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German Pages 684 Year 2012
Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert
Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert Im Auftrag des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels herausgegeben von der Historischen Kommission
Band 2: Die Weimarer Republik 1918 – 1933
De Gruyter
Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert Die Weimarer Republik 1918 – 1933 Teil 2 Im Auftrag der Historischen Kommission herausgegeben von Ernst Fischer und Stephan Füssel
De Gruyter
Herausgeber: Historische Kommission Ordentliche Mitglieder der Historischen Kommission: Prof. Dr. h.c. mult. Klaus G. Saur, München, Vorsitzender; Prof. Dr. Reinhard Wittmann, Fischbachau, Stellv. Vorsitzender; Prof. Dr. Ernst Fischer, Mainz; Prof. Dr. Stephan Füssel, Mainz; Dr. Roland Jaeger, Hamburg; Prof. Dr. Siegfried Lokatis, Leipzig; Prof. Dr. Wulf D. v. Lucius, Stuttgart; Prof. Dr. Ursula Rautenberg, Erlangen; Thedel v. Wallmoden, Göttingen. Korrespondierende Mitglieder der Historischen Kommission: Prof. Dr. Hans Altenhein, Bickenbach; Dr. Werner Arnold, Wolfenbüttel; Dr. Jan-Pieter Barbian, Duisburg; Prof. Dr. Frédéric Barbier, Paris; Thomas Bez, BietigheimBissingen; Dr. Hans-Erich Bödeker, Göttingen; Dr. Monika Estermann, Berlin; Prof. Dr. Bernhard Fabian, Münster; Dr. Bernhard Fischer, Weimar; Prof. Dr. John L. Flood, Amersham; Prof. Dr. Christine Haug, München; Dr. Stephanie Jacobs, Leipzig; Prof. Dr. Georg Jäger, München; Graham Jefcoate, Nimwegen; Dr. Thomas Keiderling, Leipzig; Dr. Michael Knoche, Weimar; Prof. Dr. Hans-Joachim Koppitz, Mainz; Dr. Mark Lehmstedt, Leipzig; Dr. Christoph Links, Berlin; Prof. Dr. Alberto Martino, Wien; Dr. Helen Müller, Gütersloh; Prof. Dr. Ulrich Ott, Öhningen; Prof. Dr. Dr. h.c. Paul Raabe, Wolfenbüttel; Bernd Rolle, Jena; Prof. Dr. Patrick Rössler, Erfurt; Prof. Dr. Helmut Rötzsch, Leipzig; Prof. Dr. Walter Rüegg, Villette/Lauvaux; Prof. Dr. Wolfgang Schmitz, Köln; Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider, Leipzig; Prof. Dr. Ute Schneider, Mainz; Dr. Volker Titel, Erlangen; Prof. Dr. Peter Vodosek, Stuttgart; Clara Waldrich, München. Redaktion und Satz: Dr. Anke Vogel
ISBN 978-3-598-24809-2 e-ISBN 978-3-11-023237-0 Library of Congress Control Number: 2001449588 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Einbandillustration: George Grosz: Bertolt Brecht vor dem Ullsteinhaus. © Estate of George Grosz, Princeton, N.J. / VG Bild-Kunst, Bonn 2012 © 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Druck: Strauss GmbH, Mörlenbach ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Inhalt 5.2
Verlagswesen / Programmbereiche (Fortsetzung)
5.2.5
Belletristische Verlage (Stephan Füssel)........................................................ 1 Die Kulturverleger in der Weimarer Republik: S. Fischer – Exkurs: Filmnebenrechte am Beispiel von Gerhart Hauptmann – Bemerkungen zur Bücherkrise – Eugen Diederichs Verlag – Insel-Verlag – Die zweite Generation von Kulturverlegern: Gustav Kiepenheuer – Der Verlag »Die Schmiede« – Rowohlt – Historienroman und Tatsachenliteratur – Kurt Wolff Verlag – Drei Masken Verlag – Verlage der Avantgarde: Paul Steegemann Verlag – Malik Verlag – Alternative Marketing- und Vertriebsformen: Knaur Verlag – Vom Vertrieb her gedacht… Wilhelm Goldmann Verlag, Leipzig – Die ideale Vermarktungskette: Der UllsteinVerlag – Exkurs: Propyläen – Gelbe Ullstein Bücher und die BestsellerPolitik – Arcadia Bühnenvertrieb – Preiswerte Literatur in Reihen: Der Reclam-Verlag im Umbruch – Auf dem Weg ins Dritte Reich: Piper-Verlag – Deutsche Verlags-Anstalt – Langewiesche-Brandt – Georg Müller Verlag – Albert Langen Verlag – Carl Hanser Verlag – Die Anfänge des belletristischen Verlags C. Bertelsmann in den 1920er Jahren – Belletristik als Vertriebsmotor bei Bertelsmann
5.2.6
Literarische Zeitschriften und Publikumszeitschriften (Corinna Norrick).......................................................................................... 91 Expressionistische Zeitschriften – Die Weltbühne, Das Tagebuch und Die literarische Welt – Publikums- und Rundschauzeitschriften – Film und Zeitschriften – Populärwissenschaftliche Zeitschriften
5.2.7
Weltanschauungsverlage (Siegfried Lokatis) ............................................ 111 Politische Richtungsverlage in einer zerrissenen Gesellschaft – Linke Verlage in der revolutionären Nachkriegszeit – Der zentrale KPD-Verlag – Illegale Verlagstätigkeit der Komintern – Vertriebsprobleme – Abweichler von der »Linie« – Politische Verlage der rechten Szene – Verlage der bündischen Jugendbewegung: Erich Röth und Erich Matthes – Rhetorik völkischen Marketings – Julius F. Lehmann und die Anfänge eines nationalsozialistischen Verlagswesens – Der Verlagskonzern des DHV
5.2.8
Konfessionelle Verlage (Olaf Blaschke und Wiebke Wiede).................... 139 Konfessionen und konfessionelle Verlage in der ungeliebten Republik – Protestanten in der Defensive – Katholiken nach der Gettozeit – Konfessionalismus und Konfession – Konfessionelle Verlage: Nebeneinander, Gegeneinander und Miteinander – Protestantische Verlage – Theologie im Umbruch: die traditionellen Verlage wissenschaftlicher Theologie – Neue Konkurrenzlage – Katholische Verlage – Der Herderverlag: Dachverlag für viele Positionen – Lagerkämpfe und Positionsverlage – Das Profil des Matthias-Grünewald Verlags im katholischen Verlagsfeld – Jüdische Verlage – Prekäre Existenzen: Jüdische Kleinverlage – Verlage mit organisatorischem Rückhalt
VI 5.2.9
Inh alt Kinder- und Jugendbuchverlage (Helga Karrenbrock) ........................... 183 Statistiken zum Jugendbuchverlag – Titelproduktion, Verhältnis der Ersterscheinungen zu Neuauflagen, Anteil an der Gesamtproduktion – Vergleich mit dem belletristischen Verlag – Die Jugendschriftenbewegung und deren Programmatik – Verwissenschaftlichung der Jugendschriftenfrage: die neue Jungleserpsychologie – Tendenzen der Kinder- und Jugendliteratur: Märchenkinder und Zeitgenossen – Der Jugendbuchverlag zwischen Tradition, Innovation und Moderne – »Altbewährte« Jugendbuchverlage – Herder, Freiburg – Ensslin & Laiblin, Reutlingen – Schaffstein, Köln – Neue Verlagsprofile eingeführter Verlage – Stalling, Oldenburg – Gundert, Stuttgart – Neue Kinder- und Jugendbuchverlage der Weimarer Republik: Franz Schneider – Innovative Neue Kinderund Jugendbuchverlage: Stuffer, Müller und Kiepenheuer, Williams – Proletarische/sozialistische Gegenöffentlichkeit im Jugendbuchverlag: Der Malik Verlag und der Verlag der Jugendinternationale – Die ›Not des Jugendbuchs‹
5.2.10 Der Schulbuchverlag (Julia Kreusch) ........................................................ 219 Entwicklungstendenzen – Bildungspolitik und Schulreform – Das Schulbuchzulassungsverfahren – Schulbuchverlage und Schulbuchproduktion – Beispiele für Programmentwicklung in Schulbuchverlagen – Ausstattungsprobleme – Der Schulbuchmarkt und das Sortiment – Schulbuchmonopol – Lernmittelfreiheit – Teuerungszuschlag und Schlüsselzahl – Verlag und Sortiment – Sortiment und Schule, Auchbuchhandel, Altbuchhandel – Freiexemplare und Ausstattung von Hilfsbüchereien 5.2.11 Sachbuch- und Ratgeberverlage (Brit Voges) ........................................... 241 Das Lesepublikum – Der Julius Springer-Verlag – Die Franckh’sche Verlagshandlung – Ullstein AG – Der Rowohlt Verlag – Sachbücher von links – Der Malik Verlag – Der Langenscheidt Verlag – Das Sachbuch in den Buchgemeinschaften – Kaufhausbuchhandel – Die Schwabachersche Verlagsbuchhandlung 5.3
Verlagsorganisation: Lektorat (Ute Schneider) ........................................ 271 Steigende Bedeutung des Lektors im literarischen Verlag – Aufgabengebiete des Lektors – Anforderungsprofil ›Enzyklopädische Bildung‹ – Kompetenzen und Status des Lektors
6
Der Zwischenbuchhandel
6.1
Der Kommissionsbuchhandel (Thomas Keiderling) ................................. 283 Grundlegende Entwicklungen – Die Geschäftsgeografie des Kommissionsbuchhandels – Leipzig – Stuttgart – Berlin – Vernetzung der Kommissionsplätze: Sammelbezug und Bücherwagendienste – Die weitere Umgestaltung des Leipziger Kommissionsplatzes durch den Verein Leipziger Kommissionäre – Der Konzentrationsprozess – Betriebswirtschaftliche Aspekte: Ausgewählte Bilanzen – Die personale Ebene: Die Unternehmer und leitenden Angestellten – Die Angestellten – Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz: Streikbewegung und Gewerkschaft
Inh alt
VII
6.2
Das Barsortiment (Thomas Keiderling)..................................................... 316 Grundlegende Entwicklungen – Werbung für das Barsortiment: Katalogarbeit und Ausstellungen – Vereinssortimente – Bilanzen und Spezialisierungen ausgewählter Vereinssortimente – Das Schlesische Vereinssortiment in Breslau (gegr. 1879) – Die Münchner Kommissionsbuchhandlung e. GmbH (gegr. 1915) – Die Genossenschaft der Hamburger Buchhändler e. GmbH (gegr. 1919) – Der Grossobuchhandel – Bilanzen und Spezialisierungen des Kommissionshauses deutscher Buchund Zeitschriftenhändler e. GmbH in Leipzig – Interessenvertretungen des Grossobuchhandels
7
Verbreitender Buchhandel
7.1
Der Sortimentsbuchhandel (Ernst Fischer)............................................... 335 Divergierende Interessen: das Verhältnis von Sortiment und Verlag – Die wirtschaftliche Lage im Sortimentsbuchhandel – Der Sortimentsbuchhandel in der Firmenstatistik – Die Erneuerung des buchhändlerischen Berufsethos: Der »Jungbuchhandel« – Die »Bücherstube«: Siegeszug eines neuen Einrichtungstyps – Schaufenstergestaltung – Das neue Werbebewusstsein im Buchhandel – Politischer Buchhandel: Der sozialdemokratische Parteibuchhandel – Der kommunistische Buchhandel – Buchhandlungen im Bereich rechtsextremer Strömungen – Konfessioneller Buchhandel: Der evangelische Buchhandel – Der katholische Buchhandel – Jüdischer Buchhandel – Konkurrierende Distributionswege des Buches: der »Auchbuchhandel« – Vereinsbuchhandel
7.2
Der Antiquariatsbuchhandel (Ernst Fischer)............................................ 413 Die Situation nach Ende des Ersten Weltkriegs – Die Luxussteuer – Auswirkungen der Inflation – Die Einkaufsgenossenschaft Löwen – Organisationsbestrebungen – Das Verhältnis zum Börsenverein – Bemühungen um ein eigenes Organ – Firmenstatistik – Das wissenschaftliche Antiquariat – Das bibliophile Antiquariat – Der Auktionsbuchhandel – Modernes Antiquariat
7.3
Der Reise- und Versandbuchhandel (Christine Haug)............................. 449 Fortschreitende Professionalisierung des Reise- und Versandbuchhandels in den Vorkriegsjahren – Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufe im Versandbuchhandel – Leistungsmerkmale des Postbetriebs und ihre Auswirkungen auf die Werbestrategien im Versandbuchhandel – Die Entwicklung des Reise- und Versandbuchhandels im Ersten Weltkrieg – Die Einführung des Teuerungszuschlags im Reise- und Versandbuchhandel – Der wissenschaftliche Reise- und Versandbuchhandel in den zwanziger Jahren – Die Vereinigung der am Reisebuchhandel interessierten Verleger – Ratgeber und Haushaltsliteratur – Programmschwerpunkte des Versandbuchhandels während der Weltwirtschaftskrise
VIII
Inh alt
7.4
Der Bahnhofs- und Verkehrsbuchhandel (Christine Haug) .................... 465 Die Einführung des Teuerungszuschlags für Zeitungen und Zeitschriften – Pläne zur Sozialisierung des Verkehrsbuchhandels in den Jahren 1918/1919 – Die »Allgemeinen Bedingungen für die Zulassung der Bahnhofsbuchhandlungen« 1922 – Der Verkehrsbuchhandel und seine gewerberechtliche Sonderstellung – Auswirkungen der Ruhrbesetzung 1923/1924 auf den Verkehrsbuchhandel – Die Wiederbelebung des Tourismus und die Kooperation des Verkehrsbuchhandels mit anderen Reiseanbietern – Der Schiffsbuchhandel – Reiselektüre für Schiffsreisende – Der Hotelbuchhandel – Reiselektüre für Hotelgäste – Der Luftschiff- und Flughafenbuchhandel – Reiselektüre für Flugreisende
7.5
Der Warenhausbuchhandel (Christine Haug)........................................... 491 Professionalisierung des Warenhausbuchhandels nach dem Ersten Weltkrieg – Sukzessive Anerkennung der Warenhäuser durch den Börsenverein – Die Einführung des Teuerungszuschlags für Warenhausbuchhändler – Die Buchabteilung im Warenhaus – Verlagsanstalten von Warenhäusern – Die Einheitspreisgeschäfte der Warenhäuser seit den 1930er Jahren – Die Leihbüchereien in den Warenhäusern – Werbemaßnahmen im Warenhaus
7.6
Gewerbliche Leihbüchereien und Lesezirkel (Ernst Fischer).................. 515 Im »alten Geiste«: Das Leihbibliothekswesen in den Zwanzigerjahren – Der Umbruch um 1930 – Wandel in Organisation, Bücherangebot und Funktion: die »neuzeitliche Leihbücherei« – Das Verhältnis zum Volksbildungs- und Volksbüchereiwesen – Organisatorische Bestrebungen – Verhältnis zum Buchhandel – Lesezirkel
7.7
Sonderformen des verbreitenden Buchhandels (Christine Haug) ........... 535 »Fliegender Buchhandel«, Straßen- und Kioskhandel, Schreib- und Papierwarenhandel – Gewerberechtliche Stellung des Straßen- und Kioskhandels – Professionalisierungstendenzen im Straßen- und Kioskhandel – Bezugsquellen und literarische Qualität der Kioskware – Untergrundbahnen und die Ausbildung einer literarischen Subkultur – Gründung von Kioskgesellschaften – Die Pressekonzerne Hermann Stilke und Leopold Ullstein – Die Gründung von Pressevertriebsstellen – Das Geschäft mit den Automaten – Theater- und Kinobuchhandel – Schreibwaren- und Papierhandel, Schulbuchhandel
8
Buchgemeinschaften (Urban van Melis) .................................................... 553 Bedeutung der Buchgemeinschaften – Buchgemeinschaften mit bürgerlichem Lesepublikum – Buchgemeinschaften mit speziellen Zielgruppen – Religiöse Buchgemeinschaften – Konservative und nationalistische Buchgemeinschaften – Linke Arbeiterbuchgemeinschaften – Buchgemeinschaften des Buchhandels – Der traditionelle Buchhandel und die Buchgemeinschaften
Inh alt 9
IX Buchexport und deutscher Auslandsbuchhandel (Ernst Fischer)........... 589 Der Zusammenbruch der deutschen Buchausfuhr im Ersten Weltkrieg – Krisenmanagement: Die »Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel« – Die Auslandsabteilung des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler – Der Verein der Deutschen Antiquariats- und ExportBuchhändler und die Vereinigung Hamburg-Bremer Exportbuchhändler – Auslandsschleuderei und Valutagewinne: Die Bücherausfuhr im Zeichen der Mark-Inflation 1919 – 1923 – Die Außenhandelsnebenstelle für das Buchgewerbe – Die »Verkaufsordnung für Auslandslieferungen« des Börsenvereins – Änderungen in den Bestimmungen der »Verkaufsordnung für den Auslandsbuchhandel« – Zwischen »relativer Stabilisierung« und Weltwirtschaftskrise: Der Buchexport 1924 – 1933 – Zu hohe Bücherpreise? Der Einbruch im Buchexport am Beginn der dreißiger Jahre – Probleme der Rückeroberung und Erschließung von Auslandsmärkten – Enttäuschte Hoffnungen: Auslandsbuchhandel in den Vereinigten Staaten von Amerika – Buchexport und Auslandsbuchhandel in Mittel- und Südamerika – Zur Firmenstruktur des Export- und Auslandsbuchhandels: Das Auslandssortiment – Das Exportsortiment – die Firma Halem in Bremen
Die Autoren des Bandes............................................................................................ 639 Gesamtregister zu den Bänden 2/1 und 2/2............................................................. 641
2
1 Einleitung
Stephan Füssel 5.2.5 Belletristische Verlage Es handelt sich bei dem billigen Buch gar nicht um eine Umgestaltung, sondern um eine Erweiterung des Büchermarktes. Das billige Buch wird, wenn es die große Zukunft bekommt, die mir vorschwebt, das Sortiment auf eine breite und gesunde Basis stellen. Ein neuer großer Käuferkreis kann dem Buchhandel erschlossen werden. Heute ist es das billige Buch; aber morgen kann der Leser dieses Buch schon in die Reihe der verwöhnteren Bücherkäufer einrücken, denn wer einmal Bücher in sein Haus geschafft hat, ist in die Kulturschicht der Bücherkäufer eingetreten.1 Samuel Fischer betonte in seinem grundlegenden Aufsatz Der Verleger und der Büchermarkt die Rolle des Verlegers als die eines Kulturvermittlers – auch für das 20. Jahrhundert. Gleichzeitig akzeptierte er, dass sich das Buch neuen Publikumsschichten öffnete und sich damit von einem exklusiven Gut zu einem Massenprodukt wandelte. Auch die Rezeptionsbedingungen von Literatur änderten sich: Nicht wenige Autoren drängten darauf, ihre Texte vorab in illustrierten Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichen zu können; Titel wurden in preiswerten Buchreihen oder in den aufblühenden Buchgemeinschaften mehrfach verwertet, daneben gewannen die neuen Nebenrechte Hörfunk und Film zunehmend an Bedeutung. Auch literarisch anspruchsvolle Texte erschienen in günstigen Reihen in Massenauflagen. Die Verleger mussten sich auf diesen neuen Markt und auf ein verändertes Rezeptionsverhalten der Leser, die das Buch nur noch als eine von mehreren Unterhaltungsoder Bildungsmöglichkeiten ansahen, einstellen. Neben das klassische Sortiment rückten neue Vertriebsformen einer mobiler werdenden Gesellschaft, die preiswerten Buchreihen fanden vor allem im Bahnhofs- und Warenhausbuchhandel steigenden Absatz. Auf diese Weise sank gleichzeitig die Hemmschwelle bildungsferner Schichten, Bücher zu konsumieren. Die Zeitschriften wurden zu wichtigen Partnern der literarischen Verlage, da in den deutschsprachigen Ländern jedes Jahr etwa 20.000 Zeitschriftenromane publiziert wurden.2 Die führende Verlagsstadt belletristischer Verlage in der Weimarer Republik war mit 7.545 Veröffentlichungen im Jahr (1927) eindeutig Berlin, gefolgt von Leipzig mit 4.569 Titeln und, mit großem Abstand, München mit 1.662 sowie Stuttgart mit 1.602 Titeln.3 Insgesamt setzte die Schöne Literatur ihren im Ersten Weltkrieg begonnenen Siegeszug auch in der Weimarer Republik auf beeindruckende Weise fort.4 Die 15 Jahre der Weimarer Republik waren zu Beginn von dem Versuch der großen Verlegerpersönlichkeiten der Kaiserzeit gekennzeichnet, ihre Erfolgskonzepte unter 1 S. Fischer: Der Verleger und der Büchermarkt. In: [Almanach] Das XXVte Jahr, S. 24 – 33. 2 Vgl. Fischer/Füssel: Signaturen der Epoche in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte, S. 5 – 28. Diese Einleitung enthält bereits zahlreiche Hinweise auf die Veränderung des Buchmarktes im Zeichen der neuen Mediensymbiose; vgl. ebenso grundsätzlich: Füssel: Medienverbund. 3 Wittmann: 100 Jahre Buchkultur, S. 117 – 119, hier S. 119. 4 Vgl. Kastner: Statistik und Topographie des Verlagswesens. Die Weimarer Republik. Teil 1, S. 341 – 378, hier S. 343.
2
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veränderten Rezeptionsbedingungen fortzuschreiben. Der Typus des Kulturverlegers der Kaiserzeit musste sich jedoch bald den veränderten Interessen des Publikums und den wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen, zum Teil durch eine erheblich stärkere Ausrichtung auf zeitgenössische Literatur (Insel-Verlag/Reclam-Verlag). Samuel Fischer war gefordert, sich der Medienkonkurrenz zu Film und Hörfunk und neuen Vertriebsformen zu öffnen, bei Rowohlt rückte neben die deutschsprachigen Autoren Übersetzungsliteratur aus dem Französischen und auch aus dem amerikanischen Englisch. Ferner verstärkte sich die in der Kaiserzeit zunehmend wichtiger gewordene Stellung der Lektoren weiter.5 Innerhalb der einzelnen Verlage kam es – oft durch Generationenwechsel – zu flexibleren Geschäftsmodellen sowie zur Bevorzugung innovativer Autoren und aktueller Themen. Gottfried Bermann Fischer veränderte z. B. das Verlagsprofil seit 1928 behutsam aber stetig, die Erben Nils und Peter Diederichs konsolidierten den Diederichs-Verlag wirtschaftlich, rückten ihn allerdings zugleich weiter nach rechts. Parallel dazu traten die für einzelne Verlegerpersönlichkeiten typischen patriarchalische Entscheidungsstrukturen immer mehr in den Hintergrund, da es die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen häufig notwendig machten, Fremdkapital auf dem Markt aufzunehmen: Die Verlage von Georg Müller und Kiepenheuer wurden 1920 in Aktiengesellschaften umgewandelt, Ullstein und Kurt Wolff 1921, S. Fischer 1922 und Die Schmiede 1924. Insgesamt lässt sich eine zunehmende Tendenz zur vertriebsorientierten Verlagsführung beobachten. Zu den innovativen Kräften gehörte der Th. Knaur-Verlag mit seinen Buchserien für 2,85 Mark, die neue Käuferschichten für den Buchhandel hinzu gewannen und das »Denken in Reihen« professionalisierten. Vergleichbar absatzbezogen agierte Goldmann mit einem klaren Profil von Abenteuerromanen und Krimis und vor allem der Ullstein-Verlag, der eine geschlossene Vermarktungskette vom Zeitungsvorabdruck über gebundene Bücher, die Taschenbuchverwertung und die Verfilmung im eigenen Konzern anbieten konnte. Neben den signifikanten wirtschaftlichen Veränderungen ist das vermehrte Aufkommen völkisch-nationaler Literatur bemerkenswert, die mit unterschiedlichem Gewicht in viele Verlagsprogramme aufgenommen wurde und den ideologischen Wandel vorbereitete. Im Zuge dieser Entwicklung brach der Bertelsmann-Verlag mit seiner fast 100-jährigen Tradition und orientierte sich von einem theologisch geprägten Universalverlag zu einem belletristischen Verlag mit völkischem Schrifttum um, wobei die Konzentration auf den Vertrieb auch hier das Erfolgsgeheimnis war. Im Folgenden werden wichtige belletristische Verlage der Weimarer Republik exemplarisch mit ihrem Programmprofil und ihren marktpolitischen Veränderungen vorgestellt, wobei versucht wird, einerseits die Kontinuität der literarischen Verlage der Kaiserzeit6 zu würdigen und andererseits die wirtschaftlichen und ideologischen Veränderungen der 1920er Jahre und den Übergang zum Buchhandel im Nationalsozialismus aufzuzeigen. Verlage, die bisher nicht im Mittelpunkt verlagshistorischer Untersuchungen standen wie Rowohlt oder Th. Knaur, werden ausführlicher behandelt als andere, 5 Vgl. Schneider: Verlagsorganisation: Lektorat, in diesem Band S. 271 – 281. 6 Vgl. Estermann/Füssel: Literarische Verlage, Kaiserreich, Bd. 1/2 dieser Buchhandelsgeschichte, S. 164 – 299.
5.2 .5 Be lletr istische Verlage
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die bereits mehrfach beschrieben wurden. Einige Verlage veränderten in dieser kurzen Phase von 15 Jahren ihr Profil7 und nahmen neue Programmbereiche auf, so dass es sich empfiehlt, die Kapitel über die Sachbuch-,8 die konfessionellen9 und die Weltanschauungsverlage10 parallel hierzu heranzuziehen.
Die Kulturverleger in der Weimarer Republik S. Fischer Die äußeren Rahmenbedingungen der Nachkriegszeit, die dramatische Inflation bis 1923, die wirtschaftliche Stagnation um 1925 und die Weltwirtschaftskrise 1929 erforderten neben ungewöhnlichen Maßnahmen wirtschaftliches Geschick sowie Feinfühligkeit und Urteilsvermögen bei der Autorenbetreuung. Auch für S. Fischer waren die Jahre 1920 bis 1923 schwierig: die Produktion sank unter die der Vorkriegsjahre, 1920 erschienen dreißig Titel, 1921 fünfundzwanzig, 1922 einunddreißig und 1923 auf dem Höhepunkt der Inflation nur neunzehn Titel. 1919 konnten noch zahlreiche neue Autoren in das Programm aufgenommen werden (u. a. Yvan Goll, Hans Henny Jahnn, Marta Karlweis und Adrien Turel, Walt Whitman und Friderike Maria Winternitz). Nachdem 1920 kein neuer Autor hinzu kam, folgte 1921 bis 1923 jeweils nur einer.11 Der Vertrieb von S. Fischer konzentrierte sich daher auf die Verwertung der vorhandenen Rechte durch die Herausgabe von Gesammelten Werken und den Verkauf in preiswerten, populären Buchreihen. Für einen Verlag mit einer umfangreichen Backlist von Titeln, die traditionsgemäß lange vorgehalten und oft erst nach Jahren verkauft werden konnten, ergab sich in der Inflationszeit das Problem, dass Bücher, die noch mit »gutem« Geld hergestellt worden waren, zu entwerteten Geldkursen verkauft wurden und auf Grund explodierender Satz-, Herstellungs-, Papier-, Druck- und Vertriebskosten nicht mehr kostengünstig nachgedruckt werden konnten. Diese gestiegenen Kosten bedingten, dass für drei verkaufte Exemplare lediglich die Möglichkeit des Nachdrucks von nur einem Exemplar bestand. Ein solches Vorgehen führte selbstverständlich zu großen Problemen bei der Honorierung von Autoren, da oft nicht mehr ausgerechnet werden konnte, welcher Titel zu welchem Tageskurs verkauft worden war. Immerhin zogen diese ungewöhnlichen Zeiten auch ungewöhnliche Maßnahmen nach sich: 1923 verständigten sich die führenden literarischen Verlage (Georg Bondi, Bruno Cassirer, J. G. Cotta, Deutsche VerlagsAnstalt, Eugen Diederichs, S. Fischer, Insel-Verlag, Alfred Kröner, Ernst Rowohlt und Kurt Wolff) auf eine gemeinsame »Richtlinie für die Honorierung schönwissenschaftlicher Bücher«,12 in der sie ihren Autoren die Geldentwertung erläuterten: »Um den Au7 Der Kunstverleger Bruno Cassirer z. B. wandte sich seit 1928 wieder mehr der Literatur zu, vor allem durch seinen rührigen Lektor Max Tau, vgl. dazu Abele: Zur Geschichte des Verlages Bruno Cassirer 1928 – 1932. 8 Vgl. Voges: Sachbuch- und Ratgeberverlage in diesem Band S. 241 – 270. 9 Vgl. Blaschke/Wiede: Konfessionelle Verlage in diesem Band S. 139 – 182. 10 Vgl. Lokatis: Weltanschauungsverlage in diesem Band S. 111 – 138. 11 S. Fischer, Verlag, S. 340 f. 12 DLA Marbach: Rowohlt Archiv; vgl. S. Fischer, Verlag, S. 344 – 346.
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tor nicht unbillig unter der Entwertung seines Honorars leiden zu lassen, ist es erforderlich, in kürzeren Zeiträumen (halbjährlich oder vierteljährlich) mit ihm abzurechnen oder ihm zwischendurch Teilzahlungen nach Maßgabe des erzielten Absatzes zu leisten.« Im weiteren Verlauf führten die Verleger Musterkalkulationen der gegenwärtigen Druckkosten vor und schlussfolgerten: »Angesichts dieser unbestreitbaren Tatsache erscheint es nicht nur als ein Gebot der Billigkeit, sondern auch als ein solches der Selbsterhaltung, dass auch der Autor sich mit einem niedrigeren Anteil, als er vielleicht früher gewohnt war, bescheidet.« Trotz dieses Appells an die wirtschaftliche Notwendigkeit und die faktische Unmöglichkeit einer tagesgenauen geldwert-entsprechenden Abrechnung bestanden die meisten Autoren darauf, an den in finanziell sichereren Zeiten gemachten Verabredungen fest zu halten. In dieser wirtschaftlich bedrängenden Phase fanden lebhafte Diskussionen über Verlagsfusionen und die Umwandlung der Gesellschaftsformen statt. Samuel Fischer überlegte zwei Jahre lang, ob er ggf. mit einem der jüngeren Verleger in einer Aktiengesellschaft zusammenarbeiten sollte. Am 22. Januar 1921 schrieb Fischer an Gerhart Hauptmann, um die Planungen für das Jubiläumsjahr zu dessen 60. Geburtstag 1922 voran zu bringen: Unter dem strengsten Siegel der Verschwiegenheit möchte ich dir anvertrauen, daß eine Kombination besteht, wonach diese Aktiengesellschaft in Gemeinschaft mit dem Verlag Kurt Wolff gegründet wird. Ich glaube, damit mein Werk auch für die Zukunft sowohl kapitalistisch wie verlegerisch so gefestigt zu haben, daß allen kommenden Evolutionen eine feste und zielsichere Verlagspolitik gegenübersteht. Die beiden Verlage sollen miteinander und nebeneinander bei vollkommener Interessengemeinschaft arbeiten, und es soll, wie ich schon erwähnte, eine gemeinsame Vertriebsabteilung errichtet werden, die imstande ist, auf breiter Grundlage auf die weitesten Volkskreise einzuwirken.13 S. Fischer sah durchaus die Konkurrenzsituation zu Kurt Wolff oder zum 1919 wiedergegründeten Rowohlt Verlag, aber auch zu Piper. Er bewunderte u. a. ihre offensive Werbung und ihre neuen Vertriebswege, sodass es ihm plausibel erschien, mit einem von ihnen im Vertrieb zusammenzuarbeiten. Sein langjähriger Lektor Heimann warnte allerdings vor einer zu engen Bindung: Eine Verbindung zwischen diesem Verlag und uns […] erscheint mir günstig und vorteilhaft, wenn sie ganz lose bleibt und nicht etwa zu einer Fusion wird. Die Letztere hielte ich für ein großes Unglück. […] Eine Fusion mit Wolff wäre nur möglich, wenn der eine oder der andere der beiden Kontrahenten sich ganz aufgäbe und resignierte, und so weit sind beide doch wohl nicht. […] Nur die Herstellung einer gewissen praktischen Courtoisie ist möglich und wünschenswert: Annäherung der geschäftlichen modi, kein Abjagen der Autoren, sondern, wo es allen Teilen nütz-
13 Mendelssohn: S. Fischer und sein Verlag, S. 848.
5.2 .5 Be lletr istische Verlage
5
lich ist, Austausch; Preis- und Tantiemenpolitik; von Fall zu Fall gemeinsame Unternehmungen.14 Obwohl diese Pläne von S. Fischer mit der Bitte um strengste Verschwiegenheit an Gerhart Hauptmann weitergegeben worden waren, sprach er Kurt Wolff sogleich darauf an und zeigte unverhohlene Sympathie, von Wolff verlegt zu werden. Wolff teilte Hauptmann allerdings am 25. Mai 1921 mit, dass die Fusion gescheitert sei, aus seiner Sicht »verursacht durch Unentschlossenheit, begründet mit mangelndem Vertrauen« auf der Seite von S. Fischer. Den zweiten Schritt vollzog S. Fischer dann aber 1922: die Gründung einer Aktiengesellschaft. In einem Brief an Arthur Schnitzler vom 25. Dezember 1922 erläuterte er seine damit verbundenen Absichten: Ich habe soeben meinen Verlag in eine Aktiengesellschaft umwandeln müssen, um meinen Verlagsbetrieb leistungsfähig zu erhalten. Die Form der Aktiengesellschaft bietet leichter wie der Privatbetrieb die Möglichkeit einer breiteren finanziellen Basis. Nach innen wird sich damit nichts an dem Verlag und seinen Geschäftsprinzipien ändern, denn selbstverständlich bleibe ich mit allen meinen Mitarbeitern in voller Unabhängigkeit und Verantwortung am Werk.15 Das Aktienkapital von 15 Millionen Mark wurde in 15.000 Inhaberaktien zu je 1.000 Mark aufgeteilt, von denen Samuel Fischer 14.900.000 Mark selbst zeichnete, lediglich 100.000 Mark gingen an die vier weiteren Aktionäre, die Schriftsteller Julius MeierGraefe und Dr. Konrad Maril, den Dozenten Dr. Paul Gerstner und den Buchhändler Otto Roblack, die jeweils 25 Aktien erwarben. Eine Aktiengesellschaft bietet generell die Möglichkeit, relativ leicht Fremdkapital zu akquirieren. Dieses war zwar für den Notfall angedacht, konnte von Samuel Fischer aber über die Inflationszeit hinaus vermieden werden. Wenn es nötig wurde, setzte er weiter privates Kapital für seinen Verlag ein. Einige Autoren waren in diesen Umbruchjahren nicht zu halten, so ging der originellste expressionistische Dramatiker Georg Kaiser 1920 zu Kiepenheuer (vgl. dort), wobei Kiepenheuer allerdings gleichzeitig seine Gesamtschulden von 500.000 Mark [!] übernehmen musste. Sowohl Arnolt Bronnen, Paul Kornfeld und Carl Ludwig Schleich als auch Emil Ludwig, der für die 1920er Jahre einer seiner Erfolgsautoren wurde, wechselten zu Rowohlt.
Exkurs: Die Filmnebenrechte am Beispiel von Gerhart Hauptmann Der Hintergrund des Bucherfolges von Gerhart Hauptmann liegt zu einem großen Teil an der regen Präsentation seiner Dramen im Theater, im neu aufblühenden Hörfunk, im Stummfilm und im Tonfilm der 1920er Jahre. Dabei dominierten interessanterweise Hauptmanns Frühwerke (bis 1906). Als Beispiel können die Inszenierungen des Jubiläumsjahres 1922 mit eigenen Gerhart-Hauptmann-Festspielen herangezogen werden. Es wurden dort die Stücke Einsame Menschen (Uraufführung 1891), Die Weber (1891/92), Kollege Crampton (1892), Der Biberpelz (1893), Hanneles Himmelfahrt 14 Mendelssohn: S. Fischer und sein Verlag, S. 850. 15 Mendelssohn: S. Fischer und sein Verlag, Zitat S. 912.
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(1893), Die versunkene Glocke (1896), Florian Geyer (1896), Fuhrmann Henschel (1898), Schluck und Jau (1899), Rose Bernd (1903) und Elga (1905) aufgeführt. Das einzige später verfasste Stück war Die Ratten aus dem Jahr 1910. Die neueren Stücke von Hauptmann, wie sein Drama Dorothea Angermann (Uraufführung 1926), wurden dagegen von der Kritik verrissen.16 Selbst im Jubiläumsjahr 1932 wurde in erster Linie der frühe Kanon gespielt, zusätzlich allerdings auch die Uraufführung von Vor Sonnenuntergang. Auffällig ist, dass in den 1920er Jahren besonders seine Traumstücke Hanneles Himmelfahrt (auch in der Opernfassung) und Elga eine gesteigerte öffentliche Beachtung erfuhren. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich die Buchverkäufe nicht immer an der Rezeption auf der Bühne orientierten, sondern in der Regel als Einzelausgaben eine erhebliche Nachfrage und vier bis zehn Auflagen im Erscheinungsjahr erreichten.17 Erst die (zu häufigen) Gesamtausgaben ließen sich nicht mehr in vergleichbarem Maß absetzen, die Ausgabe von 10.000 Exemplaren der »ergänzten Jubiläumsausgabe« im Jahr 1925 fand nur 3.300 Käufer, der Rest musste verramscht werden.18 Einen riesigen Erfolg hatte S. Fischer allerdings mit den seit 1926 herausgegebenen Schulausgaben: Die Schulausgabe der Weber erreichte 1932 das 216. Tausend.19 Obwohl Gerhart Hauptmann erst zu seinem 70. Geburtstag 1932 ein Radio geschenkt bekam, das er dann intensiv nutzte und sogar in seinen Tagebüchern kommentierte,20 wusste er frühzeitig die Wirkung von Hörfunk und Film für seine Werke einzuschätzen. Er begrüßte die Verbreitung dramatischer Werke an »Millionen Menschen […], die sie sonst nie zu sehen bekommen haben würden, weil sie nicht Zeit noch Geld genug haben, ins Theater zu gehen oder Bücher zu kaufen und zu lesen«. Er verband damit die Hoffnung, dass dies »sie vielleicht veranlassen würde, sich für die Kunst des ernsten Theaters oder für das Buch zu interessieren«.21 In der Einleitung zu seiner Phantom-Verfilmung äußert sich Hauptmann ausgesprochen euphorisch, indem er die Wirkung des Kinos mit einem »Volksnahrungsmittel« vergleicht, gleichzeitig aber die Produzenten ermahnt, dass damit »die Last höchster Verantwortung [auf ihnen liege]: wenn Volksnahrungsmittel minderwertig, gefälscht oder sonst verdorben sind, so sind ihre Wirkungen im Volke verheerend«.22 Im Hörfunk waren Hauptmanns Texte mit einer Lesung aus Die versunkene Glocke am 30. November 1923 in der Berliner Funk-Stunde gleich in den ersten Monaten zu hören.23 Am 6. August 1924 wurde der erste Gerhart Hauptmann-Abend von der Süddeutschen Rundfunk AG gesendet.24 Für die Zeit der Weimarer Republik weist Schaudig 66 Sendetermine von Rundfunkrezitationen Hauptmanns nach.25 Eines der vollständi16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
Mendelssohn: S. Fischer, S. 1074. Mendelssohn: S. Fischer, S. 549. Mendelssohn: S. Fischer, S. 1016. Mendelssohn: S. Fischer, S. 1017. Sprengel: »Das ungeheure Wunder des Radio«, S. 61 – 74. Hauptmann: Bühne und Film. In: Ders.: Sämtliche Werke. Bd. XI, S. 926 – 928. Hauptmann: Über das Kino. In: Ders.: Sämtliche Werke. Bd. IX, S. 975. Leppmann: Gerhart Hauptmann, S. 348. Schaudig: Des Meisters Werk und Stimme, S. 31. Schaudig: Des Meisters Werk und Stimme, S. 50 f.
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gen Werke, die besonders gut im Rundfunk angenommen wurden, war u. a. seine Traumdichtung Hanneles Himmelfahrt, die fünfmal in unterschiedlichen Sendern bearbeitet und ausgestrahlt wurde.26 Ebenso erfolgreich war Hauptmanns dramatische Version Elga der Grillparzer-Novelle Das Kloster von Sendomir. Eine besonders interessante Symbiose zwischen Bühnenaufführung und Hörfunkversion brachte Der arme Heinrich: Zum Auftakt einer neuen Sendereihe mit dem Titel Berliner Theater wurde das Drama in der Bühneninszenierung des Deutschen Volkstheaters gesendet. Eine Veränderung der Bühnenproduktion brachte das Hörspiel-Neuarrangement Mutter Wolffen, bei dem es sich um eine Synthese der Hauptmann’schen Komödien Der Biberpelz und Der rote Hahn handelte, das im Juli 1930 von Alfred Braun produziert und in den Sendeanstalten von Berlin, Magdeburg und Stettin ausgestrahlt wurde. In der Rundfunkgeschichte gilt dieses Stück als eine der besten Bearbeitungen für den Rundfunk in dieser frühen Zeit und eine der besten Sprechregieleistungen des Regisseurs.27 Darüber hinaus verfasste Hauptmann zwei Rundfunkessays, die eigens für dieses neue Medium geschrieben wurden, die Rede Von den Möglichkeiten des Theaters, die am 9. Oktober 1930 in der Berliner Funk-Stunde gesendet wurde,28 und seine Rede Über Deutschland, die sowohl in der Berliner Funk-Stunde als auch in der Mitteldeutschen Sendegruppe am 25. Juni 1931 zu hören war.29 Hauptmanns Roman Atlantis (1912) war bereits 1913 verfilmt worden, von 1919 bis 1922 folgten sechs weitere Werke, wobei ihm Rose Bernd (1919) und Die Ratten (1921) mit 40.000 bzw. 100.000 Mark (trotz der beginnenden Inflationszeit) ein phänomenales Honorar einbrachten.30 Der Verlag wickelte diese Nebenrechte für seine Autoren ab, ohne selbst eine Provision für sich einzubehalten. So vermittelte S. Fischer beispielsweise die Verfilmung von Hauptmanns Die Weber 1926 an den Regisseur Friedrich Zelnik.31 Bei der Verfilmung von Der Biberpelz (1928) gelang der Schauspielerin Lucie Höflich der Brückenschlag zwischen Theater-, Film- und Hörspielfassung, da sie bereits 1925 an der Theaterinszenierung von Edgar Licho und dann an der Verfilmung 1928 beteiligt war und schließlich 1930 beim »Sendespiel« mitwirkte.32 Nach dem Roman Atlantis wurde auch der Roman Phantom bereits im Erscheinungsjahr 1922 verfilmt. Hauptmann schrieb nicht nur ein Geleitwort für das Programmheft, sondern trat auch selbst im Vorspann des Films auf. Damit nutzte der Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau im Jahr von Hauptmanns 60. Geburtstag die Popularität des Autors für die Literaturverfilmung.
26 Schaudig: Des Meisters Werk und Stimme, S. 50, Tabelle 2. 27 Schaudig: Des Meisters Werk und Stimme, S. 53. 28 Hauptmann: Von den Möglichkeiten des Theaters. In: ders.: Sämtliche Werke, Bd. VI, S. 812 – 815. 29 Hauptmann: Sursumcorda! In: Ders.: Sämtliche Werke, Bd. VI, S. 820 – 826. 30 Schaudig: Des Meisters Werk und Stimme, S. 17. 31 Mendelssohn: S. Fischer Verlag, S. 1044 f. 32 Leppmann: Hauptmann, S. 347.
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Bemerkungen zur Bücherkrise Bei Samuel Fischers Bemerkungen zur Bücherkrise 1926 in seinem Almanach Das 40. Jahr spielen die wirtschaftlichen Belastungen der Jahre 1919 bis 1924 und der schwierige Umgang mit einigen seiner Stammautoren eine erhebliche Rolle. In seinen Ausführungen schwingt neben guter Marktkenntnis auch ein Stück Kulturpessimismus des alternden Verlegers mit, da er die tiefer sitzenden Symptome hinter der allgemeinen Wirtschaftskrise hervorhebt: Eine umso größere Bedeutung kommt der Bücherkrise als Barometer für unseren kulturellen Lebensstand zu. Da ist es nun sehr bezeichnend, dass das Buch augenblicklich zu den entbehrlichsten Gegenständen des täglichen Lebens gehört. Man treibt Sport, man tanzt, man verbringt die Abendstunden am Radioapparat, im Kino, man ist neben der Berufsarbeit vollkommen in Anspruch genommen und findet keine Zeit, ein Buch zu lesen. […] Der verlorene Krieg und die amerikanische Welle haben unsere Lebensauffassung umgeformt, unseren Geschmack verändert. Unsere bürgerliche Welt, die sehr schnell geneigt ist, sich jeder zur Mode gewordenen Lebensform anzupassen, kann sich nicht genug tun in der Abkehr von alter bürgerlicher Tradition. Und so sind wir Zeuge einer Verflachung und Veräußerlichung des geistigen und seelischen Lebens, das im Begriff ist, zu einer bedenklichen Bedürfnislosigkeit herabzusinken. Bleibt dieser Zustand eine Weile bestehen, so führt er zu einer Verrohung des Geschmackes, zu einem Versiegen der geistigen und moralischen Kräfte unseres Landes.33 Aufgrund dieser eher pessimistischen Diagnose äußert er sich über den wahren Charakter der Literatur: »Das neue Buch – es ist hier nur vom künstlerischen Werk die Rede – ist ein Ereignis. Der Öffentlichkeit müsste das ganze Gewicht eines solchen Ereignisses zum Bewusstsein gebracht werden.« Darüber hinaus fordert er, dass die Feuilletons in viel stärkerem Maße als in der Gegenwart die Rolle und Bedeutung der Literatur hervorheben müssten. Er wendet sich gegen die vordergründige Aktualität, die von Literatur neuerdings gefordert würde: Für den Dichter gibt es keine »Aktualität«. Jeder Stoff, den er lebendig machen kann, trägt seine Aktualität, sein Zeitgefühl, seine Gegenwärtigkeit in sich. […] Ein Roman ist nicht deshalb aktuell, weil darin Auto und Flugapparat eine Rolle spielen, entscheidend dafür bleibt, ob das Zeitgefühl in alle Poren des Werkes eingedrungen ist. Probleme können veralten, durch die Entwicklung überholt, also unmodern werden, menschliche Schicksale bleiben die gleichen, und so kann eine Novelle von Kleist im Kostüm oder in sozialer Anschauung an eine bestimmte Zeit historisch gebunden sein, nicht aber in Hinsicht auf das menschliche Erlebnis, das durch die Lebendigkeit der Darstellung unsere Teilnahme unvermindert hervorruft.
33 S. Fischer: Bemerkungen zur Bücherkrise. In: Das 40. Jahr, S. 83.
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Seine Bemerkungen schließen mit einem verhaltenen Optimismus: Neben der Generation, deren Werke im In- und Auslande zu starker Wirkung gekommen sind, reift eine Schar junger und jüngster Talente heran. Die Aussicht besteht, dass die Kontinuität des Schaffens trotz der Lücke, die der Krieg gerissen hat, nicht unterbrochen wird. […] Der deutsche Leser, der hingebungsvollste Leser, braucht das Buch, das gute Buch, das ihm das Wort des Dichters vermittelt, ihn mit des Dichters Phantasie und Gefühlswelt durchdringt, an seiner Seele rührt.34 Bei dieser Gemütslage des Altverlegers Samuel Fischer war es sicherlich wichtig, dass im Jahr 1926 nicht nur ein verzagter Blick zurück geworfen wurde, sondern dass – nach Einschätzung seines Lektors Oskar Loerke – »im Hause ein erfreulich frischer Luftzug«35 zu spüren war: Im Herbst 1925 war der Chirurg Gottfried Bermann (1897 – 1995), der im Februar 1926 die Tochter Brigitte Fischer heiratete, in die Verlagsleitung eingetreten. Bis er 1928 offiziell zum Geschäftsführer bestellt wurde, hatte er bereits durch diverse innovative Entscheidungen für den »frischen Wind« gesorgt, von dem Loerke sprach. Er eröffnete dem Verlag zahlreiche Kontakte zu neuen Autoren, unter ihnen Klaus und Erika Mann, Siegfried Kracauer, René Schickele und Manfred Hausmann. Daneben verstärkte er den Sachbuchbereich und richtete ein Fremdsprachenlektorat ein. Bereits 1926 erschienen die ersten vier Bände des englischsprachigen Erzählers Joseph Conrad, der in Deutschland bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt war. Noch im selben Jahr begann S. Fischer in bewährter Tradition eine Gesamtausgabe seiner Werke zu veröffentlichen, nachdem zuvor einzelne Bände bei Albert Langen in München oder bei Rütten & Loening in Frankfurt erschienen waren. Bermann Fischer erwarb die Rechte von diesen Verlagen und bemühte sich um weitere neue Übersetzungsrechte. Daneben wurden bereits bestehende Beziehungen zu ausländischen Autoren weiter gepflegt: von George Bernard Shaw, der schon seit 1903 Autor bei Fischer war, erschien 1924 die Heilige Johanna, die sein größter Erfolg wurde; seit 1923 publizierte S. Fischer außerdem die Werke des Dramatikers Eugene O’Neill Kaiser Jones (1923), Der haarige Affe (1924) und Unterm karibischen Mond (1924).36 Aber auch moderne französische Literatur erschien auf Anregung von Gottfried Bermann Fischer, u. a. die Erzählung Die Kumpane von Jules Romain und 1932 sein Roman Jemand stirbt. Jean Giono machte den deutschen Leser mit dem modernen französischen Roman vertraut, auf Ernte folgten der Kriegsroman Die große Herde sowie Der Berg der Stummen, Einsamkeit des Mitleids und sein autobiografischer Roman Der Träumer. Antoine de Saint-Exupéry wurde vor allen Dingen mit seinem Roman Nachtflug (1932) populär. Direkt auf Bermanns Vermittlung ging die Herausgabe einer schon seit Jahren geplanten S. Fischer Schulausgabe moderner Autoren zurück, die gleich in seinem ersten Jahr im Verlag realisiert wurde und die eine neue Zusatzverwertung bereits erfolgreicher Autoren mit sich brachte.
34 In: [S. Fischer Almanach] Das 40. Jahr, S. 85. 35 So Oskar Loerke in seinem Tagebuch zum 4. Juni 1926 nach einem literarischen Abend mit Gottfried Bermann Fischer und Alfred Döblin. Zitiert nach S. Fischer, Verlag, S. 361. 36 Stach: 100 Jahre S. Fischer Verlag, S. 99.
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Zwei weitere Entscheidungen kennzeichnen paradigmatisch den »neuen Wind«: die Sonderausgabe der Buddenbrooks für 2,85 Mark und die Annahme von Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz. Seit 1902 waren Thomas Manns Buddenbrooks in zahlreichen Ausgaben bei S. Fischer erhältlich, durchschnittlich 6.000 Exemplare wurden im Jahr verkauft. Der Verlag Th. Knaur, bekannt geAbb. 1: Auslieferungsanzeige für die Sonderausgabe der »Buddenbrooks«. In: Börsenblatt 96 worden für seine Romane der Welt zum Preis von 2,85 Mark wollte sei(1929) 300 vom 30. Dezember. nen Herausgeber Thomas Mann dafür gewinnen, seine schon klassisch gewordene Familiengeschichte ebenfalls zu diesem Sonderpreis herauszugeben. Droemer bot Thomas Mann ein Honorar von 100.000 Mark für eine Million verkaufte Exemplare an. Thomas Mann wollte das Angebot – unter anderem aus finanziellen Gründen – nicht ablehnen und bat S. Fischer um Zustimmung zu diesem Projekt. Während Samuel Fischer von den Massenauflagen generell nichts hielt, hatte Bermann Fischer Kalkulationen in Auftrag gegeben, um die Frage beantworten zu können, ob man eine solche Sonderausgabe für 2,85 Mark selbst realisieren könnte. Diese Debatten führten wohl zu den schärfsten Auseinandersetzungen, die S. Fischer und sein Schwiegersohn je in einer verlegerischen Angelegenheit führten.37 Samuel Fischer fürchtete, dass ein solcher Dumpingpreis den »Handel in seinen Grundlagen erschüttern müsse«.38 Nur äußerst widerwillig gab er seinem Schwiegersohn die Zustimmung zu einer Sonderausgabe von 150.000 Exemplaren, die am 7. November 1929 erschien und durch die Vorbestellungen bereits am Erscheinungstag ausverkauft war. Als am 12. November die Nachricht eintraf, dass Thomas Mann den Literaturnobelpreis erhalten werde, erhöhte sich die Nachfrage sprunghaft, sodass bis zum Jahresende 900.000 Exemplare vertrieben werden konnten. 1932 wurde die letzte Auflage dieser Ausgabe mit insgesamt 1.165.000 Exemplaren verkauft. Thomas Mann unterstützte die Entscheidung des Verlages, […] weil solche Massenauflagen nur in Ausnahmefällen erreicht werden können und dieser Sonderfall deshalb die normale Preisbindung anderer Verlagswerke nicht zu erschüttern vermag […], und weil erfahrungsgemäß mit dem Preis von 2,85 Mark die zahlenmäßig größte Käuferschicht erfasst wird. Und weil dieses in Massen verkäufliche Werk dem Sortiment nicht nur auf Jahre hinaus Verdienstmöglichkeiten bieten, sondern auch durch seine Werbekraft neue Käuferschichten erschließen soll.39
37 S. Fischer, Verlag, S. 368. 38 Mendelssohn: S. Fischer und sein Verlag, S. 1183. 39 Börsenblatt 96 (1929) 235, doppelseitige Anzeige: »Ein Sonderfall im Deutschen Buchhandel«.
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Gottfried Bermann Fischer äußerte sich in den nachfolgenden Jahren mehrfach ausgesprochen positiv über die »billigen Sonderausgaben moderner Autoren«. Bei einem Vortrag vor dem Schutzverband Deutscher Schriftsteller am 8. Oktober 1930 führte er aus: Ich halte es für überflüssig, vor Ihnen den ethischen und kulturellen Wert der billigen Ausgaben zu erörtern. Es ist eine allzu beliebte Methode, Notwendigkeiten, die die Wirtschaft und die soziale Lage erfordern, nach außen hin mit dem Kulturgewand zu behängen und unter dem Signum ›kulturelle Fragen‹ zu beantworten oder zu bekämpfen. Wir halten das moderne billige Buch in der Form, in der wir es herausbringen, für eine wirtschaftliche und soziale Notwendigkeit, die gefordert wird einerseits durch die stark herabgeminderte Kaufkraft weiter Volkskreise, andererseits durch das starke und immer mehr wachsende Interesse gerade minderbemittelter Schichten am modernen Buch.40
Abb. 2: Verlagsprospekt für die Fischer-Sonderausgaben vom April 1932. Ex: Marbach: S. Fischer, Verlagsarchiv.
Er schloss mit dem zum geflügelten Wort gewordenen Satz, der regelmäßig zur Charakterisierung der Umbruchsituation des Verlagswesens in den 1920er Jahre Verwendung findet: »Neben dem speziell Verlegerischen liegt in dem Organisatorischen und Vertriebsmäßigen eine der wichtigsten Aufgaben des modernen Verlegers.« An die Erfolge des Th. Knaur Verlages mit den Büchern zu 2,85 Mark anknüpfend, bot S. Fischer anschließend die Werke von Alfred Döblin, Gerhart Hauptmann, Hermann Hesse, Johannes V. Jensen, Bernhard Kellermann, Arthur Schnitzler und Jakob Wassermann zum ebenso günstigen Preis an. Mit Unterstützung des Lektors Oskar Loerke konnte Gottfried Bermann Fischer sich gegenüber seinem Schwiegervater durchsetzen und Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz publizieren. Bermann Fischer gewann auf diese Art einen der wichtigsten Großstadtromane für den Verlag. Diese Symphonie der Großstadt mit sehr harten erzählerischen Schnitten, die der Filmtechnik entlehnt waren und die einen Eindruck von dem rasanten Leben Berlins in den 20er Jahren vermittelten, hatte eine eigene neue literarische Qualität, die u. a. an John Dos Passos’ Manhattan Transfer im eigenen Verlag anschloss. In kongenialer Weise erhielt der 1929 erschienene Roman einen Schutzumschlag mit einer Collage von Georg Salter, die die erzählerische Collagetechnik bereits außen sichtbar machte (vgl. Abb. 3). Innerhalb von nur zwei Monaten wurden 20.000 Exemplare verkauft – und dies parallel zu der Massenauflage der Buddenbrooks. Bis Dezember 1932 konnten 50.000 Exemplare vertrieben werden. Ebenfalls im Bereich der Großauflagen reüssierten die 40 DLA Marbach: S. Fischer Verlagsarchiv. Zitiert nach S. Fischer, Verlag, S. 371 f.
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S. Fischers Schulausgaben von Dichtern unserer Zeit, in denen zwischen 1926 und 1933 Hermann Hesse, Thomas Mann, Manfred Hausmann, Jakob Wassermann und Gerhart Hauptmann publiziert wurden. Im Rekordjahr 1929/30 mit Thomas Manns Buddenbrooks-Sonderausgabe und Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz wurden 3,86 Millionen Mark umgesetzt, 1933/34 waren es dann nur noch 833.000 Mark.41 Vertreter der nationalsozialistischen Literaturpolitik verargten es Samuel Fischer, dass er der führende Verlag zeitgenössischer deutscher Dichtung war. Auf der ersten amtlichen schwarzen Liste standen u. a. Alfred Döblin und Alfred Kerr, Klaus Mann, Arthur Schnitzler und Jakob Wassermann. Der Verlag blieb aber auch nach dem 30. Januar 1933 in Berlin und konnte 1933/34 u. a. die ersten beiden Bände von Thomas Manns Joseph-Roman publizieren. Samuel Fischer verstarb am 15. Oktober 1934 Abb. 3: Georg Salter: Schutzumschlag als Bild- kurz vor seinem 75. Geburtstag. Thound Textcollage für Alfred Döblins Roman mas Mann veröffentlichte am 28. Ok»Berlin Alexanderplatz«, Oktober 1929. tober in den Basler Nachrichten einen Nachruf In Memoriam S. Fischer mit dem Wunsch: »Mögen die Erben Deines Werkes es mit Klugheit und ohne schimpfliche Nachgiebigkeit hinüber retten in Zeiten, die von großen humanen Ideen wieder etwas verstehen werden.«42
Eugen Diederichs Verlag Eugen Diederichs wurde auch von den Zeitgenossen als »Kulturverleger« gefeiert, der versuche, alle Erscheinungsformen des Lebens zu thematisieren. Er wollte mit seinem Verlag nach eigenem Bekunden einen »Versammlungsort moderner Geister« schaffen.43 Solche schillernden Bezeichnungen verdecken jedoch nur das Fehlen eines klaren Verlagsprofils, das sich häufig in Einzelthemen verlor. Irmgard Heidler, die überaus akribisch alle zur Verfügung stehenden persönlichen, wirtschaftlichen, buchkünstlerischen
41 Deutscher Reichsanzeiger vom 5. Januar 1934: Bilanz der S. Fischer Verlag Aktiengesellschaft. 42 Zitiert nach Mendelssohn: S. Fischer, S. 1312. 43 Hübinger: Versammlungsort moderner Geister, S. 509.
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und literarischen Quellen des Verlages ausgewertet hat,44 resümiert daher die Verlagsgeschichte Diederichs für den Zeitraum der Weimarer Republik: Die Anpassung an die Zeitläufe gelang dem Kulturverlag nur teilweise. Schien es Anfang der 20er Jahre, als wäre die Synthese einschließlich des literarischen Verlags möglich, war zu Ende des Jahrzehnts die programmatische Zersplitterung unübersehbar und führte zu Versuchen von Neuansätzen in Literatur oder Soziologie. Der Begriff der Kultur wurde allmählich durch den des Volkstums, später der Volksgemeinschaft, überlagert, was der Verlagstendenz einen neuen Zug von Irrationalismus eintrug.45 In den Verlagskatalogen der 1920er Jahre werden die Bücher nach folgenden Sachkategorien angeboten, die die Bandbreite der Interessen aufzeigen: í Schriften der Antike (Aristoteles, Platon, Plotin) í die deutsche Mystik (Meister Eckehart) í die italienische Renaissance (Machiavelli) í die deutsche Klassik (Goethe) und Romantik (u. a. Friedrich Hölderlin, Friedrich von Schlegel, Friedrich Schleiermacher, Bettina von Arnim) í Bücher zu Friedrich Nietzsche í Einzeltitel kulturtheoretischer oder lebensphilosophischer Ausrichtung.
»Werke der Weltliteratur als Bezugspunkte für die deutsche Kultur« Strukturbildend für den Verlag wirkten die zahlreichen Reihen, so z. B. Das Zeitalter der Renaissance oder die von dem Germanisten Richard Benz herausgegebene Reihe Die deutschen Volksbücher oder Die Märchen der Weltliteratur oder Die religiösen Stimmen der Völker (1912 – 1925), Atlantis. Volksmärchen und Volksdichtungen Afrikas (1921 – 1927), Zeitwende. Schriften zum Aufbau neuer Erziehung (1921 – 1929) und vor allen Dingen die Deutsche Volkheit (1925 – 1935) in 79 Bänden. Diederichs’ volkspädagogische Absicht mit der Reihe Deutsche Volkheit wurde schon im Verlagsprospekt deutlich, der plakativ die Überschrift trägt: »Was der Verleger dem Publikum zu sagen hat!« Er hoffte, damit die sogenannte Bücherkrise im wirtschaftlichen und im inhaltlichen Sinne überwinden und eine große Anzahl von kulturhistorisch interessierten Lesern zurückgewinnen zu können. Er plante zehn Bände im Jahr, die in hohen Auflagen von 10.000 Exemplaren und zum günstigen Preis von 2 Mark angeboten werden sollten. Damit bewegte er sich zwar im unteren Preissegment, wurde aber von der Insel-Bücherei mit 90 Pf. pro Band noch deutlich unterboten. Auch waren die Themen, die in der Reihe angesprochen wurden, wie meist in seinem Verlag, viel zu bunt. Neben zahlreichen vorbildlichen Lebensgeschichten (Das Leben von Albrecht Dürer; Turnvater Jahn; Das Leben der heiligen Elisabeth; Königin Luise) standen Sagen und Legenden (Rübezahl; Marienlegenden), historische Milieustudien (Altgermanisches Frauenleben) oder historische Topographien (Sanssouci und 44 Heidler: Der Verleger Eugen Diederichs und seine Welt. 45 Heidler: Der Verleger Eugen Diederichs und seine Welt, S. 877.
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Friedrich der Große). Die Absatzzahlen betrugen 1925 lediglich 2.200 bis 3.600 Exemplare, 1926 nur noch 1.500 bis 2.600 Exemplare, 1928 schließlich 1.500 Exemplare, sodass eine Deckungsauflage nur in den seltensten Fällen erreicht werden konnte. Trotz seiner Produktwerbung im großen Stil, ganzseitigen Börsenblattanzeigen, sehr guten, auch typografisch ansprechend gestalteten Prospekten und guter Ausstattung der Bücher war der zahlenmäßige Erfolg der 1910er Jahre in den 1920ern nicht mehr zu erreichen. Seine historischen Bücher stießen auf wenig Interesse im Publikum und Neuausgaben ließen sich kaum noch realisieren.46 Zu den erfolgreichsten Titeln gehörten seine frühen Autoren, Carl Spitteler, Hermann Löns, Alfons Paquet und Karl Lieblich. Umsatzbringer waren daneben die Tierbücher des dänischen Autors Svend Fleuron (1874 – 1966), der sich als vermögender Gutsbesitzer vor allem der Naturbeobachtung und der Tierschriftstellerei widmete, in die er allgemeine Betrachtungen zur Welt und zum Leben einflocht. Sein erster Titel Ein Winter im Jägerhofe (deutsch 1912) wurde bis in die 1920er Jahre immer wieder neu aufgelegt, 1919 erschien Strix. Geschichte eines Uhus, 1922 Die rote Koppel und Schnipp Fidelius Adelzahn. Ein Dackelroman (Erstauflage 10.000 Exemplare), 1925 Die Schwäne vom Wildsee (Erstauflage 10.500 Exemplare), Die Färse vom Odinhof (6.600 Exemplare) und Flax Ädilius – das bunte Leben eines Schäferhundes 1929 (11.000 Exemplare). Fleuron wurde in Rezensionen häufig wegen seiner Naturschilderungen als »dänischer Löns«47 bezeichnet. Die verlegerische Arbeit von Eugen Diederichs in den 1920er Jahren war durch drei sehr unterschiedliche Faktoren bestimmt: Einmal seine zahlreichen psychischen und physischen Gesundheitsprobleme, dann die speziellen wirtschaftlichen Probleme der Inflationszeit und der Weltwirtschaftskrise und schließlich drittens durch seine alternativen Reformbewegungen der »Lauensteiner Buchhandelstagungen« und den Bemühungen um den »Jungbuchhandel«, die ihn erhebliche Kraft kosteten. Wie auch andere Verleger ging er 1919 mit einigem Pessimismus über die künftige politische und gesellschaftliche Entwicklung an den Wiederaufbau: am Ende des Jahres 1920 litt er nach einem schwierigen Geschäftsjahr an einer chronischen Erschöpfung. Dem folgten in den nächsten Jahren depressive Phasen im Sommer, zahlreiche Kuraufenthalte, aber auch schwere Erkrankungen und Operationen zwischen Lungenembolie und Verdacht auf Zungenkrebs, chronischem Rheuma und ständigen Erkältungen und Erschöpfungszuständen. Gerade seine letzten Lebensjahre 1929 und 1930 wurden von seinen gesundheitlichen Problemen dominiert.48 Dass er mit diesen Belastungen den eigenen Verlag noch führen, am gesellschaftlichen Leben mit Vorträgen, Tagungen, engagierten Artikeln etc. noch teilnehmen und zumindest im theoretischen Felde zu einem führenden Buchhandelsreformer werden konnte, brachte ihm in der Branche einige Anerkennung. Er war getrieben von seiner grundsätzlichen missionarischen Einstellung von der Aufgabe des Verlegers: »Das Buch ist nicht des Verlegers und nicht des Sortimenters wegen da, sondern damit der Geist des Verfassers auf möglichst gute und billige Weise seinen Weg zum Volke finde.
46 Heidler: Eugen Diederichs, S. 192 – 194. 47 Börsenblatt 86 (1919) 242, S. 11378. 48 Vgl. Heidler: Eugen Diederichs, S. 109 – 117.
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Alle zukünftigen Organisationsfragen lassen sich nur unter dem Gesichtspunkt lösen: Wie weit wird der Buchhandel seiner Aufgabe als Volkserzieher gerecht?«49 Mit seiner zugespitzten Formulierung »der Buchhandel schläft« lud er seit 1922 zu Gesprächsgruppen im kleinen Kreis in die Idylle nach Lauenstein ein und beschäftigte sich dort mit Reorganisationsfragen des Börsenvereins nach dem Modell eines Industriekonzerns, er regte einheitliche Reklame für das Buch an, was mit zur Gründung des Werbeausschusses des Börsenvereins führte, er kritisierte als Verleger die Majorisierung des Börsenvereins durch das Sortiment. Auf dem Höhepunkt der Inflation diskutierte Diederichs die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Verleger mit praktischen Ratschlägen zur Bewältigung auch von Währungskrisen, er empfahl Diskussionsrunden über Führungskonzepte innerhalb einer Firma, und immer wieder über Grundthemen der Berufsethik des Buchhandels, 1925 z. B. mit einer 4. Lauensteiner Tagung zum Thema: »Die Bildungs- und Kulturmöglichkeiten des deutschen Volkes von der Gegenwart aus gesehen«.50 Derartige populäre und weit über die Branche hinaus reichende Aktivitäten brachten ihm verschiedene Anerkennungen ein, u. a. die Verleihung eines Ehrendoktortitels der Universität Köln: »[…] weil er unermüdlich und freudig für das deutsche Buch gearbeitet hat, in der festen Überzeugung, daß unser deutsches Buch der beste Bürge deutscher Bildung und Gesittung sein und bleiben müsse.«51 Mit Blick auf die eigenen Finanzen polemisierte er gegen die »trustmäßig« hochgehaltenen Preise der Papierfabrikanten, nachdem die Papierpreise innerhalb von sechs Wochen 1920 um das Vierfache gestiegen waren.52 Ihm machte natürlich, wie allen Verlagen, die Geldentwertung zu schaffen, da sich das investierte Kapital erst nach einigen Jahren wieder hereinholen ließ. Ebenso wie S. Fischer beanstandete Diederichs öffentlich, dass sich der Nachdruck von Büchern bei der galoppierender Entwertung kaum noch rechne, da die Herstellung etwa das 2.000-fache des Vorkriegspreises betrage, die Preise für Bücher aber nur das 600-fache.53 Mitte der 1920er Jahre wandte er sich nachdrücklich gegen eine Verschleuderung von Büchern und plädierte für einen Durchschnittspreis von 8 Mark. »Volksausgaben« für 5 oder 6 Mark seien erst ab einer Auflagenhöhe von 10.000 Exemplaren möglich (wie z. B. bei Hermann Löns’ Wehrwolf, 292. bis 341. Tsd. 1925). 1925 kam es noch einmal zu einer Blütezeit der Produktion: es wurden 65 neue Bücher gedruckt und 75 Auflagen nachgedruckt, aber schon ab 1926 gingen die Auflagen der bisher umsatzstärksten Autoren, Wilhelm Bölsche, Charles de Coster, Svend Fleuron oder Ricarda Huch, deutlich zurück. Eine neue Gesamtausgabe wurde in den 1920er Jahren verwirklicht, die der Werke des belgischen Schriftstellers und Philosophen Maurice Maeterlinck (1862 – 1949), der bereits seit 1900 im Verlag vertreten war und der 1911 den Literaturnobelpreis erhalten hatte. Durch seine politischen Stellungnahmen als Belgier gegen Deutschland im Welt49 Diederichs, Eugen: Zur inneren Krise aller Buchhändlerorganisationen. In: Zopfabschneider Heft 5, Februar 1924, S. 24 – 26. 50 Vgl. Heidler: Eugen Diederichs, Lauensteiner Buchhandelstagungen und Jungbuchhandel, S. 117 – 129. 51 Verleihungsurkunde vom 15. April 1924, vgl. DLA Marbach: A: Diederichs/Ehrendoktor. 52 Diederichs, Eugen: Sintflut. In: Tat XII, Dezember 1920, S. 716. 53 Eugen Diederichs: Buchhandel, Buchpreis und Buchkäufer. In: Zeitstimmen. Literarische Beilage der »Zeit« vom 23. März 1923, Nr. 203; zitiert nach Heidler: Eugen Diederichs, S. 188 – 190.
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krieg verlor Maeterlinck zwar zunächst im deutschsprachigen Bereich seine Unterstützung, zwischen 1924 und 1929 gab Diederichs aber eine neu gestaltete Gesamtausgabe in neun Bänden heraus. Seine Nachkriegsdramen wurden allerdings nicht aufgenommen; offiziell wegen »organisatorischer Nachlässigkeit«54 wechselte Maeterlinck dann 1927 zur Deutschen Verlags-Anstalt. Gute Auflagenzahlen bescherte Diederichs in den 1920er Jahren der Heimatschriftsteller Hermann Löns (1866 – 1914). Eine besondere Rezeption erreichte seine »Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg« Der Wehrwolf von 1910. Diese Erzählung von wehrlosen Bauern aus dem Dreißigjährigen Krieg, die sich gegen marodierende Banden zu einem Bund zusammenschließen, wurde seit 1910 gut verkauft, avancierte in den 1920er Jahren (und dann in den 1930er Jahren) zu einem Bestseller, der 1918 über 50.000, 1919 knapp 90.000, 1920 etwa 70.000 und 1924 über 100.000 verkaufte Exemplare brachte, sodass Diederichs 1926/27 eine zusätzliche Volksausgabe für drei Mark auflegte. Nach dem Tod von Eugen Diederichs am 10. September 1930 bestand kurzzeitig die Gefahr, dass dieser rechte Kulturverlag in das neu zu gründende Konglomerat völkisch-nationaler Verlage und Buchgemeinschaften im Rahmen der Hanseatischen Verlagsanstalt (HAVA) aufgenommen werden könnte.55 Bereits am 18. November 1930 schrieb Erwin Guido Kolbenheyer der grauen Eminenz der HAVA, Wilhelm Stapel. Er spielte auf die Übernahme des Verlages Georg Müller 1928 und die bevorstehende Übernahme des Verlages von Albert Langen an und gab der HAVA den eindeutigen Hinweis: »[…] daß der Verlag Diederichs demnächst fällig werde.« Allerdings gab er zu bedenken, dass man damit ein Sammelsurium unterschiedlicher Titel einkaufe, »da neben guten Ziffern eine große Anzahl von ungangbaren Büchern« im Verlagsprogramm zu finden seien.56 Eugen Diederichs hatte die Nachfolgeregelung aber bereits seit Mitte der 1920er Jahre geplant und seine Söhne Nils (*1901) und Peter (*1904) zu Buchhändlern ausbilden lassen und ein geistesgeschichtliches Studium ermöglicht. Beide traten im Herbst 1930 als gleichberechtigte Geschäftsführer auf.57 Die Kontinuität wurde gewahrt durch den Prokuristen Max Linke, der bereits seit 1913 mitarbeitete und 1920 Prokura erhalten hatte. Dr. Cornelius Bergmann führte seit 1927 das Lektorat und die Verlagswerbung (bis 1945).58 Für Kontinuität sorgten außerdem der Vertriebsleiter Otto Noack und auch die Witwe Lulu von Strauß und Torney, die selbst als Autorin und als Bindeglied zu weiteren Autoren fungierte. Im Januar 1931 wurde der Verlag in eine FamilienKommanditgesellschaft umgewandelt, mit Nils und Peter Diederichs als persönlich haftende Gesellschafter und Geschäftsführer. Die großen Linien des Verlagsprogramms wurden zwar beibehalten, die betriebswirtschaftlichen Rahmendaten jedoch kritisch analysiert und konsolidiert, sodass der Verlag nach der ausufernden Produktion im letzten Drittel der 1920er Jahre wieder zu solideren Mittel- und Auflagenzahlen kam und die für viele Verlage schwierige Situati-
54 Heidler: Eugen Diederichs, S. 478. 55 Lokatis: Hanseatische Verlagsanstalt, S. 14 – 16. 56 Der Brief von Kolbenheyer an Stapel vom 18. November 1930 im Deutschen Literaturarchiv Marbach: Nl Wilhelm Stapel; hier zitiert nach Triebel: Eugen Diederichs, S. 35 f. 57 Vgl. die differenzierte Arbeit von Triebel: Eugen Diederichs, S. 37 – 41. 58 Heidler: Verleger, S. 635 f.
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on kaufmännisch meisterte.59 Waren zwischen 1927 und 1929 50 – 80 Titel pro Jahr mit bis zu 400.000 Exemplaren erschienen, so kamen 1931 und 1932 24 bzw. 28 neue Titel und 14 bzw. 25 Nachauflagen bei einer Gesamtauflage von gut 200.000 Exemplaren auf den Markt. Die Söhne wollten das Erbe des Vaters fortsetzen und »dem Aufbau einer deutschen Kultur dienen, einer Kultur, die im eigenen Volke wurzelt und sich doch stark genug fühlt, auch die anderen Völker zu verstehen«.60 Daneben betonten sie, dass sie mit aktuelleren, auch politischeren Themen auf dem Markt bestehen wollten: »Das Traditionelle organisch verjüngend, wird der Verlag in den nächsten Jahren mit neuen, der Zeit unmittelbar zugewandten Unternehmungen hervorgehen.« Auffallend war, dass keine religiösen Themen mehr in das Verlagsprogramm aufgenommen wurden, dafür aber aktuelle Themen der Zeit in den politischen und den literarischen Publikationen. Dazu wurde zunächst die Monatsschrift Die TAT von einer kulturwissenschaftlichen zu einer politischen Zeitschrift unter der Leitung von Hans Zehrer (der von der Vossischen Zeitung des Ullstein-Konzerns abgeworben wurde) umgewandelt. Durch die Veränderung des inhaltlichen Schwerpunktes konnte die Zahl der frei verkauften Exemplare von 1.000 auf 10.000 Exemplare innerhalb von zwei Jahren gesteigert werden. Die in der Zeitschrift angesprochenen Themen wurden durch die Buchserie TAT-Schriften ergänzt, die in der Zeitschrift beworben und thematisch angerissen wurden, wie etwa Das Ende des Kapitalismus (1931) von Ferdinand Fried oder Martin Holzers Kapitalismus und Technik (1932) oder Carl Rothes Die Front der Gewerkschaften (1932). Aktuelle zeithistorische Themen, die gleichzeitig Strukturen und Zustände in der Weimarer Republik kritisierten, nahm z. B. der Roman Der Fall Bunthund. Ein Arbeitslosenroman (1930) von Bruno Nelissen-Haken auf, ein Schlüsselroman zur Situation der Arbeitslosen am Ende der Weimarer Republik und ihrer mangelnden, fehlerhaften Betreuung durch die Arbeitsämter. Vom selben Autor erschien ein aufrüttelnder Roman Angeklagter Schleppegrell (1932), der Kritik an den Arbeitsgerichten und generell an der Justiz in der Weimarer Republik übte. Daneben wurden die bisherigen Themen fortgesetzt, Hermann Löns blieb Umsatzbringer, Hans Friedrich Blunck stellte den Gedichtband Erwartungen und eine Sammlung Neuer Balladen (1931) vor, daneben gab es die Gedichte von Agnes Miegel Herbstgesang (1932) und einen neuen Erfolgsautor, Edwin Erich Dwinger, der seine Erfahrungen im Ersten Weltkrieg und vor allen Dingen in der russischen Gefangenschaft in einer Trilogie Die deutsche Passion vorstellte: Armee hinter Stacheldraht, Zwischen Weiß und Rot und schließlich Wir rufen Deutschland (1930 – 1932). Die Romane waren eine Anklage gegen die russische Kriegsgefangenschaft und das »Bolschewikentum«, vor allen Dingen aber auch ein Aufruf, näher zusammenzurücken und das deutsche Volk neu auszurichten. Der Verlag wurde in den Jahren 1930 bis 1933 wirtschaftlich konsolidiert, das schwammige kulturverlegerische Profil geschärft, aber auch die politische Aussage deutlich konturiert. Nils Diederichs hatte bereits im November 1930 einen Eindruck von Hans 59 Es ist der Arbeit von Triebel zu verdanken, dass diese betriebswirtschaftlichen Rahmendaten präziser als in anderen Fällen in der Verlagsgeschichtsschreibung von Eugen Diederichs berücksichtigt werden. 60 Diederichs, Nils und Peter: Eugen Diederichs †. In: Der Diederichs-Löwe. 4. Jg. Heft 3 (1930), S. 129.
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Friedrich Blunck bestätigt: »[…], daß manches von dem, was Vater plante, und vorbereitete, erst in den kommenden Jahren zu vollen Auswirkungen kommen wird, so vor allem der große Strom des deutschen Volkstums, der jetzt eigentlich nur unterirdisch fließt.«61
Insel-Verlag »Der Weltliteratur im Goethischen Sinne zu dienen, dem Gehalt des Buches die Form anzupassen, den Sinn für Buchkunst und auch für Bücherluxus immer mehr zu heben und von der zeitgenössischen Literatur wenig, aber dafür nach Möglichkeit das Dauer Versprechende zu bringen«,62 war das Credo von Anton Kippenberg (1874 – 1950), der über 45 Jahre lang gemeinsam mit seiner Frau Katharina (1876 – 1947) das Profil und die Geschicke des Insel-Verlags bestimmte. Der Verlag konnte in der Weimarer Republik auf die Erfahrungen in der Kaiserzeit bei der Bildung von Reihen (namentlich der Insel-Bücherei) und auf Hausautoren wie Rainer Maria Rilke, Hugo von Hofmannsthal, Hans Carossa oder Ricarda Huch zurückgreifen, ebenso auf die bewährten Schwerpunkte der Klassikerausgaben, die herausragenden Faksimiles und Gesamtausgaben fremdsprachiger Literatur. Auch wenn Samuel Fischer lästerte, dass die Insel einer »Toteninsel«63 gleiche, so nahm der Anteil zeitgenössischer Autoren in den 1920er Jahren, zum Teil auch als Lizenzausgaben, deutlich zu. Daneben erschienen von 1919 bis 1921 u. a. Sämtliche Romane und Novellen von Dostojewski, von 1921 bis 1927 Sämtliche Romane und Erzählungen von Tolstoi in zwölf Bänden. 1923 – 1925 wurde die BalzacAusgabe in 16 Bänden (Erstveröffentlichung 1908 – 1913) wieder aufgelegt, 1920 – 1927 die Werke Stendhals in acht Bänden 1920 – 1927, Shakespeares Meisterdramen in sechs Bänden 1927. Zu den Meisterwerken der Buchkunst gehörten die Faksimile-Ausgaben des InselVerlages. Mit dem Faksimile der 42-zeiligen Gutenberg-Bibel in den Jahren 1913 – 1914 waren Maßstäbe gesetzt worden, die zeitgenössisch von keinem anderen Verlag eingehalten werden konnten. 1922 und 1924 erschienen Faksimiles von Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion und seiner Hohen Messe in h-Moll. Beide Musikautografen schützten auf einmalige Art und Weise die maroden Handschriften und bilden für die Musikgeschichte bis heute ein wichtiges Dokument. Von der Lichtdruckerei Albert Frisch, die bereits die Gutenberg-Bibel hergestellt hatte, wurden die Lieferungen der Manessischen Liederhandschrift in den Jahren 1925 – 1927 gefertigt. Parallel dazu begannen die Planungen der Faksimile-Ausgabe des Evangeliars Heinrichs des Löwen. Die wirtschaftliche Lage ließ aber diese umfangreiche Faksimilierung nicht mehr zu, diese konnte erst 1988 (!) verwirklicht werden. Ähnlich verhielt es sich mit dem Plan, die 16 Kupfer der Carceri (1750) von Piranesi zu faksimilieren, was Stefan Zweig 1927 vorgeschlagen hatte. Die Realisierung erfolgte dann 1965.64 Die enge Autoren-Verleger-Beziehung von Rainer Maria Rilke zu Katharina und Anton Kippenberg ist vielfältig dokumentiert worden; ein sehr wichtiger Ausweis da61 Nils Diederichs an Hans Friedrich Blunck vom 17. November 1930, zitiert nach Triebel: Eugen Diederichs Verlag, S. 75. 62 Kippenberg am 1. Dezember 1906 im Brief an Hugo von Hofmannsthal, zitiert nach 100 Jahre Insel Verlag, S. 22. 63 Hoffmeister: S. Fischer, der Verleger; S. 375. 64 Sarkowski: Der Insel-Verlag 1899 – 1999, S. 296.
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von ist auch die Edition der Verlagskorrespondenz.65 So hielten die Kippenbergs ihrem Autor auch in einer fast zehnjährigen Schaffenskrise die Treue. Von Band 1 der InselBücherei vom Juli 1912 mit der Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke waren im ersten Jahrzehnt bereits 100.000 Exemplare verkauft worden. 1922 stellte Rilke dem Verleger dann seine Duineser Elegien zur Verfügung, die 1923 gedruckt wurden. In der Zwischenzeit hatte Kippenberg seinem Autor als Vorschuss auf künftige Schriften mit Monatswechseln unterstützt. Rilke dankte mit den Worten: »Daß Sie mirs gewährt haben, geduldet haben: zehn Jahre! Dank! Und immer geglaubt: Dank!«66 Zu Lebzeiten hatte Rilke immer eine Gesamtausgabe abgelehnt, nach seinem Tod am 29. Dezember 1926 fasste sie der Verlag sogleich ins Auge und lieferte sie schon 1927 in 5.000 Exemplaren in 6 Bänden aus – bald danach eine Nachauflage in gleicher Höhe.67 1929 wurden seine Briefe ediert und die Gesammelten Gedichte von der Cranach-Presse in Weimar unter Leitung von Harry Graf Kessler bibliophil herausgegeben. Als weiteren wichtigen zeitgenössischen Autor publizierte die Insel Erzählungen und Lyrik von Hugo von Hofmannsthal, der aber auch S. Fischer verbunden blieb. Fast ein Buch pro Jahr erschien von Stefan Zweig bei Insel,68 u. a. 1920 Drei Meister: Balzac, Dickens, Dostojewski, 1922 die Novellensammlung Amok, dann Die Augen des ewigen Bruders (IB 349) und 1927 Sternstunden der Menschheit (IB 165), 1928 Drei Dichter ihres Lebens: Casanova, Stendhal, Tolstoi. Seine Biografien über Joseph Fouché und Marie Antoinette (1929/1932), die mit einer Startauflage von 50.000 Exemplaren gedruckt wurden, verkauften sich extrem gut. Zum Kreis der Erfolgsautoren gehörte auch Albrecht Schaeffer (1885 – 1950), nachdem er seinen kunstvoll komponierten Roman Helianth 1920 im Insel-Verlag herausgeben konnte. Bis 1932 erschien fast jährlich ein neuer Titel, 1922 Der Reiter mit dem Mandelbaum, 1925 Der verlorene Sohn und Das Prisma, 1928 Mitternacht. 1932 wurde die Verbindung aufgelöst und Schaeffer publizierte weiter bei Rütten & Loening. Während der positive äußere Eindruck mit den Ausgaben der Klassiker und der Klassiker der Moderne, der Weltliteratur und der Faksimiles in den 1920er Jahren anhielt, war jedoch der wirtschaftliche Druck im Insel-Verlag deutlich zu spüren. Auch wuchs die Konkurrenz auf dem Klassiker-Markt zusehends. Zwar war der Tempel-Verlag in Insolvenz gegangen, der sich 1910 auf Initiative der vier Verleger Samuel Fischer, Eugen Diederichs, Julius Zeitler und Hans von Weber gegründet hatte und mit Goethe-, Kleistund Heine-Ausgaben die »Tempel-Klassiker« in hohen Auflagen auf den Markt brachten,69 doch erwarb die Deutsche Buch-Gemeinschaft 1925 die Klassiker-Ausgaben und verbreitete sie noch einmal verbilligt.70 Die Buchgemeinschaften hatten generell ein hohes Interesse an der Ausgabe von urheberrechtsfreien Titeln.71 Ein solider Umsatzbringer in all den Jahren war die Insel-Bücherei, die konkurrenzlos preiswert war und durch hohe Auflagenziffern und gediegene Ausstattung immer 65 66 67 68 69 70 71
Rilke: Briefwechsel mit Anton Kippenberg 1906 bis 1926. Frankfurt a. M. und Leipzig 1995. Rilke an Kippenberg vom 9. Februar 1922. In: Rilke-Briefwechsel, 2. Bd. S. 255 f. 100 Jahre Insel-Verlag, Begleitbuch zur Ausstellung, S. 34 f. Vgl. Buchinger: Stefan Zweig. Estermann/Füssel: Belletristische Verlage, Kaiserreich, S. 254 f. Sarkowski: Insel, S. 291. Melis: Die Buchgemeinschaften in der Weimarer Republik und den Artikel in diesem Band, S. 533 – 588.
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wieder bestach. Das Publikum verlangte deutlich mehr zeitgenössische Autoren, sodass hier auch Titel von Isolde Kurz, Selma Lagerlöf, Hermann Löns, Jack London, Wilhelm Schaefer oder Arnold Ulitz erschienen, häufig als Lizenzausgaben anderer Verlage. Da nur ein geringer Anteil von 5 % für Honorare zur Verfügung stand, erwiesen sich solche Lizenzausgaben aber als schwierig. Die 1911 eingeführte Reihe Bibliothek der Romane wurde weiter fortgeführt, präsentierte sich mit stark holzhaltigem Papier jedoch nicht in der gewohnten InselQualität. Ihr Preis von 4,50 Mark ließ sich bei der Konkurrenz von 2,00- bzw. 2,85Mark-Editionen nicht weiter halten. Die Umsatzzahlen des Verlages gingen ab 1925 jährlich kontinuierlich auf etwa die Hälfte zurück:72 Jahr
1924
1925
1926
1927
1928
1929
1930
1931
1932
Mio. Mark
2,4
1,8
1,7
1,9
1,8
1,8
1,6
1,4
1,2
Parallel dazu wurde die Produktion auf durchschnittlich 90 Titel im Jahr reduziert. Kippenberg reagierte natürlich auf diese Situation, lehnte allerdings lange »Volksausgaben« für 2,85 Mark ab, bis er schließlich 1931 doch 2,50 Mark-Bücher anbot, u. a. Stefan Zweigs Amok oder Maxim Gorkis Erzählungen oder Ricarda Huchs Der große Krieg in Deutschland, von denen Auflagen von 20.000 bis 30.000 Exemplaren gedruckt wurden. Auch versuchte Kippenberg mit Lizenzen für Buchgemeinschaften Geld zu verdienen, so verkaufte er u. a. Andersen Nexös Pelle, der Eroberer 1931 an die Büchergilde Gutenberg oder an den Deutschen Buch-Club in Hamburg Hans Carossas Verwandlungen einer Jugend oder Stefan Zweigs Drei Dichter ihres Lebens. Die wirtschaftlichen Belastungen zeigten sich auch dadurch, dass Insel zum 1. Juli 1932 den Auslieferungsvertrag mit der Firma Carl Fr. Fleischer kündigte und danach mit seinem Personal wieder selbst auslieferte. Die Zahl der Verlagsvertreter wurde auf zwei reduziert.73 1932 stand im Zeichen des Goethe-Jahres. Bereits 1930 war eine zweibändige Goethe-Biografie von Eugen Kühnemann erschienen, 1931 Goethe im Bildnis und 1932 der großartige Bildband Goethe und seine Welt, der Beispiele aus der Goethe-Sammlung von Anton Kippenberg neben Exponaten aus dem Goethe-Nationalmuseum, dem Goethe-Schiller-Archiv in Weimar und dem Frankfurter Goethe-Museum enthielt. Mit 580 Bildern war der Preis von 4,80 Mark knapp kalkuliert und konnte daher trotz einer Auflage von 30.000 Exemplaren keinen hohen Gewinn erzielen. Der Tradition des Verlages entsprechend produzierte man auch eine bibliophile Ausgabe, das Faksimile von Dreißig Handzeichnungen Goethes im Lichtdruck zu 225 Mark. Ein weiteres Vorhaben wurde aus der Taufe gehoben: die Welt-Goethe-Ausgabe der Gutenberg-Stadt Mainz und des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar, herausgegeben von Anton Kippenberg, Julius Petersen und Hans Wahl. In der von Christian Heinrich Kleukens extra geschaffenen Goethe-Grotesk und hergestellt auf der Mainzer Presse erschienen zwei Bände (Urfaust/Faust I, Faust II) zum Preis von 10 Mark bei einer Auflage von 1.200 Exemplaren. Die Ausgabe wurde aber vom Publikum nicht goutiert, es gab Beschwerden über den Gesamtpreis (projektiert 500 Mark) und die ungeeignete Typografie. Erschwerend kam hinzu, dass sich das Papier beim Aufschlagen sperrte – 72 Sarkowski: Insel, S. 289. 73 Sarkowski: Insel, S. 289 – 296.
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da es offensichtlich in der falschen Laufrichtung eingelegt worden war. Diese Art rückwärtsgewandter und wenig gefälliger Buchausstattung wurde dem in den 1920er Jahren neugeschaffenen modernen Image des Verlags nicht gerecht.
Die zweite Generation von Kulturverlegern Gustav Kiepenheuer Es gilt, eine zweite Generation von Kulturverlegern (nach Samuel Fischer, Eugen Diederichs und Anton Kippenberg) zu betrachten, die sich, so wie Ernst Rowohlt oder Kurt Wolff, der expressionistischen und avantgardistischen Literatur verschrieben hatten. Auch sie kennzeichnet eine enge Bindung an ihre Autoren, das Bekenntnis zu einer literarischen Strömung, die weitgehend geringen wirtschaftlichen Interessen, die subtile Vermittlung durch literarisch geschulte Lektoren und der eigene Anspruch, selbst gestaltend an der Literatur und der Kultur teilzuhaben.74 Gustav Kiepenheuer (1880 – 1949) ging zusammen mit Ernst Rowohlt und Kurt Wolff in Bremen zur Schule und übernahm zum 1. Juni 1909 in Weimar die Sortimentsbuchhandlung von Ludwig Thelemann, mit dem erklärten Ziel, einen Verlag zu gründen, was er schon am 1. April 1910 mit dem »Gustav Kiepenheuer Verlag« umsetzen konnte.75 Am Anfang des Verlagsprogramms stand mit den Publikationen von Wilhelm Bode (1862 – 1922) die geistige Bedeutung Weimars, jenem »Goethe-Bode«, der sich in zahlreichen Briefeditionen und biografischen Publikationen als anerkannter Goethe-Forscher ausgewiesen hatte.76 Sein im repräsentativen Querformat gedruckter, 96 Seiten umfassender Bildband Damals in Weimar erschien 1910 und wurde im nächsten Jahrzehnt immer wieder aufgelegt. Neben weiterer Goethe-Literatur, Kinderbuchklassikern und Kriegsliteratur machte ab 1917 vor allem die von Paul Westheim herausgegebene kunsthistorische Zeitschrift Das Kunstblatt von sich reden,77 die inhaltlich eine neue Orientierung bedeutete. Die 1910er Jahre waren ansonsten geprägt durch eine Parallelentwicklung zum Insel-Verlag. Sowohl Buchkunst und Faksimiles als auch eine preiswerte, aber dennoch gut gedruckte Reihe wurde herausgegeben, die Liebhaberbibliothek für 1,50 Mark im Hardcover, »elegant gebunden«, von der bis 1918 56 Bände mit insgesamt etwa 600.000 Exemplaren erschienen.78 Rechtefreie Titel, etwa von Honoré de Balzac, von Charles De Coster oder Hans Christian Andersens Märchen wurden in buchkünstlerischer Gestaltung mit Originalkupferstichen herausgegeben und – wie bei Rowohlt – von Drugulin in Leipzig gedruckt. Liebhaberausgaben mit großformatigen Holzschnitten u. a. von Cervantes Don Quixote, von Goethes Reineke Fuchs oder des Simplicius Simplicissimus sowie das Faksimile der niederdeutschen Lübecker Bibel (1494), eine Art Seitenstück zum berühmten Faksimile der Gutenberg-Bibel bei Insel, 74 Schneider: Profilierung auf dem Markt, S. 349 – 362; Hübinger: Versammlungsort moderner Geister. 1996. 75 Vgl. 100 Jahre Kiepenheuer-Verlage, hier Wahl: Gustav Kiepenheuers Anfänge, S. 34 – 43. 76 Vgl. vor allem Bode, Wilhelm: »Goethe in vertraulichen Briefen seiner Zeitgenossen 1749 – 1832«, 3 Bände, heute als Taschenbuch im Aufbau-Verlag, Berlin 1999. 77 Windhöfel: Paul Westheim und das Kunstblatt. 1995. 78 Vgl. Merker: Die neue Buchkunst im Gustav Kiepenheuer Verlag Weimar, hier S. 44.
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wurden publiziert. Dieses insgesamt buchkünstlerische und konservative Programm fand seine Nachfolge in der Zeitschrift Das Kunstblatt und der neuen literarischen Reihe Die graphischen Bücher, in der u. a. Oscar Wildes Der junge König mit Lithografien von Charlotte Christine Engelhorn, einer expressionistischen jungen Künstlerin, erschien.79 1918 zog der Verlag von Weimar nach Potsdam. Gustav Kiepenheuer, unterstützt durch seine Berater und Lektoren Ludwig Rubiner (1881 – 1920), Hermann Kasack (1896 – 1966) und den Teilhaber ab 1926, Fritz H. Landshoff (1901 – 1988) sowie Hermann Kesten (1900 – 1996), der seit 1928 als Lektor tätig war, strukturierten das Programm grundsätzlich um und öffneten es für expressionistische, avantgardistische zeitgenössische Literatur. Von der Parallelentwicklung zum Insel-Verlag wurde abgerückt, gleichzeitig ließen sich nun Parallelen zu seinen ehemaligen Mitschülern Kurt Wolff und Ernst Rowohlt konstatieren, die ebenfalls die späten Expressionisten verlegten. Georg Kaiser und Ernst Toller rückten, besonders von Ludwig Rubiner gefördert, in das Programm.80 Rubiner, selbst expressionistischer Autor, begriff sich als politischer Schriftsteller, der u. a. einem radikalen Pazifismus verpflichtet war. So publizierte er eine »Bibliothek junger dramatischer Dichter« mit dem programmatischen Titel Der dramatische Wille, die er mit seinem eigenen Drama Die Gewaltlosen (1919) eröffnete und mit André Gide, Yvan Goll, Georg Kaiser und Ernst Toller fortführte. Parallel zur Anthologie Menschheitsdämmerung bei Rowohlt gab er die Anthologie Kameraden der Menschheit. Dichtungen zur Weltrevolution (1919) heraus, in der u. a. Johannes R. Becher, Carl Einstein, Yvan Goll, Walter Hasenclever und Ernst Toller vertreten waren. Neben Kaiser gehörte Toller zu den Stammautoren des nachfolgenden Jahrzehnts, dessen Wandlung (1919), Masse Mensch (1920), Der deutsche Hinkemann (1923) und Hoppla, wir leben! (1927) bei Kiepenheuer erschienen. Nach dem frühen Tod von Rubiner 1920 kümmerte sich der Lektor Hermann Kasack um die weitere Publikation expressionistischer Lyrik und Dramatik. Kasack förderte den jungen, noch unbekannten Bertolt Brecht, dessen bei Georg Müller abgelehntes Manuskript des Baal 1922 bei Kiepenheuer erschien, gefolgt von seinem Drama Trommeln in der Nacht. Die finanziellen Forderungen von Brecht waren – nicht nur im Hause Kiepenheuer – exorbitant: so bekam er (allerdings im Inflationsjahr 1922) 50.000 Mark Vorschuss für den Baal; 1923 unterschrieb er einen Vertrag für die Gedichtsammlung Hauspostille, für die er bis April 1925 Ratenzahlungen erhielt. Die Hauspostille erschien jedoch letztlich 1927 im Propyläen-Verlag (siehe dort). Zu den neuen Autoren Mitte der 1920er Jahre gehörten Lion Feuchtwanger, Hans Henny Jahnn, Walter Mehring, Carl Sternheim und Carl Zuckmayer. Menschlich und finanziell dramatisch war das Zusammenspiel mit dem expressionistischen Dramatiker Georg Kaiser (1878 – 1945). Seine ersten Werke waren seit 1911 bei S. Fischer erschienen, so z. B. Die Bürger von Calais (1914) und Von morgens bis mitternachts (1919). Im Juli 1919 schloss Kiepenheuer einen Generalvertrag mit ihm ab und übernahm sämtliche bisher bei S. Fischer erschienenen Dramen.81 Kaiser war sowohl in der Theater- als auch in der Buchproduktion im In- und im Ausland erfolgreich. Trotzdem führte ihn sein überaus exzentrischer und luxuriöser Lebensstil an den Rand der privaten Insolvenz und dies, 79 Merker, S. 49. 80 Vgl. Kaufmann: Die geistigen Geburtshelfer – Kiepenheuer und seine Lektoren, S. 58 – 75. 81 Hoffmeister: S. Fischer, S. 366 f.
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obwohl ihm Kiepenheuer 1919/20 Vorschüsse in Höhe von 180.000 Mark gewährte, denen allerdings persönliche Verpflichtungen von etwa 500.000 Mark entgegenstanden. Im Oktober 1920 wurde Kaiser wegen Unterschlagung und Betrugs festgenommen – der Verlag bürgte für alle seine Schulden. Dies führte dazu, dass Kiepenheuer selbst einen Kredit von 150.000 Mark aufnehmen musste und zur Sicherheit den Geldgeber Fritz Schayer als Leiter des Bühnenvertriebs mit einer Gewinnbeteiligung von 20 % in die Verlagsführung aufnahm.82 Kiepenheuer war ohnehin sehr kreativ bei der Gewinnung neuer Geldgeber und im Ausprobieren verschiedener Gesellschaftsformen.83 Das Gründungskapital mit dem er die Buchhandlung Thelemann kaufen konnte, erhielt er von seiner ersten Frau Irmgard. Gleich in den nächsten Jahren nahm er allerdings weitere Kredite von Privatpersonen in erheblichem Umfang auf, denen er dafür z. B. einen Ausbildungsplatz für ihren Sohn anbot, seine Lebensversicherung als Sicherheit überschrieb oder Gesellschaftsanteile aushändigte. Als diese Einzelkredite – vor allem bedingt durch das finanziell desaströse Engagement für Georg Kaiser – nicht mehr ausreichten, gründete Kiepenheuer 1921 eine Aktiengesellschaft, um den drohenden Konkurs zu vermeiden. Es wurden 2.200 Aktien zu je 1.000 Mark herausgegeben.84 Die übertragbaren Inhaberaktien wurden zum überwiegenden Teil gegen Forderungen verrechnet, sodass wenig neues Kapital zur Geschäftserweiterung generiert werden konnte. Kiepenheuer selbst besaß nur vier (!) Aktien, den größten Teil hielt das Bankhaus Levy & Co. Kiepenheuer wurde Vorstandsmitglied für alle literarischen Angelegenheiten,85 der Lektor Hermann Kasack zweiter Verlagsdirektor mit dem Schwerpunkt Finanzen. Obwohl der Aufsichtsrat immer wieder einer Erhöhung des Aktienkapitals zustimmte, reichten die Mittel bei den legendären Vorschüssen und Rentenzahlungen für Kaiser, Toller, Brecht u. a. kaum aus. Nachdem sich trotz Überwindung der Inflation und der allgemeinen Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage die Bilanzen im Hause Kiepenheuer nicht verbessert hatten, wurde mehrfach eine Herabsetzung des Grundkapitals beschlossen, so z. B. im August 1925 von 80.000 auf 20.000 RM.86 In dieser wirtschaftlich schlechten Lage schreckte der Verlag nicht vor einer Anzeige im Börsenblatt zurück, in der ein neuer Teilhaber mit Kapital von 60.000 bis 100.000 Mark gesucht wurde.87 Der neue Teilhaber erwies sich mit seinem verlegerischen und literarischen Geschick als ein weiterer Glücksfall für den Verlag: der erst 25-jährige promovierte Germanist Fritz Helmut Landshoff, der nach dem Studium bei Rütten & Loening und im Kunstverlag E. A. Seemann gearbeitet hatte, investierte 1927 63.500 RM und wurde Mitdirektor der Aktiengesellschaft.88 Landshoff gelang es u. a., Lion Feuchtwanger und Arnold Zweig für den Verlag zurück zu gewinnen und nicht nur neue Verträge abzuschließen, sondern auch die Verwertungsrechte älterer Titel zu erwerben. So wurde von Arnold Zweig u. a. Der Spiegel des großen Kaisers in der Liebhaber-Bibliothek aufge82 Vgl. Funke: »Man braucht gar kein Geld; was man braucht, ist Kredit!«, S. 51 – 56. 83 Funke: Im Verleger verkörpert sich das Gesicht seiner Zeit; vgl. auch Fischer: Verlegen à fonds perdu, S. 129 – 145. 84 Funke: Im Verleger, S. 81 – 85. 85 Funke: Im Verleger, S. 83. 86 Funke: Im Verleger, S. 86. 87 Börsenblatt 93 (1926) 38, S. 219. 88 Funke: Im Verleger, S. 138 – 140.
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nommen und 1927 sein Erfolgstitel Der Streit um den Sergeanten Grischa veröffentlicht. Wie viele Verleger in den 1920er Jahre bemühte sich Kiepenheuer um eine möglichst gute Verwertung der Texte und konnte den Sergeanten Grischa schließlich in der Frankfurter Zeitung als Vorabdruck bringen. Mit diesem Anti-Kriegsroman eröffnete Zweig nach zehn Jahren das brisante Thema der Aufarbeitung des Ersten Weltkrieges, dem sich Ernst Glaesers 1928 bei Kiepenheuer erschienener Roman Jahrgang 1902 mit 200.000 verkauften Exemplaren anschloss. Als dann Remarques Im Westen nichts Neues bei Ullstein erschien, steigerte sich das allgemeine Interesse gegenseitig, sodass Kiepenheuer bis 1933 etwa 300.000 Exemplare vom Sergeanten Grischa auflegen konnte.89 1929 musste erneut Kapital nachgeschossen werden, Richard Einstein, der Vetter Albert Einsteins, brachte 100.000 RM ein und rückte dafür in den Aufsichtsrat vor. Durch diese Kapitalerhöhung auf 180.000 RM war es möglich, den Verlagsumsatz zu verzehnfachen und dies in einem Jahr, in dem sich die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in Deutschland in erheblichem Maße zeigten. Im Unterschied zu dem inzwischen erkennbaren Rechtsruck der Parteien in der Weimarer Republik, waren in diesem Verlag zahlreiche linksbürgerliche Autoren versammelt, zu denen am Ende des Jahrzehnts auch noch Joseph Roth, Ernst Glaeser und Anna Seghers hinzukamen. Ein Grund für diese bemerkenswerte Autoren-Akkumulation lag in den exorbitanten Vorschuss- und Rentenzahlungen, die Kiepenheuer seinen Autoren gewährte, z. B. 60.000 RM für Lion Feuchtwangers Roman Erfolg oder 25.000 RM für Heinrich Manns Die große Sache, die in beiden Fällen nicht erwirtschaftet werden konnten. Ein großer Teil des Umsatzes ab 1930 bezog sich auf preiswerte Volksausgaben, deren Reinerlös jedoch relativ gering war.90 Durch steigende Kosten für Druck und Vertrieb, die viel zu hohen Autorenvorschüsse und die zunehmende Absatzproblematik für linksbürgerliche Schriften, wies die Bilanz des Jahres 1932 einen deutlichen Verlust auf.91 Am 23. März 1933 schrieb Fritz Landshoff an Arnold Zweig: Ohne […] von der augenblicklichen Situation allzu stark beeindruckt zu sein, glaube ich allerdings doch, dass gerade auf den uns interessierenden Gebieten eine sehr nachhaltige Wirkung spürbar sein wird. […] Ich übersehe keineswegs, dass die Menschen, die das kaufen, was für uns Literatur ist und bleibt, nicht auf einen Schlag ausgestorben sind; ein erheblicher Teil von ihnen aber wird bekriegt, geht seiner Stellung verlustig oder ist in seiner Berufsarbeit beengt, sodass die Kaufkraft gerade in diesen Kreisen außerordentlich sinken wird. Zudem ist der gesamte Mittelsapparat (!), auf den Lektor und Verlag nun einmal angewiesen sind, durchaus gegnerisch eingestellt.92 Der Verlag war schon im April zahlungsunfähig und stellte am 26. Mai 1933 einen Insolvenzantrag. Die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 war nicht nur für die gesamte Literatur und Kultur in Deutschland, sondern auch für den Verlag zu einem Fanal geworden: 89 Vgl. Vogt-Praclik: Bestseller in der Weimarer Republik 1925 – 1930, S. 58 f. 90 Funke: Im Verleger, S. 181 – 183; Fischer: Gustav Kiepenheuer, S. 139. 91 Funke: Im Verleger, S. 184 – 188 und Dies.: Kiepenheuers wirtschaftliche Situation am Ende der Weimarer Republik. In: 100 Jahre Kiepenheuer-Verlage, S. 110 – 114. 92 Zitiert nach Funke: Kiepenheuers wirtschaftliche Situation, S. 112.
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25 der 131 indizierten Namen der sogenannten »Schwarzen Liste« waren von Kiepenheuer verlegt worden. Bei der Bewertung des Bücherlagers wurden die Bücher der indizierten Autoren mit nur noch einem symbolischen Pfennig angesetzt.93 Auf der Strecke blieben die Papierlieferanten, Buchbinder und die Forderungen des Barsortiments Köhler & Volckmar.
Der Verlag »Die Schmiede« Die Verlagsgeschichte von Kiepenheuer weist in verschiedener Hinsicht Schnittmengen zu dem heute weitgehend unbekannten Verlag »Die Schmiede« auf, sowohl im Bezug auf das Verlagsprogramm, die dort publizierten Autoren, die Lektoren und den parallel arbeitenden Bühnenvertrieb als auch auf die Rechtsform der Aktiengesellschaft sowie die zum Teil diffizile und auf den wirtschaftlichen Schwankungen der 1920er Jahre beruhende finanzielle Lage. Unter der ironischen Überschrift »Schmiede und Schmiedegesellen« lieferte Kurt Tucholsky 1929 auf sechs Seiten in der Weltbühne94 eine Abrechnung mit den Verlagsgründern, ihrem unklaren Verlagsprofil und vor allem ihrem aus seiner Sicht unfairen Umgang mit den Autoren: Was mich bei der Lektüre der Schmiede-Akten so empört hat, ist die Gewissenlosigkeit, mit der hier Kaufleute die Interessen der Autoren mit Füßen getreten haben. Wer ist Herr Doktor Mohn? Wer ist Herr Salter? Da kommen also zwei junge Herren zusammen, die ein vages Interesse für die »Kunst« haben, nicht mehr als jeder gebildete Getreidekaufmann auch, Papa gibt etwas Geld, und sie gründen eine Aktiengesellschaft. Er wirft ihnen ihre Unerfahrenheit in Verlagsgeschäften, im Umgang mit nicht selbst erwirtschaftetem Geld und insbesondere auch Unkenntnis in der Beurteilung von Manuskripten vor: Sie fingen Serien an und ließen sie wieder fallen; sie hatten Manuskripte in ihren Schubladen liegen, die um die entscheidenden Monate zu spät herauskamen; sie waren mit einem Wort, von jener typischen, wilden Betriebsseligkeit der Berliner erfasst, die heute einen Vergnügungspark ›ganz groß aufziehen‹, um ihn übermorgen in ein Theater zu verwandeln und nach einer Woche gänzlich zu vergessen. Traffic must be. […] Heute Georg Kaiser und morgen Albert Daudistel, und wenn das nicht sofort einschlägt, und wenn das nicht gleich ›der‹ große Erfolg ist, dann grapschen sie nach etwas Neuem. Treue ist nicht. Beständigkeit ist nicht. Linie ist nicht. Kurt Tucholsky glaubte wegen der mangelnden »Propaganda« für seinen Reisebericht Pyrenäenbuch 1927 selbst Kritik an den Verlegern üben zu müssen. Vor allen Dingen aber hatte er aus den Akten entnommen, wie oft beim Schutzverband Deutscher Schriftsteller Beschwerden über die Verleger der Schmiede eingegangen waren und wie oft Notmaßnahmen beschlossen werden mussten. 93 Funke: Kiepenheuers wirtschaftliche Situation, S. 133. 94 Weltbühne Nr. 34 vom 20. August 1929, S. 284 – 289.
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Durch die Bibliografie und die Hinweise auf die Verlagsgeschichte von Frank Hermann und Heinke Schmitz ergibt sich die gute Lage, das Verlagsprogramm der Schmiede und des angeschlossenen Theatervertriebs einordnen und damit auch die zentralen Strukturen des Verlagswesens in der Weimarer Republik in einigen bezeichnenden Grundlinien nachzeichnen zu können.95 Der Verlag wurde am 23. November 1921 von Julius Berthold Salter, dem Sohn des Theateragenten Norbert Salter und dem National-Ökonom Dr. jur. Fritz Wurm als GmbH gegründet. Mit beteiligt waren sein Bruder Georg Salter, einer der wichtigsten Buchgestalter der 1920er Jahre, der Schwester Lilly Salter und Heinz Wendriner, der im Theatervertrieb mitwirkte. Alle verfügten über keinerlei Verlagserfahrung, waren jedoch vermögend und konnten auf diese Weise in den ersten zwei Jahren einen erheblichen Autorenstamm aufbauen. Sie begannen im Frühjahr 1922 mit der Übernahme des Roland-Verlages von Dr. Albert Mundt aus München. Durch die Fortsetzung seiner Neuen Reihe (1918 – 1921) versammelten sich nun führende zeitgenössische Autoren und Expressionisten im Verlag, u. a. Yvan Goll, Georg Kaiser, Max Herrmann, Oskar Loerke, Otto Flake, Hermann Kasack und Rudolf Leonhard. Die ersten Bücher wurden nur mit einem neuen Etikett überklebt und das Verlagsarchiv von Mundt verwertet, nur wenige eigene Titel kamen hinzu, so von Johannes R. Becher Verjährung, von Flake Deutsche Reden und von Kasack Die Heimsuchung. Wie bei Fischer, Rowohlt oder Kiepenheuer gelang es auch Salter und Wurm, das literarische Lektorat mit Schriftstellern zu besetzen, in diesem Falle mit Rudolf Leonhard, der seit Ende 1922 als Lektor mitwirkte und 1923 von Walter Landauer unterstützt wurde (der mit Salter sieben Semester Jura studiert hatte). Landauer lernte hier das Verlagsgeschäft kennen, wechselte nach der Insolvenz 1928 zum Gustav Kiepenheuer Verlag und prägte dann seit den 1930er Jahren den Verlag Allert de Lange, den Amsterdamer Exilverlag, entscheidend.96 1922 markierten drei Aktivitäten den Aufbruch des Verlages. Zunächst gelang es, den meistgespielten Dramatiker Georg Kaiser vom Kiepenheuer Verlag abzuwerben, Ernst Weiss konnte mit einem grandiosen Honorar von 70.000 Mark (auch in der stark anziehenden Inflation ein erheblicher Betrag) für die bibliophile neu gegründete Officina Fabri gewonnen werden und unter dem Reihentitel Der unbekannte Balzac konnten bisher unveröffentlichte Texte Honoré de Balzacs veröffentlicht werden. In allen drei Fällen war man aber nicht allein auf dem Markt. Auch wenn die Schmiede damit punkten wollte, bisher in Deutschland völlig unbekannte Texte Balzacs zu publizieren, kam man nicht gegen die Gesammelten Werke in 44 Bänden bei Ernst Rowohlt an, die dort in unterschiedlichen Ausstattungs- und Preiskategorien angeboten und in der Taschenausgabe sogar für nur 2 Mark verkauft wurden. Als die bibliophilen Pressendrucke mit Ernst Weiss’ Feuerprobe mit jeweils fünf Originalradierungen von Ludwig Meidner, hergestellt bei Poeschel & Trepte, erschienen, war der Höhepunkt der Pressendrucke weitgehend überschritten, die gerade in der frühen Inflationsphase als interessante Anlage nicht nur bei Bibliophilen gedient hatten. Die Officina Fabri erschien auf dem Höhepunkt der Hyperinflation. 1924, im grundlegend konsolidierten Markt der Rentenmark, erschien nur noch ein zweiter Titel, Carl Sternheims Erzählung Gauguin und van Gogh. Und Kaisers Honorarwünsche waren ein 95 Hermann/Schmitz: Avantgarde und Kommerz; Dies.: Der Verlag Die Schmiede 1921 – 1929. 96 Hermann/Schmitz: Der Verlag Die Schmiede, S. 15 f.; Schoor: Verlagsarbeit im Exil.
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Fass ohne Boden, wie bereits bei Kiepenheuer dokumentiert wurde. Kaiser schloss am 5. Juli 1922 für sein Drama Die Flucht nach Venedig einen Vertrag mit der Schmiede, obwohl er seit 1918 an Kiepenheuer gebunden war.97 Kaiser bestand darauf, den Auslandsvertrieb dem Bühnenvertrieb der Schmiede zu übereignen, und in den nachfolgenden Jahren erschienen fünf Dramen bei Kiepenheuer und drei bei der Schmiede. Als sich alle Unternehmungen der Schmiede als finanziell riskant erwiesen hatten und offensichtlich das familiäre Vermögen aufgebraucht war, wurde am 16. April 1924 der Verlag in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, während der angeschlossene Bühnenvertrieb als selbstständige GmbH fortbestand. Die künftige noch engere Verbindung mit dem Kiepenheuer Verlag wurde dadurch sichtbar, dass die Aktiengesellschaft Hauptaktionär des Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs wurde. Während sich in der Fachpresse und den literarischen Zirkeln die schlechte Zahlungsmoral der Verleger der Schmiede herumsprach, kam es aber am 7. März 1924 zum Vertrag mit Franz Kafka für dessen Hungerkünstler.98 Unmittelbar nach Kafkas Tod am 3. Juni 1924 bemühten sie sich bei Max Brod um die Werke aus seinem Nachlass. Kurt Tucholsky, Kurt Wolff und auch Arnold Zweig warnten Brod: Heute will ich Sie nur schleunigst warnen: Ich las in der Weltbühne, welcher Verlag die Nachlasswerke Kafkas erworben hat. Ich habe mit diesem Verlag Erfahrungen gemacht, die alles übertreffen, was ich irgendeinem anderen nachsagen kann; es ging bis zum klaren Erpressungsmanöver und nur durch die allzu große Gier der Leute, die sie blind drauflos pirschen ließ, entging ich der Falle. […] Sie werden nur Ärger und Kafkas Erben keine Prämien haben, aber mit seinem Namen und Oeuvre diesen Gentlemen zu neuem Ansehen verhelfen. Ich habe natürlich für jedes meiner Worte volle Beweise. In Eile Ihr Zweig.99 Fürs Erste konnten Salter und Wurm S. Fischer, Rowohlt, Kurt Wolff und Zsolnay ausstechen. 1925 erschien noch Kafkas Prozess, als aber vier Raten ausblieben, kündigte Max Brod den Vertrag und übergab die Rechte Kurt Wolff, der im September 1926 das Schloss im gleichen Format und Ausstattung wie die Schmiede herausgab.100 Der Lektor Leonhard versuchte das Geschäft mit interessanten Reihen zu beleben: unter dem Motto Außenseiter der Gesellschaft sollten z. B. bedeutende Kriminalfälle analysiert werden. Dort erschienen u. a. Alfred Döblins Giftmörderinnen, Egon Erwin Kisch schrieb über einen Spionagefall101 und Theodor Lessing eine psychologische Studie über den Massenmörder Haarmann.102 Daneben wurde versucht, eine Reihe Die Romane des XX. Jahrhunderts aufzulegen und damit nichts Weniger als »die beste Epik der jüngsten Generation in einer einheitlichen Sammlung herauszugeben«.103 In den von Georg Salter gestalteten Bänden waren Henri Barbusse, Marcel Proust, Gilbert Keith 97 98 99 100 101 102 103
Hermann/Schmitz: Der Verlag Die Schmiede, S. 18 f. Unseld: Franz Kafka, S. 220 – 232. Zitiert nach Unseld: Kafka, S. 238. Hermann/Schmitz: Der Verlag Die Schmiede, S. 26 f. Kisch, Egon Erwin: Der Fall des Generalstabschefs Redl. Berlin: Die Schmiede 1924. Lessing, Theodor: Haarmann – Die Geschichte eines Werwolfs. Berlin: Die Schmiede 1925. Zitiert nach Hermann/Schmitz: Avantgarde und Kommerz, S. B 138.
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Chesterton und, besonders erfolgreich, Joseph Roth mit seinen Romanen Hotel Savoy und Die Rebellion vertreten. Bis zur Insolvenz 1927 erschienen immerhin 19 Romane. Mit einer dritten Reihe sollte ein sicherer Verkaufserfolg eintreten, mit der Serie der Klassiker der erotischen Literatur, zu denen Diderot, Crebillon, Aretino und Petronius zählten. Gerade diese Reihe wurde jedoch nicht vom Markt angenommen. So erschien im Verlag zwar wichtige in- und ausländische Literatur, zum Teil in herausragender Gestaltung von Georg Salter (Typografie, Layout, Illustrationen und die Schutzumschlaggestaltung), dem standen aber die überhand nehmenden Klagen der Autoren über ausbleibende Tantiemen und die der Zulieferfirmen gegenüber. Insgesamt erwies sich der vom Vater, Professor Norbert Salter, übernommene Bühnenvertrieb als die sicherste Finanzierungsquelle, da dieser auch in den Jahren bis 1927 Gewinne abwarf. Im Oktober 1927 wurden der Bühnenvertrieb des Gustav Kiepenheuer Verlages und der Bühnenvertrieb der Schmiede vereinigt.104 Der Verlag geriet Anfang 1928 in die Insolvenz, 1929 fand ein gerichtlicher Vergleich statt und 1930 die Liquidierung der Aktiengesellschaft. Die Verlagsrechte wurden an Piper und an Kiepenheuer weitergegeben, der Bühnenvertrieb ebenfalls bei Kiepenheuer weitergeführt. Die Leitung hatte seit 1924 Julius Berstl inne, der dann 1930 auch die Leitung des Bühnenvertriebs des Kiepenheuer Verlags übernahm. Aus dem Lektorat wechselte 1928 Landauer zum Gustav Kiepenheuer Verlag. Auch zahlreiche Autoren wechselten zu Kiepenheuer: u. a. gab Joseph Roth 1929 Rechts und Links zu Kiepenheuer, dem folgten 1930 sein Erfolgsroman Hiob und 1932 Radetzkymarsch.105 Diese Kontinuität setzte sich ebenfalls in der buchkünstlerischen Gestaltung fort: seit 1928 entwarf Georg Salter zahlreiche Einbände und Schutzumschläge für Kiepenheuer.
Rowohlt Eine zeitgenössische Einschätzung über Ernst Rowohlt sandte Rudolf Borchardt am 19. März 1919 an Hugo von Hofmannsthal: Der Verleger ist der mir bekannte Ernst Rowohlt, schon einmal, aber mit dem damals unzureichenden Kapitale, selbstständig gewesen, vorher von allen Piken des Handwerks auf geschult, Sortimenter, Volontär in der Insel, Setzer bei Drugulin, Papiermacher bei Enschede Zoonen, dann nach der Liquidation der eigenen Firma S. Fischers rechte Hand, von ihm hoch geschätzt und bei seinem Austritt lebhaft vermisst, übrigens in allen urteilsfähigen Verlagskreisen besonders angesehen und appreciiert.106 Nur wenige Wochen nach der zweiten Verlagsgründung Ernst Rowohlts am 7. Januar 1919107 fasst der neue Verlagsautor Borchardt die ihm bekannten Fakten über den Verleger zusammen, die vor allen Dingen deutlich machen, auf welchen Schultern er steht: 104 105 106 107
Hermann/Schmitz: Der Verlag Die Schmiede, S. 19. Wonneberger: Joseph Roth bei Kiepenheuer, S. 84 – 88. Zitiert nach Gieselbusch: 100 Jahre Rowohlt, S. 34. Vgl. die Anzeige im Börsenblatt 86 (1919) 46 und Rowohlts Geschäftsrundschreiben in: Deutsches Buch- und Schriftmuseum Leipzig, Archiv des Börsenvereins: Rowohlts Geschäftsrundschreiben, Sign. Bö-GR/H/202.
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»Rowohlt ist durch die Schule von Anton Kippenberg (Insel) und S. Fischer gegangen und hat alle Phasen des Verlagswesens von der Herstellung bis zum Vertrieb kennen gelernt. Sein sicheres Urteil in der Akquise von Autoren wird immer wieder lobend hervorgehoben.« Erfahrungen aus seiner ersten Zeit als Verleger (gemeinsam mit Kurt Wolff zwischen 1909 bis 1912) und seine Geschäftsführertätigkeit im Hyperion-Verlag (1913/14) bilden die Grundlage für die rasche Etablierung des zweiten Rowohlt Verlages 1919. Er konnte dabei auf ein Netzwerk von Autoren, Lektoren und Verlegerkollegen aufbauen und zwei seiner Arbeitsschwerpunkte ausbauen, bibliophile Drucke und zeitgenössische Literatur. Ernst Rowohlt und sein Teilhaber Kurt Wolff hatten an die Tradition der anderen Kulturverleger nach 1900 angeknüpft. Sie setzten auf bibliophile Luxusdrucke von Meisterwerken der Weltliteratur (Drugulin-Drucke), versuchten durch sinnvolle Reihenbildung dem Verlag eine Struktur und ein »Gesicht« zu geben und wandten sich durchaus modernen, aber nicht avantgardistischen Autoren zu, so Paul Scheerbart, Max Dauthendey oder Herbert Eulenberg. Der expressionistischen Erzählkunst trugen sie mit Carl Hauptmann und seinen Novellen Nächte sowie seinem Roman Einhart, der Lächler (2. Auflage 1912 bei Rowohlt) ebenso Rechnung wie mit dem führenden expressionistischen Lyriker Georg Heym, dessen Der ewige Tag und der Nachlassband Umbra Vitae (1912) den Beginn der expressionistischen Literatur im Hause Rowohlt markierten. Auch dass im Sommer 1912 Franz Kafka mit seiner bibliophil gedruckten Betrachtung für den Verlag gewonnen werden konnte, zeichnet diese Frühphase aus.108 Mit Walter Hasenclever, Kurt Pinthus und Franz Werfel waren 1912 drei Literaten als Lektoren im Verlag tätig, die die divergierenden zeitgenössischen literarischen Strömungen kannten und zu exzellenten Beratern der beiden Verleger wurden. Für Rowohlts weiteren Verlegerweg wurde nach der Trennung von Wolff am 2. November 1912 besonders wichtig, dass er sich von Leipzig ab- und Berlin zuwandte. In seinem Jahr bei S. Fischer durchlief er die unterschiedlichen Stationen im Verlag bis hin zu einer Geschäftsführertätigkeit und konnte daneben das reiche Berliner Kulturleben der Vorkriegszeit erleben. Hans von Weber (1872 – 1924), für dessen bibliophile Interessen Rowohlt bereits seit 1908 Sympathien gezeigt hatte, vermittelte ihn 1913 als Geschäftsführer in den neu gegründeten Hyperion-Verlag, der aus den Buchprogrammen Hans von Webers und des Zeitler-Verlags in Leipzig hervorgegangen war. Neben Walter de Gruyter war der Großindustriellensohn Julius Schröder weiterer Geschäftsführer. Der Verlag publizierte Klassiker und literarische Avantgarde und gab ebenfalls bibliophile Drucke heraus. Rowohlt lernte dort seinen späteren Lektor Paul Mayer (mit seinem Gedichtband Masken und Martern) kennen, ebenso Arnold Zweig und Johannes R. Becher. Als Julius Schröder und Ernst Rowohlt 1914 sich als Freiwillige zum Kriegsdienst meldeten, lag der Hyperion-Verlag zunächst darnieder, bis Kurt Wolff ihn 1917 erwarb.109 Der 1919
108 Zum ersten Rowohlt-Verlag vgl. Estermann/Füssel: Belletristische Verlage, Kaiserreich, S. 266 – 272; Der erste Rowohlt-Verlag ist sehr gut aufgearbeitet von Göbel: Der Ernst Rowohlt Verlag 1910 – 1913. In: AGB XIV, 1974, S. 465 – 564; Ders.: Der Kurt Wolff Verlag 1913 – 1930. Expressionismus als verlegerische Aufgabe. In: AGB XV (1975), S. 521 – 962; Ders.: Ernst Rowohlt und Kurt Wolff. In: Buchhandelsgeschichte 3 (1987), S. 118 – 122. 109 Göbel: Kurt Wolff Verlag, S. 817 f.
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gegründete zweite Rowohlt-Verlag konnte an diese Personenkonstellationen und literarischen Vorlieben anknüpfen.110 Das erste Verlagsjahr 1919 zeigt paradigmatisch die enge Anbindung an die bisherigen Kontakte. Die mit Georg Heym begonnene Beschäftigung mit dem Expressionismus wurde im November 1919 durch die von Kurt Pinthus herausgegebene Anthologie Menschheitsdämmerung – Symphonie jüngster Dichtung gekrönt, die von 1920 bis 1922 in einer 20.000er Auflage vertrieben werden konnte und bis heute als ein Referenzwerk des literarischen Expressionismus gilt. Während in anderen Verlagen (so z. B. bei Kurt Wolff) noch auf den Expressionismus als künftige literarische Epoche gesetzt wurde, schrieb Kurt Pinthus bereits in seinem Vorwort mit dem bezeichnenden Titel »Nachklang«, dass die Menschheitsdämmerung ein »abgeschlossenes, abschließendes Dokument dieser Epoche« sei. Auch in einem zweiten verlegerischen Experiment, der Herausgabe einer links orientierten Flugschriftenreihe Umsturz und Aufbau vertraute Rowohlt dem verlegerischen und zeitpolitischen Instinkt von Kurt Pinthus, der in der Umbruchsituation der neuen Republik mit Georg Büchners Friede den Hütten! Krieg den Palästen! und mit den hochaktuellen Schriften des Wiener Publizisten Stefan Großmanns Der Hochverräter Ernst Toller. Die Geschichte eines Prozesses. Mit der Verteidigungsrede von Hugo Haasem (Umsturz und Aufbau 5, 1919) sowie Walter Hasenclevers Der politische Dichter (Umsturz und Aufbau 2, 1919) fortgeführt wurde. Die 46 Seiten-Broschur zum Preis von 1,20 Mark konnte zwar nur achtmal herausgegeben werden, charakterisierte aber ein neues, politisch aktives Verlagsprofil. Für die weitere Entwicklung wurden die Lektoren Paul Mayer (1879 – 1970) und Franz Hessel (1880 – 1941) entscheidend, die bis 1934 das literarische Programm prägten. Rowohlt war dem Lyriker Paul Mayer bereits im Hyperion-Verlag begegnet und vertraute ihm in den nachfolgenden Jahren weitestgehend die literarischen Entscheidungen an. Mayer war gelernter Jurist, Hessel Literaturwissenschaftler.111 Dass im ersten Jahr bereits zehn Titel und im Jahr 1920 48 Novitäten erscheinen konnten, lag an der glücklichen Konstellation, dass es durch Vermittlung guter Freunde gelang, mehrere Kommanditisten hinzuzugewinnen. Ernst Rowohlt hatte als persönlich haftender Gesellschafter 1919 eine Kommanditgesellschaft mit dem Erben der Münchner Verlegerfamilie Hans C. Thieme, der 250.000 Mark einbrachte, sowie dem Pächter aller Bahnhofsbuchhandlungen in Sachsen, Kommerzienrat Jacques Bettenhausen aus Dresden, der weitere 60.000 Mark zur Verfügung stellte, gegründet.112 1920 kam Rittmeister a. D. Hugo von Lustig mit weiteren 700.000 Mark Kommanditeinlage dazu. Rowohlts 110 Der Rowohlt-Verlag in der Weimarer Republik ist bis heute noch nicht differenziert wissenschaftlich aufgearbeitet worden und wird daher hier ausführlicher gewürdigt. Als Vorarbeit konnte die fundierte Mainzer Magisterarbeit (masch.) von Michael Schneider: Der RowohltVerlag in den 20er Jahren, 2004, herangezogen werden. Für das Ende der 1920er Jahre und die 1930er Jahre finden sich nun wichtige Erkenntnisse in der Berliner Diss. phil. masch. von David Oels: RowohltsRotationsRoutine, 2008 (Publikation für 2012 vorgesehen); vgl. ferner die Festschrift von Gieselbusch u. a.: 100 Jahre Rowohlt. 2008; mit subjektiver Färbung daneben u. a. Kiaulehn: Mein Freund der Verleger 1967; Mayer: Lebendige Schatten, 1966; Ernst Rowohlt zum Gedächtnis 1961; Mayer: Ernst Rowohlt in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, 1967. 111 Schneider: Der unsichtbare Zweite, S. 108 u. 119 – 121. 112 Zu Bettenhausen vgl. Haug: Reisen und Lesen, 2007, bes. S. 155 f.
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neuer Autor, der Mediziner Carl Ludwig Schleich, dessen Autobiografie Besonnte Vergangenheit im Oktober 1920 erschien und zu einem Bestseller des Hauses wurde, hatte Rowohlt mit von Lustig bekannt gemacht. Schleich hat Hugo von Lustig in seiner Autobiografie ein Denkmal der Freundschaft errichtet.113 Die stürmische Expansion des Verlages (1921: 29, 1922: 36, 1923: 52 Novitäten) führte dazu, dass Rowohlt die Geschäftsform einer »Kommanditgesellschaft auf Aktien« (KGaA) wählte und damit weiteres frisches Kapital in den Verlag holte. Großaktionär wurde u. a. das mährische Verlagshaus Julius Kittl Nachf., Keller & Co. mit einer Einlage von 3 Millionen Mark. Kittl wurde im Laufe der Zeit aber nicht nur sein Finanzier und bevorzugter Drucker, sondern auch ein Verlagspartner, der in Mährisch-Ostrau noch bis 1938 Bücher vertrieb, die bei Rowohlt nicht mehr erscheinen konnten, wie Ernst Salomon in seinem Fragebogen berichtet.114 Dieses Geschäftsmodell bestand nach Ausweis der im Börsenblatt erschienenen Bilanzen115 bis 1931 mit einem jeweils ausgeglichenen Haushalt von ca. 500.000 Mark Umsatz bis 1929; 1930 endete mit einem Verlust von 168.133 Mark (s. u.). Die prosperierende Phase von 1921 bis 1929 beruhte auf mehreren Stützpfeilern: den Reihen und Zeitschriften des Hauses, dem bibliophilen Programm mit der Officina Serpentis, dem Erfolg der preiswerten Klassikerausgaben von Balzac und Casanova, den Historienromanen von Emil Ludwig und der von Ernst Rowohlt gepflegten »Tatsachen-Literatur«, die Ratgeber und künftige Sachbuchliteratur einschloss. Der literarische Verlag profilierte sich u. a. mit Rudolf Borchardt, Kurt Tucholsky oder Alfred Polgar und ab 1929 mit der Übersetzung US-amerikanischer Literatur von Ernest Hemingway, Sinclair Lewis und Thomas Wolfe. 1910 hatten Rowohlt und Wolff mit den Drugulin-Drucken versucht, die Klassiker der Weltliteratur in Prachtausgaben herauszugeben, damals durchaus in Konkurrenz zu Handpressendrucken. An diese Tradition knüpfte Rowohlt zwischen 1920 und 1924 an, indem er einige Werke allein, andere wiederum mit der Officina Serpentis und der Bremer Presse zusammen herausgab, in einigen Fällen auch gemeinsam mit den Verlagen Buchenau & Reichert sowie mit dem Mauritius-Verlag.116 So publizierte er u. a. bereits 1920 Hans Bethges Pfirsichblüten aus China mit 10 Lithografien von Bernhard Hassler auf Büttenpapier in einer Vorzugsausgabe mit 50 Exemplaren und Sammlerstücken in 200 Exemplaren. Dem folgten Rudolf Borchardts Der Durant in 680 nummerierten Exemplaren sowie 1922 Franz Bleis Das große Bestiarium der modernen Litera113 Schleich, Carl Ludwig: Besonnte Vergangenheit. Lebenserinnerungen, Berlin 1921, S. 317. 114 Salomon: Fragebogen S. 276, vgl. dazu Will Vesper in: Die Neue Literatur 1938, 3, S. 150 – 152, hier S. 151: »Andererseits hat sich der Berliner Rowohlt-Verlag mit der Verlagsfirma Julius Kittl in der Tschechoslowakei zusammengetan, um seine unerwünschten deutschen Bücher loszuwerden […]. Auf diese Weise können die Firmen ein kleines Versteckspiel mit den deutschen Autoritäten machen. Es ist aber nicht so, als ob die hohen deutschen Autoritäten nichts von diesen Heimlichkeiten wüssten. Jeder Buchhändler und Verleger in Zentraleuropa ist über diese Dinge informiert«, zitiert nach Oels: RowohltsRotationsRoutine, S. 62 f. 115 Vgl. Börsenblatt 92 (1925) 130, S. 9250; Börsenblatt 93 (1926) 286, S. 1375; Börsenblatt 94 (1927) 224, S. 1155; Börsenblatt 95 (1928) 128, S. 613; Börsenblatt 97 (1930) 231, S. 962. 116 Ludwig Foerster: Deutschland im Spiegel seiner Verlage II: Ein Verlag zwischen den Fronten: Ernst Rowohlt Kommanditgesellschaft auf Aktien. In: Die neue Bücherschau 4. Jg. (1926), S. 130 f.
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tur, Rudolf Borchardts Dantes Vita Nuova und in der Officina Serpentis von Johann Wolfgang von Goethe Achilles, Helena, Pandora und Prometheus. Dazu auch Walter Hasenclevers Gedichte an Frauen und Carl Hauptmanns Die arme Marie. Gerade in der Zeit der Inflation erwiesen sich die Pressendrucke als eine gute Investition, da sie von den Käufern als Geldanlage genutzt wurden und dem Verlag mittel- und langfristige Verkaufserfolge einbrachten. Ab 1925 nahmen die Pressendrucke jedoch signifikant ab. Die alte Verlegerweisheit, mit Zeitschriften für regelmäßige Einnahmen zu sorgen und darin neue Autoren zu erproben, befolgte Rowohlt mehrfach, allerdings mit keinem bleibenden finanziellen Erfolg. Sein Freund, der Wiener Publizist Stefan Großmann, zu dem er bereits im Ersten Weltkrieg engen Kontakt hielt, gab ab dem 10. Januar 1920 eine linksintellektuelle Wochenschrift Das Tage-Buch bei ihm heraus, in dem u. a. Richard Dehmel, Alfred Döblin, Moritz Heimann, Robert Musil, Joseph Roth oder Ernst Toller publizierten. Da sich für die aufwändige Wochenschrift im Buchformat aber nur 10.000 Abonnenten fanden, nahm sie Rowohlt im April 1923 aus dem Verlagsprogramm, blieb jedoch weiterhin an der Zeitschrift beteiligt, die Großmann bis 1933 im Eigenverlag mit der finanziellen Unterstützung Hugo von Lustigs herausgab.117 1924 experimentierte Rowohlt mit einer Literatur-Zeitschrift Vers und Prosa, die von Franz Hessel herausgegeben wurde. Es blieb allerdings bei den 12 Nummern dieses einen Jahrgangs, da sich in dem wirtschaftlich schwierigen Jahr 1924 für eine anspruchsvolle Zeitschrift mit Gedichten, Werkfragmenten und Novellen keine genügende Zahl an Abonnenten fand. Ein weiteres Experiment war die Herausgabe der Literarischen Welt, die die französische Literaturzeitung Nouvelle Littéraire imitieren wollte. Der Herausgeber Willy Haas (1891 – 1973), den Rowohlt über Franz Kafka, Max Brod und Franz Werfel kennen gelernt hatte, war in den 1920er Jahren als Kritiker und Drehbuchautor bekannt geworden. Willy Haas begründete ein Netzwerk von Publizisten, Literaten, Dramatikern und Kulturschaffenden, die mit der Literarischen Welt118 eine innovative publizistische Plattform mit Vorbildcharakter schufen. Trotz der unbestrittenen Bedeutung für die Literaturszene der 1920er Jahre gelang es Rowohlt nicht, mehr als 13.000 Abonnenten zu gewinnen (kalkuliert waren 30.000 Bezieher). Der Verlust der Literarischen Welt minderte sogar die hohen Gewinne dieses Jahres im Buchverlag, sodass die Bilanz für 1926 verzeichnete: Das Geschäftsjahr 1926 weist einen Verlust, wie aus oben stehender Bilanz zu ersehen ist, von M 35.476,67 aus. Dieser Verlust ist trotz guten Absatzes unseres Buchverlages durch das Zeitschriftenunternehmen ›Die Literarische Welt‹ hervorgerufen worden. ›Die Literarische Welt‹ ist vom 1. April 1927 vom Verlag losgelöst und an eine selbstständige GmbH abgegeben worden. Die Aussichten für das Geschäftsjahr 1927 werden vom Vorstand als günstig beurteilt.119 Rowohlt blieb an der Herausgabe der Literarischen Welt beteiligt und nutzte sein Privileg, dort Werbeanzeigen zu schalten, vielfältig. Zwei grundlegende verlegerische Ideen führten zu stabilisierenden Einnahmen in den Jahren 1923 bis 1926, einmal die Idee, einen – rechtefreien – französischen Klassi117 Gieselbusch: 100 Jahre Rowohlt, S. 46 f. 118 Vgl. den Artikel von Corinna Norrick: Literaturzeitschriften in diesem Band S. 91 – 110. 119 Deutscher Reichsanzeiger Nr. 190 vom 16. August 1927, wieder abgedruckt im Börsenblatt 94 (1927) 224, S. 1155.
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ker durch Neuübersetzung zu publizieren, und zum anderen der Trend der 1920er Jahre, »billige Bücher« zu einem Mitnahmepreis anzubieten. Seinen Lektor Franz Hessel überzeugte Rowohlt von der Idee einer Neuübersetzung von Balzac.120 Die Ausgabe wurde mit einem hohen »Propagandaeinsatz« im 1. Quartal 1923 beworben, den der Geschäftsbericht des Jahres 1923 mit 55.000 Mark beziffert: »Die Ausgaben stellen im Druck und Einband ein Novum dar. Bei großer Billigkeit beste Qualität.«121 Hessel engagierte gleich zwanzig erstrangige Übersetzer, die dieser Ausgabe ihr besonderes Gepräge gaben. Unter anderem gelang es ihm, Walter Benjamin, Otto Flake, Heinrich Eduard Jacob, Hugo Kaatz, Max Krell, Walter Mehring und Paul Zech für eine Übersetzung zu gewinnen. Die Texte, gesetzt in Walbaum-Antiqua, wurden sorgfältig auf unterschiedlichem Papier gedruckt, sodass die in klein-oktav gebundenen Heftchen mit einem bemerkenswerten blauen Einband für 2 RM verkauft werden konnten. Die innerhalb von drei Jahren erschienenen 44 Titel waren sowohl einzeln als auch als Gesamtwerk zu erstehen. Bis 1924 wurden bereits 200.000 Exemplare abgesetzt und das geflügelte Wort im Verlagskorridor immer wieder zitiert: »Balzac zahlt alles.«122 Der Versuch, mit den Memoiren Casanovas diesen Erfolg zu wiederholen, gelang in diesem Umfang jedoch nicht.
Historienroman und Tatsachenliteratur Das divergierende Verlagsprofil Rowohlts in den 1920er Jahren lässt sich in vier große Linien einteilen: die kalkulierten Bestseller-Erzählungen von Carl Ludwig Schleich und Emil Ludwig, zweitens die Neuentdeckungen von Hans Fallada und Kurt Tucholsky, drittens das politisch orientierte Sachbuch und schließlich den Glücksgriff mit den Übersetzungen US-amerikanischer Autoren.123 Allen diesen Bereichen liegt die Einschätzung von Ernst Rowohlt zugrunde, »dass das Bücher kaufende Publikum […] an der Wirklichkeitsdarstellung besonders großes Interesse« hat.124 An einer anderen Stelle125 formuliert Rowohlt: »Meine Aufgabe ist es, wichtige Bücher dem Publikum zugänglich zu machen, Bücher, von denen der Leser einen Gewinn hat.« Und er fährt fort: »Ich verlege und werde weiter verlegen, was nach meiner Überzeugung in sich sauber und als literarische Leistung oder Tatsachendarstellung belangvoll ist.« Am Beginn der Publikation von »Tatsachenliteratur« steht 1920 die Zeitschrift Das Tage-Buch, die nicht nur schriftstellerische, sondern auch journalistische Beiträge über das aktuelle Geschehen im In- und Ausland enthalten sollte (s. o.). Eine erste Symbiose journalistischer Erzählliteratur in der Zeitschrift und in Buchform gelang, als Rowohlt den Arzt Carl Ludwig Schleich überzeugte, seine Lebenserinnerungen als Fortsetzung im Tage-Buch und anschließend überarbeitet als Buchpublikation herauszugeben. Der Autor wurde auf diese Art und Weise zweimal honoriert und das Publikum auf die Buchpublikation aufmerksam gemacht. Schleichs Lebenserinnerungen erschienen nach der Vorabpublikation 1921 unter dem 120 121 122 123 124 125
Vgl. Mayer: Lebendige Schatten, S. 22. Börsenblatt 90 (1923) 27. Kiaulehn: Mein Freund der Verleger, S. 115 f. Schneider: Rowohlt-Verlag in den zwanziger Jahren, S. 32 – 76. Memoiren oder Belletristik? Eine Rundfrage an die Verleger, S. 49. Konkret bei der Verteidigung der Publikation von Arnolt Bronnen, der sich offen zum Nationalsozialismus bekannte. In: Das Tage-Buch vom 1. November 1930, Heft 44, S. 1762 f.
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Buchtitel Besonnte Vergangenheit und stießen auf großes Interesse, sodass im nächsten Jahrzehnt eine Auflage von 255.000 Exemplaren realisiert werden konnte; bis in die Gegenwart sind über 1,2 Millionen Exemplare vertrieben worden.126 Einen ähnlichen Erfolg errang Rowohlt mit den Memoiren des bekannten Opernsängers Leo Slezak, die unter dem Titel Meine sämtlichen Werke 1922 erschienen. Die Romane von Emil Ludwig (1881 – 1946), die historische Erzählung und Gegenwartsdeutung geschickt miteinander verbanden, trafen ebenfalls auf ein großes Publikumsinteresse. Ludwig hatte 1920 eine angesehene Goethe-Biographie im CottaVerlag vorgelegt; Rowohlt pokerte hoch und bot dem Schnellschreiber 20 % vom Ladenpreis und als Vorauszahlung die Honorierung von 20.000 Exemplaren an.127 Mit seinen Biografien Napoleon und Wilhelm der Zweite im Jahr 1925 gelang Ludwig der Durchbruch. Zwar waren beide Werke bei Historikern und politisch Interessierten umstritten, allerdings förderte dies durchaus auch den Absatz. Rowohlt nutzte sogar diese Diskussion zur Werbung im Börsenblatt.128 Im Erscheinungsjahr wurden von Napoleon 189.000 Exemplare und von Wilhelm dem Zweiten 200.000 Exemplare vertrieben.129 Auf Grund dieses Erfolgs bemühte sich Rowohlt, Ludwig ganz an sich zu binden, und verhandelte mit dem Cotta-Verlag um die Übernahme der Goethe-Biografie. Bereits am 1. September 1925 konnte im Börsenblatt der Verlagswechsel angezeigt werden. Offensichtlich subsumierte Ernst Rowohlt auch diese historischen Romane unter seinem weiten Begriff der »Tatsachenliteratur«, also Biografien von Persönlichkeiten und der Zeit, in der sie lebten und agierten. Rowohlt verließ sich aber nicht nur auf den sich selbst tragenden Erfolg, sondern warb mit Vorabdrucken und ganzseitigen Anzeigen. So ließ er z. B. am 12. Oktober 1926 eine vierseitige Anzeige mit Pressestimmen zu Wilhelm dem Zweiten erscheinen, die die Debatte um das Buch weiter anheizte. Kiaulehn fasst die Werbestrategien so zusammen: »Er hat es als Verleger gewagt, in ganzseitigen Inseraten und auf Plakaten so zu werben, wie für Markenartikel, für Waschpulver oder Bouillonwürfel.« Werbung wurde aktiv geplant, und im Falle von Kurt Tucholsky und der Weltbühne sogar Gegenstand des Verlagsvertrages, in dem vereinbart wurde: »Die Firma Rowohlt Verlag GmbH verpflichtet sich ab 1. Dezember 1931, für die nächsten 12 Monate in jeder Nummer der ›Weltbühne‹, also im Ganzen 26 Mal, ein Textstreifen-Inserat im gewissen Turnus abwechselnd über die obigen Bücher zu veröffentlichen.«130 Darüber hinaus inserierte er im Tage-Buch und in der Literarischen Welt. Im Falle von Ludwig gab er mehrseitige Werbebroschüren heraus, so 1926 »Emil Ludwig im Urteil der Deutschen Presse« und »Emil Ludwig im Urteil der Weltpresse«. Wiederum griff Rowohlt Kritik geschickt auf: als die renommierte Historische Zeitschrift einen kritischen Sonderband über die sogenannte »Historische Belletristik« 1928 herausgab, ließ Rowohlt eine Replik Ludwigs, die in der Neuen Rundschau erschienen war, nachdrucken und kostenlos an Universitäten verteilen.131 Im Falle seines Bestsellerautors 126 »Mit der ›Besonnten Vergangenheit‹ hat sich der Rowohlt-Verlag einen Rückhalt geschaffen, der es Rowohlt erlaubte, viel Geld auszugeben«, vgl. Kiaulehn: Mein Freund der Verleger, S. 105. 127 Kiaulehn: Mein Freund der Verleger, S. 108. 128 Vogt-Praclik: Bestseller in der Weimarer Republik, S. 73. 129 Mayer: Ernst Rowohlt, S. 197. 130 Marbach, DLA, A: Tucholsky, 86.2307/1 – 5. 131 Emil Ludwig: Historie und Dichtung. In: Die Neue Rundschau. 20. Jg. 1929, 1. Bd., S. 358 –381.
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Ludwig organisierte Rowohlt für das Antikriegs-Stück Juli 14 eine neuartige Werbung mit einer Diaprojektion in den Lichtspielhäusern Berlins.132 Mit einer solchen und ähnlich offensiver Werbung beschäftigte sich seit 1923 der Börsenverein der Deutschen Buchhändler, der eine eigene Werbestelle eingerichtet hatte.133 Ein sozialer Zeitroman mit deutlichen Gegenwartsbezügen war Hans Falladas Bauern, Bonzen und Bomben, der werbewirksam von der Kölner Illustrierten vorabgedruckt worden war und der 9.000 Mark Lizenzgebühren einbrachte, von denen der Autor 4.000 Mark erhielt. Die Kölner Illustrierte warb für ihren Vorabdruck auf Plakaten, was eine zusätzliche Unterstützung für den Buchabsatz bedeutete.134 Von dem Cheflektor des Ullstein-Verlags, Max Krell, hat sich ein überaus positives Votum für einen möglichen Vorabdruck in der Vossischen Zeitung erhalten: Auf ›Bauern, Bonzen und Bomben‹ von Fallada passt wirklich das Modewort ›stark‹. Er ist stark durch seine Echtheit, durch Intensität der Anschauungen und Darstellungen, durch seinen Umweg und schonungsloses Berichten, durch sachliche Klarheit im Kleinen und leidenschaftliche Anteilnahme im Großen, durch seine Offenheit, die das Groteske nicht scheut, durch Präzision der Sprache, des Details, prachtvolle Straffheit und Steigerung im Aufbau, vollkommene Bewältigung des Stoffes, der bei seiner Vielseitigkeit, Weite und Tiefe leicht hätte ins Uferlose locken können.135 Die gute Aufnahme in der Literaturkritik und der ordentliche Absatz im Verlag (3.000 Exemplare nach einem Jahr)136 führten zu einer psychischen Stabilisierung von Fallada, der bereits seit 1920 mit seinem ersten Roman Der junge Goedeschal im Hause Rowohlt bekannt war. Auch sein zweiter Roman Anton und Gerda wurde 1923 bei Rowohlt publiziert, wobei beide Romane nicht über 3.000 Exemplare hinaus kamen. Durch seine Drogenabhängigkeit mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten, nahm Fallada erst 1928 wieder Kontakt mit Rowohlt auf und kündigte einen neuen Roman an. Um ihm ein kontinuierliches Einkommen zu verschaffen, stellte Rowohlt Fallada mit einer halben Stelle als Mitarbeiter im Verlag ein, wo er für den Rezensionenversand und für die Archivierung der eingegangenen Belege zuständig wurde. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich erneut, dass Rowohlt zahlreiche Autoren als Mitarbeiter im Verlag beschäftigte und sie damit unterstützte. Unter dem symbolhaften Titel Kleiner Mann – was nun? legte Fallada 1932 einen literarisch überaus gelungenen, die Wirklichkeit breiter Schichten des Angestelltenmilieus in der Weimarer Republik nachzeichnenden Roman vor. In diesem Falle kam es zu einer produktiven Zusammenarbeit mit dem Ullstein-Verlag und der Vossischen Zeitung, die den Roman in Fortsetzungen vorabdruckte. Die Vossische Zeitung zahlte 7.000 RM und beendete den Abdruck am 15. Juli, das Buch erschien passgenau am 10. Juli. Rowohlt zog wiederum alle Werberegister und verließ sich nicht allein auf den Vorab132 Vogt-Praclik: Bestseller, S. 67 ff. 133 Stefan Wangert: Die Presse als Werbefaktor für den Sortimentsbuchhandel. In: Börsenblatt (1926) 98, S. 1101 – 1104. 134 Kiaulehn: Mein Freund, S. 127. 135 Vgl. den Brief Krells an Rowohlt vom 18. Juni 1931 im Hans Fallada Archiv: Rowohlt 1931, zitiert nach Schneider: Rowohlt Verlag, S. 63. 136 Vgl. Williams: Mehr Leben als eins, S. 151.
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druck. Er versandte an 75 ausgewählte Sortimenter eine Leseprobe und bat um ihre Meinung zu diesem Roman. Zentrale Passagen aus diesen Briefen publizierte Rowohlt in einer vierseitigen Broschüre unter dem Titel Der Leser hat das Wort! Aus Briefen an den Dichter Hans Fallada über seinen neuen Roman ›Kleiner Mann – was nun?‹ und legte diese Broschur im Börsenblatt137 bei. Bereits Ende Juli waren die ersten 4.000 Exemplare verkauft und weitere 4.000 zum Aufbinden bestellt.138 Der Roman traf offensichtlich durch seine ebenso emotionale Schilderung der Situation wie auch die in dieser Art und Weise ungewohnte schonungslose Schilderung vielfachen Schicksals dieser Jahre auf ein gesteigertes Leserinteresse. In einem Vierteljahr wurden 23.000 Exemplare ausgeliefert und im ersten Halbjahr 1933 erschien das 58. Tausend. Gleichzeitig konnte Rowohlt Lizenzen nach Großbritannien, Frankreich, Schweden, Dänemark, Norwegen, Tschechien und in die USA verkaufen. Während Fallada sowohl bei der Kritik als auch beim Publikum reüssierte, schwankten die Erfolge von Emil Ludwig, die lange Jahre sicheren Gewinn für den RowohltVerlag bedeutet hatten. Sein Roman Der Menschensohn (eine Jesus-Biografie) stieß auf energische Kritik, in der ihm u. a. billige religiöse Verbrämung vorgeworfen wurde. Der Verlag hatte wie üblich mit einer hohen Startauflage von 30.000 Exemplaren kalkuliert139 und auch den Vorschuss für die ersten 20.000 Exemplare bezahlt, auf denen der Verleger nun sitzen blieb. 1929 konnte Ludwig allerdings mit seinem Roman zum Ersten Weltkrieg Juli 14 noch einmal punkten, in dem er gegen die im Versailler Friedensvertrag aufoktroyierte Alleinschuld Deutschlands argumentierte und auf der Welle der Kriegsliteratur zum Ersten Weltkrieg schwamm. In den ersten zwei Monaten wurden bereits 120.000 Exemplare abgesetzt. Dagegen fielen seine Lincoln-Biografie (1930) und seine Autobiografie Geschenke des Lebens (1931) kläglich aus, sie wurden nur zum geringen Teil verkauft. Auch für seine Autobiografie hatte Ludwig erneut für 20.000 Exemplare Vorschuss erhalten, lediglich 6.000 wurden verkauft.140 Sowohl diese großen Vorschüsse, die sich nicht amortisierten, als auch die Wirtschaftskrise des Jahres 1929, brachten den Verlag zunehmend in eine finanzielle Schieflage. Äußerer Anlass war, dass die Hausbank Rowohlts, die DANAT-Bank, 1931 zahlungsunfähig wurde. Rowohlt bemühte sich um einen Vergleich mit seinen Autoren und Teilhabern, die er, wie schon in den Jahren zuvor, mit Aktien befrieden wollte. Vor allem jedoch Emil Ludwig, der eine gewisse Mitschuld an der Finanzkrise besaß, lehnte dies ab. Der Verlag wurde in eine GmbH umgewandelt, die Kommanditgesellschaft in den nächsten Jahren abgewickelt. Möglich wurden dieser Vergleich und die Abwendung der Insolvenz durch die Brüder Ullstein, die den Verlag zu zwei Drittel übernahmen, ohne aber offensichtlich in den nachfolgenden Jahren direkt auf das Verlagsprogramm Einfluss zu nehmen. Exakte Daten sind nicht zu ermitteln, die üblichen verschleiernden und anekdotischen Formulierungen gipfeln im Rückblick von LedigRowohlt: »Damals, wenn ein Verlag pleite ging, mein Vater war ja manchmal dicht 137 Börsenblatt 99 (1932) 151, S. 2945 – 2948. 138 Hans Fallada Archiv: Rowohlt 1932, Brief Rowohlts an Fallada vom 30. Juli 1932; zitiert nach Schneider: Der Rowohlt Verlag, S. 66. Vgl. auch: Hans Fallada: Ewig auf der Rutschbahn 2008; Töteberg: »Ich will nie einen anderen Verleger als Sie«, S. 191 – 205. 139 Vogt-Praclik: Bestseller, S. 74. 140 Mayer: Ernst Rowohlt, S. 107.
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dran, da waren die Ullsteins und sagten: ›Na, macht ihr wundervolle Bücher, hier hast Du das Geld, mach mal wieder!‹«141 Nachfolgend kam es aber häufiger zu Vorabdrucken in den Ullstein-Zeitungen und Zeitschriften und mehrere der Ullstein-Autoren und Journalisten publizierten auch im Rowohlt-Verlag. Die finanzielle Krise war dadurch augenscheinlich überwunden, 1931 partizipierte Rowohlt offenbar sogar kurzfristig am Gustav Kiepenheuer Verlag.142 Am Ende der 1920er Jahre nahm die Internationalisierung des Verlagsprogrammes zu. Rowohlt war von einem amerikanischen Korrespondenten auf Ernest Hemingways The sun also rises aufmerksam gemacht worden,143 der das Buch unter dem Titel Fiesta in Deutschland publizierte. Als zweiter amerikanischer Autor wurde Sinclair Lewis mit Elmer Gantry und Mantrap (übersetzt von Franz Fein) 1928 veröffentlicht. Als Sinclair Lewis 1930 den Literaturnobelpreis bekam, konnte Rowohlt sehr gute deutschsprachige Übersetzungen vorweisen. Er folgte dem Hinweis von Lewis, der mit Understatement gesagt hatte, nicht ihm, sondern Thomas Wolfe mit Schau heimwärts, Engel hätte eigentlich der Nobelpreis zugesprochen werden sollen. Rowohlt übernahm diesen Titel daraufhin ungesehen, ließ ihn in der Vossischen Zeitung 1932 abdrucken und im gleichen Jahr als Buchausgabe bei Rowohlt erscheinen. Dies erwies sich als ein doppeltes Risiko, da Wolfe selbst in den Vereinigten Staaten noch nicht sehr bekannt war und sich US-amerikanische Literatur nach 1933 in Deutschland nur sehr schwer verkaufte. Die Bedeutung des zweiten Verlages, an den Rowohlt 1946 wieder anknüpfen konnte, bezog sich einerseits auf die Vermittlung englischer und amerikanischer Literatur in Deutschland, andererseits auf junge deutsche Autoren der 1920er Jahre, wie Hans Fallada oder Kurt Tucholsky, dessen Schloss Gripsholm 1931 erschien, und die Unterstützung von Robert Musil, dessen Mann ohne Eigenschaften 1930 und 1933 erschien. Das politische Sachbuch, das die politische Landschaft kritisch reflektierte, z. B. Hubert Knickerbockers Morgen wieder Krieg, Hitler-Wilhelm III. oder Die Volkswirtschaftslehre der UdSSR, rundeten das breite Spektrum des Verlags ab. So vereinigte der Verlag Expressionisten und Feuilletonisten, populäre Bestsellerautoren und niveauvolle Essayisten, verbunden durch einen Trend zur selbst definierten »Tatsachenliteratur«, die den weiten Bogen vom historischen Roman bis zum Sachbuch modernen Stils schlugen. Seit 1931 arbeitete der uneheliche Sohn Heinrich Maria Ledig-Rowohlt zunächst weitgehend inkognito im Verlag mit. Ullstein rettete Rowohlt 1931 finanziell, 1934 wurde die Ullstein AG arisiert und gehörte unmittelbar zum Zentralverlag der NSDAP, Franz Eher Nachf. Offensichtlich konnte sich Rowohlt weitgehend selbstständig halten, 1938 wurde er in die DVA, Stuttgart, integriert. Rowohlts Verlagspolitik im Dritten Reich, den Kontext zu Ullstein, Eher und der DVA gilt es weiter aufzuarbeiten. Aufbauend auf dem breiten und interessanten Spektrum der 1920er Jahre war es Ernst Rowohlt und seinem Sohn jedoch möglich, 1946 wieder einen bald prosperierenden Verlag zu gründen.
141 Heinrich Maria Ledig-Rowohlt: Prince Henry. Gespräch mit Alexander U. Martens. Göttingen 1992, S. 98. 142 Vgl. Sabine Röttig: »… bleiben Sie wie bisher getrost in Dichters Landen und nähren Sie sich redlich«. Der Gustav Kiepenheuer Verlag 1933 – 49. In: AGB 58 (2004), S. 25. 143 Heinrich Maria Ledig-Rowohlt: Der Tod am Morgen. In: Thomas Wolfe – Ernest Hemingway. Reinbek: Rowohlt 1965, S. 31 – 73, hier S. 32.
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Kurt Wolff Verlag Der Versuch einer Charakteristik der verlegerischen Tätigkeiten von Kurt Wolff in der Weimarer Republik muss die ganze Bandbreite seiner wirtschaftlichen und kulturellen Aktivitäten in das Blickfeld nehmen, die seit der Verlagsgründung 1912 literarische (mit einem deutlichen Schwerpunkt auf expressionistische) Vorlieben mit bibliophilen, kunsthistorischen und zeithistorisch-philosophischen Interessen umfassten, ebenso sprunghafte wirtschaftliche Engagements, Verlagszukäufe und diverse Fusionsabsichten.144 Wolff wollte immer mehr sein als nur Verleger des Expressionismus und sprach offen von einem »verfluchten, verhassten Ruhm«,145 in der öffentlichen Wahrnehmung oft nur als Expressionismusverleger wahrgenommen zu werden. Es ist ihm aber tatsächlich zu verdanken, dass diese in sich widersprüchliche literarische Strömung durch seine Reihe Der jüngste Tag von 1913 bis 1921 einen nach außen hin homogenen Gesamteindruck machte.146 Während Kurt Wolff 1914 bis 1916 als Soldat einberufen worden war, sorgten seine Mitarbeiter, vor allen Dingen der Prokurist Georg Heinrich Meyer und der Lektor Kurt Pinthus für die Kontinuität in der Verlagsführung. In diese Zeit fällt die Übernahme des Gesamtwerkes von Max Brod, das Bestsellergeschäft des Romans Der Golem von Gustav Meyrink und die Vermarktung von Rabindranath Tagores Gitanjali, den Kurt Wolff noch kurz vor der Verleihung des Nobelpreises 1913 in den Verlag genommen hatte. Mit der geschickt lancierten Reihe Der neue Roman wurden neu für den Verlag gewonnene Autoren neben älteren Titeln zum günstigen Preis von 3,50 Mark angeboten, darunter sieben Romane von Heinrich Mann, Max Brods Tycho Brahes Weg zu Gott oder Carl Hauptmanns Einhart, der Lächler. Die verlegerische Differenzierung des Programms begann schon 1916, als Kurt Wolff einen eigenen »Verlag der Schriften von Karl Kraus (Kurt Wolff)« gründete, da Kraus mit keinem anderen Schriftsteller in einem Verlag erscheinen wollte.147 Als Kurt Wolff energiegeladen 1917 in den Verlag zurückkehren konnte, gründete er mehrere neue Zweigunternehmen, so den Verlag »Der Neue Geist« für kulturpolitische und zeitgeschichtliche Themen und den Hyperion-Verlag für Bibliophilie. 1917 kaufte Wolff auch den »Verlag der Weißen Bücher«, mit dem er bisher in enger finanzieller Verbindung gestanden hatte und führte ihn als Imprint-Verlag weiter. Kurzfristig soll auch 1918 in München der Musarion-Verlag zu Wolff gehört haben,148 1919 gab es Verhandlungen mit Georg Bondi zu einer Verlagsübernahme, die allerdings scheiterte, und 1921 Fusionsgespräche mit Samuel Fischer. 1918 kaufte er die Leipziger Offizin Drugulin, die er aber 1919, zusammen mit dem Verlag »Der Neue Geist«, an seinen Schwager Peter Reinhold weitergab. Nach der Rückkehr aus dem Krieg wurde der Verlagssitz von Leipzig nach Darmstadt, in die Heimatstadt seiner Frau Elisabeth verlegt, 144 Vgl. dazu die ausgezeichnete Dissertation von Göbel: Der Kurt Wolff Verlag und den informativen Begleitband zur Ausstellung, Weidle: Kurt Wolff. Ein Literat und Gentleman. 1910 – 1930. 145 Wolff: Vom Verlegen, S. 902. 146 Vgl. Estermann/Füssel: Belletristische Verlage, Kaiserreich, S. 268 – 272. 147 Brief von Kurt Wolff an Georg Heinrich Meyer 1916, zitiert nach Goebel: Der Kurt Wolff Verlag (1910 – 1939). In: Weidle: Kurt Wolff, S. 11 – 42, hier S. 31. 148 Goebel: Der Kurt Wolff Verlag (1910 – 1939). In: Weidle: Kurt Wolff, S. 11 – 42, hier S. 31; Wittmann: Buchkultur in München, S. 125 – 128.
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im Herbst 1919 dann nach München (bis 1930) in das Haus des verstorbenen Verlegers Georg Hirth. In seinem nach ihm selbst benannten literarischen Verlag wurden zunächst noch die letzten expressionistischen Texte von Yvan Goll, René Schickele oder Kasimir Edschmid verlegt, die Reihe des Jüngsten Tags wurde allerdings mit den Schriften von Ernst Toller, Ferdinand Hardekopf und Rudolf Kayser abgeschlossen. Das Werk des Literaturnobelpreisträgers Tagore sorgte weiterhin für Umsatz, auch die Bücher von Franz Werfel und bibliophile Ausgaben im Hyperion-Verlag – Luxusdrucke waren als Geldanlage gerade in Zeiten der Inflation beim Publikum begehrt, wie sich mehrfach zeigte. Während sich Kurt Wolff 1924 darauf konzentrierte, einen internationalen Kunstverlag, die Pantheon Casa Editrice, in Florenz zu gründen und Bücher in exquisiter Aufmachung und hochpreisigen Kleinauflagen in fünf Sprachen, Italienisch, Französisch, Spanisch, Englisch und Deutsch, zu vertreiben, konnte der Literaturverlag sowohl bei Engagements für neuere Literatur als auch im wirtschaftlichen Kontext nicht mehr mithalten. Zwar erschienen Gesamtausgaben von Guy de Maupassant, Émile Zola und Charles-Louis Philippe und erste Romane von Sinclair Lewis, Babbitt und Dr. med. Arrowsmith, doch gab es Konkurrenzausgaben anderer Verlage: Sinclair Lewis wanderte z. B. zum Rowohlt Verlag ab. In der Neuen Bücherschau erschien 1928 ein Portrait des Verlags, das bemängelte, dass Wolff in den unmittelbar zurückliegenden Jahren Bücher herausgebracht habe, deren Notwendigkeit nicht zu erkennen ist: Neuausgaben von de Coster, nicht immer gut gemachter Unterhaltungskitsch, Kunstpublikationen, die aus dem Rahmen dieses in der Hauptsache literarischen Verlages fallen. Dafür sind zwei junge Autoren vertreten, Joseph Roth und Paula Schlier, die den Willen des Verlages erkennen lassen, nach dem Abflauen des Expressionismus […] mitzuhelfen an dem Aufbau einer neuen, wirklichkeitsnahen Dichtung.149 Noch immer erschienen literarische Perlen im Programm, so die Nachlassromane von Franz Kafka 1926/27, die Unterhaltungsliteratur prägte aber stärker als je zuvor das Bild. Die Publikationszahlen nahmen deutlich ab, 1928 erschienen nur noch neun Bücher, 1929 ein einziges. Danach beschränkte sich der Verlag auf die Auslieferung. 1930 schrieb Wolff an Werfel: »Mag ichs nun lediglich durch eigenes Verschulden falsch angefaßt haben, mag ich Pech gehabt haben […], Tatsache ist, daß ich mich in den letzten sechs Jahren praktisch und materiell an diesem Verlag aufgerieben, verblutet habe.«150 Sein Schwager Peter Reinhold kaufte den Wolff Verlag, den Hyperion-Verlag und den Verlag der Weißen Bücher und führte sie fusioniert 1933 in Berlin weiter. 1933 verließ Kurt Wolff Deutschland und floh über Italien und Frankreich mit seiner zweiten Frau Helen nach New York, wo sie 1942 den Verlag Pantheon Books Inc. eröffneten. Wolff starb 1963 auf dem Weg zur Expressionismus-Ausstellung in Marbach a. N.
149 Zitiert nach Göbel: Kurt Wolff Verlag. In: Weidle, S. 39. 150 Zitiert nach Göbel: Kurt Wolff Verlag. In: Weidle, S. 40.
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Drei Masken Verlag Nach den Titelzahlen von 1927 führte in München der Verlag Georg Müller mit 60 Titeln, gefolgt von Kurt Wolff mit 30 Titeln, Albert Langen mit 29 Titeln, R. Piper mit 28 Titeln und dem Drei Masken Verlag mit 24 Titeln. Der Drei Masken Verlag in München gehörte zu den kleineren Verlagen mit einem interessanten literarischen Programm. Er war am 24. November 1910 in München als Bühnen- und Theaterverlag von Ludwig Friedmann gegründet worden und verwaltete u. a. die Theaterlizenzen von Georg Müller. 1917 übernahm er den Bühnenvertrieb des 1909 in Berlin gegründeten Erich Reiß Verlags151 und damit Werke von Kasimir Edschmid, Maximilian Harden oder Klabund und im gleichen Jahr den Bühnenvertrieb des Kurt Wolff Verlags.152 Die »Vereinigten Bühnenvertriebe Drei Masken/Georg Müller/Erich Reiß/Kurt Wolff Verlag« wurden am 21. September 1917 in Berlin gegründet. Über Kurt Wolff kamen die Dramen z. B. von Herbert Alberti, Fritz von Unruh und Carl Zuckmayer hinzu. Ab 1920 erschienen im Münchener Drei Masken Buchverlag Musikliteratur und wichtige philosophische, soziologische und historische Werke, u. a. von Max Weber, Georg Simmel, Leopold von Ranke oder Johan Huizinga. 1922 wurde das Münchner Unternehmen in eine Aktiengesellschaft verwandelt: Drei Masken Verlags AG.153 Dort erschienen zu Beginn der 1920er Jahre zwanzig expressionistische Titel, u. a. von dem Essayisten Otto Flake, dem Dramatiker Carl Sternheim und Bertolt Brechts Trommeln in der Nacht (1923). Lion Feuchtwanger wechselte 1925 von Georg Müller zum Drei Masken Verlag und publizierte dort seinen Roman Jud Süß in hoher Auflage. 1925 erschien der Dorfroman Die Chronik von Flechting von Oskar Maria Graf und 1927 dessen Autobiografie und Zeitreflexion Wir sind Gefangene, die auf erhebliche Resonanz stieß.154 1931 wurden der Buchverlag und der Bühnenvertrieb nach Berlin zurückverlegt; 1934 wurde das jüdische Unternehmen liquidiert.155
Verlage der Avantgarde Kunst und Literatur der Avantgarde kritisieren in der Regel die Traditionen, eröffnen neue Sichtweisen und brechen meist bewusst die Normen von Form und Inhalt.156 Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts förderten jeweils engagierte Verleger die avantgardistischen Tendenzen des Naturalismus, des Expressionismus oder des Dadaismus und identifizierten sich über weite Strecken mit ihnen. Wilhelm Friedrich ist ein Beispiel für die bedingungslose Förderung des Naturalismus, Kurt Wolff kann als ein führender Verleger des Expressionismus angesprochen werden (neben etwa 450 meist kleineren Verlagen, die die 2.300 Bücher des Expressionismus herausgaben).157 151 Halbey: Der Erich Reiß Verlag 1908 – 1936. In: AGB 21 (1980), Sp. 1127 – 1256; Raabe: Autoren und Bücher des literarischen Expressionismus, 2. Auflage 1992, S. 778 – 780. 152 Göbel: Der Kurt Wolff Verlag, Sp. 767 f. 153 www.dreimaskenverlag.de/verlag/verlagsgeschichte (eingesehen 20.05.2011). 154 Wittmann: Hundert Jahre Buchkultur, S. 127 f. 155 www.dreimaskenverlag.de/verlag/verlagsgeschichte (eingesehen 20.05.2011). 156 Vgl. u. a. Plumpe: Avantgarde. In: Text und Kritik, S. 7 – 16. 157 Zu den Verlegern des Naturalismus und des Expressionismus vgl. Estermann/Füssel, Belletristische Verlage, Kaiserreich, bes. S. 211 – 214 und 266 – 273.
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In den 1920er Jahren fand die Dada-Bewegung Unterstützung durch die Verlage von Paul Steegemann in Hannover und den Malik-Verlag in Berlin. Die Drucke der DadaBewegung sind in ihrem Erscheinungsbild durch eine völlige Auflösung der klassischen Regeln der Typografie und der Gestaltung gekennzeichnet. Die Bewegung, die seit 1916 von Zürich ausging, verkündete eine inhaltliche und gestalterische Kunstanarchie. Die Montage völlig unterschiedlicher Schriftarten und -größen und ein kollagenartiger Aufbau, der fotografische und typografische Elemente mischte, waren für diese Richtung bezeichnend. Mit ihrer Aufhebung der überkommenen Kunst- und Gattungsgrenzen sowie eines organischen Kunstwerk-Begriffs erfüllten die Dadaisten alle Voraussetzungen für Avantgarde-Kunst. Viele Publikationen der Dada-Bewegung erschienen an entlegenen Orten in Ein-Mann-Verlagen, aber eben auch in zwei engagierten künstlerischen Verlagen, die sich 1919 gegen den Muff der bürgerlichen Kultur der Kaiserzeit wandten.
Paul Steegemann Verlag Eine Verbindung von spätexpressionistischer Literatur und Tendenzen des Dada findet sich in der Buchreihe Die Silbergäule von 1919–1921 in dem 1919 in Hannover gegründeten Verlag von Paul Steegemann.158 Der erst 24-jährige Steegemann knüpfte an die Erfolgsgeschichte der zahlreichen expressionistischen Buchreihen an, und es gelang ihm, mit Kasimir Edschmid, Carl Hauptmann, Heinrich Mann oder Otto Flake bereits eingeführte Autoren für die Reihe zu gewinnen; neu hinzu kam der Hannoveraner Kurt Schwitters. Im Unterschied zu Kurt Wolffs Reihe Der jüngste Tag wurden allerdings nicht nur zeitgenössische Texte aufgenommen, sondern auch eine Auswahl von Hölderlin und Flaubert. Steegemann selbst kokettierte damit, dass er unbekanntere Spätexpressionisten und Vertreter der provinziellen Literatur und Kunst zum ersten Mal in den Silbergäulen publiziert habe.159 Er erregte auch beim etablierten Buchhandel Anstoß, etwa durch einen Privatdruck der Gedichtsammlung Frauen von Paul Verlaine, in der Übersetzung von Curt Moreck. Das Börsenblatt weigerte sich sogar, eine Anzeige dafür zu drucken. Kurt Tucholsky kommentierte dies in der Weltbühne am 12. August 1920: Der Verleger gefällt den Reaktionären in Leipzig nicht. Paul Steegemann hat mit anerkennenswertem Fleiß eine große Reihe junger Autoren oder politischer Radikaler herausgebracht, und weil Kurt Hiller oder Heinrich Vogeler-Worpswede oder Heinrich Mann oder Rudolf Leonhard nicht auf den deutschen Krieger-Verein eingeschworen sind, bekommt es Leipzig mit der Angst vor dem Bolschewismus und hat nun ein Ausschlussverfahren gegen den politisch unbequemen Verleger in die Wege geleitet.160 Mit »Leipzig« wird der etablierte, im Börsenverein zusammengeschlossene Buchhandel angesprochen, der 1920 den Ausschluss des Verlegers Paul Steegemann aus der Standesorganisation betrieb. Steegemann musste sich auch mit der Zensur in der Weimarer Republik immer wieder auseinandersetzen, seine Autoren, darunter besonders Walter 158 Meyer: Paul Steegemann Verlag 1994. 159 Paul Steegemann Verlag, Katalog, S. 29. 160 Zitiert nach Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke, Bd. 1, 1960, S. 719.
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Serner, wurden wiederholt wegen des Verstoßes gegen das »Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schmutz- und Schundschriften« (1926) angeklagt.161 Die Auflagen der Bände der Silbergäule, in denen z. B. Kurt Schwitters’ Lithografiefolge Die Kathedrale, Richard Huelsenbecks Geschichte des Dadaismus En avant Dada, Hans Arps Versband die wolkenpumpe oder Walter Serners dadaistisches Manifest Letzte Lockerung erschienen, sind durchaus beachtlich – sie reichen von 1.000 bis über 10.000 Exemplare. Alle 59 Titel zusammen haben eine Gesamtauflage von etwa 200.000 Exemplaren erreicht. Man darf diese Zahlen nicht mit der bewusst satirisch überhöhten Anzeigenwerbung Steegemanns verwechseln, in der er die Gigantomanie der Bestsellerzahlen der Weimarer Republik parodierte. Bereits nach zwei Monaten meldete er, die Serie habe »über 100.000 Bände« verkauft, und in der Anzeige im Börsenblatt kündigte er die Startauflage von Melchior Vischers Sekunde durch Hirn mit »über 400.000 Bänden« an.162 Insgesamt treffen in den Silbergäulen avantgardistische Tendenzen mit dem Bestreben zum Ausgleichenden, Gefälligen zusammen, was für die Situation des Buchmarktes in der Weimarer Republik bezeichnend wird. Wilhelm Michel beschreibt den Erfolg der Reihe am 11. Januar 1921 in der Frankfurter Zeitung: Der wesentliche Zug der Sammlung ist die grenzenlose Bereitschaft zu allem Neuen und Erregenden, zu den Wichtigkeiten des Jahrzehnts, des Tages, selbst der Minute. Ein kecker, unruhiger Geist, ein rasch zugreifender, etwas flatternder vorfühlender Geschmack zeichnet sich ab, deutlich verliebt in alles, was irgendwie Grenzen überspringt, keineswegs ohne geistigen Ehrgeiz, doch auch gebannt in die Empfindung für das Marktgängige des Gegenwärtigen und der kommenden Stunde.163
Malik Verlag Der Malik Verlag (benannt nach dem Roman von Else Lasker-Schüler), der am 1. März 1916 von Wieland Herzfelde gegründet worden war, zählt durchaus zu den repräsentativen Unternehmen der Weimarer Republik mit einem hohen künstlerischen, literarischen und politischen Profil. Er setzte sich besonders für die jüngsten Schriftsteller ein, »die noch keinen Platz in der heutigen Literatur gefunden haben«.164 Herzfelde forderte alle europäischen Künstler und Intellektuellen, die »nicht greisenhaft, nüchtern und unterwürfig sind«, auf, hier zu publizieren. In der Zeitschrift Neue Jugend (eine fortgeführte Schülerzeitschrift, die die Verlagsgründung formal recht einfach ermöglichte) finden sich in den nachfolgenden Jahren Werke von George Grosz, Theodor Däubler, Salomon Friedländer (Ps. Mynona), Johannes R. Becher, Else Lasker-Schüler und Richard Huelsenbeck, die auch das weitere Verlagsprogramm prägten. Schon 1917 wurde die Zeitschrift von der Kriegszensur verboten. Nachdem Herzfelde und weitere Mitglieder des Malik-Kreises 1918 in die Kommunistische Partei Deutschlands eingetreten waren, setzte sich der Verlag nach eigenem Bekunden mit »aufklärenden Broschüren
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Füssel: Vom Schaufenstergesetz zur Bücherverbrennung, S. B 55 – B 65. Paul Steegemann Verlag, Katalog, S. 34 – 38. Paul Steegemann Verlag, Katalog, S. 32. Nachwort in: Neue Jugend, Heft 7, Juli 1916, S. 146.
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und satirischen Zeitschriften« dafür ein, in Deutschland eine proletarische Revolution zu entfalten.165 Herzfelde engagierte sich besonders für die Berliner Dadaisten, so z. B. durch die Publikation von drei Schriften von Richard Huelsenbeck: Dada siegt, Deutschland muß untergehen und Phantastische Gebete. Daneben übernahm er die von Raoul Hausmann bisher im Selbstverlag herausgegebene Zeitschrift dada und 1921 dessen Satireband Hurra! Hurra! Hurra! Hohen Bekanntheitsgrad erreichte seit Februar 1919 Herzfeldes satirische Zeitschrift Jedermann sein eigener Fußball, eine vierseitige Illustrierte im Zeitungsformat, die Herzfeldes Motto mit anderen Worten wiedergab: »Lasst euch nicht treten, bewegt euch selbst!«166 Da in dieser Ausgabe aber nicht nur satirisch überhöht die Erfolglosigkeit der kommunistischen Parolen kommentiert wurde, sondern auch massiv gegen die junge Republik, die Sozialdemokraten Friedrich Ebert und Philipp Scheide- Abb. 4: Malik-Verlagsanzeige 1924. In: Der mann polemisiert und zur Fortsetzung Malik-Verlag 1916 – 47. Chronik, S. 64. der Revolution aufgerufen wurde, wurde die Zeitschrift gleich am Erscheinungstag verboten. Die Auflage von 7.000 Exemplaren war da aber bereits vollständig verkauft worden. Eine Fortsetzung fand die Agitation in der Zeitschrift Die Pleite, von der jede Ausgabe beschlagnahmt wurde. Mit ihr bekannte sich Herzfelde als Parteigänger der revolutionären Bewegung in der Sowjetunion. Als die KPD die Dada-Strömung als einen »dekadenten Unsinn« bezeichnete, verließ Herzfelde die ohnehin im Abflauen begriffene Bewegung. Seit 1920 gingen daher auch die Zeitschriftentitel zurück und der Buchverlag etablierte sich, im Umfang durchaus vergleichbar mit der Rowohlt-Produktion. Im Mittelpunkt stehen etwa 80 Autoren aus der Sowjetunion, 1924 z. B. Wladimir Majakowskis 150 Millionen in der Übersetzung von Johannes R. Becher, es folgten einzelne Werke und Ausgaben von Ilja Ehrenburg, Maxim Gorki, Sergej Tretjakow, daneben zwischen 1926 und 30 eine 17-bändige Gesamtausgabe von Maxim Gorki, die Gesamtausgabe von Ehrenburg und ab 1928 auch die Gesamtausgabe von Tolstoi.167 165 Stucki-Volz: Malik-Verlag, S. 21. 166 Wieland Herzfelde: Dada und die Folgen. In: Sinn und Form 1961, Heft 6, S. 1239. 167 Stucki-Volz: Malik, S. 228 – 231.
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Mit überaus großem Erfolg wurde der sozialkritische US-amerikanische Schriftsteller Upton Sinclair (1878–1968) erstmals in Übersetzungen vertrieben, die extrem hohe Auflagen erreichten. Seine Anprangerung sozialer Missstände im Gefolge der Arbeitslosigkeit, von Alkoholismus und familiärer Verelendung, wurden als schlagende Beispiele der Kapitalismuskritik verstanden. Zu seinen auflagestärksten Titeln bei Malik gehörten Petroleum mit 125.000, Boston mit 90.000 oder Der Sumpf mit 80.000 verkauften Exemplaren. Petroleum stand fünf Monate lang auf der Bestsellerliste der Zeitschrift Die literarische Welt.168 Von mehrsprachigen Autoren dominieren am Anfang der 1920er Jahre zehn Erzählungen, Romane oder Dramen von Franz Jung und acht Texte von Karl August Wittfogel. Während zu Beginn der zwanziger Jahre theoretische Schriften überwogen, wurden ab 1926 wieder stärker literarische Texte in das Programm aufgenommen, u. a. von Johannes R. Becher oder Theodor Plievier. Die Wirtschaftsstruktur des Verlages war durchaus kapitalistisch organisiert: 1924 wurde der Malik-Verlag in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und musste seit diesem Zeitpunkt eine öffentliche Bilanz vorlegen. Die im Börsenblatt von 1926 bis 1931 publizierten Bilanzen zeigen, dass nur im Jahr 1929 ein Gewinn erreicht wurde, dass aber die Aktionäre in allen Jahren auf eine Dividende verzichten mussten. Da parallel dazu auch die Schulden stiegen, musste immer wieder Fremdkapital zugeschossen werden. Herzfelde zahlte sich selbst nur ein Honorar von 250 Mark im Monat aus und lag damit bei dem Durchschnittsverdienst eines Verlagsmitarbeiters. Sein Bemühen war, durch Verzicht auf einen hohen Verlegergewinn (was er in der Debatte, die Kurt Tucholsky »Ist das deutsche Buch zu teuer?« 1928 in der Weltbühne169angezettelt hatte, auch immer wieder betonte) die Bücher preiswerter anzubieten. Es gelang ihm tatsächlich, seine Bücher im Schnitt etwa 30 % billiger zu verkaufen als die anderen großen literarischen Verlage.170 Er dachte dabei genau wie die anderen in Reihen und gab z. B. die Kleine revolutionäre Bibliothek, die Rote Roman-Serie, die Sammlung revolutionärer Bühnenwerke oder – besonders erfolgreich – die Malik-Bücherei heraus. Die Bände der Malik-Bücherei kosteten je eine Mark, die der Roten Roman-Serie im Durchschnitt 2,20 Mark. Darüber hinaus bemühte sich Herzfelde, die von ihm vertriebene Literatur weiteren Kreisen zugänglich zu machen, indem er sie in unterschiedlichen Ausstattungsvarianten zu deutlich unterschiedlichen Preisen herausgab, in Einzelfällen zwei Ausgaben auf holzhaltigem Papier, eine broschierte und eine mit Pappeinband, mehrere Ausgaben auf holzfreiem Papier, eine Halbleinen-, eine Ganzleinen-, eine Halblederund eine Ganzleder-Ausgabe. Obwohl er sich polemisch von den »Volksausgaben« von Knaur oder S. Fischer absetzte, gab es auch in seinem Verlag ab 1925 die Preisstufen 2,85 oder 3,85 Mark, sie wurden nur nicht als »Volksausgaben«, sondern als »Propaganda-Ausgaben« bezeichnet. So publizierte er etwa die Anthologie 30 neue Erzähler des neuen Deutschlands mit einer Startauflage von 12.000 Exemplaren für 3,75 Mark oder in einer Startauflage von 25.000 Exemplaren Maxim Gorkis Drei Menschen. Das Bild des Verlags wurde sowohl von dem Buchkünstler George Grosz (1893– 1959) als auch von dem Bruder des Verlegers, John Heartfield (Helmut Herzfeld, 1891– 1968), geprägt. George Grosz illustrierte einen großen Teil der Verlagsproduktion, 168 Stucki-Volz: Malik, S. 78. 169 Peter Panter: »Ist das deutsche Buch zu teuer?« In: Die Weltbühne Jg. 24, Nr. 6, S. 208 – 212. 170 Stucki-Volz: Malik, S. 112 – 117.
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gestaltete verschiedene Buchumschläge und publizierte in den Malik-Zeitschriften. Im Unterschied zur sonstigen Verlagspolitik brachte Wieland Herzfelde seine Zeichnungen bibliophil zwischen 1919 und 1923 heraus, vom Künstler signiert, auf Japanpapier oder Bütten, in Mappen aus Halbpergament, Leder oder Seide, mit dem stolzen Preis von 500 bis zu 2.000 Mark. Herzfelde betonte, dass diese Mischkalkulation ihm erst andere Verlagsproduktionen ermöglichte. John Heartfield hatte zusammen mit seinem Bruder Wieland den Malik-Verlag 1917 gegründet und gestaltete gemeinsam mit George Grosz die Typografie der Verlagszeitschriften und der ersten Bücher. Zu seinem Markenzeichen wurden die seit 1921 in der Fotomontagetechnik gestalteten Schutzumschläge und die Bucheinbände, die oft fotorealistisch den Inhalt des Bandes plakativ umsetzten, namentlich bei den sozialkritischen Romanen von Upton Sinclair. Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand 1933 floh Wieland Herzfelde nach Prag, wo er z. B. seit März 1933 die Schriften von Ehrenburg, Plievier, Sinclair u. a. publizierte. 1938 musste er in die USA ausweichen, wo er 1944 in New York den Aurora-Verlag gründete, von dem einige Titel 1948 vom Aufbau-Verlag als Aurora-Bücherei weiter fortgeführt wurden.
Alternative Marketing- und Vertriebsformen Knaur Verlag »Wir haben uns alle beide, Verleger und Sortimenter, in erster Linie den Kopf zu zerbrechen, wie bringen wir unsere Bücher ›preiswert‹ und ›in richtiger Weise‹ unter das Volk, und dann erst kommt die Frage des Bestehens des Einzelnen.«171 Mit solchen zugespitzten Bemerkungen bei der Tagung des Lauensteiner Kreises sorgte Eugen Diederichs dafür, dass sich Verlag und Sortiment nicht in relativ kleinlichen Rabattdiskussionen gegenseitig aufrieben, sondern sich gemeinsam den Aufgaben der zunächst wirtschaftlich angespannten Situation in den frühen 1920er Jahren annahmen. Es mussten neue Produktions- und vor allem Vertriebswege diskutiert und die Konkurrenz zum Warenhausbuchhandel sowie zu den Buchgemeinschaften in das Blickfeld genommen werden. Außerdem mussten die neuen Zielgruppen bewusst angesprochen werden, da nicht mehr das klassische Bildungsbürgertum der Kaiserzeit, sondern jetzt neue Käuferund Leserschichten aus der Arbeiter- und der neuen Angestelltenschicht den Käufermarkt bestimmten. Samuel Fischer bedauerte, dass das Gemeinschaftsgefühl der Kaiserzeit mit seiner »bürgerlichen Abgegrenztheit« vorbei sei: »Man denke etwa an die Zeit vor dem Krieg zurück, damals, als es noch einen bürgerlichen Kreis gab, der eine Atmosphäre von Kultur und Sitte verbreitete und all jene Elemente anzog, die in Gesellschaft, Wissenschaft und Kunst Ansehen und Einfluss gewonnen hatten.«172 Der Hintergrund dieser Bemerkung des 67-jährigen Verlegers war die Beobachtung, dass nicht mehr allein Verlass auf die alten, bewährten Autoren war, die einem festen Kanon angehörten: »Das Publikum interessiert sich nur noch für neue Bücher.«173 Fischer klagt 171 Eugen Diederichs: Die Lauensteiner Zusammenkunft, S. 1363. 172 Samuel Fischer: Bemerkungen zur Bücherkrise. In: Das vierzigste Jahr, S. 80 – 85. 173 Zitiert nach de Mendelssohn: S. Fischer und sein Verlag, S. 939.
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weiter, es gäbe »keine bestimmte und verlässliche Leserschicht mehr, keine literarische Atmosphäre, in der das Lesen wertvoller Bücher eine selbstverständliche und ununterbrochene Beschäftigung ist«.174 Diese Diskussion spitzte sich zu, als der Schriftsteller Rudolf Borchardt (1877– 1945) am 8. Februar 1929 bei der Bremer Export- und Verlagsbuchhandlung G. A. von Halem einen Vortrag über die »Aufgaben der Zeit gegenüber der Literatur« hielt und darin den zeitgenössischen Buchhandel scharf kritisierte. Der Buchhandel produziere an den aktuellen Bedürfnissen des Publikums vorbei, er zahle die Autoren nicht mehr angemessen, die festen Wertmaßstäbe für »gute« Literatur seien zerbrochen, sodass es keine verbindliche Übereinkunft zwischen Käufern und Verlagen mehr gäbe, was man lesen solle. Bedingt durch die Krise seien die Verlage in große Abhängigkeit von den »Produzenten«, also in erster Linie den Großdruckereien und anderen Kapitalgebern gekommen.175 Gerade die Vorwürfe Borchardts, dass der Buchhandel sich einseitig an literarischen Moden orientiere und damit der Literatur insgesamt schade und darüber hinaus zu viel produziere, wurde vonseiten des Buchhandels zurückgewiesen, am entschiedensten von Gerhard Menz, Professor für Buchhandelsbetriebslehre an der Handelshochschule in Leipzig. Er konstatierte, dass die »Lebensdauer« von Verlagswerken in der Tat deutlich zurückgegangen sei und Verlag und Sortiment darauf reagieren müssten. Eine der Folgen sei das vermehrte Aufkommen von Buchreihen, die dem Kunden eine gewisse Orientierung bieten könnten. Menz beschreibt damit den bereits seit 1900 festzustellenden Trend zur Reihenbildung.176 Noch deutlicher auf die ökonomischen Grundbedingungen eingehend, reagierte Wilhelm Stapel als offizieller Vertreter der Verlags- und Literaturpolitik des Deutschnationalen HandlungsgehilfenVerbandes (DHV) und Mitherausgeber der Zeitung Deutsches Volkstum. Er sah die Forderung Borchardts zum Zusammenschluss einzelner Verlage als bereits gegeben an und hob die neue Ausrichtung auf aktuelle Vertriebsstrukturen hervor. Erstaunlich liberal sprach Stapel über die wachsende Konzentration und vor allen Dingen über den zunehmenden Warencharakter der Literatur: Wir befinden uns zurzeit in einer »Aufspaltung des Verlagswesens« in große Betriebe, die vom Absatz aus denken, und in kleine Unternehmungen, die von der Qualität der Produktion aus denken… Wenn der Anpassungssturm dieser Jahre durchkämpft sein wird, so wird man dort die großen, rationalisierten Buchwarenhäuser sehen, die gute Geschäfte machen, hier aber den vornehmen Kreis kleiner Verleger, deren Arbeit die Geistesgeschichte verzeichnen wird. Ihr kleineres Geschäft wird kompensiert durch die größere Ehre, durch den höheren sozialen Rang.177 Zu den wichtigen Verlagen, die auf diese Herausforderung reagierten, gehörte u. a. der S. Fischer Verlag, der mit Samuel Fischer einen erfahrenen Kaufmann und mit Gottfried Bermann Fischer einen innovativen neuen Verleger in seiner Geschäftsführung 174 Börsenblatt 94 (1927) 279, S. 1402. 175 Eine gute Übersicht über die Ideen Borchardts und die Reaktionen bei Brohm: Das Buch in der Krise, S. 280 – 290. 176 Vgl. dazu Bry: Buchreihen. Fortschritt oder Gefahr für den Buchhandel? 177 Stapel: Rudolf Borchardts Anklage, S. 287.
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hatte. Fischer hatte bereits vor 1900 reagiert und Literatur in Reihen herausgegeben, so 1889 eine Nordische Bibliothek, 1894 die Collection Fischer und 1908 die populäre Reihe Fischers Bibliothek zeitgenössischer Romane, in der monatlich ein Roman mit 15.000 bis 30.000 Exemplaren erschien und zu einem kaum zu unterbietenden Preis für 1 Mark (in Leinen 1,25 Mark) verkauft wurde. In Wilhelm Langewiesche-Brandts Reihe Die Blauen Bücher erschienen zeitgenössische Lyrik und Klassiker zum Preis von 1,80 Mark, Anton Kippenberg gab ab 1912 die Insel-Bücherei nach dem Vorbild Fischers mit festem Einband (und geringerem Umfang) für nur 50 Pfennige heraus, die Ullstein-Bücher ab 1910 in leuchtend gelben Pappbänden wurden ebenfalls für 1 Mark wie Fischers Bibliothek zeitgenössischer Romane herausgegeben und bis 1914 in großer Zahl vertrieben. Fischer setzte auch in der Weimarer Republik diese Politik mit preisgünstigen Reihen fort.178 Vor allem setzte aber der Knaur Verlag neue Maßstäbe mit seinem Preis von 2,85 Mark, der zu einem Markenzeichen wurde. Adalbert Droemer war 1902 als Verlagsvertreter zum Verlag Th. Knaur Nachf. gekommen, wurde 1919 Teilhaber (1934 Alleininhaber) und drängte mit der Sichtweise des Vertriebsleiters auf hohe Auflagenziffern zum günstigen Ladenverkaufspreis. Der Knaursche Standardband kostete ab 1920 2,85 Mark und lag damit deutlich günstiger als der Durchschnittspreis von 6,30 Mark für ein gebundenes Buch. Er verlegte zunächst sichere Titel des 19. Jahrhunderts, wie die Erzählungen und Romane von Theodor Fontane, Gottfried Keller oder Theodor Storm, aber auch Klassiker der Kulturgeschichte, wie Jacob Burckhardts Kultur der Renaissance in Italien oder erzählende Biografien, wie die von Richard Wagner, Leonardo da Vinci oder Dimitri Mereschkowski. Daneben publizierte er Rudyard Kiplings Dschungelbuch, die Romane von Selma Lagerlöf und Knut Hamsun, schließlich sogar Bismarcks Gedanken und Erinnerungen.179 Zu den Brotartikeln des Verlags gehörten die vollständigen Werke in Einzelausgaben von Ludwig Ganghofer, der 1920 verstorben war und dessen Rechte die Stuttgarter Verlagsbuchhandlung Adolf Bonz & Co. besessen hatte. Droemer übernahm die Rechte Ganghofers, der sich als bester Umsatzbringer erwies, vor allem, als seine Romane nacheinander verfilmt wurden.180 Mit dem Markenzeichen von 2,85 Mark schuf Knaur ein echtes Gegengewicht zum Absatzmarkt von Buchgemeinschaften und weitete das Erfolgsrezept über die gängige Belletristik aus. Droemer schuf eine eigene Wissenschaftsredaktion, die 1931 das Knaur-Lexikon mit überaus großer Resonanz auf den Markt brachte, daneben einen Atlas und eine eigene Geschichte der Kunst des Marburger Kunsthistorikers Richard Hamann, die mit über 1.000 Abbildungen und farbigen Tafeln zu einem in dieser Kategorie wieder einmaligen Preis von 6,50 Mark 1934 erschien.
178 Siehe oben S. 10. 179 Es fehlt bis heute eine aus den Quellen erarbeitete, wissenschaftliche Verlagsgeschichte von Droemer-Knaur. Zum 50-jährigen Jubiläum 1951 erschien eine Festschrift »50 Jahre Knaur Bücher«. München 1951, vgl. hier den Artikel von Karl Rosner: Neue Wege und Aufstieg des Verlages, S. 33 – 44, hier S. 35. 180 1921 Der Mann im Salz, Regie Peter Ostermayr; 1924: Sklaven der Liebe, Regie Carl Boese; 1924: Die Bacchantin, Regie William Karfiol; 1926: Der Jäger von Fall, Regie Franz Seitz sen.; 1929: Das Schweigen im Walde, Regie William Dieterle; 1933 Die blonde Christl, Regie Franz Seitz sen.
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Vorbild für andere Verlage und Stein des Anstoßes zugleich war aber die KnaurBuchreihe Romane der Welt, die 1927 mit dem Versprechen erschien, jeden Freitag (!) einen Roman in Ganzleinen auf bestem holzfreien Papier mit einem vierfarbigen Schutzumschlag und bis zu 600 Seiten Umfang zum Preis von 2,85 Mark zu liefern. Herausgeber war niemand Geringeres als Thomas Mann, zusammen mit Hermann Georg Scheffauer (1878–1927), einem deutsch-amerikanischen Schriftsteller und Übersetzer. Neben seinen eigenen Dichtungen in englischer Sprache übersetzte er zahlreiche Werke von Georg Kaiser oder Klabund ins Englische, darunter auch verschiedene Erzählungen von Thomas Mann, wie Herr und Hund oder Unordnung und frühes Leid. Mann und Scheffauer hatten ein sehr ausgeglichenes, von gegenseitiger Wertschätzung getragenes Verhältnis, sodass Thomas Mann ihm sogar die Übersetzung seines Zauberberg anvertrauen wollte; sein amerikanischer Verleger Alfred A. Knopf bevorzugte dann jedoch Helen Tracy Lowe-Porter. Ihre Gemeinschaftsarbeit war die Herausgabe der Romane der Weltliteratur, von denen im ersten Jahr von April 1927 bis März 1928 58 einzelne Bände erschienen. Knaur unterstützte die neue Reihe durch die großflächige Ankündigung mit dem neuen Signet RdW und versuchte, die Marke allein durch das Logo und die Namen der Herausgeber zu etablieren, noch bevor die ersten Titel bekannt gegeben wurden.181 Knaur warb neben dem Preis mit der guten Ausstattung: Bestes, holzfreies, federleichtes Papier. Druck erster Leipziger Offizinen. Jeder Band in andersfarbigem Ganzleinen mit Titel- und Silhouetten-Aufdruck. Vierfarben-Bildumschläge von ersten Künstlern. Von der Schönheit der Ausstattung, der Güte des Papiers, den farbenfreudigen Einbänden, den eindrucksvollen, packenden Bildumschlägen werden Sie sich am besten durch Augenschein überzeugen können. Nehmen Sie einen Band der Serie zur Hand, dann werden Sie von dem unfassbar niedrigen Preis verblüfft sein und die unerhörten Verkaufsmöglichkeiten ermessen. In Amerika und in England z. B. würden diese Bände nicht nur das Doppelte, sondern zumeist mehr als das Dreifache kosten. Jeder Band bringt dem deutschen Leser einen – nicht nachdruckfreien – berühmten oder völlig neuen Meister der modernen Erzählung. Werke bester deutscher Autoren sind in Vorbereitung. Alle Völker und Kulturen kommen zu Worte. Das Vorwort von Thomas Mann, das auch im ersten Band der Reihe, in Hugh Walpoles Bildnis eines Rothaarigen (1927), vorangestellt wurde, erschien in Auszügen im Börsenblatt: Romane der Welt – das ist ein weiträumiger Titel und ein Unternehmen, dem Geist massenfreundlicher Großzügigkeit entsprungen. Etwas wild und demokratisch atmet es her aus dieser Welt abenteuerlicher Modernität. Gut denn, tun wir mit! Stel-
181 Vgl. Börsenblatt 94 (1927) 66, S. 2721 und 2723.
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len wir uns an die Spitze! Helfen wir und machen wir uns nützlich, indem wir der Zeit dienen! Für ein derzeit armes, eingeengtes und auf sich selbst zurückgeworfenes Volk gab es gestaute Wünsche zu befreien. Sehnsucht zu befriedigen nach Welt und Weite, nach Entrückung aus der Alltäglichkeit, aus sich selbst, nach Abenteuer in fremden Ländern und Zeiten. Wie wäre es, ein solches Volk mit Welt nur so zu überschütten? […] Jede Woche ein Buch, geschleudert zwar, doch durchaus nicht Schleuderware, sondern gut gemacht außen und innen. Was wird nicht folgen an Bildern und Geschichten aus allen Gebieten des Daseins, an bunter Außenwelt, an kräftig gestalteter Wirklichkeit! Unterhaltung? Sagt dafür: »Steigerung des Lebensgefühls!«182 Jeder einzelne Band wurde großformatig im Börsenblatt beworben, die Bände zusätzlich zum Ganzleinen für 2,85 Mark auch als Halbleder für 3,75 Mark und als Ganzleder für 4,80 Mark angeboten. Weitere große Werbeaktionen förderten einen Schaufensterwettbewerb, der z. B. am 23. Juni 1927183 angekündigt wurde. Die Beteiligung an diesem Wettbewerb, für den 15 Einzeltitel vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt wurden, war überwältigend: Insgesamt 10.000 Mark an Preisgeldern wurden ausgeschüttet; der 1. Preis ging an die Amelangsche Buchhandlung in Berlin Charlottenburg, es folgten Buchhandlungen aus Dortmund, Magdeburg, Stuttgart, Prag, Dresden, Frankfurt am Main und München.184 Zu den bekannten ersten Autoren gehörte Herman Melville (1819–1891), der in den Jahren 1839 bis 1844 auf unterschiedlichen Walfängern und Fregatten unterwegs war. 1846 erschien sein Roman Typee, in dem er seine Flucht von einem menschenverachtenden Walfangschiff beschrieb, und der jetzt erstmals auf Deutsch unter dem Titel Taipi herauskam. Er gibt einen subjektiven Eindruck von der polynesischen Gesellschaft, die er oft mit der nordamerikanischen und der europäischen vergleicht. Hugh Seymour Walpoles (1884–1941) Erzählungen werden gern mit der ForsytheSaga von John Galsworthy verglichen, aber auch mit Schauergeschichten von Edgar Allan Poe, wie im Falle von dem bei Knaur übersetzten Portrait of a man with red hair. Von John Galsworthy (1867–1933), der 1932 »for his distinguished art of narration which takes its highest form in The Forsyte Saga«185 den Literaturnobelpreis erhielt, erschien bei Knaur sein früher Roman Beyond (1917) unter dem Titel Jenseits, in einer neuen Übersetzung von Hermynia zur Mühlen (1883–1951). Zur Mühlen publizierte ihre Kurzgeschichten und Romane mit sozialistischen und zeitkritischen Tendenzen vor allem beim Malik-Verlag und bei S. Fischer. Bekannt wurde sie durch ihre kongenialen Übersetzungen von 148 Romanen und Erzählungen aus dem Englischen, dem Französischen und dem Russischen, u. a. übersetzte sie das Gesamtwerk von Upton Sinclair. Sie galt als eine der bekanntesten kommunistischen Publizistinnen in der Weimarer Republik und wurde wegen ihrer adligen Herkunft als »rote Gräfin« tituliert.186 182 183 184 185
Börsenblatt 94 (1927) 66. Börsenblatt 94 (1927) 144, S. 5859. Börsenblatt 94 (1927) 180, S. 6859. The nobel prize in literature 1932. http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/literature/laureates/1932. 186 Vgl. u. a. Altner: Hermynia zur Mühlen 1997.
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Der Roman Jenseits wurde mehrfach ganzseitig im Börsenblatt beworben, darunter am 29. Juli, am 1., 5. und 8. August 1927 mit dem zusätzlichen Verkaufsargument, dass der Roman zum »60. Geburtstag des Dichters« erhältlich sei. Knaur versprach dem Handel, dass er davon »Hunderte von Exemplaren« verkaufen werde, und bezeichnete ihn als »Neuschöpfung«. Dieses brachte dem Verlag öffentliche Kritik ein, da für die Übersetzung lediglich auf eine überarbeitete Version zurückgegriffen wurde. Um ein breites Publikum anzusprechen, wurde mit der Inhaltsangabe geworben: Der große, repräsentative Erzähler Englands behandelt in diesem Roman das Schicksal einer Frau, deren Leben die Liebe ist. Mit tiefstem Sinn für echte Menschlichkeit und meisterhafter Kenntnis des menschlichen Herzens hat der Dichter eine der schönsten und seltensten Frauengestalten geschaffen, die wir in der Literatur unserer Tage kennen. Nie ist die große Liebende ergreifender gesehen worden; durch sie wird ›Jenseits‹ zum unvergeßlichen Erlebnis.187 Jeder einzelne Band der Romane der Welt wurde nicht nur langfristig vorangekündigt und zum Erscheinungstermin zweimal vorgestellt, sondern auch unmittelbar nach Erscheinen mit Rezensionen weiter beworben, so z. B. Galsworthys Jenseits mit dem Zitat von Otto Flake aus der Frankfurter Zeitung: »Die Tragödie einer Frauenseele« oder dem Kommentar der Züricher Post: Von John Galsworthy liegt, sehr schön übertragen, der große Roman ›Jenseits‹ vor. Ein Buch von tiefster Menschlichkeit und meisterlicher Seelenkenntnis erfüllt; jene beherrschte, nie sentimentale und doch sehr zarte englische Erzählungskunst, die in John Galsworthy einen Meister gefunden hat, macht diesen Roman zu einem der wertvollsten Bücher der Romanreihe.188 Aber nicht nur bedeutende amerikanische Erzähler standen auf dem Programm, sondern auch leichte Kriminal- und Abenteuerromane aus Frankreich, so mehrfach die Romane von Maurice Leblanc (1864–1941), der zwischen 1907 bis 1935 zwanzig Romane über den von ihm geschaffenen Meisterdieb Arsène Lupin schrieb. Bereits der zweite und der achte Band der Romane der Welt stammten aus seiner Feder, am 8. April 1927 erschien dann Die Dame mit den grünen Augen und am 20. Mai Die Insel der dreißig Särge. Erhebliche Resonanz fand auch im Feuilleton die rasche Herausgabe des (erst 1926 im Original bei Knopf in den USA erschienenen) zeitkritischen Gesellschaftsromans von Joseph Hergesheimer (1880–1954) Tampico, der nun nach weniger als einem Jahr in der Übersetzung von Paul Baudisch und mit einer Einleitung des Herausgebers Herman Georg Scheffauer am 17. Juni 1927 erschien. Es gelang der Knaur-Werbung, die Dreiecksgeschichte als ein Spiegelbild des Kampfs um das Öl zwischen USA und Mexiko zu zeichnen, mit den kurz gefassten Werbestichworten: »Das Mexiko von heute und Wall Streets Ölinteressen«.189
187 Börsenblatt 94 (1927) 177, S. 6789. 188 Börsenblatt 94 (1927) 183, S. 6944. 189 Börsenblatt 94 (1927) 160, S. 6375.
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Als weiterer renommierter Autor war George Bernard Shaw (1856–1950), der 1925 gerade den Nobelpreis für Literatur »für seine sowohl vom Idealismus als auch von Humanität getragene Verfasserschaft, deren frische Satire sich oft mit einer eigenartigen poetischen Schönheit vereint«190 erhalten hatte, im Programm. Aber nicht mit seinen populären Theaterstücken, sondern mit seinem Frühwerk Cashel Byron’s Profession von 1882, unter dem Titel Cashel Byrons Beruf, in der Übersetzung von Alfred Brieger. Scheffauer gab wiederum eine informative Einführung bei, die besonders die einzigartige Zeichnung der Charaktere von Shaw hervorhebt. Die Kritik des Feuilletons richtete sich natürlich nicht gegen Autoren wie Galsworthy, Melville, Hergesheimer oder gar Shaw, sondern gegen die Wildwestromane von Zane Grey (1872–1939), der in den 1910er und 1920er Jahren in den Vereinigten Staaten bereits mit seinen jährlich erscheinenden Romanen Millionenauflagen erreichte und der durch Knaur ab 1927 auch in Deutschland in der Übersetzung von Otto Ebstein bekannt und beliebt wurde. Am 8. Juli 1927 erschien Der Texasreiter, danach Die Grenzlegion.191 Der Texasreiter war zuerst 1915 unter dem Titel The Lone Star Ranger erschienen, Die Grenzlegion 1916 als The Border Legion. Seit dieser Zeit brachten Harper & Brothers in New York jedes Jahr einen Zane Grey-Western heraus. Zu dem Erfolg trugen nicht zuletzt die Verfilmungen bei, die als Stummfilme kontinuierlich seit 1916 beim Produzenten William Fox (Fox Film Corp.) erschienen. Zane Grey war davon so angetan, dass er 1919 zusammen mit Benjamin H. Hampton selbst eine Filmfirma, die Zane Grey Productions, gründete. Seine Firma ging in die Paramount Pictures auf, die zwischen 1922 und 1929 54 Filme nach Grey-Romanen produzierten.192 Während die Knaur Romane der Welt im Buchhandel boomten und sich der Preis von 2,85 Mark durchzusetzen begann, nahm das Feuilleton langsam, bald aber stetig Anstoß an der Herausgeberschaft der Reihe von Thomas Mann. So fragte Stefan Großmann im Tagebuch193 vom 7. Mai 1927: Was aber verdankt die Sammlung Thomas Mann als Herausgeber? Bis zum heutigen Tag ist kein deutscher Roman bei Knaur erschienen und unseres Wissens ist auch keiner angekündigt. Es könnte also sein, daß Thomas Manns verdienstvolle Wirksamkeit darin besteht, daß er das Erscheinen von deutschem Schund energisch verhindert. Auch für diese unsichtbare Tätigkeit müßte man ihm dankbar sein. Ist es aber wirklich unmöglich, die Sammlung Knaur dann und wann durch einen deutschen Roman zu ergänzen? Gewiß, ein Verleger muß kalkulieren, Uebersetzungen sind billig, Originalarbeiten kosten größere Honorare. Aber wird sich eine deutsche Buchsammlung durchsetzen können, in der nur englische und französische Autoren erscheinen? Macht denn eine solche Bücherreihe ohne Deutsche Thomas Mann Freude? Die Reihe insgesamt wird von Großmann gelobt, aber darauf hingewiesen, dass offensichtlich »Scheffauer der fleißigere und entscheidendere von den Herausgebern« sei. Die 190 The nobel prize in literature. http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/literature. 191 Stephen J. May: Zane Grey. Athens: Ohio University Press 1997. 192 Pauly, Thomas H.: Zane Grey. His life, his adventures, his women. Urbana and Chicago: University of Illinois Press 2005, hier S. 117 – 139. 193 Das Tagebuch, Berlin vom 7. Mai 1927, Heft 19, Jg. 8, S. 753 f.
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Schriften von Walpole, Leblanc, Shaw und Melville wurden durchaus gelobt, ebenso die Preispolitik, die bei Ullstein und Knaur vorbildlich sei. Er fragt aber: »… kann das billige Buch in Deutschland nur durch den Ausschluß der deutschen Autoren erreicht werden? Und ist dies ein Ziel für den Präsidenten der deutschen Literaturrepublik?«194 Hans Sochaczewer klagt im Berliner Tageblatt vom 12. Juni 1927 noch deutlicher: Nun, nichts lässt sich dagegen einwenden, dass die Firma Th. Knaur Nachf. hofft, durch mäßige Preisfestsetzung Romane, die nichts mit Kunst, und nur einiges mit Unterhaltung zu tun haben, zu Abertausenden absetzen zu können. Aber zuckt nicht Thomas Mann zusammen, wenn er die entsetzlichen Umschlagbilder sieht, mit denen man die Deckel dieser Erzählung bedruckt? […] Würde Romain Rolland eine derartige Reihe mit seinem Namen schmücken lassen? Ich kenne nicht den Vertrag zwischen Knaur und Mann. Aber wenn es geht, dann trenne sich Thomas Mann von einem Plan, dessen Schwäche keineswegs darin besteht, daß er »demokratisch« ist, sondern darin vielmehr, daß er den Namen Thomas Mann nicht verdient. Es handelt sich keineswegs um Schundliteratur, es handelt sich um gewichtlose Unterhaltungsware. Thomas Mann dabei? Aber! Romane der Welt? Nun, die Uebertreibung eines wagelustigen Verlegers. Noch deutlicher geht Dr. Werner Mahrholz in der Literarischen Umschau mit den Romanen der Welt und der Herausgeberschaft von Thomas Mann um. Er lässt an den meisten Romanen kein gutes Haar: Was aber dann kommt, ist zwischen Nick Carter und den Indianerschmökern seliger Jugendzeiten. Da ist das Flibustierbuch von George Challis, »Der Teufelskerl«, da ist der Goldgräber- und Banditenroman »Die Grenzlegion« von Zane Grey, da ist das sadistische, dafür literarisch aufgeschminkte »Portrait eines Rothaarigen« von Walpole, da ist endlich ein Arsène Lupin Abenteuer, »Die Dame mit den grünen Augen«. In all diesen Romanen wird Erregung von Sensation um jeden Preis, am liebsten mit sadistischem Einschlag, angestrebt. Ist das der Verantwortung geistiger Menschen würdig gegenüber einem Volk, wie es an Aufnahmefähigkeit und -willigkeit gegenüber guter Literatur trotz allem heute kein zweites in der Welt gibt? … Und noch einmal: Thomas Mann, wissen Sie, was sich unter dem Deckmantel Ihres guten literarischen Namens zuträgt?195 Diese Philippika nimmt der Jesuit Friedrich Muckermann in Der Gral auf und scheut sich nicht, Thomas Mann vorzuwerfen, dass er wohl einen »Judaslohn à la 30 Silberlinge« in seinem Vertrag stehen habe, und, so schätzt er, ca. 15.000 Mark pro Band (!) erhalten werde. Muckermann lobt dagegen Buchgemeinschaften wie den Volksverband der Bücherfreunde, die »teilweise ausgezeichnete Sachen, die darum ja auch nicht langweilig zu sein brauchen«, anböten. Man träfe schließlich auch »Arbeiter, die Kant und Schiller lesen.« Und er ruft Thomas Mann zu: 194 Das Tagebuch, Berlin vom 7. Mai 1927, Heft 19, Jg. 8, S. 754. 195 Zitiert nach Friedrich Muckermann, S. J.: Trau, schau, wem… In: Der Gral. Monatsschrift für schöne Literatur. 21. Jg., Heft 10, Essen 1927 (Juli), S. 603 – 607, hier S. 605.
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Hören Sie doch auf, in Zukunft noch zu behaupten, es sei das, was Ihr Mund spreche, nur der Ausdruck der Allgemeinheit. Keine drei Pfennige werden wir für eine Weisheit noch geben, die am Tage vom Wunderbrunnen der Kunst spricht, den sie bei Nacht vergiftet. […] Objektiv gesehen… handelt es sich doch hier um eine geradezu abgründige moralische Verlogenheit.196 Thomas Mann musste auf diese Kritik reagieren und wandte sich, wiederum im Tagebuch, an Stefan Großmann, der die Kritik drei Wochen vorher eröffnet hatte. Er dankt ihm für seinen »vernünftigen Ton« – und verwehrt sich gegen die »wilde Lust«, die ein anderer Teil der Presse gegen ihn aufgefahren habe: »Wie in Deutschland heute gehaßt wird, das ist gräßlich.« Er schreibt, dass er weiterhin Knaurs Idee für »gut und lustig finde«. Die Verwirklichung sei »schon nicht übel gelungen«. Er selbst sei aber auch angetreten, passende deutschsprachige Titel mit aufzunehmen: Daß es nicht leicht sein werde, solche Bücher aus Deutschland selbst zu erhalten, hat man sich unter den Veranstaltern der Serie vorausgesagt. […] In Deutschland gedeiht das Hohe und dann viel Gemeines. Das brauchbar Mittlere ist in »Europa« viel mehr zu Hause. Nichts Neues übrigens, was ich da sage. Bei Stefan George kommt etwas Ähnliches auch schon vor. […] Ist es aber einmal da, das »gut gemacht Mittlere«, dies »Massengerechte von unlächerlicher Qualität«; ist er einmal vorhanden, der Autor, der mit schon bewährter Begabung das im besseren Sinn Abenteuerliche und Unterhaltende pflegt, so ist er gewöhnlich in festen Verlegerhänden, und für ein junges Unternehmen ist es sehr schwer, ihn zu gewinnen. Wollen Sie nicht auch das zu unserer Entlastung in Anschlag bringen? Und er nennt einige Namen, die aus seiner Sicht in Betracht kommen: Norbert Jacques, Walter Mehring, Lion Feuchtwanger, auch Georg Engel, Hans Friedrich Blunck, Rolf Lauckner und F. R. Nord. Schließlich schlägt er als »stimulierendes Mittel« für die deutschsprachige Autoren-Akquise ein Preisausschreiben vor. Er schließt mit einem Versprechen, dass in nächster Zeit deutsche Autoren erscheinen werden, andernfalls werde »sein Name vom Titelblatt der Romanreihe verschwinden«.197 Von den angekündigten Autoren wurde Walter Mehrings (1896–1981) historische Satire Paris in Brand 1927 bei Knaur publiziert. Norbert Jacques erschien dagegen zunächst bei S. Fischer und dann bei Ullstein, auch im Drei Masken Verlag in München, aber nicht bei Knaur. Ebenfalls beim Drei Masken Verlag in München erschien zunächst Lion Feuchtwangers Roman Jud Süß von 1925 bis 1931, bis er danach in einer hohen Auflage von 1931 bis 1933 mit etwa 200.000 Exemplaren bei Knaur verlegt wurde, allerdings in einer stark gekürzten Version. Zu den deutschsprachigen Autoren der Reihe gehörten neben Walter Mehring noch Oskar Maurus Fontana und Walther Harich. Von dem österreichischen Erzähler und Dramatiker Oskar Maurus Fontana (1889–1969) erschien 1928 bei Knaur Gefangene der Erde als Erstausgabe und von Walther Harich (1888–1931) 1928 Der Schatten der Susette.
196 Muckermann, S. 606 f. 197 Thomas Mann: Die Romane der Welt. In: Das Tagebuch. Berlin vom 28. Mai 1927, Heft 22, Jg. 8, S. 856 – 858.
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Nach dem Selbstmord von Hermann Georg Scheffauer am 7. Oktober 1927 in Berlin änderte sich für Thomas Mann seine Rolle als Herausgeber, die er formal nur noch bis zum 58. Band im März 1928 wahrnahm. Der Verlag selbst war mit diesem fulminanten Start der Reihe, die mit zwölf Bänden im Jahr noch bis 1935 weiter fortgeführt wurde, mehr als zufrieden. Nach dem ersten Jahr pries sich der Verlag in einer 7seitigen (!) Anzeige im Börsenblatt198 damit, dass es ihm gelungen sei, einen »Buchtyp für das große Publikum« neu zu schaffen und Woche um Woche das »beste, billigste und schönste Buch der Woche« […] in »vielen, vielen Hunderttausenden abgesetzt« zu haben. Zahlreiche Pressestimmen lobten 1928 das Unterfangen, und als eine späte Erwiderung auf die zunächst vernichtende Kritik im Mai 1927 wurde in einer zweiten Anzeige berichtet:199 Qualität und Absatz steigen von Band zu Band. – Wir haben […] die Werke dreier neuer deutscher Romanschriftsteller verlegt: Oskar Maurus Fontana, Walther Harich und Walter Mehring. Wir haben berühmte ausländische Dichter […] gebracht. Wir haben die Kenntnis von bisher in Deutschland unbekannten, im Ausland außerordentlich geschätzten Autoren […] dem deutschen Publikum vermittelt. Wir haben unseren deutschen Autoren Auflagenziffern verschafft, wie sie im Durchschnitt selten vom deutschen Verlagsbuchhandel erreicht werden. Hunderttausende von Bänden sind verkauft! Wir haben damit bewiesen, dass unser Preis und unsere Ausstattung beim Publikum großen Anklang finden. In der Tat ist es Knaur gelungen, mit den Romanen der Welt eine neue Marke zu kreieren, die gehobene Unterhaltungsliteratur in guter Ausstattung zu einem Maßstab gebenden Preis anbot. Mit dem markanten, oft marktschreierischen Schutzumschlag und massiver Werbung war der Reihe die Aufmerksamkeit sicher. Ab der zweiten Reihe (April 1928) der Romane der Welt wurden keine Herausgeber mehr genannt, dafür stand auf dem Umschlag der programmatische Hinweis: »Gegenwarts-Werke der besten Autoren«.200 Eines der interessantesten Vorhaben der zweiten Reihe war der Vorschlag von Adalbert Droemer an Thomas Mann, 1929 seinen im dritten Jahrzehnt erfolgreichen Familienroman Buddenbrooks auch in einer Sonderausgabe für 2,85 Mark zu verlegen. Dass eine solche Ausgabe dann bei S. Fischer selbst erschien, kann die hohe Akzeptanz dieses Vertriebsmodells zeigen. Auch die zahlreichen anderen Nachahmungen in der Branche, die sich bis in die Parallelität der Verlagsanzeigen dokumentieren lassen, zeigen die erfolgreiche Verlagsstrategie von Knaur, so z. B. der Roman des Tages vom Georg Müller Verlag in München (1928) oder der Roman der Wirklichkeit vom S. Fischer Verlag in Berlin, bei denen ja schon die Reihenformulierungen an die Romane der Welt anknüpfen. Sowohl von der Auswahl, der Preisgestaltung, der Ausstattung und der werbemäßigen Durchsetzung sind die Romane der Welt von Knaur beispielgebend, in vielfacher Hinsicht musterhaft für die Bestsellerkultur der Weimarer Republik.
198 Börsenblatt 95 (1928) 72. 199 Börsenblatt 95 (1928) 104. 200 Vgl. die Werbeanzeige vom 5. Mai 1928 im Börsenblatt 95 (1928) 104, S. 35.
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Vom Vertrieb her gedacht… Wilhelm Goldmann Verlag, Leipzig »Du mußt möglichst viele Buchhandlungen kennenlernen, denn denen verkauft ja ein Verleger seine Bücher.«201 Mit diesen stilisierten Worten beschreibt Wilhelm Goldmann (1897–1974) in seinen autobiografischen Erinnerungen an seinen Verlag den Ausgangspunkt seines geschäftlichen Erfolges. Der Lehrersohn hatte vor dem Ersten Weltkrieg eine Buchhändlerlehre absolviert und war 1919 bei der Franckh’schen Verlagsbuchhandlung in Stuttgart in verschiedenen Positionen tätig, vor allen Dingen als Verlagsvertreter. 1921 übernahm er Auslandsvertretungen von 25 Verlagen, darunter Rowohlt, Kiepenheuer und Staackmann, in ganz Mitteleuropa. Am 21. Juni 1922 eröffnete er einen Verlag mit seinem Namen in Leipzig. Nach einem unklaren Verlagsprofil in den Wirren der Inflationszeit fand er schließlich 1924/25 zu seinen Hauptautoren, zu seiner bevorzugten Buchausstattung und zu einem ganz eigenen Vertriebssystem: Seit 1924 gab er mit großem Erfolg die Indianer-Abenteuerromane von Emil Droonberg (1864–1934) heraus, die als Seitenstücke zu Karl May oder als »deutscher Jack London« in der Werbung angepriesen wurden. 1924 erschien bei Goldmann Droonbergs erster Roman Das Gold der Nebelberge als Halbleinen für 4,80 Mark, 1925 schon der zweite Roman Die Goldwäscher am Klondike und noch im gleichen Jahr Die Trapper am Swift Creek. Mit dem dritten Roman in diesem Jahr Das Siwash-Mädchen. Erzählungen aus dem kanadischen Felsengebirge und von der Küste des Stillen Ozeans gründete Goldmann eine eigene Reihe, die Wigwam-Bücher. Die Feuilletonkritik nahm diese Bücher als Abenteuerbücher eines Weltreisenden meist freundlich auf; und Goldmann sorgte für die Verbreitung in der richtigen Zielgruppe. Neben dem Halbleinenband gab er zugleich eine preiswerte Ausgabe für 3,00 Mark heraus und zwar mit einer »blinden Kartonage«, also einem Kartonumschlag ohne Aufdruck, um die er den farbigen und mit der Hardcoverausgabe identischen Schutzumschlag legte.202 Der Vertrieb dieser »Paperbackausgabe« richtete sich vor allen Dingen an die Kunden im Bahnhofs- und Warenhausbuchhandel. So konnten die populären Abenteuerromane neben dem klassischen Sortiment auch neue Käuferschichten erreichen. Mit diesen Erfahrungen übernahm Goldmann dann seinen zweiten Bestsellerautor, der mit dem Namen des Verlages bis heute verbunden ist: Edgar Wallace (1875–1932). Wallace war bereits seit 1905 als Autor von Kriminalromanen im englischsprachigen Bereich sehr erfolgreich, in Deutschland aber kaum bekannt. Er wurde von seinem Übersetzer Richard Küas auch nicht mit seinen Krimis, sondern mit seinen Afrikaromanen – die Küas als Seitenstücke zu Droonberg anpries – bei Goldmann eingeführt. Bereits zu Weihnachten 1925 erschien 15 Jahre bei den Kannibalen in Zentralafrika (später unter dem Titel Sanders vom Strom) und im Jahr darauf die nächste Geschichte um den »Amtmann Sanders« mit dem Titel Bosambo von Monrovia. Von 1925 bis 1930 war Goldmann durch die Mittel des Teilhabers Dr. Erich Auckenthaler aus Zürich finanziell sehr liquide. Daher beschlossen beide, sich die deutschen Übersetzungsrechte von Edgar Wallace Kriminalromanen zu sichern und reisten dazu nach London. Wallace überließ ihnen die Rechte von 20 Romanen, die nun in kurzen
201 Goldmann: Kleine Geschichte, S. 10. 202 Goldmann: Kleine Geschichte, S. 14.
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Abständen in deutscher Übersetzung folgen konnten. Wieder griffen sie auf ihr Erfolgsgeheimnis zurück, gleichzeitig eine Halbleinenausgabe und eine Kartonage mit identischem Umschlag herauszubringen. Auch der Umschlag und die damit verbundene »Propaganda« wurden zum Markenzeichen: ein rot-schwarzer Einband, der bis in die Taschenbuchausgaben der Bundesrepublik fortgeführt wurde und in vielen Fällen noch heute als Erkennungszeichen für Krimi-Reihen steht. Dem zeitgenössischen Trend folgend bot 1925 Goldmann den ersten Krimi Die Bande des Schreckens der Münchner Illustrierten Presse zum Vorabdruck an, die gleich ein hohes Honorar von 8.500 Mark zahlte. Neben dem stilisierten Porträt von Edgar Wallace mit seinem Namenszug auf dem Titelblatt wurde aus dem englischen Vertrieb ebenfalls der bis heute bekannte Slogan übernommen: »Es ist unmöglich, Abb. 5: Wallace-Schutzumschlag 1927 vom von Edgar Wallace nicht gefesselt zu sein« Grafiker Heinrich Hussmann, der sich in (»It’s impossible not to be thrilled by Eddieser Fotocollage mit Pelzmütze selbst gar Wallace«). Die Wallace-Romane erschienen in rascher Folge, manchmal mit abbildete. nur sechs bis acht Wochen Abstand, darunter der besonders beliebte Roman Der Hexer (The Ringer) im Jahre 1927. Die mediale Wirkung wurde dadurch unterstützt, dass Der Hexer von Max Reinhardt im Berliner Deutschen Theater uraufgeführt und von dem bedeutendsten Theaterkritiker der Weimarer Republik, Alfred Kerr, im Berliner Tageblatt positiv rezensiert wurde.203 Wallace selbst hatte diesen Weg vorgezeichnet und ließ in einem von ihm angemieteten Theater in London seine Stücke aufführen. Im Herbst 1928 pachtete Wallace dann in Berlin das Deutsche Künstlertheater, wo u. a. Der Zinker am 22. Dezember Premiere hatte. Quer durch das Land wurde vor allem Der Hexer immer wieder aufgeführt, aber auch Der Mann, der seinen Namen änderte von Max Reinhardt in der Komödie am Kurfürstendamm. Als dann noch vereinzelte Werke verfilmt wurden, so Der rote Kreis (1926) im Jahre 1929 von Regisseur Friedrich Zelnik (1885–1950, der u. a. 1927 Die Weber nach Gerhart Hauptmann verfilmt hatte), stieg die Buchnachfrage beträchtlich. Die Erfolge mit Edgar Wallace führten zur Gründung des Kriminal-Magazins, das von 1928 bis 1931 monatlich erschien und nicht zuletzt auch die Krimis des eigenen Hauses nachdrücklich bewarb. Insgesamt musste aber dieser Ausflug in den Zeitschriftenverkauf 1931 mit Verlust eingestellt werden.
203 Goldmann: Kleine Geschichte, S. 21.
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Mit seinem für die Zeit ungewöhnlichen Werbemagazin im Direktvertrieb, den Goldmanns Hausmitteilungen, die monatlich mit 16 Seiten im vierfarbigen Offsetumschlag erschienen und an alle Buchhandlungen im In- und Ausland verschickt wurden, stieß der Verlag allerdings auf sehr gute Resonanz im Sortiment. Der Verlag dachte ausschließlich in Reihen und schuf u. a. die Blauen GoldmannBücher, Goldmanns Abenteuer-Romane oder die Heiteren Goldmann-Bücher. Nach dem Tod von Edgar Wallace am 10. Februar 1932 hoffte man auf eine weitere Belebung des Absatzes und versprach im Börsenblatt vierzig weitere Romane des Autors in deutscher Sprache. Da aber mit dem 10. Mai 1933 »seichte fremdländische Romane« geächtet und vielerorts aus den Bibliotheken entfernt wurden,204 brach dieses Verlagssegment deutlich ein. Wie fast alle anderen Verlage musste man seit Sommer 1932 im Rahmen der internationalen Wirtschaftskrise die Produktion ohnehin zurückfahren. Die Umstellung auf Titel der Weltwirtschaft und Weltpolitik gehört dann in die Zeit nach 1933, die Wiederaufnahme des populären Unterhaltungs- und Kriminalromans in die Zeit nach 1945.
Die ideale Vermarktungskette: Der Ullstein-Verlag Für den Buch- und Zeitschriftenverlag besteht […] eine gemeinsame Herstellungsabteilung. Sie ist notwendig, weil neben den periodischen Erscheinungen viele Einzelwerke herauskommen, die individuell zu behandeln sind. Hier werden die technischen und rechnerischen Grundlagen zur Durchführung des Verlagsprogramms geschaffen. […] Bei der Vielfältigkeit der Produktion, die sich vom einfachen Ullsteinbuch über die Reihen der Romane, Sonderhefte, Musikalien, wissenschaftlichen Werke bis zu den erlesenen bibliophilen Ausgaben des Propyläen-Verlages erstreckt, ist hier ein sehr interessantes Arbeitsfeld gegeben, das täglich neue Aufgaben stellt.205 Das Vorstandsmitglied der Ullstein AG, Gustav Willner, beschrieb 1927 in der Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum die enge Verzahnung aller Geschäftsbereiche des Hauses Ullstein und damit die äußerst intensive Zusammenarbeit der Abteilungen für Zeitung, Zeitschrift, Buch, Fotoagentur, Verfilmung, Werbung, Vertrieb, Pressearbeit, Anzeigen und Herstellung. Nicht nur für die Herstellungsabteilung sondern auch für den kombinierten »Buch- und Zeitschriften-Vertrieb« betonte er die Synergieeffekte: Da das Absatzgebiet das ganze Reich ist, bedarf er [der Vertrieb] viel stärkerer Mitwirkung des gesamten Zwischenhandels, der aus dem Sortiments-Buchhandel, Zeitschriften-Handel, Bahnhofs-Buchhandel, Papier- und Straßenhandel besteht. Das Fühlunghalten mit allen diesen Stellen erfordert ein Netz von Vertretern. Ihre Aufgabe ist es, die Abnehmer über die Neuerscheinungen des Buch- und Zeitschrif-
204 Die Schriften von Edgar Wallace wurden z. B. bei der »Säuberung« im November 1934 in der Volksbücherei Göttingen zusammen mit den Werken von Jack London oder Canon Doyle entfernt, wie die Streichungen im Erwerbskatalog belegen, vgl. Stephan Füssel: Die Geschichte der Volksbibliothek Göttingen. Göttingen: Göttinger Hochschulschriften-Verlag 1977, S. 64. 205 Willner: Das Tagewerk der Abteilungen, S. 343.
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5 V er lagsw es en tenverlages zu unterrichten, die Bedürfnisse des Zwischenhandels zu erforschen und an die Vertriebs-Zentrale weiterzugeben.206
Ebenso wie die technischen Abteilungen arbeiteten die Redaktionen eng zusammen: Die Redaktion eines Buchverlags ist enger als die von Zeitungen und Zeitschriften mit der eigentlichen Verlagsarbeit verknüpft. Denn die Verhandlungen über den geistigen Inhalt eines Buches müssen Hand in Hand gehen mit der Verständigung über die Gestaltung des Werkes und die vertraglichen Abmachungen jeglicher Art. [Der Prokurist…] führt auch die Honorarabrechnungen mit den Autoren und betreut außerdem die Filminteressen, die in wachsendem Maße gleichzeitig mit den Verlags- und Übersetzungsrechten wahrzunehmen sind.207 Diese zeitgenössische Analyse des Arbeitsablaufes macht deutlich, wie der UllsteinKonzern von vornherein auf eine Mehrfachverwertung von Rechten setzte und wie er gleichzeitig die Synergien zwischen den unterschiedlichen Geschäftsbereichen produktiv einplante. Hier wird nicht mehr in der Tradition der Kulturverleger zunächst an das einzelne Buch in einer begrenzten Auflage gedacht, sondern an Unterhaltungsliteratur in hohen Auflagen, die auf unterschiedlichen und innovativen Verkaufswegen nicht nur im Sortiment angeboten wurde. Das »Denken in Reihen« brachte es gleichzeitig mit sich, dass einzelne Titel der Gesamtidee unterworfen und durch das Abonnement von Reihen jeweils hohe Startauflagen möglich wurden. Attraktive Preise von einer oder drei Mark unterstützten diese Strategie zusätzlich. Zugespitzt formulierte Christoph Stölzl zum 125-jährigen Jubiläum von Ullstein die These vom ersten integrierten Medienkonzern mit folgenden Worten: »Wer sich in das Phänomen Ullstein vertieft, der findet wie im Brennglas gebündelt, idealtypisch ausgeformt, nicht ein historisches Stück Verlagswesen, sondern den Vorschein einer Zukunft, der erst in unseren Tagen zur Wirklichkeit wird.«208 In den 1920er Jahren wurde der Ullstein-Verlag zu einem regelrechten Medienkonzern, der Zeitung und Zeitschrift, Buch, Theater und Film, Rechteverwertung und Herstellung, Vertrieb und Marketing nach modernen ökonomischen Prinzipien untereinander vernetzte. Damit schuf er eine ideale Verwertungskette der Autorenrechte, die ihm anfangs Kritik und Spott des etablierten Handels, später aber erhebliches Ansehen und Respekt einbrachte.209 Leopold Ullstein hatte 1877 seine Papiergroßhandlung um eine Buchdruckerei und einen Zeitungsverlag erweitert. Er gründete die führenden Berliner Tageszeitungen der nächsten Jahrzehnte: die Berliner Zeitung, die Berliner Abendzeitung, die Berliner Morgenpost und schließlich die Berliner Illustrirte Zeitung, die durch die aufsehenerregende Verwendung von Fotografien im Direktdruck (statt mit dem teuren und langsamen Umweg über den Holzschnitt)210 zum Markenzeichen für den Fortschritt der aktuellen Dokumentation und Information wurde. 206 207 208 209
Willner: Tagewerk, S. 342. Willner: Tagewerk, S. 334. Stölzl: Der Ullstein-Geist, S. 8. Schneider: Der Buchverlag, S. 46 – 53; Lange: Der deutsche Buchhandel und der Siegeszug der Kinematographie, S. 84 – 115. 210 Korff: Die Berliner Illustrierte, S. 286 – 288; von Lucius: Buchgestaltung und Buchkunst. In: Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte, bes. S. 324 – 328.
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Die Geschäftsidee des Buchverlages 1903 war eine konsequente Weiterentwicklung der verlegerischen Aktivitäten, da man nun durch »Beigaben« von Büchern das Zeitungs- und Zeitschriftenpublikum an sich binden wollte.211 Mit der 6-bändigen UllsteinWeltgeschichte oder mit der Noten-Bibliothek Musik für alle. Für Klavier und Singstimme arrangierte leicht spielbare und singbare Musik gewann Ullstein rasch ein neues Publikum.212 Eine zweite Verwertungsmöglichkeit der zahlreichen Fortsetzungsromane in den eigenen Zeitungen und Zeitschriften ermöglichte die Reihe der in rotes Leinen gebundenen Ullstein-Bücher ab Mai 1910. Durch die günstige Herstellung in Komplettmaschinen, zunächst in England, später im eigenen Hause, konnte bei guter technischer Ausstattung der Preis von einer Mark konkurrenzlos im Sortiment und am Kiosk um das Publikum werben. Dieser doppelte Vertriebskanal war innovativ: Ullstein setzte parallel zu seinem Zeitungsvertrieb auf den Verkauf in Bahnhöfen und an Kiosken und erreichte gerade hier in diesem Preissegment zahlreiche Kunden einer mobiler werdenden Gesellschaft. Im Unterschied zum Konzept der Weltliteratur in der InselBücherei (seit 1912) oder der Gegenwartsliteratur bei den Zwei-Mark-Bänden von S. Fischer setzte das Rote Ullstein-Buch konsequent auf Unterhaltung. Der Buchverlag wurde von Beginn an von dem Germanisten Emil Herz (1877– 1971) geleitet, der mit seinem weiten kulturhistorischen Verständnis für die kontinuierliche Qualität des Verlagsprogramms sorgte, bis er 1934 entlassen wurde. Bereits 1913 wurde die Reihe der 3-Mark-Romane publiziert, die als umfangreichere Ausgaben beim Publikum ebenfalls auf eine verstärkte Nachfrage stießen. Zwischen 1911 und 1914 gab es zudem die Reihe Ullstein-Jugendbücher, die 1914 durch Ullstein-Kriegsbücher ersetzt wurde. Noch während des Krieges gründete der Verlag die neue Reihe Die Fünfzig Bücher (bis 1921) mit zumeist rechtefreien Werken und Übersetzungen wie z. B. von Herodot, Hölderlin oder E. T. A. Hoffmann. Dank der Druckerei und des Zeitungsverlags, durchaus aber auch des Buchverlags, dessen Umsatz 1918 bei über sechs Millionen Mark lag, überstand Ullstein die Kriegsjahre wirtschaftlich recht gut.213 Zu den erfolgreichen Unterhaltungsschriftstellern dieser Zeit gehörte Ludwig Wolff (1876– 1958), von dem 1918 Die Spieler, 1921 Die Kwannon von Okadera oder 1926 Kopf hoch, Charlie! jeweils in hohen fünfstelligen Auflagen erschienen. Von dem Journalisten und Feuilleton-Redakteur Richard Skowronnek (1862–1932), der schon seit 1895 volkstümliche »Forsthaus«-Romane schrieb, folgten u. a. Der weiße Adler (1919) und Pommerland (1926). Zumeist wurden die Texte dieser erfolgreichen Unterhaltungsschriftsteller zunächst in der Berliner Illustrirten Zeitung vorabgedruckt und erschienen dann in Buchform. Von der Ehefrau des Regisseurs Fritz Lang, Thea von Harbou (1888 –1954), war 1918 der Roman Das Indische Grabmal verlegt worden, der schließlich nach dem ebenfalls von ihr verfassten Drehbuch 1921 von dem Regisseur Joe May in zwei Folgen (Die Sendung des Yoghi und Der Tiger von Eschnapur) verfilmt wurde. Nach diesem Bestseller erschienen bei Ullstein u. a. noch Harbous Romane Das Haus ohne Tür und Fenster (1920) und Die nach uns kommen (1929).214 211 Estermann/Füssel: Belletristische Verlage, Kaiserreich, in Band 1/2 dieser Buchhandelsgeschichte, S. 281 – 283. 212 Schneider: Lektüre für die Metropole, S. 41. 213 Schneider: Lektüre für die Metropole, S. 62. 214 Schütz: Ullstein-Buchabteilung 1918 bis 1933, S. 102.
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Exkurs: Propyläen Unmittelbar nach dem Krieg im Jahr 1919 kaufte Ullstein zahlreiche Klassikerausgaben, genau gesagt 162 Titel mit 36.177 Bänden, vom Verlag Georg Müller.215 Darunter befand sich die »Propyläen-Ausgabe« der Sämtlichen Werke Goethes, von der bereits 17 (von 45) Bänden erschienen waren. Auch die begonnene Schiller-Ausgabe wurde übernommen und fortgeführt, Eichendorff lag bereits in 6 Bänden vollständig vor. Dazu kamen die Klassiker des griechischen und römischen Altertums: Aristophanes, Cicero, Homer, Platon, Pindar, Tacitus. Boccaccio, Manzoni, Molière, Montaigne oder Turgenjew wurden ebenso übernommen wie Brentano, Hölderlin oder Tieck. Neben den preiswerten Reihen mit Unterhaltungsliteratur, beheimatete der Ullstein Verlag nun auch klassische europäische Literatur, die er in einer gediegenen typografischen, buchgestalterischen und herstellerischen Qualität anbot. Als »Verlag im Verlag« wurde die Abteilung »Propyläen Verlag GmbH« geführt, was den besonderen Anstrich des Programms und der Ausstattung unterstrich. Von 1923 bis 1929 wurde als eine eigene Entwicklung dann die legendäre PropyläenKunstgeschichte in 16 Bänden und gegen Ende des Jahrzehnts eine auf 10 Bände angelegte Propyläen-Weltgeschichte herausgegeben. Insbesondere in den Jahren der Inflation schuf der Propyläen-Verlag bibliophile Kostbarkeiten.216 Luxusdrucke in limitierten Auflagen mit Vorzugsgrafiken stellte u. a. Max Slevogt zur Mappe Alte Märchen vor, Lovis Corinth fügte eine Mappe mit Kaltnadelradierungen unter dem Titel Kompositionen zusammen, Max Pechstein gab Illustrationen zum Vaterunser bei, 1929 erschien Swifts Gullivers Reisen zu den Riesen mit Originallithografien von Lovis Corinth u. a. Wie auch in den anderen Verlagen wurden diese Luxusausgaben mit der Stabilisierung der Rentenmark 1924/25 eingestellt.
Gelbe Ullstein Bücher und die Bestseller-Politik 1927 brachte eine weitere Reihe eine erneute Umsatz- und Bekanntheitssteigerung für den Verlag mit sich, wiederum mit dem eingeführten Markenzeichen von einer oder drei Mark, je nach Umfang: die Gelben Ullstein-Bücher. Ullstein konnte deren Rechte mehrfach verwerten, da er als einer der größten »Romanvertriebe« in Deutschland die Provinzpresse mit Fortsetzungsmaterial belieferte.217 Seit 1926 erschienen daneben die Gelben Romane zum Preis von drei Mark, von denen sich bis 1933 insgesamt rund 45 Titel mit einer Gesamtauflage von 7,5 Millionen Exemplaren verkauften. Von den Gelben Ullstein-Bücher kamen zu dem weiterhin unschlagbaren Preis von einer Mark zwischen 1927 und 1933 169 Bände mit einer Gesamtauflage von 9,5 Millionen Exemplaren auf den Markt.218 In der bunten Reihe der Autoren fanden sich Vicki Baum, Theodor Fontane, Heinrich Mann, Ludwig Thoma oder Peter Rosegger, Vladimir Nabokov und Edgar Wallace neben dem Bestseller von Gaston Leroux Das Geheimnis des Opernhauses (i. e. Das Phantom der Oper). 215 216 217 218
Vgl. Estermann/Füssel: Belletristische Verlage, Kaiserreich, S. 258. Vgl. Laabs: … eine Fülle schönster Werke, S. 167 – 176. Schütz: Ullstein-Buchabteilung1918 bis 1933, S. 108. Göbel: Was tu ich jetzt am Stölpchen-See, S. 194.
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Eine besondere Erfolgsgeschichte erlebten die Romane von Vicki Baum (1888–1960). Die Musikerin und Schriftstellerin hatte bereits zwei Romane – 1920 Der Eingang zur Bühne und 1921 Die Tänze der Ina Raffay –, die aber zunächst nur auf geringe Resonanz stießen, als Ullstein-Buch veröffentlicht. In den folgenden Jahren erschienen ihre Werke bei der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart, bis sie 1926 als Zeitschriften-Redakteurin bei Ullstein in Berlin eingestellt wurde. So war sie in den folgenden Jahren nicht nur als Redakteurin, sondern auch als Buchautorin präsent. Die Vorabdrucke ihrer Romane prägten u. a. die Berliner Illustrirte Zeitung, ihre erfolgreichen journalistischen Texte die Ullstein-Zeitschriften Die Dame und Uhu. Vicki Baum wurde vom Verlag mit einer regelrechten Imagekampagne als selbstbewusste und engagierte Frau »aufgebaut«.219 Zu großen Publikumserfolgen entwickelten sich ihr Emanzipationsroman stud. chem. Helene Willfuer (1928) und vor allem ihr Episodenroman Menschen im Hotel, der gleichzeitig ein großartiger Spiegel der Zeit, ein Großstadtroman, ein Blick Abb. 6: Reklame für Ullstein-Bücher. In: in die Seele von Künstlern, Kaufleuten 125 Jahre Ullstein-Bücher, S. 48. und identitätssuchenden Mitmenschen ist. Nachdem der Roman als Vorabdruck in der Berliner Illustrirten Zeitung erschienen war, wurde eine gebundene Ausgabe mit einer Startauflage von 25.000 Exemplaren herausgebracht. Anfang Januar 1930 hatte eine von der Autorin redigierte Bühnenfassung unter der Regie von Gustaf Gründgens im Theater am Nollendorfplatz Premiere. Über diesen Bühnenerfolg sowie über einen internationalen Broadwayerfolg der englischen Überarbeitung berichteten wiederum Ullstein-Medien breitflächig. Die Verfilmung mit Greta Garbo und Joan Crawford unter der Regie von Edmund Goulding 1932 unter dem Titel Grand Hotel sorgte erneut für eine erhebliche Nachfrage, für die eine Sonderausgabe zu drei Mark über 100.000-mal verkauft wurde. Darüber hinaus wurden Baums frühere Romane in der Gelben Reihe neu aufgelegt, seit 1931 erschien schließlich eine UllsteinWerkausgabe.220 Auch der absolute Bestseller dieses Jahrzehnts, Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque (der zuvor von S. Fischer abgelehnt worden war), wurde in der Vossi219 Vgl. Gruber: Was wird mein Roman einst sein, S. 181 – 183. 220 Göbel: Was tu ich jetzt am Stölpchen-See, S. 194 f.
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schen Zeitung im November 1928 vorabgedruckt und mit 3,5 Millionen verkauften Exemplaren bei Ullstein bis 1932 zum größten Bucherfolg aller Zeiten. Der Roman wurde nach der Verfilmung von Lewis Milestone für ein internationales Publikum in 28 Sprachen übertragen.221 Zu den großen Erfolgen im Buch und im Film, hervorgerufen durch das einmalige Marketing von Ullstein, ist ferner Heinrich Manns Roman Professor Unrat zu rechnen, der zuerst 1905 bei Albert Langen in einer Auflage von nur 1.500 Exemplaren erschienen war. Erheblich besser verkaufte sich diese kritische Auseinandersetzung mit dem Gesellschaftssystem der Kaiserzeit seit 1916 im Kurt Wolff-Verlag in der Buchreihe Der neue Roman zum günstigen Preis von drei Mark und in einem attraktiven Themenumfeld. 1927 wurde der Roman in die Gelben Ullstein-Bücher aufgenommen und bis 1930 etwa 100.000-mal verkauft. Die Verfilmung 1930 durch den Regisseur Josef von Sternberg setzte dann eigene Akzente,222 nahm wesentliche Elemente der Kritik an der Kaiserzeit heraus und schilderte im zweiten Teil eine Eifersuchtstragödie. Die Besetzung mit Marlene Dietrich als Lola und Emil Jannings als Professor Unrat ließ diesen Film zu einem der ganz frühen Erfolge des deutschen Tonfilms werden. Am 1. April 1930 fand im Gloriapalast in Berlin die glanzvolle Uraufführung des Blauen Engel statt. Zum Filmstart wurde der Roman von Heinrich Mann bei Ullstein neu aufgelegt und durch die Wirkung des Films international rezipiert: 1930 erschienen u. a. polnische und tschechische Übersetzungen. In den englischsprachigen Ländern wurde ab 1931 für den Roman der Filmtitel The Blue Angel übernommen. Die Stummfilme hatten sich von vornherein an ein internationales Publikum gewandt, die Tonfilme Im Westen nichts Neues und Der blaue Engel zeigten aber, dass auch synchronisierte Filme den internationalen Absatz von Buchpublikationen förderten; in beiden Fällen verhalf die Verfilmung den Autoren zu erheblichem Ansehen im Ausland. Im Falle von Professor Unrat dominierte künftig der Filmtitel Der Blaue Engel, trotz aller inhaltlichen Differenzen zwischen Buch und Film wurde der Mythos von Marlene Dietrich auch zur Buchwerbung herangezogen. Ullstein engagierte sich sehr früh im Filmgeschäft: seit 1919 gab es eine eigene Filmabteilung im Konzern, die der juristischen Abteilung unterstand.223 Im Juli 1920 wurde im Börsenblatt die Beteiligung Ullsteins an der Decla-Bioscop-Filmgesellschaft bekannt gegeben.224 Gemeinsam beteiligte man sich an der UCO-Film GmbH. Als die DeclaBioscop 1921 von der UFA übernommen wurde, kam es dadurch zu einer direkten Beziehung zwischen dem Ullstein Verlag und dem größten Filmunternehmen der 1920er Jahre, der UFA. In der UCO-Film GmbH wurden zwischen 1920 und 1923 bereits die ersten fünf Ullstein-Romane verfilmt: Die Kwannon von Okadera (1920) nach dem Roman von Ludwig Wolff in der Regie von Carl Froelich; Schloß Vogelöd (1921) nach dem Roman von Rudolph Stratz in der Regie von F. W. Murnau; Dr. Mabuse, der Spieler – Ein Bild der Zeit (1922) nach dem Roman von Norbert Jacques in der Regie von Fritz Lang; Phantom (1922) nach dem Roman von Gerhart Hauptmann in der Regie von Johannes Guter, nach einem Drehbuch von Thea von Harbou sowie ebenfalls von Guter und von Harbou 221 222 223 224
Vogt-Praclik: Bestseller in der Weimarer Republik, S. 45. Sternberg: Ich, Josef von Sternberg. Erinnerungen; Dirscherl/Nickel: Der Blaue Engel. Lange: Siegeszug der Kinematographie, S. 115. Thielemann, Walter: Fusion Decla-Bioscop und Ullstein. In: Börsenblatt 87 (1920) 168, S. 872.
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Prinzessin Suwarin (1924) nach einem Roman von Ludwig Wolff.225 Die optimale Nutzung aller Stufen der Verwertungskette wird dadurch besonders sichtbar, dass alle fünf Texte vorher als Vorabdruck in den verlagseigenen Zeitungen erschienen und – parallel zur Verfilmung – erfolgreiche Bestseller im Buchgeschäft waren. Ullstein beteiligte sich auch an der Berliner Terra-Film AG, die u. a. 1923 Der Mann mit der eisernen Maske oder 1926 Es blasen die Trompeten mit Hans Albers in der Hauptrolle drehte.
Arcadia Bühnenvertrieb Der Verwertungskette wurde 1923 ein weiteres wichtiges Bindeglied beigefügt, das parallel zum Propyläen-Verlag arbeitete: der Arcadia-Bühnenvertrieb. Als Leiter konnte Julias Elias (1861–1927) gewonnen werden, der bereits seit 1921 im Propyläen-Verlag tätig war und vorher erfolgreich bei S. Fischer u. a. die Ibsen-Ausgabe betreut hatte. Julias Elias hatte gute Beziehungen namentlich zu den Berliner Bühnen, sodass ihm in zahlreichen Fällen die erfolgreiche Vermittlung zu verdanken war. So zum Beispiel bei der Wiener Kritikerin Gina Kaus (geborene Regina Wiener, 1893–1985), deren Komödie Diebe im Haus 1917 im Burgtheater uraufgeführt und deren Erzählungen bereits in der Vossischen Zeitung veröffentlicht worden waren. Elias übernahm ihr Theaterstück Toni, für das Gina Kaus kurze Zeit später in Bremen mit dem Goethe-Preis ausgezeichnet wurde. Bald danach wurde diese Komödie in Berlin durch Heinz Hilpert und anschließend in Prag inszeniert.226 Zu den anderen Erfolgsautoren des Theatervertriebs gehörte Carl Zuckmayer (1896–1977), dessen Fröhlicher Weinberg unmittelbar nach der Uraufführung in Berlin mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet wurde. Wichtig war für Ullstein auch hier die Mehrfachverwertung, der Fröhliche Weinberg, zunächst als Manuskript für Bühnen gedruckt, wurde 1925 im Propyläen-Verlag publiziert und brachte etwa 20.000 verkaufte Exemplare. Andere erfolgreich verwertete Dramen schlossen sich an, etwa von Ludwig Berger (1892–1969), dem Theater- und Filmregisseur, der 1926 sein Schauspiel Luise, Kronprinzessin von Preußen und sein Drama Königin Luise im Propyläen-Verlag veröffentlichte. Nach seinem Drehbuch wurde der Historienroman im Jahr 1927 unter der Regie von Karl Grune durch die Terra-Film AG in Berlin erfolgreich verfilmt. Ein weiterer Umsatzbringer war in der Mitte der 1920er Jahre Bertolt Brecht, den Julius Elias 1925 für den Verlag gewinnen konnte. Brecht schrieb erfreut an seine Frau Marianne Zoff: »Ich habe mit Ullstein abgeschlossen, das ist der sicherste Verlag, ein großes Glück«.227 1926 übernahm Ullstein Trommeln in der Nacht vom Drei Masken Verlag, im Propyläen-Verlag erschienen 1927 die Hauspostille sowie die Stücke Im Dickicht der Städte, Mann ist Mann und die Neuauflage von Trommeln in der Nacht.228 Zu den weiteren gutgängigen Dramatikern gehört der Lustspielautor Walter Hasenclever, der sowohl im Theater- als auch im Buchverlag gute Erfolgszahlen brachte. Nach dem Tod von Julius Elias 1927 wirkte Ernst Rudolf Sulzbach (1887–1954) als Lektor im Arcadia-Verlag, der u. a. Ödön von Horváth 1929 für sich gewinnen konnte.
225 Vgl. Lange: Kinematographie, S. 88 und demnächst Schüler: Der Ullstein Verlag und der Stummfilm. Diss. phil. masch. Mainz 2012. 226 Völker: Arcadia Verlag, S. 133. 227 Zitiert nach Völker: Arcadia Verlag, S. 135. 228 Völker: Arcadia Verlag, S. 137.
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Abb. 7: Bertolt Brecht vor dem Ullsteinhaus. Tuschfederzeichnung von George Grosz, um 1927. (Estate of George Grosz, Princeton, N. J.) Absolute Rekordeinnahmen erzielte der Verlag 1926 und 1931 mit Carl Zuckmayer, dessen Hauptmann von Köpenick am 5. März 1931 im Deutschen Theater in Berlin unter der Regie von Heinz Hilpert uraufgeführt wurde. Noch im selben Jahr wurde das Stück mit Max Adalbert in der Hauptrolle, die er auch auf der Bühne spielte, verfilmt. Der Verlag gewährte Zuckmayer zwischen 1926 und 1931 monatliche Ratenzahlungen,
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die von 600 zunächst auf 1.600, dann auf 2.000 und schließlich Anfang 1932 sogar auf 3.500 RM angehoben wurden.229 Als die Ullsteins 1934 ihr Unternehmen verkauften, wurde auch der Vertrag mit Zuckmayer gelöst, der zu S. Fischer zurückwechselte. Der Bühnenvertrieb war für die 1920er Jahre ein weiterer entscheidender Baustein in Ullsteins beinahe lückenloser Verwertungskette. So schrieb der Lektor Max Krell in seinen Erinnerungen: »Es gab bald keinen Zweig des Verlagswesens und der Publizistik, den Ullstein nicht gepflegt hätte.«230
Preiswerte Literatur in Reihen: Der Reclam-Verlag im Umbruch Seit Herbst 1923 bekam das Buch mediale Konkurrenz: zunächst in Berlin und dann in weiteren neun Rundfunkanstalten wurde fast flächendeckend Hörfunk übertragen. In aufgeklärten Kreisen sah man das Radio als eine Bildungsinstitution an, als eine Art Volkshochschule über den Äther. Der künstlerische Leiter des Norddeutschen Rundfunks in Hamburg formulierte z. B.: »Es gilt, jeder Generation als Ergänzung zur Literaturstunde Kenntnis der deutschen Dramatiker zu vermitteln und die Jugend für den Theaterbesuch vorzubereiten; es gilt weiter, der jungen Kunst den Weg in die Masse zu ebnen und diese Masse anzuregen, auch das Neue zu betrachten und zu beachten.«231 Stefan Zweig plädierte für die Schaffung von Rundfunkschulen und Rundfunkuniversitäten;232 Thomas Mann forderte gar, der »Staat müsse dem Rundfunk seine Kulturmission zuweisen.«233 Zunächst schien es so, als würde der Rundfunk das Buch verdrängen, nach kurzer Zeit sah man aber, dass die Medien sich auch untereinander stützen konnten.234 Innovative Verleger nutzten sogar die Chance, den flüchtig über den Äther verbreiteten Worten gedruckte Texte nachfolgen zu lassen. Bereits 1924 finden sich Werbebeilagen des Reclam-Verlages für eine Rundfunk-Bibliothek mit dem Hinweis: »Opern und Theaterstücke sind viel besser verständlich, und Sie hören mit größerem Genuss, wenn Sie vorher das Textbuch lesen. Aber verlangen Sie nur die bekannten vollständigen Reclam-Texte. 40 Pf.«235 Im besonderen Maße entwickelte sich der Rundfunk zum direkten Werbeträger für das Buch. Titel, die in den Bücherstunden im Rundfunk rezitiert und vorgestellt wurden, waren oft am nächsten Tag Verkaufsschlager im Sortiment, sodass die Verleger in ihren Anzeigen und auf ihren Plakaten bald bekannt gaben, welche Titel in der Funk-Stunde besprochen wurden.236 Eine ähnliche Wechselwirkung gab es zwischen dem Buch und dem Stummfilm. Besonders deutlich wird dies an der Faust-Verfilmung. Der Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau nahm sich 1926 dieses Stoffes an, mit Emil Jannings als Mephisto, Gösta 229 230 231 232 233 234 235 236
Völker: Arcadia Verlag, S. 148. Zitiert nach Völker: Arcadia Verlag, S. 129. Zitiert nach Hay: Literatur und Rundfunk 1923 – 33, S. 141. Zweig: Schafft Rundfunkuniversitäten. In: Radiowelt 1930, Nr. 20. Mann: Eine Osterbotschaft. In: Radiowelt 1932, Heft 13. Füssel: Das Buch in der Medienkonkurrenz der 20er Jahre, S. 322 – 340. Vgl. die Abb. in Füssel: Das Buch in der Medienkonkurrenz der 20er Jahre, S. 324. Schiller/Kutsch: Literatur im Rundfunkprogramm. In: Rundfunk und Politik 1923 – 1973, S. 87 – 118.
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Eckmann als Faust und Camilla Horn als Gretchen.237 Sein Faust-Stummfilm lebt von einzigartiger Mimik und bis dahin unbekannten Trickszenen. Der Plot war allerdings näher am Volksbuch und am Puppenspiel als an den Versionen von Lessing oder Goethe. Murnau nutzte den Stoff lediglich als »kinematographische Visionen und Attraktionen, einschließlich Fausts Flug über die Alpen«.238 Die Zwischentexte waren von Gerhart Hauptmann in Knittelversen verfasst worden, wobei nicht nur das Versmaß dazu führte, dass sie parodistisch verstanden wurden. Diese Art der Darbietung führte aber auf der anderen Seite zu einer erheblichen Steigerung der verkauften Auflage von Goethes Faust beim Reclam Verlag, der 1925 und 1926 je eine 50.000er Auflage in der Universal-Bibliothek drucken konnte.239 Interessanterweise nutzte Reclam die Popularität der Verfilmung auch dadurch, dass er für seine Druckausgabe mit einem Szenenfoto des Filmes mit Gösta Eckmann und Emil Jannings warb. Reclam hatte ohnehin die Zeichen der Zeit verstanden und seine Universal-Bibliothek (RUB) einem äußerli- Abb. 8: Werbebeilage in Reclams Universalchen und innerlichen Relaunch unter- bibliothek für die »Rundfunkbibliothek«. zogen, d. h. Typografie und Ausstattung verändert und sich neben den rechtefreien Klassikerausgaben auch der zeitgenössischen Literatur zugewandt. 1917 hatte Fritz Helmuth Ehmcke bereits einen neuen Umschlag für die RUB entworfen, der bis 1923 verwendet wurde. Er ist gekennzeichnet durch ein sachlichneutrales architektonisches Grundmuster, das vor allen Dingen den Serientitel betont und das neue typografische Logo: RUB.240 Nach dem Tode Hans Heinrich Reclams am 30. März 1920 übernahmen seine Söhne Dr. Ernst Reclam und Hans Emil Reclam die Geschäftsführung und setzten zahlreiche Neuerungen durch, die der Vater bereits angeregt hatte. Selbstverständlich verfolg237 238 239 240
Prinzler: Murnau, S. 183 – 190. Kaes: Film in der Weimarer Republik, S. 91. Freundliche Auskunft von Dr. Dietrich Bode, Reclam-Verlag. Haefs: Reclams Universal-Bibliothek in der Epoche des schönen Buches, S. 224 – 226.
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ten sie auch weiterhin die Strategie, unmittelbar nach Ablauf der Schutzfristen rechtefreie Autoren in die RUB aufzunehmen: auf diese Weise kam z. B. 1921 Gottfried Keller mit 18 Werken in die Universal-Bibliothek.241 Daneben setzten sie aber auch auf zeitgenössische Autoren, denen zwar ein Honorar gezahlt werden musste, was die knappe Kalkulation dieser Buchreihe erheblich belastete, auf der anderen Seite ermöglichten es moderne Erzähler aber auch, neue Publikumsschichten anzusprechen. Seit 1920 erschienen z. B. Novellen und Gedichte des expressionistischen Lyrikers und Erzählers Albert Ehrenstein unter dem Titel Dem ewigen Olymp (RUB 6235), die Novellen Clara Viebigs West und Ost (RUB 6129/30), Geschichten und Skizzen Hinterm Gartenbusch (RUB 6141) von Ludwig Finckh oder 1921 die Rheinischen Novellen von Wilhelm Schäfer (RUB 6200) oder das Schauspiel Das grüne Haus von Herbert Eulenberg (RUB 6215). Finckh und Schäfer waren nationalkonservativ orientiert, während Albert Ehrenstein, jüdisch-ungarischer Abstammung, Expressionist und Pazifist war und Unterstützer der Revolution von 1919 und zu den Autoren gehörte, deren Schriften 1933 geächtet wurden. Nicht nur durch die Aufnahme von zeitgenössischer Literatur änderte sich das Erscheinungsbild der Universal-Bibliothek, sondern auch durch eine verstärkte Hinwendung zu Schwerpunktthemen in der Werbung und durch die Herausgabe von kartonierten und gebundenen Sonderausgaben, die die Reihe nun nicht nur als Schullektüre, sondern auch für Geschenkzwecke attraktiv machte. So erschien bereits ab Dezember 1917 die Serie Moderne deutsche Erzähler, die z. B. Wilhelm Raabes Zum wilden Mann oder Peter Roseggers Geschichten und Gestalten aus den Alpen als RUB-Bändchen für 25 Pf., daneben gebunden für 60 Pf. und als Geschenkband für 1,50 Mark. Besondere Werbeprospekte gab es für den Schönen Reclam-Band, mit farbigem Pappband und mit aufgeklebtem Titelschild. Sie erreichten zwar nicht die Qualität der Insel-Bücherei, waren aber durchaus als Geschenkbände geeignet. Seit 1926 wurden sie für 80 Pf. angeboten und in verschiedenen Gruppen zusammengefasst, so z. B. in eine Bücherei des Großstädters oder eine Bücherei des Musikliebhabers.242 Zu solchen »Musterbüchereien« zählte auch die Bücherei des politisch tätigen Staatsbürgers oder die Bücherei der gebildeten Frau. Besonders beliebte Titel der RUB waren Thomas Manns Tristan, Arthur Schnitzlers Die dreifache Warnung, Ricarda Huchs Der neue Heilige oder Arnold Zweigs Novellensammlung Gerufene Schatten.243 Ab 1922/23 wurde eine Werbeoffensive zur Neuetablierung der Marke Reclam gestartet und dieses Mal nicht nur die Umschläge, sondern auch der Satz reformiert. In größeren Schriftgraden mit einem größeren Durchschuss wurden nun die Breitkopfoder die Walbaumfraktur verwendet und nur noch 31, in manchen Fällen 27 Zeilen pro Seite gesetzt.244 Wie Rezensenten bemerkten, hätten jetzt auch Kurzsichtige keinen Grund mehr zur Klage. Aber auch die Leinenbände wurden durch einen Entwurf von Emil Rudolf Weiß neu gestaltet und mit einem zusätzlichen Schutzumschlag versehen. In den Werbemaßnahmen wurde der allgemeine Buchmarkt angesprochen:
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Koch: Gegenwartsliteratur, S. 285. Ewald: Werbebeilagen in Reclams Universal-Bibliothek, S. 252 – 255. Koch: Gegenwartsliteratur, S. 292. Haefs: Reclams Universal-Bibliothek in der Epoche des schönen Buches, S. 234.
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5 V er lagsw es en Bitte kaufen Sie kein Buch, ohne vorher den Katalog »Der schöne Reclam-Band« durchgeblättert zu haben. Sie finden dort eine Auswahl aus den besten Werken moderner Romanschriftsteller, Dichter und Denker der Weltliteratur vereinigt. Der Reclam-Band ist schön, elegant gebunden, in farbenfrohen, künstlerischen, festen Einbänden, große moderne Schrift, blütenweißes holzfreies Papier. Die Auswahl wird in rascher Folge ergänzt und umfasst schon heute Hunderte der bekanntesten, literarisch wertvollen Bücher. Ein eigens gebauter Bücherschrank – der ReclamSchrank –, der den modernen Wohnverhältnissen entspricht und möglichste Platzersparnis mit vornehmem Aussehen verbindet, ist bei der Bücherschrankfabrik Heinrich Zeiß, Frankfurt a. M, Kaiserstraße 36, erhältlich.245
Die gute Ausstattung der Universal-Bibliothek und das zunehmende Angebot an kartonierten und gebundenen Büchern veränderte das Bild des Verlages im Bewusstsein des Publikums, der nun durchaus als wichtiger zeitgenössischer Literaturverlag wahrgenommen wurde.
Auf dem Weg ins Dritte Reich Piper-Verlag Im Almanach zum 20. Verlagsjubiläum von Piper 1924 wird die Kontinuität der Produktion betont: »In dem Vorwort unseres ersten Almanachs hatten wir drei Namen aufgestellt, die beherrschend über unserer Tätigkeit standen: Dostojewski, Marées, Schopenhauer. Sie stehen auch heute noch im Mittelpunkt.«246 Damit waren die drei Verlagsschwerpunkte Literatur, Kunst und Philosophie mit ihren bedeutendsten Repräsentanten im Verlag beschrieben. Die von Moeller van den Bruck herausgegebene Dostojewski-Ausgabe war seit 1906 kontinuierlich erschienen und hatte zu einer Entdeckung Dostojewskis in Deutschland geführt, der anders als z. B. Tolstoi vorher weniger bekannt gewesen war. Die Philosophie wurde schwerpunktmäßig durch die Sämtlichen Werke des Vertreters des deutschen Idealismus Arthur Schopenhauer (1788–1816) repräsentiert, dessen Werke zwischen 1911 und 1926 erschienen, sein Briefwechsel dann von 1928 bis 1942. Schopenhauers Interesse am Buddhismus, den er als einen Gegenentwurf zur abendländischen Metaphysik verstand, führte zeitgenössisch zu einem verstärkten Interesse deutscher Intellektueller an dieser Religion. Folgerichtig erschienen auch bei Piper ab 1907 Die Reden Gotamo Buddhos (bis 1924). Die dreibändige Würdigung Hans von Marées (1837–1887), dem deutschen Zeichner, Grafiker und Maler des Idealismus, durch den Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe (1867–1935) steht wiederum paradigmatisch für die Beschäftigung mit der Kunst und die Herausgabe von Kunstbüchern im Piper-Verlag. Mit der Gründung der MaréesGesellschaft 1917 wurde dieser Programmbereich deutlich gestärkt, der ab 1918 kontinuierlich bis 1929 47 Drucke der Marées-Gesellschaft von Julius Meier-Graefe herausgab. Darunter waren illustrierte Ausgaben der klassischen europäischen Literatur (Goe245 Werbebeilage vom September 1924, reproduziert bei Haefs: Reclams Universal-Bibliothek in der Epoche des schönen Buches, S. 232. 246 Almanach 1904 – 1924 des Verlages R. Piper & Co. München 1923, S. 177.
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the: Clavigo; Flaubert, Gustave: Die Legende von St. Julian dem Gastfreundlichen; Friedrich Schlegel: Lucinde; Hugo von Hofmannsthal: Ariadne auf Naxos u. a.) oder einzigartige Faksimiles von Delacroix oder Vincent van Gogh, Albrecht Dürer oder Rembrandt, Max Slevogt oder Peter Bruegel d. Ä.247 Diese Kunstbücher bildeten zusammen mit anderen Mappenwerken zwischen 1919 und 1924 das Standbein des Verkaufes, da sich das gut gestaltete Kunstbuch in Inflationsjahren als Geldanlage, wie man u. a. auch bei Kurt Wolff sehen konnte, anbot. Der Verleger Reinhard Piper setzte 1923 gegenüber seinem führenden kunsthistorischen Herausgeber Meier-Graefe eine neue Buchreihe durch, die Piperdrucke, die in erster Linie Ölgemälde reproduzierten und auf eine erhebliche Nachfrage im Publikum stießen. Bereits im ersten Jahr 1923 wurden 23 Piperdrucke herausgegeben, die Arbeiten von Dürer, Rembrandt, Goya, Manet, Cranach, Rubens, Renoir, Cézanne u. a. umfassten. Bis 1932 erschienen 88 Piperdrucke, die das äußere Erscheinungsbild des Verlages prägten.248 Das eigene literarische Programm trat in der ersten Hälfte der 20er Jahre deutlich hinter das Kunstprogramm zurück, erwähnenswert ist eine dreibändige Auswahl von Jean Paul im Jahre 1924 Blumen-, Frucht- und Dornenstücke aus Jean Pauls Werk, gesammelt von Richard Benz. Als 1926 der Wiener Verleger Robert Freund als neuer Teilhaber bei Piper eintrat, wurde besonders die internationale Literatur verstärkt, p.e. mit André Maurois (1885– 1967), mit seiner Biografie Don Juan oder das Leben Lord Byrons (1930), mit seinem Roman Im Kreis der Familie (1932) oder mit seiner Geschichtsdarstellung Eduard VII. und seine Zeit (1933). Durch Freunds Vermittlung konnten auch die Rechte am Gesamtwerk von Marcel Proust für den Verlag gewonnen werden, allerdings erschien 1930 nur ein einziger Band Auf den Spuren der verlorenen Zeit: die Herzogin von Guermantes in der Übersetzung von Walter Benjamin und Franz Hessel. Auf den Teilhaber Freund gehen auch andere kreative, kostengünstige und im Unterhaltungssektor angesiedelte erfolgreiche Verlagsprojekte zurück, so eine Sprachführerreihe von MacCallum, T. W.: Englisch lernen ein Vergnügen! (1928) sowie ein ungewöhnlicher Reiseführer im neuen, journalistischen Stil Was nicht im ›Baedeker‹ steht, der von 1927 bis 1933 in 16 Bänden einen neuen, unterhaltenden Blick auf Berlin, Wien, Budapest, Paris, Mainz, London, die Riviera oder die Schweiz bot. Trotz dieser deutlichen Erfolge war das Verhältnis zwischen dem Verleger Reinhard Piper und dem jüdischen Intellektuellen Dr. Robert Freund recht gespannt, wie Pipers handschriftliche Aufzeichnungen aus dem Jahr 1943 belegen: Fortwährend brachte er [Freund] neue Projekte und Varianten. Konnte er bei solchen Gelegenheiten doch durch einen einzigen Coup mehr verdienen als in einem Jahr normaler Arbeit. […] Was schließlich aber doch alle negativen Seiten wettmachte, war seine persönliche Geschäftstüchtigkeit und die mancherlei Verbindungen, die er dem Verlag zuführte. […] Er war von der täglichen Kleinarbeit des Verlags, die an mir hängenblieb, nicht belastet, sondern konnte sich freizügig umtun. Viele seiner Reisen brachten dem Verlag nur Unkosten, auf anderen aber heimste er gewisse Zufallstreffer ein, die die ergebnislosen Reisen bei weitem wieder wett247 Vgl. 75 Jahre Piper, Bibliographie und Verlagsgeschichte, Die Reihen des Verlages, S. 585 f. 248 Reifenberg: Die Piperdrucke, 1956. – Seit 1932 firmierte der »Verlag Die Piperdrucke« selbstständig.
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5 V er lagsw es en machten. […] So hat tatsächlich der Jude Robert Freund die erste Verbindung des Verlags mit dem späteren Nationalpreisträger Bruno Brehm hergestellt.249
Tatsächlich erschienen ab 1928 in rascher Folge die Romane des Wiener Verlagsbuchhändlers und freien Schriftstellers Bruno Brehm (1892–1974), so zunächst seine Romane Der lachende Gott (1928), Susanne und Marie (1929) und sein humoristischer Roman Wir alle wollen zur Opernredoute, mit Zeichnungen von Olaf Gulbransson (1930). Auf der Welle der Kriegsromane zur Bewältigung des Ersten Weltkrieges wurde auch seine Trilogie über den Weltkrieg Apis und Este (1931), Das war das Ende (1932) und Weder Kaiser noch König (1933) publiziert. Von der Trilogie wurden mehrere hunderttausend Exemplare verkauft. Seine deutschnationale Tendenz zeigte sich bereits in dieser Weltkriegsliteratur, die später in die Nationalsozialistische Kernbücherei und als Sonderausgabe im Frontbuchhandel aufgenommen wurde.250 Neben Brehm erschienen auch noch die deutschnationalen, an den Blut und Boden-Mythos erinnernden Erzählungen und Romane von Josef Martin Bauer, der 1930 den »Jugendpreis deutscher Erzähler« für seinen Siedlerroman Acht Siedel erhielt, daneben seine Romane Die Notthafften und schließlich Die Salzstraße. Im Krieg beim nationalsozialistischen Eher-Verlag tätig und mit dem Ehrenpreis für bäuerliches Schrifttum 1942 ausgezeichnet, wurde er dann in der Bundesrepublik Deutschland mit seinem Roman So weit die Füße tragen weit bekannt. Da von den am 10. Mai 1933 verbrannten Büchern keines aus dem Piper Verlag stammte und mit Brehm und Bauer dem Nationalsozialismus zugeneigte Autoren erschienen, konnte der Verlag zunächst unbehelligt im Dritten Reich agieren. Dr. Freund war bis 1938 tätig.
Deutsche Verlags-Anstalt Die 1831 gegründete Hallberger’sche Verlagsbuchhandlung (Belletristik und populäre Zeitschriften) firmierte nach der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 1881 als »Deutsche Verlags-Anstalt« (DVA). Zu den bekanntesten journalistischen Verlagsobjekten gehörten die Berliner Deutsche Illustrirte Zeitung und die Wiener Neue Illustrirte Zeitung seit 1887 und vor allen Dingen die Zeitschrift Über Land und Meer (1858 bis 1923), in der u. a. Fontanes Stechlin 1897 als Vorabdruck veröffentlicht wurde. Das Unternehmen stand auf einem soliden Fundament, zu dem drei Papierfabriken, eine Druckerei und ein Xylographie-Atelier gehörten. 1910 trat Gustav Kilpper (1879–1963) als Generaldirektor in die AG ein, die seit 1920 von Robert Bosch als Mehrheitsaktionär mit 54,6 % der Aktien dominiert wurde. Unter Kilpper expandierte der Verlag. 1921 kamen die Verlage Schuster & Löffler und Egon Fleischel & Co. hinzu, 1922 die Friedrich Andreas Perthes AG. Neben der »Schönen Literatur« wurden unter seiner Leitung die Abteilungen »Geschichte und Politik«, »Zeitdiagnose« und »Kunst« eingerichtet.251 Durch die Verlagsübernahmen Anfang der 1920er Jahre kamen u. a. Waldemar Bonsels, Börries Freiherr von Münchhausen, Ina 249 Aufzeichnungen von Reinhard Piper über Dr. Freund 1943 im Deutschen Literaturarchiv Marbach: Piper. Hier zitiert nach Ziegler: 100 Jahre Piper, S. 136 f. 250 Ziegler: 100 Jahre Piper, S. 129. 251 Berner: Zur Geschichte der DVA, S. 23 f.
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Seidel und Clara Viebig in den Verlag, ebenso die Rechte der verstorbenen Autoren Cäsar Flaischlen und Detlef von Liliencron. Zu den aus den Jahrzehnten vorher stammenden Erfolgsautoren gehörten die Volkserzähler Rudolf Presber, Josef Ponten oder Auguste Supper, aber auch Jakob Wassermann mit Caspar Hauser und Ricarda Huch. In den 20er Jahren wurden mehr und mehr zeitgenössische Autoren verlegt, die mit aktuelleren Stoffen aufwarteten, u. a. der Arbeiterdichter Heinrich Lersch oder Gottfried Benn und Erich Kästner.252 Die um 1900 noch vorhandenen ausländischen Erzähler verschwanden nach und nach aus der Autorenliste: 1923 wird im Almanach unter der Sparte »Schöne Literatur« kein einziger Ausländer mehr erwähnt, dafür 123 deutsche Erzähler mit rund 600 Titeln. Wie zahlreiche andere literarische Verlage auch versuchte die DVA, Käufer und Leser durch Buchreihen an sich zu binden, und gründete 1923 die Reihe Der Falke. Bücherei zeitgenössischer Novellen, in die u. a. Peter Doerfler oder Wilhelm Lehmann aufgenommen wurden oder das Fragment Felix Krull von Thomas Mann, die Keimzelle für den späteren Roman. 1930 dominierten historische Romane wie Alfred Neumanns Teufel und Der Patriot oder von Otto Rombach Adrian, der Tulpendieb oder Der junge Herr Alexius. Nach 1930 verlegte die DVA wieder fremdsprachige Erzähler, u. a. Charles Morgan, André Gide oder Tania Blixen.253 Parallel dazu wurde die (von Fleischel & Co. übernommene) Zeitschrift Das literarische Echo weiter ausgebaut und in Die Literatur umbenannt. Die Zeitschrift wurde zu einem wichtigen Bindeglied zwischen der Literaturkritik und der Literaturvermittlung.254
Langewiesche-Brandt 1926 wandte sich Wilhelm Langewiesche-Brandt (1866–1934) in einem Rundschreiben an das Sortiment und forderte in der wirtschaftlich schwierigen Situation den Handel um weitere Solidarität auf, die er zuvor dem Sortiment auch immer entgegengebracht habe: Das Sortiment hat gehalten, was ich mir von ihm versprach, und meinen Büchern der Rose zu ihrem durchschlagenden Erfolg verholfen. Andererseits hat meine starke Bejahung des Sortiments im Verlagsbuchhandel Schule gemacht. […] Ich habe in diesen 20 Jahren [1906–1926] fünfzig Bücher verlegt, was man gewiß nicht Überproduktion nennen kann. Bitte versuchen Sie einmal ernstlich, jeden Tag mindestens eines dieser Bücher zu verkaufen, deren Werte noch lebendig sein werden, wenn von dem Geschwätz der Tagesbücher, die sich so verwirrend in Ihre Arbeit drängen, längst der letzte Ton verhallt ist.255 Der gelernte Buchhändler Wilhelm Langewiesche-Brandt hatte sich 1906 in Düsseldorf mit einer Verlagsbuchhandlung selbstständig gemacht und war 1907 nach Ebenhausen bei München gezogen. Um sich von dem 1902 in Düsseldorf gegründeten Verlag seines Bruders Karl Robert Langewiesche (1874–1931) zu unterscheiden, teilte Wilhelm im »Etablierungsrundschreiben« im April 1906 mit, dass Karl Robert die Themen »Welt252 253 254 255
Berner: Zur Geschichte der DVA, S. 40 f. Berner: Zur Geschichte der DVA, S. 42. Eine Verlagsgeschichte der DVA ist noch zu schreiben. Zitiert nach Fünfzig Jahre, S. 28.
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anschauung, Lebensführung und vor allen Dingen bildende Kunst« verlege: Dessen Bücher erschienen in lateinischer Schrift und mit blauen Schutzumschlägen (ab 1909 unter der Markenbezeichnung Die Blauen Bücher).256 Wilhelm dagegen hatte sich der Schönen Literatur/Biografien/Briefwechsel und Jugendschriften verschrieben, die bei ihm in »deutscher Schrift« publiziert wurden. Bereits in diesem ersten Geschäftsrundschreiben legte er Wert darauf, dass seine Bücher nur über den Buchhandel und nicht im Direktvertrieb zu erhalten seien, und zwar über F. Volckmar in Leipzig. Zum Markenzeichen für den Verlag Wilhelm Langewiesche-Brandt wurde seine Buchreihe Die Bücher der Rose.257 Als Band 1 erschien Die Ernte aus acht Jahrhunderten deutscher Lyrik, gesammelt von Will Vesper. Der Germanist und Übersetzer Will Vesper (1882–1962), der später ein führender Repräsentant der nationalsozialistischen Literaturpolitik wurde, hat mit dieser Erstpublikation des Verlages das Profil geprägt, das in erster Linie aus »wertvoller« deutscher Literatur der vergangenen Jahrhunderte in gediegenen Editionen und Anthologien bestand, die vom Publikum sehr goutiert und von Lehrern sehr empfohlen wurden.258 Die Ernte der deutschen Lyrik stieß auf einen solchen Erfolg, dass 1937 das 314. bis 317. Tausend gedruckt wurde. Zu den Longsellern des Verlages gehörten Feuertrunken. Schillers Briefe bis zu seiner Verlobung, herausgegeben von Hans Brandenburg (Bücher der Rose Bd. 11), Die Droste. Annette Freiin von Droste-Hülshoff: Briefe-Gedichte-Erzählungen, Der Heilige Krieg. Friedrich Hebbel in seinen Briefen, Tagebüchern, Gedichten und Wilhelm von Kügelgens (1802–1867) Jugenderinnerungen eines alten Mannes, von denen 1920 bereits das 210. Tausend gedruckt wurde; bei Startauflagen i. d. R. von 50.000 Exemplaren. 1917 erschien Joseph Viktor von Scheffels Ekkehard. Eine Geschichte aus dem 10. Jahrhundert, einer der meist gelesenen historischen Romane (geschrieben 1857) der Kaiserzeit. 1917/18 konnten keine neuen Titel erscheinen, 1919 dann zwei Erzählungen unter dem Pseudonym »Wolfs«: Im Schatten Napoleons und Vor Bismarcks Aufgang. Der Autor beider historischen Romane war Langewiesche-Brandt selbst, der einen nicht geringen Teil seiner Verlagsproduktion selbst unter Pseudonymen herausbrachte: Zuvor bereits die Anthologien Goethes Alles um Liebe, Vom tätigen Leben und Über allen Gipfeln unter dem Pseudonym Ernst Hartung, Gottfried Kellers Briefe und Gedichte unter demselben Pseudonym oder Das Unerkannte auf seinem Weg durch die Jahrtausende unter dem Pseudonym Enno Nielsen (1922), die Biografie über Georg Forster unter dem Pseudonym Peter Kurz. 1922 erschienen alle drei Neuausgaben aus der Feder von Wilhelm Langewiesche: Moltkes Briefe, Schriften und Reden (unter dem Pseudonym Peter Kurz) und zwei Sammelbände über den Okkultismus unter dem Pseudonym von Enno Nielsen Das Unerkannte auf seinem Weg durch die Jahrtausende und Das große Geheimnis. Das Ziel des Verlegers war es, »eine gediegene und anziehende Ausstattung mit wohlfeilen Preisen zu verbinden«, um »der wachsenden Freude des Publikums an guten
256 Stamm: Von den »Blauen Büchern« zum Coffee-table-book, S. B 49 – B 54. 257 Voss: Vom schöpferischen Verleger, S. 55 f. 258 Vgl. den Leserbrief von Josef Hofmiller in den Münchner Neuesten Nachrichten vom 22. Dezember 1926, der »seinen Abiturienten« empfahl, sich jeden Monat einen Titel der beiden Langewiesche-Brüder zu kaufen. Vgl. Fünfzig Jahre, S. 28.
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und schönen Büchern entgegenzukommen«.259 So bot er seine Titel bis zum Ende des Ersten Weltkriegs für 1,80 M an und nach der Inflation zunächst bis höchstens 4,50 M. Der Verlagshersteller Hans Köster schrieb an den Verleger Wilhelm Langewiesche am 19. Februar 1931: Gewiss sind heute im Sortiment einige Stimmen gegen das billige Buch laut geworden. Aber wohl noch mehr Sortimenter sind für das billige Buch. Und die allgemeine Entwicklung zeigt doch deutlich […], daß die Welle des billigen Buches – angefangen mit den Buchgemeinschaften – breite neue Käuferschichten zum Buch geführt hat, und daß […] die gute billige Ware immer mehr in den Vordergrund der Produktion tritt. – Für mich steht also fest, daß billige Bücher eine unbedingte Notwendigkeit für die Rosenbücher sind. […] Die äusserste Grenze des billigen Buches scheint mir 4,50 Mark zu sein.260 Um die wirtschaftliche Krise in der zweiten Hälfte der 20er Jahre überwinden zu können, richtete Wilhelm Langewiesche zu den Büchern der Rose eine neue Unterserie Bunte Reihe für dich und dein Kind ein. Während 1930 und 1932 keine neuen Titel aufgenommen wurden, verkaufte sich die Backlist ordentlich. 1927 erschien eine stark nachgefragte Biografie Der junge Beethoven (kartoniert 3,50 M, in Leinen 5,50 M) von dem Arzt Felix Huch. Geschickt stellte Langewiesche diesen Autor dem Sortiment in einem Rundschreiben vor, in dem er seine verwandtschaftlichen Beziehungen enthüllte: »Er ist ein Bruder von Friedrich Huch, ein Vetter von Ricarda und Rudolf Huch, ein Enkel von Friedrich Gerstäcker.«261 Wilhelm Langewiesche bemühte sich, Bücher zu günstigen Preisen mit gediegener Buchausstattung, gutem Papier, zurückhaltender Ornamentik und mit zweifarbigen Auszeichnungen auf den Markt zu bringen.262 1934 starb Wilhelm Langewiesche, in diesem Jahr erschien das letzte von ihm noch angeregte Verlagswerk Hindenburg: Briefe, Reden, Berichte über den zweiten Reichspräsidenten der Weimarer Republik, der ebenfalls 1934 starb. Das Verlagsprogramm, das ausschließlich deutsche Literatur bzw. Themen der deutschen Geschichte enthielt, wurde in den 30er Jahren weitgehend ungeschmälert fortgeführt und mit nationalsozialistisch geförderter Literatur angereichert, wie dem erfolgreichen ersten Titel des Verlagsprogrammes Die Ernte, nun neu herausgegeben von Will Vesper unter dem Titel Die Ernte der Gegenwart. Deutsche Lyrik von heute, u. a. mit Will Vespers Widmungsgedicht Dem Führer.
259 Etablierungsrundschreiben des Verlegers von 1906. In: Fünfzig Jahre, S. 8 f. 260 Briefwechsel Langewiesche im Archiv des Börsenvereins in der Deutschen Nationalbibliothek, hier zitiert nach Schneider (Hrsg.): Der Verlag, S. 19. 261 Fünfzig Jahre, S. 29. 262 Eine fast vollständige Sammlung der Belegexemplare des Verlags Langewiesche-Brandt bis zum Tod des Verlagsgründers 1934 befindet sich in der Institutsbibliothek des Instituts für Buchwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz.
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Georg Müller Verlag »Es gibt kaum ein Gebiet literarischen Schaffens, das im Verlag Georg Müller nicht vertreten wäre. Ohne sich an ein äußerliches Programm oder an eine bestimmte literarische Richtung zu binden, sammelte seine Firma Dokumente großer literarhistorischer Epochen aller Kulturnationen – die ausländischen in gediegenster Übersetzung –, Werke der jüngsten Vergangenheit, der bekanntesten modernen Autoren, die Erstlinge aussichtsreicher junger Talente.« Im Nachruf der Münchner Neueste Nachrichten vom 30. Dezember 1917 zum Tode des erst 40-jährigen Verlegers Georg Müller263 wurde das breite Spektrum von Weltliteratur und Klassikerausgaben für das bürgerliche Publikum gewürdigt, das Georg Müller seit 1903 in München mit gediegenen Ausgaben in bibliophiler Aufmachung versorgt hatte. Es erschienen die Klassiker des Altertums, die Bibliothek der Philosophen oder die Perlen älterer romanischer Prosa, eine 40-bändige Propyläen-Ausgabe Goethes oder Schillers Horen-Ausgabe in 16 Bänden.264 Die Bücher wurden von Paul Renner gestaltet,265 der das Gesicht des Verlages über viele Jahre prägte.266 Der Verlag war in den ersten zehn Jahren zu rasch gewachsen, sodass die Kapitaldecke bald nicht mehr ausreichte und 1907 und 1911 Fremdkapital aufgenommen werden musste.267 Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten kumulierten beim plötzlichen Tod von Georg Müller 1917. Über 400 vorgesehene Titel waren noch nicht realisiert, zahlreiche bereits mit Vorschuss honorierte Manuskripte warteten auf die Umsetzung.268 Besonders schwierig gestaltete sich die Rolle des Teilhabers Arthur Kauffmann, der bis zu 600.000 M eingebracht hatte, aber während der Kriegszeit durch sein Geschäftsgebaren »Hunderttausende« in den Sand setzte.269 »Ein anderer, während des Krieges als stiller Teilhaber angenommen, betrog, kurz nach Georg Müllers Tode, den Verlag um Hunderttausende«,270 vermerkte dazu die Verlagsfestschrift. Sigfried Neuhöfer erwarb den Verlag von den Erben Georg Müllers und überführte ihn in eine Kommanditgesellschaft mit einem eingetragenen Kapital von 1,2 Mio. Mark und mit nur einem Kommanditisten Hans Müller, den Bruder von Georg Müller, der 80.000 Mark einlegte.271 Ein geschickter wirtschaftlicher Befreiungsschlag gelang zunächst durch den Verkauf der Klassikerbestände an den Ullstein-Verlag in der zweiten Hälfte des Jahres 1919. Ullstein übernahm 162 Titel in über 360.000 Bänden, darunter die Klassiker des Altertums, aber auch die noch nicht abgeschlossenen Werkausgaben von Brentano, Hölderlin oder Turgenjew, die Horen-Ausgabe Schillers und die noch nicht vollendete Propyläen-Ausgabe Goethes.272 Während Ullstein mit diesen Klassikern 1920 den »Propyläen« Verlag und damit einen hochinteressanten, angesehenen Verlagszweig 263 Münchner Neueste Nachrichten vom 30. Dezember 1917, Nachruf, zitiert nach: Sein Dämon war das Buch. Hrsg. v. Eva von Freeden und Rainer Schmidt, S. 197 f. 264 Vgl. 25 Jahre Georg Müller Verlag. München 1928. 265 Renner: Erinnerung aus meiner Georg-Müller-Zeit. In: Imprimatur IX (1940). 266 Renner: Vom Georg-Müller-Buch bis zur Futura und Meisterschule. In: Imprimatur IX (1940). 267 Meyer: Verlagsfusion Langen-Müller, S. 26 f. 268 Estermann/Füssel: Belletristische Verlage, Kaiserreich, S. 258. 269 Meyer: Verlagsfusion Langen-Müller S. 28. 270 Floerke: 25 Jahre Georg-Müller-Verlag, S. 11. 271 Meyer: Verlagsfusion Langen-Müller, S. 27. 272 Laabs: Bibliophiles aus dem Propyläen-Verlag, S. 169 und oben S. 60.
