Extraterritoriale Wirkungen von Grundrechten im Mehrebenensystem [1 ed.] 9783428555901, 9783428155903

Staatliches Handeln spielt sich immer häufiger auch jenseits des Staatsgebietes ab. Während Grundgesetz und Staatsrechts

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German Pages 338 Year 2019

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Extraterritoriale Wirkungen von Grundrechten im Mehrebenensystem [1 ed.]
 9783428555901, 9783428155903

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Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit

Band 9

Extraterritoriale Wirkungen von Grundrechten im Mehrebenensystem Von

Timo Schwander

Duncker & Humblot · Berlin

TIMO SCHWANDER

Extraterritoriale Wirkungen von Grundrechten im Mehrebenensystem

Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Markus Thiel, Köln

Band 9

Extraterritoriale Wirkungen von Grundrechten im Mehrebenensystem

Von

Timo Schwander

Duncker & Humblot  ·  Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2018 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten © 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 2199-3475 ISBN 978-3-428-15590-3 (Print) ISBN 978-3-428-55590-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-85590-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Untersuchung wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster im Sommersemester 2018 als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur wurden bis einschließlich Mai 2018 berücksichtigt. Sie ist das Ergebnis einer Idee, die im Nachgang der „Snowden-Affäre“ Gestalt annahm und mich nicht mehr losließ. Dass aus dieser Idee ein Buch werden konnte, verdanke ich besonders Prof. Dr. Hinnerk Wißmann, an dessen Lehrstuhl ich 2015 – 2017 als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig sein durfte und der bereitwillig die Betreuung der Arbeit übernahm. An seinem Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insb. Verwaltungswissenschaften, Kultur- und Religionsverfassungsrecht (nunmehr Kommunalwissenschaftliches Institut der WWU Münster) hatte ich zudem den Freiraum, mich auch neben der Dissertation wissenschaftlich zu betätigen. Prof. Dr. Oliver Lepsius, LL.M., schulde ich Dank für die Bereitschaft, das Zweitgutachten zu meiner Dissertation zu erstatten, Prof. Dr. Dr. Markus Thiel für die rasche Aufnahme in seine Schriftenreihe. Viele KollegInnen und FreundInnen aus Freiburg, Münster und Berlin haben mir in langen Diskussionen die Schärfung meiner Thesen ermöglicht, Kritik geübt und/oder Teile der Dissertation durchgesehen. Dafür möchte ich besonders Anna-Julia Saiger, LL.M., Dr. Daniel Weidemann, Jakob Faig, Laura Bärthel, Laura Wittmann, Maria Wilhelm und Sandra Westphal danken. In Berlin hat mir Prof. Dr. Martin Eifert, LL.M., freundlicherweise wissenschaftlichen Unterschlupf gewährt. Prof. Dr. Matthias Bäcker, LL.M., gab mir hilfreiche Anregungen im Zusammenhang mit der Novelle des BND-Gesetzes. Meinen Eltern danke ich dafür, dass sie mir mein Studium überhaupt erst ermöglicht haben. Schließlich danke ich Marieke, die Rawls hier hineingebracht und mich immer bestärkt hat. Berlin, im August 2018

Timo Schwander

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Erster Teil Bestandsaufnahme im Mehrebenensystem B. Begriffe und Gegenstand der Arbeit  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I.

Wirkung, Geltung, Anwendbarkeit und Durchsetzbarkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

