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German Pages 358 Year 1977
ELMAR WADLE
Fabrikzeichenschutz und Markenrecht Erster Teil: Entfaltung
Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 14
Fabrikzeichenschutz und Markenrecht Geschichte und Gestalt des deutschen Markenschutzes im 19. Jahrhundert
Erster Teil: Entfaltung
Von Prof. Dr. Elmar Wadle
DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN
Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der juristischen Fakultät der Ruprecht-Karl-Universität Heidelberg gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Wadle, Elmar Fabrikzeichenschutz und Markenrecht : Geschichte u. Gestalt d. dt. Markenschutzes im 19. Jh. Berlin : Duncker und Humblot. Teil 1. Entfaltung. - 1. Aufl. - 1977. (Schriften zur Rechtsgeschichte ; H. 14) ISBN 3-428-03923-8
Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlln 41 Gedruckt 1977 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlln 61 Prtnted in Germany
© 1977 Dunelter
ISBN 3 428 03923 8
Für Gerda
Vorwort Der Plan, einen Beitrag zur Geschichte des gewerblichen Rechtsschutzes in Angriff zu nehmen, ist ebenso wie seine Ausführung eng mit dem Heidelberger Institut für geschichtliche Rechtswissenschaft verbunden, in dessen ansprechender Atmosphäre ich meine Assistentenjahre verbringen durfte. Vielen Gesprächspartnern, allen voran dem vormaligen Direktor der Germanistischen Abteilung, Herrn Prof. Dr. Götz Landwehr, und seinem Nachfolger, Herrn Prof. Dr. Adolf Laufs, habe ich für ermutigenden Zuspruch, fördernde Kritik und hilfreiche Anregungen zu danken. Tatkräftige Unterstützung habe ich auch von den Damen und Herren der Universitätsbibliothek Heidelberg und der Archive in Düsseldorf, Kalkum, Karlsruhe, Koblenz, Marburg, Merseburg, München, Münster, Nürnberg, Potsdam, Remscheid, Solingen und Stuttgart erfahren. Die Arbeit im Archiv wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit ansehnlicher Sachbeihilfe unterstützt. Der erste Teil der Untersuchung, welche die juristische Fakultät der Universität Heidelberg im Wintersemester 1973/74 als Habilitationsschrift angenommen hat, wird hier in überarbeiteter Form vorgelegt. Den zweiten Teil über die "Historisch-dogmatischen Grundlinien" des deutschen Markenschutzes im 19. Jahrhundert hoffe ich, in absehbarer Zeit publizieren zu können. Bielefeld, im Sommer 1976
E.W.
Inhalt Einführung
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Erster Abschnitt
Voraussetzungen 1. Kapitel
Grundlage und Abgrenzung § 1 Zeichenbrauch und Zeichenrecht um 1800 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Das Zeichenwesen des 19. Jahrhunderts und seine ökonomische
20
Grundlage -
ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 li. Die Einführung der Gewerbefreiheit - 111. Warenbezeichnung und Wirtschaftsentwicklung § 3 Qualitäts- und Herstellerzeichen als Mittel staatlicher Garantie und Repression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 I. Qualitätszeichen - II. Obligatorische Herstellerzeichen I. Die Grundformen und ihre Bedingungen -
2. Kapitel
Zur Entwicklung des Markenschutzes im Ausland § 4 Das Vorbild Frankreichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die französische Gesetzgebung im Überblick -
II. Französisches III. Das Recht der
Markenrecht im linksrheinischen Deutschland Fabrikzeichen im Großherzogtum Berg § 5 Großbritannien, Österreich und die übrigen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . I. Großbritannien - II. Österreich - III. Die übrigen Staaten
48
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Zweiter Abschnitt
Fabrikzeichen und Markenschutz zwischen Tradition und Fortschritt -
Die Entwicklung bis zum Reichsstrafgesetzbuch -
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3. Kapitel
Der Schutz der Warenbezeichnung im Zollverein § 6 Die Generalkonferenzen in München (1836) und Dresden (1838)
71
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Inhalt
§ 7 Vereinsinterne Abkommen über Gegenseitigkeit und Verträge mit
dritten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Die Abkommen am Beispiel Preußens - II. Zoll- und Handelsverträge
4. Kapitel Die Entwicklung des Zeichenschutzes in Preußen § 8 Das Allgemeine Landrecht und die Praxis im Aktenspiegel der Mini-
sterialabteilung für Handel und Gewerbe (1812 - 1838) . . . . . . . . . . . . . .
84
Industriegebiet 1815 - 1840 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Fabrikzeichen-Kommissionen als Übergangslösung - II. Das Zeichenrecht und die geplante Neuordnung der Solinger Fabrikverfassung - 111. Der Düsseldorfer Entwurf und die Errichtung der Fabrikgerichte § 11 Der strafrechtliche Zeichenschutz und das Gesetz vom 4. Juli 1840 . . I. Die Entwürfe zum Strafrecht und das Strafgesetzbuch vom 14. April1851 - II. Das Gesetz vom 4. Juli 1840 und seine Suspendierung in den westlichen Provinzen § 12 Das rheinisch-westfälische Sonderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Entwurf von 1843, seine Vorgeschichte und seine BeratungII. Der revidierte Entwurf (1845), der Entwurf des Handelsamtes (1845) und die Verordnung vom 18. August 1847 - 111. Der Vollzug der Verordnung von 1847 - IV. Die Anträge zur Erweiterung des Zeichenschutzes und das Gesetz vom 24. April1854 - V. Der Vollzug des Gesetzes von 1854 - VI. Bemühungen zur Reform des rheinisch-westfälischen Zeichenrechts nach 1854 § 13 Gescheiterte Reformwünsche (1840 - 1866) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Verbesserung des Strafschutzes - II. Anträge zur Ausdehnung des rheinisch-westfälischen Sonderrechts auf die ganze Monarchie - 111. Die Haltung des Ministeriums
95
§ 9 Das Gesetz über Fabrikzeichen auf Stabeisen (1818) . . . . . . . . . . . . . . 92 § 10 Die Entwicklung des Fabrikzeichenrechts im hergiseh-märkischen
123
139
158
5. KapiteL Der Zeichenschutz in Bayern § 14 Die Strafgesetzgebung von 1813 und ihre praktischen Probleme . . . . 162 § 15 Das Fortleben der Handwerkstradition in Nürnberg und Schwabach
und der Zeichenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
§ 16 Die Verordnung vom 6. März 1840 ........ ................ ... .. . .. 177 § 17 Die Reform des strafrechtlichen Zeichenschutzes, das Strafgesetz-
buch (1861) und die Verordnung vom 21. Dezember 1862 . . . . . . . . . . . . 183
§ 18 Zur Praxis des Zeichenschutzes nach der Gesetzgebung von 1840
und 1862 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
6. Kapitel Der Markenschutz in Württemberg § 19 Die Gewerbeordnung von 1828 und der Strafschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 196 § 20 Das Gesetz vom 12. Februar 1862 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
Inhalt
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7. KapiteL
Der Markenschutz in Baden § 21 Der Zeichenschutz im badischen Landrecht (1809) und seine Revision
(1817) . ................. .. .................................... . . .. 204
§ 22 Die Initiative Badens im Zollverein (1836) und das Strafgesetzbuch
von 1845 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 8. Kapitel
Der Zeichenschutz in Kurhessen § 23 Das Zeichenrecht im Schmalkaldener Gewerbe und seine Neuord-
nung (1827) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
§ 24 Die Bemühungen um den allgemeinen Strafschutz der Warenbe-
zeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 I. Anfänge - II. Der gescheiterte Gesetzentwurf von 1839/40 III. Spätere Versuche 9. Kapitel
Der Schutz der Warenbezeichnung in den übrigen Staaten Deutsdtlands § 25 Harnburg und Frankfurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
I. Der Hamburger Entwurf von 1844 - II. Die Frankfurter Gesetze von 1855 und 1864 § 26 Sonstige Strafgesetze zum Schutz der Warenbezeichnung .......... 224 I. Allgemeines- II. Die Warenbezeichnung mit Namen, Firma, Fabrikzeichen oder "Merkmalen" - III. Die Warenbezeichnung mit Name oder Firma 10. Kapitel
Bemühungen um die Rechtsvereinheitlichung § 27 Ansätze zur Regelung des Markenschutzes während der Revolutions-
jahre 1848/49 und im Deutschen Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
§ 28 Die Bemühungen im Zollverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 I. Der preußisch-österreichische Vertrag von 1853 und das Öster-
reichische Markenschutzgesetz von 1858 - II. Die Verständigung im Bundesrat des Zollvereins (1868) § 29 Das Reichsstrafgesetzbuch (1870/71) ...... . ........................ 239 Dritter Abschnitt
Die Grundlagen des modernen Markenschutzes 11. KapiteL
Die Reichsgesetze von 1874 und 1894 § 30 Bemühungen um den Markenschutz 1866-1974 . . . .. ... ...... . . .. . . 241 § 31 Das Markenschutzgesetz (1874) . ...... . ........ . ....... .. . . .... . . .. 249 § 32 Zum Vollzug des Markenschutzgesetzes .... . . . . . ... ... . . . . .... ... 254
12
Inhalt
§ 33 Die Kritik des Markenschutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 § 34 Der Entwurf von 1892 und seine Kritik - Das Gesetz zum Schutz
der Warenbezeichnungen (1894) . . . .. ..... . . ................. . . ... 265 12. Kapitel
Markenschutz als Problem der Theorie § 35 Markenschutz und Polizeiwissenschaft vor 1850 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 § 36 Markenschutz und Strafrechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
I. Markenmißbrauch als crimen falsi - II. Markenmißbrauch als Betrug- III. Markenmißbrauch als Fälschungsdelikt- IV. Markenmißbrauch als eigenständiges Delikt § 37 Die Entfaltung der wissenschaftlichen Diskussion . .......... ..... . . 282 !.Ältere Autoren - li. Die Auseinandersetzung nach 1850 und der Durchbruch zur privatrechtliehen Sicht
Anhang I. Königlich-preußisches Schutzmandat vom 29. Oktober 1764 . . . . . . . . II. Instruktion für die Fabrikzeichen-Commission zu Solingen . . . . . . . . 111. Regulativ für den Geschäftsgang in den Sitzungen der Fabrikzeichen-Commision zu Solingen (Entwurf 1817) . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Entwurf zu einem Statut für die Eisen- und Stahl-Gewerbe des Kreises Solingen (1823) - Auszug - . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Fabrikzeichen für die Eisen- und Stahl-Gewerbe in den Rheinisch-Westphälischen Provinzen (Düsseldorfer Entwurf 1828) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Reglement für die Fabrik-Zeichen-Commission der Fabrikorte Remscheid, Kronenberg, Lüttringhausen und Umgegend (Entwurf vom 30. November 1830) .................. . . .. ........ . ......... .... .. VII. Entwurf einer Verordnung zum Schutze der Fabrik-Zeichen in den Provinzen Westphalen und Rheinland (Ministerialentwurf 1843) .. VIII. Gesetzentwurf, den Schutz der Waarenbezeichnungen betreffend (Entwurf Diepolder 1850) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Schutz der Waarenzeichen (Vorentwurf des Reichskanzleramtes Mai 1874) ... . . .. . . .. . .. . ...
303 303 304 305 306 310 314 319 322
Quellen und Literatur A. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 B. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 C. Literatur ..... . .. ....... .. .. . ... . .. .. .. . . .. . . . ....... .... ... .... ... 335
Abkürzungen Allgemeine Deutsche Biographie Bayern, bayerisch Bundesrat Düsseldorf E Entwurf FinM Finanzministerium, Ministerium der Finanzen u . ä. GB Großherzogtum Berg G,Ges. Gesetz Ges.Bl. Gesetzblatt Ges.Slg. Gesetzessammlung GewO, GewG Gewerbeordnung, Gewerbegesetz GLA Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe GR, GRUR Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz, Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht Handelsministerium, Ministerium des Handels u. ä . HaM HStA Hauptstaatsarchiv InnM Ministerium des Innern u. ä. JusM Justizministerium u. ä. LA Landratsamt LR Landrat LT,LTA Landtag, Landtagsabschied M Minister, Ministerium, MinisterialMA Der Mar kenartikel Mg Marburg Mn München Mr Münster MSchG Markenschutzgesetz (1874) Nü Nürnberg OP Oberpräsident, -präsidium Pr.,pr. preußisch Prot. Protokoll RAinn Reichsamt des Innern Reg. Regierung Rev., rev. revidiert RJA Reichsjustizamt RKA Reichskanzleramt ADB Bay., bay. BR Düss.
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RT
Sess. StA StadtA Sten.Ber. Verh.
vo
WBG WHStA wü. ZStAI ZStAII
Abkürzungen Reichstag Session Staatsarchiv Stadtarchiv Stenographische Berichte Verhandlungen Verordnung Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnung (1894) Württembergisches Hauptstaatsarchiv Stuttgart württembergisch Zentrales Staatsarchiv Potsdam Zentrales Staatsarchiv, Historische Abteilung II, Merseburg
Einführung Bereits im Jahre 1910 sprach Justus Wilhelm Hedemann1 von der "Erkenntnis ..., daß dem modernen bürgerlichen Recht die historische Grundlage verloren gegangen ist". Angesichts der Nähe zur Jurisprudenz des 19. Jahrhunderts, die von der Historischen Rechtsschule und ihren Auswirkungen beherrscht ist, mag man zweifeln, ob Hedemanns pointiertes Urteil seiner Zeit völlig gerecht wurde. Heute dürfte indes feststehen, daß die Entwicklung der Zivilistik bis auf unsere Tage Hedemann Recht gegeben hat. Was immer diese Tendenz zur unhistorischen Betrachtung des Zivilrechts befördert oder bewirkt haben mag - es ist nicht zu übersehen, daß das Bedürfnis gewachsen ist, die schier unübersehbare Fülle rechtlicher und insbesondere privatrechtlicher Normen und Institute nicht nur in rechtsdogmatischen Systemen einzufangen, sondern auch in ihrer historischen Genese zu verstehen. Da ein solches Verständnis, will es sich nicht mit Allgemeinplätzen begnügen, nur in langwieriger Auseinandersetzung mit der jüngeren deutschen Rechtsgeschichte, namentlich jener des 18. und 19. Jahrhunderts gewonnen werden kann, ist vor allem der Historiker unter den Juristen aufgerufen, die vielfältigen Wurzeln unseres gegenwärtigen Privatrechts in jener Epoche bloßzulegen. Dogmen- und geistesgeschichtliche Aspekte von Recht und Rechtswissenschaft fanden freilich schon immer das Interesse der Rechtsgeschichte, in den letzten Jahrzehnten ist es sogar gewachsen: die Entfaltung des neuzeitlichen Privatrechts tritt mehr und mehr in unser Blickfeld. So erfreulich diese Entwicklung ist, so notwendig ist es, bislang oft vernachlässigte wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte in die Betrachtung einzubeziehen, ohne sie jedoch überzubewerten. Rechtsbildung und Rechtswirklichkeit sind immer eng verwoben nicht nur mit dem dogmatisch-wissenschaftlichen Geschehen, sondern ebenso sehr mit ökonomisch-sozialen Gegebenheiten und Tendenzen; für die Rechtsgeschichte des 19. Jahrhunderts, das Jahrhundert der "industriellen Revolution", gilt dies in besonderem Maße. Es sei zugegeben: das Postulat ist leichter aufgestellt als verwirklicht. Die Arbeiten der Nachbardisziplinen, wie Wirtschafts- und Sozialgeschichte, sind dem Juristen oft schwer zugänglich, da sie seinen Fragestellungen nur selten Rechnung tragen. Doch auch dann, wenn t
Fortschritte I S. VII.
16
Einführung
sie - auf einen rechtsgeschichtlich ausgrenzbaren Bereich konzentriert - diese Bedingungen erfüllen, geht ihnen vielfach jene Konkretheit ab, die es ermöglicht, das mit bestimmten Rechtsnormen verbundene wirtschaftliche Interesse genauer zu bestimmen. Hier kann nur der Gang ins Archiv die notwendige Detailkenntnis über die Beweggründe und Anlässe einzelner gesetzgeberischer Aktionen vermitteln. Die archivalischen Materialien sind darüber hinaus auch für die dogmengeschichtliche Forschung von unschätzbarem Wert, wenn es an entsprechenden zeitgenössischen Untersuchungen gebricht. Als Gegenstand einer Abhandlung, welche diesen Überlegungen zu entsprechen versucht, bietet sich aus verschiedenen Gründen der Markenschutz an. Er steht wie alle Teilbereiche des gewerblichen Rechtsschutzes im Schnittpunkt von Rechts- und Wirtschaftsgeschichte. Die jüngere Forschung hat diesem Gebiet neue Aufmerksamkeit zugewendet und eine Reihe von Arbeiten hervorgebracht; sie behandeln freilich in aller Regel andere Teilbereiche, insbesondere den Erfindungsschutz2. Das Markenwesen des 19. Jahrhunderts wurde bislang nur in seinen wirtschaftsgeschichtlichen Grundlagen eingehender behandelt3, während die Rechtsgeschichte der Marke weder in der Literatur des letzten Jahrhunderts noch später eine intensivere allgemeine Darstellung erfahren hat. Soweit sie nicht lediglich als Einleitung zum jeweils geltenden Recht gestreift wird', hat man sich entweder nur mit dem Produkt der Gesetzgebung, nicht aber mit ihrem Gang beschäftigt~> oder sich auf lokal oder regional gebundene Entwicklungen beschränkte. Dies ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, daß das Markenrecht erst nach 1850- teils aus historischem Interesse7 , teils seiner wirtschaftlichen Relevanz hal~rB - jenes Gewicht zu erhalten beginnt, das es zum besonderen Gegenstand rechtswissenschaftlicher Abhandlungen werden läßt. Die Wende wird markiert durch das 2 Vgl. die Arbeiten von Silberstein, Heß und Heggen. s Namentlich durch Leitherer; Entwicklung; S. 64 ff.; ders., Markenformen; ders., Markenwesen; auch Beyerling, Probleme S. 15 ff.; Astheimer, Markenartikel S. 12 ff. ' So schon KohleT (Markenschutz S. 53 -72); für die neuere Literatur sei verwiesen auf Hubmann, Gewerblicher Rechtsschutz S. 7 ff. (§ 2); und Schluep, Markenrecht S. 33 ff., bes. S. 44 f., 56 ff. I So etwa Krug... Fabrik- und Warenzeichen bes. S. 50 ff. und P. Schmid GR I S. 225 ff. Lediglich Bolle und Riecke (vgl. Literaturverzeichnis) gehen auf die Entwicklungsgeschichte ein. 8 Zu den zahlreichen Arbeiten zum hergiseben Zeichenrecht vgl. unten § 4 Anm. 39 und 45; zum Nürnberger Zeichenrecht vgl. Ilgenfritz, Warenzeichenrecht der Stadt Nürnberg S. 141 ff. 7 Hier sind zu nennen die Arbeiten von Michelsen, Dietzel und Homeyer; Näheres im Literaturverzeichnis. s Vgl. die Untersuchungen von Krug, Hack, Schäfffe und Klostermann; dazu eingehender unter § 37 zu Anm. 24 ff.
Einführung
17
Markenschutzgesetz von 1874, in welchem das Bedürfnis der Wirtschaft nach einer reichseinheitlichen Regelung seinen Niederschlag gefunden hat. Das neue Gesetz stimuliert das wissenschaftliche Bemühen, das seinerseits im Verein mit den praktischen Erfahrungen schließlich zur Reform durch das Warenbezeichnungsgesetz von 1894 führt. Bereits das erste Reichsgesetz läßt das Markenrecht in seiner modernen, dem Privatrecht zugehörigen Gestalt aufscheinen. Es hat damit den zeitgenössischen Arbeiten, namentlich dem Werk Josef Kohlers, einen richtungsweisenden Maßstab geliefert, der im Grunde bis in die Gegenwart hinein fortwirkt. Wollte man diesen Maßstab auch der Betrachtung der älteren Gesetzgebung zugrunde legen, so würde diese nur als Vorstufe zum moderneren Markenrecht erscheinen. Einer historischen Arbeit stände eine solche, auf eine Abwertung des älteren Bemühens hinauslaufende Haltung schlecht an. Deshalb soll hier die ganze Breite und Vielfalt des älteren Rechts beachtet werden. Die Möglichkeit dazu bietet uns das einschlägige ArchivmateriaL Aus diesen Überlegungen ergeben sich eine Reihe von Konsequenzen für Gegenstand und Gang unserer Untersuchung. Sie versteht unter "Marken" jene Kennzeichen, welche Waren nach ihrer Herkunft individualisieren, welche mithin den Zweck haben, die markierten Erzeugnisse unterscheidbar zu machen von Waren, die von einem anderen Hersteller oder Kaufmann stammen. Dieser weite Markenbegriff, welcher der Terminologie des Reichsgesetzes vom 30. Novomber 1874 entspricht9 , umfaßt sowohl die markenmäßig, das heißt als Herkunftshinweis auf Waren verwendeten Firmen und Namen, wie die besonderen, lediglich die Gleichartigkeit der Herkunftsstätte, nicht aber diese selbst ausweisenden Zeichen10• Neben solchen individuellen "Warenbezeichnungen"11 stehen andere, ebenfalls mit Waren verbundene Kennzeichen12• Im 19. Jahrhundert handelt es sich, sieht man von solchen Zeichen, die bestimmte Rechts9 Es erwähnt "Marken" nur in der Überschrift; dieser Begriff umfaßt sowohl "Warenzeichen" (§ 2 MSchG) wie die Bezeichnung mit Namen oder Firma (§§ 13, 14 MSchG). In gleich allgemeiner Weise verwendet Kohler (Markenschutz, passim) den Begriff "Marke". 1o Anders die moderne Terminologie, welche "Marke" auf das förmlich erworbene "Warenzeichen" beschränkt und als umfassenderen Begriff "Warenbezeichnung" verwendet; vgl. etwa Baumbach I Hefermehl WZG Einl. 1-4. 11 Wenn im folgenden von "Warenbezeichnung" die Rede ist, so zumeist in diesem individualisierenden Sinne. Daß der Begriff auch kollektive Herkunftsangaben umschließen kann (vgl. § 16 WBG), steht außer Frage. 12 Zeichen, die nicht in einem spezifischen Bezug zu Waren stehen, wie z. B. Vermögenszeichen, Urkundsmarken (Personalmarken, Künstlerzeichen) scheiden infolgedessen von vornherein aus unserer Betrachtung aus. Die Vielfalt möglicher Zeichenarten und -zwecke wird schon von Homeyer (Haus- und Hofmarken) aufgezeigt. Spätere Autoren (wie etwa Kohler, Meyer, Lastig und Müller) haben seine Differenzierungen ergänzt und vertieft.
2 W a dle
18
Einführung
Verhältnisse in bezugauf die Ware zum Ausdruck bringen sollen13 , einmal ab, vor allem um verschiedene Varianten von Qualitätszeichen, solche Zeichen also, die eine bestimmte Aussage über die Qualität einer Ware bezweckeni4• Beide Kennzeichnungstypen, individualisierende Herkunftsangabe und zeichenhafte Qualitätsaussage sind streng auseinanderzuhalten, obgleich sie auch in enger Verbindung auftreten können. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der Staat bestimmte Qualitätsvorstellungen durchzusetzen suchtts. Dieser besonderen Nähe halber muß - freilich in der gebotenen Kürze - auf die Qualitätszeichen eingegangen werden16• Im übrigen beschränkt sich unsere Untersuchung auf das Recht der Herkunftszeichen. Seine Entwicklung ist aufs engste mit dem wirtschaftlichen Geschehen verknüpft. Dem ökonomischen Wandel des 19. Jahrhunderts Während diese Klassifizierung in aller Regel am historischen Material ausgerichtet ist, bemüht man sich in neuerer Zeit eher um eine streng systematische Gliederung der Kennzeichen. In diesem Zusammenhang sei bes. verwiesen auf Lauper, Ordnung. 13 Als solche haben die Kaufmannszeichen zu gelten, soweit sie noch im 19. Jahrhundert, etwa beim Eigentumsnachweis, beim Gefahrenübergang oder im Frachtgeschäft, eine Rolle spielen; vgl. I 7 §§ 61- 64; li 8 §§ 1668, 1669, 1841, 1842 ALR; Art. 392 und 645 ADHGB. - Zum älteren Recht der Kaufmannszeichen vgl. insbesondere: Dietzel, Handelszeichen; Leitherer, Entwicklung S. 9 ff.; ders., Markenwesen. 14 Lauper a.a.O. spricht von "beschaffenheitsbezeichnenden Kennzeichen", denen er die Warenbezeichnungen ("Unternehmerkennzeichen") neben anderen Idealtypen (wie "Eigentümerkennzeichen", "Besitzerkennzeichen", "Hoheitskennzeichen" und "Herkunftskennzeichen") als "beziehungskennzeichnende Kennzeichen" gegenüberstellt. 15 Die seit Homeyer übliche Unterscheidung der älteren Marken in öffentliche und private Kennzeichen erscheint sinnvoll, wenn unter "öffentlichen" Zeichen jene Kennzeichen verstanden werden, die von staatlichen Organen oder mit obrigkeitlicher Autorität beliehenen Institutionen angebracht werden (so etwa Homeyer, Haus- und Hofmarken § 112 S. 336; Kohler, Markenschutz S. 47 Anm. 4); bei diesen Zeichen handelt es sich in aller Regel um besondere Qualitätszeichen, nämlich solche, die - um mit Lauper zu sprechen - als "Hoheitskennzeichen" zugleich "beziehungsbezeichnende Kennzeichen" sind; sie sind unten (§ 3) im Zusammenhang zu besprechen. Wenig ergiebig dürfte es indes sein, solche Zeichen als "öffentliche" zu charakterisieren, bei deren Gebrauch "allein oder in stärkerem Grade öffentliches Interesse" obwaltet (so Lastig, Markenrecht S. 55 ff. hier S. 56). Unter diese Definition können auch individuelle Herkunftszeichen fallen; namentlich dann, wenn ihre Verwendung vom Gesetz vorgeschrieben ist ("obligatorische Herstellerzeichen"). Sie aus unserer Betrachtung auszuschließen, hieße, ein wesentliches Element der Entwicklung im 19. Jahrhundert zu verkürzen. Eine eindeutigere Scheidung (und dementsprechende rechtliche Behandlung) in öffentliche und private Zeichen ist geradezu eines der Ergebnisse jener Entwicklung, welche das Markenrecht mit anderen Rechtsbereichen teilt. Zum Grundsätzlichen vgl. insbesondere Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, bes. S. 37 ff. 18 s. unten § 3.
Einführung
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entspricht eine grundlegende Veränderung des traditionellen Zeichenwesens und damit auch dessen rechtlicher Regelung. Diese Normen beruhen weitgehend auf besonderen Akten des Gesetzgebers, deren archivalischer Niederschlag gut verfolgt werden kann. Die relative Geschlossenheit der Materie ermöglicht überdies eine annähernd vollständige Erschließung der einschlägigen Bestände, ohne die Grenze des Zurnutbaren zu überschreiten. Das Archivmaterial bietet die wesentliche Grundlage für diesen ersten Band unserer Untersuchung. Er hat den historischen Verlauf der deutschen Gesetzgebung von den Anfängen des 19. Jahrhunderts bis zum Erlaß des Gesetzes von 1894 nachzuzeichnen. Dabei liegt das Schwergewicht auf den einzelstaatlichen Maßnahmen, ihren Hintergründen, ihrem Zustandekommen und ihrer Praxis. Die Gesetzgebung Österreichs wird nur am Rande berührt werden; diese schon aus Raumgründen nützliche Aussparung erscheint deshalb gerechtfertigt, weil das legislatorische Geschehen in Deutschland durch die Abreden im Zollverein bedingt ist, dem die Donaumonarchie bekanntlich nicht angehört hat. Sie steht insoweit den außerdeutschen Staaten gleich. Unverzichtbar ist hingegen eine Beschäftigung mit dem französischen Markenrecht, das in Deutschland teils direkt eingeführt worden ist und weitergegolten hat, teils als Vorbild beherrschenden Einfluß ausgeübt hat. Die Legislatur anderer Staaten, namentlich jene Englands, beginnt erst im letzten Jahrhundertdrittel die deutsche Gesetzgebung mehr oder weniger spürbar zu beeinflussen; sie braucht, da der Schwerpunkt unserer Arbeit auf der Zeit vor dem Erlaß des Markenschutzgesetzes liegt, nur kursorisch behandelt zu werden. Aus dem nämlichen Grunde soll auch die deutsche Diskussion nach 1874 nur in groben Zügen skizziert werden; die Einzelheiten sind ohnehin anhand der in zunehmender Zahl gedruckten Materialien und Reformvorschläge, sowie der Publikationen aus Wissenschaft und Rechtsprechung leichter zu verfolgen. Eine Untersuchung, die in solcher Weise vorwiegend der Gesetzgebungsgeschichte gewidmet ist, vermag zwar Entwicklungslinien und allgemeinpolitische Zusammenhänge bloßzulegen; sie bedarf aber der Ergänzung durch eine historisch-dogmatische Untersuchung, um den Markenschutz in den rechtsgeschichtlichen Gesamtrahmen einordnen zu können. Diese Aufgabe muß indes dem zweiten Bande vorbehalten bleiben. Der abschließende Blick auf die wissenschaftliche Diskussion, in welcher sich die legislatorischen Aktivitäten niederschlagen, zeigt bereits an, wie eng der Markenschutz mit der allgemeinen Rechtsentwicklung im 19. Jahrhundert verwoben ist. Einige seiner Wurzeln reichen indes weiter zurück.
Erster Abschnitt
Voraussetzungen 1. Kapitel
Grundlage und Abgrenzung § 1. Zeichenbrauch und Zeichenrecht um 1800
Die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, eine Zeit des Umbruchs in allen Lebensbereichen, vereint auch im gewerblichen Zeichenwesen alte, dem Untergang geweihte Gepflogenheiten mit jungen, die Zukunft beherrschenden Strömungen. In diesem Nebeneinander spiegeln sich die unterschiedlichen Betriebs- und Absatzformen der gewerblichen Wirtschaft. Auf der einen Seite leben die traditionellen Wirtschaftsformen des überwiegend zunftgebundenen Handwerks und der Manufakturen fort; auf der anderen Seite finden wir Frühformen rationalistischer Produktion und konkurrenzmäßigen Absatzes1 • Der unterschiedlichen Wirtschaftsweise entspricht eine jeweils spezifische "Markenbildung"2 • In der Blütezeit des Zunfthandwerks bildete die Schau "das wesentlichste und charakteristische Merkmal der Markenbildung"a. Der in der 1 Diese Gegenüberstellung soll lediglich die Komplexität des Wirtschaftslebens um 1800 andeuten, keineswegs aber eine exakte Beschreibung liefern. - Aus der reichen wirtschaftsgeschichtlichen Literatur seien hier nur genannt: Lütge, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, bes. S. 244 ff.; Mauersberg, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, bes. §§ 9 und 10; Schremmer, Wirtschaft Bayerns, bes. S. 472 ff. Zur Entwicklung des Handwerks vgl. insbesondere Köhler, Württembergisches Gewerberecht S. 4 ff.; Fischer, Handwerksrecht und Handwerkswirtschaft um 1800; Bergmann, Stabilität und Wandel S. 23 bis 63; ders., Das "Alte Handwerk", passim. 2 Diesen die Entstehung des Markenwesens vorwiegend unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtenden Begriff hat Leitherer geprägt. - Weniger bedeutsame Überblicke über die Wirtschaftsgeschichte des Markenwesens bieten: Beyerling, Markenartikel-Industrie S. 15- 25; Kühn, Markenartikel S. 6- 36; Hansen, Markenartikel S. 24 ff. s Leitherer, Entwicklung S. 33. - Die folgende Darstellung schließt sich weitgehend an Leitherer an, ohne jedoch seine dreifache Typologie (Markenwesen der Zunftwirtschaft - Manufakturmarken des Merkantilismus moderne Markenformen) zu übernehmen. Die Fabrikmarken der Porzellanund Fayence-Manufakturen, auf welche Leitherer die zweite Periode im wesentlichen stützt, bilden eine ähnliche Ausnahme wie die Meisterzeichen der Handwerke vorwiegend künstlerischen Charakters oder die Zeichen dPr
§ 1. Zeichenbrauch und Zeichenrecht um 1800
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Markierung dokumentierte Qualitätsnachweis sollte den einheimischen Konsumenten vor jeder Übervorteilung durch minderwertige Fabrikate schützen. Bei einigen Gewerben traten absatzwirtschaftliche Motive hinzu: die mit einer bestimmten Marke versehene Ware konnte sich in außerstädtischen Absatzgebieten einen Ruf erwerben und damit zur Sicherung des Absatzes einheimischer Produkte beitragen. Das auf diese Weise bisweilen begründete "feste Markenbewußtsein" 4 stützte sich in erster Linie auf das Schauzeichen als den Nachweis der Qualitätsprüfung5. Das Meisterzeichen ordnete sich in aller Regel dieser Zielsetzung unter; es war vorgeschrieben, um den Hersteller eines Produktes kenntlich zu machen und den Zugriff der kontrollierenden Instanz zu ermöglichen. In ihren Grundzügen blieb diese Zielsetzung bis ins 18. Jahrhundert erhalten: die konsumwirtschaftlichen Motive (Kundenschutz und Qualitätskontrolle) behielten ihren Vorrang vor absatzwirtschaftlichen (Absatzsicherung) und gemeinwirtschaftliehen Motiven (Erhalt der ;,Nahrung"). Mit dem Vordringen städtischer und dann staatlicher Einflußnahme in den ehedem autonomen Bereich der Zunft wurden diese Ziele sogar intensiviert und erweitert. Insbesondere die landesherrliche Gewerbepolitik des 1'7. und 18. Jahrhunderts6 , welche die Qualität gewerblicher Produkte durch zahllose Anordnungen und Gesetze zu fördern suchte, legte großes Gewicht auf die Garantie der Schauanstalten7 : wo die Obrigkeit nicht selbst die Papiermacher (dazu Leitherer, Entwicklung S. 36 ff., 45 ff.). Manufakturbetriebe anderer Branchen kennen die Schaustempelung durchaus (vgl. unten Anm. 8 und 9) .. Dieser Umstand und der handwerkliche Charakter der Manufaktur rechtfertigen es m. E., ihr Zeichenwesen mit jenem des späten Zunfthandwerks gleichzustellen; die übrigen Merkmale der "großgewerblichen" Produktionsweise einer Manufaktur, nämlich räumliche Konzentration und hohe Produktionsziffern (Schremmer, Wirtschaft Bayerns S. 474), stehen dem nicht entgegen, solange die markierten Produkte nicht in Konkurrenz mit den Erzeugnissen anderer Manufakturen abgesetzt werden. Ist dies aber der Fall, dann wird man die entsprechende Manufaktur und ihr Zeichenwesen eher den "modernen" Zeichenformen zurechnen müssen. • Leitherer a.a.O. S. 16. 5 Dies gilt als Regel; über Ausnahmen vgl. Leitherer, a.a.O. S. 36 ff. Weitere frühe Beispiele zum Vorrang der Meistermarke bei Schmid, Passauer Waffenwesen S. 335; Görlitz, Gewerbliche Bildzeichen S. 222 ff.; Loose, Handwerkszeichen S. 334. - Den wohl umfassendsten Überblick über Beschau und Beschauzeichen bietet Berliner, Beschau, passim. a Hierzu vgl. etwa: Bechtel, Wirtschaftsgeschichte Deutschlands vom Beginn des 16. bis zum Ende des 18. Jh., S. 270- 279; Zorn, Gewerbe und Handel S. 536 ff.; Hassinger, Politische Kräfte S. 615, 635 ff.; Mascher, Gewerbewesen S. 368 ff. u. ö.; SchmolleT, Kleingewerbe S. 11 ff.; Forberger, Manufaktur S. 236 ff.; Sombart, Ordnung S. 55 ff., bes. S. 55 ("DerMerkantilismus ist zunächst nichts anderes als die auf ein größeres Territorium ausgedehnte Wirtschaftspolitik der Stadt") und S. 58 ("Die Grundgedanken waren keine anderen als die der Zunftordnung").
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1. Kap.: Grundlage und Abgrenzung
Schau durch eigene Organe übernahm, verordnete sie wenigstens ihre striktere Durchführung; wo eine Handwerksschau noch nicht bestand, führte man sie ein. Darüber hinaus wurden Schauanstalten auch für jene Gewerbe geschaffen, die nicht als Zunft organisiert waren. Dies gilt für die ländliche Hausindustrie8, namentlich die Produktion von Leinen und Tuch; dann aber auch für neugegründete Manufakturen, wie etwa die preußische Seidenindustrie9 • Dem Schaustempel und anderen hoheitlich vorgeschriebenen Qualitätszeichen10 wuchs damit neue Bedeutung zu: Kundenschutz und Qualitätskontrolle waren nicht mehr auf die räumliche Enge des städtischen Bedarfs bezogene Motive, sondern Forderungen territorialer Wirtschaftsfürsorge; mit dieser Ausweitung der räumlichen Komponente drängte die konsumwirtschaftliche Motivation des Markenwesens noch mehr in den Vordergrund. Absatzwirtschaftliche Ziele mußten an Bedeutung verlieren, wo die markierte Ware sich ohne nennenswerte Konkurrenz behaupten konnte, also namentlich auf dem durch Schutzzölle und Monopole abgesicherten Binnenmarkt11 • 7 Zahlreiche Beispiele für die Schau- und Meisterzeichen der Zinngießer enthält das Werk von Hintze, Deutsche Zinngießer; über die Zeichen der Goldschmiede: Rosenberg, Merkzeichen. - Beispiele aus anderen Handwerken sind zu finden bei: Jahn, Gewerbepolitik S. 69 ff., Schüz, Gewerbsverfassung S. 282 ff.; M. Mayer, Handwerkerpolitik li S. 329 ff., 374 ff.; Rohrscheidt, Zunftzwang S. 87 ff.; Voye, Sauerland li, bes. S. 121, 177, 180 ff., 316; Anschütz, Suhl S. 38. - Im übrigen vgl. auch die in den folgenden Anmerkungen genannte Literatur. B Schlesien: Fechner, Wirtschaftsgeschichte, passim; Zimmermann, Blüte und Verfall S. 79 ff.; Schroetter, Wollindustrie S. 158 ff., 209 ff., 423 ff., 573 ff. Lausitz: Westernhagen, Leinwandmanufaktur S. 25 f.; Staudinger, Leineweberei S. 162 ff. Sachsen: Forberger, Manufaktur S. 265, 270, 298; zu den Verordnungen von 1729 - 1785 siehe Handbuch chursächsischer Gesetze V S. 412, VIII/2 S. 820 f., 845 ff., XI S. 574. Vogtland: Bein, Industrie 11, passim, bes. S. 498, 513, 522, 529, 548. Baden: Gothein, Wirtschaftsgeschichte S. 428 f. Württemberg: Troeltsch, Zeughandelskompagnie S. 72, 117 f. u. ö. Zur älteren norddeutschen und insbesondere westfälischen Leinenschau vgl. die unten § 3 angeführte Literatur. ' Dazu SchmolleT I Hintze, Seidenindustrie I S. 128, 476 ff. (Reglement v. 1766), III S. 70 f., 177 f., 323 f. (Zur Bedeutung und Fortdauer der Schau). Andere Beispiele bieten das Schauzeichen (Adler) der Spandauer Gewehrfabrik (dazu Gothsche Gewehrfabriken S. 2 f.) und das königliche Szepter als "Fabrikzeichen" der Eilper Klingenschmiede (dazu Winkhaus, Dt. Schaffen s. 307). 1o Daß daneben noch andere mit Qualitätszeichen verbundene Maßnahmen zur Durchsetzung bestimmter Gütevorstellungen bestanden, sei nur beiläufig betont; Näheres dazu unten § 3 zu Anm. 18 ff. mit der entsprechenden Literatur. Hier mag als Beispiel ein abermaliger Verweis auf die Markierung von Zinnwaren genügen, vgl. Hintze, Zinngießer VI S. 50 (Mainz 1688) und V S. 135 (Durlach 1715). 11 Hassinger, Politische Kräfte S. 643 ff.; Schremmer, Wirtschaft Bayerns s. 637 ff.
§ 1.
Zeichenbrauch und Zeichenrecht um 1800
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Anders lagen die Verhältnisse dort, wo der Absatz auf auswärtigen Märkten erfolgte, die weder der Selbstreglementierung der Zünfte noch der einschränkenden Kontroll- und Zollpolitik des Landesherrn unterworfen waren, sondern eine gewisse Konkurrenzsituation auswiesen. In diesem Falle konnte sich- ähnlich wie im außerstädtischen Handel der mittelalterlichen Zunftwirtschaft - ein "Markenbewußtsein" bilden, das zwangsläufig absatzwirtschaftliche Motive stärker zur Geltung gelangen ließ. Dies trifft in erster Linie zu für die ins Ausland exportierenden Gewerbe. Gerade in ihnen haben sich bis zur Schwelle des 19. Jahrhunderts tiefgreifende Umwandlungen vollzogen oder wenigstens angebahnt. Mit Arbeitsteilung, Verlagssystem und Massenproduktion, mit dem Absatz auf Großmärkten und der Gestalt des Unternehmers dringen Elemente "kapitalistischer Wirtschaftsweise" in das traditionelle Gewerbe12 ein. Diese Verschiebungen im Bereich von Produktion und Warenabsatz verändern naturgemäß auch das Markenwesen tiefgreüend. In den zunftgebundenen Handwerken findet diese Entwicklung ihren Niederschlag darin, daß das Zeichen des Meisters ode1· Verlegers die Schaumarke verdrängt: "Das Meisterzeichen wurde zum Fabrikzeichen, auf das es allein ankam, das dem Abnehmer vertraut war und das durch den damit verbundenen Zwang zur Qualität den Aufdruck eines zusätzlichen Schauzeichens erübrigte13." Nicht mehr eine Zunft als "Kollektivproduzent" oder eine staatliche Behörde garantiert in der ihr gemäßen Weise die Güte der Ware und damit die Grundlage des absatzsichernden Rufes, sondern der einzelne Verleger und handeltreibende Fabrikant. Sie vollziehen den "Ausbruch aus der Ehrbarkeit des Handwerks" 14, indem sie auf den fremden Märkten nicht nur mit den Erzeugnissen fremder Zünfte konkurrieren, sondern diesen Wettbewerb auch in das eigene Handwerk hineintragen. 12 Dies gilt nicht nur für das "Alte Handwerk", sondern auch- wenngleich in geringerem Maße- für die Manufakturen; trotzihrer "fortschrittlicheren" Produktionsweise (Arbeitsteilung, Massenausstoß) fehlt es - zumal bei Staatsgründungen - oft an unternehmerischer Wirtschaftsgesinnung, nicht zuletzt deshalb, weil die Fürsorge der staatlichen Obrigkeit eine Bewährung im Wettbewerb vermied; auf dem inländischen Markt fehlte ohnehin eine nennenswerte Konkurrenz, sei es, daß die Manufakturen "im Gefüge des Gewerbes einen leeren Raum ausfüllten", sei es, daß ausländische Produkte durch den Staat ferngehalten wurden. Auf dem Auslandsmarkt hatten die deutschen Manufakturprodukte noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts nur geringe Absatzchancen. Zum Ganzen Bechtel, Wirtschaftsgeschichte II S. 258, 261 ff.; auch Schulte, Entwicklung S. 77 f. ts Leitherer, Entwicklung S. 62. - Vgl. auch Thun, Industrie 11 S. 51: "Das Fabrikzeichen bildete sich immer mehr aus zum Schutze der neuen industriellen Individualitäten, der unternehmenden Fertigmacher und Kaufleute." t4 Bergmann, Handwerk S. 246.
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1. Kap.:
Grundlage und Abgrenzung
Im bergischen Eisen- und Stahlwarengewerbe ist diese Entwicklung bereits am Ende des 18. Jahrhunderts abgeschlossen15• Auch außerhalb des bergischen Handwerks16 treffen wir diese Entwicklung an. Von den Österreichischen Sensenzeichen heißt es im Jahre 1775, es betrachte "jede Fabrique ihre alt privilegirte Zeichen als ein eigenthümlich Capital" 17 • Ebenso wie die Sensenschmiede Österreichs arbeitete ein Großteil der markenführenden sog. geschworenen Handwerke Nürnbergs bereits im 18. Jahrhundert für den Export18 ; die werbende Kraft des Meisterzeichens ist früh erkannt und das Markenwesen entsprechend ausgestaltet19• 20 • Im unzünftigen Handwerk und im Groß15 Allgemein zur Entwicklung des bergischen Gewerbes und zur landesherrlischen Politik: Viebahn, Statistik S.157 ff.; Thun, Industrie II, passim (er spricht S. 16 f. in bezug auf die Solinger Klingenfabrikation von einer "Revolution der Absatzverhältnisse" im 17. und bes. 18. Jh.; entsprechend S. 26 ff. zur Messerproduktion); Strutz, Wirtschaftsgeschichte S. 346 ff. Speziellere Literatur unten § 4 Anm. 39 und 45. - Zum Schwinden des Solinger Schauzeichens: Thun, Industrie II S. 50; Lidecke, Gewerbegericht S. 26 f., der allerdings das zur "Brechung" benutzte Beizeichen des 18. Jh. in der Nähe des landesherrlich verordneten Schau-"Beizeichens" rückt; letzteres diente bereits Ende des 17. Jh. dazu, die Solinger Erzeugnisse und Marken vor auswärtiger Konkurrenz zu schützen; es kam im Verlauf des 18. Jh. außer Gebrauch. In Remscheid, wo erst 1766 ein Zeichenzwang eingeführt wurde, um die Kleinschmiede vor der übermacht der Verlegerkaufleute zu schützen, kannte man weder Schau- noch Zunftzeichen; vgl. Engels, Remscheid S. 185 ff. - Zum Verhältnis Verleger- und Handwerkerzeichen siehe auch unten § 2 Anm. 27. 16 Insoweit argumentiert Leitherer, Entwicklung S. 59 ff. ("Fabrikmarken des Frühkapitalismus") zu einseitig. 17 Brief des Grafen Metternich-Winneburg an den Düsseldorfer Minister Graf Galtstein v. 15.1. 1775; zit. nach Roge, Sensenzeichen S. 266. Zum Österreichischen Zeichenwesen im übrigen vgl. unten § 5 Anm. 11 und § 28 zu Anm. 4. - Bereits 1721 äußerte sich die Aachener Nadlerzunft ähnlich, indem sie vom Nadelhandel spricht, "dessen . .. Krafft und vornehmster Punct in denen schlagenden und fuhrenden Mirckzeichen haubzsächlich bestehet"; zit. nach Vogelsang, Nadelindustrie S. 126. 18 Zu Verfassung und Export der Nürnberger Gewerbe vgl. bes. Wiest, Nürnberger Gewerbe S. 13 ff., 38 ff., 65 ff., 137 ff., 144. - Die Bedeutung der Zeichen wird schlaglichtartig beleuchtet durch eine Notiz im Journal für Deutschland von 1785 (1); dort heißt es (S. 203), die Fürther Goldschläger würden im Gegensatz zu den Nürnbergern auf ihre Ware "jedes Zeichen, welches man verlangt", schlagen. 19 Ilgenfritz, Warenzeichenrecht, passim; auch Wiest a.a.O. S. 139, 145. Beispiele für berühmte Zeichen ("Weintraube", "Reichsapfel") Nürnberger Bürstenmacher bei Roth, Nürnberger Handel III S. 25 ff. 2o Ein anderes Beispiel bieten die Verhältnisse der Iserlohner "Knopfnadelfabrik", deren Reglementsentwurf 1796 vorläufig in Geltung gesetzt wurde; vgl. Giffenig, Iserlohn S. 259 ff. Dieser Entwurf (§ 9) spricht vom "Spezialzeichen" der Heidemeister (Verleger), die in ihrer "Fabrik" "Arbeiter" beschäftigen (§ 5); dieses "Spezialzeichen" kann neben der "generellen Bezeichnung" gebraucht werden. Der Kaufmann sollte freilich das Recht haben, bei Bestellungen zu verlangen, daß ein "gewisses Zeichen, unter welchem er die Nadeln am besten verkaufen zu können vermeint, gebraucht werde, welches Zeichen jedoch nicht von der Art sein darf, daß es mit den eigenthümlichen Zeichen eines anderen hiesigen Meisters verwechselt werden
§ 1.
Zeichenbrauch undZeichenrecht um 1800
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gewerbe sind ähnliche Entwicklungen zu beobachten; auch hier übernimmt die Herstellermarke die im modernen Markenabsatz entscheidende Garantie- oder Vertrauensfunktion, d . h. sie gestattet durch die Gewähr gleicher Herkunft einen Rückschluß auf die Gleichmäßigkeit der Erzeugnisqualität21 • Beispiele dieser Art der Markenführung bieten Angehörige der Nürnberger "freien Gewerbe", insbesondere die Nachtlichterfabrikanten22, aber auch Remscheider Stahlkaufleute und Eisenfabrikanten aus der Grafschaft Mark23 • Für das als Manufaktur betriebene Gewerbe sind vor allem die Tabakfabrikanten zu nennen24 • 25. könne" (§ 9 Abs. 2). - In diesem Zusammenhang sei auch auf die im 18. Jh. sich steigernde Selbständigkeit der Nürnberger Bleistiftmacher verwiesen; vgl. Schwanhäußer, Bleistiftindustrie S. 38 ff., 67, 161 f., 164, 166. 21 Zur modernen Funktionslehre der Marke, die bei der notwendigen Vorsicht auch zur Beschreibung des älteren Markenwesens herangezogen werden kann, vgl. etwa Schluep, Markenrecht S. 60 ff.; Riehle, Markenrecht S. 105 ff.; Baumbach I Hefermehl WZG Einl. 3, 13 ff.; Vanzetti, Funktion, passim. 22 Jegel, Entwicklung S. 237 ff.; Wießner, Anfänge S. 45 f. 2a über die im Ausland berühmten Remscheider Stahlzeichen ("Herz mit Kleeblatt" und "Best German Steel" für Amerika; "Anker", "Hirsch", "Stier" und "Hammer" für Frankreich, "drei Sporen" in Holland, "Tannenbaum" für die Ostseehäfen) berichtet Nemnich, Tagebuch III S. 433 f. - Zu den Zeichenbräuchen des Hauses Harkort vgl. Köllmann, Harkort S. 13, 17; Soeding, Die Harkorts S. 16, 136. - Vgl. außerdem das im Anhang (I.) erwähnte Privileg der Gebrüder Brand. 24 Zu den bedeutendsten Kölner Tabakfirmen des 18. Jh., Du Mont und Foveaux, die als zunftfreie Gewerbe konkurrierten und unter ständigen Warenzeichen ("Papst" und "Au grand Cardinal") mit anderen Kölner Firmen vor allem in die angrenzenden rechtsrheinischen Länder lieferten, vgl. Milz, Großgewerbe S. 50 f.; Börner, Tabak-Handel S. 29 f. - Die Duisburger Firma Böninger vertrieb bereits vor 1800 einen Großteil ihrer Produkte unter dem Reiteretikett mit den Initialen "AB"; vgl. Terpoorten, Tabakindustrie S. 143, 146 ff.- Zur Kennzeichnungspraxis der Magdeburger Firma Nathusius um 1805/1810 vgl. Nathusius, Nathusius S. 88, 112; vgl. auch Magdeburger Wirtschaftsleben li S. 381 f. - Allgemein zur Tabakindustrie und ihrem Absatz Terpoorten a .a.O. S. 45 ff., 53 ff. 25 Auch in anderen Zweigen finden wir Spuren dieser Entwicklung; so empfiehlt etwa ein Breslauer Kammerbericht v . 15. August 1764, den "Entrepreneurs" einer Tuchfabrik "die Disposition wegen der Schau und Fabriquensiegel zu überlassen, da es ihr eigener Vortheil sein wird, tüchtige Waren zu verfertigen und dadurch das Debit zu befördern"; zur Bekräftigung beruft man sich auf einen Bericht der elevesehen Kammer, wonach dort weder Walk- noch Schauordnungen in Gebrauch seien; zit. nach Schroetter, Wollenindustrie S. 163 (Nr. 20 Ziff. 6). - Die feine Tuchfabrik zu Goldberg ist nach dem Privileg v. 15. IV. 1765 der "Schau des Gewerbs" nicht unterworfen; sie hat selbst für die Qualität einzustehen und besitzt das Recht, sich eines "besonderen Fabrikensiegels" zu bedienen; ebenda S. 174 (Nr. 25 Ziff. 2). - Ein entsprechendes Privileg für eine Breslauer Tuchfabrik ebenda s. 412 f. Weitere Beispiele bilden im 18. Jh. die Zeichen für Selterswasser (Schmitt, Selterswasser) und die Marken der Fabrikanten von "Kölnisch Wasser"; diese markierten ihre Waren zu Absatzzwecken trotz ihrer im 18.Jh. noch kleingewerblichen Produktionsweise bereits einheitlich; vgl. Milz, Großgewerbe S. 70 ff., Rosenbohm, Kölnisch Wasser S. 352, 439.
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1. Kap.:
Grundlage und Abgrenzung
Diese wenigen, keinerlei Vollständigkeit anstrebenden Bemerkungen müssen genügen, um das Bild des Zeichenwesens um 1800 wenigstens in groben Linien anzudeuten; alle seine Elemente werden uns im folgenden Paragraphen wiederum begegnen, wenngleich unter anderen Akzenten. In noch stärkerem Maße gilt dies für eine Skizze des um 1800 geltenden Zeichenrechts, also jener Bestimmungen, welche gewerbliche Zeichen zum Gegenstand haben. Sie sind nach Provenienz und Inhalt ebenso vielfältig wie zahlreich. Sie zählen wie das gesamte Recht von Handwerk und Gewerbe%6 zu einem mehrschichtigen Über- und Nebeneinander von Reichsrecht, Territorialrecht, Lokalrecht, Privilegien und Handwerksbrauch. Am wichtigsten für die Rechtslage am Ende des 18. Jahrhunderts sind zweifelsohne die unzähligen Maßnahmen der landesherrlichen Gesetzgeber, die sich teils auf einzelne Personen oder Unternehmen27, teils auf lokale Zünfte und Handwerkets, teils auf Gewerbezweige des ganzen Staates29 beziehen. Ihr Inhalt entspricht der bereits skizzierten Politik der Fürsorge; sie enthalten zumeist Reglements für Schauzeichen und andere Qualitätsangaben30 ; zum kleineren Teil betreffen sie Herkunftsangaben auf Waren, sei es in Gestalt der Angabe von Name, Firma oder Ort31, sei es in jener der Fabrikzeichen32. Ähnliches gilt wohl schon im 18. Jh. für einzelne berühmte Porzellanmanufakturen, die ein im wesentlichen gleichbleibendes Fabrikzeichen führen und unter ihm vorwiegend exportieren, so etwa die Meißner Manufaktur; ihr Export war groß und ihre Marken (Churschwerter) waren bekannt, wie die Klagen über Nachahmungen zeigen; vgl. Forberger, Manufaktur S. 233, und unten Anm. 27. 28 Vgl. etwa den überblick von Fi scher, Handwerksrecht; ähnlich schon Schlichthörle, Gewerbsbefugnisse S. XLIII; Mascher, Gewerbewesen S. 370 ff. und Kreutzberger, Gewerberecht S. 3 ff. 27 Vgl. etwa die kursächsischen Generale v. 3. X. 1775 und 7. IV.1779 zum Schutz der Meißner Porzellanmarke; dazu Funcke, Polizeigesetze S. 464 f.; Berling, Meißner Porzellan S. 142. - Zur Privilegierung einzelner Papiermacher vgl. Weiss, Wasserzeichenkunde S. 78, 152; Meldau, Reichsprivilegien. - Reichsprivilegien zugunsten anderer Handwerker sind erwähnt bei Stetten, Kunst-, Gewerbe- und Handwerks-Geschichte li S. 72 f.; Neuhaus, Nürnberger Messerer S. 129; Schwanhäußer, Bleistiftindustrie S. 38; Bischof, Bleistiftmacher S. 30; Koerner, WappenS. 66; Meldau, Warenzeichenfehde S. 2, 4. - Ein sächsisches Privileg zugunsten einer Kattundruckerei bei Forberger, Manufaktur S. 237 f. 28 So etwa die hergiseben Privilegien; näheres unten § 4 Anm. 34 ff. 2D Vgl. die zahlreichen Landes- und Polizeiordnungen bei Schmelzeisen, Polizeiordnungen S. 434, und Jahn, Gewerbepolitik S. 69 ff. so Vgl. oben Anm. 7 und 8. at So etwa das preußische Publikandum über die Bezeichnung von Tabak v. 20. V. 1788 NCC VIII Sp. 2115/16. - Vgl. auch die preußischen Dekrete über die Bezeichnung von Papier; Weiss, Wasserzeichenkunde S. 80.
§ 2.
Das Zeichenwesen des 19. Jh.
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Gleichartige Bestimmungen alten Zunftrechts sind zumeist in die landesherrlichen Anordnungen eingegangen oder durch sie abgeschafft worden. Altes, das Zeichenwesen betreffendes Reichsrecht lebt nur vereinzelt weiter, so insbesondere in den Prob- und Bezeichnungspflichten für Gold- und Silberarbeiter33. Sind diese Bestimmungen in der Regel durch landesherrliche Verordnungen übernommen und überformt worden, so behält eine andere, für die Rechtsentwicklung im 19. Jahrhundert weit wichtigere Regel eine selbständige, durch die Wissenschaft fortgebildete Geltungsweise bei: das gemeinrechtliche "crimen falsi" und seine Anwendbarkeit auf den Mißbrauch einer Warenbezeichnun~4 • Nur in einigen Staaten hat die territoriale Gesetzgebung diese allgemeine Regel abgelöst. Dies ist namentlich durch das preußische Allgemeine Landrecht geschehen35• Seine Bestimmungen gehören, obschon im 1.8. Jahrhundert erlassen, ihrer modernen Intention halber bereits in das neue Jahrhundert. § 2. Das Zeichenwesen des 19. Jahrhunderts und seine ökonomische Grundlage - ein Vberblick
I. Die Grundformen und ihre Bedingungen Napoleonische Fremdherrschaft und Befreiungskriege hinterließen im politischen und wirtschaftlichen Leben Deutschlands tiefe Spuren1 • Ähnlich wie in der politischen Sphäre die territoriale Neugliederung auf dem Wiener Kongreß den Rahmen schuf, in welchem sich die alten Mächte neu organisieren konnten, legte eine liberale Wirtschaftspolitik die rechtliche Grundlage für den ökonomischen Umwandlungsprozeß; die tägliche Praxis des Wirtschattens allerdings orientierte sich nur allmählich an dem neuen Denken. Das Handwerk behielt seine überkommene Struktur bis weit in das 19. Jahrhundert hinein bei und mit ihr lebten Meistermarke und Qualitätszeichen fort11• 82 Beispiele bei Anschütz, Suhl S. 39; Matthes, Waffenhammer- und Stabeisenmarken; im übrigen die bereits erwähnten Vorschriften zum Nürnberger, Schwabacher und Bergischen Zeichenrecht. 33 Schmelzeisen, Polizeiordnungen, bes. S. 433 f. mit Anm. 231 und 137; Proesler, Handwerk S. 79 ff. 34 Vgl. unten § 36 I. a& Vgl. unten § 8. t Aus der umfangreichen Literatur zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte im 19. Jh. seien lediglich genannt die überblicke von: Treue, Gesellschaft, Wirtschaft und Technik, und: Böhme, Prolegomena. t Bezeichnend für das Beharren in der alten Ordnung ist ein Bericht des Staatsrats Kunth aus dem Jahre 1818 über die Verhältnisse im Regierungsbezirk Frankfurt (Oder) ; Auszüge bei Klein, Reform S. 120. - Zur Ge-
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1. Kap.:
Grundlage und Abgrenzung
Wie verbreitet Meistermarken in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts noch waren, ist am Beispiel der städtischen Gold- und Silberschmiede und der Zinngießer zu ersehen3 • Hier dauerte das überlieferte Zeichenwesen mit dem Zunfthandwerk fort, ohne daß dessen rechtliche Grundlage ausdrücklich bestätigt worden wäre'. In anderen Gebieten, etwa im kurhessischen Kreis Schmalkaldens, wurde das alte Handwerk und sein Zeichenwesen im Sinne der Tradition neu verfaßt. Allerdings blieb ein gesetzgeberisches Eingreifen dieser Art im 19. Jahrhundert eine Ausnahme. Der zähen Kraft herkömmlicher Zeichenbräuche, die sich hinter diesen Erscheinungen verbirgt, wird man vielleicht noch besser gewahr in jenen Gebieten, wo die Zunft als Rechtsinstitut gänzlich beseitigt worden ist, etwa in der preußischen Rheinprovinz; noch zu Beginn der 30er Jahre sind im eisen- und stahlverarbeitenden Kleingewerbe Meistermarken üblich'. Auch die handwerklichen Schau- und sonstigen Qualitätszeichen wurden verschiedentlich weitergeführt. Wiederum bieten sich die Markenbräuche der Goldschmiede und Zinngießer als Beispiele an7 • In der Regel lebten die Qualitätszeichen des alten Handwerks nur dort weiter, wo sich der Staat ihrer annahm; sie wurden dadurch gewissermaßen in die Sphäre öffentlicher Gewerbepolitik einbezogen und anderen schon ursprünglich von staatlichen Organen getragenen Schauzeichen gleichgestellt. Die staatlichen wie die "verstaatlichten", mit Kontrollfunktionen bewidmeten Qualitätszeichen behielten im 19. Jahrhundert weiter ihre Bedeutung. Soweit sie Ausdruck einer im Geiste des Merkantilismus wurzelnden Politik der Gewerbeförderung waren, verschwanden sie mit ihrer spezifischen ökonomischen Grundlage. Namentlich die Schauzeichen der Webindustrie waren bedingt durch die besondere Form kleinhandwerklicher Hausindustrie, deren absatzgerechte Produktion der Staat zu sichern suchte. Die Schauschichte des Handwerks im 19. Jh. vgl. etwa: Mascher, Gewerbewesen, passim; Schmoller, Kleingewerbe; Fischer, Handwerk in der Frühphase; Bergmann,
Stabilität und Wandel. s Die Zusammenstellungen von Rosenberg (Merkzeichen) und Hintze (Zinngießer) reichen weit ins 19. Jh. hinein. - Als Beispiele von Einzeluntersuchungen seien erwähnt: Mutschelknauß, Goldschmiedehandwerk S. 186 ff., 196, 199 (zu Nürnberg); Scheffler, Berliner Goldschmiede S. XX bis XXII; ders., Goldschmiede Niedersachsens II S. 806 (Hildesheim). ' So etwa in Lübeck, von dem Mascher (Gewerbewesen S. 661) sagt, es habe "das Zunftthum in seiner tödtlichen Mittelalterlichkeit am Reinsten konservirt". 5 Brandt, Wirtschaftspolitik S. 38 f., 65, 69. Näheres unten § 23. s Dies geht aus den Berichten hervor, welche die Behörden der industriearmen Regierungsbezirke Koblenz und Trier 1834 auf Verlangen des Oberpräsidenten (s. unten § 10 zu Anm. 104, 105) einreichten; ZStA II Rep. 120 D I1 232 (1). 7 Wie Anm. 3.
§ 2. Das Zeichenwesen des 19. Jh.
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anstalten und ihre Zeichen überdauerten den Niedergang dieser Produktionsweise um die Jahrhundertmitte nicht. Bereits zuvor war der Staat bestrebt, auf Kontrolle und Probzeichen zu verzichten, wo ein Unternehmer als Verleger die koordinierende Funktion und das Absatzrisiko zu übernehmen und mit seinem eigenen Zeichen für die Qualität seiner Erzeugnisse einzustehen bereit warB. Andere vom Staat geforderte Qualitätszeichen hingegen, welche vorwiegend polizeilich-schützenden Zwecken dienten, waren nicht an bestimmte Produktionsweisen gebunden und überdauerten dank ihrer besonderen Motivation die Umstrukturierung der Wirtschaft. Auf das Qualitätszeichen als Mittel staatlicher Gewerbepolitik ist im folgenden Abschnitt noch einmal kurz zurückzukommen, da es mit der Rechtsgeschichte der Warenbezeichnung eng verwoben ist. Die übrigen, also die gleichsam "privat" weitergeführten Qualitätszeichen des 19. Jahrhunderts verloren mehr oder weniger ihre eigentliche Bedeutung: wo keine Kontrolle über die Ware mehr geübt wurde, wuchs örtlich beschränkten Qualitätszeichen eine neue Funktion als Herkunftsangabe zu. Besonders deutlich ist der Wandel vom Kontrollzeichen zur kollektiven Herkunftsangabe bei der Bielefelder Flachsblume zu verfolgen: sie konnte diese neue Bedeutung gewinnen, da den einzelnen Bielefelder Leinwandhändlern eine individuelle Marke abging9 • In diesem Zusammenhang ist auch auf die Rolle anderer Herkunftsbezeichnungen zu verweisen, etwa die Ortsnamen oder auch die Staatswappen. Sie erfüllten im Hinblick auf den Absatz ebenfalls die Funktion eines Herkunftsausweises, sei es, daß eine Fabrik- oder Meistermarke fehlte10, sei es, daß der Gebrauch der vorhandenen Marke nicht geschützt war, wohl aber der eigens gestattete Gebrauch des Staatswappens11. Die im Handwerk weitergepflogene Markierung konnte indes ihre alte, vorwiegend der Kontrolle dienende Funktion nur dort erhalten, s Vgl. z. B. § 16 der Verordnung über das schlesische Leinengewerbe von 1827, s. unten§ 3 zu Anm. 8. 9 Aus dieser Situation resultiert das Verlangen des Abgeordneten Kisker in der Reichstagsdebatte um das Markenschutzgesetz (1874), auch Kollektivzeichen Schutz zu gewähren; näheres unten§ 31 zu Anm. 18. to So eben in Bielefeld. 11 Ein instruktives Beispiel bietet die Kgl. Porzellanmanufaktur in Berlin. Ihre Marke ("Szepter", ab 1837 mit "KPM") war nach dem Gesetz vom 4. VII. 1840, das lediglich die nominative Marke schützte (unten § 11), nicht mehr gesichert (Nachahmung: "SPM mit Strich"); man suchte sich (1844) den Schutz durch Beifügung des preußischen Adlers zu erhalten, der jedoch als Teil des Wappens nicht genügend geschützt war. Deshalb fügte man Firma und Fabrikort, also die dem Gesetz von 1840 entsprechende Angabe, in ringförmiger Umschrift hinzu. Zum Ganzen Köllmann, Berliner Porzellan I S. 247 f.; Kolbe, Porzellanmanufaktur S. 255 ff.
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1. Kap.: Grundlage und Abgrenzung
wo der kontrollierende Verband wenigstens faktisch weiterbestand. Andernfalls bildete die Meistermarke mehr eine Reminiszenz an vergangene Zeiten, es sei denn, ihre Funktion als absatzförderndes Element hatte eine gewisse ökonomische Verankerung erfahren; damit freilich war der erste Schritt zur reinen Herkunftsbezeichnung, zur Fabrikmarke, bereits getan. Das Kennzeichen individueller Herkunft, also die Warenbezeichnung im eigentlichen Sinn, spielte zu Beginn des Jahrhunderts im vielfältigen Spektrum der Kennzeichnungsarten eine nur bescheidene Rolle; sie war von einiger Bedeutung nur in bestimmten Gebieten und Gewerbszweigen, etwa in der hergiseh-märkischen Industrie, im Tabakhandel oder in einigen Gewerben Nürnbergs und Schwabachs. Erst seit der Jahrhundertmitte gewann die individuelle Marke mehr und mehr die Oberhand12. Ihr Bedeutungszuwachs ist eine Folge des tiefgreifenden wirtschaftlichen Wandels, welcher das Jahrhundert der "industriellen Revolution" kennzeichnet; erst er verhalf den beiden grundlegenden Bedingungen des modernen Markenwesens zum Durchbruch: der konkurrenzmäßigen Absatzweise auf einem freien, von stützenden oder hemmenden Schranken bereinigten Markt und der Unternehmerischen Form der Produktion13. 11. Die Einführung der Gewerbefreiheit Voraussetzung für den Aufstieg der Warenbezeichnung im Wirtschaftsleben ist die Gewerbefreiheit; erst mit ihrer Einführung kann sich das "liberale Prinzip der Unternehmerinitiative" 14 entfalten: nur wo dem einzelnen Unternehmer die ganze Verantwortung für die Herstellung und den Absatz überlassen ist, kann die individuelle Warenbezeichnung ihre Funktion voll erlangen. Die Freiheit des Gewerbes, eine der Hauptforderungen des ökonomischen Liberalismus, konnte sich im Deutschland des 19. Jahrhunderts bekanntlich erst in der Gewerbeordnung von 1869 allgemein durchsetzen111. Die Gewerbepolitik der vorausgehenden Jahrzehnte bietet 12 Zum Zurückweichen der zünftischen Qualitätszeichen vgl. etwa die Tabellen Rosenbergs und Hintzes; zur Aufgabe der Schauzeichen unten § 3. 13 Zum Grundsätzlichen vgl. außer Leitherer (Entwicklung, mit weiteren Hinweisen) insbesondere Dubber, Markenartikel S. 26 ff., die mit Leitherers Thesen zum Teil auch dessen Formulierungen wörtlich übernimmt, und Schäfer, Produktionswirtschaft S. 540 f. u Mauersberg, Wirtschafts- und Sozialgeschichte S. 364. 16 Zur Einführung der Gewerbefreiheit vgl. etwa: Mascher, Gewerbewesen, passim; Schmoller, Kleingewerbe; Waentig, Anschauungen; Tuchfeldt, Gewerbefreiheit S. 35 ff. - Zur Gewerbeordnung vom 21. VI. 1869 (Bundes-Ges. Bl. 69, 245) und ihrer übernahme ins Deutsche Reich vgl. Beyendorff, Reichsgewerbeordnung S. 5; Jacobi, Gewerbe-Gesetzgebung S. 3 ff.
§ 2.
Das Zeichenwesen des 19. Jh.
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ein ebenso vielfältiges wie widersprüchliches Bild. Preußen hat die von der französischen Fremdherrschaft im Westen Deutschlands eingeführte Gewerbefreiheit übernommen und trotz mancher gegenläufiger Strömungen beibehalten16• Die übrigen deutschen Staaten gingen behutsamer vor. Zum Teil milderten sie die herrschende zünftlerische Geschlossenheit zunächst durch das Konzessionssystem und wandten sich erst in den sechziger Jahren, nachdem sich ein allgemeiner Sieg des Wirtschaftsliberalismus abzeichnete, der Gewerbefreiheit zu17• Andere Staaten beschränkten sich zunächst darauf, die Auswüchse der Zunftverfassung zu beschneiden und die alte Ordnung allmählich zu lockern, um sie schließlich (nach 1860} durch ein System der Gewerbefreiheit zu ersetzen111• In einigen wenigen Staaten hielt man indes bis in die zweite Jahrhunderthälfte an der Ordnung des "alten Handwerks" fest 19• Auf die Entfaltung des Markenwesens wirkte sich diese divergierende Gesetzgebung unterschiedlich aus, je nach der Art der Beschränkung, welche die Gewerbefreiheit erfuhr. In aller Regel unterbanden die gewerbepolitischen Maßnahmen weniger die Freiheit des Absatzes, als vielmehr jene der Produktion120• Wo trotz solcher Schranken eine gewisse Konkurrenz auf dem Absatzmarkt bestand, konnte sich auch das Markenwesen- wenn auch nur in bescheidenem Maßeentwickeln%1 • Dieser Umstand macht deutlich, daß es für die Entfaltung des Markenwesens entscheidend darauf ankam, ob und wie sich innerhalb der vom Recht gezogenen Grenzen ein modernes, von der Konkurrenz belebtes Wirtschaftsleben entfalten konnte. 18 Zur preußischen Gewerbegesetzgebung und -politik: Roehl, Handwerkerpolitik; Rohrscheidt, Zunftzwang; Meyer, Einflüsse II, bes. S. 292 ff.; Ritter, Frühstadien; Mieck, Gewerbepolitik, bes. S. 15 ff.; Bohse, Entwicklung. 17 So in Bayern und Baden; vgl. einerseits Popp, Gewerbefreiheit, bes. S. 51 ff., 128 ff., 163; Wiessner, Anfänge S. 78 ff.; Anegg, Gewerbestruktur, bes. S. 94 ff., 136 ff.; andererseits SchmolleT, Kleingewerbe S. 108 ff., 138 ff.; Fischer, Staat S. 34 ff., 72 ff. 18 So in Württemberg, Kurhessen und Sachsen; vgl. Köhler, Gewerberecht; Varnbühler, Gewerbegesetzgebung; SchmolleT, Kleingewerbe S. 108 ff.; 138 ff.; Brandt, Wirtschaftspolitik. 19 Lübeck, Mecklenburg, u. a.; Mascher, Gewerbewesen S. 660 ff. 2o Dies gilt etwa für das bayerische Gewerbegesetz von 1825, vgl. Popp, Gewerbefreiheit S. 78 ff.; Anegg, Gewerbestruktur S. 95 ff. 21 Die Nürnberger Gewerbe etwa kannten von jeher eine interne Konkurrenz, bei welcher Marken eine große Rolle spielten; der Zeichenmißbrauch wurde durch die örtliche Tradition verhindert, solange die staatlichen Konzessionen nicht die überlieferten Gewerbegrenzen überwinden halfen. Innerhalb des Stadtbereichs war dies kaum der Fall, wohl aber im Umland und zugunsten gleichartiger Gewerbe in anderen Städten. Auf diese Weise konnte eine konkurrierende Industrie entstehen, die sich nicht dem herkömmlichen "Zeichenkodex" unterwarf. Näheres unten § 15.
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1. Kap.:
Grundlage und Abgrenzung
III. Warenbezeichnung und Wirtschaftsentwicklung
Aufschwung und Wandel kapitalistischer Produktions- und Absatzweisen spiegeln sich in der Geschichte des Markenwesensn. In einer ersten Periode (1815- 1840)23 , in welcher sich Produktion und Absatz gegenüber den Anfängen des Jahrhunderts nur wenig geändert haben, bleibt der Markengebrauch neben den anderen Bezeichnungen auf bestimmte Branchen24 beschränkt. Die hergiseh-märkische Eisen- und Stahlwarenindustrie, einzelne Nürnberger Gewerbe, die Tabakfabrikation, die Produktion von Kölnisch Wasser und einige wenige andere Branchen2s, in denen sich unternehmerischer Geist durchzusetzen beginnt, suchen durch den Gebrauch von Marken ihren Waren Ruf und Absatz zu verschaffen. Dabei handelt es sich zumeist um eine durch ortsansässige Kaufleute vermittelte Auftragsproduktion zugunsten ausländischer Wiederverkäufer-26. Die Marke bildet das Bindeglied zwischen diesen Abnehmern und den "Fabriken" oder Verlegerkaufleuten27. Nur ausnahmsweise stellt die Marke eine Verbindung zum Konsumenten selbst her, so etwa in der Tabakindustrie28. Eine zweite Periode (1840 -1890) ist vor allem gekennzeichnet durch die seit den dreißiger Jahren einsetzende Umstrukturierung der gewerblichen Wirtschaft vom Handwerk zur Industrie und durch den Ausbau eines modernen Verkehrswesens29• Der Übergang von der hand22 Die folgende Übersicht folgt im wesentlichen der Einteilung Leitherers, Entwicklung S. 88 ff., und Markenformen, bes. S. 550 ff. 2a Zu dieser Periode, insbesondere dem frühen Unternehmertum vgl. Beau, Leistungswissen; Thun, Industrie II S. 54 ff. 24 Immerhin wird in der regierungsamtlichen Aufforderung zur Beschikkung der bayerischen "Aussstellungen der National-Industrie-Erzeugnisse" verlangt, daß die auszustellenden Stücke "zum Beweis des Ursprungs" neben dem Namen des Erzeugers und anderen Angaben auch das "Fabrikzeichen" enthalten sollten, Bay. Reg. Bl. 1831 S. 193 und 1834 S. 9. 25 Nach preußischen Akten beklagen sich vor 1840 außer den Tabakfabrikanten über Nachahmung ihrer Marken Hersteller von Bleischrot, Neusilberwaren, Kaffee-Ersatz (Zichorien), Punschsirup (unten § 8). In der Zeit nach 1850 mehrt sich die Zahl der Branchen um Bierbrauer (1864), Sektfabrikanten (1866), Hersteller von Glanzwichse (1854), Butter (1865) und Zement (1871); für die Zeit um 1870 im übrigen unten § 30 zu Anm. 2. 26 Zur Absatzweise in Solingen vgl. etwa: v. Hauer, Solingen S. 82 f.; in Nürnberg: SchmolleT, Kleingewerbe S. 208 ff.; Wießner, Anfänge S. 228 ff.; Schröder, Entwicklung S. 13 ff.; zu Schwabach: Schanz, Geschichte S. 330 ff., Weindler, Nadlergewerbe S. 5 ff. 27 Ob sich im vielförmigen Verlagsbetrieb das Zeichen des Verlegers oder jenes des eigentlichen Produzenten durchsetzen konnte, hing vom wirtschaftlichen Kräfteverhältnis ab ; allgemein zur Abhängigkeit des Kleingewerbes von Großhandel und "Magazinen": Bergmann, Stabilität S. 170 ff.; SchmolleT, Kleingewerbe S. 211 ff. 28 Terpoorten, Entwicklung S. 105 f., 122. 29 Hansen, Markenartikel S. 26; Thun, Industrie II S. 78 ff.; SchmolleT, Kleingewerbe S. 157 ff.; 196 ff.; Zunkel, Unternehmer S. 36 ff.
§ 2. Das Zeichenwesen des 19. Jh.
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werkliehen Erzeugung zur mechanisierten, in Großbetrieben organisierten Produktionsweise hatte einen Massenausstoß zur Folge, der seinerseits mitbedingt war durch eine wachsende Nachfrage neu entstandener Käuferschichten. Neue Formen des Absatzes (Geschäftsreisende, Reklame), welche dem Übergang von der Kunden- zur Warenproduktion entsprachen, verbreiteten sich mehr und mehr. In dem sich ständig verschärfenden Konkurrenzkampf30 hatten sich Unternehmer und Kaufleute zu bewähren durch Wendigkeit und Anpassungsfähigkeit: sie hatten beim Absatz ihrer Produkte auf dem Markt ihre Leistung unter Beweis zu stellen. Zugleich freilich ermunterte die "zunehmende Entfesselung des Erwerbstriebes" auch die "Bedenkenlosigkeit in der Wahl der Mittel zur Gewinnung des Kunden" (Zunkel). In diesem Kampf um den Absatz war der Konsument als der "einzige Richter der neuen Produktion" (Leitherer) besonders stark den Gefahren des "Spekulantentums" ausgesetztl"-. In dieser Situation mußte der Warenbezeichnung eine besondere Bedeutung zuwachsen. Als "Medium der Unterrichtung über den Anbieter" (Leitherer), der für die gleichmäßige Qualität seiner Ware einstand, konnte die Marke die "Dominanz des Händlers" 32 und den Verlust von Warenkenntnissen und Prüfungsmöglichkeiten auf der Abnehmerseite überbrücken. Die mit der Markierung verbundene Garantiefunktion bot dem "redlichen" Produzenten und Kaufmann die Möglichkeit, der eigenen besseren Ware das Vertrauen der Abnehmerschaft zu erwerben und zu erhalten. Gleichwohl konnte sich die Vorstellung, daß in erster Linie die Güte eines Fabrikates für dessen Absatz sorgen und die eigene Marke diesen Prozeß vermitteln solle, nur allmählich durchsetzen. Zu Beginn der Industrialisierung sind es nur einzelne Pioniere, die einen solchen Standpunkt vertreten33• Bereits in den 40er Jahren handeln, gestützt auf die Tradition des bergischen Zeichenwesens, die Solinger Fabrikanten Renekels und der Remscheider Feilen30
Als Beispiel sei verwiesen auf die Situation der Solinger Industrie, vgl.
Thun, Industrie II S. 20 ff. 31 SchmoUer (K.leingewerbe S. 229) beschreibt im Jahre 1870 die Situation
in einigen Wirtschaftszweigen so: ,.Der rechte Spekulant geht aus von dem Grundsatz: mundus vult decipi, ergo decipiatur. Die glänzende Außenseite des Produkts ist ihm die Hauptsache, viel weniger die Haltbarkeit, die Solidität ... Alle erlaubten und unerlaubten Mittel der Täuschung und der Reklame werden von gewissenlosen Menschen in Szene gesetzt; und, was das Schlimme ist, der eine kann nicht hinter dem anderen zurückbleiben, so häuft sich Täuschung auf Täuschung, Betrug auf Betrug." 32 Hansen, Markenartikel S. 26. 33 Ältere herausragende Stahlfabrikanten mit Absatz ins Ausland und nach Obersee waren z. B. Hasenclever zu Ehringhausen und Halbach zu Remscheid, die Solinger Fabrikanten P. Knecht und D. Peres; dazu Viebahn, Statistik S. 162, 164. 3 Wadle
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1. Kap.: Grundlage und Abgrenzung
produzent Mannesmann nach dieser Devise!l4 • In der zweiten Jahrhunderthälfte folgen ihnen Fabrikanten anderer Wirtschaftszweige nach:t5 • D~nnoch konnte sich aufseitender Unternehmer erst im Jahrzehnt vor der Reichsgründung ein neues Markenbewußtsein durchse.t zen36• Der Grund für diese verhaltene Entwicklung ist weniger in dem Fehlen eines zureichenden Markenschutzes zu suchen, als vielmehr in der anfänglichen Unterlegenheit deutscher Erzeugnisse in der Konkurrenz mit den Produkten der westeuropäischen, namentlich der englischen Industrie. Solange die deutschen Hersteller "der übermächtigen englischen Produktion ausgeliefert" 37 waren, suchten sie sich dieser Konkurrenz anzupassen, nicht zuletzt durch die Übernahme englischer oder englisch erscheinender Warenbezeichnungen. Ähnlich verhielt man sich der französischen Konkurrenz gegenüber. Die Nachahmungen sollten den Absatz deutscher Waren auf den ausländischen Märkten, besonders in Nordamerika, erleichtern; man glaubte sie indes auch im Inland nicht entbehren zu können, wo Waren aus England und Frankreich dominierten und die Verbrauchs- und Modevorstellungen des Publikums bestimmten. Es trat nur eine verbreitete Ansicht zutage, als man 1866 in HessenDarmstadt auf den Warenzeichenschutz verzichten wollte und dazu erklärte38, man werde dazu "noch durch eine besondere Rücksicht auf diejenigen Fabrikzweige bestärkt, welche vorzugsweise eine schwierige Konkurrenz mit dem Auslande zu bestehen haben, wie dies namentlich bei den Schaumwein-, Hut- und Parfümerie-Fabrikanten der Fall ist.... Darin sind alle einig, daß minS4 Zunkel, Unternehmer S. 43; Beau, Leistungswissen S. 43, der noch weitere rheinisch-westfälische Unternehmer der frühen Industrialisierung nennt; Strutz, Wirtschaftsgeschichte S. 424; Kelleter, Henckels S. 170 ff.; Matthiolius, Zwillingszeichen; Dick, Feile S. 33. -Auch in anderen Branchen wirtschafteten einzelne Unternehmer im gleichen Geiste, so etwa die Bleistiftfabrikanten L. Faber ("F. W. Faber") und Joh. Fröscheis ("Lyra"); dazu vgl. Schwanhäußer, Bleistiftindustrie S. 118 ff.; Wießner Anfänge S. 194 ff., bes. S.197 f.; Schröder, Entwicklung S.176 f. - Ähnliche Bemühungen um Direktabsatz können wir für weitere Nürnberger Branchen, wie Drechsler, Lebküchner, Gürtler und Goldschläger, beobachten; vgl. Schröder, Entwicklung S.14, 156. 35 So etwa der Stärkefabrikant Hoffmann und der Schokoladenhersteller Stollwerck; Tiemann, Stärkefabriken S. 4 ff.; Kuske, Stollwerck-Geschichte. - Auf den schon weit fortgeschrittenen Markenabsatz in der Tabakindustrie wirft ein Schlaglicht der Bericht der Stuttgarter Zentralstelle an das Innenministerium v. 10. V. 1870 (Wü HStA E 143 Bü 3160); danach waren Erzeugnisse der beschwerdeführenden Dresdner Cigarettenfabrik "La Ferme" mit der entsprechenden Etikette "in fast allen Stuttgarter Cigarrenläden vorhanden". 36 Vgl. unten§§ 28 ff.; zum folgenden auch§ 7 zu Anm. 33 ff. 37 Böhme, Prolegomena S. 51. 38 Vgl. den Bericht in der Abgeordnetenkammer zum späteren Gesetz von 1866; Verhandlungen d. 2. Kammer 1866/68 Beilage 103.
§ 2.
Das Zeichenwesen des 19. Jh.
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destens keine weitere Ausdehnung stattfinden, daß namentlich nicht durch einen Markenschutz die Besiegung der ausländischen Concurrenz ihnen erschwert werden dürfe." Unzähliche Klagen über die vermeintliche Notwendigkeit ausländischer Marken auf Inlandsprodukten bestätigen diesen Sachverhalt. So veranlaßten die Erfahrungen auf der badischen Gewerbeausstellung von 1863 den Berichtgeber Dietz39 zu einer harten Kritik der Gewohnheiten deutscher Verbraucher: "Muß von einem F ab r i k a n t e n mit Recht verlangt werden, daß er seine Waare in der Beschaffenheit liefere, wie solche verlangt wird, daß also namentlich der dazu zu verwendende Rohstoff der Art und dem Gewichte nach nicht verfälscht und verkürzt und die Arbeit sorgfältig ausgeführt, auch vor der Abgabe genau controlirt wird, wie dies von jenen Fabrikanten namentlich in England und Frankreich geschieht, welche aus ihren Geschäften großen Gewinn ziehen, so könnte dagegen das d e u t s c h e Pub 1 i k um zur Förderung deutscher Fabrikation wesentlich beitragen, wenn dasselbe seine Vorliebe für fremdes Fabrikat, soweit solche nicht in der That begründet ist, aufgeben wollte, damit auch der tüchtige deutsche Fabrikant nicht genöthigt bleibt, sein Fabrikat ohne Fabrikzeichen oder unter fingirtem Fabrikzeichen an den Detailleur abzugeben, welcher mit Rücksicht auf das Vorurtheil der Consumenten zur Erzielung des Absatzes deutsche Waare nicht selten als ausländisches Fabrikat ausgeben muß. So werden vielfach die vortrefflichen Baumwollsammte Ettlingens und die Zwirne von Schiltach als englisches, die ausgezeichneten Porzellaine von Zell am Harmersbach als französisches Fabrikat im Detail abgesetzt, während es der deutschen Industrie weit mehr zur Ehre und zum Nutzen gereichen würde, wenn jedes deutsche Fabrikat unter seinem wahren Fabrikzeichen zum Verkaufe käme." Solche Rügen kündigten freilich zugleich das Erwachen eines neuen Selbstbewußtseins der deutschen Industrie an40 • 39 Gewerbe S. 746 f. An anderer Stelle rügt er (S. 611) die Bezeichnung "cast steel" auf Feilen; sie solle, da "wir in diesem Artikel schon ziemlich unabhängig vom Auslandes sind", durch "Gußstahl" ersetzt werden und den deutschen Ursprung zu erkennen geben. Ähnliche Klagen über den "Etikettenschwindel" der voigtländischen Musikinstrumentenindustrie führt Bein (Industrie I S. 74 f.) an; neuerdings (also 1884) zeige sich jedoch eine "erfreuliche Wendung in dieser Beziehung", da die Handelskammerberichte hervorheben würden, "dass die voigtländische Industrie ihre Ehre darin suche, ihre Erzeugnisse nicht mehr unter fransösischer, englischer oder italienischer Marke auf den Weltmarkt erscheinen zu lassen, wie dies früher geschah". 40 In ihrer Eingabe v. 28. XI. 1867 an das pr. HaM (ZStA II Rep. 120 D II 233(5)) verwies die Handelskammer Düsseldorf auf die Zunahme der deutschen Exporte, die es immer notwendiger erscheinen lasse, "den Ursprung des Fabrikats, die Ächtheit desselben auch äußerlich erkennbar zu machen, den Käufer vor Betrug sicher zu stellen"; diese Sicherheit werde das Zutrauen zu inländischen Fabrikaten erhöhen und den Absatz "auf den großen Weltmärkten" erleichtern, wo man sich an die bekannten äußeren Er-
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1. Kap.:
Grundlage und Abgrenzung
Den Hintergrund dieser Entwicklung bildet die wachsende Konsolidierung des Zollvereins unter preußischer Vorherrschaft und der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung der Vereinsstaaten seit dem Ende der 50er Jahre41 • Die Zunahme des Verlangens nach einem allgemeinen Markenschutzgesetz ist der sinnenfälligste Ausdruck für die neue Einschätzung der Warenbezeichnung durch die Unternehmerschaft. Das Markenschutzgesetz von 1874 kam freilich erst zustande, als sich die in der Gründerkrise {1873) geschwächte deutsche Industrie dem verstärkten Druck ihrer ausländischen Konkurrenz ausgesetzt sah und dieser Druck noch nicht durch .den Übergang zur Schutzzollpolitik {1879) abgemildert wurde. Eine ähnliche Situation herrschte bei der Vorbereitung und dem Erlaß des Reichsgesetzes von 1894; sie fallen in eine Zeit, da das wirtschaftlich erstarkende Deutschland sich aus seiner Zollisolation löste und einer verschärften Konkurrenz der industriellen Vormächte, namentlich Englands, aussetzte42• Die Gesetzgebung im Bereich des Markenschutzes trug diesem Umstand Rechnung, indem sie den Schutz ausländischer Marken nur nach dem Grundsatz strengster Gegenseitigkeit gewährte und dort korrigierend eingriff, wo der deutschen Industrie Benachteiligung drohte4:t. Den internationalen Vertragswerken zum gewerblichen Rechtsschutz44 öffnete sich das Reich erst, als seine wirtschaftliche Verflechtung gewachsen war und zugleich seine Stellung stark genug erschien, um eventuelle Nachteile verkraften zu können". kennungszeichen erprobter, von der Kundschaft gesuchter Fabrikate halte. Die Gesetzgebung müsse "den redlichen Wettkampf schützen, der nunmehr an die Stelle der früheren Ansicht eines industriellen Kriegszustandes zwischen den Nationen getreten ist. Die bestehenden Gesetze reichen nicht aus, um den guten Ruf und die Ehrenhaftigkeit inländischer Fabrikanten zu sichern, die jetzt, anders als früher, auf den ausländischen Märkten untereinander konkurrieren." 41 Böhme, Prolegomena S. 57 ff.; ders., Weg zur Großmacht, passim. 42 Böhme, Prolegomena S. 70 ff., 92 ff.; Treue, Gesellschaft, Wirtschaft und Technik S. 512 ff. 48 Hier sind vor allem zu erwähnen die Bindung ausländischer Marken an die formellen und materiellen Grundsätze des dt. Rechts, vgl. § 20 MSchG, § 23 WBG und unten § 33 zu Anm. 16, § 34 zu Anm. 31 ff. 44 Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVÜ) von 1883; Madrider Abkommen über die Unterdrückung falscher oder irreführender Herkunftsangaben auf Waren (MHA) von 1891; Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Fabrik- oder Handelsmarken (MMA) von 1891. Zur Entwicklung des internationalen Markenrechts, insbesondere der Pariser Verbandseinkunft vgl. Osterrieth, Gewerb!. Rechtsschutz S. 448 ff.; P. Schmid, Geschichte und Materialien S. 236 - 243, 256- 261, 269 - 271, 278-284, 291-294. 45 Der Beitritt zur PVÜ (am 1. V. 1903) war möglich geworden, nachdem die übereinkunft so abgeändert worden war, daß das Reich sich anschließen
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2. Das Zeichenwesen des 19. Jh.
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Bis zu diesem Zeitpunkt wandelte sich das Markenwesen Deutschlands nur in quantitativer, nicht aber in qualitativer Hinsicht. Die industrielle Großproduktion einerseits und die Entstehung neuer, breiterer Verbraucherschichten andererseits förderten zwar die "Uniformität" des Massenfabrikates. Trotz dieses "Zuges zum fertigen Produkt" diente die Marke immer noch dazu, den Hersteller oder Handwerker aus der Anonymität der industriellen Produktion heraustreten ("Herkunftsfunktion") und für seine Ware bürgen zu lassen ("Garantiefunktion"). Erst gegen Ende des Jahrhunderts gewann das Markenwesen eine neue, vorzüglich durch den Wandel der Absatzweise46 bedingte Bedeutung. In dieser dritten, in den neunziger Jahren beginnenden Periode verband sich die Reklame47 mit dem Markenwesen und schuf im ,.Markenartikel" eine neue Form des Warenabsatzes. Die Werbung als Instrument der Weckung und Steuerung des Bedarfs verlieh dem Warenzeichen eine neue Funktion. Diente die Marke bislang als Zeichen der Unternehmergarantie, so bürgte sie jetzt gewissermaßen selbst für die Güte der Ware: "sie unterliegt einer fortschreitenden Tendenz zur Personifizierung und gewinnt unter bestimmten Voraussetzungen ein gewisses Eigenleben48." Sie wird zu einer durch Werbung getragenen und steuerbaren Absatzmethode; der Marke selbst kommt nunmehr eine "Werbefunktion" zu. In dieser Gestalt gewannen die Phänomene "Marke" und "Markenartikel" das Interesse nicht nur der praktischen, sondern auch der theoretischen Betriebswirtschaft und behielten sie bis zur Gegenwart48 • Für unsere Untersuchung freilich, die mit dem Erlaß des Gesetzes zum Schutz der Warenbezeichnung von 1894 abschließt, spielt die konnte. Die voraufgehende Zurückhaltung Deutschlands wird in der Denkschrift von 1901 damit begründet, "daß einzelne wichtige Bestimmungen des Vertrags mit dem bewährten Systeme der deutschen inneren Gesetzgebung, namentlich auf dem Gebiete des Patentwesens, nicht wohl in Einklang zu bringen waren". Es handelt sich hierbei namentlich um die im Vertragswerk vorgesehene Priorität und den Ausführungszwang, der ,.gerade für Deutschland und seiner auf den Export gerichteten Industrie und für deutsche Erfinder ... eine schwere Benachtheiligung darstellt". Vgl. RT Sten.Ber. 1900/1902 (10. Leg. Per.) Nr. 342 S. 2267 f. 46 Dazu etwa die Skizze bei Hansen, Markenartikel S. 25 ff. Weniger deutlich Lisowsky, Leistungsgarantie S. 251 f. -41 Zur Geschichte der Reklame in Deutschland vgl. Redlich, Reklame S. 19 ff.; Bachem, Reklame S. 52 ff. 48 Leitherer, Entwicklung S. 86. Im übrigen vgl. den für die spätere Diskussion grundlegenden Artikel von H. Isay, Die Selbständigkeit des Rechts an der Marke, GRUR 1929 S. 23 ff., bes. S. 25 ff., 29 f. 40 Vgl. die Beiträge zu Beyerling und Hansen mit reichen Verweisen auf ältere Literatur. Zum Markenartikel als Absatzmethode allgemein vgl. Leitherer, Absatzlehre S. 29 f.; Dubber, Markenartikel, bes. S. 26 ff.
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1. Kap.:
Grundlage und Abgrenzung
Marke als Träger einer selbständigen Werbefunktion schon aus zeitlichen Gründen keine oder doch nur eine untergeordnete Rolle, dann nämlich, wenn gelegentlich Vorformen dieser Funktion auftauchen sollten. § 3. Qualitäts- und Herstellerzeichen als Mittel staatlicher Garantie und Repression
Bevor wir uns der Rechtsgeschichte des Markenschutzes zuwenden, ist ein kursorischer Blick auf jenen Teil des mit gewerblichen Waren verbundenen Zeichenwesens zu werfen, welcher in den Anfängen des 19. Jahrhunderts dominiert. Die Geschichte sowohl der Gesetzgebung im ganzen als auch einzelner Institutionen des Markenschutzes ist nur vor diesem Hintergrund voll verständlich.
I. Qualitätszeichen Die überkommenen Vorstellungen von der Zweckmäßigkeit hoheitlich gesteuerter Qualitätszeichen waren bis in die zweite Jahrhunderthälfte hinein lebendig. In welchem Umfang sich die deutschen Staaten dieses Mittels bedienten, kann an den beiden wichtigsten der betroffenen Fabrikationszweige gezeigt werden: der Textil- und namentlich der Leinwandindustrie einerseits und der Gold- und Silberwarenherstellung andererseits. Die Leggeanstalten1, deren Zweck es wart, durch das Beidrücken eines oder mehrerer Stempel "das richtige Maaß in Länge und Breite, sowie die Abwesenheit von Hauptmängeln zu beglaubigen und den Verkauf der Leinwand zu erleichtern", hatten mit dem Aufschwung der Leinwandfabrikation um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert große Bedeutung erlangt. Zu den älteren Schauanstalten, die zum Teil schon im 16. Jahrhundert gegründet und nach den Befreiungskriegen neu eingerichtet worden waren, traten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weitere Leggen hinzu3 • 1 Allgemein zum Leggewesen im 19. Jh. Potthoff, Leinenleggen, bes. S. 103- 125; Hornung, Entwicklung; Schierenberg, Leinenindustrie; ders., Lemgoer Legge; Zimmermann, Blüte und Verfall; Busse, Bielefelder Leinenindustrie S. 71 ff. 2 Leggeordnung für die Kreise Bielefeld, Halle und Herford v. 15. V. 1853 § 1, Pr.Ges.Slg. 53 S. 229. s So sind etwa im Königreich Hannover 27 der um 1840 bestehenden 50 Haupt- und Nebenleggen erst nach 1815 gegründet worden; in Lippe erging erstmals 1826 eine Leggeordnung, in Kurhessen wurde das Leggewesen 1834 neu geregelt und stufenweise auf den ganzen Staat ausgedehnt; hierzu Potthoff, Leinenleggen a.a.O. - In Bayern beschloß man 1833 eine
§ 3.
Qualitäts- und Herstellerzeichen
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In Preußen erlitt die Leinenschau ein wechselvolles Schicksal. Die im Großherzogtum Berg und Königreich Westfalen gelegenen älteren Leggeanstalten verloren während der französischen Herrschaft viel von ihrer einstigen Bedeutung4 • Nach der Rückgliederung an Preußen wurden sie in den Regierungsbezirken Minden und Münster renoviert oder sogar neu gegründet5 • Die dabei erlassenen Leggeordnungen zeigen, daß die preußischen Behörden eine alte Einrichtung nicht einfach wiederbelebten, sie vielmehr in mehrfacher Hinsicht fortbildeten. Insbesondere wurde der Leggezwang aufgehoben oder abgemildert6. Grundsätzlich in Frage gestellt hat man die Leggen der westlichen Provinzen freilich nicht. Anders verlief die Entwicklung in Schlesien7 , wo die Reformbemühungen um 1810 einsetzten und deshalb viel stärker mit der allgemeineren Diskussion um die Einführung der Gewerbefreiheit verknüpft waren. Zum Abschluß gelangte das Hin und Her der Meinungen mit der Ververbesserte Einrichtung der Leinwandschau; Dö!linger, Sammlung 14/3 § 1197. Man hoffte, "die Leinwandhändler des In- und Auslandes" würden "in Kürze den großen Vortheil dieser Anstalten für ihr eigenes Geschäft erkennen und bald dahin gelangen, nur gestempelte inländische Leinwand zu kaufen, daher ohne directen Zwang die Weber zur freiwilligen Prüfung ihrer Erzeugnisse durch die Leinwandbeschau veranlassen".- Im sächsischen Vogtland bestand die Schauanstalt zu Plauen mit dem Reglement von 1774 bis 1843 fort; Bein, Industrie II S. 224 ff., bes. S. 237. 4 Allerdings bemühten sich die örtlichen Behörden um die Wiedererrichtung der alten Anstalten, stießen dabei jedoch auf Widerstand nicht nur bei den zuständigen Ministerien, sondern auch bei der Bielefelder Kaufmannschaft, die sich durch die Leggegebühren beschwert fühlte und eine Umwandlung der Leggen in Privatinstitute verlangte. Derartige Bestrebungen erzielten Teilerfolge, so etwa in Halle (Westfalen) und Borgholzhausen, deren Leggen seit 1811 als Privatinstitute geführt wurden; andere jedoch, so namentlich die Bielefelder Legge, blieben als Staatsinstitut erhalten; hierzu und zum folgenden Potthoff, Leinenleggen S. 103 ff. s Daß dies nicht ohne Widerstand vonstatten ging, zeigt der Bericht Kunths v. 12. X. 1816 (Goldschmidt, Kunth S. 230) über das westfälische Schauwesen: "Fast ins Kindische gehet aber das hiesige Schauwesen, insofern es FabrikPolizei-Anstalt sein soll. Abgesehen davon, daß auch hier das Messen sehr flüchtig und das Schauen so gut als gar nicht geschieht, so könnte beides bei dem sehr mäßigen Objekt von etwa 20-25000 Stücken ganz bequem und sehr viel besser durch die 20 Leinwandhandlungen selbst geschehen. Aber auch Barchent muß die Legge passiren. Man sagt, damit die Stücke gerade so lang (16 Ellen cölnisch) oder so breit sind, als zu einem Unter- oder Deckbett gehört. Aber die Baumseide (Futterbarchent) wird auch geschauet! Man sagt: die Legge schütze den Weber gegen die Bedrückungen der Kaufleute. Aber hierzu hat man anderwärts wohlfeilere Mittel, und beim Barchent sind die Fabrikanten selbst die Kaufleute! Der eigentliche Zweck ist: eine Einnahme für die Stadtkasse zu gewinnen durch Schaugebühren und Strafen, welche das bürgerliche Reglement vom 17. Januar 1816 auf das Kleinlichste bestimmt." 6 Später wurde zwar der Leggezwang wieder eingeführt, zugleich blieben jedoch bedeutende Ausnahmen zugunsten der Großproduzenten erhalten. 7 Zimmermann, Blüte und Verfall, passim.
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1. Kap.:
Grundlage und Abgrenzung
ordnung über das schlesische Leinengewerbe vom 2. Juni 18278• Sie beseitigte den Schauzwang (§ 25), ließ aber Schauämter und Stempelmeister bestehen (§ 20) "zur Erleichterung des Überganges gewisser für den Großhandel bestimmter Leinenfabrikate aus der Hand des Webers an den Kaufmann und um diesen zu desto zuverlässigerer Bedienung der auswärtigen Kunden in den Stand zu setzen". Im übrigen erlaubte die Verordnung den Großhändlern, durch freie Vereinbarung mit den Webern eine Privatbeglaubigung an die Stelle der öffentlichen Schau und ihres Stempels zu setzen (§ 16). Noch weiter ging man in einer Verordnung vom 16. August 1848 über den Leinwandhandel in der Provinz Preußen9 : in ihr wurde auf jede Schau verzichtet, nicht aber auf die Bezeichnung der zum Markt gebrachten Leinwand mit der Länge des Stückes, dem Namen und dem Wohnort des Feilbietenden; das vollständige oder teilweise Fehlen dieser Angaben sollte ebenso bestraft werden wie die Verwendung eines fremden oder erdichteten Namens oder eines fremden Wohnorts. Das Modell der Privatschauvereine führte die preußische Regierung durch Verordnung vom 5. Januar 182310 für die Tuch- und Wollwarenhersteller in den östlichen Provinzen der Monarchie generell ein11 • Da der Beitritt zum Verein zwar freiwillig, die Mitgliedschaft aber mit dem Schauzwang verbunden war (§ 21), lief die Regelung doch wieder auf eine faktische Schaupflicht hinaus; denn es konnte wohl keiner der kleineren im Hausbetrieb arbeitenden Tuchweber ohne Nachteil auf die Mitgliedschaft verzichten. Der Niedergang der ländlichen Leinenweberei unter dem Druck der ausländischen, namentlich der englischen und belgiseben Konkurrenz bereitete Legge und Leggestempel ein Endel2'. Allen Hoffnungen auf s Pr.Ges.Slg. 27 S. 87 ff. e Rönne, Gewerbepolizei I S. 463 f. 1o Pr.Ges.Slg. 23 S. 2 ff.; ZeUer, Gewerbepolizei II S. 347 ff. u Öffentliche Schauanstalten sollten, soweit nicht die Mehrheit der jeweiligen Interessenten für eine Aufhebung eintrat, in örtlich selbständig organisierte, "freie Privatvereine" umgewandelt werden. Ihnen fiel die Aufgabe zu (§ 15), die Fabrikation gemeinschaftlich im Ganzen und Einzelnen zu beobachten, ihre Verbesserung zu befördern, und, daß sie nach gewissen bestimmten Regeln für tauglich erkannt worden sind, durch ein an jedes Stück gelegtes Zeichen zu bescheinigen. 12 Das preußische Gesetz vom 15. III. 1875 setzte den Schlußpunkt; es ermöglichte die Aufhebung der wichtigsten in Deutschland noch verbliebenen Leggebezirke, nämlich jene in der Provinz Hannover und in den Regierungsbezirken Minden und Kassel. In den Kreisen Bielefeld, Halle (Westfalen) und Herford hatten die Leggen schon 1871/72 den Betrieb eingestellt; von den übrigen Anstalten war ein Teil schon früher eingegangen.
§ 3.
Qualitäts- und Herstellerzeichen
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eine Wiedergesundung des Leggewesens wurde schon 1859 der lapidare Satz entgegengehalten1:r: "Der Leggestempel dient zur Beglaubigung einer gesuchten Waare, macht diese aber nicht zu einer solchen, und die Annahme, daß er dies vermöge, beruht auf einer Täuschung." Geradezu entgegengesetzt verlief die wirtschaftliche Entwicklung der Go!d- und Silberwarenindustrie; sie nahm am allgemeinen Aufschwung teil. Infolgedessen wurde schon verhältnismäßig früh die Forderung laut, der verwirrenden Vielfalt überkommener Feingehalts- und Stempelungsvorschriften ein Ende zu setzen. Einen positiven Abschluß fanden diese Bemühungen14 erst im Reichsgesetz vom 24. Juli 188415. Dieses sah von jedem Legierungszwang ab: Die Stempelvorschriften unterschieden nach zwei Warenkategorien. Schmucksachen durften in jedem Feingehalt gestempelt werden; Geräte, also sog. "schwere Ware" Wie Eß- und Trinkgeschirr, Bestecke usw., durften nur von einem bestimmten Feingehalt an mit der Gehaltsangabe und dem Reichszeichen versehen werden; die Form dieses Stempelzeichens, "welches die Zahl der Tausendtheile und die Firma des Geschäfts, für welches die Stempelung bewirkt ist, kenntlich macht", sollte der Bundesrat festlegen16. Für die Richtigkeit des angegebenen Feingehaltes hatte der jeweilige Verkäufer der Ware einzustehen. Diese Regelung im Sinne des sogenannten "Repressivsystems" löste eine Vielzahl einzelstaatlicher Bestimmungen ab, deren Übersichtlichkeit noch dadurch beeinträchtigt war, daß Präventiv- und Repressivsystem mit dem Legierungszwang, dem Stempelungszwang oder dem 13 Motive zum E eines Gesetzes, betr. die Aufhebung der Legge-Ordnung für die Grafschaften Teekienburg und Oberlingen, Aktenstück Nr. 33 Verh. des pr. Abgeordnetenhauses 1859. 14 Schon auf der siebten Generalkonferenz der Zollvereinsstaaten (1845) waren auf Antrag Württembergs die anstehenden Probleme erörtert worden, freilich ohne Erfolg. Danach wurde die Frage wiederholt aufgegriffen, doch erst nach der Reichsgründung konnten die Bemühungen mit Aussicht auf Erfolg fortgesetzt werden. Trotz der zahlreichen Petitionen, die schon 1872 den Bundesrat veranlaßten, die Regierungen um Stellungnahmen anzugehen, verging noch mehr als ein Jahrzehnt bis zum Erlaß des Reichsgesetzes von 1884.
15 Reichsgesetz über den Feingehalt von Gold- und Silberwaren v. 25. VII. 1884 Reichsges.Bl. 84 S. 120. 16 Diese im Reichsges.Bl. 86 S. 1 veröffentlichte Bekanntmachung sah für
Gold das Sonnenzeichen mit der Reichskrone vor, für Silber das Mondsichelzeichen mit der Reichskrone, die Angabe des Feingehalts in Tausendteilen, die F i r m a oder die "S c h u t z m a r k e" im Sinne des MSchG von 1874.
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1. Kap.:
Grundlage und Abgrenzung
Stempelungsverbot jeweils unterschiedlich kombiniert sein konnten17 • Aus der Vielfalt der einschlägigen Bestimmungen sei zunächst das Beispiel der sog. Bijouteriefabrikation herausgegriffen, die sich in der Auseinandersetzung zwischen überkommenen Zunftregeln und moderneren Vorstellungen zu bewähren hatte, und von der in der zweiten Jahrhunderthälfte die kräftigsten Impulse zur Neuregelung der gesamten Materie ausgingen. In den beiden süddeutschen Schwerpunkten der Industrie, in Schwäbisch Gmünd und Pforzheim, begegnen uns recht unterschiedliche Regelungen. Nach dem Übergang Gmünds18 an Württemberg (1803) wurden die Goldschmiede- und Schauordnungen des 18. Jahrhunderts bestätigt. Schau und Stempelung lagen in den Händen der Zunft unter der Aufsicht des Magistrats. 1813 übernahm eine "Öffentliche Gold- und Silberkontrollanstalt" die Aufgabe, die mit dem Meisternamen gekennzeichneten Waren zu prüfen und mit der Zahl des Karatund Lotgehaltes und mit dem Stadtwappen zu bezeichnen. Man hoffte19, "daß bald größere Bestellungen den vielen geschickten Gold- und Silberarbeitern, sowie dem Handelsstande dahier, die erwünschte Gelegenheit darbieten werden, den in älteren Zeiten behaupteten Ruhm der hiesigen Fabrikate wieder erneuern und die durch diese Anstalt veranlaßten allgemeinen Erwartungen vollständig befriedigen zu können". 1836 wurde die Zwangsbeschau noch einmal erneuert. Erst am 7. August 1862, nachdem schon die allgemeine Gewerbefreiheit in Württemberg eingeführt worden war, löste man die Kontrollanstalt auf. Diesem Schritt war eine langjährige Diskussion vorangegangen um die Zweckmäßigkeit des Kontrollzwanges, um die Umwandlung der Zwangsanstalt in eine Hilfsanstalt, aber auch um die Verschärfung der Kontrolle zur Festigung von Ruf und Absatz der Gmünder Waren. Diese Auseinandersetzung war nicht zuletzt dadurch bestimmt, daß anderswo, namentlich in Pforzheim, freiere Verhältnisse herrschten.
Die Pforzheimer Bijouteriewarenindustrie20 war als "Fabrik" außerhalb des herkömmlichen Zunftrechts begründet worden. Sie unterlag bis 1827 dem Legierungszwang, dessen Einhaltung die 1777 gegründete staatliche Kontrollanstalt überwachen sollte. Diese Behörde war zugleich allein befugt, Gehalts- und Kontrollzeichen aufzuprägen. Als Zur Terminologie vgl. insbesondere Rummer, Pforzheimer Prob S. 143. Einen Überblick über den Stand der Gesetzgebung im Jahre 1866 gibt Studnitz, Feingehalt; speziellere Auskünfte zu Baden bei Rummer a.a.O. S. 126 ff.; Rettig, Polizeigesetzgebung S. 346; zu Preußen Zeller, Gewerbepolizei II S. 358 f. (Mandate und Privilegien von 1673 und 1735). 18 Zum folgenden Klein, Gemünder Goldschmiede, bes. S. 20 f., 99 ff. 19 Anzeige in der "Staats- und Gelehrtenzeitung des hamburgischen unparteiischen Korrespondenten" v. 19. III. 1813, zit. nach Klein a.a.O. S. 99. 2o Rummer, Prob S. 108 ff., 126 ff., bes. S. 132 ff.
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§ 3.
Qualitäts- und Herstellerzeichen
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im 19. Jahrhundert die Zahl unkontrollierter Gold- und Silberarbeiter zunahm und überdies der Druck der von keiner Vorschrift gehemmten Hanauer Konkurrenz stärker wurde, schaffte man die Zwangskontrolle ab, behielt jedoch die freiwillige Kontrolle bei21 • Das hoheitliche Kontrollzeichen durfte künftig nur auf Waren eines bestimmten Mindestgehaltes aufgeschlagen werden; jede andere Legierung war zulässig, blieb aber ohne staatliche Garantie. Am Beispiel der Leggestempel und Probzeichen werden die großen
Entwicklungslinien deutlich, welche das Recht der Qualitätszeichen22 im
19. Jahrhundert durchlaufen hat23• Sie sind bestimmt durch die unterschiedliche Antwort auf die Frage, ob und inwieweit der Staat auf die Einhaltung bestimmter Qualitäten hinwirken soll oder nicht.
Anfangs überwiegen die mit Schauzwang ausgestatteten staatlichen Organe; sie folgen dem überkommenen Schema der Kontrolle einer Zunft über die Arbeit ihrer Mitglieder. Diese schärfste Form staatlicher Einflußnahme auf die Qualität bestimmter Produkte ist repräsentiert durch die Leggeanstalten alten Stils und die Kontrollanstalt der Gmünder Bijouteriefabrikation. Die Beseitigung des Schauzwanges, sei es durch die Konstruktion eines "Privatvereins" nach dem Muster der preußischen Verordnung vom 5. Januar 1823, sei es durch die Einführung der fakultativen Kontrolle, bricht mit der strengen Reglementierung, nicht aber mit dem grundsätzlichen Ziel: auch die freiwillig eingeholte, mit einem bestimmten Zeichen verbundene Staatsgarantie will bestimmte Qualitäten begünstigen und durch deren Garantie den Warenabsatz fördern. Erst als der Staat sich völlig von der Vorstellung löst, er müsse und könne durch seine der Freiwilligkeit einzelner Produzenten anheimgegebene Hilfe bestimmte Gewerbezweige fördernd unterstützen, ver21 Verfügung v. 27. VII. 1827. Die baden-durlachische Goldschmiedeordnung von 1618 galt zwar bis ins 19. Jh. fort, da die Zünfte jedoch eingegangen waren, zielte das 1811 erneuerte Ergänzungsdekret von 1715 ins Leere: Gold- und Silberarbeiter, die keiner Zunft mehr angehören, konnten unkontrolliert produzieren. - Zur Hanauer Industrie Caspari, Edelmetallgewerbe S. 103 ff., 111 ff. 22 Die Umschreibung der Qualität konnte genau sein (so bei der FeinJlehaltsangabe), sie konnte sich aber auch allgemein nach den örtlichen Gepflogenheiten richten (so oft bei den Leinwandleggen). Die Stempel konnten auf Qualitätsstufen hinweisen - so etwa die beiden Klassenstempel der Lemgoer Legge (Schierenberg, Legge S. 7) oder die württembergischen Zinnstempel: gekrönte Rose für "ganz lautere" Ware, die drei württembergischen Hirschhörner für "gute Zinnwaare" (vgl. Roller, Polizeirecht S. 417). Andere Stempel wiesen auf besonders ausgezeichnete Güte, wieder andere auf die Fehlerhaftigkeit eines Fabrikates hin (Schierenberg a.a.O. S. 5 f., Hornung, Entwicklung S. 71. 23 Ähnliche Regelungen für Qualitätsangaben galten im 19. Jh. für Leinengarn, Zinngerät und Instrumentensaiten.
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1. Kap.:
Grundlage und Abgrenzung
schwinden die staatlichen oder vom Staat beliehenen Prüfungsanstalten und mit ihnen das mit einer Staatsgarantie ausgestattete Qualitätszeichen. Ähnlich und doch zugleich verschieden verläuft die Entwicklung in bezug auf die im Wege des Repressivsystems verwendeten und geschützten Qualitätsangaben. Auch hier geht es dem Staat zunächst darum, bestimmte von ihm als maßgeblich verkündete Qualitäten durchzusetzen, indem die inhaltlich entsprechende Kennzeichnung zur Pflicht erhoben und dieser Angabe ein besonderer Schutz verliehen wird.
Die spätere Entwicklung kennt zwei Richtungen. Auf der einen Seite verzichtet der Staat auf den Bezeichnungszwang und damit auf die unbedingte Durchsetzung bestimmter Qualitätsvorstellungen. Zugleich fördert man jedoch diese Vorstellungen, indem man den fakultativen Gebrauch bestimmter Zeichen mit einem "Qualitätszwang" verbinde~. Der Staat garantiert hier im Wege des Repressivsystems nicht nur die Zuverlässigkeit des Qualitätszeichens, er begünstigt auch bestimmte Warenqualitäten. Auf der anderen Seite werden obligatorische Qualitätszeichen beibehalten; sie dienen aber in aller Regel nicht der Begünstigung bestimmter Qualitäten, sondern in erster Linie dem Schutz des Konsumenten. Dabei wird die Freiheit der Qualitätswahl mit einer Offenbarungspflicht verknüpft, die zum Teil auf eine "Brandmarkung" bestimmter negativer5, zum Teil auf eine bloße Angabe tatsächlicher Eigenschaften hinausläuft26 • Die Verantwortlichkeit des Herstellers wird vielfach dadurch gesteigert, daß er seinen Namen beizufügen hat. 24 So etwa das Reichsgesetz von 1884 für die schweren Gold- und Silberwaren (§2). 2s So mußte etwa in Baden doublierte Ware mit einem "D" oder "Double" gekennzeichnet werden, VO v. 16. VII. 1812; Dollmätsch, Sammlung II S. 269. Spätere Vorschriften entsprechen dieser VO, dazu Rummer, Prob S.180, 185. 28 Vgl. z. B. die Feingehaltsangabe nach dem Reichsgesetz von 1884. In den vorausgehenden Jahrzehnten begegnet diese Regelungsweise selten in reiner Form, wohl aber in der Gestalt, für welche die hessische VO v. 23. IV. 1829 (Annalen InnM 1829 S. 194 ff.) als Beispiel stehen mag. Sie gestattet den Gold- und Silberarbeitern nicht nur die Verarbeitung bestimmter Legierungen, sondern "auch geringere Qualitäten, bis zu 6 karatigem Golde" und verbindet damit das Gebot, "den Gehalt des Goldes oder Silbers, nebst einem besonderen den Anfangsbuchstaben ihrer Geschlechtsnamen, sowie das Stadt- oder Orts-Wappen ihres Wohnorts, ausdrückenden Stempel, bei Strafe der Konfiskation der Waare, aufzuschlagen. Einen Abdruck dieses Stempels haben sie bei der Polizei-Behörde ihres Wohnorts niederzulegen." Diese Verordnung befreit partiell vom Legierungszwang und verbindet mit dieser Freiheit das Gebot der Gehaltsangabe. Letztere wiederum ist notwendig mit einer Kennzeichnung des Herstellers verbunden, eine Bedingung, die im früheren 19. Jh. häufig anzutreffen ist.
§ 3. Qualitäts- und Herstellerzeichen
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11. Obligatorische Herstellerzeichen Derartige Hinweise auf den Hersteller erfüllen Hilfsfunktionen, sofern sie mit Qualitätszeichen verbunden sind. Stehen sie jedoch für sich, so können sie - wenngleich sie daneben noch anderen Zielen dienen ähnliche Funktionen übernehmen wie die freiwilligen Herkunftsangaben. Eine unterstützende Funktion besitzen Herstellerzeichen sowohl in der Kombination mit repressiven Qualitätszeichen, als in der Verbindung mit Prüfzeichen. In beiden Fällen soll die Möglichkeit gegeben werden, den Verfertiger für das Fehlen der angezeigten Qualität haftbar zu machen; nur der Adressat dieser Kontrollmöglichkeit ist verschieden. Im Zusammenhang des Repressivsystems ist es der Konsument, im Rahmen des Kontrollverfahrens die staatliche Kontrollbehörde. Die Kombination obligatorischer Herstellerangaben mit Prüfoder Kontrollzeichen entspricht dem älteren Zunftbrauch und ist im 19. Jahrhundert besonders häufig im Bereich des Edelmetallgewerbes anzutreffen, wo überkommene Vorstellungen besonders lebendig ge.:. blieben sind. So sollte beispielsweise nach einem Reskript des Oberamts Reutlingen vom 24. Juli 180627 auf Goldwaren außer der Probe und "neben dem Namenszug des Meisters auch noch die genaueste Angabe des Gehaltes eingezeichnet" werden; jeder, der sich "auf die eine oder andere Weise" verfehle, sollte "neben dem Ersatz des dem Käufer verursachten Schadens zur fiskalischen Strafe gezogen und diese öffentlich bekanntgemacht werden ..., um das Publikum vor einem Meister, der dasselbe durch Prädicirung eines höhern innern Gehalts, als die Waare hat, in Schaden zu bringen suche, zu warnen". Nicht weniger deutlich wird der Zweck beigefügter Herstellerzeichen in einem Erlaß der Freien und Hansestadt Harnburg über den Silberfeingehalt vom 1. 8. 185428• Er sah in enger Anlehnung an die überkommene Zunftregelung nicht nur die Stempelung der "vollwichtigen Silberarbeit" mit dem Harnburgischen Silberstempel vor, sondern bestimmte zusätzlich: "Um den Verfertiger einer Silberarbeit jederzeit erkennen zu können, sind nicht nur die Amtsmeister und die Konzessionirten des Amtes in der Stadt, sondern auch diejenigen, welche in den Vorstädten und auf dem Landgebiete zur Silberarbeit obrigkeitlich konzessionirt sind, verpflichtet, einen den Wohlweisen Herren Patronen in den Vorstädten und den WohlRoller a.a.O. § 684 S. 416 f. mit Anm. Abgedruckt bei Studnitz, Feingehalt S. 83 ff. Die Regelung wurde beibehalten, als die Schau später besonderen Beamten übertragen wurde. 21
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1. Kap.:
Grundlage und Abgrenzung
weisen Herren Landherren auf dem Gebiet mitzutheilenden Stempel anzunehmen und jede von ihnen verfertigte Arbeit damit zu versehen." Die Kombination von Hersteller- und Qualitätszeichen war selbstverständlich nicht auf den ehemals zünftischen Bereich beschränkt; auch der Staat bediente sich ihrer, um das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften mit der Haftung der Hersteller zu verknüpfen29 • Die Verbindung des Herstellerzeichens mit bestimmten Qualitätsvorstellungen- seien es nun genau fixierte oder nur die jeweils handelsüblichen - geht nicht notwendig verloren, wenn die Beifügung eines Qualitätszeichens unterbleibt. Derartige äußerlich isolierte Herstellerzeichen begegnen etwa in Mecklenburg-Strelitz, wo man nicht mehr, wie es eine Polizeiordnung aus dem Jahre 1572 verlangte, Stadtwappen, Jahreszahl und Budenzeichen auf Goldwaren setzte, sondem nur noch den Namen des Goldschmiedes30• In ähnlicher Weise verfuhr man bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts im Großherzogtum Oldenburg, wo zwar die Verwendung 12-lötigen Silbers gestattet war, die Kennzeichnung mit dem Verfertigemamen aber genügte3 1• Ebenfalls hierher gehören die vielerorts noch vorgeschriebenen Brotzeichen, handele es sich um die einem Bäcker zugeteilte Nummer oder ein "von ihm gewähltes Zeichen" 32• Erwähnenswert ist schließlich das von Kunth im Jahre 1824 ausgearbeitete Projekt einer Ordnung für das schlesische Leinengewerbe33 ; es enthielt folgende Bestimmungen, die den Betrügereien der Kaufleute vorbeugen sollten: "Um den Ruf der schlesischen Leinenmanufactur im Ausland noch mehr zu befestigen, soll künftig jeder Kaufmann verpflichtet sein; seine außerhalb Landes oder auf inländische Messen zu versendenden Leinenwaaren auf dem Stücke selbst mit einem Stempel zu bezeichnen, der seinen Namen und Wohnort deutlich angiebt... ." Steht bei den bislang genannten Zeichen die Ermöglichung polizeilicher Kontrolle noch stärker im Vordergrund, so tritt sie bei anderen qualitätsorientierten Herstellerzeichen zurück. 29 Vgl. die preußische Maß- und GewichtsO v. 16. V. 1816 (Ges.Slg. 16 S. 146 f.) §§ 26 und 28: die Böttcher mußten auf neue und veränderte Gefäße, "worin Wein, Bier, Essig, und ähnliche Flüssigkeiten verkauft werden", die "Berliner Quartzahl und ihren Stempel" einbrennen, inländische Glashütten mußten alle Flaschen mit einem Stempel bezeichnen, "der neben dem besonderen Zeichen der Glashütte den Inhalt in Berliner Quarten" angab. Ein anderes Beispiel bietet § 9 der schlesischen Leinwandverordnung von 1827, wonach jedes auf öffentlichem Markt feilgehaltene Bündel Garn mit dem Namen des Verkäufers bezeichnet sein mußte. so Studnitz a.a.O. S. 82. s1 Ebenda S. 82 f. 32 Vgl. zu Baden: DoUmätsch, Sammlung II S. 346, 366, 372, 388, 700, 717; zu Preußen: Annalen f. innere Verw. 1821 S. 185 (Krefeld). 33 Zimmermann, Blüte und VerfallS. 267 f.
§ 3.
Qualitäts- und Herstellerzeichen
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Dies ist zum Beispiel der Fall in den preußischen Leggeordnungen; so mußte die vom Schauzwang ausgenommene Fabrikware nach den westfälischen Leggeordnungen von 1853 mit einem die "Firma tragenden unauslöschlichen Stempel" versehen sein34 • Dieser Bestimmung liegt der Gedanke zugrunde, daß in erster Linie das konsumierende Publikum über die Qualität zu entscheiden und so den Hersteller zu kontrollieren habe. In einer Reihe anderer Verordnungen tritt diese Absicht noch deutlicher zutage, so in einer Osnabrückischen Verordnung über die Zichorienfabrikation vom 4. Mai 180535• Diese Verordnung schrieb allen Fabrikanten ein Zeichen vor, "welches in einigen Sternchen, Buchstaben, Namenszügen oder sonstigen kleinen Merkmalen" bestehen und beim Amte in ein besonderes Register eingetragen werden mußten. In ähnlicher Weise regelte die Hannoversche Provinzialregierung zu Aurich am 3. November 182!36 die Verwendung der ostfriesischen Garnzeichen. In der Einleitung heißt es über den Zweck der Verordnung: "Wenn es gleich bisher gebräuchlich gewesen, daß die Zwirn-Fabrikanten dieser Provinz sich besonderer Zeichen zur Stempelung des von ihnen verarbeiteten Garns bedient haben: so ist doch bei Uns zur Anzeige gekommen, daß dabei von allen Fabrikanten nicht mit Gewissenhaftigkeit verfahren und von einigen die Zeichen anderer nachgemacht und gernißbraucht worden. Um den guten Ruf unserer Zwirn-Fabriken zu sichern und jeder Verfälschung möglichst vorzubeugen, werden folgende Bestimmungen mit Genehmigung des Königlichen Cabinetts-Ministerii erlassen und alle, die es angeht, bei Vermeidung der festgesetzten Strafen angewiesen, sich darnach zu achten." Die Fabrikanten wurden verpflichtet, "besondere Zeichen" zu gebrauchen und diese von der Obrigkeit genehmigen zu lassen; der Gebrauch fremder Zeichen wurde ebenso wie die Veränderung des eigenen Zeichens ohne vorherige Genehmigung mit einer Polizeistrafe belegt; gebrauchten einige Fabriken "gleiche oder nicht hinlänglich verschiedene Zeichen", so sollte der letzte Anmelder sein Zeichen abändern und ein anderes zur Genehmigung vorschlagen. Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang zu nennen das preußische Gesetz über die Hüttenzeichen vom 3. Juli 1818 und das um die Jahrhundertmitte immer wieder erhobene Verlangen nach einem obligatorischen Meisterzeichen. Da in beiden Fällen indes eine unmittelbare Wechselwirkung mit der Gesetzgebungsgeschichte zum Markenschutz besteht, sollen sie im jeweiligen Kontext näher behandelt werden37• 34
36 38 37
Ges.Slg. 53 S. 229 (§ 3) und S. 233 Cod. Const. Osnabr. li Nr. 1683. Hann. Ges.Slg. 1821 S. 114 f. Vgl. unten § 9 u. § 12 IV.