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begründete, verlor der Müller-Verlag das Herzstück der eigenen Produktion. Die späteren Verlagsinhaber Gottfried Kümpel und Hans Winand versuchten zwar, einige Klassiker zurück zu erwerben und eine neue Sammlung aufzubauen (u. a. Briefe Jean Pauls und Werke von Annette von Droste-Hülshoff, Heine, Shakespeare, Stendhal, Machiavelli und Baudelaire), sie konnten damit aber nicht an die einstige Bedeutung anknüpfen. 1920 wurde der Verlag in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, was die Aufnahme von Kapital erleichterte, gleichzeitig aber die Abhängigkeit von fremden Interessen vermehrte. Von den zeitgenössischen Autoren sind zu erwähnen: Paul Ernst (1866– 1933) mit Romanen und Essays, Erwin Guido Kolbenheyer (1878–1962) mit seiner Romantriologie Paracelsus (1917, 1922, 1926), Isolde Kurz (1853–1944) mit ihrem Roman Der Despot (1925) und ihren Gesammelten Werken in sechs Bänden oder Frank Wedekinds Schauspiele König Nicolo oder So ist das Leben (1920), Herakles (1920), Der Kammersänger (1920) und schließlich seine Ausgewählten Werke (hrsg. v. Fritz Strich in 5 Bänden) 1924. Hinzu kamen rechtsgerichtete, völkische Autoren, unter ihnen der spätere Präsident der Reichsschrifttumskammer Hans Friedrich Blunck (1888– 1961), mit seinen Romanen Hein Hoyer (1922), Stelling Rotkinnsohn (1924) und Streit mit den Göttern. Die Geschichte Welands des Fliegers (1926). Trotz der wirtschaftlich bedrängten Lage erhielt Paul Renner 1925 wieder einen Exklusivvertrag als Gestalter; Renner hielt in seinen Erinnerungen fest: »Da fügte es sich glücklich, daß jetzt die Leitung des Verlages Georg Müller der sympathische und kultivierte Rheinländer Gottfried Kümpel übernommen hatte […]. Die Stabilisierung der Mark und die Auslandsanleihen hatten alle Wirtschaftskreise mit großer Zuversicht erfüllt, und so hoffte auch Kümpel, er könne dem Verlag seinen alten Glanz wiedergeben«.273 Es erschienen die Sämtlichen Werke von Annette von Droste-Hülshoff in vier Bänden zwischen 1925 und 1930, die Gesammelten Werke in fünf Bänden von Alfred D. Musset, 1925, und die Sämtlichen Werke Shakespeares (in der Übersetzung von Schlegel/Tieck) in zehn Bänden von 1925 bis 1929. 1927 übernahm der Kunsthistoriker und Schriftsteller Dr. Hanns Floerke (1875– 1944) die Verlagsleitung, der bereits 1907 Hagia Hybris. Ein Buch des Zorns und der Weltliebe und 1927 seine Untersuchung Böcklin und das Wesen der Kunst im Verlag publiziert hatte. Auch die zweite Reihe der Klassiker des Altertums war von ihm herausgegeben worden. Die Festschrift 25 Jahre Georg-Müller-Verlag dokumentiert, dass »der Verlag anfangs 1928 eine Interessengemeinschaft mit der Hanseatischen Verlagsanstalt in Hamburg einging«,274 und gab sich optimistisch, dass dadurch »die literarische Basis des Verlages eine erfreuliche Verbreiterung«, u. a. durch die neuen Autoren Magnus Wehner und Julius Zerzer, erhalten habe. Von Josef Magnus Wehner (1891–1973), einem Redakteur der Münchner Zeitung, wurde 1930 Sieben vor Verdun publiziert, eine einzige Verherrlichung des deutschen Soldatentums, die bewusst gegen Erich Maria Remarques pazifistischen Roman Im Westen nichts Neues geschrieben worden war. Wehner wurde 1933 in die Preußische Akademie der Künste, Sektion für Dichtkunst, berufen und gehörte zu den 88 Schriftstellern, die im Oktober 1933 das »Gelöbnis treu273 Renner: Vom Georg-Müller-Buch bis zur Futura und Meisterschule. In: Imprimatur IX, 1940, zitiert nach: Sein Dämon war das Buch, S. 77. 274 25 Jahre Georg-Müller-Verlag, S. 13.
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Abb. 9: Geschäftsrundschreiben Langen-Müller Verlag 1932. In: DLA Marbach. Verlagsarchiv Langen-Müller. ester Gefolgschaft« zu Adolf Hitler unterzeichneten. Sein Roman wurde im Erscheinungsjahr 1930 130.000-mal verkauft. Der österreichische Schriftsteller Julius Zerzer (1889–1971) schrieb historische Romane, wie den Stifter in Kirchschlag (1929) oder Die Heimsuchung (1931). Zerzer gehört zu den österreichischen Schriftstellern, die in einem Bekenntnis österreichischer Dichter 1938 den Anschluss an das Deutsche Reich begeistert begrüßten. Mit diesen Autoren wird der direkte Einfluss des völkisch orientierten Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes (DHV) über seine Hanseatische Verlagsanstalt (HAVA) sichtbar, der zunehmend zu einem Gegenkonzern zum liberalen Ullstein-Haus in dieser Zeit aufgebaut wurde. Nach der Übernahme des renommierten Georg Müller Verlags 1928 folgte 1931 die Übernahme des Albert Langen Verlages und dann die Zusammenführung zum LangenMüller-Verlag.275 275 Meyer: Die Verlagsfusion Langen-Müller, 1989. Vgl. auch Lokatis: Weltanschauungsverlage, in diesem Band S. 111 – 138.
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Albert Langen Verlag Der andere Münchner Kulturverlag, Albert Langen, hatte sich zu einem renommierten Verlag skandinavischer Belletristik entwickelt, der auch zeitgenössische deutsche und französische Autoren in soliden Editionen und guter typografischer sowie buchkünstlerischer Gestaltung herausgab.276 Zur Erfolgsgeschichte gehörte seit 1896 die satirische Wochenschrift Simplicissimus, die seit 1906 in einem selbständigen SimplicissimusVerlag von Reinhold Geheb geführt wurde. Der Schriftsteller Korfiz Holm (1872–1942) wirkte bereits seit 1896 im Verlag mit und erhielt ab 1902 Prokura. Ihm ist u. a. zu verdanken, dass Heinrich Mann mit seinem Roman Im Schlaraffenland im Jahr 1900 für den Verlag gewonnen werden konnte.277 Albert Langen hatte testamentarisch Geheb und Holm sowie Otto Friedrich und August Gommel als »Kuratoren« eingesetzt, die nach seinem Tod den Verlag bis zum 24. Lebensjahr seiner Söhne führen sollten. Als Langen 1909 starb, verließen wichtige Autoren den Verlag: Heinrich Mann wandte sich an den Insel-Verlag, der Literaturnobelpreisträger Bjørnstjerne Bjørnson ging zu S. Fischer. Dafür kam 1916 der Erzähler Hans Grimm (1875–1959) mit Der Gang durch den Sand und andere Geschichten aus afrikanischer Not hinzu. Die vier Kuratoren hatten sich bereits 1913 mit Eigenkapital am Verlag beteiligt und erwarben ihn im Juli 1918 von den Erben zu einem Preis von 417.000 Mark vollständig.278 Geheb und Holm führten den Verlag dann bis zur Übernahme 1931. Die skandinavischen Autoren Selma Lagerlöf (1858–1940) und Knut Hamsun (1859–1952), der 1920 den Literaturnobelpreis für seinen bei Langen in deutscher Sprache erschienenen Roman Segen der Erde erhalten hatte, gehörten weiterhin zum Hauptprogramm. Hamsun hat mehrfach Position für die deutsche Politik ergriffen, sowohl im Ersten Weltkrieg und auch in der Zeit des Nationalsozialismus. Im Verlagsprogramm sind in den 1920er Jahren zunehmend national gesinnte Dichter vertreten, neben Hans Grimm auch Hanns Johst (1890 –1978), der 1935 Präsident der Reichsschrifttumskammer wurde. Völkische Tendenzen finden sich schon in seinem Roman Kreuzweg (1922) und in seinem Schauspiel Propheten (1923). Einer der größten Bucherfolge in der Weimarer Republik wurde der Auswanderer- und Kolonialroman von Hans Grimm Volk ohne Raum im Jahr 1926, dessen Titel paradigmatisch für die »Lebensraumpolitik« des Nationalsozialismus und ihre Expansionspolitik stand; bis 1933 wurden etwa 200.000 Exemplare verkauft. In einem merkwürdigen Kontrast dazu stehen die Bauhaus-Bücher (1925–1930), die von Walter Gropius und Laszlo Moholy-Nagy herausgegeben wurden. In monografischer Form setzen sich diese herausragend illustrierten 14 Bände mit dem künstlerischen Schaffen des Staatlichen Bauhauses in Weimar auseinander, das bis heute als Avantgarde der Klassischen Moderne auf den Gebieten der freien und angewandten Kunst gilt. Darunter waren die Werke der Künstler, Architekten, Typografen, Gestalter und Maler Paul Klee, Oskar Schlemmer, Piet Mondrian, Wassily Kandinsky, Kasimir Malewitsch oder der Herausgeber selbst.279 276 Estermann/Füssel: Belletristische Verlage, Kaiserreich, in Band 1/2 dieser Buchhandelsgeschichte, S. 226 – 233. 277 Abret/Kehl: Das Kopierbuch Korfiz Holm, S. 141. 278 Meyer: Der Verleger des »Simplicissimus«, S. B 100. 279 Vgl. den Beitrag von Lucius: Buchgestaltung und Buchkunst in Bd. 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte, S. 315 – 340, hier S. 319 f.
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Zu den Erfolgstiteln gehörte die Neuauflage der Illustrierten Sittengeschichte: »Der weiterhin anhaltende Erfolg der sehr teuren bibliophil-erotischen Abbildungswerke von Eduard Fuchs (die auch in Hitlers Büchersammlung in der Prinzregentenstraße standen) brachte nach wie vor Ärger mit sich: Obgleich der Verlag die Illustrierte Sittengeschichte gegen Verpflichtungsschein nur an volljährige männliche Käufer abgab, wurde sie mehrfach von eifrigen Staatsanwälten beschlagnahmt.«280 Die Sittengeschichte in sechs Bänden war bereits von 1902 bis 1912 bei Langen erschienen. In den 20er Jahren wurde den Büchern eine gedruckte Mitteilung des Verlages beigebunden, dass es sich um Privatdrucke handele und damit nur an gelehrte Sammler oder Bibliotheken abgegeben werden dürften. Fuchs ging 1933 ins französische Exil, seine bedeutende Kunstsammlung und sein gesamter Besitz wurden beschlagnahmt. 1931 übernahm der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband den Albert Langen Verlag und fusioniert ihn mit dem drei Jahre zuvor übernommenen Georg Müller Verlag zum Langen-Müller-Verlag. Der DHV verstand sich als »Kampfmittel gegen den jüdischen und undeutschen Geschäftemachergeist in der Verwaltung des geistigen Gutes des deutschen Volkes«.281 Geradezu symbolisch ist die erste große Verkaufsaktion der fusionierten Verlage, die Grimms umfangreichen Roman Volk ohne Raum als »Volksausgabe« für 8,50 Mark neu herausgaben und im Börsenblatt marktschreierisch bewarben: »Werfen Sie die ersten Hunderttausend des billigen ›Volk ohne Raum‹ noch zu diesem Herbst in die Buchläden. Nicht ein Stück davon wird liegen bleiben – und gemeinsam mit Grimm erfüllen Sie eine nationale Pflicht, die hinauszuzögern oder zu unterlassen bei der ins Übermaß gesteigerten äußeren und geistigen Not unseres Volkes nicht mehr statthaft ist.«282 Die 100.000 Exemplare waren tatsächlich nach zwei Monaten ausverkauft. Der Verlag Langen-Müller führte nach 1933 das Programm ohne Veränderung fort und wurde zum führenden Literaturverlag des Dritten Reiches.
Carl Hanser Verlag Zu den Münchner Neugründungen in den wirtschaftlich turbulenten Jahren am Ende der Weimarer Republik gehört der Carl Hanser Verlag, der hier eine kurze Erwähnung finden soll, da er als Belletristik- und Fachverlag in den nachfolgenden Jahrzehnten eine erhebliche Bedeutung besitzt. Carl Hanser, geboren 1901 in Rastatt, hatte 1922/23 in der angesehenen Münchner Buchhandlung bei Ackermanns Nachf. Severing & Güldner ein einjähriges Praktikum absolviert und danach Philosophie und Literaturgeschichte studiert und nach dem 10. Semester mit einer philosophischen Dissertation abgeschlossen. In der sich anschließenden zweijährigen Verlagslehre bei Julius Friedrich Lehmann lernte er einen fachkundig geführten medizinischen Fachverlag kennen, der mit umsatzstarken Fachzeitschriften, wie der Münchner Medizinischen Wochenschrift, ein wichtiges finanzielles Standbein besaß, das Lehmann allerdings nutzte, um seine nationalistischen und antisemitischen Schriften zur Rassenkunde verlegen zu können.283
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Wittmann: Hundert Jahre Buchkultur in München, S. 122. Meyer: Verlagsfusion, S. 220 nach einer DHV-Absichtserklärung aus dem Jahr 1924. Börsenblatt 98 (1931) 214. Vgl. Wittmann: Hanser, S. 11 – 15.
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Alles in allem lernte Carl Hanser hier, wie ein durch Abonnements und verlässliche Absatzzahlen gesicherter Fachverlag es ermöglicht, einen Literaturverlag zu unterhalten. Seine eigene diesbezügliche Einschätzung ist überliefert: »Von Anfang an war es meine Absicht, neben die belletristische Produktion einen Fachverlag zu stellen, um auf dem schöngeistigen Gebiet wirtschaftlich einigermaßen abgesichert und nicht der Gefahr des Produktionszwangs ausgeliefert zu sein.«284 Am 6. Juli 1928 trat Hanser als Gesellschafter in den »Verlag der Deutschen Polytechnischen Gesellschaft« ein, der das Verbandsorgan dieser Gesellschaft, Betriebstechnik, 14-tägig herausgab. Die wenigen ersten literarischen Titel seit dem Weihnachtsgeschäft 1928 lassen noch kein stringentes Verlagsprofil erkennen. Es handelte sich um den Briefroman des russischen Emigranten Feodor Stepun (1884–1965) Die Liebe des Nikolai Pereslegin, der im zaristischen Russland spielt und zuerst in einer Pariser Emigrantenzeitung erschienen war. Von Stepun erschien dann eine Ausgabe seiner Briefe eines russischen Offiziers Wie war es möglich?, die aber ebenfalls nicht zu einem großen Absatzerfolg führten.285 Daneben findet sich Stepuns Essaysammlung Tragikomödie der Geschlechter. Die Entfremdung von Mann und Weib und dann 1932 (posthum) seine fünf Märchen aus dem Unbewussten, mit Zeichnungen von seinem Schwager Alfred Kubin. Neben den Berichten und Essays Eine unsentimentale Reise. Begegnungen und Erlebnisse im heutigen Europa des ebenfalls emigrierten russischen Autors Marc Aldanov (1886–1957) mit überaus kritischen Bemerkungen zum Aufbruch des Nationalsozialismus in Deutschland kamen zwei Lyrikbändchen des nationalsozialistischen Sympathisanten Herbert Böhme (1907–1971) heraus, die nach Ausweis der Verträge jeweils mit einem relativ hohen Druckkostenzuschuss und mit Garantieabnahmen des Autors finanziert wurden. Wittmann schätzt die Gedichte pointiert ein: »Der Inhalt dieses Anfang 1933 ausgelieferten Bändchens freilich war nicht mehr nur von kitschiger Epigonalität geprägt, sondern schon von tiefbraunem Bardentum.«286 Der Band Morgenrot, der Anfang 1933 erschien, wurde bald danach an den Langen-Müller Verlag weitergegeben, Böhme selbst wurde in seiner NS-Karriere u. a. »Reichsleiter der Fachschaft Lyrik in der Reichsschrifttumskammer«. Mit diesem ebenso desperaten wie kontrastiven Verlagsprogramm verabschiedete sich Hanser für fast zwei Jahrzehnte aus der Literaturproduktion, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit verschiedenen literarischen Lektoren wiederaufgenommen wurde; Carl Hanser entwickelte im nachfolgenden Jahrzehnt planmäßig den Fachverlag weiter.
Die Anfänge des belletristischen Verlags C. Bertelsmann in den 1920er Jahren Der Verleger Heinrich Mohn (1885–1955) bildet die personelle und ideologische Konstante von den Anfängen des belletristischen Verlagsbereiches in der Weimarer Republik bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Als er 1921 in vierter Generation in das Familienunternehmen Bertelsmann eintrat, war er nicht zuletzt wegen den Wirren der Inflation 1921–1923 gezwungen, die Bereiche Autorenakquise, Herstellung, Buch-
284 Zitiert nach Göpfert: Geschichtlicher Überblick, S. 12. 285 Wittmann: Hanser, S. 17. 286 Wittmann: Hanser, S. 20.
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haltung und Vertrieb auf eine neue Grundlage zu stellen.287 Die Verlagsarbeit hatte sich bisher eng an evangelische kirchliche Strukturen und Organisationen angeschlossen, die einen weitgehend sicheren Absatz für die Themenfelder Theologie und Gemeindearbeit versprachen.288 Das wirtschaftliche Standbein in den 20er Jahren bildeten die Ratgeberzeitschriften des Pfarrers Johannes Zauleck (1877–1942), der mit seinen zielgruppenspezifischen Zeitschriften Für unsere Kinder. Ein Sonntagsblatt für die christliche Kinderwelt oder Für alte Augen. Evangelischer Sonntagsgruß ins Altersstübchen oder den unterhaltenden Heften Acht Seiten / Freude zu bereiten die praktische Gemeindearbeit stützte und – vermittelt durch die Vertriebskooperation mit den Gemeinden – viele hunderttausend Exemplare absetzte. Der Vertrieb der Zeitschriften und Bücher wurde von Mohns Mitarbeiter Fritz Wixforth (1897–1976)289 konzipiert. Gemeinsam konzentrierten Mohn und Wixforth in den 20er Jahren den bisher kleinteilig arbeitenden Universalverlag auf die beiden Bereiche protestantische Theologie und Schriften zur Gemeindearbeit. Im Mittelpunkt der Neukonzeption stand die belletristische Zeitschrift Der christliche Erzähler (1927). Dieses christliche Unterhaltungsblatt im Stile der Familienzeitschriften vom Ende des 19. Jahrhunderts vereinigte Kurzerzählungen und Fortsetzungsromane, die »dem Leben nacherzählt« waren. Es bewährte sich die alte Verlegererfahrung, dass über eine Zeitschrift neue Autoren und neue Themen am Markt erprobt und anschließend bei Erfolg mit Monografien weitergeführt werden konnten. Diese Idee ging auch beim Christlichen Erzähler bestens auf, denn durch sie gewann man z. B. Autoren wie Wilhelm KotzdeKottenrodt (1878–1948) für den Verlag, dessen Luther-Roman Die wittenbergisch Nachtigall und dessen Deutschordensritter-Roman Die Burg im Osten zunächst im Christlichen Erzähler publiziert wurden. Er eröffnete dann das Belletristik-BuchProgramm 1928 mit dem Roman Die liebe Frau von der Geduld.290
Belletristik als Vertriebsmotor bei Bertelsmann Aber auch neue Vertriebswege wurden erprobt: Fritz Wixforth reiste selbst mit seinem Motorrad durch die Lande und warb bei Buchhändlern, Pfarrgemeinden und Endkunden für die neue christliche Zeitschrift, und die Verlagsvertreter Otto Oeltze und Wilhelm Beindiek nutzten die Werbemöglichkeit, mit einem eigenen Firmenwagen mit Werbeaufschrift direkt die Kunden aufzusuchen. Gemeinsam hatten sie nach einem halben Jahr 13.221 Abonnenten geworben, bis 1929 sogar 21.769, zu denen sich weitere 5.000 Bezieher über den Buchhandel gesellten. Dieses »von Tür zu Tür«-Geschäft mit dem 287 Dieser Überblick zum Bertelsmann Buchverlag konnte für die frühen Jahre neben zahlreichen Firmenpublikationen auf der fundierten Arbeit der Unabhängigen Historikerkommission aufbauen, die 1998 – 2002 durch die Erstellung von Zeitzeugeninterviews und durch die großangelegte Sammlung von Archivalien den Grundstock zu einem Firmen- und Unternehmensarchiv Bertelsmann gelegt haben; vgl. Friedländer/Frei/Rendtorff/Wittmann: Bertelsmann im Dritten Reich. 288 Vgl. in diesem Band Blaschke/Wiede: Konfessionelle Verlage, S. 139 –182, hier bes. S. 154 f. 289 Vgl. Gööck: Bücher für Millionen; Mohn erteilte Wixforth 1935 Prokura. 290 Vgl. die vorbildliche Verlagsbibliografie: Bertelsmann 1921 – 1951. Gesamtverzeichnis. Hrsg. v. Saul Friedländer/Norbert Frei/Trutz Rendtorff/Reinhard Wittmann. München 2002.
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neu erworbenen Auto bildet den Hintergrund der Erfolge der »Bücherbusse« in den 1950er Jahren und festigte ebenfalls Bertelsmanns Vorliebe für den Direktvertrieb. Ein Ergebnis dieser Vor-OrtRecherchen war auch die Idee von Wixforth, neben der Zeitschrift dann die erfolgreichsten Titel als Monografien herauszugeben. Heinrich Mohn kommentierte diese Entwicklung später (1941), dass die Zeitschrift Der christliche Erzähler »schließlich die Autorenbeziehungen erbrachte, die zur Aufrichtung eines erzählenden Buchverlages führten, dessen Leitung keine spezialwissenschaftlichen Kenntnisse, sondern nur gute Allgemeinbildung erforderte«.291 Bei dieser Einstellung des Verlegers zum Belletristik-Lektorat verwundert es nicht, dass für diesen Bereich erst 1935 ein hauptamtlicher Lektor, Gustav Dessin292 (1902–1985), eingestellt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Programm ausschließlich von Mohn selbst und der Ver- Abb. 10: Titelbild: Der Christliche Erzähler. Bd. 1 (1927). triebsabteilung geplant und verhandelt. Am 10. September 1928 startete mit einer Anzeige im Börsenblatt das neue belletristische Teilsegment des Bertelsmann Verlages: mit Wilhelm Kotzde-Kottenrodts Die liebe Frau von der Geduld, Else Feissels Das Opfer, die beide im Christlichen Erzähler vorpubliziert worden waren, dazu Marie Diers’ (1867–1949) Der Teufelspate und Käthe Papkes (1872–1945) Im Unterliegen gesiegt, alle vier als »Frauenromane« gekennzeichnet, die auf einem national-konservativen bis völkischen (Kotzde-Kottenrodt) Hintergrund erzählten. Die Preise schwankten je nach Umfang von 3,50 bis 7,50 M mit einer Auflage von 3.000–5.000 Exemplaren und bewegten sich damit auf dem allgemeinen Preis- und Auflagenniveau typischer Romane am Ende der Weimarer Republik. Ein zahlenmäßiger Durchbruch kam mit Gustav Schröers (1876–1949) völkischem Roman Heimat wider Heimat, der von 1929 bis 1931 einen Absatz von 20.000 Exemplaren erreichte, bis 1943 wurden 644.000 Exemplare verkauft, 1955 vertrieb Bertelsmann das 778. Tausend.293 Der Erfolg lag in den 20er und 30er Jahren sicher in der »Heimat-Thematik«, an der Schilderung der »Blutsverbundenheit« mit der Landschaft, aber auch die Verlagswerbung und die Vertriebsmethoden taten ein Übriges. Der Schutzumschlag des Hausgrafikers Siegfried Kortemeier zeigte einen anheimelnden Blick auf einen friedlich im Tal 291 Heinrich Mohn vom 29. April 1941, Sammlung Unabhängige Historikerkommission, Verlagsarchiv Bertelsmann, Gütersloh I.2/1010. 292 Zu Dessin vgl. Bertelsmann im Dritten Reich, S. 137 ff. et passim. 293 Vgl. die detaillierten Darstellungen im Kapitel »Bekenntnis zum deutschen Menschen«. Bertelsmann entdeckt die »Schöne Literatur«. In: Bertelsmann im Dritten Reich S. 119 – 172, hier besonders S. 140 – 146.
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schlummernden, von Tannen umgebenen Ort. Wixforth erkannte darin die für die gesamte Reihe typische Atmosphäre und ließ von Kortemeier passende Plakate für die Schaufensterdekoration entwerfen. Die seit den zwanziger Jahren im Buchhandel eingeführte Schaufensterwerbung wurde auf diese Art und Weise für die Präsentation der einzelnen Bände, aber auch für die gesamte Reihe genutzt. Detailreiche Vorschläge erläuterten dem Sortimenter die Schaufenstergestaltung und führten dazu, dass diese Bücher stapelweise zum Verkauf angeboten wurden; allein durch die Art der Präsentation empfahlen sie sich als Bestseller. Parallel dazu kam Wixforth auf die Idee, durch ein erweitertes Remissionsrecht die Sortimenter zur Abnahme größerer Mengen zu veranlassen: er gestattete eine Rückgabe der Hälfte (!) aller abgenommenen Exemplare. Diese überaus großzügige, bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte Regelung verhalf ihm dazu, die Buchhändler zur Abnahme größerer Partien zu bewegen. Auch die weiteren Experimente auf dem Belletristiksektor hatten für die Verlagspolitik der nachfolgenden Jahrzehnte wegweisenden Charakter. Es wurde eine Serie Das kleine Buch mit 72 Seiten Umfang zum kostengünstigen Ladenverkaufspreis von 1,10 bis 1,80 RM angeboten, die von vornherein als Geschenkbuch konzipiert war, und daneben das »Schmuckbuch«, für das beim Buchhandel geworben wurde: »Als Mitbringsel für allerlei Gelegenheiten. Wenn sich ein Käufer nicht entschließen kann, so legen Sie ihm Schmuckbücher vor.«294 Als viertes Marktsegment wurden die Stapel der »billigen Volksausgaben« von 2,85 M auf den Markt geworfen. Mit diesen vier Reihenkonzepten gelang Bertelsmann ein Durchbruch auf dem allgemeinen Publikumsmarkt, sie prägten aber auch das Bild einer völkisch-nationalen Ausrichtung der Erzählliteratur. Nicht zuletzt durch die Serie Das kleine Buch und durch die »Volksausgaben« wurde Will Vesper (1882–1962) noch stärker an den Verlag gebunden. Vesper war bereits am Ende der 1920er Jahre als Verlagsberater tätig. Seit seinem Eintritt in die NSDAP 1931 galt Vesper als ein Wegbereiter nationalsozialistischer Literaturpolitik, u. a. als Festredner bei der Bücherverbrennung in Dresden am 8. Mai 1933 und als Mitglied der Preußischen Akademie für Dichtkunst. 1933 gab er u. a. in der Reihe »Volksausgaben für 2,85 M« Aus 1000 Jahren. Deutsche Balladen und historische Lieder heraus, danach in der Serie Das kleine Buch u. a. Martin Luthers Jugendjahre. Neben dem theologischen Fachverlag bildete zunehmend die Belletristik einen erheblichen Schwerpunkt im Verlagsprogramm und sorgte durch die sich rasch steigernden Auflagen auch für eine gute Auslastung der eigenen Herstellung und Druckerei. 1934 kamen »Kriegserlebnisbücher« in hohen Auflagen hinzu, die durch die Betonung von »Mannestugenden« und Gemeinschaftserlebnissen zur Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie beitrugen. Die erfolgreichen belletristischen Reihen wurden ab 1939 durch »Wehrmachtsausgaben« ergänzt, die zwischen 1939 und 1944 über 90 % des Umsatzes ausmachten.295 Die »Vertriebs-Dominanz« des Verlagsgeschäftes bei Bertelsmann entwickelte sich in den 1920er Jahren, und wurde beim Wiederaufbau nach 1945 konsequent befolgt und erklärt weite Teile der Verlagsentwicklung bis in die Gegenwart. Reinhard Mohn 294 Börsenblatt 100 (1933) 351, Beiblatt zur Weihnachtsnummer. 295 Friedländer/Frei/Rendtorff/Wittmann: Bertelsmann im Dritten Reich; für die Zeit nach 1945 vgl. Füssel: Die Bertelsmann Buchverlage 1945 bis 2010.
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knüpfte in seinem Geschäftsbericht von 1954 bewusst an die Erfahrungen seines Vaters und dessen Berater seit den 20er Jahren an: »In unserer heutigen Zeit hat die Werbung und die Vertriebsarbeit eine entscheidende Stelle innerhalb der Gesamtarbeit eines Verlages eingenommen. Es genügt nicht mehr, gute Bücher auszuwählen und zu veröffentlichen und dann darauf zu vertrauen, dass sich das Gute von selbst durchsetzt. Nur mithilfe eines gut arbeitenden Vertriebsapparates kann heute noch erfolgreich verlegerische Arbeit geleistet werden.«296 Die Zunahme völkisch-nationaler Literatur im Programm und die eindeutige Vertriebsorientierung kennzeichnen den Wandel Bertelsmanns am Ende der zwanziger Jahre, wobei diese Entwicklung – wie wir gesehen haben – nicht untypisch ist für zahlreiche belletristische Verlage in der Weimarer Republik.
Literatur Quellen Frankfurt am Main: Die Deutsche Nationalbibliothek: Archiv des Börsenvereins – Briefwechsel Karl Robert Langewiesche und Wilhelm Langewiesche. Gütersloh: Bertelsmann Verlagsarchiv – Sammlung Unabhängige Historikerkommission Leipzig: Deutsches Buch- und Schriftmuseum – Sammlung Geschäftsrundschreiben Marbach a. N.: Deutsches Literaturarchiv (DLA) – A: Diederichs/Ehrendoktor – A: Piper – A: Rowohlt – A: Tucholsky – NL Wilhelm Stapel – S. Fischer Verlagsarchiv
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Verlagsgeschichten, Verlagskataloge und Firmenfestschriften Bertelsmann Bertelsmann im Dritten Reich. Saul Friedländer, Norbert Frei, Trutz Rendtorff und Reinhard Wittmann. München: C. Bertelsmann 2002. FÜSSEL, Stephan: Die Bertelsmann Buchverlage. In: 175 Jahre Bertelsmann. Eine Zukunftsgeschichte. Hrsg. von Helen Müller und Thorsten Strauß. München: Bertelsmann 2010, S. 84–129. GÖÖCK, Roland: Bücher für Millionen. Fritz Wixforth und die Geschichte des Hauses Bertelsmann. Gütersloh: Bertelsmann Sachbuchverlag 1968. LEHNING, Thomas: Das Medienhaus – Geschichte und Gegenwart des Bertelsmann-Konzerns. München: Wilhelm Fink 2004.
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Corinna Norrick 5.2.6 Literarische Zeitschriften und Publikumszeitschriften Alfred Döblin, immer schon ein aufmerksamer Beobachter seiner Epoche, kommentierte 1919 das Gründungsfieber, das unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt ausgebrochen war, mit deutlicher Lust an der rhetorischen Zuspitzung: Jeder Verlag, der etwas auf sich hält, ist genötigt für seine Bekannten eine besondere Zeitschrift herauszugeben, um sie auf dem Laufenden zu halten. Der Geltungsbereich einer Zeitschrift kann […] bis auf ein, zwei Häuserblocks eingeschränkt werden. Es ist begreiflich, daß sie alle dieselbe Zeitschrift schreiben. Sie hat verschiedene Namen […]. Auch die Umschlagseiten sind verschieden, ebenso das Format.1 Auch wenn auf den ersten Blick das Moment der Übertreibung überwiegt: ein zweiter Blick lohnt sich. Denn in der Tat entstanden damals vor allem im Bereich der literarischen Zeitschriften zahllose neue Blätter2 – eine Hochkonjunktur, die eng mit der Gründungswelle avantgardistischer Zeitschriften vor dem Ersten Weltkrieg zusammenhängt: Bereits dem Frühexpressionismus, von 1910 bis 1914, waren bedeutende Periodika entsprungen, wie Herwarth Waldens Der Sturm (1910 – 1932) oder Franz Pfemferts Die Aktion (1911 – 1932). Am Beginn der Weimarer Republik setzte nun eine weitere Gründungswelle ein, für die als Beispiel Das junge Deutschland. Monatsschrift für Theater und Literatur (1918 – 1920) genannt werden kann. In diesen Jahren formierten sich unzählige literarisch ambitionierte Projekte, die teilweise unabhängige, teilweise parteioder vereinsgebundene Gruppen oder Personen, nicht selten aber auch namhafte belletristische Buchverlage zum Ausgangspunkt hatten. Wenn als eine Hauptsignatur der Weimarer Zeit die Tendenz zur Politisierung der Gesellschaft gelten kann,3 so lässt sich diese Beobachtung auch auf den Bereich der literarischen bzw. Unterhaltungszeitschriften übertragen. Parallel zu einer deutlichen Konsolidierung des Zeitschriftenmarkts nach Überwindung der Hyperinflation fand eine klare Politisierung – mit der Neigung zur Radikalisierung – statt. So machten in den zwanziger Jahren viele linksbürgerliche und linksdemokratische Zeitschriften von sich reden, zum Ende der Republik überwogen aber doch die rechtsgerichteten Blätter, mit Inhalten, die alle Spielarten des völkisch-nationalen Denkens abdeckten. Das gesamte Themenspektrum verschob sich zunehmend zugunsten der Weltanschauungsproduktion; 1 Döblin: Neue Zeitschriften. In: Die neue Rundschau (1919) 5, S. 623. 2 Für einen allgemeinen Überblick über die Zeitschriftenproduktion der Weimarer Republik vgl. den Artikel von Barbara Kastner in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte. Kastner: Statistik, S. 374 –376. Einige weitere Hinweise zum Thema der Autoren und Leserschaft in der Weimarer Republik mit Bezug auf Zeitschriften befinden sich in Band 2/1 im Artikel von Ute Schneider: Buchkäufer und Leserschaft, S. 149 –196, hier S. 178 –182. – Auskunft über die Bandbreite der Zeitschriftenproduktion im literarischen Bereich geben einige hilfreiche Repertorien. Verwiesen sei etwa auf Dietzel, Thomas und Otto Hügel: Deutsche literarische Zeitschriften 1880 –1945. Ein Repertorium. München: K. G. Saur 1988. 3 Vgl. Fischer/Füssel: Voraussetzungen und Entwicklungstendenzen, S. 8.
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literarische Texte und sogar lyrische Beiträge passten sich durch politische Bezugnahme an oder wurden zu Gunsten der politischen Auseinandersetzung »abgedrängt«.4 Während diese inhaltlichen Tendenzen naturgemäß nur schwer messbar sind, kann die zahlenmäßige Entwicklung der literarischen Zeitschriften (anteilig an der gesamten Zeitschriftenproduktion gemessen) durch die Angaben in Sperlings Zeitschriftenadreßbuch nachvollzogen werden – selbst wenn deren Aussagekraft durch schwankende oder nicht eindeutige Einteilungsprinzipien relativiert wird. Tabelle 1: Statistische Übersicht der Anteile »Literaturblätter und Revuen« sowie »Buchhandel« an der Gesamtzeitschriftenproduktion Jahr 1914 1923 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1933
Anzahl Zeitschriften insgesamt5 66897 3734 6127 6739 6860 7116 7303 7303 7563 7652
Anzahl von Zeitschriften in der Gruppe »Literaturblätter und Revuen«6 183 191 102 194 102 131 102 101 103 165
Prozentsatz Anteil »Literaturblätter und Revuen« 2,7 % 2,4 % 1,6 % 1,3 % 1,4 % 1,8 % 1,3 % 1,3 % 1,3 % 0,8 %
Die Zeitschriftenvielfalt in der unmittelbaren Vor- und Nachkriegszeit konnte nicht durchgehend aufrechterhalten werden; eine Konsolidierung namentlich auf dem Markt für literarische Zeitschriften ist auch quantitativ belegbar. Im Bereich »Buchhandel« nimmt die Anzahl der Blätter zwischen 1914 und 1915 leicht ab, bleibt aber in der Folge überwiegend konstant. Allerdings verzeichnet Sperlings Zeitschriftenadreßbuch keinerlei Auflagenzahlen, was eine Beurteilung der Resonanz und Verbreitung von literarischen Zeitschriften erschwert. Doch hat Gerhard Menz für das Jahr 1928 für einen Großteil der Zeitschriften in Sperlings Kategorie »Literarische Zeitschriften und Revuen« die Auflagenhöhen ermittelt. Für 8 % der Titel stellte er sehr niedrige oder niedrige Auflagen (1 bis 500 Exemplare) fest, der Großteil – 85,7 % – wies mittlere Auflagenhöhen (500 bis 5.000 Exemplare) auf und 6,3 % hatten hohe Auflagen (5.000 bis 20.000 Exemplare). Für keine der erfassten Zeitschriften wurde eine sehr hohe Auflage (über 20.000 Exemplare) ermittelt. Zum Vergleich: 15,6 % der »Frauen-, Haus- und Modeblätter« erzielten 1928 Auflagen von über 50.000 Exemplaren; bei den Unterhaltungszeitschriften waren es 13,3 %.8 4 Paschek: Zeitschriften und Verlage, S. 62. 5 Wenn keine weitere Quelle angegeben ist, nach Kastner: Statistik, S. 375. 6 In der Ausgabe 1914 hieß die entsprechende Abteilung in Sperlings Zeitschriftenadreßbuch noch »Literaturblätter, Revuen und akademische Blätter«. 7 Jäger: Zeitschriften, S. 369. 8 Menz: Die Zeitschrift, S. 50.
5.2 .6 Liter ar isch e Zeitschr if ten und Pub liku mszeitschr if ten
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Niedrige Auflagen waren also für die literarischen Blätter jener Zeit typisch. Im Besonderen galt diese Problematik jedoch für die expressionistischen Zeitschriften – nur die bedeutendsten unter ihnen erreichten überhaupt »[b]uchmarktrelevante Auflagen«.9
Expressionistische Zeitschriften Im Vorwort zu seinem Repertorium der Zeitschriften und Sammlungen des literarischen Expressionismus10 charakterisiert Paul Raabe die besondere Funktion der (literarischen) Zeitschriften jener Epoche in wenigen Sätzen: Zeitschriften waren in einem heute nicht mehr nachzuvollziehenden Maße Schauplätze und Zentren der literarischen und künstlerischen, der geistigen und politischen Auseinandersetzung. Dort erschienen die neuen Werke der Literatur und Kunst, dort wurden die neuen Autoren und Künstler vorgestellt, diskutiert und kritisiert, die Ideen expressionistischer Literatur und Kunst entwickelt, verfochten und verteidigt; dort wurden alle Phasen eines künstlerischen Prozesses seismographisch registriert.11 Raabes Repertorium stellt zusammen mit seiner Standardbibliografie zum Expressionismus – dem Index Expressionismus12 – die Bandbreite und Inhalte der expressionistischen Zeitschriften auf beeindruckende Weise dar. Auch beschreibt er die auffällig entwickelte Motivation der Expressionisten, solche Periodika zu gründen und an ihnen mitzuarbeiten: Die »psychologische Voraussetzung« sei »Ehrgeiz und der naive Stolz, sich gedruckt zu sehen«.13 Die große Anzahl der Publikationen – zwischen einhundert und zweihundert expressionistische Zeitschriften, Jahrbücher und Almanache entstanden im Zeitraum von 1910 bis 1930 – beweist diesen Ehrgeiz, ebenso die anspruchsvolle kulturpolitische Ausrichtung vieler dieser Blätter. Die Zeitschriften des Expressionismus haben einige Gemeinsamkeiten, etwa in der Abkehr von der bürgerlichen Kultur und Literatur. Dennoch differieren die Projekte in der Ausführung, im Erfolg, inhaltlich und auch äußerlich zum Teil beträchtlich.14 Als eine der wichtigsten Publikationen dieser Art sind Die weißen Blätter (1913 bis 1920, ab 1915 von René Schickele herausgegeben, Auflage 3.000 bis 5.000 Exemplare15) zu nennen, deren Titel auf einen bedingungslosen Neuanfang deuten sollte. Unter Schickele nahmen Die weißen Blätter eine radikal expressionistische Haltung ein; der für Zeitschriften überdurchschnittliche Umfang (anfangs ca. 1.350 Seiten pro Jahrgang) ließ auch den Abdruck längerer Beiträge zu. Diese Publikation übernahm eine Vorbildrolle für weitere expressio9 Schneider: Artikulationsort Zeitschrift, S. 180. 10 Die Zeitschriften und Sammlungen des literarischen Expressionismus: Repertorium der Zeitschriften, Jahrbücher, Anthologien, Sammelwerke, Schriftenreihen und Almanache 1910 – 1921. Stuttgart: Metzler 1964. 11 Raabe: Einleitung, S. VII. 12 Index Expressionismus. Bibliographie der Beiträge in den Zeitschriften und Jahrbüchern des literarischen Expressionismus 1910 –1925. Hrsg. von Paul Raabe. 18 Bde. Nendeln (Liechtenstein): Kraus-Thomson 1972. 13 Raabe: Zeitschriften und Sammlungen, S. 6. 14 Schneider: Artikulationsort Zeitschrift, S. 172. 15 Schneider: Artikulationsort Zeitschrift, S. 180.
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nistische Projekte und ist auch insofern als typisch zu bewerten, da sie mit dem Ende der expressionistischen Bewegung um 1920 von der Bildfläche verschwand. Bei vielen expressionistischen Zeitschriften spielte das Erscheinungsbild eine genauso wichtige Rolle wie die antibürgerliche Konzeption; es »symbolisierte die Spontaneität und die Dynamik des avantgardistischen Literaturbetriebs. Waren ihre Inhalte progressiv, sprengten auch die Typographie und Gestaltung der Zeitschriften die traditionellen Vorstellungen.«16 Je avantgardistischer im Auftreten, desto weniger konnten sie ein großes Publikum erreichen; dazu kamen die oft fehlende Verlagserfahrung der Herausgeber sowie das bewusste Ignorieren jener Merkmale, die dem Medium Zeitschrift ureigen sind: Regelmäßigkeit des Erscheinens, Einheitlichkeit in Preisen und Umfang oder Homogenität der Leserschaft.17 So konnte bei vielen der publizistischen Projekte kein Wiedererkennungswert entstehen; folgerichtig blieb auch ein regelmäßiges zahlendes Publikum aus. Raabe resümiert: »Die meisten [Zeitschriften] kamen über einen Jahrgang nicht hinaus, und das gehörte zu ihrem Wesen. Der erste Impuls war der stärkste, und meist reichte auch das Geld nicht, die Arbeit durchzuhalten.«18 Ausnahmen waren dabei die bereits erwähnte Zeitschrift Der Sturm mit einer Auflage von bis zu 30.000 Exemplaren19 und Die Aktion mit anfangs (1913) zwischen 5.000 und 8.000 Exemplaren und später (1925 bzw. 1930) mit der bemerkenswerten Auflagenhöhe von 20.000 Exemplaren.20 Die Aktion und Der Sturm – untereinander stark rivalisierend – bildeten den Mittelpunkt des Frühexpressionismus im Literaturbetrieb; sie waren für die Mitglieder der Bewegung zentrale Foren für die Herausbildung eines ästhetischen Selbstverständnisses sowie für die Kommunikation untereinander.21 Insofern ist ein Blick auf das Eigenbild dieser Zeitschriften auch aussagekräftig für die gesamte avantgardistische Bewegung. Die Aktion lobte sich selbst als die einzige Zeitschrift in deutscher Sprache, die wirklich keine mehr oder minder verkappte Kapitalisten- und Bürgerangelegenheit ist, sondern die makellose Tribüne eines radikal verantwortungswilligen Geistes. Eine Zeitschrift ohne Kompromiß, ohne geschäftlichen oder sonstwie abhängigen Ehrgeiz, geleitet allein nach dem einen unerschütterlichen Ziel der Beseitigung jeglicher Welt- und Menschenausbeutung. Wenn man sich diese ersten zehn Jahrgänge Aktion vergegenwärtigt, erkennt man, wie konsequent gradlinig und einheitlich sie nur auf den sicheren Grund gestellt ist: auf das Gewissen ihres Herausgebers.22 16 Schneider: Artikulationsort Zeitschrift, S. 176. – Zur äußeren Gestalt avantgardistischer Bücher und Zeitschriften sei auf das Kapitel Buchgestaltung und Buchkunst von Wulf D. v. Lucius in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte verwiesen, S. 315 –340. 17 Vgl. Schneider: Artikulationsort Zeitschrift, S. 178 f. 18 Raabe: Das literarische Leben, S. 8. 19 Schneider: Artikulationsort Zeitschrift, S. 180. 20 Vgl. Schlawe: Literarische Zeitschriften 1910 –1933. Wenn nicht anders angezeigt, gehen die Auflagenzahlen auf Schlawes Nachschlagewerk zurück. 21 Vgl. Raabe: Das literarische Leben, S. 7. 22 Zitiert nach: Rietzschel: Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut. Eine Einführung in die Aktion, Sp. 2. Diese kurze manifestartige Charakterisierung der Aktion wurde zum 10-jährigen Jubiläum der Aktion von dem Schriftsteller und langjährigen Mitarbeiter der Aktion Max Herrmann-Neiße verfasst.
5.2 .6 Liter ar isch e Zeitschr if ten und Pub liku mszeitschr if ten
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Die Weltbühne, Das Tagebuch und Die literarische Welt Unter den zwischen 1919 und 1931 etwa 100 verbliebenen literarischen Blättern gab es auch sehr erfolgreiche und langlebige Publikationen, die mit Debatten und regelmäßigen Rezensionen maßgeblich zum Kulturund Literaturbetrieb der Weimarer Republik beitragen konnten. Insbesondere müssen in diesem Zusammenhang die Zeitschriften Die Weltbühne (ursprünglich, von 1905 bis 1918, als Theaterzeitschrift unter dem Titel Die Schaubühne verlegt; unter dem Titel Die Weltbühne bis zu ihrem Verbot am 13. März 193323 in Berlin erschienen; 1933 bis 1939 als Die neue Weltbühne in Prag) und Die literarische Welt (1925 – 1933) hervorgehoben werden. Die Weltbühne war schon vor dem Ersten Weltkrieg ein bedeutendes Organ des linken Intellektuellenmilieus. Diese Ausrichtung galt auch für die Epoche der Weimarer Republik, nicht zuletzt weil Kurt Tucholsky hier regelmäßig publizierte und nach dem Tod des Gründers Siegfried Ja- Abb. 1: Titelblatt der Weltbühne vom 14. cobsohn die Chefredaktion übernahm (be- Februar 1923 (Nr. 7, XXIV. Jahrgang). vor er bald darauf von Carl von Ossietzky Der rötliche Umschlag wurde zusätzlich abgelöst wurde). Um den engen Bezug der mit einer weißen Bauchbinde versehen, Weltbühne zum Buchmarkt darzustellen, ist die den Inhalt ankündigte und den Preis wohl die von Kurt Tucholsky (wie so oft (bei dieser Ausgabe 60 Pfennige) angab. unter dem Pseudonym Peter Panter) mit seinem Artikel »Ist das deutsche Buch zu teuer?« ausgelöste Preisdebatte im Jahre 1928 das beste Beispiel.24 Doch auch die wirtschaftliche Lage deutscher Schriftsteller (1924) oder die Entstehung der Buchgemeinschaften (1925) wurden von der Zeitschrift kritisch begleitet und von ihren Lesern in Leserbriefen diskutiert, wobei zahlreiche Zusendungen aus der Feder von Schriftstellerund Verlegerpersönlichkeiten der Weimarer Republik stammten.25 Die Verquickung zwischen der Weltbühne und dem Buchmarkt beschränkte sich jedoch keineswegs auf kritische Betrachtungen zum Literaturbetrieb. In dieser Zeit wurde die Zeitschrift auch von Siegfried Jacobsohns Witwe, Edith Jacobsohn, unterstützt. Edith Jacobsohn hatte 1924 mit Anni Williams und Edith Weinreich (geb. Williams) den Kinder- und Jugendbuchverlag Williams & Co. gegründet – den Vorgänger des heutigen Cecilie Dressler 23 Madrasch-Groschopp: Die Weltbühne, S. 310. 24 Siehe hierzu genauer in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte, insbesondere Fischer: Marktorganisation, hier S. 289 –294. 25 Siehe hierzu im Detail in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte Schneider: Buchkäufer und Leserschaft, hier S. 179 –181.
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Verlags – und leitete ihn ab 1925 allein. Aus der fruchtbaren Zusammenarbeit der Verlegerin Edith Jacobsohn mit den linksintellektuellen Weltbühne-Autoren entstanden Bestseller und Kinderbuchklassiker, die das Verständnis des Kinder- und Jugendbuchs in Deutschland bis heute nachhaltig verändert haben. Das prominenteste Beispiel für eine solche Zusammenarbeit ist der Fall von Erich Kästner, der auf Anregung Edith Jacobsohns Emil und die Detektive (1929) und später Pünktchen und Anton (1931) verfasste.26 Das Ehepaar Jacobsohn stand Kurt Tucholsky nicht nur in der Weltbühne nahe: Edith Jacobsohn verfasste gelegentlich Beiträge für das Satire-Magazin Ulk27 (1872 – 1933), dessen Chefredakteur Kurt Tucholsky von 1918 bis 1920 war. Der Ulk wurde 1872 von dem Berliner Verleger Rudolf Mosse gegründet und lag bis 1933 dem Berliner Tageblatt bei. Im Zeitraum von 1910 bis 1930 wurde der Ulk zusätzlich der Berliner Volks-Zeitung beigelegt; so konnte die Zeitschrift circa eine Viertelmillion Leser erreichen. In einem scherzhaften Briefwechsel mit Kurt Tucholsky bezeichnete Siegfried Jacobsohn seine Frau 1919 sogar als »Hauptmitarbeiterin Ihres bourgeoisen Witzblattes«.28 Andere satirisch-humoristische Zeitschriften der Zeit, wie beispielsweise das Stachelschwein, dessen Herausgeber der Schriftsteller und Kabarettist Hans Reimann war, konnten eine solche Reichweite nie entfalten. Dennoch ist gerade Das Stachelschwein exemplarisch für die Variation der verschiedensten Diskussions- und Dokumentationsformen, die als »größtes Verdienst der Neuen Sachlichkeit angesehen wird«.29 Die Tatsache, dass Siegfried Jacobsohn die einleitenden Worte für die erste Ausgabe des Stachelschweins am 20. September 1924 schrieb und dass Erich Kästners erster Stachelschwein-Beitrag (»Die Hungermayonnäse«) bereits im elften Heft vom 29. November 1924 erschien, unterstreicht den regen gedanklichen Austausch, in dem die prominenten Linksintellektuellen der Zeit standen.30 1919 gründete Stefan Großmann im Rowohlt Verlag Das Tagebuch (1920 – 1933; Auflage 1930: 14.000 Exemplare), ein nach dem Vorbild der Weltbühne fortschrittlich ausgerichtetes, gesellschaftskritisches Diskussionsorgan. So ist es nicht verwunderlich, dass Golo Mann die kleinen grünen Hefte des Tagebuchs als »sonderbar verbündet und kontrastierend mit den kleinen roten [Heften] der ›Weltbühne‹« charakterisierte.31 Es wurde zunächst von Stefan Großmann, ab 1922 gemeinsam mit Leopold Schwarzschild und ab 1927 in alleiniger Chefredaktion von Schwarzschild wöchentlich herausgegeben und enthielt Aufsätze über eine Reihe von Themen – Politik, Geschichte, Wirtschaft, Kultur – wie auch literarische Originalbeiträge (hauptsächlich Prosa). Golo Manns damalige präferierte Zeitschriftenlektüre Das Tagebuch »entsprach dem Stil der Zeit« so sehr, dass er sie 1966 mit dem Spiegel zu vergleichen suchte: »Damals verschlangen wir in akademischen Lesehallen die Artikel Leopold Schwarzschilds, wie man heute dort die Artikel etwa Rudolf Augsteins verschlingt.«32 Das Tagebuch, das zusammen mit Jacobsohns Blatt im Zentrum der öffentlichen Diskussion stand, war im deutlichen Gegensatz 26 Für genauere Informationen sei auf das Kapitel Kinder- und Jugendbuch in der Weimarer Republik von Helga Karrenbrock im vorliegenden Teilband, S. 183 – 218, verwiesen. 27 Zur Vorgeschichte des Ulks vgl. Graf/Pellatz: Familien- und Unterhaltungszeitschriften, S. 491 f. 28 Vgl. Oswalt: Siegfried Jacobsohn, S. 170 mit Anm. 54. 29 Görzel: Rundfunk in der Weimarer Republik, S. 10. 30 Reimann: Mein blaues Wunder, S. 373. 31 Mann: Vorwort, S. 7. 32 Mann, S. 7.
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zur eher linksliberalen Weltbühne »konsequent antimilitärisch, pazifistisch und mit einer […] verstärkten Tendenz zur grundsätzlichen Opposition, zum aggressiven […] unerbitterlichen Angriff«.33 In den ersten drei Jahren, in denen die Zeitschrift bei Rowohlt erschien, spürte der Rowohlt Verlag deutlich, wie eine literarische Zeitschrift im eigenen Haus auch die Verlagsproduktion ankurbeln konnte. So erschien schon im zweiten Heft des Tagebuchs (vom 17. Januar 1920) ein erster Auszug aus Carl Ludwig Schleichs Lebenserinnerungen Besonnte Vergangenheit, die sich zum ersten Bestseller des Rowohlt Verlags entwickeln sollten.34 Da jedoch die Auflage 1923 um 10.000 stagnierte, sah sich der Verlag gezwungen, die Zeitschrift im eigenen Haus einzustellen. Jedoch blieb der Verlag an dem Eigenverlag des Tagebuchs noch einige Zeit beteiligt.35 An dem Eigenverlag waren ferner Leopold Schwarzschild selbst und der Literaturmäzen Hugo von Listig beteiligt, sodass die wirtschaftliche Grundlage für das Tagebuch bis 1933 konstant blieb. Schwarzschilds politische Einstellung und seine jüdische Herkunft führten dazu, dass er auf der ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs von 1933 stand. So emigrierte er unmittelbar nach dem Verbot des Tagebuchs nach Paris, wo er von 1933 bis 1940 die Exilzeitschrift Das neue Tagebuch betreute, bis er 1940 in die USA flüchten musste. Den zweiten Versuch einer literarischen Zeitschrift wagte Ernst Rowohlt 1924 mit der Monatsschrift Vers und Prosa. Herausgeber war der Rowohlt-Autor und -Lektor Franz Hessel, der mit einem hohen Anspruch an Inhalte und Leserschaft Beiträge von Rainer Maria Rilke, Walter Benjamin, Franz Blei, Robert Musil oder Robert Walser vorstellte. Verleger und Redakteur gestanden in der Ankündigung: »Das ist ein Versuch und ein Wagnis.«36 Im gesamten Jahrgang sind Anzeigen nur für Rowohlt-Bücher zu finden; einleitende Worte des Herausgebers fehlen ganz. In der Tat musste die Zeitschrift aus wirtschaftlichen Gründen am 15. Dezember 1924 eingestellt werden – das erste, gelb eingebundene Heft war erst zum 15. Januar 1924 erschienen. Ernst Rowohlt versuchte weiter, eine anspruchsvolle aber wirtschaftlich tragbare literarische Zeitschrift in seinem Hause anzusiedeln. Nach dem Vorbild der französischen Nouvelles Littéraires gründete er gemeinsam mit Willy Haas Die literarische Welt (1925 – 1934, verkaufte Auflage 1926: 13.000 Exemplare,37 Auflage 1930: 20.000 Exemplare). In Bezugnahme auf das Vorbild bezeichnete der Herausgeber Haas die Publikation durchweg als Zeitung und nicht als Zeitschrift und füllte den »größte[n] Teil jeder Nummer […] mit aktuellen […] literarischen Neuigkeiten, [und] Neuigkeiten aus dem Theater- und Kunstleben«.38 Die Zeitung sollte als Plattform für Kontakt zu Autoren des Rowohlt Verlags (aber auch anderer Verlage) dienen, dort sollten zahllose Essays, Novellen und Gedichte ihren Platz finden. Ein enger Bezug zum Buchmarkt durchzog die Zeitschrift von Anfang an. 1926 wurden in zahlreichen »Gesprächen mit deutschen Dichtern« die Antworten u. a. von Franz Werfel, Hugo von Hofmannsthal, Robert Musil, Thomas Mann oder Bertolt Brecht auf die Frage »Was arbeiten Sie?« zusammengetragen.39 Im 33 34 35 36 37 38 39
Holly: Die Weltbühne 1918 bis 1933, S. 8. Vgl. Moldenhauer: Fixsterne, S. 47. Vgl. Moldenhauer, S. 47. Zitiert nach: Moldenhauer: Fixsterne, S. 48. Vgl. Moldenhauer, S. 49. Haas: Die literarische Welt, S. 164. Vgl. Zeitgemäßes aus der »Literarischen Welt«, S. 33 –55.
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Herbst des gleichen Jahres veranstaltete Die literarische Welt einen Literaturwettbewerb mit dem Titel »Geschenk an die Jugend«. Circa 4.300 junge Dichter und freie Künstler nahmen teil; die Gewinner erhielten Verträge mit dem Rowohlt Verlag.40 Trotz der klaren Vorteile einer solchen Publikation musste der Rowohlt Verlag Ende 1926 einsehen, dass die Literarische Welt mit der anvisierten Auflage von 30.000 Exemplaren ein Verlustgeschäft war; so wurde sie 1927 zu einer GmbH unter der Leitung von Willy Haas (mit Hauptbeteiligung durch den Rowohlt Verlag, der danach zunehmend in dem Blatt inserierte).41 Zu diesem Anlass schrieb Haas über die Ausrichtung des Blatts: »Wir haben einsehen müssen, daß die bloße literarische Information, Analyse oder Darstellung heute immer nur Stückwerk bleibt; und wir müssen bestrebt sein, diese Fragmente zu einer Totalität der Zeitbetrachtung auszubauen. […] Dieses Programm bedeutet und soll bedeuten eine deutliche Absage an die bloße Literatenliteratur.«42 Mit dieser Ansage begann eine Öffnung der Zeitschrift zu anderen Themen hin, insbesondere durch gezielte Sondernummern wie die zur Internationalen Buchkunstausstellung in Leipzig im Jahr 1927, in der u. a. Paul Renners Abhandlung über die alte und neue Buchkunst publiziert wurde – typografisch vom restlichen Heft abgehoben durch den Satz des Artikels in Renners Futura-Schrift.43 Immer wieder nahm die Zeitschrift aktuell Bezug auf den Buchmarkt und seine Akteure. 1927 untersuchte die Zeitschrift ferner die Grenzen und Möglichkeiten des Dichters in einer Reportage über »die Diskretion und Freiheit des Schriftstellers« unter der Leitfrage »Darf der Dichter in seinem Werk Privatpersonen porträtieren?«.44 Die breite Rezeption und Akzeptanz der Zeitschrift ist u. a. daran abzulesen, dass Persönlichkeiten des literarischen Lebens wie Heinrich Mann, Emil Ludwig, Max Brod oder Stefan Zweig auf solche Rundfragen antworteten. Lob erntete die Zeitschrift zum dreijährigen Jubiläum im Oktober 1927: »Sie haben nicht die Zahl der bestehenden Zeitschriften um eine vermehrt. Sie haben, im Gegenteil, den Typus einer allwöchentlich erscheinenden literarischen Tageszeitung geschaffen; und mit ihr eine neuartige Verbindung zwischen Tiefe und Breite, zwischen Inhalt und Wirkung hergestellt.«45 Kurz darauf, im Oktober 1927, erschien in der Literarischen Welt die erste Bestsellerliste Deutschlands – angeführt von Hermann Hesses Steppenwolf (1927 bei S. Fischer erschienen); darunter ein Preisausschreiben von RM 100,– für »die beste, kürzeste und prägnanteste deutsche Übertragung der englischen Bezeichnung ›Best-seller‹«.46
40 Vgl. Moldenhauer, S. 50. 41 Vgl. Der Herausgeber [Haas]: An unsere Leser und Freunde! In: Die literarische Welt (1927) 13, S. 1. 42 Der Herausgeber [Haas]: An unsere Leser und Freunde! In: Die literarische Welt (1927) 13, S. 1. – Hervorhebung im Original. 43 Vgl. Internationale Buchkunst-Ausstellung Leipzig 1927. Sondernummer der Literarischen Welt, Nr. 24 vom 17. Juni 1927. – Weitere Beispiele der Bezugnahme auf den Buchmarkt diskutiert Schneider: Buchkäufer und Leserschaft, S. 181 f. 44 Vgl. Darf der Dichter in seinem Werk Privatpersonen porträtieren? In: Die literarische Welt (1927) 36, S. 1 f. 45 Jacob: Drei Jahre Literarische Welt. In: Die literarische Welt (1927) 40, S. 1 f. – Hervorhebung im Original. 46 Vgl. Best-Seller-Liste September 1927. In: Die literarische Welt (1927) 41, S. 10.
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Willy Haas hatte sich die Liste als eine Institution vorgestellt, deren statistischer und kulturhistorischer Wert für alle Beteiligten der Buchbranche offenkundig sei. Allerdings entbrannte an der Liste eine regelrechte Bestseller-Debatte; der Börsenverein kritisierte die Bestsellerliste im Dezember 1927 als »Verengung und Verflachung des geistigen Lebens«.47 Bald darauf, mit der »Best-Seller-Liste Januar 1928«, stellte Haas den Abdruck ein.48 Ein weiteres Indiz für die enge Verflechtung der Literarischen Welt mit der Buchbranche ist die Tatsache, dass der Th. Knaur Verlag regelmäßig in dieser Zeitschrift zur Bewerbung seiner preiswerten Reihe »Romane der Welt« (2,85 Mark) inserierte. Dabei erschienen die Bände der Reihe wie die Literarische Welt jeweils wöchentlich freitags. Zwar betrug die Auflage 1930 noch um 20.000 Exemplare, doch konnte auch diese Zeitschrift die Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht Abb. 2: Recht unscheinbar erschien am überdauern. Entgegen der Behauptung der 14. Oktober 1927 die erste »Best-SellerRedaktion im Januar 1933 »[d]as Politi- Liste« in Deutschland in der Literarischen Welt (Nr. 41, S. 10). Die Auffordesche geht uns hier nur soweit an, als es rung erging an alle Sortimenter, bei der Voraussetzung der kulturellen Lebensfor- Statistik mitzuwirken. men ist«,49 hatten sich die Inhalte zunehmend politisiert. Haas sah sich aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen und finanzieller Schwierigkeiten 1933 gezwungen, die Zeitschrift zu verkaufen. Unter dem neuen Herausgeber Karl Rauch überlebte die Zeitschrift nur noch ein Jahr; danach wurde sie unter neuen Herausgebern und neuem Namen als völlig veränderte Publikation fortgeführt (Das Deutsche Wort, 1934–1941).50 Willy Haas hingegen versuchte eine Fortsetzung in Prag nach dem Beispiel der Neuen Weltbühne, blieb jedoch erfolglos. Dem linken Spektrum sind noch zahlreiche weitere literarische Zeitschriften zuzuordnen, die aber nicht eine derartige Wirkung auf den Buchmarkt entfalten konnten. Ein Beispiel ist Die Linkskurve (1929 – 1932), eine literaturpolitische Zeitschrift, die als Organ des Bundes Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller mit einer Auflage von 15.000 Ex47 48 49 50
Kubczak: Best-Seller-Listen – eine Gefahr. In: Börsenblatt 94 (1927) 285, S. 1432. Vgl. Best-Seller-Liste Januar 1928. In: Die literarische Welt (1928) 6, S. 9. Einführung in diese Nummer. In: Die literarische Welt (1933) 1/2, S. 1. Vgl. Minte-König: Die Literarische Welt, S. 405. Die wöchentliche Literaturbeilage der Tageszeitung Die Welt unter dem Titel Die literarische Welt erscheint seit November 1998 und sieht sich nach Information des Springer-Archivs in der Tradition von Willy Haas.
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emplaren (1929) gegründet wurde und zielgerichtet die Herausbildung einer proletarischrevolutionären Dichtung fördern wollte. Im Blatt wurde Literatur auf marxistischtheoretischer Basis diskutiert und in den Kontext des Klassenkampfs gestellt.51 In seiner Vorrede zur Bibliografie der Linkskurve erklärt Otto Gotsche: »Es gibt keine Grundfrage der Literatur, die hier nicht ihre Antwort in ganz offenkundiger Abhängigkeit von der Zuspitzung des Klassenkampfes in Deutschlands angesichts der wachsenden faschistischen Gefahr einerseits und der mächtig sich entfaltenden revolutionären Bewegung andererseits erfahren hätte.«52 Ihre Aufgabe sah die Linkskurve jedoch auch darin, die Arbeiter zum Schreiben und zur literarischen Reflexion zu bewegen. Ein Preisausschreiben im Jahr 1930 prämierte Arbeiten von Autoren, die den Weg »vom Arbeiterkorrespondenten zum Schriftsteller«53 gegangen waren; auch wurden zahlreiche Beiträge abgedruckt, die »Anfängerfehler« und »Unbeholfenheiten« aufwiesen.54 Die Dominanz literarischer Texte von Arbeiterschriftstellern war durchaus Absicht, denn das Blatt verstand sich als Gegenbewegung zu den bürgerlichen Blättern: »[W]ir sind kein bürgerlicher Verein von Prominenten, die ›Linkskurve‹ ist kein Literatenblatt.«55 Ende 1932 wurde die Linkskurve, von der zuletzt nur noch 3.500 Exemplare gedruckt worden waren, eingestellt. Die Gründe dürften in innerparteilichen Problemen, sowie in einer neuen literaturpolitischen Ausrichtung seitens der KPdSU bzw. der Komintern Mitte des Jahres 1932 zu sehen sein.56 »Literatur als solche, in Absonderung von den anderen Künsten, losgelöst von der Willensregung und Schicksalsfügung des Volkes zu betrachten, ist beinahe eine Unmöglichkeit«, konstatierte Ernst Heilborn zum 25-jährigen Jubiläum des Literarischen Echos (1898 – 1942, ab 1923 Die Literatur; gegründet bei Egon Fleischel & Co., 1922 aufgegangen in der Deutschen Verlagsanstalt).57 Das Literarische Echo gehört wie Die schöne Literatur (1900 – 1943, ab 1931 Die neue Literatur) und Die Dichtung (1918 – 1923) zu den Zeitschriften, die politisch bzw. ideologisch unabhängig in ihrer Ausrichtung waren. Im Literarischen Echo fanden Informationen und Artikel rund um den Literaturbetrieb ihren Platz: u. a. Buchbesprechungen, Aufsätze über Autoren, literarische Nachrichten, Autoren-Charakteristiken.58 Die zahlreichen literarischen Beiträge spiegelten in ihrer Gesamtheit die volle Bandbreite der bekannteren zeitgenössischen Dichter wider. Beim Literarischen Echo handelte es sich dabei meist um Zweitdrucke, von denen viele zusätzlich noch in das Jahrbuch Ernte (1919 – 1921) aufgenommen wurden. In der Literaturkritik strebte das Blatt einen neutralen Standpunkt an. Zwar war die Zeitschrift eher konservativ ausgerichtet, doch versuchte sie durch einen großen Mitarbeiterkreis und durch Sichtung möglichst vieler zeitgenössischer Werke ein um51 52 53 54 55 56 57 58
Vgl. insbesondere hierzu: Gallas: Die Linkskurve, passim. Gotsche: Vorwort S. 9. Gotsche: Vorwort, S. 16. Das Redaktionskollektiv der »Linkskurve«: Zum Preisausschreiben. In: Die Linkskurve (1930) 6, S. 12. Das Redaktionskollektiv der »Linkskurve«: Zum Preisausschreiben. In: Die Linkskurve (1930) 6, S. 13. Vgl. Gallas: Die Linkskurve, S. 74 f. Heilborn: Fünfundzwanzig Jahre »Literarisches Echo«, Sp. 4. Zur Thematik der Lektürelenkung durch Das literarische Echo vgl. Schneider: Buchkäufer und Leserschaft, S. 178 f.
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fassendes Abbild des literarischen Geschehens zu vermitteln. Ferner beachtete die regelmäßige Zeitschriftenschau auch nicht-konservative Blätter wie die bereits erwähnte expressionistische Aktion. Die langlebige Zeitschrift, von der nur die vergleichsweise geringe Auflage im Jahr 1912 bekannt ist (3.600 Exemplare), existierte fast 45 Jahre, bevor sie 1942 in der Zeitschrift Europäische Literatur aufging. Die schöne Literatur konnte 1930, auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs und vor der Umbenennung zu Die neue Literatur im Jahre 1931, eine Auflage von 6.000 Exemplaren erreichen. Sie entstand als Beilage zum sogenannten Literarischen Centralblatt für Deutschland und orientierte sich im Hinblick auf den Anspruch, objektive Kritik zu bieten, am angesehenen Hauptblatt, dessen Fokus auf wissenschaftlichen Neuerscheinungen lag. Bis 1922 enthielt die Zeitschrift hauptsächlich Rezensionen; ab 1923 entwickelte sie sich inhaltlich weiter und bot biografische Aufsätze rund um zeitgenössische Dichterpersönlichkeiten (mit Bildnissen oder auch Faksimilebeilagen) sowie Leseproben aus Neuerscheinungen. Inhaltlich wurde sie so zu einem Sammelbecken, das »dem gebildeten Leser Material zusammen[trug]«; kritisch lässt sich jedoch vermerken, dass in dem »Bestreben […], mit wenigen Worten viel zu sagen […] die Standpunktlosigkeit […] nicht vermieden werden« konnte.59 Jährlich wurden diese Leseproben dann in dem Sammelband Die Jahresernte zusammengestellt. Die Neutralität nahm stetig ab; die Zeitschrift distanzierte sich von internationaler Literatur und favorisierte die deutschbetonte Literatur. Zuletzt wurde die kulturpolitisch ausgerichtete Rubrik »Unsere Meinung« zur antisemitischen Polemik missbraucht.60 Insofern verwundert es nicht, dass diese Zeitschrift bis 1943 bestand, mit einer gleichbleibenden Auflage von 3.500 Exemplaren zwischen 1933 und 1943.
Publikums- und Rundschauzeitschriften Rundschauzeitschriften, die dem (meist bürgerlichen) Lesepublikum mit konservativer oder auch liberaler Ausrichtung zur Verfügung standen, existierten bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Als Beispiele zu nennen sind z. B. die Neue Rundschau (seit 1890) und die Deutsche Rundschau (1874 – 1964). Zudem sind noch zu nennen Die Grenzboten (1841 – 1922), Der Türmer. Monatsschrift für Gemüt und Geist (1898 – 1943), die Süddeutschen Monatshefte (1904 – 1936), Der Neue Merkur (1914 – 1916, 1919 – 1925) und das Hochland. Monatsschrift für alle Gebiete des Wissens der Literatur und Kunst (1903 – 1941, wieder ab 1946). Eine wichtige Rolle spielten darin die Rezensionen, ferner auch Originalabhandlungen und Beiträge zu allgemein-kulturellen Themen. Zu den beliebtesten Rundschauzeitschriften, die in der Regel monatlich erschienen, gehörte die »Hauszeitschrift« von S. Fischer, die »für die Entwicklung des Verlages […] wichtig geworden ist« und in der viele »Autoren, die später das Gesicht des Verlages prägen halfen, […] mit Beiträgen vertreten« waren:61 die fortschrittliche Neue Rundschau (1890 bis heute; 1944 von den Nationalsozialisten eingestellt, 1945 in Stockholm durch Gottfried Bermann Fischer neu gegründet). Die Auflage lag 1911 um 7.000, steigerte sich jedoch in der Weimarer Republik auf 12.000 (1920) und lag zwi59 Stappenbacher: Die deutschen literarischen Zeitschriften, S. 130. 60 Schlawe: Literarische Zeitschriften, S. 27. 61 Kurzgefaßte Verlagsgeschichte, S. 19.
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schen 1930 und 1933 bei 10.000. Als »heimlichen Chefredakteur« der Neuen Rundschau bezeichnet Grothe Samuel Fischer wegen seiner aktiven Mitarbeit an der Konzeption und Umsetzung der Zeitschrift; als Mitherausgeber wurde Fischer seit 1922 genannt.62 Das »Dasein und Sosein«63 der Zeitschrift wurde in der Tat stark vom Verleger bis zu seinem Tode im Jahr 1934 mitgeprägt. Mit einer liberal-weltbürgerlichen Ausrichtung setzte sich diese Zeitschrift, deren Chefredakteur ab 1921 Rudolf Kayser war (bis 1932, danach u. a. Peter Suhrkamp), langfristig durch. Der Verbreitung förderlich war sicherlich auch die Tatsache, dass in der Zeitschrift renommierte (S. Fischer-) Autoren veröffentlichten, wie beispielsweise Thomas Mann, Gerhart Hauptmann sowie Hugo von Hofmannsthal. Ziel war aber nicht nur die Förderung (hauseigener) deutscher Schriftsteller; der Fokus lag zusätzlich auf der modernen Weltliteratur, wie S. Fischers Erklärung von 1925 unterstreicht: »Die ›Neue Rundschau‹ ist das anerkannt führende Organ für das künstlerische und geistige Schaffen der deutsch sprechenden Länder wie für ihre großen politischen und soziologischen Probleme und in Gesinnung und Einstellung eine wahrhaft europäische Revue.«64 In bewusster Abgrenzung zur Deutschen Rundschau (1874 – 1964; Auflage 1933: 4.000 Exemplare) veröffentlichte die Neue Rundschau hauptsächlich Beiträge freier Mitarbeiter, die das gesamte Spektrum des europäischen und amerikanischen Schriftstellertums repräsentierten (von deutscher Seite beispielsweise Carl Zuckmayer, Gottfried Benn, Bert Brecht, international Marcel Proust, Paul Claudel, Eugene O’Neill, George Bernard Shaw, Joseph Conrad, Ortega y Gasset und Maxim Gorki).65 Die Deutsche Rundschau hingegen fokussierte das gesamte geistige und öffentliche Leben und setzte auf die Mitarbeit bekannter (vor allem germanistischer) Universitätsprofessoren. Für die Neue Rundschau gab es neben den literaturprogrammatischen durchaus auch weltanschauliche Gründe, sich von der Deutschen Rundschau zu distanzieren. Ihr Herausgeber seit 1919, Rudolf Pechel, hatte 1921 die Arbeitsgemeinschaft deutscher Zeitschriften für die Interessen des Grenz- und Auslandsdeutschtums gegründet. Seit 1921 entwickelte sich die beliebte Rundschauzeitschrift zu einem wichtigen, wenn auch offiziell geheimen Propagandaorgan des aufkeimenden nationalsozialistischen Gedankenguts. Strategisches Ziel der Arbeitsgemeinschaft, die bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 zunehmend weitere Kreise in der Zeitschriftenlandschaft zog, war es, »die brennenden Fragen des Grenz- und Auslandsdeutschtums in gemeinsamer Aktion mit verteilten Rollen möglichst gleichzeitig zu behandeln, so daß der Eindruck entsteht, daß die Erregung über diese Fragen in der deutschen Öffentlichkeit so stark ist, daß die Zeitschriften spontan die Fragen behandeln«.66 So sollte das Blatt, wie auch die anderen Mitgliedsblätter, zu einer Publikation werden, »die ganz im Sinne der normativen Funktion einer politischen Zeitschrift die ›öffentliche Meinung machen‹ wollte, statt nur deren Echo zu sein«.67 Die Gründung einer solchen rechtsgerichteten Arbeitsgemeinschaft zur politi62 63 64 65 66
Grothe: Die neue Rundschau, Sp. 816. Suhrkamp: Zueignung, S. 561. Die Neue Rundschau. Anzeige. Almanach 1925, S. 287. Vgl. insbesondere Stein: Die Neue Rundschau, S. 237. Rudolf Pechel an Hofrat Keller, Bundesarchiv Koblenz, Mappe 131. Zitiert nach: Wolter: Deutsche Rundschau, S. 195. 67 Mauersberger: Rudolf Pechel und die »Deutsche Rundschau«, S. 2.
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schen Meinungsmache in deutschen Zeitschriften aller Art illustriert, dass die allgemeine Tendenz zur Ideologisierung sich analog auch im Bereich der Unterhaltungs- und Publikumszeitschriften geltend machte. Trotz dieses Primats der Politik entwickelte sich in den Publikumszeitschriften der Weimarer Republik eine zuvor nicht gekannte thematische Bandbreite. Daran hatten auch Special-Interest-Blätter wie Sport im Bild (1895 bis 1929) oder explizite Frauen- und Modezeitschriften wie Die Dame (im Ullstein Verlag, 1912 bis 1943),68 Elegante Welt (1912 bis 1943), Die praktische Berlinerin (1905 bis 1927), Frauenwelt (1924 bis 1933) oder der Modenspiegel (1921 bis 1933) beträchtlichen Anteil.69 Drei Beispiele aus dem Hause Ullstein können aufzeigen, wie Zeitschriften- und Buchproduktion einander positiv beeinflussten. Als erstes ist die Kinderzeitschrift Der heitere Fridolin. Halbmonatszeitschrift für Sport, Spiel und Abenteuer zu nennen, die 1921 vom Ullstein Verlag gegründet wurde (bis 1928). Sie bildete die damals einzige »periodische Druckschrift für die Jugend, die auch die Jungen bereits verstehen können, und an der trotzdem die Älteren Gefallen finden.«70 Im Heiteren Fridolin wurde 1924 als Fortsetzungsroman einer der herausragenden Bestseller der Kinder- und Jugendliteratur der Weimarer Republik, Wolf Durians Kai aus der Kiste (1926 als Buch erschienen) abgedruckt. Wolf Durian war zeitweilig Chefredakteur der Ullstein’schen Jugendzeitschrift. Der heitere Fridolin war in ein umfassendes Werbekonzept eingebunden, es erschienen parallel Fridolin-Spiele in der Tüte sowie Fridolin-Spielzeugbücher zum Ausschneiden und Aufstellen.71 Nicht zuletzt hatte der Fridolin-Verlag mit den Fridolin-Bilderbüchern (ab 1926, Texte von Wilhelm Meyer, Illustrationen von Walter Trier) herausragenden Erfolg. Obwohl in der Festschrift zum 50jährigen Ullstein-Jubiläum (1927) das Konzept einer Zeitschrift für die Jugend bemängelt wurde – »gerade dieses Unternehmen [hat] einen schweren Stand, weil es seiner Bestimmung nach ganz auf ein Anzeigenteil verzichten mußte, und weil ihm der ›langjährige‹ Abonnent fehlt«72 –, erreichte Der heitere Fridolin durchgängig eine Auflage von 350.000 Exemplaren. Zweitens brachte Ullstein – u. a. aufbauend auf den weitgehend positiven Erfahrungen mit dem Heiteren Fridolin – im Oktober 1924 die universelle Publikumszeitschrift Uhu (1924 – 1933; Auflage 1926: 168.000; 1929: 210.000; 1933: 111.000) auf den Markt.73 Unter der Leitung von Chefredakteur Friedrich Kroner arbeiteten daran u. a. wieder Kurt Tucholsky (als Peter Panter und Theobald Tiger) sowie Vicki Baum mit (bis 1930 sogar als beratende Redakteurin).74 Der Uhu wollte mehr sein als eine bloße »Lesefuttersammlung«; inhaltlich richtete er sich nach amerikanischen Vorbildern – das »Grundkonzept war auf Zeitvertrieb mit Lesegewinn gerichtet«.75 Diesen Lesegewinn erreichte der Uhu mitunter durch Umfragen und Interviews über Literatur bzw. mit Literaten. In einer Umfrage im Mai 1930 eruierte man einen »Querschnitt durch die 68 69 70 71 72 73 74 75
Seegers: Uhu, Koralle, die Damen und das Blatt der Hausfrau, S. 65 –67. Vgl. Schader: Virile, Vamps und wilde Veilchen, S. 60 f. 50 Jahre Ullstein, S. 115. Vgl. Neuner-Warthorst: Der heitere Fridolin, S. 75. 50 Jahre Ullstein, S. 115. Uhu. Das Magazin der 20er Jahre, S. 353. Seegers: Uhu, Koralle, die Dame und das Blatt der Hausfrau, S. 63. Uhu. Das Magazin der 20er Jahre, S. 351.
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Lektüre von Kleinstadt und Großstadt« oder die meistgelesenen Autoren und Bücher in öffentlichen Bibliotheken. Die bekanntesten Schriftsteller der Zeit kamen hier zu Wort – oft auf ungewöhnliche und sehr persönliche Weise. So konnte Hans Fallada bei einer Autoren-Umfrage darlegen, »Was mir in dieser Zeit als Wichtigstes am Herzen liegt« (nämlich, »daß wir über der Kompliziertheit des heutigen Lebens den Boden der Wirklichkeit verlieren könnten«).76 Die Zeitschrift beschrieb sich selbst sogar in direktem Vergleich mit dem Medium Buch: Der ›Uhu‹ will nicht ›das Buch ersetzen‹ […], sondern eine Zeitschrift sein, die kraft ihres größeren Umfangs jedes angeschnittene Thema gründlicher behandeln kann als jede Wochenschrift. […] Aus dem bunten Durcheinander der lustigen Erzählungen und Anregungen soll der Leser wählen und selbst […] bestimmen, [wie] er je nach Laune und Seelenzustand die Beiträge des ›Uhu‹-Heftes genießen will.77 Ein Erfolgsfaktor des Uhus ist wohl auch darin zu sehen, dass »weder der erhobene lesepädagogische Zeigefinger noch bildungsbürgerliche Ambitionen« regierten, sondern stattdessen der Unterhaltungsjournalismus dominierte.78 Die charakteristischen Merkmale des Uhu verschwanden mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten; unter einem neuen Titel (Neue Monatshefte – Uhu) sollte das Magazin ab 1933 fortgeführt werden, das Erscheinen wurde ohne jede Vorankündigung im September 1934 eingestellt.79 Drittens ist die Berliner Illustrirte Zeitung zu nennen. Mit einer Auflage von über 1,8 Millionen Exemplaren (1928) liefert sie das beste Beispiel für die konsequente Mehrfachverwertung literarischer Stoffe in Zeitungen und Zeitschriften sowie im Buch- und Filmgeschäft.80 Das Blatt diente als Ort der Erstpublikation für Zeitungsromane; hier wurden Stoffe ohne großes Risiko auf den Marktwert getestet. Ein Beispiel für das gelungene Zusammenspiel ist das Buch Doktor Mabuse, der Spieler von Norbert Jacques, das zunächst seriell in der Berliner Illustrirten Zeitung abgedruckt (1921), dann als Buch publiziert wurde und 1922 als Stummfilm von Fritz Lang bei der hauseigenen Filmverlagsgesellschaft, der UCO, Premiere feierte. Die letzten Folgen des Vorabdrucks in der Berliner Illustrirten konnten mit exklusiven Fotos vom Filmdreh erscheinen.81 Ullstein rekrutierte auch Autoren aus den Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen für geplante Bucherfolge. Dieses bewährte Konzept lässt sich am Beispiel von Vicki Baum veranschaulichen, die als Mitarbeiterin des Uhus, der Berliner Illustrirten Zeitung und als spätere Redakteurin der Modezeitschrift Die Dame u. a. die Bestseller stud. chem. Helene Willfüer (1928) und Menschen im Hotel (1929) schrieb. Bereits im Vorfeld der Publikation dieser beiden Bücher hatte der Ullstein Verlag mit gezielten Marketingmaßnahmen die Fundamente für Vicki Baums große Erfolge gelegt. Während stud. chem. Helene Willfüer in der Berliner Illustrirten Zeitung in Fortsetzungen abgedruckt 76 Uhu. Das Magazin der 20er Jahre, S. 345 –348. Für weitere Beispiele unter dem Aspekt Buch und Autor als Unterhaltungsfaktor vgl. Schneider: Buchkäufer und Leserschaft, S. 179. 77 50 Jahre Ullstein, S. 115. 78 Schneider: Buchkäufer und Leserschaft, S. 179. 79 Seegers: Uhu, Koralle, die Dame und das Blatt der Hausfrau, S. 64. 80 Fischer/Füssel: Voraussetzungen und Entwicklungstendenzen, S. 16. 81 Vgl. Schneider: Eine Stadt liest, S. 76.
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wurde, schnellte die Auflage der Zeitung um weitere 200.000 Exemplare in die Höhe.82 Menschen im Hotel erschien ebenfalls als Vorabdruck in der Berliner Illustrirten Zeitung, wurde außerdem groß in der Vossischen Zeitung beworben und fand auch als Buch reißenden Absatz:83 zunächst im Sommer 1929 mit einer Startauflage von 25.000 Exemplaren, bis 1931 dann mit 56.000 verkauften Exemplaren im Hardcover und schließlich anlässlich der Verfilmung mit Greta Garbo 1932 als Sonderausgabe zu drei Mark, die allein über 100.000-mal verkauft wurde.84
Film und Zeitschriften Wenn die »Verbindung aller Printmedien mit dem neuen Medium Film […] zu den herausragenden Signaturen dieser Epoche« gehört,85 so verwundert es wenig, dass Publikumszeitschriften mit einem Fokus auf das neue Medium Film als Konkurrenz zu literarischen und anderen publikumsorientierten Zeitschriften auf den Markt traten. Es gab jedoch Fachblätter, die sich nicht an das breite Publikum, sondern an den Filmtheaterbesitzer wandten. Aber auch solche Blätter waren mit dem Buch- und Verlagswesen mannigfach verflochten. Ein gutes Beispiel dafür bietet das älteste Filmblatt Deutschlands, Der Kinematograph, gegründet 1907. Mit ihrer vergleichsweise langen Laufzeit von 29 Jahren hat diese Fachzeitschrift die Filmentwicklung streckenweise selbst aktiv mitgestaltet.86 Der Kinematograph, der zunächst im Eduard-Lintz-Verlag erschienen war, ging 1923 an den Scherl Verlag. Für den Scherl Verlag stellte diese Übernahme eine »Ausnahme dar, weil hier eine Zeitschrift direkt an das Stammhaus und nicht wie üblich an Tochterfirmen gebunden wurde«.87 Schorr geht davon aus, dass diese enge Bindung bereits vor der Übernahme entstanden war, worauf auch das überdurchschnittlich hohe Inseratenaufkommen hinweist. Der Kinematograph war im Zeitraum von 1923 bis 1935 ein fester publizistischer Bestandteil des Scherl Verlags, jedoch das deutlich auflagenschwächste Blatt. Schorr vermutet daher, dass die Übernahme 1923 »primär politisch motiviert war«, weil die Hugenberg-Gruppe sich stark in der Filmwirtschaft engagierte.88 So vervollständigte der Scherl Verlag sein Engagement bezüglich des neuen aufstrebenden Mediums, denn er gehörte auch im Bereich der Buchproduktion zu den Verlagen, die sich »relativ rasch auf diese Mediensymbiose ein[stellten]« und das sogenannte Buch zum Film produzierten – erstmals mit dem Druck von Monica Vogelsang im Jahre 1920.89 82 King: Bestsellers, S. 12. 83 Lynda J. King beschreibt in Detail die Erfolgsgeschichte des Hauses Ullstein in Bezug auf die Vermarktung von Vicki Baum in: Lynda J. King: Best-Sellers by Design. Vicki Baum and the House of Ullstein. Detroit: Wayne State UP 1988. 84 Vgl. Fischer/Füssel: Voraussetzungen und Entwicklungstendenzen, S. 22. 85 Fischer/Füssel: Voraussetzungen und Entwicklungstendenzen, S. 16. 86 Vgl. Schorr: Die Film- und Kinoreformbewegung, S. 1. 87 Schorr: Die Film- und Kinoreformbewegung, S. 40. 88 Vgl. Schorr: Die Film- und Kinoreformbewegung, S. 40. 89 Zu den Verbindungen des August Scherl Verlags mit der Filmbranche siehe auch den Beitrag Fischer/Füssel: Voraussetzungen und Entwicklungstendenzen, S. 21 f. in dieser Buchhandelsgeschichte. Zu weiteren Wechselwirkungen zwischen der Zeitschrift Der Kinematograph und der Buchbranche siehe insbesondere Schneider: Buchkäufer und Leserschaft, Unterkapitel
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Populärwissenschaftliche Zeitschriften Eine beachtliche Angebotsvielfalt entwickelte sich auch im Bereich der populärwissenschaftlich ausgerichteten Zeitschriften. In naturkundlicher Richtung taten sich im Untersuchungszeitraum vor allem die Zeitschriften Die Umschau, Der Kosmos und Die Koralle hervor. Die Zeitschrift Der Kosmos erreichte im Jahr 1925 die höchste Auflage ihres fast das ganze Jahrhundert umfassenden Erscheinens (über 200.000 Exemplare); den Vorkriegsstand der Auflagenhöhe hatte sie bereits 1922 erreicht. Doch damit war Der Kosmos kein Ausreißer im Bereich der populären Wissenschaftsvermittlung: Es gab in der Weimarer Republik zahlreiche populärwissenschaftliche Zeitschriften unterschiedlichster Ausrichtung, die im Verlauf der 1920er Jahre Auflagen von mehreren 10.000 Exemplaren erreichten. Während Zeitschriften, die speziell für eine Fachöffentlichkeit produziert wurden wie Die Naturwissenschaften (gegründet 1913), wöchentlich mit einer Auflage zwischen nur 2.000 und 3.000 Exemplaren erschienen, konnten die populärwissenschaftlichen Zeitschriften Naturwissenschaftliche Wochenschrift und Umschau bereits Auflagen von 15.000 bis 20.000 Exemplaren erzielen. Die Umschau beispielsweise »verpflichtete sich […] alle wichtigen Entwicklungen der Naturwissenschaften und Technik […] zu behandeln, wobei auf Fachbegriffe möglichst verzichtet, die Ergebnisse in einen weltanschaulichen Rahmen eingeordnet und graphisch illustriert werden sollten«.90 Noch populärer und einer noch breiteren Öffentlichkeit zugänglich waren Die Koralle (Ullstein; 1925 bis 1944) sowie Technik für Alle und Wissen und Fortschritt. Diese drei Zeitschriften erreichten in den Jahren nach 1927 zusammen eine Auflagenhöhe von über 100.000 Verkaufsexemplaren. Die Koralle, die von der Gründung bis 1933 von dem Schriftsteller Maximilian Kern geleitet wurde – der übrigens einige Abenteuerromane für Jugendliche in der Kamerad-Bibliothek91 (Union) veröffentlicht hatte –, erweiterte ihr Angebot inhaltlich hin zu einer themenungebundenen Publikumszeitschrift und wurde mit einer Auflage von 800.000 Exemplaren im nationalsozialistischen Deutschland zu einem Massenmedium. Eine weitere Besonderheit der Koralle war, dass der Ullstein Verlag sie nutzte, um einerseits Sachbuchautoren zu rekrutieren und andererseits seine Sachbuchproduktion gezielt zu bewerben – eingebettet in thematische Bezüge innerhalb der Zeitschrift sowie durch Anzeigen.92 Die Bandbreite der Zeitschriften, die in der Weimarer Republik als Elemente einer sich stetig ausdifferenzierenden Verwertungskette den Literatur- und Buchmarkt nachhaltig beeinflussten, war mithin beachtlich groß. Die kurzlebigen expressionistischen Zeitschriften der Anfangszeit spielten dabei ebenso eine Rolle wie massenwirksame publikumsorientierte Zeitschriften, die vor allem vom Ullstein Verlag zielstrebig eingesetzt wurden, um das Gesamtkonzept seines Medienimperiums voranzubringen. Ob unabhängig oder parteigebunden, literarisch oder publikumsorientiert: Die Zeitschriften Buch und Film, S. 182 –189, mit S. 188, Abb. 5 (Inserat des Scherl Verlags in der Zeitschrift Der Kinematograph (Nr. 1050, 1927) mit Romanangeboten zur Verfilmung). 90 Schirrmacher: Kosmos, Koralle und Kultur-Milieu, S. 358. 91 Näheres zur Kamerad-Bibliothek im Kapitel Kinder- und Jugendbuch in der Weimarer Republik von Helga Karrenbrock im vorliegenden Teilband. 92 Vgl. 50 Jahre Ullstein. 1877 –1927. Berlin 1927, S. 65. Siehe dazu auch Oels: Mit hundert Sachen erzählt, S. 92 mit Anm. 47.
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waren mehr als ein weiteres wirtschaftliches Standbein für Verlage – manchmal wurden sie den Verlagen wirtschaftlich zum Verhängnis, auch wenn sie zu dessen Imagepflege und zur Autorengewinnung und -förderung einen positiven Beitrag liefern konnten, wie Die literarische Welt. Im Bereich der Unterhaltungszeitschriften wurden Marketingkonzepte immer wichtiger, die das Buch im Konzert der Medien neu platzierten, aber auch von innovativen Verwertungs- und Verkaufsmöglichkeiten Gebrauch machten – wie etwa vom Buchverkauf im Vorraum eines Kinos im Anschluss an den Film. Doch spielten in der Weimarer Republik nicht ausschließlich die Vermarktungsmöglichkeiten und die Wirtschaftlichkeit der Zeitschriften eine Rolle, was nicht zuletzt an den Gründungswellen kleiner, unabhängiger literarischer Zeitschriften zu Beginn der Epoche abgelesen werden kann. Zeitschriften waren in dieser Epoche zentrale Organe der Buchvermittlung – als Prestigeprojekte und wirtschaftliche Standbeine von Verlagen, durch die Anzeige und Rezension von Neuerscheinung, vor allem aber als »Testgelände« für junge Autoren und aktuelle Themen auf dem Buchmarkt, denn: »Zeitungen sind die Chronisten der Zeitereignisse, Zeitschriften sind die Labors und Werkstätten des Geistes einer Zeit und im Buch wird deren Summe gezogen.«93
Literatur Zeitgenössische Fachliteratur und weitere Quellen 50 Jahre Ullstein. 1877 –1927. Hrsg. vom Ullstein-Verlag. Berlin 1927. Best-Seller-Liste Januar 1928. In: Die literarische Welt (1928) 6, S. 9. Nachdruck. Nendeln (Liechtenstein): Kraus Reprint 1973. Best-Seller-Liste September 1927. In: Die literarische Welt (1927) 41, S. 10. Nachdruck. Nendeln (Liechtenstein): Kraus Reprint 1973. Darf der Dichter in seinem Werk Privatpersonen porträtieren? In: Die literarische Welt (1927) 36, S. 1 f. Nachdruck. Nendeln (Liechtenstein): Kraus Reprint 1973. Das Redaktionskollektiv der »Linkskurve«: Zum Preisausschreiben. In: Die Linkskurve (1930) 6, S. 12 f. Nachdruck (Materialismus-Programm 10). Frankfurt am Main: Materialismusverlag, 1978. Der Herausgeber [Haas, Willy]: An unsere Leser und Freunde! In: Die literarische Welt (1927) 13, S. 1. Nachdruck. Nendeln (Liechtenstein): Kraus Reprint 1973. Die Linkskurve: eine literarisch-kritische Zeitschrift. Hrsg. vom Bund Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller Deutschlands. Vollständiges Reprint der Jahrgänge 1 (1929) bis 4 (1932). Glashütten (Taunus): Auvermann 1970. Die Literarische Welt. Auswahl. Zeitgemäßes aus der Literarischen Welt. Hrsg. von Willy Haas. Stuttgart: Cotta 1963. Die Neue Rundschau. Anzeige. Almanach 1925. Berlin: S. Fischer Verlag, S. 287. DÖBLIN, Alfred: Neue Zeitschriften. In: Die neue Rundschau (1919) 5, S. 621 –632. Einführung in diese Nummer. In: Die literarische Welt (1933) 1/2, S. 1. Nachdruck. Nendeln (Liechtenstein): Kraus Reprint, 1973. HAAS, Willy: Die literarische Welt. Erinnerungen. München: List 1960. HEILBORN, Ernst: Fünfundzwanzig Jahre »Literarisches Echo«. In: Das literarische Echo (1922) 1, Sp. 1 –5.
93 Dietzel/Hügel: Deutsche literarische Zeitschriften 1880 –1945. Ein Repertorium, S. 9.
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HENSKE, Werner: Überblick über die Entwicklung der Filmzeitschriften. In: Zeitungswissenschaft (1936) 5, S. 233 –238. Internationale Buchkunst-Ausstellung Leipzig 1927. Sondernummer der Literarischen Welt (1927) 24. JACOB, Heinrich Eduard: Drei Jahre Literarische Welt. In: Die literarische Welt (1927) 40, S. 1 f. KUBCZAK, Viktor: Best-Seller-Listen – eine Gefahr. In: Börsenblatt (1927) 285, S. 1432. Kurzgefaßte Verlagsgeschichte. In: Almanach. Das 48. Jahr. Berlin: S. Fischer Verlag, S. 15 –26. LUTHER, Arthur: Deutschlands literarische Zeitschriften. In: Das deutsche Buch 6 (1926) 7/8, S. 217 –221. MANN, Golo: Vorwort. In: Die letzten Jahre vor Hitler. Aus dem »Tagebuch« 1929 –1933. Hrsg. von Valerie Schwarzschild. Hamburg: Christian Wegner Verlag 1966. MENZ, Gerhard: Die Zeitschrift. Ihre Entwicklung und ihre Lebensbedingungen. Eine wirtschaftsgeschichtliche Studie. Stuttgart: Poeschel 1928. MOLDENHAUER, Dirk: Fixsterne am literarischen Himmel. In: 100 Jahre Rowohlt. Eine illustrierte Chronik. Hrsg. von Hermann Gieselbusch, Dirk Moldenhauer, Uwe Naumann und Michael Töteberg. Reinbek: Rowohlt 2008, S. 46 –50. RANG, Bernhard: Literarische Zeitschriften. In: Hefte für Büchereiwesen (Band 11), (1927) 4/5, S. 241 –253. REIMANN, Hans: Mein blaues Wunder. Autobiographie. München: List 1959. RIETZSCHEL, Thomas: Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut. Eine Einführung in die Aktion. In: Die Aktion 1911 bis 1918. Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst. Köln: Dumont 1986, Sp. 1 –38. SEEGERS, Lu: Uhu, Koralle, Die Dame und das Blatt der Hausfrau. In: 125 Jahre Ullstein. Presseund Verlagsgeschichte im Zeichen der Eule. Hamburg: Axel Springer 2002, S. 62 –69. Sperlings Zeitschriftenadreßbuch. Hrsg. vom Börsenverein der Deutschen Buchhändler. Bearb. Von der Adressbücher-Redaktion des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler. Stuttgart: Sperling. Jahrgänge 1914, 1915, 1923, 1925 –1931, 1933. SUHRKAMP, Peter: Zueignung. In: Neue Rundschau (1934) 12, S. 561 f. UHU. Das Magazin der 20er Jahre. Zusammengestellt und hrsg. von Christian Ferber. Frankfurt am Main/Berlin: Ullstein 1979. Zeitgemäßes aus der »Literarischen Welt« von 1925 –1932. Hrsg. von Willy Haas. Stuttgart: Cotta 1963.
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Siegfried Lokatis 5.2.7 Weltanschauungsverlage Politische Richtungsverlage in einer zerrissenen Gesellschaft Es ist auffällig, dass sich seit dem Ersten Weltkrieg bei der nationalistischen Rechten wie bei der revolutionären Linken, unabhängig also von deren politischen Vorzeichen, ähnliche oder jedenfalls vergleichbare Strukturen der Buchproduktion und -verbreitung entwickelten. Der politischen Radikalisierung und Zersplitterung der Gesellschaft in eine Vielzahl von Parteien, Verbänden, Gewerkschaften und Gesinnungsgemeinschaften entsprach eine Vielfalt von Verlagen von höchst unterschiedlicher Größe und Bedeutung. Diesen politisch antagonistischen Verlagen waren bei aller Verschiedenheit in der vertretenen Programmatik idealtypisch einige interessante Charakteristika gemeinsam. Bücher waren für diese Verlage Botschaften, Träger der jeweiligen Ideologie und Mittel der Propaganda und Schulung. Sie fungierten latent auch als erschwingliches Statussymbol, das Geltungsansprüche aufstrebender Schichten dokumentierte, des Proletariats wie der Angestelltenschaft. Sie bestätigten die alten Mitglieder in ihrer Weltanschauung, sie sollten neue anlocken und überzeugen. Missionarischer Eifer und idealistischer Opfermut erinnern im Gestus gelegentlich an die Praxis religiöser Sekten. Wie bei diesen ist im Einzelfall manchmal schwer zu entscheiden, ob Geschäftsinteresse oder Sendungsbewusstsein dominiert. Insgesamt ist unverkennbar, dass jenseits der etablierten buchhändlerischen Strukturen neue Leserschichten und breite Märkte erschlossen und bewirtschaftet werden konnten. Politische Organisationen, aber auch charismatische Sektenführer entdeckten, dass im Zeitalter der Buchindustrie mit der Verbreitung von Ideologie ein Geschäft zu machen war und sich unter günstigen Umständen gleichsam zwei Fliegen (propagandistische Wirkung verknüpft mit finanzieller Konsolidierung) mit einer Klappe schlagen ließen. Dabei war das politische Verlagsgeschäft, wo es gelang, in der Regel untrennbar verbunden mit eigenständigen Vertriebsstrukturen, allen voran der neuartigen Form der Buchgemeinschaft, die die Abschöpfung der eigenen Klientel in eine kontinuierliche und effiziente Form zu gießen versuchte. Typisch war aber auch die Verbundenheit mit nahe stehenden Zeitungen und Zeitschriften, die Ausnutzung von Mitgliederkarteien und Gemeinschaftsveranstaltungen zu Werbezwecken. So entstanden und stabilisierten sich konkurrierende Milieus, voneinander nach allen Kräften abgeschottete publizistische Verbünde, die häufig politische Borniertheit züchteten und das antirepublikanische Ressentiment festigten. Hier fanden Bücher wie Volk ohne Raum von Hans Grimm oder In Stahlgewittern von Ernst Jünger ihren Absatz, denen auf der Linken die Bücher von Hans Marchwitza oder Willi Bredel entsprachen. Im historischen Rückblick wird klar, dass wir es mit der Entstehung und Ausprägung jener intellektuellen Szenen und buchhändlerischen Strukturen zu tun haben, die später sukzessiv die beiden deutschen Diktaturen prägen sollten: die Verlage der politischen Rechten gehören bei allen »konservativ-revolutionären« Differenzen zur unmittelbaren Vorgeschichte des »Dritten Reiches«, während die hier zunächst in den Mittelpunkt gestellten Verlage der kommunistischen Linken als erfahrungsprägende Vorläufer des DDR-Buchhandels und seines Zensursystems anzusehen sind.
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Linke Verlage in der revolutionären Nachkriegszeit Die linken Verlage der Weimarer Republik entziehen sich dem Versuch eines auf überlieferte Statistiken gestützten Überblicks, denn viele von ihnen agierten außerhalb des organisierten Buchhandels; sie waren weder Mitglied im Börsenverein noch im Adressbuch des Deutschen Buchhandels eingetragen, verweigerten die Abgabe der Pflichtexemplare an die Deutsche Bücherei oder publizierten gar mit fiktiver Verlagsangabe. Sie entziehen sich aber auch weitgehend dem Versuch einer systematischen Ordnung, insofern eine solche nicht nur komplizierte – und wandelbare – politische Zuordnungen (SPD, USPD, SAP, KPD, KAPD, KPO, Anarchosyndikalisten, Freidenker, Pazifisten usw.) zu berücksichtigen hätte, sondern auch eine Vielfalt von Spezialisierungen, etwa die in die Jugendbewegung ausgreifenden Verlage der Nachwuchsorganisationen (Junge Garde, Verlag der Kommunistischen Jugend-Internationale, Arbeiterjugendverlag1), der Roten Hilfe (Mopr-Verlag), Gewerkschaftsverlage (Phönix-Verlag, bzw. Führer Verlag der RGI Rote Gewerkschafts-Internationale, Büchergilde Gutenberg2), Theaterverlage (Arbeiter-Theater-Verlag Alfred Jahn3), Pädagogik- (Das neue Ufer) und Abstinenzlerverlage (Neuland-Verlag). Auch fällt es keineswegs leicht zu definieren, was unter einem linken Verlag zu verstehen sei. So wurden seinerzeit Gustav Kiepenheuer (immerhin der Hausverlag von Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Anna Seghers, Ernst Toller und Arnold Zweig)4, S. Fischer, Rowohlt, Erich Reiss,5 Elena Gottschalk6 und der Verlag die Schmiede AG,7 ja sogar der Malik-Verlag aus proletarischer Sicht entsprechend der Eigentumsform als bürgerlich-kapitalistische Verlage verortet, obwohl doch die meisten links engagierten Autoren und späterhin »verbrannten Dichter« unter diesen Dächern zu finden waren. Die großen Verlage der Massenorganisationen mit eigenem Vertriebsapparat sind deutlich abzugrenzen von der Vielzahl engagierter Kleinstbetriebe mit allenfalls regionaler Bedeutung. Die für alle Phasen der Republik typischen politischen Wirrnisse (Parteiausschlüsse- und Abspaltungen, Aktionseinheiten und Bündnis-Bestrebungen, die sich unfehlbar in Verlags- und Zeitschriftengründungen zu spiegeln pflegten, die Kurzlebigkeit der meisten Verlage auf der einen und die Vielfalt immer neuer Verlagsgründungen auf der anderen Seite) vereiteln jeden Versuch einer vollständigen Verlagstopographie. Zugleich waren die politischen Differenzen in der Regel so ausgeprägt, dass sich kommunistische Verleger nicht ohne weiteres mit Trotzkisten, Anarchosyndikalisten oder gar den als »Sozialfaschisten« bekämpften Sozialdemokraten auf einer Stufe behandeln lassen.
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Altner: Arbeiterjugend-Verlag. Dreßler: Erfüllte Träume. Schütte: Der rote Jahn. Funke: Im Verleger verkörpert sich das Gesicht seiner Zeit, sowie Thema-Stil-Gestalt. 1917 – 1932. Katalog zur Ausstellung anlässlich des 75jährigen Bestehens des Gustav Kiepenheuer Verlages. 5 Halbey: Der Erich Reiss Verlag. 6 Der Elena Gottschalk Verlag. 7 Herrmann/Schmitz: Der Verlag Die Schmiede.
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Vielmehr spiegelten sich die ideologischen Differenzen der linken Verlage tendenziell in deren verlegerischer Organisationsform. So erweist sich ganz im Gegensatz zum Münzenberg-Konzern und der kommunistischen Peuvag (PapierErzeugungs- und Verwertungs-AG) oder zu dem ehrwürdig gewachsenen, seit 1924 in der Holding »Konzentration« gebündelten Medienimperium der SPD mit seinen Druckereien, Verlagen und Buchgemeinschaften das auf den ersten Blick durchaus eindrucksvolle, vom FAUD/S (Freie Arbeiter-Union Deutschlands/Syndikalisten) 1919 gegründete anarchosyndikalistische Publikationssystem des »Kater Konzerns« (Verlag Der Syndikalist, Fritz Kater-Verlag, ASY-Verlag und Gilde freiheitlicher Bücherfreunde) bei näherem Hinsehen mehr oder weniger als ein unerhört produktiver Ein-Mann-Betrieb.8 Während aber die SPD-Unternehmen, allen voran J. H. W. Dietz, der Vorwärts-Verlag und die sozialdemokratische Buchgemeinschaft Der Bücherkreis,9 sich wenigstens Abb. 1: Zusammenstellung linksgerichteter, anarbis 1930 als geradezu staatstra- chistischer und freidenkerischer Verlage, aus: Kulgend betrachten konnten und Zen- turschau. Allgemeiner Anzeiger für die linksgesurmaßnahmen kaum zu fürchten richtete Literatur 1 (1925), Ausgabe A, Nr. 3, S. 63. hatten, operierten Kommunisten und Linksradikale über weite Strecken unter Bedingungen der Illegalität. Für sie war die Zensurfreiheit der Weimarer Verfassung nicht mehr als eine bürgerliche Propaganda-Chimäre. Die Beschlagnahme nicht nur von Büchern, sondern ganzer Druckereien durch die Polizei, die Möglichkeit gerichtlicher Nachzensur, der Ausnahmezustand und das mit dem Verbot einer Organisation einhergehende Verbot ihrer Publikationen sind Erfahrungen, die verbinden. So kam es nicht nur regelmäßig zu Solidaritätsbekundungen freiheitlich gesinnter Schrift-
8 Vgl. Kaiser: Der »Kater Konzern«. 9 Emig/Schwarz/Zimmermann: Literatur für eine neue Wirklichkeit; zum Bücherkreis vgl. van Melis: Die Buchgemeinschaften in der Weimarer Republik.
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gesinnter Schriftsteller, die, wie Rudolf Leonhards »Gruppe 25«,10 oft in der Weltbühne ihre Plattform fanden, sondern auch zu den Protestmanifestationen einer 22 Mitglieder umfassenden, vom Ernst-Oldenburg-Verlag initiierten »Vereinigung linksgerichteter Verleger«,11ein kurzlebiger Zusammenschluss, dessen Bedeutung sich 1925/26 in einer Kampagne gegen das Schmutz- und Schundgesetz12 sowie in dem Versuch erschöpfte, der »Bevormundungsanmaßung des Leipziger Börsenblattes« eine alternative Plattform entgegen zu setzen.13 Einige Verlage repräsentieren streng abgegrenzte politische Milieus, andere bewegen sich in einer fluktuierenden Szene von Independent-Verlagen. Inwiefern der proletarische Leser sich dessen beim Bücherkauf bewusst war und seine Präferenzen äußerte, muss dahingestellt bleiben. In der Summe produzierten die Verlage einen Kanon von Büchern, dem ein hoher politischer Identifikationswert beigemessen wurde. Einen Eindruck davon vermittelt Peter Weiss in der Ästhetik des Widerstands: Wir besaßen eine Auswahl von Majakowskis Gedichten, ein paar Schriften von Mehring, Kautsky, Luxemburg, Zetkin, Lafargue, einige Romane von Gorki, Arnold Zweig und Heinrich Mann, von Rolland, Barbusse, Bredel und Döblin. Statt einer Spitzendecke, einer Porzellanvase hatten meine Eltern immer diese kleinen Blöcke aus dicht geschichtetem, eng mit Kenntnissen, Vorschlägen, Anleitungen bedrucktem Papier gekauft, und auch als das Geld knapp war, konnte es geschehen, daß mein Vater oder meine Mutter mit einem neuen Buch von Toller oder Tucholsky, von Kisch, Ehrenburg oder Nexö nach Hause kam, und wir saßen abends unter der Küchenlampe, lasen abwechselnd draus vor und besprachen untereinander den Inhalt. Von welcher Bedeutung diese Bücher waren und mit welchen Kräften sie uns verbanden, zeigte sich während der Zeit, da immer wieder beim einen oder andern von uns die Polizei einbrach und die Autorennamen als Beweis gegen uns benutzte, und da kam der Besitz von einem Band Lenin Hochverrat gleich.14 Die Autoren, Bücher und Verlage dieser Szene sollten 1933 ausgegrenzt oder vernichtet werden. Besonders in der späten DDR wurde ihrer Erforschung große Aufmerksamkeit gewidmet, wobei umstritten war, was, wie der Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller,15 zur eigenen kommunistischen Tradition und was »nur« zum humanistischen Erbe gehörte. Die Diskussion war verzerrt, weil die erst 1935 auf der »Brüsseler Konferenz« in Moskau beschlossene (und mit dem Hitler-Stalin-Pakt 1939 bis 1941 zwischenzeitlich wieder preisgegebene) antifaschistische Bündnispolitik der KPD von der SED-Geschichtsschreibung als Maß der Dinge gesetzt und unhistorisch zurückprojiziert wurde. Der 1940 vermutlich durch Agenten Stalins ermordete Verleger Willi Münzenberg galt in der DDR lange als Unperson. Wieland Herzfelde und John Heartfield vom 10 Petersen: Die »Gruppe 25«. 11 Schütte: Linke Verlage im Leipzig der Weimarer Republik, S. 29 –39 und ders.: Der Verlag »Die Wölfe«, S. 15 ff.; siehe auch Publikationen der Vereinigung linksgerichteter Verleger. 12 Vgl. Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 2/1, S. 80 f. 13 Vgl. Stucki-Volz: Der Malik-Verlag und der Buchmarkt der Weimarer Republik, S. 171 –177. 14 Peter Weiss: Die Ästhetik des Widerstands, S. 43. 15 Vgl. das der Gründung des BPRS am 19. Oktober 1928 gewidmete Heft der ndl 10/1978.
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Malik-Verlag wurden hingegen als Westemigranten mit dem »Agenten« Noel Field in Verbindung gebracht und diskriminiert. Auch Autoren wie Erich Mühsam, Ernst Toller, B. Traven und Kurt Tucholsky konnten anfangs kaum unzensiert publiziert werden. In der Spätphase der DDR konzentrierte sich die Aufmerksamkeit von Germanisten und Literaturhistorikern verständlicherweise auf solche verschüttete Traditionen. Der Kernbereich des KPD-Verlagswesens, von dem eine deutliche Traditionslinie zum Verlagssystem der DDR führte, musste hingegen im Dunkeln bleiben. Die Dissertation von Karl-Heinz Hädicke Der Parteiverlag der Kommunistischen Partei Deutschlands und der Verlag der Kommunistischen Internationale in Deutschland von 1919 bis 1923, die den folgenden Ausführungen zugrunde liegt, lag aus guten Gründen bis zum Fall der Mauer fest verschlossen und unzugänglich im Berliner Institut für MarxismusLeninismus (IML).
Der zentrale KPD-Verlag Marxistisch-leninistisch betrachtet hat es immer nur einen einzigen offiziellen Parteiverlag der KPD gegeben, Sprachrohr des Zentralkomitees in seiner prinzipiellen Unfehlbarkeit. Von diesem parteilichen Standpunkt aus betrachtet, war der legendenumwobene Münzenberg-Konzern,16 die Kosmos-Verlag GmbH mit ihren Presse- und Filmunternehmen, mit dem Neuen Deutschen Verlag und der Buchgemeinschaft Universum kein echtes Parteiunternehmen, sondern der zweifelhafte, schwer kontrollierbare Ableger einer Hilfsorganisation der Kommunistischen Internationale, »ein peripherer Verlag der Komintern«17 – ganz zu schweigen von einem bündnispolitischen Kompromiss wie dem berühmten Malik-Verlag Wieland Herzfeldes mit seinen parteioffiziell perhorreszierten dadaistisch-expressionistischen Wurzeln und den »formalistischen« Exzessen eines George Grosz und John Heartfield.18 Diese Unternehmen mochten als Propagandainstrumente und Leimruten für Intellektuelle taugen, aber nicht als Garanten von Parteidisziplin und Linientreue und schon gar nicht als gut verborgene, hochkonspirative Zentren des illegalen Untergrundkampfes. Es gab eine Reihe der KPD nahe stehende Verlage, etwa den Verlag Junge Garde, den RGI Verlag Phönix (später Führer Verlag), vermutlich den Taifun-Verlag in Frankfurt oder den Verlag der Kommunistischen Jugendinternationale, dessen Verleger Fritz Schälike, der spätere Leiter des parteioffiziellen Dietz-Verlages der SED, 1927 wegen der Verbreitung »hochverräterischer« Druckschriften wie Kurt Kläbers Barrikaden an der Ruhr zu einjähriger Festungshaft verurteilt wurde.19 Tatsächlich war der offizielle KPD-Verlag so vorzüglich getarnt, dass seine genaue Identität immer noch keineswegs leicht zu greifen ist. Besonders in der illegalen revolutionären Frühzeit galt die Faustregel, dass Drucksachen, Broschüren und Bücher eines als kommunistisch deklarierten Verlages ganz unabhängig von ihrem Inhalt beschlagnahmt wurden. Der Verlag der Roten Fahne hatte schon während der Kämpfe im Dezember 1918 Broschüren produziert, und auch die Spartakus Buchdruckerei und Verlag in Stutt16 17 18 19
Gross: Willi Münzenberg; Surmann: Die Münzenberg-Legende. Hädicke: Der Parteiverlag der Kommunistischen Partei Deutschlands, S. 102. Faure: Im Knotenpunkt des Weltverkehrs. Vgl. Kaul: Imperialistische Gesinnungsverfolgung und Gesinnungsbegünstigung, S. 37 –48.
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gart-Degerloch war eine einschlägig bekannte Adresse. Daher erklärt sich die Praxis, getarnt unter bürgerlichem Dach zu publizieren, wobei zur Verunklarung des Profils hin und wieder auch relativ unpolitische Literatur herausgebracht wurde. Deshalb wechselte der Parteiverlag mehrfach den Namen. Als erster Buchverlag der KPD wurde die VulkanVerlagsgesellschaft mbH von dem »ständigen Begleiter Karl Liebknechts« Otto Franke20 in Leipzig gegründet (16. Mai 1919). Daraus entstanden Frankes Verlag (29. September 1919) und die Vereinigung internationaler Verlagsanstalten (VIVA), die 1921 aus dem Zusammenschluss von Frankes Verlag mit dem 1922 wieder ausgeschiedenen Verlag A. Seehof & Co. in Berlin gebildet wurde, schließlich der Internationale Arbeiterverlag21 (1927 – 1933) mit dem Agis-Verlag (1924 – 1932), einem 1926 separierten Literaturvertrieb, bei dem die KPD »bewusst im Hintergrund blieb«, um ein bürgerliches Publikum zu erreichen.22 Bei genauerem Hinsehen erweisen sich schon die frühesten Erscheinungsformen des Verlages, der Leipziger Vulkan-Verlag wie dessen Nachfolger Frankes Verlag als reine Auslieferungsfirmen, deren Personal sich weitgehend aus Expedienten, Packern und Vertriebsfachleuten zusammensetzte. Die verlegerischen Entscheidungen fielen hingegen unmittelbar im ZK, wo sie zunächst in dessen auch als »Literaturabteilung« bezeichnetem »Literaturbüro« getroffen wurden, seit 1922 in der »Abteilung Bildung« als »kollektivem Lektor«. Dabei galt die konspirative Grundregel, dass die zuständigen Parteiführer – und um Verlagsdinge kümmerten sich mit Clara Zetkin, Edwin Hoernle, Hugo Eberlein, Wilhelm Pieck und Ernst Schneller durchaus Politiker der ersten Garnitur – nicht als verantwortlich für den Verlag in Erscheinung treten durften, um den strafrechtlichen Risiken auszuweichen. Aber auch die Namen der funktionstragenden Verlagsleiter wurden als Geheimsache gehandelt: Paul Frassek und Wilhelm Firnhaber, Rosi Wolfstein, J. Deutsch (1924/1925), Robert Siewert, die drei späteren DDR-Verleger Hans Holm (Zentrag und Urania-Verlag), Bernward Gabelin (Akademie-Verlag), Bruno Peterson (Neues Leben) sowie Kurt Kläber (d. i. Kurt Held, der Autor der Roten Zora), der als künstlerischer Leiter des Internationalen Arbeiterverlages für die Reihen »Der internationale Roman« und »Der Rote 1-Mark-Roman« zuständig war.23 Trotz aller Vorsicht war der KPD-Buchhandel immer wieder verheerenden Rückschlägen ausgesetzt, etwa wenn »Noske-Truppen« im Februar 1919 die von der ROSTA (Rossiskoje telegrafnoje agentstwo) geschickten Druckmaschinen in der Zentrale in der Friedrichstrasse mit Handgranaten gesprengt hatten.24 Am 17. September 1919 wurde in der Wohnung Rosi Wolfsteins neben den Kassenbüchern und Stempeln das gesamte Adressenmaterial der KPD mit den Adressen der Druckereien beschlagnahmt, worauf eine reichsweite Hausdurchsuchungs- und Verhaftungswelle einsetzte.25 Man machte gute Erfahrungen damit, private Druckereien wie Maurer & Dimmick in die Produktion einzubeziehen, und hilfreich war auch, dass die USPD 1920 einige 20 21 22 23 24 25
Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, S. 136 f. Hädicke: Internationaler Arbeiter-Verlag, S. 227 f. Schütte: Agis-Verlag, S. 2; siehe auch ders.: Der Agis-Verlag Berlin und Wien. Vgl. Barck: Kurt Kläber, S. 254 –256. Vgl. Hädicke: Der Parteiverlag der Kommunistischen Partei Deutschlands, S. 39. Vgl. Hädicke, S. 56.
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ihrer insgesamt angeblich 55, allerdings hauptsächlich auf Zeitungsdruck (Hamburger Volkszeitung, Ruhr-Echo usw.) eingestellten Druckereien als Mitgift bei der Vereinigung zur VKPD mitbrachte. Als deren Dachgesellschaft wurde dafür 1920 die SternDruckerei-GmbH eingerichtet (19. Mai 1921), aus der später die Peuvag hervorging; doch verfügte die Partei über keine eigene Buchbinderei.26 Die zunehmende Inflation machte sich vor allem beim Papierpreis bemerkbar: in der verschlüsselten Korrespondenz Clara Zetkins wurde »Papier« als »Platin« codiert.27 Der Komintern-Beauftragte Karl Retzlaw erfuhr durch seine Tätigkeit bei der VIVA mit ihren »ungefähr fünfzehn Angestellten praktisch die Plagen eines kleinen Unternehmens in der Inflation. Wenn die Rechnungsbeträge für gelieferte Bücher nach einigen Wochen beim Verlag eingingen, reichten sie kaum für das verauslagte Porto aus.«28
Illegale Verlagstätigkeit der Komintern Der Verlag der Kommunistischen Internationale operierte womöglich noch diskreter als der KPD-Verlag. Der Verlag war der führenden Lenin-Übersetzerin Frida Rubiner zufolge aus dem Berner Promachos-Verlag hervorgegangen, der seit 1917 Schriften über die Zimmerwalder Konferenz, von Bucharin, Lenin und Trotzki von der Schweiz aus in Deutschland verbreitet hatte. 1919 operierte der KI-Verlag von St. Petersburg (Petrograd) aus und verschiffte seine in Säcke verpackte subversive Literatur unter BlockadeBedingungen über Norwegen nach Hamburg, wo die Fracht von den Genossen im Hafen bei Nacht gelöscht wurde. Seit 1920 fungierte die Verlagsbuchhandlung Carl Hoym Nachf. Louis Cahnbley in Hamburg als Verlag der KI, bzw. als Auslieferung eines Verlags der Kommunistischen Internationale, um deren Literatur einen legalen Zugang zum Buchhandel zu schaffen, allerdings unter Benutzung verwirrender und teilweise fiktiver Verlagsangaben. Geleitet wurde der Verlag im unmittelbaren Auftrag Lenins von dessen Geldboten James Thomas (Reich) im Westeuropäischen Sekretariat (WES) des Exekutivkomitees der KI, das 1919 in der Berliner Leibniz-Buchhandlung residierte. Durch die Buchhandlung ließ Thomas wichtige Bücher und Zeitschriften für einige Mitglieder der russischen Regierung einkaufen. Die Bücherpakete für Lenin, Trotzki, Radek, Bucharin und Sinowjew stellte Thomas selbst zusammen. […] Thomas war ein begabter Verleger. Er bestimmte Satz, Druck und Einband der Bücher und Broschüren. Wie es bei kommunistischen Druckaufträgen üblich war, mußte die fertige Auflage sofort abgeholt und sichergestellt werden, sie wurde auf mehrere Lager verteilt. Auch in ›legalen‹ Zeiten war die Verbreitung verschiedener kommunistischer Schriften verboten. Ein Lagerkeller war ungefähr 500 Meter vom Polizeipräsidium entfernt, nach der Bemerkung Lichtenbergs, dass die Fliege am sichersten auf der Nase des Mannes mit der Klappe ist. Von den Kellern aus wurden 26 Vgl. Hädicke, S. 137, 165. 27 Vgl. Hädicke, S. 42. In einem Schlüsselverzeichnis vom 23. März 1919 wurden ferner die KPD als »Subdirektion« und der Bezirk als »Filiale« bezeichnet. Weiter hieß es u. a. Buchhandlung = Tombak, Druckerei = Messingspäne und Verlag = Feingold. 28 Retzlaw: Spartacus, Aufstieg und Niedergang, S. 221 f.
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5 V er lagsw es en die Schriften an die Buchhandlungen und Büros der Partei geschickt. Keines unserer Lager ist jemals von der Polizei ausgehoben worden.29
Nach dem KPD-Verbot im Herbst 1923 wich der KI Verlag vorübergehend nach Wien (dort verantwortlich: Dr. Johannes Wertheim) aus und firmierte seit 1924 als Verlag für Literatur und Politik Wien-Berlin.30 James Thomas gab auch eine berühmte Illustrierte Geschichte der Russischen Revolution heraus. Nachdem er sich später weigerte, Bilder Stalins dort hineinzumontieren, galt er als Trotzkist.31 Über die Komintern wurde die junge KPD mit Geldkoffern und Juwelen subventioniert. Allerdings wusste nicht einmal Hans Holm als Verlagsleiter, welche Mittel die Komintern eigentlich zur Verfügung stellen würde. »Er wußte nur, dass er das notwendige Geld zur Begleichung der Rechnungen erhalten würde und hatte danach zu streben, dass bei Einhaltung von Termin – dem wichtigsten Punkt – und Qualität dem Herstellungsbetrieb der günstigste Preis abgerungen werden mußte.«32 Eile war im Parteiverlag oberstes Gebot: »Immer wieder mußten wir hören, hier liegen die vielen unverkauften Exemplare. Sie sind viel zu spät eingetroffen. Versammlungen der Partei waren vorbei.« Um Massenumsatz zu erreichen, musste »der Vertrieb mit der geplanten Kampagne der Partei, den vorgesehenen Versammlungen und Demonstrationen koordiniert« werden. »Die Matern eines Buches gingen gleichzeitig an verschiedene Bezirksdruckereien, um die Auslieferung zu beschleunigen. […] Es gab manchen aufregenden Tag oder mehrere, wenn ein Wechsel bis mittags 13 Uhr eingelöst werden mußte und die fällige Summe nicht verfügbar war. […] Eine geeignete Methode, der Beschlagnahme von Büchern zu entgehen war, die einkommenden Sendungen sofort an die vielen Litobleute zu versenden.«33 Schnellstmögliche Produktion möglichst hoher Auflagen und rasche Verteilung in den Bezirken schien der beste Schutz vor Beschlagnahmung. Die Subventionswirtschaft hatte eine Überproduktion an Literatur zur Folge, dem das weitgehend im Untergrund operierende, stets durch Konfiskation gefährdete Vertriebssystem zumindest anfangs in keiner Weise gewachsen war. Zwischen November 1918 und Oktober 1919 gab die Zentrale 1,77 Millionen Broschüren heraus und hatte weitere 558.000 in der Herstellung. Die erste Broschüre Was will der Spartakus-Bund war schon vor der Gründung der KPD beim Zentralorgan Rote Fahne erschienen (14. Dezember 1918) und hielt im Sommer 1920 mit 613.500 Exemplaren den Auflagenrekord. Bis dahin waren insgesamt 72 Titel in einer Gesamtauflage von 2,7 Millionen Exemplaren erschienen.34 Es handelte sich vorwiegend um »Dokumente« der Partei, Parteitagsprotokolle und Programmschriften, um einzelne Arbeiten Rosa Luxemburgs, Agitprop und Kampfschriften von Parteiführern wie Paul Frölich (Die bayrische Räterepublik) oder Edwin Hoernle, um Zeitschriften wie Die Internationale und die Russische Korrespondenz sowie um Arbeiten Lenins, Bucharins und Trotzkis. 29 30 31 32 33 34
Retzlaw, S. 197 f. Hädicke: Verlag für Literatur und Politik, S. 484 f. Vgl. Retzlaw: Spartacus, Aufstieg und Niedergang, S. 197. Hädicke: Der Parteiverlag der Kommunistischen Partei Deutschlands, S. 103. BA DY 63, 2010, Hans Holm, Vereinigung internationaler Verlagsanstalten (o.D., 1969). Vgl. Hädicke: Der Parteiverlag der Kommunistischen Partei Deutschlands, S. 124.
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Die Werke von Marx und Engels überließ die KPD zunächst weitgehend der SPD und dem J. H. W. Dietz Verlag. Erst Ende der zwanziger Jahre begann die Edition der ersten, von David Rjasanow am Moskauer Marx-Engels-Institut herausgegebenen Bände der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) im Marx-Engels-Verlag GmbH. Belletristische Werke und Reportageliteratur kommunistischer Autoren, eher die Domäne von Verlagen wie Malik und Kiepenheuer, fehlten im frühen Programm des KPDVerlages. Erst 1922 erschienen ein Roman und vier Märchen Hermynia zur Mühlens bei der VIVA. Man druckte trotz vieler Vorbehalte Schriften über den Bandenführer und politischen Märtyrer Max Hölz, der beim Besuch der überwachten Buchhandlung Franz Pfemferts verhaftet worden war,35 aber auch polnische und französische Texte zur Agitation in Oberschlesien und gegen die Besatzung im Ruhrgebiet. Die Buchproduktion eines KPD-Verlages blieb letztlich »eher dem Zufall, den Wünschen Moskaus oder den jeweiligen Kampagnen der Komintern überlassen.«36
Vertriebsprobleme Bei Ausgaben von 1,4 Millionen Mark im dritten Quartal 1919 betrugen die Einnahmen des ausschließlich über die Bezirkssekretariate abgewickelten Literaturvertriebs trotz einer »Überschwemmung der Provinz mit Broschüren« (Paul Levi)37 und hohen Rabatten von 50 % im selben Zeitraum nicht mehr als 5.525,51 Mark.38 Ein Hauptgrund dafür dürfte, abgesehen von den konspirativen, noch unausgereiften Vertriebsmethoden, in der schwach ausgeprägten Zahlungsmoral der Genossen zu sehen sein. Bezeichnend ist aber wohl auch die folgende von dem Untergrund-Organisator und Parteiverleger Karl Retzlaw überlieferte Episode: Einige Wochen später traf ich den Drucker unserer illegalen Blätter. Er fragte mich entrüstet: ›Warum wurden die 50.000 Flugblätter nicht abgeholt, die Ihr Nachfolger bestellt hatte?‹ Ich wußte von nichts, doch prüfte ich die Sache nach und stellte fest, dass Heinz Neumann anstelle der unterzubringenden Menge 2 – 3000 Blätter gleich 50.000 bestellt hatte und damit Brandler, dem er vorgehalten hatte, dass ich ›zu kleinlich arbeite‹, beeindruckte. Die 50.000 Flugblätter waren zwar sofort bezahlt, aber nicht zum vereinbarten Termin abgeholt worden. Der beunruhigte Drucker hatte sie dann in Paketen verpackt in die Spree geworfen.39 In einem von Hugo Eberlein gegebenen Geschäftsbericht für den III. Parteitag (25./26. Februar 1920) heißt es: Die größten Summen unserer Ausgaben sind allgemein in unsere Literatur gesteckt worden. Und Sie werden zugeben müssen, dass wir im Laufe eines Jahres Literatur geschaffen haben wie keine andere Partei. […] wir haben eine umfangreiche Literatur, und wir können uns in der Herstellung weiterer literarischer Erzeugnisse einschränken. Diese Einschränkung dachten wir uns so, dass wir die Gelder, die wir 35 36 37 38 39
Vgl. Retzlaw: Spartacus, Aufstieg und Niedergang, S. 203. Gross: Willi Münzenberg, S. 166. Hädicke: Der Parteiverlag der Kommunistischen Partei Deutschlands, S. 50. Vgl. Hädicke, S. 82 f. Retzlaw: Spartacus, Aufstieg und Niedergang, S. 244.
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5 V er lagsw es en durch Verkauf von Literatur einbekommen, lediglich verbrauchen zur Herstellung neuer Literatur und keine Zuschüsse mehr dazu verwenden. […] wir haben ungeheure Mengen von Literatur lagern; ihr braucht euch nur zu bemühen um Leute, die die Literatur absetzen.40
Doch auch 1921 erhielt die VIVA bzw. Frankes Verlag 2,9 Millionen Mark an Zuschüssen, während das gesamte Beitragsaufkommen der KPD in diesem Jahr 720.593,97 betrug41, und in dem Quartal von Juni bis August 1922 lagen die Subventionen durch die Zentrale immer noch dreimal so hoch wie die Einnahmen.42 Im August 1922 verfügte die VIVA über 19 Ladengeschäfte, hinzu kamen auf dem Papier 25 Literaturvertriebsstellen der Bezirke und 5 zentrale Literaturvertriebsstellen.43 Aber kurz zuvor hatte ein Verlagsvertreter 11 Bezirksleitungen besucht, um festzustellen, dass nur in Jena, Gera und Frankfurt ein befriedigender Literaturvertrieb existiere: »Ansonsten hieß es immer wieder, daß jetzt die Voraussetzungen geschaffen seien oder alles liege derzeit am Boden bzw. sei die Lage trostlos.«44 Als Gegenmaßnahme gegen den »lächerlich geringen« Literaturumsatz45 wurde die Leipziger Zweigstelle der VIVA aufgelöst und deren Leipziger Vertretung dem Kommissionär Fa. Otto Klemm (geführt von dem Lyriker und späteren Mitgründer des westdeutschen Börsenvereins Wilhelm Klemm) übertragen, der zusätzlich auch die Kommission für den Komintern-Verlag übernahm. Der Buchhandel sollte fortan regelmäßig kontrolliert werden, um der kommunistischen Literatur auch in den Buchhandlungen der SPD, der USPD und der Gewerkschaften zum Durchbruch zu verhelfen. »Wir wollen versuchen, für diese Reisetätigkeit ein Kartellverhältnis mit dem Phöbus Verlag, dem Verlag Carl Hoym, dem Verlag der kommunistischen Fraueninternationale, dem Verlag der Jugendinternationale und dem Verlag Junge Garde herzustellen.«46 Während der Inflation orientierte man sich bei der Preisfestsetzung an den SPDVerlagen und versuchte diese grundsätzlich zu unterbieten.47 Ein wichtiges Aushilfsmittel wurde ferner die reichsweite Anlage illegaler Literaturlager, wovon auffällig oft die Rede war, etwa zur Vorbereitung des Ruhrkampfes.48 Es wurden auch drei Eisenbahnwaggons mit originalverpackter kommunistischer Literatur über den III. Weltkongreß 1921 entdeckt, die als Makulatur für eine Papierfabrik in Waldheim bestimmt war, was man in Moskau dem verantwortlichen Verleger Frassek als politische Sabotage ankreidete.49 Im Oktober 1923 wurden nach einer Buchhändlerkonferenz weitere Maßnahmen festgelegt. Demnach hatten z. B. der »Ortsliteraturobmann« und die »Abteilungsliteraturobleute« der Großbetriebe regelmäßig alle Versammlungen »der Partei, der Gewerk40 41 42 43 44 45 46 47 48 49
Retzlaw, S. 117 (Bericht über den 3.Parteitag der KPD am 25. und 26.Februar 1920, S. 43). Vgl. Hädicke: Der Parteiverlag der Kommunistischen Partei Deutschlands, S. 230. Vgl. Hädicke, S. 257. Vgl. Hädicke, S. 263. Hädicke, S. 245. Hädicke, S. 244. Rosi Wolfstein setzte auf einer Bezirkssekretärkonferenz am 25. Mai 1922 den monatlichen Umsatz auf 80.000 –90.000 Mark an. Die monatlichen Subventionen durch die Zentrale erreichten hingegen längst die Millionengrenze. Hädicke, S. 251. Vgl. Hädicke, S. 242. Vgl. Hädicke, S. 292. Vgl. Hädicke, S. 199 ff.
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schaften, der Genossenschaften, der Sportorganisationen, der gegnerischen Parteien usw.« durch ihre Literaturverkäufer zu beliefern. Die Agitationsabteilung sollte die Buchwerbung mit Prospekt- und Werbematerial unterstützen, Arbeitslose und Zeitungsausträger zum Literaturvertrieb heranziehen, sowie die Adressen der Zeitungsabonnenten den Buchwerbern zur Verfügung stellen. Als Literaturverkäufer waren »vor allem Genossen zu wählen, die ein freundliches Auftreten haben, sich nicht so leicht abweisen lassen und nicht gleich beleidigt sind.« Diese hatten die Parteineulinge systematisch mit dem Kanon zu bearbeiten und sollten jedes sonst noch gewünschte Buch »auskundschaften« und beschaffen. Besondere Akzente galten dem Straßenverkauf und dem Massenvertrieb bei Demonstrationen.50 Einem Erinnerungsbericht zufolge trafen sich in den Städten die KPD-Ortsgruppen tatsächlich »wenigstens einmal im Monat« zur sogenannten Haus- und Hofpropaganda. »Die ganze Partei wurde mobilisiert. Der Literaturobmann beschaffte die Broschüren und das Material, und dann wurde der Bezirk, in dem diese Gruppe existierten, auf alle Genossen aufgeteilt. Jeder ging los, und keiner durfte mit der Broschüre wiederkommen. […] da wurden Genossen Referenten aufs Land geschickt, einzeln oder zu zweit. Die bekamen kein Geld und keine Tagesspesen, sondern kriegten Fahrgeld. […] und dann bekamen sie ein Paket Literatur mit, und von dem Verkauf dieser Literatur mußten sie leben.«51 Als nach dem KPD-Verbot von 1923 Willi Münzenberg und Babette Gross den Neuen Deutschen Verlag »ohne Verteilerapparat, ohne Beziehungen zum Buchhandel, aber voller Enthusiasmus und Verbissenheit« aufbauten, kümmerten sie sich zunächst um den Vertrieb: »Wir reisten von Bezirk zu Bezirk, verhandelten mit den Bezirksleitungen der Partei, saßen in rauchigen Parteilokalen mit Kolporteuren und schufen langsam ein Netz von eigenen Vertriebsstellen, die ihre festen Abnehmer durch eigene Austräger belieferten.«52 1926 gründete Münzenberg mit der Universum-Bücherei für Alle sogar eine kommunistische Buchgemeinschaft, die trotz Wirtschaftskrise 1932 mehr als 20.000 Mitglieder umfasst haben soll.53 Der Malik-Verlag betrieb eine eigene, das Programm von 23 linken und »progressiven bürgerlichen Verlagen« repräsentierende Buchhandlung mit angeschlossener Kunstgalerie, denn, so Wieland Herzfelde: Wir wurden uns klar darüber, dass dem Malik-Verlag wie überhaupt allen linken Verlagen, etwas fehlte, nämlich eine zentrale, moderne Buchhandlung, die kein mehr oder minder gepflegter Kram- und Luxusladen war, sondern ein politisch wie künstlerisch tonangebendes Unternehmen. Wenn bisher die bürgerlichen Buchhandlungen unsere und erst recht die Parteiliteratur boykottierten oder nur als Randerscheinungen 50 Vgl. Hädicke: Der Parteiverlag der Kommunistischen Partei Deutschlands, S. 364 –371; Siehe auch Die revolutionäre Literatur. Richtlinien für den Literaturbetrieb. In: Der Parteiarbeiter. 1. Jg., Berlin, 15. Oktober 1923, Nr. 13). 51 Sozialistische Verleger und Buchhändler berichten über ihre Arbeit vor 1933. Stenografisches Protokoll, S. 21. 52 Gross: Willi Münzenberg, S. 163. 53 Lorenz: Die Universum-Bücherei; Lorenz: Universum-Bücherei für Alle, S. 1 –31; Lorenz/ Sommer: Universum-Bücherei für Alle. Ein Nachtrag, S. 22 –32.
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5 V er lagsw es en behandelten, so sollte eine noch nie dagewesene Buchhandlung beweisen, dass eine solche Haltung nicht nur unwürdig, sondern geschäftlich überholt sei.54
In der DDR schwärmten die Veteranen vor den Volksbuchhändlern von den guten alten, heroischen Zeiten, als die KPD »eine große Armee von Literaturverkaufsleuten« mobilisieren konnte und im Sportpalast »100 Genossen Bücherstapel unter den Arm gedrückt bekamen«, die durch die Reihen gingen, um Sacco und Vanzetti zu verkaufen:55 Wir haben im Jahre 1928 im Sportpalast in Berlin, der 80.000 Menschen faßt, eine Veranstaltung für die Freunde der Universum-Bücherei gemacht und sooo einem Programm für Berlin. Willi Münzenberg hat das Referat gehalten, Autoren haben gesprochen, Marlene Dietrich hat rezitiert; dann war von Weil (sic) der große Arbeiter-Sängerchor, dann ein Drei-Sekunden-Funk, bei dem Otto Heller, Egon Erwin Kisch, fünf, sechs Autoren auf der Bühne eine Funkszene über die Bücher, sauber zurechtgelegt, brachten. Das war sehr groß getrommelt. […] Der Sportpalast war proppenvoll. Im Parterre war am Eingang ein Buch in Türgröße aufgestellt. Jeder mußte es aufmachen und sich den Schutzumschlag anschauen. Jeder Eingang war mit einem Buch verkleidet, auch im Rang. Die Tribüne, die es im Sportpalast nicht gibt, mußten wir aufbauen. John Heartfield und andere Künstler haben in ungeheuren Ausmaßen Büchertitel als Rückwand dargestellt.56 Das war aber erst Ende der zwanziger Jahre, während der frühe Parteibuchhandel in besonderem Maße einer alten Forderung Lenins entsprach, dass »die literarische Tätigkeit keine Quelle des Gewinns von Einzelpersonen oder Gruppen sein« dürfe.57
Abweichler von der »Linie« Lenin hatte jedoch vor allem auch ideologische Homogenität mit dem Programm und den Beschlüssen der Kommunistischen Internationale gefordert. Die Verlage, »Rädchen und Schräubchen« des von der Avantgarde bewegten Mechanismus, dürften »keine Politik treiben, die nicht vollständig der Politik der Partei« entspräche. Das war in den 21 Punkten der Komintern von 1920 sogar die allererste Aufnahmebedingung für linke Parteien.58 Nach dem II. Parteitag im Oktober 1919 wurde in Rundschreiben der KPDZentrale politische Klarheit als bildungspolitisches Ziel eingefordert.59 Kein Titel durfte mehr ohne Beschluss der Zentrale erscheinen, ja, jedes einzelne Manuskript musste wie ein Beschluss behandelt werden, der vom Verlag nicht verändert werden durfte.60 54 Nössig/Rosenberg/Schrader: Literaturdebatten in der Weimarer Republik, S. 386. 55 BA DY 30, 42666 (Dietz-Bestand), Aussprache des Dietz-Verlags mit Bezirksbuchhändlern am 10. Juli 1956. 56 Sozialistische Verleger und Buchhändler berichten über ihre Arbeit vor 1933. Stenografisches Protokoll, S. 30 f. 57 Lenin: Parteiorganisation und Parteiliteratur. In: Werke, Bd. 10, S. 30 f. 58 Lenin, S. 30 f. und 197. 59 Lenin, S. 106. 60 Lenin, S. 102 und 104.
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Die notorischen Richtungskämpfe in der Parteiführung spiegelten sich in den Auseinandersetzungen um einzelne »richtungsweisende« Publikationen. So musste die KPZentrale Brandlers Verteidigung der Märzoffensive von 1921 (»War die Märzoffensive ein Bakunin-Putsch?«), die sie trotz einer »unter Mitwirkung von W. I. Lenin getroffenen Vereinbarung zwischen der Mehrheit der Zentrale und der Opposition«, auf die Herausgabe zu verzichten, publiziert hatte, wieder zurückziehen: »Am 1. August 1921 beschloß die Zentrale: Broschüre ›Märzoffensive‹ ist sofort wieder einzuziehen und einzustampfen.«61 Paul Levi publizierte seine Kritik an der Offensivtheorie, wegen der er im April 1921 aus der KPD ausgeschlossen wurde, Unser Weg – Wider den Putschismus gar nicht erst im Parteiverlag, sondern bei A. Seehof & Co., dessen von dem nächsten »Renegaten« Ernst Reuter-Friesland ohne schriftlichen Vertrag betriebene Fusion mit Frankes Verlag zur VIVA bald darauf in einem grotesken Intrigenkampf scheiterte, wobei die KPD-Führung nicht einmal davor zurückschreckte, die Polizei zu holen. »Durch Levis Verrat wurde zugleich aber eines der bedeutendsten verlegerischen Ziele der Zentrale der KPD in Frage gestellt: die Herausgabe des unveröffentlichten Teils des Nachlasses von Rosa Luxemburg.«62 Stattdessen publizierte Levi aus dem Nachlass Rosa Luxemburgs am 7. Dezember 1921 ihre für die KPD schwer verdauliche Lenin-Kritik Die russische Revolution in dem Verlag Gesellschaft und Erziehung (Berlin-Fichtenau).63 Von Moskau eingeforderte Selbstdemontagen wie die Vorbereitung des bewaffneten Aufstands im Herbst 1923 oder die Sozialfaschismuskonzeption, die bis 1935 nicht die NSDAP, sondern die SPD zum Hauptfeind erklärte, hatten weitere erbitterte Auseinandersetzungen zwischen den Rechten, Linken, Ultralinken, USPD-lern, Offensivtheoretikern, Versöhnlern der Mittelgruppe, Luxemburgisten usw. in der Parteiführung nebst resultierenden Absetzbewegungen, Ausschlüssen, Sezessionen und Gegengründungen zur Folge. Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass praktisch alle notorischen Absplitterungen von der KAPD bis zur KP-Opposition (KPO) sich in der kommunistischen Verlagsgeschichte gespiegelt haben. Der Kampf um die Macht in der Partei war immer auch zugleich eine Auseinandersetzung um den Zugriff auf Publikationschancen. Zu den wichtigsten Autoren des KPD-Verlages, deren Schriften nach ihrer Trennung von der Partei aus dem Kanon verbannt wurden, zählten u. v. a. Heinrich Brandler, Paul Frölich, Karl Korsch und August Thalheimer. Eine ganze Reihe kleinerer linker Verlage und Zeitschriften dienten oder entstanden sogar als publizistische Plattformen solcher »Abweichler«. So publizierte die nach dem Heidelberger Parteitag abgesonderte KAPD (u. a. Franz Jung, Otto Rühle, Heinrich Vogeler) fortan in der berühmten expressionistischen Aktion Franz Pfemferts, wo sich früher die Gründer des Malik-Verlages gesammelt hatten und Lenins Staat und Revolution erschienen war, oder, wie Adam Scharrer, im Proletarier und im Verlag der KAPD. Otto Rühle betrieb seit 1924 den »Verlag am anderen Ufer« in Dresden.64 Paul Levi gab nach seinem Ausschluss die Zeitschrift Unser Weg in der Internationalen Verlagsanstalt (Berlin) heraus.65 Heinrich 61 62 63 64 65
Hädicke: Der Parteiverlag der Kommunistischen Partei Deutschlands, S. 147. Hädicke, S. 151. Vgl. Hädicke, S. 189. Vgl. Drust: Alice Rühle-Gerstel, S. 407 f. Vgl. Hädicke: Der Parteiverlag der Kommunistischen Partei Deutschlands, S. 150.
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Brandler, Paul Frölich, August Thalheimer und Jacob Walcher von der KPO stützten sich seit 1928 auf die Zeitschrift Gegen den Strom der KPD-Ortsgruppe Breslau im Berliner Junius-Verlag,66 Robert Siewert (KPO) auf die Arbeiterstimme, der Leninbund um Ruth Fischer auf den Volkswillen. Der ausgeschlossene Wilhelm Herzog brachte 1929 sein Forum gegen den »kommunistischen Hugenberg« Willi Münzenberg in Stellung.67 Karl Plättner finanzierte 1921 die Broschüre Der organisierte rote Schrecken! Die kommunistischen Paradearmeen oder organisierter Bandenkampf im Bürgerkrieg gar durch einen Banküberfall und verpasste ihr den seltsamen Verlagsort »Druck der Hausdruckerei des Ministeriums für öffentliche Unsicherheit (Gustav Noske Nachfolger, Inhaber Hörsing)«.68 Auch die meisten leitenden Mitarbeiter der frühen KPD-Verlage (Paul Frassek, Babette Gross, Julian Gumperz, James Thomas, Emmanuel Laub, Karl Retzlaw, Arthur Seehof, Robert Siewert, Rosi Wolfstein) galten später, zu DDR-Zeiten, ähnlich wie die ermordeten Otto Katz und Willi Münzenberg mehr oder weniger als »Abweichler« und »Unpersonen«. Felix Halle, der Münzenberg den Neuen Deutschen Verlag geschenkt hatte, und der Lektor der Universum-Bücherei Albert Hotopp69 wurden in der Sowjetunion unter »falschen Anschuldigungen« verhaftet und erschossen.
Politische Verlage der rechten Szene Auch eine Skizze des rechten Verlagswesens in der Weimarer Republik sieht sich in gravierender Weise vor das Problem der Abgrenzung gestellt, allein schon durch die Beobachtung, dass einige der wichtigsten Bücher der Vordenker der Konservativen Revolution in bürgerlichen Traditionsverlagen erschienen sind. So finden sich Gobineau bei de Gruyter, Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes bei C. H. Beck (1920/ 1922) und Arthur Moeller van den Brucks Der preussische Stil bei R. Piper (1922). Der völkische Literaturpapst Adolf Bartels schrieb für den Reclam-Verlag einen Führer durch die Universal-Bibliothek (Weltliteratur, 1918/1919). Bei List erschien u. a. eine faschistische Mussolini-Vita, und der Putschist August Winnig war Hausautor bei Cotta, bevor er zur Hanseatischen Verlagsanstalt ins völkische Lager wechselte. Nun macht ein Buch kein Programm, und Die Geächteten des Rathenau-Mörders Ernst von Salomon (1930) bildeten im Umfeld des Rowohlt-Verlags kaum mehr als eine auffällige Randerscheinung. Doch hat eine neuere, auf die Verlagsarchive von Gustav Fischer, Vandenhoeck & Ruprecht und Georg Westermann gestützte Untersuchung gezeigt, dass die Bereitschaft zur Produktion von Literatursorten, die bislang als typisch für eine randständige Szene galten, bei gegebener bzw. erhoffter Marktgängigkeit schon vor 1933 keineswegs ein Tabu war. So spielte der auch mit dem StändestaatTheoretiker Othmar Spann hervorgetretene Wissenschaftsverlag Gustav Fischer in Konkurrenz zu dem offen mit der NSDAP sympathisierenden Marktführer J. F. Lehmann eine unglückliche Rolle bei der wissenschaftlichen Etablierung der Rassenkunde und Rassenhygiene, in einem Diskurs, an dem auch Verlage wie S. Hirzel, Julius Sprin66 67 68 69
Vgl. Bergmann: »Gegen den Strom«. Vgl. Nössig/Rosenberg/Schrader: Literaturdebatten in der Weimarer Republik, S. 277 f. Ullrich: Der ruhelose Rebell, S. 105. Vgl. Albrecht: Albert Hotopp, S. 210 –211.
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ger, Georg Thieme und Urban & Schwarzenberg partizipierten. Bei Vandenhoeck & Ruprecht findet sich neben Max Hildebert Boehms Das eigenständige Volk (1932) auch Max Maurenbrechers Heiland der Deutschen (1930), ein trotz der Einwände des Verlagsteilhabers Günther Ruprecht erschienener Titel, der verdeutlicht, »inwiefern das verlegerische Tagesgeschäft von sorgfältiger Kalkulation und Absatzpolitik, von Werbe- und Vertriebsmaßnahmen den Verlag, trotz inhaltlicher Differenzen, zur Verbreitung rassistischer und antisemitischer Codierungen beitragen konnte.«70 Das Programm des Georg Westermann-Verlages bekam besonders mit dem Erwerb des reformpädagogischen Alfred Janssen Verlages (1917) eine starke völkische Komponente, die durch die Übernahme von Adolf Bartels’ antisemitischer einbändiger Geschichte der deutschen Literatur (1919), den nationalistischen Geografen Ewald Banse und die Rasse-Reihe Otto Hausers gekennzeichnet sei. Allerdings war Banses wie Hausers Titeln »neben ihren rassistischen Inhalten der schlechte Absatz gemeinsam.«71 Blendend verkauften sich hingegen die historischen Romane Werner Jansens wie vor allen Robert der Teufel (1924, Auflage: 205.000) oder der Gudrun-Roman Das Buch Liebe, ein Lieblingsbuch Heinrich Himmlers.72 Hier geht es jedoch nicht um einzelne Programmsegmente fachlich breit profilierter Verlage, sondern um jene politischen Richtungsverlage und Gesinnungsverlage der Rechten, die ein typisches Phänomen der Weimarer Republik darstellen: um die Verlage der bündischen Jugendbewegung, völkische und jungkonservative Verlage, wobei die Grenzen zu den verschiedensten weltanschaulichen ariosophischen, deutschgläubigen, radikalantisemitischen usw. Verlagen fließend und eine Vermischung mit so bizarren Spezialisierungen wie der Runengymnastik typisch sind. Sie bildeten mit ihren Büchern, Broschüren und Zeitschriften in ihrer unübersichtlichen und kaum zu ordnenden Vielzahl das institutionelle Rückgrat, das identitätsstiftende Kommunikationsorgan, die Finanzierungsquelle, oft genug allerdings auch den Ruin all jener oder doch der meisten brodelnden, subversiven intellektuellen Strömungen und verschworenen Zirkel mit ihren völkischen, jungkonservativen, bündischen und nationalrevolutionären Vordenkern, die von Armin Mohler unter der so paradoxen wie schwammigen Bezeichnung »Konservative Revolution«73 zusammengefasst worden sind: Diese Verlage sind nicht akzidentieller Teil der Bewegung, sondern bringen diese selber mit hervor. Sie sind Knoten im sozialen Netzwerk der Bewegung; sie formulieren bewegungskonstitutive Normen und Werte aus und um; sie spielen mit Sammelwerken und Zeitschriften eine wichtige integrative Rolle gegenüber den zentrifugalen Tendenzen wenig formierter, informeller Bewegungen; sie arbeiten mit am distinktiven Wertekanon, mithin am Selbstbild der Bewegung, einzelner Gruppen und deren Mitglieder, mit dem man sich abgrenzt gegen andere Organisationen.74
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Wiede: Fluktuierende Codierungen, S. 269 (zitiert nach Manuskriptfassung). Wiede, S. 105. Vgl. Wiede, S. 81 f. Mohler: Die konservative Revolution. Ulbricht: »Lebensbücher sind nicht Lesebücher!«, S. 146 f.
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Die meisten dieser vielen Hundert (Justus Ulbricht zählt für die Zeit zwischen der Jahrhundertwende und 1933 nicht weniger als tausend75) z. T. recht kurzlebigen, über das ganze Land verstreuten Verlage stellten kaum mehr als Einmannbetriebe dar, die außerhalb des Börsenvereins agierten und Vertriebswege abseits des Sortiments zu organisieren verstanden: über den Büchertisch bei bündischen Festen – die wandernde Jugend schleppte ihre Bücher im Rucksack bis Siebenbürgen mit – und neuartige Versandsysteme: so erfanden die Buchhändler des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes (DHV) 1916 die erste Buchgemeinschaft der Welt, die Deutschnationale bzw. Deutsche Hausbücherei. Eugen Diederichs war Motor und Vorbild dieser Bewegung. Die Mitgliederlisten der Gesinnungsgemeinschaften und Karteikarten der Verbände lieferten die Abonnenten der Zeitschriften, in denen zielgenau für die Bücher geworben werden konnte: Sie hießen Asgard und Arische Lebenskunst-Revue, Bartelsbund und Baltische Blätter, Christdeutsche Stimmen, Deutschlands Erneuerung, Eiserne Blätter, Führerzeitung, Die Geusen, Heimdall, Ideal und Leben, Jung-Roland, Die Kommenden, Leuchtturm, Memelland, Die Nornen, Orplid, Preußenbund, Quickborn, Reiter gen Osten, Sonnenwende, Türmer, Unser Bund, Völkische Bücherschau, Wehrwolf und Zeitschrift für Menschenkenntnis und Schicksalsforschung. Nur einige wenige der wichtigsten, damals dem Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund nahestehende Verlage sammelten sich 1921 in einer »Vereinigung völkischer Verleger«, der Alfred Roths Deutschvölkische Verlagsanstalt A. Goetting, der Hammer Verlag, J. F. Lehmann, Theodor Weicher, Erich Matthes, der Hakenkreuz-Verlag, der Verlag Deutschordensland in Sontra, der Verlag Gesundes Leben in Rudolstadt, Oskar Laube (Dresden) und der fränkische Heimatverlag Lorenz Spindler (Nürnberg) angehörten.76 Das Spektrum war aber durchaus breiter: In völkischen Kreisen wurde gestritten, ob eine der gängigen Edda-Ausgaben, das ›Deutsche Buch‹ der Germanischen-Glaubens-Gemeinschaft oder Wilhelm Schwaners ›Germanen-Bibel‹ aus dem Volkserzieher-Verlag das neue Religionsbuch der Deutschen werden solle. Anderen galt Nietzsches Zarathustra als Bibel. Bei Hugo Vollrath in Leipzig bestellte man Theosophisches; Ariosophen kauften bei Paul Zillmann aus Lichterfelde.77 Welche »ernsten Bücher für Führer« empfahl man gegen Ende des Kaiserreiches? Die Führerzeitung des Wandervogels stellte für das »Julfest« 1916 einen solchen Kanon zusammen. Er beginnt mit Chamberlains Grundlagen des 19. Jahrhunderts und preist Otto Siegfried Reuters Siegfried oder Christus (Xenien Verlag 1,50 M) als eine »flammende Fanfare«: »Mir scheint, daß wir da am germanischen Grundwesen sitzen.« Er empfiehlt die Trojaburgen Nordeuropas von Carus Sterne und Das Geheimnis der Runen von Guido von List. »Beweiskräftig, klar und widerspruchslos« sei das Geschichtsbild des Rassekundlers Ludwig Wilser, und Kossinnas Die deutsche Vorgeschichte (Kabitzsch, Leipzig, 8 M) wird als ein Buch gelobt, »das sich bei aller Wissenschaftlichkeit durch eine große Wärme deutschen Empfindens« auszeichnet. Natürlich dürfe 75 Vgl. Ulbricht: Agenturen deutscher Wiedergeburt, S. 235–244. 76 Vgl. Ulbricht: »Die Quellen das Lebens rauschen«, S. 195. 77 Ulbricht: »Lebensbücher sind nicht Lesebücher!«, S. 150.
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man weder an Woltmann, dem Begründer der Typenforschung, noch an Willibald Hentschels Hauptwerk Varuna (Matthes, Leipzig, 3,40 M) vorbeigehen.78 Die Wurzeln sprossen also bereits üppig im Kaiserreich. Was kommt durch die Erfahrung des Weltkriegs und der Niederlage hinzu? Heinrich Beenken, der neue Besitzer der Fr. Zillesen Verlagsbuchhandlung in Berlin, »sagte sich, daß gerade jetzt, in den Wirnissen der Zerstörungen und des Umsturzes, die Weckung aller vaterländischen Kräfte höchste Aufgabe eines deutschen Verlegers sein müsse. Und so begann er gleich nach dem Kriege mit jenen aufsehenerregenden Werken, die über das ganze deutsche Volk und weit darüber hinaus sich rasch verbreiteten.«79 So erschien im Juli 1919 Erzberger – der Totengräber des Deutschen Reiches, eine, so der Untertitel »schonungslose Abrechnung mit diesem Reichsschädling«, der 1921 einem Attentat zum Opfer fallen sollte – ein klarer Fall verlegerischer Pogromhetze! Den »größten Verlagserfolg unter den Broschüren« hat, mit dem Untertitel »Die Grundursache der deutschen Not« eine »gemeinsam mit dem Arbeitsausschuß deutscher Verbände herausgegebene Volksausgabe des Versailler Vertrages. Dieses Schanddokument müßte, so erklärte der Verleger im Besitze eines jeden Deutschen sein, damit immer wieder die Schmach in jedem brenne und der Gedanken Raum fasse: Los von Versailles!«80 Der »berüchtigte Artikel 231«, der Kriegsschuldparagraph, war in Rotdruck hervorgehoben. Der Massenvertrieb dieser Broschüre, die eine Auflage von 4,5 Millionen erreichte, erfolgte allerdings erst nach 1933. »Ein ganz hervorragendes Buch, das den Verlag im ganzen Vaterlande und bei den Deutschen im Auslande bekannt gemacht hat, war das im Jahre 1920 erschienene und in über 100 000 Stück verbreitete Buch ›Was wir verloren haben – Entrissenes, doch nie vergessenes deutsches Land‹. Dieses Werk wurde von dem Verleger selbst herausgegeben.«81 1921 folgte »›Und was der Feind uns angetan […]‹. Das Buch vom Raubfrieden«, aus der Sicht von 1938 »das wohl erschütterndste Buch des Verlages«. Solche im »Dritten Reich« gern vorgezeigten revanchistischen Kampfschriften sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Titel des Beenken-Verlages biedere historische Heimatromane darstellten und der Verlag des Türmers daher kaum in die erste Reihe der rechten Verlage gestellt werden kann.82 Die publizistische Nachbereitung des Weltkriegs politisierte auch den Gerhard Stalling Verlag in Oldenburg. Der Verlag betrieb zunächst eine wichtige Offizierszeitung und hatte es den guten Beziehungen des Verlegers zu Hindenburg aus dessen Oldenburger Zeit zu verdanken, dass der Verlag trotz der übermächtigen Konkurrenz des Militärverlags E. S. Mittler 1915 mit der Reihe »Der große Krieg in Einzeldarstellungen« in eine offizielle Kriegsberichterstatter-Funktion einrücken konnte. Nach 1918 übernahm das Potsdamer Reichsarchiv die Rolle des offiziellen Verhandlungspartners und dank des Engagements des Verlages konnte Major Soldan die Schlachten des Weltkriegs und die Erinnerungsblätter deutscher Regimenter publizieren, die »den Namen des Olden78 79 80 81 82
Vgl. Gerlach: Entwicklung und Bücher, S. 162 –168. Ein deutscher Verlag, S. 64. Ein deutscher Verlag, S. 72. Ein deutscher Verlag, S. 87. Zum Heinrich Beenken Verlag siehe auch Stark: Entrepreneurs of Ideology. Dieses grundlegende Werk behandelt außerdem die Verlage Eugen Diederichs, J. F. Lehmann, Hanseatische Verlagsanstalt und Gerhard Stalling.
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burger Hauses in alle deutschen Gaue« hinaustrugen.83 Im Hinblick auf die mit der 100.000 Mann-Armee geschrumpfte Zielgruppe der aktiven Offiziere richtete sich Stallings Militärzeitschrift Deutsche Wehr bald an ein breiteres Publikum: Die kleine Wehrmacht allein konnte die Zeitschrift nicht tragen. Es entsprach aber u. a. der neuen Zielsetzung, vor allem zunächst einmal den Wehrwillen und die Wehrfreudigkeit in weitesten Teilen des Volkes anzufachen. Dazu war es notwendig, sich an die jüngere Generation zu wenden, die in verschiedenen nationalen Verbänden im gleichen Sinne zu arbeiten suchte. Vor allem trat über solche Bestrebungen eine immer mehr sich festigende Verbindung mit der SA ein, die damals neben dem Stahlhelm wesentlichster Träger des Wehrgedankens war.84 Auch wenn aus der Sicht von 1939 die Verbindungen Stallings zur SA deutlich überbetont wurden, ist eine zielgruppengemäße Politisierung des Programms nicht zu übersehen. Sie lief im Kern auf die Popularisierung des heroischen Bildes vom Weltkrieg hinaus, das der neue Starautor Werner Beumelburg vor allem mit dem Bestseller Sperrfeuer um Deutschland kreiert hatte, wovon gleich im Erscheinungsjahr 1929 100.000 Stück und bis 1939 nicht weniger als 378.000 Exemplare erscheinen konnten.85 Die politische Zielrichtung des Verlages verdeutlicht die von Heinrich Stallings Schwiegersohn Martin Venzky 1931 herausgebrachte »Stalling-Bücherei Schriften an die Nation« u. a. mit Titeln von Oswald Spengler, Ernst Krieck, Hjalmar Schacht, Arthur Moeller van den Bruck und Franz von Papen. Ein benachbartes Produktionsprofil zeigt vor allem der nach dem LandsknechtsFührer benannte Frundsberg-Verlag des Stahlhelm, wo beispielsweise Bücher von Franz Schauwecker (So war der Krieg, 1928; Aufbruch der Nation, 1930) und von Friedrich Wilhelm Heinz86 (Sprengstoff, 1930), aber auch frühe Titel Ernst Jüngers (Feuer und Blut, 1926; Das abenteuerliche Herz, 1929) erschienen. Im zänkischen Milieu der Freikorps und Wehrverbände waren Zeitschriften wie der Arminius umkämpfte Bastionen, in denen nationalistische Schriftsteller wie Ernst Jünger und Friedrich Hielscher ein Auskommen suchten.87 Später fand Ernst Jünger Kontakt zu der bündischen Zeitschrift Die Kommenden und wurde 1930 deren Herausgeber. Sie erschien im Verlag Erich Röths.
Verlage der bündischen Jugendbewegung: Erich Röth und Erich Matthes Erich Röth hatte 1920 eine Buchhandlung in Mühlhausen gegründet: »Seine Bücherkarren stehen auf den Wochenmärkten, mit einem fahrbaren Lager läßt er die Dörfer bereisen.«88 Daraus ging 1921 zunächst der Urquell-Verlag für »neu- und jungdeutsches Schrifttum« hervor, aber auch Wertarbeit und Wanderausrüstung wurden vertrieben – der Verlag machte seinem Namen als agiles Zentrum aller möglichen Bünde und Sekten Ehre. In Mühlhausen, später in Eisenach und seit 1926 auf einem Bauernhof in seinem Geburtsdorf Flarchheim, erschienen neben thüringischen Heimatbüchern Bücher über 83 84 85 86 87 88
Roth: Einhundertfünfzig Jahre Gerhard Stalling. Roth, S. 132. Vgl. Roth, S. 150 f. Meinl: Nationalsozialisten gegen Hitler. Vgl. Jünger – Hielscher. Briefe 1927 –1985, S. 14 –16. Erich Röth-Verlag 1921 –1981.
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Runendenkmäler oder auch, unter dem Titel Kann uns die Edda Religionsbuch werden?, 52 Edda-Andachten sowie die Worte an eine Schar von Georg Stammler, einem »richtunggebenden Führer zu einer das ganze deutsche Menschentum durchwirkenden und wesenhaft bestimmenden Deutschheit«.89 Röth erwarb den 1919 in München gegründeten Linda-Verlag, in dem beispielsweise Der goldene Schnitt in der Ehe, eine Naturgemässe Zarathustrische Temperamentslehre und ein Buch über Chiromantie erschienen. Er lieferte das Programm dreier weiterer Szene-Verlage aus: des Stuttgarter MimirVerlages »für Deutsche Kultur und soziale Hygiene«, des dem Werk des Ariosophen Ellegard Ellerbeck gewidmeten Drei-Adler-Verlages in Mühlhausen und des auf Lebensreform und Körperkultur spezialisierten Lichtkampf-Verlages in Heilbronn, später Kettwig.90 Röth betrieb eine undurchsichtige Kooperation mit dem 1919 gegründeten Hakenkreuz-Verlag Bruno Tanzmanns,91 schon im Kaiserreich einer der rührigsten völkischen Propagandisten aus der Gartenstadt Hellerau bei Dresden: »Dort gründete er eine ›deutschbewußte Wanderschriftenzentrale‹, einen Lesering zur Verbreitung der Schriften Theodor Fritschs und im Kriege eine Feldbücherei mit ausschließlich ›arischem Schrifttum‹.«92 1921 musste Röth die Junge Volksgemeinde eingehen lassen, wollte aber die 300 Leser für eine neue, nach dem Sylter Freiheitshelden Pidder Lyng (»Lewwer duad üs Slaaw!«) benannte Halbmonatszeitschrift retten. Um die Leser an Pidder Lyng zu binden, sollte die erste Nummer mit den dem Leser der Jungen Volksgemeinde vertrauten völkischen Wahrsprüchen Georg Stammlers gespickt werden, Röth selbst wollte einen Aufsatz über seinen Autor beisteuern. Zugleich plante Röth, eine Bauern- und Führerhochschule einzurichten, für die Pidder Lyng dann als Mitteilungsblatt fungieren könnte. »Die rein deutschgläubigen Aufsätze hättest Du in Beiheften zu sammeln, die wir dann gesondert herausgeben würden.«93 So wuchs um die Zeitschrift ein kleines Buchprogramm. 1929 wurde Röth zum Verleger der bündischen Zeitschrift Die Kommenden, die, redigiert von Karl O. Paetel, die NSDAP von nationalrevolutionären, auch mit der KPD liebäugelnden »nationalbolschewistischen« Positionen aus kritisierte. Hier debattierten die Adler und Falken, die Geusen, die Freischar Schill, Wandervögel und Fahrenden Gesellen am Abgrund ihres geliebten Reiches im Geiste idealistischen FrontkämpferOpfermutes bis 1933 über die letzten Fragen – tatsächlich wurde hier eine Startrampe für nachhaltige Widerstandsaktivitäten geschaffen. Die wichtigsten im engeren Sinne bündischen Verlage der Jugendbewegung waren – neben dem Urquell-Verlag Erich Röths – der aus der Bundeskanzlei des Wandervogels hervorgegangene Greifenverlag in Rudolstadt,94 der Karl Rauch Verlag, der Verlag Der weiße Ritter Ludwig Habbels und Ludwig Voggenreiters und der Erich Matthes Verlag in Leipzig. 89 90 91 92 93
Werbeprospekt des Erich Röth-Verlags. Vgl. Ulbricht: »Die Quellen das Lebens rauschen«, S. 184. Piefel: Bruno Tanzmann, S. 255 –280. Ulbricht: »Die Quellen das Lebens rauschen«, S. 185. Erich Röth (Urquell-Haus) an Guntram Erich Pohl, 1. im Jul (d. i. Dezember) 1921, Privatarchiv Justus Ulbricht. 94 Wurm/Henkel/Ballon: Der Greifenverlag zu Rudolstadt.
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Von diesen Verlagen besaß vor allen Erich Matthes ein extrem völkisches, auf die ganze Szene ausstrahlendes Profil. Der Verlag wurde zunächst als Einmannbetrieb geführt, wobei der Hofmeister-Verlag, dem Matthes den Liederbuchklassiker der Jugendbewegung Zupfgeigenhansl vermittelt hatte, die Kommission übernahm. Der 1913 gegründete Verlag agierte von Beginn an nicht nur als Zentrum des »deutschbewußten« Flügels des Wandervogels, dessen Führerzeitung er herausgab, sondern ähnlich wie der Hammer-Verlag des befreundeten Theodor Fritsch95 auch als Plattform radikalantisemitischer Bestrebungen.96 Hierfür standen die Rassezuchtphantasien Varuna und Mittgart. Ein Weg zur Erneuerung der germanischen Rasse Willibald Hentschels, deren Bedeutung der sendungsbewußte Autor erläuterte: Soll dies nun das Ende sein? Nein und wieder nein; dieselbe Zeit, die uns so tief erniedrigt sah, sie ist auch die Zeugin neuer und kühner Entwürfe. Diese sind dem jungen Deutschen in Schriften vorgezeichnet, die der Verlag von Erich Matthes herausgab: die Einführungsschrift des Mittgartbundes und das neuverlegte Werk ›Varuna‹. Darin werden die tieferen Zusammenhänge des Lebens aufgedeckt und seine verschütteten Quellen […].97 Zum größten, das Verlagsprogramm tragenden Erfolg wurde 1921 Artur Dinters Die Sünde wider das Blut, wovon über 200.000 Stück gedruckt worden sind. Allerdings betrieb Dinter seit 1928 als geschäftstüchtiges Haupt einer Religionsgemeinschaft »zur Vollendung der Reformation durch Wiederherstellung der reinen Heilandslehre« einen eigenen Verlag in Patschkau, die Geistchristliche Verlagsanstalt, und führte dort zur Tilgung der hohen Schulden eine »Lutherspende« ein.98
Rhetorik völkischen Marketings Matthes, das gehörte geradezu zum Credo dieses völkischen Verlegers, ermahnte seine Zielgruppe immer wieder zur Pflege der Werke des »Verlagsheiligen« Gobineau, den er aus der »Büchergruft« erweckt habe, um der deutsch-völkischen Leserwelt Werke in die Hand zu geben, die ihrer Lebensanschauung Worte leihen. Möchten sie ihre Aufgabe erfüllen, empfänglich gestimmte Seelen im Sinne des Weltbildes, das sie durchblutet, dauernd zu beeinflussen; möchten sie die Einsicht befördern, daß jeder Weltanschauung ihre stärksten Hilfen großen Kunstwerken verdankt und es daher im höchsten Interesse des nationalen Gedankens ist, wenn die Kreise, die sich um ihn scharen, so lange unermüdet für die Verbreitung der drei Bücher wirken, als sie noch nicht ihre Sendung erfüllt haben, allen ernsten Deutschen die Elemente germanischen Fühlens in ewigen Sinnbildern vor die Augen zu stellen […].99 95 96 97 98
Herzog: Theodor Fritschs Zeitschrift Hammer, S. 153 –182. Vgl. Ulbricht: »Lebensbücher sind nicht Lesebücher!«, S. 141 –143. Hentschel: Der junge Deutsche am Scheideweg, S. 249. Bundespfarrer Günter Niemack, Bericht über die 3. Hauptversammlung der Geistchristlichen Religionsgemeinschaft. In: Das Geistchristentum, Heft 46, Gilbhardt (Oktober) 1931, S. 439 und 444 (Privatarchiv Justus Ulbricht, a.a.O.). 99 Verlagsprospekt Erich Matthes.
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Im völkischen Gesinnungsbuchhandel wurde typischerweise starker moralischer Druck auf den Leser ausgeübt. Nicht viel anders warb der antisemitische Hammer-Verlag 1926: »Die Verwirklichung ideeller Ziele setzt den Beistand der Gesinnungsfreunde voraus. Der seiner Verantwortung gegenüber der Nation sich bewußte Verlag bedarf der Mithilfe des deutsch fühlenden und wollenden Publikums, die sich in Kauf und Verbreitung seiner Schriften bestätigt. Nur dann können sie ihre hohe Sendung erfüllen, die Sehnsucht nach dem Dritten Reiche sozialer Gerechtigkeit in immer mehr Herzen zu lichter Lohe zu entfalten.«100 Die Betonung eines geschäftsfernen idealistischen Opfermuts gehörte zu den Spezifika des rechten Verlagsspektrums, wie ein weiteres Beispiel für offensichtliche Bauernfängerei aus den Nordischen Stimmen. Zeitschrift für deutsche Rassen- und Seelenkunde demonstriert. Dort wurde Anfang 1933 für Bücher des Adolf Klein Verlags wie Midgards Untergang geworben: Haben Sie schon bedacht: daß ringsum alles zerfällt, daß es keine Rettung mehr gibt, wenn wir untätig die Hände in den Schoß legen, daß die nordische Front so ziemlich allein steht … Haben Sie schon etwas getan, unser Fähnlein durchzukämpfen? Haben Sie schon neue Leser für die ›Nordischen Stimmen‹geworben? Haben Sie schon unser gemeinsames nordisches Schrifttum gelesen? Haben Sie schon für die Verbreitung dieses Schrifttums gesorgt? Nicht? – Aus Geldmangel? Unser nord. Schrifttum ist von solcher Wichtigkeit, daß Sie es lesen müssen, daß Sie verbreiten helfen müssen.101 Womöglich noch nachdrücklicher wirkte der folgende Lesetipp: »Von der Verbreitung des Inhalts dieses Werkes hängt die Befreiung des einzelnen Deutschen, des deutschen Volkes und aller Völker ab.« Mit diesen Worten empfahl Erich Ludendorff, der Sieger von Tannenberg, seiner Frau Mathilde das Buch Erlösung von Jesu Christo, das 1931 im eigenen Volkswarte Verlag erscheint.102 Ludendorffs Verlag verkaufte die Bilder und Kupferstiche des Feldherrn, seine militärischen Werke (Wie der Weltkrieg 1914 ›gemacht‹ wurde, Tannenberg, Urkunden der Obersten Heeresleitung), die Werke seiner deutschgottgläubigen Frau (Induziertes Irresein durch Okkultlehren, Christliche Grausamkeit an deutschen Frauen und Deutsche Mahnworte als Wandschmuck) sowie eine breite Palette von Werken »gegen die überstaatlichen Volksverderber«, Freimaurer, die »jüdisch-römische« Kirche (Judengeständnis: Völkerzerstörung durch Christentum), »Juda« (Martin Luther: Von den Jüden und ihren Lügen) und Nationalsozialismus (Heraus aus dem braunen Sumpf, Hitlers Verrat der deutschen an den römischen Papst, Die Maske herunter!), um das wahre Gesicht des Nationalsozialismus zu zeigen: »Hitler, der Jurisdiktion des römischen Papstes unterworfen – täuscht den protestantischen Norden – bekämpft das völkische Freiheitsringen des Hauses Ludendorff in niedrigster Weise – und duldet ›Röhmische Führung‹ der deutschen männlichen Jugend.«103 100 101 102 103
Verlagsverzeichnis Hammer-Verlag 1926. Nordische Stimmen 1933, Heft 1, S. 17. Werbeprospekt Ludendorffs Volkswarte Verlag, S. 15. Werbeprospekt Ludendorffs Volkswarte Verlag, S. 21.
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Völkischer Gesinnungsbuchhandel war kein Selbstläufer, die pathetischen Appelle an die nationale Pflicht zum Bücherkauf lassen sich gelegentlich auch als Zeichen der Resignation deuten. So stand der Hakenkreuz-Verlag Bruno Tanzmanns 1926 vor dem Ruin und ging wie der Erich Matthes Verlag 1929 bankrott. Neben Verlagen wie Curt Kabitzsch, wo Gustaf Kossinna zur germanischen Vorgeschichte publiziert, klagte zwischen 1927 und 1929 selbst der einschlägige Marktführer J. F. Lehmann über das nachlassende Interesse für Rassenanthropologie.104
Julius F. Lehmann und die Anfänge eines nationalsozialistischen Verlagswesens Julius F. Lehmann (1864–1935) war schon im Kaiserreich die dominierende Verlegerpersönlichkeit der radikal deutschbewussten Szene. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Spitzenfunktionär des Alldeutschen Verbandes in München zum Zentrum, Mäzen und Motor unterschiedlichster nationalistischer Zirkel, der Thule-Gesellschaft, des Deutsch-Völkischen Schutz- und Trutzbundes, sowie der aufsprießenden Wehrverbände und Freikorps und nicht zuletzt der NSDAP. Er verlegte Houston Stewart Chamberlain und die Zeitschrift Deutschlands Erneuerung. Seine Leidenschaft gehörte jedoch der Rassentheorie, als deren Vorkämpfer er systematisch H. F. K. Günther105aufbaute. Lehmann machte den Rassegedanken populär, um die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit bestimmter Maßnahmen zu überzeugen (Zuchtauswahl, Rassenzeugnis vor der Ehe usw.), welche die deutsche Rasse vor ›Entartung‹und Niedergang bewahren sollten. So war Lehmann der Auffassung, ›Minderwertige‹ seien grundsätzlich zu sterilisieren. Er hoffte, mit Hilfe seiner Autoren könne »ein klares Programm aufgestellt werden, das dann bei Schaffung einer Diktatur zum Gesetz erhoben wird.«106 Kennzeichnend für Lehmann war, dass die Initiative zu dieser Literatur häufig nicht mehr vom Autor ausging: »Auch im Fall von Lenz’ rassenhygienischen Schriften spielte Lehmann eine entscheidende Rolle; er regte Lenz nicht nur zum Schreiben an, sondern spornte ihn direkt zum Verfassen von Büchern und Artikeln über rassische Fragen an.«107 Auch H. F. K Günther hatte er zunächst mit Hilfe des Rasseforschers Alfred Ploetz und des Eugenikers Eugen Fischer gründlich examiniert, bevor er ihm die Durchführung seiner verlegerischen Pläne anvertraute: »Lehmann war so überzeugt von der Wichtigkeit des Buches, daß er Günther dazu überredete, den Lehrerberuf aufzugeben. Während der nächsten beiden Jahre wurde Günther vom Hause Lehmann finanziell unterstützt, während er Forschungen anstellte und schrieb.«108 Die 1922 erschienene Rassenkunde des deutschen Volkes erreichte bis 1933 16 Auflagen bei 50.000 verkauften Exemplaren, bis 1943 kam eine Kurzfassung auf 272.000 Exemplare.109 Im April 1919 gründete J. F. Lehmann den Deutschen Volksverlag unter Leitung von Dr. Ernst Boepple, um antisemitische Hetzschriften wie Wilhelm Meisters (d. i. Paul Bang) Judas Schuldbuch zu verlegen. Dieser Verlag wurde zum Hausverlag der 104 Vgl. Wiede: Rasse im Buch, S. 50 f. 105 Lutzhöft: Der nordische Gedanke in Deutschland. 106 Stark: Der Verleger als Kulturunternehmer, S. 310; siehe auch Die »rechte Nation« und ihr Verleger. 107 Stark: Der Verleger als Kulturunternehmer, S. 310, Fn 70. 108 Stark, S. 301. 109 Vgl. Wiede: Rasse im Buch, S. 49.
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DAP, in dem der Parteigründer Anton Drexler (Mein politisches Erwachen) und Alfred Rosenberg (Die Spur des Juden, Unmoral im Talmud) ihre ersten Schriften verlegten. Neben dem 1915 gegründeten Hoheneichen-Verlag Dietrich Eckarts, der 1929 im Franz Eher Nachf.-Verlag aufging und zum Hausverlag Rosenbergs wurde, war Boepple der Buchverlag der NSDAP, in dem zwar nicht Mein Kampf, aber Hitlers Reden erschienen. Der Verlag Franz Eher Nachf. nahm seine Tätigkeit als Buchverlag erst 1923 auf, anfangs als »Deutschvölkische Verlagsbuchhandlung« bzw. »Verlag der Deutschvölkischen Buchhandlung«, wo zunächst eine Schlageter-Broschüre erschien. Während der Verbotszeit des Völkischen Beobachters nach dem Hitler-Putsch wuchs dem Buchverlag eine wichtige Finanzierungsfunktion zu, und Gottfried Feders »Nationalsozialistische Bibliothek« erlangte programmatische Bedeutung. Die Editionsgeschichte von Mein Kampf im Verlag Franz Eher Nachf. ist inzwischen ausführlich dokumentiert.110 Bekannt ist auch die für Hitlers Karriere bedeutsame Rolle Hugo und Elsa Bruckmanns: das Verlegerehepaar öffnete Hitler den Weg in den bürgerlichen Salon und reiche Geldquellen. Ihr Verlag selbst behielt, vom Hausautor Houston Stewart Chamberlain einmal abgesehen, bis 1933 jedoch sein bürgerliches Profil.111 Ein genuin nationalsozialistisches Verlagswesen war in der Weimarer Republik insgesamt relativ schwach entwickelt. Der Wilhelm Andermann Verlag beispielsweise, aus dem im »Dritten Reich« die Buchgemeinschaft Der Braune Buch-Ring hervor wuchs, ist trotz Schenzingers Klassiker Der Hitlerjunge Quex von 1932 vorher kaum als nationalsozialistischer Verlag anzusprechen, sondern verlegte in den zwanziger Jahren Bücher im Auftrag des Zentrums und der DNVP.
Der Verlagskonzern des DHV Bemerkenswert sind dagegen die Aktivitäten, die der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband (DHV)112 entfaltete, mit 400.000 nichtjüdischen männlichen Mitgliedern die größte Angestelltengewerkschaft der Welt; Anfang der 1930er Jahre schienen sie in ihrer Summe auf eine »literarische Diktatur der Handlungsgehilfen« hinauszulaufen. Motor der Expansion waren 1926 der Bau einer Großdruckerei in Wandsbek und vor allem die vielumrätselte Bereitschaft der Verbandsführung, Riesenbeträge in marode Prestigeverlage wie Georg Müller und Albert Langen zu investieren, die 1931 zum Langen-Müller Verlag zusammengeschlossen wurden.113 Der geistige Kopf dieser Bestrebungen war Wilhelm Stapel, zwischen 1918 und 1938 mit seiner gefürchteten spitzen Feder Herausgeber der Zeitschrift Deutsches Volkstum. Stapel repräsentierte als vormaliger Geschäftsführer des Dürerbundes ein kulturkritisches, christlich geprägtes Volkstumskonzept mit antisemitischen Akzenten und begriff den verlorenen Krieg im Sinne der Fichte-Gesellschaft als Verpflichtung zu einer vertieften Volksbildung, die auf die systematische buchhändlerische Erschließung des rechtefrei gewordenen spätromantischen Erbes, der »Schatzkammer des deutschen Volkes«, hinaus110 Plöckinger: Geschichte eines Buches: Adolf Hitlers »Mein Kampf«. 111 Vgl. Martynkewicz: Salon Deutschland; zur Geschichte des Verlags siehe auch: Die Welt neu entdecken. 150 Jahre Bruckmann. 112 Hamel: Völkischer Verband und nationale Gewerkschaft. 113 Vgl. Meyer: Die Verlagsfusion Langen-Müller.
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lief. Damit wurde er Berater der um bürgerliche Reputation besorgten Bildungspolitiker der DHV-Führung, die wie der spätere Widerstandskämpfer Max Habermann, der Erfinder der Buchgemeinschaft Albert Zimmermann und Stapel selbst gelernte Buchhändler waren. Ihre Angestellten sollten das Erbe des Bildungsbürgertums antreten, der Besitz gebundener Bücher wurde zum Fetisch, um Proletarisierungsängste zu verscheuchen. Allerdings eignete sich dafür nicht jedes Buch. 1921 klagte das Jahrbuch des DHV: Ja. Das ist das große Elend, die fremde undeutsche Literatur überschwemmt förmlich den deutschen Buchmarkt. Die Erzeugnisse von Heinrich Mann und Georg Hermann, Meyrink, Buber, Edschmidt[!] und Wassermann liegen in allen Schaufenstern der Buchläden, auf allen Ladentischen und daneben stehen Tolstoi und Dostojewski, Laotse und Buddha. Sozialistische Schriften aus den Verlagen von Cassirer und Dietz fehlen nirgends […]. Wo der deutsche Buchhandel aus Bequemlichkeit und Lauheit versagt, da heißt es für unsere Buch- und Schriftenvertriebsstellen auf dem Plan sein. Mithelfen an ihrem Aufbau wäre Pflicht jedes denkenden deutschnationalen Handlungsgehilfen, und so schwer ist doch die Arbeit nicht, wo wir in mehr denn hundert Städten in Ortsgruppen- und Gaugeschäftsstellen den besten Rückhalt besitzen. Ausbau und Verbreitung dieses Schrifttums bedeutet Sieg des deutschen Geistes.114 Antisemitismus wurde von den ›Hanseaten‹ systematisch als Marketinghebel gegen die Konkurrenz genutzt. So wurden die Buchgemeinschaftswerber 1931 im Stil Adolf Bartels aufgeputscht: »Wußten Sie schon, daß in einem Auswahlband der Deutschen Buchgemeinschaft Die deutsche Novelle der Gegenwart neben 11 jüdischen Schriftstellern sogar 9 deutsche Autoren enthalten sind, von denen auch nur 4 wirklich einwandfreie Deutsche sind? Auch der Herausgeber selbst ist Jude.« 115 Im Feld der kleinen rechten Verlage der zwanziger Jahre wirkte der reiche DHV mit seiner Hanseatischen Verlagsanstalt, gestützt auf die zunehmend lukrative Buchgemeinschaft »Deutschnationale Hausbücherei« und das Zahlstellennetz seiner Krankenkasse wie ein Magnet. Der Verband verfügte über eine Versicherung (Deutscher Ring), eine Wohnungsbaugesellschaft (Gagfah), eine Bank und ein Dutzend Zeitschriften, und er nutzte seine verlegerischen Mittel für eine Politik der Querverbindungen zu allen Parteien und Verbänden rechts von der SPD. Über seine Wanderorganisation, die »Fahrenden Gesellen«, unterhielt der DHV Beziehungen zur bündischen Jugendbewegung und ihren Verlagen, die er mit Anzeigen und Buchabkäufen subventionierte. Der DHV unterstützte Die Kommenden, den Greifenverlag und den Widerstands-Verlag Ernst Niekischs. Albrecht Erich Günther (nicht zu verwechseln mit dem »Rassegünther«), nationalistischer Freikorpskämpfer und Mitherausgeber des Deutschen Volkstums, nahm Kontakt zu Carl Schmitt und Ernst Jünger auf, dessen Arbeiter 1931 in der Hanseatischen Verlagsanstalt Furore machte. Brüning zuliebe wurden eine Pressefront aufgebaut und der katholische Kunstverlag Benno Filser vor der Pleite gerettet. Der Eduard Avenarius-Verlag mit der Schönen Literatur (später: Die Neue Literatur) Will Vespers wurde gekauft. Die Drückerkolonnen des DHV machten Hans Grimms Volk ohne Raum zum Bestseller. Die über 114 Werner Finger: Um’s deutsche Schrifttum, S. 148 f. 115 Der Mitarbeiter, Januar/Februar 1932.
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seine Fichte-Hochschule laufenden Beziehungen Stapels zum Netzwerk des jungkonservativen Juni-Klubs116 verdichteten sich im Erwerb des Ring-Verlages mit dem ominösen Buch Das dritte Reich von Arthur Moeller van den Bruck.117 Die ganze Bedeutung dieser Umtriebigkeit zeigte sich erst 1933, als Langen-Müller mit seinen beiden der Reichsschrifttumskammer präsidierenden Hausautoren HansFriedrich Blunck und Hanns Johst, mit den neuen Olympiern Hans Grimm, Knut Hamsun und Erwin Guido Kolbenheyer zum führenden Dichterverlag avancierte – die DHVAutoren dominierten mit Blunck, Claudius, Ernst, Griese, Grimm, Rudolf Huch, Johst, Kolbenheyer, Schäfer, Schaffner, Strauß, Vesper, Wehner trotz der Absage Ernst Jüngers klar die neue Deutsche Akademie der Dichtung.118 Der Lektor der Hanseatischen Verlagsanstalt Gunter Haupt wurde Geschäftsführer der Reichsschrifttumskammer, Hellmuth Langenbucher von Langen-Müller übernahm als Nachfolger von Gerhard Menz das Börsenblatt und Will Vesper schwang sich zum antisemitischen Literaturpapst auf. Das von den DHV-Buchhändlern in den zwanziger Jahren über die Szene der rechten Verlage gewobene Netz präformierte eine neue Buchkultur, die im Gegensatz zu den wenigen im engeren Sinn nationalsozialistischen Verlagen auch bei dem damaligen bürgerlichen deutschen Lesepublikum einer gewissen Akzeptanz rechnen konnte.
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Olaf Blaschke und Wiebke Wiede 5.2.8 Konfessionelle Verlage Konfessionen und konfessionelle Verlage in der ungeliebten Republik Deutschland blieb auch nach dem Ersten Weltkrieg und der Novemberrevolution ein konfessionell zutiefst gespaltenes Land. Der 1914 ausgerufene »Burgfriede« hatte zwar »die Milderung der konfessionellen Gegensätze«1 und in den letzten Kriegsjahren das Ideal der geeinten »Volksgemeinschaft«2 hervorgebracht, es vermochte jedoch die subkulturellen Sollbruchstellen nicht zu kitten. Vielmehr kam es in der Weimarer Republik erneut zu einer »Verschärfung des konfessionellen Gegensatzes«.3 Er sollte sich als Sand im Getriebe der Republik auswirken und verstärkte nur die Sehnsucht nach sozialer Harmonie. Ein Ausdruck und zugleich ein Antrieb dieses konfessionellen Antagonismus war – neben den Parteien, dem Vereins- und Schulwesen sowie sozialen und kulturellen Praktiken – der »konfessionelle Verlag«, ein Begriff, der sich erst unter den Nationalsozialisten verbreitete. Große Teile des Verlagswesens, Buchgemeinschaften und Sortimenter leisteten einen erheblichen Beitrag zur konfessionellen Identitätsstiftung und zur Dramatisierung der Konfessionsgrenzen.
Protestanten in der Defensive Die konfessionellen Verhältnisse des Kaiserreichs schienen in der Weimarer Republik auf den Kopf gestellt: Protestanten fühlten sich nicht mehr oben, sondern als Opfer des erstarkenden Katholizismus. Über die tiefe Zäsur des Krieges und des Zusammenbruchs der Monarchien sollte man jedoch nicht übersehen, dass wesentliche Kontinuitätslinien fortbestanden. Der politische Umbruch am 9. und 11. November 1918 bildete keine »Stunde Null«. Dennoch durchlebten die Kirchen und ihre Gläubigen die Erfahrung radikaler Veränderung. Über den Protestanten brach das schützende Dach ihrer Fürstenhäuser zusammen. Sie verloren nicht nur ihren Landesherren, sondern ihren Summus Episcopus, ihren Kirchenherren und ihre Kirchenorganisation. Tatsächlich aber dominierten in den 28 Landeskirchen konservative Vertreter des Kaiserreichs, während liberale und republikanische Akteure geschnitten wurden. Der Neuanfang wurde verpasst, bewährte Netzwerke und überkommene Mentalitätsstrukturen überlebten. Zugleich wuchsen die Ängste vor den »Roten« und den »Schwarzen«, obwohl der Anteil der Katholiken spürbar zurückgegangen war. Während sie 1910 noch eine Minderheit von 36,4 % gebildet hatten (Protestanten: 61,4 %, Juden: 0,95 %), war ihr Anteil durch die Abtrennung der mehrheitlich katholisch besiedelten Gebiete auf 32,4 % gesunken (Protestanten: 64,1 %). Hatten Protestanten im Kaiserreich selbstbewusst die hegemoniale Leitkultur gebildet, als Bismarck die Katholiken im Kulturkampf und die Sozialisten durch die 1 So 1916 die Diagnose von Mausbach: Der konfessionelle Friede, S. 474. 2 Vgl. Verhey: Der »Geist von 1914«. 3 Büttner: Weimar, S. 280.
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Sozialistengesetze in Schach zu halten versuchte, so schien sich der Wind plötzlich gedreht zu haben. Der Preußische USPD-Kultusminister Adolph Hoffmann kündigte am 16. November 1918 an, sämtliche staatlichen Zuschüsse für die Kirchen zu streichen. Die Trennung von Staat und Kirche und die Abschaffung des Religionsunterrichts konnten zwar im Januar 1919 gestoppt werden. Die Weimarer Reichsverfassung beließ den Kirchen ihren Status als öffentlich-rechtliche Körperschaften. Doch die HoffmannEpisode und die Räteexperimente in Russland, Ungarn und Deutschland traumatisierten konservative Protestanten dauerhaft und bestätigten sie in ihrer Aversion gegen Sozialismus und Bolschewismus. Neben die rote schob sich jedoch nun immer stärker die schwarze Gefahr. Noch 1932 sah das Evangelisch-protestantische Gemeindeblatt für Neustadt nur die »Unterdrückung der Evangelischen und Beschneidung ihrer Lebensrechte durch regierende kath. Parteien«. Man müsse sich wehren, »der ultramontanen Sturmflut einen Damm entgegensetzen«.4 Längst lockte – ein verheerendes Resultat der konfessionellen Ängste – die NSDAP als »evangelisch-ländliche Milieupartei«.5
Katholiken nach der Gettozeit Die bewährte Milieupartei des Katholizismus war das Zentrum mit seinen neuen bayerischen Schwesterpartei, der Bayerischen Volkspartei. Dank des Frauenwahlrechts startete der politische Katholizismus relativ erfolgreich. Immerhin 60 % der wahlberechtigten Katholiken gaben dem Zentrum ihre Stimme, doch der Anteil schrumpfte. Zwischen 1920 und 1932 erlebte es einen Stimmenrückgang von 13,6 % auf 11,8 %. Dennoch stellte die Zentrumspartei, im Kaiserreich noch als reichsfeindlich diskreditiert, in der Republik in neun von zwanzig Reichskabinetten den Kanzler. Sie war von 1919 bis zum Sturz des Kabinetts Heinrich Brünings an sämtlichen Regierungen beteiligt. Daran konnten sich viele Protestanten nur schwer gewöhnen. Ihre Ressentiments wurden geschürt durch triumphalistische Töne im »Sieg-Katholizismus« mit Parolen wie: »Deutsche Katholiken, eure Stunde ist gekommen«.6 Tatsächlich entwickelten sie ein neues Selbstbewusstsein. Ihr notorisches Bildungs- und Karrieredefizit sank. Im Kontrast zur erodierenden politischen Geschlossenheit blühte der vorpolitische Katholizismus mit seinem Vereins- und Verlagswesen.7 An bestimmten Punkten zeigte der Katholizismus immer wieder seine Binnensolidarität, etwa als das Parlament 1923 ein Reichsschulgesetz diskutierte. Die vom Episkopat initiierte Unterschriftenaktion ergab, dass von 11 Millionen wahlberechtigten Katholiken über 78 % die Beibehaltung der konfessionellen Volksschule verlangten.8 Auch die katholische Amtskirche erweiterte ihre Einflusssphäre. Ihre Strukturen waren durch den Umbruch 1918/1919 nicht tangiert worden, im Gegenteil: Durch die Weimarer Verfassung und anschließende Konkordate mit Bayern (1924), Preußen (1929) und Baden (1932) festigte sie manche Privilegien. Ihr Wirkungsradius wurde durch die Tendenz der Klerikalisierung noch verstärkt. Die Katholische Aktion, die von 4 5 6 7 8
Fandel: Konfession und Nationalsozialismus, S. 107 Pyta: Dorfgemeinschaft und Parteipolitik 1918–1933, S. 324 f. Peter Wust 1924 zit. n. Hürten: Deutsche Katholiken, S. 65. Vgl. Weichlein: Sozialmilieus und politische Kultur in der Weimarer Republik. Hoeber: Franz Xaver Bachem, S. 324 f.
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Pius XI. 1922 ausgerufene Laienmobilisierung, sollte unter klerikaler Anleitung agieren, auch wenn sie in Deutschland wegen des schon vorhandenen reichhaltigen Vereinsangebots recht schwach ausgeprägt blieb. Auch die Zentrumspartei geriet auf Ortsebene, in den Ländern und 1928 mit der Einsetzung von Prälat Ludwig Kaas zum Parteivorsitzenden unter stärkeren klerikalen Einfluss. Obwohl unter rechtskatholischem Einfluss seit der Kanzlerschaft Brünings die Republik zunehmend ausgehöhlt wurde, verstand sich das Zentrum als »Verfassungspartei«. Die Republikloyalität des Wahlvolkes fußte weniger auf Überzeugung als vielmehr auf Vernunftrepublikanismus. Die ungeliebte Republik trug den Geburtsmakel der Revolution und schien angesichts der ökonomischen, sozialen und politischen Belastungen überfordert. »Diese negative Monarchie, die nur deshalb keine ist, weil ihr der Monarch ausgekniffen ist, hat nicht einmal das eine von ihrem Vorgänger übernommen, dessen Konkursmasse sie verwaltet: nicht einmal den Selbsterhaltungstrieb«, diagnostizierte Kurt Tucholsky 1922. Es sei in der deutschen Republik ein Hindernis, Republikaner zu sein.9 In demselben Jahr offenbarte sich auf dem Deutschen Katholikentag in München der Konflikt zwischen Republikgegnern und -anhängern. Während Kardinal Michael von Faulhaber die Revolution als Hochverrat geißelte, verteidigte der Präsident des Katholikentages, Konrad Adenauer, die Verfassung, die man für die heutigen Zustände nicht verantwortlich machen dürfe. Noch 1926 klagte Faulhaber, die Verfassung verstoße gegen das erste Gebot.10 Für viele Gläubige war es nicht leicht zu akzeptieren, dass alle Staatsgewalt nun vom Volk statt von Gott ausgehen sollte. Seit den Lateranverträgen 1929 breitete sich im Katholizismus sogar ein gewisser Philofaschismus aus, der das italienische Modell als Alternative zur Weimarer Republik und zum drohenden Nationalsozialismus ansah.11
Konfessionalismus und Konfession Der Konfessionalismus war ein wichtiger Teil der Weltanschauungskämpfe jener Jahre. Allenthalben verschärften sich Anti-Haltungen wie Antirepublikanismus, Antiparlamentarismus und Antikapitalismus, Antibolschewismus, Antisemitismus und Rassismus,12 aber auch Antilaizismus, Antiprotestantismus bzw. Antikatholizismus. In der katholischen Kirche war der Glaube an die Alleinvertretung der Wahrheit kaum zu hinterfragen. Protestanten, im Alltagsjargon gerne als »Ketzer« bezeichnet, sollten eines Tages in die Arme der Mutter Kirche zurückfinden. Wie Protestanten 1871 die Gründung des Kaiserreiches als Erfüllung von Luthers Reformation gefeiert hatten, konnten Katholiken nun den Untergang des Kaiserreichs als Gottes Verwerfung der Reformation deuten. Insgesamt wurden Protestanten aber eher bedauert als attackiert. Ganz anders erging es dem Papst, den Klerikern, den Jesuiten, den Kirchenfrommen, kurz: dem
9 Tucholsky: Gesammelte Werke, Bd. 1, S. 993 f. 10 Vgl. Hürten: Deutsche Katholiken, S. 58 –61. 11 Schieder: Das italienische Experiment; vgl. Schreiner: »Wann kommt der Retter Deutschlands?«. 12 Vgl. Blaschke: Katholizismus und Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich; Walter: Antisemitische Kriminalität und Gewalt.
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römischen Katholizismus. Er erwies sich als attraktive Zielscheibe völkischer Kreise, aber auch im heterogenen Protestantismus diente der Antikatholizismus als Bindemittel. Um zu verstehen, wie konfessionelle Verlage daran mitwirkten, ist es wichtig, zwei Phänomene voneinander zu unterscheiden: den Konfessionalismus und Konfession als geschichtsmächtigen Faktor. Konfessionalismus ist die Überbewertung des eigenen konfessionellen Erbes bei Hervorhebung von Differenz. Deshalb erging er sich in antikatholischer, antiprotestantischer und antijüdischer Polemik. Auch die antikonfessionelle Agitation von Sozialdemokraten und Nationalsozialisten zeugt von der Virulenz des Konfessionalismus.13 Er manifestierte sich auf vielen Ebenen, etwa im Vereinswesen, an vorderster Front der 1887 gegründete Evangelische Bund, der sich im »permanenten Kriegszustand« mit dem Katholizismus befand und 1926 immerhin noch 300.000 Mitglieder zählte.14 Auch Politik und Alltag waren von konfessionellen Konfliktlinien durchzogen. Stereotypen wurden im »Kulturkampf von unten« auf beiden Seiten ausgetauscht. Katholische Predigten schärften den Gläubigen ein, ihr ewiges Seelenheil nicht aufs Spiel zu setzen und folglich näheren Kontakt zu Andersgläubigen zu vermeiden, was Protestanten wiederum als Beleidigung empfanden.15 Der Konfessionalismus machte sich breit in der höheren wie niederen Kultur, in der Literatur und im Buchhandel. Vom Konfessionalismus zu unterscheiden ist der Faktor Konfession: die konfessionelle Prägung der Gesellschaft, der Alltagspraxis und der Mentalitäten. Katholiken waren in den höheren Rängen besonders in Preußen unterrepräsentiert. Gegen die »instinktmäßige Bevorzugung der andern Konfession« müssten »durch bewußtes ›Darandenken‹ die berechtigten Forderungen der Katholiken berücksichtigt werden«.16 Katholiken holten in der Weimarer Republik auf, doch der konfessionelle Faktor wirkte bis in die 1960er Jahre hinein zumindest unterbewusst auf die Berufswelt, die Vergesellschaftung und die Politik ein. Die meisten Katholiken kamen gar nicht auf die Idee, SPD oder NSDAP zu wählen, einfach weil sie katholisch waren und schon die Zentrumspartei hatten, wie auch umgekehrt den meisten Protestanten nicht eingefallen wäre, die Zentrumspartei zu wählen, obwohl sie sich stets als überkonfessionell ausgab. Konfession war mehr als ein Gruppenmerkmal, sie war ein entscheidender Faktor in Gesellschaft, Kultur und Politik. Nicht einmal der Aufstieg des Nationalsozialismus lässt sich ohne sie erklären. »Maßgeblich über die Wahlentscheidung entschied nämlich die Konfession«, sie war die »einzig ›harte‹ Variable«, die dazu führte, dass Protestanten überdurchschnittlich, Katholiken unterdurchschnittlich NS-Wähler wurden.17 Außerdem vervielfältigten sich die binnenkonfessionellen Unterscheidungen und Zerwürfnisse. Rechte, vernunftrepublikanische und linke Katholiken hielten sich mühsam zusammen, vor allem aber stoben im Protestantismus abweichende politische und theologische Positionen auseinander. Schon im Kaiserreich konnte man anhand der Verlage erkennen, wer der religionsgeschichtlichen, der vermittelnden oder der konservativ-lutherischen Theologengruppe zugehörte.18 13 Vgl. Ahlbrecht: Konfessionalismus; Probleme des Konfessionalismus in Deutschland seit 1800. 14 Vgl. zum Evangelischen Bund: Müller-Dreier: Konfession und Politik, S. 333; zum Konfessionalismus vgl. Konfessionen im Konflikt. 15 Fandel: Konfession und Nationalsozialismus, S. 100. 16 Mausbach: Der konfessionelle Friede in Deutschland (1916), S. 493. 17 Wirsching: Die Weimarer Republik, S. 103. 18 Hübinger/Müller: Politische, konfessionelle und weltanschauliche Verlage im Kaiserreich, S. 378.
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Konfessionelle Verlage: Nebeneinander, Gegeneinander und Miteinander Was sind konfessionelle Verlage, und was bedeutet dieser Begriff für die Zwischenkriegszeit? Wer sich auf die Suche nach einer historisch informierten Definition begibt, wendet sich an Vertreter der Buchbranche und Buchwissenschaftler, an Verlagshistoriker und Medienwissenschaftler. Sie verwenden den Begriff, historisieren ihn aber nicht. Zu den fragwürdigen Definitionsversuchen gehört die Feststellung, konfessionelle Verlage beschränkten sich darauf, »vornehmlich religiöse und theologische Schriften« zu drucken. Tatsächlich produzierten auch nicht-konfessionelle und wissenschaftliche Verlage theologische Literatur.19 Auch die Verbandsmitgliedschaft kann nur ein Indiz für die Identifikation konfessioneller Verlage sein. Soviel lässt sich sagen: »Konfessionel- Abb. 1: Dekorationsvorschlag für ein Schaule Verlage« ist ein jüngerer Dachbe- fenster . Aus: Reinecke: Das gute Buchfensgriff, der die im 19. und 20. Jahr- ter. Leipzig 1926. hundert gebräuchliche Unterscheidung von katholischen und evangelischen Verlagen einschließt, die auch das Lexikon Religion in Geschichte und Gegenwart 1957 wieder aufgriff, ohne von konfessionellen Verlagen zu reden.20 Jüdische Verlage sind nur dann als konfessionelle anzusehen, wenn das Judentum im Sinne eines religiöskulturellen Bekenntnisses verteidigt wurde, wie es seit 1893 der »Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens« vormachte. Deshalb sollen im Folgenden diejenigen Verlage als »jüdisch« gelten, die sich als spezifische Vertreter jüdischer Interessen verstanden und demnach »ausdrücklich die jüdische Kultur und Religion zu ihrem Verlagsschwerpunkt gemacht haben.«21 Ein Verlag ist nicht deshalb konfessionell – katholisch, evangelisch oder jüdisch –, nur weil sein Inhaber katholisch, evangelisch oder jüdisch war. 19 Vgl. die vagen Ausführungen bei Heinold: Bücher und Büchermacher, S. 54 f. Völlige Fehlanzeige auch in: Das BuchMarktBuch; die Klassifizierung »religiöser Verlag […], der in der Regel nur als konfessioneller Verlag bestehen kann«, im: Handbuch des Buchhandels, S. 96. 20 Matthias: Buchhandel, christlicher. (Dort: I. In Antike und Mittelalter, II. Evangelischer Buchhandel in Deutschland; III. Katholischer Buchhandel in Deutschland). 21 Hübinger/Müller: Politische, konfessionelle und weltanschauliche Verlage, S. 384.
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Abb. 2: Karte zu den konfessionellen Verhältnissen in Mitteleuropa. Aus: Der Große Brockhaus, 15., völlig neubearbeitete Aufl., Bd. 15, Leipzig.
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Unter konfessionellen Verlagen sollen kommerzielle und nichtkommerzielle Zeitungs- und Buchverlage verstanden werden, deren Produkte nicht notwendig auf Religion und Theologie beschränkt blieben, sondern in weltanschaulicher Hinsicht ausschließlich oder vorwiegend, ausgewiesenermaßen oder nicht ausgewiesenermaßen einer Konfession verbunden waren, zu der auch ihre Akteure sowie Kunden überwiegend zählten, wobei die Vernetzung (bzw. auch produktive Auseinandersetzung) mit den jeweiligen religiösen Institutionen (Amtskirche, Kloster, Verein) die Regel blieb und sich die horizontale Verbindung untereinander (Verbandsgründungen) bei den Presseverlagen erst im späten 19. Jahrhundert, bei der Buchverlagen schließlich im frühen 20. Jahrhundert durchsetzte. Diese Definition bedeutet im Einzelnen: Das konfessionelle Verlagswesen teilte sich in kommerzielle und solche Verlage, die mit selbstlosem Gesinnungsengagement aus einer religiösen Institution heraus etwa missionarisches Schrifttum verbreiteten. Kleinere und mittlere konfessionelle Verlage beschränkten sich oft auf kirchenfrommes Schrifttum, auf religiöse Erbauung und theologische Literatur, soweit sie von Autoren der eigenen Anschauung stammte. Die größeren kommerziellen konfessionellen Verlage wie Herder konnten es sich leisten, auch Schriften von Andersgläubigen zu vertreiben, wenn es der eigenen Linie nicht zu sehr widersprach. Ein konfessioneller Verlag musste sich nicht als katholisch oder lutherisch ausweisen, sondern konnte sich auch »christlich« nennen oder, wie die meisten, selbst auf dieses Etikett im Verlagsnamen verzichten. Die Unternehmer sowie die Zielgruppe des anvisierten Marktsegments gehörten derselben Konfession an. Vielfach gab es enge personale und institutionelle Verbindungen mit der Amtskirche, zumal in der katholischen Kirche für religiöse Werke und solche von Priestern überdies ein Imprimatur des Ortsbischofs nötig war. Die horizontale Institutionalisierung der protestantischen und evangelischen Verlage erfolgte, nach Vorläufern im späten 19. Jahrhundert, im Jahre 1906. Von den dezidiert konfessionellen Verlagen lassen sich tendenziell konfessionelle, einer bestimmten Religionsgemeinschaft zuneigende Verlage unterscheiden. Während konfessionelle Verlage schlicht konfessionseigene Werke (den katholischen Katechismus, lutherische Gesangbücher) oder gesinnungstreu konfessionalistische Literatur vorlegten, fiel die Produktpalette konfessioneller Sympathisantenverlage breiter aus. Freilich lagen beide Verlagstypen auf einem Spektrum vom kompromisslos kirchenfrommen Verlag bis zur Firma, die vage zu einer Konfession tendierte. Übergänge und historische Wandlungsprozesse etwa vom evangelischen Theologenverlag zum Universalverlag sind zu beobachten. Der R. Oldenbourg Verlag zum Beispiel war kein konfessioneller Verlag im engeren Sinne. Trotzdem gilt er als »protestantisch orientierter Wissenschaftsverlag«.22 Er zog seit seiner Gründung 1858 vor allem protestantische Autoren an sich. Die 1859 gegründete Historische Zeitschrift wurde vom Katholikenjäger Heinrich von Sybel geführt und ließ kaum katholische Autoren zu. Andererseits verlegten die protestantischen Verlagsinhaber mitten im katholischen München seit 1913 die Bayerische Staatszeitung. Das von Zentrumsleuten redigierte Regierungsorgan war seit 1919 der Bayerischen Volkspartei verbunden. Aus dieser Liaison konstruierten die in Konfessionsfragen empfindlichen Nationalsozialisten später den Vorwurf, Oldenbourg habe »während
22 Hübinger/Müller: Politische, konfessionelle und weltanschauliche Verlage, S. 376.
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der Kampfzeit wesentlich mehr, als es eigentlich einer protestantischen Firma zukommt, in aller Öffentlichkeit zu den ›Schwarzen‹ gehalten.«23 In solchen Fällen sollte nicht von konfessionellen, sondern von tendenziell konfessionellen Verlagen gesprochen werden. Hier wirkte der Faktor Konfession oft unbewusst. Die Zeitgenossen in der Weimarer Republik, auch die Buchhändler, benutzten nicht den Begriff »konfessionelle Verlage«. Sie unterschieden die Presse, die Verlage und Buchhandlungen nach katholisch, evangelisch oder neutral (farblos). Zwar waren Begriffe wie »Confessionalismus« und konfessioneller Konflikt, Konfessionsschule und »konfessionelle Partei« seit dem 19. Jahrhundert längst eingeführt im Sinne der Einschränkung auf eine Konfession oder des konfessionellen Konfliktpotentials.24 Dass der Begriff »konfessionelle Verlage« üblich wurde, verdankt sich vermutlich erst dem Antikatholizismus und der rigiden Entkonfessionalisierungspolitik des NS-Regimes. Reichsinnenminister Wilhelm Frick verurteilte 1935 die Konfessionen als »Spaltpilze« im »Volkskörper« und blies zur »völligen Entkonfessionalisierung des gesamten öffentlichen Lebens«. Damit war nicht mehr nur der konfessionelle Zwiespalt gemeint, der zugunsten der »Volksgemeinschaft« endlich zu überwinden sei, sondern alles Kirchliche sollte als Konkurrenz zum Weltanschauungsmonopol des Nationalsozialismus ausgeschaltet werden.25 In diesem Kontext vermehrte sich das Adjektiv »konfessionell« und wurde auf »konfessionelle Zeitungen« und »konfessionelle Lieder« etc. ausgeweitet. Unter konfessionell verstanden die Nationalsozialisten kirchlich. Der Präsident der im Dezember 1933 bei der Reichspressekammer eingerichteten »Hauptfachschaft der kirchlich-konfessionellen« Presse verschärfte 1935 die Anweisungen, dass die »kirchlich-konfessionelle Presse« sich nur auf religiöse Angelegenheiten zu konzentrieren und jede Vermischung mit den Aufgaben der Tagespresse peinlich zu vermeiden habe. Sicher nachweisbar ist der Begriff »konfessionelle Verlage« seit 1937. Damals wollte das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) die politisch und weltanschaulich unliebsamen Verlage identifizieren. Die Politisierung abweichender Haltungen und die Zuweisung von politischen und konfessionellen Eigenschaften auf die Verlage gipfelte in der Klassifizierung des geheimen Leithefts Verlagswesen des RSHA.26 Das für die Verlagsüberwachung konzipierte Schema zeigt deutlich, wie ernst es mit der horizontalen Fragmentierung der Verlagslandschaft war. Bemerkenswerterweise werden für die Zeit ab 1918 neben marxistischen, bürgerlichen, weltanschaulichen, jüdischen und nationalsozialistischen nur katholische und evangelische Verlage identifiziert, während im feingliedrigeren Schema für die Zeit ab 1933 die Kategorie »konfessionelle Verlage« eingeführt wird. Jüdische Verlage bildeten jeweils eine eigene Kategorie und wurden nicht als konfessionelle anerkannt. Obwohl mithin der Begriff »konfessionelle Verlage« von den Nationalsozialisten seit der Mitte der 1930er Jahre als diskreditierender Kampfbegriff verwendet wurde und damit die im 19. Jahrhundert entstandene Bedeutung von konfessionell als Oppositionsbegriff zwischen katholisch, lutherisch und reformiert ablösen sollte, wird im Folgenden der Konfessionsbegriff mit Rückgriff auf seine Bedeutung im 19. Jahrhundert und in dem Sinne, wie er nach 1945 wieder geläufig wurde, gebraucht. Seine Doppelbedeutung 23 Heinz Ottstadt (DAF) an A. Oldenbourg, 3. April 1939, Bayerisches Wirtschaftsarchiv F5/v644, zit. n. Wesolowski: Verlagspolitik und Wissenschaft, S. 328. 24 Hölscher: Konfessionspolitik in Deutschland. 25 Nicolaisen: Dokumente zur Kirchenpolitik des Dritten Reiches, Bd. 2, S. 331 f. 26 Vgl. Reichsführer der SS. Vgl. dazu ausführlich Blaschke: Verleger, S. 281 f.
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jedoch – als interkonfessioneller Oppositionsbegriff und als separatistischer Gegenbegriff zu Staat und Religion – wurde er seitdem nie wieder los. Die begriffsgeschichtliche Methode zeigt nicht nur den Wandel konfessioneller Phänomene im Buchhandel als solchen, sondern führt auch vor Augen, wie unbefangen der heutige Begriffsgebrauch ist, wenn unter »konfessionellen Verlagen« nicht mehr als ein Oberbegriff für evangelische und katholische Verlage verstanden wird, ohne die Spitze des Konfessionalismus zu sehen. Die Zunahme des Konfessionalismus lässt sich auch in Friedrich Schulzes Buchhandelsgeschichte 1925 erkennen. »Der Schulze« war durch die Historische Kommission des Börsenvereins zu dessen 100-jährigem Jubiläum angeregt und vom Vorstand des Börsenvereins in Auftrag gegeben worden. Darin schrieb der damalige Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums in Leipzig: Nicht nur die Politisierung, auch die Konfessionalisierung des Buchhandels wuchs seit 1870 in ungeheurem Maße. Jährlich werden Buchhandlungen mit ausgesprochen evangelischem Charakter in größerer Zahl gegründet, ein Verein von Verlegern christlicher Literatur tritt 1886 zusammen, ein katholisches Zentrum für geistige Bestrebungen, wie München-Gladbach, bildet sich seit 1890 heraus, dessen konzentriertem Willen wieder die evangelische Kirche nichts Gleichartiges gegenüberzustellen hatte, trotz Gütersloh und anderer evangelisch betonter Verlagsorte.« Die »Trennung der Konfessionen« stand Schulze noch 1925 lebhaft vor Augen: »Es mutet wie ein längst entschwundenes Idyll an, wenn noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts die Klöster wichtige Kunden des Protestanten Carl Heinrich Beck […] gewesen sind. Jetzt wird selbst auf den außertheologischen Gebieten eine nur selten unbeachtete Grenzlinie gezogen.27 Die konfessionellen Verlage bedienten ihre je eigene Klientel und stellten sich häufig gegeneinander auf, sie reagierten aufeinander, konnten in Krisenzeiten aber auch miteinander kooperieren. Zwei Tage, nachdem am 12. Mai 1906 in Leipzig der »Verband der evangelischen Buchhändler« (VEB) gegründet worden war, taten sich katholische Kollegen in der »Vereinigung der Vertreter des katholischen Buchhandels« (VKB) zusammen.28 Aber einig wurden sie sich, sobald es gegen »Schmutz und Schund« ging.29 Das Gegeneinander machte sich in der Weimarer Republik in vorher nicht gekannter Weise auch auf dem Feld der Buchgemeinschaften bemerkbar. Damals blühten ideologisch und konfessionell ausgerichtete Buchgemeinschaften. Die richtige Weltanschauung bildete noch vor der Gewinnmaximierung das zentrale Selektionskriterium für Mitglieder und für die Literaturauswahl. Das dominant protestantische nationalkonservative Lager etwa wurde angesprochen durch den 1919 gegründeten »Volksverband der Bücherfreunde«. Er zählte 1931 rund 750.000 Mitglieder. Als sich jedoch 1925 in klerikalen Kreisen der Verdacht erhärtete, dass sich unter dessen Mitgliedern auch 80.000 Katholiken befänden, und nachdem 1924 die Evangelische Buchgemeinschaft gegründet worden war, entschloss sich der schon seit 1844 volksbildend wirkende Borromäusverein 27 Schulze: Der deutsche Buchhandel und die geistigen Strömungen der letzten hundert Jahre, S. 244, 145. 28 Vgl. Spael: Die Geschichte der Vereinigung des katholischen Buchhandels, S. 98; Titel: Vereine und Verbände, S. 249 f. Der VEB schloss sich 1925 mit dem schon 1886 gegründeten »Verein von Verlegern christlicher [!] Literatur« zusammen. 29 Spael: Die Geschichte der Vereinigung des katholischen Buchhandels, S. 137.
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zu einer Gegengründung. Seine Bonner Buchgemeinde konnte bald 53.000 Mitglieder anwerben. Fritz Tillmann erklärte vor dem um Schleuderpreise besorgten VKB ausdrücklich, die Buchgemeinde solle »eine Gegenbewegung gegen die acht schon bestehenden nichtkatholischen Buchgemeinden sein.«30 Die 1926 gegründete Katholische Buchgemeinde kam nach wenigen Monaten auf 43.000 Beitritte, da zählte die Sankt Josephus Bücherbruderschaft aus Rosenheim schon 180.000 Mitglieder. Dagegen wiederum wurde 1931 der Verlag evangelischer Bücherfreunde ins Leben gerufen, der bewusst dem katholischen Buchhandel und der Schundliteratur Paroli bieten wollte. Daneben gab es, für jüdische Leser, den Heine Bund sowie den kurzlebigen Zionistischen Bücherbund. Die Fieberkurve des literarischen Konfessionalismus schlug in der Weimarer Republik besonders auf dem heiß umkämpften Bereich der Buchgemeinschaften aus.31 Auch die Literaturempfehlungen, in seriellen Publikationen institutionalisiert, sind ein Indiz dafür, dass Protestanten weiterhin nichts Katholisches lasen (»Catholica non leguntur«) und Katholiken alles Glaubensgefährdende und Fremdkonfessionelle vermeiden sollten, was in der Praxis jedoch nicht eingehalten wurde, sonst wären die notorischen Ermahnungen und etwa der Literarische Handweiser für das katholische Deutschland nicht notwendig gewesen.32 Diese Gattung der konfessionellen Empfehlungsbücher, die auf Leserlenkung und Abwehr schlechten Schrifttums zielten, entstand in gegenseitigen Reaktionen aufeinander. 1899 hatte der Philosoph und Verleger Ferdinand Avenarius den Kunstwart gegründet, dessen Vorweihnachtsheft dem bürgerlichprotestantischen Publikum »gute« Bücher empfahl. Darauf reagierte Anton Lohr 1902 mit dem Literarischen Ratgeber, der unter dem Priester Josef Popp 1905 in Literarischer Ratgeber für die Katholiken Deutschlands umbenannt wurde. 1908 zog Paul Huber den Ratgeber in den Kösel Verlag, der dort bis 1931 im Auftrag der Vereinigung des Katholischen Buchhandels von Wilhelm Spael herausgegeben wurde. 1934 wechselte der Ratgeber den Verlag (Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Buchhändler, Köln, der ehem. VKB) und erschien von 1938 bis 1941 in der Bonifatius Druckerei, Paderborn.33 Aufwendiger noch war der Literarische Handweiser zunächst für das katholische Deutschland, der bereits 1862 von Franz Hülskamp begründet wurde. Der Dominanz nicht-katholischer oder gar den Protestantismus bevorzugender Enzyklopädien und Lexika (Brockhaus und Meyer) hatte der Katholizismus schon im 19. Jahrhundert mit Herders Konversationslexikon und dem Staatslexikon entgegenzusteuern versucht. Auch protestantischen Kirchenlexika setzte man katholische gegenüber. Auf das monumentale kulturprotestantische Die Religion in Geschichte und Gegenwart (1. Aufl. 1909 – 1913, 2. Aufl. 1927 – 1931) folgte das Lexikon für Theologie und Kirche (1. Aufl. 1930 – 1938). Die konfessionellen Verlagsprodukte, die Lexika, die Buchgemeinschaften und die Kreise der Institutionalisierung zeugen davon, wie stark die Weimarer Republik noch vom konfessionalistischen Geiste durchdrungen war. Andererseits war der Anteil des konfessionellen Buchhandels im engeren Sinne am Gesamtbuchmarkt gering, lässt man die vielen bloß tendenziell konfessionellen Verlage 30 Spael, S. 126. 31 Vgl. van Melis: Die Buchgemeinschaften in der Weimarer Republik, S. 92 –107, 140 –148; vgl. auch seinen Artikel in diesem Band. 32 Vgl. Brenner: Catholica non leguntur. 33 Köhler: Bücher als Wegmarken des deutschen Katholizismus, S. 114 f.
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wie C. H. Beck und Oldenbourg außer Acht. Das lässt sich jedoch nur schätzen. Wenn die Vereinigung Evangelischer Buchhändler 1925 etwa 400 Mitglieder (Verleger und Einzelhändler) umfasste und der VKB 200 Mitgliedsfirmen (1932 sogar 251), während der Börsenverein rund 5.000 Mitglieder zählte, jedoch in allen drei Zweigen,34 dann lag das Volumen des konfessionellen Buchhandels bei deutlich unter 20 % des Gesamtbuchhandels. Auf diesen Anteil käme man auch im Pressewesen: 1932 machte die Auflage (3 Millionen) allein der 603 verschiedenen Tageszeitungen der katholischen Bevölkerungsminderheit 12,5 % der gesamten Tagespresse aus, wobei die Zahlen mit dem Protestantismus kaum vergleichbar sind. Hier war das Zeitschriftenwesen ausgeprägter: Im Jahre 1928 übertraf die Zahl von 1.928 evangelischen Zeitschriften sogar die Marke von 20 %.35
Protestantische Verlage Auch in der Weimarer Republik lasen die Protestanten in der Bibel. Zumindest wurde das Buch der Bücher weiterhin über die deutschen und internationalen Bibelgesellschaften im Deutschen Reich vertrieben.36 Nachdem im Ersten Weltkrieg das Neue Testament und kleinere Bibelheftchen zu Tausenden an die Soldaten verteilt worden waren, kam es in den Nachkriegsjahren zu Absatzeinbußen im In- und Ausland. Insbesondere fielen mit den deutschen Kolonien die Absatzgebiete für deutschsprachige Bibelausgaben im Ausland weg. Einzig die Württembergische Bibelanstalt, die 1912 die Stuttgarter Jubiläumsbibel, den Luthertext mit knappen Erläuterungen versehen, herausgebracht hatte, konnte ihren Absatz steigern: von 621.775 verkauften Bibeln im Jahre 1913 auf 716.079 Exemplare, die 1925 abgesetzt wurden. Die Württembergische Bibelanstalt war nunmehr die führende Organisation innerhalb der Bibelgesellschaften, die seit 1918 in dem »Ausschuß der deutschen Bibelgesellschaften« zusammengefasst waren. Generell war das Produktionsvolumen religiöser und theologischer Literatur während der gesamten Weimarer Republik überdurchschnittlich hoch.37 Zu Beginn der dreißiger Jahre wurde dieser Trend noch durch die Sonderkonjunktur weltanschaulicher Literatur verstärkt. Allerdings täuscht dieser oberflächliche Befund über die prekäre Lage und programmatischen Umstrukturierungen des protestantischen Verlagsbuchhandels hinweg. Die traditionellen protestantischen Verlage, die sich im expandierenden Buchmarkt des ausgehenden 19. Jahrhundert auf die theologische Wissenschaft und Praxis speziali34 Titel: Vereine und Verbände, S. 223, 250. Zahlen zum VKB: Spael: Die Geschichte der Vereinigung des katholischen Buchhandels, S. 131. 35 1923 gab es 3.700 Zeitschriften, 1932 7.650. Vgl. Pürer/Raabe: Presse in Deutschland, S. 73 f. In Westdeutschland lag 1956 der Anteil katholischer und evangelischer Buchhandelsunternehmen jeweils bei 3 % am Gesamtbuchhandel, der mithin zu 94 % als »neutral« galt. Spael: Die Geschichte der Vereinigung des katholischen Buchhandels, S. 154. 36 Vgl. Nestler: Bibelgesellschaften, Sp. 1021 –1028. 37 Zur Sonderkonjunktur theologischer bzw. religiöser Literatur vgl. Umlauff: Beiträge zur Statistik des Deutschen Buchhandels, S. 73; zur Konkurrenz: Hübinger/Müller: Politische, konfessionelle und weltanschauliche Verlage; von Miquel/Rendtorff: Theologie für die Praxis, S. 75 f.; Kastner: Statistik und Topographie des Verlagswesens, S. 344 f.; zur ersten Einführung in das protestantische Verlagswesen: Matthias: Buchhandel, christlicher, spez. Sp. 1461 –1465; Fick: Der Evangelische Buchhandel.
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siert hatten, repräsentierten eindeutig die Hauptrichtungen protestantischer Theologie des späten Kaiserreichs. Vandenhoeck & Ruprecht, J. C. Hinrichs, J. C. B. Mohr (Siebeck) waren Publikationsforen für Veröffentlichungen der liberalen Theologie, verstanden als eine methodisch an historischer Wissenschaft geschulte, theologische Kulturwissenschaft. C. Bertelsmann und die A. Deichertsche Verlagsbuchhandlung befestigten dagegen das konservative Luthertum in seinen theologischen Standpunkten. Nach dem Ersten Weltkrieg veränderten sich zum einen die Anbieterschaft populärer religiöser Literatur und zum anderen die Produktionsprofile der etablierten Verlage. Zusätzlich zur nachlassenden Kaufkraft ihrer Kernkundschaft, den protestantischen Pfarrern, hatten insbesondere die akademischen protestantischen Verlage gleichzeitig den theologischen Umbruch der Weimarer protestantischen Theologie in Rechnung zu stellen.38 Sie sahen sich gezwungen, ihre Produktionsprofile erheblich zu verändern. Die theologischen Verwerfungen der Nachkriegszeit und der zwanziger Jahre ließen die theologischen Verlagstraditionen des ausgehenden 19. Jahrhunderts obsolet werden. Die liberale historistische Theologie büßte ihre führende Rolle in der theologischen Lehre und Forschung zugunsten neuer theologischer Strömungen, wie der dialektischen Theologie, der so genannten »Lutherrenaissance« oder der religiös-sozialistischen Theologie ein. Den wissenschaftlichen, historisch-kritischen Anspruch liberaler Theologie als sklerotisch verwerfend, setzten alle neuen Theologien mit existentieller Kompromisslosigkeit auf religiöse Authentizität.39 Die protestantischen Verlage mussten sich in ihrer Programmpolitik auf die neuen theologischen Strömungen einlassen. Dabei verloren die Programmtraditionen des Kaiserreichs an Gewicht; es bildeten sich aber noch keine neuen Schwerpunkte heraus. Vielmehr lässt sich für die protestantisch-theologischen Verlage verlagsübergreifend spätestens seit Mitte der zwanziger Jahre eine neue, offene Konkurrenzsituation theologischer Lehrkonzepte feststellen.40 Aufgrund eines überschaubaren Marktes theologischer Fachautoren näherten sich die Verlage programmatisch einander an. Theologische Lehrkonzepte waren nicht mehr eindeutig mit Verlagsnamen zu identifizieren. Eine zwingende Relation zwischen theologischer Verlagsmarke und theologischem Lehrkonzept war nicht mehr gegeben. Die protestantisch-theologischen Verlage, speziell in der zweiten Hälfte der Weimarer Republik, repräsentierten allenfalls im Rückgriff auf Teile ihrer Traditionen theologisch eindeutige Sinnkonzepte.
Theologie im Umbruch: die traditionellen Verlage wissenschaftlicher Theologie Vandenhoeck & Ruprecht (gegr. 1735 in Göttingen) war seit 1787 im Besitz der Familie Ruprecht.41 Die vierte Generation, die Brüder Dr. Wilhelm und Gustav Ruprecht, hatte die seit 1887 erfolgte Spezialisierung des Verlags auf protestantisch-wissenschaftliche Theologie zu verantworten. 1923, auf dem Höhepunkt der Inflation, trat mit Günther Ruprecht, 38 39 40 41
Vgl. auch: Müller/Rendtorff: Theologie für die Praxis, S. 77. Vgl. Graf: Die »antihistoristische Revolution«. Für Mohr (Siebeck) vgl. Knappenberger-Jans: Verlagspolitik und Wissenschaft, S. 222 f. Zur Verlagsgeschichte vgl. Ruprecht: Väter und Söhne; für die zwanziger Jahre: Wiede: Rasse im Buch, S. 194 –247.
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Sohn Gustav Ruprechts, die fünfte Generation in den Verlag ein. Gemeinsam mit Hellmuth Ruprecht, Sohn Wilhelm Ruprechts, übernahm er in den dreißiger Jahren die Verlagsleitung. In den zwanziger Jahren prägten jedoch noch ältere und jüngere Generation gemeinsam die theologische Wende in der Programmpolitik. Der Verlag war einer der »Hausverlage« liberaler Theologie des ausgehenden 19. Jahrhunderts gewesen. Unter dem Eindruck nachlassenden Absatzes des liberaltheologischen Produktkerns wurde seit Mitte der zwanziger Jahre das Verlagsprogramm für Theologen der »Lutherrenaissance« geöffnet. Maßgebliche Autoren waren die nationalen Neulutheraner Paul Althaus, Emanuel Hirsch und Erich Seeberg. Im traditionell liberalen, religionsgeschichtlichen Verlag Vandenhoeck & Ruprecht hielt die »antihistoristische Revolution« der Weimarer Theologie Einzug.42 Daneben blieb der Verlag offen für theologische Alternativen, zu denen der religiöse Sozialist Paul Tillich oder weiterhin liberale Theologen gehörten. Paul Althaus hatte bereits als Göttinger Privatdozent das Lodzer Kriegsbüchlein von 1916 und Um Glauben und Vaterland von 1917 von Vandenhoeck & Ruprecht verlegen lassen. 1932 eröffnete der Erlanger Systematiker dann mit einer Auslegung des Römerbriefs das Neue Testament. Deutsch. Neues Göttinger Bibelwerk, das er zusammen mit Johannes Behm, mit Althaus befreundeter konservativer lutherischer Theologe und seit 1923 ordentlicher Professor für Neues Testament in Göttingen, herausgab. Im Dezember 1928 unterzeichnete Paul Althaus den Herausgebervertrag über einen exegetischen Kommentar »nicht nur für Theologen, sondern für weiteste Kreise«.43 Die Reihe sollte »über die Grenzen der liberalen Bearbeitung des Neuen Testaments [...] wesentlich hinausführen« und demgegenüber »wirklich in die Sache« einführen.44 Emanuel Hirsch war seit seiner 1914 bei Arthur Titius in Göttingen angefertigten Dissertation Fichtes Religionsphilosophie im Rahmen der philosophischen Gesamtentwicklung Fichtes Verlagsautor bei Vandenhoeck & Ruprecht und hatte dort u. a. das Lutherbrevier. Von Gottesfurcht und Gottvertrauen. Betrachtungen Martin Luthers (1917) herausgegeben. Auch er war ein Vertreter der nationalen »Lutherrenaissance«. Nach seiner Habilitation 1915 in Bonn bei Otto Ritschl war Hirsch seit dem Wintersemester 1920/21 Ordinarius für Kirchengeschichte an der Göttinger Universität. In den zwanziger Jahren wurde er zu einem Hauptautor von Vandenhoeck & Ruprecht. In seinen Büchern Deutschlands Schicksal. Staat, Volk und Menschheit im Lichte einer ethischen Geschichtsansicht (1920), Die Reich-Gottes-Begriffe des neueren europäischen Denkens (1921) und Der Sinn des Gebets. Fragen und Antworten (1921), Jesus Christus, der Herr (1926), Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert (1929) sowie Fichtes, Hegels und Schleiermachers Verhältnis zur Reformation (1930) sprach er einer Gewissensethik des Einzelnen zu, die Grundlage nationaler Erneuerung werden sollte.45 Paul Tillich, dazumal Privatdozent an der Theologischen Fakultät in Berlin, entwickelte in Das System der Wissenschaften nach Gegenständen und Methoden (1923) eine eigene Wissenschaftslehre mit dem Ziel, der Theologie einen zentralen Platz innerhalb der wissenschaftlichen Disziplinen zu sichern. Neben den theologischen Neuerungen be42 43 44 45
Graf: Die »antihistoristische Revolution« in der protestantischen Theologie der zwanziger Jahre. Althaus/Behm: Nachwort zum Gesamtwerke, S. 119. Althaus/Behm, S. 120. Hirsch: Deutschlands Schicksal, S. 32; Assel: Der andere Aufbruch, S. 164 –166.
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wahrte Vandenhoeck & Ruprecht den traditionellen Programmbereich der liberalen Theologie, wie das 1929 postum veröffentlichte Werk Der Messias von Hugo Greßmann oder die Abhandlung Altes Testament und völkische Frage von Johannes Hempel. Allgemein zeichnete sich im Buchverlag Vandenhoeck & Ruprecht mit Beginn der zwanziger Jahre eine Verbreiterung der Tätigkeiten ab.46 Zu nennen sind die verfassungskundlichen Lehrbücher von Friedrich Ehringhaus oder die Reihe Gesundheit und Kraft. Flugschriften für Deutschlands Jugend, die 1919 begann und deren Einzelbände Sportthemen, Ernährung oder Hygiene behandelten. Von Friedrich Ernst August Krause wurde 1925 eine schwergewichtige, dreibändige Geschichte Ostasiens veröffentlicht. Im gleichen Jahr begann die Reihe Aus Naturwissenschaft und Technik. Die Konjunktur religiös-politischer Literatur zu Beginn der dreißiger Jahre schlug sich bei Vandenhoeck & Ruprecht in der Verpflichtung zweier Autoren nieder, die dem Verlagsprogramm deutschnationalistische Gemeinschaftskonzepte beifügten: Max Maurenbrechers antisemitischdeutschchristlicher Religionsentwurf Der Heiland der Deutschen. Der Weg der Volkstum schaffenden Kirche (1930) und Max Hildebert Boehm mit dem geo- und grenzpolitischen Titel Das eigenständige Volk. Volkstheoretische Grundlagen der Ethnopolitik und Geisteswissenschaften (1932).47 Der Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) war aufgrund seiner familial geprägten Unternehmensstruktur und seiner theologisch liberalen Programmtradition des Kaiserreichs so etwas wie das württembergische Schwesterunternehmen von Vandenhoeck & Ruprecht.48 Seine Familientradition war allerdings beträchtlich kürzer als die des Göttinger Verlags. Paul Siebeck hatte 1878 den J. C. B. Mohr Verlag aufgekauft und zunächst in Freiburg (Breisgau) und seit 1899 in Tübingen betrieben. Sein plötzlicher Tod 1920 machte seine Söhne Oskar und Werner zu alleinig verantwortlichen Geschäftsführern. Auch in diesem Unternehmen schlug sich die Absatzkrise liberaler Theologie nieder, die man mit einer programmatischen Mischkalkulation von lutherischer und dialektischer Theologie sowie dem liberal-historistischen Erbe zu beantworten suchte. Der führende Lutherforscher Karl Holl war bereits zum Reformationsjubiläum 1917 mit Was verstand Luther unter Religion? Verlagsautor geworden, 1921 folgte sein Initialwerk der »Lutherrenaissance« Luther in der ersten Auflage. Desgleichen war der Nachfolger Holls auf dem Berliner Lehrstuhl für Kirchen- und Dogmengeschichte, Erich Seeberg, Autor. Daneben publizierte aber auch der Schweizer Dialektiker Emil Brunner seit 1914 parallel seine wichtigsten Bücher bei Mohr (Siebeck), darunter Erlebnis, Erkenntnis und Glaube (1921), Die Mystik und das Wort (1924) sowie Philosophie und Offenbarung (1925). Flaggschiff des theologischen Programms war das Lexikonprojekt Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). Seine erste Vorkriegsauflage bündelte auf einzigartige Weise den kulturliberalen, protestantischen Bildungsanspruch des Kaiserreichs. Seit 1924 forcierten Oskar und Werner Siebeck im Zuge des theologischen Umbruchs eine Neuauflage des Lexikons, die einen umfassenden Querschnitt protestan-
46 Ruprecht: Väter und Söhne, S. 287. 47 Zum Heiland der Deutschen: Wiede: Rasse im Buch, S. 247 –263. 48 Vgl. Knappenberger-Jans: Verlagspolitik und Wissenschaft, zum theologischen Programm speziell S. 200 –224; Hübinger/Müller: Politische, konfessionelle und weltanschauliche Verlage, S. 378 –380.
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tischen Wissens bieten sollte.49 Die Herausgeber Hermann Gunkel und Leopold Zscharnack, rückten vom Ideal einheitlicher theologischer Auslegung ab und präsentierten in der 1927 – 1932 erschienenen zweiten Auflage der RGG ein Wissenspanorama aus protestantischer Perspektive in objektivierendem Zuschnitt. Zugleich erfolgte die Abkehr von populären Vermittlungsambitionen liberaler Theologie. Der Untertitel der ersten Auflage Handwörterbuch in gemeinverständlicher Darstellung lautete nun Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft und signalisierte dadurch bereits den Rückzug auf wissenschaftliche Deutungsarenen. Im philosophischen Programm konnte der Verlag an Vorkriegszeiten anknüpfen. Um die Jahrhundertwende zum verlegerischen Zentrum des südwestdeutschen Neukantianismus avanciert, wurden in den zwanziger Jahren Schriften von Heinrich Rickert oder Ernst Lask in Tübingen veröffentlicht. Eingebunden in die Kulturdiskurse des Neukantianismus arbeitete Ernst Troeltsch, der im Rahmen seiner in Göttingen verbrachten Studienjahre sowie ersten Lehrjahre der Religionsgeschichtlichen Schule angehört hatte.50 Seine Gesammelten Schriften (1912 – 25), in denen Troeltsch historistische Relativität und den kulturbildenden Absolutheitsanspruch christlicher Glaubensgewissheiten synthetisierte, waren herausragendes Verlagsprojekt der zwanziger Jahre. Seinen eigentlichen Programmschwerpunkt, und hier lag ein entscheidender Unterschied zu Vandenhoeck & Ruprecht, hatte J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) jedoch nicht in der Theologie. Die rechts- und staatswissenschaftlichen Disziplinen sowie die Nationalökonomie waren mit einem erheblich höheren Produktionsausstoß die tragenden Programmteile des Verlags. Einflussreichster Verlagsautor, der das Verlagsprogramm in vieler Hinsicht formte, war Max Weber. Seine Gesammelten Aufsätze 1922 – 1924 sowie Wirtschaft und Gesellschaft wurden innerhalb des Sammelwerks Grundriss der Sozialökonomik 1922 bei J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) veröffentlicht. Der einzige traditionelle, bereits auf dem liberalen theologischen Buchmarkt des ausgehenden 19. Jahrhunderts etablierte Verlag, der im Wettbewerb der theologischen Sinnkonzepte Teile seines Profils bewahren konnte, war der J. C. Hinrichs Verlag (gegr. 1796 in Leipzig).51 1900 veröffentlichte Adolf von Harnack dort sein Standardwerk Das Wesen des Christentums, dessen Auflagenhöhe bis 1929 auf 72.000 Stück anwuchs. Nach dem Krieg wurde Hinrichs in der fünften Familiengeneration von Gustav Rost geleitet. Die Theologischen Blätter, seit 1922 bestehend, standen mit ihrem Herausgeber, dem Neutestamentler Karl Ludwig Schmidt politisch den dialektischen Theologen nahe, wissenschaftsmethodisch jedoch für philologische Präzision. Avancierten die Theologischen Blätter zu einem einflussreichen, meinungsbildenden Organ der Weimarer Republik, so bestand die Theologische Literaturzeitung, die älteste und umfangreichste Rezensionszeitschrift für die wissenschaftliche Theologie und die Religionswissenschaften, im Verlag weiterhin fort. Von den liberalen Theologen Adolf von Harnack und Emil Schürer gegründet und geprägt, zeichnete nunmehr der Neulutheraner Emanuel Hirsch für die Herausgabe verantwortlich. An dieser Stelle wurde im Verlagsprogramm von J. C. Hinrichs der theologische Umbruch greifbar.
49 Zur Neuauflage: Conrad: Lexikonpolitik, S. 347 –446. 50 Vgl. Graf: Troeltsch, Ernst. 51 Vgl. Geist: Ein Geschäft recht geistiger Natur, spez. S. 41 –57; Schmidt: J. C. Hinrichs Verlag.
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Der Verlag C. Bertelsmann (gegr. 1835 in Gütersloh) war aus der Minden-Ravensbergischen Erweckungsbewegung hervorgegangen und demnach traditionell populärer in seinem Programm angelegt als die Universitätsverlage Vandenhoeck & Ruprecht oder J. C. B. Mohr (Siebeck). Der erbaulich-religiöse Charakter des Verlagsprogramms blieb zunächst erhalten, als mit Heinrich Mohn im Sommer 1921 die vierte Familiengeneration die Verlagsleitung übernahm. Gesangbücher, Kalender, Missionstraktate und Notenbücher für Posaunenchöre sorgten weiterhin für Massenabsatz an der kirchlichen Basis. Daneben bekräftigten akademische Reihenprojekte, wie die Beiträge zur Förderung christlicher Theologie das Verlagsimage in konservativen kirchlichen Kreisen. Noch stärker als Vandenhoeck & Ruprecht setzte Heinrich Mohn, der Mitglied der 1917 gegründeten LutherGesellschaft sowie der älteren Lutherischen Konferenz Westfalens war, im theologischen Verlagsprogramm der zwanziger Jahre auf die Neubelebung der reformatorischen Rechtfertigungslehre. Paul Althaus war bereits seit 1915, wie sein Vater Paul Althaus d. Ä, Autor.52 Bis 1945 publizierte Althaus (d. J.) an die sechzig Einzeltitel bei Bertelsmann, darunter die populären politisch-theologischen Schriften Kirche und Volkstum (1928) und Theologie der Ordnungen (1934).53 Neben Althaus war der konservative Göttinger Systematiker Carl Stange, Nachfolger von Paul Althaus d. Ä., wichtigster Vertreter der »Lutherrenaissance« im Bertelsmann Verlag. Stange war einer der herausragenden Organisatoren der neulutherischen Bewegung. Seit 1920 war er Leiter des Apologetischen Seminars in Wernigerode, einer 1909 gegründeten Tagungsstätte der protestantischen Erwachsenenbildung, und veröffentlichte deren Vortragsreihe Studien des Apologetischen Seminars Wernigerode im Bertelsmann Verlag. 1932 wurde das Apologetische Seminar in die von Stange begründete Luther-Akademie Sondershausen integriert und eine zusätzliche Schriftenreihe, die Studien der Luther-Akademie in Sondershausen, von Bertelsmann produziert. Entscheidend für die Profilierung des Verlags in der Weimarer Theologie war jedoch, dass Stange das zentrale Publikationsorgan der »Lutherrenaissance« bei Bertelsmann herausgab, die Zeitschrift für systematische Theologie. Doch auch Bertelsmann war theologisch nicht mehr eindeutig zu klassifizieren und erweiterte sein Programmspektrum in den theologischen Subdisziplinen. 1931 veröffentlichte sowohl der Neulutheraner Emanuel Hirsch seine Kierkegaardstudien als auch Dietrich Bonhoeffer seine Habilitationsschrift Akt und Sein. Transzendentalphilosophie und Ontologie in der systematischen Theologie. Neben die lutherische Studie des Schweden Arvid Runestam Liebe, Glaube, Nachfolge. Von der Anpassung der Moral an die Wirklichkeit trat das Amtstagebuch für evangelische Geistliche oder Hans Ehrenbergs Der Mann ohne Arbeit. Ein Wort der Kirche an die Arbeitslosen. Im gesamten Verlagsprogramm verlor die Theologie allmählich ihr Gewicht zugunsten der bei Bertelsmann 1927 eingeführten Belletristik. Ausgehend von christlicher Erbauungsprosa, die im Periodikum Der christliche Erzähler im Abonnementsystem an den Leser verkauft werden konnte, driftete Bertelsmann seit 1928 mit Romanen von Marie Diers oder Wilhelm Kotzde und vor allem Gustav Schröers Bestseller Heimat wider Hei-
52 Vgl. Müller/Rendtorff: Theologie für die Praxis; Wittmann/Haas/Simons: »Bekenntnis zum deutschen Menschen«; Pautler/Rendtorff: »Dort wird in allen Sätteln geritten«; Pautler/Rendtorff: »Volksgemeinschaft« als Schöpfungsordnung, S. 208 –216. 53 Vgl. Pautler/Rendtorff: »Volksgemeinschaft« als Schöpfungsordnung.
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mat in die Segmente völkisch-national-konservativer Trivialliteratur ab.54 Sowohl Herstellungskompetenzen – Bertelsmann verfügte über eine unternehmenseigene leistungsfähige Druckerei und Buchbinderei – als auch Erfahrungen in einer ausdifferenzierten und innovativen Vertriebs- und Werbearbeit erleichterten die folgende Expansion des Verlags in der Belletristik. Bertelsmann konnte am belletristischen Massenmarkt, der sich seit dem Ersten Weltkrieg rasant entwickelte, partizipieren und produzierte schließlich in den dreißiger Jahren »Großverbrauchsliteratur« in hohen Auflagen.55 Die Transformation des Konfessionsverlags erweckungsbewegter Erbauungsliteratur in der Provinz zu einem Großunternehmen der Massenunterhaltung kündigte sich an.
Neue Konkurrenzlage Für die Zeit um die Jahrhundertwende prägte Nipperdey den Begriff der »vagierenden Religiosität«, um das Phänomen zunehmender außerkirchlicher Religiosität zu bezeichnen.56 Nach dem Ersten Weltkrieg indizieren eine Vielzahl populärer, religionskundlicher Einführungsbände oder religiös-theologischer Bestseller die Konjunktur religiöser Sinnsuche auf dem Buchmarkt. Das Vagierende setzte sich fort und betraf nunmehr auch den Verlagsbuchhandel. Die religiösen oder theologischen Bestseller sowie die populären, religionskundlichen Einführungsbände wurden vorrangig von Verlagen produziert, die relative »Newcomer« auf den theologischen Teilmärkten waren. Zu nennen ist der traditionsreiche Breslauer Schulbuchverlag Trewendt & Granier, der 1917 den sakralkundlichen Klassiker Das Heilige des Religionswissenschaftlers Rudolf Otto verlegte, sowie die theologischen Kleinverlage Chr. Kaiser und Furche. Im Chr. Kaiser Verlag (gegr. 1845 in München), anfangs vor allem Verlag für die Veröffentlichungen der protestantischen Gemeinde Münchens, erweiterte sich seit der Verlagsübernahme von Albert Lempp 1911 der programmatische Horizont.57 Wichtige Verlagsautoren waren die Nürnberger Pfarrer Christian Geyer und Friedrich Rittelmeyer sowie der spätere NS-nahe Theologe Georg Schott, deren freisinnige Interpretation von Bibel und Bekenntnis zu Auseinandersetzungen mit dem evangelisch-lutherischen Oberkonsistorium in München geführt hatte. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Verlag mit der Übernahme des Römerbriefs des damals noch unbekannten Schweizer Pfarrers Karl Barth 1920 zum Verlagszentrum der antiliberalen, so genannten »dialektischen Theologie«. Die »zweite Auflage in neuer Bearbeitung« des Römerbriefs von 1922 wurde ein überragender Verlagserfolg. Karl Barth tätigte in den folgenden Jahren seine Veröffentlichungen fast ausschließlich bei Chr. Kaiser, so die Sammelbände Das Wort Gottes und die Theologie (1924) und Die Theologie und die Kirche (1928), Die 54 Ketelsen: Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literatur in Deutschland 1890 –1945, S. 72 f.; zur Belletristik bei Bertelsmann: Wittmann/Haas/Simons: »Bekenntnis zum deutschen Menschen«. 55 Der Begriff »Großverbrauchsliteratur« bei: Dohnke: Völkische Literatur und Heimatliteratur 1870–1918, S. 671; zur Statistik der Schönen Literatur in der Weimarer Republik: Kastner: Statistik und Topographie des Verlagswesens, S. 343; Umlauff: Beiträge zur Statistik des Deutschen Buchhandels, S. 78 f. 56 Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918, S. 521. 57 Vgl. Hübinger/Müller: Politische, konfessionelle und weltanschauliche Verlage, S. 383; Graf/ Waschbüsch: Christian Kaiser Verlag; 125 Jahre Chr. Kaiser Verlag München.
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Auferstehung der Toten (1924), Vom christlichen Leben (1926), Fides quaerum intellectum (1931) sowie der erste Band der Kirchlichen Dogmatik (1932). Die Akquise von Karl Barth ging maßgeblich auf den theologischen Berater des Verlags Georg Merz, damals Pfarrer in München, zurück. Er war zusammen mit Friedrich Gogarten, Karl Barth und Eduard Thurneysen gleichfalls Gründer sowie Herausgeber der Zeitschrift Zwischen den Zeiten, die seit 1923 bei Chr. Kaiser erschien und, ihrem Namen gemäß, der »dialektischen Theologie«, der Theologie der sich zeitenlos wähnenden Frontgeneration, Raum bot.58 Unbeeinflusst vom Verlagsstandbein in der »dialektischen Theologie« verfügte Chr. Kaiser über ein verlegerisches Spielbein bei den Neulutheranern Paul Althaus und Emanuel Hirsch. Ersterer gab bei Chr. Kaiser zumindest 1927 – 1935 gemeinsam mit seinem theologischen Antipoden Karl Barth die Reihe Forschungen zur Geschichte und Lehre des Protestantismus heraus. Beide waren neben dem Dialektiker Emil Brunner Autoren in der Reihe Veröffentlichungen der Luther-Gesellschaft (1925 – 1928). Emanuel Hirsch steuerte Luthers deutsche Bibel. Ein Beitrag zu ihrer Durchsicht (1928), Paul Althaus Der Geist der lutherischen Ethik im Augsburgischen Bekenntnis (1930) und Die lutherische Abendmahlslehre in der Gegenwart (1931) zu der Reihe bei. Eine Auswahl von Luthers Schriften wurde daneben in den Klassischen Erbauungsschriften des Protestantismus (seit 1929) neu herausgegeben. Auf den ersten Blick kurios und unpassend zum theologischen Programm wirken die zahlreichen Veröffentlichungen der volkstümlichen Münchner Laien-, Kasperl- und Marionettenspielszene im Chr. Kaiser Verlag. Otto Salomon, Mitarbeiter Albert Lempps, betreute das Verlagsgebiet und verfasste selbst zahlreiche Laienspiele. Maßgeblicher Autor war Rudolf Mirbt, der Leiter der Münchner Laienspieler und Begründer der Laienspielbewegung der zwanziger Jahre. Zu bedenken ist, dass Salomon und Mirbt, wie auch die Rezipienten der Weimarer Theologie, der Frontgeneration angehörten, für die das Kriegserlebnis, aber auch die WandervogelBewegung mit ihren Geselligkeitsformen prägend waren. Jugendliche Begeisterung für lebensvoll bewegte Theologie und das Erleben einer verbindenden Gemeinschaft im gemeinsamen Schauspiel bildete das gemeinsame Thema der theologischen und theaterbezogenen Verlagsrichtungen des Chr. Kaiser Verlags. Der Berliner Furche Verlag (gegr. 1910) verlegte ursprünglich die Zeitschrift Furche der Deutschen Christlichen Studenten-Vereinigung. 1914 wurde das Verlagsunternehmen ausgeweitet und produzierte nun auch Belletristik für kriegsteilnehmende Studenten. Seit 1916 kamen weltanschauliche und schöngeistige Titel für ein breites Publikum hinzu. 1926 landete der Furche Verlag mit Das Jahrhundert der Kirche des Berliner Generalsuperintendenten Otto Dibelius einen Bestseller. Dibelius Behandlung der neuen organisatorischen und ideellen Probleme der protestantischen Kirchen stieß auf enorme öffentliche Beachtung. Der Furche Verlag ergänzte sein Verlagsprogramm dennoch um theologisch alternative Titel. Paul Althaus war mit Die Krisis der Ethik und das Evangelium (1926) und Heinrich Rendtorff mit dem volksmissionarischen Traktat Ich weiß, an wen ich glaube (1930) im Verlagsprogramm vertreten. Paul Tillich hatte bereits 1929 mit dem Titel Religiöse Verwirklichung religiös-soziale Akzente gesetzt.
58 Vgl. Graf/Waschbüsch: Zwischen den Zeiten.
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Katholische Verlage Gemessen an den 4.300 Verlagen, die es laut einer Umfrage 1925 in Deutschland gegeben haben soll, nahm sich das Feld der rund 100 dezidiert katholischen Verlage recht bescheiden aus.59 Die folgende Tabelle führt katholische Verlage, die in der Weimarer Republik existierten, ohne Anspruch auf Vollständigkeit in der Reihenfolge ihres Alters auf.
Buchverlage des deutschsprachigen Katholizismus 1918–1933 Verlag
Gründg. Ort 1591 Münster
Kurzprofil Mitglied im VKB
Pustet
1592 München
Mitglied im VKB
Kösel
1593 München
Belletristik; ZS: Hochland; Mitglied im VKB
Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
1659 Paderborn
Fürstbischöfliche Gründung; Mitglied im VKB
Aschendorff
1720 Münster
Kirchheim
1736 Mainz
Münsterischer Anzeiger; Schulbücher; Mitglied im VKB Schulbücher
Verlagsanstalt Benziger & Co
1792 Einsiedeln/CH ZS Alte und Neue Welt; Hugo Ball; Gertrud v. Le u. Köln (1894) Fort; Mitglied im VKB
Herder
1801 Freiburg
J. P. Bachem
1818 Köln
Schwann
1821 Düsseldorf
Verlagshaus B. Kühlen
1825 MönchenGladb.
Paul Pattloch
1827 Würzburg
Mitglied im VKB
G. J. Manz
MonatsZS: Prediger und Katechet; Übernahme der »Vereinigten Druckereien« 1929; Mitglied im VKB
G. P. Aderholz
1830 Regensburg / München 183? Breslau
Räber
1832 Luzern
Schweizerische Kirchenzeitung
Regensbergsche Verlagsbuchhandlung
Verlag J. Schnellsche 1834 Warendorf Buchhandlung Laumann Verlag
1842 Dülmen
Borromäusverein
1844 Bonn
Lexikon für Theologie und Kirche; Initiator des VKB Karl Bachem, Geschichte der Zentrumspartei, Mitglied im VKB Theologie, Schulbücher; übernimmt 1933 Mosella Verlag Mitglied im VKB
Tageszeitung Neuer Embote; religiöses Schrifttum; Augustin Wibbelt, Hermann Löns; Mitglied im VKB Devotionalien Sonderfall, da primär verbreitender Buchhandel; Mitglied im VKB
59 Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels, S. 330. Hübinger/Müller: Politische, konfessionelle und weltanschauliche Verlage, S. 370, schreiben zu Recht: »Literatur oder Überblicksdarstellungen zum katholischen Verlagswesen gibt es, mit Ausnahme der entsprechenden Selbstdarstellungen der Firmen, kaum.«
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Verlag
Gründg. Ort
Kurzprofil
Schöningh
1847 Paderborn
ZS Theologie und Glaube; Wissenschaft; Mitglied im VKB Mitglied im VKB
Verlagsbuchhandlung 1849 Hildesheim August Lax 1848 Stuttgart Schwabenverlag Don Bosco
1925 München
Katholischer Volks- und Hauskalender; Mitglied im VKB Verlag der Salesianer, 1938 verboten
Waldstatt
1865 Einsiedeln
Devotionalien, Gebetbücher
Fredebeul & Koenen
1866 Essen
A. Fromm Verlag
1868 Osnabrück
F. H. Kerle Verlag
1868 Heidelberg
Apologetische Schriften wie Keiter, Konfessionelle Brunnenvergiftung, 1908. ZS: Der Gral (1925/26); Mitglied im VKB Zeitungen u. Bücher. Ordo Socialis, Hg. Carl Sonnenschein Kreis; Mitglied im VKB Mitglied im VKB
van Acken
1868 Lingen
Bonifacius-Druckerei 1869 Paderborn 1869 Graz, Köln Styria
wenige Gebiete, klein Sehr einflussreicher Verlag; Mitglied im VKB
Josef Habbel
1870 Regensburg
Butzon & Bercker
1870 Kevelaer
Thomas-Druckerei und Verlag
1871 Kempen
Weltgeschichte (22 Bde.) von Joh. B. v. Weiß u. Richard v. Kralik Literatur und Kunst; Eichendorff; W. Kosch; Mitglied im VKB Kath. Handlexikon; Kirchengeschichte; Mitglied im VKB Mitglied im VKB
Badenia Verlag und Druckerei
1874 Karlsruhe
Mitglied im VKB
Verlag der Germania 1874 Berlin 1874 Fulda Parzeller & Co Paulinus Verlag
1875 Trier
Auer (Ludwig Auer/ Cassianeum)
1875 Donauwörth
Hanstein
1878 Bonn
Peter Hanstein Verlag 1880 Bonn 1881 Hamm Breer & Thiemann Verlag J. Pfeiffer
1882 München
Politische Literatur Bonifatiusbote, Gotteslob; Mitglied im VKB Gründer: »Presskaplan« und Judenfeind Georg Friedrich Dasbach; Trierer Theol. ZS; Mitglied im VKB Pädagogische Literatur, Zeitschriften (Monika); Mitglied im VKB Bonner Bibelwerk, AT: Fritz Tillmann, 1912 Mitglied im VKB Frankfurter zeitgemäße Broschüren Andacht; Mitglied im VKB
1890 Köln u. Stein- Mitglied im VKB feld 1896 München Mitglied im VKB Verlag Ars sacra Josef Müller Konzentriert auf Kunst Beuroner Kunstverlag 1898 Beuron Salvator-Verlag
Kolping Verlag
19?? Köln
5.2 .8 Konf ession elle Ver lage Verlag Bucher, F.X.
Gründg. Ort Würzburg
159 Kurzprofil Kath. Kanzelstimmen
Lambertus-Verlag
1898 Freiburg
Mitglied im VKB
Alsatia Verlag
1898 Freiburg
Mitglied im VKB
Lahn Verlag
1900 Limburg
Echter Verlag
1900 Würzburg
Theodor Lampart
1901 Augsburg
Gründer: Pallottiner; ZS: Rosenkranz; Mitglied im VKB Echterbibel; Berichte der Kath. Akad. i. Bayern; Belletristik; Mitglied im VKB ZS: Das Zwanzigste Jahrhundert; Reformkatholiken
Volksvereins Verlag
1905 Mönchen-Glb. Volksverein
Verlag Ferdinand Kamp
1909 Bochum
Mitglied im VKB
Sebaldus-Druck und Verlag
1910 Nürnberg
Mitglied im VKB
Bodenseeverlag Karl 1910 Ravensburg u. ZS: HJB d. Görres Ges; Philosophisches Jb, Hg: Freiburg Max Müller, Michael Schmaus; Der Gral; 1935 von Alber Herder übernommen; Mitglied im VKB 1910 Dillingen Aufsichtsratsvorsitzender: Dr. Georg Heim, der Vereinigte Druckereibayerische »Bauerndoktor«; 1929 mit J. G. Manz en, Kunst- u. Verlagsfusioniert anstalten AG Mosella Verlag
1910 Trier
Betreuung der Eckerschen Schulbibel, 1933 von Schwann übernommen Religionsunterricht an Höheren Schulen; Mitglied im VKB Bruce Marshall, Edzard Schaper, Reinhold Schneider, Martin Buber, Georges Bernanos, Francis Jammes Schöne Literatur; ZS: Die Bergstadt
Patmos
1910 Düsseld.
Jakob Hegner
1912 Hellerau
Bergstadtverlag
1914 Breslau
Edition Cron
1914 Luzern/CH
Kyrios Verlag
Walter Verlag
1916 Graz; 1927: Mitglied im VKB Meitingen (bei Augsburg) 1916 Olten Ursprünglich kathol. Pressehaus
Hoheneck-Verlag
1917 Hamm
Mitglied im VKB
Neugründungen in der Weimarer Republik Ars liturgica, Buch- 1918 Maria Laach Abteiverlag; Mitglied im VKB und Kunstverlag Liturgische Bewegung; Romano Guardini Matthias-Grünewald 1918 Mainz Bühnenvolksbund
1919 Frankfurt
Kunst, Theater; ZS: Der Bühnenvolksbund
Pilger Druckerei
1919 Speyer
Mitglied im VKB
Pilger
1919 Speyer
Der Pilger, Speyerer Bistumsblatt
Johannes-Verlag
1920 Leutesdorf
Gründer: Pater Johannes Maria Haw; Religiöses Kleinschrifttum; Mitglied im VKB
160
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Kanisiuswerk
1921 Konstanz
Mitglied im VKB
Max Hueber
1921 München
Paulus Verlag K. Bitter
1922 Recklinghausen
Sprachen und Theologie Hb. der Moraltheologie, 15 Bde.; Münchner Theologische ZS, Hg. M. Schmaus Mitglied im VKB
Dietrich Coelde Ver- 1922 Werl lag 1922 Würzburg Augustinus Verlag
Mitglied im VKB Inh.: Augustinuskloster; Mitglied im VKB
Berglandverlag
1922 Elberfeld
Wissenschaft u. Musik
St. Otto
1922 Bamberg
St. Heinrichsblatt; Mitglied im VKB
Verlag katholisches Bibelwerk
1923 Stuttgart
Mitglied im VKB
Glock u. Lutz
1923 Nürnberg
Verlag Kepplerhaus
1924 Stuttgart
Verlegte auch evangel. Lit., verstand sich nicht explizit als »kath.«, sondern ausdrücklich als humanistisch; Autoren: Karl Muth, ZS: Besinnung. Mitglied im VKB
Verlag Otto Walter
1924 Konstanz, Zweigniederlassung von Walter, Olten; Mitglied im 1937: Freiburg VKB 1925 Bonn Mitglied im VKB
Verlag bibliotheca christiana
Brentanoverlag Viktor 1925 Stuttgart Kubczak 1926 Bonn Hofbauer
Gegr. in Breslau. Tochterunternehmen der Schlesischen Volkszeitung; Heimatthemen
Steyler Verlagsbuch- 1927 St. Augustin handlung 1928 Ettal Buch-Kunstverlag Ettal 1929 Friedberg (bei Pallotti Verlag Augsburg) 1931 Eichstätt Franz-Sales-Verlag
Verlag der Steyler Missionare; Mitglied im VKB
Schwerpunkt: Alfons von Liguori
Klosterverlag mit christlicher Kunst; Mitglied im VKB Verlag des Pallottiner-Ordens; Mitglied im VKB Gründung der Kongregation der Oblaten des hl. Franz von Sales; Mitglied im VKB
Die Angabe »Mitglied im VKB« bedeutet in der Verlegerkammer, bezieht sich aber auf die Angaben in Der katholische Buchhandel Deutschlands, 1967, S. 175 –181. Daten aus ebd., aus Vinz u. Olzog, 1962 sowie zahlreichen anderen Quellen.
Im Folgenden soll, statt Einzelverlagsgeschichten nachzuerzählen, eine Herangehensweise gewählt werden, die das Feld katholischer Verlage nach Positionen unterteilt. Eine solche Analyse kann zugleich der anhaltenden Debatte über das katholische Milieu dienen. Denn eine »starke, eng geschlossene Phalanx« wie im Kulturkampf war der politische Katholizismus mit seinem vorpolitischen Milieu längst nicht mehr.60 So sehr Katholiken in manchen Fragen noch zusammenstanden, etwa bei der Abwehr der Si60 Weber: Eine starke, enggeschlossene Phalanx.
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multanschule, so sehr bröckelte das Milieu an den Rändern. Aber auch innerhalb des Milieus und des politischen Katholizismus reichte das Spektrum von philofaschistischen, spätultramontan-monarchistisch-demokratiefeindlichen über ständestaatliche und vernunftrepublikanische bis hin zu christlich-sozialistischen Positionen. Diese Vielfalt spiegelte sich auch im Verlagswesen wider.
Der Herderverlag: Dachverlag für viele Positionen Große Verlage wie Herder in Freiburg konnten unter ihrem weiten Mantel divergierende Positionen beherbergen. Allein die unüberschaubar vielen Mitarbeiter an den diversen katholischen Lexika, die nur der Herder Verlag unter der Leitung von Hermann Herder zu schultern in der Lage war, ließen eine stromlinienförmige ideologische Ausrichtung nicht zu. Die fünfte Auflage des Staatslexikons. Recht, Wirtschaft, Gesellschaft, erschien 1926 – 1932 in fünf Bänden im Auftrag der Görres Gesellschaft. Selbst die von Anhängern der Weimarer Republik verfassten Artikel waren noch von Indifferenz gegenüber der Demokratie geprägt.61 Das Lexikon für Theologie und Kirche gab in 10 Bänden zwischen 1930 bis 1938 Michael Buchberger als Nachfolger seines zweibändigen Kirchlichen Handlexikons (1907/1912) und des zwölfbändigen Kirchenlexikons von Wetzer und Welte heraus. Herders Konversationslexikon erschien als Der Große Herder zwischen 1931 und 1935 in einer Auflage von 40.000. Zwischen 1930 und 1932 produzierte Herder schließlich das Lexikon der Pädagogik der Gegenwart.62 Herder betreute seit 1918 auch Hülskamps 1862 gegründete Empfehlungsserie, nun unter dem Titel Literarischer Handweiser. Kritische Monatsschrift, ohne den Arbeitsaufwand für dieses Werk zu scheuen. Zwischen 1918 und 1925 machten sich 396 Mitarbeiter Gedanken darüber, was ein guter Katholik lesen dürfe. Die Werbeanzeigen vermitteln ein Bild davon, welche Firmen die Finanzkraft und Bereitschaft aufbrachten, sich den Multiplikatoren ihres Milieus und dessen Lesern in Erinnerung zu rufen. Neben Herder selber, der an der Spitze stand und der das Blatt ja selber verlegte, gehörten zu den regelmäßigen Anzeigenkunden Aschendorff, J. P. Bachem, der Berglandverlag, der Bühnenvolksbund, Fredebeul & Koenen, der in den frühen 1920er Jahren gegründete Führer-Verlag in Mönchengladbach, Matthias-Grünewald, Kösel & Pustet, Schwann, die Tyrolia Verlagsanstalt und der Volksvereinsverlag, mithin ein wichtiger Ausschnitt des katholischen Verlagsspektrums.63 Bei Herder erschienen Großausgaben entschieden katholischer Literatur wie zum Beispiel Ludwig Pastors 22-bändige Geschichte der Päpste (1886 – 1932).64 Charakteristisch für Herder ist aber auch, dass er sich neben diesem papsttreuen Modernistende-
61 Vgl. Bauer: Staatslexikon der Görres-Gesellschaft; Köhler: Bücher als Wegmarken des deutschen Katholizismus, S. 43. 62 Spieler, Josef: Lexikon der Pädagogik der Gegenwart. Hrsg. vom Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik Münster in Westfalen. Freiburg: Herder, 2 Bde., 1930 –32. 63 Vgl. die Dissertation von Bonnery: Les revues catholiques, S. 145, 125 f. 64 Pastor, Ludwig: Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters (1305 –1799), 16 in 22 Bden. Freiburg: 1886 –1933.
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nunzianten zugleich seines liberalen Kollegen Franz Schnabel und dessen innovativer Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert (1929 – 1937) annahm.65
Lagerkämpfe und Positionsverlage Rechts von Herder standen Verlage wie Karl Alber, Kösel & Pustet sowie besonders Manz in Regensburg, links davon etwa der Verlag des Volksvereins in MönchenGladbach (VKD), und zwar in politischer und gesellschaftlicher, literarischer, theologischer und religiöser Hinsicht. Im »Verfassungsstreit« verteilten sich die beteiligten Autoren insbesondere auf diese Verlage. Der Streit entzündete sich an Artikel 2 des ersten, die Republik erklärenden Artikels: »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus«. Zahlreiche Katholiken monierten das Fehlen einer nominatio Dei (die es übrigens in den Verfassungen 1849 und 1871 auch nicht gab). Rechtsstehende Katholiken behaupteten, die Volkssouveränität sei mit katholischen Grundsätzen unvereinbar. Pfarrer Philipp Haeuser sprach der Verfassung 1922 den nationalen Charakter ab.66 Weil sie dem neuen Reich die Verfassung gegeben hätten, warf der Leiter des Verlags Kösel & Pustet, Paul Siebertz, Zentrum und Sozialdemokratie 1923 »ein einziges verbrecherisches Abgehen von jeder historischen Denkweise« und die »Eliminierung Gottes aus der Verfassung« vor.67 Noch 1932 wetterte Clemens August Graf von Galen, der spätere »Löwe von Münster«, gegen die unbeschränkte Auslieferung der Gesetzgebung an den Volkswillen. Galens Schrift Die Pest des Laizismus erschien in der traditionsreichen Aschendorffschen Buchhandlung in Münster.68 Die republikfeindlichsten Schriften kamen jedoch bei Manz in Regensburg heraus. Dort ließ der Hauptprotagonist der intransigenten Richtung, Franz Xaver Kiefl, seine Attacken gegen die Verfassung publizieren, was bis heute als Kiefl-Tischleder Kontroverse bekannt ist. Der Regensburger Domdekan und Würzburger Dogmatikprofessor konnte sich die Herrschergewalt nur von oben, von Gott gegeben vorstellen. Die Massen dürften, wie schon Leo XIII. erkannt habe, nicht zur Herrschaft gelangen. Umso schlimmer war es, dass die Verfassung aus der Revolution von 1918 hervorgegangen war, die von Freimaurern, Juden und Sozialisten verantwortet worden sei. Auch Walter Rathenau geriet ins Fadenkreuz seiner antisemitischen Angriffe.69 Hauptgegner von Kiefls Schriften waren der Münsteraner Theologe Tischleder und dessen Lehrer Joseph Mausbach, die beteuerten, Artikel 2 bedeute für den gläubigen Christen nicht, die göttliche Führung des Volkes zu leugnen.70 Ihre Schriften erschienen im VKD; auch der Zentrumspolitiker Karl Bachem stellte sich in seiner im Bachem-Verlag 1931 publizierten Zentrumsgeschichte ganz auf
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Vgl. Hertfelder: Franz Schnabel und die deutsche Geschichtswissenschaft. Haeuser: Wir Deutsche Katholiken und die moderne revolutionäre Bewegung, S. 50. Siebertz: Deutschland zur Zeit seiner größten Schmach, S. 25 f. Clemens August Graf von Galen: Die »Pest des Laizismus« und ihre Erscheinungsformen – Erwägungen und Besorgnisse eines Seelsorgers über die religiös-sittliche Lage der deutschen Katholiken. Münster: 1932. 69 Kiefl: Die Staatsphilosophie der katholischen Kirche, S. 9 f., 32 f., 90. 70 Zum Verfassungsstreit grundlegend: Morsey: Die deutsche Zentrumspartei, S. 236 –242; Hürten: Deutsche Katholiken 1918 bis 1945, S. 58 –62; Otten: Die »Rettung des Politischen«, S. 88 –99.
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die Seite von Mausbach und Tischleder.71 Der Manz Verlag schärfte sein Profil, indem er katholisch-republikfeindliche Schriften verbreitete, darunter die antisemitische Hetzschrift des Wolfsberger Stadtpfarrers Robert Klimsch, die 1920 endlich die »vollständige Lösung der Judenfrage« forderte.72 Manz verlegte auch mehrere Publikationen von Pfarrer Haeuser, etwa 1923 Jud und Christ oder Wem gehört die Weltherrschaft, solange sie rechtskatholisch waren, bevor Haeuser seine Texte, eine Mixtur aus Nationalsozialismus und Katholizismus, 1931 direkt im Eher-Parteiverlag in München unterbrachte.73 Dennoch war Manz 1925 mit 25 Millionen Reichsmark verschuldet. Erst die Fusion mit den Vereinigten Druckereien in Dillingen (Veduka) rettete den Verlag 1929 vor dem Konkurs.74 Schon im sogenannten »Literaturstreit« zeichneten sich die zerstrittenen Abb. 3: Karl Muth (1867–1944), Hochland 39 Lager zwischen Modernisten und Inte(1946). gralisten in den passenden Verlagen ab. Er begann 1898 mit Karl Muths Aufruf, die katholische Unterhaltungsliteratur müsse sich auf die Höhe der Zeit begeben.75 Vor dem Hintergrund der »Inferioritätsdebatte« (über Ursachen und Auswege aus der katholischen Rückständigkeit) wollte Muth nicht weniger, als dass sich die rückständige katholische Dichtung an das höhere protestantische Niveau assimilierte, dabei aber zugleich stets das »Menschlich-Bedeutungsvolle«, das Verhältnis zu Gott, authentisch empfindend ausdrücke. Dieses Literaturprogramm bedeutete zwar einen Fortschritt, war aber letztlich nicht modern, sondern »epigonal«,76 allerdings nicht so rückwärts gewandt wie die Gegengründung Richard 71 Tischleder: Die Staatslehre Leos XIII.; Bachem: Vorgeschichte, Geschichte und Politik der Deutschen Zentrumspartei, Bd. 8, S. 311 –320. 72 Klimsch: Die Juden, S. 55. 73 Haeuser, Philipp: Jud und Christ oder Wem gebührt die Weltherrschaft? Regensburg: Manz 1923; ders.: Kampfgeist gegen Pharisäertum: national-sozialistische Weihnachtsrede eines katholischen Geistlichen. München: Eher 1931. 74 Vgl. Flemmer: Verlage in Bayern, S. 167. 75 Veremundus [= Karl Muth]: Steht die Katholische Belletristik auf der Höhe der Zeit? 76 Brenner: Catholica non leguntur, S. 296 –298; Osinski: Katholizismus und deutsche Literatur im 19. Jahrhundert, S. 367, urteilt, Muth habe mit seinen »antimodernen, antistädtischen, anti-
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von Kraliks, der die katholische Literatur statt am modernen protestantischen Bürgertum lieber am Barock ausrichten wollte. »Die einen neigten mehr als zulässig zur Emanzipation, die andern zu einer Fesselung, welche die freie Bewegung, […], bedrohte. […] Im Ganzen aber behaupten wohl diejenigen das Feld, welche gegen die Extremen von rechts und links Stellung nahmen«.77 Der damals noch unbedeutende Kösel Verlag gab die 1903 von Muth gegründete Zeitschrift Hochland mit wachsender Auflage (1939: 12.000) bis zu ihrer Einstellung 1941 heraus. Der Kemptener Verlag verteidigte Muths Stellung im Literaturstreit, der 1923 und 1927 kleinere Nachwehen hatte.78 Verlagsleiter Paul Huber war selbst aktiv an der Profilierung von Hochland beteiligt.79 Nach seinem Tod 1911 übernahm sein Bruder Hermann Huber die Verlagsleitung. Sein Verlagsmitarbeiter Phillip Funk diente von 1920 bis 1926 als Berater der Zeitschrift. Auf dem Höhepunkt der Hyperinflation gab Kösel & Pustet – eine Kommanditgesellschaft mit den Verlagen Kösel, Pustet, Isaria und Lentner, die von 1918 bis 1927 hielt – politisch rückwärts gewandte Schriften wie die von Siebertz heraus. Pustet scherte aus und widmete sich seit 1927 verstärkt liturgischen Werken. Die Gegenposition im Literaturstreit wurde in Verlagen wie Alphonsus und Habbel, einem streitbaren Kulturkampfverlag, vertreten. Hier erschienen Kraliks Schriften, der den Katholizismus aus dem Geist der mittelalterlichen Mystik und des Barock auf ständischer Grundlage erneuern wollte.80 Er sah nicht ein, weshalb man sich seiner Inferiorität zu schämen hätte, im Gegenteil sei der Katholizismus dem Protestantismus überlegen und bräuchte sich ihm nicht andienen. Der Gral, 1906 von Kralik ausdrücklich als Gegenblatt zum Hochland lanciert, erschien daher (neben dem Historischen Jahrbuch der Görres Gesellschaft) bis 1925 in dem entschieden katholischen Verlag Karl Alber in Ravensburg, bevor er 1925 zum Verlag Fredebeul & Koenen in Essen kam, der apologetisches Schrifttum produzierte (darunter Heinrich Keiters Schriften). Von 1928 bis 1937 erschien Der Gral bei Regensberg in Münster. Wer die Verlagslandschaft lesen konnte, vermochte die Feldlogiken und Zuordnungen zu verstehen. Reformkatholische Publikationen konnten schlecht in einem kirchennahen Verlag erscheinen, so dass sich dafür der risikobereite Katholik und Sohn eines Buchhändlers Theodor Lampart bereit zeigte. Sein 1901 gegründeter Verlag übernahm 1902 die modernistische Zeitschrift Das Zwanzigste Jahrhundert (1909 bis 1916: Das Neue Jahrhundert). Mit liberal- und reformkatholischen, ökumenischen und vom Papst verworfenen Schriften profilierte sich der Augsburger Verlag und überlebte bis weit in die 1920er Jahre hinein. Dagegen engagierte sich der protestantische Verlag Eugen Diederichs Anfang des 20. Jahrhunderts aus ökonomischem Kalkül für reformkatholi-
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technischen, antiwissenschaftlichen-kulturkritischen Position« die modernen literarischen Entwicklungen blockiert. Zum Literaturstreit vgl. Hanisch: Der katholische Literaturstreit, S. 125 – 160; Köhler: Bücher als Wegmarken des deutschen Katholizismus, S. 50 f.; Diersch: Das »Hochland«. Cardauns: Das literarische Schaffen, S. 384. Vgl. Thormann: Die Aufgabe des katholischen Dichters in der Zeit; vgl. dazu und zur Festschrift für Muth 1927 Brenner: Catholica non leguntur, S. 287 –292, 295, 309 f. Vgl. Flemmer: Verlage in Bayern, S. 164 f. Vgl. Köhler: Bücher als Wegmarken des deutschen Katholizismus, S. 53; zu Habbel vgl. Flemmer: Verlage in Bayern, S. 127. Vgl. Brenner: Catholica non leguntur, S. 301 f.
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sche Publikationen und zielte konzentriert auf ein am Katholizismus interessiertes bürgerlich-protestantisches Publikum.81 Mit rein ökonomischen Gründen kommt eine Feldanalyse jedoch nicht aus. Zwar litt die Weimarer Republik an starken Krisen der Nachkriegsjahre, der Inflation und seit 1929 an der Weltwirtschaftskrise, was jeweils massive Auswirkungen auf den Buchhandel nach sich zog. Dazu kamen die vermeintliche Novitätensucht und die hohe Fluktuation von Neugründungen, Konkursen und Fusionen in der Verlagsbranche. Was lag für Verlage da näher, aus ökonomischen statt Gesinnungsgründen zu handeln und Positionswechsel je nach kommerzieller Lage vorzunehmen? Dem VKD war angesichts des Mitgliederschwundes des Volksvereins sogar die Rolle zugedacht, als »Schwungrad« des Vereins zu dienen.82 Paradoxerweise wurde jedoch gerade in der Weimarer Republik, etwa bei den Buchgemeinschaften, Gesinnungsliteratur auch um den Preis kommerzieller Einbußen verlegt. In einem Feld verschiedener, zueinander stets in Relation stehender Positionen war es wichtig, dass die Verlage, auch wenn sie einen gemeinsamen katholischen Absatzmarkt bedienten, jeweils ein eigenes »Verlagsprofil« aufwiesen, dass sie Nischen besetzten, sich auf spezifische Genres konzentrierten und erkennbare Versammlungsorte moderner bzw. unmoderner Geister wurden.83 Erst das kulturelle Kapital, der identifizierbare Standort in einem Geflecht von Feldpositionen, zog entsprechende Autoren an einen Verlag, fand die gewünschten Abnehmer im Feld und konturierte so das »Verlagsgesicht«, dank dessen sich in der schwierigen Marktposition ökonomisches Kapital sichern ließ.84 Kleinere Verlage wie Pattloch oder der Mosella Verlag beschränkten sich etwa auf ihr Spezialgebiet (Andachtsbücher, Hagiographien, Bibeln), mittelgroße Verlage konzentrierten sich häufig auf ausgesuchte Genres und Fachgebiete, wie etwa Kirchheim in Mainz vor allem Schulbücher produzierte.
Das Profil des Matthias-Grünewald Verlags im katholischen Verlagsfeld Ein besonders profilstarkes Verlagsprogramm baute der Matthias-Grünewald Verlag (MGV) auf. Ende 1918 gründete der katholische Landvermesser der Stadt Mainz, Richard Knies (1886 – 1957), einen Verlag, weil das »Versinken« der Kultur gebremst werden müsse und neue Orientierungsangebote notwendig seien. Für den Wiederaufbau einer deutschen Kultur versprach Knies sich Halt in der deutschen Gotik. Ein »neues Münster« solle errichtet werden. Als Vorbild diente das Werk von Matthias Grünewald († 1528), wo Gotik und Glaube des Volkes ihren »stärksten synthetischen Ausdruck« gefunden hätten. Deshalb avancierte Grünewald zum Namensgeber des Verlags. Knies war eng mit seinem Altersgenossen Romano Guardini befreundet, der 1910 in Mainz zum Priester geweiht worden war. Beide gehörten zum Gesprächskreis um Josefine und Wilhelm Schleussner (Schleussnerkreis) und waren der liturgischen Bewegung sowie der katholischen Jugend- und Erneuerungsbewegung verbunden. Der Verlag griff diese Impulse auf, verstand sich nicht als amtskirchenhörig, sondern suchte die lebendige Erneuerung von unten. Dem breiten Zielpublikum entsprechend, sollte das 81 82 83 84
Vgl. Haustein: Liberal-katholische Publizistik im späten Kaiserreich, S. 67 f., 115 –117. Vgl. Klein: Der Volksverein für das katholische Deutschland, S. 180 f. Vgl. Hübinger: Versammlungsort moderner Geister. Vgl. Bourdieu: Die Regeln der Kunst.
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Neuerscheinungen im Grünewald-Verlag (jeweils mit Folgejahr kumuliert) im Trend Neuerscheinungen im–Grünewald-Verlag (jeweils mit Folgejahr Deutschland/BRD gesamt 1919 1991 kumuliert) im Trend Deutschland/BRD gesamt 1919 – 1991 80000 Deutschland/BRD Grünewald
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Berechnung gem. den Angaben in: 75 Jahre Grünewald. Anspruchsniveau seiner Produkte nicht von »akademisch-professoraler Gelehrsamkeit« und »Wissenschaftlichkeit«, sondern von Allgemeinverständlichkeit geprägt sein. So wie die 1917 vom Verein der Quickbornfreunde gekaufte Burg Rothenfels zum geographischen Zentrum der katholischen Jugendbewegung wurde, fungierte der MGV für rund ein Jahrzehnt als ihr publizistisches Zentrum, aber auch als Sammelpunkt der Bibel- und der liturgischen Bewegung, aufgeschlossen gegenüber Anregungen von anderen Konfessionen und aus dem Ausland.85 Die erste Publikation 1919 stammte von John Henry Kardinal Newman, später verlegte der MGV die Gesamtausgabe seiner Werke. Seit 1920 erschienen fast alle Werke Guardinis beim MGV, später seine Gesamtausgabe. Grünewald war neben dem Werkbundverlag quasi Guardinis Hausverlag. Auch Schriften der Tübinger Schule (Scheeben) wurden neu aufgelegt. Doch dem Druck der Inflation war der in Knies eigener Wohnung betriebene Kleinverlag nicht gewachsen. Er gab seine Selbstständigkeit auf und begab sich beim Verlag Hermann Rauch (Wiesbaden), der seit 1921 für Druck und Auslieferung zuständig war, in ein Angestelltenverhältnis bei garantierter verlegerischer Entscheidungsfreiheit. In der kurzen Prosperitätsphase des Verlags konnte Knies 1925 die Bestände und Rechte vom Verlag Deutsches Quickbornhaus erwerben. Wie fast den gesamten Buchhandel erfasste 1929 die Weltwirtschaftskrise auch den MGV. Zwar
85 Knies, Richard: Vorwort. In: Das neue Münster – Baurisse zu einer deutschen Kultur. Mainz: 1918; Laubach: Zur Geschichte des Matthias-Grünewald-Verlags, S. 5 –28; Laubach: Soviel Glück im Leben.
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erschien 1934 noch die dreibändige Rießler-Storr-Bibel, und gegen den Trend in der deutschen Titelproduktion insgesamt stieg die Titelzahl beim MGV weiter. Doch neben wirtschaftliche Schwierigkeiten gesellte sich nun der Druck durch das NS-Regime. Die Reichsschrifttumskammer verlangte in einem Brief an »Herrn Matthias Grünewald« dessen Ariernachweis, worauf Knies antwortete, er wisse nicht, ob der bedeutendste deutsche Maler des Mittelalters arisch gewesen sei.86 Den Autoren Elisabeth Langgässer und Dietrich von Hildebrand im belletristischen Segment des Verlags wurde ein Schreibverbot auferlegt. 1937 meldete der MGV Konkurs an. Konkurrierende katholische Verlage lauerten bereits auf die Verlagsrechte an den Erfolgsautoren, doch fand sich der Schwann Verlag in Düsseldorf bereit, den MGV zu übernehmen. An der Nahtstelle der Konfessionen gab es schließlich auch Verlage, die christlich waren, aber nicht ganz eindeutig konfessionsfixiert. Der Hellerauer Verlag Jakob Hegner gilt bis heute als katholischer Verlag, zumal er nach 1949 unter der Inhaberschaft Benno und Franz Bachems und der Verlagsleitung Jakob Hegners im Bachemhaus in Köln seine Heimstatt fand. Hegner (1882–1962) stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Familie, konvertierte aber 1919 zum Protestantismus. Seit 1912 lebte er in der Künstlerkolonie Hellerau bei Dresden, wo er seinen Verlag gründete, der durch zwei Dinge bekannt wurde: Hegner prägte einen neuen Buchstil, der »alle zum Kauf anreizende Illustration und Ausstattung ignorierte« und seine Wirkung aus der Druckkunst bezog.87 Zweitens förderte der Protestant jüdischer Herkunft vor allem katholische Autoren. Er übersetzte selber Paul Claudel und Georges Bernanos aus dem Französischen. 1935 konvertierte Hegner zum Katholizismus und setzte sich auch über 1933 hinaus für seine Autoren wie Theodor Haecker, Josef Pieper und Romano Guardini ein, bis er 1936 aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen wurde und in die Emigration ging.88
Jüdische Verlage »Grund, Mitte und Umfang seines Daseins ist für den jüdischen Menschen seit drei Jahrtausenden das Buch.«89 Was Karl Wolfskehl nach dem Zweiten Weltkrieg formulierte, fasst auch den kulturpolitischen Anspruch jüdischer Verlagspolitik in der Weimarer Republik wie ein Menetekel zusammen. Verknüpfte man jüdische Identität traditionell mit Schriftlichkeit, so wurde jüdische Verlagsarbeit, die sich im Bemühen um die Verschriftlichung jüdischer Identität befand, zu einer tragenden Säule ebendieser Identitätspolitik. Anspruchsvoll, um nicht zu sagen gewagt, war ein solches Vorhaben in der Weimarer Republik. Die Einführung der republikanischen Verfassung hatte vordergründig zwar die Vollendung der jüdischen Emanzipation gebracht, gleichzeitig jedoch nahmen innerjüdische Differenzen zu, und die Konfrontationslinien gegenüber den
86 Vgl. Laubach: Zur Geschichte des Matthias-Grünewald-Verlags, S. 11. 87 Kipphoff, Petra/Hegner, Jakob: In: Die Zeit, 5. Okt. 1962. 88 Halder: Hegner, Jakob; vgl. Sarfert: Metaphysischer Unruhestifter; Vinz/Olzog: Dokumentation deutschsprachiger Verlage, S. 91 f. 89 Wolfskehl: Die Juden und das Buch, S. 1.
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Antisemiten verschoben sich.90 Das Selbstverständnis des deutschen Judentums brach in mehrfacher Hinsicht auf. Die aus dem 19. Jahrhundert überlieferten Assimilations- und Akkulturationsbestrebungen führten zu einem schleichenden quantitativen Rückgang des jüdischen Bevölkerungsanteils. Dagegen setzten Orthodoxie und Zionismus ihre jeweils eigenen Lösungsstrategien, die zusätzlich von zahlreichen jüdischen Migranten aus Osteuropa in eigener Lesart gedeutet wurden. Die Zuwanderung aus Osteuropa war daneben Folie antisemitischer Polemik und Übergriffe, wie dem Pogrom im Berliner Scheunenviertel im November 1923. Für die innerjüdischen Debatten und Tendenzen existiert der Begriff »Renaissance jüdischer Kultur«, der die Bemühungen, eine jüdische Erfahrungsgemeinschaft mittels religiöser und kultureller Traditionen neu zu beleben oder neu zu erfinden, bezeichnet.91 In Folge der »Renaissance jüdischer Kultur« wurden Stimmen nach einem neuen »jüdischen Kanon« laut, bestehend aus hebräischer oder deutscher theologisch-wissenschaftlicher Werke oder religiöser Gebrauchsliteratur, jiddischer oder deutscher Literatur sowie zionistischen Programmschriften.92 Wesentliche Mediatoren der »Renaissance jüdischer Kultur« sollten die jüdischen Verlage in der Weimarer Republik sein. Deren Geschichte stellt sich jedoch vorwiegend als eine diffus anmutende Folge von Neugründungen, Pleiten und Fusionen dar. Wie das Verlagswesen allgemein von den prekären ökonomischen Rahmenbedingungen betroffen, war die Mehrzahl der circa 40 jüdischen Verlage in Deutschland, die sich 1928 als solche jüdische Verlage definierten, in ihren wenigen Bestandsjahren von ständigen Umstrukturierungen betroffen.93 Einige wenige Verlagsunternehmungen des 19. Jahrhunderts, wie M. Poppelauer (gegr. 1860 in Berlin), C. Boas Nachf. (gegr. 1863 in Berlin) oder I. Kauffmann (gegr. 1838 in Frankfurt a. M.), bestanden fort, überwiegend waren »jüdische Verlage« aber kleinere und kleinste Unternehmen, zum Teil Buchhandlungen mit angegliedertem Gelegenheitsverlag, die insbesondere in den Inflationsjahren eine kurze Blütezeit erlebten. Andere Überlebenschancen in der prekären jüdischen Verlagsnische bestanden für Verlage mit dem Rückhalt einer jüdischen Organisation oder eines Konzerns. So gehörte der Philo-Verlag dem Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens an, und der Jüdische Verlag genoss in den Anfangsjahren den Rückhalt der zionistischen Exekutive. Die Verlage Schocken und Klal waren Subunternehmen des Schockenkonzerns bzw. Ullstein und konnten mit dem Kapitalrückhalt dieser Großunternehmen verlegerische Spezialgebiete finanzieren. Der Verlag I. Kauffmann gehörte zu den jüdischen Verlagen mit einer bis in das 19. Jahrhundert zurückreichenden Tradition. 1832 von Isaac Kauffmann in Frankfurt am Main gegründet, von seinem Sohn Ignatz Kauffmann mit der Übernahme des Lehrberg90 Vgl. Jüdisches Leben in Deutschland; Maurer: Ostjuden in Deutschland 1918–1933; Knütter: Die Juden und die deutsche Linke in der Weimarer Republik 1918–1933; Peukert: Die Weimarer Republik, S. 161 –163; Büttner: Weimar, S. 283 –295. 91 Zur »Renaissance jüdischer Kultur«: Brenner: Jüdische Kultur in der Weimarer Republik. 92 Vgl. Bialik: Das hebräische Buch, S. 25 –35. 93 Allgemein einführend: Dahm: Das jüdische Buch im Dritten Reich, S. 285 f.; einführend auch: Kaznelson/Lamm: Verlagswesen, jüdisches; Kayser: Publishing in Germany and Austria; eine Aufzählung des jüdischen Verlagsbuchhandels bei: Kaznelson: Verlag und Buchhandel; Zählung der Verlagsunternehmen nach Adressbuch für den jüdischen Buchhandel; vgl. auch Dahm: Das jüdische Buch im Dritten Reich, S. 285.
