations, S. 337-338, 357-363; Schwabe: Weltmacht, S. 38-39. Vgl. Ekirch, Arthur A.: The Civilian and the Military. A History of the American Antimilitarist Tradition, 3. Aufl., Oakland 2010, S. 107-139.

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Die weit verbreitete Ablehnung dessen, was Amerikaner unter ›Militarismus‹ verstanden, trug maßgeblich dazu bei, dass militärische Institutionen in der US-Zivilgesellschaft deutlich unpopulärer waren als dies beispielsweise in Deutschland oder Frankreich im frühen 20. Jahrhundert der Fall war.15 Entsprechend zurückhaltend war der Kongress bei der Bewilligung der Rüstungsausgaben. Insbesondere im von lokalen Wahlkreisinteressen dominierten Repräsentantenhaus sah man kaum Anlass, sich an kontroversen Fragen der Verteidigungspolitik die Finger zu verbrennen. Während der großen Reformdebatten der Progressive Era dominierten vielmehr sozioökonomische Probleme die politische Tagesordnung. Roosevelts Nachfolger im Präsidentenamt, William H. Taft (1909-1913) und Woodrow Wilson (ab 1913), sahen ebenso wenig Anlass wie der Kongress, in Friedenszeiten größere Summen in die Streitkräfte zu investieren. Nach den außenpolitischen Abenteuern der McKinley- und Roosevelt-Administrationen hatten für beide Nachfolgeregierungen innenpolitische Fragen Priorität. Schließlich hatten die meisten Wähler in ihrem Alltag andere Sorgen als sich mit einem scheinbar abstrakten Thema wie der nationalen Sicherheit zu befassen. So verwundert es nicht, dass die Vereinigten Staaten in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg im Durchschnitt nicht einmal ein Prozent ihres Bruttosozialprodukts für Militärausgaben aufwendeten – deutlich weniger als jede andere bedeutende Macht der Erde.16 Insbesondere die U.S. Army – das amerikanische Freiwilligen- beziehungsweise Berufsheer – musste in diesen Jahren unter teils prekären Bedingungen operieren. Mit einer Truppenstärke von unter 100.000 Mann zu Jahresbeginn 1914 waren die Landstreitkräfte der USA nicht nur erheblich kleiner als die Armeen der anderen Großmächte, sondern wurden zahlenmäßig selbst von vielen unbedeutenderen europäischen Staaten übertroffen. Ein Teil der insgesamt 170 Küstenartillerie-, 30 Infanterie-, 15 Kavallerie- und 6 Feldartillerieregimenter war zudem in Friedenszeiten nur zur Hälfte besetzt. Ein zeitgenössisches Magazin kommentierte 1912 bissig, dass man es mit 15

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Für eine vergleichende Untersuchung über die Rolle des Militärs in der deutschen und französischen Gesellschaft siehe Heuvel, Jörg van den: Mythos Militarismus? Militär und Politik in Deutschland und Frankreich am Vorabend des Ersten Weltkriegs, Diss., Universität Frankfurt 2014. Van den Heuvel identifiziert in seiner Studie bei beiden Nationen ein in etwa gleich stark ausgeprägtes Maß an partiellem Militarismus. Vgl. Ekirch: Antimilitarist Tradition, S. 140-155; Kennedy, Paul: Aufstieg und Fall der Großen Mächte. Ökonomischer Wandel und militärischer Konflikt von 1500 bis 2000, Frankfurt a.M. 1989, S. 377.

2 Prolog: Die historischen Ursprünge von Preparedness

der untauglichsten Armee zu tun habe, die die Vereinigten Staaten seit der Amerikanischen Revolution unterhalten hätten.17 Tatsächlich wurde ein erheblicher Teil der überstrapazierten Kräfte benötigt, um die amerikanischen Besitzungen in Übersee zu bemannen, was dazu führte, dass die Soldaten vor allem mit Polizeiaufgaben und weniger mit Kampftraining befasst waren. Die in der Heimat verbliebenden Truppen waren in abgelegenen Außenposten an der ehemaligen Frontier im Westen oder an der mexikanischen Grenze stationiert.18 Die geringe Sichtbarkeit der Armee im Alltag der Amerikaner trug zu einer gewissen Indifferenz der Zivilbevölkerung gegenüber den Streitkräften bei. Hinzu kam der zweifelhafte Ruf der Soldaten: Als Berufsheer musste die U.S. Army ihren Nachwuchs auf dem freien Arbeitsmarkt anwerben, war aber finanziell kaum in der Lage, ihre Rekruten attraktiv zu entlohnen. Aufgrund des geringen Solds setzten sich die niederen Ränge der Armee vor allem aus unqualifizierten oder besonders rauflustigen Männern zusammen – ein Faktor, unter dem die Reputation des Militärs in bürgerlichen Kreisen litt. Darüber hinaus standen das Berufsheer des Bundes und die Milizen der Einzelstaaten lange Zeit eher in Konkurrenz zueinander als dass sie einander ergänzten. Im öffentlichen Verteilungskampf um Aufmerksamkeit und Ressourcen genossen die lokal verwurzelten Milizionäre bei vielen Amerikanern größere Sympathien als die der Zentralregierung unterstellten Soldaten. Mit der Gründung der Nationalgarde durch den Militia Act von 1903 besserte sich das Verhältnis zwischen den beiden Institutionen zwar deutlich; dennoch wirkten die alten Konflikte auch in den folgenden Jahren nach. Angesichts der zahlreichen Defizite gaben selbst eingefleischte Sympathisanten der Truppe zu, dass die U.S. Army lediglich eine Art Nukleus sei, um den herum man im Falle eines größeren Krieges eine schlagkräftige Streitmacht erst aufbauen müsse.19 Die offenkundigen Defizite des Heeres waren den zivilen und militärischen Verantwortungsträgern im Kriegsministerium durchaus bewusst. Den Reformeifer anderer Modernisierungsbewegungen der Progressive Era vor Augen, bildete sich ein kleiner, aber umtriebiger Zirkel von Militärreformern mit Protagonisten in Politik, Militärverwaltung und Offizierskorps heraus.

17 18 19

Vgl. Kibbe, George: Why We Have no Army, in: McClure’s Magazine 37 (1912), S. 677-683, hier: 681. Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 5-6. Vgl. ebd., S. 8-9, 18.

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Diese sich selbst bisweilen als »military progressives«20 bezeichnenden Männer wollten der überkommenen Verteidigungsarchitektur der Vereinigten Staaten eine effizientere und professionellere Struktur verleihen, um die Leistungsfähigkeit der Streitkräfte zu stärken. Im Reformdiskurs dieser Expertengruppe setzte sich um die Jahrhundertwende ein zentrales Schlagwort durch, unter dem die diskutierten Maßnahmen für eine robustere US-Sicherheitspolitik subsumiert wurden: Preparedness.21 Mit Kriegsminister Elihu Root (1899-1904) hatten die Militärreformer einen Verbündeten am Kabinettstisch gewonnen, der ihre Ideen teilte. Während viele seiner Vorgänger wenig qualifizierte Parteigänger waren, die kaum Leidenschaft für die Armee entwickelten, zeigte der Republikaner genuines Interesse für die Belange der Truppe. Unter Roots ambitionierter Führung strafften die Militärreformer die ineffizienten Kommandostrukturen der Streitkräfte, führten ein Rotationssystem bei wichtigen Führungspositionen ein und gründeten das U.S. Army War College, um die Offiziersausbildung zu professionalisieren. Zudem wurde an der Spitze des Heeres der Posten eines Chief of Staff geschaffen, der einem Generalstab vorstand und für die Koordination des Gesamtsystems verantwortlich zeichnete. Als Generalstabschef machte insbesondere General Leonard Wood (1910-1914), der später gemeinsam mit Roosevelt zum führenden Vertreter des Preparedness Movement werden sollte, die weitere Modernisierung des Heeres zu seinem Ziel. In enger Zusammenarbeit mit Kriegsminister Henry L. Stimson (1911-1913) setzte sich Wood für tiefgreifende Strukturreformen ein. Angesichts der Stimmung im Kongress war ihm einstweilen jedoch wenig Erfolg beschieden. In den Jahren vor Ausbruch des Weltkrieges fehlte es schlicht an Unterstützung für eine umfangreiche Revision der Militärgesetzgebung. Wood erkannte, dass sich seine verteidigungspolitischen Reformpläne nur umsetzen ließen, wenn er die Öffentlichkeit auf seine Seite ziehen konnte. Bereits vor Ausbruch des Krieges knüpfte der Generalstabschef daher Kontakte zu Multiplikatoren in der Zivilgesellschaft, um seiner Agenda eine breitere Basis zu geben. So ermutigte Wood 1913 den Washingtoner Anwalt Frederick L. Huidekoper eine zivile Lobbyorganisation zu gründen, die für die Anliegen der Armeereformer warb: die Army League. Im selben Jahr organisierte Wood erstmals Trainingscamps für Schüler und Studenten, die auf freiwilliger Basis eine militärische Grundausbildung absolvieren wollten: die 20 21

Ebd., S. 10. Vgl. Weigley: U.S. Army, S. 313-341.

2 Prolog: Die historischen Ursprünge von Preparedness

sogenannten Citizens’ Military Training Camps. Aus den zunächst auf wenige Teilnehmer beschränkten Trainingslagern erwuchs in den folgenden Jahren eine landesweite Organisation,22 die ein wichtiger Teil des Preparedness Movement werden sollte.23 Dem amerikanischen Heer mit seinen geschilderten Defiziten stand eine durchaus schlagkräftige Marine gegenüber. Popularisiert durch die Schriften Alfred Thayer Mahans galt die U.S. Navy seit dem späten 19. Jahrhundert als zentraler Pfeiler der amerikanischen Verteidigungsstrategie. Im Kriegsfall sollte sie mögliche Invasoren noch auf See abwehren – in der Vorstellung vieler Amerikaner ein Grund mehr, weshalb größere Landstreitkräfte gar nicht erforderlich seien. Der Kongress hatte die Marine in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg mit durchaus beachtlichen Mitteln ausgestattet; im Jahr 1914 verfügte die U.S. Navy über die drittstärkste Kriegsflotte der Welt. Bereits 1902 war auf Anregung Roosevelts die Navy League als zivile Lobbyorganisation der Marine gegründet worden. Auch wenn die Navy League mit weniger als 8000 Mitgliedern in der Vorkriegszeit eine eher prekäre Existenz führte – der Deutsche Flottenverein hatte im Vergleichszeitraum mehr als eine Million Mitglieder – war ihre Gründung doch ein Hinweis auf die gewachsene gesellschaftliche Wertschätzung der Flotte. Besonderer Ausdruck ihres zunehmenden Prestiges war die Great White Fleet, die zwischen 1907 und 1909 die Erde als Symbol amerikanischer Seemacht umrundete. Trotz des insgesamt guten Zustands war die U.S. Navy nicht ohne Schwächen. Kritiker bemängelten, dass die Seestreitkräfte personell unterbesetzt seien und die Kommandostrukturen deutlich gestrafft werden müssten. Zudem machten Fortschritte in der Waffenentwicklung viele ältere Kriegsschiffe technisch obsolet, weshalb mittelfristig erhebliche Nachrüstungsinvestitionen erforderlich waren. Auch wenn die Modernisierungspläne der Militärreformer vor allem die Army im Blick hatten, war die Navy doch stets ein wichtiger Bestandteil des Preparedness-Diskurses.24 Die sicherheitspolitischen Expertendiskussionen gewannen im Sommer 1914 schlagartig an öffentlicher Aufmerksamkeit, als Amerika die Nachricht vom Kriegsausbruch in der Alten Welt erreichte. Die fatalen Entscheidungen 22 23 24

Siehe Clifford: Plattsburg. Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 10-21; Glatthaar, Joseph T.: The American Military. A Concise History, New York 2018, S. 51-52. Vgl. Rappaport: Navy League, S. 36. Siehe außerdem Hodge, Carl C.: The Globalist Strategist. The Navy and the Nation’s Big Stick, in: Ricard (Hg.): Companion Theodore Roosevelt, S. 257-273.

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in der Julikrise setzten nicht nur die Armeen Europas in Marsch, sondern führten in ihrer Konsequenz 7000 Kilometer weiter westlich zur unverhofften Entstehung ebenjener Bewegung, die sich die Militärreformer um Wood so lange herbeigesehnt hatten.

2.2

Die Entstehung der Preparedness-Bewegung (Herbst 1914)

Als Gavrilo Princip am 28. Juni 1914 den österreichisch-ungarischen Kronprinzen ermordete und die Spannungen zwischen den Großmächten eskalierten, zeigten sich viele US-Bürger überrascht vom Gang der Ereignisse. Die zahlreichen größeren und kleineren Krisen zwischen den europäischen Nationen hatten in den letzten Jahren zu Gewöhnungseffekten geführt; die Minderheit der Amerikaner, die sich überhaupt für Außenpolitik interessierte, ging bis zuletzt davon aus, dass es nicht zu einem größeren Krieg kommen würde. Als sich diese Hoffnungen Anfang August zerschlugen, mussten die Vereinigten Staaten realisieren, dass sie der Konflikt um die Vorherrschaft in der Alten Welt wesentlich mehr tangierte als sie es von vergangenen Kriegen jenseits des Atlantiks gewohnt waren.25 Als mittlerweile führende Industriemacht der Erde hatten die Ereignisse in Europa direkte Auswirkungen auf die amerikanische Volkswirtschaft. Bereits wenige Tage nach Kriegsausbruch kam es fast zu einer Bankenkrise, die nur durch eine massive Finanzspritze der Bundesregierung verhindert werden konnte. Es zeigte sich einmal mehr, dass die transatlantischen Finanzund Handelsströme in den letzten Jahrzehnten zu einer engen ökonomischen Verflechtung mit Westeuropa – insbesondere mit dem Vereinigten Königreich – geführt hatten. Als neutraler Macht stand es den USA völkerrechtlich zwar zu, weiterhin Handel mit den Mittelmächten zu treiben; die im Oktober 1914 errichtete Seeblockade der britischen Marine in der Nordsee machte dies jedoch bald faktisch unmöglich. Während die amerikanischen Exporte in die Länder der Entente stark anstiegen, kam der Warenaustausch mit Deutschland und seinen Verbündeten in den folgenden Monaten weitgehend zum Erliegen. Trotz dieser Verwerfungen wurde bald deutlich, dass die Vereinigten Staaten der große ökonomische Nutznießer des Konflikts waren. Der kriegsbedingt gestiegene Bedarf der Entente-Mächte nach amerikanischen Gütern

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Vgl. Doenecke: America’s War Entry, S. 20; Zieger: America’s Great War, S. 7-8, 14-16.

2 Prolog: Die historischen Ursprünge von Preparedness

und die wegfallende europäische Konkurrenz auf dem Weltmarkt sorgten in den USA für einen unverhofften Wirtschaftsboom.26 Je stärker die Auswirkungen des europäischen Konflikts in den Vereinigten Staaten zu spüren waren, desto intensiver wurde in der Öffentlichkeit über die Ursachen, den Verlauf und das erhoffte Ergebnis des Krieges diskutiert. Nicht wenige Amerikaner hatten klare Präferenzen für die eine oder andere Seite. Dabei verfügten die westeuropäischen Alliierten über einen eindeutigen Vorteil: Die kulturellen Gemeinsamkeiten mit Großbritannien und eine Reihe von propagandistisch aufgebauschten Berichten über deutsche Kriegsverbrechen in Belgien ließen das Deutsche Kaiserreich in den Augen vieler Amerikaner als Aggressor erscheinen. Insbesondere im urbanen Nordosten, der im frühen 20. Jahrhundert immer noch tonangebenden Region der USA, war die öffentliche Meinung pro-britisch. Eindeutige Sympathien für die Mittelmächte waren unter den Amerikanern weniger weit verbreitet und konzentrierten sich vor allem auf zwei klar abgrenzbare Bevölkerungsgruppen: deutsch- und irisch-stämmige Bürger. Viele der knapp 5,7 Millionen Deutsch-Amerikaner, die vor allem im Mittleren Westen lebten, waren ihrer alten Heimat nach wie vor verbunden und verwehrten sich gegen einseitige Schuldzuweisungen zulasten der Mittelmächte. Darüber hinaus hegten viele der 4,5 Millionen irisch-stämmigen Amerikaner antibritische Ressentiments, hofften sie doch darauf, dass ein deutscher Sieg Irland die langersehnte Unabhängigkeit bringen würde. Insgesamt gestaltete sich das Stimmungsbild zu Beginn des Krieges ambivalent: Eine Umfrage der Wochenzeitschrift Literary Digest unter 350 Zeitungen aus dem November 1914 ergab, dass zwar 46 Prozent der befragten Redaktionen auf einen alliierten Sieg hofften; eine relative Mehrheit von 49 Prozent aber keiner der beiden Kriegsparteien zuneigte.27 Die verschieden gelagerten Präferenzen innerhalb der amerikanischen Bevölkerung bargen offenkundig ein erhebliches Potenzial zur Spaltung der multiethnischen US-Gesellschaft. Woodrow Wilson versuchte dieses latente Risiko zu entschärfen, indem er sein Volk im August zu Unparteilichkeit im 26

27

Vgl. Doenecke: America’s War Entry, S. 41-46; Neiberg: Path to War, S. 47-53. Siehe außerdem Rockoff, Hugh: Until It’s Over, Over There. The US Economy in World War I, in: Broadberry, Stephen/Harrison, Mark (Hg.): The Economics of World War I, Cambridge 2005, S. 310-343. Vgl. Doenecke: America’s War Entry, S. 20; Neiberg, Michael S.: Blinking Eyes Began to Open. Legacies from America’s Road to the Great War, 1914-1917, in: Zeiler, Thomas W./Ekbladh, David K./Montoya, Benjamin C. (Hg.): Beyond 1917. The United States and the Global Legacies of the Great War, New York 2017, S. 69-84, hier: S. 72-73.

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Denken wie im Handeln aufrief. Nachvollziehbare Sympathien vieler Amerikaner für die Herkunftsländer ihrer Vorväter, so der Präsident, dürften nicht über der Loyalität zu den Vereinigten Staaten stehen. Die USA wiederum hätten ein genuines Interesse an einer strikten Politik der Neutralität.28 Zwar machte der anglophile Wilson in privater Runde durchaus deutlich, dass er wenig Sympathien für Deutschland hegte und ein möglicher Sieg der Mittelmächte nicht in Amerikas Interesse läge; dennoch bemühte sich seine Administration zumindest nach außen um rhetorische Äquidistanz zu den beiden Konfliktparteien. Der sendungsbewusste Präsident hegte die Hoffnung, dass der weitere Kriegsverlauf zu einem Patt führen würde, bei dem die Vereinigten Staaten als neutraler Vermittler agieren könnten, um eine Friedensordnung nach Wilsonschen Vorstellungen zu stiften.29 Der Aufmarsch der europäischen Millionenheere und die beginnenden Materialschlachten des Großen Krieges warfen ein Schlaglicht auf die Probleme, vor denen die lange marginalisierten Militärreformer der USA bereits seit Jahren gewarnt hatten. Auf einmal wurde in größeren Teilen der amerikanischen Öffentlichkeit offen über die Defizite der eigenen Streitkräfte debattiert. Der unerwartete Kriegsausbruch in Europa bewirkte, dass ein bisher nur Experten bekanntes Schlagwort in der zweiten Hälfte des Jahres 1914 eine bemerkenswerte Wandlung erfuhr. Preparedness wurde von einem obskuren Nischenthema zu einem der wichtigsten Diskussionsthemen auf der tagespolitischen Agenda. Den öffentlichkeitswirksamen Startschuss für die Kampagne des Preparedness Movement lieferte im Herbst 1914 ein Mitglied des Repräsentantenhauses, das zuvor nur politischen Insidern ein Begriff war: Augustus P. Gardner. Der Veteran des Spanisch-Amerikanischen Krieges und Republikanische Abgeordnete aus Massachusetts, der seinen Wahlbezirk bereits seit 1902 im Kongress vertrat, war als Schwiegersohn des einflussreichen Senators Henry Cabot Lodge zwar politisch gut vernetzt, zeichnete sich ansonsten aber nicht durch überregionale Bekanntheit aus. Dies änderte sich schlagartig, als er am

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29

Vgl. An Appeal to the American People, 18. August 1914, in: Link, Arthur S. (Hg.): The Papers of Woodrow Wilson, Bd. 30, Princeton 1979, S. 393-394 (im Folgenden abgekürzt als ›Wilson Papers‹). Vgl. Berg, Manfred: Woodrow Wilson. Amerika und die Neuordnung der Welt. Eine Biografie, München 2017, S. 90-100; Cooper, John Milton: Woodrow Wilson. A Biography, New York 2011, S. 275-276.

2 Prolog: Die historischen Ursprünge von Preparedness

16. Oktober eine fulminante Rede im Repräsentantenhaus hielt, deren Nachdruck mit dem Titel Our Nation’s Security: How About Our Army and Navy? 30 in den kommenden Monaten weite Verbreitung fand.31 Gardner leitete seine Ausführungen mit dem ungewöhnlichen Bekenntnis ein, dass er in den vergangenen zwölf Jahren als Abgeordneter wie ein Feigling dagesessen und dem Verfall der amerikanischen Streitkräfte tatenlos zugesehen hätte. Sowohl die Army als auch die Navy litten unter massiven personellen Engpässen und seien waffentechnisch nicht auf der Höhe der Zeit. Entgegen der weit verbreiteten Vorstellung vieler Amerikaner sei es illusorisch, sich im Konfliktfall vor allem auf eilig ausgehobene Miliztruppen zu verlassen. Angesichts ihrer militärischen Defizite seien die Vereinigten Staaten gegenwärtig nicht in der Lage, potenziellen Bedrohungen ihrer Sicherheitsinteressen wirksam zu begegnen. Vielmehr lade man andere Nationen geradezu ein, die Vereinigten Staaten herauszufordern, sei man sich im Ausland der Schwäche der US-Streitkräfte doch wohl bewusst. Gardner appellierte in drastischen Worten an die amerikanische Bevölkerung und ihre gewählten Repräsentanten, endlich ihre naive Sorglosigkeit zu überwinden: »What is the matter with us? Are we blind? Are we crazy? Do we not see?«32 Um Licht ins Dunkel der militärischen Defizite zu bringen, schlug Gardner vor, eine unabhängige Untersuchungskommission des Kongresses zur Überprüfung der Streitkräfte ins Leben zu rufen.33 In seiner Darstellung der militärischen Schwäche Amerikas berief sich Gardner explizit auf einen bisher kaum beachteten Mängelbericht, den Leonard Wood als Generalstabschef im Vorjahr an den Kongress gesandt hatte. Mit der öffentlichkeitswirksamen Rede des Abgeordneten war das zentrale Anliegen der Militärreformer – Preparedness – endlich in der parlamentarischen Diskussion angekommen. Gardner porträtierte Wood und dessen Mitstreiter als patriotische Visionäre, deren Sachverstand und Weitblick von unwilligen Politkern und einer ignoranten Öffentlichkeit allzu lange verkannt worden seien. Damit wurde bereits in der frühen Formierungsphase der Bewegung die herausgehobene Stellung Woods als »Preparedness-Apostel«34 30

31 32 33 34

Siehe The Nation’s Security. How About Our Army and Navy? Speech of Hon. Augustus P. Gardner of Massachusetts in the House of Representatives, October 16, 1914, Washington 1914. Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 22-24. Nations’s Security, S. 3. Ebd., S. 2-8. Lane: General Wood, S. 184.

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deutlich – ein Ruf, von dem der General in den kommenden Jahren noch häufig zehren sollte. In einer Reihe von parlamentarischen Wortmeldungen und Pressemitteilungen in den Wochen nach seiner großen Rede bekräftige Gardner, dass dringender Handlungsbedarf bestehe und sich die Vereinigten Staaten endlich zu umfassenden Preparedness-Maßnahmen bekennen müssten.35 Sein Appell wurde in der amerikanischen Öffentlichkeit breit rezipiert. Zeitungen im ganzen Land berichteten über die Ausführungen des Abgeordneten und den sich entspinnenden Diskurs. Das reichweitenstärkste Blatt der USA, die New York Times, widmete Gardner am Tag nach seiner Rede einen wohlwollenden Artikel, in dem dessen pointiertesten Aussagen ausgiebig zitiert wurden.36 In der Zivilgesellschaft löste die Berichterstattung um den Abgeordneten und dessen Forderungen ein deutlich vernehmbares Echo aus. Wie immer man auch zu Preparedness stehen mochte – Gardner bewirkte, dass viele Amerikaner sich ernsthaft mit der Verteidigungsfähigkeit ihres Landes beschäftigten und eine militärpolitische Haltung entwickelten. Nach Jahren der sicherheitspolitischen Apathie schloss sich eine wachsende Zahl an Amerikanern Gardners lautstarken Rufen nach Preparedness an. In den Wochen nach seiner Rede erhielt der Abgeordnete mehr als 1000 Briefe von Bürgern, die ihn zu seinem Auftritt beglückwünschten und ihn ihrer Unterstützung in seinem Kampf versicherten. Viele bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sprachen sich für Gardners Anliegen aus. Neben einer Reihe von Spitzenpolitikern bekannten sich auch zahlreiche Wirtschaftsführer zu Preparedness, darunter der Eisenbahnmagnat Cornelius Vanderbilt oder der Finanzier Bernhard Baruch. Im Herbst 1914 erschienen fast täglich Zeitungsmeldungen, die die Konversion eines prominenten Amerikaners zum Preparedness Movement meldeten.37 Betrachtet man die Berichterstattung der Presse in diesem Zeitraum, so könnte man meinen, dass das Momentum der öffentlichen Meinung eindeutig aufseiten der Bewegung gewesen sei. Ein genauerer Blick auf 35

36 37

Vgl. Wants Army Views to Force Congress. Testimony as to Our War Unpreparedness, Gardner Believes, Would Compel Action, in: The New York Times, 23. November 1914; Gardner Reiterates Charges, in: The New York Times, 5. Dezember 1914; Ships Not in Trim, Gardner Charges, in: The New York Times, 19. Dezember 1914. Vgl. Says U.S. is Asleep to Military Peril. Gardner Pushes Fight for an Investigation of the Nation’s Unpreparedness for War, in: The New York Times, 17. Oktober 1914. Vgl. Lauds Gardner’s Plan. Peace Man Writes to Applaud Inquiry into War Preparedness, in: The New York Times, 16. November 1914.

2 Prolog: Die historischen Ursprünge von Preparedness

die Unterstützerschichten des frühen Movement offenbart jedoch, dass dieser Eindruck trügerisch war. Sowohl demografisch als auch geografisch war die Anziehungskraft von Preparedness auf bestimmte Segmente der amerikanischen Gesellschaft begrenzt: Die Anhänger einer robusteren US-Sicherheitspolitik rekrutierten sich strukturell vor allem aus (groß)bürgerlichen Kreisen der Oberschicht und der oberen Mittelschicht. Viele gehörten der sozialen Elite an oder waren als Selbstständige und leitende Angestellte zumindest überdurchschnittlich wohl situiert. Die Bewegung war vor allem in den großen Städten stark, insbesondere im dicht besiedelten Nordosten der Vereinigten Staaten. Das eindeutige Zentrum von Preparedness lag in New York City – dem Inbegriff von Urbanität in Amerika. Diese Zusammensetzung erklärt, warum das Movement bisweilen stärker erschien als es zahlenmäßig war, rekrutierte sich das Führungspersonal der tonangebenden Medien doch weit überdurchschnittlich aus den skizzierten Bevölkerungsgruppen.38 In Wirklichkeit waren die Segmente der Gesellschaft, die Preparedness in dieser frühen Phase überwiegend kritisch bis ablehnend gegenüberstanden, zahlenmäßig in der Mehrheit. Die breite Masse der unteren Schichten konnte der Bewegung wenig abgewinnen; insbesondere unter Arbeitern und Farmern fanden sich viele Gegner. Ein Großteil der Landbevölkerung, vor allem im Süden und im Mittleren Westen, lehnte Preparedness als elitäres Projekt des urbanen Ostküstenestablishments ab. Hinzu kamen sowohl DeutschAmerikaner als auch die besonders lautstark auftretenden sozialistischen und pazifistischen Gruppen, die den Beteuerungen des Movement, Preparedness sei keinesfalls gleichbedeutend mit einem US-Kriegseintritt, misstrauten. So begannen Organisationen wie die Socialist Party und die Woman’s Peace Party damit, eine regelrechte Anti-Preparedness-Kampagne zu führen.39 Die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft in der Preparedness-Frage bildete sich auch auf politischer Ebene ab. Als klare Befürworter einer forcierten Aufrüstung galten der imperialistische Flügel der Republikaner um

38 39

Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 32, 92; Kazin, Michael: War Against War. The American Fight for Peace, 1914-1918, New York u.a. 2017, S. 28. Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 121-138; Kazin: War Against War, 32-48. Für einen weiterführenden Forschungsüberblick über die erklärten Gegner des Preparedness Movement vgl. Kennedy: Preparedness, S. 280-282.

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Senator Henry Cabot Lodge40 sowie eine Handvoll Demokraten um George E. Chamberlain, den Vorsitzenden des Military Affairs Committee im Senat. Im Kabinett bekannten sich Kriegsminister Lindley M. Garrison und Innenminister Franklin K. Lane – allerdings nur intern – zu Preparedness; ebenso der stellvertretende Marineminister (und spätere Präsident) Franklin D. Roosevelt sowie Wilsons wichtigster Berater Colonel Edward M. House. Wesentlich zahlreicher in Washington vertreten waren im Herbst 1914 jedoch die erklärten Gegner einer Aufrüstungspolitik. Die Mehrheit der von Südstaatlern dominierten Demokratischen Partei lehnte Preparedness ab; hinzu kam eine Reihe von Republikanischen Gegnern um den progressiven Senator Robert M. La Follette. Insbesondere im von ländlichen Wahlkreisinteressen dominierten Repräsentantenhaus manifestierte sich der Widerstand. So bekämpfte etwa der Mehrheitsführer der Demokraten, Claude Kitchin, die PreparednessBestrebungen vehement. Zeitweise war Augustus Gardner derart unbeliebt unter seinen Kollegen, dass ein Spottgedicht über den Abgeordneten in den Hallen des Kapitols populär wurde: »With teeth a champing in its gums and ears that beat like muffled drums The Horrid gussiegardner comes A-gussying all day.«41 Innerhalb der Administration tat sich insbesondere Außenminister William Jennings Bryan als erbitterter Gegner des Preparedness Movement hervor, während Marineminister Josephus Daniels der Bewegung zumindest kritisch gegenüberstand.42 Trotz des Gegenwindes brachten Gardner und Lodge am 7. Dezember eine Resolution ins Repräsentantenhaus und den Senat ein, die eine parlamentarische Kommission zur Untersuchung der US-Streitkräfte schaffen sollte. Im gleichen Monat ließ Kriegsminister Garrison nicht weniger als sieben Gesetzesvorschläge in den Kongress einbringen, die unter anderem eine Aufstockung der Armee um 25.000 Mann vorsahen. Während diese Initiativen 40

41 42

Zu den imperialistischen Vorstellungen Henry Cabot Lodges und seiner Anhänger im frühen 20. Jahrhundert vgl. Immerman, Richard: Empire for Liberty. A History of American Imperialism, Princeton/Oxford 2010, S. 128-162. Zitiert nach Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 36. Vgl. ebd., 32-26; Kazin: War Against War: 15, 28; Watson, Richard L.: A Testing Time for Southern Congressional Leadership. The War Crisis of 1917-1918, in: The Journal of Southern History 44/1 (1978), S. 3-40, hier: S. 7-9.

2 Prolog: Die historischen Ursprünge von Preparedness

in der einschlägigen Presse viel Beifall hervorriefen, handelte es sich bei ihnen von Beginn an um politische Totgeburten. Die Preparedness-Befürworter verfügten schlichtweg nicht über die nötigen Mehrheiten in den entscheidenden Ausschüssen, um ihre Ansinnen durchzubringen. Wie zu erwarten war, versanken die Initiativen bald im prozeduralen Treibsand der Kongressbürokratie. Einzig Gardners am wenigsten ambitionierte Forderung, die stationäre Küstenverteidigung der Vereinigten Staaten überprüfen zu lassen, wurde tatsächlich umgesetzt – mit einem Abschlussbericht war jedoch erst in Monaten zu rechnen.43 Die erfahrenen Politiker dürften durchaus antizipiert haben, dass ihre Preparedness-Initiativen keine realistische Chance auf parlamentarische Mehrheiten hatten. Man kann daher annehmen, dass es ihnen vor allem darum ging, vor den Augen der amerikanischen Öffentlichkeit ein Zeichen zu setzen. In der mit zunehmender Schärfe geführten Kontroverse um die USSicherheitspolitik kam vor allem dem Mann im Weißen Haus eine besondere Orientierungsfunktion zu. Insbesondere in Hinblick auf die Millionen Amerikaner, die sich kein Urteil über das komplexe Thema zutrauten oder die dem Militär mit Indifferenz begegneten, war es von entscheidender Bedeutung, wie Woodrow Wilson sich positionierte. Viele erwarteten vom Oberbefehlshaber der Streitkräfte eine deutliche Stellungnahme – schließlich bedeutete Kritik an der gegenwärtigen Sicherheitspolitik der Vereinigten Staaten immer auch einen Angriff auf den Regierungskurs des Präsidenten. Tatsächlich betrachtete Wilson die Aufrüstungsforderungen des Preparedness Movement als Gefahr für seine Vision, die USA gegenüber dem Ausland als moralisches Vorbild – und damit als international glaubwürdigen Mediator – zu positionieren. Außerdem argwöhnte er angesichts der Parteizugehörigkeit eines Großteils der Kritiker, dass es sich bei der Bewegung um ein Wahlkampfinstrument der Republikanischen Opposition handeln könnte.44 In der – letztlich vergeblichen – Hoffnung, die aufkommende Diskussion einzufangen, bezog Wilson schließlich klar Stellung. Am 19. Oktober 1914 nach seiner Meinung zu Preparedness befragt, tat er die Ausführungen der Aufrüstungsbefürworter spöttisch als interessantes Gedankenexperiment ab. Diskussionen wie diese, so der Präsident, habe es schon gegeben, als er ein

43 44

Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 33-36; Osgood: America’s Foreign Relations, S. 200-201. Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 25.

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zehnjähriger Junge war.45 Wilson ließ damit klar erkennen, dass er die Forderungen der Bewegung weder für hilfreich noch für realisierbar hielt. Einige Wochen später erklärte er sich dennoch bereit, Augustus Gardner zu einem persönlichen Gespräch zu empfangen. Darin machte Wilson dem Abgeordneten klar, wie wenig er von dessen Vorschlag, eigens eine Untersuchungskommission zum Zustand der Streitkräfte einzurichten, hielt: Maßnahmen, die im Ausland den Eindruck einer forcierten Militarisierung erwecken könnten, seien kontraproduktiv für das diplomatische Renommee der Vereinigten Staaten.46 Wilsons im Verlauf des Herbstes immer deutlicher werdende Missbilligung der sicherheitspolitischen Debatte kumulierte am 8. Dezember 1914 schließlich in seiner Rede zur Lage der Nation, in der er Preparedness eine klare Absage erteilte. Der Krieg in Europa, so der Präsident, sei kein Grund mit den bewährten amerikanischen Militärtraditionen zu brechen – etwa indem man die Wehrpflicht einführe. Da die friedliebenden Vereinigten Staaten von niemandem bedroht würden, gebe es schlichtweg keinen Anlass, die Sicherheitspolitik einer grundlegenden Revision zu unterziehen und Amerika »in ein Militärlager«47 zu verwandeln. Wilson ließ es sich nicht nehmen, die Kampagne des Preparedness Movement in verhältnismäßig scharfen Worten zu kritisieren: »There is no new need to discuss it [i.e. preparedness]. We shall not alter our attitude toward it because some amongst us are nervous and excited. […] Let there be no misconception. The country has been misinformed. We have not been negligent of national defense. We are not unmindful of the great responsibility resting upon us.«48 Im unwahrscheinlichen Fall eines Angriffs, so Wilson, könne man sich auf die Stärke der U.S. Navy und das amerikanische Milizsystem verlassen. Einstweilen sei es am weisesten, den gegenwärtigen Regierungskurs fortzusetzen und auf weitergehende Aufrüstungsmaßnahmen zu verzichten.49

45 46 47 48 49

Vgl. President Is Calm As to Our War Needs. Calls Present Discussion Only a »Mental Exercise« – Gardner to Delay Action, in: The New York Times, 20. Oktober 1914. Vgl. Wilson Against Defense Inquiry. Says Gardner Method Might Be Misconstrued by Foreign Nations, in: The New York Times, 8. Dezember 1914. An Annual Message to Congress (8. Dezember 1914), in: Wilson Papers 31 (1914), S. 414424, hier: S. 422. Ebd., S. 423-424. Vgl. ebd.

2 Prolog: Die historischen Ursprünge von Preparedness

Wilsons eindeutige Positionierung bewirkte freilich nicht, dass die Kritiker verstummten. Auf seinen größten politischen Gegner dürfte sie sogar als zusätzlicher Anreiz gewirkt haben. Theodore Roosevelt, der sich bereits früh in seiner Karriere als überzeugter Verfechter amerikanischer Militärmacht profiliert hatte,50 wandte sich einige Wochen nach Kriegsausbruch mit seiner Sicht auf den europäischen Konflikt an die Öffentlichkeit. In scharfem Kontrast zur offiziellen Neutralitätspolitik Wilsons, dem Roosevelt in tiefer persönlicher Abneigung verbunden war,51 ließ er offen seine Sympathien für die Sache der Alliierten erkennen. Angesichts der deutschen Invasion Belgiens betrachtete er das Kaiserreich als Aggressor und sah die USA moralisch verpflichtet, die völkerrechtswidrige Besetzung des kleinen Landes nicht nur scharf zu verurteilen, sondern auch aktiv dagegen vorzugehen. Zwar hielt sich Roosevelt zu diesem Zeitpunkt noch damit zurück, öffentlich einen Kriegseintritt der Vereinigten Staaten zu fordern; seine Losung, Rechtschaffenheit müsse vor Frieden kommen (»righteousness above peace«52 ), machte aber implizit deutlich, dass ein solcher Schritt mittelfristig unvermeidlich sei. Aus seiner privaten Korrespondenz vom Herbst 1914 geht zudem hervor, dass der ehemalige Präsident einen möglichen Sieg der Mittelmächte für eine existenzielle Bedrohung der amerikanischen Sicherheitsinteressen hielt, die nicht toleriert werden könne. Gegenüber der Öffentlichkeit beschränkte sich Roosevelt einstweilen darauf, eine massive Aufrüstung des US-Militärs zu fordern, um die Vereinigten Staaten auf alle Eventualitäten vorzubereiten.53

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53

Siehe Rofe, Simson J.: Preparedness and Defense. The Origins of Theodore Roosevelt’s Strategy for the United States on the International Stage, in: Ricard (Hg.): Companion Theodore Roosevelt, S. 78-93. Zum Gegensatz zwischen Roosevelt und Wilson siehe Cooper, John Milton: The Warrior and the Priest. Woodrow Wilson and Theodore Roosevelt, Cambridge 1983. Roosevelt, Theodore: Theodore Roosevelt on the Danger of Making Unwise Peace Treaties. In the Second of a Series of Articles He Discusses the Difficult Task of Securing Peace without the Sacrifice of Righteousness, in: The New York Times, 4. Oktober 1914. Für eine ausführliche Würdigung von Roosevelts Sicht auf den Krieg und seine diesbezüglichen Differenzen mit Wilson siehe Ambrosius, Lloyd E.: The Great War, Americanism Revisited, and the Anti-Wilsonian Crusade, in: Ricard (Hg.): Companion Theodore Roosevelt, S. 468-484; Delahaye, Claire: Showing Muscle. Theodore Roosevelt, Woodrow Wilson, and America’s Role in World War I, in: Krabbendam, Hans/Thompson, John M. (Hg.): America’s Transatlantic Turn. Theodore Roosevelt and the »Discovery« of Europe, New York u.a. 2012, S. 159-177. Für eine allgemeinere Einordnung von Preparedness in das außenpolitische Denken Roosevelts vgl. Thompson, John M.: Gre-

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In einer Reihe von ganzseitigen Artikeln, die im Herbst 1914 in der New York Times erschienen, kam Roosevelt unter der Leitfrage »What Should America Learn from the War?« zu dem Schluss, dass umfangreiche PreparednessMaßnahmen das Gebot der Stunde seien. Demnach hätten die jüngsten Ereignisse gezeigt, dass internationale Verträge und völkerrechtliche Bestimmungen nicht geeignet seien, die Souveränität von schwach gerüsteten Nationen zu schützen. Anders als von naiven Pazifisten behauptet, sei militärische Stärke der einzige Garant für Sicherheit. Bis man das große Ziel einer friedlichen Welt – zu dem sich Roosevelt nachdrücklich bekannte – erreicht habe, müsse man für mögliche Konflikte gewappnet sein, um Aggressoren wirksam abzuschrecken. Die Amerikaner müssten endlich ein Bewusstsein für Fragen der nationalen Sicherheit entwickeln und erkennen, dass unzureichende Verteidigungsmaßnahmen geradezu kriminell seien. Konkret forderte Roosevelt eine deutliche Aufstockung von Heer und Marine sowie den Ausbau der Küstenverteidigung. Für die U.S. Army müsse man eine Art obligatorischen Militärdienst nach Schweizer Vorbild einführen, der junge Amerikaner verpflichten sollte, nach dem Schulabschluss für vier bis sechs Monate eine Grundausbildung an der Waffe zu absolvieren, um danach als Reservisten für den Kriegsfall bereitzustehen. Ein solches Arrangement, so betonte Roosevelt, sei keineswegs mit den Wehrpflichtsystemen der militaristischen Großmächte Kontinentaleuropas vergleichbar, sondern Ausdruck demokratischer Bürgertugend. Bezeichnenderweise ging er bei der Skizzierung dieses Vorschlags nicht allzu sehr ins Detail, unterschied sich sein Konzept – abgesehen von den kürzeren Dienstzeiten – doch wenig von den verrufenen Rekrutierungsmechanismen der Millionenheere Deutschlands, Frankreichs oder Russlands. Der U.S. Navy sprach Roosevelt darüber hinaus eine besondere Rolle als »Peacemaker«54 zu. Der europäische Konflikt habe gezeigt, dass die strategische Kontrolle der Seewege der entscheidende Erfolgsfaktor moderner Kriegsführung sei. Bedauerlicherweise habe die amerikanische Flotte seit den Tagen der Great White Fleet drastisch an Schlagkraft eingebüßt und würde nunmehr unter Personalmangel, unzureichender Materialausstattung und fehlender Manövererfahrung leiden. Um ihre Rolle als Rückgrat der ame-

54

at Power Rising. Theodore Roosevelt and the Politics of U.S. Foreign Policy, New York 2019, S. 158-174. Roosevelt, Theodore: The Navy as a Peacemaker. Eighth Article in His Series on What America Should Learn from the War, in: The New York Times, 22. November 1914.

2 Prolog: Die historischen Ursprünge von Preparedness

rikanischen Verteidigungsstrategie wieder wahrnehmen zu können, dürfe die Regierung die Navy nicht länger vernachlässigen.55 Roosevelt berief sich in seinen Erläuterungen explizit auf Gardner und Wood, um die angebliche Ignoranz der Wilson-Administration anzuprangern und die amerikanische Öffentlichkeit auf Preparedness einzuschwören: »But we must always remember that no institutions will avail unless the private citizen has the right spirit. When a leading Congressman, himself with war experience, shows conclusive evidence in open speech in the House that we are utterly unprepared to do our duty to ourselves if assailed, President Wilson answers him with a cheap sneer, with unworthy levity; and the repeated warnings of Gen. Wood are treated with the same indifference.«56 Damit hatte Roosevelt sich unmissverständlich und öffentlichkeitswirksam zum Preparedness Movement bekannt. Mehr noch – dem ehemaligen Präsidenten musste bewusst gewesen sein, dass er sich als bei vielen respektierte Autorität in (sicherheits)politischen Fragen mit diesen pointierten Wortmeldungen faktisch an die Spitze der noch jungen Bewegung setzte. Zum Jahresende 1914 hatte sich die Grundkonstellation, in deren Rahmen die Preparedness-Kontroverse fortan geführt werden sollte, deutlich herausgebildet. Vor dem Hintergrund des europäischen Kriegsausbruchs hatten die Anliegen der Militärreformer den Sprung von einer wenig beachteten Expertendiskussion ins politische Tagesgespräch geschafft. Das Preparedness Movement befand sich noch in der gesellschaftlichen Minderheit, durfte aber auf wachsende Unterstützung in der Bevölkerung hoffen. Mit Leonard Wood konnte man einen weithin respektierten Kronzeugen aufweisen, dessen Expertise selbst von Preparedness-Gegnern nur schwerlich bestritten werden konnte. Zudem hatte man mit Theodore Roosevelt den wohl schillerndsten Politiker der Zeit als Wortführer der Bewegung gewonnen. Woodrow Wilsons Ablehnung von Preparedness war zweifellos ein Problem, doch war die Skepsis des Präsidenten wirklich in Stein gemeißelt? Die Zeit würde zeigen, wie lange der Mann im Weißen Haus seinen Kurs halten konnte, wenn er unter öffentlichen Druck geriet. Zwar war das Preparedness Movement in seiner Entstehungsphase von staatlich-institutionellen Akteuren in Militärführung

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Vgl. Col. Roosevelt Writes on What America Should Learn from the War (9 Artikel), in: The New York Times, 27. September bis 29. November 1914. Roosevelt, Theodore: The International Posse Comitatus. Sixth Article in His Series on What America Should Learn from the War, in: The New York Times, 8. November 1914.

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und Politik geprägt, die Wilson leicht als Militaristen oder verbissene Oppositionelle abtun konnte; doch dies sollte nicht von Dauer bleiben. Im Winter 1914/15 begann sich der zivile Zweig der Bewegung mit Macht zu organisieren.

3 »A Moral Equivalent For War« – Preparedness während der Neutralitätsperiode

3.1

Formierung und Spaltung: Die Genese ziviler Preparedness-Organisationen (Winter 1914/15 – Sommer 1915)

Am späten Nachmittag des 1. Dezembers 1914 kam eine hochkarätige Runde im Tagungssaal des Hotels Belmont in Manhattan zusammen. Von den etwa 150 teilnehmenden Personen stammte ein Großteil aus den besseren Kreisen der New Yorker Gesellschaft. Die versammelten Geschäftsleute, Anwälte und Akademiker konnten mit einiger Berechtigung von sich behaupten, die Elite von Amerikas bedeutendster Metropole zu repräsentieren. In ihrem Selbstverständnis war jedoch nicht der soziokulturelle Hintergrund die größte Gemeinsamkeit der Anwesenden. Stattdessen, so sollten die Männer später beteuern, habe patriotische Sorge um die Sicherheit der Nation sie an diesem schicksalhaften Tag zusammengebracht.1 Der Hauptredner der Veranstaltung, der einflussreiche Verleger George H. Putnam, warnte in drastischen Worten vor einer möglichen Invasion der amerikanischen Ostküste. Die Vereinigten Staaten seien derart schlecht gerüstet, dass sie ihre vielbeschworene Neutralität kaum aufrechterhalten könnten, falls diese ernsthaft herausgefordert würde. In einer kaum verhohlenen Anspielung auf das Schicksal Belgiens skizzierte er ein Szenario, in dem das Territorium der USA als Aufmarschgebiet für einen Angriff auf Kanada missbraucht wurde. Dabei, so Putnam, könnte das halbe Hudson Valley in Schutt und Asche gelegt werden, ohne dass man über die militärischen

1

Vgl. Noted Men Demand We Arm for War. Form Security League in Campaign for Army and Navy Preparedness, in: The New York Times, 2. Dezember 1914; NSL Hearings, S. 267-268.

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Mittel verfüge, die amerikanische Souveränität zu verteidigen.2 Ein anderer Redner griff das Schreckensszenario auf und warnte, dass die europäischen Seemächte innerhalb von zwei bis vier Wochen 150.000 Soldaten anlanden könnten. Weitere Wortmeldungen kritisierten die defizitäre Ausrüstung des US-Militärs und die unzureichenden Notfallpläne für eine großangelegte Mobilisierung. Als sich die Versammlung am Abend vertagte, war man sich einig, dass die Forderung des Abgeordneten Gardner nach einer militärpolitischen Untersuchungskommission unbedingt zu unterstützen sei.3 In der Rückschau sollte sich die Versammlung im Belmont als Keimzelle der wenige Wochen später konstituierten National Security League herausstellen – damit markiert der 1. Dezember 1914 die Geburtsstunde von Amerikas bedeutendster Preparedness-Organisation.

3.1.1

Die Gründung der National Security League

Anders als die Teilnehmer die amerikanische Öffentlichkeit glauben ließen, handelte es sich bei dem Treffen im Belmont nicht um eine spontane patriotische Versammlung, sondern um eine geplante PR-Veranstaltung. Die Zusammenkunft war von Beginn an darauf ausgelegt, die Gründung einer zivilen Lobbyorganisation für Preparedness zu initiieren. Der Kopf hinter dem Unterfangen war jedoch nicht der exponiert auftretende Putnam; stattdessen zeichnete ein weniger bekannter Mann für die Veranstaltung verantwortlich: S. Stanwood Menken. Der erfolgreiche Anwalt, der unter anderem J.P. Morgan als Klienten vorweisen konnte, war zwar wohlhabend und über seine Geschäftskontakte gut vernetzt; zur prominenten Spitze der New Yorker Gesellschaft konnte er aber kaum gerechnet werden. Politisch galt Menken als Mann des Ausgleichs. In gesellschaftlichen Fragen eher konservativ, hatte er in der Vergangenheit Sympathien für die ökonomischen Reformbestrebungen des Progressivismus erkennen lassen. Obwohl er bekennender Anhänger der Demokraten war, galt er als wenig dogmatisch und verfügte über gute Verbindungen zur Republikanischen Partei.4 Menkens Begeisterung für Preparedness war nach eigenem Bekunden auf einen Schlüsselmoment zurückzuführen, auf den er sich in den kommen-

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Vgl. Noted Men Demand, in: NYT, 2. Dezember 1914. Vgl. ebd.; NSL Hearings, S. 266. Vgl. Edwards: NSL, S. 2-3; NSL Hearings, S. 258-263; Ward: Origin and Activities NSL, S. 51-52; Pearlman: Patricians and Preparedness, S. 137-139.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

den Jahren immer wieder berufen sollte. Demnach war er im Sommer 1914 auf Geschäftsreise in Westeuropa, als er von der Julikrise und dem Ausbruch des Krieges überrascht wurde. Während Menken in London auf eine Rückreisemöglichkeit in die Vereinigten Staaten wartete, besuchte er das britische Parlament, wo am 3. August die Debatte um den Kriegseintritt des Vereinigten Königreichs stattfand. Angesichts der nationalen Ausnahmesituation bewilligte das House of Commons innerhalb von fünf Minuten mehr als 100 Millionen Pfund, um das Britische Empire auf den bevorstehenden Waffengang vorzubereiten. Als London dem Deutschen Reich kurz darauf den Krieg erklärte und die Hauptstadt von einer Welle des Patriotismus erfüllt wurde, blieb dies nicht ohne Wirkung auf den Amerikaner. In diesen Stunden, so Menken später, sei ihm bewusstgeworden, dass auch die Vereinigten Staaten unverhofft in einen militärischen Konflikt geraten könnten – eine Herausforderung, auf die die Nation seiner Überzeugung nach völlig unvorbereitet war. Menken fasste daraufhin den Entschluss, sich fortan der Sicherung seiner Heimat zu verschreiben.5 Seine Rückkehr in die Vereinigten Staaten fiel zeitlich in etwa mit der Kongressrede Gardners zusammen, die im Oktober tagelang die Schlagzeilen dominierte. Menken zeigte sich hocherfreut über die öffentlichen Äußerungen des potenziellen Verbündeten und nahm diskret Kontakt zu dem Abgeordneten auf. Beide stimmten darin überein, dass gegenwärtig vom Kongress wenig sicherheitspolitischer Elan zu erwarten sei. Menken schlug daraufhin vor, eine nationale Lobbyorganisation zu gründen, die in der Bevölkerung für Preparedness werben sollte; der Abgeordnete zeigte sich von diesem Vorschlag angetan und sagte ihm seine Unterstützung zu.6 Als Menken später Rechenschaft über die Gründungsumstände der NSL ablegte, beschrieb er den Gedankenaustausch mit Gardner folgendermaßen: »[H]e recognized my indictment of the difficulty of getting preparedness measures through Congress in view of the various personal, political, and national interests that Congressmen had to deal with. I told him we had to form a national organization that would bring this thing home to the people and make the people speak to the Congressmen, and that he would never get anywhere if he did not do it. He informed me he would support me in that

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Vgl. Edwards: NSL, S. 3-5; NSL Hearings, S. 264. Vgl. NSL Hearings, S. 254.

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movement, and that I could count upon his voice and pen in any way I saw fit, if I formed such an organization.«7 Folgt man der Aussage, so ging die ursprüngliche Idee für eine Preparedness-Organisation auf Menkens alleinige Initiative zurück. Gardner spielte demnach eine wohlwollend-unterstützende, aber keine tragende Rolle. Unmittelbar nach der Unterredung mit Gardner suchte Menken nicht etwa den Kontakt zu weiteren sicherheitspolitisch engagierten Politikern oder gar zu den Militärreformern um General Wood. Erster Anlaufpunkt seiner Bemühungen war vielmehr eine Reihe einflussreicher Bekannter aus der New Yorker Gesellschaft. Menkens wichtigste Gesprächspartner im Vorfeld des Belmont-Treffens waren befreundete Anwälte wie Herbert Barry und Franklin Q. Brown, der bereits erwähnte Verleger George H. Putnam, der Publizist Lawrence F. Abbott, der Lokalpolitiker J. Mayhew Wainwright sowie Charles E. Lydecker. Die Einladung zu der Versammlung am 1. Dezember erfolgte in Namen Menkens und dieser sechs Männer – mithin könnte man sie als die ›Gründerväter‹ der National Security League bezeichnen.8 Auffallend, wenn auch wenig überraschend, ist, dass drei der sieben NSLGründer über einen militärischen Hintergrund verfügten. Auch wenn sie sich mittlerweile ins zivile Leben zurückgezogen hatten, waren Brown, Lydecker und Putnam bis in den Rang eines Colonel aufgestiegen; Lydecker hatte sich zudem in der Vergangenheit als führender Kopf der New Yorker Nationalgarde einen Namen gemacht.9 Trotz der Affinität dieser Männer zum Militär gab es zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise auf eine direkte Verbindung zwischen den NSL-Gründern und Theodore Roosevelt oder Leonard Wood. Freilich waren am 1. Dezember auch Teilnehmer im Belmont anwesend, die in engerem Kontakt zu den beiden Wortführern des Preparedness Movement standen. Allerdings erscheint dies angesichts der Tatsache, dass in dem Tagungssaal erhebliche Teile der New Yorker Elite versammelt waren,10 wenig bemerkenswert. Schließlich pflegten sowohl Roosevelt als ehemaliger Gouverneur des Bundesstaats als auch Wood, dessen Dienstsitz mittlerweile auf Governors

7 8 9 10

Ebd. Vgl. ebd., S. 266. Vgl. Edwards: NSL, S. 5-6. Vgl. Noted Men Demand, in: NYT, 2. Dezember 1914.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

Island lag,11 enge Beziehungen in die Stadt. Die beiden waren sicherlich über die Versammlung informiert und dürften mit Wohlwollen auf die sich formierende zivile Unterstützung geblickt haben; für eine direkte Einflussnahme gibt es in den Quellen allerdings keinerlei Anhaltspunkte. Das Treffen im Belmont wurde von der Gruppe um Menken als großer Erfolg gewertet. Die beachtliche Zahl an Teilnehmern hatte nicht nur gezeigt, dass es ein öffentliches Interesse an Preparedness gab; auch die urbane Presse berichtete recht freundlich über die Veranstaltung. In der New York Times waren am nächsten Tag längere Passagen aus den Vorträgen der Redner nachzulesen.12 Bereits kurze Zeit später konnte Menken seinen Mitstreitern erfreut vermelden, dass ihn zahlreiche Briefe von interessierten Bürgern erreicht hätten, die ihre Unterstützung zusagten.13 Einstweilen musste jedoch eine Reihe von organisatorischen Fragen geklärt werden, bevor die National Security League offiziell ihre Arbeit aufnehmen konnte. Zunächst galt es zu klären, wer den Ehrenvorsitz der PreparednessOrganisation übernehmen sollte. Im Amerika des frühen 20. Jahrhunderts war es üblich, dass prominente Bürger ehrenhalber Führungspositionen in gemeinnützigen Vereinigungen innehatten, um mit ihrem ›guten Namen‹ für die Reputation der Organisation zu bürgen. Während man mit Joseph H. Choate, einem prominenten Republikaner und Anti-Korruptionskämpfer, rasch einen geeigneten Ehrenvorsitzenden gewinnen konnte, gestaltete sich die Berufung des stellvertretenden Ehrenvorsitzenden deutlich schwieriger. Der frühere US-Präsident William Taft lehnte die Anfrage rundheraus ab, da eine solche Vereinnahmung sein Engagement für eine andere Organisation, die League to Enforce Peace, unterlaufen hätte.14 Stattdessen konnte man

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Wood trat im April 1914 als Stabschef zurück und wurde zum Regionalkommandanten für die östlichen USA berufen, dessen Amtssitz auf Governors Island im Hafen von New York City lag; vgl. Lane: General Leonard Wood, S. 182-183. Vgl. Noted Men Demand, in: NYT, 2. Dezember 1914. Vgl. S. Stanwood Menken an George H. Putnam (4. Dezember 1914), in: Putnam Papers, Box 2. Vgl. S. Stanwood Menken an William H. Taft (12. Mai 1915), in: William H. Taft Papers, Manuscript Division, Library of Congress, Washington DC, Series 3, Reel 152; Taft an Menken (29. Mai 1915), in: Taft Papers, Series 8, Reel 531; Taft an Menken (6. Juni 1915), in: Taft Papers, Series 8, Reel 431. Die von Taft protegierte League to Enforce Peace war eine zivile Organisation, die Lobbyarbeit für ein internationales System kollektiver Sicherheit betrieb; vgl. Wertheim, Stephen: The League That Wasn’t. American Designs for a Legalist-Sanctionist League of Nations and the Intellectual Origins of In-

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nach einiger Überzeugungsarbeit den früheren Demokratischen Präsidentschaftskandidaten des Jahres 1904, Alton B. Parker, gewinnen. Die Berufung eines Republikaners und eines Demokraten in den Ehrenvorsitz war ein geschickter Schachzug, symbolisierte diese Konstellation doch den überparteilichen Anspruch der NSL, den sie in Zukunft immer wieder herausstellen sollte. Zudem mussten Menken und seine Mitstreiter nicht fürchten, dass sich Choate und Parker in die operative Leitung der Organisation einmischen würden. Eine aktive Rolle im Tagesgeschäft wurde von Ehrenvorsitzenden ohnehin nicht erwartet; hinzu kam, dass die beiden Elder Statesmen angesichts ihrer zahlreichen gesellschaftlichen Aktivitäten viel zu eingespannt waren, um sich ernsthaft in die Führung der NSL einbringen zu können.15 Nachdem die Frage des Ehrenvorsitzes geklärt war, wurde die National Security League am 7. Januar 1915 im körperschaftsrechtlichen Sinne konstituiert. Die Satzung sah eine Struktur vor, in der die wesentlichen Entscheidungen vom Vorstand (»executive committee«) getroffen wurden. Dieser bestand neben den ordentlichen Vorstandsmitgliedern aus vierzig bis fünfzig Beisitzern, die von den zu bildenden Regionalverbänden der NSL auf der Jahreshauptversammlung bestimmt werden sollten. Da das Mindestquorum für die Beschlussfähigkeit dieses Gremiums bei lediglich fünf Teilnehmern lag und in der Praxis selten mehr als zwanzig Funktionäre anwesend waren, bildete sich rasch eine verhältnismäßig hierarchische Kultur der Hinterzimmerentscheidungen heraus. Während der Kurs der NSL von einem kleinen Zirkel besonders engagierter Insider in der New Yorker Bundeszentrale bestimmt wurde, blieb der Einfluss der lokalen Ableger auf die Gesamtorganisation marginal.16 Der Vorstand bestimmte zudem über die Zusammensetzung des Beirats (»advisory council«) – eines Beratungsorgans, über das man sich externe Expertise von politischen und militärischen Führungspersönlichkeiten einholen wollte.17 Tatsächlich gelang es der NSL in den kommenden Monaten, eine Reihe von Gouverneuren und mehrere ehemalige Minister beider großer Parteien für das Gremium zu gewinnen; auch Theodore Roosevelt fand sich einige Zeit

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ternational Organization, 1914-1920, in: Diplomatic History 35/5 (2011), S. 797-836, hier: S. 808. Vgl. Edwards: NSL, S. 6-7; Ward: Origin and Activities NSL, S. 53-54. Vgl. Edwards: NSL, S. 7. Vgl. ebd., S. 6-8. Siehe außerdem ByLaws of the National Security League, Inc., abgedruckt in: Edwards: NSL, S. 219-224.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

später unter den Mitgliedern.18 In der Praxis blieb der Einfluss des Beirats jedoch ähnlich marginal wie der der Ehrenvorsitzenden. Der NSL-Vorstand schmückte sich gerne mit den Namen dieser angesehenen Männer; am operativen Geschäft ließ er sie aber nicht teilhaben. Relevanter waren dagegen die Fachkomitees, die für die inhaltliche Arbeit der Organisation verantwortlich zeichneten. Gremien wie das Heereskomitee, das Flottenkomitee oder das Milizkomitee waren damit beauftragt, breite Expertise im jeweiligen Themenfeld bereitzustellen. Dies beinhaltete nicht nur eine detaillierte Untersuchung des militärpolitischen Status quo, sondern auch etwaige Reformvorschläge zur Behebung militärischer Defizite. Die Fachkomitees leisteten die programmatische Kernarbeit der NSL und schufen mit ihren Empfehlungen die Grundlage für die Preparedness-Kampagne der Organisation.19 Die Gründer der NSL stellten sicher, dass die zentralen Positionen der Preparedness-Organisation in zuverlässige Hände fielen. Als Vorsitzender des Vorstands war Menken in den ersten Jahren die prägende Figur. Administrativ unterstützt wurde er von seinem Vertrauten Herbert Barry, der den Posten des Sekretärs bekleidete. Charles Lydecker wurde Vorsitzender des Milizkomitees; Franklin Brown stand dem Finanzkomitee vor. Während das Flottenkomitee unter der Ägide des mäßig bekannten Publizisten J. Bernard Walker seine Arbeit aufnahm, gelang der NSL beim Vorsitz des Heereskomitees ein handfester Coup: Mit Henry L. Stimson, dem reformfreudigen Kriegsminister der früheren Taft-Administration, hatte man einen prominenten Armeeexperten mit guten Beziehungen zu Roosevelt und Wood anwerben können.20 Historiker wie Finnegan habe diese Personalie als Hinweis für den starken Einfluss staatlich-institutioneller Akteure auf die zivile PreparednessOrganisation gedeutet.21 Diese These erscheint bei näherer Betrachtung allerdings wenig überzeugend. Auf formaler Ebene waren die Mitglieder des Fachkomitees vom Vertrauen des Vorstands abhängig und konnten jederzeit abberufen werden;22 in der Praxis bemühte sich der machtbewusste Menken zudem nach Kräften, die verschiedenen Organe seiner Organisation auf Linie des zivilen Führungszirkels zu halten. 18 19 20 21 22

Vgl. The National Security League. Officers, Committees, and Branches, New York 1916, S. 2. Vgl. Edwards: NSL, S. 7-8. Siehe außerdem ByLaws, abgedruckt in: Edwards: NSL, S. 219224. Vgl. Edwards: NSL, S. 8-9. Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 32. Siehe ByLaws, abgedruckt in: Edwards: NSL, S. 222.

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In den ersten Monaten des Jahres 1915 war die National Security League vor allem damit beschäftigt, sich organisatorisch zu konsolidieren. Öffentlichkeitsarbeit fand in diesem Zeitraum kaum statt. Insbesondere die Finanzlage stellte die noch junge Organisation vor ein Problem. Anders als von revisionistischen Historikern dargestellt, litt die NSL unter chronischem Geldmangel; von großzügigen Spenden konnte sie zu Beginn nur in geringem Umfang profitieren und auch in den folgenden Jahren waren derartige Zuwendungen verhältnismäßig selten. Entgegen anderslautender Behauptungen ihrer Kritiker lebte die Preparedness-Organisation vor allem von den Mitgliedsbeiträgen ihrer Anhänger.23 Damit unterschied sie sich ironischerweise von bekannten pazifistischen Organisationen der Zeit, die mit Industriellen wie Andrew Carnegie oder Henry Ford über reiche Gönner verfügten. Tatsächlich musste Menken kurz nach der Gründung 500 Dollar – damals eine nicht unerhebliche Summe – aus seinem Privatvermögen aufwenden, um der NSL die dringend erforderliche Starthilfe zu verschaffen. Mit wachsender Mitgliederzahl sollte sich ihre Finanzlage etwas entspannen; von einem üppigen Budget konnte aber auch später keine Rede sein.24 Umso wichtiger war es im Frühjahr 1915, eine tragfähige Anzahl an Unterstützern zu rekrutieren. Hierbei konzentrierte man sich zunächst darauf, Personen des öffentlichen Lebens zu gewinnen. Die NSL-Führung schrieb in diesen Wochen hunderte Gouverneure, Senatoren, Abgeordnete und Bürgermeister an, um bei Amerikas politischer Elite für die Preparedness-Organisation zu werben. Die Rückmeldung war vielversprechend: Neben Politikern sprachen sich auch zahlreiche lokale Handelskammern und die Mehrzahl der Leitartikler der großen Tageszeitungen – mal mehr, mal weniger enthusiastisch – für Preparedness aus. Die renommierte New York Times würdigte das zivile Engagement der Organisation in einem längeren Leitartikel und stellte klar, dass es sich bei den Männern der NSL – anders als von Kritikern behauptet – keinesfalls um Militaristen handele:

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Für die NSL-Mitgliedschaft gab es verschiedene Tarifmodelle, die sich zwischen 1 Dollar Jahresbeitrag und 100 Dollar für eine ›lebenslange‹ Mitgliedschaft bewegten; vgl. beispielsweise The National Security League. What It Is and Why. What It Has Done and What It Is Doing, New York 1917, S. 20. Vgl. Edwards: NSL, S. 6, 14-15; Ward: Origin and Activities NSL, S. 54.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

»[T]hey are sober-minded citizens, many of them peace advocates, though not of the extravagant kind, merchants, financiers, professional men of all shades of political opinion […].«25 Umfragen zeigten zudem, dass zwei Drittel der amerikanischen Hochschulpräsidenten mit den Zielen der Bewegung sympathisierten. Mochte die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung Preparedness auch ablehnen, so zeigte ein signifikanter Teil der politischen, wirtschaftlichen und intellektuellen Elite der Nation doch ein vielversprechendes Maß an Aufgeschlossenheit.26

3.1.2

Der Lusitania-Effekt

Nach Monaten der Vorbereitungen und Kontaktpflege im Hintergrund verkündete die National Security League schließlich Mitte Mai 1915 den offiziellen Startschuss ihrer Kampagne mit einem öffentlichkeitswirksamen Paukenschlag. Mittels Pressemitteilungen an nicht weniger als 1200 Zeitungen in allen Teilen des Landes präsentierte sich die Organisation dem amerikanischen Volk als Vorkämpferin für Preparedness.27 Die NSL verkündete, dass die Überprüfung des US-Militärs durch die Fachkomitees einen »beklagenswerten Zustand der Verwundbarkeit«28 offengelegt habe. Das Netz an Heeresstützpunkten sei ungeeignet strukturiert, der Nationalgarde würde es an Personal sowie Ausrüstung mangeln und die Küstenverteidigung könne man nur als inadäquat bezeichnen. Selbst die Kriegsflotte, Amerikas erste Verteidigungslinie, sei angesichts von Personalknappheit, veralteter technischer Ausstattung und mangelndem Training kaum einsatzbereit. Mit Verweis auf den belgischen Präzedenzfall kam man zu dem Schluss, dass die Vereinigten Staaten so schwach gerüstet seien, dass sie ihre Souveränität im Ernstfall nicht verteidigen könnten. Angesichts dieser dramatischen Lage forderte die NSL, dass die Bundesregierung endlich eine kohärente Militärpolitik entwickeln müsse. Erforderlich seien gesetzgeberische Maßnahmen für eine stärkere Flotte, ein effizienteres und mobileres Heer sowie eine größere und besser ausgestattete Nationalgarde. Zudem müsse für jede Waffengattung eine geeignete Reserve aufgebaut werden. Die Pressemitteilung schloss mit der

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This Is Not Militarism, in: The New York Times, 8. Dezember 1914. Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 31-32; NSL Hearings, S. 379. Vgl. NSL Hearings, S. 379. Would Prepare U.S. Against Invasion. National Security League Calls Army, Navy, and Coast Defense Inadequate, in: The New York Times, 11. Mai 1915.

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Bitte um finanzielle Unterstützung und der Aufforderung, der NSL beizutreten. Außerdem wurde noch einmal versichert, dass es sich bei Preparedness keinesfalls um Kriegstreiberei, sondern um ein Konzept zur Verhinderung von Konflikten handele.29 Auffällig an der Pressemitteilung ist, dass die NSL die identifizierten Defizite zwar in deutlichen Worten anprangerte, bei ihren konkreten Forderungen zur Behebung dieser Probleme aber vage blieb. Die PreparednessOrganisation äußerte sich weder zu spezifischen Summen, um die der amerikanische Wehretat erhöht werden sollte, noch nannte sie konkrete Zahlen, um welche die Truppenstärke der einzelnen Waffengattungen aufgestockt werden müssten. Zudem fehlte zu diesem frühen Zeitpunkt noch die Forderung nach der Wehrpflicht in Friedenszeiten, die schon bald zum wichtigsten Einzelanliegen der NSL avancieren sollte. Der allgemein gehaltene Charakter der Pressemitteilung ist umso bemerkenswerter, als in den erwähnten Untersuchungsberichten der NSL-Fachkomitees durchaus eine Reihe von spezifischen Vorschlägen enthalten war. So hatte etwa das Flottenkomitee einen Fünf-Jahres-Plan vorgeschlagen, der 500 Millionen Dollar für den Bau zahlreicher neuer Kriegsschiffe veranschlagte. Auch das Heereskomitee hatte bereits ein konkretes Wehrpflichtkonzept entwickelt, das einen verpflichtenden Dienst von zwei Jahren mit anschließendem Reservistendienst für fünf Jahre vorsah.30 Beide Komitees forderten zudem die Einrichtung eines General Defense Board (bestehend aus dem Präsidenten, dem Kriegs- und dem Marineminister), das unabhängig vom Kongress über die konkrete Zuteilung des Wehretats entscheiden sollte.31 Offenkundig vermied es die NSL-Führung ganz bewusst, ihre militärpolitischen Ideen vollumfänglich der öffentlichen Debatte auszusetzen. Unter PR-Gesichtspunkten ergab dies Sinn, musste die Organisation doch davon ausgehen, dass eine vage formulierte PreparednessAgenda wesentlich weniger Widerspruch hervorrufen würde als ein ausformulierter Maßnahmenkatalog, der erhebliche Veränderungen am Status quo vorsah. In der Tat hatte das zunehmende Momentum der PreparednessKampagne in den vergangenen Monaten scharfe Gegenreaktionen hervor-

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Vgl. ebd. Das Army Committee schloss seinen Untersuchungsbericht zwar offiziell erst Mitte Juni – und damit nach Veröffentlichung der Pressemitteilung – ab; die Kernforderungen standen aber bereits ein paar Wochen zuvor fest. Vgl. Edwards: NSL, S. 9-10.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

gerufen. Geradezu komplementär war die amerikanische Friedensbewegung gewachsen, die sich nicht zuletzt als eine Art ›Anti-Preparedness Movement‹ verstand. Nicht nur traditionelle Pazifisten, sondern auch Frauenrechtlerinnen, Sozialisten, linke Progressive und christliche Geistliche warnten vor den Gefahren der Aufrüstung im Allgemeinen und den perfiden Umtrieben der sich formierenden NSL im Besonderen.32 Die Friedensaktivisten griffen die Reputation der Preparedness-Organisation an, indem sie ihr Militarismus, Kriegstreiberei und Lobbyismus vorwarfen. So musste die NSL sich in der öffentlichen Auseinandersetzung etwa fragen lassen, inwiefern Aufrüstung in Europa zum Frieden beigetragen habe oder ob sie auch Gelder von Rüstungsfabrikanten erhalten würde.33 Die mitunter geschickt geführten Angriffe ihrer Gegner bestärkte die NSL-Führung um Menken darin, einen moderaten Kurs in der Öffentlichkeitsarbeit einzuschlagen. Allzu polarisierende Forderungen, so die Annahme, würden viele der dem Thema indifferent gegenüberstehenden Amerikaner nur unnötig abschrecken. Gleiches galt im Übrigen für Angriffe auf die Preparedness-kritische Wilson-Administration: Es war eine Sache, militärische Defizite auf der Sachebene zu kritisieren und Maßnahmen zur Stärkung der US-Streitkräfte vorzuschlagen; wesentlich problematischer erschien es dagegen, einzelnen Kabinettsmitgliedern (sicherheits)politisches Versagen vorzuwerfen. Schließlich konnte ein offener Konflikt mit den regierenden Demokraten von der amerikanischen Bevölkerung als parteiische Unterstützung der oppositionellen Republikaner verstanden werden – ein Eindruck, der das Engagement der NSL delegitimiert hätte. Der Vorstand entschied daher, dass gute Beziehungen zu Administration und Kongress vorerst das Gebot der Stunde seien.34 Tatsächlich stand die neutral-wohlwollende Haltung der NSL gegenüber der Regierung in erheblichem Kontrast zu den führenden Repräsentanten des staatlich-institutionellen Teils der Preparedness-Bewegung. Nicht nur wurden Roosevelts öffentliche Angriffe auf die Administration zunehmend ät-

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Vgl. Kazin: War Against War, S. 58-111. Für eine breiter angelegte Geschichte der amerikanischen Friedensbewegung im frühen 20. Jahrhundert siehe Chambers, John W.: The Eagle and the Dove. The American Peace Movement and United States Foreign Policy 1900-1922, 2. Aufl., Syracuse 1991. Vgl. Women Ridicule Security League. Their Peace Party Answers »Preparedness« Plan at Meeting in Cooper Union, in: The New York Times, 16. Juni 1915. Vgl. Edwards: NSL, S. 24; Ward: Origin and Activities NSL, S. 54.

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zender; auch Wood, der seine Freundschaft zum Rough Rider35 demonstrativ zelebrierte, hintertrieb die offizielle Regierungslinie, an die er als Offizier eigentlich gebunden war.36 Als Kriegsminister Lindley Garrison im Februar 1915 die Öffentlichkeitsarbeit der Streitkräfte stärker kontrollieren wollte und eine Art ›Maulkorberlass‹ für Militärangehörige verfügte, behalf sich der eigenwillige General damit, seinen Preparedness-Kreuzzug in inoffizielle Kanäle umzuleiten. Wood äußerte seine sicherheitspolitischen Vorstellungen bald bevorzugt in ›privaten‹ Gesprächen, deren Inhalt stets ihren Weg in die Presse fand.37 Wood intensivierte darüber hinaus seine Bemühungen um die Einrichtung von militärischen Trainingslagern für Zivilisten. Die dramatische Weltlage ließ die Zahl der Anmeldungen für den Sommer 1915 sprunghaft ansteigen. Mittlerweile wollten nicht mehr nur junge Studenten die Grundausbildung absolvieren; auch Männer mittleren Alters aus den besten Kreisen der Gesellschaft meldeten ihr Interesse an. Der General nutzte geschickt seine Kontakte, um die Finanzierung des von Teilen des Kriegsministeriums mit Argwohn betrachteten Projekts über private Mittel sicherzustellen. Das Vorhaben sollte sich als großer Erfolg erweisen: Bald entstanden in allen Landesteilen entsprechende Initiativen. Allein an dem Trainingslager in Plattsburg, New York, sollten mehr als 1300 Männer teilnehmen – darunter der Bürgermeister von New York City, der Episkopalbischof von Rhode Island und der Footballtrainer der Universität Harvard. Die Presse berichtete ausgiebig und viele Kommentatoren sahen in dem Projekt bereits die Keimzelle einer Wehrpflicht in Friedenszeiten.38 Als ein deutsches U-Boot am 7. Mai 1915 den Passagierdampfer Lusitania versenkte, spitzte sich die ohnehin schon aufgeladene Kontroverse zwischen Gegnern und Befürwortern von Preparedness dramatisch zu. Historiker haben bereits in anderen Zusammenhängen herausgearbeitet, wie sehr

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Roosevelts von vielen Zeitgenossen verwendeter Spitzname ›Rough Rider‹ war eine Referenz an seinen Dienst in einem Kavallerieregiment im Spanisch-Amerikanischen Krieg. Vgl. 250,000 to Unite in Army League. Maj. Gen. Wood, Col. Roosevelt and Other Noted Men Support Call for »Legion«, in: The New York Times, 1. März 1915.; Roosevelt Called on Shipping Bill. Senate Committee Wants Colonel to Explain His Charges Against Administration, in: The New York Times, 25. März 1915. Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 30. Vgl. Clifford: Plattsburg, S. 54-91; Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 57-72.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

der »Lusitania-Effekt«39 die öffentliche Meinung in den USA beeinflusste. Für die Preparedness-Frage lässt sich dieser Befund bestätigen. Der gewaltsame Tod von 128 US-Bürgern führte nicht nur zu einer diplomatischen Eiszeit zwischen Washington und Berlin, sondern ließ die Schrecken des Krieges im Alltag der Amerikaner ankommen. Erstmals seit dem Ausbruch des europäischen Konflikts entstand auch in Bevölkerungskreisen, die Preparedness bisher wenig abgewinnen konnten, ein Gefühl der Verwundbarkeit. Zudem wurde Präsident Wilsons Diktum vom August 1914, dass die USA nicht von dem Krieg in Europa betroffen seien, auf bittere Weise widerlegt. Zwar konnte die Krise nach einem scharfen amerikanisch-deutschem Notenaustausch – der unter anderem zum Rücktritt von Außenminister Bryan führte40 – vorerst diplomatisch beigelegt werden; der Geist hatte jedoch die Flasche verlassen und war nicht wieder einzufangen.41 Trotz des Entsetzens über den Tod unbeteiligter Zivilisten bot der Lusitania-Zwischenfall dem Preparedness Movement einen willkommenen Anlass, seine Kampagne zu verschärfen. Roosevelt forderte lautstark Vergeltungsmaßnahmen, die faktisch auf einen Konflikt mit Deutschland hinausliefen, während der als Offizier zur Neutralität verpflichtete Wood zumindest intern deutlich machte, dass ein Waffengang mittelfristig unvermeidbar sei.42 In Hinblick auf die friedliche Beilegung der Krise durch die WilsonAdministration kommentierte der General in seinem Tagebuch: »Rotten spirit in the Lusitania matter. Yellow spirit everywhere in spots.«43 Der zivile Arm der Bewegung brauchte dagegen einige Zeit, um sich angesichts des

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Trommer, Frank: The Lusitania Effect. America’s Mobilization Against Germany in World War I, in: German Studies Review 32/2 (2009), S. 241-266, hier: S. 241. Der christliche Pazifist Bryan trat im Juni 1915 zurück, da er Wilsons harsche Verurteilung des deutschen U-Boot-Krieges als zu konfrontativ empfand. Seiner Meinung nach stellte die Überbetonung amerikanischer Neutralitätsrechte gegenüber dem Kaiserreich bei gleichzeitiger Zurückhaltung gegenüber britischen Völkerrechtsverletzungen eine einseitige Parteinahme zugunsten der Entente dar. Sein Nachfolger im Amt des Außenministers wurde der deutschlandkritischere Robert Lansing; vgl. Kennedy, Ross A.: Strategic Calculations in Woodrow Wilson’s Neutrality Policy, 1914-1917, in: Journal of the Gilded Age and Progressive Era 17/4 (2018), S. 606-618, hier: S. 609-610. Vgl. Doenecke: America’s War Entry, S. 70; Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 3738; Link, Arthur S.: Wilson. The Struggle for Neutrality 1914-1915, Princeton 1960, S. 372377. Vgl. Eisenhower, John S.D.: Teddy Roosevelt & Leonard Wood. Partners in Command, Columbia 2014, S. 138-143. Zitiert in Doenecke: America’s War Entry, S. 70.

