Fabrikzeichenschutz und Markenrecht: Geschichte und Gestalt des deutschen Markenschutzes im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil: Historisch-dogmatische Grundlinien [1 ed.] 9783428453917, 9783428053919


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German Pages 389 Year 1983

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Fabrikzeichenschutz und Markenrecht: Geschichte und Gestalt des deutschen Markenschutzes im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil: Historisch-dogmatische Grundlinien [1 ed.]
 9783428453917, 9783428053919

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Schriften zur Rechtsgeschichte Band 30

Fabrikzeichenschutz und Markenrecht Geschichte und Gestalt des deutschen Markenschutzes im 19. Jahrhundert Zweiter Teil: Historisch-dogmatische Grundlinien

Von

Elmar Wadle

Duncker & Humblot · Berlin

ELMAR

WADLE

Fabrikzeichenschutz und Markenrecht Zweiter Teil: Historisch-dogmatische Grundlinien

Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 30

Fabrikzeichenschutz und Markenrecht Geschichte und Gestalt des deutschen Markenschutzes im 19. Jahrhundert

Zweiter Teil: Historisch-dogmatische Grundlinien

Von

Prof. Dr. Elmar Wadle

D Ü N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

A l s Habilitationsschrift auf E m p f e h l u n g der j u r i s t i s c h e n F a k u l t ä t 'der R u p r e c h t - K a r l - U n i v e r s i t ä t H e i d e l b e r g g e d r u c k t m i t U n t e r s t ü t z u n g d e r D e u t s c h e n Forschungsgemeinschaft

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Wadle, Elmar: Fabrikzeichenschutz u n d Markenrecht : Geschichte u. Gestalt d. dt. Markenschutzes i m 19. Jh. / von Elmar Wadle. — B e r l i n : Duncker u n d H u m b l o t T e i l 2. Historisch-dogmatische Grundlinien. — 1983. (Schriften zur Rechtsgeschichte ; H. 30) I S B N 3-428-05391-5 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1983 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1983 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 03923 8 (I.Teil) ISBN 3 428 05391 5 (II. Teil)

Vorwort

Seit dem Erscheinen des ersten Teiles meiner Habilitationsschrift i m Jahre 1977 ist mehr Zeit vergangen, als ursprünglich vorgesehen war. Die Verzögerung hat freilich auch ihre gute Seite: Das Manuskript dieses zweiten Teiles konnte noch einmal einer gründlichen Bearbeitung unterzogen werden. Dabei hat mich die Absicht geleitet, die Grundlinien noch stärker zu profilieren. Zugleich bot sich die Gelegenheit, die für unsere Ziele wichtige neuere Literatur zu berücksichtigen; darüber hinaus konnten noch einige Nachträge und Ergänzungen zum ersten Teil der Darstellung aufgenommen werden. Zwei Register, die sich auf beide Teile beziehen, dürften den Zugang erheblich erleichtern. Die Drucklegung dieses Buches ist nur möglich geworden, weil sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft bereit erklärt hat, auch diesen Band zu fördern. Auch die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e. V. hat sich bereits vor geraumer Zeit freundlicherweise bereit erklärt, einen erheblichen Druckkostenzuschuß zu leisten. Für diese Unterstützung darf ich an dieser Stelle noch einmal herzlich danken. Danken möchte ich auch meinen Mitarbeitern; ihre Hilfe hat den Abschluß des Werkes erheblich beschleunigt und das Lesen der Korrekturen wesentlich erleichtert. Saarbrücken, i m Juni 1983 E. W.

Inhalt

Einführung

11

1. Kapitel Warenbezeichnung und Gewerbefreiheit — Der Gegenstand des Schutzes und sein Rechtsgrund §38 Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes i n der Gesetzgebung

13

14

I. Vorbemerkung: Das Zeichenrecht des A l t e n Handwerks — I I . Gewerbeförderung — I I I . Schutz der Abnehmer — I V . Der Vorrang des Markeninhaberinteresses §39 Markenschutz u n d Gewerbefreiheit

46

I. Die Gesetzgebung v o r 1874 — I I . Die Reichsgesetze v o n 1874 u n d 1894 u n d der unlautere Wettbewerb

2. Kapitel Der Kreis der schutzberechtigten Markeninhaber § 40 Die Grenzen des „ A l t e n Handwerks"

65

§41 Regionale Grenzen

67

§ 42 Grenzen nach, der A r t der Ware

75

I. Die Beschränkung auf einzelne Produktarten — I I . Gewerbeu n d Naturprodukte § 43 Grenzen nach der A r t des Betriebes

84

I . Handwerker, Fabrikanten, Verleger — I I . Kaufleute §44 Ausländer I. Die Beschränkung auf den Inländerschutz — I I . Die Gegenseitigkeit des beschränkten Schutzes — I I I . Die Gegenseitigkeit der Reichsgesetze

97

Inhalt

δ

3. Kapitel Die Art der Marke und das Problem der Zuordnung § 45 Name oder F i r m a als Warenbezeichnung

106

I. Grundsätzliches — I I . Genehmigungsverfahren — I I I . Die zusätzliche Ortsangabe §46 F a b r i k - u n d Warenzeichen

116

I. Unterscheidbarkeit u n d Zuordnung — I I . Annahme, Verkehrsgeltung u n d Verleihung als Grundtypen der Zuordnung — I I I . Die formelle Zuordnung als praktisches Problem

4. Kapitel Besonderheiten des Fabrik- und Warenzeichenschutzes (I): Materielles Recht Ì 47 Worte, Buchstaben, Zahlen, Wappen

129

I. Die bergische Zeichenpraxis — I I . Die H a l t u n g Preußens u n d das rheinisch-westfälische Sonderrecht — I I I . Die Reichsgesetzgebung Î48 Freizeichen

151

I. Z u r Terminologie — I I . Freizeichen i m 19. Jahrhundert — I I I . Freizeichen u n d Markenschutz f49 Die zahlenmäßige Beschränkung

165

} 50 Die B i n d u n g des Zeichens an eine bestimmte Warengattung

174

\ 51 Die B i n d u n g an den Betrieb u n d das Problem des Zeichenübergangs 178 I. Das zugewiesene Zeichen — I I . Das frei übertragbare Zeichen — I I I . Die an Betrieb oder Person gebundene Marke } 52 Die Beendigung des Schutzrechtes

195

I. Fristablauf u n d V e r j ä h r u n g durch Nichtgebrauch — I I . Verzicht

5. Kapitel Besonderheiten des Fabrik- und Warenzeichenschutzes ( I I ) : Formelles Recht §53 Grundformen des Zeichenannahmeverfahrens I. Registereintrag u n d öffentliches Interesse — I I . Anmeldesystem ohne V o r p r ü f u n g — I I I . Eintragungssystem m i t V o r p r ü f u n g u n d (oder) Aufgebot — I V . Das Mischsystem des Markenschutzgesetzes v o n 1874 — V. Eintragungssystem m i t eingeschränkter Vorprüfung, Widerspruchsverfahren u n d Eintragungsklage

200

Inhalt §54 Formalitäten außerhalb des Zeichenannahmeverfahrens

9 220

I. Umschreibung u n d Löschung — I I . Rechtserhaltende Formalitäten § 55 Die zentralen Probleme der deutschen E n t w i c k l u n g

224

I. Die Publizität zuordnender Förmlichkeiten u n d der Strafschutz — I I . Der Rollenbezirk u n d der Geltungsbereich formaler Zuordnung — I I I . Förmliche u n d sachliche Zuordnung — Z u m Problem der Ausschließlichkeit formellen Rechts

6. Kapitel Die Kriterien der Nachahmung §56 Identität, Täuschungsgefahr, Verwechslungsgefahr

250

§ 57 Identität der Ware

266

7,. Kapitel Der Mißbrauch der Marke und seine Rechtsfolgen § 58 Markenstrafrecht — Gesetzgebung u n d Praxis

269

I. Vorbemerkung — I I . Markenmißbrauch als crimen falsi — I I I . Markenmißbrauch als Betrug — I V . Markenmißbrauch als F ä l schung — V. Markenmißbrauch als eigenständiges D e l i k t §59 Andere Rechtsfolgen

293

I. Vorbemerkung — I I . Konfiskation u n d Markenreinigung — I I I . Konzessionsentzug u n d Urteilspublikation — I V . Entschädigung u n d Buße — V. Das Recht auf Untersagung u n d der Anspruch auf Unterlassen

8. Kapitel Die Rechtsstellung des Markeninhabers § 60 Markenzwang u n d Markenfreiheit

332

§ 61 V o m Straf rechtsgut zum subjektiven Privatrecht

335

I. Vorbemerkung — I I . Der Markenmißbrauch als subjektives Rechtsgut — I I I . Die Position des Markeninhabers als subjektives Recht

10

Inhalt Zusammenfassung und Ausblick

§62 V o m Fabrikzeichenschutz zum Markenrecht

354

Quellen und Literatur — Ergänzungen

366

Nachträge zum ersten Teil

369

Gesetzesregister

374

Namenregister

382

Einführung Galt der erste Teil unserer Arbeit dem Gang der Gesetzgebung, also gleichsam der äußeren Geschichte des Markenschutzes, so wendet sich dieser zweite Teil dem inneren Geschehen zu: Er versucht, die entscheidenden Aspekte der Markenrechtsgeschichte unter systematischen Gesichtspunkten herauszuarbeiten. U m den Zusammenhang mit dem ersten Band augenfällig zu machen, w i r d die grundlegende Einteilung der Untersuchung i n Paragraphen fortgeführt. Daß dadurch zugleich die Technik des Verweisens entlastet wird, ist eine willkommene Nebenfolge: auch auf die Paragraphen des ersten Bandes kann durch ein „oben" verwiesen werden. Ein zentrales Problem dieses zweiten Teiles bildete die Frage, welche systematischen Aspekte der Darstellung zugrundegelegt werden sollten. Aus der Fülle möglicher Gesichtspunkte mußte eine Auswahl getroffen werden; sie hat manche Schwierigkeit bereitet und mag h,ier und da unbefriedigend und unvollständig erscheinen. I n noch höherem Maße gilt dies für die Anordnung des Stoffes. Denn, u m der historischen Vielfalt möglicher Formen und Gewichtungen i m Markenschutz besser gerecht zu werden, mußte auf die seit Kohler auch i n Deutschland übliche, auf dem subjektiven Markenrecht aufbauende Systematik zugunsten einer allgemeineren Orientierung verzichtet werden. Ein anderes Verfahren hätte wohl die Gefahr i n sich geborgen, die i m früheren 19. Jahrhundert so stark ausgeprägte öffentlichrechtliche Seite zu verkürzen. Freilich beeinträchtigt die Abkehr vom herkömmlichen Schema die Stringenz der Gliederung. Überschneidungen sind kaum zu vermeiden, Wiederholungen und Querverweise nicht zu umgehen. Sie müssen jedoch i n Kauf genommen werden, w i l l man sich nicht dem Risiko aussetzen, die historische Wirklichkeit zu verzeichnen. Die Entwicklung ist ja keineswegs geradlinig verlaufen, wenn auch eine allgemeine Bewegung aus dem öffentlichrechtlichen i n den privatrechtlichen Bereich nicht zu verkennen ist. U m die Arbeit nicht allzusehr anschwellen zu lassen, mußte dem systematischen Teil überdies eine doppelte Beschränkung auferlegt werden. Zum einen konnte — wie bereits erwähnt — nicht jeder denkbaren Frage i m weitverzweigten Bereich des Markenschutzes nachge-

12

Einführung

gangen werden; zum anderen konnten aus der Unsumme oft disparater Einzelfakten, die uns i n den Archivalien entgegentreten, nur charakteristische Belege vorgeführt werden. Gleiches gilt übrigens für die Zitate aus der Literatur. Da nur wenige Autoren des 19. Jahrhunderts die Entwicklung des Markenschutzes so gefördert haben wie Josef Kohler, w i r d er immer wieder als „Kronzeuge" herangezogen. Für die übrigen Autoren muß i n aller Regel ein pauschaler Hinweis auf die einschlägigen Partien des ersten Bandes 1 genügen. Das systematische Vorgehen hat bedauerlicherweise auch dazu geführt, daß die zahllosen Stimmen aus den beteiligten Wirtschaftskreisen — handle es sich u m Eingaben, Handelskammerberichte oder A b geordnetenvoten — über die ganze Arbeit zerstreut sind. Dies w a r unvermeidlich, u m darzutun, wie sehr sie die Tätigkeit der Behörden und Gesetzgeber initiiert und meist auch bestimmt haben. Hätte man sie zu einem einheitlichen Abschnitt zusammengefaßt, so wäre die schon i m ersten Band skizzierte Entwicklung 2 vom ziemlich ungehemmten Nachahmen fremder Marken bis zur Forderung nach mehr staatlichem Schutz eindrucksvoll bestätigt worden. Gerade w e i l es „ n u r " eine Bestätigung gewesen wäre, erschien es vertretbar, auf eine zusammenfassende Darstellung dieser Bestrebungen zu verzichten 3 . Der abschließende Versuch einer Zusammenschau des i n beiden Bänden Vorgetragenen w i l l die Entwicklungslinien herausarbeiten. Darüber hinaus möchte er den Leser, der zuerst hier eine Orientierung sucht, einladen, die eine oder andere These an Hand der Details zu überprüfen. Die Register mögen dabei behilflich sein. Das Verzeichnis der Rechtsquellen dürfte dem mehr juristisch Interessierten weiterhelfen; wer eher wirtschaftshistorische und -politische Information sucht, w i r d eher zum Namensregister greifen, u m Personen, Firmen und andere wirtschaftsgeschichtlich bedeutsame Institutionen auszumachen. U m die Register nicht allzusehr zu komplizieren, umfassen die Seitenangaben auch den jeweiligen Anmerkungsteil. Quellen und Literatur sind bereits i m ersten Band aufgeführt. Sie gelten — ebenso wie das Abkürzungsverzeichnis — auch hier. So brauchten nur einige Verbesserungen und Ergänzungen nachgetragen zu werden.

1

Vgl. oben §§ 35 - 37. Vgl. oben § 2. 3 Eine stärker wirtschaftshistorische Betrachtungsweise hätte den Rahmen dieser Arbeit ohnehin gesprengt. Als Beispiel für eine breitere Darstellung der Wechselwirkung von ökonomischer und rechtlicher Entwicklung sei verwiesen auf: Wadle, Markenwesen und Markenrecht i m Übergang: Die Einflüsse des Strukturwandels am Beispiel des Bielefelder Leinengewerbes, in: Scherner / Wüloweit (Hrsg.), V o m Gewerbe zum Unternehmen, 1982. 2

1. Kapitel

Warenbezeichnung und Gewerbefreiheit — Der Gegenstand des Schutzes und sein Rechtegrund — Die Behandlung des Markenschutzes i n der Theorie, die am Ende des ersten Bandes zur Darstellung gekommen ist, hat den Blick für die Grundfragen dieses Rechtsgebietes geschärft. Nun hat aber die Theorie der staatlichen Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts weniger die Maßstäbe gesetzt, als sie nachträglich interpretiert; deshalb bleibt weithin offen, welchen Grundvorstellungen die Gesetzgebung, insbesondere jene vor 1874, tatsächlich gefolgt ist. Diese Lücke w i l l der folgende A b schnitt (§ 38) schließen. Dabei w i r d sich zeigen, daß Grundfragen i n der Praxis vielfach angesprochen worden sind, oft aber unscharf bleiben und sich zudem — jedenfalls vor dem Erlaß des Markenschutzgesetzes (1874) — mehrfach überschneiden. Die Gründe für diesen Verlauf sind nicht zuletzt i n dem Umstand zu suchen, daß der Markenschutz eng mit dem Fortschreiten der allgemeinen Dogmatik, insbesondere jener des Zivilrechts, verbunden war. Das für das Markenrecht der Wende zum 20. Jahrhundert so charakteristische Arsenal zivilrechtlicher Schutzmittel und seine Verankerung i m Begriff des subjektiven Privatrechts haben sich erst langsam herausgebildet; ja, der gewerbliche Rechtsschutz war geradezu das Probierfeld dieser Entwicklung. Parallel zu diesem Prozeß verlief übrigens die Verfeinerung der strafrechtlichen Doktrin; sie begünstigte das allmähliche Zurücktreten der Strafe, die i n den Anfängen des Jahrhunderts als bevorzugtes Schutzmittel galt. Diese mehr rechtsdogmatischen Aspekte des Markenschutzes werden uns i m weiteren Verlauf der Untersuchung näher beschäftigen. H i n gegen müssen die grundlegenden wirtschaftspolitischen Vorstellungen schon i n diesem Kapitel zur Sprache kommen. Denn es sind nicht zuletzt solche Axiome, welche m i t den Ansichten über Gegenstand und Rechtsgrund i n enger Wechselwirkung stehen. Der Zusammenhang w i r d offenbar i n der Grundfrage nach dem Verhältnis von Markenschutz und Gewerbefreiheit (§ 39).

14

1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

§ 38. Gegenstand und Rechtsgrund des Markenschutzes in der Gesetzgebung I. Vorbemerkung:

Das Zeichenrecht des Alten Handwerks

Das Markenrecht der überkommenen Handwerksverbände diente i n gleicher Weise dem Nutzen der Korporation wie dem Schutzinteresse der innerstädtischen Abnehmer 1 . Auch dort, wo die Meistermarke als individuelles Herkunftszeichen Bedeutung erlangte, blieb sie i n den korporativen Zusammenhang eingebettet. Dem Gebrauchsrecht des Meisters entsprach eine Gebrauchspflicht 2 . Dies zeigt an, daß m i t dem Zeichen Zwecke verbunden waren, die über die Herkunfts- und Vertrauensfunktion hinausgingen: es diente der genossenschaftlichen Kontrolle von Arbeitsqualität und -menge. Der Bezug zur Korporation schwand m i t dem Bezeichnungszwang nicht. Auch das freiwillige Zeichen durfte nur gebraucht werden, wenn das Handwerk es zuließ. Die Zunftorgane führten die Register 3 . Sie waren es auch, die auf die Verletzungen des Zeichens reagierten: i m bergischen Recht setzte das Handwerksgericht Konfiskation und „gesetzliche Brächte" zum Schutz der Fabrikzeichen ein 4 ; i n Nürnberg dominierte der genossenschaftliche Charakter des Schutzes i n der Rügepflicht der Handwerksgeschworenen gegenüber dem Rugamt 5 . Die Übertragbarkeit spricht nur scheinbar für den Vorrang des privaten Interesses, denn sie war nicht völlig frei: sie war nur innerhalb des Handwerks möglich 6 . Der Heimfall nicht gebrauchter oder erbenloser Zeichen an die Korporation 7 bestätigt schließlich die Bindung: die Reglementierung war auf das Interesse der Zunftgemeinschaft zugeschnitten. I n seiner Grundstruktur erhielt sich das korporative Zeichenrecht i n Schmalkalden bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus. Die Nürnberger Zeichenordnung und das Zeichenwesen des Schwabacher Nadlervereins wurden weitergepflogen bis ins vierte Jahrzehnt und prägten der bayerischen März Verordnung von 1840 charakteristische 1

Vgl. oben § 1 zu A n m . 4 f. Vgl. unten § 60. 3 Vgl. u n t e n § 53 zu A n m . 15 ff. 4 Krey, Bericht v. 5. V. 1806; H S t A Düss. 6. Β 10808. 5 Ilgenfritz (Warenzeichenrecht S. 39, 112 f., 116) betont, daß das Rugsamt nicht v o n A m t s wegen, sondern n u r auf Ersuchen des Beeinträchtigten m i t Strafe eingeschritten sei, u n d folgert u. a. daraus ein Überwiegen des p r i v a t rechtlichen Aspekts; er übersieht freilich den Zusammenhang m i t der von i h m selbst später (S. 128) dargestellten Mittelstellung der m i t Rügepflicht u n d Rügerecht ausgestatteten Handwerksgeschworenen. 6 Vgl. § 51 zu A n m . 7 ff. 7 E i n Beispiel oben § 15 A n m . 5. 2

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

15

Züge auf. Das ältere bergische Fabrikzeichenrecht erlitt zwar unter dem Einfluß des französischen Rechts entscheidende, die Rechtsgrundlage treffende Verschiebungen; i n seiner näheren Ausgestaltung w i r k t e es jedoch weiter 8 i n den Entwürfen der 20er Jahre und i n der rheinischwestfälischen Gesetzgebung. M i t der Auflösung des „ A l t e n Handwerks", so könnte man die Entwicklung 9 kurz charakterisieren, ging das korporative Interesse — wenn überhaupt — als Element der Gewerbeförderung i n die staatliche Zuständigkeit über (dazu unten II); i n die Rolle eines Hüters des Abnehmervertrauens trat ebenfalls der Staat ein (unten I I I ) ; das ursprünglich i m Kollektivschutz mitbewahrte Gebrauchsinteresse des Meisters selbst fand keinen Anwalt, es sei denn, der Staat nahm sich seiner an, indem er die Position des Markeninhabers als vorgegebenes Recht anerkannte oder die Verleihung eines besonderen Schutzrechts für gerechtfertigt hielt (unten IV). II. Gewerbeförderung Die Ansicht, daß der Staat den Schutz der Warenbezeichnung benutzen könne oder sogar müsse, u m bestimmte gewerbepolitische Ziele zu erreichen, trat i m 19. Jahrhundert dort hervor, wo einzelne Elemente des traditionell-zünftlerischen Zeichenrechts wieder aufgegriffen wurden 1 0 . Dies gilt namentlich für die Versuche, den Zeichenschutz mit der Wiedererrichtung einer korporativen Verfassung für die Solinger „Fab r i k " zu verknüpfen. Schon 1810 hielt der i n preußischen Diensten bewährte ehemalige Fabrikenkommissar Eversmann eine „völlige Freiheit für zu weitgehend" und befürwortete neben anderen Instituten des A l t e n Handwerks auch Meisterprüfung, Schau und die Führung „eigenthümlicher Zeichen". Die Pläne wurden nach 1818 von Solinger Interessenten weiter verfolgt; die Aufnahme des Fabrikzeichenschutzes i n den Entwurf eines Statuts von 182311 ist ihr sichtbarster Ausdruck. 8

Vgl. oben §§ 10 u n d 12. Daß es bei der folgenden Einteilung nicht u m eine strenge Trennung nach den beteiligten Interessen gehen kann, sei eigenes angemerkt: lediglich die besondere Akzentuierung des Schutzzwecks, die ein Nebeneinander m i t anderen Zielen nicht ausschließt, soll herausgearbeitet werden; sie gibt i n ihrer Abfolge zugleich die Richtung an, i n welcher sich die Argumentation i m Laufe des 19. Jh. verlagert hat. — Z u r modernen Bewertung der i m Markenschutz beteiligten Interessen vgl. etwa K . Spoendlin, Das M a r k e n recht i m Lichte der schutzwürdigen Interessen, 1974. 10 w o — w i e etwa i n Schmalkalden (oben § 23) — die alte Ordnung i m wesentlichen ungebrochen bestätigt wurde, gilt das zu I. Gesagte weiter. 9

11

Vgl. § 10 zu A n m . 65 f.; zu Eversmann vgl. § 4 zu A n m . 77 f.

1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

16

I m benachbarten Remscheid, dessen Kaufleute der Idee des freien Handels mehr zugetan waren, sträubte man sich gegen jeden Verbund des Zeichenschutzes m i t Maßnahmen zur Neuordnung des Gewerbes 12 . Ging es bei den Solinger Bestrebungen u m die Rekonstruktion eines letztlich schon überholten Zeichenwesens, so zielten verschiedene Pläne u m die Jahrhundertmitte darauf ab, das Zeichenrecht so umzugestalten, daß es bestimmte, durch die Entfaltung modernerer Wirtschaftsweisen benachteiligte Gruppen begünstigte. Diesem Zweck diente das mehrfach erhobene Verlangen nach obligatorischen Herstellerzeichen 13. A b sicht solcher Maßnahmen i m bergischen Distrikt, der hier als Beispiel stehen mag, war es nach einer Eingabe des Remscheider Gewerberates 14 , „daß auf diese Weise die Fabrikation vervollkommnet u n d das Wohlergehen des Mittelstandes steigend befestigt werde; w e n n jeder sein eigenes Zeichen führe, u n d i n Ruf bringe, dann sei der K a u f m a n n genöthigt, i h m die Bestellung über die m i t diesem Zeichen draußen geforderten Waaren zuzuwenden, u n d dieses hindere den K a u f m a n n an der Benutzung der Conkurrenz u n t e r den redlichen Meistern".