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schen Gebetbuchverlags 1899 wesentlich erweitert, wurde das Unternehmen seit 1909 in dritter Generation von Felix Kauffmann geführt. Nach wie vor wurde jüdische »Grundlagenliteratur« verlegt: hebräische Schul- und Wörterbücher, Kochbücher für die rituelle jüdische Küche sowie grundlegende Werke von Vertretern der »Wissenschaft des Judentums«.94 Sich um die Fortsetzung der liberalen Traditionen bemühend, legte Kauffmann 1922 Leo Baecks Wesen des Judentums, das, in Auseinandersetzung mit Harnacks Wesen des Christentums (1900, J. C. Hinrichs Verlag) entstanden und 1905 erstmals im Berliner Verlag Nathanson & Lamm erschienen war, erfolgreich neu auf. Sicherlich unterstützt vom Inflationsboom erreichte das Standardwerk 1926 die vierte Auflage.
Prekäre Existenzen: Jüdische Kleinverlage Kleinverlage, die hebräische oder jiddische Bücher produzierten, siedelten sich in den frühen zwanziger Jahren vor allem in Berlin an.95 Ihre Betreiber waren in der Regel aus politischen Gründen aus Osteuropa geflohen und nutzten oft die Inflationsjahre, um in günstigen Valutaverhältnissen außergewöhnlich preiswert Bücher zu verlegen und nach Osteuropa oder Palästina zu exportieren. Nach Einführung der Rentenmark wurde ein Großteil dieser Verlage wieder geschlossen oder nach Palästina überführt. Der Dewir-Verlag wurde von dem Dichter und Verleger Chajim Nachman Bialik und dem zionistischen Politiker Schmarja Levin im Herbst 1921 in Berlin als Fortführung des bekannten hebräischen Verlagshauses Moriah in Odessa begründet.96 Der Verlag war auf Genossenschaftsbasis organisiert. Eine seiner ersten Publikationen war eine gleichfalls Dewir benannte wissenschaftliche hebräische Zeitschrift, die von den bekanntesten Vertretern der Wissenschaft des Judentums am liberalen Berliner Rabbinerseminar, Ismar Elbogen, Harry Torczyner und Jacob Nahum, herausgegeben wurde. Sprachpolitisch stellte sie eine eindeutige Abkehr von der deutschsprachigen Wissenschaft des Judentums dar. Konsequenterweise war Berlin nur eine Zwischenstation für den Verlag, der 1924 nach Tel Aviv übersiedelte. Weitere hebräische Verlage waren in jenen Jahren Wostok, Rimon, Jalkut, Jiwne, Choreb für religiöse Literatur sowie Juwal, der jüdische Musicalia produzierte. Die russisch-jüdische Verlegerin Schoschanna Persitz baute zusammen mit ihrem Mann in Bad Homburg den ursprünglich 1917 in Moskau gegründeten Omanut-Verlag für hebräische Kinderliteratur wieder auf. 1925 wurde das Unternehmen nach Tel Aviv transferiert. Das wichtigste hebräische Verlagshaus, der Stybel Verlag von Abraham J. Stybel in Warschau, residierte 1926 bis 1930 ebenfalls in Berlin. Der Philosoph Jacob Klatzkin gründete gemeinsam mit dem späteren Präsidenten des jüdischen Weltkongresses Nahum Goldmann 1925 den Eschkol-Verlag, der, neben preiswerten hebräischen Leseheften und Lehrbüchern eine der beiden deutsch-jüdischen Enzyklopädien der Zwischenkriegszeit, die Encyclopaedia Judaica (erschienen in zehn
94 Vgl. 100 Jahre I. Kauffmann, S. 234. 95 Brenner: Jüdische Kultur in der Weimarer Republik, S. 219 –226; Levine: Yiddish Publishing in Berlin; Fuks/Fuks: Yiddish Publishing Activities in the Weimar Republic; Kühn-Ludewig: Jiddische Bücher aus Berlin; Kühn-Ludewig: Verlage jiddischer Bücher. 96 Zu Dewir: Brenner: Jüdische Kultur in der Weimarer Republik, S. 222 f.
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Bänden, A – Lyra, 1928 – 34) herausgab.97 Ihr Untertitel Das Judentum in Geschichte und Gegenwart gemahnt nicht zufällig an das protestantische Pendant Religion in Geschichte und Gegenwart und verdeutlicht den Anspruch der Enzyklopädie, deren Beirat Schriftsteller und Gelehrte wie Achad Ha’am, Leo Baeck, Simon Dubnow, Ismar Elbogen oder Gotthold Weil angehörten, einen repräsentativen Kanon jüdischen Wissens an Juden wie an Nichtjuden, Laien und Fachleute, vermitteln zu wollen. Anders als das populärer ausgelegte Jüdische Lexikon des Jüdischen Verlags wurde die Encyclopaedia Judaica als umfassende, »gesamtjüdische« Nationalenzyklopädie geplant. Aus diesem Grund waren englische und hebräische Ausgaben anvisiert worden, von denen wegen Finanzierungsnöten lediglich die hebräische Ausgabe in zwei Bänden 1929–1930 in Tel Aviv erscheinen konnte.
Verlage mit organisatorischem Rückhalt Der Klal-Farlag war 1919 von den Zionisten Zeev Wolf Latzki-Bertoldi und Pinkas Dubenski unter dem Namen Folks-Farlag gegründet worden.98 Das Unternehmen wurde 1920 nach Berlin verlegt und 1921 dem Ullstein-Verlag angegliedert. 1924 übernahm der Ullstein-Redakteur Julius Kaliski die Verlagsleitung. Expandierte der Mutterverlag in den Inflationsjahren quantitativ, so versorgte Klal das Segment jiddischer Originalliteratur sowie Übersetzungen aus dem Jiddischen und Hebräischen in den Jahren 1922 und 1923 mit über siebzig Titeln, vornehmlich in den kleinen Taschenbuchreihen KlalBibliothek, Klal-Bicher und Historische Jugent-Bibliotek oder der hebräischen Reihe Sifriah Klalit. Der Klal-Verlag produzierte Bücher bis 1924 hauptsächlich für den Export nach Osteuropa. Spätestens 1930 wurde der Verlag aufgelöst. Angesichts des in der deutschen Gesellschaft während und unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg offener verhandelten Antisemitismus wurde 1919 vom Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C.V.) der Philo-Verlag (benannt nach Philo von Alexandria) gegründet.99 War das Organ des C.V.s, die Zeitschrift Im deutschen Reich (1922 umbenannt in Central-Verein-Zeitung) bis dahin im Eigenverlag sowie die Schriften des C.V.s in verschiedenen Verlagen verstreut erschienen, so wurde der Philo-Verlag nun zur Publikationszentrale des C.V. Gemäß dessen Intentionen veröffentlichte der Philo-Verlag programmatische Literatur über und gegen den Antisemitismus. Sowohl wissenschaftlich korrekt, als auch populär und allgemein verständlich, sollte daneben das Wissen über das Judentum bei Juden und Nicht-Juden vergrößert werden, insbesondere das Wissen über den jüdischen Beitrag zur deutschen Kultur. Darüber hinaus oblag dem Philo-Verlag die gesamte schriftliche Wahlagitation des C.V. Zu den Reichstagswahlen 1924 wurden acht Millionen Flugblätter und Klebezettel, eine Million Exemplare der Wahlzeitung des C.V. sowie 100.000 Exemplare der Broschüre 97 Vgl. Brenner: Jüdische Kultur in der Weimarer Republik, S. 126 –135; Engelhardt: Die ›Encyclopaedia Judaica‹. 98 Vgl. Levine: Yiddish Publishing in Berlin, S. 88; Fuks/Fuks: Yiddish Publishing Activities in the Weimar Republic 1920–1933, S. 423; Brenner: Jüdische Kultur in der Weimarer Republik, S. 220; Krüger: Buchproduktion im Exil. 99 Zum Philo-Verlag: Urban-Fahr: Philo-Verlag 1919–1938; Braun: Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens e. V. und der Philo-Verlag.
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Schlaglichter versandt. Von 1919 bis 1922 war der Direktor des C.V., Ludwig Holländer, Verlagsleiter, seit 1922 die vormalige Redaktionssekretärin Lucia Jacoby. Zu den zahlreichen, überwiegend in hoher Auflage produzierten Veröffentlichungen, gehörte das 1924 erstmals erschienene Handbuch und von Pastor Emil Felden anonym herausgegebene Anti-Anti: Tatsachen zur Judenfrage, das eine Gegenpublikation zum von Theodor Fritsch im Leipziger Hammer-Verlag publizierten antisemitischen Machwerk Handbuch der Judenfrage darstellte. Neben der Aufklärungsliteratur erschienen u. a. Zweistromland. Kleinere Schriften zur Religion und Philosophie (1926) von Franz Rosenzweig, der Palästina-Reisebericht von Bruno Weil und H. Cohn (1927) sowie einige belletristische Titel. Der Fünfte Zionistische Kongress gab den Anstoß, 1902 in Berlin den Jüdischen Verlag ins Leben zu ruAbb. 4: Verlagsanzeige »Jüdisches Lexikon«. fen.100 Im Rahmen des konjunkturell günstigen Klimas für kulturpolitische Initiativen der Jahrhundertwende, das unter anderem zahlreiche Neugründungen von Individualverlagen beförderte, begründeten die Schriftsteller Berthold Feiwel und Davis Trietsch sowie der Grafiker Ephraim Mose Lilien, die zur »Demokratischen Fraktion« der zionistischen Bewegung um Martin Buber zählten, das von Chaim Waizmann unterstützte Unternehmen. Als zentrale Publikationsinstanz deutschsprachiger zionistischer Schriften brachte der Jüdische Verlag bis 1922 die Protokolle der Zionistenkongresse sowie die zionistischen Schriften Theodor Herzls, die für die kulturzionistische Bewegung einschlägige Aufsatzsammlung von Achad Ha’am Am Scheidewege und den gleich als zweite Publikation des Verlags großes Aufsehen erregenden Jüdischen Almanach heraus. Die erste Nachkriegszeit bedeutete organisatorische Umstrukturierungen für den Verlag. Die zionistische Bewegung verlegte ihr Zentrum von Mitteleuropa nach London, und die finanzielle Unterstützung für den Verlag wurde dünner. Nach kurzzeitiger Fusion mit dem 1918 gegründeten Welt-Verlag übernahm der Prager Autor Siegmund Kaznelson in Nachfolge von Ahron Eliasberg 1921 die Leitung des Verlags. 1924 wurde er auf Drängen der zionistischen Exekutive Verlagsinhaber und alleiniger Geschäftsführer. Unter Kaznelsons Leitung erschien eine Reihe der bedeutendsten Verlagspublikationen, u. a. das 100 Zum Jüdischen Verlag: Schenker: Der Jüdische Verlag 1902–1938; Almanach 1902 –1964; Eliasberg: Das Werden des jüdischen Verlags.
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Jüdische Lexikon (1927–1929), die zehn Bände der Weltgeschichte des jüdischen Volkes (1925–1929) von Simon Dubnow, Theodor Lessings Jüdischer Selbsthass (1930) oder die Tagebücher Theodor Herzls (1922–1923). Wie kein anderer jüdischer Verlag bemühte sich der Jüdische Verlag mit diesen Verlagsprojekten um Definition und Verbreitung jüdischer Religions- und Kulturwerte. Die beiden Initiatoren des Lexikonprojekts, Georg Herlitz und Bruno Kirschner, waren ehemalige Studenten der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, die nicht Rabbiner wurden oder die akademische Laufbahn einschlugen, sondern, als Leiter des neu gegründeten Archivs der Zionistischen Organisation in Berlin bzw. als Versicherungsangestellter, dem Laien eine verständliche Einführung in den aktuellen jüdischen Wissensbestand anbieten wollten.101 Demzufolge war das Jüdische Lexikon zionistisch ausgerichtet und an aktuellen Strömungen der Wissenschaft des Judentums orientiert. In vier Bänden bzw. fünf Teilbänden, mit insgesamt viertausend Seiten und mit rund fünfzehntausend Einträgen, bot es ein umfassendes, aber relativ knappes Kondensat jüdischen Wissens. Als ein Individualverlag der besonderen Art betrieb der 1931 offiziell gegründete Salman Schocken Verlag jüdische Identitätspolitik. Salman Schocken, der »Kaufmann, Bibliophile und Zionist«,102 plante seit 1928 dem Schocken Kaufhauskonzern einen Verlag für jüdische Literatur anzugliedern. Der jüdische Buchhandel war nach Auffassung Schockens in einer desolaten Verfassung und nicht in der Lage, das deutschsprachige Judentum und seine literarischen, kulturellen und religiösen Erfolge hinreichend sichtbar zu machen. Abhilfe sollte ein eigenes Verlagsunternehmen schaffen. Schocken unterstützte anfangs Lambert Schneider und seinen 1925 gegründeten Verlag in der Herausgabe der Bibelübersetzung Martin Bubers und Franz Rosenzweigs mit einem Darlehen. 1931 gingen die bei Lambert Schneider verlegten Werke Bubers und Rosenzweigs an Schocken über und bildeten den Grundstock der Verlagsproduktion. 1931 wurde das Programm um die im Jakob Hegner Verlag veröffentlichten Publikationen Bubers ergänzt. Im Folgejahr blieben weitergehende Programminnovationen jedoch aus. Ausgerechnet seit 1933 expandierte der Verlag rasch und popularisierte sein Programm. Buchprojekte, wie die 1933 begonnene Reihe Bücherei des Schocken Verlags, die »in sorgfältiger Auswahl dasjenige darbieten [will], was den suchenden Leser unserer Tage unmittelbar anzusprechen vermag«, wie es im Werbeprospekt der Bücherei aus dem Jahr 1935 hieß, dienten der Erziehung des jüdischen Lesers zur kulturpolitischen Wachsamkeit.103 Die ambitionierten Versuche jüdischer Selbstbehauptung setzte der Schocken Verlag bei wachsender Diskriminierung stetig bis zur zwangsweisen Schließung des Unternehmens 1938 fort. In der Zusammenschau protestantischer, katholischer und jüdischer Verlage spiegelt das konfessionelle Verlagswesen der Weimarer Republik nicht nur die Kontroverskultur zwischen den Konfessionen und nicht nur die innerjüdischen, innerkatholischen und innerprotestantischen Debatten wider, sondern anhand des jeweiligen »Verlagsgesichts« ließen sich auch je unterschiedliche Positionen in ihren Relationen zueinander erkennen, die sich innerhalb der schwierigen Rahmenbedingungen des Weimarer Buchmarkts behaupten mussten. 101 Vgl. Brenner: Jüdische Kultur in der Weimarer Republik, S. 126 –135. 102 Dahm: Das jüdische Buch im Dritten Reich, S. 220; zum Schocken Verlag: Dahm, S. 266 – 472; Der Schocken Verlag, Berlin; zu Salman Schocken: David: The Patron. 103 Zitiert nach: Dahm: Das jüdische Buch im Dritten Reich, S. 322.
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Anhang Protestantische Buchverlage im Deutschen Reich 1925104 Verlag F. W. Gadow & Sohn Buchhandlung des Waisenhauses Abt. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung J. F. Steinkopf Hinrich’s Verlag Friedrich Andreas Perthes J. C. B. Mohr Unitäts-Buchhandlung Enßlin & Laiblin Quell-Verlag der Evangelischen Gesellschaft Alfred Töpelmann Dörffling & Franke C. Bertelsmann Chr. Belser Calwer Vereinsbuchhandlung Gustav Gensel Buchhandlung der Diakonissen-Anstalt Justus Naumann Verlag Agentur des Rauhen Hauses J. P. Peter, Gebr. Holstein August Neumann’s Verlag Buchhandlung der Evangelischen Gesellschaft für Deutschland Buchhandlung des Erziehungs-Vereins Buchhandlung der Evangelischen Gesellschaft Chr. Kaiser Deichert’sche Verlagsbuchhandlung R. Brockhaus Missionshandlung zu Hermannsburg F. W. Bergemann C. Ed. Müller’s Verlagsbuchhandlung Buchhandlung und Verlag des Traktathauses Holland & Josenhans E. Biermann Heinsius Nachfolger, Eger & M. Sievers
Ort Hildburghausen Halle (Saale) Göttingen München Stuttgart Leipzig Gotha/Stuttgart Tübingen Gnadau Reutlingen Stuttgart Gießen Leipzig Gütersloh Stuttgart Stuttgart Grimma Kaiserswerth Leipzig Hamburg Rothenburg o. d. Tauber Leipzig Elberfeld
Gründung 1693 1698 1735 1763 1782 1791 1796 1801 1809 1818 1830 1832 1834 1835 1835 1836 1838 1839 1840 1842 1844 1847 1848
Elberfeld Bern München Leipzig Elberfeld Hermannsburg Neuruppin Halle (Saale) Bremen Stuttgart Barmen Leipzig
1848 1850 1850 1852 1852 1856 1858 1859 1860 1861 1864 1866
104 Ermittelt nach: Schramm: Deutschlands Verlagsbuchhandel.
174 Gustav Schloessmann’s Verlagsbuchhandel Eugen Strien Verlag, Nachf. Niederlage des Vereins zur Verbreitung christlicher Schriften Verlagsanstalt der Anstalt Bethel J. Fink G. Strübigs Verlag Theodor Kordt D. Gundert Hellmuth Wollermann Verlagsbuchhandlung Evangelischer Schriftenverein H. H. Nölker Georg Bratfisch Theophil Biller’s Verlag C. Ludwig Ungelenk Geschwister Dönges Stephan Geibel Verlag Franz Sturm & Co., Verlagsbuchhandlung Buchhandlung der Berliner evangelischen Missions-Gesellschaft Lutherischer Bücherverein Eugen Salzer Friedrich Bahn Krüger & Co. Buchhandlung des evangelischen Brudervereins (Haarhaus & Co.) Buchhandlung des Norddeutschen Männer- und Jünglingsbundes Buchhandlung des Vereins für Innere Mission Vereinsbuchhandlung G. Ihloff & Co. Evangelische Buchhandlung GmbH Paul Christiansen Verlag B.W. Gebel’s Verlag Missionshaus Knechtsteden, Abt. Verlag St. Johannis-Druckerei Zinzendorfhaus Evangelischer Verlag Verlag »Des Königs Botschaft« Verlag der evangelisch-lutherischen Mission Evangelische Buchhandlung P. Ott Jugendbund-Buchhandlung Deutsche Orient-Mission
5 V er lagsw es en Leipzig Groß-Salze Dresden
1867 1871 1871
Bethel bei Bielefeld Stuttgart Leipzig Flensburg Stuttgart Braunschweig Karlsruhe Bordesholm Frankfurt/Oder Berlin Dresden Dillenburg Altenburg Dresden
1874 1875 1876 1877 1878 1879 1883 1883 1884 1886 1887 1888 1888 1889 1890
Berlin Breslau Heilbronn Schwerin Leipzig Elberfeld
1890 1891 1891 1891 1892
Hamburg
1892
Nürnberg Neumünster Königsberg Wolgast (Pommern) Leipzig Knechtsteden (Bez. Düsseldorf) Dinglingen Dresden Heidelberg Barmen Leipzig Gotha Berlin Potsdam
1892 1892 1893 1893 1894 1895 1896 1896 1897 1897 1897 1898 1898 1900
5.2 .8 Konf ession elle Ver lage Maximilian Koeltz Verlag der norddeutschen Missions-Gesellschaft Deutsche Bibelgesellschaft Stiftungsverlag Verlagsbuchhandlung »Bethel« Emil Müllers Verlag Deutsche Landbuchhandlung Christlicher Gewerkschafts-Verlag Der Tempelverlag in Potsdam Gottlob Koezle Buch- und Kunstverlag Carl Hirsch Evangelische Vereinsbuchhandlung Hutten-Verlag J. Meincke Verlagsbuchhandlung E. W. Püschels Verlag Leonhard Ströbel Westdeutscher Lutherverlag GmbH Furche-Verlag Evangelischer Verlag Hildegard Pfennigsdorf Deutsche Evangelische Verlagsgesellschaft M. Augustin Brunnen-Verlag Greifen-Verlag P. A. Collrepp Verlag »Die Aue« Karl Wallmüller Deutscher Verband für Gemeinschaftspflege und Evangelisation Evangelischer Missionsverlag Richard Walther Verlagsbuchhandlung Eberhard Arnold-Verlag Osiander’sche Buchhandlung (Verlag) Buchhandlung des Missionshauses Jerusalem Christliches Verlagshaus Wiegand & Co. Evangelische Buchhandlung von Fr. Trümpler Lesch & Irmer Verlag (C. Schaffnit Nachf.) Otto Fleig Richard Mühlmann Verlagsbuchhandlung Verlag des evangelischen Bundes
175 Leipzig Bremen Leipzig Potsdam Wandsbek Barmen Berlin Berlin Potsdam Wernigerode Konstanz Posen Berlin Neuwied Neudietendorf Leipzig Witten Berlin Dessau Barmen Kassel Gießen Rudolstadt Drossen Wernigerode Leipzig Bethel bei Bielefeld
1900 1901 1902 1902 1902 1903 1904 1906 1906 1906 1907 1909 1909 1910 1911 1911 1911 1916 1917 1918 1918 1919 1919 1919 1919 1920 1921
Stuttgart Konstanz Sannerz Tübingen Hamburg Bad Homburg Hamburg Düsseldorf Freiburg/Breisgau Clausthal-Zellerfeld Berlin
1921 1922 1924 um 1600
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Jüdische Buchverlage im Deutschen Reich 1928105 Verlag M. W. Kaufmann I. Kauffmann M. Poppelauer C. Boas George Kramer Otto Harassowitz Gustav Engel Jakob B. Brandeis Jüdischer Verlag Louis Lamm Benjamin Harz Jüdischer Volksschriften-Verlag Isaak Bulka Klal-Verlag Menorah Welt-Verlag Jalkut Philo-Verlag Wostok Ajanoth Eschkol. Verlagsgesellschaft für hebräische Literatur Hermon Choreb Gustav Fock Hazoref M. Gonzer Hatikwah A. J. Hofmann Israelitische Verlagsanstalt Jüdischer Literarischer Verlag Juwal S. Marcus Ophir Rimon L. Sänger Sänger & Friedberg
Ort Leipzig Frankfurt/Main Berlin Berlin Hamburg Leipzig Leipzig Breslau Berlin Berlin Berlin Berlin Nürnberg Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Frankfurt/Main Berlin Leipzig Hamburg Berlin Berlin Frankfurt/Main Stuttgart Berlin Berlin Harburg a. d. E. Berlin Berlin Frankfurt/Main Frankfurt/Main
Gründung 1828 1838 1860 1863 1869 1872 1888 1899 1902 1903 1911 1912 1919 1919 1919 1919 1920 1920 1920 1922 1923 1923
105 Ermittelt nach: Adressbuch für den jüdischen Buchhandel; ergänzende Daten nach: Schramm: Deutschlands Verlagsbuchhandel.
5.2 .8 Konf ession elle Ver lage Sefarim Soncino-Gesellschaft der Freunde des jüdischen Buches M. A. Wahrmann Ost und West Ferdinand Ostertag
177 Berlin Berlin Frankfurt/Main Berlin Berlin
Literatur Quellen 100 Jahre I. Kauffmann. In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 99 (1932) S. 234. 125 Jahre Chr. Kaiser Verlag München. München: Chr. Kaiser 1970. Adressbuch für den jüdischen Buchhandel. Berlin: Jalkut 1928. Almanach 1902 –1964. Jüdischer Verlag Berlin. Berlin: Jüdischer Verlag 1964. ALTHAUS, Paul/BEHM, Johannes: Nachwort zum Gesamtwerke. In: Namen- und Sachweiser zum Gesamtwerk. Hrsg. v. Gotthold Holzhey. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1938, S. 119 – 122. BACHEM, Karl: Vorgeschichte, Geschichte und Politik der Deutschen Zentrumspartei, Bd. 8. ND der Ausgabe Köln 1931. Aalen: Scientia Verlag 1968. BIALIK, Chajim Nachmann: Das hebräische Buch. In: Neue Jüdische Monatshefte 4 (1919) Heft 2/4. Sonderheft: Das jüdische Buch, S. 25 –35. CARDAUNS, Hermann: Das literarische Schaffen. In: Deutschland und der Katholizismus. Gedanken zur Neugestaltung des deutschen Geistes- und Gesellschaftslebens. Hrsg. v. Max Meinertz und Hermann Sacher, Bd. 1. Freiburg: Herder 1918, S. 371 –390. Dokumentation deutschsprachiger Verlage. Hrsg. v. Curt Vinz und Günter Olzog. München: Olzog 1962. ELIASBERG, Ahron: Das Werden des jüdischen Verlags. In: Neue jüdische Monatshefte 4 (1919) Heft 2/4. Sonderheft: Das jüdische Buch, S. 81 –85. FICK, Gustav: Der evangelische Buchhandel. Bausteine zu seiner Geschichte. Leipzig: H. G. Wallmann 1921. GEIST, Lucie: Ein Geschäft recht geistiger Natur. Zum 200. Jahrestag der Gründung des J. C. Hinrichs Verlags. Leipzig: Neuer Sachsenverlag Leipzig & Sachsenbuch Verlagsgesellschaft 1991. HAEUSER, Philipp: Wir deutsche Katholiken und die moderne revolutionäre Bewegung – oder los vom Opportunismus und zurück zur Prinzipientreue! Regensburg: Manz 1922. HIRSCH, Emanuel: Deutschlands Schicksal. Staat, Volk und Menschheit im Lichte einer ethischen Geschichtsansicht. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1921. HOEBER, Karl: Franz Xaver Bachem. Ein deutsches Verlegerleben. Köln: Bachem 1939. KAZNELSON, Siegmund: Verlag und Buchhandel. In: Juden im deutschen Kulturbereich. Ein Sammelwerk. Hrsg. v. Siegmund Kaznelson. Berlin: Jüdischer Verlag 1962, S. 131 –146. KAZNELSON, Siegmund/LAMM, Louis: Verlagswesen, jüdisches. In: Jüdisches Lexikon. Bd. V, 1930, Sp. 1188 –1192. KIEFL, Franz Xaver: Die Staatsphilosophie der katholischen Kirche und die Frage der Legitimität in der Erbmonarchie. Regensburg: Manz 1928. KLIMSCH, Robert: Die Juden. Ein Beweis für die Gottheit Jesu und ein Mahnruf für die Christen der Gegenwart. Regensburg: Manz 1920. LAUBACH, Jakob: Zur Geschichte des Matthias-Grünewald-Verlags, in: ders. 75 Jahre Grünewald Bücher. Ein Almanach. Mainz: Grünewald 1993, S. 5 –28. LAUBACH, Jakob: Soviel Glück im Leben. Streiflichter 1917 –1997. Mainz: Grünewald 1997. MAUSBACH, Joseph: Der konfessionelle Friede in Deutschland (1916). In: Ders.: Aus katholischer Ideenwelt. Gesammelte Aufsätze und Vorträge. Münster: Aschendorff 1921, S. 474 –499.
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Helga Karrenbrock 5.2.9 Kinder- und Jugendbuchverlage* Statistiken zum Jugendbuchverlag Schon im Kaiserreich hatte das Geschäft mit den Lesestoffen für Kinder und Jugendliche »zu den blühendsten im Rahmen des gesamten Buchhandels« gehört.1 Diese Tendenz setzte sich in der Weimarer Republik fort; der Sektor »Jugendschriften und Bilderbücher« gehörte zu den aufstrebenden und insgesamt erfolgreichsten Sparten.2 Von 1916 bis 1922 verdoppelte sich die Verlagsproduktion in diesem Bereich: der Titelzuwachs betrug zwischen 1916 und 1922 beinahe 150 Titel im Jahr, zwischen 1922 und 1927 über 200 Titel im Jahr.3 Kinder- und Jugendbuchverlage erlebten einen »wahren Boom«,4 der nur von den Schulbuchverlagen geteilt wurde. Umso erstaunlicher ist es, dass diesem wichtigen Segment des Buchmarkts noch nicht die entsprechende Aufmerksamkeit der Forschung zuteil geworden ist. Trotz einiger Überblicke und Detailstudien ist eine Geschichte der Weimarer Kinder- und Jugendliteratur immer noch Desiderat.5 Dabei wäre die jugendliterarische Landschaft sowie ihr materieller und ideologischer Unterbau nicht nur als äußerst disparate Gemengelage unterschiedlichster ökonomischer, literarästhetischer, pädagogischer und politischer Interessen zu beschreiben, sondern auch als Schnittmenge von Diskursen zu analysieren, die den Krisenerfahrungen und manifesten Modernisierungsschüben der Weimarer Republik auf spezifische Weise Rechnung trägt.
* Mein Dank gilt Corinna Norrick M.A., Mainz, die bei der Erstellung der Druckversion dieses Beitrages konstruktiv mitgewirkt hat. 1 Schenda: Die Lesestoffe der kleinen Leute, S. 89. 2 Vgl. Kastner: Statistik und Topographie des Verlagswesens, S. 347. 3 Vgl. Kastner: Der Buchverlag der Weimarer Republik, S. 161. Die von Kastner 2005 angefertigte, umfassende statistische Analyse des Buchverlags in der Weimarer Republik erlaubt es, den Jugendbuchverlag im Gesamtspektrum des Buchmarkts der Weimarer Republik genauer zu positionieren. 4 Kastner, Statistik und Topographie des Verlagswesens, S. 347. 5 Altners Kinder- und Jugendliteratur der Weimarer Republik bietet wenig mehr als eine erste Übersicht über Titel und Genres; die Pionierarbeit von Bernd Dolle-Weinkauff Das Märchen in der proletarisch-revolutionären Kinder- und Jugendliteratur der Weimarer Republik erschließt dieses Teilgenre exemplarisch. Roland Starks chronologische Titelauflistung, die auf der Durchsicht des Börsenblatts beruht, gibt Einblick in die beeindruckenden Aktivitäten des Jugendbuchverlags der Zeit. Vgl. Stark: Vom ›Herzblättchen‹ zum ›Hitlerjungen‹, S. 167 – 183. Karrenbrocks Märchenkinder-Zeitgenossen orientiert sich an den Parametern Antimoderne und Modernisierung – ein Ansatz, der von Birte Tosts Moderne und Modernisierung in der Kinder- und Jugendliteratur der Weimarer Republik fortgesetzt wird. Zuletzt erschienen zahlreiche Detailstudien zum Thema in: »Laboratorium Vielseitigkeit«. Zur Literatur der Weimarer Republik. Siehe auch: Karrenbrock: Weimarer Republik.
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Erst ab 1916 wurde dieser Bereich, für den heute die Bezeichnung ›Kinder- und Jugendliteratur‹ mit der Abkürzung KJL üblich ist6 und den die systematischen Bücherverzeichnisse des Wilhelminismus noch der pädagogischen Fachgruppe zurechneten, von der Bücherstatistik gesondert erfasst, zunächst unter der Sparte ›Jugendschriften und Bilderbücher‹, ab 1924 dann nur noch unter ›Jugendschriften‹. In dieser veränderten Fächersystematik spiegelt sich die zunehmende Emanzipation des Jugendbuchverlags von der (Schul-)Pädagogik und seine wachsende Orientierung auf die Freizeitlektüre von Kindern und Jugendlichen, allerdings noch nicht die erst in der späteren Weimarer Republik erfolgte Differenzierung der avancierteren Jugendbuch-Verlagsprogramme im Hinblick auf die unterschiedlichen Altersphasen ihrer Leser. Überhaupt bleibt während der zwanziger Jahre im gesamten KJL-Diskurs die Terminologie unscharf. Die Bezeichnung ›Kind‹/ ›Jugendlicher‹ wird sehr oft synonym gebraucht und scheint nach heutigen Maßstäben, die strenger zwischen Kindheit, Latenz, Pubertät und Adoleszenz trennen, oftmals nach Gutdünken gesetzt zu sein. Neben der traditionellen Subsumption des gesamten Spektrums unter der Bezeichnung ›Jugendschriften‹ kommt es durchaus auch vor, dass unter Kinderbüchern nur Bilderbücher verstanden werden, nicht aber die neuen ›Romane für Kinder‹ nach dem Kästner-Modell. Dieser etwas verwirrende Sprachgebrauch hat aber Methode: Er verweist auf die seit der Jahrhundertwende virulent gewordene Verschränkung des Mythos Jugend mit dem der ›Kindertümlichkeit‹. Die Entmythologisierung und Verwissenschaftlichung von Kindheit, weniger die von Jugend, ist eine wesentliche Errungenschaft der Weimarer Republik, die auch den Jugendbuchverlag direkt betrifft.
Titelproduktion, Verhältnis der Ersterscheinungen zu Neuauflagen, Anteil an der Gesamtproduktion Im Wesentlichen spiegelt sich hier die wirtschaftliche Gesamtsituation der Republik: einem raschen Aufschwung folgt ein merklicher Einbruch während der Inflationszeit; mit der Stabilisierungsphase und der Einführung der Reichsmark beginnen die Glanzjahre des Weimarer Buchhandels, auch und gerade im Jugendbuchsektor. Die ökonomische Krise macht sich hier aber früher und stärker bemerkbar als in anderen Bereichen, sie führt zu einer manifesten Talfahrt der Produktion. Auffällig ist allerdings das merkliche Anwachsen der Jugendbuchproduktion im Jahr 1933 – eine antizyklische Bewegung, die der zeitgenössische Buchhandelsstatistiker Ernst Umlauff so kommentierte: »Reges Werben um die jugendlichen Leser und die Erschließung mancher neuer Gebiete als Lesestoffe für die Jugend, aber auch ein rascher Wechsel der Richtungen sind als Ursachen der dargestellten Entwicklung anzusehen«.7 Laut Statistik hat die Gesamtproduktion des Jugendbuchverlags schon relativ kurz nach dem Krieg mit ca. 900 Titeln den Stand der Vorkriegsproduktion erreicht (wobei die veränderte Fächersystematik ab 1916 mitzubedenken ist). Ihr Maximum erreicht sie 1927 mit 2.034 Titeln. Unerwartet kommt 1928 ein Rückgang, der nur auf den extrem 6 Zur Frage von Terminologie und Definition siehe Ewers: Literatur für Kinder und Jugendliche, S. 15 –40. 7 Umlauff: Beiträge zur Statistik des Deutschen Buchhandels, S. 81; zitiert bei Kastner: Buchverlag, S. 161.
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steilen Aufstieg zurückgeführt werden kann. Darauf folgt ein leichter Rückgang, der auch in der Wirtschaftskrise keine Besonderheiten aufweist. Am Ende der Republik kann die Sparte mit 1.480 Titeln bei wachsender Konkurrenz und Verlagskonzentration, aber auch wachsender Binnendifferenzierung des Kinder- und Jugendbuchmarkts immer noch eine Produktion vorlegen, die um 50 % höher ist als 1918. Tabelle 1: Jugendschriften und Bilderbücher in Zahlen8 Titelproduktion im Fachgebiet (FG Jugendschriften, Bilderbücher), differenziert nach Ersterscheinungen und Neuauflagen, und ihrem relativen Anteil an der Gesamtproduktion Jahr Ersterscheinungen Neuauflagen Titel gesamt Titel Anteil Anteil Titel Anteil Anteil Titel Anteil FG FG G.-Prod. FG FG G.-Prod. FG G.-Prod. 1919 542 59,8 % 3,4 % 365 40,2 % 5,7 % 907 4,1 % 1920 879 64,9 % 4,6 % 475 35,1 % 5,5 % 1354 4,9 % 1921 966 68,3 % 4,4 % 448 31,7 % 6,3 % 1414 4,8 % 1922 941 66,0 % 4,2 % 484 34,0 % 5,9 % 1425 4,6 % 1923 944 75,8 % 4,6 % 302 24,2 % 5,2 % 1246 4,7 % 1924 1038 76,5 % 5,8 % 319 23,5 % 6,3 % 1357 5,9 % 1925 1312 69,6 % 5,4 % 574 30,4 % 7,8 % 1886 6,0 % 1926 1288 69,8 % 5,4 % 558 30,2 % 8,8 % 1846 6,1 % 1927 1577 77,5 % 6,3 % 457 22,5 % 7,4 % 2034 6,6 % 1928 1189 76,8 % 5,2 % 359 23,2 % 7,4 % 1548 5,6 % 1929 1112 74,3 % 5,0 % 384 25,7 % 7,9 % 1496 5,5 % 1930 984 73,3 % 4,4 % 358 26,7 % 7,4 % 1342 5,0 % 1931 1019 74,7 % 5,1 % 346 25,3 % 8,4 % 1365 5,7 % 1932 857 70,2 % 4,7 % 364 29,8 % 10,8 % 1221 5,7 % 1933 1117 75,5 % 6,1 % 363 24,5 % 11,0 % 1480 6,9 % 1919 – 15765 71,9 % 5,0 % 6156 28,1 % 7,1 % 21921 5,5 % 1933 Arith. 1051,0 410,4 1461,4 Mittel
Die monatlichen Erhebungen der Jugendbuchproduktion zeigen dieselben saisonalen Schwankungen wie der Gesamtbuchhandel; so bilden die Frühjahrsmonate eine Art Konstante, die sich, bedingt durch die Oster(messe)produktion, im März leicht erhöht, mit einem Zwischenhoch vor den Ferien ihren Tiefpunkt in den Ferienmonaten August/ September erreicht, um dann im Weihnachtsgeschäft schlagartig hochzuschnellen.9 Dabei ist zu berücksichtigen, dass vor allem Kinderbücher Geschenkwaren sind, mit denen Verlag und Sortiment sich zu den entsprechenden Anlässen rechtzeitig einzudecken haben. Das zeigt sich deutlich in den Werbeanzeigen der Jugendbuchverleger,
8 Nach Kastner: Der Buchverlag der Weimarer Republik 1918–1933, S. 161. 9 Vgl. Kastner: Der Buchverlag der Weimarer Republik 1918–1933, S. 18.
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die sich kaum kontinuierlich wie bei anderen Sparten, sondern vor allem zu den genannten Terminen im Börsenblatt konzentrieren.
Vergleich mit dem belletristischen Verlag Hinsichtlich des durchschnittlichen Umfangs und des Ladenpreises der KJL ist ein Vergleich mit dem belletristischen Verlag aufschlussreich. Beim letzteren ist der Anteil an Veröffentlichungen von über 50 Seiten mit ca. 82 % im Vergleich zu den anderen Sparten überdurchschnittlich hoch,10 dagegen hält sich im Jugendbuchverlag das Verhältnis von Publikationen mittleren Umfangs (5 – 48 Seiten) – schon wegen des großen Anteils an Bilderbüchern – mit denen von mehr als 50 Seiten die Waage. Während der durchschnittliche Ladenpreis für ein belletristisches Buch, der schon bedeutend niedriger ist als der anderer Sparten, 1925 bei 3,50 RM liegt und in der Endphase der Republik auf 2,85 RM sinkt, beträgt er für das Kinder- und Jugendbuch 1925 gerade 2 RM und sinkt 1927 sogar auf 1,38 RM.11 Die Tatsache, dass es hier – wie im belletristischen Bereich – durchaus auch hochwertig gebundene und, besonders bei den Bilderbüchern, sehr viel teurere Ausgaben gibt, lässt auf einen besonders großen Anteil an broschierten Exemplaren mit hohen Auflagen schließen. Aufschlussreich sind aber auch Vergleiche zur Titelproduktion und zum Verhältnis der Neuauflagen und Erstausgaben. Der durchschnittliche Anteil der Belletristik an der Gesamtproduktion des Buchhandels beläuft sich auf 18,3 %, der der Jugendschriften dagegen nur auf 5,5 %.12 Im Vergleich mit der Situation im jugendliterarischen Verlagssegment (siehe Tabelle 1) ergeben sich gravierende Unterschiede in der Höhe der Neuauflagen. Während bei der Belletristik der Höhepunkt der Ersterscheinungen schon in die revolutionäre Nachkriegskrise fällt (mit Einbrüchen in der Inflationszeit und leichter Erholung um 1925), danach aber kontinuierlich abfällt und 1933 nur knapp über dem Stand von 1918 liegt, manifestiert er sich im jugendliterarischen Bereich erst in der Stabilisierungsphase, um dann rasant abzustürzen und erst 1933 mit erheblichem Tempo die Titelhöhe von 1918 zu verdoppeln. Die Neuauflagenproduktion ist im Gegensatz zur Belletristik (mit nur etwa 19 %) unerwartet hoch; sie liegt nach dem Krieg bei den Jugendschriften bei 40 % und pendelt sich mit einigen Schwankungen zwischen 25 und 30 % ein. Die angeführten statistischen Daten geben eine erste Orientierung über die Positionierung des Jugendbuchs im Gesamtspektrum des Weimarer Buchhandels; die auffälligen Abweichungen (Produktionsboom 1933) sowie die markant hohe Zahl von Neuauflagen und das Hoch von Erstauflagen 1925 – 1927 bleiben interpretationsbedürftig. Sie lassen sich nur aus den spezifischen Bedingungen des Feldes der KJL in der Weimarer Republik erklären.
Die Jugendschriftenbewegung und deren Programmatik KJL, eine spezifische Kommunikationsform von Erwachsenen mit Heranwachsenden, wird heute übereinstimmend als Subsystem der allgemeinen Literatur aufgefasst – als ein 10 Vgl. Kastner: Der Buchverlag der Weimarer Republik 1918–1933, S. 152. 11 Vgl. Kastner: Der Buchverlag der Weimarer Republik 1918–1933, S. 168. 12 Vgl. Kastner: Der Buchverlag der Weimarer Republik 1918–1933, S. 360.
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besonderes Subsystem allerdings, das zuallererst abhängig ist von den gesellschaftlich geprägten Vorstellungen, die sich ihre Verfasser, Verleger und erwachsene Rezipienten von Kindheit und Jugend machen. Am vorherrschenden Kindheitsbild des Wilhelminismus, dem einer zeitlosen ›heilen Kinderwelt‹, hatten Krieg und revolutionäre Nachkriegskrise der jungen Republik nicht zu rütteln vermocht, sie hatten es im Gegenteil zunächst noch verstärkt. Für das traditionsorientierte Jugendbuchgewerbe bedeutete 1918 weniger – wie in der Belletristik – einen Einschnitt als den willkommenen Anlass, die Zeit vor dem Krieg, die vielen Zeitgenossen als das »goldene Zeitalter der Sicherheit« (Stefan Zweig)13 erscheinen musste, lebendig zu halten. Des Weiteren schlugen sich die Inflation und die ›Bücherkrise‹ der 1920er Jahre im Jugendbuchverlag anders nieder als im belletristischen Sektor insgesamt. Die KJL der Kaiserzeit war ja nicht nur Ausdruck von Erwachsenennostalgie, sie hatte sich als ausgesprochener Longseller-Bereich erwiesen und neben eingeführten Klassikern wie Robinson bzw. Robinsonaden auch überaus erfolgreiche neue Genres mit Lieblingsautorinnen und -autoren (wie etwa Emmy von Rhoden, Henny Koch, Else Ury für die Backfisch-Serien; Karl May, Friedrich Gerstäcker für die Abenteuer- und Indianerromane) produziert, deren Neuauflagen und Neuproduktionen kaum ein kalkulatorisches Risiko bedeuteten. Sie galten als Markenzeichen und als Garanten für den Verkaufserfolg, dementsprechend wurden ihre Autorinnen und Autoren von zahlreichen Jugendbuchverlagen umworben. Anders als in der allgemeinen literarischen Öffentlichkeit spielt für das Kinder- und Jugendbuch, aufgrund seiner spezifischen Adressatenbezogenheit, die pädagogische und literaturdidaktische Vermittlungsebene eine historisch gesehen immer größere Rolle. Mit der Jugendschriftenbewegung (JSB) hatte sich eine solche zwischen den Buchhandel und die Käufer geschobene Instanz schon im Kaiserreich herausgebildet. Als Sachwalterin des ›guten Jugendbuchs‹ prägte sie bis in die 1950er Jahre hinein das Feld der KJL entscheidend; in der Weimarer Republik verstand sie sich als die Institution für den Kinder- und Jugendbuchsektor. Angesichts des expandierenden Jugendschriftenmarkts konnte kurz vor 1900 einer der Stammväter der JSB, Heinrich Wolgast, in seiner programmatischen Streitschrift nur das Elend unserer Jugendliteratur (1896) konstatieren und heftig zum Gegenschlag gegen die massenhaft verbreiteten und verschlungenen Lesestoffe aufrufen. Mit der Forderung, die Jugendschrift in dichterischer Form müsse ein Kunstwerk sein, hatte Wolgast den Anspruch der JSB formuliert, die KJL aus dem unmittelbaren Verwertungszusammenhang des Marktes, aus ihrer Funktionalisierung für patriotische und religiöse Zwecke sowie aus dem Dunstkreis der trivialen Lesestoffe ›für Jugend und Volk‹ zu lösen. Allerdings befand er aus eben diesem Grund spezifische Jugendschriften für überflüssig und sah die Hauptaufgabe der sich schnell verbreitenden, hauptsächlich von Volksschullehrern getragenen Jugendschriftenausschüsse darin, in der zeitgenössischen ›großen‹ Literatur nach Alternativen zu suchen und sich im Übrigen auf die Sichtung des immer unübersichtlicher werdenden Jugendliteraturangebotes auf geeignete Texte hin zu beschränken. Die reformpädagogische ›Wendung zum Kind‹ um 1900 führte zu einer entscheidenden Korrektur der bislang vorherrschenden Wolgast’schen Positionen. »Dichtung vom Kinde aus« hieß das neue Schlagwort, mit dem nun auch die Schaffung neuer, spezifischer 13 Zweig: Die Welt von Gestern, S. 15.
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Kinderliteratur anvisiert wurde, wenn sie nur »künstlerisch wertvoll« und »kindertümlich« zugleich war. Das führte zu einer wachsenden Akzeptanz der Bewegung bei den Jugendbuchverlegern – besonders denen von künstlerischen Bilderbüchern – und entsprach auch den Erwartungen der Schulpraktiker, wie der rasante Zuwachs von Prüfungsausschüssen nach 1900 vermuten lässt (1900: 21; 1910: 114; 1920: 128; 1932: 276).14 Die Auflage der JSB-Zeitschrift Die Jugendschriften-Warte, die 1893 mit zunächst 8.400 Exemplaren erschienen war, betrug in der Weimarer Republik im Durchschnitt um die 200.000 und lag fast allen Lehrerzeitungen bei. In ihr dokumentiert sich die Arbeit der Prüfungsausschüsse, die in der Dachorganisation der ›Vereinigten deutschen Prüfungsausschüsse‹ (VDPA) mit Sitz in Hamburg zusammengeführt wurden. 1930 existierte die Abb. 1: Anzeige für die Deutsche Jugend- stattliche Anzahl von 279 Ortsausschüsbücherei. In: Börsenblatt 94 (1927) 91. sen, gegliedert in 13 Landesverbände. Ihre Tätigkeit bestand hauptsächlich in der kritischen Überprüfung und Bewertung des gesamten Angebots von KJL in Form von Auswahllisten, die außerdem in allgemeinen Verzeichnissen empfehlenswerter Bücher und in zahlreichen Sonderverzeichnissen veröffentlicht wurden. Deren Gesamtauflage betrug um 1927 um die 500.000 Exemplare.15 Diese Auswahllisten der VDPA und die regelmäßigen Beurteilungen der Neuerscheinungen konnten aufgrund ihrer hohen Verbreitung vom Jugendbuchhandel nicht ignoriert werden, nahmen sie doch auf Nachfrage, Verteilung und letztendlich auf das Angebot von KJL beträchtlichen Einfluss. Andererseits lenkte das Engagement der JSB für die ›wertvolle Jugendschrift‹ die Aufmerksamkeit nicht nur der Fachöffentlichkeiten auf Qualitätsfragen und ließ sich durchaus auch für die Eigenwerbung verwenden. So lässt sich seit etwa 1910 auch die direkte Zusammenarbeit von eher traditionell ausgerichteten Jugendbuchverlagen mit Wortführern der JSB, vor allem im Segment der billigen Reihen guter Literatur (zum Preis von 10 – 35 Pf.), beobachten. Ein namhaftes Beispiel ist die seit 1911 bis in die 1960er Jahre erschienene Deutsche Jugendbücherei. Begründet von den Vereinigten Prüfungsausschüssen für Jugendschriften, herausgegeben vom Dürerbund bei Hillger, Berlin, die 1933 nahezu 500 Bändchen erreicht hatte; die Freie Lehrervereinigung für Kunstpflege, Berlin betreute die Bunten Jugendbücher von Ensslin & Laiblin, Reutlingen (von 1911–1914 erschie14 Azegami: Die Jugendschriften-Warte, S. 15. 15 Vgl. Azegami: Jugendschriften-Warte. Siehe hierzu auch: Wilkending: Volksbildung und Pädagogik »vom Kinde aus«.
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nen allein 80 Hefte). Bei diesen Reihen handelte es sich vor allem um die klassische Palette von ›gediegenen‹ und eingeführten Lesestoffen wie Märchen, Sagen, Gedichten sowie Auszügen aus ›für die Jugend bearbeiteten‹ Klassikern wie dem Robinson, Onkel Toms Hütte u. a. Der im kinderliterarischen Diskurs der Weimarer Republik omnipräsente völkische Literaturpädagoge Wilhelm Fronemann warb in seiner Schrift Der Unterricht ohne Lesebuch (1921)16 für die beiden Reihen Schaffsteins Blaue bzw. Grüne Bändchen; er publizierte u. a. auch bei Loewes, Perthes, Ensslin & Laiblin. Sein Kollege Severin Rüttgers beriet und veröffentlichte bei Schaffstein und Herder, der dem Charon-Kreis nahestehende Franz Lichtenberger gab ab 1921 Marholds Jugendbücher heraus, die sich insbesondere der »kindertümlichen Kunst für das Kind« widmeten.17 Solche ›krisenfesten‹ Reihen, die vor allem in dem von der JSB der Weimarer Zeit propagierten ›Unterricht ohne Lesebuch‹ einsetzbar waren, konnten massenhaft abgesetzt werden und zudem die von den auf Jugendliteratur spezialisierten Verlagen wie Meidinger, Schreiber, Spemann, Thienemann, Hillger und Scholz produzierte kriegsbegeisterte, aber nun nicht mehr opportune KJL ersetzen.18 Der Rückzug auf das scheinbar unverdächtige »Volk« und die deutsche Volksliteratur bildet eine Konstante in der Literaturpolitik der Weimarer JSB insgesamt – mit weitreichenden Folgen. Ein weiterer Grund für die oben erwähnte, gegenüber den Ersterscheinungen immens hohe Zahl der Neuauflagen nach dem Krieg liegt sicher auch in der Langlebigkeit dieses im Wesentlichen aus der volksliterarischen Tradition stammenden Fundus, mit dem sich so etwas wie ein pädagogisch sanktionierter Kanon wertvoller Jugendschriften rekonstruieren ließe.19 Die Erfahrungen des Weltkriegs hatten das pädagogische Wunschbild von der heilen Kinderwelt, das die Folie für das ›Jahrhundert des Kindes‹ und die Bewegung ›vom Kinde aus‹ seit der Jahrhundertwende abgegeben hatte, obsolet gemacht und damit die JSB weitgehend einer wichtigen Argumentationsgrundlage beraubt. Um ihre führende Position im kinderliterarischen Diskurs zu behaupten, musste sie sich modernisieren. Dazu boten sich die Ergebnisse der jungen Entwicklungspsychologie an, die für die JSB nach 1918 zunehmend zum Bezugspunkt wurde. Neues Paradigma der Bewegung wurde jetzt die von Charlotte Bühler in ihrer einflussreichen Arbeit Das Märchen und die Phantasie des Kindes (1918) entwickelte Theorie der ›Lesealter‹, die, ausgehend von den Lesebedürfnissen und der Lieblingslektüre eines bestimmten Alters, im Zirkelschluss ganz spezifische Entwicklungsbedingungen eben dieses Alters konstruierte. Bühler gliederte bekanntlich die Kindheitsphase in das »Struwwelpeteralter«, das »Märchenalter« und das »Robinsonalter«; ihr schließe sich die jugendliche »Reifezeit« 16 Fronemann: Der Unterricht ohne Lesebuch. 17 Zu den in der Weimarer Republik existierenden Reihen und Reihentitel siehe Deutsches Bücherverzeichnis (DBV 1926 –1930, »Jugendschriften«). 18 Schenda erwähnt das »äußerst rührige Geschäft dieser Verlage mit dem Krieg«, das z. B. selbst der Nesthäkchen-Serie von Else Ury einen Band mit dem Titel Nesthäkchen und der Weltkrieg bescherte. Vgl. Schenda: Lesestoffe, S. 100 –102. 19 Der Hamburger Jugendschriftler John Barfaut berichtet von Versuchen auf der Ebene des Reichsministerium des Innern unter Heinrich Schulz, einen Kanon der »100 besten Jugendschriften einzurichten, die jedes Kind gelesen haben sollte«. Die Initiative sei allerdings daran gescheitert, dass man sich nicht über die endgültigen Titel habe einigen können. Vgl. Barfaut: Die Not des Jugendbuchs.
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an, für die der Übergang zur »großen Dichtung« typisch sei. Mit der Übernahme der Bühler’schen Kategorien der Lesealter schienen sich die literaturpädagogischen Vorstellungen der JSB auf eine rationale Grundlage zu stützen. Die »psychologische Wende« wertete denn auch einer der maßgeblichen Wortführer der Weimarer JSB, Wilhelm Fronemann, als »Verwissenschaftlichung der Jugendschriftenfrage«. Was aber bei Bühler eine Beschreibung des Ist-Zustandes aufgrund des um 1918 vorhandenen KJLAngebots war, wandelte sich bei Fronemann umgehend in das Dogma, dass notwendigerweise gerade diese Lesestoffe den verschiedenen Altersphasen ›gemäß‹ seien. In seiner für die JSB folgenreichen Interpretation wird die Bühler’sche Phasenlehre zur anthropologischen Konstante. Mit Fronemanns Befürwortung der Lesealter-Einteilung und der Konstruktion von ›Märchenkindern‹ kommt die Ideologie der heilen Kinderwelt quasi durch die Hintertür zurück. Zudem wird in der Einschränkung der Lesestoffe auf die deutsche (bzw. nordisch-germanische) volksliterarische Tradition ein Konzept von Leseerziehung sichtbar, die deutlich völkische Konturen hat, ist für Fronemann wie für viele andere Weimarer Literaturpädagogen doch »das Schrifttum eines Volkes, aus den Urtiefen der Schöpferkraft hervorgebrochen, der festeste und dauerhafteste Kitt der Volksgemeinschaft«20 und als solcher geeignet, das »Echte«, »Wesentliche« und »Kernhafte« der deutschen Seele durch ihre Dichtung vor dem »Ungeist« der republikanischen neuen Zeit zu retten. Das Engagement der JSB in der Weimarer Republik für die ›wertvolle Jugendschrift‹ war also nicht nur ein ideeller, sondern durchaus auch ein ideologischer Kampf, der im Kontext von Modernisierung und Gegenmoderne anzusiedeln ist. Spätestens mit der maßgeblichen Beteiligung an dem 1926 gegen den Widerstand bürgerlich-republikanischer Kräfte eingeführten »Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften« wurde die regressive, politisch reaktionäre Ausrichtung eines majoritären Flügels der JSB deutlich,21 der sogar kritisierte, dass das Gesetz nicht konsequent genug angewendet wurde. Im Rückblick lässt sich dieser völkisch-nationale Antimodernismus von großen Teilen der literaturpädagogischen Intelligenz und auch des Verlagswesens durchaus als Verarbeitungsform der gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüche jener Epoche lesen; Kritiker des Gesetzes waren u. a. Erich Kästner, Kurt Tucholsky oder Bertolt Brecht. Freilich gab es innerhalb der Weimarer JSB auch andere, fortschrittlichere Positionen, insbesondere ihres Hamburger Flügels, wie die in der Jugendschriften-Warte ausgetragenen Diskussionen zeigen. Während sich insgesamt die Beurteilungen der Prüfungsausschüsse eher am ›Echten‹ und ›Lebenswahren‹ des traditionellen kinderliterarischen Kanons orientierten als an den tatsächlichen Erfahrungen und Leseinteressen ihrer Adressaten – und schon deshalb in der Regel aktuelle, zeitgenössische, nur unterhaltende Kinder- und Jugendbücher als »geschriebene Abenteuerfilme«22 ablehnten –, stellten sich die ›Hamburger‹ immer öfter gegen den Mainstream, so z. B. durch Widerspruch zur Ablehnung von Durians Kai aus der Kiste oder Kästners Emil und die Detektive, zwei
20 Fronemann: Lesende Jugend, S. 152. 21 Vgl. Josting: Jugendschriftenbewegung und Jugendschriften-Warte im Kampf gegen »Schmutz und Schund«, S. 90 – 99. 22 So Josef Prestel über Kästners Emil und Matthiessens Das Rote U; Prestel: Geschichte des deutschen Jugendschrifttums, S. 234.
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der erfolgreichsten Titel aus der Sparte der neuen Kinderromane.23 Sie forderten die Reflexion über die »neue Wirklichkeit« des Kinderlebens und seiner Lektüre in Zeiten der Republik ein, gaben 1930 schließlich eine Sonderliste »gegenwartsnaher Jugendbücher« heraus, mussten sich aber dafür in der folgenden »Debatte über die Gegenwärtigkeit« (Jugendschriften-Warte 1930/1931)24 einen »marxistisch-liberalistischen« Standpunkt vorwerfen lassen. Grundsätzlich galt die Lesealtertheorie (bis weit in die 1960er Jahre hinein) mehrheitlich unhinterfragt als wissenschaftlich begründete und feststehende Tatsache. Sie bildete nicht nur die Grundlage für die Beurteilungspraxis der Prüfungsausschüsse und die Empfehlungslisten, die nicht zuletzt für das Sortiment und die Bibliothekare der schnell wachsenden Zahl von ›Kinderlesehallen‹ von großer Bedeutung bei der Auswahl ihres Angebots waren, sondern lieferte die Richtschnur für das ›Gute Jugendbuch‹ im gesamten Feld der KJL – die Jugendbuchverlage eingeschlossen. Die Vorstellung, dass es »sozusagen ganze jugendliche Leserkolonnen gäbe, die im Gleichschritt durch die Kinderliteratur marschierten und vom gleichen Genre, Figurenarsenal, Sprachduktus und Themengehalt in der jeweiligen Entwicklungsphase affiziert würden«,25 machte auch aus ganz pragmatischen Gründen Schule. Mit und ohne ideologische Aufladung vereinfachte die Theorie der Lesealter die Planung, Sortierung und Bewertung des Lektüreangebots für junge Leser. Dass die Theorie der Lesealter in der Praxis mit den widersprüchlichsten ästhetischen, erziehungspraktischen und politischen Vorstellungen kombiniert wurde, verweist einmal mehr auf die Gemengelage von Krisenbewusstsein und Reformorientierung, wie sie nicht nur für die kinderliterarischen Verhältnisse der Weimarer Republik typisch ist.
Verwissenschaftlichung der Jugendschriftenfrage: die neue Jungleserpsychologie Die Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie gaben aber auch den Anstoß für eine erste Form von Rezeptions- oder Leserforschung, die in Konkurrenz zur JSB trat: So formierte sich seit Mitte der 1920er Jahre eine äußerst rührige Jungleserpsychologie,26 die ihre Aufmerksamkeit weniger auf das ›Lesegut‹ als auf die Lektüreinteressen der jungen Leser richtete. Denn, so Charlotte Bühler, bevor sich dem Jugendlichen »das eigentlich Künstlerische der Dichtung« erschließe, »liegt, noch oft lange und unausgeglichen neben diesem, das Lesen aus Neugier, Spannung, Sehnsucht und Sensation«.27 Die empirischen, teils auf Ausleihstatistiken aus Kinderlesehallen und Volksbüchereien, teils auf Leserbefragungen gestützten Untersuchungen der Jungleserpsychologie (»Jungleserkunde«) ergeben einen beeindruckenden Katalog der tatsächlichen Kinderund Jugendlektüre der 1920er Jahre und belegen, dass auch junge Leser eben nicht nur aus Gründen der Unbildung oder gar Verwahrlosung von anderen als künstlerischen 23 24 25 26
Mennerich: Pik, Kai und Emil, S. 7f. Vgl. zuletzt Tost: »Kennwort Gegenwärtigkeit«, S. 43 –60. Doderer: Die umzäunte Phantasie, S. 59. Eine noch immer ergiebige Übersicht gibt der Forschungsbericht von Wölfel: Der junge Leser, S. 683 –695. 27 Bühler: Das Seelenleben des Jugendlichen (1921), S. 228.
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Bedürfnissen gelenkt werden. Diese neue Richtung beschrieb Albert Rumpf folgendermaßen: »Ihr Bestreben ist, zunächst mit Hilfe des mit Vorliebe gelesenen Buches auf […] die vorherrschenden Beobachtungskategorien der Wahrnehmung in einem bestimmten Stadium geistiger Entwicklung zu schließen, ohne darauf zu achten, ob das mit Vorliebe gelesene Buch literarische Qualitäten im Sinne des gebildeten Erwachsenen hat oder nicht«.28 In der Konsequenz bedeutete diese Neubestimmung der Funktionen des Lesens auch die wissenschaftliche Legitimation des ›Lesefutters‹, das zumindest als Durchgangsstadium ernstgenommen und so aus der im Umkreis der JSB üblichen engen Konnotation mit »Schmutz und Schund« gelöst wird. Allerdings wird auch hier die Vorstellung vom ›Hinauflesen‹ nicht ganz aufgegeben; die Orientierung an der (idealtypischen) Lesealterkonstruktion bleibt transparent. Demnach stellt sich insgesamt der Entwicklungsgang der kindlichen Buchinteressen folgendermaßen dar: Im Märchenalter beschäftigt sich das Kind mit einer weder orts- noch zeitgebundenen Phantasiewelt, im Abenteueralter mit einer räumlichen und zeitlichen Fernwelt (exotisches und historisches Abenteuerbuch), in den Jungen- und Mädchengeschichten mit einer Nahwelt, in der darauf folgenden Zeit mit der realen Umwelt der Erwachsenen. Das Märchen ist das […] Wirklichkeitsfremde, das Abenteuerbuch (und auch die Jungen- und Mädchengeschichte) das Wirklichkeitsnahe, der realistische Roman das Wirklichkeitsgetreue.29 Die statistische Aufschlüsselung ergibt: Für das 8. und 9. Lebensjahr ist bei Jungen mit 59 % der Gesamtlektüre das Märchen dominierend, daneben mit 24,5 % »wirklichkeitsgetreue« Erzählungen, die dem Märchenlesen teils vorausgehen, teils parallel dazu gelesen werden. Im 10. und 11. Lebensjahr halten sich Märchen und Abenteuerbuch die Waage; bei 12- bis 14jährigen nimmt die Abenteuerliteratur die beherrschende Stellung ein, wobei in wachsendem Maße die fiktionalen Geschichten von ›wirklichen‹ Erzählungen (über geschichtliche Persönlichkeiten, Entdeckungen u. a.) verdrängt werden. Märchen werden in diesem Alter strikt abgelehnt. Nur wenige Jungen dieser Altersstufe finden den Anschluss an die Erwachsenenliteratur (3,9 %). Bei den Mädchen sieht es etwas anders aus: Sie haben ein stärkeres Interesse an Märchen als die Jungen (72,8 % bis zu 59 % bei den Jungen), bei den 10- bis 11-jährigen dominiert immer noch das Märchen, daneben Umwelterzählungen, (31,6 % zu 6,5 % bei den Jungen). Bei den 12- bis 14-jährigen nimmt das Märchen immer noch 21 % der Gesamtlektüre ein, den Großteil machen Jungmädchenbücher/Backfischgeschichten aus (31,1 %). Abenteuerbücher liegen bei den Mädchen bei 3,9 %, während die Jungen am spezifischen Mädchenbuch überhaupt kein Interesse zeigen. Erheblich mehr Mädchen als Jungen lesen realistische Erwachsenenliteratur (14,2 % zu 3,9 %). Die Jungen bevorzugen demgegenüber Sachbücher, Bastelbücher u. ä. Der Anteil von Lyrik ist durchweg gering.30 Bezüglich des »Märchenalters« wird ersichtlich, dass Märchen statistisch zwar eine dominierende Rolle spielen, aber keineswegs ausschließlich gelesen werden. 28 Rumpf: Vom Kinde aus, S. 8. 29 Rumpf: Vom Kinde aus, S. 13. 30 Vgl. die Zusammenfassung der maßgeblichen Statistiken in Engl: Die Kinderlesehalle.
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Interessant an diesem den Statistiken unterlegten idealtypischen Modell sind nicht so sehr die jeweiligen Zuschreibungen von Leseerwartungen und Motivationen, die es ermöglichen soll, als vielmehr die Abweichung von den Annahmen des Modells, die mit ihm beobachtbar und greifbar werden: so die sich in unterschiedlichen Leseinteressen plötzlich offenbarende Differenzierung der ›Kindesnatur‹ in männliche und weibliche, bürgerliche und proletarische, städtische und ländliche – und sozusagen modellimmanent, ein sich wandelndes Heldenbild in der Latenzperiode und der Pubertät. So weist z. B. Busse 1927 ein wachsendes Interesse der 12- bis 14-jährigen Jugendlichen an Detektivgeschichten nach, das das Interesse an traditionellen Abenteuerbüchern und Heldensagen weit übersteige.31 Zumindest bei Großstadtkindern steht der listenreiche, großstädtische Detektiv höher im Kurs als die »weniger kluge als edle« (Ch. Bühler) völkische Lichtgestalt Siegfried. Die Statistiken der Jungleserpsychologie über die Lieblingslektüre stellen erste Versuche von Marktforschung dar und waren deshalb für den Jugendbuchmarkt durchaus von Interesse. Gleichsam als Nebenprodukt tritt bei den Befragungen über die private Lieblingslektüre von Heranwachsenden zu Tage, wie sehr die Postulate der literarischen Jugendschriftenschützer an der tatsächlichen Lektüre ihrer Adressaten vorbeigehen. Gerade die von ihnen als minderwertig angesehenen Literaturformen (Zeitungsromane, Witzblätter u. ä.) erfreuen sich größter Beliebtheit. Die Zeitungslektüre ist überhaupt wesentlich stärker verbreitet als angenommen (75 % der 14-jährigen lesen täglich eine Zeitung!); quantitativ rangiert sie bei den 10- bis 14-jährigen neben »Schundlektüre« an der Spitze, qualitativ zeigen Jungen vor den Mädchen eine größere Bandbreite von Interessen.32 Von daher ist es kein Wunder, dass Vertreter der JSB gegen die Jungleserforschung oftmals recht heftig zu Felde ziehen – oder, auf der anderen Seite, sich bemühen, das »literarisch wertvolle Lesegut« noch ausschließlicher zu propagieren. Gegen diese Tendenz der Verwissenschaftlichung der Jugendschriftenfrage, die in den Augen mancher Jugendschriftler eine Propaganda fürs »Lesefutter« und nicht fürs »Lesegut« darstellte, also letztlich dem »Schmutz und Schund« das Wort redete, regte sich erheblicher Widerspruch. So startete die konservative Zeitschrift Die Scholle, Blätter für Kunst und Leben in Erziehung und Unterricht 1925 eine Umfrage bei den »Dichtern der Gegenwart«, welches Buch ihnen in früher Jugend besonderen Eindruck gemacht habe und welche Bücher sie ihren Kindern am liebsten schenken würden. Hier soll der gefragte ›Dichter‹ im Vergleich zu den anonymen Statistiken die Werthaltigkeit der Aussagen garantieren. Die tendenziöse Auswahl der Autoren – etwa Hans Friedrich Blunck, Paul Ernst, Erwin Guido Kolbenheyer, Agnes Miegel und Börries von Münchhausen – ist bezeichnend für die ideologische Richtung, die hier vertreten werden soll. An der Umfragenmode über die Buchinteressen beteiligten sich auch die vom Börsenverein der Deutschen Buchhändler unterstützten Buchwochen, u. a. in München 1926 mit dem Schülerpreisausschreiben »Was ich las und wie ich lese«, das an unterschiedlichen Münchener Schulstufen durchgeführt wurde33 und interessante Zeugnisse erster lesebiografischer Ansätze bietet. Die Preisverleihungspolitik ist erwartungsgemäß 31 Vgl. Busse: Die häusliche Lektüre der Volksschulkinder, S. 418f. 32 Vgl. Wölfel: Der junge Leser. 33 Vgl. die Dokumentation in Fr. Pollin: Was ich las und wie ich lese. In: Börsenblatt 93 (1926) 130, S. 739 –742.
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buchhandelsspezifisch, obwohl durchaus eine Reverenz an den Jugendschriftendiskurs sichtbar wird: prämiert wurden Aufsätze, die weniger mit ›wertvoller Literatur‹ als mit vorbildlichem Lesen oder mit Viellesen zu tun haben.
Abb. 2: »Das neue Jugendbuchplakat!«. In: Börsenblatt 98 (1931) 295, Umschlag. Für Verlage und Buchhandel bedeuten die als Preisausschreiben auftretenden Umfragen fortan ein nicht zu unterschätzendes Element ihrer Marketingstrategien, so etwa in dem großangelegten Preisausschreiben des Börsenvereins »Kannst Du ein Buch empfehlen« im Jahr 1927. Drei Jahre später startete der Börsenverein eine ähnliche Unternehmung mit der Lehrerumfrage: »Kann die Volksschule zum guten Buch erziehen«.34
Tendenzen der Kinder- und Jugendliteratur: Märchenkinder und Zeitgenossen Märchen waren im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts die am weitesten verbreitete kinderliterarische Gattung auf dem Buchmarkt. Eine seit der Kunsterziehungsbewegung so hoch bewertete und in ihrer Eignung für »das Kind« auch noch wissenschaftlich abgestützte Ware zu führen, ließ sich in den 1920er Jahren kaum ein Verlag nehmen. Einerseits veröffentlichten Verlage wie Cassirer, Diederichs oder der Insel Verlag solide Märchensammlungen in hochwertiger künstlerischer Ausstattung, auf der anderen Seite wurde eine Lawine von sentimentalen Varianten der Volksmärchen in billigen Massenproduktionen auf den Markt geworfen. Beides sicherte der Gattung ein immer breiteres 34 Dokumentiert in: Kann die Volksschule zum guten Buch erziehen? Preisausschreiben des Börsenvereins an die Lehrerschaft. Leipzig: Börsenverein 1930.
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Publikum: Märchen waren Mode, und das garantierte wiederum ihren Verkaufserfolg. Nicht nur die Grimm’schen, sondern in den 1920er Jahren verstärkt auch die nachGrimm’schen (z. B. Hauff, Bechstein, Andersen) und exotischen Märchen (z. B. 1001 Nacht) erschienen in immer neuen Ausgaben und in mancherlei Bearbeitungen. Bei Diederichs gab Friedrich von der Leyen, der auch die Märchenausgaben von »Bongs Jugendbüchern« betreute, die Märchen der Weltliteratur heraus; Severin Rüttgers sammelte in der Reihe »Der Burgring« Zeugnisse deutscher Volksseele und deutschen Volkstums; Wilhelm Fronemann veröffentlichte Märchen in Reclams Universalbibliothek und bei Ensslin & Laiblin. Bei Stalling erschien Die Märchentruhe von Wilma Mönckeberg-Volmar, und nicht zuletzt bei Diederichs Lisa Tetzners Märchensammlung Die schönsten Märchen der Welt für 365 und einen Tag (ab 1926). Neben diesem als klassisch geltenden ›Märchenschatz‹ wurden viele neue Kindermärchen geschrieben. Interessant sind aber weniger diese neuen Kindermärchen selbst mit ihrer diffusen Mischung von konventionellem Märchenerzählen und angestrengter Kindertümlichkeit als die ungebrochene Popularität des Märchenmusters. Die regressive Märchenbegeisterung ist durchaus zeittypisch, verdankt sie sich doch auch dem Erschrecken über eine ungeliebte Gegenwart. Dem kulturpessimistischen und modernisierungsfeindlichen Blick erschienen die deutschen Volksmärchen als Urbild echten und wiederzuerlangenden Volkstums, dem auch die neuen Märchen nachzueifern hatten. Sie waren in der gesamten Weimarer Zeit die bevorzugte Erzählform für Kinder, vor allem in bürgerlich-konservativen bis völkischen Kreisen: »Je mehr die neuen Kunstmärchen dem völkischen und deutsch-sittlichen Gestus entsprachen oder zu entsprechen schienen, desto mehr wurden sie gefördert und verkauft«.35 Etwa ab 1925 beginnt sich im Zeichen des Modernisierungsprinzips ›Sachlichkeit‹ in der Kinderliteratur ein Paradigmenwechsel abzuzeichnen, der ihre überkommenen Muster gründlich durcheinanderbringt. Weit über die Modernisierung des äußeren Erscheinungsbildes, mit dem Erfolgstitel des Wilhelminismus nun unter dem Etikett »Friedensqualität« oder »Neuausstattung« auftraten, hinausgehend, hat es den Anschein, als werde die Kinderliteratur selbst förmlich entmottet und ausgelüftet: Die Märchenwelle der unmittelbaren Nachkriegszeit, an der so gut wie alle Jugendbuchverlage teilhatten, wird von einer Flut realistischer Kindergeschichten abgelöst; erfolgreiche kinder- und jugendliterarische Genres wie Abenteuerbücher, Backfischbücher, selbst Tiergeschichten werden zeitgemäß umgebaut; neue Genres wie Kinderromane und Kinderdetektivgeschichten entstehen; neue, urbane Motive schieben sich in den Vordergrund. Zum bevorzugten Sujet avanciert das Kinderleben in der Großstadt. Der Produktionsboom von Ersterscheinungen kinderliterarischer Titel um 1927 legt, ebenso wie die wachsende Zahl von Übersetzungen aktueller KJL vor allem aus dem skandinavischen, englischsprachigen und sowjetrussischem Raum, davon Zeugnis ab. Die neuen, modernen ›Romane für Kinder‹ synchronisieren ihre literarischen Bilder mit den veränderten Alltagswahrnehmungen der 1920er Jahre. Deutlich beeinflusst von den Erzählweisen in Kino und Rundfunk bieten sie alles, was die traditionelle Kinderliteratur aussparte: Tempo, Aktualität, Abenteuer des Alltags. Sie verändern die tradierten
35 Zipes/Dolle: Aus alten Mären da klinget es, S. 176.
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Rollenbilder vom ›wissenden Erwachsenen‹ und vom ›unwissenden Kind‹36 und trumpfen auf mit der Informiertheit über die Welt, indem sie ein neues kinderliterarisches Subjekt als Handlungsträger entwerfen, für das die neue Wirklichkeit, mit der die Erwachsenen sich noch schwer tun, schon Selbstverständlichkeit ist. Dessen Handlungsund Wahrnehmungsraum ist nicht mehr bei einem ländlichen Wirte wundermild angesiedelt, sondern im gleichzeitigen Hier und Jetzt der Metropole, mit Vorliebe Berlins. Ein neuer, urbaner Blick sieht sie nicht länger als defizitären, krankmachenden Ort von Nicht-Natur (wie noch in Johanna Spyris Heidi), als Ort fortgesetzter Irritationen im Rahmen von Ferien-Visiten (Josefine Siebes Die Sternbuben in der Großstadt, 1918), allenfalls als an der Hand des Kindermädchens zu durcheilende Gefahrenzone (etwa in Else Urys Nesthäkchen, 1918); das »stabile Trottoir der Großstadt« (Rudolf Arnheim) steht nun auch in der KJL ein für die Lust an Mobilität, für den angstfreien Umgang mit Phänomenen wie Masse, Beschleunigung, Zeitökonomie und fair play.
Abb. 3: Ede und Unku, Malik Verlag. In: Börsenblatt 98 (1931) 275. Die neuen Helden, die Kais, Emils und Edes, sind ebenso wie die neuen Mädchen, Nesthäkchens freche Schwestern,37 durchaus in der Lage, sich im ›Dschungel der Großstadt‹ souverän zu bewegen und es nicht nur darin mit den Erwachsenen aufzunehmen. Sie treten in Wettbewerb mit ihnen (Wolf Durian: Kai aus der Kiste, 1926), schlüpfen in Rollen, die bisher den Erwachsenen vorbehalten waren (Erich Kästner: Emil und die 36 Vgl. Karrenbrock: Das stabile Trottoir der Großstadt, S. 176 –194; Dies.: »Revolution im Bücherschrank der Kinder«, S. 124 –139. 37 Vgl. Tost: Moderne und Modernisierung, S. 273 –305.
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Detektive, 1929), organisieren das »Große Umgekehrt-Spiel«, in dem sie die Rolle der Eltern, die Eltern die Rolle der Kinder übernehmen (Marianne Bruns: Jau und Trine laden ein, 1933), engagieren sich gar politisch links (Alex Wedding: Ede und Unku, 1931). »Die alte Jugendschrift, die über die Köpfe der Kinder hinwegpredigte, oft in einem kindlich sein wollenden und darum albernen Stil, verschwindet aus dem Bord: das ist die Revolution im Bücherschrank der Kinder«,38 kommentiert ein zeitgenössischer Beobachter diese Entwicklung halb erschrocken und halb erfreut. Über die Fortschrittlichkeit dieser neuen Kinderliteratur ist damit allerdings noch kein Urteil gefällt, wohl aber ihr Bemühen um Gleichzeitigkeit konstatiert. Festzustehen scheint aber, dass der neusachliche Habitus beiträgt zur Entmythologisierung von Kindheit. Er entlässt die Kinder aus einem zeitlosen Arkadien direkt in die Metropole des 20. Jahrhunderts. Unübersehbar zum Ausdruck kommt der Bruch mit den herkömmlichen Vorstellungen in der Auseinandersetzung über das erwähnte »Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften« von 1926.39 Der auch in der Presse mit großem Aufwand geführte Kampf für oder gegen das Gesetz stellt einen Meilenstein in der Modernisierungsdebatte dar; nicht zuletzt fokussierte er die Aufmerksamkeit einer breiteren literarischen Öffentlichkeit auf die Fragen von Kindheit, Jugend, Lektüre und Zensur. In der Opposition gegen das Gesetz formulierte sich im weitesten Sinne nicht nur ein ganz unbildungsbürgerliches Einverständnis mit der Massenkultur, sondern auch ein neues, verändertes Interesse an der Kindheit. Beispielhaft beweist das die Sondernummer Kinderbücher und Jugendschriften der Literarischen Welt vom Dezember 1926, in der die Avantgarde der republikanischen Intelligenz sich zum Thema äußert. »Wenn diese Nummer erscheint«, heißt es dort, »ist das unehrlichste Gesetz der Republik vielleicht schon angenommen. Unser Kampf dagegen, und der Kampf aller anständigen Menschen, wird trotzdem nicht aufhören.«40 Unter der provokativen Überschrift des Leitartikels Das Kind braucht keinen Schutz vor Schund! Es schützt sich selbst! zieht der Psychoanalytiker Siegfried Bernfeld mit seiner berühmt gewordenen Polemik gegen die literarischen Kinderschützer zu Felde, ebenso wie Ernst Bloch, der in seinem gleichermaßen bekannt gewordenen Essay Die Silberbüchse Winnetous eine flammende Verteidigung der Kolportage unternimmt. Walter Benjamin ist gleich mit drei Beiträgen vertreten; mit seiner Aussicht ins Kinderbuch, drei kleinen Skizzen mit dem Titel »Kinder« (später unverändert in den Band Einbahnstraße aufgenommen) und Phantasiesätzen von Kindern, die er später in das Denkbild Brezel, Feder, Pause, Klage, Firlefanz41 fasst. Das dichte Niveau von Benjamins Reflexionen über Kinderliteratur und Kindheit ist bis heute unerreicht; in diesen hochkarätigen Rahmen fügen sich die anderen Beiträge eher schlicht, aber dennoch informativ ein. So der Aufsatz des bekannten Kinderbuchsammlers Karl Hobrecker über alte Kinderbücher, ein Bericht über moderne Bilderbücher, die österreichische Kinderliteratur und nicht zuletzt der praktikable Vorschlag von Gina Kaus Wie ein Mädchenbuch aussehen sollte – ein radikaler Gegen38 Paulsen: Revolution im Bücherschrank der Kinder, S. 234. 39 Vgl. Jäger: Der Kampf gegen Schmutz und Schund: die Reaktion der Gebildeten auf die Unterhaltungsindustrie, S. 161 –191; Peukert: Der Schund- und Schmutzkampf als »Sozialpolitik der Seele«. 40 Die Literarische Welt 2 (1926), Nr. 49 v. 3.12.1926, S. 369. 41 Benjamin: Gesammelte Schriften IV, 1.
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entwurf zum traditionellen Backfischbuch, der von der neuen Mädchenliteratur der späten 1920er Jahre bald eingelöst wurde. Die Bedeutung dieser Sondernummer ist bislang noch nicht adäquat gewürdigt worden, setzte sie doch Maßstäbe für eine Kinderliteraturkritik. Überdies begründete sie eine Tradition der seriösen Beschäftigung mit Fragen der Kinder- und Jugendliteratur in den Feuilletons der großen Weimarer Zeitungen und Zeitschriften, wie sie beispielsweise von Benjamin selbst, von Alice Rühle-Gerstel in der Literarischen Welt, von Siegfried Kracauer in der Frankfurter Zeitung, von Rudolf Arnheim in der Weltbühne fortgeführt wird. Offensichtlich löste sich das Schreiben über und von Kinderliteratur von seinem bisher minderen Status; von daher nimmt es kein Wunder, dass nun auch anerkannte Erwachsenenautoren anfangen für Kinder zu schreiben, wie Wilhelm Speyer bei Rowohlt mit dem Kampf der Tertia (1927) und Die goldene Horde (1931), vor allem aber Erich Kästner im Williams-Verlag. Die Umbruchsituation spiegelt sich auch in den Anzeigen der Jugendbuchverlage, die in dieser Sondernummer der Literarischen Welt inserieren. Sie entsprechen dem avantgardistischen Konzept der Zeitschrift keineswegs passgenau, dafür bieten sie ein buntscheckiges Panorama des zeitgenössischen Jugendbuchverlags, in dem von konservativen bis fortschrittlichen Positionen alles vertreten ist: So werben für den Bereich des Bilderbuchs Schaffstein und Stalling mit bewährten Titeln, daneben präsentieren Stuffer, die UllsteinTochter Fridolin-Verlag mit Walter Triers Fridolin-Bilderbüchern und der Mauritius Verlag mit Tom Seidmann-Freud aber auch experimentelle Versuche; die konservativen ›Münchner Jugendbücher‹ des Verlags Kösel und Pustet, Abel und Müllers ›gediegene Jugendschriften‹ oder der Diederichs Verlag mit Lisa Tetzners Märchen teilen sich die Seiten mit dem sozialdemokratischen Dietz Nachf. oder dem Arbeiterjugendverlag. Mit vorsichtiger Modernisierung des Programms stellt sich das ›neue Kinderbuch‹ von Kaden, Dresden vor, ebenso Rütten & Loening und der Stuttgarter Union-Verlag. »Gegenwartsbetonte Zeitnähe« als Verkaufsargument – diese Strategie lässt sich in den Programmen der traditionellen Jugendbuchverlage in der Endphase der Weimarer Republik durchweg verfolgen. Herkömmlicherweise vor allem in den spezifischen Lektüren für Jungen wie die auf das Interesse an technischen Innovationen zielenden Jahrbücher (wie im Neuen Universum des Union-Verlags) verortet, setzt sie sich allmählich auch in der fiktionalen Erzählliteratur durch – beflügelt von dem Erfolg von Erich Kästners Großstadtromanen für Kinder. So erscheint bei Levy & Müller Erika Manns amerikabegeisterter Ausreißerroman Stoffel fliegt über das Meer (1932), auch in der Mädchenliteratur löst die Stadt das Pensionat als neuen Lernort ab (Else Hinzelmann: Bärbel kommt in die Stadt, Union 1932; Clara Horath: Hannelore erlebt die Großstadt, Thienemann 1932).
Der Jugendbuchverlag zwischen Tradition, Innovation und Moderne Der Kinder- und Jugendbuchmarkt der Weimarer Republik ist im Wesentlichen von zwei differierenden Strömungen geprägt. Den konservativen Mainstream vertreten hauptsächlich die schon vor 1914 auf das Jugendbuch spezialisierten Verlage mit ihren bewährten Lesestoffen und Genres: also dem pädagogisch sanktionierten ›Volksgut‹ (Märchen, Epen, Sagen, Fabeln, Volksbüchern, Kinderlieder) und den ›für die Jugend bearbeiteten‹ Klassikern der Weltliteratur – Texten, die größtenteils honorarfrei geworden waren und
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immer wieder von verschiedenen Jugendbuchverlagen aufgelegt wurden – sowie den Longsellern der schon im Kaiserreich produzierten konservativen KJL respektive neuen Titeln von Erfolgsautoren oder Erfolgsserien, die ihren jeweiligen Verlagen weiterhin Verkaufsgarantien boten. So erschien z. B. Spyris Heidi kann brauchen, was es gelernt hat (1881) 1932 bei Perthes im 305. Tsd.; Henny Kochs Papas Junge (1900) lag im Stuttgarter Verlag Union 1934 in der 88. Auflage vor. Else Ury, die bei Meidinger mit ihrer Nesthäkchen-Serie (1918 – 1925) die Tradition der Backfischbücher nahtlos fortsetzte, gehörte zu den beliebtesten Mädchenbuchautorinnen der Weimarer Republik. Nesthäkchens erstes Schuljahr, der zweite Band der Serie, ist 1928 schon im 165. – 178. Tsd. angekommen. Die Erfolgsgeschichte von Waldemar Bonsels’ Biene Maja (1912) ist geradezu legendär: 1920 erAbb. 4: Anzeige für die Jugendbücher des scheint sie schon im 318. Tsd; 1925 im Stuttgarter Union-Verlags. In: Börsenblatt 535. – 584. Tsd; 1934 im 751. – 755. Tsd. 99 (1932) 45. Der Karl-May-Verlag Radebeul legte allein Winnetou I 1934 im 273. Tsd. vor, dabei war er bei Weitem nicht der einzige Verlag, der die einschlägigen May-Titel im Programm hatte.42 Die Liste ließe sich fortsetzen mit Titeln von Agnes Sapper, Tony Schumacher, Josefine Siebe, Friedrich Gerstäcker, Hermann Löns, Ludwig Thoma u. a. Ein weiterer sicherer Posten war die Herausgabe der bewährten Jahrbücher bei Union, so das bereits erwähnte Neue Universum (seit 1880) und Der Gute Kamerad (seit 1887); für die Mädchen Das Kränzchen (seit 1889). Die dort abgedruckten Fortsetzungsromane wurden weiterhin nachträglich in der florierenden Kamerad-Bibliothek und der noch erfolgreicheren Kränzchen-Bibliothek in Buchform verwertet. Auch Kinderkalender liefen wie von selbst, Marktführer waren auf diesem Sektor während der gesamten Weimarer Republik Auerbachs Kinderkalender und Meidingers Kinderkalender. Innovationen sind in der unmittelbaren Nachkriegsphase dagegen rar, allenfalls im hochklassigeren Bilderbuchbereich lässt sich eine vorsichtige Annäherung an die Ausdrucksformen der modernen Kunst verfolgen. Die verschärfte Konkurrenz, Konzentration und Spezialisierung seit der Stabilisierung führte aber auch im erzählenden Kinder- und Jugendbuchsektor zu einer Veränderung der Verlagslandschaft. Neue Verleger mit Elan und Engagement ließen Raum für innovative Experimente, die durchaus auch mit finan42 Für alle genannten Daten, vgl. Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums (GV) 1911 – 1965 (München 1976 – 1981).
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ziellen Risiken verbunden waren; sie reagierten flexibler auf die Konkurrenz durch die Massenmedien als die eingeführten konservativen Verlage und wussten die durch die veränderten Lesegewohnheiten entstandenen Marktlücken zu nutzen. Es waren vor allem die Verlagsneugründungen der Weimarer Republik wie etwa Franz Schneider, Stuffer oder Williams, die sich seit etwa 1925 zunehmend dem Aufbau eines »gegenwartsfrohen«,43 zeitgenössischen Programms mit jungen Autoren und Autorinnen widmeten und so Bewegung in die KJL brachten, damit aber auch die traditionelleren Verlage in Zugzwang setzten. Darüber hinaus begannen die Verlage der sozialistischen und kommunistischen Arbeiterbewegung das Desiderat einer proletarischen KJL44 einzulösen.
»Altbewährte« Jugendbuchverlage Die Verlage, die sich schon im Kaiserreich in der Sparte Jugendschriften hervorgetan bzw. sich ganz auf diesen Sektor spezialisiert hatten, also etwa Ensslin & Laiblin, Herder, Loewes oder Thienemann,45 bedienten in den 1920er Jahren in der Regel das gesamte Spektrum des klassischen Jugendschriftenangebots, wenn sie sich nicht, wie beispielsweise Meidinger mit Else Ury, Weichert mit Clara Nast u. a. und Weise (Der Trotzkopf und seine Nachfolger) vorrangig auf die Herausgabe der konservativen, aber überaus beliebten Mädchenbuchserien konzentrierten. Mehr oder weniger der JSB verbunden bzw. sich auf deren Positionen berufend, zeigten sie sich modernisierungsresistent, machten allenfalls gegen Ende der Weimarer Republik Zugeständnisse an die veränderten Vorstellungen von Kindheit, Jugend und Lektüre. Für die genannten Verlage mag gelten, was in der Firmenzeitschrift des Loewes-Verlags ausgeführt wird: Der Verlag hat sich […] immer bemüht, die Sprünge ins Extreme zu vermeiden und eine konstante Linie in Darstellung und künstlerischer Gestaltung zu wahren […]. Er hat ganz bewusst am Konservativen festgehalten, ohne sich jedoch darin zu verlieren, weil er davon überzeugt ist, daß das Kinder- und Jugendbuch ein denkbar schlechtes Versuchsobjekt für avantgardistische Pläne darstellt.46
Herder, Freiburg So führte auch der Traditionsverlag Herder, »des lieben Gottes eigener Verlag«,47 neben seinen Bestsellern wie der Pinocchio- Bearbeitung Geschichte vom hölzernen Bengele (1913, 1974 in der 89. Aufl.) die Nonni-Reihe des Jesuitenpaters Jón Svensson weiter und gab mit Das alte Haus (1923), Engelkind (1928) und Die grüne Schule (1931) Märchen des talentierten, in kindertümlichen Kreisen hochgelobten Vielschreibers Wilhelm 43 So Rudolf Frank in seiner Rezension von Erika Manns Stoffel von 1931, zitiert nach Murken: Gedanken zu Erika Manns Kinderbüchern, S. 8. 44 Vgl. Wegehaupt: Deutschsprachige Kinder- und Jugendliteratur der Arbeiterklasse von den Anfängen bis 1945. 45 Vgl. das Kapitel Kinder- und Jugendbuchverlag, Kaiserzeit, in Band 1/2 dieser Buchhandelsgeschichte, S. 103 – 163. 46 Hundert Jahre Loewes Verlag Ferdinand Carl, Stuttgart: 1863 –1963, S. 57. 47 175 Jahre Herder. Kleines Alphabet der Verlagsarbeit. Freiburg: Herder 1976, S. 44.
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Matthiessen heraus – Märchen, in denen die notwendige Arbeit ausschließlich und gerne von Zwergen erledigt wird, während die kindlichen Protagonisten in ›Mythikon‹, dem geheimen Wurzelgrund der Szenerie, unterwegs sind. Zum ›Tag des Kindes‹ 1932 informierte der Verlag das Sortiment über sein Programm mit dem Hinweis: »Es ist bekannt, daß unsere Jugendschriften […] im Sinne einer Bücherei der Lebensalter aufgebaut sind, zusammengenommen also eine innerlich geschlossene Eigenbücherei ausmachen«. »Was Sie führen sollten«, heißt es weiter, sollte sein: í í í í í
Bilderbücher und Bildergeschichten neuzeitlicher Art Märchen und Erzählungen in der Altersmundart der Kinder Abenteuer – Helden – Sagen und Legenden als Künder Deutschen Wesens Erzählerisch wertvolle Sachbücher Unsere neusten Jugendbücher.48
Als Letztere werden angekündigt: Herbert Alexander: Fritzi und sein Zirkus, »ein treffliches Jugendbuch, besonders für unsere Großstadtkinder«; Theodor Seidenfaden: Deutsches Schicksalsbuch I. Das Reich, das »im Spiegel der geschichtlichen Sagen das mythische Bild unseres Volksschicksals«49 zeige, und nicht zuletzt Wilhelm Straub: Die Geschichte vom Jesuskind.
Ensslin & Laiblin, Reutlingen Ensslin & Laiblin setzte seine älteren Erfolge mit Buschiaden von Pommerhanz, Bilderbüchern von Adolf Holst mit den Illustrationen von Ernst Kutzer und der von der JSB beeinflussten Heftreihe Bunte Jugendbücher fort, entwickelte seit 1930 aber auch die Reihe Erlebte Weltgeschichte und Erlebte Geographie, nicht ohne nationalistische Untertöne. Auf der Leipziger Buchmesse von 1930 konnte der Verlag mit 193 Neuerscheinungen und 243 Neuauflagen antreten.50 Einen großen Teil davon machten sicher Johanna Spyris Werke aus; so kündigte der Verlag 1932 deren »mustergültige, ungekürzte Ausgabe, textlich durchgesehen und mit den wundervollen, an Ort und Stelle gesammelten farbigen Bildern von Ernst Mühlmeister«51 an. Spyri wird gleich »gewichtweise gehandelt […]: 5 Kilo = 10 Titel zu 110 Stück«.52
Schaffstein, Köln Am besten erschlossen ist das Profil des Schaffstein-Verlags, Köln.53 Gegründet 1894 von den Brüdern Hermann und Friedrich Schaffstein, galt er im ersten Jahrzehnt nach der Jahrhundertwende als der eigentliche Verlag des neuen künstlerischen Bilderbuchs. Vor allem auf die Initiative von Hermann Schaffstein hin gelang mit Richard und Paula Dehmel und dem Bilderbuchkünstler Ernst Kreidolf der Anschluss an die stilkünstleri48 49 50 51 52 53
Börsenblatt 99 (1932) 130. Börsenblatt 99 (1932) 130. Vgl. Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur, Bd. I. Börsenblatt 99 (1932) 50. Künnemann: Von Campe bis Caravelle, S. 183. Vgl. Stark: Der Schaffstein-Verlag.
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sche Moderne; bis 1909 lagen bereits 26 Titel in der Verlagsabteilung Künstlerische Bilderbücher vor, darunter Richard Dehmel/Ernst Kreidolfs epochemachender Fitzebutze und, in Zusammenarbeit mit Karl Hofer, K. F. von Freyhold und E. R. Weiß, der Buntscheck. Aufgrund der aufwendigen Herstellung waren die von den Künstlern kolorierten oder in 7 – 8 Farben gedruckten Bilderbücher teuer; sie errangen zwar große Anerkennung (so wurden für die »Deutsche Unterrichtsausstellung« auf der Brüsseler Weltausstellung zehn Schaffstein-Bilderbücher ausgewählt und mit einem Ehrendiplom geehrt), brachten aber nicht die großen Verkaufserfolge. Die breiten Käuferschichten versorgten sich bei der billiger produzierenden Konkurrenz, etwa bei Loewes, der Elsa Beskows Verkaufsschlager wie Hänschen im Blaubeerwald (EA 1903) führte, bei Schreiber mit seinen »gangbaren« Bilderbüchern von Sybille von Olfers (Etwas von den Wurzelkindern, 1906) und Alfred Hahn, der mit gefälligeren Titeln von Gertrud Caspari und Ernst Kutzer aufwartete. Schaffstein musste seine anspruchsvolle BilderbuchAbteilung einschränken, denn »Konzessionen an den breiten Publikumsgeschmack lagen Hermann Schaffstein zu keiner Zeit«.54 Erst mit den Reihen Schaffsteins Volksbücher (bis 1915), und vor allem seit 1910 mit Schaffsteins Blauen Bändchen (literarische Texte) und den Grünen Bändchen (historische und geografische Texte) gelang der Durchbruch. Bis 1918/19 war die Zahl der Grünen auf 73, die der Blauen auf 99 gestiegen – bis zum Ende der Republik erschienen 112 Grüne und 210 Blaue Bändchen55, die vor allem in Volksschulen und den unteren Stufen der Höheren Schulen Verwendung fanden. Es handelte sich um billige Hefte im Umfang von 4 – 5 Druckbogen zum Preis von 30 Pf. (Geschenkausgabe in Leinen 60 Pf.), die dennoch (im Fall der Blauen) von namhaften Künstlern wie Arpad Schmidhammer, Max Slevogt oder Otto Ubbelohde illustriert wurden und die von Schaffstein schon mit seiner Volksbücherreihe verfolgten Prinzipien vertraten: »1. Ablehnung aller Tendenzschriften. 2. Bei der Auswahl der für die Jugend geeigneten Stoffe die Berücksichtigung der gesamten Literatur, der älteren wie der neueren, 3. Die dichterische Jugendschrift muss ein Kunstwerk sein, das Erwachsene mit ebenso großem Interesse lesen können wie Kinder«.56 Die Nähe zu den Wolgast’schen Positionen der frühen JSB und Kunsterziehungsbewegung ist unübersehbar. Als sich der Verlag 1918 im Börsenblatt mit seinen ›Künstlerischen Bilderbüchern‹, den ›Grünen und Blauen Bändchen‹ und der Sparte ›Jugendschriften und Geschenkwerke‹ zurückmeldete, war die Konkurrenz im Bilderbücherbereich nicht geringer geworden. So erwuchs mit dem sich auf die Bilderbuchsparte spezialisierenden Oldenburger Verlag Gerhard Stalling ein neuer Kontrahent, der 1920 eine Reihe »vornehmer, künstlerischer Bilderbücher« unter dem Label »Nürnberger Bilderbücher« ankündigte. Auch der alte Konkurrent Hahn konnte 1924 mit der unglaublich erfolgreichen Häschenschule von Fritz Koch-Gotha und Albert Sixtus einen Dauerbrenner landen (1928 erschien sie bereits im 133. – 152. Tsd.). Seine frühere Avantgardeposition bei den Künstlerbilderbüchern musste Schaffstein nun an kleine Verlage wie den Rotapfel-Verlag, der die Veröffentlichung der KreidolfBücher übernahm, oder den Peregrin-Verlag (später Mauritius Verlag), in denen die Bücher von Tom Seidmann-Freud (etwa: Das Buch der Dinge, 1923; Die Fischreise, 54 Eisenreich: 75 Jahre Hermann Schaffstein-Verlag, S. 6. 55 Titelauflistung bei Stark: Der Schaffstein-Verlag, S. 204 –213. Absatzzahlen S. 168. 56 H. Schaffstein, zitiert bei Eisenreich: 75 Jahre Hermann Schaffstein-Verlag, S. 6.
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1923) erschienen, abgeben. In Reaktion darauf wurde in enger Zusammenarbeit mit der JSB und den Volksbüchereien der Ausbau der ›Bändchen‹ verstärkt und für höhere Alterstufen abgerundet – erfolgreich, aber mit der Wahl der konservativ-völkischen Berater Fronemann und Rüttgers nicht mit so glücklicher Hand wie bei den exquisiten Künstlern aus der Hochzeit des Verlags. Unter deren Einfluss und besonders seit dem Eintritt von Schaffsteins Schwiegersohn Anton Eisenreich in die Firma (1920, seit 1926 neben ihm persönlich haftender Gesellschafter, ab 1928, nach dem Ausscheiden von H. Schaffstein, alleiniger Gesellschafter) nahm das Profil des Programms bei aller Betonung der Tendenzfreiheit zunehmend gegenmoderne Züge an. Schaffstein und Eisenreich traten 1922 dem ›Lauensteiner Kreis‹ um Eugen Diederichs bei, der in einer eigentümlichen Verbindung von Reformbewusstsein und Deutschtümelei versuchte, dem Jungbuchhandel ein neues Berufsverständnis einzupflanzen. Offenbar als Konzession an das wachsende Interesse an unterhaltender Freizeitlektüre erweiterte der Verlag um 1930 sein Programm um Jugendbücher, die mit ihren bunten Schutzumschlägen nicht nur zeitgemäßer daherkamen, sondern sich auch aktuellerer Themen annahmen: so etwa moderat modernisierte ›Jungmädchenbücher‹ wie Käthe Miethes So ist Lieselotte (1931) oder spannende Detektivgeschichten wie W. Matthiessens noch heute erfolgreiches Das Rote U (1932). Diese Freiläufer hatten sich aber alsbald in einen konzeptuellen Rahmen zu fügen: Als »Bücher der Lebensgestaltung für die reifende Jugend – Stoffe aus den Problemen unserer Zeit« kündigte der Verlag eine Reihe an, die sich nun auch speziell an adoleszente Leser wendete. Im Verlagsprospekt heißt es: In der Jugend wächst vor den ungeheuren Schwierigkeiten unserer Zeit der Mut, auch den unerfreulichen Tatsachen ins Gesicht zu schauen, und der Wille, sie zu überwinden. Für diese Jugend […] ist eine Literatur im Werden, die eine Mittlerstellung einnimmt. Sie steht auf der Grenze zwischen schönem und nützlichem Schrifttum. Und es schneidet sich in ihr das Jugendbuch mit dem Roman.57 Diese tendenziöse Absage an politische Tendenzen verfolgte durchaus eine Strategie: Neben Helene Voigt-Diederichs erschienen in dieser Reihe vor allem ›nordische‹ Autoren. Sie konnte bis 1939 unbehelligt fortgesetzt werden.
Neue Verlagsprofile eingeführter Verlage Stalling, Oldenburg Der 1789 gegründete Stalling-Verlag gehörte schon im 19. Jahrhundert zu den Verlagen, die sich zügig industrialisierten und im Kaiserreich mit modernsten Druckmethoden und patriotischem Programm expandierten. 1920 eröffnete er unter der Leitung von Martin Venzky, dem Schwiegersohn des Verlagsinhabers Heinrich Stalling, eine neue Verlagsabteilung, den »Nürnberger Bilderbücher-Verlag Gerhard Stalling«. Die »Nürnberger Bilderbücher«, später umbenannt in »Stalling Bilderbücher«, krempelten den Bilderbuchmarkt der Zeit vollständig um – und das nicht etwa mit einer Revision des her-
57 Zitiert nach Stark: Der Schaffstein-Verlag, S. 124.
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kömmlichen Kindheitsbilds, sondern gerade durch seine Perpetuierung mittels modernster Produktionsmethoden und einer offensiven Marketingstrategie. Unterstützt durch eigene Druckwerkstätten mit neuen Offsetmaschinen konnten Stalling/Venzky von Anfang an auf Qualität und relativ niedrige Preise setzen; die zur Kostenminimierung notwendige Auflagenhöhe wurde durch ausgefeilte Werbekampagnen, mehrseitige Anzeigen im Börsenblatt, günstige Abnahmekonditionen für den Sortimentsbuchhandel und Preisausschreiben erzielt. So startete der Verlag sein Bilderbuchprogramm mit der Ankündigung: »Ich werde auf der Frühjahrs-Bugra-Messe mit nicht weniger als 12 neuen, eigenartig schönen Künstlerbilderbüchern vertreten sein. […] Jedes meiner Bilderbücher enthält an besonders sichtbarer Stelle die Schaukelpferd WertAbb. 5: Anzeige des Stalling Verlags. In: Börmarke, auf die die Käuferschaft in senblatt 94 (1927) 48. meinen Werbedrucksachen ständig aufmerksam gemacht werden wird«58. Für ihre beweglichen Spielbilderbücher, Bilderbücher zu Märchen, Kinderliedern und Rätseln sowie Leporellos konnte der Verlag eingeführte Autorinnen und Autoren wie Frida Schanz, Sophie Reinheimer oder Adolf Holst verpflichten und bewährte Bilderbuchillustratoren und -illustratorinnen wie z. B. Else Wenz-Viëtor und Elsa Eisgruber gewinnen, führte aber auch junge, unbekannte Künstlerinnen wie z. B. Elsa Moeschlin ein. Bis 1933 produzierte die »große Bilderbuchfabrik«59 Stalling 86 Reihentitel60 in einer »ungewöhnlich leuchtenden und geschmackssicheren Farbigkeit« (Stark); die bis heute bekanntesten sind neben Storms Der kleine Häwelmann wohl Sonnenkinderstuben von Max Dingler, mit Illustrationen von Wenz-Viëtor, das schon ein Jahr nach der Erstausgabe in der 7. Auflage mit 27.000 Exemplaren vorlag, sowie Reinheimer/Wenz-Viëtors Im Blumenhimmel, das eine Stückzahl von weit über 100.000 erreichte. Daneben veröffentlichte der Verlag aber auch Reklameschriften wie Osterkaffee bei Mümmelmanns (1930) für die ›Eduscho Kaffee-Import Rösterei Bremen‹, eine lukrative Unternehmung, von der beide Firmen profitieren konnten. 58 Zitiert nach Stark: Gerhard Stalling Verlag, S. 2. 59 So Emil Rorniger, der Inhaber des Zürcher Rotapfel-Verlags, der seit den 1920er Jahren die Kreidolf-Bilderbücher verlegte; zitiert nach Stark: Gerhard Stalling Verlag, S. 3. 60 Vgl. Liebert: Bibliographie der Bilderbücher des Verlags Gerhard Stalling.
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Ab 1921 erfolgte zudem eine Erweiterung des Programms auf Lesestoffe für etwas ältere Leser unter dem Reihentitel »Der Blumengarten«, herausgegeben von dem später überzeugten Nationalsozialisten Will Vesper, der hier die völkische Perspektive mit Epen, Sagen und Volksbüchern vorbereitete – eine ideologische Signatur, die der Verlag mit seiner an Erwachsene adressierten Reihe »Schriften an die Nation« ausbaute, in der sich schon vor 1933 die Wortführer des Nationalsozialismus von Beumelburg über Euringer und Möller van den Bruck bis zu Krieck äußerten. Die Reihe »Der Blumengarten« wurde später in »Stallings Jugendschriften« umbenannt, sie führte gegen Ende der 1920er Jahre außerdem Titel aus der Sparte Tierbücher, etwa von Svend Fleuron, sowie mehr oder weniger epigonale Kästner-Imitationen (Katrin Holland: Wie macht man das nur?, 1931).Auf die Krisenzeiten der Republik reagierte Stalling mit immer ausgefeilteren aggressiven Werbemethoden, um sich eine führende Marktposition zu sichern. Für das Ostergeschäft von 1924 kündigte Stalling beispielsweise im Börsenblatt ein Preisausschreiben für die originellste Schaufenstergestaltung durch Stalling-Bücher an. Die Gewinne: »Ein erstklassiges Markenfahrrad oder eine tadellose Schallplattensprechmaschine oder 30 Flaschen guten Rheinweins«.61 Der Text ist in Sütterlin gedruckt, angefügt für die Sortimenter ist der in Fraktur gehaltene Hinweis: »Unsere der geschwächten Kaufkraft der Eltern und Kinderfreunde angepassten billigen Gruppentarife (RM 0,90, 1,40, 1,80, 2,50, 2,80, 3,80) ermöglichen Ihnen ein großes Geschäft. Ausführliche Liste auf dem Beizettel.«62 Auch der Stalling-Verlag hatte keine Veranlassung, sein kinder- und jugendliterarisches Programm nach 1933 umzustellen.
Gundert, Stuttgart Wie kaum ein anderer mit Jugendschriften befasster Verlag steht Gundert in den zwanziger Jahren für eine Position zwischen Tradition und Moderne. 1878 vom Verlegerund Missionarssohn David Gundert als Ableger des theologischen Calwer Verlagsvereins gegründet, blieb die theologische Literatur zunächst der Hauptverlagszweig, daneben veröffentlichte er in der Sonntagsbibliothek ab 1895 aber auch Jugendschriften – Hauptautorinnen waren Anna Schieber und Agnes Sapper, deren Familie Pfäffling (1907) bis in die Gegenwart immer wieder neu aufgelegt wurde. Sappers rührenderbauliche Geschichten über durchaus nicht immer nur ungetrübtes FamilienKinderleben lagen nach einer Verlagsanzeige von 1935 bei einer Auflage von über einer Million. Der Verlag blieb auch in den zwanziger Jahren bei steigendem Umsatz ein reiner Familienbetrieb mit einem minimalen Aufwand an Personal, das sich kannte und engagiert zu Werke ging. Die »kleine Welt der Hohen Straße«63 wurde ab 1919 vom zweiten Sohn des Verlagsgründers, Friedrich Gundert, geleitet, der sich, wie sein Vetter Hermann Hesse, durchaus als Vertreter einer anderen Zeit sah, »einer neuen Zeit, und doch nicht in revolutionärem Ungestüm die Verbindung mit der alten Zeit lösend, sondern sie schonsam weiterentwickelnd und pflegend«.64 61 62 63 64
Zitiert bei Stark: Der Schaffstein-Verlag, S. 8. Börsenblatt 98 (1931) 296. Friedrich Gundert zum Gedächtnis, S. 23. Friedrich Gundert zum Gedächtnis, S. 24.
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Diese Haltung prägte auch sein Engagement für das Kinder- und Jugendliteraturprogramm des Verlags, das er entscheidend ausbaute und dem er vor allem mit der Reihe Sonne und Regen im Kinderland (seit 1922) ein ganz eigenes, unverwechselbares Profil verschaffte: Die Reihe »Bunte Geschichten für kleine und große Leute« zum Preis von 85 Pf. erreichte bis 1932 die stattliche Anzahl von 40 Bändchen, mit einer Auflagenzahl von insgesamt 1,3 Millionen. Hier erschienen »nur Geschichten und Märchen guter Autoren […], keine alten freigewordenen Stücke, die schon in Dutzenden von Ausgaben vorliegen; dazu Originalillustrationen namhafter Künstler« (Verlagsanzeige). Neben Qualitätsanspruch und günstigem Preis war der Reihentitel Programm. Gleichzeitig setzte man sich vom Stuttgarter Konkurrenten in Sachen Kinderbuch, dem Verlag Levy & Müller ab; Levy & Müller lieferten mit ihren erfolgreichen Hausautorinnen Josefine Siebe und Tony Schumacher immer neue, gemütvoll-betuliche »bürgerliche Geborgenheitsbilder« (M. Altner), so etwa Siebe mit ihren sieben KasperleBänden, einer sentimentalisiert-komischen Pinocchio-Variante, und die »deutsche Spyri« Schuhmacher mit ihren alljährlich erscheinenden Mädchenbüchern. Denn bei Gundert kam eine neue Generation vor allem von Autorinnen zu Wort, der die ›Sonnige Kinderwelt‹ der Familienkindheit schon als gefährdetes Terrain erschien, in dem eher Kinder-Kümmernisse als Kinderglück den Ton angeben. Freilich besteht auch die Reihe auf dem Prinzip des guten Ausgangs, der jedoch nur durch warmherzige Fürsorge, Mut und gegenseitiges Vertrauen erreicht wird. Eingeteilt ist die Reihe ab Mitte der zwanziger Jahre in unterschiedliche Alters- bzw. Adressatenkategorien: »Für Kinder ab 5 Jahren« (hier erscheinen neben Märchen auch realistische Geschichten wie Sappers Frieder oder Schiebers Bille Hasenfuß – ein Prinzip, was auch in den folgenden Sparten durchgehalten wird): »Für Kinder von 7 Jahren an«; »Für Mädchen von 8 Jahren an«; »Für Kinder von 9 Jahren an und für große Leute«. Die letzte Abteilung ist sicher die interessanteste, sie öffnete sich unter dem Lektorat von Anni Geiger-Gog [Ps. Hanne Menken] zunehmend dem modernen Alltag von Arbeiterkindern und bekam entschieden sozialkritische Konturen, so etwa in den Großstadterzählungen Ruth Rewalds (Rudi und sein Radio, 1931; Müllerstraße, 1932); Geiger-Gogs Fiete, Paul & Kompanie (1932) und Lisa Tetzners Erwin und Paul (1933). Geiger-Gog, die in der Endphase der Republik der proletarisch-revolutionären Literaturbewegung angehörte und auch mit der Vagabundenbewegung um Gregor Gog verbunden war, veröffentlichte im Kinderbuchprogramm außerhalb der Reihe ihr wegen seiner bitteren sozialen Anklage kontrovers diskutiertes Hauptwerk, Heini Jermann (1929); sie initiierte wohl auch die Veröffentlichung von Jo Mihalys ›Zigeuner‹-Geschichte Michael Arpad und sein Kind. Ein Kinderschicksal auf der Landstraße (1930) und dem zuvor bei Weiß erschienenen sozialkritisch-phantastischen Kinderroman Hans Urian. Die Geschichte einer Weltreise (1931) von Lisa Tetzner.
Neue Kinder- und Jugendbuchverlage der Weimarer Republik: Franz Schneider Hatte der Stalling-Verlag mustergültig vorgeführt, wie erfolgreich traditionelle Kindheitsmuster mit moderner marktwirtschaftlicher Orientierung zu verkaufen waren, so gelang es dem Franz Schneider Verlag, der heute zu den umsatzstärksten Kinderbuchverlagen gehört, mit einer eben solchen Orientierung die Verkaufsstrategien Stallings noch zu überbieten, dabei aber Prototypen eines modernen, unterhaltenden Kinderbuchs in den Mittelpunkt seines Programms zu stellen. Der ursprünglich nicht ausschließlich
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auf Kinderbücher spezialisierte Verlag wurde 1913 von Franz Schneider sen. mit der Starthilfe des liberalen Reichstagsabgeordneten Friedrich Naumann in Berlin gegründet, seine erste Veröffentlichung war aber dennoch ein Kinderbuch: Sophie Reinheimers Von Sonne, Regen, Schnee und Wind. Anfang 1927 verlegte Schneider seinen Sitz wegen finanzieller Schwierigkeiten nach Leipzig; von da ab lag der Schwerpunkt des Programms auf dem unterhaltenden Kinderbuch mit kindlichen Handlungsträgern und Sujets aus ihrer modernen Lebenswirklichkeit. Seine wichtigste Aufgabe sah der Verlag fortan darin, Kinder überhaupt zum Lesen zu bringen. Die Schneider-Bücher, so Franz Schneider im Rückblick, hätten sich von Anfang an »als Einstiegsliteratur verstanden. Man wollte solche Bücher herstellen, die ein Kind, das in seiner Freizeit liest – schon vom Umfang her – gut bewältigen und verstehen kann«.65 Reinheimer blieb die Erfolgsautorin des Verlags; ihre Vorlesegeschichten und Erstlesebücher, eine bunte Mixtur von »Einfalt, Frische, rosa Brillen und fröhlicher Märchengläubigkeit« (Reinheimer)66 hatten einer ganzseitigen Verlagsanzeige zufolge bereits Ende 1927 eine Auflage von einer Million,67 darunter Von Sonne, Regen, Schnee und Wind und Aus Tannenwalds Kinderstube, die ebenso wie die Anthologie Das kleine Reinheimerbuch, die Puppengeschichte Rösel weiterhin als Bücher von »größter Absatzfähigkeit« angepriesen wurden. Einen durchschlagenden Erfolg hatte auch Wolf Durians bereits erwähnter innovativer Kinderroman Kai aus der Kiste (1926), die in rasantem Tempo erzählte Erfolgsstory eines pfiffigen Berliner Straßenjungen, der mit seiner Bande die erwachsenen Mitbewerber im Wettkampf um den Posten eines »Reklamekönigs« übertrumpft. Durians Buch wurde zum Paradigma des Markenzeichens »Schneider-Bücher«, einer auf den Geschmack des großstädtischen Kinder-Massenpublikums zielenden aktuellen, spannenden Kinderunterhaltung. Deren Erfolgsrezept hatte Durian schon als Redakteur des Ullstein-Kinderblatts Der Heitere Fridolin, Halbmonatszeitschrift für Sport, Spiel und Abenteuer erproben können, das von 1921 – 1927 zum Preis von 15 Pf. mit einer Auflage von 350.000 erschienen war – und in der auch Kai 1925 als Fortsetzungsgeschichte erstmals veröffentlicht wurde. Der Schneider-Verlag wusste die Position geschickt zu besetzen, die mit der Einstellung der Kinderzeitschrift vakant geworden war. Als Hauptattraktionen lieferte er zeitgenössische Kinderhelden und zeitgenössische Sujets, großstädtische Vergnügungen, mehr oder weniger flott geschrieben und – mit Blick auf die Medienkonkurrenz – durchaus auch mit ›filmischen‹ Schreibweisen experimentierend (wie Durians Kai) – oder den Höhepunkt der Handlung als Rundfunkreportage darbietend (Otto Bernhard Wendler: Peter macht das Rennen, 1931). Auch im Bereich der Mädchenlektüre brach der Verlag mit den liebgewordenen Backfisch-Traditionen der überversorgten Nesthäkchen, Hummelchen und Goldköpfchen; so startete er mit Margarete Hallers Gisel und Ursel (1932) eine Serie über die von gleichzeitigen Sensationen und lustigen Streichen vollkommen ausgefüllten Großstadterlebnisse ›moderner‹ Mädchen, als Zwillinge gleich im Doppelpack, die äußerst erfolgreich das Oberflächenbild der Weimarer ›neuen Frau‹ auch in 65 Vgl. Zwischen Trümmern und Wohlstand 1945 –1960, S. 248. 66 Reinheimer: Autobiographisches Manuskript (1924); zitiert nach Blumenhimmel – Alltagsfreunde. Sophie Reinheimer 1874 – 1935. Hofheim a. Ts.: Stadtmuseum 1995. Ausstellungskatalog. S. 12. 67 Börsenblatt 94 (1927) vom 18. März 1927.
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Abb. 6: Anzeige des Franz Schneider Verlags. In: Börsenblatt 94 (1927) 52.
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die Mädchenliteratur transportierte und die noch in den fünfziger Jahren zu den aktuellsten und beliebtesten Mädchenbüchern zählte. Die verlagstypische Werbung ist mit der Parole »Ran an die Kinder« bestens charakterisiert. Mit regelmäßigen, umtriebigen Anzeigenkampagnen wurde im Börsenblatt auf die Neuerscheinungen aufmerksam gemacht. Dem Buchhandel empfahl man überdies die Ausweitung der üblichen Verkaufszeiten für Kinderbücher und Jugendschriften über die Oster- und Weihnachtsphase hinaus. Auch die Kinder als Käufer wurden mit eingängigen Reklamesprüchen zunehmend ins Visier genommen. Seine »neue, billige und faszinierende 1.30 RM-Reihe« mit abwaschbarem Einband bewarb der Verlag 1932 mit eingängiger Alltagslyrik wie »Schneiderbücher – nie genug – jeden Tag ein Schneiderbuch!«, oder »Fragt die Mädchen, fragt die Knaben: Schneiderbücher woll’n sie haben!« Die Pädagogen waren allerdings alles andere als entzückt: »Geschriebene Filme«, lautete das kulturkritische Verdikt über das von den Kindern offenbar begeistert aufgenommene Lesefutter. Dessen Rezeptur scheint nahtlos vom Ullstein-Konzept des Heiteren Fridolin übernommen, ein Konzept, das schon die kommunistische Reporterin Larissa Reissner als Mixtur von »Backpulver, Margarine und Sirup« kritisiert hatte, als ein »Gemisch von Sherlock Holmes, Zirkus, Chronik der Verbrechen und Sentimentalität«.68 Aber auch der Jugendschriften-Warte galt diese neue Form der Kinder-Massenunterhaltung als verdächtig: »Wollen wir unsere Kinder amerikanisieren, daß sie nur auf Sentimentalität und Sensation reagieren?«69 Insgesamt verweist das Programm des Schneider-Verlags durchaus auf die Veränderung und Modernisierung von Kindheitsbildern und Kinderlektüre in der späteren Weimarer Republik. Dennoch bleibt im ›Schneider-Buch‹ das Neue bis auf wenige Ausnahmen beschränkt auf die vordergründige Aktualisierung der Kinderfiguren, ihrer Handlungsräume und Requisiten. Sie prägt noch nicht einmal das Schriftbild: alle Schneiderbücher sind durchgängig in Fraktur gesetzt. Eine wirkliche Innovation der Kinderliteratur gelang erst den linksdemokratischen Verlagen wie Stuffer, Müller & Kiepenheuer und vor allem dem Williams-Verlag.
Innovative Neue Kinder- und Jugendbuchverlage: Stuffer, Müller & Kiepenheuer, Williams Geprägt von einer neuen, linksbürgerlich republikanischen Verlegergeneration, gehören die Verlage Stuffer, Müller & Kiepenheuer und Williams zu den Weimarer Neugründungen, von denen die bedeutsamsten Innovationen auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendliteratur ausging: angefangen bei der funktionalen, sachlichen Typographie über den Einsatz von Fotos und Fotomontagen bis zur Erzählung zeitgenössischer Kinderwirklichkeit entstehen hier die eigentlichen Prototypen der modernen Kinderliteratur. Die Berliner Börsenzeitung spricht wie gesagt von der »Revolution im Bücherschrank der Kinder«.70 Herbert Stuffer erlernte sein Verlegerhandwerk – nach dem Studium von Philologie und Philosophie und einer kaufmännischen Ausbildung – beim ›Struwwelpeter-Verlag‹ 68 Reissner: Der heitere Fridolin, S. 225. 69 Rezension zu Hans Bodenstedts: Funkheinzelmann, in: Jugendschriften-Warte 32 (1927) 10. 70 Paulsen: Revolution im Bücherschrank der Kinder, S. 234.
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Rütten und Loening; 1926 gründete er seinen eigenen Kinder- und Jugendbuchverlag mit Kapital aus dem Familienvermögen. Sitz des Verlags, der schnell zu einem der führenden deutschen Kinder- und Jugendbuchverlage avancierte,71 war zunächst Frankfurt am Main, dann Berlin. Einen vielversprechenden Auftakt hatte Stuffer mit gleich zwei bedeutenden Bilderbüchern: Sause, Kreisel, sause. Kinderspiele in Bildern (1926), für das es ihm gelang, der ›Bilderbuchfabrik‹ Stalling die hochgeschätzte Illustratorin Elsa Eisgruber für ein Honorar von 1.600 RM abzuwerben, obwohl er ihr mit 5.000 gedruckten Exemplaren (zum Preis von 3.80 RM) die bei Stalling übliche doppelt so hohe Auflage nicht garantieren konnte, und Das Männchen (1926) der Bilderbuchavantgardistin Conny Meissen. Besonders mit letzterem ging Stuffer in Distanz zu den herkömmlichen Bilderbüchern, »wo es nicht abgeht ohne Maikäfer, die Bassgeige spielen und Hunde und Hasen, die Brillen und Hosenträger tragen«.72 Gemäß seiner Devise »Kinderbücher sind die entscheidenden Bücher im Leben«73 machte Stuffer es sich zum Prinzip, keine Dutzendware, sondern nur besondere Kinderbücher zu verlegen. Seine »unkonventionelle, oft mutige Auswahl nur einiger weniger Neuerscheinungen und ihre weitere Pflege über Jahrzehnte« (Murken) prägten die Verlagspolitik. Stuffer war bekannt für seine fairen Konditionen, seine intensive Zusammenarbeit mit den Autoren und den pflegsamen Umgang mit seinen Projekten, bis hin zu den sorgfältig gestalteten Verlagsprospekten. Mit einem sicheren Gefühl für Originalität und künstlerische Leistung verpflichtete er vor allem zeitgenössische Autoren und Illustratoren, so neben Conny Meissen Elsa Moeschlin (Das rote Pferd, 1927) und vor allem die Bilderbuchkünstlerin Tom Seidmann-Freud, deren Spielbilderbücher (etwa Das Wunderhaus und Das Zauberboot) und die von Walter Benjamin hochgelobten Spielfibeln (Hurra, hurra, wir lesen! Hurra, wir schreiben) und Spielrechenbücher ab 1927 bei Stuffer erschienen. Sie gehörten zu den »50 bestgedruckten Büchern« des Jahrgangs 1930.74 Interessiert an der neuen Formen- und Bildsprache der Zeit, war Stuffer auch einer der ersten Verleger, die Kinderbücher mit Fotomontagen veröffentlichten, so Friedrich Böers Klaus, der Herr der Eisenbahnen (1932) und 3 Jungen erforschen eine Stadt (1933). Neben diesen neuartigen »Bilderbuchkunstwerken« (Murken) spielte Stuffer auch eine Vorreiterrolle im Bereich der Mädchenbücher: Adressiert an die klassische Zielgruppe der 10 – 14jährigen Mädchen erschienen von 1928 bis 1933 als Kontrastprogramm zu den Serien der Erfolgsschriftstellerinnen wie Ury bei Stuffer vier Bände der Bibi-Serie von Karin Michaelis, einer der Leitfiguren der Frauenemanzipationsbewegung. Die Geschichten von der eigenständigen und selbstbestimmt handelnden Bibi, einer Vorläuferin von Pippi Langstrumpf, fand rasch viele Leserinnen, so lag der erste Band Bibi - Leben eines kleinen Mädchens, 1928 mit einer Auflage von 7.000 gestartet, 1931 schon beim 22. – 27. Tausend; ähnliches gilt für die Folgebände Bibis große Reise (1929), Bibi und Ole (1930) und Bibi und die Verschworenen (1932). Unangepasst blieb auch Stuffer selbst, der es sich zur Ehre anrechnete, zu den wenigen Verlegern zu gehören, die auch nach 1933 die Bücher ihrer jüdischen Autorinnen (wie Tom Seidmann71 Der Herbert Stuffer Verlag existierte bis 1966. Alle wichtigen Hinweise finden sich bei Murken: Herbert Stuffer (1892 –1966). 72 Murken: Herbert Stuffer (1892 –1966), Teil I, S. 58. 73 Murken, S. 58. 74 Vgl. Börsenblatt 98 (1931) 72.
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Freud) im Programm zu haben, und der noch 1935 Was am See geschah der exilierten linken Autorin Lisa Tetzner zu veröffentlichen wagte (das Buch wurde 1936 verboten). Neben Stuffer waren es vor allem zwei Verlegerinnen, die sich der Veröffentlichung neuartiger Kinderliteratur widmeten: Irmgard Kiepenheuer und Edith Jacobsohn. Irmgard Kiepenheuer (1887 – 1971), die erste Frau Gustav Kiepenheuers, trat nach ihrer Scheidung 1921 offiziell in den 1919 gegründeten Verlag Müller & Co., Potsdam, ein, der fortan unter dem Namen Müller & (I.) Kiepenheuer firmierte.75 Schon während der Ehe hatte sie in den Verlag ihres Mannes Mitgift und Arbeitskraft eingebracht, sie war dort für Buchhaltung und Herstellung zuständig und zudem als Übersetzerin tätig. Unter ihrem Mädchennamen Irmgard Funke war die Übersetzung von James Matthew Barries Peter Pan bereits 1911 bei Kiepenheuer erschienen (Peter Pan im Wildpark, mit den Illustrationen von Arthur Rackham). Wiewohl kein spezifischer Kinderbuchverlag, sondern zunächst spezialisiert auf Belletristik wie die von Franz Blei herausgegebenen Sanssouci-Bücher und bibliophile, hochwertig ausgestattete Bände wie die Bauhausdrucke mit neuer europäischer Graphik, erschienen immer wieder Bücher für Kinder. Die von Irmgard Kiepenheuer initiierte Kinderbuchsparte des Verlags zeichnet sich weniger durch ihre Quantität als durch die Qualität aus:76 Ein Inserat des Verlags im Börsenblatt zum ›Tag des Kindes‹ von 193277 führt gleich drei preisgekrönte Bilderbücher auf: Tom Seidmann-Freuds Buch der Erfüllten Wünsche (1929), Unterm Tisch und auf der Schaukel (1929) von Erwin Redslob78 und Conny Meissens In die weite Welt (1928); weiterhin Irmgard Faber Du Faurs völlig unpädagogische Sammlung von Kindergeschichten Kind und Welt (1931), die mit Fotomontagen von Fe Spemann illustrierte Geschichte Nickelmann erlebt Berlin. Ein Großstadt-Roman für Kinder und deren Freunde (1931), aus Kinderperspektive erzählt von der libertären Reformpädagogin Tami Oelfken; und nicht zuletzt Lisa Tetzners Der Fußball. Eine Kindergeschichte aus Großstadt und Gegenwart (1932), der Auftakt zu ihrer im Exil fortgeführten Kinderodyssee Die Kinder von Nr. 67 sowie den ersten antimilitaristischen und antikolonialistischen Kinderroman Der Kopf des Negerhäuptlings Makaua von Rudolf Frank (mit Einband von László Moholy-Nagy, 1931). Diese Bücher sind neben den Sachbüchern für Kinder wie Cläre Withs von 1930 bis 1934 erschienener Bilderatlas in 32 Einzelheften allesamt Wegbereiter für die heutige moderne Kinderliteratur. Edith Jacobsohn (1891 – 1935) führte gleich zwei erfolgreiche verlegerische Unternehmen: Sie leitete nach dem Tod ihres Mannes Siegfried Jacobsohn (1926) dessen berühmte Weltbühne, und sie gründete 1924, zunächst zusammen mit ihren Freundinnen Anni Williams und Edith Weinreich, geb. Williams, den Verlag Williams & Co; ab 1925 übernahm sie die alleinige Leitung.79 Mit E. Weinreich hatte sie neben der Mitarbeit an 75 Ab 1927 dann laut Börsenblatt und Handelsregister unter Müller & Kiepenheuer; vgl. Tripmacher: Frauen um Gustav Kiepenheuer, S. 174; zur Verlagsarbeit auch Tripmacher: Die Verlegerin Irmgard Kiepenheuer, S. 37 –47. 76 Sie ist weitgehend unerforscht und nur noch Spezialisten und Sammlern bekannt. 77 Börsenblatt 99 (1932) 130. 78 Redslob (geboren 1884 in Weimar) war ab 1920 Generaldirektor aller württembergischen Museen und ›Reichskunstwart‹, der für alle staatlichen Kunst- und Kulturfragen der Weimarer Republik zuständig war. 79 Vgl. Flechtmann: »Mein schöner Verlag, Williams & Co«, S. 247 –274.
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der Weltbühne schon eine Internationale Übersetzungs-Agentur geführt und sich unter ihrem Geburtsnamen E. L. Schiffer vor allem mit Übersetzungen englischer und amerikanischer Gegenwartsliteratur beschäftigt. Ihre Versuche, über die Beziehungen von Tucholsky Autoren aus diesem Sprachraum an den Ullstein-Konzern zu vermitteln, scheiterten. Doch gelang es ihr durch Tucholskys Vermittlung, die Rechte für einen der Hauptautoren des Williams-Verlags zu erwerben: von 1926 bis 1933 erschienen hier die überaus erfolgreichen Doktor Dolittle-Bände von Hugh Lofting (Bd. 1: Doktor Dolittle und seine Tiere – Bd. 11: Göb-Göbs Buch) in der Übersetzung von E. L. Schiffer, teilweise beigelegt war ein ›Dolittle-Quartett‹ der Scherenschnittkünstlerin Lotte Reiniger, die 1928, zeitgleich mit den ersten Mickey-Mouse-Filmen, auch den Trickfilm Dr. Dolittles Tiere herstellte. 1928 gelang Edith Jacobsohn ein zweiter, ebenfalls von ihr übersetzter folgenreicher Import englischer Kinderliteratur: Pu der Bär von A. A. Milne. Die Öffnung zur internationalen Kinderliteratur setzte sich fort mit Bela Szenes’ Schulroman Der Schandfleck der Klasse (1930) und Karel Capeks Post, Polizei, Hunde und Räuberei (1932). Weltoffenheit, Antimilitarismus, Erziehung zur Demokratie sind die Leitideen der beiden Jahrbücher Jugend und Welt (1928; 1929), sie belegen eindrucksvoll, wie die Verlegerin es verstand, die Autoren aus dem linksbürgerlichen bis linken Spektrum der Weltbühne für ihre kinderliterarischen Unternehmungen zu interessieren. Sie hielt überdies dazu an, Williams-Produkte in der Weltbühne zu besprechen: die Liste der Beiträger für die beiden Jahrbücher reicht von Rudolf Arnheim über Bert Brecht, Arthur Holitscher, Egon Erwin Kisch bis zu Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky – ein für die Zeit singuläres Projekt. Der Anregung Edith Jacobsohns sind vor allem auch die von Walter Trier illustrierten frühen Kinderromane des Weltbühnen-Mitarbeiters Erich Kästner zu verdanken, so Emil und die Detektive (1929), Pünktchen und Anton (1931), Der 35. Mai (1932) sowie die Versgeschichten Arthur mit dem langen Arm und Das verhexte Telefon (beide 1930). Kästners epochemachender Emil-Roman erlebte nicht zuletzt aufgrund der offensiven Verkaufsstrategien Edith Jacobsohns eine beispiellose Medienkarriere: die mit 10.000 Exemplaren angesetzte, zum Weihnachtsgeschäft 1929 erschienene Auflage war bereits im Januar 1930 vergriffen; für die Volksausgabe 1934 ist das 100. Tausend nachgewiesen. Kurz nach der Veröffentlichung kam er auf die Bühne, die Filmrechte konnten an die UFA verkauft werden, Emil wurde unter der Regie von Gerhard Lamprecht 1931 zu einem der ersten und vielbeachteten Kinderfilme. Wie kaum ein anderer steht der Williams-Verlag ein für eine urbane, zeitgenössische Kinderliteratur – viele seiner Produkte sind heute Kinderbuchklassiker. Seine Erfinderin Edith Jacobsohn floh 1933 in der Nacht des Reichstagsbrands über Wien in die Schweiz; sie starb verarmt im Londoner Exil. Ihre beiden Verlage musste sie verkaufen; der Williams-Verlag ging an den Verleger Kurt Maschler. Die Geschäftsführung von Williams in Deutschland übertrug er Cecilie Dressler, die 1929 dort als Volontärin eingestiegen war; sie erwarb 1936 die Williams-Anteile zurück,80 während sich Maschler in der Schweiz mit seinem 1935 gegründeten Atrium-Verlag vor allem um die Wahrung der Rechte des ›verbrannten Dichters‹ Kästner kümmerte. 1941 erfolgte auf staatlichen Druck die Umbenennung in Cecilie Dressler Verlag.
80 Flechtmann: »Mein schöner Verlag, Williams & Co«, S. 12.
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Insgesamt zeigen sich bei den letztgenannten Verlagen mancherlei Überschneidungen bei Autoren und Illustratoren, was auf eine relativ einheitliche innovative Kinderbuchszene schließen lässt. So erscheinen Tom Seidmann-Freud und Conny Meissen bei Stuffer und Müller & Kiepenheuer; Cläre With, die Sachbuchautorin von Müller & Kiepenheuer, ist zugleich Mitherausgeberin des ersten Jahrbuchs Jugend und Welt bei Williams, und nicht zuletzt erlernte Cecilie Dressler ihr Verlegerhandwerk bei Irmgard Kiepenheuer. Gemeinsam sind ihnen vor allem ein verändertes Kindheitsbild: Mit ihren Märchen der Wirklichkeit und ihren Abenteuern des Alltags behandeln sie Kinder und Jugendliche nicht mehr ausschließlich als Märchenkinder in einem magischen Universum, sondern als vernünftige Zeitgenossen. Davon zeugen nicht zuletzt Erich Kästners demokratische Kinderöffentlichkeiten.
Proletarische/sozialistische Gegenöffentlichkeit im Jugendbuchverlag: Der Malik Verlag und der Verlag der Jugendinternationale81 In der Weimarer Republik konnte die sozialistische beziehungsweise proletarische KJL »ihren gesellschaftlichen Wirkungsradius beträchtlich«82 erweitern. Der wichtigste Unterschied bei der Betrachtung des proletarischen Kinder- und Jugendbuchs besteht darin, dass diese KJL – im Gegensatz zu der bisher erwähnten – nicht getrennt von der geistigen Kommunikation der Erwachsenen auftritt. Nicht umsonst propagierten die »sozialistischen Buchgemeinschaften der Weimarer Republik, wie der ›Bücherkreis‹, die ›Büchergilde Gutenberg‹ und die ›Universum-Bücherei‹ […] stets auch die Kinderund Jugendbücher als ›gutes Buch für alle‹«.83 Wichtige Kulturtheoretiker, die sozialistische KJL als eigene Gattung förderten, griffen auf Ideen der JSB um Wolgast zurück, denn auch sie strebten eine Abkehr von u. a. sentimentalen und religiösen Elementen in der KJL an. Während jedoch Wolgast literarische Qualität im Kinderbuch einzuführen suchte, setzten sich u. a. Clara Zetkin und Edwin Hoernle zum Ziel, »die Wirkungspotenzen der Kinder- und Jugendliteratur als Faktor der ideologischen und weltanschaulichen Erziehung zu erhöhen«.84 Dieser Ansatz ergänzte die Grundlagen der kommunistischen Jugendpolitik, die Karl Liebknecht beispielhaft formulierte, als er erklärte: »Die Jugend den Regierungssozialisten und ihrem korrumpierenden, verrottenden Einfluß überlassen, wäre schlimmer als der Verlust der parlamentarischen Mandate. Die Jugend ist für uns […] die Lebensfrage.«85 Dabei traten einige sozialistische Verlage besonders in den Vordergrund, die sich der Verbreitung der proletarischen Ideen im Kinderbuch verpflichtet fühlten. Stellvertretend sollen an dieser Stelle der Malik Verlag und der Verlag der Jugendinternationale 81 Dem Thema der deutschen proletarisch-revolutionären Kinder und Jugendliteratur in der Weimarer Republik nähern sich zahlreiche Studien, sodass an dieser Stelle ein Überblick über die entsprechende Verlagslandschaft ausreichen soll. So zum Beispiel Dreher: Die deutsche proletarisch-revolutionäre Kinder- und Jugendliteratur zwischen 1918 und 1933, oder die bereits erwähnte Studie von Bernd Dolle-Weinkauff (siehe Anm. 5). 82 Altner: Einleitung, S. 5. 83 Altner, S. 7. 84 Altner, S. 9. 85 Liebknecht: Notizen vom April 1918 über »Unsere Aufgaben«, S. 6 –7; Gesammelte Schriften, Band IX, Berlin 1968, S. 496 –497. Zitiert nach Altner: Einleitung, S. 10.
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stehen, die neben dem Dietz Verlag und verschiedenen parteinahen Pressen (u. a. dem Internationalen Jugendverlag und dem Arbeiter-Jugendverlag) die jüngeren sozialistischen Leserschichten mit Jugendzeitschriften und Büchern versorgte. Der noch während des Ersten Weltkriegs 1917 gegründete Berliner Malik-Verlag war von Anfang an ein Sammelbecken oppositioneller, revolutionärer Literatur. Der Verleger und alleinige Leiter Wieland Herzfelde war zwar Mitglied der KPD, führte seinen Verlag aber bis in die Emigration weitgehend parteiunabhängig – mit einem dezidiert linken, aber über die KPD-Politik hinausreichenden revolutionären Konzept von Literatur und Kunst. In diesem Zusammenhang ist auch die Verlagsreihe Märchen der Armen zu sehen, mit der sich der Verlag bereits nach dem Krieg auch im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur engagierte. Von 1921 – 1924 erschienen vier Titel: Hermynia zur Mühlen: Was Peterchens Freunde erzählen (1921; 2. veränderte Auflage 1924); Eugen Lewin-Dorsch: Die Dollarmännchen (1924); Hermynia zur Mühlen: Ali, der Teppichweber (1923) und Maria Szucisch: Silavus (1924). Insbesondere die Märchen von Hermynia zur Mühlen bilden im reichhaltigen Traditionszusammenhang der Märchenliteratur eine Pionierleistung. Der Versuch, den Märchenboom für eine proletarisch-revolutionäre Perspektive im Kinderbuch zu nutzen, kann als direktes parteiliches Gegenprogramm zum vorherrschenden Märchenmuster gelesen werden. Werbewirksam hieß es in der Wochenzeitschrift Die Weltbühne: »Was ist der Kinder schönster Traum? Ein Malik-Märchen unterm Weihnachtsbaum!«86 Der Reihe Märchen der Armen folgte im Verlagsspektrum zunächst keine Fortsetzung im Bereich der Kinderliteratur. Erst 1931 erschien ein ebenfalls singulärer »Roman für Jungen und Mädchen« (Untertitel), Ede und Unku von Alex Wedding [d. i. Grete Weiskopf], der einen proletarisch-revolutionären Gegenentwurf zu linksbürgerlichen Kinderromanen wie Kästners Pünktchen und Anton darstellte. Noch im Exil publizierte der Verlag weitere Kinderbücher Weddings, so Das Eismeer ruft (London 1937). Der in Berlin ansässige Verlag der Jugendinternationale (die Jugendinternationale erschien seit 1915 als Zeitschrift für die Verbindung sozialistischer Jugendorganisationen) war von Hause aus auf den jüngeren Leser spezialisiert und konnte maßgeblich den Prozess der Internationalisierung im Bereich der deutschsprachigen sozialistischen KJL in die Wege leiten.87 Thema im proletarischen Kinder- und Jugendbuch waren die konkreten Erlebniswelten von Kindern und Jugendlichen, die in den zwanziger Jahren in der kommunistischen Kinder- und Jugendbewegung engagiert waren. Zwei Kinderromane, die die Pionierorganisationen zum Thema haben, sind Die Pioniere von Helga Bobinska (1926) und Die Pioniere sind da von Olga Gurjan. Durch zahlreiche Übernahmen aus dem Ausland verstärkte der Verlag der Jugendinternationale seinen Anspruch, übernational zu wirken; dabei gab er der sozialistischen KJL »inhaltlich und formal entscheidende Impulse«88 durch die Übersetzung von sowjetischen Kinder- und Jugendbüchern wie Schkid, die Republik der Strolche (1929) von Grigroij Belych und Leonid Pantelejew oder Das Tagebuch des Schülers Kostja Rjabzew von Nikolai Ognjew (1929) (mit Folgeband Kosta Rjabzew auf der Universität, ebenfalls 1929). In diese Reihe gehört auch das Jugendbuch
86 Zitiert nach: Stucki-Volz: Der Malik-Verlag und der Buchmarkt der Weimarer Republik, S. 188. 87 Vgl. Altner: Einleitung, S. 11. 88 Vgl. Altner, S. 13.
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über junge Frauen in dem Komsomol (der Jugendorganisation der KPdSU) und deren Rolle bei der Revolution: Das erste Mädel von Nikolai Bogdanow (1930). Insgesamt erreichte die sozialistische KJL während der Weimarer Republik einen hohen Grad der Internationalität, von dem nach 1933 sowohl Verlage im Exil als auch exilierte Schriftsteller profitierten. Denn Kinder- und Jugendbuchverlage der UdSSR druckten zahllose Bücher lebender, exilierter Schriftsteller und gaben sowjetische KJL in deutschen Ausgaben heraus (besonders engagiert waren beispielsweise die Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR oder der Staatsverlag der nationalen Minderheiten in der UdSSR89).
Die ›Not des Jugendbuchs‹ Das Festhalten an den alten, bildungsbürgerlich ausgerichteten Konzepten lag in der Weimarer Republik im allgemeinen kulturkritischen Trend. Im Bereich der Jugendschriften führte es in der Folge zu – bisher noch wenig bekannten – Initiativen und Bündnisversuchen. So beispielsweise 1930, als auf dem Gebiet des Jugendschriftenverlags ein Novum zu konstatieren war: Die Traditionsverlage Frankh, Gundert, Alfred Hahn, Levy & Müller, F. A. Perthes, Schaffstein, J. F. Schreiber, J. Scholz, Stalling und K. Thienemanns schlossen sich unter dem Vorsitz von Dr. Beck, dem Inhaber des Stuttgarter UnionVerlags, zu einer ›Arbeitsgemeinschaft der Jugendschriftenverleger‹ zusammen – einer Notgemeinschaft, die sich weniger der Einsicht in die veränderte Kindheit als dem Erfolg der Konkurrenz selbst in Zeiten der Krise verdankt. In ihrem gemeinsamen Weihnachtskatalog Der Jugend Bücherschrein wollte die Arbeitsgemeinschaft die Auswahl von verlässlich guten Jugendschriften und Bilderbüchern all denen erleichtern, die Wert darauf legen, der Jugend nur Gediegenes in die Hand zu geben. Er verzeichnet keine Dutzendware, sondern bringt aus den neueren und neuesten Erscheinungen sorgfältig gesichtet eine Fülle des Besten, was den deutschen Eltern empfohlen werden kann […].90 Neu an dieser Initiative ist nicht nur das Bündnis von Jugendbuchverlagen vor allem aus dem süddeutschen Raum; neu ist auch, dass man sich nicht mehr, wie die Auswahlverzeichnisse der Jugendschriftenausschüsse, an die pädagogischen Vermittler oder die Sortimenter wendet, sondern ausdrücklich an die Eltern als Käufer. Büchergeschenke aus diesem ›Schrein‹ garantieren den Eltern »verantwortungsvolle Erziehungsarbeit«, wie ihnen der Verfasser des Vorworts, Wilhelm Fronemann, bescheinigt: »Ein Buch ist das vollkommenste Geschenk, das es gibt. Im Buch verschenken wir führende Geister der Menschheit. Gibt es Höheres, als den göttlichen Funken an liebe Menschen weiterzugeben, damit er zünde und den uns verbundenen Geist heller und größer werden lasse?«.91
89 Vgl. Altner, S. 27. 90 Der Jugend Bücherschrein, S. 1. 91 Fronemann: Vorwort. In: Der Jugend Bücherschrein, S. 1.
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Julia Kreusch 5.2.10 Der Schulbuchverlag Entwicklungstendenzen Schulbuchherstellung und Schulbuchmarkt waren seit der Gründung des Deutschen Reiches durch eine ausgeprägte Dynamik gekennzeichnet, bedingt vor allem durch die in immer kürzeren Intervallen reformierten Lehrpläne für höhere Schulen.1 Auf dem heftig umkämpften Markt hatte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts ein fester Kern spezialisierter Schulbuchverlage herauskristallisiert. Die überwiegende Zahl der diesen Kern bildenden Verlage produzierte ein breites Spektrum an Schulbüchern. Einige Verlage konzentrierten sich dagegen auf Schulbücher einiger weniger Unterrichtsfächer; vereinzelt konnte auch von Schulbuchmonopolen gesprochen werden, insbesondere bei den Volksschullesebüchern.2 Die Entwicklung weg von einer kaum überschaubaren Zahl regionaler, oft nur ein oder zwei Titel herstellender Schulbuchverlage hin zu landesweit agierenden Verlagen hing auch mit einer verbesserten Distribution durch den Leipziger Zwischenbuchhandel zusammen. Unterstützt wurde diese Marktkonzentration sowie der Abbau der verwirrenden Schulbuchvielfalt in Preußen durch die ab 1880 im Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung und später im Verlag Teubner publizierten Listen zugelassener und ausschließlich einzuführender Schulbücher.3 Die preußische Unterrichtsverwaltung unternahm zudem deutliche Vereinheitlichungsbestrebungen hinsichtlich der Schulbuchzulassung und -einführung. Noch kurz vor dem Ersten Weltkrieg, am 31. Oktober 1913, war eine Ordnung für die Einführung von Lehrbüchern an den höheren Lehranstalten4 in Kraft getreten, die erstmalig ein exaktes Verfahren für die Schulbuchzulassung vorschrieb und durch genau definierte Anforderungen an die Schulbücher und das Zulassungsverfahren bereits eine Einschränkung der Vielfalt mit sich brachte. Die Interessen der führenden Schulbuchverlage waren in dieser Ordnung nachweislich berücksichtigt worden.5 Die Situation auf dem Schulbuchmarkt nach dem Ersten Weltkrieg war durch eine allseitige Verunsicherung gekennzeichnet. Der Wechsel des politischen Systems ging mit einer Neuorientierung auf demokratische und der Völkerverständigung dienende 1 Die Zuständigkeit für das Schul(buch)wesen lag bei den einzelnen Ländern. Da die unterschiedlichen Verhältnisse hier nicht flächendeckend dargestellt werden können, bezieht sich die Ausführungen schwerpunktmäßig auf die Situation in Preußen. 2 Hier sind vor allem die Verlage Ferdinand Hirt in Breslau und Velhagen & Klasing in Bielefeld zu nennen, die ganze Regionen monopolartig mit Lesebüchern versorgten. Vgl. Jäger: Der Schulbuchverlag, S. 85. 3 Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung. Berlin: Hertz 1880, S. 1–107; Zentralblatt (1890), S. 339–466; Verzeichnis der an den höheren Lehranstalten Preussens eingeführten Schulbücher. Hrsg. von Ewald Horn. Berlin u. Leipzig: Teubner 1901; Verzeichnis der an den höheren Lehranstalten Preussens eingeführten Schulbücher. Hrsg. von Ewald Horn. 2. Ausg. Berlin u. Leipzig: Teubner 1906. 4 Zentralblatt (1913), S. 781. 5 Vgl. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. Hauptabteilung, Repertorium 76 Kultusministerium, VI Sekt. 1 z Nr. 72 Vol. VII, Bl. 153.
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Erziehungsziele und einer entsprechenden Veränderung der Unterrichtsinhalte einher. Die Propagierung nationalistisch-chauvinistischen Gedankenguts und die Verherrlichung des Herrscherhauses der Hohenzollern sollte abgelöst werden von einer republikanischen Erziehung unter Vermittlung »sittlicher Bildung, staatsbürgerlicher Gesinnung, persönlicher und beruflicher Tüchtigkeit im Geiste des deutschen Volkstums und der Völkerversöhnung«6. Die Umsetzung dieses Erziehungsziels in neu zu entwerfenden Lehrplänen, an denen sich die Schulbuchverlage hätten orientieren können, ließ jedoch auf sich warten. Erst 1924/1925 wurden die neuen Lehrpläne für die höheren Lehranstalten veröffentlicht und in Kraft gesetzt. Bis dahin behalf man sich im Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung mit Erlassen, die die inhaltlichen Veränderungen und Zulassungsfragen regelten. Zu den Problemen der politisch-weltanschaulichen und pädagogischen Neuausrichtung hinzu kam die wirtschaftlich angespannte Lage. Während des Krieges und auch noch in den Jahren danach herrschte großer Papiermangel, so dass an eine reguläre Schulbuchproduktion, was Qualität, Umfang und Preisgestaltung der Schulbücher betraf, nicht zu denken war. Die progressive Inflation, die 1923 ihren Höhepunkt erreichte, sowie die am Ende des Jahrzehnts einsetzende Wirtschaftskrise waren weitere, die Schulbuchproduktion und ihren Absatz hemmende Begleitumstände.
Bildungspolitik und Schulreform Der wesentlichste Einflussfaktor auf die Schulbuchproduktion in Ländern mit staatlichem Bildungswesen ist die Schul- und Bildungspolitik. Die von ihr festgelegten Schulformen, Bildungsgänge und die dazugehörigen Lehrpläne wirken sich direkt auf Inhalte und Vielfalt der Schulbücher aus. Die Schulpolitik der Weimarer Zeit wurde hauptsächlich von zwei Strömungen in der Schulreformdiskussion bestimmt, die bereits vor, während und unmittelbar nach dem Krieg aktuell waren: die Diskussion um die Einheitsschule sowie die Leitvorstellungen der pädagogischen Reformbewegung.7 Als ein weiteres schulpolitisches Debattenthema wäre die Frage der Trennung von Staat und Kirche und damit der Befreiung der Schule von jeglicher kirchlicher Einflussnahme zu nennen.8 Ein Forum für die Diskussion dieser bildungspolitischen Handlungsfelder war auf der Reichsschulkonferenz vom 11.–19. Juni 1920 geboten. Die Ergebnisse der Konferenz erfüllten zwar nicht die an sie gestellten hohen reformerischen Erwartungen, doch war mit dem im gleichen Jahr verabschiedeten Grundschulgesetz bereits ein wesentlicher Schritt in Richtung einer Erneuerung der Volksschule und der Demokratisierung des Schulwesens getan worden. Die vierjährige Grundschule war von da an für alle Kinder ab dem sechsten Lebensjahr verpflichtend und sollte die bisherigen – meist privaten und somit kostenpflichtigen – Vorschulen der verschiedenen weiterführenden
6 Artikel 148 der Reichsverfassung vom 11. August 1919. Zitiert nach: Führ: Schulpolitik, S. 158. 7 Vgl. Zymek: Schulen, S. 159 f. 8 Vgl. Zymek, S. 162.
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Schulen nach und nach ersetzen.9 Die Allgemeine Schulpflicht wurde durch Artikel 145 der Reichsverfassung über die achtjährige Volksschule hinaus auf die Fortbildungsoder Berufsschule bis zum 18. Lebensjahr ausgedehnt.10 Bei den mittleren und höheren Schulen setzte sich die Tendenz zur fortschreitenden Ausdifferenzierung der Schulformen und Bildungsgänge weiter fort. Die Mittelschule war in Preußen bereits seit 1910 ein fest etablierter Schultyp; die Zahl dieser Schulen hatte innerhalb von zehn Jahren um 50 Prozent zugenommen.11 1925 wurde neue Bestimmungen erlassen: Die Mittelschule bot in der Regel einen sechsjährigen Kurs, der nun auf der Grundschule aufbaute; ihre Absolventen traten entweder direkt ins Berufsleben ein oder besuchten eine weiterführende Fachschule. Der Übertritt auf höhere Schulen erfolgte eher selten.12 Der Ausbau des Höheren Schulwesens und die Zunahme der Schülerzahlen hatten ihre Voraussetzungen in der Reform der Volksschullehrerbildung. Die Präparandenanstalten wurden abgeschafft und die Volksschullehrerausbildung in eine akademische Ausbildung überführt, was einen Abiturabschluss voraussetzte. Die Umwandlung der früheren Lehrerbildungsanstalten geschah in Form der so genannten Aufbauschulen, die einen sechsjährigen Kurs im Anschluss an den siebenjährigen Volksschulbesuch anboten und als Abschluss die allgemeine Hochschulreife vermittelten. Parallel dazu vollzog sich die Umwandlung der bisher für die Lehrerinnenausbildung zuständigen höheren Mädchenschulen zu Oberlyzeen mit Abiturabschluss. Die Differenziertheit des höheren Schulwesens erreichte Mitte der 1920er Jahre ihren Höhepunkt. Die Schultypen unterschieden sich oft nur geringfügig in den Stundentafeln, auch wurden zahlreiche Ausnahmeregelungen zugelassen. Reinformen dieser höheren Schultypen existierten fast nur in den Großstädten. Neben der Aufbauschule wurde ein weiterer neuer Schultyp, die Deutsche Oberschule, eingeführt, deren curricularer Schwerpunkt auf der Vermittlung der deutschen Kultur lag. Die mit der preußischen Lehrplanreform von 1924/1925 zugrunde gelegte Programmatik und bildungstheoretische Begründung der Schultypenvielfalt ließ sich jedoch in der Realität nicht durchsetzen. Zu sehr musste sich die tatsächliche Schulentwicklung der Dynamik des regionalen und sozialen Umfelds anpassen sowie auf die demographischen Entwicklungen reagieren.13 Grundlage für die Bildungspolitik des Reiches war zunächst die Reichsverfassung. Die in Artikel 146 Absatz 2 angesprochene Regelung der Bekenntnisschulen sollte im Grundsatz durch ein Reichsgesetz (vgl. Artikel 174 der Reichsverfassung) bestimmt werden. Bis dahin galt die bestehende Rechtslage. Das Reichsschulgesetz ist jedoch über einen Entwurf im Jahr 1922 nicht hinausgekommen. In Bezug auf Schulbuchfragen legte die Verfassung in Artikel 145 fest: »Der Unterricht und die Lernmittel in den Volksschulen und Fortbildungsschulen sind unentgeltlich«.14 Nach Artikel 146 waren »für den 9 Artikel 146 der Reichsverfassung hatte bereits die Schaffung einer »für alle gemeinsamen Grundschule« festgelegt. Das Grundschulgesetz vom 28. April 1920 setzte diesen Verfassungsauftrag um. 10 Vgl. Zymek: Schulen, S. 165. 11 Vgl. Zymek, S. 169. 12 Vgl. Zymek, S. 169. 13 Vgl. Zymek, S. 175. 14 Zitiert nach: Führ: Schulpolitik, S. 159.
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Zugang Minderbemittelter zu den mittleren und höheren Schulen durch Reich, Länder und Gemeinden öffentliche Mittel bereitzustellen, insbesondere Erziehungshilfen für die Eltern von Kindern, die zur Ausbildung auf mittleren und höheren Schulen für geeignet erachtet werden, bis zur Beendigung der Ausbildung«.15 Ausführungsgesetze auf Reichsoder Länderebene (etwa in Preußen) sind jedoch nicht erlassen worden.16 Die politisch angestrebte Reform des Bildungswesens ließ sich aufgrund der unterschiedlichen »schulpolitischen Zielvorstellungen der drei Verfassungsparteien« in der gedachten Einheitlichkeit nicht realisieren. Die Kompetenzverteilung zwischen Reich und Ländern im Bildungswesen sowie die damit in Zusammenhang stehende Frage nach der Finanzierung der Bildungsreform blieben bis zum Ende der Republik ungeklärt.17 Verbindliche Rechtsgrundlagen für die Schulbuchherstellung wurden nach dem politischen Systemwechsel erst allmählich und partiell geschaffen; auch gerieten sie durch die politischen und ökonomischen Umstände schon bald wieder unter Druck, so dass sich ein unter stabilen und verlässlichen Bedingungen entwickelnder Schulbuchmarkt nicht entfalten konnte.
Das Schulbuchzulassungsverfahren Für die Zulassung von Schulbüchern an den höheren Schulen behielt in Preußen die erwähnte Ordnung für die Einführung von Lehrbüchern an den höheren Lehranstalten aus dem Jahr 1913 auch nach dem Krieg zunächst weitgehend Gültigkeit. Schulbücher mussten vor ihrer Einführung in den Schulen durch das Ministerium zugelassen werden. Die Anträge auf Erstzulassung eines Schulbuches wurden von den Schulen – nicht den Verlagen – gestellt, deren Fachlehrer sich zuvor auf die einzuführenden Schulbücher verständigt hatten. Kurz vor Ende des Krieges hatte sich das Zulassungsverfahren – zunächst beschränkt auf Religions- und Geschichtslehrbücher – auf Wunsch der Schulbuchverlage wegen der materiellen Notlage dahingehend verändert, dass auch Druckfahnenabzüge zur Zulassung eingereicht werden konnten. Die komplette Herstellung einer ersten Auflage konnte so auf den Zeitpunkt nach der Approbation und nach Ausführung eventueller Nachbesserungen verschoben werden. Erste inhaltlich verändernde Maßnahmen, die der erforderlichen Verfassungskonformität geschuldet waren, wurden im Jahr 1919 ergriffen. Im Erlass vom 18. September 1919 wurde angeordnet, dass »bei notwendig werdenden Neudrucken der Lesebücher Bilder des früheren Kaisers und seiner Familie auszuschalten sind, da sie nur der Verherrlichung der Dynastie und zur Pflege des bisherigen Staatsgedankens bestimmt waren. Auch sind alle Lesestücke zu entfernen, die sich zum gleichen Endziel meist in anekdotischer Weise mit der bisherigen Kaiserfamilie beschäftigten«18. Erstaunlicherweise wurde diese Maßnahme nicht gleichmäßig auch auf die »geschichtlich bedeutungsvollen Bilder und Erzählungen« in den Lesebüchern ausgeweitet. Ein Ersatz der »betreffenden Lesestücke erschien zunächst nicht notwendig«.19 15 16 17 18 19
Zitiert nach: Führ: Schulpolitik, S. 159. Vgl. W. Müller: Schulbuchzulassung, S. 177. Vgl. Führ: Schulpolitik, S. 120 f. Zitiert nach: Die Bestimmungen über Einführung von Lehrbüchern 1926, S. 65. Zitiert nach: Die Bestimmungen über Einführung von Lehrbüchern, S. 65.
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Ganz anders entschied der damalige Minister Konrad Haenisch jedoch in Bezug auf die Geschichtslehrbücher. Er erließ am 6. Dezember 1919 ein Verbot der Benutzung der »bisher gebrauchten Lehrbücher für Geschichte« im Klassenunterricht, da sie »den jetzt zu stellenden Anforderungen nicht entsprechen«. Von den Schülerinnen und Schülern sollte die Anschaffung dieser Lehrbücher »nicht mehr verlangt werden dürfen«20. Dieser Erlass vom Dezember 1919 löste eine Lawine von Protesten sowohl bei der Lehrerschaft, den Schulen und den Provinzialschulkollegien als auch in Schulbuchverlegerkreisen aus. Die Vereinigung der Schulbuchverleger (gegr. 1912) war bereits am 25. November 1918 an das Ministerium der Wissenschaft, Kunst und Volksbildung herangetreten und hatte um verbindliche Zusagen hinsichtlich der Termine für die Einführung neuer Lehrpläne und der Neugestaltung der Lehrbücher gebeten. Als Termin wurde Ostern 1922 vorgeschlagen. Das Ministerium antwortete am 2. Januar 1919,21 »daß vor dem Jahre 1922 die Forderung auf Einführung neuer Lehrbücher, welche den Weltkrieg und die veränderten staatlichen Verhältnisse berücksichtigten, oder auf die entsprechende Umarbeitung der eingeführten Bücher von hier aus nicht gestellt werden wird«.22 Diese Aussage wurde von den Schulbuchverlagen als Versicherung dafür genommen, dass weiterhin Auflagen der bisher eingeführten Schulbücher nachgedruckt werden konnten. Die sicher vorschnell getroffene Entscheidung des Ministers ließ zudem unterschiedliche Interpretationen zu, nämlich ob die Bücher nur »in der Klasse« nicht mehr benutzt werden sollten oder ob ihre Anschaffung »weder für den Klassenunterricht noch für die häusliche Nacharbeit« gefordert werden durfte. Die zahlreichen Proteste der Lehrerschaft und der Schulverwaltungen,23 die dem Minister neben der Beeinträchtigung des Unterrichts auch den schweren materiellen Schaden für den Schulbuchhandel vor Augen führen wollten, veranlassten ihn lediglich dazu, im April 1920 festzustellen, dass »ein Kaufverbot […] mit dem Erlass nicht ausgesprochen« und »der Gebrauch der Bücher bei der häuslichen Vorbereitung nicht untersagt« sei. Zu einer Rücknahme des Erlasses sah er sich »nicht in der Lage«24. Die Auswirkungen des Erlasses vom 6. Dezember 1919 waren insgesamt jedoch sehr unterschiedlich. Von den verschiedenen Ausgaben des Lehrbuchs der Geschichte für höhere Lehranstalten von Friedrich Neubauer aus dem Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses in Halle a. d. S., die bis zum Kriegsende weit verbreitet waren, wurden bis 1922 weiterhin hohe Auflagen gedruckt und offensichtlich auch abgesetzt. Der Verlag Kunze’s Nachfolger in Wiesbaden, der die ebenfalls sehr erfolgreichen Geschichtslehrbücher von Oskar Jäger und Wilhelm Herbst sowie Gottfried Eckertz verlegt hatte, wurde durch den Erlass schwer geschä20 Zitiert nach: Die Bestimmungen über Einführung von Lehrbüchern 1926, S. 53. 21 Die Antwort erfolgte allerdings erst auf nochmalige Nachfrage der Vereinigung der Schulbuchverleger, die bis dahin Buchdruckereien und Buchbindereien mit neuen Aufträgen hinhalten musste. Vgl. GStA HA I Rep. 76 Kultusministerium VI Sekt. 1 z No. 72, Bd. VIII, Bl. 228. 22 GStA HA I Rep. 76 Kultusministerium VI Sekt. 1 z No. 72, Bd. VIII, Bl. 447. 23 Vgl. u. a. GStA HA I Rep. 76 Kultusministerium VI Sekt. 1 z No. 72, Bd. VIII, Bl. 441f. (Philologenkammer der Provinz Westfalen), Bl. 447 (Deutscher Verlegerverein), Bl. 487 (der Abgeordnete der Preußischen Landesversammlung Boelitz), Bl. 491ff. (Verband Deutscher Geschichtslehrer), Bl. 498f. (Provinzial-Schulkollegium der Provinz Sachsen), Bl. 500 (Provinzialschulkollegium der Provinz Westfalen). 24 Zitiert nach: Die Bestimmungen über Einführung von Lehrbüchern 1926: Bestimmungen, S. 54, Ministerial-Erlass vom 8. April 1920.
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digt, wenn nicht sogar ruiniert: »Im Vertrauen auf die Zusage des Herrn Kultusministers betr. eine Uebergangszeit bis zum Jahre 1922 habe ich zwei neue Auflagen herstellen lassen, die bei den theuren Herstellungskosten mehr als mein ganzes Betriebskapital beansprucht haben. Sollte daher die Verordnung in Kraft bleiben, sind meine sämtlichen Verlagswerke samt den theuren neuen Auflagen Makulatur und mein ganzes Betriebskapital verloren!«25 Der ausschließlich auf Geschichtslehrbücher spezialisierte Verlag behielt sich einen Anspruch auf Entschädigung vor. Tatsächlich ist der Verlag mit neuen Geschichtslehrbüchern nach 1923 nicht mehr in Erscheinung getreten. Zu einer Neuregelung des Schulbuchzulassungsverfahrens kam es mit dem Erlass vom 15. September 1923. Die wesentlichen Änderungen gegenüber der Ordnung von 1913 bestanden darin, dass die erstmalige Beantragung der Zulassung eines Schulbuches jetzt von den Verlagen ausgehen sollte.26 Die Einreichung bloß eines Korrekturabzuges war nun für alle Arten von Schulbüchern zulässig; für die Einreichung wurde der der 1. April eines Jahres festgelegt. Die neu zugelassenen Schulbücher wurden fortlaufend im Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung veröffentlicht.27 Aus diesen Verzeichnissen konnten die Fachlehrer ihre Bücher auswählen; die Einführung wurde auf den Fachkonferenzen beschlossen und die Schulen mussten dann bei den ProvinzialSchulkollegien bis zum 1. Dezember eines Jahres die Genehmigung zur Einführung einholen. Jedes Jahr im Juni meldeten die Schulen an die Provinzial-Schulkollegien die im Verlauf eines Jahres stattgefundenen Schulbuchveränderungen. Ein unnötiger Wechsel der Schulbücher sollte jedoch möglichst vermieden werden.28 Die ProvinzialSchulkollegien ihrerseits leiteten die Schulbuchlisten der Schulen an die Staatliche Auskunftstelle für Schulwesen weiter, die seit 1899 die Statistik über die genehmigten Schulbücher führte. Im Jahr 1928 wurde zur »endgültigen Regelung« des Verfahrens der Schulbuchzulassung eine Prüfstelle beim Ministerium eingerichtet.29 Der Prüfstelle gehörten »hervorragende Vertreter [und Vertreterinnen] der verschiedenen Fachgebiete« an, die in Fachausschüssen organisiert waren. Ihnen wurden die Vorgutachten der Provinzialschul-Kollegien zugeleitet und sie erteilten das abschließende Gutachten, das dem Minister als Entscheidungsgrundlage diente. Erstmals wurden die Namen der Gutachter und Gutachterinnen öffentlich gemacht und im Zentralblatt bekannt gegeben. Die 25 GStA HA I Rep. 76 Kultusministerium VI Sekt. 1 z No. 72, Bd. VIII, Bl. 494 f. 26 Für bereits erschienene Lehrbücher galt das alte Zulassungsverfahren nach dem Erlass vom 31.10.1913, das Schulbücher genehmigte, wenn von den Schulen ein Antrag auf Einführung in ihrer Einrichtung gestellt wurde. 27 1931 erschien dann erstmals seit 1906 wieder eine Gesamtliste der zugelassenen Lehrbücher. Im Unterschied zu den zwischen 1880 und 1906 veröffentlichten Verzeichnissen, die die Titel der an den Schulen eingeführten Lehrbücher enthielten, waren im Verzeichnis von 1931 nur die seit der Neuordnung des Zulassungsverfahren zugelassenen Lehrbücher aufgenommen worden. Vgl. Verzeichnis der auf Grund der Ordnung für die Einführung von Lehrbüchern vom 15. September 1923 genehmigten Lehrbücher für die höheren und mittleren Schulen. Berlin: Weidmann 1931. 28 Schulbücher, die bereits ein Zulassungsverfahren nach der alten Ordnung von 1913 durchlaufen hatten, konnten weiter in Gebrauch bleiben, wenn es gegen sie keine inhaltlichen Bedenken im Sinne der Erlasse vom 18.09.1919 bzw. 06.12.1919 gab. 29 Vgl. Die Bestimmungen über Einführung von Lehrbüchern. Nachtrag 1930, S. 13 f., Erlass vom 14. März 1928 »Prüfstelle für Lehrbücher«.
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Vorsitzenden und Mitglieder der Fachausschüsse wurden für eine Dauer von drei Jahren berufen.30 Für die Prüfung der Schulbücher wurde nun eine Gebühr erhoben, die im Jahr 1929 noch das 100-fache des Ladenpreises betrug.31 Außerdem mussten der Prüfstelle jetzt acht Exemplare eines Schulbuchs vorgelegt werden.
Schulbuchverlage und Schulbuchproduktion Während die allgemeine Fluktuation in der Verlags- und Buchhandelsbranche nach dem Ersten Weltkrieg groß war,32 hatte sich im Bereich der Schulbuchverlage schon bald wieder ein fester Kern herausgebildet. Ab 1925, nachdem die Neugestaltung der Schulen und der Lehrpläne in Preußen abgeschlossen war, teilten sich ungefähr 80 Verlage den Schulbuchmarkt für die mittleren und höheren Schulen untereinander auf. Nach dem 1931 veröffentlichten Verzeichnis der […] genehmigten Lehrbücher an höheren und mittleren Schulen produzierten 80 Verlage 476 Schulbuchtitel für 18 Schulfächer der höheren Schulen. Für die mittleren Schulen waren es 48 Verlage mit 188 Titeln für 13 Schulfächer.33 Vergleicht man diese Zahlen mit denen des Verzeichnisses von 1906, so verringerte sich die Anzahl der Schulbuchverlage um den Faktor 3,6, die Anzahl der Schulbuchtitel um den Faktor 2,2. Von den 288 Verlagen, die noch 1906 auf dem Schulbuchmarkt vertreten gewesen waren, hatte die Hälfte nur einen Schulbuchtitel produziert. Dies waren häufig Bücher für den Religions- oder Gesangsunterricht, die überwiegend im unmittelbaren regionalen Einzugsbereich Verwendung gefunden hatten. Dieses Verhältnis bestand auch in den 1920er Jahren fort, doch waren die EinSchulbuch-Verlage (45 von 80 Verlagen) nicht mehr so deutlich auf diese beiden Schulfächer konzentriert. Es lässt sich außerdem eine Verschiebung der Fächerwertigkeit erkennen, eine Tendenz, die bereits an den Zahlen von 1906 abzulesen war. Die Anzahl der Schulbücher für die Fächer der Naturwissenschaften, für Mathematik und für die neueren Sprachen – einschließlich des Faches Deutsch – übertraf nun die Zahl der Religions- und Gesangsbücher, die im 19. Jahrhundert die Mehrheit gestellt hatten. Die Realienfächer hatten einen höheren Stellenwert bekommen, was den verstärkt auf Naturwissenschaften und auf moderne Fremdsprachen ausgerichteten Bildungsgängen entsprach, die einen verstärkten Zulauf erlebten.34
30 Vgl. Die Bestimmungen über Einführung von Lehrbüchern. Nachtrag 1930, S. 16–20. 31 Vgl. Börsenblatt 96 (1929) 122, S. 583. 32 Vgl. Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels, S. 301 f., sowie zur Firmenstatistik Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 169. 33 Vgl. Verzeichnis der […] genehmigten Lehrbücher für die höheren und mittleren Schulen, 1931. Die Zählung der Schulbuchtitel wurde nach der Nummerierung in den Verzeichnissen vorgenommen. Allerdings würden die Zahlen um ein Vielfaches höher liegen, zählte man die Unmenge an Regional- oder Einzelheftausgaben der Lesebücher für den Deutschunterricht oder Ausgaben für die unterschiedlichen Schultypen gesondert. 34 Vgl. die statistischen Angaben in: Sozialgeschichte und Statistik des Schulsystems in den Staaten des Deutschen Reiches, 1800–1945, S. 160.
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5 V er lagsw es en Bis 1931 genehmigte Schulbücher für höhere Schulen und deren Verteilung auf die Schulfächer
100 90
89
84
80 70 44 35
40
31
31
30
27
21
20
10
10
7
2
1
1 Russisch
45
Schwedisch
48
50
Hebräisch
60
Spanisch
Griechisch
Latein
Geschichte
Geografie
Gesang
Französisch
Deutsch
Religion
Englisch
Mathematik
Naturgeschichte
0
Abb. 1: Bis 1931 genehmigte Schulbücher für höhere Schulen und deren Verteilung auf die Schulfächer.35 Die Mehrheit der erfolgreichen Schulbuchverlage der Weimarer Zeit hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg eine starke Marktposition eingenommen. Dazu zählten Verlage wie B. G. Teubner, Aschendorff, Weidmann, Freytag, Velhagen & Klasing, Schöningh, Hirt, Herder, Vieweg und Oldenbourg. Neu hinzu kamen die Verlage Diesterweg (Frankfurt am Main), Quelle & Meyer (Leipzig) sowie Schroedel (Halle a. d. S.). Alle drei waren bereits im 19. oder zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet worden, entfalteten ihre volle Aktivität auf dem Schulbuchmarkt aber erst nach dem Krieg. Insbesondere der Verlag von Moritz Diesterweg fällt durch eine enorme Titelexpansion auf; dabei bediente er sämtliche Schulfächer und Schularten.36 Aber auch die anderen titelstarken Verlage wie Teubner, Quelle & Meyer, Weidmann und Schöningh deckten ein weites Fächerspektrum ab. Die folgende Grafik macht sowohl die fachliche Spezialisierung der Verlage als auch die Produktion eines breiten Schulbuchspektrums deutlich:
35 Quelle: Verzeichnis der […] genehmigten Lehrbücher für die höheren und mittleren Schulen, 1931. 36 Zum Verlag Moritz Diesterweg vgl. auch Jäger: Der Schulbuchverlag, S. 85.
5.2 .10 D er Schu lbu chver lag
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Abb. 2: Schulbuchproduktion der 15 titelstärksten Verlage und die Abdeckung der einzelnen Schulfächer37 Am prozentualen Verhältnis der Produktionsbereiche lässt sich ablesen, dass der Schwerpunkt bei Freytag auf den naturwissenschaftlichen Fächern lag, bei Velhagen & Klasing im Bereich der modernen Fremdsprachen und bei Vieweg im Bereich der Mathematik und der Naturwissenschaften. Wagner & Debes war ausschließlich auf die Produktion von Atlanten für den Geografieunterricht spezialisiert. Es gab jedoch auch Verlage, die an ihre erfolgreiche Schulbuchproduktion vor dem Ersten Weltkrieg nicht anknüpfen konnten. Dazu zählen u. a. die Buchhandlung des Waisenhauses in Halle a. S., der Verlag Hahn in Hannover, Bädeker in Essen, Springer in Berlin und Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen. Sie alle waren bislang mit zahlreichen Schulbuchtiteln – zum Teil fachlich spezialisiert – auf dem Markt vertreten gewesen, lassen sich nach dem Krieg jedoch nur noch mit wenigen oder sogar nur ei37 Quelle: Verzeichnis der […] genehmigten Lehrbücher für die höheren und mittleren Schulen, 1931.
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nem Titel in den Schulbuchverzeichnissen finden. Mancher Schulbuchverlag wird, wie der Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, an den Folgen der Inflation bankrott gegangen sein; andere konnten sich aufgrund der schulpolitischen Unsicherheit und des starken Konkurrenzkampfes in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre nicht mehr auf dem Markt behaupten. Die meisten Verlage produzierten sowohl für die höheren als auch für die mittleren Schulen, doch lässt sich feststellen, dass beispielsweise Schöningh nur einen Titel für die mittleren Schulen anbot, dagegen zwölf Titel für höhere Schulen. Der Verlag Schroedel produzierte ausschließlich Schulbücher für die Mittelschulen. Tabelle 1: Schulbuchverlage und ihre Schulbuchtitelproduktion für höhere bzw. mittlere Schulen.38 Verlage für höhere Schulen
Titel
Verlage für Mittlere Schulen
Titel
Diesterweg, Frankfurt a. M. Teubner, Leipzig Quelle & Meyer, Leipzig Aschendorff, Münster i.W. Weidmann, Berlin Freytag, Leipzig Velhagen & Klasing, Bielefeld Hirt, Breslau Schöningh, Paderborn Westermann, Braunschweig Wagner & Debes, Leipzig Vieweg & Sohn, Braunschweig Oldenbourg, München Schwann, Düsseldorf Herder, Freiburg i. Br. Kesselring, Frankfurt a. M. Meyer, C. (G. Prior), Hannover Salle, Berlin Ehlermann, Dresden Grote, Berlin Herbig, Berlin List und von Bressensdorf, Leipzig Müller, Berlin/München Coppenrath, Münster i. W. Schauenburg, Lahr i. Baden Trowitzsch & Sohn, Berlin
76 61 31 25 23 22 20 19 12 11 10 9 8 8 7 6 6 6 5 5 5 5 5 4 4 4
Diesterweg, Frankfurt a. M. Teubner, Leipzig Schroedel, Halle a. d. S. Meyer, C. (G. Prior), Hannover Hirt, Breslau Beltz, Langensalza Velhagen & Klasing, Bielefeld Quelle & Meyer, Leipzig Herder, Freiburg i. Br. Oldenbourg, München Westphalen, Flensburg Aschendorff, Münster i. W. Hanstein, Bonn Klinkhardt, Leipzig Limbarth, Wiesbaden List und von Bressensdorf, Leipzig Schwann, Düsseldorf Trowitzsch & Sohn, Berlin Westermann, Braunschweig Baedeker, Essen Kesselring, Frankfurt a. M. Merseburger, Leipzig Wagner & Debes, Leipzig
35 19 15 14 11 10 8 7 4 4 4 3 3 3 3 3 3 3 3 2 2 2 2
38 Quelle: Verzeichnis der […] genehmigten Lehrbücher für die höheren und mittleren Schulen, 1931.
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Beispiele für Programmentwicklung in Schulbuchverlagen Zu den Verlagen, die sich durch kluge Programmentwicklung in den Umbrüchen der Zeit behaupten konnten, gehörte der liberal ausgerichtete Julius Beltz Verlag (gegr. 1841). Er hatte sich von Anfang an auf die Veröffentlichung von pädagogischer Literatur und (reform)pädagogischen Zeitschriften konzentriert; seit 1904, (seit 1909 als Halbmonatsschrift) erschien dort Die Volksschule, in der Weimarer Zeit die führende deutsche Lehrerzeitung.39 Außerdem brachte der Verlag preiswerte Klassenlesestoffe heraus; 1932 erschien der Beltz Lesebogen der den Preis von 112 Pfennig. Die 1909 in Bochum gegründete »Westfälische Verlags- und Lehrmittel-Anstalt« (später als Ferdinand Kamp Verlag bekannt geworden) entwickelte, vor allem nach ihrer 1919 erfolgten Umbenennung in »Verlags- und Lehrmittel-Anstalt (Verla)«, ein breites Programm an Lehr- und Lernmitteln.40 Ein in den 1920er Jahren angebotener Wegweiser für Lehrmittel und Bücher umfasste mehr als 300 großformatige Seiten, das zugehörige Register fast 1700 Stichwörter. Das Unternehmen verstand sich auch als Jugendschriftenvertrieb; geliefert wurden außerdem Schulmöbel. Einen Programmschwerpunkt des eigenen Verlags bildeten die »Ganzschriften« oder »Einzelschriften« – der integrale Abdruck von Lesetexten für die Jugend (Reihen »Jugendperlen« und »Deutsche Gaben«) wurde bewusst der Lektüre von Ausschnitten gegenübergestellt. Eine besondere, über den Schulgebrauch hinaus reichende Bedeutung gewann das bereits vor dem Ersten Weltkrieg eingeführte Neue Realienbuch41, das in der von Kamp angebotenen Ausformung dem Grundgedanken der ›Arbeitsschule‹ entgegenkam. Der Georg Westermann Verlag, gegründet 1838, hatte nach der Reichsgründung mit einem belletristischen Programm sowie der Produktion von Wörterbüchern und Atlanten expandiert, war aber auch ins Schulbuchgeschäft eingestiegen.42 Der heute noch in Schulen gebräuchliche Atlas von Diercke war erstmals 1883 bei Westermann erschienen; seit 1914 war der Verlag im Marktsegment der Leselernbücher erfolgreich auch mit der zunächst für den Raum Hamburg herausgegebenen Hansa-Fibel von Otto Zimmermann, in der damals hochmodernen, farbenfrohen, nach kinderpsychologischen Gesichtspunkten vorgenommenen Gestaltung durch den Münchner Illustrator Eugen Osswald.43 Bis 1933 ist die Fibel in 14 Auflagen erschienen, bis 1930 außerdem in rund 50 regionalen Ausgaben (z. B. Harz-Fibel, Glück auf für Schüler aus den rheinischen Gebieten), zudem gab es Lesebücher, die auf den Fibeln aufbauten. Bis zum Beginn der 1930er Jahren entwickelten sich die Lehr- und Lernmittel, neben der Belletristik und den kartografischen Werken, zu einer Hauptsparte des Westermann Verlags.
39 Vgl. Holm: Anfänge. 150 Julius Beltz 1841–1991. 40 Vgl. Baumgärtner: Im Lauf der Zeit. Ferdinand Kamp Bochum . Bochum: Kamp 1984. – Der Name Ferdinand Kamp Verlag existiert erst seit 1952. 41 Kamps neues Realienbuch für Schule und Haus. Mit zahlreichen Bildern, Karten und Plänen, unter Berücksichtigung des Arbeitsschul- und Heimatgedankens ist in zahlreichen Ausgaben und Auflagen erschienen, so 1929 in der 19. Auflage und dem 161.–163. Tausend. 42 Vgl. Hundert Jahre Georg Westermann; Westermann. Profil eines Verlages. 1838–1963.; »und beehre ich Ihnen anzuzeigen«. 150 Jahre Westermann 1838–1988. 43 Zur Gattung Fibel vgl. Teistler, Gisela: Deutsche Fibeln; sowie dies.: Fibel-Findbuch.
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Als ein weiteres Beispiel soll der Oldenbourg Verlag in München Erwähnung finden,44 der – 1858 gegründet – bereits in den 1870er Jahren mit einer Fibel, einem Rechenbuch und einer Rechtschreibelehre in der Schulbuchproduktion engagiert war. Rasch hatte sich aber ein vielfältiges Schulbuchprogramm entwickelt mit Leselernbüchern, Lesebüchern, geschichtlichen Unterrichtswerken und naturwissenschaftlichen, v. a. erdkundlichen Schulbüchern, Physiklehrbüchern sowie Fremdsprachenlehrbüchern; zwischen 1909 und 1945 sind 726 Neuerscheinungen auf dem Schulbuchsektor bei Oldenbourg erschienen. In der firmeneigenen Druckerei standen 1924 auf 3.800 m2 Betriebsfläche 22 Schnellpressen und 3 Tiegeldruckpressen, 9 Monotype Tast- und 6 Monotype Gießmaschinen, die zusammen von 222 Arbeitern bedient wurden. Wie Oldenbourg unterhielten auch andere Schulbuchverlage wie Julius Beltz eigene Druckereien, in denen sie auch Aufträge für andere Verlage ausführten, um für eine gleichmäßige Auslastung der Kapazitäten zu sorgen. Mithilfe dieses zusätzlichen wirtschaftlichen Standbeins konnte, kaufmännisches Geschick vorausgesetzt, ein Unternehmen auch in schwierigeren Zeiten stabilisiert werden. Stabilisierend wirkte allerdings auch die beachtliche Zahl von Steadysellern unter den Schulbüchern, so die GeografieLehrbücher der Gebrüder Geistbeck, die in der Kaiserzeit zunächst für den Volksschulunterricht, dann auch für die Mittelschule und höhere Schulen erstellt wurden und die Zeiten überdauerten. Es gab allerdings auch Neuentwicklungen wie das von dem deutschnationalen Historiker Arnold Reimann betreute Geschichtswerk für höhere Schulen in insgesamt 14 Bänden, ein Mathematisches Unterrichtswerk für höhere Schulen Bayerns von Hans Degenhart, Emil Fick und Ewald Sellien oder Lehrbücher und Textausgaben für den Lateinunterricht. Hervorhebung verdient auch die Herausgabe des von Alfred Bäumler, Richard Seyfert und Oskar Vogelhuber herausgegebenen Handbuchs der deutschen Lehrerbildung in drei Bänden 1930–1933. Eine bedeutsame Rolle spielte Oldenbourg auch in der (bayerischen) Fibelproduktion, schon seit der Pachtübernahme des Königlich Bayerischen Schulbücherverlags 1874. Das erste eigene Erstlesebuch hat der Verlag 1892 vorgelegt (Christoph Herings Fibel für den grundlegenden Unterricht im Lesen und Rechtschreiben); als Deutsche Fibel brachte es der Titel bis 1925 auf 125 Auflagen. Mehr oder minder gescheitert ist Oldenbourg mit der von dem Münchner Lehrer Hans Brückl entwickelten »Brückl-Fibel« Mein Buch. Damit hatte man ein neues, methodisch fortschrittliches Konzept verwirklicht – und sich Widerstände beim zuständigen Ministerium und bei der Lehrerschaft eingehandelt. Anstoß erregten die Illustrationen (sie wurden deshalb zweimal neu gemacht), aber auch die Einbeziehung der Antiqua-Schrift in die Leselernanfänge (wie das zuvor auch schon die Hansa-Fibel getan hatte). Da es bis 1933 nicht gelang, die Approbation zu erhalten, endeten die Bemühungen in einem geschäftlichen Fehlschlag.45
44 Wittmann: Wissen für die Zukunft; Werden und Wesen des Hauses R. Oldenbourg. 45 1941 erlebte die Brückl-Fibel eine plötzliche Wiederbelebung im nationalsozialistischen Geist. Zu diesem in vielerlei Hinsicht exemplarischen Fall vgl. Wittmann, S. 282–299, 304– 314.
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Ausstattungsprobleme Die Ausstattung der Schulbücher war bereits während des Krieges sowohl aus Ersparnisgründen als auch aus Papiermangel auf das Allernotwendigste beschränkt worden.46 Die während des Krieges produzierten Schulbücher und vor allem die ersten Nachkriegsausgaben hatten zumeist eine wenig solide Machart und auch ein wenig attraktives Äußeres. Das Papier war stark holzhaltig, die Bindung schlecht und wenig haltbar, so dass diese Schulbücher kaum einen Schülerjahrgang überlebten; die meist schmalen Bände waren überwiegend broschiert. Erst die neuen, nach 1923 hergestellten Schulbücher bekamen dauerhaftere Einbände, waren auf besserem Papier gedruckt und wurden endlich auch angemessen mit anschaulichen – die Fibeln sogar häufig mit farbigen – Abbildungen ausgestattet. Diese Phase dauerte allerdings nicht lange an, denn mit dem Einsetzen der Wirtschaftskrise wurden erneut Klagen darüber laut, welche Belastungen den Familien durch die Schulbuchbeschaffung entstünden, so dass das Ministerium per Erlass verfügte, »die äußere Ausstattung [der] Lehrbücher (Papier, Einband, Zahl der Abbildungen und der Karten usw.) […] der jetzigen Notzeit entsprechend zu vereinfachen«.47 1932 konnte die Reichsregierung im Rahmen der Notverordnungen sogar eine 10 %-ige Preissenkung für Schulbücher vorschreiben.48
Abb. 3: Broschur aus dem Jahr 1921, Halle a. d. Saale: Buchhandlung des Waisenhauses Abb. 4: Bucheinband aus dem Jahr 1925, Berlin: Grote’sche Verlagsbuchhandlung, E. S. Mittler & Sohn. 46 Vgl. den entsprechenden Erlass vom 4. September 1915, Zentralblatt (1915), S. 685. 47 Börsenblatt 99 (1932) 25, S. 79. 48 Vgl. Börsenblatt 99 (1932) 25, S. 79.
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Der Schulbuchmarkt und das Sortiment Die spezifischen Probleme, mit denen sich der Sortimentsbuchhandel beim Schulbuchgeschäft konfrontiert sah, wurden – im Grunde über Jahrzehnte hindurch – in steter Wiederkehr im Börsenblatt diskutiert: die Anstrengungen des intensiven und heftigen Saisongeschäfts zu Beginn eines jeden Schuljahres; die Ausgaben- und Neuauflagenvielfalt und die damit verbundenen Beschaffungsprobleme; die immer wieder überraschend herausgegebenen Neuauflagen der Verlage kurz vor Schuljahresbeginn; der verspätet oder gar nicht gemeldete Schulbuchbedarf der Schulen; die niedrige Rabattierung von höchstens 25 % durch die Verlage; die weit verbreitete Weigerung der Verlage, überzählige oder irrtümlich bestellte Schulbuchtitel zurückzunehmen; der Handel mit gebrauchten Schulbüchern; die Konkurrenz durch den Auchbuchhandel sowie die Vereinheitlichungs- und Monopolisierungsbestrebungen der Regierungen. Als neue Gefahr und Erschwernis kam nach dem Ersten Weltkrieg die durch die Verfassung geforderte Lernmittelfreiheit für die Volks- und Fortbildungsschulen hinzu, die – soweit eingeführt – für das Sortiment unweigerlich zu Absatzeinbußen führen musste. Weitere Schwierigkeiten ergaben sich für den Sortimentsbuchhandel in der Inflationszeit aus der der de facto-Aufhebung des festen Ladenpreises sowie in den letzten Jahren der Weimarer Republik aus dem Kaufkraftverlust der Bevölkerung im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftkrise.
Schulbuchmonopol Eines der beherrschenden Themen des Schulbuchmarktes nach dem Ersten Weltkrieg war die Diskussion um die Errichtung eines staatlichen Schulbuchmonopols. Die Sozialisierungstendenzen und Versuche genossenschaftlicher Organisierung der Produktion und Distribution hatten wie in anderen Wirtschaftszweigen auch im Buchhandel nach dem Krieg Konjunktur.49 Die von Regierungsseite in Gang gebrachte Diskussion um die Einrichtung eines staatlichen Schulbuchmonopols – zumindest für die Volksschulbücher – löste eine heftige Debatte aus. Vehementer Gegenredner und Sprecher auf Seiten der Schulbuchverlage war Erich Ehlermann, Vorsitzender des Verbandes der Schulbuchverleger, der 1919 eine Denkschrift veröffentlichte.50 In dieser suchte er die von der Regierung angeführten positiven Argumente für ein Schulbuchmonopol zu widerlegen, indem er die negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen vor Augen führte, vor allem die »Vernichtung des Schulbuchverlags« und »Schädigung der von ihm abhängigen Industrien«, ebenso die unweigerlich eintretende qualitative »Verschlechterung des Schulbuchs«. Durch Beispiele aus der Praxis in Bayern, Österreich und der Schweiz belegte er die wirtschaftlichen Nachteile solcher Monopole, insbesondere durch Vergleich der Bücherpreise, die deutlich höher seien als im Privatverlag. Der Widerstand ging so weit, dass Ehlermanns Schrift als »Waffe gegen Pläne des Schulbuch-Monopols«51 eingesetzt und an Abgeordnete des Reichstages verteilt wurde. Der Staat erhoffte sich von der Er49 Vgl. Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels, S. 305, und Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 41. 50 Ehlermann: Das Staatsmonopol für Schulbücher. 51 Börsenblatt 87 (1920) 44, S. 183.
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richtung eines Schulbuchmonopols und der Umgehung des Zwischenbuchhandels eine Verbilligung der Schulbücher, was wiederum der beabsichtigten Lernmittelfreiheit und damit den staatlichen Ausgaben entgegenkommen sollte. Die latente »Bedrohung« durch die Konkurrenz eines staatlichen Schulbuchmonopols ließ sich jedenfalls als wirksames Druckmittel gegen den Buchhandel einsetzen, um Preissteigerungen im Handel mit Schulbüchern entgegenzuwirken und die Preise niedrig zu halten.52 Die Diskussion um das Schulbuchmonopol ebbte erst 1922 ab, so dass die Vereinigung der Schulbuchverleger das Thema als »vom Tisch« bezeichnen konnte.53 Parallel zur Frage des Schulbuchmonopols – und streckenweise auch synonym verwendet – wurde das Thema der Schulbuchvereinheitlichung diskutiert. Versuche, die Schulbuchvielfalt einzuschränken, hatte es bereits im 19. Jahrhundert wiederholt gegeben. Dabei standen sich die Argumente der vermeintlichen Kontrolle der Schulbuchinhalte bzw. deren Egalisierung auf der einen Seite und die der Vermeidung unnötiger Kosten für Eltern mit mehreren Schulkindern (keine Weitergabe der Schulbücher an die nächst jüngeren) und bei Wohnortwechsel (jede Schule hat andere Schulbücher eingeführt) sowie die angespannte wirtschaftliche Lage während und nach dem Krieg auf der anderen Seite gegenüber. Dass es weder zu einem staatlichen Schulbuchmonopol noch zu einer drastischen Vereinheitlichung gekommen ist, war wohl dem Umstand zu verdanken, dass das 1921 im Entwurf vorgelegte Reichsschulgesetz niemals verabschiedet worden ist. Ehlermann, der den Entwurf in seinen Unzulänglichkeiten bzw. Verklausulierungen hinsichtlich der Schulbuchfrage penibel und auch etwas spitzfindig analysierte, kam zu dem Schluss, dass er »einwandfrei nachgewiesen habe: das Gesetz zielt auf das Schulbuchmonopol ab.«54
Lernmittelfreiheit Während die Diskussion um das Schulbuchmonopol sowohl die Verlage als auch das Sortiment in Unruhe versetzte, bereitete die Lernmittelfreiheit vor allem dem Sortimentsbuchhandel große Sorge. Insbesondere im neu gegründeten Staat Thüringen machte sich die Regierung für die Lernmittelfreiheit stark und startete auch den Versuch eines staatlichen Schulbuchmonopols.55 Die Lernmittelfreiheit stellte insofern eine Gefahr für das Sortiment dar, als die Schulbehörden versuchten, die Schulbücher direkt von den Verlagen zu erwerben, in der Annahme, dort zu günstigeren Preisen einkaufen zu können. Viele Verlage nutzten die entsprechenden Anfragen aus und lieferten direkt, ohne an das Sortiment zu verweisen; andere erkannten, dass ihnen diese Praxis nur kurzfristigen Vorteil brachte und verwiesen die Besteller mit einem entsprechenden Aufklärungsschreiben an den örtlichen Sortimentsbuchhandel.56 Die Umgehung des Sortiments bei Sammelbestellungen und der direkte Bezug von Klassensätzen entzog dem Sortiment nicht nur den ohnehin geringen Verdienst, sondern musste langfristig 52 53 54 55 56
Vgl. Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 41 f. Vgl. Grieser, S. 42 und S. 137. Ehlermann: Das Schulbuchmonopol vor den Toren, S. 1139. Vgl. Börsenblatt 88 (1921) 234, S. 1478–1480. Der Buchhändler Paul Eugen Schuh in Hildesheim berichtet darüber und zitiert ein solches Schreiben der Fa. Teubner. Vgl. Börsenblatt 94 (1927) 66, S. 316.
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dazu führen, dass Schulkinder dem Besuch einer Buchhandlung entfremdet wurden. Das Schulbuchgeschäft diente dem Sortiment von jeher dazu – und dies wurde als Kulturauftrag wahrgenommen –, mit den Schulkindern als zukünftiger Kundschaft ersten Kontakt aufzunehmen. Diese Gelegenheit bot Gestaltungsmöglichkeiten, wozu v.a. die Herstellung von Kundenzufriedenheit zu zählen ist, indem die verlangten Schulbücher auf Lager gehalten wurden.57 Der Hinweis des Buchhandels darauf, dass die Kinder die zur Verfügung gestellten Lehrbücher »nicht mit der [gleichen] Sorgfalt behandelten, als wenn die Eltern die Kosten dafür getragen hätten«,58 und dass dies einen höheren Verschleiß zur Folge habe, gehörte zu seiner Rolle als Kulturvermittler und war gleichzeitig als ein Einwand gegen die Lernmittelfreiheit zu verstehen. Der Vorschlag der Sortimenter für die Abwicklung des Schulbuchgeschäfts unter den Bedingungen der Lernmittelfreiheit lief darauf hinaus, den Schülern Gutscheine oder Bons zum Erwerb der öffentlich finanzierten Schulbücher auszuhändigen, die dann bei den Buchhandlungen eingelöst werden konnten.59 Die in der Reichsverfassung festgelegte Lernmittelfreiheit hätte allerdings erst durch ein Ausführungsgesetz auf Reichsebene Rechtsgültigkeit erlangen können.60 Da jedoch, wie bereits angedeutet, ein solches Reichsgesetz nicht verabschiedet wurde, ist die Umsetzung der Lernmittelfreiheit in den Ländern nicht einheitlich durchgeführt worden. Dort, wo sie eingeführt worden war, musste sie häufig mangels ausreichender finanzieller Ressourcen der Kommunen bald wieder eingestellt werden.61 Das Sortiment musste sich daher nicht überall um das Ausbleiben der Schülerkundschaft sorgen.
Teuerungszuschlag und Schlüsselzahl Verführerisch war für die Schulbuchkundschaft der Direktkauf bei den Verlagen, weil das Sortiment gemäß der »Notstandsordnung«, die der Börsenverein noch im Krieg erlassen hatte, einen Teuerungszuschlag von zunächst 10 %, ab Januar 1920 von 20 % auf den Ladenpreis erhob.62 Dieser Zuschlag entfiel im Direktbezug.63 Die besondere 57 Im Börsenblatt finden sich zahlreiche Berichte von Sortimentern über das Schulbuchgeschäft und die damit verbundenen Ärgernisse, etwa wenn Schulbücher nicht rechtzeitig oder falsche Ausgaben geliefert wurden und die Schüler so vergeblich immer wieder im Geschäft erschienen, um nach ihren Schulbüchern zu fragen. Dies waren dann die ersten Eindrücke und Kontakte mit dem Sortiment, die sie mitnahmen. 58 Börsenblatt 88 (1921) 234, S. 1479. 59 Vgl. Börsenblatt 87 (1920) 99, S. 460, und 89 (1922) 242, S. 1445. 60 Vgl. Die Bestimmungen über Einführung von Lehrbüchern 1926, S. 66, Erlass vom 7. Mai 1921. 61 Vgl. Börsenblatt 87 (1920) 99, S. 459, Jahresbericht 1919/1920 der Vereinigung der Schulbuchverleger. 62 Zu der Notstandsordnung und Wirtschaftsordnung vgl. Fischer: Marktorganisation, S. 265– 267. 63 Vgl. ebd. sowie Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 180, »Notstandsordnung des Börsenvereins (1. Fassung beschlossen auf der Hauptversammlung des Börsenvereins am 28.4.1918)«. Diese Ordnung sollte bis zwei Jahre nach einem Friedensschluss gültig bleiben. Trotz der Verpflichtung zum Teuerungszuschlag setzten die Verlage die Sortimenter jedoch unter Druck, indem sie sie aufforderten, den Zuschlag auszusetzen, da sie sonst den Anfragen
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Abhängigkeit des Schulbuchverlags von den Herstellungskosten durch die generell höheren Auflagen führten in der Inflationszeit dazu, dass die Verkaufspreise nicht mehr die Herstellungskosten deckten und durch den von den Zulassungsstellen ausgeübten Preisdruck ein ruinöser Preiskampf zu befürchten war. Um diese Situation zu vermeiden, beschloss die Vereinigung der Schulbuchverleger in einer außerordentlichen Hauptversammlung am 25. September 1922, gemeinsame Mindestpreise festzulegen. Die Schulbuchverlage hatten sich nämlich bislang dem vom Börsenverein in Nachfolge des Teuerungszuschlags festgelegten Grund- und Schlüsselzahlsystem64 zunächst nicht angeschlossen. Die Mindestverkaufspreise – sie orientierten sich an Umfang, Ausstattung und Einband – boten allerdings keine vergleichbare Preistransparenz, so dass die Schulbuchverleger ihren Sonderweg aufgaben und im April 1923 ebenfalls das Schlüsselzahlsystem des Börsenvereins übernahmen.65
Verlag und Sortiment Traditionell herrschte beim Schulbuchgeschäft ein gespanntes Verhältnis zwischen Schulbuchverlag und Sortiment. Durch die niedrig gehaltenen Ladenpreise der Schulbücher gewährten die Verlage im Durchschnitt nur einen Rabatt von 25 %, der den Sortimenter nach Abzug seiner Kosten nur mit wenig Gewinn, meist sogar mit Verlust abschließen ließ.66 Ein weiterer Nachteil für das Sortiment entstand durch den Festbezug der Schulbücher. Die Mehrheit der Verlage weigerte sich, überzählige Exemplare oder Falschbestellungen zurückzunehmen. Auch kam es immer wieder vor, dass die Verlage den Sortimentern alte Auflagen lieferten, obwohl die Neuauflage bereits gedruckt war. Hatte die Konkurrenz am Ort die Neuauflage, war die alte praktisch unverkäuflich. Die Remissionsverweigerung konnte den Sortimenter, je nach Auftragsvolumen, schwer schädigen. Die Sortimenter griffen häufig zu Selbsthilfemaßnahmen und richteten Einkaufsgenossenschaften oder Schulbuchbörsen ein, über die sie gemeinsam bestellte Titel untereinander aufteilten bzw. einander im Bedarfsfalle gegenseitig die benötigten Schulbuchexemplare zur Verfügung stellten oder austauschten. Ein positiver Versuch, das Sortiment zu entlasten, ging aber von der Firma B. G. Teubner aus, die gemeinsam mit der Firma Weidmann eine Zentralauslieferungsstelle einrichtete. Vier Wochen nach Schulanfang wurde abgerechnet, Rücknahmen wurden akzeptiert. Das Experiment hielt jedoch nur zwei Jahre, da Gewinnerwartungen auf beiden Seiten nicht erfüllt wurden.67
64 65 66
67
nach Direktlieferung nachkommen würden. Vgl. Appell des Vorsitzenden der Vereinigung der Schulbuchverleger Ehlermann an das Sortiment. In: Börsenblatt 88 (1921) 43, S. 209. Zum Grund- und Schlüsselzahlsystem vgl. Fischer: Marktorganisation, S. 267–269, sowie Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 78 ff. Vgl. Grieser, S. 82, sowie »Kleine Mitteilungen« der Arbeitsgemeinschaft der rheinischwestfälischen Verleger. In: Börsenblatt 89 (1922) 244, S. 1453. Vgl. Bericht von Hans Hermann-Chemnitz auf der 48. Hauptversammlung des BuchhändlerVerbandes für das (ehem.) Königreich Sachsen am 4. September 1927 in Plauen i. V. In: Börsenblatt 94 (1927) 234, S. 1198. Vgl. Börsenblatt 94 (1927) 234, S. 1200.
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Die sich zuspitzenden Konflikte zwischen Sortimentern und Verlegern im Schulbuchhandel führten dazu, dass sich Vertreter beider Lager am 14. November 1928 zu einer Aussprache trafen, die aber damals noch zu keinem greifbaren Ergebnis führte.68 Auf beiden Seiten wuchs jedoch die Einsicht, dass sich mit der Bildung einer »Einheitsfront« am besten den »dem Schulbuch von außen drohenden Gefahren zu begegnen« sei.69 Erst im März 1931 verständigten sich die Vereinigung der Schulbuchverleger und die Fachgruppe Schulbuchsortiment in der Deutschen Buchhändlergilde auf Richtlinien zur Durchführung des Schulbuchgeschäfts. Die Richtlinien bezogen sich auf die Behandlung des Bezugs der Freiexemplare, auf die regelmäßige Belieferung der Schulen mit Schulbüchern durch das Sortiment, auf das Rückgaberecht des Sortiments sowie die rechtzeitige Benachrichtigung des Sortiments durch die Schulen über die zu gebrauchenden Lehrbücher.70
Sortiment und Schule, Auchbuchhandel, Altbuchhandel In der Ordnung über die Einführung von Lehrbüchern von 1923 war vorgesehen, dass die Schulen den Buchhandlungen »möglichst frühzeitig, jedenfalls bis zum 1. März jedes Jahres die Lehrbücher und Schriftwerke bezeichnen, die im nächsten Schuljahr in den einzelnen Klassen benutzt werden«71. Dies sollte die Buchhandlungen in die Lage versetzen, den Bedarf möglichst genau einzuschätzen und die Bücher rechtzeitig zum Schuljahresbeginn zur Verfügung stellen zu können. Die Säumigkeit der Schulen, diese Listen zu liefern oder sie den Schulkindern rechtzeitig vor Schuljahresschluss auszuhändigen, war jedoch ein ständiges Ärgernis für den Buchhandel. Wusste der Buchhändler nicht rechtzeitig, welche Schulbücher er zu Beginn eines Schuljahres vorrätig haben sollte, so wurde der Schulbuchhandel zu einem sehr aufwändigen und teuren Geschäft (Einzellieferungen) und schaffte nicht selten unzufriedene Kundschaft, wenn die Lieferung erst nach Schulbeginn eintraf.72 Immer wieder wurden Beschwerden laut über die ungenauen Angaben seitens der Schulen über die benötigte Menge von Schulbüchern oder über die Angabe von Titeln, die später gar nicht benutzt wurden. Hatte der Buchhändler sie dann bestellt, blieb er auf den nicht nachgefragten Büchern sitzen. Der Handel mit Volksschulbüchern dagegen war auf dem Land traditionell in den Händen der Buchbinder und Schreibwarenhändler, die sich damit ein zusätzliches Standbein verschafften. Sie erhielten die Schulbücher zwar zu geringeren Rabatten als der reguläre Buchhandel, konnten aber durch Aufnahme ins Adressbuch auch zu Vollbuchhändlern aufsteigen und dem Sortiment zur unangenehmen Konkurrenz werden. Unter dem Druck der Wirtschaftskrise sah sich der Bund Deutscher BuchbinderInnungen 1929 sogar versucht, das Ministerium für die Auftragsbeschaffung zu gewinnen. Vorgeschlagen wurde, den Verlagen vorzuschreiben, die Bindeaufträge an lokale Buchbindereien zu vergeben, die dann auch gleich den Verkauf übernehmen sollten.73 68 69 70 71 72 73
Vgl. Börsenblatt 96 (1929) 122, S. 584. Vgl. Börsenblatt 96 (1929) 85, S. 399. Vgl. Börsenblatt 98 (1931) 62, S. 245. Zitiert nach: Die Bestimmungen über Einführung von Lehrbüchern 1926, S. 24. Vgl. Börsenblatt 92 (1925) 106, S. 7591. Vgl. GStA HA I Rep. 76 Kultusministerium VI Sekt. 1 z No. 72, Bd. XI, Bl. 62 und 65.
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Große Sorge bereitete Verlagen wie Sortiment der durch Schüler oder Eltern organisierte Handel mit gebrauchten Schulbüchern. Der Altschulbuchhandel erschwerte dem Verleger die Kalkulation von Auflagenhöhen und dem Sortimenter den Einkauf eines Schulbuchlagers. Beide bemühten sich zudem darum, dem Altschulbuchhandel zum einen das Etikett mangelnder Hygiene74 anzuhängen, zum anderen moralische Bedenken geltend zu machen, wie die Beschreibung des Gebrauchtbuchhandels durch einen Buchhändler deutlich macht: »Auch hier regelte Angebot und Nachfrage alles, und wenn einzelne Bücher bei den Verlegern oder in Buchhandlungen nicht zu haben waren, so wurden Phantasiepreise für alte Bücher gezahlt, die teilweise den Neupreis um das Doppelte oder Dreifache übertrafen. Die alten eigenen Bücher oder die Bücher der älteren oder jüngeren Geschwister wurden zu möglichst hohen Preisen veräußert – oder ›verkloppt‹, wie die ›Fachleute‹ sagen. Einzelne gerissene Jungen haben aus der Sucht, ›alte Bücher billig‹ zu kaufen, ein Gewerbe gemacht, haben neue Bücher in den Buchhandlungen gekauft und sie dann als alte Bücher zu höheren als Neupreisen wieder verkauft! Die erzielten Gewinne wurden vielfach für eigene Zwecke verwandt, die je nach dem Geschmack des Börsengewinners verschieden waren (Conditoreien, Kinos, Kahnfahrten) […]. Eltern und Erzieher seien wiederholt auf diese neue Börse aufmerksam gemacht; ein Hang zu Leichtsinn und schnellem Geldausgeben ist wohl rasch zu entwickeln, aber schwer fällt es, ihn wieder auszurotten«.75 Zu Beginn der 1930er Jahre stieg jedoch das Sortiment selbst in den Handel mit gebrauchten Schulbüchern ein. Der Kundschaft mangelte es zunehmend an Kaufkraft und die Verlage setzten die Preise zu hoch an. Das Sortiment kaufte daher alte Schulbücher auf und verkaufte sie weiter, woran es sogar manchmal mehr verdiente als an neuen Schulbüchern.76
Freiexemplare und Ausstattung von Hilfsbüchereien Im Konkurrenzkampf um die Einführung der eigenen Schulbücher an den Schulen griffen die Verlage zu den bewährten Mitteln, die Schulleitungen und Fachlehrer für sich zu gewinnen. Die Gewährung von Freiexemplaren für die Lehrer, die sich einen Eindruck von der Qualität und Brauchbarkeit eines Lehrbuches verschaffen wollten – und sich damit gleichzeitig ein eigenes kostenfreies Exemplar verschafften –, war sicherlich die aussichtsreichste Maßnahme. Gut eingeführte Verlage konnten großzügiger mit der Vergabe von Freiexemplaren umgehen, obwohl sich diese Praxis letztlich bei allen 74 Der Verlag Teubner legte seinen Schulbüchern ein Flugblatt bei, das auf die hygienischen Gefahren der Nutzung gebrauchter Schulbücher hinwies. Der Buchhändler Otto Mark aus Rudolstadt warnte 1932 im Börsenblatt: »Der Kauf und Verkauf von alten Schulbüchern hat in den Schulräumen schon einen derartigen Aufschwung genommen, daß der Verkauf von neuen Schulbüchern darunter leidet. Da muß also alles geschehen, um in erster Linie im Interesse der Gesundheit der Schulkinder und dann auch im Interesse des Buchhandels zu arbeiten.« Börsenblatt (1932) 82, S. 248. Die Vereinigung der Schulbuchverleger startete sogar eine Plakataktion »Zur Hygiene des Schulbuchs« und warb damit für den Kauf neuer Schulbücher. Vgl. Börsenblatt 99 (1932) 114. 75 Börsenblatt 90 (1923) 118, S. 727. 76 Vgl. Börsenblatt 99 (1932) 114, S. 405–407.
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Verlagen auf die Schulbuchpreise auswirken musste. Zunächst wurden im Zuge der Neuaufteilung des Schulbuchmarktes nach dem Krieg, verstärkt aber nach den Lehrplanreformen um 1925 Freiexemplarabgaben zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor bei der Neueinführung von Schulbüchern. Aber nicht nur die Lehrer waren Zielgruppe der Bemühungen, auch die Schüler und vor allem die die Schulbücher zahlenden Eltern waren in Zeiten »schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse« Adressaten der Verlagswerbung. So boten die Verlage Velhagen & Klasing (Bielefeld) sowie Carl Meyer (Gustav Prior) Hannover umfangreiche »Einführungserleichterungen« an, um die Schulbücher ihres Verlages an den Schulen zur Einführung zu bringen. Sie stellten in Aussicht, genügend Freiexemplare für »Schülerinnen und Schüler, denen die Anschaffung schwer fällt«, für die »Unterstützungsbüchereien« zu liefern. Nicht versetzten Schülerinnen und Schülern sollte kostenfrei ein Exemplar des neu einzuführenden Buches geliefert werden, ebenso Kindern, die sonst Bücher älterer Geschwister benutzt hätten. Die Verlage gaben damit ihrer Hoffnung Ausdruck, »alle wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die der Einführung eines neuen Buches unserer Verlage etwa entgegenstehen sollten, beseitigt zu haben«.77 Um sowohl die mittlerweile als Gewohnheitsrecht wahrgenommenen Forderungen der Lehrer nach Freiexemplaren als auch die willkürliche Verteilung von Freiexemplaren durch die Verlage auf ein erträgliches Maß zu bringen,78 wurden bereits 1923 Empfehlungen zwischen dem Philologenverband und der Vereinigung der Schulbuchverleger formuliert. In ihnen wurden Grundsätze für die »Lieferung von Hand- und Freiexemplaren« aufgestellt.79 Die Zahl der zu liefernden Freiexemplare richtete sich danach, ob ein Buch neu eingeführt wurde oder bereits eingeführt war. Traf letzteres zu, so wurde nur gegen Zahlung eines verminderten Ladenpreises geliefert. Auch den erst in der Weimarer Zeit eingeführten Hilfsbüchereien an den Schulen lieferten die Verlage verbilligte Exemplare unter bestimmten Bedingungen. An den Hilfsbüchereien wurde immer wieder die Kritik geübt, dass sie nicht nur den unbemittelten Schülern Bücher zur Verfügung stellten, sondern auch Schülern aus durchaus wohlhabenden Elternhäusern. Jedes der Hilfsbücherei als Freiexemplar gelieferte Buch war ein nicht verkauftes neues Schulbuch für den Sortimentsbuchhandel. In einem neuen Abkommen über die Lieferung von Freiexemplaren von Schulbüchern vom 17. März 1927 wurden die Grundsätze und Bedingungen für ihren Bezug noch einmal klarer gefasst und es wurde ausdrücklich auch auf den Sortimentsbuchhandel hingewiesen. Die Freiexemplarabgabe wurde eindeutig dem Verlag zugewiesen, und eine Verquickung von Festlieferung durch das Sortiment und Freiexemplarbestellung sollte zukünftig abgestellt und durch strenge Kontrolle unmöglich gemacht werden.80 77 GStA HA I Rep. 76 Kultusministerium VI Sekt. 1 z No. 72, Bd. XI, Bl. 188. Die Verlage Velhagen & Klasing und Carl Meyer (Gustav Prior) wandten sich 1927 mit diesem Schreiben an die Provinzialschulkollegien mit der Bitte, »etwaige Anträge auf Einführung freundlichst genehmigen zu wollen«. 78 Es wird von Lehrern berichtet, die in ihren Freiexemplarforderungen die Verlage gegeneinander ausspielten und bei Nichtbelieferung mit Abschaffung des betreffenden Schulbuchs drohten. Vgl. Börsenblatt 90 (1923) 115, S. 712. 79 Vgl. GStA HA I Rep. 76 Kultusministerium VI Sekt. 1 z No. 72, Bd. XI, Bl. 197. Dort sind die am 26. März 1923 vereinbarten Grundsätze wiedergegeben. 80 Vgl. Börsenblatt 95 (1928) 78, S. 353–355.
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Literatur Archivalische Quellen Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. Hauptabteilung, Repertorium 76 Kultusministerium, VI Sekt. 1 z Nr. 72, Vol. VII, VIII, XI.
Gedruckte Quellen Die Bestimmungen über Einführung von Lehrbüchern. Ges. u. erl. von Wilhelm Schellberg und Erich Hylla. Berlin: Weidmann 1926 (Weidmannsche Taschenausgaben von Verfügungen der Preußischen Unterrichtsverwaltung, Heft 40a). Die Bestimmungen über Einführung von Lehrbüchern. Nachtrag. Ges. u. erl. von Wilhelm Schellberg und Erich Hylla. Berlin: Weidmann 1930 (Weidmannsche Taschenausgaben von Verfügungen der Preußischen Unterrichtsverwaltung, Heft 40a). EHLERMANN, Erich: Das Schulbuchmonopol vor den Toren – videant consules. Börsenblatt (1921) 176, S. 1137–1139. EHLERMANN, Erich: Das Staatsmonopol für Schulbücher. Eine Denkschrift. Im Auftrage der Vereinigung der Schulbuchverleger. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1919. Verzeichnis der an den höheren Lehranstalten Preussens eingeführten Schulbücher. Hrsg. von Ewald Horn. Berlin u. Leipzig: Teubner 1901; 2. Ausg. 1906. Verzeichnis der auf Grund der Ordnung für die Einführung von Lehrbüchern vom 15. September 1923 vom Jahre 1924 ab genehmigten Lehrbücher für die höheren und mittleren Schulen. Zusammengestellt von Wilhelm Schellberg und Erich Hylla. Berlin: Weidmann 1926 (Weidmannsche Taschenausgaben von Verfügungen der Preußischen Unterrichtsverwaltung, Heft 40b). Verzeichnis der auf Grund der Ordnung für die Einführung von Lehrbüchern vom 15. September 1923 genehmigten Lehrbücher für die höheren und mittleren Schulen. Berlin: Weidmann 1931. Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen. Berlin: 1859–1934. (URL: www.bbf.dipf.de/cgi-opac/catalog.pl?t_digishow=x&zid=2a1811 (12.03.2009).
Firmengeschichten und Firmenschriften BAUMGÄRTNER, Alfred Clemens: Im Lauf der Zeit. Festschrift zum fünfundsiebzigjährigen Bestehen des Verlages Ferdinand Kamp Bochum. Bochum: Kamp 1984. HOLM, Günther: Anfänge. 150 Julius Beltz 1841–1991. Weinheim, Basel: Beltz 1991. Hundert Jahre Georg Westermann. Braunschweig 1938. »und beehre ich Ihnen anzuzeigen«. Eine Firmengeschichte durch anderthalb Jahrhunderte. 150 Jahre Westermann 1838–1988. Braunschweig: Westermann 1988. Westermann. Profil eines Verlages. 1838–1963. Ein Jubiläumsbericht. Braunschweig 1963. Werden und Wesen des Hauses R. Oldenbourg. Ein geschichtlicher Überblick 1858–1958. München: Oldenbourg 1958. WITTMANN, Reinhard: Wissen für die Zukunft. 150 Jahre Oldenbourg Verlag. München: Oldenbourg 2008.
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Forschungsliteratur FISCHER, Ernst: Marktorganisation. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 2: Die Weimarer Republik 1918–1933. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel. Teil 1. München: K. G. Saur 2007, S. 265–304. FÜHR, Christoph: Zur Schulpolitik der Weimarer Republik. Darstellungen und Quellen. Weinheim u. a.: Beltz 1970. GRIESER, Thorsten: Buchhandel und Verlag in der Inflation. Studien zu den wirtschaftlichen Entwicklungstendenzen des deutschen Buchhandels in der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 51(1999), S. 1–187. JÄGER, Georg: Der Schulbuchverlag. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 1: Das Kaiserreich 1871–1918, Teil 2. Frankfurt a. M.: MBV 2003, S. 62– 102. MÜLLER, Walter: Schulbuchzulassung. Zur Geschichte und Problematik staatlicher Bevormundung von Unterricht und Erziehung. Kastellaun: Henn 1976 (Grundfragen systematischer Pädagogik). Sozialgeschichte und Statistik des Schulsystems in den Staaten des Deutschen Reiches, 1800– 1945. Hrsg. von Detlef K. Müller und Bernd Zymek. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1987 (Datenhandbuch zur deutschen Bildungsgeschichte: Bd. II, Höhere und mittlere Schulen; Teil 1). WITTMANN, Reinhard: Geschichte des deutschen Buchhandels. München: Beck 1991. TEISTLER, Gisela: Deutsche Fibeln vom 16.Jahrhundert bis zum Ende der Weimarer Republik. In: Lesen lernen in Diktaturen der 1930er und 1940er Jahre. Hannover: Hahn 2006, S. 13–37. TEISTLER, Gisela: Fibel-Findbuch ›Fi-Fi‹. Deutschsprachige Fibeln von den Anfängen bis 1944. Eine Bibliographie. Osnabrück: Wenner 2003 (Bibliographien des Antiquariats H. Th. Wenner, 5). ZYMEK, Bernd: Schulen. In: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. V 1918–1945: Die Weimarer Republik und die nationalsozialistische Diktatur. München: Beck 1989, S. 155– 208.
Brit Voges 5.2.11 Sachbuch- und Ratgeberverlage1 Der1Gedanke, Wissen und Informationen für einen größeren, nicht speziell vorgebildeten Bevölkerungskreis verständlich aufzubereiten, ist spätestens seit der Aufklärung vertraut.2 Nach dem Ersten Weltkrieg setzte aber eine Entwicklung ein, die dieser Idee der Popularisierung eine neue Qualität gab: »Der Buchmarkt wurde in den zwanziger Jahren geprägt durch neue, populärwissenschaftliche Büchertypen. So sind es vor allem die Sachbücher, die damals aus dem Interesse an sachlicher Information entstanden. Das Sachbuch war die wesentliche neue literarische Form in diesen Jahren«, konstatierte Paul Raabe für die Weimarer Republik.3 Diese Entwicklung resultierte in erster Linie aus der Veränderung des Lesepublikums4 und der allgemeinen bildungsgeschichtlichen Voraussetzungen.5 Neben den Sachbüchern kam auch die Ratgeberliteratur zu einer neuen Blüte, in der praktisches Wissen für konkrete Anwendungsbereiche aufbereitet wurde.6 Der Begriff »Sachbuch« stand in der Weimarer Republik noch nicht explizit für eine bestimmte Gattung oder einen Buchtyp. Nur innerhalb der Kinder- und Jugendliteratur war »Sachbuch« spätestens seit 1927 ein häufig verwendeter Ausdruck.7 Der Allgemeine Deutsche Sprachverein empfahl 1918 im Zuge der angestrebten »Entwelschung«, die schulischen »Realienbücher« fortan »Sachbücher« zu nennen.8 Die Idee setzte sich in der Schule zwar nur beim Realienunterricht durch, der bis heute tatsächlich Sachunterricht heißt, doch wurde zum Ende der zwanziger Jahre bspw. in der Jugendschriftenwarte durchaus über »Sachbücher« geschrieben. Man verstand darunter die außerschulische bildende und wissenvermittelnde Jugendlektüre. Die uneinheitliche Begriffsverwendung macht eine genauere Definition der behandelten Literatur notwendig; die intendierte Wissensvermittlung ging in den zwanziger Jahren eher aus den Titelformulierungen hervor, u. a. wurden Bücher mit populärwissenschaftlichem Inhalt als »Roman einer Wissenschaft«, als »Allbuch«, als »Bildungsbuch« und als »Laienbuch« 1 Vorliegender Beitrag geht zurück auf meine Magisterarbeit: Brit Voges: »Die Ratgeber- und Sachbuchliteratur in der Weimarer Republik« am Mainzer Institut für Buchwissenschaft aus dem Jahre 2002 zurück; für Aktualisierung und Ergänzung danke ich David Oels (Mainz) und Stephan Füssel (Mainz). 2 Vgl. Elke Maar: Bildung durch Unterhaltung. Die Entdeckung des Infotainment in der Aufklärung. Hallenser und Wiener Moralische Wochenschriften in der Blütezeit des Moraljournalismus, 1748 – 1782. Pfaffenweiler: Centaurus-Verl.-Ges. 1995; Sandra Wiesinger-Stock: Erwachsenenbildung und Wissenschaftspopularisierung. Geschichte, Terminologie, Zukunftsperspektiven. Innsbruck u. a.: Studien-Verl. 2002, S. 28 – 32; Wissenspopularisierung. Konzepte der Wissensverbreitung im Wandel. Hrsg. von Carsten Kretschmann. Berlin: Akademie Verlag 2002. 3 Raabe: Das Buch in den zwanziger Jahren, S. 19. 4 Vgl. den Beitrag von Ute Schneider, Buchkäufer und Leserschaft, im Teilbd. 1, S. 149 – 196. 5 Vgl. die Einleitung von Fischer/Füssel im Teilbd. 1, S. 5 – 28. 6 Vgl. Breuss: Praktische Texte. Ratgeberliteratur für die alltägliche Lebensführung, S. 73; vgl. auch Jäger: Sachbuch- und Ratgeberverlage. 7 Vgl. Fronemann: Das Erbe Wolgasts, S. 27. 8 Vgl. dazu Diederichs: Die Verwendung des Begriffs »Sachbuch«, S. 48; Oels/Hahnemann: Einleitung, S. 14.
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bezeichnet oder mit Zusätzen wie »volkstümliche Wissenschaft« oder »Wissenschaft für Jedermann« versehen. Wenn auch die Bezeichnung »Sachbuch« nicht üblich war, so waren doch Begriffe wie »Sachlichkeit«, »Sache«, »Gebrauch«, »nützlich« oder »Zweckgebundenheit« in der Weimarer Republik in allen Lebensbereichen sehr präsent – die »Neue Sachlichkeit« im Bereich der ernsten Literatur und Kunst ist mithin nur ein Teilbereich dieser Versachlichung. Es fanden sich bereits Titelergänzungen wie »Tatsachenroman«, »Sachroman« oder »Sachbiographie«. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte sich die Gattung »Sachbuch«. Zu einem festen buchhändlerischen Terminus wurde sie erst in den 1960er Jahren, nachdem die 1961 eingeführte Spiegel-Bestsellerliste das Titelangebot in Belletristik und Sachbücher zweiteilte.9 Sachbücher gehören zu den Gebrauchsbücher, deren erklärter Zweck in der Vermittlung von »Realienwissen« liegt und die sich insofern von fiktionalen Texten deutlich abheben – auch wenn sie unterhaltende und literarische Elemente aufnehmen können. Im Unterschied zum aus privatem Interesse rezipierten Sachbuch dient das »Fachbuch« der Ausbildung, der Fortbildung und dem Unterricht, es ist zumeist mit der beruflichen Sphäre eng verbunden und verwendet entsprechende Fachtermini. Ein »wissenschaftliches Buch« geht noch darüber hinaus, denn es enthält theoretische Erörterungen und Hypothesen.10 Lexika und Nachschlagewerke fallen in der Regel nicht unter diese Rubrik, da beim Sachbuch Allgemeinbildung und Praxis mit erzählerischen Elementen vermittelt werden, was eine bloße lexikalische Auflistung nicht bieten kann. Das Handbuch Lesen definierte 1999, beim Sachbuch handele es sich um einen »epischen« »geschlossenen Langtext«.11 Wie das Beispiel des Langenscheidt Verlags zeigt, sind die Grenzen jedoch fließend, und mit den »Tatsachenromanen«, den populären Biografien Emil Ludwigs oder Werner Hegemanns und vor allem der Reportageliteratur etablierten sich während der Weimarer Republik gleich mehrere Mischformen, die fiktionale und faktionale, literarische und »sachliche« Elemente vermengten.12 Ratgeber sind eine bestimmte Art von Sachbüchern, die sich als »Anleitung zur Lösung von Problemen oder praktischen Tätigkeiten anbieten.«13 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Begriff »Ratgeber« im Unterschied zum Sachbuch bereits weit verbreitet, es finden sich auch synonyme Formulierungen wie »Anweisung«, »Führer«, »Rat«, »Unterweisung« oder personalisierte Formen wie »Berater«, »Freund und Berater« oder »Lehrmeister«. Mit dem Sachbuch gemeinsam hat die Ratgeberliteratur die allgemein verständliche Darstellung und die fachliche Information zu einem klar umrissenen Themengebiet. Die explizierte Funktion eines Ratgebers liegt im praktischen 9 Vgl. Diederichs: Annäherungen an das Sachbuch, S. 1 – 37 – abrufbar auch unter http:// www2.hu-berlin.de/sachbuchforschung/MEDIA/abfdsbf/Arbeitsblaetter_Sachbuchforschung_ 18.pdf; Oels/Hahnemann: Einleitung, S. 7 – 17. 10 Vgl. Pollitz: Sachbuch und Fachbuch, S. 5; vgl. auch Ewert: Der Begriff Fachbuch, S. 454. 11 Dietrich Kerlen: Druckmedien In: Handbuch Lesen: Im Auftrag der Stiftung Lesen und der Deutschen Literaturkonferenz hrsg. von Bodo Franzmann u. a. München: Saur 1999, S. 240 – 280, hier S. 261 f. 12 Vgl. dazu Uecker, Matthias: Wirklichkeit und Literatur. Strategien dokumentarischen Schreibens in der Weimarer Republik. Oxford u. a.: Lang 2007; Kittstein, Ulrich: Mit Geschichte will man etwas. Historisches Erzählen in der Weimarer Republik und im Exil. Würzburg: Königshausen und Neumann 2006; Füssel: Belletristische Verlage, in diesem Band, S. 1 – 90. 13 So die Definition im Lexikon des gesamten Buchwesens, 2. Aufl., Bd. 6, S. 182.
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Nutzcharakter, d. h. er gibt Handlungsempfehlungen in konkreten Anwendungs- oder Alltagszusammenhängen. So werden häufig Sachbücher als Vermittler populärwissenschaftlicher Inhalte und Ratgeber als Anleitungsliteratur im stärker häuslichen und privaten Bereich definiert. Wobei auch hier festzuhalten ist, dass die Übergänge fließend sind und gleichzeitig die Art des Buchs wenig über seine tatsächliche Rezeption aussagt. So wie die Rezepte in Kochbüchern nur zum geringen Teil nachgekocht werden, führte die Selbstvervollkommnungsliteratur für Frauen (z. B. Der neue Haushalt 1926) und Männer (z. B. Sich selbst rationalisieren 1927) nicht zwangsläufig zu einer rationell geregelten Lebensführung.14
Das Lesepublikum Die Kriegsfolgen und die Inflationsjahre 1919 – 1923 veränderten vor allen Dingen die Lebensumstände des mittleren und unteren Bürgertums. Der industrielle Rationalisierungsprozess bevorzugte die großen finanzstarken Unternehmen und führte zu einem Rückgang der Selbständigen zugunsten der abhängig Beschäftigten. Für sie wurde das Festhalten an traditionellen bürgerlichen Werten und Bildungsmodellen durch die anwachsenden finanziellen Probleme zunehmend schwieriger oder musste sogar ganz aufgegeben werden. So entstand ein »neuer Mittelstand« mit dem Kern derer, die einst den Stand der »Gebildeten« ausgemacht hatten.15 Repräsentativ für diesen »neuen Mittelstand« waren die Angestellten, die gleichzeitig auch das erste Zielpublikum für Sachbücher und Ratgeber waren, da sie sich in der Hoffnung auf beruflichen Aufstieg durchaus mit Weiterbildungsliteratur, Schriften zur Selbstbildung, mit dem Sprachenerwerb bis hin zu Benimmregeln beschäftigten. Verlage, Sortimenter und Schriftsteller sahen sich einem neuen, potenziell populärwissenschaftlich interessierten Publikum gegenüber, das durchaus als »Massenpublikum« bezeichnet werden kann. Hinzu kamen die traditionellen Bildungsinteressen der Arbeiterbewegung selbst und der philanthropischen verbrämten »Volksbildung« des Bürgertums, die auch während der Weimarer Republik mit eigenen Verlagen, Bibliotheken und Institutionen einen bedeutenden Markt darstellten.16 Ebenso wie in der Belletristik die »Novitätensucht« beklagt wurde, so gab es bald auch auf dem Sachbuch-Markt zahlreiche Schnelldreher, die in hohen Startauflagen publiziert wurden.17 Populäre Biografien z. B. erreichten Auflagen von 100.000 bis 200.000 Exemplaren und gerade während der Inflation wurden auch hochwertige Sachbücher – Bildbände, Enzyklopädien, Atlanten, aufwändige wissenschaftliche Bücher oder bibliophile Ausgaben massenhaft gekauft – als wertbeständige Anlageobjekte. Zum Ende der Weimarer Republik experimentierten Verlage ebenso wie bei der Belletristik mit niedrigpreisigen Auflagen, die ihr Publikum als Masse erreichen sollten. Bezeichnend hierfür ist eine Bemerkung im Vorwort des Juristischen Konversa14 Vgl. Heimerdinger: Der gelebte Konjunktiv, S. 97 – 108. 15 Der Terminus »neuer Mittelstand« stammt von dem Soziologen D. Schmoller, der sich bereits um 1900 mit den Angestellten auseinandersetzte. Vgl. Bramke: Die Angestellten in der Weimarer Republik, S. 797. 16 Vgl. Langewiesche: Freizeit und »Massenbildung«, S. 223 – 247. 17 Brohm: Das Buch in der Krise, S. 263. Vgl. auch Gideon Reuveni: Reading Germany. Literature and Consumer Culture in Germany before 1933. New York, Oxford: Berghahn Books 2006.
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tionslexikons der Schwabacherschen Verlagsbuchhandlung, derzufolge das Buch »mit seinem Preise (2,85 RM) wirklich für alle Bevölkerungskreise erschwingbar sein solle«.18 Damit hatte auch das Sachbuch Anschluss gefunden an die Entwicklung, die in der schönen Literatur mit Knaurs Romanen der Welt zu 2,85 RM »in vornehmem Ganzleinenband und glänzender Austattung« 1927 wirkmächtig seinen Anfang genommen hatte.19 1931 brachte Knaur gar ein Konversationslexikon mit 35.000 Stichwörtern und 2.600 Abbildungen in knapp 1.900 Spalten erfolgreich zum gleichen Preis heraus.20 Verbunden mit diesem Anstieg der Titel- und Auflagenzahlen war die Notwendigkeit, Werbung für Bücher zu betreiben.21 Ein Verleger, der strategischer Verlagswerbung besondere Impulse gab, war Hermann Ullstein. Er vertrat die These, dass sich der Name eines Buches, einer Reihe, eines Verlages u. ä. durch massive Werbung im Unterbewusstsein festsetze.22 Die Sachbuchreihen des Ullstein Verlages wurden durch einen für die Zeit beispiellosen Werbeaufwand unterstützt, wobei sich das amerikanische Konzept der gereimten, meist humorvollen Werbesprüche als besonders erfolgreich erwies: wie z. B. »Selberschneidern – der Weg zu billigen Kleidern«, »Vom ObstEinmachen zu anderen guten Sachen« oder »Macht Euch endlich frei – von der Haushalt-Sklaverei!« Auch die persönliche Ansprache in Werbeanzeigen wurde zu einem Merkmal der Ullstein Reklame-Strategie: »Liebling lauf doch rasch und hole mir ein Ullstein-Buch. Du weißt, wie preiswert sie sind!«23 Die neuen Medien Film und Rundfunk wurden schnell als Werbekanäle für das Buch entdeckt, sei es durch Werbung auf der Leinwand oder durch das neuartige »Buch zum Film« oder den neuen Büchern über die Film-Stars.24 Auch bei den Sachbüchern bildete sich rasch ein Werbeverbund. So wurde in Kurt Floerickes »Wundertiere des Meeres« (1925) darauf hingewiesen, dass die Inhalte des Bandes auch als ein »packender« Lichtbildvortrag erhältlich seien.25 Und im Nachwort zu E. Aisbergs »Jetzt hab’ ich’s verstanden!« (1932) heißt es, dass der eigentliche Zweck des Buches darin besteht, neue Leser für die Zeitschrift Radio für alle zu werben.26 Die Werbeaktivitäten machen noch einmal deutlich, dass die zwanziger Jahre geprägt sind durch den Verlust der traditionellen Bücherkundschaft. Die allgemein den Buchmarkt verändernden Effekte wie Massenproduktion und »billige Bü18 Lehmann, Helmuth: Juristisches Konversationslexikon. Ein Nachschlagebuch des Deutschen Rechtes für alle Kreise. Berlin: Schwabachersche Verlagsbuchhandlung o.J. (1931), S. 1. 19 Füssel: Belletristische Verlage, in diesem Band, S. 1 – 90, hier S. 45 – 54. 20 Vgl. Fischer, Ernst: Marktorganisation. In Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte, S. 265 – 304, hier S. 295 f.; Keiderling, Thomas: Der Lexikonverlag. Ebd., S. 441 – 462, hier S. 451. 21 Vgl. Füssel: Das Buch in der Medienkonkurrenz, S. 333 f.; Reuveni: Reading Germany, S. 123 – 135. 22 Vgl. Ullstein: Aus Ullsteins großer Zeit, S. 140. 23 Ullstein: Aus Ullsteins großer Zeit, S. 140; Vgl. auch »Sei sparsam Brigitte, nimm UllsteinSchnitte!«. In: 125 Jahre Ullstein. Presse und Verlagsgeschichte im Zeichen der Eule. Hrsg. vom Axel Springer Verlag. Berlin: 2002, S. 54 – 61. 24 Füssel: Das Buch in der Medienkonkurrenz, S. 333. 25 Floericke, Kurt: Wundertiere des Meeres. Stuttgart: Cosmos, Gesellschaft der Naturfreunde 1925, S. 78. 26 Leser des Buchs bekamen bei einem Abonnement 2,00 RM auf den Bezugspreis gutgeschrieben, vgl. E. Aisberg: Jetzt hab’ ich’s verstanden! Was der Anfänger vom Radio wissen muß. 13. Auflage. Stuttgart: Franckh’sche Verlagshandlung 1932, S. 79.
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cher« wurden auch bei den Sachbüchern und Ratgebern erkennbar. Es verstärkte sich das Bedürfnis nach leicht konsumierbarer Unterhaltung, das von Radio und Film leichter befriedigt werden konnte als durch Bücher. Die Sachbuchverlage mussten sich auch auf diese Konkurrenzsituation einstellen, da sie mit anderen Medien und Aktivitäten um die knappe Freizeit der Menschen konkurrierten. Anhand einiger Beispiele lässt sich demonstrieren, wie sich die Verlagsarbeit auf diesem veränderten Sachbuch- und Ratgebermarkt gestaltete und welche Strategien verfolgt wurden.
Der Julius Springer-Verlag Der Julius Springer-Verlag war in den 1920er Jahren der führende Wissenschaftsverlag.27 Seine Schwerpunkte lagen in den Bereichen Medizin, Biologie, Naturwissenschaften, Technik, Ingenieurwesen, Rechts-, Staats- und Wirtschaftswissenschaften. Der Verlag wurde seit 1907 von den Enkeln des Firmengründers Ferdinand (1881 – 1965) und Julius Springer (1880 – 1968) geleitet. Die Cousins teilten die Zuständigkeitsbereiche; Ferdinand widmete sich vornehmlich der Medizin und den Naturwissenschaften und Julius betreute den ingenieurwissenschaftlichen Bereich. Während andere wissenschaftliche Verlage ihre Produktion in der Inflationszeit 1918 bis 1923 um mindestens 60 % drosseln mussten, konnte der Springer-Verlag als einziger seine Produktion sogar noch ausweiten.28 Angesichts dieser expansiven Entwicklung erschien es nur folgerichtig, dass der auf vielen Gebieten führende wissenschaftliche Verlag der Weimarer Republik das Fachwissen seiner Autoren nicht nur in wissenschaftlichen Publikationen verbreiten, sondern auch in populärwissenschaftlichen Werken weiterverwerten und für ein breiteres Publikum zugänglich machen wollte. Der Verlag befasste sich jedoch nur in Einzelfällen mit populärwissenschaftlicher Literatur. Als erstes Sachbuch der Weimarer Zeit erschien 1920 im Verantwortungsbereich Julius Springers Die Relativitätstheorie Einsteins und ihre physikalischen Grundlagen. Gemeinverständlich dargestellt29 von Max Born. Damit machte sich der Verlag die seit 1919 einsetzende »Einsteineuphorie« zunutze. 30 Der Physiker Born (1882 – 1970) hatte an der Universität Göttingen gegen eine geringe Gebühr allgemeinverständliche Vorträge über Einsteins Theorie angeboten und da diese immer überfüllt waren, beschloss er – nicht zuletzt aus eigenem finanziellen Interesse – die Vorträge in Buchform zu veröffentlichen.31 Da man den Höhepunkt der Nachfrage nutzen wollte, erschien das Buch im September 1920 unter enormem Zeitdruck als 27 Vgl. den Artikel von Ute Schneider: Der wissenschaftliche Verlag, in Teilbd.1, S. 379 – 440, hier S. 394 – 396. 28 Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 243. 29 Max Born: Die Relativitätstheorie Einsteins und ihre physikalischen Grundlagen. Gemeinverständlich [ab 2. Auflage Elementar] dargestellt. Berlin: Springer 1920 (Nachauflagen: 1921, 1922, 1964, 1969, mehrfach nachgedruckt bis 1988). 30 Holl: Produktion und Distribution wissenschaftlicher Literatur, S. 70; vgl. Walter Wetzels: Relativitätstheorie gemeinverständlich: Techniken populärwissenschaftlicher Didaktik am Beispiel Albert Einsteins. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 10 (1980), S. 14 – 23. 31 Vgl. Holl: Produktion und Distribution wissenschaftlicher Literatur, S. 83.
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dritter Band einer Monografiensammlung zur Fachzeitschrift Die Naturwissenschaften. Deren Herausgeber, der Physiker Arnold Berliner (1862 – 1942), hatte es sich ursprünglich zur Aufgabe gemacht, dem Forscher außerhalb seines eigenen Fachgebiets einen Überblick über die Naturwissenschaften zu geben. Das Zielpublikum waren also Wissenschaftler, die sich mit einer Nachbardisziplin auseinandersetzen wollten.32 Die Produktion für nicht universitär vorgebildete Leser war Neuland für den Springer-Verlag. Das Buch erwies sich als sehr erfolgreich; wenige Monate nach seinem Erscheinen war es bereits vergriffen. Eine neue Auflage erschien im Sommer 1921, die dritte 1922. Parallel dazu gab es bereits Lizenzausgaben in französischer, englischer und italienischer Sprache.33 Trotz des Erfolgs unternahm Julius Springer erst nach der Inflation mit der Reihe »Verständliche Wissenschaft« einen Anlauf zur regelmäßigen Publikation populärwissenschaftlicher Werke, für die er den Zoologen und Springer-Autor Richard Goldschmidt (1878 – 1958) als Herausgeber gewinnen konnte. Goldschmidt hatte neben anerkannten wissenschaftlichen Erfolgen auch ein Talent dafür, komplizierte Sachverhalte verständlich darzustellen. 34 Ende Oktober 1927 erschien Karl von Frischs (1886 – 1982) Aus dem Leben der Bienen als erster Band der Reihe, dem folgten zwei Schriften Goldschmidts als Bände zwei und drei.35 1928 konnte nur ein Titel veröffentlicht werden. Aufgrund des Umfangs und der hohen Ausstattungskosten musste der Preis für 160 Seiten auf 4,80 RM statt der ursprünglich kalkulierten 4,50 RM erhöht werden. Bei der angesetzten 5.000er Auflage wurden damit gerade die Herstellungskosten gedeckt. Einen Verlagsgewinn hätte nur eine zweite Auflage bringen können, doch diese erreichten von den bis 1943 verlegten 48 Bänden nur vier.36 Problematisch für die Verbreitung von Sachbüchern war die besondere Vertriebsstruktur des Springer-Verlags. Die Erfordernisse der Distribution populärwissenschaftlicher Literatur standen dem allgemeinen Buchmarkt näher als dem wissenschaftlichen. Denn im Gegensatz zum allgemeinen war der wissenschaftliche Buchmarkt genau umrissen. Dadurch, dass Autoren und Leser sich in demselben wissenschaftlichen Netzwerk bewegten, waren persönliche Bindungen entscheidend. Die Verleger hatten oft engeren Kontakt zu den Lesern als zum Sortiment. Springer erreichte 40 % seines Umsatzes im Direktvertrieb.37 Da sich der Kundenkreis weitgehend in den Universitätsstädten sammelte, war für den Handel mit wissenschaftlichen Werken kein feinmaschiges Netz von Buchhandlungen notwendig. Springer z. B. wickelte zu dieser Zeit 90 % seines Umsatzes mit 319 Firmen ab, während Publikumsverlage in der Regel ein Vielfaches davon zu ihrem Abnehmerkreis zählten.38 Mit besseren Rabatten und Lieferbedingungen für die Sortimenter, die sich für Springer einsetzten, und
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Vgl. Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 192. Vgl. Sarkowski, S. 268. Vgl. Sarkowski, S. 189. Die Lehre der Vererbung und Einführung in die Wissenschaft vom Leben; vgl. Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 291. 36 1952 wurde die Reihe wieder aufgenommen, 1991 lag der 118. Band vor; vgl. Sarkowski: Der Springer-Verlag S. 290 – 293. 37 Vgl. Holl: Produktion und Distribution wissenschaftlicher Literatur, S. 41. 38 Vgl. Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 288 – 289.
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durch die Nutzung wissenschaftlicher Vereinigungen für zielgerichtete Werbung konnte Springer seinen Absatz im wissenschaftlichen Bereich effizient steuern.39 Wenn ein wissenschaftlicher Verlag ein Buch für den allgemeinen Markt produzieren wollte, hatte er, wie das Beispiel Springer zeigt, gravierende Schwierigkeiten zu überwinden: Der allgemeine Buchmarkt war für Springer relativ fremd, er hatte vorher nahezu keine Kontakte zum allgemeinen Publikum und er konnte nicht auf sein effizientes Werbe- und Verbreitungssystem zurückgreifen. Publikumsverlage hatten ihre Kunden nicht wie der wissenschaftliche Verlag in wenigen Städten gesammelt, sondern über den ganzen deutschsprachigen Raum verteilt.40 Der Verlag musste anders kalkulieren. Während er auf den wissenschaftlichen Buchhandel aufgrund seiner Marktstellung einen gewissen Einfluss ausüben konnte, existierten im allgemeinen Buchhandel andere Usancen. Hier waren die Buchhändler Rabatte von 40 – 50 % gewohnt, die auf dem wissenschaftlichen Markt nicht durchzuhalten gewesen wären.41 Außerdem war das allgemeine Publikum passiver als der wissenschaftliche Leser, was sein Engagement betraf, sich über Neuerscheinungen auf dem Laufenden zu halten. Publikumsverlage mussten daher viel stärker mit Werbung und Vertriebsförderung – z. B. durch Vertreter – arbeiten, um dieses Publikum auf sich aufmerksam zu machen.42 Dagegen war es für den einzelnen Wissenschaftler unerlässlich, der aktuellen Fachdiskussion zu folgen. Das Fachpublikum eines streng wissenschaftlichen Verlegers brachte folglich eine gewisse Erwartungshaltung und Eigeninitiative mit, sich regelmäßig über die aktuellen Publikationen zu informieren. Ein weiteres Problem ergab sich aus dem zusätzlichen Arbeitsaufwand, der im Verlag anfiel. Die allgemein verständliche Aufbereitung wissenschaftlicher Themen war eine anspruchsvolle Tätigkeit, die die intensive Mitarbeit eines Lektorats erforderte. Neben der didaktischen Aufbereitung der Inhalte standen auch die Anforderungen an Abbildungsquantität und -qualität, Format, Papier, Typografie und nicht zuletzt an die Titelgestaltung unter anderen Gesichtspunkten als bei einem wissenschaftlichen Werk.43 Denn im Gegensatz zum wissenschaftlichen Fachbuch, an dem in erster Linie der wissenschaftliche Erkenntnisgehalt interessiert44, musste das allgemeine Publikum erst zum Kauf eines Sachbuchs animiert werden, d. h. neben dem Inhalt mussten auch die Ausstattung und ein »griffiger« Titel einen Kaufanreiz bieten. Julius Springer versuchte dies zu berücksichtigen und plante für die Reihe »Verständliche Wissenschaft« ein kleineres, handlicheres Format als das der übrigen Springer-Titel, allerdings auf Kosten der 39 Vgl. Holl: Produktion und Distribution wissenschaftlicher Literatur, S. 41 u. 138. 40 Vgl. Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 289. 41 Daher kalkulierte Julius Springer 1927 für die Reihe »Verständliche Wissenschaft« ein niedrigeres Autorenhonorar ein, als sonst bei ihm üblich war, um dafür einen Sortimentsrabatt von mindestens 40 % zu ermöglichen. Vgl. Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 290. 42 Vgl. Sarkowski, S. 289. 43 Vgl. Sarkowski, S. 289. 44 Sicher gab es auch bei Fachbüchern hohe Anforderungen an die Qualität der Ausstattung, z. B. eine gewisse Robustheit und Langlebigkeit, da die Bücher vielfach im Lehrbetrieb eingesetzt wurden, doch war die bei Springer übliche Ausstattung zwar solide, aber standardisiert, zweckmäßig und in der Gestaltung reduziert auf das Wesentliche. Die Typografie folgte den für wissenschaftliche Werke der Zeit üblichen Modellen und war weitgehend einheitlich. Vgl. Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 307 – 309.
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Schriftgröße. Den durchaus relevanten Aspekt der Lesefreundlichkeit bei Sachbüchern vernachlässigte er damit. Der Verleger las nun auch die eingehenden Manuskripte, was er vorher selten getan hatte, er nahm zu jedem Manuskript Stellung, korrigierte – wenn nötig – den Schreibstil des Autors und achtete auf die für Wissenschaftler nebensächliche »Modernität« der Sprache. Heinz Sarkowski stellt heraus, dass sich in diesem Vorgehen das persönliche Interesse Julius Springers an der Herausgabe einer populärwissenschaftlichen Reihe spiegelte.45 Aber dessen ungewohnt weitgehende Eingriffe in die Werke zeigen auch, dass der Verleger fürchtete, in der Fachwelt seinen Ruf als renommierter Wissenschaftsverlag zu verlieren und dass der Balanceakt zwischen wissenschaftlichem Niveau und Gemeinverständlichkeit großen verlegerisch lenkenden Aufwand erforderte. Das offensichtlichste Problem war die Schwierigkeit der Wissenschaftler, für komplizierte Sachverhalte eine allgemein verständliche Form zu finden. Trotz intensiver Bemühungen des Verlegers und des Herausgebers konnten daher kaum »typische« Springer-Autoren zur Mitarbeit gewonnen werden.46 Sarkowski betont, dass sich in der Weimarer Republik nicht viele Wissenschaftler der zeitintensiven Herausforderung stellten, komplizierte Sachverhalte einem größeren Publikum zugänglich zu machen,47 und überhaupt Bedenken hatten, an Akzeptanz in der Fachwelt zu verlieren, wenn sie sich auf das Niveau einer breiteren Leserschaft stellten. Diese Problematik trat im Verlagsbereich der technischen Wissenschaften verstärkt auf, denn Ingenieure waren noch seltener zum Abfassen wissenschaftlicher Arbeiten zu bewegen als Naturwissenschaftler; und selten auch bedienten sie sich eines flüssigen, gut lesbaren Schreibstils. Unkenntnis oder Fehleinschätzung der Honorarmöglichkeiten hatten zusätzlich negativen Einfluss auf ihre Bereitschaft zur Veröffentlichung von Sachliteratur. Eine Ausnahme bildete der Diplomingenieur Eugen Nesper.48 Er bot dem Verlag im Februar 1923 ein gemeinverständliches Werk zur Radiotechnik an, das sich nach Angaben des Autors von den zahllosen bereits erschienenen Schriften durch seine »wissenschaftliche Zuverlässigkeit«49 unterschied. Der Autor konnte Ferdinand Springer sogar dazu überreden, am Ende des Buchs Fremdanzeigen von »Radiogesellschaften« zu platzieren, um durch die Einnahmen den Verkaufspreis niedrig zu halten; ein bis dahin im Springer-Verlag noch nicht geübtes Verfahren. Damit reagierte der Verlag auf die Werbeflächen in anderen Titeln zu diesem Thema. Bei Verlagen mit mehr Erfahrung im populärwissenschaftlichen Markt wie der Franckh’schen Verlagshandlung war diese Vorgangsweise bereits üblich. Im Konkurrenzprodukt zu Springers Werk, dem Prakti-
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Vgl. Sarkowski, S. 291. Vgl. Sarkowski, S. 292 f. Vgl. Sarkowski, S. 289. Nesper hatte seine erste Arbeit bereits 1905 mit mäßigem Erfolg bei Springer veröffentlicht. Das im Juni 1921 erschienene, aufwendig ausgestattete Handbuch der Drahtlosen Telegraphie und Telephonie von Eugen Nesper mit über 1.000 Seiten war bereits nach 18 Monaten in einer Auflage von 2.000 Exemplaren ausverkauft. Vgl. Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 300, 398, Anm. 60. 49 Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 300.
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schen Radioamateur,50 finden sich im Anhang 20 Fremdanzeigen von Rundfunkzubehör-Herstellern. Nespers gemeinverständliche Darstellung Der Radio-Amateur war anfangs ein großer Erfolg: Das Werk erschien am 10. August 1923 in einer Auflage von 3.000 Exemplaren rechtzeitig, bevor im Oktober der Berliner Radiosender im Vox-Haus in der Potsdamer Straße sein Programm aufnahm. Ende des Monats waren 1.600 Exemplare verkauft, eine 2. Auflage aus dem Dezember war im Januar 1924 vergriffen. Mit der dritten und der im Mai 1924 vergriffenen vierten Auflage waren 20.000 Exemplare innerhalb kürzester Zeit abgesetzt. Dies war für Springer absoluter Absatzrekord. Außerdem konnten allein durch die Anzeigenerlöse zwischen 40 – 50 % der Herstellungskosten gedeckt werden.51 Aber schnell machte sich Springers mangelhafte Ausstattung für den Sachbuchmarkt auch hier bemerkbar: Als die Konkurrenz innerhalb kürzester Zeit mit ähnlichen Publikationen nachzog,52 forderte Nesper nachdrücklich weitere Werbemaßnahmen sowie die Platzierung der parallel zum Buch erscheinenden Zeitschrift Der RadioAmateur im Straßenverkauf. Dem Aufwand war Springer nicht gewachsen; ab Mai 1924 ging der Verkauf des Radio-Amateur-Buchs zurück und wurde für den Verlag unrentabel.53 Lieferschwierigkeiten bei der sechsten Auflage und eine erneut notwendig gewordene Preiserhöhung ließen den Absatz gegen Null tendieren. Auch weitere Aktivitäten54 zur Veröffentlichung von Literatur für Radioamateure waren nicht erfolgreich, da durch die seit 1925 immer preisgünstiger und perfekter werdenden serienmäßig hergestellten Radios die »Bastlerwelle« allmählich abebbte. In der Tat bedurfte es zur Veröffentlichung populärwissenschaftlicher Bücher neben eingehendem Fachwissen auch eines hohen Aufwands und didaktischer Fähigkeiten, um ein heterogenes Massenpublikum zu erreichen. Dieses konnten Verlage wie der Springer Verlag, deren Werbestrategien und Absatzmethoden traditionell auf gut überschaubare Abnehmerkreise gerichtet waren, nicht leisten. Genau genommen ist Springer nur bei aktuellen Themen, an denen sowieso großes Interesse herrschte, erfolgreich in den Markt für Sachliteratur eingestiegen, nämlich bei der Relativitätstheorie und bei der Radiotechnik. Außerdem kamen die Anreize eher von außen, von engagierten und
50 Hanns Günther [W. de Haas] und Franz Fuchs: Der praktische Radioamateur. Das ABC des Radiosports zum praktischen Gebrauch für Jedermann. 56. – 75. Tsd. Stuttgart: Franckh’sche Verlagshandlung 1924 (Wege zur Praxis). 51 Ebenfalls unter der Regie von Nesper erschien parallel zum Buch eine Zeitschrift mit dem gleichen Titel, die im Januar 1924 bereits 10.000 Abonnenten hatte. Vgl. Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 301. 52 Kurz hintereinander veröffentlichten Ullstein, Scherl, die Franckh’sche Verlagshandlung und die Deutsche Verlags-Anstalt Rundfunkbücher, die einander in Ausstattung und Preisgünstigkeit überboten. Vgl. Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 301. 53 Die fünfte Auflage kostete nur noch 8 statt 11 Mark, der Autor erhielt inzwischen 12,5 % Honorar, die Wiederverkaufsrabatte lagen bei 40 % und der Werbeetat war außerordentlich hoch. Vgl. Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 302. 54 1925 gründete Nesper die Bibliothek des Radio-Amateurs, die es in kürzester Zeit auf 32 Hefte brachte. Der anfangs gute Vertrieb erfolgte auch über Radiogeschäfte, wo man die Bastler am ehesten erreichte. 1927 wurde die Bibliothek an die Weidmann’sche Buchhandlung verkauft. Vgl. Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 303.
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schreibbegabten Autoren wie Max Born und Eugen Nesper, welche die Anforderungen an ein Buch für den Massenbedarf deutlicher sahen als ihre Verleger.55 Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, dass wissenschaftliche Autoren mit einem populärwissenschaftlichen Manuskript nicht zu einem Wissenschaftsverlag gingen, sondern die Veröffentlichung in einem Publikumsverlag vorzogen. Wie erfolgreich diese Strategie war, zeigte sich z. B. bei Karl von Frischs Du und das Leben. Eine moderne Biologie für Jedermann, die ab 1936 bei Ullstein in schließlich mehreren hunderttausend Exemplaren verkauft wurde56, während sein bereits erwähntes Buch Aus dem Leben der Bienen bei Springer nur mäßigen Erfolg hatte.
Die Franckh’sche Verlagshandlung Schon seit längerem erfolgreich auf dem Markt für Sachbuch- und Ratgeberliteratur tätig war die Franckh’sche Verlagshandlung in Stuttgart. Diese Erfolgsgeschichte hatte bereits 1904 mit der Gründung der Buchgemeinschaft Kosmos. Gesellschaft der Naturfreunde57 eingesetzt. Deren populärwissenschaftliches Sachbuchprogramm wurde in der Weimarer Republik sehr erfolgreich weitergeführt und ausgebaut. Mit der Buchgemeinschaft hatte der Verlag Anfang des 20. Jahrhunderts auf den »Nachholbedarf in naturwissenschaftlicher Allgemeinbildung«58 reagiert. Das Konzept des Abonnements des Kosmos. Handweiser für Naturfreunde,59 einer in Preis und Inhalt für jedermann zugänglichen, populärwissenschaftlichen Zeitschrift, in Verbindung mit weiteren Vergünstigungen und »gemeinschaftsstiftenden Veranstaltungen«,60 erwies sich als so erfolgreich61, dass der Verlag in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts seinen Schwerpunkt von schöngeistiger Literatur und enzyklopädischen Wissenschaften auf die populären Wissenschaften, Jugendschriften, Tierbücher und Reisewerke verlagerte.62 Damals entstand auch der Gedanke von Buchbeigaben. Erst wurden mit der Zeitschrift fünf, später vier Kosmos-Bändchen63 jährlich ausgeliefert, an denen führende Naturwissenschaftler und Forscher mitgearbeitet hatten. In der Weimarer Republik 55 Nesper hatte auch schon versucht, Springer zur Verlegung der Hirschwald’schen Buchhandlung Unter den Linden auf die andere Seite zu überreden, da dort die bessere Laufseite sei. Dieses kundenorientierte Denken war Springer fremd. Vgl. Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 301. 56 Vgl. Sarkowski, S. 288. 57 Vgl. Jäger: Sachbuch- und Ratgeberverlage, S. 509. 58 Vgl. Jäger, S. 509. 59 Vgl. 50 Jahre Kosmos, S. 49; vgl. auch Martin Kersting: Kosmosbändchen. In: Aus dem Antiquariat (2000) H. 8, S. A 503 – A 509. 60 Jäger: Sachbuch- und Ratgeberverlage, S. 511. 61 Das erfolgreiche Konzept wurde auch auf andere Themenkomplexe übertragen. So etwa wurde 1905 der Verein der Geschichtsfreunde mit der Zeitschrift Der Geschichtsfreund und eigener Buchgemeinschaft gegründet. In der Folge entstanden weitere Zeitschriften zur Geschichte, Natur und Erziehung. Vgl. 50 Jahre Kosmos 1953, S. 55. 62 Vgl. Franck’sche Verlagshandlung Stuttgart, S. 23. 63 Da das Firmenarchiv im Zweiten Weltkrieg weitgehend vernichtet wurde, lässt sich heute nur noch feststellen, dass zwischen 1907 und 1957 3.088 verschiedene Werke erschienen, eine Schätzung über die genaue Anzahl der Exemplare ist nicht möglich. Vgl. Franck’sche Verlagshandlung Stuttgart, S. 34.
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verfügte die Gemeinschaft über 200.000 Mitglieder.64 Nach dem Ersten Weltkrieg ergänzte eine eigene Lehrmittelabteilung die Literatur durch Kosmos-Baukästen, Lernspielzeuge und -arbeitskästen zu den verschiedensten Themen sowie durch weitere preisgünstige Forschungsmittel wie Sternkarten, Globen, Fernrohre, Mikroskope usw. Neben den Kosmos-Bändchen erschien im Verlag eine Reihe weiterer »volkstümlich« geschriebener, naturwissenschaftlicher Handbücher und Monografien, die zum Teil auch in der Fachwelt als Standardwerke akzeptiert wurden.65 Nachdem sich bereits einzelne Themengebiete mit zunehmender Bedeutung von der Kosmos-Reihe abgespalten und verselbständigt hatten, wurden in der Weimarer Republik vor allem die Radiotechnik, die Automobil- und Motorentechnik und die Fotografie zu den maßgeblichen Themen der populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen. Der Titel Photographieren leicht gemacht! Für Anfänger66 beispielsweise erreichte 1930 seine 145. Auflage. Vielfach lag die Startauflage der Titel des Verlags bei 5.000 Exemplaren.67 Selbst wenn man nur eine Anzahl von 1.000 Exemplaren pro Folgeauflage annimmt, ergibt sich ein beeindruckender Verkaufserfolg. Neben der 1924 gegründeten Zeitschrift Radio für Alle entwickelte sich die Monografie Der praktische Radioamateur68 zu einem Standardwerk für interessierte Laien.69 Im Oktober 1923 wurden die ersten 10.000 Stück des Buchs abgesetzt, im März 1924 waren 55.000 Exemplare vergriffen.70 1925 wurde das Buch in den Wöchentlichen Verzeichnissen mit dem Zusatz »76. – 85. Tausend« angezeigt.71 Insgesamt erschienen 1925 in der Franckh’schen Verlagshandlung allein 24 Titel zur Radiotechnik. Parallel zum populärwissenschaftlichen Sachbuch kam ab 1926 auch Ratgeberliteratur zur Haushaltsführung heraus.72 Gemeinsam mit den praktischen Ratgebern zu Haustieren und zur Pflanzenzucht und -pflege wurde damit ein breites Spektrum häuslicher Aktivitäten abgedeckt. Auch diese Titel erwiesen sich als außerordentlich erfolgreich: Erna Meyers Der neue Haushalt. Ein Wegweiser zu wirtschaftlicher Hausführung erschien 1930 bereits in 38. Auflage73 und Hilde Zimmermanns Haus und Hausrat. Ihre Entstehung, Bewertung und Erhaltung. Ein Leitfaden für hauswirtschaftliche Schulen und Hausfrauen im selben Jahr in 22. Auflage.74 Wie sehr sich der Verlag darüber hinaus »am Puls der Zeit« orientierte, zeigt ein weiterer Programmschwerpunkt, der auf den ersten Blick nicht ins thematische Spektrum des Verlags passte: die Sportliteratur.75 Ab 64 Vgl. 50 Jahre Kosmos, S. 50. 65 Vgl. 50 Jahre Kosmos, S. 53 f. 66 A. Stühler und K. Wagner: Photographieren leicht gemacht! Für Anfänger. 145. Auflage. Stuttgart: Franckh 1930. 67 In den Wöchentlichen Verzeichnissen ist den Auflagenangaben vielfach der Zusatz »1. – 5. Tausend«, »6. – 10. Tausend« usw. beigefügt. 68 Günther, Fuchs: Der praktische Radioamateur. 69 Vgl. 50 Jahre Kosmos 1953, S. 53. 70 Vgl. Günther, Fuchs: Der praktische Radioamateur, S. 5. 71 Zitiert nach den Wöchentlichen Verzeichnissen 1925, S. 1114. 72 Vgl. 50 Jahre Kosmos, S. 54. 73 Nach den Wöchentlichen Verzeichnissen, 1930, S. 396. 74 Nach den Wöchentlichen Verzeichnissen, 1930, S. 26; vgl. dazu auch Ulrike Baureithel: Die geistige Selbstbehauptung der Hausfrau. Haushaltsratgeber und die Rationalisierung des Privaten in der Weimarer Republik. In: Non Fiktion 2 (2007) 1, S. 20 – 33. 75 Vgl. 50 Jahre Kosmos, S. 54.
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1919 dehnte sich die Franckh’sche Verlagshandlung durch Kauf, Gründung von Tochterverlagen und Beteiligungen weiter aus. 1922 startete die Tochterfirma Dieck & Co. mit den Schwerpunkten Sport, Technik, Geschichte, Länder- und Völkerkunde.76 Von den 284 Sportbüchern in den Wöchentlichen Verzeichnissen des Jahres 1925 stammen allein 94 Publikationen aus dem Dieck-Verlag.77 Die Themenvielfalt der Franckh’schen Verlagshandlung belegt, dass hinter dem Programm das Konzept stand, möglichst viele Lebensbereiche des Publikums mit Ratgebern und Sachbüchern abzudecken. Dabei orientierte sich der Verlag an den zeitaktuellen Bedürfnissen seiner Leser und suchte darauf aufbauend »lohnende« Themen; im Kaiserreich war das vorwiegend die populäre Vermittlung wissenschaftlicher Sachverhalte, in der Weimarer Republik vor allem Technik und Sport.78 Dass der Verlag mit dieser Strategie ein Massenpublikum erreichte, beweisen die Auflagenzahlen. Die hohen Auflagen der populärwissenschaftlichen Titel zur Tier- und Pflanzenwelt, zur Astronomie, zum Menschen in seiner Umwelt, zur Heimatkunde und zur Umwelt79 zeigen aber auch, dass viele der in der Kaiserzeit populären Themen auch dem Geschmack des gewandelten Lesepublikums der Weimarer Republik entsprachen. Die bürgerlichen Präferenzen für Sachliteraturthemen übertrugen sich folglich auf die »neuen« Leser. Daher ist es wahrscheinlich, dass die meisten Kunden dieses Verlags aus dem »neuen Mittelstand« kamen. Doch darauf beschränkte sich die Franckh’sche Verlagshandlung nicht. Sie verfolgte die großen kulturellen und gesellschaftlichen Bewegungen der Zeit wie Sport und Radiotechnik und erkannte den Erklärungs- und Vertiefungsbedarf, der daraus entstand. Um den praktischen Nutzen und die Anwendbarkeit des vermittelten Wissens zu erhöhen, erstellte der Verlag die Sachliteratur begleitende Lehrmaterialien. Dadurch wurde der vermittelte Sachverhalt noch anschaulicher, Buch und Arbeitsmaterial beförderten einander wechselseitig in ihren Absatzmöglichkeiten.
Ullstein AG Einen völlig anderen Zugang zur Sachliteratur hatte die Ullstein AG in Berlin, da ihr originäres Arbeitsumfeld nicht der Buchmarkt, sondern der Markt für Tagespresse, Wochenillustrierte und Zeitschriften war. Das Unternehmen hatte sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg zu einem gewaltigen Pressekonzern entwickelt, der sehr erfolgreich Tages- und Wochenzeitungen im ganzen Reichsgebiet verbreitete.80 1927, zum fünfzigjährigen Jubi76 Vgl. ebd., S. 66. 77 Inkl. Neuauflagen. Dazu kamen noch zahlreiche Anschauungsbilder, die aufgrund ihrer geringen Seitenzahl nicht zu den Büchern gezählt wurden. 78 Vgl. zum 19. Jahrhundert: Andreas W. Daum: Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit 1848 – 1914. München: Oldenbourg 1998. 79 Z. B. Francé, Raoul H.: Das Liebesleben der Pflanzen. 30. Auflage. Stuttgart: Franckh 1930.; Meyer, Max W.: Kometen und Meteore. 28. Auflage. Stuttgart: Franckh 1925; Teichmann, Ernst: Vom Leben und vom Tode. Ein Kapitel aus der Lebenskunde. 24. Auflage. Stuttgart: Franckh 1925 (Auflagenzahlen sämtlich nach den Wöchentlichen Verzeichnissen). 80 Mit der B. Z. am Mittag brachte der Verlag 1904 das erste deutsche Boulevardblatt heraus, 1911 erschien z. B. die Berliner Illustrirte Zeitung in einer Auflage von einer Mio. Exemplaren. Vgl. Das Verlagshaus Ullstein & Co., S. 648.
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läum, konnte der Konzern das damals größte und modernste Druck- und Verlagsgebäude Europas einweihen. Mit 12.000 Angestellten und einem Aktienwert von 60 Millionen RM stand das Unternehmen auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung.81 Im 1903 gegründeten Ullstein Buchverlag war anfangs ausschließlich Sachliteratur erschienen, erst 1910 wurden auch belletristische Titel in das Programm aufgenommen.82 Dieser Verlag war also bereits als Ratgeber- und Sachbuch-Verlag entstanden, während sowohl der Springer-Verlag als auch die Franckh’sche Verlagshandlung erst wissenschaftliche bzw. belletristische Buchtitel publiziert und ihr Programm dann um die Sachliteratur erweitert hatten. Die Motive für die Gründung des Buchverlags waren kommerzieller Natur. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht schien es sinnvoll, die in den hauseigenen Periodika erscheinenden Fortsetzungsromane, populärwissenschaftlichen Artikelserien und diversen Ratgeber-Rubriken in Buchform weiterzuverwerten und vorhandene Produktions-, Distributions- und Werbekapazitäten noch besser auszulasten.83 Die Buchproduktion bei Ullstein spielte daher innerhalb des Hauses eine Rolle nur im Rahmen der Verwertungskette. In jedem Fall musste sie einen Bezug zu den Periodika des Verlags aufweisen, war also in erster Linie auf den Interessentenkreis der Zeitungsleser ausgerichtet. Gleichzeitig nobilitierte die Dauerhaftigkeit des Buchs die für die Tages- und Wochenpresse entstandenen Texte. Autoren und Publikum gleichermaßen gelangten durch das Buch in die Nähe der legitimen Kultur. Der wohl wichtigste Unterschied zu den bisher vorgestellten Verlagen war ein im Vergleich zu den reinen Buchverlagen »entspanntes« Verhältnis der Ullstein AG zum Buch als »Ware«. Der Charakter des Buchs als Kulturgut und -träger, von dem die meist bürgerlichen Verleger und Buchhändler ihr berufliches Selbstverständnis ableiteten, blieb in der Ullstein AG außen vor. Ein Anhaltspunkt für diesen in den Augen der meisten Buchverleger »respektlosen« Umgang mit dem Buch ist die Tatsache, dass mit Otto Krüger ein Vertriebsleiter eingestellt wurde, der vorher als Verkaufsleiter für Maggi-Suppen tätig gewesen war.84 Daneben war auch der Umgang mit den im Buchverlag eher seltenen hohen Auflagen für den Pressekonzern weniger ungewöhnlich, da selbst die späteren 100.000er Auflagen der Ullstein-Reihen verglichen mit den Auflagenzahlen der hauseigenen Zeitungen85 relativ klein erschienen. Ullstein veröffentlichte den größten Teil seiner Buchpublikationen in Reihen. Diese Idee war nicht neu, bereits 1910 hatten »mehrere hundert erfolgreiche Reihen auf dem deutschen Buchmarkt, populärwissenschaftlicher wie literarischer Art«, existiert.86 Statt für einen Einzeltitel wurde immer für die ganze Reihe geworben, was zu einer erheblichen Kostenersparnis führte; nicht das einzelne Buch, sondern die Reihe wurde zum »Markenartikel«. Die Bände der Ullstein-Reihen waren einheitlich ausgestattet, so dass 81 Vgl. Davidis: Bertolt Brecht und der Ullstein Verlag, S. B148. Zu den Ursprüngen der Sachbuchproduktion bei Ullstein vgl. auch Oels: Von Eulen und Enten. 82 Schneider: Die »Romanabteilung« im Ullstein Konzern der 20er und 30er Jahre, S. 97; vgl. auch dies.: Der Buchverlag in der perfektionierten Verwertungskette. In: 125 Jahre Ullstein, S. 46 – 53; vgl. den Beitrag Füssel: Belletristische Verlage, in diesem Band, S. 57 – 65. 83 Vgl. Davidis: Bertolt Brecht und der Ullstein Verlag, S. B148. 84 Vgl. Ullstein: Aus Ullsteins großer Zeit, S. 141. 85 Pro Jahr erschienen 350 Mio. Exemplare Zeitungen und 115 Mio. Exemplare Zeitschriften. Vgl. Schneider: Die »Romanabteilung« im Ullstein Konzern der 20er und 30er Jahre, S. 93. 86 Schneider, S. 97.
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die Rüstzeiten der Druckmaschinen und damit die Produktionskosten auf ein Minimum reduziert werden konnten. Nur bei Auslastung der Druckkapazitäten und der Verteilung der fixen Herstellungskosten auf eine möglichst große Zahl gleich ausgestatteter Titel konnten die günstigen Verkaufspreise, die das Hauptcharakteristikum der UllsteinReihen waren, realisiert werden. Die einheitliche Ausstattung erhöhte nicht nur den Wiedererkennungseffekt beim Kunden und veranlasste ihn zum regelmäßigen Kauf von Reihen-Titeln87, sondern war auch mit erheblichen Kostenvorteilen verbunden. Bereits vor der Gründung des Buchverlags war »Ullstein’s Sammlung praktischer Hausbücher« erschienen, die Themen aus den hauseigenen Zeitungen und Zeitschriften aufgriff und deren Inhalte vertiefte. Die preiswerten Bände behandelten in allgemeinverständlicher Weise vor allem Rechtsfragen, daneben aber auch Wirtschafts- und Finanzfragen, Berufswahl, Elektrizität, Fotografie, Haustier- und Pflanzenzucht, ebenso Kinderund Schönheitspflege. Durch die hauseigenen Zeitschriften für Hausfrauen und das gehobene weibliche Publikum der städtischen Gesellschaft (Die Dame88) war ein enger Bezug zur Haushaltsratgeber-Literatur entstanden. Für Das Blatt der Hausfrau unterhielt der Verlag eine eigene Moden-Abteilung mit 50 Schneiderinnen.89 Ein großer Erfolg wurde die Einführung von Standardschnittmustern in den Stoffabteilungen der Kaufhäuser. Denn erst die Schnittmuster machten den Kauf von Stoffen attraktiv für die Kundinnen. Mit mehreren Reihen bediente der Verlag im Folgenden auch den Bedarf an Ratgeberliteratur für (Haus-)Frauen: Von den Handarbeits- und Schneiderbüchern erschienen bis 1922 vier Titel. Ab 1923 erschienen die Ullstein-Schneiderbücher, die sich auch durch ihre einheitliche Titelwahl (Wie schneidere ich …?, Wie lerne ich …?, Wie nähe ich…?) als Marke herausbilden konnten, und die Ullstein-Handarbeitsbücher (Das Häkeln, Das Stricken, Kreuzstichstrickerei, Filet- und Tüllarbeiten u. a.) als separate Reihen. Ab 1924 veröffentlichte Ullstein sehr erfolgreich die Sprachführer »1000 Worte …«, u. a. für die englische, spanische, französische und italienische Sprache. Zuerst erschienen die einzelnen Folgen im Format einer halben Zeitung und wurden über den Zeitschriftenhandel vertrieben, bevor sie im Schuber in den regulären Buchhandel kamen. Ab 1925 versuchte der Verlag, sich mit den »Stadion-Büchern« im Bereich der Sportratgeber zu etablieren.90 Die erschienenen fünf Bände behandelten die Themen Paddeln, Radfahren, Schwimmen, Fußball und Boxen,91 Sportarten, die zu den beliebtesten in der Weimarer Republik gehörten. Trotzdem wurde die Reihe, die sich sowohl an Laien als auch an Fachleute wandte, schnell wieder eingestellt. Die Ansprüche der beiden Zielgruppen waren offensichtlich doch zu verschieden.92 87 Vgl. Schneider, S. 97. 88 Der Mode- und Hausfrauenverlag wurde 1905 mit dem Aufkauf der Zeitschrift Dies Blatt gehört der Hausfrau begründet, zu der bald weitere »Frauenzeitschriften« kamen. 1911 wurde der Lipperheidische Modenverlag mit der Modenwelt, und der Illustrirten Frauenzeitung übernommen, woraus sich später das sehr erfolgreiche Blatt Die Dame entwickelte. Vgl. Das Verlagshaus Ullstein & Co, S. 650. 89 Vgl. Ullstein: Aus Ullsteins großer Zeit, S. 134 – 136. 90 In seinen Periodika beschäftigte sich der Verlag schon früh mit diesen später so populär werdenden Sachthemen. Die B. Z. am Mittag war 1904 die erste deutsche Tageszeitung mit einem umfangreichen Sportteil. Vgl. Das Verlagshaus Ullstein & Co, S. 650. 91 Zitiert nach den Wöchentlichen Verzeichnissen 1925, S. 1393 – 1394. 92 Vgl. Oels: Von Eulen und Enten.
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Abb. 1: Das Erfolgsprinzip der Ullstein-Sprachführer bestand in der humorvollen Aufbereitung der Inhalte – und im Vertrieb über den Zeitschriftenhandel. Seit 1920 erschienen im Ullstein Buchverlag diverse populärwissenschaftliche Werke, die keine Reihenzugehörigkeit aufwiesen, z. B. Albert Neuburgers Erfinder und Erfindungen (23.–29. Tsd. 1921), Artur Fürst Das Weltreich der Technik (1923–1927), Max Dessoirs Geschichte der Philosophie (1925) oder Roald Amundsens Nordpol (1925). Besonders Fürsts monumentales, in vier reichbebilderten Foliobänden erschienenes Werk dürfte sich (drei der Bände erschienen 1923) der Hausse der Sachwerte während der Inflation verdanken. Eine Reihe außer der Reihe bildeten – hausintern und in den Verlagsvorschauen – die Bücher Bruno H. Bürgels (1875–1948), eines Mitarbeiters am Feuilleton der Berliner Morgenpost. Bürgels »volkstümliche Himmelskunde« Aus fernen Welten (1910) erreichte eine Auflage von über 150.000 und in den zwanziger Jahren publizierte er neben seiner überaus erfolgreichen Autobiografie Vom Arbeiter zum Astronomen (1919, 157.–161. Tausend 1952) diverse Bücher, die zwischen Wissensvermittlung und Erbauungslektüre changierten und in der Regel gute bis sehr gute Auflagen erreichten.93 Eine erste rein populärwissenschaftliche Reihe bildeten die 1924 ins Leben gerufenen »Wege zum Wissen«. Stellvertretend sollen an ihrem Beispiel die Sachbuchreihen des Ullstein Verlags näher vorgestellt werden. Ein Verlagsprospekt benennt die Intentionen der Reihe: Diese neue Sammlung will weitesten Kreisen alles Wissenswerte und Interessante in gemeinverständlicher Form zugänglich machen. Sie bringt von anerkannten Gelehrten verfasste Einzeldarstellungen aus Naturwissenschaft, Technik, Erd- und Völkerkunde, Literatur, Kunst und Philosophie. – Gutes weißes Papier und sauberer Druck sind die besonderen Vorzüge der farbigen Bände im Taschenformat. Der wohlfeile Preis erleichtert jedem geistig Interessierten die Anschaffung.94 93 Vgl. Georg Eichinger: Der Kosmos so groß und der Mensch – ach – so klein. Bruno H. Bürgels volkstümliche Himmelskunde Aus fernen Welten. In: Non Fiktion 1 (2006) 1, S. 23 – 32. 94 Der Preis betrug 85 Pf., die Ausstattung in Halbleinen 1,35 M. Vgl. Oels: Von Eulen und Enten.
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Dieses Zitat enthält die wesentlichen Merkmale einer Ullstein-Sachbuchreihe: eine möglichst breite Zielgruppe, renommierte Autoren, eine gute Ausstattungsqualität und den günstigen Preis. Die Probleme, die ein zu weit gefasstes Zielpublikum mit sich brachte, wurden bereits am Beispiel der »Stadion-Bücher« deutlich. Auch die Gewährleistung der drei anderen Vorgaben erforderte großen Bearbeitungsaufwand im Lektorat. Die Autoren der »Wege zum Wissen« waren meist Universitätsdozenten. Sie erhielten konkrete Umfangsvorgaben, 50 bis 75.000 Silben, und wurden vertraglich verpflichtet, ihre Werke allgemeinverständlich zu gestalten, nach 1925 hieß es stets: »ganz allgemeinverständlich«. In dem Autorenvertrag mit Professor Dr. Siegfried Marck (1889 – 1957), seit 1924 als Professor für Philosophie und Soziologie an der Universität Breslau, ist von »Vorverhandlungen«95 die Rede, durch die das Lektorat wohl versuchte, dem Problem entgegenzuwirken, das in der Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern häufig auftrat: der mangelnden Gemeinverständlichkeit. Aus der auf den Vertrag folgenden Korrespondenz geht hervor, dass das Manuskript von Professor Marck aus diesen Gründen schließlich abgelehnt wurde. Die vergleichsweise gute Ausstattung zu einem geringen Preis konnte kostendeckend nur erreicht werden durch eine hohe Auflage und eine größtmögliche Reduzierung der Satzkosten, z. B. durch eine sparsame Illustrierung. Hier sicherte sich der Verlag das alleinige Entscheidungsrecht. Unter §7 desselben Vertrags heißt es: »Eine etwaige Illustrierung des Buches erfolgt durch den Verlag, jedoch macht der Herr Verfasser das ihm bekannte Illustrationsmaterial dem Verlage namhaft, bzw. stellt es dem Verlage zur Verfügung.«96 Die Dominanz der Kostenminimierung bei der Planung der Reihe ging sogar so weit, dass die Autoren dem Verlag die Erlaubnis erteilen mussten, ihre Werke ohne Rücksprache zu kürzen, um sie den Reihen- und Produktionserfordernissen anzupassen. Im Verlagsvertrag zwischen Dr. Bertold Schidlof und der Ullstein AG über die Sprachbriefe, die später als Reihe »1000 Worte …« erschienen, heißt es dazu: Herr Dr. Schidlof stellt der Firma Ullstein A.-G. die oben genannten Sprachbriefe, an denen er das alleinige Urheber- und Verlagsrecht besitzt, mit allen Rechten zur alleinigen Ausnutzung zur Verfügung. Der Verlag ist berechtigt, dieses Material nach seinem Belieben zu verwerten, es abzuändern, zu erweitern oder zu verkürzen. […] Die Tätigkeit von Herrn Dr. Schidlof wird in einer vom Verlag zu wählenden Form nach aussen hin kenntlich gemacht.97 In ähnlicher Form galt die Vorgabe auch für die Reihe »Wege zum Wissen«. Der Versuch, den Verkaufserfolg einer Reihe über die formale Angleichung der einzelnen Reihentitel zu erreichen, gelang zumindest in diesem Fall nicht: Mit annähernd 100 Titeln98 hatte die Reihe zwar einen großen Anteil an den Neuerscheinungen 95 Verlagsvertrag zwischen Professor Dr. Marck/Breslau und der Ullstein Verlags AG/Berlin über das Werk Einführung in die Philosophie. Berlin, den 24. November 1926. Berlin, Ullstein [Archiv], ohne Zugangsnummer). 96 Ebd. 97 Verlagsvertrag zwischen Dr. Bertold Schidlof und der Ullstein AG, 12. Februar 1923. Berlin, Ullstein [Archiv], ohne Zugangsnummer. 98 Brief Felizitas Bender an die Rechtsabteilung (Hoheisel) vom 28. Oktober 1966. Berlin, Ullstein [Archiv], ohne Zugangsnummer.
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des Verlags zwischen 1924 und 1928, aber die Auflagenhöhen gingen in diesem Zeitraum stark zurück. Erschienen die ersten Titel 1924 noch in einer Auflage von 16.000 bis 22.000 Exemplaren, so erreichten die letzten im Jahr der Einstellung nur noch 5.000 – eine Zahl, die bedeutend unterhalb der Deckungsauflage gelegen haben dürfte.99 Renommierprojekte des Verlags, die ebenfalls kaum ihre Kosten gedeckt haben dürften, aber immerhin auf der symbolischen Seite zu Buche schlugen, waren die Propyläen Kunstgeschichte (1923 – 1944, in 16 Bänden und sieben Ergänzungsbänden) und die Propyläen Weltgeschichte (1929 – 1933, in zehn Bänden). Der Propyläen Verlag war 1919 als Imprint gegründet worden und galt hausintern als feine »Weinabteilung«, während man bei Ullstein selbst bodenständig Bier braute. Die Kunst- und die Weltgeschichte bildeten auf angemessenem wissenschaftlichen Niveau und vor allem in sehr guter und teurer Ausstattung Kompendien, die durch die hohe Auflage und den langen Atem, den die Sicherung durch ein Großunternehmen zuließ, trotzdem erschwinglich für größere Teile des »Neuen Mittelstands« seien sollten. Im Falle der Kunstgeschichte mag das auch ökonomisch einigermaßen gelungen sein, die Weltgeschichte jedoch hat nach der »Machtübernahme« der Nazis um- und neugeschrieben werden müssen.100 Die Autoren für die Sachbücher rekrutierte der Verlag vielfach aus den Reihen der eigenen Mitarbeiter.101 Auch die Redaktion der Sachbuch- und Ratgeberreihen übernahmen meist im Hause beschäftigte Redakteure, für die Reihe »1000 Worte …« z. B. Ernst Wallenberg (1878 – 1948), Chefredakteur der Auslandsausgabe der Vossischen Zeitung und der B.Z. am Mittag.102 Die meisten der »Stadion-Bücher« schrieb der Sportchef der Vossischen Zeitung, Willy Meisl, und für die Reihe »Wege zum Wissen« war zunächst der Cheflektor der sogenannten »Romanabteilung« Paul Wiegler, später Adolf Heilborn, Feuilleton-Redakteur der Morgenpost, verantwortlich.103 Dieses Vorgehen hatte den Vorteil, dass die Autoren sowohl einen unterhaltenden als auch einen sachlich-präzisen Schreibstil mitbrachten, der auf das Verständnisniveau des avisierten Massenpublikums abgestellt war. Da sie sich das zu behandelnde Thema erst aneignen mussten, waren sie dem Leser zudem näher als die Wissenschaftler; es fand quasi eine Vermittlung vom Laien für den Laien statt, die Sprache war nicht »wissenschaftlich codiert«. Für den entschieden profitorientierten Ullstein-Verlag hatte dies außerdem den Vorteil, dass die Ausnutzung schriftstellerischen Potenzials im eigenen Unternehmen Zeit und Kosten für die Suche externer Autoren sparte. Das galt ganz besonders für eine Reihe, die am Ende der Weimarer Republik ihren Anfang nahm, zur Reihe und zu einem der ganz großen und nachhaltigen Erfolge des Verlags aber erst im »Dritten Reich« und den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik werden sollte: die als »Du und …«Reihe bekannt gewordene »Unterhaltsame Wissenschaft«. Denn erst hier verband sich das Reihenkonzept mit einer guten Ausstattung, die nicht nur Wert und Dauerhaftigkeit signalisierte, sondern der auflockernden Unterhaltung diente. Statt schematischer wissenschaftlicher Abbildungen finden sich, teilweise farbige, Cartoons, bunte Klappkarten und Grafiken dienen eher der Illustration als dazu, einen bestimmten Sachverhalt zu 99 100 101 102 103
Vgl. Oels: Von Eulen und Enten. Vgl. Schwab-Felisch: Bücher bei Ullstein, S. 186 – 207. Vgl. 50 Jahre Ullstein 1887 – 1927, S. 65. Vgl. Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 10, S. 310. Vgl. Oels: Von Eulen und Enten.
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veranschaulichen, und der Schutzumschlag zweier Bände ließ sich sogar zu einer Karte entfalten. Vor allem aber war die Vermittlungshaltung nicht mehr wissenschaftlichbelehrend, sondern journalistisch-reportierend. Bezeichnend hierfür schon der Titel des ersten Bands der Reihe: Du und die Erde. Eine moderne Geographie für Jedermann (1932) von Henrik Willem van Loon.104 Waren die ersten Bände noch Übersetzungen aus dem Amerikanischen und schrieben auch einige namhafte Gelehrte für die Reihe – wie schon erwähnt etwa Karl von Frisch –, steuerten die meisten Bände die im Hause beschäftigten Redakteure und Journalisten bei – Walter Kiaulehn, Eduard Rhein, Paul Karlson oder Wolfgang Goetz.105 Ein weiterer Vorteil für die Kostenkalkulation war, dass die Sachbuch-Autoren bei weitem nicht so gut bezahlt waren wie die Autoren der Fortsetzungsromane in den großen Zeitungen. Ute Schneider belegt für die Romanautoren bei Ullstein – natürlich abhängig vom Bekanntheitsgrad der Autoren – Spitzenhonorare bis zu 45.000 RM. Diese Summe erhielt z. B. Heinrich Mann 1930 für einen noch zu schreibenden Fortsetzungsroman.106 Aus zahlreichen Vertragsunterlagen des Hauses Ullstein geht hervor, dass die Autoren der Reihe »Wege zum Wissen« in der Regel eine Pauschalzahlung von 1.000,- bis 1.500,- RM erhielten und damit sämtliche Rechte an dem Buch für alle Auflagen und Ausgaben an den Verlag abtraten. Dies entspricht eher der Summe, die Mitarbeiter des Hauses für die Überarbeitung der belletristischen Manuskripte und Anpassung an die Vorabdruck-Vorgaben der Zeitungen erhielten.107 Die Ullstein-Redakteure, die für die Reihe schrieben, erhielten das gleiche Honorar.108 Allerdings gab es auch hier Ausnahmen. Als besonders erfolgreicher populärwissenschaftlicher Autor erhielt Bruno H. Bürgel für den Band Weltall und Weltgefühl (1925) 10.000 Mark – allerdings war dies ein Ganzleinenband im Umfang von 343 Seiten.109 Die thematische Auswahl im Ratgeberbereich zeigte große Ähnlichkeit mit dem Angebot der Franckh’schen Verlagshandlung und erstreckte sich von Handarbeitsanleitungen über Sportratgeber bis zu naturwissenschaftlichen Themen. Die übereinstimmende Themenwahl deutet bereits darauf hin, dass diese Bereiche in der Weimarer Republik eine große Popularität genossen. Noch stärker als bei den Romanen110 stand also bei den Sachbüchern das Gespür für populäre Strömungen und aktuelle Themen im Vordergrund. Wie der Springer Verlag nutzte Ullstein für seine Sachbuchreihen die Kompetenzen, die im Haus bereits vorhanden waren. Allerdings beruhte hier die Kompetenz nicht auf dem Fachwissen der Autoren, sondern auf der Nähe der journalistischen Schreibweise zu dem für Sachliteratur notwendigen Schreibstil. Es hat den An104 Vgl. zum Titel: Stephan Porombka: Wie man ein (verdammt gutes) Sachbuch schreibt. In: Non Fiktion 1 (2006) 1, S. 61 – 82, hier S. 79. 105 Vgl. Ebd. 106 Der Roman ist nie erschienen. Heinrich Mann erhielt aber eine Anzahlung von 15.000 Mark. Vgl. Schneider: Die »Romanabteilung« im Ullstein Konzern der 20er und 30er Jahre, S. 109. 107 Als »vertraglich freier Mitarbeiter« erhielt Wolfgang Weyrauch vierteljährlich einen Betrag von 1.200 Mark. Vgl. Schneider: Die »Romanabteilung« im Ullstein Konzern der 20er und 30er Jahre, S. 109. 108 Vgl. Brief an Dr. Monty Jacobs, 3.7.1924. Berlin, Ullstein [Archiv], ohne Zugangsnummer. 109 Vgl. dazu die Vertragsvereinbarung mit Bürgel, Berlin, den 29.10.1925. Berlin, Ullstein [Archiv], ohne Zugangsnummer. 110 Vgl. Schneider: Die »Romanabteilung« im Ullstein Konzern der 20er und 30er Jahre, S. 105 f.
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schein, als seien ebenso wie die inhaltlich-thematischen Substanzen auch die Talente der Mitarbeiter »zweitverwertet« worden.
Der Rowohlt Verlag Nicht nur Wissenschaftsverlage und Großunternehmen publizierten während der Weimarer Republik verstärkt Sachbücher, auch ein »Kulturverlag« wie der 1908 gegründete Rowohlt Verlag,111 der zunächst vor allem bibliophile Ausgaben hochliterarischer Preziosen vertrieben hatte, orientierte sein Programm zunehmend an den als Wachstumsmarkt wahrgenommenen Bereichen jenseits der Belletristik. »Cashcow-TatsachenLiteratur« heißt es in der zum hundertjährigen Jubiläum 2008 erschienenen VerlagsChronik.112 In der Tat lassen sich die Bestseller des Rowohlt Verlags in den zwanziger Jahren zumeist der nicht-fiktionalen Literatur zuzurechnen. Nach den großen Erfolgen der Lebenserinnerungen des bekannten Arztes Carl Ludwig Schleich (Besonnte Vergangenheit 1920, Auflage bis 1943 500.000 Exemplare, 1961 eine Million) und der Memoiren des Operntenors Leo Slezak (Meine sämtlichen Werke 1922, Auflage bis 1943 160 000) wurde die Verbindung mit einem weiteren Autor geradezu schicksalhaft für den Verlag: Emil Ludwig, einem der populärsten Schriftsteller der Weimarer Republik überhaupt. Ludwigs beispielloser Aufstieg begann 1925 mit der historischen Biografie Wilhelm der Zweite (1927 erschien das 151. – 200. Tausend) und setzte sich über fünf Jahre mit immer neuen Biografien und historischen Darstellungen fort. Im In- und Ausland verkauften Ludwig und seine Verleger bis 1930 zwei Millionen Bücher. »Als er im Frühjahr 1928 für eine Lesereise in die USA kam, wurde ihm als führendem Repräsentanten des ›neuen Deutschland‹ ein triumphaler Empfang bereitet. Allein sein ›Napoleon‹ verkaufte sich dort bis 1931 über 500.000mal.«113 Ludwig verstand seine dezidiert anti-akademischen historischen Biografien als »Bastard gezeugt aus Historie und Dichtung« und belegt damit die Popularität von Mischformen zwischen Sachbuch und Belletristik während der Weimarer Republik. Als die zünftigen, meist deutschnationalen Historiker gegen Ludwig und andere Vertreter des Genres zu Felde zogen, lautete der Vorwurf denn auch »historische Belletristik«.114 Ob die Angriffe der Historiker schuld, ob der mittlerweile von verschiedenen Biografisten bediente Markt gesättigt, ob die Wirtschaftskrise verantwortlich war, lässt sich nicht mehr klar bestimmen, jedenfalls brachen um 1930 die Umsätze mit Ludwigs Büchern ein. Für den Rowohlt Verlag war das eine Katastrophe. »Bereits 1926 wurde fast die Hälfte des Gesamtumsatzes, nämlich 600 000 RM, mit Ludwig-Büchern erzielt.« Der Verlag »zahlte dem erfolgsverwöhnten Autor bald horrende Honorare. Mit 20 Prozent auf den Ladenpreis erhielt dieser das Doppelte des sonst üblichen Satzes, hinzu kam eine ›Tantiemen-Garantie‹ […] für 20 000 Exemplare«. Doch trotz eines »bislang beispiellosen Reklamefeldzugs« 111 Vgl. Füssel: Belletristische Verlage, in diesem Band, S. 28 –37. 112 Hermann Gieselbusch u. a.: 100 Jahre Rowohlt. Eine illustrierte Chronik. Reinbek 2008, S. 40 – 45. 113 Sebastian Ullrich: »Der Fesselndste unter den Biographen ist heute nicht der Historiker«. Emil Ludwig und seine historischen Biographien. In: Geschichte für Leser. Populäre Geschichtsschreibung in Deutschland im 20. Jahrhundert. Hrsg. von Wolfgang Hardtwig und Erhard Schütz. Stuttgart: Steiner 2005, S. 35 – 56, hier S. 36. 114 Ebd., S. 36, 45.