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Lusitania-Zwischenfalls neu zu positionieren. Anfang Mai 1915 waren die Planungen der NSL für den Startschuss ihrer PR-Offensive bereits so weit fortgeschritten, dass die dramatischen Ereignisse keine Berücksichtigung mehr in der vorbereiteten Presseerklärung finden konnten. Nichtsdestotrotz hätte die Preparedness-Organisation keinen besseren Zeitpunkt für den Beginn ihrer Kampagne finden können. Die außenpolitische Krise erwies sich als Katalysator, der der NSL innerhalb weniger Tage zu Rekordzahlen an Neumitgliedern und Spendenaufkommen verhalf. Öffentlichkeitswirksamer Höhepunkt dieser Dynamik war der Eintritt Cornelius Vanderbilts in die Organisation, dessen Bruder bei der Versenkung der Lusitania ums Leben gekommen war.44 Nachdem sie von den Entwicklungen zunächst überrascht worden war, bemühte sich die National Security League darum, aus der nunmehr weit verbreiteten Krisenstimmung in der Bevölkerung Kapital zu schlagen. Am 14. und 15. Juni 1915 organisierte sie im noblen New Yorker Hotel Astor eine Konferenz unter dem Motto »Peace and Preparation«45 . Neben allerlei kleineren militärischen Dekor ließen es sich die Gastgeber nicht nehmen, einen Behemoth-Torpedo auszustellen – mit einer Masse von etwa 600 Kilogramm eine wenig subtile Erinnerung an das Schicksal der Lusitania. Schaulustigen Bürgern wurden Broschüren in die Hand gedrückt, aus denen sie unter anderem entnehmen konnten, dass in den USA jährlich 452 Millionen Dollar für Softdrinks und Süßigkeiten, aber nur 245 Millionen Dollar für das Militär ausgegeben würden.46 Als Gastredner lud das zuständige NSL-Komitee für Öffentlichkeitsarbeit unter anderem den ehemaligen Marineminister (19091913) George von Lengerke Meyer ein.47 Entgegen der offiziellen Linie der NSL prangerte der Republikaner den Zustand der U.S. Navy nicht nur in drastischen Worten an, sondern machte seinen Nachfolger, den amtierenden Marineminister Daniels, persönlich für die vermeintliche Misere verantwortlich.48

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Vgl. National Defense Enlists Noted Men, in: The New York Times, 13, Mai 1915. To Push Defense Crusade. Security League Enlists Famous Orators for Its Conference, in: The New York Times, 5. Juni 1915. Vgl. Edwards: NSL, S. 10-11. Vgl. Torpedo Amazes Broadway Crowds. Deadly Implement of War Sent by the Navy to Security League, in: The New York Times, 13. Juni 1915. Daniels revanchierte sich für die Angriffe, indem er die NSL entgegen den üblichen Gepflogenheiten zwang, der U.S. Navy 4000 Dollar Leihgebühr für den ausgestellten Torpedo zu zahlen.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

Während das aufgeputschte Publikum die Angriffe mit donnerndem Applaus belohnte, bemühte sich die NSL-Führung um Schadensbegrenzung. So fiel die Konferenzresolution am Ende überraschend versöhnlich aus: Statt – wie ursprünglich angedeutet – eine militärpolitische Sondersitzung des Kongresses zu fordern, bat man Präsident Wilson lediglich höflich darum, die Aufmerksamkeit der Legislative auf die Verteidigungspolitik zu lenken – »falls dies mit dem öffentlichen Interesse vereinbar«49 sei. Trotz der gegenwärtigen Spannungen verzichtete die Konferenzleitung auf Töne, die als proalliierte Kriegstreiberei ausgelegt werden könnten. Ex-Kriegsminister Luke E. Wright (1908-1909) hielt gar eine bemerkenswert differenzierte Rede, in der er die Verletzungen der amerikanischen Neutralitätsrechte durch die Briten auf eine Stufe mit dem Fehlverhalten der Deutschen stellte. Nach zwei Tagen öffentlichkeitswirksamer Debatten unter den Augen von zeitweise mehr als 1000 anwesenden Bürgern endete die Tagung mit dem Appell, dass robuste Preparedness-Maßnahmen der einzige Weg seien, die Vereinigten Staaten vor der Geißel des Krieges zu bewahren. Die Konferenz im Astor erwies sich als großer PR-Erfolg; die Presse berichtete landesweit über die gehaltenen Reden und die verabschiedete Resolution.50 Offenkundig hatte die NSL einen Nerv bei vielen Amerikanern getroffen, die im Nachgang der Lusitania-Krise nach sicherheitspolitischer Orientierung suchten.51 Im Verlauf des Sommers kam schließlich auch der Präsident der Vereinigten Staaten in der wohl »wichtigsten innenpolitischen Entscheidung des Jahres 1915«52 zu dem Schluss, dass seine rundum ablehnende Haltung gegenüber Preparedness nicht länger zu halten war. Die genauen Gründe für Wilsons Sinneswandel sind von Historikern unterschiedlich gewichtet worden. Im Wesentlichen ist man sich in der Literatur aber einig, dass er seine ursprüngliche Position sowohl aus innenpolitisch-wahlkampftaktischen als auch aus außenpolitisch-strategischen Erwägungen aufgab. Einerseits musste Wilson in Hinblick auf die Präsidentschaftswahl 1916 fürchten, dass die wachsende öffentliche Unterstützung für Preparedness viele Wähler in die Arme der Opposition treiben würde. Immerhin waren die meisten prominenten Repräsentanten des Movement Republikaner, weshalb die GOP – trotz einer Reihe prominenter Abweichler – als die militärnähere Partei galt. Wenn der 49 50 51 52

Daniels Is Blamed for Navy Unfitness, in: The New York Times, 16. Juni 1915. Vgl. ebd; Use Belgium’s Fate as Warning to U.S. Speakers at Preparedness Mass Meeting Demand Adequate Defense, in: The New York Times, 15. Juni 1915. Vgl. Edwards: NSL, S. 10-12. Doenecke: America’s War Entry, S. 147.

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politische Zeitgeist Preparedness ohnehin unvermeidlich machte, so Wilsons mutmaßliche Überlegung, konnte er auch selbst die Initiative ergreifen, um das Projekt in ihm genehme Bahnen zu lenken. Andererseits dürfte der Präsident angesichts der Lusitania-Krise zu der Erkenntnis gekommen sein, dass ein Ausbau des amerikanischen Abschreckungspotenzials die Verhandlungsposition der Vereinigten Staaten eher stärken als schwächen würde – sowohl in Hinblick auf die Wahrung ihrer Neutralitätsrechte als auch auf ihre Rolle in der potenziellen Nachkriegsordnung.53 Mitte Juli 1915 berief Wilson eine Sitzung seines Kabinetts ein, deren einziger Tagesordnungspunkt die Preparedness-Frage war.54 Anschließend schickte er am 21. Juli55 ein Schreiben an den Kriegs- und an den Marineminister, in dem er Garrison und Daniels offiziell anwies, ein sicherheitspolitisches Maßnahmenpaket auszuarbeiten, das er dem Kongress vorlegen könne.56 In der entsprechenden Pressemitteilung machte das Weiße Haus deutlich, worum es dem Präsidenten bei diesem Schritt ging: »He [i.e. the president] not only wishes advice from those who have a knowledge of actual modern conditions of warfare, but he is seeking light from those who are able to understand and comprehend the altered conditions of land and naval warfare. […] [W]hile in every way consistent with American traditions and national policy, [the defense program] will be of such character as to command itself to every patriotic and practical mind.«57 Mit dem Verweis auf die militärische Expertise des Kriegs- und des Marineministeriums griff die Pressemitteilung ein populäres Leitmotiv der Progressive Era auf, das auch von der Preparedness-Bewegung immer wieder bemüht worden war. Komplexe Sachfragen des Gemeinwesens sollten nicht von fachfremden Politikern, sondern von denjenigen angegangen werden, die über nachgewiesene Kompetenzen auf dem entsprechenden Feld verfügten. Trotz des sicherheitspolitischen Sinneswandels bemühte sich das Weiße Haus darum, auch den Unmut jener Amerikaner einzufangen, die nach wie vor wenig 53 54 55 56 57

Für eine ausführliche Würdigung der historiografischen Diskussion um Wilsons Kurswechsel in der Preparedness-Frage vgl. Kennedy: Preparedness, S. 276-280. Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 40. Um Deutschland eine Warnung zu senden, dürfte Wilson seinen Kurswechsel bewusst so datiert haben, dass er am gleichen Tag wie die dritte Lusitania-Note bekannt wurde. Vgl. Wilson Looks to Defenses. Calls for Full Reports on the Condition of the Army and Navy, in: The New York Times, 24. Juli 1915. A Press Release, 21. Juli 1915, in: Wilson Papers 34 (1915), S. 3-4, hier: S. 3.

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von Aufrüstung hielten. Der Verweis auf die »amerikanischen Traditionen« durfte als Absage an allzu radikale Reformen verstanden werden, wie sie in Teilen der Bewegung propagiert wurden. Hier deutete sich bereits an, dass die Wilson-Administration kontroverse Programmpunkte wie die Wehrpflicht in Friedenszeiten nicht einfach übernehmen würde. Tatsächlich sollte der Präsident für den Rest seiner Amtszeit ein wenig enthusiastischer PreparednessKonvertit bleiben. Gewissermaßen einen pragmatischen Mittelweg zwischen Pazifismus und Militarismus einschlagend,58 verfolgte Wilson fortan einen Kurs, den man auf das Schlagwort ›Preparedness Light‹ bringen könnte. Trotz nach wie vor bestehender inhaltlicher Differenzen nahm die National Security League die neuen Töne aus dem Weißen Hauses als Bestätigung ihrer Bemühungen wahr. Ihre Strategie, über den Druck der öffentlichen Meinung einen Kurswechsel herbeizuführen, schien erste Erfolge zu feiern.59 Die NSL-Führung um Menken sah sich in ihrem konzilianten Ansatz gegenüber Wilson bestätigt und sicherte der Administration ihre konstruktive Unterstützung bei der Neuausrichtung der US-Sicherheitspolitik zu.60 Menken und seine Mitstreiter ahnten freilich nicht, wie Wilson insgeheim über sie dachte. Tatsächlich misstraute der Präsident den überparteilichen Beteuerungen der Preparedness-Organisation und begegnete ihr von Beginn an mit großem Misstrauen, wie privat geäußerte Kommentare verdeutlichen: »I judge from the list of members […] that the promoters of this [National Security] League are by no means friends of ours, but I suppose I ought to receive these petitions.«61 Offenkundig war Wilsons äußerlich freundlicher Umgang mit der NSL vor allem auf politische Opportunitätserwägungen zurückzuführen.

3.1.3

Die Sezession der American Defense Society

Ironischerweise war es gerade ihre Konzilianz gegenüber Wilson, die die National Security League im Verlauf des Sommers 1915 in eine Krise stürzte. 58 59 60

61

Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 75-76. Vgl. President Pledged to Army of 300,000? Defense Bodies Assured That Congress Will Be Urged to Make Country Safe, in: The New York Times, 1. September 1915. Vgl. Remarks of S. Stanwood Menken, President of the NSL, at the Opening of the Conference of Delegates from Branches at Chicago (27. November 1915), in: Stimson Papers, Box 204. Zitiert nach Edwards: NSL, S. 24.

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Anlass des folgenschweren Konflikts waren interne Meinungsverschiedenheiten über den Kurs der Organisation, die auf die Astor-Konferenz vom Juni zurückgingen. Der Vorsitzende des Komitees für Öffentlichkeitsarbeit, Clarence S. Thompson, machte sich im Nachgang der Tagung dafür stark, die Vorträge der Gastredner abzudrucken und als offizielles Informationsmaterial der NSL in Umlauf zu bringen. Angesichts der persönlichen Vorwürfe des Republikaners Meyer gegenüber Marineminister Daniels weigerte sich die Führung um Menken, die erforderlichen Mittel für dieses Vorhaben freizugeben. Derart polemische Angriffe auf ein Kabinettsmitglied, so die Begründung, seien nicht mit dem überparteilichen Anspruch der Organisation vereinbar. Schließlich sei die NSL unabhängig vom politischen Hintergrund der jeweiligen Administration dazu verpflichtet, mit der Regierung zu kooperieren. Thompson erhob daraufhin den Vorwurf, der Demokrat Menken würde den Zielen der Bewegung aus parteipolitisch motivierter Rücksichtnahme schaden. Die Lage der Nation sei zu ernst, als dass man das Versagen der Wilson-Administration in der Preparedness-Frage einfach verschweigen könne. Er jedenfalls würde sich nicht länger davon abhalten lassen, unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Der Richtungsstreit eskalierte derart, dass Thompson und seine Anhänger die NSL im Juli demonstrativ verließen und am 4. August 1915 eine neue Preparedness-Organisation gründeten: die American Defense Society.62 Wie häufig bei der Spaltung von sozialen Bewegungen und den sie tragenden Organisationen ging auch dieser Konflikt auf ein Zusammenspiel von persönlichen und ideologischen Differenzen zurück. Mit Menken und Thompson standen sich zwei machtbewusste Protagonisten gegenüber, die ihr Preparedness-Engagement vor unterschiedlichen persönlichen Hintergründen betrieben. Während Menken, der den Habitus eines gesetzten Gentlemans pflegte, eher ein Mann der leisen Töne und des Ausgleichs war, galt Thompson als kompromissloser Heißsporn. Die persönliche Abneigung zwischen den beiden ging so weit, dass sie einander noch über Jahre mit persönlichen Vorwürfen überziehen sollten. So behauptete Menken zeitlebens, dass Thompson nur an seinem finanziellen Fortkommen interessiert gewesen

62

Vgl. New Defense Band Opens Local Office. Starts Clearing House at 303 Fifth Avenue for all Kindred Organizations, in: The New York Times, 5. August 1915; Army of 300,000?, in: The New York Times, 1. September 1915; Split in the Fight for Preparedness. Defense Society Formed by Dissenters Who Had Quit the Security League, in: The New York Times, 14. Februar 1916.

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sei und sich als PR-Leiter der NSL von einer Werbeagentur habe bestechen lassen. Thompson wiederum warf Menken später vor, er sympathisiere mit den Deutschen und umgebe sich mit Vertrauten, die auf der Gehaltsliste der Reichsregierung stünden.63 Letztlich entscheidender für die Spaltung dürften aber die unterschiedlichen ideologisch-strategischen Ausrichtungen gewesen sein, für die die beiden Männer standen: Als Demokrat in einer vor allem von Republikanern dominierten Bewegung verkörperte Menken geradezu den überparteilichen Anspruch der NSL. Davon überzeugt, dass Preparedness-Maßnahmen bereits kontrovers genug waren, sprach er sich konsequent gegen Angriffe auf einzelne Amtsträger aus; die Kampagne seiner Organisation sollte allein auf sicherheitspolitische Sachfragen abzielen. Thompson dagegen hielt wenig von Kooperation und setzte ganz auf Konfrontation. Wie könne man, so sein Credo, militärische Defizite glaubwürdig kritisieren, ohne die Verantwortlichen der Misere beim Namen zu nennen? Als Mitglied der Progressiven Partei und Roosevelt-Unterstützer im Präsidentschaftswahlkampf 1912 hatte Thompson kein Problem damit, dass derartige Kritik zwangsläufig zu Konflikten mit Präsident Wilson und den regierenden Demokraten führen musste.64 Bei ihrer Konstituierung im August 1915 profitierte die American Defense Society von den Erfahrungen der National Security League, sodass sie in verhältnismäßig kurzer Zeit arbeitsfähig werden konnte. Organisationsstrukturell unterschied sich sie sich tatsächlich kaum von der NSL: Obwohl sich in den kommenden Monaten im ganzen Land Ortsgruppen bilden sollten, wurde der Kurs der ADS stark von der Bundeszentrale in New York City dominiert. Von hier aus gab der Vorstand (»Board of Trustees«) den Kurs der Organisation vor. Neben den obligatorischen Fachkomitees wurde auch ein Beirat gebildet, in den angesehene Fachleute ihre Expertise – und vor allem ihr Renommee – einbringen sollten. Ähnlich wie bei der NSL bildete sich im nominell aus bis zu 30 Personen bestehenden Vorstand bald ein kleiner Zirkel von besonders aktiven Insidern heraus, die das Tagesgeschäft prägten. Zentrale Figur in der Gründungsphase der ADS war Thompson selbst, der sich zum Vorsitzenden des Vorstands wählen ließ. Ihm zur Seite stand eine Reihe weiterer ziviler Protagonisten aus der zweiten und dritten Reihe des Preparedness Movement – darunter etwa der Erfinder Lee De Forest oder der bekannte Journalist Cleveland Moffet. Zudem konnte die ADS Philip J. 63 64

Vgl. Edwards: NSL, S. 25-26. Vgl. Split Preparedness, in: NYT, 14. Februar 1916; Spiro: Grant, S. 379.

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Roosevelt gewinnen. Der Cousin zweiten Grades des früheren Präsidenten sollte ein organisationseigenes Preparedness-Magazin betreuen. Der Beirat war insgesamt zwar weniger prominent besetzt als jener der NSL; der ADS gelang jedoch ein regelrechter PR-Coup als sie Theodore Roosevelt kurz nach der Konstituierung für das Gremium verpflichten konnte.65 Die Unterstützung des prominentesten Repräsentanten des Preparedness Movement gab der jungen Organisation den dringend benötigten Schub an Legitimität und öffentlicher Aufmerksamkeit. Zugleich stand die Berufung des ehemaligen Präsidenten sinnbildlich für die beginnende Zerfaserung der Bewegung. Vergeblicher Appelle der NSL-Führung zum Trotz,66 sah Roosevelt kein Problem darin, beide Organisationen parallel zu unterstützen. Dass die konfrontativere Grundausrichtung der ADS seinen eigenen Ansichten in der Preparedness-Kontroverse deutlich näherkam, dürfte entscheidend dazu beigetragen haben, der Abspaltung derart rasch sein Plazet zu geben. Tatsächlich war Roosevelts Groll gegenüber der Außen- und Sicherheitspolitik der Administration über die Sommermonate nochmals gewachsen und hatte spätestens nach der Versenkung des Passagierschiffs Arabic am 20. August, bei der zwei weitere Amerikaner durch ein deutsches U-Boot ihr Leben verloren, den Grad öffentlich gezeigter Verachtung erreicht.67 Der offizielle Segen des ehemaligen Präsidenten wurde im institutionellen Teil des Preparedness Movement gleichsam als Signal verstanden, fortan mit der ADS zusammenarbeiten zu können. In den kommenden Monaten knüpfte die Organisation Kontakte mit den anderen führenden Repräsentanten der Bewegung. Bald äußerten sich auch Leonard Wood und Augustus Gardner lobend über ihre Arbeit.68 Es wurde deutlich, dass fortan nicht mehr eine, sondern zwei zivile Organisationen die Preparedness-Kampagne prägen sollten. Das Verhältnis zwischen der National Security League und der American Defense Society war insbesondere in den ersten Monaten nach der Abspaltung angespannt bis latent feindselig. Hierzu trug nicht zuletzt der Umstand 65 66 67

68

Vgl. The American Defense Society. Its Aims, its History, its Officers, New York 1941, S. 4-5; Spiro: Grant, S. 379-380. Vgl. S. Stanwood Menken an Theodore Roosevelt (10. Dezember 1915), in: Roosevelt Papers, Series 1, Reel 202. Vgl. Doenecke: America’s War Entry, S. 116-117; Roosevelt Calls Wilson Policy Weak and Timid. Intimates It Aroused Germany’s Contempt and Encouraged Her to Aggression, in: The New York Times, 29. August 1915. Vgl. The American Defense Society. History, Purpose, Accomplishments, New York 1918, S. 5-6.

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bei, dass bald Gerüchte aufkamen, die ADS habe beim Anwerben von Mitgliedern und Spendengeldern mitunter den Eindruck erweckt, institutionell mit der NSL affiliiert zu sein.69 Während sich diese Vorwürfe aus den überlieferten Quellen nicht eindeutig bestätigen oder widerlegen lassen, kann kaum bestritten werden, dass vielen Preparedness-affinen Bürgern die feinen Unterschiede zwischen den beiden Organisationen nicht bekannt waren. Ein Briefwechsel zwischen Menken und Putnam aus dem August 1915 verdeutlicht die anfängliche Verwirrung, die selbst bei einigen zentralen Akteuren der Bewegung herrschte. Menken verlieh in einem Schreiben seiner Verwunderung Ausdruck, dass die ADS mit der Mitgliedschaft Putnams warb und erkundigte sich, ob es richtig sei, dass dieser mit der »oppositionellen«70 Splittergruppe zusammenarbeite. Das Gründungsmitglied der NSL zeigte sich in seiner Antwort sichtlich überrascht: »It must have been my understanding at the time that the American Defense Society was carrying on some division of the work of the National Security League. I am myself opposed to the multiplication of committees or organisations and to any unnecessary risk of duplicating work or of confusing the public. […] I am puzzled about Mr. Thompson’s double responsibilities.«71 Menken machte daraufhin noch einmal deutlich, dass Thompson nichts mehr mit der NSL zu tun habe, und legte seinem alten Freund nahe, von einer parallelen Zusammenarbeit mit der ADS abzusehen. Derart aufgeklärt, beendete Putnam wenig später seine Mitgliedschaft in der sezessionistischen Organisation.72

3.1.4

Das große Preparedness-Schisma

Putnams exklusives Bekenntnis zur NSL blieb ein Einzelfall. Während das Schisma zwischen National Security League und American Defense Society auf der – zahlenmäßig kaum ins Gewicht fallenden – Funktionärsebene zu erheblichen Differenzen führte, hatten die meisten mit dem Preparedness 69 70 71 72

Vgl. Evan Hollister an Henry A. Wise Wood (20. Dezember 1915), in: Roosevelt Papers, Series 1, Reel 203. S. Stanwood Menken an George H. Putnam (6. August 1915), in: Putnam Papers, Box 2. George H. Putnam an S. Stanwood Menken (11. August 1915), in: Putnam Papers, Box 1. Vgl. S. Stanwood Menken an George H. Putnam (13. August 1915), in: Putnam Papers, Box 1; George H. Putnam an Clarence S. Thompson (2. September 1915), in: Putnam Papers, Box 3.

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Movement sympathisierenden Amerikaner wenig Hemmungen, mehr als einer Organisation beizutreten. Tatsächlich waren gerade für die prominenten Köpfe im institutionellen Teil der Bewegung Doppelmitgliedschaften die pragmatische Antwort auf eine Entwicklung, die im Verlauf des Jahres 1915 immer evidenter wurde: Die Landschaft an zivilen Organisationen, die sich in der einen oder anderen Weise für Preparedness engagierten, zerfaserte im Nachgang der Lusitania-Krise. Auf der einen Seite stand eine Reihe von Neugründungen. Hierbei handelte es sich um genuine Preparedness-Organisationen, die in ihrer Struktur und in ihrer Zielsetzung der NSL oder der ADS grundsätzlich ähnelten, jedoch weit von deren Größenordnung in Bezug auf Mitgliederzahl, Budget und öffentlicher Aufmerksamkeit entfernt blieben. Einige von ihnen setzten sich offen für eine konfrontativere Außenpolitik gegenüber Deutschland ein (beispielsweise das American Rights Committee73 ); andere wiederum verstanden sich als Vorkämpferinnen für einzelne Teilanliegen der Bewegung (beispielsweise die Universal Military Training League).74 Hinzu kamen die älteren zivilen Lobbyorganisationen für die Belange des Heeres und der Flotte (die Army League und die Navy League), die bereits vor Ausbruch des Krieges gegründet worden waren und sich nun verstärkt in die Kampagne einbrachten. Auf der anderen Seite begannen aber auch zahlreiche Vereinigungen aus anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen, sich für Preparedness zu engagieren. Diese heterogene Gruppe von ›patriotischen‹ Organisationen reichte von technikaffinen Vereinen wie der Aero League, dem Automobile Club oder dem American Institute of Engineers bis hin zum amerikanischen Roten Kreuz. Ihr Engagement für das an Popularität gewinnende PreparednessThema wurde in dieser Zeit ein Teil ihres gemeinnützigen Selbstverständnisses.75 Wie erklären sich die starken partikularistischen Tendenzen des zivilen Teils der Bewegung, nachdem sich die National Security League noch 73 74

75

Das im Dezember 1915 gegründete American Rights Committee firmierte später auch unter der Bezeichnung American Rights League. Vgl. Break with Berlin Urged on Wilson. American Rights Committee Protests Against Further Delay in Lusitania Case, in: The New York Times, 19. Dezember 1915; Urge Six Months’ Training. Further Pleas for Universal Service Heard by Committee, in: The New York Times, 21. Dezember 1916. Vgl. Clifford: Plattsburg, S. 35-36; Finnegan; Campaign for Preparedness, S. 38; Unite in Nation’s Defense. Organizations Favoring Preparedness Hold a Joint Meeting, in: The New York Times, 4. Juni 1915.

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zu Beginn des Jahres als breite Sammlungsorganisation präsentiert hatte? Die wichtigste Ursache lag im unscharfen Charakter von Preparedness begründet. Zwar hätten sich 1915 wohl alle Anhänger der Bewegung darauf verständigen können, dass man eine Stärkung der amerikanischen Verteidigungsbereitschaft anstrebe; auf welche Weise man dieses Ziel am besten erreichen und welchem Zweck es dienen sollte, war aber keineswegs ausgemacht. Während viele Preparedness vor allem mit der Aufrüstung von Heer und Flotte assoziierten, setzten manche eher drauf, die privatwirtschaftliche Rüstungsindustrie stärker für die Sicherheitsinteressen des Staates einzuspannen. Wieder anderen ging es vor allem darum, die Amerikaner durch die Einführung der Wehrpflicht zu kollektiver Pflichterfüllung im Dienst an der Nation zu erziehen. Noch umstrittener war der Zweck von Preparedness: Die NSL betonte zwar stets, sich aus dem Europäischen Krieg heraushalten zu wollen; doch wie ernst war dieses Bekenntnis (»preparation against war, and not for war«76 ) zu nehmen? Verstand man die Parole als codierte Einstimmung auf den Kriegseintritt, so konnte man als proalliierter Interventionist leidenschaftlich für Preparedness eintreten. Nahm man die Friedensbeteuerungen dagegen beim Wort, so konnte man auch als überzeugter Isolationist77 Anhänger der Bewegung sein. Die divergierende Erwartungshaltung bei den Sympathisanten des Movement führte dazu, dass die NSL jedes Mal einen Teil der Menschen vor den Kopf stieß, wenn sie ihre Preparedness-Agenda in einem Pamphlet oder einer Pressemitteilung konkretisierte. Erschwerend hinzu kam nicht nur die polarisierende Frage, wie man sich gegenüber der Wilson-Administration positionieren solle, sondern auch die regionalen Interessengegensätze innerhalb der Vereinigten Staaten. Jenseits des in den anderen Landesteilen nicht immer wohlgelittenen Nordostens gab es bisweilen Widerstand, sich für eine so offenkundig

76 77

National Security League. Purpose, Organization, and a Few Facts as the Unpreparedness of Our Country, New York 1915, S. 2. Trotz seines problematischen Charakters hat sich der Isolationismus-Begriff zur Beschreibung einer zentralen Denkrichtung im außenpolitischen Diskurs der USA etabliert und wird daher auch in dieser Arbeit genutzt. Gemeint ist freilich nicht die wirtschaftliche oder kulturelle Abschottung der Vereinigten Staaten von der Alten Welt, sondern das Bestreben, sich nicht in die politischen Angelegenheiten der Europäer verwickeln zu lassen. Wichtigste Prämissen des amerikanischen Isolationismus sind insofern die Prinzipien von Bündnisfreiheit und Neutralität; siehe Jonas, Manfred: Art. »Isolationism«, in: DeConde, Alexander u.a. (Hg.): Encyclopedia of American Foreign Policy, Vol. 2, 2. Aufl., New York u.a. 2002, S. 337-351.

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von der New Yorker Zentrale dominierten Organisation zu engagieren – zumal die Gesamtbewegung ohnehin im Ruf stand, ein Elitenprojekt des Ostküstenestablishments zu sein.78 Die Aufspaltung des zivilen Arms der Bewegung in zahlreiche Einzelgruppierungen erwies sich bald als größtes Handicap der PreparednessKampagne.79 Zum Jahresende 1915 gab es in den Vereinigten Staaten bereits ein knappes Dutzend verschiedener Organisationen, die sich als Sprachrohr des Movement verstanden, und alle Zeichen deuteten darauf hin, dass ihre Anzahl eher steigen als sinken würde. Wie sollte man diesen Chor disparater Einzelstimmen effektiv koordinieren? Und war man wirklich denselben Zielen verpflichtet oder meinte jede Gruppierung etwas anderes, wenn sie lautstark nach Preparedness rief? Bald fiel es nicht nur der breiten Öffentlichkeit, sondern selbst Protagonisten der Bewegung schwer, die zahlreichen Organisationen auseinanderzuhalten. So musste William Taft etwa mit resigniertem Spott eingestehen, dass er mittlerweile völlig den Überblick verloren habe: »There are so many Associations that it is very difficult to know what to join. I am a member of the American Legion, but not of the National Protective League. I believe I am a member of the National Security League.«80 Zunehmenden Unmut zeigte auch General Wood, wenn er intern feststellte, dass man von der Fülle an Organisationen geradezu »überschwemmt«81 werde. Die private Korrespondenz zeigt, dass man im staatlich-institutionellen Teil der Bewegung erkannt hatte, dass die Zersplitterung der zivilen Preparedness-Kampagne mit negativen Begleiterscheinungen einherging. Immerhin resultierten die Parallelstrukturen nicht nur in einer bisweilen inkohärenten Öffentlichkeitsarbeit, sondern beanspruchten auch Geld und Arbeitskraft, die besser für konzentrierte Aktionen eingesetzt worden wären. Zugleich sind die kritischen Kommentare von Männern wie Wood ein Indikator dafür, dass die institutionellen Akteure der Bewegung eine derartige Aufspaltung weder gewollt hatten, noch etwas an diesen Zuständen zu ändern vermochten. Offenkundig richtete sich der zivile Teil des Preparedness

78 79 80 81

Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 38, 92. Vgl. Clifford: Plattsburg, S. 35-36. William H. Taft an Dallas Boudeman (15. November 1915), in: Taft Papers, Series VIII, Letterbook 38. Leonard Wood an John O. Skinner (13. März 1916), in: Wood Papers, Box 86.

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Movement in der zentralen Frage seiner Organisationsstruktur nicht nach den Präferenzen der institutionellen Akteure aus. Dennoch mussten bald auch die Führungen der verschiedenen Preparedness-Organisationen feststellen, dass die Effizienz der Kampagne unter der Zersplitterung litt. So verwundert es nicht, dass häufig diskutierte wurde, wie sich einzelne Aktivitäten besser koordinieren ließen. Bereits im Juni 1915 fand ein erstes Treffen zwischen Repräsentanten verschiedener Organisationen statt, um einen Preparedness-Dachverband zu gründen, unter dessen Ägide man die disparate Öffentlichkeitsarbeit aufeinander abstimmen wollte: das Conference Committee on National Preparedness. Unter Leitung des Erfinders und Druckerpressenfabrikanten Henry A. Wise Wood sollte der Dachverband ein Forum für den Ideenaustausch bereitstellen und gegenüber der Öffentlichkeit gemeinsame Positionen vertreten.82 Die wichtigste im Conference Committee vertretende Organisation war die NSL; die restlichen Gründungsmitglieder waren die Army League und die Navy League sowie der Aero Club of America, die American Legion83 , der Automobile Club of America, das amerikanische Rote Kreuz und das American Institute of Engineers. Bezeichnenderweise wurde die sezessionistische ADS zunächst nicht in den Dachverband aufgenommen.84 Wise Wood ließ es sich nach der Konstituierung des Conference Committee nicht nehmen, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten einen Brief zu schreiben, in dem er Wilson in salbungsvollen Worten von dem neuen Preparedness-Dachverband in Kenntnis setzte.85 Was er in seinem Schreiben jedoch nicht erwähnte, war, dass es sich beim Conference Committee de facto um einen Papiertiger handelte. Wie Wise Wood einige Monate später selbst feststellte, konnte der Dachverband die Aktivitäten seiner Mitgliedsorganisationen nicht wirksam koordinieren: »As the Conference Committee has no control over the organisations which compose it, none of its organisations is bound to follow its recommenda82 83

84 85

Vgl. Work of the Conference Committee on National Preparedness, New York 1918, S. 5. Die 1915 vom Herausgeber des Adventure Magazine gegründete und 1917 aufgelöste American Legion ist nicht identisch mit der gleichnamigen Kriegsveteranenorganisation, deren Gründung erst im Jahr 1919 erfolgte; vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 59-60. Vgl. President Pledged to Army of 300,000? Defense Bodies Assured That Congress Will Be Urged to Make Country Safe, in: The New York Times, 1. September 1915. Henry A. Wise Wood an Woodrow Wilson (17. Juni 1915), abgedruckt in: Work of the Conference Committee, S. 5-6.

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tions. Having no control over its organisations its pronouncements therefore do not necessarily commit these organisations […].«86 Da die Einzelorganisationen weiterhin ihre individuellen Schwerpunkte in der Öffentlichkeitsarbeit setzten und sich insgesamt wenig kompromissbereit zeigten, führte das Conference Committee wenig mehr als ein Schattendasein. So konstatierte die ADS einige Zeit später durchaus treffend, dass der Dachverband »bisher nichts erreicht«87 habe und forderte die konsequente Zusammenfassung aller Preparedness-Vereinigungen in einer neuen Einheitsorganisation. Der angesichts der sezessionistischen Vorgeschichte der ADS scheinheilig anmutende Vorstoß verlief jedoch erfolglos. Die dominanten Akteure der zivilen Kampagne blieben auch weiterhin einzelne, autonom agierende Preparedness-Organisationen.

3.2

Mobilisierung und Radikalisierung: Der Streit um die Militärgesetzgebung (Sommer 1915 – Sommer 1916)

Obwohl der Partikularismus der zivilen Organisationen zweifellos ein Problem darstellte, konnte die Preparedness-Bewegung im Sommer 1915 mit einiger Genugtuung auf die vergangenen Monate zurückblicken. Die erfolgreiche Etablierung der NSL, der ADS und vergleichbarer Gruppierungen hatte gezeigt, dass die amerikanische Öffentlichkeit empfänglich für ihre Botschaften war. Steigende Mitgliederzahlen und Spendeneinnahmen deuteten darauf hin, dass das Movement an gesellschaftlichem Einfluss gewann. Zwar zeigte sich die Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor skeptisch gegenüber allem, was den Anschein von Militarismus erweckte; die Versenkung der Lusitania veränderte jedoch den Blick vieler Bürger auf die Preparedness-Frage. Die wichtigste Folge des ›Lusitania-Effekts‹ war zweifellos die sicherheitspolitische Kehrtwende der Wilson-Administration. Nachdem sich der Präsident noch in seiner Rede zur Lage der Nation vom Dezember 1914 kategorisch gegen Aufrüstung ausgesprochen hatte, sah er sich angesichts der jüngsten Entwicklungen zu einer Revision seiner bisherigen Politik gezwungen. In welchem Ausmaß die Kampagne der Preparedness-Organisationen diese Ent86 87

Memorandum of the Chairman of the Conference Committee on National Preparedness (29. März 1916), in: Lydecker Papers, Box 13, Folder 1. Vgl. President to War on Foes Within Nation’s Peril. Will Urge, in Address to Congress, Laws Against Plotters and Incendiaries, in: The New York Times, 30. November 1915.

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scheidung beeinflusst hatte, muss freilich spekulativ bleiben. Dennoch fühlten sich die Funktionäre von NSL und ADS von Wilsons Ankündigung ermutigt und blickten den auszuarbeitenden Plänen der Administration zuversichtlich entgegen. Noch war allerdings völlig unklar, auf welche konkreten Schritte sich die verantwortlichen Politiker einigen würden. Tatsächlich sollte sich bald herausstellen, dass die Regierung und das Movement völlig unterschiedliche Vorstellungen von angemessenen Preparedness-Maßnahmen hatten. In der Folge kam es zu einem erbitterten Streit um die Militärgesetzgebung.

3.2.1

Die Preparedness-Pläne der Wilson-Administration

Nach den turbulenten Ereignissen der vergangenen Monate setzte im Spätsommer 1915 zunächst eine ruhigere Phase in der Geschichte der Bewegung ein. Die im Preparedness-Dachverband vertretenen Organisationen verkündeten Anfang September, dass sie ihre Öffentlichkeitsarbeit einige Wochen lang zurückfahren würden, um der Regierung ausreichend Zeit zu geben, ihrer angekündigten Wende in der Sicherheitspolitik Taten folgen zu lassen.88 Allen Beteiligten war klar, dass es im komplexen amerikanischen Regierungssystem nicht damit getan war, dass der Präsident sich zu einem Kurswechsel bekannte. Entsprechende Gesetzes- und Budgetänderungen mussten in einem zeitaufwendigen Aushandlungsprozess die Zustimmung von beiden Kammern des Kongresses erhalten. Währenddessen wurde innerhalb der Administration mit Hochdruck an einem militärischen Reformpaket gearbeitet, das man dem Gesetzgeber vorlegen konnte. Während das Ressort von Marineminister Daniels rasch einen Plan zur sukzessiven Vergrößerung der amerikanischen Flotte vorlegte, stand insbesondere Kriegsminister Garrison vor einer schwierigen Aufgabe. Die an dem Prozess beteiligten Akteure – darunter die zivile Ministerialbürokratie und das Offizierskorps, strukturkonservative und reformorientierte Mitglieder des Generalstabs, die Praktiker im aktiven Dienst und die akademischen Experten des War College – hatten teils völlig unterschiedliche Vorstellungen davon, wie man die U.S. Army am besten für die Herausforderungen der Zukunft aufstellen sollte. Hinzu kam, dass der Kriegsminister die technokratischen Ratschläge der Militärexperten nicht einfach eins zu eins übernehmen konnte, sondern auch berücksichtigen musste, ob die vorgeschlagenen 88

Vgl. President Pledged to Army, in: NYT, 1. September 1915.

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Maßnahmen eine realistische Chance hatten, vom Kongress verabschiedet zu werden. Nach zähem Ringen fand sich jedoch ein Kompromiss, den Garrison Ende Oktober im Namen seines Ministeriums an das Weiße Haus übermittelte.89 Wilson adaptierte die Vorschläge seiner beiden Fachminister weitgehend unverändert und machte sie zur Grundlage der Preparedness-Agenda seiner Administration. Für die Seestreitkräfte war vorgesehen, innerhalb von fünf Jahren 500 Millionen Dollar in den Ausbau der amerikanischen Kriegsflotte zu investieren. Der auf Daniels zurückgehende Plan bedeutete zwar eine deutliche Stärkung der U.S. Navy, blieb aber hinter den ursprünglichen Wünschen der Admiralität zurück. Außerdem musste der Marineminister eingestehen, dass sich die Indienstnahme der neuen Schiffe angesichts der begrenzten Produktionskapazitäten womöglich verzögern könnte. Die von Garrison ausgearbeitete Heeresreform sah vor, die reguläre Truppenstärke der U.S. Army auf 140.000 Soldaten zu erhöhen – ein Anstieg von knapp 40 Prozent. Kontroverses Kernstück des Maßnahmenpakets war jedoch der Aufbau einer zusätzlichen, der Bundesregierung unterstellten Reservestreitkraft von 400.000 Mann. In der sogenannten Continental Army sollten Freiwillige in den ersten drei Jahren für jeweils zwei Monate aktiven Dienst leisten und danach weitere drei Jahre als Reservisten bereitstehen.90 Noch bevor Wilson die Reformpläne selbst verkünden konnte, gerieten deren Eckpunkte an die Öffentlichkeit und befeuerten die sicherheitspolitische Kontroverse.91 Die Vorschläge der Administration mochten in den Augen vieler Amerikaner einen sinnvollen Kompromiss darstellen;92 sowohl bei den erklärten Gegnern als auch bei den radikalen Befürwortern von Preparedness führten sie jedoch zu teils heftigem Widerspruch. Die Friedensbewegung verwies auf die kaum kalkulierbaren Kosten der Heeresreform, die Schätzungen zufolge innerhalb weniger Jahre die Milliardengrenze überschreiten würden. Noch kritischer wurde diskutiert, wie sich die Continental Army auf das traditionelle amerikanische Milizsystem auswirken würde: Machte eine derart große Reservestreitkraft die lokal verankerte Nationalgarde nicht überflüssig? 89 90 91 92

Für eine ausführliche Würdigung des komplexen Diskussionsprozesses innerhalb des Kriegsministeriums vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 42-56. Vgl. Doenecke: America’s War Entry, S. 146; Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 73-76. Vgl. Army Plan Calls for 669,000 Men. Garrison Would Increase Regular Force to 140,000 and Enlist 400,000 Continentals, in: The New York Times, 16. Oktober 1915. Vgl. Doenecke: America’s War Entry, S. 147.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

Und was hieße dies für das komplexe Verhältnis zwischen den Einzelstaaten und der Bundesebene? Den meisten Vertretern des Preparedness Movement war das Vorhaben der Administration dagegen nicht ambitioniert genug. Angesichts der Dynamik des Europäischen Krieges erschienen ihnen Pläne, deren Umsetzungshorizont bis in die 1920er Jahre reichte, völlig inadäquat. Noch schwerer wog jedoch, dass Wilson sich die mittlerweile zum Hauptanliegen der Bewegung avancierte Forderung nach der Wehrpflicht nicht zu Eigen machte.93 Doch bevor man den Präsidenten öffentlich kritisieren konnte, musste man ihm Gelegenheit geben, seine seit Tagen in der Presse kursierenden Reformpläne offiziell vorzustellen. Dies geschah am 4. November 1915 in Form einer Rede, die Wilson vor dem Manhattan Club hielt. Mit der Wahl dieses Auftrittsortes hatte er sich nicht nur für das geografische Zentrum der Preparedness-Bewegung – New York City – entschieden, sondern auch für ein Publikum, das das Establishment der Demokratischen Partei repräsentierte.94 Dem Präsidenten war bewusst, dass er vor allem bei seinen eigenen Parteifreunden Überzeugungsarbeit leisten musste, wenn er die angestrebten Militärreformen durch den Kongress bringen wollte. Schließlich galten im Repräsentantenhaus insbesondere die Demokraten aus den ländlichen Wahlkreisen des Südens und des Mittleren Westens als besonders kritisch gegenüber Aufrüstungsmaßnahmen.95 Es verwundert daher nicht, dass Wilson darum bemüht war, auf die bekannten Argumente der Preparedness-Kritiker einzugehen. So betonte er in seiner Rede nicht nur den ungebrochenen Friedenswillen der Nation, sondern stellte seine Vorschläge auch in die antimilitaristische Tradition Amerikas. Demnach habe man sich mit der vorliegenden Heeresreform bewusst für eine behutsame Anpassung entschieden, die den Anforderungen der Zeit gerecht werde, ohne die Zivilgesellschaft über Gebühr zu belasten.96 Der Präsident ließ keinen Zweifel daran, dass er sich als pragmatischer Reformer verstand, der die Bedenken in der Bevölkerung ernst nahm:

93 94 95 96

Vgl. ebd., S. 146; Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 77-78. Komplementär zum Union Club der Republikaner galt der Manhattan Club seit den Tagen des Bürgerkrieges als einer der wichtigsten Zirkel der Demokratischen Partei. Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 79-80. Vgl. An Address on Preparedness to the Manhattan Club, in: Wilson Papers 35 (1915/16), S. 167-173, hier: S. 168-170.

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»Is the plan we propose sane and reasonable and suited to the needs of the hour? Does it not conform to the ancient traditions of America? Has any better plan been proposed than this programme that we now place before the country? In it there is no pride of opinion. It represents the best professional and expert judgment of the country.«97 Wilsons Worte erschienen angesichts des immer noch erheblichen Widerstands gegen einen Ausbau der amerikanischen Militärmacht geschickt gewählt – eine Einschätzung, die von den positiven Reaktionen des Publikums auf seinen Auftritt gestützt wurde.98 In großen Teilen des Preparedness Movement wurde die Rede vor dem Manhattan Club dagegen als Affront wahrgenommen.99 Die Bewegung hatte in den letzten Monaten explizit mit dem Argument geworben, dass die Wehrpflicht die rationale Antwort auf die gegenwärtigen Herausforderungen darstelle und dabei nicht zuletzt auf den militärischen Expertenrat von Männern wie General Wood verwiesen. Offenkundig beriefen sich sowohl Wilson als auch die Bewegung in der Preparedness-Frage auf dasselbe Rationalitätsprinzip, kamen aber zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Dies stellte die zivilen Organisationen vor ein erhebliches Dilemma. Immerhin hatte der Präsident das Movement mit seinem Kurswechsel vom Sommer gewissermaßen gekapert und sich zumindest in den Augen der breiten Öffentlichkeit an dessen Spitze gesetzt. Wie sollte man ein respektiertes Staatsoberhaupt kritisieren, dessen rhetorische Umarmungsstrategie viele Amerikaner überzeugte? Würden Angriffe auf die Halbherzigkeit der präsidentiellen Pläne die Kritiker nicht als Militaristen diskreditieren? Kurzum: Sollten die PreparednessOrganisationen Wilson fortan als Gegner oder als Verbündeten betrachten? Während die Positionierung in dieser zentralen Frage ein mehrmonatiger Prozess war, deuteten erste Reaktionen einzelner Protagonisten bereits darauf hin, welchen Weg die Preparedness-Organisationen bald einschlagen sollten. Noch während des Auftritts des Präsidenten im Manhattan Club kam es zu einem kleinen Eklat, dessen pikante Details die Amerikaner wenig später in einem Bericht der New York Times nachlesen konnten. Angesichts des angekündigten Themas der Wilsonschen Rede hatten es sich die Preparedness-Organisationen nicht nehmen lassen, eigene Vertreter zu der Veranstal97 98 99

Ebd., S. 171. Vgl. Wilson Outlines Defense. Adequate Army, Greater Navy, 400,000 Citizen Soldiers, and Munitions, in: The New York Times, 5. November 1915. Vgl. Edwards: NSL, S. 28-29.

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tung zu entsenden. Als Vorsitzender ihres Dachverbands war auch Wise Wood vor Ort, von dem die anwesenden Demokraten angesichts seiner bekannten Nähe zu ihrer Partei ein gewisses Wohlwollen erwarten durften. Diese Annahme stellte sich jedoch rasch als Irrtum heraus. Mit jeder Minute, die der Präsident sprach, wurde Wise Wood sichtlich ungehaltener, bis es ihn zuletzt kaum noch auf seinem Platz hielt. Nach der Rede sprach ihn Kriegsminister Garrison auf seine Reaktion an und schlug freundlich vor, sich am nächsten Tag auf ein klärendes Gespräch zu treffen. Wise Wood blaffte daraufhin zurück, dass daraus nichts werde: »Tomorrow I will be at Portland, M[aine], attacking the insufficiency of the Administration’s program of preparedness.«100 Tatsächlich setzte Wise Wood seine Ankündigung gegenüber dem konsternierten Kabinettsmitglied in die Tat um und beschuldigte Wilson fortan in immer schärferen Worten, aus Führungsschwäche vor dem pazifistischen Flügel seiner Partei eingeknickt zu sein.101 Wise Woods demonstrativer Bruch mit der Wilson-Administration war in seiner Dramatik sicher nicht repräsentativ für den zivilen Teil des Movement, stand aber doch symbolisch für den wachsenden Graben, der sich Ende 1915 zwischen dem Präsidenten und den Preparedness-Organisationen auftat. Am 26. und 27. November hielt die NSL ihre erste große Delegiertenkonferenz in Chicago ab, an der Repräsentanten von mehr als 50 Ortsgruppen teilnahmen.102 Auch wenn man Wilsons sicherheitspolitischen Kurswechsel generell würdigte, wurde die Enttäuschung über die konkreten Pläne der Administration doch zum eigentlichen Leitmotiv der Veranstaltung. In den Stellungnahmen der NSL-Fachkomitees herrschte der allgemeine Tenor vor, dass die skizzierten Militärreformen nicht ausreichen würden, um Amerika wirksam vor Bedrohungen zu schützen. Die Vorschläge für den Ausbau der Flotte seien unzureichend und die Idee einer Continental Army stelle lediglich einen ersten Schritt dar, der in einem Wehrdienst für alle achtzehn- bis einundzwanzigjährigen Männer münden müsse. Zudem machte die NSL nur wenig verklausuliert ihr Misstrauen gegenüber den Entscheidungsfindungsprozessen im Marine- und Kriegsministerium deutlich. Viele Teilnehmer der Versammlung gingen davon aus, dass die vorliegenden Reformpläne weniger

100 Edison Shows Plans for Big Navy. Explains to Consulting Board His Idea for $1,400,000 Experimental Lab, in: The New York Times, 24. Dezember 1915. 101 Vgl. ebd.; Edwards: NSL, S. 29-31. 102 Vgl. Edwards: NSL, S. 31.

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auf militärischem Expertenrat als vielmehr auf politischen Opportunitätserwägungen basierten. So forderte selbst der bisher konziliante Menken, dass die Administration ihre interne Entscheidungsfindung transparent machen müsse.103 Am wachsenden Argwohn der Preparedness-Organisationen gegenüber dem Präsidenten konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass Wilson die Sicherheitspolitik am 7. Dezember 1915 zum Kernpunkt seiner Rede zur Lage der Nation machte. Bei diesem prestigeträchtigen Anlass skizzierte er noch einmal sein militärisches Maßnahmenpaket und bat den Kongress nachdrücklich darum, die Vorschläge zu unterstützen. Der Kontrast zur Vorjahresrede hätte kaum größer sein können, bekannte sich Wilson doch nunmehr unmissverständlich zu der Auffassung, dass die unsichere Weltlage ein stärkeres Abschreckungspotenzial der US-Streitkräfte erfordere.104 Obwohl die National Security League diesen Paradigmenwechsel durchaus als Erfolg ihrer Kampagne wahrnahm, positionierte sie sich in Hinblick auf die konkreten Pläne der Administration immer kritischer. Vom 20. bis zum 22. Januar 1916 hielt die Organisation eine große PreparednessKonferenz, den »National Security Congress«, in Washington, DC, ab – demonstrativ in Sichtweite der Regierungsinstitutionen. In der bisher größten Veranstaltung dieser Art brachte die NSL prominente Vertreter der Bewegung zusammen, um die anstehende Militärgesetzgebung zu diskutieren. Bereits in seiner Eröffnungsrede kündigte Menken an, dass die Zeit der rhetorischen Zurückhaltung vorbei sei: »This is not the time to mince words, but to state coldly and clearly the facts so as to let the country know who are for the country first as distinguished from those who are for themselves and their own selfish advancement.«105 Zwar bezog der NSL-Vorsitzende diese Worte vor allem auf die Preparednessfeindliche Friedensbewegung; seine teils scharfen Worte gegenüber den Plänen der Administration ließen aber auch eine andere Lesart zu. So griff Menken in einer bemerkenswerten Wende gegenüber seiner früheren Strategie 103 Vgl. Defense Program Called Inadequate. Committees Report to Security League That Administration’s Plans Fall Short, in: The New York Time, 28. November 1915; Remarks Menken Chicago (27. November 1915), in: Stimson Papers, Box 204. 104 Vgl. An Annual Message on the State of the Union (7. Dezember 1915), in: Wilson Papers 35 (1915/16), S. 293-310, hier: S. 297-298. 105 Opening Address, in: Proceedings of the National Security Congress Under the Auspices of the National Security League, New York 1916, S. 7-12, hier: S. 11.

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den Marineminister nun selbst in scharfen Worten an. Der von Daniels ausgearbeitete Plan für den Flottenausbau sei unzureichend und würde die Nation in einem Zustand der Verwundbarkeit belassen. Seine »schwachen« Vorschläge könne man daher nur als »fundamental falsch« bezeichnen.106 Menken lud zwar rhetorisch alle Verantwortung für das Flottenprogramm bei Daniels ab; da Wilson sich dessen Vorschläge bekannterweise zu eigen gemacht hatte, durfte sich der Präsident jedoch ebenso als Adressat der Kritik fühlen. Kriegsminister Garrison kam überraschenderweise besser weg, da die NSL inzwischen zu der Überzeugung gelangt war, dass der Continental-Army-Plan mittelfristig auf die Einführung der Wehrpflicht hinauslaufen würde.107 Als die Washingtoner Konferenz nach drei Tagen unter intensiver Begleitung durch die Presse endete,108 hatte sich die Preparedness-Organisation einmal mehr erfolgreich als Vordenkerin des Movement in Szene setzen können. Hatte die Auswahl der Gastvorträge bei der Astor-Tagung ein dreiviertel Jahr zuvor noch zu erheblichen Konflikten (und in der Konsequenz zur Abspaltung der ADS) geführt, so entschied die NSL-Führung nun, auch erklärte Gegner der regierenden Demokraten auftreten zu lassen. Neben Reden von prominenten Republikanern wie Henry Cabot Lodge wurde ein Grußwort von Theodore Roosevelt verlesen, in dem er ausführlich darstellte, warum die vorgeschlagenen Militärreformen der Administration lediglich eine »Scheinlösung«109 für die Preparedness-Frage seien. Während die Kritik des ehemaligen Präsidenten gemäßigter als bei anderen Gelegenheiten ausfiel, hatte das Verlesen seiner Botschaft im Rahmen der bisher öffentlichkeitswirksamsten NSL-Veranstaltung doch eine besondere Symbolwirkung. In Hinblick auf ihren nach wie vor betonten Anspruch der Überparteilichkeit musste sich die Organisation fragen lassen, warum sie Roosevelt eine solche Bühne bot. Immerhin galt es mittlerweile als offenes Geheimnis, dass dieser mit einer erneuten Präsidentschaftskandidatur liebäugelte und die Preparedness-Frage als Kernthema einer möglichen Wahlkampagne identifiziert hatte. Tatsächlich hatte George Putnam die NSL-Führung vor einer möglichen Vereinnah-

106 Ebd., S. 9. 107 Vgl. Edwards NSL, S. 39-40. 108 Vgl. Assails Navy Plan as Far too Slow. Security League’s President Also Denounces It as Weak and Insufficient, in: The New York Times, 21. Januar 1916. 109 Letter from Theodore Roosevelt, in: Proceedings National Security Congress, S. 83-88, hier: S. 87.

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mung durch Roosevelt gewarnt, war im Vorfeld der Konferenz aber überstimmt worden.110 Als im Winter 1915/16 die Preparedness-Pläne der Administration diskutiert wurden, blieb auch die neu formierte American Defense Society nicht untätig. Was ihr im Vergleich zur NSL an Mitgliederzahl und Budget fehlte, versuchte sie durch radikale Botschaften und kreative Öffentlichkeitsarbeit wettzumachen. Bereits im Oktober startete die ADS eine landesweite PR-Aktion, bei der Bürger ihren Wahlkreisabgeordneten vorgedruckte Postkarten schicken sollten, auf denen Preparedness-Maßnahmen gefordert wurden.111 In diesem Zusammenhang rief die Organisation den Tag der nächsten Parlamentssitzung zum »Defense Day«112 aus und kündigte »einen aggressiven Kampf gegen die pazifistischen Bryan-Elemente im Kongress«113 an. Der Forderungskatalog der ADS beinhaltete unter anderem, dass an öffentlichen Gebäuden wie dem Weißen Haus oder dem Kapitol Gedenkplaketten angebracht werden sollten, die an deren Zerstörung im Krieg von 1812 erinnerten. Mit diesem geschichtspolitischen Vorschlag bemühte die Organisation nicht nur eine historische Referenz an früheres Versagen – so die Lesart der ADS – in der Preparedness-Frage, sondern erinnerte in Hinblick auf die aktuelle Wehrpflichtdebatte auch subtil an die Defizite des US-Milizsystems. Schließlich galten die schwachen Leistungen der amerikanischen Freiwilligenverbände im Krieg von 1812 in informierten Kreisen als negatives Gegenbeispiel zu den Heldentaten im Unabhängigkeitskrieg.114 Ende 1915 erschien zudem die erste Ausgabe des bereits seit längerem angekündigten Magazins der ADS.115 Unter Federführung Philipp J. Roosevelts sollte das monatlich unter dem Titel American Defense herausgebrachte Periodikum bald zu einem der wichtigsten publizistischen Organe in der sich zuspitzenden Preparedness-Kontroverse werden. Bereits in der ersten Ausgabe meldeten sich mit dem ehemaligen Marineminister John von Lengerke Meyer, dem früheren Generalstabschef William Wallace Wotherspoon oder

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Vgl. George H. Putnam an S. Stanwood Menken (23. Dezember 1915), in: Putnam Papers, Box 3. Vgl. Plan Preparedness Fight. Postcard Campaign to Win Congressmen Soon to Begin, in: The New York Times, 7. Oktober 1915. Corrigan, Joseph E.: Defense Day, in: American Defense 1/1 (1916), S. 8. To Fight Bryan’s Policy. Defense Society to Oppose Pacifist Element in Congress, in: The New York Times, 8. November 1915. Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 54. Siehe American Defense 1/1 (1916).

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dem Schriftsteller Hamlin Garland prominente Anhänger des Movement zu Wort. Die Preparedness-Organisation versuchte, sich als plurale Kraft zu inszenieren, indem sie Beiträge von Autoren aus dem gesamten Spektrum der Bewegung veröffentlichte. Dieser Ansatz überzeugte jedoch nur bedingt. So konterkarierte die ADS ihren eigenen Anspruch, eine in der Sache zwar konfrontative, aber dennoch überparteiliche Organisation zu sein, als ihr Vorsitzender Thompson einen polemischen Kommentar über den amtierenden Marineminister veröffentlichte. Darin bezeichnete er Daniels als »erbärmlichen Politiker«116 , dessen Namen man im ganzen Land mit Ignoranz und Kleingeistigkeit verbinden würde. Während die American Defense Society mit derartigen Äußerungen auf wenig Sympathie bei Wilson hoffen durfte, zeigte sich Theodore Roosevelt, dessen Nähe die Preparedness-Organisation gezielt suchte, umso erfreuter. Mehr als einmal ließ er öffentlich seine »allergrößte Wertschätzung«117 gegenüber ihrer Arbeit durchblicken und nahm schließlich Anfang Januar 1916 persönlich an einem Treffen von Vorstand und Beirat teil. In der Öffentlichkeit verfestigte sich zunehmend der Eindruck, dass die ADS als ›Haus- und Hoforganisation‹ des prominenten Wilson-Gegners fungierte.118 So forderte man etwa übereinstimmend ein Sofortprogramm für den Ausbau der US-Flotte zur stärksten Seestreitmacht der Welt und ein per Wehrpflicht ausgehobenes Reservistenheer von zwei Millionen Mann.119 Damit hatten zu Jahresbeginn 1916 sowohl die National Security League als auch die American Defense Society Stellung in der sich zuspitzenden Kontroverse bezogen. Die beiden Flaggschifforganisationen der zivilen Preparedness-Kampagne begrüßten Wilsons sicherheitspolitischen Kurswechsel zwar in der Theorie, lehnten die konkret vorgeschlagenen Maßnahmen der Administration aber als völlig unzureichend ab.

3.2.2

Widerstand im Kongress und Druck der Straße

Ironischerweise stellte sich bald heraus, dass die Pläne des Präsidenten nicht von der lautstarken Kritik der Preparedness-Bewegung, sondern von politischen Abweichlern in der eigenen Partei gefährdet wurden. Die Stimmen im 116 117 118 119

Thompson, Clarence S.: Our Secretary of the Navy, in: American Defense 1/1 (1916), S. 17. Zitiert in ADS Aims, History, Officers, S. 5. Vgl. Ward: Origin and Activities NSL, S. 55. Vgl. Roosevelt Fire Turned on Militia. State Troops Useless in War and Volunteer Idea a Fallacy, He Tells Defense Society, in: The New York Times, 6. Januar 1916.

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Kongress, die insbesondere die vorgeschlagene Heeresreform als gefährlichen Bruch mit Amerikas antimilitaristischer Tradition verdammten, wurden immer lauter. Wilson hatte vor allem den Unmut seiner Parteifreunde im Repräsentantenhaus unterschätzt. Während der pazifistische Flügel der Demokraten, der dem zurückgetretenen Außenminister Bryan nahestand, Aufrüstungsmaßnahmen ohnehin ablehnte, wurde der Continental-Army-Plan auch von moderaten Mitgliedern der Fraktion als Anschlag auf das traditionelle Milizsystem betrachtet – ein Tabu für die Partei, die sich seit ihrer Gründung als Verfechterin der Einzelstaatsrechte verstand.120 Hinzu kam, dass die tonangebenden Demokraten aus dem Süden fürchteten, der Aufbau einer großen Reservestreitkraft würde zur massenhaften Bewaffnung von Afroamerikanern führen. So gelang es Wilson weder, den Mehrheitsführer Claude Kitchin, der der Friedensbewegung nahestand, noch den Vorsitzenden des Militärausschusses James Hay, der eine Stärkung der Nationalgarde für den praktikableren Reformansatz hielt, für die Idee zu gewinnen.121 Der Präsident reagierte auf den Widerstand in den eigenen Reihen, indem er sich Ende Januar 1916 auf eine zehntägige Speaking Tour durch den Mittleren Westen begab, um die besonders aufrüstungsskeptische Region von seinen Plänen zu überzeugen.122 In einer Reihe von Reden, die es auf eine Gesamtzuhörerschaft von einer Million Menschen brachte, wiederholte er sein Mantra, dass die Reformvorschläge eine angemessene Antwort auf die bedrohliche Weltlage seien, die Vereinigten Staaten aber rein defensive Ziele verfolgen würden.123 Das Kalkül hinter Wilsons Tour spiegelte auf bemerkenswerte Weise die ursprüngliche Gründungsmotivation der PreparednessOrganisationen wider: Angesichts des Widerstands im Kongress wählte der Präsident den indirekten Weg über die Wählerschaft, um öffentlichen Druck auf die politischen Entscheidungsträger in Washington auszuüben.

120 Das heute geläufige Selbstverständnis der Demokraten als Verfechter einer starken Zentralregierung entwickelte sich erst im Zuge des New Deal in den 1930er Jahren; vgl. Klumpjan, Helmut: Die amerikanischen Parteien, Opladen 1998, S. 454-455. 121 Für eine ausführliche Würdigung der unterschiedlichen Interessenlagen im Kongress vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 80-89. 122 Für einen detaillierteren Überblick über Wilsons Preparedness-Tour siehe Genders, William L.: Woodrow Wilson and the ›Preparedness Tour‹ of the Midwest, JanuaryFebruary, 1916, in: Australasian Journal of American Studies 9/1 (1990), S. 75-81. 123 Stellvertretend für Wilsons im Mittleren Westen gehaltenen Reden siehe An Address on Peparedness in Topeka (2. Februar 1916), in Wilson Papers 36 (1916), S. 87-96.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

Der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus. Obwohl die Presse berichtete, dass die örtliche Bevölkerung zum Teil euphorisch auf Wilsons Auftritte reagiert habe,124 verfestigte sich die ablehnende Haltung im Kongress. Anfang Februar teilte der Militärausschussvorsitzende dem Präsidenten schließlich mit, dass es im Repräsentantenhaus keine Mehrheit für den Continental-Army-Plan gebe. An einer generellen Stärkung der Streitkräfte, so Hay, sei man aber durchaus interessiert – solange diese nicht zulasten der Nationalgarde ginge.125 Wilson, der in der Preparedness-Frage ohnehin nie ein ideologischer Überzeugungstäter gewesen war, entschied sich daraufhin für den pragmatischen Weg und signalisierte, dass er nicht länger auf einer der Bundesregierung unterstellten Reservetruppe bestehen würde und für Alternativvorschläge offen sei. Als der Präsident diese Entscheidung seinem Kriegsminister mitteilte, trat Garrison, der den Continental-Army-Plan mit seinem politischen Schicksal verbunden hatte, am 10. Februar 1916 von seinem Amt zurück.126 Damit hatte die Preparedness-Kontroverse ihr bislang prominentestes Opfer gefunden. Erwartungsgemäß reagierte man innerhalb des Movement äußerst ungehalten, als die Neuigkeiten aus der Hauptstadt publik wurden. Die verantwortlichen Politiker in Washington, so der allgemeine Tenor, stellten »eine Bedrohung der nationalen Sicherheit«127 dar. Es sei daher an der Zeit, die Bevölkerung noch stärker als bisher für Preparedness zu mobilisieren. Mitte Februar verkündete die NSL den Startschuss einer neuen Initiative, die zum Ziel hatte, bis Jahresende 1916 eine Million Mitglieder anzuwerben. Diese Marge dürfte jedoch mehr von PR-Überlegungen als von realistischer Planung geprägt gewesen sein, hatte es die Organisation bisher doch nur auf

124 Vgl. President Sees Defense Gaining. Returns Highly Pleased with His Efforts to Advance Preparedness, in: The New York Times, 5. Februar 1916. Die mehrheitlich positiven Reaktionen auf Wilsons Reden dürften auch daran gelegen haben, dass er in den urbanen Zentren des Mittleren Westens auftrat, während die Preparedness-Gegner vor allem den ländlichen Raum dominierten. 125 Vgl. James Hay an Woodrow Wilson (8. Februar 1916), in: Wilson Papers 36 (1916), S. 141143. 126 Vgl. Asked Wilson’s Support. Would Not Accept Federalized Militia in Lieu of Continental Army, in: The New York Times, 11. Februar 1916; Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 89-90. 127 Remarks of S. Stanwood Menken at the Dinner of the Engineer’s Society Society of Western Pennsylvania, Pittsburgh, February 14, 1916, New York 1916, S. 3.

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knapp 40.000 Mitglieder gebracht.128 Menken verstieg sich bei der Vorstellung der Zielmarke gar zu der Bemerkung, dass man sich die Mitgliederzahlen des Deutschen Flottenvereins zum Vorbild nehme – eine problematische Aussage angesichts der häufigen Beteuerungen, nichts mit den Militaristen Kontinentaleuropas gemein zu haben.129 Nachdem die NSL ihre Angriffe in den vergangenen Wochen auf einzelne Minister wie Daniels konzentriert hatte, griff sie nun auch den Präsidenten direkt an und bezichtigte ihn des Kotaus vor den Preparedness-Gegnern im Kongress. Wie nie zuvor drohten führende Repräsentanten der Organisation Wilson mit Konsequenzen für die anstehenden Wahlen im November 1916. Auch wenn es ihn als überzeugten Demokraten besonders schmerze, so Menken, müsse man die Frage stellen, ob die Amerikaner dem Präsidenten angesichts seiner Preparedness-Politik noch einmal ihr Vertrauen aussprechen werden.130 Der Ehrenvorsitzende Choate fasste den Gedanken deutlich weniger verklausuliert zusammen: »President Wilson is at liberty to change his mind and the people are at liberty to change Presidents.«131 Gleichzeitig wurde der Rücktritt des Kriegsministers, mit dem die NSL in der Vergangenheit durchaus ihre Differenzen hatte, in einer Resolution beklagt, die erahnen ließ, dass man Garrison zum Märtyrer der Preparedness-Bewegung stilisieren wollte.132 Tatsächlich verschärfte sich die Rhetorik der NSL gegenüber der Regierung im Frühjahr 1916 derart, dass sie kaum noch von jener der ADS zu unterscheiden war. Diese setzte ihre scharfen Angriffe ihrerseits fort, was die New York Times zu der Bemerkung veranlasste, die Preparedness-Organisation würde die Administration einem »konzentrierten Bombardement« aus ihrer »Verbalartillerie«133 aussetzen. Der deutsche U-Boot-Angriff auf den Dampfer Sussex am 24. März 1916, bei dem auch vier amerikanische Passagiere verletzt wurden, verschärfte 128

Im Januar 1916 verfügte die NSL laut Menken über 40.000 Mitglieder; vgl. Opening Address, in: Proceedings National Security Congress, S. 7. Da ein Mitgliederverzeichnis nicht überliefert ist, können diese Zahlen nicht abschließend verifiziert werden. 129 Vgl. Campaign Launched by Security League. Want a Million Members, in: The New York Times, 17. Februar 1916. 130 Vgl. Menken Remarks Pittsburgh (14. Februar 1916), S. 3. 131 Campaign Launched by Security League. Choate, Coudert, and Others Address Meeting to Promote National Defense, in: The New York Times (17. Februar 1916). 132 Vgl. Minutes of the NSL Executive Committee Meeting (16. Februar 1916), in: Lydecker Papers Box 13, Folder 1. 133 Daniels Bombarded by Defense Orators. Preparedness Speakers Turn Verbal Artillery on the Administration, in: The New York Times, 23. Februar 1916.

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die sicherheitspolitische Diskussion weiter.134 Im Frühling erreichte die Mobilisierung der Zivilgesellschaft ihren spektakulären Höhepunkt, als in New York City die landesweit erste Preparedness-Parade abgehalten wurde. Zur Planung der Großveranstaltung wurde eigens ein unabhängiges Komitee unter Leitung des renommierten Diplomaten Charles Hitchcock Sherrill eingerichtet. Auf diese Weise sollte die Parade frei von externen Einflüssen gehalten werden. Die etablierten Preparedness-Organisationen unterstützten das Komitee zwar nach Kräften; Werbung für spezifische Vereinigungen wurde aber strikt untersagt. Das Sternenbanner, so der Gedanke, sollte das einzige Signum einer Veranstaltung werden, die sich an jeden Amerikaner richtete. So war die Parade auch nicht als Demonstration für spezifische sicherheitspolitische Forderungen konzipiert, sondern sollte dem generellen Wunsch der Bevölkerung nach Preparedness Ausdruck verleihen – was auch immer der Einzelne darunter verstehen mochte. Nach sechs Wochen intensiver Vorbereitung marschierten am 13. Mai knapp 135.000 Bürger – Männer wie Frauen, Zivilisten aller Professionen, Nationalgardisten, Kriegsveteranen und Blaskapellen-Musiker – in einer gigantischen zwölfstündigen Prozession von der Südspitze Manhattans bis zur 5th Avenue. Die von der New York Times als »größte Demonstration in der amerikanischen Geschichte«135 bezeichnete Parade zeigte auf eindrucksvolle Weise, dass das Preparedness Movement zu einer Massenbewegung geworden war.136 Die New Yorker Parade fand bald Nachahmer im ganzen Land. Von Baltimore bis San Francisco marschierten die Bürger Mitte 1916 in zahlreichen Städten durch die Straßen, um ihrer Unterstützung für Preparedness Ausdruck zu verleihen.137 Der Juni wurde gar zum »Preparedness-Monat«138 ausgerufen, in dessen Zentrum zwei große Paraden in Chicago und Washington standen. Die besondere Bedeutung gerade dieser beiden Metropolen kam nicht von Ungefähr, lagen sie doch in Regionen, die eigentlich als aufrüstungskritisch galten – entsprechend groß war die Symbolkraft einer hohen

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Vgl Doenecke: America’s War Entry, S. 167-173. The Parade and its Marshall, in: The New York Times, 15. Mai 1916. Vgl. New York Ready for Big Parade. Head of Great Preparedness Column Moves from Bowling Green at 9:30 o’Clock, in: The New York Times, 13. Mai 1916; 135,683 Paraded for Preparedness by Actual Count of Times Reporters, in: The New York Times, 14. Mai 1916. Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 104-105. Preparedness Month, in: The New York Times, 3. Juni 1916.

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Partizipationsrate. Noch wichtiger war jedoch die politische Relevanz der beiden Städte: In Chicago fand der Republikanische Nominierungsparteitag für die anstehende Präsidentschaftswahl statt, während man in der Hauptstadt in Sichtweite der Regierungsinstitutionen demonstrieren konnte. Tatsächlich marschierten am 3. Juni – nur wenige Tage vor Beginn der Republican National Convention – knapp 130.000 Menschen durch Chicago und sendeten damit ein starkes Zeichen an die Republikanischen Delegierten. Im kleineren Washington gingen am 14. Juni – dem Eröffnungstag der Democratic National Convention in St. Louis – etwa 60.000 Bürger auf die Straße. Ungeachtet der Kritik, die die meisten Repräsentanten der Bewegung in den vergangenen Monaten gegenüber der Regierung geäußert hatten, nahm Wilson selbst an dem Marsch teil.139 Die Berichterstattung in vielen Zeitungen wurde von Fotos geziert, die Wilson mit einer überdimensionierten US-Flagge in der Hand an der Spitze der Parade zeigten.140 Die patriotische Inszenierung als moderater Verfechter von Preparedness hätte in Hinblick auf den beginnenden Wahlkampf kaum besser ausfallen können. Dem Präsidenten war das Kunststück gelungen, eine Demonstration zu instrumentalisieren, die sich explizit gegen die Aufrüstungsgegner in der eigenen Partei und implizit gegen die Halbherzigkeit der eigenen Administration richtete.

3.2.3

Heeresreform und Flottenprogramm von 1916

Während das Preparedness Movement in der ersten Jahreshälfte 1916 die Zivilgesellschaft zunehmend einspannte, zeigten sich die Parlamentarier in Washington wenig beeindruckt vom Druck der Straße. Nachdem der ursprüngliche Continental-Army-Plan der Administration zu Jahresbeginn am legislativen Widerstand gescheitert war, übernahm der Kongress nun selbst die Initiative in der Frage der Heeresreform. Damit wurde James Hay für einige Mo-

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Vgl. Preparedness Parade Cost Approximates $25,000, in: Chicago Daily Tribune, 7. Juni 1916; Prepare Rally Sweepes Cities in the Nation, in: Chicago Daily Tribune, 19. Mai 1916; The President Heads Big Capital Parade, in: The New York Times, 15. Juni 1916. Für das Foto Wilsons an der Spitze der Washingtoner Preparedness-Parade siehe President Leads 60,000 in Preparedness Parade as Thousands Line Avenue and Cheer Marchers, in: The Washington Times, 14. Juni 1916. S. 221-225. 140 Wilson hielt im Vorfeld der Washingtoner Parade zudem eine Rede, in der er den 14. Juni in patriotischen Worten als »Flag Day« würdigte, aber nicht näher auf die Preparedness-Frage einging; siehe A Flag Day Adress (14. Juni 1916), in: Wilson Papers 37 (1916), S. 221-225.

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nate zum entscheidenden Akteur der amerikanischen Verteidigungspolitik.141 Der Vorsitzende des Militärausschusses im Repräsentantenhaus verzichtete weitgehend darauf, sich mit dem Kriegsministerium unter dem neuen Ressortchef Newton D. Baker zu koordinieren. Hay, ein pragmatischer Aufrüstungsskeptiker, sorgte sich weniger um militärstrategische Planspiele als vielmehr um die politischen Implikationen des auszuarbeitenden Gesetzespakets. Einerseits strebte er eine Lösung an, die dem Ruf nach Preparedness, der vor dem Hintergrund der wachsenden Spannungen an der mexikanischamerikanischen Grenze immer akuter wurde,142 nominell Rechnung trug. Andererseits wollte Hay allzu tiefgreifende Strukturreformen, die die Rolle der Nationalgarde marginalisierten und mit der Mehrheitsmeinung in der Demokratischen Fraktion unvereinbar waren, verhindern. Ende März verabschiedete das aufrüstungsskeptische Repräsentantenhaus einen entsprechenden Gesetzesentwurf, der nun noch das Plazet des Senats erhalten musste.143 In der zweiten Kongresskammer, in der es mehr Sympathien für das amerikanische Bundesheer gab, war man jedoch weniger zufrieden mit der Vorlage. George Chamberlain, der als Preparedness-Hardliner geltende Militärausschussvorsitzende des Senats, forcierte Ende April die Verabschiedung eines Entwurfs, der deutlich ambitionierter als die auf Hay zurückgehenden Vorschläge war.144 Damit hatten sich die beiden Kammern des Kongresses gegenseitig blockiert und mussten gemäß dem parlamentarischen Prozedere einen Vermittlungsausschuss anrufen – ein Gremium, das für seine zähen Arbeitsabläufe bekannt war. Tatsächlich kam der Vermittlungsausschuss angesichts der unterschiedlichen Interessenlagen derart schleppend voran, dass die Preparedness-freundliche Presse sich zu mehr als einem bissigen Kommentar veranlasst sah. Es sei inakzeptabel, dass der Kongress sich derart blind und dumm verhalte, befand die New York World, während die New

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Siehe Herring, George C.: James Hay and the Preparedness Controversy, 1915-1916, in: The Journal of Southern History 30/4 (1964), S. 383-404. 142 Zu den Hintergründen des Konflikts mit Mexiko siehe Harrison, Benjamin T.: Wilson and Mexico, in: Kennedy (Hg.): Companion Wilson, S. 193-205. 143 Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 141-145. 144 Die Unterschiede zwischen den Gesetzesvorlagen des Repräsentantenhauses und des Senats gestalteten sich in ihren technischen Details derart komplex, dass Hay dem Präsidenten ein vertrauliches Memorandum zukommen ließ, in dem die Differenzen in einer tabellarischen Übersicht aufgeführt wurden; siehe James Hay an Woodrow Wilson (19. April 1916), in: Wilson Papers 36 (1916), S. 514-515.

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York Times feststellte, dass potenzielle Feinde der Nation kaum mehr schaden könnten als es die eigenen Politiker täten.145 Präsident Wilson wiederum wirkte diskret im Hintergrund, um beide Kammern zu einer gemeinsamen Linie zu bewegen, während er sich öffentlich weiterhin als Preparedness-Befürworter inszenierte. Schließlich fanden Repräsentantenhaus und Senat nach wochenlangen Hinterzimmerverhandlungen einen Kompromiss, der Ende Mai von beiden Kammern mit überwältigender Mehrheit verabschiedet wurde und am 3. Juni 1916 mit der Unterschrift des Präsidenten offiziell in Kraft trat.146 Der National Defense Act sah vor, die Truppenstärke der U.S. Army innerhalb von fünf Jahren von knapp 100.000 auf 175.000 Soldaten zu erhöhen; im Kriegsfall sollte diese Zahl auf 286.000 aufgestockt werden können. Eigentliches Kernstück der Heeresreform war die Nationalisierung (»federalization«) der bundesstaatlichen Miliz: Statt der ursprünglich geplanten Continental Army unter Befehl der Bundesregierung bildete fortan die Nationalgarde die primäre Reservestreitkraft der Vereinigten Staaten. Im Falle einer Krise konnten die regulär den Gouverneuren unterstehenden Truppen dem Oberbefehl des Präsidenten unterstellt werden – erstmals in der amerikanischen Geschichte sollten die Milizionäre einen Eid ablegen, der sie nicht nur ihrem Bundesstaat, sondern auch der Union verpflichtete. Um ihrer neuen Rolle gerecht zu werden, wurde die Sollstärke der Nationalgarde von etwa 100.000 auf fast 450.000 Mann erhöht, eine Teilfinanzierung durch die Bundesebene beschlossen und landesweit einheitliche Standards unter Aufsicht des Kriegsministeriums eingeführt. Der National Defense Act führte zudem ein Rekrutierungs- und Ausbildungsprogramm für Offiziere an Schulen und Hochschulen ein (»Reserve Officer Training Corps«). Die von Leonard Wood protegierten Trainingslager für Zivilisten wurden offiziell anerkannt und eine Finanzierung aus dem Verteidigungshaushalt ermöglicht – ein symbolträchtiges Zugeständnis an die Preparedness-Bewegung. Das Gesetz erhielt zudem Bestimmungen, die auf eine stärkere staatliche Koordinierung der Rüstungs-

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Vgl. An Amazing Congress, in: The New York Times, 11. Mai 1916; o.T., in: New York World, 10. Mai 1916. 146 Für eine ausführliche Würdigung der Kongressdebatte und der unterschiedlichen Vorstellungen in Repräsentantenhaus und Kongress vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 139-157 sowie Herring: Hay and Preparedness, S. 399-402.

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industrie hinausliefen. Der Präsident war nun berechtigt, privaten Unternehmen im Krisenfall verbindliche Produktionsvorgaben zu machen.147 In der historischen Rückschau stellte der National Defense Act eine Aufrüstungsmaßnahme von moderatem Ausmaß dar, die dem Unsicherheitsgefühl in größeren Teilen der Bevölkerung Rechnung trug, zugleich aber mit dem antimilitaristischen Selbstverständnis Amerikas vereinbar war. Die Nichteinführung der Wehrpflicht und der gescheiterte Continental-ArmyPlan spiegelten deutlich wider, wo die Grenzen des politisch Durchsetzbaren zur Jahresmitte 1916 lagen. Tatsächlich verwarf der letztlich beschlossene Kompromiss nicht nur den Expertenrat der meisten militärischen Fachleute, sondern zeigte auch bemerkenswert wenig Bezug zur außenpolitischen Lage, in der sich die Vereinigten Staaten aktuell befanden. Der fünfjährige Umsetzungshorizont ließ wenig Zweifel daran, dass die Heeresreform kaum darauf ausgerichtet war, Amerika vor akuten Gefahren zu schützen. Tatsächlich ließen führende Akteure wie Hay intern durchblicken, dass der National Defense Act vor allem darauf abzielte, die Preparedness-Kontroverse in Hinblick auf den bevorstehenden Wahlkampf von der Tagesordnung zu nehmen.148 Mit der Verabschiedung der Heeresreform hatte der Kongress seine Antwort auf die wahrgenommenen Defizite der Landstreitkräfte gegeben. Die ebenfalls wichtige Frage nach der zukünftigen Aufstellung der Seestreitkräfte blieb aber nach wie vor ungeklärt. Viele Amerikaner sorgten sich nicht erst seit der Berichterstattung über die Skagerrakschlacht, die in der Nacht zum 1. Juni 1916 zwischen der deutschen und der britischen Kriegsflotte ausgefochten wurde, über den Zustand der ›ersten Verteidigungslinie‹ der Vereinigten Staaten.149 Da die Rolle der amerikanischen Marine unumstrittener war als jene des Heeres, gestalteten sich die entsprechenden Diskussionen im Kongress weniger kontrovers. Das Repräsentantenhaus plädierte zwar zunächst nur für einen leichten Ausbau der Flotte, schloss sich nach einiger Überzeugungsarbeit aus dem Weißen Haus aber schließlich der ambitionierteren Vorlage des Senats an. Das entsprechende Gesetz wurde in beiden Kammern mit großen Mehrheiten verabschiedet und trat am 29. August offiziell in Kraft. Der

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Vgl. Weigley: History Army, S. 348-350. Im Verteidigungshaushaltsgesetz vom August 1916 wurden die industriepolitischen Bestimmungen weiter präzisiert und der Council of National Defense als Koordinierungsinstitution eingeführt. 148 Vgl. Hay an Wilson (8. Februar 1916), in: Wilson Papers 36 (1916), S. 143. 149 Vgl. Doenecke: America’s War Entry, S. 162.