(§ 4).
2. Kapitel
Zur Entwicklung des Markenschutzes im Ansland Im späteren 19. Jahrhundert waren Beobachtung und Kenntnis des ausländischen Markenrechts eine Selbstverständlichkeit nicht nur für die Exportwirtschaft, sondern ebensosehr für die Regierung und ihre gesetzgeberische Arbeit. In den vorangehenden Jahrzehnten galt das deutsche Interesse vornehmlich dem französischen Recht, teils weil es infolge der Annektionen Napoleons in weiten Teilen Deutschlands unmittelbare Geltung erlangt hatte, teils weil es der eigenen Rechtssetzung als Vorbild, Maßstab oder Anregung diente. Es ist deshalb unerläßlich, die Entwicklung des französischen Markenschutzes im Mutterland und auf deutschem Boden in den wichtigsten Etappen nachzuzeichnen. Die Entwicklung des Markenschutzes in England, Osterreich und den übrigen Staaten kann demgegenüber knapper behandelt werden. Sie gewann erst seit etwa den sechziger Jahren Einfluß auf das deutsche Geschehen, ohne je die Kraft des französischen Vorbildes zu entfalten. § 4. Das Vorbild Frankreichs
I. Die französische Gesetzgebung im Oberblick Im nachrevolutionären Frankreich1 wurden zunächst nur die für Thiers geltenden Bestimmungen über die Zeichen der "Klingewaare" (Quincaillerie) und Messerschmiedearbeiten auf den ganzen Staat ausgedehnt. Das Dekret vom 23. Nivose des Jahres IX (13. Januar 1801)2 sprach den Fabrikanten dieser Erzeugnisse die Befugnis zu, ihren Arbeiten ein besonderes Zeichen aufzuprägen, das von den anderen Marken verschieden sein und, um nicht verwechselt zu werden, nur demjenigen als Eigentum zugesichert sein sollte, der es auf die im Hauptort der Unterpräfektur hinterlegten Tafeln hatte eindrücken Ausführlichere Darstellungen der älteren französischen Gesetzgebung bei Contrefa~ons S. 412- 417; Blanc, Contrefacon S. 145 ff.; Calmels, Contrefacon S. 1 ff.; Pouillet, Marques de fabrique S. 942 ff. (Motive zum Gesetz von 1857); auch Krug, Fabrik- und Warenzeichen S. 41 ff.; Schmid, Warenzeichenrecht S. 132 ff.; Lidecke, Gewerbegericht S. 38 ff.; aus der jüngeren deutschen Lit. vor allem Beier, Grundfragen. 2 Sammlung Rheinprovinz V S. 28 ff. (zweisprachig); Siebenpfeiffer, Handbuch IV S. 322; Blanc, Contrefacon S. 151. 1
Gastambide,
§ 4.
Vorbild Frankreich
49
lassen. Wesentlich größere Bedeutung erlangte die in der "Loi relativ aux manufactures, fabriques et ateliers" vom 22. Germinal des Jahres XI (12. April1803)3 enthaltenen Vorschriften über den Zeichenschutz (§§ 16- 18); sie untersagten die Nachahmung ("contrefac;on") der "marques particuliers" jedes Fabrikanten und Handwerkers, gewährten dem Geschädigten einen Ersatzanspruch und drohten die für Fälschung von Privaturkunden vorgesehene Strafe an. Das Dekret vom 11. Juni 18094 über die Errichtung der "Conseils de prud'hommes" bestätigte den Schutz der Fabrikmarken (Art. 4- 9, 12). Das Eigentum an einer Marke ("propriete de la marque") sollte man nur geltend machen können, wenn die Marke sich von anderen genügend unterschied und nicht verwechselt werden konnte. Eine Klage wegen Nachahmung setzte überdies voraus, daß man seine Marke nicht nur beim Handelsgericht, sondern auch beim Conseil hinterlegt hatte. Der strafrechtliche Schutz wurde durch die Androhung schwerer Sanktionen verstärkt: durch Art. 142 und 143 des am 22. Februar 1810 verkündeten Code penal. Diese Artikel, die u. a. neben den Strafnormen gegen die Nachmachung von Staatspapieren, Prob- und Papierstempeln dem Abschnitt "Des faux" zugeordnet sind, lauten in deutscher Übersetzungs: "142. Diejenigen, welche die Zeichen nachmachen, die dazu bestimmt sind, um im Namen der Regierung auf verschiedene Arten von Lebensmitteln oder Waaren gesetzt zu werden, oder die von diesen falschen Zeichen Gebrauch machen; - diejenigen, welche das Siegel, den Stempel oder das Zeichen irgend einer Behörde, oder einer Privat-, Bank- oder Handelsanstalt, oder von den nachgemachten Siegeln, Stempeln oder Zeichen Gebrauch machen, - werden mit Zuchthausstrafe belegt. 143. Mit dem Pranger wird bestraft, wer sich die echten Siegel, Stempel oder Zeichen, welche eine der in dem Art.142 angegebenen Bestimmungen haben, auf eine unerlaubte Weise verschafft, und sie zum Nachtheile der Rechte oder Interessen des Staates, einer Behörde, oder selbst einer Privatanstalt anwendet oder gebraucht." In den nachfolgenden Jahren bis 1824 ergingen noch einige Gesetze von mehr untergeordneter Bedeutung, unter anderem eine Sonderregelung für Eisen- und Messerschmiedewaren, für Qualitätszeichen bestimmter Seifensorten, für Ortsangaben auf Stoffen und "lisieres des draps" 6• 3 Bormann I Daniels, Handbuch IV S. 450- 452; Siebenpfeiffer, Handbuch IV S. 84 ff.; Blanc, Contrefa~on S. 152. 4 In der Fassung vom 20. 11. 1810 bei Bormann I Daniels, Handbuch V S. 456; Gastambide, Contrefac;ons S. 413; Blank, Contrefa~on S. 153; Siebenpfeiffer, Handbuch IV S. 223. 5 Die Übersetzung ist entnommen der Ausgabe von J. Cramer, Die fünf französischen Gesetzbücher (Crefeld 1841).
4 Wadle
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2. Kap.:
Zur Entwicklung im Ausland
Das Gesetz vom 28. Juli 18247 ergänzte das ältere Recht durch eine Strafdrohung gegen die mißbräuchliche Verwendung von Namen. Wer seine Waren mit dem Namen eines fremden Produzenten oder Kaufmanns oder einer anderen Stadt bezeichnete, sollte gern. Art. 423 Code penal8 bestraft werden. Eine Bereinigung erfuhr das französische Markenrecht erstl' durch das Gesetz über die Fabrik- und Handelsmarken vom 23. Juni 185710• Das Gesetz, das einen sehr weiten Markenbegruf zugrundelegte (Art. 1 Abs. 3), regelte den Erwerb der "propriete d'une marque" (Art. 2) im Sinne des Anmeldesystems. Im übrigen enthielt es neben einer Ausländerklausel (Art. 5 und 6) im wesentlichen nur sehr differenzierende Vorschriften über die Bestrafung (Art. 7 -15) und gerichtliche Verfolgung (Art.16 -18) der "contrefac;on". Das Gesetz von 1824 blieb daneben weiterhin in Kraft. Die solchermaßen verfestigte Spaltung des legislatorischen Schutzes der Warenbezeichnung wurde in den folgenden Jahrzehnten durch mehrere ergänzende und modifizierende Gesetze fortgest.al tet11 • Die gesamte, bisweilen als unvollkommen empfundene Sondergesetzgebung war eingebettet in die seit der Jahrhundertmitte mehr und mehr sich entfaltende Lehre vom industriellen Eigentum und von der "concurrence deloyale". Der Begriff des "Eigentums" {"propriete") an der Marke wurzelt im Ideengehalt der Revolutionsgesetzgebung zum Urheberrecht und gewerblichen Rechtsschutz. Er ist Ausdruck der Vorstellung, daß das Recht des Markeninhabers ebenso wie das Recht des Erfinders oder Urhebers nur die Ausformung eines der staatlichen Schutzgewähr vorgeordneten, auf dem Naturrecht beruhenden Grundrechts des schöpferischen Menschen sei. Noch Gastambide rechnet das Markenrecht bezeichnenderweise zu den "droits sacres de la production et du travail" 12 • o Einzelheiten bei: Gastambide, Contrefar;ons S. 414 ff.; Blanc, Contrefar;on S. 156 ff. 7 Gastambide a.a.O. S. 449; Blanc a.a.O. S. 164. s Art. 423 betrifft die Täuschung über Qualität oder Quantität der Ware. e Zu älteren schon 1815 einsetzenden Reformarbeiten vgl. etwa Calmels, Contrefar;on S. 21 f. Das seit 1841/42 geplante neue Markenschutzgesetz wurde 1845 im Entwurf vorgelegt und im folgenden Jahr durch die Pairskammer angenommen; in der Deputiertenkammer (1847) konnte die Vorlage vor dem Ausbruch der Februarrevolution nicht mehr verhandelt werden; vgl. die Motive (wie Anm. 1) S. 941. to Abgedruckt in Goldschmidts Z. I (1858) S. 285 ff., in Übersetzung bei Krug, Fabrik- und Warenzeichen S. 43- 47. u Vgl. die Gesetzestexte und-materialienbei Pouillet, Marques de fabrique S. 935 ff., 982 ff.; über Einzelheiten auch Kohler, Markenschutz S. 62; Lobe, Unlauterer Wettbewerb I S. 84; Schmid, Warenzeichenrecht S.133 f.
§ 4. Vorbild Frankreich
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Im Begriff des Markeneigentums, der bald auf andere, nicht förmlich begründete private Kennzeichen des Geschäftslebens ausgedehnt wurde, flossen zwei Momente zusammen, der urheberrechtliche Gedanke des Schutzes schöpferischer Tätigkeit und die wettbewerbsrechtliche Idee des Schutzes der "reputation commerciale" 13• Anfangs stand, wie schon das räumliche Nebeneinander der gesetzlichen Regelung vom Muster- und Markenschutz offenbart, die Erfindungsidee im Vordergrund14• Später hob man infolge der Notwendigkeit, auch andere Kennzeichen in den Schutz der "propriete industrielle" einzubeziehen, stärker auf den mit einem Zeichen verbundenen Bezug zur Kundschaft ab. Den grundsätzlichen Unterschied dieses Gedankens zum Erfindungs- und Urheberprinzip hob ebenfalls bereits Gastambide in unübertroffener Klarheit hervor, indem er gegenüberstellte einerseits "le detournement de la pensee ou de l'invention d'autrui" und andererseits "le detournement de la eHentele ou de l'achalandage d'autrui" 15'. Die in der Marke verkörperte Absatzchance galt der Jurisprudenz fortan als ein durch Art. 1382 Code civil geschütztes Rechtsgut, als Gegenstand eines Vermögensrechts, als Teilaspekt des Rechts an der Kundschaft16• Gleichwohl wurde der Erfindungsgedanke nicht völlig aufgegeben17• Die zunehmende Ableitung des Markeneigentums aus wettbewerbsrechtlichen Überlegungen war möglich gewesen, weil die französische Jurisprudenz im Prinzip der Gewerbefreiheit weniger den Verzicht auf 12 Gastambide, Contrefac;;on S. 1; zum Ganzen vor allem Beier, Grundfragen S. 31 ff. - Im übrigen genüge hier der pauschale Hinweis auf die im Literatur-Verzeichnis genannten Werke von Blanc, Calmels, Pouillet und 0. Mayer; weitere Angaben bei Schmid, Warenzeichenrecht S. 376 ff., 386. 13 Gastambide, a.a.O. 14 Im Dezemberdekret von 1811 geht dem Abschnitt über die Fabrikzeichen ein Abschnitt über den Musterschutz voraus. - Zum französischen Musterrecht seien hier lediglich genannt Blanc, Contrefac;;on S. 571 ff.; Gastambide, Contrefac;;on S. 321 ff. 15 Gastambi de, a.a.O. S. 410. Seine Formulierung kehrt danach häufig wieder, u. a. in den Materialien zum Gesetz von 1875, vgl. Pouillet, Marques de fabrique S. 948. 16 Zum Ganzen etwa: 0. Mayer, Die concurrence deloyale S. 363 ff.; SchuleT, Concurrence deloyale S.17 ff. ; Lobe, Unlaut. Wettbewerb S. 78 ff.; Valloton, Concurrence deloyale S. 3 ff.; Bolle, Entwicklungslinien, bes. S. 3 ff., 17 ff .• 30 f., 36. 17 Vgl. etwa den Hinweis Kohlers (Markenschutzgesetz S. 74 Anm. 1) auf Braun. Im übrigen sei darauf verwiesen, daß die französische Jurisprudenz an der konstitutiven Bedeutung der "occupation" und der freien Übertragbarkeit der Marke festgehalten hat. Beide Rechtsgedanken legen einen Zusammenhang mit der Erfindungs- und Urheberidee nahe. Die isolierte Übertragbarkeit wurde nur vereinzelt bestritten, so von G. Mayer, Concurrence deloyale S. 64 f., mit dem bezeichnenden Hinweis auf die Natur des Rechts an der Marke (Schutz der "achalandage"); dazu auch Kohler, Markenschutz S. 239 f.
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staatliche Einflußnahme erblickte als vielmehr das Recht eines jeden Mitbewerbers auf Teilhabe am Wettbewerb. Das Recht an der Marke galt nur als Teilaspekt der im Wettbewerb geschaffenen Position, die gegen "concurrence deloyale" zu schützen war. Diese Verankerung des Markenschutzes hatte weitreichende Konsequenzen. Zum einen verhalf er dazu, die Grenzen des Rechts des Markeninhabers aus dem gleichwertigen Recht des Mitbewerbs heraus zu fixieren: der Interessenausgleich zwischen den Konkurrenten mußte von dem Recht eines jeden her, seine wirtschaftliche Leistungskraft frei zu entfalten, gelöst werden. Zum anderen konnte man den Markenschutz durch die Grundsätze der "concurrence deloyale" ergänzen: Rechtsprechung und wissenschaftliche Literatur entwickelten auf der Grundlage des Art. 1382 Code civil ein reiches Instrumentarium, um auch jene Warenbezeichnungen zivilrechtlich abzusichern, die den Anforderungen der Spezialgesetze nicht genügten. Mit diesen Überlegungen wurde zugleich der Ort des Markenschutzes im Gesamtrahmen der Rechtsordnung bestimmt: wie das "Eigentum an Ideen" 18, die "propriete intellectuelle"19 in allen ihren Ausprägungen wurde auch das Markenrecht in erster Linie als privates Recht verstanden. Der Strafschutz trat von Anfang an in den Hintergrund; dies gilt namentlich für die harte Sanktion des Code penal (Art. 142), von welcher Gastambidel!O meinte: "Les cas sont rares, il faut le dire, ou cette jurisdiction a ete saisie. La gravite de la peine a ete et serait encore trop souvent une cause d'acquittement. L'usage est de poursuivre ces affaires par la voie civile." Die Thesen der französischen Jurisprudenz, begründet namentlich von Gastambide und aufgegriffen von einer Reihe bedeutender Autoren21, haben die im Deutschland des letzten Jahrhundertdrittels einsetzende dogmatische Bewältigung des Markenschutzes nachhaltig beeinfl.ußt. Freilich sind auch die unmittelbaren Einwirkungen der französischen Gesetzgebung nicht zu unterschätzen.
II.Französisches Markenrecht im linksrheinischen Deutschland In den Gebieten links des Rheins, die nach dem Wiener Kongreß an Preußen, Hessen-Darmstadt und Bayern übergingen22, galt das Recht zum Schutz der Marken fort, das während der Zugehörigkeit zu Frankreich eingeführt worden war. 1s Stuve, Eigentum S. 13.
19 Gastambide, a.a.O. S. 36. 20 Ebenda S. 427. 21 Vgl. Anm. 12. 22 Zur Geschichte der Territorien vgl. etwa Viebahn, Statistik I S. 62 ff.; Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreform S. 25 ff.
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Insbesondere die Art. 142, 143 des Code p{mal garantierten den Strafschutz bis zur Ablösung durch die nationale Gesetzgebung23 ; die Dekrete vom 22. Germinal XI und vom 20. Februar 181024 behielten indes nur insoweit Geltung, als sie zur Ausführung gekommen waren. Im Rheinland, wo in Aachen, Krefeld und Köln "Conseils de prud'hommes" eingerichtet worden waren25, machte man von dem angebotenen Markenschutz und seinen Formalitäten Gebrauch26, 'l7. In der Pfalz hingegen, dem bayerischen Rheinkreis, unterblieb die Bildung der Fabrikengerichte28; eine Hinterlegung bei den Handelsgerichten war jedoch möglich, da die Bezirksgerichte zugleich als erstinstanzliehe Handelsgerichte fungierten29 • Als man nach dem Erlaß der bayerischen Verordnung vom 6. März 1840 prüfte, ob sie auf die Pfalz ausgedehnt werden könne, unterbreitete die Regierung des Rheinkreises den Vorschlag30, den bestehenden französischen Gesetzen dadurch "den geeigneten Vollzug zu sichern", daß man einen Teil der Funktionen der Conseils de prud'hommes auf die Distriktspolizeibehörde übertrug. Diese sollte jedoch auf die Katasterführung und die vorläufige Beschlagnahme beschränkt bleiben, also weder eine gutachterliehe noch gar eine richterliche Tätigkeit ausüben können, da die erste Funktion nicht dem System der bayerischen Verordnung vom 6. März 1840, die zweite nicht den in der Pfalz geltenden Strafgesetzen entsprochen hätte. Der Entwurf der Regierung scheiterte. 23 Die Aufhebung wurde im preußischen Teil vollzogen durch das Gesetz vom 4. VII. 1840 (§ 3 - vgl. unten § 11); in Rheinbayern durch die Verordnung vom 21. XII. 1862 (§ 6 - unten § 17 Anm. 27). 24 Vgl. oben Anm. 3 und 4. 25 Dahmen, Gewerbegericht S. 3 ff. Die Art. 4 - 9 des Dekrets vom 11. VI. 1809/20. II. 1810 wurden ebenfalls durch das Gesetz vom 4. VII. 1840 aufgehoben, 1842 jedoch wieder vorübergehend (bis 1847) in Kraft gesetzt; siehe unten §§ 11, 12. 28 Der Burtscheider Nadelfabrikant Pastor hinterlegte sein Zeichen beim Rat der Gewerbsverständigen in Aachen; in Köln wurden schon 1811 die Firma "Jean Marie Farina vis-a-vis de la place Julier" deponiert, und wohl nur wenig später verschaffte sich der Eau-de-Cologne-Fabrikant Carl Anton Zanoli das ausschließliche Recht zur Wiedergabe der Stadtansicht auf der Etikette durch die Hinterlegung. Die Söhne Zanolis deponierten noch im Jahre 1831 beim Kölner Handelsgericht die vom Vater übernommenen Fabrikzeichen. Zu Pastor vgl. dessen Vorstellung vom 18. VI. 1836 ZStA li Rep. 120 D II 233 (1). Im übrigen siehe Rhein. Archiv V (1824) S. 93; Dahmen, Gewerbegericht S. 11; Rosenbohm, Kölnisch Wasser S. 526; Druckschrift "Kölnisch Wasser", Beilage zur Eingabe Farina vom 23. XI.1855, ZStA II Rep. 120 D II 233 (3). 27 Beim Fabrikengericht Gladbach, das erst 1835 errichtet wurde, sind vor 1840 keine Fabrikzeichen deponiert worden; vgl. das Votum des Gerichts vom 20. IV. 1843, ZStA II Rep. 120 D II 232 (3). 28 Siebenpfeiffer, Handbuch IV S. 87. 29 Bericht der Reg. der Pfalz an das InnM vom 6. XI. 1840; Bericht des Generalprokurators der Pfalz an JusM vom 27. VII. 1840; HStA Mn MH 5418. ao Vgl. vorige Anm.
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Ähnlich wie in der Pfalz galt das französische Recht auch in den Zinksrheinischen Gebieten des Großherzogtums Hessen fort, ohne daß es zur Errichtung von Fabrikengerichten gekommen wäre31 • Das französische Markenrecht scheint hier indes keine Bedeutung erlangt zu haben, so daß der hessische Gesetzgeber es 1866 ohne weiteres übergehen konnte32. Die Diskussion, die sich nach 1840 an dem in der Pfalz geltenden französischen Recht entzündete, war unbedeutend im Vergleich mit der Auseinandersetzung, die in der Rheinprovinz nach der Angliederung der eroberten Länder an Preußen (1815) und nach der Aufhebung des französischen Markenrechts (1840) geführt wurde. Sie drehte sich freilich zum größeren Teil um die Gesetzgebung des Großherzogtums Berg, die trotz einer starken Anlehnung an das französische Markenrecht eine besondere Ausprägung erfahren hatte33•
III. Das Recht der Fabrikzeichen im Großherzogtum Berg 1. Die Aufhebung der bergischen Handwerksverfassung und ihre Folgen für das Fabrikzeichenrecht
Das unter französischer Protektion geschaffene Großherzogtum Berg vereinigte das von Bayern eingetauschte Herzogtum Berg und zahlreiche später eroberte Gebiete rechts des Rheins, insbesondere die Grafschaft Mark und andere im Frieden von Tilsit (9. Juli 1807) von Preußen abgetretene Gebiete:14• Schon vor der unmittelbaren Verwaltung des neuen Staates durch Paris (seit 31. Juli 1806) unterlag die gewerbliche Gesetzgebung starkem französischen Einfluß. Eine der folgenschwersten Maßnahmen des revolutionären Frankreich, die Aufhebung der Zunftvedassung3'5, wurde allerdings erst danach eingeführt: das kaiserliche Dekret vom 31. März 1809 bereitete allen Zünften, Innungen und Gilden im Großherzogtum ein Ende38. Bestanden noch Zweifel, ob mit den Zunftprivilegien auch dem Zeichenwesen das rechtliche Fundament entzogen war, so schien das 31 Bericht des preuß. Gesandten in Frankfurt vom 14. XI. 1837; ZStA II AA li Rep. 6 Nr. 269. 32 Durch das Gesetz vom 8. X. 1866, vgl. unten § 26 Anm. 22. 33 Der Vollständigkeit halber sei noch festgehalten, daß in Elsaß-Lothringen nach der Angliederung an das deutsche Reich das französische Markenrecht bis zum Erlaß des Markenschutzgesetzes von 1874 weiter gegolten hat, freilich unter Angleichung der Strafnormen an das deutsche Strafgesetzbuch; vgl. Gesetz vom 13. XI. 1872, Pr. HA li 1872 S. 589. 34 Viebahn, Statistik I S. 68 ff.; Hashagen, Bergische Geschichte S. 235 ff.; Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreform S. 47 ff. 35 Dekret vom 11. VI.1791; näheres bei Meyer, Einflüsse II S. 413 f.; Hinkmann, Korporationen S. 109 ff. 36 Lidecke, Gewerbegericht S. 36.
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Dekret über die Erfindungspatente vom 3. November 180931 jede Unklarheit zu beseitigen; es bestimmte in Art. 45: "Ehemals von den Souveränen der das Großherzogtum ausmachenden Provinzen ertheilte ausschließliche Privilegien hören auf." Von der Durchführung38 dieser Beschlüsse waren vor allem die Solinger Handwerke 39 betroffen. Um ihre Privilegien hatte man schon seit längerem gestritten40 • Damals hatten die Handwerke ihre Gerechtsame indes verteidigen können; das Zeichenwesen war weiterhin in der hergebrachten Weise verwaltet worden41 • 1808 hatte man sogar den Entschluß42 gefaßt, "die Zeichenrolle nach einer schicklicheren neuen Einrichtung fortzusetzen" und "die Zeichen sämtlicher privilegierter und geschlossener Handwerker zu Sohlingen" darin aufzunehmen. Auf diese Weise sollte dem heillosen Durcheinander der Eintragungen abgeholfen werden, das nicht zuletzt durch das Nebeneinander mehrerer Rollen entstanden war43 • Die Aufhebung der Handwerkskorporationen und ihrer Privilegien mußte unter diesen Umständen um so schmerzlicher empfunden werden. Nachdem mit zahlreichen Handwerksakten auch die Zeichenrollen an den Bürgermeister abgeliefert waren, trug Göbel, der Solinger Maire, am 14. März 1810 in die erst 1808 angelegte Rolle den Vermerk ein, er habe das Buch geschlossen44 • 37 Dekret v. 3. XI. 1809 in: Ges.Bull. GB Nr. 3 (30. XI. 1810) S. 126 ff., hier S. 150 (7. Titel Art. 45). 38 Verfügung v. 7. li. 1810. Auf sie nimmt von der Steinen Bezug, unten Anm.48. 89 Zur Geschichte des Solinger Handwerks und seines Zeichenwesens vgl.: von Hauser, Solingen S. 69 ff.; Rosenthat, Solingen, passim; Daniels, Abschilderung; Bewer, Sammlung I S. 98 ff. III S. 93 ff.; Thun, Industrie II S. 7 ff., 59 ff.; Baecker, Zeichenschutz S. 3 ff.; Stegemann, Materialien S. 3 ff.; Weyersberg, Anfänge; ders., Auszüge; ders., Schwertschmiede; ders., Klingenherstellung; Geitet, Entwicklung, passim; Lidecke, Gewerbegericht; Cronau, Klingenindustrie; Kelleter, I. A. Henckels; Röttgen, Messermacher; ders.; Handwerk; Hendrichs, Solingen S. 7 ff.; Kurek, Entwicklung; ders., Zeichenwesen. 40 Lidecke, Gewerbegericht S. 35 ff.; Engets, Geschichte S. 218 f. 41 Die am 14. September 1684 begonnene Zeichenrolle des Messermacherwerks erhielt einen letzten Eintrag am 8. August 1803. In den beiden 1777 neu angelegten Rollen der Schwertfeger und der Schwertschmiede finden wir Eintragungen aus dem Jahre 1805, in der Zeichenrolle der Härter und Schleifer von 1771 eine solche von 1807. Vgl. die Rollen im StadtA Solingen H 20- 24; die Rolle von 1684 wurde 1834 nachgedruckt; Auszüge aus den Rollen bei Weyersberg, Auszüge, passim. 42 Eintrag v. 13. IV. 1808 in der neu angelegten Zeichenrolle, StadtA Solingen H 26. 48 Kurek, Entwicklung S. 25. 44 Vermerk in der Rolle StadtA Solingen H 26.
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Im Bereich von Remscheid, Cronenberg und Lüttringhausen, wo nur die Sensenschmiede und -schleifer und verwandte Handwerke zunftmäßig erfaßt waren, traf die Aufhebung das von dieser Zunft getragene Cronenberger Handwerksgericht, dessen Kompetenz im Zeichenwesen sich auf alle in den Ämtern Bornefeld, Beyenburg und Elberfeld ansässigen Hersteller von Eisen- und Stahlwaren erstreck:te45• Dieses Gericht hatte die 1766 angelegte Zeichenrolle bis zum letzten Eintrag vom 31. Januar 181046 kontinuierlich fortgesetzt; an diesem Tag wurde die Rolle - allerdings nur vorübergehend - geschlossen. Daß sich hier die Dinge anders entwickelten als in Solingen, ist in erster Linie das Verdienst des Cronenberger Bürgermeisters Von der Steinen. Er begnügte sich mit einer Aufnahme des Zunftvermögens47 und hob48 die wohltätige Wirksamkeit des Handwerksgerichts hervor mit dem abschließenden Bemerken, daß ein in Cronenberg zu errichtendes neues Hauptgericht als Instanz für Fabrikstreitigkeiten und zur Sicherung der "Haupt-Zeichenrolle" sich auch in Zukunft als nützlich erweisen würde. In der Grafschaft Mark. welche dem großherzogliehen Ruhrdepartment49 eingegliedert worden war, traf die französische Gesetzgebung auf ein Zeichenwesen, das in traditionell-zünftiger Weisell0 oder durch landesherrliche Privilegien51 geregelt war und gegen Ende des 18. Jahrhunderts einige schwache Modernisierungsansätze erfahren hatteS!!. 46 Zum Cronenberg-Remscheider Handwerks- und Zeichenwesen: Thun, Industrie II S.107 ff.; Engels, Geschichte S. 71 ff. 165 ff.; Geitel, Entwicklung, passim; Stursberg, Eisengewerbe; Wilms, Zeichenrolle; außerdem die Aufsätze von Jungblut und Roge (vgl. Lit.-Verz.). 48 Die Rolle befindet sich im StadtA Remscheid; sie ist ausführlich beschrieben bei Wilms, Zeichenrolle. - Das Datum vermerken auch der Vorsitzende des Handwerkgerichts, der provisorische Vogt J. Jaspers und die Ratmänner A. Tesche, J. A. Picard und C. Tesche, als sie am 7. März 1810 die Privilegien, Protokollbücher und die Zeichenrolle inventarisierten; die Gehrüder Tesche waren bereits 1897 zu Ratmännern gewählt und - wie sie selbst später angaben - infolge der Kriegswirren am Rücktritt gehindert worden; vgl. ihr Protokoll v. 7. V. 1819 HStA Düss. 2101. 47 Vgl. die vorige Anm. 48 Schreiben vom 8. V. 1810 an den Präfekten, Abschrift in HStA Düss. Reg. Düss. 2101. 49 Viebahn, Statistik I S. 70; Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreform S. 56. 60 Zünftig verfaßt waren die Klingenschmiede des Amtes Wetter; die Statuten von 1707 bei Winkhaus, Schaffen S . 313 ff.; Voye, Geschichte I S. 27 ff.; zum Ganzen Jacobi, Arnsberg S. 334, 417. Zur Altenaer Nähnadel- und Drahtfabrikation vgl. Knapmann, Eisenund Stahldrahtgewerbe S. 86 f., 90 ff.; zum Iserlohner Panzer- und Knopfnadelgewerbe: Voye, Geschichte III S. 31, 46 ff., bes. 34, 48. 61 Zum Mandat zugunsten Brand vgl. Anhang. Weitere Privilegien sind abgedruckt bei Voye, Geschichte I S. 79 und Winkhaus. Schaffen S. 752 f.
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Mit der Aufhebung der Zunftschranken und Privilegien entfielen auch diese Ansätze. Der Gebrauch aller Zeichen galt fortan als zulässig. Erst Jahrzehnte später, als die allgemeine Zeichenfreiheit schon als eine Art Vorrecht verstanden wurde53, besann man sich wieder auf die Grenzen, die einzuhalten auch im Interesse der Zeichenführenden lag. Anfangs beriefen sich allerdings nur einige Fabrikanten auf ihr altes "Zeicheneigenthum"54, und noch die Initiative im westfälischen Provinziallandtag fand bei der Mehrheit märkischer Fabrikanten keinen Anklang56• Es fehlte dem märkischen Zeichenwesen nicht nur an Tradition, sondern auch am entscheidenden wirtschaftlichen Substrat: die einzige im 18. Jahrhundert entstandene Zeichenrolle verlor mit der "weißen Sensen-Fabrik" der Enneperstraße ihre Bedeutung56. Ganz anders verlief die Entwicklung im Bereich des ehemaligen Herzogtums Berg. Schon wenige Monate nach dem Dekret über die Aufhebung der Zünfte setzten die jahrelangen Bemühungen der SoHnger Industrie ein, ihre Vorrechte wieder herzustellen. Die Deputierten der privilegierten Klingen- und Messer-Kaufmannschaft baten im Oktober 1809 um die Gewährung eines Erfindungspatentes für die ganze Fabrik-~7• Sie verwiesen auf ihren "ganz 52 Die ursprünglich zünftig geregelte "weiße Sensen-Fabrik" der Enneperstraße hat um 1790 eine obrigkeitliche Ordnung erhalten; Eversmann, Eisen- und Stahlerzeugung S. 254; abweichend Jacobi, Arnsberg S. 418; vgl. auch Schemann, Pflichttage S. 33 f. Diesem Zwecke diente offenbar das bei Scotti (Cleve-Mark IV S. 2405) abgedruckte Reskript der Kriegs- und Domainenkammer Hamm v. 30. V.1794. Im weiteren Vollzug hat der Hagener Kriegs- und Steuerrat Eversmann (über ihn unten Anm. 77) den Deputierten des Amtes Wetter am 21. VII. 1894 die Durchsehung des "Lagerbuchs der Sensenzeichen" angekündigt; StadtA Hagen 01; zum Zeichenbuch unten Anm. 56. 1804 suchte man ein Schaureglement einzuführen; Schemann, Pflichttage S. 36; in den Jahren nach 1805 hat die preußische Kammer nochmals die Aufnahme eines "Katasters von allen vorhandenen Fabrikzeichen" verfügt; so ein Marginal Vinckes v. 13. XII. 1826 in StA Mr OP 2/51 Nr. 688; weitere dementsprechende Vorgänge aus dem Jahre 1809 in StadtAHagen 02. Eine obrigkeitliche Regelung des Fabrikzeichenwesens war auch vorgesehen für die Altenaer und Iserlohner Nähnadelfabrik (vgl. den E von 1800 § 11; Voye, Geschichte II S.177 ff.) und die Iserlohner Knopfnadelfabrik, E von 1796 § 9 (Voye a.a.O. III S. 48). 53 Vgl. den Bericht Haddenbrock in Anm. 64. 54 So etwa der schon mehrfach erwähnte Fabrikant Brand (Anm. 51). 55 Unten § 10 zu Anm. 89 ff. 58 Die Fabrikzeichenrolle der "weißen Sensen-Fabrik" wird vom Hagener Landrat im Bericht an Vincke v. 24. II. 1828 erwähnt. Im Stadtarchiv Hagen ist eine Filmkopie dieses Lagerbuchs (Negativkartei NL 316 - 322) verwahrt, das Eintragungen zumeist aus den Jahren zwischen 1790 und 1793, aber auch Vermerke aus den Jahren 1804 und 1807 enthält. Eine nähere Untersuchung dieser Rolle wie des gesamten Zeichenwesens der märkischen Sensenschmiede steht noch aus; vgl. vorerst Eversmann, Stahlerzeugung S. 253 ff.; Voye, Geschichte IV S. 278; Winkhaus, Schaffen S. 735 ff.; Dösseter, Wirtschaft S. 24 f. mit weiteren Hinweisen.
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eigenen, von allen übrigen Landesfabriken und Manufakturen sich auszeichnenden Charakter", der eine Gleichstellung mit den gewöhnlich.e n Innungen und Zünften verbiete. An die Bitte um Aufnahme in den "allerhöchsten Schutz" schließt sich - recht unvermittelt - der Antrag an, ,,den gehorsamsten, zur Fabrik berechtigten Individuen für sich und die Ihrigen eine Erfindungs-Urkunde" zu verleihen. Dabei wird nicht versäumt, auf die Übereinstimmung dieses Verlangens "mit den liberalen Grundsätzen, die das Gesetzbuch des großen Kaisers" auszeichneten, hinzuweisen. Harte Kritik an diesen Vorstellungen übte der Solinger Bürgermeister Göbel58 ; die Privilegien der Solinger Handwerke seien "Quelle eines unsäglichen Stolzes" gewesen und hätten durch die Abschirmung der Konkurrenz den "gewohnten Schlendrian" begünstigt; Elberfeld, Barmen und Remscheid lieferten den Beweis, daß es ohne Zunft besser gehe. Und zum Antrag auf ein Patent meint Göbel sarkastisch, es erscheine "nicht wenig lächerlich, eine Erfindungsurkunde über eine Sache zu verlangen, welche wenigstens vier Jahrhunderte alt ist". Einen Fürsprecher fanden die Solinger Anträge in dem Obervogtsverwalter Krey69 , der den Antrag auf eine Erfindungsurkunde beiseite schob und sich - indem er "die Sache mit ihren alten hervorgebrachten Namen" nannte - für eine modifizierte Beibehaltung der Fabrikverfassung aussprach. Neben umfänglichen theoretischen Ausführungen, die sich nicht zuletzt mit Adam Smith auseinandersetzen, finden wir einen Vergleich mit den Remscheider Verhältnissen, zu denen ein "krasser Unterschied" bestehe, da dort ein "Mittelstand" fehle. Der Präfekt des Rheindepartements60 befürwortete wenigstens eine provisorische Lösung; es sei "sehr natürlich", daß die Solinger " ... bey dem Schiffbruch ihrer Privilegien nach jedem sich bietenden Haltepunkt greifen, von welchem sie das Glück ihrer Zukunft abhängig glauben". Der Minister, Graf Nesselrode61, betrachtete die Dinge differenzierter62. Er nahm den Solinger Wünschen gegenüber eine auf Wohlwollen 57 Vorstellung v. 30. IX. 1809; diesem Gesuch schlossen sich später die Vögte der drei geschlossenen und des Messermacher-Handwerks am 16. XII. an; HStA Düss. GB 5583. Auf diesen Bestand sind auch die folgenden Angaben zu beziehen, soweit nichts Abweichendes erklärt wird. ss Bericht v. 8. I. 1810. 69 Votum v. 14. II. 1810. 60 Bericht v. 1. III. 1810. ' 1 Karl Joseph Graf von Nesselrode-Reichenstein, seit 1806 groBherzoglicher Innenminister, über ihn vgl. etwa Hashagen, Geschichte S. 236. 62 Schon im Februar war darüber zu befinden gewesen, ob ein nach Stolberg ausgewanderter Solinger Schleifer an seinen Verbleibeeid gebunden war oder nicht. Der Referent sprach sich dagegen aus, da die Privilegien, auf denen der Eid beruhe, weggefallen seien; er fügte aber hinzu,
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und Vorsicht gegründete Haltung ein, indem er die Erteilung eines Patentes zwar ablehnte63 , darüber hinaus aber den Präfekten darüber aufklärte, weshalb er nach dem Erscheinen des kaiserlichen Dekrets vom 3. November 1809 nicht sofort die "gänzliche Einstellung aller aus den Sohlinger Handwerksprivilegien entstandenen oder sich daraus gründenden Anstalten" verfügt hatte: das Dekret habe durch die bloße Verkündigung gewirkt und außerdem habe er die "hundertjährigen Vorurteile einer zahlreichen Classe arbeitender Menschen schonen" wollen, in der Hoffnung, daß sie sich mit der Zeit von der Notwendigkeit des Dekretes überzeugten. Im übrigen wolle er die Wirkung seiner Entscheidung vom 21. Februar abwarten; erst dann könne geprüft werden, "ob und welche besonderen Einrichtungen in Hinsicht auf das Polizeyliche der Sohlinger Fabrik zu treffen seyn möchte". Kurz darauf erreichte den Minister eine Vorstellung der Kaufmannswitwe Peter Caspar Haddenbrock aus Remscheid64 • Sie wies darauf hin, daß durch die Aufhebung der Privilegien "auch in Ansehung jener Stahl- und Eisen-Zeichen aller Zwang und ausschließliches Vorrecht" aufgehört hätten, und folgerte unter Berufung auf die Freiheit des Gewerbes, daß ihr ebenso wie den Fabrikanten der nunmehr vereinigten Grafschaft Mark das Recht zustehe, Zeichen nach Willkür zu schlagen und nachzuahmen: "ebenso vermeine ich auch, mich eines jeden anderen Zeichens, deßen Gebrauch mir vor dieser Zeit hätte verwehrt oder bestritten werden können, anjetzt bedienen zu dörfen." Ziel ihrer Vorstellung war die obrigkeitliche Bestätigung dieser Ansicht. Der schon am folgenden Tag abgesetzte Entwurf einer AntwortM teilte diese Ansicht; nach der Aufhebung der Privilegien könne "von dem Vorrechte der eigenen Handwerks- oder Fabrikzeichen ... keine Rede mehr seyn, indem diese Zeichen nur Nebensache sind und derselben ausschließliche Beibehaltung immer noch ein Privilegium voraussetzen würde, das nicht mehr besteht". Nesselrode66 jedoch bezeichnete die von Haddenbrock geäußerte Ansicht als eine "Unterstellung ... gegen die Absicht des Gesetzgebers, daß die Solinger Fabrik neben dem auf ausschließliche Fabrikation und Handel sich beziehenden Privileg "mehrere besonders die Fabrikpolizei umfassende Einrichtungen" habe, deren Beurteilung er seiner Exzellenz überlasse. Nesselrode ließ diesen Punkt einstweilen auf sich beruhen und ließ im Bescheid betonen, daß die Privilegien nur, "soferne sie sich auf ausschließliche Fabrication und ausschließlichen Handel beziehen, als aufgehoben zu betrachten" seien. 63 Reskript v . 3. II!. 1810. 64 Die Vorstellung datiert v. 20. !II. 1810. 66 Entwurf einer Antwort auf der Eingabe. 88 Vgl. das Reskript v. 28. III. an den Präfekten des Rheindepartements und dessen Verfügung v. 3. IV. an die Unterpräfekte und Bürgermeister; diese
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gegen das Interesse sowohl der Fabrikanten, als der Ankäufer". Die Aufhebung der ausschließlichen Privilegien habe nur den Zweck gehabt, die Konkurrenz durch eine Förderung des Erfindungsgeistes anzuregen, nicht aber "einem ungeschickten Arbeiter" die Möglichkeit zu eröffnen, "sein unvollkommenes Machwerk unter dem Namen vortheilhaft bekannter Fabrikanten in den Handel zu bringen" und "sich fremde Vortheile zuzueignen und die Käufer zu hintergehen". Das Nachschlagen fremder Fabrikzeichen wird als Eingriff in "die Rechte des Eigenthumes" bezeichnet, der wie im französischen Gesetze vom 22. Germinal XI Schadensersatz und Strafe nach sich ziehen müsse. Auch das französische Dekret vom 11. Juni 1809 über die Bildung der Handwerksgerichte, das auf das Großherzogtum noch keine direkte Anwendung habe, beweise, daß der Schutz besonderer Fabrikzeichen "neben der Freiheit des Gewerbebetriebes allerdings bestehen könne und daß solche älteren Einrichtungen so lange gehandhabt werden müssen, bis jene französischen Gesetze auch hier in Wirksamkeit gesetzt werden". Mit dieser Verfügung waren die beiden wichtigsten, das Zeichenwesen betreffenden Fragen angesprochen: die Schaffung einer Übergangsregelung und die schließliehe Neuorganisation. Auf eine Übergangsregelung drängte vor allem Krey67 ; er verlangte eine Klärung der Zuständigkeiten für Handwerksstreitigkeiten. Mit den Privilegien seien auch die Handwerksgerichte aufgehoben, denen Handwerkssachen in erster Instanz, aber auch "eine gewisse Polizeiaufsicht über die Fabrik" zugestanden hätte. Beide Kompetenzen würden jetzt weder vom Gericht des Amtes Solingen noch von den verschiedenen Mairien wahrgenommen. Überdies seien bei ihm als Obervogtsverwalter noch verschiedene Streitsachen, u. a. Zeichenprozesse, in zweiter Instanz anhängig, deren Entscheidung eine Einsichtnahme in die beschlagnahmten Zeichenrollen und Papiere notwendig machte. Das Ministerium stellte darauf fest;GB, daß von einer Zunft- oder Handwerks-Gerichtsbarkeit keine Rede mehr sein könne, gleichwohl aber die Möglichkeit bestehe, "daß Private noch Rechte geltend machen wollten, welche ihnen vor Aufhebung der Zünfte und der Handwerksprivilegien anerfallen seyn möchten, und diese würden über die Vorfrage: ob solche Rechte jetzt noch geltend gemacht werden könnten, allerdings gehört werden müssen". ist abgedruckt bei Scotti, Jülich-Berg III Nr. 3136 S. 1326 ff. Die Vorgänge auch in HStA Düss. GB 10808, LA Solingen 665. 87 Vgl. seine Eingabe an den Präfekten v. 30. 111. 1810 HStA Düss. GB 5581. es Erlaß an das Hofraths-Dicasterium v. 10. V. 1810, ebenda.
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Das Ministerium wies das Hofraths-Dicasterium daraufhin an, den in diesen Fragen erfahrenen vormaligen Obervogtsverwalter "per speciale commissorium zu ermächtigen, die Streitigkeiten, welche noch zwischen Privaten über Privatinteresse aus den früheren Handwerks-Privilegien statt haben möchten, allein und mit Ausschluß des Amtsrichters zu untersuchen und zu entscheiden". Die Hoffnung, mit dieser Anordnung eine brauchbare Übergangsrege1ung gefunden zu haben, erwies sich jedoch als falsch; der Streit zwischen Amtswalter und Bürgermeister schwelte weitet'9 , bis er schließlich zugunsten Kreys entschieden wurde7o. Eine Bearbeitung der mittlerweile eingelaufenen Neuanmeldung wurde indes dadurch verhindert, daß sowohl Krey als auch der Gerichtsschreiber Krahe aus ihren Ämtern schieden71 • Krahes Nachfolger, Marchand, dem über das Verfahren im Zeichenwesen "das Geeignete unbekannt war", nahm lediglich alle Neuanmeldungen zu Protokoll. Als die Antragsteller jedoch auf der Eintragung und Bekanntmachung bestanden, wandte er sich, da er dies ohne ausdrückliche Vollmacht für bedenklich hielt, an den Präsidenten des Tribunals erster Instanz in Düsseldorf mit der Bitte um Entscheidung12• Ob diese dann auch ergangen ist, bleibt unbekannt. Vermutlich wurde sie durch die Kriegsereignisse der Jahre 1812/13 verhindert. Marehand 69 Der Amts- bzw. Obervogtsverwalter brachte zwar die Papiere und Zeichenrollen, welche der Maire Göbel eingezogen hatte, in seine Gewalt; Göbel verlangte sie indes bald darauf wieder zurück, mit der Begründung, er, nicht der Amtsverwalter, sei für die Durchführung des Verfahrens bei der Neuanmeldung eines Fabrikzeichens zuständig. Krey suchte seine gegensätzliche Meinung in einem Schreiben an den Unterpräfekten abzusichern. Er räumte zwar ein, daß das Ministerium in seinem Bescheid davon ausgegangen sei, daß nur noch Streitigkeiten über ältere Gerechtsame entbrennen könnten; dies sei aber nicht der Fall; den Fabrikanten sei das Recht, neue Zeichen zu erwerben, nicht genommen, wenn die früheren Verordnungen und Observanzen vor der Hand weitergelten sollten. Seine eigene Zuständigkeit auch in solchen Privatstreitigkeiten sei .,aus dem Geiste und Beweggrunde des bezogenen hohen Ministerial-Beschlusses analogisch zu folgern"; dessen Absicht sei es nämlich gewesen, ihm, Krey, .,die Regulierung des Zeichenwesens, so lange die alten Rechtsnormen dabei noch in Anwendung kommen, aufzutragen". Obwohl der Unterpräfekt dieser Meinung zuneigte, beharrte Göbel darauf, daß .,jene Fälle, die nach der Aufhebung der Privilegien noch zur Sprache kämen" vor sein Forum gehörten. Das Ansinnen Kreys, ihm als einer Privatperson die Rollen durch den Gerichtsschreiber Krahe zur Einsichtnahme vorlegen zu lassen, lehnte Göbel ab. 70 Vgl. die spätere Vorlage des Gerichtsschreibers Marehand an den Präsidenten des Tribunals erster Instanz zu Düsseldorf v. 12. XII. 1812; HStA Düss. GB 10808. 71 Sie schieden im Verlauf des Jahres 1812 aus; Beleg wie vorige Anm. 12 Wie Anm. 70.
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hat gleichwohl einige Eintragungen vorgenommen; später warf man ihm vor, er sei nicht nach den herkömmlichen Bestimmungen verfahren. Wesentlich unproblematischer verlief dank der Hilfe des Ortsbürgermeisters die Wiedereröffnung der Zeichenrolle in Cronenberg73• Wie in der "guten alten" Zeit versammelte sich das Handwerksgericht am Letzten jeden Monats und entschied über die anfallenden Geschäfte74. 2. Das Dekret vom 17. Dezember 1811 Die endgültige Regelung des Zeichenwesens sollte im Zusammenhang mit der Einführung der "Conseils de prud'hommes" im Großherzogtum Berg erfolgen75. Mit dieser Lösung griff man Bestrebungen auf, die schon vor dem Übergang des Herzogtums an Frankreich eingesetzt hatten76. Im Jahre 1810 wurde die "schöne französische Einrichtung" auch von dem im märkischen Industriewesen erfahrenen ehemaligen Fabrikinspektor Eversmann77 empfohlen, als er um ein Gutachten 73 Die ehemaligen Ratsmänner Clemens und Abraham Tesche sowie Abraham Pickard, der den Sitzungen allerdings nur selten beiwohnte, führten unter Berufung auf die Verfügung vom 28. März die Verwaltung der Zeichenrolle weiter. Der Bürgermeister ließ den Beigeordneten Peter Marcus als seinen ständigen Stellvertreter an den Sitzungen teilnehmen; Marcus versah zugleich die Funktion eines Sekretärs. - Hierzu und zum folgenden vgl. vor allem das Protokoll der ehemaligen Ratsmänner vom 7. Mai 1819; HStA Düss. Reg.Düss. 2101; zur Tätigkeit nach 1810 vgl. auch Willms, Zeichenrolle S. 99 ff.; hier werden allerdings nur die auf Cronenberg sich beziehenden Vorgänge zusammengestellt. 74 Vgl. unten § 10 zu Anm. 32 ff. 75 Der Präfekt des Rheindepartements äußerte sogar die Ansicht, die Einführung der Fabrikengerichte bezwecke vorzüglich die Sicherung der Fabrikzeichen; zu den bergischen Fabrikengerichten vgl. vor allem Lidecke, Gewerbegericht S. 38 ff. 76 Bereits am 13. März 1806 hatten die Düsseldorfer Behörden die "Commerzdeputierten" u. a. von Elberfeld, Barmen, Solingen, Remscheid und Lennep zur Begutachtung eines Entwurfes zur Errichtung von Handelstribunalen aufgefordert. Von den damals eingegangenen Antworten seien nur zwei hier kurz erwähnt. Das SoHnger Gutachten, verfaßt von Karl L. Göbel und Peter Weyersberg, war - bezeichnenderweise - ein einziges Plädoyer für die Handelsfreiheit; es erwähnte das Zeichenwesen nicht. Aus Remscheid hingegen hatten sich Johann Gottlieb Diederichs und Bernhard Hasenclever d. J. geäußert und u. a. für eine "Oberaufsicht über Fabriken und Manufakturen" ausgesprochen, die auch das "Depot der Zeichen- oder Stempel-Rollen sowie ihre zweckmäßige Einrichtung" umfassen sollte. Zum Ganzen vgl. HStA Düss. GB 5610. - Bereits an diesen Überlegungen war der hergisehe Staats- und spätere preußische Regierungsrat Jacobi beteiligt; er hatte als Mitglied der Düsseldorfer Regierung maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung des Zeichenrechts; über ihn Brinkmann, Handelspolitik S. 47. 77 Über Alexander Eversmann, seit 1789 in preußischen, seit 1806 in französischen, seit 1811 in russischen Diensten, ausführlich SelZmann, Eversmann.
§ 4.
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über die Solinger Verhältnisse angegangen wurde78• Eversmann verlangte nicht nur die "Führung eigenthümlicher Zeichen und strenges Verboth des Nachschlagens", sondern auch die Beibehaltung der Geschlossenheit des Handwerks, des Einstandsrechts, des Meisterstücks und der Schau; die SoHnger "Fabrik" und ihre Produkte sollten, ähnlich wie dies bei den märkischen Osemunds- und Drahtfabriken der Fall sei, staatlicher Aufsicht und Kontrolle unterworfen werden. Eine so weitgehende Einmischung des Staates stand für die Düsseldorfer Behörde freilich außer Frage. Ihr Entwurf79 lehnte sich eng an die französischen Gesetze von 1803 und 1809/1810 an. Er wurde durch kaiserliche Verfügung vom 17. Dezember 1811 als "Dekret wegen der Errichtung der Fabrikengerichte" zum Gesetz erhoben80• Fortan sollte wie in Frankreich der Mißbrauch fremder Warenbezeichnungen nur dann geahndet werden können, wenn das "besondere Zeichen" beim Fabrikengericht und beim Handelstribunal erster Instanz hinterlegt war; darüber hinaus war der Schutz an eine Reihe materiellrechtlicher Voraussetzungen geknüpft. Eine wichtige Ergänzung des Zeichenschutzes trat gleichzeitig in Kraft: am gleichen Tage, an dem das Dekret zur Errichtung der Fabrikengerichte erging, wurde auch die Einführung des französischen Strafgesetzes verfügt81• Damit unterlagen auch die Fabrikzeichen des Großherzogtums dem Schutz des Code penal. Die nach der militärischen Rückeroberung im Gebiet des Großherzogtums und auf dem linken Rheinufer geschaffenen provisorischen Zentralbehörden haben sich zunächst mit dem Zeichenwesen nicht befaßt. Erst nachdem der Wiener Kongreß die Rückgabe der altpreußischen Länder und den Übergang der übrigen, von den späteren westlichen Provinzen umfaßten Gebiete bestätigt hatte, wurden die ausstehenden Probleme von SoHnger Fabrikanten wieder zur Sprache gebracht. Ihrer Lösung stellte sich nun freilich ein neues Hindernis entgegen: der märkische Industriebereich war im Zuge der Neugliederung der preußischen Verwaltungsorganisation der Provinz Westfalen zugeschlagen worden und unterlag nicht mehr der Kompetenz der Regierung zu Düsseldorf, sondern jener zu Arnsberg&11• 78 Schreiben und Votum v. 16. III. 1810; HStA Düss. GB 5583. Die Heranziehung Evermanns geht auf eine entsprechende Empfehlung Kreys zurück. 79 Vorlage des kaiserlichen Kommissars an Napoleon v. 16. I. 1811; HStA Düss. GB Kaiserlicher Kommissar, Inneres, Allgemeine Verwaltung IVa, 26 Nr.122. so Gesetzbulletin für das GB Nr. 26 (1811) S. 816 ff., bes. 850 ff. - Abdruck auch bei Bormann-Daniels, Handbuch VII S. 296 ff.; Lidecke, Gewerbegericht s. 41 ff. s1 Dekret v. 17. XII. 1811; Gesetzbulletin des GB Nr. 30 (1811) VII S. 3 ff.
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Schon vor der endgültigen Wiedervereinigung mit Preußen war in der Grafschaft Mark die preußische Gesetzgebung wieder eingeführt83, mithin auch das Dezemberdekret von 1811 aufgehoben worden84• Es galt nur in jenen Teilen des Großherzogtums weiter, welche der Rheinprovinz zugeschlagen wurden. Gleichwohl kam der fortschrittliche Markenschutz des Großherzogtums den interessierten Fabrikanten nur zum Teil zugute, da auch im ehemals bergischen Tal keine Fabrikengerichte errichtet wurden. Die preußische Regierung bestätigte im Jahre 1825 auf eine Anfrage hin85, es sei nach den Bestimmungen des Gesetzes insofern zu verfahren, als "dies wegen der unvollkommenen Ausführung desselben ... namentlich der noch fehlenden Fabriken-Gerichte möglich ist". Ebenso vorsichtig äußerte sich die Regierung wenig später86; das Dekret sei "nur teilweise ausführbar" geworden und im übrigen sei auf die "mit höherer Genehmigung vorläufig in Solingen und Cronenberg bestehenden Zeichenrollen" zu verweisen87• Eine Reihe Fabrikanten verfuhren nach diesem Rat, andere beschränkten sich auf die Deposition bei den in Solingen und Remscheid geschaffenen Fabrikzeichenkommissionen88• Beide Gruppen von Zeicheninhabern wurden in ihrem Vertrauen enttäuscht, als die Rechtsprechung nach 1840 ihren Fabrikzeichen zumindest den Strafschutz verweigerte89• Das Remscheider Fabrikengericht, das diese Judikatur beklagte!'O, wies darauf hin, daß dadurch "mit einigen wenigen Ausnahmen das ganze hiesige Zeichenwesen recht- und somit werthlos geworden" sei; 82 Zur Errichtung des Generalgouvernements und den Gebiets- und Organisationsveränderungen der Jahre 1813 bis 1816 vgl. Viebahn, Statistik I S. 75 ff., 79; Hashagen, Geschichte S. 295 ff. 83 Patent v. 9. IX. 1814; Scotti, Cleve-Mark V Nr. 3042 u. 3067. 84 Der Hagener Fabrikant Post, der sich 1848 auf die Deposition seiner Zeichen beim Landratsamt Hagen beruft, scheint von einer Fortgeltung des Dezemberdekrets auszugehen; vgl. die Vorstellung Posts v. 15. III. 1848. In Wirklichkeit hatte die "Deposition" mit dem Dezemberdekret nichts zu tun: sie war im Zusammenhang mit der Beratung des Düsseldorfer Entwurfes (1828) erfolgt; vgl. unten § 10 zu Anm. 96 ff. 85 Anfrage des Tabakfabrikanten Dünweg, Barmen v. 16. I. 25; Antwort der Reg. Düss. v. 25. I. 25; HStA Düss. Reg.Düss. 2101. 86 Anfrage des Oberprokurators v. 14. II., Antwort der Reg. v. 23. 11.1825; ebenda. 87 Dazu das Nähere unten § 10. 88 Am 15. VIII. 1832 hinterlegte der Destillateur J. Selner seine Etikette beim Handelsgericht Düsseldorf; vgl. Urt. des Kassationshofes v. 21. XI. 1835, ZStA II Rep. 120 D II 233. P. Brand aus Remscheid hinterlegte seine Fabrikzeichen "Sonne" beim Handelsgericht Elberfeld, vgl. die Vorstellung Brand v. 28. IX. 1840; entsprechende Depositionen erwähnt die Reg. Düss. in ihrem Bericht an das Min. v. 28. IX. 1848. ZStA II Rep. 120 D II 232 (2); über Depositionen bei den Fabrikengerichten unten § 10.
§ 5. Großbritannien- Österreich -übrige Staaten
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in Remscheid habe man sich bis zur Einführung der neuen Fabrikengerichte (1840) an die ältere Verordnung von 1765 gehalten, ohne auf das Dekret von 1811 Rücksicht zu nehmen. Erst nach der Errichtung der Fabrikengerichte konnten, da die Aufhebung der Zeichenschutzbestimmungen des Dezemberdekretes wieder rückgängig gemacht worden war, die Förmlichkeiten voll erfüllt werden. Schließlich setzte die Verordnung vom 17. August 1847 das hergisehe Dezemberdekret endgültig außer Kraft91 • § 5. Großbritannien, Osterreich und die übrigen Staaten
I. Großbritannien In einem ähnlich weiten Umfange wie die französische Jurisprudenz gewährte auch das englische Recht der Warenbezeichnung Schutz. Im Unterschied zu Frankreich, dessen Markenschutz in der Gesetzgebung -den Sondergesetzen einerseits und der Generalklausel des Art.1382 Code civil andererseits- verankert war, wurde der Schutz in England seiner Rechtstradition entsprechend im wesentlichen durch die Judikatur getragen, insbesondere durch die Spruchpraxis der "Courts of Equity"f. Sie verfestigte im 19. Jahrhundert den Gedanken, daß Irreso Der rheinische Appellationsgerichtshof Köln erklärte 1838 und 1843, nur solche Zeichen könnten geschützt werden, die beim Handelsgericht hinterlegt worden seien; das Dezemberdekret habe vor 1840 zwar nicht in bezug auf die Fabrikengerichte, die nicht bestanden hätten, Geltung erlangt, wohl aber im Hinblick auf die Handelsgerichte; insoweit seien die Beobachtung der Förmlichkeiten möglich und erforderlich gewesen. Das Urteil vom 11. V. 1838 in Rhein. Arch. 27 (1838) S. 90, das Urteil vom 22. XI.1843 sind als Beilage zur Vorstellung des Remscheider Fabrikengerichts v. 6. VI.1844 in ZStA II Rep. 120 D II 232 (2) enthalten. - Der ehemalige Oberpräsident v. Bodelschwingh erwähnt in seinem Immediatsbericht von 1841 (vgl. unten § 10 zu Anm. 34) nur eine Klage, die in erster Instanz zurückgewiesen, in der Appellationsinstanz jedoch durch einen Vergleich beendet worden sei. Nach Ansicht des Elberfelder Landgerichts versagte in jedem Falle der Strafschutz. Das Gericht sprach einen der Nachahmung Angeklagten frei, da der Strafschutz nach dem Dezemberdekret unbedingt eine zweite Hinterlegung bei dem Fabrikengericht voraussetze; eine Deposition bei der Zeichenkommission genüge nicht als Ersatz, da Strafgesetze genau nach ihrem Wortlaut interpretiert werden müßten, eine Analogie aber unzulässig sei; vgl. den Bericht der Fabrikengerichte Remscheid und Solingen v. 31. XII. 1844 ZStA II Rep. D II 232 (3). - Letztinstanzlieh hat der Cassationshof 1845 das Urteil des Appellationshofes Köln in diesem Punkt bestätigt, Rhein. Archiv 59 (1845) 42 ff. 90 Vgl. die vorige Anm. 91 Vgl. § 19 I der Augustverordnung von 1847; Näheres unten § 12. 1 Zur Geschichte des Markenschutzes in England vgl. Klostermann, Patentgesetzgebung S. 453 ff.; Kahler, Markenschutz S. 64 ff. mit weiteren Hinweisen; ausführlich lnhülsen, Bekämpfung, und ders., Handelsmarken; Bolle, Entwicklungslinien bes. S. 12 ff., 67 ff., 79 ff.; Köhler, Verwechslungsgefahr S. 15 ff. 5 Wadle
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2. Kap.: Zur Entwicklung im Ausland
führungen des Publikums zu verhindern seien; daraus leitete sie den Grundsatz ab, daß eine Person, welche eine Handlung begehe, die geeignet sei, das Publikum zur Annahme zu verleiten, ihr Geschäft oder ihre Waren ständen zu einem anderen Geschäftsmann in irgendeiner, in Wirklichkeit nicht vorhandenen Beziehung, von diesem anderen Geschäftsmann gerichtlich belangt werden könne. Diese unter dem Namen der "action for passing-off" bekannte Klage schloß auch den Sonderfall der Nachahmung fremder Warenbezeichnungen ein. Seit den dreißiger Jahren konnte ein solches Delikt geahndet werden ohne Rücksicht auf die bessere Qualität der mit dem nachgemachten Zeichen versehenen Waren und ohne Rücksicht auf die Täuschungsabsicht des Mißbrauchenden~. Neben dieser Judikatur lebten regional begrenzte Regelungen traditioneller Zunfthandwerke fort, namentlich jene der Messerschmiede von Sheffield3 • Ihre Sondernormen bleiben weitgehend erhalten, als man in der zweiten Jahrhunderthälfte daran ging, den Markenschutz gesetzlich zu regeln. Die Reihe dieser Gesetze wurde eröffnet durch die "act to amend the Law relating to the fraudulent Marking of Merchandise" vom 7. August 18624• Sie beschränkte sich auf den Erlaß von Strafbestimmungen, die ganz im Sinne der Betrugstatbestände des älteren Lawverfahrens den Schutz der Käufer in den Vordergrund rückten. Bereits bei der Vorbereitung dieses Gesetzes erwog man jedoch die Einführung öffentlicher Zeichenregister; zum Durchbruch gelangten diese Forderungen -nicht zuletzt unter dem Eindruck des deutschen Markenschutzgesetzes von 18745 - erst im Jahre 1875. Die "TradeMarks Registration Act" vom 13. August dieses Jahres6 sah erstmals eine an die Registrierung geknüpfte Spezialklage vor, die auf den Nachweis der möglichen Irreleitung des Publikums verzichtete und sich mit dem Beweis von Registrierung und Nachahmung begnügte. Diese Regelung ließ den Gedanken des Publikumsschutzes zugunsten des Schutzes des Markeninhabers zurücktreten; seine Position konnte nunmehr als der eigentliche Grund des gerichtlichen Eingreifens angesehen werden. Die unterschiedlich gewichtete Begründung einerseits des Spezialschutzes der registrierten Marken und andererseits des im Rahmen der Inhülsen, Bekämpfung S. 236; Bolle, Entwicklungslinien S. 75. Kahler, Markenschutz S. 65 f.; Schechter, Foundations 5.101 ff.- Quellen bei Sebastian, Law of Trade Marks S. 598 ff. 4 Vgl. Goldschmidts Zs. VII (1864) S. 420- 423 ; Krug, Fabrik- und Waren2
3
zeichen S. 48 f. 5 So Kahler a.a.O. S. 66. s Abgedruckt bei Sebastian a .a.O. S. 537 ff.; in dt. Übersetzung in Pr. HA 1875 II S. 389 ff.; das ändernde Gesetz v. 24. VII. 1876, ebenda 1876 II S. 269.
§ 5.
Großbritannien- Österreich- übrige Staaten
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Action for passing-off fortbestehenden7 Schutzes nicht registrierter Marken blieb erhalten, als der Gesetzgeber im Laufe der achtziger Jahre in einer nur schwer durchschaubaren und vielfältigen Weise auf dem Gebiet des Markenschutzes tätig wurde. Seine Maßnahmen sind -analog der älteren Normsetzung- zwei Gruppen zuzuordnen8 • Auf der einen Seite stehen Gesetze über die materiellen und formellen Voraussetzungen der Entstehung des Markenrechts, über seinen Umfang, Übergang und Untergang: die "Patents, Designs and Trade Marks Act" vom 25. August 1883 und ihre Ergänzungen und Änderungen nahmen die Regelungen des Jahres 1875 und deren Ausführungsnormen in sich auf und bildeten sie fort. Die andere Gruppe bilden jene Gesetze, die den Inhalt und Schutz des Markenrechts und zugleich den Mißbrauch solcher Bezeichnungen betreffen, die geeignet sind, das konsumierende Publikum über Herkunft, Wert oder Natur der Ware zu täuschen. Zu diesen in das Gebiet des Wettbewerbsrechtes hineinreichenden Vorschriften sind zu rechnen die berühmte "Merchandise Marks Act" vom 23. August 1887, welche das Gesetz von 1862 ablöste, und ihre zahlreichen Ausführungsbestimmungen. Sie knüpfen, soweit sie sich gegen den Gebrauch irreführender Bezeichnungen richteten, an die ältere Rechtsprechung und frühere Spezialverbote der Zollverwaltung an9 • Daneben brachten sie jedoch einschneidende Neuerungen zu Lasten der ausländischen Import- und Durchgangsware. Das streng gehandhabte Gebot der genügenden Kennzeichnung gehört zu den bekanntesten Vorschriften: es verlangte einen Vermerk über die Herstellung im Ausland, das vielbeachtete "made in ..." oder "manufactured in ... ". Dieser zunächst als Behinderung des kontinentalen Warenverkehrs nach Übersee empfundene Zusatz hat sich freilich im Laufe der Zeit zu einer eher empfehlenden Angabe wandeln können10•
7 Inhülsen, Bekämpfung S. 236; auch Bolle, Entwicklungslinien S. 81, 85. s So Schmid, Warenzeichenrecht S.185. - Die im folgenden erwähnten Gesetze und Verordnungen sind zusammengestellt bei Sebastian, a.a.O. S. 359 ff., in Übersetzung bei H. Klössel, Made in Germany; teilweise auch bei Schmid, a.a.O. S. 358 ff.; im übrigen vgl. die Obersicht bei Lobe, Unlaut. Wettbewerb S. 98 ff. e Zur Judikatur vgl. Inhülsen, Bekämpfung S. 234 f. - Ein- und durchfuhrbeschränkende Anordnungen englischer Zollbehörden bez. englischsprachlicher Warenbezeichnungen sind zu finden in Pr. HA 1848 II S. 421, 1849 II S. 564, 1858 I S. 532, 1872 II S. 181. to Vgl. einerseits Seligsohn Anm. 1 zu § 22 WBG; andererseits Kahler, Uni. Wettbewerb S. 150. Zum Ganzen auch Krieger MA 1962, S. 329 ff.
s•
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2. Kap.: Zur Entwicklung im Ausland
11. Österreich
Während die Geschichte des Markenschutzes in England und Frankreich von einer weitreichenden wirtschaftspolitischen Liberalität geprägt wurde, blieb sie in Osterreich bis zur Jahrhundertmitte ganz in den überkommenen Grundsätzen und Methoden befangen11 • In zahlreichen Anordnungen und Maßregeln verfolgte der Staat wie schon im 18. Jahrhundert im wesentlichen öffentliche Interessen, nämlich den Schutz der Konsumenten und die Wahrung des Exporthandels. Die Eingriffe der Regierung galten dem Zeichenwesen der verschiedensten Gewerbezweige, nicht zuletzt jenem der bedeutenden Eisenwaren- und Sensenfabrikation12. Eine einschneidende Wende brachte erst das "Gesetz zum Schutz der gewerblichen Marken und anderer Bezeichnungen" vom 7. Dezember 185813. Seine Entstehungsgeschichte ist eng verwoben mit dem Ringen um die Erfüllung des mit Preußen und dem Zollverein geschlossenen Vertrages von 185314. Der Verzicht auf das Ziel einer gemeinsamen Regelung im Bereich des Markenschutzes trug zum Scheitern der Österreichischen Anschlußpläne bei. Mit dem Erlaß des Gesetzes von 1858 hat die Donaumonarchie einerseits selbst ihre außenpolitische Stellung im Verhältnis zum Zollverein geschwächt; andererseits hat sie in der rechtlichen Ausgestaltung des Markenschutzes einen Grad der Modernität und Perfektion erreicht, der in anderen Staaten noch jahrelang auf sich warten ließ. Man hat deshalb das Österreichische Gesetz mit Recht ein "Meisterwerk" genannt15. In seinen Grundgedanken offenbart es eine "volle Abkehr von der bisherigen rechtlichen Behandlung der Marke" 16• Es stellte das Recht des Markeninhabers in den Mittelpunkt und verknüpfte es mit der Freiheit der Markenwahl und des Markengebrauchs17. Auch im übrigen enthielt das Gesetz zahlreiche Neuerungen, und zwar sowohl in materiell- wie formalrechtlicher Hinsicht. Es begünstigte 11 Zum älteren Österreichischen Zeichenwesen ausführlich Adler, System S. 3- 31. Zum Recht des früheren 19. Jh., das noch stark unter dem Einfluß der reglementierenden Gewerbepolitik Joseph II. stand, vgl. auch Kopetz, Gesetz- und Gewerbskunde I 1829 S. 407 ff. (§ 233); KohleT, Markenschutz S. 61 ff.; Stubenrauch, Marken- und Musterschutzgesetz S.1 ff. 12 Zu Geschichte und Zeichenrecht der Sensenindustrie vgl. die Arbeiten von Roge, Brachmann, Zeitlinger und Fischer. 1s Abdruck bei Krug, Fabrik- und WarenzeichenS. 66 ff. 14 Dazu ausführlich unten § 28. 15 Adler, System S. 32. 10 Ebenda S. 31. 17 Zum folgenden vor allem Stubenrauch a.a.O. und Adler, System S. 31 ff.
§ 5.
Großbritannien- Österreich -übrige Staaten
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Produzenten und Kaufleute und galt für alle Arten von Erzeugnissen (§ 1). Es gewährte nominativen Warenbezeichnungen (Namen, Firma, Wappen und Geschäftsbezeichnung) Schutz ohne jede Formalität(§ 17); andere Bezeichnungen (Marken im Sinne des § 1: "Sinnbilder, Ziffern, Vignetten u. dgl. ") waren nur geschützt, wenn sie bei einer Handelsoder Gewerbekammer registriert waren (§§ 9 ff.); über das Alleinrecht an der Marke entschied die Priorität der Anmeldung oder - so für ältere Zeichen innerhalb einer Übergangszeit- der frühere tatsächliche Gebrauch (§§ 12, 28). An bestimmten Bezeichnungen (allgemein übliche Gattungszeichen, bloße Buchstaben, Worte oder Zahlen, Staats- und Länderwappen) konnte ein ausschließliches Recht nicht erworben werden (§ 3). Dieses Recht "klebt an dem Gewerbsunternehmen" (§ 5); es vermittelte dem Inhaber Schutz gegen die Aneignung und die "Nachmachung" seiner Marke durch einen unberechtigten Dritten und gegen den "VerschlE:iß" der fälschlich bezeichneten Ware (§§ 15 ff.). Als Mittel des Schutzes kannte das Gesetz Beschlagnahme, Untersagungsrecht und - im Falle schuldhaften Handeins - Schadensersatz und Strafe; letztere konnte indes nur gegen den "wissentlich" Handelnden erlassen werden (§ 18). Die Verwandtschaft dieser, damals sehr modernen Grundsätze mit dem französischen Gesetz von 1857 ist nicht zu übersehen18• Zum Teil entstammen sie auch der Tradition des Österreichischen Sensenhandwerks, auf dessen Klagen die Initiative des Gesetzgebers zurückging. Lediglich in der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden lebten die älteren Vorstellungen weiter: über Markeneingriffe und über den Bestand des Markenrechts hatten die "politischen Verwaltungsbehörden" (§§ 23 ff.) zu entscheiden. Die Mängel, welche dem Gesetz von 1858 trotz aller Fortschrittlichkeit noch anhafteten, namentlich das Fehlen einer Vorprüfung und eines zentralen Registers19, stießen schon bald auf die Kritik der Industrie; ihr schloß sich 1877 das Abgeordnetenhaus in einer Resolution an. Es dauerte jedoch noch länger als ein Jahrzehnt, bis die eingeleitete Reformarbeit zum Erfolg führte: erst am 6. Januar 1890 konnte das neue Markenschutzgesetz in Kraft treten, das in vielen Grundzügen mit dem Gesetz von 1858 übereinstimmten.
18 Die Entstehungsgeschichte des Österreichischen Gesetzes und der Einfluß der französischen Gesetzgebung bedürfen noch einer näheren Untersuchung. 19 Kritisiert wurden außerdem die Beschränkung auf Gewerbetreibende, die Zuständigkeit der politischen Behörden in Verletzungsstreitigkeiten, die niedrigen Strafen, das Fehlen einer Schutzfrist, die mangelhaften Löschum•svorschriften. 20 Adler, System S. 32.
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2. Kap.: Zur Entwicklung im Ausland
III. Die übrigen Staaten Die Entwicklung des Markenschutzes in den übrigen mit Deutschland in wirtschaftlicher Verbindung stehenden Staaten braucht hier nicht in Einzelheiten dargestellt zu werden21 • Ihre Gesetzgebung knüpfte zum Teil an das französische Recht an - so etwa in Holland (1880) und Belgien (1879); zum Teil bildete sie das englische Recht fort - so namentlich in den Vereinigten Staaten von Amerika (1870, 1881). Von den Gesetzeswerken der restlichen Staaten sei nur noch das italienische (1864, 1868) besonders hervorgehoben; es beruht auf dem piemontesischen Gesetz von 1855. Das Interesse an der Gesetzgebung der außerdeutschen Staaten wuchs - wie bereits mehrfach erwähnt - mit dem dichter werdenden Geflecht internationaler Wirtschaftsbeziehungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Für den Reichsgesetzgeber von 1874 und 1894 war die Beobachtung des fremden Rechts ebenso selbstverständlich!! wie für das praktische Wirtschaftsleben23 und die wissenschaftliche Diskussion24 • Anderes gilt - sieht man von der besonderen Rolle des französischen Rechts einmal ab- für die vorangehende Zeit: hier war das Hauptaugenmerk der innerstaatlichen Gesetzgebung zugewendet, die entscheidend von der Tätigkeit des Zollvereins geprägt wurde. Unter seinem Einfluß konnte sich annäherungsweise eine kleindeutsche Rechtseinheit im Bereich des Markenschutzes herausbilden.
21 Ausführlich hierzu Kohter, Markenschutz S. 63 ff., und Schmid, Warenzeichenrecht, passim; im übrigen vgl. die Übersicht bei Lobe, Unl. Wettbewerb I§§ 9-12. 22 Vgl. unten §§ 30, 31. 23 Im Pr. (Dt.) HA und anderen Fachorganen wurde die ausländische Gesetzgebung sorgfältig registriert. u Nach Ansätzen bei Krug und Klostermann zieht erstmals Kohler (Markenschutz) das ausländische Recht in seiner ganzen Breite in die wissenschaftliche Erörterung ein; vgl. auch unten § 37.
Zweiter Abschnitt
Fabrikzeichen und Markenschutz zwischen Tradition und Fortschritt - Die Entwicklung bis zum Reichsstrafgesetzbuch 3. Kapitel
Der Schutz der Warenbezeichnung im Zollverein § 6. Die Generalkonferenzen in München (1836)
und Dresden (1838)
Die im Deutschen Zollverein1 zusammengeschlossenen Staaten hatten sich in Art. 18 des Gründungsvertrages vom 22. März 1833~ u. a . verpflichtet, gemeinschaftlich dahin zu wirken, "daß durch Annahme gleichförmiger Grundsätze die Gewerbsamkeit befördert ... werde". Gestützt auf diese Abrede brachten die Bevollmächtigten Badens und Kurhessens auf der ersten Generalkonferenz in München3 das Problem der Warenbezeichnungen zur Sprache. Auf ihren Antrag hin wurde es von der Konferenz "allseitig für wünschenswerth erklärt, daß in den Vereins-Staaten, wo nicht schon durch die bestehende Gesetzgebung Fürsorge getroffen ist, die erforderlichen Anordnungen erlassen werden, um diejenigen, welche ihre Fabrikate unter der Firma einer andern vereinsländischen Fabrik ausgeben, wenigstens auf Anrufen des Beschädigten zu bestrafen". Die Beschränkungen auf den Schutz der Firmenangabe ist verständlich, wenn man die Vorgänge berücksichtigt, welche Baden und Kurhessen zu ihrer Initiative veranlaßt haben. In beiden Staaten hatten sich. Tabakfabrikanten über die Nachahmung ihrer Etiketten beklagt, deren Unterscheidbarkeit im wesentlichen auf der Namensangabe beruhte4• t Aus der reichen Literatur zum Zollverein seien hier lediglich erwähnt: Weber, Zollverein; Henderson, Zollverein. 2 Vgl. wü. Reg.BI. 1833 S. 41. 3 Hauptprotokoll der Generalkonferenz München v. 12. Sept. 1836 S. 39 f. ' Vgl. unten § 21, auch § 8 zu Anm. 6 ff., 38, § 14 zu Anm. 7 ff.
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3. Kap.: Schutz im Zollverein
Die größeren Zollvereinsstaaten reagierten unterschiedlich auf die Münchner Empfehlung. In Baden erwog man zunächst den Erlaß einer besonderen Verordnung, beließ es dann aber bei der Aufnahme einer Sondernorm in das Strafgesetzbuch5 • - In Württemberg suchte man sich zunächst einen Überblick über die Maßnahmen der anderen Staaten zu verschaffen8 • Das preußische Ministerium für auswärtige Angelegenheiten verhielt sich zunächst abwartend; man hatte nämlich durch Anfragen beim Staatsministerium und -rat festgestellt, daß diese den Schutz der Fabrikzeichen und Warenetiketten fallengelassen hatten7 • Wenig später griff die in erster Linie zuständige Ministerialabteilung für Handel und Gewerbe, veranlaßt durch eine Petition der Tabakfabrik Gehrüder Thorbecke, Minden8 , auf die Konferenzbeschlüsse von 1836 zurück. Die Abteilung meinte, die ungehinderte Nachahmung von Tabaketiketten in anderen Zollvereinsstaaten, im konkreten Falle in Bayern, widerspreche dem Ziel des Zollvertrages, der Handel und freien Verkehr erleichtern, nicht aber die Freiheit zur Verfälschung von Etiketten zu einem Privileg erheben sollte; früher seien die Fälschungen schon durch die Steuerkontrollen beschränkt worden. Obgleich man davon ausging, daß ein Beschluß über die Ergebnisse der Zollkonferenz noch nicht gefaßt und die Zeit noch nicht reif war, um von neuem eine allgemeine Ausführung vorzuschlagen, wollte man doch die Möglichkeit von Reziprozitätsverhältnissen zum wechselseitigen Schutz der Fabrikanten erkunden9 • Die Umfrage10 ließ die großen Unterschiede in der Schutzgesetzgebung der einzelnen Vereinsmitglieder klar zutage treten11 • Da Vgl. unten § 22. Diese Aufgabe übernahm die Stuttgarter Zolldirektion; ihre Anfragen sind u. a. zu finden in den Ministerialakten in Berlin, München und Karlsruhe. 7 Anfrage beim StaatsM v. 30. XI., beim Staatsrat v. 1. XII. 1836; ZStA li AA li Rep. 6 Nr. 269. 8 Eingabe Thorbecke v. 4. II. 1837, ZStA II Rep. 120 D II 233 (1). II Verfügung v. 15. IV. 1837, ebenda. to Das Außenministerium stimmte diesem Verfahren zu und stellte zugleich fest, daß es Sache künftiger Verhandlungen sei, "eine allgemeine Vereinbarung wegen Annahme gleichfönniger Anordnungen" in allen Zollvereinsstaaten zu beantragen. Zunächst zog man nur Erkundungen über die bayerischen Verhältnisse ein und resümierte auf Grund der gleichzeitigen Debatte der bayerischen Ständeverhandlungen, ein ausreichender Schutz existiere noch nicht. Am 16. IX. schließlich wies man die Gesandten in Dresden, Karlsruhe, Frankfurt, Kassel, Weimar, Altenburg, Coburg, Meiningen und Schleiz an, über die dortigen Maßnahmen zu berichten. Diese Vorgänge nach ZStA II AA II Rep. 6 Nr. 269; HStA Mn MH 14469; GLA 237, 12120; StA Mg VIII, 7, 39. 11 Nur in Württemberg, Bayern, Altenburg und den linksrheinischen, ehedem französischen Gebieten bestanden zu diesem Zeitpunkt entsprechende Strafgesetze. Sachsen und Meiningen erklärten, es seien besondere Normen in Vorbereitung. Von den übrigen Staaten, in denen noch gemeines Recht 5
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§
6. Generalkonferenzen von 1836 und 1838
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überdies vielerorts der Schutz nicht zugunsten ausländischer Fabrikanten wirkte, sah sich das Außenministerium zu dem Vorschlag veranlaßt, vorerst vom Abschluß einzelner Gegenseitigkeitsabkommen abzusehen und statt dessen während der bevorstehenden zweiten Generalkonferenz auf einen Beschluß hinzuwirken, wonach jedes einzelne Vereinsmitglied dafür zu sorgen habe, daß die Verfälschung der Warenetiketten und Fabrikzeichen anderer vereinsländischer Fabrikanten wenigstens auf Antrag des Geschädigten bestraft würden. Mit diesem Vorschlag erklärte sich das Finanzministerium einverstanden12• Zum gleichen Ergebnis war man mittlerweile auch in Bayern gelangt, wo ähnlich wie in Preußen das Ministerium des königlichen Hauses und des Äußeren den Ton angab. In München hatte sich schon im Dezember des Vorjahres13 die Erkenntnis durchgesetzt, daß das Ziel des reziproken Strafschutzes "eher und vielleicht zweckmäßiger" zu erreichen war, wenn man den Gegenstand zur nächsten Generalkonferenz vorbereiten, als wenn man den Weg besonderer Verhandlungen mit einzelnen Staaten beschreiten würde. Obgleich die übrigen Ressorts zustimmten, griff das Außenministerium doch den Plan eines Reziprozitätsvertrages mit Preußen "nach weiterer Erwägung" wieder auf14 und bereitete den Austausch entsprechender Erklärungen vor. Aus der Vorlage an den König1ll sind die Gründe für diesen Kurswechsel ersichtlich: man wollte einerseits, ohne neue gesetzliche Bestimmungen erlassen zu müssen, die kurz zuvor laut gewordenen ständischen Wünsc.he weitgehend erfüllen; andererseits wollte man dem bayerischen Bevollmächtigten bei der nächsten Zollkonferenz im voraus eine günstige Position verschaffen; es erscheine überhaupt ratsamer, solche "Punkte in gesonderter Übereinkunft zu erledigen, als dieselben in den Bereich gemeinsamer Berathungen ziehen zu lassen". Offenbar wollte Bayern vermeiden, daß der Zeichenschutz in das politische Tauschgeschäft einer Zollkonferenz einbezogen wurde. Die Absicht, mit Preußen noch vor der nächsten Konferenz eine Übereinkunft zu schließen, war nicht zu verwirklichen. Als das Außenministerium Ende April dem preußischen Gesandten gegenüber seine Bereitschaft zum Vertragsschluß erklärte, hatte man sich in Berlin kurz zuvor schon anders entschieden. galt, erklärten sich einige zum Erlaß spezieller Vorschriften bereit, so Kurhessen, Hessen-Darmstadt, Sachsen-Weimar und Reuß-Schleiz. 12 Note des AM v. 28. IV., Antwort des FinM v. 25. IV. 1838, Beleg wie Anm.7.
13 Note FinM an InnM v. 23. 1.1838; Noten AM an InnM und FinM v. 24. XII. 1837, HStA Mn MH 5418 u. 14469. 14 Note an FinM v. 22. III. 1838; hierzu und zu den übrigen Vorgängen in München und Berlin vgl. Belege der Anm. 13 u. 9. 15 Vorlage v. 27. IV. 1838; HStA Mn MH 14469.
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3. Kap. : Schutz im Zollverein
Auf der zweiten Generalkonferenz in Dresden wurde am 6. August 1838 über den preußischen Antrag ausführlich verhandeW6 • Die Bevollmächtigten gaben in der Regel einen Überblick über die Rechtslage in ihren Ländern. Ein Teil der Regierungsvertreter machte dabei zugleich Andeutungen über das weitere Verfahren. Inbesondere der bayerische Abgesandte erklärte es "für sehr wünschenswerth, daß gemeinsam entsprechende Prinzipien vereinbart" würden, die in den einzelnen Staaten in verfassungsmäßiger Form zu vollziehen wären; um jedoch die schon jetzt bestehenden Gesetze soweit als möglich wirksam werden zu lassen, gab der Vertreter Bayerns anheim, vorläufig den Grundsatz der Reziprozität in Vollzug zu setzen. Auch Württemberg, Baden und Nassau erklärten sich ausdrücklich bereit, den Strafschutz auf die Fabrikanten anderer Vereinsstaaten auszudehnen. Die anschließende Diskussion führte zu der Feststellung, man stimme "dahin überein, daß es hierbei in der Hauptsache nur auf eine Gleichstellung der vereinsländischen Handelsleute und Fabrikanten mit den eigenen Unterthanen ankomme, und daß . . . im Allgemeinen auf Einführung einer, jedoch nur auf Antrag der Betheiligten zu handhabenden Strafbestimmung über den Mißbrauch fremder Waarenbezeichnungen in denjenigen Vereinsstaaten, wo eine solche noch gar nicht, oder wenigstens nicht in Bezug auf die Waaren- oder Fabrikzeichen anderer vereinsländischer Unterthanen, bestehe, Bedacht zu nehmen seyn werde, ohne auf Gleichstellung des Strafmaaßes zu bestehen, indem die Bestimmung des letzteren jeder einzelnen Regierung zu überlassen sey. Hiernächst vereinigt man sich dahin, daß die Waaren- und Fabrikzeichen, für welche der Schutz zu gewähren sey, so beschaffen seyn müssen, daß man sie hinlänglich von andern unterscheiden und wissen könne, wem sie angehören, als in welcher Beziehung es erforderlich sey, daß in den Zeichen der Name oder die Firma und der Wohn- oder Fabrikort des Kaufmanns oder Fabrikanten ausgedrückt sey. Auch wird für unbedenklich erachtet, den fraglichen Schutz nicht bloß Manufaktur-, sondern auch Natur-Produkten, welche mit solchen auf der Waare selbst oder auf deren Verpackung befindlichen Merkmalen in den Handel oder Verkehr kommen, angedeihen zu lassen." Mit dieser Übereinkunft war der Maßstab geschaffen, an welchem die Vereinsstaaten ihre künftige Gesetzgebung ausrichten sollten: der Schutz der Warenbezeichnung hatte in erster Linie Aufgabe des Strafrechts zu sein. Nicht weniger bedeutsam war, was über die Voraussetzungen einer derartigen Strafnorm festgelegt wurde: man machte den Schutz der Waren- und Fabrikzeichen von der Aufnahme des Namens oder der Firma und der Ortsangabe abhängig. Diese Beschränkung kam den Vorstellungen der preußischen Ministerien sehr gelegen, wird aber kaum von dieser Seite initiiert worden sein17• Sie ent18 Hauptprotokoll über die zweite Generalkonferenz der Bevollmächtigten der Zollvereinsstaaten, S. 56 - 59.
§ 6. Generalkonferenzen von 1836 und 1838
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sprechen am ehesten den Interessen jener Fabrikanten, die nicht nur die badisch-hessischen Anträge von 1836, sondern auch die Debatte der bayerischen Abgeordnetenkammer von 183718 ausgelöst hatten: der Tabakfabrikanten. Da ihre Etiketten oft gleiche oder leicht verwechselbare Bilder oder Symbole zeigten, konnte eine hinlängliche Unterscheidung nur durch die Beifügung von Name und Ort garantiert werden. Im Interesse der Tabakindustrie mußte es außerdem liegen, daß auch Fabrikzeichen, die auf der Verpackung angebracht waren, in den Schutz einbezogen würden. Die grundsätzliche Übereinstimmung der Dresdner Konferenz bildete keinen - wie das preußische Außenministerium den Innen- und Finanzressorts berichtete19 "die Angelegenheit erledigenden Beschluß"; um wirksam zu werden, bedurfte die Vereinbarung zusätzlicher zweiseitiger Abkommen zwischen den Vereinsstaaten. Ziel der Konferenz war es nur, für diese Verträge eine tragfähige Basis zu schaffen, indem man für die einzelstaatliche Gesetzgebung Mindestvoraussetzungen aufstellte, ihr im übrigen aber einen weiten Spielraum zugestand. Eine möglichst gleichförmige Rechtssetzung, wie sie die Frankfurter Bundesversammlung wenige Monate zuvor für die literarischen Urheberrechte beschlossen hatte20, war nicht beabsichtigt. Man darf annehmen, daß dieses Ergebnis insbesondere den bayerischen Vorstellungen entsprach, während man in Baden und Kurhessen, den ursprünglichen Initiatoren der Verhandlungen im Zollverein, eine vermittelnde Gesetzgebung der Mitgliedsländer wohl vorgezogen hätten. Die Auswirkungen des Dresdner Übereinkunft lagen ihrem Inhalt entsprechend auf zwei Ebenen, der innerstaatlichen der Gesetzgebung einerseits und der zwischenstaatlichen der Vertragsschlüsse andererseits. Die einzelnen Vereinsländer hatten zunächst ihre Gesetzgebung nach den neuen Grundsätzen auszurichten. Die teils nur geplanten, teils auch verabschiedeten Gesetze und Verordnungen werden in den folgenden Kapiteln zu behandeln sein21 • Hier bleibt nur festzuhalten, daß alle diese legislatorischen Maßnahmen entweder unmittelbar durch die Dresdner Konferenz ausgelöst oder doch wenigstens von ihr stark beeinflußt worden sind. 17 Die pr. Min. Abt. f. Handel und Gewerbe hatte sich bereits vor 1836 in der Auseinandersetzung um den Düss. Entwurf gegen den Schutz lediglich figürlicher Fabrikzeichen ausgesprochen (unten § 10 zu Anm. 117 ff.), eine ausdrückliche Regelung jedoch erst erheblich nach der Dresdner Konferenz in Angriff genommen (unten § 11 zu Anm. 13 ff.). ts Vgl. unten § 14 zu Anm. 18 f. 19 Note v. 10. I. 1839 ZStA II Rep. 120 D II 233 (1). 2o Pr. Ges.Slg. 1837 S. 161 ff. Dazu Gieseke, Entwicklung S. 145 ff. 21 Vgl. insbesondere§§ 11, 20 und 24.
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3. Kap.: Schutz im Zollverein § 7. Vereinsinterne Abkommen über Gegenseitigkeit
und Verträge mit dritten Staaten
I. Die Abkommen am Beispiel Preußens Der Vielfalt und Unzulänglichkeit der vereinsländischen Regelungen halber hatte Preußen 1836 seinen Plan, mit anderen Staaten Abkommen zu schließen, zurückgestellt; man hoffte, während der Dresdner Konferenz auf eine einheitliebere Gesetzgebung hinwirken zu können. Nachdem dies geschehen war, mußte zunächst einmal die eigene Gesetzgebung den ausgehandelten Prinzipien angeglichen werden, bevor man sich wiederum um zwischenstaatliche Abkommen bemühen konnte. Aus diesem Grund ging Preußen 1839 noch nicht auf ein sächsisches Angebot ein1 . "Über ein Jahr später stellte das Außenministerium fest2 , daß inzwischen Sachsen, Hessen-Nassau und Bayern besondere Strafbestimmungen erlassen hätten, die- allenfalls bedingt durch einen ausdrücklichen Gegenseitigkeitsvorbehalt - auch den preußischen Untertanen ausreichenden Schutz gewähren konnten. In den übrigen Zollvereinsstaaten war dies - nach Ansicht des Ministers - nicht der Fall: sie böten nur einen ungenügenden Strafschutz nach den allgemeinen Grundsätzen über Fälschung und Betrug; dies gelte, obwohl dort ein besonderes Strafgesetz erlassen worden sei, auch für Württemberg, da es den Mißbrauch der Warenbezeichnungen nur strafe, wenn er "betrüglich" geschehe3. Man zog allenfalls partielle Abkommen mit den Großherzogtümern Hessen und Sachsen-Weimar in nähere Erwägung; beide Staaten kannten in Teilen ihres Gebietes einen ausreichenden Schutz: im linksrheinischen Hessen galt französisches Recht, in Teilen von Sachsen-Weimar war das ALR noch in Kraft4. Zum Abschluß der Abkommen mit Bayern, Sachsen und Nassau kam es vorerst jedoch nicht, da man sich inzwischen entschlossen hatte, die eigene Gesetzgebung der Dresdner Übereinkunft anzupassen. Nachdem dies im Gesetz vom 4. Juli 1840 geschehen war, wurden 1841 mit Sachsen, 1843 mit Bayern Gegenseitigkeitserklärungen ausgetauscht5• Mittlerweile waren auch in Reuß j. L. und in Braunschweig Schutzgesetze ergangen6 • Mit beiden Staaten wurde 1842/43 die Reziprozität hergestellt7. 1 Sachsen war zu diesem Anerbieten veranlaßt worden durch die Klage des Dresdner Zichorienfabrikanten Jordan und Timäus über die Nachahmung ihrer Wappenetiketten durch die Breslauer Fabrik C. G. J. Meyer und Co. AM an FinM und InnM v. 10. I., dazu Antwort v. 13. VI. 1839 ZStA II AA II Rep. 6 Nr. 269. 2 Note v. 5. XI. 40, ZStA II Rep. 120 D II 233 (2). s Wie Anm.2. 4 Ebenda. 5 Pr.Ges.Slg. 41 S. 44; 43 S. 309; auch Funcke, Polizeigesetze S. 648.
§ 7.
Abkommen über Gegenseitigkeit
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Obwohl in den folgenden fünfzehn Jahren keine weiteren Abkommen mehr geschlossen wurden, fehlte es doch nicht an Versuchen dazu. Aus den vierziger Jahren ist allerdings nur noch ein Vorstoß Preußens bekannt. Im Juni 1844 ersuchte der Halberstädter Zichorienfabrikant Bleibtreu um Schutz gegen Nachahmung seiner Etiketten in Mecklenburg-Schwerin. Ein Abkommen konnte indes nicht zustande kommen, da in Mecklenburg - wie man auf die wiederholte Anfrage aus Berlin erklärte - noch keine besondere Verordnung erlassen worden war". Man war zwar gewillt, das preußische Gesetz von 1840 zum Vorbild zu nehmen; da man indes in der Sache selbst Bedenken hatte, holte man zunächst bei anderen Zollvereinsstaaten Auskunft über deren Gesetzgebung ein9 • Bei diesen Aktionen hatte es dann sein Bewenden. Nach den unruhigen Jahren der Jahrhundertmitte war es nicht Preußen, sondern Württemberg, das zuerst die Initiative ergriff10 und durch seinen Bevollmächtigten während der Generalkonferenz in Kassel bei den übrigen Staaten Auskünfte über den Stand der jeweiligen Legislation einholen ließ. Zu weiteren Abkommen hat dieser Vorstoß Württembergs indes nicht geführt11• In Preußen sah man sich erst 1854 veranlaßt1!, bei den Regierungen in Darmstadt und Karlsruhe und beim Magistrat von Frankfurt Auskunft zu erbitten; ausgelöst wurde diese Aktion durch eine Beschwerde des Neuwieder Zichorienfabrikanten Reusch über die Nachahmung seiner Etikette in Hessen und Baden. Bei dieser Gelegenheit (September 1854) zog das Handelsministerium zugleich Bilanz über den Stand der Entwicklung seit der Konferenz von 1838 und veranlaßte Anfragen in Stuttgart, Hannover, Kassel, Wiesbaden und Weimar. Auf Grund der eingegangenen Antworten empfahl der Außenminister Vertragsschlüsse mit Hannover, Baden und Nassau, wo- mit Ausnahme Nassausneuerdings Gesetze zum Zeichenschutz ergangen seien13• Siehe unten § 26. Pr.Ges.Slg. 42 S. 311; 43 S. 320. Während für das Abkommen mit Reuß j. L. kein besonderer Anlaß ersichtlich ist, geht die Absprache mit Braunschweig auf den Freispruch des Hopfenhändlers Lotsch aus dem preußischen Gardelegen zurück; Lotsch, der seine Ware als "Braunschweiger Stadthopfen" gekennzeichnet hatte, war freigesprochen worden, da es sich um ein ausländisches Zeichen handelte; dazu ZStA II AA II Rep. 6 Nr. 270 und 271. s Die Vorstellung des Bleibtreu v. 25. VI. 44 und die anschließenden Verhandlungen ebenda. 9 Bericht des badischen Bundestagsgesandten über eine Anfrage seines mecklenburgischen Kollegen v . 18. VIII. 47, GLA 233, 10610. to Zu Anfragen Württembergs in Kassel im Oktober 50 vgl. Beleg wie Anm.7. tt Es sollte nur den innerwürttembergischen Gesetzgebungsplänen dienen, dazu unten § 20. 12 Das folgende nach ZStA II Rep. 6 Nr. 270 (3) und 272 und Rep. 120 D II 233 (3-5). 6
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3. Kap.: Schutz im Zollverein
Das Handelsministerium ließ mit einer Antwort auf sich warten. Eine Nachfrage des Außenressorts im November 1857 wurde erst ein Jahr später dahin beantwortet, daß man die Verhandlungen mit den Zollvereinsstaaten auf der Grundlage der Münchner und Dresdner Konferenzbeschlüsse nicht mehr fortsetzen wolle; es sollten vielmehr die im Separat-Artikel 9 zu Art. 18 des preußisch-österreichischen Handelsvertrages14 in Aussicht genommenen Unterhandlungen abgewartet werden; erst wenn sie nicht zu einem entsprechenden Ergebnis führten, solle man zur weiteren Erörterung innerhalb des Zollvereins zurückkehren15. Sachsen-Weimar, das 1858 mit dem Ziel eines Abkommens an Berlin herantrat, wurde in diesem Sinne beschieden. Als wenige Monate später ein anderer Staat (Reuß ä. L.) mit dem gleichen Angebot einkam, hatte sich im Handelsministerium bereits eine neue Auffassung der Lage durchgesetzt: mittlerweile war in Österreich ohne Rücksprache mit dem Vertragspartner ein eigenes Markenschutzgesetz erlassen worden16. Noch während Preußen die neue Situation mit den übrigen Vereinsstaaten erörterte, schloß es ein Reziprozitätsabkommen17 mit dem Fürstentum Reuß ä. L. auf der Grundlage des § 269 StGB (1851). Zum Austausch weiterer Erklärungen schritt Preußen erst nach der Abstimmung mit den übrigen Vertragsländern. Die Abkommen mit Hannover und Württemberg (1862)1 8 kamen beide auf eine Anregung von außen zustande, und zwar das erste durch eine Beschwerde aus Altena über Nachahmungen in Hannover, das zweite durch einen Vorstoß des württembergischen Gesandten, der seinerseits auf die Korrespondenz von 1855 Bezug nahm. 1s Über den Stand der Gesetzgebung in den übrigen Staaten heißt es: die thüringischen Staaten würden in Bälde entsprechende Vorschriften erlassen. In Frankfurt, Württemberg und den beiden Hessen fehlten sie noch; während Frankfurt und die hessischen Staaten jedoch zum Erlaß besonderer, die Reziprozität ermöglichender Bestimmungen bereit seien, glaube Württemberg dies ablehnen zu müssen, da es eine Umgestaltung der gesamten Gewerbeordnung bedingen würde; außerdem verwies Württemberg auf die Abmachung mit Österreich. 14 Vgl. unten § 28 I. 15 Antwort v. 29. XI. 58. - Eine entsprechende interne Verfügung des HaM war schon im Januar 1856 ergangen, offenbar den übrigen mit der Angelegenheit befaßten Ressorts aber nicht mitgeteilt oder von diesen nicht beachtet worden. - Auch Württemberg hatte in seiner Antwort an den preußischen Gesandten v. 6. I. 58 auf den Vertrag mit Österreich und den Beschluß der 10. Generalkonferenz verwiesen; WüHStA E 36-38 Fase. 122. 1o Dazu näher unten § 28 II. 17 Pr.Ges.Slg. 59 S. 421. 18 Pr.Ges.Slg. 62 S. 301 und 414.
§ 7.
Abkommen über Gegenseitigkeit
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Erst 1863 ergriff das preußische Handelsministerium wieder selbst die Initiative. Aus einer Zusammenstellung vom 1. Juni19 geht hervor, daß man den Abschluß mit einigen sächsischen Staaten und dem Fürstentum Lippe für entbehrlich hielt, während mit anderen Staaten, unter ihnen Frankfurt, noch Verhandlungen schwebten. Hinsichtlich Nassau, Baden, Oldenburg und den beiden Hessen wollte man die schon in den Jahren 1854/55 erklärte Bereitschaft aufgreüen. Die Ergebnisse dieser neuen Aktivitäten lagen im November 1866 vorl!O: Erklärungen waren mit Anhalt-Dessau, Anhalt-Bernburg, Waldeck und Frankfurt ausgetauscht; Abkommen mit Nassau, HessenKassel und Hessen-Hornburg erübrigten sich, da auf diese Staaten das preußische Strafrecht ausgedehnt werden sollte; mit Baden, Oldenburg und Lippe-Schaumburg wollte man später Erklärungen austauschen. Nur der erste Teil dieser Vorhaben wurde verwirklicht21 ; die übrigen Projekte wurden überflüssig durch die gemeinsame Erklärung im Bundesrat des Zollvereins vom 8. Juni 1868, auf die weiter unten (§ 28 II) zurückzukommen sein wird. Überblickt man die preußischen Abkommen, so fällt auf, daß sie zumeist in die Jahre 1841-43 und 1862- 64 fallen. In dieselben Zeiträume fällt auch die Mehrzahl der Absprachen unter den übrigen Staaten. Zu den frühesten Abkommen zählt die Übereinkunft zwischen Sachsen und Braunschweig22, zu der späteren weit zahlreicheren Gruppe sind insbesondere die Verträge WürttemberggA!:I, Bayerns24, Hannovers25 und Frankfurts26 zu rechnen. Daß einige Staaten sich erst spät an solchen Abkommen beteiligten, mag zum Teil an ihrem späten Eintritt in den Zollverein liegen27, zum Teil aber auch dadurch bedingt sein, daß sie zuerst die eigene Gesetzgebung entsprechend einrichten mußten28• Die beiden Hessen schlossen überhaupt keine zweiseitigen Abkommen ab. In Darmstadt hielt man besondere Schutzgesetze lange für entbehrlich, und als man sich endlich doch dazu entschlossen hatte, wurde der Abschluß spezieller Vereinbarungen durch die preußische Initiative te In ZStA II Rep. 120 D II 233 (4) und ZStA I RKA 465. "Pro Nota" v. 18. XI. 1866; Abschrift in ZStA I RKA 465; im übrigen Pr.Ges.Slg. 63 S. 476, 483, 515 und 673. 21 Nämlich die Ausdehnung des Strafrechts. 22 Funcke, Polizeigesetze S. 649 ff., Br.Ges.Bl. 43, 53. 23 Wü.Ges.Bl. 1862 - 1864. Näheres WüHStA E 143 Bü 3160. 24 Bad.Reg.Bl. 63, S. 1, 119, 178 (Württemberg, Hannover und Bayern) 64, S. 27 (Sachsen-Coburg-Gotha). Vgl. auch GLA 233 Nr. 31109. 25 Hann.Ges.Slg. 62 S. 61, 69, 137, 375; 1863 S. 55. 28 Frankf.Ges.Slg. 16 (1863/4) S. 25 f., 121, 125. 21 So für Hannover und Frankfurt. 28 So für Württemberg und Frankfurt; unten §§ 20, 25 II. 20
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3. Kap.: Schutz im Zollverein
im Bundesrat des Zollvereins überflüssig5. Die kurhessischen Gesetzgebungspläne der Jahre 1855/56 blieben im Entwurfsstadium stecken; mit der Einverleibung durch Preußen erübrigten sich Einzelabkommen völlig30• Der Hinweis auf die hessischen Staaten lenkt die Aufmerksamkeit auf die wirtschaftspolitischen Hintergründe der Reziprozitätsabkommen. Die Verträge der vierziger Jahre fallen wie die beiden grundlegenden Konferenzen von München und Dresden noch in die Aufbauphase des Zollvereins. Die Bemühungen der fünfziger Jahre werden angestellt, nachdem der preußisch-österreichische Februarvertrag die große Zollvereinskrise (1850/51) beendet hatte. Die Gegenseitigkeitsabkommen der Jahre nach 1862 folgen auf den preußisch-französischen Handelsvertrag vom 29. März 1862, das "handelspolitische Königgrätz"3 t. 11. Zoll- und Handelsverträge
Die Abkommen mit dritten Staaten bilden nicht nur Marksteine für die Entwicklung des Zollvereins und damit auch der internen Reziprozitätsabsprachen; sie wirkten, soweit sie Regeln über den Markenschutz enthielten, immer auch auf die interne Entwicklung des Markenrechts zurück. Am stärksten gilt dies für den Februarvertrag mit Österreich, der auf eine Rechtsvereinheitlichung im Gebiet aller Partnerstaaten abzielte32. Die späteren Abkommen der Zollvereinsmitglieder mit vereinsfremden Staaten3:t verbürgten zwar nur die Gegenseitigkeit des Schutzes; mit der Reziprozität waren indes erhebliche wirtschaftliche Interessen berührt, die ihrerseits die Aufmerksamkeit auf den Zeichenschutz lenkten und ihn dadurch mittelbar begünstigten oder auch hemmten. In Preußen etwa lösten die Abkommen, namentlich jene mit Frankreich und England, zahlreiche Petitionen und Klagen über die Tragweite Vgl. unten § 28 II. Allerh. VO v. 12. III. und 25. VI. 1866 (Ges.Slg. 787, 921); vgl. auch unten § 24 III. 31 Benedikt, Franz-Joseph-Zeit S. 58. 32 Dazu unten § 28 I. Zur wirtschaftlichen Bedeutung vgl. insbes. Böhme, Weg zur Großmacht S.105 ff. 33 Sie fallen alle in die sechziger Jahre. Den Anfang bildet der Vertrag mit Frankreich (1862), es folgen Abkommen mit Belgien (1863), Großbritannien (1865), Spanien (1868), Vatikan (1868), Österreich (1868), Schweiz (1869). Als Vorbild diente die erstmals im englisch-französischen Handelsvertrag von 1860 ("Cobdenvertrag") enthaltene Gegenseitigkeitsklausel (Art. 12 abgedruckt im Pr. HA 1860 I S. 150); auf den Cobdenvertrag nahm bereits der französische Antrag an Preußen zum Abschluß eines ähnlichen Abkommens Bezug, vgl. Franz, Entstehungsgeschichte S. 17. 29
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§ 7.
Abkommen über Gegenseitigkeit
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der Gegenseitigkeit aus. Auf der einen Seite befürchteten rheinischwestfälische Unternehmer, daß sie ihre oft nach ausländischen Vorbildern gewählten und nach dem Sonderrecht der rheinisch-westfälischen Provinzen hinterlegten Fabrikzeichen nicht mehr weiterführen könnten34 ; ihnen wurde bedeutet35, daß die Gegenseitigkeit sich nur auf den allgemeinen in Preußen geltenden Strafschutz gemäß § 269 StGB (1851) beziehe, figürliche Marken des Auslandes im Inland also nicht geschützt seien. Andererseits beklagten auswärtige Firmen gerade diese Beschränkung; auch ihnen wurde der Bescheid zuteil, daß die Spezialgesetze nur innerhalb der westlichen Provinzen gegen Gewerbetreibende dieser beiden Provinzen Anwendung fänden 36• Durch die Verträge mit dem Ausland ergab sich für den Schutz von Warenzeichen eine besondere Situation: sie genossen in England und Frankreich Rechtsschutz, im eigenen Land jedoch nicht oder jedenfalls nicht allgemein. Die Düsseldorfer Handelskammer bezeichnete diesen Zustand schon in ihrem Jahresbericht 1862 als ein "eigenartiges Schauspiel"37. Die Verhältnisse forderten eine Verbesserung des Inlandschutzes geradezu heraus38• Den Abkommen zwischen allen Mitgliedern des konsolidierten Zollvereins und dritten Staaten waren eine Reihe von Versuchen vorausgegangen, Einzelverträge abzuschließen. Schon in den Jahren 1836/37 forderten einzelne Fabrikanten die preußische Regierung auf, mit Frankreich und Belgien Abkommen abzuschließen89. Einem der Petenten entgegnete daraufhin das Berliner Ministerium40 , eine Einigung mit Frankreich wegen eines Verbotes der Nachahmung des Fabrikzeichens sei "unendlich schwieriger" als eine Absprache über die gerade verhandelte Frage des Nachdrucks; in den wenigsten Fällen würde ein Interesse bestehen, im Ausland schwierige und kostenreiche Prozesse zu führen. Im übrigen würden einheimische Fabrikanten in den Fällen, wo ausländische Fabrikanten einen guten 34 Diese Befürchtung äußerte schon 1859 die hergisehe Handelskammer Lennep zum neuen französischen Markenschutzgesetz von 1857. - Zum Vorstoß D. Hansemanns von 1862 vgl. Franz, Entstehungsgeschichte. 35 HaM an Weyersberg und Bäcker, Solingen v. 13. II. 65 und Handelskammer Aachen v. 24. VI. 65, an Klewitz u. Co., Iserlohn v. 9. VIII. 65, an Handelskammer Breslau v. 21. X. 1866, ZStA II Rep. 120 D II 233 (4 u. 5). 36 HaM an AM v. 20. V. und 29. XII. 64 über Beschwerden belgiseher und englischer Fabrikanten a.a.O. (7). 37 Ebenda (4). 38 Zur Agitation gerade der Düsseldorfer Kammer vgl. unten § 13 li u. § 29. se G. Pastor Peters Sohn v. 17. XI. 36 klagt, daß seine Fabrikzeichen auf Nähnadeln "gerade in Frankreich am häufigsten verfälscht" würden; ähnliche Klagen erhebt A. Böninger, Duisburg, über die Nachahmung seiner Tabaketikette in Belgien; ZStA II Rep. 120 D li 233 (1). 40 Antwort HaM an Pastor v. 24. XI. 36; ZStA II AA II Rep. 6 Nr. 269.
6 Wadle
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Ruf genössen, "von jeher und noch heute unbedenklich" deren Fabrikzeichen nachahmen und Etiketten in der Landessprache und mit falschen Namen verwenden, "um ihre Nationalität zu verstecken". Ihre Zurückhaltung im Abschluß von Verträgen mit dem westlichen Ausland gaben die deutschen Staaten erst auf, als nach der Jahrhundertmitte freihändlerische Ideen vorzudringen begannen und das Erstarken der einheimischen Industrie die wirtschaftlichen Rückwirkungen in Grenzen zu halten versprach.
Baden machte den Anfang41 , wohl nicht zuletzt bedingt durch die noch ungeklärte Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem Zollverein und Österreich42• Nach längeren, schließlich ergebnislosen Verhandlungen mit der Schweiz43 schloß es eine Übereinkunft mit Frankreich (2. Juli 1857)44 • Das Abkommen sanktionierte nicht nur die Gegenseitigkeit, sondern verlangte als Voraussetzung die Erfüllung bestimmter Formalitäten46 • Obgleich die Möglichkeiten, welche der Vertrag französischen Fabriken gewährte, nur in geringem Umfang genutzt wurden46, kommt ihm insoweit eine gewisse Bedeutung zu, als Baden versuchte, auf dieser Grundlage Gegenseitigkeitsverträge mit den Nachbarländern Hessen-Darmstadt, Württemberg, Bayern und der Schweiz abzuschließen47 • Der Versuch, diese Staaten zum Beitritt zum badisch-französischen Vertrag zu bewegen, scheiterte. Württemberg und Bayern gaben zu verstehen, daß man an den im Zollverein beschlossenen Grundsätzen festhalten wolle; Hessen hielt einen Beitritt ohne die übrigen Vereinsstaaten für "nicht rätlich". So erreichten die opponierenden Interessen aus der Industrie ihr Ziel leichter als erwartet; sie hatten auf mehreren Versammlungen in Frankfurt (Anfang 1858) gegen den Vertrag mit Frankreich agitiert48 • 41
Zur Bedeutung des Liberalismus in Baden vgl. etwa Gall, Liberalismus
s. 58 ff.
Dazu oben Anm. 32. Die Versuche fanden in den Jahren 1851- 1858 statt, sie waren eingeleitet worden durch Eingaben des Lahrer Zichorienfabrikanten D. Völker über die Nachahmung seiner Etikette in der Schweiz; GLA 236, 5815 und 233, 10610. 44 Bad.Reg.Bl. 57 S. 412 ff. mit AusführungsVO v. 17. II. 59, Reg.Bl. 59 S. 66 ff. Das Abkommen wurde 1875 mit Rücksicht auf den § 20 MSchG gekündigt, Ges.Bl. 75 S. 139; zum Ganzen GLA 233, 10611. 45 Zum Verfahren vgl. Art. II. 46 Beim allein zuständigen Stadt- und Amtsgericht Karlsruhe wurden in den Jahren zwischen 1860 und 1870 nur von vier französischen Firmen Fabrikzeichen hinterlegt, GLA 236, 9766. 47 Diese Versuche fallen in die zweite Jahreshälfte 1857; GLA 233, 10610; WüHStA E 36 - 38 Fase. 122. 48 Über eine dieser Zusammenkünfte berichtet die Frankfurter Handelszeitung v. 18. I. 1858: "Männer von Fach und Sachkenntnis verbreiteten sich 42 43
§ 7.
Abkommen über Gegenseitigkeit
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Baden hatte sich mit dem Versuch, seinen Separatvertrag mit Frankreich innerhalb des Zollvereins auszuweiten, übernommen49 • Nicht Baden, sondern nur Preußen konnte die Rolle einer Vormacht beanspruchen und in den Verträgen mit Frankreich (1862) und anderen Staaten verwirklichen.
über die Nachtheile, mit welchen jener beabsichtigte Vertrag, wenn nicht die ganze deutsche Industrie doch sehr beträchtliche Theile derselben bedrohe. Haben auch die Fabriken von Seidenstoffen, Putzwaaren, Hüten, Bijouteriewaaren, Tapeten, Papeterieen, maussirenden Weinen, kurz alle Fabricate, welche mit Auszeichnung (Dessein, Etiquettes, Marken) versehen sind, die Concurrenz französ. Artikel nicht zu scheuen, so sind sie doch auf ihren Absatzwegen den leidE'r schon lang herrschenden Vorurtheilen und Launen der Mode, welche man die Richtung des Geschmacks nennt, unterworfen, so dass z. B. im Quincaillerie- und Kurzwaarengeschäft alle deutschen Erzeugnisse bis auf Knöpfe und Nadeln herab üblicher Weise englische oder französ. Auszeichnungen tragen." 49 Auf der Frankfurter Industriellenversammlung wurden bereits erste Beschwerden über den Verstoß Badens gegen den Zollvereinsvertrag registriert. In seiner Denkschrift über die badische Politik vom 4. V. 1858 meint Bismarck: "Nicht minder hat sich Herr von Meysenburg durch den Abschluß des Vertrages mit Frankreich über die Waarenetiketten eine Blöße gegeben, indem er wiederum ohne Rücksprache mit den übrigen Zollvereinsstaaten die Interessen der Industrie Badens und Deutschlands ohne Gegenleistung von Seiten Frankreichs preis gab. Die Beschwerden der deutschen Industrie über diesen Vorgang sind bekannt und haben den ... Verdacht bestärkt, als hege Baden eine Hinneigung zu partikularer Anlehnung an Frankreich und gestatte demselben einen übermäßigen Einfluß auf deutsche Interessen" nach Posehing er, Preußen im Bundestag III S. 313 f.
4. Kapitel
Die Entwicklung des Zeichenschutzes in Preußen Ursachen und Tragweite der deutlichen Zäsur, welche das Gesetz vom 4. Juli 1840 (unten § 11) in der preußischen Gesetzgebung bewirkte, liegen begründet einerseits in den praktischen Erfahrungen, die man vor 1838 mit den Schutznormen des Allgemeinen Landrechts (unten § 8) und dem Gesetz vom 3. Juli 1818 (unten § 9) gemacht hat, und andererseits in dem Ringen um Fortbestand und Sicherung des bergischen Zeichenwesens (unten § 10). § 8. Das Allgemeine Landrecht und die Praxis im Aktenspiegel der Ministerialabteilung für Handel und Gewerbe (1812 - 1838) Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 17941 gewährt im Rahmen des Strafrechts (Teil II Titel 20) verschiedenen Arten von Kennzeichnungen auf Waren Schutz. Gemäß § 1445 unterliegen jene der Strafe des qualifizierten Betruges, "welche mit Zeichen oder Proben, die nur für Waaren gewisser Art oder Güte bestimmt sind, Waaren von schlechterer Art oder Güte betrüglicher Weise bezeichnen". Die so verfälschten Waren können konfisziert und vernichtet werden (§§ 1446, 1447). Auf diese Bestimmungen, die alle Qualitätszeichen betreffen, folgt als letzte des Abschnitts eine dem Entwurf (1784) noch unbekannte Strafnorm zum Schutz der Warenbezeichnung (§ 1451): "Wer Waaren von an sich untadelhafter Güte mit dem Namen oder Merkmale inländischer Fabrikanten oder Kaufleute fälschlich bezeichnet, hat eine willkührliche Geld- oder Gefänignißstrafe verwirkt (§ 35)"2. 1 Statt aller anderen Angaben sei hier lediglich verwiesen auf die Einleitung von Hattenhauer, Textausgabe 1970. =t § 35 lautet: "Wenn die Gesetze eine willkührliche Strafe verordnen: so darf dieselbe nicht über Gefängniß von sechs Wochen, oder Funfzig Thaler Geldbuße, ausgedehnt werden." Zum Entwurf: eine dem § 1451 entsprechende Norm fehlt, während die übrigen Fälschungstatbestände (§§ 1153, 1155, 1156) darin enthalten sind; vgL den E eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten I Tb. 3. Abt. Tit. VIII §§ 1152 - 1161.
§ 8.
Das ALR und die Praxis 1815 - 1838
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Diese Normen standen immer wieder im Mittelpunkt, wenn die Frage des Zeichenschutzes in der Praxis aktuell wurde!. Diese Praxis spiegelt sich in jenen Fällen aus der Zeit vor 1838, die uns in den Akten der Berliner Ministerialabteilung für Handel und Gewerbe4 entgegentreten6 • Die Vorgänge, die in ihrer großen Mehrzahl durch Eingaben von Tabakfabrikanten ausgelöst wurden, offenbaren die Enge und Problematik des Strafschutzes nach dem Allgemeinen Landrecht. Die in der Tabakbranche übliche Etikettierung führte zu einer Reihe von strittigen Punkten. So fragte man etwa, ob es zulässig sei, daß in einer ansonsten fremden Vignette lediglich der fremde Name durch die Firma des nachahmenden Konkurrenten ausgetauscht würde6 ; daß fremde Namen verballhornt wiedergegeben würden7 ; daß die Zeichen guten ausländischen Tabaks auf schlechten inländischen gesetzt v.rürden8 • Einige Bittsteller gingen noch weiter. Ein Tabakfabrikant suchte um den Schutz des von ihm auf Umschlägen verwendeten Adlers nach9 , ein anderer wollte gar den Gebrauch einer fremden Firma mit Zusatz "nach ..." genehmigt wissen10• Ein Berliner Zichorienfabrikant rügte den Gebrauch der Ortsangabe "Fabrik in 3 Erwähnt werden bisweilen auch die Bestimmungen zum Schutz von Namen und Wappen (I! 20 §§ 1440 a und b): a) "Wer zur Ausführung eines Betruges sich eines fremden Familiennamens oder Wappens bedient, der soll mit der ordinairen Strafe des qualüizierten Betruges belegt, und dieses zur Genugthuung für die beleidigte Familie, öffentlich bekannt gemacht werden." b) "Wer, auch ohne unerlaubte Absicht, eines fremden Familiennamens oder Wappens unbefugter Weise sich bedient, dem soll dergleichen Anmaßung bey willkührlicher doch nachdrücklicher ·Geldstrafe untersagt, und diese Strafe, im übertretungsfalle gegen ihn wirklich verhängt werden." • Die ursprünglich (1814) dem Finanzministerium eingegliederte "Generalverwaltung (Sektion) für Handel und Gewerbe" erfuhr seit 1817 eine wechselvolle Geschichte; sie war - mit unterschiedlicher Kompetenz und Bezeichnung - zeitweise einem selbständigen HaM (1817 bis 1825, 1830 bis 1834, seit 1848), zeitweise dem FinM (1814 bis 1817, 1838 bis 1848) oder dem InnM (1825 bis 1830) zugeordnet; vgl. Facius, Wirtschaft und StaatS. 46 f., 50; Waldmann, Ministerium; Buck, Produktivkräfte. In unserer Arbeit wird die Abteilung einheitlich als "Abteilung für Handel und Gewerbe" bezeichnet. Dem entspricht die Einheitlichkeit der Aktenlage; die benutzten Bestände sind als Akten des (späteren) Ministeriums für Handel und Gewerbe archiviert (Rep. 120). 5 Das Folgende nach ZStA II Rep. 120 D II 233 (1). 6 Vorstellung des Tabakfabrikanten Jebens, Elbing, v. 20. XII. 1814. 7 Bericht Reg. Merseburg v. 11. VIII. 1821, nebst Anlagen über den Streit zwischen den Tabakfirmen Haener und Co., Eisleben, und Hoffmann und Triebel, Erfurt. 8 Bericht Reg. Oppeln v 5. X. 1816. 9 Vorstellung Bianchi v. 25. II. 1829. Schon 1823 hatte der Berliner Tabakfabrikant J. W. Kohlmetz ein "Patent" für seine Etikette beantragt. 1o Eine entsprechende Vorstellung der Tabakfirma Mayer und Hirschfeld, Landsberg, wurde am 27. V. 26 beschieden.
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4. Kap.: Entwicklung in Preußen
Berlin" durch einen Magdeburger Konkurrenten11• Der Burtscheider Nadelfabrikant Gotthard Pastor Peter Sohn beklagte eine gerichtliche Entscheidung, die den Gebrauch der französischen Version seines Namens straflos ausgehen ließ12 • Neben derartigen Ansinnen wurden dem Ministerium auch eine Reihe von Abänderungsvorschlägen unterbreitet. Die Königsherger Regierung13 regte schon 1812 an, zum Schutz der Fabrikanten und der heimischen Industrie, vor allem aber zum Schutz des Publikums, das Verbot des Gebrauchs fremder Namen und Ortsangaben auf Tabaketiketten ausdrücklich zu bekräftigen14 und jeden einheimischen Tabakfabrikanten zur Angabe von Name und Wohnort zu verpflichten. Diese Forderung wurde 1824 anläßlich eines konkreten Falles wiederholt15 • Noch weiter ging der bereits erwähnte Gotthard Pastor Peter Sohn, als er im Jahre 1824 verlangte, die im Westen geltenden französischen Gesetze auf die gesamte Monarchie auszudehnen16• Der wachsende Druck der Konkurrenz im Zollverein veranlaßte schließlich im Februar 1827 die Mindener Tabakfirma Thorbecke zu der Bitte, den im Allgemeinen Landrecht gewährten Schutz auf das Gebiet der Zollvereinsstaaten auszudehnen17 ; es bestehe die u Vorstellung der Firma J. F. Besag v. 30. V. 1834. Schreiben Pastor an Beuth v. 8. IV. 1828, ZStA II Rep. 120 D II 232 (1).
12
P. beklagt sich, daß eine Iserlohner Firma nicht nur die Nadelzeichen nachmache, sondern auch seinen Namen in französischer Übersetzung gebrauche: "Gotthard Pastorfils de Pierre." Das Iserlohner Stadt- und Landgericht, das den Fall nach dem ALR zu entscheiden hatte, hielt diese Bezeichnung für zu allgemein, "um als das eigentümliche Fabrikzeichen des Pastor allgemein anerkannt zu werden, da der Fabrikort Burtscheid demselben nicht beigefügt sey". 1a Bericht v. 30. XII 1812. 14 Die Regierung erwähnt nur das Edikt v. 20. V. 1788 (NCC VIII Sp. 2115/6): es untersagt bei Strafe den Gebrauch fremder Namen und Wohnorte auf Tabaksverpackungen, da "durch diesen Mißbrauch das Publikum vervortheilet, die Accisegefälle öfters geschmälert und die einländischen Tobacksfabriken, wenn die Tobackshändler in den Fabrikenumschlägen schlechtere Sorten Toback verpacken, ohne ihr Verschulden in üblen Ruf gebracht werden". Inländische Fabrikanten sollen deshalb Briefe und Umschläge mit ihrem Fabrikensiegel oder Stempel bedrucken lassen. Zur Fortgeltung vgl. die folgende Anm. 15 Ein Prozeß vor dem OLG Stettin, während dessen sich herausstellte, daß das Publikandum von 1788 durch das ALR aufgehoben worden sei, veranJaßte den Schmiedeberger Tabaksfabrikanten S. G. Weber zu der Bitte, "von allgemeiner Sicherheits- und Gewerbepolizei wegen" die alte Verordnung erneut zu erlassen zur "Sicherung des Publikums gegen Täuschung und anderer Fabrikanten vor gewissenloser Schmälerung ihres Rufes"; zugleich trug Weber darauf an, der Stettiner Konkurrenzhandlung Steinicke & Co. einen eigenen Stempel zur Pflicht zu machen. Im ganzen vgl. den Bericht der Reg. Stettin v. 19. IX. 1824 mit Vorstellung Weber v. 13. VIII. 24 nebst Anlagen, u. a. Urteil des Criminalsenats des OLG Stettin v. 25. X. 1824. 16 Eingabe v. 7. IX. 1824.
§ 8.