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und »Volksausgaben« von Ludwigs Napoleon zum Preis von 3,85 RM ließen sich die Verkäufe nicht wieder steigern.115 – Im Sommer 1931 war der Rowohlt Verlag bankrott. Rowohlt hatte Ludwig wie einen belletristischen Starautor bezahlen müssen und damit eine neue Entwicklung augenscheinlich gemacht: waren Sachbücher und ihre Marktchancen bislang im Allgemeinen an ein bestimmtes Thema: Radiotechnik, Relativitätstheorie oder Haushalt gebunden und der Autor daher mehr oder weniger austauschbar, galt bei Ludwigs Biografien das Gegenteil. Nach dem ersten Erfolg war Ludwig eine Marke, die man als Versprechen gleichbleibend attraktiver Produkte kaufte. Diese Bedeutung des Autors schlug sich auch in seinem Preis nieder. Trotz des letztlichen Misserfolgs mit den Büchern Ludwigs bekannte sich Rowohlt, nachdem sein Verlag mit Unterstützung der Familie Ullstein gerettet worden war, weiterhin zur »politisch-dokumentarische[n] Richtung« seines Verlags und zur »TatsachenLiteratur«. Neben den neusachlichen Reportage-Romanen Erik Regers, diversen Büchern Kurt Tucholskys und Hans Falladas verlegte er in der Spätphase der Weimarer Republik leidlich erfolgreich politische Broschüren verschiedenster Couleur sowie wirtschaftspolitische und weltanschauliche Sachbücher.116
Sachbücher von links – Der Malik Verlag Mit einem emphatischen Bekenntnis zum »Tempo des modernen Lebens« und der daraus folgenden notwendigen Veränderungen der Literatur, die die »Zusammenhanglosigkeit zwischen Wirklichkeit und Geistesleben« beheben sollte, hatte Wieland Herzfelde seinen Malik Verlag 1917 gegründet.117 Vergleichsweise vorsichtig konstatierte Herzfelde, dass die Literatur sich »von der absoluten Dichtung, vom L’art-pour-l’art-Standpunkte« löste und schließlich im »Journalismus, also in ihrer praktischen Verwendung für die Anforderungen des Tages enden« werde.118 Herzfeldes engste Mitarbeiter, sein Bruder John Heartfield und sein Freund George Grosz, begrüßten 1920 in der verlagseigenen Zeitschrift Der Gegner sogar »mit Freude, daß die Kugeln in Galerien und Paläste, in die Meisterbilder der Rubens sausen, statt in die Häuser der Armen in den Armenvierteln!« Die bürgerliche Kunst und Kultur, die »bösartigsten Dichterphrasen«, hätten bislang als »Beruhigungspillen«, als »ethisches Gleichgewicht« gedient, »dessen man bedurfte im Kampf für Raub, Unterdrückung und rücksichtslose Ausbeutung des anderen bis aufs Hemd«.119 Die traditionelle (Kunst-)Literatur geriet damit pauschal unter Ideologieverdacht. Dagegen suchte der Malik Verlag mit einigen aufklärerischen politischen Buchreihen, wie der »Kleinen revolutionären Bibliothek« (1920 – 1922, zwölf Bände), die »das Wissen um den Klassenkampf […] bereichern« sollte, »Unten und Oben« (1922/23, zwei Bände), »Wissenschaft und Gesellschaft« (1923/24, vier Bände) und der 1924 gestarteten »Malik Bücherei« (bis 1926, 20 Bände) anzugehen.120 Hinzu kamen sehr populäre 115 Vgl. Gieselbusch: 100 Jahre Rowohlt, S. 32, 44 f. 116 Vgl. dazu: David Oels: Rowohlts Rotationsroutine. 117 Wieland Herzfelde: Ein Verlagsprogramm. In: Der Malik-Verlag 1916 –1947. Chronik eines Verlages, S. 50 f. und Füssel: Belletristische Verlage, in diesem Band, S. 42 –45. 118 Wieland Herzfelde, S. 50 f. 119 George Grosz und John Heartfield: Der Kunstlump. In: Der Malik-Verlag, S. 41 f. 120 Vgl. Stucki-Volz: Der Malik-Verlag, S. 65 – 68.
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und kontroverse Dokumentationen zur politischen Justiz der Weimarer Republik von Emil Julius Gumbel (Vier Jahre politischer Mord, 1922, 13.–18. Tausend).121 Besonders erfolgreich war allerdings avantgardistische und engagierte Literatur, die sich dem Sachbuch von der Literatur her annäherte. Upton Sinclair, einer der meist verkauften Autoren des Verlags überhaupt (Petroleum, 1927, 125.000, Boston, 1929, 90.000, Der Sumpf, 1923, 80.000, Hundert Prozent, 1921, und Jimmie Higgins, 1924, je 50.000 Exemplare), formulierte in einem Manifest, was mehr oder weniger auch für andere Autoren des Verlags galt: »Kunst ist die Wiedergabe des Lebens, begrenzt durch die Persönlichkeit des Künstlers. Sie bezweckt die Veränderung anderer Persönlichkeiten, erweckt in ihnen eine Veränderung der Gefühle, der Überzeugungen und des Handelns.« Jede Kunst sei notwendig »Propaganda«, deren Wert »durch die Erfahrung der Menschheit bestimmt werde[…]«.122 Um den Anspruch auf »Wiedergabe des Lebens« umzusetzen und gleichzeitig zu belegen, dass die betriebene Propaganda zeitgemäß und menschheitlich berechtigt sei, betonte Sinclair wie etwa auch Ilja Ehrenburg oder Theodor Plievier die Tatsächlichkeit des von ihm Dargestellten. Ernst Ottwalt bat im Vorwort seines Justizromans Denn sie wissen, was sie tun (1931, 7.–10. Tausend 1932) die Leser, sich bei Zweifeln »an dem dokumentarischen Charakter dieser oder jener Darstellung« über den Verlag an ihn zu wenden. »Alle derartigen Anfragen werden beantwortet durch Offenlegung des Tatsachenmaterials, auf das sich die fraglichen Stellen stützen.«123 Diese betonte Sachlichkeit diente jedoch nicht nur dem »agitatorischen« Zweck jener Literatur, sondern war, was oft übersehen wird, eine Konzession an den marktgängigen Zeitgeschmack. Den Brief eines Staatsanwalts, der sich nach den näheren Umständen eines von Ottwalt erwähnten Falls erkundigte, nebst Antwort des Autors verwendete der Verlag in seiner Werbung. Ebenso hatten Kulturverlage wie Rowohlt oder Großunternehmen wie Ullstein stets mit der Tatsächlichkeit und Zuverlässigkeit der feilgebotenen Bücher geworben.124 Schließlich wendeten sich auch bürgerliche Verlage, die keineswegs von vornherein die politischen Ambitionen des Malik-Verlags teilten, erfolgreich ganz ähnlichen Autoren und Büchern zu. Der Erich-Reiss-Verlag etwa, vom Namensgeber 1908 mit der Aussicht auf das väterliche Erbe gegründet und kaufmännisch stets nur mäßig effektiv geleitet, verlegte ab 1920 die Bücher des »rasenden Reporters« Egon Erwin Kisch, und der bekannte Avantgarde-Verlag Die Schmiede, der 1924 den ersten Generalvertrag über die Werke Kafkas abgeschlossen hatte, startete als Rettungsversuch für das hochverschuldete Unternehmen 1927 die Reihe »Berichte aus der Wirklichkeit«, für die wiederum Kisch sowie der bekannte Journalist Leo Lania, Joseph Roth oder Hans Siemsen Bände beisteuerten.125 Die wechselweise Annäherung von Literatur, Journalismus und 121 Vgl. Stucki-Volz, S. 72 – 75. 122 Upton Sinclair: Wem gehört der Künstler? In: Der Malik-Verlag, S. 101 f. Vgl. Stucki-Volz: Der Malik-Verlag, S. 78 f. 123 Ernst Ottwalt: Denn sie wissen, was sie tun. Ein deutscher Justizroman. Berlin 1977, S. 7. 124 In: Der Malik-Verlag, S. 160. 125 Vgl. dazu Hans Adolf Halbey: Der Erich-Reiss-Verlag 1908-1936. Frankfurt a. M.: Buchhändler-Vereinigung 1981; Matthias Uecker: Leitbild Reporter. Egon Erwin Kischs Medienstrategien. In: Berlin – Wien – Prag. Moderne, Minderheiten und Migration in der Zwischenkriegszeit. Hrsg. von Susanne Marten-Finnis und Matthias Uecker. Frankfurt a. M. u. a.: Lang 2001, S. 143 – 157; Hermann/Schmitz: Der Verlag Die Schmiede 1921 – 1929.
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Populärwissenschaft im Bereich des Sachbuchs, die auch Verlage mit ergriff, die sich nicht wie Ullstein als Zeitungsverlage verstanden, lässt sich als wesentliche Entwicklung der zwanziger und dreißiger Jahre bestimmen. Auch die Preispolitik und die Ausstattung sowie die daraus folgenden Auflagenkalkulationen erwiesen sich als zukunftsweisend, obgleich sie zunächst nur den Notwendigkeiten eines engagierten sozialistischen Verlags geschuldet waren. In der bekannten Diskussion mit Ernst Rowohlt und Kurt Tucholsky 1928 in der Weltbühne, »Ist das deutsche Buch zu teuer?«, forderte Herzfelde, einen möglichst niedrigen Ladenpreis für politisch, gesellschaftlich oder kulturell wünschenswerte Literatur.126 Besonders für seinen Verlag war der niedrige Preis eine Überlebensfrage, weil das avisierte Publikum seiner Bücher, der Idee nach vor allem Arbeiter, nur wenig zahlungskräftig war. Tatsächlich waren die im Malik-Verlag erschienenen Bücher »im Durchschnitt bis zu dreissig Prozent billiger […] als diejenigen seiner Verlagskollegen.«127 Da Herzfelde gleichzeitig ein Mindesteinkommen für die Autoren vorschlug, und zudem schon in den zwanziger Jahren sich vertraglich verpflichtete »an die gesamte in Frage kommende Presse Rezensionsexemplare zu verbreiten, gleichfalls an die Rundfunkrezensenten etc.«, war der einzige Weg eine Erhöhung der Auflagen und damit die Orientierung am Massenmarkt.128 Dass diese Strategie zunächst aufging, dürfte nicht zuletzt an der trotz der niedrigen Preise annehmbaren Ausstattung gelegen haben, die zudem bei vielen Titeln variabel war: vom holzhaltigen Papier in Broschur bis zum Ganzleder- oder Halbpergamenteinband.129 Ein Glücksfall war für Malik zweifellos die Mitarbeit von Heartfield und Grosz, deren oft mit Fotomontagen arbeitenden Buchumschläge in den zwanziger Jahren zum kopierten Vorbild wurden. Tucholsky glossierte in der Weltbühne: »Wenn ich nicht Peter Panter wäre, möchte ich Buchumschlag im Malik-Verlag sein. Dieser John Heartfield ist wirklich ein kleines Weltwunder. Was fällt ihm alles ein! Was macht er für bezaubernde Dinge. […] Da sich die deutschen Bücher noch nicht wie die französischen zu einem einheitlichen Gewande aufgeschwungen haben, muß gesagt werden: bei Maliks werden sie am besten angezogen.«130 Erst Anfang der dreißiger Jahre »begann der Umsatz rasch zu sinken«. Neben der politischen Polarisierung in Deutschland und der Arbeitslosigkeit in Folge der Weltwirtschaftskrise war dafür auch die sich ändernde Preisstruktur im Buchhandel verantwortlich, die der Malik Verlag teilweise vorweg genommen hatte. Wieland Herzfelde erinnert sich: »Billige Reihen hatte es schon immer gegeben. Neu war, daß Erstauflagen von berühmten wie auch Erstlingswerke von Unbekannten zu diesen ›Schleuderpreisen‹ auf den Markt kamen. Die beispielhaft niedrigen Preise für unsere Bücher wurden auf einmal zu hohen.«131 Auch flächendeckende Preissenkungen und »Propagandaausgaben« zu 3,75 RM konnten daran nichts ändern.132 126 Die Diskussion ist vollständig dokumentiert in: Der Malik-Verlag, S. 114 – 119. 127 Stucki-Volz: Der Malik-Verlag, S. 129; Vgl. Frank Hermann: Der Malik-Verlag als »Wirtschaftsunternehmen«. In: Marginalien (1988) H. 112, S. 1 – 26. 128 Vgl. Stucki-Volz: Der Malik-Verlag, S. 125. 129 Vgl. Stucki-Volz, S. 131. 130 Kurt Tucholsky: Auf dem Nachttisch. In: ders.: Gesammelte Werke. Bd. 10: 1932. Hrsg. von Mary Gerold-Tucholsky und Fritz J. Raddatz. Reinbek1975, S. 24 – 29, hier S. 24. 131 Wieland Herzfelde: Über den Malik-Verlag, S. 42. 132 Vgl. Stucki-Volz: Der Malik-Verlag, S. 133.
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Der Langenscheidt Verlag Die Firma Langenscheidt behauptete sich in der Weimarer Republik als führender Produzent von praxisgerechten Wörterbüchern für den privaten und den beruflichen Bereich, für die Ausbildung und die Weiterbildung. Carl Gustav Felix Langenscheidt, der jüngste Sohn des Verlagsgründers Gustav Langenscheidt, hatte im Alter von 25 Jahren am 1. November 1895 von seinem Vater das bereits gut eingeführte Geschäft übernommen und die Zielgruppe von den Philologen hin zu den Kaufleuten und den Reisenden ausgeweitet. 1903 gab er das höchst erfolgreiche Taschenwörterbuch für Englisch und Französisch, Altgriechisch, Latein und Spanisch heraus. Innovativ zeigte sich der Verlag nicht nur in Typografie und Gestaltung, sondern auch im Umgang mit der neuen Audio-Technik. Bereits 1905 nahm er Grammophonplatten ins Programm auf, in den zwanziger Jahren arbeitete er an deren Weiterentwicklung. Ebenfalls passte er in den schnelllebigen zwanziger Jahren seine 36 Unterrichtsbriefe an das neue Lesepublikum an und reduzierte sie deutlich auf einen verkürzten, zehnteiligen Sprachkurs: Der kleine Toussaint-Langenscheidt erschien zuerst für Englisch, dann für Französisch. Als der vorgesehene Erbe 1924 bei einem Motorradunfall ums Leben kam, verwandelte Carl Langenscheidt die Firma in eine GmbH und ernannte Verlagsleiter Franz Dudzik und Hauptbuchhalter Reinhold Thieme zu weiteren Geschäftsführern.133 Als dauerhaft erfolgreich erwies sich die Kooperation des Verlags mit der Deutschen Grammophon, die bereits 1904 als Partner gewonnen worden war und mit der die »Phonotoula-Buchplatten« herausgegeben wurden. In einem Werbeprospekt von 1928 wurde der didaktische Wert der Platten betont: Schreiben, lesen und sprechen können unsere Schüler besser als alle andern, jetzt wollen wir ihnen noch das Hören beibringen, wir wollen sie an den Sprachton gewöhnen, damit sie die fremdsprachliche Rede ohne weiteres verstehen, sobald sie den Fuß ins fremde Land setzen. Denn dem Lernenden, der noch niemals einen anderen Menschen außer sich selbst in der fremden Sprache hat sprechen hören, wird das Verstehen der fremden Wörter in der ersten Zeit Schwierigkeiten bereiten. Und diese Schwierigkeiten vollständig aus der Welt zu schaffen, ist der Hauptzweck unserer mit fremdem Text versehenen Platten. Im Weiteren wird der Vorteil gegenüber dem Rundfunk angesprochen: Gegenüber dem Anhören der fremdsprachlichen Reden durch Rundfunk hat die Wiedergabe mittels Sprechmaschine zunächst den großen Vorzug, dass alle Störungen, wie sie der heute noch unvollkommene Rundfunk in reichlichem Maße aufweist, in Wegfall kommen. Dann braucht sich der Hörer bei der Sprechmaschine an keine bestimmte Stunde des Tages zu binden, er kann sich die Texte, wenn er sie, wie es gewöhnlich der Fall ist, beim ersten Anhören nicht vollständig verstanden hat, vorsprechen lassen, wann und so oft er will.134 Der Verlag ging so weit, die Sprechplatten gegenüber einem persönlichen Lehrer zu bevorzugen, der gegebenenfalls »dialektische Eigentümlichkeiten oder persönliche Un133 Zur Verlagsgeschichte vgl. Ebert: 150 Jahre Langenscheidt, hier S. 46 – 49. 134 Zit. nach Ebert: 150 Jahre Langenscheidt, S. 85.
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arten« habe, wogegen auf der Sprechplatte »die dialektfreie und durch phonetische Studien geschulte Aussprache eines gebildeten Ausländers« zu hören sei. Solche Platten lagen in den zwanziger Jahren für Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch und Spanisch vor, durchaus zum hohen Preis von 5 Mark, wobei ein Französischkurs 14 Platten umfasste. Langenscheidt bot parallel dazu sogar Grammophone in verschiedenen Größen und Preislagen an.135 Für die angestrebte Verwendung in der Freizeit modernisierte der Verlag das Erscheinungsbild seiner Bücher, bei den Sprachkursen wurden zeittypisch immer mehr Illustrationen zur Auflockerung der Textseiten eingesetzt, in die Unterrichtsbriefe Der kleine Toussaint-Langenscheidt wurden Stahlstiche landestypischer Szenen aufgenommen. In den Lektüretexten verwendete der Verlag bereits unterhaltsame, manchmal humoristische Darstellungen. Der Verlag warb in seinen Katalogen mit dem Hinweis, dass er besonders haltbares Papier verwende, das selbst nach jahrzehntelangem Gebrauch nicht vergilbe. 1929 wurden Dünndruckausgaben im Börsenblatt angezeigt, die »biegsam in Ganzleder gebunden« waren und als eine Luxusvariante 9,00 Mark kosteten, im Unterschied zum Ganzleinenband von 7,50 Mark. Die Grenzen zum Fachbuch waren fließend: Den veränderten Ausbildungsverhältnissen entsprang die 1924 gegründete Reihe »Langenscheidts Handbücher der Handelskorrespondenz« und die Zunahme vom kaufmännischen Schriftwechsel mit ausländischen Firmen die Reihe »Langenscheidts Handelswörterbuch«, von dem 1926 der Band Französisch und 1930 der Band Englisch erschien. Diese Wörterbücher ergänzten die Briefsteller, die in verschiedenen Sprachen in das Programm aufgenommen wurden. Zur »Auffrischung und Erweiterung vorhandener Sprachkenntnisse« erschienen die ersten Bändchen Langenscheidts fremdsprachliche Lektüre. Sie enthielten fremdsprachliche Originaltexte aus Tageszeitungen und aus Zeitschriften, die mit Erläuterungen zum sprachlichen Verständnis versehen waren. 1930 kam die populäre Reihe Langenscheidts Miniaturwörterbücher in den Handel im Format 3,5 x 5,0 cm, die Platz in jeder Westentasche und im kleinsten Handtäschchen finden sollte, sicher auch in so manchem Schulranzen. Die Ausrichtung auf ein Handelspublikum wurde 1932 durch die Einrichtung der Reihe Langenscheidts Musterbriefe in Englisch, Französisch und Spanisch belebt. Der Langenscheidt Verlag verstand es, auf der einen Seite für Schule und Ausbildung, für Industrie, Handel und Gewerbe zur Verfügung zu stehen, andererseits auch durch die pädagogisch zum Selbststudium geeignete Unterrichts-Briefserie und die humorvoll und unterhaltend aufgemachten Selbstlern-Programme mit Sprechplatten ein interessiertes, breites Publikum in der Weimarer Republik zu erreichen.
Das Sachbuch in den Buchgemeinschaften Die Buchgemeinschaften der Weimarer Republik136 richteten sich an ein gut bestimmbares Zielpublikum, das sie sowohl in der Arbeiterschaft als auch in bürgerlichen Schichten, konkret auch in politisch-weltanschaulich und christlich-konfessionell ausgerichteten Gruppen fanden. Hervorstechendes Merkmal war das Angebot solide ausge135 Vgl. Ebert, S. 85. 136 Vgl. den Beitrag von Urban van Melis in diesem Band, S. 553 – 588. Ferner van Melis: Die Buchgemeinschaften in der Weimarer Republik.
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statteter Bücher zu einem deutlich günstigeren Preis als im Sortiment. Buchgemeinschaften kamen dem Bedürfnis nach preiswerter Unterhaltungslektüre entgegen, aber auch dem Bedürfnis nach Bildung und Wissen, besonders im Bereich der Gründungen, die – wie die Büchergilde Gutenberg oder Der Bücherkreis – dem Umkreis der Arbeiterbewegung entstammten. Die Büchergilde Gutenberg wurde am 24. August 1924 durch den Bildungsverband der deutschen Buchdrucker gegründet.137 Sie war eine genossenschaftliche Vereinigung, die keinen Gewinn anstrebte. Da sie sich direkt an die Druckergewerkschaft anlehnte, konnte sie rasch ihre Mitgliederzahlen bis 1928 auf 45.000 erhöhen, die pro Jahr 125.000 Bücher abnahmen.138 Die Büchergilde brachte bis 1933 174 Bücher heraus, die in 2,5 Millionen Exemplaren an zuletzt 85.000 Mitglieder versandt wurden. Im Vordergrund der Produktion der zwanziger Jahre standen zeitgenössische erzählende Werke »junger aufstrebender Dichter«.139 Wie die Bibliografie in der Festschrift zum 30-jährigen Bestehen zeigt, gehörten aber bereits seit dem zweiten Jahr auch Sachbücher dazu, vor allen Dingen Reiseliteratur und Titel zu populärwissenschaftlich aufbereiteten Themen wie Naturwunder, Tiere, Geschichte, Physik, Sport, Kunst, Tanz und Künstlerprofile. Von 168 zwischen 1925 und 1932 erschienenen Titeln sind 32 zu den Sachbüchern zu zählen. Die Deutsche Buch-Gemeinschaft (DBG) wurde ebenso wie die Büchergilde Gutenberg im April 1924 gegründet.140 1929 hatte die DBG 500.000 Mitglieder, darunter etwa 100.000 im Ausland, und lieferte pro Jahr etwa 14 Millionen Bücher aus. Im Rahmen eines professionellen Werbekonzeptes wurden in den dreißiger Jahren bereits Sonderprodukte wie Schallplatten, Plattenspieler und Radioapparate zu günstigen Preisen und mit besonderen Zahlungskonditionen angeboten, daneben aber auch verbilligte Eintrittskarten für Kino, Theater und Konzerte, ja sogar Urlaubsreisen.141 Im Sachbuchangebot finden sich Bücher zu Themen wie »Das Leben der Tiere«, »Volk und Staat«, Reisen und Kunstgeschichte.
Kaufhausbuchhandel – Die Schwabachersche Verlagsbuchhandlung Eine weitere Facette des Sachbuchmarktes in der Weimarer Zeit repräsentiert der Warenhausbuchhandel.142 Hierbei handelte es sich zwar in erster Linie um eine Form des verbreitenden Buchhandels, aber eine Reihe von Warenhäusern, z. B. Wertheim, verfügte auch über eigene Verlage,143 die streng ausgerichtet am Bedarf der Warenhäuser Bücher 137 138 139 140
Vgl. Bücher voll guten Geistes, S. 11. Vgl. ebd. S. 30. Dressler: Werden und Wirken der Büchergilde Gutenberg, S. 48. Die Vorläufer der Buch-Gemeinschaft waren die Deutschnationale Hausbücherei und der Volksverband der Bücherfreunde, der 1924 bereits 300.000 Mitglieder zählte. Vgl. 50 Jahre Deutsche Buch-Gemeinschaft 1924 – 1974, S. 9 f. 141 Die DBG wurde dadurch zu einer der wichtigsten Organisationen für den Verkauf von Theaterkarten und zu einer der Hauptstützen der deutschen Bühnen. 142 Vgl. hierzu den Beitrag von Christine Haug in diesem Band, S. 491 – 514. 143 Diese Verlagsgründungen wurden aus der Sicht der Warenhäuser notwendig, als sich der Börsenverein der deutschen Buchhändler zu Leipzig durch Boykotte gegen die von den Kaufhäusern vielfach praktizierte Umgehung der Buchpreisbindung wehrte. Den ersten eigenen Verlag, die Globus-Verlag G.m.b.H,. gründete die A. Wertheim G.m.b.H. 1898. Die
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produzierten.144 Während die Warenhäuser anfangs meist nur Bilder- und Jugendbücher führten, bauten sie dieses Handelssegment Anfang des 20. Jahrhunderts aus und kauften bei den Verlagen in großen Auflagen alle Arten von Literatur, die sie als Billigexemplare aus dem modernen Antiquariat oder zum Vorzugspreis erhielten. Durch Extrarabatte konnten sie 15 – 20 % unter dem Buchhändlernettopreis bleiben.145 Obwohl in jedem der insgesamt sechs Wertheim-Verlage der Weimarer Republik Sachbücher erschienen, weisen die Titel, die Rudi Klotzbach als typisch für die Schwabachersche Verlagsbuchhandlung anführt, diese als reinen »Sachbuch-Verlag« aus.146 Der Verlag berief sich auf seine »Volkstümlichkeit«, die sich in inhaltlicher sowie preislicher Gestaltung der Werke zeigte. Wie groß die Akzeptanz dieser vornehmlich juristischen Sachbücher und ihres Verlags beim Publikum war, spiegelt sich in den Auflagenzahlen und den Absatzwegen. In den ersten vier Monaten nach Erscheinen ihres für Laien gedachten Bürgerlichen Gesetzbuchs (1932) setzte die Schwabachersche Verlagsbuchhandlung 70.000 Exemplare des Werks ab, wobei allerdings nur 5.000 – 6.000 über den Warenhaus-Buchhandel und der Rest über den regulären Sortimentsbuchhandel verkauft wurde.147 D.h. die Sachliteratur dieses Verlags fand auch über die Kaufhäuser hinaus den Weg zu den Käufern. Sie war daher aus der Kundenperspektive der Produktion der renommierten Verlage gleichwertig. Während populärwissenschaftliche Sachbücher in den Warenhäusern wohl nur geführt wurden, wenn sie besonders preiswert von den Verlagen erworben werden konnten, stellten Ratgeber, ähnlich wie beim Ullstein-Verlag, für die Kaufhäuser eine sinnvolle Ergänzung der Angebotspalette dar.148 Bei Ullstein resultierte die Produktion von Ratgeberliteratur aus der Erfahrung, dass Rubriken oder Berichte zu aktuellen Themen der Tagespresse und Zeitschriften sich gesammelt in Buchform verkaufen oder durch vertiefende Anleitungen ergänzen ließen. Der Verkauf von Ratgebern in Warenhäusern lag dagegen nahe, weil sie einen inhaltlichen Bezug zu den dort erhältlichen Waren des täglichen Bedarfs hatten, diese erläuterten oder sogar Kaufanreize für bestimmte Waren boten. So etwa ergänzten sich der Kauf einer Saftpresse und eines Ratgebers über Fruchtsaftbereitung hervorragend, zumal beides bequem an einem Ort erhältlich war. Hätte der Kunde zwei verschiedene Geschäfte aufsuchen müssen, hätte er auf den Ratgeber wohl verzichtet. Genauso ergänzten Kochbücher das Angebot an Küchengeräten
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Gründungs- bzw. Kaufdaten der anderen Wertheim-Verlage gibt Rudi Klotzbach leider nicht an. Vgl. Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 84. Daneben handelten diese Verlage aber auch immer in großem Umfang mit Restauflagen und modernem Antiquariat anderer Verlage. Vgl. Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 85. Klotzbach führt für das Jahr 1932 insgesamt 98 deutsche Kaufhausbuchhandlungen (14 in Berlin) und 7 Warenhaus-Verlage (ausschließlich in Berlin) an. (Anhang, S. 1 – 4).. Vgl. Grünert: Die Professionalisierung des Buchhandels im Kaiserreich, S. 293. Anstand bei Tisch, Deutsches Sportlexikon sowie als Hauptwerk 1932 die 10-bändige »volkstümliche« Reihe Deutsches Recht. Vgl. Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 86. Vgl. Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 86. Zu besonderen Anlässen – z. B. Weihnachten – wurden wohl schon bald nach dem Entstehen der Warenhäuser Mitte des 19. Jahrhunderts Bilder-, Jugend- und die zu den Ratgebern zählenden Kochbücher verkauft. Vgl. Stöckle: Der Buchabsatz im Warenhaus, S. 14.
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und -möbeln, und das Auslegen von Kleidungs-Schnittmustern in den Stoffabteilungen der Kaufhäuser animierte zum Kauf von Stoffen. Den größten Teil der Bücher der Buchabteilungen in Kaufhäusern machten gangbare Titel der Schönen Literatur und künstlerische Werke im mittleren, meist sogar unteren Preissegment aus, aber immerhin bis zu 6 % des Gesamtumsatzes der Buchabteilungen entfiel auf populärwissenschaftliche Werke »aller Wissensgebiete, die in billigen Angeboten, Restauflagen usw. von der Laufkundschaft gern genommen wurden.«149 Das an Sachbüchern und Ratgebern interessierte Publikum der Weimarer Republik umfasste vornehmlich die Personenkreise mit geringerer Bildung und wenig Einkommen, aber vielseitigen »modernen« Interessen, in erster Linie die Angestellten. Trotz oder gerade wegen ihrer rein kommerziellen Orientierung trugen die Warenhausbuchhandlungen in beträchtlichem Maße zur Verbreitung der Sachliteratur in der Weimarer Republik bei, da sie genau diese Zielgruppe ansprachen.150 Die Warenhäuser kamen folglich – wie die Buchgemeinschaften auch – den Bevölkerungsschichten entgegen, die zwar an Literatur und Bucherwerb interessiert waren, aber aufgrund der oft beschworenen »Schwellenangst« das Betreten einer Buchhandlung vermieden. Dagegen konnte man sich in den Buchabteilungen der Warenhäuser anonym und unverbindlich umsehen, da die Werke auf Tischen auslagen und ungehindert eingesehen werden konnten. Zudem hatten die Warenhäuser trotz ihrer zum Teil vornehmen Ausstattung auch in den 1920er Jahren den Ruf der besonderen Preisgünstigkeit, dies galt auch für ihre Buchabteilungen im Vergleich zum regulären Sortiment.151 Dies sprach vor allem die weniger kaufkräftigen Bevölkerungsschichten an: »Selbst in den großen Warenhaus-Buchabteilungen [entfiel] ein erheblicher Teil des Umsatzes auf die Gelegenheitskäufe von Angehörigen unterer Bevölkerungsschichten«.152 Wie die Buchgemeinschaften nahmen auch die Warenhäuser für sich in Anspruch, zur Verbilligung der Bücher beizutragen und manche Schichten überhaupt erst dem Buchkonsum zuzuführen.153 Allerdings bestand ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen Einrichtungen: Während Buchgemeinschaften vielfach eine Bildungsidee verfolgten, betrachtete der Kaufhausbuchhandel Bücher als Ware wie jede andere. Mit Recht wurden die Kaufhäuser der Weimarer Republik bezogen auf den Buchhandel als »Vorreiterorganisationen des neuen Handlungsstils«154 charakterisiert. Aus dieser rein wirtschaftlichen Orientierung lässt sich einmal mehr ein objektiv vorhandenes Publikumsinteresse an Sachbüchern und Ratgebern ablesen, denn die Kaufhäuser reagierten in der Zusammenstellung ihres Warenangebots direkt auf die Wünsche des Publikums: Für die Zusammensetzung des Bücherlagers ist »in erster Linie das Publikum maßgebend«, d.h. es wurden nur solche Werke ins Sortiment genommen, die auf Absatz rechnen können und deren leich149 Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 97 f. 150 Vgl. Klotzbach, S. 94. 151 Vgl. Klotzbach, S. 93/119. 152 Klotzbach, S. 97. 153 Vgl. Klotzbach, S. 121. 154 Kaube, Jürgen: Feldgrau schafft Dividende. Neue Vertriebsideen mit Stahlhelm-Deko: Der Bericht der Bertelsmann-Kommission als exemplarische Buchhandelsgeschichte des Dritten Reichs. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 239 vom 15. Oktober 2002, S. 40.
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te Verkäuflichkeit sich möglichst schon erwiesen hat.155 Erklärtes Ziel der WarenhausVerlage war es, nur solche Werke herauszubringen, »deren Vertrieb in den Warenhäusern erfahrungsgemäß gesichert war«.156 Sachbücher und Ratgeber wurden auf diese Weise zu Massenartikeln; am Ende der Weimarer Epoche bildeten sie ein anerkanntes Segment des allgemeinen Buchmarkts.
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Ute Schneider 5.3
Verlagsorganisation: Lektorat
Steigende Bedeutung des Lektors im literarischen Verlag Die Ausdifferenzierung unterschiedlicher Aufgabengebiete innerhalb der Verlagsorganisation hatte schon um die Jahrhundertwende die Einrichtung von Lektoratsabteilungen in einigen literarischen und wissenschaftlichen Verlagen hervorgebracht. Vor allem der um 1900 auf den Buchmarkt tretende Typ des Kulturverlegers, wie er beispielsweise durch Samuel Fischer, Bruno Cassirer, Albert Langen, Georg Müller und Kurt Wolff repräsentiert wurde, stellte schon früh literarische Berater zu seiner Unterstützung bei der Programmprofilierung und zur Autorenbetreuung ein.1 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Beschäftigung eines festangestellten Lektors noch nicht in allen Verlagen üblich, aber nach dem Ersten Weltkrieg gewann seine Position an Gewicht, und die meisten großen literarischen Verlage arbeiteten mit einem festangestellten Lektor. Ein Indiz für die steigende Bedeutung des Lektors liefert die Tatsache, dass Mitte der zwanziger Jahre erstmals die Position des Verlagslektors in den Lehrbüchern für die Ausbildung des buchhändlerischen Nachwuchses Erwähnung fand. Ein detailliertes Berufsbild mit Beschreibung konkreter Tätigkeitsbereiche und Aufgabenfelder existierte allerdings noch nicht. Meist handelt es sich um sehr knapp formulierte Darstellungen, in denen dem Lektor in erster Linie eine Funktion bei der Manuskriptbeurteilung und -bearbeitung zugewiesen wurde, doch lässt sich aus der Einbindung in die Fachliteratur folgern, dass die Anzahl der Lektorenstellen im Wachstum begriffen war und Lektoratsabteilungen in literarischen wie Fachverlagen dauerhaft verankert wurden. Die personelle Besetzung der Lektoratsabteilungen blieb sowohl in den rein literarischen Verlagen als auch in wissenschaftlichen Verlagen oft auf einen einzigen Lektor, manchmal zwei Lektoren beschränkt. Der Verleger der Deutschen Verlags-Anstalt, Gustav Kilpper, schätzte 1922 die Stellenanzahl für Verlagsredakteure oder Lektoren in ganz Deutschland auf kaum ein halbes Hundert fest honorierte Posten.2 Statistisches Zahlenmaterial, woraus die genaue Anzahl von Lektorenstellen in deutschen Verlagen abgeleitet werden könnte, existiert nicht. Bei der Berufszählung, die 1925 im Deutschen Reich durchgeführt wurde, wurden die Lektoren nicht als eigene Berufsgruppe aufgeführt: Entweder wurden sie den Schriftstellern zugeordnet oder den Redakteuren in Zeitschriften- oder Zeitungsredaktionen. Beide Berufsgruppen zählten zu den Freien Berufen.3 Auch in den zwanziger Jahren beschäftigten noch nicht alle Verlage festangestellte Lektoren, teilweise wurden externe Berater vom Verleger projektweise herangezogen, aber die Institutionalisierung der Lektorenrolle im literarischen wie auch im wissenschaftlichen oder Sachbuch-Verlag schritt nach dem Ersten Weltkrieg weiter voran. Der Schriftsteller Hermann Kasack, 1920 bis 1925 zunächst Lektor im Gustav Kiepenheuer Verlag, danach 1926/27 im S. Fischer Verlag, später auch bei Peter Suhrkamp, sah 1927 in seiner Rundfunksendung zur Verlagsorganisation den recht neuen Beruf schon als 1 Vgl. Schneider: Der unsichtbare Zweite, S. 49 –186. 2 Vgl. Gustav Kilpper an Ina Seidel am 7.9.1922 (Marbach, DLA, A: Seidel, 74.1898/9). 3 Vgl. Wirtschaft und Statistik (Hrsg. vom Statistischen Reichsamt) 6 (1926), S. 735.
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feste Größe: »Die Persönlichkeit des Lektors ist […] für einen Verlag von ausschlaggebender Bedeutung und Sie finden auch in jedem modernen Verlage von einigem Rang wesentliche Literaturkritiker und -kenner auf diesem verantwortungsvollen Posten.«4 Fast alle Lektoren waren schon vor ihrem Eintritt in einen Verlag eng mit dem Literaturbetrieb verbunden. In der Regel traten sie selbst auch als literarische Autoren hervor; hinzu kamen oft literaturkritische Publikationen wie Rezensionen oder eine Übersetzertätigkeit. Expandierende Zahlen in der Buchproduktion, das erhöhte Produktionsvolumen sowie die nun drastisch spürbar werdende Unübersichtlichkeit der literarischen Stile, Inhalte und Formen in der zeitgenössischen Literatur unterstützten den Institutionalisierungsprozess. Besonders der literarische Verlag, der angesichts einer zunehmenden, ebenfalls stark expandierenden Anzahl von Konkurrenzunternehmen bestehen musste, reagierte mit Hektik und Nervosität auf die Entwicklung des Buchmarktes. Verleger sahen sich einem enormen Arbeitspensum ausgesetzt: zeitgemäßes marktstrategisches Denken und Handeln im Produktionsprozess sowie die Entwicklung neuer, effizienterer Verkaufs- und Werbestrategien wurde ebenso überlebenswichtig wie die genaue Beobachtung des Käuferpublikums. Wesentlich war darüber hinaus die Autorenpflege, denn noch immer arbeiteten die literarischen Individualverlage nach dem Prinzip, möglichst alle Werke eines Schriftstellers in ihr Programm aufzunehmen, um dem Verlag so sein unverwechselbares Gesicht zu verleihen. Daneben musste eine Fülle von Manuskripten, die die Verlage unaufgefordert erreichten, gelesen und beurteilt werden. Diese Manuskriptflut wurde in zeitgenössischen Schätzungen mit 5 bis 10 Manuskripten täglich oder 3.000 Manuskripten pro Jahr bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs angegeben. Hermann Kasack sprach von 40 bis 50 Manuskripten pro Woche, wobei er schätzte, dass etwa 1 bis 2 % zur Veröffentlichung gelangten.5 Der Lektor des Eugen Diederichs Verlags, Cornelius Bergmann, sprach von über 1.000 Manuskripten, die den Diederichs Verlag im Jahr 1929 erreichten, wovon allein 60 % Romane ausmachten.6 Die erforderliche arbeitstechnische Entlastung des Verlegers wurde durch die Einstellung von Lektoren realisiert. Die wiederholte Besetzung von freigewordenen Lektoratsstellen zeigt deren kontinuierliche Notwendigkeit, d. h. die »Position Lektor« im Verlag blieb nicht an eine individuelle Persönlichkeit gebunden, die einen Verleger aufgrund persönlicher Verbundenheit beriet, sondern ein Lektorat wurde dauerhaft eingerichtet. In dieser Praxis unterschieden sich die privaten Individualverlage nicht von den großen Konzernen. Als Paul Wiegler Mitte der zwanziger Jahre das Lektorat des Ullstein-Buchverlags verließ, folgte ihm sofort Max Krell.7 Im Verlag C. H. Beck in München ersetzte Horst Wiemer Anfang der dreißiger Jahre den verstorbenen Walther Eggert-Windegg.8 Auf Moritz Heimann und Oskar Loerke folgte im S. Fischer Verlag
4 Hermann Kasack: Rundfunkmanuskript »Das Buch. 1. Teil: Aus der Werkstatt eines Verlages«, gesendet am 15.12.1927 (Marbach, DLA, A: Kasack, 91.128.5297). 5 Kasack. 6 Bergmann: Ungedruckte Literatur von heute (Vom Schreibtisch eines Lektors), S. 992. 7 Vgl. Schwab-Felisch: Bücher bei Ullstein. 8 Vgl. Festschrift zum zweihundertjährigen Bestehen des Verlages C. H. Beck, S. 256 –259.
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Hermann Kasack.9 Im Gustav Kiepenheuer Verlag wurde nach dem Tod des ersten Lektors, Ludwig Rubiner, das Lektorat zwar über ein Jahr nicht besetzt, dann wurde jedoch Hermann Kasack eingestellt und nach ihm Hermann Kesten. Allein der Verleger Bruno Cassirer bildete eine Ausnahme; er holte erst 14 Jahre nach dem Tod seines ersten Lektors, Christian Morgenstern, 1928 wieder einen festen literarischen Lektor, Max Tau, in sein Haus. In dieser lektor-freien Zeitspanne wurde das literarische Programm jedoch nur zögerlich weitergeführt, der Verlagsschwerpunkt lag in dieser Zeit auf Werken zur bildenden Kunst.10 Im Frankfurter Rütten & Loening Verlag (vor 1926 noch »Literarische Anstalt«) gestalteten nach dem Ausscheiden des Lektors Martin Buber 1917 die beiden Geschäftsführer Wilhelm Ernst Oswalt und Adolf Neumann zunächst alleine das Programm. Mit einer erneuten Konzentration auf die belletristische Produktion wurde Hilda Westphal als Übersetzerin und Lektorin verpflichtet, 1937 trat Alfred Gerz als Cheflektor hinzu.11 In Verlagsneugründungen wurde die Einrichtung einer Lektoratsabteilung oft von Beginn an berücksichtigt, wie z. B. 1923 bei Paul Zsolnay,12 oder es wurden nur kurze Zeit später Lektoren eingestellt, wie z. B. 1921 im Berliner Verlag Die Schmiede.13 Ernst Rowohlt gründete 1919 seinen zweiten Verlag und verpflichtete Franz Hessel und Paul Mayer als Lektoren;14 Kurt Wolff, der den ersten Rowohlt Verlag weiterführte, arbeitete mit Kurt Pinthus, Franz Werfel und Walter Hasenclever zusammen.15 Eugen Diederichs holte, direkt nachdem Hans Tügel 1927 das Lektorat im Verlag verlassen hatte, den Lektor und Werbefachmann Cornelius Bergmann in sein Unternehmen.16 Als der Warenhausbesitzer Salman Schocken 1931 seinen Verlag gründete, verpflichtete er von Beginn an als Geschäftsführer Lambert Schneider, und im Sommer 1933 gewann Schocken Moritz Spitzer als weiteren Lektor.17 Im Insel Verlag Anton Kippenbergs waren Reinhard Buchwald, Fritz Adolf Hünich und Fritz Bergemann angestellt, ab 1933 Friedrich Michael.18 Diese Beispiele aus den literarischen Verlagen finden ihr Pendant in wissenschaftlichen und in Sachbuch-Verlagen. Im Bibliographischen Institut übernahm 1928 der bis dahin für den Klassikerverlag zuständige Lektor Richard Brodführer die programmplanerische Leitung des gesamten Buchverlags.19 Fehlte ein festangestellter Lektor, wurden in der Regel ein oder mehrere außenstehende Fachberater aus der Wissenschaft engagiert.20 9 Vgl. de Mendelssohn: S. Fischer und sein Verlag. 10 Vgl. Abele: Zur Geschichte des Verlages Bruno Cassirer. 11 Vgl. Wurm: 150 Jahre Rütten & Loening, S. 147, und Hundertfünfundzwanzig Jahre Rütten & Loening, S. 67. 12 Vgl. Hall: Der Paul Zsolnay Verlag. 13 Vgl. Hermann/Schmitz: Avantgarde und Kommerz. 14 Vgl. Kurt Wolff Verleger Ernst Rowohlt. Bearbeitet von Friedrich Pfäfflin. Marbacher Magazin 43/1987, S. 81 –83. 15 Vgl. Göbel: Der Kurt Wolff Verlag 1913 –1930. 16 Vgl. Heidler: Der Verleger Eugen Diederichs und seine Welt, S. 187. Bergmann kam vom Grethlein Verlag zu Diederichs. 17 Zur Verlagsgeschichte vgl. Dahm: Das jüdische Buch im Dritten Reich sowie Der Schocken Verlag/Berlin. Jüdische Selbstbehauptung in Deutschland 1931 –1938. 18 Vgl. Der Insel Verlag 1899 –1999, S. 280 –284. 19 Vgl. Sarkowski: Das Bibliographische Institut, S. 142. 20 Vgl. exemplarisch Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 316.
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Aufgabengebiete des Lektors Das zeitgenössische Berufsbild ›Lektor‹ wurde erstmals Mitte der zwanziger Jahre auch in allgemeinen Nachschlagewerken skizziert, obwohl der Beruf zu diesem Zeitpunkt bereits seit über 20 Jahren zumindest punktuell existierte. 1927 wurde in Meyers populärwissenschaftlichem Konversationslexikon unter dem Stichwort Lektor zum ersten Mal seine Bedeutung in der Verlagsbranche angesprochen: »L. heißt auch ein, meist akademisch gebildeter, Verlagsangestellter, der die eingehenden Manuskripte auf ihre Brauchbarkeit hin durchprüft; oft auch Nebenbeschäftigung von Hochschullehrern, Schriftstellern usw.«21 Zwei wesentliche Aspekte des Berufsbilds wurden hier genannt: Die Prüfung und Begutachtung der Manuskripte wurde zur primären Aufgabe des Lektors, und darüber hinaus handelte es sich oft noch um eine »Nebentätigkeit« von Schriftstellern oder Professoren. Für viele Autoren war diese Verlagstätigkeit ihre Haupteinnahmequelle, ihr Brotberuf, da sie von ihren Honoraren als Schriftsteller nicht existieren konnten. Die Begutachtung wissenschaftlicher Manuskripte durch hauptamtliche Universitätsprofessoren oder andere Universitätsangehörige hatte hingegen tatsächlich mehr den Charakter einer Nebenbeschäftigung mit Nebeneinkünften. Die Aufnahme des Berufsbilds Lektor in die buchhändlerischen Fachpublikationen der Verlagsbranche erfolgte etwa zur gleichen Zeit. Das erste systematische Lehrbuch, das dem buchhändlerischen Nachwuchs zur Verfügung stand, war das 1908 erstmals erschienene Lehrbuch des Deutschen Buchhandels von Max Paschke und Philipp Rath.22 Es avancierte zum Standardwerk für die buchhändlerische Ausbildung, erschien 1932 in seiner 7., erheblich erweiterten und überarbeiteten Auflage, und erst in dieser siebten Auflage findet der Verlagslektor erstmals Erwähnung: »Die Beobachtung des Buch- und Literaturmarktes kann der Verleger einem ihm verpflichteten Verlagsberater oder einem angestellten Lektor übertragen.«23 Kenntnisse des Buch- wie des Literaturmarktes, d. h. ökonomisches Wissen und ästhetisches Empfinden, wurden in diesem Lehrbuch als gleichermaßen relevant eingestuft. Über die nationalen Entwicklungen auf dem Buchmarkt hinaus musste in den zwanziger Jahren der außerdeutschen und außereuropäischen Literaturproduktion intensivere Aufmerksamkeit zuteil werden, da im Zuge der fortschreitenden Internationalisierung außerdeutsche Buchmärkte als Lizenznehmer wie -geber interessant wurden. Für die Arbeit des Verlegers oder auch des Lektors hieß dies, nicht nur den deutschen Buchmarkt einzuschätzen, sondern den Blick über die Landesgrenzen hinaus auf literarische Stoffe, auf Autoren und Verlage des Auslands zu richten, um sie dem deutschen Leser nahezubringen. Ernst Rowohlt beispielsweise setzte in den zwanziger Jahren amerikanische Autoren wie Ernest Hemingway und William Faulkner erfolgreich auf dem deutschen Buchmarkt durch. Mit der Internationalisierung änderte sich die Quantität wie auch die Qualität verlegerischer Arbeit. Eine Funktion bei der Be-
21 Meyers Lexikon. 7. Aufl. in vollständig neuer Bearbeitung. Bd. 1. 1924. Bd. 7. Leipzig 1927, S. 822. 22 Zur Geschichte der buchhändlerischen Lehrbücher ab 1900 vgl. Grünert: Die Professionalisierung des Buchhandels im Kaiserreich, S. 319 –326. 23 Paschke/Rath: Lehrbuch des Deutschen Buchhandels. 1. Band. 7. Auflage, S. 150.
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arbeitung bzw. Korrektur von Manuskripten wurde dem Lektor hier nicht zugesprochen. Auch ein differenziertes Berufsbild ›Lektor‹ formulierten Paschke und Rath noch nicht. Die Beobachtung des Literaturmarktes als eine charakteristische Funktion des Lektors kam auch in der Abhandlung Horst Kliemanns über Die Prüfung von Verlagsplänen zum Ausdruck. Kliemann sprach explizit vom »Bedarfsbeobachter«, der entweder in lockerer Verbindung zum Verlag stand, oder er konnte »als Lektor ausschließlich beim Verlag angestellt sein«.24 Kliemann sah in der Festanstellung des Lektors im Verlag jedoch die Gefahr, die »Fühlung mit seiner Wissenschaft, mit seiner Literaturgruppe zu verlieren.«25 Literarischer Berater und Bedarfsbeobachter wurden hier als bedeutend genannt, was nach Kliemann zur Folge haben musste, dass die Lektoren weder »überaltert sind« noch einer »einseitigen geistigen Festlegung«26 unterlagen. Kliemann räumte den Lektoren relativ große Bedeutung im Verlag ein, denn er wiederholte mehrfach seine Empfehlung an den Verleger, bei neuen Verlagsprojekten die Meinung der Lektoren einzuholen. In der deutschen Übersetzung einer englischen Fachpublikation wurde ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der Lektoren und deren Aufgabengebiete erläutert. Schon 1927 konstatierte der englische Verleger und hervorragende Kenner des deutschen Literaturbetriebs Stanley Unwin: »Die Zahl der Manuskripte, die auf Anraten von Lektoren völlig umgestaltet oder bis zur Unkenntlichkeit verbessert wurden, ist viel größer, als man gewöhnlich annimmt.«27 Der Lektor wurde definiert als erste Instanz, die die im Verlag eingehenden Manuskripte prüfte und ein kurzes Gutachten für den Verleger verfasste. Der Verleger bestimmte als letzte entscheidungstragende Instanz über die endgültige Annahme oder Ablehnung eines Werkes. Die Funktionen des Lektors konzentrierten sich in diesem Lehrbuch auf die Manuskriptbearbeitung und die Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Werkes beim Publikum unter literarischen und wirtschaftlichen Aspekten. Darüber hinaus wurde dem Lektor die Begleitung der technischen Herstellung eines Buches angetragen. Aber einschränkend wurde erklärt: »Es ist nicht leicht, genau zu erklären, was von einem Lektor verlangt wird.«28 Eine gewisse Unsicherheit, exakte Anforderungen zu formulieren, besondere Eigenschaften des Lektors zu benennen, zieht sich durch fast sämtliche Fachbücher. Wilhelm Olbrich publizierte 1932 seine populärwissenschaftlich gehaltene Einführung in die Verlagskunde und richtete sie in erster Linie an wissenschaftliche wie schöngeistige Autoren, um sie über die Gepflogenheiten der Buchherstellung in technischer wie juristischer und ökonomischer Hinsicht zu informieren. Er bezog sich in seinen allgemeinen Ausführungen sowohl auf die 6. Auflage des Lehrbuchs von Paschke und Rath aus dem Jahr 1922 als auch auf Unwins Abhandlung von 1927.29 Grundsätzlich siedelte Olbrich den Lektor eher im literarischen als im wissenschaftlichen Verlag an, da in letzterem der Verleger selbst über den Wert eines Manuskripts urteilen könne. Notwendiger war hiernach der Lektor im belletristischen Verlag. Die Begründung für diese Trennung 24 25 26 27 28 29
Kliemann: Die Prüfung von Verlagsplänen, S. 1189. Kliemann, S. 1189. Kliemann, S. 1189. Unwin: Das wahre Gesicht des Verlagsbuchhandels, S. 12. Unwin: Verlagsbuchhandel, S. 11. Olbrich: Verlagskunde, Vorwort.
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liefert das Argument, in der Wissenschaft bestehe ein Normensystem, anhand dessen Manuskripte auf ihre Brauchbarkeit überprüft werden können, was der Verleger selbst leisten könne, in der schönen Literatur jedoch nicht. Olbrich beschränkte die Funktion des Lektors im wesentlichen auf die Beurteilung der eingehenden Manuskripte.30 Auch der Große Brockhaus aus dem Jahr 1932 sah hierin die primäre Aufgabe des Lektors: »Im Verlagsgewerbe Bezeichnung für diejenigen Personen, die als Angestellte oder im Nebenberuf die angebotenen Manuskripte für den Verleger auf ihre Brauchbarkeit durchprüfen.«31 An Olbrichs Abhandlung lehnte sich dann auch das Lexikon des gesamten Buchwesens aus dem Jahr 1935 an, der Eintrag unter dem Stichwort »Lektor« lautet lapidar: »Mitarbeiter im Verlag, dem die Prüfung und Beurteilung eingereichter Mss., die Beratung bei der Produktionsauswahl u. ä. obliegt.«32 In der Deutschen Berufskunde von 1930 wurde der Lektor im Zusammenhang mit der allgemeinen Verlagsorganisation ähnlich kurz erwähnt: »Zwischen Verlag und Autor steht meist der Lektor, der, oft in nebenberuflicher Tätigkeit, nicht nur die wissenschaftliche und künstlerische Qualität zu prüfen hat, sondern häufig bei der Abfassung ein entscheidendes kritisches Wort in Bezug auf Anlage und Stil mitreden muß, ehe ein Manuskript druckreif ist.«33 Der Lektor steht somit ausschließlich in den Diensten kultureller Werte, denn es wurde explizit betont, dass für die Vermarktung eines Buches der Werbeleiter innerhalb des Verlags zuständig ist: »Die Sorge für den Absatz hilft dem Verleger der Werbeleiter tragen, der die Reklame der Waschzettel und Anzeigen für die verschiedenen Leserkreise entwirft.«34 Anzeigenformulierung und Waschzettel texten waren jedoch Arbeiten, die in der Realität von Lektoren durchgeführt wurden. Die Tätigkeitsfelder eines Lektors konnten von Verlag zu Verlag variieren, je nach inhaltlichem und organisatorischem Bedürfnis und Verlegerpersönlichkeit, daher findet sich auch keine einheitliche Charakteristik in den berufskundlichen Darstellungen. Konsens bestand allerdings in der dem Lektor zugewiesenen Funktion, Manuskripte zu bewerten. Neben der Begutachtung für den Verleger waren die Lektoren zuständig für die Kontaktpflege zu literarischen Zeitschriften und Tageszeitungen, für die Abfassung von Klappentexten, auch für herstellungstechnische Fragen wie Buchgestaltung, Typographie und Einband.
Anforderungsprofil ›Enzyklopädische Bildung‹ Zu Beginn der zwanziger Jahre wurden noch, wie schon um die Jahrhundertwende, die Bezeichnungen ›Verlagsredakteur‹, ›wissenschaftlicher Mitarbeiter im Verlag‹ und ›Verlagslektor‹ meist als Synonyme gebraucht. Dies änderte sich im Laufe des nächsten Jahrzehnts im Zuge der weiteren Ausdifferenzierung der Berufsbilder im Verlag. Zunächst wurde der ›Verlagsredakteur‹ vom Lektor unterschieden. Redakteure waren 30 Olbrich: Verlagskunde, S. 22. 31 Der Große Brockhaus. Handbuch des Wissens in zwanzig Bänden. 15., völlig neubearbeitete Aufl. Bd. 11. Leipzig 1932, S. 295. 32 Lexikon des gesamten Buchwesens, S. 318. 33 Deutsche Berufskunde, S. 244, Auszeichnung im Original gesperrt. 34 Deutsche Berufskunde, Auszeichnung im Original gesperrt.
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weniger programmbildend tätig, sondern standen vielmehr in Diensten einer Zeitschrift für die Beitragsbearbeitungen. Verlagsredakteure waren vor allem in Verlagen zu finden, die neben ihrer Buchproduktion eine literarische oder wissenschaftliche Zeitschrift herausgaben. Die synonyme Verwendung von ›Lektor‹ und ›wiss. Mitarbeiter‹ blieb jedoch bis in die dreißiger Jahre bestehen. Dies erklärt sich aus den Anforderungsprofilen, die für den Lektorenberuf formuliert wurden. Als vage Zugangsvoraussetzung für die Ausübung des Lektorenberufs bemerkte Wilhelm Olbrich in seinem Lehrbuch, es sei »im allgemeinen nicht erforderlich, daß der Lektor ausgedehnte Spezialkenntnisse auf jenen Gebieten besitzt, die das betreffende Werk inhaltlich berührt. […] er wird vielleicht der idealen Objektivität näher kommen, wenn er aus einem guten allgemeinen Bildungsniveau heraus an seine Aufgabe geht und nicht selbst durch Spezialstudium auf wissenschaftliche Doktrinen oder einseitige Betrachtungsweisen festgelegt ist, die ihn von der Einfühlung in neue Ideen und Stoffe abhalten.«35 Wesentlicher für die Qualifikation als Lektor war es, bei der Lektüre des Manuskriptes »nie das Publikum [zu] vergessen«,36 für das das Werk bestimmt sein könnte. Die realistische Einschätzung des Absatzes war ebenso entscheidend wie das Wissen um literarische Aspekte. Allgemeines Bildungsniveau und »geistige Beweglichkeit«, keineswegs »gute akademische Zeugnisse oder ein Doktorexamen summa cum laude«37 bildeten die Basis für die Qualifikation eines Lektors. Die Zurückweisung akademischen Expertentums und die Betonung der Allgemeinbildung waren insofern relevant, als dadurch deutlich gemacht wurde, dass die Position des Lektors durchaus mit bildungsbürgerlichen Werten besetzt war. Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel häuften sich hingegen Anzeigen, in denen sich fast ausschließlich junge Akademiker auf einen Lektoratsposten im Verlag bewarben. Diese Stellengesuche lauteten beispielsweise: »Schriftsteller, Akademiker, mit umfassender Redakteur- u. Buchhändlerpraxis, ideenreicher Propagandist, mit guten Beziehungen zu bekannten Autoren, sucht Stellung als Lektor oder ähnlichen Wirkungskreis.«38 Andere Anzeigen lauteten ganz ähnlich: »Dr. phil. (Deutsch, Literaturgeschichte, Philosophie) […] sucht Tätigkeit in gröss. Verlag als Redakteur, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Propagandist«39 oder »Akademiker, Dr. rer. pol. […] sucht aus Liebe zur Sache in führendem Verlagshaus als wissenschaftl. Mitarbeiter einzutreten«40 oder »Studienassessorin Dr. phil. sucht […] Lektorenstelle in einem Verlag«41 oder »Dr. phil. […] sucht geeigneten Wirkungskreis in Verlag als Lektor oder Fach-Bearbeiter«.42 Auffallend ist auch hier der synonyme Gebrauch der Begriffe ›Lektor‹ und ›wissenschaftlicher Mitarbeiter‹. Vor allem für junge Akademiker und wie schon um die Jahrhundertwende
35 36 37 38 39 40 41 42
Olbrich: Verlagskunde, S. 23. Olbrich, S. 23. Olbrich, S. 24. In: Börsenblatt 98 (1931) 36. In: Börsenblatt 93 (1926) 217. In: Börsenblatt 95 (1928) 1. In: Börsenblatt 105 (1938) 2. In: Börsenblatt 105 (1938) 2.
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noch immer für Autoren und Literaturkritiker, die sich neben ihrer literarischen Produktion ihr finanzielles Auskommen sichern wollten, war diese Position attraktiv. Richtungsweisend für die weitere Entwicklung des Berufsbilds Lektor im gesamten 20. Jahrhundert blieb folgendes Phänomen: Die Akademisierung des Berufs Lektor resultierte nicht aus den Bedürfnissen der Verlagsbranche, sondern wurde von außen, von denjenigen, die diese Tätigkeit nachsuchten, an ihn herangetragen. Der Beruf Lektor wurde mit Wertvorstellungen assoziiert, die während einer akademischen Ausbildung, während des Studiums auch im Hinblick auf die spätere Ausübung eines Berufs vermittelt wurden. 1923 erschien ebenfalls im Börsenblatt unter der Überschrift »Akademiker im Buchverlag« auf Wunsch der Akademischen Auskunftsstelle der Universität Leipzig eine kurze Notiz über die Berufsaussichten von Akademikern im Verlagsgewerbe.43 Es wurde erklärt, die Chancen für eine Einstellung im Verlag seien für Akademiker grundsätzlich nicht größer als für Nichtakademiker. Jedoch explizit die Position des Lektors wurde genannt, für die »selbstverständlich akademische Vorbildung nützlich, wenn nicht notwendig« sei. Insbesondere größere belletristische Verlage beschäftigten akademische Lektoren, denen die Prüfung und redaktionelle Bearbeitung von Manuskripten oblag. Für das Lektorat im literarischen Verlag wurde vor allem der Literaturhistoriker als geeignet angesehen, für wissenschaftliche Verlage diejenigen mit den der Verlagsdisziplin entsprechenden Studienabschlüssen. Stärker ins Gewicht fielen jedoch »verlegerische Ideen, kaufmännischer Weitblick, Organisationstalent, Energie, Geschmack, Propagandageschick«. Ein abgeschlossenes Studium wurde nicht zur Zugangsvoraussetzung für den Lektorenberuf. Die Nachfrage auf diese Position unter Akademikern wuchs jedoch während der zwanziger Jahre weiter an. Die Bemühungen der Universität Leipzig, ihre Studenten über die Berufsmöglichkeiten in der Verlagsbranche zu informieren, zeichnen diese Entwicklung schon vor. Erklärbar ist dieses Phänomen vor dem Hintergrund der Berufsaussichten von Hochschulabsolventen ab Mitte der zwanziger Jahre und während der Weltwirtschaftskrise.44 Eine Überfüllung der klassischen Akademikerberufe, wie Rechtsanwalt, Studienrat oder Ingenieur, und eine damit einhergehende materielle Verarmung ließen Jungakademiker in andere intellektuelle, in künstlerische Berufe drängen, deren Wurzeln ebenfalls im klassischen Bildungskonzept angesiedelt waren. Doch der Zugang zur Lektorenposition blieb auch in den zwanziger Jahren weiterhin ungeregelt. Es lässt sich realiter eine fortschreitende Akademisierung des Berufs feststellen, die durch den Versuch junger Akademiker, sich neue Arbeitsmärkte zu eröffnen, forciert wurde. Aus allen, noch vage formulierten Anforderungsprofilen geht unmissverständlich hervor, dass der Lektor als Bindeglied zwischen buchmarktrelevanten, ökonomischstrategischen Handlungserfordernissen und literarisch-kulturellen Wertmustern fungieren sollte. Die Vokabeln zur Definition eines berufsspezifischen Leistungskatalogs ähnelten sich: »(geistige) Beweglichkeit« (Olbrich), »allgemeines Bildungsniveau« (Olbrich), »Beobachtung des Buch- und Literaturmarktes« (Paschke und Rath), »kaufmännischer Weitblick« (Börsenblatt). Die Lektoren mussten sich in ihrer praktischen Arbeit jedoch in den zwanziger Jahren auf ein Publikum einstellen, dem diese umfassende Bildung nicht
43 Akademiker im Buchverlag. In: Börsenblatt 90 (1923) 133, S. 897. 44 Vgl. zur Situation arbeitsloser Jungakademiker während der Weimarer Republik: Jarausch: Krise des Bildungsbürgertums, S. 199.
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mehr selbstverständlich war und das in seinem Leseverhalten und in seiner Nachfrage nach Lektürestoffen nicht mehr vom humanistischen Bildungsanspruch geleitet wurde.
Kompetenzen und Status des Lektors In den Lehrbüchern, die zur Unterrichtung des buchhändlerischen und verlegerischen Nachwuchses herangezogen wurden, wurde der Lektor als feste Institution oder als externer, aber dauerhafter Berater charakterisiert. Die Aufgabengebiete des Lektors wurden jedoch differierend beurteilt. Von der Beschränkung auf die reine Manuskriptarbeit bis hin zur stetigen Beobachtung der Marktverhältnisse wurden dem Lektor vielseitige Funktionen zugeordnet. Im Wesentlichen dominierte innerhalb des Verlags die Funktion des literarischen Beraters des Verlegers, eigene Programmverantwortung ist nur in wenigen Fällen nachzuweisen. Die zunehmende Profilierung der Lektorenposition im traditionellen Kulturverlag führte nicht konsequenterweise zu einem Bedeutungsverlust des Privatverlegers. Er blieb die zentrale Integrationsfigur in seinem Verlag, die in der Regel noch in persönlichem Kontakt mit ihren Autoren stand und das Verlagsprogramm in der Öffentlichkeit vertrat. Dem Lektor wurde nur soviel Handlungsspielraum zugestanden wie es die Verlegerpersönlichkeit zuließ. Damit waren der aktiven Gestaltung des Programms unterschiedliche Grenzen gesetzt. Die Dominanz des Lektorats in Publikationsentscheidungen ließen nur wenige Verleger zu. Die Statuszuschreibung des Lektors im Verlag wurde im Lexikon des gesamten Buchwesens unter dem Eintrag »Verlagsbuchhandel« deutlich, in der es heißt: »Die Verlagsleitung wird sich […] die Bestimmung des Verlagsprogramms und den Verkehr mit den Autoren vorbehalten […].«45 Der Lektor sollte jedoch hierbei Unterstützungsfunktion leisten. Im Unterschied zum Lektor beschränkt sich die Tätigkeit der Verlagsredakteure auf die »Betreuung der im Verlag erscheinenden Zss. und Fortsetzungsoder Sammelwerke«.46 Autorenakquisition und Manuskriptbeurteilung oblagen ausschließlich dem Lektor. Die Lektoren hatten in den traditionellen Kulturverlagen keine autonome Entscheidungskompetenz. Im Privatverlag war der Verleger die zentrale Instanz, die letztlich über Annahme oder Ablehnung eines Manuskriptes urteilte. Der Verlagslektor wurde nicht als allein ausschlaggebender Experte anerkannt. Seinem Status entsprechend als Verlagsangestellter unterstand er der Weisung des Verlegers. Die beratende Funktion war gepaart mit organisatorischen Funktionen bis hin zur Mitsprache in herstellungstechnischen Fragen. Freier als im Individualverlag waren die Lektoren auch im großen Medienkonzern nicht. Das Lektorat im Ullstein Buchverlag beispielsweise war fest eingebettet in die Konzernstruktur, was die Lektoren als Angestellte in ihren Handlungsmöglichkeiten stark einschränkte. Ihre inhaltliche Arbeit wurde durch die Konzernstrategie ebenso stark reglementiert.47 Das strategische Vorgehen unter starker Berücksichtigung des Zeitungs- und Zeitschriftengeschäfts ersetzte hier den Einfluss der Verlegerpersönlichkeit im Individualverlag. 45 Lexikon des gesamten Buchwesens, S. 505. 46 Lexikon des gesamten Buchwesens, S. 505. 47 Vgl. Schneider: Die »Romanabteilung« im Ullstein Verlag, S. 100 f.
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In der literarischen Öffentlichkeit blieben Lektoren weitgehend anonym. Über ihre Entlohnung können nur vereinzelte Angaben getroffen werden. Das Gehalt der Lektorinnen Dora und Rosa Langewiesche im Verlag Karl Robert Langewiesche lag nach der Inflation 1923 bei etwa 100 Mark im Monat.48 Als mithelfende Familienangehörige des Verlegers erhielten sie eine eher niedrige Entlohnung. Die durchschnittliche Bezahlung der Lektoren im literarischen Verlag lag bei 300 bis 400 Mark im Monat.49 Mit dieser Verdienstspanne liegen die Lektorengehälter etwa auf dem Niveau durchschnittlicher, mittlerer Angestelltengehälter. Lektoren verdienten weniger als Studienräte an Gymnasien. Dennoch bildete für viele Lektoren der ›ersten Stunde‹ die Verlagstätigkeit die Basis zur Absicherung ihres Lebensunterhalts, die die Honorierung ihrer schriftstellerischen Arbeit nicht gewährleisten konnte. Allerdings ist festzustellen, dass Lektoren bei großem (durchaus auch ökonomischem) Erfolg ihrer Werke dem Lektorenberuf den Rücken kehrten und sich fortan ganz als Berufsschriftsteller etablierten.
Literatur Quellen BERGMANN, Cornelius: Ungedruckte Literatur von heute (Vom Schreibtisch eines Lektors). In: Börsenblatt 97 (1930) 239, S. 992. Deutsche Berufskunde. Ein Querschnitt durch die Berufe und Arbeitskreise der Gegenwart. Hrsg. von Ottoheinz v. d. Gablentz und Carl Mennicke unter Mitarbeit von Alfred Fritz, Walter Grau, Hans Harmsen und Peter Suhrkamp. Leipzig 1930. Festschrift zum zweihundertjährigen Bestehen des Verlages C. H. Beck 1753 –1963. München: C. H. Beck 1963. Hundertfünfundzwanzig Jahre Rütten & Loening. 1844 –1969. Ein Almanach. 1969. KASACK, Hermann: Rundfunkmanuskript Das Buch. 1. Teil: Aus der Werkstatt eines Verlages, gesendet am 15. Dezember 1927 (Marbach, DLA, A: Kasack, 91.128.5297). KLIEMANN, Horst: Die Prüfung von Verlagsplänen. Ein Beitrag zur Technik der Marktuntersuchung im Buchhandel. In: Börsenblatt 95 (1928) 252, S. 1189. Lexikon des gesamten Buchwesens. Leipzig 1935. OLBRICH, Walter: Einführung in die Verlagskunde. Leipzig 1932. PASCHKE, Max und Philipp Rath: Lehrbuch des Deutschen Buchhandels. 1. Band. 7. Auflage. Leipzig 1932. UNWIN, Stanley: Das wahre Gesicht des Verlagsbuchhandels. Stuttgart 1927.
Forschungsliteratur ABELE, Bernd: Zur Geschichte des Verlages Bruno Cassirer 1928 –1932. In: Buchhandelsgeschichte 4 (1989), S. B121 –B136. DAHM, Volker: Das jüdische Buch im Dritten Reich. 2., überarbeitete Auflage. München: C. H. Beck 1993. Der Insel Verlag 1899 –1999. Die Geschichte des Verlags. Frankfurt a. M. 1999. 48 Vgl. Archiv des Verlags Robert Langewiesche (Frankfurt a. M., Deutsche Nationalbibliothek, Archiv des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels). 49 Dies galt für die S. Fischer-Lektoren Heimann und Loerke, für Hermann Kesten bei Kiepenheuer ebenso wie für die freien Lektoren bei Ullstein, Wolfgang Weyrauch und Gregor von Rezzori.
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281
Der Schocken Verlag/Berlin. Jüdische Selbstbehauptung in Deutschland 1931 –1938. Essayband zur Ausstellung »Dem suchenden Leser unserer Tage« der Nationalbibliothek Luxemburg. Hrsg. von Saskia Schreuder und Claude Weber in Verbindung mit Silke Schaeper und Frank Grunert. Berlin 1994. GÖBEL, Wolfram: Der Kurt Wolff Verlag 1913 –1930. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 15 (1975), Sp. 521 –922. GRÜNERT, Alexandra-Henri: Die Professionalisierung des Buchhandels im Kaiserreich. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 49 (1998), S. 319 –326. HALL, Murray G.: Der Paul Zsolnay Verlag. Von der Gründung bis zur Rückkehr aus dem Exil. Tübingen: Niemeyer 1994. HEIDLER, Irmgard: Der Verleger Eugen Diederichs und seine Welt (Mainzer Studien zur Buchwissenschaft 8). Wiesbaden: Harrassowitz 1998. HERMANN, Franz und Heinke Schmitz: Avantgarde und Kommerz. Der Verlag Die Schmiede Berlin 1921 –1929. In: Buchhandelsgeschichte 4 (1991), S. B129 –B150. JARAUSCH, Konrad H.: Die Krise des Bildungsbürgertums. In: Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert. Bd. IV: Politischer Einfluß und gesellschaftliche Formation (Industrielle Welt 48). Hrsg. von Jürgen Kocka. Stuttgart 1989, S. 180 –205. MENDELSSOHN, Peter de: S. Fischer und sein Verlag. Frankfurt a. M.: S. Fischer 1970. SARKOWSKI, Heinz: Das Bibliographische Institut. Verlagsgeschichte und Bibliographie 1926 –1976. Mannheim, Wien, Zürich: Bibliographisches Institut 1976. SARKOWSKI, Heinz: Der Springer-Verlag. Stationen seiner Geschichte. 1842 –1992. Teil I: 1842 – 1945. Heidelberg usw.: Springer 1992. SCHNEIDER, Ute: Der unsichtbare Zweite. Die Berufsgeschichte des Lektors im literarischen Verlag. Göttingen: Wallstein 2005. SCHNEIDER, Ute: Die »Romanabteilung« des Ullstein Verlags in den 20er und 30er Jahren. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 25 (2000) 2, S. 93 –114. SCHWAB-FELISCH, Hans: Bücher bei Ullstein. In: Hundert Jahre Ullstein 1877 –1977. Bd. 2. Berlin, Frankfurt a. M.: Ullstein 1977, S. 179 –216. WURM, Carsten: 150 Jahre Rütten & Loening. … mehr als eine Verlagsgeschichte 1844 –1994. Berlin 1994.
2
1 Einleitung
6
Der Zwischenbuchhandel Thomas Keiderling
6.1
Der Kommissionsbuchhandel
Grundlegende Entwicklungen Während des Ersten Weltkrieges geriet der Kommissionsbuchhandel in eine tiefe Krise. Absatzprobleme und eine allgemeine Teuerung ließen die Kosten, insbesondere die Ausgaben für Verpackungsmittel und Transportgebühren, überproportional ansteigen. Viele Unternehmensleitungen entschlossen sich, die entstandenen Mehraufwendungen auf ihre Kommittenten umzuschlagen. Sie erhöhten die Kommissionsgebühren, was fatale Folgen hatte. Zahlreiche Verlegerkommittenten gingen spätestens mit dem Jahr 1917 verstärkt oder vollständig zum direkten Verkehr mit den Sortimentern bzw. mit dem Publikum über. Hans Volckmar, der Seniorchef der 1918 gegründeten Koehler & Volckmar AG, sah den Rückgang des Leipziger Auslieferungsgeschäfts darin begründet, dass der »indirekte Verkehr über Leipzig« zu langsam und zu teuer geworden war im Vergleich zum direkten Verkehr zwischen Verlag und Sortiment.1 Wenn es den Kommissionären nicht gelang, dieses Verhältnis wieder umzukehren, drohte dem Zwischenbuchhandel innerhalb kurzer Zeit eine vollständige Demontage. Während einerseits die Kommittenten von den Kommissionären die Senkung der Gebühren verlangten, forderten die Angestellten im Zwischenbuchhandel eine deutliche Erhöhung ihrer Wochenlöhne. Das Gegensätzliche dieser beiden Tagesforderungen sorgte für ein enormes Konfliktpotenzial im Branchenzweig. Die unzufriedene Stimmung entlud sich im März 1919 in einem Generalstreik sowie in einer aus sozialer Not heraus entstandenen fünfwöchigen Arbeitsniederlegung der Buchhandlungsgehilfen und Markthelfer im August und September 1919.2 Der Arbeitgeberverband der Deutschen Buchhändler, Ortsgruppe Leipzig, ersuchte den Börsenverein am 22. August 1919 um eine Sondersitzung, auf der Gegenmaßnahmen beschlossen werden sollten. Auf der Versammlung, die am 27. August in Leipzig stattfand, wurde zunächst die Frage verneint, ob die AngestelltenGehälter anzuheben wären. Das hätte eine Erhöhung der Kommissionsgebühren und somit eine weitere Abwanderung von Kommittenten zur Folge. Die Anwesenden beschlossen die Einsetzung eines zwanzigköpfigen Ausschusses, der Mittel und Wege aus dem Konflikt finden sollte.3 Doch die Zwanziger-Kommission ging nach einem Tage erregter Diskussionen ergebnislos auseinander.4 1 Vgl. Schreiben von Hans Volckmar an Hofrat Dr. Meiner (im Unternehmen J. A. Barth) vom 24. Dezember 1919, Bl. 3, (DBSM Kasten 21, Nr. 155). 2 Vgl. Kapp: Streik der Angestellten. Vgl. ferner Staub: Ein vertrauliches Referat, S. B14. 3 Dem Ausschuss gehörten unter Vorsitz des Vorstands des Börsenvereins Vertreter des Verbandes der Kreis- und Ortsvereine, des Vereins der Buchhändler zu Leipzig, des Vereins Leipziger Kommissionäre, des Deutschen Verlegervereins sowie der Deutschen Buchhändlergilde an. Nach Beendigung des Streiks im Leipziger Buchhandel am 10. September 1919 wurden dem Ausschuss auch drei Mitglieder der Arbeitnehmerverbände hinzugewählt. Vgl. Geschäftsrundschreiben des Vereins Leipziger Kommissionäre vom 19. Dezember 1919, in: DBSM, Kasten 21, Nr. 154. 4 Vgl. Börsenblatt 90 (1923) 127, S. 771.
284
6 D er Zw isch enbuchh and e l
In dieser angespannten Situation unterbreiteten die Leipziger Verleger Richard Quelle5 und Robert Voigtländer6 zwei fast identische Reformvorschläge zu Verkehrsvereinfachungen im Buchhandel. Im Kern nahmen beide den alten Gedanken wieder auf, den Zwischenbuchhandel genossenschaftlich zu betreiben.7 Ihre Entwürfe orientierten sich weitgehend am Vorbild des bereits in Leipzig existierenden Kommissionshauses deutscher Buch- und Zeitschriftenhändler (gegr. 1905). Die bestehenden Geschäfte einschließlich der Marktführer Koehler & Volckmar sowie Fleischer sollten sukzessive aufgekauft und in die neue Unternehmung mit eingebracht werden. In der vorliegenden Form waren die Vorschläge einfach undurchführbar und wurden auch deshalb nicht weiter verfolgt, da die langwierigen Tarifverhandlungen mit den Angestellten bzw. die revolutionären Auseinandersetzungen auf den Straßen Leipzigs, bei denen mehrere Betriebe des Buchhandels in Mitleidenschaft gezogen wurden, die volle Aufmerksamkeit auf sich zogen.8 Nach zähen Verhandlungen zwischen dem Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverband wurde schließlich ein neuer Lohntarif ausgehandelt. Weitere Beratungen von Verlegern und Sortimentern mit dem Verein Leipziger Kommissionäre (VLK) führten am 8. Januar 1920 dazu, den »empfohlenen Verkehr« über Leipzig wieder einzuführen, der während des Weltkrieges hatte eingestellt werden müssen. Der empfohlene Verkehr sorgte im Verbund mit modifizierten »Platzbestimmungen« des VLK dafür, dass die Auslieferung über Leipzig attraktiver wurde.9 Aus der Krise war der Zwischenbuchhandel allerdings noch nicht heraus. Während der Inflationsjahre verschärften sich die Probleme des »Verkehrs über Leipzig« erneut. Im Vergleich zum Vorkriegsjahr ging die Leipziger Auslieferung bis zum Mai 1922 um etwa 40 bis 50 Prozent zurück.10 Weitgehende Dezentralisierungs-
5 Quelle schlug vor, dass alle über Leipzig verkehrenden Firmen (ca. 11.000) zuzüglich etwa 400 am Ort ansässige Betriebe über die Ausgabe von Aktien ein Kapital von 10,7 Mio. M anhäufen sollten, womit der genossenschaftliche Zusammenschluss zu bewerkstelligen sei. Vgl. Reformplan von Richard Quelle (Quelle & Meyer) vom 28.12.1919, in: DBSM, Kasten 21, Nr. 157–158. 6 Voigtländer schrieb: »Was kann geschehen? Vor allem scheint es nötig, das privatwirtschaftlich geführte Leipziger Kommissionsgeschäft, das Barsortiment und den Grossobuchhandel genossenschaftlich zu organisieren, unter einheitliche Leitung und diese mit dem Verein der Buchhändler zu Leipzig und mit dem Börsenverein in enges Einvernehmen zu bringen. […] Ich bin mir der ungeheuren Bedeutung eines solchen Schrittes bewusst. Es handelt sich um eine im Buchhandel noch nicht dagewesene, in Planung und Durchführung unendlich umfangreiche und schwierige Kapital-, Betriebs- und Menscheneinigung.« Vgl. Reformplan von Robert Voigtländer vom 29. Dezember 1919, Bl. 3, in: DBSM, Kasten 21, Nr. 159. 7 Nachweislich das erste Mal wurde diese Idee 1828 in einer anonymen Schrift mit dem Titel »Einladung an alle Buchhandlungen« formuliert. Vgl. Keiderling: Kommissionsbuchhandel, S. 138–143. 8 Verkehrs-Vereinfachungen im Buchhandel. Denkschrift vom 20. April 1920, in: DBSM, Kasten 21, 164a. 9 Platzbestimmungen siehe weiter unten den Abschnitt »Die Modernisierung des Leipziger Kommissionsplatzes«. 10 Vgl. Exposé zum Grossobuchhandel von 1923, S. 81. Vgl. SStAL, Börsenverein, 827.
6.1 Der Kommissionsbu chhand el
285
pläne des buchhändlerischen Verkehrs wurden diskutiert.11 Davon erhoffte man sich bedeutende Einsparungen an Kommissionsgebühren. 1921 und 1922 gründeten die Augsburger und Dresdner Buchhändler jeweils eine Art Bestellanstalt auf ihrem Platz, die im Dresdner Fall allerdings nur kurzen Bestand hatte.12 Ebenso gab es in diesen Jahren mehrere Versuche, einem einzigen Leipziger Kommissionär die Spedition für einen bestimmten Ort, etwa Breslau oder Dresden, zu übertragen.13 Die durch die Inflation hervorgerufenen Turbulenzen im Kommissionsbuchhandel wurden am 26. November 1923 durch die Rentenmark-Umstellung zunächst beendet.14 Die Ereignisse der frühen zwanziger Jahre stellten den Zwischenbuchhandel vor eine harte Zerreißprobe. Wieder einmal waren es einige Leipziger Unternehmer, die Auswege aus der Krise suchten und fanden. Auf Initiative des Vereins Leipziger Kommissionäre konnten mehrere Innovationen umgesetzt werden, welche die Geschäftsvermittlung vereinfachten und die Situation im Zwischenbuchhandel stabilisierten. Dazu gehörten die Einführung des Ibu-Schecks (Internationaler Buchhandels-Scheck) für internationale Transaktionen, die Eröffnung des Zahlungsverkehrs Leipziger Kommissionäre (Zalko) sowie einer Girokasse (Gilko) als Abrechnungsstelle für solche Firmen, die in Leipzig keinen Kommissionär unterhielten.15 Mit ihren Maßnahmen konnten die Leipziger Kommissionäre die Kommittenten-Fluktuation insgesamt aufhalten und der Verkehr über Leipzig nahm nach 1924 wieder zu.16 Dennoch ging die Zahl der in Leipzig unterhaltenen Verlags-Auslieferungslager zwischen 1918 und 1933 um ca. 25 Prozent zurück. Daraus lässt sich ableiten, dass die Auslieferung vom Verlagsstandort und somit der direkte Verkehr an Boden gewonnen hatte. Selbst nach interner Einschätzung der Zwischenbuchhändler war der »Verkehr über Leipzig« für den Verleger wie Sortimenter nur bedingt lohnenswert, da nur vergleichsweise wenig Gebühren gespart werden konnten. Die Sortimenter pflegten den Bezug über Leipzig vor allem deshalb, da ihnen der Kommissionär großzügige Kredite gewährte.17
11 Während dieser Zeit kam es innerhalb des Vereins Leipziger Kommissionäre zu großen Spannungen, da sich die Mitglieder über Auswege aus der Krisensituation nicht einig waren. Einige Kommissionäre traten sogar kurzzeitig aus dem Verein aus, da sie dessen Entscheidungen nicht mittragen wollten. Vgl. Unterlagen zum Verein Leipziger Kommissionäre aus dem Jahre 1921, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 11. 12 Vgl. Börsenblatt 88 (1921) 74, S. 410. Siehe auch Protokoll der 7. Betriebsbesprechung am 14.02.1922, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 24. Die Dresdner Anstalt wurde durch einen kleinen Kommissionär in Leipzig vertreten, vgl. Bericht über einen Besuch Frentzels in Dresden vom 22. Februar 1922, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 26. Die Augsburger Bestellanstalt liquidierte am 30. September 1929. Vgl. Börsenblatt 96 (1929) 259, S. 1191. 13 Vgl. Börsenblatt 89 (1922) 270, S. 1633. Vgl. ferner Börsenblatt 89 (1922) 292, S. 1750. 14 Vgl. Börsenblatt 90 (1923) 272, S. 7903. 15 Siehe hierzu weiter unten den Abschnitt »Die Modernisierung des Leipziger Kommissionsplatzes«. 16 Vgl. Bilanz des Auslieferungsverkehrs anhand des Protokolls der 17. Betriebsbesprechung der Koehler & Volckmar AG. vom 8.12.1925, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 29. 17 Im Oktober 1922 überstiegen die Kredite der Kommissionsgeschäfte von Koehler & Volckmar die Kommittentenguthaben um 5 bis 6 Mio. M. Vgl. SStAL, Koehler & Volckmar, 24, 26.
286
6 D er Zw isch enbuchh and e l
Tabelle 1: Verlage mit einem Leipziger Lager 1918–1933 Jahr
1918
1919
1922
1925
1928
1933
Lager
2.886
3.114
3.154
2.553
2.484
2.179
Quelle: Adreßbuch des Deutschen Buchhandels.
Die Geschäftsgeografie des Kommissionsbuchhandels In der Weimarer Republik blieb Leipzig trotz aller Krisenerscheinungen nach wie vor das Zentrum des deutschen Buchhandels. Es verband sämtliche Wirtschaftsregionen des nationalen Marktes sowie den nationalen mit dem internationalen Buchhandel. Aufgrund der Tatsache, dass nicht alle Geschäfte, beispielsweise innerhalb Süddeutschlands, über Leipzig laufen konnten, bedienten Nebenkommissionsplätze regionale Submärkte. Ihre Bedeutung lag ausschließlich in der internen Geschäftsvermittlung ihres Einzugsfeldes, sie verkürzten interne Wege. Über regional begrenzte Geschäftskontakte hinaus besaßen die Nebenplätze kaum Bedeutung. Häufig kam es zu einer gegenseitigen Überlappung und Durchdringung von buchhändlerischen Submärkten.18 Nachdem die Nebenkommissionsplätze Berlin und Stuttgart kurz nach der Jahrhundertwende zu großen Teilen von den Leipziger Marktführern K. F. Koehler sowie F. Volckmar aufgekauft worden waren, bestand ihre Funktion in der Ergänzung des Leipziger Zentrums. Die strategische Koordinierung der drei Plätze wurde in den Vorstandssitzungen der 1918 vereinigten Leipziger Firmenleitung von Koehler & Volckmar vorgenommen, die monatlich und in Krisensituationen wöchentlich stattfanden.19 Die Zusammenfassung des Verkehrs über Leipzig brachte einen Kommunikationsvorteil mit sich, der am Beispiel der so genannten Geschäftsrundschreiben deutlich wurde. Geschäftsrundschreiben gehörten seit dem 18. Jahrhundert zu einem beliebten, da preiswerten brancheninternen Informationsmittel. Die kleinen Zettel, oftmals mit Informationen zu Inhaberwechseln und Veränderungen in den Geschäftsgepflogenheiten, wurden über den Leipziger Kommissionär den Ballen, Paketen und Beischlüssen aller am organisierten Buchhandel teilnehmenden Firmen mitgegeben. Somit war das System unabhängig von der Post und sparte Gebühren.20 1932 wurden vom Verein der Buchhändler zu Leipzig vorgedruckte Geschäftsrundschreiben bzw. Adressenlisten angeboten, die der Kommittent für dessen Prospektversand etc. erwerben konnte. Die Adressen waren bereits auf gummierten und geschnittenen Streifen aufgedruckt und konnten auch für einzelne Branchenspezialisierungen erworben werden, unter anderem für:
18 Vgl. Keiderling: Modernisierung des Leipziger Kommissionsbuchhandels, S. 219. 19 Siehe die erhaltenen Protokolle der Vorstandssitzungen im Leipziger Firmennachlass von Koehler & Volckmar. 20 Vgl. Keiderling: Modernisierung des Leipziger Kommissionsbuchhandels, S. 78 f. Vgl. ferner Staniek: Buchhändlerische Geschäftsrundschreiben als buchgeschichtliche Quelle.
6.1 Der Kommissionsbu chhand el
287
í sämtliche Buchsortimenter (7.820 Firmen, davon verkehrten 5.963 über Leipzig und 1.857 direkt) zum Preis von 25,00 M,
í sämtliche reine Musikalienhändler (1.188 Firmen, davon 771 Sortimenter und 417 Verleger, über Leipzig verkehrten 604 Sortimenter und 339 Verleger, während 167 und 78 im Direktverkehr standen) zum Preis von 6,00 M, í sämtliche Grossobuchhandlungen (153 Firmen, davon verkehrten 49 direkt) zum Preis von 2,00 M, í sämtliche deutsche und ausländische Export- und Importbuchhandlungen (245 Firmen, davon verkehrten 58 direkt) zum Preis von 3,00 M oder í sämtliche Firmen einer deutschen Region (beispielsweise Sachsen = 619 Firmen) zum Preis von 10,00 M.21 Eine weitere Einsparung an Porto ergab sich bei der Bestellzettelvermittlung durch die Leipziger Zettelbestellanstalt. Curt Fernau führte für das Jahr 1931 hierzu aus, die Gesamteinlieferung der Bestellanstalt betrage »täglich etwa 30 bis 36 Kilo, das Kilo hat etwa 2.500 Zettel, wovon der empfohlene Verkehr etwa 8–10 Kilo ausmacht. Wem die Bedeutung des Leipziger Platzes […] noch nicht klar geworden sein sollte, der multipliziere einmal die 35 Kilo Tagesdurchgang mit je 2.500 Zetteln, das ergibt 87.500 Zettel täglich. Multiplizieren Sie diese Zahl mit einem Mittel der Porti für Bücherzettel und Postkarten und nehmen Sie dieses Produkt mal 250 jährliche Arbeitstage, dann werden Sie leicht errechnen können, wie viel der Leipziger Platz dem Gesamtbuchhandel allein an dieser Stelle spart und damit die immense volkswirtschaftliche Bedeutung desselben erfassen können.«22 Der Standortvergleich ergibt, dass über Leipzig ein Gutteil aller deutschen Buchhandlungen vertreten waren, während die Nebenkommissionsplätze Berlin und Stuttgart – Anfang der 1930er Jahre fanden im Adreßbuch zusätzlich noch Hamburg und München Erwähnung23 – bei einer vergleichsweise geringen Kommittentenvertretung beachtliche Zuwächse zu verzeichnen hatten. Sieht man sich die Namen der Kommittentenfirmen genauer an, fällt auf, dass die Ernennung eines Kommissionärs auf einem Nebenplatz zumeist nicht alternativ, sondern additional zum Leipziger Kommissionär erfolgte.24 Hinzu kommt ein weiterer gravierender Unterschied: Während die Leipziger Kommissionäre aufgrund ihrer zentralen Stellung im System des deutschen Buchhandels ein umfangreiches Paket von Serviceleistungen anboten, waren die Möglichkeiten auf den Nebenkommissionsplätzen begrenzt. Dort konnte nur ein geringer Teil der Abrechnung erfolgen, Lagerhaltung war nur in Ausnahmefällen üblich, die Lieferbarkeit einge21 Weitere Beispiele siehe Adreßbuch des Deutschen Buchhandels, 1932, S. XXXVI f. 22 Fernau: Der Leipziger Platz, S. 9. 23 Hamburg war mit 11 und München mit 10 Kommissionsverbindungen ausgewiesen. Vgl. Adreßbuch des Deutschen Buchhandels, 1933, S. XXXVIII. 24 Als unzutreffend muss in diesem Zusammenhang die leider viel zu häufig zitierte Tabelle von Jordan bezeichnet werden, in der die Kommittentenzahlen der einzelnen Kommissionsplätze ohne Berücksichtigung von Mehrfacherwähnungen (also Kommittenten, die sowohl in Leipzig als auch in Berlin und Stuttgart Kommissionäre ernannt hatten) addiert wurden, um davon ausgehend Prozentzahlen zu erhalten. Siehe Tabelle V: Der Verkehr der Kommittenten über die einzelnen Kommissionsplätze (in Prozent), in: Jordan: Der Zentralisations- und Konzentrationsprozess im Kommissionsbuchhandel, S. 85.
288
6 D er Zw isch enbuchh and e l
schränkt. Punktuelle Vergleiche der Kommissionsgebühren von Koehler & Volckmar sowie Koch, Neff & Oetinger belegen, dass die Kommissionsgebühren auf den Nebenplätzen vergleichsweise gering ausfielen.25 Das Kräfteverhältnis zwischen den drei wichtigsten Kommissionsplätzen der Weimarer Republik Leipzig, Stuttgart und Berlin lässt sich am besten an der Firmenverteilungs- und Kommittentenstatistik erkennen. Die Tabellen 2 und 3 belegen zunächst einen Rückgang sowohl der Kommissions- als auch Kommittentenfirmen seit 1919 bzw. 1914. Diese Entwicklung war nicht auf Leipzig begrenzt, sondern betraf auch, wenngleich in unterschiedlichem Maße, die Nebenkommissionsplätze. Tabelle 2: Anzahl der Kommissionäre an bedeutenden Kommissionsplätzen Jahr
Leipzig
Stuttgart
Berlin
1919
97
9
11
1922
86
–
–
1928
54
3
326
1933
48
3
327
Quellen: Niewöhner: Konzentrationsprozeß im deutschen Kommissionsbuchhandel, S. 31. Adreßbuch des Deutschen Buchhandels. Tabelle 3: Kommittentenvertretungen über bedeutende Kommissionsplätze Jahr
Leipzig
Stuttgart
1914
10.980
715
Berlin
Firmen des Deutschen Buchhandels insgesamt (davon nur Direktverkehr)
261
12.156
1918
–
–
–
11.982
1924
7.369
–
–
–
1925
10.669
423
76
13.706 (1.512)
1928
9.152
496
71
11.619 (1.677)
1933
8.305
721
101
11.417
Quelle: Adreßbuch des Deutschen Buchhandels. Der Kommittentenrückgang hatte drei Ursachen. Zunächst war er einer so genannten Bereinigung des buchhändlerischen Adressbuches geschuldet, sodann gingen in den wirtschaftlich schwierigen Nachkriegsjahren zahlreiche Firmen Bankrott, schließlich erhielt der direkte Verkehr einen Bedeutungsaufschwung. 1928 ließen sich von insgesamt 11.619 Kommittentenfirmen, die das Adreßbuch des Deutschen Buchhandels ver25 Vgl. auch den Abschnitt zum Kommissionsbuchhandel in Band 2 des ersten Teils der Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert, S. 641–667, besonders S. 661–664. 26 Bei den drei Kommissionären handelte es sich um Sortimenterkommissionäre. Der Verlag wurde in Berlin über Verlagsvertreter organisiert, die nur ansatzweise etwas mit Verlegerkommissionären zu tun hatten. Vgl. Berliner Adressbuch, 1930. 27 Vgl. Berliner Adressbuch, 1930.
6.1 Der Kommissionsbu chhand el
289
zeichnete, 9.719 (= 84 Prozent) über die drei großen Kommissionsplätze Leipzig, Stuttgart und Berlin vertreten. Im selben Jahr unterhielten 2.484 auswärtige Verleger Auslieferungslager bei ihren Leipziger Kommissionären und ließen von dort ausliefern.28 Vergleicht man die Geschäftsjahre 1910 und 1933, so erhöhte sich jeweils die durchschnittliche Anzahl der Kommittenten pro Betrieb beträchtlich, wie die folgende Tabelle veranschaulicht. Tabelle 4: Durchschnittszahl der Kommittenten auf einen Betrieb Jahr
Leipzig
Stuttgart
Berlin
1910
71,9
54,6
9,0
1933
167,6
238,0
31,0
Quelle: Niewöhner: Der Konzentrationsprozeß im Kommissionsbuchhandel, S. 39. Niewöhner hob hervor, dass die Adressbuchbereinigung für eine Verzerrung der Ergebnisse sorgte. Viele Klein- und Gelegenheitskommissionäre, die früher vielleicht noch Eingang in das Branchenverzeichnis gefunden hätten, seien nach 1918 nicht mehr mit aufgeführt worden. So sei die Zahl der Kommissionsgeschäfte zwischen 1910 und 1933 von 156 auf 48 (30 Prozent) vor allem deshalb zurückgegangen, weil im letztgenannten Jahr die Gelegenheitskommissionäre fehlten. Belief sich ihre Zahl 1910 auf 88, so wurde diese Kategorie 1933 nicht mehr berücksichtigt.29 Insofern war der Rückgang der Leipziger Firmenzahl zunächst kein Resultat eines Konzentrationsprozesses, sondern einer veränderten Branchenstatistik. Ebenso war die absolute Zahl der über Leipzig vertretenen Kommittenten von 1910 bis 1933 um ca. 29 Prozent zurückgegangen.30 Lässt man in der Tabelle 5 die Kategorie IV beiseite, wird deutlich, dass die Buchkommissionäre im Vergleich zu den anderen Kommissionärsarten nur einen vergleichsweise geringen Kommittentenverlust verzeichneten.31 Die Gruppe der kleineren Buchkommissionäre hatte eine deutliche Dezimierung erfahren, ihre durchschnittliche Auftragslage verringerte sich von 25 auf 9 Kommittenten. Während um 1910 die zehn bedeutendsten Grossobuchhandlungen 80 Prozent der Kommittenten betreuten, entfielen im Jahre 1933 fast 90 Prozent aller Kommittenten auf nur mehr vier Betriebe.32
28 Vgl. Friese: Leipzig als Bücherstadt, S. 3. 29 Vgl. Niewöhner: Konzentrationsprozeß im deutschen Kommissionsbuchhandel, S. 41. 30 Quellenkritisch soll hier angemerkt werden, dass nicht immer deutlich wird, woher die Zahlen von Niewöhner stammen. Zumindest nennt das Adreßbuch des Deutschen Buchhandels für 1933 8.305 über Leipzig vertretene Kommittenten – bei Niewöhner sind es hingegen 7.986. 31 Vgl. Niewöhner: Der Konzentrationsprozeß im deutschen Kommissionsbuchhandel, S. 42. 32 Vgl. Niewöhner, S. 48.
290
6 D er Zw isch enbuchh and e l
Tabelle 5: Firmengrößen und Spezialisierungen im Kommissionsbuchhandel 1910 und 1933
Jahr I. Buchkommissionäre a) Großbetriebe usf. b) Mittelbetrieb c) Kleinbetrieb II. Grossokommissionäre a) Großbetrieb b) Mittelbetrieb c) Kleinbetrieb III. Musikalienkommissionäre a) Großbetrieb b) Mittelbetrieb c) Kleinbetrieb IV. Gelegenheitskommissionäre nur a) Kleinbetrieb Insgesamt
Anzahl der Betriebe (Kommissionsgeschäfte) 1910 1933
Anzahl der Kommittenten
durchschnittl. Anzahl der Kommittenten
1910
1933
1910
1933
3 20 13
2 13 4
3.647 3.607 325
3.854 2.187 37
1.215,7 180,4 25
1.927 168,2 9
1 9 –
– 5 3
2.561*
– 1.271 139
256,1*
– 254,2 46,4
1 7 7
– 3 7
885*
– 498**
59*
88
–
194
–
2,2
–
156
48
11.219
7.986
71,9
166,3
–
–
–
– 49,8**
–
* Gilt für Klassifizierungen a) und b) zusammen. ** Gilt für Klassifizierungen b) und c) zusammen. Quellenkritischer Hinweis: Die in dieser Tabelle vorgenommene Einteilung nach der Betriebsgröße ist problematisch, da Jordan und Niewöhner die Kriterien hierfür nicht auswiesen.
Quellen: Vgl. Jordan: Der Zentralisations- und Konzentrationsprozeß, S. 122. Vgl. Niewöhner: Der Konzentrationsprozeß im deutschen Kommissionsbuchhandel, S. 42.
Leipzig Die räumliche Konzentration des Zwischenbuchhandels im Leipziger Kommissionsbuchhändlerviertel sorgte für einen rationellen Ablauf der Bestellung und Auslieferung. Das Zentrum bildeten das neue Buchhändlerhaus sowie das Buchgewerbehaus, wo die Zettelbestellanstalt und die Paketaustauschstelle untergebracht waren.33 Die Paketanstalt erfreute sich nach anfänglichen Problemen eines großen Zuspruchs. Nahezu sämtliche Leipziger Firmen ließen über sie ausliefern. Seit dem 1. Juli 1917 wurde der Zahlungs33 Die Paketaustauschstelle zog im Januar 1918 aus Platzgründen vom Buchhändlerhaus in das Buchgewerbehaus um. Vgl. Börsenblatt 85 (1918) 5, S. 15. Vgl. ferner Börsenblatt 85 (1918) 227, S. 582.
6.1 Der Kommissionsbu chhand el
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verkehr der Einrichtung durch die Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt in Leipzig bargeldlos geregelt. Das Personal bestand 1918 aus 22 Personen, von denen 10 halbtags arbeiteten.34 Der Paketaustauschstelle standen insgesamt 1.200 m2 Fläche zur Verfügung.
Abb. 1a/b: Die 1916 errichtete, genossenschaftliche Paket-Austauschstelle im Hof des Deutschen Buchhändlerhauses Leipzig. Aus: Hohlfeld, Johannes: Hundert Jahre Verein der Buchhändler zu Leipzig. Leipzig: Verlag des Vereins der Buchhändler zu Leipzig 1933, S. 31 und 115. Leider sind die Bilanzen der Leipziger Paketaustauschstelle nicht Jahr für Jahr – so wie beispielsweise für die Berliner Einrichtung – im Börsenblatt veröffentlicht worden. Anhand solcher Angaben wären Aussagen zum Auslieferungsverkehr35 möglich gewesen. Lediglich für 1918 und 1919 wurden Parameter bekannt gegeben. In diesen Jahren betrug die Anzahl der bargeldlos über die Anstalt verkehrenden Firmen 211 und 273. Der Jahresumsatz, über die Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt organisiert, wurde mit 17.154.263,15 M und 27.297.280,15 M angegeben. Die Zahlen belegen den wachsenden Zuspruch zur neuen Einrichtung.36 Zu Beginn der dreißiger Jahre vermittelte die Paketaustauschstelle wöchentlich etwa 50.000 bis 55.000 Bar- und Rechnungspakete.37 Der nahe dem Buchhändlerhaus gelegene Eilenburger Bahnhof war der Güterumschlagplatz des Leipziger Kommissionsbuchhandels. Unweit davon befand sich nördlich das Koehlerhaus (4.850 m2 Grundfläche) mit seinem gläsernen Packhof am Täubchenweg und südlich das fast doppelt so große Volckmarhaus an der Königstraße (8.700 m2 Grundfläche). Der zweitbedeutendste Leipziger Buchkommissionär Carl Friedrich Fleischer mit ca. 130 Angestellten (1930) residierte in der Salomonstraße 16. Weitere, kleinere Firmen wie G. Brauns, E. Bredt, F. A. Brockhaus, F. E. Fischer, R. Forberg, Fr. Foerster, H. Haessel, F. L. Herbig, Hermann & Schulze, Fr. Hofmeister, L. A. Kittler, O. Klemm, Ed. 34 Im Bericht von 1918 wurden aber auch einige Mängel der Paketanstalt aufgezeigt. So sorge das Abladen der Bücher im Freien für Beschädigungen, ebenso würden Wagen unbeaufsichtigt stehen gelassen. Ferner fehle es noch an motorisierten Transportwagen. Vgl. Börsenblatt 85 (1918) 29, S. 62. 35 Meist wurden für Berlin Gewichtsangaben zu den angenommenen und ausgelieferten Barpaketen (in kg) veröffentlicht. 36 Vgl. Börsenblatt 85 (1918) 29, S. 61 f. Vgl. ferner Börsenblatt 85 (1918) 227, S. 582. Vgl. ferner Börsenblatt 87 (1920) 81, S. 350 ff. 37 Vgl. Niewöhner: Der Konzentrationsprozeß im deutschen Kommissionsbuchhandel, S. 34.
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Kummer, C. F. Leede, L. Naumann, W. Opetz, M. Prager, Fr. Wagner, H. G. Wallmann oder Fr. Winter waren im Grafischen Viertel und im Buchhändlerviertel angesiedelt.
Stuttgart Die Bedeutung des Stuttgarter Zwischenbuchhandels war für den regionalen, d. i. süddeutschen Buchhandel nach dem Ersten Weltkrieg leicht zurückgegangen. ElsassLothringen gehörte nicht mehr zu Deutschland. Die Schweiz verkehrte über Olten oder direkt mit Leipzig. So kam Walter Weitbrecht in seiner Diplomarbeit, die er 1928 beim Lehrstuhl von Gerhard Menz an der Handelshochschule in Leipzig geschrieben hatte, zu dem Ergebnis: »Der Kommissionär in Württemberg oder für den süddeutschen Platz ist überflüssig geworden. Die zwei Betriebe in Stuttgart fallen prozentual nicht ins Gewicht. Deutschlands Kommissionsplatz ist jetzt Leipzig und fast alle Kommissionäre haben in Leipzig ihren Sitz.«38 Diese Einschätzung traf in dieser Konsequenz nicht zu. Das beweist die Entwicklung Stuttgarts im Untersuchungszeitraum, wo der Zwischenbuchhandel trotz wirtschaftlicher Engpässe vollkommen intakt blieb und weiterhin sämtliche Spezialisierungen wie Kommissionsgeschäft, Barsortiment bzw. Grossobuchhandlung aufwies.39 Da das Barsortiment in Stuttgart mit dem Kommissionsgeschäft, dem Zeitschriftengrossohandel sowie der Lehrmittelabteilung in einem Hause vereint war, konnte der süddeutsche Sortimentsbuchhändler seinen Gesamtbedarf – oftmals kleine Sendungen – auch aus einer Hand beziehen. Auf dem Stuttgarter Platz ließen sich vorrangig Sortimenterkommittenten vertreten.40 Im Zuge der Innenstadtsanierung entstand ab 1905 um den Wilhelmsbau herum ein Zwischenbuchhändlerviertel, das durch die räumliche Nähe der führenden Geschäfte interne Wege maßgeblich verkürzte. Hier hatte F. Volckmar für seine Stuttgarter Töchter den Graf-Eberhard-Bau errichtet, der bereits 1908 bezogen werden konnte. 1917 wurden dort alle zu K. F. Koehler und Fr. Volckmar gehörenden Stuttgarter Filialen zusammengeführt. Die Süddeutsche Grossobuchhandlung befand sich in der Calwer Straße, August Brettinger von 1913 bis zum Einzug in den Graf-Eberhard-Bau (1922) in der Immenhofer Straße, der Reise- und Verkehrsverlag Steinmetz & Daucher in der Gartenstraße 46 und die Süddeutsche Gross-Buchhandlung G. Umbreit & Co. in der Calwer Straße 33.41
38 Weitbrecht, zitiert in: Bez: Zwischenbuchhandel, S. 93. 39 Die Barsortimente belieferten die Regionen Baden, Württemberg, Bayern, Österreich und das Rheinland (bis etwa Bonn). Thomas Bez vermutete, dass lediglich die Süddeutsche Grossobuchhandlung auch nach Bayern auslieferte, das ansonsten von Leipzig aus bedient wurde. Vgl. Bez: Zwischenbuchhandel, S. 92. 40 Vgl. Pfeiffer: Der deutsche Buchhandel, S. 27 f. 41 Vgl. Bez: Zwischenbuchhandel, S. 95.
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Abb. 2: Der Graf-Eberhard-Bau in Stuttgart. Aus: Koehler & Volckmar Leipzig – Stuttgart – Berlin. Leipzig: Koehler & Volckmar o. D. [ca. 1935], S. 10. Zwei Versuche gab es, in Stuttgart nach Leipziger Vorbild eine moderne Bestellanstalt zu errichten.42 1921 wurde die Bestellanstalt Stuttgarter Buchhändler GmbH ins Leben gerufen, die bereits im nächsten Jahr nicht mehr im Adreßbuch des Deutschen Buchhandels verzeichnet wurde. Am 1. April 1922 gründete die Stuttgarter VerlegerVereinigung eine weitere Bestellanstalt, die bis 1925 Bestand hatte. Sie residierte im Graf-Eberhard-Bau und war eine Zettelkasteneinrichtung nach Art der Leipziger Zettelbestellanstalt. Das örtliche Barsortiment und Kommissionsgeschäft nutzte die Einrichtung als Mittlerin zwischen Verlag und Sortiment. Zum Teil erledigte sie auch den auswärtigen Zettelverkehr mit. Auf dem Gelände des Graf-Eberhard-Baus befand sich ebenfalls eine Paketaustauschstelle, an der sich einige Firmen beteiligten. Diese wurde nicht wie in Leipzig genossenschaftlich betrieben, sondern war eher eine Behelfseinrichtung. Sie war deshalb sinnvoll, weil ein großer Teil des buchhändlerischen Verkehrs über Stuttgart sowieso im genannten Gebäudekomplex abgewickelt wurde.43
42 Zum gescheiterten Transfer dieser zwischenbuchhändlerischen Einrichtung von Leipzig nach Stuttgart im 19. Jahrhundert siehe Keiderling: Modernisierung des Leipziger Kommissionsbuchhandels, S. 254–276. 43 Vgl. Pfeiffer: Der deutsche Buchhandel, S. 28. Zur Leipziger Paketaustauschstelle siehe Band 1/2, Kapitel zum Kommissionsbuchhandel.
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Die Kunden des Stuttgarter Zwischenbuchhandels wurden je nach Umsatz und Entfernung ein- bzw. mehrmals pro Woche beliefert. Alles, was im Kundenfach an Zeitschriften, Büchern und Beipaketen zusammenkam, ging per Bücherwagen der Reichsbahn, per Express, per Post, durch Boten oder mit der Straßenbahn an die Kunden. Boten waren Fuhrleute, die mit Pferdegespannen in der Hauptstätter Straße, also am Rande des Stuttgarter Zwischenbuchhändlerviertels, die Pakete in Empfang nahmen. Jeder Fuhrmann war in einer bestimmten Gastwirtschaft anzutreffen. Sie sammelten die Sendungen auch anderer Stuttgarter Firmen bis zum Mittag ein und gegen 14 Uhr fuhren sie mit ihren Gespannen los. Eine andere Möglichkeit war, die Pakete mit der Straßenbahn zu befördern. Auf die Sendungen nach bestimmten Stuttgarter Vororten klebte man eine Wertmarke und brachte sie zur Straßenbahn am Schloßplatz, den damals fast alle Linien überquerten. Die Schaffner luden die Pakete an den entsprechenden Haltestellen aus, wo sie von den Kunden abgeholt wurden. Nur in der Innenstadt wurden Eildienste eingerichtet, welche die Sendungen bereits mit Kraftwagen ausfuhren.44
Berlin Der Berliner Kommissionsbuchhandel besaß kein eigenes Geschäftsviertel. Die Nähe zu Leipzig, dem logistischen Zentrum des deutschen Buchhandels, hatte bislang dafür gesorgt, die zwischenbuchhändlerische Bedeutung Berlins in Grenzen zu halten. Nun setzte nach dem Ersten Weltkrieg ein rapider Bedeutungsverlust des Berliner Standorts ein. Begünstigt wurde dieser Prozess durch den Umstand, dass die Leipziger Großunternehmen einige Führungsunternehmen des Berliner Kommissionsbuchhandels und Barsortiments nach der Jahrhundertwende aufgekauft und in die eigene Geschäftsstruktur eingegliedert hatten.45 In der Stadt gab es nur wenige professionelle Zwischenbuchhändler. 1930 vertraten ganze drei Sortimenterkommissionäre 26 auswärtige Kommittenten, die vorrangig im norddeutschen Raum residierten. Zahlreicher waren die Berliner Buchhandlungen bzw. Vertreter, die von auswärtigen Verlagen Auslieferungslager unterhielten. Diese Vertreter waren mit einem vollwertigen Verlegerkommissionär Leipziger oder Stuttgarter Prägung nicht mehr zu vergleichen. Das Adreßbuch für den Berliner Buchhandel nannte 1930 115 Vertreter für insgesamt 495 Verlagsfirmen.46 Der Verkehr des Berliner Buchhandels wurde über die Bestellanstalt der Korporation der Berliner Buchhändler abgewickelt. Geregelt wurde diese Einrichtung durch die »Verkehrsordnung für den Berliner Platzverkehr«. Sie war in der Hauptversammlung von 1900 aufgestellt und 1922 revidiert worden. Nach § 4 der Berliner Verkehrsordnung waren die Mitglieder der Korporation und der Bestellanstalt verpflichtet, einander alle Lieferungen frei Bestellanstalt zu leisten. Die Einrichtung übernahm nicht nur den Bestellzettel-, Skripturen- und Drucksachenverkehr der Mitglieder und deren Kommittenten untereinander, sondern auch denjenigen mit den Leipziger Kommissionären bis zu einer Gewichtsgrenze von 200 gr. täglich. Drucksachenversendungen von und nach Leipzig wurden in täglichen Sendungen bis zu 500 gr., Beförderungen und Beischlüsse 44 Vgl. Bez: Zwischenbuchhandel, S. 95 f. 45 Siehe hierzu den Abschnitt Kommissionsbuchhandel in Band 1/2 dieser Buchhandelsgeschichte. 46 Vgl. Berliner Adreßbuch, 1930, S. 228 f.
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von und nach Leipzig bis zu einer Gewichtsgrenze von 25 kg im Monat erledigt. Ferner übernahm es die Bestellanstalt, die ihr übergebenen Beischlüsse auszufahren bzw. vermittelte die eingegangenen Geldbeträge an die angeschlossenen Berliner Firmen.47 Tabelle 6: Statistik der Berliner Bestellanstalt 1918–1932 Jahr 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927
Paketausfuhr 1.047.655 kg 1.221.487 kg 1.189.402 kg 1.031.720 kg 1.173.623 kg 499.364 kg 522.748 kg 706.748 kg 668.718 kg 738.681 kg
1931 1932
875.922 kg 789.843 kg
Inkasso für Barpakete 1.688.473 M 4.413.729 M 8.326.817 M 10.418.640 M 156.523.196 M k.A.48 1.315.636 M 1.715.207 M 1.762.402 M 1.837.836 M
Versendungen nach Leipzig 10.140 kg 164.805 kg 192.422 kg 187.410 kg 197.297 kg 82.114 kg 116.806 kg 206.818 kg 239.194 kg 287.608 kg
1.557.125 M 1.242.285 M
247.477 kg 211.679 kg
Quelle: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jahresberichte. Die Tabelle 6 erfasst nicht die vollständige Warenvermittlung des Berliner Buchhandels, denn prinzipiell war es jedem lokalen Verlag möglich, Direktlieferungen an Sortimentsbuchhandlungen und an das Publikum an der Bestellanstalt vorbei zu tätigen. Dennoch lassen sich anhand dieser Auflistung Trendaussagen für den Berliner Absatz treffen. Während die Angaben zum Inkasso (Barpakete) den bekannten Währungsschwankungen unterlagen, waren Gewichtsangaben zu tatsächlich ausgelieferten bzw. nach Leipzig versandten Paketen eine sehr verlässliche Größe, um die Tätigkeit der Berliner Bestellanstalt im zeitlichen Längsschnitt einschätzen zu können. Für die Paketausfuhr auffällig waren zwei Plateaus im Untersuchungszeitraum. Von 1918 bis 1922 lag die Ausfuhr im Mittel um 1,13 Mio. kg, während es von 1923 bis 1932 mit durchschnittlich 615.000 kg nur rund 54 Prozent der zuvor vermittelten Mengen waren. Anhand der erhalten Dokumente lässt sich dieser Einbruch nicht eindeutig erklären. Vielleicht war es ab 1924 dem Leipziger Zwischenbuchhandel, vor allem dem dortigen Barsortiment Koehler & Volckmar, stärker als zuvor gelungen, die Auslieferung über den eigenen Platz zu organisieren. Diese Vermutung wird dadurch gestützt, dass die Berliner Versendungen zum Leipziger Zentrum nach 1924 etwas zunahmen und zumeist über 200.000 kg lagen. Die Zahlen zum Inkasso (Barpakete) lassen hingegen nur wenige Rückschlüsse zu. Für die Jahre 1918 und 1924 bis 1932 pendelten sie zwischen 1.242.285 M und 1.837.836 M. Die Phase von 1919 bis 1923 eignet sich aufgrund der inflationsbedingten Geldentwertung nur wenig dazu, in die Untersuchung mit einbezogen zu werden. 47 Vgl. Pfeiffer: Der deutsche Buchhandel, S. 26 f. 48 Im Kassenbericht von 1924 wurde formuliert: »Einen Vergleich mit dem Inkasso des Vorjahres zu ziehen, ist angesichts der damaligen Inflation nicht möglich.« Börsenblatt 92 (1925) 86, S. 6160.
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Eine Auswertung der Bestellanstalt-Statistik ermöglicht auch Rückschlüsse auf bevorzugte Bestell- und Bezugsarten. Während noch vor dem Ersten Weltkrieg, bedingt durch den Konditionshandel, monatliche Schwankungen in den beförderten Buchmengen die Regel waren,49 nahmen diese in den zwanziger Jahren deutlich ab. Zwangsläufig erfolgte nun eine verstärkte Fest- und Barbestellung, da diese besser rabattiert waren und somit die Gewinnspanne der Sortimenter erhöhten.50
Vernetzung der Kommissionsplätze: Sammelbezug und Bücherwagendienste Ein Hauptvorteil des Kommissionsbuchhandels bestand im kostengünstigen Sammelbezug. Einerseits mussten die Kommissionäre darum bemüht sein, durch Sonderverträge mit nichtbuchhändlerischen Spediteuren (Post/Bahn) einen möglichst preiswerten Transport zu gewährleisten. Andererseits hatten sie darauf zu achten, dass das Zusammenfassen der Beischlüsse zu Sammelsendungen nicht zu lange dauerte, damit die Ware schnellstmöglich an die Sortimenter gelangte. Während der zwanziger Jahre wurden die meisten Bücherwagendienste über die Schiene organisiert. Es gab aber auch Pläne, den Verkehr auf die Straße zu verlagern. 1920 wurde von Richard Quelle ein Auto-Direktverkehr zwischen Berlin und Leipzig vorgeschlagen. Die Kraftverkehrsgesellschaft »Freistaat Sachsen« mbH zeigte bereits Interesse an dieser Dienstleistung für den Kommissionsbuchhandel und errechnete anhand von Kostenbeispielen allein für den Transport eine Einsparung von bis zu 45 Prozent. Die Leipziger Kommissionäre ließen sich von dieser Zahlenakrobatik nicht beeindrucken. Gerade beim Verkehr mit dem Berliner Buchhandel meinten sie, durch günstige Verträge mit der Bahn ein kaum noch zu unterbietendes gutes Preis-LeistungsVerhältnis erreicht zu haben. Sie lehnten das neue Projekt ab.51 Der Verein Leipziger Kommissionäre argumentierte wiederholt mit dem Kostenvorteil des Sammelbezugs gegenüber dem direkten. Da die Schriften des Vereins mit solchen programmatischen Titeln wie »Die Wirtschaftlichkeit des Verkehrs über Leipzig« (1922) oder »Weshalb verkehrt man über Leipzig« (1925, 1926, 1931) sämtlich einem Werbezweck dienten, müssen die dort genannten Zahlenbeispiele mit Vorsicht behandelt werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie zugunsten des Auslieferungsverkehrs über Leipzig geschönt wurden. Zusätzlich zu den Bücherwagendiensten wurden zur Beschleunigung des Eilgutverkehrs von Leipzig aus nach 266 deutschen Städten täglich durchlaufende »Kurswagen« abgefertigt, die von der Deutschen Reichsbahn zum Teil an Personenzüge angehängt wurden. Nach einigen Orten liefen die Kurswagen nicht direkt durch. Die Lieferungen mussten dann von Waggon zu Waggon umgeladen werden.52
49 Vor allem zur jährlichen Ostermesse flossen die Remittenden über die Bestellanstalt an die Verlage zurück. 50 Vgl. Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 21. 51 Vgl. Börsenblatt 87 (1920) 234, S. 1238. 52 Vgl. Weshalb verkehrt man über Leipzig? 1931, S. 20–22.
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Die weitere Umgestaltung des Leipziger Kommissionsplatzes durch den Verein Leipziger Kommissionäre Der Verein Leipziger Kommissionäre hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dem infolge der Kriegsjahre eingetretenen wirtschaftlichen Attraktivitätsverlust Leipzigs durch eine bessere Platzpolitik entgegenzuwirken. Im Vorstand agierten zumeist die Geschäftsführer der wichtigsten Kommissionsgeschäfte Leipzigs. Am 1. Januar 1919 traten neue Platzbestimmungen in Kraft, welche die Bedingungen für die Serviceleistungen und Gebühren der im VLK organisierten Firmen vereinheitlichte. Im Einzelnen legten diese »Allgemeine Bedingungen für die Berechnung der Leipziger Kommissionsgebühren« fest: a) Die Besorgung einer neu übernommenen Kommission gegen Berechnung einer Gesamtpauschale ist unzulässig.53 b) Die Kommissionsgebühr beträgt mindestens 75 M pro Jahr, bei jährlichen Umsätzen über 2.000 M mindestens 100 M pro Jahr und weiter im Verhältnis zum Umsatz steigend bis zu 400 M für Sortimenter und 1.000 M für Verleger, sofern nicht Sonderansprüche des Kommittenten noch höhere Kommissionsgebühren erforderlich machen. (Der bisherige berechnete Teuerungszuschlag von 30 Prozent kommt infolge der Erhöhung der Grundgebühr zum Wegfall). Die Teuerungspauschale beträgt monatlich 2 Prozent oder vierteljährlich 6 Prozent desjenigen Betrags, der dem Kommittenten innerhalb von 12 Monaten des vergangenen Kalenderjahres gemäß diesen Platzbestimmungen an Gebühren belastet worden ist. c) Für vereinbarten oder stillschweigend regelmäßig in Anspruch genommenen Kredit müssen Zinsen und Provision berechnet werden. Die Höhe der Zinsen und Provision richtet sich nach dem Risiko und nach den Grundsätzen, die im Bankgeschäft üblich sind. d) Für die Besorgung von Sortiment für Kommittenten wird eine Provision von 10 Prozent auf die Originalpreise der Verleger veranschlagt. Für die Erteilung bibliographischer Auskünfte beträgt diese 30 Pfennige. e) Die Beiträge, die der Kommissionär für die Bestellanstalt und die Paketaustauschstelle zu zahlen hat, sind anteilig auf die Kommittenten umzulegen. f) Für den Verkehr zwischen Kommissionär und Kommittenten sind die Bestimmungen der buchhändlerischen Verkehrsordnung maßgebend. Es ist nicht statthaft, dass ein Kommissionär mit seinen Kommittenten Vereinbarungen trifft, die diese Bestimmungen zum Nachteil des ersteren verändern. g) Der Kommissionär wird durch Übernahme und Beibehaltung einer Kommission dem Kommittenten gegenüber nur zum geschäftlichen Verkehr mit denjenigen Leipziger Kommissionären und den von ihnen vertretenen Firmen verpflichtet, welche die durch Beschluss einer Hauptversammlung des VLK jeweilig festgesetzten Platzbestimmungen einhalten. 53 Dies wurde mit folgendem Zusatz versehen: »Wo an Stelle einer Berechnung nach den Beträgen oder Gewichten eine Pauschalberechnung treten kann, ist dies in den einzelnen Positionen der nachfolgenden Gebührensätze stets besonders angegeben.« Geschäftsrundschreiben des VLK vom 12. Dezember 1919, in: DBSM, Kasten 21, Nr. 154.
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h) Für den Fall, dass ein Leipziger Kommissionär durch Streik oder ähnliche Maßnahmen seiner Angestellten bedroht ist, oder dass es durch höhere Gewalt, Krieg, Revolution und ähnliches an der ordnungsgemäßen Kommissionsbesorgung behindert ist, ruhen während der Dauer dieses Zustandes die von ihm dem Kommittenten gegenüber übernommenen Verpflichtungen, ohne dass letzterer Schadenersatz fordern kann. (Zusatzhinweis zum Beschluss der Hauptversammlung des Vereins der Buchhändler zu Leipzig vom 28. Januar 1907: Wer während eines Ausstandes Kunden eines vom Ausstand betroffenen Geschäfts annimmt oder zum Wechsel der Geschäftsverbindung [Kommissionsbeziehung, Th. K.] zu bestimmen sucht, begeht eine mit der Ehre eines Kaufmanns unvereinbare Handlung.)54 Diese Modifikationen der Kommissionsplatzbestimmungen zeigen, dass der VLK den Ernst der Stunde erkannt hatte. Die Gebühren wurden weitgehend gesenkt bei gleichzeitiger moderater Erhöhung der Kommissions-Grundgebühren. Aufschlussreich ist die Aussage bezüglich der Kreditfunktion des Kommissionärs (vgl. c). Der Kommissionär ließ sich gleich der Bank seine Vorfinanzierung (Inkasso) durch Zinsen und Provision vergüten – ein Ausdruck seiner Professionalität im Abrechnungsbereich. Die beiden Schlussbestimmungen spiegeln die Erfahrungen im Arbeitskampf zu Beginn des 20. Jahrhunderts wider. Der Verein appellierte an den Ehrenkodex und Zusammenhalt der Zwischenbuchhändler: aus einer Streiksituation sollte kein Konkurrenzunternehmen Profit schlagen können. Die während der Inflation hinter der Geldentwertung zurückgebliebenen und daher niedrigen Tarife der staatlichen Verkehrseinrichtungen, allen voran der staatlich subventionierten Reichspost, verstärkten den Anreiz für den direkten Verkehr zwischen Verlag und Sortiment unter Ausschluss des Zwischenbuchhandels. Bereits 1922 erkannte der Vereinsvorstand des VLK, die Gebührenberechnung der Geldentwertung müssten gleitend angepasst werden. So entstand im April 1922 der Wertindex des VLK, welcher als Vorläufer der erst im Herbst 1922 eingeführten Schlüsselzahl des Börsenvereins gelten kann. Der Wertindex »Schlüsselzahl« wurde aufgrund statistischer Erhebungen des Kommissionärsvereins zunächst monatlich festgestellt, indem der Durchschnittswert von einem Kilogramm der durch Leipzig fließenden buchhändlerischen Sendungen ermittelt wurde. Diese gleitende Berechnungsform trug wesentlich dazu bei, den Kommissionsbuchhandel während der Inflationszeit zu stabilisieren.55 Am 1. März 1923 eröffnete der Verein Leipziger Kommissionäre nach schwierigen Vorbereitungen einen Währungsbarverkehr über Leipzig, indem er ein Clearing in 28 verschiedenen Währungen einrichtete. Mit Hilfe eines Netzes ausländischer Bankverbindungen ermöglichte der VLK dem deutschen Verlagsbuchhandel, seine Auslandsforderungen schnell einzuziehen. Dies war insbesondere in der Inflationszeit von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Die Verleger erhielten auf Wunsch ihr Guthaben in Form
54 Vgl. Geschäftsrundschreiben des VLK vom 12. Dezember 1919, in: DBSM, Kasten 21, Nr. 154. 55 Vgl. Verein Leipziger Kommissionäre 1934, S. 2 f.
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eines Auslandsschecks, für das der Verein den IBU-Scheck entworfen hatte. Im Devisengeschäft erlangte dieser eine gewisse Verbreitung.56 Zur weiteren Beschleunigung und Verbesserung des Zahlungsverkehrs über Leipzig wurde am 28. Mai 1923 das System der Börsenzahlung durch die Kommissionäre als Zalko (Zahlungsverkehr Leipziger Kommissionäre) zeitgemäß ausgebaut. Die Zalko war mit dem Ziel gegründet worden, die früheren, in bar erfolgten Börsenzahlungen zu vereinfachen.57
Abb. 3: Zalko-Zahlzettel. In: Wie verkehrt man über Leipzig? 1931, S. 31. Am 10. Dezember 1923 wurde ein Vertrag zwischen dem Leipziger Kommissionärsverein und der seit Juni 1923 bestehenden Buchhändler-Abrechnungsgenossenschaft (BAG)58 abgeschlossen, wonach der Abrechnungsverkehr fortan gemeinsam durchgeführt wurde und zwar in der Weise, dass die Abwicklung des Zahlungsverkehrs ausschließlich durch die Kommissionäre erfolgte. Ursprüngliches Ziel der BAG war es, für den Verlag Forderungen an das Sortiment zu festgelegten Terminen einzuziehen. Daraus ergab sich für den Verlag der Vorteil, dass er an einem bestimmten Tag mit dem Geldeingang rechnen konnte. 1926 waren 2.550 Firmen Mitglied der BAG. Für sie wurden in diesem Jahr 1.797.305 Einzelposten im Wert von etwa 17 Mio. M erledigt.59 Gleichzeitig wurde in der Girokasse des Vereins (Gilko) eine Abrechnungsstelle für solche Firmen geschaffen, die in Leipzig keinen Kommissionär unterhielten. Nach Dar56 Vgl. Verein Leipziger Kommissionäre 1934, S. 3. 57 Vgl. den Beitrag von Volker Titel zu Vereinen und Verbänden in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte, besonders S. 243. 58 Zur Entstehungsgeschichte, Arbeitsweise und Bedeutung der BAG während der Inflation, siehe Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 138–144; sowie Titel: Vereine und Verbände, S. 243. 59 Vgl. Niewöhner: Der Konzentrationsprozeß im deutschen Kommissionsbuchhandel, S. 33. Vgl. ferner: Pfeiffer: Der deutsche Buchhandel, S. 8.
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stellung des VLK fand die letzte historische Ostermessabrechnung 1922 statt. Ein Jahr später, im Oktober 1923, hatte die Geldentwertung bei hohen täglichen Kursschwankungen ein derartiges Tempo erreicht, dass eine geordnete Geschäftsführung kaum noch möglich war. Während dieser Monate gab es eine spürbare Kommittentenabwanderung von Leipzig, Stuttgart und Wien. Die Talsohle war im Januar 1924 erreicht, als mit 6.500 Firmen nur etwa die Hälfte aller Buchhandlungen mit dem Leipziger Zentrum verbunden waren. Eine Stabilisierung der Währung war nur noch durch den Übergang zur Rentenmark zu erreichen, die für den Zahlungsverkehr in Leipzig im November 1923 stattfand.60 Tabelle 7: Über Leipzig verkehrende Firmen nach der Inflation Jahr 1924
1925 1926
Datum 1. Januar 1. April 1. September 1. Januar 1. Juli 1. Januar 1. Juli
Firmen 6.500 7.814 8.606 8.800 9.700 10.333 10.848
Quelle: Weshalb verkehrt man über Leipzig? 1926, S. 15. Um dem Kommittentenschwund entgegenzuwirken, entwickelte der Verein Leipziger Kommissionäre seit 1923 eine aufwendige Werbekampagne zur Erhaltung und Stärkung des Leipziger Kommissionsplatzes. In dieser Zeit erschienen mehrere Aufklärungsschriften, die heute hervorragende wirtschaftsgeschichtliche Quellen darstellen. Ihre Titel lauten: Wer verkehrt über Leipzig (mit einer Liste der über Leipzig beziehenden Sortimenter), Wer liefert über Leipzig aus (mit einer Liste der in Leipzig ausliefernden Verleger), Wie verkehrt man über Leipzig (eine Neubearbeitung des Memorandums von 1846 sowie der 1892 gedruckten Schrift Der buchhändlerische Verkehr über Leipzig61), Weshalb verkehrt man über Leipzig (eine Gegenüberstellung des Sammelverkehrs über Leipzig und des direkten Verkehrs) sowie Der Leipziger Platz und seine buchhändlerischen Einrichtungen (ein praktischer Leitfaden für die Benutzung der Leipziger Verkehrseinrichtungen). Daneben wurde in zahlreichen Rundschreiben, Börsenblatt-Artikeln, Handzetteln und Plakaten auf die Vorteile des Leipziger Kommissionsplatzes hingewiesen. Für Auszubildende sowie jüngere Buchhändler gab 1925 der Rechtsanwalt Dr. Albert Heß eine Broschüre heraus, die unter dem Titel Die weltwirtschaftliche Bedeutung Leipzigs als Zentrale des deutschen Buchhandels die historische Dimension des Standorts in Erinnerung rufen sollte.62
60 Vgl. Verein Leipziger Kommissionäre 1934, S. 3. 61 Vgl. hierzu: Keiderling: Modernisierung des Leipziger Kommissionsbuchhandels, S. 213– 215. Vgl. ferner: Das Memorandum der Leipziger Kommissionäre. 62 Vgl. Verein Leipziger Kommissionäre 1934, S. 4.
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Abb. 4: Aus der Werbung des VLK. In: Leipzig und Mitteldeutschland. Ein Beitrag zur Neugliederung des Reiches (Denkschrift). Leipzig: Hesse & Becker 1928, S. 318 f. Die weitreichenden Veränderungen am Leipziger Kommissionsplatz konnten nur durch das engagierte Auftreten einiger führender Protagonisten so rasch vonstatten gehen. Die zuvor erwähnte BAG wurde durch Robert Voigtländer ins Leben gerufen, der in einem Gutachten von 1920 für eine weitgehende Vergenossenschaftlichung und Vereinfachung des Leipziger Kommissionsbuchhandels plädierte.63 Wiederholt ist der persönliche Einsatz von Hans Volckmar hervorgehoben worden, der wesentlich zur Erhaltung der Leipziger Zentrale beigetragen hatte. Nach der Inflation wurde 1924 der empfohlene Verkehr erneut eingeführt.64 »Empfohlen bestellen« hieß zu diesem Zeitpunkt, dass nach Eingang einer Sortimenterbestellung in Leipzig das Bestellte bereits um 14 Uhr desselben Tages (wenn es sich um einen Posttag handelte) zur Abholung bei dessen Kommissionär bereitlag. Dies galt allerdings nur, wenn ein Buch in Leipzig vorrätig war. Anderenfalls musste es unter sofortiger Benachrichtigung des Bestellers vom auswärtigen Verleger angefordert werden.65 Im Jahre 1926 schloss der VLK mit dem Börsenverein einen Vertrag, der das Verhalten der Kommissionäre bei Neuaufnahme eines Kommittenten gegenüber Firmen regelte, die vom Börsenverein »gesperrt« worden waren.66 63 64 65 66
Vgl. DBSM, Kasten 21, Nr. 159. Vgl. Verein Leipziger Kommissionäre 1934, S. 3. Vgl. Weshalb verkehrt man über Leipzig? 1926, S. 6. Vgl. Verein Leipziger Kommissionäre 1934, S. 4.
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Tabelle 8: Mitglieder des Vereins Leipziger Kommissionäre (gegr. 1884) Jahr Mitglieder (Firma)
1922 6567
1926
1927
1930
1932
47
31
35
30
Quelle: Verein Leipziger Kommissionäre 1934, S. 6; Wie verkehrt man über Leipzig? 1931, S. 5; Franz: Konzentrationsbewegung, S. 86; Adreßbuch des Deutschen Buchhandels. Alle 47 Mitglieder des Vereins Leipziger Kommissionäre im Jahre 1926 waren so genannte Vollkommissionäre. Daneben gab es am Leipziger Standort noch eine Anzahl kleinerer Firmen, die wenige, teilweise nur einen oder zwei Kommittenten vertraten und auf eine Mitgliedschaft im Lokalverein verzichteten.68 Als Curt Fernau 1928 den Vorsitz des VLK übernahm, gehörten dem Verein 42 Mitglieder (Unternehmer) an, die 968 buchhändlerische Angestellte, 238 Hilfsarbeiter und 55 Lehrlinge beschäftigten.69 Einer Mitteilung des Vereins Leipziger Kommissionäre zufolge betrugen die ausgehenden Gewichte der Kommissionäre und Grossisten im Jahre 1929 insgesamt ca. 11.857.000 kg, was bei einem Durchschnittswert der buchhändlerischen Sendungen von 6,00 M pro kg einem Gesamtwert von etwas mehr als 71 Mio. M entsprochen hätte. Der Barverkehr der Kommissionäre wurde für das selbe Jahr mit 25.135.000 M angegeben.70 Die Wirtschaftskrise der frühen 1930er Jahren brachte neue Unsicherheiten für den Kommissionsbuchhandel mit sich. Als am 31. Juli 1929 die Danatbank in Konkurs ging, erfolgte auch die Abrechnung der Leipziger Kommissionäre nur unter großen Schwierigkeiten. Die Verrechnungen der BAG-Lastzettel mussten mehrfach verschoben werden, da es dem Sortiment wegen der Bankfeiertage nicht möglich war, die für die Lastzettelpäckchen erforderliche Deckung zu beschaffen. Auch die Einlösung der Barpakete und Barfakturen war mit Problemen verbunden. Ebenso kam der Verkehr mit den ausländischen, insbesondere österreichischen und ungarischen Kommittenten ins Stocken. Die Zahlungen aus einer Reihe europäischer Länder blieben aus, woraus für den Kommissionsbuchhandel erhebliche Umsatzausfälle resultierten.71
Der Konzentrationsprozess Die Krise der 1920er Jahre sorgte im Kommissionsbuchhandel für eine fortschreitende Konzentration auf der Firmen- und Kommittentenebene. Die Vorteile der Konzentration lagen in einer erheblichen Beschleunigung und Vereinfachung des buchhändlerischen Verkehrs bei vergleichsweise geringen betriebswirtschaftlichen Kosten. Ein spezialisierter Großbetrieb konnte Serviceleistungen anbieten, die von kleineren Betrieben oder nichtbuchhändlerischen Spediteuren nur bedingt erbracht werden konnten. Beispielsweise sorgten Bücherwagendienste dafür, zusammengefasste Sendungen rasch an weitere Regionalzentren zu transportieren. 67 Davon betrieben 37 ausschließlich Kommissionsbuchhandel. Vgl. Franz: Die Konzentrationsbewegung im deutschen Buchhandel, S. 86. 68 Vgl. Franz, S. 87. 69 Vgl. Friese: Leipzig als Bücherstadt, S. 3. 70 Vgl. Umlauff: Beiträge zur Statistik des deutschen Buchhandels, S. 129. 71 Vgl. Verein Leipziger Kommissionäre 1934, S. 5.
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Die Nachteile des Konzentrationsprozesses waren darin zu sehen, dass vor allem mittlere und kleinere Betriebe verschwanden und mit ihnen viele Unternehmer und Arbeitsplätze in den Angestelltenbereichen. Es wäre sozialgeschichtlich von hohem Interesse, die Lebenswege dieser Personen gruppenbiografisch nachzuskizzieren.72 Für den Angestelltenbereich ist wahrscheinlich, dass ein gewisser Teil der Hilfsarbeiter und gelernten Kräfte in anderen Betrieben und vor allem in den Großunternehmen des Zwischenbuchhandels unterkam. Allein die Zahl der Mitarbeiter der Koehler & Volckmar AG & Co. verdoppelte sich zwischen 1900 und 1928/29. Dieser Konzern gab Ende der zwanziger Jahre rund 1.400 Personen Arbeit. Im Unternehmen wurden jährlich eine Mio. Bestellungen bearbeitet sowie eine Mio. Kreuzbandsendungen, 370.000 Postpakete und 129.000 Bahnsendungen versandt.73 Ein weiterer Nachteil des konzentrierten Kommissionsbuchhandels konnte prinzipiell darin bestehen, dass wenige Großbetriebe der Branche ihre Geschäftsbedingungen diktierten und somit Kommissionsgebühren, Abrechnungsmodi und dergleichen bei teilweisem Ausschluss von Wettbewerb vorgaben. Derartige Befürchtungen wurden zumindest wiederholt in Branchenzeitschriften und in der Fachliteratur geäußert und fanden in der Gründung einiger genossenschaftlicher Unternehmungen mit zwischenbuchhändlerischem Charakter (Vereinssortimente, genossenschaftliche Kommissionshäuser) ihren Niederschlag. Angesichts der allgemeinen Krisensituation im Buchhandel und der Zunahme des konkurrierenden Direktverkehrs erlangten diese Befürchtungen jedoch kaum eine reale Bedeutung. Im Zentrum des Konzentrationsprozesses stand die Fusion einiger Großbetriebe, die in der Branche für Aufsehen sorgte. Die Vereinigung der beiden Firmen K. F. Koehler und F. Volckmar wurde bereits 1910 durch den gemeinschaftlichen Erwerb des Kommissionsgeschäfts R. Hoffmann (Leipzig) vorbereitet. Der Erste Weltkrieg verschlechterte die wirtschaftliche Lage beider Stammfirmen erheblich, so dass die eigentlichen Gründe des Zusammenschlusses in den Auswirkungen des Krieges zu suchen sind. Aus dem Vertrag über den Zusammenschluss der Barsortimente sowie der Filialen in Berlin und Leipzig aus dem Jahre 1917 geht hervor, dass die Firma K. F. Koehler mit je einem Drittel und Volckmar mit je zwei Dritteln beteiligt sein sollte.74 Trotz der unterschiedlich hohen Beteiligung musste Volckmar der anderen Seite gleiches Stimmrecht in der Gesellschaft zugestehen, ansonsten wäre ein Zusammengehen nicht möglich gewesen. Die eigentliche Fusion erfolgte am 1. Januar 1918. Die Verbindung beider Großbetriebe sah so aus, dass die bisherigen Firmen de facto separat bestehen blieben, wobei eine Dachgesellschaft (Kommanditistin) mit einem Stammkapital von 1,95 Mio. M gegründet wurde. Das Kapital wurde folgendermaßen aufgebracht: Volckmar zahlte 1,1 Mio. M, Koehler 700.000 M, Staackmann, Steinacker sowie Schultze je 50.000 M. Der Konzern schloss mit der Leipziger Bank Meyer & Co. – im Besitz von Oskar Meyer, dem Schwager von Hans Volckmar – ein günstiges Kreditabkommen ab. Allein die Kosten des Gründungsaufwandes betrugen 94.425 M.75 72 Einzelne Beispiele werden weiter unten bei der Charakterisierung der Unternehmer und Angestellten genannt. 73 Vgl. Verein Leipziger Kommissionäre 1934, S. 5. 74 Vgl. Fusionsvertrag in: SStAL, Koehler & Volckmar, 56. 75 Vgl. SStAL, Koehler & Volckmar, 10.
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Noch im Dezember des Jahres 1917 fand eine Ausbietung des neuen Firmennamens statt. In einem verschlossenen Briefumschlag übergaben die Vertreter der beiden Stammfamilien Zahlungsangebote für den Fall, dass ihr Name in der neu zu gründenden Aktiengesellschaft zuerst genannt wurde. Koehler bot 30.000 M und Volckmar 20.000 M (jeweils in bar zu zahlen). Demzufolge hieß die fusionierte Firma Koehler & Volckmar.76 Die Umgründung in Koehler & Volckmar AG & Co. erfolgte auf Beschluss der Generalversammlung vom 21. November 1921 rückwirkend zum 1. Januar 1921. Die Hauptziele der Umgründung bestanden erstens in einer Haftungsbeschränkung, zweitens in einer umfangreichen Steuersenkung und drittens in der Tatsache, dass die umgegründete AG ihre vollständigen Bilanzen nicht mehr veröffentlichen brauchte. Denn in der Dachgesellschaft verblieben nunmehr lediglich die Grundstücke, Hypotheken und andere Verbindlichkeiten, während in den darunter liegenden Gesellschaften (als Kommanditisten wie Albert Koch & Co. und Neff & Koehler; beide auch als »Finanzbassins« bezeichnet) die eigentlichen Bilanzen des Geschäftsbetriebes verbucht werden konnten.77 Inzwischen wurde 1919 K. F. Koehler’s Antiquarium in das gemeinsame Unternehmen einbezogen, 1923 dann die Volckmarschen und Koehlerschen Kommissionsgeschäfte in Gemeinschaft mit der bereits gemeinschaftlich betriebenen Firma Robert Hoffmann vereinigt, um Kosten zu minimieren. Im Jahre 1924 und 1925 erfolgte die Verschmelzung der Verlage K. F. Koehler, L. Staackmann und C. F. Amelang. Die Vereinigung der Kommissionsgeschäfte wurde mit einer Beteiligung von 60 Prozent (Volckmar) zu 40 Prozent (Koehler) vorgenommen. 1931 kam die Firma L. Fernau als achtes Kommissionsgeschäft hinzu. Der Erwerb der Großbuchhandlungen R. Streller bereitete erhebliche Schwierigkeiten, was an der Länge der Verkaufsverhandlungen deutlich wird, die 1922 begannen und erst 1935 zu einem abschließenden Ergebnis gelangten. Die beschriebenen Fusionen der Kommissionsgeschäfte wurden sehr behutsam vorgenommen, da in Kommittentenkreisen eine allgemeine Angst vor einem vereinigten Konzern Koehler & Volckmar vorherrschte. So wurden auch die alten Firmennamen beibehalten und, nach interner Anweisung, die bisherigen Briefbögen und vertrauten Unterschriften weiter verwendet.78 Firmengeschichtliche Unterlagen zur Fusion der Volckmarschen und Koehlerschen Kommissionsgeschäfte verdeutlichen, welche immensen Kosten die Umstrukturierung und Zusammenlegung der Kommissionsgeschäfte verursachten. Andererseits waren die langfristigen Einsparungen an Betriebs- und Personalkosten absehbar. Durch das Zusammenlegen wurde zudem zusätzlicher Raum für andere Geschäftsbereiche des Unternehmens frei.79 Der Vergleich beider Kommissionsgeschäfte ergab, dass Volckmar bis zu 60 Prozent mehr Personal beschäftigte als Koehler und somit aus Sicht der hauseigenen Ratio-
76 Vgl. SStAL, Koehler & Volckmar, 10. 77 Die Firma Albert Koch & Co. galt als Finanzgesellschaft der Unternehmerfamilien Volckmar, Voerster und Staackmann; die Firma Neff & Koehler war Finanzgesellschaft der Familien Koehler und Hase. Vgl. SStAL, Koehler & Volckmar, 11. Vgl. auch Kästner: Zu einigen Problemen des deutschen Buchhandels, S. 43–49. 78 Vgl. technische Fragen zur Fusion der Kommissionsgeschäfte vom 23. Februar 1922, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 26. 79 Siehe hierzu die Gutachten in: SStAL, Koehler & Volckmar, 36, 38.
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nalisierungskommission betriebswirtschaftlich unrentabler arbeitete.80 Allein in den Kommissionsgeschäften von Volckmar sollte der Personalbestand im April 1923 von 392 Beschäftigten (308 Gehilfen und 84 Markthelfer) auf 335 Mitarbeiter (252 Gehilfen und 83 Markthelfer) gesenkt werden. Von Entlassung betroffen waren vor allem die besser verdienenden Gehilfen.81 Was die Kommittentenstruktur im Leipziger Führungsunternehmen anging, so ergab sich für das Jahr 1922 bei einem Verhältnis von einem Verlegerkommittenten zu zwei Sortimenterkommittenten ein relativ genaues Abbild der Firmenverteilung in den Branchenzweigen des deutschen Buchhandels. Daraus geht hervor, dass es im Zentrum des deutschen Buchhandels damals noch keine eindeutige Spezialisierung auf Verlegeroder Sortimenterkommittenten gegeben hat.82 Tabelle 9: Anzahl der Verleger- und Sortimenterkommittenten der Koehler & Volckmar AG & Co. 1922 Kommissionär Volckmar Staackmann Cnobloch Gesamt
Verlegerkommittenten 424 44 120 588
Sortimenterkommittenten 778 109 235 1.122
Gesamt 1.202 153 355 1.710
Quelle: SStAL, Koehler & Volckmar, 36. Die Koehler & Volckmar AG & Co. kaufte weitere Betriebe auf, um ihre Marktstellung zu verbessern. Hierzu gehörten auch Firmen anderer Branchen und Branchenzweige, wie Tabelle 10 zu entnehmen ist. Damit gehörte das Unternehmen zu Beginn der 1920er Jahre zu den größten im Buchhandel und Buchdruck.83 Die Besitzanteile der Aktiengesellschaft befanden sich zu über 90 Prozent in den Händen der Gründerfamilien wie von Hase, Koehler, Staackmann, Voerster oder Volckmar, die im Vorstand sowie Aufsichtsrat des Konzerns agierten. 17 Führungskräften standen um 1933 noch weitere 28 altbewährte Geschäftsführer und Prokuristen sowie 25 Bevollmächtigte zur Seite, die in verschiedenen Firmen und 80 Im Januar 1923 waren in den Kommissionsgeschäften von Volckmar mit 333 Angestellten (263 Gehilfen und 70 Markthelfer) 57 Prozent mehr Personal beschäftigt als bei Koehler mit 212 Angestellten (142 Gehilfen und 70 Markthelfer). An Gehältern und Löhnen bezahlte Volckmar im Januar 29,2 Mio. M und Koehler 16,4 Mio. Bei Volckmar war in dieser Zeit die Privatkasse mit enthalten, ebenso die anteilige Belastung für die Arbeiten in der Hauptbuchhaltung. Den Angaben konnte man entnehmen, dass Volckmar 77 Prozent mehr Gehalt verausgabte als Koehler. Im Verhältnis zur Gesamtspeseneinnahme betrugen die Gehaltsspesen bei Koehler rund 50 Prozent, bei Volckmar 64 Prozent. Vgl. SStAL, Koehler & Volckmar, 14. 81 Vgl. SStAL, Koehler & Volckmar, 14. 82 In Berlin war die Trennung der so genannten Vertreter und Sortimenterkommissionäre hingegen weit fortgeschritten. 83 Das Unternehmen besaß nach Aussagen von Jürgen Voerster während des Untersuchungszeitraums ca. 80 Prozent Marktanteile im Zwischenbuchhandel. Vgl. Interview mit Jürgen Voerster vom 21. September 1998 in Stuttgart.
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Filialen des Konzerns tätig waren. Im Unternehmen waren somit die geschultesten Fachkräfte des deutschen Zwischenbuchhandels konzentriert. Tabelle 10: Unternehmensaufkäufe der Koehler & Volckmar AG & Co. Jahr
Transaktion
1919
Aufkauf der Lehrmittelhandlung A. Müller-Fröbelhaus, Dresden und Leipzig
1921
Aufkauf der Großbuchbinderei Haaring & Schramm, Leipzig
1922/23
Aufkauf der Hoffmannschen Pappenfabrik GmbH, Jesuborn-Leibis (Thüringen)
1924
Aufkauf des Kommissionsgeschäfts von H. Kessler, Leipzig
1924
Aufkauf der Literaria GmbH, Leipzig
1924
Aufkauf der Buchhandlung Max Nössler & Co. GmbH in Schanghai (Wiederverkauf 1927)
1925
Aufkauf des Antiquariats Oscar Gerschel, Stuttgart
1930
Aufkauf der Druckerei Haag-Drugulin, Leipzig
1930
Aufkauf des Kommissionsgeschäfts von Theodor Thomas, Leipzig
1931
Aufkauf des Kommissionsgeschäfts L. Fernau, Leipzig
1932
Aufkauf der Buchbinderei Föste, Lüddecke, Böhnisch & Co., Leipzig (Zusammenschluss mit betriebseigener Binderei zu Haaring, Schramm, Föste und Lüddecke)
1935
Aufkauf des Kommissionsgeschäfts R. Streller, Leipzig
Quelle: SStAL; Koehler & Volckmar. Die Kommittentenzahl des Konzerns betrug im Jahre 1933 2.958. Das bedeutete eine deutliche Konzentrierung der nationalen Bestellung, Lagerhaltung und Auslieferung in einem Großbetrieb. Durch die Verzahnung von Kommissionsgeschäft und Barsortiment konnte der zuvor beschriebene Konzentrationsaspekt noch verstärkt werden. Besondere Bedeutung hatte der Leipziger Großbetrieb durch seine Vermittlungsfunktion für das Ausland gewonnen. Ein großer Teil der deutschen Buch- und Zeitschriftenauslieferung in das Ausland wurde über die Firma Koehler & Volckmar abgewickelt. Insofern gibt die folgende Tabelle aus dem Jahr 1922 einen Einblick, mit welchen Ländern der deutsche Buchhandel wirtschaftlich besonders verbunden war. Quellenkritisch muss hinzugefügt werden, dass die Angaben keineswegs als repräsentativ für das gesamte Außenhandelsvolumen des deutschen Buchhandels gelten können, denn es gab weitere Firmen des Verlags und des Zwischenbuchhandels, die mit dem Ausland in Verbindung standen. Zugleich war das Auslandsgeschäft deutscher Buchfirmen in den politisch turbulenten Nachkriegsjahren einigen Veränderungen unterworfen. Seit den frühen zwanziger Jahren erzielte das Unternehmen Koehler & Volckmar vor allem durch das so genannte Russlandgeschäft einen großen Umsatz. Die Leipziger Firma erhielt 1921 einen großen Auftrag, Lehrmittel – u. a. historische Anschauungsbilder, (Wand-)Karten, Atlanten und Globen – an russische Schulen im Wert von 25 Mio. M zu liefern.84 Mit Hilfe dieses Geschäfts, das nicht allein zwischenbuchhändleri84 Darüber hinaus fanden Lieferungen an estnische und ukrainische Schulen statt. Vgl. SStAL, Koehler & Volckmar, 25.
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scher Art war, wurden die bedeutenden Verluste in anderen Bereichen, beispielsweise im Barsortiment, aufgefangen und die anstehende Fusion im Kommissionsbuchhandel mit finanziert. Im November 1922, während der Inflation, betrug der Umsatz der mit dem Russlandgeschäft beauftragten Auslandsabteilung 128 Mio. M (Inflationsgeld). Nach Meinung der Konzernleitung hätte dieses Ergebnis noch bedeutend verbessert werden können, »wenn für den europäischen Osten ein genügendes und gut eingearbeitetes Personal zur Verfügung gestanden hätte.«85 Im Jahre 1933 stand die Koehler & Volckmar AG & Co. nach eigenen Angaben mit ca. 2.000 ausländischen Kommittenten in »gelegentlichem Geschäftskontakt«.86 Tabelle 11: Bücherauslieferung nach dem Ausland zusammengestellt nach der BarpaketAusgabe der Koehler & Volckmar AG & Co., November 1922 Land (Großregion)
Ausfuhr in M
Polen Österreich Amerika Tschechien/Slowakei Schweiz Ungarn Rumänien Jugoslavien Schweden Niederlande Dänemark Estland England Frankreich Spanien Italien Finnland Luxemburg Afrika Insgesamt
7.594.007 5.945.099 4.179.348 3.583.968 2.423.188 2.302.195 1.799.853 1.630.644 1.548.793 1.146.187 608.195 559.840 479.783 308.711 82.804 56.480 45.290 30.868 30.612 35.555.859
Prozentualer Anteil am Handelsvolumen 12,2 9,9 7,1 5,8 4,1 3,7 2,4 2,3 2,3 1,8 1,0 0,9 0,8 0,5 0,5 0,3 0,4 0,3 0,3 56,9
Quelle: SStAL, Koehler & Volckmar, 37.
85 Vgl. Protokoll der 48. Betriebsbesprechung vom 12. Dezember 1922, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 24. 86 Vgl. Koehler & Volckmar 1933, S. 82.
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Betriebswirtschaftliche Aspekte: Ausgewählte Bilanzen Betriebliche Bilanzen sind nur bedingt verallgemeinerbar. Dennoch sollen die dank der guten Leipziger Quellenüberlieferung noch vorhandenen Bilanzen zweier Betriebe des Zwischenbuchhandels exemplarisch vorgestellt werden. Es handelt sich um die wirtschaftlichen Ergebnisse der Koehler & Volckmar AG & Co. sowie um jene der Abteilung Kommissionsgeschäft im Unternehmen F. A. Brockhaus. Für den Marktführer lässt sich abgesehen von inflationsbedingten Geldabwertungen im Zeitraum von 1918 bis 1924, die nicht aus der Tabelle herausgerechnet wurden, dessen Konsolidierung während der Weimarer Zeit erahnen. Die Umgründung der Aktiengesellschaft von 1921, die mit der Ausgliederung zahlreicher Betriebsteile einherging, ermöglichte es der Konzernleitung, die zu veröffentlichenden Bilanzen je nach Belieben zu manipulieren. Insbesondere muss für den Zeitraum nach 1924 angenommen werden, dass die tatsächlichen Umsätze und Gewinne deutlich über den hier angegebenen Werten lagen. Der Tabelle können jedoch Aussagen mit Trendcharakter entnommen werden. Tabelle 12: Bilanzen der Koehler & Volckmar AG & Co. Jahr 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933
Umsatz in M 14.911.321,55 16.537.032,70 28.604.010,24 8.160.177,64 94.889.333,15 – 2.793.700,00 3.184.830,45 3.168.845,08 3.159.441,68 3.155.180,22 3.149.286,98 3.189.552,81 3.445.846,96 3.760.668,05
Gewinn in M 2.888.781,41 4.145.799,80 10.399.936,11 461.994,89 1.481.070,73 – 110.303,43 152.166,87 127.063,74 120.302,58 131.023,07 185.012,65 73.005,68 72.461,15 92.698,69
Quelle: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel; SStAL, Koehler & Volckmar, 21. Für das Kommissionsgeschäft von F. A. Brockhaus mit schätzungsweise 200 Kommittenten, untergebracht in beengten Räumen des Firmensitzes an der Querstraße, sind ebenso einzelne Angaben zu Umsätzen und Gewinnen überliefert. Anhand der Kommittentenliste werden die Dominanz der Sortimenter und das Vorhandensein nur weniger großer Verlage augenfällig. Somit konnte auf eine ausgedehnte Lagerhaltung verzichtet werden; die Abteilung fungierte eher als eigene Verlagsauslieferung. Der Umsatz lag im Zeitraum von 1924 bis 1933 im Mittel um die 80.000 RM, wobei der Gewinn deutlich schwankte. 1925 lag letzterer noch bei Null, im Jahre 1926 erreichte er umsatzbezogen eine für den Zwischenbuchhandel bemerkenswerte Höchstmarke von knapp 16 Prozent.87
87 Vgl. Bilanzen, in: SStAL, Verlag F. A. Brockhaus, 95.
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Tabelle 13: Umsätze und Gewinne von Brockhaus Kommissionsgeschäft 1924–1933 Geschäftsjahr 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933
Umsatz in M 69.024,94 72.610,70 73.669,02 81.546,00 84.250,50 90.454,20 82.219,70 93.065,70 91.012,96 66.975,03
Gewinn in M 747,40 0,00 11.777,16 11.702,66 12.424,00 5.219,68 k. A. k. A. k. A. k. A.
Quelle: SStAL, F. A. Brockhaus, 95.
Die personale Ebene Die Unternehmer und leitenden Angestellten Neben dem traditionellen Besitzer-Unternehmer nahm im Kommissionsbuchhandel, wie in anderen Wirtschaftszweigen auch, der Anteil der leitenden Angestellten und Manager bzw. der Typus des Angestellten-Unternehmers weiter zu.88 Gerade in den Großbetrieben wuchs deren Einfluss spürbar. Dabei handelte es sich zumeist um Buchhandlungsgehilfen, die sich von unteren Positionen nach oben gearbeitet hatten.89 Eine weitere Kategorie von Angestellten-Unternehmer rekrutierte sich aus ehemaligen Mittelstandskommissionären, die aufgrund von Aufkäufen oder Fusionen von größeren Betrieben übernommen und dort in Leitungspositionen gestellt wurden.90 Angestellten-Unternehmer brachten nicht selten Kapitaleinlagen mit in das Unternehmen ein und sie erhielten neben den Besitzer-Unternehmern stattliche Jahresgehälter. Daraus erhellte, welchen Stellenwert den Managern im Zwischenbuchhandel eingeräumt wurde.91 Den Geschäftsführern wurden zusätzliche Tantiemen vom Gewinn gezahlt. Unter Gewinn wurde die Dividende verstanden, welche die Gesellschafter (Inhaber von Koch, Neff & Oetinger) auf ihren Gesellschaftsanteil erhielten, ferner 88 Zu den Begrifflichkeiten vgl. Kocka: Unternehmer in der deutschen Industrialisierung. 89 Vgl. Keiderling/Titel: Hermann Pfeiffer, S. 9 f. Der Nachlass von Hermann Pfeiffer befindet sich im Besitz der Familie Steffens, Wuppertal. 90 Typisch für diese Gruppe sind die Lebenswege der Unternehmerfamilie Cyriacus, deren traditionsreiches Kommissionsgeschäft C. Cnobloch im Jahre 1908 im Kommissionsgeschäft Fr. Volckmar aufging. 91 Nach dem Gesellschaftervertrag der Koch, Neff & Oetinger GmbH vom 20. September 1917 erhielten ab dem 1. Oktober 1917 der Geschäftsführer Curt Hosemann 800 M monatlich (9.600 M jährlich), der neu ernannte Geschäftsführer Ernst Bennecke 400 M monatlich (4.800 M jährlich), der Prokurist Hermann Schnürle 360 M monatlich (4.320 M jährlich), der Prokurist Alfred Reinhardt 300 M monatlich (3.600 M jährlich) und der Prokurist Friedrich Golde 275 M monatlich (3.300 M jährlich). Vgl. SStAL, Koehler & Volckmar, 56.
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alles, was an Zinsen über den vertraglich festgelegten Zinsfluss von 8 Prozent hinaus auf die von ihnen errichteten Darlehenskonten gutgeschrieben wurde.92
Die Angestellten Das Arbeiten im Kommissionsbuchhandel war für gelernte wie ungelernte Arbeiter durch einfache und monotone Arbeiten gekennzeichnet, wobei der Anteil der körperlichen Belastung (Tragen von schweren Paketballen, Ziehen von Handwagen etc.) mit steigender Stellung im Unternehmen deutlich abnahm. Bei der Klassifizierung des Angestelltenpersonals lassen sich grundsätzlich vier Kategorien unterscheiden: 1. Gehilfen als gelernte Buchhändler in mittleren, höheren Angestelltenpositionen; 2. Markthelfer als unbefristet angestelltes, ungelerntes Personal in mittleren (Obermarkthelfer) und unteren Positionen; 3. (Lauf-)Burschen als befristet angestelltes, ungelerntes Personal in den unteren Bereichen (Teilzeit- bzw. Saisonarbeiter); 4. Lehrlinge als Auszubildende im Kommissionsbuchhandel mit wechselnden Aufgaben, vornehmlich Hilfstätigkeiten.93 Meist rekrutierte sich die Gehilfenschaft aus Ortsansässigen, da das Angebot von Fachkräften in Leipzig sehr hoch war. Für einen auswärtigen Gehilfen war es recht schwierig, in Leipzig Fuß zu fassen. Hermann Pfeiffer führte hierzu aus: »Das lebhafte Arbeitstempo des Leipziger Kommissionsgeschäfts [ist] einer exakten und schnellen Arbeitsleistung förderlich. Gehilfen, die durch die ›Leipziger Schule‹ gingen, werden in allen buchhändlerischen Berufszweigen geschätzt. Am ehesten hat der auswärtige Gehilfe Aussicht, in einem Leipziger Betrieb Anstellung zu erlangen, wenn er sich um eine der zahlreichen Aushilfsstellen bewirbt, die für die Schulbücherauslieferung, sowohl in den Kommissionsgeschäften wie auch bei Leipziger Verlegern mit Hilfskräften besetzt werden.«94 Vor allem in der Zeit von Mitte März bis Ende Mai wurden alljährlich zusätzliche Hilfskräfte benötigt. Über eine Aushilfstätigkeit konnte so mancher junger Gehilfe eine dauerhafte Anstellung im Leipziger Kommissionsbuchhandel erlangen. Die Stellenvermittlung wurde generell über Anzeigen im Börsenblatt organisiert. In größeren Kommissionsgeschäften gab es zusätzliche Stellenvermittlungsdienste. Arbeitssuchende füllten Fragebögen aus und reichten Bewerbungsschreiben sowie Zeugnisabschriften ein.95 Seit dem 1. Oktober 1918 bot zusätzlich noch der Börsenverein eine Stellenvermittlung an, die 1927 jedoch an das Arbeitsamt Leipzig abgegeben wurde.96 Während Frauen in früheren Jahrzehnten nur selten im Kommissionsbuchhandel beschäftigt wurden, änderte sich dies während des Ersten Weltkrieges. Zunächst arbeiteten sie als Stenotypistinnen und in der »gehobenen Stellung« einer Sekretärin, hin und wieder auch in den Kontoren, wie erhaltene Fotos belegen.
92 Vgl. Gesellschafter-Versammlung der Koch, Neff & Oetinger GmbH vom 20.9.1917 im Stuttgarter Geschäftslokal, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 56. 93 Vgl. Keiderling: Modernisierung des Leipziger Kommissionsbuchhandels, S. 55. 94 Pfeiffer: Der deutsche Buchhandel, S. 41. 95 Vgl. Pfeiffer, S. 77. 96 Vgl. Exposé Stellenvermittlung, in: SStAL, Börsenverein, 770.
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Abb. 5: Im Zwischenbuchhandel werden zunehmend Frauen beschäftigt, hier im Rechenzimmer der Hauptbuchhaltung. In: Koehler & Volckmar Leipzig – Stuttgart – Berlin. Leipzig: Koehler & Volckmar o. D. [1935], S. 42. In den zwanziger Jahren bezeichnete Pfeiffer die Stellung der Frau im Angestelltenbereich des Zwischenbuchhandels als gleichberechtigt.97 So ganz kann man dieser Einschätzung allerdings nicht folgen. Frauen hatten beispielsweise keinen Zugang zur Buchhändlerlehranstalt. Hermann Pfeiffer schlug auf einer Betriebsbesprechung von Koehler & Volckmar am 4. April 1922 vor, weiblichen Buchhandelslehrlingen den Besuch der Buchhändlerlehranstalt erstmals zu ermöglichen. Hierfür waren vom Kommissionsgeschäft drei weibliche Lehrlinge in Aussicht genommen. Über den Erfolg seiner Initiative wurde nichts weiter bekannt.98 Frauen waren zu diesem Zeitpunkt Mitglieder in wichtigen Angestelltenvereinen wie der Allgemeinen Vereinigung der Angestellten des Buch-, Kunst- und Musikalienhandels, des Gewerkschaftsbundes der Angestellten, des Zentralverbandes der Angestellten und vor allem des Verbandes der weiblichen Handels- und Büroangestellten e.V., Fachgruppe Buchhandel.99 Schwere körperliche Arbeit führte im Kommissionsbuchhandel oftmals zu Unfällen. Zudem drohten krankheitsbedingte Arbeitsausfälle die ohnehin geringen Einkünfte der Markthelfer und Burschen nochmals zu mindern. Um dem zu begegnen, hatte sich die Arbeiterschaft seit jeher in eigenen betriebsübergreifenden Krankenkassen versichert.100 In den größeren Betrieben gab es Hilfskassen, die, von den Unternehmern initiiert und durch wöchentliche Beiträge der Versicherten getragen, soziale Härten vermeiden sollten. 97 98 99 100
Vgl. Pfeiffer: Der deutsche Buchhandel, S. 62 f. Vgl. SStAL, Koehler & Volckmar, 24. Vgl. Pfeiffer: Der deutsche Buchhandel, S. 62 f. Die Markthelfer waren so in der »Krankenkasse vereinigter Buchhändler-Markthelfer zu Leipzig« versichert, die bereits 1763 durch den hiesigen Markthelfer Johann Christoph Wäser (1736–1805), einem Angestellten des Druckers J. M. L. Teubner, ins Leben gerufen worden war. 1863 waren 220 Leipziger Markthelfer, zumeist aus größeren Druckereibetrieben, Kassenmitglieder. Vgl. J. G. Richter, Kurzer Abriß der Geschichte der Kranken-Kasse vereinigter Buchhändler-Markthelfer in Leipzig, Leipzig 1863, S. 4, in: SStAL, F. A. Brockhaus, 407.
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1922 besaß die Volckmarsche Hilfskasse (gegr. 1899) ein Vermögen von 360.000 M. Zu den Leistungen der Kasse gehörte u. a. die Auszahlung von Sterbegeldern. Den Hinterbliebenen langjähriger Kassenmitglieder (»Klasse A«) stand im Jahr 1921 ein Geldbetrag von 500 M zu, der allerdings seine Wirkung durch die inflationsbedingte Geldentwertung stark einbüßte.101 Als sich während der Inflationsjahre die Lage der Arbeiter deutlich verschlechterte, wurde von der Betriebsleitung ein zusätzlicher Hilfsfonds für bedürftige Angestellte des Konzerns begründet und für das Jahr 1922 100.000 M bereitgestellt. In Not befindliche Arbeiter sollten, um Geld zu erhalten, eine »Bittschrift« an den zuständigen Betriebsrat zur Überprüfung stellen. Die Entscheidung darüber fiel letztlich Theodor VolckmarFrentzel in der Unternehmensleitung zu.102 1924 brach die Volckmarsche Hilfskasse jedoch de facto zusammen; der Kapitalfonds war derart zusammengeschrumpft, dass Auszahlungen nicht mehr erfolgen konnten. 1934 wurde die Kasse aufgelöst. An ihre Stelle traten staatliche Unterstützungseinrichtungen.103
Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz: Streikbewegung und Gewerkschaft In den wirtschaftlich schwierigen Nachkriegsjahren kam es wiederholt zu überbetrieblichen Arbeitsniederlegungen im Leipziger Kommissionsbuchhandel und dadurch bedingt zum völligen Erliegen der Leipziger Auslieferung. Am 22. November 1918 tagte im Leipziger Buchhändlerhaus eine gut besuchte Versammlung der Markthelfer und Burschen, die als eine Sektion innerhalb des Deutschen Transportarbeiter-Verbandes organisiert waren. Die Versammlung beschloss folgende Forderungen: Zunächst sollte der Achtstundentag von 7.30 Uhr bis 16 Uhr eingeführt, sodann, wo es die Verhältnisse erforderten, Doppelschichten gefahren und schließlich höhere Löhne gezahlt werden. Die Lohnforderungen der Arbeiter können Tabelle 14 entnommen werden. Bei der Stellenvermittlung wollten die Leipziger Buchhandlungs-Markthelfer erstmals ein Mitspracherecht.104 Nach ihren Vorstellungen sollte von den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen ein paritätisch zusammengesetzter Arbeitsnachweis geschaffen werden. Alle Arbeitgeber wären künftig zu verpflichten, sämtliche Arbeitskräfte nur durch diesen Nachweis zu beziehen. In gleicher Weise hätte man alle Arbeitnehmer zu verpflichten, sich im Falle eintretender Arbeitslosigkeit bei dieser Einrichtung zu melden und kostenlos registrieren zu lassen. Vermutlich wollten die Markthelfer dadurch verhindern, dass streikende Kollegen ein stillschweigendes Berufsverbot erhielten. Ein zweiter Beweggrund bestand darin, es Quereinsteigern künftig schwerer zu machen, sich dauerhaft in der Branche festzusetzen. Die Markthelfer formulierten auch Vorzugsregelungen für heimkehrende Kriegsteilnehmer und Kriegsbeschädigte, die bereits im Kommissionsbuchhandel gearbeitet hatten. Hinsichtlich der zuvor genannten 101 Vgl. Ausführungen von Alfred Voerster zur Volckmarschen Hilfskasse, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 35. 102 Vgl. Chefbesprechung vom 6.12.1921, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 25. 103 Vgl. Schreiben der Juristischen Abteilung der Koehler & Volckmar AG & Co. an Hermann Pfeiffer vom Mai 1934. Pfeiffer erhielt nach 31 Beitragsjahren ein Kapital von 2.774,76 M ausgezahlt. Vgl. Nachlass Hermann Pfeiffer. 104 Das war bereits eine Forderung im Streik von 1919 gewesen, die damals nicht erfüllt wurde. Vgl. Kapp: Streik der Angestellten im Leipziger Buchhandel, S. 14 f.
6.1 Der Kommissionsbu chhand el
313
Mitbestimmung konnte sich der Verband der Markthelfer nicht durchsetzen, erfolgreich war er bei der Festsetzung höherer Lohntarife und kürzerer Arbeitszeiten.105 Tabelle 14: Lohnforderungen der Leipziger Markthelfer während des Streiks von 1918 Angestelltenbezeichnung
Burschen
Markthelfer und Lagerarbeiter
Arbeiterinnen
Alter der Angestellten
geforderter Wochenlohn106 in M
bis 15 15–16 16–17 17–18 18–20 20–24 über 24 bis 16 16–18 über 18
16,00 21,00 25,00 30,00 40,00 50,00 60,00 18,00 25,00 35,00
Quelle: Beschluss der am 22. November 1918 im Buchhändlerhaus zu Leipzig stattgefundenen Versammlung der Buchhändlermarkthelfer, in: DBSM, Archivalien 92. 1919 gab es erneute Streiks, die über mehrere Wochen die Auslieferung zum Erliegen brachten. Nach einer Schätzung beteiligten sich etwa 4.000 Angestellte des Leipziger Buchhandels an diesen Ausständen, was einem Anteil von etwa 80 bis 85 Prozent des gesamten Personals entspräche.107 Während der Arbeitskämpfe gab es auch heftige Ausschreitungen gegen einzelne Unternehmer. So wurde bei einer gewalttätigen Demonstration im März 1919 Alfred Voerster, der Mitinhaber des Koehler-Volckmar-Konzerns, verletzt und sein Haus angezündet, so dass es vollständig ausbrannte. Nur durch die Hilfe der Nachbarn konnte damals sein Leben und dasjenige seiner Frau gerettet werden.108 Im Streik von 1919 forderten die Arbeiter während des Ausstandes im August und September höhere Lohntarife, Urlaub bei Lohnfortzahlung,109 eine festgelegte Arbeitszeit,110 Zuschläge bei Überstunden und Heimarbeit sowie Mitbestimmung der Arbeiter. Während des Ausstandes umstellten täglich etwa 1.500 Streikposten die betreffenden Buchhandelsbetriebe. Eine Gefahr bestand darin, dass Streikbrecher bzw. neueingestellte Hilfskräfte die anfallenden Arbeiten im Betrieb weiter verrichteten. Den Berichten 105 Vgl. Maschinenschriftliches Protokoll der Markhelferversamlung vom 22. November 1918, in: DBSM Archivalien Markthelfer, Kasten 92. 106 Bezog sich auf sechs volle Arbeitstage und war freitags während der Arbeitszeit auszuzahlen. Aushilfsarbeiter erhielten 12 M pro Tag. 107 Vgl. Börsenblatt 190 (1919) 190, S. 762. Vgl. ferner Grieser: Inflation, S. 65. 108 Vgl. Börsenblatt 87 (1920) 65, S. 275. 109 Im ersten Jahr wollten die Angestellten 6 Tage, im zweiten 9 Tage, im dritten 12 Tage und ab dem vierten Jahr 18 bezahlte Urlaubstage erhalten. Vgl. Kapp: Streik der Angestellten im Leipziger Buchhandel, S. 13. 110 Die Arbeitszeit sollte wochentags von 8 bis 16 Uhr, einschließlich einer halbstündigen Mittagspause, sowie Sonnabends von 8 bis 12 Uhr gehen. Somit würde die Arbeitswoche nicht mehr als 46 Stunden betragen. Vgl. Kapp, S. 13 f.
314
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zufolge arbeiteten bei einer Leipziger Firma »einige Damen als Streikbrecher. Den Streikposten gelang es bald, diese von der Arbeit abzuhalten. Nach einer Reihe von Tagen arbeiteten die Damen aber trotzdem wieder im Betriebe, ohne den Geschäftseingang zu passieren. Der Unternehmer ließ sie durch eine benachbarte Villa gehen, ihren Weg durch den Garten nehmen, von wo aus sie dann auf einer Leiter durchs Fenster in die Büroräume stiegen.«111 Trotz zahlreicher Schlichtungsverhandlungen, kam es zur Aussperrung von Arbeitern. Von den Forderungen der Streikenden konnte die Tariferhöhung zu Teilen durchgesetzt werden. Nach wochenlangen Verhandlungen wurde am 10. September 1919 Einigung erzielt. Sie sah einen vorläufigen Lohnzuschlag von 30 bis 40 Prozent vor.112 Beim großen Markthelferstreik vom 8. bis 27. Juli 1922 wurden erneut Tariferhöhungen durchgesetzt, die jedoch durch die fortschreitende Inflation in ihrer Wirkung nahezu aufgehoben wurden. Wenn von Streiks und Lohnerhöhungen die Rede ist, dann sollte auch erwähnt werden, dass sich die Großbetriebe des Zwischenbuchhandels den »Luxus« leisteten, einige Fachkräfte besser zu bezahlen, um sie stärker an den Betrieb zu binden. 1921 wurden bei der Koehler & Volckmar AG & Co. u. a. in den Abteilungen Barsortiments-Kontor, Barsortiments-Lager, Vertriebsmittel-Katalog und Kommissionsgeschäfts-Kontor bis zu zwei Drittel der Beschäftigten Gehälter gezahlt, die fünf bis zwölf Prozent über dem ortsüblichen Tarif lagen.113 Eine erhaltene Liste des Arbeitgeberverbandes Ortsgruppe Leipzig veranschaulicht die Lohntarife des Zwischenbuchhandels für das Jahr 1927. In der Aufstellung wurden nur die Löhne für das 21., 25. und 29. Lebensjahr angegeben, die Zwischenstufen sowie die Gehälter der Gruppen A und E fortgelassen. Gruppe B kennzeichnet die Gehilfen in gehobener Stellung und Abteilungsvorsteher, Gruppe C selbstständig arbeitende Speditionsgehilfen und Auslieferer und Gruppe D Mitarbeiter so genannter »Zweiter Ordnung«.
Für die Literatur- und Quellennachweise siehe das Literaturverzeichnis am Ende des nachfolgenden Beitrags 6.2 Barsortiment. 111 Vgl. Kapp, S. 23. 112 Vgl. Börsenblatt 86 (1919) 198, S. 801. Vgl. ferner Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 65. 113 Vgl. Anlage zum Protokoll der 47. Betriebsbesprechung der Koehler & Volckmar AG & Co. vom 15. September 1921, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 25.
6.1 Der Kommissionsbu chhand el
315
Tabelle 15: Lohntarife für den Leipziger Zwischenbuchhandel 1927/1928 (Kommissionsgeschäft und Barsortiment) Verheiratete männliche Angestellte mit zwei Kindern nach vollendetem
Gruppe B
Gruppe C
Gruppe D
21. Lebensjahr
183, 45 M
155,85 M
146,15 M
25. Lebensjahr
223,45 M
194,25 M
172,60 M
29. Lebensjahr
263,80 M
232,80 M
210,25 M
Verheiratete männliche Angestellte mit einem Kind nach vollendetem
Gruppe B
Gruppe C
Gruppe D
21. Lebensjahr
179,20 M
152,20 M
142,75 M
25. Lebensjahr
225,25 M
189,75 M
168,55 M
29. Lebensjahr
257,65 M
227,40 M
205,40 M
Verheiratete männliche Angestellte nach vollendetem
Gruppe B
Gruppe C
Gruppe D
21. Lebensjahr
165,25 M
140,45 M
131,65 M
25. Lebensjahr
201,25 M
175,05 M
155,40 M
29. Lebensjahr
237,55 M
209,65 M
190,40 M
Ledige männliche Angestellte nach vollendetem
Gruppe B
Gruppe C
Gruppe D
21. Lebensjahr
149,10 M
128,50 M
120,10 M
25. Lebensjahr
184,60 M
159,90 M
141,95 M
29. Lebensjahr
218,90 M
192,65 M
173,15 M
nach vollendetem
Gruppe B
Gruppe C
Gruppe D
21. Lebensjahr
136,00 M
115,65 M
102,30 M
25. Lebensjahr
166,10 M
143,75 M
125,60 M
29. Lebensjahr
196,15 M
173,25 M
149,55 M
Weibliche Angestellte
Lehrlingsentschädigung:
Gehaltsätze für Jugendliche
1. Lehrjahr
23,30 M
1. Anstellungsjahr
38,70 M
2. Lehrjahr
34,85 M
2. Anstellungsjahr
46,50 M
3. Lehrjahr
46,50 M
3. Anstellungsjahr
54,20 M
Quelle: Pfeiffer: Der deutsche Buchhandel, S. 75 f.
316
6 D er Zw isch enbuchh and e l
Thomas Keiderling 6.2
Das Barsortiment
Grundlegende Entwicklungen Die krisengeschüttelten Nachkriegsjahre stellten das Barsortiment mit seinen hohen Lagerbeständen vor große Probleme. Streiks im Buchhandel und der einsetzende Währungsverfall sorgten bereits im Juni 1919 dafür, dass das traditionsreiche Berliner Barsortiment von Koehler & Volckmar unter dem Namen J. Bachmann geschlossen werden musste. Durch diesen Schritt verloren etwa 100 Angestellte ihren Arbeitsplatz. Die restlichen Lagervorräte wurden in die Leipziger Stammfirma abtransportiert.114 Als Grund hierfür wurde die allgemeine Tariferhöhung für den Berliner Buchhandel angegeben. Im Schlussabsatz des letzten Geschäftsrundschreibens hieß es: »Wir bedauern, daß wir unseren Geschäftsfreunden die Annehmlichkeit eines Barsortiments in Berlin nun nicht länger mehr bieten können. Andererseits bitten wir Sie, Ihre Bestellungen vom 1. Juli ab an die mit uns befreundete Koehler & Volckmar AG in Leipzig zu richten, damit der auch dort schwer gefährdete Zwischenbuchhandel durch die Umsatzvermehrung gestärkt werde.«115 Die ursprüngliche Idee des Barsortiments bestand in der Kombination folgender Tätigkeiten: Zunächst wurden große Partien ungebundener, gangbarer Bücher beim Verleger preisgünstig eingekauft. Diese ließ man sodann großtechnisch, d. h. kostengünstig binden, um sie anschließend an zahlreiche Sortimentsbuchhändler weiter zu verkaufen. Der Überschuss aus den selbsthergestellten Einbänden und den Freiexemplaren beim Verlegerbezug bildete eine wesentliche Einnahmequelle des Barsortiments. Im Verlauf der Jahrzehnte hatten sich jedoch die Rahmenbedingungen deutlich verändert. Die Verleger lieferten bei Partiebezug nur broschierte bzw. gebundene Freiexemplare, wobei der Einband dem Zwischenbuchhändler vergleichsweise teuer berechnet wurde.116 Robert Voigtländer schrieb in einem internen Gutachten von 1919, dass der harte Wettbewerb zwischen den Firmen K. F. Koehler und F. Volckmar für weitere Verluste sorgte. Beide Unternehmen mussten schon bald dazu übergehen, die Auswahl der Lagerartikel nicht nur nach deren Gangbarkeit zu treffen, sondern auch nach ihrer inneren Bedeutung, dies um abgerundete Fachkataloge herausgeben zu können. Das schon bewirkte Verminderung der wirtschaftlichen Erträge. Diese wurden weiter geschmälert, als in der Folge Volckmar und Koehler wetteiferten, möglichst viele Artikel zu bieten, bis zu solchen darunter, von denen in mehreren Jahren kein Dutzend Stück verkauft werden. Durch den Riesenumfang des Lagers und der Kataloge ist das Barsortiment unlohnend geworden, auch nach der Aufsaugung der Stuttgarter und Berliner Betriebe und Zusammenschluss von Koehler und Volckmar.117 114 Die Filiale war erst 1917 unter dem Namen J. Bachmann & Co. GmbH fusioniert worden. Vgl. SStAL, Koehler & Volckmar, 33. Vgl. ferner: Exposé Grossobuchhandel, S. 75, in: SStAL, Börsenverein, 827. 115 Geschäftsrundschreiben J. Bachmann vom 9. Mai 1919, in: DBSM, Sammlung Geschäftsrundschreiben. 116 Vgl. Staub: Ein vertrauliches Referat, S. B16. 117 Vgl. Reformplan von Robert Voigtländer vom 29. Dezember 1919, in: DBSM Kasten 21, Nr. 159, Bl. 2–3.
6.2 Das Barsor timen t
317
Voigtländer sprach ein zentrales Problem an. Eben nicht nur der Arbeitskampf oder zu hohe Betriebskosten bedrohten die Existenz des Barsortiments, sondern auch der Umstand, dass sein Unternehmenskonzept nicht zeitgemäß war und nur bedingt den Anforderungen anderer Buchhandelszweige gerecht wurde. Insbesondere war während der Kriegs- und Inflationsjahre nicht Vollständigkeit an Buchtiteln gefragt, sondern Schnelligkeit bei der Auslieferung wirklich gängiger Titel. Hierauf hätte man sich rechtzeitig spezialisieren sollen. In einem Gutachten Voigtländers von 1920 wurde die Notlage des Barsortiments folgendermaßen begründet: 1. 2. 3. 4. 5.
durch steigende Arbeitslöhne und Gehälter, durch Einführung des Achtstundenarbeitstages, durch steigende Preise der Packmaterialien, durch Einführung der Warenumsatzsteuer, durch teilweise Verschlechterung der Lieferungsbedingungen der Verleger an die Barsortimente, wozu auch die immer mehr überhandnehmende Berechnung von Verpackung oder sogar von Frachtanteilen seitens der Verleger und Lieferanten gehörte, 6. durch unpünktliche und lückenhafte Erledigung der Barsortimentsbestellungen seitens vieler Verleger und Lieferanten, die die Bestellungen aller anderen Kunden offensichtlich bevorzugten, 7. durch Verluste am Lager, wenn Verleger bei der Rücknahme nicht entgegenkommend waren, 8. durch Konjunkturverluste, wie z. B. die durch die Zeitverhältnisse bedingte Entwertung ganzer Klassen von Literatur, wie Kriegsliteratur, sowie Werke aus den Gebieten der Geographie und Geschichte, Reisebücher und dergleichen.118 Die Reaktion des Barsortiments von Koehler & Volckmar auf die wirtschaftlichen Verluste bestand in der Einführung von Teuerungszuschlägen, d. h. in einer pauschalen Preiserhöhung.119 Allerdings verlor das Unternehmen im Ergebnis dieser Teuerung zahlreiche Geschäftspartner. Ihre Zahl war im Sommer 1919 so stark gesunken, dass die durch die Zuschläge erwarteten Mehreinnahmen vollständig aufgezehrt wurden. Ein weiteres Mittel bestand darin, mit Verlegern und Lieferanten in einen intensiven Diskurs über die geschäftlichen Rahmenbedingungen zu treten. Diese Bemühungen waren jedoch nur von wenig Erfolg gekrönt, da infolge des zunehmenden direkten Verkehrs bei den Verlegern der Eindruck entstand, beim Barsortiment handle es sich wohl um ein Auslaufmodell des Zwischenbuchhandels. Derartige Beobachtungen waren aus zeitgenössischer Sicht durchaus nicht unbegründet und erhielten während der Inflation neue Nahrung, als das Barsortiment des Marktführers rote Zahlen schrieb. Ein internes, vertrauliches Gutachten der Koehler & Volckmar AG & Co. von 1921 empfahl indes einen weitgehenden Abbau des Barsortimentslagers. Nach Rücksprache mit Alfred Voerster sollte das große Lager von 12 auf 8 Stapelstationen gebracht wer118 Die wirtschaftliche Lage der Barsortimente. Bücher-, Musikalien- und Lehrmittel-Barsortiment. Vertrauliches Referat für die vom Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig eingesetzte Zwanziger Kommission zur Prüfung der Lage des Zwischenbuchhandels, in: Staub: Ein vertrauliches Referat, S. B15, B17. 119 Vgl. Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 65–67.
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den, wodurch sofort 7 Angestellte und 5 Markthelfer entbehrlich wären. Die jährliche Betriebsersparnis würde allein hier 120.000 M betragen. Durch kürzere Arbeitszeiten und interne Umsetzungen könnte man auch in anderen Bereichen wie dem Konferiersaal oder der Expedition etwa 50 Prozent der Belegschaft entlassen.120 Auf der Chefbesprechung der Koehler & Volckmar AG & Co. vom 6. Juli 1922 wurde die Frage aufgeworfen, ob man angesichts der langanhaltenden Wirtschaftskrise das Barsortiment nicht gänzlich auflösen sollte. Vorstandmitglied Dr. Hermann von Hase präsentierte ein internes Gutachten zur Lage des eigenen Barsortiments. Er machte einen »effektiven Verlust« desselben von ca. 6 Mio. M geltend und führte aus, die Bilanz für 1921 sei bereits durch Zuschüsse aus anderen, rentierenden Abteilungen des Koehler & Volckmar Konzerns, beispielsweise der Auslandabteilung, geschönt worden. Vermutlich war also der Vermögenswegfall im Barsortiment noch größer. Unter diesen Umständen schien es ratsam, über eine Liquidierung des Barsortiments ernsthaft nachzudenken. Von Hase regte an, die freiwerdenden Kapitalien durch eine Beteiligung am Bibliographischen Institut sinnvoll anzulegen. Dieser Plan wurde allerdings trotz wiederholter Erörterungen nicht weiter verfolgt.121 Im Ergebnis der Chefbesprechungen von 1922 und 1923 wurde das Konzept des Barsortiments – trotz der jahrelang andauernden Krise – nochmals verteidigt. Man kann das Festhalten an der relativ jungen Branchenspezialisierung als eine historische Weichenstellung bezeichnen. Eine konsequente Aufgabe desselben hätte die Geschichte des deutschen Buchhandels bis in unsere Tage nachhaltig verändert. Für die historische Einschätzung des Barsortiments ist es ebenso wichtig, neben den in der Krisenzeit häufig hervorgehobenen Nachteilen auch auf einen bislang ungenannten Vorteil hinzuweisen. So war es für den Sortimenter nicht nur bequem, eilige Bestellungen aus einer Hand zu beziehen, er erhielt vom großen Barsortiment auch Sondervergünstigungen. Dazu gehörte, dass der Grossist nicht abgesetzte Bücher entweder im Umtausch oder gänzlich wieder zurücknahm. Durch sein großzügiges Entgegenkommen leistete das Barsortiment einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der internen buchhändlerischen Logistik. Es förderte die Bereitschaft der Sortimenter, neue Bücher im Verkaufsraum auszulegen und half diesen beim Abbau weniger verkäuflicher Titel. Selbstverständlich musste das Barsortiment darauf achten, dass das eigene geschäftliche Risiko in einem vertretbaren Rahmen blieb. Nach 1924 konnte der Branchenzweig seine Umsätze deutlich steigern. Das war weniger auf eine allgemeine Erhöhung der Warenumsätze im Buchhandel zurückzuführen. Vielmehr schränkte das Sortiment den Umfang seiner eigenen Lagerhaltung ein und verließ sich bei der Ausführung von Bestellungen auf die schnelle und pünktliche Lieferung durch das Barsortiment. Diese Entwicklung wiederum ließ beim Verlag den Wunsch nach vermehrten Titelaufnahmen im Barsortiment laut werden, und zwar nicht nur für Neuerscheinungen, sondern auch für ältere Werke. Solchen Vorschlägen konnte
120 Vgl. Vertrauliches Exposé über Personalabbau im Barsortiment (1921), in: SStAL, Koehler & Volckmar, 40. 121 Vgl. Chefbesprechungen vom 6. Juli1922, 2. Mai, 27. Februar 1923 und 27. Mai 1923, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 26, 37. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, dass das Management von Koehler & Volckmar den Kommissionsbuchhandel im Vergleich zum Barsortiment als außerordentlich krisensicher ansah, weil er wenig eigenes Kapital erforderte.
6.2 Das Barsor timen t
319
der Zwischenbuchhändler allerdings nur bedingt nachkommen. Die Erfahrungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre mahnten zur Zurückhaltung.122 Im Börsenblatt wurde der Begriff Barsortiment im Allgemeinen synonym für den Geschäftsbereich im Unternehmen Koehler & Volckmar verwendet. Das war insofern berechtigt, als dessen Barsortiment zusammen mit dem Tochterunternehmen Koch, Neff & Oetinger nahezu das Monopol besaß. Daneben existierten weitere kleine Barsortimente, zumeist Neugründungen, von denen einige an dieser Stelle genannt werden sollen. Die Süddeutsche Grosso-Buchhandlung G. Umbreit & Co. in Stuttgart gliederte 1919 ein Barsortiment an. Im regionalen süddeutschen Raum konnte das Unternehmen bald Fuß fassen. Seit dem 1. Juli 1922 war der Schwager Umbreits, Ernst Bez, Geschäftsführer der Firma.123 Im Jahre 1924 gab es einen Versuch des Vereins der Buchhändler zu Leipzig, das Barsortiment genossenschaftlich zu betreiben, was jedoch fehlschlug. In seinem Geschäftsbericht hieß es: »Leider konnte der Gedanke, das Barsortiment durch Überführung in ein genossenschaftliches Unternehmen des Verlages zu einem großen ›Deutschen Buchhaus‹ auszubauen, nicht durchgeführt werden, weil beim Verlag nicht das genügende Interesse für eine solche Gründung vorhanden war. Das Barsortiment mußte somit versuchen, in bescheidenerem Rahmen den Wiederaufbau aus eigenen Mitteln in die Hand zu nehmen. Es wurde daher ein durchgreifender Abbau der Zahl der Lagerartikel vorgenommen, um auf einer kleineren Grundlage die alte Leistungsfähigkeit wiederzugewinnen.«124 Weitere kleine und daher wenig bekannte Firmen mit Barsortiment dieser Jahre waren Heinrich Döll in Bremen (gegr. 1920), Lühe & Co. in Leipzig (gegr. 1924), Erich Wengenroth in Köln (Barsortiment für »Lebensreformliteratur«, gegr. 1925), A. Victor Wehling in Bielefeld (gegr. 1927) und Georg Lingenbrink in Hamburg (gegr. 1928).
Werbung für das Barsortiment: Katalogarbeit und Ausstellungen Welchen Umfang das Barsortiment des Leipziger Großbetriebes angenommen hatte, in dem 200 Angestellte und mehr arbeiteten, war aus den jährlich erscheinenden Lagerkatalogen zu ersehen. Um 1927 führte das Barsortiment Koehler & Volckmar etwa 100.000 Bücher- und Musikalien-Titel. Alle diese Einzelartikel waren in 5 bis 500 Exemplaren auf Lager und konnten am Eingangstag der Bestellung ausgeliefert werden, selbstverständlich nur an den rabattberechtigten Sortimentsbuchhändler und nicht an Private. Das Barsortiment unterhielt mit fast allen über Leipzig verkehrenden Sortimenterfirmen des Deutschen Reichs ständigen Rechnungs- und Barverkehr und stand auch mit ausländischen Firmen (zumeist deutschen Buchhandlungen im Ausland) in regem Kontakt. Es lieferte alle Artikel durch die Leipziger Kommissionäre zu den Einzel-Barpreisen der Verleger ohne irgendwelchen Aufschlag bei direktem Bezug von seinem Lager unter Porto- und Frachtberechnung.125 Der Barsortiments-Lagerkatalog verzeichnete nicht nur alle gangbaren Artikel in alphabetischer Reihenfolge, sondern auch nach einem Schlagwortverzeichnis. Letzteres spielte bei der Kundenberatung des Sortimenters eine bedeutende Rolle. Jeder Verleger hatte schon aus diesem Grunde größtes Interesse daran, seine Artikel soweit wie möglich 122 123 124 125
Vgl. Börsenblatt 97 (1930) 101, S. 403. Vgl. Bez: Zwischenbuchhandel, S. 114. Vgl. Börsenblatt 92 (1925) 78, S. 5610. So formulierte Hermann Pfeiffer, Vgl. Pfeiffer: Der deutsche Buchhandel, S. 44 f.
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in das Barsortiment aufgenommen zu sehen. Hinzu kamen noch die zahlreichen Publikationen des Barsortiments in Katalog- und Zeitschriftenform, die der Werbung dienten.126 Hermann von Hase referierte 1921 eingehend über eine von ihm neu ausgearbeitete Werbeaktion zum Barsortiment. Künftig sollten wöchentliche Barsortiments-Wahlzettel durch die Post an Sortimentsbuchhandlungen und Verleger versandt werden. Diese Wahlzettel im Umfang von vier Blatt würden auf einer Seite einige Neuerscheinungen der vergangenen Woche aufnehmen, während die anderen drei Seiten Literatur bestimmter Einzelgebiete auflisten sollen, so z. B. ein Blatt für neue Romane, ein zweites für Vortragsbücher, ein drittes für Oster- und Konfirmationsgeschenke usw. Die Kosten dieser Propaganda würden sich bei einer Auflage von 10.000 auf mindestens 1 Mio. M stellen.127 Während der Inflation existierte im Unternehmen eine aus 17 Personen bestehende Preisänderungsabteilung, die sich mit der ständigen Aktualisierung der Kataloge beschäftigte. Diese wurde zum 13. Januar 1926 aufgelöst. Von nun an genügten drei Angestellte, um diese Arbeiten zu erledigen.128 Bis zum Herbst 1923 finden sich Belege dafür, dass es den Barsortimenten offensichtlich nicht möglich war, ihre Kataloge in großem Umfang zu verkaufen.129 Wegen der raschen Geldentwertung verloren die Verzeichnisse schnell ihre Gültigkeit und zahlreiche Sortimenter waren nicht bereit, 30 M und mehr für einen Katalog auf den Tisch zu legen.130 Das sollte sich in den folgenden Jahren ändern. Barsortimentskataloge wurden zu einer wichtigen und allgemein akzeptierten Bestellgrundlage für den Buchhandel. Dora Eggers wies in ihrer Studie zu den Barsortimentskatalogen auf die Bedeutung des Barsortiments-Lagerkatalogs von Koehler & Volckmar aus dem Jahre 1924 hin, der »nunmehr die vollkommene Ausstattung erfuhr,« die ihn zu dem Nachschlagewerk des deutschen Buchhandels schlechthin machte: »An der Ausgabe von 1924 waren jedoch noch Spuren der Krisenzeit sichtbar. […] Der auf schlechtem Papier gedruckte Katalog verzeichnete über den stark reduzierten Lagerbestand hinaus […] alle für den durchschnittlichen buchhändlerischen Verkehr in Betracht kommenden Bücher.«131 Der Aufbau des »Lagerkatalogs des Bücher- und Musikalienbarsortiments« wurde von nun an so beibehalten, wie er in der Ausgabe von 1924 festgelegt wurde. In Spalten wurden nach dem Alphabet Verleger, Auslieferungsort, Titel, Einband, Ladenpreis132 und der Telegrammtitel genannt. Dieser Katalog erschien jährlich in zwei Bänden, in einem alphabetischen Hauptkatalog sowie einem Schlagwort- und Stichwortregister (mit Titelregister). Nachträge hierzu gab es fortlaufend, zunächst in Einzellisten, später gesammelt in gesonderten Nachtragsbänden. Der Hauptkatalog besaß 1927 einen Umfang von 1.151 Seiten und 1932 von 1.543 Seiten.133 126 127 128 129 130
Vgl. Pfeiffer, S. 45. Vgl. Chefbesprechung vom 20.12.1921, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 25. Siehe Frühjahrstransaktionen 1926, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 45. Börsenblatt 90 (1923) 83, S. 455. Vgl. Börsenblatt 85 (1918) 11, S. 28. Vgl. ferner Börsenblatt 97 (1920) 71, S. 304. Vgl. ferner Börsenblatt 90 (1923) 83, S. 455. 131 Eggers: Die Geschichte des Barsortimentskatalogs, S. 24, zit. in: Dohle: »Lager gebundener Bücher – eine Auswahl der gangbarsten Werke sämmtlich neu und elegant gebunden«, S. 87. 132 Ab 1926 wurde auch in der Ausgabe für Buchhändler kein Nettopreis mehr verzeichnet. Vgl. Eggers: Die Geschichte des Barsortimentskatalogs, S. 27. 133 Vgl. Eggers, Anhang.
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Über die zahlreichen Publikumskataloge, die seit den späten zwanziger Jahren wieder vertrieben wurden, gab die Firmenschrift von Koehler & Volckmar aus dem Jahre 1933 Aufschluss. So wurden in 27 Bänden Kompendienkataloge zu bestimmten Wissensgebieten publiziert (Bücherverzeichnis aus allen Gebieten).134 Die Verzeichnisse Das billige deutsche Buch und Das wertvolle deutsche Buch richteten sich in ihrer Zusammenstellung nach den Preisen der Werke. Ferner gab es einen systematisch geordneten Katalog in kleinem Taschenformat Wegweiser für Bücherfreunde, ein Verzeichnis wertvoller Bücher in Luxus-, Halb und Ganzlederbänden, das Geschenkbücher auflistete, ein Verzeichnis von Büchern für Jugendliche unter dem Titel Jugend und Buch, einen Literarischen Weihnachtskatalog, einen Literaturführer, drei Fachkataloge zur Musik (mit den Titeln Gebundene Musikalien, Meisterwerke der Tonkunst und Musikbücher) sowie die monatlich erscheinenden Werbeverzeichnisse Neues vom Büchermarkt, Das neue gute Buch sowie die jährlich in fünf Ausgaben herausgegebene Literaturzeitschrift Blätter für Bücherfreunde.135 Insgesamt hatten also Werbung und Marketing im Bereich des Barsortiments einen hohen Stellenwert erlangt. Das bewiesen auch die Bestell- und Verkaufszahlen der Barsortimentskataloge für das Unternehmen Koehler & Volckmar. Die Blätter für Bücherfreunde, Jahrgang 1925, wurden bei einer 40.000er Auflage insgesamt 36.610 Mal verkauft. Vom Literarischen Weihnachtskatalog 1925 – die Auflage betrug 50.000 Stück – gingen auf Anhieb 35.200 Bestellungen im Wert von 28.160 M ein. Bereits Anfang Dezember war die Ausgabe vergriffen.136 Das Barsortiment wurde vor allem in geschäftlichen Stoßzeiten nachgefragt. Im übrigen Jahr ließ der Zuspruch seitens des Sortiments spürbar nach. Einem Geschäftsbericht des Börsenvereins von 1928 zufolge wünschte man daher, »dem Barsortiment auch in den stilleren Geschäftsmonaten möglichst reichliche Aufträge zuzuweisen, um ihm dadurch die Unterhaltung eines größeren ständigen eingearbeiteten Personals zu ermöglichen. Das würde sich in den Zeiten des Hochbetriebes nur günstig für die buchhändlerische Allgemeinheit auswirken.«137 Der Bericht hob ferner das enorme Angebot an Neuigkeiten hervor, was zu einem ständigen Wechsel des Lagers beitragen würde. Auch wären Neuaufnahmen und Streichungen in den Lagerkatalogen des Barsortimentes unausweichlich, so dass auch in Zukunft der ständigen Aktualisierung der Kataloge ein Hauptaugenmerk gewidmet werden sollte. Neben den Katalogen der Koehler & Volckmar AG & Co. gaben auch die kleineren Barsortimente Bücherverzeichnisse heraus, sei es jährlich einmal oder in größeren Zeitabständen. So veröffentlichte die Süddeutsche Grosso-Buchhandlung G. Umbreit & Co. (Stuttgart) 1927 ihren ersten Katalog mit 108 Seiten. Die Ausgaben von 1928 und 1929 umfassten jeweils rund 200 Seiten.138 134 Koehler & Volckmar 1933, S. 38. 135 Vgl. Koehler & Volckmar 1933, S. 40. Vgl. ferner Dohle: »Lager gebundener Bücher – eine Auswahl der gangbarsten Werke sämmtlich neu und elegant gebunden«, S. 87 f. 136 Vgl. Protokoll der 10. Betriebsbesprechung vom 13. Juli 1925, S. 1, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 29. 137 Börsenblatt 95 (1928) 87, S. 412. 138 Vgl. Dohle: »Lager gebundener Bücher – eine Auswahl der gangbarsten Werke sämmtlich neu und elegant gebunden«, S. 88.
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Abb. 6: Blick in die ständige Bücher- und Musikalien-Ausstellung im Volckmarhaus. Aus: Koehler & Volckmar Leipzig – Stuttgart – Berlin. Leipzig: Koehler & Volckmar o. D. [ca. 1935], S. 42. Der Barsortimentskatalog von Koehler & Volckmar wurde nicht nur von den Sortimentern genutzt, sondern auch von den Bibliothekaren. In einem Börsenblatt-Artikel von 1921 schlug der Oberbibliothekar Dr. Plate vor, den Barsortiments-Katalog dem Börsenverein (resp. der Deutschen Bücherei) zu übergeben, um ihn – wie ehemals die Hinrichs’schen Bücherverzeichnisse – weiterpflegen zu lassen. Somit könne man den Barsortimentskatalog beispielsweise zerschneiden und zum Einkleben in die Bibliothekskataloge verwenden. Nach Meinung Plates besaßen die zeitgenössischen Kataloge für die neu angedachte Rolle drei Nachteile: »erstens bekommt ihn der Bibliothekar nicht mehr umsonst; zweitens erscheint er seit 1917 ohne Titelverzeichnis, nach Stichwörtern geordnet; drittens werden die Verleger nicht mehr angegeben«.139 Die Katalogabteilung des großen Leipziger Konzerns dankte für die Hinweise, versprach Verbesserungen bei der Titelaufnahme und verwies hinsichtlich des hohen Abgabepreises auf die deutlich gestiegenen Herstellungskosten.140 Seit den letzten Kriegsjahren kamen zahlreiche Sortimenter mit Kaufabsichten direkt zu den großen Leipziger Barsortimenten. Während der Frühjahrsmesse durchstreiften sie die ausgedehnten Lagerräume der Zwischenbuchhändler und suchten nach lukrativen Neuerscheinungen. Doch infolge der hohen Nachfrage nach bestimmten Titeln mussten sie häufig die Antworten: »nichts mehr auf Lager« oder »rein ausverkauft« hören. Diesbezüglich musste das Barsortiment sicherlich Verbesserungen in seiner Einkaufspolitik vornehmen. Eine andere Idee, die in dieser Zeit umgesetzt wurde, war die Einrichtung einer Verkaufsausstellung auf dem Betriebsgelände des Barsortiments von Koehler & Volckmar. Die Einrichtung wurde als Serviceleistung für Sortimenter bald zu einer Dauerausstellung umfunktioniert.
Vereinssortimente Als in den Jahren 1918 bis 1920 die Diskussion über den kostenintensiven Verkehr über Leipzig geführt wurde, sahen zahlreiche Sortimentsbuchhändler außerhalb der großen Zentren in der Geschäftsidee des Vereinssortiments eine gute Möglichkeit, Kosten zu minimieren. Mehrere Unternehmungen dieser Art wurden neu gegründet. Eine beliebte 139 Börsenblatt 88 (1921) 106, S. 666. 140 Vgl. Börsenblatt 88 (1921) 106, S. 667.
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Spielart des Vereinssortiments war derart konzipiert, dass Sortimentsgeschäfte Tochterfirmen an Badeorten etc. saisonweise eröffneten und diese belieferten.141 Der Verband der Kreis- und Ortsvereine im Deutschen Buchhandel hob in seinem Jahresbericht von 1919/1920 hervor, gerade die jüngsten Entwicklungen hätten gezeigt, welch große Vorteile und Zukunft die Einkaufsgenossenschaften besäßen. Es sei ihrer Meinung nach dringend zu wünschen, dass diese Unternehmensart mehr als bisher auch durch den Provinzbuchhandel, insbesondere das Sortiment, gefördert werde. Die geringe Höhe der Genossenschaftsanteile ermöglicht auch kleinen Firmen den Beitritt. Je größer der erzielte Umsatz ist, desto vorteilhafter gestaltet sich der Bezug. Zu den Verbilligungen im buchhändlerischen Geschäftsverkehr gehört auch in dieser Zeit größter Warenknappheit die Ausnützung aller Möglichkeiten rationellen Einkaufs alles Bureau- usw. Bedarfs. Die in diesem Unternehmen liegenden großen Entwicklungsmöglichkeiten können nur bei allseitiger Teilnahme des Buchhandels zu dessen Vorteil nutzbar gemacht werden.142 1921 hatte sich ein Heidelberger Vereinssortiment gegründet, dem in kurzer Zeit ca. 50 Firmen beitraten. Das Unternehmen setzte sich mit bedeutenden schönwissenschaftlichen Verlegern in Verbindung, um auf der Grundlage von Privatverträgen einen Mindest-Rabatt von 40 Prozent festzulegen. Die Sortimenter wollten die Verleger zur Nichterhebung des Teuerungszuschlags verpflichten und im Gegenzug versprechen, den Verlag der ablehnenden Verleger nicht mehr zu vertreiben, also zu boykottieren. Führer des Sortimenter-Kartells wurde Hermann Schilling aus Köln (Inhaber der Buchhandlung J. & W. Boisserée). Aus dieser Sachlage ergab sich für das Barsortiment von Koehler & Volckmar die Schlussfolgerung, Einkäufe in großem Umfang zu tätigen, um die jetzt noch niedrigen Preise zu genießen. Man beschloss, für den Fall, dass der Bedarf an einem Titel innerhalb der nächsten sechs Monate 100 Exemplare betrug, davon gleich 150 zu bestellen. Sollte mit einigen Verlegern keine Absprache über die Höhe des Rabatts zu erzielen sein, dann habe man diesen einen Rabatt vorzuschreiben. Lehnten Verleger die Vorschläge des Unternehmens ab, so sollten die Einkäufe bei ihnen um die Hälfte reduziert werden.143
Bilanzen und Spezialisierungen ausgewählter Vereinssortimente Das Schlesische Vereinssortiment in Breslau (gegr. 1879) Eine der ältesten Genossenschaften war das Schlesische Vereinssortiment. Laut Satzung bezweckte es den Betrieb eines buchhändlerischen Groß-Sortimentsgeschäfts für ge-
141 So errichtete ein Stadtsortiment im rheinisch-westfälischen Industriegebiet Filialbücherstuben in Nachbarorten und fungierte als zentraler Einkäufer. Vgl. Franz: Die Konzentrationsbewegung im deutschen Buchhandel, S. 110. 142 Börsenblatt 87 (1920) 104, S. 484. 143 Vgl. 46. Betriebsbesprechung vom 14. September 1921, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 25.
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meinschaftliche Rechnung.144 Das Vereinssortiment charakterisierte sich als eine reine Einkaufsgemeinschaft, die durch Sammelbezüge gegen bar oder bei kurzen Zahlungsfristen von den Verlegern günstigere Bezugsbedingungen, direkte Lieferungen mit ganzem oder teilweisem Erlass der Fracht- und Emballageberechnung, Remissionsberechtigung etc. zu erlangen suchte. Das Schlesische Vereinssortiment verkaufte die von ihm geführten Artikel an seine Mitglieder zu den Preisen des Lagerverzeichnisses, den Einzelpreisen der Verleger, zuzüglich eines kleinen Aufschlags, etwa in der Höhe der Portokosten. Nichtmitglieder – sie mussten Angehörige eines vom Börsenverein anerkannten buchhändlerischen Vereins sein – erhielten einen dreiprozentigen Aufschlag. Interessant ist die Praxis, dass die Sortimenter ohne größeren Aufwand in das Vereinssortiment ein- oder austreten konnten. So brauchte ein »Genosse« nur im Laufe eines Geschäftsjahres sein Geschäftsguthaben mittels schriftlicher Übereinkunft einem anderen übertragen und schon war er aus der Genossenschaft ohne Auseinandersetzung mit ihr ausgetreten. Der erfolgte Wechsel musste freilich vom Vorstand resp. Aufsichtsrat genehmigt werden.145 Tabelle 16: Das Schlesische Vereinssortiment als ältester regionaler Zusammenschluss von Sortimentsgeschäften Jahr Mitgliederfirmen
1920 1921 1922 1923 1924 1925 34 (20/14) 35 (20/15) 36 (21/15) 42 (25/17) 34 (18/14) 30 (18/12)
Hinweis: Klammervermerk (22/17) bedeutet 22 Sortimentsbuchhandlungen in Breslau und 17 in der Provinz.
Quelle: Franz: Die Konzentrationsbewegung im deutschen Buchhandel, S. 96. Die Bilanzen des Unternehmens zeigten deutliche Einschnitte für die Zeit nach 1923. Der Kapitalbestand schrumpfte auf ca. 40 Prozent zusammen, der Gesamtumsatz auf ca. 20 und der Gewinn auf ca. 8 Prozent. Der Bedeutungsverlust könnte auf den Aufschwung und die verbesserte Marktstellung des Barsortiments von Koehler & Volckmar zurückzuführen sein. Tabelle 17: Bilanzen des Schlesischen Vereinssortiments 1918 bis 1926 Jahr 1918 1920 1921 1924 1925/26
Kapitalbestand
Gesamtumsatz
15.900,00 16.400,00 16.250,00 6.549,00 7.045,00
173.548,00 463.755,00 669.117,00 97.879,00 90.617,00
Gewinn 11.763,00 39.187,00 48.301,00 3.422,00 2.129,00
Umsatz an Mitgliedern – – – 88.841,00 80.396,00
Umsatz an Nichtmitgliedern – – – 9.037,00 10.220,00
Hinweis: Alle Angaben in Mark.
Quelle: Franz: Die Konzentrationsbewegung im deutschen Buchhandel, S. 97, 249. 144 Vgl. § 1 der Satzung der Geschäftsordnung, Breslau 1912. 145 Vgl. Franz: Die Konzentrationsbewegung im deutschen Buchhandel, S. 96 f.
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Die Münchner Kommissionsbuchhandlung e. GmbH (gegr. 1915) Die Münchner Kommissionsbuchhandlung e. GmbH war im Gegensatz zu sonstigen Einkaufsgenossenschaften ein Unternehmen, das sowohl Aufgaben eines genossenschaftlichen Kommissionsgeschäfts (für den Verlag) sowie eines Vereinssortiments übernahm. Zum Zeitpunkt der Unternehmensgründung am 15. Oktober 1915 wurde das Kapital zu einem Drittel von Sortimentern und zu zwei Dritteln von Verlegern aufgebracht. Das Unternehmen war laut § 1 seiner Satzung »zum Zwecke des gemeinschaftlichen Einkaufs von Büchern und anderen Gegenständen des Buchhandels im großen und Auslieferung im kleinen an seine Mitglieder und Nichtmitglieder« gegründet worden.146 Es sollte während der Kriegszeit den Sortimentern ein Lager wichtiger Bücher in nächster Nähe offen halten. Mitglieder der Firma waren vor allem Münchener Buchhändler. Die Zahl der beigetretenen Firmen schwankte Mitte der zwanziger Jahre um die 70. Dem Unternehmen war bald eine Art Bestellanstalt angegliedert worden. Seit dem 1. Oktober 1926 besaß sie ein Auto, das vormittags bei den Verlegern Sendungen abholte und diese am Nachmittag den Sortimentern zustellte. Allerdings entwickelte sich um 1926 die geschäftliche Lage dieses Genossenschaftsunternehmens so ungünstig, dass offen über eine Auflösung nachgedacht wurde. Wurde 1924 noch ein Gewinn von 3.453,49 M erwirtschaftet, ergab die Bilanz des darauf folgenden Jahres einen Verlust von 312,53 M.147
Die Genossenschaft der Hamburger Buchhändler e. GmbH. (gegr. 1919) Jünger als die Vereinssortimente waren die so genannten Zeitschriftenstellen, die in der wirtschaftlich schwierigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg entstanden. Sie bezogen vom Zeitschriftenverlag, lieferten an den Einzelhandel und führten meist auch das entsprechende Abrechungsverfahren durch. Innerhalb dieser Form des Zwischenbuchhandels erlangte die Genossenschaft der Hamburger Buchhändler e. GmbH gewisse Anerkennung. Gegründet am 28. Juli 1919, nahm sie im April 1920 ihre Tätigkeit auf. Hatte man die Satzung des Unternehmens so angelegt, dass es sich um ein Bücher-Vereinssortiment handeln konnte, so blieb sein Wirken allerdings auf das Zeitschriften- und Schnittmustergeschäft beschränkt. Die Anzahl der Mitglieder betrug im Gründungsjahr 39 und fiel dann bis 1924 auf 32. Nichtmitglieder wurden ebenso mit Zeitschriften beliefert wie das Publikum. Umsatz und Gewinne sind in der nachfolgenden Tabelle ausgewiesen. Tabelle 18: Bilanzen der Hamburger Buchhändler e GmbH 1924/1925 Jahr 1924 1925
Mitglieder 32 32
Umsatz148 in M 180.143,58 282.503,81
Gewinn in M 2.840,00 4.000,00
Kapitalbestand in M 5.800,00 5.800,00
Quelle: Franz: Die Konzentrationsbewegung im deutschen Buchhandel, S. 109.
146 Vgl. Franz, S. 106. 147 Vgl. Franz, S. 106 f. 148 Auch an Nichtmitglieder.
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Im Bericht des Geschäftsjahres 1925 war zu lesen, dass die Vereinigung 835 verschiedene Zeitschriften führte. Die Buchhändlerabonnements beliefen sich auf 3.489 und die Kundenabonnements auf 7.395. Die Kundschaft verteilte sich auf 2.284 Rechnungskunden, 915 Barkunden und 109 Einzelbarkunden.149
Der Grossobuchhandel Während sich das traditionelle Barsortiment im Zeitraum von 1918 bis 1924 in einer tiefen Krise befand, erlebte der Zeitschriftenbuchhandel, der durch das Grossosortiment ausgeliefert wurde, einen gewissen Aufschwung. Neue Zeitschriften erschienen mit einer verbesserten bildlichen Ausstattung. Der Typ der kombinierten Versicherungsund Modenzeitschrift bildete sich heraus.150 Die Zeitschriftenproduktion war in Deutschland ähnlich wie die Buchproduktion räumlich stark zersplittert. 1927 erschienen insgesamt 5.482 Zeitschriftentitel in Deutschland, davon 3.209 in Preußen, 703 in Sachsen, 447 in Bayern, 253 in Württemberg und 870 in übrigen Regionen. Nur knapp die Hälfte davon entfielen auf die vier größten Verlagsstandorte: Berlin mit 1.749 Titel, Leipzig mit 480, München mit 250, Stuttgart mit 167. Einer Rechnung zufolge wurde über das Zusammenfassen der Sendungen zu 50 Kilo-Rechnungspaketen eine Spesenersparnis von ca. 50 Prozent erzielt. Hinzu kamen Vereinfachungen in Bearbeitungs- und Buchungsvorgängen.151 Eine zeitgenössische Einschätzung hob hervor, dass der vom traditionellen Buchhandel stark angefeindete Grossobuchhandel zwei Spielarten aufwies. Der eine Teil beschäftigte sich wie zuvor erwähnt hauptsächlich mit dem Vertrieb von Zeitschriften. Hierher gehörten die Firmen Max Busch, F. E. Fischer, Otto Maier, Louis Naumann, Max Prager. Der andere Teil dagegen legte wie Giegler’s Sortiment, Friedrich Schneider und R. Streller das Hauptgewicht auf das Bücher-, speziell auf das Schulbüchergeschäft. Beide Richtungen unterschieden sich durch ihre Kundschaft, die einen, die Zeitschriften-Grossisten, bedienten den Zeitungseinzelhandel, den Bahnhofsbuchhandel, ferner Kolporteure, Lesezirkel und so weiter, die anderen, die Büchergrossisten, hauptsächlich Fachsortimenter.152 Diese neuen Spezialisierungen nahmen dem traditionellen Zwischenbuchhandel Marktanteile, da beispielsweise einige Zeitschriftengrossisten dazu übergingen, analog der Barsortimente die Journale spesen- und provisionsfrei an die Sortimente zu liefern.153 Die wirtschaftliche Bedeutung des Grossobuchhandels lag vor allem in der zwischenhändlerischen, also preisgünstigen Einkaufspolitik, in der zentralen Lagerhaltung sowie in der Zusammenfassung der Zeitschriften- und Bücherauslieferung. 1932 gab es insgesamt 153 Firmen, die sich grossobuchhändlerisch betätigten, davon verkehrten 49 direkt, d.h. nicht über Leipzig.154 Ein weiterer Punkt, der das Grossogeschäft interessant machte, war die Belieferung so genannter Auchbuchhändler. Dieser, vom organisierten Buchhandel deutlich abwertend verwendete Begriff bezeichnete dreierlei Arten von Firmengruppen: 149 150 151 152 153 154
Vgl. Franz: Die Konzentrationsbewegung im deutschen Buchhandel, S. 108–110. Vgl. Niewöhner: Entwicklungsprobleme des Leipziger Zwischenbuchhandels, S. 25. Vgl. Niewöhner, S. 27–29. Vgl. Exposé Grossobuchhandel (um 1923), S. 2 f., in: SStAL, Börsenverein, 827. Vgl. ebd. Vgl. Adressbuch des Deutschen Buchhandels 1932, S. XXXVI f.
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1. Auchbuchhändler waren im Sprachgebrauch der damaligen Branche Kaufhäuser, die in ihrem Sortiment u. a. Zeitschriften und Bücher anbieten wollten, ohne deswegen gleich buchhändlerisches Fachpersonal einzustellen. Sie ließen sich das entsprechende Sortiment durch Grossisten, den Grossobuchhändlern, zusammenstellen und trugen durch ihre Nachfrage zur Herausbildung einer speziellen Form des Barsortiments bei. 2. Eine weitere Gruppe von Auchbuchhändlern setzte sich aus Klein- und Kleinstbetrieben zusammen. Nach einem zeitgenössischen Zitat widmeten sie sich »meistens neben dem Vertrieb von Schreibwaren, Kolonialwaren usw. oder neben dem Betrieb einer Buchbinderei als Hauptberuf noch als Nebenerwerbszweig dem Buchhandel« und handelten oft nur mit ganz bestimmter, »meist flacher Literatur«.155 3. Ebenso gab es »Trittbrettfahrer« des Buchhandels, ebenfalls als Auchbuchhändler tituliert, die eigentlich keinen Buchhandel (mehr) betrieben, sich aber im Adreßbuch aufführen ließen, um ggf. Bücher für sich und ihren Freundeskreis mit Buchhändlerrabatt zu beziehen. Derartige Firmen wurden, sofern ausfindig gemacht, aus dem Adreßbuch gestrichen.156 Im Buchhandel wurde indes gegen die so genannten Auchbuchhändler Stimmung gemacht. Der Börsenverein versuchte, Druck auf den Zwischenbuchhandel auszuüben, damit dieser Auchbuchhändler im Interesse des traditionellen Sortiments boykottiere. Mit seinen Forderungen kam der Branchenverband jedoch nicht durch, denn, wie Hans Volckmar auf einer Gesellschafterversammlung 1919 formulierte, es könne dem Barsortiment und Kommissionsgeschäft auf Dauer nicht zugemutet werden, auf Geschäfte mit dem Auchbuchhandel zu verzichten. Deshalb sei in Leipzig bereits seit einem dreiviertel Jahr bei der Koehler & Volckmar AG eine Grossoabteilung eingerichtet worden, die sich aus kleinen Anfängen bereits prächtig entwickelt habe und im Kalenderjahr 1919 vielleicht schon einen Umsatz von 800.000 M aufweisen könne. Da der Börsenverein vermutlich immer mehr in eine freihändlerische Politik gedrängt werde, gehöre – so Volckmar – dem Grossobuchhandel mehr denn je die Zukunft und sowohl die Koehler & Volckmar AG, als auch die Koch, Neff & Oetinger GmbH müssten sich unbedingt dem Grossogeschäft zuwenden.157
155 So formulierte Wilhelm Volkmann, zeitgenössischen Äußerungen folgend, in seiner Dissertation zu den Grundfragen des Vereinsbuchhandels. Vgl. Volkmann: Vereinsbuchhandel, S. 13. 156 Unter dem Stichwort »Adressbuchreinigung« war in einer Zeitschrift des Grossobuchhandels Folgendes zum Berliner Buchhandel des Jahres 1925 zu lesen: »Nach den gemachten Angaben sind im Adreßbuch des Deutschen Buchhandels ungefähr 1.000 Berliner Firmen verzeichnet, von welchen dem Vorstande etwa 350 unbekannt sind. Die Nachprüfung hat ergeben, daß sich unter diesen Weinhandlungen, Zigarrengeschäfte usw. befinden, die mit dem Buchhandel nichts zu tun haben und vielleicht vor Jahren mal eine Broschüre od. dgl. herausgegeben haben. Jetzt benutzen solche Firmen ihre Verzeichnung im Adreßbuche nur dazu, für sich und ihre Bekannten Bücher zum Nettopreise zu erwerben und schädigen dadurch den regulären Buchhandel. Allen solchen Firmen sind Fragebögen zugegangen zur Nachprüfung ihrer Buchhändlereigenschaft.« Der Großbuchhandel, Nr. 4, 15. Oktober 1925, Bl. 3. 157 Vgl. Protokoll der Gesellschafterversammlung von KNOe in Stuttgart vom 20. Mai 1919, Bl. 6, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 10.
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Neben der Angliederung einer Grossoabteilung in Leipzig kaufte Koch, Neff & Oetinger in Stuttgart 1919 die Firma A. Brettinger auf und verband das Kommissionsgeschäft mit dem Bar- und Grossosortiment. Ferner übernahm die Süddeutsche GrossoBuchhandlung G. Umbreit & Co. (ebenfalls Stuttgart) in den 1930er Jahren die Firma AZD-Zeitungsdienst (spezialisiert auf die Betreuung ambulanter Zeitungshändler). Bald erschien hier auch ein Spezialkatalog für Zeitungen und Zeitschriften.158 In den folgenden Jahren kam es allerdings bei Koehler & Volckmar nicht zu einem umfangreichen Ausbau dieses Geschäftsbereiches. Wie ein internes Gutachten des Konzerns von 1932 offenbarte, war man zu diesem Zeitpunkt mit der Entwicklung des eigenen Grossogeschäfts in Leipzig nicht zufrieden. Es bestand die Gefahr, dass andere Firmen diesen so wichtigen Bereich an sich zogen und es somit zu einer Abwanderung von eigenen Barsortimentskunden kommen konnte. In einigen Fällen waren bereits Barsortimentskunden zur Leipziger Kommissionshaus e. GmbH, dem Marktführer des Grossobuchhandels, übergewechselt. Koehler & Volckmar entwickelte Pläne, wie man das Kommissionshaus unterbieten und deren Kunden abwerben könne.159 Der Grossobuchhandel, obwohl während der Weimarer Republik auf dem Vormarsch, litt besonders in den Krisenjahren unter den gestiegenen Spesen. Während vor allem Werke in geringer Preislage, insbesondere die billigen Serienromane den Markt beherrschten, wurden im Weihnachtsgeschäft auch teurere Bücher über das Grossosortiment verkauft. Vorherrschend waren dabei die Novitäten.160
Bilanzen und Spezialisierungen des Kommissionshauses deutscher Buch- und Zeitschriftenhändler e. GmbH in Leipzig Das bereits 1905 in Leipzig auf genossenschaftlicher Basis gegründete Kommissionshaus deutscher Buch- und Zeitschriftenhändler e. GmbH konnte deutliche Zuwachsraten verzeichnen. In den ersten Jahren noch ausschließlich für Kommittenten des Zeitschriftenbuchhandels tätig, erweiterte das Kommissionshaus ab 1920 seine Serviceleistungen. In dieser Zeit stieß eine erste Gruppe von Sortimentsbuchhändlern hinzu, wobei das Unternehmen zunehmend auch Arbeiten eines Buchkommissionärs übernahm, also sowohl Kommissionsbuchhandel als auch ein Barsortiment betrieb. Im Jahre 1920 besaß das Kommissionshaus bei einem Umsatz von 9 Mio. M über 500 Mitglieder, wobei auch Firmen aufgenommen wurden, die nicht dem Zentralverein deutscher Buch- und Zeitschriftenhändler angehörten. Der weitere Verlauf der Mitglieder- und Umsatzzahlen ist der folgenden Tabelle zu entnehmen.161
158 Vgl. Bez: Zwischenbuchhandel, S. 95. 159 Vgl. Protokoll über eine Besprechung im Konferenzzimmer der Koehler & Volckmar AG & Co. vom 11.6.1932, S. 3–5, in: SStAL, Koehler & Volckmar, 19/1. 160 Vgl. Börsenblatt 95 (1928) 87, S. 412. 161 Vgl. Niewöhner: Kommissionsbuchhändlerische Arbeit an Buch und Zeitschrift, S. 3–6.
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Tabelle 19: Die wirtschaftliche Entwicklung des Kommissionshauses deutscher Buch- und Zeitschriftenhändler e. G.m.b.H. in Leipzig 1918–1932 Geschäftsjahr 1918/1919 1919/1920 1920/1921 1921/1922 1922/1923 1923/1924 1924/1925 1925/1926 1926/1927 1927/1928 1928/1929 1929/1930 1930/1931 1931/1932
Mitglieder 441 511 535 686 538 540 530 538 560 576 560 558 561 565
Umsatz in M 2.622.019 3.352.578 5.597.380 9.000.000 686.000.000162 936.204 3.891.287 4.667.062 5.094.073 7.136.960 8.410.775 8.317.988 8.223.511 7.797.555
Gewinn in M 30.736 – 69.322 144.595 158.578 30.000.000163 4.305 55.409 82.492 100.768 117.146 159.900 163.283 166.514 171.790
Quelle: Niewöhner: Kommissionsbuchhändlerische Arbeit, S. 5 f., 13, 15, 23. Aus der Tabelle ergab sich ein inflationsbedingter Umsatzrückgang des Vereinshauses um 1923/24 um mehr als 80 Prozent. Bereits im Geschäftsjahr 1924/25 hatte das Leipziger Kommissionshaus deutscher Buch- und Zeitschriftenhändler e. GmbH mit einem Umsatz von 3.891.287 M den Stand von 1919/1920 überschritten. 1928/29 waren die Umsätze mit 8,5 Mio. M fast auf das Neunfache der Umsätze von 1923/24 gestiegen.164 Für die Genossenschaft gab es keine Geldentwertungsgewinne, da die Zeitschriften infolge ihres aktuellen Wertes keine Möglichkeit einer Sachwertanlage boten und das Buch einen noch zu geringen Anteil am Umsatz besaß. Nach Umstellung auf die Rentenmark 1924 wurde das Unternehmen auf den Umsatzwert von 1909/1910 zurückgeworfen. Die Entwicklung der Gewinne wies eine recht stabile Entwicklung aus. Der Kommissionsbuchhandel brachte im Allgemeinen keine so hohen Gewinne ein, wie beispielsweise das Barsortiment. Dafür war die Branchenspezialisierung aber auch relativ krisensicher. Der Verlust von ca. 70.000 M im Geschäftsjahr 1919/1920 ging darauf zurück, dass man zur räumlichen Erweiterung ein eigenes Haus zum Preis von 285.000 M kaufte, in welches Umbaukosten von 45.379 M hineingesteckt wurden. Der ständige Ausbau des Barsortiments der Genossenschaft hatte in einem stärkeren Maße dazu geführt, dass die Mitglieder in ihren Bezügen auf diese Einrichtung zurückgriffen. Niewöhner konnte den Beweis führen, dass sich in der Entwicklung des Kommissionshauses die allgemeine wirtschaftliche Lage des Buchhandels widerspiegelte. Hierzu verglich er die Umsätze des Kommissionshauses mit denen der BAG und der 162 Nach der Schlüsselzahl des Börsenvereins vom 7. Januar 1923 (700) würde dieser Betrag ungefähr 980.000 M entsprechen. 163 Nach der zuvor genannten Schlüsselzahl entspricht dieser Wert 42.857 M. 164 Vgl. Niewöhner: Entwicklungsprobleme des Leipziger Zwischenbuchhandels, S. 25.
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Berliner Bestellanstalt. Setzte man das Jahr 1927 auf den Wert 100, dann ergab sich bis 1929 ein leichter Anstieg, während die Werte sich bis 1933 fast halbierten (Kommissionshaus 74, BAG und Berliner Bestellanstalt 60).165
Interessenvertretungen des Grossobuchhandels Bereits im Jahre 1905 war der Verband der Kommissions- und Großbuchhändler mit Sitz in Leipzig gegründet worden. Er hatte nur wenige Mitglieder. 1929 waren es ganze neun Leipziger Unternehmen, die rund 300 Angestellte, 90 Hilfsarbeiter und 10 Lehrlinge beschäftigten.166 Tabelle 20: Vorsitz des Verbandes der Kommissions- und Großbuchhändler (Sitz: Leipzig, gegr. 1905) Funktion
Inhaber
Aus der Firma
Vorsitzender
1918–29 Adolf Dähnert 1930–33 Carl Frank 1918–20 Hermann Streller 1921–29 Carl Frank 1930–33 keine Besetzung 1918–28 Max Prager 1929 keine Besetzung 1930–33 Alfred Zimmermann167
F. E. Fischer R. Gieglers Sortiment R. Streller R. Gieglers Sortiment – Max Prager – F. E. Fischer
Stellvertreter
Schriftführer
Quelle: Adreßbuch des Deutschen Buchhandels. In der Ostermesse 1921 wurde im Burgkeller zu Leipzig eine zweite Interessenvertretung der Grossobuchhändler, die »Vereinigung der Buchgroßhändler und Großantiquare Deutschlands«, gegründet. Sie ging aus der am 25. April 1919 gegründeten »Vereinigung der Berliner Grossisten im Buch- und Zeitschriftenhandel« hervor. Die Berliner Organisation zeichnete sich im Vergleich zur Leipziger durch eine regere Vereinsarbeit aus. Mitteilungen für die ca. 25 Mitgliedsfirmen wurden bis zum Sommer 1925 in der Allgemeinen Buchhändler-Zeitung abgedruckt, von da ab in der monatlich erscheinenden Zeitschrift Der Großbuchhandel.168 Das Vereinsblatt enthielt Berichte von Generalversammlungen einzelner Ortsgruppen169, ferner erfolgte eine regelmäßige Veröffentlichung von Namen und Adressen »böswilliger Schuldner« bzw. »fauler Zahler«. Die kenntlich gemachten Zeitungshändler wurden sogar mit detaillierten Bemerkungen näher charakterisiert.170 165 166 167 168
Niewöhner: Kommissionsbuchhändlerische Arbeit an Buch und Zeitschrift, S. 26. Vgl. Friese: Leipzig als Bücherstadt, S. 3. Zimmermann war von 1930 bis 1933 auch Schatzmeister. Vermutlich ist die durch einen Herrn Streißler geleitete Allgemeine Buchhändler-Zeitung aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt worden. Streißler legte daraufhin auch sein Amt als Geschäftsführer nieder. Vgl. Der Großbuchhandel, Nr. 4, 15. Oktober 1925, Bl. 1. 169 Die größte Ortsgruppe war Berlin. 170 Zwei Einschätzungen lauteten: »bezahlt jedoch auch kleinere Beträge nicht. Klage lohnt sich nicht« oder »bestellt Bücher und bezahlt nicht. Wurde verklagt. Pfändung fruchtlos. Wohnt bei der Mutter und soll arbeitslos sein.« Der Großbuchhandel, Nr. 1, 14. Juli 1925, Bl. 3.
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Den Berichten nach waren die Jahreshauptversammlungen der Vereinigung, die in Leipzig stattfanden, zumeist schlecht besucht.171 In den Anfangsjahren kämpfte die Vereinigung darum, vom organisierten Buchhandel ernst genommen zu werden. Da diverse Firmen des Grossobuchhandels sich nicht an bestehenden Usancen orientierten bzw. ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkamen, musste der Verein gegen diese »schwarzen Schafe« offensiv vorgehen. In öffentlichen Erklärungen warnte die Organisation vor dem Missbrauch des Begriffs »Grossobuchhandel« durch zahlreiche »nichtprofessionelle« Firmen, die dem Interessenverband nicht angehörten. Durch deren Tätigkeit sei der Branchenspezialisierung ein enormer Imageschaden entstanden. Die Unternehmer riefen zum Boykott auf und beteiligten sich auch an der Schmutz- und Schunddebatte des deutschen Buchhandels, um ihr Ansehen zu erhöhen.172 Insbesondere arbeiteten sie mit Prüfstellen sowie Fachvereinen des Börsenvereins zusammen und lieferten indizierte Literatur nicht aus.173 Sechs Jahre nach ihrer Gründung richtete die Vereinigung der Großbuchhändler und Großantiquare Deutschlands eine eigene Sterbekasse ein. Die Kasse sollte keine Konkurrenz zur bestehenden Buchhändler-Sterbekasse in Bremen darstellen, sondern zusätzlich absichern. Die Unternehmer einigten sich darauf, eine einmalige Eintrittsgebühr von 6 M. und nach jedem Sterbefall 3 M. pro Mitglied zu zahlen. Bei derzeit 24 Vereinsmitgliedern kämen so akzeptable Summen zustande.174 Die Gründung der insgesamt doch eher leistungsschwachen Kasse legt die Vermutung nahe, dass es sich bei den Mitgliedern um Kleinunternehmer handelte. 1928 wurde die Vereinigung als Fachverein durch den Börsenverein anerkannt. Da ihm zu diesem Zeitpunkt außer Grossobuchhändlern und Großantiquaren auch noch Kommissionäre und Zeitschriftengrossohändler angehörten, die gleichfalls beanspruchen konnten, im Titel der Vereinigung genannt zu werden, wurde eine Namensänderung beantragt. Man einigte sich auf »Vereinigung der Großbuchhändler Deutschlands e.V.«.175 Auf der Jahreshauptversammlung von 1930 wurde einstimmig eine Satzungsänderung beschlossen, wonach Mitglieder, die vom Börsenverein ausgeschlossen wurden, auch die Vereinigung zu verlassen hatten. Kopfzerbrechen bereitete den Grossobuchhändlern der Umstand, dass es zahlreiche Unternehmen im eigenen Branchenzweig gab, die durch Sonderbedingungen einen Marktvorteil erlangen wollten. So löste ein Rundschreiben der Leipziger Firma Carl Cnobloch (u. a. spezialisiert auf den ZeitschriftenGrossohandel) eine lebhafte Diskussion aus. Einzelne Vertreter des Grossobuchhandels wie Winter (Leipzig), Schlochauer (München), Iser (Berlin), Umbreit (Stuttgart), Frey (Marienfelde) sprachen sich für einen Ausbau der Verkehrsordnung auf den Zeitschrif171 Wiederholt verwies der Vorstand »auf die große Untätigkeit und Gleichgültigkeit vieler, ja der meisten Mitglieder an der Vereinssache und damit am eigenen Berufsstande […] Nur eine starke Berufsvertretung, welcher auch zahlenmäßig möglichst alle Großhändler unseres Berufszweiges angehören, kann dem ganzen Berufsstand schützen.« Der Großbuchhandel Nr. 3, 15. März 1928, Bl. 2. 172 Vgl. Börsenblatt 89 (1922) 122, S. 764. 173 Vgl. Der Großbuchhandel Nr. 13, 15. Dezember 1927, Bl. 1–2. Vgl. ferner Der Großbuchhandel Nr. 3, 15. März 1928, Bl. 2 174 Vgl. Der Großbuchhandel Nr. 4, 25. März 1927, Bl. 1–2. Vgl. ferner Der Großbuchhandel Nr. 5, 15. April 1927, Bl. 1–2, 4. Vgl. Der Großbuchhandel Nr. 6, 15. Juni 1929, Bl. 2. 175 Vgl. Börsenblatt 96 (1929) 214, S. 997.
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tengrossohandel aus. »Wenn ein Verlag ohne Einschaltung des Großhandels nur direkt liefere, so sei dagegen nichts einzuwenden. Wenn jedoch ein Verlag nur den einen oder anderen Grossisten beliefern wolle, so sei das unmoralisch.«176 Tabelle 21: Vorsitz der Vereinigung der Buchgrosshändler und Großantiquare Deutschlands e.V. (Sitz: Berlin, gegr. Ostermesse 1921) Funktion
Jahr und Inhaber
aus der Firma
Erster Vorsitzender
1923–25 Hermann Gumpel 1926–33 Walther Frey 1923–24 Otto Augustin 1925 Walther Frey 1926–31 Hermann Gumpel 1932–33 Karl Homuth
Reinh. Klinger, Berlin Walther Frey, Berlin Augustin & Müller, Berlin Walther Frey, Berlin Apollo-Verlag, Berlin Apollo-Verlag, Berlin Apollo-Verlag, Berlin Westbuchhandel AG, Berlin Apollo-Verlag, Berlin Paul Nauck, Berlin Süddeutscher Grosso-Buchhandel G. Umbreit, Stuttgart Apollo-Verlag, Berlin Augustin & Müller, Berlin
Zweiter Vorsitzender
Schriftführer
1923–24 Karl Homuth 1925 A. Siedentop 1926–30 Karl Homuth 1931–33 Paul Nauck177 1930–33 Gustav Umbreit178
Schatzmeister
1923–24 Reinhard Euler 1925–33 Otto Augustin
Quelle: Adreßbuch des Deutschen Buchhandels. Die Versammlung erörterte ferner die Frage, ob man die Vereinstätigkeit der beiden nebeneinander bestehenden und dennoch dieselben Interessen verfolgenden Vereine zum Grossobuchhandel künftig besser koordinieren sollte. Carl Frank, Inhaber der Leipziger Firma R. Gieglers Buchhandlung und zugleich erster Vorsitzender des Verbandes der Kommissions- und Großbuchhändler in Leipzig, nahm an der Hauptversammlung teil. Seit mehreren Jahren gab es Überlegungen, beide Vereine zu verschmelzen. Zunächst diskutierte man in die Richtung, ob man bei der Sperrung einer Firma nicht zusammenarbeiten könne.179 Neben der Absprache von Kauf- und Lieferbedingungen für den Grossobuchhandel könne das gemeinsame Ziel darin bestehen, schlechte Zahler zu boykottieren bzw. zu sperren.180 Der Zusammenschluss beider Vereine, der auch auf der Jahreshauptversammlung der Vereinigung der Großbuchhändler Deutschlands von 1931 zentrales Thema war, konnte allerdings bis 1933 nicht verwirklicht werden. 176 Vgl. Der Großbuchhandel Nr. 6, 15. Juni 1930, Bl. 1–2. Vgl. ferner Börsenblatt 97 (1930) 133, S. 545. 177 Erster Schriftführer. 178 Zweiter Schriftführer. 179 Vgl. Börsenblatt 97 (1930) 133, S. 545. 180 »Ein zweites, groß gestecktes Ziel ist, den Verband so auszubauen, daß er eine Art Zwangsinnung wird, der alle Grossisten angehören müssen. Dann kann auch ein gewisser Druck auf solche Mitglieder ausgeübt werden, die über die anständige Form des Vertriebes hinausgehen. Wir haben nach unseren Satzungen schon jetzt ein Ausschlußverfahren, wodurch das betreffende Mitglied automatisch auch aus dem Börsenverein ausscheidet.« Börsenblatt 97 (1930) 133, S. 545.
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Literatur für Kapitel 6.1 und 6.2 Ungedruckte Quellen Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig (DBSM) Archivalien der ehemaligen Bibliothek des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (Geschäftsrundschreiben, Bekanntmachungen, Pläne usw.)
Sächsisches Staatsarchiv Leipzig (SStAL) Bestand Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig 1825 ff. Bestand F. A. Brockhaus Leipzig 1805–1945 Bestand Koehler & Volckmar 1877–1946
Schreibmaschinen-Manuskripte EGGERS, Dora: Die Geschichte des Barsortimentskataloges. Prüfungsarbeit der Hamburger Bibliotheksschule vom 30. Januar 1957, Maschinenschrift, Hamburg 1958. FRIESE, Karl: Leipzig als Bücherstadt, Manuskript, Leipzig 1929. KÄSTNER, Albrecht: Zu einigen Problemen des deutschen Buchhandels, insbesondere der Konzentrationsbewegung des Kommissionsbuchhandels – dargestellt am Beispiel des Koehler & Volckmar Konzerns [zugl. Diplomarbeit an den Historischen Instituten der Karl-MarxUniversität], Maschinenschrift, Leipzig 1965. PFEIFFER, Hermann: Es war einmal … Festschrift des Vereins Leipziger Kommissionäre 1884– 1934, Maschinenschrift, Leipzig 1934.
Gedruckte Quellen Adreßbuch für den Berliner Buchhandel, Berlin: Korporation der Berliner Buchhändler 1930. Die Wirtschaftlichkeit des Verkehrs über Leipzig, Leipzig Verein Leipziger Kommissionäre 1922. FERNAU, Curt: Der Leipziger Platz und seine buchhändlerischen Einrichtungen, Leipzig: Verein Leipziger Kommissionäre 1931. Großbuchhandel, Der. Mitteilung der Vereinigung der Großbuchhändler und Großantiquare Deutschlands e. V. Berlin 1925 ff. HEß, A.: Die weltwirtschaftliche Bedeutung Leipzigs als Zentrale des deutschen Buchhandels, Leipzig Verein Leipziger Kommissionäre 1925. KAPP, Arno: Streik der Angestellten im Leipziger Buchhandel, Leipzig: Selbstverlag 1919. Koehler & Volckmar Leipzig – Stuttgart – Berlin, Leipzig Koehler & Volckmar o. D. [ca. 1935]. Verein Leipziger Kommissionäre. Beiträge zum 50jährigen Jubiläum, Leipzig Verein Leipziger Kommissionäre 1934. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 101 (1934) 19, Beilage. Verzeichnis der Verlagsfirmen, die in Leipzig ausliefern lassen und für den »Empfohlenen Verkehr« in Frage kommen. Zusammengestellt vom Verein Leipziger Kommissionäre, Leipzig 1921. VOLCKMAR-FRENTZEL, Theodor: In den Stürmen der Zeit. Zur Geschichte des Hauses Volckmar 1829–1954, Stuttgart: K. F. Koehler Verlag 1954. Weshalb verkehrt man über Leipzig? Eine Zusammenstellung der wirtschaftlichen Vorteile des Verkehrs über Leipzig nebst einer zahlenmäßigen Gegenüberstellung der Kosten des direkten Verkehrs. Leipzig: Verein Leipziger Kommissionäre 1925, 1926 [dasselbe 1931]. Wie verkehrt man über Leipzig? Die Technik des Verkehrs über Leipzig. Leipzig: Verein Leipziger Kommissionäre 1931.
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Forschungsliteratur BEZ, Thomas: Zwischenbuchhandel. In: Der Stuttgarter Buchhandel im 20. Jahrhundert. Stuttgart: Hoffmann 1997, S. 91–114. Das Memorandum der Leipziger Kommissionäre von 1846. Hrsg. v. Thomas Keiderling. Kornwestheim bei Stuttgart: Brockhaus Commission 1999. Deutsche Buchhändler. Vierundzwanzig Lebensbilder führender Männer des Buchhandels. Hrsg. von Gerhard Menz. Leipzig: Werner Lehmann Verlag 1925. DOHLE, Vera: »Lager gebundener Bücher – eine Auswahl der gangbarsten Werke sämmtlich neu und elegant gebunden«. Die Barsortimente zwischen 1852 und 1952 [zugl. Magisterarbeit Universität München], Maschinenschrift, München 1991. FRANZ, Lutz: Die Konzentrationsbewegung im deutschen Buchhandel. Heidelberg: C. Winter 1927. GARTMANN, Felix, Das buchhändlerische Kommissionsgeschäft. In: Paschke, Max/Rath, Philipp: Lehrbuch des deutschen Buchhandels, Bd. 2, 2. Auflage. Leipzig: Börsenverein 1935, S. 536– 556. GRIESER, Thorsten: Buchhandel und Verlag in der Inflation. Studien zu wirtschaftlichen Entwicklungstendenzen des deutschen Buchhandels in der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 51 (1999), S. 1–187. JORDAN, Paul: Der Zentralisations- und Konzentrationsprozeß im Kommissionsbuchhandel. Jena: Gustav Fischer 1911. KEIDERLING, Thomas: Modernisierung des Leipziger Kommissionsbuchhandels 1830 bis 1888 (zugl. Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 58). Berlin: Duncker & Humblot 2000. KEIDERLING, Thomas: Der buchhändlerische Markthelfer. Auf den Spuren einer verschwundenen Leipziger Berufsgruppe. In: Aus dem Antiquariat 3 (2001), A137–A144. KEIDERLING, Thomas/TITEL, Volker: Hermann Pfeiffer: Brett’l und Tingeltangel-Erinnerungen eines alten Leipzigers. In: Stadtgeschichte. Mitteilungen des Leipziger Geschichtsvereins e.V. 1/1999, Leipzig, S. 8–15. KOCKA, Jürgen: Unternehmer in der deutschen Industrialisierung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1975. NIEWÖHNER, Emil: Der Konzentrationsprozeß im deutschen Kommissionsbuchhandel unter besonderer Berücksichtigung des Leipziger Platzes. Stuttgart: C. E. Poeschel 1935. NIEWÖHNER, Emil: Kommissionsbuchhändlerische Arbeit an Buch und Zeitschrift, Stuttgart: C. E. Poeschel 1940. NIEWÖHNER, Emil: Entwicklungsprobleme des Leipziger Zwischenbuchhandels. Jena: Gustav Fischer Verlag 1941. PASCHKE, Max/RATH, Philipp: Lehrbuch des deutschen Buchhandels. Bd. 2, 2. Auflage. Leipzig Börsenverein 1935. PFEIFFER, Hermann: Der deutsche Buchhandel, seine Organisation und seine Einrichtungen, Dessau: C. Dünnhaupt Verlag 1928. STANIEK, Carola: Buchhändlerische Geschäftsrundschreiben als buchgeschichtliche Quellen. In: Buchhandelsgeschichte 2 (1999), B79–B85. STAUB, Hermann: Ein vertrauliches Referat zur wirtschaftlichen Lage der Barsortimente aus dem Jahre 1920. Aus dem Historischen Archiv des Börsenvereins (29). In: Buchhandelsgeschichte 1 (1992), B14–B22. UMLAUFF, Ernst: Beiträge zur Statistik des deutschen Buchhandels. Leipzig: Börsenverein 1934. VOLKMANN, Wilhelm: Grundfragen des Vereinsbuchhandels (Zugl. jur. Dissertation der Universität Freiburg im Breisgau). Leipzig: Breitkopf & Härtel 1921.
7
Verbreitender Buchhandel Ernst Fischer
7.1
Der Sortimentsbuchhandel
Divergierende Interessen: das Verhältnis von Sortiment und Verlag Die Lage des Sortimentsbuchhandels war um 1918/1919, nach vier Kriegsjahren und den Wirren der revolutionären Ablösung der Monarchie durch die neue republikanische Ordnung, sicherlich keine einfache. Dennoch scheinen ihn damals weniger die Veränderungen des politisch-gesellschaftlichen Umfelds beschäftigt zu haben als vielmehr brancheninterne Auseinandersetzungen, konkret ein Kräftemessen mit dem Verlag. Denn zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Interessengegensätze zwischen dem verbreitenden Buchhandel und dem herstellenden Buchhandel massiv zugespitzt. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg war es zu einer Eskalation schwelender Konflikte gekommen, ausgelöst durch die 1909 im Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig beschlossene erste Verkaufsordnung des deutschen Buchhandels, die den Verkehr mit dem Publikum regelte. In ihr war jener Ausnahmeparagraf der Börsenvereinssatzung, der die »Verlegerschleuderei« ermöglichte, durch eine sortimenterfreundlichere Regelung ersetzt worden. Daraufhin entbrannte ein erbitterter Kampf um die Auslegung bestimmter Paragrafen der Verkaufsordnung, der bis 1913, bis zu ihrer Revision und Neufassung, anhielt. Das nicht zu übersehende Faktum, dass die Verleger ihre Standpunkte zunehmend offensiv verfochten, dann aber auch die kriegsbedingte Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage ließen im Sortiment den Wunsch nach energischer Vertretung seiner spezifischen Interessen durch engeren organisatorischen Zusammenschluss wach werden. Denn wenn auch bereits mehrere lokale Sortimentervereine existierten, so waren die Versuche zur Gründung eines allgemeinen Sortimenterverbandes als Widerpart zum 1895 entstandenen Deutschen Verlegerverein bis dahin doch sämtlich gescheitert.1 Im Mai 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, wurde nun dieser lang verfolgte Plan Wirklichkeit, indem – hauptsächlich auf Initiative des Vorstehers des Berliner Sortimentervereins Paul Nitschmann – die Deutsche Buchhändlergilde als Dachorganisation aller örtlichen Sortimentervereinigungen gegründet wurde.2 Nitschmann wurde denn auch Erster Vorsitzender der Gilde und hatte dieses Amt mit kurzen Unterbrechungen bis zu deren Auflösung 1935 inne. Im Gegensatz zum Verlegerverein erwarb die Buchhändlergilde nicht die Organeigenschaft im Börsenverein, sondern verstand sich als völlig eigenständige Organisation, mit dem Zweck einer »wirtschaftlichen Hebung und Vertretung [des Sortiments] nach innen und außen«.3 Diese neutral gehaltene Satzungs1 1905 kündigte der Verein der Buchhändler zu Düsseldorf die Gründung einer überregionalen Sortimentervertretung an; 1903 –1919 existierte ein »Rechtsschutzverein der Deutschen Sortimenter« (mit der Zeitschrift Der Deutsche Sortimenter), der allerdings nur geringe Bedeutung erlangte. (Vgl. Meiner: Der Deutsche Verlegerverein, S. 154). Zum buchhändlerischen Organisationswesen vor 1918 vgl. den Beitrag von Titel in Band 1/3 dieser Buchhandelsgeschichte. 2 Vgl. Wie die Deutsche Buchhändlergilde wurde. In: Gilde-Blatt 3, v. 15. März 1919, S. 49 –52. 3 § 1 der Satzungen der Deutschen Buchhändlergilde […]. Angenommen in der Gründungsversammlung am 19. Mai 1916 in Leipzig, abgeändert von der Hauptversammlung am 15. Mai
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7 V erbr eitend er Bu chhandel
bestimmung war aber ebenso irreführend wie Behauptungen, wonach die Gilde möglichst zusammen mit dem Verlegerverein auf den friedlichen Ausgleich der widerstrebenden Interessen hinwirken wollte. In Wahrheit verstand sich die Gilde durchaus als Kampfverband, und dies umso mehr, als sich ihr Vorstand und besonders Nitschmann viel darauf zugute hielten, ganz bewusst »eine schärfere Tonart unter allen Umständen einer allzu sanften vorzuziehen«.4 Tatsächlich stand in den nachfolgenden Jahren die Gilde im Mittelpunkt erbitterter Kämpfe gegen den Verlegerverein wie auch gegen den Börsenverein, trotz oder auch wegen der Erschütterungen, die Krieg, Revolution und Inflation mit sich brachten. Die Gilde war für diese Kämpfe bald gut gerüstet, noch im ersten Bestandsjahr traten ihr rund tausend Mitglieder bei; 1924 zählte sie 1.400 Mitglieder. Ein Buchhändlergilde-Blatt erschien ab November 1916 vierzehntägig und stärkte so die unabhängige Kommunikation innerhalb der Sortimenterschaft. Zu den spartenpolitischen Zielen gehörte u. a. die Einführung einer Sortimenterstammrolle, mit der die Zugangsmöglichkeiten zum Buchhandel erschwert und die Existenzbedingungen der bestehenden Handlungen verbessert werden sollten, ebenso die Verbesserung der Rabattbedingungen bzw. die Festsetzung von Mindestrabatthöhen. Der verstärkte organisatorische Rückhalt erwies sich in den folgenden Jahren als vorteilhaft vor allem in den Kämpfen um die Einführung eines Sortimenterteuerungszuschlags und die seit 1918 daraus fließenden Auseinandersetzungen um eine Notstandsordnung und seit 1922 um eine Wirtschaftsordnung des deutschen Buchhandels.5 Die Bedrohungen die von der im Herbst 1922 einsetzenden Hyperinflation ausgingen, ließen Verlag und Buchhandel dann aber näher zusammenrücken; das vom Börsenverein im Konsens beschlossene »System der Grund- und Schlüsselzahlen«, das eine ständig aktuelle Preisberechnung ermöglichen sollte, ist Ausdruck dieser in Notzeiten wahrgenommenen gemeinsamen Verantwortung.6 Nach Konsolidierung der Währung sah sich der Sortimentsbuchhandel aber sehr bald mit Initiativen des Deutschen Verlegervereins konfrontiert, die auf eine Reorganisation des Börsenvereins abzielten, um dort eine fortgesetzte »Majorisierung« des Verlags durch das Sortiment zu verhindern, wie sie – als Ausdruck einer schleichenden Machtverschiebung – in den vergangenen Jahren immer wieder eingetreten war.7 Diese Initiativen hatten eine Vorgeschichte: Schon 1918 hatten die Verleger die Bildung eines Ausschusses zur Satzungsänderung betrieben, 1919 wurde diesem Ausschuss von Verlegerseite ein Vorschlag überwiesen, der eine Teilung des Börsenvereins in je eine gleichberechtigte Verleger- und Sortimenterkammer vorsah. Danach hätten alle vom
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7
1917 in Leipzig. Berlin 1918. Deutsches Buch- und Schriftmuseum, Buchhandelsarchiv 52/122. Gilde-Blatt 3 vom 15. März 1919, S. 51. Vgl. zum Folgenden auch Meiner: Der Deutsche Verlegerverein, S. 150 f., Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 90 f. Diese Vorgänge sind genauer beschrieben im Beitrag Fischer: Marktordnung in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte. Das System hat der Vorstand absichtlich nicht der Hauptversammlung zur Diskussion vorgelegt, da er Probleme bei der Abstimmung befürchtete. (Vgl. Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 80 f.) Vgl. zum Folgenden Meiner: Der Deutsche Verlegerverein, S. 174 ff.; Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 110 –122; Brohm: Das Buch in der Krise, S. 211 –230.
7.1 Der Sor timen tsbu chh andel
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Abb. 1: Mitgliedsschild und Stempel der 1916 gegründeten Deutschen Buchhändlergilde. Aus: Buchhändergilde-Blatt Nr. 1 vom 15. Januar 1922, S. 16 (Schild) und Nr. 1 vom 15. November 1916, S. 9 (Stempel). Börsenverein getroffenen Entscheidungen die Zustimmung beider Kammern finden müssen. Zur Unterstreichung seiner Forderungen wollte sich der Verlegerverein 1920 selbst eine neue Satzung geben, die eine Aufgabe der Organeigenschaft, mithin eine gänzliche Loslösung vom Börsenverein vorsah; anders als bisher sollte für die Mitgliedschaft im Verlegerverband in Zukunft keine Mitgliedschaft im Börsenverein nötig sein, auch wollte man keine Vertreter mehr in den Hauptausschuss entsenden. Auf diese Weise wollte der Verlegerverein wie die Buchhändler-Gilde völlige Selbständigkeit und Handlungsfreiheit erhalten. Dies hätte wohl den Zerfall des Börsenvereins in seiner damaligen Gestalt bedeutet. Die in Weimar tagende Hauptversammlung des Verlegervereins nahm dann aber die neue Satzung erst an, nachdem die radikalsten Vorschläge – v. a. die Aufhebung der obligatorischen Mitgliedschaft im Börsenverein – gestrichen wurden, tat dies allerdings unter einem Vorbehalt: Sollten die Verleger weiterhin benachteiligt werden und sollte nicht das Kammer- (oder Kurien-)wahlrecht eingeführt werden, dann konnte jederzeit eine völlige Loslösung vom Börsenverein beschlossen und vollzogen werden. Die Attacke war letztlich erfolgreich, wenn auch nicht so rasch wie gewünscht. Die Sortimenter, die mit dem bestehenden Abstimmungsmodus im Börsenverein zuletzt gut gefahren waren, hatten sich, wie zu erwarten stand, scharf gegen jede Umgestaltung gewandt. Ein 1922 angenommenes neues Börsenvereins-Statut konnte angesichts dieses Widerstands keine nennenswerte Veränderung herbeiführen; das Konzept der Kurialabstimmung war vorerst gescheitert. Jetzt sah der Verlegerverein den Zeitpunkt gekommen, aus seiner Drohung Ernst zu machen: die Organeigenschaft des Verlegervereins im Börsenverein wurde aufgehoben, er wurde zum unabhängigen Fachverein. Gerade dadurch aber schien der Weg frei für eine Einigung in der Kammerbildungsfrage: Bereits 1923 kam es zu ersten gemeinsamen Vorschlägen der Verleger- und Sortimentervertretungen, die wenigstens im Vorstand des Börsenvereins dem Prinzip der Gleichberechtigung, der Parität Geltung verschafften. Jeweils drei Vertreter gehörten dem Sortiment und dem Verlag an; Machtkämpfe wurden zukünftig nicht mehr in den Hauptversammlungen, sondern bereits im Vorfeld ausgetragen, wodurch der Hauptversammlung Anträge vorgelegt werden konnten, die auf einer Überbrückung der Gegensätze beruhten.
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Noch eine andere Konfliktzone zwischen Sortiment und Verlag war nach dem Ersten Weltkrieg entstanden durch »Allgemeine Geschäftsgrundsätze«, die der Deutsche Verlegerverein ausgearbeitet hat, um sie der Buchhändlerischen Verkehrsordnung des Börsenvereins entgegenzustellen. Sie entwickelten sich aus der Absicht, die spezifischen Interessen des Verlags mehr als bisher zu schützen und ihre Organisation für den Kampf mit dem Sortiment zu stärken. Man wollte nichts Geringeres bewirken als eine »Sanierung« des Sortiments, und zwar durch Eliminierung der »›unsoliden, unfachmännischen und überflüssigen Elemente‹, die den strengen Bedingungen, die der Verlag ihnen auferlegte, nicht standhalten konnten.«8 Kennzeichnend für diese Absicht waren die Bestimmungen, die anstelle von Jahresabrechnungen nunmehr Zielrechnungen auf Monats- oder Viertelsjahreskonto, Verzugszinsen bei verspäteter Zahlung sowie die sofortige Eintragung von Schuldnern in ein monatlich aktualisiertes Verzeichnis vorsahen. Von den Verlegern als »maßvolle Verkehrspolitik« bezeichnet, mussten diese Forderungen vom Sortiment doch wieder als eine Kampfansage gewertet werden. Die Gilde protestierte denn auch energisch und legte als Gegenmaßnahme für ihre Mitglieder neue »Bestellgrundsätze« fest. Es blieb dies aber nicht mehr als eine Episode im fortgesetzten Ringen zwischen Verlag und Sortiment, denn sowohl Geschäftsgrundsätze wie Bestellgrundsätze wurden zurückgezogen, als im Börsenverein eine für beide Seiten akzeptable revidierte Fassung der Buchhändlerischen Verkehrsordnung angenommen wurde. Ein spezieller »Frontabschnitt« im spannungsreichen Verhältnis zwischen herstellendem und verbreitendem Buchhandel bildete sich nach 1918 im Bereich des wissenschaftlichen Buchhandels aus. Die Zusammenarbeit des wissenschaftlichen Sortiments mit den Verlagen war ja bereits seit Längerem nicht reibungslos verlaufen; die im Zuge des »Bücher-Streits« seit 1903 aufgebrochenen Probleme9 hatten sich aufgrund dramatischer Absatzrückgänge gerade auf dem deutschen Wissenschaftsmarkt am Beginn der Weimarer Zeit eher noch verschärft. In seiner finanziellen Bedrängnis unternahm das Sortiment gegen Kriegsende den Versuch, die Rabattbedingungen zu verbessern. Zunächst wurde der übliche 25 %ige Rabatt im wissenschaftlichen Verlag für unzureichend erklärt, im nächsten Schritt wurde der Vorwurf auf die gesamte Rabattierungspraxis der Verlage ausgeweitet und die Verschlechterung der Konditionen beklagt.10 Offenbar betrug der Durchschnittsrabatt für nichtwissenschaftliche Bücher meist 30 %, maximal 35 %; eine Statistik des Barsortiments Koehler & Volckmar, die sowohl wissenschaftliche wie nichtwissenschaftliche Bücher erfasste, kam für 1920 auf einen Durchschnittsrabatt von 29 %.11 Eine Ungerechtigkeit erkannten die Sortimenter vor allem in der Vorgangsweise vieler Verlage, die seit 1918 erhobenen Verlegerteuerungszuschläge nicht in den Rabatt einzuschließen, wodurch sich der Anteil des Sortimenters am Ladenpreis verkürzte. Sogar der Deutsche Verlegerverein forderte seine Mitglieder auf, die Teuerungszuschläge konsequent zu rabattieren, und tatsächlich dürften unrabattierte Aufschläge seit Anfang 1919 nur noch selten aufgetreten sein. Eine deutliche Rabatterhöhung bedeutete in jedem Fall der Sortimenteraufschlag; als ein von der Not8 Zitiert nach Meiner: Der Deutsche Verlegerverein, S. 179. 9 Vgl. den Beitrag Jäger: Der wissenschaftliche Verlag in Band 1/2 dieser Buchhandelsgeschichte, S. 464 ff. 10 Vgl. Meiner: Der Deutsche Verlegerverein, S. 161 f.; Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 51. 11 Vgl. Grieser, S. 51, sowie Börsenblatt 87 (1920) 124, S. 583, 87 (1920) 171, S. 893.
7.1 Der Sor timen tsbu chh andel
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standsordnung des Börsenvereins verbindlich festgelegter Bestandteil des festen Ladenpreises stellte er im Grunde einen Eingriff in das Recht des Verlegers zur Festsetzung des Endverkaufspreises dar. Der Verlag, der sich u. a. mit diesem Argument gegen den Sortimenterzuschlag (vergeblich) zur Wehr gesetzt hatte, dürfte als Gegenreaktion in Einzelfällen dazu übergegangen sein, die Rabattkonditionen zu verschlechtern.12 Die Wissenschaftsverlage behaupteten in diesen Auseinandersetzungen eine Machtstellung, schon aus dem simplen Faktum heraus, dass sie mit wichtigen Teilen ihrer Zielgruppen – neben den Wissenschaftlern und den Studierenden waren das in der Hauptsache institutionelle Abnehmer wie Bibliotheken, Forschungsinstitute sowie Behörden und Verwaltungen – in direkte Verbindung treten konnten und daher nicht in gleicher Weise auf die Existenz eines zahlenmäßig großen und flächendeckenden Sortiments angewiesen waren, wie das etwa beim belletristischen Verlag der Fall war. Der Wissenschaftsverleger Julius Springer behauptete gar, dass nur 200 Buchhandlungen für die Verbreitung der wissenschaftlichen Verlagsproduktion benötigt würden.13 Auch waren die Wissenschaftsverlage nicht in gleicher Weise von der schleichenden und später galoppierenden Geldentwertung tangiert, weil sie über den hohen Prozentsatz an Auslandsverkäufen hohe Valutagewinne erzielen konnten. Sie waren daher absolute Gegner der Teuerungsaufschläge, die als zu stark absatzhemmend angesehen wurden; deshalb suchten sie mit dem Sortiment zu Spezialvereinbarungen zu kommen, die bei Rückkehr zum festen Ladenpreis (= Verlegerpreis) Sonderkonditionen vorsahen.14 Sogar eine Zweiteilung von wissenschaftlichem und allgemeinem Sortiment ist damals diskutiert worden.15 Mit dem Abbau der Zuschläge verschwand aber dieses Streitthema wieder von der Tagesordnung. Von 1924 an trat im Verhältnis von Sortiment und Verlag eine Phase der Verständigung und Entspannung ein, hauptsächlich als Folge der allgemeinen wirtschaftlichen Konsolidierung. Einen nicht unwesentlichen Beitrag lieferte auch die bereits Ende 1922 gegründete, aber erst nach dem Ende der Inflation wirklich arbeitsfähige neue Einrichtung im Buchhandel, die »Abrechnungs-Genossenschaft Deutscher Buchhändler e.G.m.b.H.« (BAG), die bestimmungsgemäß der Rationalisierung von Geschäftsverkehr und Abrechnung diente, damit jedoch auch zur Versachlichung der Beziehungen zwischen Verlag und Sortiment beitrug.16 1925 entstand noch ein weiteres Instrument des friedlichen Interessenausgleichs, der paritätisch besetzte Wirtschaftsausschuss, der entscheidend dazu beitrug, dass 1929 eine Verkaufsordnung beschlossen werden konnte, die einige bisher strittige Punkte beseitigte. Entscheidend aber war, dass Ende der 1920er Jahre nun doch die angestrebte Satzungsreform des Börsenvereins durchgeführt wurde.17 Die Branchenvereinigung basier12 Vgl. Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 52. 13 Der Abbau des Börsenvereins. In: Gilde-Blatt 4 (1920), Nr. 8 vom 15. August 1920, S. 169 – 171; hier S. 170. Die Äußerung Springers fiel in den Verhandlungen der buchhändlerischen Spitzenvereine. 14 Urban, Eduard: Zu den Sonderabmachungen zwischen wissenschaftlichem Verlag und wissenschaftlichem Sortiment. In: Börsenblatt 88 (1921) 29, S. 128 –131. Diese Auseinandersetzungen standen im Zusammenhang auch mit den Versuchen, das Sortiment durch genossenschaftlichen Bücherbezug auszuschalten; vgl. hierzu auch den letzten Abschnitt dieses Beitrags. 15 Marcus, Theodor: Neue Wege. In: Börsenblatt 88 (1921) 29, S. 131. 16 Zur BAG vgl. den Beitrag Fischer: Marktordnung, in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte. 17 Vgl. zum Folgenden auch den Beitrag von Volker Titel: Vereine und Verbände in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte, S. 236 –238.
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te bis dahin auf einer nach regionalen Gesichtspunkten gegliederten Organisations- und Entscheidungsstruktur, d. h. sie setzte sich aus Kreis- und Ortsvereinen zusammen, die aber längst nicht mehr als geeignete Repräsentanten der buchhändlerischen Interessen gelten durften. Diese Repräsentanz war damals auf Verlegerverein und Buchhändlergilde übergegangen, eine Tatsache, an der auch der Börsenverein nicht länger vorbeigehen konnte. Nach zweijährigen Beratungen wurde Kantate 1928 die neue Satzung angenommen. Nach ihren Bestimmungen war der Börsenverein zwar weiterhin die »Arbeitsgemeinschaft des gesamten deutschen Buchhandels«, aber er stützte sich jetzt in der Erfüllung seiner Aufgaben auf Fachvereine; bei der Durchführung sollten ihm – wie bisher – die Kreisvereine und Auslandsvereine Hilfestellung geben. Somit war die traditionelle Territorialstruktur durch eine vertikale Gliederung, eine Fachgruppenstruktur, mindestens zurückgedrängt; gänzlich entmachtet waren die Orts- und Kreisvereine aber nicht. Zu den Organen des Börsenvereins gehörten jetzt 17 ordentliche Ausschüsse, von denen sich der Fachausschuss, dann auch der Kreisausschuss und der Auslandsausschuss als die wichtigsten erweisen sollten. Der Fachausschuss war, wie von den Verlegern gewünscht, paritätisch besetzt. Er war für die Behandlung wirtschaftlicher Fragen zuständig; Anträge an die Hauptversammlung mussten bereits vorher im Fachausschuss mit Zweidrittelmehrheit angenommen worden sein, d. h. eine Sparte allein konnte hier nichts bewirken. Am Ende der Auseinandersetzungen stand somit das »Zwei-KammerSystem« des Börsenvereins, das die bestehenden Spartenorganisationen nicht überflüssig machte, aber doch einen Interessenausgleich im angestammten Dachverband ermöglichte. Die Verleger hatten auf diese Weise ihr strategisches Hauptziel erreicht, der Verlegerverein beantragte daher sofort nach Annahme der Satzung seine Aufnahme als Fachverein des Börsenvereins. Aber auch der verbreitende Buchhandel konnte sich mit dem Ergebnis dieser Reform arrangieren.
Die wirtschaftliche Lage im Sortimentsbuchhandel In den letzten beiden Kriegsjahren hatte sich für den Sortimentsbuchhandel die Schere zwischen sinkendem Absatz und fortlaufender Kostensteigerung empfindlich geöffnet, so dass er die Einführung von Zuschlägen von 10 bzw. 20 % auf den Verkaufspreis erkämpfen musste, um seine Geschäftsspesen bestreiten zu können.18 Die Zuschläge scheinen die erhoffte Wirkung gehabt zu haben; jedenfalls vermitteln die jährlichen Geschäftsberichte des Vorstands des Börsenvereins in den ersten Nachkriegsjahren einen überraschend positiven Eindruck von der Absatzentwicklung, so schon im Rückblick auf das Jahr 1919: »Der Buchhandel zeigte im vergangenen Jahre, oberflächlich betrachtet, kein so ungünstiges Bild, wie es angesichts des Wirrwarrs der Zeit und der Verarmung Deutschlands zu erwarten gewesen wäre. Die Verlagstätigkeit war, wenigstens im belletristischen Verlag, rege, das Sortiment im Allgemeinen mit seinem Absatz zufrieden. Freilich steht der ziffernmäßigen Erhöhung des Absatzes auf einzelnen Gebieten eine Minderung der Zahl der verkauften Bücher gegenüber, die Steigerung beruht also […] auf der Verteuerung der Bücher.«19 18 Die Auseinandersetzungen über die Sortimenterzuschläge sind beschrieben im Beitrag Ernst Fischer: Marktordnung in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte. 19 Börsenblatt 87 (1920) 85, S. 374.
7.1 Der Sor timen tsbu chh andel
341
Für das Jahr 1920 wurde von einem ab Mai einsetzenden »Käuferstreik« berichtet, der auch den Buchhandel empfindlich berührt habe, »obwohl seine Preise weit hinter denjenigen anderer wirtschaftlicher Güter« zurückgeblieben seien; auch das Weihnachtsgeschäft sei sehr schlecht gelaufen.20 Für 1921 und 1922 wird im Vorstandsbericht jedoch das Sortimentsgeschäft wieder als »verhältnismäßig«21 bzw. »einigermaßen befriedigend«22 eingestuft. Erst für 1923 meldete das Börsenblatt wieder eine besorgniserregende Absatzstockung; 23 im nächsten Geschäftsbericht hieß es dann, die galoppierende Inflation habe nach fortgesetzter Drosselung im September und Oktober 1923 zu einem fast vollständigen Stillstand geführt. Schon das Weihnachtsgeschäft 1923 sei aber, nach Einführung der Rentenmark, als befriedigend zu bezeichnen.24 Eine Verifizierung dieser Lageberichte, die ja in erster Linie Stimmungsbilder waren, ist nur annäherungsweise möglich. Konkrete Umsatzzahlen einzelner Sortimente liegen nicht vor; auch wären sie für die Zeit der Inflation von geringer Aussagekraft. Die Umsatzentwicklung im Sortiment kann aber für einzelne Zeitabschnitte mindestens in groben Zügen rekonstruiert werden, wenn man z. B. Daten von Bestellanstalten heranzieht, die Auskunft über das Gewicht der ausgelieferten Bücher geben.25 Die im Börsenblatt veröffentlichten Geschäftsberichte der Berliner Bestellanstalt der Korporation Berliner Buchhändler weisen für die Vorkriegszeit einen Anstieg des Transportgewichts auf nahezu 2.000 Tonnen aus; in den Kriegsjahren 1915 bis 1918 bewegte es sich um 1300 – 1500 Tonnen. Nach Kriegsende zeigte erst das Jahr 1922 Anzeichen einer Aufwärtsentwicklung, aber 1923 und 1924 folgte ein schwerer Einbruch auf 663 bzw. 725 Tonnen. Danach stieg das Gewicht der von den Berlinern Sortimenten bestellten Ware bis 1927 langsam wieder an. Damit bestätigen die für Berlin ermittelten Daten der Bestellanstalt über weite Strecken die Darstellung der Geschäftsberichte.26 Weiterhin problematisch entwickelt hatte sich aber die Kostenstruktur im Einzelhandel mit Büchern. Diesbezüglich mehrten sich die Klagen im Börsenblatt seit Beginn der zwanziger Jahre: »Der Buchhandel muß sich daher endlich über die Wurzel des Übels klar werden, dass nämlich die Kurve der Bücherpreise längst nicht mehr mit den Geschäftsspesen parallel läuft, sondern von letzterer in erschreckender Weise überflügelt wird.«27 Tatsächlich stiegen die Spesen für Porto und Fracht, Büromaterial, Werbemaßnahmen, auch Gebühren und Steuern überproportional an. Die 1916 eingeführte Warenumsatzsteuer wurde 1918 von 0,1 % auf 0,55 % und später auf 1,5 % erhöht; sie musste zur Gänze vom Verkäufer aufgebracht werden. Die bei teuren Bildbänden fällige Luxussteuer konnte dagegen auf die Kunden abgewälzt werden.28 Die Tariflöhne und 20 21 22 23 24 25
Börsenblatt 88 (1921) 84, S. 510. Börsenblatt 89 (1922) 84, S. 457. Börsenblatt 90 (1923) 83, S. 453. Börsenblatt 91 (1924) 83, S. 455. Börsenblatt 91 (1924) 103, S. 779. Dieses Verfahren hat in überzeugender Weise Thorsten Grieser angewandt; vgl. zum folgenden Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 19 –21 (mit Schaubild). 26 Ein Vergleich dieser Daten mit der Titelstatistik des deutschen Verlagsbuchhandels macht übrigens deutlich, dass die Entwicklung der Titelproduktion in keiner Weise signifikant für die Umsatzentwicklung ist. 27 Börsenblatt 89 (1922) 84, S. 460. 28 Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 55.
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7 V erbr eitend er Bu chhandel
Gehälter haben sich in etwa parallel zur Steigerung der Bücherpreise oder seit 1919 nur knapp darüber entwickelt. Dagegen waren die Mieten, bedingt durch die staatliche Mietpreisbindung, in der Inflationszeit rückläufig; dadurch konnte ein Teil der sonstigen Kostensteigerungen aufgefangen werden.29 Auffällig war die Tendenz der Sortimenter, zunehmend den Zwischenbuchhandel zu umgehen, um beim Direktbezug vom Verlag eine maximale Rabattierung zu erreichen. Als eine Besonderheit jener Inflationsjahre ist zu erwähnen, dass einige wenige Sortimentsbuchhandlungen die Situation dazu nutzen konnten, sich mit Hilfe des Konditionsverkehrs von Schulden gegenüber dem Verlag zu befreien. Aus diesem Grund suchte der Verlag schon von 1919 an die Zahlungsziele, die Ostermesse des Folgejahres, auf vierteljährige Abrechnung zu verkürzen, hatte damit aber trotz jahrelanger Bemühungen keinen Erfolg.30 In der Inflationszeit nahm jedoch der Umfang des Konditionsverkehrs stark ab, so dass die Auswirkungen gering blieben. Einige Betriebe konnten sich damals auf keine Weise entschulden und mussten geschlossen werden. Die Insolvenzstatistik, die seit 1903 regelmäßig im Adressbuch abgedruckt wurde, lässt erkennen, dass die (offizielle) Zahl der Konkurse und Liquidationsverfahren in den Inflationsjahren bemerkenswert niedrig war. Während für 1915 noch 3,3 % gemeldet wurden, ging diese Zahl 1920 auf 0,4 % zurück; 1921 stieg sie auf 1,3 % an, um 1922 (0,6 %) und 1924 (0,8 %) wieder abzusinken (für 1923 waren keine Zahlen verfügbar). Erst von 1925 erfolgte dann eine Steigerung von 2,1 % auf 4,4 % im Jahr 1929.31 Es wird in diesem Bereich allerdings eine nicht unbeträchtliche Dunkelziffer zu veranschlagen sein: Bereits 1915 war eine »Geschäftsaufsicht zur Abwendung von Konkursen« eingerichtet worden, und diese Geschäftsaufsichten, die im Grunde auch Insolvenzen waren, sind in der Statistik nicht enthalten.32 Darüber hinaus gab es bei Kleinbetrieben, wie sie für große Teile des Sortimentsbuchhandels typisch waren, oft kein geregeltes Insolvenzverfahren. Ein Indikator für die wirtschaftliche Lage des Sortimentsbuchhandels in der Inflationszeit könnte auch in der Arbeitslosenstatistik gesehen werden. Allerdings sind die verfügbaren Daten von begrenzter Aussagekraft; die vom Deutschen Buchhandlungsgehilfen-Verband (ADBV) vorliegenden Zahlen sind nur bedingt repräsentativ, da 1923 – 1931 nur 7 – 12 % der Angestellten Mitglieder des Verbands waren.33 Nach Angaben des Verbandes betrug die Arbeitslosigkeit nach Kriegsende 7 %, nahm in den folgenden Jahren fortlaufend ab und erreichte bemerkenswerterweise 1922 mit 1,9 % den tiefsten Wert. Danach stieg sie wieder und belief sich 1927 wieder auf 7,3 %. Es ist davon auszugehen, dass die gut ausgebildeten (übrigens durchgehend männlichen) Mitglieder34 weniger oft von Arbeitslosigkeit betroffen waren als der Durchschnitt.
29 Grieser, S. 54 f. 30 Grieser, S. 56. 31 Vgl. Umlauff: Beiträge, S. 125; vgl. ferner die Tabelle im Beitrag Fischer: Marktorganisation in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte, S. 286. 32 Vgl. Umlauff: Beiträge, S. 125; Börsenblatt 92 (1925) 92, S. 876. 33 Umlauff: Beiträge, S. 149 f. 34 Die männlichen Angestellten repräsentierten allerdings nur 60 % des gesamten Buchhandelspersonals.
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Tabelle 1: Arbeitslosigkeit unter den Buchhandelsangestellten (ADBV-Mitglieder) in % 1918: 7,0 1919: 6,8 1920: 4,4 1921: 2,1 1922: 1,9
1923: 2,8 1924: 3,5 1925: 3,8 1926: 5,6 1927: 7,3
1928: 6,2 1929: 5,4 1930: 4,5 1931: 5,7
Quelle: Umlauff: Beiträge, S. 149. Für eine Beurteilung der Absatz- bzw. Konjunkturentwicklung im verbreitenden Buchhandel in der Zeit nach der Stabilisierung der Währung eignen sich die Zahlen der Abrechnungs-Genossenschaft Deutscher Buchhändler (BAG). Hier sind die aus den Geschäftsberichten bekannten Daten, insbesondere die Anzahl der Lastschriftzettel und das über diese Zettel georderte Volumen (Gesamtbetrag), von einiger Aussagekraft: Tabelle 2: Bestellungen und Bestellvolumen der BAG 1924–1931 Jahr 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1931
beteiligte Sortimenter 1578 1560 1587 1658 1680 1669 1579 1620 1472
Anzahl der Lastschriftzettel 1.428.031 1.854.702 1.797.305 1.772.747 1.778.951 1.712.899 1.576.987 1.363.776 1.155.238
Gesamtbetrag in RM 12.951.529,40 17.545.778,50 16.789.194,15 16.717.444,82 18.639.681,51 18.250.637,07 16.582.310,31 13.651.751,74 10.455.683,48
Betrag je Zettel in RM 9.07 9.49 9.40 9.34 10.43 10.63 10.51 10.01 9.05
Quelle: Umlauff: Beiträge, S. 121.
Der Sortimentsbuchhandel in der Firmenstatistik Die zahlenmäßige Erfassung des Sortimentsbuchhandels stellt stets und so auch für die Zeit von 1918 bis 1933 ein Problem dar, weil unterschiedliche Institutionen mit unterschiedlichen Beobachtungskriterien zu ebenso unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Allein schon die Tatsache, dass es zahlreiche Mischbetriebe gab, die sich also sowohl mit herstellendem wie verbreitenden Buchhandel oder auch mit Druckereibetrieb befassten, führte immer wieder zu Zuordnungsproblemen. Zwar gibt es mit den von dem Börsenvereins-Statistiker Ernst Umlauff 1934 vorgelegten Beiträgen zur Statistik des deutschen Buchhandels ein Zahlenwerk, das auch mit heutigen Methoden schwerlich übertroffen werden könnte, doch ändert dies wenig an den Inkongruenzen des Datenmaterials, die zwar oft nur scheinbare sind, ohne dass sie aber an dieser Stelle vollständig aufgelöst werden könnten.35 35 Umlauff gibt an einigen Stellen (vgl. etwa Beiträge, S. 27 –30) ausführliche Erläuterungen zum Zustandekommen bestimmter Zählungen.
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Die Gesamtzahl an Buchhandelsbetrieben gibt Umlauff, der sich hier auf die Ergebnisse der (nur in größeren Abständen vorgenommenen) amtlichen gewerblichen Betriebszählungen stützt, für das Jahr 1925 zunächst mit 15.473 an; in diesen waren damals 66.804 Personen beschäftigt (zum Vergleich: 1907 waren es 43.909 Personen in 14.577 Betrieben).36 Dies würde bedeuten, dass bei einer über Krieg und Inflation hinweg nur geringfügig gestiegenen Firmenzahl sich in 18 Jahren die Menge der Beschäftigten um 50 % vermehrt hat. Eine genauere Sichtung, u. a. durch Abtrennung des Druckereigewerbes, ergibt, dass 1925 in 9.510 Betrieben (Wirtschaftseinheiten) des verbreitenden Buchhandels 34.408 Personen tätig gewesen sind (zum Vergleich: in 1.958 Wirtschaftseinheiten des Verlagsgewerbes waren 19.486 Personen beschäftigt).37 Unter Zugrundelegung dieser amtlich erhobenen Ziffern würde sich die Verteilung der beschäftigten Personen auf die Unternehmen nur des verbreitenden Buchhandels – hier des Buch- und Musikalienhandels sowie der gewerblichen Leihbüchereien – wie folgt darstellen: Tabelle 3: Verteilung der Beschäftigten auf Betriebe des verbreitenden Buchhandels
Buchhandel
Alleinbetriebe
0 –3
3925
2975
Musikalienhandel
220
Leihbibliotheken
173
Buchhandel insgesamt
4145
4 –5
6 –10
11 –50
51 –200
201 –500
501 –1000
Betriebe mit … Personen 728
454
30
1
2
6353 3982 5353
908
8662
2609
219
1856
-
-
-
-
192
39
17
16
3
410
174
123
334
188
149
33
25
35
3
280
144
187
764
173
3167
947
745
470
33
1
2
6763 4156 5476
8996
2797
219
1856
Quelle: Umlauff: Beiträge, S. 32. Aus der amtlichen Gewerbezählung von 1925 lassen sich übersichtlichere Angaben über die Verteilung der Betriebe und Personen auf Betriebsgrößenklassen generieren; allerdings sind diese Angaben nur für den Gesamtbuchhandel verfügbar, also über alle Betriebe sowohl des herstellenden wie des verbreitenden Buchhandels. Dennoch entwickeln sie Aussagekraft speziell auch für den Sortimentsbuchhandel. Denn wenn sich aus anderen Daten ergibt, dass im Verlagsgewerbe nur 67,5 % auf Kleinbetriebe, jedoch 29,1 % auf Mittel- und 3,4 % auf Großbetriebe entfallen,38 so wird daraus deutlich, um 36 Umlauff: Beiträge, S. 21. 37 Umlauff, S. 28. – Die »Wirtschaftseinheiten« werden unterschieden von den »technischen Betriebseinheiten«, unter denen auch Filialbetriebe erfasst werden. Daraus ergibt sich das folgende Bild: In 11.823 Betriebseinheiten waren 37.423 Personen beschäftigt, davon 35.868 im Buchhandel unter Einschluss des Kunsthandels, 1.555 im Musikalienhandel und 1.769 in Leihbibliotheken. 38 Umlauff, S. 33.
7.1 Der Sor timen tsbu chh andel
345
wie viel kleinteiliger die Struktur des Sortimentsbuchhandels sein musste, um die folgenden Durchschnittswerte zu erzeugen.39 Tabelle 4: Betriebsgrößenstatistik Gesamtbuchhandel Unternehmen in %
Personen in %
Kleinbetriebe (bis 5 Personen)
83,6
33,3
Mittelbetriebe (7 –50 Personen)
15,6
42,0
Großbetriebe (über 50 Personen)
0,8
24,7
100,0
100,0
Quelle: Umlauff: Beiträge, S. 33. Dieser Befund bestätigt sich im Blick auf die 1927 erstellte Umsatzsteuerstatistik, die einige aufschlussreiche Detailbeobachtungen ermöglicht.40 So etwa weist sie mehr als 3.000 Kleinstbetriebe mit einem Jahresumsatz von weniger als 5.000 RM aus, deren Anteil am Gesamtumsatz nur 1,8 % beträgt. Genau ein Drittel der Veranlagten bewegte sich im Umsatzbereich von 5.000 – 20.000 RM und erzielte damit weniger als zehn Prozent des Gesamtumsatzes; umgekehrt schafften es 569 Firmen, sich mit Umsätzen zwischen 100.000 und 500.000 RM nahezu 30 % des Gesamtumsatzes zu sichern, während 29 Großbetriebe einen Marktanteil von 17,4 % behaupteten: Tabelle 5: Verteilung des Gesamtumsatzes auf Umsatzgrößenklassen Umsatzgrößenklasse
Veranlagte Veranlagte in absol. Zahlen in %
Umsatz in Mio. RM
Umsatz in %
bis 5 000 RM
3 063
31,7
6,9
1,8
5 000 – 20 000
3 223
33,3
36,2
9,8
20 000 – 50 000
1 882
19,5
59,7
16,2
50 000 – 100 000
844
8,8
59,5
16,2
100 000 – 500 000
569
5,9
109,6
29,8
500 000 – 1 Mio.
47
0,5
32,4
8,8
über 1 Mio.
29
0,3
64,0
17,4
9 657
100,0
368,2
100,0
Summe
Quelle: Umlauff: Beiträge, S. 112. 39 Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen den Buchhandelssparten zeigt im zeitlichen Längsschnitt Verschiebungen zugunsten des Verlagswesens, v.a. am Beginn der 30er Jahre. 1925 war das Verhältnis von Verlag zu Sortiment 26:59, 1931 29:54 (der Rest von 15 –17 % teilt sich auf unter Kunst-, Musikalien- und Antiquariatsbuchhandlungen (Umlauff, S. 49). 40 Umlauff weist darauf hin, dass der mit 368,2 Mio. RM angegebene Gesamtumsatz bei weitem nicht alle Umsätze erfasst, die im Buchhandel getätigt werden; die Schätzungen gehen hier bis über 600 Mio. RM (vgl. S. 107 f., S. 112). Daraus ergibt sich ein Vorbehalt gegenüber den Ergebnissen der Steuerstatistik.
346
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Aus der Zusammenfassung der sieben Umsatzgrößenklassen in die drei üblichen Betriebsgrößenklassen geht noch deutlicher hervor, dass die Firmenstruktur des deutschen Sortimentsbuchhandels zwar von der zahlenmäßigen Dominanz der Kleinbetriebe geprägt war, dass dieser aber doch eine beachtliche wirtschaftliche Stärke des mittelständischen Sortimentsbuchhandels gegenüberstand und dass sich auch die wenigen Großbetriebe eine relativ starke Marktposition sichern konnten: Tabelle 6: Betriebsgrößenstatistik Sortimentsbuchhandel Kleinbetriebe Mittelbetriebe Großbetriebe
Umsatz in RM bis 50 000 50 000 – 500 000 über 500 000
Zahl der Veranlagten in % 84,5 14,7 0,8 100,0
Umsatz in % 27,8 46,0 26,2 100,0
Quelle: Umlauff: Beiträge, S. 112f. Ein markant anderes Zahlenmaterial ergibt sich aus den Quellen, die im Buchhandel selbst, hauptsächlich also im Börsenverein, als aussagekräftig angesehen wurden. Im Gegensatz zu den amtlichen Erhebungen stützten sich die im Börsenverein vorgenommenen firmenstatistischen Berechnungen vorzugsweise auf die Eintragungen im Adressbuch des Deutschen Buchhandels, das die an den Gesamtbuchhandel angeschlossenen Firmen mit größerer Selektivität erfasst. Umlauff selbst nimmt eine solche Gegenüberstellung vor, aus der hervorgeht, dass das Adressbuch für das Jahr 1925 nur 7.183 Firmen im Sortimentsbereich verzeichnet, von denen sogar noch rund 1.500 auslandsdeutsche Firmen41 abgerechnet werden müssen, während doch die amtliche Statistik für das gleich Jahr 9.510 Firmen (in 11.006 »örtlichen Einheiten« und 11.823 »technischen Einheiten«) erfasst hatte.42 Dies bedeutet, dass der organisierte Buchhandel mit ca. 5.700 Sortimentsunternehmen nur etwas mehr als die Hälfte der Gesamtzahl aller (inländischen) Firmen repräsentierte, in denen Bücher verkauft wurden.43 Bei der übergroßen Mehrzahl der nicht ins Adressbuch aufgenommenen Betriebe handelte es sich um Kleinbetriebe, bei denen der Handel mit Büchern nicht im Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit stand – mit einem Umsatz von weniger als RM 5.000.– konnte bei rund 3.000 Betrieben der Buchhandel nur Nebenerwerb gewesen sein.44 Nach Schätzungen war für ein Auskommen ein Jahresumsatz von mindestens 20.000 RM zu veranschlagen, was bedeutet, dass im Grunde 50 % der Firmen darunter lagen. Demnach hätten also in Deutschland Mitte der zwanziger Jahre »nur« rund 3 350 Sortimente die Voraussetzung für eine wirtschaftlich erfolgreiche Tätigkeit erfüllt. Mit dieser Betrachtungsweise kommt man auch den Zahlen des Adressbuchs ein bedeutendes Stück näher. 41 1933 verzeichnete das Adressbuch nur noch Firmen innerhalb des Deutschen Reichs, es handelte es sich damals um 5.656 Betriebe. 42 Umlauff: Beiträge, S. 50. 43 1920 –1923 wurden 2636 Ansuchen von Sortimentsbetrieben auf Aufnahme in das Adressbuch gestellt, von denen nur 10 % positiv beschieden wurden. Vgl. Adressbuch des Deutschen Buchhandels 1920 –1923. 44 Umlauff: Beiträge, S. 121.