Damit war das eigentliche Ziel des Planes angesprochen: der i m späten Verlagssystem unterlegene kleine Produzent sollte nicht vom Verlegerkaufmann ausgenutzt werden können. Die positive Aufnahme der guten Ware durch den Konsumenten sollte zugunsten des eigentlichen Herstellers durchschlagen; er sollte der Nutznießer seiner guten Arbeit sein. A l l e diese Pläne trafen auf den Widerstand der Berliner Ministerien 1 3 , und dabei hatte Preußen selbst mit dem Gesetz über die Hüttenzeichen vom J u l i 1818 das wohl markanteste Beispiel einer durch Zeichenschutz betriebenen Gewerbeförderung gegeben. Das Fabrikzeichen der Hüttenwerke hatte als „richtiges Ursprungsmerkmal" die Aufgabe, die Herkunft des damit bezeichneten Stabeisens kenntlich zu machen; auf diese Weise — so heißt es bereits i n der Vorlage des Staatsministeriums 16 — werde „der Käufer i n den Stand g e s e t z t . . . , das gute v o m schlechten (sc. Stabeisen) zu unterscheiden". 12

Siehe etwa oben § 10 zu A n m . 106. Dazu oben § 12 zu A n m . 72; § 27 A n m . 4. 14 Petition v. 1. V I I . 1851; Z S t A I I 120 D I I 232 (6). 15 Vgl. den E n t w u r f v o m Dezember 1852, oben § 12 zu A n m . 73. 18 Vorlage v. 10. V I . 1817; Z S t A I I Rep. 120 D I I 230 (1); i m übrigen vgl. oben § 9. 13

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

17

I n den Staatsratsverhandlungen 17 wurde diese Sicht bestätigt; das Stabeisen gehöre zu denjenigen Waren, deren Mängel beim Ankauf nicht vollständig erkannt werden könnten, sondern sich erst bei der Verarbeitung und beim Gebrauch zeigten. Der Ankauf geschehe daher mehr oder minder auf Treu und Glauben und deshalb sei es „sehr nützlich, daß das P u b l i k u m i n den Stand gesetzt werde, diejenigen Fabriken kennen zu lernen u n d durch vorzügliche Nachfrage zu belohnen, die das i n sie gesetzte Vertrauen nicht täuschten".

Durch das Wissen u m die Herkunft des Eisens sollten die Abnehmer befähigt werden, eine Kontrolle über die Güte des Produktes auszuüben. Das Hüttenzeichen, so heißt es noch Jahre danach 18 , verfolge die Absicht, „ b e i m inländischen Verbraucher eines der wichtigsten Produkte die V e r antwortlichkeit des Fabrikanten festzustellen".

A u f Grund des Zeichens 19 „haftet jeder Hüttenbesitzer m i t seinem Rufe f ü r alle Fehler des Eisens, auch f ü r diejenigen besonders, die beim Ankaufe nicht erkannt werden können, sondern erst beim Gebrauche zum Vorschein kommen; u n d die Zunahme u n d der Verlust des Vertrauens u n d Absatzes w i r d i h n w i r k samer u n d gerechter f ü r gute A r b e i t belohnen oder f ü r schlechte bestrafen, als es durch irgend eine andere A n o r d n u n g möglich sein dürfte".

Durch dieses Verfahren wurde w o h l auch der Produzent guter Ware begünstigt und zugleich das Vertrauen des Abnehmers i n die Gleichmäßigkeit der Warenqualität geschützt. Beide Funktionen waren indes nicht das eigentliche Motiv der staatlichen Maßnahme. Sie wollte auf das Gewerbe, auf die Produktion von Stabeisen qualitätssteigernd einwirken und nur mittelbar Produzent und Abnehmer begünstigen. Das rheinische Oberbergamt und, seine Formulierungen nahezu wörtlich übernehmend, die Regierung zu Aachen 20 schrieben dem Fabrikzeichen auf Stabeisen einen doppelten Zweck zu: es helfe zum einen, das „unversteuerte Einbringen fremder Erzeugnisse" zu verhindern, und sei zum anderen „ein trefflicher H e b e l . . . , auf Erzeugnisse eines guten, m i t h i n gesuchten Stabeisens hinzuwirken. Die i n Rede stehende Maßnahme f ü h r t auf dem einfachsten Wege zur Beförderung der Fabrikation u n d stiftet dem consumierenden P u b l i k u m nennbaren Nutzen". 17 So das V o t u m der Staatsratsabteilungen v. 31. I I I . 1818; diese Passagen entsprechen i m wesentlichen den Einzelvoten; Z S t A I I Rep. 120 D I I 230 (1). 18 V o t u m Rothers v. 16. I I . 1836; Z S t A I I Rep. 120 D I I 232 (1). 19 Wie A n m . 17. 20 Bericht des Oberbergamts Bonn v. 31. X I I . 1818; Reg. Aachen an H a M v. 9. I I . 1819. — H S t A Düss. Reg. Aachen 1641.

2 Wadle I I

18

1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

Daß diese Motivation die Arbeiten am Gesetz tatsächlich bestimmte, ergibt sich aus einer Fassung der Einleitung, die — zum Teil stark verkürzt — i n die Endredaktion 2 1 übernommen wurde: „ W i r . . . haben beschlossen, den Gebrauch besonderer Fabrikzeichen . . . einzuführen, u m denjenigen Hüttenwerken, die ein vorzügliches Eisen i n den Handel bringen, die verdiente Auszeichnung zu sichern, den Nacheifer anzuregen, u n d v o n schlechter A r b e i t durch die Aussicht auf Verlust des Absatzes abzuhalten."

Die nähere Ausgestaltung des gesetzlichen Schutzes entspricht dem besonderen Ziel. Das Hüttenzeichen muß geführt werden; es darf nicht abgeändert oder übertragen werden 2 2 : der Hüttenbesitzer ist i n seiner Verantwortung gegenüber dem Konsumenten festgehalten. Die Pflicht zur Führung des Zeichens w i r d durch staatlichen Verleihungsakt begründet 2 3 , die Obrigkeit hat für die hinlängliche Unterscheidbarkeit zu sorgen und bezieht i n ihre Prüfung auch Zeichen ein, die außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes liegen 2 4 . Es besteht schließlich eine „gewerbepolizeiliche P f l i c h t . . . zum Einschreiten" 25 . A l l e diese Reglementierungen bedeuten freilich nicht, daß der Nutzen des Konsumenten das tragende Motiv gewesen wäre; denn für den Fall, daß sich das Gesetz auf den Absatz schädlich auswirken könnte, wurden Ausnahmen zugelassen; man erteilte Dispense von der Zeichenführungspflicht und genehmigte sogar die Annahme renommierter auswärtiger Marken 2 6 » 2 7 . Angelpunkt und Rechtsgrundlage des Schutzes, welchen das Hüttenzeichen genießt, ist — ähnlich dem Zeichenrecht des A l t e n Handwerks — die obrigkeitlich auferlegte Pflicht 21 I n der Vorlage des Staatsministeriums (vgl. A n m . 17) heißt es: „ W i r . . . haben zur Beförderung des Handelsinteresses die allgemeine E i n f ü h r u n g u n d den Gebrauch eines Fabrik-Zeichens . . . beschlossen." 22 Vgl. § 51 zu A n m . 1 ff. 23 Vgl. § 3 des Gesetzes v. 1818. 24 Vgl. § 41 zu A n m . 7 u. 8. 25 I n n M an Fa. Brand, Schwelm, v. 29. V I I I . 1821; S t A M r OP 2/51 Nr. 688. 26 Näheres unten § 44 A n m . 10 - 12. 27 Der besondere gewerbepolizeiliche Zweck des Hüttenzeichens (die Qualitätssteigerung) offenbart sich i n seinem versteckten Bezug auf Qualitätsvorstellungen: Als bei der Aufnahme der Zeichen i m Jahre 1818 die herzoglich Braunschweig-Oelsche K a m m e r f ü r alle zur Herrschaft Guttentag gehörigen H ü t t e n ein einziges Zeichen beantragte, k a m es i m M i n i s t e r i u m zu einer K o n troverse unter den Referenten. Einem ersten Vorschlag, verschiedene Zeichen vorzusehen, w e n n es sich u m verschiedene H ü t t e n handle, es sei denn, sie verarbeiteten denselben Eisenstein u n d Zuschlag, h i e l t B e u t h entgegen, ein Zeichen könne n u r genehmigt werden, w e n n i n der Herrschaft keine P r i v a t h ü t t e n vorhanden seien u n d überdies gleichartige Rohstoffe verarbeitet w ü r den. Angenommen w u r d e schließlich der E n t w u r f Ferbers, der eine Genehm i g u n g lediglich davon abhängig machte, ob eine P r i v a t h ü t t e bestand. Das Stabeisenzeichen w u r d e damit i n seiner vorwiegenden Eigenschaft als Herstellerzeichen bestätigt.

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

19

Derartige vom Staat i m Stile des „ A l t e n Handwerks" betriebene Gewerbeförderung ist i m Markenrecht des 19. Jahrhunderts allerdings eine Ausnahmeerscheinung. Anderes gilt für das zweite, aus dem traditionellen Zeichenrecht stammende Element, den Schutz der Abnehmerschaft. III. Schutz der Abnehmer Wo gewerbepolizeilich gedacht wird, kann auch der Abnehmerschutz zur Geltung kommen. Das eben behandelte preußische Gesetz über die Hüttenzeichen kann auch als Beispiel für diese Offenheit gelten. Wenngleich es nach dem Willen des Gesetzgebers primär anderen Zielen zu dienen hatte, so hinderte dies doch nicht, daß man i n Kreisen der Industrie die Gewichte anders verteilte. Als Beispiel sei hier auf eine Eingabe des Fürsten Wittgenstein-Hohenstein 28 verwiesen, der m i t dem Antrag auf die Einführung einer vergleichbaren Bezeichnung auch i m Westen eine charakteristische Bewertung des Hüttenzeichens verband. Er verstand die Kennzeichnung als M i t t e l gegen Unterschleife und Betrügereien: „ U m allen Unterschleifen vorzukommen u n d u m bestimmt zu wissen, w e r das beste Eisen macht, u n d damit auch nicht durch Tausch, was durch Fuhrleute auf eine höchst straffällige Weise leicht geschehen kann, der Lieferant oder der Empfänger betrogen werden kann",

schlage er vor, Roheisen und Gußwaren, Stabeisen und gewalztes Eisen mit einem eigenen Stempel des Fabrikanten zu versehen; diese Bezeichnung gereiche der Polizei zum Vorteil, denn sie helfe bei der Überführung von Dieben und erleichtere die Ermittlung der Fabrikanten schlechten Eisens i m Falle eines Prozesses. Das Beispiel weist zugleich über den Bereich gewerbepolizeilichen Denkens hinaus. Indem es auf die M i t t e l des Strafrechts Bezug nimmt, w i r d deutlich, daß der Schutz des konsumierenden Publikums vor falscher Warenbezeichnung zunächst und i n erster Linie eine Aufgabe des Strafrechts war. Solange freilich der Strafschutz 29 i m Bannkreis der gemeinrechtlichen Doktrin verharrte, unterlag sein Tatbestand der Zweideutigkeit von „Stellionat" und „crimen falsi". Zugleich brachte er die Marke i n Gefahr, i n die Nähe des Qualitätszeichens gerückt zu werden: der Straftatbestand verlangte die Verletzung eines „Rechtes", und wenn man nicht auf ein Nichtvermögensrecht des Abnehmers oder ein Hoheitsrecht des Staates zurückgreifen wollte, kam nur eine Verletzung des 28 29



Vorstellung an F i n M v. 28.1.1833; Z S t A I I Rep. 120 D I I 230 (2). Die Einzelheiten zum Folgenden vgl. unten § 58.

1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

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Vermögens des jeweiligen Abnehmers i n Betracht; dies hatte zur Konsequenz, daß die Täuschung und damit letztlich auch die fälschlich verwendete Marke auf die Qualität der Ware bezogen werden mußte; denn nur auf diese Weise konnte der notwendige Zusammenhang zwischen einem Vermögensschaden des Abnehmers und dem Zeichenmißbrauch hergestellt werden. Eine Wende war erst möglich, als man sich von der Feuerbach'schen Verbrechenslehre und den gemeinrechtlichen Tatbeständen zu lösen begann. N u n konnte der Strafgrund freier bewertet werden, sei es, daß man auf den Schutz von „Rechtsgütern", sei es, daß man auf eine „gewerbepolizeiliche" Gefahrenabwehr abstellte. Beides hatte zur Folge, daß auch der Gegenstand des Schutzes treffender bestimmt werden konnte: man begann i h n an jener Funktion zu orientieren, die jedem markenmäßigen Herkunftshinweis i m Verkehr zuwächst, an der Vertrauensoder Garantiefunktion. Der Schutz des Abnehmervertrauens war dann eben nicht mehr abhängig von der konkreten Gefährdung bestimmter Konsumenten, er konnte vielmehr zum Schutz des konsumierenden Publikums schlechthin fortgebildet werden. Da m i t dem Abnehmervertrauen zugleich die Position des Markeninhabers ins Spiel kommen konnte, war eine Fülle von Möglichkeiten eröffnet, je nachdem, ob und wie stark das Interesse des Markeninhabers als zusätzliches Moment neben dem Abnehmer- oder Publikumsinteresse Berücksichtigung finden sollte. I n der Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts sind viele Beispiele dafür zu finden, daß die Skala von der Vernachlässigung der Position des Markeninhabers über deren Anerkennung als sekundäres Moment bis h i n zur Gleichwertigkeit reicht. Überall dort, wo das Interesse des konkreten Abnehmers durch die präziseren Tatbestände des strafrechtlichen Vermögensschutzes abgedeckt war, mußte der Tatbestand des Markenmißbrauchs, wollte man i h n überhaupt aufnehmen, anders legitimiert werden: man fand die Rechtfertigung i n Gedanken eines allgemeinen Publikumsschutzes. Dieser Gesichtspunkt trat i n den Strafgesetzbüchern mehr und mehr i n den Vordergrund. Er dominiert noch i m Reichsstrafgesetzbuch (§ 287) 30 . Daneben stehen jene Gesetze, die zwar den primären Zweck des Markenschutzes i m Abnehmer- und Publikumsinteresse sehen, die Position des Markeninhabers jedoch — wenn auch nur als sekundäres Moment — i n die Rechtfertigung einbeziehen. 30

So zuletzt Merkel i n Holtzendorffs Handbuch I I I . S. 830 f.; auch unten § 58 zu A n m . 72. — I n diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß sow o h l die preußische w i e auch die bayerische Gesetzgebung unter dem E i n fluß merkantilistisch orientierter Vorbilder des 18. Jh. standen; vgl. oben § 8 zu A n m . 14 f. u n d § 16 zu A n m . 9 f.

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

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I n diesem Sinne verfuhr der preußische Gesetzgeber. Bereits das A L R wertete den bloßen Mißbrauch als „Betrug des Publici"; das Gesetz vom 7. A p r i l 1840, die Verordnung vom 18. August 1847 31 und das Strafgesetzbuch von 1851 (§ 269) behielten diese Konstruktion bei. Bezeichnenderweise heißt es i n der Einleitung des Gesetzes von 1840, es sei erlassen, „ u m den Handelsverkehr gegen fälschliche Warenbezeichnungen zu schützen". Eine entsprechende Lösung lag jenen Strafgesetzen zugrunde, welche, dem Beispiel Preußens folgend, von jedem Antragserfordernis abstanden und der Einwilligung des Markeninhabers i n den fälschlichen Gebrauch keine rechtfertigende W i r k u n g beilegten 3 2 . Obgleich der Tatbestand des Markenmißbrauchs i n allen diesen Gesetzen i m wesentlichen unverändert blieb, kündigte sich i n der Interpretation des preußischen Strafrechts durch das Obertribunal eine gewisse Verlagerung vom Abnehmerschutz hin zum Schutz des Markeninhabers an. Die Tendenz ist an Hand der Beurteilung des Merkmals „ F i r m a " gut zu verfolgen. Das Obertribunal gewährte zunächst auch solchen markenmäßig verwendeten Firmen Schutz, die nicht den Vorschriften des A D H G B entsprachen; so erklärte es den Mißbrauch der Bezeichnung „ J. G. Böninger & Söhne" für strafbar, obgleich i m Handelsregister die Firma „ A r n o l d Böninger" eingetragen war, und begründete dies m i t dem Schutzzweck der Norm, die eine „absichtlich auf Irrthumserregung bei dem kaufenden P u b l i k u m berechnete undeutliche Namensangabe" erfasse 33 . Wenig später billigte das Gericht auch einer dem Produktionsort entlehnten Bezeichnung Schutz zu als „ F i r m a " i m Sinne des § 269 StGB 3 4 . Z u Beginn der siebziger Jahre jedoch schränkte das Obertribunal diese weite Auslegung wieder ein und erklärte, es sei „ n u r der Mißbrauch eines fremden Namens oder einer fremden Firma zu einer Waarenbezeichnung . . . strafbar, nicht der einer anderen fremden Waarenbezeichnung, sollte diese auch i n einem anderen Worte bestehen". Nach diesem Grundsatz versagte es der m i t verschiedenen Ortsangaben versehenen 81 Die Angleichung dieser Verordnung an das Gesetz v o n 1840 erfolgte erst i n der Endredaktion. Die vorangehenden E n t w ü r f e hoben stärker auf die Stellung des Markeninhabers ab; näher dazu unten V. 82 Z u A n t r a g u n d Rechtfertigung vgl. unten § 58 v o r A n m . 69 u n d zu A n m .

82.

88

U r t e i l v. 4.1.1864; Oppenhoff, Rechtsprechung I V . S. 289 ff. — Der beklagte K o n k u r r e n t hatte dieselbe Reiteretikette w i e Böninger verwendet, die Namensangabe jedoch durch die unleserliche Bezeichnung „J. C. Rottmeyer & Söhne" ersetzt. 84 U r t e i l v. 13. I X . 1865; Oppenhoff, Rechtsprechung I V . S. 299 ff. — Die nach dem Gut Schakauglack bezeichnete B u t t e r w u r d e unter der Bezeichnung „ A d l i c h Schakauglack" vertrieben; die Nachahmung lautete „ A d l i c h Schakaulat".

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1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

Zigarrenbezeichnung „ L a Ferme" den Schutz, da die i m Handelsregister eingetragene Firma „J. Huppmann Firma La Ferme" lautete 3 5 . Spätere Erkenntnisse bestätigten die Abhängigkeit des Markenschutzes von den Bestimmungen über die Handelsfirma: das Strafgesetzbuch, welches „über den Begriff und die Requisite einer Firma und die Bedingungen der Gültigkeit einer solchen i n strafrechtlicher Beziehung" keine Bestimmungen enthalte, lehne sich „also i n dieser Beziehung lediglich an das Handelsrecht an, welchem das Rechtsinstitut der Firma angehört", die Strafvorschrift — hier § 287 StGB — setze „selbstverständlich eine zu Recht bestehende Firma" voraus 36 . Diesem Wandel zur engeren Beurteilung des Merkmals Firma lag augenscheinlich die Ansicht zugrunde, daß der Firmenschutz nach dem A D H G B (Art. 27) einen stark privatrechtlichen Einschlag erhalten hatte und der Strafnorm nunmehr die Aufgabe zufiel, offen gebliebene Lücken dieses Schutzes 37 zu schließen. Von der Erkenntnis, daß es sich beim Markenschutz „eigentlich" nur u m „eine Ergänzung des Firmenschutzes" handle 3 8 , trennte diese Interpretation nur noch ein kleiner Schritt. Anders als die preußische Gesetzgebung ist eine letzte Gruppe von Strafnormen bereits von vornherein auf der Grenze zum Vorrang des Markeninhaberinteresses angesiedelt. Sie verstanden den Abnehmerschutz zwar noch als strafbegründenden Gesichtspunkt, dem gleichrangigen Interesse des Markeninhabers sprachen sie indes dieselbe Funktion zu 3 9 . I n dieser Weise verfuhren etwa das sächsische Strafgesetzbuch von 183840 und insbesondere die bayerische Verordnung vom 6. März 1840, welche, wie sich aus der Antragsformel ergibt 4 1 , ebenso den Schutz des Markenberechtigten wie jenen des beteiligten Abnehmers bezweckte. 35 U r t e i l v. 31. I I I . 1871; Oppenhoff, Rechtsprechung X I I . S. 191 ff. Einen Widerspruch zur Entscheidung v o m 14.1.1864 w o l l t e das Obertribunal nicht erkennen, da jenes einen i n A r t . 22 A D H G B vorgesehenen F a l l betroffen habe. Auch m i t diesem Hinweis, der w i e ein nachgeschobener G r u n d w i r k t , gibt das Gericht zu erkennen, daß die i m Handelsgesetzbuch gezogenen Grenzen allein maßgeblich sein sollen. 36 U r t e i l v. 3. V I I . 1871; Oppenhoff, Rechtsprechung X I I S. 370 ff. Diese Entscheidung sei m i t dem U r t e i l v. 13. September (Anm. 34) vereinbar, da es sich dort u m die F i r m a eines Nichtkaufmanns gehandelt habe. Das U r t e i l v. 14.1.1864 w i r d bezeichnenderweise nicht erwähnt! 37 Vgl. unten § 45 A n m . 8. 38 R T Sten. Ber. 1874 S. 34. 39 W o r i n die Interessen des Zeichenbesitzers bestehen u n d welches Rechtsgrund f ü r den Schutz auch seiner Position war, w i r d sich aus dem Folgenden (IV) ergeben. 40 Der Tatbestand des A r t . 252 verlangte das Nachmachen der Warenstempel u n d den Mißbrauch „zu Täuschungen i m Handel"; die Untersuchung w a r „ n u r auf den A n t r a g einer dabei betheiligten Person" möglich. 41 Nach § I X bay. V O 1840 sollte „die polizeiliche Einschreitung u n d V e r handlung . . . n u r auf Anzeige u n d A n r u f e n der Betheiligten" erfolgen.

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

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Ausdrücklich wurde das doppelte Ziel vom Münchner Justizministerium erläutert, als es auf die „mannigfachen Vortheile" der Regelung hinwies 4 2 ; der Schutz der Fabrik- und Gewerbezeichen diene „theils f ü r die betheiligten Gewerbs- u n d Handelsleute, theils f ü r die Interessen des Publikums u n d der vaterländischen Industrie i m allgemeinen . . . , indem einerseits dieser seither vernachlässigte Z w e i g der Gewerbspolizei i m öffentlichen Interesse gehandhabt, andererseits der gewissenlose Gewerbsgenosse außer Stande gesetzt würde, sich auf Kosten des Redlichen u n d Betriebsamen zu bereichern".

Der Weg vom Vorrang des Publikumsinteresses zum Gleichrang des Markeninhaberinteresses mochte der deutschen Partikulargesetzgebung wirtschaftspolitische Schwierigkeiten bereiten 43 . Die rechtsdogmatischen Probleme mußten jedenfalls i n den Hintergrund treten, je mehr man den Einsatz polizei- oder strafrechtlicher Instrumente dem Ermessen eines positivistisch agierenden Gesetzgebers überantwortete. M i t weitaus größeren Komplikationen war der für das moderne Markenrecht so charakteristische Schritt zur Dominanz des Markeninhaberinteresses verbunden. IV. Der Vorrang des Markeninhaberinteresses Die Gesetze und Entwürfe, welche den Markenschutz i n erster Linie oder ausschließlich gewährten, u m die Interessen des Markeninhabers abzusichern, beruhten i n aller Regel auf einer einheitlichen Vorstellung vom Schutzgegenstand: die Marke galt ihnen als Herkunftshinweis, der u m des Rufes willen, welchen die damit bezeichnete Ware erworben hatte, geschützt werden sollte. So gering die Unterschiede i m Hinblick auf den Schutzgegenstand waren, so tiefgreifend waren sie i n bezug auf den Rechtsgrund und damit auch i n der Frage, ob das Interesse des Markeninhabers i n vollem Umfange i n den Schutz einbezogen werden sollte oder nicht. Das deutsche Recht des 19. Jahrhunderts weist unter diesem Gesichtspunkt i m wesentlichen drei sich überlappende Entwicklungsreihen auf: die erste ist charakterisiert durch die Vorstellung vom privaten Markeneigentum; die zweite ist beherrscht von der Ansicht, dem Markeninhaber werde vom Staat eine besondere, den Straf- oder Polizeischutz begründende Rechtsposition verliehen; die dritte schließlich ist gekennzeichnet durch die Ausrichtung des Schutzes an der Rechtsfigur eines besonderen subjektiven Privatrechts. A l l e n diesen Begründungsweisen ist das Bestreben gemeinsam, den Schutz aus einer vorgegebenen oder eigens geschaffenen Position des Markeninhabers abzuleiten. Diese 42 43

Vorlage an den K ö n i g v. 5. I I I . 1840, H S t A M n A l l S t A M H 4518. U n t e r dem Gesichtspunkt der Gewerbefreiheit; dazu unten § 39 I .

