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Portuguese Pages 138 Year 2020
Editionen der Iberoamericana Reihe 1 Texte 5 Brasiliana
Ferreira Gullar
FAULE BANANEN und andere Gedichte Ausgewählt, herausgegeben und aus dem brasilianischen Portugiesisch übertragen von Curt Meyer-Clason
VERVUERT
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Gullar, Ferreira: Faule Bananen und andere Gedichte/Ferreira Gullar. Ausgew., hrsg. u. aus d. brasilian. Portug. übers, von Curt Meyer-Clason. Frankfurt am Main: Vervuert, 1986 (Editionen der Iberoamericana: Reihe 1, Texte S: Brasiliana) ISBN 3-921600-33-2
© José Ribamar Ferreira Uber alle Rechte der deutschen Version verfügt der Verlag Klaus Dieter Vervuert, Frankfurt am Main Printed in Germany 1986
Inhaltsverzeichnis
Galo galo / Hahn Hahn 6 A galinha / Das Huhn 10 O trabalho das nuvens / Die Arbeit der Wolken 12 As peras / Die Birnen 16 O I N F E R N O / DIE H Ö L L E 20 Um hörnern ri / Ein Mann lacht 28 Maio 1964 / Mai 1964 30 A vida bate / Das Leben pocht 34 Dentro da noite veloz / In der schnellen Nacht 38 Urna fotografía aérea / Eine Luftaufnahme 56 A casa / Das Haus 64 A poesia / Die Poesie 68 Ao nivel do fogo / Auf der Höhe des Feuers 76 A alegria / Die Freude 80 Hörnern sentado / Sitzender Mann 82 Morte de Ciarice Lispector / Tod von Ciarice Lispector 84 Bananas podres / Faule Bananen 86 O espelho do guarda-roupa / Der Kleiderschrankspiegel 108 A ventania ./Der Dauerwind 114 Um sorriso / Ein Lächeln 118 Bananas Podres 2 / Faule Bananen 2 120 Subversiva / Die Subversive 126 A espera / Erwartung 128 Nachwort 130 Bibliographie 137
Galo galo O galo no saguáo quieto. Galo galo de alarmante crista, guerreiro, medieval. De córneo bico e esporoes, armado contra a morte, passeia. Mede os passos. Pára. Inclina a cabera coroada dentro do silencio — que fago entre coisas? — de que me defendo? Anda no saguao. O cimento esquece o seu último passo. Galo: as penas que florescem da carne silenciosa e o duro bico e as unhas e o olho sem amor. Grave solidez. Em que se apóia tal arquitetura? Saberá que, no centro de seu corpo, u m grito se elabora?
Hahn Hahn Der Hahn im stillen Innenhof. Hahn Hahn mit beunruhigendem Kamm, kriegerisch, mittelalterlich. Hörnerner Schnabel und Sporen, bewehrt gegen den T o d , stolziert er. Mißt die Schritte. Hält. Neigt in der Stille den gekrönten Kopf — was tue ich zwischen Dingen? — wogegen verteidige ich mich? Er schreitet im Innenhof. Der Zement vergißt seinen letzten Schritt, Hahn: die Federn die aus dem stillen Fleisch sprießen und der harte Schnabel u n d die Krallen u n d das Auge o h n e Liebe. Gravitätische Festigkeit. Worauf stützt sich eine solche Architektur? Ob er weiß, d a ß im Mittelpunkt seines Körpers ein Schrei entsteht?
Como, porém, conter, urna vez concluido, o canto obrigatório? Eis que bate as asas, vai morrer, encurva o vertiginoso pesco^o donde o canto rubro escoa. Mas a pedra, a tarde, o próprio feroz galo subsistem ao grito. Vé-se: o canto é inútil. O galo permanece — apesar de todo o seu porte marcial — só, desamparado, num saguáo do mundo. Pobre ave guerreira! Outro grito cresce agora no sigilo de seu corpo; grito que, sem essas penas e esporoes e crista e sobretudo sem esse olhar de odio, nao seria tao rouco e sangrento. Grito, f r u t o obscuro e extremo dessa árvore: galo. Mas que, fora dele, é mero complemento de auroras.
Wie indes den einmal beschlossenen obligatorischen Gesang verhalten? Jetzt schlägt er mit den Flügeln, er wird sterben, er k r ü m m t den schwindelnden Hals, in d e m der glutrote Gesang erstirbt. Aber der Stein, der Nachmittag, der wütende Hahn selbst widerstehen dem Schrei. Man sieht: der Gesang ist nutzlos. Der Hahn bleibt — trotz all seiner martialischen Haltung — allein, schutzlos, in einem Innenhof der Welt. Armer Kriegervogel! Ein neuer Schrei wächst jetzt im Geheimnis seines Körpers; ein Schrei, der o h n e diese Federn und Sporen und Kamm und vor allem o h n e diesen haßerfüllten Blick nicht so heiser wäre und blutrünstig. Schrei, dunkle u n d höchste Frucht dieses Baums: Hahn. Der aber, losgelöst von ihm, bloße Ergänzung von Morgenröten ist.
10 A galinha Morta flutua no chao. Galinha. Nao te ve o mar nem quis, nem compreendeu aquele ciscar quase feroz. Ciscava. Olhava o muro, aceitava-o, negro e absurdo. Nada perdeu. O quintal nao tinha qualquer beleza. as penas sao só o que o vento ro9a, leves. Apagou-se-lhe toda a cintilado, o medo. Morta. Evola-se do olho seco o sono. Ela dorme. Onde? onde?
Agora
Das Huhn Tot schwimmt es am Erdboden. Huhn. Es hatte das Meer nicht noch wünschte es das, noch verstand es dieses fast wütende Scharren. Es scharrte. Schaute auf die Mauer, nahm sie hin, schwarz und absurd. Es verpaßte nichts. Im Hinterhof war keinerlei Schönheit. Jetzt sind die Federn das einzige, was der Wind streift, die leichten. Erloschen ist ihm alles Flimmern, die Angst. Tot. Dem trockenen Auge entschwebt der Schlaf. Es schläft. Wo? Wo?
12 O trabalho das nuvens Esta varanda fica à margem da tarde. Onde nuvens trabalham. A cadeira nao é tao seca e lúcida, como o cora5ao. Só à margem da tarde é que se conhece a tarde: que sao as folhas de verde e vento, e o cacarejar da galinha e as casas sob um céu: isso, diante de olhos. e os frutos? e também os frutos. Cujo crescer altera a verdade e a cor dos céus. Sim, os frutos que nao comeremos, também fazem a tarde (a vossa tarde, de que estou à margem). Há, porém, a tarde do fruto. Essa nao roubaremos: tarde em que ele se propoe a gloria de nao mais ser fruto, sendo-o mais: de esplender, nao como astro, mas como fruto que esplende.
Die Arbeit der Wolken Diese Veranda liegt am Rande des Abends. Wo Wolken arbeiten. Der Stuhl ist nicht so trocken und leuchtend wie das Herz. Nur am Rande des Abends läßt sich der Abend erkennen: was die Blätter aus Grün sind und Wind, und das Gackern des Huhns und die Häuser unter dem Himmel: dies, vor den Augen. Und die Früchte? Und auch die Früchte. Deren Wachstum die Wahrheit verändert und die Farbe der Himmel. Ja, auch die Früchte, die wir nicht essen werden, machen den Abend. (Euren Abend, an dessen Rand ich stehe) Es gibt indes den Abend der Frucht. Diesen werden wir nicht stehlen: Abend, an dem sie sich um den Ruhm bewirbt, nicht mehr Frucht zu sein, da sie mehr ist: zu leuchten, nicht als Stern, sondern als Frucht, die leuchtet.
E a tarde futura onde eie arderá como um facho efémero! Em verdade, é desconcertante para os homens o trabalho das nuvens Elas nao trabalham acima das cidades: quando há nuvens nao há cidades: as nuvens ignoram se deslizam por sobre nossa cabe9a: nós é que sabemos que deslizamos sob elas: as nuvens cintilam, mas nào é para o c o r a l l o dos homens. A tarde é as folhas esperarem amarelecer e nós o observarmos. E o mais é o pássaro branco que voa — e que só porque voa e o vemos, voa para vermos. O pássaro que é branco nào porque ele o queira nem porque o necessitemos: o pássaro que é branco porque é branco. Que te resta, pois, senao aceitar? Por ti e pelo pássaro pássaro.
Und der künftige Abend, da sie brennen wird wie eine vergängliche Fackel! Wahrlich, verwirrend für die Menschen ist die Arbeit der Wolken. Sie arbeiten nicht über den S t ä d t e n : gibt es Wolken gibt es keine Städte: die Wolken wissen nicht, ob sie über unseren Köpfen dahingleiten: wir indes wissen, d a ß wir u n t e r ihnen dahingleiten: die Wolken glimmen, doch nicht für das Herz der Menschen. Abend ist, wenn die Blätter zu gilben erwarten und wir es beobachten. Und das Höchste ist der weiße Vogel, der fliegt — den wir nur sehen, weil er fliegt, der fliegt, damit wir ihn sehen. Der Vogel, der weiß ist, nicht weil er es will, auch nicht weil wir ihn brauchen: der Vogel, der weiß ist, weil er weiß ist. Was bleibt dir übrig, als es hinzunehmen? Für dich und für den Vogel als Vogel.
As peras As peras, no prato, apodrecem. O relógio, sobre elas, mede a sua morte? Paremos a péndula. Deteríamos, assim, a morte das frutas? Oh as peras cansaram-se de suas formas e de sua dogura! As peràs, concluidas, gastam-se no fulgor de estarem prontas para nada. O relógio nao mede. Trabalha no vazio: sua voz desliza fora dos corpos. Tudo é o cansago de si. As peras se consomem no seu doirado sossego. As flores, no canteiro diàrio, ardem, ardem, em vermelhos e azuis. Tudo desliza e está só. O dia comum, dia de todos, é a distancia entre as coisas. Mas o dia do gato, o felino e sem palavras dia do gato que passa entre os movéis é passar. Nao entre os movéis. Pas-
Die Birnen Die Birnen, auf dem Teller, faulen. Die Uhr, über ihnen, mißt sie ihren Tod? Halten wir das Pendel an. Würden wir so den Tod der Früchte aufhalten? Ach, die Birnen sind ihrer F o r m e n u n d ihrer Süße müde. Die Birnen, ausgereift, verbrauchen sich im Glanz, für nichts da zu sein. Die Uhr mißt nicht. Sie arbeitet im Leeren: ihre Stimme entgleitet fern von den Körpern. Alles ist Müdigkeit seiner selbst. Die Birnen verzehren sich in ihrer goldenen Ruhe. Die Blumen im täglichen Beet brennen, brennen in R o t und Blau. Alles entgleitet und ist allein. Der gemeinsame Tag, Tag aller, ist die E n t f e r n u n g zwischen den Dingen. Aber der Tag des Katers, der k a t z e n h a f t e und wortlose Tag des Katers, der zwischen den Möbeln umhergeht, ist Vergehen. Nicht zwischen den Möbeln.
sar como eu passo: entre nada. O dia das peras é o seu apodrecimento. É tranqüilo o dia das peras? Elas nao gritam, como o galo. Gritar para qué? se o canto é apenas um arco efémero fora do cora^ao? Era preciso que o canto nao cessasse nunca. Nao pelo canto (canto que os homens ouvem) mas porque cantando o galo é sem morte.
Vergehen wie ich vergehe: zwischen Nichts. Der Tag der Birnen ist ihre Fäulnis. Ist der Tag der Birnen ruhig? Sie schreien nicht, wie der Hahn. Schreien wozu? Wenn der Gesang nur ein flüchtiger Bogen außerhalb des Herzens ist? Es wäre nötig, d a ß der Gesang niemals a u f h ö r t e . Nicht wegen des Gesangs (Gesang den die Menschen hören), sondern weil der Hahn singend ohne Tod ist.