7.1 Der Sor timen tsbu chh andel
347
Wenn im Folgenden die ›Statistischen Übersichten‹ im Adressbuch für eine genauere Betrachtung der Firmenentwicklung im verbreitenden Buchhandel herangezogen werden, dann ist wieder klärend vorauszuschicken, dass in diesen Übersichten (die jeweils auf einer Seite im Einleitungsteil zusammengefasst erschienen) üblicherweise alle Firmen des Buch-, Antiquariats-, Kolportage-, Kunst-, Musikalien-, Landkarten-, Papier- und Schreibwarenhandels gemeinsam erfasst worden sind und dass, wie oben bereits angedeutet, das Adressbuch bis zum Jahr 1932 auch ausländische Unternehmungen verzeichnete, die in einem »Nexus« zum deutschen Buchhandel standen, sei es, dass sie ihre Erzeugnisse in Deutschland verkauften oder deutsche Bücher im Ausland als Sortimenter vertrieben. Im Besonderen trifft das auf die Buchhandelsfirmen in Österreich und der deutschsprachigen Schweiz zu. Aufgrund von späteren Änderungen der Zählweise werden hier zunächst nur die Zahlen der Jahre 1920 bis 1926 gegeben: Tabelle 7: Firmen des Sortimentsbuch-, Antiquariats-, Kolportage-, Kunst-, Musikalien-, Landkarten-, Papier- und Schreibwarenhandels 1920–1926 1920 7.426
1921 7.645
1922 7.826
1923 7.859
1924 –
1925 8.136
1926 8.028
Quelle: Adressbuch des Deutschen Buchhandels 1920 – 1926. Wenn der Vorstand des Börsenvereins in seinem Geschäftsbericht für das Jahr 1920 vor einem »Gründungsfieber« gewarnt hat, so bestätigt sich dieser Hinweis im Adressbuch, das auch in den Jahren der zur Hyperinflation anschwellenden Geldentwertung einen kontinuierlichen Anstieg der Firmenzahl verzeichnete; 1925 lag diese Zahl mit 8.136 um 11,9 % höher als 1913, dem Rekordjahr vor dem Krieg.45 Was damals so viele Geschäftsgründer bewogen hat, ihre Zukunft im Buchhandel zu suchen, ist angesichts der schwierigen Verhältnisse nur bedingt nachvollziehbar; sicherlich dürften die relativ niedrige Marktzugangsschwelle und die Sonderkonjunktur des Buches in der Zeit der inflationsbedingten »Flucht in die Sachwerte« eine Rolle gespielt haben. Die Erfassungskriterien im Adressbuch waren mehrfach Veränderungen unterworfen; vor allem der »Auchbuchhandel«, für den der Bücherverkauf nur Nebenerwerbsquelle war, sollte nach Möglichkeit ausgegrenzt werden. Dies gelang aber nur ansatzweise. Aus diesem Grund wurden in der Statistik seit 1927 »reine Sortimentshandlungen (Buch, Kunst, Musikalien)« und seit 1932 auch die »buchhändlerischen Ladengeschäfte mit Nebenbetrieben« gesondert ausgewiesen. Wie die starken Schwankungen zwischen 1931 und 1932 zeigen, ist diese Zuordnungspraxis uneinheitlich erfolgt. Jedenfalls aber deuten sich in diesem enger gezogenen Kreis der konjunkturelle Abschwung nach 1927 und die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise nach 1929 bereits an:46
45 Vgl. neben dem Adressbuch auch Moufang: Die gegenwärtige Lage des deutschen Buchwesens, S. 21 –23. 46 Für weitere Zahlen zur Wirtschaftsentwicklung im deutschen Gesamtbuchhandel (Personenstatistik, Mitgliederentwicklung im Börsenverein, Gesamtzahl der Firmen) vgl. den Beitrag Fischer: Marktorganisation in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte, bes. S. 284 –289.
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Tabelle 8: Firmen des Sortimentsbuch-, Antiquariats-, Kolportage-, Kunst-, Musikalien-, Landkarten-, Papier- und Schreibwarenhandels 1927–1933 1927 1928 1929 1930 1931 1932
6.647 6.273 6.387 6.394 6.365 4.835
1933
4.745
1.308 »reine Sortimentshandlungen (Buch, Kunst und Musikalien)« 1.297 »reine Sortimentshandlungen (Buch, Kunst und Musikalien)« 1.268 »reine Sortimentshandlungen (Buch, Kunst und Musikalien)« 1.271 »reine Sortimentshandlungen (Buch, Kunst und Musikalien)« 1.267 »reine Sortimentshandlungen (Buch, Kunst und Musikalien)« davon 2.879 »reine Buch-, Kunst- und Musikalienhandlungen« und 1956 »buchhändlerische Ladengeschäfte mit Nebenbetrieben« davon 2.858 »reine Buch-, Kunst- und Musikalienhandlungen« und 1.887 »buchhändlerische Ladengeschäfte mit Nebenbetrieben«
Quelle: Adressbuch des Deutschen Buchhandels 1927 – 1933. Die regional unterschiedliche Dichte des Buchhandelsnetzes in Deutschland lässt sich, im Sinne einer Momentaufnahme, auf Grundlage der amtlichen Gewerbestatistik des Jahres 1925 darstellen.47 Die Zahlen beziehen sich zwar auf alle Arten buchhändlerischer Unternehmen, dürften aber doch besondere Aussagekraft für den Sortimentsbuchhandel entwickeln. Danach betrug der Gesamtdurchschnitt über das Deutsche Reich zu diesem Zeitpunkt 2,32 Unternehmen auf 10.000 Einwohner. Die Firmen verteilen sich auf insgesamt 1.600 bis 1.700 Orte,48 von denen allerdings mehr als tausend nur ein oder zwei Firmen aufweisen. Unter den Großstädten liegt in dieser Statistik Hamburg an der Spitze, gefolgt von Berlin; der Zentralort des deutschen Buchhandels Leipzig ist in Sachsen enthalten, das daher auf den für einen Flächenstaat hohen Wert von 4,61 Firmen je 10.000 Einwohner kommt. Ohne Berücksichtigung der Städte Hamburg und Berlin würde der Durchschnitt 1,65 Buchhandlungen pro 10.000 Einwohner betragen; das Spektrum reicht bei den preußischen Provinzen und Flächenstaaten von 0,78 im dünnbesiedelten Ostpreußen bis zu 2,45 in Württemberg (dank der relativ bedeutenden Verlagsstadt Stuttgart); Bayern hat mit der Verlagsstadt München eine Dichte von 2,24. Eine Korrelation zwischen niedriger Bevölkerungsdichte und schlechter buchhändlerischer Versorgung ist erkennbar, war aber nicht durchgehend gegeben. Tabelle 9: Regionale Verteilung der Buchhandelsunternehmungen Länder und Landesteile
Prov. Ostpreußen Stadt Berlin Prov. Brandenburg
Bevölkerungszahl
2.275.065 3.953.647 2.615.259
Einwohner je qkm
61 4.501 67
Buchhandelsunternehmen Anzahl 177 2.594 301
Buchhandelsunternehmen auf je 10.000 Einwohner 0,78 6,3 1,15
47 Umlauff: Beiträge, S. 35 –37. 48 Vgl. Umlauff, S. 52; danach gab es 1919 9462 Buchhandelsfirmen in 1712 Orten, während im Jahr 1933 nur noch 8680 Firmen in 1587 Orten existierten.
7.1 Der Sor timen tsbu chh andel Prov. Pommern Prov.Grenzmark Prov. Niederschlesien Prov. Oberschlesien Prov. Sachsen Prov. SchleswigHolstein Prov. Hannover Prov. Westfalen Prov. HessenNassau Prov. Rheinland Hohenzollern Preußen insgesamt Bayern Sachsen Württemberg Baden Thüringen Hessen Hamburg MecklenburgSchwerin Oldenburg Braunschweig Anhalt Bremen Lippe Lübeck MecklenburgStrelitz Waldeck SchaumburgLippe Deutsches Reich
349
1.920.368 337.351 3.159.079
64 44 119
185 20 475
0,96 0,89 1,50
1.372.407
141
116
0,84
3.286.684 1.536.670
130 101
507 274
1,54 1,78
3.215.314 4.809.583 2.406.444
83 238 153
469 506 473
1,46 1,05 1,96
7.249.849 72.372 38.206.082
295 63 131
1.208 8 7.313
1,66 1,11 1,91
7.411.589 4.979.912 2.595.114 2.336.498 1.628.398 1.358.445 1.128.788 687.599
98 332 133 155 139 177 2.718 52
1.660 2.296 636 507 395 240 871 133
2,24 4,61 2,45 2,17 2,42 1,77 7,71 1,93
553.670 508.660 351.692 332.547 166.038 127.540 112.052
86 139 153 1.297 137 428 38
79 117 75 123 31 50 17
1,42 2,29 2,13 3,69 1,86 3,90 1,51
59.281 48.660
56 143
10 6
2,00 1,22
62.592.675
134
14.559
2,32
Quelle: Umlauff: Beiträge, S. 36. Eine Konzentration des Buchhandels in großen Städten war natürlicherweise immer schon vorhanden; Auszählungen der Adressbuch-Eintragungen des Jahres 1929 ergaben
350
7 V erbr eitend er Bu chhandel
für die vier wichtigsten deutschen Buchhandelsplätze in dieser Hinsicht die folgenden Werte: Tabelle 10: Buchhandelsfirmen in großen Städten reine Verlagshandlungen Verlags- und Sortimentshandlungen reine Sortimentshandlungen Insgesamt
Berlin
Leipzig
München
Stuttgart
870
562
169
125
217
139
42
34
524
347
140
75
1.611
1.048
351
234
Quelle: Umlauff: Beiträge, S. 53. Dies bedeutet, dass an den vier Hauptplätzen 3.244 Firmen oder 35,4 % der Gesamtzahl der Firmen konzentriert waren. Damals befand sich in 735 Orten nur eine einzige Firma, in 333 Orten gab es 2 Firmen, in 340 Orten 3 – 5, in 109 Orten 6 – 10, in 48 Orten 11 – 20 Firmen, und in 47 Orten existierten mehr als 20 Firmen, insgesamt 5449; in diesen 47 Orten versammelten sich daher 57 % aller Firmen des deutschen Buchhandels.49 Regionale Schwankungen sind in den einzelnen Territorien auch hinsichtlich der Betriebsgrößen zu beobachten: In Berlin waren durchschnittlich 7,5 Personen je Betrieb tätig, in Württemberg 7, in Sachsen 5,4, in der Rheinprovinz 4,8, in Bayern 3,8, in Hamburg 3,4 und in Thüringen 2,8; der Durchschnitt lag bei 4,8.50 Diese Zahlen enthalten implizit eine Aussage über die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Betriebe. Bei allen regionalen Unterschieden: In Deutschland war das relativ dichteste Buchhandelsnetz der Welt entstanden – ein Umstand, der nicht immer nur positiv aufgenommen worden ist. Unter dem Stichwort »Übersetzung des Gewerbes« ist er im deutschen Buchhandel schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts kontrovers diskutiert worden. Diese Diskussion wurde seit 1903 vor allem von dem Nationalökonomen Karl Bücher geschürt; 1927 hat ihr dessen Schüler Edmund Winterhoff mit seiner Dissertation Die Krisis des deutschen Buchhandels als Folge seiner Kartellierung neuen Auftrieb und neue Nahrung gegeben. Winterhoff erhob den Vorwurf, das System des deutschen Buchhandels diene in seiner bestehenden Form nur der Alimentierung eines viel zu großen und viel zu dichten Distributionsnetzes; ungefähr die gleiche Leistung könne von einem weniger kleinteiligen Netz auf viel effizientere Weise erbracht werden, anstelle der 9.500 Sortimente würden 1.500 vollauf genügen.51 Es ist daher nicht verwunderlich, dass Ernst Umlauff 1934 in seinen Beiträgen zur Statistik des deutschen Buch49 Vgl. Umlauff, S. 53. 50 Vgl. Umlauff, S. 37. 51 Winterhoff: Die Krisis im deutschen Buchhandel, S. 37. (Winterhoff bezieht sich hier zustimmend auf Zahlen, die 1904 in den Kontradiktorischen Verhandlungen genannt wurden; inzwischen war die Zahl der Sortimente weiter stark angestiegen). Genaueres zur WinterhoffDebatte im Beitrag Fischer: Marktorganisation in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte, S. 277 –280.
7.1 Der Sor timen tsbu chh andel
351
handels auf diesen Punkt erneut eingegangen ist.52 Er hält dafür, dass in Bezug auf die Buchhandelsdichte ein Zustand der Sättigung schwer zu bestimmen sei, ein solcher aber vermutlich bereits vor dem Krieg erreicht worden sei. Letztlich konzediert er, dass der deutsche Buchhandel sowohl nach Zahl der Betriebe wie auch nach Zahl der Personen, die in ihm Beschäftigung beanspruchen, tatsächlich an Übersetzung leidet – oder vielmehr gelitten hatte. Denn in dem 1933 erreichten Rückgang an Betrieben auf die Zahl der Jahre 1905 – 1907 betrachtete er eine gewisse Anpassung an die Lage als bereits vollzogen. Alles in allem wollte er es aber dahingestellt sein lassen, ob Buchhandelsstatistik überhaupt in der Lage ist, Beweisführungen dieser Art vorzunehmen. In der Tat ist es bis heute nicht gelungen, einen »objektiven Bedarf« an örtlichen Buchhandlungen festzustellen. Letztlich muss jede einzelne von ihnen ihre Unentbehrlichkeit und Lebensfähigkeit unter Beweis stellen und auch versuchen, den Bedarf zu wecken, wo er nicht immer schon ausreichend gegeben ist. Gerade darin hat der Buchhandel in der Weimarer Republik bemerkenswerte Fortschritte erzielt, nicht zuletzt durch neue Einstellungsmuster gegenüber dem Beruf.
Erneuerung des buchhändlerischen Berufsethos: Der »Jungbuchhandel« Am Beginn der 1920er Jahre entstand eine Reformbewegung im Buchhandel, deren geistige Wurzeln in der deutschen Jugendbewegung zu suchen sind, jener machtvollen Strömung, die – besonders mit dem ›Wandervogel‹ – seit Beginn des 20. Jahrhunderts ohne spezifische parteipolitisch-weltanschauliche oder konfessionelle Bindung weite Teile der jungen Generation erfasste.53 Angestoßen wurde diese buchhändlerische Reformbewegung hauptsächlich von einem der bedeutendsten Verleger jener Zeit, von Eugen Diederichs. Diederichs (1867 – 1930) hatte in seinem 1896 gegründeten und rasch expandierenden Verlag vorzugsweise den romantisierend-rechtskonservativen Tendenzen der Zeit eine Plattform geboten und eine auch in ausstattungstechnischer und typografischer Hinsicht vorbildliche Produktion entfaltet. Allein schon die charakteristischen Naturleineneinbände aus seiner Verlagsproduktion können über das Bekenntnis zum Prinzip der Materialechtheit hinaus als Ausdruck innerer Wahrhaftigkeit, einer moralischen Haltung gedeutet werden. In der Tat war Diederichs von Idealen unterschiedlichster Richtung durchdrungen, und nach dem Ersten Weltkrieg wollte er diesen Idealismus auch für eine Reform der Verhältnisse im deutschen Buchhandel zur Geltung bringen.54 Schon 1914 hatte er auf der Pfingsttagung Deutscher Buchhandlungsgehilfen auf der BUGRA in Leipzig zum Festbuch einen Beitrag zum Thema Buchhandel und Idealismus geliefert, in welchem er gegen den Typus von Buchhandlungsgehilfen polemisierte, der sich »durch ästhetisches Genießen auf die Insel des Individualismus« rette.55 Das Problem solcher hochmütig auf 52 Vgl. Umlauff: Beiträge, S. 56 –58. 53 Vgl. zum Folgenden Lerch: Die Bildungsbestrebungen des Jungbuchhandels. – Eine Darstellung aus DDR-Sicht lieferte Fauth: Zur Geschichte des Jungbuchhandels in Deutschland 1923 bis 1933. 54 Zum Folgenden vgl. auch Heidler: Der Verleger Eugen Diederichs, S. 117 –129. 55 Diederichs, Eugen: Buchhändler und Idealismus. In: Festbuch zur Pfingsttagung deutscher Buchhandelsgehilfen auf der Bugra 1914 in Leipzig. Hrsg. von Max Diederich. Leipzig: Eule 1914, S. 108.
352
7 V erbr eitend er Bu chhandel
den Kaufmann herabschauenden buchhändlerischen »Pseudo-Idealisten« liege in der Teilung des Lebens in maschinenmäßig erbrachte »Muß-Leistungen« und »cherubinische Empfindungen«. In seinen späteren Initiativen legte es Diederichs dann darauf an, wahren Idealismus und vollen beruflichen Einsatz in der konkreten buchhändlerischen Arbeit in Übereinstimmung zu bringen; der Buchhändler sollte auf der Basis einer neuen Berufsethik sein »ganzes Ich« einbringen. Zunächst aber schlug Diederichs einen militanten Ton an, als er im April 1922 im Börsenblatt mit einem Fehdebrief an den deutschen Buchhandel hervortrat.56 Die ersten Sätze lauteten: »Der Buchhandel schläft. Soll es so weitergehen? Nein, darum sage ich Fehde an!« Der markig-»altdeutsche« Ton geht eine merkwürdige Mischung mit klassenkämpferischer Diktion ein, wenn es etwas später heißt, er, Diederichs, wolle zur Gründung »nicht [...] eines neuen Vereins, sondern kommunistisch gesprochen zur Gründung eines revolutionären Stoßtrupps« aufrufen. Diederichs Attacke galt allen, die – sei es als Verleger, sei es als Sortimenter – fortgesetzt die (materiellen) Sonderinteressen ihrer jeweiligen Sparte verfolgten, sie richtete sich aber auch gegen die Tendenz, in der schweren wirtschaftlichen Zeit das Heil in der »Vertrustung«, in der Gründung von Aktiengesellschaften zu suchen. Er konstatierte einen Mangel an Zusammenhalt, plädierte aber nun nicht etwa für eine Stärkung des Börsenvereins oder für die Gründung neuer Kommissionen, sondern für eine informelle Zusammenkunft von jungen, ambitionierten Buchhändlern, in attraktivem, »jugendbewegt« inspiriertem Ambiente, um die aktuelle Situation im Buchhandel von Grund auf neu zu diskutieren. Assistiert wurde Diederichs bei seinem Vorstoß durch den Darmstädter Verleger Otto Reichl, der in einem weiteren Börsenblatt-Artikel Götzendämmerung im deutschen Buchhandel ebenfalls zu einer Aussprache aller aktiven Elemente des Buchhandels aufrief. Solche Zusammenkünfte haben dann auch seit September 1922 (bis 1926) insgesamt sechsmal stattgefunden; sie sind bekanntgeworden als »Lauensteiner Tafelrunden« (nach dem Versammlungsort auf der Burg Lauenstein zwischen Thüringer- und Frankenwald; man traf einander aber auch je einmal in Leipzig und Nürnberg) und markieren die erste große Zeit der Jungbuchhändlerbewegung.57 Die Tagungen standen im Zeichen großer kulturpolitischer und volksbildnerischer Perspektivenbildungen; mit die bedeutendsten Firmen waren bei den Gesprächen mit ihren Leitern oder Führungskräften vertreten – ganz überwiegend Verlegern, aber doch auch einigen engagierten Sortimentsbuchhändlern, auch der Zwischenbuchhandel war prominent repräsentiert. Sie trafen dort zusammen mit Bibliothekaren, Volkshochschullehrern, Wissenschaftlern und Künstlern, die häufig als Referenten und Gesprächspartner gezielt eingeladen waren. Damit sollten die Probleme des Buchhandels in aktuelle geistige Zeittendenzen und auch in größere gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Kontexte eingebettet werden.
56 Diederichs, Eugen: Es muß anders werden! Ein Fehdebrief an den deutschen Buchhandel, aber auch zugleich ein praktischer Vorschlag. In: Börsenblatt 89 (1922) 98, S. 576 –578. 57 Vgl. hierzu auch Hans Köster: Jugendbewegung – Lauensteiner Kreis – Anfänge des Jungbuchhandels.
7.1 Der Sor timen tsbu chh andel
353
Der Lauensteiner Kreis – Namen und Firmen einiger Teilnehmer, nach den Erinnerungen von Hans Köster Aus: Berlin: Bremen: Darmstadt: Dessau: Düsseldorf: Frankfurt/M.: Gotha: Göttingen: Hagen/W.: Hamburg: Hannover: Karlsruhe: Kiel: Köln: Leipzig:
Marburg: München:
Oldenburg: Stuttgart:
Wien:
Zürich:
Herr Rennebach, Furche Verlag Herr Eltzschig, von der Halem AG Otto Reichl, der Verleger des Grafen Keyserling Karl Rauch Dr. Francken, Verlag L. Schwann Walter Schatzki, Jugendbücherstube Leopold Klotz, Verlag Friedrich Andreas Perthes Günther Ruprecht, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Walter Severin, von uns der »Feuerteufel« genannt Dr. Enoch, Gebr. Enoch Verlag Herr Schmidt, Hahn’sche Buchhandlung Dr. Braun, Verlag G. Braun Herr und Frau Lipsius, Lipsius und Tischer Dr. Bachem, Verlag J. P. Bachem Anton Eisenreich, Verlag Schaffstein Herr Frentzel, Koehler & Volckmar Dr. Giesecke, Verlag B. G. Teubner Walter Jaensch, H. Haessel Verlag Dr. Walter Klinkhardt, Verlag Klinkhardt & Biermann Paul List, Paul List Verlag Dr. Felix Meiner, Felix Meiner Verlag Herr Quelle, Quelle & Meyer Hans Volckmar, Koehler & Volckmar Gottlieb Braun, Elwertsche Buchhandlung Herr Alberti, Drei Masken-Verlag Dr. Heinrich Beck, C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung (Verlag, München) Hugo Bruckmann, Verlag Bruckmann Ernst Heimeran Albert Lempp, Christian Kaiser Georg Heinrich Meyer, Kurt Wolff Verlag Dr. Friedrich Oldenbourg, Verlag R. Oldenbourg Reinhard Piper, Verlag Piper & Co. Ernst Reinhard, Ernst Reinhard Verlag Dr. Venzky, Stalling Verlag Dr. Druckenmüller, Metzlersche Verlagsbuchhandlung Hermann Kurtz, Frommanns Verlag und Buchhandlung Robert Lutz, Lutz Verlag Otto Weitbrecht, Thienemanns Verlag die Herren Deutsch u. Gürth, Hölder-Pichler-Tempsky Rudolf Krey, Manz’sche Buchhandlung Dr. Studer, Amalthea Verlag Eugen Rentsch vom Eugen Rentsch Verlag
Quelle: Köster: Jugendbewegung – Lauensteiner Kreis – Anfänge des Jungbuchhandels, S. 757 f.
354
7 V erbr eitend er Bu chhandel
Abb. 2: Nach dem Zopfabschneider spielte der Ochs vom Lauenstein eine wichtige Rolle in der Entstehung und ideologischen Festigung der Jungbuchhändler-Bewegung. Um ihren Vorstellungen im Buchhandel und darüber hinaus Gehör zu verschaffen – das Börsenblatt zeigte sich damals nicht immer bereit, den oft provokanten Deklarationen Diederichs’ eine Plattform zu bieten58 – beschlossen die Reformer, ein eigenes Organ zu begründen. Ein solches erschien seit November 1923 mit dem sprechenden Namen Der Zopfabschneider59, dem 1925 bis 1927 Der Ochs vom Lauenstein folgte60. Die von Eugen Diederichs und seinen Anhängern hier und zu anderen Gelegenheiten propagierten Ideen, die vor allem im Bereich des Sortimentsbuchhandels mit Begeisterung angenommen wurden, zielten auf eine Aufwertung der Einzelpersönlichkeit, auf eine Hebung von Gemeinschaftssinn und Standesbewusstsein, berufspraktisch auch auf eine Verbesserung der Ausbildung und der Fortbildung, und insgesamt auf eine entschieden positive Identifikation der jungen Buchhändler mit ihrem Beruf. Dabei kam es zu einer bemerkenswerten Amalgamierung von Tradition und Zeitgeist, insofern sich die bis auf 58 So sah sich Eugen Diederichs gezwungen, seinen Aufsatz Berufsehre im Börsenblatt 90 (1923) 24 als bezahltes Inserat erscheinen zu lassen, weil der Abdruck im redaktionellen Teil abgelehnt worden war. 59 Der Zopfabschneider. Lauensteiner Mitteilungen. Gotha 1923 –1925. Erschienen sind sieben Hefte, hrsg. von Theodor Marcus, Otto Reichl und Fritz Schnabel. 60 Das Organ führte, wie zeitweise auch schon der Zopfabschneider, den programmatischen Untertitel Organ des Gesamtbuchhandels in kleinstem Umfange, aber in größter Perspektive. Erschienen sind sieben Hefte in Jena im Verlag Eugen Diederichs, hrsg. von Diederichs selbst.
7.1 Der Sor timen tsbu chh andel
355
Friedrich Christoph Perthes zurück verfolgbare Kulturträgerideologie, die den deutschen Buchhandel bereits seit Längerem prägte, mit Gesichtspunkten der (nach außen hin abgelehnten) Ausrichtung auf Steigerung des ökonomischen Erfolgs in Berufsausübung und Geschäftstätigkeit verband. Bereits das Programm der ersten Lauensteiner Tagung vom 18. – 20. September 1922 spiegelte diese Mischung: »Ökonomische Debatten befassten sich mit der zukünftigen Verlagsentwicklung; die Idee eines ›Buchhauses‹ wurde als Gruppierung von Sortimenten vorgestellt, die Reorganisation des Börsenvereins nach dem Modell eines Industriekonzerns (mit Aufsichtsrat und Syndikus) wurde vorgeschlagen.«61 Eine Fülle von Ideen wurde auch in den nachfolgenden Tagungen sowie im Ochs vom Lauenstein ausgebreitet, vielfach von Eugen Diederichs selbst, in zahlreichen Artikeln, in denen er der Buchbranche immer wieder wortmächtig jenen »Real-Idealismus«, Optimismus und Aktivismus predigte, in denen er die Voraussetzungen für jede Wendung der Lage zum Besseren sah. Auf besonders fruchtbaren Boden fielen Diederichs’ Anregungen, wie bereits angedeutet, im Bereich des Buchhändlernachwuchses, den er insbesondere mit den Sommerakademien ansprach. Die seit 192362 stattfindenden, anfänglich aus seiner privaten Initiative heraus organisierten Akademien waren am Vorbild der skandinavischen Volkshochschulen und der Sommerschulen der englischen Fabian Society orientiert und verfolgten die Unterrichtsmethode der »Arbeitsgemeinschaft«; da das Konzept von mancher Seite als zu anspruchsvoll empfunden wurde, sprach man seit 1925 auch von »Freizeiten«. Die Akademien oder Freizeiten begründeten – auch durch die Wandervogel-inspirierte Kombination von gemeinsamem Lernen und Wandern (oder Lernen und Gymnastik) – eine neue Form der buchhändlerischen Weiterbildung, die im Gegensatz zu den bisher nur lokal wirksamen Angeboten der Gehilfenvereinen überregionalen Charakter gewannen; sogar junge Buchhändler aus Österreich nahmen daran teil. Als Organisatoren solcher Veranstaltungen traten Anhänger von Diederichs’ Idee wie Hans Bott – der zu einer tragenden Säule des Jungbuchhandels wurde – und Fritz Klatt hervor; nachdem ein anfänglicher Finanzierungsengpass durch den persönlichen Einsatz Diederichs’ und durch Bereitstellung zusätzlicher Mittel seitens des Lauensteiner Kreises und vor allem des Börsenvereins (mit 3.000 Mark) behoben werden konnte, fanden 1925 vier, 1926 sogar sechs solcher jungbuchhändlerischen Freizeiten statt.63 Weitere Veranstaltungen, nunmehr auch »Arbeitswochen« im Winter, folgten. Auch wurden örtliche Arbeitsgemeinschaften gegründet (die erste in Karlsruhe von Hans Bott), in denen kleinere Gruppen junger Buchhändler sich mit praktischen Fragen beschäftigten. Trotz entschiedener Ablehnung alles straff Organisatorischen – man wollte unter allen Umständen eine geistige Bewegung bleiben – gelang es auf dieser Basis, dem Jungbuchhandel nicht nur einen einheitlichen Arbeitsstil in der Bildungsarbeit, sondern auch einen stärkeren Zusammenhalt zu geben. Einen besonderen Charakter gewann so die zu Pfingsten 1926 abgehaltene Tagung auf der Leuchtenburg; unter Anwesenheit von Eugen Diederichs wurde sie faktisch zur Gründungstagung des Jungbuchhandels, insofern die bis dahin eher informelle Bewegung dort als eine in sich gefestigte auftrat. Dies 61 Heidler: Der Verleger Eugen Diederichs, S. 120. 62 In diesem Jahr fanden drei Sommerakademien an verschiedenen Orten statt, die erste zu Pfingsten auf der Leuchtenburg zum Thema »Der Begriff des Schundes in der Literatur«. 63 Heidler: Der Verleger Eugen Diederichs, S. 128.
356
7 V erbr eitend er Bu chhandel
spiegelte sich auch in den publizistischen Organen der Bewegung: Die Aufgaben einer »unabhängigen Buchhändlerzeitschrift« wurden von den seit Januar 1926 erscheinen64 den, von Hans Bott herausgegebenen Jungbuchhändler-Rundbriefen und seit 1931 von der Zeitschrift Der neue Stand. Neue Folge der Jungbuchhändler-Rundbriefe wahrgenommen.65 Der Neue Stand erreichte, redaktionell von Horst Kliemann und Gerhard Schönfelder betreut, als eine Plattform für Diskussion und Erfahrungsaustausch ein beachtliches Niveau. Mit einem Abschiedswort im letzten Heft des Ochs vom Lauenstein im Mai 1927 entließ Diederichs die Bewegung gleichsam in die Selbständigkeit und übertrug ihre Führung jüngeren Kräften; seit 1931 trafen sich die Leiter der örtlichen Arbeitsgemeinschaften regelmäßig, um als »Innerer Kreis« diese Führungsaufgaben wahrzunehmen. Mit dem Rückzug Diederichs’ als des bisherigen spiritus rector der Bewegung war nun auch der Weg frei zur Intensivierung der Zusammenarbeit mit den angestammten Organisationen des »Gesamtbuchhandels«. Der Börsenverein hatte sich durch Eugen Diederichs und den von ihm initiierten Lauensteiner Kreis von Anfang an schärfster Kritik ausgesetzt gesehen.66 Die aufkeimende jungbuchhändlerische Bewegung betrachtete die Branche als »überorganisiert«67 – ein Vorwurf, der gleichermaßen den Deutschen Verlegerverein und die Deutsche Buchhändlergilde traf; die Vertretung von Sparteninteressen wurde grundsätzlich abgelehnt. Distanz hielt man übrigens auch zu den Gehilfenvereinen und ebenso zu den gewerkschaftlichen Organisationsformen; insofern gewann die »unpolitische« Haltung des Jungbuchhandels doch eine konservative Note und wies damit bereits – ungeachtet ihrer auf das Prinzip Persönlichkeit abgestellten liberalistischen Tendenzen – auf die berufsständischen Organisationsformen der Zeit nach 1933 voraus. Jedenfalls: Der Börsenverein suchte sich mit den organisationskritischen Tendenzen dahingehend zu arrangieren, dass er verschiedene jungbuchhändlerische Ideen aufgriff oder auch die Energie, die hinter der Bewegung stand, für seine eigenen Initiativen in Anspruch nahm, indem er manche Aktivitäten auch finanziell unterstützte; besonders der Börsenblatt-Redakteur Gerhard Menz war bemüht, den Kontakt zu der neu entstandenen kritischen Opposition über alle Meinungsverschiedenheiten hinweg aufrecht zu erhalten. Verschiedene Reformideen waren ja zeitgleich auch im Vorstand des Börsenvereins oder im Umkreis der Kreis- und Ortsvereine diskutiert worden, so etwa die Intensivierung der Gemeinschaftswerbung, die in dem 1922 ins Leben gerufenen Werbeausschuss bereits einen ersten Ausdruck gefunden hatte.68 64 Der Jungbuchhändler-Rundbrief. Hrsg. von Hans Bott. 19 Hefte, Januar 1926 – November 1930. 65 Der Neue Stand. Neue Folge der »Jungbuchhändler-Rundbriefe«. (Zeitschrift des deutschen Jungbuchhandels). Hrsg. von Hans Bott. Schriftleiter: Gerhard Schönfelder und Horst Kliemann. 6 Hefte jährlich. Berlin: Der Neue Stand (Mai) 1931 –1933. 66 Im Zopfabschneider erschienen, z. T. aus Diederichs’ eigener Feder, mehrfach Artikel zum Thema »Umgestaltung des Börsenverein«, ebenso zum Thema Börsenblatt. Im Nachfolgeorgan Der Ochs vom Lauenstein hielt die Kritik am Börsenverein weiter an; vgl. als ein Beispiel: Eugen Diederichs: Im Jahre 1950. Gedanken zur Börsenvereinsumbildung. In: Der Ochs vom Lauenstein, H. 7, Mai 1927, S. 11 f. 67 So z. B. Eduard Lanzenberger: Unser Börsenverein, was er ist und was er sein sollte. In: Der Zopfabschneider, Nr. 1, November 1923, S. 12 –15. 68 Vgl. hier noch einmal Eduard Lanzenberger: Unser Börsenverein, der in dem Artikel seine Forderung nach Einrichtung eines Buchwerbeamtes bekräftigte, die 1916 vom Börsenblatt unter
7.1 Der Sor timen tsbu chh andel
357
Auch im Aus- und Weiterbildungsbereich zeigte man sich im Börsenverein – nach jahrelangen ergebnislosen Gesprächen – zunehmend offener für die vom Jungbuchhandel vorgetragenen Vorschläge. Die Ausbildung vollzog sich im Buchhandel in der Weimarer Zeit hauptsächlich in den Lehrfirmen selbst. Zwar gab es nach wie vor die Buchhändler-Lehranstalt in Leipzig, doch stand der Besuch dieser Einrichtung nur einem Teil der jungen Buchhändler offen; schon gar nicht gab es eine Pflicht zur Absolvierung der Lehranstalt. Die Orts- und Kreisvereine des Börsenvereins veranstalteten ebenso wie die Gehilfenvereine vereinzelt Abendkurse, seltener reguläre Fachklassen.69 Insgesamt war damit die Situation unbefriedigend, zumal im Buchhandel neben einer Neuausrichtung der Ausbildung auch eine fortgesetzte Weiterbildung – und dies mehr als in den meisten anderen Branchen – als unabdingbar angesehen wurde. Dass der Lauensteiner Reformerkreis und die Bewegung des Jungbuchhandels an diesem Punkt ansetzten, war daher verständlich. Aber erst auf der 1927 abgehaltenen Tagung in Tautenburg in Thüringen wurde ein von dem Buchhändler Ernst Fuege (Rieger’sche Buchhandlung, Augsburg) ausgearbeiteter Berufsbildungsplan vorgelegt, der alle Anregungen aufgriff, die zuvor schon in verschiedenen Zusammenhängen publiziert und diskutiert worden waren, und der auf imposante Weise Zeugnis gibt von der Eindringlichkeit, mit welcher die Problematik damals reflektiert worden ist.70 Der Plan enthielt neben der eigentlichen Fachausbildung des Lehrlings in einem zweiten Teil ein umfassendes Konzept zur buchhändlerischen Bildungsarbeit. Die berufspraktischen und berufsethischen Lern- und Bildungsziele waren in dem Plan begleitet von exemplarischen Arbeitsaufgaben und Anregungen zu den Durchführungsmethoden, die hauptsächlich dem Muster der Arbeitsschule entsprachen. Die Ambitioniertheit des Bildungsplans spiegelt sich nicht zuletzt in »Plan III«, der der »Bildung des Buchhändlers als Mensch und als Glied der Gemeinschaft« gewidmet war und die Frage nach Sinn und Wesen der Arbeit stellte. Als nun dieser Plan auf der Tautenburger Tagung zusammen mit der Forderung nach Einrichtung einer »Berufsbildungsstelle des deutschen Buchhandels« verabschiedet wurde, entsprach der Börsenverein dieser Forderung sehr rasch durch die Einsetzung eines eigenen Berufsbildungsausschusses, in welchem auch der Jungbuchhandel vertreten war. Auf diese Weise gelang es den Reformern, nach und nach auch im Börsenverein gewisse Mitspracherechte zu erlangen. Umgekehrt stellte es 1930 für Gerhard Menz kein Problem dar, in seinem Nachruf auf Eugen Diederichs im Börsenblatt die Verdienste des Verlegers und Buchhandelsreformators angemessen zu würdigen.71 In der Tat war damals bereits zu sehen, wie belebend sich die Impulse des Jungbuchhandels nicht nur auf die Nachwuchsförderung, sondern generell auf die buchhändlerische Hinweis auf die bestehende Pressestelle abgelehnt worden sei. Diese Forderung wurde vom Redakteur mit dem Hinweis versehen: »Ist inzwischen gegründet. Dem Ausschuss gehören an: Dr. Menz, Dr. von Löwis, P. Reinecke, Magdeburg, und F. Schnabel.« Vgl. hierzu den weiter unten folgenden Abschnitt zur Entstehung eines neuen Werbebewusstseins im Buchhandel. 69 Vgl. Lerch: Die Bildungsbestrebungen des Jungbuchhandels, S. 130. 70 Der viele Seiten umfassende Bildungsplan ist im Jungbuchhändler-Rundbrief in Heft 4 von 1926 und Heft 6 von 1927 abgedruckt worden; auch Gerda Lerch hat ihn in ihrer Darstellung zu den Bildungsbestrebungen des Jungbuchhandels im vollen Wortlaut zitiert (S. 142 –151). 71 Börsenblatt 97 (1930) 213, vgl. Heidler: Der Verleger Eugen Diederichs, S. 127.
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Berufsarbeit einer ganzen Generation auswirkten. Zwar wäre die Annahme verfehlt, dass die Verhältnisse in der Branche insgesamt auf einen neuen Fuß gestellt worden seien; es gab nach wie vor auch viel Skepsis und Ablehnung bei den Firmenleitern und Lehrherren. Wo man sie aber gewähren ließ, zeigten sich die Jungbuchhändler und Jungbuchhändlerinnen in der Tat besonders motiviert, sie wetteiferten in Einsatzfreudigkeit und Bildungseifer, auch in Einfallsreichtum, besonders im Bereich der Werbemaßnahmen und konkret in der Schaufenstergestaltung. Ihre spezifische Berufseinstellung wirkte sich positiv auf den Umgang mit den Kunden aus, im Sinne einer besonders aufmerksamen individuellen Betreuung, und auch die Bemühungen, eine Buchhandlung zu einem lokalen kulturellen Zentrum auszugestalten, hatten hier einen Bezugspunkt. Nach 1933 war die Jungbuchhändlerbewegung nicht mehr erwünscht und wurde zerschlagen; Sonderstrukturen dieser Art hatten keinen Platz im straffen Organisationssystem der Reichsschrifttumskammer. Einige Exponenten der Bewegung halfen aber doch, das Engagement in die Bahnen des nationalsozialistischen Buchhandels zu leiten, indem sie sich den neuen Machthabern zur Verfügung stellten, wie etwa Gerhard Schönfelder als Leiter der Reichsschule des Deutschen Buchhandels, mit der ein Wunschtraum der Jungbuchhändler in Erfüllung ging, wenn auch in etwas anderer Weise als erhofft. Nach 1945 gab es Versuche der Wiederanknüpfung an den Jungbuchhandel der Weimarer Zeit; eine geschlossene Bewegung ist allerdings nicht mehr entstanden. Manche seiner Ideen lebten aber im Selbstverständnis der Buchhändler noch lange weiter.
»Die Bücherstube« – Siegeszug eines neuen Einrichtungstyps Die Innenraumgestaltung in Buchhandlungen war vor dem Ersten Weltkrieg und teilweise noch bis in die 1920er Jahre hinein geprägt von einem nüchtern-strengen, zuweilen düster-altdeutschen Einrichtungsstil, der auch in seinen Dekorationselementen (Bildern, Büsten etc.) auf ein vorrangig bildungsbürgerliches Publikum abgestellt war.72 Üblicherweise wurde von einer Ladentheke aus bedient, auf der dem interessierten Kunden die Bücher vorgelegt wurden. Bereits kurz vor dem Ersten Weltkrieg war aber ein neuer Typus aufgekommen: die »Bücherstube«.73 Wie diese Bezeichnung74 bereits andeutete, sollte sich der Kunde wie zu Hause fühlen, sollte Buchregale selbst durchsehen, sich Bücher selbst auswählen können und sich mit ihnen in ein gemütliches Eck oder einen Raum mit bequemen Sitzmöglichkeiten zurückziehen dürfen, um in Ruhe und ohne Kaufzwang diese Bücher anzulesen. Zuweilen wurde Tee gereicht; Blumensträuße unterstrichen den intimen Wohnzimmercharakter der Räume. Als erste de72 Vgl. etwa die Schilderungen bei Wittmann: Hundert Jahre Buchkultur, S. 91 f., sowie den Beitrag von Georg Jäger zum Sortimentsbuchhandel in Band 1/3 dieser Buchhandelsgeschichte. 73 Vgl. hierzu den Beitrag von Christine Haug in Band 1/3 dieser Buchhandelsgeschichte (Christine Haug: Bücher- und Lesestuben als Vermittlungsinstanz der literarischen Moderne – das Beispiel München. In: Bd 1: Das Kaiserreich, Teil 3, S. 149 –166). 74 Als »Bücherstube« wurde der Raum bezeichnet, in welchem die Druckbogen getrocknet wurden. Aber es sind bereits im 17. Jahrhundert auch sprachliche Verwendungsweisen nachweisbar, die darunter eine heizbare Stube mit Büchern verstanden. Vgl. Fünfzig Jahre Bücherstube am Dom, S. 21. Nach Stobbes Bericht war der Name in einem Treffen mit den Verlegern Hans von Weber und Ernst Rowohlt vorgeschlagen worden. Vgl. Stobbe: Die Entstehung der ersten Bücherstube, S. 373/1 –374/2; hier S. 373/1.
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monstrativ so angelegte und auch so benannte Buchhandlung gilt die 1912 errichtete Bücherstube Stobbe in München; ihr war bereits ein Lesezimmer im ersten Stock des Hauses angegliedert. 1916 erfolgte die Eröffnung der Bücherstube am Siegestor Horst Stobbe, die einer mußevollen Buchrezeption deutlich mehr Raum bot.75 Der rührige Buchhändler und Antiquar Horst Stobbe suchte in den Kriegsjahren wie auch in den schwierigen Nachkriegsjahren in der Bücherstube seinem buchhändlerischen Ideal konkreten Ausdruck zu verleihen: er veranstaltete Autorenlesungen und BuchkunstAusstellungen (u. a. zu 1916 Emil Preetorius, 1917 zu Fritz Hellmuth Ehmcke, von dem auch das Signet der Buchhandlung stammte); auch die Zusammenkünfte der Gesellschaft der Münchener Bücherfreunde fanden dort statt. Auf diese Weise baute er die Buchhandlung zu einem kulturellen Treffpunkt Münchens aus; bis 1926 blieb sie am Standort Siegestor, danach übersiedelte sie in das Porcia-Palais und 1931 ins Maffei-Palais.76 Stobbe war so zum Inaugurator einer Gründungs- und Umbauwelle im deutschen Sortimentsbuchhandel geworden, denn der neu kreierte Typus galt vor allem nach dem Ersten Weltkrieg77 als die moderne Form der Ladengestaltung und verbreitete sich rasch über alle größeren Städte Deutschlands; bis 1933 sind mehr als 120 Buchhandlungen nachzuweisen, die im Namen die Bezeichnung »Bücherstube« trugen. 1926 war der Höhepunkt der »Bücherstubenbewegung« erreicht; damals existierten 97 Bücherstuben gleichzeitig.78 Eine Konzentration lässt sich auf Berlin und Hamburg beobachten, aber auch in Frankfurt am Main und Leipzig sowie zahlreichen weiteren Städten in Sachsen, im Ruhrgebiet oder in Südwestdeutschland kam es zu zahlreichen Gründungen dieser Art. Die Mehrzahl der Bücherstuben existierte nur wenige Jahre, einige allerdings überlebten den Zweiten Weltkrieg oder hatten sogar bis in die unmittelbare Gegenwart Bestand. Neben allgemeinen Sortimenten wurden auch Kunst- und Antiquariatsbuchhandlungen so benannt; häufig war damit auch der Handel mit bibliophiler Literatur verbunden sowie mit Kinder- und Jugendliteratur. Es entstanden außerdem Arbeiterbücherstuben, um dem klassischen, bürgerlich orientierten Sortimentsbuchhandel auch auf dieser Ebene etwas entgegenzusetzen. Auch ohne empirische Marktforschung erkannte man damals die Notwendigkeit, die »Schwellenangst« des weniger gebildeten Buchkäufers mit geeigneten Mitteln abzubauen. Namentlich in Kreisen des Jungbuchhandels war diese Überzeugung sehr verbreitet, und der Typus der Bücherstube schien bestens geeignet, um diesem Problem beizukommen. Viele Gründungen waren daher direkt oder indirekt vom Geist des Jungbuchhandels beeinflusst.
75 Vgl. Stobbe, S. 373/1. 76 Seit 1919 erschienen vier Jahrgänge eines Almanachs der Bücherstube, seit 1920 verlegte Stobbe auch eine Zeitschrift Die Bücherstube für »Freunde des Buches und der zeichnenden Künste«. Vgl. hierzu auch Wittmann: Hundert Jahre Buchkultur in München, S. 95 f. Vorbildlich für viele andere waren außerdem Stobbes Verzeichnisse, die jährlich erstellten Lektüreempfehlungen. 77 Bereits 1914 war in Leipzig im Wandervogelheim eine Bücherstube eingerichtet worden, 1917 in Berlin die Bücherstube unter den Linden. Alle weiteren Gründungen erfolgten jedoch nach 1918. 78 Vgl. zu dieser auf der Basis des Adressbuchs des Deutschen Buchhandels vorgenommenen Zählung Nina Vozdanszky-Ruße: Bücherstuben, S. 19.
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Dies gilt besonders für die 1920 gegründete Frankfurter Bücherstube von Walter Schatzki (auch Jugendbücherstube).79 Schatzki war zunächst als Wanderbuchhändler auf dem Fahrrad in der Rhön unterwegs gewesen, um im Sinne eines »Landbuchhandels« – auch dies eine Idee von Eugen Diederichs – gutes Jugendschrifttum zu vermitteln.80 Eine frühzeitig ausbezahlte Erbschaft versetzte ihn in die Lage, im Mai 1920 in der Stadtmitte von Frankfurt am Main eine Jugendbücherstube Walter Schatzki einzurichten und in vier großen Schaufenstern schöne Kinderbücher auszustellen. Auch die Inneneinrichtung war einladend und machte alle Bücher für die Besucher direkt erreichbar; so konnte eine enge Kundenbindung entstehen. Im Weiteren entwickelte sich die Bücherstube zu einer literarischen Buchhandlung, nannte sich nun Bücherstube Walter Schatzki und zog in ein gegenüberliegendes größeres Lokal mit sechs Schaufenstern (der Buchhändler stellte vorzugsweise Bücher aus, »deren Ausstattung mit ihrem inneren Wert in Einklang steht«81) und einer ebenso noblen wie zweckmäßigen Einrichtung um. Hier konnten nun auch Autorenlesungen abgehalten werden. Durch engagierte Mitarbeiter gelang es, nicht nur den Kundenkreis, sondern auch das Sortiment mit den Themen Kunstgeschichte und Bibliophilie zu erweitern; in einem gesonderten Lokal wurde ein Antiquariat angegliedert, geführt von Maria Gräfin Lanckoronska. Der Nimbus, den sich Schatzkis Bücherstube schon nach zehnjährigem Bestehen erworben hatte, überdauerte den Nationalsozialismus (obwohl Schatzki in die USA flüchten musste) und den Bombenkrieg unter der Führung von Richard Schumann und Heinrich Cobet, bis sie 1989 vom Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld übernommen und 1995 geschlossen wurde. Gut dokumentiert ist auch die Tätigkeit der am 1. Oktober 1919 in Hagen eröffneten Bücherstube Walter Severin.82 Severin hatte bei Weitbrecht & Marissal in Hamburg und anschließend bei Hugendubel in München (wo er mit Horst Stobbes Bücherstube bekannt geworden sein dürfte) seine buchhändlerische Ausbildung durchlaufen, ehe er sich mit Unterstützung von Karl Ernst Osthaus im Zentrum Hagens selbständig machte. In einer Anzeige kündigte er an, der »immer größer werdenden Gemeinde der Bücherfreunde« in seiner Buchhandlung »vornehmlich das, was junge, aufstrebende Kräfte heute der Mitwelt zu sagen haben«, vermitteln zu wollen: »Ein Leseraum gibt Gelegenheit zum ruhigen Betrachten der Bücher. Hagener Künstler und Kunstgewerbler haben die Ausstattung besorgt.«83 Severins Tätigkeit verlief durchaus erfolgreich, sodass er Filialen in Essen und Bochum errichten und 1927 in Hagen in größere Räumlichkeiten umziehen konnte. Damit hatte er sich aber offenbar wirtschaftlich übernommen; noch im gleichen Jahr musste er seine Bücherstuben auflösen. Auch dies war nicht ungewöhnlich im Rahmen der Bücherstuben-Bewegung: Die – wie auch Walter Severin – 79 Vgl. [Heinrich Cobet]: Cobets kleine Geschichte der Frankfurter Bücherstube. In: Frankfurter Bücherstube. Almanach Frühjahr 1989. Hrsg. von Siegfried Unseld. Frankfurt a. M.: Frankfurter Bücherstube 1989, nach S. 96. 80 Vgl. Schatzki, Walter: Als Wanderbuchhändler durch die Rhön. In. Der Zopfabschneider, H. 6, März/April 1924, S. 22 –26. Vgl. auch Schatzkis Bericht Von Menschen, Büchern und einer Geige (Frankfurt a. M. 1924). 81 Cobets kleine Geschichte, S. II. 82 Stamm: Die Bücherstube Severin; ferner Stamm: Bücher: Frei im Geist der neuen Zeit. 83 Eröffnung der Bücherstube Severin. In: Hagener Zeitung vom 1.10.1919, zit. n. Stamm: Die Bücherstube Severin, S. B 114. – Die »kubo-futuristische« Ausmalung der Wände und Decke wurde von dem Maler Albert Kranz besorgt.
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jungbuchhändlerisch motivierten Gründer waren unter Hintansetzung ökonomischer Aspekte vorrangig bemüht, nicht nur durch die besondere, oft künstlerisch akzentuierte Geschäftseinrichtung und ein aufwendiges Veranstaltungsprogramm, sondern auch durch ein besonders reiches und weniger am Massengeschmack orientiertes Sortiment hervorzutreten. Dies ließ sich in vielen Fällen nicht durchhalten. Eine künstlerische Gestaltung des Ladengeschäfts wies auch die Bücherstube Bodenheimer in Darmstadt auf. Alfred Bodenheimer (1898 Darmstadt – 1966 Baltimore) eröffnete im April 1925 in Darmstadt seine Buchhandlung, die in enger Verbindung zur künstlerischen und literarischen Avantgarde stand und bald zu einem geistigen Zentrum der Intellektuellen der Stadt wurde. Neben dem obligaten separaten Raum mit Sitzgelegenheiten standen auch Räumlichkeiten zur Verfügung, in denen Ausstellungen, kleinere Konzerte, Lesungen und Vorträge veranstaltet werden konnten; u. a. traten zwischen 1927 und 1930 dort Jakob Wassermann, Alfred Neumann, Stefan Zweig und René Schickele auf.84 Als repräsentativ für die Verbindung von Bücherstube und Antiquariat kann die Bücherstube Hans Götz in Hamburg gelten. Hans Götz (1896 Hamburg – 1966 Kopenhagen) veranstaltete in seiner 1921 eröffneten, zunächst an der Esplanade, dann in den Großen Bleichen und schließlich an der Rothenbaumchaussee angesiedelten Buchhandlung Autorenlesungen, brachte als Verleger bibliophile Ausgaben und betätigte sich erfolgreich und auf hohem Niveau auch als Antiquar; Höhepunkte waren hier die Versteigerung der Bibliothek von Maltzahn und die Versteigerung der Bibliothek der Adelsfamilie Chorinski im Jahr 1930, die in der Branche internationales Aufsehen erregte.85 Ebenfalls in Hamburg war 1923 mit der Hamburger Bücherstube Felix Jud eine Buchhandlung entstanden, die sich besonderes, bis heute nachwirkendes Ansehen erwerben konnte – durch Kundenfreundlichkeit, nach 1933 auch durch die kreativ ausgeübte Gegnerschaft zum nationalsozialistischen Regime.86 Noch zahlreiche weitere Neugründungen verdienten eine Hervorhebung, wie etwa die Bücherstube am Museum in Wiesbaden, die – geführt von Dr. Walter Haeder und Hermann Kempf – in der Stadt der angestrebte »Ort anregenden, künstlerischen Verkehrs […] voller Geist und Liebe zum guten Buch« geworden ist;87 von den in der zwei84 d’Hooghe, Robert: Alfred Bodenheimer (1898 –1966). In: Eckhart G. Franz (Hrsg.): Juden als Darmstädter Bürger. Darmstadt 1984, S. 289 –292; d’Hooghe, Marianne: »Mitbetroffen«. Darmstadt: Agora/Darmstädter Bücherstube 1969. – Bodenheimer musste 1937 vor der nationalsozialistischen Judenverfolgung in die USA flüchten, danach übernahm das Berliner Ehepaar Robert und Marianne d’Hooghe die Bücherstube neu und führte sie unter den Bedingungen des NS-Regimes unter großen Schwierigkeiten in der Tradition Bodenheimers fort. 85 Vgl. Jaeger, Roland: Tore zur Bücherwelt: Hamburgs Antiquariate und Auktionshäuser der Zwischenkriegszeit (II). In: Aus dem Antiquariat, NF 9, 2011, Nr. 1, S. 3 –20; hier S. 5 –8; Fischer: Verleger, Buchhändler und Antiquare, S. 96. 86 Und wer besorgt das Spielzeug? 75 Jahre Hamburger Bücherstube Felix Jud & Co. Hrsg. v. Wilfried Weber und Marina Krauth. Hamburg: Hamburger Bücherstube 1998. 87 Neugründung der Bücherstube am Museum in Wiesbaden. In: Feuer. Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur, H. 7/8, April/Mai 1921, S. 468. Vgl. auch: Zum 50jährigen Bestehen der Bücherstube am Museum in Wiesbaden: In: Börsenblatt 96 (1929) 74, S. 346. Haeder und Kempf hatten 1921 die 1879 gegründete Buchhandlung von Gisbert Noertershäuser übernommen. Der von Hans Völcker und Edmund Fabry künstlerisch ausgestatteten Buchhandlung war neben einer Druckerei und einem Graphikkabinett auch ein Verlag angeschlossen
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Abb. 3: In der Dortmunder Bücherstube Dreist verband sich Gemütlichkeit mit einer gewissen Eleganz. In: Reinecke: Das Schaufenster des Buch- und Musikalienhändlers. ten Hälfte der zwanziger Jahre errichteten Firmen sollen genannt werden die 1925 gegründete Freiburger Bücherstube, Freiburg im Breisgau, die einen Literarischen Ratgeber herausbrachte,88 die im Folgejahr entstandene, außerordentlich rührige Bücherstube des jugendbewegten Fritz Seifert in Hameln,89 die seit 1928 Dichter- und Vortragsabende veranstaltete, und die 1931 in Köln errichtete Bücherstube am Dom.90 Sie und noch (1928 nach Mainz verlegt), in welchem u. a. 1924 –1927 eine eigene Kundenzeitschrift (Blätter der Bücherstube am Museum) herauskam. 88 Carl Sintermann und Dr. Rudolf Cullmann (seit 1929 Alleininhaber) engagierten sich auch in den Bereichen Antiquariat und Originalgraphik. 89 Vgl. Fünfundzwanzig Jahre Bücherstube Fritz Seifert Hameln. Hameln: Bücherstube Fritz Seifert 1951; Vierzig Jahre Dichter- und Vortragsabende der Bücherstube Fritz Seifert in Hameln. Bücherstube Fritz Seifert 1968. 90 Fünfzig Jahre Bücherstube am Dom. Gegründet wurde sie von dem Ehepaar Rudolf und Ilse Metzger, mit dem Kunsthistoriker Dr. Hans Melchers als Partner. Hier war u. a. der Jungbuchhändler Hanns Arens tätig, der zuvor schon in den genannten Bücherstuben in Wiesbaden und Freiburg im Breisgau tätig gewesen war und seine Erfahrungen somit an mehreren Orten einbrachte. In den Räumen wurden Lesungen, Vorträge und Ausstellungen abgehalten; auch die Kölner Bibliophilen-Gesellschaft traf dort zu ihren Sitzungen zusammen.
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zahlreiche weitere brachten neuen Schwung in die Sortimentsszene ihrer jeweiligen lokalen Umgebung. Es war nur natürlich, dass das Modell ›Bücherstube‹ auf die gesamte Sortimentslandschaft ausstrahlte: die Freihandaufstellung der Bücher, anfänglich noch ein Modernitätssignal, wurde Standard, der Kontakt des Buchhändlers mit dem Publikum wurde allgemein intensiver, und auch das Bücherangebot wurde insgesamt frischer, indem ein Akzent auf zeitgenössische junge Autoren bzw. auf Bücher aus Verlagen mit einem gegenwartsoffenen Programm gelegt wurde. Generell erhielt die Herausbildung eines kundenorientierten, besonders kommunikativen Typus von Buchhändler, der sich der Förderung der Buchkultur (auch durch Propagierung von Kunstbüchern, illustrierten Büchern, bibliophilen Ausgaben) verpflichtet fühlte, durch diese Bewegung manche Impulse. Und wie manche Einrichtungsaccessoires blieben auch Sonderaktivitäten wie die Veranstaltung von Dichterlesungen und Kunstausstellungen, Kundenzeitschriften und engagiert gestaltete Bücherkataloge nicht das Privileg der Buchhandlungen, die sich Bücherstuben nannten und die sich mit ihrem innovativen Konzept als ein wichtiges Ferment im Entwicklungsprozess des Sortimentsbuchhandels erwiesen.
Schaufenstergestaltung Dem Schaufenster war im Buchhandel bereits vor dem Ersten Weltkrieg zunehmend Beachtung geschenkt worden,91 aber erst in der Weimarer Republik kamen die Bemühungen um einen optimalen Einsatz dieses wichtigsten Werbemittels des Sortimenters zur vollen Entfaltung. Der Deutsche Werkbund hatte das Schaufenster als »Kulturfaktor« und als »Präsentationsort für ästhetisch verbesserte Produkte« wahrgenommen und einen Diskurs über dieses Werbeinstrument in Gang gebracht.92 Ein weiterer wichtiger Impuls ging von der aufwendigen Dekorationskunst des Warenhauses aus, in deren Rahmen auch dem Buch besondere Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Die Chefdekorateurin von Wertheim, Elisabeth Stephani-Hahn, war Verfasserin eines Lehrbuchs, das zwischen 1919 und 1926 drei Auflagen erreichte93 und Anregungen vermittelte, die auch vom Bucheinzelhandel aufgegriffen wurden: »So erklärt sich, dass auch die Autoren, die sich zum Buchschaufenster äußerten, stets auf die Leistungen der Warenhäuser als Vorbild für den Einzelhändler verwiesen.«94 Diese Orientierung verband sich mit der Tendenz, neben Aspekten der traditionellen Waren- und Ausstellungsästhetik auch Erkenntnisse der neu entstandenen Werbepsychologie und der »Psychotechnik« (Hugo Münsterberg) zu berücksichtigen, vor allem also aufmerksamkeitslenkende und erinnerungsfördernde Faktoren in den Mittelpunkt der Schaufenstergestaltung zu rücken. Darin drückte sich nicht zuletzt die allgemeine Tendenz zur Verwissenschaftlichung der Werbetechnik aus, die das Schaufenster als Gegenstand empirischer Forschung entdeckt hatte. In den zahlreichen Handreichungen, die zwischen 1918 und 1933 zu diesem Thema erschienen sind, spiegelt sich diese Tendenz sehr deutlich: Während Kurt Loele und 91 Vgl. den Beitrag Jäger/Eyselein/Haug: Der Sortimentsbuchhandel in Band 1/3 dieser Buchhandelsgeschichte, bes. S. 124 –128. 92 Vgl. hierzu und zum Folgenden Schleif: SchaufensterBücher; ferner auch Schleif: SchaufensterKunst. 93 Stephani-Hahn: Schaufenster Kunst. 94 Schleif: SchaufensterBücher, S. 119.
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Otto Bruère 1919 in Das Bücher-Schaufenster95 auf den Transfer von werbewissenschaftlichem Knowhow noch verzichteten bzw. verzichten mussten (ihre Darstellung beruhte im Wesentlichen auf einer Artikelserie, die 1912 im Börsenblatt erschienen war), verwiesen Friedrich Reinecke (1923, verm. Auflagen 1926 und 1929)96 implizit und schon in seiner Terminologie (»Blickleitung«, »Fernwirkung« etc.), ganz explizit aber Clemens Nakoinz (1929)97 auf die Bedeutung werbepsychologischer Überlegungen. Vor allem aber hat Horst Kliemann, als früher Exponent dieser Entwicklung, schon in der ersten, 1923 erschienenen Ausgabe seines breit rezipierten Handbuchs Die Werbung fürs Buch neben zahlreichen Tipps für eine Optimierung der Schaufensterwirkung auch empirische Studien vorgestellt, so etwa die Ergebnisse einer seinerzeit aufsehenerregenden, von Edmund Lysinski am Werbewissenschaftlichen Institut der Handelshochschule Mannheim an zwei Schaufenstern eines Damenhutgeschäftes vorgenommenen Untersuchung.98 Daraus war u. a. hervorgegangen, dass sich Fenster mit Preisangabe in allen geprüften Punkten – Zuschauerfrequenz, Verweilzeit, Häufigkeit der Bezugnahme und Zahl der verkauften Gegenstände – solchen ohne Preisangabe deutlich überlegen zeigen. Nicht so eindeutig waren die Befunde beim Vergleich von bunten und einfarbigen Schaufenstern; eindeutig positiver waren jedoch die Ergebnisse für Fenster ohne dekoratives Beiwerk im Vergleich zu solchen mit schmückender Dekoration. Auch die Auswirkungen stärkerer Beleuchtung wurden gemessen (»Große Lichtfülle zieht anscheinend Menschen wie Motten an«). Kliemann präsentierte auch experimentell gewonnene Erkenntnisse, die Walter Blumenfeld zur Psychologie der Werbewirkung des Schaufensters 1920/21 in der Zeitschrift Praktische Psychologie veröffentlicht hatte. Blumenfeld hatte die bevorzugte Blickrichtung der Betrachter von Schaufenstern untersucht. Die Verhältniszahlen hat Kliemann 1925 in der 2. Auflage seines Handbuchs in grafischer Aufbereitung vorgestellt; sie zeigen (nicht ganz überraschend), dass der günstigste Platz für die Präsentation von Büchern im vorderen mittleren Drittel des Schaufenster zu finden ist. Ein 1925 in Leipzig vom Verlag Ernst Keil veranstalteter Schaufensterwettbewerb wurde in einer eigenen Publikation dokumentiert und lässt die wesentlichen Tendenzen erkennen, die damals als werbetechnisch zweckmäßig empfunden wurden.99 Auffällig war ein markanter Reduktionismus der Mittel; das Schaufenster des Siegerbeitrags zum Thema »Industrie-Romane« wirkte geradezu kahl. Diese für die Mitte der zwanziger Jahre charakteristische Tendenz des Verzichts auf die Wirkung von Vielfalt und Masse hielt allerdings nur einige Jahre an. Der in der Buchbranche vielfältig engagierte Magdeburger Buchhändler Friedrich Reinecke zeigte 1926 in seinem einschlägigen Leitfaden am Beispiel eines von ihm selbst künstlich auf-
95 Loele/Bruère: Das Bücher-Schaufenster. 96 Reinecke: Das Sonderfenster des Buchhändlers / Das gute Buchfenster / Das Schaufenster des Buch- und Musikalienhändlers. 97 Nakoinz: Das Schaufenster des Sortiments-Buchhändlers; Nakoinz: Das Buchfenster und seine hochgradig verkaufsträchtige Gestaltung. 98 Kliemann: Die Werbung fürs Buch (1923), S. 104 f. 99 Loele: Neuere deutsche Schaufensterkunst dargestellt im Zusammenhange mit einem Schaufensterwettbewerb des Verlages Ernst Keil’s Nachf. Auf diesen Wettbewerb geht Schleif: SchaufensterKunst, S. 120 f., näher ein; dort auch ein Foto des Siegerbeitrags.
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Abb. 4: Experimentelle Blickrichtungsuntersuchung. Quelle: Kliemann: Die Werbung fürs Buch (1925), S. 190. gebauten Negativbeispiels vielfältige »Fehler und Sünden« auf: die unglückliche Platzierung von Büchern, deren Titel man schlecht lesen könne; zu auffällige Umschnürungen; mangelhafte Stützung dünner Bücher; mangelnde Symmetrie bzw. Zusammenhanglosigkeit der Objekte; falsche Farb- und Helligkeitsverteilung; das gewaltsame und buchzerstörende Aufschlagen kostbarer Bände, das dem Buchliebhaber Schmerzen verursache u. a. m. Als schlimmste aller Dekorationssünden wird aber auch hier das allzu Vollgeräumte eines »Gemischtwarenfensters« gebrandmarkt. Reinecke selbst versuchte sich an einer Typologie des Buchschaufensters; fasst man seine Kategorien sinngemäß zusammen, dann sind zu unterscheiden: í Einbuchfenster í Reihenfenster (z. B. Blaue Bücher, Göschen) í Eingruppenfenster (z. B. eine Wissenschaft, ein Fach, ein Autor, ein Verlag) í Mehrgruppenfenster (Gruppen wie beim Eingruppenfenster, aber jeweils mehrfach und für sich abgeschlossen ausgestellt). Wie fast alle buchhändlerischen Werbeexperten nimmt auch Reinecke Gelegenheit, den Buchhändlerkollegen allgemeine Erkenntnisse der Werbepsychologie nahezubringen, in diesem Fall die Einteilung der Reklamefachleute:
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Abb. 5: Die Propagatoren einer »modernen« Schaufensterkultur suchten das Repertoire an Gestaltungskonzepten fortlaufend zu erweitern. Quelle: Reinecke: Das Schaufenster des Buch- und Musikalienhändlers (1929), Abb. 11 und 12.
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í Stapelfenster (durch Massen wirkend) í Sachliche Schaufenster (einfaches, geschicktes, durch sich selbst wirksames Auslegen der Ware ohne besondere Reklameidee) í Phantasiefenster (Ausstellung nach irgendeinem Reklame-Grundgedanken) í Plakatartige Fenster (ein Blickfang zusammen mit wenigen Stücken) í Stilfenster (»Wirkung in ausgesucht vornehmer und stilreiner Durchführung nur bei gebildeten oder bestimmten Kreisen suchend«). Reinecke selbst sah vor allem im »Sonderfenster« das beste Werbemittel. Wenn sein Ratgeber-Buch in 1. Auflage 1923 unter diesem Titel erschienen war, so konnte er bereits 1926 mit Genugtuung feststellen, »dass heute eigentlich jedes gute Buchfenster ein Sonderfenster ist«, und den Titel des Buches entsprechend ändern.100 Und noch 1929 trat er vehement für diesen Typus ein und führte dessen Bedingungen vor Augen: »es muß abgeschlossene oder begrenzte Gebiete zur Ausstellung bringen, es muß einem bestimmten Gedanken untertan sein, eine Idee verkörpern oder versinnbildlichen und dabei wie aus einem Guß als geschlossenes Ganzes erscheinen ohne jedes störende Beiwerk wie etwa die herkömmlichen Schaufenstergestelle.«101 Darüber hinaus müsse es eine verständliche Sprache reden, seine Zusammenstellung mit liebevoller Sorgfalt und guter Kenntnis des jeweiligen Gebietes vorgenommen werden. Die Rückkehr zu besser gefüllten Auslagen spiegelte sich in dem 1930 von Kösel & Pustet veranstalteten Wettbewerb, mit dem der Verlag das Sortiment veranlassen wollte, sich mit den Verkaufschancen »katholischer Dichterinnen der Jetztzeit« auseinanderzusetzen. Das Besondere daran ist, dass in diesem Fall die Münchener Arbeitsgemeinschaft des Jungbuchhandels die Bewertung unter den Wettbewerbsteilnehmern vornehmen sollte, was einmal mehr den Zusammenhang zwischen Jungbuchhandel und Werbeengagement unterstreicht.102 48 Jungbuchhändler prämierten eine zeittypische Mischung aus Traditionalismus und demonstrativer gestalterischer Modernität – eine Kombination, die damals Kennzeichen der Situation des gesamten deutschen Sortimentsbuchhandels gewesen ist: Traditionsbewusstsein, kombiniert mit einer Aufbruchstimmung, mit der man sich Mut machen wollte, um die Herausforderungen der krisenhaften Zeit bestehen zu können. Schaufensterwettbewerbe wurden damals aber nicht nur von Verlagen, die sich von solchen Wettbewerben einen zusätzlichen Marketingeffekt erhofften, sondern auch von der Branchenorganisation veranstaltet.103 Die 1923 gegründete Werbestelle des Börsenvereins war bestrebt, die Dekorationsqualität und Gestaltungsstandards in diesem Bereich durch verschiedenste Maßnahmen zu fördern.104 Zum einen veröffentlichte sie re100 Reinecke: Das Schaufenster des Buch- und Musikalienhändlers, Vorwort zur Ausgabe 1926, abgedruckt auch in der Ausgabe 1929, S. VI. 101 Reinecke: Das Schaufenster des Buch- und Musikalienhändlers (1929), S. 5. 102 Ehrenwirth, Franz: Der Jungbuchhandel als Preisrichter bei einem Schaufensterwettbewerb. In: Der Neue Stand. Zeitschrift des deutschen Jungbuchhandels 1 (1931), S. 298 –304. 103 Reinecke, Friedrich: Wie beteilige ich mich mit Erfolg an einem Schaufensterwettbewerb? In: Buchhändler-Taschenbuch 2 (1926), Nr. 17, S. 127 ff. Vgl. zu diesem Thema auch Karl Hanns Daehne: Richtlinien für die Beurteilung von Schaufenstern. Berlin-Schöneberg: Siegfried Scholem 1928. 104 Vgl. zum Folgenden Hench: Die Werbestelle des Börsenvereins, S. 90 –94.
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Abb. 6: Den 1. Preis des Schaufensterwettbewerbs von Kösel & Pustet belegte die Buchhandlung Josef Stocker in Luzern. Quelle: Der neue Stand 1 (1932) H. 6. gelmäßig Themenvorschläge für ein »Schaufenster des Monats« und für zusätzliche Sonderfenster. Im Jahreszyklus konnten das für den Januar die Themen ›Kalender‹, ›Steuerwesen‹ oder ›Wintersport‹ sein, für den März ›Gartenbau‹, ›Konfirmation‹ oder ›Kleintierzucht‹, für Mai ›Italien‹, für Juni oder Juli ›Pilze‹ und ›Einmachen‹ oder für September ›Angelsport‹; die Vorschläge für Sonderfenster waren weniger saisonabhängig und umfassten ›Deutsche Berge, Ströme und Seen‹ ebenso wie ›Kant‹, ›Das heitere Buch‹ oder ›Deutsche Industrie‹. Die Verlage wurden angehalten, dem Sortiment spezielles Dekorationsmaterial für diese Sonderfenster zur Verfügung zu stellen; die Sortimente sollten Schaufensterwettbewerbe auch unter den Angestellten veranstalten und Fotografien der Auslagen an die Werbestelle einsenden; diese wurden dann von Zeit zu Zeit prämiert. Nicht zuletzt suchte man eine Diskussion über Gestaltungsfragen in Gang zu halten; in den von ihr herausgegebenen »Schriften zur Buchwerbung« war z. B. auch der Schaufenster-Ratgeber von Friedrich Reinecke erschienen.105 Selbst führte die Werbestelle Schaufensterwettbewerbe u. a. 1925 anlässlich von Gedenktagen zu ›Bach‹ und ›Michelangelo‹ durch und belohnte die überzeugendsten Leistungen mit Geldpreisen. Darüber hinaus wurden in Zusammenarbeit mit der Buchhändlerlehranstalt seit 1926 Fortbildungskurse sowohl für »Verlagspropagandisten« wie auch für Sortimenter
105 Weitere Titel waren u. a. Schumann, Paul: Das Schaufenster des Kunsthändlers, oder Wittek, Erhard: Das Buch als Werbemittel (beide Leipzig: Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig 1926).
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durchgeführt; auch hier wurde dem Thema Schaufenstergestaltung immer wieder Raum gegeben, ebenso wie in den Ausbildungsplänen der Buchhandelsschule.106 Ein im Börsenvereinsumkreis und auch sonst häufig diskutiertes und in der Praxis wichtiges Thema wurde in den 1920er Jahren auch das Plakat, das damals nicht nur durch die Bauhaus-Ästhetik und den Konstruktivismus, sondern auch durch den allgemeinen Zeitgeist eine gesteigerte Wertschätzung erfuhr. Die Werbung auf Plakatsäulen kam für das Sortiment nur selten in Frage, auch wenn es als ein Werbemittel erkannt wurde, »dem nicht einmal der Analphabet entfliehen kann«107. Als Schaufensterplakat spielte es im Buchhandel aber eine zunehmend wichtige Rolle, zumal die zeitgenössische Werbepsychologie nach einem »Blickfang« verlangte, die Bücher selbst jedoch nicht die erwünschte »Fernwirkung« erzielten und das Anräumen der Schaufenster mit Kunstgegenständen, Möbeln, Bildern oder Stoffdraperien zunehmend verpönt war. Solche Plakate wurden vielfach von Verlagen bereitgestellt, häufiger noch aber waren es die Buchhändler selbst, die sich an der einfallsreichen Gestaltung solcher Plakate versuchten. Dazu wurden sie von den Ratgebern mehrheitlich ermuntert;108 auf diese Weise sei ein flexibleres Eingehen sowohl auf den Schaufensterinhalt wie auch auf das Publikum bzw. die Zielgruppe möglich. Wie aber die in diesen Ratgebern abgedruckten, als vorbildlich aufgefassten Beispiele für selbst angefertigte Beschriftungen erkennen lassen, wurde dadurch einer reichlich amateurhaften Dekorationspraxis Vorschub geleistet. Noch in der 1929 erschienenen dritten Ausgabe seines Ratgebers hielt Friedrich Reinecke seine Kritik an der mangelnden Unterstützung durch die Verlage aufrecht: »Am wenigsten ist leider noch der Verleger von der Wichtigkeit des guten Buchfensters überzeugt; denn sonst würde er viel mehr Anregungen, Ausstattungsstücke, Vorbilder und fertig zusammengestellte Dekorationen liefern oder leihweise überlassen, wie es in andern Geschäftszweigen seit langem Sitte ist.«109 Diese Kritik traf aber nur bedingt zu, denn tatsächlich stellten z. B. der Staackmann Verlag und vor allem der UllsteinKonzern längst schon derartige Schaufensterdekorationen zur Verfügung; allerdings wurden sie von nicht wenigen Sortimentern als zu marktschreierisch abgelehnt. Besser akzeptiert wurden Schaufensterplakate des Barsortiments Koehler und Volckmar (»Bücher, von denen man spricht«), da sie gegenüber den einzelnen Verlagen neutral waren und in den beworbenen Titeln eine größere Bandbreite aufwiesen.110 Akzeptanz scheint auch das »Scheibenplakat« gefunden zu haben, mit dem der Verleger Karl Robert Langewiesche bereits 1903/04 hervorgetreten war. Langewiesche hatte zunächst Werbedrucksachen versandt, die vom Buchhändler auseinandergeschnitten werden sollten; Teile davon sollten, »hart an der Scheibe des Fensters angebracht«,
106 Vgl. Marcus, Theodor: Lehren aus dem Verlagspropagandisten-Kursus. In: Börsenblatt 93 (1926) 69, S. 372; Marcus, Theodor: Der Sortimenter-Propagandisten-Kursus 10. –16. Oktober 1926. In: Börsenblatt 93 (1926) 280, S. 1417 ff. 107 Kliemann: Die Werbung für das Buch (1925), S. 97. 108 Vgl. neben Reinecke auch Semm, Hans: Das Buch in der Auslage. In: BuchhändlergildeBlatt Nr. 3 vom 16. März 1929, S. 37 –39. 109 Reinecke: Das Schaufenster des Buch- und Musikalienhändlers (1929), S. 5. 110 Loele/Bruère: Das Bücher-Schaufenster, S. 71.
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Abb. 7: Mit dieser Anzeige im Börsenblatt 97 (1930) 93, S. 3299, im charakteristischen Scheibenplakat-Format hat Langewiesche Anstoß erregt.
7 V erbr eitend er Bu chhandel als kleine Plakate ihre Werbewirkung tun.111 Nachfolgend ging Langewiesche zu gezielter Erstellung solcher Plakate oder ganzer Plakatserien auf festem und farbigem Karton über; in einigen Fällen hat er offenbar beträchtliche Verkaufserfolge damit erzielt und konnte so auch die mit ihm kooperierenden Buchhändler davon überzeugen. Er hatte damit einen Plakattypus kreiert, der sich allerdings nur zur wohldosierten Anwendung eignete. Denn auch wenn sie in kleinem Format gehalten waren (anfänglich nur 25 x 12 cm, später auch etwas größer), drohten sie bei extensiver Verwendung doch Teile des Schaufensters zu verdecken und dessen Funktion zu beeinträchtigen. Langewiesche selbst beschränkte daher die Erstellung der Scheibenplakate auf einzelne Titel, musste aber erleben, dass sein »Plakat-Gedanke in verhältnismäßig kurzer Zeit zu Tode gehetzt wurde. Nicht durch mich, der ich mich bemühte, ihn immer nur auf solche Bücher anzuwenden, die mir gerade für diese Vertriebsform geeignet erschienen, sondern durch einige andere Verleger, die den Gedanken teilweise im Interesse von Büchern aufgriffen, welche eine solche Hervorhebung nicht wohl verdienten.«112 Er selbst setzte aber das Scheibenplakat-Marketing in den 1920er Jahren fort; 1926 reicherte er die Information um die Abbildung von Schutzumschlägen an, die den Wiedererkennungseffekt fördern sollten; auch ging er zur Anfertigung von konventionellen großformatigen Schaufensterplakaten über, mit denen er den Buchhändlern u. a. die Gestaltung von »Blauen Sonderfenstern« zu seiner Dauererfolgsserie »Die blauen Bücher« nahelegen wollte. Im Zusammenhang mit der Wirkung der Schaufensterplakate wurde auch jene der Schutzumschläge neu diskutiert. Besonderes Interesse
111 Langewiesche-Archiv (Historisches Archiv des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, Deutsche Nationalbibliothek, Frankfurt a. M.), Drucksachen 1903, Scheibenplakate und Werbezettel Januar 1903 (zit. n. Schiebe: Klappentext und Scheibenplakat, S. 88). 112 Langewiesche: Aus 25 Jahren, S. 101 f. – Zu diesen »anderen Verlegern« gehörte u. a. der Verlag seines Bruders (Langewiesche-Brandt) sowie der Bong-Verlag.
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verdient eine 1921 von Margarete Giese-Hüser publizierte Studie, die eine Motivstatistik des Buchkaufs präsentierte.113 Sie griff allerdings auf eine bereits 1914/15 unternommene Kundenbefragung des Eugen Diederichs Verlags zurück; nach den damals aus 738 Antwortkarten von Buchkäufern erhobenen Daten war der Kaufanreiz, den das Schaufenster entwickelte, um ein Vielfaches höher als jener der Buchausstattung (= Druck und Einband): Reiz 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
persönliche Empfehlung Empfehlung vom Freund Empfehlung vom Buchhändler Rezension Schaufenster Anzeigen Sonderprospekte Katalog Andere Werke Persönlichkeit des Verfassers Vortragskolleg Interessen-Studium Ansichtssendung Zeitungsartikel Zitate Textproben Verlagsberichte vorherige Lektüre Buchausstattung
M von 589 Pers. 931 Angaben 5,4 8,8 5,2 18,1 8,6 4,0 9,8 6,7 13,8 1,3 2,8 4,7 0,8 3,0 2,6 2,1 0,8 0,9 0,3
W von 149 Pers. 238 Angaben 7,0 10,0 7,0 17,6 5,0 1,2 5,0 5,4 12,0 1,7 5,0 3,3 1,2 3,3 3,3 2,5
– 2,1 0,8
Quelle: Tabelle I von Giese-Hüser: Zur Psychologie des Bücherkaufens, S. 343.114 Die Ergebnisse können nicht überraschen, denn die große Zeit des attraktiven Schutzumschlags mit deutlichem Werbeeffekt begann erst nach dem Ersten Weltkrieg, u. a. mit Buchgestaltern wie Georg Salter. Gerade die Bücher des Diederichs Verlags können als Beispiel dafür dienen, dass zuvor das äußere Gewand des Buches überwiegend auf ein seriöses Auftreten ausgerichtet gewesen war und nur in selteneren Fällen (wie bei den Gelben Ullstein-Taschenbüchern) auf die Funktion einer Aufmerksamkeitserregung »um jeden Preis«. In den zwanziger Jahren hat der Schutzumschlag hinsichtlich der 113 Giese-Hüser, Margarete: Zur Psychologie des Bücherkaufens. In: Deutsche Psychologie 3 (1921), Nr. 5/6, S. 341 –354. Hier vorgestellt nach Schleif, S. 128 f. 114 Giese-Hüser stellte darüber hinaus fest, dass es einen Zusammenhang zwischen Bildungsstufe und Kaufanreiz gibt und dass männliche Akademiker am stärksten und weibliche Nichtakademiker am schwächsten von Buchschaufenstern angesprochen werden. Im Verhältnis »Wohnort und Kaufreiz« ergibt sich die größte Schaufensterwirkung in Mittelstädten (vgl. Kliemann 1925, S. 125 f.)
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Einwirkung auf die Kaufentscheidung das Schaufenster zwar nicht eingeholt, aber zweifellos viel Boden gutgemacht. In einer 1926 durchgeführten Umfrage erreichte er sogar 12 % (gegenüber den bloß 5 % des Schaufensters), doch beruhte diese auf nur 100 verschickten Karten und ist daher wenig repräsentativ.115 Weitere, von verschiedenen Verlagen (Hanseatische Verlagsanstalt, Oldenbourg, Herder, Verband Deutscher Ingenieure, Simon & Schuster / New York) zwischen 1925 und 1935 veranstaltete Umfragen berücksichtigten den Schutzumschlag nicht, wohl aber das Schaufenster im Vergleich mit den wichtigsten anderen Kaufveranlassungen. In der 1937 erschienenen Ausgabe von Die Werbung fürs Buch hat Horst Kliemann versucht, diese Zahlen einander gegenüberzustellen:116
Abb. 8: Tabelle Kliemann: Werbung fürs Buch (1937), S. 395. Aus dieser Zusammenschau, die natürlich nur Anhaltspunkte liefert, geht hervor, dass Buchschaufenster im Untersuchungszeitraum bei stark schwankenden Werten durchschnittlich das fünftstärkste Kaufmotiv erzeugt haben. Aber nicht erst seit damals war klar, dass sich die Aufmerksamkeit des Buchhändlers auch auf andere Formen der Werbung richten musste.
115 Vgl. hierzu Schleif: SchaufensterBücher, S. 131. 116 Kliemann (Hrsg.): Die Werbung für das Buch, 3. Aufl. 1937, S. 395. Dort auch nähere Angaben zu den Quellen für die Umfragen.
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Das neue Werbebewusstsein im Buchhandel Zu den Tendenzen, die den Sortimentsbuchhandel der Weimarer Zeit geprägt und verändert haben, gehörte die deutlich zunehmende Bereitschaft, sich moderner Methoden der Werbung zu bedienen. Dieses Interesse an der Werbung richtete sich zum einen auf Formen der Gemeinschaftswerbung, zum anderen auf betriebliche Werbung, mit fließenden Übergängen, da der Börsenverein auch die Initiativen seiner Mitgliedsfirmen zu unterstützen suchte. Bereits 1916, mitten im Krieg, war eine »Reichsbuchwoche« abgehalten worden, mit der die Vorteile von gemeinschaftlichen Werbemaßnahmen besonders in Krisenzeiten deutlich geworden waren. Zwischen 1920 und 1922 erschien im Börsenblatt eine 12-teilige Serie von Rudolf Engel-Hardt über Buchkultur und Buchreklame. Und nachdem am Beginn der zwanziger Jahre der Ruf des Sortiments nach Maßnahmen des Börsenvereins immer lauter geworden war, wurde als Schaltstelle für die Förderung der Gemeinschaftswerbung am 23. Oktober 1923 endlich die bereits seit 1916 diskutierte117 »Werbestelle« des Börsenvereins eingerichtet. Treibende Kräfte dieser Einrichtung waren einmal mehr Eugen Diederichs und die von ihm ins Leben gerufene Lauensteiner Tafelrunde, auf andere Weise aber Horst Kliemann, der im gleichen Jahr 1923 mit einem grundlegenden Artikel im Börsenblatt sowie der ersten Auflage seines Handbuchs Die Werbung fürs Buch hervorgetreten war.118 Dem Gründungsausschuss der Buchwerbestelle gehörten als Leiter August von Löwis of Menar (damals zugleich Leiter der Gesellschaft für Auslandsbuchhandel) sowie Dr. Gerhard Menz, der Redakteur des Börsenblatts, Fritz Schnabel, ein Sortimenter aus Prien, und Friedrich Reinecke, Sortimenter aus Magdeburg, an. Bereits 1924 wurde August von Löwis of Menar, der sich vollständig der Gesellschaft für Auslandsbuchhandel widmen sollte, von Erhard Wittek abgelöst;119 der Werbestelle wurde vom Börsenverein zur Überwachung und Unterstützung in allen praktischen Fragen ein Werbeausschuss mit ehrenamtlich arbeitenden Mitgliedern aus verschiedenen Bereichen von Verlag und Buchhandel zur Seite gestellt. Auch wurden Anfang 1925 die Orts- und Kreisverbände dazu aufgerufen, jeweils Ansprechpartner für die konzertierten Werbeaktivitäten zu benennen, um sich so auf ein breitgefächertes Netzwerk stützen zu können.120 Als ihren Zweck gab die Werbestelle an, dass sie als »Auskunfts-, Austausch-, Vermittlungs- und Sammelstelle in allen Werbeangelegenheiten für jedes Mitglied des Börsenvereins tätig sein« wolle, sich vorzugsweise also mit der Vermittlung von Werbewissen und -Knowhow sowie der Organisation des einschlägigen Erfahrungsaustausches befassen wollte.121
117 Vgl. Über die Errichtung eines Buchhandels- und Werbeamts. In: Börsenblatt 83 (1916) 180, S. 1039; 83 (1916) 243, S. 1314. 118 Kliemann wollte in diesem Werk der Branche gezielt moderne werbewissenschaftliche Erkenntnisse der Zeit vermitteln. Der erwähnte Artikel Kliemanns erschien u. d. T. Zur Organisation der allgemeinen Buchpropaganda. In: Börsenblatt 90 (1923) 78, S. 423. 119 Zu Wittek vgl. dessen Beiträge: Aufgaben und Ziele der Werbestelle. In: Börsenblatt 92 (1925) 6, S. 267 –269; Werbe- und Vertriebsmethoden des deutschen Buchhandels in den letzten 100 Jahren. In: Seidels Reklame 9 (1925), S. 193 –203. 120 Börsenblatt 92 (1925) 16, S. 970. 121 Die Werbestelle des Börsenvereins. In: 90 Börsenblatt (1923) 275, S. 7999.
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Damit war ein klares Zeichen für eine offensive Auseinandersetzung mit dem modernen Werbegedanken im Buchhandel gesetzt. Die Einrichtung dieser Stelle war keineswegs unumstritten; nicht wenige lehnten forcierte Werbemaßnahmen als »Amerikanismus«, als zu unsolide und »undeutsch« ab. Hier wie in manchen anderen werblichen Zusammenhängen galt es, die tief verwurzelten Vorbehalte jener zu überwinden, die das geistige Gut Buch nicht der gleichen Behandlung wie profane Waren der Konsumwelt ausgesetzt sehen wollten. Je stärker sich aber die Umwelt werbend betätigte, umso größer wurde der Druck, auch die Werbearbeit im Buchhandel zu intensivieren – so ein Argument Horst Kliemanns.122 Ein anderes Argument brachte Friedrich Reinecke vor, als er den allgemeinen Nutzen jeder individuellen Werbemaßnahme hervorhob: »Die Regsamkeit des einen wird auch dem anderen etwas in den Schoß werfen. Haben Sie alle das Ziel, die Werbung für das Buch und damit für Ihren Beruf und Ihr Fortkommen auf die höchste Stufe zu bringen, dann wird der deutsche Buchhandel auch die schwersten Zeiten überwinden.«123 Im Grunde waren solche Worte auch gegen die Ängste gerichtet, dass von gemeinsamer Werbung auch untätige Kollegen profitieren könnten; hierbei fielen natürlich auch Konkurrenzgesichtspunkte ins Gewicht. Doch selbst dort, wo bei aufgeschlossenen Buchhändlern die Einsicht in die Notwendigkeit von »Buchreklame« vorhanden war,124 fehlte es vielfach nicht nur an Ideen, sondern auch an fachlichen Kenntnissen. Vor diesem Hintergrund entfaltete die Werbestelle des Börsenvereins in den Jahren 1923 bis 1933 eine geradezu fieberhafte Tätigkeit. Die Vielfalt der Initiativen, die allen Sparten, vorzugsweise aber doch dem Sortimentsbuchhandel zugute kamen, kann im Folgenden nur angedeutet werden; dabei soll (soweit dies möglich ist) unterschieden werden zwischen Maßnahmen, die sich auf eine Unterstützung der betrieblichen Werbung der Firmen gerichtet haben, und jenen Formen der Gemeinschaftswerbung, die man mit einem modernen Begriff als Branchenmarketing bezeichnen kann. Auf beide Bereiche abgestellt war klarerweise die Informationspolitik der Werbestelle gegenüber den Mitgliedern des Börsenvereins, die man für Werbefragen sensibilisieren wollte. Dazu dienten ihr die »Mitteilungen« im Börsenblatt, in denen sie regelmäßig über ihre Tätigkeit berichtete, seit Mitte 1925 an exponierter Stelle auf den Umschlagseiten 3 und 4. Zu den regelmäßigen Rubriken gehörten die »Bücherstunden im Rundfunk«; die Ankündigung von in Herstellung begriffenen Werbemitteln von Verlagen, um dem Sortiment den Bezug von Werbematerial mit Firmeneindruck zu ermöglichen; Angebote für das Sortiment für Sonderfenster; terminliche Hinweise auf Gedenktage und Veranstaltungen; Themen-Vorschläge für die Schaufenster-Dekoration (meist von Friedrich Reinecke). Seit 1927 wurden allerdings die Mitteilungen immer kürzer und seltener. Die Werbestelle forderte dazu auf, über Werbeinitiativen zu informieren, und lieferte dazu kritische Berichte und Bewertungen. An sie gestellte Fragen 122 Kliemann: Die Werbung für das Buch, 2. Aufl. 1925, S. 8. 123 Reinecke, Friedrich: Buchwerbung. In: Börsenblatt 90 (1923) 275, S. 7995. 124 Vgl. etwa Hein, Peter: Können Bücher Markenware werden? Nach einem Interview mit A. Knopf. In: Börsenblatt 93 (1926) 292, S. 1484: »Warum soll der Buchhändler heute nicht seine Bücher anbieten und auf den Markt bringen, wie etwa der Juwelier oder der Musikinstrumentenhändler? […] Warum soll er nicht das Interesse der Allgemeinheit in so starker Weise zu wecken versuchen, daß die Bücher zur Massenware werden?«
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gab sie gelegentlich an die Branchenöffentlichkeit weiter. 1930 musste sie schlichtend eingreifen, als der Langewiesche Verlag zum Muttertag mit Slogans wie »Bücher statt Blumen« oder »Blumen sind gut. Bücher sind besser« warb und damit den Protest des Verbandes Deutscher Blumengeschäftsinhaber erregte.125 Eindeutig der Förderung werblicher Eigeninitiative dienten die von der Werbestelle ausgeschriebenen Preisausschreiben, mit denen vor allem im Sortimentsbuchhandel der Wettbewerb um die besten Werbeideen oder die überzeugendste Schaufenstergestaltung angefacht werden sollte. Mit Hilfe von Preisausschreiben wollte man allerdings auch im Publikum selbst das Thema Buch ins Gespräch bringen, was wiederum auf Branchenwerbung hinauslief. So wurden mit Genehmigung der Kultusministerien Schulklassen eingeladen, Aufsätze über »Kannst Du ein Buch empfehlen« zu schreiben. Die Aufsätze sollten in einer örtlichen Buchhandlung abgegeben werden, die sie dann an die Werbestelle weiterleitete. Diese stellte daraus eine Broschüre zusammen, die an die Schulen verschickt und dem Sortiment für 10 Pfennig zur Verfügung gestellt wurde. Ein vergleichbares Preisausschreiben wurde 1928 unter Volksschullehrern veranstaltet.126 Auch unter Grafikern wurden Preise ausgelobt, zu Plakatentwürfen, deren Themen (»Deutsche Büchertage« »Lest Bücher – Wissen gilt als Macht« oder »Schenkt Bücher zu jedem Fest«) von der Werbestelle vorgegeben wurden. 1930 wurde gar Jan Tschichold für den Entwurf einer von jedermann leicht zu erlernenden Plakatschrift engagiert. Mehrfach wurden auch Werbepläne vorgeschlagen, etwa 1928 zum 400. Geburtstag Albrecht Dürers, unter Bereitstellung einer Bibliographie und von Vorschlägen zur Gestaltung eines Schaufensters, eines Plakats, eines Katalogs, von Vorträgen, Schulfeiern und zur Einbeziehung von Presse und Rundfunk.127 Die Werbestelle verkaufte, »zur Erfassung wichtiger Käuferschichten«, auch Kundenadressen, etwa zu Bereichen wie Schulen, Vereinen, Instituten und Professoren und Bibliotheken.128 Auch brachte sie zu einzelnen Themen wie die »Kriegsschuldfrage« Fachkataloge heraus. Die Werbestelle war um die Vermittlung von Information und Anregungen bemüht, aber auch um die konkrete Bereitstellung von Werbematerial. So wurden von ihr Matern (z. B. mit Büchersprüchen) hergestellt, die für Werbedrucksachen eingesetzt werden konnten, auch konnte von ihr spezielles Einschlag- und Packpapier zu günstigen Konditionen bezogen werden: »Die Kunden erwarten vom Buchhändler, daß er kein langweiliges, allgemeines Papier verwende. Wie häufig besteht noch die Absicht, das erstandene Buch so zu verschenken, wie es im Laden verpackt wurde. Drum sollte der Buchhändler psychologisch richtig handeln und seinem Kunden gefällig sein, indem er seinen unausgesprochenen Wunsch nach gediegenem Einwickelpapier erfüllt.«129 Eine weitere Dienstleistung übernahm die Werbestelle mit der Vereinheitlichung des gebräuchlichsten Werbemittels, der Buchkarte. Von diesen Karten, mit denen bestimmte Titel einzeln beworben werden konnten, gab es zwei Typen, eine für die Publi125 Vgl. Brief des Langewiesche Verlags an die Werbestelle des Börsenvereins vom 6. Februar 1930 (Archiv des Karl Robert Langewiesche Verlags, Historisches Archiv des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Deutsche Nationalbibliothek, Frankfurt a. M., 51/212. 126 Börsenblatt 95 (1928) 255, Umschlagseite 3. 127 Börsenblatt 95 (1928) 51, Umschlagseite 3. 128 Börsenblatt 96 (1929) 211, Umschlagseite 3. 129 Börsenblatt 100 (1933) 77, Umschlagseite 3.
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kumswerbung des Verlags und eine für das Sortiment. Bei ersterer wurde aber der Verlagsname ausgespart und durch einen Zifferncode ersetzt, um nicht das Publikum zu Direktbestellungen beim Verlag zu verleiten. Offenbar wurden die Buchkarten als »Propagandamittel« vom Sortiment wesentlich besser angenommen als von den Verlagen, die ihre Werbetätigkeit unbeeinflusst von außen durchführen wollten.130 Im Übrigen profitierte das Sortiment auch von der deutlich verstärkten Verlagswerbung, zum einen über die nunmehr mit größerem Einsatz betriebene Händlerwerbung, die – abgesehen von den üblichen Anzeigen im Börsenblatt – dem Buchhändler unterschiedlichstes Werbematerial an die Hand gab, wie z. B. kostenlose Hauszeitschriften oder Verlagszeitungen (wie Das Inselschiff oder die S. Fischer Korrespondenz), Prospektbeilagen, Plakate, Lesezeichen, Reklamemarken u. a. m. Hauptsächlich für die Kinowerbung wurden Lichtbildreihen (u. a. zum Thema »Das Kind und sein Bilderbuch«) oder Diapositive vom Weihnachtsplakat 1930 bereitgestellt; auch wurde ein Werbefilm für das Buch produziert. Überhaupt konzentrierten sich die Bemühungen der Werbestelle auf die Vorweihnachtszeit, als einer Zeit, in der die Sortimente einen beträchtlichen Teil ihres Jahresumsatzes einfuhren. So waren Weihnachts-Bücherwunschkarten von der Werbestelle zu beziehen, bereits 1924 wurde ein Wettbewerb zur Gestaltung des schönsten Weihnachtsplakats abgehalten.131 Ein wichtiger Spezialbereich im Tätigkeitsfeld der Werbestelle entstand durch die 1924 erfolgte Einrichtung eines eigenen »Vortragsamts«. Von diesem wurden zunächst Adressen von literarischen Autoren oder Kunst- und Musikschriftstellern in einer Kartothek gesammelt, weiterhin wurden ganze Lesungs- und Vortragsreisen geplant. Dabei trat es auch selbst als Veranstalter auf: »Die Vorteile liegen auf der Hand. Sie heißen: Kostenersparnis, Verbilligung der Reisespesen, Vermeidung unnützer Schreiberei, Möglichkeit bester Auswahl und sicheres Arbeiten, denn auch für Ersatzmänner bei unvorhergesehenen Ereignissen wird Sorge getragen werden.«132 Die Vorträge sollten nicht bloß unterhalten, sondern zum Buch hinführen; dafür konnten auch Märchenstunden vor Weihnachten dienlich sein. Von allen durchgeführten Veranstaltungen wollte die Werbestelle Belegexemplare der Werbemittel sowie Berichte über die erzielte Wirkung bei Publikum und Presse erhalten, auch bezüglich des finanziellen Erfolgs, um diesen Erfahrungsschatz für eine Optimierung der Arbeit des Vortragsamtes nutzbar zu machen. Es wurden auch Manuskripte angekauft, samt den dazu passenden Lichtbildern, die gegen Leihgebühr für einige Tage angefordert werden konnten. In der Saison 1926/27 z. B. wollte man 25 Autoren besonders fördern; die jeweils betroffenen Verlage wurden zur Deckung der Selbstkosten um einen finanziellen Beitrag gebeten: »Sie wollen freundlichst bedenken, dass die Veranstaltung von Vorträgen erwiesenermaßen eine außerordentliche Werbekraft hat und stets einen günstigen Einfluss auf den Buch-
130 Brief mit Rundschreiben der Werbestelle an den Langewiesche Verlag vom 9. Juni 1925 (Archiv des Karl Robert Langewiesche Verlags, Historisches Archiv des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Deutsche Nationalbibliothek, Frankfurt a. M., 209). 131 Börsenblatt 91 (1924) 247, S. 14474. 132 Börsenblatt 91 (1924) 99, S. 5881.
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absatz ausübt.«133 Schon 1925 stand das Vortragsamt in ständiger Verbindung mit 170 Vortragenden und 400 Veranstaltern,134 und auch in den Folgejahren wurde eine rege Inanspruchnahme seiner Dienste registriert. Dennoch wurde seine Tätigkeit 1929 aus Kostengründen eingestellt, mit dem kritischen Bemerken, diese habe eher den literarischen Gesellschaften als dem Buchhandel genützt.135 Mit dem Rundfunk handelte die Werbestelle Verträge über Vortragssendungen und wöchentliche »Literarische Stunden« aus, »damit der Buchhandel mit unter den ersten ist, die sich dieses Reklamemittels bedienen, das […] Aussicht hat, wirklich volkstümlich zu werden […].136 Diese Werbewirkung kam in erster Linie den Verlagen zugute, aber auch den Sortimenten; diese sollten ihre Dekoration und Bestellungen auf die literarischen Sendungen abstimmen, über die sie von der Werbestelle mittels Listen informiert wurden.137 Der Sortimentsbuchhandel wurde von der Werbestelle auch zur engeren Zusammenarbeit mit der lokalen Presse ermuntert.138 Neben Novitätenanzeigen (diese auch gemeinsam von mehreren Buchhandlungen) könnten Ereignisse in der Fachwelt kommuniziert und die Presse mobilisiert werden, damit von ihr redaktionell über Buchwochen oder Sonderschaufenster berichtet würde. Die Freiburger Bücherstube legte einmal in der Woche der lokalen Zeitung eine ganzseitige Beilage bei, die einen Leitartikel zu einem Thema aus dem Buchgewerbe enthielt und in der jeweils ein bestimmter Verlag vorgestellt wurde, der darin dann auch inserierte.139 Diesen letzteren Punkt empfand die Werbestelle als gefährlich, ansonsten aber betrachtete sie die Vorgangsweise als vorbildlich, gerade auch durch die von der Bücherstube mit Erfolg betriebene Verbindung mit einem Sonderfenster zur Produktion des vorgestellten Verlags. Da zwischen Werbeund Pressearbeit damals noch nicht getrennt wurden, empfahlen die Fachleute auch den Sortimentern, das Mittel der Buchbesprechung besser zu nutzen: Zum Einen sollten Rezensionen gesammelt und im Laden oder im Schaufenster dekoriert oder auch an Kunden gezielt verschickt werden, zum Anderen könnte der Buchhandel bei der lokalen Presse auf systematische Besprechung von Neuerscheinungen drängen. Die Sortimenter könnten bei der Auswahl der Bücher behilflich sein oder auch selbst rezensieren.140 Ein wichtiges Anliegen verfolgte die Werbestelle mit der Ausbreitung werbewissenschaftlichen und werbepraktischen Wissens. Seit 1926 wurden daher Kurse für Werbetreibende in Verlag und Sortiment veranstaltet. Gleich der erste Kurs hatte 120 Teilnehmer aus der Verlagswirtschaft, die in zwölf Vorträgen Grundlagen der Werbung und
133 Brief des Vortragsamts des Börsenvereins an den Langewiesche Verlag vom 21. April 1926 (Archiv des Karl Robert Langewiesche Verlags, Historisches Archiv des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Deutsche Nationalbibliothek, Frankfurt a. M., 210). 134 Kliemann: Die Werbung für das Buch, 2. Aufl. 1925, S. 212. 135 Geschäftsbericht 1929. In: Börsenblatt 97 (1930) 101, S. 405. 136 Börsenblatt 91 (1924) 83, S. 4794. 137 Von der Werbestelle. In: Börsenblatt 91 (1924) 94, S. 5464 f. 138 So von Stefan Wangart: Die Presse als Werbefaktor für den Sortimentsbuchhandel. In: Börsenblatt 93 (1926) 210, S. 1101 ff. 139 Arens Hanns: Neue Wege zum Buch. [Mit einer Erwiderung der Werbestelle]. In: Börsenblatt 96 (1929) 132, S. 621 ff. 140 Wangart: Die Presse als Werbefaktor, S. 1101 ff.; Reinecke: Buchwerbung, S. 7991 ff.
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in Kleingruppenarbeit praxisbezogene Ratschläge vermittelt bekamen. Der zweite Kurs im Oktober 1926 wurde für Sortimenter abgehalten; hier wurde – wieder in einer Mischung von Referaten und Arbeitsgemeinschaften – mit den Besonderheiten buchhändlerischer Werbung und den spezifischen Werbemitteln vertraut gemacht sowie der Unterschied zwischen Einzel- und Gemeinschaftswerbung in organisatorischer, technischer und psychologischer Hinsicht thematisiert. Die Serie der Kurse und Ausbildungswochen wurde in den folgenden Jahren fortgesetzt. Ihrem erklärten Zweck, die systematische Auseinandersetzung mit Fragen der Buchwerbung zu fördern, kam die Werbestelle seit 1926 auch durch die Herausgabe der Reihe »Schriften zur Buchwerbung« nach. Sie zielte auf den Aufbau einer Handbibliothek: »Jedes einzelne Heft wird ein besonderes Gebiet buchhändlerischer Werbearbeit in möglichst ausführlicher, lückenloser Weise behandeln; wir legen Wert darauf, Mitarbeiter zu gewinnen, die – ganz in der Praxis stehend – für die Praxis arbeiten.«141 Zwischen 1924 und 1929 erschienen in dieser Reihe, z. T. mehrfach aufgelegt, Friedrich Reineckes Das Sonderfenster des Buchhändlers bzw. Das gute Buchfenster bzw. Das Schaufenster des Buch- und Musikalienhändlers, Paul Schumanns Das Schaufenster des Kunsthändlers, Otto Quitzows Das Verkaufsgespräch im Sortiment, Fritz Steuben Das Buch als Werbemittel, Horst Kliemanns Die Kartei in Verlag und Sortiment, Hans Balzers Die Technik der Vortragsveranstaltung und Fritz Eckardts Das Besprechungswesen und Fritz Fleischhacks Buchhändlerische Katalogtechnik. Zusätzlich zu diesen Veröffentlichungen erschienen bibliographische Handreichungen bzw. Literaturberichte von Horst Kliemann seit 1924 im Börsenblatt.142 Eindeutig auf den Aufgabenbereich Branchenmarketing zielten die Aktivitäten der Werbestelle, die einer allgemeinen Lesepropaganda und einer Einbettung der Buchwerbung in Maßnahmen der Volkserziehung den Boden bereiten wollten. Ins Zentrum dieser Maßnahmen wurde immer wieder der Gedanke gerückt, dass das gute Buch lebensnotwendig sei: »Bücher sind genauso unentbehrlich wie das Brot. Wenn das im Bewusstsein jedes einzelnen, durch zielbewusste Propaganda, eingedrungen ist, dann haben wir gewonnenes Spiel.«143 Die Technik des Lesens beherrschten wohl alle, dennoch müsse die Jugend zum Lesen erzogen werden, auch um neue Käuferkreise zu gewinnen. Die dazu geäußerten Vorschläge – Büchersprüche an allen erdenklichen Orten oder ein Schlager, in welchem Propaganda für das Buch gemacht wird – waren allerdings nur bedingt überzeugend.144 Ein 1924 von Gerhard Menz herausgebrachtes Bändchen Was weisst Du vom Buch? wollte ein breites Publikum hinter die Kulissen 141 Werbeanzeige für die Reihe in: Reinecke: Das Schaufenster des Buch- und Musikalienhändlers, Umschlagseite 3. 142 Kliemann, Horst: Neue Werbeliteratur in ihren Beziehungen zum Buchhandel. In: Börsenblatt 91 (1924) 245, S. 14108 ff.; ders.: Berufswissen des Propagandisten. Streifzüge durch die Literatur. In: Börsenblatt 93 (1926) 117, S. 649 ff. und 93 (1926) 118, S. 658 ff.; ders.: Der Stand der Werbelehre. Beitrag zu einer Literaturgeschichte der Werbung. In: Der Neue Stand 1 (1931/32) 4, S. 180 ff. 143 Dikreiter, Otto: Reklame für das Buch? Gedanken eines jungen Buchhändlers. In: Börsenblatt 90 (1923) 66, S. 348. 144 Vgl. etwa Hochmuth, Max: Buchpropaganda. Versuch eines Beitrags zu deren Förderung. In: Börsenblatt 90 (1923) 69, S. 368; Michel, Eugen: Lebendige Propaganda! In: Börsenblatt 96 (1929) 114, S. 556.
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des Buchhandels schauen lassen und Interesse an der Welt des Buches und des Lesens wecken.145 Auf dieser Linie lag auch die von der Werbestelle angeregte Broschüre von Ernst Heimeran Das Buch als Freund146 oder die schon 1924 an die Verlage gerichtete Anregung, diese mögen ihre Autoren zur Abfassung von Werbeerzählungen bewegen, in denen einprägsame Büchererlebnisse geschildert werden. Eine außerordentlich bedeutungsvolle Initiative, an deren Entstehung die Werbestelle ursächlich beteiligt war, entstand mit der ersten Nummer der Werbezeitschrift des deutschen Buchhandels Nimm und lies!, die im Mai 1924 herauskam. Da aber die Werbestelle, die an den Vorarbeiten zur Probenummer noch beteiligt war, ohnehin durch ihre sonstigen Aufgaben stark belastet war, beschloss man schon damals, das Werbeblatt auf eine selbständigere Grundlage zu stellen bzw. es – zumal es sich von der Idee her um ein »Börsenblatt für das Publikum« handeln sollte – eng an die Redaktion des Börsenblatts anzulehnen.147 Das kostenlose Werbeblatt, dessen Titel von dem augustinischen »Tolle lege!« abgeleitet war, stellte fortan ein wichtiges Element der buchhändlerischen Branchenwerbung dar, dementsprechend setzte sich die Werbestelle auch immer wieder für dessen Verbreitung ein. Die »modern-künstlerische« Ausstattung der im Offsetdruck hergestellten, reich illustrierten Kundenzeitschrift fand offenbar von Anfang an das Interesse und den ungeteilten Beifall nicht nur des Publikums, sondern auch des Verlags und des Sortiments. Ihre hauptsächliche Funktion war die eines Novitätenanzeigers für die Leserschaft; das Sortiment konnte sich – da im Börsenblatt vorab eine Liste der vorgestellten Titel veröffentlicht wurde – in seinen Bestellungen rechtzeitig auf das Erscheinen des Monatsblattes einstellen (abgesehen von der Doppelnummer vor Weihnachten erschien es immer am 15. eines Monats) und einen Firmeneindruck in den georderten Exemplaren veranlassen. Saisonabhängig wurden Schwerpunktthemen wie Reise gesetzt; die Struktur jedes Heftes wurde (in zeitweise wechselnder Abfolge) bestimmt von einem Textteil, dessen erste Abteilung stets Originalbeiträge »berufenster Federn« bringen sollte, einem Abschnitt mit feuilletonistischen Notizen über allerlei Vorfälle aus dem Bereich des Buchwesens sowie einer Reihe von Leseproben, aufgelockert von »kleinen Bücherweisheiten«. Diesen folgte eine Rubrik »Wähle und kaufe!«, in der alle Novitäten des letzten Monats aufgelistet wurden, verbunden mit einem Bestellzettel, der den Einkauf beim Buchhändler vereinfachen sollte. Unter »Weißt Du’s?« wurden die Leser eingeladen, bibliographische Fragen von Mitlesern zu beantworten. Den Abschluss bildete ein Anzeigenteil. Nimm und lies! sollte keine Rezensionszeitschrift sein, doch ging man später zu Sammelbesprechungen oder auch – positiv gestimmten – Einzelkritiken über. Insgesamt hat es den Anschein, dass in der Anlage des Blattes manche Anregung aus den USA übernommen worden ist, mit dem Fragekasten, der die Kundenbindung stärken sollte, aber z. B. auch mit einer weihnachtlichen Bücherwunsch-Abstimmung: »In Amerika ist das längst eine allgemeine Übung. Es bildet sich so eine öffentliche Mei-
145 Gerhard Menz: Was weisst Du vom Buch? Prien: Anthropos 1924. 146 Börsenblatt 92 (1925) 245, Umschlagseite 3. Die Broschüre fand zu einem Preis von 30 Pfennig massenhafte Verbreitung. 147 Nimm und lies! In: Börsenblatt 91 (1924) 115, S. 6943.
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nung des Büchergeschmacks […]. Weshalb auch soll man immer nur von Kritikern und Rezensenten abhängig bleiben.«148 Die erste Nummer von Nimm und lies! wurde in einer Auflage von 70.000 Exemplaren hergestellt, die Weihnachtsnummer 1924 hatte bereits mehr als 100.000. Das Sortiment konnte das Heft für 10 Pfennig beziehen; in aller Regel wurde es gratis an die Kunden abgegeben. Die Redaktion war von der Wirksamkeit des Blattes überzeugt: »Durch Ausstattung und Inhalt ersetzt die neue Werbezeitschrift die Lieferung von Prospekten und Ansichtssendungen, macht alle überhaupt in Frage kommenden Kreise zu Freunden und Käufern des Buches und stellt somit das idealste Werbemittel dar.«149 Zuschriften von Lesern, von denen manche Nimm und lies! sogar sammelten, und von Sortimentern bestätigten, dass die ästhetisch und qualitativ ambitionierte Zeitschrift gut angekommen ist. Kritik und Verbesserungsvorschläge gab es auch; Änderungen wie die Herabsetzung der Insertionspreise oder mehr Rabatt beim Bezug größerer Mengen wurden für 1927 angekündigt.150 Für den Kunst- und den Musikalienhandel waren schon seit 1924 zwei parallele Kundenblätter ins Leben gerufen worden, Du und die Kunst sowie Neue Noten. Beide mussten aber, vor allem aufgrund hoher Kosten, wieder eingestellt werden – Du und die Kunst schon nach zwei Nummern; stattdessen wurde an Nimm und lies! eine Kunstdruckbeilage angehängt. Eine weitere wichtige Maßnahme des Börsenvereins im Bereich der Gemeinschaftswerbung war in den letzten Jahren der Weimarer Republik die Veranstaltung eines »Tags des Buches«.151 Die Werbestelle hatte sich mit dieser Idee bereits wenige Jahre nach ihrer Gründung eingehender auseinandergesetzt; der Verleger und Mitarbeiter der Werbestelle Fritz Schnabel hatte 1925 die Veranstaltung von Büchertagen und Buchwochen propagiert.152 Tatsächlich wurden schon damals regionale oder lokale Buchwochen und -tage abgehalten, allerdings von einzelnen Firmen; ein entscheidender Anstoß für einen nationalen Tag des Buches kam aber mit der in Spanien am Geburtstag Cervantes‘ 1926 erstmals veranstalteten »Fiesta del libro«.153 1929 fand nun, am 22. März, Goethes Todestag, erstmals deutschlandweit ein Tag des Buches statt, über dessen Zielsetzung es eine Vielzahl an Äußerungen gegeben hat, wobei die meisten darin übereinstimmten, dass es sich um eine gute Gelegenheit handele zu zeigen, dass der Buchhandel nicht nur geschäftliche Interessen vertritt, sondern als wichtiger Kulturfaktor einzuschätzen sei. Der Tag wurde durch die schiere Menge der Veranstaltungen sofort zum jährlichen Höhepunkt des buchhändlerischen Branchenmarketings; wechselnde Motti setzten dabei inhaltliche Akzente und fokussierten jeweils unterschiedliche 148 149 150 151 152
Was wünscht du dir? Eine Umfrage. In: Nimm und lies!, 1. Jg., Nr. 6 vom Oktober 1924, S. 1. [Anzeige für Nimm und lies!]. In: Börsenblatt 91 (1924) 114, S. 6952 f. Börsenblatt 93 (1926) 299, Umschlagseite 2. Vgl. zum Folgenden Volpers: Der »Tag des Buches« in der Weimarer Republik. Vgl. Börsenblatt 92 (1925) 154, S. 10728 [Rede auf der Hauptversammlung des Börsenvereins]. Ferner: Schnabel: Büchertage und Bücherwochen; Mittelbach, Franz: Büchertage und Buchwochen. Bemerkungen zu der Schrift von Fritz Schnabel. In: Börsenblatt 92 (1925) 168, S. 11369 ff. Ein späterer Kommentar: Martens, Kurt: Zur Frage der Buchwochen. In: Börsenblatt 95 (1928) 12, S. 50 f. 153 Heß, Albert: Der Tag des Buches. In: Börsenblatt 96 (1929) 244, S. 1119; Zum Tag des Buches. Kurze Vorgeschichte. In: Börsenblatt 100 (1933) 47, S. 130. – Auch das Vorbild italienischer und anderer ausländischer Bücherfeste und -märkte entwickelte eine anregende Funktion.
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Zielgruppen. Das Motto für 1930 lautete »Jugend und Buch«, 1931 »Frau und Buch«, der Tag des Buches 1932 stand ganz im Zeichen des 100. Todestags Goethes, und 1933 konnte das Motto dann nur lauten: »Volk und Buch«. Jeweils am Vorabend fand in einer großen Stadt (1929 Berlin, dann Leipzig, Stuttgart und 1933 wieder Berlin) eine Kundgebung mit einer Ansprache des Reichsinnenministers und weiteren Vorträgen statt; in diesen wurde üblicherweise die Situation des Buches, des literarischen Lebens und der Buchwirtschaft in der Gegenwart beleuchtet. Am 22. März fanden dann im gesamten Deutschen Reich Veranstaltungen unterschiedlichster Prägung statt; Festakte und Feierstunden, Lesungen und Ausstellungen, Vorträgen und Rundfunksendungen. Der Sortimentsbuchhandel beging diesen Tag außerdem mit besonderen SchaufensterDekorationen. An diesem Tag wurden auch im Rahmen des neu gestifteten »Wettbewerbs der 50 schönsten Bücher« die Preisträger-Titel in der Deutschen Bücherei in Leipzig vorgestellt. Vom Erfolg des Tages waren nicht alle Verleger und Buchhändler überzeugt; aus Sortimenterkreisen wurde bemängelt, dass der Termin ungünstig liege, weil er entweder in das Konfirmationsgeschäft, das Schulbuchgeschäft oder in die Ferien falle und weil die Witterung – im Gegensatz zu den südlichen Ländern Europas – Verkäufe im Freien, Umzüge auf den Straßen und die Nutzung mancher populärer Werbemittel nicht erlaube.154 Der Verleger Wieland Herzfelde verstand nicht, warum man überhaupt glaubte, dem Buch helfen zu müssen: »Die Qualität der Buchproduktion hat in den letzten Jahren dauernd zugenommen. Das Publikum ist also anspruchsvoller geworden, Schriftsteller und Verleger sind voll beschäftigt […]. Wozu also diese sonderbare Hilfsaktion für das deutsche Buch? Es glaubt natürlich niemand ernsthaft, daß die Jahreseinnahme auch nur eines Autors, Verlegers oder Sortimenters um auch nur 1 Prozent infolge dieses 24StundenBuch-Rennens steigen wird.«155 Herzfelde gehörte mit seiner Sichtweise allerdings einer Minderheit an. Für den Börsenverein, seine Pressestelle und seine Werbestelle brachte der Tag des Buches in jedem Fall einen ungeheuren Arbeitsanfall mit sich; große Mengen an Werbematerial wurden bereit gestellt, Ortsausschüsse für die geordnete Durchführung lokaler Veranstaltungsserien gebildet u. v. a. m. Dieser Einsatz war nur zu leisten, weil alle Beteiligten von seiner Sinnhaftigkeit überzeugt waren: »Die von Jahr zu Jahr steigende Beteiligung von Sortimentsbuchhändlern und Verlegern belegt, daß im Buchhandel die Einsicht in die Notwendigkeit der gemeinschaftlichen Werbung für die Kulturware Buch ständig zunahm. Durch die Mitarbeit führender Politiker, zahlreicher Verbände und weiter Teile der kulturellen Repräsentanz erreichte der ›Tag des Buches‹ eine Dimension, die weit über die einer buchhändlerischen Werbekampagne hinausging.«156 Wie der »Tag des Buches« wurde die gesamte Arbeit der Werbestelle von einzelnen unzufriedenen Buchhändlern immer wieder kritisiert, im Allgemeinen wurde ihr aber doch bescheinigt, bemerkenswerte Erfolge erzielt zu haben, auch im Aufbrechen traditionaler Haltungen: »Aber ganz gewiß hat die als Werbearbeit rubrizierte Tätigkeit des Börsenvereins dazu beigetragen, einen Teil alter Vorurteile […] aufzugeben. Der Buch154 Der Buchhändler-Verband Hannover-Braunschweig 1883 –1933, S. 48. 155 Zum Tag des Buches. Geleitworte deutscher Verleger. In: Die Literarische Welt 8 (1932), Nr. 2 vom 8. Januar 1932, S. 3 –5; hier S. 4. 156 Volpers: Der »Tag des Buches«, S. 81.
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handel wurde in seiner wirtschaftlichen Gebundenheit und seiner Bedeutung für die Bildung richtig gesehen.«157 In der Tat ist die Behauptung nicht zu hoch gegriffen, dass die auf so vielfältige Weise intensivierte Werbung den Buchhandel nachhaltig verändert und ihn offener gemacht hat für die Erfordernisse des modernen Wirtschaftslebens.
Politischer Buchhandel: Der sozialdemokratische Parteibuchhandel Neben dem allgemeinen Sortiment hatte sich schon seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine breit gefächerte Szene von Spezialsortimenten ausgebildet. Besondere Bedeutung hatte der wissenschaftliche Buchhandel gewonnen: Juristische und medizinische, technisch-naturwissenschaftliche, rechts-, staats- und wirtschaftswissenschaftliche, theologische, geistes- und kulturwissenschaftliche und noch andere Fachbuchhandlungen waren im Zuge der fortschreitenden Ausdifferenzierung der wissenschaftlichen Disziplinen und, diesem Prozess folgend oder ihn auch aktiv befördernd, des wissenschaftlichen Verlagswesens entstanden. Diese Firmen erwiesen sich in vielen Fällen als ausgesprochen langlebig. Wenn nun auch nach 1918 noch solche Sortimente errichtet wurden, die bestimmte Fach- und Literaturgebiete mit besonderer Sorgfalt pflegten – unter den Bedingungen eines weiter steigenden Konkurrenzdrucks sprach, namentlich in den größeren Städten, vieles für eine solche Spezialisierung –, so änderte sich die Szenerie des wissenschaftlichen Buchhandels dadurch nicht in entscheidender Weise. Dagegen gewann eine Spezialform des Sortimentsbuchhandels in der von der Zuspitzung ideologischer Gegensätze gekennzeichneten Weimarer Republik eine neue Dimension: der politische Buchhandel. Vor allem die aus der sozialistischen Arbeiterbewegung heraus entstandenen, eigengeprägten Distributionskanäle für Bücher und Broschüren, die im Kaiserreich noch starken Behinderungen ausgesetzt gewesen waren, konnten sich nach der Aufrichtung des ersten deutschen republikanischen Staatswesens – eingebettet in die Organisationsstrukturen der beiden großen linken Parteien SPD und KPD – nunmehr ungehindert entwickeln. Wie angedeutet, waren bereits im wilhelminischen Kaiserreich – herausgewachsen vor allem aus dem sozialistischen Zeitschriftenvertrieb – im Bereich der Arbeiterbewegung Buchvertriebe entstanden, die an die Presseexpedite der einzelnen Blätter angeschlossen waren und hauptsächlich der Verbreitung von Broschüren parteipolitischen Inhalts dienten; eine klare Trennung zwischen Verlags- und Sortimentsstrukturen war kaum noch vorhanden.158 Erst allmählich gewannen diese gemischten Presse- und Buchauslieferungsstellen den Charakter von Buchhandlungen, und dies umso deutlicher, je mehr sich der traditionell »bürgerliche« Buchhandel der Verbreitung von Büchern sozialistischen Inhalts verschloss. Auf diese Weise entstand aus dem in Hinterzimmern betriebenen Broschürenvertrieb ein buchhändlerisches Netzwerk, das beson-
157 Schulz, W. M.: Kulturpropaganda oder Werbung für das Buch! In: Der Neue Stand, 1. Jg. (1931/32), Nr. 4, S. 176 –180; hier S. 180. 158 Vgl. Drahn, Ernst: Vom Büchervertrieb der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. In: Börsenblatt 80 (1913) 4, S. 149. – Vgl. hierzu und zum Folgenden auch Zimmermann: Zur Vorgeschichte, bes. S. 3 –16.
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ders nach der Novemberrevolution 1918 beträchtliche Bedeutung erlangte.159 Denn zu den Büchern und Broschüren der beiden zentralen Parteiverlage J. H. W. Dietz160 und Verlag der Buchhandlung ›Vorwärts‹ kam nun durch zahlreiche Verlagsneugründungen ein rasch wachsendes Angebot an linker Literatur hinzu; die sozialistische Arbeiter(bildungs)bewegung erlebte insgesamt einen Aufschwung, der sich auch im Bereich des Sortimentsbuchhandels widerspiegelte. In der Weimarer Republik waren es dann an die 200 Buchhandlungen, die zum sozialdemokratischen Parteibuchhandel gezählt werden können. Tatsächlich handelte es sich bei den in Berlin, Dortmund, Frankfurt am Main, Hamburg und Leipzig, aber auch in Bielefeld, Bochum, Hannover, Kassel, Nürnberg, Stuttgart und noch an vielen anderen Orten (Chemnitz und Magdeburg galten als Musterbetriebe) entstandenen Volksbuchhandlungen um Zweigbetriebe der regionalen Parteiorganisationen. Die Buchhandlungen agierten selbständig und hatten zunächst kaum Kontakt untereinander, doch rief Walter Boritzka, der Geschäftsführer des J. H. W. Dietz Nachf.-Verlages in Berlin, 1924 ein »als Manuskript gedrucktes«, aber geradezu bibliophil ausgestattetes Diskussionsorgan Links der Zunft ins Leben, das den ersten Versuch einer Verständigung innerhalb dieser Buchhandelssphäre darstellte, die sich – wie bereits im programmatischen Titel zum Ausdruck gebracht wurde – als eine außerhalb des traditionellen Buchhandels angesiedelte Sonderstruktur betrachtete.161 Obgleich es nur in wenigen Nummern erschien und in erster Linie der Buchwerbung des seit 1922/23 mit dem Vorwärts Verlag fusionierten Dietz Verlags diente, gab dieses Blatt Links der Zunft doch den Anlass zu einem losen Zusammenschluss der sozialdemokratischen Buchhandlungen, der als Vorläufer zu der ›Gruppe Sozialistischer Buchhändler und Verleger‹ betrachtet werden kann, die sich 1947 bildete. Einen starken Impuls empfing dieses Vertriebssystem durch die von der SPD ebenfalls 1924 begonnene und am 31. März 1925 abgeschlossene Umstrukturierung der Parteibetriebe, in deren Rahmen sämtliche (bisher als Genossenschaften oder OHGs geführten) Druckerei- und Verlagsbetriebe der Sozialdemokratie unter das Dach einer Holding ›Konzentration AG‹ gebracht wurden. Die Dachgesellschaft sollte die Beratung in technischen, kaufmännischen, auch steuerrechtlichen Fragen übernehmen, eine rationelle Einkaufsorganisation gewährleisten und unter bestimmten Bedingungen auch finanzielle Unterstützung von Betrieben leisten. Zum Direktor dieses SPD-Medienimperiums wurde Adolf Rupprecht bestellt, der seine in der Genossenschaftsorganisation gesammelte Managementerfahrung dafür einsetzen wollte, die bis dahin unwirtschaftlich arbeitenden Unternehmen zu reorganisieren. Dazu wurde auf der Leipziger Buchmesse 1925 ein elfköpfiger Beirat eingesetzt, dem neben Rupprecht selbst sowie 159 Vgl. auch den Abschnitt »Sozialistischer Buchhandel« in: van Melis: Die Buchgemeinschaften in der Weimarer Republik, S. 23 –28. 160 Zum Dietz Verlag siehe Emig/Schwarz/Zimmermann: Literatur für eine neue Wirklichkeit; Graf/Heidermann/Zimmermann: Empor zum Licht! 125 Jahre Verlag J. H. W. Dietz Nachf. 161 Vgl. den Bericht von Walter Kumpmann: »Der allgemeine Buchhandel sperrte sich gegen diese Literatur, so daß man von einer fast vollkommen selbständigen Sparte des Buchhandels, von einem ›Buchhandel im Buchhandel‹ sprechen kann, in weit stärkerem Maße noch, als wir dies vom evangelischen und katholischen Buchhandel können.« (Kumpmann: Rückblick auf die Geschichte des sozialistischen und des christlichen Buchhandels, S. 16.)
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Delegierten des Parteivorstands und der Parteibetriebe auch Vertreter des sozialdemokratischen Verlagswesen und des sozialdemokratischen Sortimentsbuchhandels angehörten, der damals 102 Buchhandlungen mit 70 Filialen umfasste. Dieser Beirat veröffentlichte im März 1926 Leitsätze für den Betrieb von sozialdemokratischen Parteibuchhandlungen, in denen eine weitere Professionalisierung und eine stärkere – wenn auch nicht einseitige – Orientierung der Geschäftstätigkeit an kaufmännischen Grundsätzen (vorteilhafter Einkauf, gute Buchführung, Kostenreduktion) gefordert wurde.162 Diese Leitsätze, mit denen »der Betrieb lukrativ gestaltet werden [könne], ohne daß der Charakter einer sozialdemokratischen Buchhandlung verloren geht«,163 sollten umgesetzt werden, indem an der Spitze der Konzentration AG eine eigene Koordinationsstelle eingerichtet wurde. Diese wurde mit dem Breslauer Buchhändler Fritz Ulbrich besetzt, der ab 1928 das einmal monatlich, ab 1930 jährlich in sechs Doppelnummern erscheinende Mitteilungsblatt Der Sozialistische Buchhändler redigierte, mit dem sich die Kommunikation unter den Volksbuchhandlungen merklich intensivierte. Damit war nicht nur eine Informationsplattform gegeben, mit der Schulungstermine oder Werbeaktionen bekanntgemacht werden konnten; es entwickelte sich auch ein Erfahrungsaustausch durch Berichterstattung über aktuelle, lokal auftretende Probleme und davon angestoßene Diskussionsprozesse. Darüber hinaus wurde von Ulbrichs Koordinationsstelle auch ein wöchentliches Rundschreiben versandt, das funktional als ein Pendant zum Börsenblatt betrachtet werden kann, indem dieses Mitteilungsblatt Neuerscheinungen (durchaus auch aus »bürgerlichen« Verlagen) anzeigte, ebenso Rabattaktionen und verfügbare Restauflagen.164 Im Sinne der Professionalisierungsbestrebungen wurde von Ulbrich bereits seit 1925 und verstärkt seit 1930 ein von der Konzentration AG finanziertes systematisches Schulungskonzept in Gang gebracht, mit dem der buchhändlerische Nachwuchs – meist Autodidakten – mit Gesichtspunkten der rationellen Betriebsführung vertraut gemacht wurden; 1930 haben an vier regionalen Fortbildungskursen von jeweils dreieinhalb Tagen 108 Parteibuchhändler teilgenommen.165 Erklärtes Ziel dieser Fortbildung war es, die Unterschiede zwischen den Methoden des Zeitungsvertriebs und der Arbeitsweise des Buchhändlers aufzuzeigen, vor allem aber den sozialistischen Buchhandel aus seinem Ghetto herauszuholen. Die Parteibuchhandlungen, von denen nur jede vierte als mit dem bürgerlichen Buchhandel konkurrenzfähig bezeichnet werden konnte, sollten den Anschluss an den regulären Buchhandel suchen, also auch von dessen Verkehrseinrichtungen und Bezugsformen Gebrauch machen und sich ins Adressbuch des Deutschen Buchhandels eintragen lassen, nach Möglichkeit auch dem Börsenverein beitreten. Bei allem kaufmännischem Denken sollten jedoch keinerlei Konzessionen an den 162 Zimmermann: Zur Vorgeschichte, S. 11. 163 Die gegenwärtige Lage und die nächsten Aufgaben des sozialdemokratischen Parteibuchhandels. Berlin 1928, S. 26; zit. n. Zimmermann: Zur Vorgeschichte, S. 11. 164 Von 1926 –1933 gab der Reichsauschuss für sozialistische Bildungsarbeit auch eine Zeitschrift für sozialistische Buchkritik heraus, in der Publikationen linker Verlage besprochen und empfohlen wurden. 165 Bericht über die Tätigkeit im Geschäftsjahr 1930. Hrsg. Konzentration AG. Berlin 1931, S. 12, zit. n. Zimmermann: Zur Vorgeschichte, S. 12. Vgl. auch (F.U.): Ausbildung sozialistischer Buchhändler. In. Sozialistische Bildung, Jg. 5, Nr. 5, Mai 1930, S. 154 f.
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seichten bürgerlichen Literaturgeschmack à la Courths-Mahler gemacht werden.166 In der Zeitschrift Der Sozialistische Buchhändler wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass »bei aller Notwendigkeit, Geschäfte zu machen«, nicht ein »aus dem bürgerlichen Lager kommender ›Schlager‹« die »Erfüllung sozialistischen Wollens« sein könne; der Parteibuchhändler habe vielmehr auf allen Gebieten ausschließlich das zu propagieren, was der Förderung sozialistischen Bewusstseins diene; der Parteibuchhandel sei der »Hebel zum Sozialismus«.167 Ein Geschäftsbericht aus dem Jahr 1930 zeigte, dass die ökonomischen Ziele damals noch nicht erreicht waren: Die damals 108 Buchhandlungen mit ihren 107 Filialen (zusammen 215 Buchläden) hatten in diesem Geschäftsjahr einen Verlust von 203.466 Mark erwirtschaftet, bei einem Verkaufserlös von 4,288 Millionen Mark und einem Warenbestand im Wert von 1,943 Millionen Mark.168 Eine im Januar 1931 in Gang gebrachte Initiative sollte den Parteibuchhandel in die Gewinnzone bringen: Eine vom Parteiausschuss beschlossene Richtlinie sah den Einsatz von tausenden Literaturkolporteuren, die – mit den Buchläden als Stützpunkten – den Vertrieb von politischen Broschüren ankurbeln sollten.169 Die wirtschaftlichen Verhältnisse ließen aber einen Erfolg dieses neuen Konzepts kaum zu, auch wenn der Absatz agitatorischer Literatur in dieser Zeit der sich zuspitzenden Konfrontation der politischen Kräfte zunahm. Im Gesamtbild der Buchhandelsgeschichte der Weimarer Republik stellt der sozialdemokratische Parteibuchhandel aber doch einen wichtigen Mosaikstein dar, allein schon durch die aufopferungsvolle, von Begeisterung getragene Tätigkeit vieler Buchhändler, in der sich die hohe Wertschätzung widerspiegelte, die dem Buch seitens der Arbeiterbildungsbewegung entgegengebracht wurde.170 Schließlich ist auch die Leistung nicht zu unterschätzen, die von diesem (mit dem konventionellen Buchhandel bis zuletzt nur lose verbundenen) Buchhandelsnetz in der Vermittlung von Lektüre erbracht worden ist, in Schichten hinein, die eine »bürgerliche« Buchhandlung nicht betreten hätten. Diese Leistung lässt sich an der Buchhandlung ›Volkszeitung‹ in Mainz illustrieren, die in vielerlei Hinsicht für den sozialdemokratischen Parteibuchhandel als exemplarisch gelten kann.171 Den Entstehungshintergrund bildete die 1890 gegründete Mainzer Tageszeitung Volkszeitung, das Publikationsorgan der örtlichen Sozialisten; ein Handel mit Büchern fand erst ganz allmählich und dann zunächst nur im Hinterhaus des 1906 bezogenen Unternehmenssitzes statt. Ein Umbau bzw. eine Erweiterung der Geschäftsräume machte es ab August 1925 möglich, den Verkauf von Büchern und Zeitungen in 166 Die gegenwärtige Lage und die nächsten Aufgaben des sozialdemokratischen Parteibuchhandels. Berlin 1928, S. 16 f., zit. n. Zimmermann: Zur Vorgeschichte, S. 14. 167 Der Sozialistische Buchhändler 3. Jg., Nr. 3/4 vom März/April 1930 (Anm. der Redaktion zum Jahresbericht einer Parteibuchhandlung). Vgl. auch Fritz Ulbrich: Allgemeiner Buchhandel oder Parteibuchhandel. (Ein notwendiges Schlusswort zu unseren diesjährigen Kursen). In: Der Sozialistische Buchhändler 3. Jg., Nr. 7/8 vom Juli/August 1930, S. 1 –3. 168 Die sozialdemokratische Parteipresse im Geschäftsjahr 1930. Berlin 1931, zit. n. Zimmermann: Zur Vorgeschichte, S. 14. 169 Vgl. hierzu: 10.000 neue Helfer. In: Der Sozialistische Buchhändler 4. Jg., Nr. 3/4 vom März/April 1931, S. 1. 170 Zu den Memoiren sozialdemokratischer Buchhändler vgl. auch die Hinweise bei StuckiVolz: Der Malik-Verlag, S. 155, Fn. 40. 171 Vgl. zum Folgenden Holzträger: Die Buchhandlung »Volkszeitung« in Mainz.
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einem Straßenlokal im Vorderhaus unterzubringen. Der Laden fungierte als Kommissionsbuchhandlung für den Dietz Verlag und den Vorwärts Verlag und führte neben Agitationsschriften und populärwissenschaftlichen Schriften auch preisgünstige Klassikerausgaben und typische Arbeiterliteratur. Akzente im Sortiment dürften auch proletarische Kinder- und Jugendbücher sowie Bücher für Anhänger der Freikörperkultur gesetzt haben. Ebenso charakteristisch wie dieses Bücherangebot war es aber auch, dass die Buchhandlung gängige Literatur aus dem bürgerlich-konservativen Lager führte, wie etwa Reisebeschreibungen von Friedrich Gerstäcker oder Romane und Erzählungen von Peter Rosegger und Gustav Freytag. Eine zusätzliche Einnahmequelle ergab sich auf dem »Non-book«-Sektor, u. a. durch den Verkauf von Fahnen. Und nicht zuletzt war die Buchhandlung »Volkszeitung« Anlaufstelle für die Mitglieder der Buchgemeinschaft Der Bücherkreis. Der 1924 gegründete Bücherkreis war neben bzw. nach der Büchergilde Gutenberg einer der bedeutendsten linken Buchklubs der Weimarer Republik; er erreichte 1927 einen Mitgliederstand von mehr als 44.500 und brachte bis 1933 insgesamt 71 – überwiegend belletristische, teils auch populärwissenschaftliche – Titel in 99 Bänden heraus.172 Für den Vertrieb baute er ein dichtes Netz von Zahlstellen auf (1926 waren das bereits 360, mit 1.023 Unterzahlstellen), wobei er sich hauptsächlich der Läden des sozialdemokratischen Parteibuchhandels bediente, aber auch der Geschäftsstellen der SPD. Monatlich war eine Mark zu bezahlen, vierteljährlich ein Buch und ein Heft zu beziehen. Die Mitglieder konnten in den Buchhandlungen die Quartalsbände selbst abholen. Als eine Besonderheit in der Organisationsform dieser Buchgemeinschaft konnte gelten, dass der Bucherwerb spätestens seit 1929 auch für Nichtmitglieder möglich war – aber eben nur über eine Buchhandlung und zu einem höheren Preis. Durch ihre Funktion als Bücherkreis-Zahlstellen konnten die SPD-Buchhandlungen – wie auch schon durch den Verkauf von Tageszeitungen – ihre Kundenfrequenz bedeutend erhöhen; die Parteibuchhändler zeigten sich überzeugt, dass es sich beim Bücherkreis mit seinem »billigen, geschmackvoll ausgestatteten Lesestoff« um ein gutes Mittel handle, »um an die große und breite, aber auch indifferente Masse heranzukommen, um sie literarisch zu interessieren und vor allem in unserem Sinne zu erziehen.« Auch sei zu konstatieren, »daß auch das weitere Büchergeschäft vom Bücherkreis sehr befruchtet wird«.173
Der kommunistische Buchhandel Mehr noch als die Sozialdemokratie waren die Kommunisten von allen traditionellen Formen des Buchvertriebs ausgeschlossen. Bereits auf ihrem zweiten Parteitag 1919 beschloss die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) daher die Einrichtung eines 172 Zum Bücherkreis vgl. van Melis: Die Buchgemeinschaften in der Weimarer Republik, S. 149 – 229, bes. S. 173 ff. Vgl. ferner den Beitrag van Melis: Buchgemeinschaften in diesem Band, S. 553 –588. 173 Ein erfolgreicher Parteibuchhändler über den Bücherkreis. In: Der Sozialistische Buchhändler, 3. Jg., Nr. 7/8 vom Juli/August 1930, S. 3 f. (Bei dem erfolgreichen Parteibuchhändler handelte es sich um R. Döbbelin von der Chemnitzer Parteibuchhandlung, die »trotz der schlechten Wirtschaftslage gerade im Chemnitzer Gebiet im Laufe des letzten Jahres 800 neue Bücherkreismitglieder geworben« hatte).
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»Literarischen Büros«, das den Aufbau eines eigenen Herstellungs- und Verteilungsapparates lenken sollte.174 Ihre Schriften und Broschüren wurden anfänglich über ehrenamtlich agierende Kolporteure vertrieben, die in den Betrieben oder von Haus zu Haus gingen, auch direkt auf der Straße verkauften oder einzelne Buchläden belieferten, die bereit waren, das Propagandaschrifttum der Partei auszulegen. Mitte der zwanziger Jahren wurde diese Vertriebsart erweitert durch den Aufbau eines Netzwerks von Literaturvertriebsstellen, die an die örtlichen Parteizentralen angeschlossen waren und die Aufgabe hatten, sowohl die Parteigenossen direkt wie auch die inzwischen zunehmende Zahl von Parteibuchhandlungen mit der Produktion der KP-Verlage zu beliefern. Zwar entwickelte sich das System der KPD-Buchhandlungen weder in Umfang noch in Leistungsfähigkeit so gut wie das sozialdemokratische, doch gelang es, in fast allen großen und mittleren Städten Deutschlands solche parteieigenen Buchläden zu errichten; insgesamt dürften es mehrere Dutzend gewesen sein.175 Ein 1925 in der Kulturschau, dem kurzlebigen Organ der Vereinigung linksgerichteter Verleger veröffentlichtes »Verzeichnis linksgerichteter Sortimenter« enthielt 78 Firmen, doch umfasste es neben KP-orientierten auch sozialdemokratische Buchhandlungen, ebenso wie syndikalistische, freidenkerische und solche weiterer linker Splittergruppen.176 Immerhin vermittelt das Verzeichnis eine Vorstellung davon, welche Sortimenter damals über engere Parteigrenzen hinaus mit ihrer Tätigkeit dem Aufbau einer linken Gegenöffentlichkeit dienen wollten. Die kommunistischen Parteibuchhandlungen hatten offenbar mit erheblichen Problemen zu kämpfen, zu denen zunächst schon eine gewisse Aversion gegenüber einem wirtschaftlichen Geschäftsgebaren und wohl auch eine mangelnde Ausbildung in Sachen Buchhaltung gehörten. Besonders die Verlage aus dem eigenen ideologischen Lager wurden das Opfer einer schlechten Zahlungsmoral; offenbar hielt man es seitens der KP-Buchhandlungen, die ohnehin auf permanente Zuschusszahlungen durch die Partei angewiesen waren, für nicht notwendig oder jedenfalls nicht dringlich, die gelieferten Bücher zu bezahlen.177 Versuche, den Problemen mit einer gemeinsamen Absatzordnung beizukommen, scheiterten. Insgesamt herrschte in diesem Bereich auch durch die diversen Richtungskämpfe innerhalb des deutschen Kommunismus und die wechselnden Direktiven seitens der Parteileitung ein solches Klima der Unruhe, dass eine Aufbauarbeit im Buchhandel der äußersten Linken nur unter großen Schwierigkeiten geleistet werden konnte. Dennoch haben einige Buchhandlungen in Berlin wie auch an anderen Orten – die Buchhandlung VIVA in Düsseldorf oder die Marxistische Arbeiterbuchhandlung (»Litteraturstelle der Agitprop der kommunistischen Bezirksleitung Südbayerns«)178 eine nicht unbeträchtliche Bedeutung, auch als lokale Kommuni174 Vgl. zum Folgenden Stucki-Volz: Der Malik-Verlag und der Buchmarkt der Weimarer Republik, S. 157 f., 162 –164. 175 Stucki-Volz, S. 163. 176 Kulturschau. Allgemeiner Anzeiger für die linksgerichtete Literatur. H.4, Ausgabe B, 1925, S. 29 f. (vgl. auch den Reprint in: Publikationen der Vereinigung linksgerichteter Verleger, S. 101 f.). Der verantwortliche Redakteur Arthur Wolf, auch Vorsitzender der Vereinigung linksgerichteter Verleger, betrieb in Leipzig einen Verlag für proletarische Freidenkerliteratur. 177 Stucki-Volz: Der Malik-Verlag und der Buchmarkt der Weimarer Republik, S. 163. 178 Vgl. hierzu Wittmann: Hundert Jahre Buchkultur in München, S. 147 f.
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kations- und Propagandazentralen, entwickelt. Oft waren es aber die Verlage, die für eine Verbesserung der Vertriebs- und Absatzverhältnisse die Initiative ergriffen und z. B. 1929 zu einer »Woche des proletarischen Buches« aufriefen (als Pendant zum »Tag des Buches«). 1930–1932 wurde gar ein »Monat des proletarischen Buches« mit Autorenlesungen und Vorträgen begangen; außerdem wurden Bücherbuden vor Betrieben, Arbeiterlokalen und Stempelstellen für Arbeitslose aufgestellt.179 Eine Erfolgsgeschichte wie jene des von Willi Münzenberg mit Hilfe der Kommunistischen Internationale aufgebauten Presse- und Buchverlagskonzerns entwickelte sich auf der Ebene des Buchhandels aber auch in der Endzeit der Weimarer Republik nicht mehr. Außerhalb der Parteiorganisation stehend, aber ein entschieden für die kommunistische Sache eintretendes Unternehmen war Wieland Herzfeldes Malik Verlag. Er nutzte auch den Literaturverteilungsapparat und das Buchhandelsnetz der KPD, wenn dies für ihn auch oft genug mit ärgerlichen Erfahrungen verbunden war. Mit seinen marktgängigen Büchern gehörte er wohl zu den Verlagen, die all die Jahre hindurch von der Unzuverlässigkeit der KP-Vertriebsstellen und Buchhandlungen am stärksten negativ betroffen gewesen sind.180 Da außerdem die Literaturvertriebsstellen, wie erwähnt, auch direkt an Parteimitglieder verkauften und sich dabei nicht an den festen Ladenpreis hielten, also die Preisbindung unterliefen, verzichtete er als Mitglied des Börsenvereins in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre auf deren Belieferung. Ohnehin schätzte er die straffe Organisation des regulären Buchhandels mehr als die vielfach inkompetent geführten KPD-Buchläden, zumal er über letztere nur einen Bruchteil dessen verkaufte, was er über bürgerliche und sozialdemokratische Buchhandlungen absetzen konnte. Vor diesem Hintergrund erscheint es doppelt bemerkenswert, dass es damals ausgerechnet der kommunistische Verleger Herzfelde war, der die entschieden modernste Buchhandlung Deutschlands überhaupt errichtet hat. Möglich war dies aufgrund der großzügigen mäzenatischen Unterstützung durch H. C. Stark, Besitzer einträglicher Wolfram-Gruben, der ein leidenschaftliches Interesse für Bücher hatte und Herzfelde nicht nur eine Summe von 50.000 Mark zukommen ließ, sondern bereitwillig weitere Wechsel unterschrieb.181 Mit seiner Hilfe konnte der Verlag am 1. April 1923 Räumlichkeiten in bester Berliner Innenstadtlage beziehen. Zugleich bot sich die Möglichkeit, an dieser Adresse, Köthener Straße 38, eine Buchhandlung mit angeschlossener Kunstgalerie einzurichten. Es war auch Starks Finanzierungsbereitschaft zu verdanken, dass Herzfelde zwei renommierte Berliner Architekten mit der Gestaltung der Inneneinrichtung betrauen konnte, die ganz nach seinen Wünschen ausgeführt werden und an »moderner Schönheit und Zweckmäßigkeit« alles übertreffen sollte: »Im ganzen Laden sollte es kein Buch geben, das der Kunde nicht leicht, ohne Hilfe eines Verkäufers oder gar einer Leiter, vor Augen bekommen und zur Hand nehmen konnte, obgleich die
179 Vgl. Stucki-Volz: Der Malik-Verlag und der Buchmarkt der Weimarer Republik, S. 158. 180 Stucki-Volz (S. 163) hat im Wieland-Herzfelde-Archiv allein für 1924 13 Zahlungsaufforderungen des Malik-Verlags an säumige Parteibuchhandlungen gefunden, daneben noch mehrfache Aufforderungen an KPD-Zentralen, Außenstände zu übernehmen oder die Bezahlung zu veranlassen. Vgl. auch Stucki-Volz, S. 181 f. 181 Vgl. zum Folgenden Stucki-Volz, S. 53 –59; auch S. 180. Vgl. ferner Faure: Im Knotenpunkt des Weltverkehrs, S. 178 –184.
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Regale mehr als drei Meter hoch waren und bis unter die Decke reichten.«182 Erreicht wurde dies mittels Schweberegalen, die sich mit einer vom Kunden zu bedienenden Kurbel fahrstuhlartig nach unten und oben bewegen ließen. Damit konnte Herzfelde sein Vorhaben verwirklichen, mit einem solchen »politisch wie künstlerisch tonangebenden Unternehmen«, einer »noch nie dagewesenen Buchhandlung« in Konkurrenz zum bürgerlichen Buchhandel zu treten und zu beweisen, dass dessen ablehnende oder reservierte Haltung gegenüber der linken Literatur »nicht nur unwürdig, sondern auch geschäftlich überholt« sei.183 Tatsächlich erregte die Malik-Buchhandlung, deren Eröffnung im Dezember 1923 mit größtem Werbeaufwand monatelang angekündigt worden war, enormes Aufsehen; an einem Augusttag 1924 war die Menschenansammlung vor den drei Schaufenstern des Geschäfts so groß, dass die Polizei den Platz räumen musste.184 Auch die Galerie, die mit Bildern des Herzfelde-Freundes und MalikMitbegründers George Grosz eröffnet und danach auch als »Galerie Grosz« bezeichnet wurde, fand Beachtung; es wurden dort Arbeiten von Malik-Buchillustratoren gezeigt, mit der Möglichkeit signierte Ausgaben und Mappen zu erwerben.185 Aber nicht nur in der Ausstattung erhob sich die Malik-Buchhandlung weit über das durchschnittliche Niveau der Berliner Buchhandlungen: Herzfelde hatte auch den Anspruch, eine möglichst vollständige Sammlung progressiver Literatur anbieten zu können und konnte dazu nach einem Jahr des Sammelns tatsächlich einen mehr als 300 Seiten starken Gesamtkatalog der Malik-Buchhandlung im Druck herausbringen, der in 34 Abteilungen, die genau der Aufstellung im Laden entsprachen, einen breiten Querschnitt über Werke der Klassiker, deutsche und ausländische Gegenwartsliteratur, Bücher aus unterschiedlichsten Wissenschaftsbereichen, besonders der historischen und soziologischen Literatur, aber auch Sachpublikationen zu Sport oder Hygiene, Kinderund Jugendliteratur u. v. a. m. anbieten; das Register umfasste die Namen von rund 1.700 Autoren. Das zeitgenössische Publikum zeigte sich, weit über die typische MalikKlientel hinaus, beeindruckt; der Katalog wurde sogar im Börsenblatt, das der linken Buchhandelsszene sonst wenig Sympathie entgegenbrachte, geradezu hymnisch besprochen. Unter expliziter Ausklammerung der politischen Aspekte bekundete der Rezensent sein Erstaunen darüber, was der Kundschaft hier geboten wurde: »Welcher deutsche Sortimentskatalog könnte ein interessanteres Inhaltsverzeichnis bieten? […] er ist ein bewundernswertes, reichhaltiges und wirkungsvolles Werbemittel zum Kauf von Büchern.«186 Allerdings blieb der Höhenflug der Malik-Buchhandlung eine Episode: da bereits Ende 1925 der Mietvertrag vom Vermieter nicht verlängert wurde – nicht zuletzt wegen 182 Wieland Herzfelde: Nachwort. In: Gesamtkatalog der Malik-Buchhandlung A. G. Reprint der Ausgabe Berlin 1925. Leipzig Zentralantiquariat 1976, S. VII. 183 Herzfelde, S. VI. 184 Stucki-Volz: Der Malik-Verlag und der Buchmarkt der Weimarer Republik, S. 58. – Die Ansammlung hatte sich vor den zum 10. Jahrestag des Kriegsausbruchs ausgestellten Büchern, Dokumenten und Fotomontagen John Heartfields gebildet. 185 Stucki-Volz, S. 57. 186 (S.): [Rez.] Gesamtkatalog der Malik-Buchhandlung A.-G., Berlin. In: Börsenblatt 92 (1925) 228, S. 14624. Vgl. auch Stucki-Volz: Der Malik-Verlag und der Buchmarkt der Weimarer Republik, S. 57.
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des unerwünschten Aufsehens, dass die Buchhandlung erregt hatte –, war der Verlag zum Umzug (nach Berlin-Charlottenburg) und zur Aufgabe des Buchladens gezwungen. Die Inneneinrichtung konnte zum größeren Teil und zu guten Bedingungen an den Mietnachfolger, die Deutsche Buchgemeinschaft, verkauft werden.
Buchhandlungen im Bereich rechtsextremer Strömungen München konnte als ein Zentrum rechtsgerichteter Verlage und auch Buchhandlungen gelten. Eine ›Fortschrittliche Buchhandlung‹ in München-Solln lieferte bereits seit Beginn der 1920er Jahre u. a. die im Selbstverlag erschienenen Schriften General Ludendorffs aus; 1929 errichtete Ludendorff selbst eine »Volkswarte«-Buchhandlung, in der u. a. die Bücher und Broschüren des Tannenberg-Bundes vertrieben wurden, »in denen die gemeinsame Weltverschwörung von Jesuiten, Juden und Freimaurern enthüllt wurde.«187 Auch der Parteiverlag der NSDAP unterhielt in München eine ›Deutschvölkische Buchhandlung‹, die sie als Propagandazentrum nutzte; dies umso mehr, als die meisten Buchhandlungen (anders als kleine, »auchbuchhändlerische« Papiergeschäfte) sich der Verbreitung der völkischen und nationalsozialistischen Pamphlete verweigerten.188
Konfessioneller Buchhandel: Der evangelische Buchhandel An den regulären Buchhandel haben sich neben politischen auch unter religiös-weltanschaulichen Vorzeichen entstandene Strukturen der Literaturproduktion und -distribution angelagert. Auf diese Weise waren, sich jeweils auch organisatorisch formierend, ein evangelischer und ein katholischer Buchhandel entstanden. Bereits 1895 war in Berlin eine örtliche Vereinigung christlicher Buchhändler in Berlin gegründet worden, dem 1906 ein überregionaler Verband evangelischer Buchhändler folgte.189 1924 bildete dieser Verband gemeinsam mit dem (seit 1886 in Leipzig bestehenden) Verein von Verlegern christlicher Literatur eine Arbeitsgemeinschaft, als deren Ergebnis 1925 die Vereinigung Evangelischer Buchhändler gegründet wurde. Die Vereinigung, die in einem Zweikammer-System sowohl Buchhändler wie Verleger unter einem organisatorischen Dach vereinigte und so für den Interessenausgleich sorgte, entfaltete in der Folgezeit unter den Vorsitzenden Wilhelm Maus und Ernst Fischer eine rege und produktive Tätigkeit – dies trotz der spezifischen Schwierigkeiten, die sich aus der Heterogenität des evangelischen Lagers ergaben, das neben den landeskirchlichen Gruppen auch freikirchliche Gemeinschaften und freie evangelische Gemeinden mit z. T. pietistischer Ausrichtung in sich vereinigte.190 Ausgebaut wurde vor allem die Werbung für das christliche Schrifttum, u. a. mit neu bearbeiteten Katalogen und einer Vielzahl anderer Werbemittel. So etwa wurde der 187 Wittmann: Hundert Jahre Buchkultur in München, S. 136. 188 Wittmann, S. 137 f. 189 Vgl. hierzu und zum Folgenden: Der evangelische Buchhandel, bes. Karl Möbius: Die evangelischen Buchhändler-Vereine, S. 23 – 48. 190 Vgl. die zeitgenössische Beschreibung von Fick: Der evangelische Buchhandel. Bausteine zu seiner Geschichte.
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1923 erstmals erschienene Katalog Über den Tag hinaus zum Hauptverzeichnis aufgebaut, das seit 1926 systematisch an 16.000 Pfarrer versandt wurde. Auch einzelne Firmen haben solche Informationsmittel bereitgestellt; als Beispiel sei der Theologische Handkatalog von Vandenhoeck & Ruprecht genannt. Für die Betreuung der evangelischen Volks- und Gemeindebibliotheken war ein unter Mitwirkung des evangelischen Buchhandels entstandener, 1929 erschienener Volksbüchereikatalog gedacht. 1920 – 1938 brachte die Vereinigung von ihrer seit 1924 in Braunschweig und seit 1927 in Leipzig angesiedelten Geschäftsstelle aus Mitteilungen heraus, in denen sich – vor allem in den abgedruckten Protokollen und Jahresberichten – der gesamte Tätigkeitsbereich der Organisation spiegelt. Die Mitglieder tauschten sich dort über Themen aus, die den evangelischen Buchhandel in spezifischer Weise betrafen, so etwa die von der Erweckungsbewegung in Gang gebrachte Schriftenmission, die eine Fülle von (über freiwillige Helfer von Haus zu Haus verbreiteten) Pfennigblättern erzeugte. Die Buchhändler waren über diesen Einbruch in ihre Käuferkreise immer wieder verärgert, ebenso wie über andere Formen der Umgehung des Buchhandels, wie sie durch Kolportagehandel oder auch häufig mit der Verbreitung von Bibeln, Andachtsbüchern oder Kalendern über die Pfarrer erfolgte. Schon die 1895 errichtete Vereinigung christlicher Buchhändler in Berlin hatte nicht zufällig in § 1 ihrer Satzung eine doppelte Zweckbestimmung formuliert: die »Verbreitung der christlichen Weltanschauung durch Schrift und Bild nach Möglichkeit zu fördern und jeden nach den buchhändlerischen Gebräuchen unerlaubten Vertrieb christlicher Schriften zu bekämpfen.«191 Das Problem, dass sich das von Innerer Mission und Gemeinschaftsbewegung in Gang gesetzte und von Pastoren und freiwilligen Helfern gestützte Netz von »Schriftenniederlagen« unter Missachtung aller buchhändlerischen Vorschriften enorm ausgedehnt hatte, begleitete den evangelischen Buchhandel auch in der Zeit der Weimarer Republik. Eine wichtige Maßnahme bedeutete daher die von der Vereinigung 1925 in Kraft gesetzte Wiederverkaufsordnung, mittels welcher der Verkehr mit den Schriftenniederlagen und Büchertischen geregelt werden sollte. Die Regelung sah Lieferungs- und Rabattbedingungen sowohl für gewerbsmäßige Wiederverkäufer wie auch für jene vor, die nur gelegentlich religiöse Schriften vertrieben. Zudem wurde eine (seit 1926 von der Württembergischen Bibelanstalt in Stuttgart verwaltete) Stammrolle angelegt, die schließlich 8.000 – 9.000 Adressen umfasste – »ein Beleg dafür, welchen Umfang der Schriftenvertrieb außerhalb des regulären evangelischen Buchhandels angenommen hat«.192 Zum Vergleich: Um 1930 zählte die Vereinigung evangelischer Buchhändler 274 Mitglieder (beider Sparten), von denen 120 auch Mitglieder des Börsenvereins waren.193 Darüber hinaus betätigte sich die Vereinigung erfolgreich als Veranstalterin von Freizeiten für Jungbuchhändler; die Ideen Eugen Diederichs waren in diesem Bereich auf besonders fruchtbaren Boden gefallen (Ernst Fischer, Leiter der Agentur des Rauhen Hauses in Bremen, hatte ähnliche Gedanken zur Nachwuchsgewinnung bereits vor dem Ersten Weltkrieg propagiert). 1923 erstmals abgehalten, entwickelten sich die Jungbuchhändlerfreizeiten zu einer bis 1935 beibehaltenen, ständigen Einrichtung; neben dieser Form der Förderung des buchhändlerischen Nachwuchses kam es – wie 191 Der evangelische Buchhandel, S. 28 f. 192 Der evangelische Buchhandel, S. 41. 193 Adressbuch des Deutschen Buchhandels 1931, Abt. II, S. 17.
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1925 in Stolberg – auch zu »Cheffreizeittagungen«, mit entschieden gemeinschaftsbildender Funktion. Diskutiert wurde auch das Verhältnis der Verlage zu den evangelischen Pressvereinen sowie den (nicht sonderlich erfolgreichen) Buchgemeinschaftsgründungen; auch die Frage nach Aufgaben und Grenzen der öffentlichen Kritik am evangelischen Buch wurde aus gegebenen Anlässen aufgeworfen. Dem Kampf gegen Schmutz und Schund wurde, wie bereits im Kaiserreich, große Bedeutung beigemessen; so wurde der Vorstand des Börsenvereins 1924 in einem offenen Brief davor gewarnt, den Anzeigenteil des Börsenblatts Verlegern von Schmutzliteratur zugänglich zu machen.194
Der katholische Buchhandel Im katholischen Bereich war es im Vergleich zum Protestantismus vielfach zu Parallelentwicklungen gekommen, da sich die Verhältnisse und Problemkonstellationen als recht ähnlich darstellten.195 So hatte sich 1906 eine »Vereinigung der Vertreter des katholischen Buchhandels« gebildet, später vereinfacht zu »Vereinigung des katholischen Buchhandels« (VKB), die alle Firmen des deutschsprachigen Raumes umfassen sollte, die sich mit der Herstellung und Verbreitung katholischer Literatur befassten. Ein Gegensatz zum übrigen Buchhandel sollte dadurch nicht herbeigeführt werden, dennoch ist dieser Zusammenschluss als Ausdruck gestiegenen Selbstbewusstseins im katholischen Lager aufzufassen. Den unmittelbaren Anlass hatte allerdings der katholizismusinterne Konflikt mit dem (1844 gegründeten) Borromäusverein196 geliefert, der dem katholischen Sortiment seit langem ein Dorn im Auge war, weil dieser die mit Drittelrabatt von den Verlagen bezogenen Bücher in vielen Fällen an Private mit Rabatt weitergab. Dieser Konflikt hatte sich nach der Kröner’schen Reform 1887/88 mit der verbindlichen Einführung des festen Ladenpreises noch einmal zugespitzt, weil sich nun auch der Börsenverein einschaltete; 1907 war hier aber ein Kompromiss gefunden, mit dem sich die Vereinigung des katholischen Buchhandels einverstanden erklären konnte.197 Mitte der 1920er Jahre brachen die Spannungen mit dem Borromäusverein allerdings erneut auf, da dieser neue Buchberatungs- und Buchbeschaffungsstellen sowie 1925 auch eine Buchgemeinschaft, die »Bonner Buchgemeinde«, ins Leben gerufen hatte. Beides wurde als schwere Schädigung empfunden: die Buchgemeinde sei ein »Hieb an den Stamm des katholischen Buchhandels«.198 Ein von der VKB mit der Buchgemeinde getroffenes Abkommen schuf nur kurzfristig Abhilfe; das katholische Sortiment, das innerhalb der Vereinigung noch stärker geworden war und ab 1927 dann auch formell eine eigene Kammer bildete, sah sich vom Borromäusverein weiterhin empfindlich geschädigt und drohte sogar mit dem Austritt aus der VKB. Erst nach schwierigen Verhandlungen kam es 1930 zu einer Vereinbarung, mit der die Sortimenter wenigstens einige ihrer Forderungen durchgesetzt sahen. 194 Vgl. Adressbuch des Deutschen Buchhandels 1931, Abt. II, S. 43. 195 Vgl. zum Folgenden: Der katholische Buchhandel Deutschlands; darin besonders Spael: Die Geschichte der Vereinigung des katholischen Buchhandels. 196 Für einen Überblick über die Vereinsgeschichte siehe Spael: Das Buch im Geisteskampf. 100 Jahre Borromäusverein. 197 Vgl. Spael: Die Geschichte der Vereinigung des katholischen Buchhandels, S. 107. 198 Spael, S. 126.
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Abgesehen von dieser speziellen Problemkonstellation ergab sich in der Arbeit der Organisation des katholischen Buchhandels noch manche Ähnlichkeit zum evangelischen Buchhandel: Wie dieser den Buchvertrieb der Pastoren als unerwünschte Konkurrenz zum regulären Buchhandel betrachtete, so suchte man seitens der VKB 1925 den von den Ordensgemeinschaften betriebenen Buchhandel zur Debatte zu stellen. Auch in der Werbearbeit suchte man gleichzuziehen, unter anderem 1932 durch Weihnachtskataloge, aber diese späten Bemühungen verliefen nicht vergleichbar erfolgreich. Gleiches gilt für die Abhaltung von Fortbildungskursen für den buchhändlerischen Nachwuchs, die erst ab 1930 einige positive Wirkungen zeitigten.199 Dennoch: Als die VKB 1931 ihr 25-jähriges Bestandsjubiläum feierte, war die Bilanz der Organisationsarbeit ganz beachtlich; immerhin gehörten ihr zu diesem Zeitpunkt 203 Mitgliedsfirmen an, 1932 sogar 251.200
Jüdischer Buchhandel Nur unter großen Schwierigkeiten rekonstruierbar ist heute das Netzwerk des jüdischen Buchhandels, das in der Zeit der Weimarer Republik wohl seine größte Ausdehnung erreicht haben dürfte. Gemeint sind dabei nicht Buchhandlungen in jüdischem Besitz (obwohl dies natürlich auch in der Regel zutraf), sondern solche, die auf Judaica201 und Hebraica202 sowie in typischer Weise meist auch auf Kultusgegenstände für den privaten Gebrauch sowie für die Synagoge spezialisiert waren und sich mit ihrem Warenangebot an ein jüdisches Publikum richteten. Diese jüdischen Buchhandlungen waren, unter Gesichtspunkten ihrer Größenordnung, nur selten bedeutende Wirtschaftsbetriebe, aber viele von ihnen hatten eine wichtige Funktion innerhalb der örtlichen jüdischen Gemeinden in der Versorgung der frommen Judenschaft mit Büchern und Ritualien. Besonders in den größeren Städten wie Berlin, Frankfurt am Main, München und noch anderen Orten gewannen sie durch Schriftendistribution auch eine besondere Rolle in den innerjüdischen Diskursen rund um zionistische, reformerische oder orthodoxe Positionen des deutschen Judentums. Das Publikum war insofern durchaus heterogen, als ein Teil der jüdischen Sortimente einen bürgerlichen, akademischen Kundenkreis bediente, ein anderer die erst kürzlich aus Osteuropa eingewanderten Juden, die ein entschieden traditionsgebundenes religiöses Leben führten und vielfach von ihren akkulturierten Glaubensgenossen Ablehnung erfuhren. Der Umfang dieses Netzwerks ist schwer bezifferbar: Ein 1927 in Berlin erschienenes Adreßbuch für den Jüdischen Buchhandel umfasst sowohl Verlage wie Buchhandlungen und bezieht sich auch nicht allein auf das Gebiet des Deutschen Reiches; es bietet außerdem nur ein Auswahl, nennt andererseits aber auch bibliophile Antiquariate 199 Vgl. Spael, S. 124 f. 200 Spael, S. 131. – Zu diesem Jubiläum erschien die Gedenkschrift: Pflicht und Tat des katholischen Buchhändlers. 201 Hier verstanden als Publikationen (selbständig erschienene Werke und Periodica), die – in welcher Sprache auch immer – von Juden und vom Judentum handeln. Eine jüdische Verfasserschaft ist nicht Bedingung. 202 Hebraica sind Literaturerzeugnisse, die – gleich welchen Inhalts – in hebräischer Sprache oder in einer jüdischen Umgangssprache, z. B. Jiddisch, abgefasst und mit hebräischen Schriftzeichen gedruckt sind.
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wie Joseph Baer & Co. und ist insofern von begrenzter Aussagekraft.203 Durch Spezialforschungen sind jedoch allein für Frankfurt am Main, wo die jüdische Gemeinde (die zweitgrößte in Deutschland) im Jahr 1925 29.385 Mitglieder umfasste, 16 jüdische Buchhandlungen im Sinne der oben gegebenen Definition nachweisbar.204 Ein 1937 von NS-Behörden zum Zwecke der »Regelung der Frage jüdischer Bücherverkäufer und Buchverleger im Reichsgebiet« aufgestelltes Verzeichnis umfasste für Frankfurt am Main noch zehn Geschäfte, für Berlin wurden 21 genannt.205 Wenn man von einer ähnlichen Relation zwischen damals bereits aufgegebenen und noch existierenden Firmen ausgeht, würden für Berlin vor 1933 rund 30 jüdische Buchhandlungen anzunehmen sein. Für Breslau werden in der NS-Liste sechs, für weitere 17 deutsche Städte ein bis drei Firmen genannt, insgesamt umfasst die Aufstellung 62 Namen. Es ist also davon auszugehen, dass in der Weimarer Zeit an die hundert jüdische Buchhandlungen bestanden haben. Typologisch zeigte sich im jüdischen Buchhandel ein weites Spektrum. Einige Unternehmen gingen auf Gründungen im frühen 19. Jahrhundert zurück, wie die 1832 in Frankfurt am Main errichtete Firma I. Kauffmann, die seit 1900 unter Ignatz Kauffmann und vor allem dessen Sohn Felix (Ignatz) Kauffmann, auch als Verlag und Antiquariat, einen bedeutenden Aufschwung genommen hatte und seit 1904 ein Sortimentsgeschäft zunächst in der Börnestraße, seit 1915 aber im Westend in der Schillerstraße führte, wo zusätzlich zum traditionellen orthodoxen Publikum auch wohlhabende Juden der liberalen Religionsrichtung als Kunden gewonnen werden konnten.206 Die zweitälteste jüdische Buchhandlung in Frankfurt war die 1858 von dem Thoraschreiber Anselm Meier Rothschild gegründete Buchhandlung A. Rothschild, die von Jacob Rothschild seit 1920 in der Allerheiligenstraße im ersten Stock eines Hauses – auch dies eine nicht untypische Praxis im Bereich des jüdischen Buchhandels – geführt wurde.207 Rothschild stand durch gemeinsamen Importhandel in geschäftlicher Verbindung mit der Leipziger Buchhandlung M. W. Kaufmann. Dieses am Brühl 8 ansässige Unternehmen war 1828 gegründet worden und gehörte somit auch zu den ältesten Spezialbuchhandlungen für jüdische Literatur in Deutschland. Das nach dem Ersten Weltkrieg von Max Kallmann geführte Geschäft, dem auch Verlag und Antiquariat angegliedert waren, war weit über Leipzig hinaus bekannt für sein Angebot an Gebetbüchern, Rabbinica, Synagogen-Kompositionen und religiöser Literatur sowie Ritualien; nach der Übernahme durch Oscar Porges 1927 wurde das Sortiment erweitert, vor allem um allgemein belletristische und Reiseliteratur.208
203 Adreßbuch für den Jüdischen Buchhandel. 204 Vgl. Junk: Um den Börneplatz. 205 Vgl. Vertrauliche Mitteilungen der Fachschaft Handel. Fachgruppe Sortiment, Nr. 5 vom 10. Juli 1937, S. 1 f. 206 Vgl. Junk: Um den Börneplatz, S. 93 –108. Zum Biographischen vgl. Fischer: Verleger, Buchhändler und Antiquare, S. 164 –166. 207 Vgl. Junk: Um den Börneplatz, S. 108 –112; Fischer: Verleger, Buchhändler und Antiquare, S. 271. 208 Vgl. Lorz: Die Verlagsbuchhandlung M. W. Kaufmann in Leipzig; Fischer: Verleger, Buchhändler und Antiquare, S. 160 f.
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Auch in Berlin gab es alteingesessene Unternehmen, wie etwa die 1860 eröffnete Firma M. Poppelauer, die als die zweitälteste hebräische Buchhandlung in Deutschland galt. Nach dem Tod des Gründers, des jüdischen Gelehrten Moritz Poppelauer, führten Witwe und Tochter das Geschäft weiter, bis es im August 1894 von seinem Schwiegersohn Jacob Saenger übernommen wurde, der sich im Sortiment mit dem Verkauf von Hebraica und Judaica sowie von Ritualgegenständen befasste, aber auch dem Verlag und dem Antiquariat Geltung verschaffte.209 Die 1863 in Berlin gegründete hebräische Buchhandlung C. Boas Nachf., die ebenfalls Sortiment und Verlag vereinte, wurde seit 1911 von Jacob Gesang geführt. Auch aus anderen Städten ließen sich Beispiele für jüdische Traditionsbuchhandlungen benennen, so etwa für Breslau, wo die Buchhandlung Brandeis ihre Wurzeln auf die 1836 in Prag von Wolf Pascheles gegründete Buch- und Kunsthandlung zurückführte. Selbstverständlich gab es nach 1900 bzw. auch nach 1918 zahlreiche Neugründungen, unter denen die Buch- Abb. 9: Werbeanzeigen für jüdische Buchhandlungen, die als Zweigbetriebe von handlungen. Aus: Der Israelit 70 (1929) 39, Verlagen errichtet wurden, besondere S. 15. Aufmerksamkeit verdienen. So waren als Abteilung des Jüdischen Verlags in Berlin zwei Ewer-Buchhandlungen entstanden, die aber vom Verlag aufgegeben wurden, als er sich in den beginnenden 1920er Jahren von der Zionistischen Organisation trennte. Die beiden Buchhandlungen, die allgemeine und jüdische Literatur führten, gingen 1924 in das Eigentum der Verlage Moriah und Dwir über (die aber noch im gleichen Jahr nach Palästina verlegt wurden), 1926 dann in den Alleinbesitz von Hans Werner, der seit 1920 Geschäftsführer war. Er gliederte den Buchhandlungen Leihbibliotheken an.210 In München bestand eine seit 1920 von Salomon (Schloime) Monheit geleitete Filiale der Ewer-Gesellschaft für Buch- und Kunsthandel m.b.H., Berlin. Nach 209 Fischer: Verleger, Buchhändler und Antiquare, S. 276. 210 Vgl. Schenker: Der Jüdische Verlag, S. 286 f.; Fischer: Verleger, Buchhändler und Antiquare, S. 342 f.
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einigen Jahren gingen alle Geschäftsanteile auf Monheit über, sodass er bis 1934 Alleininhaber der Firma war. Die Buchhandlung, die auch ein allgemeines modernes Sortiment führte, war ein kulturelles Zentrum des Münchener Judentums, führende Autoren wie Karl Wolfskehl gehörten zum Kundenkreis.211 Der nachmals bekannte Religionsphilosoph Schalom Ben-Chorin (Fritz Rosenthal) hat dort zwischen 1928 und 1931 eine dreijährige buchhändlerische Ausbildung absolviert. Eine gänzlich andere Funktion erfüllte in München die hebräische Buchhandlung, die 1880 von Ludwig Wertheimer gegründet worden war und seit 1910 von seinem Sohn August Wertheimer betrieben wurde; dieser war zugleich Beamter an der orthodoxen Ohel Jakob-Synagoge in der Herzog-Rudolf-Straße und führte in seinem Laden ausschließlich religiöse und zionistische Literatur, aber auch Ritualien und koschere Weine.212 Eine Kombination von Verlag und Sortiment stellte auch die 1921 von Leo Blumstein in Berlin-Charlottenburg gegründete Fa. Kedem (Blumstein & Bronstein) dar. Im Verlag erschienen Literatur zu Palästina sowie Werke zu Zionismus, Religionsphilosophie, Geschichte, Philologie und Soziologie, außerdem Talmudliteratur und hebräische Wörterbücher; das von Lipa Bronstein geleitete Sortiment führte neben der eigenen Produktion auch Bücher aus anderen Verlagen zu diesen Schwerpunkten. Eine Konstruktion eigener Art ergab sich aus dem Wirken des Heine-Bunds und der Jüdischen Buch-Vereinigung (die unter der Leitung von Ahron Eliasberg dem kulturzionistischen Welt-Verlag eingegliedert war): Damit existierten in den ausgehenden 1920er Jahren zwei jüdische Buchgemeinschaften, die ihre Bücher als Parallelausgaben auch über den allgemeinen Buchhandel verbreiteten und dabei im Besonderen auch von dem Netzwerk des jüdischen Buchhandels Gebrauch machten.213 Wie die aufgeführten Beispiele erkennen lassen, handelte es sich bei den jüdischen Buchhandlungen der Weimarer Zeit in der Mehrzahl der Fälle um Mischbetriebe; die Kombination mit einem Antiquariat (unterschiedlicher Bedeutung) war nahezu Standard, aber auch verlegerische Betätigung begegnet häufig oder war sogar der geschäftliche Hauptzweck. Ebenso war – von I. Kauffmann bis August Wertheimer – erkennbar, dass es sich sehr häufig um Familienbetriebe handelte, die oft schon in zweiter oder dritter Generation geführt wurden oder jedenfalls von mehreren Familienmitgliedern (meist unter Mitarbeit der Ehefrauen) betrieben wurden.214 Solche Generationsfolge wurde nach 1933 auf brutale Weise unterbrochen: Die jüdischen Buchhandlungen wurden bis 1938 größtenteils zur Schließung gezwungen, seltener »arisiert«; ihre Inhaber flüchteten ins Ausland. Einige Läden wurden 1937 als »Jüdische Buchvertriebe« in den jüdischen »Ghettobuchhandel« überführt215, aber auch diese eigentümliche, letzte Phase des jüdischen Buchhandels in Deutschland wurde nach dem Novemberpogrom 1938 beendet und die Erinnerung an ihn fast vollständig ausgelöscht. 211 Vgl. Fischer: Verleger, Buchhändler und Antiquare, S. 221. 212 Vgl. Fischer: Verleger, Buchhändler und Antiquare, S. 344; Versagte Heimat. Jüdisches Leben in Münchens Isarvorstadt 1914 –1945. Hrsg. von Douglas Bokovoy und Michael Meining. München: Glas 1994, S. 160. 213 Vgl. Fischer: Verleger, Buchhändler und Antiquare, S. 32 f. 214 Vgl. für ein weiteres gut dokumentiertes Beispiel Nettersheim/Skalicky: »Magenza« – eine jüdische Buchhandlung in Mainz. 215 Vgl. Dahm: Das jüdische Buch im Dritten Reich, bes. S. 106 –116, 146 –151, 517 –523.
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Konkurrierende Distributionswege des Buches: der »Auchbuchhandel« Als »Auchbuchhandel« wurden seitens des regulären Buchhandels jene Klein- und Kleinstbetriebe bezeichnet, die in ihrem Warenangebot neben Schreib- und Papierwaren, Zeitungen und Zeitschriften, Lebensmitteln und Kolonialwaren, Zigarren, Schuhen und Spielwaren auch Bücher und Broschüren führten; ebenso wurden bücherverkaufende Buchbinder hier eingeordnet. Im Grunde handelte es sich um einen Kampfbegriff mit deutlich pejorativer Konnotation, denn das Bestreben insbesondere des Sortimentsbuchhandels war stetig darauf gerichtet, sich von dieser Sphäre abzugrenzen und die unerwünschten Konkurrenten, die man für Umsatzeinbußen verantwortlich machte, möglichst aus dem Feld zu schlagen. Seit Einführung der Gewerbefreiheit 1869 hatten die unterschiedlichen Formen des Auchbuchhandels stark zugenommen, ebenso in den Jahren des Ersten Weltkriegs, als viele Einzelhändler aus Gründen des Warenmangels auch Bücher in ihr Warenangebot aufgenommen hatten. Für die Mitte der zwanziger Jahre wurde die Zahl der auchbuchhändlerischen Firmen außerhalb des Börsenvereins auf fast 5.000 geschätzt.216 Der Börsenverein, der in der Regel diesen buchhändlerischen Nebenbetrieben die Aufnahme als Mitglied verweigerte und so von der Belieferung zu normalen oder Vorzugsrabattbedingungen auszuschließen suchte, hatte im letzten Kriegsjahr die neue Qualität der Problematik erkannt und den führenden Zwischenbuchhändler Hans Volckmar mit einem Referat zu diesem Thema beauftragt.217 Aus diesem Situationsbericht konnten aber nachfolgend keine konkret wirksamen Maßnahmen abgeleitet werden. Hauptursache für das Weiterbestehen des Problems in der Weimarer Zeit waren die nach wie vor kontroversen Standpunkte der Akteure. So wurde in den im Börsenblatt und zu anderen Gelegenheiten geführten Debatten darauf hingewiesen, dass es sich beim typischen Bücherangebot der Nebenerwerbsbuchhändler um eine Ware handelte, die viele Vollbuchhändler aus Prestigegründen nicht führten; dies gelte sogar für die Reclam-Hefte, die »ihren Weg ins ›Volk‹ von den Schreibwarenhandlungen, nicht von den Buchhandlungen aus genommen haben«.218 Mit dieser elitären Haltung habe, so ein kritischer Beobachter, das reguläre deutsche Sortiment selbst nicht wenig zur Ausbreitung des Auchbuchhandels beigetragen. In der Tat nahm dieses für sich in Anspruch, dass es Kulturarbeit leiste und Novitäten einführe, während die Auchbuchhändler mit gängiger Ware schnelles Geld verdienten.219 Besonderen Ingrimm hegte man ob der Tatsache, dass diese als Nicht-Mitglieder des Börsenvereins meist mit normalem Buchhändlerrabatt beliefert würden, jedoch an die Bestimmungen der Verkehrs- und Verkaufsordnung nicht gebunden seien, dadurch sich nicht an die festen Ladenpreise hielten und auch keine Teuerungszuschläge erhoben hätten.220 Vorwürfe des Sortiments richteten sich auch gegen den Zwischenbuchhandel, der die Buchverkaufsstellen allzu großzügig und mit viel zu günstigen Konditionen mit Unterhaltungsliteratur beliefere; insbesondere der Grossobuchhandel missachte die Rabattregeln. Wirklich war schon 216 Umlauff: Beiträge, S. 45. 217 Volckmar: Grossobuchhandel, Auchbuchhandel und Vereinsbuchhandel (die 1918 in Leipzig gedruckte Schrift enthält nur das 1. Kapitel über Grosso- und Auchbuchhandel.) 218 Börsenblatt 93 (1926) 75, S. 398. 219 Börsenblatt 88 (1921) 27, S. 124. 220 Vgl. hierzu auch Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, S. 51.
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vor dem Krieg versucht worden, den Grossisten strengere Lieferbedingungen (in Gestalt einer »Wiederverkäuferordnung«) aufzuerlegen. Dies war jedoch ebenso auf Widerstände gestoßen wie das Verlangen, die Grossobuchhändler sollten ihre Kundenlisten beim Börsenverein hinterlegen, um diesem die Möglichkeit zu geben, den Endkundenstatus der belieferten Kunden zu beurteilen. Einmal mehr unterschied sich hier das Interesse der Buchhändler von jenem der Verleger: Diese sahen im Auchbuchhandel eine gute Möglichkeit, ihre Absatzgebiete zu erweitern, besonders die Schulbuchverlage, die sich in ihrem Vertrieb hauptsächlich auf die Schreib- und Papierwarenhandlungen stützten. Um 1925 soll rund die Hälfte der Schulbuchproduktion über Betriebe des Auchbuchhandels abgesetzt worden sein.221 Auch verschiedene Formen von Spezialliteratur – zu Sport, Gartenbau, Fotografie, Gesundheit, v. a. Homöopathie – scheinen damals bereits in einschlägigen Geschäften angeboten worden zu sein.222 Unter Hinweis darauf, dass der Auchbuchhandel ein wertvoller Vertragspartner und für Artikel wichtig sei, für die sich das Sortiment nicht verwenden könne, rechtfertigten die Verlage auch die Gewährung hoher Rabatte.223 In ländlichen Regionen, insbesondere auch in Urlaubsgebieten und Badeorten, ermögliche er eine optimale Gebietsabdeckung. Und wie in anderen Zusammenhängen wurde auch hier der Wegfall der Schwellenangst-Problematik und die Nicht-Kongruenz der Käuferkreise ins Treffen geführt: »Der Arbeiter geht nicht in eine erstklassige Buchhandlung, um ein Buch für 1 M zu kaufen. Dies kauft er beim Papierhändler. Andererseits aber geht der wohlhabende Mann, der Fachmann, der ein Buch braucht, nicht zum Papierhändler, sondern zum Sortimenter.«224 Der Nichtleser könne so durch Gelegenheitskäufe zum Buch geführt werden, was auf lange Sicht auch dem Sortiment zugute käme.225 Übrigens brach der Interessenkonflikt zwischen Sortiment und Verlag auch im Zusammenhang mit dem Adressbuch des deutschen Buchhandels immer wieder auf: Während die Verleger (wie auch die Kommissionäre) dieses möglichst umfangreich haben wollten, wünschte sich der organisierte Buchhandel eine möglichst selektive Handhabung der Adressbuch-Eintragung. Dies machte es schwierig oder fast unmöglich, das Adressbuch in den Dienst einer Bekämpfung des Auchbuchhandels zu stellen. Schon seit 1904 war über diesen Punkt immer wieder verhandelt worden, es wurden 1909 auch Fragebögen ausgesandt zur Ermittlung der Nebenbetriebe, mit sehr zwiespältigen Ergebnissen; in zu vielen Fällen konnte keine klare Entscheidung getroffen werden. Auch eine Streichungsaktion im Jahr 1925 fand keine ungeteilte Zustimmung,226 denn schon seit Langem gab es die Befürchtung, dass sich alle gestrichenen Firmen im Müller’schen Adressbuch eintragen lassen würden, das in direkter Konkurrenz zum Adressbuch des deutschen Buchhandels stand und schon im Juni 1918 rund eintausend Eintragungen mehr aufwies.227 Die vom Sortiment schon früher erhobene Forderung nach 221 So der 1. Vorsitzende des Verbandes der Kreis- und Ortsvereine Schmidt; vgl. Börsenblatt 92 (1925) 178, S. 11844. 222 Börsenblatt 94 (1927) 240, S. 1223 f. (polemischer Bericht eines Münchener Buchhändlers). 223 Börsenblatt 86 (1919) 33, S. 112. 224 Börsenblatt 86 (1919) 26, S. 88. 225 Börsenblatt 94 (1927) 50, S. 244. 226 Börsenblatt 92 (1925) 218, S. 13905 f. 227 Volckmar: Grossobuchhandel, Auchbuchhandel und Vereinsbuchhandel, S. 21.
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Einrichtung einer Sortimenterstammrolle, mit deren Hilfe der Zugang zum Buchhandel hätte beschränkt werden können, war vom Vorstand des Börsenvereins regelmäßig abgelehnt worden und wurde auch nach 1918 und bis 1933 nicht mehr aufgegriffen.228 Eine »Stammrolle der buchhändlerischen Neben- und Kleinbetriebe« wurde erst in der Zeit des Nationalsozialismus eingerichtet; sie umfasste 5.700 Betriebe, die nicht in die Reichsschrifttumskammer aufgenommen wurden. Diese hohe Zahl gibt zugleich einen Hinweis darauf, dass der Auchbuchhandel, der vielfach bei einem mittelständischen Publikum einen konjunkturunabhängigen Mindestbedarf befriedigt hat, die schwere Wirtschaftskrise am Beginn der dreißiger Jahre besser überstanden hat als das reguläre Sortiment.229
Vereinsbuchhandel Nach 1918 fehlt in keinem Geschäftsbericht des Vorstands des Börsenvereins der deutschen Buchhändler zu Leipzig die Klage über die unfaire Konkurrenz der Vereinsbuchhandlungen.230 So etwa rief das Spitzengremium der Branchenvertretung 1921 die Verleger dazu auf, jene Vereinigungen von Ärzten, Ingenieuren und Wissenschaftlern oder auch konfessionelle, politische und gewerkschaftliche Verbände, die ihren Mitgliedern unter Umgehung des regulären Buchhandels zu einem verbilligten Bucherwerb verhelfen wollten, keinesfalls als rabattberechtigte Buchhändler zu behandeln, und registrierte mit einiger Besorgnis: »Der Sortimentsbuchhandel ist überdies um so mehr gefährdet, als die Zusammenschlüsse der Konsumenten zu Konsumvereinen oder Einkaufsvereinigungen einen immer größeren Umfang annehmen.«231 Und in den Beratungen des Börsenvereins 1922 wurde noch einmal warnend hervorgehoben, dass sich die Zahl der Vereinsbuchhandlungen nach Ende des Krieges erschreckend vermehrt habe.232 Die Klagen des Buchhandels bezogen sich auf die schon seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannte Vorgangsweise von Vereinigungen, die bei Verlagen größere Partien einkauften und die Bücher mit einem Abschlag vom Ladenpreis von 10 bis 30 Prozent an ihre Mitglieder weitergaben.233 Versuche des Börsenvereins, diese Praxis durch Be228 Volckmar, S. 2. 229 Zum Auchbuchhandel siehe auch die ergänzenden Hinweise bei Haug: Sonderformen in diesem Band, S. 544 –546. 230 Vgl. Geschäftsbericht des Vorstandes zum Vereinsjahr 1918/19. In: Börsenblatt 86 (1919) 90, S. 341 –351; hier S. 351. 231 Börsenblatt 88 (1921) 84, S. 506. – Vgl. hierzu auch Börsenblatt 88 (1921) 97, S. 611, und 88 (1921) 139, S. 852 ff. 232 Vgl. Geschäftsbericht des Vorstandes zum Vereinsjahr 1921/22. In: Börsenblatt 89 (1922) 84, S. 457 –471. – Die Klagen begegnen auch noch in späteren Jahren, vgl. etwa den Geschäftsbericht des Vorstandes zum Vereinsjahr 1925/26. In: Börsenblatt 93 (1926) 85, S. 449 –458. – Auch Wilhelm Volkmann bemerkte in seiner 1921 erschienenen, an der staats- und rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig approbierten Dissertation über Grundfragen des Vereinsbuchhandels, dass »der Krieg diese Frage weit mehr in den Vordergrund hat treten lassen, als dies vorher der Fall war.« (Volkmann: Grundfragen des Vereinsbuchhandels, S. 9). – Zur damaligen Aktualität des Themas vgl. auch die 1922 erschienene Dissertation von Kuhlmann: Die Genossenschaft als Unternehmungsform im deutschen Buchhandel. Den Konsumentenvereinigungen wird hier allerdings nur am Rande Augenmerk geschenkt. 233 Die Vereinsbuchhandlungen dürfen nicht verwechselt werden mit den Vereinssortimenten; diese stellten keine Konsumentenvereinigungen dar, sondern Einkaufsgenossenschaften von
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stimmungen der Verkehrs- bzw. ab 1909 der Verkaufsordnung des deutschen Buchhandels einzudämmen, erwiesen sich als weitgehend wirkungslos, obwohl § 3, Abs. 3 in der 1910 revidierten Fassung der Verkaufsordnung ausdrücklich besagte: Vereinigungen aller Art dürfen nur dann wie Buchhändler oder gewerbsmäßige Wiederverkäufer behandelt werden, wenn sie einen gewerbsmäßigen, also auf Eigengewinn gerichteten buchhändlerischen Betrieb führen, der bei der zuständigen Behörde angemeldet ist und weder, wie z. B. Konsumvereine, Bücherämter usw. mit einem nach dieser Verkaufsordnung unzulässigen Rabatt liefern, noch den erzielten Gewinn an ihre Mitglieder bzw. Abnehmer in einer Weise verteilen, die einer Gewährung von unzulässigem Rabatt gleichkommt.234 Die Konsumenten- und Berufsorganisationen wussten sich jedoch Umgehungsmöglichkeiten zu schaffen, indem sie reguläre Buchhandlungen gründeten, die sich – von einem Strohmann geleitet – offiziell zur Einhaltung der Verkaufsordnung verpflichteten, deren Bestimmungen jedoch durch nachträgliche Gewinnausschüttung an ihre Teilhaber unterliefen.235 Schon 1910 verzeichnete daher das Adressbuch für den deutschen Buchhandel 234 solcher Scheinbuchhandelsfirmen, die – wie Gerichtsentscheidungen aus diesen Jahren lehrten – rein juristisch kaum belangt werden konnten; als zwölf von ihnen aus dem Adressbuch gestrichen wurden (darunter die Buchhandlungen des Verbandes der Ärzte Deutschlands, des Deutschen Gärtner-Verbands und des Verbandes Deutscher Köche, ebenso der Techniker, Tierärzte und Apotheker), musste diese Sperre nach einem verlorenen Prozess wieder aufgehoben werden.236 Für die zwanziger Jahre gibt es nur grobe Schätzungen; danach muss die Zahl der Vereinsbuchhandlungen auf mehrere hundert angestiegen sein. Dass sich das Problem nach dem Krieg in dieser Weise verschärfte, war nicht zuletzt dem vorherrschenden Zeitgeist geschuldet: Die Novemberrevolution hatte dem genossenschaftlichen Gedanken großen Auftrieb verschafft. Da es außerdem gerade in den bürgerlichen Schichten nach 1918 zu beträchtlichen Kaufkraftverlusten gekommen war, bestand die akute Gefahr, dass sich als Form der Selbsthilfe Konsumgenossenschaften aller Art bilden und sich auch Buchbesorgungsabteilungen zulegen könnten. Zudem hatten bereits nicht wenige dieser Vereinigungen damit begonnen, in Vereinsverlagen eine eigene Verlagsproduktion aufzubauen, woraus sich weitere Markteinbu-
Buchhändlern, die sich durch ein gemeinsames Bestellwesen bei den Verlagen günstigere Bezugsbedingungen sichern wollten. Zu diesem Typus vgl. Niewöhner: Genossenschaft und Buchhandel. 234 Verkaufsordnung, zit. n. Volkmann S. 24. 235 Eine Typologie der unterschiedlichen Spielarten von Vereinsbuchhandlungen gibt Volkmann S. 18; er unterscheidet nach Art ihres Zweckes eine materielle, ideelle, zünftlerische und gemischte Richtung, wobei die materielle Richtung mit der Tätigkeit von Konsumvereinen, Bücherämtern und Buchhandlungen von Wirtschaftsverbänden den regulären Sortimentsbuchhandel am stärksten tangiert haben dürften. 236 Volkmann, S. 25 –30.
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ßen für den regulären Verlags- und Sortimentsbuchhandel ergeben mussten.237 Ein 1923 in Kraft tretendes Kartellgesetz ließ hinsichtlich einer Bekämpfung dieser unerwünschten Konkurrenten weitere Hindernisse entstehen, da es für jede Sperre einer Vereinsbuchhandlung (auch Verbands-, Beteiligungs-, seltener Zweckbuchhandlung genannt) die Genehmigung durch das Kartellgericht voraussetzte. Wäre aber nun eine Flut von Sperranträgen eingebracht worden, hätte dies den Anschein erweckt, dass dem festen Ladenpreis ohnehin keine allgemeine Verbindlichkeit mehr zukomme.238 Im Übrigen hatte sich nicht nur der Börsenverein den Kampf gegen die Vereinsbuchhandlungen auf seine Fahnen geschrieben, auch die Deutsche Buchhändlergilde sah eine wichtige Aufgabe darin, der Ausbreitung dieser aus seiner Sicht parasitären Strukturen entgegen zu treten.239 Als die bedrohlichste Konkurrenz wurden von ihm die schon länger bestehenden wissenschaftlichen Vereinigungen wie der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) empfunden, der umfangreiche verlegerische und auch buchhändlerische Aktivitäten entfaltete, um seine Mitglieder und darüber hinaus auch sonstige Techniker und Ingenieure mit Fachliteratur zu versorgen. Im naturwissenschaftlichen Bereich waren es der Verein Deutscher Chemiker, die Deutsche Chemische Gesellschaft und der Verein zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands, die 1921 gemeinsam den Verlag Chemie gründeten, der als Kommissionsverlag seiner drei Gesellschafter fungierte und später auch Fremdpublikationen übernahm. Da der Verlag statt des üblichen Sortimenterrabatts nur 10 % als »Vermittlungsprovision« gewähren wollte und üblicherweise seine Kunden unter Umgehung des Sortimentsbuchhandels direkt belieferte, wurde ihm die Aufnahme in den Börsenverein verwehrt.240 Aber auch der Deutsche Anwaltverein wurde des schädlichen Vereinsbuchhandels geziehen: Die Buchhändlergilde legte beim Reichsjustizministerium (vergeblich) Beschwerde dagegen ein, dass sogar Gerichtsangestellte im Auftrag des Anwaltvereins juristische Bücher an Richter und Anwälte vertrieben.241 Aus der Sicht der Gilde lag eine Hauptschuld an diesen Zuständen natürlich bei den Verlagen, die mit der Belieferung der Vereine und sogar mit speziellen Niedrigangeboten der Ausbreitung dieser Vertriebsformen Vorschub leisteten. Auswahl von Vereinen und Gesellschaften, die sich Buchabteilungen angegliedert hatten: Christlicher Verein junger Männer, Lauban Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst Verband der Ärzte Deutschlands, Leipzig Verband Deutscher Köche, Berlin Verkehrsvereine Verein für Verbreitung guter Volksliteratur, Dresden 237 Vgl. hierzu Zickfeldt: Die Umgestaltung des Buchmarktes durch Buchgemeinschaften und Fachvereinsverlage. 238 Vgl. Wittmann: Streifzüge zur Geschichte des festen Ladenpreises, S. B390. 239 Vgl. Der Vereinsbuchhandel als Schädling des deutschen Buchhandels. In: Buchhändlergilde-Blatt 11/1924, S. 135 –138. 240 Zum Verlag Chemie wie auch zum VDI-Verlag vgl. den Beitrag von Schneider: Der wissenschaftliche Verlag in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte, bes. S. 421 –424. 241 Vgl. Der Vereinsbuchhandel als Schädling des deutschen Buchhandels, S. 137.
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7 V erbr eitend er Bu chhandel Beschaffungsstelle von Buch und Bild Lesser, Einkaufshaus, Berlin Verein Deutscher Ingenieure, Berlin Deutsch-Meister-Bund Beschaffungsstelle der Einkaufsgenossenschaft der Bildungs-BeamtenGewerkschaft, München Deutschnationale Buchhandlung G.m.b.H., Hamburg Dichter-Gedächtnis-Stiftung, Hamburg Waisenhaus, Halle Wiesbadener Volksbücherverein Verein Russischer Studierender (»Pirogroff-Verein«) Akademische Bücherämter Deutscher Postverband, Berlin Volksverband der Bücherfreunde, Wegweiser-Verlag, G.m.b.H., Berlin Deutscher Volkshausbund (e.V.), Einkaufshaus für Volksbüchereien, Berlin Volksverein für das katholische Deutschland G.m.b.H., M.-Gladbach Buchverlag der »Hilfe« G.m.b.H., Berlin-Schöneberg Kaufmännischer Verband für weibliche Angestellte (E.V.), Berlin Vereinigung der Baugewerkschaftsschüler, Breslau usw.
Quelle: Volkmann: Grundfragen des Vereinsbuchhandels, S. 17. Als problematisch erwies sich einmal mehr die divergente Interessenlage von Verlag und Sortiment. Während sich der Sortimentsbuchhandel grundsätzlich geschädigt sah, erkannten viele Verleger im Vereinsbuchhandel neue Betätigungsfelder und eine willkommene Erweiterung des Absatzgebietes, im Publikumsverlag ebenso wie im wissenschaftlichen Verlag oder z. B. im Musikalienverlag. So stellte der Deutsche Verlegerverein die Frage: »Kann jemand, der näheren Einblick in die Dinge hat, behaupten, daß die derzeitigen Vertriebsmittel des deutschen Sortiments in alle die vielen und weitverzweigten Kanäle dringen, in die heute einzelne Vereins- und Genossenschaftsbuchhandlungen Eingang finden? Kann das deutsche Sortiment dem Verlag einen auch nur annähernden Ersatz für einen etwaigen Verzicht auf die Belieferung aller Vereinsbuchhandlungen bieten?«242 Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass diese Sichtweise nicht auf alle Verlage in gleichem Maße zutraf. So etwa versandte eine Gruppe namhafter Wissenschaftsverleger im Dezember 1920 ein Zirkular an alle Sortimentsfirmen, die einen nennenswerten Absatz von wissenschaftlicher Literatur hatten, um diesen ihren Partnern – angesichts der »immer mehr Versuche, das Sortiment durch genossenschaftlichen Bücherbezug auszuschalten« – ein Abkommen anzubieten, das verschärfte Lieferbedingungen und letztlich eine weitgehende Nichtbelieferung der Vereinsbuchhandlungen vorsah.243 Damit wollten die Verlage bekunden, dass das Sortiment aus ihrer Sicht un242 Börsenblatt 92 (1925) 33, S. 2187. 243 Volkmann: Grundfragen des Vereinsbuchhandels, S. 55 f. Vgl. auch Urban, Eduard: Zu den Sonderabmachungen zwischen wissenschaftlichem Verlag und wissenschaftlichem Sorti-
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entbehrlich war. Gleichzeitig war aber bekannt, dass Ferdinand Springer 40 % seiner Produktion direkt an Mitglieder von Berufsverbänden absetzte.244 Jene Verlage, die zum Absatz ihrer Produktion nicht unbedingt auf das Sortiment angewiesen waren, konnten sich ohne formalen Verstoß gegen die Verkaufsordnung an Vereine und Konsumgesellschaften wenden, denn deren § 12 sah im Prinzip eine solche Möglichkeit vor: »Verlegern ist es in Ausnahmefällen gestattet, größere Partien eines Werkes ihres Verlages an Behörden, Institute u. dgl. zu besonders ermäßigten Preisen entweder selbst oder durch Vermittelung einer Sortimentsbuchhandlung zu liefern.«245 Zwar wurden diese Ausnahmefälle in mehreren Ansätzen näher spezifiziert und durch Bestimmungen der Verkehrsordnung weiter eingeschränkt, de facto aber konnten alle diese Bedingungen unterlaufen werden. Eine gewisse Regulierung des Sektors dürfte jedoch gelungen sein durch die mehrfachen Verschärfungen der Aufnahmebedingungen, die der Vorstand des Börsenvereins 1923 und 1925 vorgenommen hat.246 Für die Konsumenten lagen, subjektiv betrachtet, die Vorteile des genossenschaftlichen Büchererwerbs auf der Hand. Eine Verbilligung des Bücherbezugspreises um bis zu 30 % oder eine gleich hohe Rückvergütung machten die Teilnahme an solchen Vereinigungen attraktiv; zudem konnten die Verteidiger dieses Vertriebswegs auf den objektiven Vorteil verweisen, dass auf diese Weise unnötige Kosten vermieden werden können: »Alle Ausgaben für Kundenwerbung fallen fort, keine Schaufenster und teure Läden, bei Bücherämtern stellen Universitäten Raum, Licht und Heizung kostenlos zur Verfügung, geringerer Personalbestand, unter Umständen ehrenamtliche Verkaufstätigkeit eines Vereinsmitglieds.«247 In einigen Fällen wurden die Gewinne nicht weitergegeben, sondern zum Aufbau von Witwen-, Waisen- und Invalidenkassen verwendet – ebenfalls eine für den Konsumenten vorteilhafte Verwendung der Überschüsse. Eine solche rein privatwirtschaftliche Betrachtung des Problems greift aber zu kurz, wie schon in der zeitgenössischen Diskussion dargelegt wurde. Denn die möglichst billige Bücherbeschaffung für den Einzelnen muss volkswirtschaftlich betrachtet nicht als das entscheidende Kriterium angesehen werden; es könnte auch ein gesellschaftliches (und kulturpolitisches) Interesse daran geben, dass die Struktur des Sortimentsbuchhandels in der gegebenen Ausdehnung erhalten bleibt.248 Nach Überzeugung der Kommentatoren war aber eine völlige Zurückdrängung des Sortiments ohnehin nicht möglich. Umgekehrt war nicht ohne Weiteres zu verstehen, mit welcher Bestimmtheit der Sortimentsbuchhandel auf gänzlicher Unterdrückung des Vereinsbuchhandels bestehen konnte: »Die Gewerbeordnung kennt kein Bücher-Verkaufsmonopol, wie es die bishe-
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ment. In: Börsenblatt 88 (1921) 29, S. 128 –131; Marcus, Theodor: Neue Wege. In: Börsenblatt 88 (1921) 29, S. 131; Siebeck, Oskar: Die Arbeitsgemeinschaft des wissenschaftlichen Buchhandels. In: Börsenblatt 88 (1921) 43, S. 212 f. Vgl. Wittmann: Der Deutsche Sortimentsbuchhandel vor 100 Jahren, S. 12. Zit. nach Volkmann: Grundfragen des Vereinsbuchhandels, S. 57. Vgl. Börsenblatt 90 (1923) 83, S. 461, u. 92 (1925) 92, S. 6593. Als Mindestbedingungen galten seit damals, dass die Vereinsbuchhandlungen »Steuern bezahlen, handelsgerichtlich eingetragen sind, von Buchhändlern geleitet werden und sich unter Sicherstellung zur Innehaltung der buchhändlerischen Ordnungen verpflichten.« Volkmann: Grundfragen des Vereinsbuchhandels, S. 59. Auf dieses Argument zielen auch die Ausführungen Volkmanns ab.
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rige zünftlerische Politik des Börsenvereins für sich beansprucht.«249 Tatsächlich wurde jede Form einer von außen kommenden Konkurrenz reflexartig als etwas Ungebührliches betrachtet und vom Börsenverein eine streng protektionistische Abwehrstrategie eingefordert.250 Es war – angesichts auch der nicht unbeträchtlichen Büchermengen, die über diesen Weg vertrieben wurden – für den Buchhändler sicherlich schwer einzusehen, dass sein Umsatz bei Weitem nicht in dem Maße verkürzt wurde, wie ihm dies selbst so erschien. In vielen Fällen handelte es sich ja um Verkäufe, die sonst nicht stattgefunden hätten, weil das traditionelle Sortiment diese spezifischen, definierten Zielgruppen nicht erreicht haben würde. Zum Teil ist von den Vereinsbuchhandlungen überhaupt erst ein neuer, bis dahin nicht erkennbarer Bedarf geweckt worden; zudem reizte erst die Möglichkeit des verbilligten Bezugs zu vermehrten Einkäufen. Die Vereinigungen, die die (fachlichen) Bedürfnisse ihrer Mitglieder bestens kannten, erfüllten eine wichtige Funktion, indem sie diese Bedürfnisse kanalisierten und deren Kenntnis an die Verlage weitervermittelten. Dieses Ideal ist natürlich nur in der kleineren Zahl der Fälle verwirklicht worden, oft genug handelte es sich um unsystematisch betriebene Formen der verbilligten Bücherbeschaffung. Deshalb wurden in der Debatte um die Vereinsbuchhandlungen mit einigem Recht auch zahlreiche kritische Argumente ins Treffen geführt – u. a. dass hier häufig Nicht-Fachleute am Werke seien, dass Produktion und Handel mit Büchern oft nur (idealistisch verbrämter) Vorwand für Geldbeschaffung seien und dass sich hier ein Buchhandelsbereich ausbilden würde, der sich der Kontrolle durch die Branchenorganisation, dem Börsenverein, entzieht. Auch Preiserhöhungen in einzelnen Bereichen waren als Folgewirkung nicht auszuschließen, den Schaden hätten in gesamtgesellschaftlicher Betrachtung letztlich die Konsumenten. Auch zeichneten sich einige besondere Gefahrenpotentiale ab, wie etwa auf dem Wissenschaftsmarkt, wo im Gefolge des »Bücher-Streits« nach 1904 eine ernsthafte Konkurrenz im Büchervertrieb durch Errichtung von Bücherämtern entstanden war, die den Studierenden den Zugang zu verbilligter Fach- und Studienliteratur sichern sollten.251 Hätte das reguläre Sortiment alle der damals rund 130.000 Studierenden als Kunden verloren, wäre dies sicherlich ein schmerzhafter Aderlass gewesen. Tatsächlich war nach 1920 eine auch aus Gründen wirtschaftlicher Not erfolgende starke Zunahme studentischer Bücherämter bzw. Wirtschaftsgenossenschaften mit Buchvertrieb252 zu beobachten, im Zusammenhang auch mit einer aus Börsenvereinssicht abzulehnenden Nutzungsform von Autorenexemplaren.253 In einigen Städten (Rostock, Freiburg i. Br., Marburg) war es zu Vereinbarungen mit dem ortsansässigen Sortimentsbuchhandel gekommen: gegen Gewährung von Sonderrabatten (die allerdings ohne Genehmigung durch die Kreisund Ortsvereine erfolgten) verzichteten die Studenten auf einen eigenen Bücherver-
249 Volkmann, S. 80. 250 Volkmann, S. 63. 251 Vgl. den Beitrag Jäger: Der Wissenschaftliche Verlag in Band 1/1 dieser Buchhandelsgeschichte, S. 464 –467. 252 Vgl. Börsenblatt 88 (1921) 302, S. 1850 f. 253 Vgl. Börsenblatt 87 (1920) 147, S. 730.
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trieb.254 Aus gegebenem Anlass brachte das Börsenblatt einen Artikel Die Not der studierenden Jugend und der Buchhandel, in welchem Verständnis bezeugt wurde, dennoch aber ganz klar festgestellt wurde, dass die Studenten nicht schon dadurch, dass sie sich als Buchhändler ausgeben, plötzlich aufhörten, »das zu sein, was sie bleiben, reine Bücherkonsumenten, in der Sprache der buchhändlerischen Ordnungen: Publikum.«255 Die Rückkehr zu Kundenrabatten sei aber kein gangbarer Weg zur Lösung des Problems, zumal der deutsche Buchhandel bei Lehr- und Handbüchern ohnehin schon auf die Erhebung der von der Notstandsordnung vorgesehenen Zuschläge verzichtet habe. De facto wurden aber auch weiterhin – inzwischen unter Duldung oder mit Zustimmung des Börsenvereins – in Universitätsstädten mit studentischen Bücherämtern lokale Sondervereinbarungen getroffen.256 Bedrohlich wäre auch die konsequente Anwendung des Prinzips der genossenschaftlichen Literaturversorgung im Bereich der Berufsverbände gewesen; damit hätten alle auf bestimmte Fachbuchsegmente spezialisierten Buchhandlungen jedes Motiv verloren, sich für diese Literaturgattungen einzusetzen; Teile des Sortiments wären weggebrochen, gleichzeitig wären zahlreiche neue Vertriebsstellen entstanden, deren Struktur unüberschaubar gewesen wäre. Doch siegte letztlich die Kraft des Faktischen: der traditionelle Sortimentsbuchhandel erwies sich auch aus dem Blickwinkel der Verlage als unverzichtbar und wurde daher von diesen gestützt, auch konnte der Börsenverein als Vertretung des Gesamtbuchhandels mittels seiner Satzung, der Verkehrs- und der Verkaufsordnung und unter strikter Verfolgung des Prinzips des festen Ladenpreises eine weitere, gar flächendeckende Ausbreitung des Vereinsbuchhandels verhindern. Wie sehr dieser aber ein Stachel im Fleisch des regulären Buchhandels blieb, wurde im April/Mai 1933 offenbar, als der Börsenverein sein »Sofortprogramm« publizierte, das von den neuen Machthabern in Deutschland auch ein striktes Verbot des Vereinsbuchhandels einforderte.
254 Vgl. Kuhlmann: Die Genossenschaft als Unternehmungsform im deutschen Buchhandel, S. 136; Börsenblatt 88 (1921) 283, S. 1749. 255 Die Not der studierenden Jugend und der Buchhandel. In: Börsenblatt 88 (1921) 283, S. 1749 – 1751; hier S. 1749. 256 Börsenblatt 96 (1929) 85, S. 402.
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Ernst Fischer 7.2
Der Antiquariatsbuchhandel
Die Situation nach Ende des Ersten Weltkriegs Der Antiquariatsbuchhandel gehörte zu den wenigen Zweigen des deutschen Buchhandels, die nach dem Ersten Weltkrieg an die vor 1914 erlebte Aufwärtsentwicklung rasch und fast bruchlos anknüpfen konnten. Die Herausforderungen der Inflationszeit hat er eindrucksvoll bestehen können, vor allem durch seine Beziehungen zu ausländischen Kunden, die mit harter Währung bezahlten und so für einen Ausgleich von im Inland erlittenen Verlusten sorgten, begünstigt aber auch von der »Flucht in die Sachwerte«, die vor allem in der Zeit der rapiden Geldentwertung das begüterte Bürgertum zu guten Kunden der Antiquariate machte. Sodann hatte die allgemeine Geldverknappung zur Folge, dass attraktive Ware in Umlauf kam: Adelshäuser und Klöster, aber auch viele private Büchersammler sahen sich zur Veräußerung von Sammlungen oder kostbaren Einzelstücken gezwungen. Die Auktions- und Lagerkataloge jener Epoche geben Zeugnis von dem hohen Niveau, auf dem der Handel geführt wurde, auch von der außerordentlichen fachlichen Kompetenz der Antiquare, die damals den großen Häusern in Berlin, Leipzig, Frankfurt am Main oder München vorstanden. Zwar sollte die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise zu einer empfindlichen Verschlechterung der Lage führen, aufs Ganze gesehen entfaltete sich jedoch in der Weimarer Republik noch einmal eine Antiquariatskultur, wie sie seither in Deutschland nicht wieder erreicht worden ist.
Die Luxussteuer Ungeachtet dieses positiven Gesamtbilds war die Zeit auch für den Antiquariatsbuchhandel keineswegs frei von Sorgen und Problemen. Alarmierend wirkte zunächst das im Endstadium des Krieges von der Reichsregierung auf den Weg gebrachte neue Umsatzsteuergesetz, im besonderen die am 2. Mai 1918 in Kraft getretene Bundesratsverordnung, welche die Einführung einer Umsatzsteuer von 20 % auf Luxusgegenstände vorsah und bereits im Vorgriff auf das Gesetz zur Erhebung der Steuer bzw. Bildung einer entsprechenden Rücklage verpflichtete.1 Hatte schon die »Kriegswucherverordnung« zu erheblichen Turbulenzen geführt, weil diese die Frage offen ließ, ob Bücher zu den »Gegenständen des täglichen Bedarfs« gezählt werden mussten oder nicht,2 so schien nun diese Luxussteuer in der Hauptsache den Antiquariatsbuchhandel zu treffen, denn § 7, Abs. 3 der Bundesratsverordnung nannte unter den luxussteuerpflichtigen Gegenständen: »Antiquitäten, einschließlich alter Drucke und Gegenstände, wie sie aus Liebhaberei von Sammlern erworben werden, sofern diese Gegenstände nicht vorwiegend zu wissenschaftlichen Zwecken gesammelt zu werden pflegen, sowie Erzeugnisse des Buchdrucks auf besonderem Papier mit beschränkter Auflage«.3
1 Vgl. Umsatzsteuer auf Luxusgegenstände, S. 422 f. 2 Vgl. Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte, S. 265. 3 zit. n. Umsatzsteuer auf Luxusgegenstände, S. 422.
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7 V erbr eitend er Bu chhandel
Der Börsenverein wandte sich am 5. Juli 1918, als sich das Gesetz noch im Beratungsstadium befand, in einer Eingabe gegen die drohende Behinderung des Buchhandels und wies auf die Unklarheit der Bestimmungen hin: Der Begriff »alte Drucke« sei nicht eindeutig bestimmt, auch könne der Buchhandel nicht beurteilen, ob seine Kunden von wissenschaftlichen Interessen oder von Liebhaberei geleitet seien. Auch sei vom zuständigen Unterausschuss des Reichstags die Luxussteuer nicht nur von 10 auf 20 % erhöht, sondern auch auf »neuzeitliche Luxusdrucke« ausgedehnt worden, womit erneut eine unklare Begrifflichkeit ins Spiel gebracht worden sei. Neben Absatzerschwernissen bringe die Luxussteuer viele Unannehmlichkeiten und unnötige Mehrarbeit mit sich; der Buchhandel habe es ja »mit lauter Kleinigkeiten« zu tun. Nach Vorschlag des Börsenvereins sollten von den Gegenständen des Buchhandels in die Steuer nur a) neuzeitliche Luxusdrucke mit einer Auflage von weniger als 100 Exemplaren und einem Verkaufspreis ab 30 Mark, b) französische illustrierte Werke des 18. Jahrhunderts sowie c) Handschriften berühmter Persönlichkeiten einbezogen werden; alle übrigen Gegenstände sollten von der Steuer befreit bleiben,4 ebenso alle Verkäufe zwischen Händlern und Verkäufe an öffentliche Institute, die der Wissenschaft, der Kunst oder sonst der Allgemeinheit dienen. Die Luxussteuer konnte durch diese Intervention allerdings nicht verhindert werden, sie wurde aber dann doch auf 10 % und später auf 7,5 % gesenkt. 1926, als der Wegfall der gesamten Luxussteuer in greifbare Nähe gerückt schien, wurde im Börsenblatt in den »Mitteilungen aus dem Antiquariat« ein Zwischenresümee gezogen.5 Abgedruckt wurde dort auch ein Schreiben des prominenten Münchner Antiquars Emil Hirsch, in welchem er die Auswirkungen dieser Sondersteuer aufzeigte, nämlich den vermehrten Verkauf in Länder, die sowohl von der Umsatz- als auch von der Luxussteuer befreit sind: »Aus Erfahrung kann ich sagen, dass beinahe jedes alte Buch von besonderer Qualität in das Ausland wandert. Es ist ohne weiteres zuzugeben, dass dabei die relativ schwache Kaufkraft im Inlande sehr in das Gewicht fällt, aber zweifellos trägt auch die Verteuerung durch die 7 ½ %ige Luxussteuer etwas dazu bei.«6 Dass sich der Reichsfinanzminister durch die Steuer selbst schade, illustriert Emil Hirsch am Beispiel der »lediglich aus Luxussteuergründen« nach Amsterdam verlegten Versteigerung der Sammlung Castiglioni, die zwei Millionen holländische Gulden erbracht habe. Als eine andere unerwünschte Wirkung nennt Emil Hirsch das Auftreten von »gentleman-dealers«, die auf unkontrollierbaren Wegen und ohne Steuern zu bezahlen Verkäufe tätigten. Noch im ersten Halbjahr 1926 beschloss der Reichsrat die vollkommene Aufhebung der Luxussteuer.7
Auswirkungen der Inflation In den ersten Nachkriegsjahren waren im Antiquariatsbuchhandel Preissteigerungen zu verzeichnen, die offenbar nicht allein vom Währungsverfall herrührten. Entscheidende Impulse für eine allgemeine Hebung des Preisniveaus sind bereits von der von Paul Graupe 1917 durchgeführten Auktion des Nachlasses von Alfred Walter Heymel ausgegangen, wobei nicht der Wert der Werke ausschlaggebend gewesen sein dürfte, sondern 4 Ein Zugeständnis bedeutete der Vorschlag: Bei Gegenständen ab 300.– Mark Verkaufspreis sollten 5 % erhoben werden, wenn die Drucke nicht wissenschaftlichen Zwecken dienten. 5 Zur Luxussteuerfrage. In: Börsenblatt 93 (1926) 64, S. 5 f. 6 Zur Luxussteuerfrage, S. 6. 7 Bericht 1925. In: Börsenblatt 93 (1926) 109, S. 22.
7.2 Der An tiqu ar iatsbuchh andel
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ihre Herkunft aus Heymels Besitz.8 Dessen ungeachtet wurden von den exorbitanten Ergebnissen dieser Auktion nachfolgend Spekulanten angelockt – Sammler ebenso wie Gelegenheitsantiquare, die im Buch bloß ein Anlageobjekt in Zeiten der Inflation sahen, mit fatalen Folgen: »Die einmal erwachte Spekulationswut übertrug sich nunmehr auch auf viele andere Gebiete des Antiquariates, Versteigerung folgte auf Versteigerung.« Aus den gleichen spekulativen Absichten heraus bildete sich damals auch eine schwunghafte Fabrikation von »Luxusdrucken« heraus; Verleger suchten die Gunst der Stunde zu nutzen und boten dem in Sachwerte flüchtenden Publikum in kleinen Auflagen gedruckte und vergleichsweise aufwendig ausgestattete Bücher an, die sich, äußerlich orientiert an Pressendrucken, den Anschein besonderen künstlerischen Wertes gaben. Mit dem Ende der Inflation verflüchtigte sich auch die Konjunktur dieser Luxus- oder Vorzugsdrucke, an der – wenn auch oft ohne rechte Überzeugung – der Antiquariatsbuchhandel teilgenommen hatte. Eine andere Folge der Inflation war der drohende »Ausverkauf des deutschen antiquarischen Buches«9 ins valutastarke Ausland, bedrohlich vor allem in den ersten zwei Jahren nach dem Krieg, als auf dem Antiquariatsmarkt noch eher Warenmangel herrschte. Deshalb wurde nicht nur für den exportstarken Wissenschaftsverlag, für den im Börsenverein schließlich eine »Verkaufsordnung für Auslandslieferungen« beschlossen wurde,10 sondern auch für den Antiquariatshandel die Einführung eines Valutaaufschlags diskutiert.11 Bei prinzipiell ungeregelten Verkaufspreisen war aber die Erhebung eines solchen Aufschlags unrealistisch und auch nicht notwendig. Auch folgte dem Warenmangel unter dem Druck der Inflation bald ein Überangebot, da sich viele Sammler »besonders infolge der Steuer- und sonstigen Lebensverhältnisse, ihres Besitzes entledigen müssen. Es ist gar nicht möglich, alle diese Ware aufzunehmen, es sei denn zu gefallenen Preisen.«12 Im Inlandsverkauf hatte es das Antiquariat einfacher als der Sortimentsbuchhandel; es konnte in der Hyperinflation auch ohne Grund- und Schlüsselzahlsystem für seine Verkaufsartikel spontan tagesaktuelle Preise festsetzen. Die Stabilisierung der Währung brachte jedenfalls die Rückkehr zu geordneteren Verhältnissen mit sich. Rückblickend stellte Gerhard Menz 1926 fest, dass die Geschäftsunkosten nunmehr niedriger gehalten werden müssten: »Besonders wird man davon absehen müssen, wie das in der Inflationszeit üblich war, luxuriös ausgestattete Kataloge mit verhältnismäßig geringwertigem Inhalt herauszubringen.«13 Er deutete auch an, dass es nach der Stabilisierung zu einer Marktbereinigung gekommen war; viele Neueinsteiger hätten die Rentabilität der Antiquariate überschätzt: »Begünstigt wurde eine gewisse Preistreiberei durch jüngere Wettbewerber, die meist erst in der Inflationszeit gelernt haben, nicht die genügende Erfahrung besitzen und deshalb zum Teil übermäßige Preise bezahlt haben.« Eine »nicht kleine An8 So Breslauer: Preissteigerung, bes. S. 156 ff. – Die Frage der Verkaufspreise wurde in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg immer wieder diskutiert, und zwar nicht allein im Blick auf die von der Geldentwertung verursachten Probleme, sondern auch in ganz grundsätzlicher Weise. Vgl. Bruck: Preisbildung. Bruck nimmt eine Analyse der Marktfaktoren und Preisbildungsmechanismen aus nationalökonomischer Perspektive vor. 9 Breslauer: Preissteigerung, S. 159. 10 Vgl. den Beitrag Fischer zum Export- und Auslandsbuchhandel in diesem Band. 11 Vgl. Breslauer: Preissteigerung, S. 160 ff. 12 Bericht 1925. In: Börsenblatt 93 (1926) 109, S. 21. 13 Menz: Wirtschaftsbedingungen, S. 38.
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zahl« von Inflationsneugründungen, die eine zeitlang den Einkaufsmarkt stark beeinflusst hätten, habe bereits wieder aufgeben müssen.
Die Einkaufsgenossenschaft Löwen Mit einer Altlast des Weltkriegs war der deutsche Antiquariatsbuchhandel lange Zeit befasst. Die Vorgeschichte: In der Nacht zum 26. August 1914 wurde die belgische Universitätsstadt Löwen/Leuven das Opfer einer »Strafaktion« der deutschen Armee; mit großen Teilen der Innenstadt wurde auch die Universitätsbibliothek niedergebrannt, rund 300.000 Bücher, darunter wertvolle Handschriften und Inkunabeln, wurden vernichtet. Der barbarische Akt wurde nach Kriegsende im Versailler Vertrag in Artikel 247 mit der Verpflichtung geahndet, die zerstörten Bestände innerhalb von drei Monaten zahlen- und wertmäßig zu ersetzen.14 Nachdem der Wert der zerstörten Bibliothek 1920 mit mehr als vier Millionen Goldmark festgesetzt worden war, wurden zunächst die öffentlichen Bibliotheken in Deutschland angewiesen, ihre Dublettenbestände zu katalogisieren und für die Reparation zur Verfügung zu stellen. Mit dem Börsenverein der deutschen Buchhändler wurde darüber beraten, wie der Buchhandel an der Reparation beteiligt werden konnte. Zur Koordination der weiteren Schritte wurde ein »Staatskommissar für die Wiederherstellung der Universitätsbibliothek Löwen« bestellt und für die praktische Durchführung der Reparation in Leipzig ein eigenes Unternehmen gegründet. Die »Einkaufsgesellschaft Löwen GmbH« war eine Tochtergesellschaft des Börsenvereins, mit stiller Beteiligung von neun Antiquariatsbuchhändlern. Sie hatte die Aufgabe, das für die Reparation erforderliche Material an Büchern, Zeitschriften, Inkunabeln und Sammlungsgegenständen zu beschaffen. Im Hintergrund stand die Erwartung, dass ein privatwirtschaftliches Unternehmen diese Aufgabe schneller und effektiver lösen könne als eine Behörde. Der Börsenverein betonte, dass er sich nicht etwa aus geschäftlichen Motiven beteilige; vielmehr sehe er es »als eine nationale Ehrenpflicht an, dem Reiche bei der Lösung dieser außerordentlich schwierigen und wichtigen Aufgabe seine ganze Organisation und seine Kraft zur Verfügung zu stellen.«15 Ungeachtet dieser idealistischen Gesinnung arbeitete die Einkaufsgesellschaft durchaus gewinnorientiert; sie kaufte »auf Rechnung des Reiches«, d. h. sie stellte dem Staat die zur Zeit der jeweiligen Lieferung gültigen Verkaufspreise in Rechnung. Ein Drittel der von der Einkaufsgesellschaft erwirtschafteten Gewinne sollte an die deutschen Bibliotheken ausgeschüttet werden. Dass sich der deutsche Antiquariatshandel unter diesen Bedingungen gerne an diesem Millionengeschäft beteiligte, ist nachvollziehbar.16 Indessen glaubte auch er, sich 14 Das Folgende nach Schivelbusch: Eine Ruine im Krieg der Geister. Zu Art. 247 des Versailler Vertrags vgl. ebd., S. 50. 15 Schivelbusch, S. 64 f. 16 Vgl. Schivelbusch, S. 65: »Die Teilnahme an der Ausführung der Reparation als ›nationale Ehrenpflicht‹ zu betrachten, fiel dem deutschen Antiquariatshandel nicht nur wegen der Gewinnspannen nicht schwer.« Bei stark rückläufigem Absatz im inländischen Bibliotheksgeschäft und beträchtlichem Überangebot an Ware durch Notverkäufe privater Sammler hatte »[n]iemand im Antiquariatshandel […] etwas gegen die Millionen einzuwenden, die durch die Löwener Reparation dem ganzen Geschäftszweig zugute kamen.« – Kritik kam damals nur von der Angestelltenorganisation des Buchhandels, die in ihrem Verbandsorgan Die Warte den Vor-
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über die Folgen des großzügigen Ankaufs ganzer Sammlungen beklagen zu müssen. Auf der Mitgliederversammlung des Vereins der Deutschen Antiquariats- und Exportbuchhändler vom 22. April 1921 wurde das Verhältnis zur Einkaufsgesellschaft diskutiert und dabei festgestellt, »dass die starken Käufe für Löwen die Preise, besonders für Privatbibliotheken, die zum Verkauf stehen, wesentlich beeinflussen, d. h. die dafür gezahlten und zu zahlenden Preise sind recht hohe. Dieser Umstand ist natürlich für das reine Antiquariat, das sowieso durch die Luxussteuer, neben den üblichen Steuern, recht kräftig belastet ist, kein angenehmer.«17 Die Einkaufsgenossenschaft Löwen nahm ihre Arbeit auf der Grundlage von mehr als 70 Desideratenlisten auf. Auf dieser Basis wurden in Leipzig von den insgesamt neun Angestellten der Einkaufsgesellschaft die Verkaufskataloge der größeren Antiquariate durchgesehen, kleinere Firmen wurden persönlich aufgesucht. Außerdem wurden die Listen in gedruckter Form an sämtliche Antiquariate versandt und Suchanzeigen im Börsenblatt veröffentlicht. Allerdings: Trotz hohen Aufwands konnte nur ein kleiner Teil der Desiderata auf diesem Weg beschafft werden. »Es schien, als sei der deutsche Antiquariatshandel nicht in der Lage, seine ›nationale Ehrenpflicht‹ zu erfüllen, was nichts anderes bedeutete, als dass die deutschen Bibliotheken die Lücken zu füllen hatten.«18 Von insgesamt 84 Bibliotheken lagen Dublettenmeldungen vor; der daraus zusammengestellte Katalog ließ erkennen, dass in dieser Bücherreserve ein großer Teil der Löwener Desiderata vorhanden war. Darum ging es allerdings bald nicht mehr: Die belgische Seite wollte die so zu Tage getretenen Schätze dazu nutzen, eine Raritätensammlung zusammen zu tragen, die mit den zerstörten Beständen nur noch teilweise identisch sein sollte. Auf dieser neuen Linie lag auch der Ankauf einzelner geschlossener Privatbibliotheken, wie sie damals in ganz Europa aufgrund wirtschaftlicher Not immer öfter angeboten wurden. Gekauft wurde so aus Reparationsgeldern die bedeutende Bibliothèque Cardinal in Paris (100.000 Erstausgaben, 225.000 Francs) und in den folgenden zwei Jahren weitere fünfzig Gelehrten- und Liebhaberbibliotheken, mit zusammen 150.000 Bänden.19 Schwieriger gestaltete sich der Ersatz der in Löwen verbrannten Handschriften; als Unikate konnten sie nur durch vergleichbar kostbare Exemplare aufgewogen werden. Der belgische »Commissar« kam, nach einer Bibliothekstour durch Deutschland, zu der Einkaufsgesellschaft nach Leipzig, wo ihm rund 400 Handschriften aus dem Angebot von drei großen Kunst- und Antiquariatshandlungen, den Firmen Hiersemann (Leipzig), Graupe (Berlin) und Breslauer (Berlin) vorgelegt wurden. Um den Handschriftensammlungen der deutschen Bibliotheken Verluste zu ersparen, sollten die Kompensationsexemplare ausschließlich im Handel beschafft werden. So geschah es auch: Der mit dieser
gang unter dem Titel »Der Friedensvertrag als Profitquelle« kommentierte: »Nichts kann aufreizender, empörender wirken, als wenn die Erfüllung von Lasten, die der Gesamtheit auferlegt sind, dazu benutzt werden kann, Gewinn einzelner auf Kosten der Gesamtheit zu erzielen. […] Derselbe Buchhandel, der die schäbigsten Gehälter von allen Erwerbszweigen zahlt, kann hier ungehemmt durch die Kontrolle der Arbeitnehmer seinen kapitalistischen Trieben freien Lauf lassen.« (Die Warte, 30. Dezember 1920; zit. n. ebd., S. 66). 17 Börsenblatt 88 (1921) 110, S. 682. 18 Schivelbusch: Eine Ruine im Krieg der Geister, S. 66 f. 19 Nähere Angaben dazu bei Schivelbusch, S. 69, bzw. die genaue Liste ebd., S. 223 f.
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Aufgabe betraute Leiter der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek wickelte das »Löwener Geschäft« vor allem mit sechs Händlern ab, mit den Firmen Jacques Rosenthal und Ludwig Rosenthal in München, Karl W. Hiersemann in Leipzig, Paul Graupe und Martin Breslauer in Berlin sowie Baer in Frankfurt am Main. Auf dem Gebiet der Inkunabeln ging man ähnlich vor. Nach Lieferung von 245 Handschriften und 647 Inkunabeln erklärte die belgische Seite im Oktober 1924 die Ansprüche der Löwener Bibliothek für erfüllt. Für die beteiligten deutschen Antiquare war die gesamte Wiederbeschaffungsaktion sicher ein sehr profitables Geschäft,20 und für einen von ihnen ging das Geschäft sogar noch weiter: Da 1924 aufgrund des Dawes-Plans die Reparationsleistungen generell auf Geldzahlungen umgestellt wurden, ergab sich für die Bibliotheksreparation ein Restguthaben von 2,3 Millionen Mark, dessen Abtragung – die Einkaufsgesellschaft Löwen war bereits in Liquidation gegangen – von der Firma Hiersemann übernommen wurde: »Für die im Dawes-Plan festgesetzte Summe – 100.000 Rentenmark monatlich – lieferte sie nach Löwen, was der Direktor des Office de la Restauration orderte.«21 Auf Vorschlag des Direktors wurde dann aber anstelle der monatlichen Tranchen eine andere Vorgangsweise gewählt: Eine Gesamtsumme von zwei Millionen Mark wurde als Stiftungskapital in Wertpapieren angelegt, die kontinuierlichen Büchereinkäufe konnten von den Zinsen bzw. Renditen getätigt werden. Die Verpflichtungen Deutschlands galten damit als erfüllt. Hiersemann lieferte weiterhin – bis 1943! – Bücher, für ca. 10.000 Reichsmark monatlich (ab den 1930er Jahren 7.000 RM) und zwar nunmehr auch Neuerscheinungen und laufende Zeitschriften. Geliefert wurden bis September 1939 auch französische, englische, und amerikanische Publikationen; 1930 wurde dafür von der Reichsregierung sogar eine Ausnahmegenehmigung von den strengen Devisenbestimmungen gewährt.22 Da der Universitätsbibliothek Löwen durch Hilfswerke nach 1918 weitere riesige Mengen von Büchern zugeflossen waren, war sie vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mit rund 900.000 Bänden die größte des Landes. Man mag es tragisch nennen, dass die Bibliothek am 17. Mai 1940 im Zuge eines Artilleriegefechts zwischen deutschen und englischen Truppen annähernd so vollständig zerstört wurde wie 1914.
Organisationsbestrebungen Kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs, am 20. September 1918, schlossen sich eine Gruppe Leipziger und einige auswärtige Antiquare und Buchhändler zum Verein der Deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler e.V. mit Sitz in Leipzig zusammen.23 Die Dringlichkeit des Zusammenschlusses wurde in einer einheitlichen Vorgangsweise in der Frage der Luxussteuer und gegenüber dem vom Deutschen Verlegerverein diskutierten Export20 »Auch wenn einzelne Unternehmen wie etwa die Firma Hiersemann aus ›patriotischen Gründen‹ einen Sonderrabatt von 10 Prozent auf die Katalogpreise gewährten, blieb ihnen immer noch ein Gewinn von rund 90 Prozent (anstelle der branchenüblichen 100). Gelegentlich wurden weit höhere Profite erzielt.« (Schivelbusch: Eine Ruine im Krieg der Geister, S. 78). 21 Schivelbusch, S. 91. 22 Vgl. Schivelbusch, S. 172 f. 23 Gründungsanzeige im Börsenblatt 85 (1918) 228, S. 5183. – Zu dieser Vereinigung vgl. auch den Beitrag Fischer zum Export- und Auslandsbuchhandel in diesem Band. Zu den Quellen siehe Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Bestand Börsenverein, Nr. 501.
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rabatt gesehen. Eigens hingewiesen wurde in der Gründungsanzeige auf drei bereits bestehende Antiquarsvereinigungen mehr lokalen Charakters, auf eine im Verein der Antiquitätenhändler bestehende ›Gruppe Antiquariatsbuchhandel‹ in München unter dem Vorsitz von Jacques Rosenthal sowie auf den Verein der Sortiments- und AntiquariatsBuchhändler zu Leipzig und auf den jüngst gegründeten Verein der Berliner Antiquare. Diese plötzliche Fülle von Vereinigungen trug den Keim des Streits bereits in sich. Noch vor Bekanntgabe der Gründung des Vereins der Deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler hatte Wilhelm Junk einen Artikel »Der Zusammenschluß des Deutschen Antiquariats« an das Börsenblatt eingeschickt und darin die Notwendigkeit einer Organisationsbildung unterstrichen.24 Er verband dies aber nicht nur mit einer Polemik gegen die örtlichen Vereinigungen in Berlin und München, sondern auch mit herablassenden Bemerkungen gegenüber dem bibliophilen Antiquariat: Dieses spiele zahlenmäßig keine besondere Rolle (Junk bezifferte die Zahl der einigermaßen bedeutenderen bibliophilen Antiquariate auf »noch nicht 10«), und wenn nun in Berlin durchgehend Herren in den Vorstand gewählt worden seien, die dem wissenschaftlichen Antiquariat fernstünden, so spiegele dies nicht die tatsächlichen Verhältnisse wider. Vielmehr gebühre in einem deutschen Antiquar-Verein die Führung dem wissenschaftlichen Antiquariat, »das vor allem nichts davon wissen will, ein Anhängsel einer Vereinigung von Antiquitätenhändlern zu sein.«25 Für das bibliophile Antiquariat replizierte Jacques Rosenthal auf sehr sachliche Weise;26 er verwies auf die konkreten Initiativen der von ihm geleiteten Gruppe des Antiquarbuch- und Kunstblätterhandels im Verband des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels und drückte sein Bedauern über das Abseitsstehen Wilhelm Junks aus. Weniger zurückhaltend, vielmehr in spöttisch-ironisierender Weise äußerte sich Martin Breslauer, der noch einmal unterstrich, dass die für Antiquare existenzgefährdende behördliche Forderung nach Anlage eines Lagerbuchs ein rasches Handeln erforderlich gemacht habe.27 Dass auch ein lokaler Berliner Verein gegründet wurde, sei in Rücksicht auf das örtliche Steueramt geschehen, und wenn inzwischen in Leipzig ein allgemeiner Zusammenschluss erfolgt sei, so wolle die Berliner Gruppe sich diesem ohne weiteres als Untergruppe anschließen. Der Hochmut des wissenschaftlichen Antiquariats gegenüber dem Kunst- und Antiquitätenhandel sei jedenfalls völlig unangebracht. In dieser von führenden Vertretern ihres Standes geführten Debatte zeichneten sich also beträchtliche Spannungen zwischen dem wissenschaftlichen und dem (vergleichsweise jüngeren) bibliophilen Antiquariat ab.28 In der Folgezeit ließ aber die Vertretung 24 25 26 27
Vgl. Wilhelm Junk: Zusammenschluß, S. 606 f. Junk: Zusammenschluß, S. 607. Vgl. Rosenthal: Zusammenschluß, S. 632. Tatsächlich hatten die Münchner Antiquare bei der Bayerischen Regierung eine Befreiung von der Führung eines Lagerbuchs erreicht, ebenso sind einige Frankfurter und Berliner Kollegen durch Privateingabe davon entbunden worden; von der Sächsischen Regierung wurde eine ähnliche Entscheidung erwartet. Vgl. Börsenblatt 86 (1919) 17. 28 In etwas verbindlicherem Ton, aber immer noch sehr kritisch gehalten ist ein Aufsatz Wilhelm Junks, in welchem er die »scharfe Zweiteilung innerhalb dieses so engen Berufs« reflektiert (Junk: Das wissenschaftliche und das bibliophile Antiquariat.) Junk vergleicht insbesondere die Katalogpraxis und gesteht dem bibliophilen Antiquariat einen hohen Grad an ›Wissenschaftlichkeit‹ zu, unterstellt ihm aber ein Übergewicht kommerzieller Gesinnung,
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der vitalen Interessen des Antiquariatsbuchhandels die Konflikte in den Hintergrund treten. Aufgrund seines überregionalen Charakters kam dem Verein der deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler die weitaus größte Bedeutung zu; die Kombination mit dem Exportbuchhandel erschien aufgrund der überragenden Bedeutung der Auslandsmärkte für die Antiquare sinnvoll. Bereits auf der am 16. Mai 1919 abgehaltenen Mitgliederversammlung konnte sein 1. Vorsitzender Karl W. Hiersemann mitteilen, dass sich bisher 51 Mitglieder angeschlossen hätten und dass der Verein bemüht sei, die Stellung der Antiquare gegenüber dem Börsenverein und dem Deutschen Verlegerverein zu klären. Neben den fortgesetzten Verhandlungen in Sachen Lagerbuch sei es die Valutafrage, die schwere Bedenken verursache.29 Im Dezember 1924 zählte der Verein bereits 135 Mitglieder, Ende 1925 waren es 149.30 Im Gründungsvorstand waren neben Hiersemann die Firmen C. G. Boerner, Gustav Fock, Otto Harrassowitz vertreten,31 auf der ordentlichen Mitgliederversammlung vom 22. April 1921 wurden Karl W. Hiersemann, K. Koehler, Richard Francke und Adolf Weigel wieder in den Vorstand gewählt, die Herren Bangert, Leo Baer, Martin Breslauer und Hans Harrassowitz als Beisitzer berufen.32 Am Beginn der dreißiger Jahre war J. R. Loewe von der traditionsreichen Berliner Firma R. Friedländer & Sohn Vorsitzender, Leo Baer von der nicht minder traditionsreichen Firma Joseph Baer & Co. in Frankfurt sein Stellvertreter, Schriftführer war Alexander Liebisch (Leipzig), Schatzmeister Leo Jolowicz (Fa. Gustav Fock, Leipzig), und als Beisitzer fungierten S. Martin Fraenkel (Berlin), Hans Harrassowitz (Leipzig), Anton Hiersemann (Leipzig) und Emil Hirsch (München).33 Demnach war mit dem Verein schließlich doch die repräsentative Vertretung des deutschen Antiquariatsbuchhandels zustande gekommen.
Das Verhältnis zum Börsenverein Der Antiquariatsbuchhandel behauptete seit jeher eine Sonderstellung, bisweilen wurde er im System des deutschen Buchhandels sogar als Fremdkörper empfunden.34 Eine Differenz zum regulären Sortimentsbuchhandel bestand allein schon in der freien Bestimmung des Endverkaufspreises bei antiquarischen Büchern. Der Börsenverein der
29 30 31
32 33 34
während »das Agens, das uns den Beruf schätzenswert macht: die Liebe zum Buch, doch recht in den Hintergrund gedrängt ist.« Ein Unterschied bestehe auch in der Weltgeltung des deutschen wissenschaftlichen Antiquariats: »Turmhoch stehen unsere großen Firmen, schon in ihren vorbildlichen Katalogen, über denen des Auslandes, soweit diese nicht ebenfalls deutsche Gründungen sind.« Die »Krone« reiche er deshalb, wenn auch der eigenen Befangenheit bewusst, dem wissenschaftlichen Antiquariat, zumal diesem die Zukunft gehöre. Vgl. Börsenblatt 86 (1919) 125, S. 502. Verein der Deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler, Bericht 1925. In: Mitteilungen aus dem Antiquariat 1. Jg., Nr. 4; Börsenblatt 93 (1926) 109, S. 21. Vgl. Börsenblatt 85 (1918) 228. Vgl. ferner: Bericht über die am 1. Mai 1920 abgehaltene zweite ordentliche Mitgliederversammlung des Vereins der Deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler. Leipzig 1920. Vgl. Börsenblatt 88 (1921) 110, S. 682. Vgl. Adressbuch des Deutschen Buchhandels, 93. Jg. 1931. Leipzig o. J., II. Abt., S. 11. Vgl. Baer: Das Antiquariat. – Vgl. auch Unruh: Zwischen Ramsch und Inkunabeln, bes. S. 918–920.
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deutschen Buchhändler, der als eine seiner Hauptaufgaben die Aufsicht über die Einhaltung der festen Ladenpreise bei verlagsfrischen Büchern betrachtete, suchte gleichwohl auch diese Sparte in seinen organisatorischen Zusammenhang zu integrieren. Zur Vermeidung von Misshelligkeiten enthielt § 14 der Börsenvereinssatzung vom 14. Mai 1925 klare Bestimmungen zum Tätigkeitsfeld der Antiquare: 1. Als Antiquariat sind Gegenstände des Buchhandels in folgenden Fällen anzusehen: a) wenn sie Eigentum des Publikums gewesen sind, b) wenn sie ihrer Erhaltung nach nicht mehr neu sind, c) wenn sie an das Publikum gewerbsmäßig verliehen gewesen sind, nur dann, wenn sie der Erhaltung nach nicht mehr neu sind, d) wenn sie durch neue veränderte Auflagen überholt oder sonstwie veraltet sind. Einer gängigen Praxis kam die Bestimmung in Abs. 2 entgegen: 2. Ausnahmsweise kann der Verleger zum Zwecke antiquarischer Verwertung Sortimentern und Antiquaren gestatten, Exemplare älterer Werke in geringer Anzahl auch unter dem Ladenpreise zu verkaufen. Derartige Exemplare sind dem Publikum gegenüber ausdrücklich als ›antiquarisch‹ zu bezeichnen.35 Der Antiquariatsbuchhandel legte Wert auf Abstand von der Branchenorganisation des deutschen Buchhandels. So stellte Karl W. Hiersemann in seinem Beitrag »Börsenverein und Antiquariat« anlässlich des 100-jährigen Bestandsjubiläums des Börsenvereins 1925 fest: Der Börsenverein und das Antiquariat sind zwar immer freundschaftliche Nachbarn gewesen, doch haben sie im Laufe ihrer Bekanntschaft nur lose Beziehungen gehabt. Die Gründe hierfür sind in der historischen Entwicklung des Buchhandels zu suchen. Der Börsenverein verdankt sein Entstehen dem Wunsche nach einer starken Berufsorganisation zum Schutze gegen Nachdruck und Schleuderei, gegen Schikanen der Zensur u. dgl. und nach Einführung allgemeingültiger geschäftlicher Bestimmungen im Verkehr der Buchhändler untereinander. Dies interessierte natürlicherweise in erster Linie Verlag und Sortiment, während das solide Antiquariat, soweit es sich mit dem Vertrieb alter Werke und vergriffenen Büchern befaßte, davon wenig berührt wurde. Der ältere Bruder, das Antiquariat, war immer ein reservierter Eigenbrödler.36 Der Verein der Deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler hat eine Aufnahme als Organ des Börsenvereins zum Zeitpunkt seiner Gründung nicht angestrebt.37 Als eine Händlerorganisation geriet er denn auch zwangsläufig in Konflikt zu den exportie35 Satzung des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler vom 14. Mai 1925. 36 Karl W. Hiersemann: Börsenverein und Antiquariat. In: Börsenblatt. Sonderausgabe zum hundertjährigen Bestehen des Börsenvereins Kantate 1925; hier zit. n. Unruh: Zwischen Ramsch und Inkunabeln, S. 911. 37 Eine Mitgliedschaft beim Börsenverein – die unabdingbare Voraussetzung für eine Anerkennung als Fachverein – war in der Satzung nicht vorgesehen; auch hielt man eine Vermehrung der Fachvereine im Börsenverein für weniger wünschenswert als dessen Gesamtreform.
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renden Verlegern und im weiteren auch zum Börsenverein, dessen Maßnahmen gerade in der Inflationszeit – an vorderster Stelle immer wieder die umkämpfte »Verkaufsordnung für Auslandslieferungen« – Anlass zur Kritik gaben: Da er alle Maßnahmen, die auf eine Einschränkung der Freiheiten im Export, besonders in der Preisgestaltung, hinausliefen, entschieden ablehnte und mehr auf das Prinzip »Gewinn durch großen Umsatz bei niedrigen Preisen« setzte, trat der Verein 1920/1921 als einer der Hauptexponenten des Widerstands gegen die vor allem von Verlegern gestützte Politik der Auslandsaufschläge auf. 1927 stellte der Verein der Deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler aber doch den Antrag auf Anerkennung als Organ des Börsenvereins; dem Antrag wurde am 14. April 1927 stattgegeben.
Bemühungen um ein eigenes Organ Seit 1925 war der Verein der deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler um die Schaffung eines eigenen Organs bemüht, um dort spezifische Berufsfragen zu diskutieren und zugleich ein »Gesuchblatt für antiquarische Bücher« zu betreiben.38 Von einer hierzu eingesetzten Kommission war jedoch dieser Plan angesichts der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse verworfen worden; der Verein nahm daher ein Angebot des Börsenverein-Vorstands an, zu den gleichen Bedingungen wie schon der Deutsche Verlegerverein den Textteil des Börsenblattes im Umfang von bis zu 15 Bogen im Jahr für Veröffentlichungen zu nutzen.39 Diese erschienen seit 10. Februar 1926, redigiert von Gerhard Menz, monatlich unter dem Titel »Mitteilungen aus dem Antiquariat« in alleiniger Verantwortlichkeit des Vereins. Von den Mitgliedern wurde rege Mitarbeit erbeten: Geeignet und erwünscht sind vor allem Vereinsberichte, fachmännische und literarische Beiträge, auch historischer Art, Biographien, Personalnachrichten, Lebenserinnerungen (die dann wertvolles Material für die noch immer zu schreibende Geschichte des deutschen Antiquariatsbuchhandels abgeben werden), Erfahrungen aus der antiquarischen Praxis, bibliographische Arbeiten, Hinweise auf Literatur für die Handbibliothek des Antiquars […] usw. usw.40 Allerdings wurden die »Mitteilungen« bereits ein Jahr später wieder eingestellt. Rubriken mit angebotenen und gesuchten Büchern gab es im Börsenblatt seit dessen Gründung. Da sie der Funktion, zwischen Angebot und Nachfrage zu vermitteln, nur auf sehr unbefriedigende Weise entsprachen, kam es mehrfach zu Versuchen, diesem Missstand abzuhelfen, u. a. durch zwei privatverlegerische Zeitschriftengründungen, die sich als Fachorgane für Büchergesuche etablieren wollten, allerdings bald wieder eingestellt wurden: 1925/26 waren das Die Antiquariats-Börse,41 1927 der Antiquariats38 Börsenblatt 93 (1926) 34, S. 1. – Vgl. zum Folgenden auch Unruh: Zwischen Ramsch und Inkunabeln, sowie Unruh: Antiquariatsbuchhandel, S. 95–98. 39 Zum Börsenblatt als Anzeigenorgan und Fach- bzw. Verbandszeitschrift vgl. Unruh: Zwischen Ramsch und Inkunabeln. 40 Mitteilungen aus dem Antiquariat 1. Jg. Nr. 1; Börsenblatt 93 (1926) 34. 41 Im Verlag R. Debold & Co., München, zuerst 1925, dann 1926 nach mehrmonatiger Pause wieder erschienen (Abteilung B von Kunst und Antiquariat. Zeitschrift für Kunst- und Bücherfreunde, Sammler und Antiquare), vgl. Börsenblatt 93 (1926) 215, S. 55.
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markt (ebd.), von dem nur sieben Nummer erschienen.42 Ursache der Kurzlebigkeit war wohl das Erscheinen des Fachblatts Gesuchte Bücher des Vereins der Deutschen Antiquariats- und Exportbuchhändler in Leipzig, das 1927 zuerst herauskam und sich als die »maßgebende Anzeigeliste des Antiquariats für Gesuche und Gebote« verstand.43 Da hier alle größeren deutschen Antiquariatsfirmen inserierten, war damit eine wichtige Marktinformation gegeben.
Firmenstatistik Die zahlenmäßige Beschreibung des Antiquariatsbuchhandels steht grundsätzlich vor dem Problem der Abgrenzung, denn mit dem »Altbuchhandel« befassten sich viele Buchhändler auch nur nebenbei. Es ist davon auszugehen, dass es in Deutschland am Beginn der dreißiger Jahre rund 4.000 Sortimentsbetriebe gab, die sich in irgendeiner Form eine Antiquariatsabteilung angegliedert hatten.44 Allerdings ist diese Form des Gelegenheitsantiquariats nicht mit den entwickelten Geschäftspraktiken des reinen Antiquariatsbuchhandels zu vergleichen; der allergrößte Teil dieser »Abteilungen« spielte auch unter Ertragsgesichtspunkten nur ein unbedeutende Rolle. Darüber hinaus reichte das Spektrum im Antiquariatshandel selbst vom Weltunternehmen bis zum Büchertrödel in stationären oder auch ambulanten Vertriebsformen.45 Die im Buchhändler-Adreßbuch enthaltenen »Statistischen Übersichten« zur Branchenentwicklung erheben allerdings den Anspruch, die »reinen« Antiquariate ermittelt zu haben. Aus diesen Angaben geht hervor, dass die Firmenzahl im Antiquariatsbuchhandel nach Ende des Ersten Weltkriegs deutlich anstieg und sich danach in Summe stabil hielt: 1917 220
1922 254
1926 258
1930 25646
Zu anderen Ergebnissen gelangte Bernhard Wendt in einem 1936 im Börsenblatt abgedruckten Artikel.47 Er breitete dort ein Zahlenmaterial aus, das sich in weiten Teilen auf die Zeit vor 1933 bezieht. Aus den im Internationalen Adressbuch der Antiquare für den 42 Börsenblatt 93 (1926) 215, S. 55. 43 Das Blatt erschien seit 1. Februar 1927 als Organ des Vereins dreimal wöchentlich und war für Mitglieder kostenlos, Nichtmitglieder zahlten 10 RM jährlich. 44 Von den im Adressbuch des Deutschen Buchhandels 1927 aufgeführten 6.647 Sortimentsfirmen werden nur 1.308 als reine Sortimentsfirmen ausgewiesen; das Adressbuch 1931 nennt 6.365 Firmen im verbreitenden Buchhandel, davon 1.267 als »reine Sortimentshandlungen«. 45 In den größeren Städten unterwegs waren Altbücherwagen, wobei nicht selten mehrere einem Unternehmer gehörten; in Hausdurchgängen, an Straßenecken oder auch in Kellerräumen boten Bücherkrämer ihre Ware an. Vgl. den Beitrag Haug: Sonderformen des verbreitenden Buchhandels in diesem Band. Vgl. ferner Kemsys: Zwanzig Jahre Bücherkarren. 46 Nach Bruck: Preisbildung, S. 56 (Anhang I); Adressbuch des deutschen Buchhandels 1931, S. XXXIV. – Erfasst sind hier alle Antiquariate im Organisationsbereich des Börsenvereins (neben Deutschland auch Österreich und die Schweiz, teilweise auch weitere ausländische Firmen, die mit dem deutschen Buchhandel in Beziehung standen). 47 Vgl. Wendt: Der Altersaufbau. In den von Wendt gegebenen statistischen Angaben dürften die nationalsozialistischen Kampagnen zur »Entjudung« des deutschen Buchhandels noch kaum einen Niederschlag gefunden haben.
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»deutschen politischen Raum« genannten 704 Buchhandlungen traf er nach bestimmten Kriterien eine Auswahl von 350 Antiquariatsbuchhandlungen, von denen rund 200 Firmen als die eigentlichen Träger des deutschen Antiquariatsbuchhandels betrachtet werden könnten.48 Von den 350 Firmen waren 314 Mitglied des Börsenvereins, 303 ins Handelsregister eingetragen; nur 44 (12 %) konnten als reine Antiquariate gelten, 306 als gemischte Betriebe. Damit erwies sich das Antiquariat zum größten Teil als Bestandteil des Sortimentsbuchhandels; an zweiter Stelle folgte die Verbindung mit einem Verlag. Aufschlussreich sind auch Wendts Beobachtungen zum Altersaufbau im deutschen Antiquariatsbuchhandel: Von 343 der 350 ausgewählten, im Jahr 1935 bestehenden Firmen konnte Wendt das Gründungsdatum feststellen, mit folgendem Ergebnis: 17. Jh. 1
18. Jh. 18
1800 –186749 79
1868 –1899 107
1900 –1913 43
1914 –1918 5
1919 –1934 90
Danach ist gut ein Viertel der am Ende der Weimarer Zeit bestehenden Antiquariate erst nach dem Ersten Weltkrieg gegründet worden,50 mehr als 200 Firmen konnten auf Traditionen zurückblicken, die ins 19. Jahrhundert oder noch weiter zurück reichten. Für die Jahre 1919 – 1934 gibt Wendt eine genauere Aufgliederung der Gründungszeitpunkte: 1918 4
1919 10
1920 6
1921 6
1922 7
1923 8
1924 3
1925 5
1927 8
1928 5
1929 5
1930 1
1931 4
1932 9
1933 8
1934 151
1926 4
Noch eine andere Firmenzählung sei erwähnt, weil sie internationale Vergleiche zulässt. Dem Weimarer Adressbuch bzw. Junk’s Adressbuch zufolge gab es in Deutschland 1922 496 Antiquariate.52 Auf dieser Basis ergibt sich im internationalen Vergleich einiger Länder und Hauptstädte für das Jahr 1926 das folgende Bild:
48 Nach Kriterien des internationalen Rufs, der Leistungsfähigkeit, der regelmäßigen Veröffentlichung von Katalogen, der Betriebsgröße und eines eigenen Mitarbeiterstabs beurteilt dürfe jedoch gesagt werden, »daß das reichsdeutsche Antiquariat heute aus kaum mehr als 75 Firmen besteht.« (Wendt: Der Altersaufbau, S. 131). 49 Die Zäsur im Jahr 1867 erklärt sich aus der zu diesem Zeitpunkt eingeführten Gewerbefreiheit. 50 »Mit der beginnenden Inflation setzte dann die Unternehmerlust wieder ein, angefacht durch die urteilslose Flucht des Publikums in die Sachwerte und damit auch in die Bücher aller Gattungen. (Der Buchsnobismus und das Schiebertum der damaligen Zeit sind noch in guter Erinnerung.) Aus den Jahren 1927, 1932 und 1933 hat sich dann wieder eine größere Anzahl von neueröffneten Betrieben halten können.« (Wendt: Der Altersaufbau, S. 132) 51 Nicht erfasst wurden in dieser Aufstellung die Betriebe, die in kürzerem oder längerem Abstand zu ihrer Gründung wieder geschlossen wurden, speziell also die in der Inflationszeit entstandenen Firmen, meist Kleinbetriebe, welche nach der Stabilisierung der Währung wieder verschwunden sind. 52 Bruck: Preisbildung, S. 57. Eine Vergleichszahl für das Jahr 1892 wird dort angegeben mit 448.
7.2 Der An tiqu ar iatsbuchh andel Deutschland 496
Frankreich 268
GB 319
425 USA 198
Berlin 125
Paris 185
London 152
New York 76
Die Konzentration in den Hauptstädten ist im Ausland also deutlich höher. Für die Topographie des deutschen Antiquariatsbuchhandels hat Wendt, ausgehend von einer Gesamtzahl von 350 Firmen, folgende örtliche Verteilung ermittelt: Berlin 82 23,4 %
Leipzig 54 15,4 %
München 42 12 %
Hamburg 18 ca. 5 %
Frankfurt a. M. 17 ca. 5 %
Dresden 13 ca. 3,7 %
Stuttgart 9 2,5 %53
Rund zwei Drittel der bedeutenderen Firmen haben demnach ihren Sitz in den genannten sieben Städten, mehr als die Hälfte in den vier traditionellen Buchhandelszentren Leipzig, Berlin, München und Stuttgart. Aufschlussreich auch Wendts Erkenntnisse zu den Unternehmensformen: Von den ausgewählten 350 Firmen waren 248 als Einzelunternehmen eingetragen, 66 als Personalgesellschaften (58 als Offene Handelsgesellschaften, 8 als Kommanditgesellschaften) und 36 als Kapitalgesellschaften (33 als GmbH und 3 als Aktiengesellschaften, wobei es sich aber durchgehend um kombinierte Großbetriebe handelt). Dies bedeutet, dass bei mehr als 70% der Firmen Leitung und Kapital in einer Hand lagen: »Der spekulative Charakter des Antiquariats macht häufig schnelle Entschlüsse nötig. Die persönliche Tüchtigkeit eines einzelnen ist daher in der Regel von ausschlaggebendem Erfolg.«54
Das wissenschaftliche Antiquariat Kennzeichnend für das wissenschaftliche Antiquariat in Deutschland am Beginn des 20. Jahrhunderts war der hohe Grad der Spezialisierung. Die Tendenz zur fachlichen Differenzierung hatte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts eingesetzt; als vielleicht frühestes Beispiel ließe sich das 1828 von Raphael Friedländer in Berlin gegründete Allgemeinantiquariat nennen, das von seinem Sohn Julius Friedländer 1853 als »Zentralstelle für naturwissenschaftliche und mathematische Literatur« weitergeführt worden ist. Von den zahlreichen, in der zweiten Jahrhunderthälfte in Deutschland entstandenen Antiquariaten – allein zwischen 1869 und 1890 hatte sich ihre Zahl von 81 auf 195 vermehrt – war ein großer Teil von vornherein fachspezifisch ausgerichtet, teils auf die exakten oder beschreibenden Naturwissenschaften, teils auf Medizin, Rechts- und Staatswissenschaften oder auf einzelne Philologien, auf Musik, Kunst, Orientalistik und Genealogie. Auf den Strukturen, die das wissenschaftliche Antiquariat in der Kaiserzeit ausgebildet hatte, konnte in der Weimarer Republik aufgebaut werden. Allerdings ergaben sich doch markante Unterschiede. Der Ausbau des deutschen Universitätswesens, der den Aufschwung des Wissenschaftsantiquariats im ausgehenden 19. Jahrhundert in hohem Maße mit bewirkt hatte, hatte sich nicht in gleichem Tempo fortgesetzt. Die Dynamik der deutschen Wissenschaftsentwicklung, die um 1900 53 Wendt: Der Altersaufbau, S. 138; die Angaben zur regionalen Gliederung sind hier noch wesentlich ausführlicher und umfassen 58 Städte. 54 Wendt: Der Altersaufbau, S. 132.
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»Weltgeltung« erlangt hatte, hatte durch den Ersten Weltkrieg Schaden genommen, besonders hinsichtlich ihrer Außenwirkung. Geblieben waren aber die Struktureffekte, die mit der Umwandlung der neuhumanistischen Universität in ein modernes, breitgefächertes Hochschulsystem entstanden waren: Naturwissenschaftliche Forschung hatte an Prestige gewonnen, die Herausbildung zahlreicher neuer Subdisziplinen und die systematisch betriebene Errichtung von Technischen Hochschulen, auch die Etablierung von außeruniversitären Forschungsinstituten hatte dem wissenschaftlichen Antiquariat außerordentlich günstige Rahmenbedingungen für seine Entfaltung geboten. Entstanden war so auch ein Absatzmarkt von dauerhafter Bedeutung. Denn der Aufbau der Instituts- und Forschungsbibliotheken war nur durch die Mitwirkung eines leistungsfähigen Antiquariatswesens möglich gewesen; vor Beginn des Ersten Weltkriegs überwogen die antiquarischen Anschaffungen häufig diejenigen von neuen Büchern. Die damals glänzende Lage des Antiquariatsbuchhandels ergab sich aber nicht allein aus dem Inlandsgeschäft, sondern für manche Firmen mehr noch aus den Verbindungen nach Nordamerika oder in den ostasiatischen Raum.55 An diesem riesigen Wachstumsmarkt hatten sich die deutschen Antiquare beachtliche Anteile sichern können. Komplette Bibliotheken wurden von Deutschland aus eingerichtet, viele Büchersammlungen deutscher Gelehrter gingen en bloc nach Übersee. Der deutsche Antiquariatsbuchhandel hatte damals eine internationale Dimension gewonnen. In den Jahren des Ersten Weltkriegs waren diese Verbindungen – abgesehen von einigen »Schleichwegen« – ins feindliche Ausland unterbrochen, sie konnten jedoch nach 1918 im Bereich des Antiquariats rasch (schneller als im sonstigen Buchexport) wieder angesponnen werden. In der Hochburg des wissenschaftlichen Antiquariats, in Leipzig, aber auch in Berlin und anderen Orten blickte man wieder zuversichtlich in die Zukunft.56 Leipzig hatte besonders günstige Voraussetzungen für das wissenschaftliche Antiquariat, nicht zuletzt weil es vor Ort ein großes Angebot an nicht verkauften Büchern in den Lägern der zahlreichen Verlage und Kommissionsbuchhandlungen gab.57 Der Zentralplatz des deutschen Buchhandels war auch nicht zufällig der Sitz zahlreicher Firmen mit Weltruf, die den Antiquariatshandel mit einem Exportsortiment und einer Verlagstätigkeit verbanden. Charakteristisch für die Entwicklung war zudem, dass das traditionsreiche, 1847 gegründete Antiquariat K. F. Koehlers Antiquarium nach dem Ersten Weltkrieg, 1919, in den Firmenverbund von Koehler & Volckmar einbezogen wurde; Expansion und Bildung größerer Unternehmenseinheiten standen jetzt allgemein auf der Agenda. Unter dem größeren Firmendach (und mit dem entsprechenden Kapitalhintergrund) entwickelte sich Koehlers Antiquarium erfolgreich weiter zu einem der führenden wissenschaftlichen Buch- und Zeitschriftenantiquariate und -exportsortimente in 55 Die Geschichte der nordamerikanischen Bibliotheken vermittelt einen Eindruck von den Absatzmöglichkeiten: Gab es 1800 in den USA gerade 62 öffentlich zugängliche Büchereien mit zusammen 115.000 Bänden, so verzeichnete man 1904 bereits mehr als 10.000 Bibliotheken mit insgesamt 54 Millionen Bänden. 56 Zur Vorgeschichte bzw. zur Geschichte des Antiquariatsbuchhandels im 19. Jahrhundert vgl. Von Schätzen & Scharteken. Antiquariatskataloge im 19. Jahrhundert. Vgl. auch den Beitrag Jäger/Wittmann in Band 1/3 dieser Buchhandelsgeschichte. Für einen Überblick über die Antiquariatsszenerien von Berlin und Leipzig vgl. Knopf: »Amor librorum nos unit«, S. 192. 57 Vgl. Knopf: Leipziger Antiquariatsfirmen, S. 101. Vgl. hierzu auch Sarkowski: Das wissenschaftliche Antiquariat.
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Deutschland. Die Firma war in der Lage, Privatbibliotheken in großem Stil aufzukaufen, selbst wenn sie 28.000 Bände hatten wie jene des Züricher Literaturwissenschaftlers Robert Saitschek, die 1925–27 dem Publikum in sechs Katalogen angeboten wurde. Karl W. Hiersemann war bis zu seinem Tod 1928 eine zentrale Erscheinung im deutschen Antiquariatsbuchhandel, allein schon aufgrund seiner zahlreichen Ehrenämter. In einem Nachruf schrieb sein Sohn und Nachfolger Anton Hiersemann: »Fast mittellos begründete er vor 44 Jahren seine Firma, die er mit unerhörtem Fleiß zu ihrer Blüte führte. Aufbrausend, kein Diplomat, stets rücksichtslos offen, unbedingt zuverlässig. Kein Verleger, Sortimenter, Antiquar: ein Buchhändler ersten Ranges.«58 Schon früh, 1892, hatte er dem Unternehmen einen Verlag angegliedert, in welchem er in etwa die gleichen Sachgebiete abdeckte wie im Antiquariat: Bibliografie, Kunst- und Buchgeschichte, Orientalia, Americana und Literaturwissenschaft. Dadurch war auch der Käuferkreis, darunter namhafte amerikanische Bibliotheken, weitgehend identisch mit jenem für antiquarische Bücher. Unter den Verlagsobjekten befand sich u. a. der Gesamtkatalog der Wiegendrucke, das Lexikon des gesamten Buchwesens, das vielfach aufgelegte Handbuch der orientalischen Teppichkunde u. a. m. Ein drittes Standbein war mit dem Exportsortiment entstanden, das eine genaue Kenntnis des ausländischen Buchhandels und viel Erfahrung erforderte. Als Antiquar handelte Hiersemann mit kostbaren Handschriften und Inkunabeln, illustrierten Frühdrucken, Erstausgaben und Grafiken, aber auch mit natur- und geisteswissenschaftlichen Werken früherer Jahrhunderte, sodass hier die wissenschaftliche und bibliophile Dimension des Antiquariats ineinander verschränkt erscheinen. Mit Recht wurde Karl W. Hiersemann zum 70. Geburtstag als herausragende Persönlichkeit des gesamten Metiers gefeiert.59 Anton Hiersemann, der nach intensiver Auslandserfahrung bereits seit 1920 als Teilhaber der väterlichen Firma eingesetzt war und sich hauptsächlich dem Verlag gewidmet hatte, stand am Beginn der dreißiger Jahre vor der Aufgabe, auf die von der Weltwirtschaftskrise verursachten Preiszusammenbrüche zu reagieren, auch auf die von der Reichsregierung verfügten Devisenbeschränkungen. Kostensenkungsmaßnahmen z. B. durch Druck einfacher Verzeichnisse anstelle teurer Kataloge und die Umstellung der Verlagsproduktion trugen zur Bewältigung der schweren Absatzkrise bei. Bis 1949 waren auf der Grundlage einer hervorragenden Handbibliothek und eines in der Branche berühmten Zettelkastens mit 50.000 Ausschnitten aus eigenen und fremden Katalogen insgesamt 669 Kataloge erschienen.60 Sehr ähnlich strukturiert war das von Otto Harrassowitz aufgebaute, nach dessen Tod 1920 von Hans Harrassowitz weiter geführte Unternehmen, das ein Spezialantiquariat und einen Verlag für Orientalistik, Bibliotheks- und Sprachwissenschaften umfasste; neben dem Zentralblatt für Bibliothekswesen und dem Jahrbuch der deutschen Bibliotheken erschienen hier zahlreiche bedeutende Monografien.61 Außerdem unterhielt Harrassowitz eine Exportabteilung, die einen schwunghaften Handel besonders mit nordamerikanischen Bibliotheken betrieb; zeitweilig belieferte er 40 solcher Institutionen, einige davon exklusiv. Eine verdienstvolle Importtätigkeit entfaltete die Firma mit Literatur aus dem Orient. Das Antiquariat konnte aufgrund der engen Verbindung des 58 59 60 61
Zit. n. Olbrich: Hundert Jahre Hiersemann 1884–1984, S. 70. Vgl. die Festschrift Werden und Wirken von 1924. Vgl. Knopf: Leipziger Antiquariatsfirmen, S. 106–108. Dorn: Otto Harrassowitz.
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Unternehmens mit der Wissenschaft bedeutende Gelehrtennachlässe erwerben und verwerten und manche Kollektion in geschlossener Form weiterverkaufen. Dass die Kataloge einen hervorragenden Ruf hatten, verdankte sich der Expertise Otto Venedigers, des langjährigen Leiters des Antiquariats.62 Auch an dem Großunternehmen Gustav Fock lässt sich in exemplarischer Weise verfolgen, welche Chancen die Zeit geboten hat und wie sich Antiquariate zu Institutionen des Wissenschaftsbetriebs entwickelt haben.63 1884 war Gustav Fock mit der Gründung einer »Zentralstelle für Dissertationen und Programme« hervorgetreten, die als Vertrieb von wissenschaftlicher Kleinliteratur auf Wunsch auch den Druck von Dissertationen übernahm. Angegliedert war ein Antiquariat, dessen Geschäftsradius ständig zunahm und das, gegenläufig zu den SpezialisieAbb. 1: Bibliotheca Aldina. Eine Sammlung von rungstendenzen, in verschiedenste 800 Drucken des Aldus Manutius und seiner Bereiche hinein expandierte. Von Nachfolger. Leipzig o. J. (1930). Bereits 1921 den bis in die 1930er Jahre erschiehatte G. Fock einen ersten Katalog »Bibliotheca nenen mehr als 500 Katalogen, die Aldina« mit mehr als 500 Drucken herausge- oft in einer Auflage von 8–10.000 bracht. Exemplaren gedruckt wurden, bezog sich rund ein Viertel auf Naturwissenschaften und Medizin, ein Fünftel auf die klassische und germanische Philologie, die übrigen verteilten sich auf Geschichte und Geografie, auf die Rechts- und Staatswissenschaften und noch zahlreiche andere Fächer. Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich auf 12.000 m2 ein Lager von einer Million Abhandlungen und eineinhalb Millionen Büchern gebildet; es war damals bereits größer als jede deutsche Universitätsbibliothek. Um 1930 war die Zahl auf zwei Millionen gestiegen; das Lager umfasste jetzt ganze Straßenzüge in Leipzig. Es gab Zweigstellen in Tokio und New York; die Kundenkartei verzeichnete rund 160.000 Namen; 113 Angestellte standen damals auf der Gehaltsliste.64 62 Vgl. Knopf: Leipziger Antiquariatsfirmen, S. 104 f. 63 Vgl. zum Folgenden: Schulze: Buchhandlung Gustav Fock. Die Festschrift liefert eine aufschlussreiche Bestandsaufnahme zum Selbstverständnis und zum Image des Antiquariatsbuchhandels jener Zeit. 64 Schulze: Buchhandlung Gustav Fock, S. 390.
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Geleitet wurde die Firma, nach dem bereits 1898 erfolgten Rückzug des Gründers Gustav Fock, von Leo Jolowicz, einem strategisch denkenden Kopf, unter dem sich die materielle Basis des Unternehmens soweit festigte, dass es in der Lage war, private Sammlungen anzukaufen und solange zu warten, bis sie geschlossen abgegeben werden konnten; bis zu 60 solcher Gelehrtenbibliotheken waren gleichzeitig auf Lager. Tatsächlich hat »Buchfock Leipzig«, wie die in aller Welt bekannte Telegrammadresse lautete, im Laufe der Jahrzehnte 30 große Bibliotheken ins überseeische Ausland verkauft und mehrfach Bibliotheken für neu gegründete Institute zusammengestellt. Das Unternehmen bediente sich auch des anastatischen Nachdruckverfahrens, um gesuchte und antiquarisch nicht in ausreichender Anzahl zu beschaffende Titel im Neudruck anbieten oder fehlende Hefte in Zeitschriftenreihen ergänzen zu können. Parallel dazu lieferte eine Abteilung für Buchexport Neuerscheinungen und Zeitschriften in alle Welt; in Leipzig selbst war auch eine Sortimentsbuchhandlung angeschlossen. Die 1906 von Jolowicz gegründete Akademische Verlagsgesellschaft stieg in den zwanziger Jahren, begünstigt durch den Firmenverbund mit Gustav Fock, zum größten naturwissenschaftlichen Verlagsunternehmen Europas auf.65 Nicht immer konnte das Geschäft in solchen Dimensionen betrieben werden; trotzdem würden noch zahlreiche weitere Leipziger Antiquariatsfirmen Hervorhebung verdienen, etwa Bernhard Liebisch (Spezialantiquariat für Theologie und Geisteswissenschaften, geleitet von Alexander Liebisch, mit Bernhard Wendt als Mitarbeiter) oder Karl Markert, der nach wechselnden Anstellungen, u. a. bei Maggs in London, 1919 seine eigene Firma gegründet hat (mit Kurt Petters als Kompagnon), das von Ernst Wiegandt geleitete Philosophie-Antiquariat der Universitätsbuchhandlung Alfred Lorentz.66 Die einst so bedeutende Firma Oswald Weigel, mit Gründungsdatum 1797 das älteste Antiquariat Leipzigs, machte in der Zeit der Weimarer Republik, geschrumpft zu einem botanischen Spezialantiquariat, nicht mehr von sich reden. Nicht verwechselt werden darf sie mit der Buchhandlung von Adolf Weigel, der sich u. a. um die Entdeckung des Kinderbuchs als Sammelgebiet verdient machte. Es gab auch unter den Traditionsfirmen Opfer der Wirtschaftsentwicklung: So etwa musste die Firma List & Francke (gegr. 1862) aufgegeben werden; 1923 wurde von Karl Markert der geisteswissenschaftliche Teil des Lagers übernommen, von Erich Carlsohn der Rest und die Handbibliothek, der Firmenmantel wurde weiterverkauft. Und auch der in Sammlerkreisen hochbekannte, auf Goetheana spezialisierte, außerordentlich sachkundige, allerdings kaufmännisch weniger begabte Antiquar Friedrich Meyer wurde 1929 insolvent. In Berlin trat im naturwissenschaftlichen Antiquariat dominant Wilhelm Junk hervor; Ernst Jünger hat ihn in seinen Tagebüchern als ›Clausewitz der Antiquare‹ bezeichnet.67 Wilhelm Junk, wohl der beste Kenner der botanischen und entomologischen Literatur überhaupt, hat für den von ihm begründeten und mitverfassten Coleopterorum Catalogus, einen vielbändigen Käferkatalog, »sowie in Anerkennung seiner sonstigen großen Verdienste um die Bibliographie beschreibender Naturwissenschaft«, 1922 das 65 Zum Titelangebot vgl. 50 Jahre Literaturschaffen 1906–1956. 66 Siehe Carlsohn: Lebensbilder Leipziger Antiquare. 67 Zur Biografie Junks und zahlreicher anderer Antiquare, soweit sie nach 1933 aufgrund ihrer jüdischen Herkunft zur Emigration gezwungen waren, vgl. Fischer: Verleger, Buchhändler und Antiquare aus Deutschland und Österreich.
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Ehrendoktorat der Universitäten Frankfurt am Main und Innsbruck erhalten.68 Als Ursache seines Erfolgs betrachtete er selbst das Bestreben, seine Kataloge möglichst zu Bibliografien zu machen.69 Wie so viele Antiquare hat auch Junk (in zwei Anläufen) einen Verlag ins Leben gerufen, dessen Programmgestaltung die Spezialkenntnisse des Antiquars widerspiegelt: wichtigste Objekte waren Neuausgaben älterer Werke, die ihren wissenschaftlichen oder Quellenwert noch nicht verloren hatten.70 In der Firma R. Friedländer und Sohn, wohl das erste spezifisch naturwissenschaftlich ausgerichtete Antiquariat in Deutschland, war nach dem Ersten Weltkrieg als Teilhaber J. R. Loewe tätig; wegen seiner überragenden Fachkenntnisse allseits hochgeachtet, war er langjähriger Vorsitzender des Vereins der deutschen Antiquariats- und Exportbuchhändler.71 Die Hirschwaldsche Buchhandlung blickte ebenfalls auf eine ehrwürdige Tradition zurück; Max Niderlechner gab ihr in der Weimarer Zeit Abb. 2: W. Junk, Catalogue of Publications. durch seine Fachkompetenz v. a. im Be- Berlin 1924. reich alter Drucke sowie der Wissenschafts- und Medizingeschichte neuen Glanz. Paul Gottschalk (1880 Berlin – 1970 New York) war 1907–1936 Inhaber eines international agierenden Antiquariats und handelte vor allem mit Frühdrucken, Zeitschriftenserien und wertvollen Autographen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte er zahlreiche Auslandsverbindungen angeknüpft, besonders zu den Universitätsbibliotheken in den USA.72 Mehr als eine flüchtige Erwähnung verdienten auch Otto Mayer bei Fa. Calvary oder Fritz Homeyer als Leiter des Antiquariats bei de Gruyter.
68 Siehe Junk: 50 Jahre Antiquar. 69 Selbstvorstellung in: Adressbuch der Antiquare Deutschlands und des gesamten Auslands, S. 18–21, hier S. 19. 70 Vgl. Catalogue of Publications. W. Junk. Scientific Publisher. Berlin 1924 (Mit Abdruck der Ehrendoktoratsurkunden und zahlreichen Stimmen zu diesen Auszeichnungen). 71 Vgl. Carlsohn: Alt-Berliner Antiquare. 72 Zu Paul Gottschalk vgl. dessen aufschlussreiche Autobiographie: Memoiren eines Antiquars.
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Tabelle 1: Antiquariate nach Wissenschaftsgebieten geordnet Amerikana Autographen Bibliographie Botanik Inkunabeln Medizin Musikalien Orientalia Klass. Philologie Philosophie Rechts- und Staatswissenschaften Seltenheitsantiquariat Theologie Wiss. Zeitschriften Zoologie Auktionsfirmen
Baer & Co. (Frankfurt a. M.), Hiersemann (Leipzig). Liepmannssohn, Stargardt (beide Berlin). Breslauer (Berlin), Harrassowitz (Leipzig), Ludwig Rosenthal (München). Dultz (München), Friedländer & Sohn, Junk (beide Berlin), Weg, T. O. Weigel (letztere in Leipzig). Baer & Co. (Frankfurt a. M.), Hiersemann (Leipzig), Jacques und Ludwig Rosenthal (beide in München). Hirschwald (Berlin), Pietzcker (Tübingen), Rothacker (Berlin). Liepmannssohn (Berlin). Harrassowitz (Leipzig). Kerler (Ulm), Simmel & Co. (Leipzig). Cohen (Bonn) , Liebisch, Lorentz (letztere in Leipzig). Liebisch (Leipzig), Prager (Berlin). Baer & Co. (Frankfurt a. M.), Halle (München), Hiersemann (Leipzig), Hirsch, Rosenthal (letztere in München). [Kathol.] Castenholz, Lempertz (beide in Bonn), [Protest.] Heckenhauer (Tübingen), Liebisch (Leipzig), [beide Konfessionen] Ludwig Rosenthal (München), Stenderhoff (Münster). Buchh. Gustav Fock, K. F. Koehler’s Antiquarium (beide in Leipzig) [auch für die meisten anderen Gebiete]. Friedländer & Sohn, Junk (zwei führende naturwissenschaftliche Berliner Antiquariate), K. F. Koehler’s Antiquarium, Weg (letztere in Leipzig). Baer & Co. (Frankfurt), Graupe, Perl (letztere in Berlin).
Quelle: Bernhardt Wendt: Beiträge zur bibliographischen Arbeitspraxis des Buchhändlers III, S. 40.
Das bibliophile Antiquariat Das bibliophile Antiquariat oder auch Seltenheitsantiquariat hat sich als eigene Sparte erst im ausgehenden 19. Jahrhundert herausgebildet, begünstigt von der in Deutschland um 1900 entstandenen Bibliophilenbewegung und der von England ausgehenden Buchkunst- und Pressendruckbewegung.73 Im Anschluss an die 1899 erfolgte Gründung der Gesellschaft der Bibliophilen waren in drei Jahrzehnten in Leipzig, Berlin, Hamburg, Essen, Köln, Chemnitz und noch in vielen anderen Orten rund dreißig Vereinigungen von Buchliebhabern entstanden;74 allein die Gesellschaft der Bibliophilen zählte 1913 bereits 900 Mitglieder.75 Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erreichte die Kultur der Bibliophilie und des Büchersammelns in Deutschland ihre höchste Blüte; parallel dazu bildeten sich, in einer Mischung von Traditionsfirmen mit rührigen Neugründungen, in 73 Vgl. Fischer: »Eine glückliche Vermischung…«. 74 Vgl. Neumann: Bücherfreunde unter sich. 75 Vgl. Neumann: Hundert Jahre Gesellschaft der Bibliophilen 1899 bis 1999, S. 45 f. – Vgl. hierzu auch v. Lucius: Buchgestaltung und Buchkunst in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte.
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Berlin, Leipzig, Frankfurt am Main und München die Strukturen eines leistungsfähigen bibliophilen Antiquariats aus, das ein ebenso hochwertiges wie breites und differenziertes Angebot bereithielt. Umgekehrt haben Antiquare damals im wohlverstandenen eigenen Interesse nicht wenig zur organisatorischen Verfestigung der Bibliophilenbewegung beigetragen. Bereits unter den Gründungsmitgliedern des Berliner Bibliophilen-Abends befanden sich drei prominente Vertreter des bibliophilen und auch des wissenschaftlichen Antiquariats, Martin Breslauer, Max Perl und Wilhelm Junk; Martin Breslauer war auch als Schatzmeister tätig, Junk als zweiter Vorsitzender.76 Um 1930 herum waren – neben Kaufleuten und Bankiers, Fabrikanten, Rechtsanwälten, Beamten, Professoren, Ärzten, Bibliothekaren, Verlegern Abb. 4: Beiträge zur Forschung. Studien aus dem Antiquariat Jacques Rosenthal. Neue und Schriftstellern – in den BibliophiFolge, II, München 1929, mit Beiträgen von lenvereinigungen bis zu einem Drittel der Mitglieder Buchhändler, Verleger Konrad Haebler und von Erwin Rosenthal. und Antiquare; in der Gesellschaft der Bibliophilen waren es von den 900 Mitgliedern des Jahres 1913 immerhin 175.77 Auch in der Maximilian-Gesellschaft und im Berliner Fontane-Abend wirkten Antiquare aktiv mit.78 Die Antiquare wollten die Gelegenheit, in direkten Kontakt zu ihrer Kernzielgruppe zu treten, nicht ungenutzt lassen. Dass sich der Verkehr zwischen Bibliophilen und Antiquaren indes nicht immer friktionsfrei gestaltete, lässt sich indirekt schließen aus der um 1930 geführten Debatte um einen »Usancen-Kodex«, der den Umgang zwischen den Kaufleuten und den Privatleuten regulieren sollte.79 Diese zunächst im Berliner Bibliophilen-Abend geführte Diskussion richtete sich auf Bereiche des Kundenverkehrs, in denen Missverständnisse entstehen konnten, wie z. B. der Frage, wann eine Offerte als verbindlich anzusehen sei, ob es 76 Vgl. Krause: Der Berliner Bibliophilen Abend, S. 60–71; sowie Sommer: Berliner bibliophile Vereine in der Zeit von der Jahrhundertwende bis 1945, S. 1–53. 77 Vgl. Neumann: Hundert Jahre Gesellschaft der Bibliophilen, S. 45. 78 Vgl. Sommer: Berliner bibliophile Vereine, S. 21 ff.; Vgl. Sommer: Der Leipziger Bibliophilen-Abend (1904–1933), S. 4–20. 79 Vgl. Wilhelm Junk: Der Usancen-Kodex. In: Zeitschrift für Bücherfreunde NF 22, 1930, S. 56–61.
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im Laden einen Verkaufszwang gebe, welche Verbindlichkeit Katalogangaben haben, wie die Rückgabebedingungen zu gestalten seien und auf welche Weise Missstände besonders im Auktionswesen beseitigt werden könnten. Zu einer förmlichen Kodifizierung der Verkehrssitten scheint es allerdings nicht gekommen zu sein. Die Brennpunkte des Geschehens lagen im Falle des bibliophilen Antiquariats in München, im Weiteren auch in Berlin und Frankfurt, daneben konnte auch Leipzig auf eine Anzahl einschlägig tätiger Unternehmen verweisen. In München residierte Jacques Rosenthal in der Brienner Straße in einem Renaissancepalast-ähnlichen Gebäude, mit Räumlichkeiten von geradezu sakraler Aura; rund tausend Inkunabeln wurden in den zwanziger Jahren dort ständig am Lager gehalten.80 Ein Besuch in diesen Räumen, die Sammler aus aller Welt anzogen, war zweifellos ein einprägsames Erlebnis. Sein Sohn, der Kunsthistoriker Erwin Rosenthal (verheiratet mit der Tochter des italienischen ›Königs der Antiquare‹ Leo S. Olschki), wirkte im Geschäft mit, gründete aber 1920 auch eine Filiale L’Art Ancien in Lugano. 1913 und 1927–1930 gab Erwin R. in loser Folge die Publikationsreihe Beiträge zur Forschung heraus, in welcher vorzugsweise kunstgeschichtliche Aufsätze zu einzelnen besonderen Objekten erschienen; die Hefte dienten neben dem wissenschaftlichen Interesse der Kundenbindung, nicht zuletzt auch der Steigerung der Verkaufserlöse. Die Katalogarbeit war während des Ersten Weltkriegs fast zum Erliegen gekommen, der erste Nachkriegskatalog erschien erst wieder 1924. Von der Belebung der Konjunktur profitierte Jacques Rosenthal (wie auch andere Münchener Antiquare) in besonderer Weise, weil er durch gute Kontakte ins benachbarte Österreich aus Klöstern und Adelsfamilien, die in Finanznot geraten waren, hervorragende Ware beschaffen konnte. Auch in Deutschland entstand damals u. a. durch Erbschaftssteuerforderungen des Staates in Adelskreisen eine ähnlich günstige Konstellation. Das Angebot entwickelte sich dementsprechend: »Unter Heranziehung des eigenen – immer noch riesigen – Lagerbestandes wurden aufsehenerregende Kataloge zusammengestellt, die in ihrer Ausstattung und Bearbeitungsintensität über die der Vorkriegszeit weit hinausgingen. Mit ihrem wissenschaftlichen Anmerkungsapparat, den ausführlichen Beschreibungen und Erörterungen der weltweiten Überlieferung waren einzelne Kataloge fast als eigene Forschungsprojekte zu begreifen.«81 Als Beispiele können dienen der Katalog 80 »Inkunabeln in gotischen Einbänden« und die beiden Teile (Kat. 83 und 90) der »Bibliotheca medii aevi manuscripta« zu 200 Handschriften des 10.–15. Jahrhunderts (1925, 1928). Die Mehrzahl der Objekte ging in die USA. Aufgrund der zahlreichen Auslandskunden führten Vater und Sohn auf Reisen immer ein »Reiselager« von beträchtlichem Versicherungswert mit sich. Angesichts des guten Geschäftsgangs mag es überraschen, dass sich für die Weltfirma Jacques Rosenthal bereits seit 1925 – bei einem Umsatz von 360.000 Mark – eine finanzielle Engpasssituation entwickelte.82 Die Erlöse hielten nicht Schritt mit den Summen, die für Neuerwerbungen aufgewendet wurden; dafür mussten Bankkredite in Anspruch genommen werden, die in dem Falle, dass einige kostbare Stücke 80 Siehe Die Rosenthals. Der Aufstieg einer Antiquarsfamilie zu Weltruhm.– Parallel dazu bestand das 1863 in Fellheim gegründete und 1867 nach München verlegte, ebenfalls hoch renommierte Antiquariat von Ludwig Rosenthal (1840–1928), Jacques’ älterem Bruder. Zur Bedeutung der Fa. Ludwig Rosenthal vgl. den Beitrag Jäger/Wittmann in Band 1/3. 81 Die Rosenthals, S. 121. 82 Vgl. Die Rosenthals, S. 125 f.
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nicht verkauft werden konnten, drückend werden mussten. Genau dieser Fall trat um 1929 ein und belastete die Tätigkeit in den folgenden Jahren, nebenbei auch den Umgang Rosenthals mit der Kollegenschaft. Ab 1931 schlugen dann die Folgen der Weltwirtschaftskrise voll auf die Branche durch, mit einem Absturz der Verkaufspreise und einem Zusammenbruch des Auslandsgeschäfts. So ging die Glanzperiode des Hauses Rosenthal schon ihrem Ende zu, bevor noch die NS-Herrschaft mit ihren noch unheilvolleren Bedrohungen ihren Anfang nahm. Im Münchner Seltenheitsantiquariat gab es noch manche Könner von hohen Graden, zum Beispiel Emil Hirsch, der bei Ludwig Rosenthal in die Lehre gegangen war und sich nach verschiedensten Anstellungen und Teilhaberschaften 1897 selbständig gemacht hatte. Zunächst spezialisiert auf Bavarica, verlagerte er seinen Schwerpunkt später Abb. 5: Die großen deutschen Antiquariate auf Inkunabeln und Luxusdrucke. Seit waren sich der bibliographischen Bedeutung 1916 veranstaltete Hirsch Auktionen ihrer Kataloge durchaus bewusst und boten ältere Ausgaben über lange Zeit zum Kauf (wie die der Sammlungen Arthur Rüan. (Quelle: Beiträge zur Forschung. Studien mann und Piloty) und pflegte Geaus dem Antiquariat Jacques Rosenthal. schäftskontakte mit Literaten und Malern wie Karl Wolfskehl, Wilhelm TrübNeue Folge, II, München 1929, Werbeseite). ner und Franz Marc. Die Buchkunstbewegung förderte er intensiv, so regte er Hans von Weber zu den Hundertdrucken an. Emil Preetorius zufolge waren Hirschs Geschäftsräume ein »inoffizieller Treffpunkt […] für das geistig-künstlerische München«. Der Antiquar war leitendes Mitglied im Münchner Verband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels. Als Kenner der deutschen und französischen Buchillustration, Einbandkunst und Literatur erstellte Hirsch über das Tagesgeschäft hinaus wirkende Kataloge, die heute noch konsultiert werden. Hervorhebung verdienen ferner die Antiquariate J. Halle (geführt von Ida Halle, unter Mitarbeit von Ernst SchulteStrathaus, spezialisiert auf Seltenheiten und Kupferstiche), Gottlob Hess (Handschriften und Inkunabeln, Einbände und Kupferstiche) oder auch Horst Stobbe, der nicht nur als Sortimenter mit seiner »Bücherstube« neue Akzente setzte, sondern – auch dies eher ungewöhnlich – mit einer angeschlossenen Antiquariatsabteilung das Feld der modernen Literatur besetzte.83 Von den 40–50 Münchner Antiquariaten, die es in den zwanzi83 Vgl. Reinhard Wittmann: Hundert Jahre Buchkultur in München, S. 96.
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ger Jahren gab, sind einige erst nach dem Ersten Weltkrieg entstanden, haben sich aber gleichwohl rasch einen Platz in der vordersten Reihe sichern können: 1921 gründete Hans Taeuber ein Antiquariat, in das 1924 Ernst Weil (1891–1965)84 als Teilhaber eintrat (Taeuber & Weil). 1923 errichteten Georg Carl und Curt von Faber du Faur ein Kunst- und Literaturantiquariat, das sich rasch zu einem bedeutenden Auktionshaus entwickeln sollte. In Berlin, der Stadt, die in den zwanziger Jahren Kultur und Lebenstempo vorgab, hatten die Bibliophilen ebenfalls ein breites Angebot an bibliophil orientierten Antiquariaten.85 An ihrer Spitze stand ohne Frage Martin Breslauer. Breslauer, der das Antiquariatsgeschäft bei Joseph Baer in Frankfurt sowie in Rom und London erlernt und mit seinem Schulfreund Edmund Meyer 1898 in Berlin eine Buchhandlung mit Sortiment und Antiquariat eröffnet hatte, war seit der 1904 erfolgten Trennung von Meyer Alleininhaber des Abb. 6: Der Diplomat und Bibliophile Eduard Antiquariats, das er rasch zu einer ersten Grisebach (1845–1906) hatte BahnbrechenAdresse und zum Treffpunkt für Bibli- des für die Schopenhauer-Forschung geleisophile zu machen verstand.86 Er unter- tet. (Katalog im Privatbesitz des Autors.) hielt ständige Kontakte mit den bedeutendsten Sammlern seiner Zeit, mit Fedor von Zobeltitz, Hans Fürstenberg oder Harry Graf Kessler ebenso wie mit Aby Warburg, Stefan Zweig oder Martin Bodmer. Breslauer brachte – sich auf eine legendär gewordene Handbibliothek von 21.000 Bänden stützend87 – herausragende Lagerkataloge (bis 1933 insgesamt 50), daneben laufend auch sogenannte »Anzeiger« heraus, trat aber seit 1910 auch als Veranstalter bedeutender Buchauktionen hervor; so versteigerte er nach 1928 u. a. die Sammlungen von Carl Schüddekopf (1918), Werner Wolffheim (1928, gemeinsam mit Otto Haas/Fa. Liepmannssohn) oder Eduard Grisebach (1930). Als größte 84 [H.A] F[eisenberger]: [Nachruf auf Ernst Weil]. In: Das Antiquariat 17 (1965), Nr. 9/10, S. 242 f. 85 Für einen Kurzüberblick aus Zeitzeugenperspektive vgl. Abraham Horodisch: Bibliophiler Buchhandel in Berlin der 20er Jahre. In: Börsenblatt 142 (1975) 9, A 73–78. 86 Vgl. Breslauer. Erinnerungen, Aufsätze, Widmungen. 87 15.000 der in verschiedenfarbiges Maroquin gebundenen Bände hat Martin Bodmer erworben, als Martin Breslauer seine Emigration nach Großbritannien vorbereitete.