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Naval Act sah eine deutlich schnellere Umsetzung des ursprünglich von Daniels ausgearbeiteten Flottenprogramms sowie eine personelle Aufstockung der Marine um 75.000 Mann vor. Innerhalb von nur drei Jahren sollten nicht weniger als 157 neue Kriegs- und Hilfsschiffe in Dienst gestellt werden, darunter zehn Schlachtschiffe und sechs Schlachtkreuzer. Damit sollte die U.S. Navy in absehbarer Zeit mit der britischen Royal Navy als stärkste Kriegsflotte der Welt gleichziehen (»A Navy Second to None«).150 Wie jüngere Arbeiten zu dem in der Forschung lange im Schatten des National Defense Act stehenden Gesetzes aufzeigen, handelte es sich bei dem Naval Act von 1916 um das »größte Flottenprogramm der amerikanischen Geschichte«151 , dessen Ausmaß nach Meinung einiger Zeitgenossen selbst den deutschen Tirpitz-Plan in den Schatten stellte. Da der amerikanische Kriegseintritt bald andere Prioritäten erforderte, sollten die Pläne zwar nie vollständig umgesetzt werden; in Hinblick darauf, dass die politischen Entscheidungsträger dies im August 1916 nicht antizipieren konnten, bleibt der Befund aber dennoch bemerkenswert. Anders als bei der Heeresreform setzten Kongress und Administration auf einen ›großen Wurf‹ in der Flottenpolitik: Das navalistische Marinegesetz wurde zum Fanal amerikanischer Seemacht im 20. Jahrhundert.152 Mit Inkrafttreten des National Defense Act und des Naval Act gingen die maßgeblichen Entscheidungsträger in Washington davon aus, die Preparedness-Kontroverse endlich beigelegt zu haben.153 Für sie markierte die Militärgesetzgebung vom Sommer 1916 den Endpunkt einer langen Debatte, die in Expertenzirkeln seit Beginn des Jahrhunderts geführt worden war und die Öffentlichkeit in Folge des europäischen Kriegsausbruchs zunehmend beunruhigt hatte. Tatsächlich hatten die im Zuge des parlamentarischen Aushandlungsprozesses gefundenen Kompromisse durchaus das Potenzial, die

150 Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 161-163. 151 Beiriger, Eugene E.: Building a Navy »Second to None«. The U.S. Naval Act of 1916, American Attitudes Toward Great Britain and the First World War, in: British Journal for Military History 3/3 (2017), S. 4-29, hier: S. 23. Das auf mehrere Jahre ausgelegte Flottenprogramm wurde nie vollständig umgesetzt, da der amerikanische Kriegseintritt 1917 und das Kriegsende 1918 zu neuen Prioritäten in der Sicherheitspolitik führten. 152 Vgl. Beiriger: The U.S. Naval Act, S. 12-13, 21-22. Für eine komparatistische Einordnung des amerikanischen Seemachtstrebens am Vorabend des Ersten Weltkriegs siehe Bönker, Dirk: Militarism in a Global Age. Naval Ambitions in Germany and the United States Before World War I, Ithaca u.a. 2012. 153 Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 155-159.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

sicherheitspolitische Debatte zu befrieden. Die Heeresreform mochte nicht den Idealvorstellungen des Preparedness Movement entsprechen, sah aber eine merkliche Stärkung der Landstreitkräfte vor. Demgegenüber stand ein ambitioniertes Flottenprogramm, das den weitreichenden Forderungen der Bewegung sehr nahekam. Administration und Kongress erwarteten, dass die Kritiker den implementierten Reformen ausreichend Zeit ließen, um sich bewähren zu können. Da eine angemessene Evaluierung erst in einigen Jahren möglich war, schien der Streit einstweilen auf Eis gelegt worden zu sein – eine Hoffnung, die sich bald als Trugschluss erweisen sollte.

3.2.4

Preparedness als nationalistisches Integrationsprojekt

In der historischen Rückschau wird deutlich, dass die PreparednessKampagne während des Streits um die Militärgesetzgebung eine Eigendynamik entwickelte, die sich nicht mehr einhegen ließ. Der Radikalisierungsprozess, der sich in der zunehmenden rhetorischen Härte der zivilen Organisationen gegen Administration und Kongress manifestierte, ging gleichsam mit einer bemerkenswerten ideologischen Aufladung des Preparedness-Begriffs einher. Zwar war die Parole schon immer unscharf gewesen, wie die heterogenen Vorstellungen innerhalb der Anhängerschaft der Bewegung bei mehr als einer Gelegenheit gezeigt hatten. Dennoch hatte in der Frühphase des Movement kaum ein Zweifel daran bestanden, dass die militär- und rüstungspolitische Komponente von Preparedness den eigentlichen Ankerpunkt der Kampagne bildete. Organisationen wie die National Security League und später die American Defense Society waren mit dem erklärten Ziel gegründet worden, die amerikanische Öffentlichkeit auf die Defizite von Heer und Flotte aufmerksam zu machen – andere Fragen spielten zunächst eine untergeordnete Rolle. Dies änderte sich sukzessive ab der zweiten Jahreshälfte 1915, als die PreparednessKontroverse im Zuge des Streits um die Militärgesetzgebung an Schärfe gewann. Während der monatelangen Debatte trat immer deutlicher zutage, dass die sicherheitspolitischen Forderungen der Bewegung Ausfluss einer viel weitergehenden Vision für Amerika waren. Die zivilen Organisationen gaben zu erkennen, dass ihrer Kampagne eine holistische Konzeption von Preparedness zugrunde lag. Die größte Gefahr ging aus dieser Sicht nicht von äußeren Bedrohungen, sondern von den inneren Problemlagen der Vereinigten Staaten aus. Die vordergründig betonte Stärkung der amerikanischen Verteidigungsbereitschaft war letztlich nur Mittel zum Zweck: Die

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eigentliche Zielsetzung von Preparedness war die nationale Erneuerung der amerikanischen Gesellschaft.154 Während des Streits um die Militärgesetzgebung deuteten die Preparedness-Organisationen bei zahlreichen Gelegenheiten an, welche ideologischen Prämissen hinter ihren Forderungen standen. Zwar bildeten die bisweilen technischen Details von Heeresreform und Flottenprogramm aus gegebenem Anlass den Schwerpunkt der Kampagne; National Security League und American Defense Society fühlten sich aber durchaus bemüßigt, ihren Positionen ein weltanschauliches Fundament zu geben. Der NSL-Vorsitzende ließ bereits bei seiner Eröffnungsrede auf der Chicagoer Tagung Ende 1915 keinen Zweifel daran, dass die Programmatik seiner Organisation die militärische Dimension transzendierte: »Preparedness means not only strength of arms, but a mental state, a condition of determination to be nationally virile.«155 Die pointiert formulierte These Menkens verwies auf den zentralen Fixpunkt im Denken weiter Teile der Bewegung: die Geisteshaltung des amerikanischen Volkes. Viele Preparedness-Anhänger waren der Auffassung, dass der Materialismus der industriellen Moderne und der mit ihr einhergehende Wertewandel das Grundübel der Zeit seien. Masseneinwanderung, Klassengegensätze und Individualisierung hätten demnach den sozialen Zusammenhalt der Nation geschwächt. Die Zentrifugalkräfte der kapitalistischen Konsumgesellschaft, so die Befürchtung, würden die Grundlagen des Gemeinwesens gefährden. Aus Sicht der Preparedness-Bewegung drohten die Amerikaner zu verlernen, ihre Partikularinteressen dem Dienst an der Nation unterzuordnen.156 Der drohende moralische Niedergang ließe sich nur verhindern, wenn man das kollektive Feuer republikanischer Bürgertugend, das das Land in der Vergangenheit großgemacht habe, neu entfachen könne. Für die NSL ergab sich daraus eine klare Mission: »We must create a new spirit […] for individual service to the state«157 . Wie schon zur Zeit der Revolution oder des Bürgerkrieges bräuchte es eine patriotische Bewährungsprobe, um die brachliegenden Stärken der Amerikaner nutzbar zu machen. Der Blick nach Europa zeige, dass der moderne Krieg die Chance biete, dieses Potential zu entfesseln. Bei aller

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Vgl. Pearlman: Patricians and Preparedness, S. 1-2. Remarks Menken Chicago (27. November 1915), in: Stimson Papers, Box 204. Vgl. Bacon Now the Head of Security League. Menken Declines Re-Election and ExAmbassador is Chosen His Successor, in: The New York Times, 4. Mai 1916. Menken Remarks Pittsburgh (14. Februar 1916), S. 6.

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rhetorischen Abgrenzung vom Militarismus der Alten Welt blickten viele Anhänger des Movement mit heimlicher Bewunderung über den Atlantik: Hatten die Völker Deutschlands oder Frankreichs in ihrem existenziellen Kampf nicht ein zuvor ungeahntes Maß an nationalem Zusammenhalt entwickelt? Und bewies das Beispiel der europäischen Kriegsgesellschaften nicht, dass der Imperativ des Militärischen eine tiefgreifende soziale Mobilisierung bewirken konnte? Die Faszination für die vermeintlich positiven Begleiterscheinungen des Konflikts führte freilich nicht so weit, dass die zivilen Organisationen bereits 1915/16 offen einen amerikanischen Kriegseintritt forderten – eine derart kontroverse Positionierung hätte ihre teils isolationistisch gesinnte Anhängerschaft erheblich verstört. Stattdessen verstand man Preparedness als geeignete Alternative, das schöpferische Potential des Militärischen nutzbar zu machen, ohne die Nation den destruktiven Auswirkungen eines echten Krieges auszusetzen. Ein Autor der American Defense brachte dieses Denken mit der Aussage auf den Punkt, Preparedness sei »ein moralisches Substitut für den Krieg«.158 Die Implikationen der ideologischen Aufladung von Preparedness zeigten sich besonders deutlich im eskalierenden Streit um die Neustrukturierung der Landstreitkräfte. In den Augen der Bewegung war die Wehrpflicht nicht einfach eine sinnvolle Militärreform, die den Personalmangel der U.S. Army beheben sollte. Das Movement verstand sie vielmehr als genuine Sozialreform, von der es sich eine Lösung für Amerikas gesellschaftliche Probleme versprach. Der gemeinsame Dienst an der Waffe sollte Reich und Arm, Stadt und Land, angestammte und eingewanderte Bevölkerung zusammenbringen und die Nation unter dem Banner des Patriotismus vereinen. Der Autor der American Defense kleidete dieses Ansinnen in passende Worte: »I know of no better means of developing mind, soul and body than the complex training of the soldier, and hail it as a decided advantage for our youth that they have at least the opportunity to enjoy such a training – not […] at the risk of developing a nation of warriors, but a leaven of manhood in a decadent age. […] [I]t is the moral and physical development of the community, not of individuals, at which we should aim.«159 Mit jungen Männern als Adressaten barg die Wehrpflicht aus Sicht der Bewegung den Vorteil, die amerikanische Gesellschaft an der Wurzel zu erneuern – 158 159

Coe, Henry C: A Moral Equivalent for War, in: American Defense 1/6 (1916), S. 187. Ebd.

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das bekannte Bonmot vom Militär als ›Schule der Nation‹ erscheint in diesem Zusammenhang durchaus treffend. Zugleich spiegelte sich in der Vorstellung ein vorherrschendes Geschlechterbild wider, das ganz selbstverständlich vom Mann als primären Akteur der sozialen Ordnung ausging. In diesem Sinne war die in der zitierten Passage bemühte These, Amerikas »Männlichkeit« sei von der Dekadenz der Moderne gefährdet, als Warnung vor einer existenziellen Bedrohung gemeint. Die Stilisierung der Wehrpflicht zum Allheilmittel für Amerikas innere Probleme wurde zu einem zentralen ideologischen Topos der PreparednessBewegung.160 Die zivilen Organisationen nutzen ein breites rhetorisches Arsenal, um die Botschaft von der segensreichen Wirkung des Militärdienstes zu verbreiten. So ließ etwa die NSL den Abdruck einer Rede vervielfältigen, in der das Konzept mit einer Kaskade von Argumenten angepriesen wurde, die sich an sehr heterogene Zielgruppen richtete. Egal ob Sozialist, Progressiver, Liberaler oder Konservativer – laut der Preparedness-Organisation hatte die Wehrpflicht universelle Attraktivität: Sie würde Klassengegensätze überwinden (»bringing the classes together in the understanding of comradship«), die Effizienz steigern (»make for personal efficiency«), die Gesellschaft demokratisieren (»advance democracy«) und dem amerikanischen Volk neue Vitalität einhauchen (»increase the vigor of our race«161 ). Vor allem aber würde die Wehrpflicht eine echte Armee des Volkes (»people’s army«) hervorbringen und so die vaterländische Identifikation mit dem Gemeinwesen fördern (»increasing patriotic interest in our government«162 ). Die NSL brachte eigens eine Broschüre heraus, die sich den Vorzügen eines verpflichtenden Militärdienstes widmete. Darin bemühte die Organisation historische Zitate von George Washington, Thomas Jefferson und James Madison, die die Wehrpflicht in die Tradition der amerikanischen Gründerväter stellen sollte. Im Vorwort vertrat man zudem die Auffassung, dass der Zweite Verfassungszusatz nicht nur das Recht auf Waffenbesitz festschreibe, sondern eine patriotische Pflicht zum Dienst an der Waffe begründe.163 Auch bei der bis dahin größten Preparedness-Veranstaltung, dem National Security Congress vom Januar 1916, stand die gesellschaftliche Bedeutung der Wehrpflicht im Zentrum vieler Vorträge. Das bestehende Berufsheer wurde

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Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 109-110. Menken Remarks Pittsburgh (14. Februar 1916), S. 4. Ebd. Vgl. Universal Obligatory Military Training and Service, New York 1916, S. 1-5.

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als »Schwachpunkt der amerikanischen Demokratie«164 identifiziert. In einer Republik müsse das Wahlrecht an die Verpflichtung gebunden sein, das Gemeinwesen notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen.165 Ein Redner hielt gar einen ganzen Vortrag über die ökonomischen Vorteile der Wehrpflicht, in dem er die These vertrat, dass diese die volkswirtschaftlich günstigste Lösung für das Sicherheitsdilemma der Vereinigten Staaten sei.166 In den Argumentationsmustern zeigte sich, wie sehr es die zivilen Organisationen verstanden, ihre Kampagne in den rhetorischen Mantel universeller Werte zu hüllen. Damit vermieden sie es auf geschickte Weise, die Preparedness-Bewegung innerhalb einer der politischen Strömungen der Zeit zu verorten. Selbst als ihr Anspruch auf parteipolitische Neutralität Brüche bekam, wahrten die Organisationen weitgehend Äquidistanz zu den beiden wichtigsten politischen Philosophien der Progressive Era. Es wurde deutlich, dass der gemeinsame Nenner des Movement nicht die Verortung im progressiven oder konservativen Denken war (auch wenn Vertreter des einen oder des anderen Lagers zu seinen exponiertesten Repräsentanten gehörten). Der Schlüssel zum ideengeschichtlichen Verständnis von Preparedness liegt vielmehr in den immer wieder bemühten Appellen an das Nationalgefühl der Amerikaner, die sich im Wehrpflicht-Diskurs prominent manifestierten und bald zum Leitmotiv der weiteren Kampagne werden sollten. Hier zeigte sich, dass die Bewegung »nationale Einheit als Grundvoraussetzung für nationale Sicherheit«167 verstand. Die patriotische Kontextualisierung war nicht bloß ein Stilmittel, sondern verwies auf den ideologischen Kitt, der die heterogene Bewegung zusammenhielt. Im Kern zielten ihre Repräsentanten darauf ab, den klassischen Antagonismus zwischen ›Links‹ und ›Rechts‹ zu überwinden und die amerikanische Gesellschaft unter dem Banner nationaler Einheit zusammenzuschweißen. Preparedness war mithin ein Projekt, des-

164 Henry L. Stimson: The Individual’s Duty Toward Preparedness, in: Proceedings National Security Congress, S. 287-299, hier: S. 292. 165 Vgl. Coudert, Frederic R.: The General Need of Preparedness, in: Proceedings National Security Congress, S. 13-24, hier: S. 23. Der Redner ging bezeichnenderweise nicht auf die Implikationen seiner These auf das 1916 bereits kontrovers diskutierte Frauenwahlrecht ein. 166 Vgl. Emery, Henry C.: The Economic Value of Universal Service, in: Proceedings National Security Congress, S. 105-112, hier: S. 106-107. 167 Menken Remarks Pittsburgh (14. Februar 1916), S. 6.

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sen ideengeschichtliches Fundament auf der »Integrationsideologie«168 des Nationalismus ruhte. Unter den Zeitgenossen setzte sich der Nationalismus-Begriff allerdings nur bedingt durch.169 Im frühen 20. Jahrhundert sprach man gemeinhin vom Amerikanismus (»Americanism«), wenn man sich in affirmativer Weise auf das Nationalgefühl bezog.170 Die genaue Bedeutung dieses Worts blieb bisweilen diffus: Der Amerikanismus-Begriff konnte sich sowohl in ganz allgemeiner Form auf die Lebensart in den Vereinigten Staaten (»American Way of Life«) beziehen als auch als Synonym für den US-Patriotismus verwendet werden.171 Darüber hinaus wurde er im Kontext einer Einbürgerungspolitik genutzt, die das Leitbild der kulturellen Assimilation von Einwanderern (»Americanization«) verfolgte.172 Unabhängig von der genauen Bedeutungs168 Salzborn, Samuel: Nation und Nationalismus im 21. Jahrhundert, in: Salzborn, Samuel (Hg.): Staat und Nation. Die Theorien der Nationalismusforschung in der Diskussion, Stuttgart 2011, S. 9-13, hier: S. 9. 169 Das Lexikon der Politikwissenschaft definiert Nationalismus als »Ideologie […], die territorial und werteorientiert auf die Nation bzw. den Nationalstaat ausgerichtet ist und eine bewußte Identifikation und Solidarisierung mit der nat. Gemeinschaft voraussetzt«; Riescher, Gisela: Art. »Nationalismus«, in: Nohlen/Schultze (Hg.): Lexikon Politikwissenschaft, S. 639-640, hier: S. 639. Amerikaner des frühen 20. Jahrhunderts assoziierten den Nationalismus-Begriff bisweilen mit Theodore Roosevelts progressiven Wahlkampfprogramm von 1912, das unter dem Schlagwort ›New Nationalism‹ firmierte; siehe Leuchtenburg, William E. (Hg.): The New Nationalism. Theodore Roosevelt, Englewood Cliffs 1961. 170 Komplementär sprach man vom ›Jingoismus‹ (»jingoism«), wenn man extreme Auswüchse eines Hurra-Patriotismus anprangern wollte. 171 Adelheid von Saldern betont in ihrer Studie zum US-Nationalismus im frühen 20. Jahrhundert den »vage[n]« Charakter des zeitgenössischen Amerikanismus-Begriffs: »Er umfasst Amerikanisierungsprozesse im Inneren des Landes sowie Eigenschaften, die sich mit dem American way of life assoziieren lassen […]. In einem Zirkelschluss ging es hauptsächlich um die bewusste Stärkung von Werten, Verhaltensweisen und Traditionen, die in der Öffentlichkeit bereits als typisch amerikanisch galten;« Saldern, Adelheid von: Amerikanismus. Kulturelle Abgrenzung von Europa und US-Nationalismus im frühen 20. Jahrhundert, Stuttgart 2013, S. 14. Für einen Forschungsüberblick, der unter anderem die historischen Ursprünge des Begriffs abdeckt, siehe Gassert, Philipp: Amerikanismus, Anti-Amerikanismus, Amerikanisierung. Neue Literatur zur Sozial-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte des amerikanischen Einflusses in Deutschland und Europa, in: Archiv für Sozialgeschichte 39 (1999), S. 531-561. 172 Der Begriff ›Assimilation‹ hatte den einwanderungspolitischen Diskurs der USA bereits im 19. Jahrhundert dominiert; der Begriff ›Americanization‹ wurde vor allem in der Progressive Era populär; vgl. Olneck, Michael R.: Assimilation and American Natio-

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ebene galt Amerikanismus in der Progressive Era als ein normatives Konzept, das sehr positiv konnotiert war.173 Es überrascht daher nicht, dass das Movement sich den Begriff bald emphatisch zu Eigen machte und Preparedness und Amerikanismus als ›zwei Seiten derselben Medaille‹ porträtierte.174 In einer offiziellen NSL-Resolution vom Mai 1916 wurde die »Entwicklung eines amerikanischen Nationalismus«175 gar als einer von vier Kernpunkten formuliert – neben den deutlich weniger abstrakten Forderungen nach einer Stärkung des Heeres, einem Ausbau der Flotte und der Einführung der Wehrpflicht. Der Amerikanismus der Preparedness-Bewegung war in seinen Strukturmerkmalen allerdings nicht deckungsgleich mit den typischen Nationalismen Europas, die die geschichtswissenschaftliche Forschungsdiskussion bis heute dominieren.176 Anders als seine ethnischen Pendants in der Alten Welt betonte der staatsbürgerliche Nationalismus Amerikas nicht Abstammung, sondern eine Wertegemeinschaft, die zivilreligiös überhöht wurde.177 Den Prämissen des Amerikanischen Exzeptionalismus folgend, wurden die Vereinigten Staaten zum Hort von Freiheit und Demokratie stilisiert, der der Menschheit als leuchtendes Vorbild dienen sollte. Trotz des in der Praxis zweifellos wirkmächtigen Rassismus der US-Gesellschaft, durfte sich in der Theorie jeder

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nal Identity, in: Ueda, Reed (Hg.): A Companion to American Immigration, S. 202-224, hier: S. 203. Ein Redebeitrag auf dem National Security Congress fasste die Selbstverständlichkeit patriotischen Denkens in einer passenden Formel zusammen: »Patriotism is not a virtue, it is a duty«; Boardman, Mabel: The American Red Cross, in: Proceedings National Security Congress, S. 113-115, hier: S. 115. Vgl. Roosevelt Urges Unity in America as Great Issue. Carries Fight for Preparedness to Detroit, Assailing Pacifists as Nations’s Foes, in: The New York Times, 20. Mai 1916. Bacon Head of Security League, in: NYT, 4. Mai 1916. Für einen allgemeinen Überblick über die Nationalismusforschung siehe Langewiesche, Dieter: Nation, Nationalismus, Nationalstaat. Forschungsstand und Forschungsperspektiven, in: Neue Politische Literatur 40 (1995), S. 190-236. Für eine Darstellung der wichtigsten Theorien siehe Özkirimli, Umut: Theories of Nationalism. A Critical Introduction, Basingstoke u.a. 2000. Für die Abgrenzung zwischen staatsbürgerlichem und ethnischem Nationalismus vgl. Smith, Anthony D.: Nationalism. Theory, Ideology, History, Cambridge u.a. 2001, S. 3942. Diese dichotome Typologisierung wird in Teilen der Forschung als unterkomplex kritisiert; vgl. beispielsweise Wehler, Hans-Ulrich: Nationalismus. Geschichte – Formen – Folgen, 4. Aufl., München 2011, S. 51. Da die Preparedness-Bewegung den Gegensatz zwischen staatsbürgerlichem und ethnischem Nationalismus selbst reflektierte, erscheint die klassische Abgrenzung für diese Arbeit jedoch angemessen.

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Bürger als Teil dieses Gemeinwesens verstehen – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion.178 Es verwundert daher nicht, dass sich das Movement zunächst betont inklusiv gab. Die zivilen Organisationen kämpften gegen das Image, Preparedness sei ein Projekt der angelsächsisch-protestantischen Elite des Nordostens, und bemühten sich aktiv um Mitglieder aus allen Bevölkerungsschichten. Die Glaubwürdigkeit dieses Anspruchs wurde freilich dadurch geschmälert, dass in den Führungsgremien von NSL oder ADS fast ausschließlich WASPs vertreten waren. Umso herausstechender war die dominante Rolle Solomon Stanwood Menkens, der aus einer jüdischen Familie stammte.179 Durchaus kontrovers für die Vereinigten Staaten des frühen 20. Jahrhunderts war zudem, dass die Preparedness-Bewegung einen genuinen Unionspatriotismus propagierte, der wenig Raum für die Rechte der Einzelstaaten ließ. Dies zeigte sich insbesondere in der Forderung nach der Wehrpflicht, die nach allgemeiner Auffassung auf eine Marginalisierung der Nationalgarde hinauslief. Auch 50 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs waren Veränderungen am föderalen Gleichgewicht zwischen Bund und Gliedstaaten ein sensibles Feld. Als die Möglichkeit einer nationalisierten Miliz im Juni 1916 gegen einigen Widerstand beschlossen wurde, nahmen NSL und ADS wenig Rücksicht auf die starke Identifikation vieler Amerikaner mit ihrem Heimatstaat. So forderten die verschiedenen Preparedness-Organisationen etwa kurz nach Verabschiedung des National Defense Act in einer gemeinsamen Resolution, dass die Nationalgardisten kein doppeltes Gelöbnis ablegen sollten, sondern exklusiv auf die Union vereidigt werden müssten – ein Ansinnen von wenig praktischer Relevanz, aber hohem Symbolwert.180 Eine ebenfalls zentrale Rolle im nationalistischen Gedankengut der Preparedness-Bewegung nahm die Frage der Immigration ein. Seit den 1890er Jahren waren vermehrt Menschen aus Süd- und Osteuropa in die

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Für den Widerspruch zwischen inklusivem Anspruch und exklusiver Praxis des USNationalismus im frühen 20. Jahrhundert, siehe Gerstle, Gary: Theodore Roosevelt and the Divided Character of American Nationalism, in: The Journal of American History 86/3 (1999), S. 1280-1307. Für eine Einordnung in den Gesamtzusammenhang des 20. Jahrhunderts siehe Gerstle, Gary: American Crucible. Race and Nation in the Twentieth Century, Princeton/Oxford 2001. 179 Vgl. Pearlman: Patricians and Preparedness, S. 150. 180 Vgl. Resolutions Adopted at the Conference of National Defense Organizations (27. Juni 1916), in: American Defense 1/7 (1916), S. 271.

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Vereinigten Staaten eingewandert, die in dem Ruf standen, schwerer integrierbar zu sein als die klassischen Einwandergruppen aus dem Norden und Westen des Kontinents. Allein im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hatten mehr als neun Millionen Menschen ihre Heimat verlassen, um in den USA ein neues Leben zu beginnen. Der Zustrom an Immigranten ging zum Teil mit erheblichen sozialen Problemen einher; die überfüllten Einwandererquartiere der großen Städte galten als Brutstätten von Krankheiten und Kriminalität. Angesichts dieser Auswüchse entstand in der Progressive Era eine Reformbewegung, die das multikulturelle Laissez-Faire gegenüber den Neuankömmlingen überwinden und der Bildung von ethnischen Parallelgesellschaften vorbeugen wollte. Den Schlüssel hierzu sahen progressive Sozialreformer wie Frances Kellor in einer aktiven Amerikanisierungspolitik. Diese war in vielen Fällen von einem starken Paternalismus ihrer Akteure geprägt und konnte sowohl auf Sozialarbeit und gesellschaftliche Teilhabe setzen als auch auf Repressionsmaßnahmen zurückgreifen. Die Immigranten, so die vorherrschende Zielvorstellung, müssten Sprache und Kultur ihrer Heimatländer aufgeben, um Teil der angloamerikanischen Mehrheitsgesellschaft zu werden. Populäres Credo war, dass es in den Vereinigten Staaten keinen Platz für sogenannte Bindestrich-Identitäten geben dürfe. Einwanderer sollten sich nicht länger als Italo- oder Greco-Amerikaner (»hyphenated Americans«181 ) verstehen, sondern dazu gedrängt werden, eine ›rein amerikanische‹ Identität zu entwickeln, die mit der Parole »100 per cent Americanism«182 zusammengefasst wurde.183 In der Debatte um die Militärgesetzgebung spielte der Amerikanisierungsgedanke eine wichtige Rolle, bot die Wehrpflicht in den Augen ihrer Befürworter doch die Chance, Einwanderer durch den gemeinsamen Dienst an der Waffe in die Mehrheitsgesellschaft zu assimilieren. Tatsächlich kam es 1915/16 zu einer zunehmenden programmatischen und personellen Konvergenz zwischen Amerikanisierungs- und Preparedness-Bewegung. 181 182 183

A Few New Books, in: American Defense 1/3 (1916), S. 91. NSL Hearings, S. 32. Vgl. Herrmann, Dietrich: »Be an American!« Amerikanisierungsbewegung und Theorien zur Einwandererintegration, Frankfurt a.M. 1996, S. 344-353. Ein historiografischer Überblick über die bisher wenig erforschte Amerikanisierungsbewegung findet sich bei Beach, J.B.: What is Americanization? Historiography of a Concept, Social Movement, and Practice, unter: Dare to Know. An Inquiry into Human Experience, Education, and Enlightenment, URL http://jmbeach.blogspot.com/2011/08/what-is-americanization-historiography.html (Zugriff am 14.06.2018).

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Höhepunkt dieser Entwicklung war ein Auftritt Frances Kellors bei der Washingtoner Preparedness-Konferenz vom Januar 1916,184 bei dem die bekannte Aktivistin verkündete, die Amerikanisierung von Immigranten sei ein integraler Bestandteil von Preparedness. Kellor warnte in diesem Zusammenhang davor, die soziale Dimension von Preparedness zu vernachlässigen. Eine geeinte Nation, hinter der auch die Einwanderer stünden, sei von entscheidender Bedeutung für die Sicherheit der Vereinigten Staaten. In diesem Sinne forderte sie eine Reihe von Amerikanisierungsmaßnahmen – darunter die Abschaffung doppelter Staatsbürgerschaften, die Durchsetzung der englischen Sprache im Alltag und die Bekämpfung des Analphabetismus. Ziel sei nicht weniger als die »Abschaffung des Rassenhasses und der Intoleranz zwischen Alteingesessenen und Neuankömmlingen«185 . Kellor nahm kein Blatt vor den Mund und schreckte auch vor Kritik an den anwesenden Honoratioren der Preparedness-Bewegung nicht zurück: »I have outlined the task of Americanization. Your members are idle in time of peace; they are likely to substitute talking for action. They constitute an undisciplined, undirected army, valuable as they may be as individuals. Signing enrollment cards without service, paying dues without any obligation, reading literature without a sense of further duty, writing letters without further action is a poor preparation in time of peace for efficiency in time of war. Why not set every member to work in his own community training citizens, teaching English, fighting disease and bad living conditions (which weaken every fighting unit) and getting the immigrant and native-born citizen side by side into the training camp. Clean out our immigrant colonies and bring our people together.«186 Kellors deutliche Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, legte die Amerikanisierungsaktivistin doch eine offenkundige Schwachstelle des Preparedness Movement offen: Abgesehen von der öffentlichen Aufmerksamkeit, die die Bewegung zweifellos generierte, hatte sie bisher kaum greifbare Erfolge aufzuweisen. Die einige Monate nach der Washingtoner Tagung beschlossene Heeresreform, die nur wenige Kernforderungen des Movement umsetzte, sollte diesen Eindruck noch verfestigen. Kellors Plädoyer für eine aktivistischere

184 Siehe Kellor, Frances A.: Americanization as a Means of Preparedness, in: Proceedings National Security Congress, S. 202-208. 185 Ebd., S. 204. 186 Ebd., S. 205-206.

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Grundausrichtung der Preparedness-Kampagne, das immer wieder von lautem Applaus unterbrochen wurde,187 läutete eine graduelle Neuorientierung der zivilen Organisationen ein. Frances Kellors Auftritt auf der Tagung war auch aus geschlechterhistorischer Perspektive bemerkenswert, stand er doch exemplarisch für die zunehmende Bedeutung von Frauen innerhalb der Bewegung. Das Konferenzprogramm der Washingtoner Tagung verzeichnete gleich ein halbes Dutzend Vorträge von Amerikanerinnen, deren Wortbeiträge dem Movement eine weibliche Note gaben. Je mehr sich die Bedeutungsebene von Preparedness von ihrem ursprünglichen militärischen Kontext auf andere gesellschaftliche Themenfelder ausdehnte, desto wichtiger erschien es, Frauen für die Kampagne zu mobilisieren. Sowohl NSL als auch ADS schufen institutionelle Strukturen, die sich gezielt an weibliche Mitglieder richteten.188 Nicht selten übernahmen die Ehefrauen von hochrangigen Funktionären Führungsaufgaben innerhalb der entsprechenden Komitees. Hinzu kam eine Reihe von ›patriotischen‹ Frauenorganisationen wie die Daughters of the American Revolution,189 die sich einige Monate später offiziell mit der NSL affiliierten. Die Aktivistinnen trugen maßgeblich zu einigen der größten PR-Erfolge der Kampagne bei – etwa als sie öffentlichkeitswirksam 11.000 Unterschriften von amerikanischen Müttern vorlegten, die sich inbrünstig zur Einführung der Wehrpflicht bekannten.190 Die Einbindung von Frauen war nicht nur Teil einer breiteren Kampagnenstrategie, sondern wurde von den zivilen Organisationen auch ideologisch begründet. »The American women of today are infinitely needed in this movement«191 , verkündete ein hochrangiger NSL-Funktionär auf der großen 187 Vgl. ebd., S. 207. 188 Die ADS bildete im März 1916 ein Frauenkomitee, vgl. American Defense 1/3 (1916), S. 89. 189 Auf der Washingtoner Preparedness-Tagung vom Januar 1916 waren neben den Daughters of the American Revolution zahlreiche weitere Frauenorganisationen vertreten – darunter unter anderem folgende: National Council of Women, Ladies of the Grand Army of the Republic, Daughters of the Confederacy, Congress of Mothers, Woman’s Rivers and Harbors Congress, United States Daughters of 1812; siehe Proceedings National Security Congress. 190 Vgl. Hope to Arouse Unified Spirit. National Security League Plans Big Gathering, in: The New York Times, 26. November 1916; Minutes NSL Executive Committee (1. November 1916), in: Lydecker Papers, Box 13, Folder 1. 191 Coudert, Frederic R.: The General Need of Preparedness, in: Proceedings National Security Congress, S. 14.

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Preparedness-Tagung im Januar 1916. In der American Defense der ADS hieß es, das patriotische Feuer würde in den Herzen der Frauen genauso leidenschaftlich brennen wie in jenen der Männer. Repräsentantinnen der zivilen Organisationen hielten Vorträge über die »Preparedness-Pflichten der Frauen« und machten deutlich, dass sie ebenso wie Männer aufgerufen seien, ihren Beitrag zu leisten.192 Als Mütter der Nation hätten Amerikanerinnen eine besondere Verpflichtung, die junge Generation im patriotischen Geiste zu erziehen. Die Preparedness-Organisationen spannten ihre weiblichen Mitglieder darüber hinaus als ›Kronzeuginnen‹ gegen die von Frauen dominierte Friedensbewegung ein. So warb eine Rednerin der NSL etwa in besonders martialischen Worten für die Wehrpflicht: »The mothers of our land demand […] adequate training, proper officers, suitable equipment for the sons they have trained in the faith that death is not the worst thing.«193 Stärker hätte der Gegensatz zwischen den Aktivistinnen der Preparednessund jenen der Friedensbewegung nicht betont werden können, war die populärste Parole der Pazifistinnen doch, dass sie ihre Söhne nicht dazu heranziehen würden, Soldaten zu werden.194 Ausgehend von den Erfahrungen der Europäerinnen machten sich einige Propagandistinnen der Preparedness-Bewegung vermehrt Gedanken über die veränderte Rolle der Frau in modernen militärischen Konflikten. Maude Parker skizzierte bereits im Juni 1916 ein Szenario, das sich nach dem amerikanischen Kriegseintritt als bemerkenswert weitsichtig erweisen sollte: »If the United States goes to war, American women must not live up to tradition. […] [T]o-day war is more industrial than military; more economic than valorous. And in war to-day women must make tradition. Their rôle is no longer passive; in a war of factories and finance our women may be of inestimable value to our country in previously unknown ways. […] We must show

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Vgl. Wetmore, Maude: Woman’s Duty to Preparedess, in: Proceedings National Security Congress, S. 32. 193 George, A.J.: The Teaching of Patriotism in Home and School, in: Proceedings National Security Congress, S. 74-83, hier: S. 77. 194 Die Parole ging auf ein populäres Anti-Kriegslied aus dem Jahr 1915 zurück, das den Titel »I Didn’t Raise my Boy to Be a Soldier« trug; siehe Monod, David: ›I Didn’t Raise my Boy to Be a Soldier:‹ Popular Song and American Neutrality, 1914-1917, in: War in History 24/4 (2017), S. 438-457.

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American women that in case of war they can give service unparalleled in our nation’s history – but this service has little in it of the dramatic, and a great deal of hard work.«195 Parker sprach sich dafür aus, Frauen verstärkt in Landwirtschaft und Industrie einzubeziehen, um die volkswirtschaftlichen Schäden einer Einberufung der männlichen Erwerbsbevölkerung ausgleichen zu können – ein Plädoyer, das dem vorherrschenden Geschlechterbild in bürgerlichen Kreisen widersprach.196 Preparedness erwies sich hier einmal mehr als Projektionsfläche, die eine soziale Neuordnung der amerikanischen Gesellschaft versprach. Parkers konkrete Vorstellungen dürften beim konservativen Teil der Bewegung zwar auf wenig Gegenliebe gestoßen sein; die Tatsache, dass sie ihre Vision in den nationalistischen Mantel von Preparedness hüllte, machte sie jedoch salonfähig. Zwar ist die zunehmende ideologische Aufladung von Preparedness in den Quellen gut dokumentiert; dies bedeutete aber nicht zwingend, dass auch die Zeitgenossen zu einer veränderten Wahrnehmung der Bewegung kamen. Selbst gut informierten Beobachtern innerhalb der Wilson-Administration fiel es offenkundig schwer, den sukzessiven Bedeutungswandel nachzuvollziehen. Der jüngst ins Amt gekommene Kriegsminister Baker verfasste im April 1916 ein vertrauliches Memorandum an Wilson, in dem er sich an eine Definition von Preparedness wagte. Darin nannte er lediglich »drei Elemente«197 , die konstitutiv für das Konzept seien: ein schlagkräftigeres Heer, eine stärkere Flotte und Maßnahmen zur ökonomischen Mobilisierung der Volkswirtschaft. Vor dem Hintergrund dieses allzu konventionellen Verständnisses von Preparedness würdigte Baker das Engagement der Bewegung und ermutigte den Präsidenten, sich den Enthusiasmus in der Bevölkerung zunutze zu machen.198 Die Idee, das Preparedness Movement im Sinne der WilsonAdministration ›domestizieren‹ zu können, sollte sich jedoch schon bald als naiv erweisen.

195 Parker, Maude: Women and Defense, in: American Defense 1/6 (1916), S. 180, 200. 196 Vgl. ebd., S. 180. 197 Newton D. Baker an Woodrow Wilson (7. April 1916), in: Wilson Papers 36 (1916), S. 431434, hier: S. 431. 198 Vgl. ebd.

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3.3

Friktion und Protest: Vom Wahlkampf zum Kriegseintritt (Sommer 1916 – Frühling 1917)

Der Streit um die Militärgesetzgebung erwies sich als prägende Erfahrung für das Preparedness Movement. Einerseits ging der Disput mit einem erheblichen Mobilisierungsschub einher, dessen eindrucksvollste Manifestation die großen Paraden waren, die in zahlreichen Großstädten abgehalten wurden. Auch weltanschaulich waren die vergangenen Monate zentral für das Selbstverständnis der Bewegung. Die nationalistischen Konturen der Preparedness-Ideologie hatten sich deutlich herausgebildet und trafen bei vielen Amerikanern auf Sympathien. Andererseits hatte sich die Politik weitgehend unbeeindruckt von der Öffentlichkeitsarbeit der zivilen Organisationen gezeigt. Während man am Naval Act eher Detailkritik übte, empfanden weite Teile der Preparedness-Bewegung den National Defense Act als herben Rückschlag. Schließlich hatte der Kongress die Einführung der Wehrpflicht nicht einmal ernsthaft in Erwägung gezogen und selbst der deutlich bescheidenere Continental-Army-Plan war am Widerstand des Repräsentantenhauses gescheitert. Die letztlich verabschiedete Heeresreform stellte in den Augen des Movement eine völlig unzureichende Antwort auf die Defizite der Landstreitkräfte dar. Entsprechend harsch war die Kritik von National Security League und American Defense Society an den politischen Entscheidungsträgern in Washington.199 Insgesamt mussten die Preparedness-Organisationen im Sommer 1916 konstatieren, dass ihrer Kampagne trotz der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht der erhoffte Erfolg beschieden war. Viele Amerikaner mochten für Fragen der nationalen Sicherheit sensibilisiert worden sein; der Einfluss auf die Gesetzgebung war jedoch marginal geblieben. Aus Sicht des Movement hatte eine entrückte Politikerkaste in Washington parteitaktische Winkelzüge über den patriotischen Willen des Volkes gestellt. Es verwundert daher nicht, dass sich bei den zivilen Organisationen der Eindruck verfestigte, nur ein grundlegender politischer Wandel könne die Regierung zu angemessenen Preparedness-Maßnahmen veranlassen. Die Antwort von NSL und ADS auf die Enttäuschungen des Sommers 1916 war ein gradueller Strategiewechsel, der die Organisationen tiefer in die Niederungen der Innenpolitik führen sollte. Mit der 199 Vgl. 226,000 in New Army. Secretary Baker Says Bill Is the Best Ever Passed by Congress, in: The New York Times, 28. Mai 1916; Resolutions, in: American Defense 1/7 (1916), S. 271.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

Eskalation der deutsch-amerikanischen Spannungen im Frühjahr 1917 stellte sich außerdem die Grundsatzfrage, ob Preparedness und Neutralität noch miteinander vereinbar waren.

3.3.1

Preparedness im Präsidentschaftswahlkampf 1916

Lange Zeit waren politische Beobachter davon ausgegangen, dass die Preparedness-Frage ein entscheidendes Thema im Präsidentschaftswahlkampf 1916 werden würde. Wilsons Privatsekretär und enger Berater Joseph P. Tumulty hatte seit Aufkommen der Kontroverse immer wieder darauf hingewiesen, dass die Sicherheitspolitik zur zentralen Bewährungsprobe für die regierenden Demokraten werden könnte. Die Opposition würde nur darauf warten, dass der Präsident Führungsschwäche und damit einen politischen Angriffspunkt offenbare.200 In der Tat hatte insbesondere Theodore Roosevelt gehofft, auf dem Preparedness-Ticket zurück ins Weiße Haus zu gelangen.201 Die Sicherheitspolitik, so sein Kalkül, könne das Republikanische Lager wiedervereinen, dessen konservativer und progressiver Flügel sich 1912 in konkurrierende Formationen aufgespalten hatte.202 Tatsächlich erschien ein solches Szenario nicht unwahrscheinlich. Trotz aller Differenzen in ökonomischen Fragen gab es im Republikanischen Milieu erhebliche Sympathien für das Preparedness-Programm Roosevelts, der nominell noch immer der Progressiven Partei angehörte. Ein zeitgenössischer Beobachter bemerkte hierzu treffend: »Wall Street, that hated Roosevelt in 1912, accepts him with his whole social program today because it vaguely senses the need for solidifying the nation.«203 Für den Fall, dass Roosevelts Progressivismus den Konservativen in der GOP nicht vermittelbar sein sollte, setzten Preparedness-Enthusiasten auf Leonard Wood als mögliche Alternative. Angesichts

200 Vgl. Joseph P. Tumulty an Woodrow Wilson (29. November 1915), in: Wilson Papers 35 (1915/16), S. 265-270, hier: S. 270; Tumulty an Wilson (17. Januar 1916), in: Wilson Papers 35 (1915/16), S. 492-494. 201 Vgl. Roosevelt Names Nomination Terms to Republicans. Must Accept His Policies and Know He’ll Not »Pussyfoot« on Any of the Issues, in: The New York Times, 6. April 1916. 202 Zur Republikanischen Parteispaltung von 1912 siehe Delahaye, Claire: The New Nationalism and Progressive Issues. The Break with Taft and the 1912 Election, in: Ricard (Hg.): Companion Theodore Roosevelt, S. 452-467. 203 Zitiert in Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 108.

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des Krieges in der Alten Welt sahen die Anhänger der Bewegung in dem renommierten General einen attraktiven Präsidentschaftskandidaten.204 Mit dem im Sommer anlaufenden Wahlkampf begannen auch NSL und ADS sich politisch klarer zu positionieren. Anders als viele Einzelakteure aus dem institutionellen Teil der Bewegung konnten sich die Preparedness-Organisationen jedoch nicht einfach für die Wahl eines bestimmten Kandidaten aussprechen. Schließlich war ein offener Verstoß gegen das Überparteilichkeitsgebot mit erheblichen Risiken für die eigene Reputation verbunden. Als heterogenere der beiden großen Organisationen stand insbesondere die NSL vor einem Dilemma. Zwar hatte sie die Sicherheitspolitik der regierenden Demokraten in den letzten Monaten scharf kritisiert und mit Konsequenzen gedroht; viele Mitglieder hätten eine offizielle Wahlempfehlung zugunsten der Opposition jedoch missbilligt. Hinzu kam, dass die realistische Chance bestand, auch nach dem Urnengang mit einem wiedergewählten Wilson zusammenarbeiten zu müssen. Ein offenes Bekenntnis zur GOP erschien insofern wenig opportun. Während einzelne Führungsmitglieder der NSL die Republikaner als Privatpersonen unterstützten, verabschiedete der Vorstand eine Resolution, die die politische Neutralität der Organisation noch einmal bekräftige.205 Im Juni schickte man Delegationen zu den Parteitagen beider großer Parteien, um für eine Aufnahme von Preparedness-Maßnahmen in das jeweilige Wahlprogramm zu werben.206 Viele NSL-Positionen mochten im Widerspruch zur Regierungspolitik stehen; offiziell wahrte die Organisation jedoch Äquidistanz zu Demokraten und Republikanern. Die ADS zeigte dagegen wenig Skrupel, sich offen mit der Opposition gemeinzumachen. Im Juni trat Thompson vom Vorsitz zurück und überließ das Amt Joseph Howland Coit – einen New Yorker Verleger, der eng mit Roosevelt befreundet war.207 Statt wie die NSL Kontakte zu beiden großen Parteien aufzunehmen, wandte sich die Organisation lediglich an die Republikaner und die – zu diesem Zeitpunkt bereits marginalisierte – Progressive Partei. Bezeichnenderweise entsandte die ADS keine Repräsentanten, um für eine Berücksichtigung von Preparedness-Positionen zu werben, sondern mahnte 204 Vgl. Edwards: NSL, S. 34-37. 205 Vgl. Minutes of the Meeting of the NSL Executive Committee (8. März 1916), in: Lydecker Papers, Box 13, Folder 1. 206 Vgl. Daniel Denounced by Security League. Delegates Applaud Demand by Henry Reuterdahl That Secretary Resigns, in: The New York Times, 2. Juni 1916. 207 Vgl. ADS Aims, History, Officers, S. 7.

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in forderndem Ton die Aufnahme einer vorformulierten Textpassage in das Wahlprogramm an.208 Wie schon beim Streit um die Militärgesetzgebung wurden die Hoffnungen der Preparedness-Organisationen an die Politik erneut enttäuscht. Während die Demokraten Wilson erwartungsgemäß eine weitere Präsidentschaftskandidatur antrugen, dachte das Republikanische Establishment gar nicht daran, Roosevelt für eine dritte209 Amtszeit im Weißen Haus zu nominieren. Auf dem Chicagoer Parteitag erhielt er im ersten Wahlgang nur 85 von 987 abgegebenen Stimmen. Auch Wood scheiterte krachend und konnte lediglich im zweiten Wahlgang eine einzige Stimme auf sich vereinen. Stattdessen wurde Charles Evans Hughes im dritten Wahlgang mit überwältigender Mehrheit nominiert. Der ehemalige New Yorker Gouverneur und amtierende Verfassungsrichter galt als klassischer Kompromisskandidat und konnte mit seinen moderaten Positionen sowohl im konservativen als auch im progressiven Lager punkten. Um Wilsons Wiederwahl zu verhindern, sprach sich schließlich auch Roosevelt für Hughes aus, sodass dieser seinen Wahlkampf als gemeinsamer Präsidentschaftskandidat der Republikanischen und der Progressiven Partei bestreiten konnte. Diese Einigung trug nicht nur zur Heilung der politischen Spaltung von 1912 bei, sondern steigerte Hughes’ Chancen auf einen Wahlsieg beträchtlich.210 Umso entscheidender war die Frage, wie sich der in den letzten Jahren wenig in Erscheinung getretene Verfassungsrichter in der PreparednessKontroverse positionieren würde. Schon das auf dem Republikanischen Parteitag beschlossene Wahlprogramm deutete auf eine Haltung hin, die der Bewegung nicht gefallen konnte. Die Mehrheit der Delegierten stimmte gegen ein Bekenntnis zur Wehrpflicht und verabschiedete stattdessen ein vages sicherheitspolitisches Manifest, dessen Wortlaut sich kaum von jenem

208 Vgl. Plank of Defense Society. Preparedness View Sent to Republicans and Progressives, in: The New York Times, 10. Juni 1916. Zentrale Forderung der ADS war auch hier wieder die Wehrpflicht. 209 Bis zum Inkrafttreten des 22. Verfassungszusatzes im Jahr 1951 gab es keine Amtszeitbeschränkung für US-Präsidenten. Seit George Washingtons Präsidentschaft galt es jedoch als verpönt, für mehr als zwei Amtszeiten zu kandidieren. 210 Vgl. Phelps, Nicole M.: The Election of 1916, in: Kennedy (Hg.): Companion Wilson, S. 173-189, hier: S. 176-179; Sanders, Elizabeth: The War and Peace Election of 1916, in: Gareth Davies/Julian E. Zelizer (Hg.): America at the Ballot Box. Elections and Political History, Philadelphia 2015, S. 118-138, hier: S. 135-136.

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der Demokraten unterschied. Es blieb bei einem Lippenbekenntnis zu Preparedness: Beide Parteien sprachen sich in ihren Programmen für eine starke Landesverteidigung aus und bekundeten zugleich ihren Friedenswillen. Konkretere Maßnahmen, wie sie das Movement lautstark forderte, skizzierten weder die oppositionellen Republikaner noch die regierenden Demokraten.211 Senator Warren G. Harding brachte es auf den Punkt, als er kommentierte, dass Preparedness in den Programmen der beiden großen Parteien keine Rolle spiele.212 Statt eine echte Debatte über das Thema zu führen, beschworen Demokraten und Republikaner lieber in blumigen Worten den Patriotismus der Amerikaner. Ein Leitartikler spottete treffend, dass sich der politische Gegensatz um die Streitfrage »Amerikanismus versus Amerikanismus«213 drehe. Während die GOP die Demokraten durchaus hart anging, setzte sich Hughes selbst in der heißen Wahlkampfphase nicht substanziell vom Kurs der Wilson-Administration ab. Von beiden Parteien mit Vorsicht behandelt, erwies sich die nationale Sicherheit – entgegen früherer Erwartungen – als wenig polarisierendes Wahlkampfthema. Die Bewegung musste erkennen, dass auch die Opposition mehrheitlich wenig mehr als ›Preparedness Light‹ im Angebot hatte. Die Zurückhaltung der Republikaner, Preparedness im Wahlkampf 1916 zu einem zentralen Thema zu machen, basierte auf rationalem Kalkül – auch wenn radikalere Stimmen Hughes in einer wütenden Abrechnung »Impotenz«214 vorwarfen. Die Führung der GOP hatte erkannt, dass seit der Militärgesetzgebung vom Sommer in den Augen der Öffentlichkeit kaum noch Handlungsbedarf bestand. Mochte die zunehmend radikalisierte Preparedness-Bewegung auch über die Unzulänglichkeiten der Heeresreform toben – Millionen einfacher Amerikaner vertrauten den Beteuerungen der Regierung und hielten den National Defense Act, dem auch die Republikaner mit großer Mehrheit zugestimmt hatten, für eine angemessene Antwort auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen.215 Wilsons Vereinnahmungs-

211

Siehe Republican Party Platform of 1916, unter: The American Presidency Project, URL www.presidency.ucsb.edu/ws/index.php?pid=29634 sowie Democratic Party Platform of 1916, unter: The American Presidency Project, URL www.presidency.ucsb.edu/ws/index.php?pid=29591 (Zugriff am 28.06.2018). 212 Vgl. Says Senator Harding, in: Everybody’s Magazine 35 (1916), S. 299-303, hier: S. 301. 213 Zitiert nach Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 160. 214 Henry A. Wise Wood an Theodore Roosevelt (31. Oktober 1916), in: Roosevelt Papers, Series 1, Reel 221. 215 Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 163-164.

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strategie war tatsächlich aufgegangen. Der Präsident hatte sich geschickt als Preparedness-Pragmatiker inszenieren können, während seine Kritiker aufseiten der Bewegung wie engstirnige Militaristen wirkten. Zugleich konnten die Demokraten glaubhaft machen, dass Wilsons besonnene Politik die Vereinigten Staaten aus dem Krieg heraushalten werde – eine im Herbst 1916 nach wie vor sehr populäre Position. Die Republikaner befanden sich damit in einer Zwickmühle, wie ein führendes Parteimitglied bekennen musste: »[I]f we go anywhere near the other extreme on this matter of preparedness, the voters will think we are for war, and they will beat us. No sir, we will softpedal this preparedness stuff long before election day.«216 Für die GOP, die sich im Wahlkampf ohnehin dem Vorwurf der Kriegstreiberei ausgesetzt sah, war es schlichtweg nicht opportun, den Angriffen der Demokraten zusätzliche Munition zu liefern, indem sie die PreparednessKontroverse befeuerte. Dabei dürfte auch Rücksichtnahme auf die DeutschAmerikaner des Mittleren Westens eine Rolle gespielt haben, bildeten diese doch einen relevanten Teil der Republikanischen Wählerkoalition.217 Während die Zurückhaltung der GOP aus politischen Gründen durchaus sinnvoll erschien, nahm das Movement wenig Rücksicht auf die Wahlkampfstrategie des Hughes-Lagers. Roosevelt unterstütze den Republikanischen Präsidentschaftskandidaten zwar öffentlich, konterkarierte dessen offizielle Linie aber bei zahlreichen Gelegenheiten, indem er sich lautstark für weitergehende Preparedness-Maßnahmen aussprach.218 Damit schadete seine ›Wahlkampfhilfe‹ Hughes wohl mehr als sie ihm nutzte. Auch die zivilen Organisationen setzten ihre PR-Aktivitäten unvermindert fort und kritisierten beide große Parteien für die Ablehnung der Wehrpflicht.219 Viele Repräsentanten der Bewegung mochten Hughes im Vergleich zu Wilson als das kleinere Übel betrachten; Begeisterung über einen möglichen Wahlsieg des Republikaners kam aber weder bei der NSL- noch der ADS-Führung auf. Stattdessen überwog Enttäuschung über die Zaghaftigkeit der Opposition.220 216

Davenport, Frederick M.: Preliminary Impressions of the Chicago Convention, in: The Outlook 133 (1916), S. 356. 217 Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 160-161; Neiberg: Path to War, S. 171-176. 218 Vgl. beispielsweise Roosevelts Attacks Hyphen in Chicago. Resents Efforts by Leaders to Have Him Consider Effect on German Vote, in: The New York Times, 27. Oktober 1916. 219 Vgl. Urge Universal Service. National Security League Opens a Wide Campaign, in: The New York Times, 21. August 1916. 220 Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 164-165.

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In einem privaten Briefwechsel mit Roosevelt war es erneut Wise Wood, der diesem Gefühl in besonders drastischer Weise Ausdruck verlieh. Die Nominierung von Hughes, so der Vorsitzende des Preparedness-Dachverbands, zeige, dass die Republikaner von unpatriotischen »Pazifisten, Drückebergern und Bindestrich-Amerikanern«221 unterwandert seien. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass der knappe Wahlsieg Woodrow Wilsons und seiner Demokraten am 7. November 1916 weniger richtungsweisend war als viele noch zu Jahresbeginn erwartet hatten. Auch von einer Hughes-Administration wäre kaum ein signifikanter Kurswechsel in der Sicherheitspolitik zu erwarten gewesen. Die Preparedness-Bewegung stand politisch bereits auf verlorenem Posten seit sich der Republikanische Parteitag im Juni gegen Roosevelt und seine Agenda entschieden hatte.

3.3.2

Der ›Kongress für Konstruktiven Patriotismus‹

Zum Jahresende 1916 musste das Preparedness Movement gleich auf zwei politische Niederlagen zurückblicken. Die erhoffte Einführung der Wehrpflicht war gescheitert und im Weißen Haus würde auch in den nächsten vier Jahren ein Mann residieren, dessen Politik die Bewegung bestenfalls für halbherzig hielt. Trotz dieser Rückschläge setzten die zivilen Organisationen ihre Kampagne mit ungebrochenem Elan fort: Mochten auch wichtige politische Schlachten verloren gegangen sein – der Krieg für Preparedness musste gewonnen werden. Die American Defense Society verkündete im November eine neue Initiative, für die sie einige der führenden Schriftsteller des Landes eingespannte. Bekannte Autoren wie Julian Leonard Street, Hamlin Garland oder Hermann Hagedorn verpflichteten sich in einem pseudo-militärischen Eid, ihre Fähigkeiten in den Dienst der Kampagne zu stellen. Ein professionelles Verteilersystem wurde eingerichtet, das in regelmäßigen Abständen patriotische Preparedness-Texte an 2000 Zeitungen im ganzen Land weiterleiten sollte. Angetan von der Idee sagte auch die NSL ihre Unterstützung für das Projekt zu – ein Signal für die zunehmende Annäherung beider Organisationen.222 Die im Kampf gegen das politische Establishment gefundene Einheit fand schließlich ihren Höhepunkt, als Ende Januar 1917 in Washington die größte

221

Henry A. Wise Wood an Theodore Roosevelt (10. Juni 1916), Roosevelt Papers, Series 1, Reel 211. 222 Vgl. Edwards: NSL, S. 46-48.

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Konferenz in der Geschichte der Bewegung abgehalten wurde: der Congress of Contructive Patriotism.223 Mehr als 2000 akkreditierte Teilnehmer kamen in der Hauptstadt zusammen, um in demonstrativer Nähe zur Bundespolitik ein starkes Zeichen für Preparedness zu setzen. Unter Federführung der NSL war das Movement in seiner gesamten Bandbreite vertreten. Preparednessfreundliche Gouverneure und Bürgermeister schickten ebenso Vertreter wie sympathisierende Handelskammern, Berufsverbände, Gelehrtengesellschaften, Frauenvereinigungen, Technikclubs und Universitätsleitungen aus allen Teilen des Landes. Zudem listete der Tagungsband mehr als 50 ›patriotische‹ Vereinigungen auf, die Repräsentanten nach Washington geschickt hatten.224 Von Veteranenorganisationen bis zu den Pfadfindern waren Gruppierungen aus verschiedensten Segmenten der Gesellschaft vertreten. Knapp anderthalb Jahre nach ihrer Abspaltung von der NSL durfte auch die ADS einen prominenten Platz auf der Veranstaltung beanspruchen; die Animositäten zwischen beiden Organisationen schienen zumindest vordergründig gekittet worden zu sein. Die in ihren Ausmaßen beeindruckende Zusammenkunft brachte sowohl den institutionellen als auch den zivilen Flügel des Preparedness Movement zusammen. Der Congress of Constructive Patriotism konnte daher mit einigem Recht beanspruchen, die Gesamtbewegung in ihrer ganzen Breite und Heterogenität zu repräsentieren. Schon der Titel der Konferenz gab einen Hinweis darauf, welche ideologische Aufladung der Preparedness-Begriff in den vergangenen 12 Monaten erfahren hatte. War das offizielle Leitmotiv der Washingtoner Konferenz vom Januar 1916 noch ganz konventionell die nationale Sicherheit gewesen, ging es diesmal auch nominell um nicht weniger als den amerikanischen Patriotismus selbst. Schon in den programmatischen Leitlinien ließ man keinen Zweifel am Zweck der Tagung: »This Congress of Constructive Patriotism, composed of American men and women representing all sections of the United States, has assembled at Washington believing that patriotism embodies not only the preservation of individual liberty but even more the spirit of service and sacrifice for the benefit of the whole people. We are convinced that the time has come when all men and women throughout the country should be called upon to unite 223 Vgl. Defense Congress Adopts Broad Plan. Universal Training, a Greater Navy, Development of Woman Power, Patriotic Education, in: The New York Times, 28. Januar 1917. 224 Vgl. Proceedings of the Congress of Constructive Patriotism Held Under the Auspices of the National Security League, New York 1917, S. 405-425.

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in recognizing the dangers which beset our Republic. We believe that our citizens, however patriotic and loyal, are nevertheless unprepared to defend our national integrity against other nations […]. Current history teaches a convincing lesson in respect to the power of a united people. It is our ambition that the inspiration now filling the hearts of the men and women of foreign lands shall fill the hearts of our men and women during times of peace. We believe […] our democratic form of government can be most firmly secured by the establishment of equal service of all citizens […]; that through service to our country, civil and military, there shall flow a keener understanding of national duty and a wider comprehension of obligations of citizenship commensurate with the privileges and advantages which are ours.«225 Nach wie vor hielt das Movement die USA für unzureichend gerüstet, um sich in einer Welt voller potenzieller Feinde verteidigen zu können; die Antwort auf die Bedrohung läge gleichermaßen in Aufrüstungsmaßnahmen wie in nationaler Einheit. Die These, dass Preparedness und Amerikanismus zwei Seiten derselben Medaille seien, spiegelte sich deutlich in den programmatischen Leitlinien der Konferenz wider. Gleiches galt für die Vorstellung von Preparedness als moralischem Substitut für den Krieg – eine Idee, die man lediglich in leicht veränderte Worte kleidete. Im Umkehrschluss bedeuteten die beiden Thesen freilich, dass die Gegner von Preparedness weder patriotisch noch moralisch sein konnten. In Hunderten von Wortbeiträgen, die während der dreitägigen Veranstaltung abgegeben wurden, bestätigte sich dieser Eindruck. Nach wie vor arbeitete sich die Bewegung an der Heeresreform vom vergangenen Sommer ab,226 die zum Sündenfall der politischen Entscheidungsträger in Washington erklärt wurde. Der Bürgermeister von New York City nannte den National Defense Act »einen Totalausfall«, der NSL-Vorsitzende hielt den Rechtsakt für »verräterisch« und Roosevelt sprach gar vom »dümmsten und unpatriotischsten Gesetzespaket aller Zeiten«227 . Während einzelne Parlamentarier gewürdigt wurden, ging man mit der Kongressmehrheit hart ins Gericht. Ein Red225 Statement of Principles, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 3-6, hier: S. 3. 226 Das im Naval Act beschlossene Flottenprogramm wurde inzwischen als »einigermaßen zufriedenstellend« gelobt; Menken, S. Stanwood: Foreword of the Congress of Constructive Patriotism, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 13-20, hier: S. 14. 227 Mitchel, John Purroy: Address, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 180-189, hier: S. 184; Menken: Foreword, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 13-20, hier: S. 14;

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ner nannte die Legislative »feige«228 ; ein anderer warf ihr vor, »blind«229 zu sein und lieber zu reden als zu handeln. Präsident Wilson kam in den meisten Wortmeldungen indes besser weg – ein Befund, der nicht zuletzt seiner kürzlich erfolgten Wiederwahl geschuldet gewesen sein dürfte.230 Unter die harsche Kritik am Kongress mischten sich immer wieder Zwischentöne, die vom illiberalen Politikverständnis der Preparedness-Bewegung zeugten. So gab es in Menkens Eröffnungsrede eine bemerkenswerte Passage, in der er auf grundsätzliche Weise mit den politischen Parteien abrechnete: »The political party of to-day is an anachronism; it fulfills no general useful purpose except to forward the views of a few national leaders and provide for the nomination of officeholders.«231 Anstatt Ideen zu entwickeln, die dem Gemeinwohl dienten, seien die modernen Parteien zu Vehikeln von Partikularinteressen verkommen. Ein anderer Redner warnte unter donnerndem Applaus davor, dass es in nationalen Fragen keinen Parteienstreit geben dürfe.232 Hier deutete sich bereits an, was nach dem amerikanischen Kriegseintritt evident werden sollte: Die Preparedness-Bewegung behauptete nicht mehr nur, überparteilich zu sein, sondern propagierte zunehmend eine antipluralistische Weltsicht. Wer sich in Opposition zu den vermeintlichen Kerninteressen der Nation begab, verlor seine politische Legitimität. Roosevelt fasste diesen Absolutheitsanspruch in unmissverständlichen Worten zusammen: »Either we must stand absolutely by our ideals and conceptions of duty, or else we are against them. There is no middle course, and if we attempt to find one, we insure for ourselves defeat and disaster.«233

228 229 230

231 232 233

Roosevelt, Theodore: Letter from Theodore Roosevelt, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 171-178, hier: S. 175. Huidekoper, Frederic L.: Address, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 262-278, hier: S. 264. Rogers Lytton, E.: Address, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 111-115, hier: S. 111. Alton B. Parker würdigte Wilson gar als den »Anführer der [Preparedness-]Bewegung«; Parker, Alton B.: Address, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 8-13, hier: S. 12. Kritische Stimmen, die den Präsidenten offen angriffen, blieben dagegen in der Minderheit; vgl. beispielsweise Thayer, William Roscoe: America’s International Relations, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 39-50, hier: S. 41. Menken: Foreword, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 18. Vgl. Mitchel: Address, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 181. Roosevelt: Letter, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 172-173.

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Roosevelts Worte brachten auf den Punkt, dass es im Freund-Feind-Denken der Bewegung kaum noch Raum für Kompromisse gab. So divers die verschiedenen Themen der Konferenzbeiträge auch waren (unter anderem Militär-, Außen-, Wirtschafts-, Agrar-, Amerikanisierungsund Bildungspolitik), ließ sich doch ein Motiv identifizieren, das fast alle Redner einte: das Streben nach »sozialer Kohäsion«234 . Viele Vorträge kritisierten die gesellschaftlichen Gegensätze, die die USA des frühen 20. Jahrhunderts prägten und präsentierten den gemeinsamen Dienst an der Nation als Ausweg. Das partikularistische Denken in der Bevölkerung, so der allgemeine Tenor, müsse überwunden werden: »We dare not tolerate in this country any affected superiority, based upon wealth, or race, religion or section. We are either one people or we are nothing. The only tolerable claim to superiority, is that of service to the state, and thus far no class or race or section or religion has developed a monopoly in that direction.«235 Während die hier zitierte Kategorie »race« im zeitgenössischen Kontext auch auf die verschiedenen europäisch-stämmigen Ethnien in den Vereinigten Staaten rekurrieren konnte, bezog man die schwarze Bevölkerung explizit in die nationalistische Vision ein. So hieß es in der Rede eines Professors aus Iowa etwa: »Even that race, the only one involuntarily among us, toward which we have been magnanimous but rarely just, has not as yet failed us or will be likely to fail us in the great national crisis.«236 Zwar ist der rassistische Paternalismus dieser Aussage aus heutiger Perspektive offenkundig; für eine Zeit, in der Millionen Afroamerikaner segregiert von der weißen Mehrheitsbevölkerung leben mussten, war eine derartige Würdigung des schwarzen Patriotismus aber durchaus bemerkenswert. Deutlich stärker im Fokus standen jedoch die sogenannten BindestrichAmerikaner. In einem der pessimistischeren Beiträge wurde konstatiert, dass die USA gegenwärtig nicht mehr als eine »Mixtur von vielen Völkern«237

234 Steiner, Edward A.: Nationalizing America, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 82-94, hier: S. 86. 235 Ebd., S. 87. 236 Ebd. 237 Wheaton, H.H.: Address, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 94-100, hier: S. 95.

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seien. Eine konsequente Amerikanisierungspolitik sei jedoch die Grundvoraussetzung für Preparedness. Auch hier war es Roosevelt, der die Richtung vorgab: »The work of preparedness – spiritual and material, civic, industrial and military – and the work of Americanization are simply the two paramount phases or elements of the work of constructive patriotism […]. There can be no real preparedness in this country unless this country is thoroughly Americanized; for only a patriotic people will prepare […].«238 Ein Repräsentant der Handelskammer hielt gar eine Art ›Best-PracticeVortrag‹, in dem er geeignete Assimilierungsmaßnahmen vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen in Detroit vorstellte.239 Der antipartikularistische Impetus der Preparedness-Bewegung ging so weit, dass selbst die Identifikation vieler Amerikaner mit ihrem Bundesstaat infrage gestellt wurde. So hieß es etwa in einem Vortrag: »We are a nation. The varying, historic background of our colonies is all but forgotten, the boundaries of the states carved out of huge territories are nearly obliterated, and are evident to the casual traveler only by the care of difficulty he may have in securing a divorce or drink.«240 Wie sich schon im Streit um die Wehrpflicht gezeigt hatte, sahen viele die föderale Struktur der USA als Bürde für ihre Preparedness-Bestrebungen. Einzelne Bundesstaaten, so die Kritik, würden ihre Kompetenzen kaum nutzen, um die Probleme der Zeit zu lösen.241 Gerade in Sicherheitsfragen komme es aber entscheidend darauf an, »nicht als lose Ansammlung von Staaten […] mit gegensätzlichen Interessen«242 , sondern als geeinte Nation zu agieren. In Hinblick auf die politischen Traditionen Amerikas war ein offenes Infragestellen des Föderalismus zwar nicht opportun; der Hang zum Zentralismus stellte aber ein wichtiges Element der Preparedness-Ideologie dar. Ein weiteres Thema, das viele Konferenzteilnehmer umtrieb, war der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit. Obwohl die anwesenden Repräsentan238 Roosevelt: Letter, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 171. 239 Siehe Piper, Walter C.: Americanizing Detroit, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 104-111. 240 Steiner: Nationalizing, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 85. 241 Vgl. Nagel, Charles: A National Budget Service, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 151-158, hier: S. 154-155. 242 Huidekoper: Address, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 276.

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ten des Movement überwiegend der sozialen Elite angehörten, gaben sie sich betont offen gegenüber den Belangen der unteren Gesellschaftsschichten. Ein Vertreter der NSL plädierte etwa dafür, die Beziehungen zu den Gewerkschaften zu intensivieren, um zu einem besseren Verständnis der sozialen Problemlagen im Lande zu kommen. Habe man den Gesprächskontakt erst einmal etabliert, so die paternalistische Annahme, könne man die Arbeiter sicher über die Vorzüge von Preparedness »aufklären«243 . Ein anderer Redner argumentierte gar, dass sich die Nationalgarde auch deshalb diskreditiert habe, weil sie in der Vergangenheit allzu oft als »Büttel des Kapitals«244 aufgetreten sei und sich gegen streikende Arbeiter gewandt habe. Tatsächlich fanden sich in nicht wenigen Wortbeiträgen kapitalismuskritische Untertöne. Diese basierten allerdings nicht auf marxistischen Einflüssen, sondern hatten ihre ideologischen Wurzeln im agrarischen Republikanismus des späten 18. Jahrhunderts.245 Das Unbehagen der Bewegung richtete sich gegen die materialistischen Exzesse der industriellen Moderne; zugleich bekannte man sich emphatisch zu liberalen Eigentumsvorstellungen.246 Das Problem liege demnach nicht in der Existenz unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten, sondern in deren wachsenden Antagonismus. In einem düstereren Vortrag hieß es gar, die Partikularinteressen von Kapital und Arbeit würden zum Niedergang der Nation führen.247 Aus Sicht der Bewegung würde Preparedness diesen Gegensatz durch einen Geist der Kooperation ersetzen. Die Spaltung der Nation, so ein Redner, müsse überwunden werden: »Now we discern, amid the warfare of aggressive Individualism, ruthless Capitalism and extreme Socialism, the strong figure of Cooperation advancing to the front.«248 In dieser Rhetorik zeigte sich erneut die Anschlussfähigkeit des Movement an die beiden weltanschaulichen Großströmungen der Zeit. Das Streben nach einer harmonisch-organischen Gesellschaftsordnung stellte einen typisch konservativen Topos dar, während 243 Hart, Albert B.: Address, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 278-285, hier: S. 283-284. 244 Winsor, Frederick: Educational Preparedness, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 247-256, hier: S. 249. 245 Vgl. Pearlman: Patricians and Preparedness, S. 2-5. 246 Vgl. Littleton, Martin W.: Address, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 328-335, hier: S. 332 247 Vgl. Winsor: Educational Preparedness, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 250. 248 Myrick, Herbert: Agriculture and Preparedness, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 209-229, hier: S. 228.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

der korporatistische Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit progressiv konnotiert war. Einmal mehr wurde deutlich, dass die nationalistische Vision der Preparedness-Bewegung auf die Überwindung gesellschaftlicher Widersprüche abzielte – seien sie kultureller, sozioökonomischer oder ideologischer Art. Bezeichnenderweise fiel die Verabschiedung der Konferenzresolution, mit der der Patriotismuskongress am 27. Januar 1917 endete, ohne eine einzige Gegenstimme aus. Darin fanden sich einmal mehr bekannte Forderungen wie die Wehrpflicht, der zügige Ausbau der Flotte oder die Aufforderung zur industriellen Koordinierung. Deutlich bemerkenswerter war hingegen der an erster Stelle platzierte Programmpunkt der Resolution: Unter der Überschrift »Patriotism Through Education« sprachen die versammelten Repräsentanten des Preparedness Movement der NSL ihre Unterstützung bei einer neuen Bildungsinitiative aus. Das kürzlich gegründete Bildungskomitee der Organisation erhielt das Mandat, »nationale Moral und Idealismus«249 in die Bevölkerung zu tragen. In der Presseberichterstattung über die Resolution nur als Randaspekt beleuchtet,250 zeichnete sich hier eine Neuorientierung ab, die das öffentliche Bild der Preparedness-Kampagne bald nachhaltig prägen sollte. Einstweilen galt es für die zivilen Organisationen jedoch, sich gegenüber den deutsch-amerikanischen Spannungen zu positionieren, die im Frühjahr 1917 eskalierten.

3.3.3

Das Ende der amerikanischen Neutralität

Wie bereits herausgearbeitet wurde, war die Frage eines amerikanischen Kriegseintritts für das Preparedness Movement stets heikel geblieben. Anders als in der älteren Literatur dargestellt, wurde die Bewegung keineswegs von pro-alliierten Propagandisten dominiert, sondern war in dem Punkt ähnlich zerrissen wie die Gesamtbevölkerung. Während Roosevelt und einige andere Politiker vom institutionellen Flügel in den vergangenen Monaten immer lautstarker eine Intervention gefordert hatten, vertraten die zivilen Organisationen auch noch zu Jahresbeginn 1917 die offizielle Position, dass Preparedness die amerikanische Neutralität nicht gefährden, sondern bewahren würde. Unabhängig davon, dass führende Funktionäre im privaten Rahmen durchaus Kriegsbereitschaft signalisierten, galt »preparation

249 Principles, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 4. 250 Vgl. Defense Congress Adopts Broad Plan., in: NYT, 28. Januar 1917.

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against war«251 in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor als ein zentraler Leitspruch der Kampagne. Ein Umschwenken auf Interventionskurs barg insofern die Gefahr eines erheblichen Glaubwürdigkeitsverlusts. Hinzu kam, dass die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung einen Kriegseintritt nach wie vor ablehnte – eine Stimmungslage, der Präsident Wilson zuletzt am 22. Januar 1917 Rechnung trug, als er die Europäer unter dem Motto ›Frieden ohne Sieg‹ zur Beilegung der Feindseligkeiten aufrief.252 Auf dem Congress of Constructive Patriotism offenbarte die Debatte über die deutsch-amerikanischen Beziehungen erhebliche Friktionen innerhalb der Bewegung. Während die meisten Redner das kontroverse Thema ausklammerten, griffen einige erklärte Interventionisten den Neutralitätskurs der Wilson-Administration offen an. Der Schriftsteller William Roscoe Thayer ließ keine Zweifel daran, welcher Kriegspartei er zuneigte: »Only a moral eunuch could be neutral in the sense implied by the malefic dictum of the President of the United States. I deny that there is no distinction between the ravisher and his victim; between Germany, brutalized by the creed of Moloch, and France heroically defending herself against the Teuton monster. I deny that a conflict in which civilization is at stake does not concern Americans.«253 Auch der ehemalige Kriegsminister Elihu Root schloss seine Rede über »Amerikas gegenwärtige Bedürfnisse«254 mit einer deutlichen Sympathiebekundung für die Entente, deren Kriegsführung gegen Deutschland er zum Kampf um die Freiheit der Menschheit stilisierte. Obwohl das Konferenzprotokoll durchaus Beifall für diese Beiträge vermerkte, regte sich bald Widerstand unter einem Teil der anwesenden Delegierten. Abweichend von der regulären Tagesordnung erteilte die Konferenzleitung Ludwig Nissen das Wort, um eine Gegenrede zu halten. Der Deutsch-Amerikaner und stellvertretende Vorsitzende der NSL-Ortsgruppe in Brooklyn widersprach Root und warf ihm »pro-alliierte Propaganda«255 vor. Der Ex-Minister habe zwar ein Recht auf seine Meinung; bei einer Tagung, 251 252 253 254

Unpreparedness of Our Country, S. 2. Siehe An Address to the Senate, in: Wilson Papers 40 (1916/17), S. 533-539. Thayer: Relations, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 41. Vgl. Root, Elihu: America’s Present Needs, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 23-35, hier: S. 23. 255 Nissen, Ludwig: Remarks, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 100-104, hier: S. 101.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

die sich dem amerikanischen Patriotismus widme, sei eine derart einseitige Parteinahme aber eine »dreiste Unverschämtheit«256 . Nissen verwarf in einem außenpolitischen Kurzreferat den Vorwurf der deutschen Aggression und rechtfertigte das Vorgehen des Kaiserreichs. Seine Ausführungen wurden immer wieder durch Zwischenrufe, Beifall und Unmutsbekundungen unterbrochen. Folgt man den im Konferenzprotokoll vermerkten Reaktionen des Publikums, schien eine Mehrheit Nissens Rede negativ aufgenommen zu haben; ein relevanter Teil der Anwesenden äußerte aber auch Zustimmung. In jedem Fall demonstrierte die Episode, die die lebhaftesten Szenen der dreitätigen Konferenz hervorbrachte, wie kontrovers das Thema war. Die Preparedness-Bewegung konnte kein Interesse an einer weiteren Debatte haben, gefährdete eine weitere Polarisierung doch den Zusammenhalt in ihrer Anhängerschaft. Tatsächlich war vielen Teilnehmern des Patriotismuskongresses daran gelegen, den spalterischen Disput zu entschärfen. So erntete ein Delegierter großen Beifall, der in einem Zwischenruf erklärte, man wolle nichts mehr über den Europäischen Krieg hören. Ein guter Amerikaner, so sein salomonisches Urteil, könne sowohl den Deutschen als auch den Alliierten die Daumen drücken.257 Diese Perspektive wurde schon wenige Tage später obsolet, als das deutsch-amerikanische Verhältnis einen neuen Tiefpunkt erreichte. Am 1. Februar 1917 nahm das Kaiserreich den Uneingeschränkten U-Boot-Krieg wieder auf; die Wilson-Administration reagierte zwei Tage später mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Das Preparedness Movement nahm die eskalierende Krise zum Anlass, seine bereits auf der Washingtoner Tagung zelebrierte Einigkeit demonstrativ zu festigen. Diese Bemühungen mündeten am 21. Februar in der Gründung des National Committee of Patriotic and Defense Societies. Dem neuen Dachverband unter Führung des Universitätskurators George W. Pepper gehörten knapp 20 Mitgliedsorganisationen an, die für Preparedness und Amerikanismus eintraten – erstmals waren NSL und ADS offiziell miteinander affiliiert.258 Damit vertrat 256 Ebd. 257 Vgl. ebd., S. 103. 258 Neben NSL und ADS gehörten folgende Organisationen zu den Gründungsmitgliedern des National Committee: Aeronautical Society of America, American Rights League, Army League, Boy Scouts, National Chamber of Commerce, Daughters of the Cincinnati, Daughters of the American Revolution, Plattsburg Training Camp Association, Loyal Legion, Navy League, National Association for Universal Military Training, National Civic Federation, National Society Daughters of Founders and Patriots of Amer-

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das National Committee den Großteil des zivilen Spektrums der Bewegung und konnte ein wesentlich höheres Maß an Repräsentativität beanspruchen als es dem Conference Committee von 1915 möglich gewesen war. Die viel beschworene Kooperation blieb allerdings oberflächlich. Das National Committee reproduzierte die strukturellen Defizite, die schon das Conference Committee zu einem Schattendasein verdammt hatten. So sollte der neue Dachverband zwar als Koordinationsinstanz fungieren und insbesondere gegenüber den politischen Entscheidungsträgern in Washington als ›Stimme der Bewegung‹ auftreten; die einzelnen Mitgliedsorganisationen waren jedoch nach wie vor autonom in ihrem operativen Vorgehen.259 In der Praxis beließ man es bei kooperativen Lippenbekenntnissen und stimmte die Öffentlichkeitsarbeit nur punktuell ab. Hinzu kam, dass es immer noch zu lokalen Neugründungen von Organisationen kam. Das National Committee sah sich gar zu einer missbilligenden Presseerklärung gezwungen, in der es die fortschreitende Zersplitterung kritisierte: »Preparedness […] societies are springing up everywhere, with the result that purposes are becoming confused and efforts constantly duplicated. The committee appeals to patriotic citizens to join one of the existing societies rather than to organize new ones. It points out that preparedness means efficiency, and efficiency is secured by eliminating useless effort.« Doch auch dieser Appell verhallte weitgehend unbeachtet. Selbst die heraufziehende Krise änderte wenig daran, dass sich die Bewegung weiter ausdifferenzierte. Während sich ihr ideologischer Anti-Pluralismus verschärfte, blieb ihr Hang zum organisatorischen Partikularismus ungebrochen. Einstweilen standen jedoch außenpolitische Fragen auf der Tagesordnung. Ähnlich wie die amerikanische Bevölkerung insgesamt schwenkte die NSL im Frühjahr 1917 nur zögerlich auf Kriegskurs um. Nach der Wiederaufnahme des deutschen U-Boot-Krieges unterstützte sie den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwar emphatisch, forderte aber vorerst keine weitergehenden Schritte. Die internen Protokolle der Vorstandssitzungen vom Februar lassen vielmehr darauf schließen, dass die NSL-Führung eine ica, Daughters of 1812, Naval and Military Order of the Spanish-American War, Military Training League, Power Craft Association. Später schlossen sich weitere ›patriotische‹ Organisationen dem Verband an. 259 Vgl. Baker Laying Plans for War Purchases. Twenty-three Defense Societies Appoint a National Committee to Co-ordinate Their Efforts, in: The New York Times, 22. Februar 1917; George W. Pepper to Leonard Wood (16. März, 1917), in: Wood Papers, Box 102.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

Art ›Kalten Krieg‹ zwischen den USA und Deutschland erwartete, von dessen innenpolitischen Implikationen sie sich eine größere Akzeptanz für ihre Agenda erhoffte.260 Offenkundig ging man zunächst nicht von unmittelbarer Kriegsgefahr aus, sondern plante weiterhin mittel- bis langfristig. Dieser Eindruck korrespondiert mit einem Kommentar aus dem Umfeld des Preparedness-Dachverbands, in dem es noch Ende Februar hieß, man würde etwa fünf Jahre brauchen, um die Nation verteidigungstauglich zu bekommen.261 Diese Prognosen mögen in der Rückschau befremdlich wirken, waren aus Sicht der Zeitgenossen aber durchaus plausibel. Immerhin war das Preparedness Movement stets davon ausgegangen, dass es der Rüstungsrückstand der Vereinigten Staaten schlicht nicht erlaube, gegenwärtig einen großen Krieg zu führen. Bezeichnenderweise befasste sich die NSL im Februar mehr mit einer neuen Gesetzesinitiative zur Einführung der Wehrpflicht als mit den diplomatischen Verwicklungen zwischen Berlin und Washington.262 Von massenhaftem Bellizismus konnte im zivilen Teil der Bewegung insofern keine Rede sein. Selbst als die Zimmermann-Depesche am 1. März publik wurde, vergingen noch mehrere Wochen bis die zivilen Organisationen einen Kriegseintritt der USA forderten. Die NSL verkündete einen Tag nach der Veröffentlichung der Note, dass angesichts der »deutschen Drohung einer Invasion und Zerschlagung der Vereinigten Staaten«263 alle loyalen Amerikaner zur Wachsamkeit aufgerufen seien. Dies klang zwar konfrontativer als frühere Presseerklärungen, beinhaltete aber keine offene Aufforderung zum Kampf gegen Deutschland. Selbst als die NSL kurz darauf eine Sondersitzung des Kongresses forderte, tat sie dies nicht etwa mit dem Ziel einer Kriegserklärung, sondern unter der Prämisse, dass nun endlich die Wehrpflicht eingeführt werden 260 Vgl. Minutes (5. Februar 1917), in: Lydecker Papers, Box 13, Folder 2. Von der ADS sind keine Quellen vom Februar 1917 überliefert, die Rückschlüsse auf ihre Positionierung gegenüber einem baldigen Kriegseintritt zulassen. 261 Vgl. Baker Laying Plans, in: NYT, 22. Februar 1917. 262 Senator George Chamberlain hatte am 10. Februar einen neuen Gesetzesentwurf in den Senat eingebracht, der einen sechsmonatigen Militärdienst für alle Männer vorsah; am 23. Februar schlug Kriegsminister Newton Baker dem Militärausschuss gar eine zwölfmonatige Dienstpflicht vor. Beide Initiativen scheiterten an einem Filibuster und wurden bald durch den Kriegseintritt obsolet; vgl. Mooney, Chase C./Layman, Martha E.: Some Phases of the Compulsory Military Training Movement, 1914-1920, in: The Mississippi Valley Historical Review 38/4 (1952), S. 633-656, hier: S. 643-645. 263 Security League Asks »Immediate Action«. Appeals »to Vigilant Americans« to Wire Wilson, Offsetting Pacifists’ Telegrams, in: The New York Times, 2. März 1917.