O INFERNO começa pelo olho, mas em breve é tildo. Urna poeira que cai ou rebenta ñas superficies. Se tivesse a certeza de que ao firn destas palavras meu corpo rolasse fulminado, eu faria délas o que elas devem ser, eu as conduziria a sua última igniçâo, eu concluiria o ciclo de seu tempo, levaría ao fim o impulso inicial estagnado nesta aridez utilitària em cujo púcaro as forças se destróem. Ou nao faria. Nao faria: urna vileza inata a meu ser trai em seu fulcro todo movimento para fora de mim: porque este é um tempo meu, e eu sou a fome e o alimento de meu cansaço: e eu sou esse cansaço comendo o meu peito. Porque eu sou só o clarâo dessa carnificina, o halo desse espetáculo da idéia. Sou a força contra essa imobilidade e o fogo obscuro minando com a sua lingua a fonte dessa força. Estamos no reino da palavra, e tudo que aqui sopra é verbo, e urna solidáo irremissível,
INFERNO a fascina9áo se exerce sobre minha vida. Exerce como a foice decepa como um arado rompendo a extensao do siléncio sexualizado.
N l o creio que tu sejas menos que este feixe de contradÍ9oes: os demonios fugiram, mas o fedor de seu hábito, o perfume de sua imagina9áo, a catinga real dos ventos infestináis restam sobre tudo aqui, penetrados em tudo
DIE HÖLLE beginnt mit dem Auge, ist aber in Kürze alles. Ein Staub der fällt oder auf der Oberfläche platzt. H ä t t e ich die Gewißheit, d a ß am Ende dieser Wörter mein Körper vom Blitz getroffen dahinrollte, ich würde aus ihnen machen, was sie sein sollen, ich würde sie zu ihrer letzten Zündung geleiten, ich würde den Kreis ihrer Zeit b e e n d e n , ich würde den Anfangsauftrieb, der in der Nützlichkeitsdürre, in deren Becher die Kräfte einander zerstören, z u m Stillstand gekommen ist, ans Ende führen. Oder ich würde nichts tun. Ich würde es nicht t u n : eine meinem Wesen eingeborene Niedertracht verrät jede Bewegung in ihrem D r e h p u n k t außerhalb meiner selbst: denn dies ist eine meinige Zeit, u n d ich bin der Hunger und die Nahrung meiner Müdigkeit: und ich bin diese Müdigkeit, die meine Brust verzehrt. Denn ich bin nur der Blitz dieses Blutbads, der Heiligenschein dieses Schauspiels der Idee. Ich bin die Kraft gegen diese Reglosigkeit und das dunkle Feuer, das mit seiner Zunge die Quelle dieser Kraft untergräbt. Wir befinden uns im Reich des Worts, und alles, was hier w e h t , ist Wort, und u n u m gängliche Einsamkeit, HÖLLE die Faszination wirkt auf mein Leben ein. Wirkt wie die Sichel k ö p f t , wie ein Pflug die Weite des geschlechtserfüllten Schweigens bricht.
Ich glaube nicht, daß du weniger bist als dieser Streifen von Widersprüchen: die Teufel sind geflüchtet, doch der Gestank ihrer Gewohnheit, der D u f t ihrer Einbildungskraft, der wirkliche Pesthauch der Darmwinde bleiben auf alldem hier h a f t e n
aqui até o cerne. Mas, no meu corpo, sustento a consistência dos tecidos, estais presentes, com vosso odor caprino cáprico cálito Numeral. MAS EU, NÂO OUTRO, E MINHA LINGUAGEM É A REPRESENTAÇÂO DUMA DISCORDIA ENTRE o QUE Q U E R O E A RESISTENCIA DO CORPO, E SE É NO ÒDIO Q U E ELA MELHOR SE ACENDE, O ÒDIO NÀO DURA, E A SUA LUZ SE PERDE OUTRA NUM RASTILHO SUICIDA LUTEI PARA TE LIBERTAR eu-LÍNGUA, MAS EU SOU A FORÇA E A CONTRA-FORÇA, MAS EU NÂO SOU A FORÇA E NEM A CONTRA-FORÇA E É Q U E NUNCA ME VI NEM ME SEI Q U A L Q U E R RESÌDUO PARA ALÉM DUM FECHADO GESTO DE AR ARDENTE QUEIMANDO A LINGUAGEM EM SEU COMEÇO PORQUE HA O Q U E FLORESCE ENTRE MEUS PÉS E O Q U E REBENTA NUM CHÀO DE EXTREMO DESCONHECIMENTO. PORQUE HÁ FRUTOS ENDURECENDO A CARNE JUNTO AO MAR DAS PALAVRAS. E HÁ UM HOMEM PERDENDO-SE DO FOGO E HÁ UM HOMEN CRESCIDO PARA O FOGO E O Q U E SE QUEIMA SÓ NOS FALSOS E ESCASSOS INCENDIOS DA SINTAXE, OH Q U E SE VOLTEM PARA ELE OS VERMELHOS E MADUROS VENTOS DO INFERNO
durchdringen hier alles bis z u m Kern. Doch in meinem Körper halte ich die Dichte der G e w e b e aufrecht, ihr seid gegenwärtig, mit eurem säuerlich siedenden Ziegengeruch Zahlengemäß. A B E R ICH, NICHT D E R A N D E R E , UND MEINE S P R A C H E SIND D I E D A R S T E L L U N G
E I N E R ZWIETRACHT ZWISCHEN DEM WAS ICH WÜNSCHE UND DEM W I D E R S T A N D D E S K Ö R P E R S . UND WENN ER SICH IM H A S S B E S S E R E N T Z Ü N D E T , D A U E R T D E R H A S S NICHT, U N D IHR LICHT V E R N I M M T SICH A L S A N D E R E S IN E I N E R S E L B S T M Ö R D E R I S C H E N Z Ü N D S C H N U R ICH H A B E F Ü R D E I N E B E F R E I U N G G E K Ä M P F T ich-SPRACHF., A B E R ICH BIN DIE K R A F T UND DIE G E G E N - K R A F T , A B E R ICH BIN NICHT DIE K R A F T UND AUCH NICHT DIE G E G E N K R A F T UND ICH H A B E MICH NIE G E S E H E N UND E R K E N N E MICH AUCH NICHT A L S A B F A L L JENSEITS EINER GESCHLOSSENEN GEBARDE AUS GLÜHENDER L U F T WELCHE DIE S P R A C H E IN IHREM A N F A N G VERBRENNT DENN ES G I B T ETWAS WAS ZWISCHEN MEINEN F Ü S S E N UND DEM WAS A U F EINEM BODEN A U S S E R S T E N NICHTWISSENS P L A T Z T WEIL E S F R Ü C H T E G I B T WELCHE D A S F L E I S C H V E R H Ä R T E N IM M E E R D E R WÖRTER. UND ES G I B T EINEN M E N S C H E N DER SICH DEM F E U E R E N T F R E M D E T UND ES G I B T E I N E N M E N S C H E N DER ZUM F E U E R HINWÄCHST UND WAS SICH V E R B R E N N T G E S C H I E H T N U R BEI DEN F A L S C H E N UND S E L T E N E N B R Ä N D E N D E S S A T Z B A U S OH M Ö G E N SICH IHM DIE R O T E N UND R E I F E N WINDE D E R H Ö L L E ZUWENDEN
24 Oh ele é um pomar pronto, ele pomar vazio e pronto Dizem que teu dorso de brasa é urna estadio de certeza, cozinha os cachos, RASGA NA POEIRA FECAL AS EXTREMAS FLORES DA VIDA SEJAS TU GRAMÁTICA OU GUERRA CAMPOS DO JOGO, SEVERA CABALISTICA MECÁNICA DE FEDORES, (e se invado teu templo, no chao, de cores erguidas num rumor de peste) aqui trabalho meu corpo, em claro, para atingir teu sopro. E podes comer esta pele com tua f l o r a d o de lepra. E que eu mesmo sou ELE e o seu deslumhro, é que eu sou sua veste e seu canto, e o brilho — que encravado na carne, sustenta-o, LUGKS, matilha acesa, CONSUMARÁO EM SOIS DE POEIRA E FOME DOS PUDORE Eis por que te destruo, língua, e deixo minha fala secar comigo, e cair como poeira sobre os olhos famintos, fulgéni! sumir nele, e com ele, a doen9a do ser, o que se move lá no escuro vértice do ser, o panarizo:
25 Oh er ist ein Obstgarten, fertig, er, ein leerer und fertiger Obstgarten Es heißt, dein glutroter Rücken sei eine Jahreszeit der Gewißheiten, er koche die Trauben, E N T R E I S S E DEM A U S W U R F S T A U B D I E ÜPPIGSTEN B L Ü T E N DES L E B E N S SEI DU G R A M M A T I K ODER KRIEG SPIELFELDER, STRENGE KABBALISTIK MECHANIK D E S G E S T A N K S , (und wenn ich in deinen Tempel einbreche auf dem Boden, mit pestlärmend erhobenen Farben) bearbeite ich hier meinen Körper im Hellen, um deinen Atemzug zu erreichen. Und du kannst diese Haut essen mit deiner blühenden Lepra. Denn ich selbst bin ER und seine Blendung, denn ich bin sein Gewand und sein Gesang, und der Glanz — der, im Fleisch vergraben, ihn aufrechterhält, L U G K S , brennende Meute, V O L L E N D U N G IN SONNEN D E S S T A U B S UND HUNGER D E R SCHAM. Daher zerstöre ich dich, Sprache, und lasse mein Sprechen mit mir trocknen, und wie Staub auf meine hungrigen Augen sinken, Wasserstoff-Flamme! in ihm erlöschen, und mit ihm die Krankheit des Seins, was sich dort im dunklen Scheitelpunkt des Seins bewegt, das Nagelgeschwür:
FOGO DE FOGO É O ESPADO FEITO DO VÓO NO VOO, falo, fogo sem chama, destruidas as fogueiras do vicio nos ossos, fogo novo, e nem essas labaredas da fuligem lavrando os mitos, pela escura velhice, na funda térra, o fogo queima o fogo Oh pacientes deuses sob um sol fétido, mortos, e só ñas altas torres consumidos, a carne, depois, tornada em ouro
27 FEUER AUS FEUER IST DER AUS FLUG IM FLUG GESCHAFFENE RAUM, Phallus, Feuer ohne Flamme, vernichtet sind die Feuerstellen des Lasters in den Knochen, neues Feuer und nicht jenes Geloder aus Ruß das die Mythen bearbeiten durch dunkles Alter in tiefer Erde, das Feuer verbrennt das Feuer O geduldige Götter unter einer stinkenden Sonne, Tote, und nur auf den hohen Türmen verzehrte, das Fleisch, danach zu Gold verwandelt
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Um homem ri Ele ria da cintura para cima. Abaixo da cintura, atrás, sua m2o furtiva inspecionava na roupa Na frente e sobretudo no rosto, ele ria, expelia um clarâo, um sumo servil feito urna flor carnívora se esforça na beleza da corola na doçura do mel Atrás dessa auréola, saindo delà feito um galho, descia o braço com a mâo e os dedos e à altura das nádegas trabalhavam no brim azul das calças (como um animal no campo na primavera visto de longe, mas visto de perto, o focinho, sinistro, de calor e osso come o capim do chao) O homem lançava o riso como o polvo lança a sua tinta e foge Mas a mao buscava o cós da cueca talvez desabotoada um calombo que coçava urna pulga sob a roupa qualquer coisa que fazia a vida pior
Ein Mann lacht Er lachte vom Gürtel aufwärts. Abwärts vom Gürtel, hinten, untersuchte seine Hand verstohlen seine Kleidung Vorn und besonders im Gesicht lachte er, verschoß Glanz, servilen Saft so wie eine fleischfressende Pflanze sich um die Schönheit der Korolle um die Süße des Honigs bemüht Hinter dieser Aureole, ihr wie ein Ast entsprießend, sank der Arm mit der Hand und den Fingern und diese arbeiteten auf Höhe der Hinterbacken am blauen Drillich der Hosen (wie ein Tier auf dem Feld im Frühling, von weitem gesehen, aber aus der Nähe gesehen frißt das unheilvolle Schnäuzchen aus Hitze und Knochen das Gras des Bodens) Der Mann schleuderte sein Lachen wie der Staub seine Farbe schleudert und flieht Aber die Hand suchte den Bund der vielleicht a u f g e k n ö p f t e n Unterhose eine Geschwulst die juckte ein Floh in der Wäsche irgendetwas was das Leben beeinträchtigte
30 Maio 1964 Na Ieiteria a tarde se reparte em iogurtes, coalhadas, copos de leite e no espelho meu rosto. Sao quatro horas da tarde, em maio. Tenho 33 anos e urna gastrite. Amo a vida que é cheia de crianzas, de flores e mulheres, a vida, esse direito de estar no mundo, ter dois pés e máos, urna cara e a fome de tudo, a esperan9a. Esse direito de todos que nenhum ato institucional ou constitucional pode cassar ou legar. Mas quantos amigos presos! quantos em cárceres escuros onde a tarde fede a urina e terror. Há muitas familias sem rumo esta tarde nos suburbios de ferro e gás onde brinca irremida a infània da classe operária. Estou aqui. O espelho nao guardará a marca deste rosto, se simplesmente saio do lugar ou se morro se me matam. Estou aqui e nao estarei, um dia, em parte alguma. Que importa, pois? A luta comum me acende o sangue
Mai 1964 Im Milchladen verteilt sich der Nachmittag auf Yoghurt, Dickmilch, Becher Milch und im Spiegel mein Gesicht. Es ist vier Uhr nachmittags, im Mai. Ich bin 3 3 Jahre alt und habe Gastritis. Ich liebe das Leben angefüllt mit Kindern, mit Blumen und Frauen, das Leben, dieses Recht in der Welt zu sein, zwei Füße und Hände zu haben, ein Gesicht und Hunger nach allem, die H o f f n u n g . Dieses Recht aller das kein institutioneller oder konstitutioneller Akt aufheben oder verfügen kann. Aber wie viele Freunde verhaftet! Wie viele in dunklen Kerkern wo der Nachmittag nach Urin stinkt und Terror. Es gibt viele Familien ohne Richtung an diesem Nachmittag in den Vorstädten aus Eisen und Gas wo unerlöst die Kinder der Arbeiterklasse spielen. Ich bin hier. Der Spiegel wird nicht die Spur dieses Gesichts bewahren, wenn ich mich einfach davon mache, oder wenn ich sterbe wenn sie mich töten. Ich bin hier und werde eines Tages nirgends sein. Was tuts? Der gemeinsame Kampf entzündet mein Blut
32 e me bate no peito como o coice de urna lembrança.