II. Extraterritorialität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Grundlinien: Zwischen Universalismus und Herrschaftsverband  .. . . . . . . . . 30 C. Der Status quo unter dem Grundgesetz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Staatspraxis  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Rechtsprechung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Verfassungsgerichte  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) 1949 – 1960: Von „Elfes“ zum Washingtoner Abkommen  . . . . . . . . . 41 b) 1961 – 1971: Von der Auslieferung bei drohender Todesstrafe zur „Spanier“-Entscheidung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 c) 1973 – 1987: Vom Grundlagenvertrag zum Teso-Urteil  . . . . . . . . . . . . 45 d) 1995 – 1999: Zweitregisterurteil, Asylrecht und Fernmelde­aufklärung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 e) Neuere Entscheidungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 f) Zusammenfassung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Fachgerichte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Insbesondere: Gefangennahme mutmaßlicher Piraten  . . . . . . . . . . . . . 55 b) Insbesondere: Drohnen-Einsätze und die Ramstein Air Base  . . . . . . 56 III. Positionierung der Literatur  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Systematisierung und Untermauerung der Rechtsprechung  . . . . . . . . . . 59 2. Weitgehende Auslandsgeltung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Territorialprinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4. Verfassungsrechtsverhältnis und Verfassungskollisionsrecht  . . . . . . . . . 69 5. Art. 1 Abs. 3 GG als dynamische Verweisung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 6. Differenzierte Ansätze  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Relevanz des Schutzbereiches einzelner Grundrechte  . . . . . . . . . . . . . 79 b) Relevanz des staatlichen Tätigkeitsfeldes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 IV. Zwischenergebnis  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

Inhaltsverzeichnis

8

D. Internationaler Menschenrechtsschutz  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I.

Europäische Menschenrechtskonvention  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

II.

1. Travaux préparatoires  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und der ehemaligen Menschenrechtskommission  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) 1965 – 2001: Prä-Banković  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) 2001: Banković  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 c) 2002 – 2008: Post-Banković  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 d) 2009 – 2011: Al-Saadoon und Al-Skeini  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 e) Neuere Entscheidungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 f) Zusammenfassung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Stellungnahmen der Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte  .. . . . . . . . . . . . . . 117

1. Travaux préparatoires  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Entscheidungs- und Staatenpraxis  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) General Comments und Concluding Observations des Menschen­ rechtsausschusses  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Individualbeschwerden vor dem Menschenrechtsausschuss  . . . . . . . 123 c) Internationaler Gerichtshof und weitere Akteure  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 III. Charta der Grundrechte der Europäischen Union  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Rechtsprechung und Praxis der Unionsorgane  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Prä-Charta-Entscheidungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Libanon und West-Sahara: Grundrechtecharta und völkerrechtliche Abkommen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Neuere Entscheidungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 d) Praxis der Kommission  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 IV. Zwischenergebnis  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Jurisdiktion als Kontrolle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 E. Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I.

Grundsätzliches Verhältnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Europäische Menschenrechtskonvention  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte  . . . . . . . . . . 149 3. Grundrechtecharta der Europäischen Union  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 4. Zusammenführung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

Inhaltsverzeichnis II.

9

Verhältnis bei der extraterritorialen Wirkung und Problemfelder  .. . . . . . . . . 154

1. Regelmäßige Bindung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Fernmeldeaufklärung als beispielhafter Problemfall  . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Fernmeldeaufklärung nach der Europäischen Menschenrechts­ konvention  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Fernmeldeaufklärung nach dem Zivilpakt  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 c) Fernmeldeaufklärung nach der Grundrechtecharta  . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 III. Maßgaben des allgemeinen Völkerrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Irrelevanz völkerrechtlicher Maßgaben im status negativus  . . . . . . . 162 b) Kriterien für den status positivus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 IV. Menschenrechte und innerstaatliche Umsetzungsverpflichtung  . . . . . . . . . . . 169 Zweiter Teil Schlussfolgerungen für das deutsche Verfassungsrecht F. Integration extraterritorialer Wirkungenin die allgemeine Grundrechts­dogmatik  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I.

Reichweite der Grundrechtswirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

II.