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"wohlbegründete Furcht vor einer empfindlichen täglich zunehmenden Beeinträchtigung bei unseren Handelsgeschäften in mehreren zum großen Zollverbande gehörigen Staaten". Dabei wurden Kurhessen, Hessen-Darmstadt, Bayern und Württemberg ausdrücklich genannt. Die Reaktionen des Ministeriums auf diese vielfältigen Klagen und Vorschläge18 offenbare-n mit hinreichender Deutlichkeit seine Einstellung zum Problem des Markenschutzes. Sie durchlief eine für die Planung der künftigen Gesetzgebung bedeutsame Entwicklung. Nach anfänglichem Schwanken19 legte das Ministerium anläßlich der Eingabe des Elbinger Tabakfabrikanten Jebens seine grundsätzliche Haltung zum Mißbrauch der Warenbezeichnung dar. In Abstimmung mit dem Justizministerium20 erließ es am 9. Mai 1815 ein ausführliches Reskript an die westpreußische Regierung. In diesem von Kunth und seinen Mitarbeitern formulierten21 und vom Finanzminister von Bülow Eingabe v. 4. II. 1837. Weitere Vorstellungen gingen ein 1818: Antrag der Bleischrotfabrik Fiesehel u. Comp. zu Altenburg auf Genehmigung der Bezeichnung "Pieschel et Companie in London". 1825: Bitte des Tabakfabrikanten G. Nathusius, Magdeburg, um eine Verbesserung des Schutzes. In seiner Eingabe berichtet N. über die bisherigen Versuche, hinreichenden Schutz zu erlangen. Zwar sei er 1820 mit Erfolg gegen einen Wettiner Kaufmann gerichtlich vorgegangen, 1825 jedoch sei er gegen einen anderen Konkurrenten, den Magdeburger Kaufmann Bender, in zweiter Instanz unterlegen. Bender hatte seine im übrigen anders beschrifteten Etiketten mit dem Stempel "Tabacks Fabricat nach Gottlob Nathusius zu Magdeburg" versehen und war vom OLG Magdeburg freigesprochen worden. 1828: Anfrage der Reg. Oppeln, ob eine Genehmigung des Gebrauchs des Zeichens "K. M." auf verarbeiteten Eisen- und Stahlwaren notwendig sei; dem Bericht lag ein entsprechender Antrag der Besitzer der Eisenhütte Königshuld zugrunde. 1829: Anfrage der Reg. Oppeln, die Bezeichnung von Papier mit einem Wasserzeichen zur Pflicht zu erheben; die Anfrage war durch den Fabrikanten Sieher in Schönwalde veranlaßt worden. 1833: Antrag des Berliner Neusilber-Fabrikanten C. F. Röhr, Berlin, um Erlaubnis eines Stempels mit einem ungekrönten Adler. 19 Gern. einem Votum v. 4. II. 1813 zum Bericht der Reg. Königsberg neigte man dazu, den Warenbezeichnungsmißbrauch als Betrug zu deuten. 2o Das JusM verwies auf die Möglichkeit, die Bestimmungen des Firmenrechts (II 8 §§ 621, 622) analog anzuwenden. Sie lauten "§ 621: Bey Bestimmung der Firma ist darauf zu sehen, daß sich dieselbe von allen anderen bereits öffentlich bekannten hinlänglich unterscheide. § 622: Ergiebt sich in der Folge, daß eine andere bereits errichtete Handlung dergleichen Firma führe: so ist die später geschlossene Societät verbunden, ihre Firma zu ändern." 21 Der Erlaß beruht auf der von Kunth überarbeiteten Note v. 19. IV. 1815 an das JusM. Zu G. J. Ch. Kunth (bis 1818 Direktor der Abteilung für Handel und GPwerbe) und seiner Beeinflussung durch das liberale Gedankengut der Stein17
18
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4. Kap.: Entwicklung in Preußen
unterzeichneten Erlaß wird die Unzulässigkeit der Nachahmung eines fremden "Fabrikenbildes" ausführlich begründet. Im Eingang betont der Minister: "Mir erschien die angebrachte Beschwerde allerdings einer großen Berücksichtigung werth, indem eine Fabrik, welche durch Fleiß und Ordnung sich Ruf und guten Waaren-Absatz geschaffen hat, wohl von der Gewerbe-Polizei-Behörde verlangen kann, in dem Besitz ihrer Fabrikzeichen als ihres ausschließlichen Eigenthums geschützt zu werden, damit die Früchte ihrer Anstrengungen nicht ein Anderer erndte." Eine bloße Veränderung der beigefügten Schrift könne den Gebrauch des fremden Fabrikzeichens nicht rechtfertigen; der Nachahmung liege augenscheinlich eine bestimmte Absicht unter, nämlich "den Käufer, welcher bisher den Tabak mit solchem Bilde und solchem Wappen gut befunden hat, glauben zu machen, er kaufe Tabak derselben Art und derselben Güte, wobei noch besonders zu erwägen ist, daß hier eine Waare zum öffentlichen Kauf gestellt wird, welche zum großen Theil in die Hände solcher Leute kommt, die nicht lesen können, oder von denen man wenigstens vermuten kann, daß sie mehr das Bild als die Schrift ansehen oder auch daß aus der Gleichheit des ersteren ein irriger Schluß auf eine Geschäftsverbindung verschiedener Handelshäuser veranlaßt werden kann. Daß aus der Fabrik unmittelbar nur von den Händlern gekauft wird, welche wohl die Verhältnisse kennen, macht keinen Unterschied, denn diese kaufen vielleicht nur des falschen Zeichens wegen zum Wiederverkauf, und sind alsdann Mitschuldige. Es gibt zwei Fälle:
1. Entweder die genannten Fabriken sind ebensogut oder besser als die
Jebenssche. Warum vertrauen sie nicht dem Publikum, daß es dieses wahrnehme und sich ihnen zuwenden werde? Sie ergreifen ein Mittel, was als unlauter gegen das Gefühl eines jeden rechtlichen Mannes anstößt, bei welchem man den Beifall der Gesetze ungern bemerken wiirde, und in der That auch nicht findet; sie suchen durch den Ruf einer ihnen ganz fremden Fabrik Vorteile zu ziehen, einen Theil dieses Rufes, der doch das Eigenthum der anderen Fabrik ist, sich zuzueignen. Dieses muß nach § 1451 Tit. 20 Theil2 des Allgemeinen Landrechts untersucht und geahndet werden, denn das in diesem Gesetz enthaltene Verbot geht nicht auf das Bezeichnen der Waaren mit dem Namen und Merkmal einer anderen inländischen Fabrik, sondern auf das Bezeichnen mit deren Namen oder Merkmalen. 2. Oder der Tabak jener Fabriken ist schlechter als der des Jebens, dann vergehen erstere sich nicht bloß gegen den letzteren, sondern auch gegen das Publikum, wenigstens beabsichtigen sie ... dasselbe zu betrügen, und der § 1440 a litt. c findet analogische Anwendung. Hierzu kommt noch, daß das Führen eines fremden Wappens auch ohne alle Nebenabsicht nach § 1440 litt. c bei nachdrücklicher Strafe im ferneren Ubertretungsfalle verhängt werden soll. sehen Reform, vgl. Mieck, Gewerbepolitik S. 22 f.; Treue, Wirtschaftszustände S. 20 f.; Goldschmidt, Kunth.
§ 8.
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Das Verfahren der Tabakfabrikanten, welche durch Nachahmung der Jebensschen Etiquette und des Wappens offenbar eine Täuschung des Publikums beabsichtigen, ist hiernach keine erlaubte Handlung. Es verstößt gegen die in §§ 621, 622 Tit. 8 Theil 2 des Allgemeinen Landrechts befindlichen und hier analogisch zur Anwendung kommenden Vorschriften der Handelspolizei, welche die Vervielfältigung der Firma untersagt...." Diese Entscheidung im Modellfall Jebens!'2 ist gekennzeichnet zum einen durch die Abgrenzung des Bezeichnungsmißbrauchs vom Betrug, zum anderen durch das gleichwertige Nebeneinander des Schutzes der
nominativen Warenbezeichnung und der Kennzeichnung mit "Merkmalen". In den folgenden Jahren beharrte das Ministerium auf der
Unterscheidung vom Betrugstatbestand!:~; von der Gleichwertigkeit der beiden Bezeichnungsweisen rückte es indes mehr und mehr ab. Diese Entwicklung ist eng verwoben mit der sich versteifenden Abneigung gegen jede Änderung der gesetzlichen Grundlagen.
Bereits in der Zirkularverfügung vom Mai 1815 hielt man im Ministerium jede Neuregelung für entbehrlich. Ein Jahr später verwies die Abteilung ausdrücklich auf diesen Erlaß24 • Als dann 1824 die allgemeine Einführung der französischen Gesetzgebung beantragt wurde, mußte sich der Petent entgegenhalten lassen, er scheine mit der Gesetzgebung des preußischen Staates, die hinlänglichen Schutz gewähre, wenig bekannt zu sein2 5. Diese Antwort wurde von Beuth erteilt, der seit 1818 die Abteilung für Handel und Gewerbe leitete-26. Sein maßgebender Einfluß ist auch in den nachfolgenden Bescheiden nicht zu übersehen. Auf den Vorschlag der Regierung zu Stettin, das Publikandum von 1788 22 Weil das Min. seinem Erlaß diese Bedeutung zumaß, teilte es das Reskript allen anderen preußischen Regierungen mit. Der im Gebiet der späteren Rheinprovinzen zuständige "Civilgouverneur zwischen Weser und Rhein" veröffentlichte den Bescheid am 22. V. 1815 in einer Form, die nicht nur jeden Bezug auf den konkreten Anlaß vermied, sondern auch die allgemein gehaltenen Teile des Erlasses verkürzt wiedergab; vgl. Münstersches Intelligenzblatt v. 30. V. 1815; auch Scotti, Cleve-Mark IV S. 2894 f. (Nr. 3161). 23 In seiner Antwort v. 31. XII. 1816 auf die Anfrage aus Oppeln wies das Min. darauf hin, es komme nur für die inländischen Fabrikzeichen nicht darauf an, ob die Ware schlechter sei oder nicht, während für ausländische Fabrikzeichen die Unterscheidung weiterhin eine Rolle spiele, da insoweit nicht § 1451, sondern die allgemeinen Bestimmungen über Betrug anzuwenden seien. 24 Vgl. das Reskript v. 31. XII. 1816. !5 Vgl. oben zu Anm. 16. l!3 P. Ch. W. Beuth, seit 1814 vortragender Rat in der Abt. f. Handel und Gewerbe, seit 1818 (bis 1845) deren Direktor; über B. ausführlich Mieck, Gewerbepolitik S. 21 ff.; Brinkmann, Handelspolitiker S. 21; Treue, Wirtschaftszustände S. 139 ff.; Fernholz, Beuth.
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4. Kap.:
Entwicklung in Preußen
zu erneuern, ließ Beuth entgegnen27 , dies könne "von allgemeiner Sicherheits- und Gewerbepolizei wegen" nicht geschehen. Auch der Antrag auf die Einführung eines obligatorischen Wasserzeichens (1829) wurde abgewiesen, da ein "gewerbepolizeiliches" Interesse daran nicht bestehe28 • Ablehnend verhielt sich die Abteilung Beuths über Jahre hinweg auch gegenüber der Einbeziehung ausländischer Fabrikzeichen in den Strafschutz29 • Nach der Gründung des Zollvereins wurde eine Modifizierung dieses Standpunktes indes unvermeidlich. Die Vorstellung der Firma Thorbecke lenkte die Aufmerksamkeit des Handelsministeriums auf die Notwendigkeit eines Schutzes inländischer Fabrikzeichen in den übrigen Vereinsstaaten. Das Ministerium regte daraufhin beim Außenministerium Reziprozitätsabkommen mit einzelnen Vereinsstaaten an30 ; den Antragsteller, der sich über die Langwierigkeit und den geringen Abschreckungseffekt gerichtlicher Schritte im Ausland beklagt hatte, belehrte es unter Hinweis auf§ 1451, daß sich "niemals wird eine Einrichtung treffen lassen, durch welche der Fabrikant eines gerichtlichen Vorgehens gegen den Verfälscher enthoben würde". Was dies bedeutete, wird deutlich, wenn man hinzunimmt, daß Rother, der Chef des Ministeriums, im Dezember des Vorjahres dem Außenministerium gegenüber31 geäußert hatte, "die ganze Materie" (sc. des Schutzes der Warenbezeichnung) komme "bei der gegenwärtigen Revision unseres Strafrechts in Erwägung", sei "jedoch bei der Ausführung eine der schwierigsten": an eine Abkehr von dem Grundsatz des rein strafrechtlichen Schutzes, wie ihn das ALR enthielt, war nicht gedacht. Allerdings hatte sich mittlerweile das gleichwertige Nebeneinander von Firmen- und Namensangabe und "Merkmalen" mehr und mehr zugunsten eines Vorranges der nominativen Bezeichnung verschoben. Auch diese Verlagerung spiegelt sich in den Akten der Abteilung für Handel und Gewerbe. Auf die Namensangabe stellte das Ministerium im Falle der Firma Haener und Co. in Eisleben ab, indem es ein Verbot der Merseburger Regierung zwar bestätigte, jedoch hinzusetzte, daß der Gebrauch der strittigen Etikette dann nicht verwehrt werden könne, wenn Haener seine Firma und Namen nebst Wohnort hinzufügte32 • Dem Schutz des Reskript v. 25. VII. 1827. Reskript des InnM. v. 8. V. 1829. 29 Dies kommt bereits in den erwähnten Bescheiden an die Reg. zu Oppeln und Stettin zum Ausdruck; noch 1836 beharrt man auf dem Standpunkt, wie die Reaktion auf die Anregung zeigt, mit Frankreich Verhandlungen aufzunehmen, vgl. oben § 7 Anm. 40. 3o Vgl. oben§ 6 Anm. 9. 31 Note v. 16. XII. 1836. 32' Reskript v. 12. IX. 1821. 27
28
§ 8.
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Namens galt auch der abschlägige Bescheid an die Firma Meyer und Hirschfeld, Landsberg33 • Das Ministerium wies darauf hin, daß die Bezeichnung "bei ... " oder "nach ... " auch dann nicht gestattet sei, wenn die eigene Firma hinzugefügt werde. Dieser Ansicht entsprach das Vorbringen des Magdeburger Tabakfabrikanten Nathusius, dessen Bitte um Bekanntgabe der Verfügung vom Mai 1815 das Ministerium nachkam34• Noch deutlicher tritt die Vorliebe für die nominative Bezeichnung in der Reaktion des Ministeriums auf die Vorstellung der Firma G. P. Pastor Sohn hervor. Der zuständige Referent, Skalley35, zog aus dem Iserlohner Urteil den Schluß, daß als ein wirksames Schutzmittel die Beifügung des Fabrikortes zu empfehlen sei, und Beuth vermerkte in einer Marginalnotiz, die Sache diene zum Beleg, in welches Dilemma man bei der Einführung von Fabrikzeichen geraten würde, die der Staat feststellen sollte. Obgleich diese Äußerungen im Zusammenhang mit den Anträgen der rheinischen und westfälischen Landstände auf Einführung eines Zeichenschutzes zu sehen sind36, so fügen sie sich doch ganz in eine Entwick:lung ein, deren Anfänge früher liegen. Die Gründe für die zunehmende Bevorzugung nominativer Kennzeichen werden in jenem Bescheid - schlaglichtartig gleichsam - beleuchtet, der auf den Antrag des Neusilberfabrikanten Röhr (1833) erging; ihm erklärte das Ministerium37, es habe nichts dagegen zu erinnern, daß er sich des Adlerstempels bedienen wolle; "um den beabsichtigten Zweck zu ereichen", würde er aber "angemessener und sicherer" verfahren, wenn er seine Fabrikate mit seinem Namen bezeichnete, weil dieses Namens sich keiner außer ihm bedienen dürfe, "wohl aber es jedem anderen unbenommen bleiben möchte, seine Fabrikate ... mit einem Adler zu stempeln". Die Unmöglichkeit, ein allgemein gebrauchtes Zeichen, wie z. B. den Adler, als das Zeichen eines bestimmten Fabrikanten zu erkennen, gab den Ausschlag auch für die Beurteilung der Tabaketiketten; ihre figürlichen Bestandteile waren "im Tabakshandel notorisch im Gebrauch" 38• Nicht weniger als die Problematik der Tabaketiketten förderten die Erfahrungen, welche das Ministerium mit den Hüttenzeichen gemacht hat, seine Vorliebe für die nominative Marke. 33 34
Reskript v. 27. V. 1826. Verf. v. 12. VI. 1826.
Geh. Oberfinanzrat in der Abt. f. Handel und Gewerbe. ae Dazu unten § 10 III. 37 Antwort v. 13. XI. 1833. 3B So der Tabakfabrikant Haener, Protokoll v. 10. VII. 1821, ZStA II Rep. 120 D II 233 (1). as
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4. Kap.: Entwicklung in Preußen
§ 9. Das Gesetz über die Fabrikzeichen auf Stabeisen (1818)
Das "Gesetz wegen Einführung eines Fabrik-Zeichens in den Provinzen Schlesien, Posen, Preußen, Westpreußen, Pommern, Brandenburg und Sachsen, auf dem daselbst verfertigten Stabeisen" vom 3. Juli 18181 ist vom Finanzministerium vorgeschlagen worden2', um den "häufigen Klagen des Publikums und besonders der hiesigen ArtillerieWerkstatt über die schlechte Beschaffenheit des schlesischen Stabeisens" abzuhelfen. Dem Ministerium erschien die zollpolitische Begünstigung der Einfuhr fremden, insbesondere schwedischen Eisens wegen ihrer Rückwirkungen auf die schlesischen Hüttenwerke nicht ratsam; "mit Sicherheit und mit wahrem Vortheil für Käufer und Eisenhütten" könne eine verbesserte Eisenproduktion jedoch durch zwei Mittel gefördert werden: einmal durch einen jede Hütte kennzeichnenden Stempel oder ein Fabrikzeichen, durch das "der Käufer in den Stand gesetzt" werde, "das gute von dem schlechten zu unterscheiden"; zum anderen durch die Errichtung einer Schau, die das Eisen prüfen und "mit einem besonderen Stempel zur Beglaubigung versehen" solle; allerdings sollte die Schau nur für staatliche Hütten, nicht aber für Privathütten verbindlich sein. Die Abteilungen des Staatsrats, an welche der Entwurf weitergeleitet wurde3, lehnten die Einführung einer Schau ab4 , nicht dagegen jene eines obligatorischen Hüttenzeichens. Im einzelnen schlugen die Abteilungen einige nicht unwesentliche Modifikationen des Gesetzentwurfes vors. Der Geheime Oberregierungsrat Hoffmann6 , auf dessen 1
Pr.Ges.Slg. 1818 S. 153 f.
Immediatbericht des StaatsM v. 10. VI. 1817. Hierzu und zum Folgenden vgl., soweit nichts Abweichendes erwähnt, die Akten der Abteilung f. Handel u. Gewerbe ZStA II Rep. 120 D II 230 (1) und (2). a Bericht und Entwurf wurden am 9. XII. 1817 dem Staatsrat zugeleitet, der ihn seinerseits an die Abt. f. Justiz, Finanzen und Handel und Verkehr überwies. Diese erstatteten am 31. III. 1818 schriftlichen Bericht, welcher der Beratung im Plenum am 12. V. zugrunde lag. Zu diesen Vorgängen im Staatsrat vgl. ZStA Rep. 80 I Handeil und 1 a; Rep. 80 I Gen. 4 a (2) (1818). • Sie galt als "mißlich"; der Staat übernehme durch die Aufdrückung seines Schaustempels eine "Gewährleistung", die er für Eisen anders als für Gewebe, deren wesentliche Mängel leichter festzustellen seien, nicht geben könne; da der Gebrauch des Eisens sehr verschieden sei und manche Zwecke bestimmte Eisensorten verlangten, die für andere Zwecke unbrauchbar seien, bleibe ungewiß, "welche Eigenschaften die im Namen des Staats anzuordnende Schau verbürgen solle und könne". s An Stelle der ursprünglich zuständigen Reg. sollte das Min. treten; ältere schon eingeführte Zeichen sollten anerkannt, die Kontrolle der Durchführung beschränkt werden; die Strafbestimmung wurde präzisiert. 6 über J. G. Hoffmann, seit 1807 Professor in Königsberg, seit 1810 in Berlin, später Mitglied des Staatsrats, vgl. Treue, Wirtschaftszustände S. 235 ff., auch unten § 37 zu Anm. 5. !
§ 9. Fabrikzeichen auf Stabeisen
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Votum das Gutachten der Abteilungen zur Einführung der Fabrikzeichen zurückgeht, berichtete im Plenum. Der Staatsrat trat ohne Abstimmung dem Antrag der Abteilungen bei, den Plan der Errichtung von Schauanstalten zur näheren Erörterung an das Staatsministerium zurückzugeben. Der schon in der Diskussion der Abteilungen gemachte Vorschlag7, das Gesetz auf alle Eisenhütten der Monarchie auszudehnen, wurde abgelehnt, da man darüber erst die Behörden der westlichen Provinzen hören müsse, wo die Einführung des Gesetzes sich nachteilig auf die Eisenausfuhr in die Niederlande auswirken könne. Im übrigen war lediglich umstritten, ob man die Führung der Fabrikzeichen obligatorisch machen sollte oder nicht. Einige Mitglieder des Staatsrats glaubten, "daß derselbe Zweck erreicht werde, wenn der Gebrauch desselben dem freien Willen der Fabrikanten überlassen und diejenigen nur, welche sich eines Fabrikzeichens bedienen wollten, dabei gehörig geschützt werden würden". Dieser Vorschlag wurde mit 21 gegen 16 Stimmen abgelehnt. Dem Gutachten des Staatsrats gemäß wurde der Gesetzentwurf abgeändert und vom König am 3. Juli 1818 genehmigt. Das neue Gesetz8 verpflichtete (§ 1) alle Besitzer von Eisenhütten in den östlichen Provinzen der Monarchie, das Stabeisen mit einem Fabrikzeichen zu stempeln, das vom Ministerium für jede Hütte genehmigt und öffentlich bekanntgemacht werden mußte (§§ 2, 3). Sowohl das Unterlassen der Bezeichnung (§ 4) als auch das Benutzen eines anderen als des genehmigten Fabrikzeichens (§ 5) ·sollte mit Sanktionen belegt werden. Nach dem lokrafttreten des Gesetzes galt es zunächst, sämtliche Fabrikzeichen zu sammeln und festzustellen. Dies geschah dadurch, daß man die von den Regierungen eingerichteten Listen verglich und in einer "Nachweisung sämtlicher in der Preußischen Monarchie befindlichen Stab-Eisenhütten-Werke und deren Fabrik-Zeichen" vereinigte. Die meisten dieser Fabrikzeichen stammten aus den Regierungsbezirken Liegnitz (25), Erfurt (41) und Oppeln (über 78). In der Folgezeit, namentlich nach 1830, wurde diese Sammlung durch zahlreiche Neugenehmigungen ergänzt, die wiederum in erster Linie aus dem Oppelner Bezirk herrührten9 • Durch die zahlreichen neuen Zeichen war bis zum Jahre 1832 die Übersicht so erschwert worden, daß 7 So das Votum des Staatsrats Ferber v. 5. III. 1818. a Vgl. Anm. 1. 9 Das Verfahren war demjenigen der Erstgenehmigungen angenähert.
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4. Kap.: Entwicklung in Preußen
man sich zur Veröffentlichung eines revidierten Verzeichnisses10 entschloß, das jenem von 1821 entsprach. Schon bald nach dem Erlaß des Gesetzes wurden über dessen Ausdehnung auf die westlichen Provinzen die zuständigen Regierungen gehört11 ; sie erklärten sich einmütig dafür1t. Auch das Staatsministerium stimmte im Dezember 1820 zu19, hielt allerdings die Einführung nicht für notwendig, da die westlichen Provinzen nicht wie die östlichen mit schlechtem Eisen überschwemmt würden; es entschloß sich gleichwohl zur Befürwortung aus Rücksicht auf die in den Regierungsvoten angesprochenen Wünsche der Interessenten. Verwirklicht wurde dieser Beschluß indes nicht. Offenbar wurden die Pläne verdrängt durch die Diskussion über das Verlangen nach einem weiterreichenden Zeichenschutz, das vor allem von Solingen und Remscheid ausging. Noch im Jahre 1821 wies das Ministerium den Schwelmer Fabrikanten Brand, der sich über die Nachahmung seiner "Erbzeichen" beschwert hatte, auf die bevorstehende "Emanation" des Gesetzes im Westen hin14. Daß dadurch den Klagen des Brand hätte abgeholfen werden können, ist füglieh zu bezweifeln, gingen seine Interessen wie jene der bergischen Fabrikanten doch weit über den Schutzbereich des Stabeisenzeichengesetzes hinaus. Endgültig aufgegeben wurde der Plan einer Ausdehnung des Gesetzes über die Hüttenzeichen, als im Jahre 1833 der Fürst WittgensteinHohenstein die Einführung eines obligatorischen Eisenzeichens anregte15. Als daraufhin zwei der Referenten in der Abteilung für Handel und Gewerbe den Vorschlag für erwägenswert oder gar nützlich erklärten16, widersprach ihnen Beuth17. to Extraordinäre Beilage zum Amtsblatt der Reg. Oppeln, Stück XXXIII v.1832. tt Schon in der KO v. 3. VII. 1818 war die Aufforderung enthalten, die wesentlichen Reg. zu konsultieren; dies ist geschehen mit Verf. des FinM v . 14. X.1818. 12 Dies ergibt sich aus dem Protokoll des StaatsM v. 20. XII. 1820; näher zu verfolgen sind etwa die Bemühungen der Reg. zu Aachen (Berichte v. 31. XII. 1818 und 6. II. 1819) an Hand ihrer Akten HStA Düss. Reg. Aachen 1641. Für die Regierung Arnsberg berichtet Winkhaus, Schaffen S . 754 f. von ähnlichen Vorgängen. ts Vgl. vorige Anm. 14 Vorstellung Brand, Schwelm, v. 14. VIII. und Reskript v. 29. VIII. 1821. 15 Vorstellung v. 28. I. 1833. t& Vgl. die Marginalien der Referenten Skalley und Westphal. 11 Votum Beuths v. 11. III. 1833.
§ 10.
Recht der bergisch-märkischen Industrie 1815 - 1840
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Sein Votum, das zur Grundlage des Reskripts an die Arnsberger Regierung wurde18, offenbart schlaglichtartig seine negative Haltung zum Zeichenschutz und sei deshalb im vollen Wortlaut widergegeben: "Wir haben bisher nur Fabrikzeichen in Schlesien für Stabeisen ins Leben treten sehen, mit unendlichen Weitläufigkeiten, Abänderungen bei Veränderungen der Besitzer und ohne reellen Nutzen, weil kein Käufer alle Amtsblätter nachschlagen kann, um sich mit allen diesen verschiedenen Zeichen bekannt zu machen. Man darf nur einen Blick in die Nachweisung der auch nicht vollständigen Zeichen dieser Art in der westlichen Monarchie thun, um sich zu überzeugen, welche Weitläufigkeiten und Dilemmata entstehen werden, Zeichen ohne Zahl, die alle verschieden seyn müssen, für den ganzen Staat zu registriren, und alle bei jeder Abänderung und bei jedem Zugange zu vergleichen. Die Bezeichnung durch Zeichen mag in China zeitgemäß seyn; mochte es bei uns seyn, als Westph. alleine gute SoHnger machte und nur Westph. beeinträchtigte, heutzutage bezeichnet Huntsman seinen Gußstahl mit seinem Namen, Rodgers seine kleinsten Seheeren [so] und sie sind darum nicht minder gesuchte Artikel in der ganzen Welt, auch da wo man unsere Sprache nicht lesen kann und für unsere Zeichen gleich ist. Roheisen und Gußwaaren bezeichnen wir auch nur und besser mit dem Namen des Werkes oder des Eigenthümers oder mit beiden. Diese Art der Bezeichnung zu wählen, würde ich dem Herrn Fürsten vorschlagen und überlassen, damit er gutes nachahmenswertes Beispiel gebe." Deutlicher konnte wohl kaum auf den Zusammenhang mit den Problemen des bergischen Zeichenschutzes hingewiesen werden.
§ 10. Die Entwicklung des Fabrikzeichenrechts im hergiseh-märkischen Industriegebiet 1815 - 1840
I. Die Fabrikzeichen-Kommissionen als Obergangslösung 1. Die Solinger Kommission Mehrere1 Solinger Fabrikanten, die sich im November 1815 bei den preußischen Behörden über das Nachschlagen ihrer Fabrikzeichen in der Grafschaft Mark beklagten 2 , mußten sich vom Oberpräsidenten Reskript v. 18. III. 1833. Die Darstellung dieses Paragraphen beruht, soweit anderes nicht ausdrücklich vermerkt ist, auf folgenden Archivalien: HStA Düss. Reg.Düss. 2101 und LA Solingen; ZStA II Rep. 120 D II 232 (1) und (2). Die Akten der Abteilung f. Handel und Gewerbe spiegeln lediglich die Vorgänge zur Entstehung des Düsseldorfer Entwurfs und des rheinisch-westfälischen Sonderrechts nach 1840 wider. Die übrigen einschlägigen Parallelakten, namentlich zur Diskussion um die Solinger Fabrikverfassung, waren im ZStA Hist. Abt. II Merseburg nicht auszumachen. - Zur Literatur vgl. die oben § 4 Anm. 39 und 45 genannten zahlreichen Beiträge; sie erfassen freilich nicht alle Aspekte des Geschehens zwischen 1815 und 1840, da sie - wenn überhaupt - nur die in den Staatsarchiven Düsseldorf und Münster und lokalen Archiven ruhenden Materialien auswerten. 18 1
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darauf hinweisen lassen3 , daß es zum Schutze der "eigenthümlichen Fabrikzeichen in dem ganzen Umfange der königlichen Staaten keines besonderen Gesetzes" bedürfe; zur Begründung verwies man auf den Runderlaß im Falle Jebens4• Mehr Erfolg zeitigte eine zweite Forderung der Solinger Eingabe, die von weiteren Petenten und auch vom Kreisdirektor unterstützt wurde!': die Revision der Zeichenrollen durch einen besonderen Ausschuß aus mehreren im Zeichenwesen erfahrenen Fabrikanten. Diesem Verlangen kam der Düsseldorfer "Gouvernements-Rath"8 nach, obwohl er grundsätzlich der Auffassung war, die Fabrikanten sollten den Schutz ihrer Zeichen im Rechtswege erstreiten. "Zur Beruhigung der Fabrikanten" ließ die Behörde eine Bekanntmachung veröffentlichen, in der unter Hinweis auf die Rundverfügung vom 5. Mai 1815 die einschlägigen Bestimmungen des ALR in Erinnerung gerufen wurden7. Von wesentlich größerer Bedeutung für das Solinger Zeichenwesen war die gleichzeitig verfügte Errichtung einer Zeichenkommission. In neun, später als "Instruktion" bezeichneten Punkten wurden Zusammensetzung und Aufgabenbereich festgelegt~!. Der Kommission, die unter dem Vorsitz der Solinger Bürgermeister tagen sollte, mußten "alle künftig einzuführenden Fabrikzeichen" vorgelegt werden, um eine Prüfung und Publikation zu ermöglichen. Außerdem wurde die Überprüfung "der seit der Aufhebung der Handwerksverfassung eingeführten Fabrikzeichen" angeordnet. Die Ausführung des Erlasses ging zügig vonstatten, obgleich die im April 1816 eingeführte neue Kreiseinteilung die Mitwirkung des Solinger Bürgermeisters erschwertet'. Am 26. Juli wurden vier ordentliche und zwei 2 Vgl. die ergänzende Vorst. W. Köller, Linder, Bick, Theegarten und D. Köller an LR v. 15. VII. 1816. s Verf. an Kreisdirektor v. Elberfeld v. 25. XI. 1851. 4 Vgl. oben § 8 zu Anm. 21 f. 5 Vorstellung der Fabrikanten D. Küller und P. W. Theegarten an Bürgermeister v. Solingen v. 1. II., Kreisdir. anReg. v. 26. II. 1816. e Reg. an Kreisdir. Elberfeld v. 18. III. 1816. - Der "Gouvernementsrat" ist der Vorläufer der späteren Regierung (seit 11. IV. 1816); vgl. Viebahn, Statistik I S. 78. 7 Die Bekanntmachung ist gedruckt in Slg. Rheinprovinz II (1816) S. 86
(Nr. 57).
s Vgl. unten Anhang (II). Die Instruktion v. 18. III. 1816 ist u. a. enthalten in StadtA Solingen LVB 21 Bl. 73; sie ist abgedruckt bei Lidecke, Gewerbegericht S. 61. Das hier angegebene Datum (27. VII. 1816) bezeichnet den Tag der Vereidigung der Kommissionsmitglieder und der gleichzeitig erfolgten Aushändigung der Instruktion. D Bürgermeister Grah hatte seine Vorschläge an den Eibedeider Kreisdirektor geleitet; dem kommissarischen Leiter des neuen Kreises Solingen,
§ 10.
Recht der hergiseh-märkischen Industrie 1815 - 1840
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stellvertretende Mitglieder der Kommission vereidigt10 ; die Regierung bestätigte die Ernennung am 6. August11 • Am gleichen Tage nahm die Kommission ihre Arbeit auf und formulierte u. a. noch einmal, der Instruktion entsprechend, ihre Verfahrensgrundsätze12 : "1. Wer ein neu ersonnenes Zeichen erwerben will, hat sich deshalb mit einem schriftlichen Gesuch an die Commission zu wenden. 2. Die Commission untersucht vermittelst Vergleichung des proponierten Zeichens mit den in den Rollen verzeichneten, ob das erstere zuläßig oder unzulässig ist. 3. Ein proponiertes Zeichen ist unzulässig, sobald es sich schon in den Rollen vorfindet, oder eins angetroffen wird, das ihm auffallend ähnlich ist. In diesen Fällen wird das Gesuch als unstatthaft abgewiesen. 4. Im entgegengesetzten Falle wird das proponierte Zeichen durch den hiesigen Verkündiger und durch die Elberfelder Zeitung dreimal publiziert und außerdem noch an die Gemeindehäuser des Kreises, sowie zu Ronsdorf, Lüttringhausen und Han affigirt. Wird auf die angehängte Aufforderung in einer Frist von 3 Monaten keine Protestaktion eingereicht, so wird sofort zur förmlichen Eintragung geschritten, und dem Erwerber eine, sein Eigentumsrecht erweisende Urkunde ausgefertigt." Die Kommission begann mit der Überprüfung der vom früheren Gerichtsschreiber Marehand in den Jahren 1810 bis 1812 vorgenommenen Eintragungen13 : "Verfassungswidrig" aufgenommene Zeichen wurden gelöscht, zulässige Zeichen erhielten "durch die gehörige Publikation erst ihre Legalität". Bereits im November 1816 war diese "schwierige und mühevolle Arbeit" beendet14• Nunmehr schlug die Kommission vor15, auch die älteren Zeichenrollen zu revidieren und die ca. 3000 bestehenden Zeichen nach einer Prüfung Baron von Voß, waren sie nicht übergeben worden; Voß ergriff daraufhin selbst die Initiative. - Zur Kreiseinteilung vgl. Viebahn, Statistik I S. 83. 10 Ernannt wurden die SoHnger Kaufleute P. Weyersberg und Ch. von Keller, der Kaufmann J. W. Jagenberg Senior zu Clauberg und der Beigeordnete D. Linder von Wald; als Vertreter Weyersbergs wurde der Kaufmann R. E. Kirschbaum und als Vertreter Linders zu Wald der Beigeordnete J. W. Linder zu Merscheid bestimmt. 11 Zu diesen Vorgängen vgl. auch StadtA Solingen LVB 21. 12 "Grundsätze über die Formalitäten der Neuerwerbung" Beilage zum Bericht der Komm. v. 8. VIII.1816; HStA Düss. LA Solingen 665 und Reg. Düss. 2101. Im übrigen vgl. das Protokoll v. 6. VIII. 1816. Die in ein Buch eingetragenen Originalprotokolle befinden sich im StadtA Solingen als H 37 ("Protokolle des für die Verwaltung der Solinger Fabrikzeichen ernannten Ausschusses 1816 - 1817"). 13 Vgl. oben § 4 zu Anm. 72. 14 Komm. an LR v. 14. XI. 1816. 15 Der entsprechende Beschluß wurde von der Komm. z. T. schon auf der zweiten Sitzung v. 13. VIII, z. T. am 24. IX. 1816 gefaßt; vgl. StadtA Solingen H37. 7 Wadle
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der Besitztitel ·in eine neue "General-Rolle" einzutragen; auf diese Weise sollte das Zeichenwesen "auf einen soliden Fuß gebracht werden". Weitere "Propositionen" betrafen die Gebührentaxe und die Anstellung eines Sekretärs, den Entwurf eines Geschäftsregulativs16 und die Grundsätze über die Formalitäten beim Erwerb neuer Zeichen. Die Regierung war mit der Generalrevision einverstanden; die übrigen Vorschläge billigte sie zum Teil erst nach einigen Ergänzungen17• Erst nachdem dies geschehen war, berichtete sie dem Finanzminister19 ausführlich über das Solinger Fabrikzeichenwesen und dessen Schicksal nach der Aufhebung der Zunftverfassung. In seiner Antwort erklärte das Ministerium19, es wolle "die allerdings sehr zweckmäßig erscheinende Anordnung einer besonderen Fabrikzeichen-Commission zu Sohlingen hiermit genehmigen". Bedenken äußerte das Ministerium gegen die Gebührentaxe und die Bestellung eines Sekretärs; auch solle das Regulativ anders gefaßt sein. Das Reskript schließt mit der Aufforderung, die Regierung möge unter Berücksichtigung der vorgetragenen Gründe "einen Endbeschluß fassen und sodann weiter berichten, damit die Sache ihre Erledigung erhalten kann". Zu einem solchen ,;Endbeschluß" kam es nicht. Über die Verbesserung der bemängelten Punkte bestanden zwischen Zeichenkommission, Landrat und Regierung zu unterschiedliche Ansichten, als daß man sich schnell hätte einigen können20• Als schließlich nach langem Hin und He:r-21 die Regierung doch zur Vorlage nach Berlin bereit schien!%, verlangte sie zunächst den alsbaldigen Abschluß der Revisionsarbeiten. Da diese sich jedoch über Jahre hinzogen, blieben die noch strittigen Probleme ungelöst. Überdies traten die Vorschläge der Kommission über ihre Arbeit mehr und mehr in den Hintergrund, als die Neuregelung der Solinger "Fabrik-Verfassung" zur Debatte stand::~. Gleichwohl amtierte die Zeichenkommission noch mehr als zwanzig Jahre. Die ursprünglich als Provisorium konzipierte Anstalt entwickelte Vgl. Anhang III. LR an Reg. v. 18. I.; Reskript v. 3. II. 1817. 18 Reg. an FinM v. 10. IV.l817. 19 Reskript v. 3. V. 1818. 2o Vgl. die Marginalnotiz des zuständigen Referenten Jacobi v. 19. V. Im übrigen Reg. an LR v. 16. IX., Zeichenkomm. an LR v. 14. X.1817; LR anReg. v. 15. !.1818; Reg. an LR 23. I., Zeichenkomm. an LR v. 10. II.; LR an Reg. v. 20. II., Reg. an LR v. 27. X. 1818. 21 Umstritten waren vor allem der Wahlmodus und die Gebührensätze. 22 Reg. an LR v. 27. X. 1818. 1!3 Dazu unten zu Anm. 54 f!. 16
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sich mehr und mehr zu einer festen Institution. Dies war nicht zuletzt deshalb möglich, weil sie Aufgaben wahrnahm, deren Erledigung den meisten SoHnger Gewerbetreibenden unentbehrlich schien. Ihre erste Aufgabe, die Revision der alten Rollen, war 1822 im wesentlichen erfüllt24 • Bis zum 16. August dieses Jahres waren insgesamt 1181 Eintragungen in die neue Messerzeichenrolle%5 vorgenommen worden; für die Klingenzeichen hatte man am 6. März 1822 eine eigene Rolle angelegt26. Daraufhin ordnete der Landrat an, daß neue "Verificationen" alter Zeichen in Zukunft unterbleiben sollten. Die Regierung stimmte zu, wollte allerdings die Wirkung der Präklusion von der "zur höheren Genehmigung vorgelegten Fabrick-Polizey-Ordnung" abhängig machen27. Damit war die Grundlage geschaffen für eine geordnete Weiterentwicklung des Zeichenwesens. Die "normale" Verwaltung, die bisher neben der Revisionsarbeit hergelaufen war, bildete fortan die eigentliche Aufgabe der Kommission: bei der "Legalisation neuersonnener Zeichen" folgte man den 1816 aufgestellten Grundsätzen28 ; gleiches galt für Umschreibungen. Bei "Zeichendefraudationen" und anderen Streitigkeiten konnte die Kommission, der jede richterliche Gewalt abging, lediglich die Parteien vernehmen und gütlich zu vereinigen suchen, oder sie mußte die Entscheidung den Gerichten überlassen. Die laufenden Geschäfte erledigte die Kommission bis zu ihrem Ende. Allzuoft wurde sie freilich dadurch nicht in Anspruch genommen29. LR an Reg. v. 12. li., 16. VIII. und 2. X. 1822. Die von der Kommission angelegte Rolle der revidierten Messerzeichen ist im StadtA Solingen nicht vorhanden; sie wird noch erwähnt im Übergabeverzeichnis der Fabrikzeichenkommission v. 16. I. 1843 (HStA Düss. LA Solingen 372) als neue Messerzeichenrolle mit alphabetischem Register (Nr. 7). Das Nebeneinander von Rolle und Register gleicht vollkommen der Anlage der übrigen von der Kommission gegründeten Rollen, der Klingenzeichenrolle (vgl. Anm. 26) und der Scherenzeichenrolle (vgl. Anm. 30). - Die neue Messerzeichenrolle enthielt im Januar 1828 1195 Zeichen; so ein Vermerk von Hauers in HStA Düss. LA Solingen 372; dieselbe Angabe enthält von Hauers Darstellung über Solingen S. 73. 26 Der erste Eintrag in die jetzt noch im StadtA Solingen (H 29 mit getrenntem Register H 30 b) befindliche Klingenzeichenrolle erfolgte am 6. III. 1822. 27 LR an Zeichenkommission v. 1. X. 1822. 2s Komm. an LR v. 4. III. 1820. Die in den "Grundsätzen" geforderte Publikation neuer Zeichen erfolgte seit etwa 1828 nicht nur in der üblichen Weise durch ein "Publikandum" (vgl. etwa die so genannten Zettel in StadtA Solingen G- 1- 17); man ließ die Neuanmeldung auch im Amtsblatt abdrucken, vgl. etwa die Mitteilung Komm. an Reg. Arnsberg v. 6. IV. (StA Mr Reg. Arnsberg 655). Vermutlich wollte man auf diese Weise §V des Düsseldorfer Entwurfs schon vor seinem lokrafttreten Geltung verschaffen. 24
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7•
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Eine Erweiterung ihres Tätigkeitsbereiches brachte die 1828 eröffnete besondere Rolle für Scheren-Zeichen30, deren Genehmigung von Hauer der Regierung abringen konnte31 • 2. Die Remscheider Kommission Im Remscheider Industriebezirk, wo seit langem der "erbärmliche Zustand" der Cronenberger Zeichenrolle beklagt wurde, strebte man seit 1819 eine Regelung nach dem Solinger Vorbild an. Im März dieses Jahres verlangten 46 Kaufleute und Fabrikanten aus Remscheid und Lüttringhausen32 eine Neuorganisation des Zeichenwesens. Zwei Eingaben einzelner Firmen an die Regierung ließen das verfolgte Ziel noch deutlicher werden: sie kritisierten Vorgänge, in welche Mitglieder des Cronenberger Handwerksgerichts verwickelt waren33• Die Stoßrichtung ist unverkennbar: die Verwaltung der Rolle sollte den bisherigen sogenannten Ratmännem entzogen werden, bei denen es sich um "ein paar Schleiffer von Profession" handle, "welche der Sprachund Schriftkunst nicht einmal so mächtig sind, um ein verständliches Protokoll ausfertigen zu können". In der erwähnten Beschwerdeschrift vom März 1819 heißt es noch deutlicher, die Schleifer hätten "nichts anderes mit der Rolle zu thun ... als- Plus machen!!"; zugleich wurde verlangt, die Verwaltung der Rolle einem gewählten Ausschuß von 2& Für die Jahre 1817 bis 1819 ergibt sich dies aus einer Zusammenstellung über die Einnahmen der Kommission. Die Umschreibungen auf Grund eines Kaufes überwiegen in dieser Zeit bei weitem. In den Jahren danach änderte sich an diesem Verhältnis nur wenig. 1828 wurden drei Zeichen neu eingetragen, 1829 fünf Zeichen umgeschrieben. 1830 bis 1840 wurden in Solingen nur noch sieben Zeichen umgeschrieben und fünf Zeichen neu eingetragen. - Die Einnahmetabellen sind enthalten in HStA Düss. LA Solingen 665 und Reg.Düss. 2193. so Die Scherenzeichenrolle, geführt v. 27. V. 1828 bis 24. VI. 1840, im StadtA Solingen H 31 mit separatem Register H 32. 31 Zunächst verweigerte die Reg. die Bewilligung, da die im Landtagsabschied von 1827 in Aussicht genommene Entscheidung noch nicht getroffen sei; der LR konnte sich indes mit dem Hinweis durchsetzen, daß es bei den bevorstehenden Verhandlungen nur um eine allgemeine Regelung gehe, die besondere örtliche Verhältnisse nicht aufheben würde. Daraufhin stimmte die Reg. der Anlage einer Scherenzeichenrolle zu. Zugleich stellte sie fest, daß, solange nicht ein entsprechendes Gesetz ergehe, die Sicherheit der Zeichen keineswegs verbürgt sei; man sehe deshalb im Aufschlagen des Namens "immer das beste Sicherungsmittel". - LR an Reg. v. 24. XI. 1827, LR an Reg. 8. VI.1828, Reg. an LR v. 24. 1.1828; HStA Düss. Reg.Düss. 2101 und LA Solingen 372. s2 Vorstellung v. 13. 111. 1819. 33 Die Beschwerde D. Krenzlers v. 22. IV. 1819 betraf eine unzulässige Umschreibung, an welcher der Ratsmann A. Piccard beteiligt war; die Beschwerde der Gehr. Mannes v. 21. IV. 1819 galt dem Neuerwerb eines "zu nahen" Zeichens durch den Sekretär des Handwerksgerichts, Marcus; Beleg wie Anm.32.
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Kaufleuten und Fabrikanten anzuvertrauen und den Sitz dieser Kommission nach Remscheid zu verlegen. Die Regierung, die auf diese Weise erstmals von der Existenz der Cronenberger Rolle erfuhr, ließ die immer noch amtierenden Mitglieder des ehemaligen Handwerksgerichts34 weiter fungieren, beabsichtigte aber zugleich, eine Revision der "sehr unordentlich" geführten Rolle einzuleiten36• Eine Reihe von Einzelfragen, wie die eventuelle Verbindung mit der Solioger Rolle, die Bildung des Revisionsgremiums, seine Verfahrensweise und sein Sitz wurden auf einer Deputiertenversammlung am 8. Mai 1820 weitgehend geklärt36, von der Regierung aber nicht mehr im einzelnen behandelt, denn mittlerweile war infolge eines Vorstoßes des Solioger Landrates die Diskussion um das Zeichenwesen in die Auseinandersetzung um weitergreifende Maßnahmen zugunsten der Fabrikverhältnisse eingebettet worden37• Währenddessen führten die Mitglieder des alten Handwerksgerichts die Rolle in der gewohnten Weise bis zum Jahre 1829 weiters. Vgl. oben§ 4 Anm. 46 und 73. Reg. an LR Solingen v. 26. IV. und LR an Reg. v. 24. V. 1819 mit Anlagen. - Cronenberg gehörte zunächst zum Kreis Solingen und wurde erst am 30. X. 1819 dem Kreis Elberfeld zugeschlagen; Viebahn, Statistik I 34 35
s. 83.
sa Auf diesen Verhandlungen wurden folgende Grundsätze ausgearbeitet: die Rolle sollte als selbständige weiterbestehen, aber nach Remscheid verlegt werden. In die Kommission sollten die betroffenen vier Gemeinden (Remscheid, Cronenberg, Ronsdorf, Lüttringhausen) je einen Deputierten entsenden, zu denen der jeweilige Bürgermeister von Cronenberg hinzutreten sollte. Die Zeicheninhaber sollten öffentlich zur Anmeldung und Nachweis ihres Rechts innerhalb einer Frist aufgefordert werden; die vorgelegten Dokumente sollten mit der Rolle verglichen werden; erwiesen sie sich als rechtmäßig, so sollte das Zeichen in eine neue Rolle eingetragen und eine Bescheinigung darüber ausgestellt werden; bestünden Zweifel am Recht des Besitzers oder der Richtigkeit des Zeichens, so sollte der Antragsteller mit Gründen beschieden werden. Die Verhandlung sollte in einem Protokoll festgehalten werden. In der neuen Rolle war für jedes Zeichen ein besonderes Blatt vorzusehen, das Hinweise auf die ältere Zeichenrolle und die Verhandlungsprotokolle sowie einen Originalabdruck des Stempels und eine nähere Bezeichnung des Besitztitels aufnehmen könnte und außerdem Raum für Vermerke der Besitzänderung freiließ. Ein alphabetisches Register sollte das Nachschlagen erleichtern. Zum Ganzen vgl. Reg. an LR Lennep v. 8. XI. 1819; LR an Reg. v. 14. II. 1820 und 23. III. 1820; LR Solingen an Reg. v. 4. III. 1820; Protokoll der Verhandlungen v. 8. III. 1820. - Remscheid, Lüttringhausen und Ronsdorf zählen zum Kreis Lennep, Viebahn, Statistik II s. 20 ff. 37 Dazu unten zu Anm. 54 ff. as Die Einteilung der Rolle in drei Abschnitte für die Cronenberger, Lüttringhauser und Remscheider Zeichen wurde beibehalten. Die Eintragungen, die im Normalfall das Datum, Namen und Wohnsitz des Zeicheninhabers, die Beschreibung des Zeichens und die zu bezeichnende Warengattung umfaßte, sind in der späteren Zeit nicht immer sorgfältig und zum Teil unvollständig vollzogen. Eine Verbesserung wurde in den letzten Jahren allerdings insoweit erzielt, als man von der lange üblichen Beisetzung des
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Der Plan, auch das Remscheider Zeichenwesen durch eine besondere Kommission neu zu ordnen, wurde erst 1828 in die Tat umgesetzt, als das Berliner Ministerium eine Zusammenstellung der Zeichen des Remscheider Distriktes verlangte, und die Regierung in Düsseldorf daraufhin am 17. Juli 1828 die Errichtung einer Kommission, die unter dem Vorsitz des jeweiligen Bürgermeisters von Remscheid tagen sollte, anordnete39. Bereits wenige Wochen später konnten die Mitglieder des Ausschusses (vier aus Remscheid, zwei aus Cronenberg, eines aus Lüttringhausen) ernannt werden40 • Nachdem es gelungen war, die alte Cronenberger Zeichenrolle zu beschaffen41 , einigte sich die Kommission auf eine vorläufige Geschäftsordnung, bestellte aus ihrer Mitte Kassenwart und Sekretär, regelte Verfahren, Termine und Bekanntmachung für die Aufnahme älterer Fabrikzeichen und beschloß den Entwurf eines Reglements für die Verwaltung der Zeichenrolle42• Auf einer späteren Sitzung43 wurden der Wortlaut der öffentlichen Aufforderung festgelegt und Gebührensätze beschlossen, die nicht nur den Fall der Umschreibung in die neue Rolle, sondern auch die für später erwarteten laufenden Verwaltungsvorgänge berücksichtigten44 • Zeichenstempels in Siegellack absah und sie durch den haltbaren SchwarzWeiß-Druck ersetzte. Die Zahl der Eintragungen war nach 1815 nicht allzu umfangreich. So stammen z. B. von den 135 zwischen 1766 und 1829 vorgenommenen Eintragungen der Cronenberger Abteilung nur 20 aus den Jahren nach 1815.Zum Ganzen Witms, Zeichenrolle S. 91 f., 96, 99 ff. au Vgl. unten zu Anm. 95. 40 Der LR von Lennep schlug im Bericht v. 26. VII.1828 im Einverständnis mit dem LR zu Elberfeld (vgl. dessen Bericht v. selben Tag) zu Mitgliedern vor aus Remscheid: die Kaufleute und Fabrikanten P. Brand, F . C. Elbertshagen, P. Müller und W. Hasenclever (als Stellvertreter C. Honsberg, P. Hilger, J. P. Arnz, C. Luckhaus); aus Cronenberg G. Müller und C. Tesche (als Stellvertreter A. Tillmanns u. E. Müller); aus Lüttringhausen: P. Hasenclever (zum Stellvertreter Clarenbach). Die Reg. ernannte die Vorgeschlagenen am 28. VIII. 1828. 41 Die Gehrüder Kronenberg, in deren Haus das ehemalige Handwerksgericht getagt hatte, verweigerten die Herausgabe der alten Zeichenrolle und anderer Akten mit der Begründung, sie hätten noch eine Forderung gegen das Handwerksgericht. Die Überlegungen, ob man die Herausgabe polizeilich erzwingen solle, wurden durch den rheinischen Oberpräsidenten von Ingersleben abgeschnitten; er verlangte auf Vorschlag der Regierung die Anlegung einer neuen Zeichenrolle. Die Kommission stellte indes schon bald fest, daß dies ohne eine Einsichtnahme in die alte Rolle nicht möglich war. Sie sammelte unter den Interessenten Geld und löste die Rolle bei den Gebrüdern Kronenberg aus. - Vgl. hierzu den Schriftwechsel der beteiligten Behörden vom Februar bis Oktober 1829; HSTA Düss. Reg.Düss. 2101; StA Koblenz 403/8201. 42 Protokoll der Sitzung v. 9. IX. 1829. 43 Protokoll v. 12. IX. 1829.
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In diesen Maßnahmen zeichnete sich bereits ab, daß die Remscheider Kommission ihre Aufgabe nicht nur in der einmaligen Aufnahme vorhandener Zeichen sah; sie begriff sich vielmehr - ähnlich wie ihr Solinger Gegenstück - als Dauereinrichtung. Obgleich dies kaum den . Intentionen des Oberpräsidenten und der Regierung entsprach, wurde kein Einspruch dagegen erhoben45• Erst als die Remscheider Kommission im November des folgenden Jahres den Entwurf eines umfassenden Reglements vorlegte, wurde ihr der Bescheid46 zuteil, daß "mehrere Bestimmungen mit dem Wesen eines solchen Regulativs" nicht übereinstimmten, welches nur die Ordnung der Geschäftsführung enthalten dürfe, nicht aber solche Normen, die "erst die höhere resp. allerhöchste Bestätigung" erforderten; deshalb sei es besser, die vorgeschlagenen gesetzlichen Bestimmungen über das Zeichenwesen abzuwarten. Das vorgeschlagene Reglement enthält in der Tat nicht nur Vorschriften über den Geschäftsgang der Kommission, sondern eine Ordnung des gesamten materiellen und formellen Zeichenrechts; sie lehnte sich weitgehend an das Projekt an, welches 1828 für die beiden westlichen Provinzen ausgearbeitet worden war-47 • Ihre originäre Aufgabe, die Vorlage einer revidierten Zeichenrolle, konnte die Kommission erst am 29. März 1834 abschließen: bis zu diesem Zeitpunkt waren 375 Zeichen, darunter bis zu 28 für einen einzigen Anmelder, aus der alten Rolle in die neue übertragen worden48 • In den folgenden Jahren bis 1837 kamen noch sieben neu gewählte Zeichen hinzu; danach nahm die Kommission bis zum 29. Juli 1840 zwar noch Anmeldungen zum Neueintrag und zur Umschreibung entgegen, sie wurden aber nicht mehr ausgeführt49. 44 Neben der Umschreibung alter Zeichen wurde berücksichtigt das Eintragen neuer Zeichen, die Umschreibung bei Ankauf oder Erbschaft, das Nachsehen der Zeichenrolle und die Ausfertigung des Besitztitels. 45 Die Reg. erteilte am 15. II. 1830 eine vorläufige Genehmigung und erstattete gleichzeitig Bericht an den OP. 46 LR Lennep an Reg. v. 23. XII. 1830 mit anliegendem Entwurf der Komm. v. 30. IX.; Reg. an LR v. 9. III.1831; HStA Düss. Reg.Düss. 2193. 47 Der Reglementsentwurf ist im Anhang VI. abgedruckt. Zum Düsseldorfer E (1828) vgl. auch unten zu Anm. 87 ff. 48 Komm. an LR v. 3. V. 1834. Im StadtA Remscheid lagert (als Bestand X B 20) ein .,alphabetisches Namen-Register zu der Fabrikzeichen-Rolle 1831- 1837", das als Zeichenregister der 1828 gegründeten Kommission anzusehen ist. Dem Register entspricht die Aufstellung, welche der Remscheider Bürgermeister seinem Bericht an den LR v. 10. III. 1840 beigelegt hat; HStA Düss. Reg.Düss. 2191. Die gleichzeitig angefertigten Bleitafeln mit Markenabdrücken befinden sich im Remscheider Gewerbemuseum. 49 Die fortlaufend nummerierten Umtragungen Nr. 1 - 353 wurden zwischen dem 31. V. und 7. XII. 1832 vorgenommen, die Nr. 354- 372 im Jahre 1832, die Nr. 373 - 375 im Jahre 1834 - die letzte am 29. III. 1834. Es schließen sich an Neueintragungen aus den Jahren 1834 (Nr. 376- 380, die erste 30. IX. 1834),
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4. Kap.: Entwicklung in Preußen 3. Auseinandersetzungen um die Rechtsgrundlagen der Kommissionen nach 1828
Zur gleichen Zeit, als die Regierung zu Düsseldorf die Remscheider Kommission einrichten ließ und sich dabei auf das Solinger Vorbild berief, entstanden erste Zweifel über dessen rechtliche Grundlagen. Der Solinger Landrat, bei dem die Regierung eine Abschrift der Instruktion vom 18. März 1816 einforderte, war der Ansicht, daß dieses Reglement gültig sei, und daß nur die späteren Ergänzungsvorschläge nicht vom Ministerium genehmigt worden seien. Die Regierung hingegen meinte, daß die Instruktion "wohl nicht die höhere Bestätigung erlangt" habeOO. Später erklärte das Ministerium51 , es könne den Solinger Ausschuß "ebensowenig anerkennen, als die Anordnungen, welche er in Betreff der Zeichenrolle und der Eintragungsgebühren getroffen" habe, und gab der Regierung auf, "ihrerseits nach den nemlichen Gesichtspunkten zu verfahren". Von Hauer, der daraufhin abermals einen umfangreichen Bericht über die Geschichte des älteren Solinger Zeichenwesens und die Bemühungen der vergangenen Jahrzehnte schrieb, wies darauf hin, daß das Ministerium doch selbst die 1818 begonnene Revision durch einen Ausschuß genehmigt habe; diese Kommission habe zwar keine "rechtsbeständigen Folgen" bewirken können, sei aber als "polizeiliche Sicherungsanstalt" für das kommerzielle Eigentum nützlich gewesen. Auch die Regierung hielt es für "nicht wohl thunlich", die Tätigkeit der beiden Zeichenkommissionen zu ignorieren; sie hätten die Lücke der Gesetzgebung füllen müssen, die nach der Aufhebung der alten Handwerksgerichte entstanden und nicht durch Fabrikengerichte geschlossen worden sei. Im übrigen verwies die Regierung auf ihren Bericht vom 12. April1819, nicht aber auf die daraufhin erteilte grundsätzliche Genehmigung2 . Offenbar schien ihr jene Genehmigung, weil die mit ihr verbundenen Auflagen nicht erfüllt waren, nicht tragfähig genug; man war also gezwungen, die nach 1816 getroffenen Maßnahmen sachlich zu rechtfertigen. Der gleichzeitig geäußerte Wunsch, "die Gemüther darüber endlich zur Ruhe zu bringen", ging nicht in Erfüllung. Die Rechtslage blieb in der Schwebe, bis die Zeichenkommissionen infolge der Ablehnung 1835 (Nr. 381), 1836 (Nr. 382) und 1837 (Nr. 383- 384); für die Jahre danach vgl. Protokolle der Fabrikzeichenkommission v. 30. I. 1836 - 29. VII. 1840 im StadtA Remscheid. Zum Ganzen zusammenfassend Wilms, Zeichenrolle s. 96f. 50 Reg. an LR v. 14. X. 1828. 51 Min. an Reg.Düss. v. 24. XII. 1834. Zum folgenden LR an Reg. v. 20. III. 1835 und andere Vorgänge in HStA Düss. Reg.Düss. 2194. 52 Vgl. oben Anm. 19.
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des Entwurfes von 1828 und des Gesetzes vom 4. Juli 1840 ihre Bedeutung verloren. Als die Fabrikzeichen 1842 dann doch wieder in den staatlichen Schutz aufgenommen wurden, standen in den Fabrikengerichten Instanzen zur Verfügung, denen man die Verwaltung der Zeichenrollen übertragen konnte. Nunmehr erging auch ein förmlicher Beschluß zur Aufhebung der Zeichenkommissionen53•
11. Das Zeichenrecht und die geplante Neuordnung der Solinger Fabrikverfassung Ihr Unvermögen, nicht angemeldete Zeichen mit materieller Wirkung zu präkludieren, und auf diese Weise die revidierte Zeichenrolle zu schließen, veranlaßte die Zeichenkommission bereits 1820S4 zu dem Vorschlag, ihr "erweiterte Kompetenz einzuräumen, und namentlich mit der Aufsicht über die Qualitaet der verfertigt werdenden Waaren" zu beauftragen, mithin eine "Waarenschau-Anstalt" einzurichten; sie sei das "einzige Mittel, die Ehre der hiesigen Fabrik und ihren seit Jahrhunderten behaupteten guten Ruf vor dem Untergange zu retten". Landrat von Hauer verschloß sich diesen Wünschen nicht. Die Zeichenkommission war für ihn55 "bis jetzt nur eine für etwaige administrative Ordnung zwar sehr zweckmäßige Behörde, fürs Gesamte aber noch von wenigem Nutzen", da ihr eine "eigene executorische Gewalt und judiciarische Attributionen" fehlten. Die mit der Regelung des Zeichenwesens verbundene Sicherung des "commerziellen Eigenthums" stellte sich dem Landrat nur als ein Teilaspekt "einer gehörig organisirten Fabrik-Polizei" dar. Am 24. September 1820 überreichte von Hauer dem Finanzminister bei dessen Besuch in Solingen ein umfangreiches "Memorial" über die Lage der Solinger Gewerbe56• Der Landrat empfahl besondere Maßregeln nach dem Vorbild des großherzogliehen Dezemberdekrets, damit die im allgemeinen wohltätige- Gewerbefreiheit nicht in gesetzlose Willkür ausarte; drei Voraussetzungen müßten verbessert werden: der kaufmännische Ruhm und Ruf, die gesicherte ökonomische Existenz der Arbeiter und der Absatz. Unter den beiden letztgenannten Aspekten kamen vor allem das Warenzahlen (Trucksystem) und der Zollschutz zur Sprache. In unserem Zusammenhang gewinnen besonderes Interesse die Aussagen über die Pflege von "Ruhm und Ruf", die sich "auf tüchtige Arbeiter ss Reg. an LR Lennep v. 7. XI.1842; HStA Düss. LA Solingen 372. 54 Komm. an LR v. 4. III. 1820. 55 LR an Reg. v. 28. IX. 1820 HStA Düss. Reg.Düss. 2193. sa "Gehorsamstes Memorial, die Lage der SoHnger Gewerbe betreffend" v. 21. IX. 1820; es wird noch am selben Tag an die Reg. Düsseldorf weitergeleitet; vgl. HStA Düss. Reg.Düss. 2101. Hiernach auch die folgenden Vorgänge.
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und aufrichtige Ware" gründeten. Zu diesem Ziel sollten Meisterprüfung, gewerblicher Unterricht, Prämien- und Ausbildungsförderung eingeführt werden und vor allem die Waren-Kontrolle durch ein Schauamt. Diese Anstalt, die eine Schädigung des Gewerbes durch schlechte Ware oder untaugliches Material unterbinde, sei jetzt immer nötiger, da das frühere Vertrauen erloschen sei, das es erlaubt habe, Waren nur auf Zeichen hin und ohne Vorlage von Mustern zu bestellen. Die Schauanstalt könne zugleich das Zeichenwesen beaufsichtigen, "von dem zu einem großen Theile die Sicherheit des commerziellen Eigenthums und Vertrauens und die Erleichterung des Verkehrs" abhänge. Die schon bestehende Fabrikzeichenkommission solle durch eine Behörde ersetzt werden, welche die Funktion einer PrüfungsCommission, eines Schauamtes und eines Fabrikengerichtes im Sinne des Dekretes von 1811 in sich vereinige und als "erste richterliche Instanz mit Polizeigewalt in Handwerkssachen" und als Repräsentationsbehörde des gesamten Gewerbes fungieren könne. Das ,.Memorial" von Hauers und die Vorschläge der Landräte von Elberfeld und Lennep zur Neuorganisation der Cronenberger Zeichenrolle57 veranlaßten die Regierung zu einer grundsätzlichen Erörterung der Frage, durch welche "zeitgemäße und dem Zweck entsprechende Anordnungen" den nachteiligen Folgen der Zunft-Aufhebung abgeholfen werden könne. Sie beschloß schließlich68, von bloß lokalen Verwaltungseinrichtungen abzusehen und eine generelle Regelung auf der Basis des Dekrets vom 17. Dezember 1811 anzustreben. Auf diesem "schon vorgezeichneten Wege" vorzugehen und "die gegebenen, wenn auch nicht zur Anwendung gekommenen gesetzlichen Anordnungen zu benützen", schien ihr zweckmäßiger, als längere Zeit auf den Erlaß eines neuen Gesetzes zu warten. Als die Absicht der Regierung bekannt wurde, reagierten die beteiligten Fabrikanten sehr unterschiedlich59• Im Remscheider Bezirk betonte man, daß ein Fabrikengericht nur "insoferne anwendbar und wünschenswerth sei, als das Eigenthum der Zeichen dadurch gesichert" werde; im übrigen hielt man ein Fabrikengericht für überflüssig, da dieses von der Existenz abhängiger Lohnarbeiter ausgehe, während sich im Remscheider Bezirk nur selbständige Fabrikanten und Kaufleute ohne ein persönliches Verhältnis gegenüberstünden; eventuell entstehende Streitigkeiten könnten vor ordentlichen Gerichten ausgetragen werden. Obgleich man in Remscheid die Wichtigkeit einer 57 Vgl. oben Anm. 34-36. ss Reg. an LR von Elberfeld, Solingen und Lennep v. 9. IV. 1821. 69 Vgl. die Protokolle über die Verh. in Cronenberg v. 30. VII.1821, Remscheid v. 27. VII. und 21. XII. 1821 und die entsprechenden Berichte der jeweiligen Landräte.
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Regelung des Zeichenwesens auch bei dieser Gelegenheit betonte, zog das Desinteresse an einem Fabrikengericht doch die Folge nach sich, daß die Regierung ihre Aufmerksamkeit auf die Solinger Verhältnisse konzentrierte&O. Dort hatte man die anstehenden Fragen gründlich behandelt61 • Besondere Hervorhebung verdient, daß der auf den Solinger Kreis zu beschränkenden "eigentlichen Fabrik-Polizei-Behörde" auch die Sorge für gute Ware und für die "geordnete Existenz und gesicherte Zahlung der arbeitenden Klasse" obliegen sollte. Die Sicherstellung des Eigentums der Zeichen, die nach den Art. 3 und 72 bis 79 dem Fabrikengericht aufzutragen sei, sollte, "um das Zeichenwesen den hiesigen Bedürfnissen in vollkommen gesicherte Ordnung zu bringen", nach einem Reglement erfolgen, das jenem des Gesetzes vom 3. Juli 1818 ähnelte. Der Gebrauch Solinger Zeichen sollte allgemein verboten sein. Sie hätten immer als "Privatzeichen" gegolten, das auch der Ausländer zu achten habe; das gelte auch für den märkischen Fabrikdistrikt, wo jetzt die bedeutendsten Solinger Zeichen "von fast allen Arbeitern und Häusern ungestört gleichsam als Gemeingut nachgeschlagen" würden. Das fehlende Interesse der Remscheider Fabrikanten an einem Fabrikengericht erlaubte es der Regierung, von einer bloßen Modifikation des Dezemberdekretes abzustehen und "für die Solinger Fabrik ein ganz neues Statut zu entwerfen". Sie begründete diesen Entschluß unter anderem mit einem Hinweis auf die Statute der Berliner und der Stettiner Kaufmannschaft62. Obwohl die Regierung die Ausarbeitung eines Statutes nur im Grundsatz genehmigt wissen wollte, schloß sie doch "vorläufig" eine umfangreiche Erörterung des gewünschten Inhalts an. Die "Sicherstellung des Eigenthums an Fabrikzeichen" wird als erster Punkt behandelt; das Hauptgewicht liegt indes deutlich auf der sog. "Fabrik-Polizey-Ordnung", welche die Komplexe Meisterprüfung, Schauanstalt und Warenzahlen umfassen sollte63• Die Antwort des Ministeriums64 war kurz: die Regierung wurde aufgefordert, den Entwurf zu einem Gesetz über die Errichtung der "Collegien der Gewerbsverständigen" einzureichen. Trotz der mehrfachen Vorstöße von Hauers war das Statut erst im Mai 1823 soweit 60 Reg. an HaM v. 13. V. 1822. Ursprünglich hatte die Regierung Fabrikengerichte für Solingen und Remscheid beantragen wollen; Reg. an LR Lennep und Elberfeld v. 26. XI. 1821. 61 Verhandlungsprotokoll v. 8. VIII. 1821 mit Anlage; Bericht des LR Solingen an Reg. v. 31. VIII. 1821. 62 Statut für die Kaufmannschaft zu Berlin v. 2. III.1820; zu Stettin v. 15. XI. 1821. - Vgl. dazu Rönne, Gewerbepolizei II S. 649 ff. 63 V gl. Anm. 60. 64 Min. an Reg. v. 14. X. 1822 HStA Düss. Reg.Düss. 2193.
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ausgearbeitet, daß es in der Behörde beraten werden konnte. Am 3. Dezember endlich legte sie den Entwurf dem Handelsministerium vor65. Entgegen dem offenbaren Wunsche des Ministers knüpfte der Entwurf nicht an der französischen oder bergischen Gesetzgebung an, insbesondere nicht am Dekret vom Dezember 1811. Er schlug vielmehr vor, die "Herstellung eines Korporationsverbandes, welcher ohne Aufhebung der Gewerbe-Freyheit zugleich loser Willkühr wehrt und die Fertigung tüchtiger Waare sichert, zugleich auch alle lokale Eigenthümlichkeiten . .. berücksichtigt". Das Statut hat die meisten Solinger Wünsche aufgegriffen und nur wenige Forderungen, wie z. B. jene nach einer Schauanstalt, abgewiesen. Hier interessiert vor allem der fünfte Abschnitt des Entwurfs, der "besondere Vorschriften über die Sicherung des Eigenthums an besonderen Fabrikzeichen" enthält66. Danach sollten ältere Zeichenrechte lediglich durch eine befristete Offenlegung und Schließung der Rolle endgültig festgestellt werden (§ 48), das "Eigenthum" an neuen Zeichen war abhängig von einer Vorprüfung und Eintragung in die Rolle (§ 49). Das Nachschlagen der "gehörig constatirten Zeichen" sollte mit Sanktionen geahndet werden (§ 52), welche jenen des Art. 76 des Dezemberdekretes von 1811 entsprachen. Neu war der Wunsch, die Herkunftsangabe "Solingen" und "Slgn" in der ganzen Monarchie zu schützen(§ 53); noch strenger, nämlich mit verdoppelter Strafe wollte man den Mißbrauch der Ortsbezeichnung im eigenen Bezirk ahnden (§ 54). Das Handelsministerium lehnte den Entwurf rundweg ab 67 • Er unterscheide "sich im Wesentlichen nicht von einem Zunft-Privilegio, und würde der Gewerbefreiheit ein Ende machen". Seiner Tendenz und Wirkung nach ziele das Statut auf eine "Verminderung der Concurrenz durch schwere Prüfungen und hohe Gebühren zum V ortheil der vorhandenen Meister und Verleger und zum Nachtheile des Aufblühens der Industrie"; deshalb könne es nicht gebilligt werden, "am wenigsten bei einem Fabrikationszweige, der für den Welthandel berechnet" sei. Neben diesem pauschalen Urteil wurde Paragraph für Paragraph des Entwurfs mehr oder weniger eingehend kritisiert. Die Bestimmungen 65 Bericht LR Solingen v. 18. XII. 1822, 8. I., 21. V., 27. IX. 1823; Reg. an HaM v. 3. XII. 1823 mit Anlagen. HStA Düss. Reg.Düss. 2193. Vgl. auch Lidecke, Gewerbegericht S. 64 ff. 6& Vgl. Anhang. 67 Reskript v. 20. li. 1824.
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des fünften Abschnitts bemängelte das Ministerium als nicht gesetzlich begründet, unausführbar oder zweckwidrig68. Der ablehnende Bescheid schließt mit der nicht gerade schmeichelhaften Bemerkung, es bleibe der Regierung überlassen, "nach reiflicher Prüfung der Nützlichkeit eines solchen Statuts" einen "zweckmäßigeren Entwurf" vorzulegen. Die Regierung leitete das Reskript an den Solinger Landrat weiter und erbat von ihm ein ausführliches Gutachten zu den gerügten Punkten611; von Hauer führte den Auftrag erst knapp drei Jahre später aus. Am 6. Januar 1828 überreichte er seine "Bemerkungen" zu der "argen Critik", welche der Entwurf von 1823 im Ministerium gefunden hatte70• Sein Versuch, das Statut zu rechtfertigen, blieb jedoch ohne Erfolg: die Regierung war allenfalls bereit, die bislang unterbliebene Errichtung von Fabrikengerichten nach dem Dekret von 1811 zu befürworten 71 • Damit war der Versuch, das Zeichenwesen im Zusammenhang mit der Wiederherstellung einer zunftähnlichen "Fabrikenverfassung" zu regeln, endgültig gescheitert. In der Zwischenzeit freilich hatte sich auf Veranlassung der Landtage der Rheinprovinz und Westfalens eine neue Möglichkeit eröffnet.
111. Der Diisseldorfer Entwu·r f und die Errichtung der Fabrikgerichte 1. Die Anträge der rheinischen und westfälischen Provinzialstände
Auf den Ständeversammlungen der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen, die beide im Spätjahr zum ersten Mal einberufen worden waren72, kam das Fabrikzeichenwesen gleichermaßen zur Sprache. In Münster ergriff der Vertreter Hagens, der Fabrikant Moritz Heilenheck, am 21. November die Initiative73 ; den Vorstoß in Düsseldorf unternahm der Remscheider Abgeordnete Josua Hasenclever am 28. desselben Monats74• es Weitere Einzelheiten sind im zweiten Teil dieser Arbeit zu behandeln. ee Reg. an LR Solingen v. 3. I. 1825; HStA Düss. Reg.Düss. 2193.
70 LR an Reg. v. 6. I. 1829 mit Anlage: "Bemerkungen zu dem MinisterialRescripte vom 20. Februar 1824 betreffend das für die Eisen- und Stahlfabriken des Solioger Kreises entworfenen Statut v. 3. Dezember 1823"; ebenda. 71 Vgl. die Referentenvoten zu den "Bemerkungen" von Hauers; ebenda. 12 Vgl. Croon, Landtag. 73 Zu den Vorgängen im westfälischen Landtag vgl. den Schriftsatz Heileobecks v. 21. XI. 1826; Ausschußgutachten v. 5. XII. 1826. Verwaltungsarchiv Mr A II 54 und StA Mr OP 2 I 51 Nr. 688. 14 Zu den Verhandlungen im rheinischen Landtag vgl. Archiv der Provinziallandstände der Rheinprovinz Nr.1074 (Akten) und 264 (Protokolle); eine Abschrift des Vortrages Haseneievers befindet sich in den Akten HStA Mr OP 2 I 51 Nr. 688.
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Beide Vorgänge bezogen sich in erster Linie auf den durch die Konkurrenz zwischen der bergischenund märkischen Industrie ausgelösten Zeichenmißbrauch. Während es Heilenheck aber mehr um eine geordnete Festschreibung der "alten Observanz" ging, strebte Hasenclever von Anfang an nach einer umfassenderen Neuregelung. Er konzentrierte sich- im Gegensatz etwa zu Hauers Solinger Projektganz auf das Zeichenwesen, von dem er sich "mehr Gutes für die Fabriken" versprach, "als durch Polizei und sogenannte Schau-Gerichte, weil es der Arbeiter wie der Fabrikherren eigenes Interesse erheischte, ihre Waaren in guten Ruf zu bringen" 75• Hasenclever wollte den Konflikt mit den Fabrikanten der Mark durch eine Kommission lösen lassen, die nicht nur das Zeichenwesen ordnen, sondern auch den Erlaß eines Gesetzes vorbereiten sollte, "welches jeden rechtmäßigen Besitzer in seinem wohlerworbenen Eigenthum schütze und in der gesamten Preußischen Monarchie den Nachschlag verbiete". Die Anträge Heilenhecks und Haseneievers fanden - der erste in leicht erweiterter Form - die Zustimmung der Landtage76 ; auch die Oberpräsidenten der Rheinprovinz und Westfalens, von Ingersleben und von Vincke77, befürworteten die Eingabe78• Anders jedoch reagierte das Innenministerium79• In einem ersten Votum, das Skalley entworfen hatte, wird festgestellt, daß man keineswegs verkenne, wie nötig und nützlich es sei, das Eigentum der Fabrikzeichen zu sichern; das Ministerium glaubte aber, "1. daß die gesetzlichen Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts dasselbe hinreichend schützen; 2. daß die hier vorgeschlagenen Maßregeln unausführbar sind".
Beide Gedanken wurden ausführlich begründet. Zum ersten Punkt wurde festgestellt, auch dort, wo das ALR noch einzuführen bleibe, gewähre bereits das französische Strafgesetzbuch zureichenden Schutz gegen das Nachmachen fremder Fabrikzeichen80 ; da auch bei einer 75 Brief Haseneievers an Vincke v. 17. !.1827 in: Zs. des Bergischen Geschichtsvereins 50 (1917) S. 59- 63, hier: S. 62. 78 Die rheinische "Adresse an des Königs Majestät" v. 22. XII. 1826 auch in Archiv Provinziallandstände Rheinprovinz Nr. 1074. Die westfälische Eingabe v. 15. XII. 1816 auch in StA Mr OP 2/51 Nr. 688 (Konzept). Beide in ZStA II Rep. 120 D II 232 (1). Gedruckte Kurzfassungen bei Rumpf, Landtagsverhandlungen 3. Folge (1828) S. 75, 221. 11 Über Friedrich Ludwig Freiherrn von Vincke, seit 1815 (bis 1844) Oberpräsident der Provinz Westfalen, vgl. Bodelschwingh, Vincke; Treue, Wirtschaftszustände S. 128. Über Karl Heinrich Ludwig von Ingersleben, seit 1816 (bis 1831) Oberpräsident der Rheinprovinz, vgl. ADB 39 S. 736 ff.; 50 S. 669 ff. 78 Ingersleben an InnM v. 3. I. 1827; ZStA II Rep. D II 232 (1). 79 Votum v. 12. I. 1827 ebenda Marginalnotiz v . Schuckmanns; ebenda.
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Revision des Strafrechts ein solcher "Betrug" aufgrund der allgemeinen Gesetze strafbar bleiben werde, seien Sondergesetze "ebenso unnöthig als unpassend". Wörtlich heißt es dann weiter: "Es ist ferner nicht recht abzusehen, warum der Besitzstand bei den westphälischen Eisenfabrikzeichen nicht, wie bei allen übrigen Fabrikzeichen der Tabacks-, Seiden- etc. etc. Fabrikanten, in streitigen Fällen durch den Richter ermittelt werden soll, sondern eine Feststellung im Voraus in Vorschlag gebracht wird. Würde diese wirklich angemessen erachtet, so müßte sie nothwendig nicht bloß für alle Eisenwaaren in Westphalen, sondern auch für die der ganzen Monarchie statt finden, die gleiche Rechte haben; sie müßte ferner consequenterweise nicht bloß für die Eisenzeichen, sondern auch für alle Fabrikzeichen stattfinden." Ausführlicher nahm das Ministerium zum zweiten Argument Stellung. Die Unausführbarkeit sei unabhängig davon, ob die Maßregel nur die westlichen Provinzen und die Eisenfabrikation oder den ganzen Staat und alle Fabriken betreffe. Denn: "In ersterer Hinsicht ist folgendes zu bemerken. Als die Grafschaft Mark und das Herzogthum Berg verschiedene Landesherren hatten, machten beide Landestheile sich kein Gewissen daraus, sich gegenseitig solche Fabrikzeichen nachzumachen, die eines besonderen Rufes genossen. Solche Zeichen bestanden selten in dem Namen des Fabrikanten, sondern waren anderer Art, und da der Handel größtenteils in die Colonien des Spanischen Amerikas durch die Vermittelung Spaniens geführt, auch das Fabrikat häufig für Spanische Waare gelten mußte, so waren die Zeichen danach eingerichtet. . . . Hieraus geht zur Genüge hervor, welchen harten Stand die in Vorschlag gebrachte Commission haben würde. Nicht minder kommt die große Zahl solcher Zeichen in Betracht. In Solingen allein sind bloß für Messer weit über tausend Zeichen in Gange, und bei der zahllosen Menge von Artikeln, die in Mark und Berg allein an so verschiedenen Orten gefertigt werden, erscheint eine solche Stammrolle schon für jene Ländertheile kaum ausführbar, für den ganzen Staat aber ganz abnorm." Die Einrichtung solcher Rollen .sei überdies "schwer vereinbar mit den Simplifikations- und Einspaarungs-Maaßregeln". Das Votum versäumt nicht, einen Weg zur Abhilfe vorzuschlagen: "Völlig überflüssig ist übrigens diese chinesische Bezeichnungsart in den allermeisten Fällen, und der Name des Fabrikanten und sein Wohnort zu substituiren; eine Bezeichnungsart, welche alle jene Weitläufigkeiten überflüssig macht, indem gegen deren Nachahmung die Gesetze schützen. Auch für den auswärtigen Handel haben diese Zeichen einen großen Theil ihrer Wichtigkeit verloren, denn die Erfahrung lehrt, daß Fremde, die sich unserer Zeichen nicht bedienten, uns den Rang abgelaufen haben, und daß wir in den Fall gekommen sind, die Fabrikzeichen des Auslandes nachzumachen." so Art. 142 Code penal wurde erst durch das Gesetz v. 4. VII. 1840 (§ 3 Ziff. 5) aufgehoben; dazu unten § 11 li.
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Diesem Votum widersprachen die übrigen Ressorts nicht grundsätzlich; von Motz, der Finanzminister, gab in einer Marginalnotiz jedoch zu bedenken, daß eine Kommission, wenn sie gleichwohl beliebt würde, dem Oberpräsidenten zu übertragen sei, und lediglich der Justizminister von Danekelmann stellte "zur Erwägung, ob nicht die Analogie des Gesetzes vom 3. 7. 1818 dem Antrage der Provinziallandstände zur Seite stehen möchte"81. Im Staatsministerium82 konnte sich die von der Abteilung für Handel und Gewerbe konzipierte Auffassung durchsetzen. Trotzdem hielt man - wohl um die Gemüter nicht allzu stark zu erregen - eine nochmalige kommissarische Beratung für angebracht. Daraufhin ergingen am 13. Juli 1827 Landtagsabschiede, die ein entsprechendes Verfahren vorsahen83. 2. Der Entwurf der Düsseldorfer Kommission (1828) und seine Behandlung bis 1834
Die Oberpräsidenten in Münster und Koblenz wurden beauftragtM, eine Kommission unter dem Vorsitz Ingerslebens zu bilden; ihre Aufgabe war es, zu prüfen, ob man ein den ganzen preußischen Staat umfassendes "Lagerbuch" brauche, weil die einfache Bezeichnung durch Name und Wohnort nicht hinreichend sei, ob eine Regulierung der bereits vorhandenen Zeichen notwendig sei, ob in Zukunft die Bezeichnung mit Name und Wohnort vorzuziehen oder ob überhaupt ein neues Gesetz auszuarbeiten sei. Außerdem wurden die Oberpräsidenten beauftragt, die Fabrikzeichen für Eisen- und Stahlwaren aufnehmen zu lassen, "damit von dem Gegenstand vollständig Kenntnis genommen werde". Diese, über die Anträge der Landstände weit hinausgreifende Zielsetzung wurde in den betroffenen Kreisen offenbar mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen85• 81 Siehe die Marginalien in ZStA II Rep. 120 D II 232 (1) fol. 8 und 17. 82 Protokoll v. 13. und 14. II. 1828. 83 Der Landtagsabschied für die rheinischen Provinzialstände bei Rumpf, Landtagsverh. 3. Folge (1828) S. 252 f.; ebenfalls in Kamptz, Annalen 1827 S. 695 ff. Der Landtagsabschied für die westfälischen Stände ist im gleichen Tenor, wenn auch kürzer gehalten; vgl. Rumpf, ebenda S. 112 f. und Annalen
s. 577.
84 Min. Reskript v. 14. XI. 1827. 85 Josua Hasenclever, dem Vincke das Reskript und das Votum des Innenministers mitgeteilt hatte, meinte in seiner Antwort, "eine wohlwollende Absicht, die doch allerdings sehr wichtige Sache zu ordnen und ins Klare zu bringen, schein(e) nicht daraus hervorzugehen". Schreiben v. 12. XII. 1827, in StA Mr OP 2/51 Nr. 688.
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Es blieben noch einige Schwierigkeiten86 zu überwinden, bis die Kommission endlich am 10. April1828 in Düsseldorf zusammentreten konnte87• Georg von Hauer, der sich intensiv vorbereitet hatte88, beherrschte die Sitzung; die Beratung folgte seinem Themenkatalog. Die Notwendigkeit eines "gesetzlich geordneten Zustandes" wurde einstimmig als "dringendes Bedürfnis" anerkannt. Zur Frage der Durchführbarkeit wurde auf das Stabeisengesetz verwiesen; die hier vorgesehenen Kontrollen wollte man indes auf Einrichtungen übertragen, welche den örtlichen Bedürfnissen angemessen seien. Die bestehenden Gesetze, die lediglich den risikoreichen Weg eines nachträglichen gerichtlichen Vorgehens vorsähen, reichten nicht aus; man brauche eine "Zwischenbehörde", die Rechte einzelner und der Gesamtheit durch besondere Einrichtungen wahre. Im Verlauf der ersten Sitzung wurde bereits deutlich, daß der Erfolg der Kommission von vornherein durch den Widerstand märkischer Fabrikanten in Frage gestellt war. Schon während der Vorbereitung der Beratungen hatte sich in der Grafschaft Mark die spätere Agitation gegen eine Neuregelung des Zeichenschutzes abgezeichnet;89. Am 5. April, also wenige Tage vor dem Zusammentritt der Düsseldorfer Kommission, gaben zwölf märkische Fabrikanten90 auf einer Versammlung in Voerde eine gemeinsame Stellungnahme ab. Darin wurde auf die erheblichen Nachteile hingewiesen, die entstehen würden, wenn man Zeichen, welche bisher im 86 So war ursprünglich vorgesehen, nicht nur die Eisen- und Stahlwarenfabrikanten, sondern auch Deputierte anderer Gewerbezweige beizuziehen; diese verzichteten jedoch - z. T. schon vor dem Zusammentritt der Kommission - auf ihre Teilnahme. 87 Der Kommission gehörten an: Daniel Peres und Peter Weyersberg aus Solingen, Josua Hasenclever aus Ehringhausen, J. P. Hilger aus Remscheid, Bürgermeister von den Steinen aus Cronenberg, die Fabrikanten Christian Dahlenkamp und Eduard Elbers aus Hagen, Carl Spannagel aus Voerde; der Seidenfabrikant Sirnon aus Elberfeld, die Tuchfabrikanten Solbrig aus Düsseldorf und Johanny aus Hückeswagen. Außerdem waren zugegen von Hauer und schließlich Regierungsrat Pauls als Protokollführer. - Solbrig, Sirnon und Johanny, die als "Committirte der Woll- und SeidenManufakturen sowie der Messingfabriken" auftraten, verließen die Versammlung, nachdem sie erklärt hatten, daß für ihre Fabrikate die Bezeichnung mit Name, Firma, Wohnort und Nummer genüge und daß "das Bedürfnis eines beschützenden Gesetzes nicht vorhanden sey". Sitzungsprotokoll u. a. in StA Mr OP 2/51 Nr. 688. 88 Dies zeigen seine Notizen in HStA Düss. LA Solingen 667. Auch Ingersleben hatte sich, wie die Akten StA Koblenz 403/8201 zeigen, Gedanken über den Gang der Diskussion gemacht. 89 Vgl. LR Hagen an Vincke v. 24. XII. 1827 und 24. II. 1828 StA Mr OP 2/51 Nr. 688; der letzte Bericht ist mit zahlreichen kritischen Bemerkungen Vinckes versehen. eo Protokoll der Verb. v. 5.1V. 1828, ebenda.
8 Wadle
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Märkischen frei und ungehindert geschlagen worden seien, zum Privatgut einzelner erkläre und diese dadurch auf Kosten des Ausgeschlossenen begünstige; man verlangte, daß es jedem Fabrikanten "unbedingt frey gestellt" werde, "jedes erdachte oder noch zu erdenkende Zeichen, gleichviel, ob in- oder ausländische, nach Gutdünken zu schlagen, und der Fantasie seiner Commitenten oder ihren Vorurtheilen zu folgen". Wer sich Ruf erwerben wolle, solle seine Firma verwenden, an anderen Namen als der eigenen Firma solle niemand ein ausschließliches Recht erwerben können, damit ein Mißbrauch, wie er jetzt im Bergischen stattfinde, verhindert werde. Als der Hagener Vertreter in der Düsseldorfer Kommission, Elbers, diese Ansichten vortrug, stieß er natürlich auf starken Widerstand. Man verwies nicht nur auf die Mängel eines Firmenzeichens, sondern stellte auch fest, daß gerade das "Gemeinmachen" hergiseher Zeichen den eigentlichen Grund für die Notwendigkeit einer Revision des Zeichenschutzes abgebe. Daß in dieser Situation, in der sich die Fronten auf beiden Seiten verhärtet hatten, ein Ausweg gefunden wurde, ist in erster Linie von Hauer zu verdanken. Er war der Überzeugung, daß Gebrauch und Nachahmung hergiseher Privatzeichen in der Grafschaft Mark "positiv gesetzwidrig" waren, nachdem diese in das Großherzogtum einbezogen und damit denselben Gesetzen unterworfen worden war. Gleichwohl verkannte er nicht, daß der rechtlose Zustand wirtschaftliche Fakten geschaffen hatte, die man ohne allzu große Eingriffe nicht mehr korrigieren konnte. Von dieser Position ausgehend gelang es dem Landrat, die Deputierten nach der ersten offiziellen Sitzung zu einem Kompromiß zu bewegen. Man begnügte sich damit, "das factisch bestehende gesetzlich zu regulieren"; diese Regulierung sollte "mit möglichster Schonung" der mittlerweile eingetretenen Besitz- und Eigentumsrechte ausgeführt werden. In acht Punkten wurden die anstehenden Konkurrenzprobleme grundsätzlich gelöst: den märkischen Fabrikanten wurde der Fortgebrauch ihrer eigentümlichen und der bislang gemeinen Zeichen zugestanden; diese Rechte sollten jedoch in einer abschließenden Weise in eine neue für die Zukunft allein geltende Ordnung eingebettet sein. Der Kompromiß wurde am folgenden Tag in die offizielle zweite Sitzung der Kommission eingebracht. Man beschloß daraufhin sofort, von Hauer mit der Redaktion eines Statutenentwurfs zu beauftragen. Am Tage danach wurde dieser Entwurf vorgelegt und mit Zusätzen und Modifikationen einstimmig gebilligt. Das Ergebnis wurde festgehalten als "Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Fabrikzeichen für die Eisenund Stahl-Gewerbe in den Rheinisch-Westphälischen Provinzen"tlt,
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Der Entwurf enthält neben der am Vortage erarbeiteten ÜbergangsregeJung (§§ XVI - XX) eingehende Bestimmungen zum Zeichenannahmeverlabren (§§IV- XI, XV), zur Veränderung und Dauer des "Zeicheneigenthums" (§§ XII, XIV) und seines Schutzes (§ XIII). Hervorzuheben sind schließlich die beiden grundsätzlichen Eingansnormen: Nach §I stand es jedermann "ohne weitere Formalität" frei, Name, Firma und Ort als eine durch die "allgemeinen Gesetze" geschützte Warenbezeichnung zu gebrauchen. Auch die Verwendung eines "beliebigen Zeichens zur Unterscheidung von ähnlichen Fabrikaten anderer Anstalten" sollte dem freien Entschluß der Fabrikanten, Kaufleute und Arbeiter der Stahl- und Eisenfabrikation anheimgegeben sein(§ II). Außer dem Entwurf beschloß die Düsseldorfer Kommission noch eine Reihe von Empfehlungen; sie wünschte, daß schon am 15. April mit der Vorbereitung einer Sammelliste der Fabrikzeichen begonnen werde, und sprach sich für die Errichtung dreier Zeichenbehörden aus, eine für die Grafschaft Mark in Hagen und zwei für den bergischen Bezirk in Solingen und Remscheid. Weitere Empfehlungen betrafen den Wahlmodus zur Besetzung der Zeichenbehörde und die Errichtung von "Conseils de prud'hommes" nach dem Dezemberdekret von 1811. Während die beiden Oberpräsidenten92 den Entwurf und die Arbeit der Kommission begrüßten, ging das Ministerium nicht auf die angesprochenen Sachfragen ein113 ; Beuth verlangte, einem entgegengesetzten Wunsche Vinckes widersprechend, abermals die Aufnahme der Fabrikzeichen um die Ausführbarkeit der vorgeschlagenen Maßregeln beurteilen zu können. Die Fertigstellung der Listen war nicht überall so einfach zu bewältigen wie in Solingen, wo man eine Abschrift der revidierten Zeichenrolle anfertigen ließ und nach Berlin sandte94• Im Remscheider Bezirk mußte man erst eine Behörde schaffen, die zur Aufnahme der Zeichen in der Lage war; dies geschah nach dem Vorbild der SoHnger Kommission am 17. Juli 1828. Der Arbeit dieser neuen Remscheider Kommission stellten sich jedoch zahlreiche Schwierigkeiten in den Weg, so daß die Revision erst 1834 abgeschlossen werden konnte95• Vgl. Anhang (V.). Ingersleben an Min. v . 18. IV. 1828 mit Anlagen; Vincke an Ingersleben v. 21. V. 1828; vgl. auch StA Koblenz 403/8201. 93 Vgl. die Marginalnotizen zum Bericht Ingersleben und Ministerialreskript v. 14. VI. 1828; auch StA Mr OP 2 I 51 Nr. 688. 94 Die Solinger Rollenabschrift wurde schon am 2. XII. 1828 nach Berlin abgesandt; StA Koblenz 403/8201. In den Akten der preußischen Ministerien war die Abschrüt nicht zu ermitteln. 95 Vgl. zu Anm. 41. 91
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4. Kap.: Entwicklung in Preußen
Die Aufnahme der Zeichen im märkischen Bereich ging zwar schneller vonstatten: schon im August 1828 konnte der Kreissekretär Baedeker ein erstes noch unvollständiges Register aufstellen; zum Jahresende 1829 waren die notwendigen Ergänzungen beschafft96• Diese Aktivität fachte den Widerstand vieler märkischer Fabrikanten gegen den Zeichenschutz erst recht an. Man protestierte förmlich gegen die Anlage des Registers, da man glaubte, durch die Aufzeichnung in seinen "wohlerworbenen Rechten und Freiheiten" beeinträchtigt zu werden. Man kritisierte die Düsseldorfer Verhandlung, auf der die Fabrikanten der Grafschaft nur ganz unzureichend vertreten gewesen seien, und verlangte eine "Revision des ganzen Verfahrens". Am wirksamsten dürfte indes eine unmittelbar an das Ministerium gerichtete Petition gewesen sein; in ihr wurde der Zeichenschutz als der Gewerbefreiheit zuwiderlaufend und als Eingriff in die "seit unvordenklichen Jahren besessenen Freiheiten im Gebrauch der Fabrikzeichen" beklagt; es liege "außer der Absicht und dem Interesse der westphälisch-märkischen Fabrikanten, ... mit den rheinischen und bergischen ... sich auf eine desfallsige Vereinigung einzulassen"9 7. Es braucht kaum betont zu werden, daß die Vorstellungen aus der Grafschaft Mark die grundsätzlich ablehnende Haltung der Abteilung für Handel und Gewerbe nur bestärken konnten. Die Reaktion der bergischen Fabrikanten ließ nicht lange auf sich warten. Josua Hasenclever verfaßte eine Eingabe, die er von den "respektabelsten Häusern" unterzeichnen ließ. Er veranlaßte von Hauer, ein ähnliches Gesuch von Solingen aus abgehen zu lassen, und gab seine Petition seinem Freund Vincke zur Kenntnis mit dem Bemerken, wenn dies alles nicht helfen sollte, würden die Landtage noch einmal sprechen müssen98• Das Ministerium versprach den Remscheidern ebenso, wie dies den märkischen Fabrikanten gegenüber geschehen war, eine sorgfältige Prüfunt19 ; dazu sei es aber erforderlich, daß jede Meinung Gehör finde. ohne Beschuldigungen ausgesetzt zu sein, wie sie in der Remscheider 96 LR Hagen an Vincke v. 19. VIII. 1828; Vincke an InnM 6. I. 1830; auch StA Mr OP 2/51 Nr. 688. Von einer "Fabrikzeichenkommission", die denjenigen in Solingen oder Remscheid vergleichbar wäre, kann nicht die Rede sein; gleichwohl wird dies vielfach angenommen, vgl. etwa Kurek in GRUR 38, 29 und ders. in Archiv 61 S. 737. 97 Vgl. Vorstellungen v. 8. VIII. 1828 an LR von Hagen, Petition v . 16. VII. 1828 an Min. 98 Siehe die Briefe Haseneievers an Hauer v. 7. X. und 10. X.; Eingabe Remscheider Fabrikanten v. 10. X. 1828. HStA Düss. LA Solingen 372, StA Mr OP 2/51 Nr. 688, ZStA II Rep. 120 D II 232 (1). 99 Antworten v. 15. und 17. X. 1828.
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Eingabe enthalten seien. Eine Entscheidung in der Sache blieb freilich solange ausgesetzt, bis die vom Ministerium geforderten Listen eingesandt worden waren. Während diese Arbeiten noch im Gange waren, hatte man in Solingen neue Hoffnung geschöpft. Als Beuth im Juni 1829 nach Solingen kam100, gelang es dem Landrat, ihn von der Notwendigkeit eines Reglements für die bergischen und märkischen Fabrikzeichen zu überzeugen. Allerdings machte Beuth seine Zustimmung wiederum von der Nachweisung der vorhandenen Zeichen abhängig101. Ein Jahr später war die Angelegenheit immer noch nicht weiter gediehen. Von Hauer versuchte daraufhin - letztlich ohne Erfolg eine neue Entschließung des rheinischen Landtages herbeizuführen102. Ein weiterer Versuch im Jahre 1833 führte zu dem gewünschten Ergebnis: der vierte Landtag trat seinem Vorschlag bei und richtete eine Adresse an den König1o3. Im Ministerium stellte man bald darauf fest, daß eine Sammlung der Remscheider Zeichen immer noch nicht vorlag. Wiederum erging eine entsprechende Aufforderung, diesmal an den rheinischen Oberpräsidenten von Pestel, der seit 1833 als Nachfolger Ingerslebens amtierte104. Das Ministerium verlangte nicht nur die Remscheider Zeichenliste, sondern eine Abschrift sämtlicher Fabrikzeichenrollen. Im November 1834 konnte der Oberpräsident endlich abschließend berichten und die Remscheider Rolle vorlegen105. Mit dem Reskript, das diese Aktivitäten ausgelöst hatte, hatte das Ministerium dem Düsseldorfer Entwurf seine volle Aufmerksamkeit zugewendet. In den Jahren zuvor hatte man das Zeichenwesen nicht vergessen, sondern in einem anderen Zusammenhang behandelt: nämlich mit der Auseinandersetzung um die Errichtung von Fabrikengerichten. 100 Vgl. Brief von Hauers an Vincke v. 30. VI. 1829, StA Mr OP 2 I 51 Nr. 688. 101 InnM an Reg.Düss. v. 3. X . 1833, HStA Düss. Reg.Düss. 2193. 102 Das Plenum billigte die von Hauer unterbreiteten Anträge, sie wurden aber auf Betreiben des Oberpräsidenten nicht weitergeleitet, Rhein. Provinzialarchiv Köln Nr. 266, 269 und 1074. 103 Vgl. die "übersieht über die unerledigten Gegenstände" und die Eingabe des Landtags v. 12. XII. 1833; Rumpf, Verhandlungen 11. Folge (1836) S. 320, 330 f. - Protokoll des 4. rhein. Landtages S. 35, 101 f., 250, auch Rhein. Provinzialarchiv 272 und 1074. 104 Min. an OP Pestel v. 6. IV. 1834. 1os Auf Verlangen Pesteis stellten auch die Regierungen Aachen, Köln, Trier und Koblenz "Zeichenlisten" auf; der OP übersandte sie am 3. XI. 1834 mit der Abschrift des Remscheider Registers und einer Ergänzung der Solinger Rollen dem Min.; auch StA Koblenz 403/8201.
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4. Kap.: Entwicklung in Preußen 3. Der Zeichenschutz und die Pläne zur Errichtung von Fabrikengerichten (1828 - 1834)
Nachdem die Regierung 1828 abermals vorgeschlagen hatte, Fabrikengerichte im Sinne des Dezemberdekretes von 1811 zu errichten, mußte der Solinger Landrat sehr bald feststellen, daß man im benachbarten Remscheider Bezirk keine "Fabrikengerichte mit allgemeinen Attributionen" wünschte. Die Remscheider Fabrikanten beharrten auf ihrem schon 1821 geäußerten Standpunkt und befürworteten lediglich den baldigen Erlaß des von der Kommission entworfenen Fabrikzeichengesetzes106. Die Angelegenheit blieb daraufhin längere Zeit liegen. 1830 wurde durch eine beim Ministerium eingereichte Vorstellung zweier Solinger Fabrikmeister die Diskussion um die Fabrikverfassung erneuert107. Sie drehte sich im wesentlichen um dieselben Punkte, die man schon sieben Jahre zuvor zu lösen versucht hatte: das Fabrikengericht als Aufsichtsorgan, die Meisterprüfung, die Billigung eines bestimmten Lohnsatzes und das Warenzahlen (Trucksystem). Von Hauer erreichte, daß man den Entwurf von 1823 nur gering modifizierte und insbesondere die Bestimmungen über das Fabrikzeichenwesen ausklammerte, da insoweit der Entwurf der Düsseldorfer Kommission als ausreichend erscheine. Den neuen "Entwurf eines Statuts für die Corporation des Eisen- und Stahl-Fabrikgewerbes zu Solingen" 108, der keine näheren Normen über das Zeichenwesen enthielt, lehnte das Ministerium rundweg ab109, Wenig später gab das Ministerium den Auftrag, für Solingen ein "Fabrikengericht" nach dem bergischen Dezemberdekret zu errichten110; die Regierung sollte ein Statut vorlegen, das "von dem materiellen Gehalte" jenes Dekrets nicht abweichen durfte1u:. 10e Reg. an LR Solingen v. 10. V.1828; LR Solingen anReg. v. 26. VII.1828 mit Anlagen (Schreiben LR Elberfeld an LR Solingen v. 21. VII. 1828); Reg. an LR Solingen v. 2. X.1828; LR von Lennep an Reg. v. 17. XI.1828 und LR Elberfeld an Reg. 25. XI. 1828. Zum Ganzen HStA Düss. Reg.Düss. 2193. 101 Min. an Reg.Düss. v. 21. VIII. 1830 und die weiteren Vorgänge nach HStA Düss. Reg.Düss. 2193. Die Petition war ausgegangen von den Solingern Peter Wolferz und Isaac Clauberg. - Zur Diskussion um das Trucksystem vgl. auch Anton, Fabrikgesetzgebung S. 135 ff., bes. 139 ff. 1os Reg. an Min. v. 19. II. 1831. - Die entscheidenden Verhandlungen wurden am 27. XI.1830 auf einer Konferenz in Düss. geführt. Von Hauer faßte die Ergebnisse in einem Entwurf zusammen, der vom Referenten der Regierung, Jacobi, überarbeitet wurde. 109 Min. an Reg. Düss. v. 14. VII. 1831. 110 Reskript v. 22. IX. 1831. 111 Im Regierungsbezirk Arnsberg waren bereits im Vorjahr Fabrikengerichts-Deputationen eingerichtet worden, die u. a. zuständig waren für "Streitigkeiten der Fabrikanten unter sich wegen Nachschlagen von Fabrik-
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In Solingen hatte man jedoch an einem derart in seinen Kompetenzen beschnittenen Fabrikengericht kein Interesse. Von Hauer kam der Aufforderung, einen Entwurf einzureichen, dennoch nach; zugleich forderte er die Promulgation des 1828 entworfenen Gesetzes zum Zeichenschutz112• Obwohl die Regierung diesen Plänen zustimmte113, verzögerte sich ihr Bericht nach Berlin längere Zeit; man verwies darauf, daß die bloße Errichtung von Fabrikengerichten beim bergischen Gewerbestand nur auf wenig Interesse gestoßen sei, weil man befürchte, daß viel wichtigere Übelstände, nämlich das Verbot des Warenzahlensund die Ordnung des Fabrikzeichenwesens, nunmehr unerledigt bleiben könnten. Ohne die Beseitigung dieser beiden Hauptgebrechen werde auch das gewünschte Fabrikengericht nicht die notwendige Anteilnahme des Gewerbestandes finden. Die Regierung überreichte die vom Landrat gewünschten Modalitäten des Dezemberdekrets, fügte eigene Vor-:stellungen hinzu und faßte das Ergebnis in einem Verordnungsentwurf über die Errichtung eines Fabrikengerichts in Solingen zusammen. Darin wurde eine gesetzliche Regelung des Zeichenwesens ausdrücklich vorbehaltenll-'. Das Ministerium erklärte sich115 "zwar im Allgemeinen mit den Vorschlägen einverstanden", wollte indes festgestellt wissen, ob die Errichtung des Fabrikengerichts bei der Mehrzahl der Gewerbetreibenden wirklich "keine Theilnahme" finde; einen notwendigen Zusammenhang zwischen der Einführung des Fabrikengerichts und der Regelung des Warenzahlensund des Zeichenwesens vermochte das Ministerium nicht zu billigen; es bemerkte jedoch zur ersten Frage, daß man noch verhandle; zur Entscheidung der zweiten Frage hielt man abermals die vollständige Nachweisung der gebrauchten Fabrikzeichen für nötig. Gleichwohl merkte das Ministerium an, daß schon die vorläufigen Übersichten zweifeln ließen, ob das vorgeschlagene Gesetz auf die ganze Monarchie ausgedehnt werden könne. zeichen"; vgl. Amtsblatt Reg. Münster v. 6. II. 1830 und Lidecke, Gewerbegericht S. 81. 112 Vgl. den Bericht von Hauers an Reg. Düss. v. 15. V. 1833 mit Anlagen. 113 Konzept des Berichts vom 24. IX. 1832, in HStA Düss. Reg.Düss. 2193. 114 Die Bestimmung sollte lauten: "In Betreff der Erwerbung und Verwaltung eigenthümlicher Fabrikzeichen werden besondere gesetzliche Bestimmungen und Vorschriften ergehen, welche demnach zu befolgen sind. Unterdessen hat das Fabrikengericht gleich nach seiner Einstellung die Geschäfte der zu diesem Behuf früher angeordneten und gleichzeitig aufzulösenden Zeichen-Kommission zu übernehmen und einstweilen nach den für diese früher ertheilten Vorschriften fortzuführen. Die Bestimmungen des 7ten Abschnitts des gleichen Inhalts (Artikel 72 - 79 und 127) des vorbezogenen Gesetzes bleiben demnach außer Wirksamkeit." 116 Reskript v. 3. X. 1833.
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4. Kap.:
Entwicklung in Preußen
Die Regierung fand in ihren anschließenden Ermittlungen das geringe Interesse an einem Fabrikengericht bestätigt und schlug deshalb vor, diese Frage auszusetzen und zunächst über die "vermißten gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf die gewerbliche Polizei", namentlich zum Warenzahlen und zum Zeichenwesen zu entscheiden. Das Ministerium erklärte sich einverstanden116• Bis zur Entscheidung über den Düsseldorfer Entwurf vergingen freilich noch einige Monate. 4. Die Ablehnung des Düsseldorfer Entwurfes Das Ministerium hatte schon im Mai 1834 festgestellt117, daß "das, was die Kaufleute in Solingen und der Landrat des Kreises unter der Benennung eines Gesetzes zum Schutz der Fabrikenzeichen verlangen, ... diesen Namen nicht" verdiene; daß die Angelegenheit noch nicht geregelt sei, liege allein daran, daß man sich nicht auf den Schutz der Firma beschränke, sondern ein "ausschließliches Recht" auf "jedes beliebige Zeichen" verlange. Wenn die Regierung von einer "billigen und rechtsgrundsätzliehen Forderung" spreche, so sei sie entweder nicht vollständig unterrichtet oder verschließe ihre Augen absichtlich, "um die brodneiderische Eifersucht zwischen den bergischen und märkischen Stahlarbeitern zugunsten der ersteren dienstbar zu sein"; es seien aber die märkischen Fabrikanten "nicht minder Unterthanen Seiner Majestät", wie könne man es der Staatsverwaltung zumuten, "das Übergewicht der bergischen Fabrikanten durch ein AusnahmeGesetz zu verstärken, um desto sicherer den märkischen Mitbürger zu schwächen?". Diese Zurechtweisung, vermutlich von Beuth veranlaßt, konnte nicht unwidersprochen bleiben; eine Beschwerde des Höhscheider Gemeinderats über die Höhe der Gebührensätzelts bot die willkommene Gelegenheit, den "grellen Äußerungen"tt9 zu begegnen: man wünsche in Solingen letztlich nichts anderes, als die schon im Dekret von 1811 enthaltenen Grundsätze den veränderten Verhältnissen anzupassen und durch den Gesetzentwurf "in ein systematisches Ganzes" zu bringen; es seien keine strengeren Grundsätze aufgestellt als jene des Reskripts im Falle Jebens vom 5. Mai 1815 und des Stabeisenzeichengesetzes von 1818. Zur Konkurrenz mit der märkischen Industrie machte sich die Regierung die Ansicht von Hauers zu eigen, der die Reg. an Min. v. 13. III., Reskript v. 5. V. 1834; HStA Düss. Reg.Düss. 2194. m Vgl. die vorige Anm. 118 Reg. an Min. v. 24. XI. 1834; im übrigen HStA Düss. Reg.Düss. 2194 und LA Solingen 667. tto So Hauer in seinem Bericht an Reg. v. 8. VII. 1834, HStA Düss. Reg. Düss. 2194. 116
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Unterstellungen des Ministeriums als "ebenso kränkend als unwahr" bezeichnet hatte; es gehe nur darum, zum beiderseitigen Vorteil die beklagenswerten Folgen des in der Mark herrschenden rechtlosen Zustandes unter Berücksichtigung der faktischen Lage zu beseitigen; der Ausgleich solle ohne Monopole und Privilegien, sondern durch die Sicherung des "bestehenden oder wohlerworbenen Eigenthums in seinen symbolischen Zeichen" hergestellt werden. Beuth wollte diese Gründe nicht gelten lassen120 ; insbesondere sei das Reskript vom 9. Mai 1815 auf Grund einer anderen Gesetzgebung ergangen und stelle "bloß eine Meinung" dar, nicht aber eine "Norm für ähnliche Verhältnisse"; auch auf das Gesetz über die Hüttenzeichen könne man sich nicht berufen, da es dort nur um ein einziges unabänderliches Zeichen gehe. Damit ließ das Ministerium seine Kritik jedoch nicht bewenden: es bestritt auch die Legalität der bisherigen Fabrikzeichenkommissionen und machte damit vollends deutlich, wie der Beschluß über den Düsseldorfer Entwurf lauten würde. Die Entscheidung fiel bei der Vorbereitung des fünften rheinischen Landtages; daß die Entscheidung negativ ausfallen würde, war nicht nur den bisherigen Reskripten, sondern auch dem Landtagsabschied für den vierten Landtag zu entnehmen121 • Die abschließende Beratung wurde in einem von Rother, damals Chef der Verwaltung für Handel, Fabriken und Bauwesen, unterzeichneten Votum an das Staatsministerium vorbereitet122• Das Gutachten stellte gleich zu Beginn die historisch begründeten gegensätzlichen Interessen der bergischen und märkischen Fabrikanten heraus; in vereinfachender Weise wurde die Vorstellung vom Eigentum oder Alleinrecht an Zeichen dem Herzogtum Berg, das Recht der freien Zeichenwahl aber der Grafschaft Mark zugeordnet; dabei blieb unerwähnt, daß man auch in der Mark früher Eigentumsrecht an Fabrikzeichen gekannt hatte und auch im bergischen Bereich Freizeichen geläufig waren. Unter den eigenti~en Gründen für die Ablehnung d~ angetragenen Gesetzes sind alle jene zu finden, die uns schon in der vorbereitenden Korrespondenz begegnet sind: so etwa der Hinweis auf den schon vorhandenen Schutz der Firmenbezeichnung, die Weitläufigkeit und den Verwaltungsaufwand, die Notwendigkeit einer Ausdehnung auf den ganzen Staat, die große Zahl der Zeichen.
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Reskript v. 24. XI. 1834.
Kamptz, Annalen
S. 70 (Nr. 31).
1836 S. 479 f.; auch: Der vierte rheinische Landtag
122 Votum v. 16. II. 1836. Über Rother und seine Tätigkeit als "Chef der Handelsverwaltung" vgl. ADB 29 S. 133.
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4. Kap.: Entwicklung in Preußen
Das Staatsministerium machte sich die Ablehnung zu eigen, und der König bestätigte sie am 7. September 1836123• Man nahm sie in das Propositionsdekret für den rheinischen Landtag auf124. 5. Die Fabrikengerichte und das Zeichenwesen (1838 - 1842) Obgleich es nirgends erforderlicher war als in Solingen, das "notwendige Band unter der fahrleierenden Klasse seiner Einwohner wieder herzustellen, welches durch die Aufhebung der Zünfte mit deren Mißbräuchen zugleich zerrissen worden" sei125, wurde nicht hier, sondern in Gladbach das erste neue Fabrikengericht errichtet126• Als man 1838 an die Gründung entsprechender Gerichte in Solingen und anderen bergischen Städten heranging, stellte sich naturgemäß auch wieder die Frage, ob man, wie im Dezemberdekret von 1811 vorgesehen, auch das Fabrikzeichenwesen regeln solle. Die Regierung wollte diesen Problemkreis aussetzen und erst nach der Errichtung der neuen Gerichte wieder aufgreifen; das Finanzministerium erklärte sich einverstanden127. Die betroffenen bergischen Fabrikanten waren jedoch anderer Ansicht. In Solingen hatte man für den Fortbestand der einschlägigen Bestimmungen des Dekrets plädiert128 ; Remscheid wollte ganz entsprechend der schon 1821 eingenommenen Haltung von einem Fabrikengericht ohne Kompetenzen im Zeichenwesen nichts wissen129. Der Versuch, in die Regulativentwürfe zeichenrechtliche Bestimmungen aufzunehmen, seien es einfache Vorbehalte130, seien es ausdrückliche Zuständigkeitsklauseln131, scheiterte. Keine der vorgeschlagenen Normen wurde vom Ministerium in die endgültigen Regulative für die Fabriken123 Vorlage an den König v. 7. VIII. 1836; KO v. 7. IX. 1836. tu Beschluß des StaatsM v. 9. Okt. 1836. 12s Reg. an FinM v. 25. III. 1839; HStA Düss. Reg.Düss. 2194. Eine fast wortgleiche Formulierung ("moralisches Band") begegnet schon in einer Verfügung an den Solinger Landrat vom 22. VIII. 1834. 12o Rönne, Gewerbepolizei I S. 66. 127 Reg. an Min. v. 25. III. Reskript v. 5. V. 1839; HStA Düss. Reg.Düss. 2194. 12s LR an Reg. v. 22. Sept. 1838. 120 Votum des Remscheider Handelsvorstandes v. 6. V. 1839; Vorlage des Bürgermeisters v. Remscheid v. 10. III. und LR Lennep anReg. v. 20. III. 1840. HStA Düss. LA Lennep 282 und Reg.Düss. 2191. 130 In den Entwurf wurde nachträglich noch folgende Bestimmung aufgenommen: "Diejenigen Bestimmungen des Dekrets vom 17. XII. 1811, welche das Eigenthum von Messer- und Fabrikzeichen betreffen, bleiben vorläufig und bis auf weitere Erörterung suspendiert. Das Fabrikengericht wird für etwa zeitgemäße Modificationen derselben Vorschläge machen." Gleiche Normen sollten die Entwürfe für Barmen und Remscheid enthalten. Zum Ganzen HStA Düss. Reg.Düss. 2171, 2191, 2194. 131 So der abgeänderte Entwurf für Remscheid; Reg. an Min. v. 20. III.1840.
§ 11.
Strafschutz und Gesetz vom 4. Juli 1840
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gerichte übernommen, auch nicht in jene für Solingen und Remscheid132 • Als die Bildung dieser Gerichte angeordnet wurde, war die umstrittene Zeichenfrage bereits entschieden: das Gesetz vom 4. Juli 1840 war vorbereitet und erlassen worden, ohne den Gewerbestand oder die Behörden der westlichen Provinzen noch einmal angehört zu haben.
§ 11. Der strafrechtliche Zeichenschutz und das Gesetz vom 4. Juli 1840 I. Die Entwürfe zum Strafrecht und das Strafgesetzbuch vom 14. April1851
So unangefochten die vom Ministerium bekundete Ansicht1 gewesen sein mochte, daß der Mißbrauch von Warenbezeichnungen in jedem Falle bei der Revision des Strafgesetzbuches berücksichtigt werden würde, so schwer war dieses Vorhaben angesichts der verwickelten strafrechtsdogmatischen Probleme2 durchzuführen. Der auf den Vorarbeiten der Jahre 1827-1829 beruhende Entwurf von 18303 behandelt den Mißbrauch von Kennzeichen auf Waren in mehreren Bestimmungen; sie betreffen zum Teil "öffentliche Stempel und Merkzeichen" (2. Titel, 12. Abschnitt, §§ 16, 17), zum Teil "angenommene Waarenstempel", "Namen und Merkmale anderer Fabrikanten oder Kaufleute" und private "Zeichen und Proben" für Waren bestimmter Art und Güte (§ 24). Die revidierten Entwürfe von 1833 und 18364 wollten nur den betrüglichen Mißbrauch bestimmter "Waarenstempel" und "Merkmale" mit Strafe belegen: "Ebensos sind diejenigen zu bestrafen, welche die von Fabrikanten, Produzenten oder Privatschauvereinen mit Genehmigung der inländischen Obrigkeit angenommenen Warenstempel nachahmen und betrüglich ge132 Solinger Regulativ vom 31. X. 1840; Remscheider Regulativ vom 18. XI. 1840. Abgedruckt in Sammlung Rheinprovinz VII S. 220 ff. und 237 f. 1 Vgl. oben § 8 zu Anm. 31.
2 Auf sie ist im zweiten Band unserer Untersuchung näher einzugehen; vgl. vorerst die Hinweise unten § 36. 3 Entwurf eines Strafgesetzbuches für die preußischen Staaten (1830). Zur Geschichte der preußischen Strafrechtsreform ausführlich Temme, Lehrbuch S. 49 ff., v. Hippel, Strafrecht I S. 314 ff.; weitere Hinweise bei Naucke, Betrug S. 70 mit Anm. 2 und 3. 4 Revidierter Entwurf des Strafgesetzbuches für die kgl. Preußischen Staaten (1833) § 503. Im Entwurf gleichen Titels von 1836 ist diese Norm gleichlautend als § 628 enthalten. s Die vorangehenden Bestimmungen bedrohen mit Arbeitshaus von 3 Monaten bis 4 Jahren und zugleich mit Geldbuße von 10 bis 100 Talern den betrüglichen Gebrauch von Maß und Gewicht (§ 502) und die Warenverfälschung (§ 503).
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4. Kap.: Entwicklung in Preußen
brauchen, oder welche ihre Waaren mit den, von der inländischen Obrigkeit ausdrücklich genehmigten, Merkmalen anderer Fabrikanten, Produzenten oder Kaufleuten betrüglich bezeichnen." Nachdem das Gesetz vom 4. Juli 1840 den Strafschutz auf die Bezeichnung "mit dem Namen oder der Firma und dem mit dem Wohnoder Fabrikorte" beschränkt hatte6 , richteten sich die Strafgesetzentwürfe der vierziger Jahre an dieser Entscheidung aus. Die Immediatkommission des Staatsrates hielt in ihrem 1843 veröffentlichten Entwurf zwar noch an der Bestimmung des revidierten Entwurfes fesF; aus den Beratungen des Staatsrates ging jedoch ein neuer Entwurf hervor, der über die "Fälschung von Waarenbezeichnungen" folgenden § 474 vorsah8 : "In Ansehung der Fälschung von Waarenbezeichnungen, welche nicht mitte1st öffentlicher Siegel oder Stempel bewirkt sind, hat es bei dem Gesetze vom 4 ten Juli 1840 sein Bewenden. Sind dergleichen Bezeichnungen mitte1st öffentlicher Siegel oder Stempel bewirkt, so tritt nach Beschaffenheit des Falles die im § 450 No. 3 oder die im § 472 bestimmte Strafe ein9.'' Ähnlich verfuhren auch die anderen Entwürfe der Jahre vor 185010• In die Regierungsvorlage von 1851 11 nahm man schließlich folgenden § 247 auf: "Wer Waaren oder deren Verpackung fälschlich mit dem Namen oder der Firma und mit dem Wohn- oder Fabrikort eines inländischen FabrikUnternehmers bezeichnet, oder wissentlich dergleichen fälschlich be6 Vgl. unten zu Anm.18 ff. Bereits am 6. VI. 1835 war der Schutz öffentlicher Zeichen gesetzlich geregelt worden (Pr. Ges.Slg. 1835 S. 19). Die Verwendung des königlichen Wappens war bereits am 16. X.1831 durch eine KO untersagt worden (Ges.Slg. 1831 S. 247). 7 Entwurf eines StGB für die Preußischen Staaten, festgestellt durch die Immediatkommission des Staatsraths, 1843. s Entwurf eines Strafgesetzbuches für die preußischen Staaten nach den Beschlüssen des Königlichen Staatsrathes, Berlin 1843. 9 § 472 bedrohte den "rechtswidrigen Gebrauch" öffentlicher Siegel, Stempel usw. mit "Gefängniß nicht unter sechs Wochen oder mit Strafarbeit bis zu fünf Jahren". 1o Der revidierte Entwurf (1845) arbeitet die Strafnorm des Gesetzes von 1840 in den Titel "Verbrechen der Gewerbetreibenden" ein als§§ 352, 353; der "Entwurf des Strafgesetzbuches für die preußischen Staaten ..." (Berlin 1847) enthält keine besondere Bestimmung über den Zeichenschutz; der zugehörige Entwurf eines Einführungsgesetzes hält dementsprechend(§ II Ziff.10 und 15) die Gesetze von 1835 und 1840 aufrecht. - Anders verfahren hingegen die späteren Entwürfe, besonders der Entwurf von 1848 (§ 185) und der darauf aufbauende "Entwurf eines allgemeinen deutschen Strafgesetzbuches" (Art. 191), der 1849 im pr. JusM ausgearbeitet worden ist. In beiden Entwürfen fehlt freilich die Reziprozitätsklausel, welche im Entwurf 1845 bereits enthalten ist (§ 356). Vgl. auch unten § 27 zu Anm. 2. 11 Entwurf des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1851 (mit Motiven).
§ 11. Strafschutz und Gesetz vom 4. Juli 1840
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zeichnete Waaren in den Verkehr bringt, soll mit Geldbuße von fünfzig bis zu eintausend Thalern, und im Rückfalle zugleich mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft werden. Dieselbe Strafe tritt ein, wenn die Handlung gegen die Angehörigen eines fremden Staats gerichtet ist, in welchem nach publizirten Verträgen oder Gesetzen die Reziprozität verbürgt ist. Die Strafe wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß bei der Waarenbezeichnung der Name oder die Firma, und der Wohn- oder Fabrikort mit geringen Abänderungen wiedergegeben werden, welche nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können."
Diese Norm ging mit nur unbedeutenden redaktionellen Abänderungen als§ 269 in das "Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten" vom 14. April1851 12 ein. In den amtlichen Motiven heißt es lapidar: "Die vorstehende Bestimmung ist aus dem Gesetze vom 4. Juli 1840 übernommen". Es sollte nur die Gefängnisstrafe auf den Rückfall beschränkt werden. II. Das Gesetz vom 4. Juli 1840 und seine Suspendierung in den westlichen Provinzen Die Abteilung für Handel und Gewerbe dachte, nachdem das Ergebnis der Dresdner Zollvereinskonferenz vorlag, zunächst gar nicht an den Erlaß eines besonderen Gesetzes zum Schutz der Warenbezeichnung. Die gegenwärtige Gesetzgebung galt ihr nicht als Hindernis für den Abschluß von Gegenseitigkeitsabkommen; man müsse sie nur modifizieren, um den Schutz auf ausländische Warenbezeichnungen ausdehnen zu können. Die Neufassung des Zeichenschutzes wollte die Abteilung der allgemeinen Revision des Strafrechts überlassen13• Wenige Wochen später hatte man sich dann doch zum Erlaß einer speziellen Ordnung entschlossen14• Im Juni 1839 äußerte Beuth dem Justizminister gegenüber, er halte es für besser, "die gedachte gesetzliche Bestimmung schon jetzt zu emanieren und nicht damit bis zur Publikation des Strafgesetzbuches zu warten, weil ein Bedürfnis dazu schon gegenwärtig vorhanden . . . und jene Publikation in der nächsten Zeit doch nicht zu erwarten" 12 An die Stelle des Gesetzes von 1835 (oben Anm. 6) traten die Übertretungstatbestände § 340 Nr. 3 und 4. 13 HaM an JusM v. 5. I. 1839; ZStA II Rep. D II 233 (1). Dieser Akte sind auch die folgenden Belege (Anm. 14 - 18) entnommen. 14 Zu diesem Meinungsumschwung kam es nach dem Eingang der Antwort des JusM (5. III. 1839), das sich mit einer Änderung der §§ 627, 628 rev. StGB-E. einverstanden zeigte. Ein danach erteiltes Votum des Geheimen Oberfinanzrats A. v. Pommer-Esche (v. 25. V.) setzt bereits den Entschluß zum Erlaß einer besonderen Verordnung eine Ausländerklausel nach dem Vorbild des Gesetzes gegen den Nachdruck v. 11. VI. 1837 (§ 38) aufzunehmen.