und hämmert in meiner Brust wie der Hufschlag einer Erinnerung.
A vida bate Nao se trata do poema e sim do homem e sua vida — a mentida, a ferida, a consentida vida já ganha e já perdida e ganha outra vez. Nao se trata do poema e sim da fome de vida, o sôfrego pulsar entre constelaçoes e embrulhos, entre engulhos. Alguns viajam, vïo a Nova York, a Santiago do Chile. Outros ficam mesmo na Rua da Alfândega, detrás de balcoes e de guiches. Todos te buscam, facho de vida, escuro e claro, que é mais que a água na grama que o banho no mar, que o beijo na boca, mais que a paixao na cama. Todos te buscam e so alguns te acham. Alguns te acham e te perdem. Outros te acham e nao te reconhecem e há os que se perdem por te achar, ó desatino ó verdade, ó fome de vida! O amor é difícil mas pode luzir em qualquer ponto da cidade. E estamos na cidade sob as nuvens e entre as águas azuis. A cidade. Vista do alto ela é fabril e imaginária, se entrega inteira
Das Leben pocht Es geht nicht u m das Gedicht, sondern u m den Menschen und sein Leben — das verlogene, das verletzte, das zugestandene, schon gewonnene und schon verlorene u n d wiederum gewonnene Leben. Es geht nicht u m das Gedicht, sondern u m den Hunger nach Leben, das begeisterte Pulsen zwischen Sternbildern und Verwicklungen, zwischen Brechreizen. Einige reisen, fahren nach New York, nach Santiago de Chile. Andere bleiben tatsächlich in der Rua da Alfändega, hinter Ladentischen und Schaltern. Alle suchen dich, Fackel des Lebens, dunkel und hell, die mehr ist als das Wasser im Gras als das Baden im Meer, als der K u ß auf den Mund, mehr als die Leidenschaft im Bett. Alle suchen dich und nur einige finden dich. Einige finden dich und verlieren dich. Andere finden dich und erkennen dich nicht und es gibt welche die sich verlieren, weil sie dich finden, o Torheit, o Wahrheit, o Hunger nach Leben! Die Liebe ist schwierig, kann aber an irgendeinem P u n k t der Stadt aufleuchten. Und wir sind in der Stadt unter den Wolken und zwischen den blauen Wassern. Die Stadt. Von oben gesehen, ist sie fabrikmäßig und imaginär, sie überläßt sich ganz
36 como se estivesse pronta. Vista do alto, com seus bairros e rúas e avenidas, a cidade é o refugio do homem, pertence a todos e a ninguém. Mas vista de perto, revela o seu túrbido presente, sua carnadura de pánico: as pessoas que v i o e vém que entram e saem, que passam sem rir, sem falar, entre apitos e gases. Ah, o escuro sangue urbano movido a juros. S2o pessoas que passam sem falar e estSo cheias de vozes e ruinas. És Antonio? És Francisco? És Mariana? Onde escondeste o verde clarao dos dias? Onde escondeste a vida que em teu olhar se apaga mal se acende? E passamos carregados de flores sufocadas. Mas, dentro, no cora9áo, eu sei, a vida bate. Subterráneamente, a vida bate. Em Caracas, no Harlem, em Nova Delhi, sob as penas da lei, em teu pulso, a vida bate. E é essa clandestina esperan9a misturada ao sal do mar que me sustenta esta tarde debru^ada á janela de meu quarto em Ipanema na América Latina.
37 als wäre sie fertig. Von oben gesehen mit ihren Stadtteilen und Straßen und Alleen ist die Stadt die Z u f l u c h t des Menschen, gehört sie allen u n d niemanAber aus der Nähe dem. gesehen, offenbart sie ihre verwirrende Gegenwart, ihre schreckenerregende Fleischlichkeit: die Leute, die gehen u n d k o m m e n , hinein- und herausgehen, vorbeilaufen, ohne zu lachen, ohne zu sprechen, zwischen P f i f f e n und Abgasen. Ach, schwarzes, von Zinsen getriebenes Stadtblut. Es sind Leute die vorbeigehen o h n e zu reden und sind doch voller Stimmen und Ruinen. Bist du's A n t o n i o ? Bist du's, Francisco? Bist du's, Mariana? Wo hast du den grünen Glanz der Tage versteckt? Wo hast du das Leben versteckt, das in deinem Blick erlischt kaum d a ß es e n t f l a m m t ? Und wir gehen vorüber, beladen mit erstickten Blumen. Aber drinnen, im Herzen, ich weiß es, p o c h t das Leben. Unterirdisch pocht das Leben. In Caracas, in Harlem, in New Delhi bei den Strafen des Gesetzes, in deinem Puls, pocht das Leben. Und es ist diese heimliche, mit d e m Meersalz vermischte H o f f n u n g , die mich aufrechterhält an diesem Nachmittag der ans Fenster meines Zimmers in Ipanema lehnt, in Lateinamerika.
Dentro da noite veloz Na quebrada do Yuro eram 1 3 , 3 0 horas (em Silo Paulo era mais tarde: em Paris anoitecera; na Ásia o sono era seda) Na quebrada do rio Yuro a claridade da hora mostrava seu fundo escuro: as águas limpas batiam sem passado e sem futuro. Estalo de mato, pió de ave, brisa ñas folhas era silencio o barulho a paisagem (que se move) está imóvel, se move dentro de si (igual que urna máquina de lavar lavando sob o céu boliviano, a paisagem com suas polias e correntes de ar) Na quebrada do Yuro n2o era hora nenhuma só pedras plantas e águas
II Nao era hora nenhuma até que um tiro explode em pássaros
In der schnellen Nacht In der Y u r o - S c h l u c h t war es 13 Uhr 3 0 (in S ä o Paulo später, in Paris war es N a c h t ; in A s i e n war der S c h l a f S e i d e ) In der S c h l u c h t des Flusses Yuro zeigte die Helligkeit der S t u n d e ihren d u n k l e n G r u n d : die reinen Wasser s c h l u g e n o h n e Vergangenheit u n d o h n e Z u k u n f t . K n a c k e n im Busch, Vogelruf, Wind in den Blättern war der L ä r m Stille die L a n d s c h a f t (die sich b e w e g t ) ist unbeweglich, b e w e g t sich in sich (genau wie eine W a s c h m a s c h i n e waschend unter d e m bolivianischen H i m m e l , die L a n d s c h a f t mit ihren L u f t w i r b e l n u n d -Strömungen) In der Y u r o - S c h l u c h t war ü b e r h a u p t keine S t u n d e waren nur S t e i n e , P f l a n z e n u n d Wasser
II Es war überhaupt k e i n e S t u n d e bis ein S c h u ß knallt in V ö g e l n
e animais até que passos vozes na água rosto ñas folhas peito ofegando a clorofila penetra o sangue humano e a historia se move a paisagem como um trem come9a a andar Na quebrada do Yuro eram 13,30 horas
III Ernesto Che Guevara teu fim está perto n5o basta estar certo pra vencer a batalha Ernesto Che Guevara entrega-te á prisao nao basta ter razáo pra nao morrer de bala Ernesto Che Guevara nao estejas iludido a bala entra em teu corpo como em qualquer bandido Ernesto Che Guevara por que lutas ainda? a batalha está finda antes que o dia acabe
und Tieren bis Schritte Stimmen im Wasser Gesicht in den Blättern k e u c h e n d e Brust Chlorophyll ins menschliche Blut dringt u n d die Geschichte sich bewegt die Landschaft wie ein Zug abfährt In der Yuro-Schlucht war es 13 Uhr 30
III Ernesto Che Guevara dein Ende ist nah sicher zu sein genügt nicht u m die Schlacht zu gewinnen Ernesto Che Guevara ergib dich der Gefangenschaft recht zu haben genügt nicht u m nicht durch die Kugel zu sterben Ernesto Che Guevara täusche dich nicht Die Kugel dringt in deinen Körper wie in irgendeinen Banditen Ernesto Che Guevara wozu kämpfst du noch? Die Schlacht ist geschlagen bevor der Tag endet
42 Ernesto Che Guevara é chegada a tua hora e o povo ignora se por ele lutavas
IV Correm as águas do Yuro, o tiroteio agora é mais intenso, o inimigo avança e fecha o cerco. Os guerrilheiros em grupos pequeños divididos agüentam a luta, protegem a retirada dos companheiros feridos. No alto, grandes massas de nuvens se deslocam lentamente sobrevoando países em direçïo ao Pacífico, de cabeleira azul. Urna greve em Santiago. Chove na Jamaica. Em Buenos Aires há sol ñas alamedas arborizadas, um general maquina um golpe. Urna familia festeja bodas de prata num trem que se aproxima de Montevidéu. À beira da estrada muge um boi da Swift. A Bolsa no Rio fecha em alta ou baixa. Inti Peredo, Benigno, Urbano, Eustáquio, Ñato castigam o avanço dos rangers. Urbano tomba, Eustáquio, Che Guevara sustenta o fogo, urna rajada o atinge, atira ainda, solve-se-lhe o joelho, no espanto
Ernesto Che Guevara deine Stunde ist g e k o m m e n und das Volk weiß nicht ob du für es kämpftest
IV Es fließen die Wasser des Yuro, der Schußwechsel wird heftiger, der Feind rückt näher und schließt die Umzingelung. Die Guerillas in kleine R o t t e n verteilt halten dem Kampf stand, decken den Rückzug der verwundeten Kameraden. Hoch oben ziehen schwere Wolkenmassen in langsamem Flug über Länder in Richtung Pazifik mit blauem Haar. Streik in Santiago. Es regnet in Jamaica. In Buenos Aires Sonne über den Baumalleen, ein General plant einen Putsch. Eine Familie feiert silberne Hochzeit in einem Montevideo n a h e n d e n Zug. Am Straßenrand brüllt ein Rind der Swift Company. Die Börse von Rio schließt mit Hausse oder Baisse. Inti Peredo, Benigno, Urbano, Eustaquio, Nato geißeln den Vormarsch der Rangers. Urbano fällt Eustaquio, Che Guevara feuert weiter, eine Salve trifft ihn, er schießt noch, sein Knie zersplittert, entsetzt
os companheiros voltam para apanhá-lo. É tarde. Fogem. A noite veloz se fecha sobre o rosto dos mortos.