1. Strenges Territorialprinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Wortlaut des Grundgesetzes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Verfassungsgeschichte: „Alte“ Verfassungen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Intentionen des Parlamentarischen Rates  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 d) Grundgedanken der Verfassung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Territoriale und personale Kontrolle als Voraussetzung der Grund­ rechtsbindung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Bereichsausnahmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4. Verfassungsrechtsverhältnis durch Anknüpfungsmoment  . . . . . . . . . . . . 194 5. Maßgebliches Kriterium: Ausübung deutscher Staatsgewalt  .. . . . . . . . . 195 6. Sonderfall: Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Inhaltliche Modifikation der Grundrechtswirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Vorüberlegungen: Dimensionen, Rechtsnatur, Bindungswirkung  . . . . 200 a) Grundrechtsdimensionen: Beschränkung auf die Abwehrfunktion?  200 b) Rechtsnatur: Bloße objektive Rechtssätze?  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 c) Bindungswirkung: Bloße „Leitwirkung“?  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 d) Status-Abgrenzung in multinationalen Konstellationen  .. . . . . . . . . . . 210 2. Schutzbereich und Eingriff  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Personeller Schutzbereich: Beschränkung auf Deutsche?  .. . . . . . . . . 212 b) Exkurs: Ausländische juristische Personen und Staatsorgane  . . . . . . 217 c) Sachlicher Schutzbereich: Reduktion auf international anerkannte Menschenrechte?  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

Inhaltsverzeichnis

10

d) Eingriff: Beschränkung auf klassisch-imperative Grundrechtsverkürzungen?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 3. Rechtfertigung: Modifikationen an den Schranken-Schranken?  . . . . . . 227 a) Übermaßverbot und außenpolitische Einschätzungsprärogative  . . . 227 b) Untermaßverbot .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 c) Vorbehalt des Gesetzes und Wesentlichkeitstheorie  . . . . . . . . . . . . . . . 233 d) Bestimmtheitsgebot .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 e) Zitiergebot .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 f) Besondere Verfahrensanforderungen, insb. Richtervorbehalte  . . . . . 239 III. Ergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 G. Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 I.

Einsatz von Streitkräften  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

II.

1. Besondere Eingriffsermächtigungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 2. Allgemeine Eingriffsermächtigungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Meinungsstand .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Eingriffsbefugnisse im bewaffneten Konflikt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 c) Eingriffsbefugnisse außerhalb bewaffneter Konflikte  . . . . . . . . . . . . . 258 3. Verfassungsrechtliche Maßgaben für Gesetzgebung und Gesetzes­ anwendung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Fernmeldeaufklärung durch Nachrichtendienste  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

1. Rechtsgrundlagen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 a) Überblick .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 b) Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nach dem BNDG  . . . . . . . . 266 2. Verfassungsrechtliche Beurteilung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 a) Grundrechtsrelevanz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 b) Anforderungen an eine gesetzliche Ausgestaltung  .. . . . . . . . . . . . . . . . 269 c) Verfassungswidrigkeit der §§ 6 ff. BNDG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 III. Zusammenfassung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 H. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Stichwortverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

A.  Einleitung A.  Einleitung

„Recht kann man nur in bedrohten Lagen erkennen; wenn es da nicht gilt, taugt es nichts. Im Alltag, wo nichts vor sich geht, kann jeder ein Rechtsbewahrer sein.“ Kurt Tucholsky, „8 Uhr abends – Licht aus!“1

In der heutigen Welt scheinen nationalstaatliche Grenzen zunehmend an Bedeutung zu verlieren. Der Staat ist in seinem Handeln nicht mehr streng an sein Gebiet gebunden, sondern übt Hoheitsmacht auch jenseits von diesem aus. Zwar ist das Territorium nach wie vor die mit Abstand wichtigste Bezugsgröße staatlicher Machtreichweite, doch längst hat eine räumliche Entgrenzung öffentlicher Gewalt begonnen.2 Deutlich wurde diese „Enträumlichung“3 nicht zuletzt durch die Enthüllungen amerikanischer, aber auch deutscher Nachrichtendiensttätigkeiten: Der Bundesnachrichtendienst, so ist bekannt geworden, überwacht in beträchtlichem Umfang Kommunikationsverkehre aus der ganzen Welt.4 Mit dem Ausmaß dieses 1 