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sei. Das Justizministerium war damit einverstanden und stimmte auch dem gleichzeitig vorgelegten Entwurf eines gemeinsamen Votums an das Staatsministerium zu15• Der entscheidende Schritt war damit getan. Versucht man dem Anlaß für das Vorgehen der Abteilung Beuths nachzuspüren, so sieht man sich auf die bereits erwähnte Vorstellung der Dresdner Zichorienfabrikanten Jordan & Timaeus verwiesen. Sie war dem Finanzministerium kurz nach dessen erster Note an den Justizminister übergeben worden16. Bei der hierdurch veranlaßten nochmaligen Überprüfung des geltenden Rechts scheint man zu dem Ergebnis gekommen zu sein, daß eine Anpassung der eigenen Gesetze an die Dresdner Vereinbarungen unumgänglich war, bevor man an den Abschluß von Reziprozitätsabkommen herangehen konnte. Eine Reziprozität auf Grund des § 1451 II 20 ALR galt als nicht praktisch durchführbar, da dieser auch den Schutz "anderer Merkmale" erfasse; eine solche Ausdehnung setze jedoch, wie die französische und hergisehe Gesetzgebung zeige, eine allgemeine Zeichenrolle voraus, deren Führung in einem großen Staate unmöglich sei; es komme deshalb gegenwartig nur auf den Erlaß einer Verordnung an, welche die fälschliehe Bezeichnung mit dem Namen oder der Firma und der Ortsangabe
schütze17•
Der Entwurf einer "Verordnung betreffend den Schutz der WaarenBezeichnungen", der auf Grund dieser Argumente ausgearbeitet und dem König vorgelegt wurde18, sah deshalb eine Beschränkung auf die nominativeMarkevor (§ 1): "Wer Waaren fälschlich mit dem Namen oder der Firma und dem Wohn- oder Fabrikorte eines inländischen Kaufmanns, Fabrikanten oder Produzenten bezeichnet, oder dergleichen fälschlich bezeichnete Waaren wissentlich in den Verkehr bringt, hat auf das Anrufen desjenigen, dessen Name oder Firma gernißbraucht ist, eine Geldstrafe von fünf bis fünfzig Thaiern oder im Unvermögensfalle verhältnismäßige Gefängnißstrafe verwirkt, vorbehaltlich der im Falle eines Betruges etwa eintretenden höhern Strafe, so wie vorbehaltlich des Schadens-Ersatzes an den Beschädigten." Nach § 2 des Entwurfes sollten diesen Schutz auch die Angehörigen derjenigen Staaten genießen, mit welchen "besondere ReciprocitätsVerträge dieserhalb abgeschlossen werden". Der Staatsrat19, an welchen der Entwurf überwiesen wurde, ließ seine Entscheidung durch ein gemeinsames Votum der Abteilungen für Beuth an JusM v. 26. VI., Antwort JusM v. 14. XI. 1839. Vgl. auch oben Anm. 13. 17 InnM undJusMan AußenM v. 13. Vl.1839. 18 FinM an StaatsM v. 7. XII. und dessen Immediatvorlage v. 30. XII. 1839 mit Anlagen. 15 18
§ 11.
Strafschutz und Gesetz vom 4. Juli 1840
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Innere und Justizangelegenheiten vorbereiten; dieses wiederwn basierte auf zwei Referentenvoten: für die Abteilung des Innern hatte der Geheime Oberfinanzrat von Patow2° diese Aufgabe übernommen, für die Justizabteilung der Geheime Obertribunalrat Karl Friedrich Eichhorn, der Mitbegründer der Historischen Rechtsschule21 • Patow trug das Gutachten der Abteilungen am 15. Mai im Plenum vor. Das Ergebnis der anschließenden Beratungen, eine modifizierte Fassung des Entwurfes, wurde am 4. Juli 1840 vom König vollzogen. Schon bei einem ersten Vergleich des Gesetzes mit der Vorlage des Staatsministeriums wird deutlich, welche gravierenden Veränderungen der Staatsrat veranlaßt hat. Während die Ausländerklausel in kürzerer Fassung als § 4 übernommen wurde, lautete die grundsätzliche Vorschrift des § 1 nunmehr: "Wer Waaren oder deren Verpackung fälschlich mit dem Namen oder der Firma und mit dem Wohn- oder Fabrikorte eines inländischen FabrikUnternehmers, Produzenten oder Kaufmanns bezeichnet, oder wissentlich dergleichen fälschlich bezeichnete Waaren in den Verkehr bringt, hat, insofern damit nicht ein schweres Verbrechen verbunden ist, Gefängnisstrafe, welche die Dauer eines Jahres, und zugleich eine Geldbuße, welche die Summe von Eintausend Thalern nicht übersteigen darf, verwirkt; es kann jedoch in geringfügigen Fällen oder bei besonders mildernden Umständen bloß auf Geldbuße erkannt werden." Sie wurde ergänzt durch folgenden § 2: "Diese Strafe (§ 1) wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß bei der Waarenbezeichnung der Name oder die Firma und der Wohn- oder Fabrikort mit geringen Abänderungen wieder gegeben werden, welche nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können. Ob ein solcher Fall vorhanden sei, hat der Richter zu ermessen, welchem überlassen bleibt, das Gutachten von Sachverständigen einzuholen." Die Abweichungen von der Vorlage haben unterschiedliches Gewicht. Die Einbeziehung der auf der Verpackung angebrachten Zeichen war schon bei den Dresdner Beschlüssen angesprochen, im Entwurf aber schlicht vergessen worden. Den Vorbehalt des Schadensersatzes hatte man gestrichen, weil ihn Eichhorn für überflüssig hielt; denn eine strafbare Handlung ziehe schon nach Tit. 6 Teil I ALR Ersatzansprüche nach sich. 19 Zum folgenden die Akten des Staatsrats ZStA II Rep. 80 I Innere Angelegenheiten 72 und 72 a. 2o Über Erasmus Robert Freiherr von Patow, seit 1830 Hilfsarbeiter in der Abteilung f. Handel und Gewerbe, seit 1840 Geheimer Oberfinanzrat und Staatsrat, vgl. ADB 52 S. 760 ff. 21 über ihn zuletzt Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte I Sp. 858 ff.
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Der erläutemde § 2 entsprang der Erkenntnis, daß auch bei einer Beschränkung des Schutzes auf nominative Warenbezeichnungen das Merkmal "Fälschlich bezeichnen" problematisch sein konnte. Schon der erste Gutachter, von Patow, machte auf die Frage aufmerksam, ob das Gesetz auch denjenigen einbeziehen sollte, der seine Ware "zwar nicht genau mit dem Namen eines Anderen, aber doch mit einem Namen fälschlich bezeichnet, der mit den Namen eines Andern leicht verwechselt werden kann und von ihm auch ausdrücklich in der Absicht benutzt wird, das Publikum dadurch zu täuschen". Während Patow die Notwendigkeit einer solchen besonderen Ausdehnung bejahte, hielt Eichhom die Bestimmung für unnötig, "daß kleine Abweichungen von der Bezeichnung eines anderen nicht straflos machen sollen, wenn dennoch die Absicht des Verfälschers, den Käufer über den Ursprung zu täuschen, klar vorliegt". Auch die Abteilungen meinten dann in ihrem gemeinsamen Votum, es sei "eine Täuschung des Publikums auch dann möglich, wenn der Name oder die Firma und der Wohn- oder Fabrik-Ort nicht ganz richtig wiedergegeben, z. B. nur einzelne Buchstaben, die auf die Aussprache wenig Einfluß haben, weggelassen, versetzt oder verändert sind"; dennoch glaubte man, es "in jedem einzelnen Fall der richterlichen Beurteilung" anheimgeben zu sollen, ob eine Warenbezeichnung, die der eines anderen Fabrikanten "nicht genau entspricht, dennoch als eine strafbare Nachahmung derselben zu betrachten sey". Freilich wollte man sichergehen, daß die Praxis das Kriterium nicht allzu eng handhabte; deshalb legten die Abteilungen dem Staatsrat folgende Frage zur Entscheidung vor: "Ist es notwendig, in dem Gesetze darüber etwas zu bestimmen, in wieweit dann eine Bestrafung stattfinden soll, wenn Jemand die Waarenbezeichnung eines Andern im Wesentlichen zwar nachahmt, dabei aber unbedeutende Veränderungen des Namens oder der Firma oder des Wohnoder Fabrik-Ortes vornimmt?" Das Plenum des Staatsrats bejahte die Frage nach einer nur kurzen Aussprache; laut Protokoll wurde dazu bemerkt, "eine solche Bestimmung sei notwendig, um eine Umgehung des Gesetzes zu verhindern, da Strafgesetze nur eine stricte Interpretation zulassen, der Richter sich daher nicht für ermächtigt halten werde, auf Strafe zu erkennen, wenn die Nachahmung nur eine unvollständige sei". Man verwies auf Beispiele aus der älteren Gesetzgebung, in welcher man aus gleichen Gründen eine besondere Norm aufgenommen habe22; dasselbe solle auch hier geschehen.
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Einschneidender waren die drei Modifikationen der Grundnorm(§ 1): der Verzicht auf das Antragserfordernis, die Erweiterung der Sanktion nach Art und Höhe und schließlich der allgemeine Vorbehalt schwererer Strafe. In diesen Abänderungen schlug sich die kontroverse Debatte über die rechtliche Qualität des Delikts "Mißbrauch der Warenbezeichnung" nieder. Ihren Ausgang nahmen die Auseinandersetzungen in der dogmatischen Einschätzung des § 1451 II 20 ALR durch das preußische Handelsministerium. Es erblickte in dieser Norm, wie schon die Entscheidung im Falle Jebens zeig~, einen polizeilichen Auffangstatbestand und maß, wie Sanktion und Betrugsvorbehalt im Entwurf zeigen, folgerichtig auch der sie ersetzenden Norm dieselbe Qualität zu. Im Staatsrat konnte sich das Ministerium mit dieser Sicht jedoch nicht durchsetzen. Lediglich Patow vertrat sie. Eichhorn, der Korreferent, schloß sich der Gegenmeinung an, welche§ 1451 als Fall des Betruges ansah, freilich- insoweit ähnelt Eichhorns Meinung der Vorlage- als Betrug gegen den Fabrikanten. Der Korreferent anerkannte zwar den Gegensatz zwischen den §§ 1440-1450 und § 1451; er wollte den letzteren jedoch nicht der Systematik des ALR zuwider aus dem Betrugsbegriff herauslösen: während jene als Betrug gegen das Publikum zu gelten hätten, behandele dieser einen Betrug von einer "anderen Art": "Es ist dabei wohl der Gesichtspunkt aufgefaßt, daß auch bei der fälschlich bezeichneten und überhaupt bei keiner Fabrik eine Garantie darüber bestehe, daß die Waare stets von gleicher Güte sey, und daß der Nachahmer der Firma etc. also nicht deshalb, weil er das Publikum betrügt, sondern nur deshalb bestraft werden könne, weil er um seinen Absatz zu befördern und dadurch einen Vortheil zu erlangen, seine Waare fälschlich und in betrüglicher Absicht gegen den Fabrikanten, dessen Absatz er schmälert, für eine andere ausgegeben hat." 22 Angeführt wurden: das "Gesetz wegen Bestrafung der unbefugten Anfertigung öffentlicher Siegel, Stempel u. s. w." (Ges.Slg. 35 S. 19 ff.), § 5: "Die Anwendung dieser Strafen wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß bei der Anfertigung von Siegeln, Stempeln, Platten, Formen u. s. w. die Merkmale, durch welche die Eigenschaft derselben als öffentliche Siegel, Stempel u. s. w. bedingt ist, abgeändert worden, insofern die Abänderung von der Art ist, daß sie nur bei besonderer sachkundiger Aufmerksamkeit wahrgenommen werden kann." Außerdem aus dem "Gesetz ... gegen Nachdruck und Nachbildung v. 11. Juni 1837" (Ges.Slg. 37, S. 165 ff.), § 23: "Hinsichtlich dieser Verbote §§ 21 und 22, macht es keinen Unterschied, ob die Nachbildung in einer andern Größe als das nachgebildete Werk, oder auch mit andern Abweichungen von demselben vorgenommen worden ist; esseyendenn die Veränderungen so überwiegend, daß die Arbeit nicht als eine bloße Nachbildung, sondern als ein eigenthümliches Kunstwerk betrachtet werden könnte." 23 Vgl. oben§ 8 zu Anm. 19 ff.
9 Wadle
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Die Abteilungen machten sich diese Auffassung schließlich zu eigen, stießen aber in den Beratungen des Plenums auf die Kritik sowohl der Vertreter des Staatsministeriums wie einer überwiegenden zweiten Gruppe, welcher das Abteilungsvotum nicht weit genug ging. Das Staatsministerium, so wurde argumentiert, habe die Handlung, sofern nicht besondere Umstände ihr den Charakter eines Betruges gäben, für ein "Polizeivergehen" angesehen; die fragliche Übertretung sei nicht, wie die Abteilungen meinten, im allgemeinen ein Betrug, mithin ein Verbrechen, sondern nur eine "Anmaßung eines fremden Namens aus Eigennutz"; der Betrug setze, wo es sich, wie hier, um Vermögensrechte handle, wesentlich eine Kränkung derselben voraus, eine solche Kränkung sei hier aber nicht immer vorhanden. In bezug auf den Fabrikanten, dessen Namen und Wohnort unbefugter Weise zur Bezeichnung der Waren gebraucht würde, finde sie nicht statt, wenn die Ware nach Gegenden, wohin derselbe gar keine Geschäfte mache, oder sonst unter Umständen, bei denen die Person der Fabrikanten nicht speziell in Betracht komme, abgesetzt werde, und in bezug auf das Publikum nicht, wenn die fälschlich bezeichnete Ware der echten an Güte nicht nachstehe. Wäre der Verkauf einer solchen Ware an sich ein Betrug gegen das Publikum, so müßte auch der Fall, wenn die Ware mit dem Namen und Wohnort eines ausländischen Fabrikanten fälschlich bezeichnet worden, dafür erachtet werden; dies sei aber selbst von den Abteilungen nicht angenommen. Im übrigen behandle auch § 1451 die Tat nicht als Betrug, sondern als polizeiliche Übertretung; dies entspreche schließlich der Auffassung, wie sie im sächsischen StGB (Art. 252) und in der bayerischen Verordnung vom 6. März 1840 zum Ausdruck gekommen sei, und sei allein mit den Verhandlungen der Generalzollkonferenz vereinbar. Die Gegenmeinung wollte den Mißbrauch einer fremden W arenbezeichnung "unter allen Umständen als .. . Betrug" sehen; das Publikum werde hierdurch betrogen und dem redlichen Fabrikanten nicht nur sein Geschäft geschmälert, sondern sein Fabrikat überhaupt in Mißkredit gebracht. Die Standpunkte waren so verhärtet, daß es nicht gelang, sie anzunähern. Man konnte sich freilich mit einer Entscheidung über die praktischen Konsequenzen (Antragserfordernis, Strafmaß, Vorbehalt) begnügen, da man nicht an die vorgegebenen Schemata gebunden war: der Gesetzgeber konnte die theoretischen Streitfragen insoweit nach seinem Ermessen übergehen. Um den Charakter des neuen Delikts näher bestimmen zu können, sind gerade diese praktischen Konsequenzen näher in Betracht zu ziehen.
§ 11.
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Daß diejenigen Mitglieder des Staatsrats, welche in der neuen Strafnorm ein Polizeivergehen sahen, für das Antragserfordernis eintraten, verstand sich anscheinend von selbst. Sie hielten der Gegenmeinung jedoch noch ein weiteres Argument entgegen: auch dann, wenn man das Delikt als Betrug qualifiziere, sei es keineswegs zwingend, auf das Antragserfordernis zu verzichten. Das Allgemeine Landrecht selbst sehe nur bei qualifiziertem Betrug (§ 1318) eine Verfolgung von Amts wegen vor und lasse sogar davon Ausnahmen zu (§§ 1349, 1352); auch könne nach dem Gesetz vom 11. Juni 1837 die NachbildWlg von Kunstwerken nur auf Antrag verfolgt werden. Schließlich sei eine Untersuchung nur erfolgreich, wenn der beeinträchtigte Fabrikant darauf antrage und die entsprechenden Materialien liefere; eine EinleitWlg ohne Antrag könne dem Fabrikanten sogar nachteilig sein, "indem sie zu Ermittlungen über Fabrikgeheimnisse Anlaß geben könnten, deren Kundwerden die Interessen desselben gefährden". Die Gegner des Antragserfordernisses meinten dazu, der aus dem Vergehen entspringende Nachteil treffe nicht den Fabrikanten allein, sondern auch das "Publikum, welchem eine solche Waare als eine ächte verkauft werde"; darin unterscheide sich die Handlung von allen anderen Antragsdelikten, auch von der unbefugten Nachbildung eines Kunstwerkes, dessen Verfertiger der alleinige Verletzte sei. Von dem Grundsatze, daß die Untersuchung eines Verbrechens von Amts wegen einzuleiten sei, könne es nur Ausnahmen geben, wenn die Nachteile eines Verfahrens ex officio größer als jene seien, welche sich daraus ergeben, daß ein Verbrechen im einzelnen Fall ungestraft bleibe. In der Abstimmung sprach sich eine Mehrheit von 19 gegen 13 Stimmen gegen "dieAusschließWlg des Verfahrens von Amts wegen" aus. Den unterschiedlichen Ansichten über die Qualifikation der neuen Delikte entsprechend waren auch die Meinungen über das richtige Strafmaß geteilt. Eine Lösung bahnte sich an, als "von einer anderen Seite" darauf hingewiesen wurde, "daß die fälschliehe Warenbezeichnung zwar nicht unbedingt für einen Betrug erachtet werden könne, jedoch sehr häufig in dieses Verbrechen übergehe und demselben füglieh so nahe stehe, daß eine feste Grenze nicht gezogen werden" könne; da allmähliche Übergänge stattfänden, könne auch das Gesetz, "ohne in praktische Verwicklungen zu gerathen", nicht nach diesem Kriterium unterscheiden; es sei daher am zweckmäßigsten, dem Richter einen weiten Spielraum zu geben. Für diesen Vorschlag entschied sich eine Mehrheit von 24 gegen 8 Stimmen; man erklärte sich daraufhin einverstanden damit, die Strafe auf das von den Abteilungen vorgeschlagene Maximum zu erhöhen, ein Minimum dagegen nicht festzulegen. 9*
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Dieses Minimum sei, so wurde argumentiert, deshalb erforderlich, da eine fälschliehe Warenbezeichnung auch dann strafbar bleibe, wenn Name und Wohno1·t mit Erlaubnis des anderen verwendet werde, sofern der Verfertiger der Ware nicht bloß im Auftrage jenes anderen gehandelt habe oder sonst das Recht zur Führung überhaupt erworben habe. Diese bloße Erlaubnis schließe die Strafbarkeit deshalb nicht aus, weil nach den gefaßten Beschlüssen die fälschliehe Warenbezeichnung zugleich immer ein Vergehen gegen das Publikum enthalte; allerdings sei diese Handlung letztlich als "Ordnungswidrigkeit" anzusehen, für die eine geringe Strafe ausreiche. Aus ähnlichen Erwägungen verwarf man auch die von den Abteilungen vorgeschlagene unbedingte Kumulation von Geldbuße und Gefängnisstrafe!'. Nachdem mit dem breiten Strafrahmen auch die Fälle betrüglicher Warenbezeichnung erfaßt waren, konnte man den Vorbehalt härterer Strafe allgemeiner formulieren : "... insofern nicht damit ein schwereres Verbrechen verbunden ist ..." Die Betrugsstrafe, welche im Entwurf angesprochen war, bedurfte keiner Erwähnung mehr. Der weite Strafrahmen des neuen Delikts und das Absehen vom Antragserfordernis löste eine für die Geschichte des preußischen Markenrechts charakteristische Wende aus. Die bei der Ablehnung des Düsseldorfer Entwurfes im Jahre 183625 erklärte Ansicht, Zeichenregister für den ganzen Staat seien unausführbar, galt während der Aussprache im Staatsrat als unangefochtenes Dogma. Das Ministerium hatte dennoch die hergiseh-französische Gesetzgebung erhalten wollen. Es glaubte, die Fortdauer des älteren Rechts neben der geplanten neuen Verordnung dadurch rechtfertigen zu können, daß es, dem System des Code penal folgend, das Nachmachen der Fabrikzeichen, da es sich um hoheitlich bestätigte Zeichen handle, als Fälschungsdelikt qualifizierte. Bergische Fabrikzeichen, Hüttenzeichen und Leinwandzeichen stellte das Ministerium in eine Reihe, als es meinte, es sei nicht zulässig, diese "Einmischung der Obrigkeit zu generalisieren"; man wolle den Schutz indes auch nicht beschränken auf die Bezeichnung, welche "von der inländischen Obrigkeit gewährt wird und deren Art. 628 gedenkt"26• 24 Der Entwurf des StaatsM (Dezember 1839) sah eine Geldstrafe bis zu 50 Talern oder im Unvermögensfalle verhältnismäßige Gefängnisstrafe vor. Die Abteilungen des StaatsR verlangten, die Geldbuße auf 10 bis 1000 Talern zu erhöhen und mit einer Gefängnisstrafe von einem Monat bis zu einem Jahr zu verbinden. 25 Vgl. oben § 10 zu Anm. 122.
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Von Patow übernahm diese Beurteilung in sein Votum27• Er unterschied zwar zwischen den Zeichen, welche "zur Beglaubigung einer gewissen Qualität und Quantität der Waare von den Behörden oder ... unter öffentlicher Autorität" angebracht würden und den Fabrikzeichen; die Nachahmung könne aber "nur bei solchen Fabrikzeichen oder Marken strafbar sein, in Betreff derer gewisse Fabrikanten ein obrigkeitlich anerkanntes Recht des ausschließlichen Gebrauchs" zustehe. Auch in den Verhandlungen des Staatsrats wurde diese Beurteilung der hergiseh-französischen Gesetze und des Gesetzes über die Hüttenzeichen vertreten; amtliche oder unter amtliche Garantie gestellte Warenzeichen sollten neben dem neu zu schaffenden Straftatbestand des Markenmißbrauchs fortbestehen können, da sie auf einer anderen Rechtsgrundlage beruhten: "Diese Nachahmung ist ... nicht sowohl wegen der Verletzung des Einzelnen, als wegen der Verletzung der ö f f e n t l ich e n Autorität strafbar." Solchen Bewertungen und damit auch dem Nebeneinander des neuen allgemeinen Rechts und des älteren Sonderrechts wurde durch die Kompromißformel des Staatsrats die Grundlage entzogen. Die Mehrheit wollte das strafwürdige Nachahmen der nominativen Bezeichnung nicht mit geringeren Strafen belegt sehen, als sie Art. 142 Code penal für die Fälschung von Fabrikzeichen vorsah. Nur zwei Mitglieder der Kommission waren anderer Ansicht, sie konnten sich aber weder in den Beratungen der Abteilungen, noch im Plenum durchsetzen. Das Ergebnis war folgender§ 3: "Alle dem gegenwärtigen Gesetze entgegen stehende allgemeine und besondere Vorschriften werden hierdurch aufgehoben, insonderheit: 1. der § 1451. Tit. 20. Thl. II. des Allgemeinen Landrechts, 2. das Gesetz wegen Einführung eines Fabrikzeichens in den Provinzen Schlesien, Posen, Preußen, Westpreußen, Pommern, Brandenburg und Sachsen auf dem daselbst verfertigten Stabeisen, vom 3. Juli 1918, 3. die Artikel 72 bis 79 des für die vormals Bergischen Landestheile ergangenen Dekrets wegen der Einrichtung der Fabrikengerichte vom 17. Dezember 1811, 4. die auf der linken Rheinseite bestehenden Vorschriften: a) des Gesetzes wegen der Manufakturen, Fabriken und Werkstätten vom 22. Germinal des Jahres XI. Artikel16 bis 18, und 26 So FinM an JusM v. 5.1. 1839; ZStA II Rep. 120 D II 233 (2); gemeint ist Art. 628 des E 1836, vgl. oben Anm. 4. 21 Vgl. Anm. 20.
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4. Kap.: Entwicklung in Preußen b) des durch das Dekret vom 20. Februar 1810 in einer abgeänderten Fassung neu publizierten Reglemente für den Rath der Gewerbeverständigen vom 11. Juni 1809 Art. 4-9, und
5. der Artikel142 des Rheinischen Strafgesetzbuchs, soweit er sich. auf fälschliehe Waarenbezeichnungen mitte1st Nachahmung der Siegel, Stempel oder Marken der im § 1. bezeichneten Personen bezieht."
Die Abteilungen hatten aus dem Vorschlag, die französisch-bergischen Gesetze aufzuheben, mehrheitlich die Konsequenz gezogen, den Entwurf zur weiteren Vorbereitung an das Ministerium zurückzugeben; nur zwei Stimmen hatten sich dagegen ausgesprochen und an die in Dresden übernommenen Verpflichtungen erinnert. Im Plenum indessen wurde die Rückgabe von der Ausschußmajorität nicht weiter befürwortet; man hielt die Sache mit Rücksicht auf die älteren Verhandlungen für völlig geklärt. Es scheint jedoch, daß noch ein anderer, vielleicht wichtigerer Grund vorhanden war: man wollte die Provinziallandstände aus der Angelegenheit heraushalten. Die ausführliche Debatte über die Einschaltung der Landstände, welche die Aussprache des Plenums eröffnet und eine sehr entschiedene Stellungnahme des Finanzministers gegen eine Vorlage an die Stände provoziert hatte, läßt diesen Schluß wohl zu. Der Verzicht sowohl auf die Rückgabe an die Ministerien als auch auf eine Einschaltung der Landstände belastete die tatsächliche Wirksamkeit des Gesetzes zum Schutz der Warenbezeichnungen von Anfang an, kam er doch für die rheinische Indust·rie vöUig überraschend. Insbesondere die Interessenten im vormaligen Herzogtum Berg hatten immer noch mit einer Neuregelung des überlieferten Zeichenwesens gerechnet. Die Reaktion auf das neue Gesetz ließ nur wenige Wochen auf sich warten28• Am 22. September bat die Remscheider Fabrikzeichen-Kommission, den Schutz der Fabrikzeichen wenigstens für den Remscheider Bezirk dadurch zu erhalten, daß man entsprechende Bestimmungen in das Statut des zu errichtenden Fabrikengerichts aufnehmen würde. Die Regierung Düsseldorf lehnte jedoch die Vorlage nach Berlin ab mit dem Hinweis, sie wisse mit Bestimmtheit, "daß die hohen Ministerien auf einen derartigen Antrag nicht eingehen würden"•. 28 Die folgende Darstellung beruht, soweit nichts anderes ausdrücklich vermerkt wird, auf den Akten ZStA li Rep. 120 D l i 232 (2). 29 Kommission an Reg.Düss. v. 23. IX., Reg. an Komm. v. 6. X.1840. Die bei Kelleter, Henckels S. 171, erwähnte Empfehlung Gottfried Henckels, Berlin, v. 2. Il. 1841 konnte also nicht mehr so viel bewirken, wie Kelleter meint. Angesichts der im folgenden näher ausgeführten Aktivität von Remscheider Seite, muß auch der von Lidecke (Gewerbegericht S. 94) noch besonders hoch veranschlagte Beitrag der SoHnger Zeicheninteressenten in einem anderen Licht gesehen werden.
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Die Remscheider Kommission wandte sich daraufhin direkt an das Ministerium und wiederholte ihre Bitte. In der Antwort wurde der Kommission jede Existenzberechtigung abgesprochen; die von ihr erwähnten älteren Verordnungen seien durch das Gesetz vom 17. Dezember 1811 aufgehoben und somit "die rechtliche Existenz eines sogenannten Handwerks-Gerichts oder einer Zeichen-Behörde" beendet worden; der nach genauer Erörterung der Verhältnisse getroffenen Entscheidung des Königs hätten sich auch die Antragsteller zu unterwerfen und infolgedessen die angebliche bisherige Wirksamkeit einzustellen. Denselben barschen Ton mußten auch andere Remscheider Petenten erfahren30• Man ließ sich durch diese Fehlschläge in Remscheid jedoch nicht entmutigen. Am 3. Februar 1841 richteten mehrere Fabrikanten eine neue Eingabe direkt an den König. Wenige Tage später folgte eine weitere Vorstellung an den Finanzministeru, in welcher die Unterzeichneten erklärten, sie würden sich "mit Freuden, wie es getreuen Unterthanen geziemt, jenem Gesetz unterwerfen"; ihre Bitte richte sich nicht gegen das Gesetz, sondern ziele zum Schutz der eigentlichen Fabrikzeichen auf eine "Lokalverordnung", die neben jenes Gesetz treten solle. Da nun auch der König mit der Angelegenheit befaßt war und eine gutachtliche Äußerung anforderte, konnte das Ministerium eine ausführlichere Stellungnahme nicht mehr umgehen. Gleichwohl beschränkte es sich, was den Schutz der Fabrikzeichen, also den Kern der Remscheider Vorstellung, anging, auf eine Bezugnahme auf seinen Bericht an das Staatsministerium vom 28. August 183632• Im übrigen wiederholte es seine Auffassung, daß das alte Recht des Zeichenerwerbes schon mit der Aufhebung der "Gilden" beseitigt worden sei; die tatsächliche Weiterführung der Zeichenrollen beruhe lediglich auf einem freiwilligen Übereinkommen, das seiner Natur nach nur gegen diejenigen gelten könne, die ihm beigetreten seien. Nach mehr als 30 Jahren, so heißt es weiter, den Fabrikanten der Grafschaft Mark die "gesetzliche Freiheit", "das natürliche Recht" zu entziehen, ihren Fabrikaten beliebige Zeichen aufzuprägen, werde dort einem entschiedenen Widerspruch begegnen.
ao Vorstellung v. 28. X. 1840 an das FinM; dessen Antwort v. 30. XI. 1840. Auch HStA Düss. LA Lennep 270 und StadtA SolingenG- 1 - 77.- Eingabe des Remscheider Fabrikanten PeterBrand v. 28. IX.; Jahresbericht der Handelskammer für den Kreis Lennep für 1840; Reskripte des FinM v. 17. X. 1840 und 14. II. 1841. 31 KO v. 22. III. 1841; Eingabe der Remscheider Fabrikzeichenkommission V . 12. Il. 1841. 32 Immediatvorlage v. 12. IV. 1841.
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In der Zwischenzeit war beim König eine Vorstellung Josua Hasenelevers eingetroffen33• Sie betonte abermals den ununterbrochenen Fortbestand und den Wert der Fabrikzeichen für die hergisehe Industrie, sowie die Unzulänglichkeit der bloßen Bezeichnung mit Name oder Firma; auch der Verweis auf die Gesetzgebung Englands, Frankreichs und Österreichs fehlte nicht. Als der König daraufhin befahl, die von Hasenclever vorgetragenen Bedenken bei der Erstattung des bereits angeforderten Berichts zu berücksichtigen, konnte das Finanzministerium dem nicht mehr nachkommen, da der Bericht bereits abgegangen war. Die Vorstellung Haseneievers blieb dennoch nicht ohne Folgen. Seinem Hinweis auf die Verhandlungen der Düsseldorfer Kommission dürfte es zuzuschreiben sein, daß der König den Oberpräsidenten in Koblenz, Ernst von Bodelschwingh, mit einem weiteren Gutachten beauftragte. Das Votum, das bald darauf in Berlin vorlag!«, legte die Revision des noch nicht einmal ein Jahr in Kraft befindlichen Gesetzes vom 4. Juli 1840 naheSS. Bodelschwingh skizzierte die ältere Entwicklung des Zeichenrechts und kam zu dem- der Auffassung des Ministeriums entgegengesetzten - Ergebnis, daß im Bereich des ehemaligen Herzogtums Berg das Recht des ausschließlichen Gebrauchs von Fabrikzeichen weder durch die Beseitigung der Zünfte noch durch das Dezemberdekret von 1811 aufgehoben worden sei. In dieser Ansicht sah sich von Bodelschwingh durch die Praxis der Düsseldorfer Regierung bestätigt, welche die "althergebrachte Ordnung" durch die Einrichtung der Zeichenkommission aufrechterhalten habe. Nach einer knappen Darstellung des weiteren Geschehens bis zum Gesetz vom 4. Juli 1840 suchte Bodelschwingh die Ansicht zu widerlegen, die Bezeichnung mit dem Namen sei einfach und sicher und mache daher jede andersartige "Markirung" unnötig. Obgleich er die mit einer Rolle für die ganze Monarchie verbundenen Schwierigkeiten anerkannte, meinte er, dies besage noch nicht, daß es ausgeschlossen sei, "dem hiesigen Lande seine Einrichtung partikularrechtlich zu erhalten". Seinen Vorschlag, den Zeichenschutz wenigstens im Bergischen einzuführen, präzisierte von Bodelschwingh in dem angeschlossenen "Entwurf einer Verordnung über den Schutz der Fabrikzeichen für Stahl- und Eisenwaren innerhalb des Herzogtbums Berg". Immediatvorstellung v. 6. III.; KO v. 14. IV. 1841. KO v. 30. V.1841; StA Koblenz 403/8201. - Über Ernst von Bodelschwingh, seit 1834 Oberpräsident der Rheinprovinz, seit 1842 u. a. FinM, seit 1852 (bis 1854) Regierungspräsident zu Arnsberg, ADB 111 S. 3 ff. ss Bodelschwingh informierte sich in Remscheid und Solingen und befragte u. a. die Mitglieder der Zeichenkommissionen. Schreiben an LR von Solingen v. 27. VI. 1841, Votum als Immediatvorlage v. 25. VI.1871 mit einem Gesetzentwurf. Vgl. auch HStA Düss. LA Solingen 373. 33
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§ 11. Strafschutz und Gesetz vom 4. Juli 1840
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Dieses Votum war dem Finanzministerium noch unbekannt, als es die Eingabe einer Kölner Fabrikantengruppe verbeschied, die bislang ihr Interesse an der Aufrechterhaltung des französischen Zeichenrechts noch nicht bekundet hatte36 • Zwölf zum Teil weit renommierte Firmen37 hatten darum gebeten, die früheren Bestimmungen über die Fabrikzeichen, wenn auch unter Senkung der Strafe, wiederherzustellen. Zur Begründung beriefen sie sich auf die Unentbehrlichkeit der Fabrikzeichen; es sei "die Flagge der Waare" und lasse "sich durch Worte ebenso wenig ersetzen als diese". Das Finanzministerium konnte "darauf nur erwidern, daß diese Vorstellung nichts enthält, was nicht bei der Vorbereitung zu dem Gesetz vom 4. Juli v. J. und bei den ausführlichen Beratbungen in den verschiedenen Stadien der Gesetzgebung zur Sprache gebracht und gründlich erörtert und erwogen worden wäre". Diese knappe Antwort war von Beuth selbst verfaßt. Er verwarf damit das mehrseitige Konzept des Referenten Viebahn, der versucht hatte, die Aufhebung der französischen Dekrete mit der mangelnden Ausführung im Großherzogtum Berg zu begründen. Vermutlich war Beuth die Unzulänglichkeit dieses Versuches klar geworden; vielleicht wollte er aber auch von der in Berlin bislang anscheinend unbekannten Tatsache, daß das französische System des Zeichenschutzes im linksrheinischen Preußen bereits praktisch erprobt und anerkannt war, keine nähere Kenntnis nehmen, da sie seinen festgefahrenen Anschauungen widersprach. Dieser Eindruck wird noch bestärkt durch einen zusammenfassenden Bericht des Ministeriums über die eingegangenen Beschwerden38• Die Kölner Eingabe wird nur beiläufig zu dem Zweck erwähnt, die Begrenzung des vom Oberpräsidenten vorgeschlagenen Gesetzes auf das Herzogtum Berg in Frage zu stellen. Außerdem heißt es weiter, für Gewerbe dieser Art sei der Schutz bloßer Fabrikzeichen "weder wie bei der hergiseben Metallindustrie seit Jahrhunderten hergebracht, noch als ein aus der Schwierigkeit der Schriftbezeichnung abzuleitendes Bedürfnis anzuerkennen". Ein weiteres, unmittelbar an den König gerichtetes Bittgesuch sorgte indes dafür, daß das Anliegen der Kölner Firmen die gewünschte Aufmerksamkeit fand39 • se Vorstellung der Kölner Fabrikanten v. 30. IV. 1841, Antwort FinM v. 30. VI. 1841. 37 u. a. die Tabakiirmen H. van Deiden & Zoonen und Franz Foveaux; die Kölnisch-Wasser-Hersteller Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichplatz, Johann Maria Farina gegenüber dem Altenmarkt und Carl Anton Zanoli; der Tapetenfabrikant Hoffmann & Co.; der Neusilberfabrikant Henninger & Co. ss Vorlage an das StaatsM v. 14. VIII. 1841.
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Bereits in seinem zusammenfassenden Bericht hielt es das Ministerium für angebracht, darauf hinzuweisen, daß die inkriminierte Aufhebung des älteren Rechts nicht von ihm, sondern vom Staatsrat verfügt worden sei. Das Ministerium habe mit seinem Entwurf nicht in die allgemeine Gesetzgebung eingreifen wollen, sondern lediglich beabsichtigt, "unter Beibehaltung derselben nur für den Mißbrauch des Namens oder der Firma speciellere, die gehörige Handhabung dieser Untersagung sicherstellende Vorschriften (zu) erlassen ... Wäre die Verordnung in diesen Grenzen geblieben, so wären die bergischen Fabrikanten zwar auch keineswegs zufriedengestellt, jedoch würden die gegenwärtigen Beschwerden nicht zu hervortreten und diesen Fabrikanten Zeit gelassen sein, sich an die Grundsätze der neuern Verordnung zu gewöhnen." Die Handelsverwaltung habe keine Verminderung, namentlich nicht "eine unbedingte Freigebung des Fabrikzeichens" beabsichtigt; obwohl man die Vorteile der Entscheidung des Staatsrates, die "eine Menge lästiger, mitunter selbst lächerlicher Streitigkeiten abgeschnitten" habe, nicht verkenne, habe man keine Veranlassung, die Verteidigung des § 3 zu übernehmen; eine Reklamation müsse sich an den Staatsrat wenden, welcher den Artikel ohne Rückfrage eingerückt habe. Gegen den Vorschlag von Bodelschwinghs wurde eingewendet, man könne die in Rede stehende Prinzipienfrage nicht durch Provinzialgesetze entscheiden; dagegen sei es ohne weiteres möglich, den bisherigen Rechtszustand einstweilen wiederherzustellen und den neuerrichteten Fabrikengerichten die Beobachtung der im Dekret von 1811 vorgeschriebenen Formalitäten zu übertragen. Um dies zu bewirken, schlug das Finanzministerium vor, nach Einholung eines Gutachtens beim Staatsrat den "Artikel" 3 für die Rheinprovinz einstweilen zu suspendieren. Der König folgte diesen Anregungen nur zum Teil~. Er verlangte, daß vor einer Überweisung an den Staatsrat das Staatsministerium "sich selbst über die Zweckmäßigkeit und Nothwendigkeit einer solchen Maaßregel ausspreche" und zuvor die märkischen Fabrikanten und die westfälischen Behörden anhöre. Das Ministerium wurde deshalb angewiesen, die erforderlichen Ermittlungen in die Wege zu leiten und insbesondere prüfen zu lassen, ob die Anlegung von Zeichenrollen für einzelne Landesteile ausführbar und ihnen wenigstens der bis jetzt gebrauchte Zeichenschutz zu verleihen sei. Um den aus einer künftigen Modifikation des Gesetzes vom 4. Juli 1840 entstehenden Nachteilen vorzubeugen, verfügte der König am gleichen Tage die Suspension des ae Bittgesuch der Kölner Fabrikanten v. 18. X. 1841, StA Koblenz 403/8201.
40 Immediatvorlage v. 14. X.l841; KO v. 28. V.l842 an das StaatsM; abschriftlich auch in StA Mr OP 2 I 51 Nr. 688.
§ 12.
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§ 3 durch eine besondere, für die Veröffentlichung bestimmte Kabinettsorder41.
Das Reskript des Königs erwähnt ausdrücklich die Immediat-Eingabe der Kölner Häuser vom 18. Oktober 1841. Der entscheidende Vorstoß wird freilich von anderer Seite ausgegangen sein, nämlich von Josua Hasenclevez-42. Er benutzte eine Audienz, welche der ihm befreundete König am 11. Februar 1842 in Köln gewährte, um die Fabrikzeichenfrage zur Sprache zu bringen. Er fand Unterstützung bei Bodelschwingh, der meinte, die bisherige Politik liege "einzig und allein am Finanzministerium und namentlich am Eigensinn von Beuth".
So bezeichnend dieses Urteil über den Einfluß Beuths auch sein mag, es dürfte den Tatsachen doch nicht völlig gerecht werden; das Gewicht der entschiedenen Stellungnahme des Finanzministers von Alvensleben in der Sitzung des Staatsrats vom 15. Mai 1840 darf nicht übersehen werden. § 12. Das rheinisch-westfälische Sonderrecht
I. Der Entwurf von 1843, seine Vorgeschichte und seine Beratung
Das Gutachten der westfälischen Provinzialbehörden, welches das Finanzministerium auf Grund der Kabinettsordner vom 28. Mai 1842 angefordert hatte, wurde auf einer Versammlung von Eisen- und Stahlfabrikanten des Kreises Hagen vorbereitet1. Die große Mehrheit der am Vogelsang erschienenen zwanzig Fabrikanten einigte sich auf eine gemeinsame Erklärung, in der keine Einwände gegen die Wiederherstellung des bergischen Zeichenschutzes erhoben wurden; außerdem befürwortete man die Einführung des Schutzes bildlicher Zeichen auch in der Grafschaft Mark, wollte dabei allerdings den bisherigen Besitzstand konservieren. Die Vorschläge der märkischen Fabrikanten2 waren "etwas kompliziert ausgefallen" infolge "des seitherigen regellosen Zustandes"3 • 41 Diese KO v. 28. V. 1842 ist abgedruckt in Justizmin.-Blatt 1842 S. 286; auch in Lidecke, Gewerbegericht S. 95; Slg. Rheinprovinz VII S. 53. 42 Zum folgenden J. Hasenclever, Erinnerungen S. 89 f. Hasenclever, der in engen Beziehungen zu Vincke stand - er nennt ihn (S. 89) seinen "alten Freund"- und über guten Kontakt zum Kronprinzen, dem späteren König Friedrich Wilhelm IV., verfügte (ebenda S. 75 f., 79 ff., 83, 89, 95 f.), erweist sich durch seinen Vorstoß einmal mehr als der erfolgreichste Anwalt des bergischen Zeichenwesens. 1 FinM an Vincke v. 17. VI., Protokoll v. 10. VIII. 1842; ZStA II Rep. 120 D II 232 (3) und StA Mr OP 2 I 51 Nr. 688.
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Künftig sollte jeder Fabrikant durch Eintragung nur an einem einzigen Zeichen ein ausschließliches Recht erwerben können. Die bisher gebrauchten Zeichen sollten zum Teil allen Fabrikanten freistehen, zum Teil nur denjenigen, die ihr Gebrauchsrecht durch Eintragung erhalten hatten. Mit dieser Lösung suchte man den bisherigen Gepflogenheiten Rechnung zu tragen: einmal seien viele Fabrikanten oft im Besitze desselben beliebten Zeichens; zum andern besäße oft ein Fabrikant mehrere Zeichen, die je nach Absatzort und Warengattung verschiedene Geltung genössen. In beiden Fällen würde die ausschließliche Zuweisung an einen einzigen die Absatzchancen der übrigen Fabrikanten schmälern. Landrat und Oberpräsident hoben ausdrücklich hervor, daß diese Regelung nur für eine Übergangsphase bedeutsam sei; auf die Dauer werde sich der Grundsatz durchsetzen. In einer eindrucksvollen Passage des Berichts aus Hagen, die der Oberpräsident wörtlich in sein Votum übernehmen ließ, wird diese Erwartung folgendermaßen begründet: "Denn es wird bald jeder ordentliche Fabrikant seine Ehre darein setzen, wie sein eigenes Siegel, so auch sein eigenes ausschließliches Fabrikzeichen zu besitzen, und demselben Ehre zu machen, diese Ehre seines Fabrikates zu erhalten. Dadurch wird dann ein Wetteifer unter den verschiedenen Fabrikzeichen angeregt werden, der von selbst zur Verbesserung der Waaren führt, und die Zeit wird nicht ferne sein, wo jeder Fabrikant sich schämt, kein eigenes Zeichen zu besitzen. Damit werden die alten bisher üblichen Zeichen nach gerade aus der Mode kommen, und da auch der Fall, wo ausländische Zeichen zum Nachschlagen bestellt würden, verhältnismäßig nur selten eintritt und immer seltener werden muß, je mehr eben, in Folge der vorgeschlagenen Maaßregel, die einheimischen Zeichen im Auslande an Ansehen gewinnen, so muß in nicht zu langer Zeit ein einfacher, geordneter, die Verbesserung des Fabrikates, und damit den Wohlstand jedes soliden Fabrikanten befördernder Zustand, an die Stelle der jetzigen Zügellosigkeit und eines nur mit dem Frevel des Nachdrucks zu vergleichenden Diebssystems treten, wo Einer den Andern ohne alle Mühe um die Früchte des durch sauren Fleiß erworbenen guten Rufes zu bringen trachtet." Der Oberpräsident der Rheinprovinz, von Schaper, der gleichzeitig wie sein Münsteraner Kollege um ein Gutachten angegangen worden war, befaßte keine der untergeordneten Behörden mit der Angelegenheit. Gleichwohllegte er4 den Entwurf einer Verordnung vor, die nach seiner Auffassung an die Stelle der aufgehobenen Bestimmungen treten sollte. 2 LR Hagen an Vincke v. 8. IX., Vincke an FinM v. 17. IX. 1842; ebenda. s So der Bericht des Landrats. 4 FinM an OP Schaper v. 17. VI.; OP an FinM v. 7. IX. 1842; StA Koblenz
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Schaper wollte ähnlich wie sein Vorgänger Bodelschwingh das Gesetz vom 4. Juli 1840 ergänzen4 ; er ging jedoch wesentlich weiter als dieser, indem er generell "fremde Waarenzeichen" schützen und diesen Schutz von einem "Anerkennungsattest" des Handelsgerichts über die Befugnis zum ausschließlichen Gebrauch abhängig machen wollte. Während einer ersten Frist sollte nur der "rechtliche Besitz" älterer Zeichen attestiert werden dürfen. Das Anerkennungsattest sollte nur innerhalb des jeweiligen Gerichtssprengels gelten, jedoch anderen Gerichten vorgelegt werden können, um dort die Attestierung eines gleichen Zeichens zu verhindern. Noch in den letzten Monaten des Jahres 1842 bereitete man im Finanzministerium einen eigenen Entwurf vor, der den Voten der beiden Oberpräsidenten entsprechend den Schutz auch der "bildlichen Waaren-Zeichen" bezweckte. Die Abteilung für Handel und Gewerbe begründetes den Wandel ihrer Auffassung zum Zeichenschutz damit, daß neue Bestimmungen notwendig seien, denn es hätte einerseits das Gesetz vom 4. Juli 1840 "wohlerworbene Rechte und gewerbliche Vorzüge, die sie (sc. die Fabrikanten) mühsam errungen haben, verletzt"; andererseits solle auch in denjenigen Teilen Westfalens, in denen ähnliche Bestimmungen nicht bestünden, oder "wie in der Grafschaft Mark, bisher wenig zur Ausführung gekommen"6 seien, der Schutz der bildliehen Zeichen eingeführt werden. Etwas später heißt es dann wörtlich: ,.Ein Grund, weshalb das Nachmachen der Fabrikzeichen nicht allgemein zu untersagen wäre, läßt sich nicht füglieh absehen." Deshalb beschränkte man den Schutz des "Eigenthums der Fabrikzeichen" nicht - wie es Vincke beantragt hatte - auf die Eisen- und Stahlindustrie. Die Einbeziehung der östlichen Provinzen, die von Schaper, "wie es scheint", gewollt hatte, unterblieb indes; dergleichen Wünsche seien hier noch nicht laut geworden, so daß man diese Frage der Revision des Strafrechts überlassen könne. Der Entwurf wurde wiederholt überarbeitet und schließlich gedruckt7. Acht Seiten umfassende "Motive" liegen dem Entwurf bei; sie schildern die ältere Rechtslage und den Gang der Gesetzgebungsarbeiten. Ausdrücklich wird darauf verwiesen, es seien dem Entwurf s Konzept einer nicht ausgefertigten Note an JusMund InnM, Oktober 1842; dazu das Votum Österreichs (über ihn unten Anm. 75) v. 14. XII., der es für zweckmäßiger hielt, den E erst den Landständen vorzulegen. ZStA II Rep. 120 D II 232 (2). 6 Ursprünglich lautete das Konzept: "nicht zur Ausführung gekommen." 7 Die mehrfach bearbeiteten Konzepte von Entwurf und Motiven in ZStA II Rep. 120 D II 232 (2). Die als Manuskript gedruckten Exemplare sind auch in den Parallelakten der westlichen Provinziallandtage zu finden - Text des Entwurfs unten Anhang VI.
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"die betreffenden Artikel des Bergischen Gesetzes vom 17 ten Dezember 1811 zum Grunde gelegt, bei der nothwendigen Umarbeitung derselben aber die Anträge der beiden Herren Ober-Präsidenten und die Bestimmungen des neuesten Königlich Baierischen Gesetzes über diese Angelegenheit vom 6 ten März 1840 vorzugsweise berücksichtigt". Beide Gesetze sind dem gedruckten Entwurf in zwei weiteren Spalten gegenübergestellt. Ein kursorischer Überblick über diesen für den weiteren Fortgang der Diskussion entscheidenden Entwurf muß hier genügen. In steter Anlehnung an das großherzogliche Dezemberdekret wird es jedem Gewerbetreibenden freigestellt, ein - im Ausnahmefall höchstens drei- Zeichen zu verwenden (§ 1). Die "Klage wegen Nachahmung" sollte von einer mit einer Vorprüfung verbundenen Deposition und Eintragung in die Zeichenrolle abhängig sein(§ 3- 5); das übertragbare (§ 9) "Zeichenrecht" war innerhalb des jeweiligen Rollenbezirkes unbedingt, im übrigen nach erfolgter Verwarnung geschützt (§ 8). In den Sanktionen (§ 10) folgte der Entwurf dem bergischen Dekret ebenso wie in der Statuierung bestimmter Verfahrensweisen (§§ 13, 14). Ältere Rechte an Zeichen sollten im Sinne des märkischen Votums erhalten bleiben (§§ 15, 16). Das Ministerium übersandte den Entwurf an die Oberpräsidenten, um ihn durch die Regierungen in Düsseldorf, Köln und Arnsberg begutachten zu lassen, weil bei mehreren "noch nicht beleuchteten Punkten eine sorgsame Beobachtung der lokalen Fabrikationsverhältnisse nothwendig" erscheine8. Vincke begnügte sich nicht mit der Weitergabe dieses Auftrages an die Arnsberger Regierung, sondern hielt es für angebracht, den Entwurf auch den gerade versammelten westfälischen Provinzialständen mitzuteilen9 • Er begründete diesen Schritt damit, die beabsichtigte Vorlage an die Stände wäre sonst erst zwei Jahre später möglich gewesen und überdies hätten der Landrat von Hagen, an welchen sich die Regierung ohnehin hätte wenden müssen, und zwei weitere sachkundige Fabrikanten zufällig als Abgeordnete dem gegenwärtigen Landtag beigewohnt. Der Oberpräsident handelte eigenmächtig, indem er einen Entwurf an die Stände gelangen ließ, den nicht einmal das Staatsministerium gebilligt hatte. Gleichwohl konnte der Finanzminister nun nicht mehr umhin, auch die rheinischen Stände einzuschalten10• s So im Konzept der Vorlage an den König v. 26. IV.1843; vgl. im übrigen Reskript FinM an OP Koblenz v. 19. II. 1843, StA Koblenz 403/8201. 9 Vgl. dazu den in der folgenden Anm. genannten Bericht. 1o So kam es, daß die ständischen Gutachten und die Berichte der Reg. sich zum Teil überschnitten: Vincke an Min. v. 10. IV., Schaper an Min. v. 25. VIII. 1845 mit den Voten LT Rheinprovinz und Reg. Köln (12. V.) und
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Der westfälische Landtag11 begrüßte den Entwurf als "im Allgemeinen dEm Interessen der betheiligten Gewerbetreibenden entsprechend ..., indem dadurch für ein wohlhergebrachtes, für die davon betroffene Industrie sehr wirksam sich erwiesenes Recht ein längst ersehnter gesetzlicher Schutz begründet" werde. Als wichtigste Modifikationen wurde (zu §§ 1 und 8) vorgeschlagen, nur Fabrikzeichen auf Metallwaren zu schützen, da nur sie hier "üblich und nothwenig" seien, "nur für diese ein gesetzlicher Schutz früher bestanden" habe und nur insoweit ein "provinzielles Bedürfnis" bestehe. Das Votum der Regierung zu Arnsberg übernahm das ständische Gutachten nur zum Teil12 ; in zwei Punkten ging es jedoch weit über die Absichten des Entwurfes hinaus: es befürwortete einerseits die Ausdehnung des Zeichenschutzes auf die ganze Monarchie, andererseits die grundsätzliche Beschränkung auf nur ein Zeichen für jeden Interessenten. Oberpräsident und Regierung hatten darauf verzichtet, die Fabrikanten selbst zu hören, wohl in der Annahme, sie seien bei den ständischen Beratungen ausreichend zu Wort gekommen. Dies traf indes kaum zu; heißt es doch im Protokoll des landständischen Ausschusses für Handel und Gewerbe, den "meisten Mitgliedern" sei der Gegenstand unbekannt gewesen13• Es sollte sich später rächen, daß man die Rückfrage bei den unmittelbar Betroffenen, den Fabrikanten und Kaufleuten, unterlassen hatte. Wesentlich gründlicher wurde der Entwurf in der Rheinprovinz diskutiert. Als der zuständige Ausschuß des siebten Rheinischen Landtages seine Stellungnahme vorzubereiten hatte14, standen ihm außer den Berichten der Regierungen Düsseldorf und Köln noch zahlreiche andere Voten zur Verfügung. Die wichtigsten waren abgegeben worden von der Kölner Handelskammer15, dem Fabrikengericht Gladbach16 Reg. Düss. (25. IV.); Reg. Arnsberg an Min. v. 12. V. 1845. Zu letzterem auch StA Mr Reg. Arnsberg 655. 11 Zur Verb. im LT-Ausschuß vgl. Verwaltungsarchiv Mr A II 54; im Ausschuß für Handel und Gewerbe referierte der Sohn des OP, Georg Freiherr von Vincke, 1837- 1848 LR von Hagen. Über ihn ADB 39 S. 743 ff. (u. a. "der größte preußische Parlamentsredner"). 12 Vgl. Anm. 10. Das Gutachten war formal an den OP gerichtet, zugleich jedoch dem FinM abschriftlich mitgeteilt worden. 13 Vgl. das Protokoll des Ausschusses für Handel und Gewerbe v. 17. III. 1843; Verwaltungsarchiv Mr A II 54. 14 Zum Bericht des 8. Ausschusses v. 13. VI. und zum Verhandlungsprotokoll v. 21./22. VI. 1843 vgl. Rheinisches Provinzialarchiv Köln 1074 und 282 (S. 1037- 1105). 15 Kölner Handelskammer anReg. Köln v. 5. IV.1843; auch abgedruckt bei Schwann, Camphausen S. 254 ff.
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und einer Deputiertenversammlung zu Remscheid, wo sich unter dem Vorsitz des Düsseldorfer Regierungsrats Quentin die Abgeordneten der Handelskammern und Fabrikengerichte von Elberfeld, Barmen, Solingen, Lennep und Remscheid auf gemeinsame Abänderungsvorschläge geeinigt hatten17• Das Gutachten der westfälischen Provinzialstände schließlich war dem Referenten des rheinischen Landtagsausschusses, Josua Hasenclever, "durch des Herrn Oberpräsidenten von Vincke Excellenz privatim mitgetheilt" worden1s. Die Absprache von Remscheid verschaffte den Wünschen der bergischen Industrie besonderes Gewicht, da sie nach dem Ausgleich gegensätzlicher Interessen gewissermaßen mit einer Stimme sprechen konnte. Im rheinischen Landtag führte diese Stimme J. Hasenclever, der an der Konferenz im Remscheider Rathaus teilgenommen hatte. Seinem Einfluß und seiner Vermittlung ist es in erster Linie zuzuschreiben, daß sich der Landtagsausschuß die Remscheider Vereinbarung im wesentlichen zu eigen machte, und daß auch das Plenum nur noch zusätzliche, den bergischen Wünschen nicht widersprechende Abänderungen beschloß. Dies ist um so bemerkenswerter, als die Voten aus Köln und Gladbach, die in grundsätzlichen Fragen zu anderen Ergebnissen gekommen waren, in Ludolf Camphausen, dem Präsidenten der Kölner Handelskammer, einen nicht weniger einflußreichen Fürsprecher gefunden hattenu'. Die in Remscheid ausgehandelte "Vereinbarung" begrüßte den Gesetzentwurf als "ein den Verhältnissen nach geeignetes Mittel", erachtete indes einige Änderungen "theils für nothwendig, theils für wünschenswerth". Die Vorschläge zielten vor allem auf eine Abschaffung der zahlenmäßigen Begrenzung, eine schärfere Ausbildung des Zeichenannahmeverfahrens im Sinne des Eintragungsprinzips, eine Konzentration der Zuständigkeiten bei drei Gerichten in Solingen, Remscheid und Hagen. Das Gutachten der Handelskammer Köln und des Gladbacher Fabrikengerichts nahmen einen grundsätzlich anderen Standpunkt ein. Beide verlangten eine Ausdehnung des Schutzes auf ganz Preußen und befürworteten im übrigen eine Anlehnung an das französische System der Deposition. te Fabrikengericht Gladbach an Reg. Düss. v. 20. IV.1843; ZStA II Rep. 120 D II 232 (3). 11 Protokoll, Entwurf und Motive der Remscheider Versammlung, ebenda. - Vor der Verhandlung waren vorbereitende Gutachten erstattet worden u. a. von der Handelskammer Solingen v. 12. IV.; dazu ausführlich Matthiolius, Arbeiten S. 38 ff. 18 Vgl. den Ausschußbericht J. Haseneievers v. 13. VI. 1843; wie Anm. 14. 19 Über L. Camphausen (1803 - 1890) vgl. Schwann, Camphausen.
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Die unterschiedlichen Ausgangspunkte der Gutachten und ihrer Befürworter im Landtag lösten eine lebhafte Aussprache aus. Einige Punkte des Remscheider Ergebnisses stießen auf Kritik, so die Einbeziehung der Kaufleute, die bevorzugte Kompetenz der Fabrikengerichte in Remscheid und Solingen, die Einschaltung einer gerichtlichen Kontrolle, der absolute Schutz des "Eigenthums" an Fabrikzeichen. Camphausen, der für eine konsequente Durchführung des Anmeldesystems eintrat, hielt sogar "eine ganz neue Bearbeitung" des Gesetzentwurfs für nötig. Im Ergebnis freilich konnte Hasenclever-wie schon angedeutetalle wesentlichen Remscheider Beschlüsse auch im Plenum des Landtages durchsetzen120• Die wichtigsten Ergänzungen außer der bereits erwähnten Bindung des Fabrikzeichens an das "Fabrik-Geschäft" betreffen die letztinstanzliehe Kompetenz des Fabrikengerichts und die Ermäßigung des Strafmaßes. Begünstigt wurde dieses Resultat auch durch den Bericht der Kölner Regierung, welche dem Gutachten der örtlichen Handelskammer zwar in der Kritik an der Beschränkung auf die Rheinprovinz und Westfalen ausdrücklich beipflichtete, in einigen anderen grundsätzlichen Punkten jedoch widersprach. Die Stellungnahme der Provinzialstände und die übrigen rheinischen Gutachten waren gerade nach Berlin abgegangen, als die Fabrikengerichte Remscheid und Solingen bereits einen gemeinsamen Vorschlag zur Abgrenzung ihrer jeweiligen Kompetenzen unterbreiteten. Danach sollten in Solingen eingetragen werden alle Zeichen für "blanke Waffen aller Gattungen, Messer, Seheeren (mit Ausnahme von Blech-, Garten-, Baum- und Schaafscheeren), Stahl und Stiefeleisen". Remscheid sollte "für alle übrigen Stahl- und Eisenwaaren" zuständig sein. Begründet wurde die Aufteilung mit dem Charakter der bisherigen Zeichenrollen; der "bis jetzt bestandene Zustand" sollte beinahe unverändert erhalten bleiben2 1. II. Der revidierte Entwurf (1845), der Entwurf des Handelsamtes (1845) und die Verordnung vom 18. August 1847
Da der Landtagsabschied vom 30. Dezember 184322 eine "möglichste Beschleunigung" der "schließlichen Berathungen" in Aussicht stellte, hoffte man im hergiseben Industriebezirk auf einen baldigen Erlaß der ersehnten Schutzbestimmungen. Als im April des nächsten Jahres 2o Der Entwurf des LT ist mit Motiven gedruckt in: Verhandlungen des 7. Rhein. Provinziallandtags, S. 426-432. 21 Reg. Düss. an Min. v. 3. XI. 1843 mit Anlagen (Bericht Fabrikengericht Remscheid v. 30. X . und Fabrikengericht Solingen v. 31. X.). 22 Landtagsabschied v. 30. XII. 1843, in: Verb. des 7. Rhein. Provinziallandtages S. 586.
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das Finanzministerium jedoch erklärte23, daß gegen das Gesetz noch Bedenken erhoben worden seien und "übrigens dessen Emanirung nicht als sehr dringend erscheine, da die Erhaltung des gegenwärtigen Rechtszustandes bereits sicher gestellt" sei, war die Verwunderung der interessierten Kreise groß. In der Zwischenzeit nämlich hatte sich die wieder eingeführte ältere Gesetzgebung als nahezu untaugliches Mittel zum Schutz der Fabrikzeichen erwiesen: die Gerichte sahen die in Solingen und Remscheid seit Jahrzehnten geübte Praxis der Zeichenanmeldung als ungenügend an24 • Immer wieder wurden in den folgenden Monaten und Jahren Fabrikanten, Fabrikengerichte, Handelskammern und die Regierung Düsseldorf in Berlin vorstellig25 : die Folgen "des bisherigen höchst verworrenen und nicht mehr zeitgemäßen Rechtszustandes"26 wurden immer bedrückender; die "immer größere Verwirrung", welcher der "jetzt bestehende rechtlose Zustand" bewirke, führe zu "endlosen Nachtheilen" 27 ; der Fälschung seien "Thor und Thür geöffnet" und "der Werth der Zeichen vor und nach vernichtet" 28 • Im September 1846 forderte der Remscheider Gewerbeverein, man solle, nachdem ein "fast anarchischer Zustand" schon jahrelang bestehe, nun endlich so oder so entscheiden, "die betheiligten Gewerbetreibenden wüßten dann doch wenigstens, woran sie wären" 29 • Der Finanzministez-3° ließ den Gewerbeverein daraufhin mit der "beruhigenden Benachrichtigung versehen", die Vorprüfung sei in seinem Ministerium beendet und der Entwurf liege dem Staatsministerium vor; es habe einigen Aufenthalt gegeben, weil der Präsident des Handelsamtes Reskript FinM v. 29. IV. 1844; ZStA II Rep. 120 D II 232 (2). Etwas anderes galt für jene Zeichen, die hinterlegt wurden, nachdem die Aufhebung des Dezemberdekrets erfolgt war. Nach der vorläufigen Weitergeltung des Gesetzes konnten die Fabrikengerichte voll in ihre Funktionen eintreten. In Remscheid führte man ein besonderes Register für die Anmeldungen in der Zeit v. 11. VIII. 1842 bis 1. X. 1847 (im StadtA Remscheid X B 20 a); von den Vermerken fallen in das Jahr 1842 die Nr. 1 - 71, 1843 Nr. 72 -191; 1844 Nr.192- 200; 1845 Nr. 201- 210; 1847 Nr. 211. In Solingen führte man zwar keine besondere Rolle, nahm aber ebenfalls Anmeldungen entgegen; so jene der Firma I. A. Henckels v . 17. VI. 1846, vgl. Kelleter, Henckels S. 174. 25 Reg.Düss. an FinM v. 11. IV., 17. VI. und 2. XI.1844, 2. und 28. VII.1845, 17. XI. 1846. -Vorstellungen der Fabrikengerichte Remscheid und Solingen v. 31. XII. 1844, 18. VI. 1845 und 9. VII. 1846; von mehreren Solinger und Remscheider Fabrikanten v. 12. VII. 1845; des Gewerbevereins Remscheid v. 30. IX. 1846. Belege nach ZStA II Rep. 120 D II 232 (2) und StA Koblenz 403/8201. 28 So die Reg. Düss. in einem "Promemoria" v. 16. XI.1844. 27 So die Fabrikengerichte Remscheid und Solingen in der Eingabe v. 31. XII.l844. 28 So das Fabrikengericht Remscheid v. 6. VII. 1846. 29 Vorstellung v. 30. IX. 1846. 80 Reskript an OP v. Schaper, Koblenz, v. 28. II. 1847; StA Koblenz 403/8201. 28
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sein Gutachten erst nach einer nochmaligen Vernehmung der Beteiligten habe abgeben wollen. Der Hinweis auf die Einschaltung des Handelsamtes ist in der Tat einer der Gründe, weshalb die Gesetzgebungsarbeit nicht schneller beendet war; denn bereits im März 1845 hatte das Finanzministerium einen zweiten "Umgearbeiteten Entwurf" einer Verordnung zum Schutz der Fabrikzeichen fertiggestell1fi 1• Der revidierte Entwurf wurde dem Handelsamt zugeleitet, dessen Präsident, Friedrich von RoenneS!, im Juli mitteilte, er wolle bei den Lokalbehörden noch nähere Erkundigungen einziehen33• Dieses Vorgehen ist verständlich, da das Handelsamt erst wenige Monate zuvor errichtet worden war und deshalb nicht über umfangreiche Unterlagen verfügte. Die Umfrage förderte freilich keine neuen Gesichtspunkte zutage; sie dienten ebenso wie die persönlichen Kontakte des Referenten, Regierungsassessor Dr. Hegel, mit Gottfried Henckels, der die Berliner Niederlassung des Solirrger Hauses leitete, in erster Linie der Information34 • Von erheblicher Bedeutung für die spätere Verordnung ist indes die Kritik, die das Handelsamt in seinem knapp 260 Seiten umfassenden Votum am revidierten Entwurf des Finanzministeriums übte und die in einem eigenen Entwurf ihren Niederschlag fand35• Dieser dritte Entwurf bildete nicht nur die Grundlage für die abschließenden Beratungen, sondern auch für die im Februar 1847 dem Staatsministerium vorgelegte Umarbeitung, die - nach einigen weiteren, meist durch Roenne angeregten Korrekturen - verabschiedet wurde. Auf eine Überweisung des "Gesetzentwurfs" an den Staatsrat verzichtete man, da nur zwei Provinzen des Staates betroffen waren, 31 Vgl. ZStA Rep. 120 D II 232 (2). Dem Entwurf ging ein umfangreicher Notenwechsel mit InnM und JusM voraus. Noch im Januar empfahl- ohne Erfolg- einer der Referenten des FinM, den E völlig anders zu gestalten. 32 Friedrich von Roenne war vor der Übernahme des Handelsamtes Gesandter in Washington, wohin er nach der Auflösung der Behörde 1848 wiederum ging, diesmal als Gesandter des Frankfurter Parlaments. Delbrück nennt seinen ehemaligen Vorgesetzten später "steif und schwerfällig", "kalt und trocken", sogar "Opportunist"; vgl. Detbrück, Erinnerungen S. 145, 150. Zum Handelsamt, das am 1. Sept. 1844 "ins Leben getreten war" und bis zur Gründung des Handelsministeriums am 17. IV. 1848 bestand, vgl. Delbrück a.a.O. S.l45 ff., 214; Facius, Wirtschaft und Staat S. 50. Delbrück (a.a.O. S. 214) nennt die Schöpfung des Handelsamtes einen "Fehlgriff". aa FinM an HA v. 19. III., HA an FinM v. 29. VII. 1845. Es wurden die Handelskammern Solingen und Remscheid und die Fabrikengerichte beider Orte angegangen; die Antworten aller vier Gremien wurden gemeinsam abgesprochen; vgl. Matthiolius, Arbeiten S. 41 ff. - Im übrigen wurden lediglich noch Fabrikanten von Iserlohn und Hagen und die Handelskammer Elberfeld gehört. 34 Kelleter, Henckels S. 172 ff.; über Hegel auch Delbrück, Erinnerungen I s. 151. 35 Votum v . 6. XII. 1845; ZStA II Rep.120 D II 232 (3). 10*
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dessen Landtage und Behörden die Angelegenheit "gründlich und wiederholt berathen" hätten, und da das "endliche Erscheinen des Gesetzes wünschenswerth, und von den Betheiligten wiederholt erbeten" worden sei. Das Staatsministerium beschloß daraufhin, beim König "auf sofortige Vollziehung des Gesetz-Entwurfs anzutragen""· Im Juli wurde der Entwurf dem König zugeleitet, am 18. August endlich erging die "Verordnung zum Schutze der Fabrikzeichen an Eisenund Stahlwaaren in der Provinz Westphalen und der Rheinprovinz" 37• Das neue Reglement versagte sich allen Wünschen, den Zeichenschutz auf die ganze Monarchie auszudehnen, obgleich dies zunächst sogar der Justizminister gefordert hatte, da es sich wie beim Gesetz vom 4. Juli 1840 um ein "allgemeines Princip" handle, das nicht "durch besondere provincielle Eigenthümlichkeiten" hervorgerufen sei. Auch in anderen Punkten ist die Verordnung viel enger gefaßt als der Entwurf von 1843, nämlich in der Beschränkung auf ein einziges Zeichen und auf Zeichen auf Stahl- und Eisenwaren. Diese engen Grenzen waren ursprünglich von keinem Ministerium befürwortet worden. Das Innenministerium, das die Begrenzung auf Metallwaren angeregt hatte, ging davon aus, daß die Zahl nicht beschränkt würde. Gleiches gilt für das Justizressort, das zwar die Beschränkung auf Zeichen an Metallwaren akzeptierte, ihren Schutz indes auf die ganze Monarchie erstrecken wollte. Selbst das Finanzministerium, das für die räumliche Begrenzung und jene nach Warengattungen eintrat, hielt daran fest, daß die Zahl der zulässigen Zeichen frei sein sollte. Erst das Handelsamt kombinierte die verschiedenartigen Beschränkungen in seinem Entwurf, da es die Verordnung als eine Ausnahmeregel zum Gesetz vom 4. Juli 1840 betrachtete, die möglichst eng zu halten sei. Das Handelsamt war es auch, das den Versuch der beiden ersten Entwürfe, Erwerb und Wirkungskreis des Zeichenrechts in einer Kombination von Vorprüfungs- und Anmeldesystem zu umschreiben, kritisierte und durch eine konsequente Durchführung des Prüfungssystems ersetzte. Hinzugefügt wurde auf Vorschlag des Handelsamtes außerdem die amtliche Benachrichtigung "gefährdeter Inhaber früher eingetragener Zeichen" (§ 4). Die klare Lösung der Prioritätsfeststellung durch ein Anmelderegister (§ 3) wurde vom zweiten Entwurf abgelehnt, vom Handelsamt indes befürwortet; die Übertragung eines Fabrikse Vierter Entwurf, paraphiert vom Referenten Viebahn am 8. XII. mit umfangreichen Gegenüberstellungen der bisherigen Stellungnahmen; Vorlage an StaatsM v. 28. II. 1847; dessen Verhandlungsprotokoll v. 27. IV. 1847 und anschließende Verhandlungen; Vorlage des endgültigen Entwurfs an StaatsM v. 12. VII. 1847. Zum Ganzen ZStA li Rep. 120 D li 232 (3) und (4). S7 Pr.Ges.Slg. 1847 S. 335 ff.; Slg. Rheinprovinz IX S. 230 ff.
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zeichens (§ 8) war schon im revidierten Entwurf an die gleichzeitige Übertragung des Fabrik- oder Handelsgeschäfts geknüpft worden. Unter den übrigen Bestimmungen fallen jene besonders auf, die nicht die als "Gegenstand des Privateigenthums anzusehenden Fabrikzeichen", sondern die "von Seiten der Gewerbepolizei bestimmten Zeichen für gewisse Arten von Waaren"38 zum Gegenstand haben. Dies gilt in erster Linie von § 9 der Verordnung39 • Eine dieser Bestimmung entsprechende, aber kürzer gefaßte Vorschrift begegnet erstmals im revidierten Entwurf von 1843, in den sie nachträglich eingearbeitet worden war. Den Anlaß zu diesem Nachtrag gaben die Problematik des Eisengusses und seine verheerenden Folgen für die Fabrikation von Schmiedeeisenwaren40 • Die Regeln über das Gattungszeichen bilden einen Fremdkörper in der Verordnung von 1847; sie wurden selbst in zeitgenössischen Äußerungen als ein Relikt älterer zeichenrechtlicher Maßnahmen der Gewerbepolizei empfunden; allenfalls fakultative Qualitätszeichen, wie man sie namentlich im Bereich der Textilindustrie noch kannte, erschienen den Behörden, aber auch weiten Kreisen der Industrie vertretbar.
III. Der Vollzug der Verordnung von 1847 Bevor. die neue Zeichenordnung vollzogen werden konnte, mußten die Rollenbezirke von Remscheid und Solingen gegeneinander abgegrenzt und der Zeitpunkt bestimmt werden, von welchem an neue Fabrikzeichen angemeldet werden durften (§ 3). Die Arnsberger Regierung setzte sich ohne näheren Meinungsaustausch mit den betroffenen Behörden für Fabrikanten für den 1. Januar 1848 ein41 • Die Düsseldorfer Behörde sprach sich für den 19. Februar aus; sie folgte damit den Wünschen einer von ihr nach Solingen einberufenen Versammlung von Motive zur VO 1847 in ZStA III Rep. 120 D II 232 (4). Er lautet: "Für einzelne Arten von Eisen- und Stahlwaaren, wie beispielsweise für geschmiedete Schneidewaaren, bleibt die Bestimmung eigenthümlicher Zeichen unserem Finanzminister vorbehalten. Ein solches Zeichen darf alsdann nur der Verfertiger von Waaren dieser Art und nur zu deren Bezeichnung sich bedienen. Die gedachten Zeichen, deren hinlänglicher Unterschied von den eingetragenen Zeichen einzelner Gewerbetreibender zuvor von dem Fabrikengericht zu Hagen wie den Gewerbegerichten zu Solingen und Remscheid, beglaubigt sein muß, werden unter einem besonderen Abschnitt in die drei Zeichenrollen eingetragen und durch die Amtsblätter der sämmtlichen Regierungen der Provinz Westphalen und der Rheinprovinz veröffentlicht. Die genannten Gerichte haben bei der Prüfung später angemeldeter neuer Privatzeichen von Amtswegen darauf zu sehen, daß diesseihen sich hinlänglich von den gedachten Zeichen unterscheiden." 40 Zur Correspondenz (seit 1842) der Handelskammern Solingen und Remscheid (Lennep) mit den preußischen Behörden vgl. ausführlich Matthiolius a.a.O. S. 45 ff. 41 Reg. Arnsberg an Min. v. 14. IX. 1847. 38 39
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Gewerbetreibenden42• Der ebenfalls von dieser Versammlung vorgeschlagenen konkurrierenden Zuständigkeit der beiden bergischen Rollen versagte sich die Regierung jedoch; sie schlug eine territoriale Abgrenzung vor43 • Das Berliner Ministerium folgte diesen Anregungen44 • Damit waren alle Voraussetzungen zum eigentlichen Vollzug der Verordnung erfüllt. In der Rheinprovinz ging er - wenn man von den Sonderwünschen der Aachener Nadelfabrikanten einmal absieht45 - ohne nennenswerte Schwierigkeit vonstatten. Die Regierung Düsseldorf spricht mehrere Jahre danach46 sogar von einer "musterhaften Handhabung der Verordnung vom 18. August 1847 durch die Gewerbegerichte in Solingen und Remscheid" 47, Im märkischen Industriegebiet stieß der Vollzug der Augustverordnung jedoch bald auf Schwierigkeiten. Das neue Recht blieb weithin unbekannt, obwohl es ordnungsgemäß publiziert worden war. Sinn und Zweck des Zeichenschutzes waren weder von den Kreisbehörden48 noch von den Fabrikanten vollständig erfaßt worden49 • Innerhalb der ge42 Protokoll der Sitzung v. 30. X.; sie war beschickt von den Kreisen Lennep, Solingen und Elberfeld und geleitet von dem Düss. Regierungsrat Quentin. 43 Reg. Düss. an Min. v. 10. XI. 1847. 44 Vgl. die Bekanntmachungen v. 10. II. 1848, Slg. Rheinprovinz IX S. 276 ff. 45 Vgl. unten zu Anm. 62. 46 Reg. Düss. an HaM v. 14. XII. 1853; ZStA II Rep. 120 D II 232(6). 47 SoLingen: das Verzeichnis alter Zeichen wurde am 20. Il. 1848 offengelegt, am 20. X.1849 veröffentlicht; vgl. Amtsblatt Reg. Düss. 48 S. 83; MeZdau, Alte Sinnbilder S. 363; Kurek, Zeichenwesen S. 735. - Die neue SoHnger Zeichenrolle (StadtA Solingen H 27) wurde am 1. V. 1848 eröffnet und bis zum 27. V. 1875 geführt. Das Anmelderegister (StadtA Solingen H 28) enthält alte Zeichen (Nr. 1 - 76), Neuanmeldungen (Nr. 77 - 205) vom 1. II. 1848 bis zum 27. IV. 1857. Die Freizeichenliste (6 Zeichen) wurde am 27. I. 1848 abgeschlossen; Amtsblatt Reg. Düss. 1848 S. 76. Remscheid: Die neue Zeichenrolle (StadtA Remscheid) enthält Eintragungen älterer Zeichen (Nr. 1 - 148) und seit 31. V. 1850 bis 30. IV. 1875 (Nr. 149- 355) Neueintragungen. Die Freizeichenliste (33 Zeichen) war am 1. Il. 1849 abgeschlossen; Amtsblatt Reg. Düss. 1848 S. 138. 48 Dies geht aus den Berichten einiger LR an die Reg. Arnsberg hervor; Fabrikzeichen und Gattungszeichen gern. § 9 VO 47 werden hierbei oft verwechselt. Zum Ganzen StA Mr Reg. Arnsberg 655. 49 Der Fabrikant J. D. Post, Wehringhausen, war auf die neue ZeichenVO vom August 1847 aufmerksam geworden, als er im Februar 1848 zufällig eine einschlägige Bekanntmachung des SoHnger Fabrikengerichts in der Elberfelder Zeitung las. In seinem Schreiben an das Hagener Fabrikengericht v. 11. III. 1848 meinte Post, keiner der übrigen Fabrikanten "auf der Enneperstraße und am Gevelsberg" habe etwas von dem neuen Gesetz gewußt. Auf einer späteren Versammlung (unten zu Anm. 53) stellte der Regierungsvertreter fest, daß die märkischen Fabrikanten "den Zweck und Inhalt des hauptsächlich von Solingen und Remscheid betriebenen Gesetzes über den Zeichenschutz nur unvollständig erlaßt" hätten.
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setzten Fristen wurde kein einziges der sogenannten "allgemeinen Zeichen" oder auch der alten Zeichen angemeldet; bis zur Jahresmitte 1853 wurden nur fünf neue Fabrikzeichen hinterleg~0 • Daß die Zeichenverordnung die märkischen Fabrikanten so unvorbereitet traf, ist nicht zuletzt auf den Umstand zurückzuführen, daß man sie an der Beratung des Entwurfes von 1843 nicht beteiligt hatte: sie waren seit der Versammlung am Vogelsang im August 1842 nicht mehr gehört worden51 • Die volle Auswirkung dieses Versäumnisses zeigte sich freilich erst, als man im Spätjahr 1848 an die bergischerseits gewünschte Ergänzung der Augustverordnung heranging62. Auf zwei Fabrikantenversammlungen, welche die Regierung Arnsberg abhalten ließ53, wurde das ganze Ausmaß des Widerstandes gegen den Zeichenschutz offenbar. Nur ein Teil der bei dieser Gelegenheit geäußerten Wünsche betraf die Ausführung des neuen Gesetzes. Man verlangte zunächst, da mittlerweile die Frist zur Anmeldung alter Zeichen verstrichen war, die Gewährung einer Nachfrist~". Die märkischen Unternehmer waren in der Tat in eine mißliche Lage geraten, da ihre bisherige Praxis, jedes von der Kundschaft verlangte, besonders renommierte Zeichen auf ihre Ware zu schlagen, durch die Zeichenanmeldungen in Solingen und so Nach einem am 27. VII. 1850 vom Fabrikengericht Hagen der Reg. Arnsberg vorgelegten "Auszug aus der Rolle der bis jetzt hier festgestellten Fabrikzeichen" waren bis zu diesem Zeitpunkt eingetragen: ein Zeichen für die Handlung F. Hentze u. Co. in Voerde (angemeldet 1. li. 1848, eingetragen 15. III. 1849); ein Zeichen für die Handlung J. D. Post, Wehringhausen (angemeldet 11. III. 1848, eingetragen 15. III. 1849); ein Zeichen für den Kaufmann Ch. Schmöle, Iserlohn (angemeldet 30./ 31. III. 1849, eingetragen 12. X . 1849); einZeichen für den Kaufmann F. Billstein, Voerde (angemeldet 14./20. IX. 1848, eingetragen 12. X. 1849). Zu den entsprechenden Bekanntmachungen im Amtsblatt Reg.Düss. 1848 S. 320 und 1849 8.134. In den folgenden Jahren kamen nur wenige Zeichen hinzu; 1851 ein Zeichen, Bekanntm. v. 26. VI. 1851; 1853 vier Zeichen, Bekanntm. v. 8. VII. und 22. VIII. 1853. Alles nach StA Mr Reg. Arnsberg 655. 51 Vgl. oben Anm. l. 52 Vgl. unten zu Anm. 68. sa Bericht des Regierungsassessors Danco über die Versammlungen in Hagen v. 26. VIII. und 28. X. 1848; Reg. Arnsberg an Min. v. 12. XII. 1848. Diese Beratung war durch eine Versammlung märkischer Fabrikanten am Vogelsang vorbereitet und von einer Kommission geführt worden. " Stand die Forderung einer Nachfrist bei der ersten Besprechung noch für sich, so war sie in der zweiten Beratung durch den Hauptantrag auf Aufhebung der Augustverordnung verdrängt. - Ohne die Nachfrist, so meinte J . C. Harkort ein Jahr später, werde das Gesetz "hier nicht befolgt werden. . . . weil es nicht befolgt werden kann" ; Vorstellung v. 23. X. 1849.
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Remscheid erheblich beschnitten worden war. Wirtschaftliche Schwierigkeiten kamen hinzu, da der Absatz märkischer Waren zurückgegangen war. Unter diesen Umständen hielt man "die Anmachung aller Fabrikzeichen, welche von den Abnehmern verlangt werden oder einen guten Ruf haben'', für angemessen, um die eigene Fabrikation zu erhalten. Zwar nicht für dieses Verlangen, wohl aber für ihre Forderung nach einer Nachfrist fanden die märkischen Fabrikanten in der Regierung Arnsberg einen Fürsprechezo!Sii'. Das Handelsministerium indes war anderer Ansicht"6. Eine endgültige Entscheidung scheint gleichwohl nicht gefallen zu sein57• Das Verlangen nach einer Nachfrist kam noch mehrmals zur Sprache, zuletzt in der Abgeordnetenkammer am 29. März 1854&s. Zuvor schon hatte die märkische Seite versucht, ihr Ziel auf einem anderen Weg zu erreichen. Man glaubte, daß die Solinger und Remscheider Verzeichnisse alter Zeichen nicht rechtswirksam publiziert worden seien; infolgedessen seien auch die Einsprüche märkischer Fabrikanten noch nicht durch Fristablauf präkludiertlll'. Wiederum machte sich die Regierung diese Auffassung zu eigen, konnte aber beim Ministerium nicht durchdringen60 • So fand die Diskussion um den Vollzug der Augustverordnung ihr Ende erst, als die Novellierungsarbeiten bereits kurz vor dem Abschluß standen.
Reg. Arnsberg an HaM v. 14. XI. 1849; ZStA II Rep. 120 D II 232 (5). Die Verordnung von 1847 sei "gehörig publiziert" und es könne "sich deshalb nach bekannten Rechtsregeln Niemand mit der Nichtkenntniß derselben schützen"; die Bewilligung einer solchen Nachfrist werde "auch ohne Zweifel bei den bergischen Fabrikanten entschiedenen Widerspruch finden, weil dieselben hieraus nicht mit Unrecht eine Beeinträchtigung wohl erworbener Rechte erblicken würden". Reskript v . 15. XII. 1849, ebenda (5). 67 Die Hagener Fabrikanten sahen bis zum Spätjahr 1853 die "ganze Angelegenheit" irrfolge ihres Antrages "als einstweilen beruhend" an und meldeten in Erwartung einer Antwort keine neuen Zeichen mehr an. Handelskammer Hagen anReg. Arnsberg v. 7. X.1853, ebenda (6). 58 Sten. Berichte Pr. LT, Zweite Kammer II 1853/54 S. 720 ff. Die Nachfrist wurde vom Abgeordneten Friedrich Harkort beantragt, über ihn ADB 50 S. 1 ff. so Man berief sich darauf, daß die Bekanntgabe der bergischen Zeichen nicht im Amtsblatt selbst erfolgt sei, sondern im öffentlichen Anzeiger, einem Anhang des Amtsblattes. eo Reg. Arnsberg an HaM v . 10. IV., HaM an Reg. Arnsberg und Düss. v. 8. IV. und 23. V., JusM an HaM v. 2. VI. 1854, HaM an Reg.Düss. v. 13. III. 1855. 65
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IV. Die Anträge zur Erweiterung des Zeichenschutzes und das Gesetz vom 24. April1854 Die Novellierungsvorschläge der Solinger Versammlung vom 30. Oktober 184761 verfolgten vor allem ein doppeltes Ziel: der Zeichenschutz sollte auch gelten für Buchstaben- und Wortzeichen und für die Zeichen auf raffiniertem Stahl. Die Vertreter der Elberfelder Industrie verlangten zusätzlich, daß auch das Gewerbegericht Elberfeld zur Führung einer Zeichenrolle ermächtigt werde; außerdem sollte der Zeichenschutz auf alle anderen Fabrikate ausgedehnt werden. Eine ähnliche Bitte war inzwischen auch aus Aachen laut geworden; das dortige Gewerbegericht hatte in einer an den Finanzminister gerichteten Eingabe im Interesse der Aachener Nadelfabrikanten darum gebeten, daß die bislang bestehende Möglichkeit einer Zeichenhinterlegung in Aachen erhalten bleibe62• Alle diese Wünsche waren Gegenstand eines umfänglichen Gutachtens welches der in das neu gegründete Handelsministerium übergewechselte Regierungsassessor Dr. Hegel~ dem Referenten von Viehahn vorlegte64 • Mit diesem Votum wurde die Grundlage geschaffen für den im Juli 1848 fertiggestellten Entwurf einer ergänzenden Verordnung65. Dieser Entwurf bezweckte lediglich eine Ausdehnung des Zeichenschutzes auf raffinierten Stahl und Wort- und Buchstabenmarken; er berücksichtigte nicht die in Aachen und Elberfeld geäußerten Wünsche66 , die, so 61 Vgl. oben Anm. 42. Für die Einbeziehung der Stahlzeichen setzte sich vor allem Josua Hasenclever ein, für die Erweiterung auf Wort- und Buchstabenzeichen der Präsident des Solinger Fabrikengerichts, Jellinghaus, und der Remscheider Fabrikant F. A. Honsberg. 62 Die Aachener Fabrikanten zeigten sich davon überrascht, daß die Endfassung der Augustverordnung 1847 an das Gesetz vom 4. VII. 1840 insoweit angeglichen worden war, als auch die Verwendung von Fabrikzeichen auf der Verpackung den Bedingungen des neuen Rechts unterworfen war. OP Rheinprovinz an FinM v. 25. II. 1848, HaM an OP und Reg. Düss. v. 26. VII. 1848. - Zur Nadelindustrie des Aachener Bereiches und ihrem Zeichenwesen vgl. vorerst: Thissen, Aachener Nadelmarken; Vogelsang, Nadelindustrie, bes. S. 34 f., 124 ff. 63 Delbrück, Erinnerungen I S. 151; hier (S. 214) auch Näheres zur Gründung des Handelsmin.; vgl. auch Facius, Wirtschaft und Staat S. 51. 64 Votum v. 8. VII. 1848; ZStA II Rep. 120 D II 232 (4). 65 "Entwurf einer Verordnung betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen der Verordnungen zum Schutze der Fabrikzeichen an Eisen- und Stahlwaaren in der Provinz Westphalen und der Rheinprovinz vom 18. August 1847." 66 Den Elberfelder Absichten hatten sich schon die Deputierten aus Solingen und Remscheid widersetzt, um die Kompetenz der eigenen Gerichte nicht zu schmälern. Für eine beim Aachener Gewerbegericht zu führende Zeichenrolle bestand nach Ansicht Hegels kein berechtigtes Interesse, da die Nadelzeichen nur auf der Verpackung angebracht würden und auf dieser ohne Schwierigkeit auch Name oder Firma und Wohnort aufgedruckt werden könnten. Im übrigen sollten die Aachener ihre Nadelzeichen in Remscheid
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charakteristisch sie für das Schutzbedürfnis anderer Industriezweige gewesen sein mögen, durch den Ansturm der bergischen Interessenten gegen die ihnen nachteiligen Normen in den Hintergrund gedrängt wurden. Der Gesetzentwurf vom Juli 1848, der den Schutz der alten Wortund Buchstabenmarken auf den bergischen Distrikt beschränken wollte, forderte abermals den heftigen Widerspruch der Solinger Interessenten heraus, die von der Düsseldorfer Regierung ausdrücklich unterstützt wurden67• In der Grafschaft Mark gingen die Reaktionen auf den Entwurf, wie bereits erwähnt68, noch weiter: es wurden nicht nur die bergischen Novellierungswünsche, sondern der Zeichenschutz als solcher grundsätzlich in Frage gestellt. Zunächst wollten sich die märkischen Fabrikanten überhaupt nicht über die vorgeschlagene Ausdehnung des Schutzes auf raffinierten Stahl aussprechen; später erklärten sie, die Ausdehnung sei kein Bedürfnis und nicht zweckmäßig, da jeder Fabrikant seine Erzeugnisse mit seinem Namen bezeichnen könne und sich somit den im Gesetz von 1840 vorgesehenen Schutz verschaffen könne. Dieser Widerspruch war sicherlich einer der Gründe, die dazu führten, daß die Gesetzgebungsarbeiten in den folgenden Jahren ins Stocken gerieten. Daneben freilich spielte die Diskussion um die Einführung eines Qualitätszeichens auf Eisenguß eine Rolle, insbesondere aber dürften die revolutionären Ereignisse der Jahre 1848/49 und ihre Folgen den Fortgang der Novellierung nicht unwesentlich verzögert haben. Die "vernichtende Concurrenz" gegossener Schneidewaren für die traditionelle Solinger Industrie69 hatte schon früh den Ruf nach zeichenrechtlichen Maßnahmen laut werden lassen. Der Versuch, den geschmiedeten Waren durch das auf Grund des § 9 der Augustverordnung festgesetzte Zeichen"§" zu helfen, blieb ohne Erfolg70 • Die Solinger, welche hinterlegen. Dies ist später auch tatsächlich geschehen, vgl. Amtsblatt Reg.Düss. 1852 S. 272. - Den Schutz der Wort- und Bildzeichen hielt Hegel an sich für unzulässig; dennoch schlug er- unter bestimmten Vorbehalten - vor, die Anträge zu berücksichtigen, welche von den Provinzialbehörden so dringlich befürwortet worden seien: es sei "namentlich in jetziger Zeit nicht zu wünschen, daß durch Nichterfüllung dieser Anträge eine große Unzufriedenheit in dem bergischen Fabrikdistrikt erregt werde". 67 Versammlungen im "Audienzsaale des Königlichen Handelsgerichts" zu Elberfeld v. 24. VIII. und 14. IX.1848; Reg.Düss. an HaM v. 28. IX.1848; ZStA II Rep. 120 D II 232 (5). 68 Vgl. oben zu Anm. 48. 69 Näheres zu diesen Vorgängen bei Matthiolius, Arbeiten S. 47 ff.; Engels I Legers, Geschichte II S. 304. Das Zitat aus dem Bericht der Reg. Düss. v. 7. II. 1850; ZStA II Rep. 120 D II 232 (5). 70 Justizministerialblatt 1848 S. 170; Amtsblatt Reg. Düss. 1848 S. 228.
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in den Gußfabriken die vermeintliche Ursache der Armut und Arbeitslosigkeit sahen, forderten gesetzliche Verbote oder - weniger weitgehend - ein obligatorisches Zeichen für Gußwaren. Sie fanden trotz ihrer von der breiten Masse getragenen Agitation außerhalb des Solinger Industriebezirkes so gut wie keine Unterstützung. Auch das Ministerium lehnte ein Zeichen, daß die "Werthlosigkeit einer Waare" bekunden sollte, als Eingriff in die persönliche Freiheit71 ab. Die wirtschaftlichen und sozialen Unruhen um die Jahrhundertmitte spielten noch in einer anderen Weise in die Geschichte des preußischen Zeichenrechts hinein: in mehreren Petitionen verlangten Handwerker aus Cronenberg, Remscheid und Velbert die Einführung eines obligatorischen Meisterzeichens72. Diese Vorstöße scheiterten ebenso wie andere um diese Zeit geforderte Maßnahmen im Sinne der alten Handwerkstradition73. Als man im Dezember 1852 in Berlin die Reformwünsche der bergischen Fabrikanten in einen neuen ergänzenden Gesetzentwurf einarbeitete74, traten neue Bedenken einer baldigen Erledigung in den Weg: der neue Leiter der Abteilung für Handel und Gewerbe, Österreich76, sah in den märkischen Klagen über den drohenden Untergang ihrer Industrie Grund genug, die Angelegenheit nicht weiter zu betreiben. Überdies befürchtete er, daß die Einbeziehung der Stahlzeichen in den Schutz zwar die bergischen Fabrikanten vor ihren märkischen Konkurrenten sicherstellen, letztlich aber doch nur den Ausländern, insbesondere den Engländern zugute kommen werde; da es um die auswärtigen Märkte gehe, bestehe kein Zweifel, daß die Engländer auf diesen "denselben Vorteil über unsere Eisenwaaren gewinnen werden, den sie über unsere soliden Leinenfabrikanten gewonnen haben"; man 11 Eine Eingabe an die preußische Nationalversammlung v. 15. VII. 1848 trug 4710, eine Petition an das HaM v. 9. II. 1849 2966 Unterschriften. Das ablehnende Reskript erging am 1. III. 1850. - Zu den Belegen wie Anm. 69. 72 Vorstellung von 80 Gewerbetreibenden aus Cronenberg v. 23. I. 1849 und 4. XI. 1850; Vorstellung Remscheider Meister v. 17. X. 1850; von 75 Meistern aus Velbert v. 14. XI. 1850; des Remscheider Gewerberats v. 1. VIII. 1851 und 13. IX. 1852. - Alle diese Anträge wurden gestellt, nachdem es zuvor nicht gelungen war, dem Verschwinden der Meisterzeichen durch freiwillige Verpflichtung der Fabrikanten entgegenzuarbeiten. Versuche, wie sie etwa in Solingen durch die Gründung einer Handwerksbruderschaft, im Märkischen durch den "Verein der Sensenfabrikanten der Enneperstraße" unternommen wurden, mußten ohne einen unterstützenden Eingriff des Gesetzgebers erfolglos bleiben. Dazu s. SoHnger Kreisintelligenzblatt v. 16. IV. 1848; Winkhaus, Schaffen S. 836 f.; im übrigen wie Anm. 69. 73 Vgl. unten § 27 zu Anm. 3 f. 74 Im Dezember 1852legte der jetzt zuständige Sachbearbeiter, Regierungsrat Moser, einen neuen Entwurf vor; ZStA II Rep. 120 D II 232 (6). 76 Zu Österreich, seit Dezember 1849 (bis 1859) als Nachfolger A. von Pommer-Esches Leiter der Abteilung für Handel und Gewerbe, vgl. Delbrück, Erinnerungen S. 137. 139, 224 f., II S. 141.
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könne deshalb den von den Motiven eingenommenen Standpunkt nicht teilen, "daß es besser sei, die märkische Stahl- und Eisen-Fabrikation gehe zugrunde, als daß sie sich durch das Mittel der Täuschung des Publikums erhalte. Diese Täuschung ist bekanntlich in gar manchen anderen Geschäftsbranchen eine ganz gewöhnliche und wie die Dinge nun einmal gestaltet sind, ganz unvermeidlich. Man könnte nur in dem Falle versucht werden, ihr durch Verordnungen entgegenzutreten, wenn man es lediglich mit inländischen Fabrikanten und deren Manövern zur Ausbeutung der Märkte zu thun hätte. Wie man das aber bei einer so gefährlichen Concurrenz des Auslandes, wohin unsere Strafbestimmungen nicht reichen, versuchen will, kann ich nicht einsehen." Erst als sich aus einer Anfrage bei der Hagener Handelskammer ergab, daß man hier die früheren Widersprüche gegen die Ausdehnung des Zeichenschutzes hatte fallen lassen und nunmehr sogar die Wortund Buchstabenzeichen befürwortete78, änderte sich auch die Zurückhai tung des Ministeriums. Es berief auf Anregung der Regierung Arnsberg eine Konferenz von Vertretern der bergischen und märkischen Industrie nach Schwelm ein; sie fand unter dem Vorsitz Ernst von Bodelschwinghs, der mittlerweile Regierungspräsident in Arnsberg geworden war, am 23. November 1853 statt77• Bodelschwingh, der mit den Problemen des Zeichenschutzes vertraut war, brach der prinzipiellen Kritik einiger märkischer Fabrikanten von vornherein die Spitze ab, indem er die Diskussion der Konferenz auf die im Ministerialentwurf angesprochenen Themen beschränkte. In der Abstimmung kam die ablehnende Haltung einiger märkischer Deputierter, namentlich jene der Fabrikanten Harkort und Huth, doch wieder zum Durchbruch78• Am Ergebnis änderte dies aber nichts mehr: die Ausdehnung des Schutzes auf Wort- und Buchstabenzeichen wurde- mit bestimmten Einschränkungen- ebenso akzeptiert w ie die Einbeziehung der Marken auf raffiniertem Stahl. Das Ministerium trat den Vorschlägen bei, und so konnte alsbald der Entwurf eines Ergänzungsgesetzes den Kammern zugeleitet werden79 • 7& HaM an Reg. Arnsberg v. 17. VII., Handelskammer Hagen an Reg. Arnsberg v. 7. X., Reg. Arnsberg an HaM v. 21. X . 1853. 77 HaM an Reg. v. 4. XI.; an Reg. Düss. v. 11. XI.1853; Protokoll der Konferenz v. 23. XI.1853; Reg. Arnsberg an HaM v. 30. XI.1853. Zu Ernst von Bodelschwingh vgl. oben § 11 Anm. 34. Im übrigen ZStA II Rep. 120 D li 232 (6), StA Mr Reg. Arnsberg 655. 78 Beide hatten sich zuvor nochmals in besonderen Eingaben um die Absetzung der Novellierungspläne bemüht; ihre Haltung dürfte den Jahresbericht 1853 der Handelskammer beeinftußt haben, vgl. Pr. HA 1854 I (II)
s. 374 f.
79 Verhandlungen der 2. Kammer v. 29. 111. 1854 Sten.Ber. Pr. LT 1853/54 S. 720 ff.; Verh. der ersten Kammer v. 6. IV. 1859, Sten.Ber. S. 615 mit Anlage Nr. 44.
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Im Abgeordnetenhaus stieß das Vorhaben auf den heftigen Widerstand Friedrich Harkorts, der die Interessen der märkischen Industrie vertrat, aber eine Abstimmungsniederlage hinnehmen mußte. Das Gesetz wurde am 24. April1854 vom König ausgefertigt80•
V. Der Vollzug des Gesetzes von 1854 Anders als sieben Jahre zuvor, nahmen die märkischen Fabrikanten nunmehr die gesetzlichen Fristen wahr; dadurch komplizierte sich die Ausführung des Gesetzes etwas. Die Aufnahme der Freizeichen und der älteren Privatzeichen verzögerte sich und damit auch die Bestimmung des Anfangstermins zur Anmeldung neuer Zeichen. Er wurde erst 1856 bestimmt81• Das neue Gesetz erschwerte auch die Verwaltung der Zeichenrollen etwas, denn zu den bereits vorhandenen, auf Grund der Augustverordnung von 1847 angelegten Rollen traten nun weitere Register hinzu82 •
VI. Bemühungen zur Reform des rheinisch-westfälischen Zeichenrechts nach 1854 Schon bald nach dem Erlaß des Ergänzungsgesetzes wurden neue Wünsche laut. Von märkischer Seite verlangte man eine Ausdehnung des Schutzes auf Verpackungszeichen und Etiketten von Metall-Kurzwaren, also insbesondere Nadeln, und die Errichtung einer besonderen Zeichenrolle in Lüdenscheid. Das Ministerium hielt dem entgegen, § 269 des Strafgesetzbuches gewähre diesen Waren ausreichenden Schutz83. Schwerer wog eine Beschwerde der Kölner Firma J ohann Maria Farina gegenüber dem Jülichsplatz84 ; sie rügte vor allem, daß mit der 80 Sammlung Rheinprovinz XI S. 28f.; Ges.Slg. 54 S. 213; Pr. HA 1854 I S.203. 81 Vgl. Verf. v. 19. III. 1856. 82 Zur Anlage neuer Verzeichnisse in Solingen: Verzeichnis alter Wort- und Buchstabenzeichen, Amtsblatt Reg. Düss. 1854 S. 612; die Rolle im StadtA Solingen H 33. In Remscheid: Verzeichnis der Freizeichen auf raffiniertem Stahl v. 20. IX. 1854 (vier Zeichen). Außer einem Anmelderegister wurde eine neue Zeichenrolle für raffinierten Stahl angelegt; sie weist Eintragungen v. 15. XII. 1854 (Nr. 1) bis 20. IV. 1874 (Nr. 123) auf. Register und Rolle im StadtA Remscheid bzw. im Gewerbemuseum. 83 Jahresberichte für 1854 der Handelskammern Arnsberg, Iserlohn und Altena; HaM an Handelskammer Iserlohn v. 1. VI. 1855; ZStA II Rep. 120 D II 232 (6). 84 Vorstellung Johann Maria Farina v. 21. XI. 1855 mit Anlagen (u. a. eine Druckschrift über die Geschichte der Firma, die Produktion von Kölnisch Wasser und den Kampf um seine Bezeichnungen); Antwort HaM v. 10. XII. 1855; ZStA II Rep. 120 II 233 (3).
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Verordnung vom 14. August 1847 Spezialvorschriften für bestimmte Branchen an die Stelle des allgemeineren französischen Rechts getreten seien.
In der Tat waren auf diesem Wege auch jene Fabrikanten des gesetzlichen Schutzes ihrer Etiketten und Zeichen beraubt worden, die man bei der Gesetzgebungsarbeit so gut wie nicht angehört hatte85. Der Wunsch nach einer Wiederherstellung des alten Schutzes blieb unerfüllt. Die Antwort des Ministeriums beschränkte sich auf einen knappen Hinweis auf die ausstehenden Verhandlungen mit Österreich86• Mit dem gleichen, etwas vordergründigen Argument trat das Handelsministerium auch jenen Vorschlägen entgegen, die sich nicht auf Rheinpreußen beschränkten. § 13. Gescheiterte Reformwünsche (1840 - 1866)
I. Die Verbesserung des Strafschutzes Die Bedenken, welche bereits Patow bei der Beratung des Gesetzes vom 4. Juli 1840 gegen die notwendige Kombination von Name und Firma mit der Ortsangabe vorgetragen hatte, wurden in der Praxis bestätigt. Man klagte allenthalben über die Möglichkeit, den Strafschutz dadurch zu umgehen, daß man den Ortzusatz einfach wegließ. Derartigen Auswüchsen suchte das Obertribunal zu begegnen. Zunächst1 erklärte es, daß die Anwendbarkeit des § 269 StGB nicht dadurch bedingt sei, daß der geschädigte Fabrikunternehmer seine Waren nur mit seinem Namen oder seiner Firma, als auch mit seinem Wohnoder Fabrikort bezeichne; überdies könne der Wohn- oder Fabrikort nicht nur durch den Ortsnamen, sondern auch auf andere Weise gekennzeichnet werden, insbesondere könne eine örtliche Kennzeichnung integrierender Bestandteil der Handelsfirma sein. Knapp drei Jahre später ergänzte das Gericht seine Auffassung dahin, daß die Firmenangabe auch in der Ortsbezeichnung enthalten sein könne! und bekräftigte seine früher geäußerte Absicht, daß die miß85 Weder die Kölner Industrie noch die Aachener Nadelfabrikanten wurden vernommen, obgleich sie durch die Aufhebung der französischen Gesetze unmittelbar betroffen waren. 86 Reskript v. 20. XII. 1855. In der zunächst von Moser konzipierten Antwort war dies nur ein Argument unter mehreren anderen gewesen; daß man sich auf eine viel knappere Begründung beschränkte und den Hinweis auf § 269 StGB und die Sonderstellung der Eisen- und Stahlwarenindustrie unterließ, mag darauf zurückzuführen sein, daß damit die Argumente Farinas, der sich mit gleichem Recht wie jene Industriezweige auf ein "wohlerworbenes Recht" berufen konnte, nicht zu widerlegen waren. t Urteil v. 20. XI.1862; Justizministerialblatt 1863 S. 16 ff. 2 Urteil v. 13. IX. 1865; Oppenhoff, Rechtsprechung IV S. 299 ff.
§ 13. Gescheiterte Reformwünsche 1840- 1866
159
brauchte Firma nicht den Bestimmungen des Handelsgesetzbuches zu entsprechen brauche='. In den folgenden Jahren schränkte das Obertribunal diese Auslegung allerdings wieder ein, indem es, jedenfalls zugunsten von Kaufleuten, nur solche Firmen anerkannte, die dem ADHGB entsprachen4 • In Industriellenkreisen war schon früh die Streichung des obligatorischen Ortszusatzes gefordert worden6 . Einen besonderen Nachdruck erhielt diese Forderung aber erst durch die Empfehlung des Deutschen Handelstages vom 27. Februar 1860, die in den folgenden Monaten von zahlreichen Handelskammern übernommen und bekräftigt wurde6 • Der Handelstag begnügte sich indes nicht mit einem strafrechtlichen Schutz der Bezeichnung mit Firma oder Namen, er verlangte auch den Schutz des "einem inländischen Fabrikunternehmer, Produzenten oder Kaufmann gesetzlich zustehenden Fabrikzeichens oder Etiquetts". Mit diesem Vorstoß des Handelstages, der wie alle seine Vorläufer erfolglos blieb, überschneiden sich bereits die Wünsche nach einer Ausdehnung des rheinisch-westfälischen Sonderrechts auf die ganze Monarchie.
II. Anträge zur Ausdehnung des rheinisch-westfälischen Sonderrechts auf die ganze Monarchie Die vor 1840 so oft geforderte Erweiterung des Fabrikzeichenschutzes kam während der Vorbereitung des Ergänzungsgesetzes von 1854 wiederholt zur Sprache; doch erst nach 1855 wurde sie in steigendem Maße Gegenstand von Eingaben aus der Industrie. Neben den zahlreichen Vorstößen der Handelskammern, insbesondere jener von Solingen, Lennep, Düsseldorf und - etwas später - Hagen7, setzten sich insbesondere zwei Firmen für eine Ausdehnung des Zeichenschutzes ein: die Kölner Firma J. M. Farina8 und das HausJ. A. Henckels, Solingen und Berlin9 • Die zahlreichen eigenen oder doch von ihnen mits Urteil v. 14. I. 1864; Oppenhojj, Rechtsprechung IV S. 289 ff. Urteile v. 31. III.1871 und 3. VII.1871; Oppenhoff, Rechtsprechung XII S. 191 ff. und 370 ff. Im übrigen vgl. Art. 15 - 27 ADHGB. s So z. B. von den Gewerbegerichten Solingen und Remscheid am 7. II. 1850; von dem Berliner Stearin-Licht-Fabrikanten Luckwald im Jahre 1859; ZStA II Rep. 120 D II 232 (5) und 233 (3). - Auf der Schwelmer Konferenz (oben § 12 Anm. 78) wurde - ohne Erfolg - eine auf die westlichen Provinzen beschränkte Erweiterung des § 269 verlangt. e Der Handelstag war vom 20. II. bis 2. III. 1860 in Berlin versammelt; Verb. des Handelstages in Berlin ... (1860) S. 49 ff.; Protokoll auch in ZStA II Rep. 120 D II 233 (4). Berichterstatter war das Berliner Kommissionsmitglied Liebermann. 7 Zur Aktivität der Düsseldorfer Kammer insbesondere vgl. unten § 30 zu Anm. 6ff. 4
160
4. Kap.: Entwicklung in Preußen
getragenen Petitionen beschäftigten nicht zuletzt den preußischen Landtag. Beschloß das Abgeordnetenhaus im Februar 1858 noch ohne Widerstand auf Betreiben des Handelsministeriums, zur Tagesordnung überzugehen, so suchte im folgenden Jahre bereits eine Ausschußminderheit, diesen Beschluß zu verhindern und statt dessen die Anträge an das Ministerium "zur Berücksichtigung" überweisen zu lassen. Als Wortführer dieser Minderheit trat der Vorsitzende des Ausschusses auf, Friedrich von Roenne, der frühere Präsident des Handelsamtes und jetzige Abgeordnete der Kreise Lennep und Solingen; er setzte sich als einziger Redner für den "gerechtfertigten" Wunsch der Petenten ein. 111. Die Haltung des Ministeriums
Die Abteilung für Handel und Gewerbe und später das Handelsministerium leisteten allen Erweiterungsversuchen über Jahrzehnte hartnäckig Widerstand. Schon 1843 stellte das Ministerium ohne nähere Begründung fest 10, es könne die "Ausdehnung ... über die Gränzen der beiden westlichen Provinzen nach diesseitigem Dafürhalten für jetzt überhaupt nicht, also auch nicht für den Fall, daß sie sich für die westlichen Provinzen als zweckmäßig und ausführbar herausstellen möchte, in Aussicht gestellt werden". Erst als das Justizministerium nachdrücklich für eine solche Ausdehnung eintrat, begründete das Finanzministerium seine "wesentlichen Bedenken" mit dem Hinweis auf die besondere Situation jener Provinzen und fügte hinzu, es werde eine Ausdehnung in den östlichen Provinzen "vielleicht (!) Beschwerden über Beschränkung in dem Gebrauche von Fabrikzeichen" hervorrufen; im übrigen hätten sich die Klagen über das Nachmachen auf den Westen beschränkt, während es "in den östlichen Provinzen ihnen so wenig erheblichen Schaden bringen würde, wie es im Ausland" geschehe. Schließlich wird noch angemerkt, man wolle "Anträge wegen Ausdehnung der Verordnung auf die übrigen Provinzen von dorther" abwarten11 • s Petition Farina an die pr. Kammern. Vgl. Sitzung des Abgeordnetenhauses v. 15. IV. 1859, Sten.Ber. 58/59 S. 865 - 868 und Aktenstück Nr. 76, Beilagen-Band S. 560 ff. 9 Eingabe Henckels an HaM v. 29. X. 1855 mit einer vierseitigen Beilage "Über den Nutzen der Fabrikzeichen"; Eingabe an HaM v. 20. V.1857. Henckels befindet sich auch unter den Unterzeichnern der Eingaben Solinger Fabrikanten v. 20. und 23. V. 1857, und 31. VI. 1859; ZStA II Rep. 120 D II 232 (6) und (7) und 233 (3). - Zu den Eingaben an den LT vgl. die Sitzung des Herrenhauses v. 24. III. 1858 mit Abdruck des Kommissionsberichts, Sten.Ber. Herrenhaus 57/58 Bd. I S. 228 f. 1o Note an JusM und InnM v. 4. X. 1843; ZStA II Rep. 120 D II 232 (2). 11 Note des JusM v. 15. II. und des FinM v. 22. VII. 1844; ebenda.
§ 13. Gescheiterte Reformwünsche 1840 - 1866
161
Die "provinzielle Eigenthümlichkeit" der hergiseh-märkischen Industrie mußte auch in der Folgezeit immer wieder herhalten, um die nur beschränkte Verwirklichung eines an sich allgemeinen Prinzips zu rechtfertigen. So meinte Hegel184812, die Augustverordnung von 1847 könne "nicht auf die anderen Provinzen ausgedehnt werden, weil sie nur die Verhältnisse der Eisen- und Stahlwaarenfabrikation in der Mark und im Bergischen berücksichtigt und auf ein System gegründet ist, welches keine weitere Ausdehnung gestattet". Den späteren Eingaben und Petitionen gegenüber verwies das Ministerium zunächst auf die Verhandlungen mit Österreich13, danach wiederholte es die von Regel ausgesprochenen Grundsätzel4 • Als Vertreter der Regierung im Landtag rechtfertigte Moser16 das rheinischwestfälische Sonderrecht mit den dortigen eigentümlichen Verhältnissen, den Gepflogenheiten auf den überseeischen Absatzmärkten und der Konkurrenz zwischen Berg und Mark. Für eine Ausdehnung jener "Spezial-Gesetze auf die ganze Monarchie" ließen sich "gleich triftige Gründe nicht anführen", ein allgemeines Gesetz zum Schutz sämtlicher Fabrikzeichen würde hingegen "sehr große, fast unüberwindliche Schwierigkeiten . . . darbieten und Weiterungen herbeiführen, die mit dem Werthe der Einrichtung in keinem Verhältnisse stehen". Zwei Jahre später wiederholte Moser diese Argumente16; abermals liefen sie auf die Behauptung hinaus, der für den Zeichenschutz notwendige Aufwand stehe "außer allem Verhältnisse mit dem Nutzen der Einrichtung". An dieser Haltung änderte sich auch im nächsten Jahrzehnt nichts17•
12 Vgl. oben § 12 Anm. 64. Bemerkenswert ist, daß Viebahn denken nicht hatte; er wollte auf den notwendigen Ortszusatz Vgl. sein Votum v. 14. VI. 1848; ZStA Rep. 120 D II 232 (4). Auch zu Anm.l. 13 Vgl. oben § 12 zu Anm. 86. 14 So etwa in den Antworten an Henckels, Berlin v. 5. XI. 1855
1857. t5
solche Beverzichten. unten § 27 und 20. IV.
Vgl. Anm. 9.
1e Vgl. Anm. 8.
17 Als die Berliner Kaufmannschaft die Beschlüsse des Deutschen Handelstages vorlegte, begnügte sich das HaM mit der Feststellung, die Motive enthielten nichts Neues, und bezog sich auf die Verhandlungen in der Kammer. Vorlage der Kaufmannschaft v. 20. V. 60; HaM an JuSM v. 22. VI. 1860; ZStA II Rep. 120 D II 233(4).
11 Wadle
5. Kapitel
Der Zeichenschutz in Bayern § 14. Die Strafgesetzgebung von 1813 und ihre praktischen Probleme Das bayerische Strafgesetzbuch vom 16. Mai 18131, das epochemachende Werk P. J. A. Feuerbachs2 , enthält keine besondere Bestimmung zum Schutz der privaten Warenbezeichnung; lediglich der Verkauf von "durch Mißbrauch öffentlicher Stempel oder anderer Zeichen öffentlicher Authorität unechter oder verfälschter Waaren" wurde als qualifizierter Betrug mit Strafe bedroht (Art. 263). Die von Gönner, dem Widerpart Feuerbachs, ausgearbeiteten und mit Gesetzeskraft versehenen Anmerkungen zum Strafgesetzbuch3 stellen indes klar, daß das Verwenden der Zeichen fremder Fabrikanten als Betrug gemäß Art. 2564 zu gelten hat. Bei der Erläuterung des Art. 397, welcher dem Schutz des "Eigenthums an Geisteswerken" dient, heißt es unter anderem5 : "Wer die Firma eines andern Kaufmanns oder Fabrikanten sich widerrechtlich zueignet, wer seine Waaren und Fabrikate mit den Zeichen eines andern Fabrikanten versieht, der giebt f a 1 s c h e Thatsachen zu seinem Vortheile oder zum Schaden des Andern für wahr an: er ist also nach dem Artikel256 ein Betrüger, denn er betrügt den Käufer, welcher im Vertrauen auf diese Zeichen Sachen kauft, welche er nicht kaufen wollte: er betrügt bei Gegenständen des öffentlichen Handels das Publikum und beschädigt den Fabrikanten, dessen Absaz er durch falsche nachgemachte Zeichen vermindert. Auf den inneren Gehalt der unter falschem Namen, Zeichen oder Firma in Umlauf gebrachten Waaren kommt es also ebensowenig als auf den innern Gehalt der unächten Münze (Art. 341) an, wo das Hauptmoment des Betrugs nicht eben in der M a t er i e, sondern in der Form liegt." 1
Amtliche Ausgabe München 1813. Zur Entstehungsgeschichte vgl. v. Hip-
pel, Strafrecht I S. 293 ff. und Radbruch, Feuerbach S. 84 ff. 2 Zu Feuerbach vgl. insbesondere Radbruch, Feuerbach, passim. a Zu Gönner Radbruch a.a.O. S. 66, 69, 84 u. ö.
Art. 256 lautet: "Wer, um einen Andern in Schaden zu bringen, oder sich selbst einen unerlaubten Vortheil zu verschaffen, wissentlich oder vorsätzlich falsche Thatsachen für wahr ausgiebt oder darstellt, wahre Thatsachen unerlaubter Weise vorenthält oder unterdrückt, oder auch von fremdem Betruge, sich selbst zum Vortheile oder einem Dritten zum Nachtheile, wissentlich Gebrauch macht, wird wegen vollendeten Betruges bestraft, wenn hieraus entweder ein wirklicher Schade entstanden oder wenn die betrügliche Handlung mit dem in den Art. 265, 266, 269, 270, 271, 278, 280 bis 294 bemerkten beschwerenden Eigenschaften begangen worden ist." s Anmerkungen 111 S. 263 f. 4
§ 14. Der Strafschutz von 1813 und seine Probleme
163
Obgleich diese Kommentierung, soweit sie den Schutz der Fabrikzeichen betrifft, eher den Charakter eines obiter dictum11 trägt, bildete sie über Jahrzehnte hinaus die einzige positive Handhabe zur Strafverfolgung des Zeichenmißbrauchs. Als einigermaßen befriedigend hat sie sich in der Praxis nicht erwiesen. Die Probleme, die an das Ministerium herangetragen wurden, ähneln zu einem Teil jenen, die uns schon in Preußen begegnet sind: die Mehrzahl der Streitfälle hatte die Nachahmung von Tabaketiketten zum Gegenstand. Nahezu zehn Jahre währte eine Auseinandersetzung zwischen der Firma Ph. C. Krafft u. Comp. und der Bamberger Tabakhandlung J. P. Raulino7 . Krafft, der, um in Bayern Schutz zu genießen, in Nürnberg eine Zweigniederlassung eingerichtet hatte8 , beschwerte sich über mehrere im Verlaufe der Zeit variierende Nachahmungen seiner Umschläge durch Raulino. Der Tabakfabrikant J. Sebastian Pilsl aus Obernzell (Landgericht Wegscheid)9 beschwerte sich 1826 über die Nachahmung seines Familieno Wie das zuvor genannte Entwenden und Publizieren eines Manuskriptes oder die Verwendung eines fremdPn Rezepts dient auch die Nachahmung von Firmen- oder Zeichenmarke zur Erläuterung der Begriffe "Entwendung" und "Betrug". Dem entspricht der anschließende Text: "Nach eben diesen Rücksichten läßt sich bestimmen, wie ferne der Büchernachdruck als ein Betrug oder nur polizeilich zu bestrafen sey"; es komme darauf an, ob der Nachdrucker den Namen des Verlegers annehme oder nicht; je nachdem handele es sich um einen Betrug oder nur um einen einfachen Nachdruck. 7 HStA Mn AllStA MH 6069; StA Nü I 8, 3 Nr. 272. Zur Tabakindustrie in Bayern: Slawinger, Manufaktur S. 295 ff.; Reuter, Manufaktur S. 60 ff. s Die Beschränkung des Strafschutzes auf Inländer wurde auch gefolgert aus der am 1. X. 1819 aufgehobenen Verordnung über die Einführung der Tabakregie vom 14. X. 1811 (Reg.Bl. 1811 Sp. 1603 ff.); sie enthält u. a. folgende Bestimmungen über die Tabaksfabrikation: "§ 10. Zur Erleichterung der Uebersicht wird die Tabacks-Regie jeder einzelnen Tabacks-Mühle im Königreiche eine eigene in der Grund-Liste fortlaufende Numer anweisen, wonach die Fabrike berechtigt ist, einen Schild auszuhängen, welcher oben die ihr zugetheilte Numer, und darunter die bestätigte Firma der Fabrik enthält. § 11. Kein Fabrikant darf inländischen Rauch- und Schnupf-Tabak verkaufen, wenn nicht ein jedes Gefäß, Büchse, Karte, Rolle etc. mit der Immatrikulations-Numer bezeichnet ist. Der Verkauf (nicht der Bezug) von ausländischen Fabrikaten ist ihm en gros und en detail verboten. § 12. Kein Fabrikant darf die von ihm erzeugten Taback-Sorten mit der Firma und Numer eines andern inländischen Fabrikanten bezeichnen. § 13. Dem Fabrikanten steht es frei, jedes zu ihrer Fabrick erforderliche Bedürfnis z. B. Büchsen, Vignetten, Papiere etc. zu verfertigen, und sie sind nicht gezwungen, wenn sie nicht ihre eigene Konvenienz dazu bestimmt, sich diese durch Ankauf bei andern zu verschaffen." Diese Bestimmungen sind nahezu wörtlich aus der ersten Verordnung über die Tabak-Regie vom 20. VIII. 1811 (Reg.Bl. 1811 Sp. 1051 ff.) übernommen. 9 Eingabe v. 30. III. 1826; HStA Mn AllStA MH 6089.
u•
164
5. Kap.: Zeichenschutz in Bayern
wappens, das er auf die lichtblauen Umschläge des von ihm erfundenen Schnupftabaks setzte; einige Konkurrenten hätten sogar seinen Namen nachgemacht. Ähnlich lagen die Verhältnisse bei der Beschwerde des Kassler Fabrikanten Thorbecke, der seit 1824 eine Zweigstelle im Bamberg unterhielt10• Er konnte sich gegen einige seiner Konkurrenten, die seinen Namen und seine Firma gebrauchten, durchsetzen; damit waren jedoch die auf Täuschung berechneten Verballhornungen seines Namens noch keineswegs unterbunden. Als seine Versuche, diesen Mißbrauch zu beenden11, scheiterten, wandte er sich im August 1828 in einer Eingabe an den König12 und beklagte, daß sein Name noch immer, wenn auch nicht mehr so öffentlich, nachgemacht werde. Er regte deshalb an, daß das "Nachmachen fremder Tabak-Etiquetten allgemein aufhören solle und daß künftig jeder Fabrikant bloß seinen Namen auf seinen Tabacken führen dürfe. . .."; wenigstens solle das Nachahmen seines eigenen Namens, weder wie er ihn schreibe, "noch mit anderen Voroder Zusätzen oder Verdrehungen" und auch der Verkauf solchermaßen bezeichneter Tabake verboten werden. Im Falle Krafft/Raulino begnügte sich das Ministerium mit einer Bestätigung des von der Regierung Bamberg gegen Raulino ausgesprochenen Verbots; der Antrag Pilsls, den Gebrauch seines Wappens und seines Namens zu untersagen, wurde abgelehnt mit der Begründung, ein Privileg könne nicht erteilt werden. Lediglich die Beschwerde Thorbeckes von 1828 löste eine weiterreichende Reaktion aus. Das Innenministerium13 wies darauf hin, daß die Rechte des Bittstellers durch die Anmerkungen zum StGB hinreichend geschützt seien; gleichwohl sei der mangelhaften Kenntnis der Gesetze halber ein erneuter Hinweis in den Kreisintelligenzblättern angebracht. Allerdings erstrecke sich das Verbot nicht auf die Führung fremder Etiketten, sondern gelte nur für die Firmen und Fabrikzeichen des Inlandes. Das Ministerium ging dabei auch auf das in Rheinbayern geltende französische Recht und die Notwendigkeit der Hinterlegung des Fabrikzeichens beim Handelstribunal ein, fügte aber hinzu, daß das Fehlen einer solchen Vorschrüt im übrigen Bayern als ein "seiner Zeit auf den geeigneten Wegen zu verbeBernder Mangel zu betrachten" sei. 1o Die Vorgänge im einzelnen in HStA Mn AllStA MH 6068.
Zunächst beantragte Thorbecke, die Firma der Baroberger Niederlassung ("Friedrich H. Thorbecke Sohn") ändern zu dürfen, um der Einrede zu begegnen, die Bezeichnung "F. H. Thorbecke" sei keine einheimische Firma; die Behörde lehnte das Gesuch jedoch ab. 12 Eingabe v. 28. VIII. 1828. 13 Bericht an den König v. 29. XI. 1828, wie Anm. 10. 11
§ 14. Der Strafschutz von 1813 und seine Probleme
165
Mit dem Einverständnis des Königs erging daraufhin am 6. Dezember an alle Kreisbehörden "diesseits des Rheins" folgende Mitteilung zur Veröffentlichung in den lntelligenzblätterna: "Es ist aus mehreren Beschwerden inländischer Fabrikanten über die Nachmachung ihrer Fabrikzeichen und über die widerrechtliche Zueignung ihrer Firmen zu entnehmen gewesen, daß hinsichtlich der Strafbarkeit solcher Handlungen unrichtige aus Unkenntniß der bestehenden Gesetze hervorgegangene Ansichten verbreitet seien. Die Königliche Regierung wird deshalb beauftragt, jene Bestimmungen, welche in den mit Gesetzeskraft bekleideten Anmerkungen zum Strafgesetzbuche Bd. III. S. 263, 264 über dergleichen Betrügereien enthalten sind, durch eine in das Kreis-Intelligenzblatt einzurückende Bekanntmachung in Erinnerung zu bringen, und für den Vollzug derselben innerhalb ihres Wirkungskreises die geeignete Sorge zu tragen, zugleich aber auch die inländischen Fabrikanten zur Hinterlegung genauer Beschreibungen der gewählten Firmen und Fabrikzeichen bei den DistrictsPolizeibehörden ihrer Wohnorte zu veranlassen, damit hierdurch in einzelnen Uebertretungsfällen die Herstellung des Thatbestandes erleichtert werde."