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»Fight for Americanism«

müsse.264 Tatsächlich veröffentlichte die Organisation noch am 15. März ein Pamphlet, in dem sie ihren Friedenswunsch zum Ausdruck brachte und Krieg nur als allerletztes Mittel der Politik guthieß.265 Auch die ADS verhielt sich zunächst zurückhaltend und sprach Mitte des Monats noch auffallend vage von einer »Krise« und einem »drohenden Angriff«266 , nicht aber von einem unmittelbar bevorstehenden Eintritt in den europäischen Konflikt. Erst als nach der Versenkung mehrerer US-Frachter durch deutsche U-Boote auch in der Gesamtbevölkerung Kriegsstimmung aufkam, bekannten sich die beiden führenden Preparedness-Organisationen zur Ultima Ratio. Die ADS sprach sich am 27. März offiziell für den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten aus.267 Die NSL ließ noch einige weitere Tage verstreichen und verkündete erst kurz nach Wilsons Kriegsbotschaft vom 2. April, dass sie den Kampf gegen Deutschland »aus vollem Herzen«268 unterstützen werde. Die verhältnismäßig späte Kriegsbegeisterung der zivilen Organisationen war gerade im Vergleich zu den Repräsentanten des institutionellen Flügels der Bewegung augenfällig. Während die politisch-militärischen Zirkel um Roosevelt und Wood bereits seit der Versenkung der Lusitania mehr oder weniger offen für eine Intervention plädiert hatten, bezogen NSL und ADS zu einem denkbar späten Zeitpunkt Stellung. Die Gründe hierfür dürften sowohl taktischer als auch ideologischer Art gewesen sein: Einerseits mussten sie als Massenorganisationen Rücksicht auf die bis März 1917 mehrheitlich isolationistische Grundstimmung in der Bevölkerung nehmen und konnte sich daher nicht leichtfertig von ihren jahrelangen Neutralitätsbekundungen verabschieden. Andererseits bestätigte sich einmal mehr, dass der Fixpunkt im Denken der meisten Anhänger der Bewegung die innere Verfasstheit Amerikas war. Ihr Nationalismus hatte lange Zeit mit einem geringen Interesse an der Welt außerhalb der Vereinigten Staaten korrespondiert. 264 Vgl. Indorse Extra Session. Security League Approves Britten’s Bill Calling New Congress, in: The New York Times, 4. März 1917. 265 Vgl. NSL. What It Is, S. 4. 266 War Danger Given as Unions’ Reason for Striking Now. Must Win 8-Hour Day on Railways Before Hostilities Begin, or Wait Long, Says Lee, in: The New York Times, 15. März 1917. 267 Vgl. Urges War with Full Vigor. Defense Society Demands All Necessary Co-Operation with Allies, in: The New York Times, 28. März 1917. 268 Minutes (4. April 1917), in: Lydecker Papers, Box 13, Folder 2. Die Gründe für die auffallend späte Stellungnahme der NSL gehen aus den Quellen nicht hervor. Gegebenenfalls war ein früheres Zusammentreten des Vorstands aus terminlichen Gründen nicht möglich.

3 Preparedness während der Neutralitätsperiode

In der Frage des Kriegseintritts zeigte sich nicht zuletzt eine weltanschauliche Differenz zwischen dem institutionellen und dem zivilen Flügel des Movement. Während die Preparedness-affinen Politiker um Roosevelt stark von der außenpolitischen Denktradition des Hamiltonianism geprägt waren, zeigten viele einfache Mitglieder von NSL oder ADS wenig Interesse an den geostrategischen oder weltwirtschaftlichen Feinheiten des internationalen Systems. Ihr martialischer, aber interventionismusskeptischer Blick auf die Welt basierte auf der Ideenwelt des Jacksonianism.269 Der Europäische Krieg war für viele zivile Anhänger der Bewegung wenig mehr als eine Folie gewesen, vor deren Hintergrund sich Preparedness leichter realisieren ließ – gewissermaßen ein »Schreckgespenst«270 , wie es ein zeitgenössischer Kritiker bereits 1916 formuliert hatte. Erst als sich die abstrakte Bedrohung jenseits des Ozeans unmissverständlich als Gegner Amerikas zu erkennen gab, nahmen die Preparedness-Organisationen den Fehdehandschuh auf. Die nationale Ehre, so ihre Überzeugung, ließe den Vereinigten Staaten keine andere Wahl. Man würde nicht eher ruhen, bis der Feind vernichtend geschlagen war.271

269 Zur – freilich idealtypischen – Abgrenzung der insgesamt vier Denkschulen, die die US-Außenpolitik nach einer weit verbreiteten Auffassung in der Politikwissenschaft geprägt haben, siehe Meade, Walter Russell: Special Providence. American Foreign Policy and How It Changed the World, New York 2001. 270 Zitiert nach Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 4. 271 Vgl. Annual Report of the President of the National Security League. Delivered at the Metropolitan Opera House New York City, May 8th, 1918, New York 1918, S. 13.

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4 »The Awakening of America Has Created a National Soul« – Preparedness in Kriegszeiten

4.1

Kontinuität und Transformation: Die Mobilisierung der amerikanischen Zivilgesellschaft (Frühling 1917 – Frühling 1918)

Der 6. April 1917 gilt nicht nur als eine der großen Zäsuren in der Geschichte der Vereinigten Staaten,1 sondern markiert auch den wohl wichtigsten Wendepunkt in der Entwicklung des Preparedness Movement. Tatsächlich waren die Auswirkungen des amerikanischen Kriegseintritts derart einschneidend, dass viele Historiker das Datum als Endpunkt in der Geschichte der Bewegung interpretiert haben.2 Dieses Missverständnis erklärt sich vor allem aus der bereits beschriebenen Verengung der Forschung auf die institutionellen Akteure um Theodore Roosevelt und Leonard Wood. Statt sich weiterhin in den teils abstrakten Debatten des PreparednessDiskurses zu erschöpfen, strebten die beiden Wortführer der Bewegung eine aktive Rolle in der amerikanischen Kriegsführung an. Roosevelt hatte sich in den Kopf gesetzt, wie schon im Spanisch-Amerikanischen Krieg eine Freiwilligen-Division aufzustellen, an deren Spitze er gegen die Deutschen zu Felde ziehen wollte. Der Reiz des Schlachtenruhms übertraf selbst seine tiefe Abneigung gegenüber Wilson, auf dessen Zustimmung er für den Plan angewiesen war. Roosevelt blieb nichts anderes übrig als seine Preparedness-Agitation, die bei ihm stets eine administrationsfeindliche Komponente gehabt hatte, einstweilen auf ein Minimum zu reduzieren. Am Unwillen

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Vgl. Berg: Wilson, S. 118. Für die in der Literatur vorherrschenden Periodisierung von Preparedness vgl. Kap. 1.4 dieser Arbeit.

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»Fight for Americanism«

Wilsons, das skurrile Angebot des fast 60-jährigen, auf einem Auge blinden Ex-Präsidenten anzunehmen, änderte dies allerdings nichts.3 Die meisten anderen politischen Repräsentanten der Bewegung schränkten ihre Kritik an der Regierungspolitik ebenfalls deutlich ein, um patriotische Einigkeit zu demonstrieren. Gleiches galt für die diskreteren Aktivitäten der institutionellen Akteure im Offizierskorps und der Militärverwaltung, die durch die anlaufenden Kriegsanstrengungen drängendere Prioritäten hatten als weiterhin Einfluss auf die öffentliche Debatte zu nehmen.4 Anders als im Falle Roosevelts kam das Kriegsministerium nicht umhin, dem hochdekorierten General Wood eine aktive militärische Rolle zu übertragen. Angesichts seiner jahrelangen Insubordination gegenüber der politischen Führung verwehrte man ihm aber das erhoffte Kommando an der Front und übertrug ihm stattdessen die Rekrutenausbildung in Camp Funston, Kansas. Derart kaltgestellt, drangen Woods gelegentliche Unmutsbekundungen über die amerikanische Kriegsführung kaum noch an die Öffentlichkeit.5 Obgleich der institutionelle Teil der Preparedness-Bewegung nach dem Kriegseintritt weitgehend verstummte, sahen die zivilen Organisationen keinerlei Grund, ihre Kampagne einzustellen. Die NSL-Führung dementierte anderslautende Gerüchte, als sie am 28. Mai 1917 einen Rundbrief an alle Ortsgruppen verschickte. Darin hieß es explizit: »Our country being actually engaged in war and the Government being occupied with all sorts of war measures […] a great many people are of the impression that the National Security League has attained its object and that we have no further work to do. Nothing could be further from the truth. In spite of all our efforts, and in spite of the facts, which prove that our alarm over our country’s defenseless condition was well founded, there still remains a large body of citizens unconvinced and half asleep.«6 Der Rundbrief deutete bereits an, welches Motiv die Arbeit der PreparednessOrganisationen nach dem Kriegseintritt prägen sollte. Amerikas Verwicklung in den europäischen Konflikt, so der Tenor, habe endgültig bewiesen, dass die Warnungen der Bewegung von Anfang an berechtigt gewesen seien: Gab der

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Vgl. Eisenhower: Roosevelt & Wood, S. 153-154. Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 188-194. Vgl. Eisenhower: Roosevelt & Wood, S. 154-157. Zitiert in Hart, Albert B./Beck, James M. (Hg.): America at War. A Handbook of Patriotic Education References, New York 1918.

4 Preparedness in Kriegszeiten

Gang der Ereignisse ihnen in den Augen der Öffentlichkeit nicht eine bisher ungekannte moralische Autorität? Würde es die Ausnahmesituation des Krieges nicht ermöglichen, eine umfassende Preparedness-Agenda durchzusetzen? War jetzt nicht die Stunde gekommen, ihre nationalistische Vision für Amerika endlich zu verwirklichen?7 Nachdem sich National Security League und American Defense Society in den vergangenen zweieinhalb Jahren mühsam etabliert hatten, wäre eine Selbstauflösung in der Tat überraschend gewesen. Zwar ließen einige Funktionäre mit militärischem Hintergrund ihre PR-Tätigkeit ruhen, um sich zum aktiven Kriegsdienst zu melden;8 die meisten setzten ihre Arbeit aber ungebrochen fort. Dabei dürfte auch die verlockende Aussicht eine Rolle gespielt haben, dass der zivile Flügel mit dem weitgehenden Ausfall seines institutionellen Gegenstücks faktisch zur alleinigen Stimme der Bewegung wurde. Während sich ihre Verbündeten in Politik, Verwaltung und Militär dem Kriegsgeschehen in Europa zuwandten, wollten die PreparednessOrganisationen ihren patriotischen Beitrag an der Heimatfront leisten.

4.1.1

Die amerikanische Mobilisierung und der Bedeutungswandel von Preparedness

Trotz aller Zurückhaltung in der Vergangenheit zeigte sich schon kurz nach dem Kriegseintritt, dass Administration und Kongress zu einer umfassenden Mobilisierung des militärischen Potenzials der Vereinigten Staaten bereit waren. Anders als von einigen Beobachtern im Vorfeld angenommen, beschränkten sich die USA nicht auf eine indirekte Rolle als ökonomisches Arsenal der Alliierten.9 Stattdessen stellte die Regierung eine eigenständige amerikanische Expeditionsstreitkraft für die Front auf, die dem Kommando des Generals John J. Pershing unterstellt wurde.10 Angesichts des gewaltigen

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Vgl. Annual Meeting of the National Security League Held at the Hotel Astor, New York City (2. Mai 1917), New York 1917, S. 13. Vgl. Minutes of the Meeting of the Executive Committee of the National Security League (9. Mai 1917), in: Lydecker Papers, Box 13, Folder 2; What the American Defense Society Is Doing, New York 1917, S. 3. Vgl. Kennedy: Over Here, S. 168-169. Mit John J. Pershing entschied sich die Wilson-Administration für einen Befehlshaber über die American Expeditionary Force, der sich in der Vergangenheit weitgehend loyal zum Regierungskurs verhalten hatte und als Gegner Leonard Woods galt; vgl. Eisenhower: Roosevelt & Wood, S. 151-157.

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»Fight for Americanism«

Bedarfs an Soldaten brach der politische Widerstand gegen die Wehrpflicht, der in den vergangenen zwei Jahren zu erbitterten Debatten geführt hatte, innerhalb weniger Wochen zusammen. Von Wilson erstmals in seiner Kriegsbotschaft vom 2. April gefordert und Ende des Monats mit großer Mehrheit vom Kongress verabschiedet, trat der Selective Service Act11 bereits am 18. Mai 1917 in Kraft. Damit waren alle Männer im Alter zwischen 21 und 30 Jahren verpflichtet,12 sich für die Dauer des Krieges registrieren zu lassen. Anders als im Bürgerkrieg, als die mangelnde Wehrgerechtigkeit zu massiver Unzufriedenheit in Teilen der Bevölkerung geführt hatte, unterlag die Auswahl der Wehrpflichtigen nicht der U.S. Army selbst, sondern wurde dezentral organisiert. Für die Einberufung zeichneten 4000 lokale Draft Boards verantwortlich, die sich aus zivilen Honoratioren der jeweiligen Gemeinden zusammensetzten. Diese Regelung trug erheblich zur breiten gesellschaftlichen Akzeptanz der Wehrpflicht bei. Ausnahmen vom Militärdienst waren für unabkömmliche Familienväter und Beschäftigte in kriegswichtigen Positionen vorgesehen; Verweigerer aus religiösen Gründen dienten ohne Waffe in den Streitkräften. Männer, die sich dem Wehrdienst entzogen, mussten mit strafrechtlicher Verfolgung (und gesellschaftlicher Ächtung) rechnen. Nach ihrer Einberufung durchliefen die Rekruten ein obligatorisches Grundlagentraining in eilig errichteten Ausbildungscamps, bevor sie einer militärischen oder logistischen Position bei den Streitkräften zugewiesen wurden. In der Rückschau kann konstatiert werden, dass die Wehrpflicht ihren Zweck, ein amerikanisches Massenheer auszuheben, weitgehend erfüllte. Bis Kriegsende registrierten sich fast 24 Millionen Männer – davon wurden 2,7 Millionen eingezogen, während weitere zwei Millionen als Freiwillige dienten.13 Auch auf wirtschaftlichem Gebiet griff die US-Regierung nach dem Kriegseintritt zu Maßnahmen, die in Friedenszeiten als undenkbar galten. Obgleich die Wilson-Administration in vielen Fällen auf das progressive Ideal einer freiwilligen Kooperation zwischen Staat und Privatwirtschaft setzte, kam es zu einem bisher nicht gekannten Ausmaß an Reglementierungen.

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Der euphemistische Titel des Gesetzesaktes sollte suggerieren, dass es sich bei den eingezogenen Soldaten um eine privilegierte Gruppe handele; vgl. Keene: First World War, S. 29. Im August 1918 wurde die Altersspanne auf alle 21- bis 45jährigen ausgedehnt. Vgl. Chambers: The Draft, 179-237; Kennedy: Over Here, S. 144-167.

4 Preparedness in Kriegszeiten

Angesichts des amerikanischen Rüstungsrückstands waren erhebliche Anstrengungen erforderlich, um Millionen Soldaten mit Waffen und Ausrüstung auszustatten. Im Juli 1917 wurde das War Industries Board unter Vorsitz des Bankiers Bernard Baruch gegründet, das als Koordinierungsinstanz für die ökonomische Mobilisierung des Landes fungierte. Kurze Zeit später folgten eigene Behörden zur Regulierung der Lebensmittel- und Treibstoffversorgung. Die Administration griff massiv in die marktwirtschaftliche Ordnung ein, indem sie Preis- und Rohstoffkontrollen einführte, verbindliche Produktionsquoten vorgab und selbst staatliche Rüstungsfabriken errichtete. Der Spitzensatz der Einkommenssteuer wurde sukzessive von 13 auf mehr als 70 Prozent erhöht. Als es Ende 1917 zu Engpässen im Transportwesen kam, wurden gar die privaten Eisenbahnunternehmen unter staatliche Aufsicht gestellt. Um Arbeitskämpfe in kriegswichtigen Industrien zu verhindern, übte die Regierung zudem Druck auf die Tarifparteien aus. Insgesamt stellte der ökonomische Dirigismus während des Ersten Weltkriegs einen markanten Bruch mit den liberalen Wirtschaftstraditionen des Landes dar.14 Unter dem Primat des Krieges beschränkte sich die Regierung nicht nur auf die Mobilisierung des militärischen und wirtschaftlichen Potenzials des Landes, sondern nahm auch die Zivilgesellschaft in den Fokus. Bereits Mitte April 1917 verfügte der Präsident die Gründung des Committee on Public Information (CPI), das sich bald zur zentralen Institution der amerikanischen Kriegspropaganda im In- und Ausland entwickelte. Das CPI unter Leitung des Journalisten und Wilson-Vertrauten George Creel nahm massiven Einfluss auf die öffentliche Meinung, um die in Teilen immer noch skeptische US-Bevölkerung auf die Kriegsanstrengungen einzuschwören. Das Komitee koordinierte die landesweite Verteilung von propagandistischen Pamphleten und Plakaten; auch das noch junge Medium Film wurde für die Kampagne eingespannt. Öffentliche Vorträge und Ausstellungen zielten darauf ab, die kriegsbedingten Einschränkungen und den Kampf gegen Deutschland ins rechte Licht zu rücken. Während Creel für seine Behörde in Anspruch nahm, lediglich dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung nachzukommen, trug die CPI-Propaganda erheblich zur wachsenden Hysterie an der amerikanischen Heimatfront bei.15 14 15

Vgl. Berg: Wilson, S. 128; Keene: First World War, S. 23-28; Koistinen: Economy of Warfare, S. 198-267. Vgl. Axelrod, Alan: Selling the Great War. The Making of American Propaganda, New York 2009, S. 77-174; Hughes, Richard L.: Propaganda. Wilson and the Committee on Public Information, in: Kennedy (Hg.): Companion Wilson, S. 308-322, hier: S. 308-310.

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In Folge des Kriegseintritts entstand eine zunehmende Atmosphäre der Repression, die sich gegen vermeintlich illoyale Bevölkerungsgruppen in der US-Gesellschaft richtete – insbesondere Pazifisten, Sozialisten und Einwanderer. Die Regierung trug zu dieser Entwicklung bei, indem sie die bürgerlichen Freiheitsrechte einschränkte. Unter den Bestimmungen des im Juni 1917 verabschiedeten Espionage Act konnten Meinungsäußerungen, die die amerikanischen Kriegsanstrengungen unterminierten, strafrechtlich verfolgt werden.16 Der Wortlaut des Gesetzes war derart vage, dass einer willkürlichen Auslegung Tür und Tor geöffnet wurde. Kritiker der Regierungspolitik waren fortan dem Risiko ausgesetzt, in den Fokus der Justiz zu geraten. So wurde der Sozialistenführer Eugene V. Debs 1918 zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, weil er die amerikanische Kriegsführung verdammt und öffentlich seine Sympathien für Wehrdienstverweigerer bekundet hatte. Der Espionage Act ermöglichte es außerdem, unliebsame Zeitungen faktisch zu zensieren, indem man ihnen die Beförderung mit dem staatlichen Postdienst verweigerte – eine Möglichkeit, von der der zuständige Minister regen Gebrauch machte.17 Die paranoide Vorstellung, dass die Vereinigten Staaten massenhaft von feindlichen Spionen unterwandert seien, führte nicht zuletzt zu einem drastischen Anstieg von Denunziationen und Selbstjustiz. Vor allem die DeutschAmerikaner, die vor dem Krieg als vorbildlich integrierte Einwanderergruppe gegolten hatten, gerieten unter Generalverdacht. Obwohl viele ihren Patriotismus durch besonders eifrige Loyalitätsbekundungen zu demonstrieren versuchten, standen sie im Ruf, heimlich mit dem Kriegsgegner zu sympathisieren. In einem besonders aufsehenerregenden Fall lynchte ein Mob in Collinsville, Illinois, im April 1918 den deutsch-stämmigen Einwanderer Robert Prager, dem sozialistische Umtriebe vorgeworfen wurden. Obwohl die Beweislage gegen die Täter erdrückend war, sprach ein Geschworenengericht

16 17

Siehe außerdem McCarthy, Michael: Art. »Committee on Public Information«, in: Venzon (Hg.): Encyclopedia, S. 162-164. Durch den Sedition Act vom Mai 1918 wurden die gesetzlichen Bestimmungen nochmals verschärft. Vgl. Johnson, Donald: The Challenge to American Freedoms. World War I and the Rise of the American Civil Liberties Union, Lexington 1963, S. 55-84; Ross, William G.: World War I and the American Constitution, Cambridge u.a. 2017, S. 267-318. Zur Historiografie der Repressionsmaßnahmen im Ersten Weltkrieg siehe Kennedy, Kathleen: Civil Liberties, in: Kennedy (Hg.): Companion Wilson, S. 323-342.

4 Preparedness in Kriegszeiten

Pragers Mörder frei.18 Während tödliche Übergriffe auf Zivilisten die Ausnahme blieben, kam das einst blühende kulturelle Leben der deutschen Gemeinschaft fast vollständig zum Erliegen: Deutsch-Amerikanische Organisationen und Zeitungen sahen sich zur Selbstauflösung gezwungen, der Deutschunterricht wurde an zahlreichen Schulen verboten, deutsche Literatur und Musik verschwanden vielerorts aus der Öffentlichkeit und deutsche Namen und Begriffe fielen dem Amerikanisierungsdruck zum Opfer.19 Angesichts der weitgehenden Maßnahmen, die die Regierung zur militärischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Mobilisierung Amerikas ergriff, könnte man annehmen, dass die Preparedness-Bewegung mit einiger Zufriedenheit auf die Entwicklungen blickte: Der Widerstand gegen die Wehrpflicht war gebrochen, die US-Wirtschaft forcierte die Kriegsproduktion und in der Bevölkerung schien das Bedürfnis nach gesellschaftlicher Homogenität zu wachsen. Als die National Security League einige Wochen nach dem Kriegseintritt zu ihrer Jahrestagung in New York City zusammenkam, zeichnete ihre Führung die aktuelle Lage jedoch in düsteren Farben. Stanwood Menken begann seine Eröffnungsrede mit den dramatischen Worten, dass die NSL mit ihrem Ziel, die Nation auf drohende Gefahren vorzubereiten, »gescheitert«20 sei. Angesichts ihrer schwachen Rüstung seien die Vereinigten Staaten gegenwärtig kaum in der Lage, erfolgreich Krieg zu führen. Ein ähnlich alarmistisches Narrativ verbreitete auch die American Defense Society. Wollten die USA nicht unter die Knute einer deutschen Weltherrschaft geraten, müssten sie sich voll und ganz der Kriegsführung verschreiben.21 Etwas später hieß es, dass die »enthusiastische Unterstützung«22 aller 100 Millionen Amerikaner von Nöten sei, um den Krieg zu gewinnen. An der Heimatfront könne jeder Bürger seinen Beitrag leisten, indem er sich hinter die ADS und ihre Arbeit stelle. Mit ihrem neu adaptierten

18 19

20 21 22

Siehe Stehman, Peter: Patriotic Murder. A World War I Hate Crime for Uncle Sam, Lincoln 2018. Vgl. Nagler, Jörg: Nationale Minoritäten im Krieg. »Feindliche Ausländer« und die amerikanische Heimatfront während des Ersten Weltkriegs, Hamburg 2000, S. 182-335; Wüstenbecker, Katja: Deutsch-Amerikaner im Ersten Weltkrieg. US-Politik und nationale Identitäten im Mittleren Westen, Stuttgart 2007, S. 245-304. Annual Meeting 1917, S. 5. Vgl. Kaiser May Win, Says Hill. Ex-Ambassador Also Suggests That Roosevelt Might Help Russia, in: The New York Times (30. Mai 1917). Vgl. Richard M. Hurd an Charles S. Davison (5. September 1917), in: ADS Records, Box 1, Folder 1.

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Leitspruch »Serve at the Front or Serve at Home«23 machte die Preparedness-Organisation deutlich, dass sie nicht weniger als die Mobilisierung der gesamten Nation anstrebte. Diese frühen Verlautbarungen von NSL und ADS deuteten bereits an, welches Grundmotiv ihre Kampagne während des Krieges dominieren sollte. Die anlaufenden Mobilisierungsmaßnahmen gingen dem von den zivilen Organisationen dominierten Preparedness Movement in vielen Punkten nicht weit genug. Die schon während der Neutralitätsperiode gepflegte Auffassung, die Amerikaner würden nicht genug für ihre Verteidigung tun, blieb ein wichtiger Fixpunkt im Denken der Bewegung. Menken veranschaulichte diese kompromisslose Perspektive trefflich, als er im Mai 1917 verkündete, dass das Ziel der NSL-Kampagne nicht weniger als die »totale nationale Sicherheit«24 sei. Dieser Anspruch löste zugleich ein offenkundiges Dilemma auf, vor dem die Bewegung in begrifflicher Hinsicht stand. Das vor dem Kriegseintritt so passende Schlagwort ›Preparedness‹, unter dem das Movement seine Programmatik stets subsumiert hatte, dürfte auf manchen Beobachter befremdlich gewirkt haben, nachdem der Krisenfall, für den man sich in Friedenszeiten wappnen wollte, nun tatsächlich eingetreten war. Das Diktum, dass wahre Preparedness erst im Zustand absoluter Sicherheit gegeben sei, ermöglichte es gleichwohl, die populäre Parole auch während des Krieges weiterzuverwenden. Schließlich konnte nun niemand mehr bestreiten, dass sich die Vereinigten Staaten im Fadenkreuz einer feindlichen Macht befanden. Trotz der Zäsur des Kriegseintritts war die Bewegung darum bemüht, den Anspruch von Kohärenz zu wahren. So betonte die NSL in ihrem jährlichen Rechenschaftsbericht explizit, dass ihre Aktivitäten während des Krieges in Kontinuität zur Preparedness-Kampagne der Neutralitätsperiode stünden: »During the year [i.e. April 1917 – April 1918] we have continued our endeavor to awaken the American people to the actual needs of preparedness for war as waged in this era of great machinery and conquest, and have renewed our prior statements of the men and material necessary for victory.«25

23 24 25

Hand Book of the American Defense Society, New York 1918, S. 1. Annual Meeting 1917, S. 5. Annual Report 1918, S. 2.

4 Preparedness in Kriegszeiten

Auch die ADS brüstete sich in einem ihrer Pamphlete damit, ihre Arbeit seit dem Kriegseintritt »ohne Unterbrechung«26 fortgesetzt zu haben. Insgesamt mochte der zuvor inflationäre Gebrauch des Schlagworts ›Preparedness‹ ab April 1917 etwas reduziert worden sein; an dem Befund, dass der Ausdruck nach wie vor ein zentraler Quellenbegriff blieb, ändert dies aber nichts. Insofern stellt der Terminus ›Preparedness Movement‹ auch für die anderthalb Jahre der amerikanischen Kriegsbeteiligung eine akkurate Bezeichnung für die Bewegung dar. Jenseits der begrifflichen Kontinuität kam es während des Krieges allerdings zu einem massiven Bedeutungswandel von Preparedness. Am offenkundigsten zeigte sich diese Entwicklung daran, dass die zivilen Organisationen ihre lange Zeit gepflegte Friedensrhetorik sang- und klanglos aufgaben. Wie bereits dargestellt worden ist, hatte der Großteil der Preparedness-Bewegung den heiklen Vorwurf, sie sei bellizistisch, während der Neutralitätsperiode vehement bestritten. Die Grundmotivation des Movement, so war in der Vergangenheit häufig betont worden, sei der Erhalt des Friedens (»preparation against war«27 ). Der amerikanische Eintritt in den europäischen Konflikt machte diese Formel obsolet und gebar eine neue Preparedness-Doktrin, die man mit den Worten ›Sicherheit durch präventive Kriegsführung‹ zusammenfassen könnte. Die NSL fasste diese Logik treffend zusammen, als sie 1918 über die Intervention in Europa reflektierte: »This war is a war for the vital interests of America. When we fight for America abroad we save our children from fighting for America at home beside their own ruined hearthstones.«28 Auch die ADS stellte die amerikanische Kriegsführung als Präventivmaßnahme dar, die zukünftige Gefahren für die Nation – oder den »kommenden Sturm«29 , wie es in einem Pamphlet poetisch hieß – verhüten solle. Die Vertreter der NSL ließen keinen Zweifel daran, dass sich die Vereinigten Staaten in einem totalen Krieg befänden, der nur mit der vollständigen Pazifizierung der Welt enden dürfe:

26 27 28 29

What the American Defense Society Is Doing, S. 3. Unpreparedness of Our Country, S. 2. Hart/Beck (Hg.): Handbook of References, S. 315. Emerson, Hugh: The Indefinite American Attitude Toward the War and When Shall it Change?, New York 1918, S. 7.

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»Underlying, however, all efforts of the League, of more importance than anything else that we have before us must be the determination to fight the next war now; of opposing any delusion that there can be any peace except the peace of victory, and spurning any suggestion for compromise or adjustment […] so that individual liberty shall be preserved for all time to come.«30 Nur eine massive militärische, ökonomische und gesellschaftliche Kraftanstrengung, so die Überzeugung, würde den Krieg zu einem siegreichen Ende führen und das Sicherheitsdilemma der USA ein für alle Mal auflösen. Die »wahre Bewährungsprobe für den Amerikanismus«31 sei nunmehr die Niederringung Deutschlands.

4.1.2

Zwischen Loyalität und Opposition

Waren die Bedrohungen der nationalen Sicherheit, vor denen die Bewegung während der Neutralitätsperiode gewarnt hatte, stets abstrakt geblieben, so sahen sich die Vereinigten Staaten seit dem Kriegseintritt mit einem furchteinflößenden Gegner konfrontiert. Vertreter der NSL bezeichneten Deutschland bei öffentlichen Auftritten als »stärkste Militärmacht der Welt«32 . Indem sie die Stärke des Gegners anerkannten, konstruierten sie zugleich ein einschüchterndes Feindbild, vor dessen Hintergrund weitgehende militärische Maßnahmen der USA gerechtfertigt erschienen. Nachdem die PreparednessOrganisationen bereits früh gewarnt hatten, dass man dem Kaiserreich in Bezug auf Heeresgröße, Flottenstärke und Feuerkraft hoffnungslos unterlegen sei,33 verschärften NSL und ADS Mitte 1917 ihre düstere Bestandsaufnahme. Anfang Mai hieß es, der Konflikt mit Deutschland stelle »die größte Krise in der amerikanischen Geschichte«34 dar; kurz darauf warnte man gar, dass ein Sieg der Mittelmächte zunehmend wahrscheinlicher werde.35 Tenor von zahlreichen Reden und Pamphleten in diesem Zeitraum war, dass die Vereinigten Staaten gegenwärtig kaum in der Lage seien, eine potenzielle Invasion der Ostküste zurückzuschlagen. Sollte Deutschland den Briten die Seehoheit entreißen, könne das Kaiserreich laut Berechnungen des War 30 31 32 33 34 35

Ebd., S. 10. Hart/Beck (Hg.): Handbook of References, S. 315. Stimson, Henry L.: The Issues of the War, New York 1917, S. 5. Vgl. Annual Meeting 1917, S. 5. Bernard J. Walker: The Great Emergency. An Address Delivered at the Annual Meeting of the National Security League, May 2nd, 1917, New York 1917, S. 1. Vgl. Kaiser May Win, in: NYT, 30. Mai 1917.

4 Preparedness in Kriegszeiten

College innerhalb von nur 16 Tagen eine kampferprobte Streitmacht von fast 400.000 Mann anlanden. Die unterbesetzte U.S. Army und die schwach gerüstete Nationalgarde hätten nicht den Hauch einer Chance; der Nordosten der USA würde innerhalb weniger Wochen besetzt und der amerikanischen Kriegswirtschaft ihre industrielle Basis entzogen werden.36 In der Rückschau mögen diese Gedankenspiele reichlich realitätsfern erscheinen;37 der Verweis auf die Expertenmeinung des War College hinterließ aber durchaus Eindruck bei einer ohnehin verunsicherten Öffentlichkeit. Welcher Durchschnittsamerikaner wusste 1917 schon fundiert einzuschätzen, wie hoch die logistischen Hürden einer transatlantischen Großinvasion waren? Zur besonderen Wirkung auf die Zivilbevölkerung trug ebenfalls bei, dass die alliierte Gräuelpropaganda über die deutsche Besatzungsherrschaft in Belgien ein solches Szenario zu einer regelrechten Horrorvorstellung gemacht hatte.38 Interne Protokolle belegen, dass die führenden Funktionäre der Preparedness-Organisationen die von Deutschland ausgehende Gefahr für die territoriale Integrität der USA tatsächlich überschätzten.39 Von einer absichtlich übertriebenen Panikmache kann insofern nicht gesprochen werden. Dennoch war evident, dass NSL und ADS die wachsende Kriegshysterie in der amerikanischen Bevölkerung sowohl schürten als auch von ihr profitierten. Je größer die Bedrohung durch die Deutschen erschien, desto mehr öffentliche Unterstützung fand ihre Kampagne. Die NSL brüstete sich später damit, ihre Mitgliederzahl allein im ersten Kriegsjahr auf angeblich 150.000 gesteigert zu haben,40 während die ADS nach eigenen Angaben auf 45.000 Personen ange-

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38 39 40

Vgl. Stimson: Issues of the War, S. 6-10. Um die Jahrhundertwende gab es in der deutschen Militärführung tatsächlich Planspiele, die für den Fall eines Krieges mit den USA einen direkten Angriff auf das amerikanische Festland vorsahen. Nachdem die Verantwortlichen zu dem Schluss gekommen waren, dass ein solches Vorgehen kaum durchführbar sei, wurde die Idee jedoch verworfen; vgl. Herwig, Holger H./Trask, David F.: Naval Operations Plans Between Germany and the United States of America 1898-1913. A Study of Strategic Planning in the Age of Imperialism, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 8/2 (1970), S. 5-32, hier: S. 2627. Vgl. Bremm, Klaus-Jürgen: Propaganda im Ersten Weltkrieg, Darmstadt 2013, S. 37-54. Vgl. beispielsweise Minutes of the Meeting of the Executive Committee of the National Security League (29. Mai 1917), in: Stimson Papers, Box 207. Vgl. Annual Report 1918, S. 2. Die Angaben zur Mitgliederzahl sind unter Vorbehalt zu betrachten: Die NSL-Zentrale führte nach eigenen Angaben kein akkurates Register, das alle Ein- und Austritte in den Ortsgruppen erfasste; vgl. NSL Hearings, S. 103. Zu-

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wachsen war.41 Die Entwicklung der Mitgliederzahlen war für die Preparedness-Organisationen keine abstrakte Statistik, sondern der wohl wichtigste Indikator für den Erfolg ihrer Kampagne. Die ADS fasste diesen Zusammenhang in einer Werbebroschüre treffend zusammen, als sie verkündete, dass der Erfolg der Organisation entscheidend von ihrer Größe abhänge.42 Um die wachsende gesellschaftliche Unterstützung nicht zu gefährden, mussten die zivilen Organisationen ihre Öffentlichkeitsarbeit freilich an die neuen Gegebenheiten des Krieges anpassen. Eine strategische Grundsatzentscheidung war dabei weitgehend unstrittig: Die während der Neutralitätsperiode immer polemischer gewordene Kritik an der Regierungspolitik war nicht länger haltbar. Im frühen 20. Jahrhundert galt es den meisten Amerikanern als Gebot des Anstands, sich in Kriegszeiten hinter dem Präsidenten zu versammeln. Für Pazifisten oder Sozialisten mochten andere Standards gelten – einer Bewegung, die sich selbst als patriotisch definierte, blieb aber kaum eine andere Wahl. So kamen die Preparedness-Organisationen nicht umhin, der Regierung bereits kurz nach dem Kriegseintritt ihre volle Unterstützung zuzusichern. Die National Security League verabschiedete im Mai 1917 eine Resolution, in der sie Administration und Kongress für ihren »patriotischen Geist«43 lobte; kurz darauf forderte sie die Bevölkerung auf, die Regierung in jeglicher Hinsicht zu unterstützen.44 Auf maßgebliches Betreiben Menkens revidierte die NSL insbesondere ihre Position gegenüber Wilson. In den kommenden Monaten lobte die Organisation die Führungsstärke des Staatsoberhaupts in den höchsten Tönen und präsentierte sich selbst als loyale Unterstützerin seiner Kriegspolitik.45 Dass sie den Präsidenten noch im Vorjahr scharf für sein vermeintlich halbherziges Preparedness-Programm kritisiert hatte, verschwieg die NSL dagegen geflissentlich. In einem Rückblick auf die eige-

41

42 43 44 45

dem hatte die Organisation ein Interesse daran, ihre Anhängerschaft in der Außendarstellung möglichst groß erscheinen zu lassen. Vgl. Charles S. Davison an Jean Jules Jusserand (30. Juli 1918), in: ADS Records, Box 2, Folder 1. Im Oktober 1918 behauptete die ADS in einem Schreiben sogar, »ungefähr 100.000« Mitglieder zu haben – eine wenig realistisch erscheinende Angabe; Charles S. Davison an I.W. Dougherty (24. Oktober 1918), in: ADS Records, Box 3, Folder 4. Vgl. Hand Book ADS, S. 7. Annual Meeting 1917, S. 13. Vgl. Why We Are at War, Why You Must Help, What You Can Do, New York 1917, S. 12. Vgl. A Resolution (5. November 1917), zitiert in: NSL Hearings, S. 393.

4 Preparedness in Kriegszeiten

ne Organisationsgeschichte hieß es gar wahrheitswidrig, dass man Wilsons Politik schon immer vorbehaltslos unterstützt habe.46 Für die American Defense Society war die Neupositionierung gegenüber der Regierungspolitik besonders heikel. Immerhin hatte sie sich 1915 mit der Begründung von der NSL abgespalten, dass deren Preparedness-Kampagne zu nachsichtig gegenüber der Wilson-Administration gewesen sei. Hinzu kam, dass die ADS stärker von Anhängern der Republikanischen Partei geprägt wurde, die den Präsidenten und die Demokratische Kongressmehrheit als natürliche politische Gegner betrachteten. Dennoch machte es der Kriegseintritt unumgänglich, sich zumindest rhetorisch hinter die Regierung zu stellen. Unter dem neuen ADS-Vorsitzenden Richard M. Hurd, der den in den Krieg gezogenen Coit abgelöst hatte, ließ die Preparedness-Organisation verlautbaren, dass es nunmehr Ziel ihrer Arbeit sei, um öffentliche Unterstützung für die Kriegspolitik des Präsidenten zu werben.47 Dabei verschwieg sie nicht, dass sie in der Vergangenheit zu den entschiedenen Kritikern der »Fehlleistungen der Administration«48 gehört hatte, machte aber ebenso deutlich, dass man nun patriotisch zusammenarbeiten müsse. Mit der ADS hatte sich auch die zweite große Preparedness-Organisation hinter die Regierung gestellt. Der Kriegseintritt schien bewirkt zu haben, woran Wilson 1915/16 noch gescheitert war: Einstweilen hatte der Präsident das Preparedness Movement domestiziert. Die Zeit würde zeigen, wie stabil diese aus der Not geborene Allianz tatsächlich war. Die erste Bewährungsprobe für den neuen Loyalitätskurs von NSL und ADS war die Frage der Heeresmobilisierung, die in den Wochen nach dem amerikanischen Kriegseintritt auf der politischen Tagesordnung stand. Die Angelegenheit war für die zivilen Organisationen besonders brisant, hatte die Wehrpflicht doch bisher als bedeutsamster Programmpunkt auf der Preparedness-Agenda gegolten. Die Bewegung hatte während der Neutralitätsperiode stets ein Konzept propagiert, das die Einberufung jedes männlichen Bürgers im jungen Erwachsenenalter vorsah (»Universal Military Training«). Alle Wehrpflichtigen hätten demnach ein militärisches Grundlagentraining absolvieren müssen, um im Anschluss als Reservisten zur Verfügung zu stehen.49 Wie bereits erläutert, sah das im Mai 1917 von 46 47 48 49

Vgl. Annual Report 1918, S. 2. Vgl. What the ADS Is Doing, S. 4. Ebd., S. 2. Vgl. Univeral Military Training, S. 2; Statement of Principles, in: Proceedings Congress of Constructive Patriotism, S. 3-6, hier: S. 4.

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der Regierung eingeführte Wehrpflichtsystem (»Selective Service«) jedoch vor, lediglich alle Männer registrieren zu lassen. Letztlich einberufen und militärisch ausgebildet wurde nur ein überschaubarer Anteil der Betroffenen. Diese pragmatische Regelung reichte zwar aus, um in absehbarer Zeit ein amerikanisches Millionenheer auszuheben; für das Movement hatte sie aber einen entscheidenden Makel: Da der Dienst an der Waffe nicht universell angelegt war, konnte die Wehrpflicht kaum die sozialreformerische Breitenwirkung entfalten, die man sich von ihr erhoffte. Zudem ließ der Wortlaut des Selective Service Act keinen Zweifel daran, dass der Gesetzgeber die Wehrpflicht als temporäre, auf die Dauer des Krieges begrenzte Maßnahme betrachtete.50 Trotz dieser Defizite hielten sich die zivilen Organisationen an ihre selbstauferlegte Loyalitätsverpflichtung und beharrten anders als in der Vergangenheit nicht auf Maximalpositionen. Sowohl NSL als auch ADS äußerten sich zustimmend über den Selective Service Act und warben öffentlich für dessen Verabschiedung. Gegenüber der eigenen Anhängerschaft, die weitergehende Maßnahmen favorisierte, nahm man eine vermittelnde Position ein. So wandte sich die NSL in einem Rundbrief an ihre Mitglieder und erklärte, dass gegenwärtig nicht die Zeit sei, die nach wie vor bestehenden Differenzen in Sachfragen hervorzuheben. Man habe das Ziel eines universellen Militärdienstes »nicht aus den Augen verloren«51 , würde aber vorerst andere Prioritäten setzen. Auch die ADS bewarb den Selective Service Act als Schritt in die richtige Richtung, ohne sich vom Ziel einer universellen Wehrpflicht in Friedenszeiten zu verabschieden.52 Wie ernst es vor allem die NSL mit ihrer neuen Loyalität zur WilsonAdministration meinte, demonstriert eine bemerkenswerte Episode, die sich am 9. Mai 1917 während einer Vorstandssitzung in der New Yorker Bundeszentrale abspielte. Die anwesenden Vorstandsmitglieder debattierten unter dem Vorsitz Menkens, wie sich die NSL gegenüber Roosevelts Plan verhalten solle, eine autonome Freiwilligen-Division auszuheben und an die Front zu

50

51 52

Vgl. Finnegan: Campaign for Preparedness, S. 187-188. Siehe außerdem An Act to Authorize the President to Increase Temporarily the Military Establishment of the United States, unter: Library of Congress, URL https://www.loc.gov/law/help/statutes-at-large/ 65th-congress/session-1/c65s1ch15.pdf?loclr=blogloc-ww1 (Zugriff am 21.08.2018). To the Members of the National Security League (25. Juli 1917), in: Stimson Papers, Box 207. Vgl. What the ADS Is Doing, S. 3-5.

4 Preparedness in Kriegszeiten

führen.53 Rasch war man sich einig, dass das Vorhaben die Aufstellung des regulären amerikanischen Expeditionsheeres nur unnötig behindern würde. Strittig war lediglich, wie die NSL den Brief formulieren sollte, mit dem man den Rough Rider von seinem Vorhaben abbringen wollte. Das Sitzungsprotokoll verzeichnet zwei mögliche Textentwürfe, die diskutiert wurden. Die freundliche Variante sah vor, Roosevelts patriotische Motive zu loben, ihn aber höflich darum zu bitten, seinen Plan zu Gunsten der im Entstehen begriffenen Wehrpflichtigenarmee aufzugeben.54 Der andere Textentwurf war demgegenüber deutlich schärfer formuliert. »Roosevelt und seine Freunde«, so die zentrale Aussage, würden »der Preparedness-Sache ernsthaften Schaden zufügen«55 , wenn sie ihr Vorhaben weiter vorantrieben. Zwar konnte sich der NSL-Vorstand letztlich nicht einigen, sodass die Entscheidung vertagt werden musste.56 Die Tatsache, dass sich die Führung der größten PreparednessOrganisation in einer zentralen Mobilisierungsfrage einmütig gegen die Interessen des wichtigsten institutionellen Repräsentanten des Movement stellte, war jedoch bezeichnend. Im weiteren Jahresverlauf forcierten die Preparedness-Organisationen ihre Bemühungen, Unterstützung für die Kriegspolitik der Regierung zu erzeugen. Themenschwerpunkte ihrer Öffentlichkeitsarbeit bildeten unter anderem die Registrierung von Wehrpflichtigen, das Zeichnen von Staatsanleihen und die Rationierung von Lebensmitteln.57 Im Verlauf der Kampagne wurde jedoch immer deutlicher, dass das Kerninteresse von NSL und ADS nicht so sehr den militärischen oder volkswirtschaftlichen Aspekten der Kriegsführung galt. Ihr eigentliches Ziel war die zivile Mobilisierung der Nation. Die Preparedness-Bewegung sah in der Ausnahmesituation des Krieges die einmalige Chance, ihre gesellschaftspolitische Vision für Amerika voranzutreiben.

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Vgl. Minutes NSL (9. Mai 1917), in: Lydecker Papers, Box 13, Folder 2. Vgl. ebd. Ebd. Die Streitfrage erledigte sich, als das Kriegsministerium Roosevelts Vorhaben Mitte Mai 1917 eine definitive Absage erteilte; vgl. Ambrosius: Anti-Wilsonian Crusade, S. 480. Vgl. Minutes NSL (29. Mai 1917), in: Stimson Papers, Box 207; Minutes of the Meeting of the Executive Committee of the National Security League (11. Juli 1917), in: Stimson Papers, Box 207. Für eine ausführlichere Darstellung dieser Aktivitäten vgl. Edwards: NSL, S. 56.

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»Fight for Americanism«

4.1.3

Bildungsarbeit und Vigilantismus

Die Preparedness-Organisationen hatten seit ihrer Gründung ein ambivalentes Verhältnis zur breiten Masse der amerikanischen Bevölkerung. Bereits während der Neutralitätsperiode war ihr Blick auf das Volk durch eine eigentümliche Mischung aus Hoffnung und Resignation geprägt gewesen. Einerseits war ihre Kampagne darauf angelegt, die öffentliche Meinung gegen vermeintlich ignorante Politiker in Washington zu mobilisieren. Andererseits hatte man sich mehr als einmal enttäuscht gezeigt, wie »apathisch«58 Millionen Amerikaner gegenüber Fragen der nationalen Sicherheit geblieben waren.59 In Friedenszeiten mochte diese Indifferenz ärgerlich gewesen sein – im Krieg war sie für das Movement schlicht nicht hinnehmbar. Nach dem Kriegseintritt identifizierten die Preparedness-Organisationen vor allem auf einem Gebiet grundlegenden Handlungsbedarf: Vielen Amerikanern, so die Annahme, sei gar nicht bewusst, worum es in dem europäischen Konflikt eigentlich gehe und wieso die Vereinigten Staaten dem Kampf gegen Deutschland beigetreten seien. Hinzu komme ein eklatantes Unwissen über die Bedingungen der modernen Kriegsführung – insbesondere in Hinblick auf den zu leistenden Beitrag der Heimatfront.60 Vor diesem Hintergrund konsolidierte sich 1917 die inhaltliche Schwerpunktverlagerung der Kampagne, die bereits in der Neutralitätsperiode begonnen hatte. Statt sicherheitspolitischer Themen nahmen gesellschaftliche Fragen einen immer größeren Raum in der Programmatik der Preparedness-Organisationen ein. Die NSL-Führung gab im Mai 1917 die Parole aus, dass das Volk endlich aus seinem »vergifteten Schlaf der Ignoranz«61 gerissen werden müsse. Es sei dringend geboten, den schlummernden Patriotismus der Amerikaner in die erforderlichen Bahnen zu lenken. Die Organisation kam zu dem Schluss, dass die konventionellen Methoden der Öffentlichkeitsarbeit nicht mehr ausreichen würden, um gesellschaftliche Breitenwirkung zu entfalten. Reden, Informationsveranstaltungen oder Demonstrationen mochten zwar die bürgerlich-urbane Klientel erreichen und mediale Aufmerksamkeit erzeugen; nun

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A Call for the Sinews of War, in: ADS Records, Box 12, Folder 2. Vgl. Announcement by the Executive Committee of the National Security League of a Congress of Contructive Patriotism, in: Lydecker Papers, Box 13, Folder 1. Vgl. Annual Meeting 1917, S. 8. Ebd., S. 6.

4 Preparedness in Kriegszeiten

ging es aber darum, die gesamte Zivilbevölkerung für die Kriegsanstrengungen zu mobilisieren. Für dieses ambitionierte Ziel musste die Propaganda stärker in den Alltag der Amerikaner vordringen.62 Die NSL identifizierte das Bildungssystem als vielversprechendsten Multiplikator für ihre Bemühungen.63 Das Motiv war offenkundig: Über Schulen und andere Bildungseinrichtungen hatte man Zugriff auf Millionen von Kindern und Jugendlichen, die wiederum Einfluss auf ihre Eltern nehmen konnten. Entsprechend groß war die gesellschaftliche Reichweite dieses Ansatzes. Hinzu kam die reizvolle Aussicht, eine ganze Generation bereits in jungen Jahren mit Preparedness in Berührung zu bringen. Der Ursprung der Bildungsinitiative ging noch auf die Neutralitätsperiode zurück. Im Rahmen des Congress of Constructive Patriotism, der im Januar 1917 in Washington getagt hatte, war das Thema erstmals prominent diskutiert worden. Dort hatten die versammelten Repräsentanten des Movement dem kurz zuvor konstituierten Bildungskomitee der NSL (»Committee of Patriotism Through Education«64 ) das Mandat erteilt, die PreparednessLehre in die Bevölkerung zu tragen. Der eigentliche Startschuss der neuen Kampagne fiel jedoch im August 1917, als Robert McNutt McElroy den Vorsitz des Komitees übernahm und zum Bildungsdirektor der NSL ernannt wurde.65 McElroy war Professor für amerikanische Geschichte an der Universität Princeton und galt als begnadeter Redner mit einem Hang zur Theatralik. Wegen eines längeren Auslandsaufenthaltes in Ostasien hatte er selbst erst spät zum Preparedness Movement gefunden, konnte nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten aber rasch die Aufmerksamkeit führender Funktionäre gewinnen. Tatsächlich war McElroy in seiner neuen Position als Bildungsdirektor derart erfolgreich, dass er das Committee of Patriotism Through Education innerhalb weniger Monate zum wohl schlagkräftigsten Organ der Preparedness-Bewegung ausbaute. Weitgehend autonom vom NSL-Vorstand agierend, wurde der umtriebige Geschichtsprofessor zeitweilig zu einem der prägenden Köpfe des Movement.66 62 63 64 65 66

Vgl. McElroy, Robert: Annual Report on the Educational Work of the National Security League, New York 1918, S. 5. Vgl. ebd., S. 4-6. Statement of Principles, in: Proceedings Congress of Constructive Patriotism, S. 3-6, hier: S. 4. Vgl. McElroy: Annual Report Educational Work 1918, S. 3. Für die Umstände von McElroys Berufung zum Bildungsdirektor und eine detailliertere biografische Würdigung vgl. Edwards: NSL, S. 93-95.

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Anders als frühere Preparedness-Initiativen flutete das Bildungskomitee nicht mehr nur ohnehin affine Bevölkerungsgruppen mit einschlägigen Pamphleten, sondern baute systematisch Kontakt zu öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen im ganzen Land auf, um Informationsmaterial für den Unterricht bereitzustellen.67 Die staatlichen Stellen ermutigten diese Form von öffentlich-privater Kooperation, entsprach sie doch dem progressiven Zeitgeist und entlastete die Regierung bei der zivilen Mobilisierung. Bald erhielt die NSL-Bildungsarbeit auch das offizielle Plazet des Committee on Public Information.68 So bekamen McElroys Mitstreiter Zugang zu Schulen, Universitäten, Bibliotheken und anderen Bildungs- und Ausbildungsstätten, um Hilfestellung bei der Vermittlung ›patriotischer Inhalte‹ anzubieten. Sie nahmen Einfluss auf bundesstaatliche Bildungsbehörden und lokale School Boards, um Lehrpläne und -bücher im Sinne der Bewegung auszurichten. Das Bildungskomitee bildete hunderte Kader aus, die durch die ganzen USA reisten, Reden hielten, neue Anhänger warben und ihrerseits lokale Kräfte schulten. Besonderes Interesse zeigte das Komitee an der Ausbildung der Lehrer, für die man eigens Fortbildungskurse in Staatsbürger- und Wehrkunde anbot. McElroy gab freimütig zu, dass seine Strategie auf die systematische Durchdringung des amerikanischen Bildungssystems abzielte: »The teachers like the soldiers of America, need the bayonet drill, the school of the squad, the school of the company and the school of the line. They must learn to use with precision those simple elementary ideas which once sent home to the minds of the children and thru the children to the minds and hearts of the parents, will give the unity of thought which is necessary to unity of action.«69 Das schiere Ausmaß der NSL-Bildungsinitiative stellte alle bisherigen Aktivitäten der Preparedness-Kampagne in den Schatten. Das Committee of Patriotism Through Education ging davon aus, dass man allein im Schuljahr 1917/18 Zugang zu knapp 300.000 Lehrkräften gehabt habe, die für mehr als 5 Millionen Schüler Verantwortung trügen.70 Insgesamt, so das zufriedene

67 68 69 70

Vgl. Report of the Committee of Patriotism Through Education, in: Proceedings Congress of Constructive Patriotism, S. 344-351, hier: S. 344. Vgl. McElroy: Annual Report Educational Work 1918, S. 9. McElroy, Robert: Teaching Teachers, in: The Independent 18/3617 (1918), S. 525. Vgl. McElroy: Annual Report Educational Work 1918, S. 24. Der Wahrheitsgehalt dieser sehr hohen Zahl lässt sich aus den überlieferten Quellen nicht rekonstruieren.

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Zwischenfazit, seien knapp 28 Tonnen an Propagandamaterial unter die Bevölkerung gebracht worden.71 Der große Erfolg der Initiative ging mit dem Wunsch einher, inhaltliche Standards festzulegen, an denen sich die Kader des Bildungskomitees orientieren konnten. Immerhin hatten Preparedness-Organisationen in den vergangenen zweieinhalb Jahren derart viele Publikationen herausgebracht, dass kaum noch zu überblicken war, welche Punkte im Zentrum der Schulungen stehen sollten. Das Bildungskomitee begegnete diesem Problem, indem es im Sommer 1917 beschloss, einen offiziellen Leitfaden zusammenzustellen, der Rednern und Lehrkräften als Orientierung dienen sollte.72 Das Vorhaben resultierte in der Veröffentlichung zweier Handbücher, die – unter dem offiziellen Signum der Organisation herausgegeben – den programmatischen Kanon der NSL während des Krieges definierten. Zusammengenommen stellen die beiden Werke eine der zentralen Quellen für das ideengeschichtliche Verständnis der Preparedness-Bewegung dar.73 Das »Referenzhandbuch für Patriotische Bildung«74 und das »Kriegshandbuch für Leser, Redner und Lehrer«75 erfüllten komplementäre Funktionen.76 Im Zentrum des 425 Seiten umfassenden Referenzhandbuchs stand eine kommentierte Bibliografie zu den Hintergründen und Implikationen des Krieges. Der Großteil des Werks wurde von einer erschöpfend langen Literaturliste eingenommen, deren Titel alle denkbaren Aspekte des Konflikts beleuchteten – darunter hunderte Fachbücher über Geschichte, Politik, Militär, Geografie und Völkerrecht. Ergänzend wurden wichtige Reden zeitgenössischer Staatsmänner abgedruckt, die die Motivation der zentralen Akteure illustrieren sollten. Während die zahlreichen Referenzen den Anschein von Objektivität vermittelten, waren die Texte – unter anderem Wilhelms II. berüchtigte Hunnenrede77 – selektiv ausgewählt worden. Darüber hinaus enthielt das Referenzhandbuch eine umfassende Übersicht 71 72 73

74 75 76 77

Für eine ausführliche Darstellung der Geschichte des Committee of Patriotism Through Education vgl. Edwards: NSL, S. 91-110. Vgl. Hart, Albert B./Lovejoy, Arthur O. (Hg.): Handbook of the War for Readers, Speakers and Teachers, New York 1918, S. 3-5. Anfang 1919 bezifferte die NSL die Auflage des Kriegshandbuchs auf 150.000 Exemplare – eine im Kontext der Zeit beachtliche Zahl für ein ›Sachbuch‹; vgl. Frothingham, Arthur L.: War Facts and Peace Problems, New York 1919, S. 3. Siehe Hart/Beck (Hg.): Handbook of References. Siehe Hart/Lovejoy (Hg.): Handbook of the War. Vgl. Hart/Lovejoy (Hg.): Handbook of the War, S. 3. Vgl. Hart/Beck (Hg.): Handbook of References, S. 75.

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über die in den letzten Jahren erschienene Preparedness-Literatur. Die akribische Verschlagwortung machte den Leitfaden zum »maßgeblichen Nachschlagwerk«78 für alle politischen, militärischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Themen, die in der Preparedness-Bewegung diskutiert wurden. Anders als das Referenzhandbuch enthielt das mit 136 Seiten deutlich kompaktere Kriegshandbuch keinen umfassenden Literaturbericht, sondern bereitete die komplexen Zusammenhänge der amerikanischen Kriegsbeteiligung pointiert auf. Dies geschah in Form eines Frage-Antwort-Katalogs, in dem sich Dutzende von Einträgen fanden. Die hier diskutierten Themen reichten von den allgemeinen Hintergründen des Krieges über die Herausforderungen der amerikanischen Mobilisierung bis hin zu den völkerrechtlichen und diplomatischen Implikationen des Konflikts. Die Herausgeber beantworteten die aufgeworfenen Fragen nicht einfach nur, sondern belegten ihre Ausführungen mit Zitaten aus Regierungsdokumenten, politischen Reden, Zeitungsberichten oder Publikationen bekannter Autoren.79 Während die Form des Kriegshandbuchs erkennbar darauf ausgelegt war, den Eindruck objektiver Informationsvermittlung zu erwecken, ließ es inhaltlich keinen Zweifel daran, dass die Vereinigten Staaten einen gerechten Kampf gegen Deutschland führten. Auf knapp einem Dutzend Seiten erörterten die Herausgeber zunächst die Frage der Kriegsschuld, indem sie die deutsche Perspektive auf die Julikrise, die in Teilen der amerikanischen Bevölkerung durchaus noch Anhänger hatte, mit den historischen »Fakten«80 abglich. Dabei kamen sie zu einem eindeutigen Befund, der deckungsgleich mit dem Narrativ der Entente-Mächte war. Das Deutsche Reich und sein österreichisch-ungarischer Verbündeter trügen demnach die alleinige »Verantwortung für die größte Katastrophe der Neuzeit«81 . Mit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch in Belgien habe Berlin bereits früh demonstriert, dass es einen ehrlosen »Angriffskrieg«82 zu führen gedenke. Dies sei spätestens im Zuge des deutschen U-Boot-Krieges bestätigt worden, der eine eklatante Verletzung der amerikanischen Neutralitätsrechte dargestellt habe. Um ihre Souveränität und nationale Würde zu schützen, hätten die Vereinigten Staaten keine andere Wahl gehabt, als in den europäischen Konflikt zu intervenieren und Ber78 79 80 81 82

Annual Report 1918, S. 3. Für den Fragekatalog vgl. Hart/Lovejoy (Hg.): Handbook of the War, S. 15-20. Ebd., S. 70. Ebd. Ebd., S. 74.

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lin in seine Schranken zu weisen.83 Obwohl Deutschlands Völkerrechtsbrüche allein schon einen ausreichenden Anlass für den amerikanischen Kriegseintritt dargestellt hätten, gebe es noch einen wichtigeren Grund, warum man den Kampf unerbittlich weiterführen müsse: den »Charakter des Feindes«84 . Während das Handbuch klarstellte, dass man keinen Groll gegen das deutsche Volk hege, ließ es keinen Zweifel daran, dass dessen Regierung von einem »boshaften Geist«85 erfüllt sei. In einem verfassungsrechtlichen Exkurs erläuterte das Kriegshandbuch erstaunlich detailliert, warum das von seinem Gliedstaat Preußen dominierte Reich trotz eines gewählten Parlaments »keine Demokratie«86 sei. Solange Deutschland von militaristischen Monarchen regiert werde, so das Fazit des entsprechenden Kapitels, seien Frieden und Freiheit auf der ganzen Welt gefährdet. Das Handbuch machte deutlich, dass »gewaltige Anstrengungen«87 erforderlich seien, um den Krieg zu gewinnen; sowohl die Regierung als auch die Bevölkerung müssten außergewöhnliche Maßnahmen ergreifen. Die Amerikaner dürften nicht länger verkennen, dass sie in einer »neuen Welt«88 lebten, in der alte Gewissheiten obsolet geworden seien. Entsprechend nachdrücklich warb die NSL für die Kriegspolitik der Regierung. Dabei ging sie nur noch rudimentär auf militärische Fragen ein; deutlich stärker im Fokus stand die ökonomische Mobilisierung der Nation. Quintessenz des entsprechenden Kapitels war, dass sich die Bevölkerung auf Entbehrungen gefasst machen müsse. Lebensmittel- und Rohstoffrationierungen seien unvermeidbar; außerdem hätten sich die Amerikaner auf deutliche Steuererhöhungen einzustellen. Das Wohlstands- und Konsumniveau der Vorkriegszeit, so das Fazit, sei nicht zu halten.89 Darüber hinaus würde sich die Arbeitswelt durch die Einberufung der Männer deutlich verändern. Wie in Frankreich oder Großbritannien müssten sich auch Frauen in Amerika stärker einbringen. Selbst Kinder hätten ihren Beitrag zu leisten – etwa, indem sie vermehrt im Haushalt aushelfen würden.90

83 84 85 86 87 88 89 90

Vgl. ebd., S. 40. Ebd., S. 40. Ebd., S. 42. Ebd., S. 44. Hart/Lovejoy (Hg.): Handbook of the War, S. 83. Ebd., S. 85. Vgl. ebd., S. 83, 96. Vgl. ebd., S. 96.

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Insgesamt wurden die mit dem Krieg einhergehenden Einschnitte im Handbuch realistisch skizziert. Da viele Amerikaner die Entbehrungen in ihrem Alltag zu spüren bekamen, erschien es in der Tat naheliegend, diese im Rahmen der NSL-Schulungen zu thematisieren. Betrachtet man die Formulierungen im Handbuch und anderen Pamphleten aus diesem Zeitraum, ist eine Auslassung jedoch auffällig: Üblicherweise schworen Regierungsvertreter das Volk auf kriegsbedingte Einschränkungen ein, indem sie deren vorübergehenden Charakter hervorhoben und Erleichterungen für die Zeit nach dem Sieg in Aussicht stellten. Die NSL betonte jedoch an keiner Stelle, dass die Einschnitte nur temporärer Natur seien. Auch wenn sie es in Hinblick auf die öffentliche Meinung nicht offen formulieren konnte, spricht vieles dafür, dass die Preparedness-Organisation die vermeintlich negativen Begleiterscheinungen der Mobilisierung insgeheim begrüßte. Schließlich brachten die kollektiven Entbehrungen des Krieges den Vereinigten Staaten ein ›Ideal‹ näher, das bis vor kurzem noch unerreichbar schien: die Überwindung der materialistischen Konsumgesellschaft. Obgleich die Bildungsarbeit der Preparedness-Bewegung vor allem von der National Security League und ihrem Committee of Patriotism Through Education dominiert wurde, blieb auch die American Defense Society nicht untätig. Anders als die NSL mit ihrer breit angelegten Initiative nahm die kleinere Organisation das amerikanische Bildungssystem vor allem in einer punktuellen Frage ins Visier: dem Patriotismus der Lehrkräfte. Die ADS verschrieb sich dem Kampf gegen Illoyalität im Klassenzimmer und forderte Amerikas Schulen auf, entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Im Nachgang einer Massenkundgebung, die im November 1917 in New York City stattfand, wurde ein Teachers’ Loyalty Committee gegründet, das Lehrer dazu anhielt, einander auf die ›richtige‹ Gesinnung zu überprüfen.91 Der Kampf gegen vermeintliche illoyale Elemente in der amerikanischen Bevölkerung war auch das Leitmotiv der zweiten Schwerpunktverlagerung, die die Preparedness-Kampagne während des Krieges erfuhr. Während die Bildungsarbeit vor allem von den Aktivitäten der NSL geprägt wurde, nahm die ADS eine Vorreiterrolle auf einem deutlich handfesteren Tätigkeitsfeld ein: dem Vigilantismus.

91

Vgl. Attack Disloyalty at Teachers’ Rally. Educators and Others Begin Campaign to Eradicate Unpatriotic Instructors, in: The New York Times (28. November 1917); Hand Book ADS, S. 9.

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Die Vorstellung, dass Bürger das Gesetz notfalls in die eigene Hand nehmen müssten, war im Amerika des frühen 20. Jahrhunderts immer noch weit verbreitet und stand in einer langen historischen Tradition.92 Die gesellschaftliche Hysterie, die die USA nach dem Kriegseintritt erfasste, schürte die Spionageangst innerhalb der Bevölkerung und ließ den Ruf nach zivilen Gegenmaßnahmen lauter werden. Um der vermeintlichen Bedrohung durch deutsche Agenten zu begegnen, bildeten sich im ganzen Land Bürgerwehren. Von den staatlichen Behörden teils aktiv unterstützt, patrouillierten Zivilisten nachts auf den Straßen, leisteten Wachschutzdienste oder spürten ›illoyalen Elementen‹ in der Bevölkerung nach. Die meisten Bürgerwehren waren unter dem Dach der American Protective League zusammengeschlossen – einer genuinen Vigilantismus-Organisation, die im März 1917 gegründet worden war und im Verlauf des Krieges auf 250.000 Mitglieder in 600 amerikanischen Städten anwuchs.93 Der Erfolg der American Protective League diente der ADS als Inspiration für die Gründung einer eigenen Bürgerwehr. Tatsächlich bot die Idee viel Potenzial zur Profilschärfung: Zum einen korrespondierte Vigilantismus offenkundig mit den Werten der Preparedness-Bewegung, die ihre Kampagne stets als gemeinwohlorientiertes Engagement von Bürgern präsentiert hatte, die sich Sicherheit und Patriotismus verpflichtet fühlten. Zum anderen ging die Arbeit einer Bürgerwehr typischerweise mit handfesten Aktionen einher, die sich im Erfolgsfall gut vermarkten ließen. Der seit der Neutralitätsperiode im Raum stehende Vorwurf, das Movement würde viel reden, aber wenig handeln, konnte so entkräftet werden. Nach einigen Monaten der Vorbereitung verkündete der ADS-Vorstand im November 1917 die Gründung des organisationseigenen American Vigilance Corps. Ziel der Initiative sei es, in jeder amerikanischen Stadt einen Ableger zu bilden, um flächendeckend gegen Sabotage und Illoyalität vorzugehen.94 Ähnlich wie schon die NSL für die Bildungsarbeit, brachte auch die ADS ein Handbuch heraus, in dem sie Standards für ihre Bürgerwehr definierte. Darin warnte sie in düsteren Worten vor feindlichen Agenten innerhalb der Vereinigten Staaten. So hieß es etwa wörtlich, dass deutsche Spione »überall«95 lauern würden. Obwohl die Regierung ihr Möglichstes tue, um der Bedrohung 92 93 94 95

Siehe Berg, Manfred: Lynchjustiz in den USA, Hamburg 2014. Vgl. Capozzola: Uncle Sam, S. 22. Vgl. M’Carthy Recalls 500 Enemy Permits. Notifies Teutons They Must Vacate Restricted Waterfront Zone in a Few Days, in: The New York Times (15. November 1917). Hand Book ADS, S. 54.

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Herr zu werden, sei man auf die Unterstützung der Zivilbevölkerung angewiesen. Loyale Amerikaner seien daher aufgerufen, sich dem Vigilance Corps anzuschließen, um den staatlichen Strafverfolgungsbehörden zuzuarbeiten. Das Handbuch erläuterte detailliert, wie man die bürokratischen Fallstricke bei der Bürgerwehrgründung umgehen konnte. Es wurde eine Mustersatzung bereitgestellt, die als Vorlage für die Konstituierung dienen sollte; außerdem wurden gesetzliche Grundlagen geklärt, nach denen Privatpersonen Verdächtige festhalten durften.96 Der Verweis auf rechtsstaatliche Prinzipien blieb freilich ein Lippenbekenntnis, dem in der Praxis wenig Bedeutung zukam. Auch wenn das Vigilance Corps der ADS nie die Größenordnung der American Protective League erreichen sollte, stellte es ein nicht zu vernachlässigendes Zahnrad im Getriebe der Repression dar, das den gesellschaftlichen Takt im Ersten Weltkrieg bestimmte. Tatsächlich war das denunziatorische Potenzial, das die Bürgerwehr entfalten sollte, bereits in den Leitlinien des Handbuchs angelegt. In erstaunlicher Offenheit hieß es dort, dass die lokalen Vigilance Corps »Ausschüsse aus fünf bis zehn angesehenen und loyalen Amerikanern«97 bilden sollten, um gemeinsam das Verzeichnis aller registrierten Wähler in der jeweiligen Gemeinde durchzugehen. In alphabetischer Reihenfolge würde dann die Gesinnung jedes dort gelisteten Bürgers besprochen und mit den Attributen »loyal« oder »illoyal«98 bewertet werden. Am Ende dieses Prozesses stünde eine umfassende Patriotismus-Kartei: »You will then have a card index of every voter – a ›Who’s Who‹ in every community. This can be supplemented by names from the local directory, and other lists which will include alien residents. […] This list will serve as a basis for all future war activities in your community, and after final revision should be placed in the hands of the proper local authorities.«99 Transparenz bei der Arbeit der Gesinnungstribunale sah das Handbuch ebenso wenig vor wie Anhörungsmöglichkeiten für die Betroffenen. Damit war der willkürlichen Beurteilung durch »angesehene und loyale« Mitbürger Tür und Tor geöffnet. Zwar bestand das formale Gewaltmonopol der staatlichen Behörden ungebrochen fort; in der hysterischen Atmosphäre nach dem Kriegs-

96 97 98 99

Vgl. ebd., S. 19-29. Ebd., S. 16. Ebd. Ebd., S. 16-17.

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eintritt hatte sich das Risiko, Opfer extralegaler Volksgewalt zu werden, aber deutlich erhöht. Auch wenn Betroffene nur in wenigen Fällen ernsthaft um Leib und Leben fürchten mussten, kam eine Einstufung als ›illoyal‹ einer erheblichen Stigmatisierung gleich – insbesondere in kleineren Gemeinden mit einem hohen Grad an sozialer Kohäsion. Bezeichnenderweise verstand die ADS ihren Kampf gegen unpatriotische Bevölkerungsgruppen nicht bloß als temporäre Maßnahme, die der Ausnahmesituation des Krieges geschuldet war. Vielmehr fand sich im Vorwort des Handbuchs bereits Anfang 1918 – damals schien ein Waffenstillstand noch in weiter Ferne zu liegen – eine Passage, die auf die längerfristigen Ambitionen der Organisation hindeutete. Unter dem Programmpunkt »Innere Sicherheit« hieß es, illoyale Einflüsse müssten »jetzt und nach dem Krieg«100 entschieden bekämpft werden. Das Vigilance Corps, das im Frühjahr 1918 bereits 260 lokale Ableger vorweisen konnte,101 würde auch langfristig für die Mission der Preparedness-Organisation gebraucht werden.

4.1.4

Der Feind im Innern

Die Maßnahmen der Preparedness-Organisationen zur zivilen Mobilisierung trugen erheblich zur wachsenden Kriegshysterie in den Vereinigten Staaten bei. Während Pazifisten bereits während der Neutralitätsperiode ein bevorzugtes Feindbild der Bewegung dargestellt hatten, geriet mit dem Kriegseintritt eine Bevölkerungsgruppe in den Fokus von NSL und ADS, der sie früher durchaus aufgeschlossen gegenübergetreten waren: die Deutsch-Amerikaner. Der harsche Umgang mit der deutsch-stämmigen Bevölkerung setzte nicht abrupt im April 1917 ein, sondern war das Ergebnis eines mehrmonatigen Radikalisierungsprozesses. Schließlich hatten Deutsch-Amerikaner bisher als mustergültige Einwanderergruppe gegolten. Hinzu kam, dass die Preparedness-Bewegung den Amerikanismus nach wie vor als Integrationsideologie verstand. Einwanderer, so die offizielle Prämisse, hätten auch in Kriegszeiten einen Platz in der US-Gesellschaft, solange sie loyal zur Nation stünden.102 Die NSL zitierte in ihrem Referenzhandbuch gar einen Independent-Artikel, in dem die Bevölkerung dazu aufgerufen wurde, sich nicht

100 Ebd., S. 2. 101 Vgl. Colonel Roosevelt Has Called the American Defense Society »The Fighting Wing«, in: ADS Records, Box 12, Folder 3. 102 Vgl. McElroy, Robert: The Ideals of Our War, New York 1917, S. 2-3.

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zu Vorurteilen gegenüber patriotischen Deutsch-Amerikanern hinreißen zu lassen. Zugleich hieß es dort jedoch, dass Illoyalität selbstverständlich bestraft gehöre.103 Damit hatte man eine Sprachregelung gefunden, mit der man sich als Vorreiter des antideutschen Patriotismus profilieren konnte, ohne die Integrationsideale des Amerikanismus aufzugeben. Da die PreparednessOrganisationen den Patriotismus-Begriff nach Gutdünken definierten, gerieten alle Deutsch-Amerikaner in den Ruch der Illoyalität, die den nationalistischen Ansprüchen des Movement nicht genügten. Das Misstrauen richtete sich vor allem gegen jene Bürger, die im Alltag immer noch Deutsch sprachen – laut US-Zensus von 1910 mindestens 2,7 Millionen Menschen.104 So wurde die Bekämpfung der deutschen Sprache im öffentlichen Raum bald zu einer der wichtigsten Forderungen von NSL und ADS. In vielen Bundesstaaten, in denen es ab Herbst 1917 zu Einschränkungen des Deutschunterrichts an Schulen und Universitäten kam, hatten Ortsgruppen der Preparedness-Organisationen zuvor massiv gegen die Sprache agitiert.105 Die ADS begründete ihre Verbotsforderung mit dem gefährlichen Einfluss, den der Deutschunterricht auf Schüler habe. »Das Erlernen der deutschen Sprache«, so die These eines weit verbreiteten Pamphlets, würde »die noch wenig gefestigten Köpfe amerikanischer Kinder teutonisieren«106 . Auch die deutsche Presselandschaft in den USA geriet in den Fokus der Preparedness-Organisationen. NSL und ADS sprachen sich vehement für ein gesetzliches Verbot deutschsprachiger Zeitungen und Magazine aus, um den »teutonischen Einfluss in den Vereinigten Staaten«107 zurückzudrängen. NSL-Ideologen begründeten das rabiate Vorgehen, von dem andere sprachliche Minderheiten in den USA weniger betroffen waren, mit dem besonderen Charakter der deutschen Kultur: »Kultur has produced its proper fruit in the theory of the state as supreme over the individual, a theory that denies to government every moral attribute and makes power devoid of every ethical consideration the only

103 Vgl. Hart/Beck (Hg.): Handbook of References, S. 312. 104 Siehe Mother Tongue of the Foreign-Born Population. 1910 to 1940, 1960, and 1970, unter: U.S. Census Bureau, URL https://www.census.gov/population/www/documentation/twps0029/tab06.html (Zugriff am 15.07.2019). 105 Vgl. Wüstenbecker: Deutsch-Amerikaner, S. 171. 106 That the Administration Be Asked, New York 1918, S. 3. 107 Ebd.

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end to be attained. […] Let our German-American friends expel these false prophets in their midst, renounce forever Kultur and all its works and turn to the life-giving principles which underlie our government.«108 Da die Werte der deutschen Kultur den Idealen Amerikas derart diametral entgegenstünden, sei ein erhöhter Amerikanisierungsdruck auf die deutschstämmige Bevölkerung unabdingbar. Die »Isolation und Entfremdung« der Deutsch-Amerikaner könne nur durchbrochen werden, wenn diese »immer und immer wieder, in Taten wie in Worten«109 , ihre Loyalität demonstrierten. NSL und ADS betonten, dass die repressiven Amerikanisierungsmaßnahmen letztlich dem Wohl der Betroffenen selbst dienen würden. Schließlich, so die Rechtfertigung, strebe man ein gedeihliches Zusammenleben aller Bevölkerungsgruppen in den Vereinigten Staaten an.110 Auch wenn diese Begründung reichlich zynisch anmutete, verwies sie doch auf eine ideologische Besonderheit des amerikanischen Nationalismus. Folgt man dem Selbstverständnis des Preparedness Movement, so zielten seine Repressionsmaßnahmen nicht auf eine Ausgrenzung ›des Fremden‹, sondern auf eine Integration in ›das Eigene‹ ab.111 Obwohl die Propaganda der Bewegung zweifellos Ressentiments schürte, war die Betonung des Amerikanisierungsgedankens nicht bloß ein argumentatives Feigenblatt für generelle Xenophobie. Vielmehr finden sich in den Quellen zahlreiche Belege dafür, dass NSL und ADS durchaus vom Ideal des staatsbürgerlichen Nationalismus überzeugt waren. Der sprichwörtliche »Schmelztiegel«112 wurde immer wieder bemüht, um zu verdeutlichen, dass die Stärke der Vereinigten Staaten in ihrer ethnischen Vielfalt liege. Voll assimilierten Einwanderern stünden dieselben Rechte zu wie der alteingesessenen Bevölkerung; kein patriotischer Amerikaner dürfe aufgrund seiner Herkunft bevorzugt oder benachteiligt werden.113 In einer von Theodore Roosevelt verfassten und von der NSL adaptierten Erklärung hieß es pathetisch, dass die Amerikaner als »Kinder des Schmelztiegels« eine neue Art von Nation begründet hätten, die nicht länger auf Abstammung beruhe. Solange die Loyalität der Bürger allein

108 109 110 111 112 113

Hart/Beck (Hg.): Handbook of References, S. 314. Ebd. Vgl. ebd. Zum Konzept des »Othering« im Kontext des 1. Weltkriegs vgl. Smith, Zachary: Age of Fear. Othering and American Identity during World War I, Baltimore 2019, S. 6-9. Vgl. Hart/Beck (Hg.): Handbook of References, S. 311. Vgl. ebd., S. 314.