Weltbühne Nr. 50, 10. 12. 1929, S. 866 (871). Befund wird – mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung – ganz überwiegend geteilt, vgl. nur F. Becker, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland (HStR), Bd. XI, 3. Aufl. 2013, § 240, Rn. 1 ff.; Benhabib, The Rights of Others: Aliens, Residents, and Citizens, Cambridge 2004, S. 4 ff.; Buchholtz, NVwZ 2016, 1353; Coomans/Kamminga, in: dies. (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, Antwerpen 2004, S. 1; Möllers, in: ders./Voßkuhle/Walter (Hrsg.), Internationales Verwaltungsrecht. Eine Analyse anhand von Referenzgebieten, 2007, S. 1 f.; Neubert, AöR 140 (2015), 267 (268); Payandeh, DVBl. 2016, 1073; Pöschl, in: VVDStRL 74 (2015), S. 405 (406, 422 f.); Schmalenbach, in: VVDStRL 76 (2017), S. 245 (246 f.); Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, 2001, S. 174 ff., 180 f.; L. J. Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik. Extraterritoriale Pflichten, der Menschenrechtsansatz und seine Umsetzung, 2017, S. 80 f.; Wegener, in: VVDStRL 75 (2016), S. 293 (297 f.). Eine vehemente Verteidigung der Relevanz territorialer Grenzen findet sich bei Gärditz, GLJ 17 (2016), 907 (908). 3  F. Becker, in: HStR³ XI, § 240, Rn. 1. Auch „Entterritorialisierung“, zum Betriff Bast, in: VVDStRL 76 (2017), S. 277 (279) und Schmalenbach, ebd., S. 245 (249 f.). 4  Zum Überblick Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation. Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses BND-26. Bericht im Rahmen des 1. Untersuchungsausschuss der 18.Wahlperiode des Deutschen Bundestages (offene Fassung), https://www. tagesschau.de/inland/graulich-abschlussbericht-101.pdf [25. 09. 2017], S. 21 ff.; Schiffbau2  Dieser

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Vorgehens beschäftigte sich unter anderem ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages.5 Die erwähnte Enträumlichung staatlicher Macht wirft die Frage auf, ob das Recht mit der Macht Schritt hält. Enden die Grundrechte an der deutschen Staatsgrenze? Art. 1 Abs. 3 des Grundgesetzes bindet die Ausübung deutscher öffentlicher Gewalt an die Beachtung der Grundrechte und scheint dies so auf den ersten Blick knapp zu verneinen. Wird also in den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses eingegriffen, wenn deutsche Nachrichtendienste im Iran ein Telefonat abhören? Bejahte man diese Frage, so bestünde eine massive Differenz zwischen derzeitiger Staatspraxis6 und rechtlichen Anforderungen. Kann es aber andererseits sein, dass die Existenz rechtlicher Bindungen, denen der Staat unterliegt, vom Ort seines Handelns oder der Wirkung dieses Handelns abhängt, sodass er zur Umgehung seiner Fesseln ins Ausland flüchten und dort völlig losgelöst von verfassungsrechtlichen Vorgaben agieren kann? Die Antwort darauf darf nicht beim Fernmeldegeheimnis Halt machen. Das Problem ist vielmehr ein grundsätzliches: War staatliches Handeln zum Zeitpunkt der Erarbeitung und Verabschiedung des Grundgesetzes noch beinahe ausschließlich Inlandshandeln, weshalb scheinbar kein Grund zur Beschäftigung mit diesen Fragen bestand7, so werden Rechtsgüter durch die deutsche Staatsgewalt heute oftmals auch extraterritorial, d. h. im Ausland, beeinträchtigt, so etwa in Auslandseinsätzen der Bundeswehr oder bei Operationen des Bundesnachrichtendienstes. Dieser Bestandsaufnahme muss eine Untersuchung der Reaktionen des Rechts folgen. Halten die normativen Bindungen, denen das Handeln der öffentlichen Gewalt unterliegt, mit deren ausgedehnten Möglichkeiten und der damit einhergehenden zunehmenden Verletzlichkeit des Einzelnen8 Schritt? Beziehen sie sich nur auf das Inland oder ist die Bundesrepublik Deutschland gar verpflichtet, den Grundrechten durch ihre Außenpolitik weltweit zur Durchsetzung zu verhelfen?