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1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

der zeitgenössischen Doktrin des Strafrechts sowohl wie des Zivilrechts verpflichtete Denkform hemmte die Fortentwicklung der gesetzgeberischen Praxis, auch wenn erst Kohler diesen Zusammenhang v o l l bewußt gemacht hat. Ganz i m Gegensatz dazu verlief die Entfaltung des Markenschutzes i n England, wo die Judikatur, vom privatrechtlichen Betrugstatbestand ausgehend und i h n zu einem neuen Delikt modifizierend, vom Schutz des konkret betrogenen Abnehmers zum Schutz der Konsumentenschaft vor irreführenden Warenbezeichnungen und schließlich zum Schutz des am Wettbewerb teilnehmenden Markeninhabers hinüberleitete 4 4 . Dieser weniger am systematischen Denken als am praktischen Bedürfnis orientierte Charakter ist einer der Gründe dafür, daß man den englischen Bezeichnungsschutz i n Deutschland erst relativ spät zur Kenntnis nahm. Ganz anderes gilt für das Markenrecht Frankreichs, dessen dogmatische Ausprägung dem deutschen Rechtsdenken weitaus näher stand und überdies unmittelbar auf die Gesetzgebung einwirkte. Es wurde geradezu zur Grundlage der ersten Gruppe der i n Deutschland geschaffenen oder wenigstens angestrebten Schutznormen. 1. Die Idee des Markeneigentums Dem älteren französischen wie dem großherzoglich-bergischen Recht galt die „marque particulière" 4 5 als M i t t e l des Gewerbetreibenden, u m seine Waren von denjenigen seiner Konkurrenten zu unterscheiden. Diese Funktion w i r d wohl am deutlichsten 46 i n A r t . 72 des bergischen Dezemberdekretes von 1811 angesprochen, welcher verlangt, es müsse ein solches Zeichen gewählt werden, „das sich v o n den i n den übrigen gleichartigen F a b r i k e n bereits angenommenen hinlänglich unterscheidet".

A n einem solchen Zeichen erwarb der Fabrikant nach französischbergischem Recht ein ausschließliches und frei übertragbares Gebrauchsrecht 47 . Dieses „Eigentum" („propriété") an der Marke galt als ein dem staatlichen Handeln vorgegebenes Privatrecht. I n einem Gutachten, das anläßlich eines Zeichenstreites i n den Jahren 1810/1811 erstattet wurde 4 8 , heißt es: 44

Vgl. oben § 5 I . A r t . 16 Dekret v. 22. Germinal X I ; Blanc, Contrefaçon S. 152. 46 Ebenso die französischen Dekrete v. 16. I V . 1809 u n d 20. I I . 1810 (jeweils A r t . 5); Blanc, Contrefaçon S. 153 f. 47 Vgl. oben § 4 I . 48 Gutachten des Geheimen Rats Ch. W. H. Sethe i m Streit Heilenbeck/ H a r k o r t u. a., H S t A Düss. Reg. Düss. 2101. Z u Sethe vgl. dessen Erinnerungen: Klein / Bockemühl (Hrsg.), Weltgeschichte a m Rhein erlebt, 1973. 45

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

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„Das ausschließliche Recht, dergleichen Zeichen zu führen, ist blos P r i v a t recht, indem es n u r gegen andere Fabrikanten u n d Kaufleute, m i t h i n gegen Privatpersonen, seine W i r k s a m k e i t äußert."

Der Rechtsgrund dieses Markeneigentums war i n den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts allerdings nur ungenau bestimmt: die Vorstellung, daß die Erstbenutzung — sei es als Inbesitznahme (occupation), sei es als Ausdruck einer schöpferischen Leistung — das Recht begründe, und die wettbewerbliche Begründung liefen lange Zeit nebeneinander her 4 9 . Trotz dieser Unklarheiten wurde die Lehre vom Markeneigentum i n Deutschland immer wieder aufgegriffen, sei es durch einzelne, Schutz begehrende Markeninhaber, sei es durch die Gesetzgeber. Nur wenige, aber wohl bezeichnende Beispiele aus dem vielstimmigen Chor der am Schutz interessierten Wirtschaftskreise können hier vorgeführt werden. Der Deutsche Handelstag 50 etwa gründete 1860 sein Verlangen nach Markenschutz auf den „guten Ruf", den sich ein Fabrikant durch „Jahre lange Mühe und Arbeit" erwerbe; die daran sich knüpfende Kundschaft sei „ohne Frage gleichsam ein Theil seines Eigenthums geworden". Während hier auf den Gedanken des Eigentums an der „achalandage" (Kundschaft) abgestellt wurde, kehrten andere B i t t steller die Erfindungsidee hervor: die Firma Farina gegenüber dem Jülichsplatz meinte 185551, der Schutz der Fabrikzeichen, deren Bedeutung „mehr i n der äußeren Erscheinung . . . als i n dessen Inhalt bestehe", sei „wesentlich analog m i t dem Schutze der Schriftsteller und Kunstprodukte und der Erfindungspatente". I n der deutschen Gesetzgebung treffen w i r der französischen Doktrin verwandte, jedoch i n der konkreten Gestalt abweichende Regelungen an. Dem französischen Recht kam der Markenschutz des badischen Landrechts (1809) am nächsten. Dies zeigen zum einen die Erläuterungen des Redaktors Brauer 5 2 , zum anderen die Praxis der badischen Behörden. So lehnte das Justizministerium 5 3 ein Einschreiten von Amts wegen aufgrund der 1817 modifizierten Fassung des Landrechtsanhangssatzes ab, da es sich u m „Privatrechts-Verletzungen" handle, die vor den Z i v i l richter gehörten. I n der Diskussion der Kammern u m das badische 40

Näheres oben § 4 zu A n m . 12 ff. u n d Nachtrag dazu. Beschluß v. 27.11.1860 zu § 269 pr. StGB 1851; Z S t A I I Rep. 120 D I I 233 (4). 51 Vorstellung v. 21. X I . 1855; Z S t A I I Rep. 120 D I I 233 (3). Der Schutz des Fabrikzeichens, der „Flagge der Waare", w i r d aus der „ N a t u r der Sache" abgeleitet. 52 Erläuterungen I V S. 443 ff. 53 Wie § 22 A n m . 2 u n d 17. 50

1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

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Strafgesetzbuch von 1845 w i r k t e diese Haltung nach: als einer der Berichterstatter 54 die Grundsatzfrage ansprach, „ob man den Schutz f ü r die Fabrikanten höher achten w i l l , als den Schutz f ü r das P u b l i k u m , ob m a n also den Schutz f ü r Einzelne dem Schutze f ü r alle vorzuziehen die Absicht hat",

fiel die Entscheidung i m Sinne der zweiten Alternative: § 444 des neuen Gesetzes, welches die Strafe vom Antrag des Markeninhabers abhängig machte, wollte das bloße „Privatinteresse" schützen 55 . I n die Nähe des industriellen Eigentums rückte auch die württembergische Gewerbeordnung von 1828 den Schutz der Fabrikzeichen. Der Entwurf hatte die Schutznorm sogar i n den Abschnitt über die „Gewerbeprivilegien" aufgenommen 56 . Die Kommission 5 7 korrigierte zwar diese Einordnung, vermied aber dennoch nicht jeden Bezug auf die erfinderische Leistung: „ W i r sehen es als einen A k t der Gerechtigkeit an, dem einheimischen Fabrikanten u n d Handwerker, der k e i n P r i v i l e g i u m gegen das Nachmachen der Waare selbst, sondern n u r Schutz gegen die A n w e n d u n g eines i h m nachgemachten Unterscheidungs-Zeichens sucht, diesen angedeihen zu lassen."

Ähnlich wie Brauer 5 8 begründete man auch hier den Erfindungsgedanken nicht auf das Zeichen selbst, sondern auf das einem Zeichen Ruf erwerbende Erzeugnis; von der badischen Lösung wich jene der Gewerbeordnung indes i n der Rechtsfolge grundlegend ab: sie gewährte Straf schütz, u m jenen Mißbrauch zu verhindern, wodurch „das P u b l i k u m getäuscht, dem Fabrikanten u n d Handwerker der Ersatz f ü r die auf Versuche verwendete Zeit u n d Kosten geschmälert, der Lohn, den sein Streben verdient, verkümmert, u n d sogar sein ganzer Ruf durch schlechtere Waare auf das Spiel gesetzt werde".

Der Strafschutz der Gewerbeordnung vermochte sich trotz dieser eindeutigen Akzentuierung des Markeninhaberinteresses nicht aus dem Sog des gemeinrechtlichen crimen falsi zu lösen 59 . Französischem Einfluß scheint auch der Hamburger Entwurf von 1844 zu unterliegen, welcher „das ausschließliche Eigenthumsrecht" an Zeichen, Etiketten oder Vignetten 6 0 durch eine Hinterlegung zwar ab54 55 56 57 58 39 60

Kommissionsbericht der ersten K a m m e r zu § 405 der Vorlage. So der Kommissionsbericht Nr. 9 der zweiten K a m m e r zu § 405 des E. Vgl. oben § 19 zu A n m . 2 f. Bericht S. 131. Vgl. oben A n m . 52. Vgl. unten § 58 zu A n m . 26. So die M o t i v e S. 4; Beleg w i e oben § 25 A n m . 1.

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

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sichern, nicht aber einen originären Erwerb von Fabrikzeichen ausschließen wollte 6 1 . Die Motive äußern sich allerdings über den Rechtsgrund des „Eigentums" nicht näher 6 2 . Eine vergleichbare, ebenfalls auf die französische Idee des Markeneigentums zurückgreifende Wertung begegnet während der bayerischen Diskussion der vierziger Jahre. Das grundlegende Votum des Justizministers, welches die gesamten Vorarbeiten einleitete und beherrschte 6 3 , stand offenbar unter dem Einfluß des französischen Gedankengutes; m i t i h m hatte man sich nicht zuletzt deshalb auseinanderzusetzen, weil i n der Pfalz französisches Recht galt und die pfälzischen Behörden auf den grundlegenden Unterschied zum Polizeischutz der bayerischen Märzverordnung hinwiesen. Das französische Recht, so hieß es i n diesen Berichten 164 , sei „nur reglementärer Natur" ; es betreffe nicht das Eigentum der Zeichen selbst, sondern enthalte nur gesetzliche Bestimmungen, „wodurch dieses Eigenthum i m Allgemeinen anerkannt und der Rechtsschutz . . . gesichert" werde; das Eigentum selbst werde durch Gebrauch und Besitz erworben. Diese Wertung des Zeichenbesitzes als eines vorgegebenen Rechts wurde vom Justizminister übernommen und mit dem Erfindungsgedanken näher begründet 65 . Aus seinen Erwägungen geht hervor, daß man den tatsächlichen Markengebrauch zum Maßstab nahm und das i m Prinzip vorgegebene „Eigentum" des Markeninhabers als rechtliches Fundament des Schutzes anerkannte. A u f Grund dieser Überlegungen war es möglich, den auf der Betrugskonstruktion der Anmerkungen von 181366 basierenden Markenschutz neu zu erfassen als primäre Begünstigung des Markeninhabers. Man beschränkte sich allerdings i m Vollzug des Strafgesetzbuches von 1861 auf eine rein kriminalrechtliche Fixierung des Markenrechts 67 : dem 61

Nach § 5 Abs. I dient die Hinterlegung n u r „ z u r Erleichterung des Beweises"; w e r — so Abs. I I I — die „ A n m e l d u n g . . . verabsäumt, hat es sich selbst zuzuschreiben, w e n n er sich d e m n ä c h s t . . . erst als rechtmäßiger I n haber des Fabrikzeichens u. s. w . legitimieren muß". 62 I n einem gewissen Gegensatz zu der i n der vorigen A n m . genannten Bestimmung sprechen die M o t i v e davon, daß jemand dadurch, daß er sich „eines bestimmten Zeichens b e d i e n t . . . k e i n ausschließliches Eigenthumsrecht" gewinnt. 63 V o t u m V. 6. I V . 1842; H S t A M n A l l S t A M H 5418 u n d 14469. 64 Das Folgende nach dem Bericht des pfälzischen Generalprokurators v. 4. V I I . 1840; i m Bericht der Reg. v. 6. X I . 1840 begegnen ähnliche Gedanken. 65 Vgl. § 17 zu A n m . 2 f. «® Vgl. § 14 zu A n m . 5. 67 Dieses Ergebnis entsprach dem 1842 erteilten A u f t r a g des Königs, einem f ü r ganz Bayern einheitlichen Schutz herzustellen; vgl. das Signât ν. 9. I I I . 1842; H S t A M n A l l S t A M H 14469.

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1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

E i g e n t u m s c h a r a k t e r d e r M a r k e entsprechende K o n s e q u e n z e n f ü r

eine

A u s g e s t a l t u n g des Zivilrechtsschutzes zog m a n n i c h t 6 8 . D e r E r f i n d u n g s g e d a n k e als R e c h t s g r u n d des Schutzes k l i n g t schließl i c h a n i m bergischen Zeichenrecht nach der Jahrhundertwende. I n d e n B e r i c h t e n aus d e m e r s t e n J a h r z e h n t i s t i m m e r w i e d e r d i e Rede v o n d e r E i n t r a g u n g „ n e u e r s o n n e n e r " oder „ n e u e r f u n d e n e r " Z e i c h e n 6 9 . Gleiches g i l t f ü r d i e R e g l e m e n t s d e r S o l i n g e r F a b r i k z e i c h e n k o m m i s s i o n 7 0 u n d selbst L a n d r a t v o n H a u e r 7 1 sprach i n s e i n e m h i s t o r i schen R ü c k b l i c k v o n d e m G r u n d s a t z , „ n e u e r f u n d e n e Z e i c h e n " h ä t t e n i n d i e R o l l e e i n g e t r a g e n w e r d e n müssen u n d d a d u r c h sei „der E r f i n d e r . . . als ausschließlicher Eigenthümer derselben legitimiert". Ganz i n d i e s e m S i n n e s i n d d i e bergischen F a b r i k a n t e n auch b e r e i t , d i e Zeichenrechte d e r m ä r k i s c h e n K o n k u r r e n t e n a n z u e r k e n n e n , w e n n sie n u r d e m N a c h w e i s d e r „ e i g e n e n Erfindung oder gesetzlichen E r w e r b u n g " genügten72. Neben den Bezug auf die Erfindungsidee t r i t t freilich der deutliche H i n w e i s auf die i n der Q u a l i t ä t der W a r e beruhende u n d d u r c h das Zeichen v e r m i t t e l t e W e r b e l e i s t u n g eines F a b r i k a n t e n . A m d e u t l i c h s t e n i s t dieses N e b e n e i n a n d e r b e i D a n i e l s , d e m e h e m a l i g e n 88 Einige der Vorentwürfe nahmen ausdrücklich eine Schadensersatzpflicht auf, dazu u n t e n § 59 zu A n m . 70. — Aus anderen Erklärungen geht hervor, daß das M i n i s t e r i u m einer Anerkennung des Zeichenrechts als eines subjektiv e n Privatrechts i n den sechziger Jahren sehr nahe kam. So übernahm es i n einer Bemerkung gegenüber dem J u s M (Verf. v. 18. I V . 1862 — H S t A M n A l l S t A M H 5420) die v o n den pfälzischen Behörden ausgesprochenen Gedanken: es gehe nicht u m das „Eigenthum des Zeichens selbst, sondern lediglich (um) die Vollziehung der gesetzlichen Bestimmungen über die Anerkennung dieses Eigenthums u n d Sicherung des Rechtsschutzes, sohin blos reglementäre Bestimmungen i m Wege der Verordnung". — I n einem internen V o t u m v. 18. V I I . 1867 (HStA M n A l l S t A M H 5421) meinte das I n n M zur Verordn u n g von 1862, die „ z u Grunde liegende Idee" bestehe darin, „daß die W a h l eines besonderen Gewerbe-Zeichens etc. ein Besitzrecht zu Folge hat. Dieses Besitzrecht ist es, welches w i e sonstige Privatrechte gegen fremde A n maßung durch den Strafschutz geschützt w i r d " ; das Besitzrecht werde aber „nicht erst durch die E r f ü l l u n g dieser formellen V o r b e d i n g u n g e n . . . erworben". V o n diesem Ausgangspunkt her interpretierte das I n n M die Bedeutung des Registrierverfahrens f ü r den E r w e r b des Zeichens neu u n d beschränkte sie auf den strafrechtlichen Bereich; dazu unten § 55 I I I zu A n m . 71, 72. 69 So der anonyme Bericht v. 11. V I . 1802 § 45; Kelleter, Henckels S. L X X X V ; Daniels, Abschilderung S. 147. 70 Grundsätze zur Neuanmeldung Ziff. 1; vgl. oben § 10 zu A n m . 12. 71 „Über die dermalige Einrichtung des Fabrikzeichenwesens zu Solingen und was dabei noch zu wünschen b l e i b t " ; v. 30. X I I . 1827; H A Koblenz 403/ 8201. 72 Anlage I zum Protokoll der Solinger Fabrikzeichenkommission v. 8. V I I I . 1821; H S t A Düss. Reg. Düss. 2101. — M i t „gesetzlicher Erwerbung" ist der abgeleitete E r w e r b (Kauf/Erbschaft) gemeint.

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

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O b e r v o g t s v e r w a l t e r , z u beobachten; er m e i n t e 7 3 , d i e „ S o l i n g e r Zeichenv e r f a s s u n g " sei d e r „Hauptbeweggrund, w a r u m die hiesige Fabrike den Vorzug v o r jene anderer Fabriken behauptet; denn einige sorgen f ü r gute Waare, d a m i t das von ihren Voreltern ererbte u n d so lange Jahre i n gutem R u f gestandene Zeichen seinen Ruf beybehalte; andere, nämlich diejenigen, welche neue Zeichen erfunden, sind auf gute Waare beflissen, d a m i t i h r Zeichen sich einen guten Ruf erwerbe, u n d Kundschaft verschaffe. Auch sind die Zeichen f ü r die Ausländer sehr vortheilhaft, indem ein solcher, ohne besondere Waarenkenntniß zu besitzen, sich dem Messer- u n d Klingenhandel w i d m e n kann, u n d gewiß i n Ansehung der Waare nicht betrogen w i r d , w e n n er diese nach alt berühmten Zeichen bestellt". B e i d e r B e g r ü n d u n g d e r ständischen A n t r ä g e des J a h r e s 1827 g i n g m a n noch e i n e n S c h r i t t w e i t e r ; es w u r d e ganz a u f das Interesse des M a r k e n i n h a b e r s abgestellt, w ä h r e n d m a n d e n E r f i n d u n g s g e d a n k e n f a l l e n ließ. Josua H a s e n c l e v e r 7 4 b e g r ü n d e t e i m r h e i n i s c h e n P r o v i n z i a l l a n d t a g seinen A n t r a g m i t dem Hinweis auf die Unmöglichkeit, die „innere Güte" v o n S t a h l - u n d E i s e n w a r e n schon „ n a c h d e m ä u ß e r e n A n s c h e i n " z u b e u r t e i l e n ; d a sie v i e l m e h r „ a l l e i n d u r c h d e n G e b r a u c h e r p r o b t " w e r d e n k ö n n t e , h ä t t e n v o n j e h e r F a b r i k e i g e n t ü m e r , d e n e n es a m H e r z e n lag, „den w o h l erworbenen guten Ruf i h r e r Fabrikate zu erhalten u n d ihren Nachkommen zu hinterlassen, gesucht, durch eigenthümliche Stempel oder Zeichen die gute Qualität derselben zu verbürgen u n d dadurch diesen Fabrikaten v o r anderen einen erwünschten u n d vermehrten Absatz zu v e r schaffen". U n d das I m m e d i a t g e s u c h d e r w e s t f ä l i s c h e n S t ä n d e 7 5 h o b h e r v o r , es sei 78 Abschilderung S. 149. — I n der gleichen Reihenfolge werden die I n t e r essen der Beteiligten i m Regierungsbericht von 1802 (Kelleter, Henckels, S. L X X X V § 45) geschildert: „Die Fabrikanten sorgen f ü r gute Waare, daß ihre ererbten zeichen ihren alten r ü h m beibehalten u n d jene, welche neue zeichen erfinden, streben sich u m nemlichen ruf. Selbst ausländer können an den zeichen die beste waare erkennen." — Ähnliche Gedanken werden 1819 v o n dem Remscheider K a u f m a n n Peter Caspar Mannes geäußert (Vorstell u n g v. 21. I V . 1819 — H S t A Düss. Reg. Düss. 2101): auf dem Zeichenwesen beruhe nicht allein der V o r t e i l des Fabrikanten, der sich alle Mühe gebe, durch Güte seiner Waren seinem angenommenen Zeichen i m Ausland „den ausgebreitesten Credit" zu verschaffen; auch der Staat müsse an dem Schutz dieser Zeichen ein Interesse haben, die so wesentlich auf den F l o r der i n ländischen Industrie einwirkten. W e n n es nämlich erlaubt wäre, einem Zeichen, das sich i m Ausland einen bedeutenden Ruf erworben, w i l l k ü r l i c h durch das nämliche oder ein ähnliches Zeichen zu nahe zu treten, so w ü r d e der F a b r i k a n t oder Kaufmann, welcher oft m i t sehr bedeutendem A u f w a n d e seinem Fabrikzeichen den K r e d i t verschafft habe, solchen ganz zerstört sehen. 74 75

Wie § 10 A n m . 74. A n t r a g v o m 13. X I I . 1826 — StA M r OP 2/51 Nr. 688.

1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

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„der Flor der heimischen F a b r i k a t i o n . . . durch die vorzügliche solide Bearbeitung der Fabrikate begründet u n d die angesehensten Fabriken suchten den hierdurch erhaltenen R u h m i h r e r Waaren dadurch zu bewähren u n d zu sichern, daß sie e i g e n t ü m l i c h e Zeichen auf dieselben schlugen".

M i t der gleichen Begründung sprach von Hauer i n seinen einleitenden „Bemerkungen" vor der Düsseldorfer Kommission 7 6 davon, „eine Bezeichnung der Waaren habe ihren Ursprung anzudeuten u n d ihre Qualität zu garantieren oder wenigstens erkennbar zu machen".

Diese Formulierung des Solinger Landrats ging i n das Protokoll der Düsseldorfer Kommission 7 7 ein: die Fabrikation von Eisen- und Stahlwaren erfordere „ e i n äußeres Merkmal, an welchem m a n die H e r k u n f t u n d Güte der Waare erkennen u n d d a r i n diejenige Güte finden könne, welche der bloße A n blick derselben zu gewähren nicht vermöge";

dies könne nur durch gesetzliche Anordnungen erreicht werden, „wodurch jeder bey seinem wohlerworbenen Ruf durch Conservation seiner i h m eigenthümlichen Zeichen geschützt werde".