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den Vereinigten Staaten gelte, komme ihren unterschiedlichen Wurzeln keine Bedeutung zu.114 Trotz dieser hehren Rhetorik sollte die egalitäre Dimension des Amerikanismus nicht überschätzt werden. Zum einen war die amerikanische Mainstream-Kultur, in die sich Neuankömmlinge integrieren sollten, vor allem von WASPs geprägt. Einem Einwanderer aus England wurde in der Praxis also eine wesentlich geringere Assimilierungsleistung abverlangt als beispielsweise einem Immigranten aus Griechenland. Zum anderen war zumindest implizit klar, dass sich das Gleichheitsversprechen des amerikanischen Schmelztiegels primär an weiße Europäer richtete. So war es für die USA des frühen 20. Jahrhunderts zwar verhältnismäßig fortschrittlich, dass die Nationalisten des Preparedness Movement auch süd- und osteuropäische sowie katholische und jüdische Einwanderer willkommen hießen. Die nahe liegende Frage, ob auch ›nicht-weiße‹ Menschen ein vollwertiger Teil des Gemeinwesens werden konnten, wurde aber weitgehend ausgeblendet.115 Trotz dieser rassistischen Leerstelle lässt sich konstatieren, dass sich der Amerikanismus des Preparedness Movement auch während des Krieges deutlich integrativer präsentierte als es für die ethnischen Nationalismen Mitteleuropas üblich war.116 Der janusköpfige Charakter des Amerikanismus veranlasste die Preparedness-Organisationen zu einer Kampagne, deren Ton bisweilen paradox anmutete. Ihre anti-deutsche Propaganda war von einem eigentümlichen Wechselspiel aus paranoider Hetze und gönnerhaftem Wohlwollen geprägt. Auf der einen Seite gingen die Organisationen mit extremer rhetorischer Härte gegen die deutsche Kultur in den USA vor und stellten die deutschamerikanische Gemeinschaft unter Generalverdacht. Ein besonders radikales Pamphlet der NSL, das im Herbst 1917 veröffentlicht wurde und den reiße-

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Vgl. ebd., S. 314-315. Während Menschen mit asiatischen oder indigenen Wurzeln von den PreparednessOrganisationen völlig ausgeblendet wurden, finden sich in den Quellen sporadische Stellungnahmen zur schwarzen Bevölkerung der USA. So veröffentlichte die NSL etwa kurz vor Kriegsende eine Broschüre, die den Patriotismus der Afroamerikaner würdigte; siehe Moore, Lewis B.: How the Colored Race Can Help in the Problems Issuing from the War, New York 1918. Verglichen mit den zahlreichen Einlassungen zu europäischen Immigranten machen derartige Beiträge aber nur einen Bruchteil des Quellenmaterials aus. Vgl. Gerstle: American Crucible, S. 44-47; Gerstle: American Nationalism, S. 1296-1297.

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rischen Titel The Tentacles of the German Octopus in America trug,117 konstruierte das Narrativ einer groß angelegten Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten. Demnach würde die Regierung in Berlin Deutsch-Amerikaner für ihre Kriegsführung gegen die USA instrumentalisieren. Die deutschsprachige Presse und die deutsch-amerikanischen Kulturorganisationen – allen voran der Deutschamerikanische National-Bund118 – stünden immer noch loyal zur alten Heimat und würden systematisch gegen US-Interessen arbeiten. Auch die ADS warnte in schrillen Tönen vor Sabotageakten durch Verräter im eigenen Land. Um der Bedrohung Herr zu werden, sprach sie sich nicht nur für die Internierung deutscher Staatsbürger in den Vereinigten Staaten aus,119 sondern forderte eine Art Präventivhaft für deutsch-stämmige US-Bürger, die mit dem Feind sympathisierten.120 Auch wenn dieser ADS-Vorschlag kaum auf öffentlichen Widerhall stieß, zeigt er doch, zu welch weitgehenden Maßnahmen Teile der Bewegung bereit waren. Folgt man zeitgenössischen Spekulationen über die Anzahl illoyaler Deutsch-Amerikaner in den Vereinigten Staaten, so wären »mehrere hunderttausend«121 Menschen von den geforderten Internierungen betroffen gewesen.122 Auf der anderen Seite traten die Preparedness-Organisationen erstaunlich konziliant gegenüber deutsch-stämmigen Bürgern auf, die den nationalistischen Ansprüchen der Bewegung gerecht wurden. Deutsch-Amerikaner, die sich betont patriotisch gaben und ihrer alten Heimat demonstrativ abschworen, wurden in den höchsten Tönen gelobt. Insbesondere die NSL präsentierte deutsch-stämmige Mitglieder gerne als Kronzeugen einer erfolgreichen Assimilierungspolitik.123 Zugleich bot der Eintritt in eine Preparedness-

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Siehe Sperry, Earl E.: The Tentacles of the German Octopus in America, New York 1917. Zur Geschichte des Deutschamerikanischen National-Bunds siehe Johnson, Charles Thomas: Culture at Twilight. The National German-American Alliance, 1901-1918, New York u.a. 1999. 119 Diese Forderung wurde auch von der NSL geteilt; vgl. Hart/Lovejoy (Hg.): Handbook of the War, S. 95. 120 Vgl. Administration Be Asked, S. 2-3. 121 Vgl. Hart/Beck (Hg.): Handbook of References, S. 317. 122 Die Forderung nach einer Präventivhaft für Deutsch-Amerikaner, die vermeintlich mit dem Feind sympathisierten, erinnert an die Zwangsdeportationen japanisch-stämmiger US-Bürger im Zweiten Weltkrieg. Für einen Forschungsüberblick zu dieser Thematik siehe Ng, Wendy: Japanese American Internment During World War II. A History and Reference Guide, Westport u.a. 2002. 123 Vgl. McElroy: Ideals of War, S. 3; Minutes of the Meeting of the Executive Committee of the National Security League (27. Juni 1917), in: Lydecker Papers, Box 13, Folder 2.

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Organisation Deutsch-Amerikanern eine opportune Möglichkeit, ihre Loyalität zu den Vereinigten Staaten zu demonstrieren. Sowohl NSL als auch ADS stellten ihren Anhängern Mitgliedsnachweise und Buttons aus, die sie als aufrechte Amerikaner auswiesen. So hieß es in dem entsprechenden Zertifikat der ADS etwa explizit, dass das namentlich genannte Mitglied »seinem Land einen patriotischen Dienst erweise«124 . Das Engagement in einer Preparedness-Organisation bot insofern einen verhältnismäßig wirksamen Schutz vor Alltagsübergriffen. In einigen Fällen kam es gar zu einem bemerkenswerten ›Konvertiten-Phänomen‹. Deutsch-stämmige Repräsentanten des Preparedness Movement gingen zum Teil mit größerer rhetorischer Härte gegen die Kultur und Sprache ihrer alten Heimat vor als es Autoren aus dem angelsächsisch-stämmigen Establishment taten. So sind die schärfsten Passagen im entsprechenden Kapitel des NSL-Referenzhandbuchs von Autoren wie Gustavus Ohlinger oder John William Scholl verfasst worden, deren Nachnamen auf ihre deutschen Wurzeln verweisen.125 Auf den ersten Blick waren vermeintlich illoyale Deutsch-Amerikaner zwischen 1917 und 1918 das offenkundigste Feindbild der PreparednessOrganisationen. Dieser Eindruck, der auch die Forschungsliteratur geprägt hat, war wohl vor allem der Tatsache geschuldet, dass man noch während der Neutralitätsperiode einen freundlichen Umgang mit der Bevölkerungsgruppe gepflegt hatte – der Zäsur-Charakter des Kriegseintritts war insofern besonders augenfällig. Die Quellen offenbaren jedoch, dass Deutsch-Amerikaner nicht der »Feind im Innern«126 waren, dem die Bewegung mit der größten Härte begegnete. Dieses zweifelhafte Privileg blieb den amerikanischen Pazifisten vorbehalten. Preparedness- und Friedensbewegung waren einander schon während der Neutralitätsperiode in tiefer Abneigung verbunden gewesen. Im Kampf um die Diskurshoheit hatten sich beide Lager mit heftigen Angriffen überzogen. Insbesondere der Vorwurf des Militarismus und der Kriegstreiberei hatte NSL und ADS mehr als einmal in die argumentative Defensive getrieben. Umso erbitterter fielen die Attacken der Preparedness-Organisationen aus, nachdem sich die öffentliche Stimmung in Folge des Kriegseintritts gedreht hatte. Anders als vor 1917 traf die Ablehnung militärischer Maßnahmen

124 The Membership Certificate, in: ADS Records, Box 2, Folder 3. 125 Vgl. Hart/Beck (Hg.): Handbook of References, S. 313-318. 126 Beck, James M.: The Enemy within our Gates, New York 1917, in: ADS Records, Box 12, Folder 2.

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nicht länger bis in die Mitte der US-Gesellschaft auf Sympathien. Vielmehr hatte die amerikanische Kriegsbeteiligung den Pazifismus zum radikalen Anliegen einer als suspekt empfundenen Minderheit gemacht.127 Das Preparedness Movement ließ keinen Zweifel daran, dass nunmehr die Zeit gekommen war, mit der verhassten Friedensbewegung abzurechnen. Knapp sieben Wochen nach dem amerikanischen Kriegseintritt verkündete die NSL, dass sie »aktive Schritte« einleiten würde, um gegen den »heimtückischen« und »gefährlichen«128 Einfluss der Pazifisten vorzugehen. In den Verlautbarungen von National Security League und American Defense Society wurde Pazifismus zwischen 1917 und 1918 geradezu zum Synonym für Illoyalität. Ein weit verbreitetes ADS-Pamphlet machte deutlich, mit wem sich die Friedensaktivisten gemeinmachen würden: »Die schnelle Beendigung des Krieges«, so der Wortlaut, werde »durch die Aktivitäten von Spionen, Verrätern und illoyalen Pazifisten verzögert«129 . Eine andere ADS-Publikation insinuierte gar, dass der US-Friedensbewegung eine erhebliche Mitschuld an der Eskalation des Weltkriegs zukomme. Demnach hätten öffentlichkeitswirksame Aktionen wie das 1915 von Henry Ford gesponserte Peace Ship130 in Deutschland den Eindruck erweckt, die Amerikaner würden niemals in den europäischen Konflikt intervenieren. Erst diese Versicherung hätte die Reichsregierung dazu ermutigt, in ihrer Kriegsführung keinerlei Rücksicht auf das Völkerrecht zu nehmen.131 Die Pazifismus-Passagen im Referenzhandbuch der NSL illustrieren, mit welch rhetorischer Inbrunst man gegen die Friedensbewegung vorging: »The professional pacifists have, during the last three years, proved themselves the evil enemies of their country. […] [T]hey have shown themselves to be the spiritual heirs of the Tories who in the name of peace opposed Washington, and of the Copperheads who in the name of peace opposed Lincoln. 127 128 129 130

131

Vgl. Kazin: War Against War, S. 242-247. Hart/Beck (Hg.): Handbook of References, S. 257. Administration Be Asked, S. 16. Ende 1915 hatte der amerikanische Industrielle Henry Ford ein Schiff gechartert und war mit einer Reihe gleichgesinnter Pazifisten nach Europa gereist, um zwischen den kriegsführenden Mächten zu vermitteln. Das Vorhaben wurde von internen Meinungsverschiedenheiten und einem schweren Grippeausbruch während der Überfahrt überschattet. Ford hatte die Reise frühzeitig abbrechen müssen und war in der amerikanischen Presse verspottet worden. Zur Geschichte des Peace Ship siehe Kraft, Barbara S.: The Peace Ship. Henry Ford’s Pacifist Adventure in the First World War, New York 1978. Vgl. Whitney, Caspar: »Gott Mit Uns!« The Boche Delusion, New York 1918, S. 7-8.

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We regard these men and women as traitors to the republic; we regard them as traitors to the great cause of justice and humanity.«132 Hatte sich die Kritik der Preparedness-Organisationen während der Neutralitätsperiode noch auf den Vorwurf der Weltfremdheit oder Ignoranz beschränkt,133 so warf man der Friedensbewegung nunmehr offen Hochverrat vor. Die historischen Referenzen der NSL an die Amerikanische Revolution und den Bürgerkrieg erfüllten hier gleich eine doppelte Funktion. Einerseits wurden die Pazifisten auf eine Stufe mit historischen Akteuren gestellt, die in der amerikanischen Erinnerungskultur des frühen 20. Jahrhunderts als diskreditiert galten, weil sie ›auf der falschen Seite der Geschichte‹ gestanden hatten. Andererseits nahm die Preparedness-Organisation für sich selbst in Anspruch, in der geistigen Tradition Washingtons und Lincolns zu stehen. Wie schon zu den Glanzzeiten der beiden größten US-Präsidenten, so die nahe liegende Deutung, sei man auch im gegenwärtigen Weltkrieg mit innerem Widerstand konfrontiert, den es für die patriotische Sache zu überwinden gelte. In diesem Sinne forderte die NSL die Regierung auf, mit »unerbittlicher Härte« gegen die »verräterischen Aktivitäten«134 der Friedensbewegung vorzugehen. Die antipazifistische Kampagne der Preparedness-Organisationen gewann noch einmal an Schärfe, als Ende 1917 der Zusammenbruch der russischen Streitkräfte an der europäischen Ostfront evident wurde. Die ADS interpretierte die Ereignisse in einer Weise, die an die spätere Dolchstoßlegende deutscher Nationalisten erinnert. Demnach sei das russische Heer nicht am überlegenen Gegner auf dem Schlachtfeld, sondern an Defätisten in der Heimat gescheitert. In einer Resolution warnte die ADS vor einer ähnlichen Entwicklung in den Vereinigten Staaten: »Verräterische Kräfte« im Innern – darunter »Pazifisten, Anti-Militaristen und Kriegsdienstverweigerer« – würden auch hierzulande eine »groß angelegte Kampagne der Illoyalität«135 führen. In Hinblick auf das russische Beispiel sei die US-Regierung dazu aufgerufen, jedes Anzeichen von Verrat im Keim zu ersticken.136

132 133 134 135 136

Hart/Beck (Hg.): Handbook of References, S. 315. Vgl. Hart/Lovejoy (Hg.): Handbook of the War, S. 117-118. Ebd., S. 315-316. ADS History, S. 9. Vgl. ebd.

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Je länger der Krieg dauerte, desto lauter wurde der Ruf des Preparedness Movement nach staatlicher Repression gegenüber dem ›Feind im Innern‹. Dabei konterkarierte die Bewegung ein ums andere Mal ihr gebetsmühlenartiges Bekenntnis zu den amerikanischen Freiheitsidealen. In ihrem Furor gegen vermeintlich illoyale Deutsch-Amerikaner und verräterische Pazifisten gab die ADS im Winter 1917/1918 ein Pamphlet in den Druck, das den Ersten Verfassungszusatz offen infrage stellte: »We allow any sort of man to say any sort of thing in this country. […] [W]hy should he waste this nation’s time today, when time is more than money, when it is the essence of human and national life? Freedom of speech? Good God! With the peace and the future of the world at stake, should we listen to the egoistic prattle of any little freak […]?«137 Im Ausnahmezustand des Kriegs erschien der ADS selbst die Meinungsfreiheit – das wohl symbolträchtigste Grundrecht der US-Verfassungstradition – nicht mehr sakrosankt. Diese Passage erscheint umso bemerkenswerter, als die Preparedness-Organisation im selben Pamphlet erläuterte, dass es im Kampf gegen Deutschland nicht zuletzt um die Bewahrung des sprichwörtlichen amerikanischen »Demokratieexperiments«138 gehe. Der Widerspruch in dem Ansinnen, die Freiheit einzuschränken, um die Freiheit zu bewahren, blieb der ADS offenkundig verborgen. Trotz der alarmistischen Rhetorik bewerteten die PreparednessOrganisationen ihren Kampf gegen den ›Feind im Innern‹ durchaus als erfolgreich. Als sie im Frühjahr 1918 auf die ersten zwölf Monate der amerikanischen Kriegsbeteiligung zurückblickten, fiel die Zwischenbilanz vorsichtig optimistisch aus. Vergleicht man die Hauptrede der NSL-Jahrestagung vom Mai 1918 mit jener vom Mai 1917, so fällt auf, dass die düsteren Warnungen einer positiven Zwischenbilanz gewichen waren.139 Stanwood Menken deutete an, dass die nationalistische Vision der Preparedness-Bewegung deutlich 137 138 139

Hough, Emerson: The Indefinite American Attitude Toward the War and When Shall It Change?, New York 1918, S. 8. Ebd. Dass Menken in seiner Rede mit keinem Wort auf das amerikanische Expeditionsheer an der Westfront einging, belegt einmal mehr, wie sehr der Fokus der NSL auf der Heimatfront lag. Die US-Streitkräfte waren im Mai 1918 an den alliierten Abwehrschlachten gegen die deutsche Frühjahrsoffensive beteiligt und erlebten in diesen Tagen gewissermaßen ihre ›Feuerprobe‹; vgl. Epkenhans, Michael: Der Erste Weltkrieg 1914-1918, Paderborn 2015, S. 220.

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an Strahlkraft gewonnen habe. Der Krieg, so der NSL-Vorsitzende, habe das Potenzial offenbart, Amerika zu einer »wahrhaften Nation« zu schmieden; die erwachten »Feuer des Patriotismus« könnten den »Schmelztiegel«140 tatsächlich neu entflammen. Die American Defense Society kam in einer Publikation aus dem Frühjahr 1918 zu einer vergleichbaren Einschätzung. Bezeichnenderweise nutzte die ADS ebenfalls die Schmelztiegel-Analogie, gab ihr aber eine martialischere Note: »Let us build a new form of fire under our melting pot. If the contents won’t melt, then let them consume. We are at war. It is not time for little things, cheap things, pleasant things, egoistical things.«141 Offenkundig nahmen die Funktionäre der Preparedness-Organisationen wahr, dass ihre Kampagne vom Kriegszustand der vergangenen Monate enorm profitiert hatte. Die Krise schien eine neue Sehnsucht nach Einigkeit in der amerikanischen Bevölkerung erzeugt zu haben, die dem Nationalismus Vorschub leistete. Menken griff diese Stimmung auf, als er auf der NSL-Jahrestagung über den allenthalben spürbaren Mentalitätswandel sprach. Zwar seien die Vereinigten Staaten nach wie vor von Aufwieglern bedroht; eines könne aber kaum bestritten werden: »[T]rue Americans are of one mind about this war, whether they chance to live in the East, West, North or South. The awakening of America has created a national soul.«142 Auch wenn Menken den erreichten Grad an nationaler Einheit übertrieb, verwiesen seine Worte doch auf eine treffende Beobachtung. Der Krieg hatte das Ideal der sozialen Kohäsion in einem Maße popularisiert, das in Friedenszeiten kaum denkbar gewesen wäre. Die Mobilisierung der amerikanischen Zivilgesellschaft war mit der Mobilisierung des amerikanischen Nationalismus einhergegangen.

140 Annual Report 1918, S. 9. 141 Hough: American Attitude, S. 8. 142 Annual Report 1918, S. 6.

4 Preparedness in Kriegszeiten

4.2

Hybris und Kontroverse: Das letzte Kriegsjahr (Frühling 1918 – Winter 1918/19)

Zu Jahresbeginn 1918 hatte die Preparedness-Bewegung allen Grund, mit Zufriedenheit auf die vergangenen Monate zurückzublicken. Der Kriegseintritt war mit einem spürbaren Stimmungswandel in der öffentlichen Meinung einhergegangen, der es den zivilen Organisationen erleichterte, ihre Propaganda in die Bevölkerung zu tragen. Die beiden wohl wichtigsten Indikatoren deuteten darauf hin, dass ihnen eine erfolgreiche Zukunft beschieden war: Die addierten Mitgliederzahlen von National Security League und American Defense Society hatten 1917 die Einhunderttausend-Marke überschritten und die Spendeneinnahmen neue Rekordwerte erreicht. Es schien, als hätten die Preparedness-Organisationen ihre Rolle als Taktgeber einer gesellschaftlichen Transformation gefunden, deren geschichtliche Stunde gekommen war. In der historischen Rückschau wird jedoch deutlich, dass die Preparedness-Kampagne im Winter 1917/18 ihren Zenit erreicht hatte. Anders als von den Anhängern des Movement erhofft, brachten die kommenden Monate nicht den endgültigen Durchbruch für ihre Vision. Vielmehr hatten die Preparedness-Organisationen mit internen Querelen und öffentlichen Skandalen zu kämpfen, deren Ursprung nicht zuletzt in den Propagandaerfolgen der jüngsten Vergangenheit lag. Ihr immer offener zutage tretender Fanatismus ließ in der amerikanischen Öffentlichkeit erste Zweifel an der Redlichkeit von NSL und ADS aufkommen. So begann im letzten Kriegsjahr der schleichende Niedergang der Preparedness-Bewegung.

4.2.1

Personalquerelen und Skandale

Im Frühjahr 1918 waren die Sollbruchstellen, die im weiteren Jahresverlauf zum Problem wurden, bereits angelegt. Ironischerweise war es ein genuiner Erfolg der Preparedness-Organisationen, der ihre Arbeit bald deutlich erschweren sollte: das starke Mitgliederwachstum der vergangenen Monate. Die Vorstände von NSL und ADS blickten zwar mit Genugtuung auf die beeindruckende Zunahme an beitragszahlenden Unterstützern, die ihre Organisationen seit dem Kriegseintritt verzeichnen konnten.143 Sie verkannten jedoch, dass es der Bundeszentrale in New York mit jeder konstituierten Ortsgruppe 143

Vgl. Annual Report 1918, S. 2; Davison an Jusserand (30. Juli 1918), in: ADS Records, Box 2, Folder 1.

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schwerer fiel, die Aktivitäten der Gesamtorganisation zu koordinieren. Der landesweite Durchbruch der Preparedness-Kampagne hatte nicht zuletzt dazu geführt, dass die Anhängerschaft der Bewegung deutlich heterogener geworden war – in demografischer wie auch in regionaler Hinsicht. Die Führungszirkel von NSL und ADS wurden jedoch nach wie vor von Funktionären aus der urbanen Elite des Nordostens dominiert, deren Vorstellungswelt prägend für den Kurs beider Organisationen blieb. Die Folge waren erhebliche Spannungen über die inhaltlichen und strategischen Schwerpunkte der Propagandaarbeit. Ihr kriegsbedingtes Wachstum stellte insbesondere die größere und heterogenere NSL vor Herausforderungen. Die Friktionen zwischen der Bundeszentrale und den immer selbstbewusster werdenden Lokalablegern in anderen Landesteilen nahmen ab 1917 deutlich zu. Inhaltliche Abweichungen vom Kurs des New Yorker Vorstands ergaben sich in vielen Fällen aus den regionalen Mentalitätsunterschieden der Bundesstaaten. So forderten NSLOrtsgruppen im föderalistisch gesinnten Süden beispielsweise eine gewichtigere Rolle der Nationalgarde in der US-Sicherheitspolitik, während ihre Pendants im Mittleren Westen die Propagandaarbeit der Organisation verstärkt auf Deutsch-Amerikaner ausrichten wollten, die besonders zahlreich in der Region vertreten waren. In nicht wenigen Fällen ignorierten Lokalableger die inhaltlichen Vorgaben aus New York oder weigerten sich gar in satzungswidriger Weise, einen Teil ihrer Mitgliedsbeiträge an die Bundeszentrale abzuführen. Der Vorstand musste resigniert feststellen, dass er faktisch kaum über Durchgriffsmöglichkeiten verfügte, um die eigensinnigen Ortsgruppen auf Linie zu bringen. Während die NSL in ihrer Kampagne die Einheit der amerikanischen Nation beschwor, hatte sie erhebliche Schwierigkeiten, ihre eigene Kohäsion zu bewahren.144 Neben den Absetzbewegungen renitenter Ortsgruppen sah sich die National Security League einer weiteren Herausforderung ausgesetzt, die ihren Ursprung im Innersten des New Yorker Führungszirkels hatte. Der rasante Aufstieg des erst spät zur NSL gestoßenen Bildungsdirektors Robert McElroy war gleichsam mit einem Autoritätsverlust des amtierenden Vorsitzenden Stanwood Menken einhergegangen. Während Menken von den Koordinationsproblemen der Organisation langsam zermürbt wurde, konnte McElroy 144 Für eine ausführliche Analyse des Konflikts zwischen der Bundeszentrale und den lokalen NSL-Ortsgruppen unter Berücksichtigung von vier Fallbeispielen vgl. Edwards: NSL, S. 63-89.

4 Preparedness in Kriegszeiten

als Verantwortlicher für die – weithin als erfolgreich wahrgenommene – Bildungsarbeit glänzen.145 Zwischen dem Vorsitzenden und seinem Bildungsdirektor bestanden erhebliche Meinungsunterschiede über die Grundausrichtung der Organisation. Trotz der zunehmenden Radikalisierung der NSL war Menken im Kern davon überzeugt, dass ihren Zielen am besten gedient sei, wenn die Bewegung den konstruktiven Dialog mit der Administration und dem Kongress suchte. Der Vorsitzende und seine Anhänger im Vorstand standen nach wie vor hinter der Loyalitätserklärung vom Mai 1917 und hielten es für wenig zielführend, Präsident Wilson in Kriegszeiten öffentlich anzugreifen. McElroy vertrat demgegenüber einen deutlich konfrontativeren Ansatz und machte sich dafür stark, die ›reine Lehre‹ vor allem in Abgrenzung zur vermeintlich halbherzigen Regierungspolitik zu propagieren. Der Bildungsdirektor und die wachsende Schar seiner Mitstreiter verstanden Kritik an der Regierung als patriotische Pflicht und stellten die Loyalitätserklärung immer offener infrage.146 Bald wurde offenkundig, dass Menkens verhältnismäßig moderate Position kaum noch mehrheitsfähig war. Viele Anhänger des Preparedness Movement hatten sich seit dem Kriegseintritt zu sehr radikalisiert, um noch Raum für Kompromisse zu lassen. Der kriegsbedingte Wegfall der Akteure in Militärverwaltung und Armee hatte die pragmatischeren Stimmen der Bewegung marginalisiert. Vom einst starken institutionellen Flügel waren nur noch einige Oppositionspolitiker übrig, denen es mittlerweile wieder opportun erschien, ihre selbstauferlegte Zurückhaltung gegenüber der Regierung aufzugeben. Damit ermutigten sie wiederum die radikalen Stimmen innerhalb der NSL.147 Tatsächlich scheiterte Menken nicht nur daran, die organisationsinternen Kritiker von seinem Kurs zu überzeugen, sondern stieß mit Woodrow Wilson auch den eigentlichen Adressaten seiner Loyalitätsstrategie vor den Kopf. Als der NSL-Ehrenvorsitzende Joseph Choate verstarb, machte Menken den

145

Vgl. ebd., S. 115. McElroy stellte sicher, dass die NSL-Mitglieder seine Leistungen als Bildungsdirektor zur Kenntnis nahmen, indem er einen eigenen Jahresbericht zur Bildungsarbeit der Organisation veröffentlichte; siehe McElroy: Annual Report Educational Work 1918. 146 Vgl. Edwards: NSL, S. 111; Frederic L. Huidekooper an S. Stanwood Menken (17. August 1917), Roosevelt Papers, Series 1, Reel 243. 147 Vgl. Edwards: NSL, S. 112; Kennedy: Over Here, S. 233-234.

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ehemaligen Kriegsminister Elihu Root im September 1917 zu dessen Nachfolger. Die Berufung des Republikanischen Politikers folgte auf den ersten Blick der Logik des Parteiproporzes (der Demokrat Alton Parker hatte nach wie vor den stellvertretenden Ehrenvorsitz inne). Anders als Choate oder Parker galt Root jedoch nicht als Elder Statesman, der sich aus den Niederungen der Tagespolitik heraushielt. Stattdessen war er als streitbarer Parteimann bekannt, der die Demokratische Regierung oft kritisierte – eine Angewohnheit, die im Weißen Haus durchaus wahrgenommen wurde.148 Wenige Tage nach Bekanntwerden der Personalie kam Wilson in interner Runde auf die Preparedness-Organisation zu sprechen und bezeichnete ihre Aktivitäten als »verdammenswertes Zeug«149 . Offenkundig hatte der Präsident – anders als von Menken intendiert – nicht den Eindruck, dass die NSL loyal mit seiner Administration zusammenarbeitete. Menken konnte freilich nicht wissen, wie der Mann im Weißen Haus wirklich über seine Organisation dachte. Er verteidigte den Präsidenten sogar noch, als Theodore Roosevelt seine traditionelle Fehde mit Wilson wieder aufnahm. Nachdem Roosevelt der erhoffte Einsatz an der Front verwehrt geblieben war, fiel er in alte Muster zurück und profilierte sich erneut als Kritiker der Administration. In öffentlichen Äußerungen beschränkte er sich mit Rücksicht auf die nationale Krise zwar auf kleinere Sticheleien;150 in einem privaten Briefwechsel mit Menken ließ er aber keinen Zweifel an seiner maßlosen Verachtung gegenüber dem ungeliebten Nachfolger. Als der NSL-Vorsitzende im Dezember 1917 seine Loyalität zu Wilson bekräftigte und den Kriegspräsidenten trotz aller »konstruktiven Kritik« als »fähigen Regierungschef«151 bezeichnete, widersprach Roosevelt ihm vehement. In seiner harschen Entgegnung verglich er Wilson mit James Buchanan – dem nach landläufiger Meinung wohl schlechtesten Präsidenten der amerikanischen Geschichte.152 Die unterschiedliche Sicht auf den Mann im Weißen

148 Vgl. Edwards: NSL, S. 114; Elihu Root Heads Security League. Accepts Honorary Presidency of Pioneer Preparedness Organization, in: The New York Times, 15. September 1917. 149 Zitiert in Kellor, Morton: In Defense of Yesterday. James M. Beck and the Politics of Conservation, New York 1958, S. 122. 150 Vgl. beispielsweise Criticised by Roosevelt. Says Administration’s Policy is »Let George Do It«, in: The New York Times, 27. März 1918. 151 Menken an Roosevelt (11. Dezember 1917), in: Roosevelt Papers, Series 1, Reel 255. 152 Vgl. Roosevelt an Menken (12. Dezember 1917), in: Roosevelt Papers, Series 3A, Reel 398.

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Haus belastete das Verhältnis zwischen dem NSL-Vorsitzenden und dem prominentesten Kopf der Preparedness-Bewegung nachhaltig.153 Auch wenn die Quellen keinen eindeutigen Zusammenhang belegen, erscheint es wahrscheinlich, dass der Gegensatz maßgeblich zu einer überraschenden Personalie beitrug, die das Preparedness Movement wenige Wochen nach dem Briefwechsel in Aufruhr versetzte: Theodore Roosevelt wurde Mitte Januar 1918 zum Ehrenvorsitzenden der American Defense Society berufen.154 Zwar hatte er bereits seit längerem einen Sitz im – weitgehend einflusslosen – Beirat von NSL und ADS gehabt; an einer stärkeren institutionellen Anbindung an die zivilen Organisationen hatte der ehemalige Präsident bislang aber kaum Interesse gezeigt. Da die Position rein repräsentativer Natur war, ging Roosevelts Berufung in den Ehrenvorsitz zwar nicht mit operativer Kontrolle über die ADS einher. Die Symbolkraft der Personalie war jedoch umso größer. Wie schon im Sommer 1915, als er der ADS faktisch seinen Segen für die Abspaltung von der NSL gegeben hatte, ließ Roosevelt wenig Zweifel daran, für welche Preparedness-Organisation er größere Sympathien hegte. Mit seinem Schritt düpierte Roosevelt nicht nur die NSL und ihren ohnehin angeschlagenen Vorsitzenden, sondern wertete das Prestige der ADS innerhalb der Gesamtbewegung erheblich auf. Um die kleinere der beiden Preparedness-Organisationen war es seit dem Kriegseintritt ruhiger geworden. Mit der Loyalitätserklärung vom Frühjahr 1917 und dem verschärften Ton der NSL-Propaganda hatte die ADS gewissermaßen ihr Alleinstellungsmerkmal verloren. Umso stärker hob sie die neue Personalie hervor, um sich als die wahre Vorreiterorganisation für Preparedness zu profilieren.155 Hatte die ADS bisher gänzlich auf einen Ehrenvorsitzenden verzichtet, so wurde der Name Theodore Roosevelts nun an prominenter Stelle im Briefkopf verankert und zierte bald sämtliche Publikationen, die unter dem Signum der Organisation herausgegeben wurden.156 In den kommenden Monaten erwies sich der neue Ehrenvorsitzende als wirksames Zugpferd für die Öffentlichkeitsarbeit der Organisation. Höhe153 154 155 156

Vgl. Edwards: NSL, S. 112. Vgl. Defense Society Elects T.R. Roosevelt Made Honorary President, in: The New York Times, 17. Januar 1918. Roosevelt Calls ADS »Fighting Wing«, in: ADS Records, Box 12, Folder 3. Der erste Quellennachweis für den neuen Briefkopf der ADS findet sich in einem Schreiben vom 25. Februar 1918; vgl. H.D. Craig an Charles S. Davison (25. Februar 1918), in: ADS Records, Box 1, Folder 4.

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punkt war eine Massenveranstaltung der ADS, die am 7. Mai 1918 – dem dritten Jahrestag der Lusitania-Versenkung – in der New Yorker Carnegie Hall stattfand. Die Presse berichtete landesweit über Roosevelts Rede, in der er eindrucksvoll die Bedeutung von Preparedness beschwor: »When the Lusitania was sunk we still failed to prepare, and the fact that we thus failed showed that our unpreparedness was as profound in the soul as in the body. Let us humbly thank our God that our people at last have awaked. It was the eleventh hour, but not the twelfth.«157 Roosevelt demonstrierte einmal mehr, dass er nach wie vor der wortgewaltigste Exponent des Preparedness Movement war. Seine knappen aber bedeutungsschweren Verweise auf die für die Bewegung so entbehrungsreichen Jahre der Neutralitätsperiode, die spirituelle Dimension von Preparedness und den in letzter Minute erreichten Gesinnungswandel in der Bevölkerung begeisterten die Zuhörerschaft. Dass Roosevelts Worte eine implizite Kritik an der Regierung darstellten, die für die angeblichen Missstände verantwortlich gewesen war, störte die ADS-Führung offenkundig wenig. Mit der Berufung von Wilsons politischem Erzfeind in den Ehrenvorsitz hatte die Preparedness-Organisation klar gemacht, dass die Zeit der Zurückhaltung vorbei war. Die Loyalitätserklärung vom Mai 1917 hatte kein Jahr gehalten. In dem Trubel um den neuen Ehrenvorsitzenden ging eine weitere symbolträchtige Personalentscheidung weitgehend unter. Zeitgleich mit Roosevelts Berufung wurde Wilsons ehemaliger Kriegsminister Lindley Garrison in den Vorstand der ADS aufgenommen.158 Die Organisation durfte berechtigterweise annehmen, dass vielen Amerikanern noch präsent war, unter welchen Umständen Garrison im Februar 1916 zurückgetreten war. Anders als der Präsident hatte sich Garrison damals nicht auf Kompromisse mit dem Kongress eingelassen, sondern war für seine Preparedness-Pläne zum politischen Märtyrer geworden. Die Personalie bedeutete eine weitere Profilschärfung für die ADS und erinnerte die Öffentlichkeit subtil daran, dass Wilson vor dem Kriegseintritt erhebliche Differenzen mit der Bewegung gehabt hatte. Im Juni 1918 folgte schließlich auch an der operativen Spitze der ADS ein Personalwechsel. Richard Hurd legte sein Amt als Vorsitzender nieder und

157 158

Pledge to Win War on Lusitania Day. Great Throng Cheers Sentiments, in: The New York Times, 8. Mai 1918. Vgl. ebd.

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wurde einfaches Vorstandsmitglied; mit Charles S. Davison trat ein ebenso umtriebiger wie radikaler Funktionär die Nachfolge an.159 Während die American Defense Society in der ersten Jahreshälfte 1918 in den Augen vieler Preparedness-Anhänger reüssierte,160 wurde die National Security League von einem handfesten Skandal erschüttert. Beflügelt von den Erfolgen seiner Bildungskampagne war Robert McElroy in den vergangenen Monaten immer selbstbewusster geworden. Nach eigenen Angaben hatte der NSL-Bildungsdirektor im ersten Jahr seit seinem Stellenantritt mehr als 100 öffentliche Reden gehalten und ein Gesamtpublikum von fast 130.000 Menschen erreicht.161 Trotz seiner unermüdlichen Propagandaarbeit war McElroy davon überzeugt, dass die Vereinigten Staaten nach wie vor von inneren Feinden bedroht würden. Besonderes Misstrauen brachte er der Bevölkerung des Mittleren Westens – der demografischen Hochburg der Deutsch-Amerikaner – entgegen. Anfang April 1918 brach der Bildungsdirektor daher zu einer Vortragsreise in die Region auf, um die vermeintlich widerspenstigen Bundesstaaten auf Linie zu bringen.162 Am 6. April 1918, dem Jahrestag des US-Kriegseintritts, erreichte McElroy die University of Wisconsin in Madison. Seine dortige Rede war Teil eines größeren Programms, das für das Zeichnen von Kriegsanleihen werben sollte. Höhepunkt der patriotischen Festivitäten war eine Parade, bei der das studentische Kadettenkorps durch Madison marschierte. Nach zweieinhalb Meilen Marsch im strömenden Regen fanden sich die durchfrorenen Studenten im Pavillon der Universität ein. Dort wurde von ihnen erwartet, einer Reihe von Reden zu lauschen; McElroys Vortrag fand gegen Ende der Veranstaltung statt. Während seiner Ausführungen machte sich zunehmend Unruhe im erschöpften Publikum breit, das auf ein rasches Ende der Veranstaltung drängte. Der wachsende Geräuschpegel ließ den NSL-Bildungsdirektor zu dem Schluss kommen, dass die anwesenden Studenten sich nicht dafür

159 Vgl. Spiro: Grant, S. 380. 160 Der Leitartikel eines kalifornischen Lokalblatts lobte die ADS im Winter 1917/18 überschwänglich: »Next to the American Congress, the American Defense Society is probably the most important body in the country today«; zitiert in: ADS History, S. 27. 161 Vgl. McElroy: Annual Report Educational Work 1918, S. 29. 162 Vgl. Edwards: NSL, S. 100.

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interessieren würden, was er zu sagen hatte. Schließlich kam es zum Eklat. Die Schilderungen der genauen Abläufe gingen jedoch auseinander.163 Nach seiner Rückkehr nach New York ließ McElroy in einem Zeitungsinterview verlautbaren, dass sich ihm in Madison ein erschreckendes Maß an »pro-deutschem Anti-Amerikanismus«164 geboten habe. Die etwa 2000 anwesenden Studenten hätten seiner Rede von Beginn an mit verschränkten Armen und distanzierten Mienen gelauscht. Als die Unruhe im Publikum zu groß geworden sei, habe er schließlich zu einer provokanten Maßnahme gegriffen, um die Zuhörer aufzurütteln. Demnach habe er laut in den Saal gerufen, dass die anwesenden Studenten »eine Bande verdammter Verräter«165 seien, die weniger einem amerikanischen als vielmehr einem preußischen Publikum gleichen würde. Zu seinem Entsetzen hätten die so Geschmähten sich keineswegs in ihrer Ehre angegriffen gefühlt und entsprechend Widerspruch angemeldet, sondern die Vorwürfe stillschweigend hingenommen. In dem Interview fasste McElroy die Ereignisse in Madison als »eine der schändlichsten Episoden«166 , die er jemals erlebt habe, zusammen und forderte eine Untersuchung der Zustände an der Universität. Anders als viele andere Amerikaner, die im Zuge der Kriegshysterie in das Fadenkreuz einer Preparedness-Organisation gerieten, ließen die Verantwortlichen der University of Wisconsin die Anschuldigungen nicht unwidersprochen. Die in dem Bundesstaat bestens vernetzte Universitätsleitung mobilisierte ihre politischen Unterstützer, um gegen den NSL-Bildungsdirektor vorzugehen. Das Ergebnis war ein Untersuchungsbericht, der den ›McElroy Incident‹, wie die Ereignisse vom 6. April 1918 bald in der Presse genannt wurden, detailliert aufarbeitete. Unter Mitherausgeberschaft des angesehenen Verfassungsgerichtsvorsitzenden von Wisconsin hieß es dort, dass McElroys Darstellung nicht der Wahrheit entspreche. Demnach habe es tatsächlich Unruhe bei dessen länglichen Vortrag gegeben; diese sei aber allein auf den erschöpften Zustand der frierenden Studenten zurückzuführen gewesen. Die schlechte Akustik habe zudem dazu geführt, dass ein Großteil des Publikums McElroy gar nicht verstanden habe. Der Bericht bestritt rundheraus, dass sich die dramatische Szene, in der der Bildungsdirektor sein Publikum als Verräter 163

Vgl. Winslow, John B./Van Hise, Charles R./Birge, E.A. (Hg.): Report Upon the Statements of Professor Robert McNutt McElroy and the Executive Committee of the National Security League Relating to the University of Wisconsin, Madison 1918, S. 4-5. 164 Ebd., S. 16 165 Ebd., S. 17. 166 Ebd., S. 18.

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beschimpft haben will, tatsächlich zugetragen habe und zitierte dafür mehrere Zeugen aus der Madisoner Lokalprominenz, deren nationale Gesinnung als untadelig galt. Die Universität wies außerdem darauf hin, dass viele Studenten ihren patriotischen Beitrag im Militär leisten würden – einige seien sogar im Dienst für ihr Land gefallen.167 McElroy wurde in harschen Worten aufgefordert, seine »absolut falschen«168 und »beleidigenden«169 Anschuldigungen zurückzunehmen. Zeitungen wie die Chicago Daily Tribune berichteten ausführlich über den Streit zwischen der Universität und dem Bildungsdirektor.170 Die Gegendarstellung aus Wisconsin erschien vielen Beobachtern glaubwürdig; McElroy erweckte dagegen bei vielen den Eindruck eines hitzköpfigen Fanatikers.171 Da er um den Ruf der NSL fürchtete, sah sich Menken am 11. Mai gezwungen, persönlich nach Madison zu reisen, um einen Ausgleich mit der Universitätsleitung zu suchen. Dem Vorsitzenden war daran gelegen, den Skandal möglichst rasch aus der Welt zu schaffen.172 Zwei Tage später ließ er eine Presseerklärung veröffentlichen, in der er den Vorfall als großes Missverständnis bezeichnete. Die Unruhe im Publikum sei von McElroy falsch interpretiert worden; seine Organisation würde nicht am Patriotismus der Universitätsangehörigen zweifeln. Am 17. Mai trat der NSL-Vorstand zusammen und verabschiedete auf Drängen Menkens eine Resolution, die die patriotische Gesinnung in Madison lobte und negierte, dass der Bildungsdirektor etwas anderes behauptet hätte.173 Der Mann, der im Zentrum des Skandals stand, schwieg dagegen eisern zu der heiklen Causa. Obwohl es der Universität nicht gelang, der NSL die ursprünglich geforderte Entschuldigung abzutrotzen, demonstrierte ihr Teilerfolg doch, dass man eine Preparedness-Organisation trotz aller Kriegshysterie in die Schranken weisen konnte. Gleichzeitig ließ die Episode öffentliche Zweifel an der Redlichkeit der NSL aufkommen. Menkens Bemühen um Schadensbegrenzung trug nicht dazu bei, seine Autorität als NSL-Vorsitzender zu stärken. Vielmehr entfremdete die Episode ihn nur noch weiter von den radikaleren Kräften innerhalb der Organisation,

167 168 169 170 171 172 173

Vgl. ebd, S. 9-10, 20. Ebd., S. 11. Ebd., S. 18. Vgl. All Wisconsin Aroused over M’Elroy Charge. University, Governor, and Supreme Court Judge Assail Professor, in: Chicago Daily Tribune, 25. April 1918. Vgl. Shulman: National Security, S. 208-309. Vgl. Edwards: NSL, S. 102. Vgl. Winslow/Van Hise/Birge (Hg.): Report McElroy, S. 7-8.

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die jeden Kompromiss als Verrat an der nationalen Sache betrachteten. Für sie war McElroy kein Hitzkopf, dessen emotionaler Ausbruch dem Ansehen der NSL geschadet hatte, sondern ein konsequenter Vorkämpfer des Amerikanismus, der sich nicht scheute, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Im Sommer 1918 sahen die Anhänger des Bildungsdirektors schließlich die Gelegenheit gekommen, mit dem in Ungnade gefallenen Vorsitzenden abzurechnen.174 Den Anlass für Menkens Sturz lieferte sein Umgang mit dem umstrittenen New Yorker Zeitungsmagnaten William Randolph Hearst. Der einflussreiche Geschäftsmann hatte sich während der Neutralitätsperiode als prominenter Gegner einer amerikanischen Intervention in Europa exponiert. Auch nach dem Kriegseintritt machte der anglophobe Großverleger kein Geheimnis daraus, dass er tiefe Antipathien gegenüber Großbritannien hegte und einen raschen Verhandlungsfrieden mit den Mittelmächten präferierte – eine Position, die laut Kritikern auch auf die Berichterstattung seines Presseimperiums abgefärbt habe.175 Hearsts Gegner in der Preparedness-Bewegung warfen ihm vor, mit Deutschland zu sympathisieren und mit seiner feindseligen Berichterstattung über den britischen Verbündeten176 die amerikanischen Kriegsanstrengungen zu unterminieren. Viele NSL-Anhänger hielten die kontroversen Leitartikel der »finstersten Gestalt Amerikas«177 schlichtweg für Verrat an der Nation. Diese Sicht wurde auch von McElroy geteilt, dessen Bildungskomitee den Verleger bald scharf angriff.178 Als die öffentlichen Attacken des Bildungskomitees im Mai ein unangenehmes Maß erreicht hatte, nahm Hearst Kontakt zu Menken auf, um sich über die Behandlung durch McElroys Propagandisten zu beschweren und um 174 175 176

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Vgl. Edwards: NSL, S. 115. Vgl. S. Stanwood Menken an Theodore Roosevelt (22. Juli 1918), in: Roosevelt Papers, Series 1, Reel 286. Streng genommen waren die Vereinigten Staaten im Ersten Weltkrieg nicht mit den Entente-Mächten »verbündet«, sondern lediglich »assoziiert« – eine Unterscheidung, die der traditionellen Abneigung der amerikanischen Außenpolitik gegenüber festen Militärallianzen geschuldet war. Die Preparedness-Bewegung reflektierte diesen Unterschied in der Praxis jedoch kaum. In den meisten Publikationen wurden Nationen wie Frankreich oder das Vereinigte Königreich schlicht als »unsere Alliierten« bezeichnet; Why We Are At War, S. 11. O’Loughlin, Edward T.: Hearst and his Enemies. Compiled for the Committee of Relatives of American Soldiers, Sailors, and Marines of Greater New York, New York 1919, S. 13. Vgl. Edwards: NSL, S. 115.

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Abhilfe zu bitten. Damit sah sich der Vorsitzende einem Dilemma ausgesetzt: Einerseits lehnte er Hearsts Positionen entschieden ab und wusste, wie sehr die Basis den Verleger verabscheute. Andererseits hatte Hearst die NSL während der Neutralitätsperiode immer wieder großzügig unterstützt und so entscheidend zum Erfolg der Organisation beigetragen. Zudem stellte es für Menken als New Yorker Anwalt ein persönliches Geschäftsrisiko dar, sich einen der mächtigsten Männer der Stadt zum Feind zu machen. Menken entschied sich schließlich für Hearst und teilte dem Verleger mit, dass das Bildungskomitee tatsächlich übertrieben habe. Kurze Zeit später erklärte er sich zu einem Interview bereit, das die Angelegenheit klarstellen sollte. Im Juni konnten überraschte NSL-Mitglieder in den Zeitungen des Verlegers nachlesen, dass ihr Vorsitzender zwar Hearsts politische Positionen verurteile, seinen Patriotismus aber keinesfalls infrage stellen wolle.179 Die Reaktionen auf Menkens Interview waren verheerend. Die NSL-Basis war in Aufruhr; in der Bundeszentrale trafen täglich wütende Unmutsbekundungen aus dem ganzen Land ein. Viele Mitglieder zeigten sich entsetzt von der Exkulpierung Hearsts durch ihren eigenen Vorsitzenden. Auch der Vorstand stellte sich gegen Menken, der das Gremium lange dominiert hatte. Ermutigt von McElroy, der im Hintergrund die Fäden zog, drohten mehrere führende Funktionäre mit Rücktritt. Elihu Root deutete gar an, dass die Carnegie-Stiftung eine in Aussicht gestellte Spende zurückhalten würde, falls der Vorsitzende weiter im Amt bliebe. Menken musste einsehen, dass er das Vertrauen seiner Mitstreiter verloren hatte und trat Ende Juni 1918 zurück. Die NSL gestand ihrem Gründer immerhin einen ehrenvollen Abgang zu, indem sie Menkens Engagement der vergangenen dreieinhalb Jahre öffentlich würdigte und ihm eine nachgeordnete Funktionärsposition zusprach. In der New York Times erschien am nächsten Tag ein wohlwollender Bericht, der Menken für seinen Schritt lobte. Darin hieß es beschönigend, dass der Vorsitzende selbstbestimmt zurückgetreten sei, um der Organisation nach der HearstKontroverse einen Neuanfang zu ermöglichen.180 Neuer Vorsitzender wurde Charles Lydecker – einer der sieben ursprünglichen ›Gründungsväter‹ der NSL. Der frühere Colonel der New Yorker Natio179

Vgl. ebd., S. 115-116; NSL Hearings, S. 282; Says Hearst Paper Misused Statement. Security League Repudiates Expression Given by Menken as Coming from That Body, in: The New York Times, 19. Juni 1918. 180 Vgl. Edwards: NSL, S. 115-117; Menken Resigns; Denounces Hearst. Gives Up Security League Presidency to Correct Ill-Effort of Recent Interview, in: The New York Times, 29. Juni 1918.

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nalgarde galt als alter Mitstreiter Menkens, weshalb der öffentliche Eindruck entstand, die Preparedness-Organisation würde auf Kontinuität an der Spitze setzen.181 Faktisch bedeutete die Berufung des durchsetzungsschwachen Lydecker jedoch, dass die besonders schrillen Stimmen um McElroy fortan das öffentliche Bild der Organisation prägen konnten, ohne sich vor einem alerten Vorsitzenden rechtfertigen zu müssen.182 Unmittelbar nach dem Führungswechsel wandte sich die neue NSL-Spitze in einem Rundbrief an die Mitglieder, um ein für alle Mal mit den »finsteren, unpatriotischen und bösartigen«183 Ideen Hearsts abzurechnen. In der Rückschau wird deutlich, dass Menkens Abgang sinnbildlich für den Verlust der restlichen Kompromissfähigkeit stand, der der National Security League trotz aller Radikalisierungstendenzen geblieben war. Ihre Preparedness-Kampagne schreckte fortan nicht mehr davor zurück, sich mit mächtigen Gegnern anzulegen – selbst wenn diese Gegner Teil der Regierung waren.

4.2.2

Intervention in den Kongresswahlkampf 1918

Nachdem die Preparedness-Organisationen in der ersten Jahreshälfte 1918 vor allem mit Personaldiskussionen befasst waren, richtete sich ihr Blick im Sommer auf den beginnenden Kongresswahlkampf. Anders als in kriegsführenden Nationen wie Großbritannien oder Deutschland wurden anstehende Urnengänge in den Vereinigten Staaten nicht verschoben, sondern regulär abgehalten. So standen Anfang November die turnusgemäßen Zwischenwahlen auf der Agenda, die über die Zusammensetzung des Repräsentantenhauses und eines Drittels des Senats bestimmen sollten.184 Viele Anhänger der Preparedness-Bewegung sahen die Gelegenheit gekommen, die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse in ihrem Sinne zu beeinflussen.185 Das Agieren der zivilen Organisationen im Kongresswahlkampf 1918 wurde maßgeblich von ihren Erfahrungen im Präsidentschaftswahlkampf 1916

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Vgl. Menken Resigns, in: NYT, 29. Juni 1918. Robert McElroy prägte die Kampagne der NSL über das Kriegsende hinaus und trat schließlich am 1. Oktober 1919 von seinem Amt als Bildungsdirektor zurück, um sich wieder seiner Arbeit als Universitätsprofessor zu widmen; vgl. Robert McElroy an Willard I. Hamilton (30. September 1919), in: McElroy Papers, Box 3. 183 Zitiert in Menken Resigns, in: NYT, 29. Juni 1918. 184 Vgl. Zieger: America’s Great War, S. 166-167. 185 Vgl. Edwards: Price of Political Innocence, S. 191.

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geprägt. Während der Neutralitätsperiode hatte insbesondere die National Security League gezögert, sich politisch allzu stark zu exponieren – nicht zuletzt aus Rücksicht auf ihre heterogene Anhängerschaft. Stattdessen hatte die NSL bei beiden großen Parteien dafür geworben, weitgehende PreparednessMaßnahmen im Wahlprogramm zu verankern – ein Ansinnen, das letztlich gescheitert war. Die American Defense Society hatte wiederum kaum verhohlen, dass ihre Sympathien nicht bei den regierenden Demokraten lagen. Da die moderate sicherheitspolitische Positionierung der Republikaner um Charles Evans Hughes jedoch ebenso wenig ihren Vorstellungen von Preparedness entsprochen hatte, hatte die ADS von offener Unterstützung für die Opposition abgesehen. So war der Einfluss der Preparedness-Bewegung auf die Präsidentschaftswahl insgesamt marginal geblieben. Obwohl die meisten Funktionäre der Preparedness-Organisationen eher den Republikanern zuneigten, bestand der aus ihrer Sicht traumatisierende Charakter des Wahljahrs 1916 nicht so sehr im Sieg der Demokraten. In der Rückschau war die weitaus frustrierendere Erfahrung der Mangel an politischen Alternativen gewesen, der spätestens nach den beiden Nominierungsparteitagen offenkundig geworden war. Selbst wenn Hughes und seine Republikaner die Wahl gewonnen hätten, hätte sich am sicherheitspolitischen Kurs der Vereinigten Staaten – und damit an den Differenzen zwischen Regierung und Preparedness-Bewegung – mutmaßlich wenig geändert. Die Folge war eine wachsende Unzufriedenheit der zivilen Organisationen mit dem amerikanischen Parteiensystem selbst.186 Schon auf dem Congress of Constructive Patriotism vom Januar 1917 waren Beiträge zu hören gewesen, die mit der Neigung von Demokraten und Republikanern zu Interessenausgleich und Kompromiss hart ins Gericht gegangen waren.187 Menken hatte die beiden Großparteien in seiner Eröffnungsrede gar als »Anachronismus«188 bezeichnet. Obwohl derartige Äußerungen während der Neutralitätsperiode noch verhältnismäßig selten vorgekommen waren, hatte sich das antipluralistische Politikverständnis der Bewegung bereits vor dem Kriegseintritt angedeutet. Mit der verschärften gesellschaftli-

186 Vgl. Edwards: NSL, S. 37-38. 187 Die beiden großen amerikanischen Parteien waren in den 1910er Jahren weltanschaulich sehr heterogen strukturiert. Sowohl Demokraten als auch Republikaner hatten konservative und progressive Flügel, deren unterschiedliche Interessen pragmatisch austariert werden mussten; vgl. Klumpjan: Parteien, S. 313-322. 188 Menken: Foreword, in: Proceedings Constructive Patriotism, S. 18.

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chen Stimmungslage nach dem Kriegseintritt war schließlich die Zeit gekommen, sich in der Frage offensiver zu positionieren. Die National Security League nahm die Kritik am politischen System in ihren offiziellen Preparedness-Kanon auf. So konnte man im Kriegshandbuch der Organisation nachlesen, dass die demokratischen Prozesse in den Vereinigten Staaten bisweilen zu »langsam« und »kompliziert«189 seien, um auf die gegenwärtigen Herausforderungen adäquat zu reagieren. Es müssten daher Maßnahmen ergriffen werden, um »starke Männer« in öffentliche Ämter zu wählen, die die nationale Krise tatsächlich »erkennen und verstehen«190 würden. Während es das Kriegshandbuch bei diesen verhältnismäßig vagen Thesen beließ, nahmen führende NSL-Repräsentanten in ihren Reden kaum mehr ein Blatt vor den Mund. Trotz aller legislativen Verdienste der letzten Monate gebe es immer noch zahlreiche »böswillige, ignorante und eigennützige«191 Politiker im Kongress. Solange Pazifisten wie der Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Claude Kitchin, Verantwortung trügen, könne es keine wahre nationale Sicherheit geben.192 Daher sei es an der Zeit für grundlegende Reformen: »The fact is that our political alignment in Congress, in view of war conditions, is out of date. The political theories creating old parties are all subordinate to war issues and party lines should be wiped out. Let us demand at once the reorganization of the House and Senate, and all of their committees, so that those who are in favor of an aggressive, efficient, successful war be placed in immediate control. […] The terms Republican and Democrat mean nothing as far as real issues go, and nomenclature should not destroy our power for the most efficient action. The nation is in peril, and petty politics and politicians are of no important. […] It is time that ability and capacity rather than primogeniture dictate the control of Congress.«193 Diese Passage aus einer Rede Menkens, die im NSL-Jahresbericht von 1917 abgedruckt wurde und entsprechend weite Verbreitung fand, lief auf zwei zentrale Punkte hinaus. Explizit ging es um die Abschaffung des Senioritätsprinzips im Kongress und implizit um die grundsätzliche Überwindung des

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Hart/Lovejoy (Hg.): Handbook of the War, S. 84. Ebd. Annual Report 1917, S. 7. Vgl. ebd., S. 7-8. Ebd., S. 8.

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Parteienstreits. Die Unzufriedenheit mit den Strukturen von Repräsentantenhaus und Senat, die den Einfluss altgedienter Parlamentarier unabhängig von ihrer tatsächlichen Leistung zementierten, war in der Progressive Era ein häufig artikulierter Kritikpunkt und insofern nicht allzu ungewöhnlich.194 Weitaus bemerkenswerter war dagegen die Theorie, dass sich der Gegensatz zwischen Demokraten und Republikanern überlebt habe und Parteietikettierungen angesichts des Krieges bedeutungslos geworden seien. Damit stellte die NSL den Grundgedanken des pluralistischen Parteiensystems – die politische Repräsentation gegensätzlicher Interessen – in Frage. Auch die American Defense Society übte Fundamentalkritik an der Zusammensetzung des Kongresses. So rief ein 1918 zirkuliertes Pamphlet dazu auf, verräterischen Abgeordneten und Senatoren das Mandat zu entziehen. Mit Verweis auf einige Präzedenzfälle zu Zeiten des Bürgerkrieges hieß es dort, dass man die Legislative von illoyalen Elementen »säubern«195 müsse. In Krisenzeiten dürfe man von öffentlichen Amtsträgern erwarten, dass sie sich bedingungslos patriotisch zeigten. Namentlich wurde der linke Senator Robert La Follette angegriffen, der gegen den Kriegseintritt votiert hatte und als prominentester Sympathisant der Friedensbewegung im Kongress galt.196 Die ADS rechnete ebenfalls mit dem Senioritätsprinzip ab. Die einflussreichen Parlamentsausschüsse müssten dem Vorsitz von zuverlässigen Politikern unterstellt werden, die zweifellos bewiesen hätten, dass sie »an die Rettung der Republik glauben«197 würden. In einem Rundschreiben reflektierte die Preparedness-Organisation zudem über den Gegensatz zwischen der öffentlichen Meinung und deren Kanalisierung durch die Parteien. Die ADS kam zu dem Schluss, dass die öffentliche Meinung »der Geist und das Gewissen der Nation«198 sei, dem sich die Parteien unterzuordnen hätten; die Suprematie des Volkswillens sei der Wesenskern des amerikanischen Gemeinwesens. Dass der Volkswille in der Regel alles andere als eindeutig war, wurde von der ADS freilich nicht problematisiert. Obwohl National Security League und American Defense Society in ihrer Kritik an den politischen Strukturen nahe beieinander lagen, kamen sie 194 Vgl. Diner, Steven J.: A Very Different Age. Americans in the Progressive Era, New York 1998, S. 220, 231-332. 195 Administration Be Asked, S. 8. 196 Vgl. ebd. 197 Ebd. 198 Public Opinion the Central Point of the Whole American Polity, in: ADS Records, Box 1, Folder 7.

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in Hinblick auf den anlaufenden Kongresswahlkampf zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Interessanterweise war es die traditionell parteiischere ADS, die von einer Einmischung in den Urnengang ausdrücklich Abstand nahm. Die enttäuschenden Erfahrungen von 1916 hatten bei der Preparedness-Organisation zu der Überzeugung geführt, dass der Wahlkampf ein allzu schmutziges Geschäft sei, aus dem man sich besser heraushalten sollte. Zwar würde sie auch weiterhin gegen unliebsame Kongressmitglieder agitieren; eine gezielte Beeinflussung der Wähler lehnte sie jedoch ab. So wurde der Satz »The Society […] is not interested in politics«199 zur Parole eines konsequenten Nichteinmischungskurses. Tatsächlich finden sich in der internen Korrespondenz der ADS selbst in der heißen Phase des Wahlkampfs nur selten Einlassungen über die Tagespolitik. Noch Mitte Oktober 1918 beschränkte sich das Hauptstadtbüro auf einen knappen Bericht an die Bundeszentrale, in dem über Washingtoner Wahlprognosen berichtet wurde; gleichzeitig hieß es dort lakonisch, dass die Organisation keinen Anteil an derartigen Spekulationen nehme.200 Es schien, als hätte das politische Trauma von 1916 die ADS in die Politikverdrossenheit getrieben. Die NSL zog dagegen völlig andere Konsequenzen aus den Erfahrungen von 1916. Die Preparedness-Organisation sah in den anstehenden Zwischenwahlen eine einmalige Gelegenheit, ihrer abstrakten Systemkritik konkrete Maßnahmen folgen zu lassen. Im Mai 1918 verkündete die NSL-Führung, wie wichtig es sei, Politiker in den Kongress zu wählen, die sich »in der Krise bewährt«201 hätten. Komplementär verabschiedete sie eine Resolution, die auf elektorale Konsequenzen für unliebsame Politiker abzielte: »Resolved, that it is the duty of every voter […] to prevent anyone from securing election to Congress this Fall, who has not demonstrated his eager and honest efforts to prosecute the war to a successful end.«202 Die NSL plante, in den Wahlkampf zu intervenieren und amtierende Kongressmitglieder nach ihrem Abstimmungsverhalten zu evaluieren.203 Ausgehend von der These, dass parteipolitische Antagonismen überholt seien, betonte die Organisation, dass sie die zur Wiederwahl antretenden Parlamenta199 H.D. Craig an Charles S. Davison (10. Oktober 1918), in: ADS Records, Box 3, Folder 1. 200 Vgl. H.D. Craig an Charles S. Davison (21. Oktober 1918), in: ADS Records, Box 3, Folder 3. 201 Annual Report 1918, S. 6. 202 Ebd., S. 12. 203 Vgl. Franklin Remington an ›Dear Sir‹ (6. Juni 1918), in: Root Papers, Box 136.

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rier »unabhängig von ihrer Fraktionszugehörigkeit«204 bewerten würde. Damit hob die NSL erneut ihren überparteilichen Anspruch hervor, den sie nach wie vor als zentralen Erfolgsfaktor ihres öffentlichen Ansehens betrachtete. Diesem Selbstbild entsprach auch das folgende Statement, das die NSL zeitgleich mit der Wahlkampfinitiative bekannt gab: »Though fearless in statement, when publicity is helpful, […] we have kept politics out of the League and will continue to do so.«205 Auf den ersten Blick mag es paradox anmuten, dass die NSL eine Intervention in den Kongresswahlkampf bekannt gab und zeitgleich verkündete, sich aus der Politik heraushalten zu wollen. Diese widersprüchlichen Aussagen offenbarten erneut das defizitäre Politikverständnis, das weite Teile der Preparedness-Bewegung pflegten. Die NSL-Führung hing der Vorstellung an, dass eine Wahlkampfeinmischung, die nicht nach parteipolitischen, sondern nach ›patriotischen‹ Gesichtspunkten erfolgte, unpolitisch sei. Diese Logik war ein direkter Ausfluss ihres nationalistischen Absolutheitsanspruchs. Da jeder anständige Amerikaner die Weltsicht des Movement teilen müsse, so der Gedanke, könne es auch keine legitime Kontroverse um die Patrotismusstandards der NSL geben. Widerstand sei allenfalls von Verrätern zu erwarten und daher bedeutungslos. Dieses tief in der Preparedness-Ideologie wurzelnde Unverständnis für die Bandbreite politischer Positionen im Kongress sollte der Preparedness-Organisation letztlich zum Verhängnis werden. Die NSL ahnte nicht, welche Konsequenzen sie heraufbeschwören sollte, und ließ die Initiative im Sommer 1918 mit großem Elan anlaufen. Unter Leitung des New Yorker Geschäftsmanns Charles D. Orth nahm das neue Wahlkampfkomitee seine Arbeit auf und präsentierte im Juli erste Ergebnisse. Orth und seine Mitstreiter veröffentlichten eine Art Lackmustest über das Preparedness-bezogene Abstimmungsverhalten aller Mitglieder des Repräsentantenhauses im 64. und 65. Kongress der Vereinigten Staaten. Von den etwa 120 sicherheitspolitischen Maßnahmen, über die die Kammer seit 1915 beraten hatte, wählte das Komitee acht206 aus und vermerkte für jeden einzelnen Abgeordneten, ob dieser ›richtig‹ oder ›falsch‹ abgestimmt hatte. Eine Begründung, wieso ein bestimmtes Abstimmungsverhalten ›richtig‹ oder 204 Annual Report 1918, S. 6. 205 Ebd. 206 Die Auswahl der acht als besonders wichtig identifizierten Preparedness-Maßnahmen umfasste unter anderem Abstimmungen über die Vergrößerung des Heeres und der Flotte, die Einführung der Wehrpflicht und die Kriegserklärung an Deutschland. Für eine detaillierte Aufstellung vgl. Edwards: Price of Political Innocence, S. 191-192.

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›falsch‹ gewesen sei, wurde nicht gegeben; auch Kongressmitgliedern, die einer Abstimmung nicht beigewohnt hatten, wurde falsches Verhalten attestiert. Da sechs der acht ausgewählten Gesetzesentwürfe während der Neutralitätsperiode auf der Tagesordnung gestanden hatten, berücksichtigte der Test zudem kaum, dass viele Abgeordnete ihre sicherheitspolitischen Positionen seit dem Kriegseintritt revidiert hatten. Insgesamt zeichnete die veröffentlichte Übersicht ein undifferenziertes Zerrbild der sicherheitspolitischen Positionen unter den Parlamentariern.207 Orth und sein Komitee hielten den Preparedness-Test dagegen für ein aussagekräftiges Messinstrument für den Patriotismus der Legislative. Die Auswertung ergab, dass von den 374 Abgeordneten, die sowohl im 64. als auch im 65. Kongress vertreten waren, lediglich 47 bei allen acht Maßnahmen ›richtig‹ abgestimmt hätten. 22 Abgeordnete hätten sich bei sieben Maßnahmen ›falsch‹ verhalten und sieben Kongressmitglieder gar bei allen acht ausgewählten Gesetzesentwürfen. Die NSL wertete die Übersicht ebenfalls nach Bundesstaaten aus und verteilte entsprechend Punkte. So konnte man etwa nachlesen, dass die Vertreter Rhode Islands die volle Punktzahl erreicht hätten, während North Dakotas Repräsentanten das landesweite Schlusslicht bilden würden. Die Preparedness-Organisation nutzte diese Daten, um 94 Wahlbezirke zu identifizieren, die zu primären Zielen der Öffentlichkeitsarbeit erklärt wurden.208 Der Preparedness-Test der NSL fand bald breite Verwendung als Propagandamaterial im Wahlkampf. Zur Wiederwahl antretende Politiker mit tadelloser Punktzahl konnten sich auf die ›unabhängige‹ Auswertung berufen, um sich als Patrioten zu inszenieren, während Abgeordnete mit schwachem Ergebnis zur Zielscheibe von Gegenkandidaten wurden, die den externen Befund als Wahlkampfmunition nutzten. Es dauerte jedoch nicht lange bis der Preparedness-Test harsche Gegenreaktionen hervorrief. Viele Mitglieder des Repräsentantenhauses fühlten sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und kritisierten, dass ihre sicherheitspolitische Haltung irreführend dargestellt worden sei. In der NSL-Bundeszentrale trafen bald derart viele Protestnoten ein, dass im Vorstand Bedenken aufkamen. Als Orth und sein Komitee 207 Vgl. Charles D. Orth an Charles S. Davison (9. August 1918), in: ADS Records, Box 2, Folder 2; Edwards: NSL, S. 117-119.; ›Wrong‹ Votes in Congress. Security League Announces Only Three in New York State, in: The New York Times, 3. August 1918. 208 Vgl. Edwards: Price of Political Innocence, S. 192; Fight for War Congress, Security League Will Concentrate Efforts in Ninety-Four Districts, in: The New York Times, 21. Oktober 1918; NSL Hearings, S. 970-971.

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Anfang September ankündigten, einen vergleichbaren Test für das Abstimmungsverhalten der Senatoren ausarbeiten zu wollen, griff die neue Führung um Lydecker ein. So war in der einige Wochen später veröffentlichten Version für den Senat nicht mehr von ›richtigen‹ oder ›falschen‹ Voten die Rede, sondern nur noch von ›Zustimmung‹ oder ›Ablehnung‹. Außerdem wurde eine neutral gehaltene Kategorie für jene Fälle ergänzt, in denen Senatoren einer Abstimmung ferngeblieben waren.209 Während der zweite Preparedness-Test deutlich differenzierter ausfiel, rief er doch scharfen Widerspruch im Repräsentantenhaus hervor. Viele Abgeordnete fanden es unfair, dass sie nach deutlich härteren Kriterien beurteilt worden waren als ihre Kollegen in der anderen Kammer des Kongresses.210 Als am Abend des 5. November 1918 schließlich die Wahllokale schlossen, blickten die Amerikaner auf einen erbittert geführten Wahlkampf zurück. Der erste landesweit abgehaltene Urnengang in Kriegszeiten seit dem Jahr 1864 resultierte in einem Sieg der Republikanischen Opposition. Die regierenden Demokraten verloren ihre Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses; Präsident Wilson sollte es fortan deutlich schwerer haben, seine politischen Ziele umzusetzen. Vergleicht man das Wahlresultat mit den Ergebnissen des ersten Preparedness-Tests, so zeigt sich ein interessanter Befund: Von den sieben Abgeordneten, die bei jeder der acht abgeprüften Maßnahmen ›falsch‹ abgestimmt hatten, scheiterten fünf mit ihren Bemühungen um eine Wiederwahl. Gleichzeitig wurden von jenen 47 Abgeordneten, die laut der NSL ›richtig‹ abgestimmt hatten, 37 wiedergewählt. Zwar ließ sich kaum nachweisen, dass der Preparedness-Test direkte Auswirkungen auf das Wahlverhalten der Amerikaner gehabt hatte; viele Beobachter rechneten der Initiative der Preparedness-Organisation aber einen gewissen Einfluss auf das Wahlergebnis zu.211 Der vordergründige Kampagnenerfolg der NSL sollte sich jedoch schon bald als Pyrrhos-Sieg erweisen, dessen Nachwehen erst zum Jahreswechsel spürbar wurden. So musste die Preparedness-Organisation bald feststellen, dass die Zusammensetzung des neuen Kongresses nicht derart fundamental verändert worden war, dass sie fortan leichtes Spiel mit dem Gesetzgeber gehabt hätte. Vielmehr hatte sich die NSL mächtige Feinde gemacht. Da

209 Vgl. Senate Vote on Preparedness and War, in: Root Papers, Box 136. 210 Vgl. Edwards: Price of Political Innocence, S. 193. 211 Vgl. ebd., S. 194.

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der neugewählte Kongress erst Anfang März 1919 zusammentrat,212 konnten die abgewählten Abgeordneten fünf weitere Monate im Amt bleiben und ihre parlamentarischen Rechte vollumfänglich ausüben. Erbost über die als unbotmäßig empfundene Wahlkampfeinmischung mehrten sich die Stimmen im Repräsentantenhaus, die die Preparedness-Organisation einer rechtlichen Überprüfung unterziehen wollten.213 Der Vorwurf lautete, dass die NSL gegen den Corrupt Practices Act verstoßen habe, weil sie im Wahlkampf engagiert gewesen sei, ohne öffentliche Rechenschaft über ihre Finanzen abzulegen. Am 11. Dezember 1918 verabschiedete das Repräsentantenhaus eine Resolution über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Die Vorlage wurde mit großer Mehrheit verabschiedet, da auch zahlreiche Abgeordnete, denen der Preparedness-Test weniger geschadet hatte, die Initiative der Organisation für einen gefährlichen Präzedenzfall hielten. Allein die personelle Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses, auf die sich die Kongressführung einigte, gibt Aufschluss darüber, wie unbeliebt sich die NSL gemacht hatte: Von den sieben in das Gremium berufenen Abgeordneten hatten sechs mit unterdurchschnittlichen Ergebnissen im Preparedness-Test abgeschnitten – entsprechend wenig Sympathien durfte die Organisation erwarten. Zugleich begünstigte diese Konstellation die Verteidigungsstrategie der NSL, die die Vorwürfe als politisch motiviert abtat.214 Die Anhörungen begannen bereits am 20. Dezember und dauerten bis zum Zusammentritt des neugewählten Kongresses an. In diesem Zeitraum vernahm der Untersuchungsausschuss zahlreiche Zeugen, die in den vergangenen vier Jahren Verantwortung in der Preparedness-Organisation getragen hatten – darunter Menken, Lydecker, Root, Parker und Orth selbst. Die Befragungen fanden in feindseliger Atmosphäre statt; die Abgeordneten taten ihr Möglichstes, um die Arbeit der NSL durch kritische Nachfragen zu diskreditieren. Der Ausschuss interessierte sich insbesondere für die Finanzen der Organisation: Von welchen Geldgebern hatte man Spenden angenommen, 212

Bis zum Inkrafttreten des Zwanzigsten Verfassungszusatzes im Jahr 1933 trat der neue Kongress nicht – wie heute – am 3. Januar, sondern erst am 4. März des auf die Wahl folgenden Jahres zusammen. 213 Vgl. Edwards: Price of Political Innocence, S. 194; Security League Inquiry Favored. Rules Committee Reports Frear Resolution and House Is Expected to Adopt It, in: The New York Times, 8. Dezember 1918. 214 Vgl. Edwards: Price of Political Innocence, S. 194; National Security League Bulletin 1/6 (1918), S. 1, in: Lydecker Papers, Box 14, Folder 6.

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um die Öffentlichkeitsarbeit am Laufen zu halten?215 Die Fragesteller machten kaum einen Hehl daraus, dass sie im sicherheitspolitischen Engagement der NSL wenig mehr als ein Feigenblatt für die Lobbyinteressen der amerikanischen Rüstungsindustrie sahen. Die Vertreter der Preparedness-Organisation gaben sich wiederum alle Mühe, diesen Eindruck zu zerstreuen und verwiesen ein ums andere Mal auf ihre patriotischen Beweggründe.216 Die teils erschöpfend langen Anhörungen, die mehr als 2000 Druckseiten an stenografischen Protokollen füllten, endeten schließlich am 3. März 1919 mit einem für beide Seiten unbefriedigenden Ergebnis: Trotz erheblichen Aufwands konnte der Untersuchungsausschuss nicht glaubhaft belegen, dass die NSL tatsächlich eine Lobbyorganisation für verdeckte Wirtschaftsinteressen war. Am Ende konnte ihr lediglich ein geringfügiger Verstoß gegen gesetzliche Transparenzbestimmungen nachgewiesen werden, für den sie eine moderate Strafzahlung von 1000 Dollar leisten musste. Auch wenn diese Summe die Organisation kaum traf, war der Reputationsschaden groß. Die Vorwürfe des Untersuchungsausschusses, über die die Presse ausführlich berichtet hatte, blieben an der NSL hängen. Ihr Renommee war nachhaltig angeschlagen und zog die gesamte Preparedness-Bewegung in Mitleidenschaft.217

4.2.3

Kriegsziele und Kriegsende

Jenseits der Konflikte um Personal und Strategie der zivilen Organisationen dominierte im letzten Kriegsjahr vor allem ein inhaltlicher Punkt die Agenda der Preparedness-Bewegung: die Frage nach den amerikanischen Kriegszielen. Anders als die meisten europäischen Nationen, die mehr oder weniger offen für territoriale Gewinne kämpften,218 waren die Vereinigten Staaten in den Konflikt eingetreten, weil sie sich vom deutschen U-Boot-Krieg in ihren Neutralitätsrechten verletzt gesehen hatten. So blieb zunächst vage, welche konkreten Bedingungen die USA an einen Friedensschluss stellten. Der Präsident füllte diese Lücke schließlich, als er am 8. Januar 1918 seine Vierzehn 215 216 217

218

Vgl. NSL Hearings, S. 1032. Vgl. ebd., S. 8. Vgl. Against Security League. House Committee Says It Violated Corrupt Practices Act, in: The New York Times, 4. März 1919; Edwards: Price of Political Innocence, S. 194-195; Security League’s Reply. Congress Committee’s Report Called Perversion of Evidence and Facts, in: The New York Times, 5. März 1919. Siehe Afflerbach, Holger (Hg.): The Purpose of the First World War, Berlin 2015.

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Punkte verkündete. Darin entwarf er die Vision einer liberalen Nachkriegsordnung, die auf transparenter Diplomatie, Freihandel, allgemeiner Abrüstung und der Freiheit der Meere beruhen solle. Für die Verteidigung dieser Ordnung sah er die Gründung eines Völkerbunds als internationale Friedensorganisation vor. Wilson skizzierte außerdem eine Reihe territorialer Veränderungen der europäischen Landkarte, die den ethnischen und nationalen Verhältnissen Rechnung tragen sollten.219 Am 11. Februar 1918 formulierte der Präsident die Vier Prinzipien, die die amerikanische Position zum Selbstbestimmungsrecht der Völker präzisierten. Demnach müssten die Nachkriegsgrenzen gerecht gezogen werden und einer dauerhaften Friedensordnung dienen. Dem Länderschacher im Namen des Gleichgewichts der Mächte sei ein Ende zu bereiten; territoriale Veränderungen müssten den Interessen der betroffenen Bevölkerung dienen. Nationale Bestrebungen sollten so weit wie möglich berücksichtigt werden; sie dürften jedoch nicht zu neuen Konflikten führen.220 Auch wenn Wilsons Friedensvorstellungen faktisch auf Gebietsabtretungen der Mittelmächte hinausliefen, betonte der Präsident, dass er keinen Groll gegen das deutsche Volk hege. Die Vereinigten Staaten würden Deutschland »nicht schaden«221 wollen, sondern lediglich gegen die Bedrohung durch dessen »autokratische Herrscher«222 vorgehen. Mit seinen Einlassungen vom Frühjahr 1918 gab der Präsident einen Referenzrahmen vor, an dem die Preparedness-Bewegung ihre eigenen Vorstellungen von einem Friedensschluss ausrichten konnte. Für die zivilen Organisationen hatte allerdings schon früh festgestanden, dass sie einen wie auch immer gearteten Kompromissfrieden mit den Mittelmächten kategorisch ablehnten. Öffentliche Wortmeldungen, die statt einer militärischen Entscheidung einen schnellen Waffenstillstand forderten, waren von der National Security League bereits kurz nach dem Kriegseintritt als »ignorant«223 gebrandmarkt worden; die Vereinigten Staaten, so der allgemeine Tenor, müssten konsequent auf einen »Siegfrieden«224 setzen. Im Mai 1918 verabschiedete die Organisation eine Resolution, die diese Zielsetzung offiziell festschrieb: 219 220 221 222 223 224

Vgl. An Address to a Joint Session of Congress (8. Januar 1918), in: Wilson Papers 45 (1917/18), S. 534-539, hier: S. 536-538. Vgl. An Address to a Joint Session of Congress (11. Februar 1918), in: Wilson Papers 46 (1918), S. 318-324, hier: S. 322-323. An Address (8. Januar 1918), in: Wilson Papers 45 (1917/18), S. 538. An Address (11. Februar 1918), in: Wilson Papers 46 (1918), S. 323. Why We Are at War, S. 11. Ebd., S. 12.