er, Fernmeldeüberwachung im Nebel, http://www.juwiss.de/58 – 2015/ [25. 09. 2017]. Umstritten bleibt nach wie vor, ob die Vorgänge den Begriff der Massenüberwachung rechtfertigen, vgl. dazu BT-Drs. 18/12850, S. 1316, 1353 ff. 5  1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode, Einsetzungsbeschluss v. 20. 03. 2014 auf Grundlage von BT-Drs. 18/843, ergänzt durch Beschluss v. 09. 06. 2016 auf Grundlage von BT-Drs. 18/8683; Abschlussbericht v. 23. 06. 2017, BT-Drs. 18/12850. 6  Zu dieser siehe C. I. und G. II. 1. 7  So zumindest BVerfGE 100, 313 (362); Gröpl, ZRP 1995, 13 (15). Historisch dazu auch Giegerich, EuGRZ 2004, 758 ff. Ob diese Diagnose zutrifft, wird sich im Folgenden noch zeigen müssen. Vgl. dazu C. I. und F. I. 1. c). 8 Vgl. Coomans/Kamminga, in: dies. (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 1.

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Diese Frage ist nicht mehr graue Theorie, falls sie dies jemals war. Vielmehr kann ihre Antwort buchstäblich über Leben und Tod entscheiden: Im Oktober 2014 etwa erhoben drei jemenitische Staatsangehörige vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage gegen die Bundesrepublik und begehrten die Unterbindung amerikanischer Drohnenangriffe, die von der US-Luftwaffenbasis im deutschen Ramstein aus gesteuert würden und denen bereits mehrere ihrer Familienangehörigen zum Opfer gefallen seien. Obgleich die Klage abgewiesen wurde9, sorgte sie für ein gewisses Aufsehen10, denn das Gericht beschied ihr Zulässigkeit, ging vom Bestehen einer entsprechenden Schutzpflicht aus und wies die Klage lediglich aufgrund der weiten Einschätzungsprärogative der äußeren Gewalt ab. Ist dieses Ergebnis ein übertriebener Auswuchs des deutschen Rechtsdenkens, man müsse immer, überall, gegen alles und jeden gerichtlichen Rechtsschutz gewähren, oder schlicht die logische Konsequenz universeller Grund- und Menschenrechte? Eine andere Kammer desselben Gerichts jedenfalls kommt nur ein halbes Jahr später zu einem anderen Ergebnis.11 Eine Antwort auf die obige Frage blieb lange Zeit aus; sie führte geradezu ein Schattendasein.12 Zu Recht konstatiert Pöschl wohl, sie passe nicht in die „Meister­erzählung der Grundrechte“.13 Ein Großteil der Literatur beschränkt sich auf knappe Feststellungen dazu. Erst seit den Siebzigerjahren entstanden – freilich noch vor dem zeitlichen Hintergrund einer weniger massiven staatlichen Entgrenzung – zunehmend Monographien und andere Werke mit grundlegenden eigenen Ansätzen.14 Neuere Auseinandersetzungen hingegen legen den Fokus meist auf ein bestimmtes Feld der Staatstätigkeit – meist auf militärische Auslandseinsätze15 – oder auf die Auslegung eines bestimmten Grundrechts – meist