Nao está morto, só ferido. Num helicóptero ianque é levado para Higuera onde a morte o espera Nao morrerá das feridas ganhas no combate mas de mào assassina que o abate Nao morrerá das feridas ganhas a céu aberto mas de um golpe escondido ao nascer do dia Assim o levam pra morte (sujo de terra e de sangue) subjugado no bojo de um helicóptero ianque E o seu último vóo sobre a América Latina sob o fulgor das estrelas que nada sabem dos homens que nada sabem do sonho, da esperan9a, da alegría, da luta surda do homem pela fior de cada dia
machen die Genossen kehrt um ihn zu holen. Zu spät. Sie fliehen. Die schnelle Nacht schließt sich über den Gesichtern der Toten.
Er ist nicht tot, nur verwundet. In einem Yankee-Hubschrauber wird er nach Higuera gebracht wo der Tod ihn erwartet Er wird nicht seinen Wunden erliegen empfangen im Gefecht sondern der Hand des Mörders die ihn niederstreckt Er wird nicht unter freiem Himmel seinen Wunden erliegen sondern einem Anschlag, heimtückisch, bei Tagesanbruch So tragen sie ihn zum Tod (mit Erde und Blut beschmiert) bezwungen im Bauch eines Yankee-Hubschraubers Das ist sein letzter Plug über Lateinamerika unter dem Funkeln der Sterne die nichts wissen von den Menschen die nichts wissen vom Traum, von der Hoffnung, von der Freude, vom stummen Kampf des Menschen um die Blume eines jeden Tages
46 É o seu último vôo sobre a choupana de homens que nâo sabem o que se passa naquela noite de outubro quem passa sobre seu teto dentro daquele barulho quem é levado pra morte naquela noite noturna
VI A noite é mais veloz nos trópicos (com seus na vertigem das folhas na explosSo monturos) das águas sujas surdas nos pantanais é mais veloz sob a pele da treva, na conspira9ao de azuis e vermelhos pulsando como vaginas frutos bocas vegetáis (confundidos nos sonhos) ou um ramo florido feito um relámpago parado sobre urna cisterna d'água no escuro / E mais funda a noite no sono do homem na sua carne de coca e de fome e dentro do pote urna caneca de lata velha de ervilha da Armour Company
Das ist sein letzter Flug über die Hütten von Menschen die nicht wissen was vorgeht in jener O k t o b e r n a c h t wer über ihrem Dach hingeht mitten in jenem Lärm wer zum Tod getragen wird in jener nächtlichen Nacht
VI Die Nacht ist schneller in den Tropen (mit ihren im Blättertaumel in der Explosion Müllhaufen) schmutziger d u m p f e r Gewässer in den Sümpfen sie ist schneller unter der Haut der Finsternis, in der Verschwörung von Blau und Rot pulsierend wie Vaginas Früchte Pflanzenmünder (in Träumen verschmolzen) oder ein blühender Zweig wie ein Blitz erstarrt über einer Wasserzisterne im Dunkeln Tiefer ist die Nacht im Schlaf des Menschen in seinem Fleisch aus Coca und aus Hunger und im Topf ein Becher aus einer alten Erbsenbüchse der Armour C o m p a n y
A noite é mais veloz nos trópicos com seus monturos e cassinos de jogo entre as pernas das putas o assalto a mio armada aberta em sangue a vida E mais veloz (e mais demorada) nos cárceres a noite latino-americana entre interrogatorios e torturas (là fora as violetas) e mais violenta (a noite) na cona da ditadura Sob a pele da treva, os frutos crescem conspira o adúcar (de boca para baixo) debaixo das pedras, debaixo da palavra escrita no muro ABAIX e inacabada Ó Tlalhuicole as vozes soterradas da platina Das plumas que ondularam já n2o resta mais que a lembran^a no vento Mas é o dia (com seus monturos) pulsando dentro do chao como um pulso apesar da South American Gold and Platinum
49 Die Nacht ist schneller in den Tropen mit ihren Müllhaufen und Spielcasinos zwischen den Beinen der Huren der bewaffnete Überfall das blutig geöffnete Leben Schneller (und anhaltender) in den Kerkern ist die lateinamerikanische Nacht zwischen Verhören und Folterungen (draußen die Violetts) und violenter (die Nacht) in der Fotze der Diktatur Unter der Haut der Finsternis wachsen die Früchte konspiriert der Zucker (mit dem Mund nach unten) unter den Steinen, unter dem an die Mauer geschriebenen Wort NIEDE und unvollendet O Tlalhuicole die unterirdischen Stimmen des Platins Von den Federn die wogten verbleibt nurmehr die Erinnerung im Wind Aber der Tag (mit seinen Müllhaufen) pulst in der Erde wie ein Puls trotz der South American Gold and Platinum
é a lingua do dia no azinhavre Golpeábamos en tanto los muros de adobe y era nuestra herencia una red de agujeros é a lingua do homem sob a noite no leprosàrio de San Pablo ñas ruinas de Tiahuanaco ñas galerías de chumbo e silicose da Cerro de Pasco Corporation Hemos comido grama salitrosa piedras de adobe lagartijas ratones tierra en polvo y gusanos até que o dia (de dentro dos monturos) irrompa com seu bastao de turquesa
VII Súbito vimos ao mundo e nos chamamos Ernesto Súbito vimos ao mundo e estamos na América Latina Mas a vida onde está nos perguntamos Ñas tavernas? ñas eternas tardes tardas? ñas favelas onde a historia fede a merda? no cinema? na fémea caverna de sonhos e de urina?
ist es die Stimme des Tages im Grünspan Wir hämmerten solange an die Lebmziegelmauern und unser Erbe war ein Netz aus Löchern es ist die Sprache des Menschen u n t e r der Nacht im Leprosorium von San Pablo in den Ruinen von Tiahuanaco in den Blei- und Silikose-Stollen der Cerro de Pasco Corporation Wir haben salpeterhaltiges Gras gegessen Lehmziegelsteine, Mauereidechsen, Mäuse Erdenstaub und Würmer bis der Tag (in den Müllhaufen) hereinbricht mit seinem türkisfarbenen Stab
VII Plötzlich k o m m e n wir auf die Welt und wir heißen Ernesto Plötzlich k o m m e n wir auf die Welt und sind in Lateinamerika Aber das Leben wo ist es? fragen wir uns In den Tavernen? an den ewigen säumenden Abenden? in den Elendsvierteln wo die Geschichte nach Scheiße stinkt? im Kino? in der weiblichen Höhle aus T r ä u m e n und aus Urin?
52 ou na ingrata faina do poema? (a vida que se esvai no estuàrio do Prata) Serei cantor serei poeta? Responde o cobre (da Anaconda Copper): Serás assaltante e proxeneta policial jagun^o alcagüeta Serei pederasta e homicida? serei viciado? Responde o ferro (da Bethlehem Steel): Serás ministro de Estado e suicida Serei dentista? talvez quem sabe oftalmologista? otorrinolaringologista? Responde a bauxita (da Kaiser Aluminium): serás médico aborteiro que dà mais dinheiro Serei um merda quero ser um merda Quero de fato viver. Mas onde está essa imunda vida — mesmo imunda? No hospicio? num santo oficio? no orificio da bunda?
oder in der u n d a n k b a r e n Mühsal des Gedichts? (Das Leben das flieht in der Plata-Mündung) Werde ich Sänger sein werde ich Dichter sein? Es a n t w o r t e t das Kupfer (der Anaconda Copper) Du wirst Einbrecher sein und Kuppler Polizist Waldräuber Zuhälter Werde ich Päderast sein und Totschläger? Werde ich verkommen? Es a n t w o r t e t das Eisen (der Bethlehem Steel): Du wirst Staatsminister sein und Selbstmörder Werde ich Zahnarzt sein? Vielleicht Augenarzt? Oder Hals-Nasen-Ohrenarzt? Es antwortet das Bauxit (der Kaiser Aluminium): Du wirst Abtreibungsarzt sein das bringt mehr Geld Ich werde ein Scheißkerl sein ich will ein Scheißkerl sein Ich will wirklich leben. Aber wo ist dieses dreckige — wirklich dreckige — Leben? Im Hospizium? Im heiligen Offizium? Im Orificium der Hinterbacken?
Devo mudar o mundo, a República? A vida terei de plantá-la como um estandarte em pra^a pública?
VIII A vida muda como a cor dos frutos lentamente e para sempre A vida muda como a flor em fruto velozmente A vida muda como a água em folhas o sonho em luz elétrica a rosa desembrulha do carbono o pássaro, da boca mas quando for tempo E é tempo todo tempo mas n2o basta um século para fazer a pétala que um só minuto faz ou nao mas a vida muda a vida muda o morto em multidao
M u ß ich die Welt verändern, die Republik? Werde ich das Leben aufpflanzen müssen wie eine Standarte auf einem öffentlichen Platz?