Als letztes Zeugnis sei schließlich noch die Ansicht der Remscheider Fabrikanten 7 8 erwähnt, die Zeichen, welche i n der Nachbarschaft nachgeschlagen würden, seien „ursprünglich v o n hiesigen Fabrikanten i n Ruf gebracht u n d daher diesseitiges Eigenthum";

das Zeicheneigentum verbürge dem Inhaber den „rechtmäßigen Lohn seines Fleißes". Die vorgeführten Äußerungen i m bergischen Bereich zeigen zur Genüge, daß der eigentliche Gegenstand des Schutzes i m Alleingebrauch eines „ i m guten Ruf" stehenden Zeichens gesehen wurde. Zur Rechtfertigung des Schutzes verwies man zeitweise nebeneinander auf die i n der Bezeichnung selbst liegende Erfinderleistung und auf die durch Qualitätsarbeit begründete Werbeleistung. Beide Begründungsweisen scheinen freilich nur i n den Jahren u m 1820 unter französischem Einfluß als originäres Privatrecht und damit 76

Datiert v. 10. I V . 1828; H S t A Düss. L A Solingen 665. Protokoll v o m 10. I V . 1828 — H S t A Düss. Reg. Düss. 2101; S t A M r OP 2/51 N r . 688. 78 Petition der Remscheider Fabrikzeichen-Kommission v. 23. I X . 1840; Z S t A I I Rep. 120 D I I 232 (2). — A u f der Remscheider Konferenz (Protokoll v. 19. I V . 1843, ebenda) w i r d die rechtsbegründende W i r k i m g des „Rufes" nochmals betont i n dem Bemerken, „das Zeichen habe an u n d f ü r sich keinen Werth", es erhalte „ i h n vielmehr erst durch die Waare" (zu § 1 E 1843). 77

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

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als zureichender Rechtsgrund des Schutzes verstanden worden zu sein 7 9 : denn schon bald griff man auf das Vorbild des Gesetzes vom 3. J u l i 1818 zurück, das den Vorstellungen des A l t e n Handwerks so nahe kam, und sah das schutzbegründende Moment i n der staatlichen Verleihung 60. A m deutlichsten haben sich derartige Überlegungen i m Düsseldorfer Entwurf niedergeschlagen: das ausschließliche Recht auf das als Herkunftshinweis verstandene Fabrikzeichen (§ II) w i r d auf die staatliche Verleihung zurückgeführt 81 , das so begründete Recht w i r d — der Position des Erfinders ähnlich — als frei verfügbares selbständiges „Eigenthum" betrachtet 82 . Die i m bergischen Geschehen sichtbar werdende Entwicklung kann man i n dem Satz zusammenfassen: Die Leistung des Markeninhabers w i r d ihres rechtsbegründenden Charakters beraubt und zum bloß) rechtspolitischen Motiv eines Schutzes degradiert, dessen Rechtsgrund das obrigkeitliche „Privileg" vermittelt. 2. Die Idee staatlicher Rechtsverleihung a) Allgemeines Die Schutz Verleihung durch den Staat konnte i n zweifacher Gestalt erscheinen. Sie konnte einerseits i n der generalisierenden Form eines Gesetzes begegnen, andererseits als spezielle, ein konkretes Recht des 79 Hauer meinte (Bemerkungen v o m 10. I V . 1828, w i e A n m . 76), es sei die Konfiskation zum V o r t e i l des Beschädigten „eigentlich schon i m Privatrecht begründet". Eindeutiger ist noch das Z i t a t zu A n m . 72. 80 Der an ältere Traditionen anknüpfende Verleihungsgedanke begegnet schon i n einem V o t u m des Präfekten des Ruhr-Departements v o m 8. V I I I . 1811; H S t A Düss. Reg. Düss. 2101. Es unterscheidet besonders deutlich z w i schen Verleihung u n d dadurch begründeter Rechtsposition: „Eigentlich gehört diese Angelegenheit zu den Amtsbefugnissen der Verwaltungsbehörde, solange die Frage vorwaltet, ob jemand ein ausschließliches Recht zu bew i l l i g e n sey? Ebenso über die Frage, ob eine B e w i l l i g u n g w i r k l i c h ertheilt worden sey?" Wenn dagegen v o n den „Folgen dieser Entwicklung, wodurch ein Eigenthum erworben worden ist", die Rede sei, so sei dies eine Sache der Gerichtsbehörden. — Später w i r d mehrfach auf das Gesetz v. 3. V I I . 1818 zurückgegriffen. So etwa die Solinger Fabrikzeichen-Kommission i m Protok o l l v. 8. V I I . 1818; ebenso zuvor v o n Hauer i n seinem Memorial, vgl. § 10 zu A n m . 56. Später k e h r t das A r g u m e n t i m m e r wieder, namentlich i n den Beratungen der Düsseldorfer Kommission (1828). I n den Verhandlungen der westfälischen Stände (1827) sprach m a n von „Konzession v o n der Regierung, A n k a u f oder ältester Possession"; dem derivativen E r w e r b (Ankauf) w e r den hier zwei A r t e n des originären Erwerbs gegenübergestellt; über dieses Nebeneinander v o n P r i v i l e g u n d „ V e r j ä h r u n g " vgl. auch A n m . 83. 81 Vgl. insb. § V I I I : „Verleihung v o n Fabrikzeichen z u m ausschließlichen Gebrauch." 82 Vgl. § X I : ausschließliches Eigenthum der Erwerber, welche darüber nach Gefallen verfügen können . . . " ; i m übrigen unten § 59.

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1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

E i n z e l n e n b e g r ü n d e n d e V e r l e i h u n g , m i t h i n als „ P r i v i l e g " 8 3 . B e i d e G r u n d f o r m e n k o n n t e n f r e i l i c h m i t e i n a n d e r i n d e r Weise verbunden sein, daß das Gesetz n u r d i e a l l g e m e i n e n B e d i n g u n g e n f ü r d i e E r t e i l u n g v o n P r i v i l e g i e n a u f s t e l l t e u n d d i e einzelne A u s f ü h r u n g b e s t i m m ten staatlichen Organen übertrug. I m B e r e i c h des M a r k e n s c h u t z e s des 19. J a h r h u n d e r t s s i n d a l l e diese F o r m e n a n z u t r e f f e n , w e n n auch d i e generalisierende Verleihung durch Gesetz e i n d e u t i g ü b e r w i e g t 8 4 . Sie i s t i m m e r d a n n — z u m i n d e s t l a t e n t — gegeben, w e n n das M a r k e n i n h a b e r i n t e r e s s e G e g e n s t a n d eines gesetzl i c h e n Strafschutzes ist. A u c h w e n n es n u r n e b e n a n d e r e n s c h u t z w ü r d i g e n Interessen (des A b n e h m e r s , d e r A l l g e m e i n h e i t ) B e r ü c k s i c h t i g u n g findet 85, so w i r d d e m Schutz doch v i e l f a c h d e r C h a r a k t e r e i n e r „ P r i v i l e g i e r u n g " zugeschrieben, obgleich m a n besser v o n e i n e r „ g e n e r e l l e n 83 A l s „ P r i v i l e g " w i r d i m 19. Jh. sowohl der rechtsbegründende Verleihungsakt, w i e die aus der Verleihung fließende Befugnis verstanden. Vgl. einerseits Dernburg (Preußisches Privatrecht 18945 I § 23: „Privilegien sind Staatsakte, die ein einzelnes Verhältnis so ordnen, daß sie Recht i m subj e k t i v e n Sinn u n m i t t e l b a r schaffen"; andererseits Beseler, System 1847 u n d 1866® § 50: „Die Privilegien i m engeren Sinne oder die s. g. individuellen P r i v i l e g i e n . . . beruhen nicht auf einer Rechtsregel, wodurch sie sanktioniert wären, sondern auf einer speciellen Verleihung". Eine umfassende neuere Darstellung der Geschichte der Begriffe „ P r i v i l e g " u n d „Privilegierung" steht noch aus; vgl. außer den Vorgenannten noch Schlayer, Lehre v o n den Privilegien; Gerber, Privilegienhoheit; Arend, Monopole u n d Privilegien S. 6 ff. Wichtige Beiträge zur Geschichte des Privilegs hat zuletzt geliefert: Mohnhaupt, Potestas legislatoria u n d Gesetzesbegriff i m A n c i e n Régime, i n : Jus commune 4 (1972), S. 188 - 239; ders., Untersuchungen z u m Verhältnis v o n P r i v i l e g u n d Kodifikation i m 18. u n d 19. Jahrhundert, i n : Jus commune 5 (1975), S. 71 - 121; ders., Privatrecht i n Privilegien, i n : Vorträge zur Geschichte des Privatrechts i n Europa, Jus commune, Sonderheft 15 (1981), S. 58 - 75. — Die Ergebnisse zusammenfassend jetzt Steindl, i n : Otruba, Fabriksprivilegien S. 64 ff. I n unserem Zusammenhang geht es zunächst n u r u m den rechtsbegründenden A k t („Gnadenakt"), die Verleihung; über i h r Produkt, die durch P r i v i l e g begründete Position, ist unten § 61 näher zu behandeln. Sobald sie als „Recht" des Beliehenen verstanden w i r d , k o m m t neben dem P r i v i l e g der „ V e r j ä h r u n g " als rechtsbegründendem Moment eine besondere Bedeutung zu; vgl. Beseler, System (1847) § 50 a. E. I n diesem Sinne ist die o. e. (Anm. 80) Parallelität v o n „Konzession" u n d „ältester Possession" zu sehen. 84 Wie sich schon aus dem Zusammenhang ergibt, k a n n der Terminus „ P r i v i l e g " i n einem doppelten Sinne verwendet werden: einerseits i m formellen Sinne als Gegenstück zum allgemeinen Gesetz; andererseits i m materiellen Sinne als rechtsbgründender A k t ; i n dieser zweiten Bedeutung entspricht er einer positivistischen Rechtsanschauung. I m folgenden w i r d , w e n n das materielle Element hervorgehoben werden soll, v o n „Verleihung" die Rede sein; sie k a n n i n der F o r m des Gesetzes alle begünstigen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen („generelle Verleihung") ; sie k a n n aber auch i n der F o r m des Einzelaktes einen einzelnen Interessenten begünstigen („Privileg"). Daß es neben einem solchen P r i v i l e g (im materiellen Sinne) auch Einzelakte gibt, die bereits vorhandene Rechtspositionen n u r bestätigen oder deklarieren, m i t h i n n u r i m formellen Sinne „ P r i v i l e g " sind, sei der Vollständigk e i t halber eigens betont. 85 So i n den oben zu A n m . 31 f. zusammengestellten Regelungen; zum Preußischen Gesetz v. J u l i 1840 s. auch unten zu A n m . 112.

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

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Verleihung" sprechen sollte 86 . Markante Beispiele für solche Verleihungen bilden die der Dresdner Absprache 87 genau nachgebildeten Strafgesetze, als deren bedeutendstes die nassauische Verordnung vom 22. A p r i l 183988 gelten kann, deren „ m i t dem Antrag einer dabei betheiligten Person" verbundene Strafdrohung verhängt wurde „ z u m Schutz der Fabrikanten u n d Handelstreibenden gegen Nachahmung der v o n ihnen gewählten W a r e n b e z e i c h n u n g e n " ^ .

Die historisch ältere Form des unmittelbar schutzbegründenden Einzelaktes 90 ist nur noch i n den Anfängen des 19. Jahrhunderts nachzuweisen und i n aller Regel m i t anderen Begünstigungen verbunden 9 1 ; zahlreiche lediglich auf Markenschutz abzielende Privilegiengesuche blieben ohne Erfolg 0 2 . Die Mischform des auf Gesetz beruhenden „Privilegs" hingegen gewann, anknüpfend an die Tradition der Handwerksverbände, i m formellen Zeichenannahmeverfahren neue Bedeutung: ebenso wie die Erteilung von Erfindungspatenten oder Gewerbskonzessionen galt auch die „Feststellung" eines Fabrikzeichens als rechtsbegründender A k t der Obrigkeit, eben als A k t der Rechtsverleihung i m Einzelfall. Wenden w i r uns nach diesen allgemeinen Bemerkungen noch einmal den bergischen Entwürfen zu. Der für sie charakteristische Wandel in der Beurteilung des Rechtsgrundes dürfte einerseits durch das Bemühen bedingt sein, an der Tradition der alten Handwerksordnung anzuknüpfen, andererseits durch die Konfrontation mit dem preußischen Recht, das jedenfalls dann, wenn das Markeninhaberinteresse i m Vor86

Vgl. A n m . 84. Vgl. oben § 6 nach A n m . 16. 88 Vgl. die Einleitung zur V O v. 22. I V . 1839; oben § 26 zu A n m . 6. 89 Andere Beispiele dieser A r t sind unten § 58 V zusammengestellt. 90 Vgl. die Angaben oben § 1 A n m . 27, 28 u n d Bd. I Anh. 1. — Das P r i v i legienwesen spielte schon immer i m Bereich gewerblicher u n d künstlerischer Schutzrechte eine besondere Rolle. Z u r neuerdings aufgebrochenen K o n t r o verse u m das sog. „Privilegienzeitalter" insbesondere i m Urheberschutz vgl. die Arbeiten von Bappert u n d Pohlmann (s. Lit.-Verz.); z u m Erfindungsschutz auch: Silberstein, Erfindungsschutz. 91 So w i r d etwa am 28. V I I I . 1822 i n Verbindung m i t einem bayerischen Erfindungspatent der Gebrauch einer bestimmten Bezeichnung („Köllnisches von Richard u n d K a r r i n München bereitetes Wasser") privilegiert; Reg.- u n d Intelligenzblatt 1822 Sp. 857 ff. 92 Beispiele aus Bayern: A n t r a g des Tabakfabrikanten Thorbecke v. 24. X . 1827; A n t r a g des Tabakfabrikanten Pilsl v. 30. I I I . 1826 — H S t A M n A l l S t A M H 6068 u. 6089. Beispiele aus Preußen: A n t r a g des Tabakfabrikanten J. W. Kohlmetz, B e r lin, v. 20. V I I I . 1823; A n t r a g der Wollwarenfabrikanten Furer u. Müller, Mühlhausen (Th.) v. 2.1.1845; A n t r a g der Importfirma W i r t h u. Co., F r a n k f u r t a. Μ., v. 12. I I . 1868 (betr. Schmieröl) — Belege Z S t A I I Rep. 120 D I I 233 (1, 2, 5). 87

3 Wadle I I

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1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

dergrund stand, allein die staatliche Verleihung als konstitutives Element des Schutzes betrachtete. b) Preußen Für diese preußische Einschätzung des Markenrechts kann auf das Zeugnis der Ministerialabteilung für Handel und Gewerbe verwiesen werden; sie sah den Rechtsgrund des Schutzes von Anfang an i n der staatlichen Gewährung, wenn sie auch deren Notwendigkeit oder Nützlichkeit nicht immer gleichmäßig beurteilte. 1815 trat das Ministerium uneingeschränkt für den Schutz von Fabrikzeichen ein; i n der Zirkular Verfügung i m Falle Jebens 93 heißt es sehr bestimmt, „eine Fabrik, welche durch Fleiß u n d Ordnung sich Ruf u n d guten WaarenAbsatz geschaffen hat, k a n n w o h l v o n der Gewerbe-Polizei-Behörde verlangen . . . , i n dem Besitz ihrer Fabrikzeichen als ihres ausschließlichen Eigenthums geschützt zu werden, damit die Früchte ihrer Anstrengungen nicht ein Anderer erndte".

Nur das fälschliche Bezeichnen von Waren, die schlechterer Qualität seien als jene des Markeninhabers, so meint das Ministerium, richte sich „nicht bloß gegen den letzteren, sondern auch gegen das Publikum" ; i m Fall der Gleichwertigkeit der Erzeugnisse jedoch würden die Nachahmer nur versuchen, „durch den Ruf einer ganz fremden Fabrick Vortheile zu ziehen, einen T h e i l dieses Rufes, der doch das Eigenthum der anderen Fabrick ist, sich zuzueignen".

A n dieser prinzipiellen Einschätzung des Deliktes als eines Eingriffs i n das Interesse allein des Markeninhabers hielt das Ministerium auch später fest. Selbst der Schutz der Fabrikzeichen wurde bis 1840 nicht prinzipiell abgelehnt; die Absage an den Düsseldorfer E n t w u r f 9 4 i m Jahre 1836 war verbunden m i t dem Hinweis auf das bergische Dezemberdekret von 1811: dieses gewähre „den bergischen Fabrikanten alles, . . . , was sie wünschen", es käme also lediglich auf die Ausführung dieses Gesetzes an. Als das Ministerium wenige Jahre danach seinen Verordnungsentwurf zum Schutz der Warenbezeichnung vorlegte, wollte es m i t Vorbedacht die bestehende bergisch-französische Gesetzgebung nicht antasten 95 , konnte sich aber gegen die Mehrheit des Staatsrats nicht durchsetzen, obwohl die vorausvotierenden Abteilungen den 93

Reskript v. 9. V. 1815; näheres oben § 8 zu A n m . 26. Immediatbericht v. 7. V I I I . 1836; Z S t A I I Rep. 120 D I I 233 (1). 95 So ausdrücklich die Verteidiger des Ministerialentwurfs i m Staatsrat; vgl. das Abteilungsvotum v. 28. I V . 1840; Staatsratsprotokoll v. 16. V. 1840; Belege oben § 11. 94

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

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Standpunkt des Ministeriums geteilt hatten 9 6 : sie waren der Ansicht, der Nachahmer einer fremden Firma werde „nicht deshalb, w e i l er das P u b l i k u m betrügt, sondern n u r deshalb bestraft . . . , w e i l er u m seinen Absatz zu befördern u n d dadurch einen V o r theil zu erlangen, seine Waare fälschlich u n d i n betrügerischer Absicht g e g e n d e n F a b r i k a n t e n , dessen Absatz er schmälert, f ü r eine andere ausgegeben hat".

Wie bereits aus diesen Zitaten hervorgeht, sah das Ministerium den Gegenstand des Schutzes i n der Position des Markeninhabers: seine durch die Herkunftsbezeichnung erworbenen Vorteile sollten durch den Schutz i m alleinigen Gebrauch des Zeichens aufrechterhalten bleiben. Diese Position wurde freilich nicht als schutzbegründendes „Recht" gewertet, sie bildete — wie bereits betont — nur das „gewerbepolizeiliche" Motiv, welches die staatliche Schutzgewähr veranlassen konnte. I n der Auseinandersetzung u m die bergischen Projekte der zwanziger Jahre und das rheinisch-westfälische Sonderrecht nach 1840 wurden diese Ansichten der preußischen Verwaltung über Zweck und Rechtsgrund des Fabrikzeichenschutzes bekräftigt, ohne daß es gelungen wäre, sie bei der Gesetzgebung der Jahre 1840, 1847 und 1854 v o l l durchzusetzen. Die K r i t i k des Ministeriums am Düsseldorfer Entwurf lief darauf hinaus, daß dieser der Funktion des Fabrikzeichens als eines Herkunftshinweises nicht voll gerecht werde; deshalb verdienten nach Ansicht der Behörde die nach jenem System zu verleihenden Fabrikzeichen keine staatliche Begünstigung. Ausdrücklich wurde der bergische Versuch abgelehnt, die Schutzgewähr als Anerkennung einer schöpferischen Leistung anzusehen. Bereits i n einem von Beuth veranlaßten Reskript vom 5. M a i 183497 wurde gegen die Behauptung polemisiert, der Schutz nach dem Düsseldorfer Entwurf könne auf die Erfindungsidee gestützt werden. Man verwies auf das Beispiel des auf Klingen bekannten Wolfszeichens, das allgemein gebraucht werde und nicht dem ausschließlichen Gebrauch eines einzelnen Fabrikanten vorbehalten werden dürfe, und schloß die rhetorische Frage an: „Wie w ü r d e sich ein solches Vorrecht m i t den Gesetzen über die Patentfähigkeit der Erfindungen vereinigen lassen?" 96 Die Gegner sahen i n der Deposition des französischen Rechts keinen rechtsbegründenden, sondern einen lediglich priorità tssichernden A k t : „Jene Hinterlegung geschehe aber nicht, u m dem Warenzeichen eine amtliche Beglaubigung zu verschaffen, sondern nur, u m das D a t u m des Zeichens festzustellen, u m dessen Priorität zu sichern. Die Nachahmung eines solchen Zeichens sei daher wesentlich k e i n anderes Vergehen als die Nachahmimg der Firma." 97 Reskript an Reg. Düss. v. 5. V. 1834; H S t A Düss. Reg. Düss. 2194.

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1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

I m gleichen Schreiben wurde ein später 98 noch näher ausgeführter Einwand vorgebracht: das Fabrikzeichen könne als „wirkliches U r sprungsmerkmal" nur gelten, wenn es den Bedingungen entspreche, welche das Gesetz über die Hüttenzeichen aufgestellt habe; es dürfe sich nur u m ein Zeichen, und zwar ein unübertragbares Zeichen handeln. Diesen Erfordernissen entsprachen nach Ansicht des Ministeriums die i m Düsseldorfer Entwurf zum Schutz zugelassenen Fabrikzeichen nicht. Es sei — so heißt es i m Votum von 183699 — „auf der einen Seite die bestehende freie A n n a h m e eines oder mehrerer derartiger Zeichen, deren beliebige Veränderung oder Übertragung u n d auf der anderen Seite die Behauptung, daß sie als M e r k m a l einer bestimmten Qualität der Waaren als conventionelle F i r m e n der Verfertiger zu betrachten seien, nicht füglich zu vereinigen".

Die i m ganzen wenig übersichtliche, noch andere Argumente einbeziehende 100 Stellungnahme gegen den Düsseldorfer Entwurf mündete i n den Gedanken, daß nur ein solches Zeichen Schutz verdiene, das als „conventionelle Firma", als „bildliche F i r m a " 1 0 1 dienen könne, das also den Herkunftsbetrieb zwar nicht namentlich benenne, wohl aber die Fähigkeit besitze, auf einen bestimmten Betrieb hinzuweisen. Bei den Vorarbeiten zur Augustverordnung von 1847 wurde dieser Grundsatz weiter ausgebaut, erhielt freilich durch das Gesetz vom 5. Juni 1840 neue Akzente, die auf eine weitere Einschränkung hinausliefen 1 0 2 . Die Ansicht, daß es möglich und sogar notwendig sei, der Schutzgewähr engere Grenzen zu setzen, als die französisch-bergische Tradition sie kannte, darf als deutlicher Hinweis auf den rechtsbegründenden Charakter der staatlichen Anerkennung gelten. I n dieselbe Richtung weisen die nicht sonderlich ausführlichen Stellungnahmen, die das M i n i sterium i n diesem Zeitraum zum Rechtsgrund abgegeben hat. Der Schutz der bergischen Fabrikzeichen wurde mehrfach m i t jenem der Hüttenzeichen verglichen und wie dieser auf eine staatliche Genehmigung zurückgeführt 1 0 3 . Erst die staatliche „Verleihung und Siche98 I m V o t u m Rothers v. 16. I I . u n d i m Immediatbericht v. 7. V I I I . 1836; Z S t A I I Rep. 120 D I I 232 (1). 99 Vgl. die vorige A n m . 100 Dazu vgl. u n t e n § 9 zu A n m . 31. 101 So i m Gegensatz zur „namentlichen F i r m a " die Reg. Düss. i m Bericht an F i n M v. 15. I V . 1835; Z S t A I I Rep. 120 D I I 232 (1). Der Ausdruck „ b i l d liche Darstellung der F i r m a " , „bildliche F i r m a " begegnet noch später, etwa i n Pr. L T - V e r h a n d l . K a m m e r der Abg. 1858/59 Aktenstück Nr. 76. 102 Vgl. unten § 39 zu A n m . 31 ff. 108 Die Parallele zum Hüttenzeichen w i r d gezogen i m Prot, des StaatsM v. 14. I I . 1827, i m Reskript v. 5. V. 1834, i m V o t u m Rothers v. 10. I I . 1836 u n d i m Immediatbericht v. 7. V I I I . 1836; schließlich i n der Note F i n M an JusM V. 5.1. 1839; Z S t A I I Rep. 120 D I I 233 (2).

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

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rung" oder auch „Feststellung" 1 0 4 mache die Position des Zeicheninhabers zu einem geschützten „Recht", das „Eigentum" gelte als Ausdruck des „obrigkeitlich anerkannten Rechts des ausschließlichen Gebrauchs" 1 0 5 , als „Exklusivberechtigung" 1 0 6 . Auch i n den Gesetzestexten der vierziger Jahre schlug sich diese Einstellung mehr oder minder deutlich nieder. Bezeichnend ist zunächst, daß der Ministerialentwurf von 1843 (§ 3) nicht, wie der i m übrigen nahezu wörtlich übernommene A r t i k e l 73 des Dezemberdekrets von einer Einreichung „zur öffentlichen Kenntniß" sprach, sondern verlangt, das Zeichen müsse „zur o b r i g k e i t l i c h e n

Kenntniß gebracht"

werden. I m nämlichen Sinne sprechen die M o t i v e 1 0 7 „ v o n Rollen, wodurch Eigenthums-Rechte b e g r ü n d e t sen werden sollen".

u n d nachgewie-

Weiterhin ist die Rede von „Genehmigung" und „Verleihung" der Zeichen 108 . Die Wendungen „obrigkeitliche Kenntniß", „Verleihung" und „Genehmigung" kehren i m revidierten Entwurf wieder 1 0 9 ; aus der Endfassung, die nurmehr den „obrigkeitlichen Schutz" (§ 3) erwähnt, sind sie durch das Handelsamt eliminiert worden. Daß damit nicht die Rechtsgrundlage des Schutzes verändert werden sollte, ergibt sich unmißverständlich aus dem Votum des Handelsamtes 110 . Es sprach nicht nur von 104 So das V o t u m des I n n M v. 14. X I . 1827 (wie § 10 A n m . 84), das V o t u m Rothers (wie A n m . 103) u n d ein M a r g i n a l Beuths v. 16. I V . 1828; Z S t A Rep. I I 120 D I I 232 (1). 105 V o t u m von Patows v. 2. I I I . 1840; Z S t A I I Rep. 80 I Inn. Angel. 72 a. — Ä h n l i c h auch das F i n M (an JusM v. 5. I. 1839; ZStA I I Rep. 120 D I I 233 (2), das die Beschränkung des Strafschutzes auf „die v o n der Obrigkeit ausdrücklich genehmigten Waarenbezeichnungen" k r i t i s i e r t u n d daneben solche Bezeichnungen i n den Schutz aufnehmen w i l l , welche Namen u n d Ortsangabe enthalten, vgl. auch unten § 58 zu A n m . 39. 106 So Rother (wie A n m . 103). 107 M o t i v e zu § 3 E 1843; vgl. § 12 zu A n m . 7. Hervorh. v. Verf. 108 Überschrift zu §5 u. §6 E 1843; — die Reg. Arnsberg, Bericht v. 10. V. 1843, spricht v o n „Concessionierung"; S t A M r Reg. Arnsberg 655. — Solche Vorstellungen der beteiligten Behörden ließen sich vielfach belegen; n u r eine Stellungnahme sei hier noch ausführlicher erwähnt, jene der Reg. K ö l n i m V o t u m v. 12. V I . 1843; Z S t A I I Rep. 120 D I I 232 (3): sie befürwortet eine Vorprüfung durch die Fabrikengerichte m i t dem Argument, eine solche „ v o r läufige Prüfung auf dem Verwaltungswege" sei bei „Erfindungs-Privilegien" u n d beim Einspruchsverfahren wegen gewisser „schädlicher Fabrikanlagen" bekannt; eine „eigentliche Justizsache", die v o r die Gerichte gehöre, entstehe erst, w e n n wegen der Verletzung eines bereits erworbenen Zeichenrechts Entschädigung oder Strafe begehrt werde. 109 § 3, Überschrift zu § 5, § 6. 110 V o t u m v. 6. X I I . 1845; Z S t A I I Rep. 120 D I I 232 (3). Hervorh. v. Verf.