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»We declare the unalterable purpose of the League to stimulate the spirit to conquer and to accept no peace with the autocratic military powers of the world wherever they exist which will interfere with the privilege of all men to enjoy liberty under constitutional government.«225 Der NSL ging es nicht bloß darum, Deutschland eine militärische Niederlage zuzufügen, um dem Kaiserreich umfassende Restitutionen für die ihm vorgeworfenen Völkerrechtsbrüche abzutrotzen. Weit über ein solch ›konventionelles‹ Kriegsziel hinausgehend, strebte sie danach, die Regierungsform des Gegners vollständig zu delegitimieren. Für die Preparedness-Organisation war der Weltkrieg längst zu einem moralischen Kreuzzug geworden, der die Überlegenheit der amerikanischen Institutionen ein für alle Mal beweisen sollte. Die Herausgeber des NSL-Kriegshandbuchs fassten diesen Anspruch treffend zusammen, als sie über das mögliche Resultat des Krieges reflektierten: »What, then, is now being settled on the battlefields of Europe, is the character of the coming world-order. Is it to be ruled by the temper and the moral and political ideas of which the Prussian system has become the chief embodiment in the modern world, or by those to which America is dedicated – by the spirit of William the Second or the spirit of Lincoln? A war in which such a question is at issue is the concern of every people that loves peace and justice and freedom; but of none is it so greatly the concern as of the people of the United States. It is America’s war more than it is any other nation’s; for in it is at stake all that America has stood for, and that has made the name of America a symbol of hope to mankind.«226 Die Stilisierung des Weltkriegs zum Prinzipienkampf zwischen Demokratie und Autokratie entsprach dem populären Leitmotiv von Wilsons Kriegsbotschaft (»The world must be made safe for democracy!«227 ) und war seitdem von vielen Amerikanern übernommen worden. Dennoch erscheint es bemerkenswert, mit welchem Nachdruck die NSL den ursprünglich innereuropäischen Konflikt zu einem genuin amerikanischen umdeutete. Das scharf formulierte Bekenntnis zum Interventionismus stellte einen markanten

225 Annual Report 1918, S. 11-12. 226 Hart/Lovejoy (Hg.): Handbook of the War, S. 42. 227 An Address to a Joint Session of Congress (2. April 1917), in: Wilson Papers 41 (1917), S. 519-527, hier: S. 525.

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Bruch mit den isolationistischen Strömungen während der Neutralitätsperiode dar. Zugleich verdeutlicht die zitierte Passage die tiefe Verwurzelung der Preparedness-Bewegung in der Denktradition des Amerikanischen Exzeptionalismus. Die Kriegsführung der Vereinigten Staaten wurde nicht einfach mit nationalen Interessen begründet, sondern ideell überhöht und in den rhetorischen Mantel universeller Werte gehüllt. Dabei ging die NSL ganz selbstverständlich davon aus, dass sich in der amerikanischen Nation Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit manifestiere. Diesem messianischen Verständnis nach ruhte die Hoffnung der ganzen Menschheit auf einem Sieg der USA.228 Ähnlich wie der sendungsbewusste Präsident war die NSL davon überzeugt, dass der Krieg mit einer grundlegenden Neuordnung der internationalen Beziehungen enden müsse. In Zukunft dürfe keine Nation mehr in der Lage sein, »die Welt zu entflammen«229 ; künftigen Generationen müsse die Geißel des Krieges erspart bleiben. Die Preparedness-Organisation gestand durchaus ein, dass der Weltfrieden kein einfach zu erreichendes Ziel sei. Der Herausforderung Rechnung tragend, skizzierte das Kriegshandbuch verschiedene denkbare Mechanismen zur Friedenssicherung, die in einschlägigen Kreisen diskutiert wurden – darunter auch die Idee des Völkerbunds.230 Die NSL legte sich allerdings nicht fest, welches Modell sie favorisierte. Stattdessen beschwor sie einmal mehr in pathetischen Worten die historische Mission, vor der die Vereinigten Staaten stünden: »The influence of the United States is pledged to world peace, and the best time in the history of mankind to urge it will be at the peace negotiations which – at some time or other, no one can say just when – will bring to an end the frightful calamity which otherwise will destroy the civilization of the world.«231 Die 1918 verstärkt aufkommenden Reflexionen über eine mögliche Nachkriegsordnung ermöglichten es der Preparedness-Organisation, das Leit228 Für einen einführenden Überblick zum Amerikanischen Exzeptionalismus siehe Ross, Dorothy: Art. »American Exceptionalism«, in: Wightman, Richard/Kloppenberg, James T. (Hg.): A Companion to American Thought, Oxford u.a. 1995, S. 22-23. Für einen deutschsprachigen Abriss vgl. Hess, Andreas: Gesellschaftliches Denken in den USA. Eine Einführung, Wiesbaden 2013, S. 19-34. 229 Hart/Lovejoy (Hg.): Handbook of the War, S. 112. 230 Vgl. ebd., S. 163-164. 231 Ebd., S. 114.

4 Preparedness in Kriegszeiten

motiv des Friedens wieder stärker in ihre Rhetorik zu integrieren als sie es in den ersten Monaten nach dem Kriegseintritt getan hatte. Damit griff sie ein in der Bevölkerung populäres Ideal auf, das sie schon während der Neutralitätsperiode als die eigentliche Zielsetzung von Preparedness propagiert hatte. Zugleich vermied es die NSL geschickt, sich auf allzu konkrete Forderungen festzulegen – ein Ausdruck von Flexibilität, der beim späteren Streit um den Völkerbund noch von entscheidender Bedeutung sein sollte. Ähnlich wie die National Security League hatte sich auch die American Defense Society bereits früh festgelegt, dass es erst Zeit für einen Waffenstillstand sei, wenn Deutschland vollständig niedergerungen war. Zu diesem Zweck forderte die ADS ab Frühjahr 1918 immer nachdrücklicher, das amerikanische Expeditionsheer in Frankreich deutlich aufzustocken. Die Vereinigten Staaten, so ein breit zirkuliertes Pamphlet, müssten »eine überwältigende Streitmacht«232 an die Front entsenden. Statt der knapp zwei Millionen Soldaten, die bis Kriegsende tatsächlich nach Europa verschifft wurden, sollte die US-Regierung nach den Vorstellungen der Preparedness-Organisation bis zu 10 Millionen Amerikaner in den Kampf schicken. Sie rechnete vor, dass diese Zahl lediglich 10 Prozent der amerikanischen Gesamtbevölkerung darstelle und insofern mit den Mobilisierungsraten Frankreichs oder Großbritanniens vergleichbar sei. Je eher Amerika sein volles militärisches Gewicht in die Waagschale werfe, desto schneller könne der Krieg siegreich beendet werden.233 Über die logistische Umsetzbarkeit ihrer Forderung reflektierte die ADS jedoch nicht und offenbarte damit einmal mehr, wie es tatsächlich um ihre militärische Expertise stand. Die 1918 in immer größerer Zahl an der Front eintreffenden US-Truppen brachten schließlich auch ohne derart fantastische Aushebungsraten die Kriegswende. Als die deutsche Frühjahrsoffensive nach einigen Anfangserfolgen scheiterte und die alliierten Armeen im Sommer zum Gegenschlag übergingen, geriet das Kaiserreich ans Ende seiner Kräfte. Während viele damit gerechnet hatten, dass sich die Kampfhandlungen noch bis in das nächste Jahr hineinziehen würden, kam das Kriegsende schneller als erwartet. Im Herbst wurde deutlich, dass die Mittelmächte am Rande des militärischen, ökonomischen und moralischen Zusammenbruchs standen. Die Reichsregierung wandte sich am 4. Oktober an den amerikanischen

232 That the Administration Be Asked, S. 1 233 Vgl. ebd., S. 1-2.

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Präsidenten und ersuchte um einen Waffenstillstand. Es folgte ein mehrwöchiger Austausch von diplomatischen Noten, in denen Wilson den Deutschen seine Bedingungen mitteilte.234 In dieser eigentümlichen Übergangsphase, in der die Niederlage der Mittelmächte bereits evident geworden war, die Kampfhandlungen aber weiter andauerten, schlug die American Defense Society Alarm. Sie sah in dem Waffenstillstandsgesuch weniger eine militärische Bankrotterklärung als vielmehr eine perfide »Falle«235 des Gegners. Demnach versuche die deutsche Führung, die Alliierten in Verhandlungen zu verwickeln, um einem Siegfrieden zu entgehen. Sollte dieser Plan aufgehen, seien all die Opfer der vergangenen vier Jahre umsonst gewesen. Die US-Regierung müsse daher jede Konstellation ablehnen, in der Deutschland den Rang einer souveränen Vertragspartei hätte. Amerika dürfe von den Mittelmächten nur eine einzige Antwort akzeptieren: die »bedingungslose Kapitulation«236 . Aus Sicht der ADS stand das Kaiserreich nicht kurz vor dem Zusammenbruch, sondern bereitete insgeheim bereits den nächsten Weltenbrand vor.237 Es läge demnach im nationalen Charakter der Deutschen, Eroberungskriege zu führen. Die Preparedness-Organisation sah sich in diesem Zusammenhang veranlasst, ein vermeintliches Missverständnis ein für alle Mal klarzustellen: »We are at war with GERMANY – not Prussia, or the Prussian Military Autocracy, or the German High Command, or the German Government – but with the WHOLE GERMAN PEOPLE.«238 Der Widerspruch dieser Aussage zur regierungsoffiziellen Interpretation des Weltkriegs hätte kaum größer sein können. Trotz aller Härte, mit der die USA in den vergangenen anderthalb Jahren gegen das Kaiserreich vorgegangen waren, hatte Wilson immer wieder betont, dass der eigentliche Gegner die autokratische Führungsclique Deutschlands sei. In seiner Kriegsbotschaft

234 Vgl. Berg: Wilson, S. 148-149; Epkenhans: Weltkrieg, S. 220-221. 235 The Only Terms. Unconditional Surrender of Germany and her Allies, New York 1918, in: ADS Records, Box 12, Folder 7. 236 Formal Announcement of the Position of the American Defense Society, New York 1918, in: ADS Records, Box 12, Folder 7. 237 Siehe Lyle, Eugene P.: The War of 1938, New York 1918, in: ADS Records, Box 12, Folder 6. 238 Remember – Use Nothing German, New York 1918, in: ADS Records, Box 12, Folder 7. Die Majuskeln sind dem Quellentext entnommen.

4 Preparedness in Kriegszeiten

hatte der Präsident dem deutschen Volk sogar die »Sympathie und Freundschaft«239 der Amerikaner ausgesprochen und erklärt, dass man nicht zuletzt für dessen Befreiung zu den Waffen greife. Unbeeindruckt von derart versöhnlichen Gedanken ersann die ADS eine neue Boykott-Initiative, die die antideutschen Ressentiments über das nahende Kriegsende hinaus kanalisieren sollte. Die Preparedness-Organisation rief die Amerikaner dazu auf, auch nach einem Waffenstillstand auf den Kauf deutscher Produkte zu verzichten. Auf diese Weise könne man eine Erholung der deutschen Volkswirtschaft langfristig behindern und die Kriegsmaschinerie des Reichs nachhaltig schwächen. Zugleich sah die ADS in der Idee eine willkommene Gelegenheit den nationalen Gedanken zu stärken: »We have got to organize as a nation and think and act as a nation and to do that we must learn to think and act unit by unit, i.e. individually, and in this one single particular bind ourselves never to buy German-made goods.«240 Die Preparedness-Organisation problematisierte nicht, dass ein Boykott, der auf eine dauerhafte »Demarkationslinie […] zwischen der zivilisierten Welt und Deutschland«241 hinauslief, dem liberalen Geist der Vierzehn Punkten eklatant widersprach. Während Wilson das tradierte Prinzip der Mächtekonkurrenz grundlegend überwinden wollte, hing die ADS einer weitaus unversöhnlicheren Vorstellung vom Frieden an. Ihr ging es nicht um Völkerverständigung, sondern um eine nachhaltige Isolation der verhassten Deutschen. Einig waren sich der Präsident und die Preparedness-Organisation allein in der sendungsbewussten Annahme, dass es Amerikas Mission sei, der Welt eine neue Ordnung zu stiften. Am Ende war es freilich nicht die ADS, sondern Woodrow Wilson, der die Richtlinien der US-Außenpolitik bestimmte – und der hielt unbeirrt an seiner Vision fest. Der Präsident verpflichtete sowohl die Deutschen als auch die Alliierten, die Vierzehn Punkte als Grundlage für einen Friedensschluss zu akzeptieren.242 Unter dieser Voraussetzung kam es am 11. November 1918 zum

239 An Address to a Joint Session of Congress (2. April 1917), in: Wilson-Papers 41 (1917), S. 519-527, S. 523. 240 Use Nothing German, S. 5, in: ADS Records, Box 12, Folder 7. 241 Ebd., S. 1. 242 Vgl. Zieger: America’s Great War, S. 162-166.

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Abschluss des Waffenstillstands von Compiègne, der die Kampfhandlungen zwischen Deutschland und seinen Gegnern offiziell beendete.243 Der Kriegseintritt der Vereinigten Staaten hatte den Weltkrieg zugunsten der Alliierten entschieden; zugleich waren die USA als stärkste Macht der Erde aus dem Konflikt hervorgegangen.244 Im Zenit seines globalen Prestiges sah sich der amerikanische Präsident dazu berufen, die Welt neu zu ordnen. In den kommenden Monaten sollte es für Wilson darum gehen, den Übergang vom Krieg zum Frieden zu organisieren. Für die PreparednessBewegung stellte sich mit dem Ende der Kampfhandlungen indes die Frage, ob und wozu sie in Zukunft noch gebraucht würde.

243 Der Waffenstillstand von Compiègne beendete die Kampfhandlungen an der Westfront und markiert daher in der Geschichtsschreibung das Ende des Ersten Weltkriegs. In vielen Regionen – beispielsweise in Osteuropa oder Kleinasien – ging die Gewalt des Weltkriegs allerdings nahtlos in blutige Nachfolgekonflikte über; siehe Gerwarth, Robert: Die Besiegten. Das blutige Erbe des Ersten Weltkriegs, München 2017. 244 Die Vereinigten Staaten waren – abgesehen von Japan – die einzige Großmacht, die ökonomisch gestärkt aus dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen war; der relative Abstand zu den anderen Nationen war sogar noch stärker gewachsen. Auch in der Wahrnehmung der meisten Zeitgenossen galten die USA nun als führende Weltmacht; vgl. Kennedy: Aufstieg und Fall, S. 410-426.

5 »The Integrity of Our Country Depends on the Homogeneity of its Citizens« – Preparedness während der Red Scare

5.1

Verlust und Übergang: Neuaufstellung nach dem Kriegsende (Winter 1918/19)

Neben dem 6. April 1917 stellt der 11. November 1918 den zweiten großen Wendepunkt in der Geschichte des Preparedness Movement dar. Der Abschluss des Waffenstillstands markiert nicht nur das Ende des Ersten Weltkriegs,1 sondern stellte die Bewegung auch vor die grundlegende Frage, ob ihre Kampagne noch gebraucht würde. Immerhin hatte die Mobilisierung der vergangenen anderthalb Jahre die Vereinigten Staaten zur stärksten Militärmacht der Welt gemacht und zum Sieg über Deutschland geführt; viele Amerikaner sahen kaum noch einen plausiblen Anlass, sich von äußeren Feinden bedroht zu fühlen. Wäre es den zivilen Organisationen im Kern tatsächlich um ihren viel beschworenen Gründungsmythos – die nationale Sicherheit – gegangen, hätten sie ihre Aufgabe mit dem Kriegsende als erfüllt betrachten und entsprechende Konsequenzen ziehen können. Die von einigen Beobachtern erwartete Selbstauflösung von National Security League und American Defense Society blieb jedoch aus. Der Waffenstillstand ging nicht mit dem Ende der Bewegung einher, sondern bewirkte lediglich eine graduelle Neuausrichtung der Kampagne. Die Preparedness-Botschaft musste an die veränderten Gegebenheiten der Nachkriegszeit angepasst werden, während ihr ideologischer Kern erhalten bleiben sollte. Die zivilen Organisationen strebten nach wie vor danach, ihre nationalistische Vision zu verwirklichen. Nach der erfolgreichen

1

Im völkerrechtlichen Sinne wurde der Erste Weltkrieg erst mit dem Inkrafttreten der Pariser Friedensverträge beendet.

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»Fight for Americanism«

Verteidigung des Landes nach außen, ging es nun umso mehr darum, Amerika auch im Innern zu sichern. Im Winter 1918/19 trat das Preparedness Movement in seine letzte historisch bedeutsame Phase ein. Die Wochen zwischen dem Waffenstillstand und dem Beginn der Friedensverhandlungen waren eine Zeit des Übergangs, in der sich die zivilen Organisationen auf die neuen Bedingungen der Nachkriegszeit einstellten. Dieser Anpassungsprozess betraf die Inhalte ihrer Kampagne ebenso wie die strategische Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit und lief zum Teil unter erheblichen Spannungen ab. Während die NSL mit der heterogenen Erwartungshaltung ihrer Mitgliederschaft zu kämpfen hatte, musste die ADS eine Antwort auf den Verlust ihres prominentesten Repräsentanten finden. Die Preparedness-Organisationen standen vor wichtigen Entscheidungen, die ihre weitere Entwicklung nachhaltig prägen sollten.

5.1.1

Neue Ziele und alte Visionen

Das verhältnismäßig rasche Ende des Krieges sorgte bei den Funktionären der Preparedness-Organisationen für gemischte Gefühle. Die nahe liegende Freude über den amerikanischen Sieg mischte sich mit unterschwelliger Verlustangst. Viele fragten sich, wie es nun weitergehen würde – schließlich war der Bewegung mit dem Kriegsende das wichtigste Bedrohungsszenario abhandengekommen. Anfang Dezember 1918 fasste Charles Lydecker die neue Gemütslage mit den bezeichnenden Worten zusammen, dass sich das Kriegsende so angefühlt habe, als sei »die Luft aus dem Reifen gelassen«2 worden. Die Unterzeichnung des Waffenstillstands, so der NSL-Vorsitzende in seiner privaten Korrespondenz, habe seiner Organisation gewissermaßen »den Hochdruck«3 genommen. Dass Lydecker das Kriegsende mit einer negativ konnotierten Metapher umschrieb, war wohl keine semantische Willkür. Für die National Security League stellte sich tatsächlich die Existenzfrage. Interne Unterlagen belegen, dass der Vorstand ernsthaft in Erwägung zog, es bei den erreichten Erfolgen zu belassen und die Organisation »in den verdienten Ruhestand«4 zu schicken. Die Mehrheit der Vorstandsmitglieder entschied jedoch, dass die

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Charles Lydecker an Elihu Root (5. Dezember 1918), in: Root Papers, Box 136. Ebd. Ebd.

5 Preparedness während der Red Scare

Arbeit fortgesetzt werden müsse.5 Auch die American Defense Society hielt kurz inne und reflektierte über ihre Zukunft; eine Selbstauflösung stand allerdings nie ernsthaft zur Debatte. Die ADS kam rasch zu dem Schluss, dass ihre Organisationskraft zu verheißungsvoll und ihre Mission zu wichtig sei, um die Kampagne einzustellen.6 Damit stand zum Jahresende 1918 fest, dass beide großen Preparedness-Organisationen ihre Arbeit fortsetzen würden. Nun galt es, ihre programmatischen Schwerpunkte an die Herausforderungen der Nachkriegszeit anzupassen. Die NSL brachte Ende November eine eilig erstellte Broschüre heraus,7 die die amerikanische Öffentlichkeit über ihre weiteren Pläne aufklärte. Bereits der Titel (The National Security League: Before the War, During the War, After the War) war darauf angelegt, Zweifel an der Zukunft der Organisation auszuräumen und die Kontinuitätslinien ihrer Preparedness-Arbeit zu betonen. Im Abschnitt zur Nachkriegszeit hieß es unmissverständlich, dass die Mission der NSL noch nicht erfüllt sei: »With the conclusion of the war the nation is confronted with problems of most serious import. The National Security League, with its organization of earnest and patriotic citizens, has great work to perform in aiding the wise solution of these problems. As it took the lead in advocating preparedness and in inaugurating the patriotic education of the people, so it will be foremost in after the war activities.«8 Die NSL-Führung gab in diesem Zusammenhang einige Änderungen an ihrer Organisationsstruktur bekannt. Eine Reihe von neuen Komitees würde sich fortan mit spezifischen Nachkriegsproblemen auseinandersetzen – beispielsweise den anlaufenden Friedensverhandlungen oder der absehbaren Demobilisierung des US-Expeditionsheeres.9 Zugleich verkündete die Broschüre, welche Schwerpunkte die inhaltliche Arbeit der NSL in Zukunft prägen sollten. Die aufgeführten Ziele zeichneten das Bild einer ausgesprochen vielfäl-

5

6 7 8 9

Zu Jahresbeginn 1919 bekräftigte die NSL-Führung die Entscheidung, ihre Arbeit fortzusetzen, ein weiteres Mal; vgl. Charles Lydecker an Elihu Root (2. Januar 1919), in: Root Papers, Box 137. Vgl. Charles S. Davison an ›Dear Sir‹ (22. November 1918), in: ADS Records, Box 3, Folder 8. Die ungewöhnliche Häufung an Druckfehlern deutet darauf hin, dass die NSL für das Lektorat weniger Zeit als bei früheren Publikationen gehabt hatte. Before, During After the War, S. 8-9. Vgl. ebd., S. 9-10.

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»Fight for Americanism«

tigen Preparedness-Agenda: Abstrakte Prioritäten wie die »Bewahrung von Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit«10 wechselten sich mit konkreteren Anliegen wie der Sorge um die verwundeten Kriegsveteranen ab. Altbekannte Projekte wie die Wehrpflicht in Friedenszeiten, die Amerikanisierung von Einwanderern und die Förderung der englischen Sprache waren neben neueren Themen wie der Herbeiführung eines »gerechten«11 Friedensvertrags aufgeführt. Außerdem nahm die Preparedness-Organisation erstmals eine Formulierung in ihre offizielle Zielsetzung auf, die auf einen wachsenden Antikommunismus hindeutete: Die NSL würde sich fortan dafür einsetzen, Amerikas Institutionen »vor gefährlichen Proletariern«12 zu schützen. Während die Broschüre zahlreiche Gründe nannte, warum es auch nach dem Waffenstillstand Anlass für patriotische Bildungsarbeit gebe, wirkte die Nachkriegsagenda der NSL bisweilen wenig kohärent. Die Ziele, denen man sich widmen wollte, waren derart vielfältig, dass ein übergeordnetes Motiv kaum noch erkennbar war. So wurde etwa das zentrale Schlagwort der ›nationalen Sicherheit‹ im Nachkriegsabschnitt der Broschüre nicht einmal genannt. Offenkundig fiel es der Preparedness-Organisation deutlich schwerer, ihr Leitbild an die veränderten Gegebenheiten der Nachkriegszeit anzupassen als dies bei der vorangegangenen Zäsur des Kriegseintritts der Fall gewesen war. Die Identitätskrise der Organisation manifestierte sich nur wenige Wochen nach dem Waffenstillstand in einer prominenten Personalangelegenheit. Anfang Dezember kündigte Elihu Root völlig überraschend seinen Rücktritt vom Ehrenvorsitz der NSL an. Die Demission wurde vom New Yorker Bundesvorstand als potenzielles PR-Desaster eingestuft und führte zu hektischen Versuchen, den Ex-Minister doch noch zum Bleiben zu bewegen.13 In der Folge entspann sich ein Briefwechsel zwischen Lydecker und Root, in dem der Ehrenvorsitzende seine Motive erläuterte. Root lobte die geleistete Arbeit der NSL zwar in den höchsten Tönen; machte aber ebenso deutlich, dass er keine Zukunft für eine weitere Zusammenarbeit sehe. Demnach habe die Stärke der Organisation während des Weltkriegs in dem »hohen Maß an Einigkeit in der Zielsetzung«14 bestanden.

10 11 12 13 14

Ebd., S. 9. Ebd. Ebd. Vgl. Lydecker an Root (5. Dezember 1918), in: Root Papers, Box 136. Elihu Root an Charles Lydecker (7. Dezember 1918), in: Root Papers, Box 136.

5 Preparedness während der Red Scare

Der geteilte Wunsch nach einer konsequenten Kriegsführung habe die heterogene Mitgliederschaft erfolgreich zusammengeschweißt. Diese gemeinsame Grundlage, so Root, sei mit dem Kriegsende infrage gestellt. Die Ende November in der Broschüre abgedruckten Nachkriegsziele würden zeigen, dass der NSL ihr Daseinszweck abhandengekommen sei: »My objection to the new departure is not a disapproval of the objects stated, but it is first that they cover such a wide field as to make the League practically an agency for universal reform, which is necessarily futile; and, second, that the objects are stated in such general terms as to give no idea of what is really proposed, and to furnish no direction or limitation for the committees which have been organized. […] [I disagree with] turning the League from an instrument for the accomplishment of a specific purpose which can be clearly understood by everybody associated with the organization into a League for the accomplishment of vague and general purposes […]. Inasmuch as the great original purpose of the League has been accomplished, […] I must ask you to excuse me from further service as Honorary President.«15 Roots Kritik, dass der vermeintliche Markenkern der NSL – die nationale Sicherheit – nicht länger erkennbar sei, war keine Einzelmeinung, sondern stand stellvertretend für ein wachsendes Unbehagen, das zahlreiche Mitglieder seit dem Abschluss des Waffenstillstands verspürten. Mit dem Kriegsende traten die inneren Widersprüche der PreparednessOrganisation so offen wie nie zutage. Je stärker die NSL ihre sicherheitspolitische Gründungsmotivation hinter sich ließ und gesellschaftliche Fragen ins Zentrum ihrer Agenda rückte, desto mehr Konfliktpotenzial rief sie hervor. Der Bundesvorstand, der seit Menkens Abtritt noch dogmatischer geworden war, verkannte die Stimmungslage in der eigenen Anhängerschaft: Viele einfache NSL-Mitglieder waren eben nicht in die Organisation eingetreten, weil sie von einer nationalistischen Umformung der amerikanischen Gesellschaft träumten. Ihnen war es viel konkreter um militärische Aufrüstungsmaßnahmen und schließlich um eine erfolgreiche Kriegsführung gegangen. Dieser verhältnismäßig moderate Teil der Mitgliederschaft hatte die kontroverseren politischen Forderungen der NSL angesichts der Bedrohung durch Deutschland toleriert, war aber nie zu nationalistischen Dogmatikern geworden. Nach dem Waffenstillstand brach vor allem die traditionelle Konfliktlinie

15

Ebd.

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zwischen Konservativen und Progressiven wieder auf, die während des Krieges überdeckt, aber nie wirklich geschlossen worden war. So lehnte der konservative Root beispielsweise die progressiv konnotierte Forderung der NSL, das Senioritätsprinzip im Kongress abzuschaffen, entschieden ab.16 Während des Krieges mochte der Ehrenvorsitzende über diese Meinungsverschiedenheit hinweggesehen haben; in Friedenszeiten war er jedoch nicht länger bereit, mit einer innenpolitischen Agenda assoziiert zu werden, die er in Teilen missbilligte. Letztendlich hatte es die NSL der Ende Dezember 1918 anlaufenden Kongressuntersuchung zu verdanken, dass Root seine Rückzugspläne noch einmal revidierte. Der Ehrenvorsitzende zeigte sich solidarisch mit der bedrängten Preparedness-Organisation und verschob seinen Rücktritt zunächst auf unbestimmte Zeit; im April 1919 entschied er sich schließlich doch für eine weitere Amtszeit.17 Dennoch war die Episode symptomatisch für die zunehmenden Absetzbewegungen, mit denen sich der Vorstand nach Kriegsende konfrontiert sah. Ähnlich wie bei dem prominenten Ehrenvorsitzenden wuchs auch bei vielen einfachen NSL-Mitgliedern die Skepsis gegenüber einer Organisation, die sich weit von ihren sicherheitspolitischen Wurzeln entfernt hatte. Die New Yorker Bundeszentrale erkannte, dass ihre nationalistische Vision einer geschickteren Begründung bedurfte, um die Skeptiker zu überzeugen. Die Propagandaschriften der NSL, die ab dem Jahreswechsel 1918/19 veröffentlicht wurden, trugen dieser Erkenntnis Rechnung. So brachte die Preparedness-Organisation Anfang Februar ein Pamphlet heraus, dessen Einleitung sich wie eine direkte Replik auf Roots vorangegangene Kritik las: »Although the war is over, NATIONAL SECURITY remains a paramount issue. […] In the future national security consists in meeting correctly the problems of readjustment and reconstruction. […] There are difficult times ahead, and every good citizen – man or woman – should do his or her part.«18

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Vgl. ebd. Vgl. Lydecker an Root (2. Januar 1919), in: Root Papers, Box 137; Elihu Root an Charles D. Orth (11. April 1919), in: Root Papers, Box 137. Root trat schließlich im Mai 1920 zurück; sein Nachfolger wurde Lindley Garrison; vgl. Garrison Succeeds Root. Heads Security League. Starts Drive for 1,000,000 Members, in: The New York Times, 10. Mai 1920. The National Security League. Future Work, New York 1919, S. 3. Die Majuskeln sind dem Quellentext entnommen.

5 Preparedness während der Red Scare

Die Preparedness-Organisation stellte explizit klar, dass ihre gesellschaftspolitischen Ziele der tiefen Sorge um die Sicherheit der USA geschuldet seien. Die Notsituation, in der sich das Land befinde, sei durch den Waffenstillstand nicht weggefallen; Amerika würde nach wie vor von Feinden bedroht werden. Um dieser Gefahr Herr zu werden, seien innere Reformen unabdingbar.19 Mit diesem Narrativ griff die NSL auf eine rhetorische Strategie zurück, die sich schon in der Vergangenheit bewährt hatte: Sie bewarb den gesellschaftspolitischen Kern der Preparedness-Agenda im Mantel der Sicherheitspolitik. Dieses Vorgehen bedeutete freilich nicht, dass die Organisation ihre nationalistische Vision aufgab. So leitete der Text etwa rasch zu der bereits skizzierten Nachkriegsagenda der NSL über, deren Punkte nach wie vor auf tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen hinausliefen. Das Volk müsse darauf eingeschworen werden, »unamerikanische Tendenzen« durch »wohldefinierte nationale Ideale«20 zu bekämpfen. Das Anfang Februar veröffentlichte Pamphlet erwies sich bald als eine Art Blaupause für die weitere NSL-Propagandaarbeit zwischen 1919 und 1920. Die nationale Sicherheit bildete auch in der Nachkriegszeit einen zentralen Referenzpunkt der Kampagne. Die Preparedness-Organisation hatte daher einen starken Anreiz, das allgemeine Bedrohungsgefühl in der Bevölkerung über den Waffenstillstand hinaus zu perpetuieren. Tatsächlich reflektierte die NSL-Führung den Zusammenhang zwischen der öffentlichen Krisenstimmung und dem eigenen Erfolg intern auch selbst. Es sei »evident«, so das Protokoll einer Vorstandsitzung, dass »keine große Volksbewegung ohne die Existenz einer kritischen Situation«21 reüssieren könne. Die American Defense Society kam zu ähnlichen Schlüssen wie die National Security League. Als homogener strukturierter Organisation gelang ihr der Übergang vom Krieg zum Frieden aber ohne größere Blessuren. Anders als bei der NSL fiel die Zäsur des Kriegsendes im Fall der ADS nicht mit einer nervenaufreibenden Kongressuntersuchung zusammen, die ein ungünstiges Schlaglicht auf ihre Aktivitäten warf. So konnte der Vorstand die zukünftige Rolle der ADS in Ruhe überdenken. In einem Rundbrief an die Mitglieder, der in den Wochen um den Waffenstillstand verschickt wurde, kam man zu dem Schluss, dass die Nachkriegsaktivtäten der Preparedness-Organisation

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Vgl. ebd. Ebd. Minutes of the Meeting of the Executive Committee of the National Security League (10. Juli 1919), in: Root Papers, Box 137.

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»Fight for Americanism«

»sogar noch wichtiger«22 als die bisherige Arbeit seien. Der Rundbrief skizzierte eine überarbeitete Agenda, die eine Vielzahl von gesellschaftlichen Fragen in den Fokus nahm. Darunter fanden sich bekannte Punkte wie die antideutsche Boykottkampagne, die Förderung von staatlich-privatwirtschaftlicher Kooperation oder die nach wie vor als zentral empfundene Wehrpflicht in Friedenszeiten. Hinzu kamen einige immigrationspolitische Forderungen, die deutlich xenophober formuliert waren als in der Vergangenheit. So solle die amerikanische Arbeiterschaft vor billigen Arbeitskräften aus dem Ausland geschützt, die Standards für Einbürgerungen angehoben und »fremdländische Einflüsse«23 in den Vereinigten Staaten zurückgedrängt werden. Hier deutete sich bereits an, dass sich die ADS bald verstärkt dem Nativismus annähern sollte, um sich als Vorkämpferin des Amerikanismus zu profilieren.

5.1.2

Der Tod Theodore Roosevelts

Der Rundbrief, in dem die ADS ihre Mitglieder auf die Nachkriegsagenda einschwor, wurde nicht nur im Namen des Vorstands verschickt, sondern trug auch die Unterschrift Theodore Roosevelts.24 Obwohl der Name des Ehrenvorsitzenden auf sämtlichen Briefköpfen der Organisation an prominenter Stelle prangte, war die persönliche Gegenzeichnung durch den Rough Rider ein unüblicher Vorgang. Tatsächlich war Roosevelt bisher nur an einer Handvoll Aktivitäten der ADS direkt beteiligt gewesen, bei denen man jedes Mal eine entsprechende Pressemitteilung herausgegeben hatte, um mit dem prominenten Gast zu werben.25 Die eigenhändige Unterzeichnung des Rundbriefs deutete insofern darauf hin, dass dem Ehrenvorsitzenden die Nachkriegsagenda der ADS ein besonderes Anliegen war. Ende 1918 war Roosevelt nicht nur das bekannteste Gesicht der Preparedness-Bewegung, sondern auch einer der bedeutendsten Oppositionspolitiker Amerikas. Seine Abneigung gegenüber Wilson und den Demokraten war

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The American Defense Society Purposes, in: ADS Records, Box 12, Folder 3. Die These, dass ihre Nachkriegsmission wichtiger als alle vorangegangenen Aktivitäten sei, wurde von der ADS im Januar 1919 nochmals bekräftigt; vgl. American Day Meeting, in: ADS Records, Box 12, Folder 12. The ADS Purposes, in: ADS Records, Box 12, Folder 3. Vgl. ebd. Vgl. beispielsweise Roosevelt’s Fire Turned on Militia, in: The New York Times, 6. Januar 1916.

5 Preparedness während der Red Scare

ungebrochen. Entgegen den Gepflogenheiten früherer Ex-Präsidenten hatte Roosevelt sich mit Verve im Kongresswahlkampf engagiert und für einen Republikanischen Sieg geworben.26 Bei Kriegsende war er bei seinen Parteifreunden derart populär,27 dass er trotz seiner unrühmlichen Rolle im Wahljahr 1912 als aussichtsreichster Bewerber für die nächste Präsidentschaftskandidatur der GOP galt.28 So verwundert es nicht, dass seine Einlassungen zu Fragen der Nachkriegsordnung ein breites Echo in der amerikanischen Presse fanden. Mit dem Abschluss des Waffenstillstands ließ Roosevelt jegliche kriegsbedingte Zurückhaltung fallen und rechnete scharf mit Wilsons Außenpolitik ab. In einer Anfang Dezember 1918 veröffentlichen Stellungnahme bezeichnete er den Großteil der Vierzehn Punkte als »Unsinn«29 , der das amerikanische Volk spalten würde. Roosevelt vertrat die These, dass die kürzlich erfolgte Wahlniederlage der Demokraten einer Ablehnung des Wilsonschen Friedensprogramms durch die Bürger gleichkomme. Ohnehin hätten die amerikanischen Soldaten im Weltkrieg nicht für die Vierzehn Punkte gekämpft, sondern dafür, Deutschland »niederzuschmettern«30 . Es gehe bei den Friedensverhandlungen nicht darum, wolkige Forderungen wie die Freiheit der Meere durchzusetzen; vielmehr müssten die Vereinigten Staaten gegenüber dem besiegten Gegner eine einheitliche Front mit den Alliierten bilden. Demnach seien die Sicherheitsinteressen der europäischen Verbündeten auch im amerikanischen Sinne. Mittelfristig sah Roosevelt die USA als politisch und ökonomisch autarke Großmacht, die die Westliche Hemisphäre dominieren würde, ohne sich über Gebühr in die Angelegenheiten der Alten Welt zu verstricken.31 26

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Vgl. For Republican Congress. W.S. Pierce, on Roosevelt’s Suggestion, Sends $500 to Committee, in: The New York Times, 4. November 1918; Roosevelt Casts Vote. Colonel and Wife Deposit Ballots in a Blacksmith’s Shop, in: The New York Times, 6. November 1918. Zwischen 1916 und 1918 war ein Großteil der Progressiven Partei in den Schoß der GOP zurückgekehrt – inklusive Theodore Roosevelt; vgl. Milkis, Sidney M.: Theodore Roosevelt, the Progressive Party, and the Transformation of American Democracy, Lawrence 2009, S. 252-280. Vgl. Roosevelt’s Death Upsets 1920 Plans. Leaders, Conceding His Nomination Then, Seek a Man Now in His Place, in: The New York Times, 7. Januar 1919. Roosevelt Assails President’s Speech. Says He Has Not Given the Slightest Explanation of His Trip Abroad, in: The New York Times, 4. Dezember 1918. Ebd. Vgl. ebd.

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Mitte Dezember ließ Roosevelt die amerikanische Öffentlichkeit wissen, wie er zum viel diskutierten Völkerbund stand. Der ehemalige Präsident befürwortete die Idee im Grundsatz, war aber keineswegs bereit, Einschränkungen der amerikanischen Souveränität hinzunehmen. Er hielt zudem nichts davon, den Völkerbund als universell angelegte Weltorganisation zu konzipieren, die prinzipiell allen Staaten offenstehen würde. »Zwischen Nationen«, so Roosevelt, gebe es »keine wirkliche Gleichheit«32 . Es sei »absurd«33 , Länder wie Haiti auf eine Stufe mit den Vereinigten Staaten zu stellen. Roosevelt schlug stattdessen vor, den Völkerbund als exklusives Militärbündnis zu konzipieren, dessen Kern die Alliierten des Weltkriegs bilden sollten. Eine Kooperation von souveränen Nationen mit ähnlichen Werten und Interessen sei am ehesten geeignet, den Weltfrieden zu wahren.34 Roosevelts Debattenbeitrag skizzierte eine Art Gegenmodell zu Wilsons Vision für die Nachkriegsordnung. Anders als der amtierende Präsident griff er nicht auf das rhetorische Arsenal des Liberalismus zurück, sondern bekannte sich offen zu den Prinzipien des Nationalismus.35 Fixpunkt seines außenpolitischen Denkens waren die Souveränität und die nationalen Interessen der USA. Dies bedeutete allerdings nicht, dass Roosevelt die traditionelle Position amerikanischer Isolationisten übernahm und die Vereinigten Staaten aus den Händel der Welt heraushalten wollte; einer pragmatischen Bündnisbildung unter Vorherrschaft der USA stand er durchaus offen gegenüber. Roosevelts Stellungnahme schärfte sein Profil als Gegenspieler Wilsons und befeuerte die Gerüchte, dass er einen weiteren Anlauf auf das Weiße Haus nehmen würde. Dass ihr prominenter Wortführer als chancenreicher Präsidentschaftskandidat galt, beflügelte viele Anhänger der PreparednessBewegung. Insbesondere die ADS hoffte darauf, durch die Nominierung ihres Ehrenvorsitzenden einen weiteren Reputationsgewinn zu erzielen.36 Derartige Spekulationen blieben Ende 1918 jedoch Zukunftsmusik, stand die nächste

32 33 34 35

36

Roosevelt Drafts League of Nations. Insists It Must Be Formed Without Secret Diplomacy and Assails 14 Points, in: The New York Times, 14. Dezember 1918. Ebd. Vgl. ebd. Einige Historiker sehen Wilson selbst als Nationalisten, dessen liberales Sendungsbewusstsein auf eine amerikanische Vorherrschaft in der Welt abzielte; vgl. Tooze, Adam: The Deluge. The Great War and the Remaking of Global Order 1916-1931, London 2014, S. 348. Vgl. George Garner an Charles S. Davison (26. Oktober 1918), in: ADS Records, Box 3, Folder 4.

5 Preparedness während der Red Scare

Präsidentschaftswahl doch erst in knapp zwei Jahren an. Einstweilen bildeten Roosevelts Einlassungen vor allem einen wichtigen Referenzrahmen für die außenpolitische Positionierung der Preparedness-Organisation. Schließlich war in Hinblick auf die anlaufenden Friedensverhandlungen absehbar, dass Fragen der Nachkriegsordnung die Debatten der kommenden Monate prägen würden. Anders als von der ADS erhofft, war es ihrem Ehrenvorsitzenden nicht vergönnt, seine politischen Ambitionen weiterzuverfolgen. Am frühen Morgen des 6. Januar 1919 verstarb Theodore Roosevelt unerwartet im Schlaf. Die Nachricht vom Tod des populären Politikers war für viele Amerikaner ein Schock.37 Der Öffentlichkeit war nicht bekannt, dass der vital wirkende Sechzigjährige schon seit längerem an gesundheitlichen Problemen gelitten hatte.38 Für das Preparedness Movement war der Tod seines prominentesten Repräsentanten ein schmerzlicher Verlust. In den vergangenen vier Jahren hatte sich wohl keine Einzelperson so um die öffentliche Wahrnehmung der Bewegung verdient gemacht wie der wortgewaltige Rough Rider. Leonard Wood kommentierte das Ableben seines alten Weggefährten mit den weitsichtigen Worten, dass die Preparedness-Bewegung ihren »großen Anführer«39 noch schmerzlich vermissen werde. Roosevelts Ideale weiterzutragen, sollte in Zukunft deutlich schwieriger werden. Der Tod ihres Ehrenvorsitzenden traf die American Defense Society in besonderer Weise. Die Preparedness-Organisation reagierte auf den Verlust ihres prominentesten Mitglieds, indem sie das Gedenken an den Verstorbenen mit Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache verknüpfte. Keine 24 Stunden nachdem der Todesfall publik wurde, trat der ADS-Vorstand zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen und verabschiedete eine Resolution, die Roosevelts Wirken würdigte: »The lesson of Americanism which he taught by his life and effort is of continuing value to this country and to all Americans. […] His precept and his

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Vgl. Theodore Roosevelt Dies During Slumber; Loss Shocks Nation. Blood Clot on Lung Ends Brilliant Life Suddenly, in: The New York Times, 7. Januar 1919. Vgl. Hawley, Joshua D.: Theodore Roosevelt. Preacher of Righteousness, New Haven/London 2008, S. 258-259. Leonard Wood an Charles S. Davison (19. Januar 1919), zitiert in: In Memoriam Theodore Roosevelt, in: ADS Records, Box 12, Folder 9.

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example, above all his unfailing courage and constancy have been an inspiration to the Society [i.e. the ADS] and its members.«40 Die ADS verzichtete in ihrem knapp gehaltenen Nachruf darauf, Roosevelts politischen Werdegang zu erwähnen. Für die Preparedness-Organisation war weder sein Wirken als Präsident, noch sein dezidierter Progressivismus das definierende Charakteristikum dieses »großen Amerikaners«41 . Im Zentrum ihres Gedenkens stand Roosevelts Nationalismus. Das Andenken an den verstorbenen Wortführer des Preparedness Movement wurde schon bald zu einem neuen Schwerpunkt der ADS-Agenda. Am 9. Februar 1919 rief die Organisation einen landesweiten Gedenktag aus, der von Ortsgruppen in 700 Gemeinden begangen wurde.42 Die Empfehlungen der New Yorker Bundeszentrale für den Text der Eröffnungsrede erhielt unter anderem eine Passage über das Verhältnis zwischen Roosevelt und der ADS: »We deem ourselves fortunate that he should have thought this Society of which he was Honorary President worthy of selection as the vehicle through which to convey to the country his message of devotion to America.«43 Dieser Satz war gleich auf zweifache Weise bemerkenswert. Zum einen war die Zusammenarbeit Roosevelts mit der ADS nie so eng gewesen wie es hier dargestellt wurde. Wie bereits erläutert, arbeitete die Preparedness-Organisation völlig autonom; die Zusammenarbeit zwischen zivilen Funktionären und institutionellen Akteuren war stets punktuell geblieben. Insofern entsprach die Selbststilisierung der ADS zum Vehikel der Rooseveltschen Botschaft kaum der Realität, sondern war vor allem ein Mittel, um vom Ansehen des Verstorbenen zu profitieren. Zum anderen verweist die sakral anmutende Rhetorik des zitierten Satzes auf eine Entwicklung, die bereits kurz nach Roosevelts Tod einsetzte: In der öffentlichen Wahrnehmung wurde der zu Lebzeiten durchaus umstrittene Politiker rasch in den Pantheon der

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In Memoriam Theodore Roosevelt. Joint Memorial Meeting of All Branches of the American Defense Society, in: ADS Records, Box 12, Folder 9. Ebd. Vgl. Churches to Honor Life of Roosevelt. American Defense Society Prepares Special Program and Eulogistic Pronouncement, in: The New York Times, 8. Februar 1919. In Memoriam, in: ADS Records, Box 12, Folder 9.

5 Preparedness während der Red Scare

großen US-Präsidenten aufgenommen. Damit wurde Theodore Roosevelt gewissermaßen Teil der amerikanischen Zivilreligion.44 Die ADS betrachtete es fortan als genuinen Teil ihrer Mission, den Nachruhm ihres verstorbenen Ehrenvorsitzenden zu mehren. Die Ortsgruppen wurden dazu aufgefordert, jeder Bildungseinrichtung im Einzugsgebiet ein Roosevelt-Porträt zu stiften. Es dauerte nicht lange bis der Vorstand stolz vermeldete, dass dieses ehrgeizige Ziel für die öffentlichen Schulen innerhalb der Stadtgrenzen von New York City erreicht worden sei.45 Anders als die NSL, die nach Joseph Choates Tod zeitnah einen Nachfolger berufen hatte, hielt die ADS auch posthum am Ehrenvorsitz Roosevelts fest. Die entsprechende Zeile auf dem Briefkopf wurde Anfang 1919 einfach um den Zusatz »In Perpetuum Memoriam«46 ergänzt. Die Preparedness-Organisation änderte zudem ihren bisherigen Leitspruch (»Serve at the Front or Serve at Home«), der mit dem Kriegsende ohnehin obsolet geworden war. Mit der Parole »Keep Up the Fight for Americanism«47 würde von nun an ein Zitat Roosevelts zahlreiche Veröffentlichungen der ADS zieren. Die ADS nutzte auch die letzten Worte des Toten für die Öffentlichkeitsarbeit. Dabei kam ihr zu Gute, dass Roosevelt so unerwartet verstorben war. Die Preparedness-Organisation hatte noch am Vorabend seines Todestages ein patriotisches Benefiz-Konzert in New York ausgerichtet, auf dem ein persönlich verfasstes Grußwort des Ehrenvorsitzenden verlesen worden war. Die ADS schlachtete den symbolträchtigen Zufall, dass Roosevelts »letzte öffentliche Botschaft an das amerikanische Volk«48 im Namen der Preparedness-Organisation erfolgt war, propagandistisch aus. Das kurze Statement, das inhaltlich wenig Neues enthielt, fand in Form eines eilig edierten Pamphlets weite Verbreitung. Roosevelts bereits an anderer Stelle formulierte These, dass es auch nach dem Kriegsende »kein Nachlassen im Kampf für den Amerikanismus«49 geben dürfe, war Leitmotiv des Textes.

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Vgl. Hawley: Roosevelt, S. 260-261. Zum Konzept der amerikanischen Zivilreligion siehe Bungert, Heike/Weiß, Jana (Hg.): »God Bless America«. Zivilreligion in den USA im 20. Jahrhundert, Frankfurt/New York 2017. Vgl. A Roosevelt Picture in Every School in America, in: ADS Records, Box 12, Folder 11; American Defense Society. A Brief Report of Some of its Activities During the Year 1919, New York 1919, S. 5. H.D. Craig an Charles S. Davison (1. Mai 1919), in: ADS Records, Box 4, Folder 4. A Roosevelt Picture, in: ADS Records, Box 12, Folder 11. In Memoriam, in: ADS Records, Box 12, Folder 9. Ebd.

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Der von der ADS forcierte Roosevelt-Kult zielte darauf ab, die Deutungshoheit über das Vermächtnis des Verstorbenen zu gewinnen. Später sprach die Preparedness-Organisation sogar explizit vom »RooseveltAmerikanismus«50 , dem sie sich verpflichtet fühle. Eine Ende 1919 veröffentlichte Pressemitteilung betonte die besondere Traditionslinie, in der sich die ADS verortete: »Solemn obligations have been imposed upon the American Defense Society by Theodore Roosevelt, its honored President, in Perpetuam Memoriam, to fight on bravely and indefatigably against the enemies of American ideals and American institutions.«51 Der Anspruch, das Erbe des »patriotischsten Amerikaners«52 der jüngeren Geschichte weiterzuführen, sollte der ADS zusätzliche Legitimität verleihen. In den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, die die USA in der Nachkriegszeit erschütterten, sollte die Berufung auf Theodore Roosevelt noch ein wichtiges Instrument der Preparedness-Kampagne darstellen.

5.2

Eskalation und Entfremdung: Krisenrhetorik in Friedenszeiten (Winter 1918/19 – Herbst 1920)

Zwischen 1919 und 1920 war die politisch-gesellschaftliche Stimmungslage in den USA kaum weniger spannungsgeladen als zur Zeit des Krieges. Der Waffenstillstand hatte nicht bewirkt, dass sich die repressive Atmosphäre verflüchtigte. Die Demagogie der vergangenen Jahre war so wirkungsvoll gewesen, dass zahlreiche Amerikaner ihr Land nach wie vor von inneren Feinden bedroht sahen. Während die Paranoia gegenüber deutsch-stämmigen Bürgern allmählich nachließ, wuchs die Furcht vor sozialistischen Umsturzversuchen. Amerikas Red Scare erreichte ihren Höhepunkt.53 Zugleich führte der Streit um den Völkerbund zu erbitterten Auseinandersetzungen zwischen den 50 51 52 53

The American Defense Society Is Actively Engaged, in: ADS Records, Box 4, Folder 9. Zitiert in: Spiro: Madison Grant, S. 407. American Defense Week, in: ADS Records, Box 4, Folder 12, Folder 12. Die antikommunistische Hysterie im Nachgang des Ersten Weltkriegs wird bisweilen auch als First Red Scare bezeichnet, um sie von den Second Red Scare nach dem Zweiten Weltkrieg abzugrenzen. Letztere firmiert in der Literatur auch unter dem Schlagwort des ›McCarthyismus‹; vgl. Berg, Manfred: Geschichte der USA, München 2013, S. 59, 71-72.

5 Preparedness während der Red Scare

politischen Lagern und spaltete die Gesellschaft. Es sollte bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im November 1920 dauern, bis das Land ›zurück zur Normalität”54 fand. Einstweilen blieben die Vereinigten Staaten eine Nation im Ausnahmezustand. Für die Preparedness-Organisationen erwies sich die Red Scare als fruchtbare Grundlage für ihre Krisenrhetorik. NSL und ADS taten ihr Möglichstes, um das gesellschaftliche Bedrohungsgefühl zu perpetuieren, von dem sie in der Vergangenheit so profitiert hatten. Während die Frage des Völkerbundbeitritts die zivilen Organisationen vor ein Dilemma stellte, erwiesen sich Antikommunismus und Nativismus als erfolgversprechende Motive ihrer erneuerten Öffentlichkeitsarbeit. Zugleich mehrten sich jedoch Stimmen in der Bevölkerung, die die immer extremer werdende Ausrichtung der Kampagne kritisierten. Viele Bürger waren nicht länger bereit, die nationalistischen Angriffe auf die liberalen Traditionen Amerikas hinzunehmen. Die Preparedness-Bewegung trat in ihren letzten großen Kampf um die Diskurshoheit ein.

5.2.1

Kontroverse um den Völkerbund

Der Beginn der Friedensverhandlungen am 18. Januar 1919 ging mit einer intensiven öffentlichen Debatte innerhalb der Vereinigten Staaten einher. Die Geheimdiplomatie früherer Jahrhunderte war weitgehend delegitimiert; die in Paris versammelten Staatsmänner mussten damit rechnen, dass ihre Entscheidungen erhebliche innenpolitische Rückwirkungen haben konnten. Diese Demokratisierung der Außenpolitik ging zwar mit einem Partizipationsgewinn einher, erschwerte aber zugleich die Kompromissfindung. Die Regierung jeder bedeutenden Siegermacht war in der Heimat mit einer kritischen Öffentlichkeit konfrontiert, die angesichts der Kriegsverluste wenig Verständnis für Großmut und Ausgleich zeigte. Woodrow Wilson, der die amerikanische Delegation persönlich anführte, ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass er seine liberale Friedensvision unbeirrt verfolgen würde. Kernstück dieser »Neuordnung der Welt«55 sollte der in den Vierzehn Punkten geforderte Völkerbund sein. Die teils gegensätzlichen Interessen

54 55

Zur Parole ›Rückkehr zur Normalität‹ vgl. Kap. 6.1 dieser Arbeit. Berg: Wilson, S. 9. Für einen Forschungsüberblick über die unterschiedlichen historischen Deutungen von Wilsons außenpolitischer Vision siehe Keylor, William R.: Wilson’s Project for a New World Order of Permanent Peace and Security, in: Kennedy (Hg.): Companion Wilson, S. 370-391.

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der beteiligten Akteure führten dazu, dass die Verhandlungen langsamer voranschritten als im Vorfeld erwartet. Es sollte bis zum Mai dauern, bis sich die alliierten Regierungsvertreter auf gemeinsame Friedensbedingungen gegenüber Deutschland einigen konnten. Unterzeichnet wurde der Versailler Vertrag, der als integralen Bestandteil die Völkerbundsatzung enthielt, schließlich am 28. Juni 1919.56 Während der amerikanische Präsident in Frankreich über die Nachkriegsordnung verhandelte, begannen seine politischen Gegner in der Heimat damit, gegen das Wilsonsche Friedensprogramm zu agitieren. Ihr Unmut richtete sich vor allem gegen Artikel 10 der Völkerbundsatzung, der die territoriale Integrität der Mitgliedsstaaten festschrieb. Kritiker sahen in der Norm eine uneingeschränkte Beistandsklausel, die die Vereinigten Staaten zwingen könnte, andere Länder im Fall eines Angriffs militärisch zu unterstützen. Solch eine automatische Interventionsverpflichtung sei weder im Interesse der USA, noch mit der nationalen Souveränität vereinbar. Diese Bedenken entsprachen im Wesentlichen der Völkerbundkritik Roosevelts, die der ExPräsident bereits Ende 1918 artikuliert hatte. Nach dessen Tod wurde Henry Cabot Lodge, der Republikanische Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat, zu Wilsons wichtigstem Gegenspieler in Fragen der Außenpolitik. Ähnlich wie Roosevelt lehnte Lodge die Idee eines Völkerbunds nicht grundsätzlich ab, hatte als überzeugter Nationalist aber Vorbehalte in Hinblick auf die internationale Handlungsfreiheit der USA. Diese Haltung stellte den Präsidenten vor erhebliche Probleme: Für einen amerikanischen Beitritt zum Völkerbund musste der Senat das ausgehandelte Vertragswerk mit ZweiDrittel-Mehrheit ratifizieren. Dies bedeutete, dass Wilson bei einer Abstimmung auf die Stimmen der Republikanischen Senatoren um Lodge angewiesen war.57 Nachdem der Präsident Anfang Juli 1919 in die USA zurückgekehrt war, eskalierte der Streit um den Völkerbund – eine Einwicklung, an der Wilson selbst erheblichen Anteil hatte. Er lehnte einen möglichen Kompromiss mit

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Vgl. Leonhard, Jörn: Der überforderte Frieden. Versailles und die Welt 1918-1923, München 2018, S. 650-863. Siehe außerdem Ambrosius, Lloyd E.: Democracy, Peace and World Order, in: Cooper, John Milton (Hg.): Reconsidering Woodrow Wilson. Progressivism, Internationalism, War, and Peace, Baltimore 2008, S. 225-249. Vgl. Cooper, John Milton: Breaking the Heart of the World. Woodrow Wilson and the Fight for the League of Nations, Cambridge 2001, S. 52-60; Widenor, William C.: Henry Cabot Lodge and the Search for American Foreign Policy, Berkeley u.a. 1980, S. 266-299.

5 Preparedness während der Red Scare

den Völkerbundskeptikern kategorisch ab und beharrte auf einer vorbehaltlosen Ratifizierung des vorliegenden Vertragswerks. Da der Senat wenig Neigung zeigte, diesem Ansinnen nachzukommen, traf der Präsident die fatale Entscheidung, die amerikanische Öffentlichkeit für seine Vision zu mobilisieren und brach Anfang September zu einer längeren Speaking Tour durch das Land auf. Die kräftezehrende Reise stellte eine erhebliche Belastung für seine ohnehin angeschlagene Gesundheit dar. Am 2. Oktober erlitt Wilson einen schweren Schlaganfall, der ihn in der entscheidenden Phase der politischen Auseinandersetzung an das Krankenbett fesselte.58 Der Streit um den Völkerbund spaltete die amerikanische Öffentlichkeit. Meinungsumfragen unter den tonangebenden Zeitungsredaktionen des Landes ergaben, dass knapp die Hälfte der Befragten für einen vorbehaltlosen Beitritt im Wilsonschen Sinne waren; 35 Prozent teilten die Skepsis Lodges und plädierten für Änderungen am Vertragswerk, während sich 15 Prozent grundsätzlich gegen ein System kollektiver Sicherheit aussprachen. Die Auseinandersetzung zwischen Befürwortern, Skeptikern und Gegnern eines Beitritts verlief nur zum Teil entlang der traditionellen politischen Lager: Einerseits waren es zumeist Demokratische Politiker, die Wilsons Vision vorbehaltlos unterstützten, und Republikanische Oppositionsvertreter, die Einwände erhoben. Andererseits fand sich mit Ex-Präsident Taft der wohl prominenteste Repräsentant der GOP unter den Befürwortern, während einige isolationistisch gesinnte Südstaatendemokraten zu den entschiedensten Gegnern zählten. Zwar fehlen repräsentative Daten über das Stimmungsbild in der Bevölkerung; viele zeitgenössische Beobachter gingen jedoch davon aus, dass die meisten Amerikaner durchaus Sympathien für die Idee einer internationalen Friedensorganisation hatten. Dies bedeutete freilich nicht, dass sie Wilsons visionärem Projekt besondere politische Priorität beimaßen – das Für und Wider einzelner Satzungsartikel war letztlich ein Elitendiskurs. In jedem Fall kann konstatiert werden, dass der Völkerbundstreit die US-Gesellschaft polarisierte und entlang komplexer politischer Frontlinien verlief, die bisweilen unübersichtlich waren.59 Die Völkerbundkontroverse gewann in der zweiten Jahreshälfte 1919 zunehmend an Schärfe und stellte die Preparedness-Bewegung vor ein erhebliches Dilemma. Weder eine vorbehaltlose Zustimmung noch eine entschie58 59

Vgl. Berg: Wilson, S. 190-200; Cooper: Fight for the League, S. 148-212; Cooper: Wilson, S. 506-537. Vgl. Cooper: Fight for the League, S. 55-108.

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dene Ablehnung drängte sich als ›natürliche‹ Position auf. Viele erinnerten sich noch an Roosevelts Verdikt, dass der Völkerbund trotz aller Bedenken nicht grundsätzlich abzulehnen sei. Würde man die Friedensorganisation auf die richtige Weise konzipieren, so konnte sie den amerikanischen Interessen in der Welt durchaus dienlich sein. Folgte man Roosevelts Argumentation, so entsprach eine skeptisch-konstruktive Haltung, die Vorbehalte gegenüber der vorliegenden Satzung zum Ausdruck brachte, am ehesten der nationalistischen Grundüberzeugung des Movement. Zugleich riskierte die Bewegung jedoch, größere Teile der Bevölkerung vor den Kopf zu stoßen, wenn sie sich in dem polarisierten Diskurs festlegte. Machten sich die PreparednessOrganisationen Lodges Position zu eigen, konnten sie einmal mehr in den Ruch geraten, den politischen Interessen der Republikanischen Opposition zu dienen, zumal Wilson den Völkerbund zum wichtigsten Projekt seiner Amtszeit erkoren hatte. Es war offenkundig, dass die Positionierung der Preparedness-Organisationen im Ratifizierungsstreit ihr öffentliches Bild nachhaltig prägen würde – entsprechend groß war das Risiko für die Reputation der Bewegung. Für die seit der Kongressuntersuchung ohnehin angeschlagene National Security League kam die Auseinandersetzung einer Zerreißprobe gleich. Unter ihren bis zu 150.000 Mitgliedern fanden sich sowohl Befürworter als auch Skeptiker und Gegner des Völkerbunds. Im Vorstand der Organisation war die Stimmungslage dagegen einseitiger: Als überzeugte Nationalisten lehnten die meisten Führungskader den liberal-internationalistischen Geist der Völkerbundsatzung ab. Sie teilten die von Roosevelt und Lodge aufgeworfenen Bedenken und sahen Amerikas außenpolitische Handlungsfreiheit gefährdet. Während nur wenige Funktionäre das vorliegende Vertragswerk befürworteten, deckten die Kritiker ein breites inhaltliches Spektrum ab – von milden Vorbehalten bis zu prinzipieller Ablehnung.60 Auch der NSL-Vorsitzende selbst sah die nationalen Interessen der USA durch die Völkerbundsatzung gefährdet. Bereits Ende Februar 1919, als erste Zwischenergebnisse aus Paris bekannt geworden waren, hatte sich Lydecker in der New York Times skeptisch gegenüber Wilsons Projekt geäußert.61 Es blieb jedoch bei dieser vereinzelten Wortmeldung, da es der Vorstand für

60 61

Für eine detaillierte Darstellung der im NSL-Vorstand vertretenen Positionen zum Völkerbund vgl. Edwards: NSL, S. 135. Vgl. Lay Plans to Fight League of Nations. Henry A Wise Wood Tells of Organization to Oppose Constitution Framed by Wilson, in: The New York Times, 24. Februar 1919.

5 Preparedness während der Red Scare

»vernünftig«62 hielt, sich in der kontroversen Frage zunächst bedeckt zu halten. In den kommenden Monaten erwies sich diese Strategie jedoch als tückisch. Je stärker das Streitthema die politische Tagesordnung dominierte, desto ungeduldiger drängten die Völkerbundkritiker im Vorstand auf eine offizielle Stellungnahme. Am 20. Juni schrieb Lydecker schließlich einen Brief an Root, in dem er den Ehrenvorsitzenden vertraulich um Rat bat: Sei jetzt nicht der Zeitpunkt für die NSL gekommen, sich offiziell gegen das vorliegende Vertragswerk auszusprechen?63 Der Ehrenvorsitzende antwortete postwendend und warnte in eindringlichen Worten vor einer Spaltung der Preparedness-Organisation. Auch wenn er mit Lydeckers Kritik an der Völkerbundsatzung voll übereinstimme, sei dessen Vorschlag viel zu riskant: »I do not, however, think it is the proper function of the National Security League to act upon such questions. I think you will destroy the League if you undertake to do so. The membership of such an organization consists of people who wish to express their own ideas about new questions which arise, and they will not continue a membership which is understood to authorize the officers of such an organization to use the organization for the promotion of ideas about which the members have not been consulted.«64 Der Briefwechsel zwischen Lydecker und Root lässt erahnen, welch große Tragweite der NSL-Vorsitzende dem Streit um den Völkerbund beimaß. Folgt man den überlieferten Quellen, so handelte es sich um den einzigen Fall in der Geschichte der Preparedness-Organisation, in dem ein Vorsitzender einen Ehrenvorsitzenden vor einer wichtigen Grundsatzentscheidung um Rat ersuchte. Tatsächlich erwies sich Roots eindringliche Warnung vor einer Spaltung der NSL als wirkungsvoll. Entgegen seiner persönlichen Präferenz verzichtete Lydecker darauf, die Organisation in das Lager der Völkerbundkritiker zu führen.65 Während einzelne Vorstandsmitglieder fortan als Privatpersonen gegen das Vertragswerk agitierten,66 blieb die NSL im Ratifizierungsstreit neutral.

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Charles Lydecker an Elihu Root (20. Juni 1919), in: Root Papers, Box 137. Vgl. ebd. Elihu Root an Charles Lydecker (26. Juni 1919), in: Root Papers, Box 137. Die Episode illustriert darüber hinaus, dass Lydecker sich mit schwierigen Grundsatzentscheidungen schwerer als sein Vorgänger tat. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Menken den Ehrenvorsitzenden in der Völkerbundfrage ebenfalls konsultiert hätte. Vgl. Edwards: NSL, S. 135.

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Für die praktische Propagandaarbeit der NSL bedeutete die Neutralitätsentscheidung, dass die Völkerbundkontroverse weitgehend ausgeklammert blieb; in öffentlichen Stellungnahmen und Publikationen wurde der Ratifizierungsstreit schlicht verschwiegen. Angesichts der öffentlichen Relevanz des Themas erwies es sich jedoch bald als unumgänglich, den Völkerbund zumindest zu erwähnen. Ende 1919 brachte die Preparedness-Organisation einen Nachfolgeband zum Kriegshandbuch heraus, der den Kadern der NSL Informationen über wichtige Themen der Nachkriegszeit bereitstellen sollte.67 Im Kapitel über die Pariser Friedenskonferenz konnte man nachlesen, dass Wilsons Völkerbundvision ein zentrales Ergebnis der Verhandlungen gewesen sei; ein Großteil der Satzung wurde sogar wörtlich zitiert.68 Die Teile des Friedenshandbuchs, die weitere Erläuterungen zum Völkerbund beinhalteten, waren in betont nüchternem Stil geschrieben. Anders als bei den meisten anderen Themen fanden sich in den einschlägigen Passagen keinerlei Wertungen, sondern eine sachliche Darstellung der Pariser Beratungen über Wilsons Vorschläge. Dabei wurde beispielsweise ausgeführt, dass Großbritannien und Italien der Völkerbundidee des Präsidenten aufgeschlossener gegenübergestanden hätten als Frankreich; von einer Kommentierung dieser Konstellation wurde jedoch abgesehen. Die Darstellung des Friedenshandbuchs endete mit der Unterzeichnung des Versailler Vertrags – der inneramerikanische Streit um die Ratifizierung blieb gänzlich unerwähnt.69 Im gesamten Werk fand sich kein einziger Hinweis darauf, ob das vorliegende Vertragswerk zu begrüßen oder abzulehnen sei. Ein Blick auf andere NSLPublikationen von 1919 offenbart denselben Befund: Wie von Root empfohlen, vermied es die Preparedness-Organisation konsequent, zur Völkerbundkontroverse Stellung zu nehmen. Damit war die National Security League in der wichtigsten außen- und sicherheitspolitischen Frage der Zeit nicht sprachfähig. Die Völkerbundkontroverse stellte auch für die zweite große Preparedness-Organisation eine erhebliche Herausforderung dar. Der Vorstand der American Defense Society war sich in der Ablehnung des Vertragswerks weitgehend einig; in der internen Korrespondenz wurde die Völkerbundsatzung abschätzig als »großer Witz«70 bezeichnet. Grundsatzkritik an der Idee kol-

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Siehe Frothingham: Peace Problems. Vgl. ebd., S. 168-187. Vgl. ebd., S. 135-137. H.D. Craig an Charles S. Davison (17. September 1919), in: ADS Records, Box 4, Folder 6.

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lektiver Sicherheit mischte sich dabei mit der traditionellen Ablehnung der Preparedness-Organisation gegenüber dem Mann im Weißen Haus. Auf dem Höhepunkt der Völkerbundkontroverse bezeichnete der ADS-Vorsitzende den Präsidenten in einem privaten Briefwechsel gar als »öffentliche Gefahr«71 . Dennoch bedeutete die eindeutige Stimmungslage im Vorstand nicht, dass eine öffentliche Stellungnahme gegen die Ratifizierung zwangsläufig war. Ende Februar hatte die Preparedness-Organisation die offizielle Sprachregelung ausgegeben, dass man sich bislang keine Meinung zum Völkerbund gebildet habe und die weitere Entwicklung vorerst abwarten wolle.72 Ähnlich wie schon die NSL, zögerte auch die ADS, eine eindeutige Haltung in dem polarisierten Diskurs zu zeigen. Schließlich gab es unter ihren mehr als 45.000 Mitgliedern durchaus Befürworter der Wilsonschen Vision.73 Erst nach einem sechsmonatigen Abwägungsprozess kam der ADS-Vorstand schließlich zu dem Resultat, dass es an der Zeit sei, öffentlich Position zu beziehen. Ende August 1919 sprach sich die Preparedness-Organisation offiziell gegen eine Ratifizierung der Völkerbundsatzung aus.74 In einem offenen Brief an alle Mitglieder des Senats, der am 1. September in der New York Times veröffentlicht wurde, führte die ADS gleich zehn Gründe auf, die für eine Ablehnung des Vertragswerks sprächen.75 Darunter fanden sich viele bekannte Argumente, die von Völkerbundskeptikern häufig angeführt wurden – beispielsweise Warnungen vor einer Einschränkung der Souveränität und außenpolitischen Handlungsfreiheit Amerikas. Die ADS nannte jedoch auch Gründe, die über die ursprünglich von Roosevelt formulierte Kritik hinausgingen. So vertrat sie etwa den Standpunkt, dass das von Wilson propagierte Selbstbestimmungsrecht der Völker Konflikte eher schüren als eindämmen würde. Das Streben nach ethnisch homogenen Nationalstaaten werde in Zukunft weitere Kriege heraufbeschwören, die der Völkerbund kaum verhindern könne. Die Vereinigten Staaten dürften sich in derartige »Stammeskonflikte«76 keinesfalls hineinziehen lassen. Schließlich, so die bereits in anderen Zusammenhängen geäußerte These, sei Amerika eine Nation, in der Abstammung 71 72 73 74 75 76

Charles S. Davison an Frank B. Brandegee (30. September 1919), in: ADS Records, Box 4, Folder 6. Vgl. Plans to Fight League of Nations, in: NYT, 24. Februar 1919. Vgl. beispielsweise David I. Walsh an Charles S. Davison (29. Oktober 1918), in: ADS Records, Box 3, Folder 4. Vgl. Dear Sir, in: ADS Records, Box 12, Folder 9. Vgl. Plans to Fight League of Nations, in: NYT, 24. Februar 1919. Ebd.

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keine Bedeutung habe. Das Denken in ethnischen Kategorien, das eng mit der Völkerbundidee zusammenhänge, sei abzulehnen: »To adopt the covenant and to simultaneously advocate race-consciousness, the self-determination of peoples, and the multiplication of nations is not the part of wisdom.«77 Dass sich eine nationalistische Organisation eine derart universalistische Aussage zu Eigen machte, mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, verweist aber einmal mehr auf die Besonderheiten des Amerikanismus. Der staatsbürgerliche Nationalismus der Preparedness-Bewegung grenzte sich rhetorisch deutlich vom ethnischen Nationalismus der Alten Welt ab. Folgt man der weiteren Argumentation des Briefs an die Senatoren, so schien sich die ADS zudem wieder an isolationistische Topoi anzunähern, die die Preparedness-Bewegung schon während der Neutralitätsperiode dominiert hatten. So begründete die Organisation ihre Ablehnung eines Völkerbundbeitritts nicht zuletzt mit der bewährten Tradition der USA, sich aus den Konflikten fremder Länder herauszuhalten: »This country has been of some value to the world through the very fact of her welcoming individuals of many races to her free and liberal institutions while keeping aloof from the all this pandemonium of tribal conflict of constant racial adjustment and readjustment. […] This has been a known, conceded and definite advantage to all nations.«78 Die Vereinigten Staaten, so die Implikation, könnten ihre Sonderstellung in der Welt nur bewahren, wenn sie sich nicht in deren Händel verstrickten. Die ADS deutete zudem an, dass Amerikas Einflussnahme auf die territoriale Neuordnung der europäischen Nachkriegsgrenzen die moralische Überlegenheit der USA bereits angekratzt habe. »Unsere Einmischung in Angelegenheiten, die uns nichts angehen und über die wir kaum kompetent urteilen können«, so die etwas kryptische Formulierung, habe »schon jetzt einen Teil unseres Verdiensts der letzten 150 Jahre verspielt.«79 77

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Files 10 Objections to Nation’s League. American Defense Society Urges Senators to Eliminate Covenant from Treaty, in: The New York Times, 1. September 1919. Der zeitgenössische Ausdruck »race« entspricht nicht seiner heutigen Bedeutung im amerikanischen Englisch, sondern bezog sich auf die unterschiedlichen Ethnien Europas (beispielsweise Deutsche, Tschechen oder Polen). Ebd. Ebd.

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Fazit des Briefs der Preparedness-Organisation war, dass ein Beitritt zum Völkerbund »böse Folgen«80 für die Vereinigten Staaten hätte. Die ADS legte den Senatoren eine eindeutige Ablehnung des Vertragswerks nahe. Damit vertrat sie eine weitergehende Position als das Lager um Lodge, das eine internationale Friedensorganisation nicht prinzipiell ablehnte, sondern eine Ratifizierung mit völkerrechtlichen Vorbehalten vorschlug. Die ADS verwarf einen derartigen Kompromiss explizit und schlug stattdessen vor, die Völkerbundsatzung vom Rest des Versailler Vertrags zu entkoppeln. Auf diese Weise könne der Senat dem Friedensschluss mit Deutschland zustimmen, ohne Amerika an ein System kollektiver Sicherheit zu binden.81 Obwohl die ADS ihre ablehnende Haltung zum Völkerbund Anfang September publik machte, zeigte sie auch nach diesem Schritt eine gewisse Zurückhaltung, sich in der Kontroverse allzu stark zu exponieren. Ihre Kritik an dem Vertragswerk wurde keineswegs zu einem Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit. Die Preparedness-Organisation zog es auch in ihren nach dem Herbst 1919 veröffentlichten Propagandaschriften vor, das sensible Thema weitgehend auszuklammern.82 Ihr Brief an den Senat blieb dennoch nicht ohne Folgen. Ende September gab das Beiratsmitglied Henry W. Jessup, der dem Gremium mehrere Jahre angehört hatte, seinen Rücktritt bekannt. Der erfolgreiche New Yorker Anwalt hatte sich zuvor in interner Runde gegen eine Stellungnahme der ADS zum Völkerbund ausgesprochen,83 war aber überstimmt worden. Laut seinem Rücktrittsschreiben lehnte es Jessup ab, sich weiter für eine Organisation zu engagieren, deren »gegenwärtige Aktivitäten eher im Bereich der Politik als in jenem der nationalen Sicherheit«84 lägen. Auch wenn Jessups Rücktritt ein Einzelfall unter den führenden Funktionären blieb, zeigt er doch, dass die Völkerbundkontroverse selbst eine verhältnismäßig homogen strukturierte Organisation wie die ADS vor eine Herausforderung stellte.

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Ebd. Vgl. ebd. Nachdem sich die ADS offiziell gegen den Völkerbund positioniert hatte, gingen in der Bundeszentrale tatsächlich eine Reihe von Beschwerdebriefen erboster Mitglieder ein; vgl. beispielsweise Edward A. Woods an Charles S. Davison (23. April 1920), in: ADS Records, Box 5, Folder 2. Henry W. Jessup an Charles S. Davison (7. August 1919), in: ADS Records, Box 4, Folder 6. Henry W. Jessup an Charles S. Davison (27. September 1919), in: ADS Records, Box 4, Folder 6.

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»Fight for Americanism«

Tatsächlich spaltete das Thema den gesamten zivilen Flügel der Preparedness-Bewegung. Während sich die National Security League offiziell neutral gab und sich die American Defense Society im Lager der Völkerbundgegner positionierte, gab es unter den kleineren Preparedness-Organisationen auch lautstarke Befürworter der Wilsonschen Vision. So sprach sich etwa die American Rights League Ende August 1919 für eine vorbehaltlose Ratifizierung der Völkerbundsatzung aus.85 Diese Haltung rief wiederum heftige Kritik von führenden ADS-Mitgliedern hervor. Richard Hurd, der neben seinem Amt als Vorstandsmitglied der ADS auch einfaches Mitglied der American Rights League war, verurteilte deren Bekenntnis zum Völkerbund scharf. Am 14. September zitierte die New York Times aus einem Schreiben Hurds, das den Patriotismus der kleineren Preparedness-Organisation offen infrage stellte: »I fail to understand how a league [i.e. the American Rights League] formed to uphold American rights can approve the surrender of American independence and sovereignty urged by Mr. Wilson. […] The United States is a free and independent nation, which will […] use its own judgment both in its internal affairs and in its international relations, and which is not to be misled by any misstatements, threats, or alarmist predictions of Mr. Wilson.«86 Die Abrechnung mit der American Rights League war nicht nur wegen der Polemik gegen Wilson bemerkenswert. Hurd ließ seinen Worten Taten folgen und verkündete demonstrativ seinen Austritt aus der Organisation, der er mehrere Jahre lang angehört hatte.87 Der unter den Augen der amerikanischen Öffentlichkeit ausgetragene Streit illustriert den kontroversen Charakter des Völkerbunds, verweist aber auch auf die Erosionserscheinungen, unter denen die Preparedness-Bewegung in der Nachkriegszeit litt. Erstmals seit dem turbulenten Gründungsjahr 1915 gerieten Animositäten zwischen den zivilen Organisationen, die üblicherweise diskret gepflegt wurden, an die Presse. Damit schwand der Eindruck einer geschlossenen Front, den man während der anderthalb Kriegsjahre recht erfolgreich erweckt hatte. Zugleich brachte der Disput zwischen den beiden Organisationen die gesamte Bewegung in weltanschauliche Erklärungsnöte: Wie konnten sich sowohl die Ame-

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Vgl. Wants Treaty Ratified. American Rights League Appeals to Senate for Prompt Action, in: The New York Times, 21. August 1919. Quits Because of League. R.M. Hurd Assails Defense Society’s Indorsement in Resigning, in: The New York Times, 14. September 1919. Vgl. ebd.

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rican Defense Society als auch die American Rights League auf die Leitmotive Preparedness und Patriotismus berufen,88 aber in der Völkerbundfrage zu völlig konträren Antworten kommen? Nachdem die amerikanische Öffentlichkeit monatelang über das Für und Wider der Völkerbundsatzung debattiert hatte, schritt der Senat am 19. November 1919 schließlich zur Tat und stimmte über den Versailler Vertrag ab. Zur Wahl stand einerseits eine Ratifizierung unter Vorbehalt, die die Handschrift Lodges trug, und andererseits eine bedingungslose Ratifizierung, wie sie Wilson forderte. Da sich die Lager gegenseitig blockierten, verfehlten beide Anträge die notwendige Zweidrittelmehrheit. Selbst nach dieser Abstimmungsniederlage war der Präsident nicht bereit, einen Kompromiss mit den Skeptikern um Lodge einzugehen. Als die Kongresskammer am 19. März 1920 ein letztes Mal über eine Ratifizierung unter Vorbehalt abstimmte, verweigerten die Wilsonianer unter den Demokratischen Senatoren ihre Zustimmung. Damit hatten die Vereinigten Staaten den Versailler Vertrag abgelehnt; der amerikanische Beitritt zum Völkerbund war endgültig gescheitert.89 Auch wenn der Streit um die Ratifizierung im Wahlkampf 1920 noch einmal eine Rolle spielen würde, geriet die Kontroverse nach dem Senatsvotum vom März zunehmend in den Hintergrund.90 Den PreparednessOrganisationen konnte diese Entwicklung nur recht sein. Für sie gab es in der polarisierenden Auseinandersetzung wenig zu gewinnen und viel zu verlieren. Während man als patriotischer Amerikaner zu unterschiedlichen Auffassungen über den Völkerbund kommen mochte, war sich die Bewegung in der Ablehnung eines anderen Feindbilds völlig einig: Die neue Bedrohung, gegen die es die Nation zu wappnen galt, war der Kommunismus.

5.2.2

Amerikanismus und Antikommunismus

Die Red Scare, die die Vereinigten Staaten in der Nachkriegszeit erschütterte, stand in einer längeren historischen Traditionslinie. Anders als in Westeuropa, wo sich um die Jahrhundertwende starke Arbeiterparteien etabliert hatten, war der Sozialismus in den USA nie zu einem politischen Massen-

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Die American Defense Society und die American Rights League waren über den Preparedness-Dachverband auch formell miteinander affiliiert. Vgl. Cooper: Fight for the League, S. 264-375. Vgl. ebd., S. 376, 385.