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und spektakulärste Geschäfte gelten aber der Verkauf der 120.000 Bände umfassenden Bibliothek des Fürsten Stolberg-Wernigerode 1931 und der Bibliothek Napoleons 1933–1935; diese lange verschollene Sammlung hatte Breslauer selbst 1929 in Wien aufgespürt, wohin sie von Napoleons zweiter Frau Marie Louise nach ihrer Flucht aus Paris verbracht worden war. Breslauer gehörte, nicht nur aufgrund seiner überragenden Fachkenntnisse, zu den prägenden Antiquarspersönlichkeiten seiner Epoche.88 Im Bereich der Musikalien und Musikliteratur war die Berliner Firma Leo Liepmannssohn nahezu konkurrenzlos; sie gilt als erstes Musikantiquariat im modernen Sinn und bestimmte lange Zeit den Markt und die Preise.89 Sie wurde seit 1903 geführt von Otto Haas (1874 Frankfurt a. M. – 1955 London). Haas hatte, nach einer Abb. 7: Geschäftshaus der Firma Joseph Baer Lehre bei Joseph Baer, drei Jahre Aus& Co., Hochstraße 6, Frankfurt am Main (um landserfahrung bei Brentano’s in New 1921). Aus: Katalog Joseph Baer Nr. 675: York gesammelt und bei Breslauer & Codices manu scripti (1921). Meyer als Gehilfe. Die von ihm veranstalteten (Musik-)Autographenauktionen waren Höhepunkte des Berliner Antiquariatslebens; durch seine Hände gingen u. a. 66 Originalmanuskripte Mozarts, die er aus dem Besitz von dessen Verleger Johann Anton André erworben hatte. Höhepunkte bedeuteten die zusammen mit Karl Ernst Henrici veranstaltete Auktion der Sammlung Wilhelm Heyer 1926/27 und die gemeinsam mit Martin Breslauer durchgeführte Versteigerung der Wolffheim-Sammlung 1928, an deren Entstehung Liepmannsohn/Haas und Breslauer großen Anteil gehabt hatten. Auch dem damals bedeutendsten Sammler auf dem Gebiet, Paul Hirsch, war Haas in vielfältiger Weise beim Aufbau der Kollektion behilflich; von ihm stammte auch die Sammlung von Ignaz Moscheles, die den Grundstock von Hirschs berühmter Musikbibliothek darstellte. Auch Stefan Zweig gehörte zu seinen prominenten Kunden; viele Musikwissenschaftler konnten bei ihrer Suche nach Quellenmaterial auf seine Unterstützung zählen. Bis 1936 kamen bei der Fa. Liepmannssohn insgesamt 238 Lagerkataloge und 64 Auktionskataloge heraus. Die Berliner Antiquariatsszene kannte noch zahlreiche weitere profilierte Vertreter des Metiers, wie etwa Heinrich Rosenberg, oder einzelne besonders kompetent besetzte 88 Zu Martin Breslauer vgl. auch den Nachlass-Bestand (NL) 307 in der Staatsbibliothek zu Berlin. 89 Vgl. Knopf: »Amor librorum nos unit«, S. 159.
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Felder, wie etwa den Bereich Judaica und Hebraica (mit Louis Lamm, Samuel Jurovics oder der Fa. M. Poppelauer [Jacob Sänger]). Als eine besondere Facette sei genannt das qualitätvolle Angebot, das – auch für den bibliophil interessierten Kunden – im Warenhaus-Antiquariat Wertheim bereitgehalten wurde, speziell in den letzten Jahren der Weimarer Zeit, als es von Gerd Rosen betreut wurde. Frankfurt am Main90 behauptete sich in der Konkurrenz der erstrangigen Häuser nur mit einem einzigen Unternehmen; dieses zählt allerdings zu den bemerkenswertesten der gesamten Antiquariatsgeschichte. Im bereits 1785 gegründeten Antiquariat Joseph Baer waren viele Generationen tätig. Als Simon Leopold Baer, der seit 1882 die Firma geführt und sie zu einem Unternehmen mit Weltgeltung gemacht hatte, 1919 verstarb, übernahmen dessen Söhne Edwin Marcus und Leopold Abb. 8: Joseph Baer & Co.: Incunabula TypoAlfred Baer gemeinsam die Führung graphica. Pars Secunda. Lagerkatalog 725. der Geschäfte. Die Seele des Betriebs Frankfurt a. M., o. J. (ca. 1926), S. 1 (zweiwar allerdings der kenntnisreiche Mo- farbig). Auf S. 279 findet sich der Hinweis: ritz Sondheim (1860–1944), der bereits »Früher erschien: Incunabula Typographica. 1878 in die Firma Baer eingetreten war Erster Teil. Lagerkatalog 695. […] Die im Kaund seit 1900 Mitinhaber war. Auf der talog 695 beschriebenen Inkunabeln sind Grundlage profunder buch- und litera- sämtlich verkauft.« turgeschichtlicher Kenntnisse hat er zahlreiche Aufsätze geschrieben (Gesammelte Schriften 1927); die Baer’sche Hauszeitschrift Frankfurter Bücherfreund wurde von ihm regelmäßig mit buchkundlichen Beiträgen versehen. Bekannt ist auch sein auf der Jahresversammlung der Gesellschaft der Bibliophilen 1932 gehaltener Vortrag über Bibliophilie.91 »Kataloge aber sind unvergänglich und Bibliographen unsterblich«, stellte Sondheim in diesem Vortrag fest,92 und tatsächlich spiegelt sich gerade in der Kataloggestaltung Sondheims besondere 90 Für einen kursorischen Überblick vgl. Fried Lübbecke: Fünfhundert Jahre Buch und Druck in Frankfurt am Main, S. 198–207. 91 Moriz Sondheim: Bibliophilie. Rede gehalten bei der Jahresversammlung der Gesellschaft der Bibliophilen am 11. September 1932 zu Frankfurt am Main. Vgl. ferner Max Niderlechner: Erinnerung an Moritz Sondheim, S. 214–218. 92 Zur buchhandelsgeschichtlichen Bedeutung von Antiquariatskatalogen vgl. Bücher, Kunst und Kataloge (mit zahlreichen Beispielen auch aus der Zeit der Weimarer Republik).
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Expertise. Die Fa. Joseph Baer & Co. hatte ja im Laufe ihrer Geschichte mehr als tausend Kataloge herausgebracht, viele davon mit mehreren tausend Nummern, andere als hervorragend ausgestattete Spezialkataloge über Inkunabeln, kostbare Einbände und illustrierte Bücher. Gerade die zwanziger Jahre gestalteten sich außerordentlich erfolgreich; das Lager umfasste damals rund eineinhalb Millionen Bücher, und Auktionen wie jene zur Inkunabelsammlung von Kurt Wolff 1926 erregten Aufsehen.93 Das Antiquariat Baer ist außerdem ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie sich die damals erreichte Bedeutung des Antiquariatsbuchhandels architektonisch manifestieren konnte; schon seit 1899 residierte es in einem vierstöckigen Stadtpalais, das imposante, bibliotheksähnliche Räume aufwies. Auf eine lange Geschichte, bis auf das Jahr 1825, konnte auch das Antiquariat St. Goar zurückblicken. Nach 1900 unterhielten die Brüder Erwin und Walter St. Goar – gerne als »Spitzwegfiguren« beschrieben – ein Ladengeschäft, das als Fundgrube galt und sich großer Beliebtheit bei den Gelehrten und bibliophilen Kennern Frankfurts erfreute. Eine ganz andere Art der Geschäftsführung verfolgte Heinrich Eisemann (1890 Frankfurt a. M. – 1972 London). Nach Jahren in Rom und in der Schweiz gründete er 1921 ein Antiquariat für mittelalterliche und orientalische Handschriften in Frankfurt. Da Eisemann auf ein Ladengeschäft und die Herausgabe von Katalogen verzichtete, dafür aber in ganz Europa zwischen Auktionen und Kundenbesuchen hin- und her reiste, war er im Grunde nur Kennern der Branche bekannt. Er handelte grundsätzlich nur mit den größten Kostbarkeiten, die er auf den Versteigerungen zu hohen Preisen erwerben konnte, weil er mit einer exklusiven Käuferklientel in Verbindung stand. Mario Uzielli pflegte in seinem Antiquariat das bibliophile Buch, besonders das französische illustrierte Buch des 18. Jahrhunderts, Erstausgaben der deutschen Literatur und das Kunstbuch. Viele Frankfurter Sammler zählten zu seinem Kundenkreis. Von den weiteren rund 15 Antiquaren Frankfurts sei noch Albert Glücksmann erwähnt, ein Fachmann für die napoleonische Epoche, der zuvor mit Emil Schwarzschild das Antiquariat Max Ziegert geführt hatte, das auf Grafik, aber auch auf Post- und Eisenbahnliteratur spezialisiert war. Ein bedeutendes Unternehmen auf dem Gebiet der Judaica und Hebraica stellte die Firma I. Kauffmann dar, die unter Führung von Felix Kauffmann sowohl als Verlag wie als Antiquariat in den zwanziger Jahren eine bedeutende Ausweitung erfuhr.94 Aufsehen erregte Kauffmann im Zuge der Vermittlung eines Pergamentexemplars der 42-zeiligen Gutenberg-Bibel, das 1930 an die Library of Congress in Washington zum damals sensationellen Preis von 1,2 Millionen RM veräußert wurde. Lokalgeschichtliche Forschungen haben gezeigt, dass sich im Beobachtungszeitraum eine lebendige Antiquariatsszene auch in anderen deutschen Städten ausgebildet hatte – besonders dort, wo ein bibliophil und kunstgeschichtlich interessiertes, zugleich kaufkräftiges Publikum vorhanden war. Als Beispiel kann Hamburg dienen, wo zu den schon länger bestehenden Firmen wie M. Glogau jr. oder Henschel & Müller nach 1920 93 »In der Geschichte der Bücherliebhaberei wird man wahrscheinlich noch lange davon sprechen, und man wird sagen können, dass es ein deutscher Verleger war, der dies fertiggebracht hat.« Börsenblatt 93 (1926) 215, S. 53. Der Gesamterlös für die 824 Nummern belief sich auf 431.786 Mark. Börsenblatt 93 (1926) 245, S. 61. 94 Geleitwort zum hundertjährigen Bestehen der Firma J. Kauffmann. In: Katalog 89 (1932): Hebraica – Judaica.
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sechs weitere traten, wie Das Buchkabinett, Hermann Colshorn oder – eine eher untypische Gründung – das SPD-nahe Internationale politische Antiquariat, und wo noch am Beginn der 1930er Jahre fünf neue Handlungen entstanden, wie etwa jene von Paul Hennings.95 Die bedeutendsten Antiquariate der Stadt – F. Dörling, die Bücherstube Hans Götz und Berthold Neidhardt – veranstalteten auch Bücherversteigerungen und sorgten zusammen mit Walther Christiansen & Co. sowie Dr. Ernst Hauswedell dafür, dass Hamburg zunehmend auch im Buchauktionswesen eine überregionale Bedeutung gewann.
Der Auktionsbuchhandel Bücherversteigerungen gab es bereits seit Jahrhunderten, namentlich in England und Frankreich spielten Auktionen bereits seit Längerem eine wichtige Rolle, schon aufgrund der bedeutenderen Privatsammlungen und der größeren Anzahl der Bieter, nicht zuletzt auch aufgrund der Erbschaftssteuer-Regelungen. In Deutschland hatte die Zahl der Bücherauktionen bereits vor dem Ersten Weltkrieg deutlich zugenommen, aber in der nach 1918 einsetzenden Intensivierung dieser Vertriebsform ist doch ein Signum der Zeit zu sehen. Martin Breslauer, selbst auf diesem Feld sehr aktiv, stellte 1925 fest: »In letzter Zeit haben sich die Versteigerungen in Berlin und im Reich über die Maßen gehäuft.«96 Und 1926 hieß es in einem Bericht über Versteigerungen bei Paul Graupe in Berlin: »Das Lagergeschäft ist in Deutschland recht stark durch das Auktionsgeschäft verdrängt worden.«97 Der Grund sei in den hohen Preisen zu suchen, die für Bibliotheken verlangt würden und die von den Antiquaren bei Barankäufen angesichts des hohen Risikos nicht bezahlt werden könnten. Bei der Versteigerung müsse sich der Antiquar zwar mit niedrigem Verdienst begnügen, dafür aber trage der Besitzer das Risiko. Auch der Sammler kaufe lieber auf Versteigerungen, weil er auf die Preise Einfluss nehmen könne. Kritik wurde aber nicht nur an der Häufigkeit der Versteigerungen geübt, sondern auch an der Auktionspraxis: »Die Bücherversteigerungen, wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt haben, werden bei uns zum Teil falsch gehandhabt, nicht allein etwa durch die Schuld des Buchhandels.« Breslauer nimmt hier vor allem Bezug auf das Faktum, dass die auf Auktionen erzielten Preise als eine Richtschnur für den freihändigen Verkauf vom Lager dienten und so für eine Preisspirale nach oben sorgten. Es würden dabei aber die jeweiligen spezifischen Umstände ignoriert, die mit dem Exemplar (dessen Erhaltungszustand oder Provenienz) oder mit der Versteigerung selbst zusammenhingen. Die verpflichtende Angabe von Schätzpreisen könne dem allerdings nicht abhelfen. Neben Breslauer beteiligten sich noch manche andere Berufskollegen an der Diskussion über die offenbar als unbefriedigend empfundene Situation im Auktionswesen.98 Dessen ungeachtet sind gerade vom Auktionsbuchhandel wichtige Impulse auf das bibliophile Sammeln ausgegangen. So gilt die Versteigerung der Bibliothek Joseph 95 Vgl. Jaeger, R.: Tore zur Bücherwelt: Hamburgs Antiquariate und Auktionshäuser der Zwischenkriegszeit (I, II). 96 Breslauer: Antiquariat und Bücherversteigerungen, S. 20049–20052. 97 Versteigerungen bei Graupe. In: Börsenblatt 93 (1926) 109, S. 25. 98 Vgl. etwa Kurt Mühsam: Die Kunstauktion: Licht- und Schattenseiten des Versteigerungswesens im Kunst- und Antiquitätenhandel für Käufer und Verkäufer.
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Kürschners, die 1904 bei C. G. Boerner in Leipzig erfolgte, als ein Markstein in der Herausbildung eines spezifisch deutschen Bibliophileninteresses, insofern dieses für Seltenheiten und Erstausgaben aus dem Bereich der Literatur der Klassik und Romantik erstmals beträchtliche Summen anlegte: »Mit der Auktion Kürschner begann der Aufstieg des deutschen bibliophilen Antiquariats«, heißt es bündig bei Bernhard Wendt.99 Belebt wurde nicht nur die Preisentwicklung; die durch Bietgefechte oft sehr lebhaft verlaufenden Auktionen wirkten insgesamt geschäftsbelebend; zudem brachte die Berichterstattung schätzbare Werbeeffekte mit sich. Dass Bücherauktionen rasch ansteigende Bedeutung erlangten und ein hochkarätiges Publikum anlockten, war vor dem Ersten Weltkrieg in hohem Maße das Verdienst der Firma C. G. Boerner. In dem auf das Jahr 1826 zurück gehenden Unternehmen hatte Hans Boerner 1899 die Leitung übernommen und anfänglich mit dem aus Wien stammenden Gustav Nebehay als Teilhaber die Versteigerungstätigkeit nicht nur auf dem angestammten Gebiet der alten Grafik, sondern auch bei Büchern und Autographen beträchtlich ausgebaut: »Die Boerner-Auktionen legten zu Beginn des 20. Jahrhunderts Zeugnis ab vom Wachsen bibliophiler Interessen, sie wurden bestimmend für die Preise der Erstausgaben der deutschen Klassiker und Romantiker.«100 Allerdings war Nebehay bereits 1914 nach Österreich zurück gegangen; nach dem Ersten Weltkrieg dominierte daher der Kunsthandel. Wie sehr diese Szene aber auch nach 1918 für besonderen Glanz im Antiquariatshandel sorgte, wird am Beispiel von Paul Graupe deutlich; die von ihm in Berlin veranstalteten Auktionen mit international gesuchtem Material hatten in den zwanziger Jahren absoluten Ereignischarakter.101 Bemerkenswert war auch die Frequenz: Zwischen 1916 und 1937 fanden 148 solcher Buch- und Kunstauktionen statt.102 Nach einer Lehrzeit unter anderem bei Jacques Rosenthal, Martin Breslauer sowie Friedrich Cohen in Bonn hatte sich Graupe 1907 selbständig gemacht, indem er das Antiquariat von Georg Lissa übernahm. Rasch entwickelte sich die Firma zu einem weltbekannten Auktionshaus; die aufsehenerregende Versteigerung des Nachlasses Heymel 1917, die dem Interesse v. a. an Vorzugsausgaben und Pressendrucken, Erstausgaben und Widmungsexemplaren einen Schub gegeben hat, wurde bereits erwähnt. Anfangs sich auf Bücher beschränkend, erweiterte Graupe seine Auktionen bald auf dekorative Grafik und Malerei. Die Liste der Privatbibliotheken, die er erwerben und weiterverkaufen konnte, ist lang und mit vielen prominenten Namen verknüpft. Er selbst bezeichnete die 1925 durchgeführte Versteigerung von frühen deutschen Holzschnittbüchern als einen besonderen Erfolg: »Diese Auktion hat die Preise für den Weltmarkt geschaffen.«103 Neben Graupe behaupteten sich als Buchauktionshäuser auch Max Perl oder S. Martin Fraenkel in der vordersten Reihe. Max Perl zählt zu den Vorreitern des bibliophilen Antiquariats in Berlin. In seiner 1895 errichteten Firma begann er 1906 mit Ver99 Wendt: Der Versteigerungs- und Antiquariatskatalog im Wandel von vier Jahrhunderten, Sp. 78. 100 Knopf: »Amor librorum nos unit«, S. 186. 101 Vgl. Chris Coppens: Der Antiquar Paul Graupe (1881–1953), S. 255–264 (S. 261 die Reproduktion der Lithographie von Emil Orlik »Auktion bei Graupe«). 102 Vgl. Ecke: Paul Graupe (Nekrolog), S. 129 f. 103 Adressbuch der Antiquare Deutschlands und des gesamten Auslands, S. 17.
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steigerungen (seit 1908 unter Einbezug von Grafik) und war darin überaus erfolgreich; 1928 war die Zahl 100 erreicht. Als ein Beispiel sei die Versteigerung der Bibliothek des Komponisten, Pianisten und Dirigenten Ferruccio Busoni im Jahr 1925 genannt. S. Martin Fraenkel hatte nach einem Jurastudium und einer Tätigkeit in der Kriegswirtschaft sein Antiquariat erst 1918 eröffnet und in rascher Folge zahlreiche Auktionen veranstaltet; auch engagierte er sich als Vertreter der Berufsinteressen in den Antiquarsvereinigungen. Spezialisiert war er auf ältere deutsche Literatur und illustrierte Bücher; Verdienste erworben hat er sich auch als Bibliograf, u. a. mit Bücherverzeichnissen zu Gerhart Hauptmann, Achim von Arnim oder Clemens Brentano. Die heute noch (und wieder in Berlin) bestehende Firma Stargardt (gegr. 1834) wurde seit 1885 von Eugen Mecklenburg und seit 1925 von Günter Mecklenburg geführt (er war bereits 1919 in das Geschäft eingetreten), der – dem Zug der Zeit entsprechend – das Auktionswesen in den Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit rückte.104 Einen Höhepunkt der Unternehmensgeschichte hatte allerdings schon die Versteigerung der umfangreichsten deutschen Autographensammlung, jener des Bankiers Alexander Mayer-Cohn, im Jahr 1905/06 bedeutet. Aber auch in der Weimarer Zeit wurden bei Stargardt komplette Sammlungen und Einzelstücke von herausragendem Wert verauktioniert; als Beispiele seien genannt 1928 Teile des Cotta’schen Verlagsarchivs und 1930 der NovalisNachlass (gemeinsam mit Fa. Hellmut Meyer & Ernst), der an Salman Schocken ging, damals einer der aktivsten Käufer auf allen wichtigen Auktionen. Günter Mecklenburgs in jahrzehntelanger Arbeit gesammelten Erfahrungen fanden Niederschlag in seiner 1963 publizierten Darstellung Vom Autographensammeln.105 Auf den Autographen- und Kunsthandel spezialisiert hatte sich Karl Ernst Henrici mit seiner 1908 eröffneten Firma, die zwischen 1916 und 1929 rund 130 Auktionen abhielt, überwiegend zu Autographen aus dem Bereich der deutschen Literatur und Musik, aber auch zu – damals modischen – Farbstichen englischer oder französischer Provenienz.106 Auf seine Anregung hin erschien 1919–1926/27 die AutographenRundschau, als »Fachblatt für Sammler und Verkäufer von Autographen, Geschichtsund Familien-Dokumenten, alten Manuskripten, Miniaturen, Handzeichnungen«. Unter vielen bedeutenden Nachlässen, die er auf den Markt bringen konnte, befand sich auch jener von Achim und Bettina von Arnim, dessen Versteigerung allerdings, bedingt durch die Ungunst der Zeiten, für Henrici selbst im Konkurs endete. In Deutschland ist die Zeit der Inflation, unter deren Nachwirkungen wir ganz allgemein immer noch stark stehen, auch auf die Frage der Bücherversteigerungen nicht ohne Einfluß geblieben. In jenen Jahren versuchten alle, die irgend flüssiges Geld hatten, es in Sachwerten anzulegen, um es zu retten. Damit traten plötzlich auch für Bücher, Graphik usw. zahlreiche Käufer auf, die sich früher vielleicht nie dafür interessiert hatten. Das führte zunächst zu jener Inflation in der Luxusbücherund Kunstproduktion. […] Aber auch auf alte Bücher, Manuskripte und sonstige Antiquaria erstreckte sich die neu erwachte Kauflust. Die Deflation dagegen und 104 Vgl. Katalog 621: Die Nostitz-Papiere, bes. S. 14. 105 Günter Mecklenburg: Vom Autographensammeln. Versuch einer Darstellung seines Wesens und seiner Geschichte im deutschen Sprachgebiet. Marburg: Stargardt 1963. 106 Vgl. Knopf: »Amor librorum nos unit«, S. 171–173.
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7 V erbr eitend er Bu chhandel die damit entstehende Geldknappheit zwangen in weitem Umfang zu Realisationen der in den so zusammengebrachten Sammlungen steckenden Werte. Das war die wesentlichste Ursache der großen Zahl von Versteigerungen, die namentlich die Jahre 1924 und 1925 brachten. Nachdem aber das erste Überangebot erledigt war, trat naturgemäß ein gewisser Rückschlag ein.107
Modernes Antiquariat Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten Antiquare, durchaus auch renommierte Häuser wie Baer, die Verwertung von Restauflagen (»Partieartikel«) übernommen.108 Bald aber hatte sich aus dem »Modernen Antiquariat« (MA) ein Betätigungsfeld für Spezialunternehmen entwickelt, die sich eine feste Stellung innerhalb des Bücherdistributionswesens sicherten. Die nach dem Krieg rasch wieder gesteigerte Titelproduktion109 und die hohen Auflagen, die in der Inflationszeit aus spekulativen Gründen gedruckt worden waren, sowie anschließend die großen Verramschungsaktionen von Konkursmassen führten in den 1920er Jahren zu einem Aufschwung des Modernen Antiquariats. Bestehende Firmen expandierten, neugegründete Restebuchhandlungen traten hinzu, auch in den Buchabteilungen der Warenhäuser gewann das Moderne Antiquariat beträchtliche Bedeutung, nicht zuletzt wurden im regulären Sortimentsbuchhandel ebenfalls vermehrt Auflagenreste vertrieben.110 Die verstopften Lager der Verlage konnten auf diese Weise abgebaut werden; das MA bewährte sich in seiner marktstabilisierenden »Ventilfunktion«.111 Die 1888 von Emil Strauß, Vorsteher des rheinisch-westfälischen Kreisvereins, durchgesetzte »Ordnung für den Betrieb des Restebuchhandels im Rheinland und Westfalen« hatte zuerst die fast allgemein anerkannten Regeln dieses Zweigs formuliert, bis der Börsenverein der deutschen Buchhändler die Restebuchhandels-Ordnung vom 16. Mai 1897 aufstellte, die nachfolgend (1909 bzw. 1910) in die »Buchhändlerische Verkaufsordnung« (§§14–18) und die »Buchhändlerische Verkehrsordnung« aufgenommen wurde. Die Großantiquariate waren in der auf der Ostermesse 1921 gegründeten Vereinigung der Großbuchhändler Deutschlands e.V. organisiert,112 mit Walther Frey als
107 Zur Frage der Bücherversteigerungen. Das Ergebnis einer Umfrage. In: Mitteilungen aus dem Antiquariat Jg. 1, Nr. 8, Börsenblatt 93 (1926) 245, S. 57 f. 108 Vgl. Ute Schneider: Räumungsverkauf im Klassikerverlag, S. 303–314. 109 Vgl. den Beitrag von Barbara Kastner: Statistik und Topographie des Verlagswesens in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte, S. 341. 110 In einem Bericht über die 40.Versammlung des Sächsisch-Thüringischen BuchhändlerVerbandes in Nr. 14/1927 hieß es: »Das Antiquariat leidet darunter, dass fast alle Sortimente noch nicht damit fertig geworden sind, ihre Bestände aus der Inflationszeit abzustoßen. Sah man früher nur vereinzelt Antiquariatsfenster, so finden wir jetzt beinahe in jeder Sortimentsauslage ständig oder doch von Zeit zu Zeit Bücher zu herabgesetzten Preisen, was natürlich den Glauben an den festen Ladenpreis beim Publikum sehr ins Wanken gebracht hat.« (zit. n. Unruh: Zwischen Ramsch und Inkunabeln, S. 917). 111 Vgl. Otto: Das Moderne Antiquariat, S. 57. 112 Später »Vereinigung der Großbuchhändler und Großantiquare Deutschlands e.V.«; nach 1933 »Fachgruppe Großbuchhandel und Großantiquariate«.
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1. Vorsitzenden (1931). Als Organ der Vereinigung erschien seit 1925 (bis 1940) Der Grossbuchhandel.113 Die 1883 in Wien gegründete Fa. R. Löwit verkörperte beispielhaft den aktuellen Typus des Großantiquariats,114 das einen Zwischenbuchhandel mit Restauflagen betrieb und die von Verlagen auf eigene feste Rechnung gekauften Bücher an den vertreibenden Buchhandel vermittelte. Seine Kunden waren jetzt in verstärktem Maße der Warenhausbuchhandel, aber auch die zahlreichen Sortimente, die sich nun eine Abteilung für Modernes Antiquariat angliederten. Alleininhaber war seit 1920 Dr. Max (Mayer) Präger; er dehnte seine Tätigkeit stärker auf das Deutsche Reich aus, »organisierte die Branche, machte durch die Qualität seines Angebots aus Buchhändlern Antiquare« und »machte den Ramsch salonfähig«.115 Er kaufte von österreichischen und deutschen Verlagen Restauflagen, teils auch in Rohbogen auf und vertrieb die Bücher – u. a. Bildbände, die in der Inflationszeit billig produziert worden waren und nach der Währungsstabilisierung unverkäuflich weil zu teuer geworden waren – im gesamten deutschsprachigen Raum. Einige Jahre lang betrieb das Unternehmen auch eine von Emil Vollmer geleitete Niederlassung in Berlin.116 Auch die schon von Emil Strauß propagierte und praktizierte Sonderform des MA-Reisegeschäfts wurde im Großantiquariat mit guten Erfolgen gepflegt.117 Weitere Großantiquariate neben Löwit waren noch Eichler (Berlin; spezialisiert auf Restauflagen wissenschaftlicher Bücher); Franke (Berlin); Frey (Berlin); Freyer (Berlin); Lindner (Leipzig); Singer (Berlin). Die 1925 gegründete Fa. Munz & Co. in Berlin war spezialisiert auf Romane, Jugendschriften, Klassiker und kaufte die Bestände »mit und ohne Verlagsrecht« an, »auch gegen bar«.118 Nach eigener Werbeaussage führte es »ständig eine hervorragende Kollektion von verlagsneuen Restauflagen und Restposten der neueren und neuesten Literatur, ebenso Lizenzdrucke bedeutender kunst- und kulturgeschichtlicher Werke zu ausserordentlich herabgesetzten Preisen.«119 Prospekte und Kataloge waren die angestammten Informationsmittel dieser Unternehmen. 1930 erschien ein Katalog, der Blaue Buch-Bericht, der rund 700 Titel anbot, darunter die zehnbändige Casanova-Ausgabe von Rowohlt oder die bei Kröner erschienene neunbändige Nietzsche-Ausgabe. Die steigende Zahl von Firmenliquidierungen führte zu einem umfangreichen Angebot an Büchern, die unter anderen Umständen nicht in das Moderne Antiquariat ge-
113 Vgl. Adressbuch des Deutschen Buchhandels 1931, S. II/12. 114 Vgl. hierzu Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918–1938, Bd. II: Belletristische Verlage der Ersten Republik, S. 253–259. 1916–1922 unterhielt Löwit eine Filiale in Berlin. 115 Günther Rühle, zit. n. Hartmut Panskus: Mutmaßungen über einen Markt, S. 76. (G. Rühle: Im Ramsch: Erfolge mit erfolglosen Büchern. In: G. R.: Die Büchermacher, S. 9–21). 116 Vollmer erwarb nach 1945 von Frederick Praeger, dem aus dem US-Exil als Kulturoffizier zurückgekehrten Sohn Mayer Prägers, den Firmennamen Löwit und baute das Großantiquariat zum marktbeherrschenden Restauflagenverwerter aus; vgl. Panskus: Mutmaßungen über einen Markt, S. 76. 117 Vgl. Schulze: Der deutsche Buchhandel und die Strömungen der letzten hundert Jahre, S. 209. 118 Adressbuch des Deutschen Buchhandels 1931, I. Abt., S. 434. 119 Werbeanzeige in: Internationales Adressbuch der Antiquare 1937/1938, gegenüber S. 181.
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langt wären; man sprach daher damals vielfach von »Edelramsch«.120 Aber auch die renommiertesten Verlage – von S. Fischer und Georg Müller über Propyläen, Rowohlt, Insel und Kurt Wolff bis zu Kiepenheuer und zum Malik-Verlag – machten von der Möglichkeit Gebrauch, nach Aufhebung des Ladenpreises Restauflagen hochwertiger Bücher zur Vermeidung von Lager- und Makulierkosten abzustoßen und so wenigstens einen Teil der Herstellungskosten einzubringen. Seit Ende des Ersten Weltkriegs hatte – neben dem Auftreten von PseudoRemittenden, d. h. einwandfreier Ware, die als Mängelexemplare deklariert wurde – auch die Methode der gezielten Ramschproduktion um sich gegriffen; in vermehrtem Maße entstand »unechtes« MA in Gestalt von eigens hergestellten Nachauflagen oder Sonderausgaben. Als ein Hauptvertreter galt der ebenfalls in Wien ansässige Verlag Benjamin Harz.121 In den Inflationsjahren dürfte er eine umfangreiche Tätigkeit entfaltet und dabei den (ungleichzeitigen) Verfall der Währung virtuos genutzt haben. Das auch nach Stabilisierung der Währung praktizierte Verfahren, eine hohe Auflage zu drucken und von dieser zunächst einige hundert Exemplare zu einem sehr hohen regulären Ladenpreis zu verkaufen (mit denen meist schon die Herstellungskosten abgedeckt werden konnten) und dann den großen Auflagenrest unter Hinweis auf den extrem stark herabgesetzten Preis gewinnbringend im MA (u. a. auch im Warenhausbuchhandel, bei Wertheim oder Tietz) zu vermarkten, war damals noch neu, sollte sich aber als beispielgebend erweisen. Wenn auf der einen Seite ein Überangebot an Büchern abgebaut wurde, so fand auf der anderen Seite eine Vermehrung des Angebots statt. Die ursprüngliche Funktion des Restebuchhandels, auf dem regulären Markt unverkäufliche Bücher durch Ansprechen kaufkraftschwächerer Kreise abzusetzen, dehnte sich auf diese Weise immer weiter aus. Dass zwischen dem Ramschmarkt und den preisgebundenen Büchern eine Wettbewerbssituation mit durchaus problematischen Aspekten entstehen kann, wurde in den zwanziger Jahren durchaus wahrgenommen. Vor allem dort, wo das reguläre Angebot mit dem oft bis auf ein Drittel der Originalpreise verbilligten des MA direkt zusammentraf, befürchteten die Buchhändler einen Vertrauensverlust ihrer Kunden, weil sie ihnen die vergleichsweise hohen gebundenen Ladenpreise nicht mehr plausibel machen konnten. Die Debatten darüber flammten immer wieder auf, ohne dass dies die fortschreitende Etablierung des Modernen Antiquariat in den 1920er und 1930er Jahren behindert hätte. Bezeichnend für die Versuche des Sortimentsbuchhandels, sich dieses Geschäft selbst zu sichern, waren die Abhaltung einer »Billigen Bücherwoche« in Hamburg 1925 sowie Überlegungen zur Gründung einer »Ladenhüter-Vertriebsgesellschaft«.122 Wie die positive Resonanz auf die »Billige Bücherwoche« zeigte, entsprach das Angebot an billigem, inhaltlich aber dennoch relativ anspruchsvollem Lesestoff im Grunde den sozialen Gegebenheiten der Zeit, vor allem dem Kaufkraftschwund der bisherigen Zielgruppen. Es wurden aber auch neue Käuferkreise erschlossen; vor allem die nach 1929 einsetzende schwere Wirtschaftskrise gab dem Ramschbuchhandel einen weiteren Schub. Der traditionelle Sortimentsbuchhandel ging damals erneut zur Selbsthilfe über, 120 Vgl. Otto: Das Moderne Antiquariat, S. 42. 121 Vgl. Krieg: Zur Naturgeschichte des »Modernen Antiquariats«, S. 1–4 (mit antisemitischem Unterton). 122 Vgl. Otto: Das Moderne Antiquariat, S. 41.
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um auch in Zeiten grassierender Arbeitslosigkeit ein Publikum zu finden: 1931 organisierten zwölf Münchner Sortimenter eine »Billige Bücher-Halle«, die ebenfalls ein großer Erfolg war: Tausende von Interessenten und Käufern sollen sich täglich gedrängt haben, der Umsatz übertraf alle Erwartungen.123 Aber auch die Verlage selbst waren auf diesem Gebiet aktiv: Einige wissenschaftliche Großverlage und konzernartig organisierte Unternehmen wie Julius Springer oder Walter de Gruyter, beide in Berlin, oder auch Kösel & Pustet in München, Georg Stilke (Berlin) wie auch Koehler und Volckmar in Leipzig gliederten sich z. T. nicht unbedeutende Antiquariate an, die ihnen zur selbständigen Verwertung von Restauflagen bzw. schwer verkäuflichen Warenbeständen dienten.124 Besonders für das Barsortiment war dies aufgrund des enormen Geschäftsumfangs von beträchtlicher Bedeutung. Wenn im Durchschnitt die Bücherpreise um 1930 deutlich zurückgingen, so mag dies nicht zuletzt der Preisregulierungsfunktion des Modernen Antiquariats geschuldet gewesen sein, die in Zeiten sinkender Massenkaufkraft ihre volle Wirkung entfaltet hat. Eine perfekte Anpassung des Angebots an die Nachfrage ist auf dem Buchmarkt prinzipiell unmöglich; in der Konjunktur des Modernen Antiquariats seit Beginn der zwanziger Jahre spiegelt sich aber besonders deutlich das Auseinanderdriften der verlegerischen Absatzerwartungen und der tatsächlichen Absatzverhältnisse. In der Nachfrage nach dem preisermäßigten Buch spiegelt sich aber teilweise auch die Verlagerung der Käuferkreise, das Zurückgehen einer finanziell potenten Abnehmerschicht im Bereich des bürgerlichen Mittelstands. Von der wirtschaftlichen Krise am Beginn der 1930er Jahre war letztlich der gesamte deutsche Buchhandel, und damit auch der Antiquariatsbuchhandel in allen seinen Erscheinungsformen schwer getroffen, vom Restebuchhandel bis zum Geschäft mit kostbaren Handschriften und Inkunabeln. Denn anders als in Inflationszeiten konnte die wegbrechende Inlandsnachfrage jetzt nicht durch Verkäufe ins Ausland kompensiert werden; neben dem weltweiten Verfall der Preise machten dem Antiquariatsbuchhandel auch die Devisensperren oder -kontrollmaßnahmen zu schaffen, die in vielen Ländern aufgrund der Banken- und Finanzkrise eingerichtet wurden.125 Die wirklich schrecklichen Dinge standen aber noch bevor: Ein große Zahl von Antiquaren, unter ihnen mit die bedeutendsten Persönlichkeiten und Dynastien der Branche wie die Rosenthals, Baers oder Breslauers, musste unter dem Druck der »rassischen« Verfolgung die Geschäfte schließen oder abgeben und die Flucht ins Ausland antreten. Dass viele von ihnen in ihren neuen Umgebungen einen erfolgreichen Neuanfang setzen konnten, ändert nichts an dem Faktum, dass in Deutschland eine Epoche der Buchkultur unwiderruflich zu Ende gegangen war.126
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Wittmann: Hundert Jahre Buchkultur in München, S. 140. Vgl. Lutz: Konzentrationsbewegungen im deutschen Buchhandel, S. 170 f., 188. Wendt: Die Wirtschaftslage im Antiquariatsbuchhandel, S. 192–197. Zu den Lebenswegen der nach 1933 aus Deutschland vertriebenen Antiquare vgl. Fischer: Verleger, Buchhändler und Antiquare aus Deutschland und Österreich.
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7.2 Der An tiqu ar iatsbuchh andel
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448
7 V erbr eitend er Bu chhandel
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Christine Haug 7.3
Der Reise- und Versandbuchhandel
Seit der Jahrhundertwende expandierte der Reise- und Versandbuchhandel als selbständiger Zweig des verbreitenden Buchhandels.1 Die wirtschaftliche Konjunktur dieser jungen Branche wurde mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs allerdings stark gehemmt, da die Verkehrs- und Kommunikationsstrukturen, auf deren Funktionieren der Reiseund Versandbuchhandel wie kaum ein anderer Handelszweig des Buchhandels angewiesen war, im Verlauf des Krieges sukzessive zusammenbrachen. Eine Reorganisation der Branche gelang erst Ende der Weimarer Republik, als Wirtschaftskrise und Inflation überwunden waren.
Fortschreitende Professionalisierung des Reise- und Versandbuchhandels in den Vorkriegsjahren Der Reise- und Versandbuchhandel hatte sich schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstärkt vom Kolportagebuchhandel distanziert und durch seine speziellen Vertriebs-, Lieferungs- und Zahlungsmodalitäten zunehmend an eigenem Profil und Standesbewusstsein gewonnen. Im Adreßbuch des deutschen Buchhandels wiesen Reise- und Versandbuchhändler immer häufiger darauf hin, im buchhändlerischen Reisegeschäft, nicht aber in der Kolportage tätig zu sein. Ein wichtiges Anliegen der Reisebuchhändler war es also, nicht dem bloßen Hausiergewerbe zugeordnet zu werden, ein Vorwurf, der sich vor allem im Sortimentsbuchhandel hartnäckig hielt; auch deshalb lag ein Augenmerk des 1901 gegründeten Vereins der Reisebuchhändler auf der Verbesserung ihres Branchenimages und auf der Professionalisierung des Gewerbezweiges.2 Seit den frühen zwanziger Jahren betrieben immer mehr Reisebuchhändler zugleich eine Versandbuchhandlung, nicht zuletzt, um die wirtschaftlichen Einbrüche infolge des Krieges ein wenig abzufedern. Diesem erweiterten Wirkungsfeld trug der Verein der Reisebuchhändler Rechnung und benannte sich 1912 in Verein der Reise- und Versandbuchhandlungen um.3 Der Betrieb einer Versandbuchhandlung, der mit der zunehmenden Verbilligung von Posttarifen nach der Jahrhundertwende immer attraktiver wurde, entwickelte sich zu einem wichtigen zweiten Standbein in der Branche. Schließlich beschleunigten die Kriegs- und Inflationsfolgen diesen Prozess, denn es war dem Reisebuchhandel immer weniger möglich, aufgrund der hohen Reisespesen Buchhand-
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Für eine detaillierte Darstellung im Zusammenhang der Gesamtentwicklung dieses Buchhandelszweiges und für genauere Belege vgl. Haug/Kruse: Versandbuchhandel. Börsenblatt 80 (1913) 139, S. 6518. Zwischen 1914 und 1921 erweiterte der Verein der Reise- und Versandbuchhandlungen seinen Wirkungsraum um die benachbarten deutschsprachigen Staaten und dokumentierte diese Expansion auch in seiner Namensgebung; im Adreßbuch des deutschen Buchhandels wurden die Reise- und Versandbuchhändler als Verein der Reise- und Versandbuchhandlungen für Deutschland, Österreich und die Schweiz geführt; 1921 kehrte der Verband zu seinem ursprünglichen Namen Verein der Reise- und Versandbuchhandlungen e.V. zurück.
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lungsreisende zu beschäftigen. In dieser wirtschaftlich schwierigen Phase wechselten viele Reisebuchhändler schließlich zum reinen Versandgeschäft. Der Versandbuchhandel stellte gegenüber dem herkömmlichen Reisebuchhandel vor allem eine drastische Rationalisierungsmaßnahme dar. Zunächst verzichteten Versandbuchhändler aus Kostengründen auf den Einsatz von Reisenden. Der Kundenkontakt wurde jetzt über die massenhafte Streuung von Prospekten und Katalogen in Privathaushalten sowie durch Werbeinserate in der Tagespresse hergestellt. Entscheidende Voraussetzungen für den erfolgreichen Betrieb einer Versandbuchhandlung waren eine dauerhafte Kundenbindung und die Vereinfachung der einzelnen Arbeitsabläufe. Die Einrichtung einer Versandbuchhandlung erforderte im Grunde wenig Aufwand, denn der Firmengründer benötigte kein Ladenlokal, sondern lediglich Büroräumlichkeiten. Der Versandbuchhändler arbeitete mit einer begrenzten Anzahl von Verlagen zusammen und bemühte sich um eine Spezialisierung auf wenige, qualitativ gute Bücher, vor allem teuere Fachliteratur. Er musste über geeignete Vertriebsobjekte stets informiert sein und neben den buchhändlerischen Katalogen hatte er regelmäßig Fach- und Literaturzeitschriften zu konsultieren – Voraussetzungen, die zwar buchhändlerische Fachkenntnisse erforderten, aber keine höhere Kapitalinvestition. Zur potenziellen Zielgruppe des Versandbuchhandels gehörten – wie auch beim Reisebuchhandel – Berufsgruppen, die darauf angewiesen waren, sich neben der Ausübung ihres Berufes privat fortzubilden, also Ingenieure, Architekten, Juristen, Ärzte oder Fachhandwerker. Einen nicht zu unterschätzenden Abnehmerkreis stellten auch Studenten dar. Ein Erfolg versprechendes Versandobjekt war deshalb neu erschienene Fachliteratur, besonders gefragt in den zwanziger Jahren waren mehrbändige wissenschaftliche Handbücher, relativ teuer und damit für den Ratenkauf – Merkmal auch des Versandbuchhandels – attraktiv.4 Mehr noch als im Reisebuchhandel ging der Versandbuchhändler jedoch durch die Kreditgewährung ein besonderes Risiko ein. Während im Reisebuchhandel der Reisende ein persönliches Verbindungsglied zwischen Buchhandlung und Käufer darstellte, hatte der Versandbuchhändler sehr genau darauf zu achten, dass er nur so viel Außenstände aufbaute, wie er sie im Falle der Zahlungsunfähigkeit von Kunden zu kompensieren in der Lage war, ohne sein Gesamtunternehmen zu gefährden.
Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufe im Versandbuchhandel Unverzichtbare Arbeitsgrundlage des Versandbuchhändlers waren der Aufbau und die Verwaltung einer Kundendatei, das Herzstück eines jeden Unternehmens, sowie eine verlässliche Informationsbeschaffung über seine Kunden. Der Versandbuchhändler sammelte Material über Berufstätigkeit und Qualifikationsprofil seiner Zielgruppen, über Mitgliedschaften in Berufsverbänden und wissenschaftlichen Vereinigungen, über Fortbildungsambitionen und nicht zuletzt über deren Liquidität. Die Zusammenstellung einer Kundendatei sowie die systematische Informationsbeschaffung waren enorm zeitaufwendig und erforderten zugleich ein hohes Maß an Professionalität. Die Versandbuchhändler waren hier auf die Kompetenz gewerblicher Adressbüros, aber auch Detek-
4
Vgl. Pfau: Das buchhändlerische Versandgeschäft, S. 21 f.
7.3 Der Reise- und V ersandbu chhand el
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teien angewiesen – Dienstleistungsanbieter, die im Bereich des Versandbuchhandels immer mehr an Bedeutung gewannen. Seinen Kundenstamm baute der Versandbuchhandel mit Hilfe von gewerblichen Adressbüros auf, die für die Versandgeschäfte unverzichtbares Wissen über potenzielle Kunden zusammenstellten. Der Versandbuchhändler warb gezielt in den verschiedenen Berufsgruppen um Käufer. Großen Adressbüros gelang es, Mitgliederlisten von wissenschaftlichen Vereinen und Berufsverbänden zu beschaffen, auszuwerten und Anschriften in ihre Kartei aufzunehmen. Die Adresskartei musste stets erweitert und aktualisiert werden, denn um unnötige Kosten zu vermeiden, war die Vermittlung von korrekten Adressen notwendig. Falsche Anschriften konnte der Versandbuchhändler gewöhnlich gegen Erstattung des Portos zurückgeben. Die kontinuierliche Zusammenarbeit mit einem kommerziellen Adressbüro war für die Versandgeschäfte unverzichtbar, allein die ständige Aktualisierung von Kundendaten war sehr arbeitsintensiv. Zahlreiche Adressbüros betrieben gleichzeitig Inkassogeschäfte und übernahmen im Auftrag des Versandbuchhandels auch das Mahnverfahren im Falle von Liquiditätsproblemen. Schon seit der Jahrhundertwende kooperierten Reise- und Versandbuchhändler verstärkt mit gewerblichen Detekteien und Auskunftsbüros.5 Gestaltete sich die Besorgung von Wirtschaftsdaten relativ unproblematisch – die Detekteien werteten hierfür Zeitungen, Handelsblätter und die Handelsregister aus –, erwies sich die Überprüfung der Zahlungsfähigkeit bei Privatkunden vielfach als schwierig. Vermutlich beschränkten sich die Versandbuchhändler hier auf Stichproben bzw. wurde eine Überprüfung nur bei besonders teuren Werken, die eine mehrjährige Ratenzahlung einräumten, durchgeführt. Während die Reisebuchhändler ihre Reisenden als Scharnier zwischen Unternehmen und Kunden installierten, die bei Zahlungsproblemen den Kunden persönlich aufsuchten, um einvernehmliche Lösungen herbeizuführen, lieferte der Versandbuchhändler an ihm selbst weitgehend unbekannte Abnehmer in ganz Deutschland. Neben der Einrichtung und Pflege von Kundendateien investierten die Versandbuchhandlungen vor allem in professionelle Werbung. In der Tagespresse und in Fachzeitschriften wurden Inserate geschaltet, das Verlagsprodukt und die Lieferungs- sowie Zahlungskonditionen vorgestellt. Mitabgedruckt waren Bestellcoupons, die sogleich ausgeschnitten, ausgefüllt und an die Versandbuchhandlung geschickt werden konnten. Die Verlage stellten aussagekräftige Fachkataloge und attraktive Werbeprospekte für den Versandbuchhändler zusammen, die als Drucksache, Zeitungsbeilage oder seit 1925 als Postwurfsendung die verschiedenen Berufsgruppen erreichten.
Leistungsmerkmale des Postbetriebs und ihre Auswirkungen auf die Werbestrategien im Versandbuchhandel Die fortschreitende Spezialisierung der Arbeitsabläufe im Postdienst sowie Neuerungen im Tarifsystem hatten bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert zu einer allgemeinen Reduzierung der Posttarife geführt, die insbesondere dem Buchhandel entgegenkamen. Eine wichtige Innovation gerade für den Versandbuchhandel war beispielsweise die Einführung der sogenannten »außergewöhnlichen Zeitungsbeilagen« im Jahr 1871. 5
Vgl. Grünsfelder: Die kaufmännische Auskunftei in rechtlicher Beleuchtung, und Schmitt: Die kaufmännische Auskunftei.
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7 Verbr eitend er Bu chhandel
Hierbei handelte es sich um eine geschickte Kombination von Annonce und Postdrucksache. Die Versandbuchhändler erreichten über dieses Werbemedium den Abonnentenkreis einer Zeitung oder Zeitschrift, die sie durch zielgruppenorientierte Werbebeilagen regelmäßig über einschlägige Verlagsneuerscheinungen informierten.6 Deutliche Portosenkungen erfolgten auch nach dem Ersten Weltkrieg; zusammen mit der Beschleunigung und Verdichtung der Postwege lieferten sie entscheidende Impulse für die stetige Expansion des Versandbuchhandels seit den frühen zwanziger Jahren. Jetzt lohnte es sich, bislang kaum belieferte Regionen Deutschlands allein über den Postversand für Verlagsprodukte zu erschließen. Auf Drängen u. a. des Buchhandels waren bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert die Versandformen Drucksache und Warenprobe eingeführt worden. Im Sinne einer Vereinfachung und Verbilligung der Beförderung von Drucksachen wurde ihr Äußeres normiert; der Umschlag war so beschaffen, dass die Post den Inhalt ohne großen Zeitaufwand kontrollieren konnte. Eine wesentliche Innovation des Postsystems, die den Versandbuchhandel unmittelbar tangierte, stellte die Einführung der Postwurfsendung Mitte der zwanziger Jahre dar. Hierbei handelte es sich um eine unverschlossene, mit einer Sammelanschrift versehene Massendrucksache, die von der Post an eine bestimmte Gattung von Empfängern, z. B. nach Berufen oder Wohngegend sortiert, gerichtet war. Am 1. April 1925 wurden Wurfsendungen erstmals zugelassen; sie eröffneten dem Handel fortan eine preisgünstige und effektive Werbemöglichkeit. Für die Versandbuchhändler war die Wurfsendung eine interessante Alternative, lagen die Gebühren doch deutlich niedriger als bei der herkömmlichen Drucksache. Voraussetzung für den Versand war, dass im Nahverkehr mindestens fünfzig, im Fernverkehr wenigstens einhundert Stück versandt wurden. Die Unternehmen waren verpflichtet, der Post ein Pflichtexemplar zur Kontrolle einzureichen. Außerdem durften Postwurfsendungen nur an Haushalte geliefert werden, die in dem von der Post herausgegebenen Verzeichnis der Empfängergruppen verzeichnet waren.7 Versandbuchhändler, die von den Postreformen und Tarifänderungen unmittelbar profitierten und auch ihren Zahlungsverkehr weitgehend über die Post abwickelten,8 versuchten immer wieder, Einfluss auf das Postwesen zu nehmen. Sie wandten sich mit Beschwerden, aber auch mit Anregungen an die Reichspost. Im Herbst 1914 zeigten sich die Versandbuchhändler über die Änderung der sogenannten »Zweiten Vorzeigung« von Postaufträgen und Nachnahmen verärgert. Betrug die Abholfrist zwischen der ersten und zweiten Vorlage einer Nachnahmesendung bislang wenigstens sieben Tage, reduzierte das Reichspostamt diese Frist jetzt auf nunmehr drei Tage. Die Stuttgarter Reisebuchhandlungen Sperling, Häusler & Teilhaber sowie die Literarische Anstalt Minerva richteten daraufhin ein Protestschreiben an das Kaiserliche Reichspost6 7 8
Schwarz: Entstehung und Entwicklung der Postgebühren, S. 1290 f. Vgl. Artikel »Postwurfsendungen« in: Rackow: Handwörterbuch des Postwesens, S. 586 f. Die Belieferung und Abkassierung der Kunden erfolgte im Reise- und Versandbuchhandel über die Post. Die Bezahlung wurde durch die Einführung des Postvorschusses und später des Nachnahmeverkehrs (1878) wesentlich erleichtert. Während beim Postvorschuss die Post einen vom Verlag oder Reiseunternehmen festgelegten Anteil der Verkaufssumme, praktisch als Kaution, einkassierte, wurde die Nachnahmesendung erst ausgeliefert, wenn der volle Rechnungsbetrag für die Lieferung bezahlt worden war. Vgl. Schwarz: Entstehung und Entwicklung der Postgebühren, S. 1484 –1487.
7.3 Der Reise- und V ersandbu chhand el
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amt. Für den Versandbuchhandel, der monatlich tausende von Nachnahmesendungen verschickte, war diese Fristenveränderung mit erheblichen Nachteilen verbunden, denn: [...] neben Kunden aus den besten Gesellschaftsschichten hat jedes Geschäftshaus, das gegen Teilzahlungen abgibt, naturgemäß auch eine große Anzahl Kunden in den unteren Gesellschaftsklassen, und es ist eine bekannte Tatsache, daß mancher Arbeiter und mancher kleine Geschäftsmann, der bei der ersten Vorzeigung nicht in der Lage war, die Nachnahme einzulösen, dies bei der zweiten Vorzeigung tut, weil er in der Zwischenzeit seinen Lohntag oder Einnahmen gehabt hat.9 Doch nicht nur die Zahlungsmöglichkeiten spielten eine Rolle; ein nicht geringeres Problem war, dass die Kunden tagsüber arbeiteten und ihre Nachnahmen daher gewöhnlich binnen einer so kurzen Lagerfrist beim zuständigen Postamt nicht abholen konnten. Wie sehr der Versandbuchhandel von den Verkehrsstrukturen und der Tarifentwicklung der Post abhängig war, hatte sich im Ersten Weltkrieg gezeigt. Damals führte die Regierung für die Postbeförderung eine Sondersteuer ein; der Mehrertrag pro Sendung floss der Reichskasse zu – Zusatzkosten, die den Versandbuchhandel finanziell schwer belasteten.10
Die Entwicklung des Reise- und Versandbuchhandels im Ersten Weltkrieg Während des Krieges litt der Versand- wie auch Reisebuchhandel – wie die gesamte Buchbranche auch – unter der wirtschaftlich zunehmend schwieriger werdenden Situation. Ein gravierendes Problem für den Buchhandel war die Einziehung des männlichen Personals zum Militär. Der Reisebuchhandel musste deshalb mit einer dramatisch reduzierten Zahl von Reisenden auskommen. Betrug die Zahl der im Reise- und Versandbuchhandel Beschäftigten 1914 noch 5.000, sank diese schon kurz nach Kriegsbeginn rapide. Während sich der Zeitschriften- und Sortimentsbuchhandel trotz der Kriegseinwirkungen allmählich wieder stabilisieren konnte – gerade während des Kriegs wurde viel gelesen –, litt der Reise- und Versandbuchhandel darunter, dass seine Käuferschicht häufig nicht mehr in der Lage war, den noch vor Kriegsausbruch eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen. Es fehlte nicht nur an Neuaufträgen – hier machte sich der Mangel an Reisenden besonders deutlich bemerkbar –, sondern es blieben auch die Ratenzahlungen für laufende Verkaufsverträge aus; darüber hinaus konnten Einzellieferungen von noch erscheinenden Werken häufig nicht mehr zugestellt werden, befanden sich doch zahlreiche Kunden an der Front. Ein zentrales Problem des Reise- und Versandbuchhandels waren daher die erheblichen Außenstände,11 zugleich jedoch verschlechterten sich die Lieferungs- und Zahlungsbedingungen seitens der Verleger. Unter dem Vorsitz des Berliner Reisebuchhändlers Wilhelm Herlet – er war von 1911 bis 1917 Vorsitzender des Vereins der Reiseund Versandbuchhandlungen – tagte im Herbst 1914 eine Delegation mit ca. fünfzehn Reise- und Versandbuchhändlern, um sich über die dramatische wirtschaftliche Situation in der Branche zu beraten. Die Delegation wandte sich in einem offenen Brief, der 9 Börsenblatt 76 (1909) 255, S. 13195. 10 Sautter: Geschichte der Deutschen Reichspost, S. 49 f. 11 Börsenblatt 82 (1915) 37, S. 193 –195.
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im Börsenblatt am 25. September 1914 abgedruckt wurde, an die Verleger, und suchte wenigstens eine Erleichterung der Zahlungskonditionen herbeizuführen. Der Appell zielte auf die Stundung offener Wechselgeschäfte: »Der gesamte Reisebuchhandel steht vor einer schweren Krisis, hervorgerufen durch die Kriege, in die das deutsche Vaterland durch den Übermut seiner Neider und Widersacher hineingezogen worden ist. Im Interesse des Reisebuchhandels erlaubt sich der unterzeichnende Vorstand des Vereins der Reiseund Versandbuchhandlungen daher, an die betreffenden Verleger die Bitte ergehen zu lassen, durch Prolongation der fälligen Wechsel dem Reisebuchhandel über die schwere Krisis hinwegzuhelfen«.12 Die eng mit dem Reise- und Versandbuchhandel zusammenarbeitenden Verlage kamen der Bitte nach längeren Zahlungszielen nach und bewahrten damit viele Firmen vor dem Konkurs. Dennoch waren zahlreiche Branchenmitglieder gezwungen, entweder gänzlich zum Versandbuchhandel überzuwechseln oder aber erneut Kolportagebuchhandlungen anzugliedern. Andere Firmen erweiterten ihr Buchangebot um gängige Leseware, z. B. Kriegsliteratur oder patriotische Ansichtspostkarten.13 1917 vereinbarte der Verein der Reise- und Versandbuchhandlungen gemeinsam mit dem Börsenverein für seine Mitglieder bindende Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, die in der wirtschaftlich so schwierigen Situation einen fairen Wettbewerb gewährleisteten und Dumpingpreise unterbinden sollten. Vor allem wurde jetzt das Zahlungsziel gerade für teuere Werke zeitlich begrenzt. Bücher, die über zweihundert Mark kosteten, mussten fortan innerhalb von zwei Jahren abbezahlt werden.14 Die buchhändlerische Verkehrsordnung legte fest, dass der Verkauf von Büchern im Reise- und Versandbuchhandel ohne Zuschlag und zum vom Verlag festgesetzten Preis zu erfolgen habe.15 Ausnahmeregelungen bestanden nur für sogenannte »Reiseausgaben«, deren Ladenpreis aufgehoben war, oder direkt für den Verkauf im Reise- und Versandbuchhandel hergestellt worden waren.
Die Einführung des Teuerungszuschlags im Reise- und Versandbuchhandel Die Spannungen zwischen Reise- und Versandbuchhandel sowie dem Sortimentsbuchhandel hatten sich bereits in den letzten Kriegsjahren erneut verschärft. Der Grund hierfür war die Einführung des Teuerungszuschlags im Buchhandel.16 Das Sortiment forderte den Teuerungszuschlag auch für Ratenzahlungen im Reise- und Versandbuchhandel; zugleich sollte das Zahlungsziel auf maximal zwölf Monate beschränkt werden. Während der Reise- und Versandbuchhandel der zeitlichen Begrenzung der Ratenzahlung nicht abgeneigt war, verweigerte er dem Teuerungszuschlag zunächst seine Zustimmung, da er eine Benachteiligung in der Wettbewerbsfähigkeit befürchtete. Außerdem waren die Reise- und Versandbuchhändler darüber verärgert, dass sie zu den Beratungen über die Notstandsordnung erst gar nicht eingeladen worden waren.17 Auch in dieser Auseinandersetzung erwiesen sich schließlich die Verlage als zuverlässige Partner. 12 13 14 15 16
Börsenblatt 81 (1914) 223, S. 1447. Vgl. Beiträge zur Geschichte des werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels, Bd. 2, S. 118. Paschke/Rath: Lehrbuch des Deutschen Buchhandels, S. 382. Niewöhner: Der Reise- und Versandbuchhandel, S. 28 f. Vgl. hierzu die Studien von Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, und Brohm: Das Buch in der Krise. 17 Börsenblatt 88 (1921) 76, S. 446.
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Unmissverständlich stellten sie fest, dass der Reise- und Versandbuchhandel – anders als das herkömmliche Sortiment – ein wesentliches, für die betroffenen Verlage unverzichtbares Vertriebssystem darstellte, das in keiner Weise eingeschränkt werden dürfe: »Die Grundlage für den Verleger von Reisewerken sei der Reisebuchhandel. Werde der Reisebuchhandel ausgeschaltet, so könne der Verleger, der von einem teuren Werke sonst 20.000 Exemplare drucke und absetze, nur mit einem Absatz von höchstens 3.000 Stück rechnen, denn größer sei der Anteil des Sortiments beim Vertrieb derartiger Werke nicht. […] Die Erhaltung des Reisebuchhandels sei für viele Verleger eine direkte Lebensfrage und auch zahlreiche Drucker, Papierfabrikanten und Buchbinder mit ihrem Personal seien am Bestehen des Reisegeschäfts äußerst stark interessiert«.18 Die Sortimentsbuchhändler mussten einlenken. Eine eigens zur Konfliktlösung eingerichtete Kommission formulierte als Mindestanforderung die Einhaltung des Ladenpreises und einen Kriegsaufschlag für Raten- und Barverkäufe im gesamten Buchhandel. Schließlich stimmten die Reise- und Versandbuchhändler auf ihrer außerordentlichen Jahreshauptversammlung vom 9. September 1917 der Einführung eines Teuerungszuschlags zu; die Frist bei Ratenzahlung für preiswerte Reisewerke wurde einvernehmlich auf zwölf Monate festgelegt.19 Die anfänglichen Befürchtungen der Branche hinsichtlich des Wettbewerbsnachteils schienen sich nicht zu bestätigen; die Kunden akzeptierten den Kriegszuschlag und die Reise- und Versandbuchhändler waren mittels des Zuschlags in der Lage, wenigstens einen Teil ihrer Verluste zu kompensieren. Im Mai 1920 wurden die Ratenzahlungsbedingungen aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten neu geregelt. Die Einzelraten gerade für kleinere Werke wurden jetzt deutlich erhöht. Für Lieferungen bis zu sechzig Mark betrug die Mindestrate nunmehr sechs Mark im Monat. Für jede weitere Rate war ein Zuschlag von einer Mark zu zahlen und die Tilgung der Gesamtsumme hatte innerhalb von zehn Monaten zu erfolgen. Einen weitreichenden Schutz seiner Verkaufsordnung erwirkte der Verein der Reise- und Versandbuchhandlungen jedoch erst 1931, drei Jahre nachdem er als Fachverband dem Börsenverein beigetreten war. Bei der Durchsetzung ihrer Interessen galten vor allem die Verleger als verlässliche Partner, die im Vertriebssystem der Reise- und Versandbuchhändler eine wichtige Alternative zum herkömmlichen Sortiment erkannt hatten und die junge Branche nachhaltig unterstützten. Als schließlich die Sortimentsbuchhändler den vereinbarten Teuerungszuschlag zunehmend ignorierten, plädierte der anfänglich so zögerliche Reise- und Versandbuchhandel nachdrücklich für seine Beibehaltung.20
18 Zit. n. Beiträge und Dokumente zur Geschichte des werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels, Bd. 2, S. 120 f. 19 Börsenblatt 87 (1920) 7. 20 Beiträge und Dokumente zur Geschichte des werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels, Bd. 2, S. 210.
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Abb. 1: Bestellscheine wurden dem Reisebuchhandel häufig von den Verlagen zur Verfügung gestellt. Aus: Max Paschke und Philipp Rath: Lehrbuch des deutschen Buchhandels. 2. Bd., 5. Aufl. Leipzig: Börsenverein 1920, S. 386. Nach der Einigung in Sachen Teuerungszuschlag wurden versöhnlichere Töne angeschlagen, zumal beide Branchen unter den gegebenen wirtschaftlichen Umständen gleichermaßen litten. 1921 warb der Börsenverein bei seinen Mitgliedern sogar um Verständnis für die speziellen Probleme vor allem der Versandbuchhändler, zumal auch diese dem Börsenverein mehrheitlich längst beigetreten waren: Die Zusammenarbeit hat bewiesen, daß das Schicksal und die Existenzbedingungen dieser Gruppe sich mit denen des Sortiments decken. Während dem Reisebuchhandel infolge seines direkten Angebots, bzw. persönlichen Verkehrs mit dem Publikum die Erzielung der hohen Verkaufspreise weniger schwer fiel, hatte doch der Versandbuchhandel unter der Erhöhung und ganz besonders unter der Verschiedenartigkeit der Ladenpreise sehr zu leiden, da er sich mit seinen Angeboten nach den einzelnen Kreis- und Ortsvereinen richten muß. […] Im allgemeinen sind die Übelstände auch hier die gleichen wie beim Sortimentsbetriebe, und die augenblickliche Losung ist auch bei dieser Gruppe: Fort mit aller Unsicherheit und herbei mit dem Einheitspreis! – Das ist, da die Zeit des Abbaues noch nicht gekommen ist, nur zu erreichen durch Beibehaltung des Teuerungszuschlags in der bisherigen Höhe oder aber durch teilweisen oder gänzlichen Abbau desselben bei entsprechender Rabatterhöhung.21
21 Börsenblatt 88 (1921) 92, S. 570, 572, und 88 (1921) 40, S. 195.
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Obgleich die Umsätze im Versandbuchhandel wieder anstiegen, war die Entwertung der Außenposten 1922/1923 nicht mehr aufzuhalten.22 Bis zur Mitte der zwanziger Jahre wirkten die Prognosen des Reise- und Versandbuchhandels düster. Die Steigerung der Umsätze hatte seine Ursache darin, dass mehrere für den Versandbuchhandel besonders gut geeignete Werke erschienen waren, u. a. der Kleine Brockhaus und Westermanns Weltatlas, wobei die hohen Geschäftsspesen die Gewinnspanne bereits wieder beträchtlich reduzierten.23 Die dramatische Wirtschaftslage bewirkte zugleich einen eklatanten Rückgang der Bestellungen, denn die Kunden scheuten sich wegen der finanziell ungesicherten Zukunft, Werke über Ratenzahlung zu erwerben.24 Gleichzeitig überschwemmten preiswerte Sonder- und Volksausgaben den Buchmarkt und schädigten den Versandbuchhandel um ein Weiteres – man abonnierte nicht mehr auf das teuere Werk, sondern wartete das Erscheinen einer billigen Ausgabe ab.25 Die finanziell prekäre Situation bei den Versandbuchhändlern führte dazu, dass nicht mehr ausreichend in Werbung investiert werden konnte. Auch die Verlage waren kaum noch in der Lage, Prospekte und Kataloge in größeren Mengen zum Selbstkostenpreis zur Verfügung zu stellen. Der Versandbuchhandel wiederum war unmittelbar von der Effektivität seiner Werbekampagnen abhängig, gewährleisteten sie doch den entscheidenden Kontakt zum Käufer. Die Arbeitsgemeinschaft lebensreformerischer Verleger reagierte 1923 und stellte einen handlichen, preiswerten und verlagsübergreifenden Katalog mit Lebensreform-Literatur zusammen, der zur Einsparung von Versand-gebühren nur dreißig Gramm wog. Populärwissenschaftliche Gesundheitsbücher und Literatur über die Lebensreform galten in den zwanziger Jahren als ausgesprochen erfolgversprechende Verlagsartikel, denn »das Bestreben vieler geht heute dahin, die durch den Krieg und dessen Nachwirkungen gestörte Gesundheit ohne allzu grosse Kosten wieder herzustellen, sowie sich so lange als möglich berufsfähig zu erhalten. Die Nachfrage nach guter Lebensreform-Literatur ist deshalb sehr gross, und ein solcher Katalog würde daher Ihrer Versandabteilung grossen materiellen Nutzen bringen«.26 Gleichwohl handelte es sich hier um Einzelaktionen, die den Versandbuchhandel nicht grundlegend aus seiner Misere zu befreien vermochten. 1925 analysierte der Verein der Reise- und Versandbuchhandlungen die Wirtschaftslage nüchtern: Der Reise- und Versandbuchhandel hat die Schädigungen noch nicht überwunden, die ihm die Entwertung seiner Außenstände in der Inflationszeit, namentlich beim Übergang zur Stabilisierung, gebracht hat. Es besteht außerordentlicher Kapitalmangel; die Umsätze sind erheblich zurückgegangen, weil die Käuferkreise – namentlich die Gehaltsempfänger – in ihrer Kaufkraft beträchtlich geschwächt sind. Der Absatz
22 23 24 25 26
Börsenblatt 89 (1922) 129, S. 808. Börsenblatt 89 (1922) 129, S. 808. Börsenblatt 92 (1925) 102, S. 7201. Börsenblatt 89 (1922) 129, S. 808. Rundschreiben von Emil Pahl: Wichtig für die Hebung ihres Umsatzes! Dezember 1923 (Archiv des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Frankfurt a. M. Sign.: GU 59).
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7 Verbr eitend er Bu chhandel größerer Werke hat wesentlich nachgelassen; der Markt wird beherrscht von kleinen Werken mit billigen Preisen, deren Vertrieb höhere Spesen verursacht.27
Als der Teuerungszuschlag schließlich wegfiel, reagierten die Versandbuchhändler mit der Einführung eines Teilzahlungszuschlags für alle Kreditkäufe. Der mit Wirtschaftskrise und Inflation einhergehenden Verschlechterung der Lieferungskonditionen seitens der Verlage suchte der Versandbuchhandel mit Selbsthilfemaßnahmen zu begegnen. 1920 schlug der Verein der Reise- und Versandbuchhandlungen die Einrichtung einer »Bücheraustauschstelle« vor: Je ungünstiger die von den Verlegern vorgeschriebenen Bezugsbedingungen für den Reise- und Versandbuchhandel werden, desto stärker macht sich das Fehlen einer schon so vielfach angeregten Bücheraustauschstelle fühlbar. In der letzten Vereinssitzung wurde der Gedanke der Einrichtung einer solchen Austauschstelle nochmals angeregt, es konnte aber mangels des erforderlichen Materials nicht eingehend über diesen Punkt verhandelt werden. Um nun bei der demnächst einzuberufenden Vereinssitzung genügend Material für die technische Durchführbarkeit eines solchen Planes zu sammeln, werden die Herren Kollegen gebeten, entsprechende Vorschläge unverzüglich an den Vorstand des Vereins gelangen zu lassen.28 Bei dieser Einrichtung handelte es sich offenbar um ein Pendant zu den im Sortimentsbuchhandel zeitgleich diskutierten »Austauschstellen«. Der Buchhändler Eduard Lanzenberger hatte 1920 seinen Kollegen vorgeschlagen, sich mit anderen Sortimenten einer Stadt oder Region zu solidarisieren, um die ungünstigen Lieferungsbedingungen der Verleger und die hohen Lagerkosten durch eine gemeinsame »Austauschstelle« zu kompensieren.29 Während das Projekt der Sortimentsbuchhändler vor allem bei den Kommissionären auf Misstrauen und Ablehnung stieß, hätte es für den Versandbuchhandel, der gewöhnlich direkt mit den Verlagen zusammenarbeitete, zweifelsohne Vorteile geboten. Ob die Idee einer »Bücheraustauschstelle« für den Versandbuchhandel realisiert wurde, geht aus dem Börsenblatt allerdings nicht hervor.
Der wissenschaftliche Reise- und Versandbuchhandel in den zwanziger Jahren Neben Konversationslexika, belletristischen oder populärwissenschaftlichen Werken und Buchreihen stellte der Direktvertrieb von wissenschaftlicher Literatur, vor allem von technischen, naturwissenschaftlichen und medizinischen Handbüchern, ein wichtiges Segment des Versandbuchhandels dar.30 Die zunehmende Bedeutung des Reisebuchhandels für den Vertrieb von Wissenschaftsliteratur hatte bereits 1903 Karl Bücher in seiner Schrift Der deutsche Buchhandel und die Wissenschaft beobachtet. Bücher stand der Entwicklung allerdings kritisch gegenüber, weil die schnelle Produktion von mehrbän27 28 29 30
Börsenblatt 92 (1925) 92, S. 877, und 93 (1926) 85, S. 451. Börsenblatt 87 (1920) 189, S. 1003. Börsenblatt 87 (1920) 101, S. 472. Eine knappe Skizze bietet Holl: Produktion und Distribution von wissenschaftlicher Literatur, S. 29 f.
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digen Handbüchern, die sich für den Vertrieb über den Reise- und Versandbuchhandel besonders gut eigneten, seiner Einschätzung nach zum Nachteil der wissenschaftlichen Monografien gereiche. Unter dem enormen Zeitdruck leide letztendlich die Qualität der Schriften: Die Betriebsamkeit in solchen Unternehmungen war zeitweise eine so umfassende, dass in einzelnen Zweigen der Wissenschaft alles, was an deutschen Hochschulen die Feder führen konnte, eingespannt war und die eigentliche Forschertätigkeit darunter litt, wie sich deutlich an der Abnahme der monographischen Literatur in dieser Zeit erkennen ließ. Ja selbst ausländische Spezialisten – Franzosen, Italiener, Engländer, Russen, Dänen, Schweden, Amerikaner – wurden in den Dienst dieser Unternehmungen gestellt. Mit fieberhafter Eile arbeiteten die Setzer, die Korrektoren, die Pressen; in unglaublich kurzer Zeit wurden Bände von je 70 – 80 Bogen hergestellt; das deutsche Buchgewerbe offenbarte eine grandiose Leistungsfähigkeit. Sogar an der Ausstattung war nicht gespart; die Werke kamen gleich in soliden Halbfranzbänden auf den Markt, und selbst das Mitarbeiterhonorar war für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich reichlich bemessen.31 Der Vertrieb von Wissenschaftsliteratur über den Reise- und Versandbuchhandel war allerdings nur für große Verlage attraktiv, da sich kleinere kaum in der Lage sahen, dem Reise- und Versandbuchhandel entsprechend lukrative Rabatte einzuräumen. Renommierte Wissenschaftsverlage wie beispielsweise Gustav Fischer in Jena, die Hirschwald’sche Buchhandlung in Berlin, die 1921 in den Besitz des Springer-Verlags überging, oder der Springer-Verlag selbst nutzten dagegen das Vertriebssystem des Versandbuchhandels für ihre mehrbändigen, gewöhnlich sehr teuren Verlagswerke. Der Verlag Gustav Fischer vertrieb z. B. sein Handwörterbuch der Staatswissenschaften erfolgreich über den Versandbuchhandel und die Hirschwald’sche Buchhandlung unterhielt neben ihrem wissenschaftlichen Sortiment und Antiquariat sogar eine eigene Versandbuchhandlung. Der Geschäftsführer war Tönjes Lange, der nach dem Ersten Weltkrieg mehrere Jahre die Werbeabteilung des Berliner Verlagshauses August Scherl geleitet und sich hier profunde Kenntnisse über moderne Werbe- und Absatzstrategien angeeignet hatte. Die Hirschwald’sche Buchhandlung verfügte über eine Kundendatei mit über 250.000 Wissenschaftlern, Bibliotheken und wissenschaftlichen Vereinen.32 Zunächst erfasste Lange sämtliche Autoren des Springer-Verlags, darüber hinaus nahm er die Mitglieder zahlreicher wissenschaftlicher Vereinigungen des In- und Auslands in seine Kundendatei auf. Über 50 % seiner Kunden waren im Ausland tätig, hauptsächlich in den USA. Diesem Umstand trug Lange Rechnung, in dem er verstärkt englischsprachige Prospekte und Bücherkataloge verschickte. Die Kundendatei der Hirschwald’schen Buchhandlung verfügte Ende der zwanziger Jahre über 1,2 Millionen Datensätze und warb im großen Stil mit Einzelprospekten, Sammelverzeichnissen, dem Hirschwald-Anzeiger, einem Novitätendienst für Bibliotheken und Verlagskatalogen, 31 Bücher: Der deutsche Buchhandel und die Wissenschaft, S. 187 –205, hier S. 187; vgl. auch Holl: Produktion und Distribution wissenschaftlicher Literatur, S. 29. 32 Vgl. Holl: Produktion und Distribution wissenschaftlicher Literatur, S. 29 f., und Sarkowski: Der Springer Verlag, Tl. 1, S. 246 f.
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sowie Musterbüchern.33 Nicht nur die umfangreiche Kundendatei bedurfte einer professionellen Verwaltung; 1927 führte Lange zusätzlich die Maschinenbuchhaltung ein und sechzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren allein für die Kundenbetreuung zuständig. Auch der Springer-Verlag lieferte 40 % seiner Verlagsproduktion über den Versandbuchhandel aus. So erschienen zwischen 1924 und 1939 u. a. das Handbuch der speziellen pathologischen Anatomie und Histologie (hrsg. v. Otto Lubarsch, Friedrich Henke und Robert Rössle) in 28 Teilen; des weiteren das Handbuch der Anatomie des Kindes (hrsg. v. Karl Peter, Georg Wetzel und Friedrich Heiderich) im Zeitraum von 1927 bis 1938 in Einzellieferungen sowie das Handbuch der Haut- und Geschlechtskrankheiten (hrsg. v. Josef Jadassohn) in 41 Teilen zwischen 1927 und 1934.34 Neben den mehrbändigen Handbüchern spielten auch die Fachzeitschriften eine wichtige Rolle, die einen dauerhaften und kontinuierlichen Kontakt zu den Abonnenten aufrecht erhielten – über ihr Abonnement erhielten die Abnehmer regelmäßig Werbematerial des Verlags.
Die Vereinigung der am Reisebuchhandel interessierten Verleger Die Geschäftsbeziehung zum Verlag gestaltete sich im Versandbuchhandel anders als im Sortimentsbuchhandel, der ja hauptsächlich mit dem Kommissionsbuchhandel zusammenarbeitete. Die Versandbuchhändler dagegen unterhielten direkte Kontakte zum Verlag und griffen nur in begrenztem Umfang auf das Kommissionsgeschäft zurück. Sie erwarben von einem Literaturprodukt gewöhnlich hohe Stückzahlen, die sie zu besonders günstigen Konditionen direkt beim Verleger bezogen. Diese gewährten entweder hohe Rabatte oder langfristige Kredite, die den langen Zahlungszielen der Versandbuchhändler gerecht wurden. Ein besonderer Pluspunkt war die Lieferung ungebundener Werke. Der Versandbuchhandel war dadurch in der Lage, den Einband selbst zu wählen und parallel Luxusausgaben anzubieten; in diesem Fall konnten die Versandbuchhändler – wie bereits im Barsortiment praktiziert – den Ladenpreis entsprechend erhöhen: Ferner geben die Verleger von Werken, die vorzugsweise durch Reisende vertrieben werden, abweichend von ihren sonstigen Lieferungsbedingungen nicht selten auch diese Werke bei Abnahme sehr großer Partien in ungebundenem, rohem Zustande ab und gestatten dem Bezieher das Einbinden nach eigenem Ermessen. Auf diese Art und Weise ist die betreffende Firma nicht nur in der Lage, bei der Berechnung des Einbandes selbst noch einen kleinen Mehrgewinn zu erzielen, sondern sie kann auch durch Verwendung z. B. eines reicheren Einbandes (Luxusausgaben, Prachtausgaben, Reise-Ausgaben) unter Umständen den Ladenpreis des so gebundenen Werkes für ihre Abnehmer erhöhen.35 Für die beiden eng zusammenarbeitenden Sparten lag es nahe, eine Interessengemeinschaft zu gründen. Bereits 1904 hatten die Reisebuchhändler einen Zusammenschluss mit Verlagen favorisiert, die hauptsächlich Verlagswerke für den Reise- und Versand33 Sarkowski, S. 246 f. 34 Sarkowski, S. 256 –261. 35 Paschke/Rath: Lehrbuch des Deutschen Buchhandels, S. 379.
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buchhandel herstellten. Die Verlegervereinigung sollte darauf festgelegt werden, ihre Literaturprodukte ausschließlich dem Reise- und Versandbuchhandel anzubieten, sofern dieser bereit war, die festgesetzte Verkehrsordnung, u. a. die Einhaltung des Ladenpreises, zu respektieren. Im Gegenzug garantierte der Reisebuchhandel den Verlagen, nur zuverlässige, seriöse Reisende mit dem Verkauf ihrer Werke zu betrauen.36 Die Umsetzung dieser Idee erfolgte schließlich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. 1922 wurde die Vereinigung der am Reisebuchhandel interessierten Verleger als Untergruppe des Deutschen Verlegerverbands gegründet.37 Den gemeinsamen Willen und die wirtschaftliche Notwendigkeit für eine einvernehmliche Zusammenarbeit brachten die Versandbuchhändler im Börsenblatt vom 28. Februar 1923 zum Ausdruck: Die wirtschaftlichen Verhältnisse haben trotz aller Schwierigkeiten auch Wege gezeitigt, die für künftige Zeiten den Grundstein zu einem gesunden geschäftlichen Wirtschaftsgang bilden werden. Die Kreditverhältnisse zwischen dem Verlag und dem Sortiment waren so ziemlich das Ungesundeste, was je im geschäftlichen Leben sich uns darbot. Wenn letzteres sich auch, durch die Nachkriegsläufe erzwungen, zu Konzessionen herbeiließ, so waren doch immer noch die Verkehrsbedingungen zwischen Verlag und Reisebuchhandel ein Gebilde, das zu schweren Sorgen Anlaß gab. [...] Die Vereinigung, die als eine besondere Gruppe des Deutschen Verlegervereins gedacht ist, hat es in kurzer Zeit fertiggebracht, die Verkehrsbedingungen zwischen Verlag und Reisebuchhandel einerseits und Reisebuchhandel und seinen Kunden andererseits auf eine gesunde Basis zu bringen, und so beiden Theilen eine bessere Zukunft gesichert. Den noch kommenden schweren Zeiten können beide mit mehr Vertrauen entgegensehen, wenn, was zu hoffen ist, das Verständnis für diese sich allgemein Bahn bricht.38 Der Vorsitzende der Interessengemeinschaft war Inhaber des Deutschen Verlagshauses Bong & Co, Emil Rupprecht, eines Verlagsunternehmens, dass vor allem seine belletristischen Buchreihen erfolgreich über den Reise- und Versandbuchhandel abzusetzen verstand.39 Die mit dem Reise- und Versandbuchhandel eng kooperierenden Verleger sicherten günstige Rabatte und vorteilhafte Zahlungsziele zu, erwarteten aber als Gegenleistung, dass sich der Reise- und Versandbuchhandel auch bevorzugt für den Absatz des Programms der Verbandsmitglieder einsetzte.40 Der Verein der Reise- und Versandbuchhandlungen und die Vereinigung der am Reisebuchhandel interessierten Verleger einigten sich nach zähen Verhandlungen auf ein durchschnittliches Zahlungsziel von drei Monaten und die teilweise Weitergabe der anfallenden Diskontspesen an den Reise- und Versandbuchhandel.41 Ein Sonderabkommen – das die Verleger aber 36 37 38 39
Börsenblatt 71 (1904) 72, S. 2843. Börsenblatt 90 (1923) 50, S. 251. Börsenblatt 90 (1923) 50, S. 251. Die Vereinigung wurde seit 1925 im Adreßbuch unter der Rubrik Vereine, Verbände und Vereinigungen, die nicht Organe des Börsenvereins sind, geführt. Vgl. Adreßbuch des Deutschen Buchhandels, 1915, Abt. III, S. 13. 40 Niewöhner: Der Reise- und Versandbuchhandel, S. 23 –25. 41 Börsenblatt 90 (1923) 71, S. 376.
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nicht schriftlich in die Vereinbarungen aufnehmen wollten – regelte die Ausnahmen bei besonderen Belastungen einzelner Reise- und Versandbuchhandlungen, so z. B. bei Erscheinen von größeren Lieferungen des Brockhaus’schen Konversationslexikons.42 Der Verein der Reise- und Versandbuchhandlungen stimmte den vereinbarten Richtlinien trotz bleibender Differenzen in Detailfragen zu – so konnten sie am 1. September 1924 in Kraft treten.
Ratgeber und Haushaltsliteratur – Programmschwerpunkte des Versandbuchhandels während der Weltwirtschaftskrise Ein wichtiges Segment des Versandbuchhandels Ende der zwanziger Jahre war die Ratgeberliteratur, die vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise einen regelrechten Boom erlebte. Eine bedeutende Rolle im Bereich der Ratgeber spielte Haushaltsliteratur. 1926 erschien in der Franckh’schen Verlagsbuchhandlung in Stuttgart der Titel Der neue Haushalt von Erna Meyer, ein Buch, das schon zwei Jahre später in der 28. Auflage vorlag.43 Der Titel war ein ideales Vertriebsprodukt gerade für den Versandbuchhandel: Der neue Haushalt war voluminös, großformatig und mit 210 Abbildungen, Zeichnungen und Bildtafeln reichhaltig illustriert, und zum Preis von 6,50 Mark relativ teuer, doch somit auch für die Ratenzahlung geeignet, die Versandbuchhandlungen anboten. Zudem richtete sich das Buch an eine relativ homogene Zielgruppe, nämlich an die moderne, berufstätige Frau, die Beruf und Familie effektiv zu verbinden versuchte. Die Versandbuchhändler profitierten außerdem von Adressdateien, die Abonnentinnen von Frauenzeitschriften oder Hausfrauenkalender sammelten. In der Franckh’schen Verlagsbuchhandlung erschien z. B. der Hausfrauentaschenkalender, ebenfalls von der Autorin Erna Meyer.44 Ein vergleichbarer Erfolgstitel dieser Zeit war der Ratgeber Die vollkommene Ehe des Sozialreformers und Arztes Theodor Hendrik van de Velde.45 Ein Grund für die Konjunktur von Haushaltsratgebern Ende der zwanziger Jahre war der mit der Weltwirtschaftskrise einhergehende Zwang zum Sparen, aber auch die zunehmende Erfordernis zur »Rationalisierung des Privaten«.46 Als eines der einträglichsten Vertriebsprojekte des Versandbuchhandels erwies sich nicht zuletzt Adolf Hitlers Mein Kampf. Obgleich später den nationalsozialistischen Machthabern diese Teilbranche des verbreitenden Buchhandels allein wegen der Verschiedenartigkeit der am Buchvertrieb beteiligten Unternehmen und der Vielfalt von Distributionswegen suspekt war, erkannten sie dessen Potenzial auch für den flächendeckenden Vertrieb nationalsozialistischer Literatur. So gehörte der Versandbuchhandel nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zu einem stark protegierten Gewerbe. Von 1933 bis 1935 wird über den Versandbuchhandel der Großteil der für die Verbreitung der nationalsozialistischen Anschauungen geeigneten Bücher abgesetzt werden.47
42 43 44 45 46 47
Börsenblatt 90 (1923) 71, S. 376. Vgl. Baureithel: Selbstbehauptung der Frau, S. 23. Baureithel, S. 25. Baureithel, S. 32. Baureithel, S. 27. Vgl. Haug/Kruse: Geschichte des Versandbuchhandels, S. 98 f.
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Literatur Quellen BOLM, August: Instruction und Engagements-Bedingungen für Buchhandlungs-Reisende. Zum Gebrauch für Buchhandlungen. 2. Auflage. Berlin: Verlag August Bolm 1883. ELSNER, Friedrich: Beiträge und Dokumente zur Geschichte des werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels. Bd. 1: Von den Anfängen des Buchhandels bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs. Bd. 2: Vom Beginn des ersten Weltkrieges bis zum Ende der Inflation. Köln: Verband des werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels e.V. 1971. GRÜNSFELDER, Martin: Die kaufmännische Auskunftei in rechtlicher Beleuchtung. Erlangen 1913. HOENIGER, Heinrich/CAHN-GARNIER, Fritz: Handelsgesetzbuch mit Nebengesetzen. Systematische Sammlung der handelsrechtlichen Gesetzgebung des Deutschen Reichs. Mannheim/Berlin/Leipzig: Verlag J. Bensheimer 1927. PASCHKE, Max/RATH, Philipp: Lehrbuch des Deutschen Buchhandels. 2 Bde. Leipzig: Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, 6. Aufl. 1922. PFAU, Karl Friedrich: Das buchhändlerische Versandgeschäft. Wesen und Charakter desselben. Leipzig: Karl Fr. Pfau 1913. PFAU, Karl Friedrich: Reisebuchhandel. Leipzig: Seemann 1927. (Sonderdruck aus: Pfau, Karl Friedrich: Der Buchhändler. Lehrbuch des praktischen Buchhandels. Bd. 2: Reisebuchhandel, Kolportagebuchhandel, Antiquariat, Kommissionsgeschäft u. a. Leipzig: Seemann 1927). PFAU, Karl F.: Der Buchhändler. Eine Encyklopädie des buchhändlerischen Wissens. Leipzig: Pfau o. J. [1903]. RACKOW, Hans, u. a. (Hrsg.): Handwörterbuch des Postwesens. Frankfurt a. M.: Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen 1953. SCHMITT, Kurt: Die kaufmännische Auskunftei, insbesondere der Auskunfts-Vertrag. München 1911. THOMAS, Emil: Die Praxis des Reisebuchhandels. Dargestellt und durch zahlreiche Formulare erläutert. Leipzig: Fiedler, 2. Aufl. 1901. Von Büchern und vom Lesen. 60 Jahre Verbandsarbeit. Hrsg. vom Bundesverband der Deutschen Versandbuchhändler. O.O. 1961.
Forschungsliteratur BAURIETHEL, Ulrike: Die geistige Selbstbehauptung der Hausfrau. Haushaltsratgeber und die Rationalisierung des Privaten in der Weimarer Republik. In: Non-Fiktion. Arsenal der anderen Gattungen. Sachen und Sachlichkeit – die 1920/30er Jahre. 2. Jg., Heft 1, 2007, S. 20 –33. BROHM, Berthold: Das Buch in der Krise. Studien zur Buchhandelsgeschichte der Weimarer Republik. In: Archiv für Geschichte des Buchhandels 50 (1999), S. 189 –331. GRIESER, Thorsten: Buchhandel und Verlag in der Inflation. Studien zu wirtschaftlichen Entwicklungstendenzen des deutschen Buchhandels in der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 51 (1999), S. 1 –187. HAUG, Christine/KRUSE, Natalie: Die Geschichte des Versandbuchhandels. Von den Anfängen in den 1860er Jahren bis zur Gegenwart. Harrassowitz: Bundesverband der Deutschen Versandbuchhändler e.V. 2004. HOLL, Frank: Produktion und Distribution wissenschaftlicher Literatur. Der Physiker Max Born und sein Verleger Ferdinand Springer 1913 –1970. Frankfurt a. M.: Buchhändler-Vereinigung GmbH 1996. NIEWÖHNER, Emil: Der Reise- und Versandbuchhandel. Ein Grundriß. Dresden: Verlag von Zahn und Jaensch Nachf. 1933.
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7 Verbr eitend er Bu chhandel
SARKOWSKI, Heinz: Der Verlagsvertreter – historisch. In: Auf Verlegers Rappen. Verlagsvertreter berichten von ihren Begegnungen mit Buchhändlern, Verlegern und Autoren. Hrsg. v. Hans Jordan. 2. Aufl. Stuttgart: J. B. Metzler 1994, S. 31 –54. SARKOWSKI, Heinz: Der Verlagsvertreter. Ein historischer Rückblick. In: Buchhandelsgeschichte 3 (1993), S. B 94 –B 100. SARKOWSKI, Heinz: Der Springer Verlag. Stationen seiner Geschichte. Tl. 1: 1842 –1945. Berlin: Springer Verlag 1992. SAUTTER, Karl: Geschichte der Norddeutschen Bundespost. Tl. 2: Geschichte der Norddeutschen Bundespost (1868 –1871). Unveränderter Nachdruck. Frankfurt a. M.: Bundesdruckerei 1952; Tl. 3: Geschichte der Deutschen Reichspost (1871 –1945). Frankfurt a. M.: Bundesdruckerei 1951. SCHWARZ, Konrad: Entstehung und Entwicklung von Postgebühren. Frankfurt a. M. Bundespostmuseum 1985 (masch. Manuskript. Bibliothek des Deutschen Postmuseums Frankfurt a. M. Sign.: II B 96). UMLAUFF, Ernst: Beiträge zur Statistik des Deutschen Buchhandels. Leipzig: Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler 1934.
Christine Haug 7.4
Der Bahnhofs- und Verkehrsbuchhandel
Ein Hauptanliegen des Bahnhofs- und Verkehrsbuchhandels1 nach dem Ersten Weltkrieg war die Reorganisation der Branche, obgleich die Verkehrsbuchhändler durch ihren Einsatz als Feldbuchhändler den Krieg aus wirtschaftlicher Sicht relativ unbeschadet überstanden hatten. Schwierig wurde die ökonomische Lage im Verkehrsbuchhandel erst mit dem Kriegsende.2 Die Betriebskosten der Verkehrsbuchhandlungen, u. a. Löhne, Porto, Beleuchtung und Heizung, stiegen stark an, die Verlage kürzten ihre Rabatte – eine Maßnahme, die den Verkehrsbuchhandel besonders hart traf, profitierte dieser doch bislang von großzügigen Vorzugsrabatten.3 Ein kaum lösbares Problem stellte das nur geringe Reiseaufkommen dar. Der Tourismus war während des Krieges völlig zum Erliegen gekommen und Kurt Loele (Redakteur des Verbandsorgans Der Bahnhofsbuchhandel) schätzte die wirtschaftliche Lage des Verkehrsbuchhandels in seiner im Börsenblatt im Juli 1920 abgedruckten Artikelserie Am Strome der Zeit ausgesprochen pessimistisch ein, denn »das Wiederaufleben des Personenverkehrs läßt auf sich warten. […] Es ist fraglich, ob der teure Preis des einzelnen Buches einen Ersatz für den ausfallenden Mehrverkauf von Büchern zu bieten vermag«.4 Die Verkehrsbuchhändler und ihre Standesvertretung appellierten deshalb an die Eisenbahnverwaltungen und an das Reichsverkehrsministerium, auf die besondere Lage der Branche Rücksicht zu nehmen und auf Pachterhöhungen vorerst zu verzichten. Der Verein Deutscher Bahnhofsbuchhändler forderte, dass die Pachten bei kleinen und mittleren Unternehmen 2 – 5 % des Jahresumsatzes nicht übersteigen sollten.5
1 Da der Bahnhofsbuchhandel bereits um 1900 sein Tätigkeitsfeld über die Versorgung von Eisenbahnreisenden hinaus sukzessive erweiterte, sich auch verstärkt in Bade- und Kurorten und insbesondere in der Transatlantikschifffahrt und in den Jahren der Weimarer Republik schließlich auch im Kreuzschifffahrtgeschäft engagierte, also längst mehr Zielgruppen als nur Eisenbahnpassagiere mit Lesestoff versorgte, ist es sinnvoll, nicht mehr nur vom Bahnhofsbuchhandel zu sprechen. Dieser Ausweitung des Aktionsfeldes der Bahnhofsbuchhändler trug bereits das 1905 gegründete Branchenblatt Der Bahnhofsbuchhandel Rechnung, indem es mit dem Untertitel »Fachzeitung für den gesamten Verkehrsbuchhandel unter spezieller Berücksichtigung der Buchhandlungen auf Bahnhöfen, Schiffen, Landungsplätzen, in Hotels, Badeorten und Sommerfrischen« auf das facettenreiche Spektrum des Bahnhofsbuchhandels hinwies. Gerade mit Blick darauf, dass sich der Bahnhofs- und Verkehrsbuchhandel in den Jahren der Weimarer Republik schwerpunktmäßig im Tourismusgeschäft betätigten, sich also als ein Bestandteil der Tourismusbranche und des Fremdenverkehrs verstanden, ist für die Weimarer Republik nur noch von Verkehrsbuchhandel zu sprechen. Vgl. Haug: Reisen und Lesen, S. 170 – 175, aber auch das entsprechende Kapitel in Band 1/2 dieser Buchhandelsgeschichte. 2 Vgl. die Artikelserie Am Strome der Zeit in: Der Bahnhofsbuchhandel 15 (1920) 12/13, S. 136 – 138; 15 (1920) 15, S. 173 –175, und 15 (1920) 19, S. 226 f. 3 Börsenblatt 85 (1918) 121, S. 295. 4 Börsenblatt 87 (1920) 12/13, S. 138. 5 Der Bahnhofsbuchhandel 18 (1923) 1/3, S. 1 f.
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Die Verkehrsbuchhändler versuchten durch die Erschließung zusätzlicher Einnahmequellen ihre Umsatzeinbrüche zu kompensieren. In das Verkaufssortiment wurden jetzt auch Kleinkunstwaren aufgenommen. Die erweiterte Produktpalette würde, so hofften sie, mittelständische Betriebe vor dem Konkurs bewahren.6 Das Reichsverkehrsministerium erlaubte im Oktober 1923 außerdem den Verkauf von Reiseutensilien und Schreibwaren. Allerdings wurde dem Verkehrsbuchhandel untersagt, Lebensmittel, z. B. Getränke und Süßigkeiten, zu verkaufen, um eine unmittelbare Konkurrenz zu den Bahnhofsgaststätten zu vermeiden. Auch die Einrichtung von besonderen Pavillons für den Verkauf von Reiseartikeln, u. a. Reiseandenken, Schirm- und Stockhüllen oder Taschenmesser und Thermosflaschen, wurde genehmigt, vorausgesetzt sie passten sich in das Gesamtbild der Bahnhofsarchitektur ein.7 Als besonders absatzgängige Verkaufsartikel erwiesen sich außerdem Schreibwaren. Die Verbandszeitschrift Der Bahnhofsbuchhandel trug dem erweiterten Sortiment ihrer Mitglieder Rechnung, indem sie eine eigenständige Rubrik »Reiseartikel« einrichtete.8 Je schwieriger die eigene wirtschaftliche Situation, umso energischer gingen die Verkehrsbuchhändler jetzt gegen jede Form von Konkurrenz vor. Ein Problem stellte vor allem der Straßenhandel dar, der nach dem Krieg aufblühte, nicht zuletzt weil er eine maßgebliche Einnahmequelle für die zahlreichen Kriegsinvaliden war.9 Der Verkehrsbuchhandel litt hauptsächlich unter dem sogenannten »wilden« Handel mit Presseartikeln auf den Bahnhofsvorplätzen, wo die Straßenhändler die Reisenden bereits mit Lektüre versorgten, bevor diese die Verkaufsstände im Inneren der Bahnhofshalle überhaupt erreichten. Die Regierung schritt nur zögerlich ein, wollte sie den zahlreichen Erwerbslosen und Kriegsinvaliden ihre bescheidenen Einkommen doch nicht nehmen. Erst 1924/1925 wurde im Rahmen einer neuen Verkehrsordnung diese Art »unkontrollierten« Straßenhandels auf den Bahnhofsvorplätzen reglementiert.10
Die Einführung des Teuerungszuschlags für Zeitungen und Zeitschriften Der Buchumsatz unterlag nach Kriegsende inflationsbedingt großen Schwankungen und brach 1923 mit dem Übergang zur Hyperinflation völlig ein.11 Der Verkehrsbuchhandel hatte im Gegensatz zum Warenhausbuchhandel, der die Bücher so preisgünstig wie möglich verkaufen wollte, die Einführung des Teuerungszuschlags für Bücher von Anbeginn akzeptiert und praktiziert.12 Er stimmte für eine Beibehaltung des Teuerungszuschlags, als die Sortimentsbuchhändler nach 1920 über seine Abschaffung nachdachten.13 Der Teuerungszuschlag war für die Branche offenbar so wichtig geworden, dass der Verein Deutscher Bahnhofsbuchhändler forderte, die Pachtsumme nach Wegfall des Teuerungszu6 7 8 9 10 11
Der Bahnhofsbuchhandel 17 (1922), 18/19, S. 61 f. Der Bahnhofsbuchhandel 18 (1923) 18/19, S. 105. Der Bahnhofsbuchhandel 19 (1924) 3/4, S. 21 f. Vgl. auch den Beitrag Haug: Sonderformen des verbreitenden Buchhandels in diesem Band. Der Bahnhofsbuchhandel 20 (1925) 5, S. 85 f. Vgl. über die Folgen der Inflation für den Buchmarkt die Studien von Grieser: Buchhandel und Verlag in der Inflation, sowie Brohm: Das Buch in der Krise. 12 Vgl. Kap. Warenhausbuchhandel in diesem Band. 13 Der Bahnhofsbuchhandel 15 (1920) S. 175.
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schlags entsprechend zu senken.14 Ein besonderes Anliegen des Verkehrsbuchhandels war allerdings die Einführung des Teuerungszuschlags auch für Presseartikel, das wichtigste Verkaufsprodukt des Verkehrsbuchhandels in den Nachkriegsjahren. Gegen die Stimmen vieler Presseverleger, Zeitungen und Zeitschriften vom Zuschlag zu befreien, protestierten die Verkehrsbuchhändler deshalb energisch.15 Die Erhebung eines Teuerungszuschlags war jedoch problematisch, weil die Notstandsordnung von 1918 diesen für Presseartikel nicht zwingend vorschrieb. Es blieb den Orts- und Kreisvereinigungen überlassen, in ihren Zuständigkeitsbereichen eine einheitliche Regelung zu schaffen.16 Der Verkehrsbuchhandel appellierte an die Presseverlage, den Verkaufspreis um fünf Pfennig zu erhöhen, um die gestiegenen Betriebskosten zumindest teilweise zu amortisieren.17 Während dem Zuschlag im Einzelverkauf der Presseartikel, wie er im Verkehrsbuchhandel praktiziert wurde, nichts im Wege stand, war die Einführung eines Teuerungszuschlags bei Abonnenten aus rechtlicher Sicht problematisch, weil er gegen die vertraglich vereinbarten Abonnementsbedingungen verstieß.18 Verleger und Verkehrsbuchhändler einigten sich schließlich darauf, den Teuerungszuschlag beim Einzelnummernverkauf zu erheben, beim Abonnement dagegen darauf zu verzichten.19 Die Zeitungskonzerne entsprachen in diesem Punkt den Forderungen des Verkehrsbuchhandels nicht zuletzt deshalb, weil dieser das wichtigste Vertriebssystem für Zeitungen und Zeitschriften stellte.20
Pläne zur Sozialisierung des Verkehrsbuchhandels in den Jahren 1918/1919 Nach Kriegsende war der Verkehrsbuchhandel mit verschiedenen Sozialisierungsprojekten konfrontiert, die in Deutschland für den gesamten Buchhandel heftig diskutiert wurden. Die Debatte über die Sozialisierung des deutschen Buch- und Verlagshandels war eng verquickt mit der Frage einer systematischen Literaturkontrolle. Die Befürworter solcher Modelle, unter ihnen Walther Borgius, standen in der Tradition der Volksbildungsbewegung und versuchten das noch immer virulente Thema der »Schmutz- und Schundliteratur« gerade im Verkehrsbuchhandel erneut aufzugreifen. Für eine Sozialisierung dieses Geschäftszweigs votierten daher vor allem Vertreter der Volksbildungsbewegung, die in der Überführung der Buchbranche in gemeinwirtschaftliche Projekte die Möglichkeit erkannten, den Markt für belletristische Literatur neu zu organisieren und damit Druck und Distribution von »minderwertigen« Schriften wirkungsvoll zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund ist die Idee einer Sozialisierung des Leihbibliothekswesens und Verkehrsbuchhandels im Jahr 1919 zu sehen, für die sich vor allem Walther Borgius in seiner Schrift Zur Sozialisierung des Buchwesens (1919) aussprach. Eine zentrale Forderung der Schrift zielte auf die kontrollierte Bedürfnisbefriedigung der Leserschaft durch 14 15 16 17 18 19 20
Der Bahnhofsbuchhandel 19 (1924) 9, S. 145 f. Börsenblatt 86 (1919) 12, S. 40. Der Bahnhofsbuchhandel 15 (1920) 9, S. 92 –95, hier S. 94 f. Der Bahnhofsbuchhandel 14 (1919) 5/6, S. 87 –89. Vgl. Elsner: Beiträge und Dokumente, Bd. 2, S. 57. Elsner, S. 58. Der Bahnhofsbuchhandel 14 (1919) 12, S. 123 f.
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eine entsprechende Organisation der Konsumenten; kommerzielle Überlegungen sollten dabei keine Rolle spielen.21 Borgius glaubte wie schon die Vertreter der Volksbildungsbewegung im ausgehenden 19. Jahrhundert, in der industriellen Massenproduktion von Literatur die Hauptursache für den Vertrieb von »Schmutz und Schund« zu erkennen. Daher verurteilte er die »seuchenartig um sich greifenden« Buchserien, die in den Nachkriegsjahren preiswerten Lesestoff bereitstellten und eine neuerliche Konjunktur erlebten, aufgrund ihrer literarischen Minderwertigkeit.22 Die Kritik an preiswerten belletristischen Kollektionen und der massenhaften Produktion von Zeitschriften zielte wiederum auf den Verkehrsbuchhandel, für den Buchserien neben Presseartikeln das wichtigste Verkaufsprodukt darstellten. Die Sozialisierung des Verkehrsbuchhandels sollte durch eine kluge Kombination des Buchverkaufs und -verleihs an den Bahnhöfen bewerkstelligt werden. Während Kursbücher, Fahr- und Stadtpläne sowie Reisehandbücher als unverzichtbare Gebrauchsartikel für die Reise weiterhin verkauft würden, plante Borgius für den Vertrieb von Unterhaltungsliteratur ein in den Verkehrsbuchhandel integriertes Leihsystem: Die Reisenden entleihen ihre Reiselektüre am Abfahrtsort gegen ein entsprechendes Entgelt und geben sie am Zielort in den Verkehrsbuchhandlungen wieder zurück.23 Während der Verkehrsbuchhandel als Verkaufsinstanz für Unterhaltungsliteratur ausgeschaltet werden sollte, sah Borgius in dem dichten Filialsystem diverser Großunternehmen, wie z. B. Hermann Stilke in Berlin und Hamburg, die Grundvoraussetzung für sein Leihbüchermodell, denn das flächendeckende Distributionssystem großer Verkehrsbuchhändler erreichte auch die Kleinstädte und ländliche Regionen. Der Zugriff auf belletristische Literatur wäre dadurch in allen Klein- und Provinzstädten sichergestellt gewesen, in denen Bahnhöfe und somit entsprechende Verkaufsstellen existierten. Borgius war davon überzeugt, dass langfristig das gesamte belletristische Angebot des deutschen Buchmarkts allein über Leihbüchereien und entsprechend umgestaltete Verkehrsbuchhandlungen abgesetzt werden könnte: Nach meinen Informationen haben wir in Deutschland insgesamt schätzungsweise 900 – 1.000 Leihbibliotheken und 200 – 250 Bahnhofsbuchhandlungen, zusammen 1.100 bis 1.250. Rechnen wir als durchschnittlichen Bedarf für jede derselben nur 2 – 3 Exemplare eines neu erschienenen Romans (was natürlich für gangbare und zugkräftige Werke viel zu wenig wäre), so ergibt dies eine Basis, auf der jedes Verlagsrisiko sich getrost aufbauen kann, zumal auch hier die Erfahrung bald ergeben dürfte, auf einen wie großen ungefähren Überschußabsatz durch sonstigen Verkauf etwa noch gerechnet werden kann.24 Borgius’ Sozialisierungsprojekt intendierte also die vollständige Unterbindung einer unkontrollierten, rein nach kommerziellen Kriterien ausgerichteten Produktion für einen anonymen Markt.
21 Vgl. auch Zickfeldt: Die Umgestaltung des Buchmarktes, S. 35. 22 Vgl. Borgius: Zur Sozialisierung des Buchwesens, S. 12 –15. 23 Diese Idee war nicht neu, denn bereits kurz nach der Jahrhundertwende praktizierten Leihbüchereien unter Einschluss der Hotels einen flächendeckenden Reiseleihbuchhandel. Vgl. das Kapitel zum Bahnhofsbuchhandel in Band 1/1 dieser Buchhandelsgeschichte. 24 Borgius: Zur Sozialisierung des Buchwesens, S. 38.
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Als sich bereits wenige Jahre nach Kriegsende abzeichnete, dass es zur Errichtung eines sozialistischen Staates nicht kommen würde, erlosch auch im Buchhandel die Debatte über Konsumvereine, Genossenschaften und Verstaatlichungen. Bereits 1921 resümierte Wilhelm Moufang in seinem Bericht über Die gegenwärtige Lage des deutschen Buchwesens, dass die zahlreichen Sozialisierungsideen aus den Nachkriegsjahren fortan nicht mehr länger verfolgt würden.25
Die »Allgemeinen Bedingungen für die Zulassung der Bahnhofsbuchhandlungen« 1922 Am 24. Juli 1922 berief das Reichsverkehrsministerium eine Versammlung ein, an der neben dem Verein Deutscher Bahnhofsbuchhändler acht weitere Verlegerverbände teilnahmen.26 Ziel der Versammlung war es, einheitliche Pachtbedingungen für alle Verkehrsbuchhändler im Reichsgebiet zu schaffen. Der Initiative des Reichsverkehrsministeriums war eine öffentliche Auseinandersetzung zwischen den beiden Verlagshäusern Ullstein und Stilke vorausgegangen. Ullstein warf seinem Konkurrenten vor, dass dieser durch die Zahlung von besonders niedrigen Pachtgebühren von nur 2,5 % – die durchschnittliche Pacht lag gewöhnlich zwischen 6 und 11 % – Millionengewinne erwirtschafte. Seine Monopolstellung missbrauche Stilke, in dem er bevorzugt Presseund Verlagsartikel derjenigen Verlage verkaufe, die ihm den günstigsten Rabatt einräumten. Der aggressive Vorstoß Ullsteins resultierte wohl aus den erfolglosen Bemühungen, selbst im Reisegeschäft Fuß zu fassen und in den Besitz von Verkaufsständen an Berliner Bahnhöfen zu kommen. Ullstein hatte mit der Gründung von eigenen Reisebüros und dem Einsatz von Bücherbussen in Badeorten seine Aktivitäten auf dem Sektor der Literaturversorgung für Reisende verstärkt und der Erwerb von Standorten im Verkehrsbuchhandel hätte für den Konzern eine attraktive Erweiterung seines Wirkungsfeldes bedeutet.27 Die unter der Federführung des Reichsverkehrsministeriums einberufene Versammlung einigte sich jedoch darauf, dass bestehende Verträge mit Großunternehmen im Verkehrsbuchhandel unangetastet blieben.28 Vor allem die Verlegerverbände plädierten für die bisher praktizierte Konzessionsvergabe, da sich die Abwicklung ihrer Geschäftsvorgänge dadurch bedeutend vereinfachte.29 Allerdings sollte denjenigen Unternehmen die Konzession verwehrt bleiben, die hauptsächlich Schriften für den Verkauf in Verkehrsbuchhandlungen herstellten, um einer Beförderung von Monopolen vorzubeugen. Mit dieser Übereinkunft würde die Vielfalt des literarischen Angebots an den Verkaufsständen der Verkehrsbuchhändler gewährleistet bleiben.
25 Vgl. Moufang: Die gegenwärtige Lage des deutschen Buchhandels, S. 47. 26 Vgl. die Berichterstattung des Sitzungsverlaufs in: Der Bahnhofsbuchhandel 17 (1922) 14/15, S. 44 –56, sowie 17 (1922) 16/17, S. 56 –58. 27 Vgl. hierzu die Akte: Reichsministerium des Innern. Akten betr. Beaufsichtigung des Bahnhofsbuchhandels. Berichtszeitraum 1922/1923. In: Bundesarchiv Berlin. Abt. Deutsches Reich und DDR. Sign. R/1501, Sign. 113539, S. 3 –14. 28 Niederschrift über die Sitzung am 24. Juli 1922 über die Neuregelung des Bahnhofsbuchhandlungswesens. Ebd., S. 43. 29 Der Bahnhofsbuchhandel 17 (1922) 14/15, S. 46.
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Abb. 1: Kiosk der Firma Georg Stilke, Berlin, Anhalter Bahnhof in Berlin (Innenkiosk). Quelle: Oskar Häring: Georg Stilke. Denkschrift und Arbeitsbericht. Berlin: Stilke 1927, S. 44. Für den 17. August 1922 war ein weiteres Treffen verabredet worden; an diesem nahmen 47 Vertreter von verschiedenen Berufsverbänden und von Parteien teil.30 Die Versammlung sprach sich jetzt auch gegen eine befristete Vergabe von Konzessionen im Verkehrsbuchhandel sowie gegen eine zu restriktive Literaturkontrolle an den Verkaufsständen der Verkehrsbuchhändler aus, um die wirtschaftliche Entfaltung der Unternehmen nicht zu hemmen. Hermann Stilke sicherte den Vertretern der Volksbildungsbewegung allerdings zu, in seiner Eigenschaft als Vorsteher des Vereins Deutscher Bahnhofsbuchhändler seinen Geschäftskollegen die entsprechenden Verzeichnisse guter und billiger Bücher zu empfehlen. Die Gespräche verliefen zur Zufriedenheit der Verkehrsbuchhändler, die wichtige Interessenspunkte durchsetzen konnten. Entscheidendes Ergebnis war aber der Entwurf eines Einheitsvertrags zwischen dem Reichsverkehrsministerium und dem Verkehrsbuchhandel sowie die Vorlage der »Allgemeinen Bedingungen für die Zulassung der Bahnhofsbuchhandlungen«, die als § 3 wesentliches Element des neuen, standardisierten Pachtvertrags wurden, der jetzt in über 20 Paragraphen die Pachtbedingungen regelte.31 Hier wurden u. a. die Kündigungs30 Niederschrift über die Sitzung am 17. August 1922 über die neuen Bedingungen für die Zulassung des Bahnhofsbuchhandels. In: Reichsministerium des Innern. Akten betr. Beaufsichtigung des Bahnhofsbuchhandels. Berichtszeitraum 1922/1923, S. 27 –29. 31 Vgl. »Allgemeine Bedingungen für die Zulassung der Bahnhofsbuchhandlungen«, ebd., S. 32 –35.
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fristen, die Klärung von Schadenersatzansprüchen, die Höhe des Pachtzinses und die Zahlungsmodalitäten der Jahrespachten festgelegt und erstmals – dies war der wichtigste Fortschritt für den Verkehrsbuchhandel – erfolgte die Konzessionsvergabe unbefristet (bei Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist). Dem Verkehrsbuchhändler wurde eine geeignete Standfläche für seine Verkaufsstände auf dem Bahnhofsgelände zugesichert, wobei der Pächter allerdings für die Betriebskosten, u. a. Heizung und Beleuchtung, sowie für die Installation eines Gas- oder Stromzählers aufkommen musste. Auch die Kosten für die Instandsetzung der Verkaufsstände übernahm der Verkehrsbuchhändler; beanspruchte die Reichsbahnverwaltung die verpachtete Fläche für eigene Zwecke, war der Verkehrsbuchhändler verpflichtet, den Verkaufsstand auf eigene Kosten zu entfernen. Der Verkehrsbuchhändler war außerdem angehalten, eine stets aktuelle Preisliste der Zeitungen und Zeitschriften öffentlich auszuhängen. Auch bei Personalfragen sicherten sich die Reichsbahnverwaltungen ein weitreichendes Mitspracherecht, z. B. mussten Kriegsversehrte bevorzugt eingestellt werden, eine Regelung, die bei Verkehrsbuchhändlern zunehmend auf Widerstand stieß, denn Kriegsinvalide besaßen selten die erforderlichen literarischen Kenntnisse und es fehlte, so die Erfahrung des Verkehrsbuchhandels, die bei den oft rauen Witterungsbedingungen notwendige körperliche Konstitution.32 Der Verkehrsbuchhändler haftete außerdem für jeden Schaden, der durch seine Verkäufer verursacht wurde. Zum Schutz vor Haftpflichtansprüchen war der Verkehrsbuchhändler angehalten, eine entsprechende Versicherung abzuschließen. Die Reichsbahnverwaltungen behielten sich zudem ein weitreichendes Kontrollrecht der wirtschaftlichen Situation ihres Verkehrsbuchhändlers vor. Die »Allgemeinen Bestimmungen« legten daher auch die Gestaltung der Buchführung detailliert fest. Die Verkehrsbuchhandlungen wurden in drei Größenkategorien eingeteilt: Zu den kleineren Betrieben zählte man diejenigen mit einem Jahresumsatz von 15.000 RM, mittlere Betriebe erwirtschafteten bis zu 100.000 RM und Großbetriebe kamen auf einen Ertrag von über 100.000 RM. Je nach Betriebsgröße galten andere Bestimmungen für die Buchführung. Kleine Unternehmen führten ein Einnahmen- und Ausgabenbuch. Mittlere Unternehmen waren verpflichtet, ein Kassenbuch und ein Rechnungseingangsbuch zu führen, und Großbetrieben wurde die doppelte Buchführung vorgeschrieben.33 Um den Mitarbeitern der Reichsbahnverwaltungen die Kontrollen zu erleichtern, gab die Reichsbahn eine dienstinterne »Anleitung zur Ermittlung des Ertrages von Bahnhofsbuchhandlungen« heraus.34 Im Gegenzug sicherten die Reichsbahnverwaltungen dem Verkehrsbuchhändler das alleinige Verkaufsrecht für Zeitungen, Zeitschriften und Bücher zu, wobei er bei der Auswahl des Lesestoffes auf Einhaltung volksbildnerischer Empfehlungen zu achten hatte.
32 Vgl. auch Der Bahnhofsbuchhandel 16 (1921) 11, S. 25 f. 33 Vgl. »Allgemeine Bedingungen für die Zulassung der Bahnhofsbuchhandlungen«. In: Reichsministerium des Innern. Akten betr. Beaufsichtigung des Bahnhofsbuchhandels. Berichtszeitraum 1922/1923, S. 33 –35. 34 Vgl. Der Vertrieb 1 (1936), 14, S. 154.
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Abb. 2: Verkaufsstand der Firma Vereinigter Leipziger Bahnhofsbuchhandel G.m.b.H., Querbahnsteig des Leipziger Bahnhofs. Quelle: Berthold Hack: Der Bahnhofsbuchhandel vor und im 1. Weltkrieg. Marginalien, Nachrichten und Dokumente aus der Geschichte des Bahnhofsbuchhandels. In: Der neue Vertrieb 24 (1972), S. 551. Die »Allgemeinen Bedingungen« machten deutlich, dass dem Verkehrsbuchhändler das alleinige Risiko seiner Unternehmung zufiel und die Aufwendungen der Reichsbahn für den Literaturservice auf ihren Bahnhöfen noch immer relativ gering waren. Die sehr restriktiven Bestimmungen waren Folge der besonderen Rolle des Verkehrsbuchhändlers als Pächter eines Nebenbetriebs der Eisenbahngesellschaft. Die Nebenbetriebe unterstanden der Aufsicht der Bahnverwaltungen und es handelte sich um eine Art Dienstverhältnis.35 Die Verkehrsbuchhändler verzeichneten mit der Annahme der »Allgemeinen Bedingungen« gleichwohl beträchtliche Erfolge. Die Konzessionen wurden jetzt unbefristet vergeben, die Pachtverträge waren auf Reichsebene weitgehend vereinheitlicht, was großen Unternehmen die Ländergrenzen übergreifende Expansion erleichterte und die willkürlichen, regional differenten Pachtsummen wurden durch den dynamischen Pachtzins ersetzt, der sich am Jahreseinkommen der Verkehrsbuchhändler orientierte. Im Frühjahr 1921 gründete der Verein Deutscher Bahnhofsbuchhändler eine eigene Kommission, die gemeinsam mit dem Reichsverkehrsministerium und der Deutschen Reichsbahn eine einheitliche Regelung der Jahrespachten erzielen sollte. Dieser gehörten die einflussreichsten Verkehrsbuchhändler Deutschlands an, u. a. Hermann Stilke (Berlin, Hamburg), August Vaternahm (Frankfurt am Main) und Jacques Bettenhausen (Dresden). Die Verkehrsbuchhändler waren durch ihre häufig überzogenen Pachtangebote bei Bewerbungen um die Konzessionen an den unverhältnismäßig hohen Jahrespachten nicht ganz unschuldig. Eine zentrale Forderung des Vereins Deutscher Bahnhofsbuchhändler war die Koppelung des Pachtzinses an den Jahresumsatz, also die Einführung eines dy35 Vgl. Fuchs: Die gewerberechtliche Behandlung der Bahnhofsbuchhandlung, S. 22.
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namischen Pachtzinses. Ziel war eine Festlegung der Pachtform, »die den schwankenden Geldverhältnissen zu folgen geeignet ist«.36 In den »Allgemeinen Bedingungen für die Zulassung von Bahnhofsbuchhandlungen« wurde 1922 unter § 8 die Zahlung des Pachtzinses neu geregelt. Der Pächter hatte bis zum 15. des ersten Quartals der Reichsbahndirektion einen Umsatznachweis aus dem zurückliegenden Vierteljahr vorzulegen.37 Die Berechnung des Jahresumsatzes erfolgte dann nach festen Kriterien: Die Berechnung der Prozente vom Umsatz hat auf folgender Grundlage zu erfolgen: Der Bahnhofsbuchhändler ist an feste Verkaufspreise gebunden, zu denen gegenwärtig Teuerungszuschläge von zehn oder zwanzig Prozent erhoben werden. Die Drucksachen werden mit bestimmten Rabattsätzen geliefert, so dass der Überschuß aus den durch den Verkauf der Druckschriften erzielten Einnahmen über die Einkaufspreise die insgesamt gewährten Rabatte oder den Rohgewinn ergibt.38 Die Verkehrsbuchhändler konnten Geschäftskosten, z. B. Verluste durch Schmutz, Wind und Regen sowie durch Ladendiebstahl, in Abzug bringen. Berücksichtigung fanden auch die Anzahl der Verkaufsstände, der Personalumfang, die Dauer der täglichen Verkaufszeiten und die Verpackungs- sowie Transportkosten. Der Vorteil des neuen Pachtsystems war, dass es auf die wirtschaftlichen Schwankungen im Verkehrsbuchhandel reagieren konnte. Wenn es der Geschäftsverlauf erlaubte, wurde der Pachtsatz neu festgelegt. Auf der anderen Seite konnten die Verkehrsbuchhändler bei Umsatzeinbrüchen jetzt mit einer Senkung des Pachtzinses rechnen.
Der Verkehrsbuchhandel und seine gewerberechtliche Sonderstellung Als ein Dauerkonflikt zwischen Verkehrsbuchhandel und traditionellem Sortiment erwies sich auch noch in den Jahren der Weimarer Republik die gewerbliche Sonderstellung der Verkehrsbuchhändler. Der Verkehrsbuchhandel wurde von Anbeginn als Bestandteil des Verkehrswesens betrachtet, und als Nebenbetrieb der deutschen Bahnen war dieser von bestimmten Regelungen des Gewerberechts ausgenommen. Eine formalrechtliche Voraussetzung war, dass die Nebenbetriebe sich auf dem Gelände der deutschen Bahngesellschaften befanden.39 Als Nebenbetrieb war der Verkehrsbuchhandel u. a. von den Bestimmungen des Ladenschlusses befreit und konnte seine Verkaufsstände auch in den Abendstunden und an Sonn- sowie Feiertagen offen halten. Dieses Privileg hatte schon um 1900 den Widerstand des Sortimentsbuchhandels provoziert. Doch der Verein Deutscher Bahnhofsbuchhändler prognostizierte den Kollaps der gesamten Branche, sollte der Gesetzgeber ausgerechnet diesen Sonderstatus zur Disposition stellen:
36 Akte: Reichsministerium des Innern. Akten betr. Beaufsichtigung des Bahnhofsbuchhandels. Berichtszeitraum 1922/1923, S. 10. 37 Vgl. ebd., S. 75. 38 Beispielrechnung s. ebd., S. 79 f. 39 Vgl. Fuchs: Die gewerberechtliche Behandlung der Bahnhofsbuchhandlung, S. 13 –15, und Der Bahnhofsbuchhandel 27 (1932) 8, S. 91.
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7 Verbr eitend er Bu chhandel Die Folgen für uns wären katastrophal, die geschäftlichen Ausfälle unberechenbar. Man denke z. B. an den Oster-, Pfingst- und Weihnachtsverkehr, der sich an den Feiertagen abspielt, aber auch an die Sonntage mit den reicher ausgestatteten Zeitungsausgaben, an die Abendstunden nach sieben Uhr, die vieler Orts wichtige Abendblätter bringen! Eine nicht unbeträchtliche Zahl von Eisenbahnbuchhandlungen würde unrentabel, viele Angestellte, die bisher noch in Schichten beschäftigt werden konnten, brotlos werden.40
Da die Rechtssprechung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in dieser Frage sehr disparat und regional unterschiedlich gehandhabt worden war, nahm das Reichsverkehrsministerium die Gründung der Deutschen Reichsbahn im Jahr 1921 zum Anlass, eine reichseinheitliche Regelung zu finden. Am 25. Februar 1925 beschloss der Reichstag einstimmig einen Gesetzesentwurf, demzufolge »diejenigen auf dem Gelände von Eisenbahnunternehmungen betriebenen Gewerbe, welche nicht auf die Eisenbahnbeförderung von Personen und Gütern abzielen«, nicht zu den Betrieben von Eisenbahnunternehmungen zu rechnen seien, »indessen kann die höhere Verwaltungsbehörde für die Bahnhofsschankwirtschaften und andere auf dem Gelände der Eisenbahnunternehmungen betriebenen Gewerbe auf Widerruf Ausnahmen von den Bestimmungen über Arbeitszeit, Polizeistunde, Sonntagsruhe und Ladenschluß bewilligen, soweit dies zur Befriedigung der Bedürfnisse der die Eisenbahn in Anspruch nehmenden Bevölkerungskreise geboten erscheint«.41 Doch dem Verein Deutscher Bahnhofsbuchhändler ging diese Entscheidung nicht weit genug. Der Verband appellierte nachdrücklich an die Regierung, den Sonderstatus der Branche gesetzlich festzuschreiben und nicht als Ausnahmeregelung zu handhaben. Ende der zwanziger Jahre beschäftigten sich verschiedene Abhandlungen mit dem Rechtscharakter der deutschen Verkehrsbuchhandlungen. Der Geheime Oberregierungsrat Roderich von Kienitz, früherer Referent für den Verkehrsbuchhandel im Reichsverkehrsministerium und Verfasser der Schrift Die gewerbliche Freiheit des Bahnhofsbuchhandels, argumentierte, dass die Regelungen, die das gesamte Eisenbahnwesen betreffen, zwangsläufig auch für die Nebenbetriebe Gültigkeit besäßen. Das Eisenbahnwesen wurde aus der Gewerbeordnung herausgenommen, weil es besondere Bedürfnisse der Allgemeinheit befriedigte: »Im modernen Personenverkehr wenigstens ist – um zunächst dem [!] wichtigsten Nebenbetrieb zu gedenken – ein Reisen bei Verhinderung der körperlichen oder geistigen Nahrung praktisch nicht mehr recht denkbar«.42 Trotz unterschiedlicher Rechtssprechung auf Landesebene stellte das Reichsgericht unmissverständlich fest, »daß, sofern nur der eigentliche Zweck des Nebenbetriebs gegeben sei und erfüllt werde, jede andere Erwägung jener Art als unbeachtlich beiseite treten müsse«.43 Der Verkehrsbuchhandel gehöre zu den wichtigsten Nebenbetrieben, weil er Reisende mit Artikeln versorge, die diese vor Antritt der Reise gewöhnlich nicht ohne weiteres besorgen könnten:
40 41 42 43
Der Bahnhofsbuchhandel 22 (1927) 10, S. 126. Fuchs: Die gewerberechtliche Behandlung der Bahnhofsbuchhandlung, S. 40. Vgl. Kienitz: Die gewerberechtliche Freiheit des Bahnhofsbuchhandels, S. 6. Kienitz, S. 9.
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Das Wesen dieses Reisegewerbes liegt gerade darin, daß es in knapper Zusammenfassung alles an Lesestoff geben soll, was bei einer Reise in Betracht kommen könnte. […] Was auf dem allgemeinen Markte erst bei verschiedenen Verkaufsstellen zusammengesucht werden müßte, vereinigt der Bahnhofsbuchhandel mit der Gewandtheit der Erfahrung zu einem einheitlichen Verkauf für den Bedarf der Reise, wie dieser je nach dem Wunsche des Augenblicks empfunden wird.44 Die Verkehrsbuchhändler begründeten ihren Sonderstatus damit, dass Reisende sich ausschließlich an ihren Verkaufsständen insbesondere mit aktuellem Tagesschrifttum versorgen können, da die nur kurze Aufenthaltsdauer der Züge schließlich den Besuch einer Stadtbuchhandlung unmöglich mache.45 Mit der Steigerung der Kaufkraft Ende der zwanziger Jahre vermehrten sich generell wieder die Angriffe auf die Sonntagsschließung,46 die Ausnahmeregelungen für die Sonntagsöffnung nahmen zu. Die Stadtbuchhändler, die sich durch den Verkauf von Lesestoff an Sonntagen in den Bahnhöfen benachteiligt fühlten, gaben ihren Widerstand nicht auf. Bereits Mitte der zwanziger Jahre hatte sich der Streit zwischen Sortiment und Verkehrsbuchhandel erneut entzündet. Der Abgeordnete der demokratischen Reichstagsfraktion Johannes Büll aus Hamburg forderte 1925 die generelle Schließung der Verkaufsstände sowie die Einstellung des Automatenbetriebs an den Bahnhöfen an den Sonn- und Feiertagen. Als Ausnahme ließ er nur Zeitungskioske zu.47 Die Reichsbahn hatte an einer Beschränkung der Verkaufszeiten ihrer Verkehrsbuchhändler kein Interesse und unterstützte die Branche in ihrer Forderung nach Liberalisierung der Öffnungszeiten. Wegen der zunehmenden Zahl von Abend- und Nachtzügen forcierten die Verkehrsbuchhändler eine Ausweitung der täglichen Verkaufszeiten. Gerade die Nachtreisenden hätten besonderen Anspruch auf eine adäquate Versorgung mit Lesestoff, zumal andere Serviceeinrichtungen auf den Bahnhöfen geschlossen hatten.48 Im Sommer 1926 erfuhren die Verkehrsbuchhändler eine spürbare Unterstützung seitens der Vertreter des Fremdenverkehrs, der in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre auf dem Reisemarkt zunehmend an ökonomischem Gewicht gewann. Die Fremdenverkehrsämter wiesen auf die enge Verflechtung von Fremdenverkehr und Verkehrsbuchhandel hin und forderten die generelle Sonn- und Feiertagsöffnung für die Buch- und Presseverkaufsstände auf dem gesamten Gelände des Bahnhofs, denn zu den Bequemlichkeiten der Reisenden jeder Gattung gehört es, wenn sie an Orten starker Verkehrsfrequenz, an den Zentren oder wichtigeren Punkten des Fremdenverkehrs Bedürfnisse befriedigen können, die nun einmal beim Reisen immer sich naturnotwendig einstellen werden. Man spricht kurz vom Reisebedarf.49
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Kienitz, S. 11. Vgl. Fuchs: Die gewerberechtliche Behandlung der Bahnhofsbuchhandlung, S. 9 f. Vgl. Achten: Die Geschichte des Ladenschlusses, S. 14. Der Bahnhofsbuchhandel 20 (1925) 3, S. 37 –40. Der Bahnhofsbuchhandel 21 (1926) 2, S. 17 f. Der Bahnhofsbuchhandel 21 (1926) 15/16, S. 177 f.
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Die anhaltenden Angriffe der Sortimentsbuchhändler und ihre hartnäckigen Eingaben an den Reichstag zwangen den Verkehrsbuchhandel zum Handeln. Er forderte die Gründung eines Ausschusses mit Vertretern der Preußischen Ministerien des Innern und für Handel und Gewerbe sowie der Reichsbahnhauptverwaltung, der einheitliche Richtlinien zu dieser Fragestellung erarbeiten sollte. Ergebnis des Ausschusses waren die »Richtlinien für die Behandlung der Bahnhofswirtschaften und Bahnhofsverkaufsstellen« vom 21. Februar 1927.50 Die »Richtlinien« sahen vor, dass Bahnhofsverkaufsstellen sich generell an den örtlichen Ladenschluss zu halten haben, räumten aber eine Ausnahmeregelung ein, über die auf Antrag die Reichsbahndirektion in Einvernahme mit der höher geordneten Verwaltungsbehörde entschied. Maßgebend für eine Ausnahmeregelung war, dass es sich bei den Verkaufsartikeln grundsätzlich um Reisebedarf handelte, und dazu zählten neben Rauchwaren, Lebens- und Genussmitteln sowie Blumen unstrittig Presseartikel und Bücher.51 Die Richtlinien wurden vom Reichsrat verabschiedet und den Länderregierungen zur Annahme empfohlen. Im Juni 1929 bestätigten das Reichsarbeitsministerium und das Reichsverkehrsministerium die Zuordnung des Verkehrsbuchhandels zum Verkehrsgewerbe und damit galt die Sonn- und Feiertagsruhe in dieser Branche nicht. Die Verkehrsbuchhändler hatten ihren gewerberechtlichen Sonderstatus auch in der Weimarer Republik erfolgreich verteidigt. Die Auseinandersetzung über die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten im Verkehrsbuchhandel tangierte zugleich den Streit über das Arbeitsschutz- und Arbeitszeitgesetz für Angestellte. Der Einsatz von Personal im Verkehrsbuchhandel musste sehr flexibel handhabbar sein und sich jederzeit an die Erfordernisse des Reiseverkehrs anpassen. Für die Angestellten des Sortiments- und Verkehrsbuchhandels waren die Arbeitsschutzregelungen unmittelbar mit den Ladenöffnungszeiten verknüpft. Die Angestelltenverbände solidarisierten sich zwar mit dem Einzelhandel in der Frage des Ladenschlussgesetzes, doch die Angestellten im Verkehrsbuchhandel fürchteten um ihre Arbeitsplätze, wenn der 7-Uhr-Ladenschluss in ihrer Branche verbindlich wurde. Die Verkehrsbuchhandlungen in allen größeren Bahnhöfen arbeiteten im Schichtbetrieb und nach der Einführung des 7-Uhr-Ladenschlusses und dem Verbot der Sonntagsarbeit würde hier im großen Umfang Personal freigesetzt werden. Der Verkehrsbuchhandel war auf die Wochenend- und Nachtarbeitszeiten seiner Angestellten jedoch angewiesen. Deshalb kämpfte die Branche darum, auch auf diesem Sektor von den gesetzlichen Regelungen ausgenommen zu werden. War der Status des Verkehrsbuchhandels als Nebenbetrieb der Deutschen Reichsbahn in der Frage der Ladenöffnungszeiten unstrittig, stand die Sonderrolle hinsichtlich der Einführung eines einheitlichen Arbeitsschutzgesetzes jetzt erneut zur Debatte, denn die Entwürfe zum Arbeitsschutzgesetz sahen keine Ausnahmeregelungen für den Verkehrsbuchhandel vor.52 In diesem Fall entschied die Regierung, ob eine Verkaufsstelle zum Verkehrsgewerbe gehörte oder nicht, und nahm damit unmittelbar Einfluss auf die Ladenöffnungszeiten auch an Sonn- und Feiertagen. Die Reichsbahn appellierte an die Regierung, dass eine Freistellung des Ver50 Vgl. auch Genest: Die rechtlichen Grundlagen der Nebenbetriebe, S. 322. 51 Vgl. auch Börsenblatt 94 (1927) 18, S. 91. 52 Der Bahnhofsbuchhandel 24 (1929) 9/10, S. 82 –88, hier S. 84 –86. Vgl. hierzu den Artikel von Richard Leibl: Die Arbeitsschutzgesetzgebung. Ihre geschichtliche Entwicklung und ihr heutiger Stand. In: Der Bahnhofsbuchhandel 25 (1930) 9/10, S. 60 –66.
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kehrsbuchhandels von den gewerberechtlichen Regelungen nur sinnvoll wäre, wenn der Sonderstatus der Branche auch für den Arbeitsschutz gelte.53 Das Reichsgericht bestätigte die Reichsbahn in dieser Auffassung zunächst am 3. April 1924, um dieses nach zwei Jahren wieder zu revidieren.54 Der Verein Deutscher Bahnhofsbuchhändler setzte sich daher nachdrücklich dafür ein, die Ausnahmebestimmungen auch im Arbeitsschutzgesetz gesetzlich festzuschreiben, um nicht den Ausführungsbestimmungen von Reichsarbeitsministerium, Reichsrat und Reichsverkehrsministerium zu unterliegen.55 Der Verkehrsbuchhandel versprach, seine Angestellten keinem rechtsfreien Raum aussetzen zu wollen, doch »die Rücksicht auf den unaufhörlich weiterlaufenden Verkehr der Bahnen erfordert auch für sie eine besondere Regelung. Und wie bisher trotz der Herausnahme der Bahnen aus der Gewerbeordnung ein genügender Schutz der Arbeitnehmer der Bahnen gewährleistet war, so wird dies auch für die Nebenbetriebe der Bahnen durchaus möglich sein […]«.56 Gleichwohl handelte es sich um einen weitgehend rechtsfreien Raum hinsichtlich der tarifvertraglichen Regelungen. Die Zugeständnisse der Verkehrsbuchhändler in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, Entlohnung und Arbeitszeiten beruhten nicht zuletzt auf freiwilliger Basis, wenngleich sich die Mehrheit der Verkehrsbuchhändler zunehmend an den regionalen Tarifverträgen für Angestellte orientierte.
Auswirkungen der Ruhrbesetzung 1923/1924 auf den Verkehrsbuchhandel Am 11. Januar 1923 besetzten französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet mit der Begründung, dass Deutschland seinen Reparationsverpflichtungen gegenüber den Alliierten nicht in vollem Umfang nachgekommen sei.57 Deutschland reagierte auf diese Okkupation mit passivem Widerstand, eine Vorgehensweise, die für die deutsche Wirtschaft zu einem Fiasko ausartete, denn nun war die Hyperinflation nicht mehr zu bremsen.58 Der Banknotenumlauf erreichte im August 1923 663 Billionen Mark und die Staatsverschuldung belief sich inzwischen auf eine Trillion Mark. Am 26. September 1923 verkündeten der Reichspräsident und die Reichsregierung Stresemann das Ende ihres Protestes und kehrten an den Verhandlungstisch zurück.59 Seit Ende November 1923 wurde im Ruhrgebiet wieder gearbeitet. Die Besetzung des Ruhrgebiets hatte für die dort ansässigen Verkehrsbuchhändler massive Konsequenzen. Der von der deutschen Regierung geforderte passive Widerstand gegen die Besatzer brachte zuerst den Personenverkehr zum Erliegen und die deutschen Verkehrsbuchhändler litten unter drastischen Umsatzeinbrüchen, schließlich
53 54 55 56 57
Der Bahnhofsbuchhandel 20 (1925). 5, S. 85 f. Vgl. Fuchs: Die gewerberechtliche Behandlung der Bahnhofsbuchhandlung, S. 28. Der Bahnhofsbuchhandel 25 (1930) 9/10, S. 64. Der Bahnhofsbuchhandel 25 (1930) 9/10, S. 66. Vgl. Winkler: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reichs, S. 435, und Kolb: Die Weimarer Republik, S. 45 f. 58 Vgl. Winkler: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reichs, S. 435, und Kolb: Die Weimarer Republik, S. 50. 59 Vgl. Kolb: Die Weimarer Republik, S. 51.
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waren sie aufgefordert, ihre Niederlassungen ganz aufzugeben.60 Kurze Zeit später wurden die Standorte der deutschen Verkehrsbuchhändler von dem französischen Pressekonzern Louis Hachette übernommen. Am 7. Januar 1924 leitete der Reichsminister für die besetzten Gebiete eine verzweifelte Eingabe des Vereins Deutscher Bahnhofsbuchhändler an den Reichsverkehrsminister weiter, »mit der Bitte, die Behörden des besetzten Gebietes von den Wünschen des durch die Franzosen aus den Bahnhöfen verdrängten Bahnhofsbuchhandels in geeigneter Weise zu verständigen«.61 Der Verein Deutscher Bahnhofsbuchhändler beklagte die zunehmend prekäre Situation ihrer vertriebenen Mitglieder; so seien »inzwischen die Verhältnisse der Bahnhofsbuchhändler im besetzten Gebiet immer drückender geworden; jede Möglichkeit, ihre Geschäfte wieder zu betreiben, ist ihnen seitens der Franzosen und Belgier genommen worden«.62 Doch die Eingabe des Vereins Deutscher Bahnhofsbuchhändler, schließlich auch direkt an die französische Regierung, blieb ohne Erfolg.63 Zur Empörung der deutschen Verkehrsbuchhändler verkaufte Hachette in den ersten Monaten ausschließlich französische Literatur. Die deutschen Verkehrsbuchhändler reagierten auf diesen Akt politischer Propaganda mit der Einrichtung von Verkaufspavillons mit deutscher Literatur und Presseartikeln. Als Verkaufsfläche nutzten die Verkehrsbuchhändler das unmittelbar an das Bahngelände angrenzende Terrain, das in die Zuständigkeit der Stadtverwaltungen, nicht mehr in die der französischen Eisenbahnregie, fiel.64 Formalrechtlich war dieses Vorgehen heikel, doch die Akten sagen nichts mehr darüber aus, ob die deutschen Verkehrsbuchhändler das entsprechende Gelände für den Verkauf ihrer Artikel zugesprochen bekamen. Im November 1924 beendete die deutsche Regierung ihren passiven Widerstand und noch im selben Monat kündigten die französischen Eisenbahnverwaltungen in den besetzten Gebieten Hachette die Standorte auf; die deutschen Geschäftskollegen kehrten an ihre ehemaligen Standorte zurück.65
Die Wiederbelebung des Tourismus und die Kooperation des Verkehrsbuchhandels mit anderen Reiseanbietern Ein zentrales Anliegen aller am Tourismus partizipierenden Unternehmen nach dem Ersten Weltkrieg war die Erschließung neuer Kundenschichten für den Reisemarkt. Die Tourismuswirtschaft erlebte in den Jahren der Weimarer Republik einen tiefgreifenden Strukturwandel. Hauptaufgabe der Deutschen Reichsbahn, der Schiffsreedereien und des Fremdenverkehrs sowie des Verkehrsbuchhandels waren gemeinsame Anstrengungen zur Wiederbelebung und Erhöhung des Verkehrsaufkommens in Deutschland. Der bereits um die Jahrhundertwende einsetzende Konzentrationsprozess in der Tourismusbranche verschärfte sich in der Weimarer Republik. Der Verkehrsbuchhandel kooperier60 Der Bahnhofsbuchhandel 25 (1930) 9/10, S. 53 –56. 61 Akte: Reichsministerium des Innern. Akten betr. Beaufsichtigung des Bahnhofsbuchhandels. Berichtszeitraum 1922/1923, S. 114. 62 Ebd., ohne Pag., zwischen S. 114 und 115. 63 Der Bahnhofsbuchhandel 19 (1924) 1/2, S. 2. 64 Akte: Reichsministerium des Innern. Akten betr. Beaufsichtigung des Bahnhofsbuchhandels. Berichtszeitraum 1922/1923, S. 115. 65 Der Bahnhofsbuchhandel 19 (1924) 19, S. 381 f.
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te mit der Deutschen Reichsbahn, Schiffsreedereien, Reiseagenturen, Ferienorganisationen und dem Hotelgewerbe. Seit den zwanziger Jahren verstand sich der Verkehrsbuchhandel nicht mehr nur als Teilbranche des verbreitenden Buchhandels, sondern als eigenständiges, unverzichtbares Segment des Tourismusgeschäfts. Große Verkehrsbuchhandlungen waren jetzt mit eigenen Ausstellungsflächen auf den jährlich stattfindenden Verkehrsausstellungen vertreten und präsentierten sich hier als konstitutives Element des modernen Massentourismus. Die Reichsbahn beteiligte sich aus Werbezwecken an Fachausstellungen, z. B. an der »Internationalen Presseausstellung Köln 1928«, um ihre Affinität zum Pressewesen herauszustreichen. Der Verkehrsbuchhandel nahm an der Ausstellung mit einem Musterverkaufsstand der Düsseldorfer Firma Schnitzler teil, »um den sich Verkaufsgeräte (Wagen, Reclam-Automaten usw.) des Bahnhofsbuchhandels gruppierten, und durch ein Diorama, das einen Ausschnitt aus dem Leben und Treiben auf dem Bahnsteig zeigte«.66 Eine Folge des zunehmenden Konzentrationsprozesses war, dass sich die Wirkungsbereiche der einzelnen Teilbranchen des Tourismusgeschäfts zunehmend überschnitten. Der Verkauf von Reiselektüre war längst nicht mehr alleinige Domäne des Verkehrsbuchhandels. Die Buchreihen für Reisende zählten inzwischen zu den wichtigen Saisonartikeln in den Warenhäusern. Die Reedereien und Reisebüros wiederum gliederten ihren Unternehmen aus Gründen der Kostenersparnis vermehrt Verlagsanstalten an, die die Produktion von Reise- und Verkehrszeitungen, von Reisehandbüchern und Prospektmaterial übernahmen. Bereits 1905 hatte die Hamburg-Amerika-Linie GmbH Berlin eine eigene Sortimentsbuchhandlung mit dem Spezialgebiet Reiseliteratur gegründet.67 Das Berliner Reisebüro Karl Riesel gründete einen Verlag und gab die Zeitschrift Karl Riesels Verkehrsreiseblätter und die Buchreihe Karl Riesels Hotelführer heraus, die immerhin eine jährliche Auflage von 15.000 Exemplaren erreichten.68 Die Verkehrsbuchhändler profitierten von dieser Entwicklung vor allem auf dem Sektor der Werbung, z. B. nutzten sie die Verkehrszeitungen als Werbeorgane für ihre eigene Produktpalette. Die Verflechtungen zwischen Verkehrsbuchhandel, Verlagsgewerbe, Reisegeschäft und Fremdenverkehr wurden somit immer komplexer. Wegen der wirtschaftlich schwierigen Lage betätigten sich vermehrt Verkehrsbuchhändler zugleich als Verleger. Die Heidelberger Verkehrsbuchhandlung Carl Schmitt gab seit der Mitte der zwanziger Jahre in ihrer eigenen Verlagsanstalt diverse Fremdenverkehrszeitschriften heraus.69 Während die Reiseagenturen und Reedereien als Verleger tätig wurden, etablierten sich große Pressekonzerne wiederum saisonal als Reiseanbieter. In der Sommerzeit betrieben z. B. Ullstein und Stinnes Reisebüros.70 Ullstein gelang der Anschluss an das Mitteleuropäische Reisebüro und dadurch war das Unternehmen in der Lage, auch Fahrkarten zu verkaufen.71 Ullstein warb jetzt für Wochenendfahrten, Gesellschaftsreisen,
66 Der Vertrieb 3 (1938) 11, S. 118. 67 Vgl. Fuß: Geschichte des Reisebüros, S. 58. 68 Vgl. Berktold-Fackler/Krumbholz: Reisen in Deutschland, S. 39 f., und Fuß: Geschichte des Reisebüros, S. 56. 69 Vgl. Schmitt: Unsere Firmengeschichte 1841 –1866, S. 70. 70 Vgl. Fuß: Geschichte des Reisebüros, S. 44, 258. 71 Vgl. 50 Jahre Ullstein 1877 –1927, S. 361 f.
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Studienreisen und Sonderzugfahrten; besonders populär waren Kollektivfahrten zu großen Sportereignissen. Gemeinsam mit dem Norddeutschen Lloyd organisierte Ullstein auch Schiffsreisen und bot seit dem Ende der zwanziger Jahre außerdem Flugtickets für den nationalen und internationalen Flugverkehr an. Der Stinnes-Konzern etablierte sich im Bereich der Kreuzschifffahrt und zählte zu den ersten Anbietern auf diesem Sektor nach dem Krieg.72 Die Reiseanbieter reagierten auf die wirtschaftliche Depression zudem mit innovativen, aufwendigen Werbekampagnen. Die Deutsche Reichsbahn und der Verkehrsbuchhandel strebten eine intensive Kooperation auf dem Sektor der Verkehrswerbung an. Bereits 1920 wurde die »Reichsbahnzentrale für deutsche Verkehrswerbung« in Berlin,73 das »Mitteleuropäische Reisebüro«, die »Reichsbahnzentrale für den Deutschen Reiseverkehr« sowie der »Reichsausschuß für Fremdenverkehr« gegründet. Aufgabe dieser Organisationen war die Förderung des Auslandstourismus und des innerdeutschen Reiseverkehrs.74 Die Deutsche Reichsbahn und mehrere Schiffsreedereien wurden vermehrt als Reiseveranstalter aktiv und warben für ihr Angebot an preiswerten Pauschalreisen. Den Schiffsreedereien gelang eine deutliche Erhöhung des Passagieraufkommens durch die Einführung der Touristenklasse an Bord ihrer Passagierschiffe. Die Reiseanbieter nutzten für ihre Werbekampagnen verstärkt die neuen Medien. In den Vorprogrammen der deutschen Kinos liefen Fremdenverkehrsfilme und der Hörfunk berichtete über attraktive Reiseziele in Deutschland. In den Jahren der Weimarer Republik entwickelte sich die Reklame zu einer wichtigen Einnahmequelle der Deutschen Reichsbahn, die ihre Reklameflächen jetzt an Werbeunternehmen gegen entsprechende Pachtgebühren vermietete.75 Die Verträge mit diesen Firmen schufen die Voraussetzung für eine einheitliche und innovative Verkehrswerbung auf den deutschen Bahnen. Die sinkenden Verkaufszahlen im Verkehrsbuchhandel förderten gleichzeitig die Bereitschaft zur Investition in die Buchwerbung. Der Verein Deutscher Bahnhofsbuchhändler drängte seine Mitglieder, mit farbigen Plakaten und durch Auslage von Büchern mit besonders augenfälligen Buchumschlägen auf ihre Verkaufsstände aufmerksam zu machen.76 Besondere Erwartungen setzten die Verkehrsbuchhändler und die Verleger von Reiselektüre aber in die moderne Eisenbahnstreckenwerbung. Als Werbeträger dienten die Eisenbahnwagen selbst: Mit ansprechenden Plakaten warb man in den Abteilen für Gebrauchsartikel, z. B. Fahrpläne, Kursbücher und Stadtpläne. In den Großstädten galten die Hausgiebel als attraktive Werbefläche, die den Reisenden bei Einfahrt in die Bahnhöfe ins Auge stach. Doch diese aufwendige, kostenintensive Werbung war nur sinnvoll, wenn populäre Massenliteratur beworben wurde; betrieben wurde sie hauptsächlich in den Reisemonaten. Die Verkehrsbuchhändler und die Buchhandlungen in Bade- und Kurorten mussten im Vorfeld über die auf diesem Weg beworbenen Verkaufsartikel informiert werden, damit sie die Bücher auch vorrätig hatten.77
72 73 74 75 76 77
Vgl. Kludas: Geschichte der Passagierschiffahrt, Bd. 4, S. 175 –183. Vgl. Reinhardt: Von der Reklame zum Marketing, S. 289 –308. Vgl. auch Hundert Jahre deutsche Eisenbahnen, S. 318 –325. Vgl. Reinhardt: Von der Reklame zum Marketing, S. 289 –308, hier S. 290 f. Der Bahnhofsbuchhandel (1920). 15, S. 89. Börsenblatt 95 (1928) 78, S. 78.
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Die massive Werbung auf dem Reisemarkt brachte den erhofften Erfolg zunächst auf dem Sektor des Auslandstourismus. Die deutsche Bevölkerung selbst war inflationsbedingt kaum in der Lage, Inlands- oder Auslandsreisen zu unternehmen. Für den Sommer 1922 prognostizierten die Tourismusverbände allerdings einen Ansturm amerikanischer Touristen, zumal sich gerade für Amerikaner die Valuta in Deutschland als besonders attraktiv erwies. Der Verkehrsbuchhandel bereitete sich auf diesen Touristenansturm entsprechend vor.78 Er hielt vor allem die englischsprachige Tauchnitz-Edition bereit, eine Buchreihe mit ca. 4.500 fremdsprachigen Büchern, die bei den ausländischen Reisenden sehr populär war. Der Verlag bot dem Verkehrsbuchhandel sogar Sonderkonditionen für die Sommersaison 1922 an. Darüber hinaus warben Verlage mit leicht verkäuflichen Artikeln sowie mit günstigen Rabatten und kulanten Lieferungsmodalitäten um die Verkehrsbuchhändler. Diese hielten neben gängigen belletristischen Buchreihen zugleich eine große Auswahl an fremdsprachigen Reisehandbüchern, Zeitungen und Zeitschriften bereit. Im Januar 1923 vermerkten die Verkehrsbuchhändler eine leichte Zunahme des Reiseaufkommens, das sich allmählich wieder dem Stand der Vorkriegsjahre annäherte. Aber der Verkauf von Reiselektüre verlief weiterhin stockend, da die Bücher wegen der hohen Rohstoff- und Papierpreise für breite Bevölkerungsschichten noch immer unerschwinglich waren.79 Während sich das Reiseaufkommen im Sommer 1923 weiterhin erfreulich gestaltete und die Verkehrsbuchhändler erneut ein leichtes Umsatzplus verzeichneten, verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre. Auf den Jahreshauptversammlungen 1925 und 1926 des Vereins Deutscher Bahnhofsbuchhändler beklagten die Verkehrsbuchhändler die erneut einbrechenden Umsätze.80 Während in den unmittelbaren Nachkriegsjahren der Informationsbedarf in der Bevölkerung noch für einen guten Absatz von Zeitungen und Zeitschriften gesorgt hatte, konstatierten sie jetzt einen inzwischen kritischen Rückgang der Nachfrage gerade auf diesem Sektor.81 Die Verkehrsbuchhändler beurteilten ihre wirtschaftliche Lage Ende der zwanziger Jahre insgesamt sehr pessimistisch, zumal inzwischen immer mehr finanziell besser situierte Reisende auf Kraftfahrzeuge umstiegen.82 Waren im Juli 1921 60.000 Personenwagen zugelassen, stieg die Zahl der privaten PKW-Besitzer bis Juli 1929 bereits auf 433.205 an.83 Die Konkurrenz des Automobils erwies sich für den Verkehrsbuchhandel in der Tat als ernsthaftes Problem. Der Verein Deutscher Bahnhofsbuchhändler regte deshalb an, dass die Verkehrsbuchhändler wieder vermehrt Verkaufsstände auch in den Hotels errichten sollten, um an ihre Käuferschicht heranzukommen. Diverse Zeitungs- und Zeitschriftenverleger hatten diese Absatzlücke bereits erkannt und belieferten die Hotels mit ihrer Leseware mit großzügigen Rabatten.84 Die Heidelberger Verkehrsbuchhandlung Schmitt reagierte auf den zunehmenden Automobilverkehr nicht nur mit der Ein78 79 80 81 82 83 84
Der Bahnhofsbuchhandel 17 (1922) 9, S. 22. Der Bahnhofsbuchhandel 18 (1923) 1/3, S. 2. Vgl. Börsenblatt 92 (1925) 92, S. 877, 93 (1926) 85, S. 451, und 93 (1926) 99, S. 539. Vgl. Börsenblatt 92 (1925) 92, S. 877, und 93 (1926) 85, S. 451, sowie 93 (1926) 99, S. 539. Börsenblatt 92 (1925) 92, S. 877. Vgl. Brilli: Das rasende Leben, sowie Haubner: Nervenkitzel und Freizeitvergnügen. Der Bahnhofsbuchhandel 19 (1924) 16/17, S. 329.
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richtung von Hotelbuchhandlungen, sondern platzierte jetzt auch vermehrt seine Kioske und Verkaufstische an belebten Straßenkreuzungen.85 In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre mehrten sich die Klagen über die Konkurrenz von Automobil und allmählich zunehmendem Flugverkehr. Der Verfasser des Artikels Der zunehmende Kraftwagenverkehr und der Bahnhofsbuchhandel prognostizierte Ende 1927: Vielleicht stehen in 10–20 Jahren unsere Verkaufsstände gar nicht mehr an den Bahnhöfen, sondern an den Einfalltoren und Knotenpunkten des Kraftwagenverkehrs, vielleicht auch in den Hotels oder Luftschiffhäfen. Das ist keine Utopie, sondern das Ergebnis nüchterner und folgerichtiger Betrachtung.86 Als störende Konkurrenz wurden jedoch nicht nur Automobil und Flugzeug empfunden, beide Verkehrsmittel konnte sich gemeinhin nur ein kleiner elitärer Teil der Konsumenten leisten, sondern hauptsächlich die Verbreitung des Omnibusses. Der Omnibus entwickelte sich innerhalb kurzer Zeit zu einem Massentransportmittel und das Streckennetz expandierte in den zwanziger Jahren enorm. Bereits 1905 verkehrten Omnibusse im Linienverkehr, doch erst in der Weimarer Republik wuchs das Streckennetz im Überlandverkehr stark an. Die Busse konnten ohne den durchorganisierten Apparat, den die Eisenbahnen benötigten, verkehren und ihr Einsatz lohnte sich auch bei niedrigerem Fahrgastaufkommen.87 Der Omnibusverkehr entwickelte sich zu einem wesentlichen Fundament für den modernen Massentourismus, und innerhalb weniger Jahre expandierte das Liniennetz von 6.000 auf 56.000 Kilometer.88 Der Omnibus erschloss die von den Eisenbahnen vernachlässigten Regionen und förderte den Wochenend- und Kurzurlaub. Den Ausflugsangeboten der Omnibusunternehmen setzte die Reichsbahn zwar ein eigenes Angebot an billigen Pauschalreisen entgegen, doch diese Bemühungen zeitigten keinen spürbaren Erfolg. Deshalb profitierte der Verkehrsbuchhandel von der leichten Steigerung der Reiseintensität seit der Mitte der zwanziger Jahre nur wenig. Einen erneuten Einbruch erlebte die Reisebranche und damit auch der Verkehrsbuchhandel durch die Weltwirtschaftskrise 1929/1930. 1929 beklagten die Verkehrsbuchhändler auf der Jahreshauptversammlung des Vereins Deutscher Bahnhofsbuchhändler erhebliche Umsatzeinbrüche. Offenbar nahm die Reichsbahn auf die prekäre Wirtschaftslage ihrer Verkehrsbuchhändler keine Rücksicht und plante sogar Pachterhöhungen.89 Sie begründete diese Maßnahmen mit Millionenverlusten allein im Personenverkehr.90 In ihrem Rechenschaftsbericht für das erste Quartal des Jahres 1930 benannte die Deutsche Reichsbahn die Gründe für den drastischen Rückgang des Reiseaufkommens. Sie machte vor allem die hohen Arbeitslosen- und Kurzarbeiterzahlen für die Umsatzeinbrüche verantwortlich.91 Der Verein Deutscher Bahnhofsbuchhändler organisierte eine Befragung der großen, mittleren und kleineren Mitgliedsfirmen, um die Reichsbahnverwaltung davon 85 86 87 88 89 90 91
Schmitt: Unsere Firmengeschichte, S. 70. Der Bahnhofsbuchhandel 22 (1927) 19/20, S. 206. Kubisch: Omnibus. Haltestellen für Alle, S. 22. Vgl. Keitz: Reisen als Leitbild, S. 78 –81, und Kubisch: Omnibus. Haltestellen für Alle, S. 18 –65. Der Bahnhofsbuchhandel 24 (1929) 9/10, S. 82. Der Bahnhofsbuchhandel 25 (1930) 3/4, S. 9 f. Der Bahnhofsbuchhandel 26 (1931) 3, S. 14.
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zu überzeugen, dass die Bezahlung der geforderten Pachterhöhung für den Verkehrsbuchhandel völlig unmöglich sei. Das Umfrageergebnis zeigte schließlich auch einen erheblichen Umsatzrückgang bei großen Firmen um bis zu 25 % auf. Auf der Jahreshauptversammlung des Vereins Deutscher Bahnhofsbuchhändler am 2. Mai 1932 beurteilten die anwesenden Verkehrsbuchhändler das Jahr 1931 als das wirtschaftlich schlechteste seit Kriegsende. Die Zahl der Bahnpassagiere gehe dramatisch zurück und die Kaufkraft in Deutschland sinke rapide. Dieser Abwärtstrend wirkte sich auch auf die Angestellten aus. Ihre Gehälter und Löhne wurden gekürzt. Die Notverordnung vom 9. Dezember 1931 ordnete darüber hinaus eine Absenkung der Ladenpreise vor allem für Markenartikel um 10 % an. Als zusätzliche Belastung kam die sogenannte Ausgleichsteuer dazu, die zu einer Verteuerung der ausländischen Bücher, Zeitschriften und Zeitungen um 2 % führte. Außerdem kürzten die Verleger jetzt auch noch ihre Rabattsätze.92 1932/1933 arbeiteten viele kleinere Verkehrsbuchhändler bereits mit Verlusten.93
Der Schiffsbuchhandel – Reiselektüre für Schiffsreisende Bereits in den Vorkriegsjahren hatte sich die transatlantische Passagierschiffahrt zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor im internationalen Personenverkehr entwickelt. Die großen Reedereien Norddeutschlands, die Hapag und der Norddeutsche Lloyd, warben verstärkt um finanzkräftige Kajütenpassagiere, waren die Auswandererzahlen, bislang entscheidende Haupteinnahmequelle der Reedereien, doch längst rückläufig.94 Zur Auslastung der Passagierdampfer auch in den wenig frequentierten Wintermonaten boten Schiffsreedereien inzwischen vermehrt Sonder- und Vergnügungsfahrten im skandinavischen Raum und im Mittelmeer an. Vor allem die Hapag hatte intensiv auf diesem Sektor investiert. In den Vorkriegsjahren bediente die Hamburger Reederei 68 verschiedene Routen, zu denen etwa jährlich 30 Vergnügungsfahrten hinzukamen.95 Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte die Hapag einen wirtschaftlichen Höhepunkt erreicht: 1913 unterhielt die Hamburger Reederei 73 Schiffslinien – zwölf nach Nordamerika, sechs nach Westindien, vier nach Mexiko, außerdem fünf von New York nach Westindien und Zentralamerika, einen westindischen Interkontinentaldienst, sechs Verbindungen nach Brasilien, drei zum La Plata, fünf zur Westküste Amerikas, vier nach Ostasien, drei nach Indien, eine nach Persien und fünfzehn nach Afrika. Ein weiteres Wirkungsfeld hatte sich die Hapag im Rhein-See-Dienst und im Seebäderdienst erschlossen. Die Schiffe der Hapag liefen regelmäßig mehr als 400 internationale Häfen an und mit fast 200
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Vgl. Der Vertrieb 4 (1939) 24, S. 273 f., hier S. 274. Der Bahnhofsbuchhandel 28 (1933)1, S. 159. Vgl. Haug: Reisen und Lesen, S. 31 –41, 212 –234. Vgl. Wiborg/Wiborg: Unser Feld ist die Welt, S. 60 –96, und Witthöft: Hamburg Amerika Linie, S. 64 –72.
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Abb. 3: Bordbuchhandlung Lachmann auf dem Schnelldampfer »Bremen« (um 1900). Quelle: Arnold Kludas: Die Schnelldampfer »Bremen« und »Europa«. Höhepunkt einer Epoche. Hamburg: Köhler 1996, S. 151. Ozeanschiffen war die Hapag inzwischen die größte Reederei der Welt geworden.96 Der Auslandstourismus hatte also in den Vorkriegsjahren einen Konjunkturhöhepunkt erreicht, aber auch der Seetourismus boomte und im Sommer 1914 waren die Nord- und Ostseebäder noch vollständig ausgebucht. Nach Kriegsbeginn verödeten diese in nur wenigen Wochen und auch die internationale Passagierschifffahrt musste jetzt massive Rückgänge hinnehmen. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg bemühten sich die Reedereien rasch um die Wiedereinrichtung des Seebäderdienstes. Bereits 1919/1920 profitierten deutsche Kur- und Badeorte wieder von ausländischen Gästen, die aus der Schweiz, aus den skandinavischen Ländern, Holland und England anreisten. 1919 wurde die SassnitzLinie wieder in Betrieb genommen und die Inseln Sylt und Rügen durch Dammbauten mit dem Festland verbunden.97 So kehrten die Verkehrsbuchhändler in ihre Wirkungsräume aus der Vorkriegszeit zurück und richteten auf den Dampfern des Seebäderdienstes sowie ihren Anlegestellen wieder Presse- und Buchverkaufsstände ein. Schwieriger gestaltete sich die Wiederbelebung der internationalen Personenschifffahrt, denn die Schiffsflotten aller großen Reedereien waren entweder zerstört oder mussten im Rahmen der Reparationsleistungen an die Siegermächte ausgeliefert werden. Auch die Reedereien Hapag und Norddeutscher Lloyd hatten intakte Passagierdampfer abzugeben, doch nicht nur die Ablieferungsverpflichtung erschwerte den Wiederaufbau des Unternehmens. Mit der dramatischen Reduzierung der Mitarbeiterzahlen von vormals 22.000 auf 3.500 nach dem Krieg war die Reedereien kaum in der Lage, ihre Infrastruktur und Unternehmensorganisation wieder aufzubauen.98 Ähnlich erging
96 Vgl. Haug: Reisen und Lesen, S. 34. 97 Vgl. Braeunlich: Bäderdampfer auf der Ostsee, S. 64 –106. 98 Witthöft: Hamburg-Amerika-Linie, S. 76 f.
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es dem Konkurrenten Norddeutscher Lloyd, der aber 1926 seine bereits in den Vorkriegsjahren so erfolgreichen Gesellschaftsreisen wieder aufnehmen konnte. Die ersten Polar- und Atlantikfahrten erwiesen sich als so erfolgreich, dass die Reederei ihr Programmangebot schrittweise ausweiten konnte.99 Eine Wiederbelegung des Tourismus fand Mitte der zwanziger Jahre zunächst durch die Rückkehr von Touristen, hauptsächlich aus den Vereinigten Staaten, nach Europa statt. In der Saison von April bis September des Jahres 1926 reisten über 240.000 USATouristen auf 500 Dampfern nach Europa.100 Erst allmählich gelang es den deutschen Reedereien ihr Liniennetz auszuweiten und den Stand der Vorkriegsjahre wieder zu erreichen. Staatliche Fördermaßnahmen für den Neubau von Schiffen oder aber für den Rückkauf der Dampfer von den Siegermächten gewährleisteten, dass Mitte der zwanziger Jahre zumindest die Hauptrouten wieder bedient werden konnten.101 Zusätzlich wurden Vergnügungs- und Studienreisen in das Reiseprogramm aufgenommen. Flankiert wurde diese positive Entwicklung durch die Zunahme des Passagieraufkommens. 1927 verkehrten 66.548 Fahrgäste zwischen Deutschland und den USA, 1928 stieg die Zahl auf 74.678. Doch der konjunkturelle Aufschwung war nur von kurzer Dauer, denn mit der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 brach die internationale Passagierschifffahrt ein weiteres Mal zusammen.102 Von der allmählichen Regenerierung der Binnenschifffahrt wie auch der internationalen Schifffahrt, dem steigenden Angebot an Vergnügungs- und Studienreisen sowie Kreuzschifffahrten profitierte auch der Verkehrsbuchhandel, der sich nach Instandsetzung der deutschen Passagierschiffflotten wieder dem Schiffsbuchhandel zuwandte. In den Jahren der Weimarer Republik zeichneten sich die Passagierdampfer durch hohe Sicherheitsstandards aus und auch der Fahrgastkomfort hatte deutlich zugenommen. Gut ausgestattete Schiffsleihbüchereien und Buchhandlungen waren wieder unverzichtbarer Bestandteil des Reisekomforts geworden. 1928 besaß die Berliner Verkehrsbuchhandlung Stilke auf der Hamburg-AmerikaLinie, auf der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrtsgesellschaft, der Dampfschifffahrtsgesellschaft Kosmos, der Woermann-Linie und der Deutsch-Ostafrika-Linie 126 Bordbuchhandlungen. Die Leihbüchereien an Bord wurden zunehmend aufwendiger und komfortabler gestaltet; es wurden eigens Architekten mit der Einrichtung der Schiffsbücherei beauftragt, die darauf achteten, dass die noble Innenausstattung der Bordbücherei mit den Bucheinbänden harmonierte. 1929 erhielt der Düsseldorfer Künstler Fritz August Breuhaus de Groot den Auftrag, die Bordbücherei der I. Klasse für den Schnelldampfer »Bremen« zu entwerfen; das Ergebnis war nach einer Schilderung von Albert Zimmer, abgedruckt im Börsenblatt, offensichtlich beeindruckend:
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Witthöft: Norddeutscher Lloyd, S. 80 f. Löschburg: Kulturgeschichte des Reisens, S. 180. Witthöft: Hamburg-Amerika-Linie, S. 82. Witthöft: Hamburg-Amerika-Linie, S. 89.
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Abb. 4: Bibliothek und Lesebibliothek in der Ersten Klasse, Schnelldampfer »Bremen«, um 1920. Quelle: Arnold Kludas: Die Schnelldampfer »Bremen« und »Europa«. Höhepunkt einer Epoche. Hamburg: Köhler 1996, S. 157. Sie ist ganz aus Bubinga-Holz gestaltet. In reizvollem Kontrast zu dem braunen Holz steht das eigenartige Hellgrün der Vorhänge und Möbelbezüge. Die Bücherschränke sind eingebaut. Die Holzwände werden durch Intarsien, die Sprüche und Gedichte deutscher, englischer und amerikanischer Schriftsteller darstellen, geschmückt. Ein dicker, handgeknüpfter Smyrnateppich liegt über dem Boden und zahlreiche Stehlampen mit großen, flachen Seidenschirmen verbreiten ein weiches Licht. Ein Tempel, dem Geist geweiht.103
Der Hotelbuchhandel – Reiselektüre für Hotelgäste Auch der Hotelbuchhandel, der bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs noch einträgliche Geschäfte verzeichnete, litt massiv unter den Auswirkungen des Krieges. Erst Mitte der zwanziger Jahre wagte das Berliner Hotel »Excelsior« einen Neubeginn und eröffnete die umfangreichste Hotelbibliothek, die es bislang gegeben hatte.104 Die Hotelbibliothek wies einen Bestand von etwa 5.000 Büchern auf, der entsprechende Katalog war gut 200 Seiten stark. Die Leihbibliotheksbücher waren einheitlich in grünem Leder gebunden und trugen das Signet des Hotels. Die Hotelgäste konnten sich die Bücher in unbegrenzter Menge ausleihen, mussten sie aber spätestens am Tag der Abreise zurückgeben. Das Literaturangebot war vielfältig und die Gäste konnten sich mit Romanen, Biographien, Briefwechseln, Werken über Kunst, Musik und Theater ihren Hotelaufenthalt kurzweiliger gestalten. Galt die Benutzung der Hotelbibliothek als kostenloser 103 Zimmer: Schiffsbibliotheken – Hotelbibliotheken, S. 276, und Haug: Reisen und Lesen, S. 216 f. 104 Vgl. Haug: Reisen und Lesen, S. 228 –234.
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Service für die Gäste, erkannten die Verkehrsbuchhändler im Hotelgewerbe eine Marktlücke. Mit der Einrichtung von kleinen Buchhandlungen in den Hotels, die ein attraktives Angebot an preiswerten Buchnovitäten bereithielten, versuchten die Verkehrsbuchhändler die Reisenden wieder verstärkt zum Buchkauf zu animieren. Auf diesem Gebiet war wiederum der Berliner Verkehrsbuchhändler Hermann Stilke aktiv; er traf Absprachen mit führenden Hotels in Berlin und Hamburg, wo das Hotelpersonal den Verkauf im Auftrag des Buchhandelsunternehmens übernahm. Mitte der zwanziger Jahre versuchten Zeitungs- und Zeitschriftenverleger vermehrt, die Hoteliers unter Umgehung des Verkehrsbuchhandels direkt als Verkäufer ihrer Presseartikel zu gewinnen, dies sehr zum Ärger der Verkehrsbuchhändler.105 Sie insistierten darauf, dass doch gerade der Verkehrsbuchhandel die im Hotelgewerbe vorhandenen »Geschäftsmöglichkeiten für Buch, Zeitung und Zeitschrift erkannt und wahrgenommen [habe]« und sicherlich nicht zusehen werde, »wie ihnen das Wasser abgegraben wird«.106
Der Luftschiff- und Flughafenbuchhandel – Reiselektüre für Flugreisende Die Anpassungsfähigkeit des Verkehrsbuchhandels an die Erfordernisse eines sich verändernden Marktes zeigte sich auch in der Erweiterung seines Betätigungsfeldes an Luftschifflandeplätzen und Flughäfen. Mit seismographischem Gespür richteten Verkehrsbuchhändler bereits in der Frühphase des Flugverkehrs Verkaufsstellen zur Versorgung von Fluggästen ein und sicherten sich damit wichtige Wirtschaftsstandorte, obgleich sich diese Verkaufsstellen wegen des nur geringen Fluggastaufkommens in den Anfangsjahren wirtschaftlich als noch wenig rentabel erwiesen. Mit der Zunahme des Luftverkehrs in den zwanziger und dreißiger Jahren richteten Verkehrsbuchhändler vermehrt Verkaufsstände an den Landeplätzen von Luftschiffen und Flugzeugen ein und betreuten kleine Passagierbibliotheken an Bord der Zeppeline. Den Passagieren in den Zeppelinen stand gewöhnlich eine schmale Auswahl von Klassikern zur Verfügung. Bei der Einrichtung von Bordbibliotheken in Zeppelinen spielte der kommerzielle Faktor nur insofern eine Rolle, als es sich um eine Werbekampagne der örtlichen Buchhändler am Bodensee, der Produktionsstätte von Zeppelinen handelet. Der Raum war nur begrenzt und die strikte Gewichtslimitierung erlaubte keine umfangreichen Bücherschränke. Die Bordbibliothek fand in einem an eine Zwischenwand montierten Bücherschrank Platz, der im Schreib- und Lesezimmer angebracht war. Die Wände des Schreib- und Lesezimmers des Luftschiffs »Hindenburg« waren mit Darstellungen aus der Geschichte des Verkehrswesens geschmückt, Stühle und Tisch waren fest am Boden verankert. Die Bücherauswahl an Bord des Luftschiffs LZ 126 bestand aus den sogenannten Benz-Bänden, Büchern in Ganzleder, die am Bodensee wegen der gediegenen und geschmackvollen Handanfertigung ihrer Einbände bekannt waren. Die Bordbibliothek wog nur 2.000 Gramm.107 Die Passagiere konnten während ihrer Reise nicht regelmäßig mit Zeitungen und Zeitschriften bedient werden. Die Reisenden versorgten sich am Abflug- oder Ankunftsort bzw. bei Zwischenlandungen mit Lesestoff.
105 Vgl. Haug: Reisen und Lesen, S. 233. 106 Vgl. Haug: Reisen und Lesen, S. 233. 107 Vgl. Haug: Reisen und Lesen, S. 321 f.
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Doch auch beim persönlichen Gepäck verhinderte die Gewichtslimitierung die Mitführung umfangreicher Bücherauswahlen. Mit dem zunehmenden Flugverkehr richteten Verkehrsbuchhändler kleine Buch- und Verkaufsstände auf dem Gelände der Flughäfen ein. Die Flughafenanlagen gingen aus den früheren Lufthäfen der Zeppeline hervor, z. B. das Rebstockgelände in Frankfurt am Main oder Johannisthal in Berlin. 1928 erhielt der Heidelberger Verkehrsbuchhändler Schmitt die Genehmigung der Fluggesellschaft Lufthansa, einen Verkaufsstand auf dem Fluggelände in Mannheim einzurichten.108 Ein Jahr später eröffnete Hermann Stilke seine erste Flughafenbuchhandlung in Berlin.109 Die Verkehrsbuchhändler schlossen vermutlich mit den Flughafenbetreibern entsprechende Pachtverträge ab. Die Öffnungszeiten der Flughafenverkaufsstände richteten sich nach dem Reiseaufkommen, das in der Frühzeit des Flugverkehrs noch sehr gering war. Offenbar unterstanden die Verkehrsbuchhändler auch auf dem Flughafengelände nicht dem geltenden Gewerberecht, sondern besaßen einen Sonderstatus. Für den Frankfurter Flughafen am Rebstockgelände sind Pachtverträge zwischen den Betreibern von Restaurants und der Fluggesellschaft nachgewiesen.110 Die Restaurants, Cafés und Aussichtsplattformen wurden weniger für die Reisenden als für die Besucher des Flugplatzes eingerichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörten Buchhandlungen und Zeitschriftenkioske zu den gängigen Erscheinungsbildern eines jeden Flughafens.
Literatur Quellen 50 Jahre Ullstein 1877 –1927. Berlin: Ullstein 1927. 60 Jahre Flughafen Frankfurt. Geschichte eines europäischen Verkehrshafens 1936 –1996. Hrsg. von der Flughafen Frankfurt Main AG. Frankfurt am Main 1996. BORGIUS, Walther: Zur Sozialisierung des Buchwesens. Berlin: Verlag Neues Vaterland 1919. GENEST, Alfred: Die rechtlichen Grundlagen der Nebenbetriebe der Bundesbahn, insbesondere des Bahnhofsbuchhandels. In: Der neue Vertrieb 7. Jg., Nr. 148 vom 20. Juni 1955, S. 321 –326. Hundert Jahre deutsche Eisenbahnen. Jubiläumsschrift zum hundertjährigen Bestehen der deutschen Eisenbahnen. Hrsg. von der Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn 1935. Reichsministerium des Innern, Akten betr. Beaufsichtigung des Bahnhofsbuchhandels. Berichtszeitraums 1922/1923. In: Bundesarchiv Berlin. Abt. Deutsches Reich und DDR. Sign. R/1501, Sign.: 113539. SCHMITT, Karl/HAHN, Ulrich: Unsere Firmengeschichte 1841 –1991 zum 150jährigen Jubiläum. Heidelberg: Karl Schmitt 1991. SCHMITT, Karl: Unsere Firmengeschichte 1841 –1966. Heidelberg: Karl Schmitt & Co. 1966. ZIMMER, Albert: Schiffsbibliotheken – Hotelbibliotheken. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 69 vom 22. März 1930, S. 276.
108 Vgl. Schmitt/Hahn: Unsere Firmengeschichte, S. 175. 109 Der Ausschnitt vom 18. Dezember 1971, o. Pag. 110 60 Jahre Flughafen Frankfurt.
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Branchenzeitschriften Adreßbuch des deutschen Buchhandels. Bearb. von der Adreßbuch-Redaktion des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. Leipzig: Verlag des Börsenvereins 1889 –1949. Adreßbuch deutscher Colportage- und Eisenbahnbuchhändler nebst Colportage-Verlags-Katalog und Geschäftsanzeiger. Berlin: Malzahn. 1 (1883) –2 (1884), (1888 –1889), 4 (1893). Anzeiger für die Colportage-Buchhandlungen von hervorragenden Werken und Kunstsachen, von Colportage- und Eisenbahn-Litteratur, Papier- und Schreibwaren. Berlin: Verlag Issler (Gustav Schuhr) 1884 –1892. Bolm’s Börsenblatt für den Deutschen Colportage-Buchhandel (1871); seit 1876: Bolm’s Börsenblatt für den Colportage- und Eisenbahnbuchhandel. Berlin: August Bolm 1871 –1876 ff; zuletzt: Bolm’s Börsenblatt für den Sortiments-, Colportage- und Eisenbahn-Buchhandel. Berlin: bis 1883. Börsen-Zeitung für den Colportage- und Eisenbahnbuchhandel. Special-Organ und Anzeiger für den Buch- und Kunsthandel, Buchbindereien, Papier- und Schreibmaterialien-Handlungen. Berlin: 1885 –1888. Der Bahnhofsbuchhandel. Fachzeitung für den gesamten Verkehrsbuchhandel. Reichsverband Deutscher Bahnhofsbuchhändler. Leipzig: 1 (1905) –30 (1935). Special-Fach- und Schutzblatt. Central-Organ und Anzeiger für den Colportage- und Eisenbahnbuchhandel. Berlin: Malzahn 1880.
Forschungsliteratur ACHTEN, Udo: Die Geschichte des Ladenschlusses. Dokumente, Bilder, Lieder. Düsseldorf: WIVerlag 1988. BERKTOLD-FACKLER, Franz/KRUMBHOLZ, Hans: Reisen in Deutschland. Eine kleine Tourismusgeschichte. München/Wien: Oldenbourg 1997. BRAEUNLICH, Jürgen F.: Bäderdampfer auf der Ostsee. Die Reederei Braeunlich und ihre Flotte. Hamburg: Koehlers Verlagsgesellschaft mbH 1999. BRILLI, Attilio: Das rasende Leben. Die Anfänge des Reisens mit dem Automobil (Wagenbach Taschenbuch 354). Berlin: Wagenbach 1999. BROHM, Berthold: Das Buch in der Krise. Studien zur Buchhandelsgeschichte der Weimarer Republik. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 51 (1999), S. 189 –331. ELSNER, Friedrich: Beiträge und Dokumente zur Geschichte des werbenden Buch- und Zeitschriftenhandels. 2 Bde. Gütersloh: Mohn 1961. FUCHS, Karl: Die gewerberechtliche Behandlung der Bahnhofsbuchhandlung unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse bei der Reichsbahn. Burg b. M.: August Hopfer [um 1930]. FUSS, Karl: Geschichte des Reisebüros. Darmstadt: Erwin Jäger 1960. GRIESER, Thorsten: Buchhandel und Verlag in der Inflation. Studien zu wirtschaftlichen Entwicklungstendenzen des deutschen Buchhandels in der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 51 (1999), S. 1 –187. HAUBNER, Barbara: Nervenkitzel und Freizeitvergnügen. Automobilismus in Deutschland 1886 – 1914 (Sammlung Vandenhoeck). Göttingen: Vandenhoeck 1998. HAUG, Christine: Reisen und Lesen im Zeitalter der Industrialisierung. Geschichte des Bahnhofsbuchhandels von seinen Anfängen um 1850 bis zum Ende der Weimarer Republik. Wiesbaden: Harrassowitz 2007. KEITZ, Christine: Reisen als Leitbild. Die Entstehung des modernen Massentourismus in Deutschland (dtv 30626). München: Deutscher Taschenbuchverlag 1997. KIENITZ, Roderich von: Die gewerberechtliche Freiheit des Bahnhofsbuchhandels. Berlin: Georg Stilke [um 1930].
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7 Verbr eitend er Bu chhandel
KLUDAS, Arnold: Die Geschichte der deutschen Passagierschiffahrt. 4 Bde. Hamburg: Kabel 1987. KOLB, Eberhard: Die Weimarer Republik (Oldenbourg Grundriss der Geschichte 16). 5. Auflage. München: Oldenbourg 2000. LÖSCHBURG, Winfried: Kleine Kulturgeschichte des Reisens. Leipzig: Gustav Kiepenheuer 1997. MOUFANG, Wilhelm: Die gegenwärtige Lage des deutschen Buchwesens. Eine Darstellung der Spannungen und Reformbewegungen am Büchermarkt. Berlin/Leipzig: Schweitzer Verlag 1921. Omnibus. Haltestelle für alle. Bahnbrechendes von Postkutschen, Trolleys, Doppeldeckern, Überlandbussen und Luxuslinern. Hrsg. von Ulrich Kubisch. Berlin: Elefanten Press 1986. REINHARDT, Dirk: Von der Reklame zum Marketing. Geschichte der Wirtschaftswerbung in Deutschland. Berlin: Akademie-Verlag 1993. WIBORG, Susanne/WIBORG, Klaus: 1847 –1997. Unser Feld ist die Welt. 150 Jahre Hapag-Lloyd. Hamburg: Hapag-Lloyd 1997. WINKLER, Heinrich August: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches. Der Untergang der Weimarer Republik. München: C. H. Beck 2000. WITTHÖFT, Hans Jürgen: Norddeutscher Lloyd. 3., überarbeitete Auflage. Hamburg: Koehlers Verlagsgesellschaft mbH 1997. WITTHÖFT, Hans Jürgen: HAPAG Hamburg-Amerika-Linie. 3., überarbeitete Auflage. Hamburg: Koehlers Verlagsgesellschaft mbH 1997. ZICKFELDT, Kurt: Die Umgestaltung des Buchmarktes durch Buchgemeinschaften und Fachvereinsverlage im Zusammenhang mit den Plänen und Versuchen der Sozialisierung und Verstaatlichung des Buchwesens. Osterwieck am Harz: Verlag A. W. Zickfeldt 1927.
Christine Haug 7.5
Der Warenhausbuchhandel
Die Schärfe des Konflikts zwischen Sortiments- und Warenhausbuchhandel milderte sich während und nach dem Ersten Weltkrieg.1 Konkurrenzstreitigkeiten wurden zunehmend von den existenzbedrohenden Problemen in den Hintergrund gedrängt, die Kriegswirtschaft, Inflation, Wirtschaftskrise, aber auch die Auswirkungen einer zunehmenden Medienkonkurrenz und neue Formen der Freizeitgestaltung, u. a. Kino und Sportveranstaltungen, mit sich brachten. Nur noch sporadisch fanden sich in der buchhändlerischen Fachpresse Artikel über das vormalige »Feindbild« Warenhausbuchhandel, selbst der streitbare Hamburg-Altonaer Buchhändlerverein, der in den Vorkriegsjahren die Auseinandersetzung mit dem Warenhaus federführend austrug, musste im Frühjahr 1916 feststellen, dass die Verstöße gegen die Verkehrsordnung rückläufig seien und die Warenhäuser sich im Weihnachtsgeschäft 1915 mit umstrittenen Werbeaktivitäten merklich zurückgehalten hätten – vielfach und zum Ärger der Sortimenter war noch ein Jahr zuvor mit dem Slogan »Billiger als im Buchhandel« geworben worden.2 Eine inhaltliche Auseinandersetzung über das moderne Warenhaus als Gefahr für das Sortiment fand nur noch vereinzelt statt.3
Professionalisierung des Warenhausbuchhandels nach dem Ersten Weltkrieg Ein Grund für die Beruhigung der Debatte war, dass Warenhäuser inzwischen den Buchverkauf immer professioneller betrieben und sich dabei insbesondere für belletristische Verlage zu wichtigen Geschäftspartnern entwickelten. Nach dem Ersten Weltkrieg beschränkten sich die literarischen Aktivitäten des Warenhauses längst nicht mehr auf die Einrichtung von kleineren Buchabteilungen innerhalb der Schreib- und Papierwarenabteilung. Das Literaturangebot differenzierte sich zunehmend aus und erforderte völlig neue Organisationsformen innerhalb des Warenhauses. Klotzbach ermittelte bei seiner Umfrage unter deutschen Warenhäusern Ende der dreißiger Jahre fünf Untergruppen des Warenhausbuchhandels, nämlich den Restebuchhandel und das Moderne Antiquariat, den Musikalienhandel, die Leihbibliothek sowie den Unterhalt einer eigenen Verlagsanstalt.4 Ein neues Wirkungsfeld entdeckten die Warenhäuser mit der konsequenten Aufnahme von Buchneuerscheinungen in ihr Warenprogramm, mit der sie der steigenden Nachfrage nach literarischen Novitäten dieser Zeit entgegenkamen. Je nach Standort des Warenhauses konnte die Buch- und Musikalienabteilung inzwischen mehrere hundert Quadratmeter Raum beanspruchen. Die professionelle Organisation und Verwaltung der Abteilungen bedurfte zugleich einer erheblichen Personalaufstockung. Die Buchabtei1 Zur Entwicklung der Warenhäuser während und nach dem Ersten Weltkrieg vgl. Schliepmann: Geschäfts- und Warenhäuser; Frei: Tempel der Kauflust; Strohmeyer: Warenhäuser, und Uhlig: Die Warenhäuser im Dritten Reich. 2 Börsenblatt 83 (1916) 62, S. 275. 3 Börsenblatt 82 (1915) 28, S. 143. 4 Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 66 f.
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lung eines großen Warenhauses beschäftigte bis zu 30 Mitarbeiter, ein Personalstand, der in der Weihnachtssaison mit Aushilfskräften weiter erhöht wurde.5 Häufig wurden neben ausgebildeten Buchhändlern, die die Abteilungen leiteten, auch festangestellte Reisende und Einkäufer zur Beobachtung des Buchmarktes, für Verlagsbesuche und die Zusammenstellung des Buchprogramms beschäftigt.6 1915 attestierte die Allgemeine Buchhändlerzeitung der Buchabteilung des Warenhauses Theodor Althoff in Leipzig eine hohe Professionalität bei der Gestaltung und Führung seiner Buchabteilung. Althoffs Ziel war allerdings von Anbeginn an die Einrichtung einer kleinen Sortimentsbuchhandlung in seinem Warenhaus, die mit den herkömmlichen Warenhausbuchhandlungen wenig gemein hatte. Althoff führte zwar preiswerte Buchreihen und Modernes Antiquarat, verzichtete aber auf spektakuläre Preisdumping-Aktionen. Die Mitarbeiter waren geschult, verfügten über das bibliographische Handwerkszeug eines ausgebildeten Buchhändlers und waren in der Lage, jeden lieferbaren Buchtitel zu besorgen. Die Allgemeine Buchhändlerzeitung warnte, dass Warenhäuser wie Althoff längerfristig zu einer ernsten Konkurrenz des klassischen Sortimentsbuchhandels heranwachsen würden, zumal diese vermehrt mit Aufsehen erregenden Kunst- und Literaturausstellungen für ihre Buchabteilungen warben und immer neue Kunden in ihre Häuser zu locken vermochten.7 Zahlreiche Börsenblatt-Artikel in den frühen zwanziger Jahren zeigen, dass die Sortimentsbuchhändler die zunehmende Professionalität der Warenhäuser aufmerksam beobachteten. Noch immer galt die Hauptsorge dem Erhalt der Buchpreisbindung. 1921 betonte der Buchhändler Wilhelm Hermann in einem Beitrag Wo ein Wille, da ein Weg!, dass insbesondere die Warenhäuser eine latente Gefahr für den festen Ladenpreis darstellten, denn »ist der Weg aber durch Wegfallen eines festen Ladenpreises einmal vollkommen frei, dann wird das Warenhaus unterbieten so weit es kann, denn gerade das Buch eignet sich wie keine andere Ware am besten zur Reklame des BilligerSeins.«8 Gleichwohl schritt die formale Akzeptanz der Warenhäuser im Gesamtbuchhandel nach dem Ende des Krieges weiter voran. So stieg die Zahl der vom Börsenverein anerkannten Warenhäuser von 35 im Jahr 1910 auf 85 im Jahr 1920,9 und der Blick in die buchhändlerische Fachpresse zeigt, dass sich die Sortimentsbuchhändler der Aussichtslosigkeit ihres Kampfes gegen das Warenhaus längst bewusst geworden waren, zumal die Verlage aus wirtschaftlichen Gründen den Boykott der Warenhäuser nicht mehr unterstützten, sondern im Gegenteil in ihnen einen Handelspartner sahen, der auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in der Lage war, große Büchermengen abzusetzen. Den Warenhäusern war es wegen ihrer Konzernstruktur möglich, Buchneuerscheinungen in beträchtlichen Stückzahlen zu ordern, ein Bestellverhalten, das Verleger mit großzügigen Sonderrabatten honorierten.10 Manche Sortimentsbuchhändler äußerten sogar Verständnis für das Verhalten der Verlage: Weil »das Warenhaus gewisse ungangbare Artikel aufnimmt und doch noch an den Mann bringt, bildet es gewissermaßen 5 Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 31 –39. 6 Ebd., S. 56 f. 7 Allgemeine Buchhändlerzeitung 22 (1915) 7, S. 27. 8 Börsenblatt 88 (1921) 58, S. 295 –297. 9 Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 18. 10 Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 57, und Mazur: Moderne WarenhausOrganisation, S. 222 f.
7.5 Der W arenhau sbuchh andel
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einen Notanker für den Verleger, der sich verkalkuliert hat und der durch die Mithilfe des Warenhauses seine Verluste wenigstens einigermaßen gemildert sah.«11
Sukzessive Anerkennung der Warenhäuser durch den Börsenverein Nachdem sich Boykottmaßnahmen und eine höhere Besteuerung des Großhandels im Kampf gegen die Warenhäuser als wenig erfolgreich erwiesen hatten, setzte sich im Sortimentsbuchhandel schon vor dem Ersten Weltkrieg die Auffassung durch, die Warenhäuser seien auf die Verkehrs- und Verkaufsordnung zu verpflichten.12 Der Börsenverein unterstützte diesen Stimmungswechsel und warb dafür, die Warenhäuser als gleichberechtigte Geschäftspartner zu akzeptieren, zumal die Konkurrenten dadurch besser zu kontrollieren seien.13 Am 15. Juni 1910 veröffentlichte der Vorstand des Börsenvereins im Börsenblatt eine Erklärung, wonach diejenigen Warenhäuser, »bei denen ein geregelter buchhändlerischer Betrieb gewährleistet ist und Garantien dafür geboten werden, daß Manipulationen unterbleiben, die als Schädigung buchhändlerischer Interessen angesehen werden müssen«, als gleichberechtigte Handelspartner anerkannt würden.14 Andernfalls drohte der Ausschluss von den buchhändlerischen Einrichtungen, die Kaution wurde aber in diesem Fall gewöhnlich rückerstattet. Voraussetzung für die Akzeptanz von Warenhäusern war allerdings die Zustimmung der Kreis- und Ortsvereine, die in manchen Städten die Kooperation mit den Warenhäusern noch immer hartnäckig verweigerten. 1916 wurde beispielsweise dem Verband Deutscher Waren- und Kaufhäuser in Berlin die Bitte um Information über die »Grundsätze für die Anerkennung von Warenhäusern als reguläre Buchhandlungen« abschlägig beschieden.15 Eine spürbare Entspannung des Verhältnisses zwischen Warenhaus und Sortiment wurde nach Anerkennung der buchhändlerischen Verkaufsordnung durch das Warenhaus Hermann Tietz erwartet, weil der Firmeninhaber gleichzeitig Vorsitzender des 1903 gegründeten Verbands Deutscher Waren- und Kaufhäuser e.V. war und in dieser Eigenschaft günstigen Einfluss auf die Warenhäuser nehmen konnte.16 In den umfänglichen Geschäftsberichten der Deutschen Buchhändlergilde aus den Jahren 1924/1925 und 1925/1926 spielten die Warenhäuser selbst im Zusammenhang mit der »Schleuderei« keine bedeutende Rolle mehr; als wirkungsmächtige Konkurrenz wurden jetzt vielmehr die Vereinsbuchhandlungen und Buchgemeinschaften bekämpft, die sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts rapide vermehrten.17 Das Bemühen des Börsenvereins um einvernehmliche Regelungen mit dem Warenhausbuchhandel resultierte auch aus der eklatanten Zunahme von Wiederverkäufern seit dem Kriegsende, zu denen neben den Warenhäusern vor allem Buchbinder, Buchdrucker, Papier- und Schreibwarenhändler, Postkartenhändler, Bahnhofsbuchhändler, Kol11 12 13 14 15 16
Börsenblatt 77 (1910) 154, S. 7994. Börsenblatt 83 (1916) 261, S. 1390. Börsenblatt 83 (1916) 261, S. 1390. Hier zitiert nach Warenhausfrage, S. 16. Börsenblatt 83 (1916) 202, S. 1133. Vgl. zur Unternehmensgeschichte Georg Tietz: Hermann Tietz. Geschichte einer Familie und ihrer Warenhäuser. 17 Buchhändlergilde-Blatt 9 (1925) 4, S. 46 –55, und 10 (1926) 4, S. 44 –53.
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portagebuchhändler, die Inhaber von Journallesezirkeln und Bazaren in Badeorten gehörten. Diesen konnten ihre buchhändlerischen Aktivitäten wegen der Gewerbeordnung nicht generell untersagt werden, zumal sie für spezielle Verlagsartikel unverzichtbare Zwischenhändler darstellten. So konstatierte der Deutsche Verlegerverein bereits 1913/1914, dass gerade die sogenannten Wiederverkäufer für den Absatz populärer Lesestoffe längst eine exponierte Stellung einnahmen.18 Die zunehmende Akzeptanz der Warenhäuser vor dem Hintergrund eines Arrangements zwischen Sortiment, Verlag und Wiederverkäufer bedeutete allerdings nicht, dass Warenhausbuchhändler fortan als legitime Mitglieder der buchhändlerischen Standesvertretung angesehen wurden. Zunächst durften Warenhäuser die Einrichtungen des buchhändlerischen Geschäftsverkehrs nur dann nutzen, wenn sie die buchhändlerische Verkehrsordnung befolgten. Erst im April 1920 teilte der Börsenverein seinen Mitgliedern mit, dass er nunmehr keine Bedenken mehr habe, Inhaber von Warenhausbuchabteilungen als reguläre Mitglieder aufzunehmen.19 Allerdings, dies war Bedingung, mussten die Leiter der Buchabteilungen neben dem bloßen Verkauf auch für den Einkauf und die Erledigung von Kundenbestellungen verantwortlich zeichnen: Gegen den Anschluß buchhändlerisch geleiteter Warenhausabteilungen an den Buchhandel läßt sich aus volkswirtschaftlicher Sicht nichts anführen. […] Auf jeden Fall haben wir keine Bedenken getragen, den buchhändlerisch vorgebildeten Leitern der Buchhandlungsabteilung eines Warenhauses, das nicht nur vom Lager verkauft, sondern auch Bestellungen entgegennimmt, dann den Erwerb der Mitgliedschaft in unserem Verein freizustellen, wenn sie im Handelsregister eingetragen sind und wenn ihm die zuständigen Kreis- und Ortsvereine zustimmen.20 Bis zu ihrer regulären Aufnahme in den Börsenverein waren die Leiter von Buchabteilungen innerhalb des Verbandes Deutscher Waren- und Kaufhäuser e.V. in einer Fachgruppe »Vereinigung der Leiter der Buch- und Musikalienabteilungen« organisiert. Als eigene Fachgruppe des Börsenvereins anerkannt zu werden, schien für die Warenhäuser selbst nicht von großem Interesse, handelte es sich bei den Buchabteilungen doch nur um einen Baustein des Gesamtunternehmens, dem nicht über Gebühr Aufmerksamkeit zu widmen war. Gleichwohl schlossen sich zahlreiche Warenhausbuchhändler zusätzlich den Berufsverbänden des Buchhandels an, beispielsweise in der Deutschen Buchhändlergilde oder im Verband der Deutschen Musikalienhändler, allein schon deshalb, um von den Infrastrukturen zu profitieren. Wertheim war wegen seiner zahlreichen Verlagsanstalten außerdem Mitglied im Deutschen Verlegerverein.21 Die Anerkennung der Warenhäuser durch den Börsenverein führte jetzt dazu, dass manche Warenhäuser ihre Verlagsanstalten wieder aufgaben, schließlich waren diese lediglich gegründet worden, um die Boykottmaßnahmen des Börsenvereins zu unterlaufen. Zugleich entstanden immer mehr Verlage, die sich mit ihren speziellen Buchangebo18 19 20 21
Wiederverkäuferfrage, S. 20. Börsenblatt 87 (1920) 133, S. 626. Börsenblatt 87 (1920) 85, S. 378. Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 64 f.; vgl. zur Firmengeschichte die Studien von Ladwig-Winters: Wertheim – ein Warenhausunternehmen und seine Eigentümer, sowie Dies.: Wertheim – Geschichte eines Warenhauses.
7.5 Der W arenhau sbuchh andel
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ten gezielt an Warenhäuser wandten, unter ihnen Theodor Knaur mit seinem Taschenbuchprogramm oder das Fürther Verlagsunternehmen G. Löwensohn, das zu den führenden Bilderbuch-Verlegern Deutschlands zählte und bis in die späten dreißiger Jahre Warenhäuser im großen Stil belieferte.22 Andere Warenhäuser schlossen ihre Buchabteilungen oder integrierten die Warengruppe »Bücher« in ihre Schreibwaren- und Papierabteilungen.
Die Einführung des Teuerungszuschlags für Warenhausbuchhändler Ein Konfliktfeld zwischen Sortimentsbuchhandel, Börsenverein und Warenhaus blieb indessen virulent. Im Fokus der Kritik standen Verleger, die den Warenhäusern aufgrund ihrer hohen Abnahmemengen unvermindert großzügige Rabatte einräumten.23 Die gesetzlichen Regelungen, u. a. § 1 des Reichsgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909 und § 826 des BGB, wurden am 11. Januar 1916 dahingehend verschärft, dass die bewusste Ausnutzung eines Vertragsbruchs durch Dritte nunmehr unter Strafe gestellt wurde – dies zielte unmittelbar auf das Geschäftsgebaren der Warenhäuser: Wenn der Erwerber weiß, daß die Ware auf dem Weg eines Vertragsbruchs erlangt worden ist, so macht er sich durch den Erwerb regelmäßig an diesem Vertragsbruch mitschuldig und unterstützt ihn; er nutzt ihn planmäßig zu seinem Vorteil zur Schädigung aller derjenigen seiner Mitbewerber aus, die an die Abmachungen mit der Klägerin gebunden sind und sich an sie auch halten und daher nur zu ungünstigeren Bedingungen verkaufen können, als er, lediglich zufolge seiner Beteiligung an dem Vertragsbruch, es zu tun vermag.24 Für die Verlage galt es daher zu überprüfen, ob die Warenhäuser die buchhändlerische Verkaufsordnung anerkannt hatten oder nicht. Während den Verlagen die Belieferung der noch nicht anerkannten Warenhäuser generell untersagt war, durften sie die anerkannten Warenhäuser mit festgelegten Rabatten beliefern. Die Warenhäuser verweigerten sich zunächst den Teuerungszuschlägen und erkannten deshalb auch die Notstandsordnung vom 1. Mai 1918 nicht an. Langwierige Verhandlungen waren nötig, damit die Warenhäuser seit 1920 den Teuerungszuschlag offiziell akzeptierten.25 Wertheim kündigte diese Zusage bereits am 1. Januar 1921 wieder auf, weil neue Bestimmungen des Reichswirtschaftsministeriums mit den Regelungen des Börsenvereins nicht kompatibel waren.26 Das Reichswirtschaftsministerium verbot nämlich Zuschläge von 20 % auf den Ladenpreis. Auf der außerordentlichen Hauptversammlung des Börsenvereins am 13. Februar 1921 erzielten Sortimentsbuchhandel und Warenhaus allerdings eine einvernehmliche Lösung und am 21. April 1921 informierte die Vereinigung der Berliner Mitglieder des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, dass die Warenhäuser der Erhebung eines Teuerungszuschlags in Höhe von inzwischen 22 23 24 25 26
Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 9. Börsenblatt 83 (1916) 117, S. 645. Börsenblatt 83 (1916) 117, S. 645. Börsenblatt 85 (1918) 100, S. 229, und 88 (1921) 92, S. 570. Börsenblatt 86 (1919) 92, S. 570.
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20 % zustimmen würden.27 Die Warenhäuser hatten sich dem Diktat des Börsenvereins gebeugt, weil sie die mit dem Sortiment und Börsenverein inzwischen erreichte »Waffenruhe« nicht erneut gefährden wollten. Gleichwohl äußerten sie Bedenken gegen die buchhändlerische Verkaufsordnung, da die erhobenen Teuerungszuschläge in ihren Augen zu einer künstlichen Erhöhung der Buchpreise führten. Im Anschluss an die Herbstversammlung der Kreis- und Ortsverbände in Heidelberg am 11. September 1921 veröffentlichten die Warenhäuser eine Erklärung im Börsenblatt, wonach kein Zweifel darüber bestehe, dass zwar »die dem Buchhandel angeschlossenen Warenhäuser unbedingt an den geschlossenen Verträgen zwischen den Verlegergruppen einerseits und der Gruppe Buchhandel der Waren- und Kaufhäuser andererseits festhalten« werden, aber »allen Bestrebungen, die darauf hinausgehen, die Bücher künstlich zu verteuern, energischen Widerstand entgegensetzen werden«.28 Auch der Verband der Waren- und Kaufhäuser empfahl seinen Mitgliedern aufgrund der großen Rechtsunsicherheit, die sich aus den »Richtlinien des Reichswirtschaftsministeriums und des Reichsjustizministeriums vom Dezember 1922« ergab, weitere Preisaufschläge des Sortiments nicht mehr mit zu tragen.29 Einer erneuten Zuspitzung des Konflikts – im Mai 1922 kündigten in Berlin die ersten Warenhäuser ihre Zusage, den Teuerungszuschlag zu erheben, wieder auf – wurde durch die Einführung von Schlüsselzahlen vorgebeugt.30 Ende 1922 schlossen sich die Warenhäuser der Preisberechnung über eine festgelegte Schlüsselzahl und damit den allgemeinen buchhändlerischen Geschäftsformen an, allerdings erst nachdem eine gesetzliche Regelung vorlag, die es erlaubte, die Inflationsrate in die Preiskalkulation mit einzubeziehen. Dennoch: Seit der Einführung von Teuerungszuschlag und Schlüsselzahlen mehrten sich wieder die Beschwerden der Sortimentsbuchhändler über die Warenhäuser.31 Am 7. März 1923 sah sich der Verband Deutscher Waren- und Kaufhäuser veranlasst, sich gegen die anhaltenden Angriffe zu wehren: Der Warenhausbuchhandel ist bestrebt gewesen, den Verhältnissen sich anzupassen und den Verordnungen des Börsenvereins in weitgehendem Maße Rechnung zu tragen. Die Preisbemessungen für Waren jeglicher Art unterliegen nach wie vor den Vorschriften, die bereits jahrelang bestehen und den Einzelhandel in ihrer Gesamtheit außerordentlich schwer geschädigt haben. […] Unter dem 3. Dezember 1922 haben wir durch Veröffentlichung in unserer Zeitschrift unsern Mitgliedern dringend empfohlen, die Schlüsselzahl anzuwenden und sich so auf den Boden des Ladenpreises zu stellen.32
27 28 29 30 31 32
Börsenblatt 86 (1919) 92, S. 570. Börsenblatt 88 (1921) 274, S. 1707. Börsenblatt 88 (1921) 274, S. 1707. Börsenblatt 89 (1922) 112, S. 694. Börsenblatt 90 (1923) 45, S. 222. Börsenblatt 90 (1923) 56, S. 283 f.
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Abb. 1: Buchabteilung KaDeWe, um 1932. Quelle: KaDeWe – Das Kaufhaus des Westens 1907-1932. Redaktion: Max Osborn. Berlin: Büxenstein 1932, S. 104. Nach der Währungsreform im Herbst hob der Börsenverein am 3. Dezember 1923 die Schlüsselzahlrechnung wieder auf; die Berechnung des Ladenpreises wurde auf Goldmark umgestellt. Damit war auch der Streit zwischen Warenhaus und Sortimentsbuchhandel zunächst beigelegt. Die Vereinigung der Leiter der Buch- und Musikalienabteilungen, die sich als Fachgruppe innerhalb des Verbandes deutscher Waren- und Kaufhäuser gegründet hatte, suchte nun den engen Anschluss an den Börsenverein der Deutschen Buchhändler. Die Zusammenarbeit auf Verbandsebene sollte neue Konflikte im Vorfeld entschärfen.33
Die Buchabteilung im Warenhaus Auch in den Jahren der Weimarer Republik dominierten die sogenannten »Brotartikel« das Warenhausbuchsortiment. Neben Jugend- und Bilderbüchern, Kochbüchern, Reisehandbüchern und Reiselektüre sowie diversen Restauflagen zu herabgesetzten Preisen prägten preiswerte Buchreihen das Angebot der Buchabteilungen. Die belletristischen Kollektionen der Verleger Hartleben, Goldschmidt, Eckstein oder Engelhorn gehörten ebenso zu den Verkaufsschlagern wie die seit 1925 erscheinenden preiswerten Sonderund Volksausgaben z. B. der Verlagshäuser Theodor Knaur, Philipp Reclam oder S. Fischer. Die Buchreihen wurden zu einem Bandpreis von zwei bis drei Mark verkauft 33 Börsenblatt 97 (1930) 133, S. 551.
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und unterboten damit deutlich die Durchschnittspreise gebundener Bücher, die bis zu sechs Mark kosteten. Neben den herkömmlichen Artikeln, die in den Bücherabteilungen gut absetzbar waren, wurde in den Nachkriegsjahren verstärkt auch für Buchnovitäten geworben. Die 1928 erschienene Dokumentation Warenhäuser, ein Spiegelbild volkstümlicher Verkaufsstätten gibt Aufschluss über die inhaltliche Gestaltung der Bücherabteilung des Warenhauses Hermann Tietz.34 Hier fand sich in den Auslagen und auf den Büchertischen das Programm der Verlage List, Goldmann, Rowohlt, Cotta und Ullstein, u. a. Bücher von Ernest Hemingway, Klabund oder Abenteuerromane von Hans Grimm. Die Warenhäuser boten gewöhnlich dieselben Titel in verschiedenen Ausgaben an und die Kunden konnten damit aus verschiedenen Preisgruppen wählen. Außerdem nahmen die Versuche der Warenhausbuchhändler, sich auch im Bereich des bibliophilen Buches zu etablieren, deutlich zu. Sie boten innerhalb der Buchabteilungen neben den preiswerten Unterhaltungs- und Sachbuchreihen auch alte Graphiken, bibliophile Ausgaben und Kunstbände und veranstalteten professionelle Buchauktionen. Ziel dieser Angebotserweiterung war es, auch jene begüterten Kundenschichten in das Warenhaus zu locken, die mit reinen Dumpingangeboten nicht zu erreichen waren. Die Buchabteilungen waren in den Warenhäusern unterschiedlich positioniert; häufig befanden sie sich im Erdgeschoss in unmittelbarer Nähe zu den Schreibwarenabteilungen. Während die Leihbibliotheken meist in den oberen Stockwerken separiert vom Hauptkundenstrom, allerdings in unmittelbarer Nähe zu den Erfrischungsräumen, eingerichtet wurden – hier sollten die Leser sich bei Unterhaltungsliteratur und Zeitschriftenlektüre entspannen –, befanden sich die Buch- und Musikalienabteilungen mitten im Geschäftsverkehr.
Verlagsanstalten von Warenhäusern Bereits im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts gründeten Warenhäuser eigene Verlagsanstalten, um die gegen sie verhängten Liefersperren durch den Börsenverein zu unterlaufen und ihre Verkaufsware selbst herzustellen. Am regsten auf diesem Gebiet war der Warenhauskonzern Wertheim, der sechs Verlagsanstalten unterhielt und sich dadurch von den Verlagen weitgehend unabhängig machte. Wertheim unterhielt seit 1898 eine eigene Verlagsanstalt, den Globus-Verlag, in dem u. a. auch die Globus-Bibliothek, eine Reihe mit deutscher, französischer und englischer Unterhaltungsliteratur, und die Globus-Führer, eine Serie von Schauspiel-, Opern- und Operettenführern, erschienen, deren Bandpreis sich durchschnittlich auf drei Mark für die broschierte Ausgabe belief. Neben der Broschurausgabe bot der Verlag eine gebundene Ausgabe für fünf Mark pro Band an. Die Reihe führte u. a. die Romane von Ludwig Anzengruber, Wilhelm Hauff oder Karl Immermann wie auch die Werke von Victor Hugo, Émile Zola und Charles Dickens in deutscher Übersetzung. Der letzte Band der Globus-Bibliothek erschien 1922 und die Serie wurde jetzt nach dem Vorbild der Einheitspreisbuchreihen als 90-Pfennig-Bücher fortgesetzt.35 Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatte Wertheim den Meidinger Jugendschriftenverlag (1907) und die Verei34 Warenhäuser, ein Spiegelbild volkstümlicher Verkaufsstätten, S. 262 –269. 35 Globus-Bibliothek. Berlin: Globus Verlag 1898–1922. Vgl. Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums 1911–1965, Bd. 44, S. 338.
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nigten Kunstanstalten mbH (1911) aufgekauft, um die im Warenhaus gut absetzbaren Bilder-, Jugend- und Kunstbücher selbst herzustellen.36 1914 erwarb Wertheim außerdem die Schwabachersche Verlagsbuchhandlung und nach dem Krieg, 1920, gründete Wertheim die Internationale Bibliothek GmbH. Die Gründung der Internationalen Bibliothek GmbH erfolgte vor dem Hintergrund der Inflationsjahre und Wertheim suchte preiswerte Ausgaben von ausländischen Autoren auf den Markt zu bringen, da der Import von Auslandsartikeln wegen der schlechten Valuta nicht mehr lohnend war. Die repräsentativsten Reihen der Internationalen Bibliothek GmbH waren die Bibliothèque Française und die English Library, die zu einem Bandpreis von nur 1,80 Mark erhältlich waren.37 Am 1. Oktober 1924 gliederte Wertheim seinem Unternehmen außerdem eine Sortimentsbuchhandlung an, deren Leitung die Firma Schwabachers Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung GmbH übernahm. Andere Warenhäuser, z. B. Theodor Althoff in Leipzig oder das Kaufhaus des Westens in Berlin, unterhielten zwar kleinere Verlagsanstalten, diese traten aber nicht durch bedeutende Verlagsproduktionen in den Vordergrund. Das Kaufhaus des Westens gab seinen 1910 gegründeten Parnassos-Verlag im Jahr 1929 wieder auf.38 Eine bemerkenswerte Ausnahmestellung behauptete das Warenhaus Salman Schocken mit seinem profilierten Verlag.39 Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges besaß das 1901 in Zwickau gegründete Kaufhaus Schocken bereits zehn Niederlassungen, u. a. in den Städten Aue, Planitz, Meißen, Freiberg, Auerbach und Chemnitz. Der Verlag wurde erst 1931 als eigenständiges Element des Warenhauskonzerns gegründet. Schon ein Jahr später war das Unternehmen Mitglied im Börsenverein. Schockens Intention für die Verlagsgründung war die Produktion von Literatur über das Judentum, deren Verbreitung und Popularisierung in Deutschland; insofern ließ er sich weniger von ökonomischen als vielmehr von ideellen Motiven leiten. 1933 umfasste das Verlagsprogramm bereits 20 neue Titel. Im Gegensatz zu anderen Warenhäusern, die mit preiswerter Massenliteratur ihre Geschäfte machten, richteten sich die persönlichen Vorlieben Schockens auf die Publikation bedeutsamer Werke, buchhändlerisch betrachtet also auf das »schlechtgehende« Buch.40 Während mit dem Schocken Almanach, der Schocken Bücherei und den Jüdischen Leseheften ein billiges gutes Massenbuch geschaffen wurde, das auch den Warenhauskunden gerecht wurde, konzentrierte sich der Verlag hauptsächlich auf die Herstellung und den Vertrieb von klassischer hebräischer Literatur.41 Der Absatz dieser Verlagsartikel fand nicht primär im Warenhaus statt. Dem Bücherverkauf innerhalb des Warenhauses schenkte Schocken überhaupt wenig Interesse und erst 1922 richtete er in einigen seiner Kaufhäuser auch Buchabteilungen ein, in denen neben der herkömmlichen Gebrauchsliteratur zugleich sein eigenes Verlagsprogramm ausgelegt war. Immer36 37 38 39
Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 84. Klotzbach, S. 85 f. Klotzbach, S. 88. Vgl. zur Entwicklung des Konzerns und seines Verlags die grundlegenden Studien von Volker Dahm: Das jüdische Buch, sowie Konrad Fuchs: Ein Warenhauskonzern in Sachsen, sowie: Der Schocken Verlag/Berlin. Jüdische Selbstbehauptung in Deutschland 1931 –1938. 40 Dahm: Das jüdische Buch, S. 324. 41 Dahm, S. 325.
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hin erschien seit 1925 der Bücherbote, ein Werbemagazin, das den Kunden die Neuerscheinungen des deutschen Buchmarkts vorstellte.42
Abb. 2: Buchabteilung Kaufhaus Schocken, Chemnitz um 1930. Quelle: Thilo Richter: Erich Mendesohns Kaufhaus Schocken. Jüdische Kulturgeschichte in Chemnitz. Leipzig 1998, S. 95.
Die Einheitspreisgeschäfte der Warenhäuser seit den 1930er Jahren Bereits um 1910 wurden auch in Deutschland vereinzelt sog. »Einheitspreisgeschäfte« gegründet, die zu diesem frühen Zeitpunkt allerdings noch keine exponierte Stellung innerhalb des Großhandels einnahmen. Erst in den dreißiger Jahren erlebten Einheitspreisläden nach amerikanischem Vorbild auch in Deutschland eine beträchtliche Konjunktur. 1927 eröffnete der Woolworth-Konzern in Deutschland die ersten Läden und innerhalb weniger Jahre unterhielt das Unternehmen in Deutschland ca. 100 Einheitspreisläden, die ihre Ware massenhaft für 25 bis 50 Pfennig verkauften. Bereits 1879 hatte Frank Winfield Woolworth in Utica im Staat New York den ersten »Great-5-CentStore« eröffnet und innerhalb weniger Jahre expandierte das Unternehmen in den Vereinigten Staaten.43 Als Woolworth 1919 starb, besaß er in den USA und Kanada 1.081 Einheitspreisgeschäfte. Das Sortiment bestand aus Gebrauchsartikeln, die für den tägli42 Dahm, S. 239 f. 43 Vgl. Mahoney/Sloane: Große Kaufleute, S. 241 f.
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chen Bedarf bestimmt waren.44 Das Artikelangebot war im Vergleich zu den großen Warenhäusern stark eingeschränkt und nicht nach Warengattung, sondern nach Preisen sortiert. Der Erfolg der Einheitspreisläden resultierte aus seiner Betriebsform, die einen schnellen Warenumschlag und durch die Einheitspreise einen reibungslosen Verkauf gewährleisteten. Neben den je nach Produkt gestaffelten Einheitspreisen war auch die Ausstattung der Filialen einheitlich gestaltet (identische Regal- und Auslagesysteme). Zu den wichtigsten Einheitspreisläden neben der ausländischen Konkurrenz zählten in Deutschland die 1925 von Leonhardt Tietz gegründete »Einheitspreishandels GmbH« (EHAPHE) und die »Einheitspreis-Aktiengesellschaft« (EPA) des Konzerns Rudolph Karstadt.45 Beide Konzerne versuchten mit ihren Gründungen der Etablierung von Tochtergesellschaften des amerikanischen Konkurrenten zuvorzukommen. 1929 unterhielten EHAPHE 62 und EPA 25 Läden in deutschen Städten. 1931 gründete das Warenhausunternehmen Tietz in Düsseldorf das Einheitspreisgeschäft »Epege«, das seine Artikel für durchschnittlich 25 bis 95 Pfennig verkaufte.46 Um 1930 existierten in Deutschland ca. 350 bis 400 Einheitspreisläden, u. a. auch die »Wohlwert-EinheitspreisGmbH«, deren unmittelbares Vorbild der amerikanische Konzern Woolworth war.47 Die Anzahl der Filialen wie auch die Umsätze stiegen Ende der dreißiger Jahre enorm. In nur einem Jahr verdoppelte sich 1928 die Zahl der Filialen der EHAPHE auf 60 und Woolworth unterhielt 1930 65 Zweigniederlassungen. Die Umsätze stiegen bei der EHAPHE von 17,9 Millionen im Jahr 1927 auf 62 Millionen Reichsmark im Jahr 1930; ein ähnliches Bild zeichnete sich bei Woolworth ab, wo der Jahresumsatz im Jahr 1927 von 4,4 Millionen Reichsmark auf über 40 Millionen Reichsmark im Jahr 1930 stieg.48 Der deutsche Mittelstand protestierte erwartungsgemäß sehr heftig gegen diesen neuen Trend und monierte vor allem, dass in den Einheitspreisläden kein Kundenservice angeboten wurde und für das Personal besonders schlechte Arbeitsbedingungen herrschen würden. Der Mittelstand litt unter dieser neuen Konkurrenz insbesondere deshalb, weil die Einheitspreisgeschäfte keine Körperschafts- und Einkommensteuer zahlten, sondern lediglich Umsatzsteuer.49 Für die Buchabteilungen der Einheitspreisgeschäfte veranschlagte Klotzbach 1931 zwar einen Jahresumsatz von immerhin 10.000 bis 15.000 RM, doch für das herkömmliche Sortiment stellte diese Geschäftsform keine ernsthafte Konkurrenz dar.50 1926/1927 erschienen bereits die ersten Buchreihen zu Einheitspreisen. Diese waren ausschließlich für diese Vertriebsform produziert worden und konkurrierten daher auch nicht mit dem preiswerten Buchangebot in den Warenhausbuchabteilungen. 1926 gründete die Karstadt AG die Buchreihe Die guten und billigen EPA-Bücher, die in einheitlicher Ausstattung und zum Einheitspreis auf den Markt kamen und einen großen Erfolg erlebten. Die Reihe führte mehrere, thematisch unterschiedlich ausgerichtete Serien und innerhalb kurzer Zeit stieg die Titelzahl in den einzelnen Serien auf bis zu 44 45 46 47 48 49 50
Vgl. Frei: Tempel der Kauflust, S. 162 f., ferner Uhlig: Die Warenhäuser im Dritten Reich, S. 23 f. Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 88 f. Klotzbach, S. 90. Klotzbach, S. 90. Uhlig: Die Warenhäuser im Dritten Reich, S. 27. Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 90 f. Klotzbach, S. 91.
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500 Bände. Die »Wohlwert GmbH« produzierte analog zu Karstadt eine Einheitspreisbuchreihe, die es unter dem Titel Das gute Buch zu Einheitspreisen auf 293 Nummern bei Verkaufspreisen von fünfzig Pfennig bzw. eine Mark brachte.51
Die Leihbüchereien in den Warenhäusern Die Einrichtung von Leihbibliotheken erwies sich für die Warenhäuser in dem Moment als lukrativ, als sie nach Anerkennung der buchhändlerischen Verkehrsordnung im vertreibenden Buchhandel zunehmend akzeptiert wurden und sich die Beschaffung von Buchnovitäten als relativ unproblematisch erwies. Das erkannten auch die gewerblichen Leihbüchereien, unter ihnen Richard Kollmann, der Betreiber der Nordmeyer’schen Leihbibliothek in Hannover, der bereits 1903 die Wettbewerbsvorteile der Warenhäuser auch auf diesem Gebiet erkannte: Die Vereinigung der Buchhändler, die sich aller Anstürmungen neuer fortschrittlicher Bestrebungen mit einer Hartnäckigkeit sondergleichen erwehrt hatte, war gezwungen [!], zwei unserer ersten Warenhäuser als Mitglieder in ihre Vereinigung aufzunehmen. Wenngleich auch die beiden Warenhäuser sich als Gegenleistung zur Innehaltung der von Seiten der Verleger festgesetzten Ladenpreise verstehen mußten, so ist dieser Aufnahme eine gar nicht hoch genug einzuschätzende symptomatische Bedeutung beizulegen. Erst jetzt sind diese beiden Warenhäuser, denen zweifelsohne weitere folgen werden, in der Lage, ihre Buchabteilung durch ein geschlossenes, nie erschöpfendes Sortiment zu beleben. Was liegt nun näher, als auch eine auf großen Grundzügen aufgebaute Leihbibliothek einzurichten, die große Massen ins Lokal ziehen würde und damit gleichzeitig den vornehmsten Gesichtspunkt einer jeden Reklame erfüllt! Bedingung für die Rentabilität einer derartigen Abteilung ist naturgemäß ein durchaus lückenloser Aufbau, der alle Gesichtspunkte, wie u. a billige und bequeme Abonnementsbedingungen, Hinterlegung von Pfandgeldern, scharf ins Auge faßt.52 Die Gründung von Warenhausleihbüchereien zielte weniger auf direkte Erträge aus dem Verleihgeschäft als vielmehr auf effiziente Werbung, denn die Abonnenten der Leihbüchereien besuchten allein durch Ausleihe und Rückgabe von Büchern regelmäßig das Warenhaus und ließen sich hierbei zu Gelegenheitskäufen animieren.53 Aus diesem Grund befanden sich die Leihbüchereien in den Warenhäusern gewöhnlich in abgetrennten Bereichen, selten direkt neben der Buchabteilung. Die Warenhäuser achteten auf eine strategisch sinnvolle Positionierung, so dass die Benutzer durch das gesamte Warenhaus geführt wurden, bevor sie ihren Zielort erreichten. In den Jahren der Weimarer Republik gehörten allerdings kommerzielle Leihbüchereien zu den wenigen Segmenten der Literaturversorgung, die eine besondere Konjunktur erlebten. Der Bedarf nach unterhaltendem Lesestoff war groß, der private Erwerb von Büchern dagegen war vielen wegen der hohen Buchpreise kaum möglich. Die Warenhausleihbüchereien waren – gerade weil sie nicht wirtschaftlich rentabel kalkulieren 51 Klotzbach, S. 90 f. 52 Börsenblatt 70 (1903) 227, S. 7596. 53 Börsenblatt 70 (1903) 227, S. 7596.
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mussten – in der Lage, besonders attraktive Ausleihbedingungen anzubieten und von begehrten Buchnovitäten sogleich 50 oder gar 100 Exemplare anzuschaffen. So konnte der Abonnent einer Warenhausleihbücherei stets sicher sein, aktuelle Romanliteratur sofort nach Erscheinen entleihen zu können, wogegen in kommerziellen Leihbüchereien für viel gefragte Bücher oftmals Wartelisten auslagen. Die Buchausleihe im Warenhaus war gerade für die finanziell schwächer gestellten Bevölkerungsschichten eine attraktive Alternative; der private Bucherwerb hätte auch bei den Billigbuchreihen noch das Budget des einfachen Arbeiters überstiegen. Darüber hinaus erwarben sich die sozial schwachen Kunden eine Legitimation, das Warenhaus überhaupt zu besuchen, und ließen sich ab und zu auch zu Gelegenheitskäufen hinreißen. Die Leihbüchereien der Warenhäuser boten außerdem differenzierte Sonderkonditionen für in- und auswärtige Leser wie auch für Viel- und Wenigleser. In den Nutzungsbedingungen wurde allerdings festgelegt, dass städtische Abonnenten – im Gegensatz zu den auswärtigen Benutzern – grundsätzlich keine Leihbücher zugeschickt bekommen. Die Nutzungsbedingungen wurden den Interessenten gewöhnlich in gedruckter Form ausgehändigt, die Warenhausleihkataloge wurden gegen ein geringes Entgelt verkauft. Die Warenhauskataloge wurden mit relativ geringem technischem Aufwand produziert und außer den Rubriken »Deutsche Literatur« und »Ausländische Literatur« nahmen sie keine inhaltliche Gliederung vor. Die Kataloge dienten außerdem als Werbeträger der Warenhäuser, die in den Einbandseiten gleichzeitig für ihre Bücherabteilungen wie auch für Sport- oder Reiseartikel warben. Die großstädtischen Warenhausleihbibliotheken erfreuten sich einer großen Resonanz und verzeichneten bis zu 6.000 Abonnenten.54 Dieser Spitzenwert wurde vom Kaufhaus des Westens erreicht, das 1907 seine Leihbibliothek mit fast 15.000 Bänden im »Erholungsbereich« des Warenhauses im dritten Stock neben der Sportabteilung und dem Erfrischungsraum etabliert hatte. Die Abonnenten konnten sich von der belebten Bücherabteilung in die separaten Räumlichkeiten der Leihbücherei zurückziehen und dort in Ruhe ihre Bücher aussuchen und in Magazinen blättern.55 Die Abonnementsgebühren betrugen pro Band und Monat 1,75 Mark, je nach Mitgliedsdauer staffelten sich die Preise bis zu einem Jahresabonnement in Höhe von 12 Mark. Die Leihbibliothek wies einen Bestand von 14.972 Bänden auf, wobei die belletristischen Titel deutscher Erfolgsautoren mit einer Quote von über 70 % dominierten.56 Das im Herbst 1929 vom Kaufhaus des Westens herausgegebene 300 Seiten starke Hauptverzeichnis der Leihbücherei provozierte den Unmut der Buchhändler, weil das Warenhaus neben den geführten Buchtiteln und aktuellen Ladenpreisen gleich den reduzierten Preis für die gelesenen Exemplare beifügte. Im Impressum unterstrich das Kaufhaus des Westens, dass es sich bei den Preisen um die gültigen Ladenpreise handele, die gelesenen Titel aber zum halben Preis erworben werden könnten.57 Das Abon-
54 55 56 57
Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 82 f. Das Kaufhaus des Westens. Berlin, März 1932, S. 108 f. Martino: Die deutsche Leihbibliothek, S. 391, 697. Kaufhaus des Westens GmbH, Hauptverzeichnis Oktober 1929. Berlin: Kaufhaus des Westens GmbH 1929.
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nement für ein 5-Kilopostpaket58, das ca. acht bis zehn Bände enthielt, kostete für einen Monat 5 Mark, für drei Monate 12,50 Mark und für sechs Monate 20 Mark. Das Warenhaus stellte den Abonnenten einen speziellen Bücherversandkarton für 50 Pfennig zur Verfügung, der mehrfach verwendet werden konnte. Das Pfand für die Bücherlieferung betrug 20 Mark. Die örtlichen Leser konnten zwischen einem normalen Abonnement und einem Sonderabonnement für Neuerscheinungen wählen bzw. diese kombinieren. Das Abonnement auf die begehrten Novitäten war deutlich teurer als das übrige Buchangebot. So wurde für drei Bände aus dem herkömmlichen Angebot eine monatliche Leihgebühr in Höhe von 2,75 Mark erhoben, die Ausleihgebühr für sechs Monate betrug 10 Mark. Bei Novitäten erhöhten sich die Gebühren bei drei Bänden auf monatlich 5 Mark und bei einer Ausleihdauer von sechs Monaten auf 21 Mark. Der Katalog der Leihbibliothek A. Wertheim GmbH erschien 1914; offensichtlich handelte es sich nicht nur um einen Bestandsnachweis, sondern auch um einen Verkaufskatalog, denn neben den bibliographischen Kurzangaben nannte Wertheim die Ladenpreise der Bücher. Vermutlich konnten auch hier Abonnenten Bücher nach einer gewissen Zeit für die Hälfte des regulären Ladenpreises erwerben. Der Katalog hatte einen Umfang von 292 Seiten und führte ca. 10.000 Buchtitel. Neben der deutschen Literatur enthielt der Katalog auch die Rubriken »Englische Literatur« und »Französische Literatur«. Der Anteil der fremdsprachigen Texte innerhalb des Gesamtangebots betrug aber weniger als 10 %.59 Buchangebot und Nutzungsbedingungen bei Wertheim unterschieden sich nicht von anderen Warenhausleihbüchereien. Auch Wertheim bot seinen Abonnenten das gängige Programm an Unterhaltungsliteratur der Zeit. Wertheim warb explizit für das weibliche Lesepublikum; dies brachte er bereits durch die Umschlaggestaltung seines Leihbibliothekskatalogs zum Ausdruck. Hier war eine Leserin abgebildet, die mitten in einem Blumenhain stehend, ein Buch las. Frauen auch als Zielgruppe für die Leihbüchereien zu werben, lag auf der Hand, handelte es sich doch um die zahlenmäßig bedeutendste Käufergruppe eines jeden Warenhauses. Der Berliner Katalog der Leihbücherei am Alexanderplatz, der um 1915 an die Kunden ausgegeben wurde, bot ebenfalls zeitgenössische Unterhaltungsliteratur.60 Die Nutzungsmodalitäten der Leihbibliotheken des Unternehmens Tietz variierten je nach Standort seiner Warenhäuser. Die Leihbibliothek der Kasseler Niederlassung war relativ preiswert. 1925 kostete der Band monatlich 1,50 Mark. Das Unternehmen bot besonders günstige Lesekarten mit 12 Nummern zu 3,00 Mark an. Für jedes Buch, das drei Wochen entliehen wurde, wurde eine Nummer berechnet.61
58 Das 5-Kilopaket war ein besonderes Angebot der Post und kostete unabhängig von der Entfernung zwischen Absender und Empfänger nur 50 Pfennig. 59 Katalog Leihbibliothek A. Wertheim GmbH. 60 Leihbibliothek Hermann Tietz. Leipziger Straße/Alexanderplatz. Berlin um 1915. Der Katalog nennt keine Nutzungsbedingungen und Ausleihgebühren. Offenbar handelt es sich nicht um einen Hauptkatalog, sondern lediglich um eine aktualisierte Bestandsaufnahme. 61 Leihbücherei Tietz. Werke in deutscher, englischer und französischer Sprache. Katalog 1925.
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Abb. 3: Die Leihbücherei im Warenhaus Wertheim – ein intimer Rückzugsort für Kunden. Quelle: Wertheim-Album. A. Wertheim GmbH Berlin, Leipziger Straße, am Leipziger Platz. Berlin (ohne Verlagsangabe) 1912, S. 4. Die Leihbücherei des Warenhauses Tietz stand seinen Kunden zehn Stunden am Tag offen. Bücher konnten hier täglich getauscht werden, die Zusendung von Büchern für Leser mit Wohnsitz in Düsseldorf blieb ausgeschlossen. Das Pfand für ein Buchpaket für Auswärtige betrug zehn Mark, die einheimischen Nutzer hinterlegten pro Band drei Mark.62 Die Bestände der einzelnen Leihbüchereien waren weitgehend identisch und das Unternehmen tauschte lediglich beschädigte Bücher oder Buchbestände aus, die vielleicht an einem anderen Standort nicht mehr nachgefragt wurden. Es ist bemerkenswert, dass die Warenhäuser die Billigbuchreihen auch in das Programm der Leihinstitute aufgenommen haben, handelte es sich doch hierbei um wichtige Verkaufsartikel in den Bücherabteilungen. Aber offenbar fürchteten die Warenhäuser zumindest in der Gründungsphase keine schädliche Konkurrenz gegenüber dem Verkauf. Erst Mitte der dreißiger Jahre verschwanden die Unterhaltungsserien aus dem Angebot der Warenhausleihbüchereien. Eine starke Resonanz fanden die Gattungen Dorfgeschichten, Detektiv- und Kriminalgeschichten sowie Reisebeschreibungen und Liebesromane. Zu den begehrten Büchern gehörten auch die Romane von Theodor Fontane oder Gustav Freytag. Bei den ausländischen Autoren – die wichtigsten wurden auch als deutsche Übersetzung angeboten – dominierten Maxim Gorki, F. M. Dostojewski, Alexandre Dumas, Guy de Maupassant, Honoré de Balzac und Émile Zola. 62 Leihbibliothek Leonhard Tietz A.G. Düsseldorf. Werke in deutscher, englischer und französischer Sprache. Katalog 1926.
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Abb. 4: Leihbücherei im Warenhaus Hermann Tietz. Quelle: Warenhäuser. Ein Spiegelbild volkstümlicher Verkaufsstätten auf Grund einer Darstellung des größten Warenhauskonzern Europas im Eigenbesitz. Berlin: Verlag Max Schröder 1928, S. 124. Die durchschnittlichen Abonnementsgebühren der Warenhausleihbüchereien bewegten sich zwischen 1,25 Mark für einen Band pro Monat bis zu 20 Mark für Jahresabonnements. In den zwanziger Jahren senkten die Warenhäuser ihre Benutzungsgebühren um 50 Pfennig und unterboten damit die Nutzungsgebühren der anderen gewerblichen Leihinstitute vor Ort. Abonnementsgebühren in Höhe von lediglich 1,25 M bis 1,50 M konnten selbst die großen städtischen Leihbüchereien, wie z. B. Fritz Borstells Lesezirkel, nicht anbieten. Hier betrugen die Leihgebühren pro Band und Monat 3 Mark und das Halbjahresabonnement war mit 12 Mark so teuer wie im Warenhaus das Jahresabonnement.63 Die extrem günstigen Ausleihkonditionen waren aber zugleich das Resultat eines erbitterten Konkurrenzkampfes zwischen den Warenhäusern selbst. Die intensive Werbetätigkeit führte zu einer steigenden Frequentierung der Warenhäuser, die mit ihren ganzseitigen Inseraten die Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Die drastische Senkung der Leihgebühren unterstreicht noch einmal, dass es den Warenhäusern nicht primär um den finanziellen Ertrag ihrer Leihbüchereien, sondern vielmehr um die Erschließung neuer Kundenschichten ging. Das Hilfeersuchen eines Berliner Warenhauses an den Berliner Sortimenter-Verein wurde allerdings von diesem mit der harschen Antwort beschieden, man paktiere nicht mit Warenhäusern: Trotzdem unsere Kollegen, die Leihbibliotheken besitzen, unter derartigen Schleuderpreisen sicherlich im Anfang schwer zu leiden haben, konnten wir uns nicht dazu entschließen, den Antrag eines Warenhauses zu unterstützen, das sich in seiner eigenen Bedrängnis an den Vorstand der Berliner Vereinigung gewandt hatte, um Schutz gegen die konkurrierenden Warenhäuser und mit unserer Hilfe gesetzliche Regelung der Lesebedingungen zu erreichen. Nach wie vor stehen wir auf dem 63 Martino: Die deutsche Leihbibliothek, S. 389.
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Standpunkte, daß jedes Paktieren mit den Warenhaus für uns ausgeschlossen erscheinen muß, da der Buchhandel doch stets die wenig verlockende Aufgabe haben würde, den Warenhäusern die Kastanien aus dem Feuer zu holen.64 Eine eher marginale Erscheinung war dagegen die Einrichtung von Leihbüchereien für Angestellte. Die Warenhäuser installierten neben den obligatorischen Erfrischungs- und Ruheräumen – häufig wurde im Sommer auf der Dachterrasse eine Liegewiese eingerichtet – auch spezielle Bibliotheken für die Verkäufer und Verkäuferinnen, die sich in ihren Pausen mit Unterhaltungsliteratur und populären Sachbüchern versorgten. Das Kaufhaus Schocken richtete seit 1920 in jeder Filiale eine Spezialbibliothek für das Personal ein. Salman Schocken, der Initiator dieses Projektes, ließ sich von lesepädagogischen Ideen leiten, denn jeder seiner Angestellten sollte die Möglichkeit haben, niveauvolle Bücher zu besonders günstigen Preisen zu erwerben.65 Außerdem vermietete das Unternehmen Wertheim zwei Auslagetische an den weltanschaulich neutralen Volksverband der Bücherfreunde, eine Leserorganisation, die unabhängig von der hausinternen Buchabteilung um Mitglieder warb und die örtlichen Mitglieder an einer zentralen Stelle, wie sie das Warenhaus darstellte, betreute. Für Wertheim hatte dieses Arrangement den Effekt, dass auch die Mitglieder dieser Buchgemeinschaft nunmehr regelmäßige Kunden des Warenhauses wurden.66
Werbemaßnahmen im Warenhaus Die Erhöhung des »Groschen-Fahrgelds« in den Großstädten führte 1920 zu Spekulationen darüber, ob die Verteuerung der Verkehrsmittel womöglich zu einem Rückgang des Kundenaufkommens in den Warenhäusern führen wird.67 Die Warenhäuser verstärkten daher ihre Werbemaßnahmen, um die Ausflüge ins Warenhaus weiterhin attraktiv zu gestalten.68 Sie intensivierten die Werbung in der Tagespresse und in den neu entstandenen zahlreichen Anzeigenblättern; hier inserierten sie mit augenfälligen, ganzseitigen Anzeigen. Der Anzeigenteil der Presse hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg gewandelt, von der sensationsorientierten Werbung – beliebt waren die sogenannten »zeigenden Hände« in Verbindung mit markigen Werbeslogans – hin zur professionellen Produktwerbung unter Zuhilfenahme von Werbeplanung, Marktanalyse, Gebrauchsgraphik sowie werbepsychologischen Maßnahmen. Die Werbung in den zwanziger Jahren zielte auf eine subtile Beeinflussung des Konsumenten.69 Nach dem Ersten Weltkrieg spielten neben der Anzeigen- und Plakatwerbung, z. B. an Straßenbahn- und Untergrundstationen, vermehrt die nach amerikanischem Vorbild eingesetzten ›Sandwichmänner‹ eine zunehmend wichtige Rolle auch für die Warenhauswerbung. Die ›Sandwichmänner‹ – hierbei handelte es sich häufig um Kriegsinvaliden – warben in unmittelbarer Nähe der Warenhäuser und wiesen auf die verschiedenen Aktionswochen hin. 64 65 66 67
Börsenblatt 77 (1910) 56, S. 3038. Fuchs: Das Kaufhaus Schocken als Spiegelbild deutscher Wirtschaft, S. 176 f. Klotzbach: Die deutschen Warenhäuser als Buchhändler, S. 72. Über die Wechselbeziehungen zwischen Kundenaufkommen und Verkehrssystemen vgl. Schivelbusch: Geschichte der Eisenbahnreise, S. 165 –174. 68 Börsenblatt 87 (1920) 133, S. 626. 69 Reinhardt: Von der Reklame zum Marketing, S. 223.
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Abb. 5: Ein Schaufenster zum 60. Geburtstag der Autorin Clara Viebig bei A. Wertheim. Quelle: Elisabeth von Stephani-Hahn: Schaufensterkunst. Lehrsätze und Erläuterungen. 3. verb. Auflage. Berlin: Schottlaender 1926, S. 178.
Abb. 6: Sonderschaufenster Bei A. Wertheim. Quelle: Thomas Seng: Weltanschauung als verlegerische Aufgabe. Der Otto Reichl Verlag 1909-1954. St. Goar: Reichl Verlag Der Leuchter 1994, S. 587.
7.5 Der W arenhau sbuchh andel
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Wirkungskraft und Originalität der Warenhauswerbung wurden auch vom Sortimentsbuchhandel aufmerksam beobachtet. Die Warenhäuser spielten deshalb eine nicht zu unterschätzende Rolle beim verstärkten Engagement der Sortimentsbuchhändler auf dem Gebiet der Buchwerbung. Im Börsenblatt erschienen zahlreiche Artikel und konkrete Handlungsempfehlungen, geradezu provokant muten manche Äußerungen über moderne Buchwerbung an: »Warum soll der Buchhändler heute nicht seine Bücher anbieten und auf den Markt bringen, wie etwa der Juwelier oder der Musikinstrumentenhändler? […] Warum soll er nicht das Interesse der Allgemeinheit in so starker Weise zu wecken versuchen, daß die Bücher zur Massenware werden« – so das Plädoyer von Peter Hein in Können Bücher Markenware werden im Jahr 1926.70 Als Reaktion auf das amerikanische Bestsellerwesen rief der Börsenverein bereits zu Beginn der zwanziger Jahre Buchwochen ins Leben, die den Konsum von anspruchsvoller Literatur befördern sollten. Die Buchwochen wurden flankiert von Veranstaltungen, Lesungen, Plakatwerbung, Anzeigenkampagnen und Prospektmaterial in Auflagen bis weit über 100.000 Stück. Der Todestag Johann Wolfgang von Goethes am 22. März wurde 1929 zum Anlass genommen, erstmalig einen »Tag des Buches« zu veranstalten. Der »Tag des Buches« lieferte wichtige Impulse für zugkräftige Werbeaktionen im Buchhandel.71 Beschränkten sich Sortimentsbuchhändler häufig auf besondere Schaufensterdekorationen, inszenierten Warenhäuser den »Tag des Buches« mit innovativen Werbekonzepten, in denen das neue Medium Rundfunk geschickt eingebunden war. Nicht zuletzt wegen ihrer großzügigen Verkaufsräume war es den Warenhäusern möglich, spektakuläre Aktionen in ihren Buchabteilungen, beispielsweise Autorenlesungen, Ausstrahlung von Literatursendungen im Rundfunk und Sonderaktionen zu veranstalten. Bereits in den 1880er Jahren hatten Warenhäuser ausgebildete Dekorateure für die Gestaltung ihrer Schaufenster beschäftigt. Schaufenster waren Ausdruck und Präsentation des Gesamtunternehmens. Seit der Mitte der zwanziger Jahre kreierten Dekorateure themenbezogene Ausstellungsensembles, die nicht nur die Schaufenster, sondern auch die Auslagen sowie die an der Außenwand installierten Schaukästen in das Konzept mit einbezogen. Populär wurde das sogenannte »Szeneschaufenster«, das sich als abgeschlossenes Ganzes darstellte,72 in der Sommerzeit handelte es sich häufig um Strandszenen mit Badeutensilien; gleichzeitig wurde für Reiselektüre, Reisehandbücher und Bäderführer geworben. Saisonale Szeneschaufenster kamen der Kurzlebigkeit literarischer Novitäten besonders entgegen, denn »die überwiegende Menge der Bücherkäufer geht dem Schlager nach. Ein Buch, das heute ein Vierteljahr alt ist, gilt beim Publikum schon als veraltet und überlebt« – so die Beobachtung eines Buchhändlers in der Zeitschrift Die literarische Welt, die 1928 eine Umfrage über Veränderungen im deutschen Buchhandel gegenüber der Vorkriegszeit veröffentlicht hatte.73 Die Warenhäuser nutzten zugleich geschickt die Innovationen der Beleuchtungstechnik. Sie konnten nach Aufhebung der nächtlichen Verhängungspflicht ihre Schau70 Börsenblatt 93 (1926) 292, S. 1483 f.; vgl. auch. Vogt-Praclik: Bestseller in der Weimarer Republik, S. 20 f. 71 Vogt-Praclik: Bestseller in der Weimarer Republik, S. 20 f. 72 Ebd., S. 281. 73 Die literarische Welt 4 (1928) 45, S. 11, vgl. auch Vogt-Praclik: Bestseller in der Weimarer Republik, S. 20.
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fenster und Auslagen völlig neu gestalten. Bereits 1912 hatten die zahlreichen Eingaben des Einzel- und Großhandels Erfolg gehabt und die Polizeiverordnung, die eine sonntägliche Schaufensterverhängung vorschrieb, war weitgehend aufgehoben worden.74 Besonders populär war die Installation eines Bewegungsmelders, der die Schaufenster erst beleuchtete, wenn Kunden vor das Glas traten. Die 1926 gegründete »Deutsche Schaufenster-Lichtwerbung« koordinierte in den deutschen Großstädten die Schaufensterdekoration; gegenüber dem Jahr 1926 stieg in Berlin 1930 die Schaufensterbeleuchtung von nur 8 auf knapp 50 % an.75 Für eine Erhöhung des Kundenaufkommens galten neben den bereits genannten Warenhausleihbibliotheken vor allem Autorenlesungen, Konzerte, Buch- und Kunstausstellungen als Erfolg versprechend. Die Warenhäuser arbeiteten außerdem verstärkt mit Verlagen zusammen, die am Beginn der dreißiger Jahre neue Marketing- und Promotionskonzepte entwickelten, u. a. die professionelle »Bestsellervermarktung«, die großflächige Werbung an Litfaßsäulen und den Einsatz von Diapositiven und Filmstreifen.76 Die Warenhäuser installierten unter anderem Rundfunksender in ihren Buchabteilungen und übertrugen aktuelle Bücherstunden und Literatursendungen. Es lag auf der Hand, dass die Reklamefeldzüge amerikanischer Machart, so die stereotype Kritik des Sortimentsbuchhandels an diesen Vermarktungsstrategien, den Warenhäusern zugeschrieben wurden. Im Fokus der Kritik stand stets die medienwirksame Verflechtung verschiedener Werbekonzepte. In der konservativen Kreuz-Zeitung wetterte Fritz Homeyer Ende der dreißiger Jahre gegen das Bestsellerwesen: »Man vermarktet Bücher wie Regenschirme, Hüte oder Stiefel, sie sind zur Modeware hinabgesunken, hinabgewürdigt worden«.77 Lancierte Literaturkritiken, flankiert von Reklamefeldzügen, Autorenlesungen und Ausstellungen, entwickelten sich insbesondere für Warenhäuser zum Erfolgsmodell – Absprachen, die von Warenhauskonzernen und Presseverlagen in Amerika längst erfolgreich erprobt worden waren: »Das Reißerische und Schreierische, ja das Brüllende unserer Zeit hat auf die Kritiker abgefärbt. Fast alle Kritiken haben etwas vom Stil der Ausverkauf-Anpreisungen der Warenhäuser, und die Vergleiche bewegen sich nur noch im Superlativ«.78 Das Warenhaus Wanamaker in den Vereinigten Staaten arbeitete beispielsweise mit ungewöhnlichen, gleichwohl effektiven Methoden. Es sprach z. B. mit führenden Zeitungen exakt terminierte Bücheraktionen ab. Die Zeitungen würdigten zum vereinbarten Termin einen Autor oder eine Autorin, deren Werke dann, unter Vorlage eines Coupons, der aus der Zeitung ausgeschnitten werden musste, zum Vorzugspreis im Warenhaus erworben werden konnte.79 Ähnliche Aktionen in Deutschland, die eine Zusammenarbeit der Medien mit dem Buchhandel zur Voraussetzung hatten, gelangen z. B. anlässlich des Geburtstags von Hedwig Courths-Mahler. 1927 wurde der 60. Geburtstag der Erfolgsschriftstellerin, deren Werke aus den Warenhäusern nicht wegzudenken waren, in der 74 75 76 77
Ebd., S. 278 f. Ebd., S. 279 f.; vgl. auch Schivelbusch: Lichtblicke, S. 138 –148. Vgl. auch Füssel: Das Buch in der Medienkonkurrenz, S. 333. Fritz Homeyer in der Kreuz-Zeitung, hier zitiert nach Vogt-Praclik: Bestseller in der Weimarer Republik, S. 22. 78 Poritzky, J. E.: Jack London oder: Das Übermaß der Anerkennung, S. 84 f. 79 Börsenblatt 68 (1901) 201, S. 6714.
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Presse besonders gefeiert, und nicht nur die Buchabteilungen der Warenhäuser reagierten auf diesen Festtag; auch die Sortimentsbuchhändler wurden aufgefordert, mit Sonderschaufenstern und Auslagen diesem Tag gerecht zu werden und die Bücher vorrätig zu halten. Die Verleger brachten Sonderausgaben auf den Markt, die nicht unbedingt besonders billig waren, aber anlässlich des Jubiläums sich dennoch absetzen ließen.80 Als wichtiger Bestandteil der Warenhauswerbung galt zweifelsohne die Einladung von Autoren. Die Autorenlesungen entwickelten Ende der zwanziger Jahre einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Verkauf von literarischen Neuerscheinungen; sie hatten 1927 mit dem Abdruck von Bestsellerlisten in der von Willy Haas herausgegebenen Zeitschrift Literarische Welt neue Impulse erhalten. Während die Sortimentsbuchhändler die monatlichen Bestellerlisten als »Amerikanisierung des Buchhandels« ablehnten, reagierten die Warenhäuser schnell auf den neuen Trend und luden die Erfolgsautoren zu Lesungen in ihren Buchabteilungen ein. Im März 1930 lasen z. B. im Kaufhaus Karstadt die Schriftsteller Ernst Toller, Vicki Baum, Egon Erwin Kisch und Erich Kästner aus ihren Werken vor.81 Karstadt verteilte für die mehrtägige abwechslungsreiche Veranstaltung Gratiskarten. Die Lesungen dauerten gewöhnlich nicht mehr als eine Stunde am Nachmittag und das Warenhaus profitierte vom täglichen Wechsel der Zuhörer. Während Ernst Toller vor allem literaturinteressierte Arbeiter anzog, lauschten Damen in Pelzmänteln den Romanen von Vicki Baum.82 Auch ihre Ausstellungsprojekte bewarben die Warenhäuser professionell in der Tagespresse und banden andere Abteilungen sowie die Schaufenster in das Ausstellungsthema mit ein. In den Weimarer Jahren gewannen Kunstbuchhandel und der Handel mit bibliophilen Büchern immer mehr an Bedeutung, zumal der Handel mit Luxusausgaben nach dem Krieg schwunghaft zugenommen hatte. Wegen der beinahe unbeschränkten Raummöglichkeiten ihrer Konkurrenten sahen die Sortimentsbuchhändler im von Warenhäusern verstärkt betriebenen Handel mit bibliophilen Büchern eine störende Konkurrenz. Im Frühjahr 1919 kündigte das Kaufhaus des Westens in Berlin einen Buchkatalog mit bibliophilen Kostbarkeiten an. Das Kaufhaus offerierte in Verbindung mit einer Ausstellung einen Sammlerkatalog, der neben den wesentlichen Informationen über Format, Auflage und damit Seltenheitswert des Objektes auch in den historischen Kontext einführte. Der Katalog, der ein nützliches Nachschlagewerk für Amateursammler darstellte, wurde in einer Auflage von 2.000 Exemplaren hergestellt.83 Das Warenhaus Wertheim eröffnete im November 1925 eine große Buchausstellung zu allen Wissensgebieten. Dekorateure nutzten den alten Lichthof sowie die Schaufenster professionell für ihre Ausstellungsgestaltung. Auf Auslagetischen präsentierte das Warenhaus Bücher aus dem Bereich der Belletristik, des Sports und der Jagd sowie der Technik. Im Vorraum des Lichthofs wurden Jugendbücher ausgestellt. Die Ausstellung wurde von einer umfassenden Pressearbeit begleitet. Im Ausstellungsraum und in der Buchabteilung wurden zwei Schnellpressen aufgebaut, die den Prospektdruck vor den Augen des Publikums vornahmen. Außerdem wurden zwei Bibliothekszimmer eingerichtet. Dem Börsenblatt schien das Ausstellungskonzept zu imponieren, denn es attestierte dieser Art von 80 81 82 83
Vgl. Göpfert: Die »Bücherkrise« 1927 bis 1929, S. 42. Kaes: Schreiben und Lesen in der Weimarer Republik, S. 41. Vgl. Hans Samter: Dichtung im Warenhaus. In: Die literarische Welt 6 (1930) H. 16/17, S. 7. Börsenblatt 86 (1919) 107, S. 434.
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Bücherpräsentation einen starken Zuspruch. Der Berichterstatter würdigte vor allem, dass die Ausstellung nicht vornehmlich kommerziellen Aspekten diente, sondern einen Beitrag zur Buchkultur darstellte. Das Börsenblatt forderte das Sortiment auf, mit vergleichbaren Ausstellungen um Kunden zu werben, auch wenn die herkömmliche Sortimentsbuchhandlung allein schon aus Platzgründen nicht zu Ausstellungen tendierte.84 Neben Kunstausstellungen und Buchauktionen veranstalteten die Warenhäuser in den Jahren 1925 und 1926 außerdem »Serientage« und »billige Bücherwochen«, die es ihnen ermöglichten, ihre Verlagsartikel zu reduziertem Ladenpreis loszuschlagen.85 Die Werbeaktionen der Warenhäuser beeindruckten inzwischen auch die Sortimentsbuchhändler. Insofern erwies sich der ungeliebte Konkurrent immerhin als Ideenlieferant für eigene Verkaufs- und Werbeaktionen. Peter Hobbing ermutigte den »vom Werbebazillus« bislang verschont gebliebenen Sortimentsbuchhandel in seinem Artikel Buch und Buchhandel seit 1870 nachdrücklich, die neuen Impulse, die von den Warenhausbuchhändlern hinsichtlich der Entwicklung von innovativen Werbe- und Absatzstrategien ausgingen, aufzugreifen und im eigenen Geschäftsbereich umzusetzen.86 Ende der zwanziger Jahre richteten die Sortimentsbuchhändler ihr Augenmerk verstärkt auf die Gestaltung ihrer Schaufensterdekoration und Auslagetische. 1926 entwickelte der Breslauer Buchhändler Hans Grimm im Buchhändlergilde-Blatt verschiedene Ideen für eine attraktive Gestaltung der Schaufenster und plädierte u. a. auch für die Einführung von »Schlagerfenstern« und themenbezogenen Saisonfenstern, wie sie die Warenhäuser schon lange praktizierten.87 Schnell setzte sich durch, dass die Schaufenstergestaltung sich im Ladeninneren widerspiegeln musste, und auch die Sortimenter gingen jetzt dazu über, Auslagetische einzurichten. Die zunehmend farbigen Bucheinbände ermöglichten zugleich eine attraktive Buchvorstellung auch auf engstem Raum.88 Indirekte Wirkungen sind auch im Bereich des Verlagsbuchhandels zu beobachten. Die Verlage setzten jetzt vermehrt auf gezielte Werbeaktionen zur Durchsetzung eines neuen Verlagstitels auf dem Markt und bezogen das herkömmliche Sortiment in das Vermarktungskonzept von Erfolgsschriftstellern von Anbeginn mit ein. Der S. FischerVerlag beispielsweise förderte den Erfolg seines Bestsellers Der Fall Maurizius von Jakob Wassermann, erschienen im Frühjahr 1926 und zwei Jahre später auf Platz 1 der Bestsellerliste der Literarischen Welt, durch regelmäßige Aktionen; zugleich stellte er dem Sortimentsbuchhandel Werbematerial zur Verfügung: Dieser neue große Justizroman bildet das Tagesgespräch aller literarisch interessierten Menschen. Die gesamte Presse veröffentlicht begeisterte Referate. Wir unterstützen die Aktualität durch eine großzügige Propaganda und stellen Werbeprospekte und ein Schaufensterplakat mit Pressestimmen kostenlos zur Verfügung. Stellen Sie das Buch reihenweise ins Fenster.89 84 85 86 87
Börsenblatt 92 (1925) 257, S. 17092. Klotzbach: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler, S. 21. Börsenblatt 93 (1926) 75, S. 397 f. Hanns Semm: Wie werde ich meinen Kunden gerecht, S. 31 –37, und ders.: Das Buch in der Auslage, S. 37 –40. 88 Vgl. Loele/Bruère: Das Bücher-Schaufenster. 89 Anzeige des Fischer-Verlags in: Börsenblatt 95 (1928) 65, S. 2535.
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Literatur Ungedruckte Quellen Wiederverkäuferfrage. Schaffung einer Wiederverkäufer-Ordnung – Stammrolle – Auchbuchhandel – Volckmar’sches Referat. Staatsarchiv Leipzig. Bestand. Börsenverein. Sign. 786.
Gedruckte Quellen [Anonym]: Die Einheitspreisgeschäfte und ihre Gefahren für die deutsche Wirtschaft. Wiesbaden: Hermann Rauch 1928. [Anonym]: Warenhäuser. Ein Spiegelbild volkstümlicher Verkaufsstätten auf Grund einer Darstellung des größten Warenhauskonzerns Europas im Eigenbesitz. Hermann Tietz. Berlin: Max Schröder 1928 (Industrie-Bibliothek, 31). Das Kaufhaus des Westens. Berlin, März 1932. LOELE, Kurt/BRUÈRE, Otto: Das Bücher-Schaufenster. Mit einem Anhang: Innenauslagen und Innenausstattung, Ausstellungen. Eine Anleitung für die Praxis. Berlin: Oldenbourg & Co 1919. MAZUR, Paul M.: Moderne Warenhaus-Organisation. Für deutsche Verhältnisse bearbeitet von Fritz Neisser. Berlin: Springer 1928. SEMM, Hanns: Wie werde ich meinen Kunden gerecht? In: Buchhändlergilde-Blatt 10 (1926), S. 31 –37. SEMM, Hanns: Das Buch in der Auslage. In: Buchhändlergilde-Blatt 3 (1929), S. 37 –40.
Forschungsliteratur BARBIAN, Jan-Pieter: Literaturpolitik im »Dritten Reich«. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1995 (dtv 4668). BROHM, Berthold: Das Buch in der Krise. Studien zur Buchhandelsgeschichte der Weimarer Republik. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 51 (1999), S. 189 –331. DAHM, Volker: Das jüdische Buch im Dritten Reich. 2., überarb. Aufl., München: C. H. Beck 1993. FREI, Helmut: Tempel der Kauflust. Eine Geschichte der Warenhauskultur. Leipzig: Edition Leipzig 1997. FUCHS, Konrad: Ein Konzern aus Sachsen. Das Kaufhaus Schocken als Spiegelbild deutscher Wirtschaft und Politik 1901 bis 1953. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt 1990. FÜSSEL, Stephan: Das Buch in der Medienkonkurrenz der zwanziger Jahre. In: GutenbergJahrbuch 71 (1996), S. 322 –340. GÖPFERT, Herbert G.: Die »Bücherkrise« 1927 bis 1929. Probleme der Literaturvermittlung am Ende der zwanziger Jahre. In: Das Buch in den zwanziger Jahren. Vorträge des zweiten Jahrestreffens des Wolfenbütteler Arbeitskreises zur Geschichte des Buchwesens 16. bis 18. Mai 1977. Hrsg. von Paul Raabe. Hamburg: Hauswedell 1978 (Wolfenbütteler Schriften für Geschichte des Buchwesens, 2), S. 33 –45. GRIESER, Thorsten: Buchhandel und Verlag in der Inflation. Studien zu wirtschaftlichen Entwicklungstendenzen des deutschen Buchhandels in der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens, 51 (1999), S. 1 –187. JÄGER, Georg: Die deutsche Leihbibliothek im 19. Jahrhundert. Verbreitung – Organisation – Verfall. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der Deutschen Literatur 2 (1977), S. 96 –133.
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KAES, Anton: Schreiben und Lesen in der Weimarer Republik. In: Literatur der Weimarer Republik 1918 –1933. Hrsg. von Bernhard Weyergraf. München: Deutscher Taschenbuchverlag 1995 (Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Bd. 8), S. 38 –64. KLOTZBACH, Rudi: Deutsche Warenhäuser als Buchhändler. Leipzig: Saxonia Druckerei 1932. LADWIG-WINTERS, Simone: Wertheim – ein Warenhausunternehmen und seine Eigentümer. Ein Beispiel der Entwicklung der Berliner Warenhäuser bis zur »Arisierung«. Münster: LIT Verlag 1996. LADWIG-WINTERS, Simone: Wertheim – Geschichte eines Warenhauses. Berlin: be.bra Verlag 1997. LENZ, Rudolf: Karstadt. Ein deutscher Warenhauskonzern 1920 –1950. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt 1995. MAHONEY, Tom/SLOANE, Leonhard: Große Kaufleute. Von Tiffany bis Woolworth. Düsseldorf/ Wien: Econ Verlag 1970. MARTINO, Alberto: Die deutsche Leihbibliothek. Geschichte einer literarischen Institution (1756 – 1914). Wiesbaden: Harrassowitz 1990. REINHARDT, Dirk: Von der Reklame zum Marketing. Geschichte der Wirtschaftswerbung. Berlin: Akademie Verlag 1993. SCHIVELBUSCH, Wolfgang: Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 1989 (Fischer Taschenbuch 4414). SCHIVELBUSCH, Wolfgang: Lichtblicke. Zur Geschichte der künstlichen Helligkeit im 19. Jahrhundert. München: Hanser 1983. SCHLIEPMANN, Hans: Geschäfts- und Warenhäuser. Bd. 1: Vom Laden zum »Grand Magasin.« Berlin/Leipzig: G. J. Göschen’sche Verlagshandlung 1913. Der Schocken Verlag/Berlin. Jüdische Selbstbehauptung in Deutschland 1931 –1938. Essayband zur Ausstellung »Dem suchenden Leser unserer Tage« der Nationalbibliothek Luxemburg. Hrsg. von Saskia Schreuder und Claude Weber. Berlin: Akademie Verlag 1994. STROHMEYER, Klaus: Warenhäuser. Geschichte, Blüte und Untergang im Warenmeer. Berlin: Wagenbach 1980. TIETZ, Georg: Hermann Tietz. Geschichte einer Familie und ihrer Warenhäuser. 2., erg. Aufl., Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt 1966. UHLIG, Heinrich: Die Warenhäuser im Dritten Reich. Köln/Opladen: Westdeutscher Verlag 1956. VOGT-PRACLIK, Kornelia: Bestseller in der Weimarer Republik 1925 – 1930. Eine Untersuchung. Herzberg: Verlag Traugott Bautz 1987 (Arbeiten zur Geschichte des Buchwesens in Deutschland, Bd. 5). WIDMAIER, Tobias: Der deutsche Musikalienhändler. Funktion, Bedeutung und Topographie einer Form gewerblicher Musikaliendistribution vom späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert. Saarbrücken: Pfau 1998.
Ernst Fischer 7.6
Gewerbliche Leihbüchereien und Lesezirkel
Im »alten Geiste«: Das Leihbibliothekswesen in den zwanziger Jahren Die Epoche der Weimarer Republik brachte für den deutschen Leihbuchhandel überaus bewegte Zeiten mit sich: Auf- und Abschwünge, aber auch ein Wandel in Organisationsform und Funktion kennzeichnen seine Geschichte in den 1920er und frühen 1930er Jahren. Antizyklisch zu den Wirtschaftskrisen erlebte das Gewerbe Blütezeiten gerade in den ersten Nachkriegsjahren und nach der schweren wirtschaftlichen Rezession im Gefolge des »Schwarzen Freitags« 1929.1 Dabei hatte es noch unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg den Anschein gehabt, als sollte die Institution Leihbibliothek ihre im 19. Jahrhundert so bedeutende Funktion in der Literaturversorgung breiter gesellschaftlicher Schichten nach einer jahrzehntelangen Abwärtsentwicklung endgültig einbüßen.2 Ihre Krise hatte sich entscheidend verstärkt durch die Entstehung eines dichten Netzes von Volksbüchereien,3 die in der Vermittlung von preisgünstigem Lesestoff unter volksbildnerischen Gesichtspunkten erfolgreich waren. Dieser Antagonismus zwischen öffentlichem und privatem Sektor prägte spätestens seit 1900 die Situation – wobei der Bedeutungsverlust, den die kommerziell betriebene Leihbibliothek damals erlitt, keinesfalls mit dem Niedergang des gesamten Gewerbes gleichgesetzt werden darf.4 Vielmehr kam es nach dem Ersten Weltkrieg sogar zu vereinzelten Neugründungen; ein sprechendes Beispiel dafür liefert die traditionsreiche Buchhandlung Gräfe und Unzer in Königsberg. Im Vorwort zu ihrem ersten Leihbibliotheks-Katalog 1921 verweist sie auf die aktuell gegebene Situation, in der – bei gestiegenen Bücherpreisen und »Verarmung gerade der Kreise, die bisher die besten Bücherkäufer waren« – vielen die gewohnte Anschaffung von Büchern nicht mehr möglich sei.5 Die öffentlichen Bibliotheken aber seien kaum noch imstande, ihre Aufgabe zu erfüllen; viele Nutzer müssten oft monatelang auf das von ihnen gewünschte Werk warten. So eröffneten sich dem vom deutschen Buchhandel längst gepflegten Leihbibliothekswesen neue Möglichkeiten, um dem allgemeinen Lesebedürfnis entgegen zu kommen – »Überlegungen dieser Art haben zur Begründung unseres Unternehmens geführt«. Allerdings: »Es handelt sich dabei nicht um die Befriedigung desjenigen Lesebedürfnisses, das nur auf Unter1 Eine Überblicksdarstellung zum deutschen Leihbibliothekswesen im 20.Jahrhundert hat Raimund Kast: Der deutsche Leihbuchhandel vorgelegt; der Zeit vor 1933 und besonders vor 1930 wird darin aber wenig Raum gewidmet; auch liegt der Interessenschwerpunkt der 1989 in München approbierten Dissertation auf organisationsgeschichtlichen Aspekten. 2 Vgl. Martino: Die deutsche Leihbibliothek, bes. das Kapitel »Die Krise der Leihbibliothek«, S. 549 –621. 3 Vgl. den Beitrag von Peter Vodosek in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte; dort auch weiterführende Literaturhinweise. 4 Vgl. Habitzel/Mühlberger: Die Leihbibliotheksforschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz; S. 93 und passim. Die Verfasser des Forschungsberichts stehen der These von der »Krise der Leihbibliothek« seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert kritisch gegenüber. 5 Katalog der Leih-Bücherei Gräfe & Unzer. Königsberg o. J. [Vorwort datiert mit »im Mai 1921«]
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7 V erbr eitend er Bu chhandel
Abb. 1: Sowohl Gräfe & Unzer in Königsberg wie die Leihbücherei »Hildegard« in München repräsentierten noch die Leihbibliothekstradition des 19. Jahrhunderts. haltung ausgeht; gedacht ist vielmehr an die vielen, die ernstere Interessen haben […].« Um sich dem Lektüregenuss »wie in den besseren Tagen« hingeben zu können, würden die Bücher – dies wird als eine absolute Besonderheit hervorgehoben – im Originaleinband, nicht im uniformen Bibliothekseinband ausgegeben. Das Unternehmen, das sich anschickte, 1922 sein 200-jähriges Bestehen zu feiern, wollte damit auch seinem Kulturauftrag nachkommen: »Eine recht rege Benutzung dieser Bücherei, die neue Bahnen im alten Geiste geht, würde der beste Beweis dafür sein, daß sie das wirkliche Bedürfnis der Zeit getroffen hat […].« Gräfe & Unzer war im Leihbücherei-Metier zwar ein Spätankömmling, aber dennoch ganz dem »alten Geiste« verhaftet, dem allerdings nur noch wenige Jahre an Wirksamkeit vergönnt sein sollten. Dieser Geist beseelte auch die meisten der alteingesessenen Leihbibliotheken jenes traditionellen Typus, für den die seinerzeit enorm leistungsfähigen Unternehmen wie Fritz Borstells Lesezirkel in Berlin oder das Literatur-Institut Last in Wien das Vorbild abgegeben hatten und die nach dem Krieg neben den Neugründungen weiter existierten.6 Ein Beispiel dafür stellte die Leihbücherei »Hildegard« in München, Hildegard6 Vgl. Martino: Die deutsche Leihbibliothek, S. 321 u. ö., zu Last bes. Bachleitner: Das Ende des »Königs aller deutschen Leihbibliotheken«. Borstells Lesezirkel (später Borstell & Reimarus), gegründet 1863, zählte am Ende des 19. Jahrhunderts 74 Angestellte und bot 600.000 Bücher zur Auswahl an, außerdem Zeitschriften-Lesezirkel aus 190 verschiedenen Blättern (nach Kast: Der deutsche Leihbuchhandel, S. 169); das Literatur-Institut Last hatte bis zu 4000 Abonnenten.
7.6 Gewerb liche Leihbücher e ien und Lesezirk el
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straße 8, dar: ihr gedrucktes Bücherverzeichnis umfasste 1926 mehr als 10.000 Bände; in der Leihbibliothek selbst standen »mehr als 45.000 […] zur Sichtung und Einreihung bereit«.7 Sie selbst warb für sich auf dem Innenumschlag mit den Hinweisen: Unsere Leihbücherei ist die neuzeitlichste am Platze. Sie enthält Romane erster Autoren, Novellen, Erzählungen, gute Jugendschriften, Reiseerzählungen, Reisebeschreibungen, Klassiker und wissenschaftliche Werke. Rund 80 % unserer Bücher sind neu. Wir bitten daher um möglichste Schonung. Alle an die Bücherei zurückkommenden Bücher werden jeweils desinfiziert. In dieser Selbstbeschreibung spiegelten sich, trotz der Inanspruchnahme des Attributs »neuzeitlich«, noch die Struktur des gehobenen Bücherangebots, wie es für die großen Leihbibliotheken des 19. Jahrhunderts typisch war (die »ersten Autoren« reichten von Goethe bis Lion Feuchtwanger), wie auch die einstige Funktion als Abnehmer der Romanproduktion renommierter Autoren und Verlage, und nicht zuletzt auch die vor 1900 vieldiskutierte Hygienethematik.8 Aus den »Lesebedingungen« geht hervor, dass jeder Abonnent wöchentlich eine (auch telefonisch bestellbare) Sendung von 5 Büchern nach seiner Auswahl erhielt, zu einem Preis von 75 Pfennig bei Zustellung und 60 Pfennig bei Abholung. Aufgestempelt war die Möglichkeit des täglichen Wechsels, bei 2,- Mark im Monat Extragebühr. Das Institut »Hildegard« suchte sich also durch spezifische und flexible Gestaltung der Ausleihbedingungen Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Anbietern zu verschaffen – auch wenn die Unterschiede letztlich gering blieben. Tatsächlich standen diese Leihbibliotheken in harter Konkurrenz nicht nur mit ihresgleichen, sondern auch zu den nicht eben wenigen Buchhandlungen, die sich eine Leihbücherei angegliedert hatten. In Großstädten, vor allem in Berlin, kam auch die machtvolle Konkurrenz der Kaufhäuser (Wertheim, KaDeWe, H. Tietz, später auch Schocken u. a. m.) hinzu, die ihre Leihbücherei-Abteilungen großzügig ausgebaut hatten, um den Kundenverkehr im Haus zu intensivieren.9 Auch in dieser Hinsicht setzten sich die Verhältnisse der Vorkriegszeit fort; insgesamt ist also, unter buchwirtschaftlicher Perspektive, von weitreichenden Kontinuitäten im Leihbüchereigewerbe auszugehen, mindestens bis zum Ende der 1920er Jahre. Zahlenmäßig ist die Entwicklung des Leihbüchereiwesens für diesen Zeitraum nicht exakt dokumentiert. Allerdings fand 1925 zur Aktualisierung der amtlichen Gewerbestatistik eine Betriebszählung statt, die solide Auskünfte über die Anzahl der damals bestehenden Leihbüchereien lieferte. Diese ergab in diesem Stichjahr für das Reichsgebiet eine Zahl von 418 Leihbibliotheken, im Sinne von »Wirtschaftseinheiten«, mit 1.721 beschäftigten Personen. Unter Berücksichtigung der Filialen (»Technische Einheiten«) erhöhte sich diese Zahl auf 550 (bei 1.769 beschäftigten Personen).10 Für die Verteilung des Personals auf die Betriebs-Größenklassen ergab sich folgendes Bild: 7 8 9 10
Bücherverzeichnis der Leihbücherei »Hildegard«. München: Knorr & Hirth 1926. Vgl. etwa Martino: Die deutsche Leihbibliothek, S. 571 –574. Vgl. den Beitrag von Christine Haug über den Warenhausbuchhandel in diesem Band. Umlauff: Beiträge zur Statistik des deutschen Buchhandels, S. 28. Die Zahlen entsprechen in etwa denen, die im Zentralblatt für Bibliothekswesen 51 (1934), S. 639, genannt wurden. Dort hieß es: »Die Zahl der gewerblichen Leihbüchereien Deutschlands ist zwischen 1925 und 1933 von 464 auf 2.758 gestiegen.« Dabei handelte es sich allerdings um die offizielle Reichsstatistik, die für das Jahr 1933 nur bedingt aussagekräftig sein dürfte.
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Tabelle 111
Betriebe Personen
Gesamtzahl 418 1.721
Alleinbetriebe 173 (173)
0 –3
4 –5
6 –10
11 –50
51 –200
149 280
33 144
25 187
35 764
3 173
Die Zahlen lassen erkennen, dass es sich bei den Leihbüchereien überwiegend um Klein- und Kleinstbetriebe handelte, oder auch um Nebenbetriebe von Buchhandlungen.12 Anderen Quellen ist eine Größenklassen-Gliederung nach Kunden zu entnehmen; danach hatten große Leihbibliotheken 1.500 – 2.000 Kunden und 3.000 – 5.000 Bücher, mittlere 500 – 800 Kunden und 1.000 – 2.000 Bücher, kleine 200 – 500 Kunden und 600 – 800 Bücher, im Durchschnitt daher 400 – 600 Kunden und 1.000 Bücher.13 Diese Struktur und vor allem die Gesamtzahl der Leihbüchereien sollten sich aber in den dreißiger Jahren entscheidend verändern.
Der Umbruch um 1930 Im Gefolge der Weltwirtschaftskrise kam es innerhalb kurzer Zeit zu einem Umbruch im Leihbibliothekswesen in Deutschland. Die Quellen sprechen von einer explosionsartigen Zunahme, die Schätzungen hinsichtlich der Zahl der Neugründungen in den Jahren bis 1933 klafften allerdings weit auseinander; einige Kommentatoren gingen von mehreren zehntausend aus. Die tatsächliche Ziffer wird aus verschiedenen Gründen kaum feststellbar sein (die meisten Betriebe waren gewerberechtlich nicht erfasst und noch viel weniger an das System des deutschen Buchhandels angeschlossen), aber 12.000 bis 14.000 dürfte die untere, 20.000 Betriebe die obere Marke darstellen.14 Das Statistische Jahrbuch für das Deutsche Reich kam für das Jahr 1932, also bei noch an11 Umlauff: Beiträge zur Statistik des deutschen Buchhandels, S. 32. 12 Zum Typus der Spezialleihbücherei, wie Bahr’s Juristische Mietbibliothek in Berlin, vgl. Kast: Der deutsche Leihbuchhandel, S. 175 –177. 13 Vgl. Die wirtschaftliche Bedeutung des Buchverleihgewerbes. In: Reichs-Nachrichtenblatt der Buchverleihe, Nr. 2 vom April 1932, S. 3. Der Artikel leitet daraus ab, dass das Publikum der Leihbüchereien im deutschsprachigen Raum auf 8 bis 10 Millionen Leser geschätzt werden kann. 14 Vgl. Kast: Der deutsche Leihbuchhandel, S. 179. Kast nennt als Quellen die »Vereinigung der am Leihbüchereiwesen interessierten Verleger«, die im April 1933 die Zahl der selbständigen Leihbüchereien mit 6.000 annahm; wieviele unselbständige hinzugezählt werden müssten, bleibt dabei offen (damals wurden auch zahlreiche Filialbetriebe errichtet). Er verweist ferner auf Stefan Wangart, der 1932 in einem Artikel Das gewerbliche Leihbüchereiwesen in Deutschland im Börsenblatt von 20.000 Leihbüchereien ausging. Diese Annahme wurde damals in der Zeitschrift der Leihbücherei (H. 11, 10. Juni 1932, S. 2) zurückgewiesen: »Die Zahl der wirklichen Leihbüchereien beträgt für das Reichsgebiet höchstens 14.000, für Berlin ungefähr 800.« In dem Begriff »wirkliche Leihbüchereien« liegt allerdings eine Einschränkung, die eine größere Gesamtzahl denkbar erscheinen lässt. Auch das Reichs-Nachrichtenblatt der Buchverleihe schätzt in seiner Nr. 1 vom März 1932 (Kommt eine Krise?, S. 1) die Zahl der Modernen Buchverleihe bereits auf 20.000. Die von Hürter 1941 retrospektiv abgegebene Schätzung von bis zu 50.000 Leihbüchereien ist aber zweifellos viel zu hoch gegriffen (Hürter: Aus der Geschichte der Leihbücherei, S. 11).
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dauerndem Anstieg, auf 10.000, der Vorsitzende des Reichsverbandes Deutscher Leihbüchereien auf 18.000; die Zahl der zur Ausleihe zur Verfügung stehenden Bände wurde auf 30 Millionen geschätzt.15 In jedem Fall ging die Vermehrung in einem atemberaubenden Tempo vor sich: Kast verweist auf die Beobachtungen in einer (sicherlich vertrauenswürdigen) Denkschrift des Landes-Jugendamtes der Rheinprovinzen vom März 1932, denen zufolge es in Düsseldorf im Februar 1931 immerhin bereits 40 Leihbüchereien gegeben habe, ein Jahr später aber schon 200; in Hamburg zeigte das Adressbuch zwischen 1930 und 1932 einen Anstieg von 32 auf 802 Leihbüchereien, in Köln von ca. 60 auf 460, und auch in vielen anderen Städten kam es zu einer vergleichbaren Vielzahl an Neugründungen.16 Geradezu dramatisch scheint die Entwicklung im Großraum Berlin verlaufen zu sein: Ging man in der Zeitschrift der Leihbücherei 1929 noch von 150 – 200 Betrieben aus, beliefen sich die Schätzungen Anfang 1932 schon auf das Dreifache; noch ein Jahr später war dann von 2.000 bis 4.000 Leihbüchereien in Berlin die Rede.17 Besonders in den Arbeitervierteln (weniger in den bürgerlichen) habe schon fast jede Straße ihren eigenen Buchverleih.18 Wie solche Zahlen zustande kamen, ist besser zu verstehen, wenn man die Beschreibungen zeitgenössischer Beobachter heranzieht, die trotz ihres polemischen Duktus anschauliche Eindrücke vermitteln. Aus der Perspektive des Volksbibliothekars Georg Maiwald nahm sich das Phänomen 1932 so aus: In den Vorstädten aller Großstädte – und wahrscheinlich auch in mittleren und kleineren Städten – kann man in den letzten Monaten das Entstehen von Dutzenden kleiner und kleinster privater Leihbibliotheken beobachten. Papier- oder Zigarrenhandlungen füllen plötzlich ihre Schaufenster mit Büchern – oder wenigstens mit Buchumschlägen –, ja es ist sogar ein Fall bekannt geworden, wo die Inhaberin einer Schneiderwerkstatt dem lahmen Geschäft dadurch auf die Beine helfen wollte, daß sie ihrer Werkstatt eine Leihbibliothek angliederte. Meist sind es kleine Geschäfte, deren Inhaber hier auf eine neue Erwerbsquelle hoffen. Mitunter finden wir aber auch große Läden, die ausschließlich als Leihbibliothek dienen, und besonders diese größeren Bibliotheken üben einen unverkennbaren Anreiz auf das Publikum aus.19 Noch andere Zeugen der Ereignisse sprachen davon, dass Leihbüchereien u. a. Schnapsläden oder Drogerien »angegliedert« worden seien.20 Doch selbst wenn man diese »Auch-Leihbuchhändler« aus allen Zählungen ausblendet, bleibt noch eine fast unbegreiflich hohe Menge an neuentstandenen Stützpunkten des Leihbüchereigewerbes. In der Frage nach den Ursachen für diese plötzliche Zunahme waren sich die zeitgenössischen Kommentatoren denn auch keineswegs einig. Selbstverständlich wurden als auslösende Momente immer wieder Arbeitslosigkeit und Kaufkraftschwund genannt: Die 15 Schriewer: Kampf den Leihbüchereien, S. 3. 16 Kast: Der deutsche Leihbuchhandel, S. 179 f. Die Zahlen werden auch bei Gross: Neue Organisationsformen, S. 50, genannt; Gross beruft sich auf einen Aufsatz von Dr. Reuter, Köln, in Soziale Praxis, Heft 5 vom 2. Februar 1933. 17 Vgl. Kast: Der deutsche Leihbuchhandel, S. 180. 18 Vgl. Kommt eine Krise? In: Reichs-Nachrichtenblatt der Buchverleihe, Nr. 1 vom März 1932, S. 1. 19 Maiwald: Zur Frage der privaten Leihbibliotheken, S. 104 f. 20 Schriewer: Kampf den Leihbüchereien, S. 4.
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rasche wirtschaftliche Talfahrt habe vielen Menschen die Möglichkeit zum Bücherkauf genommen, und es seien nun gerade die unfreiwillig zur Muße Verurteilten, die ein gesteigertes Lektürebedürfnis entwickelten. Demgegenüber wurde darauf hingewiesen, dass das Gründungsfieber bei den Leihbüchereien nicht parallel zur Aufwärtsbewegung der Arbeitslosenzahlen gestiegen sei: erst 1931/1932 habe es diesen gewaltigen Aufschwung gegeben, die Gründe dafür seien deshalb vielschichtiger zu sehen. Vertreter einer solchen differenzierteren Sicht verwiesen darauf, dass nicht allein soziale Not das Kaufen von Büchern verhindere, sondern dass auch die seit den zwanziger Jahren um sich greifende Fixierung auf Novitätenlektüre eine negative Rolle spiele.21 Die Waffe der Verlegerreklame richte sich nun gegen die Hersteller selbst: »Die Ehrfurcht, die man in vergangener Zeit dem Schriftsteller und dem Buch immerhin noch entgegenbrachte, und das Bewußtsein, daß es so etwas gibt wie überzeitliche Dichtung, sind heute fast gänzlich zertrümmert.« So sei das Buch in eine »Deflation« hineingerutscht, die tieferen Gründe der Buchkaufabstinenz lägen im Büchermarkt selbst. »Erst wurde das Publikum zu den Novitäten hingelenkt, gewöhnt an den Zustand begab es sich auf Novitätenjagd, und jetzt wundert man sich über den verdorbenen Publikumsgeschmack!« Denn es seien keineswegs die Erwerbslosen, die nun die Hauptbenutzer der Leihbibliotheken stellten, sondern »jene Schicht, die meint, sie müsse immer das neueste Buch haben«. Die Veränderung in den Lektüregewohnheiten stelle mithin den entscheidenden Faktor für die Entstehung eines derart üppigen Leihbüchereiwesens dar. Es liegt nun aber auf der Hand, dass die explosive Zunahme der Leihbüchereien nicht in dem Maße erfolgte, in welchem damals die Nachfrage nach aktuellem Lektürestoff anstieg, sondern in einem weitaus höheren Tempo. Niemandem konnte verborgen bleiben, dass die neuen Leihbüchereien größtenteils von »Erwerbslosen-Existenzen« eröffnet wurden, die darin eine Möglichkeit sahen, unter Einsatz relativ geringer Mittel ihrem Schicksal zu entkommen und sich wieder ein Auskommen zu verschaffen. Dass der Entschluss auf Illusionen aufbaute und dass sich mit der rapiden Zunahme der Anbieter sehr schnell auch das Einzugsgebiet und das potentielle Publikum verkleinerten, die Verdienstchancen daher häufig gegen Null tendierten, erkannten viele von ihnen zu spät. An dieser Stelle muss auf einen weiteren Faktor verwiesen werden, ohne dessen Berücksichtigung die Gründungswelle jener Jahre unerklärlich bleiben müsste: die sogenannten »Einrichter«. Tatsächlich hatte sich damals, gleichsam von heute auf morgen, eine ganze Anzahl von Grossisten und speziellen buchhändlerischen Dienstleistern herausgebildet, welche die Errichtung einer Leihbibliothek als risikolosen Weg zu geregeltem Einkommen propagierten und sich erbötig machten, dem unerfahrenen Gründer die Erstausstattung bereitzustellen und ihn auch weiterhin zu beliefern. Dass sie dabei die Notlage der Interessenten ausnutzten und diese durch Knebelverträge über den Tisch zogen, war häufig geübte Praxis. Dabei haben sich offenbar unterschiedliche Modelle22 herausgebildet: Manche dieser »Einrichter« übergaben für einen Pauschalbetrag eine Zusammenstellung von Büchern, die einen sofortigen erfolgreichen Start in das Verleihgewerbe versprach, und schlossen außerdem mit dem Branchenneuling einen Vertrag für die Belieferung mit frischer Ware ab. Um den Preis attraktiv und für sich die Kosten niedrig zu halten, wurde in diese Pakete neben marktgängiger Ware auch viel 21 Die folgenden Zitate stammen aus Schriewer: Kampf den Leihbüchereien, S. 5. 22 Vgl. hierzu Maiwald: Zur Frage der privaten Leihbibliotheken, S. 106 f.
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Billigramsch hineingetan. Andere Anbieter verzichteten zur Gänze auf sofortige Barzahlung und boten ihren Kunden an, die Bücher-Erstausstattung von 100 Bänden durch wöchentliche Raten von z. B. 5.- Mark innerhalb eines Jahres abzuzahlen. Dies war aber bei wöchentlichen Buchleihgebühren von 10 – 20 Pfennig selbst dann kaum zu schaffen, wenn die Leihbücherei nur mit den damals beliebten Edgar Wallace-Romanen oder mit Courths-Mahler bestückt worden wäre. Ähnliches gilt für die Unternehmen, die Buchbestände leihweise zur Verfügung stellten, etwa 100 Bücher für 22.- Mark im Monat, günstigenfalls mit periodischer Umtauschmöglichkeit. Für sie spielte es dann keine Rolle, wie erfolgreich oder erfolglos ihre Leihnehmer agierten; wenn nicht anders, profitierten sie noch von den Konventionalstrafen, die diese bei Rücktritt vom Vertrag zu zahlen hatten. Die verlockend klingenden Angebote dieser Bücherlieferanten trugen nicht wenig dazu bei, im Leihbüchereigewerbe ein Gründungsfieber zu erzeugen, zumal vielfach nicht einmal eigenes Startkapital vorausgesetzt wurde. Für die Kritiker dieser Entwicklung, die auch von einer »Einrichterpest«23 sprachen, war klar: »Es ist also eine propagandistisch herbeigeführte, nicht innerlich gewachsene Bewegung. Sie hat ihre Hintergründe in einer kapitalistischen Organisation, die sich jetzt an die Ausnutzung eines geistigen Notstandes heran macht.«24 In den Fachorganen erschienen gelegentlich auch Warnungen vor einzelnen Unternehmen, die ihre unbedarften Kunden mit Ladenhütern belieferten, dazu völlig unrealistische Rentabilitätsberechnungen anstellten und sich dabei immer neue Opfer suchten.25
Wandel in Organisation, Bücherangebot und Funktion: die »neuzeitliche Leihbücherei« Abgesehen von den vielfältigen Nebenbetriebsformen, die im Zuge der Gründungswelle ab 1930 Konjunktur hatten, ist im gleichen Zeitraum auch ein deutlicher Wandel im Bereich der selbständigen Betriebsformen zu konstatieren. Es trat ein Typus hervor, der – in Gegenüberstellung zur »buchhändlerischen Leihbibliothek« – allgemein als »neuzeitliche Leihbücherei«26, gelegentlich auch als »Moderner Buchverleih« bezeichnet wurde und sich in seinen Geschäftspraktiken deutlich von dem klassischen Typus der gewerblichen Leihbibliothek unterschied, wie er sich im 19. Jahrhundert ausgeprägt und bis in die 1920er Jahre gehalten hatte. 23 Vgl. Kampf gegen die Einrichtungspest. In: Zeitschrift der Leihbücherei, H. 19, 5. Oktober 1932, S. 1 f.; das Fachblatt behandelte in Heft 20 vom 20. Oktober 1932 die EinrichterProblematik als zentrales Thema. 24 Schriewer: Kampf den Leihbüchereien, S. 5. 25 Vgl. Vertrauliche Mitteilung an unsere verehrl. Abonnenten. [Beilage in:] Reichs-Nachrichtenblatt der Buchverleihe vom 13. März 1933. – Eine (aufschlussreiche) seriöse Berechnung stellte dagegen Willy Fischer, der erste Vorsitzende des Schutzverbandes Groß-Berliner Leihbüchereien e. V. an: Die Rentabilität der Leihbüchereien. In: Die Zeitschrift der Leihbücherei, H. 1 vom 5. Januar 1932, S. 2 –4. Daraus ging hervor, dass der Leihbuchhändler mindestens 1.000 Kunden und 150 Verleihungen pro Tag benötigt, um schwarze Zahlen schreiben zu können – Bedingungen, die nur ein sehr kleiner Teil der Neugründungen erfüllte. 26 Vgl. Birnbach: Die neuzeitliche Leihbücherei. Birnbachs praktische Anleitung zur Einrichtung, Organisation und Führung einer Leihbücherei enthält u. a. ein »Verzeichnis der für Leihbüchereien wichtigsten Verleger sowie ein Verzeichnis der wichtigsten Grossisten«.
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Ein Hauptmerkmal der neuzeitlichen Leihbücherei ist im Konzept der »pfandlosen Verleihung« zu sehen. Zwar waren auch schon traditionelle Unternehmen vereinzelt davon abgegangen, von ihren Kunden die Hinterlegung einer Pfandgebühr zu verlangen bzw. beschränkten sie auf Fälle, in denen überdurchschnittlich wertvolle Bücher ausgeliehen wurden. Der neue Typus verzichtete grundsätzlich auf Kautionszahlung und ging damit gleichzeitig auch vom Abonnementsystem ab; es ging jetzt vorrangig um die BeAbb. 2: Vorschlag für eine »wirkungsvolle« Schaufensterwerbung. Aus: Hannemann, Wal- dienung von Laufkundschaft, der die demar: Etwas über Schaufensterdekoration. Bücher gegen die bloße Vorlage eines In: Die Zeitschrift der Leihbücherei 1932, Ausweises ausgefolgt wurden. Zu bezahlen war üblicherweise eine WochenNr. 1, S. 4 f. leihgebühr von 10 – 20 Pf. je Buch, wobei den Marktgesetzen entsprechend die Verdichtung der Leihbücherei-Szene und steigende Konkurrenz Druck auf die Verleihpreise ausübten; 1931 waren vielfach noch 30 Pf. verlangt worden, ein Jahr später wurden immer mehr 10 Pf.-Serien eingeführt, für Sonderangebote konnte die Gebühr bis auf 1 Pf. absinken. Es versteht sich, dass die Benutzung der neuzeitlichen Leihbücherei auf diese Weise deutlich billiger kam als die traditionellen buchhändlerischen Leihbibliotheken, die oft 10 Pfennig für den Tag berechneten oder für das Monatsabonnement 2,- bis 4,50 Mark verlangten, was je nach Inanspruchnahme nicht einmal ungünstig gewesen sein mag, aber als Einmal-Betrag von Arbeitslosen nicht aufgebracht werden konnte. Zu den weiteren Merkmalen der Modernen Bücherverleihe gehörte, dass die Bücher – nicht zuletzt wohl aus Kostengründen – konsequent nicht im charakteristischen, verschleißresistenten Leihbibliothekseinband, sondern im Originalverlegereinband eingestellt wurden; den Verlegern wurde daher nahe gelegt, stets einen zweiten Schutzumschlag mitzuliefern. Vor allem aber spiegelte sich das »Neuzeitliche« des rasch um sich greifenden Typus in der Zusammensetzung der Bestände. Franz Schriewer analysierte 1932/33 exemplarisch den von der Grossobuchhandlung Arthur Cassirer in Berlin herausgebrachten Spezialkatalog für Leihbüchereien,27 der im Reichs-Nachrichtenblatt der Buchverleihe den Lesern als Referenzwerk empfohlen wurde, als ein »sehr nützliches Nachschlagewerk, das eine genaue Übersicht über alle für Leihbibliotheken in Frage kommenden Bücher gibt und den Bibliothekar über die Preise informiert.«28 Der Spezialkatalog umfasste 3713 Titel, die von Schriewer einzelnen Genres zugeordnet wurden, mit folgenden Resultaten: 27 Spezialkatalog für Leihbüchereien, Arthur Cassirer, Berlin, Verlag und Großbuchhandlung, Einkaufszentrale für Leihbüchereien. Berlin (1932). 28 Schriewer: Kampf den Leihbüchereien, S. 6.
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Tabelle 2: Das Bücherangebot der Fa. Arthur Cassirer nach Genres Liebesromane (leichte Literatur) Bessere Unterhaltungsromane (Gute Literatur) Sittenromane Historische Romane Kriminalromane Abenteuer-Romane und Reisebeschreibungen Sexual-Werke Politische, soziale und Kriegsliteratur Humoristische Werke
765 606 336 69 455 968 81 328 105
20,6 % 16,3 % 9,1 % 1,8 % 12,2 % 26,0 % 2,2 % 8,9 % 2,9 %
Die Ergebnisse wurden von dem Volksbibliothekar Schriewer als »niederschmetternd« bewertet – ohne noch »die Üppigkeit nachzuweisen, mit welcher einzelne minderwertige Autoren in ganzen Reihen gedeihen«. Schließlich sei auch von den »Sittenromanen« zu vermuten, dass unter dieser Bezeichnung im Wesentlichen erotische Literatur angeboten wurde: »Wer die Praxis der Ausleihe in den Leihbüchereien kennt, weiß, daß das Geschäft hiervon zu einem guten Teil abhängt.«29 Bezeichnend dafür seien Werbeanzeigen wie etwa jene aus dem Reichs-Nachrichtenblatt der Buchverleihe: »Was wird in modernen Leihbüchereien am meisten gelesen? Sexualliteratur. Woran verdienen sie am meisten? Nur an Sexualliteratur. […] Ein Probewerk ›Abarten des Geschlechtslebens‹ 4.50 RM netto.« In der Tat dürften auch wissenschaftliche oder sich wissenschaftlich gebende »Sexual-Werke« eine wichtige Rolle im Bücherangebot und den Ausleihziffern der neuzeitlichen Leihbüchereien gespielt haben, zumal für sie (wie z. B. auch für erotische Romane, etwa jene Pitigrillis) oft wesentlich höhere Leihgebühren erhoben wurden. Im Begriff der »Neuzeitlichen Leihbücherei« scheint gerade auch diese Offenheit gegenüber der Welt des Eros mitzuschwingen.30
Das Verhältnis zum Volksbildungs- und Volksbüchereiwesen Genau an diesem Punkt fanden die Spannungen zwischen den gewerblichen Leihbüchereien und dem Volksbüchereiwesen seit Anfang der 1930er Jahre neue Nahrung. Der Widerstand der Volksbibliothekare, die in lesepädagogischer Absicht stets zum ›wertvollen Buch‹ hinführen wollten, hatte sich schon seit langem auf die von den Leihbüchereien verbreitete minderwertige »Schmutz- und Schundliteratur« und die dadurch geförderte Verwilderung der Moral gerichtet. Jetzt war ihnen die von den Leihbüchereien offensiv, oft sogar frontal, d. h. mit dem Titelblatt nach vorn angebotene »Sexualliteratur« ein besonderer Dorn im Auge – wobei als Beispiel auch schon einmal Irmgard Keuns Ro-
29 Schriewer: Kampf den Leihbüchereien, S. 7. 30 Dazu passt jedenfalls, dass der »Neuzeitliche Buchverlag« in Berlin den Leihbüchereien u. a. »Sensationspreise für erotische Bücher« anbot und ein Probepaket mit 14 neuen Büchern bereitstellte (Die Zeitschrift der Leihbücherei, Heft 5 vom 10. März 1932, S. 16).