9 

VG Köln, Urt. v. 27. 05. 2015, Az. 3 K 5625/14 – NWVBl. 2016, 39 ff. Schiffbauer, Aus dem Jemen über Ramstein nach Köln, http://www.juwiss. de/53 – 2015/ [25. 09. 2017]. 11  VG Köln, Urt. v. 27. 04. 2016, Az. 4 K 5467/15 – juris. 12  J. Menzel, Internationales Öffentliches Recht, 2011, S. 560. 13  Pöschl, in: VVDStRL 74 (2015), S. 405 (422). 14  Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug, 1992; Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände: Eine staatsrechtliche, insbesonders grundrechtskollisionsrechtliche Untersuchung, 1988; Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte, 1994; Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 ff. 15  Zu nennen sind hier insbesondere Erberich, Auslandseinsätze der Bundeswehr und Europäische Menschenrechtskonvention, 2004; Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt durch die deutsche auswärtige Gewalt, 2016; Surholt, Amtshaftung für Handlungen in Auslandseinsätzen der Bundeswehr, 2014; N. B. Wagner, Grund- und Menschenrechte in Auslandseinsätzen von Streitkräften. Schutz und Grenzen von Grund- und Menschenrechten bei Auslandseinsätzen von Streitkräften im Frieden und in bewaffneten Konflikten, 2009; Weingärtner (Hrsg.), Streitkräfte und Menschenrechte, 2008. 10 

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Art. 10 GG16. Nur vereinzelt wurde dieses Thema als das behandelt, was es ist: Eine Frage der allgemeinen Grundrechtsdogmatik17 an der Verbindungsstelle von Recht und Macht18. Es gibt kaum ein Grundrecht, zu dem sich Fragen seiner räumlichen Reichweite nicht stellen.19 Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) wird bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr ebenso relevant wie bei der Rettung von Flüchtlingsbooten im Mittelmeer oder bei Kohlekraftwerken, deren Rauchschwaden an Staatsgrenzen nicht Halt machen. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) könnte ebenso gegen die Fernmeldeüberwachung des Bundesnachrichtendienstes ins Feld geführt werden wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung20 aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Nimmt die Marine vor der Küste Somalias mutmaßliche Piraten gefangen, stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des Grundrechts auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 104 GG). Sogar die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) bleibt von derlei Fragen nicht verschont.21 Hinzu kommt die erforderliche Unterscheidung zwischen extraterritorialen Wirkungen der Abwehrdimension der Grundrechte einerseits und der – ungleich komplexeren – Berufung auf extraterritoriale Schutzansprüche, den extraterritorialen status positivus.22 Wird in der ersten Fallgruppe vom deutschen Staat schlicht die Achtung der rechtlichen Grenzen seines Handelns begehrt, so wird in der zweiten Variante aktive Politik des weltweiten Grundrechtsschutzes zum rechtlichen Erfordernis. Erhebt man den Anspruch einer kohärenten, beständigen Lösung, ist diese daher nicht primär in der Auslegung eines Grundrechts, sondern in der gesamten Grundrechtsdogmatik des Grundgesetzes zu suchen. 16  So z. B. Hochreiter, Die heimliche Überwachung internationaler Telekommunikation. Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur Rechtsstaatlichkeit der Arbeit von Auslandsnachrichtendiensten in Deutschland und dem Vereinigten Königreich unter besonderer Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2002. 17  Siehe etwa Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte. Zugleich ein Beitrag zum Individualschutz in bewaffneten Konflikten, 2005; Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland, 2007. Auch diese Arbeiten legen ihren Schwerpunkt freilich auf Abwehrrechte und behandeln den status positivus nur am Rande. 18 So Masing im Eröffnungsvortrag des Symposiums „Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat“ am 04. 11. 2016 in Berlin, zit. nach Schwander, DÖV 2017, 420 (421), nun auch Masing, in: Dietrich et al. (Hrsg.), Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2018, S. 3 (14 f.). 19  Vgl. auch Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln. Transnationale Elemente deutschen Verwaltungsrechts, 2010, S. 99 f. 20  BVerfGE 65, 1 (43 f.). 21  Vgl. BVerfGE 92, 26 ff. 22  Zu Details siehe B. II.