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phänomen geworden.91 Die 1901 gegründete Sozialistische Partei hatte auf Bundesebene kaum Erfolg bei Wahlen92 und der wichtigste Gewerkschaftsbund des Landes, die American Federation of Labor93 , stellte die kapitalistische Wirtschaftsordnung nicht grundsätzlich infrage. Nichtsdestotrotz war der Eintritt in die moderne Industriegesellschaft auch in den USA mit erheblichen Spannungen zwischen Kapital und Arbeit einhergegangen; Streiks wurde im frühen 20. Jahrhundert häufig mit gewaltsamer Repression begegnet. Während sich nur ein kleiner Teil der amerikanischen Arbeiterbewegung tatsächlich zu Militanz und Systemsturz bekannte, war die Angst des Bürgertums vor den ›Radikalen‹, wie Sozialisten abschätzig genannt wurden, schon vor dem Weltkrieg groß. Zum eigentlichen Katalysator der Red Scare wurde aber erst die Oktoberrevolution in Russland, die Lenins Bolschewiki Ende 1917 an die Macht brachte. Die Berichte über die Exzesse des Russischen Bürgerkrieges befeuerten den Antikommunismus94 in den USA. Ein »überaus diffus

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Die einst von Werner Sombart aufgeworfene Frage, warum es in den Vereinigten Staaten keinen Sozialismus gebe, beruht dennoch auf einer falschen Grundannahme: Trotz ihres geringeren Verbreitungsgrads fanden sich auch im Amerika des frühen 20. Jahrhunderts sozialistische Strömungen; siehe Sombart, Werner: Warum gibt es in den Vereinigten Staaten keinen Sozialismus?, Tübingen 1906; Buhle, Paul: Marxism in the United States. A History of the American Left, 2. Aufl., London u.a. 1991. Das beste Ergebnis eines sozialistischen Kandidaten bei Präsidentschaftswahlen waren Eugene Debs 6 Prozent im Jahr 1912; vgl. Ross, Jack: The Socialist Party of America. A Complete History, Lincoln 2015, S. 117-145. Die American Federation of Labor war 1886 aus dem Zusammenschluss der wichtigsten amerikanischen Gewerkschaften entstanden. Zur Geschichte der AFL in den 1910er Jahren siehe McCartin, Joseph A.: Labor’s Great War. The Struggle for Industrial Democracy and the Origins of Modern American Labor Relations, 1912-1921, Chapel Hill 1997. Diese Arbeit versteht Antikommunismus schlicht als »Position, Haltung oder Ideologie, die gegen den Kommunismus gerichtet ist«; Faulenbach, Bernd: Erscheinungsformen des »Antikommunismus«. Zur Problematik eines vieldeutigen Begriffs, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2011, S. 1-14, hier: S. 1. Der Begriff ist bis heute – je nach politischem Standpunkt – mit zahlreichen normativen Konnotationen verbunden. Der linkslastigen US-Geschichtswissenschaft fällt es bisweilen schwer, die Legitimität eines liberalen Antikommunismus zu würdigen. Während die vorliegende Arbeit die irrationalen Elemente der Red Scare und die Instrumentalisierung des Antikommunismus durch die Preparedness-Bewegung kritisch beleuchtet, steht sie nicht in der genannten historiografischen Tradition. Für eine – recht polemische – Abrechnung mit der allzu apologetischen Sicht vieler US-Historiker auf den amerikanischen Kommunismus siehe Haynes, John Earl/Klehr, Harvey: In Denial. Historians, Communism & Espionage, San Francisco 2003.

5 Preparedness während der Red Scare

definierter Sozialismus« wurde bald in weiten Teilen der Bevölkerung »als totale Negation des Amerikanischen gesehen«95 . In der paranoiden Atmosphäre der Nachkriegszeit zogen nicht nur Kommunisten und Anarchisten, sondern oftmals auch gemäßigtere Linke das Misstrauen der Öffentlichkeit auf sich. 1919 erschütterte eine Streikwelle die Vereinigten Staaten; zugleich versetzte eine Reihe von Bombenattentaten auf Politiker und Wirtschaftsführer die Amerikaner in Angst und Schrecken. Die staatlichen Stellen sahen in den Ereignissen den Versuch bolschewistischer Agenten, die Weltrevolution in die USA zu exportieren, und reagierten mit massiver Repression. Im Januar 1920 kam es auf Betreiben von Justizminister Mitchell Palmer zu landesweiten Razzien, bei denen knapp 4000 – echte und vermeintliche – Radikale verhaftet und zum Teil deportiert wurden.96 Das Preparedness Movement entwickelte sich nach dem Kriegsende zu einer wichtigen Triebfeder der Red Scare. Die National Security League machte den Antikommunismus kurzerhand zum Bestandteil ihrer nationalistischen Weltanschauung, indem sie den Bolschewismus zur »Antithese […] amerikanischer Werte«97 erklärte. Zugleich verkündete sie, dass das »beste Gegenmittel«98 gegen das bolschewistische Gift der Amerikanismus sei. Antikommunistische Propaganda wurde während der Red Scare zum wichtigsten Betätigungsfeld der Preparedness-Organisation.99 Zahlreiche Pressemitteilungen, öffentliche Vorträge und Publikationen der NSL beschworen in immer schärferen Worten die Gefahr von links. Zentrales Merkmal dieser Krisenrhetorik war ein Alarmismus, der an die fantastisch anmutenden Bedrohungsszenarien der Kriegszeit anknüpfte. In einem 1919 erschienenen Pamphlet, das in martialischem Ton vor der »radikalen Bedrohung«100 warnte, beschrieb die NSL die Vereinigten Staaten als ein Land am Rande der Revolution. Die freiheitsliebende Mehrheit der US-Bevölkerung sei mittlerweile »in die Defensi-

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Depkat: USA, S. 203. Vgl. Coben, Stanley: A Study in Nativism. The American Red Scare of 1919-20, in: Political Science Quarterly 79/1 (1964), S. 52-75, hier: S. 72-75. Siehe außerdem Murray, Robert K.: Red Scare. A Study of National Hysteria, 1919-1920, 2. Aufl., New York u.a. 1964. 97 Frothingham: Peace Problems, S. 208. 98 Will Combat Bolshevism. Security League Launches Educational Campaign in Schools, in: The New York Times, 4. April 1919. 99 Vgl. Security League to Go On. Will Teach Americanism and Fight Against Bolshevism, in: The New York Times, 9. März 1919. 100 Siehe A Square Deal for the Public. A Working Program for Crushing the Radical Menace, New York 1919.

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ve«101 geraten und laufe Gefahr, von einer zu allem bereiten Minderheit unterjocht zu werden. Den Amerikanern müsse endlich bewusstwerden, dass sie sich in einem »Kampf auf Leben und Tod«102 befänden. Im Friedenshandbuch, in dem die NSL die wichtigsten Themen der Nachkriegszeit aufbereitete, begründete die Preparedness-Organisation ihre antikommunistische Haltung ausführlich. Im Gegensatz zum knapp gehaltenen Völkerbundkapitel nahmen die Erläuterungen zum Bolschewismus mehrere Dutzend Seiten ein und kamen zu einem eindeutigen Urteil. In einem zeitgeschichtlichen Exkurs wurden die Leser zunächst über den Verlauf der Oktoberrevolution und des Russischen Bürgerkriegs aufgeklärt. Der Abschnitt erläuterte in bemerkenswerter Detailfülle, gegen welche innenpolitischen Widerstände sich Lenin im November 1917 an die Macht geputscht hatte und wie die Frontlinien zwischen ›Roten‹ und ›Weißen‹ in den vergangenen zwei Jahren verlaufen waren. Zugleich wurden die Alliierten für ihre halbherzige Intervention in den Bürgerkrieg kritisiert, die als vertane Chance bewertet wurde.103 Dies sei umso bitterer, als die »blutige Tyrannei«104 der Kommunisten von einem Großteil der russischen Bevölkerung abgelehnt werde. Nach Klärung der historischen Hintergründe führte das Friedenshandbuch aus, warum der Bolschewismus eine fundamentale Bedrohung für Freiheit und Demokratie darstelle.105 Demnach negiere die kommunistische Ideologie alles, wofür der Amerikanismus stehe: »Bolshevism is the absolute negation of every form of Christianity and morality – […] it denies god, disrupts the family and kills patriotism, […] its internationalism is founded not on brotherly love but on hate.«106 Während die harsche Wortwahl angesichts der Verbrechen der Bolschewiki nicht unberechtigt war, erfüllte die Dämonisierung des Kommunismus doch 101 Ebd., S. 3. 102 Ebd. 103 Vgl. Frothingham: Peace Problems, S. 203-208. Im Sommer 1918 hatte Wilson auf Drängen von Briten und Franzosen kleinere US-Truppenkontingente nach Sibirien und Nordrussland entsandt, um alliierte Waffenlager zu sichern. Die Amerikaner griffen jedoch nicht offensiv in den Krieg gegen die Bolschewiki ein und zogen Mitte 1919 beziehungsweise Anfang 1920 wieder ab. Für einen Forschungsüberblick zur USIntervention in Russland siehe Foglesong, David S.: Policies Toward Russia and Intervention in the Russian Revolution, in: Kennedy (Hg.): Wilson, S. 386-405. 104 Ebd., S. 208. 105 Vgl. ebd., S. 214. 106 Ebd.

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auch eine strategische Funktion. Wie die Preparedness-Organisation in den vergangenen Jahren gelernt hatte, traf sie in der Bevölkerung auf umso mehr Zustimmung, je bedrohlicher die Lage wirkte. So verwundert es nicht, dass die NSL die These vertrat, der gerade erst beendete Weltkrieg sei angesichts der bolschewistischen Gefahr in einen »neuen Krieg um die Zivilisation«107 übergegangen. Die Parallelen zwischen der antideutschen Propaganda der Kriegszeit und der antikommunistischen Propaganda der Red Scare waren offenkundig: In beiden Narrativen wurden die Vereinigten Staaten von einer ausländischen Macht bedroht, deren Agenten in den USA die amerikanische Gesellschaft unterwanderten. Lenin löste Kaiser Wilhelm II fast nahtlos als personifiziertes Übel ab, das den negativen Eigenschaften des Gegners eine menschliche Form gab.108 Stellten 1917/18 noch die Deutsch-Amerikaner den ›Feind im Innern‹ dar, so galten nun die amerikanischen Kommunisten als illoyales Element, von dem eine Gefahr für die Vereinigten Staaten ausgehe. Laut dem NSL-Friedenshandbuch gebe es eine »gutorganisierte bolschewistische Propagandamaschinerie in den Vereinigten Staaten«109 , die von verschiedenen Institutionen im linken Spektrum betrieben werde – darunter die marxistische Gewerkschaft IWW110 , Teile der Sozialistischen Partei und diverse radikale Presseorgane. Trotz ihres scharfen Antikommunismus war die NSL weiterhin bemüht, die amerikanische Arbeiterschaft in ihre nationalistische Vision einzubeziehen. Wie schon während der Neutralitätsperiode wehrte sie sich auch in der Nachkriegszeit gegen den Eindruck, ihre Propagandaarbeit diene vor allem den Interessen der Wirtschaftselite.111 So forderte die PreparednessOrganisation in ihrem Friedenshandbuch einmal mehr den harmonischen Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit. Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten demnach eine »gemeinsame Verantwortung« für den »industriellen

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Ebd., S. 203. Vgl. ebd., S. 207. Ebd., S. 212. Die Industrial Workers of the World – auch Wobblies genannt – waren als revolutionärsozialistische Gewerkschaft die Gegenspieler der gemäßigten American Federation of Labor; siehe Chester, Eric T.: The Wobblies in Their Heyday. The Rise and Destruction of the Industrial Workers of the World during the World War I Era, Westport 2014. Der NSL-Bildungsdirektor ermahnte seine Vorstandskollegen intern, dieses Ziel nicht aus den Augen zu verlieren; vgl. Robert McElroy an Elihu Root (7. Dezember 1918), in: Root Papers, Box 136.

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Frieden«112 ; auch nach dem Kriegsende müssten beide Gruppen patriotisch zusammenarbeiten, um Zustände wie in Russland zu vermeiden. In einer anderen Propagandaschrift verzichtete die NSL gar auf rhetorische Äquidistanz und erklärte, dass Kapitalisten die »Macht des Geldes« in der Vergangenheit mitunter »missbraucht«113 hätten. Den Arbeitern sei oftmals ihr fairer Anteil vorenthalten worden – eine Fehlentwicklung, die es nun zu überwinden gelte.114 Symbolischer Höhepunkt des Buhlens um die unteren Gesellschaftsschichten war die Aufnahme eines Gewerkschaftsvertreters in den Vorstand der Organisation. Zur Begründung dieses Schritts hieß es, dass man die Bedeutung des Faktors Arbeit für die nationale Sicherheit zum Ausdruck bringen wolle.115 Die NSL machte keinen Hehl daraus, welche Intention hinter ihrer Charmeoffensive stand. Die New Yorker Bundeszentrale ließ ihre Ortsgruppen wissen, dass die große Zielmarke von einer Million Mitgliedern nur erreicht werden könne, wenn man die Öffentlichkeitsarbeit in besonderer Weise auf die »industriellen Zentren«116 des Landes ausrichte. Eine Pamphletsammlung, die die NSL 1919 anlässlich der Feierlichkeiten zum Verfassungstag herausgab, präzisierte den Zusammenhang zwischen Amerikanismus und wirtschaftlichem Ausgleich: »A man who hates the rich because they are rich, or who despises the poor because they are poor, is not an American. He who opposes the legitimate ambitions of labor or of capital is un-American. He is reactionary, and the reactionary shall not enter into the political, social and industrial Republic which we, the nation of many races are building.«117 Anders als seine amerikanischen Apologeten behaupten würden, sei der Bolschewismus »nicht progressiv, sondern reaktionär«118 . Dieser Klarstellung maß die NSL besondere Bedeutung bei, hatten die amerikanischen Kommunisten doch versucht, den Bolschewismus in die rhetorische Nähe der nach wie vor populären Fortschritts- und Reformbewegung zu rücken. Die NSL bekämpfte die begrifflichen Vereinnahmungsversuche wohl auch deshalb so vehement, weil sie sich ungern vom Progressivismus distanzieren 112 113 114 115 116 117 118

Frothingham: Peace Problems, S. 196. Radical Menace, S. 4. Vgl. ebd. Vgl. After the War, S. 14. Radical Menace, S. 8. Our Charta of Liberty. What It Means to Every American, New York 1919, S. 84. Ebd., S. 83.

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wollte. Schließlich gehörte es zum integrationsideologischen Wesenskern des Preparedness Movement, in den weltanschaulichen Grabenkämpfen zwischen Konservativen und Progressiven neutral zu bleiben. Etikettierte die NSL den Bolschewismus dagegen als reaktionär, so stieß sie kaum jemanden vor den Kopf. Der Begriff war seit den Tagen der Amerikanischen Revolution negativ konnotiert und wurde von keiner relevanten politischen Strömung als Eigenbezeichnung gebraucht. Obwohl ihre nationalistische Rhetorik stets eine starke soziale Komponente hatte, fiel es der NSL zunehmend schwerer, die Interessen der unteren Gesellschaftsschichten in ihrer Propaganda abzubilden. Die anfängliche Sorge um die amerikanische Arbeiterschaft wich bald einem sich rapide radikalisierenden Narrativ, das immer größere Teile der amerikanischen Linken zu Staatsfeinden erklärte. Noch im Dezember 1918 hatte die PreparednessOrganisation öffentlich verkündet, dass sich ihre Kampagne zwar gegen den Bolschewismus richte, aber »nicht gegen den Sozialismus als solchen«119 . Man habe keineswegs die Absicht, eine bestimmte wirtschaftspolitische Philosophie anzugreifen; es gehe allein darum, die verfassungsmäßige Ordnung der USA zu verteidigen. Die NSL deutete in dieser frühen Phase der Red Scare sogar an, dass die amerikanischen Kommunisten den Sozialismusbegriff missbrauchen würden, um ihre wahren Absichten zu »maskieren«120 . Diese verhältnismäßig differenzierte Sicht auf den linken Rand des politischen Spektrums hielt jedoch nicht lange an. Im Juli 1919 nannte die PreparednessOrganisation »Bolschewisten, Anarchisten und internationale Sozialisten«121 bereits in einem Atemzug als mehr oder weniger monolithisches Feindbild. Nach weiteren drei Monaten war die NSL schließlich zu dem Schluss gekommen, dass Sozialisten jeglicher Couleur außerhalb der nationalen Gemeinschaft stünden: »Internationalism, syndicalism, communism, socialism are the antithesis of Americanism. Americanism means the best in the ideals of the peoples of all the world, the best of human ideals […]. These ideals can spring only from the protection of personal liberty and the right of property – the right of 119

To Fight Bolshevism. Security League Plans for a Country-Wide Campaign, in: The New York Times, 16. Dezember 1918. 120 Attack on Bolshevism. Security League Will Launch a National Campaign This Week, in: The New York Times, 2. Dezember 1918. 121 Fight Bolshevism the Country Over. National Security League Campaigning for Americanism in Every State, in: The New York Times, 27. Juli 1919.

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individual possession of property as guaranteed by the Constitution. He who does not believe this cannot be an American.«122 Je mehr sich die NSL in Opposition zum Sozialismus begab, desto obsessiver betonte sie das Recht auf Eigentum als das eigentliche Fundament der amerikanischen Werteordnung. Zudem ließ sie eine wachsende Skepsis gegenüber den Ideen von Massenpartizipation und direkter Demokratie erkennen.123 In ihrem antikommunistischen Furor grenzte sie sich nicht mehr nur von sozialistischen Zielen ab, sondern geriet schließlich auch in Widerspruch zu den Idealen des Progressivismus. Damit trat ein, was sie lange hatte vermeiden können: Die National Security League verlor allmählich ihre Anschlussfähigkeit an die Breite des politisch-weltanschaulichen Spektrums. Ende 1920 war dieser Entfremdungsprozess so weit fortgeschritten, dass die PreparednessOrganisation schließlich doch den Eindruck erweckte, sie würde eine Kampagne »im Namen konservativer Wirtschaftsinteressen«124 führen. Wie die National Security League verschrieb sich auch die American Defense Society nach Kriegsende ganz dem Kampf gegen den Bolschewismus. Während die inhaltlichen Schwerpunkte ihrer antikommunistischen Kampagne jenen der NSL grundsätzlich ähnelten, demonstrierte die ADS einmal mehr, wieso sie als die kompromisslosere der beiden großen Preparedness-Organisationen galt. Die Radikalisierung ihrer Propaganda setzte zeitlich nicht nur früher ein, sondern ging auch mit einer Reihe von besonders repressiven Forderungen einher. Bereits im Januar 1918, als sich viele Amerikaner noch gar keine Meinung zur kürzlich erfolgten Machtübernahme der Bolschewiki in Russland gebildet hatten und die öffentliche Aufmerksamkeit ganz auf den Krieg gegen Deutschland gerichtet war, verbreitete die ADS erste Pamphlete in New York, die vor dem Sozialismus warnten. Im Mai desselben Jahres – zu einem Zeitpunkt, als der Waffenstillstand noch kaum absehbar war – kündigte die Preparedness-Organisation an, dass der Kampf gegen den Bolschewismus ein potenzieller Schwerpunkt ihrer Nachkriegsaktivitäten sein würde.125 Nach dem Kriegsende gelang es der ADS ohne größere Friktionen, ihre antideutsche in eine antikommunistische Kampagne zu transformieren. 122

Says We Face Revolution. National Security League Calls on Public to Awake, in: The New York Times, 17. Oktober 1919. 123 Vgl. NSL Hearings, S. 117-118. 124 Ward: Origin and Activities, S. 61 125 Vgl. Hand Book ADS, S. 2, 21.

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So verstand sie es bald als ihre wichtigste Aufgabe, die Amerikaner für die »revolutionäre Bedrohung«126 zu sensibilisieren. Die Zielsetzung dieses Unterfangens basierte auf einer bewährten Logik der Preparedness-Bewegung: Durch wachsenden öffentlichen Druck sollte die Regierung dazu gebracht werden, härter gegen bolschewistische Sympathisanten in den Vereinigten Staaten vorzugehen.127 In einer Flut von Pressemitteilungen und Pamphleten, die die ADS ab 1919 veröffentlichte, wurde den Amerikanern eingebläut, dass der Krieg noch nicht vorüber sei. In einer Ausgabe der American Defense128 hieß es etwa, dass es nach der erfolgreichen Niederringung des äußeren Feindes gelte, nun auch die Feinde im Innern abzuwehren. Die amerikanischen Anhänger der Bolschewiki seien schließlich »genauso begierig, die Demokratie zu stürzen und durch eine Autokratie zu ersetzen wie es Deutschland gewesen war«129 . Auch in dieser neuen Phase des Krieges dürfe man nicht zimperlich sein. Kommunisten im Inland würden mit ihrer Agitation Krieg gegen das amerikanische Staatswesen führen und sollten insofern »die gleiche Behandlung«130 erfahren wie sie feindlichen Kombattanten im Ausland zukäme. Auch wenn die ADS diesen Gedanken nicht explizit zu Ende führte, legt die Formulierung nahe, dass sie die Anwendung militärischer Methoden im Kampf gegen den Kommunismus durchaus als legitimes Mittel erachtete. Im Sommer 1919 verkündete die Preparedness-Organisation, welche konkreten Maßnahmen sie im Kampf gegen die bolschewistische Bedrohung für sinnvoll hielt. Die Liste beinhaltete eine Reihe von Forderungen, die auf die Suspendierung elementarer Bürgerrechte hinauslief: Man müsse unterbinden, dass Kommunisten ihre Meinung öffentlich äußerten und sich frei versammelten; bolschewistische Lehrer seien aus dem Schuldienst zu entfernen und das Hissen der roten Flagge gehöre verboten.131 Die ADS ging sogar so weit, nicht nur die Deportation von ausländischen Sozialisten zu fordern, sondern auch die Ausweisung von gebürtigen US-Bürgern zu forcieren, wenn 126

C.S. Thompson an Charles S. Davison (11. November 1919), in: ADS Records, Box 4, Folder 7. 127 Vgl. ebd. 128 Das während der Neutralitätsperiode erstmals herausgegebene Magazin war 1917 vorübergehend eingestellt worden, da die verantwortlichen ADS-Funktionäre in den Krieg gezogen waren. Erst nach ihrer Rückkehr im Jahr 1919 nahm die PreparednessOrganisation die Arbeit an dem Periodikum wieder auf. 129 Bolshevism’s War, in: American Defense 17 (1919), S. 1. 130 Ebd. 131 Vgl. Tells How Public Can Aid in Fight on Bolshevism, in: American Defense 15 (1919), S. 3.

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diese sich der »bolschewistischen Agitation gegen Recht, Ordnung und Eigentum«132 schuldig machten. Im November 1919 veröffentlichte die ADS eine Broschüre mit dem reißerischen Titel The Lying Lure of Bolshevism133 , in der sie auf knapp 30 Seiten mit dem Kommunismus abrechnete. Hier wurde noch einmal ausführlich dargelegt, warum es sich bei Lenins Bolschewismus um eine »idiotische« Ideologie handele, die auf eine »ungezügelte Orgie aus Mord, Plünderung, Wollust und Faulheit«134 hinauslaufe. Während kuriose Polemiken viel Platz einnahmen, enthielt die Broschüre auch einige Passagen, die charakteristisch für den Nationalismus des Preparedness Movement waren. Ähnlich wie schon die NSL betonte die ADS ihr Unbehagen über die sozialen Gegensätze der industriellen Moderne. Trotz ihres Antikommunismus stimmte die Preparedness-Organisation linken Kritikern des Kapitalismus durchaus zu, dass es bisweilen ökonomische Exzesse gegeben habe, unter denen die amerikanischen Konsumenten gelitten hätten. Die Balance zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sei aus dem Lot geraten und Monopolbildung stelle in der Tat ein Problem dar.135 Diese kapitalismuskritischen Thesen entsprachen nicht nur der antimaterialistischen Grundhaltung der ADS, sondern waren auch populär. Schließlich entsprach eine gewisse Sensibilität gegenüber den problematischen Aspekten der US-Wirtschaftsordnung dem Zeitgeist der Progressive Era und wurde von vielen Bürgern geteilt. Zudem stimmten diese Aussagen weitgehend mit den politischen Botschaften des verstorbenen ADS-Ehrenvorsitzenden überein, der sich als Reformpräsident der besonderen Sympathien der unteren Gesellschaftsschichten erfreut hatte.136 Theodore Roosevelts Beispiel folgend, setzte auch die ADS darauf, soziale und nationalistische Rhetorik zu verbinden, um größere Segmente der Bevölkerung anzusprechen. Die Vereinnahmungsstrategie gegenüber der Arbeiterschaft gipfelte in der These, dass dem wichtigsten Gewerkschaftsbund des Landes eine hervorgehobene Rolle im Kampf gegen den Bolschewismus zukomme.137 Die American Federation of Labor, so die ADS, habe demnach verstanden, dass Kapital und Arbeit aufeinander angewiesen seien und zum gegenseitigen 132 133 134 135 136 137

Ebd. Siehe Hornaday, William T.: The Lying Lure of Bolshevism, New York 1919. Ebd., S. 5, 9. Vgl. ebd., S. 4-6. Vgl. Hawley: Roosevelt, S. 184-188 Vgl. Hornaday: Lying Lure, S. 25-28.

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Nutzen miteinander kooperieren müssten. Anders als die Marxisten der IWW würden die Patrioten der AFL zwar notfalls für ihre Rechte streiken, aber den »Wellen des Sozialismus« standhaft wie der »Fels von Gibraltar«138 widerstehen. Damit seien sie die wohl wichtigste »Verteidigungslinie gegen den Bolschewismus«139 . Aussagen wie diese trugen dazu bei, dass es der ADS insgesamt besser als der NSL gelang, ihren Antikommunismus von bloßer konservativer Besitzstandswahrung abzugrenzen und eine gewisse Anschlussfähigkeit an progressive Kreise zu bewahren.140 In ihrer Würdigung des gemäßigten Teils der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung als patriotische Antikommunisten betonte die ADS ein ums andere Mal ein Unterscheidungsmerkmal, das ihr in diesem Zusammenhang besonders bedeutsam erschien. Demnach gebe es in den Vereinigten Staaten einen fundamentalen Unterschied zwischen alteingesessenen Arbeitern, die mit amerikanischen Werten aufgewachsen seien, und eingewanderten Proletariern, durch die das bolschewistische Gedankengut überhaupt erst in den USA verbreitet worden sei.141 Dieses Narrativ war eng mit der Ideologie des Nativismus verknüpft, die sich seit dem Kriegseintritt zunehmender Beliebtheit in der amerikanischen Bevölkerung erfreute.

5.2.3

Amerikanismus und Nativismus

Ähnlich wie der Antikommunismus stand auch der Nativismus der Red Scare in einer längeren historischen Tradition. Entgegen dem mitunter verklärenden Bonmot von der amerikanischen Einwanderungsgesellschaft war die fremdenfeindlich motivierte Opposition gegen Immigration ein Phänomen, das schon zur Zeit der Gründerväter eine Rolle gespielt hatte. Einen ersten Höhepunkt erreichte der Nativismus Mitte des 19. Jahrhunderts, als zahlreiche deutsche und irische Katholiken in die USA einwanderten. In den 1850er Jahren feierte die Partei der ›Know-Nothings‹ zeitweise Wahlerfolge, indem sie gegen die Neuankömmlinge polemisierte. Viele WASPs sahen in den demografischen Veränderungen eine Gefahr für ihre kulturelle Vorherrschaft. 138 Ebd., S. 25. 139 Ebd. 140 Da ihr scharfer Antikommunismus in bürgerlichen Kreisen ohnehin auf ›natürliche Sympathien‹ traf, musste die ADS diese Bevölkerungsgruppen weniger gezielt umwerben. Der rhetorische Fokus der Preparedness-Organisation auf Arbeiterinteressen stand einer breiten Anschlussfähigkeit insofern nicht entgegen. 141 Vgl. Hornaday: Lying Lure, S. 18.

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Während ethnisch-xenophobe Ressentiments eine gewisse Rolle spielten, war ein religiös motivierter Antikatholizismus die wichtigste Triebfeder dieser nativistischen Phase. Die einwanderungsfeindliche Stimmung in Teilen der amerikanischen Bevölkerung änderte freilich nichts an der traditionell liberalen Gesetzeslage, die eine weitgehend ungesteuerte Immigration in die Vereinigten Staaten ermöglichte. Mit der zunehmenden Einwanderung aus Gebieten außerhalb Nordwesteuropas setzte im späten 19. Jahrhundert schließlich eine neue Welle des Nativismus ein. Während religiöse Antipathien gegenüber Katholiken – und Juden – auch um die Jahrhundertwende noch ein relevanter Faktor waren, wurde die ethnische Kategorisierung von Einwanderergruppen zu einem zentralen Merkmal des Nativismus. Nach dieser Vorstellung waren Nordwesteuropäer leichter in die anglo-protestantische Mehrheitskultur zu assimilieren als Südosteuropäer oder gar Asiaten. Während diese rassistische Theorie den politischen und akademischen Diskurs dominierte, lehnten viele einfache Amerikaner Einwanderung auch schlicht ab, weil sie billige Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt fürchteten. Die nativistischen Ressentiments gipfelten 1882 im Chinese Exclusion Act, der die Immigration von Chinesen in die Vereinigten Staaten verbot. Im Frühjahr 1917 folgte der Literacy Act, der Einwanderung aus weiten Teilen Asiens untersagte und europäischen Immigranten abverlangte, rudimentäre Lesekenntnisse nachzuweisen.142 Während Historiker die Wirkmächtigkeit einwandererfeindlicher Ressentiments in der US-Gesellschaft immer wieder betont haben, fällt es der Geschichtswissenschaft bis heute schwer, Nativismus trennscharf zu definieren.143 Um ihn von dem legitimen Wunsch nach einer staatlichen Regulierung der Einwanderung abzugrenzen, erscheint es sinnvoll, den Begriff mit Bedacht zu verwenden. Versteht man unter Nativismus das Hegen xenophober Ressentiments gegenüber Immigranten und das daraus abgeleitete Bestreben, Einwanderung in die Vereinigten Staaten stark einzuschränken oder unterbinden zu wollen, so ergibt sich für die Amerikanisierungsbewegung

142 Vgl. Daniels, Roger: Guarding the Golden Door. American Immigration Policy and Immigration since 1882, New York 2004, S. 3-26; Higham, John: Strangers in the Land. Patterns of American Nativism 1860-1925, 3. Aufl., New Brunswick 1994, S. 12-193; Tichenor, Daniel J.: Dividing Lines. The Politics of Immigration Control in America, Princeton 2002, S. 46-113. 143 Vgl. Anbinder, Tyler: Nativism and Prejudice Against Immigrants, in: Ueda (Hg.): Companion Immigration, S. 177-201, hier: S. 177.

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der Progressive Era ein differenzierter Befund. Studien haben herausgearbeitet, dass Fremdenfeindlichkeit vor 1917 keineswegs der primäre Beweggrund der Akteure war.144 Progressive Amerikanisierungsaktivisten wie Frances Kellor gingen zwar von einer sittlichen Überlegenheit der anglo-protestantischen Mehrheitskultur aus und forcierten folglich den Assimilierungsgedanken; sie begrüßten Immigration jedoch ausdrücklich. In ihrem sozialreformerischen Impetus setzten sie nicht auf Ausgrenzung, sondern strebten die Überwindung des traditionellen Laissez-Faire-Prinzips in der amerikanischen Einwanderungspolitik an. Erst mit dem Kriegseintritt und dem damit einhergehenden Misstrauen gegenüber den Deutsch-Amerikanern setzte eine Eigendynamik ein, durch die Einwanderung zunehmend als Problem verstanden wurde. Diese Akzentverschiebung erreichte während der Red Scare ihren Höhepunkt.145 Die personelle, thematische und ideologische Überschneidung zwischen Amerikanisierungs- und Preparedness-Bewegung, die bereits während der Neutralitätsperiode erkennbar gewesen war, bestand während der Red Scare fort. Sowohl die National Security League als auch die American Defense Society verstanden die Einwanderungspolitik als zentrales Feld ihrer Kampagne. Allerdings unterschieden sich die immigrationspolitischen Botschaften der beiden führenden Preparedness-Organisationen mittlerweile deutlich voneinander. Während die NSL auch zwischen 1919 und 1920 rhetorisch am Ideal eines multiethnischen Amerikanismus festhielt, näherte sich die ADS an nativistische Argumentationsmuster an. In den Pamphleten, die die NSL in der Nachkriegszeit veröffentlichte, nahm die amerikanische Immigrationspolitik erheblichen Raum ein; die Einwanderungsfrage war nach dem Antikommunismus das wichtigste Thema der Propagandaarbeit.146 Wie schon während der Neutralitätsperiode legte die Preparedness-Organisation einen besonderen Schwerpunkt auf den Amerikanisierungsgedanken. Neuankömmlinge in den Vereinigten Staaten sollten möglichst rasch die Gebräuche und Sprache ihrer alten Heimat ablegen und die amerikanische Mehrheitskultur adaptieren. Die NSL brachte im Januar 1919 eine Broschüre mit dem Titel Americanization147 heraus, in der sie die alteingesessene Bevölkerung dazu aufrief, ihren Beitrag zur Assimilation 144 Vgl. Herrmann: Amerikanisierungsbewegung, S. 344. 145 Vgl. ebd., S. 344-353. 146 Freilich waren die Leitmotive Antikommunismus und Nativismus ohnehin eng miteinander verwoben; vgl. Coben: Red Scare, S. 53. 147 Siehe Americanization. What Is It – What to Do, New York 1919.

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der Immigranten zu leisten. Die Broschüre führte zahlreiche Punkte auf, an denen sich US-Bürger orientierten sollten, um ihren ausländischen Nachbarn die Amerikanisierung zu erleichtern. Das gönnerhafte Leitmotiv der Empfehlungen war, dass man mit Immigranten sensibel umgehen müsse. Für eine erfolgreiche Amerikanisierung bedürfe es »Fairness, Aufrichtigkeit und Toleranz«148 ; gegenseitiges Verständnis sei von zentraler Bedeutung. Die Bürger wurden dazu aufgefordert, Einwanderern mit Offenheit zu begegnen und sie in soziale Aktivitäten einzubeziehen. Amerikanische Werte könne man am besten vermitteln, wenn man sie im Alltag vorlebe. »Der Immigrant«, so die zentrale Botschaft, sei ein »menschliches Wesen wie du und ich«149 . Vorurteile gegen bestimmte Ethnien seien dagegen kontraproduktiv; Einwanderer jeglicher Abstammung hätten das natürliche Potential, gute Staatsbürger zu werden.150 Die gesamte Broschüre war von einem Geist des inkludierenden Nationalismus durchzogen, der in einem Aufruf zur Einigkeit gipfelte: »Get together. America is a weak nation so long as […] racial lines prevail.«151 Im Mai 1919 ließ die NSL eine weitere Broschüre drucken, die den Titel How to Obtain Citizenship Papers152 trug. Darin erläuterte die PreparednessOrganisation detailliert, welche administrativen Schritte Immigranten bei ihrem Einbürgerungsprozess beachten müssten. Der in technischem Ton gehaltene Text las sich weniger wie eine Informationsaufbereitung für interessierte US-Bürger als vielmehr wie ein Leitfaden für betroffene Einwanderer. So wurde etwa aufgeschlüsselt, welche bürokratischen Fallstricke es bei den notwendigen Behördengängen zu überwinden gelte.153 Mitunter erweckte die Broschüre den Eindruck, als wollte die NSL Immigranten bei der Einbürgerung unter die Arme greifen. Wie lässt sich das Leitmotiv der Offenheit und Unterstützung, welches die beiden NSL-Broschüren durchzog, mit dem nativistischen Zeitgeist vereinbaren, der der Nachkriegszeit von Historikern attestiert worden ist? Die Antwort verweist einmal mehr auf die ideologischen Besonderheiten des Amerikanismus. Tatsächlich unterlag die einwanderungspolitische Haltung der NSL derselben Logik, die schon ihren Umgang mit den Deutsch-Amerikanern während des Krieges geprägt hatte. Obwohl die NSL 1917/18 mit extremer 148 149 150 151 152 153

Ebd., S. 3 Ebd. Vgl. ebd. Ebd., S. 8. Siehe Thompson, Henry D.: How to Obtain Citizenship Papers, New York 1919. Vgl. ebd., S. 4-15.

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rhetorischer Härte gegen die deutsche Kultur in den USA vorgegangen war, hatte sie stets ihre Wertschätzung für deutsch-stämmige Patrioten bekundet, die sich eindeutig zur amerikanischen Nation bekannten. Auch in der Nachkriegszeit vertrat die Preparedness-Organisation die Position, dass Einwanderer das Gemeinwesen bereichern könnten. Voraussetzung war jedoch, dass diese sich vollständig assimilierten – also die Vorstellungen der NSL von einem patriotischen Amerikaner übernahmen. Das Bemühen der Preparedness-Organisation, Immigranten bei Amerikanisierung und Einbürgerung zu unterstützen, kann insofern als pragmatischer Beitrag zur Homogenisierung der Nation verstanden werden. Die Haltung der NSL gegenüber Einwanderern war zweifellos von einem paternalistischen Überlegenheitsgefühl geprägt, verstand sie Immigranten doch als hilfsbedürftige und weitgehend passive Adressaten der Amerikanisierungsmaßnahmen der Mehrheitsgesellschaft. Dennoch kann der Preparedness-Organisation nicht attestiert werden, dass sie die verschiedenen Einwandererethnien nach dem Grad ihrer ethnisch bedingten Assimilationsfähigkeit in wertvollere und weniger wertvolle Gruppen unterteilte. Die bereits zitierte Parole, dass Immigranten jeglicher Abstammung das natürliche Potenzial hätten, gute Staatsbürger zu werden, durchzog die Propaganda als implizites Motiv. Ein pathetischer Appell, den die NSL am Verfassungstag im September 1919 verlesen lies, illustriert, welch inkludierende Rhetorik ihr staatsbürgerlicher Nationalismus bisweilen hervorbringen konnte: »[W]e call all who believe in America; all who see the vision of her world mission; all who wish to save her whole; the American-born who are her sons by right of birth; the alien-born who are her sons by virtue of faith in her ideals, her children of the spirit.«154 Die Preparedness-Organisation wandte sich sogar explizit gegen die weit verbreitete Vorstellung, billige Arbeitskräfte aus dem Ausland würden die Löhne der alteingesessenen Amerikaner drücken. Das NSL-Friedenshandbuch verwarf diese Ängste als grundlos und warnte stattdessen vor den wirtschaftlichen Schäden, die durch eine mögliche Rückkehr ausländischer Arbeiter in ihre Heimatländer entstehen könnten.155 154 155

Beck, James M.: Our Charta of Liberty. What It Means to Every American, New York 1919, S. 94. Vgl. Frothingham: Peace Problems, S. 190.

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Die Absage an einen ethnisch konstituierten Nationalismus bedeutete nicht, dass die Kampagne der NSL xenophoben Vorurteilen in der Bevölkerung in der Praxis keinen Vorschub geleistet hätte. Während sie der Abstammung von Einwanderern keine Bedeutung zumaß, interessierte sie sich umso mehr für deren politische Gesinnung. In ihren antikommunistischen Propagandaschriften vertrat sie bisweilen die These, dass sich bolschewistische Agenten in den USA vor allem aus dem ausländischen Bevölkerungsanteil rekrutieren würden.156 Einem besonders harsch gehaltenen Pamphlet zu Folge, gebe es ein »bösartiges Element in der Horde nichtassimilierter Ausländer«157 . Derartige Staatsfeinde, so die Forderung, müssten konsequent deportiert werden. Zwar begrüßte die NSL die Einbürgerung von Immigranten als Voraussetzung für eine erfolgreiche Amerikanisierung; zugleich sprach sie sich jedoch für eine Verschärfung des Einwanderungsund Staatsbürgerschaftsrechts aus. Die Vereinigten Staaten müssten stärker kontrollieren, ob einwanderungswillige Ausländer tatsächlich einen Beitrag zum Fortschritt der Nation leisten könnten. Zudem müsse das in manchen Bundesstaaten bestehende Wahlrecht für Einwohner, die keine amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen, entzogen werden.158 Betrachtet man die verschiedenen Propagandaschriften, die die National Security League während der Red Scare zur Einwanderungsfrage veröffentlichte, in ihrer Gesamtheit, so ergibt sich ein differenzierter Befund. Die NSL wandte sich ausdrücklich gegen eine Kategorisierung von Immigranten nach ethnischen Kriterien; auch stand sie der Idee von Amerika als Einwanderergesellschaft prinzipiell offen gegenüber. Zwar griff die PreparednessOrganisation in ihrer antikommunistischen Agitation bisweilen auf Formulierungen zurück, die xenophobe Ressentiments bedienten; offen ausländerfeindlich gab sie sich aber kaum. Immigranten gerieten vor allem dann ins propagandistische Fadenkreuz der NSL, wenn sie zugleich Kommunisten waren oder sich anderweitig als vermeintliche Feinde der Nation zu erkennen gegeben hatten. Ob man die Forderungen der NSL nach Gesetzesverschärfungen als nativistisch einstufen mag, hängt freilich von der Definition des Begriffs ab. Allerdings erscheint der Ruf nach einer stärkeren Reglementierung der Einwanderung selbst vor dem Hintergrund der liberalen Immigrationspolitik des 19. Jahrhunderts nicht sonderlich extrem. Da das Bestreben,

156 157 158

Vgl. Beck: Charta of Liberty, S. 70. Radical Menace, S. 4. Vgl. ebd., S. 8-9.

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gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse staatlich zu regulieren, ein wesentliches Kennzeichen der Progressive Era war, wäre es eher bemerkenswert gewesen, den Bereich der Immigration von dieser Entwicklung auszunehmen. Insgesamt kann der NSL daher allenfalls eine milde Form des Nativismus attestiert werden, die im zeitgenössischen Kontext kaum hervorstach. Welche Wirkmächtigkeit nativistisches Gedankengut in Teilen der Preparedness-Bewegung entfalten konnte, zeigt sich indes am Beispiel der American Defense Society. Ähnlich wie die NSL betrachtete auch die ADS die Einwanderungspolitik während der Red Scare als zentrales Feld ihrer Propagandaarbeit, deren Bedeutung nur noch vom Kampf gegen den Bolschewismus übertroffen wurde. Während beide Preparedness-Organisationen eine systematische Amerikanisierung der US-Bevölkerung anstrebten, war die ADS zu drastischeren Schritten bereit, um dieses Ziel zu erreichen. In ihren Propagandaschriften erläuterte die ADS das Kalkül, das hinter ihren einwanderungspolitischen Forderungen stand. »Die Integrität unseres Landes«, so die Parole, hänge »von der Homogenität seiner Bürger«159 ab. Immigranten müssten deshalb systematisch über die Vorzüge der amerikanischen Lebensart aufgeklärt und rasch in die Mehrheitsgesellschaft assimiliert werden. Um das Erlernen von Englisch zu fördern, sollten fremdsprachige Zeitungen in den Vereinigten Staaten verboten werden.160 Die Preparedness-Organisation schlug zudem vor, den Einbürgerungsprozess symbolisch aufzuwerten. Anders als im frühen 20. Jahrhundert üblich, dürfe die Verleihung der amerikanischen Staatsbürgerschaft nicht auf einen schmucklosen Verwaltungsakt reduziert bleiben, sondern müsse mit einer feierlichen Zeremonie begangen werden. Der »wichtigste Tag im Leben eines Ausländers« solle mit angemessenem patriotischem Pomp zelebriert werden, sodass der Neuamerikaner »mit einem gewärmten Herzen und Liebe für sein Land«161 nach Hause gehe. Während sich die ADS nach wie vor zum Amerikanisierungsgedanken bekannte, verbreitete sie in der Nachkriegszeit erstmals Propagandaschriften, die die ethnische Abstammung von Immigranten problematisierte. In einem

159 What the Society Stands For, in: ADS Records, Box 12, Folder 11. 160 Vgl. ebd. Während das deutschsprachige Pressewesen unter dem amerikanischen Kriegseintritt stark gelitten hatte, waren Zeitungen in anderen Fremdsprachen nach wie vor weit verbreitet. 161 Make Naturalization Impressive, in: ADS Records, Box 12, Folder 11.

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Pamphlet, das den Titel Social and Political Unrest 162 trug, deutete die Preparedness-Organisation an, dass es einen Zusammenhang zwischen der Herkunft bestimmter Einwanderergruppen und ihrer Assimilationsfähigkeit gebe: »We have always kept our gates open for foreigners to enter. […] And up to thirty years ago the aliens who came here generally became citizens en masse, generally became good citizens, helped to build up the country, [and] acquired a strong love and affection for our institutions […]. […] In the last thirty years, however, we have been asleep to the fact that a loathsome type of alien agitator has been crawling into the United States.«163 Der Hinweis, dass Probleme mit Immigranten ein relativ neues Phänomen seien, welches sich vor allem in den vergangenen 30 Jahren manifestiert habe, verwies auf die veränderten Einwanderungsmuster der jüngeren Vergangenheit. Durch die US-Zensusbehörde war allgemein bekannt, dass das Jahr 1890 einen wichtigen Wendepunkt in der ethnischen Zusammensetzung der europäischen Emigrationswellen markiert hatte. Obgleich das Pamphlet vordergründig vor »fremdländischen Agitatoren« warnte und insofern auch Teil der antikommunistischen Kampagne der ADS war, bestand an der einwanderungspolitischen Botschaft wenig Zweifel. Die ›neuen‹ Immigrantengruppen aus dem Süden und Osten Europas, so die implizite These, seien weniger assimilationsfähig als die ›alten‹ Immigrantengruppen aus dem Norden und Westen des Kontinents. Die nahe liegende Frage, welche praktischen Folgen aus dieser Erkenntnis zu ziehen seien, blieb in dem Pamphlet jedoch offen. Die Antwort gab an anderer Stelle ein Mann, der die ADS mit seinen bizarren Rassentheorien in Verbindung brachte. Der New Yorker Zoologe Madison Grant galt als führender Kopf der amerikanischen Eugenik-Bewegung. Sein 1916 erschienenes Hauptwerk The Passing of the Great Race164 war auf großes öffentliches Interesse gestoßen und hatte seinen Ruf als »Prophet des wissenschaftlichen Rassismus«165 begründet. Grant popularisierte darin die These, dass sich die weiße ›Großrasse‹ der Kaukasier in drei ›Unterrassen‹ unterteilen lasse. Demnach seien ›nordische‹

162 Siehe Rorke, Alexander I.: Social and Political Unrest, New York 1920. 163 Ebd., S. 4. 164 Siehe Grant, Madison: The Passing of the Great Race or The Racial Basis of European History, New York 1916. Die deutsche Übersetzung erschien 1925 und gilt als eine der Inspirationsquellen der nationalsozialistischen Rassenlehre; vgl. Spiro: Grant, S. xi. 165 Spiro: Grant, S. xii.

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Europäer den ›alpinen‹ Bewohnern Zentral- und Osteuropas sowie den ›mediterranen‹ Bewohnern des Mittelmeerraums genetisch überlegen. Als von Angelsachsen begründete Nation seien die Vereinigten Staaten Teil des ›nordischen Rassekreises‹; den ›neuen‹ Einwanderergruppen aus Süd- und Osteuropa sprach Grant wiederum die Assimilationsfähigkeit in die amerikanische Gesellschaft ab.166 Grant war verhältnismäßig spät in Kontakt mit der PreparednessBewegung gekommen. Ende 1917 hatte er eine Kundgebung der ADS in New York besucht und sich von den zivilen Mobilisierungsbemühungen beeindruckt gezeigt. Die anwesenden Führungsfunktionäre waren auf den prominenten Zoologen aufmerksam geworden und hatten ihn nach einem »herzlichen«167 Briefwechsel in den Vorstand der ADS aufgenommen. Als die nativistische Stimmung im Zuge der Red Scare ihren Höhepunkt erreichte, sah Grant schließlich die Gelegenheit gekommen, Einfluss auf die programmatische Ausrichtung des Movement zu nehmen. Im Juni 1919 veröffentlichte er einen Debattenbeitrag in der American Defense, in der er seine Ideen für eine Neuausrichtung der amerikanischen Einwanderungspolitik vorstellte. Unter der Überschrift Keep Out Foreigners and Restore Real Americanism168 analysierte Grant die Immigrationsfrage aus rassentheoretischer Perspektive. Er kam zu dem Ergebnis, dass die veränderte ethnische und soziale Zusammensetzung der Einwanderungswellen der letzten Jahrzehnte das Grundübel der Zeit sei: »The result was to bring in a lower and lower grade of immigrants until the mass of the human tide swung from northwestern to southeastern Europe, and instead of immigrants of the Nordic stock, of the same race as the native Americans [i.e. Americans of Anglo-Saxon origin], Alpines and Mediterraneans flocked here and indications now point towards an impending flood of non-Europeans […]. [F]oreign governments were anxious to get rid of the crippled and imbecile members of their lowest classes as well as their anarchist revolutionaries.«169

166 Vgl. ebd., S. 383. 167 Madison Grant an William T. Hornaday (1. November 1917), in: William T. Hornadays Papers, Library of Congress, Manuscript Division, Washington DC, Box 64. 168 Siehe Grant, Madison: Keep Out Foreigners and Restore Real Americanism, Is Plea of Madison Grant, in: American Defense 15 (1919), S. 4. 169 Ebd.

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Die amerikanische Mehrheitsgesellschaft, so Grant, müsse endlich ihre sentimentalen Sympathien für die geknechteten Massen der Alten Welt überwinden und sich der »Unterschiede zwischen den Klassen, Rassen, Religionen und Nationalitäten«170 bewusst werden. Um den gegenwärtigen »Problemen«171 Herr zu werden, forderte er einen totalen Einwanderungsstopp. Dieser solle so lange gelten, bis der fremdländische Anteil der US-Bevölkerung »assimiliert oder ausgestorben«172 sei. Währenddessen müsse die Einwanderungsgesetzgebung so modifiziert werden, dass langfristig nur noch jene Immigranten in den USA gelassen würden, die ihre »rassische Eignung« und ihren »potenziellen Nutzen für Amerika«173 nachweisen könnten. Grant kritisierte zudem den Drang »wohlmeinender Gefühlsmenschen«174 , Einwanderer möglichst rasch einbürgern zu wollen. Er schlug stattdessen vor, die Frist für einen Erwerb der US-Staatsbürgerschaft auf 10 Jahre zu erhöhen und diese auf Bewährung auszusetzen. Bei Fehlverhalten, so Grant, sollten eingebürgerte Immigranten ihren Status wieder verlieren können. Das Recht, Amerikaner zu sein, stelle ein »Privileg«175 dar, das nicht leichtfertig vergeben werden dürfe. Während sich Grants Artikel klar im rassistisch grundierten Nativismus verorten lässt, stellt sich die Frage, wie repräsentativ seine Positionen für die Gesamtorganisation waren. Einerseits fanden die Thesen des namhaften Eugenikers zunächst keine Berücksichtigung in den breiter zirkulierten programmatischen Schriften der ADS. 1919/20 lag deren einwanderungspolitischer Schwerpunkt noch auf dem Amerikanisierungsgedanken und der Durchsetzung der englischen Sprache im Alltag.176 Andererseits veröffentliche Grant seinen Text im offiziellen Magazin der ADS; in der Autorenzeile wurde er zudem als Vorstandsmitglied ausgewiesen. Leser konnten so durchaus den Eindruck gewinnen, dass der Rassentheoretiker die offizielle Haltung der Organisation wiedergab. In jedem Fall wurde deutlich, dass diese kein Problem darin sah, dem Eugeniker eine Plattform für seinen Debattenbeitrag zu geben. Vor dem Hintergrund, dass sich die Preparedness-Bewegung

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Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. beispielsweise Every Loyal American Should Know What Our Enemies Plan to Do, in: ADS Records, Box 12, Folder 11.

5 Preparedness während der Red Scare

in der Vergangenheit stets vom Denken in ethnischen Kategorien abgegrenzt und zum staatbürgerlichen Nationalismus bekannt hatte, ist dieser Befund durchaus bemerkenswert. Bei einer Gesamtbetrachtung der einwanderungspolitischen Positionen von National Security League und American Defense Society zur Zeit der Red Scare wird einmal mehr deutlich, dass es dem Preparedness Movement zunehmend schwerfiel, den Eindruck weltanschaulicher Kohärenz aufrechtzuerhalten. Die jahrelang propagierte Doktrin, dass Abstammung in der amerikanischen Einwanderungsgesellschaft keine Rolle spiele, verlor allmählich den Konsenscharakter, den sie noch während der Neutralitätsperiode gehabt hatte. Der stetige Radikalisierungsprozess, den die zivilen Organisationen seit 1915 durchgemacht hatten, blieb nicht folgenlos für ihr Verständnis des Amerikanismus – und damit für den ideologischen Kern von Preparedness. In der ADS gewannen jene nativistischen Stimmen an Einfluss, die den traditionellen Idealen des staatsbürgerlichen Nationalismus weniger abgewinnen konnten als den ethnischen Theorien der ›modernen‹ Rassenlehre. Tatsächlich stellte sich bald heraus, dass Madison Grant eine Vorreiterrolle eingenommen hatte. In den kommenden Jahren sollten Nativismus und ethnische Einwanderungsbeschränkungen zu einem bestimmenden Element im immigrationspolitischen Diskurs der USA werden. Einstweilen galt es für die Preparedness-Bewegung jedoch, im Präsidentschaftswahlkampf 1920 Position zu beziehen.

5.2.4

Preparedness im Präsidentschaftswahlkampf 1920

Die amerikanische Öffentlichkeit blickte im Sommer 1920 mit Spannung auf die anstehende Präsidentschaftswahl am 2. November. Gemäß der von George Washington begründeten Tradition stand nach Wilsons zwei Amtszeiten ein personeller Wechsel im Weißen Haus an.177 Nach siebeneinhalb turbulenten Jahren, die von progressivem Reformeifer und dem bis dahin größten Krieg der Menschheitsgeschichte geprägt gewesen waren, zeichnete sich das Ende einer politischen Ära ab. Viele Amerikaner blickten mit Unmut auf die Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit und sehnten ein Ende der zunehmend mit Wilson und seinen Demokraten assoziierten Krisenstimmung 177

Wilson hoffte insgeheim auf eine weitere Amtszeit, war mittlerweile aber derart unpopulär, dass seine Partei wenig Anlass hatte, ihm eine – historisch beispiellose – dritte Präsidentschaftskandidatur anzutragen; vgl. Cooper: Wilson, S. 565-569.

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herbei. Beobachter rechneten der Republikanischen Opposition daher gute Chancen aus, von der Unpopularität des scheidenden Amtsinhabers zu profitieren und den nächsten Präsidenten zu stellen.178 Die Republikaner hielten ihren Nominierungsparteitag vom 8. bis 12. Juni 1920 in Chicago ab. Die guten Erfolgsaussichten trugen dazu bei, dass mehrere hochkarätige Bewerber ihren Hut in den Ring warfen – darunter auch Leonard Wood. Nachdem es während des Krieges ruhig um den in Kansas dienenden General geworden war, hatte er seine politischen Kontakte ab 1919 intensiviert und seine Ambitionen auf das Weiße Haus erkennen lassen.179 Mit Roosevelts Tod war Wood zum wichtigsten Kopf des Preparedness Movement geworden. Viele Anhänger der Bewegung reagierten euphorisch auf die Aussicht, dass ihr Idol der nächste Präsident der Vereinigten Staaten werden könnte.180 Im Gegensatz zu 1916, als Wood kaum Unterstützung auf dem Parteitag der GOP erfahren hatte, ging der General im Sommer 1920 zunächst als Favorit ins Rennen um die Nominierung. In den ersten Wahlgängen konnte er die meisten Delegiertenstimmen auf sich vereinen; die erforderliche absolute Mehrheit verfehlte er jedoch deutlich. Wood litt unter demselben Problem, das zuvor schon Roosevelt geplagte hatte: Trotz seiner Popularität galt er als zu progressiv, um vom konservativen Flügel unterstützt zu werden. Die einflussreichen Parteibosse, die im Hintergrund die Geschicke der GOP bestimmten, griffen schließlich ein und präsentierten den Delegierten einen Kompromisskandidaten.181 So wurde Warren G. Harding im zehnten Wahlgang zum Republikanischen Präsidentschaftskandidaten nominiert. Der Senator aus Ohio galt als pragmatischer Konservativer, dem eine einnehmenden Persönlichkeit und breite politische Anschlussfähigkeit nachgesagt wurden. Harding machte die Parole »Rückkehr zur Normalität«182 zum Leitmotiv seiner Präsidentschaftskampagne. Damit setzte er auf maximale Abgrenzung zur Wilson-Administration: Nach den progressiven Experimenten in der Innenpolitik und den militärischen Abenteuern in der Außenpolitik, so die Bot178

Vgl. Gould, Lewis L.: The Republicans. A History of the Grand Old Party, 2. Aufl., New York 2014, S. 162-163. 179 Vgl. Lane: General Wood, S. 230-239. 180 Vgl. Spiro: Grant, S. 424. 181 Vgl. Lane: General Wood, S. 240-249. 182 Back to Normal. Address Before Home Market Club (14. Mai 1920), in: Schortemeier, Frederick E. (Hg.): Rededicating America. Life and Recent Speeches of Warren G. Harding, Indianapolis 1920, S. 223-229, hier: S. 224.

5 Preparedness während der Red Scare

schaft, sei es nun an der Zeit für eine Rückbesinnung auf die bewährten Prinzipien der Vergangenheit. Die GOP bekannte sich in ihrem Wahlprogramm unter anderem zu Preparedness und bekräftige ihre Ablehnung der Völkerbundsatzung.183 Die Demokraten hielten ihren Nominierungsparteitag knapp drei Wochen nach den Republikanern ab. Die Regierungspartei beriet vom 28. Juni bis zum 6. Juli 1920 in San Francisco, wen sie ins Rennen um das Weiße Haus schicken sollte. Wilsons Schwiegersohn, der ehemalige Finanzminister William Gibbs McAdoo galt zunächst als Favorit, blieb aber deutlich unter der notwendigen Zweidrittelmehrheit. Zu Beginn des Nominierungsprozesses verteilten sich die Stimmen der Delegierten auf fast zwei Dutzend Kandidaten; selbst General Wood – obschon Republikaner – erhielt im ersten Wahlgang vier Stimmen. Die Demokraten brauchten 44 Wahlgänge bis sie sich mit James M. Cox, dem progressiven Gouverneur von Ohio, auf einen Präsidentschaftskandidaten einigen konnten. Trotz Unterschieden im Detail stand Cox in den Augen der meisten Beobachter für politische Kontinuität zur amtierenden Administration. In ihrem Wahlprogramm priesen die Demokraten Wilson für seine Führungsstärke während des Krieges und bekannten sich zu einem vorbehaltlosen Beitritt zum Völkerbund.184 Für das Preparedness Movement war die anstehende Präsidentschaftswahl von herausragender Bedeutung. Die führenden Funktionäre der zivilen Organisationen machten intern keinen Hehl daraus, dass sie dem baldigen Abgang des ungeliebten Amtsinhabers mit Erleichterung entgegensahen.185 Zugleich verband sich mit einem neuen Präsidenten die Hoffnung, dass die Politik in Zukunft offener auf die programmatischen Vorstellungen der Bewegung reagieren würde. In der Tat war mittlerweile kaum noch zu übersehen, dass sie seit Kriegsende deutlich an Einfluss in Washington verloren hatte. Nach Abschluss des Waffenstillstands war die kriegsbedingt eingeführte

183

Vgl. Gould: Republicans, S. 159-170. Siehe außerdem Republican Party Platform of 1920, unter: The American Presidency Project, URL https://www.presidency.ucsb.edu/ documents/republican-party-platform-1920 (Zugriff am 14.05.2019). 184 Vgl. Witcover, Jules: Party of the People. A History of the Democrats, New York 2003, S. 333-335. Siehe außerdem 1920 Democratic Party Platform, unter: The American Presidency Project, URL https://www.presidency.ucsb.edu/documents/1920-democratic-party-platform (Zugriff am 14.05.2019). 185 Vgl. beispielsweise Charles S. Davison an David M. Kirk (4. Mai 1920), in: ADS Records, Box 5, Folder 3.

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Wehrpflicht sukzessive ausgelaufen; auch die Demobilisierung der amerikanischen Streitkräfte war im Sommer 1920 weitgehend abgeschlossen. Umso drängender stellte sich die Frage nach der zukünftigen Militärgesetzgebung. Die Preparedness-Organisationen erwarteten vom Kongress, die bereits seit längerem geforderte Wehrpflicht in Friedenszeiten zu beschließen – ein Ansinnen, für das sich weder im Repräsentantenhaus noch im Senat eine Mehrheit fand. Die am 4. Juni 1920 verabschiedete Novelle des National Defense Act sah zwar eine Stärkung der Berufsarmee vor, blieb aber weit hinter den Idealvorstellungen der Bewegung zurück. Umso größer war die Hoffnung, dass ein Wechsel im Weißen Haus dem schwächelnden Preparedness-Gedanken neuen Auftrieb geben könne.186 Zunächst stellte sich für NSL und ADS jedoch die Frage, wie sie sich im beginnenden Wahlkampf positionieren sollten. Die Erfahrungen von 1916 und 1918 hatten gezeigt, dass der Urnengang nicht nur über Wohl und Wehe der Nation bestimmen konnte, sondern gleichsam mit Chancen und Risiken für die Preparedness-Organisationen selbst verbunden war. Umso bemerkenswerter war es, dass NSL und ADS mit völlig gegensätzlichen Strategien auf die anstehende Wahl reagierten. Die National Security League stand nach wie vor unter dem Eindruck der Kongressuntersuchung vom Vorjahr, die ihr die Intervention in den letzten Wahlkampf eingebrockt hatte. Mittlerweile war man sich im Vorstand weitgehend einig, dass die erfolgreiche Abwahl einiger unliebsamer Abgeordneter in keinem Verhältnis zu dem entstandenen PR-Schaden gestanden hatte, unter dem die Organisation noch immer litt. Charles Orth, der für den fatalen Preparedness-Test im Wahlkampf 1918 verantwortlich gewesen war und zum Jahreswechsel 1919/20 Lydeckers Nachfolge als NSL-Vorsitzender angetreten hatte,187 wollte die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Es überrascht daher kaum, dass seine Organisation im Sommer 1920 demonstrative Zurückhaltung zeigte und auf Wahlempfehlungen verzichtete. Stattdessen besann sie sich auf ein konventionelles Mittel der Einflussnahme, das sie schon im Wahljahr 1916 erprobt hatte. Die NSL-Führung schickte am 8. Juni einen offenen Brief an beide großen Parteien, in dem sie Demokraten und Republikaner ersuchte, Preparedness in ihren Wahlprogrammen zu verankern. Anders als

186 Für Hintergrundinformationen zur Debatte um den National Defense Act von 1920 vgl. Clifford: Plattsburg, S. 262-295. 187 Vgl. Minutes of the Meeting of the Executive Committee of the National Security League (2. Oktober 1919) in: Root Papers, Box 137.

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in ihren Pamphleten elaborierte die NSL in dem Schreiben weder über Staatsfeinde im Innern, noch über die Feinheiten des Amerikanismus, sondern konzentrierte sich auf einen einzigen Punkt: Die Vereinigten Staaten, so die Forderung, müssten die kriegsbedingte Wehrpflicht dauerhaft beibehalten und zu einem universellen Militärdienst für alle jungen Männer ausbauen.188 Damit besann sich die Preparedness-Organisation auf das ursprüngliche Kernanliegen der Bewegung. Die NSL übte in dem offenen Brief zwar leichte Kritik an den parteiübergreifenden Versäumnissen früherer Legislaturperioden, blieb gemessen an ihrer früheren Rhetorik aber auffallend milde. Auch als der Wahlkampf nach den Nominierungsparteitagen auf seinen Höhepunkt zusteuerte, hielt sich die NSL weitgehend bedeckt. Einzige Ausnahme blieb ein Appell an Demokraten und Republikaner, in einigen besonders gefährdeten Wahlkreisen New Yorks gemeinsame Kandidaten aufzustellen, um den Einzug von Politikern der Sozialistischen Partei ins Repräsentantenhaus zu verhindern.189 Im Gegensatz zur NSL hatte die American Defense Society keinerlei Skrupel, zwischen die Fronten der politischen Auseinandersetzung zu geraten. Am 8. Juni 1920 verschickte der Vorstand ein Rundschreiben, das alle Mitglieder dazu ermutigte, Petitionen an die Parteitagsleitungen beider Großparteien zu schicken. Demokraten und Republikaner sollten dazu aufgefordert werden, eine Reihe ausformulierter Punkte in ihr Wahlprogramm zu übernehmen. Anders als die NSL beschränkte sich die ADS nicht auf eine sicherheitspolitische Forderung wie die Wehrpflicht, sondern deckte die ganze Bandbreite politischer Themen ab. So sollten die Parteien etwa angehalten werden, die Steuern zu senken oder den Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit zu fördern.190 Die außenpolitischen Programmpunkte stachen jedoch besonders hervor:

188 Die letztgenannte Forderung bezog sich den Unterschied zwischen dem 1917 eingeführten Konzept des Selective Service und dem von der Preparedness-Bewegung favorisierten Modell des Universal Military Training, vgl. Kap. 4.1.1 dieser Arbeit. 189 Vgl. Military Training Planks Urged. Security League President Sends Plea to Republican and Democratic Chairman, in: The New York Times, 9. Juni 1920; Pleads for Fusion to Beat Socialists, in: The New York Times, 19. August 1920. Angesichts des antikommunistischen Zeitgeists war die Wahlkampfeinmischung zu Ungunsten der Sozialistischen Partei wenig kontrovers. 190 Vgl. Charles S. Davison an ›Dear Sir‹ (8. Juni 1920), in: ADS Records, Box 5, Folder 4.

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»No interference by other countries to be permitted in our domestic concerns and an equal avoidance on our part of interfering in the domestic concerns of other countries. […] No infringement of the Monroe doctrine.«191 Beide Forderungen verwiesen nicht nur auf die Rückbesinnung der ADS auf den Isolationismus, sondern konnten auch als Aufruf verstanden werden, dem Völkerbund eine endgültige Absage zu erteilen. Damit deutete sich bereits an, dass die Preparedness-Organisation auf einen Konflikt mit der Partei Woodrow Wilsons zusteuerte. Tatsächlich kam es bereits eine knappe Woche später zum Bruch mit den Demokraten. Am 14. Juni – noch bevor die Regierungspartei Gelegenheit hatte, ihr Wahlprogramm zu beschließen und einen Präsidentschaftskandidaten zu nominieren – sprach der ADS-Vorstand eine offizielle Wahlempfehlung zu Gunsten Warren Hardings aus.192 In dem entsprechenden Rundbrief konnten die Mitglieder nachlesen, dass der Republikaner »die Ziele der American Defense Society vollumfänglich teilen«193 würde. Als Beleg wurden Passagen aus verschiedenen Reden Hardings zitiert, in denen er die Parole »America First«194 zur Richtschnur seiner Politik erklärt und sich zum PreparednessGedanken bekannt hatte. Das Schreiben an die ADS-Mitglieder endete mit einem flammenden Appell, den Republikaner zu unterstützen: »The opportunity is now afforded us to do more to accomplish our ideals and objects in practical fashion than we could accomplish in any other matter. […] The [American Defense] Society requests every member and every contributor to unite in constant earnest effort from this moment until the successful termination of the electoral campaign in securing the triumph of its principles and aims through the election of Warren H. [sic!] Harding by so overwhelming a majority as shall settle once and for all in the eyes of this country and the world any doubt as to where America stands […].«195

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Ebd. Die Wahlempfehlung vom 14. Juni 1920 erfolgte nur zwei Tage nach Abschluss des Republikanischen Parteitags, aber knapp drei Wochen vor Zusammentritt des Demokratischen Parteitags. 193 Charles S. Davison an ›Gentlemen‹ (14. Juni 1920), in: ADS Records, Box 5, Folder 4. 194 Ebd. 195 Ebd.

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Der Aufruf war ebenso unmissverständlich wie politisch heikel. Die zweitbedeutendste Preparedness-Organisation des Landes hatte sich offen im Lager des Republikanischen Präsidentschaftskandidaten positioniert. Der beispiellose Schritt erwies sich schon bald als katastrophal für das öffentliche Ansehen der ADS. Die Wahlempfehlung stand offenkundig im krassen Gegensatz zum überparteilichen Anspruch der Organisation, mit dem sie seit ihrer Gründung geworben hatte. Die ADS bestätigte nun all jene Kritiker, die ihr schon immer vorgeworfen hatten, den Interessen der Republikanischen Opposition zu dienen. Während sich die NSL bei ihrer Intervention in den Kongresswahlkampf 1918 zumindest noch um den Eindruck bemüht hatte, den Kandidaten beider Parteien gerecht werden zu wollen, kam die Unterstützung Hardings einem Bekenntnis zur GOP gleich. Es überrascht insofern wenig, dass sich der ADS-Vorstand bald einem Sturm der Kritik ausgesetzt sah. In den kommenden Wochen gingen hunderte Beschwerdebriefe von einfachen Mitgliedern in der New Yorker Bundeszentrale ein, die ihren Unmut über die Entscheidung kundtaten und in nicht wenigen Fällen ihren Austritt erklärten. Viele kritisierten, dass die ADS ihren überparteilichen Anspruch ohne Not aufgegeben habe und sich nun kaum noch auf patriotische Beweggründe berufen könne.196 Es sei völlig unangebracht gewesen, nicht einmal den Demokratischen Parteitag abzuwarten, bevor man sich auf einen Kandidaten festgelegt habe. ADS-Anhänger, die mit der Regierungspartei sympathisierten, verwiesen zudem auf die Qualitäten Cox’ und erläuterten, warum dieser einen besseren Präsidenten als Harding abgeben würde.197 Die Wahlempfehlung führte nicht nur zu erheblichen Friktionen innerhalb der Preparedness-Organisation, sondern wurde bald auch zum Politikum im Rennen um das Weiße Haus. Ende August griff Cox die ADS bei mehreren Wahlkampfauftritten an. Die »angeblich patriotische«198 Organisation, so der Demokrat, sei zu einer Lobbygruppe der Republikaner verkommen. Tageszeitungen, die den Demokraten nahestanden, verurteilten die Parteilich196 Vgl. beispielsweise Gus C. Edwards an Charles S. Davison (25. Juni 1920), in: ADS Records, Box 5, Folder 4; Owen R. Clements an Charles S. Davison (5. Juli 1920), in: ADS Records, Box 5, Folder 5. 197 Vgl. beispielsweise Lyle Evans Mahan an Charles S. Davison (8. Juli 1920), in: ADS Records, Box 5, Folder 5; Edward P. Allen an Charles S. Davison (23. August 1920), in: ADS Records, Box 5, Folder 6. 198 Cox Makes Offer to Produce Proof of Big Party Fund. Warns Defense Society, in: The New York Times, 22. August 1920.

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keit der Preparedness-Organisation ebenfalls.199 Die Führung der ADS blieb von der scharfen Kritik allerdings weitgehend unbeeindruckt. Sie nahm den Unmut an Teilen der Basis zwar durchaus mit Bedauern wahr, hielt aber unbeirrt an ihrer Unterstützung für Harding fest.200 Die Funktionäre warben weiterhin enthusiastisch für den Republikanischen Präsidentschaftskandidaten und organisierten sogar eine Reisedelegation, die Harding am 25. September in seinem Heimatort ihre Aufwartung machte.201 Der Präsidentschaftswahlkampf endete am 2. November 1920 mit einem triumphalen Ergebnis für Harding und seine Partei. Während ein Sieg des Republikaners allgemein erwartet worden war, überraschte dessen Ausmaß viele Beobachter. Mit knapp 60 Prozent der Wählerstimmen – auf Cox entfielen lediglich 34 Prozent – verzeichnete Harding das beste Resultat eines Präsidentschaftskandidaten seit 1820. Die Republikaner konnten in den parallel stattfindenden Kongresswahlen zudem ihre Mehrheiten in Repräsentantenhaus und Senat ausbauen. Nachdem der Neunzehnte Verfassungszusatz im August in Kraft getreten war, hatten erstmals Frauen in allen Bundesstaaten an dem Urnengang teilnehmen dürfen. Die entsprechend große Zahl an abgegebenen Stimmen betonte den richtungsweisenden Charakter der Wahl. Das beeindruckende Ergebnis der Republikaner wurde gemeinhin als Abrechnung der Wähler mit Wilson und seiner Politik interpretiert. Als Warren Harding am 4. März 1921 sein Amt als 29. Präsident der Vereinigten Staaten antrat, konnte er sich auf ein starkes öffentliches Mandat berufen.202 Während die NSL auch nach Hardings Sieg von einer Stellungnahme absah, reagierte die ADS-Führung mit großer Genugtuung auf den Ausgang der Wahl. Charles Davison schickte noch am Abend des 2. Novembers ein Telegramm an den designierten Präsidenten, um ihm die Glückwünsche der Preparedness-Organisation zu übermitteln. Darin verlieh er seiner Überzeugung Ausdruck, dass mit dem Regierungswechsel eine neue Ära anbrechen werde:

199 Vgl. beispielsweise Its Usefulness Ended, in: The Atlanta Constitution, 26. September 1920. 200 Vgl. Frances Tighman an Charles S. Davison (17. August 1920), in: Ads Records, Box 5, Folder 6. 201 Vgl. Frances Tighman an Charles S. Davison (7. Juli 1920), in: ADS Records, Box 5, Folder 5; Fill in Porch Dates. Harding and Callers Arrange Many August Meetings, in: The Washington Post, 7. August 1920. 202 Vgl. Gould: Republicans, S. 164-167.

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»Your election assures the restoration of constitutional government meanwhile the empathic reaffirmation of the American ideal for which you have so consistently stood evidences the fact that a united country will loyally support your administration and its policies.«203 Dass der ADS-Vorsitzende derart euphorisch auf den Ausgang der Wahl reagierte, kann in der Rückschau nur als ironisch bezeichnet werden. Das programmatische Bekenntnis der Republikanischen Partei zu Preparedness, Amerikanismus und Isolationismus hatte die ADS den wichtigsten Grund verkennen lassen, aus dem die amerikanischen Wähler Harding einen Erdrutschsieg bescherten. Anders als von Davison wahrgenommen, war die bedeutendste Parole des Wahlkampfs nicht »America First«, sondern »Return to Normalcy« gewesen. Die meisten Bürger erhofften sich von dem Regierungswechsel keine nationalistische Umgestaltung der US-Gesellschaft, sondern die Überwindung der Krisenstimmung, die sich seit 1914 über die Nation gelegt hatte. Diese tief empfundene Sehnsucht nach ›Normalität‹ entzog dem Preparedness Movement, das vor allem vom Bedrohungsgefühl der Menschen gezehrt hatte, die Existenzgrundlage. Zwar leitete Hardings Wahlsieg tatsächlich einen politischen Umschwung ein – nur führte dieser nicht zum endgültigen Durchbruch der Preparedness-Vision, sondern zum endgültigen Niedergang des Movement.

203 Charles S. Davison an Warren G. Harding (2. November 1920), in: ADS Records, Box 6, Folder 1.

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6 Epilog: Preparedness in der Zwischenkriegszeit

6.1

Rückkehr zur Normalität und Niedergang der Preparedness-Bewegung (1921-1929)

Als Warren Harding im März 1921 vereidigt wurde, war die Red Scare bereits weitgehend abgeflaut. Der Antikommunismus blieb zwar ein wichtiges Motiv im politischen Diskurs der USA; die meisten Amerikaner erkannten jedoch, dass die akute Revolutionsangst der vergangenen Monate allzu alarmistisch gewesen war.1 So wich das repressive Klima, das die Gesellschaft seit dem Kriegseintritt erfasst hatte, allmählich einer gelasseneren Stimmung. Symbolisch zeigte sich dieser Wandel an der Haftentlassung des Sozialistenführers Debs, den der neue Präsident pünktlich zum Weihnachtsfest 1921 begnadigte.2 Während die antikommunistische Paranoia zu Beginn der 1920er Jahre spürbar nachließ, erwies sich der nativistische Geist der Red Scare als langlebiger. Viele Amerikaner beklagten, dass sich der kriegsbedingte Rückgang der Einwanderung bald wieder umkehrte. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis die Zahlen das Niveau der Vorkriegszeit erreichten; allein im Jahr 1921 kamen rund 800.000 Immigranten in die USA – die meisten davon aus Süd- und Osteuropa. Die Überfremdungsängste in der anglo-protestantischen Mehrheitsgesellschaft wurden derart stark, dass sich der Gesetzgeber zu einem Paradigmenwechsel in der amerikanischen Einwanderungspolitik entschloss.

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Vgl. Murray: Red Scare, S. 241-242. Vgl. Freeberg, Ernest: Democracy’s Prisoner. Eugene V. Debs, the Great War, and the Right to Dissent, Cambridge/London 2008, S. 273-300.

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1924 verabschiedete der Kongress den National Origins Act,3 der die zulässige Gesamtzahl an Einwanderern stark limitierte und die ethnische Herkunft der Immigranten zum zentralen Kriterium machte. Ausgehend von der These, dass Nordwesteuropäer leichter als Südosteuropäer zu assimilieren seien, wurden Quoten eingeführt, die festlegten, wie viele Auswanderer aus welchen Ländern zugelassen waren. Die Nationalitätenquoten orientierten sich an der demografischen Zusammensetzung der US-Bevölkerung im Jahr 1890, sodass Briten, Deutsche oder Skandinavier in weit größerer Zahl einreisen durften als Italiener, Griechen oder Polen. Der National Origins Act kann insofern als nativistischer Versuch aufgefasst werden, die ethnische Zusammensetzung der Vereinigten Staaten auf den Stand vor den ›neuen‹ Einwanderungswellen festzuschreiben.4 Politisch wurden die 1920er Jahre von der Republikanischen Partei dominiert, deren konservativer Flügel sein progressives Gegenstück weitgehend marginalisierte. Vizepräsident Calvin Coolidge trat nach Hardings plötzlichem Tod im August 1923 dessen Nachfolge an und wurde 1924 mit einem eindrucksvollen Wahlergebnis im Amt bestätigt. Dagegen traf die Demokratische Opposition außerhalb ihrer Hochburgen in den Südstaaten kaum mehr auf politischen Zuspruch. 1928 gewann mit Herbert Hoover bereits der dritte Republikaner in Folge das Rennen um das Weiße Haus. Repräsentantenhaus und Senat blieben bis zur Zwischenwahl von 1930 ebenfalls fest in der Hand der GOP, sodass der Gestaltungsmacht der Partei wenig Grenzen gesetzt waren. Als überzeugte Verfechter des Laissez-Faire-Prinzips sahen die Republikaner freilich wenig Anlass für allzu große gesetzgeberische Ambitionen.5 Außenpolitisch zogen sich die Vereinigten Staaten in den 1920er Jahren in den Isolationismus zurück.6 Der von den Republikanern dominierte Senat 3 4

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Der National Origins Act von 1924 knüpfte an den Emergency Quota Act an, der bereits 1921 verabschiedet worden war, aber zunächst nur temporären Charakter hatte. Vgl. Daniels: Immigration Policy, S. 27-58; King, Desmond: Making Americans. Immigration, Race, and the Origins of the Diverse Democracy, Cambridge/London 2000, S. 199-228; Tichenor: Immigration Control in America, S. 138-149; Zolberg, Aristide R.: A Nation by Design. Immigration Policy in the Fashioning of America, New York u.a. 2006, S. 243-272. Vgl. Gould: Republicans, S. 166-189. Das weitverbreitete historische Narrativ, die Vereinigten Staaten hätten sich in der Zwischenkriegszeit in den Isolationismus zurückgezogen, wird in Teilen der Forschung als irreführend kritisiert. Historiker wie Brooke Blower betonen stattdessen »Neutralität« als zentralen Begriff, um das Bezugssystem der US-Sicherheitspolitik in diesem Zeitraum zu umschreiben; siehe Blower, Brooke L.: From Isolationism to Neutrality.

6 Epilog: Preparedness in der Zwischenkriegszeit

setzte die Ratifizierung der Völkerbundsatzung nicht erneut auf die politische Tagesordnung; die USA blieben der internationalen Friedensorganisation endgültig fern. Zugleich mehrten sich die Stimmen in der Öffentlichkeit, die die amerikanische Intervention in den Weltkrieg als schweren Fehler bezeichneten – eine These, der auch viele zeitgenössische Historiker beipflichteten.7 Im Verlauf der Dekade übernahmen viele Amerikaner dieses Narrativ, sodass der von Wilson so nachdrücklich propagierte Internationalismus bald als verpönt galt. Die Außenpolitik der Republikanischen Administrationen entsprach dieser Stimmungslage, setzten sie doch ganz auf die tradierten Prinzipien der Bündnisfreiheit und Neutralität. Militärisch zogen sich die USA vollständig aus Europa zurück. Die mächtigste Nation der Erde beschränkte sich auf eine wirtschaftliche und diplomatische Rolle, um stabilisierend auf die Alte Welt einzuwirken. So engagierte sich die US-Regierung zwar federführend beim Dawes-Plan von 1924 oder beim Briand-Kellogg-Pakt von 1928; als militärische Garantiemacht der europäischen Nachkriegsordnung fiel Washington jedoch weitgehend aus.8 Die amerikanische Sicherheitspolitik wurde maßgeblich vom isolationistischen Zeitgeist der Dekade geprägt. Nachdem die Idee einer Wehrpflicht in Friedenszeiten bereits im National Defense Act von 1920 verworfen worden war, ging die Abrüstung der Streitkräfte weiter voran. Der Kongress reduzierte das Militärbudget derart stark, dass selbst die gesetzlich vorgesehene Heeresstärke von 280.000 Mann nicht mehr zu finanzieren war. Ende 1922 hielt die U.S. Army noch 137.000 Soldaten unter Waffen; hinzu kamen knapp 250.000 Nationalgardisten als Reserve. Damit war die amerikanische Berufsarmee fast wieder auf jene Truppenstärke zusammengeschrumpft, die 1914 für den Vorwurf mangelnder Preparedness gesorgt hatte. Versuche von General Pershing, den Präsidenten zu einer Aufstockung des Heeres zu bewegen, blieben angesichts der Stimmungslage der Bevölkerung erfolglos.9 In der Flottenpolitik setzte die US-Regierung ebenfalls auf Abrüstung. Als

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A New Framework for Understanding American Political Culture, 1919-1941, in: Diplomatic History 38/2 (2014), S. 345-376. Für einen Überblick über die revisionistische Historiografie der Zwischenkriegszeit vgl. Kap. 1.3 dieser Arbeit. Vgl. Schwabe: Weltmacht, S. 81-94. Für einen Forschungsüberblick zur US-Außenpolitik in den 1920ern siehe Goodall, Alex: US Foreign Relations Under Harding, Coolidge, and Hoover, in: Sibley, Katherine A.S. (Hg.): A Companion to Warren G. Harding, Calvin Coolidge, and Herbert Hoover, Chichester 2014, S. 53-76. Vgl. Edwards: NSL, S. 133.