VIII Das Leben verändert sich wie die Farbe der Früchte langsam und für immer Das Leben verändert sich wie die Blüte in die F r u c h t schnell Das Leben verändert sich wie das Wasser in Blätter der T r a u m in elektrisches Licht die Rose entwickelt sich aus Kohlenstoff der Vogel aus dem Mund aber w e n n es Zeit ist und Zeit ist es jeder Zeit aber ein J a h r h u n d e r t genügt nicht u m das Blütenblatt zu machen das eine einzige Minute macht oder nicht aber das Leben verändert sich das Leben verändert den T o t e n in eine Menschenmenge
Urna fotografia aérea Eu devo ter ouvido aquela tarde um avi&o passar sobre a cidade aberta corno a palma da m i o entre palmeiras e mangues vazando no mar o sangue de seus rios as horas do dia tropical aquela tarde vazando seus esgotos seus mortos seus jardins eu devo ter ouvido aquela tarde em meu quarto? na sala? no terra^o ao lado do quintal? o aviao passar sobre a cidade geograficamente desdobrada em si mesma e escondida debaixo dos telhados la embaixo sob as folhas la embaixo no escuro sonoro do capim dentro do verde quente do capim là junto à noite da terra entre formigas (minha vida!) nos cabelos do ventre e morno do corpo por dentro na usina da vida em cada corpo em cada
Eine Luftaufnahme Ich m u ß an jenem Nachmittag gehört haben wie ein Flugzeug über die Stadt flog g e ö f f n e t wie die Fläche einer Hand zwischen Palmen u n d Sümpfen das Blut ihrer Flüsse ins Meer verströmend die Stunden des tropischen Tags an jenem Nachmittag ihre Abflüsse verströmend ihre T o t e n ihre Gärten ich m u ß an jenem Nachmittag in meinem Zimmer? im Wohnzimmer? auf der Terrasse im Hinterhof? gehört haben wie das Flugzeug über die Stadt flog geographisch in sich entfaltet und verborgen unter den Dächern dort u n t e n u n t e r den Blättern dort unten im t ö n e n d e n Dunkel des Grases im warmen Grün des Grases dort neben der Nacht der Erde zwischen Ameisen (mein Leben!) in den Haaren des Bauchs u n d der lauen Wärme des Körpers im Innern der Fabrik des Lebens in jedem Körper in jedem
habitante dentro de cada coisa clamando em cada casa a cidade sob o calor da tarde quando o aviSo passou
II eu devo ter ouvido no meu quarto um barulho cortar outros barulhos no alarido da época rolando por cima do telhado eu devo ter ouvido (sem ouvir) o ronco do motor enquanto lia e ouvia a conversa da familia na varanda dentro daquela tarde que era clara e para sempre perdida que era clara e para sempre em meu corpo a clamar (entre zuñidos) de serras entre gritos na rúa entre latidos de caes no balcáo da quitanda no a£Úcar já-noite das laranjas no sol fechado
Bewohner in jeder Sache in jedem Haus die Stadt a n r u f e n d unter der Hitze des Nachmittags als das Flugzeug vorüberflog
II Ich m u ß in meinem Zimmer ein Geräusch gehört haben das andere Geräusche zerschnitt im A u f r u h r der Zeit der über das Dach rollte ich m u ß (ohne zu hören) den Motorenlärm gehört haben während ich las und die Unterhaltung der Familie auf der Veranda hörte an jenem Nachmittag der hell war und für immer verloren der hell war und für immer in meinem Körper anrief (zwischen dem Kreischen von Sägen zwischen Schreien auf der Straße zwischen d e m Gebell von Hunden auf dem Ladentisch im schon nächtlichen Zucker der Orangen in der verschlossenen
60 e podre àquela hora dos legumes que ficaram sem vender no sistema de cheiros e negocios do nosso Mercado Velho — o ronco do aviSo) III eu devo ter ouvido seu barulho atolou-se no tijuco da Camboa na febre do Alagado resvalou ñas platibandas sujas ñas paredes de 10119a penetrou nos quartos entre redes fedendo a gente entre retratos nos espelhos onde a tarde dan$ava iluminada Seu barulho era também a tarde (um aviao) que passava ali como eu passava à margem do Bacanga em S2o Luís do Maranháo no norte do Brasil sob as nuvens
IV eu devo ter ouvido ou mesmo visto o aviao como um pássaro
und verfaulten Sonne jener Stunde der unverkauften Gemüsesorten im System der Gerüche und Geschäfte unseres Alten Marktes — den Flugzeuglärm) III Ich m u ß gehört haben wie sein Lärm im Sumpf von Camboa versank im Fieber des Watts ausrutschte auf den schmutzigen Kranzleisten auf den Kachelwänden wie er in die Zimmer drang zwischen Hängematten die nach Menschen stanken zwischen Bildern in den Spiegeln in denen der Nachmittag erleuchtet tanzte Sein Lärm war auch der Nachmittag (ein Flugzeug) der dort vorüberging wie ich am Ufer des Bacanga vorüberging in Säo Luis do Maranhäo im Norden Brasiliens unter den Wolken
IV Ich m u ß gehört oder zumindest gesehen haben wie das Flugzeug als weißer Vogel
62 branco romper o céu veloz voando sobre as cores da ilha num relance passar no ángulo da janela como um fato qualquer eu devo ter ouvido esse aviâo que às très e dez de urna tarde há trinta anos fotografou nossa cidade
V meu rosto agora sobrevoa sem barulho essa fotografía aérea Aqui está num papel a cidade que houve (e nao me ouve) com suas águas e seus mangues aqui está (no papel) urna tarde que houve com suas ruas e casas urna tarde com seus espelhos e vozes(voadas na poeira) urna tarde que houve numa cidade aqui está no papel que (se quisermos) podemos rasgar
den Himmel durchstieß wie es schnell über die Farben der Insel flog in einer Blitzsekunde am Fensterwinkel vorüberhuschte wie eine beliebige Tatsache ich m u ß dieses Flugzeug gehört haben das u m drei Uhr zehn eines Nachmittags vor dreißig Jahren unsere Stadt fotografierte
V Mein Gesicht überfliegt jetzt o h n e Lärm diese L u f t a u f n a h m e hier ist auf einem Stück Papier die Stadt die es gegeben hat (und mich nicht hört) mit ihren Wassern und ihren Sümpfen hier ist (auf d e m Papier) ein Nachmittag den es gegeben hat mit seinen Straßen und Häusern ein Nachmittag mit seinen Spiegeln und Stimmen (im Staub verflogen) ein Nachmittag den es in einer Stadt gegeben hat hier ist er auf d e m Papier das wir (wenn wir wollen) zerreißen k ö n n e n
64 A casa Debaixo do assoalho da casa no talco preto da terra prisioneira, quem fala? naquela noite menor sob os pés da familia naquele territòrio sem fior debaixo das velhas tábuas que pisamos pisamos pisamos quando o sol ia alto quando o sol já morria quando o sol já morria e eu morria quem fala? quem falou falou? quem falará? na lingua de fogo azul do país debaixo da casa? Fala talvez ali a moeda que urna tarde rolou (a moeda urna tarde) rolou e se apagou naquele solo lunar Fala talvez um rato que nos ouvia de sob as tábuas e conosco aprendeu a mentir e amar (no nosso desamparo em Sao Luís do Maranhao na Camboa dentro do sistema solar entre constela£oes que da janela víamos num relance) Fala talvez o rato morto fedendo até secar
65 Das Haus Unter d e m F u ß b o d e n des Hauses im schwarzen Talk der gefangenen Erde, wer spricht? in jener niederen Nacht u n t e r den Füßen der Familie in j e n e m Gebiet o h n e Blumen unter den alten Dielen die wir traten traten traten als die Sonne hoch stand als die Sonne schon starb als die Sonne schon starb und ich starb wer spricht? wer sprach sprach? wer wird sprechen? in der blauen Feuersprache des Landes unter d e m Haus? Vielleicht spricht dort die Münze die eines Abends hinabrollte (die Münze eines A b e n d s ) rollte und erlosch in jenem Mondgrund Vielleicht spricht eine Maus die uns unter den Dielen hörte und mit uns lügen lernte und lieben (in unserer Ratlosigkeit in Sao Luis do Maranhäo) in Camboa innerhalb des Sonnensystems zwischen Sternbildern die wir am Fenster sahen in einem Lidschlag) Vielleicht spricht die tote Maus und stinkt bis sie trocknet
66 E ninguém mais? E o ver2o? e as chuvas torrenciais? e a classe operária? as poucas festas de aniversário n2o falam? A rede suja, a bilha na janela, o girassol no saguao clamando contra o muro as formigas no cimento da cozinha Bizuza morta Maria Lúcia, Adi, Papai mortos n2o falam. Mas gira, planeta, gira océanos azuis da minha vida sonhos, amores, meus poemas de ferro, minha luta comum, gira, planeta E sobre as tábuas a nossa vida, os nossos movéis, a cadeira de embalo, a mesa de jantar, o guarda-roupa com seu espelho onde a tarde dan^ava rindo feito urna menina E as janelas abertas por onde o espa90 como um pássaro fugia sobrevoava as casas e rumava num sonho para as cidades do sul
Und niemand mehr? Und der Sommer? und die Sturzregen? und die Arbeiterklasse? die wenigen Geburtstagsfeiern sprechen nicht? Die schmutzige Hängematte, der Krug am Fenster, die Sonnenblume im Windfang, die gegen die Mauer klagt die Ameisen auf d e m Z e m e n t b o d e n der Küche, Bizuza tot Maria Lucia, Adi, Papa tot sprechen nicht. Aber kreise, Planet, kreise blaue Ozeane meines Lebens, Träume, Lieben, meine Gedichte aus Eisen, mein gemeinsamer Kampf, kreise, Planet. Und auf den Dielen unser Leben, unsere Möbel, der Schaukelstuhl, der Eßzimmertisch, der Kleiderschrank mit seinem Spiegel in d e m der Abend lachend tanzte wie ein Mädchen Und die o f f e n e n Fenster durch die der R a u m wie ein Vogel floh die Häuser überflog u n d im Traume hinsteuerte zu den Städten des Südens
68 A poesia Onde está a poesia? indaga-se por toda parte. E a poesia vai à esquina comprar joma!. Cientistas esquartejam Púchkin e Baudelaire. Exegetas desmontam a máquina da linguagem. A poesia ri. Baixa-se urna portaria: é proibido misturar o poema com Ipanema. O poeta depôe no inquérito: meu poema é puro, flor sem haste, juro! Nâo tem passado nem futuro. Náo sabe a fel nem sabe a mel: é de papel. Nâo e como a açucena que efémera passa. E nao está sujeito à traça pois tem a proteçâo do inseticida. Creia, o meu poema está infenso à vida. Claro, a vida é suja, a vida é dura. E sobretudo insegura: "Suspeito de atividades subversivas foi detido on:em o poeta Casimiro de Abreu." "A Fabrica de Fiaçïo Camboa abriu falencia e deixou sem emprego urna centena de operários." "A adúltera Rosa Gonçalves, depondo na 3. a Vara de Familia,
Die Poesie Wo ist die Poesie? wird überall gefragt. Und die Poesie geht an der Ecke eine Zeitung kaufen. Wissenschaftler zerlegen Puschkin u n d Baudelaire. Exegeten nehmen die Maschine der Sprache auseinander. Die Poesie lacht. Eine Verfügung wird erlassen: es ist verboten das Poema mit Ipanema zu vermischen. Der Poet sagt bei der Untersuchung aus: Mein Gedicht ist rein, Blüte ohne Stengel, ich schwöre es! Es hat weder Vergangenheit noch Z u k u n f t . Es schmeckt nicht nach Galle noch schmeckt es nach Honig: es ist aus Papier. Es ist nicht wie die weiße Lilie die vergänglich vergeht. Es ist auch nicht den Motten ausgesetzt denn es steht u n t e r dem Schutz des Insektenpulvers. Glauben Sie mir, mein Gedicht steht d e m Leben feindlich gegenüber. Natürlich, das Leben ist schmutzig, das Leben ist hart. Und vor allem unsicher: ,,Umstürzlerischer Machenschaften verdächtigt, wurde gestern der Dichter Casimiro de Abreu verhaftet." „Die Spinnerei Camboa hat Bankrott erklärt und etwa h u n d e r t Arbeiter brotlos g e m a c h t . " „Die Ehebrecherin Rosa Gon^alves erklärte v o r d e m 3. Kammergericht
70 afirmou descaradamente: 'Traí ele, sim O amor acaba, seu juiz'." O anel que tu me deste era vidro e se quebrou o amor que tu me tinhas era pouco e se acabou Era pouco? era muito? Era urna fome azul e navalha urna vertigem de cábelos dentes cheiros que traspassam o metal e me impedem de viver ainda Era pouco? Era louco, um mergulho no f u n d o de tua seda aberta em flor embaixo onde eu morria Branca e verde branca e verde branca branca branca branca E agora recostada no diva da sala depois de tudo a poesia ri de mim Ih, é preciso arrumar a casa que André vai chegar É preciso preparar o jantar E preciso ir buscar o menino no colégio lavar a roupa limpar a vidra£a O amor (era muito? era pouco? era calmo? era louco?) passa A infancia passa
schamlos: „Ich habe ihn betrogen, ja. Liebe hält nicht, Herr Richter." Der Ring den du mir gabst war aus Glas und zerbrach Die Liebe die du für mich e m p f a n d e s t ging zu Ende, war zu schwach War sie zu wenig? War sie zuviel? Sie war blauer Hunger und Klinge ein Taumel von Haaren Zähnen Gerüche die das Metall durchstoßen und mich am Weiterleben hindern. War sie zu wenig? Sie war verrückt, ein Sturz in die Tiefe deiner zur Blüte g e ö f f n e t e n Seide tief u n t e n wo ich starb Weiß und grün weiß und grün weiß weiß weiß weiß Und jetzt im Wohnzimmersofa lehnend nach all d e m lacht die Poesie über mich Himmel, man m u ß das Haus a u f r ä u m e n denn André k o m m t gleich Man m u ß das Abendessen vorbereiten Man m u ß den Jungen von der Schule abholen die Wäsche waschen Fenster putzen Die Liebe (war sie zuviel? war sie zu wenig? war sie still? war sie verrückt?) geht vorüber Die Kindheit geht vorüber