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Abb. 3: Die zeitgenössische Grafik belegt, dass die »neuzeitlichen Leihbüchereien« einen Lektürebedarf befriedigten, der vom Volksbüchereiwesen nicht gedeckt werden konnte. Aus: Schriewer: Kampf den Leihbüchereien, S. 8. man Das kunstseidene Mädchen herhalten musste.31 Sicherlich war der Vorwurf nicht ganz unberechtigt, das angeblich »ernste Interesse« des Publikums »für die intimen Vorgänge des Lebens« werde zur Bemäntelung spekulativer Absichten vorgeschoben. Den Leihbüchereien wurde aber noch mehr zur Last gelegt, nämlich eine Fixierung ihrer Leserschaft auf die jeweils aktuellen »Schlager des Büchermarktes« und auf einen Sensationalismus, der dem Bildungsprinzip und der Kulturaufgabe, der sich die Volksbüchereien verpflichtet sahen, diametral entgegen laufe und ihre Aufbauarbeit zu zerstören drohe.32 Denn die Verlage stellten sich immer mehr auf diesen Absatzmarkt ein; die Räume für seriöse Schriftsteller verengten sich dadurch, »Literatur auf Bestellung« sei das Ergebnis. Schriewer glaubte, diese verheerende Entwicklung mit einem Vergleich zwischen dem Katalog Arthur Cassirers und den Ausleihbeständen der Städtischen Öffentlichen Bücherei Flensburg belegen zu können; danach hätten der Katalog mit seinen rund 3.700 Titeln und die Städtische Bibliothek in Flensburg mit 12.700 Büchern nur 355 Werke gemeinsam.33 Die wissenschaftlich-belehrende Literatur, die in der letzteren mit 9.620 Werken faktisch zwei Drittel des Bestandes ausmache, fehle bei Cassirer fast zur Gänze. Auch wenn die Aussagekraft des Vergleichs mit Recht in Frage gestellt worden ist:34 Die geringe Schnittmenge zeigt ganz klar, wie sehr sich die Sphären auseinander 31 Schriewer: Kampf den Leihbüchereien, S. 10. – Für weitere Belege zu dieser Konfrontation vgl. Kast: Der deutsche Leihbuchhandel, S. 182 –185. 32 Schriewer, S. 10 f. 33 Vgl. Schriewer, S. 8. 34 Vgl. Kast: Der deutsche Leihbuchhandel, S. 183.
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entwickelt hatten und dass die beiden Institutionen inzwischen ein unterschiedliches Publikum mit ebenso unterschiedlichen Lektürebedürfnissen bedienten. Der Erfolg der Modernen Leihbücherei beruhte letztlich darauf, dass sie sich strikt an der konkreten Nachfrage ihres Publikums orientierte; Bildungsambitionen wurden allenfalls noch zur gelegentlichen Verbrämung ihrer Geschäftsinteressen bekundet.
Organisatorische Bestrebungen Indessen war das Leihbibliothekswesen jener Jahre keineswegs eine in sich geeinte Bewegung, die nur der Kritik von außen ausgesetzt gewesen wäre. Im Gegenteil brachen sehr bald nach dem Auftreten der Modernen Leihbücherei interne Konflikte auf – unvermeidlicherweise, denn der traditionelle Leihbuchhandel sah sich ob der raschen Ausbreitung eines konkurrierenden Geschäftsmodells in seiner Existenz bedroht. Zusammenschluss und gemeinsamer Kampf gegen diese Bedrohung schienen das Gebot der Stunde zu sein. Bereits am 29. Oktober 1929 war es unter Führung von Willy Fischer zur Gründung des Schutzverbands Groß-Berliner Leihbuchhändler e. V. gekommen, der – abgesehen von den üblichen Formen der gemeinsamen Interessenvertretung – für eine Mitgliedschaft bestimmte Voraussetzungen (wie eine Mindestzahl von 100 Bänden) festsetzen wollte, um so die aufkeimende Welle der Kleinst- und AuchLeihbüchereien einzudämmen.35 Dem Verein war aber kein Erfolg beschieden, ebenso wenig wie einem 1931 entstandenen Verein Kölner Leihbibliothekare. Eine entschieden andere Zielsetzung verfolgte die am 16. November 1931 errichtete Schutzgemeinschaft der Leihbüchereien Groß-Hamburgs, die dem Missbrauch des pfandlosen Systems für Bücherdiebstähle mittels einer Schwarzen Liste entgegen treten wollte. Größere Einflussmöglichkeiten auf die eigene Branche durften sich die »regulären« Leihbuchhändler von vornherein eher von der Bildung überregionaler Vereinigungen versprechen. Früher Ausgangspunkt solcher Bestrebungen war der Schutzverband Groß-Berliner Leihbuchhändler, der sich als Wegbereiter einer Reichsvereinigung verstand und im Spätsommer 1931 ein Organ ins Leben rief, das als ein Instrument zur Beförderung des weiteren Zusammenschlusses dienen sollte. Entsprechend dieser Zielsetzung kam am 5. Januar 1932 das erste Heft der 14-täglich erscheinenden Zeitschrift der Leihbücherei heraus, am 2. März 1932 folgte dann die offizielle Gründung des Reichsverbands Deutscher Leihbüchereien e.V. mit Sitz in Berlin. Dem Reichsverband sollten zunächst Ortsgruppen und Gauvereinigungen korporativ beitreten; sofern solche nicht bestanden, war eine Einzelmitgliedschaft möglich. Kennzeichnend war, dass »Großhändler und deren Vertreter, sowie Einrichter von Leihbüchereien« von der Aufnahme in den Verband oder eine seiner Gliederungen ausgeschlossen waren und dass insbesondere dem ›Schmutz und Schund‹ der Kampf angesagt werden sollte. Eine Delegiertentagung am 15. Mai 1932 bedeutete einen weiteren Schritt in Richtung einer organisatorischen Festigung.36 Als Vertretung der ›soliden‹, häufig mit Buchhandlungen verbundenen Leihbibliotheken machte der Reichsverband Front gegen den Zuzug uner35 Vgl. hierzu und zum Folgenden Kast: Der deutsche Leihbuchhandel, S. 185 –194. 36 Ein parallel zu diesen Bestrebungen, mit Datum vom 14. Dezember 1931 in Breslau entstandener »Reichsbund Deutscher Leihbüchereien« schloss sich später dem Reichsverband an. Keinerlei Bedeutung erlangte auch der Ende 1931 in München gegründete Verein Deutscher Leihbibliothekare e. V.; vgl. Kast, S. 192 f.
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wünschter Elemente; er hatte die feste Absicht, die »Leihbüchereipest« in allen Formen zu bekämpfen. In den Grossisten sah man die Hauptverantwortlichen für die Verbreitung von Schmutz und Schund; in der Geschäftemacherei der Einrichter erkannte man die Hauptursache für die explosionsartige Vermehrung der Leihbüchereien. Um von seinen Mitgliedern Schaden durch Überhandnehmen der Konkurrenz abzuwenden, strebte der Reichsverband (nach dem Vorbild Österreichs) die Einführung eines Konzessionszwangs an und suchte diesen im Zusammenwirken mit staatlichen Behörden zu erwirken; eine entsprechende Denkschrift wurde dem Reichswirtschaftsministerium im April 1933 vorgelegt.37 Zuvor aber war die Frage der Konzessionspflicht 1932 in der Mitgliederzeitschrift diskutiert worden.38 In der Gegenüberstellung von Pro- und Contra-Argumenten wurden als mögliche positive Wirkungen die Verhinderung weiterer Neugründungen, die Beseitigung »ungesunder Betriebe« bei nachträglicher Anwendung, die erfolgreiche Bekämpfung gewissenloser Einrichter, die Erhöhung des Ansehens des Gewerbes und allgemein die Verminderung der Konkurrenz angeführt. Gegen die Konzession sprächen prinzipiell die Einschränkung der Gewerbefreiheit und die Unterwerfung unter polizeiliche Kontrolle, die möglicherweise einschneidenden Vergabebestimmungen, eine höhere Besteuerung und das damit verbundene Verbot des Verkaufs von Büchern. Das Thema sollte sich sehr bald, nach der nationalsozialistischen Machtübernahme und der Errichtung der Reichskulturkammer mit ihren Maßnahmen zur Schrifttumsorganisation und Berufsstandkontrolle, als obsolet erweisen. Ähnliches gilt auch für die – in der Sache zukunftsweisende – Vereinbarung über die Zahlung von Lizenzgebühren, eines »Bibliotheksgroschens«, an die Autoren, die nach längeren Verhandlungen vom Reichsverband mit dem Schutzverband Deutscher Schriftsteller am 6. März 1933 vertraglich vereinbart worden war.39 In dem relativ kurzen Zeitraum seines Wirkens vor 1933 sah sich der Reichsverband noch dem Störfeuer durch einen Reichsverband der Buchverleihe ausgesetzt, von dessen Existenz die Öffentlichkeit über das Reichs-Nachrichtenblatt der Buchverleihe erfuhr, dessen erste Nummer im März 1932 erschien. Im Widerspruch zur Selbstdarstellung als »neutrale, allgemeine Zeitung für die gesamte Branche« trat das Nachrichtenblatt als offizielles Organ des Reichsverbands der Buchverleihe auf, der allerdings ein Phantom blieb. Es handelte sich um eine Scheingründung zur Verkaufsförderung des Reichs-Nachrichtenblatts und beruhte auf einem Manöver des größten Berliner Leihbuchhändlers und Einrichters Eduard Amphlett.40 Bereits im September 1932 wurde das Blatt, das in einer monatlichen Auflage von 17.000 erschienen sein soll, von dem Buchhändler und Leihbibliothekar Rudolf Birnbach übernommen und erlebte unter dessen Redaktion noch bis Ende 1933 eine Blütezeit, insofern es Die Zeitschrift der Leihbücherei an Niveau übertraf. Eine besondere Note gewann die Blattlinie durch eine vergleichsweise größere Nähe Birnbachs zu Positionen des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. 37 Vgl. Schriewer: Kampf den Leihbüchereien, S. 4. 38 Vgl. Gründe für und gegen die Konzession. In: Die Zeitschrift der Leihbücherei, Heft 14, 1932, S. 2 f. 39 Vgl. Kast: Der deutsche Leihbuchhandel, S. 199 –203; sowie Ernst Fischer: Der Schutzverband Deutscher Schriftsteller 1909 –1933. Frankfurt a. M.: Buchhändler-Vereinigung 1980, Sp. 435 –438. 40 Vgl. Kast, S. 189 –192.
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Verhältnis zum Buchhandel Das Verhältnis zwischen dem Leihbibliothekswesen und dem Buchhandel war immer schon ambivalent, denn zum einen unterhielten nicht wenige Buchhändler selbst Buchleihabteilungen, zum anderen wurden die Leihbüchereien vom regulären Buchhandel als geschäftsschädigende Konkurrenz gesehen. Mit der exorbitanten Zunahme der Leihbüchereibetriebe und der Forcierung des Novitätenangebots seit 1930 vertieften sich die Fronten nur noch mehr. Bezeichnend für die Ängste, die dieser plötzliche Boom beim Buchhandel weckte, war ein Artikel im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, in welchem es im Juli 1931 – lange bevor dieser Aufschwung seinen Zenith erreichte – hieß: »Es ist gar keine so große Utopie, sich auszumalen, daß der größte Teil des Lesebedarfs aller Deutschen durch Ausleihe aus Bibliotheken gedeckt wird.«41 Rudolf Birnbach bemerkte dazu im Reichs-Nachrichtenblatt der Buchverleihe lapidar: »Diese Utopie ist inzwischen zur Wirklichkeit geworden. […] Das private Leihbüchereiwesen hat einen Aufschwung genommen, dem der Buchhandel zum großen Teil noch fassungslos gegenüber steht.«42 Ohne Frage konnte man seitens der Leihbibliothekare den aktuellen Entwicklungen mit größerer Gelassenheit gegenüberstehen als etwa der Vorsteher des Börsenvereins Friedrich Oldenbourg, der sich auf der außerordentlichen Hauptversammlung am 1. Mai 1932 zum Thema »unlauterer Wettbewerb« durch die Leihbüchereien in recht drastischen Worten geäußert hat.43 Die Verhältnisse hätten sich in den Großstädten in geradezu katastrophaler Weise zugespitzt, durch zahllose »Bananenläden«, in denen in unverantwortlichster Weise Schund- und hauptsächlich »Sexualliteratur« angeboten werde; ein kleiner Bestand an ernsthafter Literatur sei nur ein »Mäntelchen«. Geschäftlich handele es sich um eine große Gefahr, insofern die Läden anfingen, ihre Ware antiquarisch zu verkaufen; damit gestalteten sie sich nach und nach zu Buchhandlungen um, die dem »ordnungsgemäßen Buchhandel« Konkurrenz machten. Oldenbourgs Äußerungen wurden in der Zeitschrift der Leihbücherei durchaus zustimmend kommentiert; Leihbüchereien, die Schmutz und Schund verbreiten, passten ins Leihbüchereigewerbe »wie ein faules Blatt in eine gesunde Baumkrone«. In die Kritik mit einbezogen werden sollten dann aber auch die Verleger, die durch Erzeugung von Schmutzliteratur solche Zustände erst möglich machten, ebenso die Zwischenhändler.44 Aus der Sicht des Leihbüchereigewerbes gab es für den deutschen Buchhandel wenig Grund für eine derart tiefe Ablehnung und Feindschaft: Der Bücherverkauf leide in Wirklichkeit kaum, denn viele Bücher würden prinzipiell gekauft und nie ausgeliehen, andere würden in jedem Fall nur ausgeliehen.45 Auch habe sich die Branche deshalb so vermehrt, weil der Lesehunger durch Buchkauf einfach nicht zu stillen gewesen sei. Aber nicht nur das Publikum sei auf die Leihbüchereien angewiesen, sondern auch und 41 »Zur Zukunft des deutschen Buchmarkts«, zit. n. Reichs-Nachrichtenblatt der Buchverleihe, Nr. 8 vom Oktober 1932, S. 1. 42 [Rudolf Birnbach]: Die Leihbücherei am Scheidewege: Reichs-Nachrichtenblatt der Buchverleihe, Nr. 8, Oktober 1932, S. 1. 43 Eine Äußerung des ersten Vorstehers des Börsenvereins. In: Die Zeitschrift der Leihbücherei 1932, S. 16. 44 Diese Positionen vertrat Birnbach auch in seinem Ratgeber Die neuzeitliche Leihbücherei (vgl. S. 6 u. 11 f.) 45 Vgl. Die wirtschaftliche Bedeutung des Buchverleihgewerbes. In: Reichs-Nachrichtenblatt der Buchverleihe, Nr. 2 vom April 1932, S. 3.
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erst recht die Verlage. Diese sollten daher die Leihbibliotheken nicht als Kunden zweiter Ordnung behandeln, sondern ihnen vielmehr die günstigsten Konditionen einräumen. Die Begründung wurde in einer Berechnung zur ökonomischen Dimension der von den Leihbüchereien aufgenommenen Buchproduktion geliefert. Dabei wurde der gesamte Bücherbestand mit 20 Millionen Bücher im Einkaufswert von 30 – 50 Millionen Mark angenommen. Weiter wurde berechnet, dass jeder Leser 6 bis 8 Bücher im Monat konsumiert; wenn jedes Buch durchschnittlich hundertmal verliehen wird, ergebe das einen Gesamtverbrauch der Leihbibliotheken von 600.000 Büchern monatlich.46 Da es rund 600 Verlage gebe, aus denen die Leihbücherei-Bücher stammten, so kämen auf jeden von ihnen 1.000 Bücher im Monat. Fraglich bleibt, wieweit von diesem in der Tat beachtlichen Bücherbedarf das traditionelle Verlagswesen profitieren konnte oder ob nicht auch in diesem Bereich ein Spezialsegment entstanden war.47 Den Werbeanzeigen in den Leihbücherei-Organen lassen sich die Namen der Verlage entnehmen, die sich als Partner für die Grossisten, die Einkaufszentralen und die Leihbibliotheken selbst anboten, wie im Reichs-Nachrichtenblatt der Buchverleihe der Rot-blau Verlag, der Eden-Verlag, die Universitas Deutsche Verlags A. G. (alle Berlin) oder die Union deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart. In der Zeitschrift Die Leihbibliothek tauchen bei den Anzeigen auch die Namen von Brockhaus, S. Fischer, Bruno Cassirer, R. Voigtländer oder Knorr & Hirth auf, ebenso aber die kaum bekannten von Oskar Meister (Werdau in Sachsen), Schliedden (Berlin), Heim Verlag (Berlin) oder Josef Singer und Karl Voegels, beide mit ganzseitigen Anzeigen und eigenen Katalogen. In der Zeitschrift der Leihbücherei warb der Leipziger Verlag Munz & Co. (offenbar zusammengehörig mit Gustav Weise) für Frauen-, Liebes- und Gesellschaftsromane und durfte sich über die redaktionelle Empfehlung freuen, wonach diese »in Inhalt und Ausstattung in glücklicher Weise auf den Geschmack des Leihbüchereipublikums abgestellt« seien.48 Längst also hatten einzelne Verlage ihre Produktion ganz gezielt auf diesen Markt zugeschnitten. Hierin finden die Krise und der Funktionswandel der Leihbibliothek noch einmal ihren zeitgemäßen Ausdruck: War die klassische Leihbibliothek im 19. Jahrhundert noch die bedeutendste Institution für die Vermittlung der aktuellen Belletristikproduktion der renommiertesten Autoren und Verlage, so mutierte sie am Beginn der 1930er Jahre mit dem Auftreten der Modernen Leihbücherei zu einem in sich geschlossenen System der Distribution von eigens produzierter Unterhaltungs- und Schemaliteratur, das von der »regulären« Literaturproduktion nur noch einen relativ geringen Teil aufnahm. Dass der traditionelle Buchhandel versuchen würde, sich bei erster sich bietender Gelegenheit dieses moralisch wie ökonomisch untragbaren Konkurrenten zu entledigen, war nach Lage der Dinge zu erwarten. In Punkt 9 des berüchtigten ›Sofortprogramms des deutschen Buchhandels‹ forderte der Vorstand des Börsenvereins im April 1933 denn auch von den neuen Machthabern »Maßnahmen gegen die ungesunde und volksschädigende Ausbreitung der sogenannten modernen Leihbibliotheken und die Verweigerung der Konzessionserteilung an neue Betriebe während einer geraumen Zeit.«49 46 Die wirtschaftliche Bedeutung des Buchverleihgewerbes. In: Reichs-Nachrichtenblatt der Buchverleihe, Nr. 2 vom April 1932, S. 3. 47 Dieser Bereich ist derzeit noch unzureichend erforscht; vgl. hierzu die Darlegungen von Kast: Die deutsche Leihbuchhandel, S. 199, Fn. 52. 48 Die Zeitschrift der Leihbücherei, Jg. 1932, H. 1 vom 5. Januar. 49 Börsenblatt 100 (1933) 101, S. 321 f.
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Lesezirkel Das Verleihen von periodisch erscheinenden Druckschriften gegen Entgelt50 repräsentiert eine Form der Lesestoffvermittlung, die geschichtlich eng mit der Leihbibliothek und dem Buchhandel verknüpft ist. Der an eine Leihbücherei oder eine Buchhandlung angeschlossene Zeitschriften-Lesezirkel verkörperte im 19. Jahrhundert das standardmäßig praktizierte Modell; von den am Ende des Säkulums bestehenden rund 1.200 Lesezirkeln waren mehr als 1.000 solche Nebenbetriebe. Um die Wende zum 20. Jahrhundert emanzipierte sich der Lesezirkel in gewerblicher Hinsicht, und 1940 gab es bereits mehr LesezirkelHauptbetriebe (400) als Nebenbetriebe (384).51 Auf organisatorischer Ebene fand diese Verselbständigung ihren Ausdruck in der am 16. Mai 1908 in Leipzig erfolgten Gründung des Verbands der Besitzer deutscher Lesezirkel. Zwar dauerte es, bis dieser nach dem Ersten Weltkrieg wieder zu einer Hauptversammlung zusammentrat (1925); in der Folgezeit gelang es ihm erst nach Überwindung einer Krisenzeit seinen Fortbestand zu sichern und branchenpolitische Wirksamkeit zu entfalten. Ein Verbandsorgan existierte seit 1908, zunächst unter wechselnden Titeln, seit 1926 als Der Lesezirkel – als selbstbewusstes Signal, dass man sich inzwischen als selbständiger Berufszweig sah, nicht mehr als Anhängsel anderer Sparten.52 Nach den Hauptversammlungen 1926 in Hamburg und 1927 in Berlin, die sich u. a. mit der Frage der Abonnentenversicherung in Verbindung mit der Lesemappe befassten und eine Namensänderung in Deutscher Lesezirkelverband e. V. beschlossen, versandete die Verbandstätigkeit, und auch das Verbandsorgan stellte sein Erscheinen ein. Das Jahr 1930 brachte jedoch eine Wende, zunächst durch Errichtung eines Verbandsbüros (die Geschäftsstelle war schon 1911 nach Hamburg verlegt worden) und der Einsetzung von Wilhelm Carlsson als Geschäftsführer. Inzwischen hatte sich ein Gegenverband gebildet, die Berufsgemeinschaft Deutscher Lesezirkel, die sich allerdings 1932 wieder auflösen sollte, nicht zuletzt, weil das Ansehen des alteingesessenen Verbandes inzwischen wieder hergestellt werden konnte. Nach seiner auf der Hauptversammlung im Oktober 1930 erfolgten Umbenennung in Reichsverband der Deutschen LesezirkelBesitzer e. V. sowie der Annahme einer neuen Satzung und einer neuen Schiedsgerichtsordnung waren die Weichen für eine positive Weiterentwicklung gestellt. Bereits innerhalb eines Jahres waren erste Erfolge zu verzeichnen, u. a. durch Gründung von Bezirksgruppen und durch verstärkte Vortragstätigkeit, sodass auf der Hauptversammlung 1931 in Bremen wieder eine »ansehnliche Mitgliederzahl« gemeldet werden konnte.53 1932 fanden im Anschluss an die in Frankfurt am Main abgehaltene Hauptversammlung Verhandlungen mit den Verlagen über »Vertriebsbestimmungen für Lesezirkel« statt. Diese brachten eine völlige Neuordnung des Gewerbes mit sich – ein bemerkenswerter Kraftakt aller Beteiligten. Anfang 1933 wurden die Bestimmungen allen Lesezirkeln als verbindlich mitgeteilt: über den Umfang der Mappen, die Mietzeit, die Mietpreisberechnung, den Verpflichtungen gegenüber den Verlagen, der Verfahrensweise bei Streitfällen u. a. m.54 50 51 52 53 54
Juristisch betrachtet handelt es sich, wie beim Buchverleih, eigentlich um ein Mietgeschäft. Felske: Geschichte der deutschen Lesezirkel, S. 26. Carlsson: Geschichte des Verbandes Deutscher Lesezirkel, S. 39. Carlsson, S. 40 f. Vgl. Carlsson, S. 41.
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Beispiel für Leihpreisberechnung: Die Leihzeit beträgt eine Woche, und zwar auch für monatlich und 14-tägig erscheinende Zeitschriften. Als Stichtag für die Alterseinteilung jeder Zeitschrift gilt der Donnerstag nach der Verlagsauslieferung der Zeitschrift. Mappenzusammenstellungen nach der Auswahl des Abonnenten aus der Auswahlliste. Auf Grund des vom Verlag für die einzelne Zeitschrift jeweils festgesetzten Ladenpreises ist der Leihpreis nach folgender Skala zu errechnen: Klasse 1 Klasse 2 Klasse 3 Klasse 4 Klasse 5 Klasse 6 Klasse 7 Klasse 8 Klasse 9
neu 1 Woche alt 2 Wochen 3–4 Wochen 5–7 Wochen 8–10 Wochen 11–14 Wochen 15–19 Wochen über 19 Wochen
50 % 36 % 30 % 25 % 20 % 16 % 13 % 10 % 8%
Nach: Vertriebsbestimmungen für Lesezirkel, in Kraft getreten am 1. Juni 1933. Heller: Lesezirkel im 20. Jahrhundert, Anhang. ….. Die Entwicklung des Geschäftszweigs selbst verlief nicht immer parallel zur Geschichte seiner Interessenvertretung; organisatorischem Stillstand standen oft bewegte Phasen in den Unternehmen gegenüber. So erwiesen sich die Jahre nach dem Krieg für die Lesezirkel als relativ günstig; durch die gestaffelten Preise für die bis zu 10 »Klassen« umfassenden Leihpreise konnten sie den Lesehunger aller sozialen Schichten stillen. Zwar führte die Hyperinflation zu beträchtlichen Problemen, doch stieg dann ab 1924, nach der Stabilisierung der Währung, aufgrund der guten Verdienstaussichten die Zahl der Lesezirkel deutlich an, ebenso die Zahl der Erstmappen, die einen Maßstab für den Geschäftserfolg bilden. Der Gründungsboom wurde durch Handreichungen wie die 1927 erschienene Anleitung zur Errichtung und zum Betriebe eines Zeitschriften-Lesezirkels unterstützt.55 Dieses Anwachsen der Betriebszahlen hatte in den Augen der ›zünftigen‹ Lesezirkel-Betreiber aber auch unerwünschte Folgen: »Leider wurde mit dieser Konjunktur das Gewerbe auch durchsetzt mit vielen Nichtkönnern und unzuverlässigen Personen, die in der Preisschleuderei und der Kundenabwerbung ihre eigentliche Berufstätigkeit sahen.«56 Aus diesem Grund kam es im Verband der Besitzer deutscher Lesezirkel (der sich ursprünglich die Vertretung der Interessen der Lesezirkel-Betreiber gegenüber dem Verein von Verlegern deutscher illustrierter Zeitschriften auf die Fahnen geschrieben hatte) schon 1927 und 1929 mit Verlegerunterstützung zum Abschluss erster branchen55 Schon von 1917 stammte Pfau: Die Einrichtung einer Leihbibliothek mit Lesezirkel. 56 Carlsson: Geschichte des Verbandes Deutscher Lesezirkel, S. 39. Carlsson setzte hinzu: »Erst in den dreißiger Jahren konnte sich das Gewerbe von manchen unverbesserlichen ›Kollegen‹ befreien.« Es ist zu vermuten, dass er hier vom Zeitraum ab 1933 spricht.
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interner Vereinbarungen, in denen die geltenden Handelsusancen verbindlich formuliert wurden.57 Die verschärften Konkurrenzverhältnisse beförderten allerdings auch den Einfallsreichtum der Unternehmer; so etwa wurde die Palette der Mappen (Wahlmappen, Festmappen etc.) immer größer, unter anderem wurde nun der Typus der ›RomanMappen‹ wiederentdeckt. Entdeckt wurde auch, wie sehr sich die Lesemappen als Werbeträger eigneten: Die Papp-Umschläge boten sich zum Bedrucken mit Werbebotschaften an, in die Mappen konnten auch Werbedrucksachen eingelegt werden. Hinsichtlich der Füllung der unterschiedlichen Mappentypen wirkte sich auch die in der Weimarer Zeit aufblühende Illustrierten- und Magazinszenerie ausgesprochen positiv aus. Die Zeitschriften, welche die Aufnahme in die Mappen der Lesezirkel schafften, konnten mit einem Popularitätsschub und stabilen Auflagenziffern rechnen.
Beispiele für die Zusammensetzung von Lesemappen in verschiedenen Städten Deutschlands (um 1926): Erstmappe in Hamburg mit 7 Zeitschriften zum Wochenpreis von 1, 30 RM: Welt und Haus Die Gartenlaube Die Woche Berliner Illustrierte Zeitung
Für’s Haus oder Häuslicher Ratgeber Reclams Universum oder Romanzeitung Fliegende Blätter oder Meggendorfer Blätter
Erstmappe in München mit 8 Zeitschriften zum Wochenpreis von 2,50 RM: Welt und Haus Die Gartenlaube Die Woche Berliner Illustrierte Zeitung
Simplicissimus Leipziger illustrierte Zeitung Fliegende Blätter Jugend
Erstmappe in Köln mit 12 Zeitschriften zum Wochenpreis von 2,60 RM: Welt und Haus Die Gartenlaube Die Woche Berliner Illustrierte Zeitung Reclams Universum Lustige Blätter
Meggendorfer Blätter Blatt der Hausfrau Deutsche Filmwoche Hamburger illustrierte Zeitung Gesellschaft und Leben Daheim
Nach Felske: 75 Jahre Lesezirkel, S. 112.
Gewinner in dieser Konkurrenzsituation waren hauptsächlich die HauptbetriebsLesezirkel, weil sie gleichsam alle Register des ökonomischen Wettbewerbs ziehen konnten. Preisunterbietung, Erhöhung des Mappenumfangs, Kunden- und Botenabwer57 Felske: Geschichte der deutschen Lesezirkel, S. 31.
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bung58 gehörten zu den wenig rücksichtsvollen Strategien, mit denen die Hauptbetriebe ihre schwächeren Konkurrenten vor Ort aus dem Rennen zu bringen suchten; die noch bestehenden Sortiments-Lesezirkel gerieten folgerichtig immer mehr in Bedrängnis. Es zeigte sich, dass sich Nebenerwerbs-Lesezirkel prinzipiell kaum noch gewinnbringend betreiben ließen: Eine Ausnützung des Lebenszyklus der Lesemappen bis zur Altpapierreife war im Rahmen dieser Betriebsform nicht möglich; auch konnten die Organisation der Botendienste (Beförderung mit Karre, Fahrrad mit Anhänger oder Pferdefuhrwerk) und andere Serviceleistungen nicht im erforderlichen Umfang betrieben werden, ebenso wenig wie die Kundenwerbung. Die Aufwärtsentwicklung des Gewerbes verlief indes nicht in allen Regionen Deutschlands in gleicher Weise; günstige Entwicklungsbedingungen fanden die Lesezirkel besonders in Hamburg vor, wo 1935 (Zahlen aus den davor liegenden Jahren konnten nicht ermittelt werden) 68 Lesezirkel existierten, die wöchentlich 170.000 Abonnenten bedienten. Nicht vergleichbar entwickelt war die Branche in Groß-Berlin, wo man nur etwa 40.000 Bezieher vermuten durfte.59 Zu diesem Zeitpunkt gab es im gesamten Reich rund 850 Lesezirkel-Betriebe, davon 420 Hauptbetriebe und 430 Nebenbetriebe.60 Die Zahlen am Beginn der dreißiger Jahre dürften sich in ähnlichen Dimensionen bewegt haben. Das Lesezirkel-Verleihgewerbe profitierte in der Zeit der wirtschaftlichen Depression einmal mehr von der weit aufgefächerten Preisstruktur ihrer Mappenangebote und überstand diese Periode besser als etwa der Buchhandel, der (soweit er nicht selbst in diesem Bereich engagiert waren) wie die Leihbüchereien auch die Lesezirkel als höchst unerwünschte Konkurrenz empfand, allein schon weil er durch sie seinen Zeitschriften-Einzelabsatz gefährdet sah. Auch die großen Konzerne wie Ullstein, die ihre eigenen Presse-Vertriebssysteme unterhielten, standen mit den Lesezirkeln in einem Spannungsverhältnis. Umso zufriedener war der Reichsverband der Deutschen Lesezirkel e. V., als er im Juni 1933 sein 25-jähriges Bestehen in Berlin als Gast von Scherl und Ullstein feiern konnte, die sich nun zur Zusammenarbeit bereit zeigten. Wenige Monate später erfolgte allerdings die Eingliederung des Reichsverbandes und aller Lesezirkelbesitzer in die Zwangsorganisation der Reichsschrifttumskammer.61
58 Der Kundenstamm stellte das wichtigste Kapital des Lesezirkels dar. Aber auch der dem Kunden vertraute Bote übte als Bindeglied eine wichtige Funktion im System aus. Abwerbungsversuche bezogen sich daher oft auf die Boten samt deren Kundenstamm. Nicht selten auch machten sich Boten selbständig und suchten die Kundschaft ihres früheren Arbeitgebers zu sich herüberzuziehen. 59 Heller: Lesezirkel im 20. Jahrhundert, S. 58. 60 Heller, S. 71. Quelle: Der Zeitschriften-Verleger 37. Jg., H. 5, 27. Februar 1935, S. 74. 61 Carlsson: Geschichte des Verbandes Deutscher Lesezirkel, S. 42.
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Christine Haug 7.7
Sonderformen des verbreitenden Buchhandels
»Fliegender Buchhandel«, Straßen- und Kioskhandel, Schreib- und Papierwarenhandel Die Tätigkeit des Straßenverkäufers entwickelte sich seit dem Ende des Ersten Weltkriegs allmählich vom nebenberuflichen Erwerbszweig zu einem selbständigen Berufsbild und einer gewerberechtlich geregelten Handelsform, eine Tendenz, die sich allerdings schon in den Vorkriegsjahren abgezeichnet hatte. Bereits 1907 hatten die Straßenhändler einen eigenen Verband sowie eine Fachzeitschrift gegründet, die unter dem Titel Zeitungshändler. Organ der Zeitungs- und Druckschriftenhändler erschien und regelmäßig etwa 700 Straßenhändler über neue Entwicklungen u. a. im Bereich der Gesetzgebung informierte.1 Gleichwohl erscheint die Entstehung des professionellen Straßenhandels als ein modernes Phänomen, das sich nur in Verbindung mit der Wirtschaftslage in der Weimarer Republik, der Inflationszeit, mit der Massenarbeitslosigkeit sowie der Rückkehr eines Heeres von Kriegsinvaliden (1920 betrug der Anteil an Kriegsinvaliden bei 1.221 im Straßenhandel Beschäftigten über 20 %2), aber auch der Expansion des Pressemarkts in den Nachkriegsjahren beschreiben lässt. Der Pressemarkt hatte zwar den Ersten Weltkrieg relativ unbeschadet überstanden, geriet aber während der Nachkriegsjahre in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Zahlreiche kleinere Zeitungen mit Auflagen unter 5.000 Exemplaren mussten ihr Erscheinen einstellen, die ökonomischen Probleme beförderten den Konzentrationsprozess auf dem Pressemarkt. Ein vergleichbares Bild bot sich auf dem Zeitschriftenmarkt. Waren noch 1914 etwa 7.000 Zeitschriftentitel mit einer Jahresauflage von 1,6 Mrd. Exemplaren im Angebot, reduzierten sich die Produktionszahlen bereits während des Krieges und erreichten schließlich 1923 einen Tiefpunkt mit nur noch 3.700 Zeitschriftentiteln.3 Gleichwohl waren Presseprodukte (vor allem im Einzelnummernverkauf) eine Alternative zu den ungleich teureren Büchern. Vor allem die Illustrierte gehörte mit ihrem facettenreichen Unterhaltungsangebot zu den Favoriten an den Bahnhofsverkaufsständen und Straßenkiosken.4 Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen auf dem Pressemarkt muss die steigende Zahl der Straßenhändler in der Weimarer Republik gesehen werden. Zugleich entstanden im literarischen Straßengewerbe eigenständige Unternehmen, die ganze Stadtteile mit Leseware versorgten. Die Einstellung zuverlässiger Mitarbeiter, die Zusammenarbeit mit Subunternehmern, die rasche Belieferung von bis zu dreißig Bücherwagen mit Tagespresse – der Betrieb eines »Bücherkarren-Unternehmens, […] eine Art auf Räder gesetztes Sortiment ohne den Buchhändleraufschlag, gemischt vor allem mit Restauflagenexemplaren und Ramschware, dazu ein bisschen gelegentliches Antiquariat, das der Zufall dem
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Vgl. Ingenkamp: Der großstädtische Straßenhandel, S. 70; Nahnsen: Der Straßenhandel, S. 47 f. Nahnsen: Straßenhandel, S. 53. Vgl. Pürer/Raabe: Presse in Deutschland, S. 69 –74. Vgl. auch Wilke: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, S. 345 –355.
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fliegenden Buchhändler auf den Wagen geweht hat«5, erforderte unternehmerisches Denken und eine professionelle Infrastruktur. Die fortschreitende Professionalisierung des Straßenhandels war in den frühen zwanziger Jahren hauptsächlich in den großstädtischen Zentren wie Hamburg, München (wobei in München der Straßenhandel bis 1908 noch gänzlich verboten war) oder Berlin zu beobachten. In Berlin erschienen seit der Reichsgründung so viele Zeitungen und Zeitschriften wie an keinem anderen Ort in Deutschland; allein aus diesem Grund erwies sich die Reichshauptstadt als ideales Pflaster für die Entstehung eines organisierten, zunehmend professionalisierten Straßenhandels. In kleineren und mittleren Städten dagegen wurden über den Straßenverkauf meist nur sogenannte »Extrablätter« abgesetzt, die über spektakuläre Tagesereignisse berichteten. Doch mit der Expansion des Pressemarkts nach dem Ersten Weltkrieg und der Herausbildung vielfältiger Zeitungs- und Zeitschriftentypen, beispielsweise Sport- und Modezeitschriften, Rundfunk- und Kinojournale, um nur wenige Stichworte zu nennen, wurden jetzt auch Kleinstädte und ländliche Gemeinden verstärkt für Presseartikel und preiswerte Kioskliteratur erschlossen. Die Reklamefeldzüge großer Pressekonzerne und Warenhäuser stimulierten das Konsumdenken und der Ausflug in die Stadt, unterstützt durch die verbesserte Nahverkehrsanbindung mittels Regionalbahnen und Omnibusverkehr, galt als Familienereignis – eine Entwicklung, an der der Straßen- und Kioskhandel nicht unbeteiligt war.6
Gewerberechtliche Stellung des Straßen- und Kioskhandels Die Reichsgewerbeordnung unterschied zwischen »stehendem Gewerbebetrieb« und »Gewerbebetrieb im Umherziehen«, wobei das entscheidende Merkmal des »stehenden Gewerbebetriebs« darin bestand, dass die Straßenhändler an ihrem Wohnort wirkten. Die Gewerbeordnung regelte in den §§ 14 bis 54 die Verkaufszeiten, das Verkaufsangebot und den Verkaufsakt im Straßengeschäft. Der Straßenhandel war in den Großstädten von den üblichen Bestimmungen des Ladenschlusses weitgehend befreit, an Sonn- und Feiertagen sahen sich Straßenhändler sogar in der Lage, ihr Gewerbe von halb sieben bis halb zehn Uhr morgens auszuüben.7 In Berlin schuf die Ortsbehörde die Voraussetzungen für eine freie Entfaltung des jungen Gewerbes, wonach der Straßenhandel »mit Zeitungen, Zeitschriften, warmen Würstchen, Streichhölzern und geringwertigen Gebrauchsgegenständen« außerhalb der regulären Ladenöffnungszeiten handeln durfte.8 Voraussetzung hierfür war allerdings, dass die Händler mindestens sechzehn Jahre alt waren, ihr Warenangebot nur auf eigene Rechnung feilboten und aus Behältnissen verkauften, die sie direkt am Körper trugen, d. h. der Einsatz von Verkaufswagen und mobilen Kiosken war ihnen untersagt. Neben den »fliegenden Händlern« beteiligten sich auch Zeitungsspediteure am Straßengeschäft; es handelte sich um selbständige Zustellfirmen, die den Verkauf von Presseartikeln über ein eigenes Botensystem organisierten.9 5 Brieger: Berliner Bücherkarren, S. 24. 6 Vgl. zum Zusammenhang zwischen Konsumkultur und Lesekultur in der Weimarer Republik insbesondere die Studien von Reuveni: Lesen und Konsum, sowie Reading Germany. 7 Dorn/Vogel: Geschichte des Pressevertriebs, S. 76. 8 Dorn/Vogel, S. 76. 9 Vgl. Dorn/Vogel, S. 65 f.
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Seit 1929 galt für den Berliner Straßenhandel neben der Gewerbeordnung auch die Berliner Straßenordnung, die jetzt konkrete Vorgaben für die äußere Gestaltung der Verkaufsstände, aber auch einen Verhaltenskodex für Straßenhändler formulierte. Dem Verkäufer war es demnach untersagt, Passanten anzusprechen oder in Werbegespräche zu verwickeln; zugleich durften Straßenhändler nur visuell für ihr Warenangebot werben, also mit Plakaten und Aushängen, nicht aber unter Einsatz von Lautsprechern oder Grammophonen. Exakt geregelt waren auch die Standflächen der Straßenhändler, die keine Zugänge zu U-Bahnstationen oder zu Bahnhöfen versperren durften. Großzügigere Regelungen gab es nur für Händler, die ausschließlich mit Tagespresse und Extraausgaben handelten.10 Weit mehr als durch die gewerberechtlichen Regelungen war der Straßenhandel durch das Reichsministerium des Innern in seiner wirtschaftlichen Entfaltung eingeschränkt. Das Augenmerk der zentralen Polizeibehörde richtete sich vor allem auf die Vielzahl an periodischen Druckerzeugnissen des In- und Auslands – formellen Verboten waren insbesondere französische Zeitschriften ausgesetzt, u. a. die französischen Magazine Le Souire oder Paris Plaisir. Aber auch zahlreiche deutsche sexualwissenschaftliche Zeitschriften, z. B. Neue Sexualethik, Neuland der Liebe und Ehe, Die Freundin oder Die Ehelosen und die Eheverbundenen galten der Polizeibehörde als unzüchtige »Machwerke«.11 Die Rechtslage erlaubte es der Polizei jedoch nicht, die gesamte Zeitschrift zu verbieten, sondern lediglich die beanstandeten Einzelnummern aus dem Verkauf zu ziehen. In der Praxis zeigte sich allerdings, dass die fraglichen Ausgaben meist schon verkauft waren, bevor das Verbot wirksam werden konnte. Deshalb verstärkte die Polizei die Prävention und bemühte sich um gesetzliche Regelungen bereits hinsichtlich der Präsentation dieser Zeitschriften an den Kiosken. Denn die Polizeibehörden beobachteten vermehrt, daß gewisse Straßenhändler mit Büchern und Zeitschriften sowie gewisse Buchhandlungen und Mietbüchereien die Aufmerksamkeit des Publikums dadurch auf sich zu lenken versuchen, daß sie Zeitschriften erotischen oder sexuellen Inhalts in auffallender äußerer Aufmachung auf offener Straße oder in Fensterauslagen zur Schau stellen. Dabei werden besonders Schriften benutzt, die auf dem Titelbild nackte Menschen zeigen, und die vielfach reihenweise neben- oder übereinander ausgelegt oder aufgehängt werden.12
Professionalisierungstendenzen im Straßen- und Kioskhandel Mit der verstärkten Praxis des Einzelnummernverkaufs von Presseartikeln (der – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern – mit Aufgabe des staatlichen Anzeigenmonopols in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überhaupt erst möglich geworden war), aber auch vor dem Hintergrund des fortschreitenden Ausbaus des öffentlichen Nahverkehrssystems, etablierte sich in der Nachkriegszeit neben dem »fliegenden Bücherhandel« der Kioskhandel. Dieses Gewerbe bot einerseits den Presseverlagen ein 10 Vgl. Viseur: Der Straßenhandel in Berlin, S. 29 –31. 11 Vgl. Haug: Reisen und Lesen, S. 335. 12 Bekämpfung anstößiger Auslagen. Runderlaß des Ministers des Innern vom 19. Juni 1931.
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neues Betätigungsfeld, andererseits auch dem Verkehrsbuchhandel, der jetzt neben den Bahnhöfen vermehrt Verkaufsstellen an Untergrundbahnstationen, Straßenbahn- und Bushaltestellen einrichtete. Entscheidendes Merkmal des Straßenhandels in der Weimarer Republik war der Übergang vom ambulanten zum stationären Straßenhandel, einhergehend mit einer zunehmend werbewirksameren, damit auch aufwendigeren Gestaltung der Verkaufsstände und Kioske sowie der Herausbildung von Filialsystemen. Zugleich distanzierten sich moderne »Bücherkarren-Unternehmen« zunehmend vom bloßen Büchertrödel, führten insbesondere Buchnovitäten in ihrem Angebot und – eigentliches Novum des Straßenhandels der Weimarer Republik – bekannten sich zum festen Ladenpreis und damit zur buchhändlerischen Verkehrsordnung. Daher sahen die Sortimentsbuchhändler gerade in diesen selbständigen Straßenhändlern eine gefährliche Konkurrenz und warnten Bücherkäufer im Straßenhandel vor übersteigerten Buchpreisen, denn – so die steten Ermahnungen im Börsenblatt – »das Publikum kauft nur in seltenen Fällen vorteilhaft, da die Preise bei alten Werken meist durch eine Art Kettenhandel in die Höhe getrieben worden sind, neue Werke jedoch vom Verlag nur mit der Bedingung zur Einhaltung der vorgeschriebenen Verkaufspreise geliefert werden. Oft läßt es sich nur durch die suggestive Wirkung des Angebots zu Käufen verleiten, die es später bereut«.13 Allein schon wegen dieser Anfeindungen seitens des Sortimentsbuchhandels arbeiteten die Berufsverbände der Straßenhändler mit expliziten Geschäfts- und Verhaltenskodices auf eine Verbesserung des Branchenimages in der Öffentlichkeit hin. Die zunehmende Akzeptanz des Straßenhandels als eigenständiges Gewerbe spiegelt sich schließlich auch in den Angestelltenzahlen: Allein im Jahr 1925 verzeichneten die staatlichen Behörden insgesamt 95.296 Hausier- und Straßenhandels-Betriebe mit 114.462 Beschäftigten.14
Bezugsquellen und literarische Qualität der Kioskware Die Vielfalt des Warenangebots im Straßenhandel erforderte Präsentationsformen, die einerseits der nur sehr begrenzten Auslagefläche an den Verkaufsständen gerecht wurden, andererseits die Leseware optimal zur Schau stellten. Selbst das Börsenblatt zollte dem Straßengewerbe inzwischen Respekt und berichtete über den »neuen Charakter der Wagen«, die – modern und farbenfroh gestaltet – das Straßenbild positiv beeinflussten. Besondere Aufmerksamkeit zogen die sogenannten »Bücherzelte« auf sich: Eine neue, interessante Erscheinung im Berliner Straßenbild sind die fahrbaren Bücherzelte. Auf bunt aufgemalten Karren, die langsam von Straße zu Straße ziehen, wird die neueste Literatur des Buchmarktes angepriesen […]. Durch besondere Farbenfreudigkeit locken diese modernen Bücherkarren ein Publikum an, das sich aus allen Gesellschaftskreisen zusammensetzt. Das wesentliche dieser Neueinrichtung ist, daß nur wirklich wertvolle Bücher feilgeboten und zum vorgeschriebenen Preise verkauft werden, ferner daß die Auswahl eine verhältnismäßig sehr reiche ist.15
13 Börsenblatt 88 (1921) 130, S. 781. 14 Vgl. Nahnsen: Der Straßenhandel, S. 105. 15 Börsenblatt 88 (1921) 82, S. 492.
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Abb. 1: Serienheftliteratur, wie sie im Kiosk- und Straßenhandel besonderen Anklang gefunden hat. Neben gefühlvoller Frauen- und Heimatliteratur bewegte der Dreyfuß-Skandal immer noch die Gemüter. Quelle: Günter Kosch/Manfred Nagl: Der Kolportageroman. Bibliographie 1850 bis 1960. Stuttgart: Metzler 1993.
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Ein stadtbekanntes, anerkanntes »Bücherkarren-Unternehmen« war die »Firma Bücherzelt. Robert Bauer«, die auf ihre einer Sortimentsbuchhandlung vergleichbaren Qualitätsmerkmale verwies, aber auch auf die vergleichbar hohen Kosten, die mit der Führung eines »Bücherkarren-Unternehmens« einhergingen, denn Bücherzelte hatten feste Standorte, hohe Personalkosten durch Beschäftigung seriöser, kenntnisreicher Verkäufer sowie Betriebskosten.16 Der Inhaber der Berliner Bücherwagen G.m.b.H., die 27 Verkaufsstände unterhielt, bezeichnete sich selbst als gelernter Buchhändler und betonte, »ein ganz reguläres buchhändlerisches Geschäft« zu betreiben und »Artikel allererster Verlagshäuser« zu führen: »Schund dürfte auf unseren Wagen wohl schwerlich zu entdecken sein« – so das Credo des Buch- und Straßenhändlers Rothgießer im Börsenblatt Ende Oktober 1921.17 Als vorteilhaft für die Straßenhändler erwies sich die Kooperation mit dem Pressegrosso, da sie dadurch in das weitreichende Vertriebssystem der Grossisten eingebunden waren. Während der Straßenhändler zwei, drei Stunden vor Beginn des Berufsverkehrs sein Pressekontingent am Morgen noch persönlich beim Pressegrossisten abholte, lieferten Spezialradfahrer die Mittags- und Abendausgaben an, da sich der Händler tagsüber von seinem Verkaufsstand nicht entfernen konnte. Der Spezialradfahrer war elementarer Bestandteil der Geschäftsbeziehung zwischen Straßenhändler und Presseverlagen; er übernahm die Auslieferung, aber auch Remission und Abrechnung. Wichtigste Anforderung an einen Spezialradfahrer war Pünktlichkeit, denn eine Verzögerung in der Auslieferung bescherte dem Straßenhändler oftmals empfindliche finanzielle Einbußen.18 Galt die Aufmerksamkeit der Straßenhändler vor dem Krieg noch hauptsächlich dem antiquarischen Buch und dem Ramsch, so erweiterte sich die Produktpalette an den Verkaufsständen in den zwanziger Jahren erheblich. Die Straßenhändler bedienten sich an den Lagerbeständen der aufgegebenen Armeebuchhandlungen, arbeiteten mit Großantiquariaten und dem Modernen Antiquariat zusammen und profitierten nicht zuletzt von den zahlreichen Bankrotten in der Buch- und Verlagsbranche, indem sie die Konkursmasse zu günstigen Preisen aufkauften. Zunehmend distanzierten sich die Bücherkarren-Unternehmen vom Ramschhandel, der regelmäßig mit »Schmutz- und Schundliteratur« in Verbindung gebracht wurde, und verwiesen auf ihr hochwertiges Angebot auch an moderner Literatur.19 Während Unternehmen, die bis zu dreißig oder mehr Bücherwagen besaßen, sich professionelle Einkaufsquellen erschlossen, bedienten sich kleine Straßenhändler häufig bei Kleinhändlern. Straßenhändler verkauften des Öfteren auch Diebesware, wie verschiedene Hehlerprozesse dieser Zeit zeigen, oder verschafften sich ihren Nachschub in kleineren Makulaturhandlungen und in sogenannten »Brockensammlungen« – hierbei handelte es sich um Stiftungen oder wohltätige Vereine, die Gebrauchsartikel, darunter auch Bücher und Zeitschriften sammelten und an die ärmsten Bevölkerungsschichten kostenlos abgaben.20 Meist dominierten neben Presseartikeln, Kursbüchern und Fahrplänen insbesondere
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Börsenblatt 88 (1921) 130, S. 781. Börsenblatt 88 (1921) 246, S. 1556. Vgl. Ingenkamp: Der großstädtische Straßenhandel, S. 69 f. Börsenblatt 88 (1921) 130, S. 781. Frankel: Berliner Bücherwagen, S. 200.
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Romanserien und Heftliteratur die Auslagen der Straßenhändler, die noch immer gangbarste Ware an Straßenkreuzungen, U-Bahnstationen und Straßenbahnhaltestellen.21 Das immer engmaschigere Nahverkehrsnetz, das zunehmend auch die Randgebiete der Großstädte erschloss, war ein wichtiger Katalysator für die Expansion des Straßenhandels. Entlang der Straßenbahn- und Omnibusverkehrslinien entstanden an den Haltestellen Bücherkioske, die Passanten noch schnell mit Leseware versorgten, solange sie auf Straßenbahn und Bus warteten. Verschiedentlich hatten Straßenhändler schon vor dem Ersten Weltkrieg versucht, Zeitungen und Zeitschriften direkt in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu verkaufen. Die Firma »Straßenbahn-Zeitungsvertrieb« beispielsweise hatte bereits in den Vorkriegsjahren die Genehmigung erhalten, gegen entsprechende Pachtgebühren uniformierte Zeitungsjungen in den Berliner Straßenbahnen einzusetzen: Der Betrieb beginnt um 7 Uhr morgens und endet in den späten Abendstunden. Die polizeiliche Genehmigung ist nur unter Vorbehalt erteilt worden. Sollten sich Unzuträglichkeiten ergeben, so wird die Erlaubnis zurückgezogen. Die Jungen dürften ihre Blätter nur in den Wagen verkaufen, auf der Straße dagegen nicht. Für jeden Übertretungsfall hat die Unternehmung eine hohe Konventionalstrafe zu zahlen.22 Mit der Einführung der elektrischen Omnibuslinien Ende der zwanziger Jahre galten auch diese als »mobile Leseorte«, die von Zeitungsjungen stark frequentiert waren.
Untergrundbahnen und die Ausbildung einer literarischen Subkultur Der Ausbau der innerstädtischen Verkehrssysteme inspirierte Straßenhändler auch zu originellen, oftmals kuriosen Formen von literarischem Service. Die Eröffnung von Untergrundbahnen in den europäischen Metropolen förderte die Entfaltung einer ›Subkultur‹, die ihren eigenen Gesetzen folgte. Schon wenige Jahre nach Eröffnung der ersten Untergrundbahnen in London und Paris entstanden weitläufige Einkaufspassagen, Cafés, Zeitungskioske und Buchläden im Untergrund. Die Londoner U-BahnGesellschaft bot ihren Kunden z. B. eine spezielle, im Untergrund gedruckte und vertriebene Zeitschrift mit dem sprechenden Titel Der Maulwurf. Die Entstehung einer solchen Subkultur wurde dadurch gefördert, dass die Tickets für U-Bahnen mit Verlassen des Untergrundbereichs ihre Gültigkeit verloren, die Passagiere sich also nur an den U-Bahn-Stationen mit Lesestoff versorgen konnten.23 Auch in deutschen Großstädten etablierten sich vermehrt Dienstleistungsanbieter, die neben Bücher- und Zeitungskiosken auch Tabakgeschäfte, Friseursalons oder Verkaufsstände mit Erfrischungen und kleineren Gebrauchsartikeln in den Untergrundbahnanlagen betrieben.
21 Börsenblatt 88 (1921) 82, S. 492. 22 Börsenblatt 74 (1907) 159, S. 6955 f. 23 Börsenblatt 74 (1907) 221, S. 9433.
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Gründung von Kioskgesellschaften In der Weimarer Republik setzte (wiederum im Gegensatz zu den europäischen Nachbarn, wichtige Vorbildfunktion hatten hierbei die skandinavischen Länder) auch in Deutschland eine Gründungswelle von Kioskgesellschaften ein, die Niederlassungen in ganz Deutschland unterhielten.24 Die »Stadtkiosk GmbH« – kapitalkräftiger Mitgesellschafter war der Berliner Verlagskonzern Ullstein – betreute beispielsweise Verkaufsstände in Frankfurt am Main, Darmstadt, Kassel, Essen, Gelsenkirchen und Duisburg. Im süddeutschen Raum gründete die Verkehrsbuchhandlung »Carl Schmitt Centraleisenbahnbuchhandlung« die »Badische Kiosk-Gesellschaft Keye & Co«, zunächst in der Absicht, die finanziellen Einbrüche zu kompensieren, die der Verkehrsbuchhandlung durch den Verlust ihrer Niederlassungen im Elsass und in Lothringen während der Ruhrbesetzung entstanden waren. Ziel der »Badischen Kiosk-Gesellschaft Keye & Co« war die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Presseartikeln: Verkaufsstände befanden sich an belebten Straßenkreuzungen, an Verkehrsknotenpunkten des Nahverkehrs, in Hotels und Postämtern. Offenbar arbeitete die Kioskgesellschaft nicht rentabel genug, denn bereits 1923 wurde das Unternehmen wieder aufgegeben.25 Doch der Heidelberger Verkehrsbuchhändler wagte eine Neugründung, diesmal mit einem kapitalkräftigen Kompagnon: Carl Schmitt eröffnete gemeinsam mit Jacques Bettenhausen die Kioskgesellschaft »Handelshaus für Reise und Verkehr«. Das »Handelshaus für Reise und Verkehr« errichtete in Stuttgart ein Zentrallager mit Presseartikeln und Kioskliteratur, aber auch mit Reiseandenken, Postkarten, Rauchwaren und Schokolade, und versorgte von hier aus Hotels, Kioske, Wartehallen an den Bahnhöfen sowie Kurorte.26 Diesem Unternehmen war mehr Erfolg beschieden, denn 1925 expandierte das »Handelshaus für Reise und Verkehr« auch in Bayern. Ende der 1930er Jahre ging aus dem »Handelshaus für Reise und Verkehr« die »Süddeutsche Zeitungszentrale« hervor, die fortan im großen Stil Straßen- und Kioskhändler in ganz Süddeutschland belieferte.27 Den Straßen- und Kioskhandel in der Weimarer Republik dominierten zwei Verlagskonzerne: Die Verkehrsbuchhandlung Hermann Stilke und der Ullstein-Verlag. Der Ullstein-Verlag verstärkte nach dem Krieg seine Anstrengungen, im Tourismusgeschäft, insbesondere auch im Verkehrsbuchhandel, Fuß zu fassen. Zwar konnte sich Ullstein als Verkehrsbuchhändler letztendlich nicht gegen seinen übermächtigen Konkurrenten durchsetzen, doch er etablierte sich mit Erfolg im touristischen Geschäft. Der UllsteinKonzern warb in den zwanziger Jahren in seinen verlagseigenen Presseprodukten in großem Stil für Wochenendfahrten und Gesellschaftsreisen, er organisierte Sonderfahrten, populär waren beispielsweise Gruppenreisen zu großen Sportevents, und verkaufte Schiffs- und Flugtickets für den nationalen und internationalen Reiseverkehr.
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Vgl. Haug: Reisen und Lesen, S. 307 –314. Schmitt/Hahn: Unsere Firmengeschichte, S. 145. Vgl. Dorn/Vogel: Geschichte des Pressevertriebs, S. 62. Vgl. Dorn/Vogel, S. 62, sowie Schmitt/Hahn: Unsere Firmengeschichte, S. 146.
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Die Pressekonzerne Hermann Stilke und Leopold Ullstein In Berlin beanspruchte die Verkehrsbuchhandlung Hermann Stilke entscheidende Marktanteile am Kioskhandel. Stilke, einer der renommiertesten und kapitalkräftigsten Verkehrs- und Schiffsbuchhändler des norddeutschen Raums (daher von der Berliner Ortsbehörde entsprechend protegiert), errichtete seine Kioske auf speziell von der Stadt Berlin ausgewiesenem Gelände. Voraussetzung für eine Konzessionserteilung war, dass die Kioske sich dem Straßenbild anpassten und über eine Fernsprechzelle mit Berliner Adressbuch, eine Schreibeinrichtung mit Schreibgeräten sowie über eine Normaluhr verfügten. Die Freiflächen in unmittelbarer Umgebung der Kioske durfte Stilke für eigene Reklamezwecke nutzen oder aber als Reklameflächen an Dritte verpachten. Der Verkehrsbuchhändler hatte die Unterhaltskosten der Kioske, also für Beleuchtung, Beheizung und Instandhaltung, selbst zu tragen und war verpflichtet, die Gesetzgebung zum Ausschluss von sogenannter »Schmutz- und Schundliteratur« einzuhalten sowie Presseartikel unabhängig von ihrer parteipolitischen Ausrichtung im Angebot zu führen. Für jeden Kiosk war (je nach Standort) eine Pacht in Höhe von sechzig bis fünfhundert Mark zu entrichten. Die für Stilke tätigen Verkäufer wurden am Umsatz beteiligt, ein Verfahren, das die Verkaufsmotivation entsprechend fördern sollte.28 Eine flächendeckende Bestückung des gesamten Stadtgebiets mit gut ausgestatteten Kiosken setzte ein professionelles, zeit- und arbeitsökonomisch durchdachtes Distributionskonzept voraus, das gemeinhin nur Verkehrsbuchhändler, die bereits ausreichend Erfahrung in der Unterhaltung von Filialsystemen gesammelt hatten, bereitzustellen in der Lage waren. Gerade die ständige Versorgung der Kioske mit Tagespresse bedeutete eine Belieferung eines jeden Standortes bis zu dreimal täglich. Zur Optimierung seines städtischen Vertriebssystems hatte Stilke – hier nach skandinavischem Vorbild – bereits 1904 die »Deutsche Kiosk-Gesellschaft« gegründet, die nach dem Ersten Weltkrieg die unverzichtbare Infrastruktur und Logistik für seinen expandierenden Straßenhandel bereitstellte. Die »Deutsche Kiosk-Gesellschaft« beauftragte mit der Aufstellung von architektonisch geschmackvollen, zweckmäßigen Kiosken das Berliner Kunstgewerbemuseum.29 Bereits vor Beginn des Ersten Weltkriegs hatte die »Deutsche Kiosk-Gesellschaft« die 1859 gegründete »Gesellschaft der Berliner Trinkhallen« mit allen ihren Standorten aufgekauft, die Trinkhallen in Bücherkioske umgewandelt und betreute diese fortan unter dem Namen »Vereinigte Deutsche Kiosk- und Berliner Trinkhallen-Gesellschaft mbH«. Der Erfolg war überwältigend; bereits zwei Jahre später erwarb Stilkes Kioskgesellschaft daher sämtliche Kioske der Mineralwasserfabrik Berolina.30 Innerhalb von nur fünf Jahren unterhielt die »Vereinigte Deutsche Kiosk- und Berliner TrinkhallenGesellschaft mbH« allein in Berlin mehr als hundert Standorte.
28 Nahnsen: Der Straßenhandel, S. 72 f. 29 Börsenblatt 72 (1905) 199, S. 7487, sowie Amstad: Der Bahnhofsbuchhandel, S. 94 f. 30 Der Ausschank von alkoholfreien Getränken war bereits in der Vorkriegszeit ein wichtiger Bestandteil des Straßenhandels. Der Straßenverkauf von Mineralwasser und sonstigen Erfrischungen wurde hauptsächlich über feste Verkaufsstände betrieben. Vgl. Ingenkamp: Der großstädtische Straßenhandel, S. 63 f.
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7 Verbr eitend er Bu chhandel Es dauerte nicht lange, bis sich der reguläre Buchhandel über den in Berlin florierenden Kioskhandel beschwerte, der ihm zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz heranzuwachsen schien. Bei der Konzessionsvergabe für Bücherkioske wurde zwar vereinbart, dass diese ausschließlich Presse- und literarische Gebrauchsartikel verkaufen dürfen, doch die Realität ergab vielfach ein anderes Bild: »Wie es in Wirklichkeit damit aussieht, zeigen die Auslagen in diesen [Kiosken] – Belletristik, insbesondere aktuelle sogenannte Schlager, liegen an bevorzugter Stelle zur Ansicht. Es ist doch selbstverständlich, dass der Käufer es vorzieht, da zu kaufen; er braucht keine Ladentür aufzumachen und keine Höflichkeitsformeln auszutauschen.«31
Der zweite wichtige Repräsentant des Straßen- und Kioskhandels war der Berliner Pressekonzern Ullstein. Schon in den Vorkriegsjahren hatte der Ullstein-Verlag das herkömmliche Abonnementsystem für sein vielfältiges Presseangebot, das einen aufwendigen Speditionsapparat notwendig machte, nach und nach aufgegeben und war dazu übergegangen, seine Zeitungen im Einzelverkauf auf der Straße zu verkaufen. Bereits mit der Gründung der B.Z. am Mittag im Jahr 1904 – nach Aussagen des Verlags eines der ersten Boulevardblätter Deutschlands – hatte Ullstein die Berliner Zeitung als Abonnementsblatt eingestellt.32 Mit der B.Z. am Mittag wurde in Deutschland erstmals eine Tageszeitung geschaffen, die sich nicht auf einen festen Abonnentenstamm stützte, sondern durch ihre äußere und inhaltliche Gestaltung sowie durch ihre Aktualität sich täglich neue Leser erschließen musste. Aus Gründen der Kostenreduzierung baute sich der Pressekonzern einen eigenen Händlerapparat auf. Über 2.000 für Ullstein tätige Zeitungsjungen boten die B.Z. am Mittag in den Berliner Straßen, in Restaurants und Cafés zum Verkauf an. Während die Tageszeitungen meist von »fliegenden Händlern« vertrieben wurden, führten die Abb. 2: Der Ullstein-Konzern behauptete eine führende Stellung im Kioskbuchhandel – mit idealen Produkten sowohl im Zeitschriftenwie im Buchbereich und einer perfekten Vertriebsorganisation.
31 Börsenblatt 78 (1911) 56, S. 2938. 32 50 Jahre Ullstein 1877 –1927, S. 50, Hundert Jahre Ullstein 1877 –1977, Bd. 1, S. 79 f.
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festen Verkaufskioske auch Zeitschriften, u. a. Illustrierte, Magazine, ebenso Fachzeitschriften, Fahrpläne und Kursbücher.33 Der Ullstein-Konzern verstand es, Kioskhandel und Tourismusgeschäft geschickt zu verknüpfen. Zu den spektakulärsten Reklamekampagnen gehörte die Versorgung der Osteseebadegäste mit Tagespresse über den »UllsteinSeebäderdienst«. Spezielle Omnibusse, die vor Ort schnell in mobile Verkaufskioske umgebaut werden konnten, belieferten mehrmals täglich Badeorte entlang der Ostseeküste mit Tageszeitungen; zum Einsatz kamen aber auch Motorboote und Flugzeuge, die sich zugleich vorzüglich als Werbeträger für Ullstein-Produkte eigneten. Badegäste hielten oft schon drei Stunden nach Erscheinen eines Blattes in Berlin die neue Ausgabe in Händen.34
Die Gründung von Pressevertriebsstellen In den Jahren der Weimarer Republik gewannen Buch- und Zeitschriftengroßvertriebe immer mehr an Bedeutung, oftmals von Verkehrsbuchhändlern als zweites wirtschaftliches Standbein geAbb. 3: Die zahlreichen Straßenhändler – hier gründet. Die »Buch- und Zeitschriftenmit Blättern des Ullstein Verlags – sorgten Großvertrieb GmbH« war eine Grün- besonders in Berlin für eine Belebung des dung des Frankfurter Sortimentsbuch- Stadtbilds. Quelle: 125 Jahre Ullstein. Pressehändlers Gustav Belehrt aus dem Jahr und Verlagsgeschichte im Zeichen der Eule. 1919. Das Unternehmen hatte Erfolg Berlin: Ullstein 2002, S. 54. und expandierte 1924 zunächst nach Mannheim, wenige Jahre später eröffnete Belehrt weitere Niederlassungen in Heidelberg. Seit 1929 arbeitete Belehrt mit dem Verkehrsbuchhändler Carl Schmitt zusammen.35 Der Pressevertrieb wurde als Tochterunternehmen der Verkehrsbuchhandlung geführt. Als sich Gustav Belehrt 1932 aus dem gemeinsamen Geschäft zurückzog, wurde Carl Schmitt Alleininhaber und noch 33 Nahnsen: Der Straßenhandel, S. 11. 34 Hundert Jahre Ullstein 1877 –1977, Bd. 1, S. 269. 35 Hahn: Unsere Firmengeschichte 1919 –1994, S. 41 f.
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im selben Jahr eröffnete er weitere Filialen in Karlsruhe, Freiburg und Pforzheim, 1935 folgte eine Niederlassung in Baden-Baden.36 Gegen die stete Expansion der Heidelberger »Buch- und Zeitschriften-Großvertrieb GmbH« protestierten jetzt verstärkt die Pressekonzerne; sie fürchteten eine Monopolbildung im Pressevertrieb, die auf die Lieferbedingungen ungünstigen Einfluss nehmen konnte. So verweigerte beispielsweise der Hugenberg-Konzern über einen Zeitraum von drei Jahren die Belieferung des Heidelberger Unternehmens, wohingegen dessen schärfster Konkurrent, der Ullstein-Verlag, die »Buch- und Zeitschriften-Großvertrieb GmbH« maßgeblich unterstützte, um sich Marktvorteile zu sichern.
Das Geschäft mit den Automaten Die ersten Verkaufsautomaten in Deutschland waren bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gebrauch genommen worden. Eine erste Konjunktur erlebte dieses Gewerbe in den 1880er Jahren, als nach amerikanischem Vorbild an Bahnhöfen sowie an gut frequentierten Straßen und Plätzen Kaugummiautomaten aufgestellt wurden. Den Kaugummiautomaten folgten Getränke- und Schokoladenautomaten, die hauptsächlich von der Kölner Schokoladenfabrik Stollwerck unterhalten wurden. Schon 1893 besaß Stollwerck in ganz Deutschland über 15.000 Automaten, 1894 gründete die Schokoladenfabrik das Tochterunternehmen »Deutsche Automaten-Gesellschaft«, die Automaten herstellte, bestückte und wartete.37 Schnell gehörten auch Zeitungs- und Bücherautomaten zum Erscheinungsbild der Großstädte. In den frühen zwanziger Jahren florierte das Automatengeschäft in Deutschland: 1917 betrieb der Reclam-Verlag etwa 2.000 Automaten und verzeichnete damit zwischen 1913 und 1923 einen jährlichen Absatz von eineinhalb Millionen Bänden.38 Reclam schuf sich eine rentable Infrastruktur für sein Automatengeschäft, so dass der Verkauf von täglich zehn Bänden bereits die Kosten amortisierte. Der Reclam-Verlag band verstärkt Sortimentsbuchhändler in sein Automatengeschäft ein, die gegen Umsatzbeteiligung die Automaten regelmäßig neu bestückten. Um die technische Instandhaltung der Bücherautomaten kümmerte sich im Auftrag des Reclam-Verlags ein Team von Monteuren. Einen massiven Rückgang erlebte das Automatengeschäft erst in den Inflationsjahren, weil kein Münzgeld mehr im Umlauf war. Doch mit Einführung der Rentenmark 1924 erfreuten sich Bücherautomaten wieder derselben Popularität wie vor dem Krieg.39 Ihre Rückkehr setzte Ende 1924 in den Bahnhöfen Leipzig, Dresden und Berlin ein.40 Ende der dreißiger Jahre überlegten Automatenbetreiber auch die Aufstellung von Bücherautomaten in den Eisenbahnzügen, eine Idee, die aber von der Reichsbahn offenbar nicht aufgegriffen wurde.41
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Schmitt/Hahn: Unsere Firmengeschichte, S. 144 f. Lamberty: Reklame in Deutschland, S. 123 f. Stöckle: Buchabsatz mit Automaten, S. 17. Vgl. Acten der Reichsbahndirektion Augsburg. Bahnhofsbuchhandel, Jahrgang 1928 –1932. Börsenblatt 91 (1924) 297, S. 19121. Staatsministerium des Aeußern. Gewerbebetrieb auf Bahnhöfen. Bahnhofsverkaufsstellen, 1927 –1938.
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Gegen Ende der 1920er Jahre gewannen auch Zeitungsautomaten – ebenfalls ein Importartikel aus den Vereinigten Staaten – in den deutschen Großstädten an Attraktivität. Zeitungsautomaten gab es in verschiedenen Ausführungen: So konnten beispielsweise eine bzw. bis zu drei Zeitungen gegen entsprechenden Münzeinwurf gezogen werden. Das Zeitungsangebot war durch eine spezielle Auslage für die Käufer von außen ersichtlich. Die Zeitungsautomaten waren so konstruiert, dass sie weder bei der Aufstellung noch bei der Montage an Hauswänden, Straßenbahn- oder Lichtmasten viel Raum einnahmen. Außerdem boten die Automatenhersteller Modelle in unterschiedlichen Gewichtsklassen. Die in Deutschland im Einsatz befindlichen Automaten wurden von der 1929 gegründeten »Zeitungs-Automaten-Gesellschaft Artur Heiland und Emil Domcke« in Berlin hergestellt, die sich ihre verschiedenen Modelle bereits in den Vorkriegsjahren hatten patentieren lassen.42
Theater- und Kinobuchhandel In der Weimarer Republik wurde in der literarischen Öffentlichkeit nicht nur das Auftreten neuer Medien heftig diskutiert, sondern auch das vielfältige Angebot an Freizeitvergnügungen wie z. B. Sportveranstaltungen – Boxkämpfe und Radrennen gehörten zu den populärsten Unterhaltungsformen dieser Zeit. Während Rundfunk, Volkstheater und Lichtspielhäuser zunächst noch als ernste Gefahr für den Buchabsatz betrachtet wurden, gab es kurz nach Kriegsende erste Überlegungen, die neuen Medien gezielt für eine Stimulation des Bücherkonsums einzusetzen. Eine der bedeutendsten deutschen Buchhandelsketten der Gegenwart, die ThaliaGruppe, hatte ihren Ursprung im Milieu des Hamburger Unterhaltungstheaters im 19. Jahrhundert. Das Thalia-Theater war 1843 durch Chérie Maurice gegründet worden und galt bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als das beliebteste Theater in Hamburg. 1912 wurde es unter der Leitung des Regisseurs Leopold Jeßner in einem Neubau am Pferdemarkt mit über 1.300 Sitzplätzen neu eröffnet. 1919 eröffnete ein kleiner Bücherladen im Thalia-Theater, die Einrichtung einer solchen kleinen Buchverkaufsstelle schien dem Gründer offenbar als gewinnträchtig genug, zumal mit dem Boom des Unterhaltungstheaters jetzt auch Dramentexte und Leseausgaben eine besondere Konjunktur erlebten. Der Besuch eines Unterhaltungsstückes – so die Hoffnung des Inhabers – stimuliere den Kaufreiz für die Dramentexte selbst und dieser Reiz müsse direkt im Anschluss an die Vorstellung als Spontankauf in die Tat umgesetzt werden können. 1931 wurde die Theaterbuchhandlung von dem 27-jährigen Buchhändler Erich Könnecke (als inzwischen insolventes Unternehmen) übernommen. Als besonders geeignetes Aktionsfeld erschien dem Buchhandel aber das aufstrebende Medium Film – das zwar »viel geschmähte Lichtspieltheater«, das aber »unter Umständen auch dem Buchhandel großen Nutzen bringen könnte, indem nämlich die Kinobesucher durch die Betrachtung von Filmdramen angeregt würden, die diesen häufig zugrunde liegenden Romane zu kaufen und zu lesen«.43 Die Befürworter dieser These setzten auf einen Synergieeffekt, denn »viele, die einen Film im Kino sahen,
42 Der Bahnhofsbuchhandel 24 (1929) 9/10, S. 89, sowie Börsenblatt 78 (1911) 56, S. 2938. 43 Börsenblatt 87 (1920) 96, S. 443.
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hatten niemals vorher von dem betreffenden Roman gehört«.44 Der zeitgenössische Trend zu Filmdramen und Filmbüchern sollte, so die Befürworter, »zum Lesen des betreffenden Werkes« anregen. Damit würde das unter Umständen sehr zeitraubende Lesen des Originalwerkes überflüssig und dieses durch den Film auf leichtere und einfachere Weise einer breiten Masse vermittelt werden können. Inzwischen schreibe man nach Filmen Romane, daher habe man fortan zwischen Filmbuch und Buchfilm zu unterscheiden. Für beide Literaturprodukte sollten in den Vorräumen der Lichtspieltheater Bücherverkaufsstellen eingerichtet werden. Mit diesem Vorhaben verband sich die Erwartung, »daß die kinofreundliche Öffentlichkeit diese Einrichtung sicher lebhaft begrüßen wird«, es gelte also »mit anderen Worten, das Massenpublikum für gute Literatur zu gewinnen«.45 Insbesondere das in der Weimarer Republik besonders populäre Genre des Detektiv- und Kriminalromans, das die Groschenheftproduktion dieser Zeit bestimmte, weckte die Hoffnung, dass diese Texte in Lichtspielhäusern einen besonders guten Umsatz finden würden, denn der Stummfilm der Weimarer Republik feierte gerade mit Kriminalstücken große Erfolge. Manche Filmdetektive wurden anschließend Protagonisten neu gegründeter Kriminalromanreihen, beispielsweise »Harry Piehl, der Weltmeister der Sensationen«, »Timm Fox, der König der Detektive« oder »Jack Mylong, der abenteuerliche Hochstapler«.46 Die praktische Umsetzung scheiterte aber vielfach an den nur begrenzten Raummöglichkeiten in den Lichtspielhäusern. Nur wenige der etwa 3.500 Lichtspielhäuser dieser Zeit in Deutschland besaßen in der Nähe ihrer Kartenverkaufsstellen Platz für einen Bücherkiosk, zumal die Frage offen bleiben musste, »ob das Publikum von der Einrichtung der Kioske genügenden Gebrauch machen wird, sodaß sich die Einrichtung lohnen würde«.47 Selbst der Einsatz von Kriegsinvaliden, die sich über die Betreuung von Kinobücherkiosken ein kleines Nebeneinkommen verschaffen konnten, schien inzwischen nicht mehr als rentabel genug. Auch die Idee, dass die Kinobücherkioske durch einen Verbund örtlicher Buchhändler betrieben werden könnten, wurde offenbar nicht weiterverfolgt, da man sich einig war, dass ein Massenabsatz über die Lichtspielhäuser nicht zu erwarten sei.48
Schreibwaren- und Papierhandel, Schulbuchhandel Zum »Auchbuchhandel« zählten außerdem Schreib- und Papierwarenhandlungen, die den Buchhandel zusätzlich zum Geschäft mit Schreibwaren betrieben. Kriegsfolgen und Inflation zwangen auch Schreibwarenhändler zur Erweiterung ihres Warenangebots und immer mehr Schreibwarengeschäfte führten neben ihrem klassischen Angebot auch Postkarten, Kunst- und Presseartikel, aber auch preiswerte Romanreihen und populäre Sachbücher.
44 45 46 47 48
Börsenblatt 87 (1920) 96, S. 443. Börsenblatt 87 (1920) 96, S. 443. Gerteis (Hrsg.): Buffalo Bill und die »verfolgte Unschuld«. Gerteis. Gerteis.
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Seine Ursprünge hatte der Schreibwaren- und Papierhandel im Buchbindergewerbe. So zählten Buchbindereien auch noch in der Weimarer Republik zu wichtigen Buchverkaufsstellen. Buchbinder betrieben neben ihrem Buchbindergewerbe gewöhnlich Ladengeschäfte, in denen sie zugleich mit ungebundenen und gebundenen Büchern, mit Papier und Schreibwaren handelten.49 Als einträgliche Einnahmequelle erwies sich die Angliederung kleiner Leihbüchereien, sogenannter »Winkelleihbüchereien«, die mit besonders günstigen Ausleihkonditionen hauptsächlich Unterhaltungsliteratur bereithielten und gerade in den Jahren der Weimarer Republik von den finanziell schwächer gestellten Bevölkerungsschichten besonders stark frequentiert wurden. Das Börsenblatt kommentierte diese Tendenz treffend: »Der Arbeiter geht nicht in eine erstklassige Buchhandlung, um ein Buch für 1 M zu kaufen. Dies kauft er beim Papierhändler«.50 Vor dem Hintergrund der schwierigen Wirtschaftslage erlebte auch der Schreibwaren- und Papierhandel eine Konkurswelle; die Fachverbände der Schreibwaren- und Papierhändler verzeichneten erhebliche Mitgliederverluste. Die Schreibwarenhändler waren gezwungen, sich neue Absatzfelder und Kundenschichten zu erschließen, ihr Warenangebot wurde daher immer vielfältiger. Die Schreibwarenhandlung Wilhelm Joseph Fischer in Jülich, (gegr. 1869) warb in ihren Zeitungsinseraten 1927 für ein buntes Angebot, das neben Schreibwaren und Papier auch Bilder- und Malbücher, Messbücher, Kalender, Spiele und Spielkarten, Ansichts- und Glückwunschkarten, Girlanden, Partyund Vereinsbedarf, Bücher und Presseartikel, aber auch Buchbinderarbeiten und eine Leihbücherei anbot.51 Gerade das »billige Buch« in Gestalt von Romanreihen, Taschenbüchern und Heftliteratur fand seinen Absatz verstärkt im Schreibwarengeschäft. Der Börsenverein klagte inzwischen, »daß durchweg auch z. B. die Reclamhefte ihren Weg ins Volk von den Schreibwarenhandlungen, nicht von den Buchhandlungen ausgenommen haben«.52 Zu einem wichtigen Segment des Schreibwaren- und Papierhandels entwickelten sich Ansichts-, Künstler- und Filmpostkarten, eine Entwicklung, die einerseits vor dem Hintergrund der fortschreitenden Professionalisierung des Postwesens und seiner Tarifsysteme zu sehen ist, andererseits in der vermehrten Gründung von Verlagen, die sich auf Herstellung und Vertrieb von Postkarten, Ansichtspostkarten, Kunst- und Künstlerkarten spezialisierten und zu deren wichtigsten Geschäftspartnern die Schreibwarenund Papierhändler gehörten. So gehörte z. B. die »Ross-Bromsilber-Vertriebs-G.m.b.H« (1912 von Heinrich Ross in Berlin gegründet) in den 1920er/1930er Jahren zu einem der führenden Kunstpostkartenverlage im europäischen Raum. Sein Programm bot über 40.000 verschiedene Motive allein aus der Filmindustrie. Postkarten mit den Porträts der internationalen Filmprominenz – ein Verkaufsschlager waren Porträts von Greta Garbo – entwickelten sich allein schon wegen deren Sammlerwert zu Bestsellern in Schreibwarengeschäften. Verkaufserfolge zeitigten aber auch Ansichtspostkarten von Städten und Regionen, vor allem nach Einführung der Bildpostkarte 1925, mit der die Deutsche Reichspost einen Beitrag zur Belebung des Fremdenverkehrs zu leisten versuchte. Verkehrsvereine, Kur- und Badeorte erhielten jetzt die Erlaubnis, Ansichtspost49 50 51 52
Vgl. Zur Geschichte der Buchbinder-Innung zu Leipzig, S. 3 –6. Börsenblatt 86 (1919) 26, S. 88. Vgl. 125 Jahre Fischer, S. 33. Börsenblatt 93 (1926) 75, S. 398.
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karten mit Motiven ihrer Region herzustellen, die über den örtlichen Kiosk- und Schreibwarenhandel vertrieben wurden. Ein nicht zu unterschätzendes Betätigungsfeld des Schreibwaren- und Papierhandels in der Weimarer Republik war außerdem das Schulbuchgeschäft.53 Nachdem die Sozialisierungsdebatte, die zu Beginn der zwanziger Jahre noch leidenschaftlich gerade mit Blick auf den »Auchbuchhandel« diskutiert wurde – im Fokus standen eine staatliche Monopolisierung des Verkehrs- und Leihbuchhandels, aber auch des Schulbuchverlags –, allmählich an Bedeutung verlor, entwickelten sich Schreibwaren- und Papierhändler zu lukrativen Geschäftspartnern der Schulbuchverlage, da sie Schulbücher in besonders hohen Stückzahlen absetzten. Mitte der zwanziger Jahre wickelten Schulbuchverlage daher gut die Hälfte ihrer Geschäfte über den Schreib- und Papierwarenhandel ab.54 Sie gewährten den Schreibwarenhändlern bevorzugte Bestellkonditionen und generöse Rabatte, galten die Schreibwarengeschäfte doch gerade in ländlichen Regionen, in denen es an Vollbuchhandlungen fehlte, als unverzichtbare Verkaufsstellen für Schulbedarf.55 Der Börsenverein reagierte auf diese Situation mit der Einführung einer Sortimenterstammrolle, in die nur diejenigen Firmen Aufnahme fanden, die sich auf die buchhändlerische Verkehrsordnung verpflichtet hatten. Die Verleger wurden aufgefordert, nur noch an Buchhandlungen zu liefern, die einen vom Börsenverein festgelegten Mindestumsatz in einer Höhe nachwiesen, die der Schreibwaren- und Papierhändler gemeinhin über den Buchverkauf gar nicht erzielen konnten. Dieses Modell wurde erstmals 1911 in Bayern erprobt. Es sei mit Hilfe einiger bayerischer Verleger […] in Bayern die Lieferung von Schulbüchern an Auchbuchhändler […] unterbunden [worden], so daß nur die in die Bayerische Stammrolle aufgenommenen Firmen zum vollen Rabatt geliefert erhielten.56 Doch alle Maßnahmen, den »Auchbuchhandel« aus dem Buchgeschäft zu drängen, blieben wirkungslos, zumal die Schreibwarenhändler in den Jahren der Weimarer Republik für manche Verlagzweige eine unverzichtbare Vertriebsinstanz darstellten. Die offenkundige Akzeptanz des Schreibwaren- und Papierhandels durch die Verlage und seine verstärkte Einbindung in den buchhändlerischen Verkehr erforderte inzwischen vertieftes buchhändlerisches Fachwissen, ein Anspruch, dem der Reichsbund der Schreibwarenhändler 1925 mit der Gründung der Fachgruppe Buchhandel nachkam, die sich zur Aufgabe machte, den Mitgliedern spezielle Schulungen in Buchhandelsfachfragen anzubieten.57 Auch ein neuerlicher Versuch des Börsenvereins noch im selben Jahr, die ungeliebte Konkurrenz auszuschalten, indem sie den »Auchbuchhandel« aus dem Adreßbuch des deutschen Buchhandels zu streichen beabsichtigte, verfehlte seine Wirkung.58
53 54 55 56 57 58
Vgl. hierzu den Beitrag von Julia Kreusch in diesem Band. Börsenblatt 92 (1925) 178, S. 11844. Börsenblatt 86 (1919) 2. Februar, S. 112. Volckmar: Grossobuchhandel, S. 21. Börsenblatt 92 (1925) 218, S. 13906. Börsenblatt 92 (1925) 218, S. 13905 f.
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Literatur Archivquellen Acten der Reichsbahndirektion Augsburg. Bahnhofsbuchhandel, Jahrgang 1928 –1932. Sign. Verkehrsmuseum Archiv Nr. 53061. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München. Sign. VA 8680, 10315, 10316, 10851, 53061, 53062. Staatsministerium des Aeußern. Gewerbetrieb auf Bahnhöfen. Bahnhofsverkaufsstellen, 1927 – 1938. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München. Sign.: MWI 3059.
Zeitgenössische Quellen BRIEGER, Lothar: Berliner Bücherkarren um die Jahrhundertwende. In: Die Heftlade 1 (1922), S. 24 –27. NAHNSEN, Otto: Der Straßenhandel mit Zeitungen und Druckschriften in Berlin. Essen: Verlag der Wirtschaftlichen Nachrichten aus dem Ruhrgebiet 1922. VISEUR, Max le: Der Straßenhandel in Berlin und seine gesetzliche Regelung. Schulungsheft. Berlin, im Dezember 1935. Hrsg. v. der Industrie- und Handelskammer zu Berlin. Einzelhandelsvertretung. Berlin: Industrie- und Handelskammer 1935. VOLCKMAR, Hans: Grossobuchhandel, Auchbuchhandel und Vereinsbuchhandel. Referat im Auftrag des Vorstandes des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. Leipzig: 1918.
Branchenzeitschriften Journal für Buchbinderei. Zentralorgan für Buchbinderei, Lederwaren- und Kartonnagen-Industrie und für den Papier- und Schreibwarenhandel. Pößneck: Verlag des Journals für Buchbinderei 4 (1882) bis 49 (1927); Leipzig: Streiberger-Verlag 50 (1928) bis 55 (1933). Papierhändler. Fachblatt für Bürobedarf, Papier- und Schreibwaren. Düsseldorf 1 (1906) bis 34 (1939). Papier- und Schreibwaren-Markt. Fachzeitschrift für Papier- und Schreibwaren-Handel und Fabrikation, Postkarten-Herstellung, Engros- und Détail-Handel, sowie verwandte Branchen: Buchbindereien, Buchdruckereien, Kolportage-Buchhandlungen, graphisches Gewerbe und einschlägige Maschinen-Industrien. Schutzverband für die Postkarten-Industrie. Stettin 7 (1910) bis 9 (1912) [nachgewiesen]. Papierwelt. Fachzeitschrift für Papier- und Schreibwaren, für Bürobedarf, Mal-, Zeichen- und Schulartikel. Bad Homburg v. d. H., Göttingen 1 (1924) bis 18 (1941). Zeitschrift für Papier- und Schreibwaren-Händler: Offizielles Fachblatt des Zentralverbandes der Papier- und Schreibwaren-Händler Deutschlands (Sitz Berlin) e.V. Anzeigenblatt der Einkaufs-Wirtschaftskassen der Ortsvereine von Berlin, Charlottenburg, Friedenau, u. a. BerlinCharlottenburg 9 (1913) bis 15 (1919) [nachgewiesen].
Firmengeschichten 125 Jahre Fischer. Buchhandlung, Schreibwaren, Verlag. 1869–1994. Jülich: Fischer-Verlag 1994. 50 Jahre Ullstein 1877–1927. Berlin: Ullstein 1927. HAHN, Ulrich: Unsere Firmengeschichte 1919 –1994. Heidelberg: Buch- und ZeitschriftenGroßvertrieb Schmitt KG 1994. Hundert Jahre Ullstein 1877–1977. Hrsg. v. Joachim Frey und Hans Wallenberg. 4 Bde. Berlin: Ullstein 1977. SCHMITT, Karl/HAHN, Ulrich: Unsere Firmengeschichte 1841 –1991 zum 150jährigen Jubiläum. Heidelberg: Karl Schmitt 1991.
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7 Verbr eitend er Bu chhandel
Forschungsliteratur AMSTADT, Ernst H.: Der Bahnhofsbuchhandel. In: Mainzer Gespräche 1953/1954, S. 93 –104. Buffalo Bill und die »verfolgte Unschuld«. Groschenhefte von 1871 bis ca. 1930 aus den Mappen von Dr. Walter Gerteis. Eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek Trier. 18.2. bis 19.3.1999. Hrsg. von Klaus Gerteis. Trier: Universitätsbibliothek 1999. DORN, Margit/VOGEL, Andreas: Geschichte des Pressevertriebs in Deutschland. Mit einem Schwerpunkt auf der Entwicklung des Pressehandels. Baden-Baden: Nomos 2001. FRIEDRICH, Herbert: Zur Geschichte der Buchbinder-Innung zu Leipzig. Leipzig: E.O. Friedrich 1929. HAUG, Christine: Reisen und Lesen im Zeitalter der Industrialisierung. Die Geschichte des Bahnhofs- und Verkehrsbuchhandels in Deutschland von seinen Anfängen um 1850 bis zum Ende der Weimarer Republik. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2007. INGENKAMP, Franz: Der großstädtische Straßenhandel. Köln (Dissertationsdruck): 1928. LAMBERTY, Christiane: Reklame in Deutschland 1890–1914. Wahrnehmung, Professionalisierung und Kritik der Wirtschaftswerbung. Berlin: Duncker & Humblot 2000. PÜRER, Heinz/RAABE, Johannes: Presse in Deutschland. 3., völlig überarbeitete u. erweiterte Auflage. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH 2007. REUVENI, Gideon: Lesen und Konsum. Der Aufstieg der Konsumkultur in Presse und Werbung Deutschlands bis 1933. In: Archiv für Sozialgeschichte 41 (2001), S. 97 –117. REUVENI, Gideon: Reading Germany. Literature and Consumer Culture in Germany. New York: Berghahn Books 2005. STÖCKLE, Wilhelm: Buchabsatz mit Automaten. Hamburg: Verlag für Buchmarkt-Forschung 1970. WILKE, Jürgen: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien: Böhlau 2000.
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Buchgemeinschaften Urban van Melis
Buchgemeinschaften stellen eine der bleibenden Errungenschaften des Buchmarktes der Weimarer Republik dar. Die Idee, Bücher preiswert an einen festen Kunden- und Mitgliederstamm statt an eine wechselnde Kundschaft zu verkaufen, wurde erstmals in den zwanziger Jahren systematisch umgesetzt. Diese Verkaufsform erlebte innerhalb weniger Jahre eine so große Breitenwirkung, dass sie zu einem wesentlichen Bestandteil der nationalen Buchdistribution wurde. Die Buchgemeinschaften ähnelten sich in ihrer Arbeitsweise, unterschieden sich jedoch in ihrer inhaltlichen und weltanschaulichen Ausrichtung und sprachen spezifische Lesergruppen an. Auf die Gründung und erfolgreiche Arbeit von bürgerlich und konservativ ausgerichteten Lesegemeinschaften folgten Neugründungen unterschiedlicher politischer und religiöser Buchgemeinschaften. Sie boten der sich in der Weimarer Republik weiter ausdifferenzierten Öffentlichkeit Lektüreangebote wie sie seitens des traditionellen Buchhandels bislang weitgehend unberücksichtigt geblieben waren. Vor diesem Hintergrund sind die Buchgemeinschaften als eine Antwort auf die Situation des Buchmarktes der zwanziger Jahre zu verstehen.
Bedeutung der Buchgemeinschaften Seit der Einführung des festen Ladenpreises für Bücher durch die Kröner’sche Reform 1887 gab es immer wieder Versuche, die von den Verlagen vorgeschriebenen Buchpreise zu umgehen. Die Bemühungen, einzelne Buchtitel mit reduziertem Preis zu beziehen, waren vielfältig und ideenreich. Doch nur sehr wenige der zum Zwecke der Buchverbilligung gegründeten Vereinsbuchhandlungen oder Konsumgenossenschaften setzten sich langfristig durch: In der Regel blieben sie zeitlich und zumeist auch regional begrenzt; zudem waren sie auf das Bücherangebot des gut ausgebauten Verlagsbuchhandels angewiesen, da sie selbst keine eigene Produktion entfalteten. Somit stellten sie weder eine Erweiterung des bestehenden Buchmarkts noch eine wesentliche Verbesserung für die Leser dar. Anders war es bei den Buchgemeinschaften, die zwischen den beiden Weltkriegen gegründet wurden. Ihr Interesse ging dahin, eine Alternative zum bestehenden System des Buchhandels zu entwickeln. Sie wollten nicht nur einzelne Buchtitel preisreduziert neben dem Sortiment anbieten, sondern komplette Verlagsprogramme auf neuen Distributionswegen vertreiben. Dabei baute man gegenüber den traditionellen Verlagen und Sortimenten vor allem auf einen betriebswirtschaftlichen Vorteil, der es erlaubte, Bücher ungewöhnlich preiswert zu produzieren und abzusetzen: Die Mitglieder der Buchgemeinschaften hatten in der Regel monatlich oder quartalsweise einen Beitrag zu entrichten, für den sie eine bestimmte Anzahl von Büchern im Jahr erhielten. Bei diesen Werken handelte es sich entweder um ›Pflicht-‹ oder um ›Wahlbände‹. Bei ersteren musste regelmäßig ein bestimmter Band abgenommen werden, bei letzteren bestand Wahlfreiheit zwischen einer begrenzten Zahl neu in die Auswahl aufgenommener Ti-
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tel.1 Charakteristisch und entscheidend für beide Systeme war, dass mit Beitritt zur Buchgemeinschaft eine verbindliche Kaufverpflichtung eingegangen wurde. Damit konnte das Unternehmen seine Absatzzahlen relativ genau vorherbestimmen. Im Gegensatz zum Verleger, der in unsicherer Erwartung kalkulieren muss, war den Organisatoren der Buchgemeinschaften die Höhe der zu druckenden Auflage bekannt und das kaufmännische Risiko wesentlich geringer. Zudem umgingen die Buchgemeinschaften durch ihren Direktvertrieb das Sortiment als Zwischenhändler, wodurch sie die Verkaufspreise ebenfalls reduzieren konnten. Der jährliche Durchschnittsladenpreis der deutschen Bücher2 lag 1925 bei 4,78 RM, 1927 bei 5,55 RM und stieg bis 1930 kontinuierlich auf 6,26 RM an. 1931 ging er auf 6,16 RM, im Jahr 1933 auf 4,23 RM zurück.3 Im Gesamtdurchschnitt waren die Bücher der zwanziger Jahre damit teurer als vor dem Ersten Weltkrieg und wurden für große Teile der Bevölkerung zu einem Luxusgut. Die meisten Buchgemeinschaften verlangten von ihren Mitgliedern einen monatlichen Beitrag von etwa 1 RM, manche daneben auch eine einmalige Aufnahmegebühr in unterschiedlicher Höhe. Dafür bekamen die Leser in der Regel vier Bücher pro Jahr und häufig zusätzlich eine regelmäßig erscheinende Mitgliederzeitschrift. Einige Buchgemeinschaften gingen nach geschäftlichen Erfolgen in den späten zwanziger Jahren sogar dazu über, die Mitgliedsbeiträge zu senken, so dass von einem Buchpreis von unter 3 RM ausgegangen werden kann. Zumeist handelte es sich bei den Buchgemeinschaftstiteln um aufwendige und in Leinen gebundene Ausgaben, wodurch ein offensichtlicher Preisvorteil gegenüber der Produktion des traditionellen Buchhandels gegeben war. Die Buchgemeinschaften nutzten also ihre strukturellen Vorteile gegenüber den Verlagen des freien Handels und boten ihre Bücher zu ungewöhnlich niedrigen Preisen an. Wenngleich nie öffentlich zugegeben, überzeugten die niedrigen Preise auch die Vertreter des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, wie beispielsweise ein internes Schreiben des Geschäftsführers des Börsenvereins, Albert Hess, dokumentiert: 1 Verschiedentlich konnten die Bezieher auch weitere, schon früher angebotene Titel preiswert erwerben oder andere Zusatzleistungen in Anspruch nehmen. Diese Zusatzleistungen standen nicht unbedingt in einem Zusammenhang zur Buchproduktion und hatten auch nur selten Auswirkungen auf die Abnahme der Titel. Es wurden beispielsweise Globen, Schallplatten, Bücherregale, Bilder, Plastiken oder auch Versicherungsscheine sowie preisreduzierte oder kostenlose Eintrittskarten zu kulturellen Veranstaltungen angeboten. 2 Zu den folgenden Angaben vgl. Vincentz: Die Entwicklung der deutschen Bücherpreise, S. 265, und Die literarische Produktion Deutschlands, S. 20 f.; vgl. ferner: Brohm: Das Buch in der Krise. 3 Im Bereich der Belletristik, die bei den meisten Buchgemeinschaften den Programmschwerpunkt darstellte, nimmt die »Entwicklung der Preise […] einen wesentlich anderen Verlauf« (Umlauff: Beiträge zur Statistik des Deutschen Buchhandels, S. 79; vgl. auch Ders.: Zur Struktur der europäischen Kulturwirtschaft): 1929 ist von einem durchschnittlichen Ladenpreis von 3,69 RM auszugehen, ab 1927 ist er stetig gesunken, bis er 1930 bei 2,85 RM lag. Die Preise dieser Kategorie lagen damit bedeutend niedriger als der Gesamtdurchschnitt. Sie können aber nur bedingt mit diesem verglichen werden, da die niedrigen Preise primär auf die Zunahme der ›Volksausgaben‹ zurückzuführen sind, die meist zu einem Kaufhauspreis von 2,85 RM angeboten wurden und lediglich in diesem Marktsegment zu finden waren (eine Differenzierung der Buchpreise nach ihren Verkaufskategorien findet sich bei Kliemann, Horst: Buchpreis und Buchmarkt. In: Der neue Stand. Zeitschrift des deutschen Jungbuchhandels. Neue Folge der ›Jungbuchhändler-Rundbriefe‹ 1 (Februar 1932) 5, S. 255–258).
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Die letzte Veröffentlichung des Volksverbandes, ein kunstwissenschaftliches Werk mit einer größeren Anzahl recht guter Reproduktionen auf Kunstdruckpapier, […] würde im regulären Buchhandel mindestens 8–10 Mark kosten, wird aber vom Volksverband für M 3,50 an seine sogenannten Mitglieder abgegeben. Das Buch ist in jeder Beziehung sowohl äußerlich wie innerlich einwandfrei. Selbst wenn man in Betracht zieht, dass es in einer garantierten Auflage von 300.000 Stück erscheinen kann, muß die Niedrigkeit des Preises Erstaunen erwecken.4 Die niedrigen Verkaufspreise bildeten somit den eigentlichen Vorteil gegenüber den Büchern des konventionellen Buchhandels. Daneben wurden aber auch Unternehmen gegründet, welche die ideellen Aspekte ihrer verlegerischen Arbeit betonten. Ihnen kam es vor allem darauf an, eine inhaltliche Bereicherung zu bieten. Die Verleger dieser Buchgemeinschaften publizierten Bücher, die ihrer Meinung nach im freien Sortiment unterrepräsentiert waren. Der traditionsbewusste deutsche Buchhandel war bis zur Weimarer Republik daran gewöhnt, Bücher fast ausschließlich über den Sortimentsbuchhandel und primär für klar konturierte Bildungsschichten zu vertreiben. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er vor eine neue Situation gestellt: Die politische, ideologische und religiöse Differenzierung der Gesellschaft förderte eine Segmentierung der Leserschaft, und die Bedürfnisse der Leser wurden vielfältiger und spezieller. Die Anforderungen an Verlage und Sortimente änderten sich, da sich das Lesepublikum nicht mehr mit dem bekannten Buchangebot zufrieden gab: Es erwartete mehr Neuerscheinungen und aufgrund der ökonomisch angespannten Lage nach dem Krieg auch preiswertere Bücher. Die neue Situation erforderte Veränderungsbereitschaft von Seiten des Buchhandels, doch dieser zeigte sich in seinen Strukturen verkrustet und war nur bedingt bereit, sich den veränderten Umständen anzupassen. Ähnlich wie die Kirchen, das Beamtentum und zahlreiche weitere tragende Kräfte des Kaiserreichs war auch der Buchhandel nicht in der Lage, den kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten gerecht zu werden, und erschien insgesamt reformunwillig. Dies zeigte sich zum Beispiel im Beharren zahlreicher Sortimenter auf der ausschließlichen Zuständigkeit des eigenen Berufszweiges für die Distribution von Literatur. Sie hielten nur sich selbst für berufen, diesen Kulturauftrag zu erfüllen, und schätzten ihre buchhändlerischen Fähigkeiten und ihre kulturpolitische Aufgabe als so eng miteinander verbunden ein, dass sie ausschließlich den über den Börsenverein in Leipzig organisierten Kollegen einen verantwortungsvollen Buchverkauf zutrauten. Auf diese mangelnde Bereitschaft des Buchhandels, sich den veränderten Realitäten der zwanziger Jahre anzupassen, reagierten nun die Buchgemeinschaften. Sie boten preiswerte Bücher und häufig Titel aus Spartenprogrammen an, die beim Lesepublikum Anklang fanden. Entsprechend der sich differenzierenden Öffentlichkeit waren die Ausrichtungen der Buchgemeinschaften vielfältig und deckten sehr unterschiedliche politische, kulturelle und religiöse Strömungen ab. Für nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen und Strömungen entstanden Buchgemeinschaften, die ausgewählte Bücher anboten. So wurde beispielsweise die offensichtlich gefragte, aber im traditionellen Sortiment kaum vorhandene Arbeiterliteratur gleich von sieben Buchgemeinschaften angeboten und zu niedrigen Preisen verkauft. 4 Brief von Albert Hess an die Herren des Vorstands vom 22. Juni 1925 (SStAL 353 Bv, o. P.).
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Für die Zeit zwischen 1918 und 1933 lassen sich insgesamt 42 Gründungen von Buchgemeinschaften nachweisen;5 schon während des Ersten Weltkrieges war 1916 von der konservativ-nationalistischen Angestelltengewerkschaft Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband die Deutschnationale Hausbücherei gegründet worden.6 Somit hatten bis zu 43 Unternehmen einen festen Stamm an Lesern, die sich dazu verpflichteten, dem Verlag mehrmals im Jahr ein Buch abzunehmen. Damit stellten die Buchgemeinschaften keine Randerscheinung des Buchmarktes dar. Bestätigt wird dies auch durch die Mitgliederzahlen, wenngleich es bis heute nicht möglich ist, konkrete Zahlen oder Eckdaten über die quantitative Bedeutung der neuen Distributionsnetze zu nennen. Doch schon die Tatsache, dass allein in den zwei großen bürgerlich ausgerichteten Unternehmen Volksverband der Bücherfreunde bis 1931 750.0007 und Deutsche Buch-Gemeinschaft bis 1930 »weit über 400.000 treue Freunde«8 abonnierten, macht deutlich, dass den Buchgemeinschaften eine wichtige Rolle zukam. Alle anderen Buchgemeinschaften blieben wesentlich kleiner als die beiden genannten, erreichten in der Summe aber ebenfalls viele Leser. So erlangten die Buchgemeinschaften eine bedeutende Stellung innerhalb des Buchhandels und wurden zu einem festen Bestandteil der Lesekultur.
Buchgemeinschaften mit bürgerlichem Lesepublikum Den Einträgen ins Handelsregister zufolge wurde der Volksverband der Bücherfreunde am 6. Januar 1919 gegründet.9 In einer 1920 kostenlos ausgegebenen Werbebroschüre teilte der Volksverband mit, dass er »sich den ›Wegweiser-Verlag‹ errichtet [hat], der die Herstellung und den Vertrieb der von ihm ausgewählten und hergestellten Bücher 5 Vgl. van Melis: Die Buchgemeinschaften in der Weimarer Republik. Im Anhang I befindet sich eine alphabetische Auflistung aller Buchgemeinschaften, die zur Zeit der Weimarer Republik gegründet wurden. Bislang kann für die Schweiz keine Buchgemeinschaft, für Österreich nur die Romantische Gemeinde aus Wien nachgewiesen werden; viele deutsche Buchgemeinschaften dehnten sich bis in die Nachbarländer aus und gewannen auch dort Mitglieder. Zu Österreich vgl. Hall: ›Leser haben mehr vom Leben‹, sowie Pfister: Zur Geschichte der Buchgemeinschaften in Österreich. 6 Bis Ende 1930 konnte diese Buchgemeinschaft, 1923 in Deutsche Hausbücherei umbenannt, 39.390 Mitglieder gewinnen. Vgl. Hamel, Iris G[ertrude] A[glaé]: Völkischer Verband und nationale Gewerkschaft. Die Politik des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes 1893– 1933. (Dissertation) Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 1966, besonders S. 135–145. Eine Bibliographie der Pflichtbände der Deutschnationalen Hausbücherei findet sich bei Meyer: Die Verlagsfusion Langen-Müller, S. 237 f. 7 Vgl. Zwölf Jahre V.d.B., S. 75. 8 Die Deutsche Buch-Gemeinschaft ist führend. In: Lesestunde. Zeitschrift der Deutschen BuchGemeinschaft 7 (Januar 1930) 1, S. 2. 9 Gesellschafter waren Graf von Matuschka, Kapitän August Lassen und Hans Ossenbach, Geschäftsführer zunächst Friedrich Grabmaier, danach Robert Federn, Dr. Paul Wiglin und Otto Gysae. Vgl. den Brief von Walther Dietze, Leiter der Berliner Zweigstelle des Börsenvereins, an Albert Hess vom 2. Mai 1925 (SStAL 352 Bv, o. P.), der Auskunft über seine Recherchen im Handelsregister gibt. Bei den später dazugekommenen Geschäftsführern handelte es sich nicht mehr um Personen des Buch- und Verlagshandels, sondern um Kaufleute buchhandelsfremder Branchen.
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besorgt«,10 wodurch die Mitgliederorganisation und der Buchverlag offiziell getrennt waren; da der als Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründete Wegweiser Verlag in Berlin aber ausschließlich für den Volksverband produzierte, handelte es sich de facto nur um ein Unternehmen.11 Wie oben bereits erwähnt, entwickelte sich der Volksverband der Bücherfreunde zur mitgliederstärksten Buchgemeinschaft der Weimarer Republik; dies war zum einen auf seine frühzeitige Gründung, zum anderen auf sein Programm und seine Arbeitsweise, die den veränderten Bedürfnissen der Mitglieder angepasst wurde, zurückzuführen. In den ersten Jahren ließ der Volksverband seinen Mitgliedern alle drei Monate ein Buch zukommen, zu dessen Abnahme sie verpflichtet waren.12 Bei diesen Titeln handelte es sich um Werke zeitgenössischer Autoren, die bis dahin noch nicht als Einzelausgabe erschienen waren.13 Offensichtlich stieß diese Buchabnahme ohne Auswahlmöglichkeit auf Kritik,14 so dass ab Mitte der zwanziger Jahre durch Wahlbände und verschiedene Klassikerausgaben zusätzliche Kaufmöglichkeiten geboten wurden. Ab den dreißiger Jahren konnten die Mitglieder frei und ohne Vorgabe aus der gesamten Verlagsproduktion ihren Quartalsband wählen. Entscheidend war nur, dass pro Quartal ein Kauf für mindestens 2,90 RM getätigt wurde. Mit einer unterschiedlichen Ausstattung der Verkaufstitel versuchte der Volksverband, sowohl niedrige als auch hohe Preissegmente abzudecken und damit unterschiedliche Käufergruppen und -interessen zu bedienen, wenn er auch primär den »schwer kämpfenden Mittelstand« zu seinem Zielpublikum machte.15 Das Jahrbuch 1931/32 enthält Buchtitel diverser Preiskategorien: Die 390 in Leinen gebundenen und fadengehefteten ›Weltgeistbücher‹, die »geschichts-, staats- und sozialwissenschaftliche Themen aktuellster Bedeutung« behandeln,16 kosteten 0,40 RM. Kostspieliger ausgestattet war das in Halbleder gebundene ›2,90-RM-Buch‹. Daneben sind diverse Titel bis 5 RM auszumachen, die mittlere Preisgruppe bot der Volksverband nur vereinzelt an. Demgegenüber legte man aber auch ausgesprochen kostspielige Titel auf, wie zum Beispiel ein zweibändiges Konversations-Lexikon für 36 RM oder eine 39 RM teure Cranach-Bibel.17 10 Wohin? In: Volksverband der Bücherfreunde, S. 3. 11 »Es ist sehr zu befürchten, daß wir den oben wiedergegebenen Satz umgekehrt lesen müssen; […] Der Wegweiser-Verlag hat sich einem scheinbaren ›Volksverband‹ angegliedert, der ihm jährlich vier oder mehr Bücher in mehreren Tausenden von Exemplaren abkaufen soll.« (Schumann: Der ›Volksverband der Bücherfreunde‹, S. 188, [Hervorhebungen im Original].) 12 Vgl. Satzungen des Volksverbandes der Bücherfreunde. In: Volksverband der Bücherfreunde, S. 103 f., § 2. 13 Vgl. Das Werk des Volksverbandes der Bücherfreunde, S. 9. 14 »Es hat sich gezeigt, daß die zwangsläufige Abnahme der Bücher sehr bald als Last empfunden wurde. Aus diesen Gründen traf der V. d. B. [Volksverband der Bücherfreunde] die Einrichtung der Auswahlbände.« (Zickfeldt: Die Umgestaltung des Buchmarktes durch Buchgemeinschaften, S. 61.) 15 Was bietet der Volksverband der Bücherfreunde seinen vielen Hunderttausenden von Mitgliedern?, S. 1. 16 Zwölf Jahre V. d. B., S. 76. 17 Die Cranach-Bibel. Hrsg. von Hermann Degering. »Mit vielfarbigen Initialen und den originalgetreuen Reproduktionen der farbig. Holzschnitte Lucas Cranachs.« (Ebd., S. 66.) Neben diesen Büchern bot der Volksverband auch andere Produkte wie handsignierte Originalradierungen, Schallplatten oder einen Globus an.
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Den Mitgliedern wurden Sachbücher, wissenschaftliche und belletristische Titel, Klassikerausgaben und Reisebeschreibungen verkauft, wobei Qualität und eine angebliche inhaltliche Neutralität die einzigen Auswahlkriterien darstellen sollten.18 In ihren Werbeschriften und Jahrbüchern hoben die Bücherfreunde den Grundsatz der Neutralität in politischen und konfessionellen Fragen immer wieder hervor,19 eine Durchsicht des Verlagsprogramms macht jedoch deutlich, dass sich die angebliche Programmvielfalt auf konservativ-bürgerliche Autoren beschränkte.20 Zum einen wurden Klassiker wie Goethe, Schiller, Kleist oder Shakespeare angeboten, ebenso die Studien von Adalbert Stifter und die Märchen von Hans Christian Andersen, zum anderen aber auch zeitgenössische Belletristik von Sophie Hoechstetter, Sigrid Undset oder Wolfgang Goetz sowie verschiedene Sachbuchtitel. Des Weiteren enthielt das Verlagsprogramm Ratgeberliteratur wie Die Seele des Alltags: eine Psychologie für jedermann von Richard Müller-Freienfels oder Reisebeschreibungen von Armin T. Wegner. Das weltanschauliche Profil der meisten Autoren war aber doch so ausgerichtet, so dass sich mit Reinhold Neven Dumont sagen lässt: »Wenn der VdB auch nicht auf Initiative einer bestimmten politischen Partei gegründet wurde, so stand er doch […] deutschnationalen Kreisen nahe.«21 Im Frühjahr 1924 wurde in Berlin die Deutsche Buch-Gemeinschaft als Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet. Eigentümerin des Stammkapitals in Höhe von 10.000 RM war die in Berlin ansässige Druckerei A. Seydel & Co.22 Damit stand hinter dem Unternehmen eine bereits arbeitende Druckerei, die einen groß angelegten Start ermöglichte: Die Buchgemeinschaft konnte bereits nach einem Jahr ein Programm von 72 Auswahlbänden vorweisen.23 Im August 1927 waren über 200, im Januar 1933 etwa 330 Titel lieferbar.24 Damit wurde den Mitgliedern eine umfangreiche Auswahl geboten, 18 »Vom Tage der Begründung bis heute ist der Volksverband der Bücherfreunde dem Grundsatz treu geblieben, über den Parteien stehend und jenseits aller politischen oder konfessionellen Meinungsverschiedenheiten dem Geiste humaner deutscher Kultur im Goetheschen Sinne zu dienen und alle diejenigen, die in der Wiedererstarkung der deutschen Kultur eine der wichtigsten Aufgaben der heutigen Zeit erblicken, um sich zu sammeln.« (Was bietet der Volksverband der Bücherfreunde seinen vielen Hunderttausenden von Mitgliedern?, S. 1.) 19 1931 behaupteten sie zwar, »daß unter den Veröffentlichungen des Verbandes monarchistische und republikanisch-demokratische Verfasser, Sozialisten und Kapitalisten vertreten sind.« (Raphael: Die Organisation des Volksverbandes der Bücherfreunde, S. 180.) Staatskritische oder sozialistische Autoren finden sich allerdings nicht im Programm. 20 Vgl. Amtmann: VdB-Bibliographie. Die proklamierte Neutralität des Volksverbandes ging auf der rechts-konservativen Seite so weit, dass eine Veröffentlichung des zu einem Roman umgearbeiteten Theaterstücks Jud Süß von Lion Feuchtwanger mit der Begründung abgelehnt wurde, dass »ein jüdisches Thema […] für so ein Unternehmen zu riskant sei.« (Vgl. Feuchtwanger, Marta: Nur eine Frau. Jahre, Tage, Stunden. 2. Aufl. München, Wien: Langen Müller 1983, S. 144.) 21 Neven Dumont: Die Kollektivierung des literarischen Konsums, S. 60. 22 Vgl. Buchgemeinschaften. Allgemeines. [maschinenschriftliches Manuskript] [o. O., o. J.], S. 29 (SStAL 753 Bv, o. P.) und A. Seydel & Cie A.-G. in Berlin. In: Börsenblatt 98 (1931) 255, S. 963. 23 Vgl. Ein Jahr Deutsche Buch-Gemeinschaft. In: Das Zeitungsbuch. Organ der Deutschen Buch-Gemeinschaft 2 (1925) 8, S. 1. 24 Vgl. Über 200 Bände. In: Lesestunde. Zeitschrift der Deutschen Buch-Gemeinschaft 4 (1927) 15, S. 340 und Die Auswahl, S. XXIX–XXXII.
8 Bu chgeme insch af ten ohne Verpflichtung zur Abnahme bestimmter Titel: Jedes Mitglied hatte die Möglichkeit, zwischen den angebotenen Halblederbänden frei zu wählen.25 Die meisten Ausgaben der Buch-Gemeinschaft gehörten der zeitgenössischen Belletristik an, wobei neben jungen und unbekannten Autoren auch zahlreiche renommierte zu finden sind.26 Des Weiteren wurden internationale Werke der Weltliteratur, Sach- und Fachbücher verschiedener Disziplinen, Jugendschriften sowie Reise- und Naturbeschreibungen angeboten. Der erfolgreiche Vertrieb der Klassikerausgaben und auch das übrige Buchprogramm der Deutschen Buch-Gemeinschaft lassen auf ein bürgerliches Lesepublikum schließen. Die Titelauswahl war weder politisch, literarisch noch konfessionell festgelegt, sondern vielmehr an etablierter und dem Bildungskanon entsprechender Literatur angelehnt. So wurden beispielsweise Werke angeboten von Gustav Freytag, Friedrich Hebbel, Charles Dickens, Wilhelm Hauff und Hans Christian Andersen oder Das Buch vom Wein, Das Buch der Tafelfreuden und Unvergängliche Klänge, Die schönsten Opern und Operetten sowie Zeichnungen von Carl Spitzweg. Der Erfolg des Unternehmens beruhte jedoch nicht ausschließlich auf dem Buchprogramm, sondern auch auf verschiedenen Werbemaßnahmen und Zusatzangeboten. Dazu gehörte beispielsweise die Mitgliederzeitschrift: Das Zeitungsbuch beziehungsweise Die Lesestunde27 wurde den Mitgliedern kostenlos zugesandt und enthielt neben Werbung und organisatorischen Mitteilungen auch literarische Texte und Vorankündigungen zum Buchprogramm. Durch dieses vierzehntägig erscheinende Organ wurden die Mitglieder über Verlagsveränderungen informiert und an die Organisation gebunden. Zu den Zusatzangeboten gehörten Kalender, ein Globus, Buchhüllen, Briefkassetten
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Abb. 1: Die Deutsche Buch-Gemeinschaft hatte 1929 400.000 Mitglieder.
25 Die Mitglieder waren in drei Gruppen unterteilt, die sich durch Preis und Menge der abzunehmenden Bücher unterschieden: Die Mitglieder der Gruppe A zahlten vierteljährlich 3,90 RM und hatten dafür ein Buch abzunehmen, die Mitglieder der Gruppe B zahlten 7,40 RM für zwei und die der Gruppe C 10,80 RM für drei Bücher pro Vierteljahr. Daneben wurde das Programm durch verschiedene Reihen zu 3,70 RM, 2,70 RM, die ›Kleinbuchreihe Schatulle‹ zu 1,50 RM oder die ›Tempel-Klassiker‹ erweitert. Zu den Veröffentlichungen innerhalb dieser KlassikerReihe gehörte beispielsweise: Goethe: Die poetischen Werke. 12 Bände; Schiller: Sämtliche Werke. 12 Bände und ein Ergänzungsband; Kleist: Sämtliche Werke. 5 Bände; Hebbel: Dramen. 4 Bände; Dante: Die göttliche Komödie. 3 Bände italienisch und deutsch; Homer: Ilias. 2 Bände griechisch und deutsch; Das Nibelungenlied. 2 Bände mittel- und neuhochdeutsch. 26 Beispielhaft sei auf folgende Autoren hingewiesen: Max Brod, Knut Hamsun, Gerhart Hauptmann, Ricarda Huch, Selma Lagerlöf, Walter von Molo und Émile Zola. 27 Das Zeitungsbuch. Organ der Deutschen Buch-Gemeinschaft 1 (1924) 13 bis 3 (1926) 6. Danach unter dem Titel Die Lesestunde. Zeitschrift der Deutschen Buch-Gemeinschaft 3 (1926) 7 bis 10 (1933) 23/24.
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und Stifte sowie verbilligte Theaterkarten oder organisierte Gemeinschaftsreisen. Sowohl der Volksverband der Bücherfreunde als auch die Deutsche BuchGemeinschaft waren jedoch bemüht, sich nicht als kommerzielle Unternehmen, sondern als kulturelle Gemeinschaftsorganisationen darzustellen. Auch viele andere Buchgemeinschaften der Weimarer Republik versuchten, ihre Arbeit für die Wünsche der Leser in den Vordergrund zu rücken und dabei ihre eigenen merkantilen Interessen zu verschweigen; so etwa vermieden sie mehrheitlich den Begriff ›Abonnenten‹ und sprachen meist von ›Mitgliedern‹. Die beiden größten Buchgemeinschaften verfolgten diese Politik am konsequentesten und verstanden es, ihre Werbung und Öffentlichkeitsarbeit auf die vermeintliche Gemeinnützigkeit und die Gemeinschaft der Leserschaft auszurichten. Beide Unternehmen gewannen Personen des öffentlichen Lebens für sich, gründeten einen ›Jugendpreis deutscher Erzähler‹, ein ›Stiftungswerk‹ zur Unterstützung von Volksbüchereien, Grenz- und AusAbb. 2: Die Anerkennung, die der Deutschen landsbibliotheken und bezogen buchBuch-Gemeinschaft zuteil wurde, konnte in handelsfremde Branchen in ihre Arbeit der Werbung wirkungsvoll eingesetzt werden. mit ein. Der Volksverband und die Buch-Gemeinschaft schafften es, mit ihren Programmen und ihrer Werbung glaubhaft aufzutreten und dem bücherkaufenden Publikum deutlich zu machen, dass sie als Kulturunternehmen eine Alternative zum traditionellen Buchhandel böten. Verkaufsförderndes Argument dieser beiden und auch zahlreicher anderer Buchgemeinschaften war, dass aus dem immer schwieriger zu überschauenden Buchmarkt qualitätsvolle Bücher von einem ›Kuratorium‹, ›Ehrenausschuss‹ oder ›Literarischen Beirat‹ ausgesucht würden – Werke, die garantiert lesenswert seien. Speziell vom Volksverband der Bücherfreunde und der Deutschen Buch-Gemeinschaft wurde dem sich in der Auflösung begriffenen klassischen Bildungsverständnis ein traditioneller Lektürekanon gegenübergestellt, der ihren Zielgruppen Auswahlhilfe und Qualitätsgarantie bieten sollte.28 28 Zusätzlich schaffte es der Volksverband der Bücherfreunde, das bürgerliche Lesepublikum für sich zu gewinnen, indem er seine Klassikerausgaben in Anlehnung an historische Biblio-
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Nicht nur diese beiden Unternehmen – die aufgrund ihrer geschäftlichen Erfolge mit ausschlaggebend für die zahlreichen folgenden Neugründungen waren – richteten sich mit ihrem Programm an ein überwiegend bürgerliches Publikum, welches einem weitgehend festgelegten Lektürekanon folgte. Auch andere Organisationen konzentrierten sich auf diese Lesergruppe und vertrieben Publikationen, die wenig Platz für literarische Experimente ließen: Der Schwerpunkt wurde auf ›das gute deutsche Buch‹ gelegt, welches preiswert und in ansehnlicher Ausstattung zu beziehen war. Den Lesern wurde die vermeintliche Chance der preiswerten Weiterbildung nahegelegt und inhaltliche oder literarische Qualität garantiert. So teilte die in München ansässige Deutsche Buchvereinigung ›Neuland‹ mit: Unsere Bücher sollen erfreuen, seelisch erheben, den grauen nüchternen Alltag des Lebens durch köstliche Feierstunden innerer Beglückung bezwingen. Wir sind Wegbereiter dem guten literarisch einwandfreien Buch. Wir sind Bahnbrecher und Förderer begabter junger Talente. Wir sind Helfer allen um Bildung Ringenden.29 Demnach sah sich die Buchvereinigung als Institution, welche für die nach guter Lektüre Suchenden eine zuverlässige Vorauswahl treffen wollte.30 Außerdem bestand das Angebot der kulturellen Weiterbildung darin, dass »in Verbindung mit den Volksbildungsverbänden […] wissenschaftliche und literarische Vorträge, Konzerte und sonstige künstlerische Darbietungen breiten Kreisen zugänglich« gemacht wurden.31 Auch wurde die vom Bayerischen Volksbildungsverband herausgegebene und als Weiterbildungsorgan konzipierte Zweimonatsschrift Der Pflüger kostenlos an die Mitglieder ausgeteilt.32 Als »eine Organisation zur Verbreitung guter deutscher Literatur zu billigen Preisen«33 definierte sich die Berliner Buchgemeinde, die 1924 mit ihrer gleichnamigen
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theksbände gestaltete: Wenige Bücher nebeneinander gestellt vermittelten bereits den Eindruck einer geschlossenen Bibliothek, so dass nach außen hin signalisiert wurde, »das Prestige von schulmäßiger Bildung zu besitzen«. (Fromm, Erich: Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reiches. Eine sozialpsychologische Untersuchung. Bearbeitet und hrsg. von Wolfgang Bonß. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1980, S. 151.) In der von Eberhard und Heribert Amtmann veröffentlichten Bibliographie finden sich einige Abbildungstafeln, die einen Eindruck vom Aussehen der Produktion vermitteln (VdB-Bibliographie). Zitiert nach Rosin: ›Buchgemeinschaft‹ und Bildungspflege, S. 116 f., [Hervorhebungen im Original]. In der Deutschen Buchvereinigung ›Neuland‹ erschienen bis Sommer 1925: Ludwig Anzengruber: Der Schandfleck; Joseph Freiherr von Eichendorff: Dichter und ihre Gesellen; Marie Kerschensteiner: Der Atem Gottes; Ludwig Tieck: Vittoria Accorombona und Alexej Tolstoi: Der silberne Fürst. Maschinenschriftliches Manuskript [o. T.], [o. O., o. J.], S. 10 (Börsenverein Frankfurt/M, Mappe: ›Buchgemeinschaften vor 1939, GU 10‹). Der Pflüger. Zweimonatsschrift 1 (1925). Danach unter dem Titel Deutsche Volksbildung: Zeitschrift des Bayerischen Volksbildungsverbandes 1 (1925/26) bis 25 (1955). Die Buchgemeinde. In: Die Buchgemeinde. Monatshefte für Literatur, Kunst und Wissenschaft 6 (1929) 2 [Titelblattinnenseite].
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Mitgliederzeitschrift34 an die Öffentlichkeit trat. Für einen Monatsbeitrag von 2 RM, später nur noch 1,75 RM, erhielten die Mitglieder zwölf Monatshefte der Zeitschrift sowie sechs Jahresbände.35 Die Buchgemeinschaft nannte es als ihr Ziel, »eine alle Kreise unseres Volkes umfassende und allen Kreisen dienende Organisation zu sein, die abseits vom Parteihader, konfessionellen Gegensätzen und beruflichen Unterschieden alle geistigen Kräfte unseres Volkes zusammenfaßt«.36 Sie unterteilte ihr Buchprogramm in die Rubriken ›Unterhaltende‹ und ›Belehrende Literatur‹,37 ließ aber eine einheitliche Linie bei der Auswahl ihrer Werke vermissen. Insgesamt bot die Buchgemeinde überwiegend literarisch anerkannte und gut verkäufliche Werke von Autoren wie Theodor Fontane, Victor Hugo, Mark Twain, Leo Tolstoi, Gustav Freytag, Ricarda Huch, Maxim Gorki oder Charles Dickens an. Die 1925 gegründete Süddeutsche Buchgemeinschaft schränkte sich entsprechend ihrem Firmennamen geographisch ein, wollte aber auch »die besten und wertvollsten Werke alter und neuer, in- und ausländischer Schriftsteller in billigster und dabei doch tadelloser Ausstattung« vertreiben. Den Mitgliedern wurden porto- und spesenfrei pro Jahr zehn Halblederbände von mindestens 320 Seiten Umfang für je 3,80 RM zugesandt: »Wir bieten Ihnen Gelegenheit zu einem erschwinglichen Preis eine herrliche Hausbibliothek zu erwerben.«38 Auch die Deutsche Volksbücherei, 1924 gegründet und eng mit dem Peter J. Oestergaard Verlag aus Berlin-Schöneberg verbunden, wollte den Aufbau der Leserbibliotheken, bestehend aus gebundenen Büchern mit Goldprägung, fördern: »Die Deutsche Volksbücherei hat sich die Aufgabe gestellt, durch Wort und Schrift aufklärend, belehrend und unterhaltend zu wirken und gediegenes Wissen und Kunst in weiteste Volkskreise zu tragen. […] Sie [will] ihren Mitgliedern die Anschaffung einer eigenen Hausbücherei für wenig Geld ermöglichen.«39 Im Gegensatz zu den anderen oben genannten Buchgemeinschaften legte die Deutsche Volksbücherei ihren Schwerpunkt nicht auf ein belletristisches Programm, sondern auf »volkstümlich-wissenschaftliche Werke«40 für ein bildungsbürgerliches Lesepublikum. Auch die in Leipzig ansässigen Unternehmen Büchertisch und Freunde Kreis sowie der Deutsche Buch-Club41 aus Hamburg wendeten sich an ein bürgerliches Publikum. Sie boten jedoch keine eigenen Titel ihrer Buchgemeinschaft an, sondern preisreduzier34 Die Buchgemeinde. Zeitschrift für Bücherfreunde. Ab Jhg. 2: Monatshefte für Literatur, Kunst und Wissenschaft 1 (1924) bis 12 (1935/36). 35 Neben diesen Jahresbänden konnten, auch im Tausch zu den Pflichtbänden, unbegrenzt viele Ausgaben aus der Auswahlreihe für 3 RM bezogen werden. Vgl. Auswahlreihe der Buchgemeinde. In: Die Buchgemeinde 8 (1932) 11, [Heftrücken]. 36 Die Buchgemeinde 1 (1924/25) 2, [2. Umschlagseite]. Zitiert nach Scholl: Buchgemeinschaften in Deutschland 1918–1933, S. 67. 37 Vgl. zum Folgenden die Heftrücken und Heftrückeninnenseiten der Mitgliederzeitschrift, auf denen die jeweils neuen Pflichtbände und alle lieferbaren Auswahlbände verzeichnet sind. 38 Vierseitiges Werbeheft der Süddeutschen Buchgemeinschaft [o. T.], [o. O. 1925], [S. 2] (SStAL 351 Bv, o. P.). 39 Satzungen der Deutschen Hausbücherei. In: Welt und Wissen. Unterhaltende und belehrende illustrierte Zeitschrift 13 (1924) 11, [o. S.]. 40 Werbeseiten in ebd. 14 (1925) 8, [o. S.]. 41 Vgl. Sarkowski: ›Der Deutsche Buch-Club‹, Hamburg, 1927–1935.
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te Werke, die in gleicher Ausstattung auch im freien Sortiment verkauft wurden: Der Buch-Club wählte »aus den zahlreichen Neuerscheinungen des deutschen Verlagsbuchhandels […] für seine Mitglieder das ›Das Buch des Monats‹«,42 der Freunde Kreis vertrieb zu Vorzugspreisen die im Leipziger Lothar Joachim Verlag erschienenen gebundenen Bücher der Reihe ›Die Freunde‹ und der ›Büchertisch‹ die etwa 100 Bände umfassende ›Zellenbücherei‹ des Dürr und Weber Verlages. Die Abonnements beider Verlage sowie des Hamburger Buch-Clubs dienten unmittelbar der Umgehung des festen Ladenpreises, der beim Kauf im traditionellen Sortiment einzuhalten war. Mit der Zusage der Leser, eine größere Menge von Büchern innerhalb eines bestimmten Zeitraumes abzunehmen, wurde diesen ein reduzierter Ladenpreis angeboten. Das stieß auf Protest von Seiten des Buchhandels43 und blieb eine auf diese drei Unternehmen begrenzte Erscheinung. Es boten zwar auch andere Buchgemeinschaften ihren Abonnenten Werke des freien Buchhandels zu reduzierten Preisen an, doch wurden diese dafür in ihrer Aufmachung verändert und zumeist mit einem neuen Einband versehen.
Buchgemeinschaften mit speziellen Zielgruppen Von den oben beschriebenen Buchgemeinschaften unterscheidet sich eine Gruppe von Organisationen, die sich mit ihrem Programm an Personen wendete, welche sich nicht durch ihre gesellschaftliche Stellung, sondern durch ihre Interessen definierten. Hobbys oder literarische Vorlieben standen thematisch im Vordergrund und die Buchgemeinschaften stellten zumeist nur ein kleines Fachprogramm zur Auswahl. Insgesamt können vier Spezialbuchgemeinschaften nachgewiesen werden, die jedoch wenig detaillierte Auskünfte über Programm und Arbeit gegeben haben. Es ist zu vermuten, dass die Organisationen klein blieben und nur wenige Mitglieder gewinnen konnten. Zunächst sei auf die Buchgemeinschaft der Adalbert Stifter Gesellschaft hingewiesen, die »ihre Mitglieder in erster Linie in den Kreisen des Sudeten-Deutschtums [suchte und] dem deutschen Gedanken in den Sudeten Ländern« dienen wollte.44 Über ihr Buchprogramm ist nichts bekannt, allerdings weiß Zickfeldt zu berichten, dass mit dem Prinzip der speziellen Kaufverpflichtung gearbeitet wurde: Die Abonnenten mussten bestimmte Pflichtbände abnehmen und es bestand keine Auswahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Buchangeboten. Helmut Gross berichtet in seiner Dissertation über neue Organisationsformen im Buchhandel von der ›Pan-Bücherei‹ der Vossischen Buchhandlung in Berlin:45 Auch deren Mitglieder waren verpflichtet, eine feste Anzahl von Büchern abzunehmen; diese
42 Der Deutsche Buch-Club. Hamburg. In: Imprimatur. Ein Jahrbuch für Bücherfreunde 1 (1930), [S. 208]. 43 Vgl. Sächsisch-Thüringischer Buchhändler Verband. Jahresbericht, erstattet vom Vorsitzenden auf der 41. ordentlichen Verbandsversammlung zu Nordhausen am 4. September 1927. In: Börsenblatt 94 (1927) 283, S. 1413–1420, bes. S. 1418; Der Deutsche Buch-Club. In: Börsenblatt 94 (1927) 285, S. 1430 sowie die Darstellungen bei Sarkowski: Der Deutsche Buch-Club, Hamburg, 1927–1935, S. B 610. 44 Zickfeldt: Die Umgestaltung des Buchmarktes durch Buchgemeinschaften, S. 69. 45 Gross: Neue Organisationsformen im deutschen Buchhandel, S. 45.
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Vereinigung publizierte ausschließlich Jagd- und Naturbücher und richtete sich somit an eine sehr kleine Interessengruppe. Ein etwas breiter gefächertes Publikum sprach die Volksbühnen-Verlags- und Vertriebsgesellschaft an, die in Paragraf zwei ihrer Satzung konstatierte: »Gegenstand des Unternehmens ist der Verlag von Druckwerken aller Art und der Bühnenvertrieb dramatischer Arbeiten auf gemeinnütziger Grundlage und mit dem wesentlichen Zweck, die minderbemittelten Volkskreise durch Zuleitung wertvoller billiger Bücher zu fördern.«46 Damit stand auch bei dieser Buchgemeinschaft das Moment der verbilligten Buchabgabe im Vordergrund. Die in Leinen gebundenen Dramen, die über das reguläre Sortiment für 4,20 RM zu beziehen waren, wurden an die Mitglieder der Volksbühnengesellschaft für 3 RM abgegeben.47 Im Gegensatz zur Volksbühnen-Verlags- und Vertriebsgesellschaft wählte die Romantische Gemeinde aus Wien ihre Werke nicht nach der Literaturgattung, sondern nach der literarischen Epochenzugehörigkeit aus:48 Wie ihr Name sagt, vertrieb sie Werke der Romantik, die im Wiener Edda Verlag erschienen und von diesem über das reguläre Sortiment unter dem Reihennamen ›Die blaue Blume‹ vertrieben wurden. Der Herausgeber der Reihe und Leiter des Edda Verlages, Werneck-Brüggemann, war zugleich auch der Gründer der Buchgemeinschaft. Bei der Titelproduktion handelte es sich um Werke von Novalis, E. T. A. Hoffmann, Clemens von Brentano, Ludwig Tieck oder Joseph Freiherr von Eichendorff, die als Halbpergamentbände gebunden waren und für 4 RM an die Mitglieder abgegeben wurden. Die Mitglieder der Buchgemeinschaft erhielten neben den verbilligten Büchern auch eine Zeitschrift »zur Pflege der Romantik«, von der jedoch lediglich fünf Hefte erschienen sind.49 Über die Anzahl der Mitglieder gibt lediglich das Geleitwort der ersten Ausgabe der Mitgliederzeitschrift Auskunft, in dem davon gesprochen wird, dass »in wenigen Monaten zunächst einmal fünfzehnhundert Gleichgesinnte« als Mitglieder gewonnen werden konnten.50 46 Zitiert nach Zickfeldt: Die Umgestaltung des Buchmarktes durch Buchgemeinschaften, S. 68. 47 Masch. Manuskript [o. T.], [o. O., o. J.], S. 7 (Börsenverein Frankfurt/M, Mappe: ›Buchgemeinschaften vor 1939, GU 10‹). Zusätzlichen Anreiz stellte ein Teilzahlungssystem dar, bei dem die Mitglieder in nicht definierten Abständen Raten von 1 RM leisten konnten und bei Buchkäufen automatisch 1 RM für das nächste Buch gutgeschrieben bekamen. Die Buchgemeinschaft sprach nicht nur Einzelpersonen mit Interesse am Theater an, sondern vor allem auch Theatergemeinden, die einen wesentlichen Teil des Kundenstammes ausmachten. 48 Maschinenschriftliches Manuskript [o. T.], [o. O., o. J.], S. 9 (Börsenverein Frankfurt a. M., Mappe: ›Buchgemeinschaften vor 1939, GU 10‹). 49 Die Blaue Blume. Zeitschrift der Romantischen Gemeinde zur Pflege der Romantik 1 (Oktober 1925) 1 bis 4 (Januar 1928) 1. Im letzten Heft teilt der Herausgeber Werneck den Lesern mit, dass er hoffe, »diese Zeitschrift im vierten Jahr ihres Lebens vierteljährlich herausgeben zu können, wie das schon im 1925er Gründungsjahr gedacht war. Sie wird mehr und mehr ausgebaut: Im Sinne des Schlegel’schen ›Athenäums‹ als Bildungs-, nicht als Unterhaltungsblatt. Ungeistige Einflüsse werden wie bisher ausgeschaltet – diese Zeitschrift lehnt als einzige in Deutschland jeden Anzeigenauftrag ab und will nur ›um ihrer selbst willen‹ da sein.« (Werneck, Fritz: Zum 4. Jahrgang. In: Die blaue Blume. Zeitschrift der Romantischen Gemeinde zur Pflege der Romantik 4 (Januar 1928) 1, [o. S.], [Hervorhebungen im Original].) 50 Werneck, Fritz: Zum Geleit. In: Die blaue Blume. Zeitschrift der Romantischen Gemeinde zur Pflege der Romantik 1 (Oktober 1925) 1, S. 1 ff., S. 2.
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Religiöse Buchgemeinschaften Den verschiedenen katholischen, evangelischen und jüdischen Buchgemeinschaften der Weimarer Republik war gemein, dass sie sich mit ihrem Programm von den vermeintlich weltanschaulich neutralen Leseclubs absetzen und zu diesen eine Alternative bieten wollten. Die Verantwortlichen dieser religiösen Buchgemeinschaften distanzierten sich ausdrücklich von der säkularen Ausrichtung der erfolgreichen Buchgemeinschaften wie dem Volksverband der Bücherfreunde oder der Deutschen Buch-Gemeinschaft.51 Neben der von Friedrich Wilhelm Brepohl in Berlin im Frühjahr 1924 gegründeten Evangelischen Buchgemeinschaft, 1926 oder 1927 in Evangelische Buchgemeinde umbenannt,52 ist vor allem die Bonner Buchgemeinde zu nennen. Sie wurde am 20. Januar 1925 von der Zentralstelle des Borromäusvereins mit dem Ziel gegründet, katholische Literatur preiswert zu vertreiben.53 Das Programm der Buchgemeinde war unterteilt in ›religiöse‹, ›belehrende‹ sowie ›unterhaltende‹ Bücher54 und kam »hauptsächlich für gebildete Katholiken in Frage«.55 Die Organisation war bemüht, das kirchlich gebundene und literarisch geschulte Publikum für sich zu gewinnen. Danach war auch das Buchprogramm ausgerichtet, das bis 1927 lediglich aus Pflichtbänden, danach auch aus einer umfangreichen Auswahlreihe bestand. Die Bücher waren entsprechend der oben genannten Dreiteilung nicht alle religiösen Inhalts, wenn diese auch die Mehrheit ausmachten. So findet sich unter den Publikationen56 beispielsweise das Neue Testament in zwei Bänden, von Joseph Scheuber Kirche und Reformation. Aufblühendes katholisches Leben im 16. und 17. Jahrhundert oder von John Henry Newman »die Geschichte eines Konvertiten« mit dem Titel Verlust und Gewinn. Daneben finden sich aber auch andere Titel nicht-religiösen Inhalts, wie zum Beispiel Weltallkunde. Arbeitsweise und Ergebnisse der heutigen Astronomie von Josef Hopmann, Anton Schotts Hussenzeit aus dem 15. Jahrhundert oder Adolf Genius’ Geographisches Handbuch mit 20 Karten, die zu den Kategorien ›belehrende‹ oder ›unterhaltende Bücher‹ gezählt wurden. Für den Be51 Vgl. beispielsweise Reinhardt, Kurt: Gaben der Bonner Buchgemeinde. In: Schweizerische Rundschau. Monatsschrift für Geistesleben und Kultur 26 (1926) 1, S. 626 ff. oder Zyx: Strandgut Bücherorganisationen. In: Das neue Ufer. Sonntagsbeilage der Germania 55 (1925) 76, [o. S.]. Es ist zu betonen, dass diese religiösen Buchgemeinschaften innerhalb des kirchlich-religiösen Milieus nicht nur begeistert aufgenommen wurden. So begrüßte beispielsweise Hanns Heinrich Bormann ausdrücklich die starke Distribution katholischer Literatur im Allgemeinen, wahrte aber Distanz zu den Buchgemeinschaften; sie vermöchten es nicht, den katholischen Geschmack auszubilden, wenn sie ihren Mitgliedern lediglich Pflichtbände anbieten würden (Konzentration oder Zersplitterung?, [o. S.]). 52 Zu dieser Buchgemeinschaft vgl. Brepohl: Die Deutsch-Evangelische Buchgemeinschaft. 53 Vgl. Kroczek, Franz: Aus unserem Vereinsleben. Der Borromäusverein im Jahre 1925. In: Die Bücherwelt. Zeitschrift des Borromäusvereins 23 (1926) 3, S. 116–120, S. 120. In Paragraph zwei der Satzung heißt es: »Die Aufgabe der Buchgemeinde ist die allmähliche Beschaffung einer Heimbücherei für das deutsche Haus.« (Satzungs-Auszug der Buchgemeinde. In: Die Buchgemeinde. Vierteljahresschrift der Bonner Buchgemeinde 1 (1928) 4, S. 79, § 2.) 54 Vgl. Bauer, Peter: Sieben Jahre Bonner Buchgemeinde. In: Die Bücherwelt. Zeitschrift des Borromäusvereins 29 (1929), S. 439–444, S. 439. 55 Wolff, Buchgemeinde 1927, S. 116. 56 Zu den folgenden Aufzählungen vgl. Achtung! Achtung! In: Die Buchgemeinde. Vierteljahresschrift der Bonner Buchgemeinde 1 (1928) 1, S. 9 ff.
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zug dieser Bücher hatten die Mitglieder einen, auch in Raten zahlbaren, Jahresbeitrag von zunächst 9 RM, später 9,90 RM zu leisten und bekamen dafür dreimal jährlich ein Buch, ab 1928 auch eine Mitgliederzeitschrift.57 Der Borromäusverein scheint mit dieser Arbeitsweise seiner Buchgemeinschaft erfolgreich gewesen zu sein und konnte bis 1927 insgesamt 53.000 Mitglieder gewinnen.58 Wesentlich kleiner blieben die beiden jüdischen Gründungen der zwanziger Jahre: Der Zionistische Bücherbund stand unter der Leitung des Jüdischen Verlages in Berlin. Sein Literarischer Ausschuss wurde mit Siegmund Kaznelson, Robert Welsch und Max Meyer besetzt, die Bücher zur jüdischen Nationalbewegung und zionistischen Ideologie sowie Werke nationaljüdischer Denker publizieren wollten. Doch scheint ihr Geschäftserfolg gering geblieben zu sein, denn nach drei Titeln wurde der Bücherbund nicht weitergeführt. Anders war es beim Heine-Bund. Er war Teil des bereits 1911 gegründeten und ausschließlich jüdische sowie zionistische Literatur vertreibenden Welt-Verlages und publizierte in seiner Wirkungszeit von 1926 bis 1932/33 insgesamt 24 Bücher. Dabei handelt es sich um bis dahin unveröffentlichte Werke und »Neudrucke vergriffener oder wenig beachteter Ausgaben«.59 Ziel war es, mit diesem Programm »das Leben und Schaffen der jüdischen Gemeinschaft jüdischen Menschen zugänglich [zu] machen als Quelle von Wissen, Unterhaltung und Freude«.60 Die Buchgemeinschaft wurde nicht als ausschließlich religiöse, sondern auch als kulturelle Einrichtung verstanden, in der jüdisches Leben und jüdische Sitte vermittelt werden sollten. Die Mitglieder wurden zunächst zur Abnahme einer aus vier Bänden bestehenden Jahresreihe verpflichtet: Sie hatten 14 RM oder vier Raten von 3,75 RM zu entrichten. Doch dieses starre Pflichtbandsystem wurde mit der Zeit gelockert. Zunächst wurden zusätzliche Auswahlbände angeboten und ab 1930 konnten die Mitglieder aus der ›Jahresreihe‹, den ›Tauschbänden‹ und den ›Auswahlbänden‹ beliebig wählen.61
Konservative und nationalistische Buchgemeinschaften Auch Parteien und Gruppierungen aller politischen Richtungen erkannten, dass sie mit der Gründung von Buchgemeinschaften Gleichgesinnte gut erreichen und den Vertrieb 57 Die Buchgemeinde. Vierteljahresschrift der Bonner Buchgemeinde 1 (1928) bis 3 (1930). 58 Wolff, Hetta: Buchgemeinde 1927. In: Die Bücherwelt. Zeitschrift des Borromäusvereins 24 (1927) 3, S. 116 ff. 59 Z. H.: Der Heinebund. Eine jüdische Buchgemeinde. In: Jüdische Rundschau 31 (1926) 35, S. 262. Dazu gehörten beispielsweise die Übersetzungen aus dem Französischen von Myriam Harry: Das kleine Mädchen von Jerusalem und Aime Palliere: Das unbekannte Heiligtum sowie aus dem Russischen Sabbatai Zewi von S. Poljakoff. Aber auch Übersetzungen aus dem Jiddischen – wie Opatoschu: Ein Waldjunge – sind zu nennen, genauso wie original deutschsprachige Werke: Marcus Ehrenpreis: Das Land zwischen Orient und Okzident. Spanische Reise eines modernen Juden, J. Elbogen (Hrsg.): Gestalten und Momente aus der jüdischen Geschichte oder Zweig, Arnold: Juden auf der deutschen Bühne. 60 Bab, Werner: Eine jüdische Büchergemeinde. In: Allgemeines Jüdisches Familienblatt. Wochenblatt für die gesamten Interessen des Judentums 7 (1926) 36, S. 5. 61 Vgl. Der Aufbau des Heine-Bundes. (Rechte und Pflichten der Mitglieder). In: Blätter des Heine-Bundes 1 (1928) 2, Beilage, [o. S.].
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tendenzieller Literatur gegenüber dem Verkauf im Sortimentsbuchhandel verbessern konnten. Entsprechend der ideologischen Aufsplitterung der Gesellschaft in der Weimarer Republik verwundert es nicht, dass vom nationalistischen über das konservative und das gewerkschaftliche bis hin zum anarchosyndikalistischen Spektrum Buchgemeinschaften gegründet wurden, die ihre Interessengruppen gezielt bedienten. Bislang konnten insgesamt fünf Buchgemeinschaften ausfindig gemacht werden, deren Programme oder Zielsetzungen als nationalistisch eingestuft werden müssen, wenngleich zu wenige Informationen vorliegen, um ein detailliertes Bild von Aufbau, Programm, Arbeitsweise oder Mitgliederstruktur der Organisationen zu erstellen. Das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel teilte im Juli 1925 mit, dass sich in Berlin W 35 eine neue Buchgemeinschaft namens ›Kulturdienstbücherei‹ des Vaterländischen Kulturdienstes e. V. gegründet habe.62 Abonnenten konnten sowohl Privatpersonen sein, die dafür 1 RM Jahresbeitrag zu zahlen hatten, oder aber auch Körperschaften, die jährlich mindestens 20 RM zahlen mussten. In erster Linie waren ihr ›vaterländische Verbände‹ wie Stahlhelm, Werwolf, Jungdo, Wiking, Deutschbund oder Junglandbund angeschlossen: »Die besondere Tendenz ergibt sich aus dem Namen.« Die Mitglieder waren verpflichtet, in jedem Geschäftsjahr vier Pflichtbände zum Gesamtpreis von 12 RM abzunehmen; daneben standen noch Auswahlbände zur Verfügung. Der Verfasser des Artikels nennt 13 Personen, die den Literaturausschuss des Unternehmens bildeten, sowie verschiedene Buchtitel, die »in Vorbereitung sind«.63 Die ›deutsche Kultur‹ wurde auch bei der Deutschen Kulturgemeinschaft e. V. aus Berlin programmatisch in den Organisationsnamen aufgenommen: Sie nannte die Schaffung einer »Nationalbühne für Deutschland« ihr Ziel64 und gab dazu die Schriftreihen ›Wahres Deutschtum‹ und ›Deutsche Hausbücherei‹ heraus.65 Für die Mitgliedschaft hatten die Leser einen jährlichen Beitrag von 1 RM zu entrichten »und von einer Jahresauswahlreihe von 5 Büchern können bezw. müssen die Mitglieder 2 auswählen«.66 Im Gegensatz zur ›Kulturdienstbücherei‹ des Vaterländischen Kulturdienstes und der Deutschen Kulturgemeinschaft stellte die Volksbuchgesellschaft, deren Gründungsort nicht bekannt ist, mit ihrer Namensgebung nicht den kulturellen, sondern eher den völkischen Aspekt ihrer Arbeit heraus. Ebenso tat es die Anfang der dreißiger Jahre vom Alexander von Duncker Verlag in Weimar gegründete Volksdeutsche Buchgemeinde, die »wichtigste völkische Buchgemeinschaft« der Weimarer Republik.67 Diese 62 ›Kulturdienstbücherei‹ des Vaterländischen Kulturdienstes e. V., S. 11130. Vgl. auch zum Folgenden ebd. 63 Ebd. Bibliographisch können diese Titel nicht nachgewiesen werden. 64 Zitiert nach Neven Dumont: Die Kollektivierung des literarischen Konsums, S. 63. 65 Vgl. Zickfeldt: Die Umgestaltung des Buchmarktes durch Buchgemeinschaften, S. 71. In diesen Reihen sind sowohl Werke des eigenen als auch fremder Verlage erschienen. Das Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums führt unter dem Titel Wahres Deutschtum auf: »Eine Sammlung deutschkultureller Schriften. H. 1–3. Berlin-Pankow. Verlag der Deutschen Kulturgemeinschaft. 1) Bismarck. 2) Theaterkultur. 3) Elsner, Richard: Der General« (GV, Band 26, S. 404). In der ›Deutschen Hausbücherei‹ scheint nur Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze von Ernst Moritz Arndt erschienen zu sein (Vgl. GV, Band 53, S. 24). 66 Gross: Neue Organisationsformen im deutschen Buchhandel, S. 40. 67 Ulbricht: ›Von deutscher Art und Kunst‹, S. 29.
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bot ihren Mitgliedern jährlich vier Pflichtbände und eine Reihe Bücher aus den »Beständen national gerichteter Verlage« an,68 die sie für 3 RM pro Band beziehen konnten. Die Zitate Rosins aus den Werbeschriften der Buchgemeinschaft belegen die Ausrichtung dieser Organisation, die als ihr Ziel benannte, durch Sicherung eines größeren Absatzes für bestimmte, zur Volksbildung besonders wertvolle Werke einen günstigeren Bezugspreis für ihre Mitglieder zu ermöglichen, [da] die heute verarmten vaterländisch gesinnten Kreise das schöne und billige Buch brauchen, das ihnen gute geistige Kost in gefälligem Gewande bietet. Der Gedanke der Nationalkultur wurde in den Vordergrund gestellt und ausschließlich Werke deutscher Verfasser veröffentlicht, die »in erster Linie einer vertieften, im Volkstum wurzelnden Bildung und Weltanschauung dienen« sollten. Das letzte hier zu nennende Unternehmen ist der Braune Buchring aus Berlin. Er wurde 1932 gegründet, publizierte aber erst ab 1933. Der Titelliste im Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums, mit weitgehend unbekannten Romanen von verschiedenen Autoren wie Paul Brock, Renate Goedecke, Erich Karschies, Egon Helmut Rakette, Arnold Roth oder Paul Seelhoff, ist zu entnehmen, dass diese Buchgemeinschaft dem Berliner Zeitgeschichte Verlag angeschlossen war,69 in welchem auch die Mitgliederzeitschrift der Buchgemeinschaft, Der braune Reiter, erschien.70 Der Braune Buchring unterschied sich von den oben genannten Unternehmen im Wesentlichen dadurch, dass er seine Arbeit nicht nur als ›deutsch‹ und ›national‹ verstanden wissen wollte, sondern sich ausdrücklich als ›nationalsozialistisch‹ bezeichnete. Er sah seine »größte und schönste Aufgabe darin, der Riesenfront undeutscher Autoren endlich die Front deutsch gesinnter Schriftsteller entgegenzusetzen«.71
Linke Arbeiterbuchgemeinschaften Die bürgerliche Buchproduktion ist zu einem großen Teil nichts als ein rücksichtsloses kapitalistisches Attentat auf den Ungeschmack der Massen. In endlosen Reihen werden Unterhaltungsromane und süßlich-sentimentale Schmachtgeschichten auf den Markt geworfen, in denen die Arbeiter und besonders die Arbeiterinnen von dem Hauptziel ihrer Klasse abgelenkt werden. Dagegen gilt es Front zu machen.72 So beginnt ein 1930 veröffentlichter Aufruf, mit dem für den Beitritt zur UniversumBücherei für Alle geworben wird. Stellvertretend auch für die anderen Arbeiterbuchgemeinschaften der Weimarer Republik verdeutlicht das Zitat, worum es den Gründern dieser Buchgemeinschaften ging: Neben dem Willen, ökonomisch eine Alternative zum bestehenden Buchhandel zu bieten, wollten die linken Buchgemeinschaften zusätzlich 68 69 70 71 72
Rosin: ›Buchgemeinschaft‹ und Bildungspflege, S. 116. Vgl. auch zum Folgenden ebd. Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums, Bd. 20, S. 132. Der Braune Reiter. Berlin 1 (1933) bis 9 (1940). Zitiert nach Scholl: Buchgemeinschaften in Deutschland, S. 91. W. J.: Billige Bücher für Arbeiter. In: Internationale Pressekorrespondenz 10 (1930) 21, S. 506 f., S. 506.
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eine inhaltliche Alternative darstellen. Wie die religiösen und nationalistischen boten auch sie ein Programm an, das ihrer ideologischen Ausrichtung entsprach und, direkt und indirekt, der Verbreitung ihrer politischen Ideen dienen sollte. Im Vergleich zu den anderen, in der Forschung bisher nur marginal untersuchten Buchgemeinschaften scheint es überraschend, wie viele Darstellungen zu proletarischen Buchgemeinschaften vorliegen. Aufsätze, Bibliografien, Bestandsnachweise und Literaturverzeichnisse wurden erstellt, so dass der Anfang für eine intensive weiterführende Forschung bereits gemacht ist. Besonders Bibliophile und Forscher aus der DDR haben sich dem Thema Arbeiterbuchgemeinschaften zugewandt, nicht zuletzt, weil sie die dort propagierten Werte als ihre eigenen ansahen. Somit kann hier – im Gegensatz zu den meisten anderen Buch- Abb. 3: Die seit 1924 monatlich, ab 1930 gemeinschaften – zum Teil bereits quartalsweise erscheinende Mitgliederzeitauf Forschungsliteratur zurückgegrif- schrift des Bücherkreises war ein wichtiges fen werden. Dennoch ist der Wissens- Element der Abonnentenbetreuung. stand über Programm, Arbeitsweise und Mitgliedschaft der Arbeiterbuchgemeinschaften sehr unterschiedlich. Gerade bei diesen linken Organisationen ist zum einen viel Aktenmaterial nach 1933 durch die Nationalsozialisten zerstört worden, da ausnahmslos alle Arbeiterorganisationen verboten oder Übernahmeversuche durch die neuen Machthaber unternommen wurden; zum anderen vernichteten vermutlich verschiedene Organisatoren ihre Geschäftsunterlagen selbst, um den Verfolgern keine Mitgliedernamen und -anschriften zukommen zu lassen. Nur wenige Buchgemeinschaften konnten ihre Unterlagen sicherstellen und im Exil ihre Arbeit fortsetzen. Die systematische Verfolgung aller Personen, die nicht den Vorstellungen der nationalsozialistischen Partei entsprachen, traf auch die Organisatoren und Autoren der linken Kulturgemeinschaften. Im August 1924 wurde die Büchergilde Gutenberg »durch einstimmigen Beschluß der Vertreterkonferenz des Bildungsverbandes der Deutschen Buchdrucker ins Leben gerufen«73 und war damit die erste Buchgemeinschaft der Arbeiterschaft. Inhaltlich stand die Etablierung einer Arbeiterliteratur im Vordergrund, welche die gesellschaftliche Realität widerspiegeln und einer sozialistischen Arbeiterkultur den Weg ebnen sollte. Als Organisation des Buchdruckerverbandes legte man viel Wert auf die Druckkunst, wie an 73 Dressler: Büchergilde Gutenberg, S. 113.
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den Buchausgaben selbst zu erkennen ist und auch immer wieder in den regelmäßig erschienenen Jubiläumsschriften der Gilde hervorgehoben wird.74 Die Büchergilde hatte zunächst ihren Druck- und Verlagsort in Leipzig, da der Deutsche Buchdruckerverband hier eine eigene Druckerei und Buchdruckerwerkstatt besaß, zog aber im März 1926 nach Berlin. Die Mitglieder erhielten kostenlos die Zeitschrift Die Büchergilde zugestellt,75 die als Mitgliederzeitschrift und gleichzeitig als literarisches Organ dienen sollte. Bis 1933 wurden insgesamt 85.000 Leser als feste Mitglieder gewonnen,76 womit die Büchergilde die größte Arbeiterbuchgemeinschaft war und auch den größten Bekanntheitsgrad erreichte. Ihr Erfolg wird zumeist auf den Hauptautor B. Traven zurückgeführt, der zunächst mit dem Abenteuerroman Das Totenschiff als »Zugnummer« diente77 und danach mit vielen weiteren Titeln große Erfolge hatte. Nur zwei Monate nach der Büchergilde Gutenberg wurde in Berlin der Bücherkreis gegründet,78 der von Anfang an als Parteiunternehmen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) in Erscheinung trat. Seine Gründung ging entweder auf die Initiative des ›Reichsausschusses für sozialistische Bildungsarbeit‹ oder die des SPDParteiverlages J. H. W. Dietz zurück. In den ersten Jahren verstand sich der Bücherkreis explizit nicht als parteipolitische Organisation, dennoch belegen zahlreiche Aussagen in der Mitgliederzeitschrift eine gesellschaftsverändernde Zielsetzung des Unternehmens. Es war bestrebt, moderne zeitgenössische und sozialistische Literatur zu fördern: 2.) Der Gegenwartsliteratur soll Raum gegeben werden: d. h. jener Literatur, die in irgendeiner Form dem sozialistischen Kampf der Zeit dient. 3.) Nach Möglichkeit sollen sozialistische Dichter Deutschlands und der Internationale zu Wort kommen, die Arbeiterklasse beeinflussen, neue Talente wecken, neue Leser schaffen und so dem gesamten sozialistischen Buchhandel zu einer verbreiterten Basis und aussichtsvolleren Position verhelfen. 4.) Die Produktion soll systematisch aufgebaut werden, so daß sich ein klares Bild sozialistischer Kulturbestrebungen in Deutschland und in der Internationale ergibt.79 Diese Grundlagensetzung betont die Priorität der sozialistischen Literatur, ohne zu konkretisieren, was ihre Merkmale sein sollten und worin sie sich von der kommunistischen und bürgerlichen Literatur zu unterscheiden hatte. Daneben ging es dem Bücherkreis auch 74 Vgl. 25 Jahre Büchergilde, S. 2 f.; Bücher voll guten Geistes. 30 Jahre Büchergilde Gutenberg; Bücher voll guten Geistes. 40 Jahre Büchergilde Gutenberg; 50 Jahre Büchergilde Gutenberg und 60 Jahre Büchergilde Gutenberg; Bücher, Bilder und Ideen. 75 Jahre Büchergilde. Vgl. auch die Jubiläumsschriften Dreißig Jahre Gildenbücher sowie Weidemann: Bücher voll guten Geistes und von schöner Gestalt, S. 11–14. 75 Die Büchergilde. Zeitschrift der Büchergilde Gutenberg 1 (1925) bis 9 (1933). 76 Dragowski: Die Geschichte der Büchergilde Gutenberg, S. 154. Zur Entwicklung des Mitgliederstammes vgl. Bühnemann: Zur Geschichte der Buchgemeinschaften der Arbeiterbewegung, S. 367. 77 Emig: Zur Geschichte der sozialdemokratischen Buchgemeinschaft ›Der Bücherkreis‹, S. 468. 78 Vgl. zum Folgenden van Melis: Die Buchgemeinschaft in der Weimarer Republik, S. 149–230. 79 Jahrbuch der Deutschen Sozialdemokratie. Hrsg. vom Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. (Reprint Ausgabe Berlin, Bonn: J. H. W. Dietz Nachf. 1976) 1929, S. 243.
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um die Förderung von zeitgenössischen Werken: Er »hat bei seiner Bücherproduktion die Absicht, vor allem der Gegenwart Raum zu schaffen«.80 Dieses Arbeitsprinzip verstand er als konkrete Maßnahme, »die Welt von den Grundlagen aus zu verändern«.81 Vom Oktober 1924 bis zum Frühjahr 1933 erschienen im Bücherkreis neben der zunächst monatlich, ab 1930 quartalsweise ausgegebenen Mitgliederzeitschrift82 insgesamt 71 verschiedene Titel in 99 Bänden, bei denen die Schöne Literatur den Schwerpunkt darstellte. Bei den heute zumeist unbekannten Werken83 handelte es sich fast ausschließlich um Originalausgaben, die an die Mitglieder für 3 RM, ab 1932 für 2,70 RM, abgegeben wurden.84 Insgesamt wurden 44.500 Mitglieder gewonnen, die neben den von Jan Tschichold typografisch vielfach avantgardistisch gestalteten Büchern Abb. 4: Mit Gorkis erstmals ins Deutsche auch Bronzeplastiken und Bilder be- übersetztem Roman unterstrich der Bücherziehen konnten. Diese Zusatzangebote kreis sowohl seinen literarischen Anspruch wurden ebenso wie das Buchprogramm als auch seine Positionierung am linken Ranals bildungspolitische Maßnahme ver- de der Sozialdemokratie. standen, mit dem Ziel, zwischen Kitsch und »wirklicher, gediegener Kunst«85 zu unterscheiden und eine proletarische, von bürgerlichen Traditionen befreite Kultur zu etablieren. Der Bücherkreis und die Büchergilde Gutenberg sprachen mit ihrem Programm und in ihrer Werbung weitgehend dasselbe Zielpublikum an. Sie vertraten ähnliche Grundprinzipien, stellten sich vergleichbare volksbildende Aufgaben und waren somit konkur80 An unsere Mitglieder und Freunde. In: Der Bücherkreis 1930, 4, S. 75, [Hervorhebung im Original]. 81 Eine Erklärung in schwerer Zeit. In: Der Bücherkeis 1932, 3, S. 66. Vgl. dazu auch den Aufsatz von Döbler, Karl: Was ist und will der Bücherkreis? In: Arbeiter-Jugend. Monatsschrift des Verbandes der sozialistischen Arbeiterjugend Deutschlands 22 (Oktober 1930), S. 231 f. 82 Der Bücherkreis 1 (Oktober 1924) 1 bis 9 (2. Quartal 1933) 2. 83 Vgl. die Bibliographie zum Bücherkreis bei van Melis, S. 255–284. 84 Ab 1927 hatten die Mitglieder die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Bänden auszuwählen; ab Frühjahr 1929 konnten Nichtmitglieder die Bücher zu höherem Preis auch über den regulären Sortimentsbuchhandel beziehen. 85 Vgl. Kunst und Arbeit. In: Der Bücherkreis 1 (1925) 15, S. 56.
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rierende Unternehmen. Dies sah auch die Leitung des Bücherkreises und teilte im Januar 1925 als Antwort auf eine Leserzuschrift mit: Was jedoch die Verwirklichung des kulturellen Zieles betrifft, das in den Satzungen des »Bücherkreises« und der »Büchergilde« umrissen ist, so glauben wir, davon abraten zu müssen, das Ziel auf dem Wege beruflicher und fachlicher Sondergründungen anzustreben. Über kurz oder lang wird man unter Wahrung aller berechtigten Interessen zu einer Verschmelzung der bestehenden proletarischen Buchbezieher-Organisationen kommen müssen.86 Schon einen Monat später veröffentlichte die Büchergilde in ihrer Mitgliederzeitschrift dazu eine Klarstellung,87 in der sie betonte, dass die Büchergilde bereits vor dem Bücherkreis existiert habe und ihr der Vorwurf einer Sondergründung somit nicht gemacht werden könne. Versöhnlich sprach sie jedoch auch von einer »Duplizität der Ereignisse« und zog einen zukünftigen Zusammenschluss ebenfalls in Betracht. Dazu kam es jedoch nie; beide Unternehmen arbeiteten getrennt voneinander weiter. Allerdings scheint dabei weniger Konkurrenz als vielmehr ein freundschaftliches Miteinander die Arbeit geprägt zu haben: Der spätere Bücherkreis-Leiter Karl Schröder trat beispielsweise bei Werbeveranstaltungen der Büchergilde als Redner auf, einige Autoren veröffentlichten ihre Werke in beiden Verlagen und besprachen sie gegenseitig positiv in verschiedenen Rezensionsorganen. Beide Buchgemeinschaften bemühten sich um ein Publikum, welches bis dahin vom herkömmlichen Buchhandel kaum beachtet und angesprochen worden war. Der Bücherkreis wurde mit Wissen und Unterstützung der SPD gegründet, wogegen die Marxistische Büchergemeinde88 zwar von Mitgliedern derselben Partei gegründet, von deren Vorstand aber abgelehnt wurde. Seit Oktober 1927 erschien halbmonatlich in der Berliner Laubschen Verlagsbuchhandlung als Oppositionsblatt innerhalb der SPD die Zeitschrift Der Klassenkampf.89 Die Herausgeber der Zeitschrift verstanden sich als ›linker Flügel‹ ihrer Reichstagsfraktion, der sich der Tolerierungspolitik der SPD gegenüber der konservativen Regierung Brüning widersetzen wollte.90 So wurde auch die durch diese Gruppe gegründete Marxistische Büchergemeinde verstanden: Die Gründung der Marxistischen Verlagsgesellschaft in Berlin91 und die Herausgabe der
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Der Bücherkreis1 (1925) 4, S. 18. Klarstellung. In: Die Büchergilde. Zeitschrift der Büchergilde Gutenberg 1 (1925). 1, S. 15. Vgl. zum Folgenden Gebauer: Die Marxistische Büchergemeinde. Der Klassenkampf: Sozialistische Politik und Wirtschaft 1 (1927) bis 6 (1932) [auch erschienen als Reprint: Vaduz, Liechtenstein: Topos Verlag 1982]. 90 Vgl. Seydewitz, Max: Die Tolerierung der Notverordnung. Gegen die Richtlinie des Parteitags. In: Der Klassenkampf 5 (1931) 13, S. 387. 91 Der Verlag der Buchgemeinschaft trug verschiedene Namen und war unter unterschiedlichen Adressen angesiedelt: Marxistische Büchergemeinde GmbH, Berlin-Britz; Marxistische Verlagsgesellschaft mbH, Berlin-Britz; Marxistische Verlagsgesellschaft mbH, Berlin-Tempelhof; Freie Verlagsgesellschaft mbH, Berlin-Tempelhof und Freie Verlagsgesellschaft mbH, Berlin O 27.
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(insgesamt fünf) ›Roten Bücher‹92 dienten als Agitationsmittel gegen die Fraktion und zielten damit nur auf einen kleinen Interessentenkreis: »Angaben zur genauen Mitgliederstärke der Marxistischen Büchergemeinde lassen sich heute nicht mehr verifizieren. Die Auflagenhöhe der Bücher lag bei 3.000 Exemplaren. Der größte Teil wurde wahrscheinlich von Nichtmitgliedern zum Buchhandelspreis von 4,75 RM erstanden.«93 Neben der Büchergilde und dem Bücherkreis stellt die Universum-Bücherei für Alle eine dritte Arbeiterbuchgemeinschaft dar; ihr Verlagsprogramm ist vor allem dank der systematischen Recherchen von Heinz Lorenz bibliografisch vollständig nachweisbar.94 Peter Rudolf Meinfelder schreibt über die Gründung der Universum-Bücherei, die durch die Internationale Arbeiter-Hilfe in enger Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei und dem Neuen Deutschen Verlag erfolgt war:95 »Mit Unterstützung der gesamten Partei gelang es 1926 in enger Zusammenarbeit mit dem ›Münzenberg-Konzern‹ eine zielklare kommunistische Buchgemeinschaft ins Leben zu rufen.«96 Diese ›Zielklarheit‹ beruhte vor allem auf dem Programm der Gemeinschaft, das von Beginn an zwei Schwerpunkte setzte: Zum einen sollten sowjetische Autoren publiziert und dem deutschen Publikum bekannt gemacht, zum anderen jungen Schriftstellern eine Möglichkeit geboten werden, Bücher zu veröffentlichen: »Wenn wir eine neue Buchgemeinschaft gründeten, die sich zur Aufgabe stellt, die heutige literarische Generation zu fördern, so gehen wir von der Erkenntnis aus, daß die anderen Buchgemeinschaften zwar die billige Buchproduktion durchgeführt haben, dennoch aber in ihrer Produktion planlos und zerfahren sind.«97 Zur Unterstützung des Buchprogramms diente auch der Universum-Bücherei eine an die Mitglieder kostenfrei verteilte Zeitschrift.98 Sie stellte eine Mischung zwischen Bildungs- und Unterhaltungsmagazin dar und wurde zwischenzeitlich auch über den 92 Die Buchgemeinschaft trug den Namen Marxistische Büchergemeinde, die dort erschienenen Buchtitel den Reihennamen ›Die Roten Bücher‹. Vgl. dazu: Was will die Marxistische Büchergemeinde? Programmatische Schrift der Büchergemeinde, als Anhang in jedem bei ihr erschienenen Buch abgedruckt. 93 Meinfelder: Die Entwicklung der Arbeiterbuchgemeinschaften in der Weimarer Republik, S. 149. 94 Vgl. Lorenz: Die Universum-Bücherei. Zur Übernahme sowjetischer Literatur aus anderen Verlagen durch die Universum-Bücherei; vgl. Fliege, Horst: KPD und Sowjetliteratur 1919– 1933 (Habil. masch.). Jena 1969, S. 82–90. Die Universum-Bücherei hat sich weder bei ihren Quartals- noch bei ihren Auswahlbänden an eine einheitliche Zählweise gehalten, hat zum Teil sogar Titel anderer Verlage mit überklebtem Signet unter eigener Bandzählung vertrieben. Vgl. dazu Lorenz: Universum-Bücherei für Alle, S. 26. 95 Vgl. Münzenberg, Willi: Solidarität. Zehn Jahre Internationale Arbeiterhilfe 1921–1931. Berlin: Neuer Deutscher Verlag 1931, besonders S. 91 f. und Surmann: Die MünzenbergLegende, S. 98. Dem Neuen Deutschen Verlag blieb die Universum-Bücherei zeit ihres Bestehens eng verbunden. 96 Meinfelder: Die Entwicklung der Arbeiterbuchgemeinschaften in der Weimarer Republik, S. 113. 97 Zur Einführung. In: Dies und Das 1 (1926) 1, S. 1 f., S. 1. 98 Im Laufe der Zeit erhielt die Zeitschrift drei verschiedene Namen: Dies und Das 1 (1926) 1; Blätter für Alle 2 (1927) bis 3 (1928) und Magazin für Alle 4 (1929) bis 5 (1933). Zu dieser Zeitschrift vgl. Surmann, S. 193–198 und Sommer, Heinz: Das ›Magazin für Alle‹.
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freien Buchhandel verkauft sowie als Beilage der Welt am Abend99 ausgegeben. Dies erklärt ihre Auflagenhöhe von bis zu 260.000 Exemplaren, womit sie eine beachtliche Reichweite entwickelte, was allein durch die finanzielle Unterstützung des Münzenberg-Konzerns möglich war.100 Ähnlich massenwirksam waren die ›Universum-Feste‹, die ab 1928 jährlich in Berlin gefeiert wurden und 1931 mit mehr als 20.000 Gästen einen Höhepunkt erreichten. Diese Veranstaltungen waren als Werbemaßnahmen konzipiert; sie boten neben Lesungen und Aufführungen aus Universum-Werken auch Musik, Kirmes, Tanz sowie Tombola und sorgten für wachsende Bekanntheit und einen großen Mitgliederzuwachs.101 Trotz dieser Aktionen, Zusatzangeboten wie einer kostenlosen ›Verkehrs- und Sportunfallversicherung‹ und eines gut ausgebauten Organisationsnetzes mit zahlreichen Zahl- und Verkaufsstellen102 gelang es der Universum-Bücherei nicht, mehr als 20.000 Mitglieder zu gewinnen.103 Dennoch schaffte sie es, bis zum Frühjahr 1933 insgesamt 149 Buchtitel und Kalender anzubieten und allein 1932 200.000 Bücher abzusetzen.104 Damit blieb sie zwar »letztlich doch nur eine Randorganisation für ›Bücherfreunde‹«,105 bediente aber eine Klientel, die sich weder durch den traditionellen Buchhandel noch durch andere Buchgemeinschaften zufriedenstellend bedient fühlte. So wenig Beachtung wie die oben erwähnte Marxistische Buchgemeinde fand auch die von Arthur Wolf im Frühjahr 1926 gegründete und wahrscheinlich schon 1927 wieder eingestellte Volks-Buch-Gemeinde. Sie bot Mitgliedschaften in Preiskategorien von 1,60 RM, 2,50 RM oder 3,60 RM pro Vierteljahr an, wofür den Abonnenten alle drei Monate ein Buch in Halbleder-, Seidencanvas-, Ganzleinen- oder Halbleineneinband per Nachnahme und dazu monatlich kostenlos die Zeitschrift Heimstunden zugesandt wurden.106 Ihnen wurde innerhalb des Titelangebots freie Auswahlmöglichkeit zugesichert, lediglich die politische Ausrichtung der Literatur sollte eine eindeutige sein: »Die Volks-Buch-Gemeinde ist die einzige linksgerichtete Buchgemeinschaft, die ihren Mit-
99 Welt am Abend 1 (August 1922) bis 11 (September 1933). 100 Rolf Surmann schreibt dazu: »Es fällt nicht schwer, in dieser Zielsetzung den Versuch zu erkennen, eine Konkurrenz zu schaffen zu Magazinen wie ›Reclams Universum‹, die in dieser Zeit einen beachtlichen Einfluß hatten und die Verbindung von Unterhaltung mit dem traditionellen Anliegen des Magazins – der Belehrung – fortzuführen suchten.« (Die Münzenberg-Legende, S. 99.) 101 Vgl. Sommer, Heinrich: Eine Riesendemonstration für das proletarische Buch sowie Bilder der Woche. In: Arbeiter-Illustrierte-Zeitung 10 (1931) 51, S. 1044. 102 Vgl. dazu die Angaben bei Demuth, F.: Fünf Jahre ›Universum Bücherei für Alle‹. In: Internationale Pressekorrespondenz 11 (1931) 103, S. 2323. 103 Über die unterschiedlichen Angaben zur Höhe der Mitgliederanzahl vgl. Surmann: Die Münzenberg-Legende, S. 163. 104 Vgl. Rückblick und Ausblick. In: Magazin für Alle 5 (1933) 1, S. 45. 105 Surmann: Die Münzenberg-Legende, S. 164. 106 Proletarische Heimstunden. Tribüne für Kunst, Literatur, Dichtung (1923)–(1924). Danach unter dem Titel Heimstunden. Zeitschrift für proletarische Literatur, Kunst, Aufklärung und Unterhaltung (1925)–(1926); im letzten Jahr Proletarische Heimstunden. Tribüne für Kunst, Literatur, Dichtung. Sonderheft (1927).
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gliedern keine Pflichtbände aufzwingt, sondern freie Auswahl […] bietet, dabei aber billiger als alle anderen Buchgemeinschaften ist.«107 Als letzte kleine linke Buchgemeinschaft sei auf die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde hingewiesen: Auch dieses Unternehmen war eng an eine Partei, die anarchosyndikalistische Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD), und an einen dieser Partei nahestehenden Verlag, den Berliner Asy-Verlag, gebunden. Den Mitgliedern wurden neben Buchtiteln des eigenen Gilde-Verlages108 verschiedene Bücher aus dem AsyVerlag, aber auch anderer Verlage, angeboten.109 Diese Buchgemeinschaft zeichnete sich durch ihr freies System der Mitgliedschaft aus, vermochte es aber nie, über einen festen Mitgliederstamm von 1.200 Personen hinauszugelangen.
Buchgemeinschaften des Buchhandels Zeitgleich mit dem geschäftlichen Erfolg des Volksverbandes der Bücherfreunde, der Deutschen Buch-Gemeinschaft und zahlreicher kleinerer Buchgemeinschaften setzte eine Diskussion um Nutzen oder Schaden eben dieser Organisationen ein. Vertreter des traditionellen Buchhandels suchten nach Wegen, die Strukturen des Sortiments und deren Funktion als Verkaufsstellen beizubehalten, dabei aber Bücher preiswerter als bisher zu verkaufen und zusätzlich einen festen Käuferstamm an ihr Unternehmen zu binden. Beim Börsenverein gingen verschiedene Vorschläge von Sortimentern und Verlegern ein, die meisten von ihnen blieben jedoch unbeachtet und wirkungslos.110 Im Gegensatz dazu erregte die von Lutz Knieling und Walther Schotte initiierte Buch-Einkaufs-Gemeinschaft als Buchgemeinschaft des Buchhandels einiges Aufsehen 107 Die Volks-Buch-Gemeinde. In: Heimstunden. Zeitschrift für proletarische Literatur, Kunst, Aufklärung und Unterhaltung (März 1926) 3, [S. 96]. 108 Eine Biographie der im Verlag Gilde freiheitlicher Bücherfreunde erschienenen Titel findet sich bei Lorenz: Die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde 1929–1933, S. 39–43. Zunächst konnte nur alle vier Monate ein Buch für vier Mark erscheinen, ab Herbst 1930 alle drei Monate ein Buch für drei Mark (Vgl. Ein Aufbauwerk. Aufruf an alle verantwortungsbewußten freiheitlichen Sozialisten! In: Der Syndikalist. Organ der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (Anarcho-Syndikalisten) 12 (1930) 36, [o. S.]). 109 Vgl. Lorenz: Die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde 1929–1933, S. 42–47. Auf S. 38 wird mitgeteilt, dass die Bände anderer Verlage in der Regel mit einem neuen Einband der Buchgemeinschaft versehen wurden. In der Satzung der Buchgemeinschaft heißt es dazu: »An Stelle von Gildenbüchern wird den Mitgliedern auf Wunsch auch ein Buch im gleichen Wert aus dem ASY-Verlag und anderen Verlagsanstalten, mit denen die Gildenleitung in Vertragsverhältnisse getreten ist, zu einem Vorzugspreis geliefert.« (Satzung der Gilde freiheitlicher Bücherfreunde. Zitiert nach ebd., S. 35.) 110 In den Akten des Börsenvereins finden sich zahlreiche solcher Briefe. In der Regel wurde ihr Eingang vom Vorstand des Börsenvereins kurz bestätigt, eine Unterstützung und Zusammenarbeit jedoch abgelehnt, da entweder ein geschäftlicher Erfolg fragwürdig war oder die notwendige Neutralität der Interessenvertretung des Buchhandels eine solche Beteiligung nicht zuließ. Weitgehend unbeachtet blieben beispielsweise auch die bereits oben erwähnte Evangelische Buchgemeinschaft, die 1924 gegründete Heimbücherei des Wolframbundes sowie der ab 1920 in München residierende Deutsche Meister Bund, obwohl sich alle drei als Buchgemeinschaften des Buchhandels verstanden.
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in der Branche.111 Zurückzuführen ist dies nicht auf ökonomische Erfolge, sondern vor allem auf eine massive Öffentlichkeitsarbeit durch die Gemeinschaft selbst sowie eine kurze, aber tatkräftige Unterstützung durch den Börsenverein, der in der Idee der BuchEinkaufs-Gemeinschaft eine wirksame Gegenstrategie zu den Buchgemeinschaften sah. Zwei Tage nach Gründung der Gesellschaft schreibt Albert Hess, Geschäftsführer des Börsenvereins, in einem Rundschreiben an die Vorstandsmitglieder: »Eine Preiskonkurrenz [zum Volksverband der Bücherfreunde und anderen Buchgemeinschaften] kommt nicht in Frage. Es handelt sich vielmehr darum, ob die Bucheinkaufsgemeinschaft ein Bollwerk ideeller Art gegen die Buchgemeinschaft ist.«112 Am 1. September 1925 gründeten in Leipzig 18 Verleger und Sortimenter den Verein Deutsche Buch-Einkaufs-Gemeinschaft, dessen Gründungsversammlung im Namen von Eugen Diederichs zusammengerufen worden war. An ihr nahm auch Albert Hess für den Börsenverein teil, was er gegenüber dem Vorstand folgendermaßen begründete: Wenngleich es selbstverständlich für mich sehr schwierig war, die mir von Herrn Knieling vorgetragenen Ideen sofort zu überblicken, hatte ich doch das Gefühl, daß hier zum ersten Mal in der Frage der Gegengründung [zu den Buchgemeinschaften] ein beachtenswertes Wort gesprochen wurde und daß der Börsenverein nicht versäumen dürfe, der Sache seine Aufmerksamkeit zu schenken.113 Ziel der Buch-Einkaufs-Gemeinschaft war es, »das bücherkaufende Publikum für den ordentlichen Buchhandel zu organisieren, den Mindestetat, den das deutsche Volk für Büchereinkäufe hat, in Mitgliederbeiträgen festzuhalten und dem ordentlichen Buchhandel zuzuführen. Für diesen Mindestetat will sie dem deutschen Volk beste Werke des deutschen Verlagsbuchhandels zu billigeren Preisen zuführen.«114 Da der Verein selbst keine Geschäfte abwickeln durfte, wurde die Buch-Einkaufs-Zentrale GmbH gegründet, die vertraglich mit der Buch-Einkaufs-Gemeinschaft unlösbar verbunden war und die Geschäfte für diese führte.115 Bei der Gründung der Buch-Einkaufs-Gemeinschaft stand die Idee im Vordergrund, über zwei Wege neue Käufer zu gewinnen: Zum einen wurden Bücher angeboten, deren Ladenpreise aufgehoben waren und die nun zu einem 50 bis 60 % niedrigeren Preis als dem der ursprünglichen Ausgabe verkauft werden konnten. Die Ausstattung blieb ge111 Vgl. zum Folgenden van Melis: Die Buchgemeinschaften in der Weimarer Republik, S. 127– 148. 112 Rundbrief von Albert Hess: Betr.: Gründung einer Gegenorganisation gegen die Buchgemeinschaften an die Vorstandsmitglieder des Börsenvereins vom 3. September 1925 (SStAL 348 Bv, 38–43, 42). 113 SStAL 348 Bv, 38–43, 38. 114 Anlage I zum Schreiben der Buch-Einkaufs-Zentrale vom 21. September 1925 an die Verleger (SStAL 349 Bv, o. P.). 115 Vgl. Anlage I zum Schreiben der Buch-Einkaufs-Zentrale vom 21. September 1925 an die Verleger (SStAL 349 Bv, o. P.). Hier wird ausdrücklich betont: »Der in der Sitzung vom 1. September anwesende Syndicus des Buchhändler-Börsenvereins, Dr. Hess, erkannte an, daß der vorliegende Plan mit der Verkaufsordnung des Buchhändler-Börsenvereins vereinbar sei und bei Selbständigkeit und Einfachheit seiner Ideen Gewähr biete, den gesamten Buchhandel durch die Intensivierung seines Umsatzes zu fördern.«
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genüber der Originalausgabe unverändert, die Bücher waren nicht als Bände der Einkaufs-Gemeinschaft zu erkennen. Hierbei handelte es sich um eine Form des Modernen Antiquariats, da mit Buchtiteln gehandelt wurde, die bis dahin nur schlechten Absatz gefunden hatten. Zum anderen wurden Subskriptionspreise für Neuerscheinungen angeboten. In beiden Fällen konnten ausschließlich die Mitglieder der Absatz-Organisation in den Genuss der reduzierten Preise kommen. Um Mitglied zu werden, waren bei einer Sortimentsbuchhandlung eine Aufnahmegebühr von 1 RM sowie monatliche Beiträge von 1,80 RM oder vierteljährlich 5,40 RM zu entrichten. Die regelmäßigen Mitgliedsbeiträge wurden bei jedem Bücherkauf angerechnet, der mindestens vierteljährlich getätigt werden musste. Die Sortimentsbuchhandlungen mussten 5 RM bezahlen und Mitglied des Börsenvereins oder der Buchhändlergilde sein, um Ausgabestelle der Buch-Einkaufs-Gemeinschaft werden zu können. Dafür wurden sie regelmäßig mit Werbematerial versorgt116 und sammelten die Beiträge der Mitglieder ein, von denen sie 30 % einbehielten. Die restlichen 70 % der Mitgliedsbeiträge sowie die Aufnahmegebühren waren von den Sortimentern an die Zentrale weiterzuleiten; die Buchhandlungen bezogen die Werke mit 30 % Rabatt. Möglicherweise ist die mangelnde Kooperation des Sortiments dafür verantwortlich zu machen, dass die Buch-Verkaufs-Gesellschaft ohne Erfolg blieb und Anfang 1927 in ein Liquidationsverfahren eintreten und ihre Geschäftstätigkeit aufgeben musste. Bis Januar 1926 hatte sie 400 Sortimenter als Mitglieder gewinnen können,117 bis Januar 1927 sollen es 1.100 feste Ausgabestellen gewesen sein.118 Dazu kamen 400 Sortimenter, die von der Buch-Einkaufs-Gemeinschaft zwar Titel bezogen, deren Buchhandlungen aber noch nicht als feste Ausgabestellen eingetragen waren. In diesen Buchhandlungen sollen allerdings nur 5.000 Personen, Vereine und Verbände Mitglieder der Buch-Einkaufs-Gemeinschaft gewesen sein. Ausschlaggebend für die Erfolglosigkeit des Unternehmens wird aber nicht nur die geringe Menge von Mitgliedern gewesen sein, sondern auch das Finanzgebaren der Geschäftsleitung: Bis Januar 1926 hatte sie bereits 35.000 RM für »Propagandamaßnahmen und Unkosten« verbraucht. Die Geschichte der Buch-Einkaufs-Gemeinschaft war von Beginn ihres Bestehens an durch die skeptischen Reaktionen und das Verhalten des Buchhandels geprägt; zahlreiche Veröffentlichungen und Stellungnahmen zeigen, dass die neue Vertriebsidee unter starkem Druck der Branchenöffentlichkeit stand. Das hatte Einfluss auf das Verhalten des Börsenvereins, der zwar die Gründung der Gesellschaft zunächst befürwortet und sowohl ideell als auch finanziell unterstützt hatte, aber schon nach wenigen Tagen seine Position änderte, nachdem sich eine überwiegend ablehnende Haltung seitens des traditionellen Buchhandels abzeichnete.119 Der Börsenverein stellte seine ursprüngliche 116 Dazu gehörte auch eine Mitgliederzeitschrift, von der jedoch offensichtlich nur Heft 1 erschienen ist. Vgl. Welt der Bücher. Zeitschrift der Deutschen Buch-Einkaufs-Gemeinschaft e. V. 1 (1925) 1. 117 Brief Hess vom 14. Januar 1926: An die Herren des Vorstandes. Betrifft: Gesellschaftsversammlung der Buch-Einkaufs-Zentrale G. m. b. H., Berlin (SStAL 344 Bv, 103–106, 103). 118 Brief der Buch-Einkaufs-Zentrale vom 18. Januar 1927: An den Börsenverein, z. Hd. des Herrn Generaldirektor Dr. Hess (SStAL 345 Bv, 17). Vgl. auch zu den folgenden Angaben ebd. 119 So schreibt Hess in einem Brief an Lutz Knieling am 12. September 1925, nachdem die Gründung bereits vollzogen war, »daß der Börsenverein selbst sich für diese Sache nur ent-
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Hilfe zurück und vertrat nach außen hin eine kritische oder neutrale Rolle, die in deutlichem Gegensatz zu seinem ursprünglichen Engagement stand. Dieses Verhalten des Börsenvereinsvorstandes, zunächst die Gründung der neuen Organisation zu unterstützen, dann aber sich als unbeteiligt darzustellen (und auf die Rückzahlung eines gewährten Darlehens zu verzichten), lässt sich nur mit der Reaktion des traditionellen Buchhandels erklären. Denn es schien zunächst, als sei mit der BuchEinkaufs-Gemeinschaft die schon lange gesuchte Alternative gegen die stetig wachsenden und zunehmenden Buchgemeinschaften gefunden worden: Man setzte darauf, mit ihr die Vorteile der Buchgemeinschaften adaptieren, gleichzeitig aber die traditionellen Sortimente und Verlage in das neue Distributionsnetz einbeziehen zu können. Als genau das von eben diesen Sortimentern und Verlegern stark kritisiert wurde, wollte der Börsenverein nicht gegen seine Mitglieder agieren und als Verfechter eines ungeliebten Geschäftsmodells dastehen. Es war für ihn eine Frage des Prestiges sowohl den eigenen Mitgliedern als auch den Buchgemeinschaften gegenüber.120 Dies wird ersichtlich, wenn man die nachfolgend beschriebene Politik des herkömmlichen Buchhandels gegenüber dieser neuen Buchvertriebsstruktur betrachtet.
Der traditionelle Buchhandel und die Buchgemeinschaften Aus den bisherigen Darstellungen wurde bereits deutlich, dass der rasche Aufstieg der Buchgemeinschaften von den Vertretern des traditionellen Buchhandels nicht gern gesehen wurde. Sie gingen davon aus, dass die Buchgemeinschaften Leser gewinnen konnten, die bislang im Sortimentshandel gekauft hatten, dies aber seit ihrer Mitgliedschaft nur noch oder zumindest zum Teil in ihrem Buchclub taten.121 Somit stellte die neue Distributionsform für die Sortimentsbuchhandlungen eine neue ökonomische Konkurrenz dar. Die Sortimenter sahen in den Buchgemeinschaften realistischerweise Geschäfte, die ihnen Teile des Umsatzes streitig machten, ähnlich wie der Kolportagebuchhandel, der Direktverkauf durch Ämter und Behörden oder der Buchverkauf durch Fachvereinsverlage. Sie bekämpften alle diese Nebenformen der Bücherdistribution, da sie für die scheiden kann, wenn er die Gefolgschaft des Verlages und Sortiments findet.« (SStAL 349 Bv, 94–97, 95.) Einen Tag später schreibt er an Max Linke im Eugen Diederichs Verlag: »Für mich ist nur sicher, daß wenn der Verlag nicht mit namhaften Firmen vertreten ist, aus der Sache nichts werden kann und dann müssen wir den Schritt, den wir in Berlin vielleicht etwas zu schnell vollzogen haben, so gut es geht reparieren.« (SStAL 349 Bv, o. P.) 120 »In dem Augenblick, als die öffentliche Diskussion über das Unternehmen einsetzte, bildete sich eine Fronde, die aus einzelnen Verlegern und dem führenden Großstadtsortiment, das die Konkurrenz der Buchgemeinschaften weniger fürchtete, bestand. Diese Opposition, die sich im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel hemmungslos gegen den BEG [BuchEinkaufs-Gemeinschaft]-Gedanken auswirkte, war von Anbeginn an der schwerste Schlag gegen das Unternehmen. Der Börsenverein zog sich zurück […], das Sortiment wurde kopfscheu.« (Linke, Max: Die Deutsche Bucheinkaufsgemeinschaft [Bücherbund]. In: Der Ochs vom Lauenstein. Neue Folge des Zopfabschneiders [Mai 1927] 7, S. 24 ff.). 121 Ungeachtet der Frage, ob langfristig dem freien Buchhandel durch die Buchgemeinschaften auch neue Leser zugeführt wurden, kann zunächst von einem Käuferrückgang ausgegangen werden.
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Sortimentsbuchhandlung qua Tradition das Alleinverkaufsrecht an Büchern beanspruchten und jede andere Form des Buchverkaufs ablehnten. Offene Kritik wurde jedoch nur von wenigen Buchhändlern ausgesprochen: Sie wurde meist damit begründet, dass ein solcherart bedrängter Buchhandel seine kulturtragende Aufgabe nicht mehr übernehmen könne und so das »durch das Buch zum Ausdruck gelangende Geistesleben unserer Nation in Zukunft starken Einschränkungen unterliegen« würde.122 Ideelle Argumente wurden somit den eigentlichen, durchaus eigennützigen Beweggründen vorgeschoben. In der öffentlich geäußerten Kritik wurde selbstverständlich nicht der befürchtete Umsatzrückgang angesprochen, sondern die Sorge um die Leser. Denn vor allem den Buchkäufern werde Schaden zugefügt: Während das Sortiment bemüht sei, alle gesellschaftlichen Schichten zu bedienen, wendeten sich die Buchgemeinschaften nur an spezielle Gruppen.123 Bei der Titelauswahl werde nicht auf die Unterschiedlichkeit der Leseinteressen eingegangen: Buchgemeinschaften »führen zu einer Typisierung des Lesestoffs für ein völlig verschiedenartig zusammengesetztes Lesepublikum, ignorieren die Vielfaltigkeit unseres geistigen Lebens, indem sie darauf verzichten, den rechten Menschen für das rechte Buch zu suchen«.124 Nach Meinung der Kritiker komme es den Buchgemeinschaften auf Quantität, nicht auf Qualität an, und es stelle »einen Rückfall in die überholten kleinbürgerlichen geistigen Massenspeisungsmethoden dar, wenn, wie beim VdB [Volksverband der Bücherfreunde], an eine fast eine halbe Million zählende, ganz ungleich geartete, sozial mannigfaltig gegliederte, in ihrem Alter höchst verschiedene Leserschaft ein gleiches Buch verabreicht« werde.125 Der stete Zulauf zu den Buchgemeinschaften wurde damit erklärt, dass die Menschen die Geschäftspolitik dieser Unternehmungen noch nicht durchschaut und damit noch nicht erkannt hätten, dass es langfristig keine Alternative zum traditionellen Sortimentshandel gäbe. In der Regel wurden die Buchgemeinschaften als Geschäftsbetriebe dargestellt, welche die Unwissenheit und Naivität der Abonnenten auszunutzen verstünden, um diesen eine eng begrenzte Anzahl von Büchern, die in der Regel inhaltlich und literarisch wenig überzeugend seien, aufzuzwingen. Die Leser seien die eigentlichen Opfer der Buchgemeinschaften, wenn sie Geld für Bücher ausgäben, die sie nicht selbst aussuchen könnten und die von ihrer Ausstattung her wenig überzeugend seien. Außerdem fehle die professionelle Kaufanleitung, da »einzig und allein das Sortiment die fachmännische Beratung für den Bücherkäufer ist«.126
122 Buchgemeinschaften und Buchhandel. In: Der Berliner Westen (3. Januar 1926) 2, 3. Beilage. 123 Vgl. dazu beispielsweise Traub, Hans: Buchgemeinschaft und Sortiment. In: Eiserne Blätter 7 (1925) 17, S. 315 f. 124 Buchhändler-Verband für das (ehem.) Königreich Sachsen. 46. ordentliche Hauptversammlung. In: Börsenblatt 92 (1925) 242, S. 15716–15722, S. 15719. A. Prebeck spricht von »geistiger Uniformierung« (Bücherpreise und Buchgemeinschaften, Teil II. In: Danziger Neueste Nachrichten 33 (1926) 32, S. 3) und Günther Schwarz davon, dass nur »unentschlossene Käufer« Mitglieder von Buchgemeinschaften sein könnten (Wege zur Förderung des Buchabsatzes. In: Börsenblatt 92 (1925) 220, S. 14046 ff., S. 14047). 125 K. U.: Leben, Wissen, Kunst. Der Kampf um die Buchgemeinschaften. In: Dresdner Volkszeitung. Organ für das werktätige Volk 36 (1925) 287, S. 2, [Hervorhebungen im Original]. 126 Rudolph, Emil: Verein Dresdner Buchhändler. 44. Jahresbericht, erstattet am 18. Februar 1926. In: Börsenblatt 93 (1926) 55, S. 297 f., S. 297.
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Schließlich wurde von Seiten des Buchhandels auch noch mit angeblich zu hohen Buchpreisen der Buchgemeinschaften argumentiert, wenngleich interne Schriftstücke des Börsenvereins belegen, dass dies ausschließlich aus propagandistischen Gründen geschah. So mahnte beispielsweise Albert Hess in einem Schreiben seine Kollegen an, die niedrigen Preise und die gute Qualität der Buchgemeinschaften als notwendigen Maßstab für die Produktion der traditionellen Verlage zu betrachten: »Das einzige Mittel bleibt m. E., daß der Privatverlag versucht, diese Unternehmungen [die Buchgemeinschaften] mit eigenen Waffen zu schlagen, d. h. genauso billig und genauso gut zu produzieren wie sie selbst.«127 Derart anerkennende Bewertungen der Buchgemeinschaftsproduktionen lassen sich ausschließlich in der internen Korrespondenz des Börsenvereins ausmachen: In der Öffentlichkeit wurden die Buchgemeinschaften und ihre Programme massiv angegriffen und kritisiert. Dabei verfolgte die Branchenorganisation eine gleichbleibende Argumentationsstrategie: Lediglich das traditionelle Sortiment sei in der Lage, gute und lesenswerte Literatur massenhaft zu vertreiben und der gesamten Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Die neuen Buchgemeinschaften gefährdeten diese Aufgabe, indem sie dem Buchhandel den Umsatz entzogen. Auf dieser Argumentation aufbauend traten das Sortiment, die Verlage und der Börsenverein der Deutschen Buchhändler als ihre Interessenvertretung an die Öffentlichkeit und betrieben Politik gegen die Buchgemeinschaften. In seinem Vorgehen gegen die Buchgemeinschaften vertrat der Börsenverein allerdings keine ganz konsequente Linie: Einerseits wollte er mit seiner Kritik eine große Öffentlichkeit erreichen, andererseits die neue Buchdistributionsform ignorieren und möglichst unerwähnt wissen. So wandte sich beispielsweise Kurt Runge, stellvertretender Geschäftsführer des Börsenvereins, an den Deutschen Verlegerverein und forderte diesen auf, mit dafür Sorge zu tragen, dass den Buchgemeinschaften möglichst wenig öffentliche Beachtung geschenkt werde: Es wird daher empfohlen, der Deutsche Verlegerverein möge seinen Mitgliedern nahe legen, bei Versendung von Besprechungs-Exemplaren die Zeitungsverleger bzw. Redaktionen zu verpflichten, die Rezensionen der Bucherscheinungen des Deutschen Buchhandels nicht gemeinsam mit den Erzeugnissen der Aussenseiter […] zu veröffentlichen.128 Dieser Strategie des Börsenvereins, die Bedeutung der Buchgemeinschaften durch Ignorieren zu mindern, stand seine Informationsarbeit gegenüber, welche primär über das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel betrieben wurde: Hier veröffentlichte man zahlreiche Artikel gegen das Wirken der Buchgemeinschaften und führte eine breite Debatte über die Buchclubs und ihre vermeintliche Schädlichkeit. Diversen Pressestimmen, die nach Meinung der Börsenblatt-Redaktion Buchgemeinschaften zu positiv bewerteten, wurde widersprochen. Des Weiteren wurde dazu aufgerufen, Werbepublikationen der Buchgemeinschaften außerhalb der buchhändlerischen Fachpresse entgegen zu treten, »Aufklärungsversuche des Sortiments« öffentlich zu machen sowie Maßnahmen zu ergreifen, »die auch nur entfernt geeignet erscheinen, den Werbefeldzug der 127 Rundschreiben an die Herren Vorstandsmitglieder vom 18. Februar 1925 (SStAL 353 Bv, o. P.). 128 Brief vom 5. August 1925 (SStAL 351 Bv, o. P.).
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Buchgemeinschaften zu erschweren«.129 Unterstützung durch den Börsenverein erfuhren die Mitglieder dabei auf verschiedene Art und Weise: Waren die Börsenvereinsmitglieder den Empfehlungen des Börsenblatts gefolgt, mussten sie sich dafür vielfach juristisch verantworten. Die Deutsche Buch-Gemeinschaft strengte mindestens sechs, der Volksverband der Bücherfreunde mindestens zwölf Prozesse gegen Institutionen oder Vertreter des traditionellen Buchhandels an, in denen es primär darum ging, dass sich die Buchgemeinschaften gegen Methoden des unlauteren Wettbewerbs und gegen herabsetzende Behauptungen zur Wehr setzten. In diesen Fällen war den Buchhändlern eine Unterstützung von Seiten des Börsenvereins sicher. So gab er beispielsweise einer Buchdruckerei in Sterkrade juristische Tipps und umfangreiche Informationen, um im Prozess gegen den Volksverband der Bücherfreunde bestmöglich gerüstet zu sein, ohne dabei die Bitte zu versäumen, »unsere Unterstützung nach außen in keiner Weise in Erscheinung treten zu lassen«.130 Im Rechtsstreit des Danziger Buchhändlervereins gegen die Deutsche Buch-Gemeinschaft ging die Hilfe des Börsenvereins über die des juristischen Beistandes hinaus: Nach Anfrage des regionalen Buchhändlerverbandes erklärte sich der Börsenverein bereit, die Danziger Buchhändler auch finanziell zu unterstützen und die Anwaltskosten für ein anstehendes Berufungsverfahren zu übernehmen.131 Somit agierte der Börsenverein nicht nur mit Hilfe des Börsenblatts gegen die Buchgemeinschaften, sondern unterstützte darüber hinaus auch Mitglieder in Gerichtsprozessen. Er war auf diese Weise bemüht, das traditionelle buchhändlerische Vertriebsnetz zu stützen,132 verfolgte dabei jedoch keine einheitliche Linie. Seine Maßnahmen waren eine Ansammlung von Einzelaktionen, die angesichts der fortgesetzten Gründung von Buchgemeinschaften und ihrer stetig wachsenden Mitgliederzahlen als erfolglos bezeichnet werden müssen. Zu dieser Einsicht kam auch Albert Hess, der den Vorstandsmitgliedern des Börsenvereins im Februar 1925 schrieb: »Die bisher ins Auge gefaßten Gegenmaßnahmen scheinen mir nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein.«133 129 Frey, Wilhelm: Die Buchausstellungen der Buchgemeinschaften. In: Börsenblatt 92 (1925) 274, S. 18736. Wie wichtig dem Börsenverein meinungsbildende Maßnahmen waren, lässt sich unter anderem auch daran erkennen, dass er den Verlag Philipp Reclam junior für die Veröffentlichung eines buchgemeinschaftskritischen Artikels als Sonderdruck (Schnabel, Fritz: Monatlich eine Portion Bildung! In: Reclams Universum 42 (26. November 1925) 9, S. 246 ff.) finanziell unterstützte und beim Münchener Hans von Weber Verlag 100 Exemplare des Sonderdrucks von Eberhard Weißkönigs Artikel Warenhaus für patentierten Geschmack (In: Der Zwiebelfisch. Zeitschrift über Bücher, Kunst und Lebensstil 18 (1925) 5/6, S. 139–144) bestellte. 130 Vgl. den Brief der Buchdruckerei Scharrer an den Börsenverein vom 22. September 1925 (SStAL 360 Bv, o. P., vierter Teil) und die Antwort des Börsenvereins vom 15. Oktober 1925 inklusive der verschiedenen Anlagen (SStAL 361 Bv, o. P.). 131 Vgl. SStAL 347 Bv, 242 f., 251 und 254 f. 132 In einem zeitgenössischen Kommentar heißt es dazu: »Doch statt Ausschau zu halten nach neuen Wegen, nach neuen Formen des Absatzes, sperren die Buchhändler und Verleger, soweit sie im Börsenvereine vereinigt sind, jeder nur irgendwie zeitgemäßen Idee hermetisch die Tore ab.« (Der veraltete Buchhandel. Ein Protest der deutschen Schriftsteller. In: Der Tag 4 (1925) 951, S. 4.) 133 Rundschreiben an die Herren Vorstandsmitglieder vom 18. Februar 1925 (SStAL 353 Bv, o. P.).
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Aus diesem Grund schlug man nun einen radikaleren Kurs ein, der im Wesentlichen durch einen Beschluss der Deutschen Buchhändlergilde initiiert war. Die Vertretung der Buchhandelssortimenter entschied im Mai 1925, dass sich »das deutsche Sortiment […] in eigenem Interesse und im Interesse der Geschmacksbildung weiterer Volkskreise für die Verbreitung von Werken solcher Autoren, die Mitarbeiter von Buchgemeinschaften sind, nicht einsetzen« könne.134 Ein ähnlich lautender Vorschlag war bereits im Februar desselben Jahres vom Deutschen Verlegerverein zur Diskussion gestellt worden.135 So konnte sich der Börsenverein des Rückhalts seiner Sortiments- und Verleger-Fachvertretungen sicher sein, als er die Entschließung dahingehend auslegte, dass die Verbreitung aller Werke von Buchgemeinschaftsautoren behindert und boykottiert werden müsse. Damit sollten die Autoren gezwungen werden, ausschließlich in den Verlagen des traditionellen Buchhandels zu veröffentlichen sowie den Buchgemeinschaften die Mitarbeit zu verweigern. Zunächst wurde daran gedacht, den im Börsenverein organisierten Sortimentern eine Liste mit den in Buchgemeinschaften publizierenden Autoren zuzusenden, damit sie deren Werke aus ihrem Verkaufsangebot entfernten. Diese Idee verwarf man jedoch wieder: Es wird bei der großen Zahl von Sortimentern, die das Rundschreiben erhalten, gar nicht möglich sein, dessen vertraulichen Charakter zu wahren. […] Es würde aber, so befürchte ich, das Renommee des Buchhandels aufs schärfste erschüttern, wenn die Autorenschaft in der Tagespresse gegen den versteckten Boykott Stellung nehmen und ausführen würde, daß der Börsenverein und die anderen buchhändlerischen Organisationen die Verbreitung geistiger Ware durch die billigen Ausgaben der Buchgemeinschaften zu unterdrücken versuchten.136 Wenn also die Autorenliste nicht versandt wurde, so war dies ausschließlich in den Befürchtungen des Börsenvereinsvorstandes begründet, den Autorenboykott nicht geheim halten zu können.137 So entschloss man sich, öffentlich zu agieren und die Liste der Buchgemeinschaften und ihrer Autoren im Börsenblatt abzudrucken: Am 9. Juli 1925 erschien eine Aufstellung »derjenigen Unternehmungen […], die nach dem bei der Geschäftsstelle vorhandenen Material als ›Buchgemeinschaften‹ anzusehen sind [einschließlich einer]
134 Protokoll über die Verhandlungen der ordentlichen Hauptversammlung des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig am Sonntag Kantate, dem 10. Mai 1925, im Deutschen Buchhändlerhaus zu Leipzig. Entschliessung betr. Buchgemeinschaften. In: Börsenblatt 92 (1925) 111, S. 7859–7863, S. 7863. 135 »Viel wirkungsvoller wäre dagegen eine Entschließung des Sortiments, Bücher solcher Autoren, die ein Werk an eine der charakterisierten Betriebsgesellschaften geben [gemeint sind Buchgemeinschaften], grundsätzlich nicht mehr zu verkaufen.« (Kilpper, G[ustav]: Wirtschaftliche Betrachtungen. In: Börsenblatt 92 (1925) 33, Mitteilungen des Deutschen Verlegervereins Nr. 10, S. 2187 f.) 136 Rundschreiben von Hess an die Herren des Vorstandes vom 22. Juni 1925 (SStAL 353 Bv, o. P.). 137 Einblick in die Überlegungen des Börsenvereinsvorstandes gewährt die Akte SStAL 354 Bv, o. P.
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Aufstellung der bei den Buchgemeinschaften bereits erschienenen Literatur (mit Ausnahme der Klassiker)«.138 Neben der Auflistung der Verlagswerke wurden die vollständigen Anschriften der Verlage bekannt gegeben, zum Teil auch die Gesellschaftsformen oder die Verbindungen zu anderen Institutionen. Der Vorstand des Börsenvereins war sich zweifelsohne bewusst, dass es sich auch bei dieser Art der Veröffentlichung um einen Boykottaufruf handelte, wähnte sich jedoch in einer argumentativ und juristisch sicheren Lage, diesen möglichen Vorwurf abstreiten zu können: Man kann sich dabei auf den Standpunkt stellen, daß die Veröffentlichung lediglich auf vielfachen Wunsch zur Instruktion erfolgte, da natürlich die Mitglieder des Börsenvereins nicht im einzelnen orientiert sein können. Man kann auf diese Weise die Absicht eines Boykotts doch bestreiten, ohne daß ein etwaiger Angreifer den Nachweis des ›Augenzwinkerns‹ zu führen vermag. Ich halte es auch nicht mehr für nötig, den Schleier der Vertraulichkeit über die Bekanntgabe zu legen, vielmehr ist die Position umso günstiger für den Börsenverein, je weniger er die Aktion als heimlich erscheinen läßt.139 Die Reaktionen auf diese Maßnahme des Börsenvereins waren eindeutig von Ablehnung bestimmt: Sowohl die Schriftstellervereine als auch die literarische Öffentlichkeit reagierten empört und nahmen dem Börsenverein nicht ab, dass es sich um eine reine Informations- und nicht um eine Boykottliste handele. Fraglos schadete der Börsenverein sich mit dieser Veröffentlichung: Der damalige stellvertretende Geschäftsführer teilte nach weniger als drei Wochen den Vorstandsmitgliedern brieflich mit, dass die Bekanntmachung »bereits erheblichen Staub aufgewirbelt« habe,140 dass zahlreiche Artikel gegen den Börsenverein erschienen seien, die »uns aus Mitgliederkreisen von allen Seiten zu[gehen]« und es deswegen ratsam sei, auf weitere öffentliche Agitation zu verzichten. Nach dem erlittenen Rückschlag bemühten sich der Börsenverein, der Deutsche Verlegerverein und die Deutsche Buchhändlergilde, ihr Verhältnis zu den Schriftstellern wieder zu verbessern; sie kamen wegen des Boykottaufrufs im August 1925 zu einer Besprechung mit dem Schutzverband Deutscher Schriftsteller und dem Verband deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten zusammen, die sie mit einer gemeinsamen Erklärung beendeten. Es wurde festgehalten, daß die Freiheit des Schriftstellers in keiner Weise und nach keiner Seite beschränkt werden dürfe. Den buchhändlerischen Verbänden hat es daher fern gelegen, mit ihren Veröffentlichungen diese persönlichen Rechte der Schriftsteller für jetzt oder
138 Hess, [Albert]: Bekanntmachung, S. 10865. Diese Liste war in Sonderabzügen bei der Geschäftsstelle des Börsenvereins zu beziehen (Vgl. Buchgemeinschaften. In: Börsenblatt 92 (1925) 160, S. 11046). 139 Brief des Syndikus’ des Börsenvereins an die Herren Vorstandsmitglieder betr.: Veröffentlichung der Buchgemeinschaften vom 6. Juli 1925 (SStAL 354 Bv, o. P.). 140 Brief Kurt Runges an die Herren Vorstandsmitglieder vom 28. Juli 1925 (SStAL 354 Bv, o. P.).
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8 Bu chgeme insch af ten für die Zukunft irgendwie einengen zu wollen. Somit sind auch aus diesen Veröffentlichungen keine Folgerungen zu ziehen.141
Der Versuch, Autoren für ihre Zusammenarbeit mit Buchgemeinschaften zu diskriminieren, war damit gescheitert. Für das Sortiment wäre ein konsequenter Boykott gar nicht möglich gewesen: Zum einen war die Anzahl der Autoren, die sowohl in freien Verlagen als auch in Buchgemeinschaften Bücher veröffentlichten, inzwischen stark angewachsen. Zum anderen waren Autoren mit Werken in Buchgemeinschaften vertreten, die zum zeitgenössischen literarischen Kanon gehörten. Dem bücherkaufenden Publikum hätte nur schwer verständlich gemacht werden können, warum sie von diesen Autoren von nun an keine Werke mehr im Buchhandel beziehen konnten. Der Boykottaufruf des Börsenvereins sowie seine diversen anderen Versuche, dem Ansehen der Buchgemeinschaften zu schaden, waren nicht nur erfolglos, sondern verhalfen den Buchgemeinschaften sogar zu größerer Publizität und boten die Möglichkeit, ihre Vorteile gegenüber dem traditionellen Buchhandel bekannt zu machen. Sicherlich wäre es effektiver gewesen, hätte sich der traditionelle Buchhandel mit den eigenen Schwächen sowie mit den Stärken der Buchgemeinschaften auseinandergesetzt und diese möglicherweise partiell adaptiert. Die Buchgemeinschaften haben sich innerhalb weniger Jahre, zwischen 1919 und 1933, etabliert und von einer Randerscheinung des Buchhandels hin zu einer festen Distributionsform entwickelt. Dies zeigt, dass diese neuen Unternehmen von den Lesern als eine wirkliche Alternative zum traditionellen Buchhandel verstanden und aufgenommen wurden. Die Vorauswahl und Einschränkung des Buchangebotes, die ansehnliche Ausstattung der Bücher, die Erfordernis, durch ein Abonnement regelmäßig Bücher abzunehmen, sowie das Angebot von Büchern, die im Sortimentsbuchhandel vielfach nicht zu finden waren, scheinen neben dem Preisargument für viele Leser ausschlaggebend gewesen zu sein, sich einer Buchgemeinschaft anzuschließen. Die Unternehmen erkannten die Bedürfnisse der neuen Zeit und positionierten sich gezielt als Alternative zum herkömmlichen Buchhandel. Sie griffen dessen strukturelle Defizite auf und vermochten so, innerhalb kurzer Zeit viele buchinteressierte Menschen als Mitglieder für sich zu gewinnen. Wenngleich eine kritische Distanz zur inhaltlichen Ausgestaltung vieler Buchgemeinschaftsprogramme notwendig scheint, stellten die neuen Buchgemeinschaften eine Antwort auf die fehlende Bereitschaft des traditionellen Buchhandels dar, sich den veränderten kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Realitäten anzupassen.
141 Vgl. das Protokoll dieser Zusammenkunft (SStAL 355 Bv, o. P.).
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Buchexport und deutscher Auslandsbuchhandel Ernst Fischer
Der Zusammenbruch der deutschen Buchausfuhr im Ersten Weltkrieg Kein Zweig des deutschen Buchhandels war von den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs so stark betroffen wie der Buchexport und der mit ihm verbundene, teils auch konkurrierende Auslandsbuchhandel.1 Mit Kriegsbeginn waren sämtliche Postverbindungen in die Feindländer, ihre Kolonien und zu ihren Verbündeten eingestellt worden. Im November 1914 hatte England eine Handelsblockade gegen Deutschland verhängt und den überseeischen Verkehr, damit auch den Buchexport, faktisch lahmgelegt. Nur in die angrenzenden verbündeten oder neutralen Länder konnte geliefert werden, obwohl es auch hier zu Verzögerungen und gelegentlichem Stillstand kam. Allerdings bezogen die kriegsgegnerischen Länder – England, Frankreich und Russland, aber auch die USA – auf dem Umweg über die Niederlande, die Schweiz oder Dänemark als kriegswichtig eingeschätzte deutsche Wissenschaftsliteratur in zum Teil beachtlichen Mengen.2 In Deutschland selbst waren von den Militärbehörden Ausfuhrverbote ausgesprochen worden, von denen zunächst nur die medizinische Literatur betroffen war, bis im April 1917 die Ausfuhrkontrolle aller Druckschriften per Prüfstempel angeordnet wurde.3 Soweit eine Belieferung ausländischer Staaten überhaupt noch möglich war, war diese begrenzt durch Schwierigkeiten im Zahlungsverkehr und durch Produktionseinschränkungen der Verlage, verursacht durch Rohstoffmangel, Preissteigerungen, Kontingentierung des Papiers oder auch durch Einberufungen von Personal. Das Netzwerk des Auslandsbuchhandels erlitt gravierende Einbußen vor allem durch die Schließung von deutschen Firmen in den kriegsgegnerischen Ländern, nicht selten gefolgt von Enteignung und Vertreibung ihrer Inhaber. Zahlreiche ausländische Niederlassungen deutscher Unternehmen mussten aufgegeben werden, weil die Führung deutschsprachiger Bücher unmöglich geworden war. Die partielle Zerstörung der Vertriebswege des deutschen Buches im Ausland bot den Siegermächten, vor allem Frankreich, die Gelegenheit, den eigenen kulturellen Einfluss zu vergrößern. In Russland hatte die Ausweisung oder Internierung deutscher Staatsangehöriger noch im Herbst 1914 eingesetzt, der Druck deutschsprachiger Bücher, Zeitungen und Zeitschriften war seither verboten. Der Konfiskation deutschen Eigentums verfielen zusammen mit den Buchhandlungen auch deren Bücherlager, die als Kommissionsgut eigentlich noch im Eigentum der Lieferanten, der Verleger standen.4 In den USA war nach der am 7. Mai 1 Der Exportbuchhandel liefert in der Hauptsache an Konsumenten des Auslandes direkt und nur ausnahmsweise an Wiederverkäufer; unter Auslandsbuchhandel ist die Gesamtheit aller Vertriebsstützpunkte für das deutsche Buch außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches zu verstehen. 2 Vergleichsweise günstige Möglichkeiten des Buchexports ergaben sich auch für die von deutschen Truppen besetzten Gebiete, für die russischen Ostseeprovinzen, Rumänien, Polen und die Ukraine sowie für Bulgarien, Serbien und die Türkei. 3 Vgl. Weber: Die Bestimmungen über die deutsche Buchausfuhr, Sp. 505–604. 4 Vgl. Zickfeldt: Die Bedeutung des Bücherexports für Deutschland, S. 118.
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1915 erfolgten Versenkung des Passagierschiffes »Lusitania« durch ein deutsches UBoot, bei der mehr als 100 Amerikaner zu Tode gekommen waren, eine antideutsche Hysterie ausgebrochen, die gravierende Auswirkungen auf die Bestrebungen der deutschen Einwanderer nach Wahrung und Pflege ihrer kulturellen Identität und ihrer Traditionen hatte. Mancherorts wurden deutsche Bücher aus Bibliotheken entfernt oder sogar öffentlich verbrannt; die deutsche Sprache war seither geradezu geächtet. Mit dem Kriegseintritt der USA am 6. April 1917 brach dieser wichtige Markt für reguläre Lieferungen endgültig weg: Die offiziellen Einfuhrrestriktionen reduzierten die Absatzmöglichkeiten für deutsche Bücher auf wissenschaftliche Werke und Zeitschriften, die von Behörden und Bibliotheken als kriegswichtig und unverzichtbar angesehen wurden. Die Einfuhr dieser Literatur wurde z.T. auf diplomatischem Weg über die Niederlande und die Schweiz vorgenommen.5 Das Ende des Krieges stellte im Inneren Deutschlands sehr rasch neue Voraussetzungen her: Nach dem politischen Umsturz wurden am 30. November 1918 alle Maßnahmen aufgehoben, die mit einer staatlichen Beschränkung der Waren- und damit auch der Buchausfuhr zusammenhingen.6 In Kreisen des deutschen Buchhandels hatte man sich seit längerem mit den Fragen auseinandergesetzt, die nach Beendigung des Krieges auf den Buchexport zukommen könnten, und wenn man dabei auch immer von einem Siegfrieden ausgegangen war und keinesfalls von einem Friedensdiktat mit Gebietseinbußen und Verlust der Kolonien, so zeigte man sich in organisatorischer Hinsicht doch für einen Neuanfang gerüstet.
Krisenmanagement: Die »Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel« Der Zusammenbruch des deutschen Buchexports hatte noch im letzten Jahr des Krieges die davon massiv betroffenen Verleger die Notwendigkeit von Gegenmaßnahmen erkennen lassen. Im April 1918 hatte der Deutsche Verlegerverein zu einer »Besprechung über die Hebung des Buchverkaufs nach dem Auslande« in Leipzig eingeladen.7 Hintergrund war nicht allein der katastrophale Rückgang des Auslandsabsatzes als solcher, sondern auch die Beobachtung, dass die Feindstaaten gezielt an der Verdrängung des deutschen Buches arbeiteten. Der Plan der Gründung einer Gesellschaft, die diesen Versuchen entgegen treten sollte, wurde aber zunächst aufgeschoben.8 Inzwischen war am 5. Oktober 1918 eine (kurzlebige) Ausfuhrvereinigung Deutscher Buchhändler ins Leben gerufen worden, für die Walter Thomas, der Vorsitzende des Vereins Leipziger 5 Zickfeldt, S. 131. 6 Vgl. Weber: Die Bestimmungen über die deutsche Buchausfuhr, Sp. 537 ff. 7 Zu den Vorträgen und der in Einzelaspekten (u. a. Rabattfragen, Fraktur- oder Antiqua-Schrift) kontroversen Diskussion vgl. Auslandsbuchhandel. Verhandlungsbericht des Deutschen Verlegervereins über die Besprechung am Freitag, den 26. April 1918. In: Börsenblatt 86 (1919) 26, S. 81–85; 28, S. 90–93; 30, S. 98–100; 33, S. 105–108; 35, S. 113–117. Die um zehn Monate verspätete Veröffentlichung wurde von der Redaktion u. a. mit der besonderen Aktualität und den Veränderungen begründet, die der Auslandsbuchhandel nach dem »unglücklichen Ausgang des Krieges« erfahren habe. 8 Vgl. Deutscher Verlegerverein. Stenographischer Bericht über die 32. ord. Hauptversammlung, abgehalten im Buchhändlerhause zu Leipzig, Sonnabend, den 27. April 1918. In: Börsenblatt 85 (1918) 156, S. 389–395, sowie Börsenblatt 86 (1919) 35, S. 117.
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Kommissionäre, eine Denkschrift Die Ausfuhrvereinigung Deutscher Buchhändler (Sitz Leipzig) zur Förderung der politischen Werbetätigkeit des Deutschen Reiches verfasst hatte. Etwa zeitgleich hatte der Vorsteher des Vereins der Buchhändler zu Leipzig Richard Linnemann für die Militärstelle des Auswärtigen Amtes und das Kriegsamt ein vertrauliches Gutachten über Die Ausfuhr deutscher Bücher (Auslandsbuchhandlungen) ausgearbeitet.9 Diese verschiedenen Ansätze wurden in den folgenden Monaten durch einen Arbeitsausschuss der beteiligten Organisationen koordiniert, mit dem Erfolg, dass am 10. Mai 1919 die Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel vorgenommen werden konnte.10 Zweck der Gesellschaft war, nach den Worten Anton Kippenbergs, der zum Vorsitzenden gewählt worden war, die »Förderung der Verbreitung des deutschen Buch- und Schriftwesens, einschließlich der Erzeugnisse des Musikalien-, Kunst- und Lehrmittel-Verlages, im gesamten Auslande, insbesondere durch den Wiederaufbau und Weiterausbau des deutschen Auslandsbuchhandels und die Bearbeitung und Beeinflussung fremdländischer Firmen, die deutsche Bücher usw. vertreiben.«11 Neben ökonomischen Motiven wurden von der Gesellschaft ganz gezielt auch ideelle Zielsetzungen geltend gemacht: »Bei der Begründung der Gesellschaft leiten uns Verleger bedeutende wirtschaftliche Interessen, aber wir sind uns bewusst, durch die Verbreitung des deutschen Buches und Schriftwesens im Auslande zugleich ideell dem deutschen Volke in seiner Gesamtheit die wertvollsten Dienste zu leisten.«12 Konsequenterweise traten bereits auf der Gründungsversammlung auch der Vorsitzende des Vereins für das Deutschtum im Auslande, Exzellenz von Reichenau, und ein Vertreter des Auswärtigen Amtes, Legationsrat von Hahn, als Redner auf.13 Gedacht war von vornherein an eine enge Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen, die aus außen-, wirtschafts- und kulturpolitischen Erwägungen heraus die Tätigkeit der Gesellschaft finanziell und organisatorisch unterstützen sollten. Vorstand und Verwaltungsrat der Gesellschaft waren denkbar prominent besetzt: Neben Anton Kippenberg als Vorsitzendem wirkten noch Gustav Kirstein vom Leipziger Verlag E. A. Seemann als sein Stellvertreter sowie Arthur Meiner, Eugen Diederichs, Walter de Gruyter, Otto von Halem, Karl Hiersemann, Gustav Kilpper, Richard Linnemann, Paul Oldenbourg, Georg Thieme, Walter Thomas und Alfred Voerster an vorders-
9 Die Militärämter befürchteten Versuche der Feindstaaten, durch planmäßigen Aufkauf von Zeitschriftenserien und wertvollen wissenschaftlichen Einzelwerken den Welthandel mit Büchern an sich zu reißen. Vgl. Bericht über die Gründungsversammlung der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel im Deutschen Buchgewerbehaus zu Leipzig, den 10. Mai 1919. Leipzig 1919, S. 8. 10 Vgl. Staub: Die Erste Denkschrift der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel, B 72– B 78. 11 Vgl. Bericht über die Gründungsversammlung der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel, S. 16. 12 Bericht über die Gründungsversammlung, S. 19 f. – An die Adresse der Exportbuchhandlungen gerichtet, fuhr Kippenberg fort: »Sie [die Gesellschaft] tut das, ich halte es für nötig, das zu betonen, ohne die Absicht, etwa den unmittelbaren Export deutscher Bücher usw. an Auslandskunden beeinträchtigen zu wollen.« 13 Vgl. Bericht über die Gründungsversammlung der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel.
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ter Front mit.14 Die Gesellschaft hatte auch sonst einen erfolgreichen Start: Die Zahl der Mitglieder stieg – trotz des hohen Beitrags von mindestens 1.000 Mark bzw. ab Mai 1922 von 2.000 Mark – bis Kantate 1921 auf 160, im Jahr darauf auf 165 an; in der Geschäftsstelle waren im zweiten Geschäftsjahr bereits 19 Angestellte tätig.15 Im Oktober 1919 erschien eine erste, von Heinrich Pfeiffer16 verfasste Denkschrift der Gesellschaft mit dem Titel Die Verbreitung des deutschen Buches im Auslande, eine kultur- und wirtschaftspropagandistische Voraussetzung.17 Hauptthema waren die regierungsgelenkten Feindseligkeiten Frankreichs und Englands gegenüber dem deutschen Buch und die erforderlichen Gegenmaßnahmen: Auch nach dem Friedensschluss sähe die Entente »in der Ausbreitung deutscher Kultur, deutscher Sprache und überhaupt deutschen Wesens nach wie vor ihren schlimmsten Feind«; hinter ihren auf die Verdrängung der deutschen Verlagserzeugnisse gerichteten Maßnahmen stehe die Erwägung, »dass da, wo im Auslande sich das deutsche Buch breit macht, schließlich auch anderen deutschen exportierenden Produktionsgruppen der Weg gebahnt wird«. Unter diesen Umständen glaubte die Gesellschaft an die »von reichs- und staatswegen berufenen Stellen« appellieren zu dürfen; diese mögen zunächst einmal zum Ausdruck bringen, dass das deutsche Buch eben der vornehmste Schrittmacher für eine zielbewußte Kultur- und Wirtschaftspolitik im Auslande ist, und dass man bereit ist zu großen materiellen Aufwendungen, die nicht etwa allein dem deutschen Verlag Vorteil bringen sollen, sondern allen denen, die gleichsam nach dem deutschen Buche ins Ausland kommen, um dort für sich und andere Verdienst zu suchen.18 Die Erneuerung der im Zeichen der wirtschaftsimperialistischen Bestrebungen des Wilhelminismus entstandenen Vorstellungen vom Buch als Wegbereiter des Industrieexports hatten nicht sofort den gewünschten Erfolg. Bereits im November 1919 erschien daher eine (ebenfalls von Heinrich Pfeiffer verfasste) zweite Denkschrift, die in ihrem Titel noch deutlicher die Richtung angab, in der die Gesellschaft wirken wollte: Der Kampf im Ausland gegen das Deutsche Buch als vornehmsten Vertreter deutschen We-
14 In Vorstandsämtern tätig waren außerdem Otto Fürstner, Ludwig Volkmann, Siegfried Weber. 15 Im Jahr darauf wurde das Personal trotz weiter wachsenden Geschäftsumfangs aus Sparsamkeitsgründen auf 11 reduziert; vgl. Bericht über das dritte Geschäftsjahr der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel. 25. April 1921–Kantate 1922, S. 2 (HABV, Langewiesche-Archiv 201). 16 Heinrich Pfeiffer war bis 31. März 1921 als Direktor der Gesellschaft tätig; nach ihm übernahm Hugo H. Bickhardt die Führung der laufenden Geschäfte; ca. ein Jahr später folgte ihm Dr. Karl Blanck in dieser Funktion nach. 17 Die Denkschrift ist abgedruckt bei Staub: Die erste Denkschrift der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel. 18 Die erste Denkschrift der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel, S. 77. – Der zentrale Gedanke dieser Denkschrift entspricht dem englischen Diktum »Trade follows the book« (Sir Stanley Unwin).
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sens.19 Wie schon in der ersten Denkschrift werden genaue Schilderungen von den in verschiedenen Ländern laufenden propagandistischen Feindseligkeiten gegen das deutsche Buch gegeben, etwa von den internationalen Aktivitäten der 1917 gegründeten Société d’Exportation des Éditions Françaises und ihrer konkreten Unterstützung durch französische Regierungsstellen. Beachtlich ist die Schärfe des Tons der Denkschrift, die am Ende nicht vor glatter politischer Erpressung der (damals noch sozialdemokratisch dominierten) Regierung zurückschreckt: Die Gesellschaft verzichte vorerst auf eine Veröffentlichung ihrer Informationen, weil wir annehmen, dass sich die Regierung der Notwendigkeit, mit grossen Mitteln diesen Machenschaften entgegen zu arbeiten, nicht verschliesst. Sollte aber die Regierung den deutschen Verlag und das deutsche Wesen im Auslande sich hier einfach selbst überlassen, dann müsste allerdings, so schade wie es wäre, das Material jetzt schon in die breite Oeffentlichkeit getragen werden, um offen alle interessierten deutschen Kreise zum materiellen und geistigen Kampfe gegen dieses feindliche Gebaren aufzurufen.20 Tatsächlich wurde der Gesellschaft aus staatlichen Geldern umgehend ein Fond von zwei Millionen Mark zur Erfüllung ihrer Aufgaben zugesprochen, von denen 1920 ein Betrag von 215.000 Mark und 1921 340.000 Mark abgerufen wurden.21 Die Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel konnte unter diesen Umständen ihre Arbeit auf gesicherter Basis in Angriff nehmen. Eine ihrer wichtigeren Aufgaben erkannte sie im Aufbau eines »Nachrichtenapparats«, um »den unterirdischen Machenschaften der von Staats wegen gepflegten ausländischen Konkurrenz nachzugehen«.22 Unter Mithilfe des Auswärtigen Amtes und der deutschen Missionen im Ausland sowie anderer Reichsstellen und Vereinigungen sammelte man Informationen, die in Mitteilungsblättern und Rundschreiben an die Mitglieder weitergegeben wurden; allein im Geschäftsjahr 1920 wurden 27 »Nachrichtendienste« und 39 Rundschreiben zu verschiedenen Themen in Umlauf gebracht, v. a. über die Lage des deutschen Buches in einzelnen Ländern. Diese intensiven Bemühungen beruhten auf der Grundannahme, dass mangelnde Erfolge im Auslandsgeschäft in erster Linie auf fehlender oder falscher 19 Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel E.V. Leipzig: Denkschrift Nr. 2: Der Kampf im Ausland gegen das Deutsche Buch als vornehmsten Vertreter deutschen Wesens. (November 1919). (vervielfältigtes Typoskript, HABV, Langewiesche-Archiv, Korrespondenz 1919). 20 Ebd., Bl. 10. 21 Vgl. Bericht über das zweite Geschäftsjahr der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel. Kantate 1920–Kantate 1921; sowie Bericht über das dritte Geschäftsjahr der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel. 25. April 1921 bis Kantate 1922 (vervielfältigte Typoskripte; HABV, Langewiesche-Archiv 201). Weitere Mittel flossen der Gesellschaft u. a. vom Sächsischen Ministerium des Innern und der Außenhandelsnebenstelle für das Buchgewerbe zu. Der Bericht über das zweite Geschäftsjahr informiert darüber hinaus über die »Reichsstellen, die uns ihre tätige Aufmerksamkeit zugewandt haben«: die Nachrichtenabteilung und die Aussenhandelsstelle des Auswärtigen Amtes, das Reichsministerium des Innern und das Reichswirtschaftsministerium. 22 Denkschrift I, zit. n. Staub: Die erste Denkschrift der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel, B 75.
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Information über die tatsächlichen Verhältnisse beruhten. Aus eben diesen Erwägungen heraus wurde auch eine Kartothek mit 10.000 Adressen ausländischer Interessenten für deutsche Bücher angelegt, außerdem ein Zeitschriftenund Drucksachenarchiv; beides wurde 1921 zusammengefasst zu einer Auskunftei, als einer eigenen Abteilung der Gesellschaft.23 Auf dieser Grundlage (und mit Hilfe von Verlegermitgliedern, Leipziger Kommissionären und Behörden im Ausland) ist dann Ende 1921 ein als Manuskript gedrucktes und nur für die Mitglieder der Gesellschaft bestimmtes Adressbuch jener Auslandssortimente entstanden, die Interesse am Vertrieb deutscher Verlagsprodukte hatten. Aus verschiedenen Gründen waren aber Österreich, Ungarn, die Schweiz, Russland, Polen und die Tschechoslowakei nicht enthalten. Diese den deutschen Verlegern sehr willkommene InformationsAbb. 1: Adressbuch des Ausländischen Buch- möglichkeit (das Bändchen war rasch handels 1926, Leipzig 1925, Titelblatt. vergriffen) stellte eine Vorarbeit dar für das 1926 im Druck erschienene Adressbuch des Ausländischen Buchhandels. Seit Anfang 1921 erschien die von Walter Tiemann ausgestaltete Zeitschrift Das Deutsche Buch. Monatsschrift für die Neuerscheinungen deutscher Verleger (seit 1923 Zweimonatsschrift), die sich »an die Gesamtheit der ausländischen und auslandsdeutschen Bücherkäufer« wandte und helfen wollte, »dem deutschen Schrifttum im Ausland Verbreitung und Absatz zu schaffen«.24 Die als Themenhefte und Sonderhefte zu bestimmten Anlässen erschienenen Nummern der Zeitschrift bestanden jeweils aus einem redaktionellen Teil mit Textproben oder Originalbeiträgen und einem bibliografischen Teil; jedes Heft enthielt außerdem eine Beilage in Form einer Reproduktion eines Kunstwerks oder eines Bildnisses. Die »mustergültige äußere Form« dokumentierte nach Meinung eines zeitgenössischen Kommentators »die unverminderte Leistungsfähigkeit des deutschen Buchgewerbes nach dem Kriege« wie auch »den guten Geschmack, der sich immer wieder Bahn bricht«; es sei ein vorbildliches Mittel für die Auslandsreklame.25 Nach einem Jahr hatte die Zeitschrift bereits 5.000 Abonnenten v.a. im Umkreis des Auslandssortiments und 23 Bericht über das dritte Geschäftsjahr, S. 8. 24 Börsenblatt 88 (1921) 50, S. 2366, Anzeige für »Das Deutsche Buch«. 25 Kurt Loele: Haus- und Vertriebszeitschriften. In: Börsenblatt 89 (1922) 46, S. 237–240; hier S. 239.
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der größeren Exportbuchhandlungen; einige hundert Exemplare wurden regelmäßig zu Werbezwecken versandt.26 Zu den wichtigsten Initiativen der Gesellschaft gehörte die Veranstaltung von Buchausstellungen – so auf der Frankfurter Herbstmesse 1920, in Czernowitz 1921 und in Den Haag 192227 – sowie die Koordination der deutschen Beteiligung an den internationalen Buchmessen, wie sie vor dem Ersten Weltkrieg jährlich an wechselnden Orten abgehalten worden waren; zuletzt war dies die 1914 in Leipzig abgehaltene BUGRA gewesen. Kriegsbedingt fand die erste derartige Messe erst wieder 1922 statt, in Florenz. Diese Messe hatte für den deutschen Buchhandel, in mancher Hinsicht für Deutschland selbst besondere Bedeutung als eine erste Möglichkeit, sich im Kreis der Nationen, auch jener, mit denen man im Krieg gelegen hatte, zu präsentieren. Nachdem Deutschland eine Teilnahme auf der Basis völliger Gleichberechtigung, ja eine bevorzugte Behandlung zugesichert worden war,28 wurde die Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel mit der Organisation der deutschen Messeabteilung beauftragt. Die in zwölf Verlagsgruppen und insgesamt 31 Untergruppen gegliederte Ausstellung, deren Mittelpunkt ein »Tempel des deutschen Buches« bildete, gab einen repräsentativen Überblick über das wenige Jahre nach dem Krieg bereits wieder erreichte Niveau der deutschen Verlagsproduktion.29 Inflationsbedingt kam die Gesellschaft 1922 in finanzielle Schwierigkeiten. Zunächst wurden die Mitgliedsbeiträge verdoppelt, da aber Ende des Jahres die von staatlichen Stellen zugewiesenen Beträge erschöpft waren, reichten die vorhandenen Mittel Anfang 1923 nicht mehr aus, die Bürospesen zu decken.30 Nach Verhandlungen mit dem Börsenverein wurde am 21. Februar 1923 ein außerordentlicher »Ausschuß zur 26 Vgl. Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel, Rundschreiben Nr. 60. 27 Die Gesellschaft richtete zu diesem Zweck eine eigene Ausstellungsabteilung ein; vgl. Bericht über das zweite Geschäftsjahr, S. 4, und Bericht über das dritte Geschäftsjahr. Als einen großen Erfolg verbuchte man die aufwendig organisierte Sonderausstellung »Das deutsche Buch« 1920, die zu dem Entschluss geführt hat, der Frankfurter Internationalen Messe dauerhaft eine Buchmesse anzugliedern. Vgl. Geschäftsbericht des Vorstandes des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig am Sonntag Kantate, den 14.Mai 1922. In: Börsenblatt 89 (1922) 84, S. 457–471; hier S. 470. Auch die von Walter Tiemann künstlerisch ausgestaltete Ausstellung »Het Duitsche Boek« 1922 in Den Haag, an der etwa 100 deutsche Verlage teilnahmen, verlief angesichts der Tatsache, dass es sich um das erste Auftreten des deutschen Buchhandels im Ausland nach dem Ersten Weltkrieg handelte, überaus erfolgreich; die vom 7. Januar bis 8. Februar angesetzte Bücherschau musste auf holländischen Wunsch um acht Tage verlängert werden. Vgl. Bericht über das dritte Geschäftsjahr, S. 4 f. 28 Die Frage war von Vorstandsmitgliedern des Börsenvereins und der Gesellschaft für Auslandsbuchhandel auf einer Reise nach Italien eigens geprüft worden; vgl. ebd. 29 Vgl. Mitteilungen des deutschen Ausschusses für die Büchermesse, Florenz 1922, sowie Aufruf zur Beteiligung an der Internationalen Büchermesse in Florenz, Mai–Juli 1922. In: Börsenblatt 89 (1922) 67, S. 350 f. In einer Sonderausstellung wurden auch die seit 1914 entstandenen Drucke deutscher Privatpressen präsentiert; vgl. Die Internationale Büchermesse in Florenz. In: Börsenblatt 89 (1922) 73, S. 385 f. – Über weitere, von der Gesellschaft mitorganisierte Präsentationsmöglichkeiten für deutsche Verlage im Ausland vgl. die Berichte über die Geschäftsjahre 1920 und 1921. 30 Vgl. Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel: Rundschreiben an die Mitglieder vom 23. April 1923 (HABV, Langewiesche-Archiv 201/Korrespondenzen 1922).
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Förderung des Ansehens des deutschen Buches im Auslande« errichtet, der die bisherigen Aktivitäten der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel fortsetzen sollte.31 Der Ausschuss, der offiziell als »Ausschuß des Börsenvereins: Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel« firmierte, wurde nach der am 5. August 1927 erfolgten formellen Auflösung der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel und ihrer Löschung aus dem Vereinsregister in die »Auslandsabteilung« des Börsenvereins überführt.32 Bis zu seinem Tod im Dezember 1930 wurde der Ausschuss bzw. die Auslandsabteilung geleitet von August Arthur von Löwis of Menar.
Die Auslandsabteilung des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler Zu den Leistungen des Ausschusses der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel (später: Auslandsausschuss) beim Börsenverein der Deutschen Buchhändler, der von Arthur Meiner als I. Vorsitzenden und Gustav Kirstein als II. Vorsitzenden geleitet wurde, gehörte der weitere Ausbau der Zeitschrift Das Deutsche Buch, die seit Juli 1923 in Zweimonatsheften erschien und schon mit Beginn 1924 ihre Abonnentenziffer auf 11.000 steigerte;33 die bibliographischen Abschnitte erschienen teilweise als Sonderdrucke im Verlag des Börsenvereins.34 Eine besondere Leistung stellte 1926 die Herausgabe des Adressbuchs des Ausländischen Buchhandels dar, das nunmehr alle Länder der Welt berücksichtigte, in welche deutsche Bücher geliefert wurden, und mit insgesamt 5.000 Adressen ein umfassendes Bild von der Verzweigtheit des Buchexports vermittelt.35 Mit unverminderter Intensität führte man die beratende Tätigkeit fort, erteilte Auskünfte zur Seriosität ausländischer Handelspartner oder vermittelte Informationen allgemeiner Art; angesichts der für den einzelnen Verleger kaum überblickbaren Situation im Auslandsgeschäft kam diesen Serviceleistungen beträchtliche Bedeutung zu. Der Ausschuss entwickelte sich nach eigener Darstellung »mehr und mehr zu einer kulturpolitischen Auskunfts- und Beratungsstelle für den deutschen Buchhandel«.36 Einen Kernbereich in der Auslandsarbeit des Börsenvereinsausschusses stellte weiterhin die Organisation von Ausstellungen und Messen bzw. Messebeteiligungen dar. Aus der beachtlichen Menge dieser Aktivitäten37 kann exemplarisch die »Buch-, Kunst31 Die Vereinbarung sah vor, dass die Gesellschaft ihre Tätigkeit für die Dauer des Bestehens des Ausschusses ihre Tätigkeit einstellt und dem Börsenverein ihr gesamtes Material und das Recht zur Führung ihres Namens überlässt. In den Ausschuss wurde faktisch der gesamte Vorstand der Gesellschaft übernommen. Vgl. Rundschreiben des Vorstands der Gesellschaft vom 23. April 1923 (HABV, Langewiesche-Archiv 201), sowie Geschäftsbericht des Vorstandes des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig über das Vereinsjahr 1922/23. In: Börsenblatt 90 (1923) 83, S. 453–464; hier S. 459. 32 Vgl. Geschäftsbericht des Vorstandes des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig über das Vereinsjahr 1927/28. In: Börsenblatt 95 (1928) 87, S. 409–426; hier S. 421. 33 Vgl. Börsenblatt 91 (1924) 5, S. 137 f. 34 Vgl. Börsenblatt 94 (1927) 160, S. 874 (Die Literatur zum Bau- und Siedlungswesen). 35 Adressbuch des Ausländischen Buchhandels 1926. 36 Tätigkeitsbericht der Auslandsabteilung des Börsenvereins. Ausschuss: Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel für das Jahr 1926, S. 1. 37 Nach Übernahme der Gesellschaft durch den Börsenverein war der deutsche Buchhandel allein in den Jahren 1923 und 1924 repräsentiert auf: Internationale Mustermesse in Mailand
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und Musikalienausstellung« in Stockholm hervorgehoben werden, die vom 15. Januar bis 15. Februar 1926 stattfand und dem »gewaltigen Niedergang« der deutschen Buchausfuhr nach Abebben des inflationsbedingten Exportbooms entgegenwirken sollte.38 Über 200 Firmen beteiligten sich an der Ausstellung, der Schwerpunkt lag im Bereich der wissenschaftlichen Verlage; ein repräsentativer Katalog führte die inzwischen wieder erreichte Spitzenstellung des deutschen Druck-, Herstellungs- und Verlagswesens vor Augen.39
Der Verein der Deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler und die Vereinigung Hamburger-Bremer Exportbuchhändler Kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs, am 20. September 1918, noch vor der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel, war bereits eine Vereinigung gegründet worden, die sich die Förderung des deutschen Buchexports auf die Fahnen geschrieben hatte: Die bedeutendsten Antiquare und Exportbuchhandelsfirmen hatten sich in Leipzig in einem Verein der Deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler e.V. zusammengeschlossen und damit einen schon vor dem Krieg verfolgten, damals aber aufgrund gegenseitiger Konkurrenz undurchführbaren Plan verwirklicht.40 Die großen wissenschaftlichen Antiquariate waren seit langem stark exportorientiert und hatten sich in zahlreichen Fällen auch wissenschaftliche Verlage angegliedert, die auf überwiegend gleichen Kanälen ihre Produktion in die USA, nach England, Japan, Russland und noch andere Länder verkauften. Den Satzungen nach war die Tätigkeit der neuen Vereinigung auf die Vertretung und Förderung der gemeinschaftlichen Interessen des deutschen Antiquariats- und Exportbuchhandels gerichtet, auf die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder in Steuer-, Zoll- und besonderen Exportangelegenheiten, auf ein Einschreiten gegen Auswüchse in der Ausübung des Berufs und auf andere, der Verbesserung der Lage des Handelszweigs dienende Maßnahmen.41 Die Mitgliederschaft war unterschieden in ordentliche und außerordentliche oder korrespondierende; diese letzteren konnten auch Firmen oder Personen des Auslands sein, von denen der Verein erwartete, dass sie den Mitgliedern wichtige Informationen über die Situation in einzelnen
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(April 1923), »Das deutsche Buch« in Moskau (September/Oktober 1923), Goethe-Ausstellung in Kopenhagen (29. Januar–13. Februar 1924), Internationale Ausstellung philosophischer Literatur in Neapel (5.–9. Mai 1924), 4. Internationale Rigaer Messe mit angegliederter Buchabteilung (8.–24. August 1924). Börsenblatt 92 (1925) 250, S. 16377. Führer durch die Ausstellung Das Deutsche Buch. Zu dieser Vereinigung siehe den Bestand im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig, Akten des Börsenvereins, 501: Verein deutscher Antiquariats- und Exportbuchhändler. Der Bestand enthält u. a. Satzungen, Mitgliederlisten, Protokolle und verschiedene Zeugnisse zur Vereinsgeschichte. Vgl. außerdem die Gründungsanzeige im Börsenblatt 85 (1918) 228. Vgl. ferner den Bericht über die am 1. Mai 1920 abgehaltene zweite ordentliche Mitgliederversammlung des Vereins der Deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler. Leipzig 1920. Zickfeldt: Die Bedeutung des Bücherexports für Deutschland, S. 295.
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Ländern zukommen lassen.42 Ähnlich wie die Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel suchte sich also auch der Verein ein Netz von Informanten zu schaffen. Dass seine Ziele von den bedeutendsten Firmen dieser Sparte mit verfolgt und getragen worden sind, zeigt die Zusammensetzung der Vorstandsspitze: Im Gründungsvorstand waren die Firmen C. G. Boerner, Gustav Fock und Otto Harrassowitz vertreten, am Beginn der dreißiger Jahre war J. R. Loewe von der traditionsreichen Berliner Firma R. Friedländer & Sohn in Berlin Vorsitzender, Leo Baer von der nicht minder traditionsreichen Firma Joseph Baer & Co. in Frankfurt sein Stellvertreter, Schriftführer war Alexander Liebisch (Leipzig), Schatzmeister Leo Jolowicz (Fa. Gustav Fock, Leipzig); als Beisitzer fungierten S. Martin Fraenkel (Berlin), Hans Harrassowitz (Leipzig), Anton Hiersemann (Leipzig) und Emil Hirsch (München).43 Allerdings gaben divergierende Interessen im Verein – zwischen bibliophilen und wissenschaftlichen Antiquaren, zwischen Antiquaren und exportierenden Verlegern – gelegentlich Anlass zu Meinungsverschiedenheiten; auch zeigte sich die Stimmung verschiedener Mitgliedergruppen in München, Stuttgart oder Frankfurt zeitweise gegen die Berliner und Leipziger Kollegenschaft gerichtet. 1925 wurde im Verein die Praxis des Springer-Verlags skandalisiert, an Autoren alle Verlagswerke mit 25 % Rabatt zu liefern und auch im Ausland hohe Rabatte einzuräumen.44 Der Verein der Deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler hat eine Aufnahme als Organ des Börsenvereins zum Zeitpunkt seiner Gründung nicht angestrebt;45 vielmehr wollte er die Interessen seiner Mitglieder klar und eindeutig zur Geltung bringen, ohne sie der ausgleichenden Wirkung der buchhändlerischen Gesamtorganisation unterwerfen zu müssen. Als eine Händlerorganisation geriet er denn auch zwangsläufig in Konfliktposition zu den exportierenden Verlegern und im weiteren auch zum Börsenverein, dessen Maßnahmen gerade in der Inflationszeit – an erster Stelle immer wieder die umkämpfte Verkaufsordnung für Auslandslieferungen – Anlass zur Kritik gaben: Da er alle Maßnahmen, die auf eine Einschränkung der Freiheiten im Export, besonders in der Preisgestaltung, hinausliefen, entschieden ablehnte und mehr auf das Prinzip »Gewinn durch großen Umsatz bei niedrigen Preisen« setzte, trat der Verein 1920/1921 als einer der Hauptexponenten des Widerstands gegen die vor allem von Verlegern gestützte Politik der Auslandsaufschläge auf. 1927 stellte der Verein der Deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler aber doch den Antrag auf Anerkennung als Organ des Börsenvereins; dem Antrag wurde am 14. April 1927 stattgegeben. Eine aus den besonderen Verhältnissen der Nachkriegszeit resultierende Gründung war auch die am 12. Januar 1920 entstandene Vereinigung Hamburg-Bremer Exportbuchhändler, die über weite Strecken die gleichen Ziele verfolgte wie der Verein der Deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler und mit diesem auch zusammengear42 Diese korrespondierenden Mitglieder waren vom Mitgliedsbeitrag befreit, waren jedoch auch weder stimmberechtigt noch wahlberechtigt. Die Geschäfte wurden von einem achtköpfigen Vorstand geführt, in wichtigen Fragen sollte die Mitgliederhauptversammlung entscheiden. 43 Vgl. Adressbuch des Deutschen Buchhandels, 93. Jg. 1931. Leipzig o. J., II. Abt., S. 11. 44 Vgl. hierzu den Bericht zum Geschäftsjahr 1925 in: Börsenblatt 93 (1926) 109. 45 Eine Mitgliedschaft beim Börsenverein – die unabdingbare Voraussetzung für eine Anerkennung als Fachverein – war satzungsmäßig nicht vorgesehen; auch hielt man eine Vermehrung der Fachvereine im Börsenverein für weniger wünschenswert als dessen Gesamtreform.
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beitet hat.46 In den beiden Hansestädten waren zahlreiche im Zwischenbuchhandel tätige Buchexportfirmen, vor allem aber die großen Exportsortimente ansässig.47 In der Vereinigung waren besonders die Hamburger Firmen Walter Bangert und Conrad Behre (die neben einer Fachbuchhandlung für Medizin und Naturwissenschaften auch eine Abteilung »Überseeischer Buchhandel und Verlag« betrieb) sowie die Exportbuchhandlung Fr. W. Thaden engagiert.
Auslandsschleuderei und Valutagewinne: Die Bücherausfuhr im Zeichen der Mark-Inflation 1919–1923 Die Erfassung der Bücherausfuhr bei den Zollstellen und die daraus errechnete amtliche Ausfuhrstatistik schufen im Prinzip günstige Voraussetzungen für quantitative Analysen.48 Eine kritische Betrachtung der Daten lässt aber auch hier Probleme erkennen: Zum einen werden Bücher und Zeitschriften fast durchgehend gemeinsam erfasst, zum anderen aber bezieht sich die amtliche Außenhandelsstatistik stets auf Paket- und Frachtsendungen, nicht aber auf die Kreuzband-Sendungen, d. h. auf die im Postverkehr verschickten Büchersendungen, die vor allem direkt an ausländische Endverbraucher gingen. Ermittlungen im Bereich des Exportsortiments ergaben für die über Kreuzband laufende Bücherausfuhr einen Anteil von bis zu 65 % des Gesamtvolumens.49 Die Tatsache, dass der Kreuzband-Anteil zeitweise beträchtlichen Schwankungen ausgesetzt war – er hat nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund von Devisen- und Zollabfertigungsproblemen bei Frachtsendungen stark zugenommen50 –, führt zu Verzerrungen in der Ausfuhrstatistik und relativiert so auch ihre Indexfunktion. Von Interesse sind zunächst die Vergleichsziffern der Gesamtausfuhr nur für Bücher (Position 674a des Zolltarifs) für die Zeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg; sie zeigen in der Gewichtsstatistik, dass der Rekordwert des Jahres 1913 (146.537 Doppelzentner) im Jahr 1921 – inflationsbedingt! – mit 144.736 dz schon fast wieder erreicht war. Rund ein Sechstel davon (23.912 dz) war über Kreuzband verschickt worden, bei deutlich steigender Tendenz.51 46 Siehe hierzu den Bestand im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig, Akten des Börsenvereins, 509: Vereinigung Hamburg-Bremer Exportbuchhändler. 47 Nach Zickfeldt: Die Bedeutung des Bücherexports für Deutschland, S. 297, waren in beiden Vereinen zusammen mehr als hundert der wichtigsten Buchexportfirmen organisiert. 48 Vgl. Umlauff: Beiträge zur Statistik des deutschen Buchhandels, S. 153: »Der einzige Teil der buchhändlerischen Umsätze, über den exakte statistische Angaben vorliegen und der sich deshalb in seiner Entwicklung genau verfolgen läßt, ist der Außenhandel mit Büchern.« Die wichtigste durchlaufende Quelle, aus der sowohl Zickfeldt wie Umlauff schöpfen, sind die Statistischen Jahrbücher des Deutschen Reiches. 49 Zickfeldt: Die Bedeutung des Bücherexports für Deutschland, S. 85–87. Die Ermittlungen beruhten auf einer Fragebogenaktion. 50 Vgl. Widmann: Geschichte des Buchhandels, S. 84. 51 Diese Zahlen sind überliefert im Börsenblatt sowie bei Zickfeldt: Die Bedeutung des Bücherexports für Deutschland, S. 276 ff. Für 1921 handelt es sich dabei um Angaben der Außenhandelsnebenstelle, die eine Bewilligungs-, nicht eine Ausfuhrstatistik führte. Aufgrund der mit einem Antrag verbundenen Gebührenbelastung kann aber davon ausgegangen werden, dass die Zahlen der tatsächlichen Ausfuhr entsprechen.
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Die Ziffern der Wertstatistik sind im Zeitreihenvergleich aufgrund der Paritätsschwankungen der Währung eingeschränkt aussagekräftig. Eine Momentaufnahme aus den Jahren 1920/1921, die wieder auf den Ziffern der Außenhandelsnebenstelle beruht, gibt jedoch Aufschluss über die Ertragschancen im Buchexport, die sich aus einer Lieferung ins obervalutige Ausland (Länder mit harter Währung) ergaben: Tabelle 1: Wert des Bücherexports in obervalutige Länder (Paketausfuhr) Inlandswert Auslandswert Valuta-Mehrerlös
1920 (April–Dezember) 71.500.000 Mark 192.750.000 Mark 121.250.000 Mark
1921 390.303.175 Mark 636.479.526 Mark 246.176.351 Mark
Quelle: Zickfeldt: Die Bedeutung des Bücherexports für Deutschland, S. 282 und 284. Auch wenn durch Kursverluste der tatsächliche Valuta-Mehrerlös geringer war als der nominelle: Aus dem Vergleich von Inlands- und Auslandswert ergibt sich klar die herausragende Bedeutung des Exports in das obervalutige Ausland. Verständlich wird hieraus auch die im Inland heftig kritisierte Vorgangsweise von Verlegern, die einzelne Titel als vergriffen meldeten, um sie für den Auslandsverkauf zur Verfügung zu haben. Wenn unter diesen Umständen die deutsche Bücherausfuhr sich am Beginn der zwanziger Jahre rasch wieder dem Vorkriegsniveau näherte, so waren an dieser Entwicklung nicht alle Zielgebiete in gleicher Weise beteiligt. Ein Vergleich der Ausfuhrziffern zeigt für die nachfolgend angeführten Länder beträchtliche Unterschiede: Tabelle 2: Buchausfuhr in Doppelzentnern Belgien Dänemark Frankreich England Italien Japan Niederlande Nordamerika Russland Schweden Schweiz Österreich(-Ung.)
1913 2830 1726 6831 3863 2020 1412 6894 9230 11315 2273 19581 71774
1920 1332 3867 1527 2503 2568 1973 10311 6630 426 7493 23244 17289
1921 2476 3265 1538 3372 1860 3396 11276 6494 1660 4330 16903 20803
Quelle: Zickfeldt: Die Bedeutung des Bücherexports für Deutschland, S. 279. In der Tabelle spiegeln sich mehrere Tendenzen gleichzeitig: Zum einen erwies es sich aus Gründen des politischen Klimas als unmöglich, zu einzelnen ehemaligen »Feindstaa-
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ten« die Exportverbindungen im gleichen Umfang wie früher aufzunehmen (Frankreich, Belgien, z.T. auch England und die USA);52 zum anderen waren politische Umbrüche verantwortlich für drastische Rückgänge, wie bei Russland, wo durch die Oktoberrevolution völlig veränderte Rahmenbedingungen entstanden waren. Gleichzeitig ergibt sich daraus eine Inkommensurabilität der Zahlen, wie im Falle von Österreich-Ungarn, wo nach der ›Dismembration‹ der Monarchie ein vergleichsweise kleiner deutschsprachiger Rumpfstaat übriggeblieben war, während ihre anderen deutschsprachigen Gebiete in die neu gebildeten Nachfolgestaaten wie die Tschechoslowakei eingegangen waren. Zum Dritten aber spiegeln sich die Verwerfungen der Warenströme, die durch Verschiebungen in der Parität der Währungen entstanden waren: Österreich bezog nicht allein wegen der Gebietsveränderungen weitaus weniger Bücher aus Deutschland, sondern wegen der Schwäche der österreichischen Kronenwährung, die früher als die deutsche Mark der galoppierenden Inflation verfiel und der Wareneinfuhr in das streng devisenbewirtschaftete Land nur beschränkte Möglichkeiten bot. Umgekehrt – und das ist für die Außenhandelsbilanz des deutschen Buchhandels der entscheidende Aspekt – konnte in obervalutige Länder 1920 genausoviel (Schweiz) oder sogar beträchtlich mehr geliefert werden als 1913; diese Situation war vor allem mit den Niederlanden, aber auch mit Dänemark, Schweden oder Italien gegeben. In der auffälligen Zunahme der Exporte in diese Länder kommt aber auch das unter Umgehung der Verkaufsordnung für Auslandslieferungen und der Außenhandelsnebenstelle spekulativ betriebene Geschäft der umsatz- und gewinnträchtigen Verschiebung deutscher Bücher in umliegende Länder zum Ausdruck.
Die Außenhandelsnebenstelle für das Buchgewerbe Dass der Buchexport nach 1918 relativ rasch wieder in Schwung kam und sich 1922 fast wieder in Vorkriegsdimensionen bewegte, war zum wenigsten das Verdienst der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel oder anderer organisatorischer Initiativen, sondern unmittelbare Folge der Talfahrt der deutschen Währung. Mit dem Schwinden der Siegeschancen Deutschlands im letzten Kriegsjahr hatte sich zusehends auch die deutsche Valuta verschlechtert. Dieser Prozess der Markentwertung hielt nach Kriegsende weiter an und hatte allgemein eine enorme Zunahme des deutschen Warenexports zur Folge. Da von den Exporteuren lange Zeit zu deutschen Inlandspreisen geliefert wurde, also die (bis zum 6- oder 8-fachen reichende) Möglichkeit zu Preisaufschlägen nicht wahrgenommen wurde, waren deutsche Waren im Herbst 1919 im Ausland zu Dumpingpreisen erhältlich; in einzelnen Bereichen war ein regelrechter Ausverkauf in Gang. In der Öffentlichkeit bekannt gewordene Pläne der Regierung, die Situation durch Ausfuhrzölle zu regulieren und damit möglichen Anti-Dumping-Maßnahmen der Importländer zuvorzukommen, führten nur zu einem verstärkten Abfluss von in Deutschland dringend benötigten Grundstoffen und Bedarfsartikeln. 52 Ein besonderes Hemmnis entstand im Buchexport mit den Siegermächten des Weltkriegs auch durch die in diesen Fällen erhobenen Reparationsabgaben: Ab 1921 wurde auf die Einfuhr deutscher Waren von Großbritannien eine besondere Abgabe von 26 % und von Frankreich 25 % erhoben. Diese Sonderbelastung wurde den deutschen Exporteuren vom Reichsfinanzministerium rückvergütet, jedoch nur bis 1923. Ein Antrag auf eine Ausnahmeregelung für den Buchhandel wurde abgelehnt. Vgl. Börsenblatt 91 (1924) 63 und 91 (1924) 243.
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Es waren die zunächst in Kreisen der Industrie entstandenen Überlegungen zur Kontrolle der Ausfuhr durch Selbstverwaltungskörper, die zur definitiven Schaffung gesetzlicher Grundlagen für eine Exportkontrolle führten. Die am 20. Dezember 1919 veröffentlichte »Verordnung über die Außenhandelskontrolle« machte die Ausfuhr von Waren aller Art abhängig von der Bewilligung eines Reichskommissars oder sonst zuständiger Stellen, wobei die Bewilligung von Bedingungen, z. B. Einhaltung einer bestimmten Preishöhe, abhängig gemacht werden konnte.53 Mengenkontrolle und Preiskontrolle waren die zentralen Funktionen der insgesamt 26 Außenhandelsstellen bzw. Außenhandelsnebenstellen, die – nach Warengruppen gegliedert – auf der Grundlage einer staatlich beaufsichtigten wirtschaftlichen Selbstverwaltung mit Vertretern der Produktion, des Handels und der Verbraucher besetzt wurden und im Frühjahr 1920 ihre Tätigkeit aufnahmen. Das deutsche Buch repräsentierte eine der von diesem Vorgang der Verschleuderung ins Ausland ganz besonders betroffenen Warengruppen. Am 9. März 1920 endlich verlautbarte das Reichswirtschaftsministerium im Deutschen Reichsanzeiger das Ausfuhrverbot für Gegenstände des deutschen Buchhandels, das nun die Handhabe zur lückenlosen Kontrolle des Buchexports bot.54 Es wurde – zweckmäßigerweise in Leipzig, im Deutschen Buchhändlerhaus – eine Außenhandelsnebenstelle für das Buchgewerbe eingerichtet, deren Leitung in den Händen von Otto Selke lag, einem ehemaligen deutschen Auslandsbuchhändler. Er wurde in seiner Tätigkeit von einem paritätisch besetzten Beirat (je elf Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer des Buchgewerbes, sowie Vertretern der Autoren und der Bibliothekare) unterstützt; darüber hinaus wurden Zweigstellen in Berlin, München, Stuttgart und Hamburg errichtet. Entscheidend war, dass der Außenhandelsnebenstelle »das Recht der Prüfung und Genehmigung der Auslandspreise« zukam;55 sie konnte daher die Erteilung einer Ausfuhrbewilligung davon abhängig machen, dass die Preise der Bücher entsprechend den Vorschriften der Verkaufsordnung für Auslandslieferungen festgesetzt wurden, d. h. es kam zu dem vom Börsenverein angestrebten Zusammenspiel von vereinsorganisatorischer Regelung und staatlicher Kontrollmaßnahme. Der Genehmigungsvorgang selbst bedurfte angesichts der Unzahl von Vorgängen, 3000 Ausfuhranträgen täglich, einer guten Organisationsform. Dazu gehörte die Unterteilung der Anträge in solche, die sich auf Sendungen über zwei Kilogramm (Pakete, Fracht- und Expresssendungen) und solche für Drucksachen (Kreuzbandsendungen bis zu zwei Kilogramm) bezogen. Über die beizulegenden Angaben bzw. Beförderungspapiere klärte eine in hoher Auflage in Umlauf gesetzte Informationsschrift auf.56 Exportfirmen mit besonders großem Geschäftsumfang konnten Sammelhefte mit vorab gestempelten Ausfuhrbewilligungen erhalten, die allerdings nur für Kreuzbandsendungen
53 Vgl. Zickfeldt: Die Bedeutung des Bücherexports für Deutschland, S. 157 ff. 54 Vgl. Deutscher Reichsanzeiger, Nr. 58 vom 9. März 1920; sowie Börsenblatt 87 (1920) 60, S. 249. 55 Geschäftsbericht des Vorstandes des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig über das Vereinsjahr 1922/23. In: Börsenblatt 90 (1923) 83, S. 458. 56 Richtlinien zur Erlangung von Ausfuhrbewilligungen für buchhändlerische Erzeugnisse. Leipzig 1921.
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vorgesehen waren.57 Für die nicht direkt auf eigene Rechnung, sondern über den Kommissionsverkehr abgewickelten Lieferungen gab es eigene Prozeduren.58 Ganz im Interesse des regulären Buchhandels lagen die Bemühungen der Außenhandelsnebenstelle, den über Privatleute, aber nicht selten systematisch abgewickelten Bücherschmuggel einzudämmen. Ihre Unkosten deckte die Stelle aus einer zunächst auf 2 % festgesetzten, nach einigen Monaten auf 1 % und ab 1. März 1921 auf 0,8 % des Fakturenwerts gesenkten Gebühr. Diese Gebühr enthielt eine Reichsabgabe für soziale Zwecke, über deren Verteilung – es handelte sich um nicht unbeträchtliche Summen – Streitigkeiten v.a. mit dem Vertreter der Autorenverbände entbrannten.59 Die Außenhandelsnebenstelle wurde mit Wirkung vom 27. September 1923 wieder aufgelöst und gleichzeitig das Ausfuhrverbot bzw. die Pflicht zur Einholung einer Ausfuhrbewilligung aufgehoben.
Die »Verkaufsordnung für Auslandslieferungen« des Börsenvereins Lange vor der Einrichtung einer staatlichen Ausfuhrkontrolle für Bücher hatten im deutschen Buchhandel selbst Bestrebungen eingesetzt, den bedenklichen Auswirkungen des Währungsverfalls auf den Export durch brancheninterne Maßnahmen entgegen zu treten. Der absatzfördernde Effekt der Markentwertung wurde allerdings von den beteiligten Sparten unterschiedlich beurteilt: Während der Exportbuchhandel den unerwartet rasch in Gang gekommenen Aufschwung des Auslandsgeschäftes in jeder Hinsicht begrüßte und die inflationsbedingte Verbilligung deutscher Bücher als die entscheidende Voraussetzung für eine Fortsetzung dieses Aufschwungs ansah, mussten die im Export engagierten Verleger, vor allem die wissenschaftlichen Verleger erkennen, dass sich auf diese Weise ihre Lager sehr rasch leerten, die rasant steigenden Herstellungskosten jedoch die Produktion von neuen Titeln oder Neuauflagen zu verhindern drohten. Einzelne von ihnen hatten dieser Entwicklung schon Ende 1918 mit 50 bis 100 %-igen Aufschlägen bei Sendungen ins hochvalutige Ausland zu begegnen gesucht; verschiedentlich wurden bereits eigene Auslandspreise, entweder in Mark oder in der Währung des Bestimmungslandes, festgesetzt. Gegen diese Maßnahmen reagierten ausländische Buchhändler bzw. ihre Vertretungen mit Protesten und Boykottdrohungen; der Schweizer Buchhandel sah darin eine Durchbrechung des Prinzips des festen Ladenpreises; auch die Buchhändler in den Niederlanden, in Dänemark und Schweden beschwerten sich beim Börsenverein in Leipzig über die aus dieser »Preisanarchie« resultierende Verunsicherung ihrer Kunden. 57 Die Tatsache, dass die Außenhandelsnebenstelle auch eine Sonderabteilung für Statistik des Bücherexports unterhielt, hat zur Folge, dass für den Zeitraum 1920–1923 besonders aussagekräftige Zahlen vorliegen. 58 Genaueres zur Bewilligungspraxis bei Zickfeldt: Die Bedeutung des Bücherexports für Deutschland, S. 212 ff. 59 Vgl. Fischer: Der Schutzverband deutscher Schriftsteller 1909–1933, Sp. 366–368. Bei Valutagewinnen in der Höhe von 75 Millionen Mark allein im Zeitraum bis 31. Oktober 1920 hatte sich ein Gebührenvolumen von 1,5 Millionen Mark ergeben, an dem der Schutzverband deutscher Schriftsteller (SDS) als die maßgebliche Autorenorganisation nur mit 12.000 Mark beteiligt worden war, während etwa dem Börsenverein 675.000 Mark zugestanden wurden. – Zu den Kämpfen des SDS um eine Beteiligung der Schriftsteller an den Valutagewinnen der Verleger vgl. ebd., Sp. 446–452.
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Im Börsenverein war die Stimmung lange Zeit gegen jede Beschränkung oder Kontrolle des Buchexportes eingestellt. Er befand sich zunächst in Übereinstimmung mit dem Verein der Deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler, der bereits im August 1918 gegen jede Erhöhung der Auslandspreise Einspruch erhoben hatte, in Übereinstimmung auch mit dem Deutschen Verlegerverein, der zwar bemüht war, einer Verschleuderung der deutschen Bücherbestände durch unzulässig hohe Rabatte entgegenzuwirken, jedoch nur »durch eine freiwillige Erklärung, in der sich die Verleger verpflichten [sollten], nach dem Ausland und im Ausland schleudernde Firmen zu sperren«.60 Tatsächlich verpflichteten sich im September 1918 466 (später weitere 116) Verleger, jene Firmen nicht mehr zu beliefern, die bei Auslandslieferungen den Verlegerpreis nicht einhielten.61 Seit dem Spätsommer 1919 verschärfte sich die Situation aber in einer Weise, die den Börsenverein zum Handeln zwang, – »um einige Monate zu spät«, wie manche meinten, »der Ausverkauf der Friedensbestände unserer wertvollen Bücher durch die ausländischen Interessenten [sei] bereits erfolgt«.62 Der Vorstand arbeitete den Entwurf zu einer Verkaufsordnung für das Ausland aus, mit deren Hilfe ein weiterer Ausverkauf der deutschen Bücher verhindert und eine Anpassung der Preise im Ausland an die Welthandelspreise erfolgen sollte, ohne dabei die Interessen des Auslandssortiments und des Exportsortiments preiszugeben. Grundgedanke war die Einführung einheitlicher, an den Wechselkursen orientierter Aufschläge, anstelle der von den Verlagen individuell vorgenommenen. Der am 12. Oktober 1919 den Verlegermitgliedern des Börsenvereins zur Meinungsäußerung vorgelegte Entwurf fand deutliche Zustimmung (ca. 300 von 400 einlangenden Antworten waren positiv). Da aber die skeptischen oder ablehnenden Stimmen z. T. von Gewicht waren (auch der Vorstand des Deutschen Verlegervereins gehörte zu den Gegnern des Entwurfs63), verzögerte sich eine Entschlussfassung, bis im November 1919 die Nachricht von der geplanten Einrichtung einer staatlichen Ausfuhrkontrolle, die möglicherweise einen hohen Zoll auf Auslandslieferungen legen würde, für einen allgemeinen Stimmungsumschwung sorgte. Jetzt stimmte auch die Hauptversammlung des Verlegervereins mit Zweidrittelmehrheit einer Auslandsverkaufsordnung zu, freilich unter der Bedingung, dass sich das ins Ausland liefernde Exportsortiment wie auch die im Zwischenbuchhandelsexport tätigen Firmen verpflichteten, die von ihnen erzielten Valuta-Mehrerlöse nach Abzug des Rabattanteils an die Verleger abzuliefern.64 Diese Position rief den scharfen Protest des Exportsortiments hervor und blockierte eine Entscheidung in der Frage der Auslandsordnung für einige Wochen, eine Zeitspanne, die vom Exportbuchhandel für eine intensivierte Verkaufstätigkeit bzw. von den Auslandssortimenten zur vorsorglichen Füllung ihrer Lager genutzt wurde, weil die Erhöhung der Bücherpreise absehbar war. Auf die Auffassung der 60 Meiner: Der Deutsche Verlegerverein, S. 165. 61 Vgl. Börsenblatt 85 (1918) 210. 62 Bangert, Walter: Der Exportbuchhandel, die Verkaufsordnung und der Verlag. In: Börsenblatt 89 (1922) 15, S. 69 f. 63 Der Deutsche Verlegerverein protestierte gegen die »unerträglich Bevormundung und Absatzschädlichkeit« der geplanten Valutaordnung und wandte sich sogar an das Reichswirtschaftsministerium um Unterstützung. Vgl. Meiner: Geschichte des Deutschen Verlegervereins, S. 167. Vgl. zu diesen Vorgängen auch Zickfeldt: Die Bedeutung des Bücherexports für Deutschland, S. 171 ff. 64 Dies und das Folgende nach Zickfeldt, S. 176 ff.
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Buchexporteure, wonach Valutagewinne allein dem zufallen sollten, der das Exportgeschäft tätigt, konnte der Verlag nicht eingehen; er hätte sonst nur bei Direktlieferungen (die vor 1914 rund 20 % des Exports ausgemacht haben dürften) einen Valutamehrerlös erzielt. In dieser Frage zeichnete sich aber bald ein Kompromiss ab: Anfang Januar signalisierte der Deutsche Verlegerverein, dass er nunmehr doch an der Verabschiedung der Auslandsordnung interessiert war. Ausschlaggebend dafür könnte der Zusammenschluss von zunächst 26 Verlagen gewesen sein, die sich Ende November zu einer einheitlichen Vorgangsweise verpflichtet hatten, d. h. im Sinne der geplanten Verkaufsordnung für Auslandslieferungen zur Berechnung von Auslandspreisen auf Grundlage der jeweiligen ausländischen Währung. Anfang Januar gehörten dann immerhin 150 wissenschaftliche Verlage dieser Gruppe an. Der Börsenverein, der inzwischen im Dezember im Reichswirtschaftsministerium den Antrag auf Erlass eines Ausfuhrverbots für Bücher gestellt hatte, um einen staatlichen Schutz der von ihm selbst geplanten Exportregulierungsmaßnahmen zu erwirken, konnte jetzt nach Aufgabe des Widerstands seitens des Verlegerverbands den Beschluss der Verkaufsordnung unverzüglich in die Wege leiten. Die am 8. Januar 1920 beschlossene und am 15. Januar im Börsenblatt veröffentlichte Verkaufsordnung für Auslandslieferungen trat in Kraft, noch bevor eine staatliche Absicherung gegeben war; das entsprechende System der Ausfuhrkontrolle durch Außenhandels(neben)stellen wurde ja erst einige Monate später installiert. Trotzdem beanspruchte sie sofort bindende Wirkung, entsprechend der Bestimmung von §1, derzufolge nicht bloß Mitglieder des Börsenvereins oder der ihm angeschlossenen Verbände zu ihrer Einhaltung verpflichtet sein sollten, sondern alle, die Gegenstände des deutschen Buchhandels im Auslande unmittelbar oder durch inländische oder ausländische Buchhändler und Wiederverkäufer vertreiben. Eine Verletzung der Ordnung sollte dementsprechend die gleichen Sanktionen nach sich ziehen, wie sie bei anderen satzungsmäßigen Ordnungen des Börsenvereins vorgesehen waren. Die Bestimmungen selbst bezogen sich allein auf das übervalutige Ausland, also auf jene Länder, deren Währung wesentlich härter war als die deutsche Mark. In das untervalutige Ausland, nach Deutsch-Österreich, in die Tschechoslowakei, in die südslawischen Staaten, nach Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Türkei, Russland, Polen und Finnland,65 sollte ohne jeden Aufschlag, also zu deutschen Inlandspreisen geliefert werden. Die in diesen Ländern belieferten Firmen sollten jedoch eidesstattlich darauf verpflichtet werden, Gegenstände des deutschen Buchhandels in dritte Länder nur zu den Bedingungen der Auslandsordnung weiterzuliefern. Damit sollte die – unter Umständen höchst profitable – Verschiebung von Büchern über untervalutige Länder in höhervalutige unterbunden werden, – was de facto nicht wirklich gelang: Die Umgehung der Ausfuhrbestimmungen durch Schmuggel und Schieberei, etwa durch eine Umweglieferung über das niedervalutige Österreich, war offenbar gang und gäbe.66 65 Diese Staaten sind in Tabelle I der Verkaufsordnung für Auslandslieferungen aufgeführt. 66 Vgl. etwa die Stellungnahme des Börsenvereins auf eine im Dezember 1923 eingelangte Beschwerde über zu hohe Preise der aus Deutschland eingeführten Bücher: Man habe schon seit der Inflationszeit Österreich immer bevorzugt behandelt und dabei beträchtlichen Schaden in Kauf genommen: »Bekanntlich hat sich sehr bald in Deutsch-Österreich ein umfangreiches Schiebertum entwickelt, das die unter Ausbeutung des deutschen Entgegenkommens für das bedrängte Brudervolk in Deutsch-Österreich billig eingekauften Bücher in großen
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§ 4 der Verkaufsordnung enthielt die entscheidende Bestimmung über die Preisfestsetzung: Für Auslandslieferungen waren die Nettopreise (einschließlich etwaiger InlandsVerlegerteuerungszuschläge) entweder in die Währung des Empfangslandes umzurechnen oder bei Lieferung in deutscher Währung durch einen Valutaausgleich zu erhöhen. Hatte der Entwurf zur Auslandsordnung ursprünglich nur die erstere Möglichkeit vorgesehen, so war jetzt aufgrund von Einsprüchen der Kommissionäre und Barsortimenter, die sich zu einer solchen Umrechnung außerstande sahen, alternativ die Fakturierung in Mark mit entsprechendem Aufschlag erlaubt. Die aktuellen Umrechnungskurse sowie die an die Kursschwankungen angepassten prozentualen Valutaausgleiche wurden wöchentlich, regelmäßig mittwochs, im Börsenblatt bekanntgegeben. Im übrigen war, in Übereinstimmung mit der Notstandsordnung des deutschen Buchhandels, neben den Valutaaufschlägen ein 20 %-iger Sortimenter-Teuerungszuschlag erlaubt, um vor allem dem Auslandssortiment, das am deutschen Buch im Verhältnis zu den Geschäftsunkosten und Spesen wenig verdiente, ein Motiv zu geben, sich weiterhin für es einzusetzen. Antiquarische Werke, auch solche des Modernen Antiquariats, sollten aufgrund ihrer besonderen Preisbildung von den Bestimmungen der Auslandsordnung unberührt bleiben (später wurde die Grenze für als antiquarisch geltende Bücher auf das Jahr 1900 festgesetzt). Die heikle Frage der Verteilung der Valutagewinne aus Auslandsverkäufen wurde von der Verkaufsordnung so gelöst, dass die exportierenden Sortimenter oder Zwischenbuchhändler zunächst alle Auslandsverkäufe an den Verlag melden mussten, sofern diese nicht aus schon früher erworbenen Lagerbeständen getätigt wurden. Im Normalfall sollten drei Viertel des Valutagewinns an den Verleger gehen, bei nicht meldepflichtigen Lagerverkäufen sollte der Verleger die Hälfte des erzielten Valutagewinnes erhalten. In diesem Kompromiss – die Sortimenter wollten in solchen Fällen überhaupt keine Rückvergütung leisten – spiegelt sich die Hauptabsicht der Verkaufsordnung, vor allem den Verlegern die finanziellen Voraussetzungen für die Weiterführung ihrer Produktion zu sichern; eine Erhöhung der Zwischengewinne des Handels war nicht in erster Linie Ziel und Zweck der Maßnahmen. Die Durchsetzung der Bestimmungen der Verkaufsordnung für Auslandslieferungen stieß auf Hindernisse: Das Auslandspublikum war an extrem niedrige Preise gewöhnt. Ab Mitte Januar 1919 verteuerte sich das deutsche Buch im Ausland durchschnittlich um das Siebenfache, wobei sich auch die drastische Erhöhung der inländischen Produktionskosten auswirkte. Es kam zu Absatzrückgängen, die von den Exportsortimentern und betroffenen Verlegern als Boykott des Publikums interpretiert wurden und zu Widerständen gegenüber der Auslandsordnung führten. Die Herausbildung eines »wilden Buchhandels« vor allem an den Grenzen zur Schweiz, die Entstehung zahlreicher spekulativer Buchexportfirmen war nicht dazu angetan, die eingesessenen Firmen für die Mengen namentlich nach der Schweiz, aber auch sonst ins Ausland weiter vertrieb, den regulären Buchhandel durch Unterbietungen schwer schädigend, selber aber beträchtliche Zwischengewinne einstreichend.« (Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Akten des Börsenvereins 774). – Der Kreuzbandverkehr war ohnehin nicht kontrollierbar; ein entsprechender Antrag der Buchhandelsorganisationen auf lückenlose Kontrolle auch der Kreuzbandsendungen durch die Außenhandelsnebenstelle wurde vom Reichspostministerium als eine Verletzung des Briefgeheimnisses abgelehnt.
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vom Börsenverein beschlossenen Regelungen zu begeistern. Die wenige Tage später, am 20. Januar 1919, erfolgte Gründung der Vereinigung Hamburg-Bremer Exportbuchhändler stand in direktem Zusammenhang mit der Ablehnung der Auslandsordnung und gab dieser Vereinigung von rund 20 Firmen den Charakter einer Abwehrorganisation.67 Auch die der Verkaufsordnung ablehnend gegenüberstehende, bisher in der Minorität befindliche Gruppe von Verlegern sah sich in ihrer Skepsis bestätigt. Ohnehin war eine flächendeckende Durchführung der Auslandsverkaufsordnung in jenen Monaten, in denen noch keine staatliche Ausfuhrkontrolle existierte, kaum realisierbar.
Änderungen in den Bestimmungen der »Verkaufsordnung für den Auslandsbuchhandel« Veränderungen in den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, aber auch die Konfliktstellung der einzelnen Sparten untereinander ließen schon nach wenigen Monaten eine Revision der Verkaufsordnung notwendig erscheinen. Abgesehen von zahlreichen Beschwerden aus dem Ausland – von Auslandssortimenten und den Auslandskunden selbst, die kein Verständnis für die Verteuerung des deutschen Buches aufbrachten –, suchten auch im Inland verschiedene Gruppen eine Änderung der Bestimmungen herbeizuführen, vor allem das Exportsortiment, das den Ärger seiner Kunden am direktesten zu spüren bekam. Dazu kamen Änderungen in den Rahmenbedingungen: Im Sommer 1920 besserte sich kurzfristig die Situation der Mark, mit der logischen Folge, dass die Exportumsätze spürbar zurückgingen. Eine »Arbeitsgruppe wissenschaftlicher Verlag« forderte daraufhin tiefgreifende Änderungen der Auslandsordnung, die dem Verlag weitgehende Freiheiten in der Festsetzung der Aufschläge geben sollten. Tatsächlich wurde am 27. Juli 1920 im Börsenblatt eine Neufassung der Auslandsordnung publiziert, in der jetzt die Festsetzung von Auslandspreisen in deutscher Währung als zulässig erklärt wurde, wenn sie mindestens den doppelten Inlandspreis betrugen. Diese Bestimmungen machten die Preisgestaltung unübersichtlich, erschwerten die Administration durch die Außenhandelsnebenstelle und delegierten das Kursrisiko an den Auslandssortimenter, der mit permanenter Anpassung der Ladenpreise an die schwankende Parität reagieren musste und sein Publikum damit vom Kauf abschreckte. Es war der Deutsche Verlegerverein, der bereits drei Tage später in einer Eingabe an das Reichswirtschaftsministerium neue Änderungen verlangte, die aber beim Börsenverein auf wenig Gehör stießen.68 Eine neue Situation ergab sich dann aber mit einer amtlichen Anordnung des Reichsbevollmächtigten Selke, in der mit Wirkung vom 1. Januar 1921 die allgemeine Meldepflicht aller Auslandslieferungen des Buchhandels angeordnet wurde. Dagegen traten nun Exportfirmen auf, die als Nichtmitglieder des Börsenvereins die Abführung ihrer Valutagewinne an die Verleger mit der Begründung verweigerten, 67 Dem Gründungsprotokoll nach verstand sie ihre Aufgabe darin, die voraussichtlichen Schädigungen durch die Verkaufsordnung für Auslandslieferungen nach Möglichkeit aufzuheben und zu beseitigen, Maßnahmen zu ihrer praktischen Durchführung zu setzen und schließlich »den Behörden, Verlegern und allen in Frage kommenden Kreisen des Wirtschaftslebens gegenüber die Interessen des Exportbuchhandels wirksam zu vertreten.« Vgl. Zickfeldt: Die Bedeutung des Bücherexports für Deutschland, S. 208. 68 Vgl. Börsenblatt 87 (1920) 12.
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es handle sich nur um eine vereinsrechtliche, für sie nicht bindende Regelung. Der Standpunkt des Börsenvereins, seine Ordnung diene nur der Durchführung reichsgesetzlicher Vorschriften, wurde durch einen Bescheid des Reichskommissars für Aus- und Einfuhrbewilligungen bestätigt.69 Eine dritte Fassung der Verkaufsordnung für Auslandslieferungen erschien am 18. Dezember 1920, ausgelöst durch den Druck ausländischer Buchhandelsvertretungen, die die Notwendigkeit eines weiteren Abbaus der Auslandspreise vor Augen stellten. Inzwischen war die Notstandsordnung des Börsenvereins und mit ihr der SortimenterTeuerungszuschlag abgebaut worden; die verbleibende Gewinnspanne reichte nicht, um die in hochwertiger Valuta entstehenden Geschäftsunkosten zu decken. Die in der dritten Fassung vorgenommenen Anpassungen änderten nichts an der prinzipiell ablehnenden Haltung des Exportsortiments, aber auch von Verlegerseite regte sich immer wieder Widerstand: Man wollte doch lieber frei sein von jeder vereinsmäßigen Regelung und scheute sich weniger als bisher, den eigenen Standpunkt, darunter auch den Anspruch auf volle Zuerkennung der Valutagewinne, in der Öffentlichkeit und bei Regierungsstellen zu vertreten. Der einseitig informierte Reichswirtschaftsminister ließ daraufhin dem Börsenverein ein Schreiben zugehen, in welchem er seiner Erwartung Ausdruck gab, dieser werde eine grundsätzliche Überarbeitung der Auslandsordnung vornehmen, und zwar unter der Perspektive eines fortlaufenden Abbaus; die Regierung selbst werde voraussichtlich die Ausfuhrkontrolle im Sommer 1921 einstellen.70 In der einmütigen Entrüstung über diese Intervention fanden die verschiedenen Parteien des Buchhandels zu neuer Einigkeit. Eine zum 13. Februar 1921 einberufene außerordentliche Hauptversammlung des Börsenvereins wies die ministerliche Einmischung zurück und sprach sich für eine Beibehaltung der Auslandsordnung aus; es wurde aber auch eine elfköpfige Kommission zur Revision der Ordnung eingesetzt. Als Ergebnis der Beratungen dieser »großen Valutakommission« wurde eine vierte Fassung der Auslandsordnung am 18. April 1921 im Börsenblatt publiziert, deren Merkmale in einer Vereinfachung und einem gewissen Interessenausgleich lagen: Anstelle von Umrechnungskursen und beweglichen Valutaausgleichen waren jetzt feste Zuschläge vorgesehen, und zwar nach zwei Ländergruppen unterschieden.71 Für die hochvalutigen Länder war ein Aufschlag in der Höhe von 100 %, für die mittelvalutigen einer von 60 % zu berechnen.72 Mit diesem Wechsel im System der Festsetzung der Auslandspreise war eine große Vereinfachung in der Fakturierung der Auslandssendungen verbunden, die aber in der Ausnahmebestimmung ihre Grenze fand, die den wissenschaftlichen Verle69 Vgl. Zickfeldt: Die Bedeutung des Bücherexports für Deutschland, S. 234 f., und Börsenblatt (1921) 134. 70 Zickfeldt, S. 240. 71 Die Gruppe I umfasste die hochvalutigen Staaten, also Belgien, Dänemark, England, Frankreich, Niederlande, USA, Luxemburg, Norwegen, Schweden, Schweiz, Ägypten, China, Haiti, Japan, Mexiko, Persien, Siam; zur Gruppe II, den mittelvalutigen Staaten, gehörten Italien, Portugal, Spanien, Griechenland, Arabien, Liberia, Argentinien, Brasilien, Chile, alle südlich Mexikos gelegenen Staaten, alle ehemaligen deutschen Kolonien. 72 Hinsichtlich der Verteilung des Mehrerlöses wurden dem Exporthandel 15 % aus seinen Direktlieferungen, dem Exportzwischenbuchhandel 25 % zugestanden, von dem er jedoch 10 % an den Auslandsverkäufer weitergeben musste.
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gern zugestanden worden war. Dieser Ausnahmepassus sah vor, dass Verlage unter bestimmten Voraussetzungen Preise in (stabiler) Fremdwährung festsetzen durften, um sie dadurch vom Verfall der Inlandspreise abzukoppeln. Trotz der durchaus nicht befriedigenden Regelung des Ausfuhrproblems blieb diese vierte Fassung der Ordnung längere Zeit in Kraft; ihre Verfechter konzentrierten sich jetzt auf Öffentlichkeitsarbeit (mehrsprachige, im Ausland verteilte Broschüren machten auf die schwierige Lage des deutschen Buchhandels aufmerksam und warben um Verständnis für die Maßnahmen), das Reichswirtschaftsministerium musste von seiner Absicht der Aufhebung der Ausfuhrkontrolle abgebracht werden. In diesem Zusammenhang führte man in eigens im Reichswirtschaftsministerium und im Reichstag veranstalteten Ausstellungen den Nachweis, dass die Aufschläge das deutsche Buch durchaus nicht in einer Weise verteuerten, die es nicht mehr konkurrenzfähig erscheinen lasse. Im Gegenteil: Der Bücherexport habe seit Einführung der Ausfuhrkontrolle nicht abgenommen, denn das deutsche Buch sei immer noch weit billiger als vergleichbare Titel des Auslands; eine Aufgabe der Aufschläge würde auf eine Verschleuderung deutschen Sachvermögens im Ausland hinauslaufen.73 Zudem – und dieser Hinweis sollte sich immer wieder als ein Angelpunkt der Argumentation des Buchhandels erweisen – sorgten die erhöhten Auslandspreise nicht nur für den Erhalt des heimischen (wissenschaftlichen) Verlagswesens, sondern auch für die Niedrighaltung der Inlandspreise auf einem Niveau, das Bücher hierzulande überhaupt erst erschwinglich mache.74 Als ab Sommer 1921 der Kurs der deutschen Mark wieder stark nachgab, erwies sich daraus nicht nur die Notwendigkeit der Außenhandelskontrolle, sondern auch das Unzureichende der zuletzt getroffenen Regelungen mit festen Aufschlägen; diese waren viel zu gering, um den fortschreitenden Wertverlust auffangen zu können. Die Verleger machten jetzt von den Ausnahmeregelungen der Verkaufsordnung konsequent Gebrauch und zeigten ihre einzeln festgesetzten Auslandspreise an, teils in Reichsmark, teils in Fremdwährung. Diese Praxis, die wieder zu Unübersichtlichkeit und verschiedentlich auch zu exorbitant hohen Preisen führte, erregte einmal mehr den Protest des Auslandssortiments, ebenso der inländischen Exporteure. Erneut griff jetzt das Reichswirtschaftsministerium ein, indem es die Aufrechterhaltung der Exportkontrolle an zwei Bedingungen knüpfte: Erstens müssten überhöhte Preise vermieden werden, um nicht die (schon aus kulturpolitischen Gründen wünschenswerte) Verbreitung des deutschen Buches im Ausland insgesamt zu gefährden, und zweitens sollten alle Ausnahmeregelungen auf das Notwendigste eingeschränkt werden. Aus den anschließenden Beratungen des Beirats der Außenhandelsnebenstelle für das Buchgewerbe und der Valutakommission des Börsenvereins resultierte eine fünfte Fassung der Verkaufsordnung für Auslandslieferungen, die mit Wirkung vom 1. April 73 Vgl. dazu die »Übersicht über die Preishöhe deutscher Bücher im Auslande gegenüber englischen, amerikanischen und französischen Büchern« bei Zickfeldt, S. 289–291, aus der hervorgeht, dass der Vergleich von 15 in den Jahren 1919–1921 in Deutschland erschienenen Titeln mit inhaltlich und ausstattungsmäßig ähnlichen des Auslands trotz Aufschlägen deutliche Preisvorteile zugunsten des deutschen Buches ergibt (im Vergleich zu Frankreich und den USA kostete es im Durchschnitt weniger als die Hälfte, im Vergleich zu Großbritannien nur rund ein Drittel). 74 Vgl. den Geschäftsbericht des Börsenvereinsvorstands 1921/22. In: Börsenblatt 89 (1922) 84.