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1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

„ E x k l u s i v r e c h t " u n d „ P r i v i l e g " , s o n d e r n h i e l t es auch f ü r lich, a l t e n Z e i c h e n d e n Schutz z u versagen, w e n n sie

unbedenk-

„allgemeinen

g e w e r b e p o l i z e i l i c h e n R ü c k s i c h t e n " w i d e r s p r e c h e n ; es sei „zu erwägen, daß diese (sc. vielleicht wohlerworbenen Rechte) nicht m i t dem allgemeinen Interesse der ganzen betheiligten Industrie i n W i d e r spruch stehen dürfen, u n d w o h l i n soweit aufgehoben werden künnen, als es sich hier u m die B e w i l l i g u n g e i n e s obrigkeitlichen S c h u t z e s handelt. Der Staat ist unbedenklich befugt, ohne Weiteres zu bestimmen, i n welchem Maaße er diesen Schutz gewähren w i l l u n d welche Fabrikzeichen er f ü r geeignet hält. Als bei Erlaß des Gesetzes v o m 4. J u l i 1840 der Schutz von Fabrikzeichen f ü r überflüssig erachtet wurde, n a h m m a n keinen Anstand, alle Zeichenrechte aufzuheben, u n d die Allerhöchste Cabinetsordre v o m 28ten M a y 1842 hat sie n u r bis auf Weiteres m i t V o r behalt der k ü n f t i g zu treffenden legislatorischen Maaßregeln interimistisch wieder hergestellt". E i n d e u t i g e r k o n n t e d i e V e r a n k e r u n g des Schutzes i n d e r G e w ä h r u n g des Staates k a u m ausgesprochen w e r d e n 1 1 1 . D e r I n t e r p r e t a t i o n d e r V e r o r d n u n g v o n 1847, d i e d e n Fabrikzeichenschutz a n d i e j e w e i l i g e V e r l e i h u n g a n k n ü p f t e , entsprach d i e B e w e r t u n g des g e n e r a l i s i e r e n d e n G e setzes v o m J u l i 1840. Sie k o m m t i n e i n e m R e s k r i p t B e u t h s aus d e m J a h r e 1843 z u m A u s d r u c k 1 1 2 : als e i n P e t e n t d e n Schutz n i c h t f ü r eine W a r e n b e z e i c h n u n g m i t N a m e ( F i r m a ) u n d O r t , s o n d e r n f ü r eine bloße N a m e n s a n g a b e v e r l a n g t e , w u r d e i h m i n durchaus p o s i t i v i s t i s c h e r Weise entgegengehalten, ü b e r d e n M i ß b r a u c h e i n e r solchen B e z e i c h n u n g k ö n n e m a n „ a u s d e m G e s i c h t s p u n k t des m o r a l i s c h e n Rechts" s t r e i t e n , „ a u s d e m G e s i c h t s p u n k t des p o s i t i v e n Rechts" jedoch sei d i e F r a g e d u r c h das Gesetz v o m J u l i 1840 entschieden. D i e H a l t u n g des B e r l i n e r M i n i s t e r i u m s w i r d e i n i g e Z e i t danach noch einmal m i t aller wünschenswerten K l a r h e i t umschrieben 113: „ V o m theoretischen Standpunkt aus möchte es schwierig sein, einen R e c h t s g r u n d f ü r d i e B e w i l l i g u n g ausschließlicher Rechte an solchen figürlichen Zeichen aufzufinden". M a n k ö n n e m i t d e r Idee des g e i s t i g e n E i g e n t u m s 111

D a m i t bestätigte das H A den Standpunkt, welchen der Staatsrat 1840 eingenommen hatte: er sah i m „Zeicheneigenthum" k e i n vorgegebenes Recht; ansonsten hätte er die Vorlage an die Provinziallandtage k a u m umgehen können. Dieser Verzicht w u r d e nicht n u r m i t praktischen Überlegungen gerechtfertigt, sondern auch m i t dem ausdrücklichen Vermerk, daß der E n t w u r f „weder eine einzelne Provinz allein betreffe, noch eine Veränderung i n den Personen- u n d Eigenthumsrechten zum Gegenstand habe" u n d deshalb nicht zu den i m Gesetz v. 5. V I . 1823 (Pr. Ges. Slg. 1823 S. 129) bezeichneten A n gelegenheiten des Landtages gehöre. 112 Beuth an Fa. Ermeler, Tabakfabrikant, Berlin, v. 15. V I I . 1843 — Z S t A I I Rep. 120 D I I 233 (2). 113 Pr. Handelsarchiv 1859 S. 149 f. Hervorh. v. Verf.

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

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„selbst bei der weitesten Interpretation nimmermehr dahin gelangen, die W a h l eines Fabrikzeichens... als eine geistige Produktion anzusehen, die sich demnächst k e i n Anderer zu eigen machen darf. Das haben selbst die lebhaftesten Vertheidiger der Anerkennung jenes Begriffes stets festgehalten, daß er sich n u r da als passend u n d anwendbar darstelle, w o ein gewisses Maaß geistiger Thätigkeit u n d M ü h w a l t u n g aufgewendet worden ist".

A u f ein „natürliches Rechtsbewußtsein" könne man nur den Schutz nominativer, nicht aber den anderer Marken gründen: „Es k a n n sich daher n u r fragen, ob überwiegende praktische Gründe der Einrichtung des Zeichenschutzes das W o r t reden."

Die Vorstellung, daß die im Zeichen verkörperte Leistung des Markeninhabers primärer Gegenstand und die obrigkeitliche Verleihung der Rechtsgrund des Schutzes seien, begegnet auch i n einer Reihe anderer Staaten. c) Andere Staaten Diese Ideen sind am ausgeprägtesten i m kurhessischen Entwurf von 1839. Bereits i n einem vorbereitenden Votum der technologischen und Fabrik-Abteilung des Handels- und Gewerbevereins 114 wurde der Schutz gegen die Nachahmung des Warenzeichens von anderen Formen der Nachahmung abgehoben; das Nachahmen der Fabrikmittel falle unter das Patentrecht, das Nachahmen der Zeichnungen gehöre mehr zum Verbot des Nachdrucks und auch das Verfälschen der Ware selbst habe auszuscheiden, womit nur die Nachahmung des Zeichens übrigbleibe; dieses wäre „zur besseren Controlle bei der Obrigkeit" zu deponieren. Nach dem schließlichen Gesetzentwurf sollte der Mißbrauch „der ständigen Zeichen, m i t welchen Kaufleute, Fabrikanten oder sonstige erste Ausgeber ihre Waaren z u r U n t e r s c h e i d u n g v o n a n d e r e n versehen"

nur „auf Antrag des oder der Betheiligten" 1 1 5 der Strafe unterliegen (§§ 1, 2 und 5) und „zur vollständigen Entschädigung" verpflichten (§ 6). Die so geschützte, i n den Motiven „Eigenthum" apostrophierte Position sollte mit einer Genehmigung der zuständigen Provinzialregierung gewonnen werden; durch die Publikation, welche das Genehmigungsverfahren abschließt (§ 4), werde dem „Zeichen... der gesetzliche Schutz v e r l i e h e n " . I n den Motiven wurde noch stärker abgehoben auf „den öffentlichen Akt der V e r l e i h u n g des angesprochenen Schutzes". 114 Bericht des Handels- u n d Gewerbevereins v. 16. I V . 1839 m i t Gutachten der technologischen u n d Fabrikabt. v. 22. I. 1839; StA M g V I I I 7, 39. Hervorh. v. Verf. 115 H i e r m i t ist offenbar i n erster L i n i e der Markeninhaber gemeint. — Hervorhebung i m Z i t a t v o m Verf.

1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

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Weniger deutlich ist die Idee der Privilegierung i n der bayerischen Märzverordnung von 1840. Nach dem ursprünglichen Konzept des Heferenten sollte jeder Gebrauch von Fabrikzeichen von einer Genehmigung abhängig sein, durch welche zugleich der Schutz begründet wurde 1 1 6 . I n der begleitenden „Kurzen Darstellung" 1 1 7 wurde der Privilegiencharakter der so geschaffenen Stellung durch den Vermerk angesprochen, i m Kollisionsfalle solle die Zeit der Anmeldung „wie bei P r i v i legien" entscheiden. I n der Endfassung ist von diesen Überlegungen nur mehr wenig zu spüren; die Praxis hat den Katastereintrag gleichwohl als genehmigenden Konstitutivakt verstanden 118 . Insoweit hat sich das traditionelle Nürnberger Verständnis durchgesetzt. Nur bedingt gilt dies für die vorwiegende Ausrichtung des Schutzes am Interesse des Markeninhabers, das i m Vordergrund der Schwabacher und Nürnberger Eingaben steht. Für die Schwabacher Nadler 1 1 9 galt das Zeichen des Gewerbes, es bestimme und sichere die „Gewerbesphäre" des einzelnen Fabrikanten, weshalb jeder „ i m ausschließlichen Besitz und Eigenthum" seines erworbenen Zeichens geschützt werden müsse. Der Abgeordnete Städtler aus Schwabach sprach 120 ebenfalls vom „Eigenthum" der Fabrikanten, das zu schützen der Staat ebenso verpflichtet sei, wie „alles Eigenthum und jedes erworbene Recht". Die Nürnberger Gewerbe, die sich 1839 an den König wendeten 1 2 1 , meinten das Zeicheneigentum sei begründet i n „der durch die Ausbildung des F a b r i k - u n d Gewerbewesens entstandenen künstlichen Eigenthums-Sphäre";

unter seinem Schutz hätten die Gewerbe geblüht, welche sich zum Teil rühmen könnten, „ i n ihren Fabrikaten selbst von Frankreich und England noch nicht erreicht zu seyn". I n der Eingabe des Magistrats 1 2 2 wurde dies präzisiert: ein bestimmtes Zeichen sei Eigentum eines hiesigen Fabrikanten und erfreue sich „wegen der Güte der diesem Zeichen unterbundenen Waaren i n der H a n delswelt eines großen Rufes u n d eines bedeutenden Absatzes"; 116 § I I S. 1 dieses E lautet: „Sowohl die Beibehaltung eines schon bisher gebrauchten Zeichens, als die W a h l eines neuen unterliegt der Genehmigung der Distriktspolizeibehörde". 117 V o t u m v o m 11.1.1840; H S t A M n A l l S t A M H 5418. 118 Vgl. § 53 zu A n m . 24 ff. 119 Vorstellung v. 25. I I . 1829; oben § 15 zu A n m . 16. 120 Verhandl. der bayer. Abgeordnetenkammer v. 19. V I I I . 1837, S. 290. Städtler berief sich auf die Eigentumsgarantie der Verfassungsurkunde. 121

5418. 122

Vorstellung der Scheibenzieher usw. v. 30. V. 1839; H S t A M n A l l S t A M H Bericht v. 3. V. 1839; S t A N ü K . d. I. Abg. 1832 T i t . I X 223 (1).

§ 38. Gegenstand u n d

echtsgrund des Markenschutzes

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auswärtige Kaufleute pflegten nach den Zeichen ihre Bestellungen aufzugeben. Die Polizeiverordnung (1840) berücksichtigte diese Funktion der Nürnberger Zeichen, bezog jedoch die Abnehmerinteressen stärker i n den Schutz ein 1 2 3 . Bei alledem ist freilich immer zu bedenken, daß die Verordnung nur vorläufige, allein der Anwendung gewerbepolizeilicher Zwangsmittel dienende Tatbestände kannte, die Problematik straf- oder zivilrechtlichen Schutzes jedoch unberührt ließ 1 2 4 . Nach der Jahrhundertmitte trat die Kombination von Individualschutz und Verleihungsgedanke besonders klar i n der Rechtsetzung Württembergs und Hessen-Darmstadts hervor. Das württembergische Gesetz vom 2. Februar 1862 spricht i n seiner ersten, bereits 1853 konzipierten Form von der Befugnis der Gewerbetreibenden, „ z u m Zwecke der W a h r u n g s e i n e r kennbar zu machen".

Interessen

die Erzeugnisse...

I n seinen wesentlichen Punkten ging das Gesetz auf die richtungsweisende Aussage des Justizministers zurück 1 2 5 , daß i m Mißbrauch einer Warenbezeichnung ein „rechtswidriger Eingriff i n den Erwerbskreis eines Anderen" liege. Wie sehr das spätere Gesetz allein die Interessen des Markeninhabers i m Auge hatte, zeigt der spätere Kommissionsbericht der Abgeordnetenkammer 1 2 6 : „Daß aber die zur Berathung vorgelegte Strafbestimmung gegen den M i ß brauch v o n Waarenbezeichnungen nicht einen — w e i t e r n — Schutz des durch solche Mißbräuche so häufig getäuschten (abnehmenden) Publikums, sondern einzig, jedenfalls allernächst n u r den Schutz der Fabrikanten u n d Handelsleute der Zollvereinsstaaten ins Auge faßt, . . . läßt der . . . E n t w u r f , v o n Weiterem noch ganz abgesehen, schon durch die Bestimmung unzweifelhaft, daß die Strafe nicht v o n der Klage des getäuschten Käufers, sondern n u r v o n der des Fabrikanten oder Handelsmannes, dessen Zeichen mißbraucht werden, abhängig gemacht w i r d . "

Daß der Rechtsgrund des Schutzes i n einer staatlichen Gewährung zu sehen sei, w i r d bereits i m Votum des Justizministers verdeutlicht, es sei 123 H i e r f ü r spricht einerseits schon der polizeiliche Schutz an sich, andererseits die Ausgestaltung etwa des Antragserfordernisses; vgl. oben A n m . 41. Außerdem vgl. auch § V I I I Ziff. 2: „Entschädigungsansprüche des betheiligten Gewerbs-Inhabers oder Fabrikanten sowie des Abnehmers 124 Vgl. § V I I I der Bay. VO 1840, A n m . 41. 125 J u s M an I n n M v. 21.1.1860. — Die Zentralstelle hob bereits i n ihrem V o t u m v o m 1. X I . 1854 darauf ab, daß das Gesetz keinen Schutz f ü r das k a u fende P u b l i k u m schaffen, sondern „ n u r f ü r den Schutz der Interessen der Unternehmer Fürsorge" treffen wolle; W H S t A E 143 B ü 3160. 126 Vgl. oben § 20 A n m . 15.

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1. Kap.: Warenbezeichnung und Gewerbefreiheit „die Definition dieses gerichtlich strafbaren Vergehens theilweise i n die Form einer g e w e r b e p o l i z e i l i c h e n E r m ä c h t i g u n g beziehungsweise eines gewerbepolizeilichen Verboths . . . eingekleidet".

Wie sehr sich solche Überlegungen bei den maßgebenden Stellen Württembergs festgesetzt haben, zeigt das spätere V o t u m der Regierung zum Reichstagsbeschluß von 1873 127 : sie lehnte den Warenzeichenschutz ab, w e i l er m i t dem geistigen Eigentum nichts zu t u n habe und als lediglich „erweiterter Firmenschutz" nicht — wie der Schutz von Namen und Firma selbst — unter dem Gesichtspunkt „Eingriff i n die Rechtssphäre eines Dritten" fallen könne. Als letztes Beispiel für die einzelstaatliche Gesetzgebung sei schließlich auf das großherzoglich-hessische Gesetz vom 8. Oktober 1866 verwiesen, das ebenso wie die vorgenannten primär dem Schutz des Zeichenbesitzers g a l t 1 2 8 . M a n 1 2 9 suchte den Mißbrauch als einen „Eingriff i n die Rechtsordnung" zu begründen, der zu jenen Handlungen zähle, welche das „öffentliche Vertrauen", den „Credit" zu gefährden und zu zerstören geeignet seien: „Dies ist aber der Fall, wenn einer v o l k s w i r t s c h a f t l i c h höchst wichtigen u n d bedeutsamen Klasse von Staatsbürgern die Früchte ihrer Erfindungen, ihres Fleißes u n d Kapitalaufwands für Versuche, ihres i n der Geschäftswelt erworbenen Ansehens und Zutrauens durch Täuschungen und Fälschungen entzogen, wenn auf diese Weise — denn i h r Ruf ist ein Theil ihres Vermögens — i n i h r Eigenthum, wenn auch nicht i m juristischen Sinne des Wortes, eingegriffen, — wenn der loyale Handel durch unredliche, das i h m unentbehrliche Vertrauen entziehende Imitationen beeinträchtigt, — wenn endlich der Consument i n V e r w i r r u n g gesetzt u n d h i n tergangen werden sollte, der i m Glauben an die Wahrheit und Richtigkeit des Waarenzeichens kauft, während dieses gefälscht ist u n d i h m andere Bezugsquellen unterschoben werden, als diejenigen, die er sich gewählt hatte."

d) Folgerungen Die Vorstellung, Markenschutz gründe letztlich i n der staatlichen Rechtsverleihung, entsprach der positivistischen Rechtsanschauung, die das 19. Jahrhundert zu beherrschen begann. Sie kommt i n den Formulierungen Krugs besonders früh und deutlich zum Ausdruck 1 3 0 . Er meinte zu Gesetzen, wie sie i n Württemberg (1862) und Hessen-Darmstadt (1866) erlassen worden waren: 127 V o t u m an R K A v. 2. X I I . 1873; ZStA I R K A 468. I m übrigen vgl. oben § 30 zu Anm. 24 ff. 128 Das Gesetz verlangt den Antrag des Verletzten. I m übrigen vgl. auch Krug, Fabrik- u n d Warenzeichen S. 57 f. Anm. 129 Vgl. § 39 Anm. 10. 130 Vgl. oben § 37 zu Anm. 24 ff. Das Zitat in: Fabrik- und Warenzeichen S. 12 Anm.

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

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„Sie gingen am logischsten zu Werke, indem sie nicht, w i e die meisten anderen Staaten, kurzer Hand den Mißbrauch u n d Fälschimg der fraglichen Zeichen m i t Strafe bedrohten, sondern erst i m § 1 dem Fabrikanten u n d Kaufmann, das i n Frage stehende Recht vindicierten, f ü r i h n gesetzlich begründeten, u n d damit erst die Handlung zu einem Unrecht stempelten, u m sie i m weiteren Verlauf des Gesetzes zu verbieten u n d zu bestrafen."

Die gesetzespositivistische Sicht des Markenschutzes eröffnete zugleich eine Chance; sie machte es möglich, die tatsächliche Bedeutung des Markenwesens i m Wirtschaftsleben zum Maßstab der Gesetzgebung zu erheben. Die Position des Markeninhabers erheischte eine Anerkennung ohne Abstriche. Dazu kam es freilich erst i m Markenschutzgesetz des Reiches. Solange die i m Privilegiendenken verwurzelte Vorstellung einer obrigkeitlichen Verleihung dominierte, konnte der Staat die Grenzen des Markenschutzes freier bestimmen; er konnte den Schutz selbst dann, wenn er allein oder doch i n erster Linie i m Interesse des Markeninhabers gewährt wurde, aus vorgeordneten Gründen versagen: Der „gewerbepolizeiliche Nutzen" 1 3 1 , die „praktischen G r ü n d e " 1 3 2 waren dann die entscheidenden Maßstäbe für die Schutzgewähr. Die Idee obrigkeitlicher Verleihung bot i n jedem Falle die Möglichkeit, den Schutz zu beschränken oder doch die Zulässigkeit eines Zeichens an engere Voraussetzungen zu binden, als dies i m Interesse der Abnehmer oder der Mitkonkurrenten notwendig geworden wäre. Aus dieser Bedingtheit des Schutzes resultieren i n der einzelstaatlichen Gesetzgebung, namentlich jener Preußens, einerseits Beschränkungen i n bezug auf den Kreis der begünstigten Markeninhaber 1 3 3 , andererseits i m Hinblick auf die A r t der Bezeichnung, so insbesondere der prinzipielle Ausschluß figürlicher Marken 1 3 4 . Aber auch dort, wo solchen Zeichen Schutz gewährt wurde, konnten sich zusätzliche Grenzen ergeben, so insbesondere die zahlenmäßige Beschränkung 135 . 3. Die positivistisch-privatrechtliche Lösung Derartige Vorbehalte konnten erst fallen, als sich der Reichsgesetzgeber, veranlaßt durch die jahrelangen Vorstöße der interessierten Industrie, dazu entschloß, den Markengebrauch als Privatrechtsgut anzuer131 132 133 134 135

V o t u m Rothers v. 10. I I . 1836 (wie A n m . 103). Wie A n m . 108. Näheres unten § 41 ff. § 46 zu A n m . 20 ff. Unten § 49 zu A n m . 24 ff.

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1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

kennen und den Schutz nach diesem Anerkenntnis auszurichten 136 . Die i n Preußen vollzogene, auf wirtschaftspolitische Rücksichten oder Gründe der Praktikabilität gestützte 137 Anlehnung des Zeichenschutzes an die Bedingungen der nominativen Marke wurde aufgegeben. Das „reine Privatinteresse" 1 3 8 konnte dennoch nur insoweit Anerkennung finden, als es keine Gefahr für Öffentlichkeit und Mitbewerber m i t sich führte. Infolgedessen wurden jene, gleichfalls i n der preußischen Gesetzgebung vorgezeichneten Schranken der Zulässigkeit beibehalten, welche gewahrt werden mußten, sollte die Begünstigung des Markeninhabers nicht m i t einer Benachteiligung des Publikums oder der Mitbewerber verbunden sein. So wurde i m Interesse des Publikums die Marke an den Betrieb gebunden 139 und der Schutz i n jene Grenzen verwiesen, die sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergaben, nämlich den Vorbehalt der Gesetz- und Sittenwidrigkeit 1 4 0 . I m Interesse der Mitbewerber blieben bestimmte Kategorien von Zeichen vom Schutz ausgenommen, die als Herkunftszeichen ungeeignet erscheinen mußten, sei es, daß sie bereits als solche ungeeignet waren, sei es, daß sie durch den Allgemeingebrauch ihre Geeignetheit verloren hatten 1 4 1 . Nachdem man auf solche Weise das Interesse der Mitbewerber und der Öffentlichkeit gewissermaßen in die Voraussetzungen des individuellen Rechtsgutes integriert hatte, konnte die Position des Markeninhabers mit einem zivilrechtlichen Schutz ausgestattet werden, welcher schließlich der dogmatischen Figur des subjektiven Markenrechts zum Durchbruch verhalf 1 4 2 . Auch i m Hinblick auf den Straf schütz glaubte man auf die Dominanz des Publikumsinteresses verzichten zu können, die i m Reichsstrafge136 So das MSchG von 1874. Endemänn (Markenschutz S. 2) meint dazu: „Der leitende Gedanke des Gesetzes ist Schutz der bei F ü h r u n g der Waarenzeichen interessirten Geschäftsleute"; w ö r t l i c h übernommen v o n Löbker, Markenschutz S. 132. — Z u m Allgemeinen unten § 62 zu A n m . 84 ff. 137 Dazu u n t e n § 39 zu A n m . 31 ff.; § 46 zu A n m . 20 ff. 138 So der Abg. B r a u n i m RT, Verh. v. 11. X I . 1874. 139 U n t e n § 50 zu A n m . 11 ff. 140 Unten § 47 zu A n m . 31 f. u. 69. 141 Vgl. §§ 47, 48. 142 Siehe u n t e n § 61. — Diese E n t w i c k l u n g w u r d e ermöglicht durch die Lehre v o m Persönlichkeitsrecht; sie erlaubte es, indem sie die angefochtene Theorie v o m geistigen Eigentum ersetzte, den Markenschutz aus dem Zusammenhang m i t den technischen Schutzrechten zu lösen. Bereits bei den Reichstagsverhandlungen v o n 1874 wurde der personenrechtliche Charakter des M a r k e n schutzes v o n Beseler angedeutet, welcher darauf verwies, daß das, worüber verhandelt werde, „ n u r eine entfernte Verwandtschaft" m i t dem Gesetz über das Urheberrecht habe, wogegen „eine ganz unmittelbare Verbindung besteh(e) zwischen dem Rechtsgrundsatz des Firmenschutzes u n d dem Rechtsgrundsatz, den w i r hier i n das Rechtssystem einführen w o l l e n " ; was hier gewünscht werde, sagt er w e n i g später, sei „ i n dem entsprechenden A r t i k e l des Handelsgesetzbuches auf das Klarste ausgesprochen".