Die Möglichkeit einer Hinterlegung der Firmen und Fabrikzeichen sollte die Rechtsgrundlage des Schutzes nicht verändern, sondern nur seine Realisierung verbessern. Die bestehenden Bestimmungen galten dem Ministerium bezeichnenderweise als "hinreichend". Die Entwicklung der folgenden Jahre zeigte indes, daß weder der im Strafrecht gewährte Schutz zulänglich war, noch die Verordnung von 1828 dessen Vollzug sicherstellen konnte. Als im April 1836 wiederum Tabakfabrikanten111 um einen besseren Schutz ihrer "Vignetten" nachsuchten, beriefen sie sich nicht zuletzt auf mehrere Vorkommnisse in den Jahren nach 1828. Die zehn Nürnberger Firmen, die sich in einer Eingabe an den König wandten, zählten eine Reihe von Fällen auf, aus denen sich die Unzulänglichkeit der bestehenden Gesetzgebung ergeben solltea. 14 Die Verfügungen des Ministeriums ist abgedruckt bei Döllinger, Sammlung 14,3 S. 1633 (§ 930); auch in: Intelligenzblatt für den Oberdonaukreis 1829 Sp. 51 ff.: Bekanntmachung der Augsburger Regierung vom 13. !.1829; Intelligenzblatt für den Ober-Main-Kreis 1828 Nr.155: Bekanntmachung der Regierung Bayreuth vom 15. XII. 1828. - Der Bekanntgabe in den Intelligenzbl. war eine Wiedergabe des erwähnten Zitats aus den Anm. beigefügt. 15 Vorstellung v. 20. IV.1836. HStA Mn AllStA MH 6085; StA Nü K. d. I. Abg. 1932 Tit. IX 2231. Abgedruckt mit allen Beilagen als Anlage zum Bericht des Abgeordneten Hagen in der Kammer vgl. unten Anm. 18. 18 So habe die Reg. des Oberdonaukreises das Einschreiten gegen einen Kemptener Kaufmann abgelehnt, der Etiketten der Nürnberger Firma Wagner und Co. verwendet habe; der Augsburger Fabrikant A. Schwab habe sich von der Nachahmung der Bestelmeyerschen Firma und Etikette nicht einmal durch gerichtliche Schritte abhalten lassen; und schließlich habe die Tabakfabrik Caspari in Aschaffenburg das Familienwappen der Ge-
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5. Kap.: Zeichenschutz in Bayern
Daraufhin verfügte das Innenministerium17 abermals an alle Regierungen diesseits des Rheins, daß die "Ausschreibung" vom 6. Dezember 1828 nebst einem Auszug aus den Anmerkungen noch einmal in den öffentlichen Blättern abgedruckt und dadurch dem Publikum eingeschärft werden sollte. Die Eingabe der Nürnberger ließ zum ersten Mal die Rechtsprobleme des bayerischen Strafschutzes deutlich hervortreten. Eine Abhilfe bahnte sich freilich erst im folgenden Jahr an, als einer der Petenten, der Nürnberger Abgeordnete Bestelmeyer, die Vorstellung zur Grundlage eines Antrages in der Abgeordnetenkammer machte18• Dieser Initiativantrag zielte auf den Erlaß eines Strafgesetzes gegen das Nachmachen der Fabrikzeichen und Firmen ohne Rücksicht auf den Betrag der dadurch verursachten Beschädigung; er verlangte ein Einschreiten der Behörden von Amts wegen und schließlich Verhandlungen mit den Zollvereinsstaaten über einen gleichen Schutz der jeweiligen Untertanen. Der Ausschuß, für welchen der Abgeordnete Hagen berichtete, bestätigte die Unzulänglichkeit des geltenden Strafrechts. Das Verwenden fremder Zeichen sei gern. Art. 258 nur dann als Betrugsverbrechen strafbar, wenn der dadurch bewirkte Schaden die Summe von 25 Gulden erreiche, es sei denn, es lägen "beschwerende Umstände" vor. Als Vergehen könne eine solche Handlung nur geahndet werden, wenn der Schaden die Summe von fünf Gulden übersteige oder eine der in den Art. 265 bis 272 und 278 bemerkten "erschwerenden Eigenschaften" erfüllt sei. In der Regel indes könne die Größe des entstandenen oder noch entstehenden Schadens nicht nachgewiesen werden. Deshalb müsse in den gewöhnlichen Fällen, wenn also keiner der qualifizierenden Tatbestände eingreife, der Angeklagte regelmäßig freigesprochen werden. Die einschlägigen Anmerkungen zu Art. 397 stellten zwar nicht auf die Schadenshöhe, sondern auf die Form des Betruges ab, eine solche Distinktion sei jedoch im Text des Strafgesetzbuches nicht enthalten; deshalb könne den Gerichten auch nicht zugemutet werden, gegen den klaren Inhalt des Gesetzes zu entscheiden. Die Feststellung des Berichterstatters, daß hier eine Lücke bestehe, "welche einer Nachhilfe im legislatorischen Wege" bedürfe, fand, wie die große Mehrheit für den Antrag Bestelmeyers zeigt, allgemeine Zustimmung19. brüder Schwarz in Nürnberg mit kleinen Abänderungen nachgemacht, ohne daß der Stadtmagistrat eingeschritten sei. 17 Döllinger, Sammlung 14,3 S. 1636 (§ 932). ts Vgl. dazu das Protokoll der Kammer der Abgeordneten 1837 S. 125 ff., 287 ff.; Beilage Nr. XLIII S. 141 - 172. Protokoll der Kammer der Reichsräte 1837 S. 398 f. (Forts. nächste Seite)
§ 14.
Der Strafschutz von 1813 und seine Probleme
167
Bestelmeyer selbst scheint vorübergehend anderer Meinung gewesen zu sein. In der Erkenntnis, daß ein neuer Gesetzentwurf in der laufenden Sitzungsperiode nicht mehr behandelt werden würde, modifizierte er nämlich in der Debatte vom 19. August seinen Antrag dahin, man solle im Wege der authentischen Interpretation feststellen, daß derjenige ohne Rücksicht auf den Nachweis einer Beschädigung gern. Art. 388 bestraft werde, der "die Firma eines anderen Kaufmannes oder Fabrikanten sich widerrechtlich zueignet, wer seine Waaren und Fabrikate mit den bei der Polizeibehörde immatriculirten eigenthümlichen Zeichen eines anderen Fabrikanten, wenn auch mit theilweisen unwesentlichen Veränderungen dieser Firmen und Zeichen versiehet". Als einige Redner und insbesondere auch der Regierungskommissar feststellten, daß die Modifikation in Wirklichkeit keine "authentische Leuteration", sondern ein neues Gesetz bezwecke, zog sie Bestelmeyer zurück und griff den ursprünglichen Antrag wieder auf. Daß das Strafgesetz den Zeichenschutz nicht, wie dies 1813 geschehen war, übergehen konnte, galt mittlerweile als selbstverständlich. Bereits der neue Entwurf von 182220 , der unter der Leitung Gönners verfaßt worden war, drohte eine Geldstrafe bis zu 50 Gulden an, wenn jemand "verkäufliches Geräthe von Gold oder Silber unter dem vorschriftsmäßigen Gehalte oder ohne aufgedruckte Probe verfertigt oder absetzt" (Art. 270 T. m. Hieran schließt sich als Art. 271 an: "Bei anderen Gegenständen des öffentlichen Verkehrs wird derjenige, welcher sich in Hinsicht auf die eingeführten Probe- und ähnliche Beglaubigungszeichen verfehlt, an Geld nach folgenden Verhältnissen gestraft: 1) bis zu zehn Gulden, wer die eingeführte Bezeichnung einer Waare ganz unterläßt; 2) bis zu fünfundzwanzig Gulden, wer das eigene Zeichen auf fremde, oder fremde Zeichen auf eigene Waaren setzt; 3) bis zu einhundert Gulden, wer Zeichen, welche für Waaren von gewisser Art und Güte bestimmt sind, auf Waaren geringerer Art oder Güte überträgt." Diese Bestimmungen gingen in den zweiten Teil des revidierten Entwurfes von 182721 mit nur wenigen Veränderungen als Art. 215 und 217 Zu Georg Bestelmeyer, seit 1825 Besitzer der größten Tabakfabrik in Nürnberg, in den 30er Jahren zweiter Bürgermeister der Stadt, vgl. Jegel, Entwicklung S. 21; Wießner, Anfänge S. 220 f. 19 Einzelne Deputierte wollten den Mißbrauch fremder Warenbezeichnungen generell als einen durch Urkundenfälschung begangenen Betrug (Art. 266), als fortgesetzten Betrug (Art. 265) oder Betrugsversuch werten; sie konnten sich mit dieser Ansicht jedoch nicht durchsetzen. 2o Entwurf eines Strafgesetzbuches, München 1822.
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5. Kap.: Zeichenschutz in Bayern
ein. In den Motiven22 wird die Notwendigkeit der Verwendung einer Probe damit begründet, daß der Privatmann den inneren Gehalt sonst nicht erkennen könne; zur zweiten Vorschrift findet man als Begründung lediglich den Vermerk, es müsse "darauf gehalten werden, daß Proben und Beglaubigungszeichen, welche auf Verkehrsgegenstände gesetzt werden, nicht zu Betrügereien mißbraucht werden". Schon die Zusammenstellung der Begriffe Beglaubigungszeichen und Qualitätszeichen in einer Bestimmung läßt daran zweifeln, ob man die unterschiedliche Funktion von Qualitäts- und Herkunfts-(Hersteller-)zeichen erkannt hatte. Gerade in dieser Beziehung mußte Bestelmevers Initiative aufklärend wirken. In der Kammerdebatte wurde noch eine zweite Frage aufgeworfen, jene nämlich nach zusätzlichen gewerbepolizeilichen Maßnahmen.
In der Begründung seines Antrags erwähnte Bestelmeyer selbst nur beiläufig, daß bei dem Mangel eines .Polizeistrafgesetzbuches die Behandlung solcher Fälle "völlig in der Willkühr der Administrativbehörden" liege. Der Berichterstatter Hagen vermißte ebenfalls einen zureichenden polizeilichen Schutz. Eine Abhilfe bot erstmals Bestelmeyer in der Modifikation seines ursprünglichen Antrages: sie machte den Schutz der "eigenthümlichen" Zeichen von einer "Immatrikulation bei der Polizeibehörde" abhängig. Bestelmeyer begründete dieses Erfordernis mit dem Hinweis auf den entsprechenden Brauch der Schwabacher Nadelfabrikanten; solche Zeichen, die Eigentum der Beteiligten seien, würden gewissermaßen die Stelle der Firma vertreten; zu diesem Antrag sei er "vielfältig aufgefordert worden und spreche nicht pro domo". Der Antrag, der- wie erwähnt- wieder fallengelassen wurde, fand die lebhafte Unterstützung des Schwabacher Abgeordneten Städtlez-2'3. Der Regierungskommissar, Ministerialrat Dr. von Stürzer, ging auf die Anregung nicht ein; ihm schienen die vorhandenen Möglichkeiten zu genügen, als er feststellte: "Verordnungen über diesen Gegenstand - nachdrückliche, kräftige Verordnungen- bestehen bereits", und es dem Antragsteller überließ, die Regierung zu einer nochmaligen Anweisung an die Vollzugsbehörden aufzufordern. 21 Revidierter Entwurf des Strafgesetzbuches, München 1827, S. 203 f. Diese Bestimmungen sind dann wörtlich in den Entwurf von 1831 übergegangen; vgl. Verh. der 2. Kammer der Ständevers. des Kgr. Bayern 1831, 13. Beilagen-Band (1831). tt Motive zum revidierten Entwurf des Strafgesetzbuches, München 1827, bes. S. 496. 23 Friedrich Städtler, Verleger-Fabrikant, befürwortet schon früh die Aufhebung der Schwabacher Zunftobservanzen; über seine Rolle im Nadlerverein ausführlich Schanz, Colonisation S. 334 f ., 346 ff.
§ 15. Handwerkstradition in Nürnberg und Schwabach
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In der gemeinsamen Sitzung des ersten und dritten Ausschusses vom 3. Juni24 hatte von Stürzer sich etwas deutlicher ausgedrückt, als er meinte, der Gegenstand gehöre mehr in den Bereich der inneren Verwaltung und sei "mehr als ein polizeilicher als wie ein strafrechtlicher zu behandeln". Das Ministerium änderte seine abwartende Haltung erst, als sich die Konflikte inländischer Fabrikanten mit Angehörigen anderer Zollvereinsstaaten mehrten. Den letzten Anstoß zur Vorbereitung der Verordnung vom 6. März 1840 gaben allerdings nicht die Schwierigkeiten im Außenhandel, sondern die massiven Vorstellungen der mittelfränkischen, insbesondere der Nürnberger Industrie. Durch sie gewann die Entwicklung des Zeichenschutzes eine neue Ausrichtung. Denn von den beiden Wegen, auf welchen er verbessert werden konnte, der Revision des Strafrechts einerseits und dem Erlaß ergänzender Polizeiverordnungen andererseits, entsprach der zweite am ehesten dem Herkommen der städtischen Handwerke in Schwabach und Nürnberg. § 15. Das Fortleben der Handwerkstradition in Nürnberg
und Schwabach und der Zeichenschutz
Nach der Vereinigung von "Stadt und Gebiet Nürnberg" mit Bayern (1807)1 blieben die alten, das Gewerbe betreffenden Verordnungen aufrechterhalten und mit ihnen das überkommene Nürnberger Zeichenrecht. Auch der Erlaß des Gesetzes über die Grundbestimmungen des Gewerbewesens vom 11. September 1825 änderte an dieser Rechtslage nichts2 • Nach der Ablösung der reichsstädtischen Organe, namentlich des Rugsamtes, durch die königlich-bayerische Polizeidirektion, dann (seit 1818) durch den städtischen Magistrat, mochte zwar auch im Zeichenwesen einige Rechtsunsicherheit entstanden sein; in zahlreichen Gewerben indes lebte der alte Brauch fort. Am augenfälligsten ist das zähe Festhalten am Herkommen in den Zeichenregistern dokumentiert, die - in Form von Büchern oder Platten- bis weit ins 19. Jahrhundert hinein geführt wurden3 • Einige der Zeichenbücher sind sogar erst im 19. Jahrhundert begonnen worden4• Wie Arun. 18. Rheinbundsakte v. 15. IX. 1806 Art.17, Huber, Dokumente I S. 28; Reg.Bl. 1807 S. 110. - Zur Geschichte des Nürnberger Handwerks und seines Zeichenwesens im 19. Jh. vgl. etwa Ilgenfritz, Warenzeichenrecht S. 141 ff.; Wießner, Anfänge S. 15 ff., bes. S. 28 ff.; HeßZer, Entwicklung, passim; Schröder, Entwicklung, bes. S. 13 ff., 18 f. 2 Reg.Bl. 1825 S. 127 ff. Ilgenfritz (a.a.O. S.143 mit Anm. 2) folgert dies zu Recht aus § 5 Ziff. 1. 24
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5. Kap.: Zeichenschutz in Bayern
Die Kraft der Tradition, die in Nürnberg fortlebte, zeigt sich nicht nur in diesen Registern, sondern auch in zahlreichen anderen Quellen, besonders klar in einem Gutachten des Handelsvorstandes aus dem Jahre 1815°. Dieses Votum gibt Aufschluß über die weitergeltenden Zeichenbräuche, vor allem um folgende Grundsätze: Innerhalb einer "Zunft"6 durfte kein Meister ein "gleiches oder ähnliches" Zeichen führen, wohl aber war dies für den Angehörigen eines anderen Ges Messerer: das um 1711 angelegte Zeichenbuch weist letzte Einträge aus den Jahren 1804 und 1816 auf; StA Nü Messerer Nr. 7. Gürtler: das 1726 angelegte Zeichenbuch wurde, wie aus der Art der undatierten Eintragungen ersichtlich ist, bis ins 19. Jh. geführt; StadtA Nü Handwerkssachen, Gürtler. Scheibenzieher: das 1762 erneuerte Zeichenregister enthält nach der letzten Eintragung des 18. Jh. fünfzehn Einträge, die nach 1800 vorgenommen worden sind; StadtA Nü Scheibenzieher 4. Zinngießer: die Bleiplatten mit Zeichen stammen zum Teil aus dem 19. Jh.; diese Platten sind wie jene der Brillenmacher, Bürstenmacher, Flaschner und Zirkelschmiede nach llgenfritz, a.a.O. S. 122 mit Anm. 2 - 5 im Germanischen Nationalmuseum aufbewahrt. Aus dem bei der Übergabe erstellten Verzeichnis (Nr. 18 "Register des gantzen Handwerckhs der Zinngießer") ergibt sich, daß "die Meister nach dem Meistersatz ihre Probezeichen nebst Namen eigenhändig aufschlagen und stecken ..."; es handelt sich um Zeichen aus den Jahren 1792 bis 1850. StadtA Nü Zinngießer 6. - Zum Ganzen vgl. auch Hintze, Zinngießer li. Goldschläger: ihre Zeichenbücher sind am vollständigsten erhalten, in den 1759 angelegten zweiten Band wurde 1862 eine letzte Marke eingetragen; StadtA Nü Goldschläger 3. Zum ersten Zeichenbuch (StadtA Nü Goldschläger 2) vgl. llgenfritz S. 120 f. und Theobald, "Warenzeichenrolle". Über Goldschmiede-Zeichen im 19. Jh. und entsprechende Register vgl. Mutschelknauß, Goldschmiedehandwerk S. 186 ff. Bleistiftmacher: ältere und spätere Meisterlisten mit Fabrikzeichen bei Bischof, Bleistiftmacher S. 10 ff. 4 Kammacher: sie erneuerten 1830 ihr Register und führten es regelmäßig bis 1856, der letzte Eintrag datiert v. 22. XI. 1867; StadtA Nü Kammacher 6. - Zum älteren Zeichenbuch, das im Germ. Nationalmuseum aufbewahrt wird, llgenfritz a.a.O. S. 121. Flaschner: sie stellten erst 1837 ihr Zeichenbuch zusammen, das in besonders übersichtlicher Weise bis 1855 weitergeführt wurde; StadtA Nü Flachner6. Lebküchner: sie eröffneten 1843 das jüngste noch erhaltene Zeichenbuch; StadtA Nü Lebküchner Nr. 1. 6 Hierbei ging es um folgenden Sachverhalt: Ein Kammacher, der bisher außerhalb Nürnbergs ansässig war und dort das Zeichen "Pistole" geführt hatte, war in die Stadt umgezogen und wollte dort sein ursprüngliches Zeichen weitergebrauchen, obwohl ein anderer Nürnberger Meister das Zeichen "Pistole" schon vor ihm innehatte. Zu diesem Verlangen meinte der Handelsvorstand, "das neue Mitglied der hiesigen Zunft müsse sich den Hauptgesetzen fügen, das usurpierte Zeichen ablegen, sich entweder ein neues - noch vorhandenes - oder eines aus den wählen, welche als unbesetztes in der Handwerkslade aufbewahrt werden". StadtA Nü Handelsvorstand 2771. - Von der Aufnahme eines Zeichens aus der Lade spricht auch Roth, Handel III S. 25 u. 27. 6 Über die Besonderheiten des Begriffes Zunft in Bezug auf Nürnberg vgl. Wiest, Entwicklung S. 65.
§ 15. Handwerkstradition in Nürnberg und Schwabach
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werbes gestattet7 • Über das bessere Recht entschied das von den "Geschworenen" festgestellte höhere Alter. Ein Zeichen konnte erworben werden, indem man es neu wählte oder von der Zunft, an welche die "ledig" gewordenen Zeichen zurückfallen, eine solche alte Marke übernahm. Diese für das alte Nürnberger Zeichenwesen charakteristischen Vorgänge werden durch RegistereinträgeS und spätere Vorgänge zum Zeichenschutz bestätigt und ergänzt. Dies gilt namentlich für den käuflichen Erwerb eines Zeichens9, die notwendige Zugehörigkeit zum zeichenschutzberechtigten Handwerk10 und das grundsätzliche Verbot, mehr als ein Zeichen zu schlagen11 • 7 Im oben erwähnten Falle bedeutet dies, daß das Zeichen "Pistole" ohne weiteres von einem Silberdraht- oder Nadelfabrikanten gebraucht werden durfte. s So finden wir z. B. im Zeichenbuch der Scheibenzieher folgende Eintragungen: "Anno 1838 den 22. Dezember hat Johann Friedrich Kaufmann das Zeichen Hirsch, als von seinen Eltern ererbt, eingeschlagen und dafür f 2 u. 48 bezahlt. Anno 1840 den 29. October hat Herr Johann Samuel Körnlein das Zeichen Lam in die Lade zurückgegeben mit der Bedingung, daß es ihm reserviert bleibe. Anno 1844 den 25. September hat Herr Salomon Memert das Zeichen Fuchs ins Blei schlagen lassen, indem derselbe die Wittwe des Herrn Joh. Georg August Fuchs heiratbete-zahlte f 5.24." Beispiele zu Heimfall und Neuvergabe auch im Zeichenbuch der Kammmacher S. 71 (1858/59); zum Kauf mit dem Realrecht im Register der Goldschläger Nr. 63 (1849). 9 Vgl. vorige Anm. a. E. to Vgl. den oben Anm. 5 geschilderten Fall. Ein anderes gleichsam negatives - Beispiel bietet die Entscheidung des Nürnberger Magistrats vom 28. I. 1830 im Fall des Nachtlichterfabrikanten Amberger (StadtANü VI b 5 Nr. 161 a fol. 18 ff.; ihm wurde der Zeichenschutz u. a. mit folgender Begründung abgesprochen: "2. findet überhaupt bei dem freien Industriezweig des Nachtlichtermachens, als eines Produkts, das weder eine besondere Veredlung noch Veränderung in der Form und Materie noch eine verschiedene Art des Gebrauchs erleidet, der Zweck der Führung eigener Zeichen, wie den eigentlichen Gewerben und Fabriken keine Anwendung, und es kann darnach auch das in andern ähnlichen Fällen giltige Strafverbot gegen den Gebrauch eines und desselben Zeichens von Seite mehrerer Produzenten hier nicht Platz greifen, daher die Zeichen der Nachtlichterverfertiger auch in die ohnlängst errichtete polizeiliche Firmenmatrikel nicht eingetragen worden sind." u Im Mai 1837 beschwerten sich die Scheibenzieher, Brillenmacher, Kammmacher, Borstenhändler und Bürstenmacher (Petition v. 30. V.1837; HStA Mn AllStA MH 5418) unter anderem darüber, daß die "ansteckende Kraft des bösen Beispiels" auswärtiger Fabrikanten schon auf Nürnberg übergreife; ein Nürnberger habe neuerlich begonnen, seinem Fabrikat "durch zweyerley Zeichen doppelt Eingang zu verschaffen". Diese Praxis wurde mit dem Satz gerügt: "Entweder hat sein Zeichen keine reelle Bedeutung oder eine falsche. Man kann nicht einwenden, daß verschiedene Sorten auch verschiedene Zeichen veranlassen können, das wäre eine Lüge, denn die verschiedenen Sorten
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5. Kap.: Zeichenschutz in Bayern
Ein ähnliches Beharren auf dem Herkommen ist in Schwabach zu registrieren, dessen "bedeutendster Industrie-Zweig" 12, die Nadelindustrie, auf eine lange Tradition zurückblicken konnte13. In den Vorgängen14, die hier nach dem Erlaß der Rundverfügung vom 6. Dezember 1828 um die Aufnahme eines Firmen- und Zeichenregisters geführt wurden, tritt diese Haltung deutlich hervor. Der Schwabacher Magistrat, der ganz im Sinne des alten Brauches der Ansicht war, daß jeder Fabrikant nur ein Fabrikzeichen führen dürfe, wollte in einem Ausschuß von sechs Fabrikanten die Errichtung einer förmlichen Matrikel besprechen lassen. Dabei stellte sich heraus, daß nur zwei Teilnehmer, ein Zichorien- und ein Kettenpapierfabrikant, mit der vom Magistrat angestrebten Beschränkung auf ein Fabrikzeichen einverstanden waren, während die übrigen sich gegen diese Festlegung verwahrten. Die beiden anwesenden "leonischen Drahtfabriken" machten geltend, sie führten seit undenklichen Zeiten alle Zeichen gemeinsam, jeder füge nur seine eigene Firma hinzu; der Tabakfabrikant meinte, die auf Tabak verwendeten Zeichen seien noch weit mannigfaltiger und würden von allen Fabriken nachgemacht. Die drei Vertreter der Nadelfabrikanten schließlich hoben hervor, in Schwabach führe zwar jeder seit Jahrhunderten nur ein Zeichen; solange jedoch nichts gegen deren Nachahmung in anderen Orten unternommen werde, wollten sie sich nicht auf ein Zeichen festlegen lassen. Die Regierung werden nicht durch das Zeichen, sondern durch Nummern charakterisiert, durch Zeichen aber wird lediglich die Fabrik repräsentiert." Zwei Jahre danach bestätigte der Nürnberger Magistrat diese Ansicht, indem er die Beschwerde des Drahtfabrikanten Osterhausen ablehnte, welcher verlangt hatte, neben seinem "in einem eigenen Buche bei der Polizeibehörde" eingetragenen Zeichen ("Ziffer 3") noch das "angemaßte" Zeichen "Steinbock" führen zu dürfen. Der Magistrat berief sich auf die alte Observanz, nach welcher bei den Scheibenziehern nie ein Meister zu zwei Zeichen berechtigt gewesen sei, und auf die alte Ordnung des Scheibenziehergewerbes von 1666, welche nur insoweit obsolet geworden sei, als sie mit der Gewerbegesetzgebung von 1825 "unvereinbarlich" wäre; auch hätten die Scheibenzieher im Juni 1828 selbst eine neue Ordnung zur Revision übergeben, in welcher gleichfalls bestimmt werde, daß niemand ein anderes als das einmal angenommene Zeichen gebrauchen und auch nicht mehr als ein Zeichen führen dürfe (Polizei-Senats-Beschluß v. 14. X., Magistrat Nü an Reg. Mittelfranken v. 27. XI. 1839; StA Nü Reg. K. d. I. Abg. 1932 Tit. IX 2231). 12 So die Vorstellung v. 15. II. 1829. 1a Die "alte Observanz" des Schwabacher "Nadlervereins" unterschied seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zwischen "Fa~onmeistern" und Verlegern ("Fabrikanten"); allein die zweite Gruppe war zur Führung von Zeichen berechtigt und verpflichtet, und zwar erlaubte Art. 46 der Nadlerordnung v. 22. I. 1759 nicht "mehr als zwey Zeichen, eines auf gute staehlerne und das andere auf eiserne Nadeln zu führen". Später wurde üblicherweise nur ein einziges Zeichen geführt. Vgl. Schanz, Colonisation I S. 303 f., 330 ff., 341, II S. 351. Zur Schwabacher Nadelindustrie und ihrem Zeichenwesen im übrigen Weindler, Nadelindustrie; Meldau, Warenzeichenfehde. 14 Das folgende nach StA Nü K. d. I. Abg. 1932 Tit. IX Nr. 2231.
§ 15. Handwerkstradition in Nürnberg und Schwabach
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widersprach15 und entschied, daß kein Grund bestehe, vom bisherigen Gebrauch abzuweichen, wenn nur neben'den ÜbereinstimmendenFabrikzeichen auf Fabrikaten gleicher Art zusätzlich Firma und Fabrikort angegeben würden; ein solches Verfahren sei polizeilich nicht zu beanstanden, da einer Täuschung des Käufers durch die beigefügte Firma vorgebeugt werde; ihre Nachahmung sei auf jeden Fall unzulässig. Mit dieser Entscheidung gab sich die Mehrzahl der Nadelfabrikanten jedoch nicht zufrieden16• Sie regten einen "Vergleich" aller Angehörigen ihres Gewerbes an, in welchem sich alle verpflichteten, "für alle künftige Zeiten lediglich das bisher geführte Fabrikzeichen, welches erbweise oder durch Kauf erworben worden ist, oder noch erworben werden könnte, bei Versendung ihrer Fabrikate zu gebrauchen und unter keinerlei Vorwand des Anderen Zeichen, auch nicht mit einiger Abänderung, nachzumachen". Acht Fabrikanten weigerten sich unter Berufung auf den erwähnten Regierungsentscheid, diesem Vergleich beizutreten. Daraufhin ersuchten die übrigen 29 Verleger die Regierung, den Beitritt der acht zu gebieten und mithin zu bestimmen, daß "keiner der hiesigen Nadelfabrikanten sich des Zeichens eines Andern seiner hiesigen Gewerbsgenossen, weder mit noch ohne Beifügung seiner Firma, bedienen dürfe". In einem vielseitigen Schriftsatz wurde dabei die Bedeutung des hergebrachten Zeichenwesens für die Schwabacher Nadelindustrie erläutert. Das zunftgebundene Zeichenrecht, das in dieser Eingabe aufscheint, wurde von der Mehrzahl der Nadelfabrikanten noch als verbindlich akzeptiert; deshalb mußte die Regierung vorsichtiger reagieren: sie versicherte17, daß ihre Entschließung vom 6. Februar sich ausdrücklich nur auf den bisherigen Gebrauch bezogen habe und lediglich eine plötzliche Änderung des Herkommens habe verhindem wollen; außerdem habe sie hauptsächlich die "Leonischdrahtfabrikanten" betroffen, keineswegs aber sei die Freigabe der Fabrikzeichen unter dem Vorbehalt der Hinzufügung einer eigentümlichen Firma beabsichtigt gewesen. Schon aus diesen Ereignissen ergibt sich, daß die hergebrachten Vorstellungen zum Zeichenwesen nur insoweit fortgelten konnten, als sie realisiert waren, das heißt, soweit der traditionelle Rahmen der städtischen Gewerbe nicht überschritten wurde. Die Selbstkontrolle der 1s Bescheid v. 6. II. 1829. 16 Vorstellung von 29 Schwabacher Verlegerfabrikanten an die Reg. Mittelfranken v. 25. II. 1829; auch Vernehmungsprotokolle des Magistrats Schwabach v. 18. II. 1829 und 23. II. 1829; StA Nü K. d. I. Abg. 1932 Tit. IX Nr. 2231. 17 Reg. Mittelfranken an Magistrat Schwabach v. 10. III. 1829.
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5. Kap.: Zeichenschutz in Bayern
fortbestehenden Handwerksverbände konnten nur innerhalb der jeweils eigenen Reihen für die Unverletztheit der Fabrikzeichen sorgen. Sobald, wie im Falle der Schwabacher Nadelindustrie, die Solidarität der Genossen zerbrach, bedurfte es des staatlichen Eingreifens, um die Zeichen vor Nachahmung zu bewahren1s. Dieselbe Notwendigkeit ergab sich dann, wenn zwar der Handwerksverband intakt blieb, die staatliche Gewerbepolitik jedoch konkurrierende Betriebe innerhalb des ursprünglichen Tätigkeitsfeldes einer Korporation begünstigte: auch wenn ein Gewerbe und sein Zeichenwesen für sich genommen intakt blieb, so gab es doch kein Mittel, die Nichtmitglieder zur Einhaltung der Zunftregel zu bewegen. In der Mehrzahl der Fälle, welche die Regierung von Mittelfranken in den Jahren zwischen 1830 und 1840 beschäftigten, ging es um Streitigkeiten zwischen Handwerksgenossen und zunftfremden oder auswärtigen Konkurrenten. Die Nürnberger Kammacherinnung19 führte einen hartnäckigen Kampf gegen einige Meister derselben Branche im Umland der Stadt; diese hatten mehrere Fabrikzeichen Nürnberger Meister nachgemacht. Als das zunächst zuständige Landgericht ein Einschreiten ablehnte, weil die Zeichen infolge der Zusetzung des eigenen Namens leicht zu unterscheiden seien, wandte sich die Innung an die Regierung, welche die Ansicht des Landgerichts bestätigte. Die Kammacher hingegen gaben sich damit nicht zufrieden und legten Revision zum Innenministerium ein. In einem ausführlichen Schriftsatz ließ die Innung durch einen Anwalt ihren Standpunkt darlegen; sie berief sich auf die alte Gewerbeordnung, das Herkommen und den Handelsbrauch, das Verbot "nämlicher und ähnlicher" Zeichen usw. und schließlich auch darauf, daß der Name im Verkehr nur als Nebensache betrachtet werde. Das Ministerium erklärte im Januar 1839 ohne weitere Begründung, es habe zur Änderung der Regierungsentschließung keine Veranlassung. 1s Die acht Schwabacher Nadelfabrikanten, die den Beitritt zum "Vergleich" ihrer Gewerbsgenossen und damit die Beschränkung auf ein ohne jede Namensergänzung zu führendes Fabrikzeichen ablehnten, hatten die Situation in der Tat besser erfaßt als ihre Gewerbsgenossen, die einen entsprechenden "Vergleich" eingegangen waren. Jene begründeten ihre Weigerung zum Beitritt nicht zuletzt damit, daß eine solche Beschränkung "den hiesigen Fabriken keinen Nutzen bringen kann, solange nicht alle Nadelfabrikanten im ganzen Königreich den im Vergleich aufgestellten Grundsätzen beipflichten werden". Die Observanz des Nadlervereins wurde 1847 aufgehoben; bei dieser Gelegenheit verpflichteten Magistrat und Regierung alle nunmehr auf eigene Rechnung arbeitenden Fa~;onmeister zur Führung eines Fabrikzeichens, vgl. Schanz, Colonisation I S. 356. 19 Vgl. die Akten StadtA Nü Kammacher 35 zum Verfahren gegen die im Bezirk des Landgerichts tätigen Kammachermeister Siebenwurst, Nagel und Brand.
§ 15.
Handwerkstradition in Nürnberg und Schwabach
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In den wesentlichen Zügen gleicht diesem Vorgang ein zweiter Fall, der Streit der Nürnberger Scheibenzieherzunft gegen den Schwabacher Drahtfabrikanten Fr. Sigmund Hüttlinger-20. Der Schwabacher Magistrat lehnte 1837 ein Vorgehen gegen Hüttlinger ab, weil dieser dem Zeichen "springender Hirsch", das er 1829 habe immatrikulieren lassen, immer seinen vollen Namen und das Schwabacher Stadtwappen hinzugesetzt habe. Die Nürnberger Zunft wies in ihrem Rekurs an die Regierung darauf hin, daß das Zeichen "springender Hirsch" ebenso wie andere (z. B. "Vogel Strauß", "Glocke") seit Jahrhunderten ihrem Gewerk zustehe, während Hüttlinger früher immer das Zeichen "Hütte" geführt habe. Die Regierung bestätigte jedoch die Entscheidung des Magistrats, und das daraufhin angerufene Ministerium erklärte eine Behandlung in dritter Instanz für unzulässig. Reine Bildzeichen blieben außerhalb des vom Zunftbrauch kontrollierten Bereiches ohne Schutz: das Nachmachen der figürlichen Elemente, so meinten die staatlichen Stellen, könne nicht irreführend wirken, wenn der Name und Wohnort und eventuell noch das fremde Stadtwappen hinzugefügt seien. Diese Ansicht hatte schon der 1815 nach Nürnberg zugezogene Kammachermeister vertreten21 ; sie wurde wiederholt von der Regierung von Mittelfranken, die 1828 einen Bescheid des Schwabacher Magistrats aufhob, der es für unzulässig gehalten hatte, wenn ein Drahtverleger einem fremden Zeichen seinen eigenen Namen und Wohnort hinzufügte2'2. Auch der Nürnberger Magistrat pflichtete dieser Ansicht bei23 . Diese Vorgänge zeigen, daß die innerhandwerkliche Ordnung des Zeichenwesens nicht bruchlos weitergeführt werden konnte, da das Konzessionssystem die herkömmlichen Grenzen der Gewerbeverfassung durchbrachen hatte. Handwerker, die außerhalb der Zünfte standen, benutzten tatsächlich oft schon lange Zeit dieselben Zeichen, die innerhalb einer Innung vor Konkurrenz geschützt waren; infolgedessen stand der umfassendere staatliche Zeichenschutz vor einer kaum lösbaren Aufgabe: die Zugehörigkeit einer Marke und namentlich ihre 2o Berichte Magistrat Schwabach an Reg. Mittelfranken v. 12. VI. u. 10. XI. 1837; Vorstellung der Scheibenzieher von Nürnberg v. 30. VIII. 1837; Min. an Reg. v. 24. III. 1838. - Alles nach StA Nü K. d. I. Abg. 1932 Tit. IX Nr. 2231.
Einen entsprechenden Fall über die Nachahmung Schwabacher Nadlerzeichen durch einen Nürnberger Konkurrenten berichtet Schanz, Colonisation I S. 335. 21 Oben Anm. 5. 22 Oben Anm. 15. 23 Vgl. den Polizei-Senats-Beschluß v. 30. XII. 1839 zur Klage der Nachtlichterfabrikantin Anna Catharina Glafey gegen den Nachtlichtermacher Stützer; dieser hatte dem Glafey'schen Zeichen seinen eigenen Namen hinzugesetzt; StadtA Nü VI b 5 Nr. 101.
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5. Kap.: Zeichenschutz in Bayern
Priorität waren nicht zuverlässig festzustellen. In dieser Situation bot sich der Zusatz von Name und Ort als Aushilfe an; freilich entzog man auf diese Weise zugleich dem Bildelement seine unterscheidende Funktion. Mit dieser Entwicklung konnten sich die Schwabacher und Nürnberger Gewerbe nicht zufriedengeben. Die Schwabacher Vorstellung einer gewerbepolizeilichen Regelung des Zeichenwesens wurde bereits in der Kammersitzung von 1837 durch den Abgeordneten Städtler befürwortet24. Die Nürnberger Forderungen wurden erst später vorgetragen, dafür jedoch um so eindringlicher. In zwei Petitionen aus dem Jahre 1839 sind die Vorstellungen des Nürnberger Handwerks wie in einem Brennspiegel gesammelt. Der Nürnberger Magistrat setzte sich im Mai 183925 dafür ein, "durch Strafgesetze oder durch polizeiliche Anordnungen" den Mißbräuchen im Zeichenwesen "schleunige Abhilfe" zu schaffen. Zunächst beschwor der Magistrat in allgemeiner Form die Bedrohung des Nürnberger Gewerbes durch auswärtige Konkurrenz und technischen Fortschritt; dieser Entwicklung könne in wichtigen Punkten abgeholfen werden, so zum Beispiel durch einen hinreichenden Schutz der Fabrikzeichen. Es bestehe aber die Gefahr, daß andere auswärtige Fabrikanten in der gleichen Weise wie Hüttlinger weitere Nürnberger Zeichen nachmachten. Dies ziehe deshalb so "traurige Folgen" nach sich, weil für den Absatz nach Spanien, Italien, Amerika und in die Türkei nicht der Name, sondern allein das Zeichen entscheide, nach dem die Bestellungen erfolgten. Ein jeder Konkurrent müsse sich jedoch "ehrlicher Mittel bedienen, nicht dadurch Absatz verschaffen, daß er bereits renommierte Zeichen eines anderen Fabrikanten sich" aneigne. Die bestehenden Gesetze gewährten keine genügende Sicherheit; das unterliege seit der letzten Ständeversammlung keinem Zweifel mehr. Nur wenige Tage nach diesem Vorstoß wandten sich die Nürnberger Scheibenzieher, Brillenmacher, Kammacher, Borstenhändler und Bürstenmacher direkt an den König28• Auch sie beriefen sich auf die Landtagsverhandlungen von 1836 und beschworen den "unertragbaren Druck ..., welchem wir und mit uns tausende von treuen und fleißigen Arbeitern mit ihren Familien unterliegen", das "wachsende Übermaß der Nahrungsbeeinträchtigung und Abspannung und die Hilflosigkeit u Vgl. oben § 14 zu Anm. 23.
25 Vorlage des Magistrats Nürnberg v. 3. V. 1839. HStA Mn AllStA MH 5481 und StA Nü K. d. I. Abg. 1832 Tit. IX 2231. 26 Vorstellung v. 30. V. 1839; Reg. Mittelfranken an Min. v. 24. VIII. 1839; ebenda. Zur Bedeutung der Zeichen der Bürstenmacher und -binder schon Roth, Nürnberger Handel II S. 25.
§ 16. Verordnung vom 6. März 1840
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bei den vollziehenden Behörden". Die Nachahmer der Nürnberger Zeichen wüßten "durch irgend eine kaum merkliche Variation den Vorwurf der Nachahmung listig abzulehnen" und gingen straflos aus. So sei "der durch die Ausbildung des Fabrik- und Gewerbewesens entstandenen künstlichen Eigenthums-Spähre der ihr notwendige Schutz des Eigenthums, welcher sich zu aller Zeit an die Fabrikzeichen knüpfen mußte, und von jedem Glied des Fabrik- und Gewerbestandes solange noch Treue und Glauben bestanden, schon um der Reciprocität willen geachtet waren (nam quodquis in alterum statuerit, in semetipsum statuere etiam debet), aber auch auf das kräftigste ertheilt worden ist, in neuerer Zeit gänzlich verloren gegangen". Unter diesem Schutz hätten "in Nürnberg die Gewerbe geblüht", jetzt kämpften "die einst blühenden Gewerbe mit Noth"; es hätte nichts weiter bedurft, "als daß in den Nachbarstädten Fürth und Schwabach die Nürnberger Zeichen nachgemacht ... und die schlechteren Waaren unter dem Namen Nürnberger Fabrikats verkauft" worden seien. Derartige Praktiken seien in Nürnberg nie zugelassen worden. Zum Beweise, daß auch auswärts eine solche "Überwachung der Gewerbssphäre" gehandhabt werde, verweisen die Petenten ausführlich auf die Gesetzgebung in Preußen, Österreich, Frankreich und England und die juristische Literatur. In Bayern sei der Zeichenschutz zwar bekannt, er werde aber nicht geübt. Die Ursachen für diese durch Beispiele belegte Entwicklung lägen in der "Lückenhaftigkeit zwischen Criminalund Polizeistrafgesetzgebung", in der "irrigen Auffassung des Begriffs von Betrug von Seiten der vollziehenden Behörden" und endlich im "gänzlichen Mangel aller staatspolizeilichen Präventivmaaßregeln". Die bisherige Praxis sei unzureichend; man verlange zum Begriff der Täuschung eine "absolut identische Nachzeichnung" und lasse schon das Hinzufügen des (echten) Namens genügen, um den Mißbrauch straffrei zu stellen. Die Petition schließt mit der Bitte, den in Aussicht gestellten Schutz der Fabrikzeichen und Firmen "durch polizeiliche angemessene Einrichtungen und Verordnungen, allenfalls durch Vervollständigung der Gesetzgebung baldmöglichst in das Leben treten zu lassen". § 16. Die Verordnung vom 6. März 1840 Wenngleich die Vorarbeiten zur Verordnung vom 6. März 1840 erst kurz vorher ernsthaft in Angriff genommen wurden, so fehlte es in den vorangehenden Jahren doch nicht an Überlegungen, wie man den Zeichenschutz verbessern könnte. Diese Vorgänge blieben freilich in der Regel auf den internen Bereich beschränkt. Hier entfalteten die zahl12 Wadle
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5. Kap.: Zeichenschutz in Bayern
reichen Anstöße der dreißiger Jahre ihre Wirkung; nach außen hin verhielt sich die Regierung, namentlich das federführende Innenministerium, in aller Regel abweisend. Schon die Vorstellung der Nürnberger Tabakfabrikanten veranlaßte einen Schriftwechsel mit dem Justizressort; in seinem Verlauf bemerkte das Innenministerium1, daß wohl die Benutzung anerkannter Zeichen einer Fabrik auf fremden Fabrikaten strafrechtlich unproblematisch sei, nicht aber die "Nachahmung eines Fabrikzeichens mit Hinweglassung einiger mehr oder weniger wesentlicher Nebenumstände"; es sei eine Frage der Gesetzgebung, ob auch solche in "bloß' unbedeutenden Abänderungen" bestehenden Nachahmungen erfaßt werden sollten; dagegen sei es "Gegenstand der administrativen Erörterung", ob ein inländischer Fabrikant lediglich auf das jeweils "adoptierte" Zeichen beschränkt werden solle oder nicht. Das Justizministerium~ nahm in grundsätzlicher Weise nur zur Frage der Strafbarkeit Stellung. Ausgehend von dem Grundsatz, daß "die Annahme oder Nachahmung fremder Fabrikzeichen" ebensowenig "unter den Gesichtspunkt des Betruges" falle als der Nachdruck, verwies es auf die entsprechende Einstellung des Entwurfes von 18313; "unwesentliche Abweichungen" könnten nicht verhindern, daß die bereits bestehenden Gesetze angewendet würden. Die Frage besonderer "administrativer Maßnahmen" stellte man dem Innenministerium anheim. Hier blieben freilich die Dinge vorerst auf sich beruhen. Sieht man von den Aktivitäten unmittelbar nach der Münchner Generalkonferenz (1836) einmal ab4, so gab das Ministerium erst 1838 seine abwartende Haltung auf, als ein diplomatischer Vorstoß des württembergischen Gesandten zugunsten eines Tabakfabrikanten aus Cannstatt mit den Nürnberger Eingaben zusammentraf5 • Trotz dieser eindringlichen Bitten schlug der Referent zunächst vor, die mit den Zollvereinsstaaten eingeleiteten Verhandlungen abzuwarten'. Wenige Monate später, nachdem das bisher nur interimistisch verwaltete Innenministerium an Karl von Abel übertragen worden war7 , griff man die Nürnberger Petitionen wieder auf. Auch jetzt wollte der Referent die Sache "vor der Hand" 1 InnM an JusM v. 14. VI.; JusM an InnM v. 13. VII. 1836; HStA Mn AllStA MH 5418. 2 JusMan InnM v. 13. VII. 1836; ebenda. a Vgl. oben § 14 Anm. 21. 4 Vgl. oben § 6 zu Anm. 13 ff. 5 Note des wü. Gesandten an AM v. 12. XI. 1839 mit Hinweis auf ältere Vorgänge; HStA Mn AllStA MH 14402. 6 Vorlage des Referenten v. 1. XI. 1839; Marginalverfügung v. Abels v. 5. XI. 1839. Hierzu und zum folgenden HStA Mn AllStA MH 5418. 7 Zu Karl von Abel, seit Nov. 1837 Verwalter des InnM, seit Juni 1838 InnM, vgl. ADB I S. 14 f.
§ 16.
Verordnung vom 6. März 1840
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auf sich beruhen lassen: von Abel widersprach und forderte einen Bericht, um dem Versprechen des Landtagsabschiedes Folge leisten zu können. Das Gutachten, das daraufhin ausgearbeitet wurde!', faßte die bisherigen Verhandlungen zusammen und skizzierte den "Hauptinhalt der Normen", die zu erlassen wären, "sollte nun diese mangelhafte Gesetzgebung vervollständigt und vorläufig nur auf dem Wege administrativ-polizeilicher Verordnung nachgeholfen werden". Die Grundsätze, welche der Referent "mit Rücksicht auf die Anträge der Stände, der Generalzollkonferenz, dann der Behörde in Nürnberg und der Regierung Mittelfranken" formulierte, wurden in den Entwurf einer Verordnung eingearbeitet, welcher dem Votum beilagil. Dieses Projekt gestand grundsätzlich jedem Fabrikanten die freie Wahl zu, ob und wie er seine Waren kennzeichnen würde. Wollte er sich jedoch für ein Fabrik- oder Gewerbszeichen entscheiden, so waren mehrere gravierende Beschränkungen zu erfüllen. Nach § II unterlag10 "sowohl die Beibehaltung eines schon bisher gebrauchten Zeichens, als die Wahl eines neuen ... der Genehmigung der Distriktspolizeibehörde". Diese Behörde sollte eine umfassende Prüfung anstellen11 : "Bei E r t h e i 1 u n g d i e s e r G e n e h m i g u n g ist darauf zu sehen, daß das gewählte oder beyzubehaltende Zeichen keine gesetz- und sittenwidrige Bezeichnungen oder Darstellungen enthält und die Rechte der schon früher mit gleichen oder ähnlichen Zeichen versehenen Fabrikanten und Gewerbsleute nicht beeinträchtige." Den Zweck dieses Verfahrens sah der Referent darin, einer Zeichenwahl Schranken zu setzen, die auf "Verähnlichung bestehender Firmen und Zeichen" gerichtet war, und sie "nöthigenfalls auszuschließen". Das Hinterlegungsverfahren diente also einem präventiv-polizeilichen Ziel: künftiges Einschreiten der Behörden sollte erspart oder jedenfalls dadurch erleichtert werden, daß schon das Fehlen einer behördlichen Genehmigung ein Fabrikzeichen als Nachahmung verdächtig machte. Diesem Ziel diente nach Ansicht des Gutachters auch die Pflicht des Fabrikanten, seinem Zeichen s "Kurze Darstellung der bisherigen Verhältnisse über die Frage, das Nachmachen der Gewerbs- und Fabrikzeichen inländischer Fabrikanten betreffend", v. 11. I. 1840. u "Königliche Verordnung die Nachahmung und den Gebrauch der Gewerbs- und Fabrikzeichen betreffend", v. 13. V. 1839. 1o Hervorhebung vom Verf. 11 So § II S. 2 des Vorentwurfs; Hervorhebung vom Verf. 12°
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5. Kap.: Zeichenschutz in Bayern
"seinen Namen, beziehungsweise seine hergebrachte oder gewählte Firma, sowie seinen Wohnort oder den Ort der Produktion oder Fabrikation beyzusetzen". Dieser Zusatz- so der Referent- schließe einerseits zugunsten des Fabrikanten aus, daß ein fremdes Fabrikat als das seine ausgegeben werde, und festige so das erworbene Vertrauen; andererseits fördere sie den Nachweis des Betruges, denn wer fremden Namen oder Firma gebrauche, mache dadurch seine dolose Ansicht auf das "unzweifelhafteste" erkennbar. Außerdem, so heißt es dann wenig später, sei es "bei diesem Verfahren nicht nöthig, in die kleinlichen Untersuchungen und subtilen Vergleichungen einzugehen, welche bei dem Weglassen des Namens durch die mehr oder weniger sichtbare Gleichheit der Zeichen herbeigeführt werden würden". Es entspricht ganz dem Geist dieser. Reglementierungen, wenn nicht nur der Gebrauch fremder Bezeichnungen und das Beifügen fremder Namen mit Polizeistrafen von Amts wegen geahndet werden soll, sondern auch der Gebrauch eines nichthinterlegten oder nicht so hinterlegten Zeichens: die vorbeugende Kontrolle der Fabrikzeichen sollte erzwungen werden können. Der Staat wollte dem Gewerbetreibenden zwar die Entscheidung für den Gebrauch eines Zeichens überlassen, nicht aber dessen Schutz12• Dem Innenminister13 ging die Verordnung zu weit: Es dürfe "das Recht, Fabrikzeichen zu führen, . . . nicht von polizeilichen Bewilligungen abhängig zu machen sein; wohl aber wäre der Anspruch auf polizeilichen Schutz gegen Nachahmung durch die Anmeldung und Katastrirung ... zu bedingen". Mit dieser nicht näher begründeten Entscheidung rückte von Abel den Zeichenschutz aus der Nähe merkantilistischen Gedankengutes: nicht nur der Gebrauch des Zeichens, auch sein Schutz sollte, soweit er nicht aus übergeordneten kriminalrechtliehen Erwägungen erfolgte, der freien Entscheidung des Gewerbetreibenden überlassen bleiben14• Diesem Votum entsprechend wurde der erste Entwurf umgestaltet15• Der Schutz wurde auf Kaufleute und Fabrikanten beschränkt und - für Zeichen - von der Anmeldung und Hinterlegung abhängig ge12 Welchem Geist dieser Verordnungsentwurf entsprungen ist, macht der Referent selbst deutlich, indem er die Notwendigkeit einer "gewerbspolizeilichen" Leitung begründet und zuerst auf die bayerische Verordnung v. 10. 11. 1768 hinweist, welche die Warenbezeichnung mit Name und Ort vorschreibt, freilich ganz im Geiste merkantilistischer Gewerbepolitik "nach ihrem Hauptgrund auf die Mauthverhältnisse" gerichtet ist; die VO ist abgedruckt bei Mayr, Ges.Slg. 1771 S. 403. 13 Votum v. Abels v. 17. !.1840. 14 Abel griff noch weitere grundsätzliche Fragen auf, die im zweiten Teil eingehender zu behandeln sind. 15 Anlage zum Immediatbericht v. 23. 11. 1840; vgl. folgende Anm.
§ 16.
Verordnung vom 6. März 1840
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macht. Über die Anmeldung sollte ein Kataster geführt und dem Anmeldenden ein Zertifikat ausgehändigt werden. Die materiellen Voraussetzungen des Zeichenschutzes (hinlängliche Unterscheidung, keine gesetz- oder sittenwidrige Bezeichnungen, Priorität} wurden in einer Bestimmung zusammengefaßt. Das vom Minister veranlaßte Mahnverfahren fand als§ V in den neuen Entwurf Eingang; ebenso die Bestimmung, daß die Behörde nur "auf Anzeige und Anrufen der Betheiligten" einschreiten solle(§ IX}. Neu aufgenommen wurde eine Vorschrift über den Schutz ausländischer Fabrikanten (§ X}. Dieser Entwurf16 gelangte am 23. Februar an den König, der ihn am Tage darauf mit dem Vermerk zurückschickte, die Annahme dieses Antrages scheine ihm eine "Vermehrung der Schreiberey ... zu verursachen, es sey sich wohl zu hüten, daß unnöthig die Arbeit der Stellen vermehrt werde". Des weiteren erkundigte sich der Monarch, ob "in der Pfalz schon gesorgt sey, daß solche Nachahmung der Fabrikzeichen nicht geduldet werde", und er schloß mit dem Bemerken: "Es dürfte endlich das Einfachste und Absicht erreichend seyn, wenn Wohnort und Name der Fabrikant hinzusetzte." Das Ministerium suchte daraufhin in einem zweiten Bericht die Bedenken des Königs über den Verwaltungsaufwand zu zerstreuen, und erklärte es für wünschenswert, ein einheitliches Recht diesseits und jenseits des Rheins zu schaffen, weshalb man nach der Genehmigung der Verordnung von der pfälzischen Regierung ein Gutachten über die Anwendbarkeit des neuen Rechts auf die Pfalz einfordern werde. Dem Hinweis auf die Vorzüge einer Angabe von Name und Ort hielt das Ministerium entgegen, diese Zusätze könnten den Beteiligten in manchen Fällen als lästig erscheinen; es sei anzunehmen, daß diese "einfachste und sicherste" Bezeichnungsart im eigenen Interesse von vielen bevorzugt werde, es genüge deshalb, den Fabrikanten die Wahl freizustellen. Der Hinweis des Königs auf die Bezeichnung mit Name und Ort blieb nicht ohne Auswirkung auf die Gestalt des erneut vorgelegten Entwurfs. Er wurde ein letztes Mal umformuliert und dem König in der Fassung vorgelegt, die am 9. März 1840 das Placet Ludwigs I. erhielt17. Der endgültige Text unterscheidet sich von dem der ersten Vorlage nicht inhaltlich; die Neufassung stellte allerdings die Verwendung von Namen und Wohnort stärker in den Vordergrund. So heißt es bereits in der Eingangsbestimmung (§ I}: 16 Zum folgenden die Immediatvorlagen v. 23. II. u. 5. III. 1840; Marginalvermerk Ludwigs I. v. 24. II. 17 Reg.Bl. 1840 S. 146 ff.
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5. Kap.; Zeichenschutz in Bayern
"Jedem Fabrikanten und Gewerbsinhaber ist freigestellt, seine für den Verkauf bestimmten Fabrikate und Gewerbserzeugnisse entweder; 1. ohne irgend eine Bezeichnung in den Verkehr zu bringen, oder 2. denselben zu diesem Zwecke seinen Namen und Wohnort, oder statt
des Wohnorts den Fabrik- oder Gewerbsort beizusetzen, oder 3. seine Fabrikate und Gewerbs-Erzeugnisse mit einem besonderen Fabrik- oder Gewerbszeichen zu versehen, welches letztere namentlich auch in einem, den Namen oder die hergebrachte oder neugewählte Firma bezeichnenden Namenszuge bestehen kann." Die neue Verordnung konnte die- wie es in der Präambel heißt-
"vielen Mißbräuche und Unterschleife, welche wiederholten Anzeigen zufolge, mit dem Nachmachen und Gebrauche fremder Fabrikzeichen und Firmen, zum Schaden der rechtlichen Fabrikanten und Gewerbsinhaber, so wie der Abnehmer getrieben werden", nur im rechtsrheinischen Bayern bekämpfen. Die Frage nach einer Ausdehmmg auf die Pfalz war noch offen. Das von der Regierung in Speyer angeforderte Gutachten ging erst im November 1840 beim Ministerium ein18• Die Regierung kam darin zu dem Ergebnis, daß die französische Gesetzgebung modifiziert werden müsse, da sie den unrechtmäßigen Gebrauch einer fremden Firma, des Namens oder Wohnorts eines anderen Fabrikanten zur Kennzeichnung von Waren strafrechtlich überhaupt nicht erfasse, sondern lediglich zivilrechtliche Entschädigungsansprüche kenne. Einer "vollkommen analogen Anwendung" der bayerischen Verordnung auf die Pfalz standen nach Ansicht der Regierung mehrere Bedenken entgegen; sie schlössen indes nur eine Ausdehnung "ohne Abänderung . . . auf legislatorischem Wege aus", nicht aber eine Verordnung, welche die besondere Gesetzgebung der Pfalz berücksichtigen und sich gleichwohl möglichst eng an den "reglementären Teil" der Märzverordnung anpassen würde. Einen entsprechenden Entwurf fügte die Speyerer Behörde ihrem Bericht bei19• 18 Min. an Reg. Rheinkreis (Speyer) v. 28. IV. 1840; Reg. an Min. v. 6. XI. 1840 mit Votum des Generalprokurators v. 4. VII. 1840.
19 Der VO-Entwurf begnügte sich, soweit er Sanktionen behandelte, mit einem Hinweis auf die Strafbestimmungen der im Vorspruch genannten französischen Gesetze. Die Zuständigkeit der Polizeibehörden beschränkte sich auf die Führung der Anmeldekataster und die Ausgabe von Zertifikaten, "welche die Geltendmachung des Civil-Entschädigungs-Anspruches und die Strafverfolgung gegen die beeinträchtigenden ... erleichtern" sollte; außerdem war der Behörde die Vorwarnung im Sinne des §V MärzVO und die "provisorische Beschlagnahme der Gegenstände der Zuwiderhandlung ... vorbehaltlich der Verweisung der Parteien vor das einschlägige Gericht" zugesprochen. Auf diese Weise wollte die Reg. dem Umstand Rechnung tragen, daß für zivil- wie strafrechtliche Klagen nach französisch-pfälzischem Recht nur die ordentlichen Gerichte zuständig sein konnten. Ein Konzessionsentzug kam bei der in der Pfalz herrschenden Gewerbefreiheit nicht in Betracht.
§
17. Reform des Strafschutzes und Verordnung von 1862
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Der Generalstaatsprokurator am Kassationshof der Pfalz, den man dazu gutachtlich hörte, und ihm folgend das Justizministerium hielten diesen Weg jedoch nicht für gangbarOO. Sie meinten, eine "legislatorische Maßnahme" sei nicht zu umgehen, da sich die vorgeschlagene Verordnung anders nicht in das pfälzische Recht einpassen lasse. Wenn ein Bedürfnis bestehe, so könnten alle Probleme und in der Praxis auftauchende Schwierigkeiten "durch ein die Materie umfassendes" Gesetz beseitigt werden, wie es angemessen die Strafbestimmung des preußischen Gesetzes vom 4. Juli 1840 tue; dieses Gesetz enthalte Normen, "welche die gehörige Mitte zwischen zu großer Strenge und zu großer Milde einhalten dürften". Ein neues bayerisches Gesetz solle sich aber nicht auf die Pfalz beschränken. Mit dieser Forderung verlagerte sich die Diskussion auf eine neue Ebene: nicht die Ausdehnung der Märzverordnung auf die Pfalz, sondern die Revision des Strafschutzes stand nunmehr zur Debatte. § 17. Die Reform des strafrechtlichen Zeichenschutzes, das Strafgesetzbuch (1861) und die Verordnung vom 21. Dezember 1862
Die fehlende Rechtseinheit im Strafschutz der Warenbezeichnungen wurde wiederum schmerzlich fühlbar, als der preußische Gesandte im März 1842 auf den schon 1836 angeregten Austausch von Gegenseitigkeitserklärungen zurückkam. In den zuständigen Ministerien war man geneigt, diese Erklärung auf das Bayern "diesseits des Rheines" zu beschränken. Als man dies jedoch dem König vorschlug, forderte dieser ein Gutachten darüber, "ob es rätblich sey, einen Gesetzentwurf an die Stände zu bringen, um der allerhöchsten Verordnung vom 6. März 1840, ... auch in der Pfalz gesetzliche Gültigkeit zu verschaffen " 1 • Damit wurde die Frage einer Revision des Zeichenschutzes wieder aktuell. Zunächst legte das Justizministerium in einer Note an das Innenministerium seinen Standpunkt dar. Es kritisierte - wie schon in einem wenig älteren Gutachten3 - nicht nur die älteren in der Pfalz noch geltenden Gesetze, sondern auch die Märzverordnung und ihre Grundlagen, das Strafgesetzbuch und die Anmerkungen; sie regelten 2o InnM an JusM v. 30. XI. 1840; Antwort JusM v. 2. II.1841; Votum des Prokurators v. 27. XII. 1840; HStA Mn AllStA MH 5418 und 14469. 1 Erinnerungen des pr. Gesandten v. 7. X. 1841 und 28. I. 1842; InnM an AM v. 18. II. 1842; FinM an AM v. 23. Il. 1842; Immediatbericht des AM v. 8. III. 1842; Bescheid des Königs v. 9. III. 1842; AM an JusM v. 14. III. 1842; HStA Mn AllStA MH 14469. 2 JusM an lnnM v. 6. IV. 1842; ebenda. s Votum v. 2. II. 1841; ebenda.
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5. Kap.: Zeichenschutz in Bayern
die Materie teils "nicht umfassend genug", teils "mangelhaft", "sehr schwankend und lückenhaft"; auch widerspreche es "richtigen Strafrechtsprinzipien", eine und dieselbe strafbare Handlung unter Umständen neben der kriminellen auch noch mit einer polizeilichen Strafe zu bedrohen; "erhebliche Anstände" seien auch im Vollzug der Verordnung zu erwarten, da die Verfolgung als Betrug im Sinne der Anmerkungen zum Strafgesetzbuch nicht von der vorgängigen Katastrierung abhängig sei. Demgemäß riet das Ministerium davon ab, der Märzverordnung in der Pfalz Gültigkeit zu verschaffen, und trat für eine Neuregelung ein: "Durch einen Gesetzentwurf könnten nun alle diese UnbestimmtheUen und Mängel der Gesetzgebungen diesseits und jenseits des Rheins, alle sonstigen Zweifel und Bedimklichkeiten gehoben werden, deswegen glaubt man sich für ein allgemeines für alle Gebietstheile des Reiches geltendes Gesetz erklären zu sollen." Das Ministerium begnügte sich mit dieser Anregung nicht, sondern steuerte grundsätzliche Überlegungen dazu bei, wie man einen "kräftigen Schutz des industriellen Eigenthums" gewähren könne: "So wie der Staat das Eigenthum an körperlichen Sachen schützt und schützen soll, ... so muß dieser Schutz auch auf jedes andere Kapital und auf die Renten aus demselben erstreckt werden. Eine jede Erfindung im Gebiete der Landwirthschaft, der Gewerbe und Fabriken stellt sich nun als ein Kapital des Fabrikanten dar, aus welchem er die Rente durch den Verkauf der aus seiner Erfindung hervorgegangenen Fabrikate bezieht. Diese Rente ist ein rechtmäßiger Gewinn der aus seiner Fabrik und aus seinen hierfür aufgewendeten Kapitalien erzeugten Produkte, und jede Entziehung dieses rechtmäßigen Gewinnes ist eine Beeinträchtigung seines Eigenthums. Es liegt auch im Interesse des Staates, zur Emporbringung der Fabriken, der Landwirthschaft und des Handels die Fabrikanten und Producenten in dem sicheren Bezuge der Renten ihrer Fabrikation zu schützen und zu diesem Ende jeder Handlung, welche dieses industrielle Eigenthum beeinträchtigt, mit Strafen entgegenzutreten. Der Kaufmann und Producent sucht nun nach dem dermalen bestehenden Gebrauche theils zur Sicherung seiner Fabrikationsrente, theils zur Sicherstellung seiner Abkäufer gegen den Ankauf verfälschter Waaren seine Fabrikate entweder mit einem gewählten Zeichen oder mit seinem Namen oder mit seinem Wohn- oder Fabrikorte zu versehen und theils unmittelbar, theils mittelbar durch andere Kaufleute an die Consumenten zu verkaufen." Diesen Grundsätzen ließ das Ministerium detaillierte Vorschläge zur Gestaltung der Übertretungstatbestände der "fälschlichen Waarenbezeichnung" und der "Verbreitung fälschlich bezeichneter Waaren" folgen.
§ 17.
Reform des Strafschutzes und Verordnung von 1862
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Mit diesem Votum, das an die französische Ansicht vom Markeneigentum anknüpfte, leitete das Justizressort die jahrelange Reformarbeit ein; denn Innen- und Finanzministerium schlossen sich dem Verlangen nach einer Neuregelung an. Die drei Ressorts kamen überein, den vorgesehenen Gesetzentwurf durch eine gemeinsame Kommission beraten zu lassen. Im September 1842 trugen sie ihr Vorhaben dem König vor4. Sie erklärten es ,.für sehr zweckmäßig und wünschenswerth", den Gegenstand "durch ein neues, in allen Beziehungen erschöpfendes und für alle Gebietstheile geltendes Gesetz zu normieren"; die Beratung des Entwurfes werde indes einige Zeit beanspruchen, weshalb er erst dem übernächsten Landtag vorgelegt werden könne. Der König erklärte sich mit diesem Vorschlag einverstanden. Es gingen noch ungefähr zwei Jahre ins Land, bis die Referentenkommission ihre Arbeit aufnahm. Ende Mai 1845 konnte den Ressorts und sämtlichen Regierungen ein Entwurf vorgelegt werden5 • In einer Note an den Justizminister ließ von Abel hinzufügen, daß er der Ansicht sei, daß "dieser Gegenstand für das Strafgesetzbuch sich eignen" dürfte. Der Justizminister bestätigte diesen Eindruck und hielt es für "rathsam, den in Frage stehenden Gegenstand einstweilen ruhen zu lassen"; gleichwohl stellte er die endgültige Entscheidung über die Vorlage an die Stände in das Ermessen von Abels. Dieser entschied sich gegen eine Vorlage, und die beiden Kollegen stimmten ihm zu6 • So blieb der Entwurf einige Zeit liegen, "weil die Fundamentalprinzipien eines neuen Strafgesetzbuches noch nicht aufgestellt" waren und namentlich noch als zweifelhaft galt, ob die Nachahmung fremder Warenbezeichnungen als Vergehen oder Polizeidelikt zu behandeln war7 • Inhaltlich folgte der Entwurf im wesentlichen den Grundsätzen, welche der Justizminister schon 1842 aufgestellt hatte'!. Die ersten 4 InnM an FinM und JusM v. 11. VII. 1842; Antwort des FinM v. 21. VII. des JusM v. 30. VII.1842; gemeinsame Vorlage der drei Min. an den König und dessen Signat v. 4. IX. 1842. 6 InnM an JusM v. 30. V. 1845 teilt E als Ergebnis der Kommissionsberatungen mit. Der Entwurf zu einem "Gesetz den Schutz gegen Mißbrauch oder Nachahmung von Fabrikzeichen betreffend" wurde an alle Reg. zur Stellungnahme übersandt. HStA Mn AllStA MH 5419. - In der Zwischenzeit (1843) war mit Preußen ein Gegenseitigkeitsabkommen geschlossen worden, s. oben § 7 zu Anm. 5. 6 Vgl. die Verfügungen von Abels v. 25. und 27. V. 1845; JusM an InnM v. 3. Vl.1845; Marginalverf. von Abels v. 9. VI., dementsprechend HaM an FinM und JusM v. 12. VI.; Antwort JusM v. 17. VI. und FinM v. 19. VI. 1845. Alles nach MH 5419. 7 So ein späteres Gutachten (vor 14. VII. 1849) im HaM. HStA Mn AllStA MH 5420. s Vgl. oben Anm. 2.
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5. Kap.:
Zeichenschutz in Bayern
fünf Artikel und die Artikel VIII, IX und XIII entsprechen den §§ I -V und VI Abs. 1 Satz 2, IX und X der Märzverordnung von 1840. Die Bestimmungen über die Strafbarkeit (Art. VI und VII) lehnten sich eng an die Formulierung des preußischen Gesetzes vom 4. Juli 1840 an. Die restlichen Bestimmungen behandeln Verfahrens- und Übergangsfragen. Nach der Übernahme des 1848 neu geschaffenen Staatsministeriums des Handels und der öffentlichen Arbeiten durch Ludwig Freiherrn von der Pfordten9 wurde die Vorbereitung eines Gesetzes zum Schutze der Warenbezeichnung "neuerlich angeordnet" 10• Zunächst begnügte man sich im Handelsministerium, an das vom Innenministerium die Akten abgegeben worden waren, damit, den "im Jahre 1845 gefertigten Entwurf in der bisherigen Fassung beizubehalten" 11 • Später fügte man noch eine Reihe von Bestimmungen zum Schutze von Spielmarken oder Rechenpfennigen, Prob- und ähnlichen Beglaubigungszeichen hinzu; die Zusätze wurden jedoch bald wieder fallengelassen12• Bevor der Entwurf des Referenten den Einwänden des Ministers standhielt, mußte er noch zweimal umgearbeitet werden. Seine Gestalt entfernte sich mehr und mehr von jener der Märzverordnung von 1840. Bever, einer der Referenten, veranlaßte13, daß man sich auf die "strafpolizeilichen Bestimmungen" beschränkte, für die allein "ein legislatorisches Bedürfnis" vorliege, während man bezüglich der "administrativen Bestimmungen" die Verordnung von 1840 noch beibehalten oder- soweit Veränderungen wünschenswert seien- im Verordnungsweg modifizieren könne. Bever ist auch die Einbeziehung der Produzenten in den Kreis der Schutzberechtigten zu verdanken; er verwies insoweit auf die Dresdner Zollkonferenz und das Preußische Gesetz vom 4. Juli 1840. Im ausdrücklichen Gegensatz zu diesem Gesetz hielt er es aber für "ganz wohl zu rechtfertigen", in Bayern nach dem Vorbild der Verordnung von 1840 das Nachahmen der Warenbezeichnung auch dann zu bestrafen, "wenn diese in einem minder deutlichen und unzweideutigen Zeichen" bestehe als das des Namens und Ortes; der Unterschied solle aber beim Strafmaß beachtet werden. Auf den Einfluß des preußischen Gesetzes wird man es auch zurückzuführen haben, daß der Entwurf das Delikt als Vergehen betrachtete; man begründete diese Verschärfung damit, daß es sich nicht - wie etwa beim Nachdruck - allein um einen Eingriff in die Rechte des e Vgl. Facius, Wirtschaft und Staat S. 51, 213.
10 So das in Anm. 7 erwähnte Votum. n Ebenda. 12 Zu den folgenden Vorgängen HStA Mn AllStA MH 5420. 13 Vgl. seine "Bemerkungen" vom 2. X. zu dem eigenen, am 8. VIII. erstellten Entwurf.
§
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Fabrikanten handele, sondern auch eine betrügerische Handlung gegenüber dem Publikum vorliege. Von der Pfordten ließ den neuen Entwurf14 den Ministern der Justiz und des Innern "zur Meinungsäußerung" mitteilen und zugleich ("schon jetzt") dem König vorlegen, da er beabsichtigte, den Entwurf noch vor der Verhandlung in den Kammern durch die Regierungen und Handelsund Gewerbevereine begutachten zu lassen. Während das Innenministerium gegen den Entwurf nichts zu erinnern hatte und einen sofortigen Erlaß des Gesetzes für notwendig hielt, meldete das Justizministerium zahlreiche Bedenken an16• Es sei ein Mißstand, wenn Zusammengehörendes in verschiedenen Verordnungen und Gesetzen enthalten sei; um der inneren Einheit willen sei der Entwurf mit der Märzverordnung "zu einem geschlossenen Ganzen" zu verbinden, zumal "nach neueren Ansichten die fraglichen Bestimmungen in das Gebiet der Gesetzgebung" gehörten. Es sei ferner wünschenswert, auch die Vorschriften der Verordnung von 1840 auf die Pfalz auszudehnen. Der Einspruch des Justizministeriums veranlaßte einen völlig neuen Entwurf, welcher die Vorschriften der Märzverordnung einbezog und auch in den übrigen Punkten der Kritik abzuhelfen suchte16• Dem neuen Entwurf waren umfängliche "Bemerkungen" beigefügt, welche die gesamte bisherige Diskussion über die älteren Bestimmungen und die Grundsätze des zu erlassenden Gesetzes zusammenfaßten. Wesentlich neue Gesichtspunkte wurden nicht mehr vorgetragen. Die sachlichen Probleme waren im wesentlichen ausdiskutiert. Wenn das Gesetz gleichwohl nicht weiter befördert wurde, so hat dies zwei Gründe: die Beratung einer neuen Instruktion zur Gewerbeordnung einerseits und die Vorlage des Polizeistrafgesetzbuches in den Kammern andererseits. Der Minister17 hielt es für zweckmäßig, den Entwurf zunächst den Industriellen vorzulegen, die man zur Beratung der neuen Gewerbsinstruktion einzuberufen gedachte. Es kam hinzu, daß der 1851 bei den Kammern eingebrachte Entwurf eines Polizeistrafgesetzbuches eine Bestimmung über den Schutz der Warenbezeichnung enthieJt18 • Es 14 Marginalverf. von der Pfordtens v. 16. X.l849; HaM an InnM und JusM v. 17. X. l849. 15 Antw. an InnM v. 26. X.; an JusM 24. XI. 1849. 16 Dieser vom Referenten Diepolder am 4. VI. 1850 vorgelegte Entwurf ist im Anhang (V11I.) abgedruckt. 17 Verfügung v. 13. III.l852, HStA Mn AllStA MH 5420. 18 Der Min. bittet am 26. VII. 1851 um Mitteilung der einschlägigen Bestimmungen aus dem E eines Polizeistrafgesetzbuches: sie erfolgt am 27. VIII. 1851. Art. 205 E PolStGB 51 lautet:
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5. Kap.: Zeichenschutz in Bayern
mußte naheliegen, die Ergebnisse beider Initiativen abzuwarten. Während unklar bleibt, ob das erwähnte Sachverständigengremium tatsächlich mit der Frage des Zeichenschutzes befaßt wurde, mußten die jahrelangen Verhandlungen über das Polizeistrafgesetzbuch und die schließliehe Übemahme der einschlägigen Vorschrift in das Strafgesetzbuch19 den Erlaß besonderer Normen über den Warenzeichenschutz weiter verzögem. Unterdessen war noch ein weiteres hemmendes Ereignis hinzugekommen: der Separat-Artikel9 des preußisch-österreichischen Handelsvertrages vom 19. Februar 1853, dem auch Bayem beigetreten wa~. Als im Juli 1854 der Nürnberger Gewerberat eine Verbesserung des Strafschutzes für Gewerbszeichen und Monogramme anregte, verfügte das Ministerium21 die Eingabe "ad acta", "da für ein kleines Ländergebiet solche Gesetze wenig praktischen Nutzen gewähren" könnten und man die Wünsche des Petenten lediglich als Anstoß verstehe, die Materie durch Sachverständige vorbereiten zu lassen. Die früheren Pläne des Handelsministeriums, den Zeichenschutz in einem besonderen Gesetz zu regeln, waren endgültig aufgegeben. Bestätigt wurde dies durch einen Bescheid des Handelsressorts an die mittelfränkische Kreis-Gewerbe- und Handelskammer22 ; darin be"Wer den Gesetzen oder Verordnungen bezüglich der Bezeichnung der Waaren mit fremden Fabrikzeichen, Namen und Firmen oder bezüglich des Verkehrs mit solchen fälschlich bezeichneten Waaren zuwiderhandelt, wird an Geld bis zu dreihundert Gulden bestraft, womit in Wiederholungsfällen Arrest bis zu einem Monate verbunden werden kann. Die Strafverfolgung findet jedoch nur auf Antrag des Betheiligten statt. Insoweit vorstehende Strafbestimmungen auch bezüglich ausländischer Fabrikzeichen, Namen und Firmen in Folge von Reciprocität Anwendung finden sollen, ist das Vorhandensein der Reciprocität durch eine auf dem Verordnungswege von der Staatsregierung erlassene Erklärung festzustellen." 19 Die 1851 und 1855 dem Landtag vorgelegten Entwürfe eines Strafgesetzbuches sahen keine Bestimmungen gegen den Mißbrauch der Warenbezeichnungen vor. Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtags im Jahre 1851/52, Beilagenband II; Verhandlungen ... im Jahre 185511856, Beilagenband II; vgl. auch Stenographische Berichte über die Verhandlungen ... im Jahre 1855/56 Bd. I S. 323 f. Erst in den späteren Beratungen übernahm man diese Norm als Art. 341 in den Entwurf des StGB von 1859/61. Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten, Extra-Beilage: Verband!. des Gesetzgebungsausschusses 1856/57 S. 32, 39, 341; Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten ... 1859/61, Beilagen-Bände II S. 41, 60, 197 und III S. 78; Verb. des Gesetzgebungsausschusses der Kammer der Reichsräte v. 30. XI. 1860 S. 334 ff.; Beilage III S. 215. 20 Vgl. unten § 28. 21 Eingabe des Gewerberats v. 26. Juli 1854; Ant. v. 23. VIII. 1854. - Zuvor war bereits eine andere Eingabe aus Nürnberg eingegangen. 22 Entschluß v. 18. XII.1855 zum Jahresbericht der Kreis-Gewerbe- und Handelskammer Mittelfranken.
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zeichnete das Ministerium die Märzverordnung von 1840 "als zum Schutze gegen die Nachahmung fremder Gewerbs- und Fabrikzeichen bis zum Erscheinen des Polizeigesetzes für ausreichend"; eine ganz entsprechende Regelung dieses Gegenstandes sei "übrigens nur durch gemeinsame Bestimmungen der deutschen Regierungen zu erzielen, die auch von Bayern angestrebt" würden. Erst mehrere Jahre danach, als sich die Hoffnungen auf eine einheitliche Regelung im Zollverein zerschlagen hatten, kam das Handelsministerium auf den Schutz der Warenbezeichnung zurück. Im Februar 1861, also noch vor der endgültigen Verabschiedung des Strafgesetzes, lenkte es die Aufmerksamkeit des Innenministeriums auf die Frage, ob die Verordnung von 1840 im Hinblick auf die Beschlüsse des Gesetzgebungsausschusses noch anwendbar seien und ob es "zur Beseitigung von Mißverständnissen nicht rathsam" sein möchte, in dieser "Beziehung noch eine Vervollständigung herbeizuführen"23• Man trat dieser Frage jedoch erst nach dem Erlaß des neuen Strafgesetzbuches näher. Dieses war am 10. November 1861 ergangen und sah im 21. Hauptstück ("Untreue, strafbarer Eigennutz, unbefugte Anmaßung und Verletzung fremder Geheimnisse") folgende Bestimmung zum Schutz der Warenbezeichnung vor (Art. 336)24 : "Wer den bestehenden Gesetzen oder Verordnungen zuwider fremde Fabrik- oder Gewerbszeichen, Namen oder Firmen, womit Waaren, Fabrikate oder Gewerbs-Erzeugnisse bezeichnet werden, unbefugt nachahmt oder gebraucht, desgleichen wer Waaren, Fabrikate oder Gewerbserzeugnisse, von denen er weiß, daß sie mit solchen unbefugt nachgeahmten oder gebrauchten Zeichen, Namen oder Firmen bezeichnet sind, feilbietet oder in den Verkehr bringt, soll mit Geldstrafe bis zu hundert und fünfzig Gulden und im Wiederholungsfalle mit Gefängniß bis zu drei Monaten oder an Geld bis zu eintausend Gulden bestraft werden. In Bezug auf ausländische Fabrik- oder Gewerbezeichen, Namens oder Firmen findet der gegenwärtige Artikel nur unter der Voraussetzung Anwendung, daß durch eine von der bayerischen Regierung im Verordnungs-Wege erlassene Erklärung das Vorhandensein der Gegenseitigkeit anerkannt ist." Als nach dem Erlaß des Strafgesetzbuches die württembergische Regierung auf den Abschluß einer Reziprozitätsübereinkunft antrug, wurde auch der Zeichenschutz wieder aktuell. Das Handelsministerium wollte das Abkommen zurückstellen, bis eine neue, auch die Pfalz umfassende Verordnung ergangen sein würde25, und legte dem JustizHaM an InnM v. 27. II. 1861. Amtliche Ausgabe München 1862. 25 AM an HaM v. 6. IV. 1862, Antwort v. 18. IV. 1862. Die Verordnung vom 6. III. 1840 und das französische Gesetz vom 22. Germinal XI wurden durch das Strafgesetzbuch nicht aufgehoben; sie galten als die in Art. 336 23 24
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ministerium einen neuen Entwurf vor26, den dieses auch akzeptierte. Gleichwohl verzögerte sich der Erlaß der Verordnung wiederum, weil man das Ergebnis der Verhandlungen über den Handelsvertrag mit Frankreich abwarten wollte. Erst im September ging der Entwurf "zur gutachtlichen Äußerung" an sämtliche Bezirksregierungen, welche das Projekt begrüßten oder ihm jedenfalls nicht widersprachen. Am 21. Dezember endlich konnte die "Verordnung, den Schutz von Waarenbezeichnungen betreffend" vom König vollzogen werden27 • Sie stellte im Eingangsparagraphen folgenden Grundsatz auf: "Jeder, welcher Erzeugnisse der Natur oder des Gewerbfleißes als Producent oder Handelsmann in den Verkehr bringt, ist befugt, zum Zwecke der Wahrung seiner Interessen, die Erzeugnisse selbst oder deren Verpackung durch bestimmte Bezeichnungen (Fabrik- oder Gewerbszeichen, Namen oder Firmen) mit der Wirkung kennbar zu machen, daß die Nachahmung und der Gebrauch dieser Bezeichnungen jedem Dritten verboten bleibt. Es müssen jedoch solche Bezeichnungen von der Art sein, daß sie von anderen gehörig unterschieden werden können und daß genau zu ersehen ist, wem sie angehören. Sie müssen daher entweder den Namen, oder die Firma des Erzeugers oder Handelsmannes enthalten, oder mit einem besonderen, für den Verkehr angenommenen Fabrik- oder Gewerbszeichen versehen sein." Die nachfolgenden Bestimmungen (§§ 2 und 3) regeln das Verfahren bei der Zeichenannahme ähnlich wie die Verordnung von 1840; § 4 enthält die Sanktionen gegen den Mißbrauch nach dem Strafrahmen des Art. 336 StGB; § 5 schließlich ermöglicht die Gleichstellung der ausländischen Marken. In der Sorge für ein gleichwertiges Nebeneinander der nominativen und der figürlichen Marke liegt das Hauptverdienst der bayerischen Gesetzgebung. Es gelang insoweit durchaus, an die Grundsätze des alten Zeichenrechts der Zünfte anzuknüpfen, wie es namentlich in Nürnberg gepflegt worden war.
erwähnten "Gesetze und Verordnungen" weiter, vgl. Weiß, Strafgesetzbuch li S. 243. Erst die VO v. 21. XII. 1862 (§ 6) ließ sie außer Kraft treten. 26 Dieser E legte das HaM am 18. IV. 1862 dem JusM vor; dessen Antwort V. 22. IV. 1862. 27 Reg.Bl. 62 S. 2662. Die Umfrage brachte in der Regel keine neuen Gesichtspunkte zutage, nur die Speyerer Reg. erklärte den Erlaß der VO für eine dringende Notwendigkeit.
§ 18.
Zur Praxis des Zeichenschutzes
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§ 18. Zur Praxis des Zeicllenscbutzes nach der Gesetzgebung von 1840 und 1862
So fortschrittlich die bayerischen Gesetze im Vergleich zu jenen anderer deutschen Staaten waren, sie hatten dennoch manche Frage offengelassen und manches Problem nicht gelöst, das erst in der Praxis aufgeworfen und nur zum Teil auch entschieden wurde. Unklar war schon nach der Märzverordnung von 1840, ob ein Fabrikant nur für ein oder für mehrere Zeichen den polizeilichen Schutz würde verlangen können. Hatte die Regierung noch 1839 die Zulässigkeit mehrerer Zeichen bejaht1, so entschied sich der Schwabacher Magistrat auf Grund der neuen Verordnung bereits 1840 dagegen2 • 1842 wurde diese Interpretation von der höheren Behörde bestätigt, als die Nürnberger Bürstenmacher und -verleger gegen einen Konkurrenten der unmittelbaren Nachbarschaft vorgingen, der fünf Nürnberger Zeichen nachgemacht hatte!'. Das Ministerium, an welches die Sache schließlich gelangte, bestätigte die Ansicht der Regierung zu Ansbach, die erklärt hatte, es könne der Schutz nur für ein Zeichen erworben werden, da andemfalls der ganze Zweck der Verordnung aufgehoben würde; der sonst entstehende Eindruck, es handele sich um mehrere Fabrikanten, würde zu den größten Unterschieden führen und die nötige polizeiliche Kontrolle erschweren und fast unmöglich machen. Wenige Jahre danach wurde die Ansicht in einem anderen Verfahren noch einmal bestätigt. Die Ansbacher Regierung' hob dabei hervor, es gehe "schon im allgemeinen aus der Natur und aus dem Grunde der Fabrikzeichen wie in specie aus §I Nr. 3 der Verordnung vom 6. März 1840 1 Im Falle Osterhausen (oben § 15 Anm. 11) widersprach die Regierung der Ansicht des Nürnberger Magistrats, es sei nur ein Zeichen zulässig; sie verwies darauf, daß Osterhausen niemand schädige und als Fabrikant nicht der Zunftordnung unterliege. 2 Bericht des Magistrats Schwabach v. 22. XII. 1840 zur Beschwerde des Drahtverlegers Andreas Dehmel; der Magistrat hatte zuvor den Antrag Dehmels auf Eintrag der drei Zeichen "Rose mit Knospe", "Reiher" und "Einhorn" u. a.. mit der Begründung abgelehnt, daß nur ein Zeichen zulässig sei; StA Nü Reg. K. d. I. Abg. 1932 Tit. IX 2332. Im gleichen Sinne verpflichtete der Magistrat bei der Aufhebung der Schwabacher Observanz die Fac;onmeister zur Führung eines· Fabrikzeichens; Beschl. v. 22. I. 1847, nach Schanz, Colonisation S. 356. a Entscheidung des Min. v. 7. VIII. 1842; Reskript der Reg. v. 23. III. 1841. HStA Mn AllStA MH 5418 und StA Nü Reg. K. d. I. Abg. 1932 Tit. IX 2232. • Vgl. den Streit der Nürnberger Scheibenzieher gegen J . L. Hüttlinger, Schwabach; Beschluß der Reg. Mittelfranken v. 4. XII. 1844, InnM an Reg. Mittelfranken v. 14. VII. 1845. - Hüttlinger hatte, gestützt auf ältere Beschlüsse des Magistrats (v. 22. I. 1837) und der Regierung (v. 26. VIII. 1837), geglaubt, er könne alle Nürnberger Zeichen führen, wenn er ihnen nur Namen und Wohnort hinzusetzte. Belege wie Anm. 3 und MH 5419.
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5. Kap.: Zeichenschutz in Bayern
hervor ..., daß jeder Gewerbsmann oder Fabrikant, welcher sich zur Sicherung seiner Waaren und seines Geschäftsbetriebes überhaupt, eines Gewerbs- oder Fabrikzeichens bedienen will, nur ein einziges solches, nicht aber wie Hüttlinger, der ebenso wie jede Fabrik nur eine Benennung (Firma) hat, daselbe zur Unterscheidung ihrer Waaren von denjenigen anderer Fabriken nur ein Zeichen haben kann, wobei die verschiedenen Abstufungen der Waare nach ihrer Güte, ihrem Preis u.s.w. mit Nummern, Buchstaben etc., wie allerwärts üblich, bezeichnet werden können". Eine zweite zentrale Frage fand ebenfalls erst in der Praxis ihre Antwort. Beide Gesetze ließen offen, ob die Distriktspolizeibehörde, bei welcher die Fabrikzeichen zu hinterlegen waren, jede Anmeldung entgegennehmen und vollziehen mußte, oder ob sie eine Vorprüfung auszuüben befugt war. Die Märzverordnung von 1840 spricht von der "Anmeldung" (§ II), ,.Hinterlegung" (§ III) und "Wahl" (§IV) eines Zeichens, ohne die Befugnisse der beteiligten Polizeibehörde zu umschreiben. Entsprechendes gilt für das Gesetz von 1862 (§§ 2 und 3)~>. Auch die wechselvolle VorgeDie §§ li- IV VO 1840 lauten: "§ li. Jeder Fabrikant und Gewerbsinhaber, welcher den polizeilichen
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Schutz gegen das Nachmachen der gewählten Bezeichnungen sich versichern will, hat entweder: 1) gemäß §I. Absatz 2. seinen Namen und Wohnort, beziehungsweise den Fabrik- oder Gewerbsort mit oder ohne weiteres Zeichen dem für den Verkauf bestimmten Erzeugnisse beizusetzen, oder 2) von der sonstigen, für den Verkehr angenommenen Bezeichnung seiner Waare (§ I. Absatz 3.) bei der vorgesetzten Distriktspolizeibehörde, die geeignete Anmeldung zu machen, und dabei eine genaue Angabe und Beschreibung dieser Bezeichnung mit beifügung eines Abdruckes oder einer Abbildung zu hinterlegen. § 111. Ueber die nach Vorschrift des § II. Absatz 2. bewirkte Hinterlegung wird von den Distriktspolizeibehörden ein fortlaufendes Kataster geführt, und darin Tag und Stunde der Anmeldung genau bemerkt, hierüber aber dem Anmeldenden ein Certificat ausgefertiget. Das Kataster steht der Einsicht jedes Betheiligten offen. §IV. Bei der Wahl der Fabrik-Zeichen in den Fällen des §I. Absatz 3. ist möglichst darauf zu sehen, daß sich solche von andern hinlänglich unterscheiden; auch dürfen sie keine gesetz- oder sittenwidrige Bezeichnung oder Darstellung enthalten. Die Priorität der Anmeldung solcher Zeichen, welche schon vor dem Erscheinen dieser Verordnung von andern geführt wurden, ist nach der durch amtliche Zeugnisse darzuthuenden Dauer der etwaigen Führung zu ermitteln." Im Gesetz 1862 heißt es: "§ 2. Wer sich eines solchen besonderen Fabrik- oder Gewerbszeichens bedienen will, hat zur Sicherung des gerichtlichen Schutzes von der für den Verkehr angenommenen Bezeichnung der Waare bei der vorgesetzten Distrikts-Polizeibehörde, und zwar in München bei dem Stadtmagistrate, Anmeldung zu machen und dabei eine genaue Angabe und Beschreibung dieser Bezeichnung mit Beifügung eines Abdrucks oder einer Abbildung zu hinterlegen. (Forts. nächste Seite)
§ 18.
Zur Praxis des Zeichenschutzes
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schichte beider Gesetze läßt eine eindeutige Aussage nicht zu. Die Verordnung von 1840 erfuhr eine widersprüchliche Begründung6 ; das spätere Gesetz lehnte sich allzu eng an die Märzverordnung an, ohne den prinzipiell anderen Ansatz seines Initiators ausreichend zu berücksichtigen1. Die Praxis entschied sich sowohl nach 1840 als auch nach 1862 für die Vorprüfung. In zahlreichen Zeichenstreitigkeiten wurden Beschwerden gegen die Eintragung bestimmter Zeichen im Verwaltungswege entschiedens. Am 26. März 1840 bestätigte das Ministerium das Recht des Nürnberger Magistrats als Polizeibehörde eine Zeichenkatastrierung aufgrund einer Beschwerde zu überprüfen und gegebenenfalls zu versagen oder zu löschen9 • Der Magistrat hat indes auch ohne Beschwerde Neuanmeldungen einer Vorprüfung unterzogen10• Nach dem Erlaß des Gesetzes von 1862 gelang es dem Nürnberger Magistrat abermals, das Vorprüfungsrecht der Hinterlegungsbehörde durchzusetzen. Im Falle Körnlein/Hüttlinger (1865)11 meinte der Magistrat, es liege in der Kompetenz der Polizeibehörde, § 3. Ueber die nach vorstehender Vorschrift bewirkte Hinterlegung wird von der genannten Behörde ein fortlaufendes Kataster geführt, darin Tag und Stunde der Anmeldung bemerkt und hierüber dem Anmeldenden ein Certificat ausgefertigt. Das Kataster steht der Einsicht jedes Betheiligten offen." o Die Vorlage an den König von 1840 (oben § 16 Anm. 16) übernahm einerseits die Formel der "Kurzen Darstellung", wonach die Behörde "im Wege der zu erholenden Genehmigung" in den Stand gesetzt sei, "allen auf Verähnlichung bestehender Firmen und Zeichen gerichteten Wahlen neuer Fabrikzeichen Schranken zu setzen und dieselben nöthigenfalls auszuschließen"; andererseits folgte sie dem Grundsatz des Ministers: "Wer ein Fabrikzeichen anmeldet, müßte sich von der betreffenden Behörde ein Certificat über seine Anmeldung und den Tag derselben ausstellen lassen. Die Behörde hätte sich dabey e b e n s o w e n i g , wie bei den Privilegien, m i t d e r U n t e r s u c h u n g , ob e i n A n d e r e r b e e i n t r ä c h t i g t w e r d e , v o n Am t s w e g e n zu b e f a s s e n." 7 Vgl. dazu vor allem das Votum v. 6. IV.1842; oben§ 17 zu Anm. 2 f. s Dazu vgl. StA Nü Reg. Mittelfranken K. d. I. Abg. 1932 Tit. IX 2332 - 2234 und StadtA Nü VI b 5 Nr. 60, 142, 274, 282, 287, 290, 303, 319, 336, 353, 354, 358, 370, 373 u. a. 9 Reskript anReg. Mittelfranken v. 26. V.1840; HStA Mn AllStA MH 5418. to So wurde etwa am 30. X. 1848 das Zeichen "Posthorn" mit dem Bemerken eingetragen, daß es seit 1831 geführt werde und das am 10. I. 1848 eingetragene Zeichen "Hüfthorn" als neu zu gelten habe; Stadt Nü VI b 6 Nr. 334. 11 Als der Schwabacher Drahtfabrikant Hüttlinger mit dem Geschäft seines vormaligen Konkurrenten B. Kaufmann, Nürnberg, auch dessen Fabrikzeichen "laufender Hirsch" gekauft hatte, mußte er feststellen, daß der Scheibenzieher Körnlein ein entsprechendes Zeichen am 20. September in Nürnberg hinterlegt hatte. Hüttlinger, der sein neues Zeichen am 4. X. in Schwabach deponiert hatte, verlangte, daß der Nürnberger Magistrat das 13 Wadle
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5. Kap.: Zeichenschutz in Bayern
"Anmeldungen von solchen Waarenbezeichnungen nicht anzunehmen, auf welche nach dem von ihnen geführten Kataster bereits andere ein Recht erworben haben, bez. die Streichung derselben zu beschließen, wenn sich eine solche frühere Berechtigung erst später ergibt". Andernfalls würde die Behörde gezwungen sein, einer unberechtigten Führung von Marken "wissentlich Vorschub zu leisten", wenn etwa - wie im Falle Körnlein - ein Freispruch nur deshalb erfolge, weil im konkreten Falle ein "dolus" nicht nachzuweisen sei, wohl aber der unrechtmäßige Gebrauch eines fremden Fabrikzeichens. Die Regierung von Mittelfranken hielt dem entgegen, der Stadtmagistrat gehe von der irrigen Voraussetzung aus, "daß durch die Eintragung im Fabrikzeichenkataster die Befugnis zur Führung des angemeldeten Zeichens erworben werde"; die Hinterlegung solle jedoch nur die gerichtliche Verfolgung des Nachahmers schützen, indem sie die Beweisführung erleichtere; die Polizeibehörde erscheine lediglich als "Constatierungsorgan", ihr sei "keinerlei Sachcognition, insbesondere keine Untersuchung oder Entscheidung über die Priorität der betreffenden Fabrik- oder Gewerbszeichen eingeräumt". Auch sei der Behörde nirgends die Pflicht auferlegt, sich bei der Anmeldung zu vergewissern, ob das angemeldete Zeichen nicht etwa schon von einem Dritten angemeldet worden sei. Die Entscheidung über die Befugnis, ein bestimmtes Zeichen zu führen, falle vollkommen mit der Frage der Strafbarkeit nach Art. 336 StGB zusammen und könne "deshalb wohl nur in der richterlichen Competenz gelegen sein". Justiz- und Handelsministerium indes gaben dem Nürnberger Magistrat Recht. Der in Art. 336 StGB ausgesprochene Strafschutz sei nicht unbedingt ausgesprochen, sondern an die Vorbedingungen der Dezemberverordnung geknüpft; das Zeichen müsse demnach nicht nur angemeldet werden, sondern auch den übrigen Vorschriften entsprechen, da der "für das fragliche Zeichen gewährte Schutz die Vorbedingung für die Strafbarkeit der Nachahmung desselben bildet, wird sich allerdings auch die betreffende Distriktspolizeibehörde hinsichtlich der Gewährung dieses Schutzes beziehungsweise der betreffenden Katasterführung in dem vom Stadtmagistrat Nürnberg angesprochenen weiteren Kreise der Berechtigung zu bewegen haben". von Körnlein angemeldete Zeichen einziehe. Zum Ganzen Reg. Mittelfranken an HaM v. 20. VI. 1863; HaM an JusM v. 2. VII. 1865, JusM an HaM v. 8. VII. 1865; HaM an Reg. Mittelfranken v. 18. VII. 1865. Der Streit um das Zeichen "laufender Hirsch" war damit noch nicht beendet. Belege nach HStA Mn AllStA MH 5421; StA Nü Reg. K. d. I. Abg. 1932 Tit. IX 2334; StadtA Nü VIb5 Nr.60.
§ 18.
Zur Praxis des Zeichenschutzes
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Damit war sichergestellt, daß - wie schon nach der Märzverordnung von 1840 - nicht die Anmeldung, sondern die Aufnahme ins Kataster als der schutzbegründende Akt der Zuordnung zu gelten hatte. Wie schon in der Frage der zahlenmäßigen Beschränkung setzte sich auch in der Behandlung des Zeichenkatasters letztlich die Ansicht des Nürnberger Magistrats durch; er konnte bei der Ausformung des neugeregelten Markenschutzes auf die Erfahrung der handwerklichen Zeichenreglements zurückgreifen. Eine N ovellierung des Gesetzes von 1862 wurde erst am Ende der sechziger Jahre erwogen. Als sich das Ministerium 1870 zugunsten einer umfassenden Prüfungszuständigkeit aussprach, geschah dies nicht ohne Bedenken. Man war sich dessen bewußt, daß ein Vorprüfungssystem, das sich auf regional begrenzte Behörden stützte und zugleich auf jede Kommunikation unter diesen Behörden verzichtete, brüchig war. Die fehlende überregionale Publikation der Einträge mochte durch die Vorwarnung ersetzt werden können; die Behörden waren indes mit der umfassenden Prüfungspflicht überfordert. Die Bemerkungen, welche der zuständige Referent einem Erlaß an die Regierung von Mittelfranken beifügte12, endeten in den folgenden bezeichnenden Sätzen: "Der vorliegende Fall zeigt neuerdings die Schäche der in Bayern bestehenden Einrichtungen für den Schutz der Fabrikzeichen. Die überlassung der Führung der Cataster an die Distriktspolizeibehörden kann nur Verwirrung und Unsicherheit hervorrufen. Die Führung dieser Register gehört offenbar einer Centralstelle zu. Es dürfte sich empfehlen, diese Frage in nähere Erwägung zu ziehen, sobald das für den norddeutschen Bund vorbereitete Gesetz über den Markenschutz zu Stande gekommen sein wird, wodurch die Frage einer Änderung der Verordnung vom 21. Dez. 1862 ohnedies hervortreten dürfte. Durch mäßige Eintragungsgebühren würden sich die Kosten einer Catastrierung bei dem Handelsministerium unschwer decken lassen." Die Hoffnungen des Referenten auf den baldigen Erlaß eines Markenschutzgesetzes gingen nicht in Erfüllung. Das Reichsstrafgesetzbuch verzichtete auf jeden Zeichenschutz und setzte überdies, indem es mit dem bayerischen Strafgesetzbuch auch dessen Art. 336 aufhob, die darauf basierende Schutzverordnung vom Dezember 1862 außer Kraft13• 12
Aktenvermerk zum Reskript an die Reg. Mittelfranken v. 11. VI. 1870.
1a Auf Veranlassung der Reg. Mittelfranken prüften die zuständigen
Ministerien die Frage, ob die Verordnung vom Dezember 1862 durch das Reichsstrafgesetzbuch aufgehoben worden sei; dies wurde einhellig bejaht. Reg. Mittelfranken an HaM v. 19. V. 1872; HaM an JusM v. 31. V.; JusM an HaM v. 28. VII.; HaM an Reg. Mittelfranken v. 8. VIII.1872 und an alle Kreisregierungen zur Publikation; dazu etwa IntelligenzBI. von Schwaben und Neuburg 1872 Sp. 1274. 13•
6. Kapitel
Der Markenschutz in Württemherg § 19. Die Gewerbeordnung von 1828 und der Strafscllutz
Durch die Gewerbeordnung vom 6. Juni 1828 wurde im Königreich Württemberg erstmals eine allgemeine Bestimmung über Warenbezeichnungen eingeführt1 • Schon der Entwurf, den die Regierung im Dezember 1826 der Abgeordneten-Kammer vorlegtel!, enthielt eine Vorschrift über die Benutzung eines Unterscheidungszeichens; sie war in den Abschnitt "Von Erfindungen und Erfindungspatenten" eingefügt und lautete (Art. 150): "Dem Patentinhaber, wie jedem anderen Fabrikanten oder Handwerker bleibt überlassen, seine Fabrikate durch Aufdrückung seines Namens, seines Wappens oder irgend eines anderen Unterscheidungszeichens kundbar zu machen. Die betrügliche Nachahmung solcher Zeichen wird als Fälschung geahndet." In der Begründung der Gesetzesvorlage wird zwar ausführlich der vierte Abschnitt über das Patentwesen, nicht aber Art. 150 erwähnt. Der Kommissionsbericht, welcher die Debatte der Kammer am 7. Februar 1828 vorbereitete3 , empfahl, den Bezeichnungsschutz unter die "allgemeinen Bestimmungen" des ersten Abschnittes aufzunehmen. In ihrem Bericht bemühte sich die Kommission um eine eingehende Begründung. 1 Wü Reg.Bl. 1828 S. 431. Zur Vorgeschichte Köhler, Gewerberecht S. 116 f.; zur Entwicklung in Wü insgesamt Möhler, Rechtsschutz, passim, und Hoffmann, GRUR 1913 S. 8 ff. 2 Verb. der Kammer der Abgeordneten des Kgr. Wü. vom Jahre 1826 Heft II S. 302 (Protokoll v. 20. XII.1826) S. 349 ff. (Beilage 10: Entwurf) S. 389 (Art. 150) S. 397 ff. (nachgeschobene Motive). a Schon am 21. Dezember 1828 hatte man eine siebenköpfige Kommission gebildet, die über den Entwurf beraten sollte. Da sie ihre Arbeit während der Legislaturperiode nicht mehr abschließen konnte, wurde einer erweiterten Kommission aufgetragen, die für den außerordentlichen Landtag von 1828 noch ausstehenden Gesetzesvorhaben vorzubereiten. Für diese Kommission berichtete der Abgeordnete des Oberamts Saulgau, der Ulmer Kreisregierungsrat Rummel, der schon dem ersten Ausschuß angehört hatte. Kommissionsbericht und -entwurf in Verhandl.... 1828, 1. außerordentliches Beilage-Heft S. 113 ff., hier vgl. bes. S. 130 f., 182 f. Zur Sitzung v. 7. II. 1828 vgl. Verhandl. v. 1828 Heft II S. 406 ff., hier S. 416.
§ 19.
Gewerbeordnung von 1828 und Strafschutz
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In einem Punkt weicht der Vorschlag der Kommission von der Vorlage ab: er verzichtet auf das Attribut "betrüglich". Aus dem Bericht geht indes hervor, daß man diesen Zusatz für überflüssig hielt, in der Sache aber nichts ändern wollte: die Anwendung des fremden Zeichens in der Absicht, dadurch eine andere Ware für die echte zu verkaufen, erfülle den Begriff der Fälschung; die französische Regierung habe dieselbe Ansicht ausgesprochen•. Der Vorschlag der Kommission wurde daraufhin nach Streichung der Worte "einer Privat-Urkunde" in der Kammer gebilligt. Der Geheime Rat indes sprach sich für die Beibehaltung des Attributs "betrüglich" aus und das königliche Reskript übernahm diese Fassung; die Stände erklärten sich damit einverstanden~>. Auf diese Weise gelangte der keineswegs eindeutige Begrüf "betrügliche Nachahmung", der später noch erhebliche Schwierigkeiten bereiten sollteG, in die neue Gewerbeordnung. Unter der Überschrüt "FabrikZeichen" bestimmte Artikel6: "Jeder Fabrikant oder Handwerker ist befugt, seine Fabrikate durch Aufdrückung eines Unterscheidungs-Zeichens, das in seinem Namen oder Wappen oder in der Firma seiner Fabrik bestehen kann, kennbar zu machen, und ein Muster dieses Zeichens bei dem Oberamte, zu welchem sein Wohnort oder seine Fabrik gehört, zu hinterlegen. Die betrugliehe Nachahmung solcher Zeichen wird als Fälschung geahndet." Diese Bestimmung bedurfte wie einige andere Normen der Gewerbeordnung der Ergänzung. Die Instruktion vom 6. Juni 18287 sah deshalb in § 8 folgendes vor: "Das Bezirksamt, bei welchem ein in seinem Amtsbezirk angesessener Fabrikant oder Handwerker ein Muster des zur Kennbarmachung seiner Fabrikate bestimmten Unterscheidungszeichens hinterlegt, hat den Akt der Hinterlegung in ein deßhalb zu führendes Register einzutragen und eine Bescheinigung über die geschehene Hinterlegung auszustellen. Von dem in zwei Exemplaren zu übergebenden Muster wird das eine Exemplar in einem Umschlage aufbewahrt, der mit dem Amts-Sigel des Bezirksamts und dem Privat-Sigel des Hinterlegers verschlossen, und von dem Letzteren mit seinem Namenszuge, von dem Bezirksamt aber mit der Ziffer, unter welcher der Hinterlegungs-Akt in dem Register vorkommt, zu bezeichnen ist. Das zweite Exemplar wird offen dem Register beigelegt, und wird auf Verlangen Jedem vorgewiesen, der sich über ein bestehendes 4 Zum Beleg führt der Bericht an "das Gesetz vom 21. Germinal des Jahres XI, das Dekret vom 22. Dezember 1812 und die Ordinanz v. 8. August 1816". 5 Vgl. Verhandl. v. 1828 Heft IV S. 1049 ff., 1069 f., Heft VI S.1442, 1481, Heft VII S. 1711, 1690. Das Gutachten des Geheimen Rats v. 15. und 17. III. 1828 nach WHStA E 146 Bü. 1046. 6 Vgl. unten zu Anm.13 f. 7 Wü Reg.Bl. 28 S. 435. Vgl. auch WHStA E 143 Nr. 1084 zum Entwurf einer Instruktion v. 22./27. V.1828.
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6. Kap.: Markenschutz in Württemberg
Unterscheidungszeichen zu unterrichten wünscht. Bei entstehendem Streit über die Nachahmung eines solchen Zeichens, muß auf das unter Sigel gelegte Exemplar zurückgegangen, die Recognition und Erbrechung der Sigel aber urkundlich vorgenommen werden."
An diesen beiden Bestimmungen, welche sich eng an das Vorbild der älteren Gesetzgebung Frankreichs anlehnten8 , wurde in den folgenden Jahrzehnten nichts mehr geändert9 • Erst das Jahr 1862, in welchem die alte Gewerbeordnung durch ein den Zeichenschutz nicht mehr umfassendes Gesetz abgelöst wurde, brachte auch für den Zeichenschutz eine neue rechtliche Grundlage1°. Trotz ihrer langjährigen Gültigkeit hat die 1828 geschaffene Regelung des Zeichenschutzes eine nennenswerte praktische Bedeutung nicht erlangt, wie sich aus der Diskussion der fünfzigerJahrenoch ergeben wird11 • Bei diesen Reformarbeiten spielte auch die Frage eine zentrale Rolle, wie sich das Strafgesetzbuch vom 1. März 1839 auf den Zeichenschutz ausgewirkt hatte. Das neue württembergische Strafrecht12 kannte keine besonderen Normen gegen das Nachmachen von Fabrikzeichen und anderen privaten Warenbezeichnungen. Ihr Mißbrauch war nur strafbar als Betrug (Art. 351, 352) oder Fälschung (Art. 356- 359). Die Ausgestaltung der einzelnen Normen führte indes dazu, daß die Fälschung oder der Gebrauch eines falschen Zeichens nur dann außerhalb des Betrugstatbestandes erfaßbar war, wenn die Bezeichnung als "Privaturkunden" im Sinne des Art. 358 gelten konnte. Hier ist insbesondere zu verweisen auf Art. 358, wonach "Fälschungen an anderen als an den im Art. 358 genannten Gegenständen ..., wenn die Tat nicht in ein anderes, in diesem Gesetzbuche bedrohtes, Verbrechen übergeht, nach Maßgabe der Bestimmungen über den Betrug zu ahnden" sind. Noch weiter kompliziert wurde die Rechtslage dadurch, daß Art. 6 der Gewerbeordnung die betrügliche Nachahmung von Zeichen, die beim Oberamt deponiert sind, "als Fälschung geahndet" wissen wollte. Während die Motive zum Strafgesetzbuch das Nachahmen der Fabrikzeichen nicht berücksichtigen13, wurde schon bei der Beratung in der 8 Besonders deutlich wird das Beispiel des französischen Rechts in den Formalitäten, aber auch in der ursprünglichen Formulierung "Fälschung einer Privaturkunde", vgl. dazu Art. 16 des Dekrets v. 22. Germinal XI, oben §4. D Vgl. das revidierte Gewerbegesetz v. 1836 und die Instruktionen v. 12. X. 1837 und 20. III. 1851; Reg.Bl. 37 S. 490; 51 S. 58. 10 Vgl. unten § 20 Anm. 16. u Siehe § 20 zu Anm. 12. 12 Entsprechend schon die Entwürfe von 1832 und 1836; ausführlich zum folgenden Möhler, Rechtsschutz S. 116 ff. 13 Verhandl. der Kammer der Abgeordneten 1835, 5. Bd. S. 114 ff. (zu Art. 337 - 340 des Entwurfes v. 1836 = Art. 356- 359 des späteren StGB).
§ 20.
Gesetz vom 12. Februar 1862
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zweiten Kammer bemängelt, daß der Strafschutz generell durch das Gewerbegesetz auf deponierte Zeichen inländischer Fabrikanten oder Handwerker beschränkt sei14 • Dem widersprach der Regierungskommissar, indem er darauf verwies, daß jede Fälschung einer Etikette unter Art. 359 falle und deshalb als - gewöhnlich durch Art. 352 Abs. 3 gemilderter·- Betrug strafbar sei10• Die spätere Praxis fand einen Ausweg16: sie betrachtete alle gern. Art. 6 der Gewerbeordnung hinterlegten Zeichen als "Privaturkunden" im Sinne des Art. 358. Auf diese Weise umging sie den schwierigen Nachweis der Betrugsmerkmale17; zugleich nahm sie jedoch in Kauf, daß der so effektivierte Strafschutz nur einem Teil der Interessenten zugute kam. Er galt weder zugunsten von Ausländern, noch zugunsten von inländischen Händlern oder Erzeugern von Naturprodukten; alle diese Personengruppen waren weiterhin auf den allgemeinen Schutz des Betrugstatbestandes angewiesen18• An die Beseitigung dieser unbefriedigenden Rechtslage ging man erst zu Beginn der zweiten Jahrhunderthälfte heran. § 20. Das Gesetz vom 12. Februar 1862
Ein Vorstoß Preußens im zweiten Halbjahr 18541 brachte die Revision des Zeichenschutzes innerhalb der württembergischen Ministerien erneut zur Sprache. Ältere Verhandlungen waren im Dezember 1850 durch einen Erlaß beendet worden, nach welchem die Ausdehnung des Schutzes auf Ausländer im Zusammenhang mit der Revision der Gewerbeordnung geregelt werden sollte'. Als nunmehr die preußische Anfrage einging, gab man dieses Vorhaben auf und legte "eine neue Fassung des Art. 6 der revidirten Gewerbeordnung nebst Motiven" voz-3. Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1838 Bd. 5 S . 51 f. Ebenda S. 52. 16 Mähler, Rechtsschutz S. 121. Entscheidung des Criminalsenats Eßlingen v. 20. 1.1842; das kgl. Obertribunal stimmte diesem Präjudiz in einer Stellungnahme an das JusM zu, vgl. Hufnagel, Neue Präjudicien S. 536. Zum gleichen Ergebnis gelangt Hufnagel an anderer Stelle, ders., Commentar II S. 634 ff.; er will die Fälschung einer Etikette, wenn sie die Voraussetzungen von Art. 6 GewO erfüllt, immer unter Art. 359 fallen lassen, auch wenn die Betrugsmerkmale (Art. 351 ff.) nicht gegeben sein sollten; er setzt sich damit allerdings mit seiner kurz zuvor (II S. 384) geäußerten eigenen Ansicht in Widerspruch. Später korrigiert er sich wieder (Strafgesetzbuch S. 384), indem er die Fälschung des Fabrikzeichens unter Art. 358 fallen läßt. 17 Im Unterschied zu Art. 359 ist Art. 358 ein reiner Fälschungstatbestand. 18 Nach Art. 358 waren diese Markeninhaber nicht geschützt, da seine Anwendung durch die Merkmale des Art. 6 GewO bedingt war. 1 FinM an InnM v. 25. X . 1854; WHStA E 143 Bü 3160. Diesem Bestand sind auch die folgenden Belege entnommen, soweit nichts Abweichendes vermerkt ist. 2 Vgl. den Bericht der Zentralstelle v. 9. XI. 1854. 14
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6. Kap.: Markenschutz in Württemberg
Der aus zwei Artikeln bestehende Entwurf gewährte (Art. 1) "einem Jeden, welcher Erzeugnisse der Natur oder des Gewerbefleißes als Producent oder Handelsmann in den Verkehr bringt, ... die Befugnis zu Behufs der Wahrung seiner Interessen die Erzeugnisse selbst oder deren Verpackung durch bestimmte Zeichen kennbar zu machen mit der Wirkung, daß die Nachahmung solcher Zeichen jedem Dritten verboten bleibt. Es müssen aber diese Zeichen so beschaffen seyn, daß man sie hinlänglich von anderen unterscheiden und genau wissen kann, wem sie angehören; sie müssen daher insbesondere den Wohn- oder Erzeugungs-Ort des Producenten, beziehungsweise Handelsmanns und den Namen oder die Firma desselben enthalten." Ein weiterer Absatz bezog Ausländer unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit in den Schutz ein. Art. 2 enthielt für die Fälle des Mißbrauchs (fälschliches Nachahmen und wissentliches Gebrauchen gefälschter Bezeichnungen) einen Verweis auf das Strafgesetzbuch und statuierte eine Ersatzpflicht. Dieser Entwurf, dessen Grundsätze in den folgenden Jahren nur modifiziert, nicht aber aufgegeben wurden, lehnte sich enger an die Dresdner Vereinbarung an, als dies andere Gesetze, etwa das preußische vom 4. Juli 1840, getan hatten. Bis in den Wortlaut hinein ist das Bestreben zu spüren, der Dresdner Übereinkunft möglichst gerecht zu werden. Gegenüber Art. 6 der Gewerbeordnung brachte der Entwurf zahlreiche Verbesserungen: der Schutz galt auch für Naturprodukte und erfaßte die auf der Verpackung angebrachte Bezeichnung. Insbesondere aber wurden Kaufleute in den Kreis der Schutzberechtigten einbezogen und - unter Wahrung der Gegenseitigkeit - auch. Ausländer. Bedeutsam ist schließlich die ausdrückliche Erwähnung des Ersatzanspruches, während die strafrechtlichen Probleme durch den Verweis auf das unzulängliche Strafgesetzbuch nicht gelöst, sondern eher verfestigt worden wären. Die Zentralstelle für Handel und Gewerbe\ die diesen Entwurf konzipiert hatte, hob in ihrem Begleitsch.reiben hervor, der Entwurf sei "auf Schutz gegen Nachahmung des Namens gerichtet . . ., welch.er allenthalben ohne besondere Einleitungen gewährt wer den kann"; er sei "unabhängig . . . von dem Ergehniß der in neuerer Zeit eingeleiteten Verhandlungen über den Schutz auch solcher Fabrikzeichen, aus welchen der Name des Fabrikanten nicht ersichtlich" sei; einer späteren weitergreifenden Vereinbarung, "unter gewissen Umständen auch a Dieser Entwurf liegt dem Bericht der Zentralstelle bei, vgl. vorige Anm. 4 Zu ihr und ihrem Leiter seit 1848, Ferdinand Steinbeis, vgl. etwa Huber,
Festschrift Wü. Handelskammern S. 17 ff.; Facius, Wirtschaft und Staat S. 58 f. mit weiteren Hinweisen.
§ 20.
Gesetz vom 12. Februar 1862
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Zeichen ohne Namen" Schutz zu gewähren, würde die vorgeschlagene Regelung nicht widersprechen5 • Das Innenministerium freilich hatte weder an der einen noch an der anderen Form des Schutzes Interesse; es lehnte jede Teiländerung der Gewerbeordnung ab 6 •
Erst vier Jahre später griff die Zentralstelle auf Veranlassung des Finanzministers die Frage des Zeichenschutzes wieder aufT. Sie erneuerte ihren Vorschlag von 1854 und wollte ihn zum Gegenstand der Verhandlungen mit Österreich machen; zugleich widersprach sie "ganz entschieden", wie sie es schon in ihrem Bericht über eine Vereinbarung mit Frankreich über den Zeichenschutz getan habe'!, dem Schutz solcher "Marken und Vignetten ..., welche nicht ganz deutlich die Firma und Ort der Fabrik oder Niederlage enthalten". Mit diesem Votum war die Grundentscheidung für den Fortgang des württembergischen Zeichenrechts gefallen: nachdem sich die Zentralstelle gegen den Schutz bloßer Marken ausgesprochen hatte, verfolgte das Innenministerium denselben Kurs. Im April 1859 hielt es4' bei der Zentralstelle nochmals Rückfrage, ob man nicht doch eine Gesamtrevision der Gewerbeordnung abwarten solle; die Zentralstelle verneinte jedoch einen inneren Zusammenhang zwischen Gewerbeordnung und Zeichenschutz. Neue Aktualität gewann die Zeichenfrage, als Preußen im August 1859 die Verhandlungen mit Österreich abbrach10 und ebenso wie die anderen Zollvereinsmitglieder auch Württemberg zum Anschluß aufforderte. Bevor man im Innenministerium jedoch weitere Entscheidung über den Fortgang der eigenen Gesetzgebungsarbeit faßte, um Gegenseitigkeitsabkommen abschließen zu können, erging an alle Oberämter die Aufforderung11, darüber zu berichten, ob von der nach Art. 6 der 5 Damit entsprach die Zentralstelle im wesentlichen der Ansicht, die F. Steinbeis in seiner Darstellung der belgischen Gewerbepolitik vertreten hatte; vgl. dazu unten § 37 zu Anm. 15. 8 InnM an FinM v. 13. XII. 1854. 7 Bericht der Zentralstelle v. 15. IX. 1858. 8 In ihrem Bericht v. 3. XII. 1857 zur Anregung Badens, ein dem badischfranzösischen Vertrag (oben § 7 zu Anm. 41) entsprechendes Abkommen abzuschließen, besteht die Zentralstelle auf ihrem Entwurf von 1854, weil er auf der Übereinkunft der Dresdner Konferenz beruhe; der Schutz "geheimer Zeichen" würde Organisationen bedingen, aus welchen neue Belästigungen für die Industrie des Zollvereins erwachsen würden; WHStA E 36- 38 Fasc.122. 9 InnM an Zentralstelle v . 1. IV. 1859; Antw. v . 9. VII. 1859. to AM an FinM v. 10. VIII. 1859; WHStA E 36-38 Fase. 122. Daselbst auch weitere Verhandlungen über die Auswirkungen des Österreichischen Gesetzes auf Württemberg. 11 Verfügung v. 17. VIII.1859.
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6. Kap.: Markenschutz in Württemberg
Gewerbeordnung von 1828 vorgesehenen Hinterlegungsmöglichkeit Gebrauch gemacht worden sei. Von den 64 Oberämtern konnten nur drei über insgesamt vier Hinterlegungen berichten12• Wenn überhaupt noch irgendwelche Bedenken bestanden haben sollten, die Deposition der Fabrikzeichen zu beseitigen, so waren sie nach dieser Umfrage sicherlich gegenstandslos geworden. Nach diesem Ergebnis lag es nahe, die Grundsätze des Projekts von 1854 in einen neuen Entwurf zu übernehmen, der im Oktober fertiggestellt war13. Er beseitigte vor allem die strafrechtlichen Probleme durch die Aufnahme eines besonderen Tatbestandes (Art. 2). In der ausführlichen Begründung des Innenministeriums heißt es unter anderem, Art. 6 der Gewerbeordnung müsse abgeändert werden, weil er den Erfordernissen des Zollvereinsbeschlusses von 1838 nicht voll entspreche; er weiche inhaltlich von jener Übereinkunft ab und beschränke sich überdies auf den Schutz einheimischer Fabrikanten; die ergänzenden Artikel 356 und 359 des Strafgesetzbuches dienten nur dem Schutze des kaufenden Publikums, nicht aber den Interessen des Gewerbetreibenden. Eine allgemeine Revision der Gewerbeordnung brauche man nicht abzuwarten, da der fragliche Gegenstand mit den übrigen Vorschriften der Gewerbeordnung nicht im materiellen Zusammenhang stehe. Das Justizministerium äußerte sich in einem umfänglichen Votum zunächst zur bestehenden Rechtslage14 und sodann zum Projekt des Innenministers. Es ging ihm in seinen "Vorbemerkungen" vor allem darum, den besonderen Charakter des Delikts als eines rechtswidrigen "Eingriffs in den Erwerbskreis eines Anderen" herauszustellen; der Entwurf selbst wurde dementsprechend in einigen Punkten überarbeitet, ohne indes zentrale Aussagen abzuändern. Das Justizministerium ging auch auf die Frage ein, ob nicht- etwa entsprechend dem sächsischen StGB - auch "andere besondere Kennzeichen" zu schützen seien. Das Obertribunal, das vom Justizminister zur Stellungnahme aufgefordert worden war, hatte einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet. Das Ministerium indes meinte, damit sei "dem kaufenden Publikum weit weniger gedient ... als mit der ein12 Beim Oberamt Cannstadt hatte ein Tabakfabrikant 1840 insgesamt 127 Tabaksetiketten und 1857 weitere 38 Etiketten deponiert, beim Oberamt Gaildorf hatte ein "Neusilberarbeiter" 1837 ein Zeichen hinterlegt, und beim Magistrat von Stuttgart war ebenfalls nur in einem einzigen Fall von der Möglichkeit der Niederlegung Gebrauch gemacht worden; hier hatte der "Patent-Metallschreibtafel-Fabrikant" Carl Ronetsch am 8. VIII. 1853 sein Zeichen hinterlegt. 13 InnM an JusM v. 25. X. 1859. 14 JusM an InnM v. 21. I. 1860.
§ 20. Gesetz vom 12. Februar 1862
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fachen und bestimmten Norm des Zollvereinsbeschlusses". "Ob dieses oder jenes Waarenzeichen die Autorschaft eines bestimmten Produzenten oder Handelsmanns so unzweideutig bezeichne, um für eine Privaturkunde nach dem Begriffe des gemeinen Lebens gelten zu können", hänge von den Umständen des einzelnen Falles ab, dies bringe indes große Unsicherheiten mit sich. Auf Grund dieser Überlegungen schlug das Justizressort die Aufnahme eines Artikels vor, welcher die Anwendbarkeit des Gesetzes auf die Nachahmung und den Mißbrauch anderer als der in Art.l genannten Warenzeichen ausdrücklich ausschloß und lediglich auf die Betrugsbestimmungen verwies. In den anschließenden Verhandlungen im Geheimen Rat und in den beiden Kammern erfuhr der Entwurf nur einige Modifikationen von untergeordneter Bedeutung; wesentlich neue Gesichtspunkte förderten diese Diskussionen nicht mehr zutage15.
Am 12. Februar 1862 erging das "Gesetz betreffend den Schutz von Waarenbezeichnungen" 16• Die engen Grenzen, in welchen das neue Recht Schutz gewährte, blieben im Hinblick auf den Ersatzanspruch auch dann noch wirksam, als das Reichsstrafgesetzbuch den Strafschutz wesentlich erweiterte17•
15 Der Entwurf wurde am 9. VIII. 1860 dem König vorgelegt, der ihn an den Geheimen Rat weiterleitete; dieser erstattete am 18. I.1861 Bericht. Im Februar ging der E an die Kammer der Standesherren, der Bericht des Abg. Bezzenberger datiert v. 8. VII.1861. Die zweite Kammer verhandelte am 9. XII. 1861 über den E und den Bericht des Abg. Eble. Zum Ganzen: Verhandl. der wü. Kammer der Abgeordneten 1861 S. 5495 ff. mit Beilage Nr. 445 ; im übrigen vgl. WHStA E 143 Bü 3160. 1o Ges.Bl. 1862 S. 50. - Am gleichen Tag erging eine neue, die Gewerbefreiheit einführende Gewerbeordnung. 17 Vgl. Art. 2 Abs. IV des Gesetzes v. 12. II. 1862. Im übrigen vgl. unten§ 29.
7. Kapitel
Der Markenschutz in Baden § 21. Der Zeichenschutz im badischen Landrecht (1809) und seine Revision (1817)
Das achte Organisationsedikt über die "Verwaltung der Strafgerechtigkeitspflege" vom 4. April18031 wollte als "provisorisches Normativ"! die Praxis der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. bestimmen, deren Fortgeltung vorausgesetzt wurde. Die Abschnitte 48 bis 50, welche Normen der Carolina über Urkundenfälschung und die Verfälschung von Maß, Gewicht und Kaufmannswaren näher interpretierten, gedachten lediglich der Verfälschung von Gehaltszeichen (Abschnitt 49); die Strafe des Mißbrauches fremder Warenbezeichnungen unterlag den allgemeinen Kriterien von Betrug und Fälschung, mithin den verschwommenen Kategorien des gemeinen Strafrechts. Im Jahre 1809 übernahm das Großherzogtum mit dem Code civil zugleich große Teile des französischen Handelsrechts, die - um Zusätze ergänzt - dem neuen Landrecht als Anhang beigefügt wurden3 • Zu diesen Zusätzen zählt der in den siebten Titel "Von Handelsverbindlichkeiten" aufgenommene Satz 109 a: "Kein Fabrikant darf seine Waare unter dem Namen einer andern inländischen Fabrik, oder unter den bestehenden Waarenzeichen derselben, wenn nicht deutliche Unterscheidungsmerkmale zugesetzt sind, verfertigen und ausgeben: Der Fabrik, deren Namen und Zeichen mißbraucht wäre, steht frey, alles damit bezeichnete Gut und alle davon herrührende ausstehende Forderungen als ihr gehörig, zur Entschädigung an sich zu ziehen, wenn sie nicht über Jahr und Tag vom ersten Verkauf solcher nachgemachten Waare an, dazu stillgesessen hat."
Näheren Aufschluß über diese, dem französischen Code de commerce unbekannte Norm erhalten wir aus den Erläuterungen, welche J. N. F. Brauer', der "Redakteur der badischen Gesetzgebung" 5 , dem Landrecht nebst Anhang gewidmet hat. 1 Das großherzoglich-badische Straf-Edikt mit seinen Erläuterungen und Zusätzen, hg. v. Rhenanus S. 72 ff.; auch in: Organisation der Badensehen Lande, 1803.- Zum Edikt und seiner Vorgeschichte vgl. insbesondere Lenel, Rechtsverwaltung S. 177 ff., bes. 205 f. - Zum Folgenden Hoffmann, GRUR 1913 s. 243 ff. 2 Lenel, Rechtsverwaltung S. 206. 3 Landrecht für das Großherzogthorn Baden, amtl. Ausgabe 1846.