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1922 in Kraft trat.75 Die markanteste Veränderung lag in einer zusätzlichen Differenzierung der Aufschläge innerhalb der schon getroffenen und weiter beibehaltenen Trennung von ober- und mittelvalutigen Staaten: Jeder Verleger konnte sein gesamtes Programm oder auch nur einzelne Titel entweder der Gruppe A zuordnen, die – wie schon bisher – für das hochvalutige Ausland 100 % Aufschlag, für das mittelvalutige 60 % vorsah, oder der Gruppe B, in der sinngemäß 200 % oder 100 % Aufschlag berechnet werden durften. Die Ausnahmeregelung für individuelle Preisfestsetzungen wurde in die neue Fassung übernommen, allerdings mit der Einschränkung, dass diese nur in ausländischer Währung erfolgen dürften und nur wenn die betroffenen Titel zur ausländischen Produktion preislich konkurrenzfähig blieben. In der Praxis erwies sich die Ausnahme wieder als Regelfall: Statt sich für eine der neu geschaffenen Gruppen zu entscheiden, teilten die Verleger in Anzeigen ihre Auslandspreise im Börsenblatt mit, vorzugsweise in Schweizer Franken, unter Angabe des Umrechnungsschlüssels für andere Fremdwährungen. Dies blieb auch die übliche Vorgangsweise bis zum Ende der Inflation, gerade auch in der Zeit der Hyperinflation, der man im deutschen Buchhandel mit dem System von Grund- und Schlüsselzahl zu begegnen suchte, einem System, das für Ausfuhrzwecke aber nicht praktikabel war. Seit Beginn 1923 gingen viele Verlage v. a. im wissenschaftlichen Bereich, zum Beispiel Springer, auf Dollarpreise über;76 die großen belletristischen Verlage folgten ihrem Beispiel. Auf diese Weise bildete sich über die Preispolitik der Verlage eine wirtschaftlich rationale, differenzierte Behandlung des Valutaproblemes aus, bis im März 1923 vom Börsenverein in einer letzten Änderung der Auslandsverkaufsordnung endlich die Festsetzung von Auslandspreisen in Fremdwährung verpflichtend gemacht worden ist. Gerade in den Monaten der Hyperinflation erlaubte diese Praxis den Verlagen eine Maximierung der Erträge aus dem Exportgeschäft; sie trug so zur Stabilisierung der ökonomischen Lage des wissenschaftlichen Verlags im Ganzen bei. Im belletristischen Verlag, dessen Produkte nicht in gleicher Weise monopolistischen Charakter hatten wie die nach wie vor weltweit geschätzten Ergebnisse deutscher Wissenschaft, konnte diese Preispolitik nicht so konsequent durchgezogen werden, doch waren auch hier bedeutende Beiträge zur Deckung der Gemeinkosten möglich.77 Verleger ohne Exportmöglichkeit waren damals zu andauernder Erhöhung der Inlandspreise gezwungen, ein indirekter Beleg für die preisstabilisierende Wirkung des Buchexports. Floriert hat damals auch das deutsche Exportsortiment – mit der Folge, dass eine Anzahl neuer Exportbuchhandlungen gegründet worden ist, die sich die Paritätsdifferenzen zunutze machen wollten. Bei wieder sinkendem Absatzvolumen nach der Einführung der Goldmark Anfang 1924 bedeutete das für die folgenden Jahre einen verschärften Konkurrenzkampf und Umsatzeinbußen der etablierten Firmen. Am wenigsten profitiert hatte das reguläre Auslandssortiment, das sich gezwungen sah, die Bestimmungen der Verkaufsordnung einzuhalten, d. h. die Bücher teuer anzubieten, und das 75 Sie wurde publiziert am 22. Februar 1922. 76 Vgl. Sarkowski: Der Springer-Verlag, S. 238. 77 Vgl. hierzu die Stellungnahme des wissenschaftlichen Antiquars und Verlegers Wilhelm Junk im Börsenblatt 89 (1922) 86, S. 486: »Der schönwissenschaftliche Verlag, der Bücher verlegt, deren Kauf keine Notwendigkeit ist, braucht keinen Valutaaufschlag oder Ausgleich erheben, der wissenschaftliche Verlag muß es tun, und zwar in jener Höhe, die ihm beliebt.«
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dabei immer wieder von der unter Umgehung der Verkaufsordnung ins Ausland gelangten Ware unlauter konkurrenziert wurde. Folgerichtig beklagten sich die Auslandsbuchhändler in den Inflationsjahren über »eine stetig zunehmende Kundenflucht aus unseren Geschäften, eine Abwanderung an die deutschen Inlandsbuchhandlungen und an die Bücherschieber«.78
Zwischen »relativer Stabilisierung« und Weltwirtschaftskrise: Der Buchexport 1924–1933 Nach dem Ende der inflationsbedingten Sonderkonjunktur, nach Stabilisierung der Währung und bei fortschreitender Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben die Zahlen von 1925 erstmals wieder eine echte Standortbestimmung des deutschen Exportbuchhandels: Der Vergleich zwischen dem letzten Friedensjahr 1913 und dem Jahr 1925 zeigt die Ausfuhrmenge auf die Hälfte vermindert, bei vergleichsweise sehr viel günstigerem Wert der Bücherausfuhr. Mengenmäßig ergibt sich eine bis 1929 erstreckende Steigerungsphase, wertmäßig sogar bis 1930; die Maxima bleiben allerdings deutlich unter den vor dem Ersten Weltkrieg erreichten Marken. Aber auch dieses Niveau konnte nicht gehalten werden: Am Beginn der dreißiger Jahre setzte ein rascher Abfall ein, innerhalb von zwei Jahren verlor der Buchexport ein Drittel seines Wertvolumens. Bei deutlich nachgebender Inlandskonjunktur brach auch der Auslandsabsatz auf breiter Front ein, nur wenige Länder bildeten eine Ausnahme. Tab. 3: Der deutsche Außenhandel mit Büchern Jahr
Menge in dz = Wert in Mill. Mark 100kg (RM.) ohne Musikalien
Menge in dz = Wert in Mill. Mark 100kg (RM.) mit Musikalien
1913
168.050
67,19
149 032
60,42
1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932
– 80.970 76.000 82.971 97.135 100.115 96.914 89.187 78.135
39,06 48,53 47,09 50,40 60,44 60,94 61,50 51,74 39,31
– – 65.108 71.517 84.674 89.270 87.163 80.756 71.551
– – 42,25 45,34 55,20 55,82 56,98 48,04 36,52
Quelle: Umlauff: Beiträge zur Statistik des Deutschen Buchhandels, S. 154. Die Entwicklung der Ausfuhrzahlen im Buchhandel lässt erkennen, in welchem Ausmaß die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise auf diese Sparte durchgeschlagen hat. 78 Hans Fändrich: Das deutsche Buch wird immer noch in großen Mengen nach dem Auslande verschleudert und verschoben. In: Börsenblatt 90 (1923) 69, S. 360–362; hier S. 362.
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Der Vergleich mit den Ziffern der gesamten deutschen Exportwirtschaft zeigt, dass sich der Buchexport in sehr ähnlichen Bahnen bewegt hat wie der gesamte deutsche Warenexport, der ebenfalls den 1913 erzielten Gipfelwert in den zwanziger Jahren nicht wieder erreicht hat (allerdings 1929 nur knapp verfehlte) und zwischen 1930 und 1932 gut ein Drittel an Volumen eingebüßt hat; im genauen Vergleich schneidet der Buchexport sogar besser ab als die Gesamtausfuhr. Tab. 4: Entwicklung des deutschen Exportvolumens in Preisen von 1913 (in Mrd. RM) 1913 10,1
1925 6,7
1926 7,7
1927 7,8
1928 8,6
1929 9,9
1930 9,3
1931 8,3
1932 5,6
1933 5,1
Quelle: Meister: Die große Depression, S. 112. Die Parallelität der Entwicklung legt die Annahme nahe, dass der Rückgang des deutschen Buchexports nach 1930 nicht auf spezifischen Strukturschwächen oder strategischen Fehlern der Branchenakteure beruht. Eine Bestätigung ergibt sich aus einer Tabelle, die Gerhard Menz zu einem späteren Zeitpunkt erstellt hat, um aufzuzeigen, dass nach dem Ersten Weltkrieg nicht allein Deutschland, sondern mit wenigen Ausnahmen alle Länder von Rückgängen in der Bücherausfuhr betroffen gewesen sind. Tab 5: Die Entwicklung der Bücherausfuhr in europäischen Ländern 1913 –1931(in dz) Deutschland Frankreich England Italien Niederlande Schweden Belgien Österreich Ungarn Tschechoslowakei
1913 149.030 49.485 238.944 14.528 14.032 3.015 10.287 37.386 Öst.-Ung.
1922 116.675 31.145 140.460 3.768 22.630 1.728 7.307 3.411
1931 80.756 34.930 131.400 8.521 39.558 3.470 11.630 11.004
2.115 23.928
11.719 11.900
Quelle: Gerhard Menz: Der europäische Buchhandel seit dem Wiener Kongreß. Würzburg: K. Triltsch 1941, S. 137. Selbst die Siegermächte des Ersten Weltkriegs mussten also empfindliche Einbußen hinnehmen; einen deutlichen Aufschwung erlebte nur das niederländische Buch. Wenn die 1930 einsetzende Krise des deutschen Buchexports im wesentlichen als Erscheinungsform der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise jener Jahre gesehen werden muss, so ist für eine genauere Ursachenforschung doch auch die Preis- und Rabattpolitik der deutschen Verleger zu berücksichtigen, die in den zwanziger und beginnenden dreißiger Jahren nicht ohne Grund Gegenstand engagiert geführter Debatten im deutschen Buchhandel gewesen ist.
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Zu hohe Bücherpreise? Der Einbruch im Buchexport am Beginn der dreißiger Jahre Durch die Stabilisierung der deutschen Währung im Dezember 1923 trat, bei anhaltenden Inflationstendenzen in anderen Ländern, Mitte der zwanziger Jahre ein Effekt ein, der in der Folgezeit die deutsche Bücherausfuhr schwer belasten sollte: Das deutsche Buch wurde im Ausland teuer, jedenfalls wurde es dort als teuer angesehen. Von Verlegerseite betrachtete man den Vorwurf, der sich in allererster Linie gegen wissenschaftliche Bücher und Zeitschriftenabonnements richtete, als sachlich unberechtigt. Das Schlagwort vom »teuren deutschen Buch« sei im Ausland in Umlauf gekommen, weil man in der Inflationszeit »das deutsche wissenschaftliche Schrifttum zu einem Preise kaufen konnte, der geradezu lächerlich genannt werden konnte«; die anschließende Festigung der Preise sei dazu benutzt worden, um Stimmung gegen das deutsche Buch zu machen. Dieser Meinung gab der Vorsteher des Börsenvereins Friedrich Oldenbourg 1931 in einem auch als Sonderdruck erschienenen Börsenblatt-Aufsatz Zur Weltgeltung des deutschen wissenschaftlichen Schrifttums Ausdruck.79 Oldenbourg erneuerte zunächst den Topos von der Vorreiterrolle des Buches für den allgemeinen Wirtschaftsexport: »Der ausländische Mediziner, der deutsche medizinische Literatur in Buch und Zeitschrift schätzt, wird auch unsere Instrumente und Apparate, unsere chemisch-pharmazeutischen Erzeugnisse und viele im Krankenhaus benötigte Einrichtungsgegenstände auf ihre Verwendbarkeit in seinem Bereich prüfen.«80 Gerade wegen der Vernichtung der politischen Weltgeltung Deutschlands müsse die Position des deutschen Buches gestärkt werden. Hauptkonkurrent sei das französische Buch, das unter Weltmarktpreis verkauft werde und in schwachvalutigen Ländern einen eindeutigen Preisvorteil habe, zumal es weniger aufwendig ausgestattet sei. Hauptadressaten seiner in dem Aufsatz gegebenen Vorschläge zur Behebung der Absatzkrise waren vor allem die wissenschaftlichen Autoren: Sie sollten sich in ihrer Publikationstätigkeit einschränken und nur mehr wirklich wichtige, dabei knapp gefasste Lehrbücher, Handbücher und Artikel schreiben, außerdem sollten sie sich in ihren Ausstattungswünschen mäßigen. Die Verleger aber sollten auf die strikte Durchführung dieser verschlankten Publikationspraxis achten und im Übrigen entschiedener als bisher stilistisch schlecht geschriebene Werke ablehnen. In diesen Maßnahmen und einer gleichzeitigen »Hebung des inneren Marktes« (durch Verbesserung des Besprechungswesens, Kampf gegen die Einschränkung der Kulturund Bibliotheksetats und Erziehung zum eigenen Buchbesitz) sah Oldenbourg die Voraussetzung für eine günstigere Preisgestaltung auf dem Weltmarkt. Oldenbourgs Manifest kann als ein Beleg dafür gelten, dass die Probleme von den Repräsentanten des deutschen Buchhandels nicht immer an der richtigen Stelle geortet worden sind und dass die Analysen jedenfalls nicht frei von Einseitigkeiten gewesen sind. Die Ausstattung der Bücher ist im wesentlichen Verlegersache; die Zahl der Autoren, denen es überhaupt möglich war, darauf Einfluss zu nehmen, war gering. Tatsächlich herrschte im deutschen Verlagswesen selbst die Überzeugung vor, dass gerade das für den Export bestimmte Buch nicht allein durch seinen Inhalt, sondern auch von sei79 Friedrich Oldenbourg: Zur Weltgeltung des deutschen wissenschaftlichen Schrifttums. Leipzig 1931. Sonderdruck aus: Börsenblatt 98 (1931) 81. 80 Oldenbourg, S. 3.
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nem Äußeren her als Werbeträger, nämlich als Beispiel deutscher Wertarbeit und deutschen Qualitätsempfindens auftreten sollte. Die Auswahl des Papiers, Typographie und Druck, der solide Einband: alle Komponenten des Buches und seiner Herstellung wurden in den Dienst der Imagebildung der Industrienation Deutschland genommen, das Buch sollte einen anschaulichen Eindruck davon vermitteln, was »made in Germany« bedeutet. Dabei waren die Handelspartner und die Kunden im Ausland nicht in gleicher Weise glücklich mit dem in Herstellung und Ausstattung betriebenen Aufwand: Er verteuerte das Buch entschieden und führte zu einem klaren Konkurrenznachteil, namentlich gegenüber dem französischen Buch, das überwiegend broschiert ausgeliefert wurde. Anders als das deutsche Inlandspublikum war das Publikum im Ausland nicht in gleichem Maße an festen Einbänden interessiert; auch gab es Länder, in denen gebundene Bücher höheren Einfuhrzöllen unterlagen als broschierte oder kartonierte. Es gab allerdings noch eine andere Problemebene: die Ausdehnung des Systems des festen Ladenpreises auf Auslandslieferungen und, damit zusammenhängend, die Frage der Rabattgestaltung. Der Ladenpreis war vom Börsenverein de facto nur in Österreich, der Schweiz, der Tschechoslowakei und dem Baltikum geschützt; die Verleger hatten jedoch auch vom übrigen Auslandssortiment mit Erfolg die Einhaltung des von ihnen festgesetzten Preises (exklusive der Portogebühren) zu erzwingen gesucht. In vielen Fällen erwies sich diese Praxis als zu unflexibel, um auf den ausländischen Märkten bestehen zu können. Die festen Preise wurden denn auch immer wieder unterlaufen, entweder von Verlagen selbst im Rahmen von Direktlieferungen an Endabnehmer im Ausland, die als solche bereits gegen die Verkaufsordnung des Börsenvereins verstießen, oder von Exportbuchhändlern, die sich dadurch Wettbewerbsvorteile zu verschaffen suchten. In einem 1926 von dem Münchner Verleger Ernst Reinhardt dem Vorstand des Börsenvereins vorgelegten Memorandum über die Ausdehnung des Schutzes des Ladenpreises auf das Ausland hieß es: »Der wissenschaftliche Verlag fängt selbst an, über Sortimentsabteilungen zu exportieren, oder gründet Auslandsbuchhandlungen, oder beginnt einzusehen, dass leistungsfähige Buchhandlungen im Ausland für ihn wichtiger sind als einzelne Exporteure in Leipzig, die sich mehr als Kommissionäre der großen Auslandsbibliotheken betrachteten und Rabatte gaben, bei denen ein Auslandssortiment nie bestehen kann.«81 Die Debatte über die Möglichkeiten einer Ausdehnung des Preisbindungssystems auf das gesamte Ausland wurde in und außerhalb des Börsenvereins in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre lebhaft diskutiert, ohne dass sich gravierende Änderungen ergeben hätten. Vorstand und Hauptversammlung des Börsenvereins beschlossen 1927, den Schutz von Aufschlägen auf den Ladenpreis abzulehnen. Dagegen sollte es auch für die Exporteure verpflichtend sein, bei Lieferung in das Ausland dem Kunden das Porto zu berechnen.82 Diese Lösung wurde aus juristischen Gründen gewählt, aber auch aus Gründen der Kollegialität gegenüber dem »schwer um seine Existenz ringenden deutschen Auslandsbuchhandel«. Ferdinand Springer hielt am 9. November 1928 in der »Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger« ein Referat zum Thema Die Preise der deutschen wissenschaftlichen, naturwissenschaftlichen und medizinischen Zeitschriften und das Ausland 81 SStAL, Akten des Börsenvereins, 774 (Ladenpreis-Schutz im Ausland), S. 22. 82 Vgl. Börsenblatt vom 94 (1927) 15 und 96 (1929) 50.
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mit einem Anhang Beitrag zur Psychologie des In- und Auslandes. Er formulierte zu dieser Gelegenheit namens der Arbeitsgemeinschaft erneut den Wunsch, den Schutz des Ladenpreises über die ganze Welt auszudehnen, damit eine Unterbietung des Auslandsbuchhandels durch Exporteure und umgekehrt unmöglich wäre (Sonderbestimmungen für Bibliotheken könnten getroffen werden). Zur Beurteilung der Position der wissenschaftlichen Verleger muss man sich die Bedeutung des Exports vor Augen halten.83 Einzelne wissenschaftliche Verlage exportierten damals mehr als 50 % ihrer Produktion,84 waren also unmittelbar abhängig vom Auslandsabsatz. Schätzungen zufolge belief sich der Anteil der wissenschaftlichen Literatur auf rund 70 % des Gesamtausfuhrvolumens.85 Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war es zu Spezialisierungen gekommen, neben die bis dahin meist »gemischten Verlage« waren v. a. naturwissenschaftliche, medizinische und andere Fachverlage getreten – Teubner, Springer, Thieme u. a. m. –, deren Programm zunehmend auch im Ausland auf Interesse gestoßen war. Zwar hatte der Erste Weltkrieg auch im Aufstieg der deutschen Wissenschaft eine Zäsur gesetzt: Wenn um 1900 ein Drittel aller physikalischen Abhandlungen und 42 % aller Entdeckungen von Deutschen stammten,86 wenn die deutsche Sprache sich vor 1914 als führende Wissenschaftssprache etabliert hatte, so waren mit dem Weltkrieg diese Chancen auf eine absolute Spitzenstellung vertan; deutsche Wissenschaft und Forschung – vor allem die naturwissenschaftliche, ingenieurwissenschaftliche und medizinische – waren aber nach wie vor weltweit hochgeschätzt, ihre in Buchform niedergelegten und verbreiteten Ergebnisse gehörten zu den krisensichersten Ausfuhrartikeln Deutschlands überhaupt. Der Exportanteil der deutschen Buchproduktion, den Umlauff für 1913 mit 12 % bezifferte, erreichte nach dem Ersten Weltkrieg nur mehr 8 bis 10 %. Damit stellte er – vor allem natürlich für die Wissenschaftsverlage – immer noch einen nicht zu unterschätzenden Faktor in der Verlagsplanung dar, einen Faktor allerdings, der großen Schwankungen unterlag. Das gesamte Gebiet des Auslandsbuchhandels unterlag großen Risiken, größeren als das Inlandsgeschäft. Der Wechsel der politischen und weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, allein schon die Schwankungen der Wechselkurse konnten das Auslandsgeschäft zu einem lukrativen werden lassen oder zu einem verlustbringendem, mit dem alle Kalkulationen über den Haufen geworfen waren. Die starre Preisordnung des Buchhandels, auf die auch alle regulär mit dem deutschen Buchhandel verkehrenden Auslandsfirmen verpflichtet waren, machte ein rasches Anpassen an sich verändernde Gegebenheiten schwierig oder unmöglich.
83 Vgl. hierzu auch den Beitrag Der wissenschaftliche Verlag von Ute Schneider in Band 2/1 dieser Buchhandelsgeschichte, zur Diskussion über die hohen Preise deutscher Zeitschriften bes. S. 426 ff. 84 Vgl. Börsenblatt 86 (1919) 26, S. 81. 85 Vgl. Zickfeldt: Die Bedeutung des Bücherexports für Deutschland, S. 283. – Daten, die im Rahmen der Bücherausfuhr der Erstellung einer Produktgruppenstatistik dienen könnten, liegen für den Zeitraum 1918 bis 1933 nicht vor. 86 Vgl. Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918, Band I, S. 602.
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Probleme der Rückeroberung und Erschließung von Auslandsmärkten Zahlentafeln zum Buchexport in einzelne Länder führen rasch zu unübersichtlichen Datenmassen. Schon der Statistiker des Börsenvereins Ernst Umlauff hat es 1934 vorgezogen, eine Auswahl vorzunehmen bzw. die Länder zu größeren Einheiten zusammenzuschließen. Auf diese Weise lässt die folgende Tabelle (Tab. 6) einige charakteristische Trends erkennen. So ist es im Verhältnis zu einigen ehemaligen Feindstaaten auch längerfristig nicht gelungen, die Handelsbeziehungen im Bereich der Bücherausfuhr zu normalisieren; der Export nach Belgien und Frankreich bewegte sich noch 1932 auf einem Niveau, das mengenmäßig kaum einem Viertel bzw. kaum einem Drittel des 1913 erreichten Volumens entsprach. Anders lag der Fall bei England, wo 1929 und 1932 die schon einmal erreichten Ziffern erzielt werden konnten. Als Ursache der unterschiedlichen Entwicklung kann (neben einem manifesten Interesse an deutscher Wissenschaft) ein in England durch den Weltkrieg erst erwachtes Interesse an Deutschland vermutet werden, das dort sogar zur verstärkten Institutionalisierung von Studien zu deutscher Kultur geführt hat; man wollte künftig bessere Kenntnis des zuvor wenig beachteten Nachbarn jenseits des Ärmelkanals haben. Ein vergleichbares Interesse fehlte in Frankreich; hier dominierte noch lange die Abwehrhaltung gegenüber allem, was deutsch war. Der Ausfall von Russland bzw. der Sowjetunion als Absatzland für deutsche Bücher hatte seit 1918 eine empfindliche Lücke in der Bilanz hinterlassen, die auch in den zwanziger und dreißiger Jahren nicht gefüllt werden konnte. 1913 hatte Russland auf der Liste der Einfuhrländer noch an dritter Stelle gestanden: Hier gab es in Petersburg und am Don eine beachtliche Zahl von Deutschstämmigen, die vor 1914 – gerade wegen der zaristischen Russifizierungspolitik – an ihrem Deutschtum festhielten und als Buchhandelspublikum eine wichtige Rolle spielten. Nach der Oktoberrevolution brach dieser Markt, der immerhin ein Zwölftel der gesamten deutschen Bücherausfuhr aufgenommen hatte, zusammen: Die Einfuhr deutscher Bücher betrug 1930 gerade noch 4 % des Wertes von 1913. Allein mit dem Wegfall dieser 10.000–11.000 dz lässt sich schon zu einem guten Teil erklären, weshalb das Ausfuhrvolumen des Jahres 1913 unerreichbar blieb. Tab. 6: Die deutsche Bücherausfuhr in einzelne Länder (in dz) nach Belgien Frankreich (o. Elsaß-Lothr.) Großbritannien Italien Niederlande Russland Schweiz USA
1913
1926
1929
1931
1932
2830 6891 3863 2020 6294 11315 19581 9234
341 850 2669 1158 3263 1189 9732 5036
773 ca. 2000 3922 1419 4263 457 12647 5756
864 ca. 2300 2692 1201 4286 488 12755 4767
655 ca. 2200 3800 1666 4367 725 14211 3566
Quelle: Umlauff: Beiträge zur Statistik des Deutschen Buchhandels, S. 155.
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Gravierend erscheint der Rückgang auch im Falle der Schweiz, weil er sich auf eine hohe Sockelmenge bezieht und die negative Differenz in absoluten Zahlen etwa im Jahr 1926 mehr zu Buche schlägt als Großbritannien, Italien, die Niederlande und die USA zusammengenommen. Einen besonders problematischen Akzent erhalten die Exportziffern dort, wo sich in ihnen gescheiterte Hoffnungen auf eine positivere Entwicklung ausdrücken, wie im Falle der Vereinigten Staaten. Es bedürfte jedoch einer Beurteilung von Fall zu Fall, um die jeweiligen Hindernisse in den Handelsbeziehungen und die Situation auf den einzelnen Absatzmärkten beurteilen zu können. Eine Zusammenfassung von Ländern zu Sprach- und Kulturkreisen (Tab. 7) scheint geeignet, Einsichten über allgemeine Entwicklungs- und Strukturaspekte des deutschen Buchexports zu vermitteln: Tab. 7: Die deutsche Bücherausfuhr in größere Sprach- bzw. Kulturkreise 1913 dz
%
1929 dz
1930 dz
%
%
1931 dz
1932 dz
%
%
I. Deutschsprachige Länder u. Minderheitengebiete in Mittel- u. Osteuropa: Österreich (1913 mit Ungarn), Tschechoslowakei, Ungarn, Südslavien (1913 mit Serbien), Rumänien, Danzig, Westpolen und Polnisch-Oberschlesien (ab 1929 geschätzt), Litauen (Memel), Lettland, Estland
72.390
48,6
43.879
49,2
40.476
46,4
37.481
46,4
29.473
41,1
19.581
13,1
16.051
17,9
16.620
19,0
16.273
20,1
17.447
24,3
15.817
10,6
12 379
13,9
12 227
14,0
11.072
13,7
11.184
15,6
12.242
8,2
3.990
4,5
4.328
4,9
4.050
5,0
4.184
5,8
Kongresspolen (geschätzt), Russland
11.315
7,6
2.514
2,8
2.080
2,4
1.987
2,5
1.478
2,1
IV. Nord-, Mittel- und Südamerika
13.294
8,9
7.136
8,0
6.619
7,6
5.455
6,8
4.260
5,9
II. Deutschsprachige Länder im Westen und Süden Europas: Schweiz, Elsass (geschätzt), Saargebiet, Luxemburg, Südtirol (geschätzt)
III. Übriges Europa: a. Germanischer Kulturkreis: Großbritannien, Irischer Freistaat, Niederlande, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland
b. Romanischer Kulturkreis: Frankreich (ohne Elsass; geschätzt), Belgien, Italien (ohne Südtirol; geschätzt), Spanien, Portugal
c. Ostslavischer Kulturkreis:
Quelle: Umlauff: Beiträge zur Statistik des Deutschen Buchhandels, S. 156. Das Bild der Ausfuhrströme zeigt in der Momentaufnahme aus dem Jahr 1929, dass allein schon die Hälfte des deutschen Buchexports nach Österreich und in die Gebiete in Mittelund Osteuropa ging, in denen deutschsprachige Minderheiten lebten; weitere 18 % gingen in die Schweiz und andere Gebiete im Süden und Westen Deutschlands. Mithin landeten
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68 % der Bücher in deutschsprachigen Ländern, von denen vor allem Österreich und die Schweiz so eng in den buchhändlerischen Nexus des deutschen Buchhandels einbezogen waren, dass sie zwar klar nach staatlichen Ausfuhr- und Zollbestimmungen, nicht so sehr aber im zeitgenössischen Bewusstsein der deutschen Verleger und Buchhändler unter den Begriff »Auslandsbuchhandel« fielen. Dieser Anteil blieb bis 1932 relativ stabil (zusammen 65,4 %), allerdings auf der Basis interner Verschiebungen zugunsten der Schweiz und der westlich gelegenen deutschsprachigen Gebiete. Damit entfielen 1929 auf das gesamte nicht-deutschsprachige Europa 20,7 % und auf den amerikanischen Doppelkontinent gerade 8 %, ein Wert, der sich bis 1932 noch auf weniger als 6 % verringerte. 4,2 % (1932: 5,4 %) blieben für die in dieser Aufstellung nicht aufgeführten Kontinente Asien, Afrika und Australien. Im Blick auf diese Absatzrelationen wird die überragende Bedeutung des Faktors Sprache für die Exportchancen des deutschen Buches deutlich; zugleich lässt sich konstatieren, dass die Diskussion um Buchexport und Auslandsbuchhandel sich in hohem Maße auf Gebiete konzentriert hat, deren exportwirtschaftliche Bedeutung gering war.87 In diesem Missverhältnis spiegelt sich einmal mehr die ideologische Komponente, die dem Thema »Das deutsche Buch im Ausland« anhaftete: Der deutsche Buchhandel suchte – daran änderte sich nach 1918 wenig – seine nationale Bedeutung zu unterstreichen, indem er die kulturelle Mission des Buches als eines einigenden Bandes des Auslandsdeutschtums hervorhob und mit seinen ökonomischen Interessen zu verknüpfen suchte. Im Folgenden soll daher untersucht werden, auf welche Gegebenheiten sich die Erwartungen gründeten, aus dieser Kombination von nationalem und Brancheninteresse heraus reale Zugewinne im Export zu erzielen. Die Bemühungen um die Erschließung von Auslandsmärkten (jenseits des Bedarfs an wissenschaftlicher Literatur, der als eine relativ feste Größe angenommen wurde) gründeten sich in erster Linie auf die Vorstellung, dass die außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches lebenden Deutschen oder Deutschstämmigen zu Lesern bzw. Buchkäufern gewonnen werden mussten. Immerhin handelte es sich nach Schätzungen vom Beginn des 20. Jahrhunderts um bis zu 40 Millionen88 (bei rund 55 Millionen im Deutschen Reich), – der Papierform nach neben dem Inlandsmarkt ein zweiter Markt von höchst beachtlicher
87 Ein ähnlicher Befund ergibt sich aus einer von Horst Kliemann 1933 durchgeführten Analyse bei etwas anderer Aufteilung in Ländergruppen: 60,8 % gingen in »Grenzländer mit vorwiegend deutscher Bevölkerung in geschlossenen Sprachgebieten«, also nach Österreich, die Schweiz, Danzig, Tschechoslowakei und das Saargebiet; 6,7 % gingen in die in eine Gruppe zusammengefassten Oststaaten (mit Ausnahme von Sowjetrussland); 10,3 % in Gebiete im Norden, »die seit Jahrhunderten in enger Beziehung zur deutschen Kultur stehen« (Dänemark, Schweden, Norwegen, Luxemburg und die Niederlande). Die drei Gruppen ergeben zusammen bereits 77,8 % der Buchausfuhr; der Rest von 22,2 % verteilte sich auf das restliche Europa und sämtliche andere Kontinente. (Karl Erasmus (d. i. Horst Kliemann): Die deutsche Buchausfuhr. In: Der neue Stand 2 (1932/33), S. 293–300). 88 Diese Ziffer von 40 Millionen ergibt sich aus fast 12 Millionen Deutschen in ÖsterreichUngarn, 2,3 in der Schweiz, 3,6 in Belgien sowie 5,2 in den Niederlanden (beides unter dem Begriff »Niederdeutsche«), 1,7 in Russland und 1 Million sonst noch in Europa lebenden Deutschen. Dazu kommen rund 12 Millionen in den Vereinigten Staaten (darunter 2,7 Millionen noch in Deutschland geborene), 700.000 in Mittel- und Südamerika, 132.000 in Asien, fast 600.000 in Afrika, davon allein 565.000 in Britisch-Südafrika, und 113.000 in Australien.
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Dimension. Durch die Gebietsverluste und -veränderungen infolge des Ersten Weltkrieges ergab sich in der Verteilung der Deutschen im Ausland folgendes Bild: Tab. 8: Deutschstämmige Bevölkerung im Ausland Dänemark Belgien Luxemburg Elsass-Lothringen Italien Polen Danzig Baltische Staaten Russland Dt.-Österreich Tschechoslowakei Südslawien Ungarn Rumänien Schweiz Vereinigte Staaten Kanada Süd-/Mittelamerika Australien
50.000 115.000 260.000 1.500.000 250.000 2.220.000 300.000 270.000 1.600.000 6.000.000 4.000.000 700.000 300.000 900.000 2.500.000 9.000.000 80.000 600.000 100.000
Quelle: Gündel: Die deutsche Bücherausfuhr vor dem Kriege; hier zit. nach Zickfeldt: Die Bedeutung des Bücherexports für Deutschland, S. 301. Die Auswanderung aus Deutschland, die im 19. Jahrhundert aus sozialen und wirtschaftlichen Motiven eingesetzt und in drei großen Wellen (1845–1858, 1864–1873, 1880–1893) einen Gesamtumfang von 6 Millionen angenommen hatte, war seit der Jahrhundertwende deutlich zurückgegangen, hatte aber nach dem Weltkrieg wieder zugenommen und 1923 einen neuen Gipfelpunkt erreicht. Damit erhielt auch der ideologisch behaftete Begriff des Auslandsdeutschtums neue Nahrung. Wie das Auslandsdeutschtum unter Wilhelm II. in den Dienst einer offensiv betriebenen nationalistischen Großmachtpolitik genommen worden war, die in enger Verbindung mit dem wirtschaftlichen Interesse des Reiches stand, dem Interesse an der Sicherung der Rohstoffe, am Ausbau der Handelswege und der Erschließung neuer Märkte, so blieben auch in der 1919 errichteten deutschen Republik jene Kräfte einflussreich, die im Sinne des wilhelministischen Pangermanismus die Forderung erneuerten, »dass auch die räumlich und staatlich losgelösten Teile des deutschen Volkskörpers ein gemeinsames Leben führen dürfen«.89 Wenn auch der Anspruch auf »Weltgeltung« verspielt war (bis er im Zeichen des Dritten Reiches erneuert wurde) und das um 1900 entstandene Geflecht von 89 Hasse: Der nationale Gedanke, S. 9.
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deutschnationalistischen Vereinen sich gelichtet hatte,90 so waren mit dem Umbruch 1918/19 diese Vorstellungen einer »deutschen Sendung« keineswegs verschwunden. Nicht verschwunden war nach 1918 auch die Überzeugung, dass dem deutschen Buch in der weltweiten Pflege des Deutschtums eine besonders wichtige Rolle zufiel. Die Versorgung der Auslandsdeutschen mit deutschem Schrifttum war seit langem von Vereinen und offiziellen Stellen ideell und materiell unterstützt worden, und wenn zwischen 1880 und 1905 die deutsche Buchausfuhr mengenmäßig auf das Zweieinhalbfache gesteigert und wertmäßig sogar vervierfacht werden konnte, so war das nicht zuletzt die Folge einer diese Bestrebungen außerordentlich begünstigenden Zeitstimmung. In mancher Hinsicht hatte diese Stimmung mit dem verlorenen Ersten Weltkrieg neuen, nämlich revanchistischen Auftrieb erhalten. Wenn also in der Denkschrift der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel 1919 das Buch als »vornehmster Vertreter des deutschen Wesens« angesprochen wurde, so knüpfte der Sprachgebrauch nicht nur an ältere Ideologeme an; es war dies auch ein aktuelles Signal im Kampf gegen die »Einschnürung Deutschlands« durch die Kriegsgegner. Was aus zeitgenössischer Perspektive aber nicht erkannt worden ist oder erst im Rahmen schmerzhafter Erfahrungen begreiflich wurde, war die Tatsache, dass der Weg zur politischen Instrumentalisierung des Auslandsdeutschtums endgültig verstellt war, wie sich an den Beispielen des nordund des südamerikanischen Subkontinents zeigen lässt.
Enttäuschte Hoffnungen: Auslandsbuchhandel in den Vereinigten Staaten von Amerika Den Vereinigten Staaten von Amerika ist stets eine im Verhältnis zu den tatsächlich erzielten Absatzziffern überproportionale Aufmerksamkeit zugewendet worden. Das prosperierende Land galt dem deutschen Verlag und Buchhandel schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts als ein Hoffnungsgebiet, das mit geeigneten Maßnahmen zur Goldgrube gemacht werden könnte. Dies umso eher, als sich gerade die deutschen Einwanderer – unter Führung der intellektuellen 1848-Immigration – dem in den USA ausgeübten Assimilationsdruck nicht ohne weiteres gebeugt hatten. Neben einem regen Vereinsleben gab es deshalb zunächst auch eine große Zahl von deutschen Zeitungen und Zeitschriften, auch eine deutschsprachige Verlagsproduktion (die allerdings schon gegen das Ende des Jahrhunderts abnahm), sowie einen deutschen Sortiments- und Importbuchhandel, der mit der Etablierung von Georg und Bernhard Westermann in New 90 Beispiele dafür sind neben dem Alldeutschen Verband selbst der Deutsche Flottenverein (1906: 7.300 Gruppen und 1/4 Million Einzelmitglieder; 810.000 körperschaftlich beigetretene Männer), die Deutsche Kolonialgesellschaft, der 1899 gegründete Evangelische Hauptverein für deutsche Ansiedler und Auswanderer und der 1904 entstandene Deutsch-volkliche Kolonialverein; seit 1896 diente auch ein Kolonialwirtschaftliches Komitee den Anliegen des gesamten überseeischen Deutschtums, seit 1902 ein Deutscher Nationalkongress als dauernde Einrichtung und seit 1903 ein Deutscher Kolonialbund. Daneben gab es noch zahlreiche Gesellschaften speziell zu den afrikanischen, südamerikanischen oder asiatischen Gebieten. Vgl. Winterstein: Nationales Vereins- und Zeitungswesen, S. 169–189. Erwähnt wird dort auch der Allgemeine deutsche Schulverein zur Erhaltung des Deutschtums im Auslande (gegr. 1881, 1906 35.000 Mitglieder, Monatsblatt Das Deutschtum im Auslande). Insgesamt sind allein zwischen 1912 und 1914 50 solcher Auslandsvereine gegründet worden.
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York und in den 60er und 70er Jahren mit Ernst Steiger (1864) und Gustav Emil Stechert E. (New York) (1876), beides ehemalige Westermann-Angestellte, eine beachtliche Dimension erreichte. Bis 1910 siedelten sich allein in New York mehr als 50 Buch-, Kunst- und Musikalienhandlungen an, die über Leipzig mit dem deutschen Buchhandel in Verbindung standen.91 Bei den gegen Ende des Jahrhunderts eingewanderten Deutschen war die Assimilationsbereitschaft von vornherein größer. In der Tat hat Ernst Steiger, seit 1864 der erfolgreichste Importeur deutscher Bücher in den USA (er verschickte 240 Seiten starke Verzeichnisse seines »retail stocks« in 40.000 Exemplaren; allein von der Gartenlaube setzte er 1871 12.000 Stück ab), schon 1902 über nachlassende Geschäfte geklagt: Amerika, d. h. die Union, ist eins der reichsten Länder […]. Was aber uns Buchhändler besonders interessiert, ist die Thatsache, dass in keinem Lande der Welt so viel Geld für Bibliotheken ausgegeben wird wie in Amerika […]. Es ist demnach wohl zu entschuldigen, dass man große Erwartungen in Betreff des Absatzes deutscher Bücher hegt, abgesehen von den acht oder zehn Millionen Deutscher, die eingewandert sind, oder von aus Deutschland abgewanderten abstammen. Und doch entspricht die Wirklichkeit diesen Erwartungen nicht.92 Als einen Hauptgrund für die Enttäuschung der Erwartungen gab Steiger an, dass die Generation von Einwanderern, die an der fortgesetzten Pflege ihres Volkstums und der deutschen Kultur Interesse hatte, damals bereits im Aussterben begriffen war. In Deutschland selbst war man in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg noch optimistisch und glaubte, mit organisatorischen Mitteln den brachliegenden Markt besser erschließen zu können: 1911 verfolgte der Börsenverein den Plan, eine »Zentralstelle für den deutschen Buchhandel« in den Vereinigten Staaten zu errichten. Wie der erste Anlauf dieser Art, der bereits im Jahr 1845 unternommen worden war (damals hatte der Börsenverein eine Kommission zur Gründung einer »Deutschen Vereinsbuchhandlung in Nordamerika, Sitz N.Y.« eingesetzt)93, scheiterte dieser Versuch an der Skepsis der Verleger, die der Meinung waren, die Absatzmöglichkeiten seien in Amerika »im großen und ganzen doch auf die Bibliotheken beschränkt«.94 Auch individuelle Initiativen brachten kaum Erfolg, wie z. B. jene von Karl Robert Langewiesche, der mit seiner 91 Tebbel: A History of Book Publishing in the United States. Vol. II; Cazden: A Social History of the German Book Trade in America; vgl. auch Firmenverzeichnis im LangewiescheArchiv, Korrespondenz 1911, Briefe an Illa Uth). 92 Ernst Steiger: Noch einige Plaudereien über den Absatz deutscher Bücher und Zeitschriften in Nord-Amerika, sowie über anderes. Teil I. In: Börsenblatt 69 (1902) 221, S. 7535. 93 Cazden: A Social History of the German Book Trade in America, S. 158 ff. 94 Walter Lichtenstein: In Sachen einer Zentralstelle für den deutschen Buchhandel in den Vereinigten Staaten. In: Börsenblatt 79 (1912) 101, S. 5439–5441; hier S. 5440. Auch von den USA aus wurde der Plan als wenig aussichtsreich beurteilt: »Wenn angeblich 15–18 Millionen Deutsche hier leben, so interessiert sich davon gewiss kaum 1 % für deutsches Schrifttum. Die ungeheure Mehrzahl sind Arbeiter, Handwerker und Bauern. Und der Bildungsdurst dieser Leute wird, soweit sie überhaupt noch deutsch lesen, durch die Tagespresse vollkommen befriedigt.« (D. E. Lessing: In Sachen einer Zentralstelle für den deutschen Buchhandel in den Vereinigten Staaten. In: Börsenblatt 79 (1912) 80, S. 4363–4365; hier S. 4364).
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Reihe der Blauen Bücher in vielen europäischen Ländern gute Exporterfolge erzielt hatte und deshalb 1912 versuchte, mithilfe einer Reisevertreterin auch den amerikanischen Markt »bewußt zu pflegen«.95 Wenn 1913 nur 16 % des deutschen Buchexports in die USA gegangen waren, so sollte sich dies aufgrund der politischen Entwicklungen im Krieg noch als Spitzenwert erweisen. In den Jahren 1914 bis 1918 kam es zum Zusammenbruch des Deutschamerikanismus; der totale Amerikanisierungsdruck, unter den die deutschen Einwanderer nunmehr gerieten, ließ eine Pflege deutscher Sprache und deutscher Kulturtraditionen in den USA kaum noch zu, zumal in vielen Staaten der öffentliche Gebrauch der deutschen Sprache, in Versammlungen, in Schulen oder am Telefon, in den Kriegsjahren offiziell verboten war.96 Deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften wurden zensiert und boykottiert, Bibliotheken von deutschem Schrifttum gesäubert. Von Buchhandlungen wurden Fortsetzungen storniert, die Einfuhr von Büchern war ab 1916 ohnehin durch die Seeblockade unterbunden. Selbst traditionsreiche Firmen wie Steiger haben sich von dem damals erlittenen Schlag nicht wieder erholen können. Der Wiederaufbau des nordamerikanischen Exportmarktes nach 1918 gestaltete sich schwierig, am wenigsten vielleicht für den wissenschaftlichen Verlag, der seine Produkte bald wieder in einem mit der Vorkriegszeit vergleichbaren Umfang absetzen konnte. In dieser Situation bot eine neugegründete »Atlantic Book and Art Corporation« (ABACO) in New York ihre Dienste an: Sie trat 1921 mit einer Denkschrift über den Vertrieb des deutschen Buches in Nord-Amerika hervor, in der sie zunächst in Erinnerung rief, dass der Vertrieb deutscher Literatur in den Vereinigten Staaten seit Jahren nicht mehr den Bedürfnissen und den Entwicklungsmöglichkeiten entspreche, was eine sowohl im hiesigen Handel und Publikum als auch in deutschen Verlegerkreisen bekannte Tatsache sei.97 Durch »systematische Werbearbeit zur Schaffung resp. Unterstützung eines gesunden Zwischenhandels« wollte die ABACO neue Vertriebsstrukturen schaffen, unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des amerikanischen Marktes, allein schon auf die ungeheure Ausdehnung des Landes, die es so gut wie unmöglich mache »von einer Stelle aus die Buchhändler resp. die wiederverkaufenden Agenten und das Publikum selbst zu bearbeiten«.98 Die ABACO strebte die Rolle einer Generalvertretung an und sah die Bedingung für ein Gelingen ihrer Initiative in der Beteiligung aller deutschen Verleger. Wie das Beispiel der Zusammenarbeit mit Karl Robert Langewiesche belegt, verlief auch die Tätigkeit der ABACO nicht erfolgreicher als frühere Versuche, den Vertrieb 95 Vgl. die Dokumente im Langewiesche-Archiv im Historischen Archiv des Börsenvereins (Nr. 231, Briefwechsel von 1911 und 1912; Nr. 202: ABACO), etwa den Brief Langewiesches an die ABACO vom 30.November 1923: »[…] der Erfolg war mehr wie bescheiden, trotzdem die Dame […] die Sache famos angefaßt hat. […] Aber ihre Berichte waren aus den deutschen Buchhandlungen noch trauriger als aus manchen amerikanischen.« 96 Vgl. Eichhoff: Deutsch als Siedlersprache in den Vereinigten Staaten von Amerika, S. 74. 97 Denkschrift der Atlantic Book and Art Corporation, New York, über den Vertrieb des deutschen Buches in Nord-Amerika (o.O.u.J.) (HABV, Langewiesche-Archiv, Lfd. Nr. 202). 98 Vgl. auch den Brief der ABACO an Karl Robert Langewiesche vom 9.11.1923: Die Gesellschaft wollte »ALLES daransetzen, das wieder gut zu machen, was vom deutschen Verlagsbuchhandel in erster Linie und dann auch von dem groessten Teil des deutsch-amerikanischen Sortiments hier waehrend der letzten dreissig Jahre gesuendigt worden ist.« (Ebd.)
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des deutschen Buches in den USA auf einen neuen Fuß zu stellen. Obwohl sich Langewiesche z. B. im Ton seiner Werbetexte auf das in Amerika nötige »lebhaftere Kolorit« einzustellen suchte, musste ihm die ABACO mitteilen, er müsse »doch schon wesentlich ›volkstümlicher‹ werden«, wenn er seinen Werken eine größere Verbreitung geben wolle: »Amerika ist eben nicht Deutschland. Der Geschmack des Durchschnittsmenschen laeuft hier vielfach noch in den Gleisen der 90er Jahre und man kann ihn nur allmaehlich zu einer lichteren Hoehe emporbringen.«99 Das Kernproblem bestand aber in den Konditionen, die den Verhältnissen nicht angemessen schienen: Dass Sie den Ausnahme-Rabatt zu kuerzen beabsichtigen, ist SEHR bedauerlich. Unsere Spesen sind ungeheuer, die Reisevertreter setzen sich nur dann fuer ein Buch ein, wenn sie anstaendig daran verdienen und wer die Verhaeltnisse in diesem Lande kennt, kann ihnen das nicht uebelnehmen. Ein Dutzend Menschen muss man sehen, um ein oder zwei Verkaeufe abschliessen zu koennen. Bringen die dann wenig oder nichts ein, dann zieht der betreffende Verkaeufer es vor, einen lohnenderen Artikel, wie Ratten- und Maeusegift, an den Mann zu bringen.100 Nach wenigen Jahren bereits war die beiderseitige Enttäuschung manifest; der Verleger sah sich in seinen Absatzerwartungen düpiert, die Vertriebsgesellschaft beklagte die mangelnde oder inkompetente Unterstützung der Verleger in Deutschland, zugleich die falschen Investitionen seitens deutscher Institutionen (gemeint sind wohl die Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel bzw. der Börsenverein): »Mit ganz unerhoertem Leichtsinn hat man, um der Eitelkeit gewisser Geheimraete zu froenen, ungeheure Summen vergeudet, hat Ausstellungen arrangiert, durch die kein Buch verkauft wurde, durch die man aber den gesamten hier schwer arbeitenden Auslandsbuchhandel auf das Alleraeusserste gereizt hat.«101 Die USA blieben vorerst jenes »spröde Absatzgebiet«, als das es Langewiesche schon immer gesehen hatte. Als Gerhard Menz 1930/31 eine Bestandsaufnahme der Entwicklung des deutschen Buchexports nach den Vereinigten Staaten gab, musste er eine fortdauernde Stagnation konstatieren: Das Exportvolumen, das 1913 noch mehr als 9.000 Doppelzentner umfasst hatte, bewegte sich in den Jahren 1925 bis 1930 zwischen 5.000 und 6.000 dz, bei nur minimal steigender Tendenz.102 1932 kam es in den Vereinigten Staaten noch einmal zu einem Versuch, »sich mit vereinten Kräften um größere Verbreitung des deutschen Buches in Amerika zu bemühen«, und zwar durch Gründung einer »Working Association of German Booksellers in New York«.103 Der im Anschluss an einen »Deutsch-Amerikanischen Kongreß« gegründeten Vereinigung schlossen sich 13 Firmen an, darunter Brentano’s, A. Bruder99 Brief ABACO an K. R. Langewiesche vom 21. März 1923 (HABV, Langewiesche-Archiv, Nr. 202). 100 Brief ABACO an K. R. Langewiesche vom 21. September 1923 (HABV, LangewiescheArchiv, Nr. 202). 101 Brief ABACO an K. R. Langewiesche vom 5. März 1926 (HABV, Langewiesche-Archiv, Nr. 203). 102 Menz: The German Book Trade, with Special Reference to its Relations with America, S. 187–197. 103 Eisenhauer, Egon: Zusammenschluß der deutschen Buchhändler von New York. In: Börsenblatt 99 (1932) 296, S. 905 f.
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hausen, German Books Imp. Co., G. Stechert & Co. E. (New York), E. Steiger & Co., und Westermann. Eine Buchausstellung wurde als erster Erfolg bewertet, und welche Möglichkeiten man für die geplante »gemeinsame Propaganda« sah, wurde vom Vorsitzenden Ernst Eisele (Westermann & Co.) in einem Kongressreferat Das deutsche Buch und seine Aufgabe in Amerika näher ausgeführt. Dass die Initiative als ein »Neuerwachen des Deutschtums im Lande« begrüßt worden ist, lässt sich als ein Vorklang zu Entwicklungen betrachten, die wenig später vom nationalsozialistischen Deutschland entschiedene Förderung erhalten sollten.
Buchexport und Auslandsbuchhandel in Mittel- und Südamerika Gaben die in Mittel- und Südamerika vor dem Ersten Weltkrieg erzielten Erfolge Anlass zu Optimismus, so verlief die Entwicklung des deutschen Buchexports in den Jahren nach 1918 in diesem Bereich mehr als enttäuschend. Im Vergleich zum Jahr 1913 sank etwa der Export nach Argentinien 1925 auf fast die Hälfte, 1933 auf fast ein Fünftel; ähnlich war es mit Brasilien, und auch der zuvor nicht unbeachtliche Export nach Chile kam am Beginn der 30er Jahre mehr oder minder zum Erliegen. Dabei schienen die Voraussetzungen günstig: In Südamerika lebte ein großer Teil der deutschen Einwanderer teils in Handelskolonien in Städten, teils in Agrarkolonien, in neu angelegten Streusiedlungen, in denen man sich in deutscher Sprache unterhielt und im übrigen so von der Umwelt isoliert war, dass eine Einbettung in deutsche Kulturzusammenhänge selbstverständlich war und blieb.104 Diese Situation war allerdings für den klassischen Buchhandel mit Ladengeschäft weniger vorteilhaft (die relativ geringe Anzahl deutscher Buchhandlungen in diesem Raum bestätigt dies105), dagegen fand das deutsche Exportsortiment umso bessere Chancen vor: Geistliche, Lehrer oder Ärzte besorgten sich die benötigte Fachliteratur aus Deutschland, und auch die in den Städten wohnhaften Angehörigen der »Elitenwanderung«, Bankiers, Kaufleute, Unternehmer oder Ingenieure, die die Absicht hatten, später wieder nach Deutschland zurückzukehren, hatten – ähnlich wie vor 1918 die Kolonialbeamten und Offiziere der deutschen Kolonien – großes Interesse, sich mittels Büchern und Zeitschriften über die literarische, kulturelle und politische Entwicklung in der Heimat auf dem Laufenden zu halten. Zeitgenössische Schätzungen zur Stärke der deutschsprachigen Population in den Staaten Lateinamerikas gehen für die Jahre 1928/29 von 320.000 bis 330.000 Sprachdeutschen (davon waren ca. 21.000 Reichsdeutsche) für Brasilien, 200.000 bis 250.000 für Argentinien (60.000 Reichsdeutsche), 30.000 für Chile und im gesamten mittelamerikanischen Raum von 4–5.000 Sprachdeutschen aus.106 104 Vgl. Bernecker/Fischer: Deutsche in Lateinamerika, S. 197–214, bes. S. 200. Ferner: Die Deutschen in Lateinamerika. 105 Die Liste der im Adressbuch des Ausländischen Buchhandels, S. 18–32, zu Mittel- und Südamerika aufgeführten »Buchhandlungen, die deutsche Literatur führen«, ist hier weniger aussagekräftig als die Angaben in dem von der Auslandsabteilung des Börsenvereins herausgegebenen Bericht über die Lage des deutschen Buches, in dem 1927 für ganz Südamerika die Zahl von 45 deutschen Buchhandlungen genannt wird, versehen mit der einschränkenden Bemerkung, dass sich »darunter meist unbedeutende Zwerggeschäfte, die sich mühselig durch Papierwarenverschleiß am Leben erhalten«, befinden. 106 Vgl. Grothe: Die Deutschen in Übersee, S. 16–20. Der Begriff »Sprachdeutsche« umfasst auch Österreicher, Deutschschweizer, Deutschungarn usw.
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War der Absatzraum schon durch den relativ geringen Umfang der deutschsprechenden Bevölkerungsgruppen beschränkt, so ergaben sich noch andere faktische Begrenzungen, nicht zuletzt durch das Preisniveau des aus Deutschland importierten Buches. Für den vergleichsweise unterentwickelten Subkontinent spielte der Verkaufspreis der Bücher eine wesentliche Rolle: Das deutsche Buch stand, generell gesehen, im Preiswettbewerb mit den im Land produzierten Büchern, die – wie im Falle Brasiliens – rund 40–50 % billiger waren;107 es stand aber auch im Preiswettbewerb mit der Verlagsproduktion anderer Nationen, vor allem Frankreichs, das Berichten zufolge sehr viel höhere, 50–60 % erreichende Rabatte an Wiederverkäufer gewährte.108 Dazu stand der Auslandssortimenter selbst noch – wie bereits angedeutet – im Wettbewerb mit dem deutschen Exportsortiment, das nur Porto- und Verpackungskosten, aber keine weiteren Aufschläge berechnete und so die Preise der örtlichen Buchhändler unterbot, die sich gezwungen sahen, ihre zusätzlichen Belastungen (Zoll, Risiko der Kursschwankungen, Entfall der Remission von Büchern wegen der hohen Rücksendekosten etc.) mit höheren Spesenaufschlägen zu kompensieren. Obwohl die größeren Buchhandlungen Kommissionäre in Leipzig hatten, konnten sie von den Vorteilen des in Deutschland gut organisierten Zwischenbuchhandels nur partiell profitieren. Die weiten Entfernungen brachten Behinderungen im Bestell- und Rechnungswesen mit sich, die nicht selten dazu führten, dass die Mahnung des Verlags zur Bezahlung von Lieferungen eher eintraf als die betreffende Lieferung selbst.109 Aus den gleichen Einschränkungen heraus gestaltete sich die Lagerhaltung bescheiden oder einseitig, auf die engsten Bedürfnisse des Publikums bezogen; die Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel hatte 1921 festgestellt, dass es in Mittel- und Südamerika »nicht eine Buchhandlung gibt, die ein auch nur halbwegs genügendes Lager deutscher Bücher unterhält.«110 Die spezifischen, von Deutschland aus nicht immer ausreichend bedachten Probleme des Auslandsbuchhandels spiegeln sich in der Bitte einer Firma in Brasilien, aus klimatischen Gründen »nach Übersee nur Bücher mit Fadenheftung zu liefern«, da im Falle der Drahtheftung »die Bogen, vom Rost durchfressen, herausfielen und gut eingebundene Bücher dadurch an Wert verlieren«.111 Es gab allerdings Verlage in Deutschland, die von sich aus die praktischen Erfordernisse (und die zusätzlichen Vermarktungschancen) erkannten, etwa der Verlag Philipp Reclam jun., der in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre mit »Reclams Export-Bücherei« 50 Novellen der Universal-Bibliothek »in dauerhafter Blechkassette« zum Preis von 20 Mark anbot: »Die Blechbehälter sind handlich und bieten sicheren Schutz gegen Regen, Staub, Insekten. Den in den Tropen lebenden Deutschen wird diese Verpackung, die es ermöglicht, fünfzig beste deutsche Bücher (von Gerhart Hauptmann, Thomas Mann, Stefan Zweig usw.) gesichert aufzubewahren, sehr willkommen sein.«112 (vgl. Abb. 2) 107 108 109 110
Vertrauliche Mitteilungen, 24. November 1927, S. 4. Vertrauliche Mitteilungen, 24. November 1927, S. 2. Vertrauliche Mitteilungen, 8. September 1926, S. 5. Einladung zur Gründung einer Deutsch-Südamerikanischen Buchhandelsgesellschaft. Leipzig, im September 1921 (HABV, Langewiesche-Archiv, Korrespondenzen 1922). 111 Vertrauliche Mitteilungen, Leipzig 10. März 1926, S. 15. 112 150 Jahre Reclam. Daten, Bilder und Dokumente zur Verlagsgeschichte 1828–1978. Zusammengestellt von Dietrich Bode. Stuttgart: Reclam 1978, S. 138.
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Abb. 2: Werbeblatt für Reclams Export-Bücherei (Quelle: 150 Jahre Reclam. Daten, Bilder und Dokumente zur Verlagsgeschichte. 1928 – 1978. Zusammengestellt von Dietrich Bode. Stuttgart: Ph. Reclam jun. 1978). Auch der südamerikanische Subkontinent war Zielgebiet von Maßnahmen, die der Förderung des deutschen Buchexportes dienen sollten. Die Initiativen versandeten jedoch bald, so z. B. der Aufbau einer »Deutsch-Südamerikanischen Buchhandelsgesellschaft«. Diese Gesellschaft, die der Konkurrenz des französischen, auch des italienischen und nordamerikanischen Verlagsbuchhandels entgegentreten und es sich zur Aufgabe machen wollte, »in planmäßiger, zäher Arbeit den deutschen Verlagsbuchhandel und das deutsche Geistesleben in Südamerika auf den Platz zu heben, der ihrer Bedeutung entspricht«,113 wurde zwar am 17. März 1922 als eigenständige »Atlantis Buch Kunst Musik G.m.b.H.« errichtet, konnte aber keine nennenswerte Tätigkeit entfalten.114 Schon im Oktober des gleichen Jahres sah sie sich gezwungen, mit dem Bremer Exportsortiment Halem in Verhandlungen über eine Übernahme der Firma einzutreten: Die Aufga113 Einladung zur Gründung einer Deutsch-Südamerikanischen Buchhandelsgesellschaft (HABV Langewiesche-Archiv 201). 114 Vgl. Bericht über das dritte Geschäftsjahr, S. 10. – Die Gesellschaft sollte eigentlich »BuchExport G.m.b.H.« heißen.
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be habe sich als sehr viel schwieriger herausgestellt als ursprünglich angenommen; es fehle an den notwendigen Verbindungen, auch seien die Möglichkeiten einer geschäftlichen Betätigung in Südamerika, u. a. »durch die verhältnismässig kleine Zahl der überhaupt in Betracht kommenden Deutschen«, sehr begrenzt.115 Später hat der Auslandsausschuss bzw. die Auslandsabteilung des Börsenvereins dem südamerikanischen Markt von Fall zu Fall Augenmerk geschenkt; es handelte sich aber um Maßnahmen minderer Bedeutung. Man hoffte in Mexiko und auch in Chile für die regelmäßige Besprechung deutscher Neuerscheinungen sorgen zu können, erteilte Auskünfte über ausländische Firmen und befasste sich mit dem Gedanken eines Hilfsfonds, »aus dem neu zu begründende deutsche Auslandsbuchhandlungen oder bestehende gefährdete Firmen unterstützt werden könnten«.116 Wie dies auch für die USA mehrfach ventiliert worden war, überlegte man die Errichtung eines als Barsortiment geführten südamerikanischen Zentrallagers in Buenos Aires; bezeichnend für die offenbar gängige Praxis der Direktlieferung von Verlagen ist die Ende 1926 ausgesprochene Bitte des Auslandsausschusses an die deutschen Verleger, »etwa zugehende Bestellungen aus Argentinien im Interesse der deutschen Sache und des dort schwer um seine Existenz ringenden deutschen Buchhandels nicht auszuführen, sondern dem dortigen ortsansässigen Sortiment zu überweisen.«117 Wenn es zwischen 1925 und 1930 Absatzsteigerungen für das deutsche Buch in Südamerika gegeben hat, dann dürften diese vor allem einzelnen deutschen Exportsortimenten zugute gekommen sein, nicht den Auslandssortimenten. Und selbst dieser Aufschwung war nur von kurzer Dauer: Politische Turbulenzen in mehreren Staaten und harte wirtschaftliche Tatsachen wie der Verfall der Währungen machten alle Hoffnungen zunichte, Mittel- und Südamerika auf Dauer zu einem lukrativen Absatzmarkt gestalten zu können.118
Zur Firmenstruktur des deutschen Export- und Auslandsbuchhandels: Das Auslandssortiment Der Begriff Auslandsbuchhandel zielt im engeren Sinn auf im Ausland ansässige Firmen, die mit deutschsprachigen Büchern handeln, also auf Sortimente, die entweder von Deutschen geführt werden oder deutsche Abteilungen haben oder sich sonstwie mit der Verbreitung deutscher Bücher befassen und deshalb mit dem deutschen Buchhandel in Verbindung stehen. Das Adressbuch des Ausländischen Buchhandels von 1926 nennt rund 5.000 solcher Firmen und markiert so den maximalen Umfang jenes Netzes, das für einen Vertrieb eines deutschsprachigen Buches im Ausland in Frage kam. Ein beträchtlicher Teil dieser 5.000 Firmen, vielleicht die Hälfte, wird allerdings nur gelegent115 Schreiben an die Mitglieder der »Atlantis Buch Kunst Musik G.m.b.H.«, vom 6. Oktober 1922 (HABV, Langewiesche-Archiv 201). 116 Tätigkeitsbericht der Auslandsabteilung des Börsenvereins. Ausschuß: Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel für das Jahr 1926. Leipzig, Ende April 1927. 117 Vertrauliche Mitteilungen, 28. Dezember 1926, S. 4. 118 In der oben gezeigten Aufstellung von Ernst Umlauff (Tab. 7) tritt der Rückgang zahlenmäßig nur in abgemilderter Form hervor, indem die in den Werten enthaltenen Exportziffern von Nordamerika stabil geblieben sind; die Minderung von 8,0 % Exportanteil 1929 auf 5,9 % 1932 geht also fast zur Gänze auf das Konto Mittel- und Südamerikas.
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lich mit deutschen Büchern gehandelt haben; als ein aussagekräftiges Kriterium für eine regelmäßige Teilnahme am deutschen Buchhandel kann die Verbindung mit einem (Leipziger) Kommissionär gelten. Aus Tab. 9 lässt sich ablesen, in welchem Umfang Firmen des Auslandsbuchhandels in den Verkehr über Leipzig integriert gewesen sind. Tab. 9: Mit dem deutschen Buchhandel in Verbindung stehende Auslandsfirmen (nach den Angaben im Adressbuch 1931, III. Abt.) Schweiz (und Liechtenstein) Italien Spanien Portugal Luxemburg Frankreich Belgien Niederlande Großbritannien Dänemark Norwegen Schweden Danzig Russland Finnland Estland Lettland Litauen Polen Tschechoslowakei Österreich Ungarn Südslawien Rumänien Bulgarien Türkei Griechenland Europa Vereinigte Staaten von Amerika Lateinamerika Afrika Asien Insgesamt
Orte 73 29 3 2 2 22 8 32 9 14 7 16 4 1 10 3 5 1 51 161 73 20 24 26 2 1 1 600
Firmen 322 109 24 2 18 121 33 138 74 67 24 61 34 1 24 15 29 4 169 435 554 118 65 77 7 3 2 2530
13 27 8 12 660
72 55 12 21 2690
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Auf den drei Kontinenten (Nord- und Süd-)Amerika, Afrika und Asien bestanden demnach an zusammen 60 Orten 160 Buchhandlungen, die mit dem deutschen Buchhandel über Leipzig in regelmäßiger Verbindung standen, – eine überschaubare Zahl, die im Wesentlichen die überseeischen Geschäftspartner des deutschen Verlags- und Zwischenbuchhandels definiert.119 Innerhalb Europas fallen – neben der einzigen Firma in Russland, die ein Staatsmonopol auf den Import deutscher Bücher hatte (»Meshdunarodnaja Kniga« in Moskau, mit Zweiggeschäft in Berlin) – die in Leipzig gut repräsentierten Ostbzw. Balkanstaaten sowie die ebenfalls zahlreich vertretenen Sortimente in Frankreich und Italien auf, denen keine adäquate Exportquote entsprach.120 Eine Kategorie für sich – und gleichzeitig den Kernbereich des deutschen Auslandsbuchhandels – stellen jene Auslandssortimente dar, die in deutschem Eigentum oder unter deutscher Leitung standen. Die Angaben im Adressbuch reichen jedoch keineswegs aus, um diesen Kernbereich des Auslandsbuchhandels zuverlässig zu charakterisieren. Es liegt aber auf der Hand, dass diese Gruppe das größte Interesse hatte, den Kontakt zum deutschen Buchhandel möglichst eng zu gestalten. Zusendungen an das Börsenblatt oder andere Branchenblätter unterstreichen das Zugehörigkeitsgefühl gerade der am weitesten entfernten Buchhändler zu ihren Kollegen in Deutschland. Dieses Zugehörigkeitsgefühl war allerdings nach 1918 schweren Belastungen ausgesetzt. 1926 hat der Münchner Verleger Ernst Reinhardt dem Vorstand des Börsenvereins gegenüber die Veränderungen angesprochen, die im Gefolge des Ersten Weltkriegs zu Umorientierungen von Auslandssortimenten geführt haben: In der Vorkriegszeit war der sogenannte internationale Buchhandel fast ganz in deutscher Hand. Die große Nachfrage nach deutschen wissenschaftlichen Büchern hat eine ganze Reihe deutscher Buchhändler veranlaßt, Auslandsbuchhandlungen zu gründen, die erst später anfingen, auch inländische Bücher zu führen, weil es ihren Kunden, meist Bibliotheken und Instituten bequemer war, alles aus einer Hand zu beziehen. […] Der Krieg hat ihre Lage vollkommen geändert. Sie waren entweder sequestriert worden, oder hatten sonst mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Zum mindesten waren sie jahrelang vom deutschen Buch abgeschnitten und waren gezwungen, sich auf das Inlandbuch umzustellen, wenn sie nicht untergehen wollten.121 119 Von den im Adressbuch für den Ausländischen Buchhandel 1926 genannten überseeischen Firmen stand nur wenig mehr als ein Fünftel mit einem deutschen Kommissionär bzw. mit der Abteilung Ausland von Koehler & Volckmar in Verbindung, nämlich nur 186 von 831 auf den vier Kontinenten Afrika, Amerika, Asien und Australien (vgl. Des Deutschen Buches Wert und Wirkung für das Ausland-Deutschtum, S. 150). 120 Ein anderes Indiz für eine Integration in den internationalen Nexus des deutschen Buchhandels war eine Mitgliedschaft beim Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, die traditionellerweise jedem Buchhändler im In- und Ausland offenstand. Das Adressbuch des Deutschen Buchhandels vom Jahr 1931 gibt in seiner ›Statistischen Übersicht‹ an, dass von 11.714 Mitgliedsfirmen 2670 ihren Sitz außerhalb des Deutschen Reiches hatten. Da aber davon die österreichischen und Schweizer Buchhändler einen sehr großen Teil ausmachten (558 bzw. 324), entfielen auf das gesamte übrige Europa 1627 Firmen, auf (Nord- und Süd-)Amerika 127, auf Afrika 13 und auf Asien 21. 121 Ernst Reinhardt: Memorandum an den Vorstand des Börsenvereins der deutschen Buchhändler zu Leipzig, S. 22–24. (Typoskript, SStAL, Akten des Börsenvereins, 774: LadenpreisSchutz im Ausland).
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Reinhardt beruft sich auf Angaben der Fa. Stechert & Co., New York, denen zufolge nach dem Krieg das amerikanische, dann das englische, französische und dann erst das deutsche Buch käme, in umgekehrter Reihenfolge zu jener der Vorkriegszeit. Dabei verkauften die Buchhändler in New York das deutsche Buch lieber, denn darauf gäben sie keinen Rabatt, während sie das amerikanische Buch bei einem Verlegerrabatt von 1/3 mit 15 und 20 % Nachlass weitergeben müssten. Während sie sich aber an ihre Verpflichtung zur Einhaltung der Ladenpreise hielten, gebe es einzelne Antiquariatsfirmen, die von Deutschland aus als Nebenzweig ihres Geschäftes an die großen amerikanischen Bibliotheken neue Bücher mit zum Teil recht hohem Rabatt lieferten und so dem Auslandsbuchhändler den Anreiz nähmen, sich für das deutsche Buch einzusetzen. Gemeint waren offenbar Firmen wie Gustav Fock, Harrassowitz, Brockhaus oder Hiersemann in Leipzig oder Friedländer in Berlin, die in der Tat eine bedeutende Buchexporttätigkeit entfalteten, und zwar sowohl mit Neuerscheinungen (teils aus eigenem bzw. mit dem Unternehmen assoziiertem Verlag) wie mit wissenschaftlichem Antiquariat.122 An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass auch der deutsche Zwischenbuchhandel, konkret die Abteilung Ausland der marktbeherrschenden Firma Koehler & Volckmar, in der Bücherauslieferung nach dem Ausland eine wichtige Rolle spielte und eine eigenständige Exporttätigkeit in großem Stil entfaltete.123 In der Tat war der Auslandsmarkt ein schwer umkämpfter Markt; neben den besagten, auf Export spezialisierten Sortiments- und Antiquariatsbuchhandlungen sowie Koehler & Volckmar waren es vor allem die von Deutschland aus operierenden Exportsortimente, die zum Auslandsbuchhandel in Konkurrenz standen.
Das Exportsortiment – die Firma Halem in Bremen Auslandssortimente mit deutschem Bücherangebot konnten sich nur dort halten, wo in Städten oder Siedlungskolonien ein genügend großes Einzugsgebiet gegeben war; wenigstens 10.000 Deutsche bzw. deutschstämmige Auswanderer wurden veranschlagt, um eine solche Buchhandlung rentabel führen zu können. Für die verstreut in Kleinsiedlungen lebenden Auslandsdeutschen gab es noch einen anderen Versorgungsweg: das Exportsortiment, das sich darauf spezialisiert hatte, von Deutschland, meistens einer Hansestadt aus, sein Publikum mit Fach-, Sach- und belletristischer Literatur zu versorgen.124 Die Zielgruppe des klassischen Exportsortiments bestand ganz überwiegend aus Privatkunden und setzte sich zusammen aus Kaufleuten, Handelsangestellten, Handels122 Diese Firmen wurden am Beispiel Harrassowitz im Beitrag von Monika Estermann in Band 1/3 dieser Buchhandelsgeschichte genauer vorgestellt. Vgl. hierzu auch die Firmenliste in: Der Buchhandel der Welt, S. 45. 123 Vgl. hierzu den Beitrag von Thomas Keiderling über den Zwischenbuchhandel in diesem Teilband. 124 Als eine Auswahl sei genannt: Hamburg: Walter Bangert; Conrad Behre; Boysen & Maasch; Gerth, Laeisz und Co.; Hermann Hommes; Karl Kaupisch; Otto Meissner; Carl Pajonk; Martin Riegel; Hermann Seippel; Fr. W. Thaden; Thalia-Buchhandlung Alfred Schulze. – Bremen: Halem; Lloyd-Buchhandlung Hieke & Rocholl; Röpke & Co. GmbH; H. Stürzel Söhne. – Leipzig: G. Fock; Harrassowitz; Rudolf Heublein; Hiersemann; Köhler & Volckmar, Abt. Ausland; Lloyd-Buchversand Curt Härtel. – Berlin: Kniga (UdSSR). Mehrere der genannten Firmen waren auch im Buchimport tätig.
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vertretern, Technikern, Wissenschaftlern, Lehrern, Landwirten, auch Handels- und Industriefirmen, deutschen Schulen und Vereinen. Auch die ehemals in die afrikanischen Kolonien oder in den Handelsstützpunkt Kiautschou gezogenen Offiziere und Kolonialbeamte, die zu den Viellesern und wichtigsten Buchhandelskunden gehörten, zählten zum Kernpublikum des Exportsortiments. Dadurch, dass es sich auf das Überseegeschäft, auf Südamerika, Afrika und Asien konzentrierte, kam es zu einer gewissen Entflechtung der Interessen mit dem Auslandssortiment, dessen Domänen in Europa und Nordamerika lagen und, wie bereits angedeutet, in den meisten Fällen andere Kundenkreise belieferten. Obwohl das Exportsortiment durch relativ hohe Geschäftsspesen, die aus der komplizierten Abwicklung der Bestell- und Liefervorgänge resultierten, sowie durch eine hohe Kreditspanne, die sich aus der zeitlichen Differenz zwischen Zahlung an den Verleger und Zahlungseingang des Kunden ergeben konnte, belastet war, schien es doch in der Lage zu sein, nicht allein aktuellere Ware, sondern auch mit geringeren Spesenaufschlägen zu liefern als das Auslandssortiment. Unter diesen Umständen ist neben der allgemeinen Konkurrenzsituation immer wieder auch eine örtliche entstanden, die vor allem von seiten des Auslandsbuchhandels beklagt worden ist. 1931 etwa wurde in der Buchhändlerzeitschrift Der Neue Stand eine Zuschrift aus Santiago de Chile abgedruckt, in der ein deutscher Auslandssortimenter die Erhebung eines 25 %-igen Aufschlags auf den Verkaufspreis zunächst mit dem Umrechnungskurs und im weiteren mit erhöhten Porti und Spesen sowie den unverständlich kurzen Zahlungszielen der Verleger zu rechtfertigen suchte. Der Aufschlag sei keineswegs zu hoch: »Und trotzdem glaubt der Großteil der deutschen Leserwelt im Auslande billiger durch ›seinen Buchhändler‹ zuhause zu beziehen. Exportfirmen wie Halem in Bremen und andere machen uns daher Konkurrenz. Wie oft muß ich hören: ›Ja, Halem liefert billiger‹. Alle Argumente […] prallen unverstanden am Publikum ab.«125 Die Firma G. A. von Halem in Bremen war das bekannteste und größte Exportsortiment Deutschlands; in ihrer Entwicklung spiegeln sich auf exemplarische Weise die Chancen und Gefahren im deutschen Buchexportgeschäft im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.126 Die von Gustav Adolph von Halem 1863 gegründete Buch-, Kunst- und Landkartenhandlung hatte ihren Tätigkeitsbereich noch im 19. Jahrhundert, vor allem nach der 1896 erfolgten Übernahme durch den Sohn Otto von Halem, durch Angliederung einer Leihbibliothek und eines Lesezirkels sowie einer Verlagsabteilung ausgedehnt. Zugleich wurde der Buchexport planmäßig ausgebaut: 1897/98 erschienen erstmals die Nachrichten vom Bremer Büchermarkt für Literaturfreunde im Ausland, ein vierteljährlich gratis versandtes Informationsblatt, das über die Neuerscheinungen deutscher Verlage und über die von der Firma Halem gebotenen Bezugsmöglichkeiten orientierte. Die Hansestadt, eines der Hauptverschiffungszentren der europäischen Auswanderung im 19. und 20.Jahrhundert, bot diesem Zweig beste Entwicklungsmöglichkeiten – Voraussetzungen,
125 Der Neue Stand, Jg. 1, 1931, S. 169. 126 Die folgende Darstellung der Firmengeschichte beruht in erster Linie auf der 1928 erschienenen Festschrift Des Deutschen Buches Wert und Wirkung für das Ausland-Deutschtum sowie auf Materialien im Firmenarchiv. Vgl. auch den Beitrag von Monika Estermann: Beziehungen zum Ausland in Bd. 1/3 dieser Buchhandelsgeschichte.
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die Halem durch ingeniöse Geschäftsideen zu nutzen wusste.127 Bereits im Jahr 1900 entstand der »Welt-Buch-Club v. Halem«, eine neue Form des Bücherabonnements, dessen Grundprinzip auf einer völlig individuellen Betreuung der Abonnenten beruhte. Die Funktionsweise des »Systems v. Halem« wurde in der 1928 erschienenen Denkschrift des Unternehmens auf anschauliche Weise geschildert: Herr Müller, ein gebürtiger Stuttgarter, lebt in Hawaii mit seiner Familie und gibt ein Abonnement auf das ›System v. Halem‹ auf in der Weise, dass er einen bestimmten Betrag nennt, den er monatlich zur Erweiterung seiner Hausbibliothek anlegen möchte. Herr Müller gibt dabei seine Wünsche bekannt, welche Autoren er besonders schätzt und weiterhin, dass er jeden zweiten Monat ein neues Buch über den Reit- oder Angelsport, oder über Luftschiffahrt erhalten möchte, wie auch zuweilen schwäbische Dialektdichtungen. Für seine Frau soll man jeweils einen neuen guten Roman beifügen, etwa von Clara Viebig oder Ernst Zahn und schließlich soll Halem jedes Vierteljahr ein Jungmädchenbuch für das 14jährige Töchterchen senden. Auf diese Weise erhält Herr Müller ohne weitere Bemühungen regelmäßig bis auf Widerruf genügend Lesestoff für sich und seine Familie übersandt und hat dabei noch das Vergnügen, durch den ihm inhaltlich unbekannten Büchergruß aus der Heimat überrascht zu werden.128 Voraussetzung dieser persönlichen Form der Abonnentenbetreuung war eine sorgfältig gepflegte, neben den Kundenwünschen auch exaktes Adressenmaterial und die jeweiligen Versandvorschriften vermerkende Kartei, die in den Blütezeiten des Unternehmens einen Umfang von 100.000 Kunden und Interessenten erreicht haben soll. Vieles deutet darauf hin, dass auf diese Weise in vielen Fällen tatsächlich eine starke Kundenbindung erzielt worden ist, wobei die Lebenssituation der in der Fremde lebenden Deutschen manches dazu beigetragen haben mag.129 Die Besonderheit dieses Buchklubs lag in der für Auslandsdeutsche besonders wichtigen Beratungsfunktion, die vom Heimatland aus vielfach kompetenter vorgenommen werden konnte als z. B. von den Auslandssortimenten, die selbst oft Mühe hatten, von ihrem Standort aus das Geschehen am deutschsprachigen Buchmarkt zu überblicken. Das Abonnementsystem hatte im Übrigen auch noch den praktischen Vorteil, dass die Überweisung kleinerer Geldbeträge zugunsten von periodischen Sammelabrechnungen entfallen konnte. Auch konnte ein großer Teil dieser nur allgemein definierten und zu festliegenden Terminen erledigten Bücherwünsche in rationeller Weise aus dem von Halem unterhaltenen Lager bedient oder partienweise bestellt werden; der Rest, vor allem die daneben einlaufenden individuellen Bestellungen, wurde beim Verlag einzeln besorgt. Geliefert wurde – jedenfalls in der Zeit nach der Inflation – zu Originalpreisen der Verleger, zuzüglich der Versandspesen in der Höhe von durchschnittlich 10 Prozent. Die Preise waren in Reichsmark festgesetzt; es 127 Das Ladengeschäft in Bremen wurde unter diesen Umständen bereits 1903 auf ein Minimum zurückgeschraubt; die Sortimentsbuchhandlung selbst an Franz Leuwer verkauft. 128 Des Deutschen Buches Wert und Wirkung für das Ausland-Deutschtum, S. 174 f. – Die exakte Zahl der Mitglieder dieses Abonnementsystems war nicht zu ermitteln. 129 Nach eigener Angabe von 1928 waren »auf die letzten 60.000 Halem-Sendungen nur 105 Reklamationen« gekommen. (Ebd., S. 166).
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Abb. 3: Umschlag eines Heftes der Katalogzeitschrift (Verbreitung 25.000), eines Zeitschriftenkatalogs (Verbreitung 12.000), eines Spezial-Literaturkatalogs (Verbreitung 10.000). Quelle: Des deutschen Buches Wert und Wirkung für das Auslands-Deutschtum. Eine Denkschrift 1928. Bremen 1928, S. 20, 21, 224. wurden aber alle gängigen Währungen zum Tageskurs des Eingangstages angenommen. Geliefert wurde in der Regel gegen Voraus- oder Anzahlung, es waren allerdings auch besondere Vereinbarungen möglich. Tatsächlich bedeutete ja der oft stark verzögerte Eingang von Zahlungen für diesen Zweig des Buchhandels eine erhöhte Zinsbelastung und vielfach auch ein erhöhtes Risiko. Der gezielten Information der Kundenschaft dienten seit 1907 die ständig aktualisierten Bücherkataloge und Spezialkataloge, die Halem seinen zehntausenden Kunden als Bestellgrundlage zuschickte.130 In den Katalogen spiegelt sich das Spektrum der Wünsche und Bedürfnisse der von Halem angesprochenen Zielgruppen: Im Mittelpunkt stand Fach- und Sachliteratur, z. B. über landwirtschaftliche Themen wie Viehzucht oder Anbaumethoden – der erste Spezialkatalog bezog sich auf Literatur zur Kolonialwirtschaft –, über medizinische Novitäten oder »polytechnische« und kaufmännische Fachliteratur; größere Segmente bildeten auch das religiöse Schrifttum, Schulbücher und Belletristik. In diesem Bereich 130 Der Hauptkatalog, dessen Umfang sich im Laufe der Jahre von acht Seiten auf das Sechsfache vergrößerte, wurde in Spitzenzeiten vierteljährlich in einer Auflage von 25.000 Exemplaren verschickt. Ein seit 1909 angebotener Zeitschriftenkatalog für das Auslanddeutschtum umfasste bis zu 6.860 über Halem zu beziehende Titel von Periodica. Vgl. Des Deutschen Buches Wert und Wirkung für das Ausland-Deutschtum, S. 155 u. 178.
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zeichnet sich der charakteristische Geschmackskonservatismus, gelegentlich auch die Deutschtümelei der auslandsdeutschen Leserschaft ab, die an den aktuellen literarischen Moden weniger interessiert war als an jenem Kulturgut, mit dem sich die Vorstellung von Heimat und Vertrautheit verband. Die Firma Halem hat eigene »Bestsellerlisten« geführt, die Einblick geben in die Lektürevorlieben ihres Publikums, das im Übrigen als ein völlig gemischtes dargestellt wurde: In der Kundschaft sind alle Lebensalter, alle Bildungsgrade, alle Stämme und Landsmannschaften, alle sozialen und finanziellen Stufungen, alle Parteien und Überparteien vertreten; insofern hat man es also wirklich mit einem allgemeinen und einigen Deutschtum zu tun und gegen diesen Vorzug kann man wohl der Verschiedenheit weltanschaulicher Einstellungen und literarischer Geschmacksrichtungen Gerechtigkeit widerfahren lassen. Dies geschieht, wie gesagt, in grundsätzlicher Neutralität, in achtungsvoller Duldung und in ausnahmsloser Dienstbereitschaft. Die im Zeichen dieser Dienstbereitschaft errungenen Anfangserfolge der Firma G. A. von Halem erfuhren, wie der gesamte deutsche Buchexport, durch den Ersten Weltkrieg, durch die Seeblockade und andere Störungen in den Verkehrsverbindungen und Handelsbeziehungen, eine empfindliche Unterbrechung. Im und nach dem Krieg musste ein beträchtlicher Teil der Außenstände abgeschrieben werden; dass Deutschland entsprechend den Bedingungen des Versailler Vertrags seine Kolonien aufgeben musste, führte zum Verlust wichtiger Absatzgebiete des Exportsortiments. Die rasche Wiederherstellung des internationalen Postverkehrs und die wieder zahlreich einlangenden Bestellungen ließen aber Otto von Halem eine Fortsetzung des Geschäfts als sinnvoll erscheinen. Die Verbilligung der Bücher im Ausland durch die Markinflation führte zu einem Nachfrageboom, der aber mindestens in der Anfangszeit – durch Lieferung in Markpreisen ohne Aufschlag – geschäftliche Verluste nach sich zog.131 Bei gleichzeitig steigenden Kosten wurde es notwendig, dem 1911 in eine GmbH umgewandelten Unternehmen neues Kapital zuzuführen. Ein Geldgeber wurde in der Person des Bremer Industriellen Ludwig Roselius gefunden, dessen 1906 gegründeter Kaffee HAG-Konzern seinen geschäftlichen Aktivitäten einen soliden Hintergrund gab und in dessen weit gespanntes, zwischen expressionistischer Kunst und germanischem Mythos oszillierendes Interessenspektrum sich das Engagement bei Halem gut einfügte. Am 13. Dezember 1921 wurde eine Aktiengesellschaft G. A. von Halem A.G. mit 2 Mio. Mark Grundkapital (nach der Währungsstabilisierung 240.000 Goldmark, 1930 erhöht auf 400.000) gegründet; Otto von Halem gehörte zunächst noch dem Aufsichtsrat an, widmete sich jedoch ab 1924 vor allem seinen verlegerischen Ambitionen. Nach wechselnden Besetzungen war seit 1925 Georg Eltzschig alleiniger Vorstand. Das Unternehmen hat von der Inflationskonjunktur erkennbar profitiert; von 30 Angestellten im Jahr 1919 wuchs es auf 120 im Jahr 1923! Mit dem Rückgang des Bestellaufkommens nach Stabilisierung der Währung musste der Personalstand wieder auf 35 zurückgefahren werden, gleichzeitig wurde jedoch die 131 Vgl. Des Deutschen Buches Wert und Wirkung für das Ausland-Deutschtum, S. 159: »So brachte auch der künstlich aufgetriebene Export […] erhebliche geschäftliche Verluste. – Es gingen ganze Bücherkisten hinaus, für die nur zehn Dollar vereinnahmt wurden.«
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Werbetätigkeit intensiviert: Vom Hauptkatalog – jetzt Bremer Bücherschiff benannt – wurden nach Firmenangaben nunmehr jährlich 120.000 Exemplare verschickt, kurzfristig suchte man auch deutsche Auslandsbuchhandlungen organisatorisch oder durch finanzielle Beteiligung zu unterstützen, um auch diesen Vertriebskanal auszubauen. 1924 wurde zur Vereinfachung des Bestellverkehrs eine Vertretung in Leipzig eröffnet, gleichzeitig wurden am Standort Bremen Räumlichkeiten für Vorträge und Ausstellungen sowie eine Sortimentsbuchhandlung geschaffen. Die 1927 eingerichtete »Buchschau in der Böttcherstraße« präsentierte unter anderem Leistungen der deutschen Buchkunst, in Räumlichkeiten, die nach Vorschlägen von Rudolf Alexander Schröder gestaltet waren. Eine von Roselius herausgegebene, bibliophil aufgemachte ‚Internationale Zeitschrift‘ Die Böttcherstraße errang 1928 – 1930 Aufsehen und Bedeutung.132 Die 1928 – 65 Jahre nach Gründung der Firma, 25 Jahre nach Eintritt ins Exportgeschäft, 10 Jahre nach Wiederaufnahme der Exporttätigkeit – erschienene Denkschrift Des deutschen Buches Wert und Wirkung für das Ausland markierte gleichsam den Höhepunkt der Unternehmensgeschichte. Die Grußworte prominenter Politiker und Vertreter des Auslandsdeutschtums, die programmatischen Beiträge bekannter und berühmter zeitgenössischer Schriftsteller, von Erwin Guido Kolbenheyer über Walter Bloem bis Hugo von Hofmannsthal und Stefan Zweig, unterstrichen die herausgehobene Funktion des Buches als Bindeglied zwischen dem Stammland und einem größeren Deutschland, das von den in aller Welt lebenden und siedelnden Deutschen repräsentiert werde. Die hervorragende Ausstattung dieser Firmenfestschrift betonte nicht nur den ideellen Anspruch, den das Exportsortiment Halem in seiner Tätigkeit entwickelte, sondern auch das Gediegene der Firma, deren Prosperität damals außer Frage stand. Tatsächlich erzielte das Unternehmen, das durch Werbe-Etats von 6–10 % des Umsatzes bis 1930 mehr als 30.000 Kunden zu mehr oder minder regelmäßigen Beziehern deutscher Bücher und Zeitschriften gewonnen hatte und 1929 Anteile an der Exportbuchhandlung Walter Bangert erworben sowie 1930 die Bremer Exportbuchhandlung Geist, Filter & Co. aufgekauft hatte, in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre gute bis hervorragende Erfolge, besonders in Südamerika. Von den im Jahr 1930 ausgewiesenen 782.000 Mark Umsatz133 wurden 90 % im Exportgeschäft erzielt, der Südamerika-Anteil betrug 67 %. Besonders eindrucksvoll war die Steigerungsrate in Brasilien: Dort hatte sich das Volumen 1913 auf 38.000 Mark beschränkt; 1924 waren es immerhin bereits 71.000, 1926 102.000, 1928 146.000, 1929 217.000 und 1930 298.000 Mark.134 Ebenso vehement gestaltete sich der Absturz im Zeichen der Weltwirtschaftskrise, die ja zunächst eine Bankenkrise gewesen ist und allgemein zu rigiderer Finanzpolitik, in vielen Ländern auch zur sofortigen Einrichtung von Devisensperren oder -kontrollmaßnahmen geführt hat. Dem132 Vgl. Alfred Estermann: Geld und Geist und Grenzüberschreitung. ›Die Böttcherstrasse‹, eine »Weltzeitschrift«. In: Buchkulturen. Beiträge zur Geschichte der Literaturvermittlung. Festschrift für Reinhard Wittmann zum 60.Geburtstag. Hg. von Monika Estermann, Ernst Fischer und Ute Schneider. Wiesbaden: Harrassowitz 2005, S. 445 – 485. 133 Halem gehörte damit zu der Gruppe der 47 größten Buchhandelsunternehmen Deutschlands, zu den 0,5 %, die zwischen 500.000 und 1 Mio. RM Umsatz erzielten. Vgl. Umlauff: Beiträge zur Statistik des Deutschen Buchhandels, S. 112 f. 134 Diese Ziffern beruhen auf einer Umsatzstatistik 1924–1934 und anderen Übersichten im Firmenarchiv.
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entsprechend standen dem internationalen Zahlungsverkehr erhebliche Hindernisse entgegen; Halem geriet trotz zunächst anhaltend großer Bestellmenge rasch in ernste Zahlungsschwierigkeiten, da Kundenschecks in ausländischer Währung von deutschen Banken weder zur Gutschrift angenommen noch als Deckung für Kredite akzeptiert wurden. Eine innerbetriebliche Revision deckte Schwachstellen und Rationalisierungspotentiale auf, die Verschlechterung der Rahmenbedingungen ging aber so rapide vonstatten, dass die Ertragseinbußen von einem Abbau des Personals auf 18 Angestellte, der Nichtausführung von Verlust bringenden Lieferungen und der Umstellung des Programms auf höher rabattierte Bücher nicht kompensiert werden konnten. Am 31. Dezember 1931 hatte Halem weitgehend uneinbringliche Außenstände in der Höhe von 305.200 RM zu verzeichnen, mehr als ein Drittel davon (110.200) in Brasilien. Dort hatte der Umsatz sich von den 1930 erreichten 298.000 RM auf 148.000 im Jahr 1931 halbiert und war dann 1932 weiter auf 88.000 gefallen, bei weiter anhaltender Talfahrt (1933: 50.000; 1934: 33.000). Der Absturz war 1932 beschleunigt worden durch empfindliche Kursrückgänge bei den südamerikanischen Währungen, vor allem aber durch die politischen Unruhen in den Südstaaten Brasiliens, die – zusammen mit den Umstürzen in Chile und Konflikten in kleineren Staaten – zum Zusammenbruch fast des gesamten Südamerika-Marktes geführt hatten,135 ein plastischer Beleg für die besonderen Risiken, mit denen das Buchexportgeschäft verbunden war. Während andere Exporthäuser ihre Geschäfte damals einstellen mussten, überlebte die Firma Halem, wenn auch schwer in Mitleidenschaft gezogen, diese Krise und setzte seit Beginn 1933 ihre Hoffnungen auf das neue Regime, von dem man annahm, dass es die kulturpropagandistische Dimension und Leistung des Exportbuchhandels für die Arbeit am deutschen »Volkstum« zu würdigen wisse.
Literatur Ungedruckte Quellen Historisches Archiv des Börsenvereins (Deutsche Nationalbibliothek, Frankfurt a. M.), Langewiesche-Archiv: ABACO (Langewiesche-Archiv 202). Bericht über das zweite Geschäftsjahr der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel. Kantate 1920–Kantate 1921 (vervielfältigtes Typoskript; Langewiesche-Archiv 201). Bericht über das dritte Geschäftsjahr der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel. 25. April 1921–Kantate 1922 (Langewiesche-Archiv 201). Briefwechsel von 1911 und 1912 (Langewiesche-Archiv 231). Denkschrift der Atlantic Book and Art Corporation, New York, über den Vertrieb des deutschen Buches in Nord-Amerika (o. O. u. J.) (Langewiesche-Archiv 202). Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel E.V. Leipzig: Denkschrift Nr. 2: Der Kampf im Ausland gegen das Deutsche Buch als vornehmsten Vertreter deutschen Wesens. (November 1919). (vervielfältigtes Typoskript, Langewiesche-Archiv, Korrespondenz 1919).
135 Auch in anderen, für das deutsche Exportsortiment wichtigen Gebieten wie Süd- und Südwestafrika, China, Niederländisch-Indien war es zu krisenhaften Entwicklungen gekommen; der Kaufkraftverlust war weltweit gegeben.
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Einladung zur Gründung einer Deutsch-Südamerikanischen Buchhandelsgesellschaft (Langewiesche-Archiv 201). Einladung zur Gründung einer Deutsch-Südamerikanischen Buchhandelsgesellschaft. Leipzig, im September 1921. (Langewiesche-Archiv, Korrespondenzen 1922).
Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Bestand »Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig« (zit. SStAL): Akten des Börsenvereins 501: Verein deutscher Antiquariats- und Exportbuchhändler Bericht über die Gründungsversammlung der Deutschen Gesellschaft für Auslandsbuchhandel im Deutschen Buchgewerbehaus zu Leipzig, den 10. Mai 1919. Leipzig 1919. Bericht über die am 1. Mai 1920 abgehaltene zweite ordentliche Mitgliederversammlung des Vereins der Deutschen Antiquariats- und Export-Buchhändler. Leipzig 1920. Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel, Rundschreiben Nr. 60. Tätigkeitsbericht der Auslandsabteilung des Börsenvereins. Ausschuß: Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel für das Jahr 1926. Leipzig, Ende April 1927. 509: Vereinigung Hamburg-Bremer Exportbuchhändler 774: Ladenpreis-Schutz im Ausland Ernst Reinhardt: Memorandum an den Vorstand des Börsenvereins der deutschen Buchhändler zu Leipzig, S. 22–24. (Typoskript) Richtlinien zur Erlangung von Ausfuhrbewilligungen für buchhändlerische Erzeugnisse. Leipzig 1921.
Gedruckte Quellen Adressbuch des Ausländischen Buchhandels 1926. Verzeichnis ausländischer Buchhandlungen, die deutsche Literatur führen. Erster Jahrgang. Leipzig: Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig 1926 (mehr nicht erschienen). Adressbuch des Deutschen Buchhandels 1931. 93. Jg., Leipzig: Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (1931). Der Buchhandel der Welt. Aufbau, Verkehrswesen, Anschriften des Buchhandels in Europa und USA. In Selbstdarstellungen aus 25 Ländern. Hrsg. v. Alfred Druckenmüller. Stuttgart: C. E. Poeschel 1935. Des Deutschen Buches Wert und Wirkung für das Ausland-Deutschtum. Eine Denkschrift 1928, herausgegeben von Georg Eltzschig für die G. A. v. Halem Export- und Verlagsbuchhandlung A.-G. Bremen. Bremen: Verlag der G. A. v. Halem A.G. (1928). ERASMUS, Karl (d.i. Horst Kliemann): Die deutsche Buchausfuhr. In: Der neue Stand 2 (1932/33), S. 293–300. Führer durch die Ausstellung Das Deutsche Buch und Die Deutsche Buchkunst in der staatlichen Akademie der Freien Künste zu Stockholm. Leipzig: Verlag des Börsenvereins der deutschen Buchhändler zu Leipzig 1926. GROTHE, Hugo: Die Deutschen in Übersee. Berlin: Zentralverlag 1932. HASSE, Ernst: Der nationale Gedanke. In: Deutsches Reich und Volk. Ein nationales Handbuch. Hrsg. v. Alfred Geiser. München: J. F. Lehmanns Verlag 1906, S. 3–9. MEINER, Annemarie: Der Deutsche Verlegerverein 1886–1935. Dargestellt im Auftrag seines Vorstandes und der Fachschaft Verlag. Leipzig: Verlag des Deutschen Verlegervereins 1936.
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Die Autoren des Bandes Olaf Blaschke, apl. Prof. Dr. phil, Lehrdozent für Neuere Geschichte an der RuprechtKarls-Universität Heidelberg seit 2012. Zahlreiche Publikationen zum Katholizismus, Antisemitismus und Konfessionalismus im 19. und 20. Jahrhundert sowie zum Verlagswesen und Historikerfeld. Ernst Fischer, Prof. Dr. phil., seit 1993 Professor für Buchwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ordentliches Mitglied der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Publikationen zur deutschen und österreichischen Literatur-, Buchhandels- und Mediengeschichte des 18. – 20. Jahrhunderts. Stephan Füssel, Prof. Dr. phil., Inhaber des Gutenberg-Lehrstuhls, Leiter des Instituts für Buchwissenschaft und Sprecher des Forschungsschwerpunktes ›Medienkonvergenz‹ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Leiter des Mainzer Verlagsarchivs; Ordentliches Mitglied der Historischen Kommission des Börsenvereins, Präsidiumsmitglied der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft u. a. Publikationen zum Buch- und Verlagswesen der Frühen Neuzeit, der Goethezeit und der Medienkonvergenz der Gegenwart; Herausgeber des »Gutenberg-Jahrbuches«, der »Mainzer Studien zur Buchwissenschaft«, der Schriftenreihe »MediaConvergence« u. a. Christine Haug, Prof. Dr. phil., geb. 1962, Buchhändlerausbildung in Ulm 1978 – 1981; zweiter Bildungsweg und Studium der Germanistik und Geschichte in Gießen (1981 – 1989), Promotion in Gießen 1995, wiss. Ass. am Institut für Buchwissenschaft in Mainz, Habilitation 2003 (Geschichte des Bahnhofsbuchhandels von seinen Anfängen um 1850 bis zum Ende der Weimarer Republik), seit WS 2006/2007 Leiterin der Studiengänge Buchwissenschaft an der LMU München. Helga Karrenbrock, Dr. phil., Studium der Germanistik, Romanistik und Kunstgeschichte an den Universitäten Würzburg, Aix-en-Provence und der FU Berlin. Promotion zum Thema »Märchenkinder – Zeitgenossen. Untersuchungen zur Kinderliteratur in der Weimarer Republik« (1995, 2. Aufl. 2002). 1994 bis 2010 wiss. Mitarbeiterin an der Universität Duisburg-Essen. Arbeitsschwerpunkte: Literatur der Weimarer Republik, sowie Kinder- und Jugendliteratur. Mit-Hrsg. der Sammelbände »Autorinnen der Weimarer Republik« (2004) und »Wilhelm Speyer (1887 – 1952). Zehn Werkanalysen«. – Siehe auch: »›Laboratorium Vielseitigkeit‹. Zur Literatur der Weimarer Republik. Festschrift für Helga Karrenbrock zum 60. Geburtstag«. Hrsg. von Petra Josting und Walter Fähnders (2005). Thomas Keiderling, Dr. phil. habil., 1989 – 1995 Studium der Geschichte, Journalistik und Kulturwissenschaften in Leipzig und Newcastle upon Tyne (Großbritannien), seit 2003 wiss. Assistent, seit 2010 Privatdozent am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig, Bereich Buchwissenschaft und Buchwirtschaft. Zahlreiche Publikationen zur Buchwissenschaft, Buchhandels- und Verlagsgeschichte, Rezeptionsforschung und Unternehmensgeschichte.
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Julia Kreusch, geb. 1963, Ausbildung zur Buchbinderin, Studium der Sinologie (Bonn), des Informations- und Dokumentationswesens (Köln) und der Buchwissenschaft (Mainz). 2006 promoviert mit einer Arbeit über den Verlag der Franckeschen Stiftungen in Halle/Saale als Schulbuchverlag im 19. und 20. Jahrhundert. Seit 1994 am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main beschäftigt, zunächst in der Literaturdokumentation, seit 2006 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Projekt zur Langzeitarchivierung digitaler Objekte aus dem Fachgebiet der Erziehungswissenschaft. Siegfried Lokatis, Prof. Dr. phil., geb. 1956, Studium der Geschichte an der RU Bochum, seit 1992 am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, 2004 Habilitation an der Universität Potsdam. Seit Januar 2007 Professor für Buchwissenschaft am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Publikationen zur modernen deutschen Buchgeschichte, im Besonderen zur Zensur- und Lesergeschichte der DDR. Urban van Melis, 1967 in Krefeld geb. Nach dem Abitur 1987 bis 1990 Ausbildung zum Sortimentsbuchhändler in Düsseldorf. Studium der Buchwissenschaft und Germanistik in Mainz und Pamplona/Spanien. Anschließend Promotion am Institut für Buchwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz über »Buchgemeinschaften in der Weimarer Republik«. Ab 2000 Verlagsvertreter für DuMont Buchverlag, Köln. 2001 Vertriebsleiter DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln. Seit 2006 Gesamtvertriebsleiter Carlsen Verlag. Corinna Norrick, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Buchwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Deutschland-Beauftragte für die Society of the History of Authorship, Reading and Publishing (SHARP), Vorstandsmitglied der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft e.V.; laufendes Dissertationsvorhaben zum Kinder- und Jugendbuchmarkt der 1970er und 1980er Jahre bei Prof. Dr. Stephan Füssel. Ute Schneider, Prof. Dr. phil., Institut für Buchwissenschaft der Johannes GutenbergUniversität Mainz, Korrespondierendes Mitglied der Historischen Kommission des Börsenvereins, Vorstandsmitglied der Gesellschaft der Bibliophilen; Publikationen zur Verlagsgeschichte und -organisation im 20. Jahrhundert, zur wissenschaftlichen Literaturkritik im 18. Jahrhundert, zum Wissenschaftsverlag im 19. und 20. Jahrhundert; Herausgeberin von »Imprimatur. Ein Jahrbuch für Bücherfreunde«. Brit Voges, geb. 1975, Magisterstudium der Buchwissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz; 2003 Abschlussarbeit über »Die Ratgeber- und Sachbuchliteratur in der Weimarer Republik«; seit 2003 im Junius Verlag, Hamburg. Wiebke Wiede, Dr. phil., wiss. Mitarbeiterin an der Universität Trier, Studium der Fächer Geschichte, Germanistik und Philosophie in Marburg und Berlin, Volontariat im Verlagsbuchhandel, Dissertation zu Verlagsbuchhandel und rassistischen und antisemitischen Publikationen in der Weimarer Republik an der Universität Trier.
Gesamtregister zu Band 2 Das Register enthält die Namen von Personen, Firmen und Organisationen, die mit der Produktion und Verbreitung von Büchern, Bildern und Schriften aller Art befasst waren, sowie Namen von Autoren und Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Bei Firmen, die in mehreren Sparten zugleich tätig waren, beziehen sich die Charakterisierungen als »Verlag«, »Buchh.« u. ä. hauptsächlich auf den gegebenen Kontext. Abel und Müller, Jugendschriftenverlag (Leipzig) [2] 198 Abrechnungs-Genossenschaft Deutscher Buchhändler BAG [1] 243, 270 – 273 [2] 299, 301 f., 329 f., 339, 343 Ackerknecht, Erwin [1] 78 f., 200, 202 f., 206 f., 214 Ackermann, Eduard [1] 226 Ackermanns Nachf. Severing & Güldner (Buchh., München) [2] 78 Adalbert, Max [2] 64 Adam, Paul [1] 310 Adenauer, Konrad [2] 141 Aderholz, G. P. (Verlag, Breslau) [2] 157 Afas Musikverlag (Berlin) [1] 514 Agentur des Rauhen Hauses (Verlag, Buchh., Hamburg) [1] 370 [2] 173, 391 Agis-Verlag (Berlin, Wien) [2] 116 Aisberg, Eugène [2] 244 Ajanoth Hebräischer Verlag (Berlin) [2] 176 Akademie-Verlag (Berlin) [2] 116 Akademische Verlagsgesellschaft (Leipzig) [1] 381, 389, 400 – 404, 413, 425, 431, 434 [2] 429 Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion (Potsdam) [1] 468, 495 Akademischer Schutzverein [1] 12, 95, 110, 138 f., 233, 385 Alber, Karl (s. Bodensee Verlag) [2] 162, 164 Albers, Hans [2] 63 Alberti, Carl [2] 353 Alberti, Herbert [2] 40 Albertus-Verlag (Berlin) [1] 492 Aldanov, Marc [2] 79 Alert & Co. Musikverlag, Eduard (Berlin) [1] 514 Alexander, Herbert [2] 201 Alldeutscher Verband (München) [2] 132 Allegro Theaterverlag (Berlin) [1] 514 Allert de Lange (Verlag, Amsterdam) [2] 26 Allgemeine Vereinigung der Angestellten des Buch-, Kunst- und Musikalienhandels [2] 311 Allgemeiner Deutscher BuchhandlungsgehilfenVerband (ADBV) [2] 342 f. Allgemeiner Deutscher Sprachverein [2] 241 Allgemeiner Schriftstellerverein ASV [1] 92, 112, 129 f., 137 f., 140 Alphonsus-Buchhandlung (Verlag, Buchh., Münster) [2] 164 Alsatia Verlag (Freiburg) [2] 159
Alte und Neue Kunst (Verlag, Berlin) [1] 514 Althaus, Paul [2] 151, 154, 156 Althaus, Paul, d. Ä. [2] 154 Althoff, Theodor [2] 492, 499 Amalthea Verlag (Wien) [2] 353 Amelangsche Buchhandlung (Berlin) [2] 49 American Library Association (Chicago) [1] 429 Ammers-Küller, Jo van [1] 177 Amphlett, Eduard (Leihbücherei, Berlin) [2] 526 Amsel-Verlag (Berlin) [1] 514 Amsler & Ruthardt (Verlag, Buchh., Berlin) [1] 463, 477 f., 485, 495 Andermann, Wilhelm (Verlag) [2] 133 Andersen, Hans Christian [1] 172 [2] 21, 195, 558 f. Andersen-Nexö, Martin [1] 177 [2] 114 André, Johann (Musikverlag, Offenbach) [1] 512, 515 f., 520 – 525 [2] 436 Angerer, Ludwig (Druckerei, Berlin) [1] 473 Anstalt für musikalische Aufführungsrechte AfmA [1] 511, 520 f. Anzengruber, Ludwig [2] 498, 561 Apollo-Verlag (Berlin) [1] 512, 520 [2] 332 Arbeiterjugend-Verlag (Berlin) [2] 112, 198 Arbeiter-Theater-Verlag Alfred Jahn (Leipzig) [2] 112 Arbeitgeber-Verband der Deutschen Buchhändler (Leipzig) [1] 255 f. [2] 283 Arbeitsgemeinschaft Bremer Buchhändler (Bremen) [1] 252 Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Buchhändler (Köln) [2] 148 Arbeitsgemeinschaft des wissenschaftlichen Buchhandels [1] 386 Arbeitsgemeinschaft lebensreformerischer Verleger [2] 457 Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Sortimenter [1] 251 Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger [1] 385 f., 427 [2] 614 Arbeitsgruppe wissenschaftlicher Verlag [2] 607 Arcadia-Bühnenvertrieb (Berlin) [2] 63 Archiv der Zionistischen Organisation in Berlin [2] 172 Arens, Hanns [2] 362 Aretino, Pietro [2] 28 Aristophanes [2] 60 Aristoteles [2] 13 Arnheim, Rudolf [1] 327, 331 [2] 196, 198, 212 Arnim, Achim von [2] 441
642 Arnim, Bettina von [2] 13, 441 Arnold-Verlag, Eberhard (Sannerz, Bruderhof, Leipzig) [2] 175 Arp, Hans [1] 480 [2] 42 Arpke, Otto [1] 329 Ars liturgica, Buch- und Kunstverlag (Maria Laach) [2] 159 Ars sacra Josef Müller (Verlag, München) [2] 158 Aschendorff’sche Verlagsbuchhandlung (Münster) [1] 251 [2] 157, 161 f., 226, 228 Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands ASSO (Berlin) [1] 494 Astra-Verlag (Berlin) [1] 513 ASY-Verlag (Berlin) [2] 113, 575 Atlantic Book and Art Corporation (ABACO) (New York) [2] 622 f. Atlantis Buch Kunst Musik G.m.b.H. (Exporthandelsges., Leipzig) [2] 626 Atrium-Verlag (Basel) [2] 212 Auckenthaler, Erich [2] 55 Aue, Die (Verlag, Wernigerode) [2] 175 Auer (Ludwig Auer/ Cassianeum) (Verlag, Donauwörth) [2] 158 Aufbau-Verlag (Berlin) [2] 45 Augstein, Rudolf [2] 96 Augustin & Müller (Grossbuchh., Berlin) [2] 332 Augustin, Max (Verlag, Kassel) [2] 175 Augustin, Otto [2] 332 Augustinus Verlag (Würzburg) [2] 160 Auriga-Verlag (Gotha, Darmstadt) [1] 496, 502, 504 f. Aurora-Verlag (New York) [2] 45 Ausfuhrvereinigung Deutscher Buchhändler (Leipzig) [2] 590 Ausschuß der deutschen Bibelgesellschaften [2] 149 Ausschuß zur Förderung des Ansehens des deutschen Buches im Auslande [2] 596 Außenhandelsnebenstelle für das Buchgewerbe [1] 140 [2] 593, 599, 603,606 f., 609 Avenarius, Eduard (Verlag, Leipzig) [2] 134 Avenarius, Ferdinand [2] 148 AZD-Zeitungsdienst [2] 328 Bab, Julius [1] 180 Bach, Johann Sebastian [2] 18, 368 Bachem, Benno [2] 167 Bachem, Franz Carl [2] 167, 353 Bachem, J. P. (Verlag, Köln) [2] 157, 161 f., 353 Bachem, Karl [2] 157, 162 Bachmann, J. & Co. (Barsortiment, Berlin) [2] 316 Badenia Verlag und Druckerei (Karlsruhe) [2] 158 Badische Kiosk-Gesellschaft Keye & Co [2] 542 Badisch-Pfälzischer Buchhändler-Verband (Karlsruhe) [1] 239, 245 Baeck, Leo [2] 169 f. Baedeker, G. D. Baedeker (Verlag, Buchh., Essen) [1] 192 [2] 227 f. Baer, Joseph & Co. (Antiquariat, Frankfurt a. M.) [2] 394, 418, 420, 435 – 438, 442, 445, 598
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Baer, Leo(pold) Alfred [2] 420, 437, 598 Baer, Simon Leopold [2] 437 BAG s. Abrechnungs-Genossenschaft Bagel, Fritz [1] 306 Bahn, Friedrich (Verlag, Schwerin) [2] 174 Bahr, Hermann (Verlag, Berlin) [1] 393 Bakunin [2] 123 Balázs, Belá [1] 24, 331 Balzac, Honoré de [2] 18, 21, 26, 31, 33, 505 Balzer, Hans [2] 378 Bangert, Walter (Exportbuchh., Hamburg) [2] 420, 599, 635 Banse, Ewald [2] 125 Barbusse, Henri [2] 27 Bard, Julius (Verlag, Berlin) [1] 476, 495 Bärenreiter-Verlag (Augsburg, Kassel) [1] 514, 518 f., 524 Barlach, Ernst [1] 481, 500 Barndt, Kerstin [1] 169 Barrie, James Matthew [2] 211 Bartels, Adolf [2] 124 f., 134 Barth, Johann Ambrosius (Verlag, Leipzig) [1] 223, 301, 371, 387 f., 397 f., 401, 413, 428 Barth, Karl [2] 155 f. Baudelaire, Charles [2] 75 Baudisch, Paul [2] 50 Bauer, Gustav [1] 42 Bauer, Konrad F. [1] 311, 322, 338 Bauer, Robert, Firma Bücherzelt (Berlin) [2] 540 Bauersche Gießerei (Frankfurt) [1] 313, 322 Bauhaus Verlag (Weimar, München) [1] 482, 496 Baum, Vicki [1] 22, 169, 176 f., 188 [2] 60 f., 103 f., 511 Bäumler, Alfred [2] 230 Bauwelt-Verlag (Ullstein & Co.) (Berlin) [1] 495 Bayer, Herbert [1] 319, 329, 494 Bayer, Selmar (Druckerei, Berlin) [1] 473 Bayerische Staatsbibliothek (München) [1] 89, 215 Bayerischer Buchhändler-Verein (München) [1] 239, 247 Bayerischer Volksbildungsverband (München) [2] 561 Beauclair, Gotthard de [1] 311 Becher, Johannes R. [1] 82, 109, 130 [2] 22, 26, 29, 42 – 44 Bechstein, Ludwig [1] 172 [2] 195 Beck, C. H. (Verlag, Nördlingen, München) [1] 333, 371, 388, 417 – 419 [2] 124, 147, 149, 173, 272, 353 Beck, Heinrich [1] 418 f. [2] 353 Beck, Herbert [2] 215 Beck, Hermann [1] 219 Beckmann, Max [1] 480, 483, 500 Beckmann, Otto (Verlag; Leipzig, Wien) [1] 453 Beenken, Heinrich (Verlag, Berlin) [2] 127 Behm, Johannes [2] 151 Behne, Adolf [1] 24, 116, 486 Behre, Conrad [2] 599 Beindiek, Wilhelm [2] 80
Gesamtreg ister zu Band 2 Belehrt, Gustav, Buch- und ZeitschriftenGroßvertrieb (Frankfurt a. M., Mannheim, Heidelberg) [2] 545 Bellmer, Hans [1] 329 Belser, Christian Jakob (Verlag, Stuttgart) [2] 173 Beltz, Julius (Verlag, Langensalza) [2] 228–230 Belych, Grigroij [2] 214 Ben-Chorin, Schalom d. i. Rosenthal, Fritz [2] 396 Benjamin, Anton J. (Verlag u. Buchh., Hamburg, Leipzig) [1] 520 Benjamin, Walter [1] 111, 320, 407 [2] 33, 69, 97, 197 f., 210 Benn, Gottfried [1] 107, 120 f., 125 [2] 71, 102 Bennecke, Ernst [2] 309 Benz, Richard [2] 13, 69 Berchem, Egon Freiherr von [1] 254 Bergemann, Friedrich Wilhelm (Verlag, Neuruppin) [2] 173 Bergemann, Fritz [2] 273 Bergengruen, Werner [1] 176 Berger, Ludwig [2] 63 Bergland-Verlag (Elberfeld) [2] 160 f. Bergmann, Cornelius [2] 16, 272 f. Bergmann, J. F. (Verlag, München) [1] 371, 395, 414 Bergstadtverlag Wilh. Gottl. Korn (Breslau) [2] 159 Berlin Verlag H. Klemm (Berlin) [1] 449, 451 Berliner Bestellanstalt [2] 330 Berliner Bücherwagen, Heinrich Rothgießer (Berlin) [2] 540 Berliner Fontane-Abend [2] 432 Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums [2] 172 Berliner Institut für Marxismus-Leninismus (IML) [2] 115 Berliner Sortimenterverein [1] 252 [2] 335, 506 Berliner Vereinigung selbstständiger Verlagsvertreter im Buch-, Kunst- und Musikalienhandel (Berlin) [1] 252 Berliner Zentralvertrieb für den Kinobuchhandel F.G. Freymann-Arnoldt [1] 183 Berliner, Arnold [2] 246 Berlinicke, Walter [1] 252 Berlin-Neuroder Kunstanstalten (Berlin) [1] 473 Bermann Fischer, Gottfried [1] 6, 20 f., 295 – 299 [2] 2, 9 – 11, 46, 101 Bernanos, Georges [2] 167 Bernfeld, Siegfried [2] 197 Bernhard, Lucian [1] 329 Berstl, Julius [2] 28 Bertaux, Felix [1] 113 Bertelsmann, C. (Verlag, Gütersloh) [2] 2, 79, 81 – 83, 150, 154 f., 173 Berufsgemeinschaft Deutscher Lesezirkel [2] 529 Beschaffungsstelle der Einkaufsgenossenschaft der Bildungs-Beamten-Gewerkschaft (München) [2] 402 Beschaffungsstelle von Buch und Bild [2] 402 Beskow, Elsa [2] 202
643 Bestellanstalt Stuttgarter Buchhändler [2] 293 Bethge, Hans [2] 31 Bettenhausen, Jacques (Bahnhofsbuchh., Dresden) [2] 30, 472, 542 Bettschardt, Franz [1] 253 Beumelburg, Werner [2] 128, 205 Beuroner Kunstverlag (Beuron) [2] 158 Beuth Verlag (Berlin) [1] 420, 422 f. Beyer, Otto [1] 227 Bez, Ernst [2] 319 Bialik, Chajim Nachman [2] 169 Bibliographisches Institut (Carl Joseph Meyer, Hermann Julius Meyer) (Verlag, Hildburghausen, Leipzig) [1] 167, 186 f., 281, 441, 443, 445 – 450, 452 – 456, 458 [2] 273, 318 Bielefeld, Otto [1] 237, 243 Bielefelds Verlag (Freiburg) [1] 243 Biermann, E. (Verlag, Barmen) [2] 173 Biermann, Julius [1] 252 Bildungsverband der Deutschen Buchdrucker (Leipzig) [1] 337 [2] 265, 569 Biller’s Verlag, Theophil (Berlin) [2] 174 Billige Bücher-Halle [2] 445 Binding, Rudolf G. [1] 336 Birnbach, Richard (Verlag, Berlin) [1] 512 f. Birnbach, Rudolf [2] 526 f. Bischoff, Heinrich [1] 254 Bismarck, Otto von [2] 1, 47 [1] 164 Bittrof, Max [1] 330 Bjørnson, Bjørnstjerne [2] 77 Blei, Franz [2] 31, 97, 211 Blixen, Tania [2] 71 Bloch, Eduard (Verlag, Berlin) [1] 371 Bloch, Ernst [2] 197 Bloem, Walter [1] 126 f. [2] 635 Blomberg, Werner von [1] 69 Blumenfeld, Walter [2] 364 Blumstein, Leo [2] 396 Blunck, Hans Friedrich [2] 17 f., 53, 75, 135, 193 Boas, C., Nachf. (Verlag, Buchh., Berlin) [2] 168, 176, 395 Bobinska, Helga [2] 214 Boccaccio, Giovanni [2] 60 Bode, Wilhelm [2] 21 Bode, Wilhelm von [1] 476, 486 – 490, 497 f. Bodenheimer, Alfred [2] 361 Bodenseeverlag Karl Alber (Ravensburg) [2] 159 Bodmer, Martin [2] 435 Boehm, Max Hildebert [2] 125, 152 Boepple, Ernst [2] 132 f. Böer, Friedrich [2] 210 Boerner, Carl Gustav (Antiquariat, Leipzig) [2] 420, 440, 598 Boerner, Hans [2] 440 Bogdanow, Nikolai [2] 215 Böhlaus Nachf., Hermann (Verlag, Weimar) [1] 380 Böhm & Sohn, Anton (Verlag, Augsburg) [1] 512 Böhme, Herbert [2] 79 Böhme, Margarete (Margarete Schlüter) [1] 187 Bohne, Hermann (Verlag, Konstanz) [1] 514
644 Bohner, Theodor [1] 124, 135 Bohr, Niels [1] 397 Boisserée, J. & W. (Buchh., Köln) [2] 323 Bölsche, Wilhelm [1] 167 [2] 15 Bondi, Georg (Verlag, Dresden, Berlin) [1] 105 [2] 3, 38 Bong, Richard (Verlag, Berlin) [1] 463, 472, 495 Bonhoeffer, Dietrich [2] 154 Bonifacius-Druckerei (Paderborn) [2] 148, 158 Bonner Buchgemeinde (Buchgemeinschaft) [2] 392, 565 Bonsels, Waldemar [1] 155, 170 [2] 70, 199 Bonz & Comp., Adolf (Verlag, Stuttgart) [1] 409 [2] 47 Borchardt, Rudolf [1] 120, 125, 275 f. [2] 28, 31 f., 46 Borgius, Walther [2] 467 f. Boritzka, Walter [2] 383 Bormann, Hanns Heinrich [2] 565 Born, Max [2] 245, 250 Borromäusverein (Bonn) [1] 214 [2] 147, 157, 392, 565 f. Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig [1] 6, 8 f., 19 f., 25, 74, 86 – 88, 90, 95, 137 – 140, 156, 164, 166, 169 f., 172, 183 f., 186, 191 f., 210, 216 f., 223 – 251, 253 – 259, 265 – 268, 270 – 272, 280 – 282, 284, 298 – 302, 362, 372, 383, 385, 422, 429, 463 f., 466 – 468, 470, 494, 525 [2] 35, 112, 126, 147, 149, 193, 234 f., 283 f., 298, 301, 310, 317, 321 f., 324, 327, 329, 331 f., 335 – 340, 343, 346 f., 352, 355 – 357, 367, 369, 373 f., 380 f., 384, 388, 391 f., 397 – 401, 403 – 405, 414 – 416, 420 – 422, 424, 442, 454 –456, 492 – 499, 509, 526 – 528, 549 f., 554 f., 575 – 578, 580 – 584, 595 f., 598, 602 – 605, 607 – 610, 613 f., 616, 621, 623, 627, 629 Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Frankfurt a. M.) [2] 120 Borstell, Fritz, auch Nikolaische Buchhandlung Borstell & Reimarus (Leihbibl., Berlin) [2] 506, 516 Bösch, Karl [1] 125 Bosch, Robert [2] 70 Bosse, Gustav (Verlag, Regensburg) [1] 512, 524 Bote & Bock (Berlin) [1] 512, 520, 524 Bott, Hans [2] 355 f. Bourdieu, Pierre [1] 99, 101 Boysen, Heinrich [1] 253 Brandeis, Jakob B. (Buchh., Verlag, Breslau) [2] 176, 395 Brandenburg, Hans [2] 72 Brandler, Heinrich [2] 119, 123 f. Brandstetter, Oskar (Druckerei, Leipzig) [1] 306, 310 Bratfisch, Georg (Verlag, Frankfurt a. d. Oder) [2] 174 Braumüller, Wilhelm (Verlag, Wien) [1] 415 f. Braun, Alfred [2] 7 Braun, Friedrich [2] 353 Braun, Gottlieb (Verlag, Karlsruhe) [2] 353
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Braun, Heinrich [1] 53 Braun, Lily [1] 173 Braun, Wilhelm [1] 202 Braune Buch-Ring, Der (Buchgemeinschaft) [2] 133, 568 Brauns, Gustav [2] 291 Brecht, Bertolt [1] 23, 24, 75, 78 f., 111, 115 f., 179, 189, 510 [2] 22 f., 40, 63 f., 97, 102, 112, 190, 212 Bredel, Willi [1] 103, 109 [2] 111, 114 Bredow, Hans [1] 17, 189 Bredt, Ernst (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 291 Breer & Thiemann (Verlag, Hamm) [2] 158 Brehm, Alfred [1] 167 Brehm, Bruno [2] 70 Breitkopf & Härtel (Verlag, Leipzig) [1] 227, 305, 511 f., 515, 517 f., 521, 523 – 525, 527 Bremer Presse [1] 333, 335 [2] 31 Brentano, Clemens [2] 60, 74, 441, 564 Brentano’s (Buchh., New York, Chicago, Washington) [2] 436, 623 Brentanoverlag Viktor Kubczak (Stuttgart) [2] 160 Brepohl, Friedrich Wilhelm [2] 565 Breslauer & E. Meyer (Buchh., Berlin) [2] 436 Breslauer Buchhändlerverein [1] 252 Breslauer, Martin (Antiquariat, Berlin) [2] 417 – 420, 432, 435 f., 439 f., 445 Brettinger, August (Zeitschriften- u. Großbuchh., Stuttgart [2] 292, 328 Breuer, Robert [1] 131, 133 Breuhaus de Groot, Fritz August [2] 485 Brock, Paul [2] 568 Brockdorff-Rantzau, Ulrich von [1] 33 Brockhaus (Verlag, Antiquariat) [2] 630 Brockhaus, Albert [1] 443, 445, 458 Brockhaus, F. A. (Verlag, Leipzig) [1] 305, 309, 441 – 443, 445 – 448, 452 – 457, 475 f. [2] 291, 308 f., 528 Brockhaus, Hans [1] 442 f., 445 – 447, 458 Brockhaus, Max (Verlag, Leipzig) [1] 512 Brockhaus, R. (Verlag, Elberfeld) [2] 173 Brod, Max [1] 17, 189 [2] 27, 32, 38, 98, 559 Brodführer, Richard [2] 273 Bronnen, Arnolt [2] 5, 33 Bronstein, Lipa [2] 396 Bros, L. Ph. (Buchh. Worms) [1] 254 Brückl, Hans [2] 230 Bruckmann (Druckerei, Berlin) [1] 472 Bruckmann, Elsa [2] 133 Bruckmann, F. (Verlag, München) [1] 477, 484, 486, 495 [2] 353 Bruckmann, Hugo [2] 133, 353 Bruderhausen, A., German Books Imp. Co. [2] 624 Bruegel, Pieter d. Ä. [2] 69 Bruère, Otto [2] 364 Brüning, Heinrich [1] 42, 58, 63 – 67, 82 [2] 134 Brunnen-Verlag (Gießen) [2] 175
Gesamtreg ister zu Band 2 Brunner, Emil [2] 156 Bruns, Marianne [2] 197 Buber, Martin [2] 134, 171 f., 273 Bucharin [2] 117 f. Buchberger, Michael [1] 451 [2] 161 Buch-Einkaufs-Gemeinschaft (Buchgemeinschaft des Buchhandels) [2] 575 – 578 Buch-Einkaufs-Zentrale [2] 576 Buchenau & Reichert (Verlag, Berlin) [2] 31 Buchenau, Artur [1] 392 Bucher, F. X. (Verlag, Würzburg) [2] 159 Bücher, Karl [1] 12, 105, 277, 294, 383 [2] 350, 458 Bücherfreunde in Böhmen, Gesellschaft deutscher (Prag) [1] 336 Büchergilde Gutenberg (Buchgemeinschaft, Leipzig, Berlin) [1] 337 f., 496 [2] 112, 213, 265, 386, 569 – 573 Bücherkreis, Der (Buchgemeinschaft, Berlin) [1] 496 [2] 113, 265, 267, 386, 570 – 573 Bücherstube am Dom (Köln) [2] 362 Bücherstube am Museum (Wiesbaden) [2] 361 Bücherstube am Siegestor Horst Stobbe (München) [2] 359, 360, 434 Bücherstube Bodenheimer (Darmstadt) [2] 361 Bücherstube Felix Jud (Hamburg) [2] 361 Bücherstube Fritz Seifert (Hameln) [2] 362 Bücherstube Hans Götz (Hamburg) [2] 361 Bücherstube Walter Schatzki [2] 353, 360 Bücherstube Walter Severin (Hagen) [2] 360 Büchertisch (Leipzig) [2] 562 Buchfilmverlag Ernst H. (Berlin) [1] 183 Buchgemeinde (Berlin) [2] 561 f. Buchgemeinschaft der Adalbert Stifter Gesellschaft [2] 563 Buchhandelsbetriebslehre der Leipziger Handelshochschule, Seminar für [1] 157, 227, 259 f., 276 Buchhandelsgehilfenverein »Die Eule« (Leipzig) [1] 511 Buchhändlergilde s. Deutsche Buchhändlergilde Buchhändlerischer Fachschulverein in Bayern (München) [1] 254 Buchhändlerischer Frakturbund [1] 249 Buchhändler-Lehranstalt s. Deutsche Buchhändler-Lehranstalt Buchhändler-Verband »Kreis Norden« (Hamburg) [1] 239 Buchhändlerverband Hannover-Braunschweig (Braunschweig) [1] 239 Buchhändlerverein der Provinz Brandenburg (Neuruppin) [1] 239, 248 Buchhändler-Vereinigung des RheinischWestfälischen Industriegebiets [1] 251 Buchhändler-Vereinigung Ostthüringen [1] 251 Buchhandlung der Berliner evangelischen Missions-Gesellschaft (Berlin) [2] 174 Buchhandlung der Diakonissen-Anstalt (Kaiserwerth) [2] 173 Buchhandlung der Evangelischen Gesellschaft (Bern) [2] 173
645 Buchhandlung der Evangelischen Gesellschaft (St. Gallen) [1] 372 Buchhandlung der Evangelischen Gesellschaft für Deutschland (Elberfeld) [2] 173 Buchhandlung des Erziehungsvereins (Neukirchen) [2] 173 Buchhandlung des evangelischen Brüdervereins (Haarhaus & Co.) (Elberfeld) [2] 174 Buchhandlung des Norddeutschen Männer und Jünglingsbundes (Hamburg) [2] 174 Buchhandlung des Vereins für Innere Mission (Nürnberg) [2] 174 Buchhandlung des Waisenhauses (Halle) [2] 173, 223, 227, 402 Buchhandlungen des Verbandes der Ärzte Deutschlands [2] 400 Buch-Kunstverlag Ettal (Ettal) [2] 160 Büchner, Georg [2] 30 Buchschau in der Böttcherstraße [2] 635 Buchverlag der »Hilfe« G.m.b.H. (Berlin) [2] 402 Buchwald, Reinhard [2] 273 Bücking, Helmuth [1] 447 Bühler, Charlotte [2] 189 – 191, 193 Bühling, Karl [1] 253 Bühnenvolksbund-Verlag (Frankfurt) [2] 159, 161 Bulka, Isaak (Verlag, Nürnberg) [2] 176 Büll, Johannes [2] 475 Bund der chemigraphischen Anstalten und Kupferdruckereien Deutschlands [1] 463 Bund der Tarifkämpfer BdT [1] 135 Bund Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller BPRS [1] 103, 109, 121 Burckhardt, Jacob [2] 47 Bürgel, Bruno [1] 157 [2] 255, 258 Busch, Max [2] 326 Busch, Wilhelm [1] 92, 164 Busoni, Ferruccio [2] 441 Butzon & Bercker (Verlag, Kevelaer) [2] 158 Büxenstein (Berlin) [1] 473 Callwey, Georg D. W. (Verlag, München) [1] 495 Calvary, S. (Verlag, Antiquariat, Berlin) [2] 430 Calwer Vereinsbuchhandlung (Calwer Verlagsverein) (Stuttgart) [2] 173, 205 Capek, Karel [2] 212 Carl, Georg [2] 435 Carlsohn, Erich [2] 429 Carlsson, Wilhelm [2] 529 Carossa, Hans [2] 18, 20 Casanova, Giacomo [2] 31, 33 Caspari, Gertrud [2] 202 Cassirer, Arthur (Grossobuchh., Berlin) [2] 522, 524 Cassirer, B. Publ. Ltd. (Oxford) [1] 499 Cassirer, Bruno [2] 271, 273 Cassirer, Bruno & Paul – Kunst- und Verlagsanstalt (Berlin) [1] 497 Cassirer, Bruno (Verlag, Berlin) [1] 16, 488, 491, 495 – 499, 502 [2] 3, 134, 194, 528 Cassirer, Paul – Kunsthandlung (Pan-Presse) (Berlin) [1] 16, 301, 333, 472, 474, 479, 481, 484, 495 – 502
646 Castiglioni, Camillo [2] 414 Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens [2] 143, 168, 170 f. Cervantes, Miguel de [2] 21, 380 Cézanne, Paul [2] 69 Challier & Co., C. A. (Verlag, Berlin) [1] 512 f. Challis, George [2] 52 Chamberlain, Houston Stewart [1] 200 [2] 126, 132 f. Chaplin, Charlie [1] 327 Charon-Kreis [2] 189 Chesterton, Gilbert Keith [2] 28 Choreb (Verlag, Berlin) [2] 169, 176 Christensen & Co. Gutenberg-Verlag (Hamburg) [1] 451 Christiansen, Paul Verlag (Wolgast, Schwerin) [2] 174 Christlicher Gewerkschafts-Verlag (Berlin) [2] 175 Christlicher Verein junger Männer (Lauban) [2] 401 Christliches Verlagshaus Wiegand & Co. (Bad Homburg) [2] 175 Cicero [2] 60 Claudel, Paul [2] 102, 167 Claudius, Hermann [2] 135 Clement, Berta [1] 170 Cnobloch, Carl (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 305, 309, 331 Cobden-Sanderson, Thomas James [1] 334 Cobet, Heinrich [2] 360 Coelde, Dietrich (Verlag, Werl) [2] 160 Cohen, Friedrich (Verlag, Antiquariat, Buchh., Bonn [2] 431, 440 Cohn, Fritz Th. [1] 180 Cohn, William [1] 488, 490, 498 Collignon, Arthur, Buchhandlung für Kunst und Wissenschaft (Berlin) [1] 393 Collin, Ernst [1] 310 Collrepp, P. A. (Drossen) [2] 175 Conrad, Joseph [1] 176 [2] 102 Cooper, James Fenimore [1] 172, 500 Coppenrath, Franz (Buchh., Verlag, Münster) [2] 228 Corinth, Lovis [1] 480 f., 486, 497, 499 f. [2] 60 Cornides, Karl von [1] 299 Cosmopolite Verlag (Langendreer, Leipzig) [1] 513 Coster, Charles de [2] 15, 21 Cotta’sche Buchhandlung, J. G. (Stuttgart) [1] 371, 411 [2] 3, 34, 124, 498 Courths-Mahler, Hedwig [1] 169, 179, 203 [2] 385, 510, 521 Cranach Presse (Weimar) [1] 333 f., 336, 338, 479 Cranach, Lucas [2] 69 Cranz, A. (Verlag, Leipzig) [1] 512 f. Crawford, Joan [2] 61 Crayen, Wilhelm von [1] 390 Crebillon, Prosper Jolyot [2] 28
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Crescendo Theater- und Musikverlag (Berlin) [1] 514, 520 Cullmann, Rudolf [2] 362 Cuno, Wilhelm [1] 42 Dahn, Felix [1] 170, 172 Dähnert, Adolf [2] 330 DANAT-Bank [2] 36 Das neue Ufer (Verlag) [2] 112 Däubler, Theodor [2] 42 Dauthendey, Max [2] 29 Dawes, Charles [1] 49 f., 57 Decla-Bioscop (Filmgesellschaft, Berlin) [2] 62 Degener, Hermann [1] 429 Degener, Ludwig [1] 257 Degenhart, Hans [2] 230 Dehmel, Paula [2] 201 Dehmel, Richard [1] 130 [2] 32, 201 f. Deichertsche Verlagsbuchhandlung Nachf., Andreas (Leipzig) [2] 150, 173 Delacroix, Eugène [2] 69 Delphin-Verlag (München) [1] 488, 495 Dennert, Eberhard [1] 448 Der Neue Geist (Verlag) [2] 38 Deri, Max [1] 474, 501 Dessin, Gustav [2] 81 Deuticke, Franz (Verlag, Wien) [1] 372 Deutsch, J. [2] 116 Deutschbewußte Wanderschriftenzentrale (Lesering) [2] 129 Deutschbund [2] 567 Deutsche Akademie der Dichtung [2] 135 Deutsche Automaten-Gesellschaft (Köln) [2] 546 Deutsche Bibelgesellschaft (Leipzig) [2] 175 Deutsche Bücherei Leipzig (Museum für Buch und Schrift) [1] 89, 157, 185, 190, 215 f., 227, 334, 338, 372, 407 [2] 322 Deutsche Buch-Gemeinschaft (Berlin) [1] 233, 453 [2] 19, 265, 390, 556, 558 – 560, 575, 581 Deutsche Buchhändlergilde (Berlin) [1] 87, 238, 241, 245, 265 – 267, 270, 279 [2] 283, 335 – 338, 340, 356, 401, 493 f., 577, 582 f. Deutsche Buchhändler-Lehranstalt zu Leipzig [1] 257 – 260 [2] 357 Deutsche Buchvereinigung ›Neuland‹ [2] 561 Deutsche Chalkographie (Berlin) [1] 473 Deutsche Chemische Gesellschaft [2] 401 Deutsche Christliche Studenten-Vereinigung [2] 156 Deutsche Evangelische Verlagsgesellschaft (Barmen) [2] 175 Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG (BonnBad Godesberg) [1] 217 Deutsche Gesellschaft für Auslandsbuchhandel (Leipzig) [1] 225 f. [2] 590 f., 593, 595 – 598, 601, 620, 623, 625 Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst [2] 401 Deutsche Grammophon [2] 263 Deutsche Hausbücherei (Buchgemeinschaft, Hamburg) [2] 126, 556 Deutsche Kiosk-Gesellschaft, G. Stilke (Berlin) [2] 543
Gesamtreg ister zu Band 2 Deutsche Kulturgemeinschaft (Berlin) [2] 567 Deutsche Landbuchhandlung (Berlin) [2] 175 Deutsche Orient-Mission (Potsdam) [2] 174 Deutsche Schaufenster-Lichtwerbung [2] 510 Deutsche Verlags-Anstalt (vorm. Eduard Hallberger) (Verlag, Stuttgart) [1] 105, 275, 371, 453, 488, 495 [2] 3, 16, 37, 61, 70 f., 100, 249, 271 Deutsche Vereinsbuchhandlung in Nordamerika, Sitz N.Y. [2] 621 Deutsche Volksbücherei (Berlin) [2] 562 Deutsche Zentralstelle für volkstümliches Büchereiwesen (Leipzig) [1] 79, 207 – 211, 213 Deutscher Anwaltverein [2] 401 Deutscher Buch-Club (Hamburg) [2] 562 f. Deutscher Buchdrucker-Verein (Leipzig) [1] 245 Deutscher Bühnenverein [1] 107 Deutscher Gärtner-Verband [2] 400 Deutscher Kunstverlag (Berlin) [1] 393, 475, 496 Deutscher Lesezirkelverband [2] 529 Deutscher Meister Bund (München) [2] 575 Deutscher Musikalien-Verleger-Verein DMVV (Leipzig) [1] 238, 523 Deutscher Postverband (Berlin) [2] 402 Deutscher Ring (Versicherung) [2] 134 Deutscher Schriftsteller-Verband DSV [1] 123, 125 – 129, 132, 135, 138, 140 – 142 Deutscher Transportarbeiter-Verband [2] 312 Deutscher Verband für Gemeinschaftspflege und Evangelisation (Bethel bei Bielefeld) [2] 175 Deutscher Verlegerverband [2] 461 Deutscher Verlegerverein (Leipzig) [1] 89, 94 f., 110, 139, 141, 236 – 238, 240 – 242, 245, 265 – 267, 270, 280 f., 385 [2] 283, 335 – 338, 340, 402, 418, 420, 494, 580, 582 f., 590, 604 f., 607 Deutscher Volkshausbund (e.V.), Einkaufshaus für Volksbüchereien (Berlin) [2] 402 Deutscher Volks-Verlag (München) [2] 132 Deutsches Quickbornhaus (Verlag) [2] 166 Deutsches Verlagshaus Bong & Co. (Berlin) [2] 461 Deutsches Volksblatt [1] 424 Deutsch-Evangelische Buchgemeinschaft Siehe Evangelische Buchgemeinschaft Deutsch-Meister-Bund (Verlag, München) [2] 402 Deutschnationale Buchhandlung G.m.b.H. (Hamburg) [2] 402 Deutschnationale Hausbücherei (Buchgemeinschaft, Hamburg) [2] 126, 134, 265, 556 Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband (DHV) [2] 46, 76, 78, 126, 133 – 135, 556 Deutsch-Südamerikanische Buchhandelsgesellschaft [2] 626 Deutschvölkische Buchhandlung (München) [2] 390 Deutschvölkische Verlagsanstalt A. Goetting (Hamburg) [2] 126 Deutschvölkische Verlagsbuchhandlung s. Eher Verlag [2] 133
647 Deutsch-Völkischer Schutz- und Trutzbund [2] 132 Dewir-Verlag (Berlin) [2] 169 Dibelius, Otto [2] 156 Dichter-Gedächtnis-Stiftung (Hamburg) [2] 402 Dickens, Charles [2] 498, 559, 562 Diderot, Denis [2] 28 Die vereinigten Buchhändler zu Mülheim (Ruhr) [1] 253 Dieck & Co (Verlag, Stuttgart) [2] 252 Diederichs, Eugen [1] 104, 127, 157, 258, 289 [2] 12 – 14, 16, 19, 21, 126, 203, 576 Diederichs, Eugen (Verlag, Jena) [1] 105, 301, 323, 334 [2] 2 f., 12, 16 f., 164, 194 f., 272 f., 351 f., 354 – 357, 360, 371, 373, 391, 578, 591 Diederichs, Nils [2] 2, 16 f. Diederichs, Peter [2] 2, 16 Diers, Marie [2] 81, 154 Diesterweg, Moritz (Verlag, Frankfurt a. M.) [1] 387 f., 392 [2] 226, 228 Dietrich, Hermann [1] 64 Dietrich, Marlene [1] 22 f., 189 [2] 62, 122 Dietz Nachf., J. H. W. (Verlag, Berlin) [2] 114, 115, 119, 134, 198, 214, 383, 386, 570 Dingler, Max [2] 204 Dinter, Artur [2] 130 Dix, Otto [1] 475 Döblin, Alfred [1] 6, 14 – 16, 19, 77, 79, 111, 117, 121 f., 130, 149, 154, 164, 169, 176, 179, 189, 297, 492 [2] 9 – 12, 27, 32, 91, 114 Doerfler, Peter [2] 71 Döll, Heinrich (Barsortiment, Bremen) [2] 319 Dominik, Hans [1] 108 Dom-Verlag (Berlin) [1] 424 Don Bosco (Verlag, München) [2] 158 Dönges, Geschwister (Verlag, Dillenburg) [2] 174 Dörffling & Franke (Verlag, Leipzig) [2] 173 Dos Passos, John [1] 15 f., 177 Dostojewski, Fjodor Michailowitsch [1] 173, 497 [2] 18 f., 68, 134, 505 Doves Press (London) [1] 334 Doyle, Conan [1] 179 Drei Masken Verlag (München) [1] 22, 512 [2] 40, 53, 63, 353 Drei-Adler-Verlag (Mühlhausen) [2] 129 Dressler, Bruno [1] 337 f. Dressler, Cecilie (Verlag, Berlin, Hamburg) [2] 96, 212 f. Drexler, Anton [2] 133 Droemer, Adalbert [1] 15, 294, 296 [2] 47, 54 Droemer-Knaur (Verlag, München) [2] 10, 47 Droonberg, Emil [2] 55 Droste-Hülshoff, Annette von [2] 75 Druckenmüller, Alfred [1] 243 [2] 353 Drugulin W. (Verlag, Druckerei, Leipzig, Berlin) [1] 313, 333 [2] 21, 28, 38 Dubenski, Pinkas [2] 170 Dubnow, Simon [2] 170, 172 Dudzik, Franz [2] 263 Dumas, Alexandre [1] 172 [2] 505 Duncker & Humblot (Verlag, Berlin) [1] 406 f.
648 Duncker, Alexander (Verlag, Leipzig) [2] 567 Dürer, Albrecht [2] 69, 375 Dürerbund [2] 133 Durian, Wolf [2] 103, 196, 207 Dürr & Weber (Verlag, Leipzig) [1] 424 [2] 563 Dürr, Johannes Friedrich [1] 227 Dürr’sche Buchhandlung (Verlag, Leipzig) [1] 411 Dwinger, Edwin Erich [2] 17 Dwir Verlag (Berlin) [2] 395 Dyk’sche Buchhandlung (Verlag, Leipzig) [1] 411 Eberlein, Hugo [2] 116, 119 Ebert, Friedrich [1] 50 [2] 43 Ebner-Eschenbach, Marie von [1] 169 Ebstein, Otto [2] 51 Echter Verlag (Würzburg) [2] 159 Eckardt, Fritz [2] 378 Eckardt, Fritz (Verlag, Leipzig) [1] 411 Eckart, Dietrich [2] 133 Eckart, Johann Heinrich [1] 245 Eckertz, Gottfried [2] 223 Eckmann, Gösta [2] 66 Eckstein Nachf., Richard (Verlag, Leipzig) [2] 497 Edda Verlag (Wien) [2] 564 Eden-Verlag (Berlin) [2] 528 Edition Cron (Verlag, Luzern) [2] 159 Edler & Krische (Verlag, Berlin) [1] 473 Edschmid, Kasimir [1] 76, 79, 154 [2] 39 – 41, 134 Eggebrecht, Axel [1] 182 Eggers, Dora [2] 320 Eggert-Windegg, Walther [2] 272 Eher Nachf. G.m.b.H., Franz (Zentralverlag der NSDAP, München) [2] 37, 70, 133, 390 Ehlermann, Erich [2] 232 f. Ehlermann, L. (Verlag, Dresden) [2] 228 Ehmcke, Fritz Helmuth [1] 312, 315, 333 [2] 66, 359 Ehrenberg, Hans [2] 154 Ehrenburg, Ilja [1] 16, 177 [2] 43, 45, 114, 261 Ehrenpreis, Marcus [2] 566 Ehrenstein, Albert [2] 67 Ehringhaus, Friedrich [2] 152 Eichacker, Reinhold [1] 135 – 137 Eichendorff, Joseph Freiherr von [2] 60, 561, 564 Eichler, Walter (Großantiquariat, Berlin) [2] 443 Einheitspreis-Aktiengesellschaft (EPA) [2] 501 Einheitspreishandels GmbH (EHAPHE) [2] 501 Einkaufsgenossenschaft Löwen [2] 417 Einkaufshaus für Volksbibliotheken des Deutschen Volkshausbundes (Berlin) [1] 210 Einkaufshaus für Volksbüchereien (Leipzig) [1] 207, 209 f. Einstein, Albert [1] 7, 179, 379 f., 397 – 399 [2] 24, 245 Einstein, Carl [2] 22 Einstein, Richard [2] 24 Eisele, Ernst [2] 624 Eisemann, Heinrich [2] 438 Eisenreich, Anton [2] 203, 353
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Eisgruber, Elsa [2] 204, 210 Eisner, Kurt [1] 31 Ek, Sándor [1] 316 ekz. bibliotheksservice (Reutlingen) [1] 209, 213 Elbogen, Ismar [1] 452 [2] 169 f., 566 Elias, Julius [2] 63 Eliasberg, Ahron [2] 171, 396 Ellerbeck, Ellegard [2] 129 Eloesser, Arthur [1] 180 Elsner, Georg [1] 252 Elsner, Otto (Verlag, Berlin) [1] 473 Elster, Alexander [1] 91, 93, 95, 392 Elster, Hanns Martin [1] 192, 274 Eltzschig, Georg [2] 353, 634 Elwertsche Buchhandlung (Marburg) [2] 353 Engel, Georg [2] 53 Engel, Gustav (Verlag, Leipzig) [2] 176, 252 Engel-Hardt, Rudolf [1] 310 [2] 373 Engelhorn, Charlotte Christine [2] 22 Engelhorns Nachf., J. (Verlag, Stuttgart) [2] 497 Engelmann, Wilhelm (Verlag, Leipzig) [1] 401 f., 404, 411 Engels, Friedrich [2] 119 Enke, Alfred [1] 314 Enke, Ferdinand (Verlag, Stuttgart) [1] 371, 387 f., 406 – 408, 412, 414, 419, 431 Enoch, Gebr. Verlag (Hamburg) [2] 353 Enoch, Kurt [2] 353 Enschedé Zonen (Druckerei, Haarlem/NL) [2] 28 Ensslin & Laiblin (Verlag, Reutlingen) [2] 173, 188 f., 195, 200 f. Erben, F. (Verlag, Wien) [1] 404 Erdberg, Robert von 199 [1] 204, 209 Erdmann, Rud. (Verlag, Leipzig) [1] 513 Erman, Wilhelm [1] 198 Ernst & Sohn, Wilhelm (Verlag, Berlin) [1] 385 Ernst Ludwig, Großherzog [1] 333, 504 Ernst Ludwig-Presse (Darmstadt) [1] 333 – 336 Ernst, Paul [2] 75, 135, 193 Erzberger, Matthias [1] 33, 37, 80 Eschkol Verlagsgesellschaft für hebräische Literatur (Berlin) [1] 452 [2] 169, 176 Eschstruth, Nataly von [1] 179 Eulenberg, Herbert [1] 180, 191 [2] 29, 67 Eulenburg, Ernst (Verlag, Leipzig) [1] 512 Euler, Reinhard [2] 332 Euphorion-Verlag (Berlin) [1] 479, 496 Euringer, Richard [2] 205 Evangelische Buchgemeinschaft (Berlin) [1] 250 [2] 147, 565, 575 Evangelische Buchhandlung (Königsberg) [2] 174 Evangelische Buchhandlung P. Ott (Gotha) [2] 174 Evangelische Buchhandlung von Fr. Trümpler (Hamburg) [2] 175 Evangelische Vereinsbuchhandlung (Posen) [2] 175 Evangelischer Missionsverlag (Stuttgart) [2] 175 Evangelischer Schriftenverein (Karlsruhe) [2] 174 Evangelischer Verlag (Heidelberg) [2] 174
Gesamtreg ister zu Band 2 Evangelischer Verlag Hildegard Pfennigsdorf (Dessau) [2] 175 Everling, Otto [1] 128, 140 Ewer-Gesellschaft für Buch- und Kunsthandel m.b.H. (Berlin) [2] 395 Ewers, Hanns Heinz [1] 187 Eysler & Co. (Verlag, Berlin) [1] 183 Faber du Faur, Curt von (Antiquariat Karl & Faber, München) [2] 435 Faber Du Faur, Irmgard [2] 211 Faber, Hugo [1] 252 Fabry, Edmund [2] 361 Fachausschuss für den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel in Hamburg [1] 253 Fachgruppe Schulbuchsortiment in der Deutschen Buchhändlergilde [2] 236 Fachnormenausschuss für Bibliotheks-, Buchund Zeitschriftenwesen FNA [1] 220 Fallada, Hans [1] 169 [2] 33, 35 – 37, 104, 260 Faulhaber, Michael von (Kardinal) [2] 141 Faulkner, William [2] 274 Fechter, Paul [1] 214, 479 Feder, Gottfried [2] 133 Federn, Robert [2] 556 Fehrenbach, Konstantin [1] 42 Feilchenfeldt, Walter [1] 501 Fein, Franz [2] 37 Feissel, Else [2] 81 Feiwel, Berthold [2] 171 Felden, Emil [2] 171 Felseneck, Marie von [1] 170 Felsing, Otto – Panpresse (Berlin) [1] 473 Fernau, Curt [2] 287, 302 Fernau, L. (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 304, 306 Feuchtwanger, Lion [2] 22 – 24, 40, 53, 112, 558 Feulner, Adolf [1] 477 Fichte-Gesellschaft [2] 133 Fick, Emil [2] 230 Fidelio Verlag (Berlin) [1] 513 Field, Noel [2] 115 Figdor, Karl [1] 183 Fikentscher, H. (Leipzig) [1] 371 Filser, Benno (Verlag, Augsburg, Wien) [1] 517 [2] 134 Finale Bühnen- und Musikverlag (Augsburg) [1] 514 Finckh, Ludwig [2] 67 Fink, J. (Verlag, Stuttgart) [2] 174 Firnhaber, Wilhelm [2] 116 Fischer & Dr. Bröckelmann (Druckerei, Berlin) [1] 472 Fischer, Brigitte [2] 9 Fischer, Ernst [2] 390 f. Fischer, Eugen [2] 132 Fischer, F. E. (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 291, 326, 330 Fischer, Gustav (Verlag, Jena) [1] 301, 384, 388, 414, 416 – 418, 431 [2] 124, 459 Fischer, Ruth [2] 124
649 Fischer, S. (Verlag, Berlin) [1] 15 f., 21, 93, 105, 108, 181 f., 276, 295 – 297, 301, 323, 334, 371 [2] 2 – 4, 6 f., 9 – 11, 19, 22, 26 – 29, 38, 44, 46 f., 49, 53 f., 59, 61, 65, 77, 98, 101 f., 112, 271 f., 376, 444, 497, 512, 528 Fischer, Samuel [1] 6, 20, 22, 105, 108, 155, 273 f., 289, 295 – 299, 343 [2] 1 f., 4 f., 8 – 10, 12, 18 f., 21, 29, 45 f., 102, 271 Fischer, Wilhelm Joseph (Schreibwarenh., Jülich) [2] 549 Fischer, Willy [2] 525 Flaischlen, Cäsar [1] 173 [2] 71 Flake, Otto [1] 117, 182 [2] 26, 33, 40 f., 50 Flaubert, Gustave [1] 74, 172 [2] 41, 69 Flechtheim, Alfred (Galerie und Verlag; Berlin, Düsseldorf) [1] 333, 481, 484, 495 f., 499 Fleig, Otto (Verlag, Freiburg i. Br.) [2] 175 Fleischel, Egon & Co. (Verlag, Berlin) [2] 70 f., 100 Fleischer, Carl F. (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 20, 284, 291 Fleischhack, Fritz [2] 378 Fleuron, Svend 14 f. [2] 205 Floericke, Kurt [2] 244 Floerke, Hanns [2] 75 Fock, Gustav (Antiquariat, Exportbuchh., Verlag, Leipzig) [1] 400 f., 434 f. [2] 176, 420, 428 f., 598, 630 Foerster, Fr. (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 291 Folks-Farlag (Kiew, Berlin) [2] 170 Folkwang-Auriga-Verlag (Friedrichssegen an der Lahn) [1] 505 Folkwang-Verlag (Hagen) [1] 491, 496, 502 – 505 Fontana, Oskar Maurus [2] 53 f. Fontane, Theodor [1] 100, 164, 169 [2] 47, 60, 70, 505, 562 Forberg, Robert (Verlag, Kommissionsbuchh., Leipzig) [1] 512 [2] 291 Förster & Borries (Druckerei, Zwickau) [1] 309 Fortschrittliche Buchhandlung (München) [2] 390 Föste, Lüddecke, Böhnisch & Co. (Buchbinderei, Leipzig) [2] 306 Fouché, Joseph [2] 19 Fox, William (Fox Film Corp.) [2] 51 Fraenkel, S. Martin (Antiquariat, Auktionshaus, Berlin) [1] 252 [2] 420, 440 f., 598 Francke, A. (Verlag, Bern) [1] 372 Francke, Richard [2] 420 Francken-Schwann, Hans-Georg [2] 353 Franckh’sche Verlagshandlung (Stuttgart) [1] 166 f., 371 [2] 248 – 253, 258, 462 François, Luise von [1] 169 Frank, Carl [2] 330, 332 Frank, Leonhard [1] 177 Frank, Rudolf [2] 211 Franke, Otto [2] 117 Franke, Paul (Verlag, Großantiquariat, Berlin) [1] 301 [2] 443 Frankes Verlag (Leipzig) [2] 116, 120, 123
650 Frankfurter Bücherstube s. Bücherstube Walter Schatzki Frankfurter Verlags-Anstalt (Frankfurt, Berlin) [1] 496 Franz-Sales-Verlag (Eichstätt) [2] 160 Frassek, Paul [2] 116, 120, 124 Fred, W. (Alfred Wechsler) [1] 114 Fredebeul & Koenen (Verlag, Essen) [2] 158, 161, 164 Freiburger Bücherstube (Freiburg im Breisgau) [2] 362, 377 Freie Lehrervereinigung für Kunstpflege (Berlin) [2] 188 Freie Verlagsgesellschaft (Berlin) [2] 572 Frenssen, Gustav [1] 127 Frentzel, Theodor (Volckmar-Frentzel) [2] 285, 312, 353 Frenzel, Curt [1] 259 Freud, Sigmund [1] 294 Freund, Robert [2] 69 f. Freunde Kreis (Leipzig) [2] 562 f. Frey, Walther (Grossobuchh. und -antiquariat, Berlin-Marienfelde) [2] 331 f., 442 f. Freyer, Edwin (Großantiquariat, Berlin) [2] 443 Freyhold, Karl Ferdinand von [2] 202 Freytag, Georg (Verlag, Leipzig) [1] 371 [2] 226–228 Freytag, Gustav [1] 157, 164, 169 f., 172, 201 [2] 386, 505, 559, 562 Frick, Wilhelm [1] 78, 248 [2] 146 Fridolin-Verlag (Berlin) [2] 103, 198 Fried, Ferdinand [2] 17 Friedell, Egon [1] 179 Friedenthal, Richard [1] 453 Friederichsen & Co., L. (Verlag, Hamburg) [1] 393 Friedländer, Julius [2] 425 Friedländer, Max J. [1] 490, 497 f., 501 Friedländer, R. & Sohn (Antiquariat, Berlin) [2] 420, 430, 598, 630 Friedländer, Raphael [2] 425 Friedländer, Salomon (Ps. Mynona) [2] 42 Friedrich, Otto [2] 77 Friedrich, Wilhelm (Verlag, Leipzig) [2] 40 Frisch, Albert (Lichtdruckanstalt, Berlin) [1] 463, 473, 486 [2] 18 Frisch, Karl von [2] 246, 250, 258 Fritsch, Theodor [2] 129 f., 171 Fritz, Georg [1] 309 Fritz, Gottlieb [1] 198, 206 Fritzsche, Gustav (Großbuchbinderei, Leipzig) [1] 311 Froelich, Carl [2] 62 Frölich, Paul [2] 118, 123 f. Fromm, A. (Verlag, Osnabrück) [2] 158 Fromm, Erich [1] 165, 407 Fromm, Leopold [1] 252 Frommanns Verlag und Buchhandlung (Stuttgart) [2] 353 Fronemann, Wilhelm [2] 189 f., 195, 203, 215 Frundsberg-Verlag (Berlin) [2] 128
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Fuchs, Eduard [2] 78 Fuege, Ernst [2] 357 Führer Verlag (Berlin) [2] 115 Führer-Verlag (Mönchengladbach) [2] 161 Fuhrmann, Ernst [1] 491, 503 – 505 Fulda, Ludwig [1] 85, 136 Funk, Phillip [2] 164 Furche-Kunstverlag (Berlin) [1] 475, 496 Furche-Verlag (Berlin) [2] 155 f., 175, 353 Fürst, Artur [2] 255 Fürstenberg, Hans [1] 337 [2] 435 Fürstner, Adolph (Verlag, Berlin) [1] 512, 518, 520 Gabelin, Bernward [2] 116 Gadow, F. W. & Sohn (Verlag, Hildburghausen) [2] 173 Galen, Clemens August Graf von [2] 162 Galerie Neumann-Nierendorf (Berlin) [1] 481 Gallus, Annie [1] 419 f. Galsworthy, John [1] 165 [2] 49 – 51 Ganghofer, Ludwig [1] 172, 178 [2] 47 Ganymed (Bilddruckerei, Berlin) [1] 472 f., 476 f., 486, 498 Garbo, Greta [1] 22, 188 [2] 61, 105 Gast, Martin [1] 450 Gebel’s, B.W. Verlag (Leipzig) [2] 174 Geheb, Reinhold [2] 77 Geibel, Stephan (Verlag, Altenburg) [2] 174 Geiger, Theodor [1] 150, 408 Geiger, Willi [1] 481, 500 Geiger-Gog, Anni Ps. Hanne Menken [2] 206 Geissler, Max [1] 252 Geist, Filter & Co. (Exportbuchh., Bremen) [2] 635 Geistbeck, Alois [2] 230 Geistbeck, Michael [2] 230 Geistchristliche Verlagsanstalt (Patschkau i. Oberschlesien) [2] 130 Genius, Adolf [2] 565 Genossenschaft der Hamburger Buchhändler [2] 325 Genossenschaft Deutscher Tonsetzer GDT [1] 85, 137, 511, 520 f. Gensel, Gustav (Verlag, Grimma) [2] 173 George, Stefan [1] 111, 120 Gerold und Sohn, Carl (Verlag, Buchh., Wien) [1] 396 Gerschel, Oscar (Antiquariat, Stuttgart) [2] 306 Gerstäcker, Friedrich [2] 73, 187, 199, 386 Gerstner, Paul [2] 5 Gerz, Alfred [2] 273 Gesang, Jacob [2] 395 Geschäftsstelle des Börsenvereins (Leipzig) [1] 224 – 227, 259 Gesellige Vereinigung Leipziger Buchhändler [1] 253 Gesellschaft alpiner Bücherfreunde (München) [1] 336 Gesellschaft der Berliner Trinkhallen [2] 543 Gesellschaft der Bibliophilen (Weimar) [1] 335 – 337 [2] 431 f., 437
Gesamtreg ister zu Band 2 Gesellschaft der Münchener Bücherfreunde [2] 359 Gesellschaft für Senderechte GfS [1] 92, 94, 111 f., 141 Gesellschaft zur Verbreitung klassischer Kunst [1] 463 Gewerkschaftsbund der Angestellten [2] 311 Geyer, Christian [2] 155 Gide, André [2] 22, 71 Giegler’s Buchhandlung, Rudolf (Leipzig) [2] 326, 330, 332 Giesecke, Alfred [2] 353 Giese-Hüser, Margarete [2] 371 Giesserei Verlag (Düsseldorf) [1] 420 Gilbert, Seymour Parker [1] 49 Gilde freiheitlicher Bücherfreunde (Buchgemeinschaft, Berlin) [2] 113, 575 Gill, Eric [1] 479 Gisevius, Bogdan (Graph. Anstalt, Berlin) [1] 473 Glaeser, Ernst [2] 24 Globus Verlag (Berlin) [1] 231 [2] 265, 498 Glock und Lutz (Verlag, Nürnberg) [2] 160 Glückauf mbH (Verlag, Essen) [1] 420 Glücksmann, Albert (Antiquariat, Frankfurt a. M.) [2] 438 Gobineau, Arthur de [2] 124, 130 Goedecke, Renate [2] 568 Goerdeler, Carl [1] 212 Goethe, Johann Wolfgang von [2] 13, 21, 32, 34, 60, 63, 66, 69, 72, 74, 380 f., 509, 558 Goethe-Museum (Frankfurt a. M.) [2] 20 Goethe-Nationalmuseum [2] 20 Goethe-Schiller-Archiv (Weimar) [2] 20 Goetz, Wolfgang [2] 258, 558 Gog, Gregor [2] 206 Gogarten, Friedrich [2] 156 Gogh, Vincent van [2] 69 Golde, Friedrich [2] 309 Goldfriedrich, Johann [1] 226, 353 Goldmann, Nahum [2] 169 Goldmann, Wilhelm (Verlag, Leipzig) [2] 2, 55 – 57, 498 Goldschmidt Verlag (Berlin) [2] 497 Goldschmidt, Richard [1] 427 f. [2] 246 Goll, Yvan [2] 3, 22, 26, 39 Goltz, Hans (Verlag, Buchh., München) [1] 479, 495 Gommel, August [2] 77 Gonzer, M. (Verlag, Berlin) [2] 176 Göring, Hermann [1] 67 Gorki, Maxim [1] 16, 165, 177, 497 [2] 20, 43 f., 102, 114, 505, 562 Görres Gesellschaft [2] 161 Göschen’sche Verlagshandlung, G. J. (Berlin) [1] 389 – 391, 393 Gotsche, Otto [2] 100 Gottschalk, Elena (Verlag, Berlin) [1] 328 [2] 112 Gottschalk, Paul (Antiquariat, Berlin) [2] 430 Götz, Hans [2] 361
651 Goulding, Edmund [2] 61 Goya, Francisco de [2] 69 Grabmaier, Friedrich [2] 556 Grad, Urban [1] 183 Graf, Oskar Maria [2] 40 Gräfe & Sillem, Lucas (Buchh., Hamburg) [1] 415 Gräfe & Unzer (Buchh., Königsberg) [2] 515 f. Gräff, Armin [1] 253 Grandt, Fritz (Verlag, Berlin) [1] 470 Graphische Gesellschaft (Bilddruckerei, Berlin) [1] 472 f. Graphisches Kabinett Israel Ber Neumann (Berlin) [1] 480, 483 f., 495 Graupe, Paul (Antiquariat, Berlin) [2] 414, 417 f., 431, 439 f. Green, Julien [1] 176 Greifenverlag (Rudolstadt) [2] 129, 134, 175 Greßmann, Hugo [2] 152 Greve, Wilhelm (Graph. Anstalt, Berlin) [1] 472 f. Grey, Zane [2] 51 f. Griese, Friedrich [2] 135 Grillparzer, Franz [2] 7 Grimm, Hans [1] 121 [2] 77 f., 111, 134 f., 498, 512 Grimm, Jacob und Wilhelm [1] 172, 380 [2] 195 Grisebach, Eduard [2] 435 Gropius, Walter [1] 318, 482, 491 [2] 77 Gropius’sche Hofbuchhandlung (Potsdam) [1] 254 Grosch, Philipp (Verlag, Leipzig) [1] 514 Gross, Babette [2] 121, 124 Gross, Helmut [2] 563 Grossmann, Rudolf [1] 480, 500 Großmann, Stefan [2] 30, 32, 51, 53, 96 Grosz, George [1] 7, 16, 79, 324, 469, 479, 483 f., 499, 502 [2] 42, 44 f., 64, 115, 260, 262, 389 Grote’sche Verlagsbuchhandlung, G. (Berlin) [1] 393, 495 [2] 228, 231 Grothe, Wolfgang [2] 102 Grünberg, Karl [1] 103, 109, 177 Gründgens, Gustaf [2] 61 Grune, Karl [2] 63 Grünewald, Matthias [2] 165, 167 Grüninger, Carl (Verlag, Stuttgart) [1] 524 Gruppe 25 [2] 114 Gruppe Sozialistischer Buchhändler und Verleger [2] 383 Gruyter & Co., Walter de – Vereinigung wissenschaftlicher Verleger (Berlin) [1] 184, 241, 276, 301, 371, 381, 384 f., 387 – 392, 395, 400, 413, 417 f., 424, 496 [2] 29, 124, 430, 445, 591 Guardini, Romano [2] 165 – 167 Gude, Alfred [1] 253 Gulbransson, Olaf [2] 70 Gumbel, Emil Julius [2] 261 Gumpel, Hermann [2] 332 Gumpert, Thekla von [1] 170
652 Gumperz, Julian [2] 124 Gundert, D. (Verlag, Stuttgart) [2] 174, 205 f., 215 Gunkel, Hermann [2] 153 Günther, Agnes [1] 172 Günther, Albrecht Erich [2] 134 Günther, H. F. K [2] 132 Gurjan, Olga [2] 214 Gurlitt, Fritz (Verlag, Berlin) [1] 333, 479, 481, 484, 499 Gurlitt-Presse (Berlin) [1] 496 Guter, Johannes [2] 62 Guttentag, J. Verlagsbuchhandlung (Berlin) [1] 389 f., 392 f., 417 Gysae, Otto [2] 556 Ha’am, Achad [2] 170 f. Haag-Drugulin (Druckerei, Leipzig) [2] 306 Haaring & Schramm (Buchbinderei, Leipzig) [2] 306 Haas, Otto s. auch Liepmannssohn [2] 435 f. Haas, Willy [1] 25, 181, 276 [2] 32, 97 – 99, 511 Habbel, Josef (Verlag, Buchh., Regensburg) [1] 449, 451 [2] 158, 164 Habbel, Ludwig [2] 129 Habermann, Max [2] 134 Hachette, Louis (Pressekonzern, Paris) [2] 478 Hachmeister & Thal (Verlag, Leipzig) [1] 371 Hadorff, Hermann (Druckerei, Berlin) [1] 473 Haecker, Theodor [2] 167 Haeder, Walter [2] 361 Haenisch, Konrad [1] 199 [2] 223 Haessel, H. (Verlag, Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 291, 353 Haeuser, Philipp [2] 162 f. Hagener Verlagsanstalt für Kunst und Kunstgeschichte (Hagen) [1] 502 Hahns Verlag, Alfred (Leipzig) [2] 202, 215 Hahn, von (Legionsrat) [2] 591 Hahnsche Buchhandlung (Verlag, Buchh., Hannover) [1] 380 [2] 227, 353 Hakenkreuz-Verlag (Dresden-Hellerau) [2] 126, 129, 132 Halbe, Max [1] 136 Halem, Export- und Verlagsbuchhandlung G. A. von (Bremen) [1] 275 [2] 46, 353, 626, 630 – 636 Halem, Otto von [1] 390 [2] 591, 631, 634 Hallberger s. Deutsche Verlags-Anstalt (Verlag, Stuttgart) Halle, Felix [2] 124 Halle, Ida (Antiquariat J. Halle, München) [2] 434 Haller, Margarete [2] 207 Hamann, Richard [1] 474, 504 [2] 47 Hamburg-Altonaer Buchhändler-Verein (Hamburg) [1] 253 [2] 491 Hamburg-Amerika-Linie GmbH Berlin (Buchh.) [2] 479 Hammerschmidt, Paul [1] 253 Hammer-Verlag Th. Fritsch (Leipzig) [2] 126, 130 f., 171
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Hammon, Rudolf Leonhard [1] 502 f. Hamsun, Knut [2] 47, 77, 135, 559 Handelshaus für Reise und Verkehr (Stuttgart) [2] 542 Hanfstaengl, Franz (Verlag, München) [1] 463, 469 f., 484, 486, 495 Hannemann, Ernst [1] 253 Hanseatische Verlagsanstalt (HAVA) (Hamburg) [1] 323 [2] 16, 76, 124, 134 f., 372 Hanser Verlag, Carl (München) [2] 78 f. Hanstein, Peter (Verlag, Bonn) [2] 158, 228 Hapag [2] 483 f. Harbou, Thea von [2] 59, 62 Hardekopf, Ferdinand [2] 39 Harden, Maximilian [2] 40 Hargens, Rudolf [1] 252 Harich, Walther [2] 53 f. Harnack, Adolf von [2] 153, 169 Harper & Brothers (New York) [2] 51 Harrassowitz, Hans [2] 420, 427, 598 Harrassowitz, Otto (Antiquariat, Exportbuchh., Verlag, Leipzig ) [2] 176, 420, 427, 598, 630 Harry, Myriam [2] 566 Hartleben, A. (Verlag, Wien, Leipzig) [2] 497 Harz, Benjamin (Verlag, Wien, Berlin) [2] 176, 444 Hase, Hellmuth von [1] 227, 512, 521 [2] 305, 318, 320 Hase, Oskar von [2] 304 Hasenclever, Walter [2] 22, 29 f., 32, 63, 273 Hassler, Bernhard [2] 31 Hatikwah (Verlag, Berlin) [2] 176 Hauff, Bruno [1] 241, 414 f. Hauff, Wilhelm [2] 195, 498, 559 Häufig, Ernst Moritz [1] 180 Haupt, Gunter [2] 135 Hauptmann, Carl [2] 29, 32, 38, 41 Hauptmann, Gerhart [1] 16, 19 f., 89, 91, 119, 130, 136, 164, 176, 188, 297, 476 [2] 4 – 7, 11 f., 56, 62 f., 66, 102, 441, 559, 625 Hausenstein, Wilhelm [1] 474 f. Hauser, Otto [2] 125 Häusler & Teilhaber (Versandbuchh., Stuttgart) [2] 452 Hausmann, Manfred [2] 9, 12 Hausmann, Raoul [2] 43 Hazoref (Verlag, Hamburg) [2] 176 Heartfield, John (Herzfeld, Helmut) [1] 328 f., 494 [2] 44 f., 114 f., 122, 260, 262, 389 Hebbel, Friedrich [1] 164 [2] 559 Heer, Jakob Christoph [1] 157 Heerdegen-Barbeck (Nürnberg) [1] 254 Hege, Walter [1] 475, 492 Hegemann, Werner [2] 242 Hegner, Jakob (Verlag, Hellerau b. Dresden) [1] 308, 313, 334 [2] 159, 167, 172 Heidelberger Vereinssortiment [2] 323 Heidenhain, Arthur [1] 208 Heiderich, Friedrich [2] 460 Heilborn, Adolf [2] 257 Heilborn, Ernst [2] 100
Gesamtreg ister zu Band 2 Heim Verlag (Berlin) [2] 528 Heimann, Moritz [2] 4, 32, 272 Heimbücherei des Wolframbundes (Dortmund) [2] 575 Heimeran, Ernst [2] 353, 379 Hein, Peter [2] 509 Heine, Heinrich [2] 75 Heine-Bund (Buchgemeinschaft, Berlin) [2] 396, 566 Heinrichshofen’s Verlag (Magdeburg) [1] 512 Heinsius Nachfolger, Eger & M. Sievers (Verlag, Leipzig) [2] 173 Heinz, Friedrich Wilhelm [2] 128 Heldt, Waldemar [1] 253 Hell, Günther (George Hill) [1] 499 Heller, Otto [2] 122 Hellmich, Waldemar [1] 422 f. Helmholtz, Hermann von [1] 202 Hemingway, Ernest [1] 16, 176 [2] 31, 37, 274, 498 Hempel, Johannes [2] 152 Henke, Friedrich [2] 460 Hennings, Bruno [1] 254 Henrici, Karl Ernst [2] 436, 441 Hentschel, Willibald [2] 127, 130 Herbig, F. A. (Verlag, Berlin) [2] 228 Herbig, Fr. Ludw. (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 291 Herbst, Wilhelm [2] 223 Herder (Verlag, Freiburg i. Br.) [1] 301, 441, 443 f., 449 – 451, 453 [2] 145, 157, 161 f., 189, 200, 226, 228, 372 Herder, Hermann [1] 250 f., 452 Hergesheimer, Joseph [2] 50 f. Hering, Christoph [2] 230 Herlet, Wilhelm [2] 453 Herlitz, Georg [1] 451 [2] 172 Hermann & G. E. Schulze, Bernhard (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 291 Hermann, Georg [1] 119, 180 [2] 134 Hermann, Wilhelm [2] 492 Hermann, Wolfgang [1] 76 Hermon (Verlag, Frankfurt a. M.) [2] 176 Herrmann, Alfred [1] 198, 215 Herrmann, H. S. (Druckerei, Berlin) [1] 473 Herrmann, Wilhelm [1] 252 Herrmann-Neiße, Max [1] 76 [2] 26, 94 Herz, Emil [2] 59 Herzfelde, Wieland [1] 16, 180, 289, 292 f., 483 f., 494 [2] 42 – 45, 114 f., 121, 214, 260, 262, 381, 388 f. Herzl, Theodor [2] 171 f. Herzog, Rudolf [1] 127, 136, 178 f., 187 Herzog, Wilhelm [2] 124 Heß, Albert [1] 226, 281, 302 [2] 300, 554, 576 f., 580 f. Hess, Gottlob (Antiquariat, München) [2] 434 Hesse & Becker (Verlag, Leipzig) [1] 19, 371 Hesse, Hermann [1] 16, 120, 157, 173, 213, 297 [2] 11 f., 98, 205 Hesse, Joseph [1] 253
653 Hesse’s Verlag, Max (Leipzig) [1] 512 Hessel, Franz [1] 320 [2] 30, 32 f., 69, 97, 273 Heyck, Hans [1] 177 Heyer, Wilhelm [2] 436 Heym, Georg [1] 335, 481 [2] 29 f. Heymann’s Verlag, Carl (Berlin) [1] 371, 387 f., 392, 417 – 420, 424 f. Heymel, Alfred Walter [1] 333 [2] 414 f., 440 Hielscher, Friedrich [2] 128 Hielscher, Kurt [1] 310, 476 Hiersemann, Anton [1] 246 [2] 420, 427 Hiersemann, Karl W. (Antiquariat, Exportbuchh., Verlag, Leipzig) [1] 381, 495 [2] 417 f., 420 f., 427, 591, 598, 630 Hildebrand, Dietrich von [2] 167 Hiller, Kurt [2] 41 Hillger, Hermann (Verlag, Berlin) [1] 371, 453 [2] 189 Hilpert, Heinz [2] 63 f. Himmler, Heinrich [2] 125 Hindenburg, Oskar [1] 68 Hindenburg, Paul von [1] 33, 50 f., 58, 65 – 69, 73, 82 [2] 127 Hinrichs’sche Buchhandlung, J. C. (Buchh., Verlag, Leipzig) [1] 227, 253 [2] 150, 153, 169, 173 Hinrichsen, Henri [1] 511, 521 Hinzelmann, Else [2] 198 Hirmer, Max (Verlag, München) [1] 463 Hirsch, Carl (Verlag, Konstanz) [2] 175 Hirsch, Emanuel [2] 151, 153 f., 156 Hirsch, Emil (Antiquariat, München) [2] 414, 420, 434, 598 Hirsch, Paul [2] 436 Hirschfeld, Max [1] 129 f. Hirschwald, August (Verlag, Berlin) [1] 395 Hirschwaldsche Buchh. (Antiquariat, Berlin) [2] 250, 430 f., 459 Hirt & Sohn, Ferdinand (Verlag, Leipzig) [1] 371 Hirt, Ferdinand (Verlag, Breslau) [2] 219, 226, 228 Hirth Verlag (München) [1] 333 Hirth, Georg [2] 39 Hirzel, Salomon (Verlag, Leipzig) [1] 371, 380 f., 398 [2] 124 Hitler, Adolf [1] 59, 64 – 69 [2] 114, 133, 462 Hobbing, Peter [2] 512 Hobbing, Reimar (Verlag, Berlin) [1] 388, 417 f., 424 f. Hobrecker, Karl [2] 197 Hoechstetter, Sophie [2] 558 Hoernle, Edwin [2] 116, 118, 213 Hofbauer-Verlag (Bonn) [2] 160 Hofer, Karl [1] 480 [2] 202 Hoffmann, Adolph [2] 140 Hoffmann, Ernst Theodor Amadeus [2] 59, 564 Hoffmann, Julius (Verlag, Stuttgart) [1] 488, 495 Hoffmann, Robert (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 303 Hoffmannsche Pappenfabrik GmbH (JesubornLeibis) [2] 306
654 Höflich, Lucie [2] 7 Höfling, Val. (Verlag, München) [1] 371 Hofmann & Co., A. (Verlag, Berlin) [1] 424 Hofmann, A. J. (Verlag, Frankfurt a. M.) [2] 176 Hofmann, Else [1] 170 Hofmann, Karl Andreas [1] 397 Hofmann, Walter [1] 75, 78, 167 f., 199, 201 – 204, 206 – 214 Hofmannsthal, Hugo von [1] 19 f., 92, 120, 130 [2] 18 f., 28, 69, 97, 102, 635 Hofmeister, Fr. (Musik-Grossbuchh., Leipzig) [2] 291 Hofmeister, Friedrich (Musikverlag, Leipzig) [1] 373, 512, 519, 524 [2] 130 Hoheneck-Verlag (Hamm) [2] 159 Hoheneichen-Verlag (München) [2] 133 Höhne, Herbert [1] 316 Hohner, Edition (Trossingen) [1] 514, 519 Holbein-Verlag (München) [1] 333, 495 Hölderlin, Friedrich [1] 123, 173 [2] 13, 41, 59 f., 74 Hölder-Pichler-Tempsky AG (Verlag, Wien) [1] 248, 372, 388, 416 [2] 353 Holitscher, Arthur [2] 212 Holl, Karl [2] 152 Holland & Josenhans (Stuttgart) [2] 173 Holländer, Ludwig [2] 171 Hollander, Walter von [1] 123 Hollerbaum & Schmidt (Graphische Anstalt, Berlin) [1] 472 Holm, Hans [2] 116, 118 Holm, Hermann [1] 446 Holm, Korfiz [2] 77 Holst, Adolf [2] 201, 204 Holten, Otto von (Druckerei, Verlag, Berlin) [1] 480 Holz, Arno [1] 85, 107 f. Hölz, Max [2] 119 Holzer, Martin [2] 17 Homer [2] 60 Homeyer, Fritz [2] 430, 510 Homuth, Karl [2] 332 d’Hooghe, Robert und Marianne [2] 361 Hoover, Herbert C. [1] 64 Hopmann, Josef [2] 565 Horath, Clara [2] 198 Horn, Camilla [2] 66 Hörsing, Otto [2] 124 Horváth, Ödön von [2] 63 Hosemann, Curt [2] 309 Hotopp, Albert [2] 124 Hoym Nachf. Louis Cahnbley, Carl (Verlag, Hamburg-Altona) [2] 117, 120 Hübel & Denck (Großbuchbinderei, Leipzig) [1] 311 Huber, Hermann [2] 164 Huber, Paul [2] 148, 164 Hübsch, Friedrich Ernst (Verlag, Berlin) [1] 496 Huch, Friedrich [2] 73 Huch, Ricarda [1] 104, 107, 125, 176, 201 [2] 15, 18, 20, 67, 71, 73, 559, 562
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Huch, Rudolf [2] 73, 135 Hueber, Max (Verlag, Buchh., München) [2] 160 Huelsenbeck, Richard [2] 42 f. Hüffer, Eduard [1] 251 Hugenberg, Alfred [1] 69, 109 Hugenberg-Konzern (Berlin) [2] 105 Hugendubel, H. (Buchh., München) [2] 360 Hugo, Victor [1] 172 [2] 498, 562 Huizinga, Johan [2] 40 Hülskamp, Franz [2] 148, 161 Humboldt, Wilhelm von [1] 142 Hünich, Fritz Adolf [2] 273 Hutten-Verlag (Berlin) [2] 175 Huxley, Aldous [1] 176 Hyperion-Verlag (München) [1] 495 [2] 29 f., 38 f. Ibsen, Henrik [2] 63 Immermann, Karl [2] 498 Industrial Press (New York) [1] 398 Insel-Verlag (Leipzig) [1] 105, 276, 301, 309, 311, 320, 323, 328, 333 f., 338, 371, 381, 478, 489 [2] 2 f., 18 – 22, 28, 47, 59, 67, 77, 194, 273, 444 Institut für Leser- und Schrifttumskunde (Leipzig) [1] 167, 174, 203, 207, 209, 211 f. Internationale Arbeiter-Hilfe [2] 573 Internationale Bibliothek [2] 499 Internationale Verlagsanstalt (Berlin) [2] 123 Internationaler Arbeiterverlag (Berlin) [2] 116 Iris Musik- und Theaterverlag (Recklinghausen) [1] 513 Iser (Grossobuchh., Berlin) [2] 331 Israelitische Verlagsanstalt (Stuttgart) [2] 176 Jacob, Hans [1] 180 Jacob, Heinrich Eduard [2] 33 Jacobi & Cie., Albert (Aachen) [1] 252 Jacobsohn, Edith [2] 95 f., 211 f. Jacobsohn, Siegfried [2] 95 f., 211 Jacoby, Kurt [1] 401 Jacoby, Lucia [2] 171 Jacques, Norbert [1] 176, 188 [2] 53, 62, 104 Jadassohn, Josef [2] 460 Jaensch, Walter [2] 353 Jäger, Oskar [2] 223 Jäh, Walther [1] 241, 243 Jahnn, Hans Henny [1] 119 [2] 3, 22 Jalkut (Verlag, Berlin) [2] 169, 176 Jannings, Emil [1] 18, 23, 189 [2] 62, 65 f. Jannsen, Alfred (Verlag, Hamburg) [2] 125 Jansen, Walter [2] 125 Janthur, Richard [1] 324 f. Janus Presse (Leipzig) [1] 334 Jaspers, Karl [1] 391 Jean Paul [2] 69, 75 Jensen, Johannes V. [2] 11 Jeßner, Leopold [2] 547 Jiwne (Verlag, Berlin) [2] 169 Joachim, Lothar (Verlag, Leipzig) [2] 563 Johannes-Verlag (Leutesdorf) [2] 159 Johndorff & Co. (Verlag, Berlin) [1] 183 Johst, Hanns [2] 77, 135 f.
Gesamtreg ister zu Band 2 Jolowicz, Leo [1] 400 f., 434 [2] 420, 429, 598 Jost, Heinrich [1] 313 Jüdische Buch-Vereinigung [2] 396 Jüdischer Verlag (Berlin) [2] 168, 171 f., 176, 395, 566 Jüdischer Volksschriften-Verlag (Berlin) [2] 176 Jugendbücherstube Walter Schatzki (Frankfurt a. M.) s. Bücherstube Walter Schatzki Jugendbund-Buchhandlung (Berlin) [2] 174 Junfermannsche Buchhandlung (Verlag, Paderborn) [2] 157 Jung, Franz [2] 44, 123 Jungdo (Jungdeutscher Orden) [2] 567 Junge Garde (Verlag, Berlin) [2] 112 Jünger, Ernst [2] 111, 128, 134 f., 429 Junglandbund [2] 567 Juni-Klub [2] 135 Juniperus Presse (Stuttgart) [1] 334 Junius-Verlag (Berlin) [2] 124 Junk, Wilhelm (Antiquariat, Berlin) [2] 419, 424, 429 f., 432 Jurovics, Samuel (Antiquariat, Berlin) [2] 437 Juwal (Verlag, Berlin) [2] 169, 176 Kaas, Ludwig [2] 141 Kaatz, Hugo [2] 33 Kabel, Walter [1] 171 Kabitzsch, Curt (Verlag, Leipzig) [2] 126, 132 Kaden & Comp. (Verlag, Dresden) [2] 198 Kaemmerer, Rudolf (Dresden) [1] 488 Kafka, Franz [1] 169 [2] 27, 29, 32, 39, 261 Kahnt, C. F. (Verlag, Leipzig) [1] 512 Kainer, Ludwig [1] 324 Kaiser, Chr. (Verlag, München) [2] 155 f., 173, 353 Kaiser, Georg [2] 5, 22 f., 25 – 27, 48 Kaliski, Julius [2] 170 Kallmann, Max [2] 394 Kallmeyer, Georg (Verlag, Wolfenbüttel) [1] 512, 517, 519 Kamp, Ferdinand (Verlag, Bochum) [2] 159, 229 Kandinsky, Wassily [1] 482, 486, 502 [2] 77 Kanisiuswerk (Konstanz) [2] 160 Kant, Immanuel [2] 368 Kapp, Wolfgang [1] 38 f., 51, 66 Karger, S. (Verlag, Berlin) [1] 431 Karl-May-Verlag (Radebeul) [1] 170 [2] 199 Karlson, Paul [2] 258 Karlweis, Marta [2] 3 Karschies, Erich [2] 568 Karstadt, Rudolph (Warenhauskonzern) [2] 501 f., 511 Kartell lyrischer Autoren [1] 141 Kasack, Hermann [1] 189 [2] 22 f., 26, 271 – 273 Kästner, Erich [1] 16, 78, 110 f., 116, 121, 169 [2] 71, 96, 190, 196, 198, 212 – 214, 511 Kater Konzern [2] 113 Kater-Verlag, Fritz [2] 113 Katholische Buchgemeinde [2] 148 Katholische Buchhändlervereinigung [1] 250 f. Katz, Otto [2] 124 Kauer, Robert [1] 454
655 Kauffmann, Arthur [2] 74 Kauffmann, Felix [2] 169, 438 Kauffmann, I. (Buchh., Verlag und Antiquariat, Frankfurt a. M.) [2] 168 f., 176, 394, 396, 438 Kaufhaus des Westens (KaDeWe, Berlin) [2] 497, 499, 503, 511, 517 Kaufmann, M. W. (Verlag, Leipzig) [2] 176, 394 Kaufmann, Richard (Buchh., Stuttgart) [1] 254 Kaufmännischer Verband für weibliche Angestellte (E.V.) (Berlin) [2] 402 Kaus, Gina [2] 63, 197 Kautsky, Karl [2] 114 Kayser, Rudolf [2] 39, 102 Kaznelson, Siegmund [2] 171, 566 Kedem (Blumstein & Bronstein) (Buchh. Berlin) [2] 396 Keil, Ernst (Verlag, Leipzig) [2] 364 Keiter, Heinrich [2] 164 Keller, Gottfried [1] 157, 164, 295 [2] 47, 67, 72 Keller, Paul [1] 187 Kellermann, Bernhard [1] 108, 187, 297 [2] 11 Kellers Hofbuchhandlung, Max (München) [1] 254 Kelmscott Press (Hammersmith) [1] 498 Kempf, Hans [1] 253 Kempf, Hermann [2] 361 Kepplerhaus (Verlag, Stuttgart) [2] 160 Kerle, F. H. (Verlag, Buchh., Heidelberg) [2] 158 Kern, Maximilian [2] 106 Kerr, Alfred [1] 79, 111, 520 [2] 12, 56 Kerschensteiner, Marie [2] 561 Kersten, Paul [1] 310 Kesselringsche Hofbuchh. (Verlag, Frankfurt a. M.) [2] 228 Kessler, H. (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 306 Kessler, Harry Graf [1] 333, 335, 338, 500 [2] 19, 435 Kesten, Hermann [1] 176, 189 [2] 22, 273 Keun, Irmgard [1] 14, 169, 177 [2] 523 KI Verlag (Wien) [2] 118 Kiaulehn, Walter [2] 34, 258 Kiefl, Franz Xaver [2] 162 Kienitz, Roderich von [2] 474 Kiepenheuer, Gustav [2] 21 – 24 Kiepenheuer, Gustav (Verlag, Weimar, Potsdam, Berlin) [1] 16, 23, 80, 180, 190, 274 f., 294, 298, 301, 343, 479, 495 f. [2] 2, 5, 21 – 28, 37, 55, 112, 119, 209, 211, 271, 273, 444 Kiepenheuer, Gustav Bühnenvertrieb [2] 27 f. Kiepenheuer, Irmgard [2] 23, 211, 213 Kilpper, Gustav [1] 241, 275 [2] 70, 271, 591 Kipling, Rudyard [2] 47 Kippenberg, Anton [2] 18, 20 f., 29, 47, 273, 591 Kippenberg, Katharina [2] 18 Kirchheim & Co. (Verlag, Mainz) [2] 157, 165 Kirchner, Ernst Ludwig [1] 325, 335, 479, 481 Kirschner, Bruno [1] 451 [2] 172 Kirstein, Gustav [1] 89 f., 95, 227 [2] 591, 596
656 Kisch, Egon Erwin [1] 16, 111, 121, 320 [2] 27, 114, 122, 212, 261, 511 Kistner & C. F. W. Siegel, Fr. (Verlag, Leipzig) [1] 512, 520 Kittl, Julius Nachf., Keller & Co. (Verlag, Mährisch-Ostrau) [2] 31 Kittler, L. A. (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 291 Kläber, Kurt d. i. Kurt Held [2] 115 f. Klabund (d. i. Alfred Henschke) [1] 13, 104, 180 [2] 40, 48, 498 Klal-Verlag (Berlin) [2] 168, 170, 176 Klasing, Fritz-Otto [1] 249 Klatzkin, Jakob [1] 452 [2] 169 Klee, Paul [1] 479, 482, 486 [2] 77 Klein, Adolf Verlag [2] 131 Klein’sche, J. B. (Buchhandlung, Krefeld) [1] 253 Kleist, Heinrich von [2] 558 Klemm, Otto (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 120, 291 Klemm, Wilhelm [2] 122 Kleukens, Christian Heinrich [2] 20 Kliemann, Horst [1] 170, 225, 254 [2] 275, 356, 364, 372 – 374, 378 Klimsch, Robert [2] 163 Klinckhardt, Werner (Verlag, Leipzig) [1] 401 Klinger, Reinhard [2] 332 Klingspor Gebrüder (Schriftgießerei, Offenbach) [1] 313 Klingspor, Karl [1] 313, 338 Klinkhardt & Biermann (Verlag, Leipzig) [1] 477, 487 – 489, 493, 495 [2] 353 Klinkhardt, Julius (Verlag, Leipzig) [1] 371 [2] 228 Klinkhardt, Walter [2] 353 Klotz, Leopold [2] 353 Klotzbach, Rudi [2] 266, 491, 501 Knaur Nachf., Th. (Verlag, Berlin) [1] 15, 18, 154, 181, 293 – 296, 298, 453, 474 [2] 2, 10 f., 44 f., 47 – 54, 99, 244, 495, 497 Knickerbocker, Hubert [2] 37 Knieling, Lutz [2] 575 – 577 Knies, Richard [2] 165 – 167 Knopf, Alfred A. [2] 48 Knorr & Hirth (Verlag, München) [2] 528 Koch, Albert & Co. [2] 304 Koch, Henny [1] 170 [2] 187, 199 Koch, Neff & Oetinger (Kommissionsbuch., Leipzig) [2] 288, 309, 319, 327 f. Koch, Rudolf [1] 313, 315, 317 f. Koch-Gotha, Fritz [2] 202 Koebner, Franz Wolfgang [1] 183 Koehler & Volckmar (Kommissionsbuchh., Leipzig) [1] 271 f., 301, 449 [2] 283 f., 286, 288, 295, 303 – 308, 311, 313 f., 316 – 324, 327 f., 338, 353, 369, 426, 445, 630 Koehler, K. F. (Barsortiment, Leipzig) [2] 286, 292, 303 – 305, 316 Koehler, Kurt [1] 249 [2] 420 Koehler’s Antiquarium, K. F. (Leipzig) [2] 426 Koeltz, Maximilian (Leipzig) [2] 175
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Koezle, Gottlob (Verlag, Wernigerode) [2] 175 Kohlhammer, Marie [1] 409 Kohlhammer, W. (Verlag, Stuttgart) [1] 371, 388, 406, 409 f., 417, 419, 428 Kohlhammer, Walter [1] 410 Kokoschka, Oskar [1] 481, 500 Kolb, Annette [1] 169 Kolbenheyer, Erwin Guido [1] 121, 124, 323 [2] 16, 75, 135, 193, 635 Kollecker, Eugen [1] 307 Kollmann, Richard [2] 502 Kollwitz, Käthe [1] 480, 483, 500 Kolping Verlag (Köln) [2] 158 Komintern-Verlag [2] 120 Kommissionshaus deutscher Buch- und Zeitschriftenhändler (Leipzig) [2] 284, 328 f. Könnecke, Erich [2] 547 Könyves Kálmán (Verlag, Budapest) [1] 470 Konzentration AG (Druck- und Verlagskonzern, Berlin) [2] 383 f. Kordt, Theodor (Flensburg) [2] 174 Korff, Kurt [1] 325 Körner, Th. (Verlag, Altenburg) [1] 252 Körner, Walter [1] 252 Kornfeld, Paul [2] 5 Korporation der Berliner Buchhändler [1] 252, 254 Korsch, Karl [2] 123 Kortemeier, Siegfried [2] 81 Kösel & Fr. Pustet, J. / Kösel (Verlag, Kempten, München) [1] 371 [2] 148, 157, 161 f., 164, 198, 367, 445 Kosmos. Gesellschaft der Naturfreunde (Buchgemeinschaft) [2] 250 f. Kosmos-Verlag (Berlin) [2] 115 Kossinna, Gustaf [2] 126, 132 Köster, Hans [2] 73, 353 Kotzde-Kottenrodt, Wilhelm [2] 80 f. [2] 154 KPD-Verlag (Berlin) [2] 115, 117, 119, 123 Kracauer, Siegfried [1] 16, 121, 151, 165, 168, 176 [2] 9, 198 Kralik, Richard von [2] 164 Kramer, George (Verlag, Hamburg) [2] 176 Kraus, Karl [2] 38 Krause, Friedrich Ernst August [2] 152 Krayn, Moritz (Verlag, Berlin, Hamburg) [1] 393, 401 Kreidolf, Ernst [2] 201 f. Kreisverein der Rheinisch-Westfälischen Buchhändler (Hagen) [1] 239, 251 Kreisverein Mecklenburgischer Buchhändler (Rostock) [1] 239 Kreisverein Ost- und Westpreußischer Buchhändler (Königsberg) [1] 239 Krell, Max [2] 33, 35, 65, 272 Krey, Rudolf [2] 353 Krieck, Ernst [2] 128, 205 Kriedte, Arnold [1] 248 Kröner, (Gustav) Adolf (von) [1] 5, 223 f., 228, 237, 240 – 242, 244, 247 f., 265, 279 Kröner, Alfred (Verlag, Leipzig) [1] 105, [2] 3, 443
Gesamtreg ister zu Band 2 Kroner, Friedrich [2] 103 Kropff, Karl [1] 252 Krüger & Co. (Verlag, Leipzig) [2] 174 Krüger, Otto [1] 309 [2] 253 Krüss, Hugo Andres [1] 204, 220 Küas, Richard [2] 55 Kubin, Alfred [1] 324, 479 f. [2] 79 Kügelgen, Wilhelm von [1] 164 [2] 72 Kühlen, B. (Mönchen-Gladbach) [2] 157 Kühnemann, Eugen [2] 20 Kulturdienstbücherei des Vaterländischen Kulturdienstes [2] 567 Kummer, Eduard [2] 292 Kümpel, Gottfried [2] 75 Künstlerbund Karlsruhe (Karlsruhe) [1] 463 Kunze’s Nachf., C. G. (Verlag, Wiesbaden, Leipzig) [2] 223 Kürschner, Joseph [2] 440 Kurtz, Hermann [2] 353 Kurz, Isolde [2] 20, 75 Kutzer, Ernst [2] 201 f. Kyrios (Verlag, Graz) [2] 159 Kyser, Hans [1] 137 L’Art Ancien (Antiquariat, Lugano) [2] 433 Labisch, Richard (Graph. Anstalt, Berlin) [1] 472 Ladewig, Paul [1] 204 Lafargue, Paul [2] 114 Lagarde, Paul de [1] 200 Lagerlöf, Selma [2] 20, 47, 77, 559 Lahn Verlag (Limburg) [2] 159 Lambertus-Verlag (Freiburg) [2] 159 Lamm, Louis (Antiquariat, Verlag, Berlin) [2] 176, 437 Lammeyer, Joseph [1] 454 Lampart, Theodor (Verlag, Augsburg) [2] 159, 164 Lampe-Vischer, Carl Victor [1] 396 Lamprecht, Gerhard [2] 212 Lanckoronska, Maria [2] 360 Landauer, Gustav [1] 173 Landauer, Walter [2] 26, 28 Landesverband Ungarischer Verleger und Buchhändler (Budapest) [1] 239, 249 Landshoff, Fritz Helmut [2] 22 – 24 Lang, Fritz [1] 14, 16, 22, 188 [2] 59, 62, 104 Langbehn, Julius [1] 200 Lange, Tönjes [2] 459 f. Langen, Albert [2] 271 Langen, Albert (Verlag, München) [1] 22, 491, 495 [2] 9, 16, 40, 62, 76 – 78, 133 Langenbucher, Hellmuth [2] 135 Langen-Müller (Verlag, München) [2] 76 – 79, 133, 135 Langenscheidt (Verlag, Berlin) [2] 242, 263 f. Langenscheidt, Carl Gustav Felix [2] 263 Langenscheidt, Gustav [2] 263 Langewiesche(-Brandt), Wilhelm (Verlag, Ebenhausen) [2] 47, 71 – 73 Langewiesche, Dora [2] 280
657 Langewiesche, Karl Robert (Verlag, Königstein im Taunus) [1] 489, 493, 495 [2] 71, 280, 369 f., 375, 621 – 623 Langewiesche, Rosa [2] 280 Langgässer, Elisabeth [2] 167 Lania, Leo [2] 261 Lanzenberger, Eduard (Buchh.) [2] 458 Laotse [2] 134 Lasally (Graph. Anstalt, Berlin) [1] 473 Lask, Ernst [2] 153 Lasker-Schüler, Else [1] 125, 481, 500 [2] 42 Lassen, August [2] 556 Last, Albert (Leihbibl., Wien) [2] 516 Latzki-Bertoldi, Zeev Wolf [2] 170 Laub, Emmanuel [2] 124 Laube, Oskar (Verlag, Buchh., Dresden) [2] 126 Laubsche Verlagsbuchhandlung (Berlin) [2] 572 Lauckner, Rolf [2] 53 Lauensteiner Tafelrunde [2] 203, 353, 355 – 357, 373 Laumann (Verlag, Dülmen) [2] 157 Laupp’sche Buchhandlung, H. (Verlag, Buchh., Tübingen) [1] 404, 409, 415 Lausch und Zweigle (Verlag, Stuttgart) [1] 514 Lax, August (Verlag, Hildesheim) [2] 158 Leblanc, Maurice [2] 50, 52 Lederer, Walther [1] 159, 163 Ledig-Rowohlt, Heinrich Maria [2] 36 f. Leede, C. F. (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 292 Lehmann, Bernhard [1] 245 Lehmann, Wilhelm [2] 71 Lehmann’s Verlag, J. F. (Verlag, München) [1] 371, 388, 415, 428 [2] 78, 124, 127, 132 Lehrberg & Co., M. (Verlag, Druckerei, Frankfurt a. M. [2] 169 Leibniz-Buchhandlung (Berlin) [2] 117 Leihbücherei am Alexanderplatz [2] 504 Leipart, Theodor [1] 68 Leipziger Buchhändlerverein [1] 242, 246 Leipziger Kommissionshaus [2] 328 Lempp, Albert [2] 155 f., 353 Lenin (Wladimir Iljitsch Uljanow) [1] 174 [2] 114, 117 f., 122 f. Lenz, Fritz [2] 132 Leo XIII. (Papst) [2] 162 Leonardo da Vinci [2] 47 Leonhard, Rudolf [2] 26 f., 41, 114 Leroux, Gaston [2] 60 Lersch, Heinrich [2] 71 Lesch & Irmer Verlag (C. Schaffnit Nachf.) (Düsseldorf) [2] 175 Leskien, August [1] 446 Lesser (Einkaufshaus, Berlin) [2] 402 Lesser, Hans [1] 210 Lessing, Theodor [2] 27, 172 Leuckart, F. E. C. (Verlag, Leipzig) [1] 512 f. Levi, Paul [2] 119, 123 Levin, Julius [1] 180 Levin, Rudolf [1] 254 Levin, Schmarja [2] 169
658 Levy & Co. (Bankhaus) [2] 23 Levy & Müller (Verlag, Stuttgart) [2] 198, 206, 215 Lewin-Dorsch, Eugen [2] 214 Lewis, Sinclair [2] 31, 37, 39 Leyen, Friedrich von der [2] 195 Leyh, Georg [1] 204, 217 Library of Congress [2] 438 Licho, Edgar [2] 7 Lichtenberg & Bühling (Buchh., Magdeburg) [1] 253 Lichtenberger, Franz [2] 189 Lichtkampf-Verlag (Heilbronn) [2] 129 Lichtwark, Alfred [1] 497 f. Liebermann, Max [1] 334, 336, 496 – 500, 502 Liebisch, Alexander [2] 420, 429, 598 Liebisch, Bernhard (Antiquariat, Leipzig) [2] 429 Liebknecht, Karl [1] 31 [2] 116, 213 Lieblich, Karl [2] 14 Liebmann, Otto (Verlag, Berlin) [1] 417 f. Lienau, Robert Heinrich [1] 512 Lienhard, Friedrich [1] 127 Liepmannssohn, Leo (s. auch Haas, Otto) (Antiquariat, Berlin) [2] 435 f. Lilien, Ephraim Mose [2] 171 Liliencron, Detlef von [2] 71 Limbarth, Chr. (Verlag, Wiesbaden) [2] 228 Lincke, Paul [1] 520 Linda-Verlag (München) [2] 129 Lindner, P. E. (Großantiquariat, Leipzig) [2] 443 Lindner, Wilhelm (Druckerei, Berlin) [1] 473 Lingenbrink, Georg (Barsortiment, Hamburg) [2] 319 Linke, Max [2] 16, 578 Linnemann, Carl [1] 243 Linnemann, Richard [2] 591 Linos-Verlag (Berlin) [1] 514 Lintz, Eduard (Verlag, Düsseldorf) [2] 105 Lipperheidischer Modenverlag [2] 254 Lipsius & Tischer (Buchh., Kiel) [2] 353 Lipsius, Hanns [2] 353 Lissa, Georg (Antiquariat, Berlin) [2] 440 Lissitzky, El [1] 320, 493 f. List & Francke (Antiquariat,Verlag, Leipzig) [2] 429 List & von Bressensdorf (Verlag, Leipzig) [2] 228 List, Guido von [2] 126 List, Paul (Verlag, Leipzig) [1] 276 [2] 353, 498 Listig, Hugo von [2] 97 Literaria GmbH (Leipzig) [2] 306 Literarische Anstalt AG (Budapest) [1] 249 Literarische Anstalt Minerva Hille & Co. (Stuttgart) [2] 452 Literarisches Büro der KPD [2] 387 Lithographisch-artistische Anstalt München, vorm. Gebrüder Obpacher AG (München) [1] 470 Litolff’s Verlag, Henry (Braunschweig) [1] 512 Litteraturstelle der Agitprop der kommunistischen Bezirksleitung Südbayern (Buchh., München) [2] 387
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Loele, Kurt [2] 363, 465 Loerke, Oskar [1] 120, 190 [2] 9, 26, 272 Loewe, J. R. [2] 420, 430, 598 Loewes Verlag, Ferdinand Carl (Stuttgart) [2] 189, 200, 202 Löffler, G. (Verlag, Buchh. Riga) [1] 249 Lofting, Hugh [2] 212 Lohr, Anton [2] 148 Lokalverein der Buchhändler in Aachen [1] 252 London, Jack [1] 164 f., 172, 177 [2] 20 Löns, Hermann [1] 157, 164, 170 – 172, 178 [2] 14 – 17, 20, 199 Loon, Henrik Willem van [2] 258 Lorentz, Alfred (Buchh., Antiquariat, Leipzig) [2] 429 Löwensohn, Gerson (Verlag, Fürth) [2] 495 Löwensohn, Gustav [1] 249 Löwenstein, Ottilie [1] 419 Löwenstein, Otto [1] 419 Lowe-Porter, Helen Tracy [2] 48 Löwis of Menar, August von [1] 332 [2] 357, 373, 596 Löwit, R. (Großbuchh., Wien) [2] 443 Lubarsch, Otto [2] 460 Luckner, Felix Graf von [1] 170 f. Ludendorff, Erich [2] 131, 390 Ludendorff, Mathilde [2] 131 Lüdtke, Gerhard [1] 392 Ludwig, Emil [1] 157, 164 [2] 5, 31, 33 – 36, 98, 242, 259 f. Lühe & Co. (Barsortiment, Leipzig) [2] 319 Lumbeck, Emil [1] 328 Lustig, Hugo von [2] 30 – 32 Luther, Hans [1] 42 Luther, Martin [2] 131, 141 Luther-Akademie Sondershausen [2] 154 Luther-Gesellschaft [2] 154 Lutherischer Bücherverein (Breslau) [2] 174 Lutz Verlag (Stuttgart) [2] 353 Lutz, Robert [2] 353 Luxemburg, Rosa [1] 31, 500 [2] 114, 118, 123 Lysinski, Edmund [2] 364 MacCallum, Thomas Watson [2] 69 Machiavelli, Niccolò [2] 13, 75 Mack, Max [1] 183 Madeleine, Marie [1] 179 Maeterlinck, Maurice [2] 15 f. Maggs Bros. (Antiquariat, London) [2] 429 Mahlau und Waldschmidt (Verlag, Frankfurt a. M.) [1] 401 Mahrholz, Werner [2] 52 Maier, Otto (Grossobuchh., Leipzig) [2] 326 Maier, Otto (Verlag, Leipzig) [1] 404 Maillol, Aristide [1] 479 Maiwald, Georg [2] 519 Majakowski, Wladimir W. [2] 43, 114 Malewitsch, Kasimir [2] 77 Malik Verlag (auch Buchh., Berlin) [1] 16, 80, 181, 289, 301, 328, 338, 469 f., 483 f., 494 f. [2] 41 f., 44 f., 49, 112, 115, 119, 121, 123, 196, 213 f., 260 – 262, 388 f., 444
Gesamtreg ister zu Band 2 Manet, Édouard [2] 69 Mann, Erika [2] 9, 198 Mann, Gebrüder (Buchdruckerei und Verlag, Berlin) [1] 495 Mann, Golo [2] 96 Mann, Heinrich [1] 22 f., 76, 78 f., 100, 113, 117, 119, 121 f., 126, 130, 136, 169, 176, 188, 201 [2] 24, 38, 41, 60, 62, 77, 98, 114, 134, 258 Mann, Klaus [1] 120, 179, 182 [2] 9, 12 Mann, Thomas [1] 6, 15 – 17, 19, 74, 78 f., 108, 111, 119 – 121, 130, 136, 157, 164, 169, 172, 179, 191 f., 201, 295 f. [2] 10, 12, 48, 51 – 54, 65, 67, 71, 97, 102, 625 Manz, G. J. (Verlag, Regensburg) [2] 157, 162 f. Manz’sche Buchhandlung (Wien) [2] 353 Manzoni, Alessandro [2] 60 Marc, Franz [2] 434 Marchwitza, Hans [2] 111 Marck, Siegfried [2] 256 Marcus & E. Weber’s Verlag, A. (Berlin) [1] 393 Marcus, S. (Verlag, Harburg a. d. E.) [2] 176 Marcus, Theodor [1] 227 [2] 403 Marcuse, Ludwig [1] 182 Marées, Hans von [2] 68 Marhold, Carl (Verlag, Halle/Saale) [1] 243 Marie Antoinette [2] 19 Maril, Konrad [2] 5 Mark, Otto (Buchh., Rudolstadt) [2] 237 Markert, Karl (Antiquariat, Leipzig) [2] 429 Marlitt, Eugenie [1] 179, 203 Martin, Alfred von [1] 408 Martinbauer, Josef [2] 70 Marx, Karl [1] 78, 174, 292, 294, 407 [2] 119 Marx, Wilhelm [1] 42, 108 Marx-Engels-Verlag (Berlin) [1] 407 [2] 119 Marxistische Arbeiterbuchhandlung (München) [2] 387 Marxistische Büchergemeinde (Berlin) [2] 572 – 574 Marxistische Verlagsgesellschaft (Berlin) [2] 572 Maschler, Kurt [2] 212 Masereel, Frans [1] 330, 335, 479 f., 483 Mathéy, Georg Alexander [1] 333 Matschoß, Conrad [1] 422 Matthes, Erich (Verlag, Leipzig) [2] 126 – 130, 132 Matthias-Grünewald-Verlag (Mainz) [2] 159, 161, 165 – 167 Matthiessen, Wilhelm [2] 201, 203 Matuschka, Franz Graf von [2] 556 Maupassant, Guy de [2] 39, 505 Maurenbrecher, Max [2] 125, 152 Maurer & Dimmick (Druckerei) [2] 116 Maurice, Chéri(e) (eig. Charles Maurice Schwartzenberger) [2] 547 Mauritius-Verlag Ernst Mayer (Berlin) [2] 31, 198 Maurois, André [2] 69 Maus, Wilhelm [1] 250 [2] 390 Mausbach, Joseph [2] 162 Maximilian-Gesellschaft (Berlin) [1] 336 [2] 432
659 Max-Röder-Stiftung [1] 227 May, Joe [2] 59 May, Karl [1] 170, 172, 203 [2] 55, 187 Mayer & Müller (Buchh., Berlin) [1] 400 Mayer, Otto [2] 430 Mayer, Paul [2] 29 f., 273 Mayer-Cohn, Alexander [2] 441 Mecklenburg, Eugen [2] 441 Mecklenburg, Günter [2] 441 Meffert, Carl [1] 481 Mehring, Franz [2] 114 Mehring, Walter [2] 22, 33, 53 f. Meid, Hans [1] 324, 500 Meidinger’s Jugendschriften Verlag (Berlin) [2] 189, 200, 498 Meidner, Ludwig [2] 26 Meier Rothschild, Anselm [2] 394 Meier-Graefe, Julius [1] 497 [2] 5, 68 f. Meincke Verlagsbuchhandlung, J. (Neuwied) [2] 175 Meiner, Arthur [1] 223, 235, 410, 413, 432 [2] 591, 596 Meiner, Felix (Verlag, Leipzig) [1] 227, 276, 371, 388, 405, 410 – 412 [2] 353 Meinfelder, Peter Rudolf [2] 573 Meisel & Co., Edition (Berlin) [1] 514, 520 Meisenbach, Riffarth & Co. – Graphische Kunstanstalt (Berlin) [1] 470, 472 f. Meisl, Willy [2] 257 Meissen, Conny [2] 210 f., 213 Meißner & Buch (Kunstdruckverlag, Leipzig) [1] 463, 471 Meister Eckehart [2] 13 Meister, Oskar (Verlag, Werdau) [2] 528 Meister, Wilhelm d. i. Paul Bang [2] 132 Melcher, Hans [2] 362 Melville, Herman [2] 49, 51 Mendelsohn, Erich [1] 324 Menorah (Verlag, Berlin) [2] 176 Menz, Gerhard [1] 166, 226, 228, 259 f., 268, 276, 279 f., 300 f., 426 [2] 46, 92, 135, 292, 356 f., 373, 378, 415, 422, 612, 623 Mereschkowski, Dimitri [2] 47 Merseburger, Carl (Verlag, Berlin, Leipzig) [1] 512, 520 [2] 228 Merseburger, Georg [1] 253 Merz, Georg [2] 156 Meshdunarodnaja Kniga (Moskau, Berlin) [2] 629 Messerschmidt, W. [1] 254 Metzger, Ilse [2] 362 Metzger, Rudolf [2] 362 Metzlersche Verlagsbuchhandlung, J. B. (Stuttgart) [1] 243, 385 [2] 353 Meyer & Comp., A. (Verlag, Berlin) [1] 513 Meyer Presse, Alfred Richard (Berlin) [1] 333 Meyer, Carl (Gustav Prior) (Hannover) [2] 228, 238 Meyer, Conrad Ferdinand [1] 157, 164, 295 Meyer, Edmund [2] 435 Meyer, Erna [2] 462 Meyer, Friedrich (Antiquariat, Leipzig) [2] 429
660 Meyer, Georg Heinrich [2] 38, 353 Meyer, Hellmut & Ernst (Autographenh., Berlin [2] 441 Meyer, Herrmann [1] 450 Meyer, Max [2] 566 Meyer, Max Wilhelm [1] 167 Meyer, Oskar [2] 303 Meyer, Wilhelm [2] 103 Meyrink, Gustav [2] 38, 134 Michael, Friedrich [2] 273 Michaelis, Karin [2] 210 Michel, Hermann [1] 446, 455 Michel, Wilhelm [2] 42 Michow, Alfred [1] 515 Miegel, Agnes [2] 17, 193 Miethe, Käthe [2] 203 Mignon-Verlag (Dresden) [1] 370 Mihaly, Jo [2] 206 Milestone, Lewis [2] 62 Milkau, Fritz [1] 216 Milne, A. A. [2] 212 Mimir-Verlag (Stuttgart) [2] 129 Minden-Ravensbergische Erweckungsbewegung [2] 154 Ministerium der Wissenschaft, Kunst und Volksbildung (Preußen) [2] 223 Mirbt, Rudolf [2] 156 Missionshandlung (Hermannsburg) [2] 173 Missionshaus Jerusalem (Hamburg) [2] 175 Missionshaus Knechtsteden, Abt. Verlag (Knechtsteden und Düsseldorf) [2] 174 Mittelbach, Franz [1] 254 Mitteldeutscher Buchhändler-Verband (Frankfurt a. M.) [1] 239 Mittelstaedt, Otto [1] 441, 447 f., 450 Mittler & Sohn, E. S. (Verlag, Berlin) [1] 371 [2] 127 Moeck, Hermann (Verlag, Celle) [1] 514, 519 Moeller van den Bruck, Arthur [2] 68, 124, 128, 135, 205 Moeschlin, Elsa [2] 204, 210 Mohler, Armin [2] 125 Mohn, Heinrich [2] 79, 80 f., 154 Moholy-Nagy, László [1] 319, 329, 482, 491 – 494 [2] 77, 211 Mohr (Paul Siebeck), J. C. B. (Verlag, Tübingen) [1] 236, 243, 384 f., 388, 404 – 406, 408 – 410, 413, 415 [2] 150, 152 – 154, 173 Molière, Jean-Baptiste Poquelin [2] 60 Molo, Walter von [1] 23, 76, 89, 124, 187, 192 [2] 559 Molzahn, Johannes [1] 24, 503 f. Mönckeberg-Volmar, Wilma [2] 195 Mondrian, Piet [2] 77 Monheit, Salomon (Schloime) [2] 395 Mönnich, Emil [1] 254 Montaigne, Michel de [2] 60 Mopr-Verlag (Berlin) [2] 112 Moreau, Clément [1] 481 Moreck, Curt [2] 41 Morgan, Charles [2] 71 Morgenstern, Christian [1] 157 [2] 273
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Moriah (Verlag, Odessa, Berlin) [2] 169, 395 Mörike, Eduard [1] 164 Morison, Stanley [1] 312 f. Moritz, Ernst Heinrich (Verlag, Stuttgart) [1] 254 Morris, William [1] 498 Moscheles, Ignaz [2] 436 Mosella (Verlag, Trier) [2] 159, 165 Moser, J. – Berliner lithographisches Institut (Berlin) [1] 473 Mosse, Rudolf [2] 96 Moufang, Wilhelm [2] 469 Muckermann, Friedrich [2] 52 Mühlen, Hermynia zur [2] 49, 214 Mühlmann, Richard Verlagsbuchhandlung (Clausthal-Zellerfeld) [2] 175 Mühlmeister, Ernst [2] 201 Mühsam, Erich [1] 130, 180, 189 [2] 115 Müller & (I.) Kiepenheuer (Verlag, Potsdam) [1] 496 [2] 211, 213 Müller & Co. (Verlag, Potsdam) [2] 211 Müller & Gräff (Buchh., Karlsruhe) [1] 253 Müller, Carl [1] 252 Müller, Georg (Verlag, München) [1] 320, 323, 334, 336, 371, 411, 504 f. [2] 2, 16, 22, 40, 54, 60, 74 – 76, 78, 133, 271, 444 Müller, H. W. (Verlag, Berlin, München) [2] 228 Müller, Hans [2] 74 Müller, Hermann [1] 42, 58 Müller, Wilhelm [1] 237 Müller’s, C. Ed. Verlagsbuchhandlung (Halle a. d. Saale) [2] 173 Müller-Freienfels, Richard [2] 558 Müller-Fröbelhaus, A. (Lehrmittelhandlung, Dresden und Leipzig) [2] 306 Müllers’ Verlag, Emil (Barmen) [2] 175 Münchener Buchhändler-Verein [1] 191, 239, 254 Münchener Literaturbeirat [1] 107 Münchhausen, Börries Freiherr von [2] 70, 193 Münchner Kommissionsbuchhandlung [2] 325 Münchner Sortimenter-Verein (München) [1] 254 Münchner Verband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels [2] 434 Mundt, Albert [2] 26 Münsterberg, Hugo [2] 363 Munz & Co. (Großantiquariat, Verlag, Leipzig) [2] 443, 528 Münzenberg, Willi [1] 494 [2] 114, 121 f., 124, 388 Münzenberg-Konzern [2] 113, 115, 573 f. Murnau, Friedrich Wilhelm [1] 18, 23, 188 [2] 7, 62, 65 f. Musarion-Verlag (München) [2] 38 Musikverlag »Deutschland« (Berlin) [1] 516 Musil, Robert [1] 16, 106 f., 125, 169 [2] 32, 37, 97 Musset, Alfred D. [2] 75 Mussolini, Benito [2] 124 Muth, Karl [2] 163, 164 Nabokov, Vladimir [2] 60 Nagel, Adolph (Verlag, Agentur, Hannover) [1] 512
Gesamtreg ister zu Band 2 Nahum, Jacob [2] 169 Nakoinz, Clemens [2] 364 Napoleon Bonaparte [2] 436 Nast, Clara [2] 170, 200 Nathan, Helene [1] 213 Nathanson & Lamm (Verlag, Berlin) [2] 169 Nauck, Paul (Großbuchh., Berlin) [2] 332 Naumann, Friedrich [2] 207 Naumann, Justus (Verlag, Leipzig) [2] 173 Naumann, Louis (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 292, 326 Nebehay, Gustav [2] 440 Neff & Koehler [2] 304 Nelissen-Haken, Bruno [2] 17 Nemnich, Friedrich [1] 253 Nesper, Eugen [2] 248 – 250 Neubauer, Friedrich [2] 223 Neubert, Albert [1] 253 Neuburger, Albert [2] 255 Neuer Deutscher Verlag (Berlin) [1] 328, 494 [2] 115, 121, 124, 573 Neues Leben (Verlag, Berlin) [2] 116 Neufeld & Henius (Verlag, Berlin) [1] 301 Neuhöfer, Sigfried [2] 74 Neuland-Verlag (Berlin) [2] 112 Neumann, Adolf [2] 273 Neumann, Alfred [1] 164 [2] 71, 361 Neumann, Heinz [2] 119 Neumann, I. B. s. Graphisches Kabinett Neumann’s, Verlag, August (Leipzig) [2] 173 Newman, John Henry (Kardinal) [2] 166 Nexö, Andersen [1] 177, 192 [2] 20 Niderlechner, Max [2] 430 Niederlage des Vereins zur Verbreitung christlicher Schriften (Dresden) [2] 174 Niemeyer, Hermann [1] 412 Niemeyer, Max (Verlag, Halle) [1] 385, 388, 405, 412, 429 Nierendorf, Karl (Galerie, Verlag, Berlin, Köln, Düsseldorf) [1] 475, 484, 496, 499 Nierenheim, Georg [1] 252 Nietzsche, Friedrich [1] 164, 200 [2] 13, 126 Niewöhner, Emil [2] 289, 329 Nipperdey, Thomas [2] 155 Nitschmann, Paul [1] 87, 235, 245, 252, 279 f. [2] 335 f. Noack, Otto [2] 16 Noertershäuser, Gisbert [2] 361 Noetzel, Otto Heinrich (Verlag, Wilhelmshaven) [1] 514 Nohl, Hermann [1] 204 Nölker, H. H. (Bordesholm) [2] 174 Nord, F. R. [2] 53 Norddeutsche Buchdruckerei und Verlagsanstalt (Berlin) [1] 424 Norddeutscher Lloyd (Reederei, Bremen) [2] 480, 483 – 485 Nordmeyer’sche Leihbibliothek (Hannover) [2] 502 Noske, Gustav [1] 32 [2] 124
661 Nössler & Co., Max GmbH (Buchh., Shanghai) [2] 306 Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft [1] 140, 217 f., 380 f., 398 Notgemeinschaft des Deutschen Schrifttums [1] 135, 141 Novalis (d. i. Friedrich von Hardenberg) [2] 564 Nürnberger Buchhändler-Verein [1] 254 O’Neill, Eugene [2] 9, 102 Oelfken, Tami [2] 211 Oeltze, Otto [2] 80 Oestergaard, Alfred [1] 448 Oestergaard, Peter J. (Verlag, Berlin) [1] 448 f. [2] 562 Officina Fabri [2] 26 Officina Serpentis [2] 31 f. Offterdinger, Annie [1] 324 Ognjew, Nikolai [2] 214 Olbrich, Wilhelm [2] 275 – 278 Oldenbourg, Alexander [1] 306 Oldenbourg, Friedrich [1] 19 f., 88, 223, 247, 273, 338, 383, 428, 432 [2] 353, 527, 613 Oldenbourg, Paul [1] 243 [2] 591 Oldenbourg, R(udolf) (Verlag, München) [1] 225, 243, 308, 371, 381, 384 f., 387 f., 412 f., 428 [2] 145, 149, 226, 228, 230, 353, 372 Oldenburg, Ernst (Verlag, Leipzig) [2] 114 Olfer, Sybille von [2] 202 Olschki, Leo S. [2] 433 Omanut-Verlag (Moskau, Bad Homburg, Tel Aviv) [2] 169 Ompteda, Georg von [1] 177 Opatoschu, Josef [2] 566 Opetz, Wilhelm (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 292 Ophir (Verlag, Berlin) [2] 176 Orell Füßli (Verlag, Zürich) [1] 372 Ortega y Gasset, José [2] 102 Orth, Alexander [1] 226 Ortsgruppe Berlin des Reichsverbandes Deutscher Buch- und Zeitschriftenhändler [1] 252 Ortsgruppe der Buchhändler in Worms [1] 254 Ortsgruppe Essen der dem Börsenverein der deutschen Buchhändler angehörenden Firmen [1] 253 Ortsverein Bielefelder Buchhändler [1] 252 Ortsverein Bremer Buchhändler [1] 252 Ortsverein der Ansbacher Sortimentsbuchhändler [1] 254 Ortsverein der Buchhändler in Elberfeld-Barmen und Vereinigung der Buchhändler des bergischen Landes [1] 252 Ortsverein der Buchhändler in Hannover-Linden [1] 253 Ortsverein der Buchhändler in Hildesheim [1] 253 Ortsverein der Buchhändler in Münster [1] 254 Ortsverein der Würzburger Buchhändler [1] 254 Ortsverein der Zwickauer Buchhändler [1] 254 Ortsverein Göttinger Buchhändler [1] 253 Ortsverein Lübecker Buch-, Kunst- und Musikalienhändler [1] 253
662 Ortsverein Osnabrücker Buchhändler [1] 254 Ortsvereinigung der Bayreuther Buchhändler [1] 252 Osiander’sche Buchhandlung (Verlag, Tübingen) [2] 175 Ossenbach, Hans [2] 556 Ossietzky, Carl von [1] 122, 180 [2] 95, 212 Osswald, Eugen [2] 229 Ost und West (Verlag, Berlin) [2] 177 Österreichischer Staatsverlag (Wien) [1] 372 Ostertag, Ferdinand (Berlin) [2] 177 Osthaus, Karl Ernst [1] 502 – 504 [2] 360 Ostwald, Wilhelm [1] 310, 401 – 404 Oswalt, Wilhelm Ernst [2] 273 Ottens, J. J. – Verlag der Künstler-Selbsthilfe (Berlin) [1] 496 Otto, Rudolf [2] 155 Ottwalt, Ernst [2] 261 Paasche, Hans [1] 173 Pacheles, Wolf (Buch- und Kunsth., Prag) [2] 395 Paetel, Gebrüder (Verlag, Berlin u. Leipzig) [1] 243 Paetel, Georg [1] 87, 241, 243 Paetel, Karl O. [2] 129 Pallas-Verlag (Berlin) [1] 463, 470 Palliere, Aime [2] 566 Pallotti Verlag (Friedberg b. Augsburg) [2] 160 Panofsky, Erwin [1] 477, 490 Pantelejew, Leonid [2] 214 Pantheon Books Inc. (Verlag, New York) [2] 39 Pantheon Casa Editrice (Verlag, Florenz) [2] 39 Papen, Franz von [1] 42, 66 – 69 [2] 128 Papke, Käthe [2] 81 Paquet, Alfons [2] 14 Paramount Pictures [2] 51 Parey, Paul (Verlag, Berlin) [1] 371, 387 f., 404 f., 409, 424 Parnassos-Verlag (Berlin) [2] 499 Parzeller & Co (Verlag, Fulda) [2] 158 Paschke, Max [1] 226, 252, 254, 257 [2] 274 f., 278 Pastor, Ludwig [2] 161 Patmos (Verlag, Düsseldorf) [2] 159 Pattloch, Paul (Verlag, Würzburg) [2] 157, 165 Paulinus-Druckerei (Verlag, Trier) [2] 158 Paulus Verlag K. Bitter (Recklinghausen) [2] 160 Pechel, Rudolf [2] 102 Pechstein, Max [2] 60 Penner, Fritz [1] 253 Peppmüller, Robert (Buchh., Göttingen) [1] 253 Peregrin-Verlag (Berlin) [2] 202 Perl, Max (Antiquariat, Auktionshaus, Berlin) [2] 432, 440 Perles, Moritz (Verlag, Buchh., Wien) [1] 372 Persitz, Schoschanna [2] 169 Perthes, Friedrich Andreas (Verlag, Gotha) [2] 70, 173, 189, 199, 215, 353 Perthes, Friedrich Christoph [2] 355 Peter, J. P., Gebr. Holstein (Verlag, Rothenburg o. d. Tauber) [2] 173 Peter, Karl [2] 460
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Peters, C. F. (Verlag, Leipzig) [1] 511 – 513, 515, 518 – 521, 524, 526 Peters, Walter [1] 252 Petersen, Julius [2] 20 Peterson, Bruno [2] 116 Petronius [2] 28 Petters, Kurt [2] 429 Peuvag (Papier,- Erzeugungs- und VerwertungsAG) [2] 113, 117 Pfeiffer, Heinrich [2] 592 Pfeiffer, Hermann [2] 309 – 311, 319 Pfeiffer, J. (Verlag, München) [2] 158 Pfeil, Carl [1] 254 Pfemfert, Franz [2] 91, 119, 123 Pfister, Kurt [1] 475 Philippe, Charles-Louis [2] 39 Philo-Verlag (Berlin) [2] 168, 170, 176 Phöbus Verlag (Berlin) [2] 120 Phönix (Druckerei, Berlin) [1] 473 Phönix-Verlag (Berlin) [2] 112, 115 Photographische Gesellschaft (Berlin) [1] 463, 470, 486 Pieck, Wilhelm [2] 116 Pieper, Josef [2] 167 Pilger Druckerei (Speyer) [2] 159 Piloty [2] 434 Pindar [2] 60 Pinder, Wilhelm [1] 475, 477 Pinner, Erna [1] 324 Pinthus, Kurt [2] 29 f., 38, 273 Piper & Co., R. (Verlag, München) [1] 323, 471, 474 f., 480, 484, 486, 495 [2] 4, 40, 68 – 70, 124, 353 Piper, Reinhard [2] 353 Pirandello, Luigi [1] 176 Piranesi, Giovanni Battista [2] 18 Pius XI. (Papst) [2] 141 Planck, Max [1] 197, 380 Plate, Oberbibliothekar [2] 322 Plättner, Karl [2] 124 Plenzat, Friedrich [1] 333 Plievier, Theodor [1] 177 [2] 44 f., 261 Ploetz, Alfred [2] 132 Plotin [2] 13 Poe, Edgar Allan [2] 49 Poeschel & Trepte (Verlag, Druckerei, Leipzig) [1] 308 [2] 26 Poeschel, Karl Ernst [1] 312, 338 Pohl, Gerhard [1] 81, 121 Polenz, Wilhelm von [1] 169 Polgar, Alfred [1] 179 [2] 31 Poljakoff, Solomon [2] 566 Ponten, Josef [1] 124, 191 [2] 71 Popert, Hermann M. [1] 173 Popp, Josef [2] 148 Poppelauer, Moritz (Moses) (Verlag, Buchh., Antiquariat, Berlin) [2] 168, 176, 395, 437 Porges, Oscar [2] 394 Porten, Rosa [1] 183 Prager, Max (Großbuchh., Leipzig) [2] 292, 326, 330
Gesamtreg ister zu Band 2 Präger, Max Mayer [2] 443 Prager, Robert – Berliner Phototyp. Institut (Berlin) [1] 473 Predeek, Albert [1] 219 Preetorius, Emil [1] 191, 311, 476 [2] 359, 434 Preißler, Joseph (Verlag, München) [1] 514 Presber, Rudolf [2] 71 Preuß & Jünger (Buchh., Breslau) [1] 252 Preußische Akademie, Sektion für Dichtkunst/Literatur (Berlin) [1] 124 Preußische Staatsbibliothek (Berlin) [1] 204, 215 – 217, 220, 380 Promachos-Verlag (Bern) [2] 117 Propyläen Verlag (Berlin) [1] 155, 301, 466, 469, 474 f., 477, 479 f., 482, 496 [2] 22, 57, 60, 63, 74, 257, 444 Proust, Marcel [2] 27, 69, 102 Provinzialverein der Schlesischen Buchhändler (Breslau) [1] 239 Püschels, Verlag und Sortiment, E. W. (Neudietendorf, Gotha) [2] 175 Pustet, Friedrich [1] 251 Pustet, Friedrich (Verlag, Regensburg) [2] 157, 164 Quelle & Meyer (Verlag, Leipzig) [1] 371, 387 f. [2] 226, 228, 353 Quelle, Richard [1] 270 [2] 284, 296, 353 Quell-Verlag der Evangelischen Gesellschaft (Stuttgart) [2] 173 Querschnitt-Verlag/Galerie Flechtheim (Berlin) [1] 481, 496 Quitzow, Otto [2] 378 Raabe, Wilhelm [1] 157, 164, 185 [2] 67 Räber & Cie. (Verlag, Luzern) [2] 157 Rackham, Arthur [2] 211 Rackhorst’sche Buchhandlung (Osnabrück) [1] 254 Radek, Karl [2] 117 Rahter, Daniel (Verlag, St. Petersburg, Leipzig) [1] 513 Rakette, Egon Helmut [2] 568 Ranke, Leopold von [2] 40 Rath, Philipp [2] 274 f., 278 Rathenau, Walter [1] 43, 81 [2] 124, 162 Rauch, Hermann (Druckerei, Verlag, Wiesbaden) [2] 166 Rauch, Karl [2] 99, 353 Rauch, Karl (Verlag, Dessau) [2] 129 Rauscher, Ulrich [1] 131 Rechtsschutzverein der Deutschen Sortimenter (Danzig) [1] 245 [2] 335 Reckendorf, Hermann (Verlag, Berlin) [1] 492 f., 496 Recklinghausen, Heinrich von [1] 317 Reclam, Ernst [2] 66 Reclam, Hans Emil [2] 66 Reclam, Hans Heinrich [2] 66 Reclam, Philipp jun. (Verlag, Leipzig) [1] 18, 190, 276, 371 [2] 2, 65 – 68, 124, 479, 497, 546, 581, 625 f. Redslob, Erwin [2] 211
663 Regensbergsche Verlagsbuchhandlung (Münster) [2] 157 Reger, Erik [2] 260 Reiche, Erwin [1] 180 Reichenau, Exzellenz von [2] 591 Reichl, Otto [2] 352 f. Reichsausschuss der Deutschen Mittelschicht [1] 141 Reichsausschuss für sozialistische Bildungsarbeit [2] 570 Reichsbund Deutscher Papier- und Schreibwarenhändler (Allenstein) [2] 550 Reichsdruckerei (Berlin) [1] 333, 477, 485 [1] 495 Reichskulturkammer [2] 526 Reichsschrifttumskammer (RSK) [2] 358, 532 Reichsschule des Deutschen Buchhandels [2] 358 Reichssicherheitshauptamt (RSHA) [2] 146 Reichsstelle für volkstümliches Büchereiwesen [1] 212 Reichsverband der Adressbuchverleger [1] 249 Reichsverband der Buchverleihe [2] 526 Reichsverband der Deutschen Lesezirkel-Besitzer [2] 529, 532 Reichsverband der Deutschen Presse [1] 141 Reichsverband des Deutschen Schrifttums [1] 107, 141 Reichsverband Deutscher Buch- und Zeitschriftenhändler (Berlin) [1] 238, 252 Reichsverband Deutscher Leihbüchereien (Berlin) [1] 95, 134 [2] 519, 525 f. Reichsverband Deutscher Zeitschriften-Verleger (Berlin) [1] 238, 242 Reichsverein Deutscher Kunstverleger und Kunsthändler (Berlin) [1] 238, 470 f. Reichswirtschaftsrat RWR [1] 86 f., 89 f., 95, 137, 139 f. Reichswirtschaftsverband der bildenden Künste [1] 85, 88, 137 Reichszentrale für naturwissenschaftliche Berichterstattung [1] 218 Reimann, Arnold [2] 230 Reimann, Hans [1] 179 [2] 96 Reimer, Georg (Verlag, Berlin) [1] 389 – 391, 393 Reimer, Hans [1] 243 Reinecke, Friedrich [2] 357, 364 f., 367 – 369, 373 f., 378 Reinhardt, Alfred [2] 309 Reinhardt, Ernst (Verlag, München) [2] 353, 614, 629 f. Reinhardt, Max [2] 56 Reinheimer, Sophie [2] 204, 207 Reinhold, Peter [2] 38 f. Reiniger, Lotte [2] 212 Reiss, Erich (Verlag, Berlin) [1] 16, 301, 328, 468, 479 f., 495 [2] 40, 112, 261 Reiß, Walter (Buchh., Berlin) [1] 236 Reissner, Larissa [2] 209 Remarque, Erich Maria [1] 7, 22, 78 f., 108, 155, 172, 175, 188, 283 [2] 24, 61, 75 Rembrandt van Rijn [2] 69
664 Rembrandt-Verlag (Berlin) [1] 466, 496 Remert, Theodor [1] 249 Rendtorff, Heinrich [2] 156 Renger-Patzsch, Albert [1] 324, 492 f., 504 Renn, Ludwig [1] 103, 109, 176 Rennebach, Heinrich [2] 353 Renner, Paul [1] 181, 311 – 313, 317 f., 323, 335 [2] 74 f., 98 Renoir, Pierre-Auguste [2] 69 Rentsch, Eugen Verlag (Erlenbach b. Zürich, München) [2] 353 Retzlaw, Karl [2] 117, 119, 124 Reuter, Fritz [1] 164 Reuter, Otto Siegfried [2] 126 Reuter-Friesland, Ernst [2] 123 Reuther & Reichard [1] (Verlag, Berlin) 411 Révai, Gebrüder [1] (Verlag, Budapest) 249 Rewald, Ruth [2] 206 Rhein, Eduard [2] 258 Rhoden, Emmy von [1] 170 [2] 187 Richter’sche Buchhandlung [1] (Zwickau) 254 Rickert, Heinrich [2] 153 Riefenstahl, Leni [1] 310 Rieger’sche Buchhandlung (Augsburg) [2] 357 Ries & Erler (Verlag, Berlin) [1] 513 Riesel, Karl [2] 479 Rieter-Biedermann, J. (Verlag, Leipzig) [1] 513 Rikola Verlag (Wien) [1] 396 Rilke, Rainer Maria [1] 334 [2] 18 f., 97 Rimon (Verlag, Berlin) [2] 169, 176 Ring, Grete [1] 501 Ring-Verlag Ernst Pieper (Düsseldorf) [2] 135 Risi-Ton-Verlag (Berlin) [1] 514 Ritschl, Otto [2] 151 Rittelmeyer, Friedrich [2] 155 Rjasanow, David [2] 119 Robert, Ernst (Buchh., Lübeck) [1] 253 Roblack, Otto [2] 5 Rodenberg, Julius [1] 182, 334 Röder, C. G. (Druckerei, Leipzig) [1] 306, 512 Röder, Max [1] 223, 227, 234, 238, 246, 253 Roeßle und Kieser (Druckerei, Stuttgart) [1] 410 Roh, Franz [1] 490, 493 f. Roland-Verlag (München) [2] 26 Rolland, Romain [2] 52, 114 Romains, Jules [2] 9 Romantische Gemeinde (Wien) [2] 564 Rombach, Otto [2] 71 Römmler & Jonas (Graph. Anstalt, Berlin) [1] 472 Ronsard, Pierre de [1] 336 Röntgen, Wilhelm Conrad [1] 197, 415 Rose, Felicitas (Rose Felicitas Moersberger) [1] 188 Rosegger, Peter [1] 169 [2] 60, 67, 386 Roselius, Ludwig [2] 634 f. Rosen, Gerd [2] 437 Rosenberg, Alfred [2] 133 Rosenberg, Heinrich (Antiquariat, Berlin) [2] 436 Rosenkranz, Hans [1] 293 Rosenthal, Erwin [2] 433
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Rosenthal, Jacques (Antiquariat, München) [2] 418 f., 433 f., 440, 445 Rosenthal, Ludwig [2] 418, 434 Rosenzweig, Franz [2] 172 Rosin, Hans [2] 568 Ross-Bromsilber-Vertriebs-G.m.b.H. [2] 549 Rössing, Karl [1] 324 Rössle, Robert [2] 460 Rost, David [1] 227 Rost, Gustav [2] 153 ROSTA (Rossiskoje telegrafnoje agentstwo) [2] 116 Rotapfel-Verlag (Erlenbach b. Zürich) [2] 202 Rot-blau Verlag (Berlin) [2] 528 Rote Fahne (Verlag, Berlin) [2] 115 Rote Gewerkschafts-Internationale [2] 112 Roth, Alfred [2] 126 Roth, Arnold [2] 568 Roth, Emil (Verlag, Gießen) [1] 411 Röth, Erich [2] 128 f. Roth, Joseph [1] 176, 201 [2] 24, 28, 32, 261 Rothacker Oscar (Buchh., Berlin) [1] 417 Rothe, Carl [2] 17 Rothgießer, Heinrich (Buch- und Straßenh.) [2] 540 Rothschild, A. (Buchh., Frankfurt a. M.) [2] 394 Rothschild, Gustav [1] 401 Rothschild, Jacob [2] 394 Rotochrom, Offset-Reproduktionsanstalt (Berlin) [1] 472 Rotophot AG für graphische Industrie (Berlin) [1] 472 f. Rowohlt, Ernst (Verlag, Berlin) [1] 15 f., 22, 77, 79, 105, 180 f., 289 – 293, 295, 301, 327 f. [2] 2 – 5, 21, 26 – 37, 39, 43, 55, 96 – 98, 112, 124, 198, 260 – 262, 273 f., 358, 443 f., 498 Rubiner, Frida [2] 117 Rubiner, Ludwig [2] 22, 273 Rudolph’sche Verlagsbuchhandlung (Dresden) [1] 252 Rühle & Wendling (Verlag, Leipzig) [1] 513 Rühle, Otto [2] 123 Rühle, R. (Verlag, Berlin) [1] 513 Rühle-Gerstel, Alice [2] 198 Rümann, Arthur [2] 434 Rund um die Welt Musikverlag (Dresden) [1] 513 Runestam, Arvid [2] 154 Runge, Kurt [2] 580 Rupprecht, Adolf [2] 383 Rupprecht, Emil [2] 461 Rupprecht-Presse (München) [1] 316, 333, 335 Ruprecht, Günther [2] 125, 150, 353 Ruprecht, Gustav [1] 249 [2] 150 f. Ruprecht, Hellmuth [2] 151 Ruprecht, Wilhelm [2] 150 f. Ruthenberg, Kurt [1] 249 Rütten & Loening (Verlag, Frankfurt a. M.) [2] 9, 19, 23, 198, 210, 273 Rüttgers, Severin [2] 189, 195, 203 Sabo, Carl (Druckerei, Berlin) [1] 473 Sacher, Hermann [1] 451
Gesamtreg ister zu Band 2 Sächsisch-Thüringischer Buchhändler-Verband (Magdeburg) [1] 239 Sack, Hermann (Verlag, Berlin) [1] 393 Saint-Exupéry, Antoine de [2] 9 Saitschek, Robert [2] 427 Sala (Graph. Anstalt, Berlin) [1] 472 Salle, Otto (Verlag, Berlin) [2] 228 Salman Schocken (Warenhaus) [2] 517 Salomon, Erich [1] 327 Salomon, Ernst von [2] 124 Salomon, Otto [2] 156 Salter, Georg [1] 328 [2] 11, 26 – 28, 371 Salter, Julius Berthold [2] 26 f. Salter, Lilly [2] 26 Salter, Norbert [2] 26, 28 Salvator-Verlag (Köln und Steinfeld) [2] 158 Salzer, Eugen (Heilbronn) [2] 174 Sander, August [1] 324, 492 Sänger & Friedberg (Verlag, Frankfurt a. M.) [2] 176 Sänger, L. (Verlag, Frankfurt a. M.) [2] 176 Sankt Josephus Bücherbruderschaft (Rosenheim) [2] 148 Sapper, Agnes [1] 170 [2] 199, 205 f. Säuberlich, Otto [1] 306 f. Sauerländer, H. R. (Verlag, Aarau) [1] 372 Sauerlandt, Max [1] 477 Scarabaeus-Verlag (Berlin) [1] 487 Schacht, Hjalmar [2] 128 Schaefer, Wilhelm [2] 20 Schaeffer, Albrecht [1] 157 [2] 19 Schäfer, Wilhelm [1] 121, 124, 191 [2] 67, 135 Schaffner, Jakob [2] 135 Schaffstein, Hermann (Verlag, Köln) [2] 189, 198, 201 – 203, 215, 353 Schälike, Fritz [2] 115 Schanz, Frida [2] 204 Schaper, Albert Musikverlag (Berlin) [1] 514 Schapire, Rosa [1] 474 f., 490 Scharrer, Adam [2] 123 Schatz, Otto Rudolf [1] 337 Schatzki, Walter [2] 353, 360 Schauenburg, Moritz (Verlag, Lahr) [2] 228 Schauer, Georg Kurt [1] 337 Schauwecker, Franz [2] 128 Scheerbart, Paul [2] 29 Scheff, Werner [1] 154 Scheffauer, Hermann Georg [1] 295 [2] 48, 50 f., 54 Scheffel, Joseph Viktor von [2] 72 Scheffel, Viktor [1] 164 Scheidemann, Philipp [1] 31, 33, 42 [2] 43 Scheithauer, Carl [1] 249 Schenziger, Karl Aloys [1] 177 [2] 133 Scherl, August (Verlagskonzern, Berlin) [1] 21 f., 188, 310 [2] 105 f., 249, 459, 532 Schickele, René [1] 176 [2] 9, 39, 93, 361 Schidlof, Bertold [2] 256 Schieber, Anna [2] 205 Schiffer, E. L. [2] 212 Schiller, Friedrich [2] 60, 74, 558
665 Schilling, Hermann [2] 323 Schinnerer, Adolf [1] 480 Schirokauer, Arno [1] 189 Schlegel, Friedrich [2] 13, 69 Schleich, Carl Ludwig [1] 157 [2] 5, 31, 33, 97, 259 Schleicher, Kurt von [1] 42, 58, 65 – 69 Schleiermacher, Friedrich [2] 13 Schlemmer, Oskar [2] 77 Schlesinger’sche Buch- und Musikhandlung (Berlin) [1] 513, 520 Schlesische Gesellschaft der Bücherfreunde (Breslau) [1] 336 Schlesische Gesellschaft zur Förderung der buchhändlerischen Fachbildung (Breslau) [1] 252 Schlesisches Vereinssortiment (Breslau) [2] 323 f. Schleussner, Josefine [2] 165 Schleussner, Wilhelm [2] 165 Schlichter, Rudolf [1] 329 Schliedden-Verlag (Berlin) [2] 528 Schlochauer Zeitungszentrale (Grossobuchh., München) [2] 331 Schloessmann’s, Gustav Verlagsbuchhandel (Leipzig) [2] 174 Schmemann, Otto [1] 253 Schmidhammer, Arpad [2] 202 Schmidt & Co., Reisebuchhandel [1] 424 Schmidt, F. (Verlag, Berlin) [1] 449 Schmidt, Georg [2] 353 Schmidt, Karl Ludwig [2] 153 Schmidt, Richard [1] 253 Schmidtgall, Otto [1] 254 Schmidt-Römhildt, Georg [1] 249 Schmiede, Die (Verlag, Berlin) [1] 328 [2] 2, 25 – 28, 112, 273 Schmitt, Carl (Staatsrechtler) [2] 134 Schmitt, Carl Centraleisenbahnbuchhandlung (Heidelberg) [2] 479, 481, 488, 542, 545 Schmorl & von Seefeld Nachf., Oscar (Buchh., Verlag; Hannover) [1] 253 Schnabel, Franz [2] 162 Schnabel, Fritz [2] 357, 373, 380 Schneider, Franz (Verlag, Berlin, Leipzig) [2] 200, 206 f., 209 Schneider, Friedrich [2] 326 Schneider, Lambert [2] 172, 273 Schneidler, F. H. Ernst [1] 334 Schneller, Ernst [2] 116 Schnellsche, J. (Verlag und Buchh., Warendorf) [2] 157 Schnitzler, Arthur [1] 22 ,73, 79, 105, 297 [2] 5, 11 f., 67 Schnitzler, Theodor (Bahnhofsbuchh., Düsseldorf) [2] 479 Schnürle, Hermann [2] 309 Schocken, Salman (Warenhauskonzern) [2] 168, 172, 273, 441, 499 f., 507 Scholz, Josef (Verlag, Mainz) [2] 189, 215 Scholz, Wilhelm [1] 119 Schönfelder, Gerhard [2] 356, 358
666 Schöningh, Ferdinand (Verlag, Paderborn) [2] 158, 226, 228 Schöningh, Heinrich (Buchh., Münster) [1] 254 Schönrock, Ludwig [1] 394, 398, 424, 434 Schopenhauer, Arthur [2] 68 Schorr, Thomas [2] 105 Schott, Anton [2] 565 Schott, Georg [2] 155 Schott’s Söhne, B. (Verlag, Mainz) [1] 513, 518 – 520, 524 Schotte, Walther [2] 575 Schreiber, J. F. (Verlag) [2] 189, 215 Schriewer, Franz [1] 214 [2] 522 – 524 Schrobsdorff’sche Hofbuchhandlung (Düsseldorf) [1] 252 Schröder, Fritz [1] 309 f. Schröder, Julius [2] 29 Schröder, Karl [2] 572 Schröder, Kurt Freiherr von [1] 68 Schröder, Rudolf Alexander [2] 635 Schroedel, Hermann (Verlag, Halle) [2] 226, 228 Schröer, Gustav [2] 81, 154 Schroll, Anton (Verlag, Wien) [1] 485 Schuberth & Co., J. (Verlag, Hamburg, Leipzig) [1] 513 Schuchardt, Oscar [1] 390 Schüddekopf, Carl [2] 435 Schulte-Strathaus, Ernst [2] 434 Schultheiß, Carl L. (Ludwigsburg, Stuttgart) [1] 513 Schultz, Robert & Bruno (Verlag, Berlin) [1] 492 Schultze, Hermann (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 303 Schulze, Friedrich [2] 147 Schumacher, Tony [1] 170 [2] 199, 206 Schumann, Paul [2] 378 Schumann, Richard [2] 360 Schürer, Emil [2] 153 Schuster & Löffler (Verlag, Berlin) [1] 183, 495 [2] 70 Schuster, Wilhelm [1] 206, 214 Schutzgemeinschaft der Leihbüchereien GroßHamburgs [2] 525 Schutzkartell Deutscher Geistesarbeiter [1] 128, 140 f. Schutzverband Deutscher Schriftsteller Bayern [1] 111 Schutzverband Deutscher Schriftsteller SDS [1] 71, 75, 80, 84 – 86, 88, 90, 92 – 95, 111, 116, 119, 123 f., 126, 130 – 135, 137 – 142, 180, 266, 298 [2] 11, 25, 526, 583 Schutzverband Groß-Berliner Leihbuchhändler [2] 525 Schwabacher’sche Verlagsbuchhandlung (Berlin) [1] 453 [2] 244, 265 f., 499 Schwabe, Benno (Verlag, Basel) [1] 248 Schwabenverlag (Stuttgart) [2] 158 Schwaner, Wilhelm [2] 126
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Schwann, L. (Verlag, Druckerei; Düsseldorf) [1] 517 [2] 157, 161, 167, 228, 353 Schwarzschild, Emil [2] 438 Schwarzschild, Leopold [2] 96 f. Schweinfurt-Bad Kissinger Buchhändlervereinigung [1] 254 Schweitzer Sortiment, J. (München) [1] 393 Schweizerischer Buchhändlerverein (Bern) [1] 239, 248 Schwerdt, Richard [1] 442 Schwitters, Kurt [2] 41 f. Sebaldus-Druck und Verlag (Nürnberg) [2] 159 Seeberg, Erich [2] 151 f. Seehof, A. & Co. (Verlag, Berlin) [2] 116, 123 Seehof, Arthur [2] 126 Seelhoff, Paul [2] 568 Seemann, E. A. (Verlag, Leipzig) [1] 227, 276, 309, 463, 469, 481, 484 –486, 489, 495 [2] 23, 591 Seewald, Richard [1] 479, 481 Seewald, Rudolf [1] 334 Sefarim (Verlag, Berlin) [2] 177 Seghers, Anna [2] 24, 112 Seidel, Ina [2] 71 Seidenfaden, Theodor [2] 201 Seidmann-Freud, Tom [2] 198, 202, 210 f., 213 Selke, Otto [2] 602, 607 Sell, Johannes [1] 227 Selle & Co., Dr. (Berlin) [1] 472 Sellien, Ewald [2] 230 Sellier, Arthur L. jun. [1] 226, 254 Senff, Bartholf (Verlag, Leipzig) [1] 513 Serner, Walter [2] 42 Severin, Walter [2] 353, 360 Seyfert, Richard [2] 230 Shakespeare, William [2] 18, 75, 558 Shaw, George Bernard [2] 9, 51 f., 102 Siebe, Josephine [1] 170 [2] 196, 199, 206 Siebeck, Oskar [1] 236, 241, 243, 385 f., 408 [2] 152, 403 Siebeck, Paul (s. auch Mohr, J. C. B.) [1] 385, 388, 404 – 406, 408, 410, 413, 415 [2] 152 Siebeck, Werner [1] 408 [2] 152 Siebertz, Paul [2] 162, 164 Siedentop, Albert [2] 332 Siegels Musikalienhandlung (Leipzig) [1] 243 Siemsen, Hans [2] 261 Siewert, Robert [2] 116, 124 Sijthoff (Verlag, Leiden) [1] 501 Simmel, Georg [2] 40 Simon & Schuster (Verlag, New York) [2] 372 Simplicissimus-Verlag (München) [2] 77 Simrock, N. (Verlag; Bonn, Berlin, Leipzig) [1] 513, 524 Sinclair, Upton [1] 16, 165, 173, 177, 494 [2] 44 f., 49, 261 Singer, Josef (Verlag, Großbuchh., Berlin) [2] 443, 528 Sinowjew, Grigori [2] 117 Sintermann, Carl [2] 362 Sixtus, Albert [2] 202
Gesamtreg ister zu Band 2 Skowronnek, Richard [2] 59 Slevogt, Max [1] 333 f., 480, 497 – 500 [2] 60, 69, 202 Slezak, Leo [2] 34, 259 Sochaczewer, Hans [2] 52 Société d’Exportation des Éditions Françaises [2] 593 Soldan, George [2] 127 Sombart, Werner [1] 408 Sommerfeld, Arnold [1] 397 f., 402 Soncino-Gesellschaft der Freunde des jüdischen Buches (Berlin) [1] 336 [2] 177 Sondheim, Moritz [2] 437 Sonntag, Johannes (Verlag, Regensburg) [1] 413 Soschka, Cyrill [1] 311 Spael, Wilhelm [2] 148 Spaeth Verlag (Berlin) [1] 293 Spann, Othmar [2] 124 Spartakus (Buchdruckerei und Verlag, Stuttgart) [2] 116 Speier, Hans [1] 151 Spemann, Adolf [1] 298 Spemann, Fe [2] 211 Spemann, W. (Verlag, Stuttgart) [2] 189 Spengler, Oswald [1] 273 [2] 124, 128 Sperling, H. (Großbuchbinderei, Leipzig) [1] 311 Sperling’s Nachf., H. O. (Reise- und Versandbuchh., Stuttgart) [2] 452 Speyer, Wilhelm [2] 198 Spiero, Heinrich [1] 451 Spies, Fritz Musikverlag (Gevelsberg) [1] 514 Spindler, Lorenz (Verlag, Nürnberg) [2] 126 Spitteler, Carl [2] 14 Spitzer, Moritz [2] 273 Spitzweg, Carl [2] 559 Springer, Ferdinand [1] 395 f., 427, 429 [2] 245, 248, 403, 614 Springer, Fritz [1] 236, 241 Springer, Georg [1] 403 Springer, Julius [2] 339 Springer, Julius (Verlag, Berlin) [1] 301, 308, 371, 382, 385, 387 f., 391 f., 394 – 400, 402, 408 f., 413 – 415, 421 f., 424 f., 427 – 429, 431 f. [2] 125, 227, 245 – 250, 253, 258, 445, 459 f., 598, 610, 615 Springer, Julius (Verlag, Wien) [1] 372, 388, 394, 396 Springer, Julius jr. [1] 399 Spyri, Johanna [1] 170 [2] 196, 199, 201 St. Augustinus-Verlag (Berlin) [1] 424 St. Goar, Erwin und Walter (Antiquariat, Frankfurt a. M.) [2] 438 St. Johannis-Druckerei C. Schweickhardt (Dinglingen) [2] 174 St. Otto-Verlag (Bamberg) [2] 160 Staackmann, Ludwig (Verlag, Leipzig) [1] 371 [2] 55, 303 – 305, 369 Städtische Bücherhallen Leipzig [1] 167 – 169, 174, 199, 201, 209 Städtische Öffentliche Bücherei Flensburg [2] 524 Stadtkiosk GmbH (Frankfurt a. M.) [2] 542
667 Stahlhelm [2] 567 Stalin, Josef [2] 114 Stalling, Gerhard (Verlag, Oldenburg) [2] 127, 195, 198, 202 – 206, 210, 215, 353 Stalling, Heinrich [2] 128 Stammler, Georg [2] 129 Stange, Carl [2] 154 Stapel, Wilhelm [2] 16, 46, 133 – 135. Stargardt, J. A. (Antiquariat, Auktionshaus, Berlin) [2] 441 Stark, H. C. [2] 388 Starkloff, Johannes [1] 226 Stechert & Co., G. E. (New York) [2] 621, 624, 630 Steegemann, Paul (Verlag, Hannover) [1] 76, 80, 320, 496 [2] 41 f. Steffen, Friedrich [1] 252 Stegmann, Emil [1] 254 Steiger, Ernst & Co. (Verlag) [2] 621 f., 624 Steinacker [2] 303 Steiner-Prag, Hugo [1] 324, 333, 338, 450 Steingräber Verlag (Hannover, Leipzig) [1] 513 Steinkopf, J. F. (Buchh., Verlag, Stuttgart) [2] 173 Steinkopff, Theodor (Verlag, Dresden) [1] 385, 402 – 404, 409 Steinmetz & Daucher (Verlag, Stuttgart) [2] 292 Stempel, David [1] 313 Stendhal, d. i. Marie Henri Beyle [2] 18, 75 Stephani-Hahn, Elisabeth [2] 363 Stepun, Feodor [2] 79 Stern, Josef Luitpold [1] 337 Sternberg, Josef von [2] 62 Stern-Druckerei [2] 117 Sterne, Carus [2] 126 Sternheim, Carl [1] 180 [2] 22, 26, 40 Steuben, Fritz [2] 378 Steyler Verlagsbuchhandlung (St. Augustin) [2] 160 Stiefbold & Co. (Verlag, Berlin) [1] 463 Stieler, Kurt [1] 191 Stiepel, Gebrüder (Verlag, Reichenberg) [1] 372 Stifter, Adalbert [1] 164 [2] 558 Stiftungsverlag (Potsdam) [2] 175 Stilke, Georg (Inh. Hermann Stilke) (Verkehrsbuchh., Verlag, Berlin, Hamburg) [1] 10, 393 [2] 445, 468 f., 472, 485, 487 f., 542 f. Stilke, Hermann [2] 468, 470, 472, 487 f. Stinnes, Hugo [1] 424 Stinnes-Konzern [2] 479 f. Stobbe, Horst (Buchh., Antiquariat, München) [2] 358 f., 434 Stolberg-Wernigerode, Fürst [2] 436 Storch (Graph. Anstalt, Berlin) [1] 473 Storm, Johannes (Buchh., Bremen) [1] 252 Storm, Theodor [1] 157, 164, 170, 185 [2] 47 Straßenbahn-Zeitungsvertrieb (Berlin) [2] 541 Strasser, Gregor [1] 68 Stratz, Rudolph [1] 188 [2] 62 Straub, Wilhelm [2] 201 Strauch, Arwed (Verlag, Leipzig) [1] 371
668 Strauß und Torney, Lulu von [2] 16 Strauß, Emil [1] 201 [2] 135, 442 f. Streißler, Alfred [2] 330 Streller, Hermann [2] 330 Streller, R. (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 304, 306, 326, 330 Stresemann, Gustav [1] 42, 47, 108 [2] 477 Strich, Fritz [1] 191 [2] 75 Strien Verlag Nachf., Eugen (Verlag, Groß-Salze) [2] 174 Ströbel, Leonhard (Verlag, Leipzig) [2] 175 Strübigs Verlag, G. (Leipzig) [2] 174 Studentische Bücherämter [1] 233, 383 Studer, Heinrich [2] 353 Stuffer, Herbert (Verlag, Frankfurt a. M., Berlin) [2] 198, 200, 209 – 211, 213 Sturm & Co., Verlagsbuchhandlung, Franz (Dresden) [2] 174 Stürtz (Druckerei, Würzburg) [1] 308 Stuttgarter Verleger-Vereinigung [1] 254 Stybel, Abraham J. (Verlag, Warschau und Berlin) [2] 169 Styria (Verlag, Graz) [2] 158 Süddeutsche Buchgemeinschaft [2] 562 Süddeutsche Zeitungszentrale (Esslingen) [2] 542 Sudermann, Hermann [1] 74, 89, 136 Sudetendeutscher Verlag (Prag) [1] 372 Sue, Eugène [1] 172 Suhr, Otto [1] 158, 160, 162 Suhr, Susanne [1] 158, 163, 168 Suhrkamp, Peter [2] 102, 271 Sulzbach, Ernst Rudolf [2] 63 Supper, Auguste [2] 71 Svensson, Jón [2] 200 Swift, Jonathan [2] 60 Sybel, Heinrich von [2] 145 Syndikalist, Der (Verlag, Berlin) [2] 113 Szántó, Andor von [1] 249 Szenes, Bela [2] 212 Taeuber & Weil (Antiquariat, München) [2] 435 Tagore, Rabindranath [1] 181 [2] 38 f. Taifun-Verlag (Frankfurt a. M.) [2] 115 Tal, E. P. (Verlag, Wien) [1] 327 Tanzmann, Bruno [2] 129, 132 Tau, Max [1] 499 [2] 3, 273 Tauentzien Musikverlag (Berlin) [1] 514 Taut, Bruno [1] 488, 503 Teichert, Bernhard [1] 253 Tempel-Verlag, Der (Berlin) [1] 323 [2] 19, 175 Terra-Film AG (Berlin) [2] 63 Tetzner, Lisa [2] 195, 198, 206, 211 Teubner, B. G. (Verlag, Leipzig) [1] 371, 380, 381, 384, 387 f., 392, 394 f., 397, 399 f. [2] 219, 226 – 228, 235, 237, 353, 615 Teubner, J. M. L. (Druckerei) [2] 311 Thaden, Fr. W. (Exportbuchh.) [2] 599 Thalheimer, August [2] 123 f. Thalia (Theaterbuchh., Hamburg) [2] 547 Thalia Musikverlag (Berlin) [1] 514 Thelemann, Ludwig (Buchh., Weimar) [2] 21, 23 Thesing, Curt [1] 390
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Thieme, Georg (Verlag, Leipzig) [1] 385, 413 – 415, 425 [2] 125, 591, 615 Thieme, Hans C. [2] 30 Thieme, Reinhold [2] 263 Thienemann, Karl (Verlag, Stuttgart) [2] 189, 198, 200, 215, 353 Thieß, Frank [1] 117 Thoma, Ludwig [2] 60, 199 Thomas (Reich), James [2] 117 f., 124 Thomas, Theodor (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 306 Thomas, Walter [2] 590 f. Thomas-Druckerei und Buchh. (auch Verlag, Kempen) [2] 158 Thule-Gesellschaft [2] 132 Thurneysen, Eduard [2] 156 Tieck, Ludwig [2] 60, 561, 564 Tiemann, Walter [1] 313, 315, 317, 323, 477 [2] 594 Tietz, Hermann (Kaufhaus, Berlin, Köln) [2] 444, 493, 498, 504 – 506, 517 Tietz, Leonhardt [2] 501 Tietze, Hans [1] 489 Tillich, Paul [2] 151, 156 Tillmann, Fritz [2] 148 Tischleder, Peter [2] 162 f. Titius, Arthur [2] 151 Toeche, Paul [1] 253 Toller, Ernst [1] 16, 79 f., 111, 173 [2] 22 f., 30, 32, 39, 112, 114 f., 511 Tolstoi, Alexej [1] 16, 177, 497 [2] 561 Tolstoi, Leo N. [2] 18, 43, 134, 562 Tonger, P. J. (Verlag, Köln) [1] 513 Tönnies, Ferdinand [1] 406, 408 Töpelmann, Alfred [1] 249 Töpelmann, Alfred (Verlag, Gießen) [1] 393 [2] 173 Torczyner, Harry [2] 169 Traktathaus (Verlag, Druckerei, Bremen) [2] 173 Transmare Verlag (Berlin) [1] 328, 492 Traven, B. [1] 177 [2] 115 Tretjakow, Sergej [2] 43 Trewendt & Granier (Verlag, Breslau) [2] 155 Trier, Walter [2] 103, 198, 212 Trietsch, Davis [2] 171 Troeltsch, Ernst [2] 153 Trotzki, Leo [1] 174 [2] 117 f. Trowitzsch & Sohn (Verlag, Berlin) [2] 228 Trübner, Karl J. (Berlin) [1] 389 – 393 Trübner, Wilhelm [2] 434 Trump, Georg [1] 338 Tschichold, Jan [1] 181, 317 f., 338, 493 f. [2] 375, 571 Tucholsky, Kurt (Ps. Peter Panter, Theobald Tiger) [1] 78 f., 116, 121, 179, 201, 289 f., 292 f., 494 [2] 25, 27, 31, 33 f., 37, 41, 44, 95 f., 103, 114 f., 141, 190, 212, 260, 262 Tügel, Hans [2] 273 Turek, Ludwig [1] 103 Turel, Adrien [2] 3 Turgenjew, Iwan Sergejewitsch [2] 60, 74
Gesamtreg ister zu Band 2 Twain, Mark [2] 562 Tyrolia Verlagsanstalt (Innsbruck) [2] 161 Ubbelohde, Otto [2] 202 UCO-Film GmbH (Berlin) [2] 62 Ufaton-Verlagsgesellschaft (Berlin) [1] 514, 520 Ugrino Musikverlag (Hamburg) [1] 514, 517, 519 Uhlendahl, Heinrich [1] 216 Ulbrich, Fritz [2] 384 Ulitz, Arnold [2] 20 Ullmann, Ernst [1] 330 Ullmann, Max [1] 310 Ullstein, Leopold (Verlagskonzern, Berlin) [1] 16, 22 f., 26, 93, 155, 157 f., 175 f., 179, 188 f., 293, 301, 311, 371, 469, 495 f., 518 [2] 2, 24, 35 – 37, 47, 52 f., 57 – 63, 65, 74, 103 f., 106, 168, 170, 209, 212, 244, 249 f., 252 – 258, 260 – 262, 266, 272, 279, 369, 371, 469, 479 f., 498, 532, 542 – 546 Ullstein, Hermann [2] 244 Ulmer, Eugen (Verlag, Stuttgart) [1] 404 Umbreit & Co., Süddeutsche GrossoBuchhandlung G. (Stuttgart) [2] 292, 319, 321, 328, 331 f. Umlauff, Ernst [1] 159 f., 166, 282 f., 286 f., 346, 348 f., 353, 370, 372 [2] 184, 343 f., 346, 350, 616 Undset, Sigrid [1] 164 [2] 558 Ungarische Kunstanstalt (Budapest) [1] 249 Ungelenk, C. Ludwig (Dresden) [2] 174 Unger & Fengler (Verlag, Berlin) [1] 470 Union Deutsche Verlagsgesellschaft (Stuttgart, Berlin, Leipzig) [1] 19, 371, 403, 453 [2] 528 Union-Verlag (Stuttgart) [2] 198 f., 215 Unitäts-Buchhandlung (Gnadau) [2] 173 Universal Edition (Verlag, Wien) [1] 24, 518 Universitas Deutsche Verlags A. G. (Berlin) [1] 499 [2] 528 Universitätsbibliothek Löwen [1] 197 [2] 416 – 418 Universum Film AG (UFA) (Potsdam) [1] 14, 19, 21 – 23, 94, 111, 183 f., 186 [2] 62 Universum-Bücherei für Alle (Buchgemeinschaft, Berlin) [2] 115, 121 f., 124, 213, 568, 573 f. Unruh, Fritz von [2] 40 Unseld, Siegfried [2] 360 Unterstützungskassen der Buchhändler und Buchhandlungsgehilfen [1] 140 Unwin, Stanley [2] 275 Urania-Verlag (Leipzig/DDR) [2] 116 Urban & Schwarzenberg (Verlag, Berlin, Wien) [1] 385, 388, 409, 414 – 417, 428, 431 [2] 125 Urban, Eduard [1] 241, 385 f., 415 [2] 402 Urban, Heinz [1] 417 Urquell-Verlag Erich Röth (Mühlhausen, Eisenach, Flarchheim/Thür.) [2] 128 f. Ury, Else [1] 170, 172 [2] 187, 196, 199 f., 210 Uzielli, Mario (Antiquariat, Frankfurt a. M.) [2] 438 Vaegler, Robert [1] 254 Vahlen, Franz (Verlag, Berlin) [1] 301, 417
669 Vallotton, Felix [1] 480 Vandenhoeck & Ruprecht (Verlag, Göttingen) [1] 301, 387 f. [2] 124 f., 150 – 154, 173, 227, 353, 391 Vaternahm, August [2] 472 Vaternahm, Julius (Eisenbahnbuchh., Frankfurt a. M.) [2] 472 VDE-Verlag (Verband Deutscher Elektrotechniker) (Berlin) [1] 420 f. VDI-Buchhandlung (Berlin) [1] 423 VDI-Verlag / Verein Deutscher Ingenieure (Berlin) [1] 218, 301, 232, 301, 398 f., 420, 422 f. [2] 401 Vegesack, Siegfried von [1] 177 Veit & Comp. (Verlag, Leipzig) [1] 389 f., 393, 402 Velde, Henry van de [1] 502 f. Velde, Theodor Hendrik van de [2] 462 Velhagen & Klasing (Verlag, Bielefeld, Leipzig) [1] 392, 488 [2] 219, 226 –228, 238 Venediger, Otto [2] 428 Venzky, Martin [2] 128, 203 f., 353 Verband bayerischer Autoren [1] 191 Verband der Ärzte Deutschlands (Leipzig) [2] 401 Verband der Besitzer deutscher Lesezirkel [2] 529 f., 530 Verband der Buchhändler in Polen (Posen) [1] 239, 248 Verband der Buchhändler Pommerns (Stettin) [1] 239 Verband der Deutschen Buch-, Kunst-, Musikalienhändler und Verleger in der Tschechoslowakischen Republik (Prag) [1] 248 Verband der Deutschen Buchhändler in der Tschechoslowakischen Republik (Dux) [1] 239, 248 Verband der Deutschen Musikalienhändler (Leipzig) [1] 238, 240, 248, 251, 373, 512 [2] 494 Verband der evangelischen Buchhändler (VEB) [2] 147 Verband der Kommissions- und Großbuchhändler (Leipzig) [1] 239, 244 [2] 330, 332 Verband der Kreis- und Ortsvereine im Deutschen Buchhandel [2] 323 Verband der Schulbuchverleger [2] 232 Verband der Waren- und Kaufhäuser [2] 496 Verband der weiblichen Handels- und Büroangestellten e.V. [2] 311 Verband des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels [2] 419 Verband Deutscher Apotheker [2] 400 Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber [2] 375 Verband deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten VDBB (Berlin) [1] 85, 92 f., 107, 111, 123, 137 f., 140 f. [2] 583 Verband Deutscher Erzähler VDE [1] 92 – 94, 111, 139 – 141
670 Verband deutscher Filmautoren VDF [1] 85, 93, 110, 137 f., 140 f. Verband Deutscher Ingenieure [2] 372 Verband Deutscher Köche (Berlin) [2] 400 f. Verband Deutscher Techniker [2] 400 Verband Deutscher Tierärzte [2] 400 Verband Deutscher Volksbibliothekare VDV (Leipzig, Berlin) [1] 204, 215 Verband Deutscher Waren- und Kaufhäuser (Berlin) [2] 493 f., 496 f. Verband Evangelischer Buchhändler [1] 249 [2] 390 Verband Sächsischer Buchhändler (Dresden) [1] 239, 248 Verein Berliner Buchhändler [1] 252 Verein Chemnitzer Buchhändler [1] 252 Verein der Antiquitätenhändler [2] 419 Verein der baltischen Buchhändler (Riga) [1] 239, 249 Verein der Berliner Antiquare [2] 419 Verein der Berliner Buch- und Kunstantiquare [1] 252 Verein der Buchhändler Baden-Baden [1] 252 Verein der Buchhändler in Braunschweig [1] 252 Verein der Buchhändler zu Dortmund [1] 252 Verein der Buchhändler zu Düsseldorf [1] 252 [2] 335 Verein der Buchhändler zu Frankfurt (Main) [1] 253 Verein der Buchhändler zu Leipzig [1] 239, 257 [2] 283 f., 591 Verein der Deutschen Antiquariats- und Exportbuchhändler (Leipzig) [1] 236, 238, 245 f. [2] 417–423, 430, 597 f., 604 Verein der Deutschen Sortimentsbuchhändler [1] 244 Verein der Kasseler Sortimentsbuchhändler [1] 253 Verein der Kölner Buchhändler [1] 253 Verein der Königsberger Buchhändler [1] 253 Verein der Mainzer Buchhändler [1] 253 Verein der Oldenburger Buchhändler [1] 254 Verein der österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalienhändler (Wien) [1] 239, 248 Verein der Quickbornfreunde [2] 166 Verein der Reise- und Versandbuchhandlungen [1] 238 [2] 449, 453 – 455, 457 f., 461 f. Verein der Reisebuchhändler [2] 449 Verein der Sortiments- und AntiquariatsBuchhändler zu Leipzig [2] 419 Verein der Verleger für Volksliteratur (Berlin) [1] 249 Verein Deutscher Bahnhofsbuchhändler (Leipzig) [1] 238 [2] 465 f., 469 f., 472 – 474, 477 f., 480 – 483 Verein Deutscher Chemiker [2] 401 Verein Deutscher Ingenieure (VDI) (Berlin) [2] 401 f. Verein Deutscher Lehrmittel-Verleger und -Fabrikanten (Leipzig) [1] 238
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Verein Dresdner Buchhändler [1] 191, 252 Verein für das Deutschtum im Auslande [2] 591 Verein für Leser- und Schrifttumskunde e.V. (Leipzig) [1] 211 Verein für Socialpolitik (Frankfurt a. M.) [1] 99 f., 105, 115 Verein für Verbreitung guter Volksliteratur (Dresden) [2] 401 Verein Karlsruher Sortimentsbuchhändler [1] 253 Verein Kölner Leihbibliothekare [2] 525 Verein Leipziger Kommissionäre (VLK) [1] 239 f., 242 – 244 [2] 284 f., 296 – 302, 591 Verein Leipziger Sortiments- und Antiquariatsbuchhändler [1] 246, 253 Verein Magdeburger Buchhändler [1] 253 Verein Potsdamer Buchhändler [1] 254 Verein Russischer Studierender (PirogroffVerein) [2] 402 Verein Stuttgarter Sortimentsbuchhändler [1] 254 Verein von Verlegern christlicher Literatur [1] 249 [2] 390 Verein von Verlegern deutscher illustrierter Zeitschriften [2] 530 Verein zur Erhaltung der Deutschen Buchhändler-Lehranstalt (Leipzig) [1] 257 Verein zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands [2] 401 Vereinigte Bühnenvertriebe Drei Masken/Georg Müller/Erich Reiß/Kurt Wolff Verlag (Berlin) [2] 40 Vereinigte Deutsche Kiosk- und Berliner Trinkhallen-Gesellschaft mbH [2] 543 Vereinigte deutsche Prüfungsausschüsse (VDPA) (Hamburg) [2] 188 Vereinigte Druckereien, Kunst- u. Verlagsanstalten (Veduka) (Dillingen) [2] 159, 163 Vereinigte Erfurter Buchhändler [1] 253 Vereinigte Kunstanstalten mbH [2] 499 Vereinigte Kunstinstitute vorm. Otto Troitzsch (Graph. Anstalt, Berlin) [1] 473 Vereinigung badischer Verleger [1] 251 Vereinigung christlicher Buchhändler in Berlin [2] 390 f. Vereinigung der Altenburger Sortimentsbuchhändler [1] 252 Vereinigung der am Reisebuchhandel interessierten Verleger (Berlin) [1] 242 [2] 461 Vereinigung der Baugewerkschaftsschüler (Breslau) [2] 402 Vereinigung der Berliner Grossisten im Buchund Zeitschriftenhandel [2] 330 Vereinigung der Berliner Mitglieder des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler [1] 239 [2] 495 Vereinigung der Bühnenverleger [1] 107 Vereinigung der Großbuchhändler Deutschlands (Berlin) [1] 239, 244 [2] 330 – 332, 442 Vereinigung der Hagener Buchhändler [1] 253
Gesamtreg ister zu Band 2 Vereinigung der Jugendschriftsteller (Stuttgart) [1] 242 Vereinigung der Kieler Buch- und Musikalienhändler [1] 253 Vereinigung der Krefelder Buchhändler [1] 253 Vereinigung der Kunstverleger (Berlin) [1] 139, 238, 463, 465 – 468, 470, 485 Vereinigung der Leiter der Buch- und Musikalienabteilungen [2] 497 Vereinigung der Schulbuchverleger (Berlin) [1] 242 [2] 223, 236 Vereinigung der Sortimentsbuchhändler von Mannheim-Ludwigshafen [1] 253 Vereinigung der Vertreter des katholischen Buchhandels (VKB) [2] 147, 392 Vereinigung des katholischen Buchhandels (VKB) [2] 147 – 149, 157 – 160, 392 f. Vereinigung Deutscher Bilderbücher-Verleger und -Fabrikanten (Nürnberg) [1] 242, 249 Vereinigung Dresdner Schriftsteller [1] 191 Vereinigung Evangelischer Buchhändler [1] 249 f. [2] 149 Vereinigung Hallischer Buchhändler [1] 253 Vereinigung Hamburg-Bremer Exportbuchhändler [2] 597 f., 607 Vereinigung internationaler Verlagsanstalten (VIVA) (Berlin, Leipzig) [2] 116 f., 119 f., 123 Vereinigung linksgerichteter Verleger [2] 114, 387 Vereinigung medizinischer Verleger (Berlin) [1] 242 Vereinigung Münchener Verleger [1] 191, 254 Vereinigung rechts- und staatswissenschaftlicher Verleger (München) [1] 242 Vereinigung schönwissenschaftlicher Verleger (Berlin) [1] 139, 242 Vereinigung völkischer Verleger [2] 126 Vereinsbuchhandlung G. Ihloff & Co. (Neumünster) [2] 174 Verlag »Des Königs Botschaft« (Barmen) [2] 174 Verlag am anderen Ufer (Dresden) [2] 123 Verlag bibliotheca christiana (Bonn) [2] 160 Verlag Chemie (Leipzig) [1] 232, 420 – 423, 429 [2] 401 Verlag der Buchhandlung ›Vorwärts‹ [2] 383 Verlag der Buchsektion des Gubono (Leningrad) [1] 214 Verlag der Deutschen Polytechnischen Gesellschaft [2] 79 Verlag der Deutschvölkischen Buchhandlung s. Eher-Verlag Verlag der evangelisch-lutherischen Mission (Leipzig) [2] 174 Verlag der Germania (Berlin) [2] 158 Verlag der KAPD [2] 123 Verlag der kommunistischen Fraueninternationale [2] 120 Verlag der Kommunistischen Internationale (Hamburg) [2] 117
671 Verlag der Kommunistischen Jugendinternationale (Berlin) [2] 112, 115 Verlag der Marées-Gesellschaft (München) [1] 480 Verlag der neuen Generation (Berlin) [1] 328 Verlag der norddeutschen Missions-Gesellschaft (Bremen) [2] 175 Verlag der Schriften von Karl Kraus (Kurt Wolff) [2] 38 Verlag Der Sturm, Galerie und Buchhandlung (Berlin) [1] 495 Verlag Der weiße Ritter (Regensburg) [2] 133 Verlag der Weißen Bücher [2] 38 f. Verlag der Wochenschrift Die Aktion, Franz Pfemfert (Berlin) [1] 495 Verlag des evangelischen Bundes (Berlin) [2] 175 Verlag des Verbandes der Krankenkassen Berlins (Berlin) [1] 420 Verlag des Volksvereins (Mönchen-Gladbach) [2] 162, 165 Verlag Deutschordensland (Sontra) [2] 126 Verlag evangelischer Bücherfreunde [2] 148 Verlag für Kunstwissenschaft (Berlin) [1] 476 Verlag für Literatur und Politik Wien- Berlin [2] 118 Verlag für proletarische Freidenkerliteratur (Leipzig) [2] 387 Verlag für Wissen und Bildung (Berlin) [1] 449 Verlag Gesellschaft und Erziehung (Berlin) [2] 123 Verlag Gesundes Leben (Rudolstadt) [2] 126 Verlag Junge Garde [2] 115, 120 Verlag katholisches Bibelwerk (Stuttgart) [2] 160 Verlag Neue Jugend (Berlin) [1] 495 Verlag Neue Kunsthandlung, Graphik und Bücher (Berlin) [1] 495 Verlags- und Lehrmittel-Anstalt (Verla) (Verlag, Bochum) [2] 229 Verlagsanstalt Benziger & Co (Verlag, Einsiedel und Köln) [2] 157 Verlagsanstalt der Anstalt Bethel (Bethel bei Bielefeld) [2] 174 f. Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst (Berlin) [1] 371 Verlaine, Paul [2] 41 Vesper, Will [1] 177 [2] 72 f., 82, 134 f., 205 Viebig, Clara [1] 169, 176 – 178 [2] 67, 71, 632 Vierkandt, Alfred [1] 408 Vieweg & Sohn, Friedrich (Verlag, Braunschweig) [1] 381, 397 f., 400 [2] 226 – 228 Vieweg, Chr. Friedrich (Musikverlag, Quedlinburg, Berlin) [1] 513 Virchow, Rudolf [1] 391, 395 Vischer, Melchior [2] 42 VIVA (Buchh., Düsseldorf) [2] 387 Vobach & Co. (Verlag, Berlin, Leipzig) [1] 424 Voegels, Karl [2] 528 Voerster, Alfred [2] 304 f., 312 f., 317, 591 Voerster, Jürgen [2] 305
672 Vogel, F. C. W. (Verlag, Leipzig) [1] 384, 396 f., 428, 431 Vogeler, Heinrich [2] 41, 123 Vogelhuber, Oskar [2] 230 Voggenreiter, Ludwig (Verlag, Potsdam) [1] 513, 519 [2] 129 Voigt-Diederichs, Helene [2] 203 Voigtländer, Robert [2] 284, 301, 316 f. Voigtländers Verlag, R(obert) (Leipzig) [1] 243, 270 [2] 528 Völcker, Hans [2] 361 Volckmar, F. (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 72, 286, 292, 303 – 305, 309, 316 Volckmar, Hans [2] 283, 301, 303, 327, 353, 397 Volkmann, Wilhelm [2] 327, 399 Volks-, Arbeiter-, und Angestellten-Bücherei für Industrie, Handel und Landwirtschaft (Berlin) [1] 210 Volks-Buch-Gemeinde (Berlin) [2] 574 Volksbuchgesellschaft (Weißenfels) [2] 567 Volksbühnen-Verlags- und Vertriebsgesellschaft (Berlin) [2] 564 Volksdeutsche Buchgemeinde (Weimar) [2] 567 Volkserzieher-Verlag Wilhelm Schwaner (Rattlar) [2] 126 Volksverband der Bücherfreunde, WegweiserVerlag (Buchgemeinschaft, Berlin) [1] 233, 496 [2] 147, 265, 402, 555 – 558, 560, 565, 575 f., 579, 581 Volksverein für das katholische Deutschland G.m.b.H. (Mönchen-Gladbach) [2] 402 Volksvereins Verlag (Mönchen-Gladbach) [2] 159, 161 f. Volkswarte-Buchhandlung [2] 390 Vollmer, Emil [2] 443 Vollrath, Hugo, Theosophisches Verlagshaus (Leipzig) [2] 126 Vorwärts Verlag (Berlin) [2] 113, 383, 386 Vossische Buchhandlung (Verlag, Berlin) [2] 563 Vossische Zeitung [2] 35 Vötterle, Karl [1] 519 Vulkan-Verlag (Leipzig) [2] 116 Wagner & Debes, E., H. (Verlag, Leipzig) [2] 227 f. Wagner, Franz (Grossobuchh., Leipzig) [2] 292 Wagner, Otto Erich [1] 330 Wagner, Richard [2] 47 Wagners Hofbuchhandlung, Friedrich (Braunschweig) [1] 252 Wahl, Hans [2] 20 Wahrmann, M. A. (Verlag, Frankfurt a. M.) [2] 177 Waibel, Joseph [1] 251 Waizmann, Chaim [2] 171 Walcher, Jacob [2] 124 Walden, Herwarth [2] 91 Waldstatt Verlag (Einsiedeln) [2] 158 Wallace, Edgar [1] 172, 177 [2] 55 – 57, 60, 521 Wallace, Lewis [1] 170 Wallenberg, Ernst [2] 257
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Wallmann, H. G. (Kommissionsbuchh., Leipzig) [2] 292 Wallmüller, Karl (Verlag, Leipzig) [2] 175 Walpole, Hugh Seymour [1] 295 [2] 48 f., 52 Walser, Karl [1] 498 Walser, Robert [1] 100 [2] 97 Walter, Otto (Verlag, Olten) [2] 159 f. Walther, Richard Verlagsbuchhandlung (Konstanz) [2] 175 Wanamaker, John (Warenhaus) [2] 510 Waples, Douglas [1] 212, 214 Warburg, Aby [2] 435 Wäser, Johann Christoph [2] 311 Wasmuth, Ernst (Verlag, Buchh., Berlin) [1] 310, 473, 476, 489 f., 492, 495 Wassermann, Jakob [1] 297 [2] 11 f., 71, 134, 361, 512 Weber, Alfred [1] 408 Weber, Hans von (Verlag, München) [1] 333, 335 [2] 19, 29, 358, 434, 581 Weber, J. J. (Verlag, Druckerei, Leipzig) [1] 306 Weber, Max [2] 40, 153 Weber, Siegfried [1] 306 Wedding, Alex d. i. Grete Weiskopf [2] 197, 214 Wedekind, Akademischer Verlag Dr. Fritz (Stuttgart) [1] 493 Wedekind, Frank [2] 75 Wegner, Armin T. [2] 558 Wegweiser Verlag (Volksverband der Bücherfreunde) (Berlin) [1] 496 [2] 556 f. Wehling, A. Victor (Barsortiment, Bielefeld) [2] 319 Wehner, Josef Magnus [2] 75, 135 Weicher, Theodor [2] 126 Weichert, A. (Verlag, Berlin) [2] 200 Weidmannsche Buchhandlung (Verlag, Berlin) [1] 243, 371, 428 [2] 226, 228, 235, 249 Weigel, Adolf (Antiquariat, Leipzig) [2] 420, 429 Weigel, Oswald (Antiquariat, Auktionshaus, Leipzig) [2] 429 Weil, Ernst [2] 435 Weil, Gotthold [2] 170 Weill, Kurt [2] 122 Weinreich, Edith (geb. Williams) [2] 95, 211 Weise, Gustav (Verlag, Stuttgart) [2] 200, 528 Weiß, Emil Rudolf [1] 313, 317, 323, 328, 481 [2] 202 Weiss, Ernst [2] 26 Weiss, Peter [2] 114 Weißkönig, Eberhard [2] 581 Weitbrecht & Marissal (Buchh., Hamburg) [2] 360 Weitbrecht, Otto [2] 353 Weitbrecht, Walter [2] 292 Wells, H. G. [1] 177 Welsch, Robert [2] 566 Welt-Buch-Club v. Halem [2] 632 Weltgeist-Bücher (Berlin) [1] 371 Welt-Verlag (Berlin) [1] 495 [2] 171, 176, 396, 566 Wendler, Otto Bernhard [2] 207
Gesamtreg ister zu Band 2 Wendriner, Heinz [2] 26 Wendt, Bernhard [2] 423, 425, 429, 440 Wengenroth, Erich (Barsortiment, Köln) [2] 319 Wenz-Viëtor, Else [2] 204 Werbestelle des Börsenvereins (Leipzig) [1] 6, 156, 183, 192, 225, 470 [2] 367 f., 373 – 381 Werbewissenschaftliches Institut der Handelshochschule Mannheim [2] 364 Werfel, Franz [1] 13, 117, 119, 201 [2] 29, 32, 39, 97, 273 Werkkunst Verlag (Berlin) [1] 496 Werkstatt Lerchenfeld (Hamburg) [1] 334 Werneck-Brüggemann, Fritz [2] 564 Werner, Hans [2] 395 Werthauer, Paul [1] 401 Wertheim (Warenhaus mit Buchh., Antiquariat, Berlin) [1] 231 [2] 265 f., 437, 444, 494 f., 498 f., 504 f., 507 f., 511, 517 Wertheim, Johannes [2] 118 Wertheimer, August [2] 396 Wertheimer, Ludwig (Buchh., München) [2] 396 Werwolf (Freischärler-Bewegung) [2] 567 Westbuchhandel AG (Berlin) [2] 332 Westdeutscher Lutherverlag GmbH (Witten) [2] 175 Westermann, Bernhard (Buchh., New, York) [2] 620 Westermann, Georg (Verlag, Braunschweig) [1] 19, 301, 428 [2] 124 f., 228 f., 620 f., 624 Westfälische Verlags- und Lehrmittel-Anstalt (Bochum) [2] 229 Westheim, Paul [1] 490 [2] 21 Westphal, Hilda [2] 273 Westphalen, L. (Verlag, Flensburg) [2] 228 Wetzel, Georg [2] 460 Weyrauch, Wolfgang [2] 258 Whitman, Walt [2] 3 Widerstands-Verlag Anna Niekisch (Berlin) [2] 134 Wiegandt, Ernst [2] 429 Wiegendruckgesellschaft (Berlin) [1] 336 Wiegler, Paul [2] 257, 272 Wiemer, Horst [2] 272 Wiesbadener Buchhändler-Verein [1] 254 Wiesbadener Volksbücherverein [2] 402 Wiese, Leopold von [1] 406 – 408 Wieser, Max [1] 273 Wiglin, Paul [2] 556 Wiking, Bund (Wehrverband) [2] 567 Wilckens, L. (Buchh., Mainz) [1] 253 Wild’s Hofbuchhandlung, C. (Baden-Baden) [1] 252 Wilde, Oscar [2] 22 Wildermuth, Ottilie [1] 170 Wilhelm II. [2] 619 Willberg, Hans Peter [1] 318 Williams & Co. (Verlag, Berlin) [2] 95, 198, 200, 219, 211 – 213 Williams, Anni [2] 95, 211 Willner, Gustav [2] 57 Wilser, Ludwig [2] 126
673 Wilson, Thomas Woodrow [1] 33 Winand, Hans [2] 75 Winckelmann (Graph. Anstalt, Berlin) [1] 473 Windisch, Albert [1] 315 Winnig, August [2] 124 Winter, Franz (Grossobuchh., Leipzig) [2] 292, 331 Winter’s Universitätsbuchhandlung, Carl (Heidelberg) [1] 387 f. Winter’sche Verlagshandlung, C. F. (Leipzig) [1] 401 Winterhoff, Edmund [1] 230, 277 – 282, 343 [2] 350 Winternitz (Zweig), Friderike Maria [2] 3 Wirth, Joseph [1] 42 Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft (Stuttgart) [1] 420 With, Cläre [2] 213 Witkowski, Georg [1] 335 Wittek, Erhard [2] 373 Wittfogel, Karl August [2] 44 Wixforth, Fritz [2] 80 – 82 Wohlfeld, Albert (Druckerei, Magdeburg) [1] 490 Wohlwert-Einheitspreis-GmbH [2] 501 f. Wolf, Arthur [2] 387, 574 Wolfe, Thomas [2] 31, 37 Wolfenstein, Alfred [1] 330 Wolff, Elisabeth [2] 38 Wolff, Helen [2] 39 Wolff, Kurt [2] 5, 21 f., 27, 29, 38 f. Wolff, Kurt (Verlag, Leipzig, München) [1] 13, 23, 105, 154, 180, 274, 343, 477, 479 – 481, 483, 492, 495 [2] 2 – 4, 27, 30 f., 38 – 41, 62, 69, 271, 273, 353, 438, 444 Wolff, Ludwig [2] 59, 62 f. Wolffheim, Werner [2] 435 f. Wolfskehl, Karl [2] 167, 396, 434 Wolfstein, Rosi [2] 116, 124 Wolgast, Heinrich [2] 187 f., 202, 213 Wollermann Verlagsbuchhandlung, Hellmuth (Braunschweig) [1] 250 [2] 174 Woltmann, Ludwig [2] 127 Wolzogen, Ernst von [1] 107, 127 Woolworth, Frank Winfield (Warenhauskonzern, Berlin) [2] 500 f. Working Association of German Booksellers in New York [2] 623 Wostok (Verlag, Berlin) [2] 169, 176 Wurm, Fritz [2] 26 f. Württembergische Bibelanstalt (Stuttgart) [2] 149, 391 Württembergischer Buchhändler-Verein (Stuttgart) [1] 239, 248 Xenien-Verlag (Leipzig) [1] 371 [2] 126 Zahn, Ernst [1] 157 [2] 632 Zane Grey Productions [2] 51 Zauleck, Johannes [2] 80 Zech, Paul [2] 33 Zehrer, Hans [2] 17 Zeitgeschichte Verlag (Berlin) [2] 568 Zeitler, Julius (Verlag, Leipzig) [2] 19, 29
674 Zeitlin, Leon [1] 139 f. Zeitungs-Automaten-Gesellschaft Artur Heiland und Emil Domcke (Berlin) [2] 547 Zelnik, Friedrich [2] 7, 56 Zentrag VOB (Zentrale Druckerei-, Einkaufs- und Revisionsgesellschaft, Berlin/DDR) [2] 116 Zentralstelle für den deutschen Buchhandel (USA) [2] 621 Zentralstelle für Dissertationen und Programme [2] 428 Zentralstelle für naturwissenschaftliche und mathematische Literatur [2] 425 Zentralverband der Angestellten [2] 311 Zentralverein deutscher Buch- und Zeitschriftenhändler [2] 328 Zerzer, Julius [2] 75 f. Zetkin, Clara [2] 114, 116 f., 213 Ziegert, Max (Antiquariat, Frankfurt a. M.) [2] 438 Zillesen, Fr. (Verlagsbuchh., Berlin) [2] 127 Zillmann, Paul (Lichterfelde) [2] 126 Zimmer, Albert [2] 485
G es a mtr eg iste r zu B an d 2 Zimmer, Victor [1] 252 Zimmermann, Albert [2] 134, 330 Zimmermann, Franz [1] 423 Zimmermann, Hilde [2] 251 Zimmermann, Otto [1] 253 [2] 229 Zimmermann, Wilhelm (Verlag, St. Petersburg, Leipzig) [1] 513 Zinzendorfhaus (Dresden) [2] 174 Zionistischer Bücherbund [2] 148, 566 Zobeltitz, Fedor von [1] 338 [2] 435 Zoff, Marianne [2] 63 Zola, Emile [1] 74, 77, 165 [2] 39, 498, 505, 559 Zscharnack, Leopold [2] 153 Zsolnay, Paul (Verlag, Wien) [1] 22, 301 [2] 27, 273 Zuckmayer, Carl [1] 79, 179 [2] 22, 40, 63 – 65, 102 Zweig, Arnold [1] 76, 79, 111, 123, 130, 176 [2] 23 f., 27, 29, 67, 112, 114 Zweig, Stefan [1] 17, 130, 157, 164 [2] 18–20, 65, 98, 187, 361, 435 f., 625, 635