§ 38. Gegenstand u n d Rechtsgrund des Markenschutzes

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setzbuch ein letztes M a l bestätigt worden war: der Straf schütz des Reichsgesetzes von 1874 knüpfte an dem vorgeordneten Privatrecht an und stellte die Strafverfolgung dem Ermessen des Markeninhabers anheim 1 4 3 . Der Vorrang des Privatinteresses brach also selbst i m Bereich des Strafschutzes durch, der seiner Natur nach doch eher dazu berufen ist, Interessen der Allgemeinheit abzuschirmen. Dem Gesetzgeber erschien diese Konsequenz dadurch gerechtfertigt, daß i n seinen Augen öffentliches Interesse und Privatinteresse zusammenfallen. Das öffentliche Interesse wurde i n den Motiven 1 4 4 daraus abgeleitet, daß der Zeichenschutz „für den Handelsstand unbestreitbar von Bedürfnis" sei; wörtlich heißt es dann weiter: „Waarenzeichen erhalten ihren W e r t h nicht durch den Handelsstand, sondern durch das P u b l i k u m ; die Schätzung, welche v o n Seiten des letzteren den Waaren entgegengebracht w i r d , u n d das Vertrauen, welches v o n i h m i n die Richtigkeit ihrer Bezeichnung gesetzt w i r d , bilden die Grundlage jenes Werthes. Daß das P u b l i k u m i n seiner Schätzung nicht irregeführt u n d daß sein Vertrauen nicht zum Vortheile Einzelner ausgebeutet werde, d a r i n liegt allerdings ein öffentliches Interesse v o n erheblicher wirtschaftlicher Tragweite begründet. Aus dieser Rücksicht sind die figürlichen Waarenzeichen eines gesetzlichen Schutzes nicht minder w e r t h u n d bedürftig, als die Namen u n d Firmen, welche gleich ihnen zur Bezeichnung der Waaren dienen u n d auf das Vertrauen des Publikums Anspruch erheben."

Der Vorrang des Privatinteresses selbst i m Rahmen des Strafschutzes vertrug sich mit diesen Sätzen kaum. Er wurde i n der Folgezeit auch wiederholt angefochten 145 . Die K r i t i k suchte dem öffentlichen Interesse aber auch dadurch größeren Raum zu schaffen, indem sie schärfere Maßstäbe für die Zulassung von Marken sowie ein Zeichenannahmeverfahren verlangte, das i m Interesse der Öffentlichkeit den unzulässigen Zeichen den Rolleneintrag und damit den Schein der Rechtmäßigkeit entzog. Während das erste Ziel namentlich von Kohler verfolgt wurde, indem er den Ausschluß dezeptiver Zeichen verlangte 1 4 6 , fand die Einführung des Vorprüfungsverfahrens eine Vielzahl von Befürwortern i n der Industrie, unter welchen Hahn als Verfechter des Publikumsinteresses besonders hervorragte 1 4 7 . I m Warenbezeichnungsgesetz (1894) gelangten diese Bestrebungen, wenigstens teilweise, zum Erfolg. Wichtiger noch als dieses Ergebnis i m engeren Bereich des Markenschutzes erscheint der Umstand, daß der Gesetzgeber 1894 zwei Straftatbestände zur Bekämpfung bestimmter auf die Täuschung des Publi148

144 R 145 146 147

§ 14 MSchG. T 1 8 7 4 Aktenstück Nr. 20 S. 634. Vgl. oben § 37 zu A n m . 66 ff. Markenschutz S. 170 ff. Markenschutzgesetz S. 19 ff.

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kums berechneter Warenbezeichnungen aufnahm 148. Damit kam er dem immer vernehmlicher gewordenen Verlangen nach einem Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb nach und legte den Grundstock für das wenige Jahre später (1896) durch ein eigenes Gesetz ausgebaute Rechtsgebiet. I m Unterschied zum eigentlichen Markenschutz sah man i n den wettbewerbsrechtlichen Verboten des Gesetzes von 1894 i n erster Linie das öffentliche Interesse gewahrt. Da diese Einschätzung noch ganz i m Banne bestimmter traditioneller Ansichten über das Verhältnis des Markenschutzes zum Grundsatz des freien Wettbewerbs steht, soll sie erst i m folgenden Abschnitt näher erörtert werden.

§ 39. Markenschutz und Gewerbefreiheit L Die Gesetzgebung vor 1874 1. Grundlagen Die Frage, ob der Markenschutz m i t dem Prinzip freier Konkurrenz vereinbar sei, war naturgemäß überall dort gestellt, wo die Gesetzgebung diesem Prinzip folgte. Sie begegnet aber auch außerhalb dieses Bereichs, denn die prägende Kraft der neuen wirtschaftspolitischen Ideen machte vor Grenzen nicht halt. Überdies konnte die Legislation selbst als Teil der gewerblichen Ordnung die Frage nach ihrem Verhältnis zum Theorem möglichst unbeschränkter Konkurrenz einschließen. Wo immer in Deutschland das Problem aktuell wurde, dominierte die Vorstellung, daß der Markenschutz einzelne an sich zulässige Methoden des Konkurrenzkampfes treffe, die Gewerbefreiheit also gewissermaßen von außen einschränke. Bezeichnend für diese Haltung ist die Ansicht, welche das badische Bezirksamt Ettenheim 1816 auf eine Umfrage des Karlsruher Ministeriums äußerte 1 . Wer seine Ware unter fremdem Namen oder Zeichen abgebe, werde 148

§§ 15, 16 W B G 1894. Bericht v o m 6. V I I . 1816. — Das Stadt- u n d Landamt Offenburg (Bericht v. 7. V I . 1816) meinte sogar, es werde „eine solche Nachahmimg oft aus P o l i t i k zur Beförderung der Gewerbs-Politik begünstigt". Andere Berichte waren zurückhaltender; so w o l l t e etwas das A m t L a h r (Bericht v. 22. V I . 1816) das Nachahmen dann als „eine des rechtschaffenen Mannes unwürdige u n d andern sehr schädliche Handlung auf das nachdrücklichste bestraft" wissen, w e n n es sich u m ein Zeichen handele, worauf der andere ein „ausschließliches Eigenthumsrecht besitzt". — Z u m ganzen G L A 236/5817. 1

§ 39. Markenschutz u n d Gewerbefreiheit

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„dabei keine andere Absicht haben, als durch den Gebrauch einer fremden — i m guten Namen u n d Credit stehenden F i r m a seiner Waare einen vortheilhaften Absatz zu verschaffen. Eine solche H a n d l u n g ist a n u n d f ü r sich ohne ausdrückliches Verbot noch nicht unrechtlich, sie ist eine H a n delspolitik oder List, die ein Fabrikant zur besseren Aufnahme seines Gewerbes ergreift". A u c h i n W ü r t t e m b e r g w u ß t e m a n 1828 z u b e r i c h t e n 2 , das N a c h m a c h e n f r e m d e r „ U n t e r s c h e i d u n g s - Z e i c h e n " sei „bisher als ein erlaubter Handelsvortheil betrachtet u n d scheuelos getrieben" worden. I n zahlreichen Ä u ß e r u n g e n w u r d e n ähnliche Ansichten vertreten. M a n n a n n t e e t w a die N a c h a h m u n g e i n e n zulässigen „ K u n s t g r i f f " 3 u n d sah i n i h r e m V e r b o t eine „ B e s c h r ä n k u n g d e r aus u n s e r e r Gewerbs-Conzession f o l g e n d e n n a t ü r l i c h e n F r e i h e i t " 4 . A u c h i n d e r J u d i k a t u r ist m e h r f a c h der S t a n d p u n k t z u finden, daß d e r G e b r a u c h f r e m d e r M a r k e n n u r d a n n e i n U n r e c h t sei, w e n n e i n allgemeines V e r b o t erlassen sei oder e i n P r i v i l e g entgegenstehe 5 . A l l e n diesen Ä u ß e r u n g e n l i e g t d i e A u f f a s s u n g z u g r u n d e , daß n u r das staatliche G e b o t i n d i e G e w e r b e f r e i h e i t e i n g r e i f e n k ö n n e . D i e s e r Eingriff f r e i l i c h , h a n d l e es sich u m e i n generelles V e r b o t oder e i n P r i v i l e g , b e d u r f t e e i n e r besonderen Rechtfertigung. Z u r B e g r ü n d u n g b o t e n sich, d e r zeitgenössischen D o k t r i n entsprechend 6 , d i e L e i t m o t i v e Rechtsschutz und Gefahrenabwehr an. Daß auch d i e gesetzgeberische P r a x i s n a c h 2 So der Kommissionsbericht; Verh. d. K a m m e r d. Abg. 1828, 1. außerordentliches Beilagenheft, S. 130. 3 Weitere inhaltlich entsprechende Belege ließen sich hinzufügen. Das Nachahmen fremder Etiketten w i r d mehrfach als „ K u n s t g r i f f " gewertet; so i n einem Referentenmarginal zum Falle Jebens (1815); Z S t A I I Rep. 120 D I I 233 (1); i n einem Bericht der Regierung B a y r e u t h v. 26. X I . 1827; H S t A M n A l l S t A M H 6068. I n anderen Quellen ist die Rede v o m „tief eingewurzelten Handelsbrauch" (vgl. unten § 42 zu A n m . 19) oder von „Handelsgewohnheiten" (neue Jahrb. sächs. Strafrecht I I I , 1845, S. 385). Der Tabakfabrikant A. Schwab bezeichnete die Nachahmung der Umschläge seines K o n k u r r e n t e n Bestelmeyer „lediglich als einen guten Gedanken von mir, der m i r so, wie jeder andere bisherige gute Gedanke auch i n jenem Falle seine Früchte tragen werde"; vgl. den Brief Schwabs v. 24. I I I . 1836; abgedruckt als Beilage zum Bericht Hagen v o m 20. V. 1837, Verh. der bayerischen Abgeordnetenkammer 1837 Beilage X L I I I . 4 Eingabe Raulino Bamberg v. 10. I V . 1829; H S t A M n A l l S t A M H 6069. — Z u m Gebrauch englischer Zeichen u n d Etiketten meint die Regierung Arnsberg, Bericht v. 31. V I I I . 1849, Z S t A I I Rep. 120 D I I 232 (5): „Dergleichen ist n u n einmal i m internationalen Handelsverkehr eine ü b liche Lizenz u n d von dieser, n u r v o n dieser Freiheit w o l l e n auch die F a b r i kanten gegossener Schneidewaaren Gebrauch machen." 5 V o t u m der F a k u l t ä t Erlangen i n : Wendt, Fakultätspraxis S. 344 ff., bes. S. 352; vgl. auch A n n a l e n d. dt. u n d ausi. Criminal-Rechtspflege 1841 (3) S. 51. 6 Vgl. oben § 35 zu A n m . 6 u. ö.; § 37.

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diesen Richtlinien verfuhr, w i r d durch zahlreiche Äußerungen, aber auch das Schweigen zum Problem der Verträglichkeit m i t der Gewerbefreiheit bestätigt. Wo immer die Position des Markeninhabers als originäres, durch die Leistung des Begünstigten begründetes Recht verstanden wurde, also namentlich i m französisch beeinflußten Schutzrecht der badischen und der späteren bayerischen Gesetzgebung7, fehlt eine ausdrückliche Rechtfertigung angesichts der Idee freier Konkurrenz; sie kann auch fehlen, da die Pflicht des Staates, individuelles Recht und Eigentum zu schützen, unbestritten war: der Schutz eines vorgegebenen Zeicheneigentums warf keine prinzipiellen Fragen auf. Wo die Position des Markeninhabers nicht einmal als „Rechtsgut" angesehen wurde, stellte sich das Problem der Gewerbefreiheit ebenfalls nicht, da die Begünstigung nicht eigentlicher Zweck der Gesetzgebung war. Erst als die m i t dem Gebrauch selbst verbundenen Interessen des Markeninhabers als schutzbegründendes Motiv neben die Idee des A b nehmerschutzes traten, konnte es als problematisch gelten, sie ausschließlich zu begünstigen: es verlangte m. a. W. die Schutzverleihung eine besondere Rechtfertigung. Gleichwohl finden w i r sie i n allgemeiner und ausdrücklicher Form nur selten, so bei der bayerischen Gesetzgebung von 1840 und der hessischen von 1868. Der bayerischen Märzverordnung, welche der Warenbezeichnung einen gewerbepolizeilichen Schutz verlieh, ging eine ausführliche Erörterung der Vereinbarkeit mit der Idee der Gewerbefreiheit voraus. Die Magistrate von Nürnberg und Schwabach meinten unter Berufung auf die „National-Oekonomie" von Soden 8 : „ D e n Feind mag der Mensch bekämpfen, m i t dem K o n k u r r e n t e n soll er n u r wetteifern; aber der K o n k u r r e n t muß sich ehrlicher M i t t e l bedienen, nicht dadurch sich Absatz verschaffen, daß er das bereits renommierte Zeichen eines anderes Fabrikanten sich aneigne."

I m Finanzministerium griff man diese Gedanken auf 9 : „Die Staatsethik muß die oberste L e i t e r i n der Socialverhältnisse sein, w e n n diese gedeihen sollen; verlorener Glaube ist schwer oder nie wieder h e r z u s t e l l e n . . . Ohne jene höhere Leitung, welche i m m e r i m Auge haben w i r d , daß M o r a l u n d Recht n u r Zweige ein u n d desselben Stammes sind, 7

Vgl. § 38 zu A n m . 52 f., 63 ff. Der Magistrat Nürnberg (Vorstellung v. 3. V. 1839) bekräftigte den Verweis Schwabachs (Beschluß v. 12.1.1837 i m Falle Hüttlinger) auf v o n Soden; H S t A M n A l l S t A 5418. 9 Kurze Darstellung v. 11.1.1840; ebenda. 8

§ 39. Markenschutz u n d Gewerbefreiheit

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entsteht i n der Gewerbssphäre ein b e l l u m o m n i u m contra omnes. Das ist nicht Zunftzwang, nicht H e m m u n g der freien Gewerbsthätigkeit, w e n n m a n diese i n die Grenzen der E h r - u n d Wahrheitsliebe weiset, u n d n u r den redlichen Gewerbsfleiß schützt. Oder soll dieser aushungern, damit M e n schen bestehen können, die f ü r sich nichts gelten u n d ihre Äußerlichkeit anderen abstehlen, u m etwas zu scheinen, die jener K r ä h e gleichen, die anderen Vögeln die Federn ausrauft, u m sich d a m i t zu schmücken u n d ihre eigene Häßlichkeit zu verbergen, jene Schmarotzerpflanzen, welche sich an den fruchttragenen B a u m anhängen, u n d seine Säfte aussaugen, bis der unkräftigste S t a m m allmählich verdorrt? Was h i l f t es dem redlichen Fabrikanten, w e n n er seine ganze Lebenszeit darauf v e r wendet, seinen Namen u n d sein Zeichen i n Ruf zu bringen, w e n n der erste beste aus dem i m i t a t o r u m servum pecus sein Machwerk i n dasselbe Zeichen verhüllen u n d durch niedrige Preise seine geringhaltigen, aber gleichwohl das Zeichen des ächten führenden Waare, den dieser durch i h r e n wahren W e r t h erworbenen Absatz an sich reißen darf." N i c h t w e n i g e r g r u n d s ä t z l i c h w o l l t e d e r B e r i c h t e r s t a t t e r d e r hessischen A b g e o r d n e t e n k a m m e r 1 0 d i e Gesetzgebung z u m M a r k e n s c h u t z a m P r i n z i p d e r G e w e r b e f r e i h e i t p r ü f e n : e r s t e l l t e seinen E r ö r t e r u n g e n d e n „obersten Grundsatz" voran: „Freiheit des Verkehrs u n d Beschränkung desselben n u r insoweit, als es die Sittlichkeit, das Gemeinwohl, die öffentliche Rechtsordnung erfordert." W e n n i m Z u s a m m e n h a n g m i t d e n übrigen Schutzgesetzen nicht i n gleicher Weise d i e V e r e i n b a r k e i t m i t d e r G e w e r b e f r e i h e i t a u s d r ü c k l i c h z u m P r ü f s t e i n e r k l ä r t w u r d e , so l a g dies d a r i n b e g r ü n d e t , daß j e n e Gesetze d e n Schutz von vornherein auf den unbestritten zulässigen Bereich beschränkten und auf diese Weise die Grundsatzfrage umgingen: d i e M e h r z a h l d e r Gesetze u n d G e s e t z e n t w ü r f e k a n n t e nur den Schutz der nominativen Marke. A n sie k a n n d e r Strafschutz z u g u n s t e n des A b n e h m e r v e r t r a u e n s a n k n ü p f e n , ohne d e m M a r k e n i n h a b e r a u s d r ü c k l i c h eine P o s i t i o n z u z u w e i sen, d i e er n i c h t schon h a t . D a j e d e r e i n e n N a m e n oder eine F i r m a b e sitzt, g i l t d e r e n markenmäßiger Gebrauch als eine gleichsam natürliche und selbstverständliche Tatsache u n d k a n n deshalb i n seiner A u s s c h l i e ß l i c h k e i t geschützt w e r d e n , ohne d e m P r i n z i p d e r C h a n c e n g l e i c h h e i t z u w i d e r s t r e i t e n . D i e n o m i n a t i v e M a r k e k a n n ohne w e i t e r e s z u r G r u n d l a g e e i n e r generellen, j e d e n M i t b e w e r b e r g l e i c h m ä ß i g b e g ü n s t i g e n d e n Rechtsverleihung werden. 10 Verh. der zweiten K a m m e r der Landstände des Großherzogtums Hessen 1866/68, 1. Beilagen-Bd. (1866) Nr. 103 S. 7. — F ü r den Berichterstatter ergibt sich bereits aus den i m folgenden genannten Grundsätzen ein A n h a l t s p u n k t f ü r die Grenzen des Schutzes; dieser solle den redlichen, strebsamen Produzenten u n d m i t i h m den Wiederverkäufer u n d Abnehmer gegen Täuschung sichern, nicht aber darüber hinausgehen, „ d a m i t keine unnötige Beengung, k e i n E i n g r i f f i n dies rastlose Treiben des industriellen u n d merkantilen Lebens stattfinde".

4 Wadle I I

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Selbst d i e m ä r k i s c h e n F a b r i k a n t e n , w e l c h e d e n bergischen P l ä n e n z u r E i n f ü h r u n g eines Fabrikzeichenschutzes so energischen W i d e r s t a n d l e i steten, w a n d t e n sich n i c h t gegen d e n Schutz j e d e r W a r e n b e z e i c h n u n g schlechthin: es besitze „jeder das imbestreitbare R e c h t . . . , Waaren, welche er durch vorzügliche Güte i n Ruf bringen w i l l , m i t seinem Namen zu bezeichnen", u n d dieses „ R e c h t " solle d e r S t a a t s c h ü t z e n 1 1 . G a n z i m S i n n e d e r offiz i e l l e n preußischen L i n i e hieß es 1859 i m „ H a n d e l s a r c h i v " 1 2 : „daß es eine U n b i l l sei, sich des Namens oder F i r m a eines Anderen ohne dessen Z u s t i m m u n g zu bedienen, liegt i m natürlichen Rechtsbewußtsein". Solche S t i m m e n , d i e noch keineswegs bedeuten, daß m a n das N a m e n s recht als P r i v a t r e c h t v e r s t a n d 1 3 , finden sich i m m e r w i e d e r 1 4 . W e n n d e r Schutz g l e i c h w o h l n i c h t ü b e r a l l j e d e r n o m i n a t i v e n B e z e i c h n u n g ohne w e i t e r e B e d i n g u n g e n g e w ä h r t w u r d e , so geschah dies v o r w i e g e n d aus praktischen Gründen15. Grundsätzlich anderes g a l t n a c h w e i t v e r b r e i t e t e r A u f f a s s u n g f ü r „willkürliche" 16 Zeichen. D a es sich h i e r — anders als b e i N a m e oder F i r m a — u m K e n n z e i c h n u n g e n h a n d e l t , d i e k e i n e m F a b r i k a n t e n oder K a u f m a n n v o n v o r n h e r e i n , also g l e i c h s a m a u f n a t ü r l i c h e Weise eigen sind, b e d u r f t e i h r Schutz u n d d a m i t d i e Z u o r d n u n g e i n e r besonderen R e c h t f e r t i g u n g angesichts des P r i n z i p s d e r G e w e r b e f r e i h e i t : Z e i c h e n schutz w a r d a n n e n t w e d e r g a r n i c h t o d e r n u r als A u s n a h m e d e n k b a r ; 11

Voerder Promemoria ν. 5. I V . 1828; Z S t A I I Rep. 120 D I I 232 (1). I S. 150. 13 Vgl. unten § 45 I. 14 A u f der Sitzung der Düsseldorfer Kommission (1828) wurde festgestellt, daß „die Befugniß, seinen Waaren, den eigenen Namen aufzudrücken, nicht bestritten werden könne" (Prot. v. 10. I V . 1828). — B e i der E i n f ü h r u n g des Schutzes v o n W o r t - u n d Buchstabenmarken i n Preußen (1854) galt es als selbstverständlich, das Recht der Bezeichnung m i t Name, F i r m a u n d Anfangschiffren vorzubehalten; bereits i n den M o t i v e n zum E J u l i 1848 (oben § 12 zu A n m . 65) heißt es: „Es muß jedenfalls ausgesprochen werden, daß durch diese Zeichenrechte... niemand gehindert werden kann, die Anfangsbuchstaben seines eigenen Namens oder seiner F i r m a oder seine aus einzelnen Buchstaben bestehende Namenschiffre als Zeichen zu gebrauchen." A r t . 4 des späteren Gesetzes v o m 24. I V . 1854 w u r d e dann folgendermaßen m o t i v i e r t : „Das Recht, einer Waare den eigenen Namen oder Anfangsbuchstaben desselben, oder die Namenschiffre aufzudrücken, ist ein Natürliches, u n d darf umso weniger verschränkt werden, als es jedenfalls wünschenswerth ist, daß diese A r t der Bezeichnung allgemein Eingang fände." 12

15

Vgl. u n t e n § 45 I I I . Diese Bezeichnung begegnet i n der Erörterung des öfteren, u m die Notwendigkeit einer besonderen Zuordnung des Zeichens zu charakterisieren. — So heißt es — ganz i m Sinne der gemeinrechtlichen T r a d i t i o n — bereits bei Gmelin-Elsässer, Beobachtungen I (1777) S. 87: „Namen, Zeichen u n d Devisen s i n d . . . ursprünglich u n s t r i t t i g w i l l k ü h r l i c h e Dinge"; zur E i n beziehung des Namens vgl. unten § 45 zu A n m . 9 ff. 16

§ 39. Markenschutz u n d Gewerbefreiheit

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je nachdem ob und wieweit man vom Prinzip abzuweichen gewillt war. A u f eine glatte Ablehnung lief bereits die Forderung der Dresdner Konferenz hinaus, i n einem zu schützenden Zeichen müßten „der Name oder die Firma und der Wohn- oder F a b r i k o r t . . . ausgedrückt" sein. Damit wurde den übrigen zeichenhaften Bestandteilen jede Möglichkeit der Zuordnung und letztlich ihre Schutzfähigkeit abgesprochen. Die Konsequenzen aus dieser Sicht haben Württemberg, HessenDarmstadt und Preußen gezogen, allerdings m i t verschiedener Schärfe. Württemberg nahm die Forderung i n der Reformdiskussion nach 1850 auf und entsprach ihr schließlich i m Gesetz von 186217. Es hielt an der prinzipiellen Einschätzung noch bei der Vorbereitung des Markenschutzgesetzes fest 18 . Hessen-Darmstadt verzichtete 1866 ganz auf den Zeichenschutz 19 . Preußen schließlich verwarf i m Gesetz von 1840 zunächst konsequenterweise jeden Zeichenschutz; bald darauf milderte es die Ablehnung des Schutzes figürlicher Zeichen durch das bergischwestfälische Sonderrecht 20 : Eine Ausnahmeregelung machte den Zeichenschutz von zusätzlichen Kriterien abhängig; solange man den Rechtsgrund des Schutzes i n einer staatlichen Verleihung sah 21 , konnte dieses Verfahren keine besonderen Schwierigkeiten aufwerfen. 2. Der Zeichenschutz als Ausnahme und seine besonderen Voraussetzungen Sollte der Gebrauch eines „willkürlichen" Zeichens zugunsten eines bestimmten Gewerbetreibenden allein geschützt werden, so mußte es zumindest eine zentrale Voraussetzung erfüllen, u m dem Prinzip der Gewerbefreiheit nicht zu widersprechen: Die Begünstigung der „anonymen Firma", der „bildlichen F i r m a " 2 2 durfte nach Inhalt und Voraussetzung nicht weiter gehen als der Schutz nominativer Marken. Dieses Postulat der Firmen}örmigkeit figurativer Zeichen beherrschte alle jene einzelstaatlichen Schutzgesetze, die auch dem Warenzeichen Schutz verliehen, ohne es als Privatrecht zu verstehen. 17

Vgl. unten § 46 zu A n m . 5. Vgl. oben § 30 zu A n m . 28. 19 Vgl. u n t e n § 46 zu A n m . 44. 20 Insoweit griff m a n auf Überlegungen zurück, die die A b t e i l u n g f ü r H a n del u n d Gewerbe schon bei der Vorbereitung des Gesetzes v o n 1840 angestellt hatte. Damals w o l l t e die A b t e i l u n g die regionalen Bestimmungen aus großherzoglicher Zeit beibehalten, konnte sich aber i m Staatsrat damit nicht durchsetzen; vgl. oben § 10 zu A n m . 122 u n d § 12 zu A n m . 25 ff. Z u diesen Plänen steht die noch 1836 geäußerte Ablehnung eines regionalen Zeichenschutzes, da er gegen das Prinzip der Gewerbefreiheit verstoße, i n einem gewissen Widerspruch; die A b t e i l u n g hat diese Vorstellung indes nicht nachh a l t i g vertreten u n d schon bald aufgegeben; vgl. u n t e n § 41 zu A n m . 18, 19. 21 Vgl. oben § 38 I V 2 zu A n m . 86 ff. 22 Vgl. oben § 38 zu A n m . 104. 18



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Eindeutig als Konsequenz des Prinzips freier Konkurrenz w i r d die Firmenförmigkeit von den preußischen Behörden verstanden. Angelegt ist diese Bewertung der Zulässigkeitsgrenzen bereits i n der Auseinandersetzung u m den Düsseldorfer E n t w u r f 2 3 ; deutlich ausgesprochen hat sie erst das Handelsamt i n seinem grundlegenden Gutachten 24 . Es ging von der zentralen These aus, daß ein Fabrikzeichen „ n u r den Namen oder Firma und Wohnort des Fabrikanten vertrete"; das Fabrikzeichen habe nur den Zweck, den Ursprung der Ware erkennen zu lassen und sei nur unentbehrlich, wo man Firma und Wohnort nicht anbringen könne. Die namensmäßige Bezeichnung gilt als eine natürliche, deren Gebrauchsschutz vor dem Anspruch der Gewerbefreiheit einer Rechtfertigung nicht bedarf, zumal der Gesetzgeber selbst den Schutz i m Gesetz von 1840 anerkannt hat. Sie w i r d infolgedessen zum Maßstab auch des Zeichenschutzes. Dieser Zusammenhang w i r d am deutlichsten i n der Beschränkung der Zahl zulässiger Zeichen: „Uberhaupt möchte der Gesichtspunkt festzuhalten sein, daß durch den Zeichenschutz Privilegien geschaffen werden, welche die gewerbliche F r e i heit beschränken, daß er daher i m Interesse der letzteren n u r i n soweit b e w i l l i g t werde, als die N o t w e n d i g k e i t , welche i h n ins Leben ruft, eben erfordert. Da das Zeichen den Namen des Fabrikanten vertreten soll, so braucht er auch n u r ein Zeichen zu führen, w i e er n u r einen Namen hat."