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nach dem Kriegsende ein neues Wettrüsten zwischen den verbliebenen Seemächten drohte, berief die Harding-Administration im Winter 1921/22 eine internationale Konferenz in Washington ein. Der Gipfel endete am 6. Februar mit der Unterzeichnung eines umfangreichen Vertragswerks, das die Begrenzung der Flottenstärken vorsah. Das maritime Kräfteverhältnis zwischen den USA, dem Vereinigten Königreich, Japan, Frankreich und Italien wurde auf einen fixen Wert festgeschrieben.10 Außerdem unterwarf man den Bau von Schlachtschiffen einem zehnjährigen Moratorium; andere Schiffstypen durften bestimmte Maximaltonnagen nicht überschreiten. Zugleich garantierten die Signatarstaaten einander ihre territorialen Besitzungen im Pazifikraum und bekräftigten die Unabhängigkeit Chinas. Einstweilen stabilisierte das Washingtoner Flottenabkommen die Beziehungen zwischen den Seemächten und trug innenpolitisch dazu bei, dass der U.S. Navy kaum noch Priorität beigemessen wurde.11 Ökonomisch erholten sich die Vereinigten Staaten rasch von der zeitweisen Rezession, die mit der Umstellung von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft einhergegangen war. Die Republikanische Regierung nahm von der progressiven Wirtschaftspolitik der vergangenen zwei Dekaden Abstand und setzte auf einen Dreiklang aus Steuersenkungen, Ausgabenkürzungen und Protektionismus. Die USA erlebten in den 1920er Jahren ein regelrechtes »Wirtschaftswunder«12 , das sowohl Vollbeschäftigung als auch weitgehende Preisstabilität mit sich brachte. Technische Fortschritte ließen die Konsumgüterindustrie zur wichtigsten Wachstumsbranche werden; trotz erheblicher sozialer Ungleichheit konnte sich eine wachsende Mittelschicht elektrische Haushaltsgeräte, Radios und Automobile leisten. Der Boom endete erst mit dem Börsencrash von 1929, auf den die Große Depression folgte.13 Die ökonomische Prosperität strahlte auch auf das private Lebensgefühl in den »Goldenen Zwanzigern«14 aus. Der erschwingliche Massenkonsum ging bei vielen Amerikanern mit einer Hinwendung zum Hedonismus einher.

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Die Formel für das maritime Kräfteverhältnis lautete 5 (USA) zu 5 (UK) zu 3 (Japan) zu 1,69 (Frankreich) zu 1,69 (Italien). Damit war offiziell Parität zwischen Briten und Amerikanern hergestellt. Vgl. Palmer, Niall: The Twenties in America. Politics and History, Edinburgh 2006, S. 7195; Schwabe: Weltmacht, S. 82-85. Depkat: USA, S. 194. Vgl. Dumenil, Lynn: The Modern Temper. American Culture and Society in the 1920s, New York 1995, S. 56-97. Depkat: USA, S. 195.

6 Epilog: Preparedness in der Zwischenkriegszeit

Vor allem in den großen Städten wurde die US-Gesellschaft individualistischer.15 Die Kommerzialisierung von Kultur, Musik und Sport schritt rasch voran; neue Medien wie der Film oder das Radio prägten bald den Alltag der Menschen. Auch die traditionellen Geschlechterrollen, die bereits durch den Krieg infrage gestellt worden waren, brachen weiter auf; für Frauen öffneten sich neue Freiräume. Obwohl die Dekade insgesamt mit einem liberalen Wertewandel einherging, gab es auch Anzeichen für einen Backlash gegen die vermeintliche Dekadenz der Moderne. Konservative Kritiker beklagten einen zunehmenden Verfall der öffentlichen Sitten. Tatsächlich wurde die organisierte Kriminalität zu einem ernsthaften Problem, da die 1920 eingeführte Prohibition den nach wie vor weit verbreiteten Genuss von Alkohol zu einem Laster gemacht hatte, dem nur noch im Untergrund nachgegangen werden konnte. Auch der wiedergegründete Ku-Klux-Klan erlebte eine zweite Blüte – der rassistische und nativistische Geheimbund verzeichnete zur Mitte des Jahrzehnts fast 4,5 Millionen Mitglieder.16 Betrachtet man die Entwicklungen in den 1920ern vor dem Hintergrund der amerikanischen Kriegserfahrung, so erweist sich Hardings Parole von der ›Rückkehr zur Normalität‹ durchaus als treffende Umschreibung der Dekade.17 Unabhängig vom problematischen Charakter des Normalitätsbegriffs waren die Jahre zwischen 1921 und 1929 von dem Bestreben geprägt, die mit dem Weltkrieg einhergegangene Krisenstimmung zu überwinden und in eine neue Phase der Stabilität zu überführen.18 Dieses Ansinnen war freilich nicht in allen Fällen mit einer ›Rückkehr‹ zum Status der Vorkriegszeit verbunden. Während man in den meisten politischen Fragen an ältere Traditionen anknüpfte, verwiesen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen in vielerlei Hinsicht auf eine »nunmehr voll entfaltete Moderne«19 . Für die Preparedness-Bewegung stellten die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der 1920er Jahre eine denkbar ungünstige Konstellation dar. So sehr das Movement zwischen

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Herbert Hoover veröffentlichte 1922 ein breit rezipiertes Buch über den amerikanischen Individualismus, das als prägend für den Zeitgeist der Dekade gilt; siehe Hoover, Herbert: American Individualism, Garden City 1922. Vgl. Dumenil: Modern Temper, S. 98-302; Goldberg, David J.: Discontented America. The United States in the 1920s, Baltimore/London 1999, S. 117-139. Die Frage, ob die 1920er Jahre insgesamt eine Dekade der Normalisierung gewesen seien, ist in der Forschung umstritten; vgl. Berg: Geschichte USA, S. 119. Vgl. Palmer: Twenties, S. 175-178. Depkat: USA, S. 194.

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1914 und 1920 von der Krisenstimmung profitiert hatte, so sehr litt es nun unter der neuen ›Normalität‹. Mit dem Abflauen der Red Scare traf die antikommunistische Propaganda nur noch auf begrenzte Resonanz; das rote Feindbild verlor zunehmend seinen Schrecken. Der Nativismus blieb zwar ein wichtiges Leitmotiv der Dekade, büßte durch die Verschärfung der Einwanderungsgesetzgebung aber an Mobilisierungswirkung ein. Mit dem Aufstieg des Ku-Klux-Klans gab es zudem eine Organisation,20 die nativistische Ressentiments wesentlich massentauglicher kanalisierte als die bisweilen elitär anmutende Preparedness-Bewegung, deren wichtigste Repräsentanten zwischen staatsbürgerlichem und ethnischem Nationalismus chargierten. Die vor allem von der American Defense Society gehegte Hoffnung, nach dem Machtwechsel zur GOP einen empfänglicheren Partner in der Politik zu haben, entpuppte sich rasch als illusorisch. Die Administrationen Hardings, Coolidges und Hoovers sahen ebenso wenig Anlass wie die Republikanische Kongressmehrheit, ihre Prioritäten an den Vorstellungen der rapide an Relevanz verlierenden Bewegung auszurichten. So gestaltete sich die Lobbyarbeit der Preparedness-Organisationen in den 1920ern nicht einfacher, sondern deutlich schwerer als zuvor. Dies galt insbesondere für die Sicherheitspolitik: Die einzige wichtige Streitfrage, in dem der Großteil des Movement voll mit der Regierung übereinstimmte, war die Ablehnung eines amerikanischen Völkerbundbeitritts. In der Heeres- und Flottenpolitik agitierten die Preparedness-Organisationen dagegen mit zunehmender Verzweiflung gegen die Abrüstungsmaßnahmen der Regierung.21 Auch die wirtschaftliche Prosperität der Dekade wirkte sich erschwerend auf die Arbeit der Preparedness-Bewegung aus. Steigender Wohlstand und Massenkonsum ließen die Entbehrungen der Kriegszeit als dunkles Kapitel einer überwundenen Krisenperiode erscheinen. Die massiven Eingriffe des Staates in das amerikanische Wirtschaftsleben liefen rasch aus, standen die ökonomischen Zeichen der Zeit doch ganz auf Laissez-Faire. In dieser Atmosphäre galten die Rufe des Movement nach industrieller Koordinierung

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Neben dem Ku-Klux-Klan gewannen auch die Nativisten der Immigration Restriction League in den 1920ern an Einfluss; siehe Decker, Julio: Citizenship and its Duties. The Immigration Restriction League as a Progressive Movement, in: Immigrants & Minorities 32/2 (2014), S. 162-182. Vgl. Edwards: NSL, S. 133.

6 Epilog: Preparedness in der Zwischenkriegszeit

als ebenso obsolet wie die Kritik am Materialismus der Moderne. Viele Mittelschichtsamerikaner genossen lieber ihren steigenden Lebensstandard als sich mit den düsteren Warnungen der Bewegung auseinanderzusetzen. Gesellschaftlicher Taktgeber der 1920er Jahre war nicht ein Gefühl der Bedrohung, sondern des Zukunftsoptimismus.22 Der Wertewandel der Dekade stellte ebenfalls ein erhebliches Problem für das Preparedness Movement dar. Anders als erhofft, hatte die zivile Mobilisierung der Kriegszeit keine nachhaltige Stärkung des Gemeinschaftsgedankens bewirkt. Ironischerweise spricht sogar vieles dafür, dass der zwischen 1917 und 1920 vorherrschende Konformitätsdruck die liberalen Gegenbewegungen der Folgejahre beförderte. Gegen den individualistischen Zeitgeist der 1920er hatte es der kollektivistisch gefärbte Nationalismus des Movement naturgemäß schwer. Patriotismus galt zwar weiterhin als Tugend; das viel beschworene Ideal von Selbstaufopferung und Dienst an der Nation hatte angesichts der zunehmend kritischen Sicht auf den US-Kriegseintritt jedoch einen schalen Beigeschmack bekommen.23 Auch vom konservativen Backlash gegen die gesellschaftlichen Liberalisierungstendenzen konnte die Preparedness-Bewegung kaum profitieren. Trotz gewisser Überschneidungen – etwa bei der Ablehnung des Hedonismus – blieben ihr die Kulturkriege der Dekade eher fremd.24 Die Organisationsgeschichte von National Security League und American Defense Society war in den 1920ern von einem rapiden Niedergang geprägt. Die weltanschaulichen Widersprüche und inneren Konflikte, die sich bereits während der Red Scare abgezeichnet hatten, führten unter den veränderten Rahmenbedingungen der Dekade zu massiven Auflösungserscheinungen. Die Funktionäre der NSL nahmen schon verhältnismäßig früh wahr, dass sich der Zeitgeist zu ihren Ungunsten veränderte und versuchten, eine entsprechende Gegenstrategie zu entwickeln. Als die Red Scare im Jahresverlauf

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Vgl. Glickman, Lawrence B.: The Politics of Consumption in the 1920s, in: Gordon, Colin (Hg.): Major Problems in American History, 1920-1945, Boston/New York 1999, S. 100106, hier: S. 100-101. Vgl. Dumenil, Lynn: The Modern Temper, in: Gordon (Hg.): Major Problems, 1920-1945, 2. Aufl., S. 2-11, hier: S. 6-7. Die geringe Anschlussfähigkeit an die konservativen Strömungen der 1920er ist ein weiterer Indikator für die These, dass die nationalistische Ideologie der Preparedness-Bewegung die klassische gesellschaftspolitische Dichotomie zwischen Links und Rechts transzendierte.

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1920 abzuklingen begann, mehrten sich die Stimmen innerhalb der Organisation, die den zuletzt immer stärker gewordenen Fokus auf gesellschaftspolitische Themen kritisierten. In einem Memorandum kam der Vorstand zu dem Schluss, dass die Schulung von Lehrern, das Abhalten von patriotischen Paraden oder die Amerikanisierungsarbeit allmählich aus der Zeit falle. Angesichts des Stimmungswandels in der Gesellschaft, so der Tenor, müsse sich die Organisation »erneut auf die Verteidigungspolitik konzentrieren«25 . Die Grundsatzentscheidung, das ursprüngliche Kernanliegen von Preparedness wieder in den Fokus zu nehmen, prägte die Aktivitäten der NSL für den Rest der Dekade. Ihre Stellungnahmen zu gesellschaftspolitischen Fragen gingen deutlich zurück, während sie sich vorrangig als Lobbyorganisation für die Interessen von Heer und Flotte zu profilieren versuchte. Die Rückbesinnung auf den alten Markenkern spiegelte sich nicht zuletzt in einer symbolträchtigen Personalie wider. Als Charles Orth im November 1921 den NSL-Vorsitz niederlegte, trat Stanwood Menken seine Nachfolge an.26 Kennern der Bewegung sollte das Comeback des zeitweilig in Ungnade gefallenen Organisationsgründers signalisieren, dass sich die NSL von ihrer extremen Ausrichtung im Zeitraum 1918/19 distanzierte. Dass Menken bereits vor seinem Sturz über einen stetigen Radikalisierungsprozess präsidiert hatte und sein Ruf als moderater Preparedness-Vertreter insofern eine sehr relative Zuschreibung war, wurde in den internen Debatten der NSL nicht problematisiert. Den weiteren Niedergang der Organisation konnte er jedoch auch nicht verhindern. Im Februar 1925 trat Menken auf eigenen Wunsch zurück, um sich wieder stärker seiner Anwaltspraxis zu widmen.27 Sein Nachfolger wurde der pensionierte Weltkriegsgeneral Robert Lee Bullard, der der NSL die nächsten 17 Jahre vorstehen sollte.28 In den wiederkehrenden Debatten um die Budgetierung des Militärhaushalts warnte die NSL eindringlich vor einer Unterfinanzierung von Heer und

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To the Members of the Executive Committee of the National Security League (21. April 1920), in: ADS Records, Box 5, Folder 2. Vgl. Heads Security League. S. Stanwood Menken Elected President of Patriotic Organization, in: The New York Times, 23. November 1921. Die These, dass die anhaltende Erfolglosigkeit der NSL zu Menkens Rücktrittentscheidung beigetragen hat, erscheint naheliegend, muss wegen fehlender Quellenbelege aber spekulativ bleiben. Vgl. Bullard New Head of Security League. Retired General Replaces S.S. Menken, in: The New York Times, 11. Februar 1925. Eine vertiefte Diskussion der personellen Wechsel im NSL-Vorsitz findet sich bei Shulman: National Security, Fn. 39.

6 Epilog: Preparedness in der Zwischenkriegszeit

Flotte.29 Obwohl die Preparedness-Organisation neue Medien wie das Radio für ihre Propaganda nutzbar machte, trafen ihre Botschaften kaum noch auf öffentlichen Widerhall.30 Die NSL stellte resigniert fest, dass die Politik lieber auf »Pazifisten und religiöse Extremisten«31 höre als auf militärischen Expertenrat. Der Kongress, so eine Pressemitteilung aus dem Jahr 1924, lege es geradezu darauf an, die Verteidigungsfähigkeit der Vereinigten Staaten zu »verschrotten«32 . Der rapide Verlust an Diskursmacht spiegelte sich auch in der veränderten Rhetorik wider, mit der die NSL in den 1920ern operierte. Hatte die Organisation ihre sicherheitspolitischen Forderungen früher gern in martialische Worte gekleidet, so brachte sie ihre Thesen nun deutlich defensiver vor. Als sie 1922 eine Heeresstärke von wenigstens 150.000 Soldaten anmahnte, tat sie dies unter anderem mit dem Verweis auf die »Wirtschaftlichkeit«33 dieser Forderung. Die angestrebte Zahl stelle das erforderliche »Mindestmaß«34 an Verteidigungsvorkehrungen dar – eine Formulierung, die verdeutlicht, wie limitiert die Ambitionen der NSL mittlerweile waren. Wie zuletzt während der Neutralitätsperiode sah sich die Organisation dazu veranlasst, bei jeder sich bietenden Gelegenheit den friedensbewahrenden Charakter von Preparedness zu betonen. Im Jahresbericht 1924 fand sich beispielsweise eine Passage, die einem Loblied auf den Abrüstungsgedanken gleichkam – allerdings mit der Einschränkung, dass der Abbau militärischer Kapazitäten global erfolgen müsse und die USA nicht einseitig in Vorleistung treten dürften.35 Auch als

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30 31 32 33 34 35

Für exemplarische Pressemitteilungen der NSL im Zeitverlauf vgl. For an Army of 150,000. National Security League Will Renew Campaign for Preparedness, in: The New York Times, 26. Januar 1922; Says Army Morale Is Far Below Par. Security League Asserts That Officers’ Reports Contradict Washington’s Assurances, in: The New York Times, 8. Februar 1926; Our Defenses Weak, Says Gen. Bullard. Navy Is Below Treaty Strength, Army Less Than Half What Law Provides, He Asserts, in: The New York Times, 5. Dezember 1928. Vgl. Security League on Radio. Patriotic and Anti-Radical Talks Planned in Winter Series, in: The New York Times, 5. Januar 1929. Annual Report of the National Security League for 1927, New York 1927, S. 6. Nation to ›Scrap‹ Defense, He Fears. S.S. Menken, Head of Security League, Criticizes Budget Cuts by Congress, in: The New York Times, 7. April 1924. Army of 150,000, in: NYT, 26. Januar 1922. Ebd. Vgl. National Security League 1924. Annual Report of S. Stanwood Menken, New York 1924, S. 5.

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»Fight for Americanism«

der NSL-Vorsitzende zur Mitte der Dekade über die Philosophie seiner Organisation reflektierte, war Mäßigung das zentrale Schlagwort: »We are going ahead vigorously and gaining the respect of the public, and we believe it is because we exercise common sense and moderation in our attitude toward public affairs. We do not attempt to be a cure-all-evil Society. Neither do we allow ourselves, no matter what the temptation is, to become a common scold.«36 Wenngleich diese Selbsteinschätzung kaum als objektiv bezeichnet werden kann, offenbart sie doch einen bemerkenswerten Wandel im Selbstverständnis der NSL. Die Preparedness-Organisation, die sich noch vor wenigen Jahren eine grundlegende Umgestaltung der US-Gesellschaft auf die Fahnen geschrieben hatte, war geradezu bescheiden geworden. Ob die neue Mäßigung der NSL tieferer Einsicht in die Fehler der Vergangenheit geschuldet war oder schlicht vom veränderten Zeitgeist erzwungen wurde, lässt sich auf Basis der Quellen nicht abschließend klären. Dass die Preparedness-Organisation allen Grund hatte, ihr öffentliches Auftreten zu überdenken, zeigt indes ein Blick auf die katastrophale Entwicklung ihrer Unterstützerzahlen. Nach dem Ende der Red Scare ging die Zahl der NSLMitglieder – der wohl greifbarste Indikator gesellschaftlichen Rückhalts – drastisch zurück. Hatte die Preparedness-Organisation noch 1918 von 150.000 Mitgliedern gesprochen, so war im Jahresbericht 1924 nurmehr von 25.000 die Rede; zwölf Monate später vermeldete der Vorstand gar einen Rückgang auf 17.000 Mitglieder.37 Je mehr die NSL an öffentlicher Unterstützung verlor, desto stärker gingen auch ihre Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden zurück. Im Verlauf der Dekade fiel es ihr zunehmend schwer, ihre Kampagnentätigkeit aufrechtzuerhalten; gegen Ende des Jahrzehnts geriet die NSL schließlich in ernsthafte Finanznot.38 Die American Defense Society hatte in den 1920er Jahren mit ähnlichen Problemen wie die NSL zu kämpfen. Charles Davison, der den Kurs 36 37

38

Ebd., S. 4. Vgl. ebd., S. 3; Annual Report of the National Security League 1925, New York 1925, S. 4. Am Beispiel der beiden genannten Quellen zeigt sich erneut, dass die behaupteten Mitgliederzahlen der Preparedness-Organisation mit Vorsicht zu betrachten sind: Obwohl im Jahresbericht 1924 von 25.000 und im Jahresbericht 1925 von 17.000 Mitgliedern die Rede ist, findet sich in letzterem der Satz, dass die Mitgliederzahl innerhalb der vergangenen zwölf Monate um 2065 gewachsen sei. Vgl. Shulman: National Security, S. 322.

6 Epilog: Preparedness in der Zwischenkriegszeit

der Preparedness-Organisation während der Red Scare geprägt hatte, trat im Spätsommer 1920 vom Vorsitz zurück; sein Nachfolger wurde der Geschäftsmann Elon H. Hooker.39 Hoffnungen, dass der Personalwechsel vitalisierend wirken würde, erfüllten sich jedoch nicht. Hooker präsidierte in den folgenden 18 Jahren über die zunehmende Marginalisierung der ADS. Anders als die NSL sah die ADS keinerlei Anlass, sich von früheren Exzessen ihrer Kampagne zu distanzieren, sondern behielt ihre extreme Ausrichtung bei. Diese Grundsatzentscheidung manifestierte sich nicht zuletzt darin, dass gesellschaftspolitische Fragen weiterhin im Zentrum der Öffentlichkeitsarbeit standen. Unbeeindruckt von der veränderten politischen Lage warnte die ADS vor der roten Gefahr, die Amerika nach wie vor bedrohe. Ein Pamphlet von 1922 behauptete, dass die Kommunistische Partei40 der USA die »kolossalste Verschwörung in der Geschichte der Vereinigten Staaten«41 vorbereite, um die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen. Die amerikanischen Agenten Moskaus hätten bereits Teile der Presse, der Schulen, der Universitäten, der Kirchen und selbst des Militärs unterwandert. Weitere antikommunistische Propagandaschriften, die im Verlauf der Dekade veröffentlicht wurden, befeuerten die paranoide These, dass die US-Gesellschaft am Rande der Revolution stehe.42 Der Geist der Red Scare, von dem die Pamphlete nach wie vor erfüllt waren, stand in auffallendem Gegensatz zum Gefühl der Stabilität, das Amerika zur Mitte der Dekade prägte. Das einzige Motiv, das den scharfen Antikommunismus der ADS noch in den Schatten stellte, war der Nativismus. Die Hinwendung zu einer Einwanderungspolitik nach ethnischen Kriterien, die sich bereits 1919/20 angedeutet hatte, bestimmte in den Folgejahren den Kurs der PreparednessOrganisation. Die rassistischen Lehren Madison Grants fanden offiziell Einzug in ihre Programmatik und ließen die ADS zu einer lautstarken Befürwor39 40

41 42

Charles S. Davison an Board of Trustees (21. August 1920), in: ADS Records, Box 5, Folder 6; Spiro: Madison Grant, S. 423. Die Kommunistische Partei der Vereinigten Staaten war 1919/1921 in Folge der Abspaltung des linken Flügels der Sozialistischen Partei gegründet worden; vgl. Zumoff, Jacob A.: The Communist International and US Communism, 1919-1929, Leiden/Boston 2014, S. 24-48. Whitney, R.M.: The Reds in America, New York 1922, S. 3. Siehe beispielsweise Are Radical Activities Weakening American Institutions?, New York 1925; Some Red Activity in New York, New York 1925. Für die entsprechende Berichterstattung in der Presse vgl. beispielsweise To Expose Red Plots Here. American Defense Society Will Issue Book on Soviet Propaganda, in: The New York Times, 11. Januar 1924.

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terin von Nationalitätenquoten in der Einwanderungsgesetzgebung werden. Zwischen April 1922 und Februar 1924 organisierte die ADS nicht weniger als vier Konferenzen, deren Schwerpunktthema die Migrationsfrage war.43 Die versammelten Redner machten deutlich, dass sie den traditionellen Idealen des staatsbürgerlichen Nationalismus kaum noch etwas abgewinnen konnten. Einwanderer aus Ost- und Südeuropa wurden nicht mehr als Bereicherung für das Gemeinwesen, sondern als potenzielle Bedrohung der »nationalen Integrität«44 Amerikas gesehen. »Heterogenität«, so der Befund in einem der Tagungsberichte, führe zu »Dekadenz«45 . Parallel zu den Migrationskonferenzen veröffentlichte die ADS ein von Grant verfasstes Pamphlet, in dem die ›richtige‹ ethnische Herkunft zur Voraussetzung des Amerikanismus erklärt wurde: »Our institutions are Anglo-Saxon and can only be maintained by Anglo-Saxons and by other Nordic peoples in sympathy with our culture.«46 Das Machwerk trug den bezeichnenden Titel America for the Americans – ein Leitspruch, der die nativistische Zielsetzung der ADS in den 1920er Jahren treffend zusammenfasste. Während Antikommunismus und Nativismus das öffentliche Bild der ADS prägten, traten sicherheitspolitische Fragen zunehmend in den Hintergrund. Zwar forderte die Organisation auch weiterhin eine Stärkung der amerikanischen Streitkräfte und kritisierte die Abrüstungsmaßnahmen der Regierung;47 in der Propagandaarbeit nahmen diese Themen jedoch verhältnismäßig wenig Raum ein. Bei ihren sporadischen Äußerungen zur Außenpolitik würdigte die ADS vor allem die Entscheidung, dem Völkerbund dauerhaft fern zu bleiben und ermutigte die Regierung, sich aus den Angelegenheiten Europas herauszuhalten.48 Obwohl die ADS in den 1920er Jahren einen strategischen und programmatischen Kurs verfolgte, der sich deutlich von jenem der NSL unterschied,

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Vgl. The American Defense Society. Report for 1923, New York 1924, S. 10; Report for 1924 of the American Defense Society, New York 1925, S. 7-9. A Conference on Immigration Was Held Under the Auspices of the American Defense Society, New York 1923, S. 5. Ebd. Grant, Madison: America for the Americans, New York 1924. Vgl. beispielsweise Pershing Pleads for Preparedness. He Declares There Is No Reason to Believe the Near Future Will Bring Cessation of War, in: The New York Times, 29. November 1922; The Cruiser Question, New York 1928. Vgl. Report for 1922. As Submitted to and Approved by a Meeting of the Board of Trustees of the Society, New York 1923, S. 7.

6 Epilog: Preparedness in der Zwischenkriegszeit

brach ihre öffentliche Unterstützung ebenso drastisch ein. Bereits im Jahresbericht 1922 musste die Preparedness-Organisation eingestehen, dass der »apathische Zeitgeist« ein schweres »Handicap«49 für die Propagandaarbeit darstelle. Angesichts der wegbrechenden Spendeneinnahmen sei es deutlich schwieriger geworden, die umfangreichen Aktivitäten der Organisation aufrechtzuerhalten. Anders als die NSL äußerte sich die ADS nicht öffentlich zur Entwicklung ihrer Mitgliederzahlen; ein erheblicher Schwund nach dem Ende der Red Scare war aber kaum zu bestreiten.50 1924 kommentierte der Autor Sidney Howard den tristen Zustand der ADS in der New Republic mit folgenden Worten: »They are old-fashioned, […] and sadly, too, I think, ridiculous. It is a pity […].«51 Jenseits der offenkundigen Häme verwies die Bemerkung auf das zentrale Dilemma, mit dem sich sowohl die ADS als auch die NSL konfrontiert sahen: Der Alarmismus, der beide einst stark gemacht hatte, wirkte zunehmend deplatziert. Trotz aller selbstverantworteter Fehler scheiterten die aus der Krisenstimmung des Weltkriegs entstandenen Organisationen vor allem an der ›Normalität‹ der 1920er Jahre. Symbolisch manifestierte sich der Niedergang der PreparednessBewegung, als Leonard Wood im August 1927 verstarb. Während die New York Times in einem Nachruf die militärischen und administrativen Leistungen des Generals hervorhob, erwähnte sie dessen Herzensprojekt mit keinem Wort.52 Ein Jahrzehnt nach dem amerikanischen Kriegseintritt schien es, als sei die einst erbittert geführte Preparedness-Kontroverse kaum noch im kollektiven Gedächtnis der Nation verankert.

6.2

Von der Großen Depression zum Zweiten Weltkrieg (1929-1941)

Die viel beschworene ›Normalität‹ der Dekade fand schließlich ein jähes Ende, als es im Oktober 1929 zum Kurssturz an der New Yorker Börse kam. Die Gol-

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Ebd., S. 3. Die ADS legte in einigen Jahresberichten lediglich Rechenschaft über die Gesamtzahl ihrer Spender ab. Für das Jahr 1924 war 1080 und für das Jahr 1925 von 980 Personen die Rede; vgl. Report 1924, S. 6; Report 1925, S. 10. Howard, Sidney: Our Professional Patriots, in: The New Republic 511/40 (1924), S. 71-75, hier: S. 75. Vgl. Gen. Wood Buried in Arlington Grave with Solemn Rites. Undeterred by Rain, Crowds Watch Procession Through Streets of Washington, in: The New York Times, 10. August 1927.

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denen Zwanziger wichen der Großen Depression. Die schwerste Wirtschaftskrise der amerikanischen Geschichte führte bald zur Verelendung ganzer Bevölkerungsgruppen. Das Bruttoinlandsprodukt der USA halbierte sich nahezu, Millionen Amerikaner wurden zahlungsunfähig und die Arbeitslosenquote stieg auf bis zu 25 Prozent. Es dauerte nicht lange, bis die Verheerungen der Großen Depression ernsthafte Zweifel am amerikanischen Modell aufkommen ließen; politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Gewissheiten wurden grundlegend infrage gestellt.53 Viele Bürger machten die regierenden Republikaner und ihren Kurs des Laissez-Faire für die Krise verantwortlich und entzogen der Partei das Vertrauen. 1932 gelang Franklin D. Roosevelt ein erdrutschartiger Wahlsieg über Herbert Hoover. Ausgestattet mit großen Mehrheiten im Kongress bestimmten fortan die Demokraten die Geschicke der Nation. Die Antwort des neuen Präsidenten auf die Große Depression war der New Deal – ein beispielloses Bündel aus Reformmaßnahmen, das einen Paradigmenwechsel in der amerikanischen Wirtschafts- und Sozialpolitik einläutete. FDR und seine Mitstreiter implementierten in den folgenden Jahren eine nachfrageorientierte ökonomische Agenda, die auf öffentliche Beschäftigungs- und Infrastrukturprojekte setzte. Mit der Einführung der Arbeitslosen-, Renten- und Unfallversicherung legte der Social Security Act von 1935 zudem den Grundstein für den modernen amerikanischen Sozialstaat. Während es FDR bis zum Zweiten Weltkrieg nicht gelang, die Große Depression gänzlich zu überwinden, linderten die mannigfaltigen Reformmaßnahmen doch die soziale Not im Land. Entsprechend populär war die Politik des charismatischen Präsidenten bei vielen Amerikanern. Die Kehrseite der Rooseveltschen Konjunkturprogramme war ein starker Anstieg der Staatsverschuldung; auch blickten föderalistisch gesinnte Amerikaner mit Sorge auf die wachsende Dominanz der Bundesregierung gegenüber den Einzelstaaten. Insbesondere bei Konservativen traf der mit dem New Deal einhergehende Linksruck auf massive Kritik. Sie warfen dem Mann im Weißen Haus vor, seine verfassungsrechtlichen Kompetenzen zu überschreiten. Die meisten Amerikaner waren freilich anderer

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Vgl. Kennedy, David M.: Freedom from Fear. The American People in Depression and War, 1929-1945, New York/Oxford 1999, S. 43-90. Für die wirtschaftshistorischen Forschungskontroversen um die Ursachen der Großen Depression siehe Schiffman, Daniel A.: The Economic Historiography of the Great Depression, in: Sibley (Hg.): Companion Harding, Coolidge, Hoover, S. 417-443.

6 Epilog: Preparedness in der Zwischenkriegszeit

Meinung und wählten ihn 1936, 1940 und 1944 mit großen Mehrheiten wieder. Franklin Roosevelt war damit der einzige Präsident der US-Geschichte, der mehr als zwei Amtszeiten absolvierte.54 Während der Großen Depression erreichte die isolationistische Grundstimmung in der Bevölkerung einen neuen Höhepunkt. Angesichts des Elends in der Heimat hatten die meisten Amerikaner wenig Verständnis für außenpolitische Abenteuer. Der Kongress trug der öffentlichen Meinung Rechnung, indem er Mitte der 1930er Jahre eine Reihe von Neutralitätsgesetzen verabschiedete, die sicherstellen sollten, dass die USA nicht erneut in einen europäischen Krieg verwickelt werden würden. Viele Amerikaner blickten zwar mit Sorge auf die aggressive Außenpolitik der revisionistischen Mächte Deutschland, Italien und Japan, lehnten eine erneute US-Intervention in Übersee aber entschieden ab.55 Entgegen der Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung war FDR schon früh zu dem Schluss gekommen, dass eine isolationistische Außenpolitik nicht mit den Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten vereinbar sei. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs führte der Präsident sein Land sukzessive ins Lager der Alliierten. Tatsächlich bewirkten die militärischen Erfolge des nationalsozialistischen Deutschlands in Europa allmählich einen Stimmungsumschwung, der es FDR ermöglichte, den Kongress zu weitergehenden Maßnahmen zu bewegen. 1940 wurde das lange vernachlässigte Militärbudget von zwei auf zehn Milliarden Dollar verfünffacht und erstmals in der amerikanischen Geschichte die Wehrpflicht in Friedenszeiten eingeführt. Der Präsident erklärte die USA in Dezember 1940 zum ›Arsenal der Demokratie‹; im Frühjahr 1941 revidierte der Kongress die Neutralitätsgesetzgebung und verabschiedete den Lend-Lease-Act, der die Administration autorisierte, die Briten massiv mit Kriegsgütern zu unterstützen. Im August verkündete FDR gemeinsam mit Premierminister Winston Churchill die Atlantik-Charta,

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Vgl. Badger, Anthony J.: FDR. The First Hundred Days, New York 2008, S. 151-174; Kennedy: Depression and War, S. 94-103, S. 363-380; Watkins, T.H.: The Great Depression. America in the 1930s, 2. Aufl., New York u.a. 2009, S. 111-269. Für eine Gesamtdarstellung von FDRs New Deal siehe außerdem Lawson, Alan: A Commonwealth of Hope. The New Deal Response to Crisis, Baltimore 2006. Vgl. Kennedy: Depression and War, S 381-425; Landecker, Manfred: FDR’s Leadership Before World War II. The Concept of Anticipatory Reaction, in: Howard, Thomas C./Pederson, William D. (Hg.): Franklin D. Roosevelt and the Formation of the Modern World, Armonk/London 2003, S. 24-44, hier: S. 31-37.

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»Fight for Americanism«

die eine liberale Weltordnung skizzierte. Kurz darauf autorisierte der Präsident die amerikanischen Seestreitkräfte, mit Waffengewalt gegen deutsche U-Boote im Atlantik vorzugehen. Damit befanden sich die USA faktisch in einer Art unerklärtem Kriegszustand mit Deutschland. Der offizielle Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg folgte schließlich Anfang Dezember 1941, als die Japaner überraschend die amerikanische Pazifikflotte in Pearl Harbor auf Hawaii angriffen. Daraufhin erklärte der Kongress dem ostasiatischen Kaiserreich am 8. Dezember den Krieg; die Kriegserklärungen der mit Japan verbündeten Deutschen und Italiener an die USA folgten am 11. Dezember 1941. Die dramatischen Ereignisse ließen die isolationistische Opposition endgültig verstummen; Amerika setzte nun alles daran, den global ausgetragenen Konflikt siegreich zu beenden.56 Für die Geschichte des Preparedness Movement sind die Entwicklungen der 1930er Jahre vor allem insofern von Bedeutung, als sie den nachhaltigen Niedergang der Bewegung noch einmal konturiert hervortreten ließen. Schließlich erschien es angesichts der neuen Krise durchaus denkbar, dass die Bewegung revitalisiert werden könnte. Immerhin hatte die Große Depression den Stabilitätsglauben nachhaltig erschüttert und neue Diskursräume für radikale Strömungen geöffnet. In der zweiten Hälfte der Dekade kamen die wachsenden Spannungen auf der internationalen Bühne hinzu, die zur Unsicherheit in der Bevölkerung beitrugen. Dem Preparedness Movement gelang es jedoch nicht, aus den krisenhaften – und damit potenziell günstigen – Rahmenbedingungen Kapital zu schlagen. Über die Gründe für den weiterhin ausbleibenden Erfolg der Bewegung kann letztlich nur spekuliert werden. Ein wichtiger Faktor war sicherlich, dass die prägende Krise der 1930er Jahre ökonomischer und nicht sicherheitspolitischer Natur war. Die meisten Amerikaner assoziierten nach wie vor militärische Fragen mit dem Preparedness Movement – ein Thema, dem angesichts der sozialen Not kaum Priorität zukam. Selbst als sich die internationale Lage in der zweiten Hälfte der Dekade verschärfte, änderte sich wenig an diesem Befund. Außenpolitische Debatten galten weithin als Elitendiskurs, der wenig Bezug zum Alltag der einfachen Amerikaner hatte. Ein weiterer Unterschied zum Vorabend des Ersten Weltkriegs war die innenpolitische Konstellation. Anders als im Jahr 1914 war der Präsident des Jahres 1939 einer der ent56

Vgl. Depkat: USA, S. 206-210; Doenecke, Justus D./Stoler, Mark A.: Debating Franklin D. Roosevelts Foreign Policy, 1933-1945, Lanham u.a. 2005, S. 5-52; Kennedy: Depression and War, S. 426-515.

6 Epilog: Preparedness in der Zwischenkriegszeit

schiedensten Fürsprecher eines starken US-Militärs.57 Es gab insofern keinen als zögerlich wahrgenommenen Amtsinhaber im Weißen Haus, gegen dessen vermeintlich halbherzige Sicherheitspolitik man die Öffentlichkeit mobilisieren konnte. Zwar war FDR in der Tat eine Reizfigur für die verbliebenen Anhänger des Movement – allerdings nicht, weil sie ihn wie einst Wilson für einen schwachen Oberbefehlshaber hielten, sondern weil sie den New Deal ablehnten. Kritik an der populären Wirtschafts- und Sozialpolitik der Administration ins Zentrum ihrer Kampagne zu stellen, erschien aber selbst den extremsten Preparedness-Ideologen wenig erfolgversprechend.58 Doch auch im Falle günstigerer Rahmenbedingungen bleibt fraglich, ob National Security League und American Defense Society in den 1930ern noch die nötige Organisationskraft hätten aufbringen können, um eine Renaissance der Bewegung einzuleiten. Nach Jahren des Niedergangs waren sie zu Rumpforganisationen zusammengeschrumpft, die kaum noch über Mitglieder und Finanzmittel verfügten. NSL und ADS fiel es in diesem Zeitraum bereits schwer, überhaupt ein Minimum an Kampagnenaktivität aufrechtzuerhalten. Die NSL wurde 1930 noch einmal von einem heftigen Streit erschüttert, als Stanwood Menken sich überraschend für eine diplomatische Anerkennung der Sowjetunion aussprach. Der nach wie vor antikommunistisch gesinnte Vorstand unter Robert Bullard drängte den Gründer und Ex-Vorsitzenden daraufhin aus seinen verbliebenen Ämtern.59 Der interne Grabenkampf trug nicht zum Ansehen der Preparedness-Organisation bei; ihre Einnahmen brachen in den folgenden Jahren weiter ein. Im Mai 1939 ging die NSL bankrott und musste im März 1940 ihre verbliebenen Büroräume in New York aufgeben. Bullard verbrannte in der Folge das Archiv der Organisation und setzte seine Arbeit eine Zeit lang von zu Hause aus fort. Verarmt und desillusioniert vom anhaltenden Misserfolg löste er die National Security League schließlich am 1. Juli 1942 auf.60 Der ADS erging es in den letzten Jahren ihres Bestehens nur wenig besser. In den frühen 1930er Jahren trat der Vorstand kaum noch zu Sitzungen

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Vgl. Janda, Lance: The American Military, in: Pederson, William D. (Hg.): A Companion to Franklin D. Roosevelt, Chichester 2011, S. 443-458, hier: S. 445-449. Vgl. Edwards: NSL, S. 136-137; Spiro: Madison Grant, S. 860. Vgl. Menken Quits Post in Security League. Resigns as Chairman of Board When It Votes Against Soviet Recognition, in: The New York Times, 1. November 1930. Vgl. Edwards: NSL, S. 136-137.

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»Fight for Americanism«

zusammen; auch die Öffentlichkeitsarbeit wurde zeitweilig ausgesetzt.61 Der ehemalige Vorsitzende Davison beschrieb den kläglichen Zustand der einst stolzen Organisation im April 1934 mit folgenden Worten: »The American Defense Society is in the sear and yellow leaf. [I]t has drifted into obscurity and has few, if any resources […]. [F]inancially it is in a bad way.«62 Als ihr Unmut über Präsident Roosevelt zunahm, bemühten sich einige Altfunktionäre Ende 1935 ein letztes Mal um die Revitalisierung der Preparedness-Organisation.63 Unter dem Leitspruch »For the Defense of the Constitution and the American Form of Government«64 gelang es der ADS vorübergehend, weitere Spenden zu akquirieren und die Propagandatätigkeit wiederaufzunehmen. In ihren Pamphleten griff sie FDRs Plan, den Obersten Gerichtshof auf Regierungslinie zu bringen,65 in scharfen Worten an. Weitere Publikationen kritisierten die Außenpolitik des ungeliebten Präsidenten. Die ADS prophezeite bereits 1936, dass Europa und Asien am Rande eines neuen Krieges stünden. Anstatt sich wie FDR in überseeische Angelegenheiten einzumischen, sollten die Vereinigten Staaten lieber einem »Kurs des moderaten Nationalismus«66 folgen und Interventionen nach Möglichkeit vermeiden. Als die USA Ende 1941 schließlich doch in den Zweiten Weltkrieg eintraten, war es

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Vgl. Elon H. Hooker and Charles D. Davison (10. Oktober 1935), in: ADS Records, Box 8, Folder 6. Charles S. Davison an William T. Hornaday (18. April 1934), in: ADS Records, Box 8, Folder 4. Vgl. Charles S. Davison an Henry Breckenridge (12. Juli 1935), in: ADS Records, Box 8, Folder 5; Charles S. Davison an Elon H. Hooker (4. Oktober 1935), in: ADS Records, Box 8, Folder 4. Defenders of the American Constitution in the Senate, New York 1937, S. 1. Der mehrheitlich mit konservativen Richtern besetzte Supreme Court hatte mehrere New-Deal-Maßnahmen für verfassungswidrig erklärt und FDR so gegen sich aufgebracht. Der Präsident plante daher, zusätzliche Verfassungsrichter zu ernennen, um die Mehrheitsverhältnisse in seinem Sinne zu verändern (»court-packing«). Er berief sich dabei auf die Tatsache, dass die traditionelle Gesamtzahl von neun Richtern zwar als etabliert galt, konstitutionell aber nicht normiert war. Letztlich scheiterte FDRs Vorhaben am Widerspruch der Öffentlichkeit, die in dem Plan einen Angriff auf das bewährte System der Gewaltenteilung sah; siehe McKenna, Marian C.: Franklin Roosevelt and the Great Constitutional War. The Court-Packing Crisis of 1937, New York 2002. Nickerson, Hoffman: President Roosevelt and War, New York 1936, S. 14.

6 Epilog: Preparedness in der Zwischenkriegszeit

mit dem Isolationismus der Preparedness-Organisation allerdings schlagartig vorbei. Wie schon 1917 warb die ADS nun dafür, alle Kräfte zu mobilisieren, um den Konflikt zu einem siegreichen Ende zu führen.67 Ihre eigenen Kräfte waren zu diesem Zeitpunkt jedoch weitgehend erschöpft. Die vorübergehende Wiederaufnahme der Propagandatätigkeit erwies sich nicht als Initialzündung eines Comebacks, sondern als letztes Aufbäumen vor dem endgültigen Aus. In den 1940ern veröffentlichte die ADS noch eine Handvoll Pressemitteilungen,68 musste ihre Arbeit mangels öffentlicher Unterstützung und finanzieller Mittel aber zur Mitte der Dekade gänzlich einstellen. Nach Jahren der Inaktivität wurde die American Defense Society im Jahr 1956 endgültig aus dem New Yorker Körperschaftsregister gestrichen.69 Mit der Auflösung der ADS endete die Historie der PreparednessBewegung im organisationsgeschichtlichen Sinne.70

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Siehe A Ten Point Program to Preserve the American System of Individual Freedom and Free Enterprise, New York 1942. Vgl. beispielsweise Theodore Roosevelt to be Honored Today. American Defense Society to Pay Tribute at Meeting, in: The New York Times, 27. Oktober 1943; Wagner Act Criticized. Defense Society Official Calls on Senator to Lead in Revision, in: The New York Times, 15. August 1946. Siehe Guide to the Records of the American Defense Society (1915-1942), unter: NYU Libraries, URL http://dlib.nyu.edu/findingaids/html/nyhs/americandefsoc/scopecontent.html (Zugriff am 12.06.2019). NSL und ADS gehörten zu den langlebigsten der im Ersten Weltkrieg gegründeten Preparedness-Organisationen. Die meisten der kleineren Vereinigungen hatten sich bereits im Verlauf der 1920er Jahre aufgelöst.

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7 Schlussbetrachtungen: Ein Rückblick auf Preparedness

Im Jahr 1947 veröffentlichte George Creel, der zwischen 1917 und 1919 dem Committee on Public Information vorgestanden hatte, seine Memoiren.1 In dem Buch beklagte sich der ehemalige Chefpropagandist der US-Regierung über das negative Bild, das viele Amerikaner von seiner Rolle im Ersten Weltkrieg hätten. Die damalige Hysterie an der Heimatfront, so Creel, sei zweifellos bedauerlich gewesen, könne aber nicht auf die seriöse Arbeit seiner Behörde zurückgeführt werden. Die eigentlichen Übeltäter seien die vermeintlich patriotischen Organisationen aus der Zivilgesellschaft gewesen. Diese »Chauvinisten« hätten nicht das legitime Informationsbedürfnis der Bevölkerung gestillt, sondern sich ganz der »Emotionalität«2 hingegeben. Creel nannte in seinen Memoiren zwei Organisationen beim Namen, auf die seine Vorwürfe in besonderer Weise zuträfen: »The National Security League and the American Defense Society, offered by prominent citizens, were easily the most active and obnoxious. At all times their patriotism was a thing of screams, violence, and extremes, and their savage intolerances had the burn of acid. From the first they […] were chiefly responsible for the development of a mob spirit in many sections. They worked, of course, in fertile ground, for there is a simplicity about hate that makes it attractive to a certain type of mind.«3 Unabhängig von der Frage, ob man Creels einseitiger Schuldzuweisung folgen mag, zeugt die Passage doch davon, welche Bedeutung prominente Zeitge-

1 2 3

Siehe Creel, George: Rebel at Large. Recollections of Fifty Crowded Years, New York 1947. Ebd., S. 195-196. Ebd., S. 196.

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»Fight for Americanism«

nossen den beiden Preparedness-Organisationen auf dem Höhepunkt ihrer Wirkmächtigkeit zusprachen. NSL und ADS war es 1947 nicht mehr vergönnt, selbst zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen. So bleibt es maßgeblich Historikern überlassen, die historische Relevanz der Preparedness-Organisationen zu bestimmen. Hierfür werden in einem ersten Schritt die Ergebnisse der Untersuchung rekapituliert und die eingangs aufgeworfenen Leitfragen zur Organisationsgeschichte von NSL und ADS beantwortet. Im Anschluss werden die drei Kernthesen der Arbeit noch einmal aufgegriffen und in Bezug zum ideengeschichtlichen Erkenntnisinteresse der Arbeit gesetzt. Vor dem Hintergrund des Kriegsausbruchs in Europa gewann der bereits um die Jahrhundertwende aufgekommene Preparedness-Gedanke im Herbst 1914 schlagartig an öffentlicher Aufmerksamkeit. Politiker wie Augustus Gardner oder Theodore Roosevelt popularisierten die bisher wenig bekannte Parole der Militärreformer um Leonard Wood und warnten die amerikanische Bevölkerung in drastischen Worten vor den militärischen Defiziten der USA. Der sich entspinnende Diskurs um die nationale Sicherheit entwickelte rasch eine Eigendynamik, die Teile der Zivilgesellschaft für Preparedness begeisterte und eine soziale Bewegung entstehen ließ. Der New Yorker Anwalt Stanwood Menken ergriff die Initiative und gründete im Winter 1914/15 zusammen mit einigen gleichgesinnten Privatmännern der New Yorker Oberschicht eine Lobbyorganisation für Preparedness. Die National Security League machte es sich zur Aufgabe, die Amerikaner über Fragen der nationalen Sicherheit aufzuklären. Die Organisation warb unter anderem für die Aufrüstung von Heer und Flotte sowie Maßnahmen zur besseren Koordinierung der Rüstungsindustrie; wichtigste Einzelforderung war die Wehrpflicht in Friedenszeiten. Im Sommer 1915 führte ein interner Streit um die Frage, wie kritisch man sich gegenüber der aufrüstungsskeptischen WilsonAdministration positionieren sollte, zur Abspaltung der radikaleren American Defense Society. NSL und ADS hatten sich bald als führende PreparednessOrganisationen etabliert.4 In ihren inneren Strukturen waren NSL und ADS verhältnismäßig hierarchisch aufgebaut. Während sich im ganzen Land Ortsgruppen bildeten, wurde der strategische und programmatische Kurs der Organisation vom jeweiligen Vorstand in New York City bestimmt. Die Funktionäre an der Spitze der

4

Vgl. Kap. 2 und 3.1 dieser Arbeit.

7 Schlussbetrachtungen: Ein Rückblick auf Preparedness

Bundeszentrale waren eifersüchtig darum bemüht, ihren Einfluss zu wahren. Der Führungsanspruch des NSL-Vorstands bekam später zwar Brüche; von basisdemokratischer Entscheidungsfindung konnte aber bei keiner der beiden Preparedness-Organisationen die Rede sein.5 Während der Neutralitätsperiode fiel es den zivilen Organisationen schwer, eine Mehrheit der Amerikaner von ihren Anliegen zu überzeugen. Obwohl sich beachtliche Teile der urbanen Mittel- und Oberschicht für Preparedness begeistern konnten, blieben die meisten Arbeiter und ein Großteil der Landbevölkerung skeptisch. Die gängigen Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit – Pamphlete, Zeitungsinterviews oder öffentliche Informationsveranstaltungen – erzeugten zwar Aufmerksamkeit in der Presse, mobilisierten aber auch die Kritiker von NSL und ADS. Mit der Friedensbewegung hatten die Organisationen einen Gegner, der lautstark den Vorwurf des Militarismus erhob. Spektakuläre PR-Aktionen wie die landesweiten Preparedness-Paraden oder die großen Preparedness-Konferenzen änderten wenig am hartnäckigen Widerstand gegen Aufrüstungsmaßnahmen. Zwar bekannte sich die Wilson-Administration im Nachgang der Lusitania-Krise schließlich doch zu Preparedness, war aber keineswegs bereit, die weitergehenden Forderungen des Movement – etwa nach der Wehrpflicht – zu übernehmen. Hinzu kam, dass der Kongress die moderate militärpolitische Agenda des Präsidenten nochmals entschärfte. Die im Sommer 1916 verabschiedete Heeresreform stellte für NSL und ADS eine große Enttäuschung dar und trug zur weiteren Radikalisierung gegenüber der als führungsschwach empfundenen Regierung bei. Gleiches galt für die Präsidentschaftswahl im November 1916, die Wilson eine weitere Amtszeit bescherte.6 Der amerikanische Kriegseintritt im April 1917 transformierte die Kampagne der Preparedness-Organisationen. Hatten sich NSL und ADS bisher zu Neutralität und Frieden bekannt, redeten sie nun einer kompromisslosen Kriegsführung das Wort. Die Kriegshysterie, die sich in der amerikanischen Gesellschaft ausbreitete, bescherte den zivilen Organisationen Zehntausende neue Mitglieder und ein bisher nicht gekanntes Maß an öffentlicher Resonanz. Da nunmehr viele ihrer sicherheitspolitischen Forderungen umgesetzt wurden, konzentrierten sich NSL und ADS umso mehr auf die gesellschaftspolitische Dimension von Preparedness. So gewann der bereits während der Neutralitätsperiode eingesetzte Radikalisierungsprozess der Orga5 6

Vgl. Kap. 3.1 dieser Arbeit. Vgl. Kap. 3.2 und 3.3 dieser Arbeit.

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nisationen weiter an Dynamik und ließ sie gegen vermeintlich illoyale Bevölkerungsgruppen an der Heimatfront agitieren – insbesondere Pazifisten und Deutsch-Amerikaner. Die NSL konzentrierte sich in diesem Zeitraum vor allem auf die Bildungsarbeit an Schulen und konnte so ihre gesellschaftliche Reichweite erheblich ausbauen. Die ADS bevorzugte handfestere Methoden und gründete eine organisationseigene Bürgerwehr, um sich auf dem Feld des Vigilantismus zu betätigen.7 Auf dem Zenit ihres öffentlichen Einflusses erschütterte 1918 eine Reihe von Skandalen die Reputation der NSL. Der ›McElroy Incident‹ in Madison, Wisconsin, sorgte für Schlagzeilen über die fanatischen Tendenzen innerhalb der Organisation. Der negative Eindruck verstärkte sich durch den Sturz des Vorsitzenden Stanwood Menken, der im Sommer zum Gegenstand der öffentlichen Berichterstattung wurde. Der größte Reputationsschaden entstand freilich, als sich die NSL in den Kongresswahlkampf einmischte und sich im Anschluss vor einem Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses verantworten musste. Zeitweiser Profiteur dieses Ansehensverlusts war die ADS, die sich mit der Berufung Roosevelts zum Ehrenvorsitzenden profilieren konnte. Mit dem Waffenstillstand vom November 1918 stellte sich indes für beide Preparedness-Organisationen die Frage, ob ihre Kampagne noch eine Zukunft hatte.8 Im Winter 1918/19 entschlossen sich NSL und ADS, ihre Arbeit fortzusetzen, um die Nation für die Herausforderungen der Nachkriegszeit zu wappnen. Der Wegfall der äußeren Bedrohung durch den Weltkrieg erschwerte die Öffentlichkeitsarbeit allerdings erheblich. Hinzu kam, dass die PreparednessBewegung mit dem Tod Roosevelts im Januar 1919 ihren prominentesten Kopf verlor. Im politischen Streit um den Völkerbund, der die öffentliche Debatte des Jahres 1919 prägte, offenbarten sich zudem Friktionen innerhalb des Movement. Den zivilen Organisationen gelang es in dieser zentralen Frage nicht, eine einheitliche Position zu entwickeln.9 Um ihre gesellschaftliche Relevanz zu wahren, bemühten sich NSL und ADS umso mehr darum, das Bedrohungsgefühl der Kriegszeit zu perpetuieren. Beide Organisationen adaptierten einen scharfen Antikommunismus und warnten in immer drastischeren Tönen vor der sozialistischen Gefahr. Das Misstrauen der Mehrheitsgesellschaft richtete sich während der Red

7 8 9

Vgl. Kap. 4.1 dieser Arbeit. Vgl. Kap. 4.2 dieser Arbeit. Vgl. Kap. 5.1 und 5.2.1 dieser Arbeit.

7 Schlussbetrachtungen: Ein Rückblick auf Preparedness

Scare auch gegen Einwanderer. Die Preparedness-Organisationen beteiligten sich am immigrationspolitischen Diskurs, bezogen hier aber eine weniger eindeutige Position als im Kampf gegen den Kommunismus. Zwar beschworen sie in den meisten Propagandaschriften die inkludierenden Ideale des staatsbürgerlichen Nationalismus; allerdings waren bei der ADS auch erstmals Stimmen vernehmbar, die dem Nativismus das Wort redeten.10 Während sich die NSL im Präsidentschaftswahlkampf 1920 in Zurückhaltung übte, ergriff die ADS offen Partei für Warren Harding – eine Entscheidung, die für erhebliches Befremden unter vielen einfachen Mitgliedern der Organisation sorgte. Der ADS-Vorstand ignorierte die Kritik, unterstellte er dem Republikanischen Präsidentschaftskandidaten doch große programmatische Schnittmengen mit der Preparedness-Bewegung. Diese Annahme stellte sich bald als Fehleinschätzung heraus. Der Wahlsieg Hardings führte nicht zum erhofften gesellschaftlichen Durchbruch des Movement, sondern leitete dessen endgültigen Niedergang ein.11 Hardings Wahlkampfparole von der ›Rückkehr zur Normalität‹ erwies sich als wegweisend für die politischen Entwicklungen in den 1920er Jahren. Als der neue Präsident sein Amt im März 1921 antrat, war die Red Scare bereits weitgehend abgeflaut; der Alarmismus der Preparedness-Organisationen wirkte zunehmend deplatziert. Während die Amerikaner den wachsenden Wohlstand der Dekade genossen, beschloss die Regierung ein Abrüstungsprogramm, das erhebliche Frustrationen bei NSL und ADS hervorrief. Beide Organisationen hatten dem neuen Zeitgeist jedoch wenig entgegenzusetzen, verloren sie im Verlauf des Jahrzehnts doch rapide an öffentlicher Aufmerksamkeit; Mitgliederzahlen und Spendeneinnahmen gingen dramatisch zurück. Auch die Große Depression und die außenpolitischen Krisen im Vorfeld des amerikanischen Eintritts in den Zweiten Weltkrieg bescherten den Preparedness-Organisationen nicht das erhoffte Comeback. Nach mehr als zwei Dekaden des Siechtums stellten NSL und ADS ihre Aktivitäten in den 1940er Jahren endgültig ein.12 Welche zentralen Erkenntnisse für die Geschichte der PreparednessBewegung lassen sich aus den Untersuchungsergebnissen der Studie ableiten? Wie eingangs skizziert, kommt die Arbeit in drei Kernpunkten zu Befunden, die auf eine partielle Revision des Forschungsstands hinauslaufen.

10 11 12

Vgl. Kap. 5.2 dieser Arbeit. Vgl. Kap. 5.2.4 dieser Arbeit. Vgl. Kap. 6 dieser Arbeit.

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(1) Das Preparedness Movement war eine bemerkenswert plural strukturierte Bewegung, deren institutioneller und ziviler Arm nur sporadisch miteinander kooperierten. Anders als in der Literatur dargestellt, dominierte das lose Netzwerk von institutionellen Akteuren in Politik, Verwaltung und Militärführung die Kampagne keineswegs. Stattdessen kam autonom agierenden Preparedness-Organisationen eine Schlüsselrolle zu. Theodore Roosevelt oder Leonard Wood waren als prominente Köpfe der Gesamtbewegung zwar wichtige Identifikationsfiguren für NSL und ADS; für direkte Einflussnahme gibt es in den Quellen aber kaum Anhaltspunkte. Vielmehr waren die Führungsfunktionäre im Bundesvorstand beider Vereinigungen sehr darum bemüht, ihren Handlungsspielraum zu verteidigen und auszubauen – ein Befund, der durch die Machtkämpfe innerhalb der Preparedness-Organisationen illustriert wird. Die Mitgliedschaft bekannter Staatsmänner in einer PreparednessOrganisation entsprach zeitgenössischen Gepflogenheiten und ist kein Indikator für eine politische Fremdsteuerung. Politiker wie Theodore Roosevelt oder Joseph Choate mochten ihre Namen als Ehrenvorsitzende oder Beiratsmitglieder zur Verfügung stellen und gelegentlich an einer öffentlichen Veranstaltung teilnehmen; mit tatsächlichem Einfluss auf den Kurs von NSL oder ADS ging dies jedoch nicht einher. Vor allem während der Neutralitätsperiode betonten die Preparedness-Organisationen ihren überparteilichen Anspruch, um weniger Angriffsfläche im öffentlichen Meinungskampf zu bieten. Wie sie in den Wahlkämpfen von 1918 beziehungsweise 1920 auf schmerzhafte Weise erfahren mussten, schadete übermäßige Nähe zur Politik ihrem Ansehen. Auch die Militärreformer im Offizierskorps und der Ministerialverwaltung, die die Preparedness-Parole ursprünglich ersonnen hatten, waren nur sporadisch in Kontakt mit den zivilen Organisationen. Während der Neutralitätsperiode zitierten NSL und ADS die Experten um Wood gerne als ›Kronzeugen‹; spätestens mit dem Kriegseintritt entfernte sich die Programmatik der stark ideologisierten Organisationen aber deutlich von den pragmatischeren Vorstellungen der Militärreformer. Die Zersplitterung der zivilen Säule des Movement in zahlreiche Einzelorganisationen spricht ebenfalls gegen eine Fremdsteuerung durch institutionelle Akteure im Hintergrund. Vielen Zeitgenossen war bewusst, dass die Neigung zum Partikularismus die wohl größte Schwäche der PreparednessKampagne darstellte. In den Quellen finden sich zahlreiche Kommentare institutioneller Akteure, die die ineffizienten Parallelstrukturen kritisierten. Die Missbilligung Woods und anderer prominenter Wortführer der Bewegung än-

7 Schlussbetrachtungen: Ein Rückblick auf Preparedness

derte jedoch nichts daran, dass sich zahlreiche neue Vereinigungen mit ähnlich gelagerten Zielen gründeten, die einander kannibalisierten. Im Zweifel priorisierten die zivilen Führungsfunktionäre die Handlungsfreiheit ihrer jeweiligen Organisation gegenüber den Appellen, eine einheitliche Front zu bilden. Versuche, die Öffentlichkeitsarbeit stärker zu koordinieren, blieben weitgehend erfolglos. Selbst die zweimalige Gründung eines Dachverbands für Preparedness änderte wenig an diesem Befund. Sämtliche Konsolidierungsbemühungen scheiterten letztendlich am Unwillen, die Unabhängigkeit der eigenen Organisation – und damit die Reinheit der eigenen PreparednessLehre – zu kompromittieren. Die Untersuchung weist nach, dass zivile Organisationen als autonom agierende Akteure der Preparedness-Kampagne zentrale Träger des Movement waren. Durch ihre umtriebige Öffentlichkeitsarbeit waren NSL oder ADS in den Augen vieler Amerikaner das eigentliche Sprachrohr der Gesamtbewegung. Angesichts ihrer Schlüsselrolle sind beide Organisationen konstitutiv für das historische Verständnis von Preparedness. (2) Eine angemessene Periodisierung der Preparedness-Bewegung muss den Zeitraum 1914 bis 1920 abdecken. Anders als in weiten Teilen der Literatur behauptet, war das Movement nicht bloß auf die zweieinhalbjährige Phase der amerikanischen Neutralität beschränkt. Als zentrale Träger der Bewegung setzten zivile Preparedness-Organisationen ihre Aktivitäten auch nach dem Kriegseintritt im April 1917 und nach dem Waffenstillstand vom November 1918 fort. Sie verloren ihre gesellschaftliche Bedeutung erst mit dem Abflauen der Red Scare zum Jahresende 1920. Zwar war die Verteidigung der amerikanischen Neutralität zwischen 1914 und 1917 ein zentraler Topos von Preparedness. Dies bedeutete jedoch nicht, dass das Projekt mit dem Kriegseintritt der USA obsolet geworden wäre. In der historischen Rückschau markiert der 6. April 1917 eine zentrale Zäsur für die Preparedness-Bewegung. Nachdem man zweieinhalb Jahre lang vor Bedrohungen der nationalen Sicherheit gewarnt hatte, war der Ernstfall nun tatsächlich eingetreten. Unter dem Primat militärischer Notwendigkeit leitete die US-Regierung umfassende Mobilisierungsmaßnahmen ein. Viele institutionelle Akteure, insbesondere im Offizierskorps und der Militärverwaltung, wandten sich nun den praktischen Problemen der Kriegsführung zu und stellten ihr Engagement für das Movement weitgehend ein. Auch die politischen Repräsentanten der Bewegung, von denen viele als scharfe Kritiker der Wilson-Administration bekannt waren, übten sich vorerst in Zurückhaltung, um nicht als unpatriotisch zu gelten. Der faktische Ausfall seines in-

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stitutionellen Arms bedeutete jedoch nicht das Ende des Preparedness Movement. Für die zivilen Organisationen war schnell klar, dass ihre Mission noch nicht beendet war. NSL und ADS verlagerten den Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit von militärischen Fragen auf die Mobilisierung der Zivilgesellschaft, setzten ihre Kampagne aber ungebrochen fort. Die Preparedness-Parole erwies sich in diesem Zusammenhang als bemerkenswert anpassungsfähig, subsumierten die Organisationen doch nunmehr alles, was aus ihrer Sicht zum Sieg über Deutschland beitrug, unter den Begriff. Der Waffenstillstand vom 11. November 1918 markiert die zweite wichtige Zäsur in der Geschichte der Preparedness-Bewegung. Anders als beim Kriegseintritt stand eine Selbstauflösung kurz zur Debatte, wurde aber letztlich verworfen. Insgesamt kann konstatiert werden, dass NSL und ADS die Anpassung ihrer Kampagne an die neue weltpolitische Lage schlechter gelang als noch beim Kriegseintritt. Zwischen 1918 und 1920 mehrten sich die Anzeichen, dass die zivilen Organisationen den Zenit ihres gesellschaftlichen Einflusses überschritten hatten. Auf den Grad ihrer Kampagnenaktivität wirkte sich dieser Bedeutungsverlust allerdings zeitverzögert aus: Trotz nachlassender Resonanz konnten NSL und ADS ihre umfangreiche Propagandaarbeit während der gesamten Red Scare aufrechterhalten. Der endgültige Niedergang des Movement wurde erst mit der Präsidentschaftswahl vom November 1920 eingeleitet. Obwohl NSL und ADS auch nach 1920 fortbestanden und die Preparedness-Kampagne nicht schlagartig eingestellt wurde, erscheint das Ende der Red Scare als angemessenes Enddatum für die Periodisierung des Movement.13 Warren Hardings Wahlsieg unter dem Motto ›Rückkehr zur Normalität‹ wurde gemeinhin als Abrechnung der Amerikaner mit dem repressiven Zeitgeist interpretiert, der die USA seit 1917 geprägt hatte. Für die Preparedness-Organisationen, die primär vom Bedrohungsgefühl der Menschen zehrten, kam dieser gesellschaftliche Stimmungswandel einem Entzug der Existenzgrundlage gleich. Die Auflösungserscheinungen, die NSL und ADS in den Folgejahren erfassen sollten, verdeutlichen, dass man

13

Das ›Ende‹ der Red Scare lässt sich freilich nur annäherungsweise datieren. Während diese Arbeit der vorherrschenden Periodisierung in der Geschichtswissenschaft folgt und die Präsidentschaftswahl vom 2. November 1920 als zentralen Wendepunkt interpretiert, betonen manche Historiker auch andere Daten. So wird beispielsweise auf den Mai 1920 verwiesen, als trotz Warnungen der Sicherheitsbehörden ein befürchteter Aufstand der Kommunisten ausblieb; vgl. Murray: Red Scare, S. 239-262.

7 Schlussbetrachtungen: Ein Rückblick auf Preparedness

das Preparedness Movement nach 1920 kaum noch als relevante Bewegung bezeichnen konnte. Die Untersuchung weist nach, dass die Preparedness-Bewegung nicht bloß während der Neutralitätsperiode aktiv war, sondern die öffentliche Debatte auch während der Kriegszeit und der Red Scare prägte. Eine Periodisierung, welche den Zeitraum 1914 bis 1920 abdeckt, lässt Preparedness zugleich als Symptom einer sechsjährigen Krisenperiode erkennbar werden, die auch in einigen Überblickswerken als zusammenzudenkende Phase der amerikanischen Geschichte beschrieben wird.14 (3) Ideengeschichtlich lässt sich Preparedness in der Denktradition des Nationalismus verorten. Anders als in weiten Teilen der Literatur behauptet, war die Bewegung kein Phänomen, das sich klar dem Progressivismus oder dem Konservativismus zuordnen lässt. Stattdessen vereinte Preparedness ideologische Elemente beider politischer Philosophien, um gesellschaftliche Gegensätze zu überwinden und die Nation zusammenzuführen. Für dieses Ziel vereinnahmte das Movement den Begriff des Amerikanismus und gab ihm eine autoritär-kollektivistische Deutung. In der heterogen strukturierten Preparedness-Bewegung waren sowohl führende Repräsentanten des Progressivismus als auch des Konservativismus aktiv. Obwohl weltanschauliche Differenzen zum Partikularismus der zivilen Organisationen beitrugen, gelang es dem Movement doch, eine Sprache zu entwickeln, die Anhänger beider großen Lager zusammenführte. Progressive wurden durch eine Rhetorik angesprochen, die den Fortschritts-, Reformund Effizienzaspekt von Preparedness betonte und auf wissenschaftlichen Expertenrat verwies. Konservative konnten sich dagegen mit dem harmonisch-organischen Gesellschaftsbild der Bewegung und ihrer Idealisierung der vorindustriellen US-Gesellschaft identifizieren. Die immer wieder bemühten Appelle an Patriotismus und Amerikanischen Exzeptionalismus trugen ebenfalls dazu bei, dass das Movement eine breite ideologische Anschlussfähigkeit aufwies. In einer Zeit, in der politische, sozioökonomische und kulturelle Gegensätze die Gesellschaft zu spalten schienen, sollte Preparedness die Amerikaner vereinen. Dass es den Preparedness-Organisationen um mehr als eine bloße Stärkung des US-Militärs ging, wurde bereits in ihren frühen programmatischen

14

Siehe beispielsweise James, D. Clayton/Sharp Wells, Anne: America and the Great War. 1914-1920, Wheeling 1998.

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Schriften deutlich. Schon bei den erbittert geführten Debatten um die Wehrpflicht spielten gesellschaftspolitische Fragen eine zentrale Rolle. NSL und ADS verstanden die Wehrpflicht nicht bloß als effiziente Maßnahme, um die Personalnot der Streitkräfte zu beheben, sondern als genuine Sozialreform. Der gemeinsame Dienst an der Waffe sollte den Zentrifugalkräften der modernen Industriegesellschaft entgegenwirken und die Vereinzelung des Individuums überwinden. Richtete sich die Preparedness-Kampagne vordergründig gegen äußere Bedrohungen, so ging es im Kern um die inneren Problemlagen der Vereinigten Staaten. Während der Neutralitätsperiode zeichneten die Preparedness-Organisationen ein düsteres Bild vom Zustand der amerikanischen Gesellschaft. Klassengegensätze und Masseneinwanderung hätten den Gemeinschaftssinn geschwächt, Materialismus und Individualisierung die Dekadenz in der Bevölkerung befeuert. Demgegenüber zeige das Beispiel der europäischen Kriegsgesellschaften, dass der Primat des Militärischen ein ungeahntes Maß an patriotischer Bürgertugend hervorrufen könne. Vor diesem Hintergrund erschienen NSL und ADS Preparedness-Maßnahmen als perfektes Substitut für einen tatsächlichen Kriegseintritt der USA, könne man sich doch so das sozialreformerische Potenzial des Militärischen nutzbar machen, ohne die Nation den zerstörerischen Auswirkungen eines echten Krieges auszusetzen. Tatsächlich hatten die mehrheitlich isolationistisch gesinnten Nationalisten des Movement zunächst wenig Neigung, die Vereinigten Staaten in einen fremdländischen Krieg zu verwickeln. Als die USA im April 1917 schließlich doch in den Konflikt intervenierten, legten die Organisationen ihre isolationistische Haltung jedoch rasch ab und porträtierten den Krieg gegen Deutschland als Bewährungsprobe für den Amerikanismus und ultimative Preparedness-Maßnahme. Durch den Kriegseintritt verloren die meisten militär- und rüstungspolitischen Fragen ihren kontroversen Charakter, sodass sich NSL und ADS vor allem der zivilen Mobilisierung der Heimatfront zuwandten. Damit rückte die Homogenisierung der amerikanischen Einwanderungsgesellschaft endgültig in den Fokus ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Die Preparedness-Organisationen zeichneten in ihren Schriften das idealisierte Bild eines staatsbürgerlichen Nationalismus, der Menschen jeglicher Abstammung als US-Bürger willkommen hieß – solange diese sich in die amerikanische Mehrheitskultur assimilierten und den propagierten Konformitätsvorstellungen beugten. Das Amerikanismus-Verständnis von NSL und ADS war zugleich inkludierend und autoritär. Umso schärfer hetzten die Preparedness-Organisationen

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gegen vermeintlich illoyale Elemente in der Bevölkerung, die sich gegen die nationale Gemeinschaft stellten. So gerieten insbesondere Pazifisten und jene Deutsch-Amerikaner, die als nicht vollständig assimiliert galten, in den Fokus der Propaganda. Während der Red Scare wurde der Antikommunismus zum zentralen Element in der nationalistischen Ideologie des Preparedness Movement. Es dauerte nicht lange, bis NSL und ADS auch gemäßigtere Teil der amerikanischen Linken zu Staatsfeinden erklärten. Damit konterkarierten sie ihre ursprüngliche Zielsetzung, die traditionellen Gegensätze zwischen den politischen Lagern zu überwinden und unter dem Banner des Amerikanismus zusammenzuführen. Auch die Kapitalismuskritik der Preparedness-Organisationen, die materialistische Exzesse aus einer agrarromantisch-republikanischen Perspektive anprangerte, wirkte zunehmend unglaubwürdig. Darüber hinaus erschütterte die Red Scare den Konsens des staatsbürgerlichen Nationalismus, den die Preparedness-Bewegung bisher stets betont hatte. Während die NSL am klassischen Ideal eines inkludierenden Amerikanismus festhielt, zeigte die ADS erste Sympathien für eine ethnische Umdeutung des US-Nationalismus – eine Entwicklung, die die Organisation Anfang der 1920er Jahre ins Lager des amerikanischen Nativismus führen sollte. Die Untersuchung weist nach, dass es sich bei Preparedness um ein nationalistisches Integrationsprojekt handelte. Als zentrale Träger des Movement zielten NSL und ADS im Kern darauf ab, gesellschaftliche Widersprüche auszumerzen und das amerikanische Volk zu einer patriotischen Gemeinschaft zusammenzuschweißen. Ihre Homogenitätsvorstellungen ließen die Preparedness-Organisationen einen illiberalen und antipluralistischen Amerikanismus propagieren, dem ein autoritär-kollektivistisches Gesellschaftsbild zugrunde lag. Welche historische Relevanz kommt der Preparedness-Bewegung und den sie tragenden Organisationen zu? Als George Creel seine eingangs zitierte Abrechnung im Jahr 1947 veröffentlichte, galten National Security League und American Defense Society als gescheiterte Gruppierungen, die jeglichen Einfluss verloren hatten und kaum noch einem Amerikaner in Erinnerung waren.15 Dennoch kann kaum bestritten werden, dass beide Organisationen zeitweise über erhebliche Diskursmacht verfügten. Zwischen 1914/15 und 1920 trugen NSL und ADS maßgeblich dazu bei, dass das Preparedness 15

Vgl. Shulman: National Security, S. 322-323.

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Movement zu einer der lautstärksten Bewegungen im Amerika des frühen 20. Jahrhunderts werden konnte. Dass die Preparedness-Bewegung heute nur noch Fachexperten ein Begriff ist, ist wohl vor allem ihrer verhältnismäßig kurzen Wirkungsdauer geschuldet. Anders als die amerikanische Frauen- oder Bürgerrechtsbewegung, für die die Zeit des Ersten Weltkriegs ebenfalls von großer Bedeutung war,16 gibt es bei Preparedness kaum direkte Kontinuitätslinien in spätere Jahrzehnte. Die Propagandaexzesse von NSL und ADS (sowie deren ausgesprochen negative Rezeption durch die Isolationisten der Zwischenkriegszeit) hatten bewirkt, dass sich kaum jemand auf das diskreditierte Erbe des Preparedness Movement berufen wollte.17 Als sich im beginnenden Kalten Krieg die Erkenntnis in den Vereinigten Staaten durchsetzte, dass militärische Stärke eine wichtige Voraussetzung für nationale Sicherheit war, verwiesen Außenpolitiker nicht auf die sicherheitspolitischen Lehren des Ersten Weltkriegs. Stattdessen wurde der in der US-Erinnerungskultur ungleich präsentere Zweite Weltkrieg zum zentralen Fixpunkt.18 Nichtsdestotrotz fällt auf, dass sich bestimmte Argumentationsmuster der Preparedness-Kampagne bis heute im öffentlichen Diskurs Amerikas wiederfinden. Jenseits der Debatte um das optimale Maß an militärischer Rüstung gilt dies insbesondere für die Obsession der Bewegung mit der nationalen Identität des Landes. Auch 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs bewegt die US-Gesellschaft die Frage, was einen Amerikaner zum Amerikaner macht. Als der Kongress 1965 die auf den National Origins Act zurückgehenden Nationalitätenquoten abschaffte, schien es, als sei der alte Konflikt zwischen staatsbürgerlichem und ethnischem Nationalismus endgültig zugunsten von Ersterem entschieden.19 Die politischen Entwicklungen der jüngsten 16 17

18 19

Siehe Keene, Jennifer D.: Deeds Not Words. American Social Justice Movements and World War I, in: Journal of the Gilded Age and Progressive Era 17/4 (2018), S. 704-718. Zwar wird die Parole ›Preparedness‹ zum Teil bis in die Gegenwart in politischen Debatten genutzt; die historischen Ursprünge des Begriffs werden dabei jedoch gemeinhin nicht reflektiert. Heute wird der Terminus insbesondere im Kontext des Katastrophenschutzes verwendet; siehe beispielsweise National Preparedness Report 2018, unter: FEMA, URL https://www.fema.gov/media-library-data/15417811858232ae55a276f604e04b68e2748adc95c68/2018NPRRprt20181108v508.pdf (Zugriff am 31.10.2019). Vgl. Suri, Jeremi: The Early Cold War, in: Schulzinger (Hg.): Companion Foreign Relations, S. 215-229, hier: S. 215-216. Vgl. Lee, Erika: A Nation of Immigrants and a Gatekeeping Nation. American Immigration Law and Policy, in: Ueda (Hg.): Companion Immigration, S. 5-35, hier: S. 18-21.

7 Schlussbetrachtungen: Ein Rückblick auf Preparedness

Vergangenheit lassen diese Deutung jedoch zweifelhaft erscheinen. Die zum Teil fremdenfeindlich konnotierten Kontroversen um die Einwanderungspolitik, die in den letzten Jahren erheblich zur Polarisierung der US-Gesellschaft beigetragen haben, zeigen, dass der Nativismus auch im 21. Jahrhundert eine wirkmächtige Ideologie darstellt.20 Darüber hinaus ist fraglich, ob der staatsbürgerliche Nationalismus, der bis heute die Grundlage der amerikanischen Zivilreligion und damit der patriotischen Alltagskultur bildet, in jedem Fall als liberales Gegenmodell zum ethnischen Nationalismus verstanden werden kann. Das Beispiel der National Security League demonstriert eindrucksvoll, dass auch das Ideal der Willensnation, freiheitsliebende Menschen jeglicher Abstammung in den USA willkommen zu heißen, einen autoritären Konformitätsdruck entfalten kann. Für einen wahrhaft liberalen Patriotismus gilt, was der amerikanische Schriftsteller William Faulkner bereits 1956 feststellte: »We must be free not because we claim freedom, but because we practice it.«21

20 21

Siehe Young, Julia G.: Making America 1920 Again? Nativism und US Immigration, Past and Present, in: Journal on Migration and Human Security 5/1 (2017), S. 217-235. Faulkner, William: On Fear. Deep South in Labor Mississippi, in: Meriwether, James B. (Hg.): Essays, Speeches & Public Letters by William Faulkner, London 1967, S. 92-106, hier: S. 106.

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Abkürzungsverzeichnis

ADS

American Defense Society

AFL

American Federation of Labor

CPI

Committee on Public Information

FDR

Franklin Delano Roosevelt

GOP

Grand Old Party (Republikanische Partei)

IWW

Industrial Workers of the World

NSL

National Security League

NYT

New York Times

PR

Public Relations

WASP

White Anglo-Saxon Protestant

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Gedruckte Quellen Sofern das Schrifttum der Preparedness-Organisationen nicht als Teil der eingangs aufgeführten Archivbestände erhalten wurde, ist es im Folgenden als eigenständige Publikation aufgeführt. Der Zugriff erfolgte über die New York Public Library, die Tamiment Library der New York University sowie die HathiTrust Digital Library. A Conference on Immigration Was Held Under the Auspices of the American Defense Society, New York 1923. Americanization. What Is It – What to Do, New York 1919. American Defense Society. A Brief Report of Some of its Activities During the Year 1919, New York 1919. Annual Meeting of the National Security League Held at the Hotel Astor, New York City (2. Mai 1917), New York 1917. Annual Report of the National Security League for 1927, New York 1927. Annual Report of the National Security League 1925, New York 1925. Annual Report of the President of the National Security League. Delivered at the Metropolitan Opera House New York City, May 8th, 1918, New York 1918. Are Radical Activities Weakening American Institutions?, New York 1925. A Square Deal for the Public. A Working Program for Crushing the Radical Menace, New York 1919.

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Concepts of Urban-Environmental History 2020, 294 p., pb., ill. 29,99 € (DE), 978-3-8376-4375-6 E-Book: PDF: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4375-0

Gertrude Cepl-Kaufmann

1919 – Zeit der Utopien Zur Topographie eines deutschen Jahrhundertjahres 2018, 382 S., Hardcover, 39 SW-Abbildungen, 35 Farbabbildungen 39,99 € (DE), 978-3-8376-4654-2 E-Book: PDF: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4654-6

Sebastian Barsch, Jörg van Norden (Hg.)

Historisches Lernen und Materielle Kultur Von Dingen und Objekten in der Geschichtsdidaktik 2020, 284 S., kart., 22 SW-Abbildungen, 13 Farbabbildungen 35,00 € (DE), 978-3-8376-5066-2 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation PDF: ISBN 978-3-8394-5066-6

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Geschichtswissenschaft Wiebke Reinert

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Frank Becker, Darius Harwardt, Michael Wala (Hg.)

Die Verortung der Bundesrepublik Ideen und Symbole politischer Geographie nach 1945 2020, 278 S., kart., 17 Farbabbildungen, 18 SW-Abbildungen 35,00 € (DE), 978-3-8376-5003-7 E-Book: PDF: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5003-1

Verein für kritische Geschichtsschreibung e.V. (Hg.)

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