§ 21. Landrecht (1809) und Revision (1817)
205
Es ist zu vermuten, daß Brauer die Absicht verfolgte, den in Frankreich außerhalb des Handelsrechts bestehenden Zeichenschutz ebenso in das Landrecht und seinen Anhang hineinzunehmen, wie er dies mit dem Schutz des "Schrifteigenthums" getan hatll. Die Unzulänglichkeit des Landrechtssatzes in Tatbestand und Rechtsfolge wurde von den interessierten Kreisen des Gewerbestandes schon bald bemängelt. Die Aufmerksamkeit der Regierung fand dieser Umstand, als die Mannheimer Handelsfirma Barthin ihrem Rechtsstreit mit dem Mühlhauser Handelsmann A. Gall am 8. April1816 Rekursbeschwerde erhob7 • Barth hatte eine Tabaksetikette Galls nachgemacht, die in zwei ovalen Feldern einen Hahn und zwei Buchstaben aufwies. Das Stadtamt Mannheim hatte den Einwand Barths anerkannt, daß seine Etikette durch die besonders gestaltete Umrahmung der Felder von dem Zeichen Gall deutlich unterschieden sei. Da das Hofgericht anderer Meinung war, bestrittBarthin der Revisionsinstanz die Anwendbarkeit des Satzes 109 a mit der Begründung, es handele sich weder um einen "Namen" noch um ein "bestehendes Warenzeichen" im Sinne dieser Bestimmung, sondern um eine "willkürliche" Etikette, welcher der notwendige Bezug auf den Fabrikanten ermangele. Das Oberhofgericht wies die Revision aus formellen Gründen zurück und auch das Justizministerium verwarf die Rekursbeschwerde ohne nähere Begründung. Zugleich jedoch sah sich das Ministerium veranlaßt, das Ministerium des Innern bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, wie nachteilig der Anhangsatz 109 a für den Handel werden könne, und seine Aufhebung oder Modifikation anzuregen; in keiner anderen Gesetzgebung finde sich eine solche Vorschrift, die auch nicht aus dem Code de commerce geflossen, sondern eine badische "Einschaltung" sei. Das Innenministerium ließ daraufhin die Direktionen des Kinzig-, Neckar- und Pfinz- und Enzkreises, die sich mit den Tabakfabrikanten in Verbindung setzen sollten, berichten. Das Meinungsbild, das man auf diese Weise ermittelte, war sehr bunt. Ein Teil der Behörden hielt einen besonderen Schutz fremder Namen oder Zeichen für "überflüssig", da es sich - soweit nicht der Tatbestand des Betruges vorliege - nicht 4 Erläuterungen IV S. 443 ff. - Zu J. N. F. Brauer vgl. etwa Lenel, RechtsverwaltungS. 32 u. ö. 5 Note des JusM v. 8. IV. 1816; GLA 234/7469. s Landrechts-Sätze 577 da- dh; dazu auch Brauer, Erläuterungen I S. 465 ff. - Brauer ist übrigens auch der Verfasser des 8. Organisationsedikts, vgl. Lenel, Rechtsverwaltung S. 206. - Möglicherweise sollte im Landrecht nachgeholt werden, was 1803 versäumt worden war. 7 Die folgende Darstellung beruht auf den Akten GLA 234 I 7469 und
236 I 5817.
206
7. Kap.: Markenschutz in Baden
um eine Rechtswidrigkeit handele, sondern um eine "Handelspolitik oder List". Eines der Bezirksämter wollte diese Beurteilung nur für "Waarenzeichen", nicht aber für Namen gelten lassen. Die meisten Unterbehörden und vor allem auch die Mehrzahl der befragten Tabakfabrikanten stimmten im Hinblick auf die Voraussetzungen des Schutzes im wesentlichen überein: Zeichen und Etiketten sollten nur dann im ausschließlichen Recht eines Fabrikanten stehen können, wenn ihnen ein Merkmal beigefügt sei, das auf den Erzeuger hinweise. Immer wieder wurde zur Begründung auf die Allgemeingebräuchlichkeit bestimmter Bilder im Tabakshandel hingewiesen. Im Hinblick auf die Rechtsfolgen der Nachahmung herrschte insoweit Einigkeit, als man die im Anhangsatz 109 a vorgesehene Einziehung zugunsten des Zeicheninhabers als zu weitgehend empfand und durch einen dem tatsächlichen Schaden wenigstens schätzungsweise entsprechenden Ersatzanspruch ablösen wollte. Eine zusätzliche Kriminalstrafe wurde nur von einigen Gutachtern gefordert, wobei die einen eine Verfolgung von Amts wegen, die anderen ein Antragsverfahren empfahlen. Dem Direktorium des Pfinz- und Enzkreises genügten Entschädigung und Strafe nicht; es regte eine zusätzliche öffentliche Bekanntmachung und Ehrenerklärung an, welche den beeinträchtigten Kredit wiederherstellen sollte. Das Innenministerium wertete die Berichte aus, um seine Antwort an das Justizressort vorzubereiten8• Ein erster Entwurf schlug eine Abänderung des Anhangsatzes 109 a in vier Punkten vor; ein Entschädigungsanspruch sollte an die Stelle der Zuweisung treten; der Begriff "nicht deutliche Unterscheidungszeichen" sollte erläutert, die Verjährungsfrist verlängert werden; öffentliche Bekanntmachung und Ehrenerklärung sollten zu den übrigen Sanktionen hinzutreten können. Ein Zweitgutachten9 widersprach diesen Vorschlägen zum Teil und verlangte vor allem die Beschränkung des Klagerechts auf den Fall der vollständigen Namenswiedergabe. Dieser einengende Zusatz fand indes ebensowenig eine Zustimmung wie der Strafvorbehalt; auch auf die geforderte Ehrenerklärung wurde verzichtet. Diesem reduzierten Programm stimmte der Justizminister10 mit Ausnahme der gewünschten Fristverlängerung zu und unterbreitete das modifizierte Projekt am 14. Apri11817 dem Großherzog11 • Nachdem die Ministerkonferenz am 2. Juni die Grundsätze genehmigt hatte, wurde der Text der Verfügung entworfen und nach der Genehmis Entwurf in GLA 236 I 5817.
u Zweites Votum ebenda. to JusMan InnM v. 14. IV.
1817 GLA 234/7469.
it Vortrag v. 14. IV.1817, ebenda.
§ 21.
Landrecht (1809) und Revision (1817)
207
gung durch den Monarchen am 26. August 1817 veröffentlicht12• Die "Verordnung den Mißbrauch inländischer Fabrikzeichen betreffend" derogierte den Anhangsatz 109 a wie folgt: "Kein Fabrikant darf seine Waare unter dem Namen einer andern inländischen Fabrik oder unter den bestehenden Waarenzeichen derselben verfertigen und ausgeben, wenn nicht deutliche Unterscheidungszeichen des Nachfabrizirenden in einer, in die Augen fallenden Entfernung von der Stelle, wo sich die Etikette der Fabrik, welcher nachfabrizirt wird, befindet, angebracht und entweder durch den ganzen Namen des Nachfabrizirenden oder dessen Anfangsbuchstaben, oder dessen Wappen ausgedruckt sind. Die Fabrik, deren Name oder Zeichen misbraucht werden, hat ein Klagrecht auf Entschädigung, welche der Richter, in so fern der Schaden nicht ganz genau berechnet werden kann, nach Ermessen zu erkennen hat. Diese Klage auf Entschädigung steht indessen der Fabrik, deren Zeichen unerlaubt nachgemacht ist, nur ein Jahr lang zu, vom ersten Verkauf der nachgemachten Waare an zu rechnen, ist sohin mit Umlauf dieser Zeit erloschen." Die neue Verordnung blieb zwar formell bis zum Inkrafttreten des Reichsmarkenschutzgesetzes bestehen, dürfte indes schon lange zuvor ihre lebendige Übung verloren haben13• Dieser Befund ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, daß der Zeichenschutz im Zollverein nach 1840 vorwiegend mit Mitteln des Strafrechts gewährt wurde, während die Verordnung von 1817, wie schon der Anhangsatz 109 a, nur zivilrechtliche Ansprüche kannte. Aus dem nämlichen Grunde konnte ein Einschreiten der Polizeibehörde- wie das Justizministerium 1831 formulierte14 - "in solchen Privatrechts-Verletzungen" nicht stattfinden, da "der öffentliche polizeiliche Gewerbeschutz" sich nur auf Entfernung solcher Hindernisse erstrecken könne, welche der Ausübung eines Gewerbes "unbefugterweise" in den Weg gelegt würden. Diese Ansicht galt zwar einem konkreten Fall, nämlich der Beschwerde eines Lahrer Tabakfabrikanten gegen ein vom Kreisdirektor erlassenes Verbot der Führung einer bestimmten Tabaksetikette; gleichwohl wird man sie ihrer allgemeinen Fassung wegen als grundsätzliche Feststellung werten müssen. Das Nachahmen von Warenzeichen und Etiketten war, wenn es nicht- so wird man "befugterweise" zu ver12 Staats- und Reg.Bl. 1817 S. 83 f.; auch Wehrer, Verordnungen IV S. 644 ff.; Kahler, Markenschutz S. 504 f. 13 So Kahler a.a.O. Indes wird 1867 bei den Verhandl. mit Württemberg über den Abschluß eines Reziprozitätsvertrages die Verordnung von 1817
noch erwähnt. a JusMan InnM v. 8. IV. 1831; GLA 234/7469.- Einen ähnlichen Bescheid hattP. das InnM schon 1828 dem Offenbacher Fabrikanten Krafft in seinem Streit gegen den Mannheimer Tabakfabrikanten Lichtenberger zukommen lassen; dieser auf den 5. VI. 1828 datierte Bescheid wirdanläßlich der späteren Beschwerde Kraffts erwähnt, vgl. dazu § 22 Anm. 1.
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7. Kap.: Markenschutz in Baden
stehen haben - zugleich als Verstoß gegen eine Polizei- oder Strafnorm erschien, eine rein privatrechtliche Angelegenheit, um die sich die Verwaltungsbehörde nicht zu kümmern hatte15 • § 22. Die Initiative Badens im Zollverein (1836) und das Strafgesetzbuch von 1845
Wenige Wochen vor dem Zusammentritt der ersten Generalkonferenz des Zollvereins in München (12. September 1836) bot eine neue Eingabe abermals Veranlassung, sich mit der Frage des Zeichenschutzes zu beschäftigen. Am 9. August 1836 erreichte das Karlsruher Innenministerium eine Vorstellung des Tabakfabrikanten Casimir Krafft & Comp. aus Offenbach (Main)l; Krafft, der allgemein um Schutz gegen den Verkauf fremder Fabrikate unter seinem Namen und Zeichen im Großherzogtum Baden nachsuchte, berief sich u . a. auf eine ältere erfolgreiche Klage vor dem Oberhofgericht Rastatt gegen einen der dortigen Konkurrenten; eine spätere Klage gegen den Mannheimer Fabrikanten Lichtenherger sei indes unter Berufung auf die Verordnung von 1817 zurückgewiesen worden; jetzt, nachdem der Zollverein begründet worden sei, greife er die Angelegenheit wieder auf in der Erwartung, daß nunmehr jede unterschiedliche Behandlung der Angehörigen anderer Zollverein"staaten wegfallen müsse. Innen- und Justizministerium waren sich darin einig, daß der Petent auch diesmal an die Zivilgerichte zu verweisen seie?; allerdings meinte der Justizminister, man könne nach dem Vorfall auch die Frage in Erwägung ziehen, "ob eine Änderung der Gesetzgebung in dieser Materie räthlich sey". Das Innenministerium handelte schnell: der badische "Gewerbskommissar zu dem Zollkongreß in München" wurde instruiert, das Problem dort zur Sprache zu bringen3 • Nachdem man auf der Konferenz ein allgemeines Einverständnis erzielt hatte4, beschloß die Karlsruher Regierung auf Grund einer 15 Eine derartige, die Schutzfunktion der "Polizei" stark einengende Sicht war früher in Baden keineswegs selbstverständlich gewesen. Dies zeigt eine Bekanntmachung des Durlacher Kreisdirektoriums vom 10. August 1812 in der zugunsten der Mannheimer Tabakfabrik Thorbecke alle anderen Fabrikanten und Handlungen "bei Vermeidung scharfer Ahndung" ermahnt wurden, sich nicht des Namens A. H. Thorbecke als Wasserzeichen auf Tabakumschlägen zu bedienen (nach Dollmätsch, Sammlung II S. 309). 1 InnM an JusM v. 9. VIII.1836; GLA 236/5817, 234/7469. 2 Note JusM an InnM v. 6. IX.1836; ebenda. -Eine entsprechende Verf. des InnM v. 23. XII. 1836 ist erwähnt bei Dietz, Gewerbe S. 381. 3 Vgl. den Aktenvermerk v. 10. IX. 1836 in GLA 236 I 5817. 4 Vgl. oben § 6 zu Anm. 3.
§ 22.
Zollverein (1836) und Strafgesetzbuch (1845)
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entsprechenden Verfügung des Großherzogs5 , eine Modifikation der Verordnung von 1817 dann vorzunehmen, sobald die "Verabredung der Generalkonferenz auch die Genehmigung der anderen Vereinsregierungen erlangt" hätte6 • Wie dieses neue Gesetz aussehen sollte, war indes noch nicht ausgemacht. Das Innenministerium7 wollte die Verordnung von 1817 auf "vereinsländische Fabriken" ausdehnen; daneben war seiner Ansicht zufolge § 48 des Strafedikts von 1803 anwendbar. In diesem Punkt hegte der Justizministers jedoch Zweifel; er befürwortete, nach dem Vorbild des ALR (II 20 § 1451) ,.das Nachmachen aus staatswirthschaftlichen Gründen mit einer Strafe zu bedrohen". Diesem Ziel diente eine Norm des 1836 ausgearbeiteten Strafgesetzentwurfes!': § 383 gewährte Schutz fremden Warenbezeichnungen, knüpfte ihn jedoch an die Bedingung, daß die "Waaren- und Fabrikzeichen mit obrigkeitlicher Genehmigung angenommen sein müssen". Kurz nachdem das Ergebnis der Dresdner Konferenz (1838) bekanntgeworden war, schlug das Justizressort vor, die Strafnorm entsprechend abzuändern10 : man verzichtete auf das Genehmigungserfordernis, da es eine "allzu große Beschränkung und Belästigung" mit sich bringe. Eine weitere Neuerung ließ das Justizministerium im April11 verlautbaren: man habe das Maximum der angedrohten Gefängnisstrafe auf drei Monate herabgesetzt. Der neue, den Ständen vorgelegte Entwurf12 bedrohte (§ 405) mit dieser oder mit Geldstrafe: "wer sich der von inländischen Fabrikanten angenommenen Waarenstempel oder Fabrikzeichen fälschlich bedient, und die damit bezeichneten Waaren absetzt." 5 Dieser Erlaß v. 6. IV. 1837 ist u. a. erwähnt in den Noten des FinM v. 30. IX. 1837 und 13. I. 1838; G LA 236 I 5817 und 237 I 12120. 6 So die Antwort an die Zolldirektion auf deren Anfrage v. 5. V. 1837; GLA 237 I 12120. 7 Note an JusM v. 4. XII. 1837, ebenda und GLA 234 I 7469. e JusM an FinM v. 15. XII. 1837; GLA 234 I 7469 u. 236 I 5817. 9 Entwurf eines Strafgesetzbuches, 1836. Unter diesem Titel wurde nur der erste Teil gedruckt; der zweite Teil "Von den einzelnen Verbrechen und ihrer Bestrafung" sollte laut Inhaltsangabe nachfolgen, erschien jedoch nur zum Teil im Druck (bis § 268). Einen noch unvollständigen Druck erwähnt Binding, Strafgesetzbücher S. 8 Nr. 30. Der Inhalt des hier einschlägigen § 383 ist im Text wiedergegeben nach der Note JusM an InnM v. 29. X. 1838; GLA 23615817 und 23417469. 1o Vgl. die in der vorigen Anm. erwähnte Note. 11 JusM an InnM v. 19. IV. 1839, wie Anm. 9. 12 Entwurf eines Strafgesetzbuches für das Großherzogtum Baden, mit Motiven; er wurde am 22. IV.l839 der zweiten Kammer der Stände überreicht. 14 Wadle
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7. Kap.: Markenschutz in Baden
Das Justizministerium hatte zuvor die Beschränkung auf inländische Fabrikanten ausdrücklich befürwortet; solange die ausländischen Gesetzgeber die gleiche Beschränkung aufweisen würden, könnten für Baden ansonsten Nachteile entstehen; sollte der Wunsch der Generalkonferenz auf Gleichstellung in Erfüllung gehen, so müßten die Vereinsstaaten "ein für alle verbindliches Gesetz zu Stande bringen oder in Ermangelung dessen der Reciprozität halber Verträge schließen" 13• Es fällt auf, daß der Entwurf nach wie vor "Waarenstempel" und "Fabrikzeichen" in den Schutz einbezog; offenbar war das Justizministerium, das im Vorjahr die Beschränkung auf solche Zeichen, die den Namen oder Firma und Ortsangabe enthielten, "als besonders zweckmäßig" empfohlen hatte14, inzwischen von dieser Ansicht abgerückt. Die Bedenken gegen eine Einbeziehung ausländischer Warenbezeichnungen, die schon während der Verhandlungen der Kammern angefochten worden war15, ließ man später fallen. Im Strafgesetzbuch vom 6. März 184516 ist die entsprechende Bestimmung nicht nur um das Erfordernis der Strafanzeige, sondern auch um eine Reziprozitätsklausel ergänzt (§ 444): "Wer sich fälschlich der Waarenstempel, oder Fabrikzeichen eines anderen inländischen Fabrikanten bedient, und die damit bezeichneten Waaren absetzt, wird, auf Anzeige des betheiligten Fabrikanten, von Gefängnißstrafe bis zu drei Monaten, oder von Geldstrafe getroffen. Ebendasselbe gilt von dem fälschliehen Gebrauche der Waarenstempel, oder der Fabrikzeichen der Fabrikanten auswärtiger Staaten, mit welchen in dieser Beziehung die Gegenseitigkeit vertragsmäßig festgesetzt ist." Im folgenden § 445 ist die freiwillige Ersatzleistung als Strafmilderungsgrund anerkannt. Bemerkenswert ist schließlich die systematische Einordnung im Titel "Von der Fälschung"; der Fabrikzeichenschutz folgt unmittelbar auf die Strafnormen gegen den Mißbrauch "öffentlicher Stempel" auf Maßen und Gewichten (§§ 441, 443) und "öffentlicher Zeichen der Aechtheit" auf Gold- und Silberwaren (§§ 442, 443). Bevor noch das Strafgesetzbuch in Kraft getreten war, hatte eine Anfrage Frankfurts17 die Notwendigkeit eines Schutzes ausländischer Wie Anm. 11. - Die Motive enthalten keine Ausführungen zu § 405. u Wie Anm. 9. 15 Verhandl. der zweiten Kammer 1840, Kommissionsbericht Nr. 9 S. 18 f.; Verhandl. der 1. Kammer 1840, Kommissionsbericht S. 6 f.; Entwurf des StGB nach den Beschlüssen der zweiten Kammer (1840) S. 291; Entwurf des StGB nach den Beschlüssen der 1. Kammer (1840) S. 66. 16 Strafgesetzbuch für das Großherzogthum Baden, amtl. Ausgabe Karlsruhe 1845. 17 Note Frankfurts v. 1. X. 1844; AM an FinM v. 7. X., Antwort FinM v. 12. X. 1844; GLA 233 I 10610 und 237 I 12120. - Die Frankfurter Note ist aus13
§ 22.
Zollverein (1836) und Strafgesetzbuch (1845)
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Fabrikanten noch einmal bestätigt. Das Finanzministerium verwies auf den Entwurf des Strafgesetzbuches, dessen Zustandekommen man abwarten müsse, um anschließend Gegenseitigkeitsverträge einzugehen; einen anderen Ausweg, etwa den einstweiligen Erlaß einer Polizeiverordnung, würde das Justizministerium nicht einschlagen wollen.
gelöst worden durch die Abweisung der Klage eines Frankfurter Tabakhändlers, dessen Schnupftabaksetiketten in Baden nachgeahmt worden waren; vgl. unten§ 25 zu Anm. 8. 14*
8. Kapitel
Der Zeichenschutz in Kurhessen § 23. Das Zeichenrecht im Schmalkaldener Gewerbe und seine Neuordnung (1827) Die kurhessische Zunftordnung vom 5. März 18161 , welche die 1809 im Königreich Westfalen eingeführte Gewerbefreiheit wieder aufhob, ließ die alten Zünfte und Zunftbriefe, "soweit sie der gegenwärtigen Verordnung nicht zuwiderlaufen, in ihre Kraft" zurücktreten (§ 1). Auch im Kreis Schmalkaiden lebten die alten Handwerke von Rechts wegen fort; freilich konnten sie den alten Glanz nicht mehr zurückgewinnen2. Die Bemühungen, die in den zwanziger Jahren einsetzten, um den Zünften neuen Aufschwung zu geben, führten zur Neuorganisation der einzelnen Innungen; alte Ordnungen wurden revidiert und schließlich durch die ,,Gewerbe-Ordnung vom 14. Februar 1827, für das Hütten- und Hammerwesen, sowie für die Eisen-, Stahl- und andere Metall-Handwerke und den Verkehr mit deren Waaren im Kreise Schmalkalden" in einem einheitlichen Gesetz vereinigt3. Die ersten Entwürfe zu dieser Ordnung hatten noch keinerlei Bestimmungen über die Fabrikzeichen enthalten, sondern diese den einzelnen Zunftbriefen überlassen4 • Der Zeichenschutz ging dann 1 Möller I Fuchs, Sammlung S. 32 ff. Zur kurhessischen Gewerbepolitik vor allem Bovensiepen, Gewerbepolitik, bes. S. 9 ff. (Anfang des 19. Jh.); Brandt, Wirtschaftspolitik. 2 Zum Schmalkaldener Gewerbe vgl. Landau, KurfürstentumS. 537.; Wagner, Schmalkalden, bes. S. 380 f.; Frankenstein, Bevölkerung und Hausindustrie. 3 Die Gewerbeordnung in: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen 1827 s. 5 ff. 4 So sollte nach dem neuen Reglement für die Innung der Büchsenmacher folgendes gelten: § 27 Jeder Meister ist verpflichtet, für sich ein eigenes Waarenzeichen zu wählen, welches jedoch nicht etwa schon von einem anderen Meister dieser Zunft benutzt werden darf. Die Wahl dieses Zeichens muß von den obrigkeitlichen Deputierten in das Handwerks-Protokoll eingetragen werden und auf alle Waare, welche in den Handel gebracht wird, aufgeschlagen seyn. Der folgende Paragraph sah Geldstrafe, Konfiskation der Ware und Entschädigungsklage vor für den Fall des Aufschiagens fremder Zeichen in "betrügerischer Weise". (Forts. nächste Settel
§ 23.
Zeichenrecht im Schmalkaldener Gewerbe
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jedoch in die Gewerbeordnung ein unter die "allgemeinen Bestimmungen für alle Metallgewerbe und den Verkehr mit deren Waaren" (Überschrift des 3. Abschnitts). Gemäߧ 35 waren "auf alle für den Handel bestimmten Eisen-, Stahl- und andere Metallwaaren ..., sofern nicht ihre Geringfügigkeit oder Einfachheit es überflüssig oder unthunlich macht, von deren Verfertigern gewisse Zeichen bei Meidung angemessener polizeilichen Strafen aufzuschlagen". Die Wahl des Zeichens blieb dem Gewerbetreibenden überlassen; die Marke durfte aber nicht zu Verwechslungen Anlaß geben können und mußte beim Oberzunftamt und der jeweiligen Zunft in Register eingetragen werden. Das Zeichen war vererb- und veräußerbar und fiel, wenn kein Erbe vorhanden war, an das Handwerk zurück. § 36 verpflichtete auch jedes Hammerwerk zur Zeichnung seiner Produkte "mit einem ihm gehörigen Zeichen". § 37 bedrohte mit Geldoder zusätzlicher Freiheitsstrafe und Konfiskation "die Nachahmung eines fremden inländischen Gewerbzeichens oder ein sonst hiermit bewirkter Betrug der Waaren-Abnehmer". Die neue Ordnung regelte das Zeichenwesen in allen entscheidenden Punkten "gemäß dem deshalbigen Herkommen" 5 : Zeichenpflicht, mit einem Register verbundene Aufsicht von Zunft und Zunftbehörde und Übertragbarkeit des Zeichens innerhalb der Innung sind seine typischen Kennzeichen. Auch Schau und Schauzeichen fehlten bei den wichtigsten Gewerben, den Ahlenschmieden und Büchsenmachern, nicht6 • Diese traditionsgebundene Ordnung wurde praktiziert bis zur Einführung der Gewerbefreiheit im Jahre 1869, es sei denn, daß die Handwerksbünde schon zuvor eingingen7 • In der Zunft der Ahlenschmiede, die noch in der zweiten Jahrhunderthälfte zu den wenigen "lebenskräftigen" Gewerben zählte8, wurde das Zeichenrecht noch um die Jahreswende 1863/64 praktiziert9 • Im Zunftbrief der Ahlenschmiede war eine ähnliche Bestimmung enthalten, die ebenfalls die "betrügerische Anwendung eines fremden Zeichens" mit Geldstrafe bedrohte. Dazu und zum Folgenden StA Mg. 27 a II 193. 5 So ausdrücklich § 35Abs. 111 GewO. Für die Hammerwerke erfüllt das Bergamt Schmalkaiden die Funktion einer Zunftbehörde, vgl. § 36 GewO. 6 § 34 GewO.- In einem früheren Entwurf wird die Schau nicht erwähnt; später wird sie allein für die Ahlenschmiede empfohlen; vgl. Handels- und Gewerbeverein Schmalkaiden v. 20. VI., 1. VII. und 8. VII. 1826, StA Mg. 27 a II 193. 7 Die Gewerbefreiheit wurde erst durch die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes in das nunmehr mit Preußen vereinigte Kurhessen eingeführt, vgl. Bovensiepen, Gewerbepolitik S. 178. Zur Lage der Schmalkaldener Zünfte vgl. ebenda 8.101 ff.; Frankenstein, Bevölkerung und Hausindustrie S. 58 f. s Frankenstein a.a.O. S. 59.
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8. Kap.: Zeichenschutz in Kurhessen
Wenngleich nicht zu verkennen ist, daß mit dem Niedergang der ausschließlich handwerksmäßig betriebenen Kleineisenindustrie auch das Zeichenrecht an praktischer Bedeutung verlor, so reichte der zunftgebundene Zeichenschutz bis an die Schwelle des modernen Markenschutzes heran. Noch in der Reichstagsdebatte von 1874 hob der Abgeordnete für Schmalkaiden die besondere Rolle des dortigen Zeichenwesens hervorto. Die Gewerbeordnung von 1827 wirkte über ihren regional begrenzten Geltungsbereich hinaus: Sie beeinfiußte mit Sicherheit den Gesetzentwurf des Jahres 1839, möglicherweise aber schon die 1829 ergangene Verordnung zur Beförderung des Leinen-Gewerbes11 • Dieses Reglement enthielt neben den üblichen Vorschriften für Schauanstalten ("Mange-Anstalten") und deren Qualitätszeichen {"Mangezeichen") eine Bestimmung über das "Privat-Zeichen" der Leinenhändler, das neben dem "öffentlichen Zeichen ... auf den Umschlag des Leinens zur Angabe des Absenders" aufgedrückt werden konnte (§ 15 Abs. 2). Dieses "Handelszeichen" bedurfte der vorherigen Genehmigung durch den Handels- und Gewerbeverein, durfte "nicht im Mindesten eigenmächtig abgeändert" oder von einem anderen Leinenhändler gebraucht werden (§ 15 Abs. 3). Wer ein Zeichen gebrauchte, "zu dessen Führung er nicht berechtigt" war, sollte in eine Geldbuße verfallen; Ersatzansprüche blieben "den Betheiligten überlassen" (§ 21 Abs. 2). Es bedarf wohl keiner weiteren Begründung, daß es sich bei diesem Zeichen der Leinenhändler, also der Verleger, um eine Einrichtung 9 Im Dezember 1863 beschwerten sich zwei Zunftmeister der Ahlenschmiedezunft über das Oberzunftamt, welches einer Meisterwitwe das Recht zuerkannt hatte, das hinterlassene Zeichen an einen anderen Meister zu veräußern; die Beschwerdeführer reklamierten das Zeichen für die Zunft; "nach bisherigem Usus" habe eine Witwe nie eine solche Veräußerungsbefugnis gehabt. Die Meister mußten sich jedoch von der Regierungskommission belehren lassen, daß das Oberzunftamt sich nach § 35 der Gewerbeordnung korrekt verhalten habe. Ein zweiter, von der Regierungskommission entschiedener Fall lag bereits mehr als ein Jahrzehnt zurück. Damals hatte ein zur Zunft der Blecharbeiter zählender Striegelmachermeister, welcher das Zeichen eines aufrechtstehenden Löwen führte, sich darüber beschwert, daß ein anderer Meister dieses Symbol als "Verzierungszeichen" seinem Zeichen, den Initialen "J. E." hinzufüge; diese vom Oberzunftamt 1842 gebilligte Ergänzung wurde mit Rücksicht auf die bestehende Verwechslungsgefahr von der Schmalkaldener Regierungskommission untersagt. Beide Fälle nach StA Mg. LA Schmalkaiden 199. to Vgl. die Rede des Abg. Harnier im Reichstag (1874); Beleg wie unten § 31 zu Anm. 14. Siehe auch die Vorstellung des Gewerbevereins Schmalkalden v. 28. III. 1875: "Seit Aufhebung des Zunftzwanges ist wohl kein Gesetz erlassen worden, das für unsere uralte Industrie von so einschneidender Bedeutung wird, wie das über Markenschutz"; ZStA II Rep. 120 D II 233 (6). u Sammlung von Gesetzen für Kurhessen 1829 S. 103.
§ 24.
Bemühungen um den Strafschutz
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handelt, die im wesentlichen jener der Hüttenzeichen nach dem preußischen Gesetz vom 3. Juli 1818 entspricht12• Da kein Zwang zur Führung des Handelszeichens besteht, wirkt die Regelung moderner als die preußische; die Motivation dürfte in beiden Fällen dieselbe sein: eine gemeinwirtschaftlich begründete Förderung des Absatzes. Die Vorstellungen, die im grundsätzlich einzigen und unabänderlichen Handelszeichen ihren Niederschlag gefunden hatten, beeinflußten auch die Gesetzgebungsarbeit zum allgemeinen Strafschutz und namentlich den Entwurf von 1839. § 24. Die Bemühungen um den allgemeinen Strafschutz der Warenbezeichnung I. Anfänge
Der Handels- und Gewerbeverein, der 1821 das kurfürstliche "Kommerzkollegium" als beratende und überwachende Behörde für "alle kommerziellen und gewerblichen Gegenstände" abgelöst hattet, beantragte im Mai 18252 den Erlaß eines Verbotes an alle inländischen Fabrikanten, "die Namen anderer inländischer Fabrikanten auf die Waaren-Etiquetten zu setzen". Im Verein selbst war diese Forderung zur Sprache gebracht worden von dem Kasseler Fabrikanten Franz Heinrich Thorbecke, der gerade einen Prozeß gegen einen Hanauer Konkurrenten führte~!. Die Kasseler Regierung hielt ein neues Gesetz für "nicht nöthig", da der Gebrauch fremder Namen auf Waren derselben Art "als species falsi schon nach gemeinem Rechte" strafbar sei. Daraufhin wurde der Handels- und Gewerbeverein beim Innenminister vorstellig und verlangte ein Gesetz, das den Mißbrauch der Etikette oder des Namenszuges anderer inländischer Fabrikanten auch mit der Strafe der Konfiskation belege und ein möglichst einfaches Verfahren vorsehe4• Die Regierung zu Fulda5, um ein Votum angegangen, verwies auf die Praxis im Kreise Schmalkalden, wo jeder Handwerker Etikette und Zeichen nach dem Vorschlag des Oberzunftamtes in das "Handwerks12 1
Vgl. oben§ 9.
Bovensiepen, Gewerbepolitik S. 24 f.; Brandt, Wirtschaftspolitik S. 42 f.
2 Bericht an Reg. Kassel v. 13. V. 1825. Hierzu und zum Folgenden StA Mg 27 a II 161 und Bestand 16 Rep. VIII Kl. 7 Nr. 39. s Urteil des Obergerichts Kassel v. 23. IX. 1825 und des Oberappelationsgerichts v. 3. IV. 1826 in der Sache Thorbecke gegen Hosse (Hanau); StA Mg VIII 7, 39 und Kersting, Strafrecht S. 577; Heuer, Entscheidungen III S. 656 ff. 4 Votum Reg. Kassel v. 7. VI. 1825; Bericht des Gewerbevereins v. 19. II. 1826. 5 Bericht der Reg. Fulda v. 8. VI. 1828.
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8. Kap.:
Zeichenschutz in Kurhessen
buch" eintragen lasse; eine Verfälschung sei dann nicht so leicht möglich und eher zu entdecken. Dieser erste Vorstoß des Handels- und Gewerbevereins blieb ohne greifbares Ergebnis, vermutlich deshalb, weil das Kasseler Obergericht in zwei Urteilen von 1825 und 1826 die Möglichkeit eines "Betruges mitte1st Fälschung zum Nachtheil des anderen Fabrikanten" bestätigt hatte6 • Nach dem Abschluß des preußisch-hessischen Zollvertrages befürwortete der Verein7 abermals eine besondere gesetzliche Bestimmung, um den Schutz von "Etikette, Zeichen, Wappen, Siegel und Namensunterschrift" auch zugunsten von Angehörigen anderer Vereinsstaaten auszudehnen. Auch diese Vorlage erzielte keinen Erfolg, da man im Innenministerium glaubte, ein solches Gesetz erfordere die Zustimmung der Ständeversammlung; diese könne vorerst aber nicht erreicht werden8. Der Handel- und Gewerbeverein ließ jedoch nicht locker: im folgenden Jahr kam er - allerdings mehr beiläufig9 - auf die Frage zurück. Das Finanzministerium wollte sie daraufhin durch die kurhessische Vertretung bei den Berliner Verhandlungen über die Gründung des Zollvereins (1833) zur Sprache bringen lassen. Ein konkretes Ergebnis blieb indes auch diesmal aus1o. Erst kurz vor der Münchner Generalkonferenz trug Thorbecke noch einmal auf "allgemeine kräftige Maßregeln gegen das Nachmachen von Fabrikzeichen und die widerrechtliche Zueignung anderer Firmen" an. Daraufhin brachte die kurhessische Delegation die Angelegenheit in München zur Sprache11 • II. Der gescheiterte Gesetzentwurf von 1839/40 Im folgenden Jahr bereits befaßte sich das Innenministerium intensiver mit den anstehenden Problemen. Die Anfragen der württembergischen Oberzolldirektion und des preußischen Außenministeriums1!1! a Vgl. Anm. 3. 7 Bericht des Gewerbevereins v. 29. V. 1832. s FinM an InnM v. 3. VII.1832; Antwort InnM v. 17. Vll.1832. 9 Bericht des Gewerbevereins v. 31. V. 1833; er betrifft in erster Linie das Nachmachen von Kattun-Mustern. to InnM an FinM v. 25. VI. 1833; Antwort v. 5. X. 1833. - Die Grundlage für künftige Bemühungen bildete § 18 des Gründungsvertrages von 1833; vgl. oben § 6 zu Anm. 2. u Vgl. oben § 6 zu Anm. 3. - InnM an FinM v. 15. VIII. 1836 und FinM an JusM v. 13. V. 1837. t2 Anfrage der wü. Oberzolldirektion v. 8. V. 1837; Preußens v. 22. IX. 1837. - Hierzu und zu den Anm. 13- 15 StA Mg 16 VIII 7, 39.
§ 24.
Bemühungen um den Strafschutz
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boten willkommenen Anlaß, den Handels- und Gewerbeverein erneut mit der Angelegenheit zu befassen. Dieser erklärte13 eine spezielle Regelung für wünschenswert; der bislang von den Gerichten geübte Rückgriff auf das gemeine Strafrecht scheine nicht sicher genug. Zuvor schon hatte das Finanzministerium erklärt14, das "Verbot der Aneignung fremden geistigen Eigentbums (durch Nachahmung von Firmen, Etiketten, Erkennungszeichen)" sei mit den Bestimmungen gegen den Nachdruck in Verbindung zu bringen und die hier bestehende Lücke auszufüllen. In der Antwort15 auf die preußische Anfrage schlug sich das Ergebnis dieser Beratungen nieder. Man wies darauf hin, daß nach dem bestehenden Rechtszustand Firmen und Fabrikzeichen auch der Ausländer geschützt seien; gleichwohl sei es wünschenswert, die Bestrafung durch eine spezielle Gesetzgebung der Zollvereinsstaaten zu vereinheitlichen. Die Ergebnisse der Dresdner Konferenz kamen diesen Vorstellungen sehr entgegen. So ist es nicht verwunderlich, daß das Innenministerium noch 1838 die Regierung in Kassel beauftragte16, im Benehmen mit der Regierung zu Hanau und dem Handels- und Gewerbeverein einen Gesetzentwurf auszuarbeiten. Im April des folgenden Jahres überreichte der Verein17 der Kasseler Regierung ein Gutachten, das von der "technologischen und Fabrikabteilung" vorbereitet worden war. Das Votum behandelte ausführlich die Grundsätze des Zeichenschutzes und grenzte ihn insbesondere von verwandten Materien, wie dem Patentschutz, dem Nachdruckverbot und der Warenfälschung, ab. Bemerkenswert erscheint der Vorschlag, ein summarisches Gerichtsverfahren einzuführen; außerdem sei eine Deponierung der Fabrikzeichen bei der Obrigkeit "zur besseren Controlle" notwendig. Die Regierung von Hanau18 steuerte den Hinweis bei, daß eine bloße Hinterlegung nicht genüge; man müsse vielmehr auch für eine öffentliche Bekanntmachung sorgen, um im Falle der Nachahmung ein wissentliches Handeln unterstellen zu können. In der anschließenden Diskussion19 verwies man u. a. auf das Vorbild des ALR (II 20 § 1451) und des Sächsischen Strafgesetzbuches (Art. 252); Bericht des Gewerbevereins v. 30. IX. 1837. FinM an InnM v. 4. X. 1837. 1s JusM an InnM v. 30. I. 1838; InnM an AM v. 24. II. 1838. 1& Ver. d. InnM v. 10. XII. 1838 und andere Vorgänge in StA Mg Reg. Kassel Bestand 17 f. LXVI, 56 und Bestand 16 VIII 7, 39. 17 Bericht des Vereins v. 16. IV. 1839. 18 Bericht v. 24. V. 1839. 19 Einzelne Voten in StA Mg Best. 17 f. LXVI 56. 13
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8. Kap.: Zeichenschutz in Kurhessen
die festzusetzende Strafe hingegen solle jener der Schmalkaldener Gewerbeordnung vom 14. Februar 1837 entsprechen. Andere Stimmen sprachen sich allerdings gegen eine solche Anlehnung aus. Das Ergebnis faßte die Regierung in Kassel in einem Entwurf zusammen, den sie am 10. Juli 1839 an das Innenministerium weiterleitete; dieses überarbeitete den Vorschlag im wesentlichen nur redaktionell und ergänzte ihn um eine Bestimmung über den Schadensersatz. Am 7. Juli 1840 schließlich wurde das "Gesetz über die Bestrafung des Gebrauches fremder Waaren- und Fabrikzeichen" nebst einer ausführlicheren Begründung der Ständeversammlung vorgelegt20 • Der Entwurf hatte im wesentlichen folgenden Inhalt: § 1 bedrohte mit Strafe, "wer sich der ständigen Zeichen, mit welchen Kaufleute, Fabrikanten oder sonstige erste Ausgeber ihre Waaren zur Unterscheidung v o n a n d e r e n versehen, zu Täuschungen im Handel bedient". Der "Anspruch auf Schutz" konnte nur durch die Hinterlegung bei der Provinzialregierung erworben werden, der ein Prüfungsrecht hinsichtlich der "genügenden Unterscheidungsmerkmale" zustand; durch die Publikation wurde "der gesetzliche Schutz verliehen" (§ 4). Das Strafverfahren konnte nur auf Antrag stattfinden (§ 5), ein Anspruch auf "vollständige Schadloshaltung" (§ 6) ergänzte den auch auf Zollvereinsangehörige ausdehnbaren (§ 3) Strafschutz. Die Motive suchten die Notwendigkeit eines besonderen Gesetzes zu begründen; zwar sei schon nach gemeinem Recht der Gebrauch fremder Fabrik- und Warenzeichen strafbar, gleichwohl seien besondere Vorschriften ein Bedürfnis, "theils um den Begriff des Vergehens genau zu bestimmen, theils um der Beurtheilung des Grades der Strafbarkeit einen festen Anhaltspunkt zu geben, theils endlich um den, bei der oben erwähnten Generalkonferenz verabredeten, besonderen Bestimmungen Geltung zu verschaffen". Der Entwurf stieß schon in den landständischen Ausschüssen auf massive Kritik21 • Der Ausschuß für Handel und Gewerbe hielt den "Inhalt für so bedenklich", daß er sich, "da auch die Anstände in einer Konferenz mit einem Kommissar hoher Staatsregierung nicht beseitigt werden konnten", nicht für die Annahme auszusprechen vermochte. Er begründete seine Ablehnung mit dem Hinweis, daß 20 Kurhessische Landtagsverhandl. 1840, Beilage 229. Zum Ganzen Bovensiepen, Gewerbepolitik S. 127 ff. 21 Bericht des Abg. Wippermann (Rechtspflegeausschuß) v. 29. VII. 1840 mit Anlagen, in: Verhandl. Beilage 253; Verhandlungsprotokoll v. 5. und 1. VIII. 1840 Nr. 74 und 75. Verhandl. v. 5. Il., 12. Il. und 2. III. 1841, Nr. 100, 103 und 107 mit Beilagen 312 und 319.
§ 24.
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"sehr viele Waaren- und Fabrikzeichen ... herkömmlich ganz allgemein, von allen Kaufleuten und Fabrikanten, welche mit den betreffenden Waaren Geschäfte machen, benutzt werden"; als Beispiel wurde der Handel mit Tabak angeführt. Das Gesetz gebe nun dem Erstanmelder die Möglichkeit, für ein solches "allgemein benutztes, berühmt und beliebt gewordenes Zeichen" den Schutz der Regierung zu erlangen und damit alle anderen vom Gebrauch auszuschließen. Außerdem sei der Fall denkbar, daß der "ursprüngliche Eigner" eines Zeichens durch die Anmeldung eines Konkurrenten vom weiteren Gebrauch seines Zeichens ausgeschlossen werde. Schließlich sei zu befürchten, daß durch den Schutz eines Zeichens, das einen Namen oder eine Firma enthalte, der wirkliche Träger dieses Namens oder dieser Firma behindert werde. Obwohl der Ausschuß im übrigen die bestehende Rechtslage für ausreichend hielt, fügte er einen neuen Entwurf eines Gesetzes bei, der sich auf den Schutz vor "Täuschungen im Handel durch den Gebrauch eines fremden Namens oder einer fremden Firma" beschränkte. Der Rechtspflege-Ausschuß trat der Meinung des Ausschusses für Handel und Gewerbe bei. Einem Kaufmanne sei nur sein Familienname eigen, dem nach allgemeinem Gebrauche die Firma gleichgesetzt werden könne; dagegen sei "ein gewisses Waaren- oder Fabrikzeichen keines Kaufmanns etc. Eigenthum", niemand habe "ein ausschließliches Recht auf dessen Gebrauch". Eine solche Maßregel könne zu den größten Verwirrungen führen; zu ihr könne keinesfalls geschritten werden, wenn sie nicht völlig übereinstimmend zu gleicher Zeit in allen Vereinsstaaten eingeführt würde. In der Aussprache der Ständeversammlung vom 5. und 11. August kamen diese Bedenken ausführlich zur Sprache. Die meisten Redner lehnten den Regierungsentwurf ab. Letztlich ging es nur noch darum, ob man die Vorlage in der stark umgearbeiteten Fassung der Kommissionen annehmen sollte oder statt dessen den Entwurf der Staatsregierung einer weiteren Prüfung empfehlen sollte. Diesen zweiten Antrag nannte der Landtagskommissar mit Recht eine Ablehnung des Gesetzes; sein Hinweis auf die im Zollverein getroffene Übereinkunft fruchtete wenig. Mehrere Redner hielten es für unangebracht, daß gerade Kurhessen den übrigen Zollvereinsstaaten vorangehen solle; es wurde sogar vermutet, daß ebenso wie der Ständeversammlung auch den übrigen Regierungen ein Schutz von Fabrik- und Warenzeichen als unausführbar erschienen sei. Obgleich die Notwendigkeit des Gesetzes selbst in der stark modifizierten Gestalt der Ausschußvorlage weiter umstritten blieb, ging man auf die Problematik einzelner Vorschriften näher ein. Die schließliehe
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8. Kap.: Zeichenschutz in Kurhessen
geheime Abstimmung über den modifizierten Entwurf ergab Stimmengleichheit. Am 18. November wurde die Abstimmung wiederholt; diesmal wurde das Gesetz mit 19 gegen 18 Stimmen angenommen. Die Regierung war bereit, den mageren Erfolg ihrer Initiative zu akzeptieren. Denn sie trat im Februar des folgenden Jahres abermals an den Landtag heran mit dem Antrag, eine Bestimmung der ständischen Redaktion neu zu fassen. Diesem Begehren stellten sich indes, obgleich es mehr einen Nebenpunkt betraf, erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Die Ausschüsse des Landtages faßten den Antrag des Ministeriums als eine modifizierte Wiedervorlage des ganzen Gesetzes auf; die Staatsregierung hingegen mußte - wohl nicht zu Unrecht - befürchten, daß die dann notwendig werdende geheime Schlußabstimmung doch noch das gesamte Gesetzesprojekt zu Fall bringen würde, und beharrte infolgedessen darauf, daß allein ihr Abänderungsantrag verhandelt würde. Man erzielte über diese Geschäftsordnungsfrage keine Einigkeit mehr. Am 2. März 1841, dem letzten Tag der Sitzungsperiode, gab der Landtagskommissar noch eine ausführliche Stellungnahme des Innenministeriums in der umstrittenen Frage ab; unmittelbar danach löste er die Ständeversammlung auf. Im Landtagsabschied22 behielt sich der Kurfürst die "höchste Entschließung" hinsichtlich des Gesetzentwurfs über die Bestrafung des Gebrauchs fremder Waren- und Fabrikzeichen zwar noch ausdrücklich vor; die Einführung des allgemeinen Zeichenschutzes in Kurhessen war indes für Jahrzehnte gescheitert.
III. Spätere Versuche In den Jahren 1854/56 sind, ausgelöst durch eine preußische Note vom Oktober 1854, emeut Bestrebungen im Gange, wenigstens den strafrechtlichen Schutz durch Gesetz sichem zu wollen. Die Arbeiten führten, anknüpfend an den Ständebeschluß vom 28. Januar 1841, zu Vorschlägen, von denen der eine sich an die preußische Gesetzgebung anlehnte, während der andere den Mißbrauch von "besonderen Zeichen (Etiketten, Stempel und dergleichen), womit ein inländischer Gewerbe- . treibender seine Waaren oder Fabrikate als Kennzeichen zu versehen pflegt" bestrafen wollte. Vermutlich wurde der letztgenannte Entwurf dem Gesamtstaatsministerium vorgelegt, das die weitere Behandlung indes am 13. Dezember 1855 aussetzte, und in der Folgezeit nicht wieder aufnahm23. Anfang der sechziger Jahre dachte man in Kurhessen abermals an ein besonderes Gesetz gegen den Mißbrauch fremder Warenbezeich22 23
Landtagsverhandl. Beilage 340, Landtagsabschied v. 18. VIII. 1841. Die Entwürfe und Vorgänge nach StA Mg Bestand 16 VIII 7, 39.
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nungen; man sah sich jedoch wiederum auf die landständische Mitwirkung angewiesen und erklärte sich vorerst außerstande, mit anderen Zollvereinsmitgliedern Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen24 . Als 1863 der Entwurf einer neuen Gewerbeordnung auf der Versammlung der hessischen Handels- und Gewerbevereine behandelt wurde35, bemängelte ein Vertreter Schmalkaldens das gänzliche Fehlen jeder Bestimmung zum Schutz der Warenzeichen; er verwies auf die grundlegende Bedeutung, die diesem Schutz in Schmalkaiden zukomme und beantragte, ihn aufrechtzuerhalten. Der Regierungsvertreter hingegen bestritt die Notwendigkeit eines solchen Schutzes; die Zeichen seien den Gewerbetreibenden nur nützlich, wenn sie in einem größeren Verkehrsgebiete gehandhabt würden, etwa im Zollverein. Einer solch weiten Einführung widerspreche jedoch Preußen mit "guten Gründen". Ein gewisser Schutz sei ohnehin schon jetzt gegeben, wie die Entscheidung des Oberappellationsgerichts in dem bekannten Prozeß des Bleistiftfabrikanten Faber gegen die Firma Arnd in Fulda beweise. Im übrigen sei man der Überzeugung, daß der Schutz der Warenzeichen für die Schmalkaldener Industrie im allgemeinen nicht günstig gewesen sei und die Nachteile für die Industriellen sehr bald verschwinden würden. Damit war auch der letzte Versuch, einen über den Bereich des gemeinen Strafrechts hinausreichenden Markenschutz einzuführen, gescheitert. Es verblieb bei den Grundsätzen des Oberappellationsgerichts26, daß das Nachahmen fremder Firmen nur dann als Betrug strafbar sei, wenn die nachgeahmte Ware schlechter ist, als die von der Originalfirma hergestellte.
24
Bericht des wü. Gesandten in Frankfurt an das AM in Stuttgart v.
14. IV. 1862; WHStA E 36-38 Fase. 122. 25 Bovensiepen, Gewerbepolitik S. 168 f.; über diese Versammlung auch Brandt, Wirtschaftspolitik S. 54. - Zum .Prozeß Faber I Arnd die folgende
Anm. :!il Entscheidung im Falle Faber I Arnd v. 27. IV. 1860; Annalen der Justizpflege und Verwaltung in Kurhessen, hg. v. 0. L. Heuser, Bd. VII (1860)
s. 556-583.
9. Kapitel
Der Schutz der Warenbezeichnung in den übrigen Staaten Deutschlands § 25. Harnburg und Frankfurt I. Der Hamburger Entwurf von 1844
Der Rat der Hansestadt Harnburg legte am 25. April1844 der Bürgerschaft den Entwurf einer Verordnung zum Schutz der Warenbezeichnungen vor, deren § 1 eine Bestrafung desjenigen vorsah1, der "... Waren oder deren Verpackung fälschlich mit dem Namen oder der Firma, oder mit dem Siegel oder Stempel eines hiesigen Fabrikunternehmers, Producenten oder Kaufmannes, oder mit sonstigen besonderen Kennzeichen, womit Waaren oder Fabrikate eines bestimmten hiesigen Handelshauses oder Fabrikanten versehen zu werden pflegen, bezeichnet oder wissentlich dergleichen fälschlich bezeichnete Waaren in den Verkehr bringt ..." Die Strafverfolgung sollte nur auf Antrag "einer dabei betheiligten Person" statthaben, die Schadensklage dem Verletzten "jederzeit unbenommen" bleiben (§ 4). "Zur Erleichterung des Beweises" war nach § 5 e-ine Hinterlegung beim Handelsgericht vorgesehen; wer die Deposition versäumte, sollte sich im Prozeß "erst als rechtmäßiger Inhaber des Fabrikzeichens etc. legitimiren" müssen. Der Schutz sollte, im Falle der Reziprozität, auch Ausländern zuteil werden können (§ 6). Die Gesetzgebungspläne von 1844 ließen sich jedoch ebensowenig verwirklichen wie spätere Vorhaben2 • Auf die Anfrage des Bundeskanzleramtes von 18683 bestätigte der Senat, daß ein "Spezialgesetz" in Harnburg nicht existiere; gleichwohl begehe, so heißt es weiter, 1 Harnburgische Rath- und Bürgerschlüsse vom Jahre 1844, Anträge eines ehrbaren Rathes an Erbgesessene Bürgerschaft v. 25. IV. 1844 mit Anlage Nr. 5; hier zit. nach HStA Mn AllStA MH 14469. - Zur Vorgeschichte erwähnen die Motive nur pauschal die "neuerdings vorgekommenen mannigfachen Beschwerden". Vor der Ausarbeitung des E war ein Gutachten der "Commerz-Deputation" eingezogen worden. z Die Hamburger Bürgerschaft lehnte den E ab; der Senat behielt sich, "indem er bedauert, daß Erbges. Bürgerschaft dieser Proposition nicht beigetreten ist, desfalls das Weitere bevor"; wie Anm.l. - Der Entwurf eines hamburgischen Criminalgesetzbuches von 1849 enthielt lediglich eine Strafnorm über die Fälschung von Stempelpapier, Losen, Maß, Gewicht u. a. (Art.115).
§ 25.
Harnburg und Frankfurt
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"nach dem hier geltenden Rechte derjenige, welcher eine Waare oder deren Verpackung mit dem Namen oder der Firma eines Anderen ohne dessen Einwilligung bezeichnet, ingleichen derjenige, welcher eine Waare mit einer solchen falschen Bezeichnung wissentlich vertreibt und derjenige, der zu diesem Zwecke Etiquetten mit einer fremden Firma anfertigt, eine strafbare Handlung". Auch außerhamburgische Kaufleute und Fabrikanten genössen diesen Schutz, wie "vor einigen Jahren" auf Klage der Kölner Firma Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz "gerichtsseitig" anerkannt worden sei. Die Urteile Hamburger Gerichte, die Kohler' mitteilt, bestätigen diese Aussage. Nach einem dieser Erkenntnisse5 entspricht die Strafbarkeit des Mißbrauchs fremder Namen oder Firmen auf Waren den "allgemeinen, auch in Harnburg jederzeit angewandten Rechtsgrundsätzen". Noch 1872/73, also nach dem Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches, hielten die Gerichte Hamburgs an der "zivilrechtlichen Verfolgbarkeit" des Mißbrauchs ausländischer Etiketten fest-6. Es erscheint wohl nicht verfehlt, einen Zusammenhang zwischen dieser konstanten Rechtsprechung und dem zwischen Frankreich und den Hansestädten geschlossenen Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 4. März 18657 zu sehen, dessen Art. 24 dem Schutz des "Eigenthum(s) der Fabrik- und Handelsmarken, unter welcher Form und unter welchen Namen es auch sei, sowie der Etiketten von Waaren und Verpackungen aller Art ..." galt.
11. Die Frank.furter Gesetze von 1855 und 1864
In einer Eingabe an die Frankfurter Handelskammer bemühten sich schon 1844 zehn Tabakfabrikanten und-handlungen um den Markenschutz im Zollverein8 • Ihre Vorstellung war veranlaßt worden durch die badische Gerichtspraxis, die eine Nachahmung des Etiketts, des Namens und des Familienwappens der Frankfurter Firma Gebr. Bolongaro Crevenna auf holländischem Schnupftabak straffrei ausgehen ließ. Obgleich die Handelskammer diese Beschwerde an den Magistrat weiterleitete und ihre Eingabe wiederholte, schuf sich die Stadt erst 1855 die Grundlage zum Abschluß von Reziprozitätsverträgen: das Ge3 Bundeskanzleramt an die Reg. des Norddeutschen Bundes v. 17. 1.; Antwort Hamburgs v. 3. II. 1868; ZStA I RKA 465. • Markenschutz S. 511 ff. s Entscheidung des Obergerichts v. 10. V. 1861, Kohler a.a.O. 8 Ebenda S. 513. 7 Teilabdruck bei Krug, Fabrik- und Waarenzeichen S. 72 Anm. s Handelskammer Frankfurt S. 685.
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9. Kap.: Schutz in den übrigen Staaten
setz vom 22. Mai 1855 gewährte Strafschutz in enger Anlehnung an das preußische Recht9• Neun Jahre später, als Württemberg an die Freie Reichsstadt herantrat10, verzögerte sich der Abschluß eines Gegenseitigkeitsabkommens, da die Stuttgarter Regierung eine Einbeziehung des zivilrechtliehen Schutzes verlangte. Daraufhin erwirkte der Magistrat bei der gesetzgebenden Versammlung ein Zusatzgesetz, das einen Verstoß gegen das Verbot vom 22. Mai 1855 ausdrücklich mit einem Schadensersatzanspruch (§ 1) verknüpfte und außerdem die übliche Gegenseitigkeitsklausel hinzufügte (§ 2). Der Rat beschloß diese Ergänzung am 18. März 1864; am gleichen Tage wurde das Bestehen des Gegenseitigkeitsverhältnisses mit Württemberg bekanntgegeben11 •
§ 26. Sonstige Strafgesetze zum Schutze der Warenbezeichnung I. Allgemeines Solange der Mißbrauch fremder Warenbezeichnungen allein nach gemeinem Strafrecht beurteilt wurde, geriet man regelmäßig in das gleiche Dilemma, wie es oben für Kurhessen geschildert worden ist1. Daran änderte auch der Erlaß moderner Strafgesetzbücher nichts, wenn diese den Zeichenmißbrauch nicht eigens berücksichtigten: eine Strafe konnte auch hier nur verhängt werden, wenn zugleich der Tatbestand des Betruges oder der "Fälschung" erfüllt war. Dies gilt zum Beispiel für das Großherzogtum Hessen, dessen Strafgesetzbuch vom 17. September 18412 die Fälschung privater Warenbezeichnungen nicht erwähnt; es gilt ebenso für einige spätere Entwürfe, so etwa den 1848 von C. Trummer erstellten Entwurf eines Criminalgesetzbuches für die Gesetz- und Statutensammlung XII S. 89. 1o Die Vorgänge im Einzelnen in WHStA E 36 - 38 Fase. 122. 11 Abgedruckt Wü Reg. Bl. 64 S. 49. 1 Zur Geltung des gemeinen deutschen Strafrechts im Jahre 1844 vgl. Wächter, Gemeines Recht S. 238 f.; 1866 gilt gemeines Recht nur noch in Kurhessen, den beiden Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Lauenburg, Lichtenstein, Harnburg und Bremen, vgl. Krug, Fabrik- und Waarenzeichen S. 55, 71. - Der folgende kurze Überblick gilt, ohne eine ausführliche Darstellung ersetzen zu wollen, den bisher noch nicht genannten Staaten. Er stützt sich auf die Zusammenstellung Krugs a.a.O. S. 50 ff., geht jedoch darüber hinaus, indem er auch Entwürfe und Planungen einbezieht, die Krug, da er nur das 1866 geltende Recht erfassen wollte, nicht erwähnt; eine Vollständigkeit ist freilich auch hier nicht angestrebt. - Zur einzelstaatlichen Strafgesetzgebung im Deutschland des 19. Jh. vgl. die hilfreiche Tabelle bei Binding, Deutsche Strafgesetzbücher S. 4 ff.; im übrigen sei verwiesen auf v. HippeZ, Deutsches Strafrecht I S. 327 ff.; Berner, Strafgesetzgebung, passim. 2 Strafgesetzbuch, amtliche Ausg. 1841. 9
§ 26.
Sonstige Strafgesetze
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Hansestädte 3 und den Bremer Entwurf von 18614 • In den übrigen Staaten entwickelte sich der strafrechtliche Zeichenschutz in zwei unterschiedlichen Richtungen: auf der einen Seite stehen jene Länder, deren Strafschutz nominative und figürliche Bezeichnungen erfaßte (unten II) auf der anderen Seite jene, die - ebenso wie Preußen - nur die Bezeichnung mit Name oder Firma schützen wollten (unten III)5 • 11. Die Warenbezeichnung mit Namen, Firma, Fabrikzeichen oder "Merkmalen" Als erster deutscher Staat erließ das Herzogtum Nassau am 22. April 1839 "zum Schutz der Fabrikanten und Handelstreibenden gegen Nachahmung der von ihnen gewählten Waarenbezeichnungen" eine besondere Verordnung6. Danach sollte "auf Antrag einer dabei betheiligten Person"(§ 1) mit einer Geldbuße bis zu 100 Gulden oder mit entsprechender Gefängnisstrafe belegt werden, "wer zum Verkauf bestimmte Fabrikate oder Waaren mit den Namen, Merkmalen oder Kennzeichen einer inländischen Fabrik oder Handlung fälschlich bezeichnet". Nach § 2 waren, bei Beachtung der Reziprozität, Zollvereinsangehörige gleichfalls geschützt, während es besonderer "Verfügungen und Verbote" bedurfte, um auch Handlungen und Fabriken anderer Staaten in den Schutz einzubeziehen. In Sachsen reichen die Bemühungen um einen Strafschutz weiter zurück. Schon Tittmann nahm in seinem 1813 vorgelegten Entwurf eines Strafgesetzbuches7 folgende gegen den .,Betrug des Publici" gerichtete Normen auf: 3 Entwurf eines Criminalgesetzbuches für die Hansestädte Hamburg, Lübeck und Bremen, 1848 (vgl. die Art. 101 und 174). " E eines StGB der freien Hansestadt Bremen, 1861. 5 In M e c k 1 e n b ur g- Schwer in wurde 1847 eine Strafgesetzgebung zum Schutz der Warenbezeichnungen inländischer Fabrikanten, Produzenten und Kaufleute beabsichtigt; dies geht, ohne daß auszumachen wäre, ob bloß Zeichen geschützt werden sollten, aus einer Anfrage des Mecklenburger Bundestagsgesandten bei seinem bayerischen Kollegen hervor; vgl. HStA Mn AllStA MH 14401. Aus einer Mitteilung an den Bundeskanzler vom 21. Januar 1868 ergibt sich, daß diese Pläne nicht ausgeführt worden sind; es heißt hier, es gelte lediglich gemeines deutsches Strafrecht und es sei damit "überhaupt dem Bedürfnisse des jetzigen Gewerbebetriebes und Verkehrs vollständig genügt"; vgl. ZStA I RKA 465. 6 VerordnungsBl. Nassau 1839 S. 77; Krug a.a.O. S. 61. Einer Mitteilung zufolge, welche das nassauische StaatsM in einem späteren Prozeß um die Nachahmung von Form und Aufschrüt der Selterswasserkrüge abgegeben hat (vgl. Urteil des Pr. Obertribunals v. 12. X. 1854, Pr. Justizministerlaiblatt 1855 S. 4), wurde diese Verordnung auf Anregung der preußischen Regierung erlassen. Wahrscheinlich meinte man damit die Berliner Anfrage von 1837 oder aber die preußische Initiative auf der Dresdner Konferenz. 7 Tittmann, Entwurf S. 223 f.
15 Wadle
226
9. Kap.: Schutz in den übrigen Staaten
"§ 1220. Wer Waaren oder Kunstsachen usw., welche den Werth haben, um den sie feil geboten werden, mit dem Namen oder dem Zeichen anderer Fabrikanten oder Künstler bezeichnet, der ist mit Geldstrafe bis zu fünfundzwanzig Thaiern zu belegen. § 1221. Auch ist die Bestrafung dieses Betrügers auf Verlangen des Beeinträchtigten in den Zeitungen bekannt zu machen."
Es ist unverkennbar, wie sehr sich Tittmanns Entwurf in diesem Punkte an das ALR angelehnt hats. Selbständiger verfährt der Entwurf eines Kriminalgesetzbuches von 18369 ; er sah folgenden als Fälschung dem ausgezeichneten Betrug zugerechneten Artikel 239 vor: "Wer Stempel oder besondre Kennzeichen, womit Waaren oder Fabrikate eines bestimmten Handelshauses oder einer bestimmten Fabrik bezeichnet zu werden pflegen, nachmacht, und solche, oder auch die Etikette eines Handelshauses oder einer Fabrik zu Täuschungen im Handel mißbraucht, ist mit Gefängnißstrafe bis zu zwei Monaten oder verhältnißmäsiger Geldstrafe zu belegen; es ist jedoch eine Untersuchung dießhalb nur auf den Antrag einer dabei betheiligten Person anzustellen."
Diese Bestimmung ging unverändert als Art. 252 in das sächsische Strafgesetzbuch vom 30. März 1838 ein10 ; sie wurde sogar mit nur unwesentlichen Korrekturen in die Strafgesetzbücher von 1855 und 1868 übernommen11 • Bemerkenswert ist die neue systematische Einordnung des Tatbestandes in das Kapitel "Von dem Bankrott der Fälschung und anderen betrüglichen Handlungen". Die Bestimmung des Sächsischen Criminalgesetzbuches von 1838 wurde in den Herzogtümern Sachsen-Altenburg (Criminalgesetzbuch vom 3. Mai 1841 - Art. 252) und Sachsen-Meiningen (StGB vom 1. August 1844 - Art. 246) und im Fürstentum Schwarzburg-Sonderhausen (Gesetz vom 10. Mai 1845 - Art. 248) übernommen12 und diente überdies als Vorbild zu Art. 258 des Thüringischen Strafgesetzbuches13• s Vgl. li 20 § 1451 ALR; dazu oben § 8. 9 E zu einem Criminalgesetzbuch f. Sachsen, 1836 S. 57. 1o Gesetz- und VerordnungsBl. 1838 S. 173. - 1846 wurde in sächsischen Ständen der Wunsch laut, das französische Institut der Fabrikengerichte in Sachsen einzuführen; vgl. Meißner, Specialgerichte S. III. Meißner hatte selbst durch eine Reise nach Frankreich diese Institution kennengelernt und anschließend ihre Einführung in Sachsen durch mehrere Schriften befürwortet; vgl. seine Arbeiten im Literaturverzeichnis. 11 Ges. v. 11. VIII. 1855, Art. 312; rev. StGB v. 1. X. 1868 Art. 312; Gesetzund VerordnungsBl. 1855 S. 265 und 1868 S. 995. Krug, Commentar S. 89 f. (mit Hinweisen auf die Motive). - Die Änderungen betreffen das Antragserfordernis, das eindeutig auf den Zeicheninhaber beschränkt wird, das Strafmaß und die Gegenseitigkeitsklauset 12 Krug, Fabrik- und Waarenzeichen S. 62; StGB für das Hzt. SachsenMeiningen v. 1. 8. 1844 S. 94; zu Schwarzburg-Sondershausen sei verwiesen auf Faselius, Strafgesetzbuch; dort ist auch vermerkt, daß die Übernahme des sächsischen Gesetzes auch in Schwarzburg-Rudolstadt geplant war.
§ 26.
Sonstige Strafgesetze
227
Im Königreich Hannover, dessen Strafgesetzbuch vom 8. August 1840 die privaten Kennzeichen auf Waren ebensowenig schützte wie schon der Entwurf des Jahres 182614, nahm man eine solche Schutzbestimmung in den Entwurf eines Polizeistrafgesetzbuches auf, der 1846 den Ständen vorgelegt wurde15; nach § 222 dieses Entwurfs sollte bestraft werden derjenige, "der bei Erzeugnissen seines Gewerbes den Namen, die Firma oder das Fabrikzeichen anderer Gewerbetreibender benutzt". Die Ständeversammlung16 bemängelte die niedrige Strafdrohung (Geldbuße bis 50 Taler) und das Fehlen einer unterschiedlichen Behandlung von In- und Ausländern; außerdem empfahl sie, um die praktische Anwendung zu sichern, nach dem Vorgang des Preußischen Gesetzes von 1840 einen Zusatz, durch den der "zur Umgehung der Strafe häufig gebrauchte Ausweg einer ganz geringen Abänderung in der nachgemachten Firma etc." verschlossen werden sollte. Diesen Wünschen entsprach das Polizeistrafgesetzbuch vom 25. Mai 184717 : "§ 223. Wer bei Erzeugnissen seines Gewerbes den Namen, die Firma oder das Fabrikzeichen anderer Gewerbtreibenden benutzt, ist, auf Antrag der Letzteren, in Geldbuße bis zu hundert Thaiern oder Gefängnis bis zu sechs Wochen zu nehmen. § 224. Die Strafe wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Waarenbezeichnung mit solchen Änderungen wieder gegeben wird, welche nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrzunehmen sind. § 225. Ist die Handlung gegen ausländische Gewerbtreibende begangen, so findet nur dann Strafe statt, wenn für die einheimischen Gewerbtreibenden ein gleicher Schutz in dem anderen Staate besteht."
Eine gewisse Anlehnung an die hannoversche Gesetzgebung weist das "Gesetz, den Schutz der besonderen Waaren- und Fabrikationsbezeichnungen betreffend" auf, das am 30. Oktober 1865 im Fürstentum Schaumburg-Lippe erging18 und das - obwohl es sich in Aufbau und Wortlaut stark an das preußische Recht anlehnt- mit Strafe bedroht: "Wer bei Erzeugnissen seines Gewerbes die Namen, die Firma oder die sonstigen besonderen Waaren- oder Fabrikationsbezeichnungen anderer Gewerbetreibenden verwendet . .. " 13 Krug a.a.O. S. 59, 61 f., 63. Es wurde am 20. III. 1850 in SachsenWeimar und danach in sieben weiteren sächsischen Fürstentümern in Kraft gesetzt; Einzelheiten bei Faselius, Strafgesetzbuch S. 1 ff. 14 Allgemeines Criminalgesetzbuch v. 8. VIII. 1840; E von 1826 (Art. 308 ff.). 15 Aktenstücke der achten allgemeinen Ständeversammlung des Königreichs Hannover, Dritte Diät, Nr. 64 S. 584 und Nr. 65 S. 601 (Motive). 16 Ebenda S. 1531. 17 Krug a.a.O. S. 53 ; amtl. Ausgabe 1847 S. 49. 1s Krug a.a.O. S. 63.
15*
9. Kap.: Schutz in den übrigen Staaten
228
Während die bisher genannten Strafnonnen den Bezeichnungsmißbrauch immer als besonderen Tatbestand behandeln, will das "Criminal-Gesetzbuch" für das Herzogtum Braunschweig19 das Verwenden fremder Kennzeichen nur als Qualifikationsmerkmal anerkennen. Krug stellt diese Regelung deshalb zu Recht als "einzig in ihrer Art den sonst auch noch so verschiedenen Bestimmungen der anderen deutschen Staaten" gegenübez-20. Der Mißbrauch gilt als erschwerender Umstand der Fälschung (§ 228}, die gemäß § 230 mit verschärfter Strafe ("Zwangsarbeit bis zu einem Jahre") bedroht wird, "1) wenn der Betrag der Fälschung 2 Thaler übersteigt und ... im Handel durch Nachbildung oder Verfälschung der besonderen Kennzeichen, Stempel oder Etiketten einer Fabrik oder eines Handelshauses verübt ist; 2) wenn der Betrag der Fälschung 5 Thaler übersteigt. - Fälschungen, die durch keinen der in den §§ 228 bis 230 erwähnten Umstände erschwert werden, sind polizeilich mit Gefängnis zu bestrafen." Der Nachsatz stellt klar, daß falsche Warenbezeichnungen, sofern sie nicht als Qualifikation der Fälschung gelten, als polizeiliches Unrecht verfolgt werden sollen. Diese eigenwillige Regelung wurde mit dem gesamten StGB durch Gesetz vom 18. Juli 1863 im Fürstentum Lippe-Detmold eingeführt21 •
III. Die Warenbezeichnung mit Namen oder Firma Dem Beispiel, welches Preußen mit dem Gesetz vom 4. Juli 1840 und dem entsprechenden § 269 StGB (1851) gab, folgten eine Reihe anderer Staaten. Mehr oder weniger genau übereinstimmende Normen wurden eingeführt im Herzogtum Anhalt-Bernburg (StGB vom 22. Januar 1852 -Art. 269), im Fürstentum Reuß ältere Linie (Verordnung vom 16. November 1854), in den Fürstentümern Waldeck und Pyrmont (StGB vom 15. Mai 1855 - § 255}, im Großherzogtum Oldenburg (StGB vom 3. Juli 1858 - Art. 251}, in Lübeck (StGB vom 20. Juli 1858 - § 230) und im Großherzogtum Hessen (Gesetz vom 8. Oktober 1866)22•
Criminalgesetzbuch f. d. Hzt. Braunschweig v. 10. VII.1841. a.a.O. S. 60 f. mit Arun. 21 Ebenda S. 63. 22 Vgl. Krug, Fabrik- und Waarenzeichen S. 62, 63, 65, 59, 72, 56 f. Zu Hessen-Darmstadt außerdem Großherzogl.-hessisches RegierungsBl. 1866 s. 419 f. 18
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Krug
§ 26.
Sonstige Strafgesetze
229
Wenngleich diese Gesetze einige Besonderheiten, etwa hinsichtlich des Strafmaßes, aufweisen, so stimmen sie doch im entscheidenden Punkt überein: sie schützen alle nur die Warenbezeichnung mit Namen oder Firma und Wohn- oder Fabrikort23•
23 Wenn das lübische StGB auf die zusätzliche Angabe des Wohnortes bei Inländern verzichtet, so dürfte dies darauf zurückzuführen sein, daß in einem Stadtstaat die Ortsbezeichnung naturgemäß keine Unterscheidungskraft besitzt.
10. Kapitel
Bemühungen um die Rechtsvereinheitlichung § 27. Ansätze zur Regelung des Markenschutzes während der Revolutionsjahre 1848/49 und im Deutschen Bund
Im Verlauf der Diskussion um die Revision der preußischen Gesetze über den Markenschutz wollte Viebahn1 zunächst die Vorfrage entschieden wissen, "ob nicht die Gesetze über Waarenbezeichnung richtiger als Angelegenheiten des deutschen Bundesstaates oder des Zollvereins, sofern derselbe noch ein vom Bundesstaat abweichendes Bestehen behält, zu betrachten und zu behandeln sein dürften?" Er bejahte diese Frage und regte an, "bei der Bundes-Centralgewalt" einen entsprechenden Vorschlag einzubringen. Viebahns Votum ist nur einer der Hinweise auf eine geplante Schutzgesetzgebung im projektierten Bundesstaat; einen zweiten enthält der "Entwurf eines allgemeinen deutschen Strafgesetzbuches", der 1849 im Berliner Justizministerium auf der Grundlage des preußischen Entwurfes von 1848 ausgearbeitet worden war: beide Entwürfe sahen eine gleichlautende Strafbestimmung zum Schutz der Warenbezeichnung voz-2. Der Plan eines einheitlichen Strafschutzes blieb, da das Verfassungsprojekt der Faulskirehe scheiterte, ebenso wirkungslos wie der Vorschlag Viebahns, der nicht einmal in der Abteilung für Handel und Gewerbe ungeteilte Zustimmung fand. Unrealisiert blieben auch die zahlreichen anderen Versuche der Jahre 1848/49, Probleme des Markenschutzes im Rahmen der Bemühungen um eine "handwerkerfreundliche" Gesetzgebung zu lösen. Die stark dem Herkömmlichen zugewandten Vorschläge in der Frankfurter Nationalversammlung blieben ohne Erfolg:'. Gleiches gilt auch für den Votum v. 14. V. 1848; ZStA II Rep. 120 D II 232 (4). § 185 des Pr. Entwurfes und § 191 des Entwurfes eines allgemeinen deutschen StGB; zu beiden vgl.: Banke, Einheitsstrafrecht I S. 50 und II S. 87. 3 Vgl. den Antrag des schlesischen Abg. Dittrich über Maßnahmen zugunsten der Leinenfabrikation; er verlangte u. a. die Einrichtung von Schauanstalten; Verhandl. der Nationalversammlung IX S. 6364 ff. 1
2
§ 27.
Ansätze 1848/49 und im Deutschen Bund
231
Entwurf einer Gewerbeordnung, den der deutsche Handwerker- und Gewerbekongreß ausgearbeitet hatte und der Bestimmungen zum Zeichenschutz enthielt4• Wirkliche Fortschritte waren in der anschließenden "Reaktionszeit" (1850 -1858) allenfalls auf den bereits vorhandenen Rechtsebenen gemeindeutscher Politik zu erreichen, nämlich im Deutschen Bund und im Zollverein. Am 8. Juli 1851 setzte die Bundesversammlung auf Antrag Österreichs einen handelspolitischen Ausschuß ein5, welcher die einschlägigen Arbeiten der Dresdner Ministerialkonferen~ prüfen sollte. Während jener Verhandlungen in Dresden waren in Denkschriften Bayerns und Sachsens zusätzlich mehrere Gegenstände vorgelegt, aber nicht behandelt worden, die nach Ansicht des handelspolitischen Ausschusses zum Teil "an die Bundesgesetzgebung zu verweisen" waren. Es handelt sich dabei neben einem allgemeinen Handels- und Versicherungsrecht und einem einheitlichen Münz-, Maß- und Gewichtssystem um "allgemeine Vorschriften über einen auf alle Bundesstaaten sich erstreckenden Schutz für Erfindungen, sowie gegen Nachbildung inländischer Kunstwerke und Nachahmung inländischer Muster oder Fabrikzeichen". Diese Gegenstände sollten alsbald durch "technische Commissarien" beraten werden. Das Allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 sollte als einzige Frucht jener Pläne reifen. Durch seine Bestimmung zum Rechtsschutz der Firma (Art. 27)1 hat es die Entwicklung des Markenschutzes 4 Entwurf einer allgemeinen Handwerks- und Gewerbeordnung für Deutschland, Neue Ausgabe Stuttgart 1848, §58: "Niemand ist berechtigt, Zeichen und Firmen Gewerbetreibender nachzuahmen oder zu verfälschen." Diese Bestimmung wurde vom württembergischen Handwerker- und Arbeiter-Kongreß in Eßlingen zugunsten der folgenden Norm verworfen: "Jeder Gewerbetreibende ist gehalten, ein eigenes Zeichen und eine eigene Firma zu führen. Fälschung und unbefugte Nachahmung solcher unterliegt einer vom Gesetzgeber zu bestimmenden Strafe." Zu ähnlichen Bestrebungen in Preußen vgl. oben § 12 zu Anm. 72. Allgemein zur Handwerkerbewegung und den Kongressen von 1848 vgl. Goldschmidt, Handwerkerbewegung, bes. S. 32 ff.; Meusch, Handwerkerbewegung, passim; Titman, Einfluß; Waentig, Anschauungen S. 18 ff. 5 Prot. Bundesversammlung 1851 S. 127 ff. (§ 67). 6 Zur Dresdner Konferenz vgl. zuletzt Mößle, Bayern auf der Dresdner Konferenz. -Die Einzelheiten der handelspolitischen Vorlage in: Protokolle Bundesversammlung 1851 S. 235 ff. (§ 112). 1 Art. 27 lautet: "Wer durch den unbefugten Gebrauch einer Firma in seinen Rechten verletzt ist, kann den Unberechtigten auf Unterlassung der weiteren Führung der Firma und auf Schadenersatz belangen. Ueber das Vorhandensein und die Höhe des Schadens entscheidet das Handelsgericht nach seinem freien Ermessen. (Forts. nächste Seite)
232
10. Kap.: Bemühungen um die Rechtsvereinheitlichung
zwar gefördert; eine unmittelbare Anwendung jener Schutznorm auf die Warenbezeichnung lehnte man indes schon während der Vorbereitung des ADHGB ausdrücklich ab8 • Innerhalb der badischen Regierung wurde Anfang 1860 im Zusammenhang mit den Bestrebungen zur Errichtung eines Bundesgerichtes noch einmal erwogen, ob man nicht "den allgemeinen Schutz des industriellen Eigenthums" und damit auch den Zeichenschutz auf der Bundesversammlung zur Sprache bringen solle9 • Diesem Vorschlag wurde jedoch die Frage entgegengehalten, ob man, was ausdrücklich Gegenstand der Verhandlungen des Zollvereins mit Österreich sei, an den Bund bringen solle10• Es hat den Anschein, daß man aus den schlechten Erfahrungen, die Baden mit der versuchten Ausweitung seines Abkommens mit Frankreich gemacht hatte, die Konsequenzen zog, am Februarvertrag mit Österreich festzuhalten, dem Baden ja beigetreten war. § 28. Die Bemühungen im Zollverein I . Der prev,ßisch-österreichische Vertrag von 1853 und das Österreichische Markenschutzgesetz von 1858
Die Zollvereinskrise, welche Österreich durch sein Beitrittsverlangen ausgelöst hatte1, fand ihr Ende, als der preußisch-österreichische Handels- und Zollvertrag vom 19. Februar 1853 das Problem der Zollvereinigung bis 1860 vertagte. Das Abkommen, welchem die übrigen Vereinsmitglieder noch 1853 beitraten2 , übernahm die Verpflichtung des ersten Zolleinigungsvertrages von 1833, die Gewerbsamkeit "durch die Annahme gleichförmiger Grundsätze" zu befördern (Art. 18). Dieses Ziel konkretisierte der vom Österreichischen Bevollmächtigten veranlaßteS Separat-Artikel 9 folgendermaßen: " Die kontrahierenden Theile werden im Jahre 1854 wegen übereinstimmender Maßregel in Betreff ausschließender, beide Staatsgebiete Das Handelsgericht kann die Veröffentlichung des Erkenntnisses auf Kosten des Verortheilten verordnen." Diese Bestimmung entspricht wörtlich Art. 28 des pr. Entwurfs. Zum Ganzen vgl. Protokolle Bundesversammlung 1861 Beilage zu § 132 S. 215 ff. s Nürnberger Protokolle S. 924, 105. Sitzung (30. IX. 1857). 9 AM an FinM v. 7. VI.1860; GLA 233 I 10610. 1o Antw. des FinM v. 11. I. 1860; ebenda. 1 Zur Krise des Zollvereins und zum Abschluß des preußisch-österreichischen Handelsvertrages v. 19. II. 1853 vgl. allgemein: Zimmermann, Handelspolitik, bes. S. 380 ff.; Mamroth, Entwicklung S. 50 ff.; Weber, Zollverein S. 301 ff.; Benedikt, Entwicklung S. 29 f.; Böhme, Deutschlands Weg S.19 ff. Der Text des Vertrages in: Verträge und Verhandlungen S. 227 ff. Nr. 341. 2 Vertrag über die Fortdauer und Erweiterung des Zoll- und Handelsvereins v. 4. IV. 1853 Art. 41, Beleg wie vorige Anm. 3 Vgl. den Österreichischen Entwurf bei Zimmermann, Handelspolitik S. 762.
§ 28.
Zollverein
233
umfassender Benutzungsrechte auf Erfindungen, Entdeckungen und Verbesserungen, Muster und Fabrikzeichen (Marken) und hinsichtlich der gegenseitigen Zulassung von Versicherungs- und anderen Handels- und Verkehrsgesellschaften in Unterhandlung treten."
Das Interesse der Österreichischen Industrie, insbesondere der oberösterreichischen Sensenfabriken, an einer Regelung des Zeichenwesens war groß. Seit nahezu einem Jahrhundert, seit dem Beginn der Herstellung sog. "blauer" oder "steierischer" Sensen in Berg und Mark, währte die Auseinandersetzung um den Gebrauch österreichischer Sensenzeichen4• Er wuchs im 19. Jahrhundert mit der Zahl der Sensenhersteller in Deutschland5 • In seinem Kampf gegen die Nachahmungen gewann das Österreichische Sensengewerbe einen tatkräftigen Fürsprecher in der Oberösterreichischen Handels- und Gewerbekammer; diese setzte sich schon bald nach ihrer Gründung (1851) für den Schutz der Sensenzeichen und den Erlaß eines Markenschutzgesetzes ein6 • Der Februarvertrag mit Preußen bot nun eine Chance, die Zeichenbräuche der vereinsländischen Sensenfabriken zu beeinflussen. Von noch größerer Bedeutung schien der Vertrag indes für die Verhältnisse innerhalb des Zollvereins zu werden. Da alle Vereinsmitglieder dem Abkommen beigetreten waren, bot sich die Möglichkeit, das 1838 geschaffene, aber noch unvollständige System zweiseitiger Reziprozitätsverträge durch weitergreifende Regeln zu ersetzen. Zunächst hatte es auch den Anschein, als käme es zu einer derartigen Übereinkunft. Auf der 10. Generalkonferenz in Berlin (1854)7 nahm man den Antrag Badens auf Erlaß gemeinsamer Normen zum Schutz der Fabrikmuster zum Anlaß, auf die im Vertrag mit Österreich in Aussicht genommenen Verhandlungen zu verweisen: es wurde "für angemessen erachtet, daß zuvorderst das Ergebnis dieser Unterhandlungen abzuwarten sei".
Die geplanten Verhandlungen kamen weder 1854 noch in den folgenden Jahren zustande; weder Preußen noch Österreich ergriff dazu die InitiativeS. Österreich erließ vielmehr ohne vorherige Rücksprache mit Vgl. die oben § 5 Anm. 12 genannte Literatur. Einen bezeichnenden Niederschlag fand diese Tatsache in der Freizeichenliste des Fabrikengerichts Hagen; sie enthält fast ausschließlich Kennzeichen, die in Osterreich als Meisterzeichen in Anspruch genommen wurden. Die Remscheider Liste schließt sogar mit der Bemerkung, daß auf Sensen "sämtliche steyrischen Zeichen frei" seien, eine Vorstellung, die übrigens auch in den Gesetzentwürfen von 1828 (Düsseldorfer Kommission), 1830 (Remscheider Reglement) und 1842 (Entwurf von Bodelschwinghs) begegnet. 6 Brachmann, Sensenschmiede S. 21 ff. 7 Verhandl. der 10. Generalkonferenz in Zollvereinsangelegenheiten, Berlin 1859, Hauptprotokoll v. 20. II. 1854 S. 157 §55. s Die Verhandlungen über das Verhältnis Osterreichs zum Zollverein wurden zwar 1858 aufgenommen, den Markenschutz berührte man dabei indes 4
5
234
10. Kap.:
Bemühungen um die Rechtsvereinheitlichung
den Vertragspartnem am 7. Dezember 1858 ein eigenes "Gesetz zum Schutz der gewerblichen Marken und anderer Bezeichnungen"9 • Diesem Schritt war eine mehrjährige Beratung vorausgegangen, die in die Zeit vor dem Februarvertrag zurückreicht10 • Das Abkommen mit den Zollvereinsstaaten scheint dann die weitere Behandlung des Zeichenschutzes verhindert zu haben, bis im Gefolge des wirtschaftlichen Wandels der folgenden Jahre die österreichisc.hP. Industrie mehr und mehr auf eine Schutzzöllnerische Handelspolitik drängte1 1 • Es paßt ganz in diese Strömung, daß man 1857 den Plan eines eigenen Markenschutzgesetzes forcierte12• Das im folgenden Jahre erlassene Gesetz kam der preußischen Taktik, die Verhandlungen mit der Donaumonarchie hinzuhalten, sehr gelegen. Es bot die Möglichkeit, von der vertraglichen Bindung in diesem Punkte loszukommen. Den äußeren Anstoß zum Vorgehen Berlins gaben Klagen, die schon bald nach dem lokrafttreten des neuen Gesetzes in der bergischen Industrie laut wurden. Die Solinger Handelskammer13 nahm den Österreichischen Schritt zum Anlaß, eine entsprechende Regelung für ganz Preußen zu fordem, und wies zugleich auf die Nachteile hin, die andernfalls für die heimische Industrie erwachsen könnten. Beim Handelsministerium14 fand dieses Verlangen nur insoweit Anklang, als es Gefahren für die Ausfuhr preußischer Waren nach Österreich heraufbeschwor; das neue Gesetz ließ nämlich auch die Aneignung ausländischer Marken zu. Da es außerdem - so das Ministerium - "den Exklusivberechtigten nicht blos zum Angriffe gegen den Nachbildner des registrierten Zeichens, sondem selbst gegen denjenigen verstattet, welcher Waaren, die ein gleiches oder bis zu einem gewissen Grade nicht; vgl. die Note Wü InnM an FinM v. 28. III. 1859 WHStA E 143 Bü 3160. - Über die preußische Politik des Hinhaltens und Zurückdrängens Österreichs vgl. Franz, Entstehungsgeschichte S. 2 ff., bes. S. 3, 6, 7; Böhme, Deutschlands Weg S. 50 ff., 83 ff. 9 Reichsgesetzblatt 1858 Nr. 230; Abdruck bei Krug, Fabrik- und Waarenzeichen S. 66 ff. 10 Ein erster Entwurf war den Handels- und Gewerbekammern auf deren Drängen hin bereits 1851 vorgelegt worden; Brachmann, Sensenschmiede
s. 24. 11
12
Böhme, Deutschlands Weg S. 83. Brachmann a.a.O. S. 24 f.
13 Vorstellung d. Handelskammer v. 14. II. 1859 mit einer Eingabe SoHnger Fabrikanten v. 31. I. 1859; ZStA II Rep. 120 D II 233 (3). Auch die Handelsk. Breslau rügte in ihrem Jahresbericht für 1858 u. a . das "selbständige Vorgehen der Marken- und Musterschutzgesetzgebung" Österreichs; vgl. Mamroth, Entwicklung S. 107. Über einen entsprechenden Antrag der Handelsk. Remscheid berichtet Stegemann, Materialien S. 24. 14 HaM an AM v. 10. III. und Antw. an Handelskammer v. 10. III.1859; ZStA II Rep. 120 D II 233 (3) und 232 (7).
§ 28.
Zollverein
235
ähnliches Zeichen an sich tragen, feil bietet, auch wenn ihm eine mala fides nicht nachgewiesen werden kann", so laufe dies auf eine Änderung des bestehenden Zustandes hinaus. Dies stehe mit dem Vertrag vom Februar 1853 nicht in Einklang, denn für alle dem Markenschutzgesetz zuwider bezeichneten Waren, bei denen eine Entfernung des Fabrikzeichens ohne eine Zerstörung des Produktes unmöglich sei, werde auf diese Weise letztlich ein tatsächliches Einfuhrverbot verhängt. In diesem Sinne wurde Berlin in Wien vorstellig. Österreich15 suchte sein Vorgehen mit dem Hinweis zu rechtfertigen, daß auch Preußen die Initiative für die im Separat-Artikel 9 vorgesehenen Verhandlungen vorbehalten gewesen sei; man habe aber "theils aus gelegentlichen Meinungsäußerungen von Organen der K. Preußischen Regierung, theils aus Verhandlungen in den Preußischen Kammern und durch die dortigen Blätter die Abgeneigtheit Preußens wahrnehmen zu können geglaubt, die Erlassung eines gemeinschaftlichen Markenschutz-Gesetzes mit Österreich zu vereinbaren"; deshalb habe die Österreichische Regierung die Ergreifung einer offiziösen Initiative unterlassen; sie sei aber stets bereit, auf ein Ansinnen der preußischen Regierung einzugehen. Die von Preußen kritisierte Bestimmung, daß auch der "Verschleißer" gesetzwidrig bezeichneter Waren verfolgt werden könne, wird von der Österreichischen Seite als "conditio sine qua non des Markenschutzes" bezeichnet; ohne eine solche Vorschrift, die sich in allen Markenschutzgesetzen des Auslandes finde, sei "jeder Markenschutz rein illusorisch". Einen Vorstoß gegen den Februarvertrag will die Wiener Regierung in ihrem Vorgehen nicht erblicken. Berlin16 jedoch hielt an der negativen Beurteilung fest; Österreich habe, indem es die einer gemeinschaftlichen Regelung zugedachte Materie einseitig ordnete, die grundlegende Voraussetzung des SeparatArtikels 9 aufgehoben, daß nämlich beide Staaten unbeengt durch bestehende Gesetze und erworbene Rechte in Verhandlung treten könnten; außerdem entspreche die Österreichische Ordnung des Markenschutzes nicht den preußischen Ansichten, so daß Verhandlungen sofort vor der unzulässigen Alternative stünden, eine vollendete Tatsache anerkennen zu müssen, die man nicht anerkennen könne, oder sie bestreiten zu müssen, obgleich Österreich sie nicht bestreiten lassen könne. Das Handelsministerium zog aus allen diesen Überlegungen den Schluß, daß die Bestimmungen des Separatartikels 9 "nunmehr als erledigt anzusehen" seien; eine weitere Diskussion über die Frage, ob das Markenschutzgesetz mit dem Handelsvertrag in Einklang stehe, 1s Antwort an den preußischen Gesandten in Wien v. 30. IV. 1859; ZStA II Rep. 120 D II 233 (3). 16 InnM an HaM v. 2. VII., HaM an AM v. 8. VII. 1859, ebenda.
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I 0. Kap.: Bemühungen um die Rechtsvereinheitlichung
habe ein unmittelbar praktisches Interesse noch nicht erlangt; gleichwohl solle man Österreich und den Vereinsregierungen schon jetzt von der preußischen Auffassung der Sache Kenntnis geben. Das Außenministerium kam diesem Vorschlag nach17• Die Vereinsregierungen reagierten unterschiedlich. Während einige der preußischen Ansicht sofort beipflichteten18, wiesen andere darauf hin, daß der Separat-Artikel9 auch andere Gegenstände, nämlich Patentwesen und Musterschutz, behandle, die keineswegs einseitig präkludiert seien. Sachsen ließ in diesem Sinne in Berlin rückfragen19• Auch in Baden wurde diese Frage erwogen; man hielt es aber für lohnender, die Verhandlungen über Fabrikzeichen und Firmenschutz innerhalb des Zollvereins forzuführen, während jene über Patentwesen und Fabrikmuster an den Deutschen Bund gebracht werden sollten~. Bayern hielt nach wie vor den Separat-Artikel 9 für eine Aushilfe gegen zu erwartende Nachteile21• Württemberg!t äußerte Berlin gegenüber, es habe zu einer Vorstellung wegen des Erlasses des Österreichischen Gesetzes keine Veranlassung, wolle Wien aber selbst um eine Erklärung über die Behandlung allgemeiner Zeichen angehen. Der Vorstoß des württembergischen Gesandten blieb freilich ohne Erfolg; Österreich erklärte, es könne ausländische Zeichen nur schützen, wenn ihm von seiten des ganzen Zollvereins Gegenseitigkeit zugesichert werden würde. Das preußische Handelsministerium verhielt sich daraufhin zunächst passiv. Seiner Ansicht nach23 war es Sache der Vereinsregierungen, die preußische .,Auffassung mit Gründen zu widerlegen und zugleich formulierte Vorschläge" zu den im Separat-Artikel9 genannten Gegenständen zu unterbreiten; Preußen wolle sich dann einer Erwägung der Sache nicht entziehen und sei bereit, zunächst mit den Zollvereinsregierungen über alle Punkte zu unterhandeln. Damit wurde den übrigen Vereinsmitgliedern die Last der Initiative zugeschoben. Da die Vorschläge der anderen Regierungen ausblieben, wurde der Separat-Artikel 9, der die Basis für eine gemeinsame Regelung des Markenschutzes hätte abgeben sollen, gleichsam automatisch gegen17 AM an HaM v. 24. VII.1859; Note an Württemberg v. 8. VIII.1859 ; ebenda und WHStA E 36 - 38 Fase. 122. 18 So Anhalt und Hessen-Homburg; vgl. ZStA li Rep. 120 D II 233 (4). 19 AM an HaM v. 5. IX.1859; ebenda (3). 2o Voten JusM v. 11. VIII. 1859 und FinM v. 11. I. 1860; GLA 234 I 7469 und 237 I 12120. 21 ZStA li Rep. 120 D li 233 (4). 22 Zu den Verhandlungen mit Preußen und zum Vorstoß Württembergs in Österreich im Okt. vgl. WHStA E 36 - 38 Fase. 122. 23 Sie ist niedergelegt im Entwurf eines Votums an das AM im Okt. 1859; ZStA li Rep. 120 D li 233 (4).
§ 28. Zollverein
237
standslos. Gegen den Willen Preußens wäre wohl ohnehin jeder Versuch zum Scheitern verurteilt gewesen. Die Mitglieder des Zollvereins kehrten zum System gegenseitiger Abkommen zurück. 11. Die Verständigung im Bundesrat des Zollvereins (1868)
Die Verträge, welche der Norddeutsche Bund mit den süddeutschen Staaten im Juni/Juli 1866 schloß, verdichteten "die bisherige lockere Zollgemeinschaft durch politische Institutionen (Zollbundesrat, Zollparlament)", die wirtschaftliche Verbindung wurde "Glied eines politisch-staatlichen Systems", eben des Norddeutschen Bundes24 • Die Auswirkungen dieser neuen verfassungsrechtlichen Konstellation auf den Schutz der Warenbezeichnungen liegen in zwei Bereichen, dem engeren des Norddeutschen Bundes und dem weiteren des erneuerten Zollvereins. Art. 3 der Verfassung des Bundes25 bewirkte nach Ansicht der preußischen Regierung wie des Bundeskanzleramtes "die gleichmäßige Anwendbarkeit der über den Schutz der Waaren-Bezeichnungen und Etiquetten in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Gesetzesvorschriften zu Gunsten aller Bundesangehörigen"26• Man war davon überzeugt, Reziprozitätsabkommen unter den Bundesstaaten seien überflüssig, da die Angehörigen eines jeden Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaat als Inländer zu behandeln seien, namentlich auch in Beziehung auf Rechtsverfolgung und Rechtsschutz. Die Auffassung, die vom Preußischen Obertribunal in einem späteren Urteil nicht bestätigt wurde%7, führte zu dem Glauben, daß die noch beSchiedeT, Vom dt. Bund zum dt. Reich S. 201. Art. 3 Abs. I lautet (nach Huber, Dokumente II S. 228): "Für den ganzen Umfang des Bundesgebietes besteht eine gemeinsames Indigenat mit der Wirkung, daß der Angehörige (Unterthan, Staatsbürger) eines jeden Bundesstaates in jedem andem Bundesstaate als Inländer zu behandeln und demgemäß zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen Ämtern, zur Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechts und zum Genusse aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der Einheimische zuzulassen, auch in Betreff der Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich zu behandeln ist." 26 HaM an BKA v. 22. VII. 1869, Antwort v. 4. VIII. 1869; ZStA I RKA 465. Ältere Äußerungen hierzu in ZStA II Rep. 120 D II 233 (5). 27 Urteil vom 2. VI.1868; Anlage zum Beridlt des HaM v. 22. VII.1869 (vorige Anm.). - Nach Ansicht des Obertribunals gehört es nicht "zu den Befugnissen einer Privatperson überhaupt und speciell eines Bundesangehörigen, zu verlangen, daß die Handlungen des Angehörigen eines anderen Bundesstaates als eine criminell zu verfolgende angesehen werde". - Die durch dieses Urteil aufgerissene Lücke wurde spätestens durch das Strafgesetzbuch von 1870/71 geschlossen. 24
25
238
10. Kap.: Bemühungen um die Rechtsvereinheitlichung
stehenden Lücken im Netz der Gegenseitigkeitsverträge über den Markenschutz im Schoße des Bundesrats des Zollvereins geschlossen werden könnten. Die Initiative zu diesem Schritt ging von Preußen aus, der längst unangefochtenen Führungsmacht im Zollverein. Auf Veranlassung des Handelsministers ließ Delbrück, der Präsident des Bundeskanzleramtes, bei den Regierungen des Norddeutschen Bundes und Hessen-Darmstadts Auskünfte über die dortige Gesetzgebung einholen28 • Auf der Grundlage dieser Berichte unterbreitete der Kanzler dem Bundesrat des Zollvereins den Vorschlag, eine gemeinsame Erklärung über die Gegenseitigkeit des Schutzes der Warenbezeichnungen herbeizuführen29 • Der zuständige Ausschuß, an welchen die Anregung abgegeben worden war, empfahl im Juni einstimmig die Annahme der Vorlage; mehrheitlich befürwortete er eine Aufforderung an alle Bundesregierungen, für deren Gebiete noch keine besonderen Schutznormen bestünden, die materielle Reziprozität herzustellen. Bei der anschließenden Umfrage wünschte der Bevollmächtigte Badens die Klarstellung, daß es sich im zweiten Punkt nur um eine Empfehlung handle. Bayern erklärte, es könne der Verständigung nicht beitreten, solange in Mecklenburg, Lauenburg, Bremen und Harnburg keine materielle Gegenseitigkeit gewährt sei, behielt sich aber Verhandlungen mit diesen Staaten vor. Auch der Vertreter Württembergs lehnte einen Beitritt ab, da sein Gesetz vom Dezember 1862 die materielle Gegenseitigkeit verlange, die in den genannten Staaten fehle. Daraufhin schlug Preußen vor, die Einverständniserklärung vorab auf die Staaten, mit denen materielle Reziprozität bestand, zu beschränken. Da einige Bevollmächtigte noch Instruktionen einholen mußten, konnte erst in der Sitzung vom 8. Juni 1868 folgendes Einverständnis festgestellt werden: "In Preußen, Bayern, Sachsen, Baden, Hessen, Großherzogthum Sachsen, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sach2s Das Berliner Handelsministerium unterrichtete im Dezember 1867 das Außenministerium über den Stand der Angelegenheit und schlug den Austausch von Gegenseitigkeitserklärungen mit Baden und Hessen-Darmstadt vor. Das Außenressort leitete dieses Schreiben an das Bundeskanzleramt weiter und stellte diesem die zu ergreifenden Maßnahmen anheim. - Hierzu ZStA I RKA 463. 211 Ebenda. Vgl. auch die Vorlage als Promemoria in den Verhandlungen des Bundesraths des deutschen Zollvereins 1868 Prot. v. 27. VI. 1869 (§ 187) und Drucksachen Nr. 81. Die Initiative zu diesem Schritt dürfte von Delbrück oder Eck ausgegangen sein, die beide bis zu ihrem Übertritt ins Bundeskanzleramt der pr. Ministerialabteilung für Handel und Gewerbe angehört hatten; Delbrück war 1859- 1867 ihr Direktor. Vgl. Delbrück, Erinnerungen li S. 141, 400; Morsey, Reichsverwaltung S. 40 ff.
§
29. Reichsstrafgesetzbuch 1870/71
239
sen-Koburg, Gotha, Anhalt, Schwarzburg-Rudolfstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, SchaumburgLippe, Lippe und Lübeck werden, soweit solches nicht gegenwärtig bereits der Fall ist, die Angehörigen jedes anderen von diesen Staaten in Betreff der Bezeichnung oder Etikettierung von Waaren oder deren Verpackung den nämlichen Schutz wie die eigenen Angehörigen genießen." Die gemeinsame Erklärung, die in den Gesetzblättern bekanntgemacht wurde30, ergänzte - soweit erforderlich- die früheren zweiseitigen Abkommen. Daß die Absprache im Bundesrat keine andere rechtliche Bedeutung als jene Gegenseitigkeitserklärung haben konnte, wurde verschiedentlich ausdrücklich betonftt. § 29. Das Reichsstrafgesetzbuch (1870171)
Reichte schon die feststellende Erklärung des Bundesrates vom Juli 1868 an die Grenzen bundesstaatlicher Gesetzgebung heran, so wurden diese mit dem Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund überschritten: der Bundesstaat schuf für die ihm zugehörigen Länder erstmals auch formell einheitliches Recht zum Schutz der Warenbezeichnung. Das neue Strafgesetzbuch, welches der Norddeutsche Bund gleichsam als Mitgift in das neu gegründete Deutsche Reich einbringen sollte, schloß sich eng dem preußischen Gesetz von 1851 an, um die Gesetzgebungsarbeiten abzukürzen1 • Dennoch unterblieben zahlreiche Verbesserungen nicht. Dies gilt auch für den Schutz der Warenbezeichnung: der neue § 287 folgte dem § 269 des preußischen Gesetzes - sieht man von der Verwendung des Begriffes "Geldstrafe" statt "Geldbuße" abinsoweit nicht, als er auf den obligatorischen Zusatz des Wohn- oder Fabrikortes verzichtete: "§ 287. Wer Waaren oder deren Verpackung fälschlich mit dem Namen oder der Firma eines inländischen Fabrikunternehmers, Produzenten oder Kaufmanns bezeichnet oder wissentlich dergleichen fälschlich bezeichnete Waaren in Verkehr bringt, wird mit Geldstrafe von fünfzig bis zu eintausend Thaiern oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Dieselbe Strafe tritt ein, wenn die Handlung gegen Angehörige eines fremden Staates gerichtet ist, in welchem nach veröffentlichten Staatsverträgen oder nach Gesetzen die Gegenseitigkeit verbürgt ist. so
Vgl. auch Pr. Ges.Slg. 68, 882; Bay. Reg. Bl. 68 S. 1639; Bad. Reg. Bl. 69
s. 790 f.
31 So etwa in Württemberg: das Stuttgarter JusM hatte nichts dagegen zu erinnern, daß die betreffenden "Erklärungen im Bundesrath zwischen den Bevollmächtigten der Regierungen als ad hoc Delegierten derselben ausgetauscht werden" sollten; JusM an AM v, 24. VI. 1868, WHStA E 143 Bü 3160. 1 Das StGB wurde am 15. V. 1871 mit den erforderlichen redaktionellen Abänderungen als "Strafgesetz für das Deutsche Reich" verkündet. Zur Entstehungsgeschichte vgl. vor allem v. Hippel, Strafrecht I S. 341 ff.; Schmidt, EinführungS. 343 ff.; Rüdorff, Strafgesetzbuch S. IX. ff., 14 ff.
240
10. Kap.: Bemühungen um die Rechtsvereinheitlichung
Die Strafe wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß bei der Waarenbezeichnung der Name oder die Firma mit so geringen Abänderungen wiedergegeben wird, daß die letzteren nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können." Diese Bestimmung wurde durch § 360 Ziff. 7 ergänzt, wonach der unbefugte Gebrauch von Wappen eines Bundesfürsten zur Bezeichnung von Waren, auf Aushängeschildern oder Etiketten als Übertretung mit Geldstrafe oder Haft bestraft werden konnte2 • Der Verzicht auf die zusätzliche Ortsangabe wird in den Motiven3 damit begründet, daß die Angabe des Ortes "erfahrungsgemäß in vielen Fällen zu einer Umgehung des Gesetzes geführt" habe; das Publikum pflege diese Angaben in der Regel nicht zu beachten, und zwar um so weniger, "wenn, was nicht verboten, außer dem Namen und der Firma auch die sonstige Art der Verpackung gesuchter Waaren oder Fabrikate nachgeahmt wird". Der Reichstag des Norddeutschen Bundes stimmte dem Vorschlag, "die Angabe des Ortes für den Tatbestand der Firmenfälschung nicht für erforderlich zu erklären"', ohne jede Debatte zu5 • Damit hat der Gesetzgeber den schon vor Jahrzehnten erhobenen Forderungen6 endlich nachgegeben. Die neue Schutznorm entsprach den Bedürfnissen ihrer Zeit nicht. Das geht schon daraus hervor, daß sie wenige Jahre danach bereits durch das Markenschutzgesetz ergänzt werden mußte. Die Bedeutung des § 287 durfte denn auch weniger in seinem Inhalt, als vielmehr in der Tatsache begründet sein, daß er den Strafschutz der Warenbezeichnung erstmals reichseinheitlich regelte. Er ist das letzte Glied einer langen Kette von Bestimmungen, welche den Mißbrauch fremder Warenbezeichnungen ausschließlich mit den Mitteln des Strafrechts zu bekämpfen suchten.
z Motive (Berlin 1869) S. 1 ff. - § 360 Ziff. 7 geht auf die pr. KO v. 16. X. 1831 zurück. 3 Entwurf (Berlin 1869) S. 77; Motive S. 177. 4 Wie Anm.3. 5 Sten. Ber. RT 1870 S. 727. e Vgl. oben § 13 I. - Einen letzten Anstoß scheint die Petition des Duisburger Tabakfabrikanten Böninger an den Reichstag gegeben zu haben; sie wurde "dem Herrn Bundeskanzler als Material bei dem in Aussicht genommenen Entwurfe eines Strafgesetzbuches ... überwiesen". Vgl. Verh. des RT d. Norddeutschen Bundes, Sten. Ber. 1 Leg. Per. Session 1869 Aktenstück Nr. 126 (Nr. 366) und Aktenstück Nr. 246 (unter B) S. 748.
Dritter Abschnitt
Die Grundlegung des modernen Markenschutzes 11. Kapitel
Die Reichsgesetze von 1874 und 1894 § 30. Bemühungen um den Markenscllutz 1866 - 1874
Begünstigt und begleitet von dem erwachenden historischen und dogmatischen Interesse an Markenwesen und Markenrecht1 gelang es der ausdauernden llktivität interessierter Wirtschaftskreise, die Notwendigkeit eines umfassenderen deutschen Markenschutzes immer wieder zur Sprache zu bringen und schließlich den Reichsgesetzgeber in Bewegung zu setzen. Bereits in den Jahren nach 1866 ging beim preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe eine Fülle von Petitionen und Anfragen einzelner Unternehmer des In- und Auslandes ein2 • Sie kamen von Metallwaren- und Maschinenfabrikanten, Herstellern von Neusilberwaren, Sensen und Nähmaschinen (der Berliner Vertreter von "Singer"), Schmieröl, Leinen, Parfumerien, Nahrungs- und Genußmitteln (Likör, Sekt, Selterswasser, Kaffeesurrogate, Kondensmilch, Tabak); sie suchten um den Schutz ihrer Zeichen nach, beantragten die Registrierung ihrer Marken oder forderten schlechthin ein neues Zeichenrecht. Das Ministerium wies weiterhin derartige Ansinnen zurück. In einer Antwort3, die hier für viele andere stehen mag, verteidigte es unter anderem § 269 des preußischen Strafgesetzbuches; dem Beschwerdeführer, der Firma und Fabrikort beigefügt hatte und gleichwohl zusehen mußte, daß das Publikum nur das dominierende Etikettenbild beachtete, wurde empfohlen, die Firma stärker hervortreten zu lassen. Es folgte sodann das Bemerken, kein noch so vollständiger Zeichenschutz könne etwas bewirken, wenn das Publikum ohne Aufmerksam1 Vgl. die Arbeiten von Michelsen, Dietzel und Homeyer im Lit.-Verz. Im übrigen vgl. unten § 37. 2 Das Folgende (Anm. 3 - 12) nach den Akten ZStA II Rep. 120 D li 233 (5)
und (6).
a Antwort an die Firma Sellier und Bellot, Schoenebeck a . d. Eibe v. 17. VII. 1868. 16 Wadle
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11. Kap.: Reichsgesetze von 1874 und 1894
keit kaufe, es sei denn, daß dieser Schutz "durch den weiten Umfang der ihm bestimmten Grenzen in eine ebenso große Beschränkung und Belästigung des freien Verkehrs" ausarte. Mit einer solchen Begründung konnte das Ministerium vielleicht einen einzelnen Petenten abfertigen, nicht aber die Handelskammern, die seit 1867 immer häufiger und eindringlicher eine Erweiterung des Bezeichnungsschutzes verlangten. Ausgelöst wurde diese Aktivität durch Eingaben der Kammern von Bielefeld und Düsseldorf. Die Bielefelder Handelskammer beantragte4 im September 1867 ein Fabrikzeichengesetz für den Zollverein und den Abschluß von Verträgen mit dem Ausland. Sie berief sich auf die Erfahrung der Bielefelder Fabrikanten, deren Stempel, Etiketten, Verpackungen, Nummern und Fabrikzeichen nachgemacht würden, da "ein guter Ruf ... Neider" erwerbe. Jetzt, nach der Gründung des Norddeutschen Bundes sei Preußen "leicht befähigt", dem Fabrik- und Handelsstand Schutz angedeihen zu lassen. Das Ministerium verwies in seiner Antwort5 auf § 269 und die Verträge mit Frankreich, Belgien und England. Eine Ausdehnung des Schutzes auf figürliche Zeichen liege "nicht in der Absicht"; der Handelskammer bleibe es aber überlassen, zuvörderst die Tragweite ihrer Vorschläge und deren praktische Ausführbarkeit unter Einbeziehung eines förmlichen Gesetzentwurfes näher darzulegen. Im folgenden Monat schon ging eine weit ausführlicher begründete Vorstellung der Düsseldorfer Handelskammer ein6 • Die starke Zunahme der deutschen Exporte, die Bedeutung der "äußeren Erkennungszeichen" auf den "großen Weltmärkten" erfordere den Erlaß eines Gesetzes zum Schutz der Fabrikmarken und Etiketten, dem dann Handelsverträge mit dem Ausland folgen sollten. Das französische Gesetz von 1857 wurde empfohlen als dasjenige, das den praktischen Bedingungen des Verkehrslebensam besten entspräche. Obwohl die Düsseldorfer Eingabe von den Ältesten der Berliner Kaufmannschaft sofort und nachdrücklich unterstützt wurde, wiederholte das Ministerium seine Ansicht1 , daß die Firma ausreichend zivil- und strafrechtlichen Schutz (Art. 27 ADHGB und § 269 Pr.StGB) genieße; er genüge auch für kleinere Artikel, auf deren Umschlägen und Verpackungen die vollständige Firma und der Ort angebracht werEingabe v. 24. IX. 1867. Antwort v. 14. X. 1867. o Eingabev. 28. XI.1867. 7 Vorstellung der Ältesten der Berliner Kaufmannschaft v. 25. XI.1867; Reskript v. 1. I. 1868 u. a. m.; ZStA I RKA 465. 4
5
§ 30.
Bemühungen 1866- 1874
243
den könnten. Im übrigen sei die praktische Durchführung eines weitergehenden Zeichenschutzes mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden, die in keinem irgend zureichenden Verhältnis zu den erwarteten Vorteilen stünden; dies gelte nicht nur für die früher benutzten, sondern auch für die künftig gebrauchten Zeichen: "abgesehen von den - unvermeidlichen - Streitigkeiten darüber, ob im einzelnen Falle wirklich eine Nachbildung vorliege", sei insbesondere die unerläßliche Publikation der zur Anmeldung gelangenden Zeichen und die Führung des erforderlichen Zeichenregisters mit "Kosten und Weiterungen aller Art verknüpft, welche mit dem räumlichen Bezirke, in dessen Grenzen dem bezüglichen Gesetze Wirksamkeit beizulegen wäre, in steigender Progression wachsen und gegen welchen der Nutzen der Einrichtung völlig zurücktreten würde". Ohne praktische Konsequenzen blieb die Düsseldorfer Eingabe dennoch nicht. Veranlaßt durch die "Lebhaftigkeit", mit welcher der Gegenstand "neuerdings von einigen Handelsvorständen ... wieder aufgenommen worden", ließ der Handelsminister in Wien erkunden8, "ob und inwieweit" sich das Österreichische Markenschutzgesetz praktisch bewährt habe, insbesondere wie hoch die Zahl der registrierten älteren und neueren Marken und der Zeichenstreitigkeiten sei. Ob und wie der Bericht des preußischen Gesandten, der Ende März bereits in Berlin vorlag9 , die künftige Entwicklung beeinflußt hat, ist kaum auszumachen; denn schon am 16. März hatte die Düsseldorfer Handelskammer den ausführlich begründeten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Handels- und Fabrikzeichen vorgelegt10• Die beiliegende "Denkschrift" hielt die Einwände des Handelsministeriums für nicht durchschlagend im Hinblick auf die Gesetzgebung anderer Industriestaaten; § 269 genüge nicht und Art. 27 ADHGB treffe auf die Warenbezeichnung nicht zu; die zu erwartenden Schwierigkeiten, namentlich bei der Einführung des Gesetzes, habe man durch das s Note an AM v. 25. I. 1868. Die Antwort des Wiener Außenministeriums v. 12. III. wurde vom Berliner AM am 22. III. 1868 übergeben. Der Bericht führte nicht nur die Zahl der Eintragungen auf, sondern erwähnte auch die Bestrebungen, das Zeichennahmeverfahren wieder mit einer Vorprüfung im Sinne des älteren Markenschutzes zu verbinden. 1o Die Düsseldorfer Eingabe v. 16. 11!.1868 wurde zusammen mit späteren Vorgängen gedruckt und an zahlreiche Handelskammern und Behörden verteilt. Maßgeblichen Einfluß auf die Initiative der Düsseldorfer Kammer hatte offenbar der Bleischrotfabrikant Bloem, der bereits in Remscheid, von wo er in den 50er Jahren nach Düsseldorf gezogen war, mit dem Markenschutz Erfahrungen gesammelt hatte; vgl. seinen Bericht auf der HandelskammerKonferenz von 1889 (unten § 34 zu Anm. 29); Stegemann, Materialien S. 82. Auf die Einzelheiten des Düsseldorfer Kammerentwurfes braucht hier nicht näher eingegangen zu werden, da er in nur leicht veränderter Fassung vom deutschen Handelstag übernommen wurde; unten zu Anm.17. 9
16•
244
11. Kap.: Reichsgesetze von 1874 und 1894
Prioritätsprinzip und den Verzicht auf die rückwirkende Kraft des Gesetzes zu mindern gesucht. Das Handelsministerium wollte den Entwurf nicht sofort zurückweisen, sondern legte die Angelegenheit "im Hinblick auf Art. 4 der Verfassung des Norddeutschen Bundes" 11 zunächst dem Bundeskanzleramt vor. Dieses erklärte sich im Juni mit der Ablehnung des Düsseldorfer Antrages einverstanden, da nicht die Absicht bestehe, den Fabrikzeichenschutz im Sinne dieses Antrages von Bundes wegen herbeizuführen12• Moser, der zuständige Direktor im preußischen Handelsministerium, sprach sich zunächst für eine einfache Ablehnung der Düsseldorfer Vorlage aus, änderte dann aber diese Absicht und ließ einen motivierten Bescheid an Hand seiner Randglossen zur Düsseldorfer Druckschrift ausarbeiten. Diese Antwort bestätigte die bisherige Haltung des Ministeriums; ein Bedürfnis des Zeichenschutzes sei weder dargetan, noch sei überzeugend das Ungenügen der bestehenden Vorschriften erwiesen; das Publikum lege "erfahrungsgemäß" (!)mehr Wert auf die anerkannte Firma des Fabrikanten als auf unverständliche Zeichen. Mittlerweile hatten sich noch weitere Handelskammern zum Zeichenschutz geäußert. Die Ablehnung der Düsseldorfer Anträge stieß zumeist auf Kritik13, sie fand aber auch das Verständnis und sogar die Zustimmung anderer Kammern14• Nachhaltige Unterstützung fanden die Vorschläge aus Düsseldorf namentlich in Berlin und Bielefeldu>. Auf die Dauer konnte das Ministerium seine Haltung kaum beibehalten, denn der vierte Deutsche Handelstag erklärte im Oktober16 : Art. 4 betrifft die Bundesaufsicht und -gesetzgebung. Vorlage HaM an BKA v. 22. IV. 1868; Antwort v. 3. VI.1868; ZStA I RKA465. 13 Vgl. etwa den Jahresbericht für 1867 der Handelskammer Neuß. 14 Zustimmend die Handelskammern Hagen und Altena!Lüdenscheid; vgl. deren Jahresberichte für 66/67 und 67/68. Die Handelskammer Breslau (Jahresbericht f. 1867) äußerte sich grundsätzlich zum Zeichenschutz und anerkannte die praktischen Schwierigkeiten; gleichwohl befürwortete sie seine Einführung. ts Die Bielefelder Kammer übernahm den Entwurf aus Düsseldorf am 22. V.; die Berliner Kaufmannschaft verwies am 16. X. 1868 ebenfalls, wenn auch mit gelegentlicher Kritik, auf diesen Entwurf. 16 Hirth, Staatshandbuch I (1868) S. 978; Gensel, Handelstag S. 53 f.; im übrigen s. die Verhandlungen des Vierten Deutschen Handelstages S. 70 ff., 144. Der Vertreter der Düsseldorfer Kammer, Hürter, wollte der Resolution eine Reihe von motivierenden materiellen Forderungen, die im wesentlichen dem Düsseldorfer Entwurf entsprachen, voranstellen; da der Berichterstatter des bleibenden Ausschusses, der Berliner Vertreter Liebermann, sich widersetzte, weil er die weitere Arbeit des Ausschusses nicht eingeengt wissen wollte, zog Hürter seinen Antrag wieder zurück. 11
12
§
30. Bemühungen 1866- 1874
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"Die Emanirung eines Gesetzes zum Schutze der Fabrikmarken und Etiquetten innerhalb des Zollvereins ist dringend geboten. Die Behörden des Zollvereins sind zu ersuchen, die für statthaft erkannten Normen des Schutzes auch durch Verträge mit anderen Ländern in weitester Ausdehnung zur Geltung zu bringen. Der bleibende Ausschuß wird beauftragt, eine motivierte Eingabe für diesen Zweck an die zuständigen Behörden zu richten." Nachdem zuvor - abermals ohne Erfolg - versucht worden war, in Denkschriften und durch "Darstellung einer großen Anzahl von Mißverhältnissen" die Regierungen zum Erlaß eines Gesetzes zu bewegen, behandelte der bleibende Ausschuß auf der Grundlage des Düsseldorfer Entwurfes die Angelegenheit im Februar 1870. Man billigte die Vorlage mit einigen Änderungen und leitete sie dem Bundeskanzleramt am 21. März 1870 zu17• Die vierzehn ersten Paragraphen des ersten Teils ("Allgemeine Bestimmungen") galten den materiellen und formellen Voraussetzungen des Schutzes. Das besondere "Handels- oder Fabrikzeichen", das nur für eine bestimmte Warengattung gelten sollte(§§ 1 und 2), mußte durch ein Aufgebotsverfahren erworben werden: die bei den örtlichen Handelskammern vorzunehmende und zu registrierende (§ 3) Anmeldung sollte an ein "Central-Bureau" geleitet, von diesem im "Centralblatt" publiziert (§§ 4, 7) und schließlich in die Rolle eingetragen werden (§§ 4 bis 6). Das damit begründete Recht zum ausschließlichen Gebrauch im Umfang des ganzen Zollvereins war übertragbar und vererbbar (§ 10). Für ältere Untersagungsrechte sahen Übergangsregeln (§§ 13, 14) eine rechtserhaltende Anmeldung vor. Der zweite Teil ("Verfolgung der Civil-Ansprüche", §§ 15 und 16) machte Entschädigungsansprüche von dem Nachweis eines der im dritten Teil behandelten Vergehen abhängig und regelte die Beschlagnahme. Die "strafrechtlichen Bestimmungen" des 3. Teiles(§§ 17 bis 24) enthielten u. a. zwei Strafnormen, welche nicht nur die Nachbildung (§ 18) und andere schon im preußischen Recht bekannte Tatbestände erfaßte, sondern auch die "betrügliche Nachahmung" (§ 19). Gerade in diesem Punkt ist die Anlehnung an das französische Recht deutlich zu spüren, während im übrigen das Vorbild der preußischen Verordnung vom 17. August 1847 zu überwiegen scheint (vgl. §§ 1, 3, 10). In einer Reihe zentraler Fragen weist der Entwurf jedoch charakteristische eigene Züge auf: so in der großzügigen Umschreibung der Zeichenformen (§ 2), dem konsequenten Aufgebotsverfahren (§ 4), der Bindung des Zeichens an eine Warenart (§§ 1 und 10 III) und dem Projekt eines "Central-Bureaus". Es sind nicht zuletzt diese Punkte, welche in der späteren Auseinandersetzung um das Markenschutzgesetz im 17
Vgl. die Eingabe v. 21. III. 1870; ZStA I RKA 465.
246
11. Kap.: Reichsgesetze von 1874 und 1894
Mittelpunkt standen. Bevor es zu dieser Diskussion kam, sollten indes noch einige Jahre ins Land gehen. Erst nach der Reichsgründung befaßte sich der Bundesrat mit der Petition des Handelstages: einer Empfehlung des Ausschusses für Handel und Verkehr folgend, verwarf das Plenum am 25. Juni 1872 den vorgelegten Entwurf18. Das Ausschußgutachten ging von der Ansicht aus, § 287 habe im Vergleich zu den älteren Gesetzen den Schutz von Firma und Namen zumeist erweitert; "im Interesse der Redlichkeit und Offenheit des Verkehrs" sei nur zu wünschen, daß diese "Art der Warenbezeichnung und nicht diejenige durch figürliche Zeichen möglichst allgemein in Gebrauch komme". Gegen den Schutz wurde überdies eingewendet, es sei mit einer "bloßen Subsumtion der figürlichen Zeichen" nicht getan; man müsse ältere Rechte berücksichtigen, eine Rolle führen und für Offenlegung sorgen; die Schwierigkeiten und Kosten seien kaum zu bewältigen. Man braucht diese Argumente nicht näher vorzuführen, um erkennen zu lassen, daß sich in den Ausschußverhandlungen die Ansicht des preußischen Handelsministeriums, vertreten durch den Ausschußvorsitzenden Moser, noch einmal durchgesetzt hatte. Es sollte allerdings das letzte Mal sein. Die Enttäuschung über das Nein des Bundesrates erfaßte in den folgenden Monaten immer größere Kreise. Eine Reihe von Handelskammern griff in ihren Jahresberichten für 1872 und 1873 die Frage des Zeichenschutzes auf19 • Andere wandten sich in besonderen Petitionen an den Reichskanzler, so die Handelskammern von Mühlhausen im Elsaß, Hagen und Chemnitz; die Düsseldorfer Kammer wurde im Juni 1873 selbst in Berlin vorstellig und versandte ihre Eingabe zugleich an zahlreiche andere Kammern mit der Bitte, ihre Bestrebungen um den Erlaß eines Schutzgesetzes zu unterstützen20 • Die Handelskammern in Köln, Krefeld und Chemnitz und die Ältesten der Berliner Kaufmannschaft21 wandten sich daraufhin ebenfalls an den Reichskanzler; der bleibende Ausschuß des Deutschen Handelstages wiederholte seinen Antrag; das Haus Farina, Köln, übersandte 100 Exemplare der Düssel18 Die Petition war am 14. X. 1871 an den Auschuß übserwiesen worden, dessen Votum unter der Leitung Mosers, des zuständigen Referenten im pr. HaM, zustande kam; vgl. BR Sess. 1871 § 465, Sess. 1872 § 405. 19 So z. B. die Handelskammern Barmen, Köln, Halle (Saale), Hagen und Iserlohn: ZStA I RMinn 7853, 7867, RKA 488; ZStA II Rep. 120 D II 233 (6) 2o Vorstellung der Handelskammer Mühlhausen und der Handelskammer Hagen v. 30. V. 1872 und 13. VI. 1873. 21 Vorstellungen der Kammern von Köln v. 2. VII.l873 u. Krefeld v. 31. VII. 1873; des bleibenden Ausschusses des Handelstages v. 10. XII.1873; der Ältesten der Kaufmannschaft Berlin v. 31. XII. 1873 und der Handelskammer Chemnitz v. 28. XI. 1873; nach ZStA I RKA 465, ZStA II Rep. 120 D II 233 (6).
§ 30.