Entsprechende Grundsätze bestimmten auch die bayerische Gesetzgebung. Es sei, so wurde während der Reformdiskussion der vierziger Jahre hervorgehoben 25 , „ganz wohl zu rechtfertigen", daß die Verordnung von 1840 das Nachahmen der Warenbezeichnung auch dann bestrafe, „ w e n n diese i n einem nicht minder deutlichen u n d unzweideutigen Zeichen besteht, als das des Namens u n d Ortes".

Auch nach der bayerischen Märzverordnung sollte nur ein Zeichen als Äquivalent der nominativen Marke anerkannt werden können 2 6 . Das Postulat der Firmenförmigkeit, aus dem sich noch andere Konsequenzen ergaben 27 , bestimmte schließlich den Hamburger Entwurf und 23

Vgl. oben § 38 zu A n m . 94 ff. V o t u m v o m 6. X I I . 1845; Z S t A I I Rep. 120 D I I 232 (3). Ä h n l i c h schon der vorbereitende „Auszug" v o m J u l i 1845; Z S t A I I Rep. 120 Handelsamt F. 3. 25 So die Bemerkungen des Referenten Bewer v. 2. X . 1849; H S t A M n A l l S t A M H 5420. 26 Vgl. unten § 49 zu A n m . 17 ff. 27 Namentlich die B i n d i m g an den Betrieb oder die Person des Schutzberechtigten; vgl. u n t e n § 51 I I I . 24

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andere Zeichenschutz gewährende Strafgesetze 28 : ihnen allen ist gemeinsam, daß das Zeichen primär nicht die Ware, sondern die Herkunftsquelle kennzeichnen w i l l ; nicht von ungefähr sprechen sie nahezu ausschließlich von einem „Fabrik-Zeichen" 2 9 und nicht von einem „Warenzeichen" 30 . Die firmenähnliche Funktion des Fabrikzeichens genügte den meisten Gesetzgebern als materielle Voraussetzung der Schutzgewähr. Ausnahmen bildeten Preußen und die seinem Vorbild folgenden Staaten; sie engten die Zulässigkeit des Zeichenschutzes noch weiter ein, indem sie die nominative Marke nicht nur zum Maßstab der figürlichen machten, sondern jener den Vorrang einräumten. A u f diese Weise wurden dem Zeichenschutz weitere Hindernisse i n den Weg gelegt. Die Gründe für dieses Verfahren waren komplexer Natur. Sie erschöpften sich nicht i n praktischen Überlegungen; namentlich i n Preußen erhob man auch prinzipielle Einwände. Sie entzündeten sich an den für unentbehrlich gehaltenen 31 Förmlichkeiten. Diese zusätzliche „Einmischung des Staates" 32 warf ihrerseits nicht nur praktische 33 , sondern auch prinzipielle Fragen auf: die m i t einigem Aufwand verbundenen Maßnahmen des Staates ließen den individuell-fördernden Eingriff i n das Gewerbeleben, die Begründung eines Vorrechts des einen Fabrikanten gegenüber seinem Konkurrenten, also die „Privilegierung", noch deutlicher hervortreten. Eine solche zusätzliche Einmischung mochte angesichts der Gewerbefreiheit gerechtfertigt erscheinen, wenn der Schutz gewissermaßen nur ein Nebenprodukt allgemeinfordernder Tätigkeit war: dies galt etwa für die Genehmigung von Hüttenzeichen nach dem Gesetz vom 3. J u l i 1818; 28 Nach § 5 des Hamburger Gesetzentwurfes sollte auf die Hinterlegung beim Handelsgericht § 15 der „Verordnung wegen der Handlungssocietäten, F i r m e n usw. v. 28. X I I . 1835 A n w e n d u n g " finden. — Auch nach dem k u r hessischen E n t w u r f v o n 1839/40 (vgl. oben § 24 zu A n m . 12 ff.) sollte n u r ein Zeichen zugewiesen werden. 29 Die Bezeichnung „Fabrikzeichen" begegnet zu Beginn des 19. Jh. i m Bergischen i n unterschiedlicher Bedeutung; es konnte das (erloschene) Z e i chen des Handwerks meinen; so Daniels, Abschilderung S. 141 ff., welcher dafür auch den Ausdruck „Bey-Zeichen" verwendet. I n aller Regel freilich w i r d „Fabrikzeichen" auf das individuelle Zeichen bezogen. 30 „Warenzeichen" begegnet erstmals 1874 i n einem Gesetzestext (§ 2 MSchG). Z u v o r ist i n Gesetzen allenfalls die Rede v o n „Waarenbezeichnung" (so i m pr. Gesetz v o m 4. V I I . 1840, i n der V O v. 30. X . 1865 v o n SchaumburgLippe, i m F r a n k f u r t e r Gesetz v. 22. V. 1855) oder v o n „Warenstempeln" (so § 444 bad. StGB 1845). 31 So etwa i n Württemberg, vgl. u n t e n § 46 zu A n m . 5. 32 So das F i n M an J u s M v. 5.1.1839; Z S t A I I Rep. 120 D I I 233 (2). 33 U n t e n § 46 I I I ; die praktischen Probleme i m übrigen ergaben sich v o r allem daraus, daß der Straf schütz eine feste Zuordnung verlangte; vgl. § 55 zu A n m . 14 ff. u. § 45 zu A n m . 33 ff.

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diese Genehmigung sollte weniger die Fabrikanten begünstigen, als vielmehr zur Hebung der Warenqualität „beim inländischen Verbrauch eines der wichtigsten Produkte die Verantwortlichkeit des Fabrikanten feststellen" 34 . Eine gleiche Kontrollfunktion i m Interesse der Gesamtwirtschaft konnte Fabrikzeichen, die i n einer „unzähligen Menge" 3 5 vorkamen und überdies nicht geführt werden mußten, nicht beigelegt werden. I h r Schutz und das daraus entspringende Vorrecht des Fabrikanten bedurften als staatliche Verleihung einer anderen Begründung, nämlich des Rückgriffs auf das Abnehmervertrauen, das freilich nicht generell als schützenswert betrachtet wurde, sondern nur dort, wo es einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen versprach. Dieser Zusammenhang w i r d deutlich i n der Begründung der ausnahmsweisen Zulässigkeit des Zeichenschutzes i n den westlichen Provinzen. Die Motive zur Augustverordnung 3 6 stützen die Ausnahme auf drei Gründe. Sie galt als zulässig, w e i l die Firmen- oder Namensangabe technisch unmöglich sei; außerdem handele es sich u m solche Waren, „deren hauptsächlicher W e r t h . . . nicht i n der äußeren F o r m u n d anderen leicht erkennbaren Eigenschaften, sondern i n der erst durch den Gebrauch zu ermittelnden Güte besteht u n d daher meist i m Vertrauen auf die Z u verlässigkeit der F a b r i k gekauft werden, u n d welche endlich i n bedeutenden Quantitäten exportiert werden, wobei sie durch viele Hände gehen, bis sie zum Consumenten gelangen".

I n ihrer Kombination laufen diese i n der Folgezeit immer wieder bestätigten 37 Argumente auf eine Anerkennung der Interessen der A b nehmerschaft hinaus, freilich nur auf eine sehr beschränkte: Die leichte 34

V o t u m Rothers v. 10. I I . 1836; Z S t A I I Rep. 120 D I I 232 (1). Ebenda. 36 Datiert Februar 1847; Z S t A I I Rep. 120 D I I 231 (4). — Bereits i m v o r bereitenden „Auszug" des Handelsamtes (ZStA I I Rep. 120 Handelsamt F. 3) heißt es, n u r soweit der Schutz des Gesetzes v o n 1840 nicht ausreiche, „ w i r d ein Schutz f ü r Fabrikzeichen zu b e w i l l i g e n sein; denn m a n darf nicht unnütze Formen und Beschränkungen einführen. Es fragt sich daher: i n welchen Fabrikationszweigen sind Fabrikzeichen üblich u n d nicht zu e n t b e h r e n . . . Fabrikzeichen werden n u r nothwendig sein bei Waaren, welche zu k l e i n sind, u m den ganzen Namen anzubringen, deren Qualität nicht durch den bloßen Augenschein v o n Consumenten zu erkennen ist, sondern w o der A b satz durch das Vertrauen zur Redlichkeit u n d Tüchtigkeit des Fabrikanten wesentlich befördert u n d erhalten w i r d u n d welche endlich einen bedeutenden E x p o r t i n fremde Länder haben, so daß die Waaren durch mehrere Hände gehen u n d der fremde Händler sich n u r durch das Fabrikzeichen über den Ursprung der Waare Gewißheit verschaffen kann". 37 Besonders präzise i n den M o t i v e n zum Gesetz v. 1854, vgl. Sten. Ber. 2. K a m m e r Bd. I I I (1854) S. 332 (Nr. 97 zu § 1). Der Hinweis auf die technische Unmöglichkeit, Namen oder F i r m a aufzuschlagen, w i r d bereits w ä h rend der Verhandlungen v o n 1828 vorgetragen. 35

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Erkennbarkeit der Qualität machte den Schutz des Zeichens und des daran geknüpften Konsumentenvertrauens überflüssig; ein Abnehmer, der die Ware ohne weiteres prüfen konnte, hatte es sich selbst zuzuschreiben, wenn sein Vertrauen mißbraucht werden sollte. Das Abnehmervertrauen galt auch dann nicht als schutzwürdig, wenn es sich u m Waren handelte, die vornehmlich i m Inland verbraucht wurden; der inländische Konsument, der Namen und Firma lesen und verstehen konnte, bedurfte nach Ansicht der preußischen Behörden der „anonymen Firma" als eines Ersatzes der echten nicht. Ins Positive gewendet kehren diese Überlegungen i n den folgenden Jahrzehnten wieder, u m den Ausnahmecharakter des Zeichenschutzes darzutun. I m Herrenhaus meinte — u m nur ein Beispiel herauszugreifen — der Vertreter des Ministeriums i m Jahre 185838, besondere Zeichen könnten i m inländischen Verkehr entbehrt werden; es erscheine „ i m allgemeinen Interesse n u r wünschenswert, daß derselbe ( = Brauch) mehr u n d mehr i n Wegfall komme, daß unsere Gewerbstreibenden an die Stelle v o n Zeichen, die dem Konsumenten unverständlich sind, ihren Waren den Namen oder die F i r m a aufzudrucken nicht Abstand nehmen".

I m Bericht des Bundesratsausschusses vom 24. Dezember 187139 w i r d der Verweis auf den Vorrang der Namenmarke ein letztes M a l als Einwand gegen den Zeichenschutz herangezogen: „ I m Interesse der Redlichkeit u n d Offenheit des Verkehrs w i r d aber n u r zu wünschen sein, daß diese A r t der Waarenbezeichnung u n d nicht diejenige durch figürliche Zeichen möglichst allgemein i n Gebrauch komme."

Dem Zeichen ging, so kann man diese Argumentation zusammenfassen, nach Ansicht des preußischen Ministeriums i m Normalfall der „gewerbepolizeiliche" Nutzen ab, welcher der nominativen Marke eignete; deshalb konnte sein Gebrauch nur i m Ausnahmefall privilegiert werden, wenn der besondere Nutzen erwiesen w a r 4 0 . I n einer solch allgemeinen Form wurden die Grenzen des Zeichenschutzes angesichts der Gewerbefreiheit erst i n der Diskussion nach 1840 abgesteckt. I n den Jahrzehnten zuvor standen bei der Erörterung der Zulässigkeit konkretere Einwände i m Vordergrund, der Widerstand der märkischen Fabrikanten und die Solinger Versuche, den Zeichenschutz als Element einer neuen korporativen Fabrikverfassung zu regeln; dadurch wurde das bergische Schutzverlangen i n die Nähe unannehmbarer Reglementierung aus der Zunftzeit gerückt. 38 So der Bericht des Ausschusses über die Stellungnahme des Regierungsrats Moser, Sten. Ber. des Herrenhauses I 1857/58 (24. I I I . 1858) S. 228 f. 39 B R Sess. 1871 Drucks. 189. 40 A l s besonders typisch darf die u n t e n § 44 zu A n m . 32 zitierte Äußerung Österreichs gelten.

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Das V e r d i k t des M i n i s t e r i u m s , das d e n E n t w u r f v o n 1823 t r a f 4 1 , n a h m d e n Zeichenschutz n i c h t aus: d e r E n t w u r f unterscheide „sich i m Wesentlichen nicht v o n einem Zunftprivilegio u n d w ü r d e der Gewerbefreiheit ein Ende machen". 1828, als d i e l a n d s t ä n d i s c h e n A n t r ä g e b e k a n n t g e w o r d e n w a r e n , b e r i e f e n sich d i e m ä r k i s c h e n G e g n e r 4 2 des Zeichenschutzes auf i h r e „ w o h l e r w o r b e n e n Hechte u n d F r e i h e i t e n " u n d b e e i l t e n sich m i t d e r Feststell u n g , sie s t i m m t e n v ö l l i g ü b e r e i n m i t d e r „freisinnigen, der Gewerbefreiheit so günstigen Ansicht des hohen M i n i steriums". A u ß e r d e m v e r w a h r t e n sie sich gegen d e n A n s c h e i n , „als ob auch märkische Fabrikanten die eingefleischtesten Anhänger seyen v o n Gilden, Zünften, Restriktionen, Monopolien, Controllen u n d allen H ä n deleien i n i h r e m Gefolge". D e r i m D ü s s e l d o r f e r E n t w u r f vorgesehene Zeichenschutz, so r e s ü m i e r ten die Petenten, widerspreche „ d e n jetzigen P r i n z i p i e n der Gewerbefreiheit" 43. Das M i n i s t e r i u m 4 4 Schloß sich d e m b e i d e r K r i t i k des D ü s s e l d o r f e r E n t w u r f e s w e i t g e h e n d an. M a n sah i n d e n bergischen V o r s c h l ä g e n d e n V e r such, e i n e n T e i l j e n e r V o r r e c h t e w i e d e r e i n z u f ü h r e n u n d a u s z u w e i t e n , die m i t den Z ü n f t e n beseitigt w o r d e n waren. I m früheren Herzogtum 41

Reskript v. 20. I I . 1824; H S t A Düss. Reg. Düss. 2193. Vgl. die Petition v. 8. I I I . 1828; StA M r Op 2/51 Nr. 688. — Nicht alle Fabrikanten der Grafschaft M a r k haben so gedacht. A l s Beleg mag die Eingabe des Schwelmer Fabrikanten B r a n d gelten, welcher 1821 den M i ß brauch seiner „Erbzeichen" durch andere „ z u Spekulationen" beklagte u n d meinte, es könne „die V e r v o l l k o m m n u n g der vaterländischen F a b r i k a t e . . . n u r bei der Sicherheit u n d Zuverlässigkeit der Fabrikzeichen gedeihen". Einen Widerspruch des Zeichenschutzes zur „allgemeinen Gewerbefreiheit" v e r neinte B r a n d ausdrücklich; vgl. seine Petition v. 14. V I I I . 1821; Z S t A I I Rep. 120 D I I 230 (1). Die Düss. Kommission (vgl. oben § 10 zu A n m . 84 ff.) wußte, daß i h r E n t w u r f durch die Nähe zünftlerischen Gedankengutes gefährdet w a r . Hasenclever schrieb a m 17.1.1827 an Vincke (Zs. d. Berg. Geschichtsvereins 55, 1917, S. 63): „ V o n Fabrikengerichten u. d. g. oder vielmehr von einer Gewerbe-PolizeiO r d n u n g w a r auch i n Düsseldorf v i e l die R e d e . . . M a n . . . w a r zu bange vor Eingriffen i n die persönlichen Rechte u n d die Wieder-Einführung des ehemaligen Zunftwesens, als daß m a n jetzt schon gewagt hätte, bestimmte Anträge deshalb zu machen." 43 Sie greifen damit Vorstellungen auf, welche schon i m m i t t e l b a r nach der Aufhebung der Solinger Privilegien die W i t w e Haddenbrock geäußert hatte (dazu oben § 4 zu A n m . 55): es ließen sich ausschließliches Gebrauchsrecht u n d „die Freiheit des Handelns unmöglich verpaaren". 44 V o t u m Rothers v. 6. I I . u n d Immediatbericht v. 7. V I I I . 1836; Z S t A I I Rep. 120 D I I 232 (1). 42

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Berg hätten die m i t „ausschließlichem Charakter" versehenen Fabrikzeichen als „Privilegien" gegolten. Ganz i n diesem Sinne w i r d auch das „ausschließliche Eigenthum" des Düsseldorfer Entwurfs als „Exklusivberechtigung", als „Vorrecht" und als „Exklusivrecht" bezeichnet, dessen Einführung „den allgemeinen gewerbepolizeilichen Grundsätzen zuwider" und „prinzipwidrig" sei und auf eine „Beschränkung der Gewerbefreiheit hinauslaufe". So w i r k t e der Geruch des „Zünftlerischen", i n welchen das Verlangen nach Zeichenschutz geraten war, weiter, als man sich i m Bergischen bereits zur separaten Behandlung der Zeichenfrage entschlossen hatte. Der ausdrückliche Hinweis 4 5 , man wolle „keine Monopole u n d Privilegien herstellen, sondern n u r das bestehende oder wohlerworbene Eigenthum i n seinen symbolischen Zeichen"

sichern, fruchtete wenig, solange der Zeichenschutz nicht i n die notwendigen Schranken der Firmenförmigkeit verwiesen war. Den märkischen Fabrikanten genügte eine solche Beschränkung nicht; denn hinter ihrem Verweis auf die Gewerbefreiheit stand die Erkenntnis, daß märkische Produkte ohne die i m Handel begehrten Zeichen schwerer abzusetzen waren 4 6 . Da es dabei vor allem u m ältere, von bergischer Seite beanspruchte Marken und u m ausländische Zeichen ging, konnte man sich 1842 nur m i t einer Regelung einverstanden erklären, welche beide Bezeichnungsarten vom Schutz ausschloß 47 . Da die preußische Verordnung vom 17. August 1847 diese Wünsche nur zum Teil berücksichtigte und die i n der Überleitungsregel enthaltenen Konzessionen an die märkische Seite durch Fristablauf ungenutzt blieben, fielen die märkischen Fabrikanten bald danach wieder i n ihre pauschalen Angriffe gegen den Zeichenschutz überhaupt zurück 4 8 . Noch nach 45 So v o n Hauer i n seinen „Bemerkungen" v. 29. X I I . 1827; H S t A Düss. Reg. Düss. 2193. 46 Vgl. den Bericht des Hagener Landrats Gerstein an Vincke v. 24. I I . 1828; StA M r OP 2/51 N r . 688. — Bereits 1820 hatte sich der Hagener Fabrikant Elbers f ü r die Beibehaltung der bisherigen freien Praxis ausgesprochen; m a n solle die Zeichen aufschlagen dürfen, welche der Besteller wünsche; vgl. das Protokoll des StaatsM v. 20. X I I . 1820; Z S t A I I Rep. 120 D I I 230 (1). — Noch 1854 heißt es bezeichnend (Beleg w i e A n m . 44): „ Z w e i D r i t t e l des hier fabrizierten Stahls findet seine Benennung u n d seinen Absatz n u r durch einm a l bekannte figürliche Zeichen, ohne die er zu keinem Preise verkäuflich sein würde. Ebenso verhält es sich m i t den hier fabrizierten Eisen- u n d Stahlwaaren, w o v o n ein großer T h e i l des Absatzes an bestimmte Zeichen geknüpft ist." 47 Die Versammlung a m Vogelsang v. 10. V I I I . 1842 verlangte, daß „Jemand, der ein gewisses Zeichen bereits früher hat schlagen lassen, nicht gestört werden d a r f " ; auch sollten bei „Auswärtigen (ζ. B. englischen u n d amerikanischen) Bestellern beliebte d o r t i g e Z e i c h e n . . . jedem gestattet sein"; vgl. S t A M r OP 2/51 N r . 688. 48 Vgl. oben § 12 zu A n m . 53 ff.

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der Schwelmer Konferenz trugen einige von ihnen ihre „grundsätzlichen" Bedenken vor, die allein i n der Sorge um ihr eigenes Geschäft begründet waren 4 9 : „Die prinzipielle Seite des Zeichenschutzes ist, — v o n dem tiefen Eingriff i n das Princip der Gewerbefreiheit abgesehen — keine andere, als ein M i t t e l zum Zweck, wodurch sich die bergischen Fabrikanten den diesseitigen gegenüber „Monopole" verschaffen u n d eine ihnen i m m e r gefährlicher werdende v o n der N a t u r mehr begünstigte Concurrenz niederhalten wollen."

Abermals w i r d dem Wunsch der bergischen Seite, die indirekt als „monopolsüchtige Fabrikanten" und „Zünftlinge" bezeichnet werden, die Ansicht entgegengehalten, „daß jeder Fabrikant, der etwas w i r k l i c h Gutes zu liefern die Absicht u n d die Fähigkeit hat, sich nicht hinter tote Zeichen verstecken soll, sondern dem Beispiel der englischen Fabrikanten folgen soll, welche die Ehrenhaftigkeit u n d den M u t h haben, m i t der vollen F i r m a auf ihren F a b r i k a ten auf dem W e l t m a r k t zu erscheinen".