72 a ambulancia passa Só nao passa, Ingrácia, a tua grácia! E pensar que nunca mais a terei real e efèmera (na penumbra da tarde) como a primavera. E pensar que eia também vai se juntar ao esqueleto das noites estreladas e dos perfumes que dentro de mim gravitam feito pó (e um dia, claro, ao acender um cigarro talvez se deflagre com o fogo do fòsforo seu sorriso entre meus dedos. E só). Poesia — deter a vida com palavras? Nao — libertá-la, fazè-la voz e fogo em nossa voz. Poesia — falar o dia acendè-lo do pó abri-lo como carne em cada sílaba, deflagrá-lo como bala em cada nao como arma em cada mao E súbito da calcada sobe e explode junto ao meu rosto o pássaro? o pásp
73 die Ambulanz fährt vorüber Nur deine Grazie geht nicht vorüber, Ingrazia! Wenn ich denke d a ß ich sie nie m e h r besitzen werde wirklich und vergänglich (im D ä m m e r des Abends) wie der Frühling. Und wenn ich d e n k e daß auch sie sich zum Skelett der gestirnten Nächte und den Düften gesellen wird die in meinem Innern kreisen wie Staub (und eines Tages fraglos beim Anzünden einer Zigarette vielleicht mit der Streichholzflamme ihr Lächeln zwischen meinen Fingern a u f f l a m m e n wird. Und damit Schluß). Poesie — das Leben mit Wörtern anhalten? Nein — es befreien, Stimme und Feuer aus ihm machen in unserer Stimme. Poesie — den Tag sprechen ihn im Staub entzünden ihn ö f f n e n wie Fleisch in jeder Silbe, ihn explodieren lassen wie eine Kugel in j e d e m Nein wie eine Waffe in jeder Hand Und plötzlich steigt vom Gehsteig u n d explodiert vor meinem Gesicht der Vogel? Der Vo3
74 Como chamá-lo? Pombo? Bomba? Prombo? Como? Ele bicava o chao há pouco era um pombo mas súbito explode em ajas brulhos zules bulha zalas e foge! como chamá-lo? Pombo? Nao: poesía paixao revolu£ao
75 Wie ihn nennen? Taube? Bombe? Traube? Wie nur? Er pickte auf der Erde war vor kurzem eine Taube explodiert aber plötzlich in Flügeln Prügeln Lärmen Schwärmen Hügeln u n d flieht! wie ihn nennen? Taube? Nein: . Poesie Passion Revolution
76 Ao nivel do fogo falo e por muitos incendios ao meu redor no incèndio do mar às minhas costas (ou a lembran^a) no alto incèndio das nuvens sobre as cidades no incèndio das frutas na mesa de jantar que por toda parte lavra evidente e oculto esse fogo feito seda na carne d a m u l h e r fome no c o r a n o do povo branco no p&o e por dentro e por fora me trabalha como um sistema de sois vivos ou mortos que irrompem feito relámpagos dos olores velhos em cujas cinzas dormiam ou risos que voltam a iluminar a vida, entre bater de talheres e de pratos passos na sala e o desamparo do c o r a n o que é um ramo de fior dentro de urna bolsa a viajar pela cidade Ao nivel do fogo e entre fogos (em Santiago do Chile, em Buenos Aires, em) falo à beira da morte como os vegetáis com seu motor de água
Auf der Höhe des Feuers ich spreche für viele Brände in meiner Umgebung vom Brand des Meeres in meinem Rücken (oder der Erinnerung) vom hohen Brand der Wolken über den S t ä d t e n vom Brand der Früchte auf dem Abendessenstisch denn überall arbeitet sichtbar und verborgen dieses Feuer wie Seide im Fleisch der Frau Hunger im Herzen des Volkes weiß im Brot und innen und außen bearbeitet es mich wie ein System lebender oder t o t e r Sonnen die wie Blitze aus den alten Gerüchen brechen in deren Asche sie schliefen oder Gelächter welches das Leben von neuem erleuchtet zwischen d e m Geklapper von Besteck und Tellern, Schritten im Wohnzimmer und der Wehrlosigkeit des Herzens das ein Blumenstrauß ist und in einer Einkaufstasche durch die Stadt reist Auf der Höhe des Feuers und zwischen Feuern (in Santiago de Chile, in Buenos Aires, in) spreche ich am R a n d e des Todes wie die Pflanzen mit ihrem Wassermotor
como as aves movidas a vento, como a noite (ou a esperança) com suas hélices de hidrogênio
wie die wiridgetriebenen Vögel, wie die Nacht (oder die H o f f n u n g ) mit ihren Propellern aus Wasserstoff
80 A alegria O sofrimento nao tem nenhum valor NJo acende um halo em volta de tua cabera, nao ilumina trecho algum de tua carne escura (nem mesmo o que ¡luminaria a lembran^a ou a ilusao de urna alegria). Sofres tu, sofre um cachorro ferido, um inseto que o neocid envenena. Será maior a tua dor que a daquele gato que viste a espinha quebrada a pau arrastando-se a berrar pela sarjeta sem ao menos poder morrer? A j u s f a é moral, a injusti^a nao. A dor te iguala a ratos e baratas que também de dentro dos esgotos espiam o sol e no seu corpo nojento de entre fezes querem estar contentes.
Die Freude Das Leiden hat keinerlei Wert Es entzündet keinen Heiligenschein um deinen Kopf, es erleuchtet keinerlei Teil deines dunklen Fleischs (nicht einmal das was die Erinnerung oder die Illusion von Freude erleuchten würde). Du leidest, es leidet ein verwundeter Hund, ein Insekt das Insektenpulver vergiftet. Ob dein Schmerz größer ist als der jenes Katers, den du sahst, wie er sich mit seinem von Stockschlägen zerschmetterten Rückgrat kreischend durch die Gosse schleppte, ohne wenigstens sterben zu können? Die Gerechtigkeit ist moralisch, die Ungerechtigkeit nicht. Der Schmerz macht dich Ratten und Kakerlaken gleich, die auch aus den Abflußrohren nach der Sonne blinzeln und in ihrem ekligen Körper zwischen Auswurf glücklich sein wollen.
82 Hörnern sentado Neste diva recostado à tarde num canto do sistema solar em Buenos Aires (os intestinos dobrados dentro da barriga, as pernas sob o corpo) vejo pelo janeläo da sala parte da cidade: estou aqui apoiado apenas em mim mesmo neste meu corpo magro mistura de ñervos e ossos vivendo à temperatura de 36 graus e meio lembrando plantas verdes que j á morreram
Sitzender Mann In diesem Sofa zurückgelehnt nachmittags in einem Winkel des Sonnensystems in Buenos Aires (die Gedärme im Bauch gefaltet, die Beine über dem Leib) sehe ich durch das große Wohnzimmerfenster einen Teil der Stadt: ich bin hier nur auf mich selbst gestellt auf diesen meinen hageren Körper Gemisch aus Nerven und Knochen ich lebe in der T e m p e r a t u r von 36 einhalb Grad und erinnere an grüne Pflanzen die schon gestorben sind
84 Morte de Clarice Lispector Enquanto te enterraram no cemitério judeu de S. Francisco Xavier (e o claräo de teu olhar soterrado resistindo ainda) o táxi corria comigo à borda da Lagoa na direçao de Botafogo E as pedras e as nuvens e as árvores no vento mostravam alegremente que näo dependem de nós
Tod von Ciarice Lispector Während sie dich auf dem jüdischen Friedhof von S. Francisco Xavier beerdigten (und der Glanz deines begrabenen Blicks noch widerstand) f u h r das Taxi mit mir am Lagunenufer entlang in Richtung Botafogo Und die Sterne und die Wolken und die Bäume im Wind zeigten fröhlich an d a ß sie nicht von uns abhängen
86 Bananas podres Como um relógio de ouro o podre oculto ñas frutas sobre o balc3o (ainda mel dentro da casca na carne que se faz água) era ainda ouro o turvo a9Úcar vindo do chao e agora ali: bananas negras como bolsas moles onde pousa urna abelha e gira e gira ponteiro no universo dourado (parte mínima da tarde) em abril enquanto vivemos
87 Faule Bananen Wie eine Uhr aus Gold die Fäulnis verborgen in Früchten auf dem Ladentisch (noch Honig in der Schale im Fleisch das Wasser wird) war noch Gold der trübe Zucker der aus dem Boden k o m m t und jetzt d o r t : schwarze Bananen wie schlaffe Taschen auf denen eine Biene landet und kreist und kreist Zeiger im vergoldeten Weltall (geringster Teil des Nachmittags) im April während wir am Leben sind
E detrás da cidade (das pessoas na sala ou costurando) as costas das pessoas á frente délas á direita ou (detrás das palmas dos coqueiros alegres e do vento) feito um cinturao azul e ardente o mar batendo o seu tambor que da quitanda nao se escuta
Und hinter der Stadt (den Leuten im Wohnzimmer oder beim Nähen) im Rücken der Leute vor ihnen rechts oder (hinter den Blättern der fröhlichen Kokospalmen und dem Wind) wie ein blaues brennendes Koppel das Meer das seine Trommel rührt die man vom Laden aus nicht hört
Que tem a ver o mar com estas bananas já manchadas de morte? que ao nosso lado viajam para o caos e azedando e ardendo em água e ácidos a caminho da noite vertiginosamente devagar? Que tem a ver o mar com esse marulho de águas sujas fervendo ñas bananas? com estas vozes que falam de vizinhos, de bundas, de c a c i c a ? Que tem a ver o mar com esse barulho?
Was hat das Meer zu t u n mit diesen schon vom Tod gezeichneten Bananen? die auf unserer Seite ins Chaos reisen und sauer werden und brennen in Wasser und Säuren auf d e m Weg in die schwindelerregend langsame Nacht? Was hat das Meer zu t u n mit diesem Rauschen schmutzigen Wassers das in den Bananen kocht? Mit diesen Stimmen die von Nachbarn reden, von Hintern, von Schnaps? Was hat das Meer zu t u n mit diesem Lärm?
Que tem a ver o mar com este quintal? Aqui, de azul, apenas há um caco de vidro de leite de magnesia (osso de anjo) que se perderá na terra fofa conforme a açâo giratoria da noite e dos perfumes ñas folhas do hortelâ Nenhum alarde nenhum alarme mesmo quando o verâo passa gritando sobre os nossos telhados
Was hat das Meer zu tun mit diesem Garten? Blau ist hier nur die Scherbe einer Flasche Magnesiummilch (Engelsknochen) die sich in der lockeren Erde verlieren wird gemäß der kreisenden Tätigkeit der Nacht und der Düfte in den Blättern der Minze Keine Aufregung kein Aufruhr selbst wenn der Sommer schreiend über unsere Dächer gleitet
Pouco tem a ver o mar com este banheiro de cimento e zinco onde o silèncio é água: urna esmeralda engastada no tanque (e que solta se esvai pelos esgotos por baixo da cidade) Em tudo aqui há mais passado que futuro mais morte do que festa: neste banheiro de água salobra e sombra muito mais que de mar há de floresta
Wenig hat das Meer zu t u n mit diesem Badezimmer aus Z e m e n t und Zink w o die Stille Wasser ist ein Smaragd vom Waschbecken gefaßt (und der losgelassen durch die Kanalisation u n t e r der Stadt verschwindet) In allem hier ist mehr Vergangenheit als Z u k u n f t mehr Tod als Feier: in diesem Badezimmer voller Brackwasser und Schatten ist viel weniger Meer als Wald
96 Muito mais que de mar neste banheiro há de bananas podres na quitanda e nem tanto pela agua em que se puem (onde um fogo ao revés foge no adúcar) do que pelo macio dessa vida de fruta inserida na vida da familia: um macio de banho ás tres da tarde
97 Viel weniger Meer ist in diesem Badezimmer als faule Bananen im Krämerladen sind und auch weniger durch Wasser in d e m sie vergehen (wo ein umgekehrtes Feuer in den Zucker flieht) als d u r c h das Weiche dieses Lebens als F r u c h t eingewachsen ins Familienleben: ein Bade-Weiches u m drei Uhr nachmittags
98 Um macio de casa no Nordeste com seus quartos e sala seu banheiro que esta tarde atravessa para sempre Um macio de luz ferindo a vida no corpo das pessoas lá no fundo onde bananas podres mar azul fome tanque floresta sao um mesmo estampido um mesmo grito
Ein Haus-Weiches des Nordostens mit seinen Schlafzimmern und d e m Wohnzimmer seinem Badezimmer das dieser Nachmittag durchquert auf immer Ein Licht-Weiches das das Leben verletzt im Körper der Menschen dort hinten wo faule Bananen blaues Meer Hunger Waschbecken Wald ein einziger Farbdruck sind ein einziger Schrei
100 E as pessoas conversam na cozinha ou na sala contam casos e na fala que falam (esse barulho) tanto marulha o mar quanto a floresta tanto fulgura o mel da tarde — o podre fogo — como fulge a esmeralda de água que se foi
Und die Menschen unterhalten sich in der Küche oder erzählen sich im Wohnzimmer Fälle und in der Sprache die sie sprechen (dieser Lärm) rauscht das Meer ebenso stark wie der Wald ebenso stark leuchtet der Honig des Nachmittags — das verfaulte Feuer — wie er glänzt der Smaragd aus Wasser der verschwand
Só tem que ver o mar com seu marulho com seus martelos brancos seu diurno relámpago que nos cinge a cintura?