Bemühungen 1866- 1874
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dorfer Petition mit dem Gesuch um Verteilung an die Mitglieder des Bundesrats22 ; eine Berliner Metallfabrik reichte einen Bericht über die eigenen Erfahrungen ein2'3 • Vor diesem Hintergrund kam es zu einem neuen Vorstoß aus der Mitte des Reichstages. Sieben Abgeordnete brachten im Mai 1873 einen von zahlreichen anderen Deputierten unterstützten Antrag ein24 , welcher den Reichskanzler aufforderte, baldmöglichst einen Gesetzentwurf vorzulegen. Zur Begründung wurde auf die Anträge des Handelstages und die Wünsche aus Elsaß-Lothringen verwiesen; ebensowenig wie die Berechtigung des Schutzes sei zweifelhaft, "daß ein wirkliches Bedürfnis nach einem wirksamen Markenschutz" existiere. Vor dem Plenum suchte der Bundeskommissar die ablehnende Haltung des Bundesrats noch einmal mit der Erweiterung des Strafschutzes gern. § 287 StGB zu rechtfertigen; der Antrag wurde jedoch "einstimmig oder doch fast einstimmig angenommen". Daraufhin beschloß der Bundesrat, die einzelnen Regierungen um ihre Ansicht in dieser Frage zu ersuchen25. Die Stellungnahmen gingen in der zweiten Jahreshälfte ein26 • Die Mehrzahl der Regierungen sprach sich für den Erlaß eines Markenschutzgesetzes aus, einige, wie LippeDetmold, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, Waldeck und das Ministerium für Lauenburg, erklärten, für sie bestehe kein Bedürfnis. Manche der zustimmenden Voten äußerten sich zum Inhalt des geplanten Gesetzes27• Auf Ablehnung stieß das Projekt nur bei den Regierungen Preußens und Wiirttembergs28• Das Berliner Handelsministerium begnügte sich mit einem Verweis auf das Votum des Bundesratsausschusses vom 24. Dezember 1871; aus diesen Gründen werde "auch jetzt der Erlaß eines sogenannten Markenschutzgesetzes nicht in Aussicht genommen werden können", neue "Momente von Bedeutung" seien im Beschluß des Reichstages nicht enthalten. Eingabe Farina v. 25. VI. 1873, ZStA I RKA 465. Schreiben der Fa. Wild und Wessel, Berlin, v. 11. VI.1873; ebenda. 24 RT Sten. Ber. 1873 S. 762- 766 (20. Mai 1873). 25 BR Sess. 1873 (§ 311, 25. V. 1873). 26 Als erstes Votum ging jenes von Lübeck im Juli, als letztes jenes von Württemberg im Dezember ein. Diese Gutachten sind meist sehr kurz gehalten, allein jene Bayerns und Württembergs bilden eine Ausnahme. Die Stellungnahmen sind zusammengefaßt in ZStA I RKA 468. 27 So hält etwa der Bremer Senat eine Ausdehnung des § 287 StGB auf Warenzeichen für genügend und verweist auf das Beispiel Englands, das ohne Registrierung auskomme. Bayern und Sachsen betonen demgegenüber die Notwendigkeit auch des zivilrechtliehen Schutzes und verweisen auf die eigenen Gesetze oder die Vorschläge des Handelstags. 2s Votum des pr. HaM v. 12. VI. 1873, der wü. Reg. v. 2. XII. 73 nebst Bericht der Zentralstelle für Handel und Gewerbe. 22
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11. Kap.: Reichsgesetze von 1874 und 1894
Die württembergische Stellungnahme verdient besondere Erwähnung, weil sie das Bedürfnis eines gesetzlichen Schutzes der Fabrik- und Warenzeichen rundweg verneint; es handle sich hierbei um nichts anderes als um einen "erweiterten Firmenschutz", und eine solche Erweiterung des Firmenschutzes sei nicht zu rechtfertigen: "Die Freiheit des Handelsverkehrs ist nothwendig und erste Bedingung für die Entwicklung der Industrie und darf nur insoweit beschränkt werden, als die Interessen der Staatsangehörigen nothwendig erfordern. Ihre Beschränkung zu Gunsten der Sonderinteressen Einzelner ist auszuschließen. Von diesem Gesichtspunkt rechtfertigt sich der Schutz des Namens oder der Firma des Geschäftsmannes, weil nur in diesem Falle der Eingriff in die Rechtssphäre eines Dritten stattfindet, nicht aber der Schutz beliebiger Zeichen auf Waaren oder Fabrikaten, zu deren Schutz nicht das geringste Motiv vorliegt." Neben das grundsätzliche Argument stellte die Stuttgarter Regierung eine Reihe praktischer Erwägungen; dabei stützte sie sich vor allem auf ein Gutachten der kgl. Zentralstelle für Handel und Gewerbe, die ihrerseits auf ein angebliches Votum der Handelskammer Hagen29 verwies; diese habe auf die Belästigungen und Schwierigkeiten aufmerksam gemacht und die Ansicht geäußert, "daß Ausschließlichkeitsrechte auf den Gebrauch einzelner Fabrikzeichen nicht mehr zeitgemäß und dem allgemeinen Wohl ersprieslich seien". Bedenkt man die oben erwähnte Kampagne des Handelstages und vieler Handelskammern, so wird deutlich, daß die Ablehnung des Markenschutzes um diese Zeit bereits einer Außenseiterposition entsprach. Die zurückhaltende Reaktion des preußischen Handelsministeriums mag bereits als Indiz dafür gelten, daß es seine abwehrende Haltung zu revidieren begann. Auch die württembergische Regierung trug ein knappes Jahr später30 bei Wahrung ihrer Ansicht keine Bedenken mehr, sich der Mehrheit anzuschließen. Obgleich ausdrückliche Hinweise nicht zu finden sind, scheint der konjunkturelle Umschwung seit dem Jahresende 1873 den Erlaß des Markenschutzgesetzes beschleunigt zu haben. Die sogenannte Gründerkrise hat mit den allgemeinen handelspolitischen Grundsätzen auch die Einstellung zum gesetzlichen Ausbau der gewerblichen Schutzrechte beeinflußt31 • Da man Erfindungs-, Muster- und Markenschutz um diese 29 Worauf die Zentralstelle Bezug nimmt, ist nicht deutlich; möglicherweise handelt es sich um ein älteres Gutachten der Haka Hagen. Diese war nämlich um diese Zeit gewiß anderer Ansicht: in einer Petition an Delbrück v. 13. Juni 1873 befürwortete sie nachdrücklich den Reichstagsbeschluß v. 20. V. 73; ZStA I RKA 465. 30 Reg. Wü an RKA v. 19. IX. 1874; ZStA I RKA 468. 31 Für den Erfindungsschutz vgl. zuletzt Heggen, Erfindungsschutz S. 125 ff.; für den Musterschutz vorerst Wadte, Abrundung.
§ 31.
Markenschutzgesetz 1874
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Zeit zumeist unter dem Begrüf des "industriellen Eigentums" zusammenführtesz, dürfte auch der Durchbruch zum Markenschutzgesetz von dieser gewandelten Zeitströmung getragen worden sein. Freilich darf man nicht übersehen, daß es Delbrück und seine Mitarbeiter waren, welche die Arbeit des Reichsgesetzgebers vorbereiteten und steuerten33• § 31. Das Markenschutzgesetz (1874)
Im Frühjahr 1874 behandelte der Reichstag noch einmal die Frage des Markenschutzes, als eine entsprechende Petition der Firma A. W. Faber, Stein bei Nürnberg, einging; das Plenum konnte zur Tagesordnung übergehen, nachdem der Kaiserliche Regierungsrat Nieherding am 4. März 1874 vor dem Petitionsausschuß berichtet hattet, die erbetenen Äußerungen der Bundesregierungen lägen erst seit kurzem vor, man sei "beschäftigt, das darin betuhende Material zu sichten, und ist bei dem Versuche, daraus Vorschläge für eine Gesetzgebung auf diesem Gebiete zu formieren".
Es ist dies der erste Hinweis auf die redaktionelle Vorbereitung des Markenschutzgesetzes. Die Ausarbeitung des Entwurfes, die in den Händen Nieherdings lag, war Ende April abgeschlossen. Delbrück ließ diesen Entwurf verbunden mit einer nicht allzu ausführlichen Begründung allen Bundesregierungen "zur gefälligen Prüfung" vorlegen2 • Der Entwurf regelte in den §§ 1 - 5 die materiellen und formellen Voraussetzungen des Schutzes von Fabrikzeichen, in den §§ 6-8 die Rechte, die sich aus der Eintragung ergeben und in den §§ 9-14 die Folgen etwaiger Verletzungen; die §§ 15 und 16 betreffen den Schutz ausländischer Zeichen und die Überleitung. Die Möglichkeit, ein ausschließliches Recht an einem oder mehreren "Waarenzeichen" für bestimmte Warengattungen (§§ 1, 2) zu erwerben, war in subjektiver und formeller Hinsicht mit dem Handelsregister verkoppelt; einerseits sollten nur die im Handelsregister eingetragenen Gewerbetreibenden das Recht erwerben können (§ 1), andererseits sollte die Anmeldung beim Handelsgericht und die Eintragung in eine besondere Abteilung des Handelsregisters stattfinden (§§ 1, 4). Diese "Lokalisirung der Eintragungen" auszugleichen, war Aufgabe der Publikation der Eintragung in einem einzigen Zentralorgan. Auf diese Weise wollte der Entwurf den 32
Vgl. unten § 37 II.
aa Vgl. § 31 Anm. 1.
t RT 1874 Anlage Nr. 60 (S. 235 f.). Rudolf Nieherding (1838 - 1912) seit 1866 als Hilfsarbeiter im pr. HaM, 1872 Eintritt ins RKA, dort ein Hauptmitarbeiter Dellbrücks, 1890 Direktor der Centralabteilung im RAinn, 1893 - 1909 Staatssekretär de s RJA; vgl. Morsey, Reichsverwaltung, bes. S. 218, 266. 2 Zirkular des RKA v . 5. V. 1874; ZStA I RKA 468. Vgl. Anhang IX.
250
11. Kap.: Reichsgesetze von 1874 und 1894
gegen eine Zentralisierung erhobenen Bedenken begegnen. Als Konsequenz der dezentralisierten Eintragung erscheint § 5, welcher dem sogenannten Anmeldesystem entsprechend den Erwerb des ausschließlichen Rechts am eingetragenen Zeichen von der Priorität der Anmeldung abhängig macht. Noch eine letzte Besonderheit sei hervorgehoben: die an § 287 angelehnte Strafbestimmung (§ 10) ist um die Aufnahme der Entschädigungspflicht bereichert (§§ 9, 10), an deren Stelle eine Geldbuße treten konnte (§ 11). In ihren Antworten beschränkte sich die Mehrzahl der Bundesstaaten darauf, dem Entwurf ausdrücklich zuzustimmen oder jedenfalls kein Bedenken gegen ihn vorzutragen. Einige Voten griffen zusätzlich einzelne Fragen heraus, die ihrer Ansicht nach anders zu behandeln waren3 • Am weitesten ging die bayerische Regierung~. Sie vermißte vor allem eine ausdrückliche Formulierung des Rechtes auf ausschließlichen Gebrauch und forderte eine Ausdehnung des Schutzes auf die Bezeichnung mit Namen oder Firma, um diese auch zivilrechtlich zu sichern; auch der Schutz älterer Zeichenrechte sollte erweitert werden: als landesgesetzlich geschützt im Sinne des neuen Gesetzes sollten alle Zeichen gelten, welche zur Zeit der Einführung des Strafgesetzbuches in einem Bundesstaat geschützt worden seien und sich gegenwärtig noch in Anwendung befänden. Daß damit vorwiegend die Interessen bayerischer Gewerbetreibender gewahrt werden sollten, liegt auf der Hand: die bayerische Verordnung vom 21. Dezember 1862 war durch das Strafgesetzbuch. außer Kraft gesetzt worden. Das Münchner Gutachten, das noch eine Reihe weiterer Änderungswünsche enthält, schließt mit der 3 So beanstandete Lii.beck die Höhe der Gebühr (§ 4 E Mai 74), Hamburg trug Bedenken gegen die Beschränkung auf bestimmte Warengattungen (§ 2 E Mai 74) und gegen die Umschreibung der Schutzfähigkeit (§ 3 E Mai 74). Sachsen-Attenburg monierte die "Straferhöhung", die in einem möglichen Zusammentreffen der Entschädigung mit der Vernichtung falsch bezeichneter Waren (zu § 11 E Mai 74) liege; Sachsen-Weimar wollte geregelt wissen, wie bei einer Geschäfts-Verlegung zu verfahren sei (zu §§ 5/6 E Mai 74) und hielt außerdem das Recht zur Veröffentlichung (§ 12 E Mai 74) im Zivilprozeß für unangebracht; diesen Punkt griff auch Schwarzburg-Rudolstadt auf, das außerdem die Entschädigungspflicht in Analogie zu Art. 25 und 46 ADHGB schon bei fahrlässiger Unkenntnis eintreten lassen wollte. Wii.rttemberg meinte, seine im Vorjahr mitgeteilte Ansicht nicht aufgeben zu können, hatte indes keine Bedenken, wenn die Mehrheit der Bundesregierungen dem Entwurf zustimmen sollte; außer einigen Modifikationen von mehr untergeordneter Bedeutung regte es an, auch die Bezeichnung der Ware mit der Firma in das Gesetz einzubeziehen, da § 287 nicht ausreiche. Badens Wünsche betrafen mehrere Randkorrekturen. Sämtliche Voten in ZStA I RKA 468. ~ Sie ließ das Votum durch eine Kommission ausarbeiten, der je zwei Vertreter der beteiligten Ministerien angehörten; sie tagte am 1., 2. und 6. VI. 1874. Große Teile der Beratungsprotokolle gingen wörtlich in die Antwort an das RKA ein ; vgl. HStA Mn AIIStA MH 14467 und 14472.
§
31. Markenschutzgesetz 1874
251
- sicher nicht ironisch gemeinten - Feststellung, im übrigen sei man mit dem Entwurf vollkommen einverstanden. Das preußische Justizministeriums wollte sich zur grundsätzlichen Frage, ob der Schutz gern. § 287 genüge oder nicht, nicht äußern; dies sei in erster Linie Sache des Handelsministeriums. Im übrigen bestünden gegen den Entwurf aber "sehr zahlreiche Bedenken und Zweifel"; da keine Motive vorlägen und das Begleitschreiben des Reichskanzleramtes sich auf "die Andeutung einiger prinzipieller Gesichtspunkte" beschränke, könne man noch keine vollständige Äußerung abgeben, sondern müsse sich auf die wichtigsten Bedenken gegen den Entwurf beschränken. Vor allem wurde sodann bemängelt, daß man § 287 StGB neben dem neuen Gesetz nicht aufrechterhalten könne; der Schutz der Bezeichnung mit Firmen oder Namen müsse vielmehr in den zivil- und strafrechtlichen Folgen des rechtswidrigen Gebrauchs gleichgestellt werden. Außerdem kritisiert das Ministerium die Gestalt der Entschädigungspflicht und andere Rechtsfolgen der Zeichenverletzung. Das Gutachten schließt mit der Feststellung, daß eine nähere Motivierung des Entwurfes dringend notwendig wäre; am besten sei es freilich, das Projekt durch eine Kommission des Reichskanzleramtes, des Handels- und des Justizministeriums beraten zu lassen. Das Handelsministerium hatte mittlerweile den Entwurf an mehrere preußische Handelskammern weitergeleitet6 • In den zum Teil recht umfänglichen Antworten wurde der Plan eines Markenschutzgesetzes nahezu einhellig begrüßt. Die vielen Abänderungsvorschläge zu manchen zentralen Fragen stimmten auffallend miteinander überein. Besonderer Wert wurde vor allem auf eine Zentralbehörde und ein einziges Zeichenregister gelegt. Die vom Justizministerium angeregte Kommission hatte Gelegenheit, auf diese Vorschläge einzugehen; sie arbeitete unter dem Vorsitz Nieherdings den Entwurf um. In einem zentralen Punkt, dem Verzicht auf eine Zentralbehörde, fand die Kommission Sukkurs beim Kuratorium des Reichsanzeigers7 • Im September schließlich waren die Beratungen abgeschlossen und bereits am 16. Oktober wurde die Vorlage an die zuständigen Ausschüsse des Bundesrates überwiesen8 • Vorlage zum StaatsM v.30. VI. 1874; ZStA II Rep. 120 D II 233 (6). Ebenda das Rundschreiben v. 8. VI. 1874 und die Antworten. 7 Gutachten des "Curatoriums des Deutschen Reichs- und Königlich Preußischen Staats-Anzeigers" v. 26. VIII. 1874; ZStA I RKA 466. s Vorlage "an des Kaisers und Königs Majestät" v. 30. IX. 1874; Antwort (aus Baden-Baden) v. 5. X. 1874; wie Anm. 7. BR Sess. 1874 § 366 (14. X. 1874); Drucks. 117 (Entwurf mit Motiven). 5
&
11. Kap.: Reichsgesetze von 1874 und 1894
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In den neuen Entwurf waren viele der Anregungen eingearbeitet, so namentlich die Aufnahme der nominativen Marke. Unbeachtet blieben alle Wünsche nach einer Zentralbehörde und die Ausdehnung des Schutzes auf die schon beim Inkrafttreten des Strafgesetzbuches geschützten Zeichen. Einige Bestimmungen des ersten Entwurfes vom Mai 1874 ließ man fallen, zahlreiche kleinere Modifikationen und Umstellungen gaben dem Entwurf im ganzen einen neuen Zuschnitt. Da Delbrück den Referenten der vereinigten Ausschüsse für Handel und Gewerbe und Justizwesen, den bayerischen Ministerialrat von Riedel, um Beschleunigung ersuchte', lagen die Beratungsergebnisse schon am 24. Oktober vor10• Die Anträge der Ausschüsse waren vorwiegend redaktionellen Inhalts. Bedeutsam ist allenfalls, daß man den Landesgesetzgebern die Möglichkeit einräumte, die Inhaber älterer Zeichen von der Eintragungsgebühr zu befreien und daß man als Termin für das Inkrafttreten den 1. Mai 1875 vorsah. Das Plenum beriet am 28. Oktober11 • In der Sitzung, an der auch Nieherding teilnahm, referierte von Riedel. Die Anträge der Ausschüsse wurden gebilligt; abgewiesen wurden hingegen zwei weitere, in der Sitzung gestellte Anträge, die auf die Zulassung des Schutzes von Buchstabenzeichen und eine Höchststrafe von 1000 Mark abzielten12• Angenommen wurden indes auf Antrag des bayerischen Bevollmächtigten die Erweiterung der Einführungsbestimmungen um einen zweiten Absatz, wonach Warenbezeichnungen, die nach der bayerischen Verordnung vom 21. Dezember 1862 eingetragen worden waren, landesgesetzlich geschützten Warenzeichen gleichzuachten seien13• Am 29. Oktober legte Bismarck dem Reichstag den solchermaßen ergänzten Entwurf vor. In der ersten Lesung14 begründete Nieherding als Kommissar des Bundesrats die Vorlage. Man stimmte ihr allgemein zu. Man nannte sie "ein dringendes Bedürfnis", einen "Schlag gegen das Fälscherwesen" 15• Zugleich zeichnete sich aber auch schon in dieser 9
Dies berichtet von Riedel am 23. X. nach München HStA Mn AllStA MH
14472.
BR Sess. 1874 Drucks. 135. u BR Sess. 1874 Prot. § 419 (20. X. 1874). 12 Der Antrag, Buchstaben-Zeichen zuzulassen, war von dem Lübecker Minister-Residenten Dr. Krüger, der Antrag auf Erhöhung der Strafe vom sächsischen Bevollmächtigten gestellt worden. ts Von Riedel hatte in seinem kurz vor der Entscheidung im Bundesrat erstatteten Bericht um nähere Instruktion gebeten. Diese wurde durch die drei in München verbliebenen Kommissionsmitglieder erarbeitet, ging aber erst nach dem 28. X. nach Berlin ab; Beleg wie Anm. 9. 14 Zum Folgenden vgl. RT Sten. Ber. 1874 I S. 32 ff., 79 ff., 98 ff., 127 ff., 175; Anlagen II Nr. 20, 32, 35, 38, 44, 47. 15 So die Abgeordneten Dr. Grimm und Dr. Reichensperger, welche die Aussprache eröffneten. · 10
§ 31.
Markenschutzgesetz 1874
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Beratung deutlich ab, daß gegen einzelne Bestimmungen erhebliche Vorbehalte bestanden. Trotzdem verzichtete man darauf, den Entwurf an eine Kommission zu überweisen. Der zweiten Lesung lagen mehrere Abänderungsanträge zugrunde, und noch in der letzten Lesung wurden neue Anträge eingebracht. Diese Änderungswünsche bezogen sich im wesentlichen auf fünf Problemkreise. (1) Der Mannheimer Rechtsanwalt Dr. Grimm16 und einige andere Abgeordnete wollten auch solche Zeichen für eintragungsfähig erklären, die ausschließlich in Zahlen oder Buchstaben bestanden; außerdem sollten alle Zeichen, die bis zum Jahresende im Verkehr allgemein als Kennzeichen eines bestimmten Gewerbetreibenden gegolten haben, den landesgesetzlich geschützten älteren Zeichen gleichstehen. Beide Anträge lösten eine längere Diskussion aus. Zunächst wurde nur der zweite Vorschlag angenommen, der erste jedoch abgelehnt. Erst in dritter Lesung, als der Abgeordnete Kisker17 den Antrag erneuerte, konnte auch diese Erweiterung durchgesetzt werden.
(2) Kisker war es auch, der im Interesse der Bielefelder Leinenfabrikanten, die herkömmlicherweise alle das Zeichen "Flachsblume" führten, die Eintragung von Kollektivzeichen ermöglichen wollte. Sein Verlangen, das früher bereits die Bielefelder Handelskammer an das preußische Ministerium herangetragen hatte18, fand indes keine Zustimmung. (3) Ein weiterer in der Diskussion behandelter Punkt befaßte sich mit der Veröffentlichung der Registereintragung. MiqueP9 konnte durchsetzen, daß der Reichsanzeiger als Publikationsorgan in das Gesetz aufgenommen wurde, eine Formulierung übrigens, die im ersten Entwurf des Reichskanzleramtes enthalten, auf Anregung Bayerns aber wieder gestrichen worden war. Ein anderer Vorstoß20, der auf eine Dezentralisierung auch der Zeichenpublikation abzielte, wurde abgelehnt. (4) Heftig umstritten sowohl in der zweiten wie in der dritten Lesung war die Frage, ob eine Strafverfolgung nur auf Antrag erfolgen sollte oder nicht. Die Befürworter stellten den Charakter des Markenrechts als eines "reinen Privatrechts" heraus, während die - schließlich erfolg16 Dr. Karl Grimm, zu dieser Zeit Rechtsanwalt in Mannheim, Nationalliberale Partei; wohl mit dem von Kohler (Markenschutz S. 511 Anm.) apostrophierten Mannheimer Anwalt identisch. 17 Julius Kisker, FortschrittsparteL 18 Vgl. die Stellungnahme der Bietefelder Kammer v. 21. VII. 1874; ZStA li Rep. 120 D II 233 (6). 19 Dr. Johannes Miquel, Nationalliberale Partei. 20 Dieser Antrag war von dem Abg. Dr. Oppenheim und anderen Abg. eingebracht worden; Oppenheim war Mitglied der Nationalliberalen Partei.
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Reichsgesetze von 1874 und 1894
losen - Gegner die Bedeutung der öffentlichen Interessen, des Publikumsschutzes, hervorkehrten. (5) Eine grundsätzliche Ergänzung erzielten die Abgeordneten Bähr, Grimm und Struckmann21 • Auf ihren Antrag hin wurde der § 13 des späteren Markenschutzgesetzes eingeschoben, der den "klaren Ausspruch" enthielt, "daß eine zivilrechtliche Klage auch auf die ausschließliche Berechtigung, ein Warenzeichen zu benutzen, zusteht"22• In der Betonung der zivilrechtliehen als des "ersten und wichtigsten Schutzes" fand Bähr die Unterstützung Georg Beselers, des Berliner Rechtsgermanisten23• Beseler hielt es für konsequent, "ein ganz neues Rechtsprinzip, ja eine neue Rechtsinstitution", die man "in unser gemeines Recht" einführen wolle, auch "prinzipiell auszudrücken"; im übrigen verwies er auf Art. 27 ADHGB, der anscheinend weiter gehe als der Entwurf, der zweifelhaft lasse, ob die Entschädigung sich nicht bloß auf das Kriminalverfahren beziehe24• Die Endabstimmung fand am 17. November statt: das neue Gesetz fand eine "sehr große Mehrheit". Drei Tage später erteilte auch der Bundesrat dem Gesetz in der abgeänderten Fassung seine Zustimmung00. Am 30. November wurde es vom Kaiser vollzogen und sodann im Reichsgesetzblatt veröffentlicht26• § 32. Zum Vollzug des Markenschutzgesetzes Der Bundesrat erließ am 8. Februar 1875 eine Verordnung zur Ausführung· des neuen Gesetzes1• Sie wurde in den einzelnen Ländern bekanntgemacht und um weitere Bestimmungen, insbesondere über die Anlegung und Führung der Zeichenregister ergänzt2 • Die Möglichkeit, älteren im Verkehr allgemein anerkannten Zeichen Gebührenfreiheit einzuräumen, nutzten nur wenige der deutschen Re!1 Otto Bähr, später Reichsgerichtsrat, Nationalliberale Partei; Gustav Struckmann, Nationalliberale Partei. 22 SoBähr. 2s Georg von Beseler, Prof. in Berlin, Nationalliberale Partei, später fraktionslos. 24 Die weiteren Einzelheiten der Diskussion können hier nicht ausgearbeitet werden, auf sie wird, soweit erforderlich, später im systematischen Zusammenhang zurückzukommen sein. 25 BR Sess. 1874 § 490 (20. XI. 1874). 26 ReichsgesBl. 1874 S. 143. 1 Bekanntmachung der "Bestimmungen zur Ausführung des Gesetzes über den Markenschutz v. 30. XI.1874" v. 8. II. 1875; ZentralBI. f. d. Deutsche Reich III (1875) S. 123 f. ll' Der Erlaß solcher Verordnungen war notwendig, da das Markenregister mit dem Firmenregister verbunden und dieses seinerseits durch die Länder zu vollziehen war.
§ 32.
Vollzug des Markenschutzgesetzes
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gierungen. Bayern machte von ihr Gebrauch, um die bis 1871 nach heimischem Recht geschützten Marken zu begünstigen3 • Preußen dagegen, dessen Zeichenrecht in den westlichen Provinzen als partikuläre Regelung bis 1874 fortgegolten hatte, verzichtete auf den Vorteil der Gebührenfreiheit. Es fehlte allerdings nicht an Stimmen, die anderer Ansicht waren4 • Daraufhin trat das Handelsministerium für einen entsprechenden Erlaß ein5 ; es gewann das Wohlwollen des Justizministers, der seinerseits wiederholt um die Möglichkeit der Kostenbefreiung angegangen worden war6 • Das Finanzministerium indes widersetzte sich diesen Plänen, da es sich nur um vereinzelte Anträge handle und eine Befreiung nur den größeren Betrieben zugute komme7 • Die Verhandlungen unter den Ministerien zogen sich in die Länge, und schließlich verzichtete der Handelsminister, da die gesetzliche Frist zur Anmeldung älterer Zeichen (§ 9 MSchG) "schon weit verstrichen" war8. Ein zweites Problem war ebenfalls mit der Aufnahme der älteren im Verkehr anerkannten Zeichen verknüpft. Die bereits erwähnte Eingabe aus Schmalkalden, dessen Interessen unter anderem den Reichstagsbeschluß zu § 3 motiviert hatten9 , bat darum, Grundsätze aufzustellen, nach welchen der Beweis der Ve1·kehrsgeltung erbracht werden sollte. Später wurden auch von anderer Seite Stimmen laut, die über die unterschiedliche Praxis der zu Gutachten herangezogenen Handelskammem klagten. In ihrem Jahresbericht für 1876 rügte zum Beispiel die Leipziger Kammer10, daß die Zeugnisse über die Verkehrsgeltung oft zu schnell ausgestellt würden; es sei bekannt, daß die Namen der berühmtesten englischen Maschinengamfabrikanten von deutschen 3 Vgl. die VO v. 1. IV. 1875. -Die bayerische VO v. 21. Dezember 1862 war mit ihrer Rechtsgrundlage, dem Art. 336 StGB, durch das Reichsstrafgesetzbuch aufgehoben worden; die bayerischen Marken konnten infolgedessen nicht mehr als landesgesetzlich geschützte, sondern allenfalls als "verkehrsübliche" Marken gelten. 4 Schon Ende März erreichte das HaM eine Vorstellung des Gewerbevereins Schmalkalden, aus welcher hervorgeht, daß es neben dem landesgesetzlich geschützten Schmalkaider Zeichen zahlreiche Marken von Firmen gab, die nicht von der GewO von 1827 erfaßt worden waren. Auch diese allgemein anerkannten Marken sollten kostenfrei eingetragen werden können. - Einen entsprechenden Antrag stellte die Kgl. Porzellanmanufaktur Berlin. Vorstellung des Gewerbevereins Schmalkaiden v. 28. III. 1875; Eingabe der Kgl. Porzellanmanufaktur v. April1875. Hierzu und zum Folgenden ZStA II Rep. 120 D II 233 (6) und 233 (7). 5 Note an JusM v. 12. IV. 1875. u So etwa der Generalprokurator Köln, das Appellationsgericht Frankfurt und der Burtscheider Nadelfabrikant Pastor. 7 Zum Notenwechsel zwischen HaM, FinM und JusM vgl. ZStA II Rep. 120 D II 233 (7). s HaM an FinM v. 6. IX. 1875, ebenda. 9 Vgl. die Rede des Abg. Harnier im Reichstag. 1o ZStA I RAinn 7472.
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Herstellern nachgemacht würden, zum Teil sogar die Marken von drei oder vier englischen Firmen nebeneinander; an solchen Zeichen, die von vornherein einen englischen Ursprung der Ware vortäuschen sollten, könnten wohlerworbene Rechte nicht begründet werden, auch wenn die Marken innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte in den Verkehr gebracht worden seien. Das Reichskanzleramt war zuvor schon durch das Außenressort über das Aufsehen unterrichtet worden, das ein vom Reichsoberhandelsgericht entschiedener Rechtsstreit in England erregt hatte11 • Es suchte nun den Klagen dadurch zu steuern, daß es die Bundesregierungen veranlaßte, für eine vorsichtigere Gutachtenpraxis der Handelskammern zu sorgen12• In diesem Rundschreiben heißt es u. a., Nachahmungen fremder, besonders ausländischer Zeichen hätten schon vor dem Erlaß des Gesetzes einer "inneren Berechtigung" entbehrt; das Bestreben, nun durch Deposition den Schutz des Gesetzes zu erwerben, beruhe "theils auf einer Mißdeutung der Absicht des Gesetzes, theils auf Unredlichkeit", man müsse ihm "im Interesse unserer Industrie und des Ansehens unseres Handels" entgegentreten. Mutet schon dieser Rundbrief wie der Versuch an, eine unklare Stelle des Markenschutzgesetzes nachzubessern, so vermittelt eine andere Maßnahme des Reichskanzleramtes diesen Eindruck noch stärker: es bot seine Hilfe zur Herausgabe einer Obersicht der angemeldeten Zeichen13• Der Mangel eines zentralen Registers war insbesondere im rheinischwestfälischen Industrierevier auf lebhafte Kritik gestoßen. Daraufhin gab der Berliner Verleger M. W. Lasally 1875 im Einvernehmen mit dem Reichsanzeiger eine nach Warengattungen geordnete Zusammenstellung der publizierten Zeichen heraus14• Da dieses Werk offenbar nicht den erwarteten finanziellen Ertrag einbrachte, wandte sich Lassally an den Bundesrat und bat um Empfehlung; er hatte keinen Erfolg16 und mußte von der geplanten Fortsetzung seines Registers ablassen. 11 Vgl. ROHGE 20, 353. In diesem Verfahren war die englische Finna Ainsworth, die in Harnburg eine Niederlage unterhielt, gegen ihre Konkurrentin, die Fa. Knapp, Pfullingen, unterlegen; anschließend hatte sie die deutsche Rechtsprechung in England angeprangert in einer eigenen Druckschrift unter dem Titel "Trade Mark Law in Germany". Zum Ganzen ZStA IRJA2360. 12 Rundschreiben an alle Bundesregierungen v. 3. IV. 1878; ZStA I RAinn 7472. Der entsprechende Erlaß des pr. HaM in Pr. HA 1878 II S. 449 f. 1s Zum Folgenden vor allem ZStA I RAinn 7487. 14 M. W. Lasally, Der Markenschutz, Allgemeines Zeichenregister für das Deutsche Reich, Berlin 1875. 15 BR Sess. 1877 Prot. § 326 und Sess. 1878 Prot. § 399.
§ 32.
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1885 ergriff das Handelsministerium auf Anregung der Handelskammer Barmen die Initiative zur Herausgabe einer neuen "übersichtlichen Nachweisung mit Angabe der Geschäftszweige". Man trat an das Büro des Reichsanzeigers heran; dieses mußte aber antworten, es lasse sich kein Verleger finden. Daraufhin handelte das Reichsamt des Innem111 auf eigene Rechnung. Durch eine Umfrage bei allen Handelskammern ließ es die Regierungen feststellen, ob ein solches Verzeichnis subskribiert werden würde. Das Resultat war mager. Die zugesagte Abnahme von 140 Exemplaren lag unter der erforderlichen Richtzahl von 200 Stück. Erst nachdem eine zweite Umfrage ein besseres Ergebnis erbracht hatte, entschloß man sich 1887, der Berliner Buchdruckerei P. Stankiewicz den Druckauftrag zu erteilen. Die auf drei Bände angelegte "Nachweisung der im Deutschen Reich gesetzlich geschützten Waarenzeichen, herausgegeben im Auftrag des Reichsamts des Innem, zusammengestellt nach den amtlichen Veröffentlichungen des Reichsanzeigers" war indes wiederum ein Mißerfolg. Der Staatssekretär des Reichsamtes, von Boetticher, erklärte am 30. November 1888 vor dem Reichstag17, man sei "auf dem Markenregister sitzen geblieben, das so dringend gefordert worden war". Trotz des geringen Absatzes hat das Register den Interessenten doch wertvolle Dienste geleistet. Wer ein neues Zeichen anmelden wollte, brauchte die "Nachweisung" ja nicht zu kaufen, um sie zu benutzen; es genügte, daß sie überhaupt zugänglich war. Als 1894 das Patentamt die zentrale Zeichenrolle anlegte, bot die gedruckte Übersicht wertvolle Hilfen bei der Umschreibung älterer Marken. Die Industrie machte von den Möglichkeiten, welche ihr der Markenschutz einräumte, zunächst nur zögernd Gebrauch. Joseph Landgraf, einer der rührigsten Befürworter des gewerblichen Rechtsschutzes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zog im August 1875 eine erste Bilanz18• Er stellte fest, daß das Gesetz besonders in Süddeutschland eine geringe Resonanz gefunden habe; vor allem in Württemberg, Bayern und Elsaß-Lothringen seien unerwartet wenige Marken in den ersten drei Monaten nach dem lokrafttreten des Gesetzes angemeldet worden. 16 Das RAinn wurde 1880 eingerichtet; vgl. Facius, Wirtschaft und Staat S. 65. Seine Akten reichen in die voraufgehende Zeit zurück. 17 RT Sten. Ber. 1888 S. 81 (Sitzung v. 30. XI. 1888). 18 Deutsches Handelsblatt v. 5. 8. 75 (S. 167 ff.); Bayerische Handelszeitung v. 12. 8. 75. - Landgraf veröffentlichte 1875 als Dozent der Volkswirtschaftslehre einen der ersten Kommentare zum Markenschutzgesetz (vgl. Lit.-Verz.). Seine weitere Tätigkeit als Syndikus der Mannheimer Handelskammer und Sekretär des Marken- und Musterschutzvereins deutscher Tabakfabrikanten wird im folgenden noch zu erwähnen sein.
17 Wadle
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Bis zum Jahresende 1875 wuchs die Zahl der Anmeldungen freilich nicht unerheblich. Die Handelskammer Leipzig stellte fest1 9 , daß bis einschließlich Dezember 1875 insgesamt 4523 Marken von 1835 Finnen angemeldet worden seien, darunter 810 Zeichen von 321 ausländischen Häusem. Im Vergleich zur Zahl der Fabrikanten waren diese Zahlen nach Ansicht der Leipziger Kammer gleichwohl "sehr niedrig"; das sei auch nicht anders zu erwarten gewesen, da in vielen Fällen die Firmenangabe genüge, oft auch kein Interesse an einer Kennzeichnung geringerwertiger Waren bestehe20 •
§ 33. Die Kritik des Markenschutzgesetzes Als in den folgenden Jahren das Interesse an Markenschutz und Markenrecht stärker wuchst, nahm auch die Zahl der Prozesse zu, die bis zum Reichsoberhandelsgericht und- seit 1877- zum Reichsgericht gelangten. Dies wiederum steigerte das Interesse der Jurisprudenz, die sich dem neuen Reichsgesetz zuzuwenden begann2 • Die Fülle der Rechtsprobleme, Streitfälle und Interessenkonflikte schärfte den Blick für die Mängel des Gesetzes und ließ schon bald den Ruf nach einer Novellierung laut werden. In den ersten Monaten und Jahren freilich überwogen noch die
Bitten um Auskunft, die kritischen Berichte und Petitionen einzelner Handelskammem und Fabrikanten.
So verlangte die Handelskammer Nordhausen3 nähere Aufklärung über einige Unklarheiten, u. a. über die Freizeicheneigenschaft von Tabaketiketten und die Veröffentlichung solcher Etiketten im Reichsanzeiger. Die Handelskammer Lüdenscheid' führte Klage über den Ausschluß der Nichtkaufleute, der zu einer "unberechtigten Benachtheiligung des kleinen Arbeiters gegenüber der Großindustrie" geführt habe. Die Hannoversche Kammer> bemängelte das Fehlen einer Jahresberichte für 1874 und 1875; nach ZStA I RKA 467. Über die Entwicklung 1875- 1892 informiert eine dem Entwurf 1893/94 beigegebene Statistik; vgl. unten § 34 Arun. 19 u. 21. Die Zahlen für 1875 weichen von jenen der Leipziger Handelskammer ab. 1 Vgl. die Statistik für die Jahre 1875 bis 1892 als Beilage zu BR Sess. 1893 Drucks.114. 2 Vgl. die bereits 1875 erschienenen Kommentare v. Landgraf, Stockheim und Siegfried; später kamen noch hinzu Bearbeitungen von Mewes, BergeT, Finger und Jacobson. Eine gewisse Bedeutung hat unter ihnen allein die Arbeit von Landgraf. - Die erste systematische Darstellung lieferte Endemann, am einflußreichsten war indes das umfassende Werk Kohlers. Vgl. Lit.-Verz. und unten § 37 zu Anm. 55 ff. s Eingabe v. 10. IX. 1875; ZStA II Rep. 120 D II 233 (7). 4 Jahresbericht für 1875; ebenda. 5 Jahresbericht für 1875; ebenda. 19
2o
§ 33.
Kritik des Markenschutzgesetzes
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Zentralbehörde und die unterschiedliche Behandlung der Bekanntgabe im Reichsanzeiger. 36 Fabrikanten aus Bielefeld verlangten Gebührenfreiheit für die "Flachsblume mit Krone", die von etwa 170 Fabrikanten gebraucht werde6. Die Kölner Kammer kritisierte7 das Anmeldesystem überhaupt, das die Eintragung gleicher und kaum unterscheidbarer Zeichen gestatte und die Durchsetzung der im Gesetz gewährten Rechte umständlichen und zeitraubenden Prozessen überlasse. Eine der zahlreichen Eingaben der ersten Jahre verdient besondere Aufmerksamkeit: jene der hundert Fabrikanten und Interessenten aus der Remscheider Stahl- und Eisenindustrie vom 8. Februar 18768• Die an den Reichskanzler gerichtete Petition berichtete zunächst über die Verwirrung, welche das Markenschutzgesetz im bergischen Land ausgelöst hat; es gebe Zeichen, die§ 3 nicht entsprächen, da ihnen die bestimmte Angabe der Warengattung fehle, Zeichen, die, offenbar auf Fälschung berechnet, in der Praxis nicht von alten Zeichen zu unterscheiden seien, und schließlich Marken, die anerkannte Freizeichen seien. Sodann werden Vorschläge zur Ergänzung des Zeichenschutzes "im Geiste der früheren guten preußischen Zeichen-Gesetze" unterbreitet; es sollten insbesondere ein Zeichenrollenamt in Leipzig und regionale Meldeämter eingerichtet werden; die Zeichen sollten durch Sachverständige geprüft, die Anmeldungen nach 10 Jahren erneuert werden; alle Streitfragen sollten nur von den Zeichenbehörden entschieden werden dürfen. Das Reichskanzleramt gab in seiner AntworV' einerseits Übergangsschwierigkeiten zu, die zum Teil durch unberechtigte Spekulation besonders hinsichtlich der Freizeichen entstanden seien, andererseits berief es sich aber auf die Praxis anderer Länder, die alle einen übermäßigen Verwaltungsapparat vermieden hätten. Die "Seele der neueren Bewegung in Remscheid" 10 war Heinrich Baecker, dessen 1876 erschienene Schrift "Zum Zeichenschutze" die Remscheider Eingabe ergänzte und untermauerte. Er schilderte die Entwicklung des bergischen Zeichenrechts, um an diesen Maßstäben das neue Markenschutzgesetz zu messen. Der Vergleich führt ihn zu einem herben Urteil11 : s Eingabe v. 8. V. 1875; ebenda. 7 Jahresbericht für 1875; ZStA I RAinn 7867. s Vorstellung v. 8. II. 1876; ZStA I RKA 467. Die wesentlichen Teile der Eingabe sind abgedruckt bei Stegemann, Materialien S. 31 - 34. Die Handelskammer Iserlohn trat der Vorstellung bei.- In einem zweiten Gesuch vom gleichen Tage hatten sich die Remscheider an das pr. JusM gewandt mit der Bitte um Gebührenerlaß; vgl. auch die Antwort v. 23. III. 1876; ZStA II 120 D li 233 (7). 9
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Schreiben v. 4. III. 1876; ZStA I RKA 467. So Stegemann, Materialien S. 34.
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"Das neue Gesetz hat durch seine Lückenhaftigkeit seinen Zweck verfehlt. Anstatt eine in Rheinland und Westfalen vorhandene, erprobte, gesunde Ordnung auszubilden und für die neuen Verhältnisse passend zu schaffen, hat es dieselbe umgestoßen, ohne einen genügenden Ersatz an seine Stelle zu setzen. Durch seine Lücken schuf es einen Tummelplatz für Advokaten und einen Zustand bisher in Rheinland und Westfalen nicht gekannter Verwirrung im Gebiete des Zeichenwesens, ohne dem Reiche die nothwendige Ordnung zu schaffen." Baeckers Schrift erläutert anschließend die Remscheider Vorschläge, die er zu einem vollständigen Gesetzentwurf zusammenfaßt. Die Arbeit fand zwar einige Beachtung, zu einem baldigen Erfolg führte sie indes ebensowenig wie die Remscheider Petition. Die Kritik am Markenschutzgesetz konzentrierte sich im ersten Jahrzehnt seines Bestehens vor allem auf folgende drei Probleme: den zu engen Kreis der Berechtigten, die Bestimmung der Eintragungsfähigkeit und schließlich das Problem der Freizeichen. Ende der siebziger Jahre suchten einige Bergwerksbetriebe um Abänderung des § 1 MSchG nach12• Das preußische Handelsministerium hielt dies für unangebracht, da es sich in den vorliegenden Fällen nicht um Bergwerksprodukte, sondem Salinen- und Hüttenerzeugnisse handelte, deren Hersteller sich in das Handelsregister eintragen lassen könnten. Eine ähnliche Antwort erging auf die Eingabe einer Versammlung Rüdesheimer "Weinproduzenten" und anderer Weinhändler des Rheingaues13, die sich darüber beschwerten, daß linksrheinische Weine, durch Etiketten als "Rheingauer" ausgewiesen, in den Handel kämen. Der Rat des Ministeriums, "besondere" Etiketten zu wählen, um sich den Schutz des Gesetzes zu sichern, konnte kaum Abhilfe bieten. Denn abgesehen davon, daß es ja gerade auf den im Gesetz nicht gewährten Schutz bekannter Ortsangaben ankam, war ungeklärt, ob und inwiefern Etiketten als Warenzeichen zu betrachten waren. Diese F'rage war schon 1875 zwischen dem mittelrheinischen Fabrikantenverein und einigen Handelskammem streitig gewesen14• Ein anderes Problem wurde 1887 in einer Petition von Nürnberger Fabrikanten aufgeworfen15• Sie waren der Ansicht, daß der Ausschluß von lediglich in Zahlen, Worten oder Buchstaben bestehenden Zeichen u Baecker, Zeichenschutz S. 23. Die Schrift Baeckers lag der Remscheider Eingabe bei. 12 Die Anträge stammen von der Bergwerksgesellschaft Georg Giesche Erben, der Mansfelder Kupferschiefer bauenden Gewerkschaft und der Gewerkschaft der Salzbergwerke Neu-Staßfurt; auch HaM an RKA v. 31. V. 1878; ZStA I RAinn 7472, ZStA II Rep.120 D 233 (8); BR Sess. 1879 Prot. § 149. 1s Vorstellung einer Versammlung Rüdesheimer Weinproduzenten an HaM v. 26. V. 1878 u.a.m.; nach ZStA II Rep. 120 D II 233 (8). 14 Näheres ZStA I RKA 467. 1s Vgl. StA Nü Industrie- und Handelskammer 139.
§ 33.
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(§ 3 Abs. II MSchG) die Wahl komplizierter Marken und Etiketten erzwinge; die Möglichkeit, ein einfaches, beim Publikum leicht einprägsames Zeichen zu finden, sei dadurch genommen.
Die Regelung, welche das Markenschutzgesetz für die Freizeichen getroffen hatte (§ 10 Abs. II), erwies sich schon in den ersten Monaten als problematisch. Das Gesetz verhinderte zwar, daß solche Zeichen gebührenfrei eingetragen werden konnten16 ; es untersagte aber- was viel wichtiger war - die Eintragung selbst nicht. So kam es, daß zahlreiche sogenannte steyerische Sensenzeichen, die im hergiseh-märkischen Industriebezirk als Freizeichen galten, registriert wurden17• Nachdem das Reichsgericht, an welches der Streit schließlich gelangt war18, die Freizeicheneigenschaft bestätigt hatte, bestand in der beteiligten deutschen Industrie kein Interesse mehr daran, diese Auseinandersetzung in die Diskussion um die Reform des Markenschutzgesetzes einzubringen. Anders lagen die Dinge in der Tabakindustrie, dem zweiten Fabrikationszweig, der mit dem Freizeichenproblem befaßt war. Ein Teil der Fabrikanten hatte die seit langem branchenüblichen Vignetten für sich eintragen lassen und einige Jahre später begonnen, den nicht eingetragenen Konkurrenten den Gebrauch dieser Bilder zu verbieten; bei den eingeleiteten Prozessen stellte sich nun heraus, wie schwierig es war, die Freizeichenqualität dieser Vignetten durchzusetzen, insbesondere deshalb, weil die Gerichte sie schon bei Vornahme geringer Modifikationen als schutzfähige Zeichen anerkannten19• Der Konflikt innerhalb der Tabakindustrie hatte weitreichende Konsequenzen, als wichtigste die Gründung des Marken- und Musterschutzvereins Deutscher Tabakindustrieller im Jahre 1884, dessen Agitation unter der Leitung seines rührigen Generalsekretärs Landgraf20 den entscheidenden Anstoß zur Novellierung des Markenschutzgesetzes gab.
1885 forderten die Tabakindustriellen21 , daß der bevorstehende, durch die zehnjährige Frist bedingte Ablauf der Gültigkeitsdauer (§ 5 Vgl. § 7 MSchG. Zum Streit um die Österreichischen Sensenzeichen vgl. auch oben § 28 zu Anm. 9 ff. Im übrigen ZStA II Rep. 120 D II 233 (7). 18 RGZ 24, 74 ff. - Der Prozeß, der von Österreichischen Zeichenanmeldern angestrengt worden war, löste diplomatische Schritte Österreichs aus und wurde auf beiden Seiten von scharfen Polemiken begleitet. Ein Nachhall der Kämpfe durchzieht noch die Darstellung von Brachmann, Sensenschmiede. 19 So der Situationsbericht nach der Eingabe des Vereins der Tabakindustriellen von Rheinland und Westphalen v. 2. IV. 1883; ZStA I RAinn 7472. Vgl. schon Dt. Handelsblatt 1875 S. 350. zo Vgl. oben § 32 Anm.18 Landgraf unterzeichnete die Eingabe v. 5. IV. (vgl. die folgende Anm.) als Generalsekretär. 16
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Ziff. 3 MSchG) der Warenzeichen dazu benutzt werde, neu- und wiederangemeldete Marken wiederum zu veröffentlichen und einem Aufgebotsverfahren zu unterwerfen; bei dieser Gelegenheit sollten sämtliche Zeichen durch die Berufsgenossenschaften auf ihre Freizeichenqualität geprüft und, wenn sie als gültig anerkannt seien, in einem systematisch geordneten Periodikum publiziert werden. Dem Vorschlag des Marken- und Musterschutzvereins stimmten 22 deutsche Handels- und Gewerbekammern und vier gewerbliche Vereine zu; kritisiert wurde er von den Kammern Duisburg, Offenbach und Wiesbaden, Nürnberg und Köln22 • Mittlerweile war bekannt geworden, daß die Handelskammer für Aachen und Burtscheid schon am 26. März 1885 beim Preußischen Handelsministerium eine Enquete über die Reform des Markenschutzgesetzes beantragt hattell:l. Auch in der chemischen Industrie gewann der Markenschutz, nicht zuletzt veranlaßt durch die Initiative der Tabaksfabrikanten, neue Aktualität. Im September 1885 hielt der Nürnberger Nachtlichterfabrikant G. Glafey, dessen Firma jahrzehntelang Erfahrungen mit den Problemen des Markenschutzes gesammelt hatte, einen Vortrag vor dem "Verein zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands"24 • Seine hier geäußerten Vorschläge zur Reform des Markenschutzes faßte Glafey in einer Petition an das Reichsamt des Inneren zusammen25 : er forderte das Aufgebotsverfahren, die Prüfung der Freizeichenqualität und Unterscheidbarkeit neuer Zeichen, eine übersichtliche Veröffentlichung, die Präzisierung der Strafnormen und die Zulässigkeit von Namens- und Firmenzeichen. Glafeys Vorschläge wurden von der Chemischen Industrie übernommen und erweitert. Der Verein hatte zuvor schon die Petition der Tabakindustriellen unterstützt. 1887 und 1888 wandte er sich selbst an Reichskanzler und Bundesrat26 • Er verlangte nun das Aufgebot aller 21 Vorstellung v. 5. IV. 1885 an den RT (als Manuskript gedruckt); vgl. auch HStAMn AllStAMH 14477. 22 Dies geht aus der (ebenfalls gedruckten) Eingabe des Vereins v. 1. VI. 1886 an den Reichskanzler hervor. Die vier erwähnten Vereine sind der "Verein deutscher Hutfabrikanten", der "Verband kameralischer Werke in Deutschland", der "Verband deutscher Chokoladenfabrikanten" und der "Verein zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie". Einzelheiten ZStA I RAinn 7473. 23 Wie Anm. 22. n Der Vortrag ist abgedruckt im Organ des Vereins: "Chemische Industrie" VIII (1885) S. 310 ff. 26 Petition v. 25. XII.1885; ihr lag eine ausführliche "Geschichte des Nachmachens des Zeichens der Firma G. A. Glafey zu Nürnberg 1836 -1885" bei; ZStA I RAinn 7473. 26 Vorstellungen v. 22. X. 1887 und 25. X. 1888; ZStA I RAinn 7474; HStA Mn AllStA MH 14477.
§ 33.
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bestehenden und künftig angemeldeten Marken, ihre Vorprüfung durch einen als Zentralstelle fungierenden Ausschuß am Patentamt, die periodische Publikation geordneter Markenverzeichnisse, eine schärfere Fassung des Begriffs der "Nachahmung", Schutz für Etiketten und Phantasieworte, und ein Verbot trügerischer Warenbezeichnungen. Etwas weniger umfangreich war der Katalog, den die Ulmer Reisstärkefabrik Heinrich Mack im gleichen Jahr dem Bundesrat vorlegte27 • Auch sie forderte, daß der Begriff der Nachahmung präzisiert werde; außerdem verlangte sie Schutz für Wortzeichen, einheitliches Markenregister, strengere Strafen und schließlich die Verfolgbarkeit auch der Lithographen, Drucker und Zeichner. 1887 machte sich der Verein deutscher Nadelfabrikanten die Reformvorschläge zu eigen, welche sein Geschäftsführer R. von der Borgth ausgearbeitet hatte; in einem Referat, das der Verein mit anderen Druckschriften dem Bundesrat übersandte%8, wurden viele der bereits von anderer Seite erhobenen Forderungen wiederholt. Ähnliches gilt für die Beschlüsse einer Reihe von Handelskammern, die, oft in besonderen Voten, ihre Ansichten zur Reform des Markenschutzgesetzes bekanntgaben; es muß hier genügen, die Kammern von Iserlohn, Augsburg, Nürnberg und Bremen besonders zu nennen. Stärkere Beachtung verdienen die Vorschläge der bergischen Handelskammer29. Sie lieferte mit ihren "Materialien zur MarkenschutzGesetzgebung" den vollständigen Entwurf eines neuen Gesetzes. Die Beschlüsse der Kammer waren gründlich vorbereitet worden durch Versammlungen von Fabrikanten und Kaufleuten und durch eine besondere Enquete. Der wirkungsvollste Beitrag stammte indes von dem Sekretär der Handelskammer, Dr. Stegemann, der den Gesetzentwurf ausgearbeitet hatte. Zusätzliche Resonanz verschaffte Stegemann den Wünschen der bergischen Industrie, indem er, wie schon vor ihm Baecker, in einer Broschüre Geschichte und Bedeutung des bergischen Zeichenwesens mit einer Erläuterung der Reformwünsche verband30• In ihrer Bedeutung steht der Schrift Stegemanns- sieht man von dem umfangreichen, in jenen Jahren oft zitierten und gepriesenen Werk Josef Kohlers einmal ab - wohl nur noch jene Darstellung gleich, welche der Reutlinger Rechtsanwalt Otto Hahn "im Auftrage hervorVorstellung v. 15. I. 1887; auch ZStA I RJA 2360. Eingabe v. 28. XI.1887 und 20. XII.1887; ebenda. Auch dieser Verein war, wie v. d. Borgth mitteilte, eigens gegründet worden, um sich mit Fragen des Markenschutzes zu befassen, vgl. Stegemann, Materialien S. 80. Z9 Materialien zur Markenschutzgesetzgebung und "Zusammenstellung der Ergebnisse einer Enquete über die Markenschutzfrage" (beide als Manuskript gedruckt) mit Eingabe v. 13. XII. 1888; ZStA I RAinn 7474. ao Materialien zur Markenschutzgesetzgebung, 1889. 27
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ragender Industrieller" verfaßt hatte31, und die ebenfalls zentrale Reformpläne entwickelte. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Agitation für die Reform durch die Beschlüsse von Mitgliedern des Deutschen Handelstages, die am 29. und 30. April 1889 in Berlin gefaßt wurden und bereits im voraus vom Handelstag bestätigt worden waren32• Nach diesen Empfehlungen sollten angemeldete Marken durch eine aus richterlichen Beamten und Angehörigen der Industrie zusammengesetzte Zentralstelle vorgeprüft und nach einem Aufgebot endgültig beurteilt werden; der Zeichenschutz sollte nicht auf die im Firmenregister Eingetragenen beschränkt bleiben, bereits eingetragene Marken sollten auf ihre Freizeichenqualität geprüft, alle Zeichen sollten in einem amtlichen Markenregister veröffentlicht werden; Phantasieworte sollten zulässig sein, nicht aber fraudulöse Marken; das ausschließliche Benutzungsrecht sollte auf Rechnungen, Fakturen und ähnliches ausgedehnt, die Rücknahme des Strafantrages zulässig, die Erinnerung an den Fristenablauf von Amts wegen geboten sein. Bevor das Reichsamt und der Bundesrat auf die Vorschläge reagierten, gingen noch einige weitere Stellungnahmen ein, zumeist solche von Handelskammern33• Mit diesem vielfältigen Rufen nach einer Revision des Markenschutzgesetzes in dieser oder jener Einzelheit, mit der gravierenden Kritil{ an seinen Grundstrukturen verband sich seit dem Beginn der achtziger Jahre ein Verlangen, das über die Grenzen des Gesetzes hinausführte: die Forderung nach gesetzlichem Schutz gegen unlauteren Wettbewerb. Ausgelöst wurde dieses Begehren durch die Judikatur des Reichsgerichts in der Frage, ob auch gegen den Mißbrauch solcher Warenbezeichnungen Rechtsschutz zu gewähren sei, welche den formellen Voraussetzungen des Gesetzes nicht entsprachen. Einzelne Gerichte hatten nach 1874 die von der französischen Jurisprudenz auf der Grundlage des Art.1382 Code civil entwickelten Prinzipien angewendet und dem31 Das deutsche Markenschutzgesetz sowie Vorschläge zur Änderung desselben aufgrund der bisherigen Erfahrungen. Im Auftrage hervorragender Industrieller verlaßt, 1887. - Welche Interessen hinter Hahn standen, ist weder seiner Abhandlung noch den Akten des RAinn zu entnehmen, an welches die Broschüre ebenso wie an andere Behörden verschickt wurde. 32 Vgl. GR I (1892) S. 249; Verhandlungen des Sechzehnten Deutschen Handelstages S. 39 f. 33 Im Einzelnen seien hier genannt: Handels- und Gewerbekammer f. Schwaben und Neuburg v. 20. IV.l887 und Jahresbericht der Handels- und Gewerbekammer f. Mittelfranken für 1888; Vorstellung der BASF an Bay. InnM v. 10. VII. 1891, HStA Mn AllStA MH 14477 und 14478; Jahresbericht des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes, Berlin, v. 4. III. 1889 und Handelskammer Harnburg v. 8. VIII. 1889; ZStA I RAinn 7472 und 7474; Handelskammer Oberbayern, s. Cohen I Simon, Geschichte S. 117; Verweise auf 28 einschlägige weitere Jahresberichte von 1881 bis 1888 in ZStA I RJA 2360.
§ 34.
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gemäß Schutz gegen derartige Fälle der "concurrence deloyale" zugesprochen34. Das Reichsgerichf.35 jedoch lehnte einen solchen das Markenschutzgesetz ergänzenden Schutzanspruch ab und berief sich zur Begründung vor allem auf die Motive; danach habe sich das Gesetz von 1874 "zur Aufgabe gestellt, den Schutz der Waarenbezeichnungen, mögen dieselben in willkührlich gewählten Figuren oder in Namen oder Firmen bestehen, auch civilrechtlich . .. ein h e i t 1 ich und erschöpfend zu regeln". Diese nur knapp begründete Ansicht stieß zwar auf den erbitterten Widerstand J. Kohlers, dessen wissenschaftliches Engagement freilich weder die Interpretation des Reichsgesetzes noch dessen Reform bestimmen konnte-16 ; die zeitgenössische Praxis war indes durch den Spruch des höchsten deutschen Gerichts gehalten, ihr Heil in neuen gesetzlichen Normen zu suchen. Ein erster Erfolg wurde bei der Vorbereitung des Gesetzes von 1894 erzielt. § 34. Der Entwurf von 1892 und seine KritikDas Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen (1894)
Der Reichsregierung bot sich 1887 eine erste Gelegenheit zur Stellungnahme, als der Etat des Patentamtes zur Debatte stand. Einige Abgeordnete wiesen auf die bekannten Unzulänglichkeiten des Markenschutzgesetzes hin und erhielten vom zuständigen Staatssekretär des Innern, von Boetticher, die Auskunft, der Bundesrat sei damit beschäftigt, die Klagen zu prüfen1 • Später, als die Zahl der Petitionen und Anträge mehr und mehr zunahm, überreichte das Reichsamt des Innern den Bundesratsausschüssen eine Zusammenstellung der eingegangenen Änderungsvorschläge; der Bundesrat ließ die Petitionen an den Reichskanzler zur weiteren Veranlassung zurückgehen2 • Das zuständige Reichsamt des Innern arbeitete daraufhin den Entwurf eines neuen Gesetzes aus. Im Mai 1892 lag das Ergebnis vor, das auch von den anderen Reichsämtern gebilligt wurdeS. 34 Urteile des Obergerichts Mainz v. 19. I. 1877 (Zs. f. franz. Zivilrecht IX S. 447) und badischer Gerichte aus den Jahren 1873/74 (Kohler, Markenschutz
s. 517 f.).
ss RGZ 3, 67 (Entscheidung v. 30. XI. 1880). Spätere Urteile haben die Begründung ergänzt; vgl. dazu Hedemann, Reichsgericht und Wirtschaftsrecht S. 17 ff., bes. S. 19 Anm. 1. 36 Vgl. unten § 34 zu Anm. 10 ff., 30 f. und § 37 zu Anm. 55 ff. 1 RT Sten.Ber. 1886/87 I S. 273 ff. und 1887/88 II S. 1374. Eine kurze Aussprache entspann sich auch bei der Etatberatung am 8. III. 1888. 2 BR Sess. 1890 Prot. § 324. Im übrigen ZStA I RAinn 7474/1.
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Bevor man den Entwurf jedoch an den Bundesrat weiterleitete, legte man ihn einem Gremium von. Sachverständigen vor, in das zwei Mitglieder des Reichstages, vor allem aber die Vertreter derjenigen Industriezweige und -verbände berufen worden waren, von denen die Kritik am Markenschutzgesetz hauptsächlich getragen worden war4. Auf der "vertraulichen" Konferenz, die am 22., 23. und 24. Juli unter dem Vorsitz Nieherdings in Berlin tagte5 , entspann sich eine lebhafte Diskussion, in der außer dem Referenten namentlich Landgraf und der Justitiar der BASF, Rechtsanwalt Hecht, des öfteren das Wort ergriffen. Die Aussprache führte zu einigen Verbesserungen des Entwurfs, der im großen und ganzen akzeptiert wurde. Die Vorlage der Regierung brachte, wie Nieherding auf der Konferenz einleitend festgestellt hatte, eine Reihe wichtiger Verbesserungen6 • Er löste den Kreis der Schutzberechtigten vom Firmenregister und öffnete ihn dadurch auch für die Landwirtschaft und den Bergbau(§ 1); er sah eine zentrale Registerbehörde, nämlich das Patentamt, vor und ein zentrales Markenregister (z. B. §§ 2, 10); er verzichtete auf das An3 Für den E verantwortlicher Referent im RAinn war der Geh. Regierungsrat Hauß. Auch Nieberding, der "Vater" des MSchG 1874, dürfte nicht unwesentlichen Anteil genommen haben, steht doch die Aufnahme konkreter Reformarbeit in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Tätigkeit Nieberdings als Direktor der Abteilung I im RAinn. Der E war bis Anfang Mai "vorläufig aufgestellt"; dann wurde er in einer Kommission geprüft, in welcher das RAinn Nieberding und Hauß, das RJA den Geheimen Oberregierungsrat Freiherr v. Seckendorff und den Geheimen Regierungsrat Dr. Dungs entsandt hatte. Diese Kommission überarbeitete den E.- RAinn an RJA v. 2. V. 92; RJA an RAinn v. 7. V. 1892 und 4. VI. 1892; ZStA I RJA 2361 und RAinn 7474/1. 4 Der Vorschlag ging vom RAinn aus. An der Konferenz nahmen außer den Beamten (Nieberding, Hauß, und Dungs, zwei Vertreter des AA und Reg. Rat Robolsky vom Patentamt) zwei Reichstagsabgeordnete (Dr. Harnmacher, Berlin, und R. Schmidt, Elberfeld) teil, sodann Vertreter der Tabakindustrie (Böninger, Duisburg; Schellhaas, Bremen, und Landgraf, Mannheim), der chemischen Industrie (Martens, Berlin, und Rechtanwalt Hecht, Justitiar der BASF), der Eisenindustrie (Stegemann, früher Remscheid, jetzt Oppeln), der Schaumweinindustrie (Hummel, Hochheim). Zum Ganzen ZStA I RAinn 7475. 5 Über die Aussprache wurde nachträglich ein Protokoll erstellt. Landgraf machte indes schon während der Verhandlungen stenographische Notizen, die er ausarbeitete und nicht nur dem RAinn übersandte, sondern auch dem badischen InnM, obgleich, wie Landgraf an den Bad. Ministerialrat Braun schrieb, Nieberding "ganz besonders die Geheimhaltung der Verhandlungen verlangt hatte und dabei die besondere Besorgnis äußerte, daß etwa die hohen verbündeten Regierungen früher als amtlich Kenntnis erhielten". Das amtliche Protokoll und die Niederschrift Landgrafs in ZStA I. RAinn 7474/1; letztere (mit Schreiben Langrafs v. 2. VII. 1892) auch in GLA 237/259112. e Die im folgenden verwendete Zählung der Paragraphen folgt, um die Übersicht zu erleichtern, jener der später publizierten Fassung des Entwurfs, vgl. Anm.ll.
§ 34.
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meldesystem zugunsten einer gewissen Kontrolle, ohne jedoch eine eigentliche Vorprüfung einzuführen (§ 5 - "System des vertraulichen Rathes" 7); als Kriterium der Nachahmung führte der Entwurf den Begriff der Verwechslungsgefahr ein (§ 18); er dehnte den Schutz aus auf die "Aufmachung, Ausstattung oder Verzierung, welche in den beteiligten Verkehrskreisen als Kennzeichen gleichartiger Waren eines anderen gilt" 8 (§ 14) sowie auf Ursprungsbezeichnungen (§ 15); schließlich eröffnete er die Möglichkeit einer Repression gegen die englische Merchandise Marks Act von 1887 (§ 20). Die Neuerungen kamen den zahlreichen Wünschen der Interessengruppen entgegen, mit den drei letztgenannten Bestimmungen auch außerhalb des eigentlichen Markenschutzes. Für die Retorsionsnorm des § 20 liegt dies auf der Hand9• Der Schutz nach den §§ 14 und 15 geht auf die in der Reformdiskussion gewonnene Erkenntnis zurück, daß Etiketten nach dem Markenschutzgesetz nur ungenügend abgesichert waren10• Man suchte diesem Mißstand mit wettbewerbsrechtlich konzipierten Verboten abzuhelfen. In diesem Sinne verlangte wohl als erster Landgraf während der Verhandlungen des Handelstagsaus~chusses11 eine Bestrafung desjenigen "welcher Gegenstände oder deren Verpackung usw. mit einer Bezeichnung versieht, welche geeignet ist, den Irrthum zu erwecken, daß für diese Gegenstände eine Marke erworben sei". Diesen noch etwas unbeholfenen Versuch, dem unredlichen Gebrauch von Aufmachungen entgegenzutreten, ersetzte das Reichsamt des Innern durch die beiden erwähnten Bestimmungen12 : dem Ausstattungsschutz als Vorbeugung gegen Täuschungen über die "Produktions- oder Verkaufsstell e" einer Ware fügte es eine Maßnahme gegen die 1 So eine Randglosse Landgrafs zum Entwurf nach dem Konferenzergebnis; GLA 237 I 25912. Später wurde diese Bestimmung zugunsten des Widerspruchsverfahrens abgeändert. s Der später zum Schutze der "Ausstattung" ausgeweitete § 14 sollte nach dem vorl. Entwurf (Mai 1892) nur den "Etiketten" gelten; in der Beratung wählte man die Formel "Aufmachung oder Etikettierung", in der im Reichsanzeiger publizierten Fassung (vgl. Anm. 11) "Aufmachung, Ausstattung oder Verzienmg". 9 Dazu oben § 5 zu Anm. 10. 10 So die Eingaben des Vereins zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands vom 22. X. 1847 und 25. X. 1888; ZStA I RAinn 7474; die Eingabe der Nürnberger Handels- und Gewerbekammer an den Reichstag vom 5. II. 1878; StA Nü Industrie- und Handelsk. 139; auch Glafey GR I (1862) 165. 11 Der Sitzungsbericht des Handelstagsausschusses wird unter Hinweis auf Landgraf zitiert in der Aufstellung des RAinn v. 14. IV. 1890; ZStA I RAinn
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12 Sie begegnen erstmals in dem Vorentwurf, welcher der Kommissionsberatung von 1892 zugrunde gelegt wurde; vgl. oben zu Anm. 3.
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"Irreführung der abzunehmenden Kreise über den Produktions- oder Handels o r t" hinzu13. Obwohl auf Grund der Kommissionsverhandlungen mit einem weitgehenden Einverständnis zu rechnen war14, hielt es das Reichsamt des Innern doch für angebracht, den Entwurf der öffentlichen Kritik zu stellen. Nachdem sich die Bundesregierungen mit diesem Verfahren einverstanden erklärten, ließ man den Entwurf mit einer Denkschrift im Reichsanzeiger abdrucken1s. Dieser Schritt löste eine schier unübersehbare Flut von Artikeln, Stellungnahmen und Petitionen aus. An der Diskussion beteiligten sich nicht nur die unmittelbar interessierten Industriezweige und ihre Verbände16; die Presse nahm nicht weniger lebhaften Anteil17. Vor allen anderen aber tat sich der erst 1891 gegründete "Deutsche Verein für den Schutz des gewerblichen Eigentums" hervor, in welchem sich viele jener Männer zusammengefunden hatten, die bereits im vergangenen Jahrzehnt rege an der Auseinandersetzung um den Markenschutz teilgenommen hatten1s. Das Vereinsorgan, die "Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz"19, spiegelt die wesentlichen Beiträge zur Diskussion des Entwurfes wider, die eigenen Beschlüsse20 werden ebenso abgedruckt wie die wichtigsten Eingaben von Dritter Seite; insbesondere suchte der ts Vgl. die Motive zu § 16 E 1892. 14 Die Konferenz bewirkte - außer der Erweiterung des § 14 (vgl. Anm. 8) -nur wenige nennenswerte Änderungen, so etwa die Aufnahme einer Gutachterpflicht des Patentamtes (§ 10) und die Erleichterung der Aufnahme der Zeichen im Sinne des § 3 MSchG (§ 22 II S. 2). 15 Vorlage an den Kaiser v. 28. VII. 1892; Rundschreiben an alle Bundesregierungen v. 29. VII. 1892 und deren Antworten; Ermächtigung des Kaisers v. 10. VIII. 1892; ZStA I RAinn 7475. Veröffentlicht wurde der E im nicht amtlichen Teil des Reichsanzeigers 1892 (Nr.199); auch in GR I (1892) S. 145 ff. 16 Allein dem RAinn gegenüber äußerten sich u. a. die Handelskammern Koblenz, Wiesbaden, Bingen, Lennep, Frankfurt, Mannheim, Braunschweig, Bromberg, Hirschberg, Mainz, Gießen, Straßburg, Düsseldorf, Oppeln, Mittelfranken, Nürnberg und Köln; der Verein dt. Nadelfabrikanten, der Dt. Handelstag; der Verein zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie; ein Ausschuß deutscher Schaumweinfabrikanten; der deutsche Weinbauverein; der allgemeine Bäckerverband; mehrere Dresdner Zigarettenfabrikanten, der Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes; der Verein dt. Papierfabrikanten; die BASF. ZStA I RAinn 7488, 7889, 7890. 17 Vgl. die Sammlung von Presseausschnitten in ZStA I RJA 2365. Zahlreiche Presseäußerungen auch in den genannten Akten des RAinn und in der unten Anm. 21 genannten Zusammenstellung. 18 Zur Gründung des Vereins am 19. XII. 1891 und seiner Vorgeschichte vgl. GR I (1892), insbesondere die Mitgliederlisten S. 1 ff. und S. 17 f. (u. a. Glafey, Martius, Hentig, Landgraf und Hammacher). 19 Untertitel "Archiv für Erfinderrecht, für Marken-, Muster- und Firmenschutz". Bis 1895 erschienen vier Jahrgänge. Danach wurde die Zeitschrift im Eigenverlag des Vereins unter dem Titel "Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht" neu begründet.
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Entwurf von 1892 und Gesetz von 1894
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Herausgeber der Zeitschrift und Geschäftsführer des Vereins, P. Schmid, durch Übersichten über die einzelnen Beiträge zur Kritik, über die Gesetzgebung vor 1874 und über die Literatur zum Markenschutzgesetz21 die Diskussion überschaubar und dadurch um so wirksamer zu machen. Kaum weniger bedeutsam als diese Agitation von Interessenten und Verbänden waren die zum Teil recht umfänglichen Voten der Bundesregierungen, welche schon im November 1892 um ihre Stellungnahmen gebeten worden waren22• Die von so vielen Seiten gespeiste Kritik begrüßte den Regierungsentwurf durchweg als einen Fortschritt. Unter den Änderungsvorschlägen kehren einige öfters wieder; so der Wunsch nach einer stärkeren Stellung des Patentamtes; so der Schutz der im Verkehr anerkannten, aber nicht eingetragenen Zeichen; so die Erweiterung des Ausstattungsschutzes. Große Unruhe verursachte in einigen Branchen das vorgesehene (in§ 15) Verbot der unzutreffenden Verwendung von Ortsnamen und -wappen; namentlich die Tabakfirmen und Weinproduzenten befürchteten, die üblichen an Orten orientierten Sortenbezeichnungen nicht mehr gebrauchen zu können. Die zahllosen Änderungswünsche führten zu einer nochmaligen Durchsicht des Entwurfes. Im Februar 1893 endlich konnte er dem Bundesrat übergeben werden, wo abermals einige Korrekturen angebracht wurden23. Im gleichen Jahr gelangte der Entwurf zwar noch an den Reichstag; da dieser jedoch bald darauf aufgelöst wurde, blieb die Vorlage unerledigt24 • Erst im November wurde sie, nachdem sie abermals den Bundesrat passiert hatte2 5 , erneut im Parlament eingebracht. Am 19. April1894 wurde der Entwurf in letzter Lesung vom Reichstag angenommen26 und wenige Tage, nachdem auch der Bundesrat die Endfassung gebilligt hatte, vom Kaiser ausgefertigtn. 2o Sitzungsprotokolle v. 24. X. und 20. XII. 1892, 25. I. 1893, vgl. GR I S. 281 ff., li S. 1 ff., 26. Auf dieser Sitzung wurde eine Denkschrift des Vereins beschlossen (II S. 49 ff.), welche von einer Kommission ausgearbeitet worden war, der u. a. Martius, Hentig, Glafey, Wunder und Landgraf angehörten. Erste allgemeine Grundsätze zur Reform des MSchG hatte schon die Gründungskonferenz v. 1./3. XII. 1890 beschlossen (GR I S . 18 f.). 21 GR I S. 225-237, 256, 327-340, 352-363. 22 Sie sind enthalten in ZStA I RAinn 7489. 23 Vorlage an den Kaiser v. 23. I. 1893. Übergabe an den BR am 9. li. 1893. RAinn 7476; BR Sess. 1893 Prot. §§ 80 und 153; Drucks. 17. Die Abweichungen vom Vorentwurf 1892 sind übersichtlich zusammengestellt in der GR-Extranummer v. 18. II. 1893 (GR II). 24 Vorlage an RT v. 9. III. 1893, erste Lesung 20. IV. 1893; RT Sten.Ber. 1892/93 - (8. Leg. Per.) S. 1921 ff., 1937, Drucks. Nr. 152. - Der RT wurde am 6. V. 1893 aufgelöst. 25 BR Sess. 1893 Prot. § 594 (4. XI. 1893) Drucks. Nr. 114.
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11. Kap.: Reichsgesetze von 1874 und 1894
Der Reichstag hatte noch mehrere Modifikationen und Zusätze durchgesetzt. Er folgte damit den Vorschlägen der Kommission, welche in ihren Beratungen nahezu alle schon zuvor berührten Problemkreise noch einmal aufgerollt hatte28. Die wohl wichtigste Neuerung betraf das Zeichennahmeverfahren29 : das Patentamt sollte, wenn eine Neuanmeldung mit einem bereits eingetragenen Zeichen kollidierte und der Berechtigte Widerspruch einlegte, durch Beschluß entscheiden und - je nach dessen Ergebnis - das neue Zeichen eintragen oder nicht. Auf diese Weise wollte man den nach der Vorlage zu erwartenden Schwebezustand vermeiden. Im Vergleich mit dem Gesetz von 1874 wird deutlich, daß der Markenschutz nach neuen, besseren Prinzipien ausgestaltet war. Der Katalog der materiellen Schutzvoraussetzungen ist wesentlich ergänzt, der Begriff "Freizeichen" gesetzlich anerkannt (§ 4). Mit der Anhindung der Zeichenrollen an die Handelsregister ist die subjektive Begrenztheit des Rechtsschutzes auf Kaufleute ebenso gegenstandslos geworden wie die Dezentralisierung der Registerbehörde; an ihre Stelle tritt eine einzige bei einer Zentralinstanz, dem Reichspatentamt geführte Zeichenrolle (§ 2). Das widersprüchliche, mit einer Vorprüfung kombinierte Anmeldeverfahren des alten Gesetzes wird durch ein konsequent geregeltes Eintragungssystem ersetzt, in dessen Rahmen nicht nur der Katalog der absoluten Versagungsgründe, sondern auch die Kollisionsmöglichkeit einer Vorprüfung unterliegt; freilich findet die Identitätsprüfung in einem besonderen, Aufgebot und gerichtsfähigen Widerspruchsentscheid verbindenden Verfahren statt (§§ 3- 6). Die Möglichkeiten der Löschung von Amts wegen sind erweitert (§ 8), die Löschungsklage Dritter ist nicht nur aufgrund ihrer vorrangigen Rechte möglich, sondern auch im Falle der Täuschungsgefahr (§ 9). Das durch Eintragung erworbene Recht ist inhaltlich bereits umschrieben (§ 12). Zum Schutze dieses Rechts und des unausgesprochenen vorausgesetzten Rechts zum zeichenmäßigen Gebrauch von Namen und Firmen ist vorzüglich der bei jedem Verschulden eingreifende Ersatzanspruch vorgesehen, hinter welchem die Strafdrohung zurücktritt(§ 14). Neben den Regeln zum Markenschutz enthält das Gesetz die erwähnten wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen (§§ 15 und 16). Man war sich bereits bei der Beratung des neuen Gesetzes bewußt, daß diese 26 RT Sten.Ber. 1893/94 (9. Leg.-Per.) v. 25. I. 1894; Drucks. Nr. 298 (Bericht der XII. Kommission v. 11. IV. 1894). 27 Reichsges.Bl. 1894 S. 441. 28 Vgl. den Bericht v. 11. IV. 1894 RT Sten.Ber. 1893/94 Drucks. Nr. 298 und die angeschlossene Zusammenstellung. 29 Vgl. § 5 der Vorlage einerseits und die §§ 5 und 6 WBG andererseits.
§ 34.
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Normen keinen hinreichenden Schutz bringen konnten gegen die Vielfalt möglicher Akte einer "concurrence deloyale". Im Reichstagsausschuß30 hatte der Abgeordnete Roeren deshalb die Aufnahme einer allgemeiner gehaltenen Bestimmung gefordert mit dem Hinweis, "die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs im Allgemeinen sei der wichtigste Punkt des ganzen Gesetzes und hier müsse es sich zeigen, ob ein ernstlicher Wille bestehe, den Auswüchsen in unserem Erwerbsleben, über welche der solide Handel und das ehrsame Gewerbe so bittere Klage zu führen haben, gründlich zu Leibe zu gehen. Die Neigung zu unlauterem Wettbewerb, welche in einem Theile der deutschen Geschäftswelt stärker vorhanden sei als in anderen Ländern, müsse durch unzweideutige Gesetze bekämpft werden". Der Staatssekretär des Inneren ließ dem entgegenhalten: "... Zwischen dem Schutz der Warenbezeichnungen und der Verhinderung des unlauteren Wettbewerbs ... besteht kein unmittelbarer Zusammenhang, und es muß schon aus diesem äußeren Grunde bedenklich erscheinen, die letztere Frage im Rahmen des vorliegenden Gesetzes mit zur Lösung zu bringen." Man hatte sich schließlich darauf geeinigt, dem Reichstag einen Entschließungsentwurf vorzulegen, in welchem der baldige Erlaß eines besonderen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb gefordert wurde31 . Hervorzuheben ist schließlich die Begrenzung des Schutzes ausländischer Marken durch die neu formulierte Reziprozitätsklausel (§ 21 WBG); sie begnügte sich nicht damit, fremde Warenzeichen der Registrierung zu unterwerfen, sondern verlangte darüber hinaus, daß ausländische Zeichen grundsätzlich den materiellen Anforderungen des deutschen Gesetzes entsprechen müßten. Ausgelöst war diese Verengung durch die Judikatur des Reichsgerichts, die fremde Warenzeichen begünstigt hatte. Die hierüber einlaufenden Klagen32 führten schließlich zum Erfolg33. Im Gegensatz dazu verhallten die Anträge zum Beitritt Deutschlands zur Pariser Verbandsübereinkunft ungehört:t4 • Diese Vorgänge sind ebenso wie die gegen die englische Zollpraxis gerichtete Bestimmung (§ 20) vor dem wirtschaftspolitischen Hintergrund der Ära Wie Anm. 28. Der RT hat diesem Vorschlag entsprochen. Daraufhin wurden die Vorarbeiten zum "Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs" aufgenommen, das am 27. V.1896 erging. 32 Petition RA Dr. Buff, Bremen, v. 25. VI. 1889 mit Hinweis auf RGZ 22, 93. 33 § 23 Abs. III WBG wurde während der Verhandlung im Bundesrat auf Antrag Preußens hinzugefügt; BR Sess. 1893 Prot. § 153. 34 Die Bergische Handelskammer (§ 33 Anm. 29) hatte bereits 1888 den Beitritt zur Pariser Verbandsübereinkunft verlangt. so
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11. Kap.: Reichsgesetze von 1874 und 1894
Caprivi zu sehen: sie konnten die Befreiung des Reiches aus der Zollisolation und seine weltweite Handelsinitiative markenrechtlich absichern35. In allen diesen Bestimmungen fanden die vielschichtigen Strömungen, Interessen und Kontroversen ihren Niederschlag, welche die Entwicklung des Markenschutzes im 19. Jahrhundert kennzeichnen. Zugleich war die legislatorische Grundlage gelegt für die Fortentwicklung in unserem Jahrhundert; sie wurde - sieht man von dem Beitritt Deutschlands zu den internationalen Übereinkommen einmal ab36 - vor allem von der Wissenschaft vorangetrieben, welche über die Rechtssprechung die notwendigen Ergänzungen beisteuerte. Hier sind insbesondere zu nennen einerseits die deutlichere Trennung der materiellen und förmlichen Voraussetzungen von Erwerb und Verlust des Markenrechts und die Ausformung des sachlichen Zeichenrechts (Ausstattung) zu einem durch den Unterlassungsanspruch getragenen subjektiven Privatrecht!", andererseits die Harmonisierung des seit 1894 gesetzlich verankerten Problems des Nebeneinander von Markenschutz und Wettbewerbsrecht38. Beide Leistungen sind allerdings durch die theoretische Diskussion des ausgehenden 19. Jahrhunderts vorbereitet worden.
35 Zur handelspolitischen Situation vgl. etwa Böhme, Prolegomena S. 92 ff.; Born, Von der Reichsgründung bis zum 1. Weltkrieg, S. 326 f. 36 Für den Beitritt, der 1903 erfolgte (vgl. oben § 2 zu Anm. 44 f.) setzte
sich in den Jahren nach 1894 namentlich der Verein für den Schutz des gewerblichen Eigentums ein; vgl. Osterrieth, Gew. Rechtsschutz S. 448 ff. 37 Vgl. etwa bereits Osterrieth, Gew. Rechtsschutz (1908) S. 387 f.; Kohler, Wettbewerbsrecht (1913) S. 131 ff. 38 Dazu vor allem Ulmer, Warenzeichen (1929), passim.
12. Kapitel
Markenschutz als Problem der Theorie Im frühen 19. Jahrhundert nahm die Jurisprudenz vom Markenschutz in aller Regel nur als Problem des Strafrechts Kenntnis; erst in der zweiten Jahrhunderthälfte entwickelte sich aus bescheidenen Anfängen eine immer stärker anschwellende Literatur, die in Kohlers epochemachender Darstellung einen frühen Höhepunkt erreichte. Sie basierte in vielerlei Hinsicht auf älteren Erörterungen, die freilich nicht dem engeren Bereich der Rechtswissenschaft, sondern dem weiteren Gebiet der Wissenschaft von der "Polizei" zuzurechnen sind. § 35. Markenschutz und Polizeiwissenschaft vor 1850
In der Haltung der Wissenschaft von der "Gewerbepolizei"1 zu Markenwesen und Markenschutz spiegelt sich der Strukturwandel, den jene Disziplin vollzogen ha~, namentlich die vom Liberalismus ausgelöste Tendenz zur Beschränkung des staatlichen Handeins auf Gefahrenabwehr und individuellen Rechtsschutz. Während für die ältere, in merkantilistischen Vorstellungen verhaftete Lehre der Schutz von Qualitäts- und Herkunftszeichen auch als Mittel hoheitlicher Gewerbeförderung gerechtfertigt erschien3, stand für die deutschen Anhänger Adam Smiths die Frage im Vordergrund, ob das staatliche Eingreifen mit dem Prinzip der Gewerbefreiheit zu vereinbaren sei. Die Auseinandersetzung wurde vor allem um die Zulässigkeit obrigkeitlich angeordneter Qualitätszeichen und Schauanstalten geführt4. Sie 1 Die Abgrenzung der "Gewerbepolizei", als deren Aufgabe der Zeichenschutz in den Akten des früheren 19. Jahrhunderts immer wieder bezeichnet wird, von Justiz und Regierung, von Recht und Gesetzgebung kann nicht Gegenstand dieser Abhandlung sein; sie ist in den praktisch-philosophischen Disziplinen ebenso einem ständigen Wandel unterworfen wie in der staatlichen Praxis. Vgl. etwa Rönne, Gewerbepolizei I S. 1 ff. ("Begriff und Zweck der Gewerbepolizei"), bes. S. 2; Funke, Artikel "Polizeilich und Polizeivergehen" in Weiskes Rechtslexikon VIII (1854) 180 ff.; Rosin, Begriff der Polizei, in: Verwaltungsarchiv III (1895) 249- 365; Maier, Staats- und Verwaltungslehre S. 230 ff. 2 Nach Maier (a.a.O.) drückt sich dieser Wandel vor allem in zwei Richtungen aus : einmal in der "Ökonomisierung der Polizei" (S. 235 ff.), zum andem in der "Eliminierung des Wohlfahrtszweckes aus dem Rechtsinhalt der Polizei" (S. 244). 3 Vgl. etwa Justi, Staatswirthschaft § 198.
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12. Kap.: Markenschutz als Problem der Theorie
galten als unmittelbar zwingende Reglementierung des Gewerbebetriebes für unzulässig; nur in Ausnahmefällen sollten sie gestattet sein, um die Abnehmerschaft vor Schaden, Betrug und Täuschung zu bewahren19• Der staatliche Eingriff mußte sich also durch einen unabweisbaren Schutzzweck legitimieren können. Erst in zweiter Linie griff man auf die Vorstellung zurück, daß durch den Schutz das Vertrauen der Abnehmer bestärkt und letztlich der Absatz der Ware begünstigt werde6 • Im engen Zusammenhang mit den Qualitätszeichen kommen eine Reihe von Autoren des früheren 19. Jahrhunderts auf die Bezeichnung von ·w aren mit Namen, Firma oder Zeichen zu sprechen. Auch ihr Schutz galt nur als notwendig, wenn ein "offenbarer Betrug" drohte. So meinte J. F. E. Lotz, nachdem er zuvor "Gewerbsreglements" und Schau prinzipiell abgelehnt hatte7 : "Wohl kann eine Regierung ihren Gewerbsleuten gebieten, die Waaren, welche sie liefern, mit ihrem eigenen und nicht fremden Namen zu bezeichnen; und verbieten kann sie den, unter Gewerbsleuten so stark üblichen, Mißbrauch fremder Etiketten; sie kann ihnen untersagen, ihren Waaren Eigenschaften anzudichten, welche sie nicht besitzen." Ein ähnliches Nebeneinander von Qualitätszeichen und Marken ist bei anderen Autoren zu finden. J. M. Leuchs8 meinte, die Fabrikzeichen ersetzten "in gewisser Weise die Schauanstalten, indem jeder durch gute Waare dafür sorgen muß, daß sein Zeichen sich in gutem Ruf erhält". Der Gedanke, daß sich eine staatliche Obsorge für die Güte der Ware vermittelst Schau und Qualitätszeichen erübrige, wenn der Erzeuger mit seinem "Credit" für die Beschaffenheit seiner Produkte einstehe, begegnet zwar schon vor Leuchs; es fehlte indes die Verkoppelung dieser Überlegung mit dem Verlangen nach einem Schutz der Marke9 • Nach Leuchs hob K. H. Rau, einer der einflußreichsten Theoretiker des Vormärz10, mit besonderer Prägnanz auf die Vertrauensfunktion
' Sartorius. Abhandlungen I (1806) S. 228; Kraus, Staatswirthschaft V (1811) S. 204 ff.; v. Soden, National-Oekonomie VI (1816) S. 281 (§ 210); v. Jakob, Grundsätze II (1809) S. 525. - Aus der umfänglichen Literatur um das Zunftwesen, welche mit der Zunftkontrolle auch deren Kennzeichen zur Debatte stellte, seien hier nur genannt: Neumann, Grundsätze (1837) S. 33 f., 91 f.; Hoffmann, Befugnis zum GewerbebetriebS. 438 f. 6 Vgl. etwa Lotz, Handbuch II (1822) S. 169 ff. (§ 101); Kraus, Staatswirtbschaft V S. 206; Neumann, Grundsätze S. 33, 91. & So etwa Lotz a.a.O. S.175. 1 Ebenda S. 170. s Gewerb- und Handelsfreiheit S. 176 ff., bes. 178. s So etwa bei Sartorius, Abhandlungen S. 228; Kraus, Staatswirthschaft S.207. 1o Lehrbuch II (18392) S. 349 (§ 219).
§ 35.
Markenschutz und Polizeiwissenschaft vor 1850
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ab, welche der Qualitäts- und Warenbezeichnung gleichermaßen innewohnt. Das "beliebig gewählte Fabrikzeichen", das ein Fabrikant einem ausnahmsweise zulässigen11 obligatorischen Qualitätszeichen hinzufüge, habe an dessen Zielen teil; es habe wie dieses sowohl "den polizeilichen Zweck, um die Käufer vor Betrug zu schützen, als den volkswirthschaftlichen, den Absatz solcher Gewerkswaaren, vermöge des größeren Zutrauens, welches die Käufer in sie setzen können, zu befördern". In späteren Auflagen seines Lehrbuches12 lockerte Rau zwar die Verkoppelung von Qualitätszeichen und Marke; diese galt ihm aber auch hier noch als Ersatz der Qualitätsangabe: der Gewerksmann setze Name oder Fabrikzeichen auf seine Erzeugnisse, "um hierdurch eine Bürgschaft für ihre Güte zu geben". Während Rau den Schutz der Fabrikzeichen und Namensangaben ebenfalls aus dessen polizeilicher und volkswirtschaftlicher Zielsetzung ableitete, zog bereits Leuchs13, der als Nürnberger offenbar gut mit der Funktionsweise der Fabrikzeichen vertraut war, das wirtschaftliche Interesse des Zeicheninhabers in Betracht: "Zugleich begründet ein solches in gutem Ruf befindliches Zeichen einen ausgebreiteten Absaz und begründet dadurch ein nüzliches Monopol, das um so mehr zu besserer Fabrikation auffordert." Auch Leuchs diente der Hinweis auf die Position des Zeichenträgers noch als eine Art Rechtfertigung des schutzbegründenden Einstehenmüssens. Robert Mohzt 4 ging einen entscheidenden Schritt weiter: durch die Nachahmung von Fabrikzeichen werde nicht nur der Käufer getäuscht, sondern auch dem ursprünglichen Verfertiger geschadet und durch "schlechte ihnen zur Last gelegte Waaren" der "Credit" vernichtet. Der Mißbrauch bestehe - heißt es an anderer Stelle15 - einmal in der "Ver I e t zu n g der Pers ö n I ich k e i t, indem ein Anderer sich ohne sein Wissen und gegen seinen Willen für ihn ausgiebt wenigstens bei bestimmter Gelegenheit"; u Rau geht aus von dem Grundsatz: "Der Käufer ist in der Regel der beste Richter über die Güte der Waaren und indem er das Schlechte zurückweist, zwingt er den Verkäufer selbst, Besseres hervorzubringen." Eine Ausnahme sollen solche Waren bilden, "deren Beschaffenheit nicht ohne eine umständliche Prüfung zu erkunden ist, dagegen aber leicht durch eine Abstufung von Zahlen ausgedrückt werden kann"; hier solle der Verfertiger verpflichtet werden, selbst "die Bezeichnung jenes Grades der Güte" vorzunehmen. 12 Lehrbuch (18584) 2. Abt. S. 122 (§ 219). ta a.a.O. S. 178. 14. Polizeiwissenschaft Bd. II (18442) S. 322. 15 Ebenda Bd. 111 (System der Präventiv-Justiz) S. 301 ff. (§ 29). - Hervorhebung vom Verf. 18•
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12. Kap.: Markenschutz als Problem der Theorie
sodann werde der redliche Produzent regelmäßig verleumdet und in seinem Gewerbe durch Verlust der Kundschaft und "Verderbung seines Rufes" geschädigt. Dies seien unstreitig Gründe genug, um eine solche Handlung nicht bloß als eine unsittliche zu erklären, sondern auch gesetzlich zu verbieten und mit Strafe zu belegen. In diesen wirtschaftspolitischen Überlegungen sind die Argumente angesprochen, die nach der Jahrhundertmitte, als der Zeichenschutz infolge des wachsenden Warenverkehrs mehr und mehr Bedeutung erlangte, den staatlichen Schutz motivieren sollten: das Interesse des Markeninhabers einerseits und der Schutz des Abnehmers und konsumierenden Publikums andererseits16. Diese Akzentuierungen begegnen uns auch in älteren Straftheorien. § 36. Markensrhutz und Strafrechtslehre
I. Markenmißbrauch als crimen falsi Die gemeinrechtliche Doktrin des ausgehenden 18. Jahrhunderts verknüpfte im unscharfen Sammelbegriff des crimen falsi eine ganze Reihe von Fälschungstatbeständen mit zahlreichen Formen betrügerischen, zumeist als Stellionat gewerteten Handelns1 • Das Anbringen fremder Zeichen oder Namen auf Waren galt als ein Fall der Warenfälschung im Sinne des Art.113 der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V 2 • Noch im 19. Jahrhundert begegnet diese wenig präzise Aussage bei jenen Autoren, die ganz im Banne der traditionellen Theorie standen3 • Private und öffentliche Kennzeichen, Qualitäts- und Her16 Gewerbefördernde Motive treten demgegenüber zurück. Vgl. auch oben Anm. 2.- Der Wandel der Theorie schlägt sich nicht zuletzt in der systematischen Einordnung des Zeichenschutzes in den praxisbezogenen Handbüchern des preußischen Polizeirechts von Zeller und Rönne nieder; während Zeller (Gewerbepolizei II S. 210 ff., 334 ff., 347 ff., 358 ff., 449 ff.) die Vorschriften über das Zeichenwesen zur "polizeilichen Aufsicht auf die Gewerbe" schlägt und darunter nebeneinander fördernde und schützende Maßnahmen zusammenfaßt, ordnet Rönne (Gewerbepolizei I S. 270 ff., 450 ff.) das preußische Gesetz vom 4. Juli 1840 und das rheinisch-westfälische Sonderrecht zu den Titeln "Schutz der Gewerbetreibenden gegen Rechtsverletzungen" und "Schutz gegen unbefugte Konkurrenz". 1 Vgl. hierzu und allgemein zur Geschichte des Betrugsbegriffes im 19. Jh. die Überblicke bei: Merkel, Lehre vom strafbaren Betruge S.19 ff., Ortloff, Lüge S. 57 ff., 84 ff., 147 ff., Hälschner, Preußisches Strafrecht III S. 344 ff.; zuletzt unter besonderer Berücksichtigung der preuß. Gesetzgebung Naucke, Betrug S. 62 ff. 2 Vgl. auch oben§ 21 nach Anm. 2 und§ 26 Anm.l. 3 So erklärte etwa Tittmann, Handbuch III (1809) § 524, II (1822) § 508, es könne "die Verfälschung der Waaren und der Betrug selbst" geschehen "durch Vermischung derselben mit schlechteren, oder durch Entziehung gewisser Bestandteile" oder dadurch, "daß die Waaren mit fremden Umschlägen versehen, daß bei ihnen fremde Zeichen und Namen eingegraben oder be-
§ 36.
Markenschutz und Strafrechtslehre
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kunftsangaben wurden demselben Tatbestand subsumiert, der Betrug und Fälschung noch ungeschieden umfaßte; nur im Strafmaß sollte das besondere Unrecht an öffentlichen Zeichen berücksichtigt werden. An dieser Bewertung des Markenmißbrauchs konnte sich erst etwas ändern, als es der wissenschaftlichen Diskussion der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelang, den unscharfen Sammelbegriff aufzulösen: einerseits erarbeitete sie den Tatbestand des Betrugs als eines Vermögensdelikts, andererseits zergliederte sie den diffusen und komplexen Begriff des "falsum" dadurch in einzelne Tatbestände, daß sie auf die Schutzwürdigkeit einzelner "Gewährschaften oder Wahrzeichen"4 abstellte. Die nur schwer durchschaubare Diskussion, die in der langsam sich abklärenden Zerfahrenheit der Meinungen oft genug zu einer "Verwickelung der Begriffe"5 führte, wurde dadurch eingeleitet, daß man sich von der älteren Annahme eines allgemeinen Rechts auf Wahrheit abkehrte und unterschied, ob - um es mit den Worten ZirklersG zu sagen- "die Sache lügt oder der Mann": die Differenzierung zwischen Unechtheit und Unwahrheit, die in diesem Satz aufscheint, ermöglichte die Trennung der Fälschungsdelikte vom Betrug. Im Verlauf dieser Auseinandersetzung kam bisweilen auch der Mißbrauch der Warenbezeichnungen zur Sprache, zumeist freilich nur als Beispiel zur Erprobung bestimmter Thesen. 11. Markenmißbrauch als Betrug
Bei der Auflösung des falsum in strenger unterschiedene Tatbestände stellten sich im Hinblick auf die Warenbezeichnung dadurch neue Probleme, daß der in der ersten Jahrhunderthälfte herrschenden Theorie zufolge eine Handlung nur dann als kriminelles Unrecht gewertet werd~n konnte, wenn es möglich war, sie als Verletzung eines staatlichen oder privaten Rechts zu erweisen7 • festigt worden, um ihnen den Schein besserer und von besseren Meistern zu geben usw.". Wenig später heißt es im gleichen Zusammenhang: "Der Mißbrauch öffentlicher Autorität muß ebenfalls härtere Strafe wirken. Daher steht auch der Verfälscher eines durch Stempelung mit nachgemachten öffentlichen Stempeln, so wie der Verfälscher eines durch eine öffentliche Behörde für richtig erklärten Maaßes u. s. w. in höherer Zurechnung." Ähnliche Gedankengänge sind zu erschließen bei Soden, Geist I S. 385 (§ 351); v. Quistorp, Grundsätze S. 659 (§ 411); Heffter, Lehrbuch (19576) S. 313. 4 So die Terminologie Ortloffs, Lüge, passim, bes. S. 284. s Ebenda S. 84. s Beiträge S. 58. 7 Zum beherrschenden Einfluß Feuerbachs vgl. etwa v. Hippel, Strafrecht I S. 293 ff., bes. S. 294, 297. Zur Strafrechtswissenschaft im übrigen und insbesondere zur Abgrenzung des Kriminal- und Polizeirechts vgl. Honig, Einwilligung S. 32 ff.; Moos, Verbrechensbegriff, bes. S. 185 ff.; Sina, Dogmengeschichte, passim.
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12. Kap.: Markenschutz als Problem der Theorie
Schon das bloße Nachmachen fremder Kennzeichen als Betrug zu betrachten war unmöglich, da dieser als "Privatverbrechen" einen Eingriff in das "Recht" eines anderen voraussetzte. Je nachdem, wie man dieses "Recht" umschrieb, konnte der Tatbestand enger oder weiter gefaßt sein: er war enger, wenn man ihn nur auf vermögenswerte Rechte abstellte, er war weiter, wenn man auch andere private "Rechte" als möglichen Verletzungsgegenstand zuließ. Ein solches, die Strafbarkeit des Markenmißbrauchs begründendes Recht auszumachen, stieß in der Doktrin auf erhebliche Schwierigkeiten, nachdem man ein allgemeines "Recht auf Wahrheit" im Sinne der älteren gemeinrechtlichen Theorie8 ablehnte. Obwohl der Katalog der betrüglicher Weise verletzbaren privaten Rechte sehr vielgestaltig war!', finden wir nur wenige Stimmen, welche den Markenmißbrauch als Rechtsverletzung außerhalb des Vermögensbereiches zu begreifen suchten. Eine erste Möglichkeit bot das durch Privileg ausdrücklich verliehene Gebrauchsrecht. Sie wurde namentlich von H. Escher vertreten10 ; er wollte die Strafbarkeit privater "Beglaubigungsmittel" danach beurteilen, ob sie "den betreffenden Privaten vom Staate in Verbindung mit einem ausschließlichen Rechte zur Produktion oder zum Debit gewisser Gegenstände eingeräumt ist, oder nicht ... Ist mit den Beglaubigungsmitteln nicht ein ausschließliches Recht verbunden, so kann die Strafbarkeit der Nachahmung nur nach den allgemeinen Grundsätzen über Fälschung und Betrug beurtheilt werden... . Aus diesem folgt, daß z. B. die Nachahmung gewisser, nicht vom Staate ausdrücklich als ausschließliches Recht verliehener Zeichen kein Verbrechen sein kann, wenn dadurch weder ein gültiges Privilegium verletzt, noch der Käufer mit schlechterer Waare betrogen, noch ein anderer Bürger, welcher das nachgeahmte Zeichen führt, irgend einer Gefahr ausgesetzt wird." Ein anderer Ausweg bestand darin, nicht auf das Angriffsobjekt, sondern auf die Verletzungshandlung abzustellen. So verfuhr etwa G. Geib 11 ; er wollte nur dann einen strafbaren Betrug bejahen, wenn s Zum Stand der Lehre um 1800 vgl. insbesondere Kleinschrod, Begriff und Erfordernisse, passim. 9 Besonders deutlich etwa bei Günther, der (Betrug S. 85) annimmt, es genüge, daß "irgend ein öffentliches oder Privatgut verletzt oder gefährdet, der bürgerlichen Gesellschaft oder einem Individuum ein Schaden zugefügt wird.... Vielmehr kann jedes Gut Gegenstand betruglieber Verletzung sein - also auch Integrität des Körpers und Geistes, Ehre, Gemüthsruhe, Keuschheit, äußere persönliche Freiheit, selbst das Leben.... Schon die Beschränkung der Willensfreiheit, welche in jeder absichtlichen Täuschung liegt, insofern sie Einfluß auf unser Handeln hatte oder haben sollte, ist Beeinträchtigung eines wichtigen und wesentlichen Gutes, wenn auch kein weiterer Schaden an materiellen Gütern daraus entsteht. 10 BetrugS. 391 f. 11 Gränze S. 126 f.; ähnlich Günther, Betrug S. 88 f.
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eine qualifizierte Täuschung vorlag und erläuterte seine hierzu entwickelten Grundsätze unter anderem am Beispiel des Gebrauchs "falscher Fabrikzeichen, Handelsfirmen, Waaren-Etiketten u. dgl.". Beide Wege waren nicht mehr gangbar, nachdem der Betrug allgemein als Vermögensdelikt aufgefaßt wurde; spätestens Köstlin verhalf dieser Anschauung zum Durchbruch12• Der Mißbrauch der Warenbezeichnung konnte nun allein dann in Betracht kommen, wenn durch die Verwendung fremder Marken ein Vermögensschaden im Verfügungsbereich des getäuschten Abnehmers entstanden war. Je mehr sich diese Sicht durchsetzte, um so stärker mußte sich das Interesse dem Begriff der Fälschung zuwenden, um ihn als tragfähige Grundlage des Strafschutzes auszumachen. III. Markenmißbrauch als Fälschungsdelikt
Das Postulat, daß nur eine Verletzung fremden materiellen Rechts die Strafbarkeit einer Tat begründen könne, wurde zum besonderen Problem, als es gelungen war, die Herstellung eines falsum begrifflich vom betrügerischen Gebrauch desselben zu trennen. Wollte man die Strafbarkeit der Zeichenfälschung nicht aus der Verletzung rechtlich geschützter öffentlicher Interessen13, sondern aus der Verletzung subjektiver Privatrechte ableiten, so boten sich zwei Möglichkeiten an: man konnte einerseits auf ein vom Betrugstatbestand nicht erfaßtes Recht abstellen oder andererseits die Fälschung als Vorstufe des Betruges, gleichsam als Gefährdungsdelikt begreifen. Den ersten Weg beschritt J. H. v. Zirkler14, der den Betrug als Vermögensdelikt betrachtete. Ihm galt der Gebrauch einer mit einem falschen Zeichen versehenen Ware als falsum, da es sich handle um einen Eingriff in das Recht des anderen "auf Sicherheit und Zuverlässigkeit des Glaubens oder Vertrauens in die Wahrzeichen"; damit konkretisierte Zirkler gewissermaßen das alte "Recht auf Wahrheit" nach der tatsächlichen Wirkung der "Wahrzeichen". Den zweiten Weg wählte C. Klien15, der eine Sonderung von Betrug und Fälschung dadurch begründete, daß er "aus der Natur und dem Wesen der Sache und der Sprache Begriffe über Lüge, Trug, Betrug und Fälschung" einführte. Für ihn galt die Nachahmung fremder Zeichen, Stempel, Namen und Abhandlungen (1858) S. 117 ff. Dazu unten zu Anm.17. a Vgl. Beiträge S. 44, 60, 242 f. u. ö. 15 Klien, Beiträge S. 124, 130 ff.- Als Beispiel verweist Klien auf "Tabake, die von einem Dritten in Papieren mit einer fremden Firma bedruckt, verkauft werden, ... Waaren mit englischen Zeichen und Stempeln versehen, die jedoch ächt deutsch sind". 12
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Aufschriften, aber auch die fälschliehe Verwendung des Probestempels als Fälschung, die erst durch den Gebrauch der "unechten" Gegenstände in den strafbaren Betrug übergehe. An dieser Sicht der Fälschung hielt noch L. v. Jagemann fest16 ; freilich sah er im Betrug bereits ein Vermögensdelikt Konsequenterweise verlangte er nicht nur, daß eine Marke, um Gegenstand des Fälschungsdeliktes sein zu können, "ein charakteristisches Kennzeichen einer Fabrik" sein müsse, sondern auch, daß die bezeichneten "Produkte durch ihren inneren Gehalt eine gewisse Eigenthümlichkeit zu behaupten im Stande" seien; keine Fälschung liege deshalb vor, "wenn z. B. auf deutsche Waaren das Wort "London" oder "Paris" oder auf den deutschen Taback der Name eines holländischen Kaufmanns gesetzt wird. Denn jedermann weiss, dass desswegen die Waare, wenn sie auch im Inlande verfertigt wäre, doch nicht minder gut sein kann, als käme sie wirklich vom Auslande". Die Rückbindung des Fälschungstatbestandes an den Betrug als Vermögensdelikt bedingte, daß das hergestellte und verwendete "falsum" eine Gefährdung des Vermögens anderer darstellen konnte: im Hinblick auf den Abnehmer bedeutete dies, daß die falsch bezeichnete Ware selbst schlechter sein muß als die "echte". Der Heranziehung des Fälschungsbegriffs standen damit die gleichen Schwierigkeiten entgegen wie der Verwendung des Betrugstatbestandes. Wollte man sie umgehen, so mußte man die Fälschung als ein gegen die Öffentlichkeit, gegen ein Recht des Staates gerichtetes Delikt verstehen. Für den Mißbrauch der Warenbezeichnung ergab sich dann freilich die mißliche Konsequenz, daß nur öffentliche, mit staatlicher Autorität ausgestattete Zeichen den Strafschutz genießen konnten. In diesem Sinne verselbständigte etwa Günther im Anschluß an ältere Autoren17 die Fälschung obrigkeitlicher Probzeichen und Siegel als Mittel öffentlicher Beglaubigung zum besonderen Delikt gegen die öffentliche Treue und den öffentlichen Glauben. IV. Ma1·kenmißbrauch als eigenständiges Delikt
Den aus der Feuerbachsehen Verbrechenslehre resultierenden Schwierigkeiten, bereits das bloße Nachmachen fremder Marken als Kriminaldelikt zu werten, konnte man auf verschiedene Weise entgehen. Zum einen war die Notwendigkeit, das Nachmachen als Verletzung fremden Rechts zu erweisen, dadurch vermeidbar, daß man sich mit polizeilichen Sanktionen begnügte. So meinte etwa K. F. Günther18: 16 11
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Jagemann, Criminallexikon (1854) S. 272 ff., bes. S. 273 und 275. Betrug S. 88 f.; auch Escher, Betrug S. 388 ff., bes. S. 391. Betrug S. 89.
§ 36. Markenschutz und Strafrechtslehre
281
"ist die unter dem fremden Stempel verkaufte Waare aber ebenso gut und vielleicht wohlfeiler, als die, welche der rechtmäßige Inhaber des Stempels oder Fabrikzeichens liefert, ist es wenigstens dem Käufer gleichgiltig, ob er diese oder jene hat, so ist ein solches Verfahren gar nicht mehr als wirkliches Vergehen zu betrachten, sondern kann höchstens aus polizeilichen Rücksichten, etwa auch als Schmälerung des Gewerbebetriebes eines Dritten bestraft werden." Zum anderen konnte man die überkommene Rechtsverletzungslehre überhaupt aufgeben und den Markenschutz auf Grund einer flexibleren Wertung der zu schützenden Interessen in das Strafrecht einbeziehen. Dieser Ablösungsprozeß vollzog sich nur allmählich und wurde zunächst in Gesetzgebung, dann aber in der stark von der historischen Rechtsschule beeinftußten "gemäßigt positivistischen Richtung" der Doktrin sichtbartt. Zu ihr ist noch H. OrtZofF zu rechnen, welcher die Strafbarkeit privater Warenbezeichnungen nicht zuletzt mit ihrer Wirksamkeit im Handelsverkehr begründete. Für ihn galten Warenstempel und Fabrikzeichen sowie Etiketten einzelner Handelsfirmen oder Fabriken als Hauptfälle der "privaten eigenthümlich und ausschließlich zugehörigen ... Echtheitszeichen, welche zur Beglaubigung der Wahrheit ihrer Abstammung und Güte, welche im Verkehr gesucht wird, dienen". Ihren Strafschutz gegen Nachahmung sah Ortlaff darin begründet, daß "das p o s i t i v e R e c h t . . . die Inhaber bestimmter Firmen gegen die Nachfertigung ihrer Abzeichen geschützt und dadurch das allgemeine Vertrauen dazu begründet und gestärkt (hat). Dadurch wird ihnen das Recht der Unverletzlichkeit ihrer Wahrzeichen vom Staate besonders anerkannt und geschützt ..." "Das unbefugte Nachahmen von Etiketten und ähnlichen Abzeichen Einzelner wird durch das positive Recht von der durch die Volksanschauung tolerirten Nachahmung oder Anfertigung anderer Etiketten als strafbare Handlung herausgehoben und der Fälschung an die Seite gestellt." Die Argumentation lief darauf hinaus, daß erst das obrigkeitlich zugewiesene Recht die Strafbarkeit begründe, eine durchaus positivistische Rechtfertigung des Strafschutzes, wie sie wenige Jahre nachher auch Krug entwickelte21• Beide Richtungen, sowohl die polizeiliche als die strafrechtlichpositivistische, lösten nicht nur den strafrechtlichen Markenschutz aus den Kalamitäten der älteren Verbrechenslehre; sie begünstigten darüber hinaus eine differenzierende Betrachtung der Strafzwecke: der Mar19 Sina, Dogmengeschichte S. 14 ff., bes. S. 25 f.; Honig, EinwilligungS. 46 ff., bes. S. 60 ff. 2o Lüge (1862), bes. S. 284 ff. l!1 § 37 zu Anm. 41 ff.
282
12. Kap.: Markenschutz als Problem der Theorie
kenschutz konnte stärker am Schutzbedürfnis des Markeninhabers oder aber stärker am Interesse der Öffentlichkeit orientiert sein- zu entscheiden hatte der Gesetzgeber. Die Strafrechtsdoktrin mündete damit in die allgemeine Erörterung ein. § 37. Die Entfaltung der wissenschaftlichen Diskussion
I. Ältere Autoren Einer der ersten, der sich zur Rechtsproblematik des Markenschutzes grundsätzlich äußerte, war der Redaktor des Badischen Landrechts, J. N. F. Brauer1• Er sah den Schutz von Firma und Warenzeichen in engem Zusammenhang mit dem "Schrifteigenthum", dem einzig billigenswerten Fall des "vollen Kunst-Eigenthums". Im Handelsrecht bestehe ein vergleichbares volles Kunsteigentum nicht, gleichwohl habe es den Mißbrauch fremder Warenbezeichnungen zu steuern. Diese Handlung sei nicht nur "sittlich genommen" eine "ordnungs-und rechtswidrige Sache", sondern auch "bürgerlich genommen nicht gleichgültig". Der Anhangsatz 109 a sollte nach Brauer dem Mißbrauch steuern, "den bey jener Vervielfältigung der Kunsterzeugnisse hier und da die Habsucht sich erlaubte, indem mancher den Namen und die VerfertigungsZeichen des Erfinders nachzumachen sich erlaubte, und seine Waare für das schon ein gewisses Zutrauen im Handel genießende Erzeugniß eines anderen geltend zu machen". Dieser Mißbrauch sei "oft, wenn auch nicht immer eine Gefährde des Käufers, und stets ist sie eine Benachtheiligung des ächten Verfertigers, der dadurch um einen Teil des Zutrauens und Gewinns gebracht wird, den die Käufer ihm zugedacht hatten". Im Hinblick auf die Käufer brauche der Gesetzgeber nicht einzuschreiten, weil der Schaden bei schlechter Ware gering sein und überdies durch den Verlust des Zutrauens in den Nachahmenden schnell bestraft werde; anderes gelte jedoch in bezug auf den ersten Verfertiger, dessen Absatz und öffentliches Zutrauen gefährdet werde. Dieser Nachteil sei beträchtlich genug, "daß das Bürgerliche Gesetzbuch davon Kenntnis nehmen könnte und sollte". Zumindest zugunsten der Inländer sei ein Schutz notwendig, "um ihre Fabrikations-Sicherheit auf das Gesetz zu gründen, damit sie das nicht erst durch Vorrechts-Briefe erkaufen müssen, was sie als gerechtes Erwerbsrecht für ihre Gewerbs-Versteuerung schon an den Staat zu fordern haben". 1
Erläuterungen IV S. 443 ff.
§ 37. Entfaltung der wissenschaftlichen Diskussion
283
In der Fundierung des Markenschutzes als eines "beschränkten Rechte(s) eines Erfinders auf seine Erfindung" zeigt sich das Bemühen Brauers um den Rückgriff auf eine Idee, welche den gewerblichen Rechtsschutz insgesamt zu tragen vermochte. Dabei wird nicht das Zeichen selbst als Gegenstand der Erfindung verstanden, sondern nur die bezeichnete Ware: die ihr auf Grund der Erfindung zugewachsene "Fabrikations-Sicherheit" läßt den ausschließlichen Zeichengebrauch zum "Eigenthums-Recht" werden. In der Konsequenz dieser Ansicht gewährt Brauer dem Markeninhaber einen dinglichen Anspruch auf die fälschlich bezeichnete Sache!. Die Unsicherheit der dogmatischen Bewältigung des Markenschutzes, die hier deutlich zutage tritt, bestimmte auch die wenigen anderen Äußerungen aus den folgenden Jahrzehnten. C. J. A. Mittermaier gedachte der Fabrikzeichen in einer kurzen Notiz als Vorrecht der Fabriken, deren Besonderheiten im systematischen Zusammenhang mit dem Handelsstand erörtert werden3 • In gleicher Weise verfuhr C. Th. Kleinschrod4 • Während Mittermaier, gestützt auf Zitate aus der älteren Literatur und Gesetzgebung, das Zeichenrecht eher im Sinne eines vorgegebenen Privatrechts zu verstehen scheint, ordnete Kleinschrod es ganz in die rechtspolizeilichen Kategorien seiner Vorschläge zur Neuregelung des Gewerbewesens ein. Beide für die weitere wissenschaftliche Diskussion grundlegenden Aspekte wurden am präzisesten herausgearbeitet einerseits von Hoffmann, andererseits von Stuve und Meißner. J. G. Hoffmann5 ging von der These aus, es lasse sich
"im Allgemeinen ... nicht behaupten, daß alles Nachahmen fremder Fabrikzeichen widerrechtlich, oder auch nur unanständig sei. Daraus, daß Jemand ein willkürlich angenommenes Zeichen auf seine Fabrikate setzt, folgt noch keineswegs ein Recht, Andern den Gebrauch desselben zu verwehren; dieses Recht kann nur die Staatsgewalt, und auch diese nur im Bereiche ihres Machtgebietes ver 1 e i h e n. Unanständig kann die Nachahmung eines Fabrikzeichens nur in Folge der Absicht zu täuschen werden: es bestehen aber viele Fälle, worin eine solche Absicht ganz unerweislich ist." e Vgl. oben§ 21 zu Anm. 4 f. s Grundsätze des gemeinen teutschen Privatrechts, 18304 S. 945 (§ 480); leicht erweitert in Grundsätze 18477 II S. 735 (§ 534). 4 Beiträge zu einer deutschen Gewerbeordnung (1840) S. 176 f. Ergänzend sei noch auf W. A. F. Danz verwiesen, welcher das Nachmachen fremder Fabrikzeichen teils als Warenfälschung (Handbuch IV S. 445), teils im Zusammenhang mit dem Verlagsrecht behandelt, das seinerseits als natürliches Eigentum verstanden wird (Handbuch I S. 240 f., 243). s Befugnis zum Gewerbebetrieb S. 439 f.
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12. Kap.: Markenschutz als Problem der Theorie
Eine unbedingte Ausnahme gilt nach Hoffmann für die Bezeichnung "mit dem vollen Namen des Fabrikanten mittels eines Stempels, der seine eigene Handschrift darstellt". Da die Sitte in allen Ländern das Nachahmen der Namensunterschrift verpöne, bedürfe es keines geschriebenen Gesetzes der einzelnen Staaten, um derselben überall Achtung zu verschaffen. Hoffmann verzichtete letztlich zugunsten einer rein juristischen Argumentation auf eine wirtschaftspolitische Bewertung des Zeichengebrauches: der Schutz des Namens wurde auf die Sitte, der Schutz eines Fabrikzeichens- als Ausnahme- auf die "Verleihung durch die Staatsgewalt" zurückgeführt. Die Frage, warum der Staat ausnahmsweise einen solchen Schutz verleihen soll oder darf, wurde nicht gestellt. Der privatrechtliche Ansatz des französischen Markenrechts, der sich in der Lehre von der "propriete industrielle" niedergeschlagen hatte, wurde in Deutschland zuerst von Stuve6 aufgegriffen. Für ihn galt das .,Eigenthum an Waarenbezeichnungen" als ein naturrechtlich begründetes "industrielles Eigenthumsrecht", welchem das positive Recht Rechnung zu tragen habe, indem es dem Fabrikanten ein Recht auf den ausschließlichen Gebrauch des von ihm gewählten, von anderen hinreichend verschiedenen Zeichens gewähre7• Für dieses Eigentum gilt die allgemeine Rechtfertigung jeden Eigentumsrechts an einer Idee: es ist8 "das dem ersten Urheber der Verkörperung einer Idee für immer zustehende und auf seine Erben und Rechtsnachfolger vererbliche Recht, diese Idee allein, mit Ausschluß eines jeden Anderen, in dessen Geiste dieselbe sich durch die Anschauung ihrer Verkörperung wiedererzeugen kann, durch jedes ihm beliebige Mittel den Sinnen wahrnehmbar zu machen". Von anderen Arten des geistigen Eigentums unterscheide sich das industrielle nur durch die besondere Weise der "Verkörperung", nämlich jene "durch Vermittlung gewerblicher Kunstfertigkeit" 9 • Ganz im Banne des französischen Rechts stand auch H. A. Meißner 10• Ihm galt das "Eigenthum an Fabrikmarken" als Spezialfall des "Eigenthums an allen Geistesprodukten", das "als ebenfalls ein geistiges seine Begründung einzig und allein in der Eigenthümlichkeit von deren Er6 Das industrielle Eigenthum und die Nachbildung (1843). Stuve nennt seine Arbeit selbst im Vorwort (S. 5) "die erste eines deutschen Juristen über diesen Zweig der Rechtswissenschaft". 7 Ebenda S. 76. s EbendaS. 7. 9 Ebenda S. 13. 1o Über ihn vgl. oben § 26 Anm. 10.
§ 37. Entfaltung der wissenschaftlichen Diskussion
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findung" habe11 • Denselben Gedanken faßte Meißner in seinem Gesetzentwurf von 184812 folgendermaßen zusammen: "10. Nur die Erfindung einer neuen, noch nicht gebrauchten, auch einer schon bestehenden nicht zu ähnlichen Marke begründet an dieser ein n a t ü r 1 i c h e s E i g e n t h um. Der durch legalen Titel geschehene Erwerb einer schon bestehenden fremden Marke giebt dem Erwerber das Recht seines Auctors".
Es liegt auf der Hand, daß auch für Meißner das "Recht des natürlichen Eigenthümers" im Vordergrund der Überlegungen zum Schutz der individuellen Marke stand13•
II. Die Auseinandersetzung nach 1850 und der Durchbruch zur privatrechtliehen Sicht In der Diskussion nach 1850 flossen die Argumente Hoffmanns, welche der offiziellen preußischen Haltung entsprachen, und die französische Doktrin mit wirtschaftspolitischen Überlegungen im Sinne Mohls zusammen. Vor dem Erlaß des Markenschutzgesetzes sind im wesentlichen drei Richtungen zu unterscheiden. Zu einer ersten zählen jene, welche im Anschluß an das französische Vorbild das Markenrecht als ein vorgegebenes Privatrecht verstanden und damit ganz auf die unternehmerische Leistung abstellten. Einer zweiten Gruppe sind jene zuzurechnen, welche, mehr gesamtwirtschaftlich orientiert, zugleich das Schutzbedürfnis der Konsumenten und das Interesse der Öffentlichkeit an einem redlichen Handelsverkehr berücksichtigten und den Schutz allein auf einen positiven Rechtsetzungsakt zurückführten. Von dieser Richtung unterscheidet sich schließlich eine dritte Gruppe von Autoren, welche zwar - insoweit dem französischen Recht ähnlich- den Schutz auf ein subjektives Privatrecht des Markeninhabers gründeten, diesem Recht aber einen anderen Charakter beimaßen, nämlich den eines Persönlichkeitsrechts14. Ein aufschlußreiches Beispiel für die erste Gruppe, welche dazu neigte, das Markenrecht als verselbständigtes Rechtsgut in die Nähe des 11 Fabrikgerichte in Frankreich (1846) S. 104 f. 12 Vgl. den Gesetzentwurf, die Marken der Gewerb- und Handeltreibenden betreffend, in: Meißner, Vier Gesetze (1848) S. 61 ff. 13 Das Interesse der Konsumenten wird ausdrücklich hervorgehoben als Motiv der Strafe für fälschliehe Orts- und Qualitätsangaben; vgl. Art. 9 des Entwurfs mit Motiven S. 72 f. 14 Beseler vermeidet in seinem "System des deutschen Privatrechts" eine Festlegung, indem er - insoweit Mittermaier (oben Anm. 3) folgend - den Markenschutz im Rahmen des "Gewerberechts" als Besonderheit des Rechts der Fabriken darstellt; vgl. System (1855) III S. 248; entsprechend 18662 S. 321 (§ 88). Die Einteilung wird auch nach dem Erlaß des Markenschutzgesetzes beibehalten; vgl. Auflage 18854 § 217.
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Erfindungs- und Musterschutzes zu bringen, bietet F. Steinbeis, der Gründer und langjährige Leiter der Stuttgarter Zentralstelle für Handel und Gewerbe, in seiner Schrift über "Die Elemente der Gewerbeförderung nachgewiesen an der belgischen Industrie" 15• Er zählte den belgischen Zeichenschutz neben Ausstellungen, Auszeichnungen, Erfindungsprämien und -patenten unter die Maßnahmen zur "Anerkennung gewerblicher Leistungen" 16 und ordnete ihn bei den Schlußfolgerungen für die eigene Gewerbepolitik in ähnlicher Weise der "Sorge für die Leistungsfähigkeit" zu. Die Notwendigkeit des Zeichenschutzes überhaupt wurde im engen Zusammenhang mit dem Musterschutz begründet17 : "Der Ruf, den sich ein Gewerbsmann durch solide Fabrikation erworben hat, ist unbestreitbar sein E i g e n t h um und er kann nach Umständen ein sehr werthvolles Eigenthum seyn. Um dasselbe auszubeuten, ist ihm sehr oft eine anonyme B e z eichnun g seiner Waare nothwendig, die sie von anderer, gleichartiger unterscheidet. Deßhalb ist es eine Aufgabe des Staats, gegen die Nachahmung der Waarenzeichen zu schützen." Den Kategorien des französischen Markenschutzes ist auch die von der elsässischen Industrie preisgekrönte Schrift von R. Jannasch 18 verpflichtet, obwohl sie "nicht zur Genüge die Nothwendigkeit und die Berechtigung des Eigenthums an Fabrikzeichen" hervorhebt1'. Das Markenrecht gilt Jannasch als "ein Ausfluß des Eigenthumsrechtes" 20• Im Sinne der zweiten Gruppe, welche den gesamtwirtschaftlichen Aspekt des Markenschutzes stärker in den Vordergrund stellte, äußerte sich eine 1859 in Berlin erschienene anonyme Schrift21 • Sie empfahl die Warenbezeichnung als ein Mittel, um das durch den Zwischenhandel gestörte Vertrauen zwischen Produzenten und Konsumenten wiederherzustellen. Das Anbringen eines "zuverlässigen Erkennungszeichens bei fabrikativen Waaren" bewirke Erschienen 1853. Über Steinbeis vgl. oben § 20 zu Anm. 4. Elemente S. 162. 11 Ebenda S. 261. 1s Der Markenschutz und die Gewerbepolitik des deutschen Reiches (1873). 19 Vgl. den kritischen Bericht des Handelsausschusses der oberrheinischen Industriegesellschaft v. 29. I. 1873, ebenda S. 44. 2o Markenschutz S. 3. 21 Über den Werth und die Nothwendigkeit der Bezeichnung fabrikativer Erzeugnisse, Berlin 1859. -Die folgenden Zitate im Text nach S. 5, 6, 14, 16 (Hervorhebungen vom Verf.). - Die ältere Darstellung des Österreichischen Gesetzes vom 7. XII. 1858 durch Stubenrauch, Marken- und Musterschutzgesetz (1858) S. 1 ff., lehnt sich eng an den Text des Gesetzes an, u. a. auch in der Aussage zur doppelten Zielrichtung zugunsten des Gewerbetreibenden und des konsumierenden Publikums (bes S. 1 und 3). Die Begründung des Schutzrechtes wird in durchaus positivistischer Weise ("Besitzergreifung" durch "Hinterlegung und Einregistrirung") verstanden (S. 12). 15
1&
§ 37.