Schon i n dieser Petition w i r d deutlich, daß angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Warenzeichen eine prinzipielle Gegnerschaft auf die Dauer nicht aufrechtzuerhalten ist. Die märkischen Fabrikanten beantworteten das Angebot, ihrem Interesse am Fortgebrauch bestimmter Zeichen könne man auch m i t deren Anerkennung als Freizeichen gerecht werden, m i t dem Argument, ein solcher Nachweis sei vergeblich, denn es seien „alle Zeichen des Himmels und der Erde bereits i n den Remscheider und Solinger Zeichenrollen eingetragen". Es ging den Petenten letztlich also gar nicht — wie etwa vor 1842 — um den Ausschluß des Zeichenschutzes schlechthin, sondern nur u m seine richtige Begrenzung. Die preußische Gesetzgebung hat diese Grenzen 1847 und 1854 abgesteckt: an Bezeichnungen bestimmter Kategorien sollte keiner der Konkurrenten ein ausschließliches Recht erwerben können 5 0 . Wenngleich diese Schranken auf das Postulat der Firmenförmigkeit und den Vorrang der nominativen Marke zurückgehen und damit auch auf das an gesamtwirtschaftlichen Zielen orientierte Abnehmervertrauen, so dienen sie nicht zuletzt dem Freihaltebedürfnis des Mitbewerbers. Dies ändert nichts daran, daß die Möglichkeit, den Zeichenschutz auf bestimmte Grenzen festzulegen, als Ausfluß der Vorstellung zu gelten hat, es sei Sache des Staates, durch seine Schutzverleihung die Gewerbefreiheit zu beschränken. Ebenso wie das m i t der Zeichenführung verbundene Interesse des Markeninhabers w i r d auch das Interesse des Mitbewerbers 49 Petition v o n 25 märkischen Fabrikanten an das preußische Abgeordnetenhaus v. 25.1.1854; Z S t A I I Rep. 120 D I I 232 (6). 50 Vgl. unten § 47 zu A n m . 39 ff.

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lediglich als gesetzgeberisches Motiv, nicht als immanente Schranke der Gewerbefreiheit beider Konkurrenten betrachtet. IL Die Reichsgesetze von 1874 und 1894 und der unlautere Wettbewerb I n der Gesetzgebung des Bismarckreiches und mehr noch i n ihrer theoretischen Verarbeitung w i r k t e die herkömmliche preußisch-deutsche Einschätzung des Verhältnisses von Markenschutz und Gewerbefreiheit nach. Auch die Beratung des Markenschutzgesetzes (1874) stand i m Banne dieser Tradition. Das neue Gesetz suchte zwar dem tatsächlichen Markengebrauch gerecht zu werden und bezog die Warenzeichen i n den Schutz ein; dennoch hielt man an der Vorstellung einer staatlichen Schutz Verleihung fest: der Markenschutz galt als Eingriff von außen i n die an sich freie Konkurrenz. A m deutlichsten kommt dies i n der Bemerkung Nieberdings zum Ausdruck 5 1 , man müsse beachten, „daß es sich i n seinen Bestimmungen u m Beschränkungen handelt, die der allgemeine Verkehr u n d die dabei betheiligten Interessen des Publikums erfahren, daß solche Beschränkungen n u r gerechtfertigt sind, w e n n das Bedürfnis des allgemeinen Verkehrs sie erheischt, u n d daß sie sich auch n u r insoweit rechtfertigen lassen, als eben diese Interessen des allgemeinen Verkehrs reichen".

Diesem Bekenntnis zufolge sollte der Gesetzgeber die Schutzwürdigkeit und ihre Grenzen bestimmen; infolgedessen sollte der Kampf gegen unlauteren Wettbewerb auch nur dort geführt werden, wo der Staat den Rechtsschutz zubilligen wollte. Diese Interpretation steht durchaus i n der Nachfolge des preußischen Zeichenschutzes, welchem die „Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs" als Sache „staatlicher Reglementierung" erschien. Insoweit ist das Markenschutzgesetz i n der Tat ein „ K i n d dieser Z e i t " 5 2 . I n der Literatur hat namentlich Otto Mayer diese Interpretation untermauert, indem er den Markenschutz dem Verwaltungsrecht zuschlug 53 . 51 Sten. Ber. R T ν. 4. X I . 1874, S. 32. — Z u w e i t geht Kohler (Markenschutz S. 101 A n m . 1), w e n n er Nieberding v o r w i r f t , daß er übersehe, daß es n u r u m Maßnahmen gegen den „bösgläubigen" Verkehr gehe. Das absolute Markenrecht k a n n sehr w o h l „gutgläubig" verletzt werden, w i e gerade der v o n subjektiven Voraussetzungen absehende Feststellungsanspruch zeigt. — A l l g e m e i n zum Verhältnis v o n Gewerbefreiheit u n d unlauterem W e t t bewerb etwa: Jacobi, Gewerbegesetzgebimg S. 76, 77; Mauczka, Rechtsgrund des Schadensersatzes S. 131 ff. 52 Ulmer, Warenzeichen u n d unlauterer Wettbewerb S. 18. 53 Z H R 26, 437. Vgl. oben § 37 zu A n m . 68.

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1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

I n der Praxis der Jahre nach 1874 brach dieses „verwaltungsrechtliche" Verständnis der staatlichen Schutzgesetzgebung i n zweifacher Weise durch: es bestimmte zum einen die legislatorischen Maßnahmen gegen den unlauteren Wettbewerb, zum anderen die reichsgerichtliche Judikatur über die Grenzen des Markenschutzes. Nachdem der Gesetzgeber gegen einzelne Auswüchse des zunehmenden wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes vorgegangen war, ohne den Markenschutz zu berühren 5 4 , nahm er i n das Reichsgesetz von 1894 zwei neue wettbewerbsrechtlich motivierte Bestimmungen auf: § 15 diente dem Schutz der Ausstattung, § 16 enthielt das Verbot falscher Herkunftsangaben. Damit war nicht mehr nur der Alleingebrauch der als „Erwerbsmittel" fungierenden Marke Gegenstand des Schutzes, sondern auch die „lautere Erwerbsthätigkeit selbst" 55 . Das Problem des Verhältnisses von Markenschutz und Wettbewerbsrecht war fortan gesetzlich verankert. Der Gesetzgeber sah i n beiden Normgruppen selbständig nebeneinander stehende Bereiche. Dies ergibt sich aus der Vorgeschichte der §§ 15, 16 WBG. I n der Diskussion u m die Reform und Ergänzung des Markenschutzgesetzes 56 hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß Etiketten nur ungenügend gesichert waren; i h r Schutz sollte zu dem Schutz der eigentlichen Marke hinzutreten. Die gesetzliche Normierung des Ausstattungsschutzes war nicht zuletzt deshalb notwendig geworden, w e i l das Reichsgericht jeder Warenbezeichnung i m weiteren Sinne, die nicht den formellen Bedingungen des Markenschutzgesetzes entsprach, den Rechtsschutz versagt hatte 5 7 . Dabei hatte sich das Gericht auf die Ausschließlichkeit der gesetzlichen Regelung von 1874 berufen. I n diesem Argument t r i t t uns abermals die positivistisch-verwaltungsrechtliche Sicht entgegen, welche Markenschutz und Schutz vor unlauteren Wettbewerbshandlungen auf dieselbe Ebene stellt. Diesem Verständnis mußten alle jene widersprechen, die i m Gebrauchsrecht des Markeninhabers ein vorgegebenes Recht erblickten, 54 Näheres hierzu bei Lobe, Unlaut. Wettbewerb S. 119 ff. Z u r Diskussion u m das Wettbewerbsrecht auch Bolle, Entwicklungslinien S. 30 ff., bes. S. 37 ff. 55 Lobe, Widerrechtlichkeit S. 189; ders., E n t w i c k l u n g S. 1215 ff., bes. S. 1216; auch Muscheidt, Persönlichkeitsschutz S. 8 ff. 66 So die Eingaben des Vereins zur W a h r u n g der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands v o m 22. X . 1847 u n d 25. X . 1888; Z S t A I R A I n n 7474; die Eingabe der Nürnberger Handels- u n d Gewerbekammer an den Reichstag v. 5. I I . 1878; S t A N ü Industrie- u n d Handelsk. 139; auch Glafey, GR I (1862), 165. 57 Nachweise u n t e n § 55 A n m . 83 ff. — Z u r parallelen Rechtsprechung zum Namen- u n d Firmenrecht vgl. Lobe, Widerrechtlichkeit S. 186.

§ 39. Markenschutz u n d Gewerbefreiheit

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das durch den Gesetzgeber zwar einen spezifischen Ausdruck erhalten, von i h m aber nicht begründet werden konnte 5 8 . Sie wollten der gesetzlichen Regelung nur insoweit konstitutiven Charakter beimessen, als sie durch die Schaffung neuer, besonderer Tatbestände den Einsatz der Strafe ermöglichte und durch die Anerkennung einer von Formalitäten abhängigen Position den Werdeprozeß des materiellen Privatrechts unterstützte 5 9 . Der Rückbezug auf das private Recht ermöglichte es überdies, den Schutz auf weitere, vom Markenrecht nicht erfaßte Formen der Kennzeichnung auszudehnen: man brauchte nur den Inhalt jenes tragenden Rechts weit genug zu spannen. Dem Staat mußte es konsequenterweise verwehrt sein, die Grenzen beliebig enger zu ziehen, als sie das Anerkennung erheischende vorgegebene Privatrecht gesteckt hatte. Es liegt auf der Hand, daß bei diesem Bemühen die deutsche Dokt r i n i n vielfältiger Weise von der französischen Jurisprudenz 6 0 befruchtet worden ist. I h r galt der Markenschutz ebenso wie der Schutz anderer Kennzeichen nur als Teilaspekt des Rechtes auf Teilhabe am Wettbewerb: Markeneigentum und wettbewerblicher Kennzeichenschutz konnten so auf eine gemeinsame Wurzel zurückgeführt werden. Die deutsche Wissenschaft hat diese Grundsätze i n einer Weise aufgegriffen, die charakteristische Unterschiede zur französischen D o k t r i n offenbart 6 1 » 6 2 . Eine erste Besonderheit liegt i n der Begründung des 58 59

So insb. Kohler und Gierke , vgl. oben § 37 zu Anm. 55.

Diese W e r t u n g des formellen Zeichenrechts begegnet erstmals bei Köhler, Markenschutz S. 86 ff. 60 Vgl. oben § 4 I . 61 Vgl. oben § 37 zu A n m . 14 ff. 62 I n der älteren deutschen Praxis sind direkte Einflüsse des französischen Ansatzes i m m e r wieder zu verzeichnen. Stellvertretend seien hier n u r zwei Belege vorgeführt. Über die Vereinbarkeit des Markenschutzes m i t dem Grundsatz freier K o n kurrenz äußerten sich, veranlaßt durch die Anfrage Haddenbrocks, die Behörden des Großherzogtums Berg i m Runderlaß v. 3. I V . 1810 (Scotti , JülichBerg I I I Nr. 3136): „Die Aufhebung der ausschließlichen Privilegien hat keinen anderen Zweck, als den Wetteifer durch Concurrenz rege zu machen; dem Erfindungsgeist ein freyes Feld zu öffnen, u n d jedem Bürger die Früchte seiner Entdeckungen u n d seiner A r b e i t zu sichern; es w a r jedoch nie die Absicht, einem ungeschickten A r b e i t e r freye H a n d zu lassen, sein unvollkommenes Machwerk u n t e r dem Namen v o r t e i l h a f t bekannter Fabrikanten i n den Handel zu bringen; augenblicklich den V o r t h e i l eines Rufes an sich zu reissen, den er nicht hat; das v o n einem anderen rechtmäßig erworbene Z u trauen zu untergraben; sich fremde Vortheile zuzueignen, u n d die Käufer zu hintergehen, indem er ihnen unter einem falschen Scheine eine andere Waare liefert als diejenige, welche sie zu erkaufen gemeint s i n d . . . W e n n gleich diese Bestimmungen (sc. der französischen Dekrete v o n X I u n d 1809) noch keine direkte A n w e n d u n g auf das Großherzogthum haben, so dienen sie doch zum Beweise, daß der Schutz, den die besonderen Fabrikzeichen auf diese Weise genießen, n e b e n d e r F r e i h e i t d e s G e w e r b s b e t r i e b e s allerdings bestehen könne . . . " Hervorh. v. Verf. Als zweites Beispiel sei erwähnt eine von der K ö l n e r F i r m a Farina gegen-

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1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

subjektiven Markenrechts. Man leitete es i n Deutschland nicht aus der Gewerbefreiheit ab, sondern suchte es auf eine davon unabhängige Idee zu gründen, die breit genug war, u m die Grenzen eines an Formalitäten gebundenen Markenrechts zu überwinden. I n dieser Weise verfuhr namentlich Josef Kohler 6 3 , indem er das Markenrecht i m Sinne des Reichsgesetzes von 1874 nur als Unterfall eines umfassenderen Individualrechts verstand, das auch den Schutz anderer auf die Person bezogener Merkmale (wie Name, Wappen, Enseigne, Ausstattung u. a.) zu tragen versprach, zumal wenn diese i m Wirtschaftsleben bedeutsam waren. So konnte es gelingen, einen erheblichen Ausschnitt des Wettbewerbsrechts aus dem Bereich polizeilich-strafrechtlicher Ordnungsnormen herauslösen und i n das Privatrecht zu integrieren. Der Lehre von der concurrence déloyale wurde dabei i m Rahmen der selbständig fundierten subjektiven Rechte eine neue Funktion zugewiesen: sie setzte diesen Rechten immanente Schranken gemäß dem Grundsatz, daß Gewerbefreiheit nicht jede nur mögliche Form der Konkurrenz, sondern nur den Wettbewerb mit lauteren M i t t e l n ermöglichen w i l l 6 4 . Aus diesem Grundzug der Kohlerschen Argumentation erhellt, daß er die Lehre von der concurrence déloyale letztlich nicht i n ein, wenn auch nur vage umschriebenes subjektives Recht ummünzen wollte. Ein solches Verfahren hätte nicht dem Stand der deutschen Rechtslehre entsprochen, welche das actionenrechtliche Denken gerade überwunden hatte und bestrebt war, Ersatz- und Schutzansprüche aus Verletzungen materiellen Rechts abzuleiten 65 . Auch unlautere Wettbewerbshandlungen mußten gegen bestimmbare Rechte oder Rechtsgüter gerichtet sein, u m privatrechtlich schutzfähig zu sein; wo dieser Rückbezug unmöglich war, blieb der Kampf gegen den unlauteren Wettbewerb der Sphäre der wirtschaftspolizeilichen Ordnungsbefugnis des Staates überlassen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Tatsache, daß Kohler zunächst 66 an einer mehr öffentlichrechtlichen Interpretation des Ausstattungsschutzes über dem Jülichsplatz i m Jahre 1855 dem Handelsministerium überreichte Druckschrift; Z S t A I I Rep. 120 D I I 233 (3). D a r i n w i r d betont, m a n sei ein Feind aller Monopole, u n d der freien E n t w i c k l u n g v o n Handel u n d Gewerbe sowie Industrie zugetan; freilich müsse es sich u m eine ehrenwerte K o n k u r renz handeln, denn L u g u n d T r u g w ü r d e n von keinem Ehrenmann gebilligt. e3 Markenschutz S. 90 ff. u. ö. 64 Ebenda S. 98 ff. — Demgegenüber verkündete noch O. Mayer (ZHR 26 S. 434) den Satz: „Das Gebiet des Gewerbebetriebs ist uns ein Gebiet w i r k l i c h e r Freiheit, auf welchem jede einzelne H a n d l u n g nach i h r e m Rechtstitel nicht erst gefragt w i r d . Dem Mitbewerber ist von vorne herein alles erlaubt, was nicht besonders u n d ausdrücklich verboten ist." 65

Markenschutz, bes. S. 77 f., 102; auch Bolle, Entwicklungslinien S. 52 ff. Warenzeichenrecht (1810) S. 174 ff.; anders bereits Osterrieth, Gew. Rechtsschutz (1908) S. 376 f. u n d dann Kohler, Uni. Wettbewerb (1914) S. 133. 66

§ 39. Markenschutz u n d Gewerbefreiheit

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festhielt, i n einem besonderen Licht. Die K r i t i k 6 7 an seiner weitgespannten Theorie des Individualrechts läßt seine Vorsicht bei der Einordnung des Ausstattungsschutzes verständlich werden. Es kommt hinzu, daß i m Warenbezeichnungsgesetz (1894) und i m Wettbewerbsgesetz (1896) Tatbestände ordnungspolitischen Charakters enthalten waren, die schwerlich auf ein Persönlichkeitsrecht gegründet werden konnten. Das Bedürfnis, auch diesen Rechtsschutz aus einem subjektiven Privatrecht zu erklären, blieb freilich bestehen. Es hat später das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 6 8 ebenso erfaßt wie das bürgerliche Deliktsrecht 69 . Dieselbe Entwicklung durchlief die Interpretation des Ausstattungsschutzes: als man das Wesen der i m Markenrecht geschützten Position sachgerechter beurteilen konnte 7 0 , hat man aus dem privatrechtlichen Ansatz die Konsequenz gezogen und auch die Ausstattung als Gegenstand eines subjektiven Privatrechts verstanden 71 . Diese Entwicklung hat dann freilich neue Probleme heraufbeschworen, nicht zuletzt die Frage nach der Rechtfertigung eines lediglich formal begründeten Markenrechts 72 . Die französische Lehre hat diesen Bemühungen das Ziel gewiesen 73 . Von ihrem Vorbild unterscheidet sich die deutsche 67

Einen Überblick bietet Sandreuter, N a t u r S. 16 ff. Über diese Versuche zusammenfassend etwa Baumbach / Hefermehl, U W G Einl. 40ff.; Hubmann, Gewerbl. Rechtsschutz S. 39 f.; Fikentscher, Recht a m Gewerbebetrieb, bes. S. 268 ff. — Aus der älteren L i t . seien genannt: Schuler, Conc. déloyale, bes. S. 42 ff.; Val loton, Conc. déloyale S. 35ff.; Mittler, Illoyale Concurrenz; Mauczka, Rechtsgrund des Schadensersatzes, bes. S. 134 ff.; Lobe, U n i . Wettbewerb I S. 142 ff.; ders., Widerrechtlichkeit; ders., Entwicklung; Muscheidt, Persönlichkeitsschutz S. 10; Bolle, Entwicklungslinien S. 54 ff. 60 So etwa i m Zusammenhang m i t § 823 Abs. I B G B die Lehre v o m „eingerichteten u n d ausgeübten Gewerbebetrieb"; dazu Schippel, Recht. 70 I m wettbewerbsrechtlichen Sinne eines Schutzes der i n einer Warenbezeichnung repräsentierten „Werbekraft" eines Unternehmens. I n diesem Zusammenhange sei auf den i n unserem Jh. durch die moderne Reklamepraxis ausgelösten Streit u m den i n der Werbefunktion begründeten Eigenw e r t eines Warenzeichens hingewiesen; vgl. etwa TJlmer, Warenzeichen; 68

Jsay, Selbständigkeit; Vanzetti, Funktion; Schluep, Markenrecht, bes. S. 67 ff.; Riehle, Markenrecht S. 105 ff.; Beter / Krieger, Bedeutung, Funktion und

Zweck S. 128; Heydt, F u n k t i o n S. 341, 344 u. ö. 71 Bereits Kohler, Wettbewerbsrecht (1913) S. 131 ff.; i m übrigen vgl. den

Überblick bei Wassermann, Meilensteine; Reimers I Heydt, Anm. 1 zu § 25

WZG. 72 Dazu grundlegend Ulmer, Warenzeichen. 73 Das englische u n d anglo-amerikanische Recht w a r zwar nicht unbeachtet geblieben, seit Kohler (1884) auf dessen besondere E n t w i c k l u n g hingewiesen hatte. Eine eigentliche Auseinandersetzung m i t i h m fand v o r 1900 aber n u r ausnahmsweise statt, obgleich das englische Markenrecht, insbesondere i m Bereich der Passing off-Klage, m i t seinem Ansatz i m Gedanken des P u b l i kumsschutzes zahlreiche Parallelen zur älteren deutschen Partikulargesetzgebung, namentlich jener Preußens, aufweist. Diese Verwandtschaft w u r d e v o n der deutschen Wissenschaft u n d Praxis zunächst nicht registriert u n d konnte später infolge der ganz anders strukturierten Grundlagen des eng-

1. Kap.: Warenbezeichnung u n d Gewerbefreiheit

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Entwicklung dadurch, daß sie an der traditionellen Vorstellung von der Gewerbefreiheit als eines von staatlicher Einflußnahme freien Raums, als einer „Negation gesetzlicher Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit" 7 4 festhielt: man hat letztlich nur die Idee eines vom Staat gewährten Schutzrechts durch die These eines vorgegebenen Privatrechts ersetzt. Dies hatte zur Folge, daß die jeweils verletzbaren privaten Rechtsgüter und Rechte i m einzelnen bestimmt und ihre Grenzen durch die Idee der concurrence déloyale gezogen werden mußten. I m Markenschutz sollte dieses Verfahren i n den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts erfolgreich ausgebaut werden und zwar i n zweierlei Hinsicht: Z u m einen hat man — wie schon erwähnt — dem Ausstattungsschutz mehr und mehr ein materielles Markenrecht unterlegt; zum anderen wurde dem förmlich begründeten Zeichenrecht dort eine Schranke gesetzt, wo es die Grenzen des lauteren Wettbewerbs zu überschreiten drohte 7 5 . Anders als i m Markenrecht führte der Versuch einer privatrechtlichen Begründung i m weiteren Bereich des Wettbewerbsrechts ins Uferlose 76 . M i t diesen Andeutungen ist der zeitliche Rahmen unserer Untersuchung schon weit überschritten. Sie erschienen jedoch als zweckmäßig, u m das Gesamtbild einer Entwicklung abzurunden, deren Anfänge i m 19. Jahrhundert w i r i m Folgenden unter den tragenden Gesichtspunkten näher beleuchten wollen. lischen Rechtsdenkens nicht richtig interpretiert werden. Besonders bezeichnend ist das Vorgehen Kohlers, welcher das englische Recht „deutschu n d nicht englisch-rechtlich" betrachtet h a t ; dazu insbesondere Bolle, E n t wicklungslinien, passim bes. S. 30, 83 ff. (das Z i t . S. 89). Z u r späteren A n e r kennung des „ G o o d w i l l " als eines rechtlich geschützten Vermögens auch i m Rahmen der Passing off-Klage vgl. Graf v. Westerholt, Passing off-Klage, S. 65 ff. 74

So Landmann, zit. nach Bolle, a.a.O., S. 31.

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Z u r J u d i k a t u r u m Benutzung, Vorrats- u n d Defensivzeichen, vgl. Wassermann, Meilensteine, passim. 76 Das Scheitern dieser Versuche hat die Grundlage des Wettbewerbsrechts zwischen privatem u n d öffentlichem Recht deutlicher hervortreten lassen: der Ansatz der deutschen Jurisprudenz beim Verletzungstatbestand hat es ermöglicht, auch andere Interessen als jene der Mitbewerber als Rechtsgut des Wettbewerbsrechts zu begreifen u n d auf diese Weise das Interesse der Öffentlichkeit u n d des Kundenschutzes i n die Bewertung m i t einzubeziehen;

vgl. dazu etwa Baumbach / Hefermehl,

UWG Einl. 39 ff., bes. 40 ff.; Hefer-

mehl, Verbraucherschutz i m Wettbewerbsrecht, S. 185; Tilmann, Über das Verhältnis v o n G W B u n d UWG, GRUR 1979, S. 825 - 834, hier bes. S. 826 f. I n neuerer Zeit hat diese „Offenheit" des Wettbewerbsrechts spürbare R ü c k w i r k u n g auf das Markenrecht gezeitigt; öffentliche Interessen werden auch bei der Interpretation des Markenrechts wieder stärker betont; z . B . Diamond, Markenschutz u n d öffentliches Interesse, GRUR I n t . 1981, S. 599 605; zur rechtspolitischen Diskussion vgl. etwa Kraft, Verbraucherschutz i m Markenrecht, GRUR 1980, S. 418 - 420.

2. Kapitel

Der Kreis der schutzberechtigten Markeninhaber § 40. Die Grenzen des „Alten Handwerks" Die vielfältigen Kriterien, nach welchen der Markenschutz i n subjektiver Hinsicht bestimmt war, überlagerten sich zumeist. Versucht man dennoch, das Zusammenspiel der einzelnen Gesichtspunkte aufzulösen, so zeigt sich sehr bald, wie stark die Grenzen der alten Handwerksorganisation auf Regelungen des 19. Jahrhunderts eingewirkt haben. In der Beschränkung des Zeichenschutzes auf bestimmte Gewerbezweige, bestimmte Betrieb sfor men und bestimmte Regionen lebten die Kriterien des „Alten Handwerks