103 Hat das Meer mit seinem Rauschen nur zu tun? Mit seinen weißen H ä m m e r n seinem täglichen Blitz der uns den Gürtel gürtet?
O mar só tem a ver o mar com este banheiro com este verde quintal com esta quitanda só tem a ver o mar com esta noturna térra de quintal onde gravitam perfumes e futuros o mar o mar com seus pistoes azuis com sua festa tem a ver tem a ver com estas bananas onde a tarde apodrece feito urna carniza vegetal que atrai abelhas varejeiras tem a ver com esta gente com estes homens que o trazem no corpo e até no nome tem a ver com estes cómodos escuros com esses movéis queimados de pobreza com estas paredes velhas com esta pouca vida que na boca é riso e na barriga é fome
Das Meer das Meer hat nur mit diesem Badezimmer zu tun mit diesem grünen Garten mit diesem Krämerladen das Meer hat nur zu tun mit dieser nächtlichen Erde des Gartens wo Düfte und Z u k u n f t kreisen das Meer das Meer mit seinen blauen Kolben seiner Feier hat zu tun hat zu tun mit diesen Bananen wo der Nachmittag fault wie ein pflanzliches Gemetzel das Bienen Schmeißfliegen lockt hat zu tun mit diesen Leuten diesen Männern die es im Körper tragen und sogar im Namen hat zu tun mit diesen dunklen Kammern mit diesen vor A r m u t gedunkelten Möbeln mit diesen alten Wänden mit diesem wenigen Leben das im Mund Lachen ist und im Bauch Hunger
106 No fundo da quitanda na penumbra ferve a chaga da tarde e suas moscas; em torno dessa chaga está a casa e seus fregueses o bairro as avenidas as ruas os quintáis outras quitandas outras casas com suas cristaleiras outras praças ladeiras e mirantes donde se vé o mar nosso horizonte
Hinten im Laden im Halbdunkel kocht die Wunde des Nachmittags mit seinen Mücken; rings um diese Wunde ist das Haus und seine Kunden das Stadtviertel die Alleen die Straßen die Gärten andere Krämerläden andere Häuser mit ihren Gläserschränken andere Plätze Steilgassen und Aussichtstürmchen von wo man das Meer sieht unseren Horizont
108
O espelho do guarda-roupa Espelho espelho velho alumiando debaixo da vida Quantas manhSs e tardes diante das janelas viste se acenderem e se apagarem quando eu já nSo estava lá? De noite na escuridSo do quarto insinuavas que teu corpo era de água e te bebi sem o saber te bebi e te trago en talado de um ombro a outro dentro de mim e dóis e amea9as estalar estilha^ar-se com as tardes e as manhas que naquele tempo atravessavam a rúa e se precipitavam em teu abismo claro e raso espelho espelho velho e por trás de meu rosto o dia
109 Der Kleiderschrankspiegel Spiegel alter Spiegel leuchtend unterhalb des Lebens Wieviele Morgen und A b e n d e hast d u vor den Fenstern sich entzünden und erlöschen sehen seit ich nicht mehr da war? Nachts in der Dunkelheit der Zimmer gabst du zu verstehen daß dein Körper aus Wasser ist und ich trank dich ohne es zu wissen trank ich dich u n d schlucke dich festgeklemmt von einer Schulter zur anderen in meinem Innern und du schmerzst u n d drohst zu zerspringen zu zersplittern mit den Abenden und Morgen die zu jener Zeit die Straße überquerten und sich in deinen hellen flachen Abgrund stürzten Spiegel alter Spiegel und hinter meinem Gesicht schwenkte
110 bracejava seus ramos verdes sua iluminada primavera
II Um homem com um espelho (feito um segundo esqueleto) embutido no corpo nao pode bruscamente voltar-se para trás nao pode juntar nada do chao e quando dorme é como um acróbata estendido sobre um relámpago Um homem com um espelho enterrado no corpo na verdade nao dorme: reflete um vóo Enfim, esse homem nao pode falar alto demais porque os espelhos só guardam (em seu abismo) imagens sem barulho
III Carregar um espelho é mais desconforto que vantagem: a gente se fere nele e ele
111 der Tag seine grünen Zweige seinen erleuchteten Frühling
II Ein Mann mit einem (wie ein zweites Skelett) im Körper eingelassenen Spiegel kann nicht plötzlich kehrtmachen er kann nicht etwas vom Boden aufsammeln und wenn er schläft ist er wie ein auf einem Blitz hingestreckter A k r o b a t Ein Mann mit einem im Körper begrabenen Spiegel schläft in Wirklichkeit nicht: er spiegelt einen Flug Schließlich darf dieser Mann nicht zu laut sprechen denn die Spiegel bewahren (in ihrem Abgrund) nur Bilder o h n e Lärm
III Einen Spiegel schleppen bringt mehr Unbehagen als Vorteil: man verletzt sich an ihm und er
112 nao nos devolve mais do que a paisagem NIo nos devolve o que ele n l o reteve: o vento ñas copas o ladrar dos caes a conversa na sala barulhos sem os quais nüo haveria tardes nem manhas
113 gibt uns nicht mehr als die Landschaft wieder Er gibt uns nicht wieder was er nicht behielt: den Wind in den Baumkronen das Gebell der Hunde die Unterhaltung im Wohnzimmer Geräusche ohne die es weder Abend noch Morgen gäbe
A ventanía A ventania nao é voz alguma — é só rumor là fora enquanto leio Hoffmann (enquanto minha mae costura e o arroz no fogo recende a familia) Nao é voz de ninguém a ventania é sopro de ar apenas um modo como o dia se faz (là fora na quinta entre os galhos da mangueira e suas folhas) acima do telhado da casa a jorrar como se dia nao fosse mas cascata
II N2c> é voz de ninguém esse barulho que se mistura ao som de nossa fala? entra ano sai ano se mistura aos sons de nossa casa
115
Der Dauerwind Der Dauerwind ist keine Stimme — er ist nur Lärm dort draußen während ich H o f f m a n n lese (während meine Mutter näht u n d der Reis auf dem Feuer nach Familie riecht) Niemandes Stimme ist der Dauerwind er ist nur Windhauch eine Art wie der Tag sich anschickt (der draußen im Gemüsegarten zwischen den Mangobaumästen und ihren Blättern) auf dem Dach des Hauses zu sprudeln als sei er kein Tag sondern eine Kaskade
II Ist nicht niemandes Stimme dieser Lärm der sich mit dem Laut unseres Sprechens vermischt? jahrein jahraus vermischt er sich mit den Lauten unseres Hauses
— da água na torneira, da vassoura na sala? — N3o é voz de mangueira? de oitizeiro, de sapotizeira? N2o é voz de ninguém a desse vento que venta numa cidade brasileira?
IV Nâo fica a ventanía nos espelhos quer se mire neles debruçada na janela ou de relance quando batendo portas atravessa outros cómodos da casa; nao fica tampouco nos cábelos que assanha ñas toalhas nos ramos que balança Todo vento ventado aqueles anos na Quinta dos Medeiros se teria esvaído sem lembrança nâo fora haver naquela casa de esquina para ouvi-lo ao menos um menino
— dem Wasser im Wasserhahn, dem Besen im Wohnzimmer? Ist es nicht die Stimme des Mangobaums? des Oiticicabaums, des Sapoticababaums? Ist nicht niemandes Stimme die dieses Windes der weht in einer brasilianischen Stadt?
IV Der Dauerwind bleibt nicht in den Spiegeln mag er sich in ihnen betrachten ans Fenster gelehnt oder im Vorbeihuschen wenn er Türen schlagend andere R ä u m e des Hauses durcheilt; er bleibt auch nicht in den Haaren die er aufstört in den Handtüchern an den Ästen die er wiegt Jeder Wind der in jenen Jahren in der Quinta dos Medeiros w e h t e wäre ohne Erinnerung verweht hätte es in jenem Haus an der Ecke u m ihn zu hören nicht wenigstens einen kleinen Jungen gegeben
U m sorriso Quando com minhas maos de labareda te acendo e em rosa embaixo te espetalas quando com a minha acesa antorcha e cego penetro a noite de tua fior que exala urina e mei que busco eu com toda essa assassina fùria de macho? que busco eu em fogo aqui embaixo? senào colher com a repentina mao do delirio urna outra fior: a do sorriso que no alto o teu rosto ilumim?
119 Ein Lächeln Wenn ich dich mit meinen lodernden Händen e n t f l a m m e und du dich als Rose unten entblätterst wenn ich mit meiner entzündeten Fackel und blind in die Nacht deiner Blüte dringe die Urin verhaucht und Honig was suche ich mit all der mörderisch männlichen Wut? Was suche ich im Feuer hier unten anderes als mit der plötzlichen Hand des Taumels eine zweite Blüte zu pflücken: die des Lächelns die oben dein Gesicht erleuchtet?
Bananas podres 2 naquele canto em sombra da quitanda a tarde — o tempo o sol da tarde — ñas bananas virava mei (alias mais água do que mei) em outubro de 1938 talvez na boca de Newton Ferreira a mesma tarde (de fachadas e espelhos) falava portugués e ria (na saliva) ou talvez nao mas sem dúvida alguma se esvaia e là no fundo da quitanda sem janelas essa tarde esse outubro fedia
Faule Bananen 2 In jenem beschatteten Winkel des Krämerladens wurde der Nachmittag — die Zeit die Sonne des Nachmittags — in den Bananen Honig (übrigens mehr Wasser als Honig) im Oktober 1938 vielleicht im Mund von Newton Ferreira sprach der gleiche Nachmittag (aus Häuserfronten und Spiegeln) portugiesisch und lachte (im Speichel) oder vielleicht auch nicht aber verging ohne jeden Zweifel und dort hinten im fensterlosen Laden stank jener Nachmittag jenes Oktobers
122 II esse outubro era grande: urna cidade inteira là fora com seus rios e mangues seus canteiros sua cúpula azul feita de vento suas crianzas de carne seus sobrados cheios de conversas e afazeres esse outubro era água nas torneiras roupas na corda era nuvens igrejas arvoredos era bondes c a r n e a s era pombos em volta da quitanda urna ciranda! esse outubro essa tarde era um Nordeste desdobrado em caatingas e castigos na lepra do verao urna ciranda de rostos consumidos de olhares humanos entre trapos na poeira de fogo o meu Nordeste um mulambo embrulhado num relámpago
III Essa tarde era historia brasileira que balan£ava as árvores passando e que cheirava a maresia quando do mar soprava e quando
II j e n e r O k t o b e r war g r o ß : eine ganze S t a d t dort draußen mit ihren Flüssen und Sümpfen ihren B e e t e n ihrer blauen Kuppel aus Wind ihren Kindern aus Fleisch ihren zweistöckigen Häusern voller Unterhaltungen und Obliegenheiten j e n e r O k t o b e r war Wasser in den Wasserhähnen Wäsche a u f der Leine war Wolken Kirchen Wäldchen war S t r a ß e n b a h n e n O c h s e n k a r r e n war T a u b e n rings um den Krämerladen ein Ringelreihen! J e n e r O k t o b e r war an j e n e m N a c h m i t t a g ein Nordosten entfaltet in Buschwäldern und Bestrafungen in der Lepra des S o m m e r s ein Ringelreihen verzehrter Gesichter menschlicher Blicke zwischen F e t z e n in Feuerstaub o mein Nordosten ein in einen Blitz gewickelter L u m p e n
III J e n e r Nachmittag war brasilianische G e s c h i c h t e die im Vorübergehen die B ä u m e schaukelte und die nach E b b e roch wenn es v o m Meer her wehte und wenn
124 crescendo em jasmineiros a jasmim cheirava a historia do Brasil em algum quintal de Sao Luís pouco antes da segunda grande guerra enquanto sobre o balcao da quitanda ñas bananas que apodreciam a historia era u m sistema de moscas e de mel zoando naquele determinado p o n t o da cidade, do país; naquele determinado p o n t o da familia, c o m o um cáncer Mas em qualquer dos mil espelhos da cidade em que a historia se vé (na sala de visitas, n o q u a r t o de empregada, na po^a d'água f u n d a como o céu) pode ser que sorrira aquela tarde, o povo, num rosto de menina.
der Wind in die Jasminsträucher f u h r roch nach Jasmin die Geschichte Brasiliens in irgendeinem Hinterhof von Säo Luis kurz vor d e m zweiten großen Krieg während auf dem Ladentisch des Krämerladens in den faulenden Bananen die Geschichte ein System von Mücken und Honig war das an jenem b e s t i m m t e n Punkt der Stadt, des Landes, summte; an jenem b e s t i m m t e n Punkt der Familie, wie ein Krebs Aber in irgendeinem der zweitausend Spiegel der Stadt in d e m die Geschichte sich sieht (im Besuchssalon, in der Mädchenkammer, in der himmelstiefen Wasserlache) lächelte an jenem Nachmittag möglicherweise das Volk im Gesicht eines kleinen Mädchens.