Entfaltung der wissenschaftlichen Diskussion
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"die Übernahme der Cantrolle von Seiten der einzig hierzu competenten Behörde selbst, nämlich den Consumenten, und die Übernahme der Gewährleistung von den dazu Bestimmten, den Fabrikanten". Das Zeichen biete eine "Garantie für die Preiswürdigkeit der Waaren". Als "annähernd zuverlässiges Zeichen" galt dem Autor die "Bezeichnung der Fabrikprodukte mit der e i g e n e n w i r k 1 i c h e n F i r m a des Fabrikanten. . . Die Firma . . . bildet einen natürlichen Schutz für Produzenten und Consumenten, der sich vor jedem anderen Zoll- oder Monopol-Schutz dadurch auszeichnet, daß er in wunderbar einfacher Weise für beide Partheien durchaus gleichwirkend ist und in keinem denkbaren Falle einen wirthschaftlichen Nachtheil herbeiführt. Sie ist ein E i g e n t h u m s r e c h t , welches nicht bezweifelt werden kann und dessen Anspruchnahme keine Nachtheile noch Schwierigkeiten für das Gemeinwesen herbeiführt, wie dies z. B. bei einem staatlichen Musterschutz der Fall sein würde. Sie spornt den Fabrikanten an, seine Erzeugnisse immer mehr zu vervollkommnen und brauchbarer zu machen, indem ihm dadurch die Gelegenheit geboten wird, sich weithin den Ruf eines fleißigen, ordentlichen und intelligenten Menschen zu erwerben und zu gleicher Zeit durch Erweiterung seines Wirkungskreises sein Einkommen zu vermehren. Sie bietet also einen Preis für gewerbliche Leistungen, der alle Geld- und Ehrenpreise, die man bisher zum Zweck der Förderung des Gewerbfleißes ersonnen, nachstehen müssen." Aus diesem Passus leuchtet der Bezug auf die preußische Gesetzgebung deutlich hervorl!l!. Das nur auf die Firmenmarke bezogene "Eigenthumsrecht" ist ihr Produkt, nicht dasjenige eines vorgegebenen Rechts, das auch figurative Zeichen hätte umfassen müssen. Ähnlichen Ansichten, wie sie in dieser nur wenig bekannten23 Schrift angesprochen sind, verschaffte G. Krug durch sein 1866 erschienenes Buch24 eine breite Anerkennung. Die Bedeutung der Warenbezeichnung als eines auf den Urheber der V/are hinweisenden "Unterscheidungszeichens", als "Repräsentation des Produzenten oder Fabrikanten"25, war für Krug bereits selbstverständlich: klar werden die Tatbestände des Markenmißbrauchs von der Fälschung öffentlicher Kennzeichen geschieden, um die geringere Strafbarkeit der ersten in der älteren Legislation zu begründenet~. Der gesetzliche Schutz der privaten Zeichen galt Krugn als ein "Gebot der Vgl. oben §§ 10 und 11. Sie war im Leihverkehr der Bibliotheken nicht zu beschaffen. Der Verfasser benutzte das in diP. pr. Ministerialakten geheftete Exemplar; vgl. ZStA II Rep. 120 D II 233 (3). 24 Über den Schutz der Fabrik- und Waarenzeichen, 1866. 2'6 Ebenda S. 3, 25. Vgl. S. 7 Anm. über den Unterschied von anderen Zeichen. 1!6 s. 21 ff. r.7 Hierzu und zum Folgenden S. 13 f. 1!.2 23
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12. Kap.: Markenschutz als Problem der Theorie
Billigkeit (des materiellen Rechts) und der Moral"; dies liege begründet in der Notwendigkeit, "die Thätigkeit und Produktion des Einzelnen in seinem berechtigten Erfolg zu schützen, ... ihm die Früchte seiner geistigen und auch körperlichen Arbeit zu sichern, ihm diejenigen Mittel möglichst zu garantieren, welche er sich zur Verwerthung seiner eigenen Thätigkeit wählt". Die Kontrolle des Erfolgs seiner Arbeit sei "wesentlich durch die Vermittlung der fraglichen Handels- und Fabrikzeichen b e dingt": das Zeichen, das sein Produkt "gleichsam als Vertreter seiner Person" begleite, begründe und erweitere den Absatz seiner Waren und belohne dadurch sein Verdienst. Es liege aber auch "im Interesse der Gerechtigkeit, der Aufrichtigkeit und Wahrheit im gesammten Handelsverkehr, die Übereinstimmung äußerer Abzeichen mit dem wahren Ursprung der Waare ... möglichst zu sichern und also auch das Vertrauen des Publikums, das Vertrauen des Consumenten auf (stillschweigende und ausdrückliche) Zusagen und Garantieen, überhaupt das Vertrauen auf Wahrheit im Handelsverkehr möglichst zu fördern, und wo es bereits zu Grunde gegangen, zu wecken". Das Verhältnis der drei Gesichtspunkte zueinander (Schutz des Markeninhabers, Schutz des Abnehmers, Schutz des Handelsverkehrs) wird von Krug dann im Zusammenhang mit der Frage nach den Schutzmitteln näher behandelt28 • Er verneint die Notwendigkeit einer besonderen Strafe; "ein erweiterndes eigentliches Strafgesetz" sei "gegenüber dem Käufer und Abnehmer der Waaren und Fabrikate ... ebensowenig geboten und gerechtfertigt, als in Betreff der verletzten Interessen des Kaufmanns und Fabrikanten". Andererseits rechtfertige ,,das ... in den Bereich des öffentlichen Rechts einschlagende Interesse der Moral, der Aufrichtigkeit und Wahrheit im Verkehr" allerdings einen Schutz im Bereich der "Polizeiübertretungen", denn es sei "nicht so überwiegend, um die Frage vollständig in das öffentliche Recht, und gar speciell ins Strafrecht zu verweisen, sondern es gehört der größere Theil des Motivs zur Aufgabe und zum Material des Civilrechts, wo die Privatrechte und deren Verletzung in Betracht kommen". Deshalb solle man den Schutz entweder durch ein "gemischtes" Rechtsmittel29 gewähren, oder aber das publizistische Interesse im Bereich der "Polizeiübertretungen" und das Privatinteresse des verletzten Kaufmanns oder Fabrikanten durch "ein leicht zu handhabendes und entsprechendes civilrechtliches Mittel", nämlich eine dem Art. 27 ADHGB entsprechende Norm00, absichern. 2s Bes. S. 25 ff., 29. 29 Krug meint damit "ein dem Nachdruckverbot ähnliches, ... aber vor-
wiegend auf private Genugthuung des Verletzten gerichtetes" Gesetz.
§ 37. Entfaltung der wissenschaftlichen Diskussion
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Diese Argumente galten nach Krugs Ansicht zwar auch für den Schutz bloßer Warenzeichen; dennoch fand er Gründe gegen die Einbeziehung "jeder Art von nicht namentlichen Zeichen und Stempeln"31 • Er berief sich auf die Notwendigkeit "subtiler Unterscheidungen und Beobachtungen im Handelsverkehr, welche der freien Bewegung in demselben nur hinderlich sein können", und befürchtete, daß ungerechtfertigte Interessen Schutz erlangten; aber auch dem berechtigten Wunsch des Publikums nach "größerer Zuverlässigkeit und Aufrichtigkeit" werde durch den "indirekten Zwang" zu der durch Namen und Firma vollständigen Klarheit und Erkennbarkeit des Unterscheidungszeichens" besser gedient. Schließlich hob Krug auf die Schwierigkeiten der praktischen "Ausführung und Durchführung" ab, die ebenso gegen den Musterschutz wie gegen "den zu ausgedehnten Markenschutz, gegen den figurativen Zeichenschutz" sprächen. Die Möglichkeit einer unterschiedlichen Bewertung von nominativer Marke und Warenzeichen gründet- wie schon bei Hoffmann- letztlich im Verständnis des Rechtsgrundes. Krug sah im Recht auf ausschließlichen Gebrauch kein vorgegebenes originäres Privatrecht, sondern ein vom Staate verliehenes, erst durch das Gesetz begründetes Monopol. Er stellte die Frage nach dem "rechtlichen Grund" des Schutzes an den Anfang seiner ganzen Untersuchung3!: "Welches ist, von allen Zweckmäßigkeits- und Verkehrsrücksichten abgesehen, der innere R e c h t s g r u n d , daß das Gesetz die bestimmten namentlichen und sonstigen Zeichen, welche ein Fabrikant oder Handelsmann seinen Fabrikaten oder Waaren aufdrückt oder anheftet, . . . vor Nachahmung und Mißbrauch und damit den Inhaber der Zeichen in dem aus s c h 1 i e ß enden Besitz derselben schützt oder schützen soll?" Die Ableitung aus einem "Eigenthumsrecht" lehnte Krug ab, da dieses nur an körperlichen Sachen bestehen könne; ein "sonstiges Recht für den ausschließlichen Gebrauch" lasse sich auch nicht aus dem gemeinen Rechts3 oder "aus Prinzipien der Rechtsphilosophie und Naturrechts" ableitens4 • Ebensowenig könne man das Recht "analog dem so 31
s. 30f. s. 33 ff.
32' S. 7 ff.- Hervorhebung im Original. sa Auch die Firma gilt Krug (S. 11 f.) als "gemeinrechtlich frei"; ganz im Sinne der Tradition verneint er Ansprüche oder andere Rechtsfolgen, wenn nicht zugleich ein Vermögensschaden gegeben ist. Zur gemeinrechtlichen Theorie vgl. unten §§ 43, 56. a• Im Anschluß daran (S. 9) meint Krug, das französische Recht habe es mit der Begründung des Markenschutzes leichter, denn es räume "der Person als solcher . . . die Fähigkeit der Erzeugung, der directen Begründung von Rechten ein".
19 Wadle
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Autorrecht auf ein geistiges Eigenthum" stützen; denn "aus der Wahl des Zeichens könnte dies ebensowenig hergeleitet werden wie aus dem ersten Gebrauch desselben für sein Fabrikat im Handelsverkehr". Allen diesen Überlegungen setzte Krug35 seine These entgegen: "Ich behaupte ..., daß nach unserem in Deutschland herrschenden Rechtssystem ein ausschließliches Recht des Fabrikanten und Kaufmanns auf seine Fabrik- und Handelszeichen ohne besonderen, ein solches gewährenden, gesetzlichen Erlaß nicht anzuerkennen ist." Wie dem Nachdruckverbot "ein rechtlich klares Fundament" dadurch gegeben sei, daß es als eine "in der Form eines allgemeinen Rechtssatzes" legalisierte "Monopolisirung" anzusehen sei36 , so gelte ähnliches für den Schutz der Fabrikanten und Kaufleute gegen "Imitation und Mißbrauch" der Marken: auch er könne "als die M o n o p o 1 i s i r u n g im ausschließlichen Gebrauch derselben für ihre eigenen Waaren und Fabrikate bezeichnet werden, wogegen alsdann die Verletzung dieses Mono p o 1 s, n a eh ein m a 1 g eg e b e n er g e n e r e 11 e r g e s e t z 1 i c h e r Begründung desselben, sich von selbst als ein D e 1 i c t charakterisirt"S7. Krug wandte in konsequenter Weise jene Gedanken auf den Markenschutz an, mit welchen C. F. Gerber8 der "Idee eines selbständigen individuellen Autorrechts" entgegengetreten war. Später sprach sich Gerber selbst im gleichen Sinne aus; die Verletzung des Firmenrechts und des Rechts auf Waarenzeichen rechnete er zu einer durch das Partikularrecht begründeten "Reihe von Verbindlichkeiten, welche aber keiner besonderen Theorie bedürfen"39• In den Jahren nach 1866 kehrten die Argumente Krugs in ihren Grundzügen wieder, obgleich seine rechtliche Würdigung des Markenrechts nicht immer geteilt wurde. Hack«~
sah in der Warenbezeichnung, w elche den Zweck habe,
"das betreffende Produkt als von einem gewissen Produzenten herrührend zu bezeichnen, ... das betreffende Erzeugnis von andern ähnlichen (zu) unterscheiden und gewissermaßen den Erzeuger für dasselbe besonders verantwortlich (zu) machen", einen "vermögensrechtlichen Werth", wenn es dem Inhaber mit ihrer Hilfe gelungen sei, einen Absatzkreis zu finden. Nach Hacks Ansicht Ebenda S. 8. Vgl. ebenda S. 12.- Hervorhebung vom Verf. 37 Ebenda. - Hervorhebung z. T. im Original. 38 Vgl. dessen Aufsatz "Über die Natur der Rechte des Schriftstellers und Verlegers", in Jherings Jahrb. 3 (1859) S. 359-398. 39 System des Deutschen Privatrechts 187010 Anm. 3 zu § 166; ebenso 187512. 40 Aufgabe des Staats (1867) S. 96. 35 36
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wurde durch das Nachmachen des Zeichens aber nicht nur dieser Wert geschmälert oder gefährdet: "Auch der Käufer wird in allen Fällen, in welchen er die Bezeichnung für ächt hält, getäuscht, und wenn auch da, wo das Publikum gewöhnt ist, auf die Bezeichnungen wenig Werth zu legen, eine eigentliche Täuschung nicht eintritt, entspricht es doch den Anforderungen des öffentlichen Vertrauens, dass die Gesetzgebung dem Missbrauch entgegenwirke, d. h. dass sie ein ausschließliches Recht auf die Führung einer bestimmten Waarenbezeichnung anerkenne." Hack lehnte jeden Versuch einer auf das französische Recht zurückgehenden "Analogie des geistigen Eigenthurns" zur Begründung "von vornherein existierender Einzelrechte" 41 ab: wie bei Erfindungspatenten und Musterschutz handle es sich darum, "zum Vortheil einzelner Gewerbetreibenden der gewerblichen Produktion und gewerblichen Absatz anderer Beschränkungen" aufzuerlegen; das Recht auf ein solches als "Ausnahme von dem allgerneinen Grundsatz der gewerblichen Freiheit" bezeichnetes "Monopol" werde "durch die staatliche Thätigkeit . . . erst geschaffen, zu dessen Einräumung volkswirthschaftliche Erwägungen allerdings führen können". Man brauche42, um den Zeichenschutz zu begründen, nicht auf das "sog. Marken-Eigenthurn u. dergl." zurückzugreifen; er rechtfertige sich schon aus den angeführten Momenten. Aus dieser positivistischen Sicht ergab sich, auch wenn Hack dies nicht ausdrücklich hervorhob, die Möglichkeit, den "eigentlichen Marken" den Schutz aus Gründen der Praktikabilität zu verweigern. Stärker noch als Krug und Hack stellte A. Schäffle das Interesse des Markeninhabers in den Vordergrund43 • Der "Firmen-, Marken- und Titelschuz" sei "in erster Linie ein Schuz der i n d u s t r i e 11 e n I n d i v i du a 1 i t ä t , ohne den Zweck, einen rechtlich ausschliessenden Absazkreis für bestimmte Produkte dieser Individualität zu schaffen. In zweiter Linie ist er ein Schuz des soliden Producenten und Händlers, so wie des Publikums gegen Täuschung und Betrug; hierin concurrirt er als Rechtsinstitut mit dem Strafrecht". Es könne nicht von einem Monopol oder ausschließenden "Absazrecht" die Rede sein, auch diene er nicht dazu, "thatsächlich vortheilhafte Kundschaften, welche ohne Ausschluss der freien Concurrenz bestehen, zu schützen"; er solle lediglich bezwecken, daß sich kein anderer "mit fremden Federn schmückt, das Renteneinkommen guten Scheines 41 42
43
19•
Ebenda S. 88 f. Ebenda S. 96. Absazverhältnisse S. 279 ff.
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für schlechtes eigenes Fabrikat zu gefährden", doch richte sich die "Sicherstellung der freien normalen Rentenwirkung" auch gegen das fälschliehe Bezeichnen von Waren gleicher Qualität. Obgleich die Überlegungen Schäffles nicht dem Rechtsgrund des Schutzes, sondern seiner wirtschaftspolitischen Rechtfertigung gelten44, scheint seine Formel von der "industriellen Individualität", die letztlich auf der Einsicht in die wirtschaftliche Funktion der Bezeichnung beruht, bereits den Umschwung in der rechtlichen Begründung des Markenschutzes44a anzudeuten, welcher für die Autoren der dritten Gruppe charakteristisch ist. Zu ihnen zählt vor allem R. Klostermann. Er knüpfte in seinem zweibändigen Werk über das "geistige Eigenthum" 45 zwar offensichtlich an die Systematik der französischen Lehre an; er versäumte jedoch nicht, das Markenrecht gegenüber Erfindungs- und Musterschutz abzugrenzen: die Warenbezeichnungen bildeten "nur uneigentlich einen Gegenstand des geistigen Eigenthums"; mit den übrigen Arten teile es zwar die "äußere Erscheinung", den ausschließlichen Gebrauch, und komme ihnen auch im Zweck nahe". Ein entscheidender Unterschied bestand nach Klostermann jedoch hinsichtlich des Rechtsgrundes: "Dagegen beruht das Recht der Firmen und Fabrikzeichen auf einem wesentlich anderen Grunde als das geistige Eigenthum an Erfindungen und Waarenmustern, es ist n i c h t e i n P r o du c t d e r g e i s t i g e n Arbeit, durch welche die Firma oder das Wasrenzeichen hervorgebracht wird, sondern ein Au s f 1 u ß d e r P e r s ö n 1 i c h k e i t , als deren Ausdruck sich die Firma und das Waarenzeichen darstellt."
Es war nur konsequent, wenn Klostermann, der im übrigen Krug in vielen Punkten - sogar durch ausführliches Zitat - folgte, auch den Vgl. ebendaS. 283. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang die kritische Besprechung der Bücher von Krug und Jannasch (oben zu Anm. 18 und 24) in der Vierteljahresschritt für Volkswirtschaft, dem Organ der sogenannten Freihandelslehre. Während Krug in Bd. 12 (1865) S. 235 ob seiner Beschränkung auf die Warenbezeichnung mit Name und Firma gelobt wird, ist der Markenschutz in Bd. 43 (1874) S. 181 generell als zulässig erachtet; ähnlich auch Bd. 49 (1876) S. 229 f. - Einer der führenden Vertreter der Freihandelslehre Hermann Rentzsch (Der Staat und die Volkswirthschaft, 1863, S. 123 f.), beklagte bereits 1863 im Zusammenhang mit dem von ihm verworfenen Erfindungsschutz "das Fehlen eines ausreichenden Markenschutz-Gesetzes, welches verhindert, daß die Etiquette einer renommirten Firma betrügerischer weise nachgemacht werde. Für den Erfinder zumal ist es wichtig, daß die Consumenten nicht getäuscht werden, und in dem Erlaß eines einheitlichen deutschen Marken- und Etiquettenschutz-Gesetzes erblicken wir ein weiteres passendes Mittel, dem Erfinder einen ausreichenden Gewinn auch ohne Patente zu sichern." 45 Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen I (1867) II (1869). 46 Ebenda I S. 213 f. 44
44a
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Schutz der Fabrikzeichen für notwendig erklärte und die Praktikabilitätserwägungen Krugs und des preußischen Gesetzgebers nicht gelten lassen wollte. Das Argument unzulässiger Verkehrsbeschränkung wurzelt nach Ansicht Klostermanns zum Teil in dem Streben, ausländische Etiketten und Marken nach dem Vorurteil des Publikums frei verwenden zu können. Der eindeutige Bezug des Markenrechts auf das Recht der Persönlichkeit wird im zweiten Band47 dadurch wieder getrübt, daß Klostermann das Recht znm :msschließlichen Gebrauch bezeichnet als "ein Vermögensrecht, welches seine Grundlage in dem Rechte der Persönlichkeit hat und am nächsten dem Rechte der kaufmännischen Firma verwandt ist". Weiter wird gesagt, daß auch dieses Vermögensrecht "nur kraft besonderer gesetzlicher Bestimmung" bestehe. Aus dem Zusammenhang ist freilich zu entnehmen, daß dadurch nur die Bestrafung, nicht aber die actio doli ausgeschlossen sein sollte48 • Damit war die Ver-
ankerung des Markenrechts im gemeinen deutschen Zivilrecht bereits vor dem Erlaß des Markenschutzgesetzes theoretisch vollzogen.
Der Bezug des Markenschutzes auf das Recht der Persönlichkeit war zuvor allenfalls ansatzweise hergestellt worden; nach Klostermann wurde er zum zentralen Gedanken49• Bereits im gleichzeitigen Systemversuch des Frager Nationalökonomen K. Th. Richte1oli0 finden wir bezeichnende Spuren. Richter suchte den aus Frankreich übernommenen Begriff des geistigen Eigentums durch einen anderen "dem Wesen der Sache entsprechenden Begriff" zu ersetzen. Er stellte die Marke mit Erfindung und Muster als ÄußerunEbenda li S. 389. Ebenda l i S. 390 mit Anm. 2. 49 Der Bezug zwischen dem Markenschutz und Recht der Persönlichkeit ist durch Bluntschli indirekt hergestellt, indem er seiner in das "Personenrecht" aufgenommenen Darstellung des "Autorrechts" eine Anmerkung anfügt, worin eine Ausdehnung des juristischen Schutzes auf Gegenstände der Fabrikation verlangt und hierbei u. a. die Bestrafung fälschlicher Nachbildung von Etiketten und Fabrikzeichen erwähnt wird; vgl. Deutsches Privatrecht 18643 Anm. 1 zu § 48. Zur Geschichte des Persönlichkeitsrechts im 19. Jahrhundert vgl. insbesondere L.euze, Entwicklung des Persönlichkeitsrechts; Scheyhing, Geschichte des Persönlichkeitsrechts.- Begünstigt wurde die dogmatische Leistung von Gareis und KohleT durch die Erforschung des historischen Markenwesens seitens Michelsen (1853), Hübbe (1857), Dietzel (1860) und insbesondere Homeyer (1872), schließlich auch durch Kohler selbst (Markenschutz S. 30 ff.). - Die frühen Kommentare zum MSchG schweigen sich zu den hier interessierenden grundlegenden Fragen in aller Regel aus, so etwa die Arbeiten von Landgraf, Stöckheim, Siegfried, vgl. Lit.-Verz. 50 Das Kunstgewerbe ... , Wien 1869. Zum folgenden insbesondere zu den Zitaten vgl. S. 131 ff., 154 f., 165 f., 183 ff. 47
48
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12. Kap.:
Markenschutz als Problem der Theorie
gen der "Erwerbskraft der Kunst und Wissenschaft in Gewerbe und Industrie" auf eine Ebene und begründete ihren Schutz aus der Notwendigkeit, das solchermaßen durch den einzelnen geschaffene wirtschaftliche Gut als "Vermögensrecht", als privates "Güterrecht" zu sichern. Der Bezug auf die "persönliche Erwerbskraft" tritt bei der Behandlung der Marke besonders deutlich hervor: "Die Marke ist ihrem innersten Wesen nach das äußere Kennzeichen der Verbindung einer besonderen Intelligenz mit einer besonderen Arbeitskraft in einem Producte. Die Marke ist daher eine reine persönliche Repräsentation, sie ist ein rein persönliches Gut, welches nach außen hin die Sicherheit bestimmter Factaren in dem Producte verbürgt, das eben die Marke trägt. Sie ist daher der eigentliche Repräsentant und die Bürgschaft der Geschäftskraft und Würde, der persönlichen Ehre." Da das mit der Marke verbundene wirtschaftliche Gut unabhängig von seiner gesetzlichen Anerkennung existiert, soll die Schutzgewähr nach Richter nicht aus grundsätzlichen Erwägungen, sondern nur aus Nützlichkeitsgründen von bestimmten Formalien (wie dem Registereintrag und dem Zusatz von Name/Firma und Wohnort) als "Beweisinstrument" unterworfen sein. Richters Schrift, die eine Reihe grundlegender Erkenntnisse zur Funktion der Marke als "Creditrepräsentant der durch Geist und Ehrenhaftigkeit ausgezeichneten gewerblichen und industriellen Arbeit" vorwegnahm, blieb in der späteren Literatur zum Markenschutz unerwähnt. In der Zeit nach dem Inkrafttreten des Markenschutzgesetzes beherrschten Gareis, Gierke und insbesondere Kohler die Diskussion; sie verhalfen der Begründung des Markenschutzes aus dem Recht der Persönlichkeit zum Durchbruch. C. Gareis unternahm den ersten Versuch, das neugeschaffene Markenrecht und andere durch die jüngere Gesetzgebung normierte Rechte (Firmenrecht, literarisches und künstlerisches Urheberrecht, Urheberrecht an Mustern und Modellen) unter dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsrechts in die Zivilistische Dogmatik einzugliedern51 • Das Markenrecht wurde mit dem Namen- und Firmenrecht derselben Gruppe von "lndividualrechten" zugewiesen52, deren Zweck es sei, das Bestreben des Menschen abzusichern, "nicht bloß im Gebrauch der individuellen Kräfte individuell möglichst gut zu leben, sondern sich dabei auch als Individuum anerkannt zu sehen". st Das juristische Wesen der Autorrechte S. 185 f. (1877); Grundriß (1877) S. 16 ff., 180; auch Patentrecht (1877) S. 20. -Zu Gareis vgl. bes. Leuze a.a.O. S. 93 ff.; auch Hubmann, Persönlichkeitsrecht S. 89. 52 Autorrechte S. 197.
§ 37.
Entfaltung der wissenschaftlichen Diskussion
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Namen, Firma und Marke erfüllen nach Gareis dieselbe Funktion: sie haben das Individuum kenntlich zu machen, wobei Firma und Marke auf den Bereich des Handelsverkehrs beschränkt sind. Der Markenschutz gilt Gareis53 "als eine Co n s e q u e n z des Firmenrechts, welches als Recht auf einen bestimmten Namen ein reines Individualrecht ist ... , ein Recht auf Geltendmachung die54 Individualität ganz bestimmten positivrechtlichen Inhalts". Ähnlich wie Gareis, der das zuvor meist naturrechtlich begründete Persönlichkeitsrecht in das positive Recht zu verlagern bemüht war, verfuhr auch J. Kohle~, ohne freilich den Bereich des Individualrechts so weit zu spannen wie Gareis56 • AuchKohlersah in der Individualisierungsfunktion die grundlegende Gemeinsamkeit von Namen und Firma einerseits und Warenzeichen andererseitgli7: "Die Marke ist nichts anderes, als eine gesetzliche garantirte Individualbezeichnung, auf welche der Berechtigte ein exklusives Individualrecht hat, wie auf einen Namen." Diese bereits 1880 angedeutete Sicht wird im "Recht des Markenschutzes" (1884) breiter ausgeführt58: "Die Beziehung der Person zur Sache, welche durch die Marke als Ursprungszeichen ausgedrückt wird, ist eine individualrechtliche: sie ist die Manifestirung des Schöpfers, der Ausdruck der Produktionsthätigkeit des Erzeugers. Das Recht des Erzeugers aber, als solcher anerkannt zu werden, und das Recht zu verlangen, dass dem Erzeuger kein ihm nicht zugehörendes Produkt unterschoben wird, ist einer der wichtigsten Ausflüsse, eine der wichtigsten Manifestationen des Individualrechts. Die Unterschiebung eines fremden Produkts enthält eine schwere Verletzung des Produzenten ... auch wenn die Waare die beste der Welt wäre, würde die falsche Bezeichnung es bewirken, dass dritte am Arbeitscredit des Berechtigten zehrten, dass dritte sich die moralische und technische Hochachtung, welchem er durch Genie, Fleiss, Sorgfalt und strenge Redlichkeit im Laufe sa EbendaS. 206.- Vgl. auch die Nähe von Firmenrecht und Markenschutz im Grundriß S. 180. - Starken Einfluß auf die prinzipielle Gleichstellung von Marke und Firma dürfte die Darstellung Dietzels (1860) ausgeübt haben, welche die jüngere Geschichte der Handwerksmarke zugunsten jener der kaufmännischen Marke vernachlässigt hat. 54 Muß wohl heißen: "der". 55 Autorrecht (1880) bes. S. 129 ff.; Markenschutz (1884), passim; zuletzt Warenzeichenrecht (1910) S. 62 ff., und: Unlauterer Wettbewerb (1914) S. 17 ff. - Über Kohler vgl. die Gedenkrede von Osterrieth, J. Kohler, Ein Lebensbild, Berlin 1920. 56 Während Gareis (Autorrechte, passim) auch Erfindungsschutz und Musterrecht dem Individualrecht zuordnet, unterscheidet Kahler streng zwischen Individualrecht und "Immaterialrecht", vgl. etwa Patentrecht (1877) S. 7 f., 13 f.: "Die Immaterialrechte sind, wie das Eigenthum, von der Persönlichkeit lösbare und übertragbare Vermögensrechte"; im übr igen: Markenschutz S. 74. 57 Autorrechte S. 133 Anm. 1. Vgl. auch Markenschutz S. 157. 58 Hierzu und zum folgenden Markenschutz S. 73 ff.
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12. Kap.: Markenschutz als Problem der Theorie
der Jahre erworben, selbst zu Gute machten und sich damit eine Zugkraft verschafften, welche nach ihrem ganzen Ursprung ihm allein angehört, dass dritte, in die Maske seiner Persönlichkeit gekleidet, seine Rolle spielten und die Vortheile seiner Rolle ihrer Person zuspielten." Das Zeichenrecht. das Kohler so plastisch und wortreich charakterisiert, fließt seiner Ansicht zufolge aus dem Recht der Persönlichkeit, dem Individualrecht. Diese Einordnung basiert auf der klaren Unterscheidung nach Funktionen: der Marke als einem bloßen "Erkennungszeichen", als einem Mittel zur Ankündigung "der Herkunft der Waare von einer bestimmten Person, einem bestimmten Geschäftshause", stellt Kohler gegenüber die Erzeugnisse der "artistischen oder technischen Produktion" dem charakteristischen Grunde des "Immaterialrechts". Die Verankerung des Markenschutzes im Individualrecht hat zur Folge, daß nach Kohlers Ansicht der Rechtsschutz auch ohne besondere Gesetzgebungsakte im bestehenden deutschen Recht anerkannt sei; es galt ihm als "Ausfluß aUgemeiner Principi.en". Konsequenterweise widersprach Kohler der Ansicht des Reichsgerichts, ein Rechtsschutz bestehe ausschließlich im Rahmen des Markenschutzgesetzes59. Kohler meinte, das Reichsgesetz habe wohl die älteren "landesgesetzlichen Markengesetze" aufgehoben, nicht aber die actio doli schlechthin: "die Annahme, dass weil das spezielle Recht gewisse Arten des dolus ausscheidet und daraus Spezialdelikte bildet, alle anderen Arten des dolus jetzt frei und ungehindert seien, ist ebenso unrichtig wie wenn aus Spezialgesetzen, welche beispielsweise den Schutz von Nahrungsmitteln betreffen, schliessen wollte, dass jede andere deliktuose Thätigkeit im Verkehr dadurch frei geworden wäre". Für die actio doli genügte nach Kohlers Ansicht die sachliche ZuordnungOO. Den "natürlichen Prozeß der Rechtsbildung" könne der Gesetzgeber aber "potenziren" ; so gebe "das System der einregistrirten Marke dem Verkehrstreibenden den eminenten Vortheil, dass die von ihm gewählte Marke sofort mit seiner Person in Verbindung tritt, dass sie sofort zum untrüglichen Kennzeichen der Herkunft seiner Waare erhoben wird, ohne dass es erst des Mediums des Verkehrs bedarf, um diese Verbindung, diese Charakterisierung zu vollziehen". Dieses "staatlich regulierte Markenrecht" hebe das in der sachlichen Zuordnung begründete "pure Individualrecht" aber nicht auf; es erspare dem Inhaber nur den umständlichen Nachweis, "daß ein bestimmtes Zeichen durch die Kräfte des Verkehrs allmählich zum Charakteristikum seiner Waare geworden ist". 511
Vgl. oben § 33 Anm. 35; dazu Markenschutz S. 89.
eo Ebenda S. 84 f.
§ 37.
Entfaltung der wissenschaftlichen Diskussion
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Kohlers Rückgriff auf das "reine Individualrecht" relativierte die Bedeutung der Formalitäten für den zivilrechtliehen Schutz, ohne sie aufzuheben61 • Kohlers Bemühen um die dogmatische Bewältigung des Markenschutzes ist getragen von einer breiten, aus profunder Kenntnis schöpfenden Darstellung der Jurisprudenz und Gesetzgebung des Auslandes. In diesem Verfahren waren ihm zwar schon andere Autoren, insbesondere Klostermann, vorangegangen; Kohler unternahm indes als erster den Versuch, die namentlich in der französischen Doktrin gewachsenen Vorstellungen zur Bekämpfung der "concurrence d€!loyale" auf ein Prinzip zurückzuführen, das der deutschen Rechtstradition besser entsprach als die Idee des industriellen Eigentums. Der Begriff des Individualrechts war weit genug gespannt, um neben der Marke auch andere auf die Person bezogene Merkmale wie Name, Wappen, Enseigne und Ausstattung, zu erfassen und ihren Schutz zu begründen~!%.
Kohlers Buch übte auf die Praxis, die immer lauter nach einer Revision des Markenschutzgesetzes und einer Ausdehnung des Schutzes zugunsten nichtregistrierter Warenbezeichnungen verlangte, keinen geringeren Einfluß aus als auf die juristisch-dogmatische Bewältigung des Markenwesens63. Im Sinne Kohlers verfuhr namentlich 0. Gierke, welcher "Namenund Zeichenrechte" als eine "besondere Klasse der Persönlichkeitsrechte" verstand, nämlich als "Rechte an den äußeren Persönlichkeitszeichen"64. Die für Kohler charakteristische enge Verknüpfung von Firma und Marke wurde von Gierke indes gelockert. Der Fortgang der Dogmatik, welche die Besonderheit des Namenrechts deutlicher herausgearbeitet hatte65, fand seinen Niederschlag im systematischen Nebeneinander von Namen und "Zeichen"; unter diesem zweiten Begriff faßte Gierke die "Marken" als Personalzeichen, die Wappen als Familien- und 61 Anderes galt auch nach Kohler (a.a.O. S. 83 f.) für den Strafschutz. Jede Strafgesetzgebung sei eine positive; während "der Civilschutz sich aus dem Bestehen des Civilrechts von selbst" ergebe, bedürfe der Strafschutz einer besonderen Sanktion; er dürfe nicht aus dem Rechte und der Rechtsverletzung heraus abgeleitet werden; das Bedürfnis zur Strafsanktion sei nicht in allen Fällen gegeben "und ob ein solches gegeben sei, habe nur die positive Gesetzgebung zu entscheiden". Im übrigen verweist Kohter auf den "legalpolitischen Grundsatz" des "nulla poena sine lege". &2 Markenschutz S. 90 ff. es Eine Übersicht über die Literatur nach dem Erlaß des Warenzeichengesetzes von 1894 bietet Adler, System S. 43 Anm. 8. - Zum Fortwirken der Kohlersehen Lehre zuletzt Vanzetti, Funktion und Rechtsnatur S. 188 ff., bes. Anm.75. &4 Dt. Privatrecht I (1895) S. 702 ff., bes. S. 717 ff. &5 Vgl. etwa Brexei, Entwicklung des Namensgebrauchs.
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12. Kap.: Markenschutz als Problem der Theorie
Körperschaftszeichen, die Siegel als Beglaubigungszeichen und schließlich die "Waarenzeichen" als "Ursprungszeichen für Waaren" zusammen. Es ist nicht zuletzt den Bemühungen Kohlers und Gierkes zuzuschreiben, daß die herrschende Dogmatik der Folgezeit den Rechtsgrund des Markenschutzes in der Position des Markeninhabers erblickte. Dies ist bemerkenswert angesichts der älteren Versuche, das Schutzinteresse des Publikums stärker hervorzukehren. Schon W. Endemann66 meinte, es ergebe "sich ein doppelter Gesichtspunkt. Man kann die Integrität derselben (sc. der Warenbezeichnung) deshalb aufrecht erhalten wollen, weil das Publikum, der gesamte Verkehr sicher sein soll, woher die Waare stammt; . . . Die andere Rücksicht ist die, daß es nothwendig sei, durch Rechtsvorschriften der Schädigung entgegenzuwirken, welche die betheiligten Geschäftsleute durch unrechtmäßige Anwendung ihrer Zeichen von Seiten Anderer erleiden. Wie so oft stellt sich der Gesetzgebung das zweifache Ziel dar, Schutz des Publikums und Schutz der Interessenten." Ähnlich sah A. Stockheim67 den Zweck des Schutzes darin, daß "nicht nur dem Produzenten die Früchte seines Fleißes und seiner Thätigkeit gesichert, sondern . . . namentlich auch das consumirende Publikum vor Täuschungen und Fälschungen bewahrt werden und dadurch ein Hauptelement eines jeden gesunden Verkehrs, das Vertrauen auf Treu und Glauben im Handelsverkehr, möglichste Förderung erfahren" solle Die Hervorhebung der Interessen der Abnehmer oder der Öffentlichkeit ist dort besonders ausgeprägt, wo der Rechtsgrund des Schutzes unzweideutig in der staatlichen Verleihung gesehen wird; dies war namentlich bei 0. Mayer und Moellenhof der Fall. Am weitesten ging 0. Mayer68 . Er verglich die bürgerlichen Freiheitsrechte mit den Schutzgesetzen für Marken, Erfindungen "u. s. w.": "Rechte sind diese Dinge nicht. Sie bedeuten bloß, daß Andere, dort die Behörden, hier die Mitbewerber, gewisse Handlungen nicht vornehmen dürfen. Als positiver Inhalt erscheint lediglich, wie dort die allgemeine staatsbürgerliche Persönlichkeit, so hier die wirthschaftliche, das Vermögen, ein besonderes Rechtsobjekt, ein Gegenstand der Willensherrschaft fehlt in beiden Fällen ..." Literarisches Eigentum, Patente, Muster- und Markenschutz galten Mayer als "Stücke des Verwaltungsrechts". Das "Recht" an der Marke war ihm lediglich ein Reflex staatlicher Maßnahmen; er sah allein "volkswirthschaftliche, wohl auch sozialpolitische Erwägungen": Markenschutz S. 1. Markenschutz S. VII. 68 Concurrence deloyale, ZHR 26, 433 ff., bes. 436 f. Insoweit knüpft Mayer an Gerber (vgl. Anm. 55) und Laband an; vgl. ZHR 23, 624 ff. so
&7
§ 37. Entfaltung der wissenschaftlichen Diskussion
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"Man wollte Treu und Glauben im Verkehr heben, den Erfindungsgeist anspornen, den Ansprüchen der Schriftstellerwelt Genüge thun usw. . .. Jedenfalls handelt es sich um Eingriffe der Staatsgesetzgebung in das natürliche Spiel der Privatrechte, um positive Beschränkungen der Gewerbefreiheit aus höheren Rücksichten."
Moellenhof69 betonte den Nutzen des Markeninhabers, dessen Begünstigung er dem "mit dem Erfindungspatente gewährte(n) Privilegium" gleichstellte: es setze das "geistige Eigenthum" des Markeninhabers "auf der einen Seite eine besondre persönliche Leistung auf der anderen einen gewissen gemeinnützigen Werth derselben voraus; und wenn irgendwo die Grenzen des zu gewährenden Rechtsschutzes durch den Grad der Gemeinnützigkeit mitbestimmt werden, so sicherlich auf diesem Gebiete, wo das Recht nicht auf unmittelbarer natürlicher Grundlage ruhet, sondern lediglich eine künstliche Existenz hat. Die Person muß sich durch Leistung ein besonderes Verdienst um das gemeine Wesen erworben haben, um auf solchen künstlichen Schutz Anspruch machen zu können". Eine solche Sicht konnte sich gegen die privatrechtliche Interpretation welche seit Kahler und Gierke dominierte, nicht durchsetzen. Zwar wurde der Gedanke des Konsumentenschutzes nicht völlig verdrängt; er spielte indes im Bereich des Markenrechts nur mehr eine untergeordnete Rolle. Bezeichnend ist, was Kohler70 selbst über das Verhältnis von privatem und öffentlichem Interesse sagt: "Bei dem Markenrecht sind zwar gleichfalls die Interessen des Berechtigten von den Interessen des Publikums j u r i s t i s c h zu scheiden, und wenn die Verfolgung der Rechtsverletzung an einen Antrag geknüpft ist, so ist . . . der Antragsberechtigte nur der Träger des Markenrechts und nicht das Publikum. Wohl aber stehen diese Interessen im f a c t i s c h e n Zusammenhange und berühren und beeinflussen sich gegenseitig im höchsten Masse: durch die Repression des Markenrechts wird auch dem Betrug gegen das Publikum gesteuert; und umgekehrt, die Repression gegen den Betrug spielt in die Interessen des Markenberechtigten hinüber; welche factische Coincidenz der beiderartigen Interessen auch dadurch illustrirt wird, dass der Berechtigte seine Marke regelmäßig nicht an einen Dritten zu veräußern oder einem Dritten zur Benützung und Verwerthung überlassen vermag . . . Bei dieser Sachlage sprechen genügend Gründe dafür, dass der Staat von Amts wegen einschreitet ... : die Markenverletzung ausreuten, heisst eine Wucherpflanze ausreuten, die nicht nur die Interessen des Berechtigten unterhöhlt, sondern auch ihren verderblichen vergiftenden Schatten auf den ganzen Verkehr wirft." Die Idee des Publikumsschutzes wird hier als sekundärer Rechtfertigungsgrund in Betracht gezogen, freilich nur für den Einsatz der Strafe als SchutzmitteF1 • In diesem Bereich wollte Kohler dem Publikums69 10
Freizeichen bes. S. 170, auch S. 184. Markenschutz S. 393 f.
300
12. Kap.: Markenschutz als Problem der Theorie
interesse sogar das größere Gewicht zumessen als der Reichsgesetzgeber: Kahler verlangte "die Antragsqualität des Delikts ... mit der Officialqualität zu vertauschen" 72 • Diese Forderung Kohlers hebt die Konzeption des Markenrechts als eines vorgegebenen, weil aus dem Individualrecht begründeten Privatrechts noch deutlicher hervor. In den nächstfolgenden Jahrzehnten hat sich an dieser prinzipiell privatrechtliehen und damit auf das Markeninhaberinteresse bezogenen Verständnis des Markenschutzes nichts mehr geändert. Die Dominanz
des Privatrechts wurde auch von jenen Autoren nicht gebrochen, welche dem Publikumsschutz größeres Gewicht beimessen wollten73 • Dies schloß freilich nicht aus, daß die Deutung des Markenrechts als eines Individual- oder Persönlichkeitsrechts angefochten wurde. Eine Reihe von Autoren wollte das Markenrecht dem Immaterialgüterrecht zuschlagen74. Diese Umorientierung wurde durch die Entwicklung des Zeichenwesens von der personengebundenen Marke zum "unpersönlichen" Warenzeichen begünstigt: je weniger die individuelle Unternehmerpersönlichkeit die wirtschaftliche Leistung eines Betriebes bestimmte und je mehr die Anonymität größerer Betriebseinheiten, durch 11 Die Unübertragbarkeit der Marke wird von Kahler nicht aus dem Interesse des Publikums, sondern aus den Wesen des Individualrechts gefolgert (Markenschutz S. 170 ff.); auch die Unzulässigkelt dezeptiver Marken soll nicht dem Abnehmerschutz dienen, sondern lediglich ein "Monopol des Betruges" zu Lasten anderer Mitbewerber ausschließen (Markenschutz S. 176), also den redlichen Konkurrenten schützen. Ansatzweise wird die Unablösbarkeit der Marke von der Person im Zusammenhang mit dem Strafschutz auf das Publikumsinteresse bezogen, vgl. das Zitat im Text. 72 Markenschutz S. 59; ebenso Mittler, Illoyale Concurrenz S. 36 f. 73 Selbst 0. Hahn, einer der heftigsten Kritiker des Markenschutzgesetzes, konnte an dieser Lehre nicht vorbeigehen, obgleich er den "Hauptzweck" des Markenrechts im "Schutz des Publikums gegen Täuschung über den Ursprung der Ware" sah und glaubte, daß schon das Reichsgesetz von 1874 dem "öffentlichen Interesse", der "Anerkennung eines Rechts auf Treue und Glauben im Verkehr", den Vorrang vor dem "Geldinteresse des Fabrikanten" eingeräumt habe; das an die Ursprungsangabe geknüpfte, "durch sittliche Arbeit, Solidarität der Arbeit, gleichmäßige Auswahl der Stoffe" errungene Konsumentenvertrauen erfahre zugleich mit dem öffentlichen Interesse Schutz und habe als "ein natürliches, sich von selbst verstehendes Recht" zu gelten, das, dem "geistigen Eigenthum" vergleichbar, durch ein "allgemeines Schutzgesetz gegeben sei.". Markenschutzgesetz S. 3 u. 7; später (S. 24) hebt Hahn auf den Unterschied zwischen Markenrecht und gewerblichen Rechten, etwa dem Patentrecht, ab, der gerade darin liege, daß diesem das öffentliche Interesse abgehe; das Recht auf die Marke wird geradezu als ein "öffentliches Recht" bezeichnet (5. 27). 74 So etwa Kraut I Frensdorff, Grundriß (18866) S. 334 ff.; StobbeI Lehmann, Handbuch (1889) Bd. I S. 88 ff. ("dem Urheberrecht verwandt"); Lobe, Unlauterer Wettbewerb (1907) 5.163; Lastig, Markenrecht (1889) S.179 (das vermögensrechtliche Interesse des Markeninhabers sei "das allein Schützenswerthe"); ähnlich auch Behrend, Handelsrecht (1886) S. 272 Anm. 3.
§ 37.
Entfaltung der wissenschaftlichen Diskussion
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das Eigengewicht der Werbung verstärkt, vordrang, um so weniger war die Idee des Persönlichkeitsrechts zu halten. Unangefochten blieb auch von den Kritikern die Vorstellung, daß das Markenrecht als Privatrecht zu gelten habe und bereits als solches einen zureichenden Grund des staatlichen Schutzes abgebe. Überblicken wir die Aussagen der wissenschaftlichen Literatur zum Markenschutz, so ist eine allmähliche Verkürzung der tragenden Motive nicht zu verkennen. Das anfängliche Neben- und Ineinander mehrerer Zielvorstellungen (Schutz des Abnehmers, Schutz des Publikums schlechthin, Schutz des redlichen Verkehrs, Schutz des Markeninhabers) wurde bereinigt, als die Strafrechtsdoktrin die Ausgliederung des am konkreten Fall orientierten Abnehmerschutzes ermöglichte75• Das spätere Aufkommen der Lehre vom subjektiven Privatrecht des Markeninhabers verdrängte dann mehr und mehr den allgemeineren, auf die Redlichkeit des Handelsverkehrs abzielenden Gedanken des Publikumsschutzes zugunsten der Idee eines Schutzes der Markeninhaberinteressen. Die genauere Bestimmung der Position des Markeninhabers angesichts widerstrebender Interessen anderer Mitbewerber wurde zum beherrschenden Thema der Diskussion um das Markenrecht76 •
Zur Herausbildung der Begriffe Betrug und Fälschung vgl. oben § 36. Diese Tendenz wirkte sich gegen Ende des Jahrhunderts auch auf dem weiteren Gebiet des Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb aus. Wir werden im zweiten Teil unserer Arbeit auf diesen Zusammenhang zurückkommen, wenn das Verhältnis von Markenschutz und Gewerbefreiheit im allgemeineren Rahmen zu erörtern ist. 75
76
Anhang I. Königlich-preußisches Schutzmandat vom 29. Oktober 1764 aus: StA Münster OP 2/51 Nr. 688 (Abschrüten) Von Gottes Gnaden, Friedrich, König von Preußen, Markgraf zu Brandenburg, des hl. R. R. Erz-Kämmerer, Churfürst etc. Unsern gnädigen Gruß zuvor! Hochgelahrter Rath, lieber Getreuer! Da wir in Gnaden resolvirt haben, dem in dem abschriftlichen Anschlusse der Stahl- und Eisen-Fabrikanten Gebr. Brand zu Schwelm vom 8. ds. enthaltenen Petito in Ansehnung des zu ihren verfertigten Stahl- und Eisenwaaren ererbten Zeichens zu deferiren, so befehlen wir euch, die Nachschlagung dieses Brand'schen Zeichens durch ein verpoenalisirtes Proclama sofort gänzlich zu inhibiren. Gegeben Cleve in unserer Kriegs- und Domainen Kammer, den 29. October 1764. Anstatt und von wegen Allerhöchst Sr. Königl. Majestät Michaelis An den Kriegs- und Domainen-Rath Wülfingh. Nachdem Sr. Majestät unser Allerggster König pr. Rescript Clem. de dato Cleve den 29. Octbr. denen Gehrüder Hen. und Diedr. Brand das zu ihren verfertigten Stahl- und Eisenwaaren ererbte Zeichen: als nämlich eine Sonne oder den Hercules alleine auf ihre Waaren zu schlagen, allergnädigst permittirt, und mir dabei aufgetragen, die Schlagung dieses Zeichens also allen und jeden poenaliter durch ein öffentliches Proclama zu inhibiren. Als(o) wird dahero allen Kaufleuten, Fabricanten, und sonst jedermänniglich, hierdurch bei Rthr. 20.- Strafe und Confiscation der obgedacht gezeichneten Waaren die Nachschlagung obgemeldeten, denen Gebr. Brand allein zu schlagen allergnädigst permittirten Zeichens gänzlich untersagt. Hagen, den 4. Dezember 1764 G. Wülfingh.
n.
Instruktion für die Fabrikzeichen-Commission zu Solingen aus: HStA Düsseldorf Bestand Reg. Düsseldorf Nr. 2101 1. Die Leitung und Verwaltung des Fabrikzeichenwesens zu Solingen wird
einem Ausschusse des dortigen Gewerbestandes übertragen. 2. Dieser Ausschuß besteht aus vier, im öffentlichen Vertrauen stehenden und mit dem Zeichenwesen bekannten Fabrikanten, unter dem Vorsitze des jedesmaligen Bürgermeisters von Solingen. 3. Derselbe wird dem Ausschusse zu seinen Sitzungen und der Aufbewahrung seiner Verhandlungen den nöthigen Raum auf dem Rathhause anweisen.
304
Anhang
4. Die sämtlichen vorhandenen Handwerksacten und Zeichenrollen werden diesem Ausschusse zur Verwahrung übergeben. 5. Alle künftig einzuführenden Fabrikzeichen müssen ihm zur Prüfung vorgelegt werden. 6. Er vergleicht darauf die in Vorschlag gebrachten Zeichen mit der Zeichenrolle, veranlaßt nach Befund der Umstände die Bekanntmachung derselben in den benachbarten Fabrikorten in dem Maaße, wie dieses auch früher üblich gewesen, und wenn ihrer Einführung nichts im Wege steht, so verfügt er deren Eintragung in die Zeichenrolle, worüber alsdann 7. dem Fabrikanten, welcher das Zeichen vorgelegt hat, eine eigene Urkunde ausgehändigt wird. 8. Diese Urkunde dient dem Inhaber zur Beglaubigung der rechtmäßigen Erwerbung des von ihm gewählten Zeichens in Beziehung auf den hiesigen Fabrikdistrikt, wobey ihm jedoch selbst die Sorge überlassen bleibt, kein solches Zeichen zu wählen, welches schon in einem anderen Theile der Monarchie gebraucht worden, und deshalb gegen ihn in Anspruch genommen werden könnte. 9. Gleich nach der Einsetzung des erwähnten Ausschusses, welche in den sämtlichen öffentlichen Blättern des Bezirkes bekannt zu machen ist, hat derselbe sich mit einer genauen Prüfung aller seit der Aufhebung der Handwerks-Verfassung eingeführten Fabrikzeichen zu beschäftigen, und nach Befund der Umstände die etwa unrechtmäßig erworbenen Zeichen in der Zeichenrolle zu löschen. Düsseldorf, den 18. März 1816 Für den Gouvernementsrath der Staatsrath gez. Linden
111.
Regulativ für den Geschäftsgang in den Sitzungen der Fabrikzeichen-Commission zu Solingen (Entwurf 1817) aus: HStA Düsseldorf Bestand Reg. Düsseldorf Nr. 2101 1. Die Sitzung nimmt jedesmal um zwei Uhr Nachmittags ihren Anfang.
2. Der Sekretär eröffnet die Verhandlungen durch Verlesung des zuletzt abgehaltenen Protokolls, aus welchem die zur Berathung bestimmten Gegenstände besonders extrahirt und nach der im Protokoll beobachteten Ordnung vorgenommen werden. 3. Im Falle der Vorsteher der Commission verhindert werden sollte, persönlich zu erscheinen, so vertritt Herr Peter Weyersberg seine Stelle; jedoch kann sich dieser nur als ordentliches Mitglied, nicht aber als Vorsteher durch seinen Substituten K. E. Kirschbaum vertreten lassen. 4. Ohne die Anwesenheit von wenigstens drei Mitgliedern kann kein Beschluß gefaßt werden, einleitende oder Zwischenverfügungen ausgenommen. 5. Zu jedem Beschlusse gehört es, daß wenigstens drei Mitglieder in ihrer Meinung und Ansicht übereinkommen. 6. Im Falle die Meinungen der vier Mitglieder getheilt sein sollten, ist die Stimme des Vorstehers entscheidend.
Anhang
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7. Die ersten zwei Stunden der Sitzungen sind zu besonderen Beratbungen bestimmt, weshalb alle Vorladungen von Zeicheninteressenten auf vier Uhr festzusetzen sein werden. 8. Vorgeladene Individuen, oder solche, die etwas vorzutragen haben, dürfen nur einzeln ins Sitzungszimmer treten, worauf ihre Aussage oder ihr Antrag zu Protokoll genommen und der Beschluß in ihrer Abwesenheit gefällt wird. 9. Alle Gesuche, Protestationen - p. p. müssen schriftlich eingereicht werden. 10. Bei nachgesuchten Umschreibungen verkaufter Zeichen müssen beide Theile persönlich erscheinen und diejenigen Dokumente offen legen, welche das Verkaufsrecht erweisen. 11. Proponierte neue Zeichen werden auf folgende Weise mit den in den älteren Rollen vorhandenen verglichen: Jedes Mitglied erhält eine Abschrift des neuen Zeichens und eine der vier Rollen. Während des genauen Durchsuchens der vier Zeichenrollen notirt der Sekretair jedes ihm angezeigte Zeichen, welches nach Meinung des Nachsehers Ähnlichkeit mit dem proponirten hat. Nach beendigter Durchsicht, werden die vom Sekretair notirten Zeichen einzeln mit jenem verglichen und über die Ähnlichkeit entschieden. 12. Alle Verhandlungen, Berichte - p. p. werden von dem Sekretair angefertigt und von wenigstens zwei Mitgliedern unterschrieben. 13. Eingereichte Gesuche oder eingegangene Verfügungen - p. p. sind, falls ihr Gegenstand augenblickliches Interesse hat, ebenso wie Einladungen zu außergewöhnlichen Zusammenkünften von dem Präsidenten an den Sekretair und von diesem per Circulare an die Mitglieder zu befördern. Solingen am 18. Februar 1817
IV. Entwurf zu einem Statut für die Eisen- und Stahl-Gewerbe des Kreises Solingen (1823) -Auszug aus: HStA Düsseldorf Bestand Reg. Düsseldorf Nr. 2101 Fünfter Abschnitt: Besondere Vorschrüten über die Sicherung des Eigenthums an besonderen Fabrikzeichen. §48
Um das Eigenthum der bereits vorhandenen besonderen Zeichen zu constatiren, sollen die darüber bis jetzt geführten Zeichenrollen offen gelegt und eine Präclusiv-Frist von drey Monaten bestimmt werden, nach deren Ablauf die Rollen geschlossen werden, und niemand Anspruch auf ein nicht eingetragenes älteres Zeichen machen kann. § 49
Von Publication dieses Statuts an hat jeder, der sich das Eigenthum eines Zeichens sichern will, die Eintragung desselben in die Zeichenrolle bey dem Vorstande nachzusuchen. Selbe kann nur nach einer Prüfung, daß das gewählte Zeichen von den bereits eingetragenen hinreichend unterschieden, und nachdem eine genaue Zeichnung, oder nach Umständen der Abdruck in eine Metallplatte deponirt ist, erfolgen. Der Eigenthümer des Zeichens erhält hierüber eine Bescheinigung, welcher eine beglaubigte Copie der Zeichnung beygefügt ist. 20 Wadle
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§50 Eine Abschrift der auf die § 48 angegebenen Art geschlossenen älteren Zeichenrollen soll der Regierung eingereicht werden. Ein gleiches soll im Januar jeden Jahres hinsichtlich der im Laufe des vorigen Jahres neu ertheilten, oder umgeschriebenen Zeichen statt finden. §51 Für die Eintragung eines neuen Zeichens soll der bisherige Gebühren-Satz von 25 Sgr., für die Umschreibung eines durch Kauf erworbenen älteren Zeichens jedesmal eine Gebühr von 5 Sgr. gezahlt werden. Für die Umschreibung eines durch Erbschaft auf einen anderen Besitzer übergegangenen Zeichens ist 1 Sgr. zu entrichten. Für das Nachsehen der Rolle werden jedesmal 10 Sgr. entrichtet. §52 Das Nachschlagen der auf diese Weise gehörig constatirten Zeichen ist jedem Mitgliede der Korporation streng untersagt. Der Übertreter dieses Verboths hat nicht allein 1) denjenigen, dessen eigenthümliches Zeichen nachgeschlagen, für den dadurch veranlaßten Schaden vollständig zu entschädigen, sondern 2) zugleich eine Geldbuße zum Betrage des vierten Theils jener Entschädigung, jedoch niemals weniger als 100 Thr. zu zahlen. Die Strafe wird durch Resolut der Regierung festgesetzt, gegen welches binnen einer Frist von 8 Tagen, vom Tage der Insinuation an, die Berufung auf gerichtliches Gehör statt findet. 3) werden die mit dem nachgemachten Zeichen versehenen Waaren zum Vortheil des wahren Eigenthümers des Zeichens, der Geldbuße unbeschadet, und auf Abschlag des zu leistenden Schadens-Ersatzes confiscirt. Im Wiederholungsfalle wird die Geldbuße verdoppelt und der Schuldige zu drei bis 6 monatlicher Gefängnis-Strafe verurtheilt. §53 Das Nachschlagen des den Mitgliedern der Korporation ausschließlich bewilligten Ursprungs-Zeichens "Solingen" oder "Slgn" ist im ganzen Umfange der Monarchie bey einer Geldstrafe von 100-500 Thr. nach Verschiedenheit der Umstände verbothen. §54 Die obige Strafe soll verdoppelt werden, wenn Mitglieder der Korporation sich beygehen lassen sollten, fremde, d. h. nicht im Umfange des Kreises Solingen verfertigte Waaren mit dem SoHnger Ursprungs-Zeichen zu versehen, und dadurch fälschlich für Erzeugnisse der Solinger Fabrik auszugeben.
V. Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Fabrikzeichen für die Eisen- und Stahl-Gewerbe in den Rheinisch-Westphälischen Provinzen (Düsseldorfer Entwurf 1828) aus: StA Münster Bestand OP 2/51 Nr. 688 Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden König von Preußen etc. etc. Wir sind durch die Anträge unserer getreuen Stände der Rheinisch-Westphälischen Provinzen von den Nachtheilen unterrichtet worden, welche aus dem Mangel eines bestimmten Gesetzes zum Schutze der Fabrikzeichen für
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das Eisen- und Stahl-Gewerbe dieser Provinzen erwachsen, und verordnen daher nach erfordertem Gutachten Unseres Staatsraths mit Aufhebung aller und jeder entgegenstehenden Bestimmungen für die gedachten RheinischWestphälischen Provinzen wie folgt:
§I
Jedem Besitzer von Fabriken und Manufakturen steht es ohne weitere Formalität frey, die Waaren seiner Anstalt mit seinem Namen, der Handlungsfirma seines Hauses und seinem Wohnorte zu bezeichnen. Er genießt für diese Bezeichnung den Schutz der allgemeinen Gesetze, insofern die Geschlechtsnamen und Ortsbenennungen vollständig ausgeschrieben, nicht bloß mit Anfangsbuchstaben, Abkürzungen und Zusammenziehungen ausgedrückt sind.
§II
Jeder Besitzer von Hämmer, Hüttenwerken und Fabriken auf Eisen und Stahl, Kaufmann oder Arbeiter in diesen Artikeln hat ferner die Befugniß, die von ihm oder für seine Rechnung gefertigten Fabrikate mit einem beliebigen Zeichen zur Unterscheidung von ähnlichen Fabrikaten anderer Anstalten zu versehen. §III Dieses Fabrikzeichen soll mitte1st eines Stempels in versenkter oder erhabener Form aufgeschlagen, nicht bloß eingeprägt oder gravirt werden.
§IV
Wer sich den ausschließlichen Gebrauch eines oder mehrerer solcher Zeichen sichern will, ist gehalten, die Eintragung derselben in die zu solchem Zwecke unter öffentlicher Autorität zu führende Rolle schriftlich nachzusuchen.
§V
Ehe diese Eintragung erfolgen kann, muß das gewählte Zeichen mittels Hinterlegung eines Abdrucks in Metall und einer Zeichnung desselben bey der Ortsbehörde offengelegt und zur Vorbringung etwaiger Einwürfe eine dreymonatliche Frist bestimmt werden, die desfallsige Kundmachung findet in sämmtlichen Gemeinden des Kreises, durch die Amtsblätter aller Rheinisch-Westphälischer Departements, in letzten mit Beifügung einer Abbildung des Zeichens, und durch die benachbarten Zeitungen statt. Eine besondere Mittheilung soll auch von der Zeichenbehörde des Orts an die übrigen derartigen Behörden beider Provinzen geschehen.
§VI
Fremde Familiennamen, Namen inländischer oder ausländischer Fabrikanten, Worte und Zeichen, welche einen bestimmten Ursprung oder eine eigene Qualität der Waare andeuten, dürfen künftig nicht als Privat-Zeichen einzelner Fabrikanten eingetragen werden.
§VII
Nur insofern solche Arten von Bezeichnung schon vor dem 15. April 1828 als Privatzeichen erweislich gebraucht oder nach den bisher an einigen Orten bestandenen Einrichtungen angemeldet waren, bleibt der fernere alleinige Gebrauch dem bisherigen Besitzer auch für die Zukunft gesichert. §VIII Widersprüche gegen die Verleihung von Fabrikzeichen zum ausschließlichen Gebrauch können nur durch erwiesenen früheren Besitz des nemlichen oder eines bis zur Verwechslung ähnlichen Zeichens begründet werden. Ein 20•
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solcher rechtsgültiger Besitz ist künftig nur da als vorhanden anzunehmen, wo der bisherige Gebrauch des Zeichens sich durch Eintragung desselben in die unter öffentlicher Authorität stehende Rolle rechtfertigt. §IX über die Gültigkeit der entstehenden Widersprüche erkennen die Regierungen mit Vorbehalt des Rekurses an unser Ministerium des Innern. Gerichtliches Verfahren findet hierbei nicht statt. §X Erfolgen binnen der bestimmten Frist keine Widersprüche oder sind solche von den competenten Behörden als grundlos zurückgewiesen, so geschieht die Eintragung des Zeichens auf den Namen des Nachsuchenden in die Rolle; demselben wird hierüber ein Certifikat ausgefertigt, das ihm als Besitztitel dient, und daß dieses geschehen sey, wird ebenso wie die frühere Nachsuchung zur öffentlichen Kunde gebracht. §XI Die hiernach in vorgeschriebener Weise konstatirten Fabrikzeichen werden ausschließliches Eigenthum der Erwerber, welche darüber nach Gefallen verfügen können, die Fabrikzeichen vererben nach den für jeden Mobiliarbesitz bestehenden Gesetzen. §XII Veränderungen des Eigenthums an solchen, sie seyen durch Verkauf, Schenkung, Tausch oder durch Todesfall eingetreten, müssen innerhalb der nächsten drey Monate zur Umschreibung bey der Zeichenrolle unter Verlust des Anspruchs schriftlich nachgewiesen, und über die auf Grund dieser Nachweise geschehene Umschreibung dem neuen Besitzer eine Bescheinigung ertheilt werden. §XIII Das Nachschlagen der auf solche Art festgestellten Fabrikzeichen in den Rheinisch-Westphälischen Provinzen ist niemand erlaubt. Der Übertreter verfällt in eine Geldbuße von 50 bis 500 Thl. oder in eine Gefängnisstrafe von 6 Wochen bis zu drey Jahren. Im ersten Wiederholungsfalle wird die Strafe verdoppelt und beim zweiten tritt außerdem die Bestimmung des Artikels 1448 Tit. 20 Th. 2 des Allgemeinen Landrechts ein. Die mit dem fremden Zeichen versehene Waare wird überdies immer zum Besten des rechtmäßigen Inhabers dieses Zeichens konfiszirt. über die Anwendung dieser Strafe haben die ordentlichen Gerichte zu erkennen. §XIV Die Fabrikzeichenrollen sollen alle 10 Jahre revidiert und die Eintragungen nach vorheriger Aufforderung an die Betheiligten erneuert werden. Die alsdann nach Ablauf des lOten Jahres in den nächsten 6 Monaten nicht zur Erneuerung angemeldeten Zeichen werden für erloschen erklärt. §XV Zur Führung der Zeichenrolle sollen überall nach der Örtlichkeit der Fabrikbezirke, eigene Behörden aus Mitgliedern des Gewerbstandes und einem besoldeten Secretaire bestehend, gebildet werden. Denselben steht auch die erste Untersuchung von Contraventionsfällen in Zeichenangelegenheiten und die Constatirung des Thatbestandes zu. Ihren Aufforderungen haben die betheiligten Interessenten in allen Fällen bey einer durch die competenten Polizeibehörden zu erkennenden Geldbuße von
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1 bis 5 Thaiern unweigerlich Folge zu leisten. Die nach den Lokalverhältnissen zu treffenden näheren organischen Anordnungen werden die Regierungen unter Genehmigung des Ministeriums des Innern festsetzen. §XVI In denjenigen Fabrikdistrikten, wo bisher die Eisen- und Stahlartikel mit eigenen Merkmalen bezeichnet, in den Handel gebracht wurden, ohne daß gleichwohl ein besonderes Eigenthum einzelner Fabrikanten des Bezirks an solchen Zeichen nachgewiesen werden kann, weil keine oder keine vollständig geordneten Zeichenrollen vorhanden sind, sollen letzte unverzüglich angelegt und spätestens binnen drey Monaten nach Publikation dieses Gesetzes vollendet werden. §XVII In diese Rollen können auf Ansuchen der Betheiligten auch alle Zeichen eingetragen werden, die erweislich vor dem 15ten April 1828 in dem betreffenden Fabrikbezirke für Eisen und Stahl oder die daraus verfertigten Waaren üblich und in wirklichem Gebrauche waren, sofern solche nicht schon nach den bestehenden Einrichtungen erweisliches Privat-Eigenthum einzelner dortiger Fabrikanten sind. §XVIII Das ausschließliche Recht, diese bisher allgemein und willkürlich gebrauchten Zeichen zu schlagen, erhält demnächst jeder Fabrikant des betreffenden Bezirks, der die Eintragung derselben für sich wird bewirkt haben. Dagegen sind alle binnen der bestimmten dreimonatlichen Frist nicht eingetragenen Zeichen nach Ablauf dieser Frist erloschen. §XIX Die Rolle wird dann für geschlossen erklärt und mit den in andern Orten der Rheinisch-Westphälischen Provinzen schon vorhandenen ähnlichen Rollen verglichen. Finden sich hierbey die nemlichen Zeichen in mehreren Rollen, so bleiben solche da, wo durch schon bestandene Einrichtungen das Eigenthum des Zeichens für Private festgestellt ist, ausschließlich denjenigen, welche sie nach der bisherigen Verfassung gültig erworben haben und besitzen. überall steht aber jedem Fabrikant frey, zur Unterscheidung des in obiger Art erworbenen oder noch zu erwerbenden Zeichens gegen den anderwärts nach § 17 statt findenden Kollektivgebrauch, ein Beizeichen zu setzen, welches von allen anderen genügend unterschieden seyn und in der gedachten Vereinigung als neues Zeichen der Rolle eingetragen werden soll. §XX
Die auf den blauen oder sogenannten steirischen Sensen und den Strohfeilen bisher üblichen Bezeichnungen, die nicht schon erweisliches PrivatEigenthum einzelner sind, könne wie früher fortwährend von allen Fabrikanten dieser Artikel auf denselben gebraucht werden. Sie bleiben in der seitherigen Weise Gemeingut dieser Fabrikanten und dürfen als Privatzeichen für Sensen und Strohfeilen nur dann verliehen werden, wenn der diese Verleihung Nachsuchende sie mit Hinzufügung eines unterscheidenden Beizeichens zur Eintragung in die Rolle anmeldet, ohne daß gegen dieses Beizeichen begründeter Widerspruch erfolgt.
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VI. Reglement für die Fabrik-Zeichen-Commission der Fabrikorte Remscheid, Kronenberg, Lüttringhausen und Umgegend (Entwurf vom 30. November 1830)
§1
aus : HStA Düsseldorf Bestand Reg. Düsseldorf Nr. 2193.
Die Verwaltung der Fabrikzeichen-Rolle wird einer Corninission übertragen, die ihren Sitz in Remscheid hat.
§2
Diese Commission besteht aus sieben Mitgliedern und eben so viel Stellvertretern, welche aus den Fabrikanten gewählt werden, und zwar vier aus der Gemeinde Remscheid, zwei aus der Gemeinde Kronenberg, einer aus der Gemeinde Lüttringhausen. §3
Die Ernennung der Commission geschieht auf folgende Art: Nach dem ersten und zweiten Jahre treten jedesmal zwei und nach dem dritten Jahre drei Mitglieder aus (bei Stellvertretern findet das nehmliche statt), so daß nach dem dritten Jahre die Commission ganz erneuert ist. In den ersten Jahren bestimmt das Loos die Ausscheidenden und später das Dienstalter. Die Ausgetretenen können nach 3 Jahren wieder gewählt werden. §4
Die neu zu ernennenden Mitglieder schlägt die Commission der Landrätblichen Behörde vor, und es muß dabei beachtet werden, daß die Vorzuschlagenden aus den nehmlichen Bürgermeistereyen gewählt werden, in welchen die Ausscheidenden ihren Wohnort haben. §5
Am letzten Tage eines jeden Monats und wenn dieser auf einen Sonn- oder Feiertag fällt, am vorhergehenden Wochentage hält die Commission des Nachmittags um drei Uhr ihre gewöhnliche Sitzungen auf dem Gemeindehause zu Remscheid. Der Bürgermeister oder dessen Beigeordneter wohnt diesen Sitzungen bei. Wenn außergewöhnliche Verhandlungen nothwendig werden, so wird der Bürgermeister die Mitglieder der Commission durch ein Umlaufschreiben dazu einladen. §6
Die Wahl eines Sekretairs bleibt der Commission überlassen, sowie die Gehaltsbestimmung für denselben, die Vereinnahmung der Gelder sowie die Rechnungsführung wird einem Mitgliede der Corninission übertragen, welches dieses Amt bis zu seinem Austritt verwaltet. Es wird alsdann von der Commission ein anderes aus ihrer Mitte dazu gewählt. §7
Jedes Mitglied ist verpflichtet, den Sitzungen beizuwohnen, oder im Verhinderungsfalle dem Bürgermeister-Amte seines Wohnortes, Tags vorher es anzuzeigen, damit dasselbe dessen Stellvertreter dazu einladen kann. Derjenige, welcher dieses versäumt, bezahlt eine conventionelle Strafe von fünfzehn Silbergroschen, die nach Gutfinden der Commission entweder zu wohlthätigen oder zu gemeinnützigen Zwecken verwendet werden sollen.
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§8
Zur Abfassung gültiger Beschlüsse, Verhandlungen und Ausfertigungen müssen wenigstens fünf Mitglieder oder Stellvertreter gegenwärtig sein und solche durch ihre Unterschrift vollzogen haben. §9
Die in der alten Zeichen-Rolle befindlichen Zeichen sollen, in so ferne sie auf die unterm 12. November 1829 in dem öffentlichen Anzeiger in den beyden Elberfelder Zeitungen, in dem SoHnger Verkündigerund in den Gemeinden Kronenberg, Lüttringhausen und Remscheid erlassene Aufforderungen, in den darin bestimmten Fristen zur Erneuerung angemeldet, nach vorhergegangener Revision als richtig befunden, und den angemeldeten Eigenthümern als rechtmäßigen Besitzern zuerkannt worden sind, in die neue anzufertigende Zeichenrolle eingetragen und nebst den auf besonderen Bleyplatten mit Hinzufügung der bezüglichen Nummern der Rolle abgedruckt werden. § 10 Jedem Fabrikant oder Kaufmann soll es ohne weitere Formalitäten frei stehen, die Waaren, welche er selbst verfertigt oder verfertigen läßt, mit seinem Namen, der Handlungsfirma seines Hauses und seinem Wohnort zu bezeichnen. Er genießt für diese Bezeichnung den Schutz der allgemeinen Gesetze in so ferne die Familien-Namen oder die Handlungsfirma vollständig ausgeschrieben und nicht blos mit Anfangsbuchstaben, Abkürzungen oder Zusammenziehungen angedeutet sind. §11
Jeder Fabrikant, Fabrik-Inhaber oder mit Stahl- und Eisenwaaren handelnder Kaufmann, welcher ein neues Zeichen einführen und sich den ausschließlichen Gebrauch eines solchen Zeichens für alle oder einzelne Fabrikartikel sichern will, ist gehalten, die Eintragung desselben in die Zeichenrolle schriftlich nachzusuchen, den Prägestempel beizufügen und die Kosten der Bekanntmachung zu deponiren. § 12
Die Commission untersucht hierauf, ob das in Antrag gebrachte Zeichen der bestehenden Zeichenordnung angemessen oder ob es als unstatthaft abzuweisen ist. Im ersten Falle macht sie das Gesuch des Antragenden, mit Beifügung einer Abbildung des Zeichens in dem Lenneper Kreisblatt, in den beiden Elberfelder Zeitungen durch dreimalige Einrückung und durch Anheftung einer gleichen Kundmachung an den Gemeindehäusern der Gemeinden Kronenberg, Lüttringhausen und Remscheid bekannt und fordert darin diejenigen, welche etwaige Einwürfe dagegen vorzubringen haben möchten, auf, solche binnen einer Frist von drei Monaten in den gewöhnlichen Sitzungen der Commission schrütlich einzureichen. Wenn die vorgeschriebenen Formalitäten erfüllt, die Bescheinigungen der betreffenden Bürgermeister, daß die Bekanntmachung während den drei Monaten an den Gemeinde-Häusern angeheftet gewesen sei, beigebracht worden, und keine Einsprüche erfolgt sind, wird nach geschehener Entrichtung der tarifmäßigen Gebühren (§ 23) zur Eintragung des neuen Zeichens in die Zeichenrolle geschritten, und dem Nachsuchenden darüber eine Urkunde ertheilt, welche ihm als Besitztittel dient. Wenn Einsprache gemacht worden und die Commission solche gegründet befunden hat, so wird das Gesuch des Antragenden, unter zur Lastlegung der aufgegangenen Kosten abgewiesen. Eine Einsprache kann nur dann als
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gültig anerkannt werden, wenn das gemeldete Zeichen mit einem bereits eingetragenen Zeichen eine solche Ähnlichkeit hat, daß eine Verwechslung denkbar ist. § 13
Fremde Familien-Namen, Namen inländischer oder ausländischer Fabrikanten, Worte und Zeichen, welche einen bestimmten Ursprung oder eine eigene Qualität der Waare andeuten, dürfen nicht als Privatzeichen einzelner Fabrikanten eingetragen werden.
§ 14
Nur in so fern solche Arten Bezeichnungen schon in der bisher bestandenen Fabrikzeichen-Rolle eingetragen waren und in der in § 9 angegebenen Frist zur Erneuerung angemeldet worden sind, bleibt der fernere alleinige Gebrauch derselben, dem bisherigen Besitzer auch für die Zukunft gesichert. § 15
Die auf den blauen oder sogenannten Steyerschen Sensen und den Strohfeilen bisher üblichen Bezeichnungen, die nicht schon erweisliches Privateigenthum Einzelner sind, können wie früher fortwährend von allen Fabrikanten dieser Artikel auf dieselbe geschlagen werden, sie bleiben in der bisherigen Art Gemeingut dieser Fabrikanten und dürfen als Privatzeichen für Sensen und Strohfeilen nur dann verliehen werden, wenn der diese Verleihung Nachsuchende sie durch Beifügung eines unterscheidenden Beizeichens zur Eintragung in die Rolle anmeldet, ohne daß gegen dieses Beizeichen ein gegründeter Widerspruch erfolgt. Es versteht sich übrigens von selbst, daß bei einer solchen Verleihung den übrigen Fabrikanten der oben erwähnte gemeinsame Gebrauch des OriginalZeichens ohne das hinzugefügte Beizeichen nach wie vor unbenommen bleibt. § 16
Die in vorgeschriebener Weise constatirten Fabrikzeichen, werden ausschließliches Eigenthum der Erwerber, welche darüber nach Gefallen verfügen können. Die Fabrikzeichen vererben nach den für jeden MobiliarBesitz bestehenden Gesetzen. § 17
Veränderungen des Eigenthums, sie seyen durch Verkauf, Schenkung, Tausch oder durch Todesfall eingetreten, müssen innerhalb der nächsten drei Monate zur Umschreibung bei der Zeichen-Rolle, unter Verlust des Anspruchs, schriftlich nachgewiesen, und über die auf den Grund dieser Nachweisung geschehene Umschreibung, dem neuen Besitzer eine Bescheinigung oder neue Urkunde ertheilt werden. § 18
Das Nachprägen rechtsgültig erworbener Zeichen, ist untersagt. Die Zuwiderhandelnden verfallen unbeschadet der Civilklage, der verletzten Parthei, in eine Geldstrafe von ein bis fünf Thaler. § 19
Bei angezeigten Contraventions-Fällen, ist die Zeichen-Behörde befugt, die Feststellung des Thatbestandes unter dem Beistande der betreffenden Polizeibeamten vorzunehmen, und die vorgefundenen Prägestempel und die erweislich mit einem nachgeschlagenen Zeichen versehenen Gegenstände mit Sequester zu belegen. Die rechtmäßigen Eigenthümer der nachgeprägten Zeichen sind hiernach gehalten, die Gültigkeitserklärung der Beschlagnahme
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so wie ihre fernere Entschädigungsansprüche und die angemessene Bestrafung auf dem Civilwege nachzusuchen. § 20
Die bei einer Contraventions-Sache Betheiligten sind verpflichtet auf die durch die Polizeibehörde ihres respektiven Wohnortes an sie ergangene Aufforderung vor der Zeichenbehörde zu erscheinen und zwar unter dem Nachtheile, daß im Nichterscheinungsfalle die gegen sie vorgebrachte Klage als gegründet betrachtet werde.
§ 21
Die Zeichenbehörde ist ermächtigt, die in § 18 bestimmten Geldstrafen gegen die schuldig befundenen, durch ein Strafresolut festzusetzen. Dieses Strafresolut wird dem Contravenient durch die Polizeibehörde seines Wohnortes zugefertigt und ihm dabei eröffnet, daß es ihm frei stehe, {binnen zehn Tagen von dem Tage der Publikation angerechnet) darauf anzutragen, daß die Contraventions-Sache vor das Polizeigericht des Bezirks, in welchem die Zeichenbehörde ihren Sitz hat, gebracht werde. Will der Contravenient sein Recht bei dem Polizeigericht nachsuchen, so hat er binnen der vorbemerkten 10tägigen Frist derselben Behörde, die ihm das Strafresolut zugefertigt hat, die Anzeige davon zu machen und dies bescheinigen zu lassen. Die betreffende Polizeibehörde übersendet hierauf die darüber aufgenommene Verhandlung nebst dem Protokoll über die Publikation des Strafresoluts der Fabrikzeichen-Commission, wenn der Contravenient nach Verlauf dieser Frist die polizeigerichtliche Entscheidung nicht in Antrag gebracht hat, so wird die in dem Strafresolut festgesetzte Geldbuße auf dem Verwaltungsexekutionswege eingezogen. § 22
Eine zweite Ausfertigung des Strafresoluts, wird dem Kläger mit dem Bemerke übergeben, daß er seine ferneren Ansprüche auf Entschädigung und Bestrafung des Contravenienten durch das Civilgericht geltend zu machen habe. § 23
Für die Umschreibung bereits eingetragener und für die Eintragung neuer Zeichen, werden die Gebühren-von Seiten der Nachsuchenden nach folgendem Tarü entrichtet. 1. Für die Umschreibung eines Zeichens aus der Altenrolle in die Neue
einschließlich Urkunde . . .. . ........ .. . ... . ... . . ... . .. . .. . . 20 Silbergr.
2. Für die Eintragung eines neuen Zeichens, wenn dasselbe auf alle Stahlund Eisenwaaren geprägt werden soll ......... ... ............ 12 Thaler. Soll es aber nur auf diejenigen Artikel geprägt werden, welche ein Fabrikarbeiter selbst verfertigt oder ein Fabrikant in seiner eigenen Fabrikanstalt verfertigen läßt, so wird nur die Hälfte entrichtet, nehmlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Thaler. 3. Für die Umschreibung eines schon eingetragenen Zeichens, A. Wenn es durch Ankauf, Tausch oder Schenkung erworben worden ist . . ..... .. ............... . . .......... . ..... . . . .......... . . 2 Thaler. B. Wenn es durch Erbschaft anerfallen ist, von Jedem dazu Berechtigten, welcher Gebrauch davon machen will . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Silbergr. 4. Für das Nachschlagen der Rolle zur Aufsuchung eines eingetragenen Zeichens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Silbergr.
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5. Für die Ausfertigung der Urkunde, oder des Besitztitels, bei Erwerbung eines neuen, oder bei Umschreibung eines alten Zeichens, welches durch Kauf, Tausch, Schenkung oder Erbschaft erworben worden ist 8 Silbergr. Die Kosten der Bekanntmachung müssen besonders vergütet und nach § 12 bei der Anmeldung eines neuen Zeichens deponirt werden. § 24 Der Ertrag der eingegangenen Gebühren soll nach Abzug der Verwaltungskosten und der noch zu deckenden Schulden zu gemeinnützigen Zwecken verwendet werden, worüber die Zeichenkommission bei der jährlich in den ersten drei Monaten des folgenden Jahres abzulegenden Rechnung die geeigneten Vorschläge der höheren Behörde einreichen wird. § 25
Die in § 18 erwähnten Strafgelder sollen zur Anschaffung unentbehrlicher Geräthschaften für verarmte Fabrikarbeiter verwendet werden.
§ 26
Sollte es sich in der Folge ergeben, daß dieses Reglement mehrere(n) Modificationen unterworfen werden müßte, so werden solche vorbehalten, wobei sich jedoch von selbst versteht, daß dieselbe vorher der höheren Behörde vorgelegt werden. So geschehen Remscheid am 30. Nov. 1830 Die Fabrikzeichen-Commission J. P. Hilger Peter Müller J . Scharff G. Müller Clemens Tesche P. Hasenclever P. Brand der Bürgermeister Hering
VII.
Entwurf einer Verordnung zum Scllutz der Fabrik-Zeichen in den Provinzen Westphalen und Rheinland (Ministerialentwurf 1843) aus: Verwaltungsarchiv des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe Nr. A li 54. Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc. verordnen, um die Gewerbe und den Handelsverkehr in den Provinzen Westfalen und Rheinland gegen den Mißbrauch der Fabrik-Zeichen, den Wünschen der dortigen Gewerbetreibenden entsprechend, zu schützen, mit Bezug auf das Gesetz vom 4ten Juli 1840 auf den Antrag Unseres StaatsMinisteriums, nach Anhörung Unserer getreuen Stände jener Provinzen und nach erfordertem Gutachten Unseres Staatsraths, was folgt : I. Von dem ausschließlichen Recht zum Gebrauch gewisser Fabrik-Zeichen. a. Befugnis zur Auswahl derselben. §1
Jeder selbständige Gewerbtreibende hat die Befugniß, den von ihm verfertigten Waaren ein besonderes Zeichen zu geben, dessen Gebrauch ihm ausschließlich zusteht, und welches von keinem Andern nachgeahmt werden darf. Jeder Gewerbtreibende darf in der Regel nur Ein Zeichen führen.
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Beschäftigt sich der Gewerbtreibende mit der Verfertigung mehrerer Waarengattungen, für welche verschiedenartige Fabrik-Zeichen nothwendig oder üblich sind, so kann er deren mehrere, jedoch in keinem Falle mehr als drei annehmen. §2
b. Beschaffenheit des auszuwählenden Zeichens.
Das zu wählende Zeichen muß sich von den in den übrigen gleichartigen Gewerbsstätten bereits angenommenen Zeichen hinlänglich unterscheiden. Es darf nicht in fremden Eigennamen oder solchen Worten bestehen, welche die Eigenschaft der Waare bezeichnen. Auch darf es keine gesetzwidrige oder unsittliche Bezeichnung oder Darstellung enthalten.
§3
II. Feststellung des Zeichen-Eigenthums. a. Einreichung bei Gericht.
Niemand kann zur Anstellung einer Klage wegen Nachmacheus seines Zeichens zugelassen werden, der dasselbe nicht vorab durch Einreichung von drei Abdrücken bei dem Fabriken-Gericht, welches für den Bezirk errichtet, oder mit der Führung der Zeichenrolle für denselben besonders beauftragt ist, zur obrigkeitlichen Kenntniß gebracht hat. §4
b. Führung der Zeichenrollen.
Das Zeichen wird, sofern das Gericht bei näherer Prüfung (§ 5) gegen dessen Annahme nichts zu erinnern findet, in eine zu solchem Behuf nach der Zeitfolge der Anmeldungen zu führende Zeichen-Rolle eingetragen, und dem Einreicher unter Rückgabe eines der Abdrücke des Zeichens ein beglaubigter und besiegelter Auszug der Zeichenrolle zugefertigt. Die Sammlung der dritten Abdrücke der bei den Fabriken-Gerichten eingereichten Fabrikzeichen nebst dem entsprechenden Auszuge der Zeichenrolle wird alljährlich an die Regierung des Bezirks eingesandt.
§5
c. Genehmigung des Zeichens.
Das Fabriken-Gericht entscheidet über die Eintragungsfähigkeit des Zeichens und die Zulänglichkelt der Unterscheidungen der bereits angenommenen von dem neu eingesendeten Zeichen, so wie auch bei demselben auf deutlichere Unterscheidung der bereits eingetragenen Zeichen angetragen werden kann. Gegen die Entscheidungen desselben findet der Rekurs an die Regierung des Bezirks Statt.
§6
d. Ausdehnung des Zeichenschutzes auf andere Rollenbezirke.
Jedem Inhaber eines Fabrik-Zeichens steht frei, den Auszug der Zeichenrolle des Fabriken-Gerichts, in dessen Sprengel er wohnt, auch andern Fabriken-Gerichten der beiden Provinzen einzureichen, welche das Zeichen alsdann ebenfalls gemäß § 3 in ihre Rollen einzutragen und keinem andern Fabrikanten zu bewilligen haben. Auch ohne diese Einreichung hat das Gericht die Anmeldung eines solchen Zeichens zurückzuweisen, dessen bereits erfolgte Verleihung in fremden Zeichenrollen ihm bekannt ist. Ist aber diese Verleihung unbekannt geblieben, und die Eintragung und Zufertigung desselben Zeichens an einen in dem Rollenbezirk einheimischen
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Gewerbtreibenden erfolgt, so bleibt dieser zum Mitgebrauch desselben innerhalb seines Rollen-Bezirks lebenslänglich befugt, sofern ihm nicht nachgewiesen werden kann, daß er gewußt habe, das Zeichen sei bereits anderweit für einen Andern eingetragen. §7
e. Gebühren-Entrichtung.
Für die Eintragung eines Zeichens in die Zeichenrolle wird eine Gebühr im Betrage eines halben Thalers entrichtet. III. Geltendmachung des Zeichen-Rechts. a. Untersagung gegen Andere.
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Wenn ein Gewerbtreibender eines anderen Rollen-Bezirks als desjenigen, in dessen Zeichen-Rolle der Beeinträchtigte eingetragen ist, ein für ihn nicht eingetragenes Fabrik-Zeichen gebraucht, so hat der Beeinträchtigte zuvor bei dem, für den Wohnsitz des Beeinträchtigenden competenten FabrikenGericht auf Untersagung des Gebrauchs anzutragen, welches eventuell den letzteren auf die Widerrechtlichkeit seiner Handlung aufmerksam zu machen und die Untersagung des Gebrauchs zu bewirken, im Falle des Einspruchs aber die beiderseitigen Ansprüche im contradictorischen Wege zu prüfen, und darüber durch Resolut, vorbehaltlich des Recurses (§ 5) zu entscheiden hat. Setzt der Unterliegende der ergangenen Untersagung ungeachtet den Gebrauch des fraglichen Zeichens fort, so wird mit der gesetzlichen Strafe (§ 10) gegen denselben eingeschritten. Bei den Gewerbetreibenden des Rollenbezirkes, in dessen Zeichenrolle das Fabrik-Zeichen bereits eingetragen war, ist eine solche vorausgehende Untersagung nicht erforderlich. Entsteht jedoch bei dem Strafverfahren (§ 10) Zweifel über das Zeichenrecht, so kann die Sache an das Fabriken-Gericht zur vorherigen Entscheidung über dasselbe abgegeben werden.
§9
b. Veräußerung und Vererbung.
Die Fabrik-Zeichen können von den eingetragenen Inhabern übertragen und vererbt werden. Die Anerkennung des neuen Inhabers und dessen Eintragung in die Zeichen-Rolle erfolgt auf den Grund der UebertragungsVerträge, Testamente oder Erbschafts-Recesse. IV. Folgen der Nachahmung. a. Strafe und Entschädigung. § 10 Wer Waaren oder deren Verpackung mit dem Fabrik-Zeicheneinesandern in den Provinzen Westfalen und Rheinland wohnenden Gewerbtreibenden bezeichnet, oder wissentlich dergleichen fälschlich bezeichnete Waaren in den Verkehr bringt, hat: 1. insofern damit nicht ein schwereres Verbrechen verbunden ist, GefängnißStrafe, welche die Dauer eines Jahres, und zugleich eine Geldbuße, welche die Summe von Eintausend Thaiern nicht übersteigen darf, verwirkt; es kann jedoch in geringfügigen Fällen oder bei besonders mildernden Umständen bloß auf Geldbuße erkannt werden; 2. den Gewerbtreibenden, dessen Zeichen nachgeahmt ist, hat er vollständig zu entschädigen;
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3. die mit dem nachgemachten Zeichen versehenen Waaren werden eingezogen, und auf eine dem Zeichen-Eigenthümer unoachtheilige Weise versteigert, der Erlös aber, soweit er zur Deckung des zu leistenden Schadens-Ersatzes und der Geldbuße nicht erforderlich ist, dem Eigenthümer der Waren zurückgegeben. In dieselbe Strafe verfällt der, welcher das Siegel oder den Stempel einer andern Gewerbe- oder Handlungs-Anstalt nachmacltt. §11
b. Verfolgung des Vergehens.
Die Beschlagnahme der Waaren, von denen wahrscheinlich gemacht wird, daß sie mit einem nachgemachten Zeichen versehen sind, wird auf den Antrag des Zeichen-Berechtigten, welcher zu diesem Behuf den Rollenauszug, dessen im § 4 gedacht worden, vorzuzeigen hat, verfügt. Wird die Angabe wegen solcher Nachahmung unbegründet gefunden, so ist der Angeber zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Außerdem kann derselbe in eine Geldstrafe zum Betrag des vierten Theils der Entschädigung genommen werden, jedoch darf diese Strafe die Summe von Eintausend Thaiern nicht übersteigen. § 12
c. Förmlichkeiten bei Ausmittelung der Vergehen.
Wenn bei dem Fabriken-Gerichte Klagen über die in der gegenwärtigen Verordnung verbotenen Zeichen-Nachahmungen einlaufen, so ist das Gericht nach vorheriger Berathung befugt, zweien seiner Mitglieder den Auftrag zu ertheilen, sich in die Wohnung und die Werkstätte der angeschuldigten Fabrikanten, Arbeiter oder Kaufleute zu begeben, um daselbst den Augenschein einzunehmen, und das Vergehen auszumitteln. Bei den FabrikenGerichten im Bezirk des Appellations-Gerichtshofes zu Köln muß diese Deputation sich von einem öffentlichen Beamten begleiten lassen, und in dessen Gegenwart mit dem weiteren Verfahren vorschreiten. Die Friedensrichter, Bürgermeister, Beigeordneten und Polizei-Commissäre sind verpflichtet, den deshalb an sie gelangenden Aufforderungen des FabrikenGerichts Genüge zu leisten. § 13
Nach angestellter Untersuchung wird ein Protokoll über die Art und Beschaffenheit des vorgewesenen Vergehens und seiner Folgen aufgenommen. Dasselbe wird von der Deputation dem öffentlichen Beamten und dem Fabrikanten, Kaufmann oder Arbeiter, bei welchem die Untersuchung angestellt ist, unterschrieben. § 14
Die Deputation macht hierauf ein Inventarium aller der Sachen, die zur Ausmittelung des Thatbestandes und zur Ueberführung des Beschuldigten dienen können, nimmt selbige sodann in Beschlag, oder legt sie, wenn die Wegschaffung nicht mögliclt ist, unter Siegel. Eine Abschrift des Inventariums wird jedesmal der dabei betheiligten Partei belassen, welche auch für die Unversehrtheft der unter Siegel gelegten Sachen haftet. - Die Protokolle, die etwa in Beschlag genommenen Sachen und das Inventarium werden dem beauftragenden Gerichte eingesandt.
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V. Vorübergehende Bestimmungen. a. Schutz im bisherigen gemeinsamen Zeichengebrauch. § 15 Jedem, der bis zum Publikations-Tage Unsere Ordre vom 28sten Mai 1842 sich im rechtmäßigen Gebrauche bestimmter Fabrik-Zeichen befunden hat, steht frei, binnen einer sechsmonatlichen Frist dieselben zur Eintragung in ein Verzeichniß der alten Zeichen anzumelden, welches den Zweck hat, dem Eingetragenen den Fortgebrauch dieser Zeichen für seine Lebensdauer zu sichern, zu welchem Behuf die nach Ablauf der vorbezeichneten Anmeldungsfrist abgeschlossene Rolle während einer weiteren dreimonatlichen Frist zur Anbringung von Reklamationen offengelegt, und dann festgestellt wird. Dem Gewerbtreibenden bleibt überlassen, e in s , und wenn er mehrere Waarengattungen verfertigt (§ 1), bis zu drei dieser Zeichen zum ausschließlichen Gebrauch in so weit in Anspruch zu nehmen, als nicht andere Gewerbtreibende, dessen rechtmäßigen Mitgebrauch bis zum vorbezeichneten Publikations-Tage nachgewiesen haben, oder in die ausschließliche Eintragung auf seinen Namen willigen. Findet hierüber Einigung Statt, so erfolgt die Eintragung des Zeichens in die neue Zeichenrolle. § 16
b. Schutz der bisherigen Untersagungs-Rechte.
Den mit Untersagungsrecht versehenen Inhabern früherer Zeichen ist vorbehalten, innerhalb sechs Monaten nach der Publikation dieses Gesetzes sich bei dem die Zeichenrolle führenden Gericht über das Recht auszuweisen, Andern den Mitgebrauch ihres Zeichens zu untersagen, welchemnächst auch diese Anmeldungen während dreier Monate offen zu legen, und eventuell die Eintragung dieser Zeichen in die neue Zeichenrolle zu bewirken ist. Jener Beweis ist zu liefern a) durch die in den älteren Gesetzen vorgeschriebenen Ausfertigungen und Bekanntmachungen; b) für die Eisen- und Stahlwaaren-Fabrikanten innerhalb des Herzogtbums Berg insbesondere durch die für diesen Landestheil unter öffentlicher Autorität geführten Zeichen-Rollen, welche zuvor von der Regierung zu Düsseldorf zu revidiren und festzustellen, und demnächst bei den betreffenden Gerichten niederzulegen sind. VI. Aufhebung entgegenstehender Vorschriften. § 17
Alle der gegenwärtigen Verordnung entgegenstehende allgemeine und besondere Vorschriften werden hierdurch aufgehoben, insonderheit: 1. die Artikel 72 bis 79 des für die vormals Bergischen Landestheile ergangenen Decrets, wegen der Errichtung der Fabriken-Gerichte vom 17ten December 1811; 2. die auf der linken Rheinseite bestehenden Vorschriften: a. des Beschlusses vom 23. Nivöse des Jahres IX. b. des Gesetzes wegen der Manufakturen, Fabriken und Werkstätte vom 22. Germinal des Jahres XI. Art.16 bis 18. c. des Reglements für den Rath der Gewerbe-Verständigen vom llten Juni 1809 Art. 4 bis 9, und des dasselbe neu publicirenden Decrets vom 20. Februar 1810. d. des Decrets vom 5. September 1810 Art. 1 bis 4;
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3. der Art. 142 des Rheinischen Strafgesetz-Buchs, so weit er sich auf fälschliehe Waaren-Bezeichnungen mitte1st Nachahmungen der Siegel, Stempel oder Marken von Fabrik-Unternehmern, Producenten oder Kaufleuten bezieht; 4. Unsere Ordre vom 28. Mai 1842 wegen Herstellung der Gültigkeit dieser Vorschriften. VII. Anwendung und Ausführung dieser Verordnung.
§ 18
Das Untersagungs-Recht der Zeichen-Berechtigten erstreckt sich nur auf die dieser Verordnung unterworfenen Provinzen Westfalen und Rheinland. Diese Verordnung ist durch die Gesetz-Sammlung zu veröffentlichen. Unsere Minister der Finanzen und der Justiz sind mit der Vollziehung derselben beauftragt. Gegeben Berlin etc. (Zur Allerhöchsten Vollziehung.)
vm. Gesetzentwurf, den Schutz der Waarenbezeichnungen betreffend (Entwurf Diepolder 1850) aus: HStA München Allgemeines Staatsarchiv MH 5420 Art. I Jeder Fabrikant, Gewerbsinhaber, Produzent oder Kaufmann, welcher den gesetzlichen Schutz gegen das Nachmachen, die Unterdrückung oder den Mißbrauch der besonderen Kennzeichen seiner für den Verkauf bestimmten Gewerbs- oder Naturerzeugnisse sich versichern will, hat für die Waaren oder deren Verpackung eine solche Bezeichnung zu wählen, daß sie von anderen hinlänglich unterschieden werden kann. Er hat deshalb entweder 1. seinen Namen (oder die Firma) nebst dem Wohn- oder Produktionsorte dem Erzeugnisse beizusetzen oder 2. die Erzeugnisse mit einem besonderen Fabrik- oder Waarenzeichen, welches in einem Wappen, Stempel, einer Etiquette, einem den Namen oder die Firma bezeichnenden Namenszuge oder sonstigen Kennzeichen bestehen kann, aber keine gesetz-oder sittenwidrige Darstellung enthalten darf, nach folgendem Art. II zu versehen. Der Kaufmann, welcher sich eines Zeichens der vorgedachten Art bedient, hat auf demselben zugleich seine Eigenschaft als Zwischenhändler auszudrücken. Art. II Das nach Art. I Ziff. 2 gewählte Zeichen ist bei der vorgesetzten Distriktspolizeibehörde, in der Pfalz bei dem einschlägigen Handelsgerichte, anzumelden und hiebei eine genaue Beschreibung des Zeichens mit Beüügung eines Abdruckes oder einer Abbildung zu hinterlegen. 'Ober die bewirkte Hinterlegung wird von der genannten Behörde ein fortlaufendes Cataster geführt, darin Tag und Stunde der Anmeldung bemerkt und hierüber dem Anmeldenden ein Certifikat mit der Taxe und dem Stempel eines Zeugnisses ausgefertigt. Das Datum der Anmeldung stellt den Zeitpunkt fest, mit welchem das Recht auf das Zeichen beginnt. Für den Fall, daß mehrere hinterlegte Zeichen
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eine große Ähnlichkeit haben, gebührt der Vorzug demjenigen, welches zuerst hinterlegt worden ist. Der Cataster steht der Einsicht jedes Betheiligten offen. Die bisher nach der allerhöchsten Verordnung vom 6. März 1840 in den Landestheilen diesseits des Rheins, und nach dem Dekrete vom 5. September 1810 in der Pfalz vorgenommenen Anmeldungen solcher Zeichen bedürfen keiner Erneuerung, sofern sie den Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes entsprechen. Art. III Wer zum Verkaufe bestimmte Waaren oder deren Verpackung fälschlich a. mit dem Namen oder der Firma oder b. mit den nach Art. I Ziff. 2 angenommenen Fabrik- oder Waarenzeichen eines bayerischen Produzenten oder Kaufmanns bezeichnet, oder wissentlich dergleichen fälschlich bezeichnete Waaren in den Verkehr bringt oder die Bezeichnung eines anderen ohne dessen Einwilligung unterdrückt, verfällt in eine Geldstrafe von 10 bis 500 fl und zugleich in eine Arreststrafe von 3 Jahren bis 3 Monaten. Außerdem bleibt vorbehalten die civilrechtliche Geltendmachung der Entschädigungsansprüche des betheiligten Produzenten sowie des Abnehmers nach Maßgabe der bestehenden Civilgesetze. Ausländische Waaren, welche das Zeichen eines bayerischen Produzenten oder Kaufmanns tragen, können überall mit Beschlag belegt und mit der Verpflichtung der Wiederausfuhr verkauft werden. Jedoch können Produzenten, welche Waaren derselben Art in Bayern und im Auslande erzeugen, ihre ausländischen Erzeugnisse unter dem in Bayern erworbenen Zeichen einführen. Art. IV Die in Art. III bestimmte Strafe findet auch dann statt, wenn das Nachmachen der Waarenbezeichnung mit so geringer Änderung geschehen ist, daß diese nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden kann. Bei geringfügigen Fällen, bei Gehilfen oder bei besonders mildernden Umständen kann von der Arreststrafe Umgang genommen und lediglich auf Geldstrafe erkannt werden. Der Rückfall bildet einen Straferhöhungsgrund; bei folgendem Rückfall kann nebst der oben bestimmten Strafe auch auf Einstellung der Gewerbsbefugniß für bestimmte Zeit oder in den Lande5theilen diesseits des Rheins auf gänzliche Einziehung der Conzession erkannt werden. Ist mit einer nach dem gegenwärtigen Gesetze strafbaren Handlung zugleich ein anderes Strafgesetz übertreten worden, so wird auf die Strafe der schwersten Übertretung erkannt und der Zusammenfluß als erschwerender Umstand berücksichtigt. Art. V Die in Art. III bezeichneten gesetzwidrigen Handlungen sollen als Polizeiübertretungen betrachtet, jedoch von den Kreis- und Stadtgerichten, in der Pfalz von den Zuchtpolizeigerichten nach den für das Verfahren in Vergehenssachen bestehenden Vorschriften abgeurtheilt werden. In Betreff der Berufung an das Appellationsgericht kommen ebenfalls die für Vergehenssachen bestehenden Vorschriften zur Anwendung. Art. VI Die Strafeinschreitung erfolgt nur auf Antrag des Betheiligten, wozu auch der Abnehmer der fälschlich bezeichneten Waare zu rechnen ist. Ist die
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Untersuchung aber einmal eingeleitet, so findet die Zurücknahme des Antrages nur noch in Beziehung auf die Entschädigung, nicht aber bezüglich der Geldbuße und Arreststrafe statt. "überdies tritt eine Strafeinschreitung im Falle des Art. III lit. b nur dann ein, wenn: 1. die Bestätigung der Distriktspolizeibehörde beziehungsweise des Handelsgerichts über die ausschließliche Berechtigung zu dem in Frage stehenden Zeichen nach Art. II beigebracht ist, und 2. wenn zugleich entweder a. der Angeschuldigte in demselben Distriktspolizei- beziehungsweise Handelsgerichts-Bezirke, wie der Berechtigte, wohnt oder seine Geschäfte treibt, oder b. wenn der Nachweis geliefert ist, daß der das Zeichen Nachahmende oder Mißbrauchende von der ausschließlichen Berechtigung eines Anderen zur Führung dieses Zeichens Kenntnis hatte. Art. VII Die Strafbarkeit der in gegenwärtigem Gesetze bezeichneten "Obertretungen sowohl, als der civilrechtliche Entschädigungsanspruch hieraus erlischt, wenn von dem Zeitpunkte, wo die "Obertretung begangen oder das eingeleitete Strafverfahren unterbrochen war und sodann nicht weiter fortgesetzt worden ist, zwei Jahre abgelaufen sind. Hat sich aus der "Obertretung ein fortdauernd gesetzwidriges Verhältniß gebildet, so fängt der Lauf der Verjährung solange nicht an, als dieses Verhältniß besteht. Art. VIII Die Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes sind auch auf den Mißbrauch oder das Nachahmen der Waarenbezeichnung nichtbayerischer Produzenten oder Kaufleute anwendbar, wenn nach öffentlicher Bekanntmachung oder spezieller Bestätigung des K. St. Ministeriums des Handels und der öffentlichen Arbeiten in dem betreffenden Staate den bayer. Einwohnern ein ähnlicher Schutz zugestanden oder gesichert ist. Außerdem genießen Ausländer die Wohltat dieses Gesetzes nur, für ihre in Bayern gelegenen Anstalten. Art. IX Die nach dem gegenwärtigen Gesetze eingehenden Geldstrafen fallen dem Kreisfond für Industrie und Cultur desjenigen Regierungsbezirkes zu, in welchem die Verurtheilung erfolgt, und werden nach dem Gutachten des Landrathes verwendet. Kann wegen Armut des Verurtheilten die Geldbuße nicht erhoben werden, so ist diese auf den Antrag des Staatsanwalts vom Gerichte in der Art umzuwandeln, daß den Verurtheilten für je 25 fl ein achttäglicher Arrest trifft; dieser Arrest darf jedoch die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten. Art. X Alle dem gegenwärtigen Gesetze entgegenstehenden allgemeinen oder besonderen Vorschriften werden hiermit aufgehoben, insbesondere: a. in den Landestheilen diesseits des Rheins die allerhöchste Verordnung vom 6. März 1840 (Regsbl. pag. 145) und die Anmerkungen zum bayerischen Strafgesetzbuch Band III Seite 264 und 265, 21 Wadle
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b. in der Pfalz die Vorschriften des Code plmal art. 142, 143 und 423, des Gesetzes vom 22. Germinal an IX Art. 16 - 18 und der Dekrete v. 11. Juni 1809 Art. 4-9, 20. Februar und 5. September 1810, soweit diese Vorschriften die Waarenbezeichnung betreffen. Art. XI Gegenwärtiges Gesetz tritt 30 Tage nach seiner Verkündigung durch das Gesetzblatt, beziehungsweise das Amtsblatt der Pfalz in allen Theilen des Königreichs für diejenigen Fälle in Wirksamkeit, welche an jenem Tage noch nicht in erster Instanz abgeurtheilt sind.
IX.
Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Schutz der Waarenzeichen (Vorentwurf des Reichskanzleramtes Mai 1874) aus: HStA München, Allgemeines Staatsarchiv MH 14472. §1
Gewerbetreibende, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist, können Zeichen, welche zur Unterscheidung ihrer Waaren von den Waaren anderer Gewerbetreibender auf den Waaren selbst oder auf deren Verpackung angebracht werden sollen, bei dem Handelsgerichte ihrer Hauptniederlassung zur Eintragung in das Handelsregister anmelden. §2
Der Anmeldung muß eine deutliche Darstellung des Waarenzeichens (§ 1) nebst einem Verzeichniß der Waarengattungen, für welche das Zeichen bestimmt ist, mit der Unterschrift der Firma versehen, in zwei Exemplaren beigefügt sein. §3
Die Eintragung darf nicht versagt werden für Waarenzeichen deren ausschließliche Benutzung durch einzelnen Gewerbetreibende landesgesetzlich bereits geschützt ist. Für andere Waarenzeichen ist die Eintragung zu versagen, wenn dieselbe Zahlen, Buchstaben, Worte, öffentliche Wappen oder Aergerniß erregende Darstellungen enthalten. § 4.
Die Eintragung der Waarenzeichen erfolgt nach der Reihe der Anmeldung. Jede Eintragung wird durch das Central-Handels-Register für das deutsche Reich (Beilage zum Reichs-Anzeiger) und falls dasselbe zu erscheinen aufhören sollte, in einer anderen vom Reichskanzler-Amte zu bestimmender Zeitung auf Kosten des Gewerbetreibenden öffentlich bekannt gemacht. Zeichen, welche landesgesetzlich bereits einen Schutz genießen (§ 3), werden unentgeltlich eingetragen. Im Uebrigen ist für die Eintragung eines jeden Zeichens eine Gebühr von 50 Mark zu entrichten. §5
Auf Antrag der Firma wird ein für sie eingetragenes Waarenzeichen jeder Zeit gelöscht. Von Amtswegen erfolgt die Löschung: 1. wenn die Firma im Handelsregister gelöscht wird; 2. wenn eine Aenderung der Firma angemeldet und nicht zugleich die Beibehaltung des Zeichens erklärt wird;
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3. wenn das Zeichen nach§ 3 nicht hätte eingetragen werden dürfen. Lösebungen geschehen unentgeltlich. Sie sind auf dem im § 4 bezeichneten Wege bekannt zu machen. §6
Das Recht, Waaren oder deren Verpackung mit einem für diese Waaren in das Handelsregister eingetragenen Zeichen zu versehen oder auf solche Art bezeichnete Waaren in Verkehr zu bringen, steht derjenigen Firma, welche zuerst die Anmeldung bei dem Handelsgericht bewirkt hat, ausschließlich zu. Auf Verlangen dieser Firma hat jede andere Firma, für welche dasselbe Waarenzeichen eingetragen ist, dieses löschen zu lassen. §7
Auf Waarenzeichen, welche landesgesetzlich bereits einen Schutz genießen (§ 3), ferner auf solche Zeichen, welche vor Beginn des Jahres 1875 im gewerblichen Verkehre allgemein als Kennzeichen der Waaren eines bestimmten Gewerbetreibenden gegolten haben, kann durch die Anmeldung bei dem Handelsgericht außer den gesetzlich geschützten oder im Verkehre allgemein anerkannten Inhabern ein Recht niemand erwerben, sofern jene binnen Jahresfrist nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die Anmeldung bewirken. Waarenzeichen, welche zu Gunsten mehrerer Gewerbetreibenden zugleich landesgesetzlich geschützt sind (§ 3), können von jedem der letzteren innerhalb der bezeichneten Frist mit gleicher Wirkung angemeldet werden. §8 Durch die Eintragung eines landesgesetzlich bereits geschützten Waarenzeichens (§ 3), welches in Buchstaben oder Worten besteht, wird niemand gehindert, seinen Namen oder seine Firma, sei es auch in abgekürzter Gestalt, zur Kennzeichnung seiner Waaren zu gebrauchen. Auf Waarenzeichen, welche bisher im freien Gebrauche aller oder gewisser Klassen von Gewerbetreibenden sich befunden haben, kann durch Anmeldung bei dem Handelsgerichte niemand ein Recht erwerben. §9
Wer Waaren, oder deren Verpackung mit einem fremden Waarenzeichen (§§ 6, 7) versieht, oder dergleichen fälschlich bezeichnete Waaren in Verkehr bringt, ist, vorbehaltlich der Bestimmung im § 10 dem Inhaber des Zeichens von dem Zeitpunkte an, zur Entschädigung verpflichtet, an welchem ihm das Bestehen des besseren Rechts bekannt geworden oder die Klage des Inhabers befriedigt ist. § 10
Wer Waaren oder deren Verpackung fälschlich mit einem fremden Waarenzeichen versieht oder wissentlich dergleichen fälschlich bezeichnete Waaren in Verkehr bringt, ist dem Inhaber des Zeichens zur Entschädigung verpflichtet und unterliegt einer Geldstrafe von 150 bis 1500 Mark oder einer Gefängnißstrafe bis zu 3 Monaten.
§11
Statt jeder aus diesem Gesetz entspringenden Entschädigung kann auf Verlangen des Beschädigten auf eine an ihn zu zahlende Geldbuße bis zum Betrage von 5000 Mark erkannt werden. Für diese Buße haften die zu derselben Verortheilten als Gesammtschuldner. 21•
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Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungs-Anspruches aus. Darüber, ob ein Schaden entstanden ist, und wie hoch sich derselbe beläuft, entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Ueberzeugung. Wird auf Entschädigung erkannt, so ist zugleich bezüglich der im Besitz des Beschädigers befindlichen Waaren die Vernichtung der mit dem fremden Waarenzeichen versehenen Verpackung und die Entfernung der Zeichen von den Waaren selbst auszusprechen. Erscheint letztere nicht thunlich, so ist entweder auf Vernichtung der Waaren oder, gegen Anrechnung ihrer Herstellungskosten auf den Betrag der Entschädigung, auf ihre Aushändigung an den Beschädigten zu erkennen. § 12
Das Strafverfahren(§ 10) wird nur auf Antrag des Beschädigten eingeleitet. Das Gericht kann die Veröffentlichung des Erkenntnisses auf Kosten des Verurtheilten verordnen. § 13
Der Anspruch des Beschädigten (§§ 9 u. 11) und die Strafbarkeit des Beschädigers (§ 10) werden dadurch nicht ausgeschlossen, daß ein Waarenzeichen mit Abänderung wiedergegeben ist, welche nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können. § 14
Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch die Klage ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes erhoben wird, gelten im Sinne des Gesetzes, betreffend die Errichtung eines obersten Gerichtshofes für Handelssachen, vom 12. Juni 1869 (B. Ges.Bl. S. 201) als Handelssachen. § 15
Auf Waarenzeichen von Gewerbetreibenden, welche im Inlande eine Handelsniederlassung nicht besitzen, finden, wenn in dem Staate, wo ihre Niederlassung sich befindet, Waarenzeichen deutscher Gewerbetreibenden auf Grund eines mit diesem Staate getroffenen, durch das Reichsgesetzblatt verkündeten Uebereinkommens einen Schutz genießen, die Bestimmungen dieses Gesetzes mit folgenden Maßgaben Anwendung: 1. die Anmeldung der Zeichen hat bei dem Handelsgerichte in Leipzig zu erfolgen; 2. die Eintragung ist von dem Nachweise abhängig, daß das Zeichen in dem Staate, wo die Niederlassung des Anmeldenden sich befindet, ausschließlich von diesem geführt werden darf; 3. die Löschung hat, außer dem im § 3, Ziffer 3 bezeichneten Falle, zu erfolgen, wenn nachgewiesener Maßen in dem Staate, wo die Niederlassung des Gewerbetreibenden sich befindet, dessen Firma oder ausschließliche Berechtigung zur Führung des Zeichens erloschen ist, und ferner, wenn seit der Eintragung des Zeichens, ohne daß dessen weitere Beibehaltung erklärt worden, oder seit der Abgabe einer solchen Erklärung, ohne daß dieselbe wiederholt worden, ein Zeitraum von 10 Jahren verflossen ist. § 16
Das Gesetz tritt mit dem . . . in Kraft. Alle landesgesetzlichen Bestimmungen über den Schutz der Waarenzeichen treten gleichzeitig außer Geltung.
Quellen und Literatur A. Ungedruckte Quellen• I. Zentrales Staatsarchiv Potsdam
(früher Deutsches Zentralarchiv, ehern. Reichsarchiv) 1. Bundeskanzleramt (Reichskanzleramt)
Nr. 465 - 467 Nr. 468
Schutz der Warenbezeichnungen (1864- 1877) Gutachten über die Frage des Schutzes der Fabrik- und Warenzeichen (1873 - 1874)
2. Reichsministerium (Reichsamt) des Innern
Nr. 7470- 7474, 7474/1 7475-7477 Nr. 7484 Nr. 7485 Nr. 7486- 7487 Nr. 7488 - 7490
Schutz der Warenbezeichnungen (1870- 1914) . Presseäußerungen zum Gesetzentwurf betr. den Schutz der Warenbezeichnungen (1892 - 1893) Vereinbarungen fremder Staaten untereinander über den Schutz der Waren- und Fabrikzeichen (1868- 1914) Herausgabe einer Nachweisung der gesetzlich geschützten Warenzeichen (1877 -1917) Äußerungen der Bundesregierungen und Petitionen in bezug auf den Schutz der Warenbezeichnungen (1892 - 1895)
3. Reichsjustizamt
Anwendung englischer Warenzeichen durch deutsche Firmen Markenschutz (1877 - 1894) Presseäußerungen über Marken- und Musterschutz (1885 - 1918) Schutz der Warenbezeichnungen (1871 -1883)
Nr. 2360 Nr. 2361 Nr. 2365 Nr. 2451
II. Zentrales Staatsarchiv, Historisclle Abteilung, Merseburg
(früher Deutsches Zentralarchiv, ehern. Preuß. Geh. Staatsarchiv) 1. Rep. 77 -
Ministerium des Innern
Titel 88 Nr. 9 Titel307 Nr. 7 2. Rep. 80 I -
Fabrikzeichen (1868) Firmen, Etiketten, Fabrikzeichen, Muster und Formen (1852 - 1902)
Staatsrat
Generalia 4 a Bd. 2 Generalia 4 a Bd. 24
Sitzungsprotokolle (1818) Sitzungsprotokolle (1840)
* Die Titel sind nur in ihrem wesentlichen Inhalt wiedergegeben.
Quellen und Literatur
326
Handell-I a Inneres 72 - 72 a, 85 3. Rep. 120 -
Maßregeln gegen die schlechte Beschaffenheit des schlesischen Stabeisens (1817 - 1818) Schutz der Warenbezeichnungen (1840)
Ministerium für Handel und Gewerbe
D II Nr. 50 Bd. 1 - 4 D II Nr. 230 Bd. 1 - 2 D II Nr. 231 Bd. 1 - 3 D II Nr. 232 Bd. 1-7 D II Nr. 233 Bd. 1 - 8
Schutz des industriellen Eigentums (1840 - 1875) Fabrikzeichen für das inländische Stabeisen und Eisen-SchauanstaUen (1818- 1852) Anträge wegen Bezeichnung von Fabrikwaren mit dem königlichen und anderen Wappen (1816 bis 1895) Schutz der Fabrikzeichen an Eisen- und Stahlwaren in der Provinz Westphalen und der Rheinprovinz (1827 - 1872) Schutz der Handels- und Fabrikzeichen (1813 bis 1880)
4. Ministerium für auswärtige Angelegenheiten AA II Rep. 6
Nr. 269 - 272 Nr . 2348
Maßregeln gegen Nachdruck und Gebrauch fremder Fabrikzeichen und Etiketten (1836 - 1873) Nachdruck und Nachbildung (1838)
UI. Hauptstaatsarchiv Dösseidorf Bestand Großherzogtum Berg Kaiserlicher Kommissar (D 3 a)
Nr. 122 Nr. 194
Dekret über die Ernennung von Conseils de Prud'hommes (1811) Waffenschmiede zu Solingen (1806)
Ministerium des Innern (D 3 b) Nr. 5581 Zunft- und Handwerksgerichtsbarkeit in Solingen (1810) Nr. 5583 Privilegien der SoHnger Klingen- und MesserFabrikanten (1809 - 1810) Nr. 5610 Errichtung von Handlungstribunalen (1806) Präfekt des Rheindepartements I Nr. 10808 Nachschlagen der Fabrikzeichen (1810- 1813)
IV. Hauptstaatsarchiv Dösseidorf -
Zweigarchiv Kalirum
1. Bestand Regierung Aachen I
Nr. 1641 Nr. 7885
Stempelung des Stabeisens, Schutz der Fabrikzeichen (1816- 1824) Bezeichnung der Fabrikate mit dem Kgl. Pr. Wappen (1828- 1881)
2. Bestand Regierung Düsseldorf, ältere Akten
Nr. 2101 Nr. 2171 - 2172 Nr. 2178-2179
Nachschlagen der Fabrikzeichen und die bisher in Solingen und Cronenberg geführten Zeichenrollen (1810 - 1834) Fabrikengericht für Barmen (1838 - 1870) Fabrikengericht zu Elberfeld (1838 -1870)
A. Ungedruckte Quellen
327
Fabrikengericht zu Lennep (1839 - 1878) Fabrikengericht zu Remscheid (1839- 1877) Fabrikengericht zu Solingen (1820 - 1880) Anmeldung neuer Fabrikzeichen (1865 - 1899) Schutz der Handels- und Fabrikzeichen (1868 bis 1910) Einführung des Markenzwanges (1888 - 1922)
Nr. 2188 - 2190 Nr. 2191 - 2192 Nr. 2193 - 2196 Nr.10670 Nr.10671 Nr. 33660
3. Bestand Landratsamt Solingen (G 29/41)
Nr. 372 Nr. 665 Nr. 667
Anwendung der Fabrikzeichen (1827- 1843) Fabrikzeichenwesen und Kommission (1810- 1825) Landständ. Anträge betr. Fabrikzeichen (1827 bis 1850) Patente, Marken und Musterschutz (1866 - 1877)
Nr. 669
4. Bestand Landratsamt Lennep (G 29/28)
Nr. 270 Nr. 282
Fabrikzeichen-Kommission (1835- 1840) Fabrikengerichte (1839- 1847)
V. Staatsarchiv Koblenz Bestand 403 -
Oberpräsident der Rheinprovinz
Nr. 3415 Nr. 8201
Führung des landesherrlichen Wappens Anträge auf Erlaß eines allgemeinen Gesetzes zum Schutz der Fabrikzeichen (1827 - 1865)
VI. Archiv des Rheinischen Provinzialverbandes, Köln Nr. 264 Nr. 266 Nr. 269 Nr. 272- 273 Nr. 282- 283 Nr. 1074- 1075
Protokolle des 1. Landtages (1826) Landtagsabschied (1827) Protokolle des 3. Landtages (1830) Protokolle des 4. Landtages (1833) Protokolle des 7. Landtages (1843) Fabrikzeichen (1826/34 und 1843)
VIL Staatsarchiv Münster 1. Bestand Oberpräsidium Zugang 2/1951
Nr. 688 (jetzt: Nr. 6417)
Markenschutz und Fabrikzeichen
2. Bestand Regierung Arnsberg
I Nr. 652
I Nr. 655
Anordnung von Fabrikengerichten (1826 - 1861) Sicherung des Eigentums von Fabrikzeichen (1843 bis 1853)
Vlß. Verwaltungsarchiv des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Münster A II54
AIII 8
Fabrikzeichen und Handelsfirmen (1826 - 1845) Verhandlungen des Ausschusses für Handel und Gewerbe (1826 - 1884)
Quellen und Literatur
328
IX. Stadtarchiv Solingen H 20 - H 30, H 30 a H 30 b, H 31 - H 33 H37 LVB21
Solinger Zeichenrollen Protokolle der Zeichenkommission (1816- 1817) Sammlung von Erlassen
X. Stadtarchiv Remseneid Bestand X B, Gewerbebetrieb im allgemeinen
Nr. 20 Nr. 20 a
Fabrikzeichenrolle (1831 - 1837) Fabrikzeichenrolle (1842 - 1847) Fabrikzeichenrolle (1766 - 1829) Fabrikzeichenrolle (1848 - 1875) Fabrikzeichenrolle für raff. Stahl (1854- 1874) Anmelderegister (1854)
XI. Stadtarchiv Hagen Negativ-Kartei NL 316- 322 Zeichenrolle (Kopie) Amt Enneperstraße 0 Industrie und Gewerbe Nr. 1 Pflichttage in den Sensenfabriken (1794 -1809) Nr. 2- 2 a Verhandlungen bez. Fabriken (1818- 1848)
XIL Staatsarchiv Marburg 1. Bestand 16- Kurhessisches Ministerium des Innern
Rep. VIII Klasse 7 Nr.39 2. Bestand 17 f -
Nachahmung der Fabrikzeichen (1825 - 1865)
Regierung Kassel
Klasse LXVI Nr. 56 3. Bestand 27 a 1I -
Antrag des Handels- und Gewerbevereins (1825 bis 1858)
Handels- und Gewerbeverei n Kassel
Nr. 161 Nr. 193
Nachahmung von Zeichen u. a. (1825 - 1847) Reorganisation des Schmalkaldener Gewerbes (1826 - 1848)
4. Bestand 180 -
Landratsämter Schmalkalden
Nr. 199
Warenzeichen (1852- 1864)
XIII. Württembergisches Hauptstaatsarchiv Stuttgart 1. BestandE 36 - 39 -
Faszikel122
Ministerium der Auswärti gen Angelegenheiten
'übereinkunft mit Preußen (1854- 1862)
2. BestandE 143- Ministerium des Innern II
Büschel Nr. 3160 3. BestandE 146 -
Nr. 1084- 1085
Gesetz v. 12. II. 1862 betr. den Schutz der Warenbezeichnungen (1854 - 1870) Ministerium des Innern III
Gewerbeordnung und Instruktion (1828/1830)
A. Ungedruckte Quellen
329
XIV. Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe 1. Bestand 233 -
Staatsministerium
Nr. 10606 Nr. 10610 Nr. 10611
Schutz der Fabrik- und Warenzeichen (1872- 1908) Schutz der Warenetikette und Fabrikzeichen Vertrag mit Frankreich und Schutz der Urheberrechte und Fabrikzeichen (1858) Schutz der Fabrik- und Warenzeichen (1873 - 1924) Fabrik- und Warenzeichen (1859 - 1875) Wappen auf Etiketten (1819)
Nr.l1593 Nr. 31109 Nr. 31250 2. Bestand 234 -
Justizministerium
Nr. 4625 Nr. 7469
Markenschutzgesetz (1874 ff.) Fabrikzeichenstreit Gall I Barth u. a. (1816 - 1817, 1821 ff.)
3. Bestand 236 -
Ministerium des Innern
Nr. 5813 - 5815 Nr. 5817
Gewerbebetrieb der Ausländer in Baden Verfälschung der Fabrikzeichen und Warenstempel (1817 - 1838) Warenstempel und Fabrikzeichen (1860- 1870)
Nr. 9766 4. Bestand 237 -
Finanzministerium
Nr. 12120 Nr. 25912, 25913
Muster- und Etikettenschutz (1837 - 1891) Markenschutz (1862- 1894)
XV. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Abt. I Allgemeines Staatsarchiv MH -
Nr. Nr. Nr. Nr.
Ministerium des Handels
5418 - 5421 6068 6069 6085
Nr. 6089 Nr.14402 Nr.14467 Nr. 14469- 14472 Nr. 14477 Nr. 14478
Fabrikzeichen und Firmen (1816- 1872) Tabakfabrik Welling I Thorbecke (1819- 1828) Tabakfabrik RauUno (1820 - 1829) Tabakfabrikanten in Nürnberg und Ickenhausen - Schutz gegen Nachahmung von Fabrikzeichen (1836 - 1837) Tabakfabrik Pils Württembergische Beschwerde (1839 - 1840) Markenschutzgesetz (1870- 1874) Verbot der Nachahmung fremder Fabrik- und Warenzeichen (1857 - 1891) Abänderungen des Gesetzes von 1874 Vollzug des Markenschutzgesetzes (1874- 1894)
XVI. Staatsarchiv Nümberg 1. Bestand Regierung Mittelfranken, Kammer des Innern
Titel IX Handel und Gewerbe Abgabe 1932 Nr. 233 Bd. 1 - 4 Gewerbs- und Fabrikzeichen (1820 - 1866) Abgabe 1932 Nr. 303, 319, 342, 358, 370, 872, 879 Beschwerden Faber (1852 - 1859)
330
Quellen und Literatur
2. Bestand Industrie- und Handelskammer
Nr. 139
Gutachten
XVIL Stadtarchiv Nürnberg 1. Bestand Altere Magistratsregistratur li 8, 3 Nr. 272 Beschwerde des Tabakfabrikanten Krafft (1821
li 8, 4 Nr. 124
bis 1841) Beschwerden der Paternostermacher gegen Glafey (1823 - 1854)
2. Generalregistratur
VI b 5 Gewerbestreitigkeiten Nr. 27, 60, 101, 142, 161 a, 197, 254, 273, 274, 282, 287, 290, 292 a, 303, 313, 319, 334, 336, 353, 353, 354, 357, 358, 370, 372, 373. VI b 7 G Nr. 6 Goldschlägerei in Bayern betr. (1843) 3. Archiv der Nürnberger Handwerke und Innungen
Messerer Nr. 7 Scheibenzieher Nr. 4 Brillenmacher Nr. 4 und 6 Goldschläger Nr. 2 und 3 Kammacher Nr. 3, 4, 5, 6, 25, 35 Zinngießer Nr. 6 Rotschmiede Nr. 2, 13 Drahtzieher Nr. 29 GürtlerFlaschner Nr. 6 Lebküchner Nr. 1 4. Archiv des Handelsvorstandes
Nr. 2771
Gutachten zum Streit um ein Karnmacher-Zeichen (1815)
B. Gedruckte Quellen Acten-Stücke der ... allgemeinen Stände-Versammlung des Königreichs Hannover, enthaltend die Königlichen Propositionen und MinisterialSchreiben, so wie die ständischen Anträge und Antworten, 8. StändeVersammlung 1841/47. Allgemeines Gesetzbuch für die preußischen Staaten, Berlin 1791. Allgemeines deutsches Handels-Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz und Ausführungsverordnung, Weimar 1862. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Textausgabe mit einer Einführung von H. Hattenhauer und einer Bibliographie von G. Bernert, Frankfurt a. M. und Berlin 1970. Anmerkungen zum Strafgesetzbuche für das Königreich Baiern. Nach den Protokollen des kgl. geheimen Raths, I- III, München 1813/1814. Annalen der pr. inneren Staatsverwaltung, s. Kamptz. Avenarius, E. (Hg.): Sammlung derjenigen Allerhöchsten Kabinets-Ordres, die nicht in die Gesetz-Sammlung aufgenommen wurden, und der
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