Subversiva A poesia quando chega nao respeita nada. Nem pai nem màe. Quando eia chega de qualquer de seus abismos desconhece o Estado e a Sociedade Civil desrespeita o Código de Aguas relincha como puta nova em frente ao Palácio da Alvorada. E só depois reconsidera: beija nos olhos os que ganham mal embala no colo os que tèm sede de felicidade e de justi?a E promete incendiar o país
127 Die Subversive Die Dichtung wenn sie k o m m t respektiert nichts. Weder V a t e r noch Mutter. Wenn sie aus irgendeinem ihrer Abgründe k o m m t ignoriert sie den Staat und die bürgerliche Gesellschaft sie m i ß a c h t e t die Wassergesetze sie wiehert wie eine junge Hure vor dem Palast der Morgenröte. Und erst dann besinnt sie sich eines besseren: sie küßt die Augen derer die schlecht verdienen wiegt im Arm die welche nach Glück dürsten und nach Gerechtigkeit Und verspricht das Land anzuzünden
128 A espera Um grave acontecimento está sendo esperado por tod)s Os banqueiros os capitaes de indùstria os fazendeiros ricos dormem mal. O ministro da Guerra janta sobressaltado, a pistola em cima da mesa. Ninguém sabe de que forma desta vez a necessidade se manifestará: se como um furacao ou um maremoto se descerà dos morros ou subirá dos vales se manará dos suburbios com a fùria dos rios poluído: Ninguém sabe. Mas qualquer sopro num ramo Um grave acontecimento está sendo esperado e nem Deus e nem a polícia poderiam evitá-lo.
o anuncia
129 Erwartung Ein schwerwiegendes Ereignis wird von allen erwartet Die Bankdirektoren die Industriekapitäne die reichen Großgrundbesitzer schlafen schlecht. Der Kriegsminister, Pistole vor sich auf d e m Tisch, ißt schreckhaft zu A b e n d . Niemand weiß auf welche Weise das Verhängnis zutage t r e t e n wird: ob wie ein Orkan oder ein Meerbeben ob es von den Hügeln niederfahren oder aus den Tälern aufsteigen ob es in den Vorstädten ausbrechen wird mit der Wut verschmutzter Flüsse Niemand weiß es. Aber der geringste Windhauch auf einem Zweig verkündet es Ein schwerwiegendes Ereignis wird erwartet und weder G o t t noch die Polizei k ö n n t e n es verhüten.
130 NACHWORT Ferreira Gullar, Pseudonym für José Ribamar Ferreira, ist ein Dichter aus dem hohen Norden Brasiliens, dem Staat Maranhäo; am 10. September 1930 wurde er als Sohn des Krämerladenbesitzers Newton Ferreira in der Hauptstadt Säo Luis geboren. In seinem Elternhaus gab es keine Bücher. Dichtung lernte er in Schulbüchern kennen: einige Sonette von CamSes, bis zu denen der Symbolisten und Parnassianer. Als er zu schreiben begann, ungefähr mit dreizehn, dachte er, alle Dichter seien tot, doch auch so überließ er sich der Begeisterung für diesen Beruf von Toten. In der Stadtbibliothek las er die übrigen Dichter, doch nur solche aus Maranhäo; die anderen, auch brasilianische, reizten seine Neugierde nicht. Mit einundzwanzig Jahren, nachdem er in einem Dichtungswettbewerb ausgezeichnet worden war und 1949 seinen ersten Gedichtband, Um pouco acima do ch3o (Knapp über dem Boden), veröffentlicht hatte, ging er 1951 nach Rio de Janeiro. Dort arbeitete er an Zeitungen und Zeitschriften mit, auch als Kunstkritiker. Die neuen Dichter traten kühl auf den Plan, hermetisch, sie waren.die Dichter der Landeshauptstadt, und das verlieh ihnen Ruf und Autorität. Der kalte Krieg trennte die Gefährten von einst, stachelte zu ideologischen Konflikten an und führte zu neuer Verfolgung von Kommunisten. Alles riet den Dichtern, sich von der Tagespolitik zurückzuziehen. Man nahm die Suche nach der reinen Poesie wieder auf, jener Poesie, die sich nicht vom Alltag nährte, sondern von magischen Wörtern und spielerischen Wortformen. Diese Sprachkrise führte Ferreira Gullar in die Nähe des Konkretismus und Neokonkretismus. Unter diesem Einfluß entstand sein in seine Gesamtausgabe Toda Poesia, 1950—1980, aufgenommener erster Band A Luta Corporal (Der körperliche Kampf), 1950— 1953, dessen erstes Gedicht „Hahn H a h n " vorliegende Auswahl eröffnet.
131 huta Corporal: in Ferreira Gullars Auffassung war die Identifikation des Menschen mit seiner Sprache ein Anspruch, keine eroberte Wirklichkeit. Kampf, um die Sprache in einen lebendigen Leib zu verwandeln, lebendig wie der eigene Leib, dicht wie ein natürliches Wesen, wie ein Organismus. Dieser Versuch verführte den Dichter dazu, den Satzbau und die Vokabeln bis zur Unleserlichkeit des Gedichts zu vergewaltigen. Luta Corporal äußert Zweifel, strebt zum Philosophischen, Universellen, stellt seine Probleme auf existentieller, fast individualistischer Ebene. Doch schon in „Hahn Hahn" kündigen sich trotz des formalen Ausdrucks, trotz kurzlebiger Begrifflichkeiten in anderen Gedichten wie „Das sind wir: Unser Überdruß am Sein, Wände der Einsamkeit / ersticken unser Lied" Brüche an, die zur Klarheit drängen wie: „Ob er weiß, daß im Mittelpunkt seines Körpers ein Schrei entsteht?" Ferreira Gullars Begegnung mit der konkreten Poesie, welche die formalistischen Tendenzen der brasilianischen Dichtung zu äußersten Konsequenzen trieb, war das Ergebnis einer vorübergehenden Übereinstimmung. Um 1961, als der soziale und politische Prozeß des Landes ihn plötzlich der Wirklichkeit zurückgab, ließ er die Erfahrungen der Avantgarde hinter sich und engagierte sich beim Centro Popular de Cultura im politischen Kampf. Das Ende seines poetischen Abenteuers und die Erkenntnis, daß die individualistische Sicht ihn zum Nihilismus geführt hätte, eröffnete ihm zugleich eine soziale Perspektive und die Begegnung mit der objektiven Wirklichkeit. In seinem 1969 veröffentlichten Essay Vanguar(Avantgarde und Unterentwicklung) da e Subdesenvolvimento hat er das Fazit aus seinen Erfahrungen mit dem Formalismus und Irrationalismus der ästhetischen Vorhut gezogen. 1964, als der Militärputsch der sogenannten nationalen Revolution die Regierung Joäo Goulart stürzte, die Centros Populares de Cultura schloß und deren führende Köpfe verfolgte, trat Ferreira Gullar dem Widerstand gegen die Diktatur im
Untergrund bei. 1968 wurde er verhaftet und 1971 ins politische Exil getrieben; die Stationen: Sowjetunion, Peru, Chile, endlich Argentinien. Nach den ersten Anzeichen einer politischen Öffnung kehrte Ferreira Gullar im März 1977 nach Brasilien zurück und nahm am nächsten Tag seine Arbeit als Redakteur der RioFiliale der größten Tageszeitung des Landes, des „Estado de Säo Paulo", wieder auf, eine Stellung, die er vor seiner Emigration jahrelang bekleidet hatte. In seinem Band In der schnellen Nacht, 1962—1975, ist der eingangs angedeutete Bruch und Sprung in die Klarheit vollzogen: „Ich vergewaltige dich, Boden des Lebens, Gurgel meines Tages". Während gelehrte Dichter poetische Theorie diskutieren und Exegeten Texte zerstückeln, geht — bei Gullar — die Poesie „an der Ecke eine Zeitung kaufen". Seine Sprache „proletarisiert" sich im Sinne Brechts und Nerudas: „Ich spreche für viele Brände in meiner Umgebung". Mit der Technik der Collage und Wiederholung versucht er, seine Umwelt abzubilden; so in „Mein Volk, mein Gedicht", 1962: „Mein Volk und mein Gedicht wachsen gemeinsam wie in der Frucht der neue Baum wächst Im Volk wird mein Gedicht geboren wie im Zuckerrohrfeld grün der Zucker geboren wird . . ."; oder in „Brasilianisches Gedicht", gleichfalls 1962: „In Piaui sterben von hundert Neugeborenen 78 vor dem Erreichen des achten Lebensjahrs In Piaui sterben von hundert Neugeborenen 78 vor dem Erreichen des achten Lebensjahrs . . ." 1975, während Ferreira Gullars Emigrationszeit in Argentinien, erschien sein Hauptwerk Poema Sujo (Schmutziges
133 Gedicht), ein in sich geschlossenes Gedichtbuch von neunzig Seiten, welches das Vorhaben und Versprechen des jungen Dichters erfüllte: „Ich zwinge die Zeit, Wahrheit zu sein". Gullars lyrischer Ahistorizismus seiner Anfänge ist überwunden. Sein neues thematisches Repertoire hat den Umschwung gebracht: die sozialpolitische Entdeckung Lateinamerikas. Seine Vorstellung vom „Konkreten" hat sich radikal gewandelt: Konkret ist jetzt das Zeitliche, die Probleme des Klassenkampfs, der Mensch in seiner Arbeit, in seinen gefühlsbetonten Schwankungen, in seinen Träumen und Kümmernissen. „Meine Verzweiflung" — sagte der Dichter 1973 in einem in Crisis, der später von der argentinischen Diktatur verbotenen Zeitschrift, veröffentlichten Gespräch — „bestand darin, daß all der Reichtum vor meinen Augen ablief wie ein Film, ohne daß ich fähig gewesen wäre, in ihn einzutauchen. Ich begriff, daß ich mich dem Leben um jeden Preis gleichsetzen müsse, was ich bis dahin vermieden hatte. Das alte Problem: die Kunst schenkt uns das Wesentliche, schließt aber das Leben aus. Das Leben hingegen reißt uns in seinen Strom und zerreißt uns in oberflächlichen Handlungen und Vorkommnissen. Ich mußte mich in den Lebenskampf stürzen, mir die Hände schmutzig machen, mich unter den anderen verlieren, um zu versuchen, mich als Ausdruck vieler zu finden. Ich hasse alle Formen der Mystifikation. Ich bin ein gewöhnlicher Mensch wie mein Vater, meine Mutter, meine Geschwister, meine Kindheitsgespielen. Nie hat mich ein Heiligenschein umgeben. Dagegen hat das oft harte und grausame Leben mich immer gefesselt. Aus ihm entsteht meine Dichtung: aus dem Wirklichen und Gewöhnlichen, aus den alltäglichen Dingen und aus dem schmutzigen und wirklichen Licht, das in Dingen und Menschen ist. Daraus leitet sich mein soziales Engagement ab: aus der Notwendigkeit, die Wahrheit zu sagen, für mich und die anderen wirkliches Glück und nicht einen Traum zu finden. Dichtung und Täuschung sind unvereinbar.
In der Welt, in der wir leben, herrschen Ausbeutung und Zynismus und vor allem die Grausamkeit derer, die bemüht sind, auf Kosten fremden Glücks ihre Vorrechte aufrechtzuerhal