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Doch die erwähnte „Enträumlichung“ beschränkt sich nicht auf das Staats­ handeln und die Gefahren, die vom Staat abzuwehren sind 23 – auch die rechtlichen Bindungen, denen der Staat dabei unterliegen kann, bewegen sich zunehmend im über- und zwischenstaatlichen Raum.24 Grundrechte sind schon lange keine alleinige Domäne der Nationalstaaten mehr. Seit der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1789 und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948 hat der internationale Menschenrechtsschutz einen weiten Weg zurückgelegt, und die Bundesrepublik Deutschland ist durch eine Vielzahl von völkerrechtlichen Abkommen in diesem Bereich gebunden. Ziel dieser Arbeit ist es, ein „Gesamtbild“ der extraterritorialen Grundrechtsbindung der Bundesrepublik Deutschland durch Verfassungs- und Völkerrecht zu zeichnen und zu untersuchen, wie dieses menschenrechtliche Mehrebenensystem das Problem der extraterritorialen Wirkung von Grundrechten unter dem Grundgesetz beeinflusst. Auf dieser Grundlage soll ein kohärenter Ansatz für die deutsche Grundrechtsdogmatik erarbeitet werden. Nachdem eingangs der Gegenstand der Arbeit – die extraterritoriale Wirkung von Grundrechten – näher definiert, abgegrenzt und in einen staatsphilosophischen Zusammenhang gestellt wird (B.), ist dabei zunächst die Staatspraxis der Bundesrepublik eingehend darzustellen (C. I.). Ein Versuch, dieses Thema in die Grundrechtsdogmatik einzuordnen, darf sich nicht auf die Theorie beschränken, sondern muss auch in den Blick nehmen, wie den rechtlichen Maßstäben bislang tatsächlich Rechnung getragen wird. Anschließend wird die gesamte Judikatur des Bundesverfassungsgerichts und weiterer Gerichte auf Aussagen zur extraterritorialen Wirkung von Grundrechten hin untersucht (C. II.). Die existierenden Theorien des Schrifttums werden ausführlich dargestellt und diskutiert sowie mit dieser Rechtsprechung verglichen (C. III.). Dabei werden zahlreiche Argumentationsmuster hervortreten (C. IV.), die einer kritischen Würdigung unterzogen werden müssen und die zur Abgrenzung oder Untermauerung eines späteren Ansatzes herangezogen werden können. Da aber die Bindung des Staates nicht auf das autonome Recht beschränkt ist, werden anschließend drei völkerrechtliche bzw. supranationale Menschenrechtsinstrumente auf ihre Aussagen zur extraterritorialen Bindung hin untersucht: die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), der Internationale Pakt 23  Zur „Entgrenzung der Gefahr“ und dem damit verbundenen Verlust an Trennschärfe von äußerer und innerer Sicherheit statt vieler Isensee, in: Mellinghoff/Morgenthaler/Puhl (Hrsg.), Die Erneuerung des Verfassungsstaates. Symposion aus Anlass des 60. Geburtstages von Professor Dr. Paul Kirchhof, 2003, S. 7 (12 f.). 24  Zu diesen beiden Facetten des Begriffs des internationalen Menschenrechtsschutzes L. J. Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, S. 80 f.

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über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt/IPbpR) und die Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRCh). Diese Instrumente wurden nicht zufällig ausgewählt: Einerseits stellen sie drei der wichtigsten allgemeinen Menschenrechtsregimes dar. In der Konsequenz des Grundsatzes, ein Problem der allgemeinen Grundrechtsdogmatik und nicht eines partikularen Grundrechts anzugehen, wurden Menschenrechtsabkommen, die ausschließlich auf ein bestimmtes Schutzgut oder eine bestimmte Personengruppe abstellen – wie etwa die UN-Antifolterkonvention oder die UN-Kinderrechtskonvention – außen vor gelassen. Da Ziel der Betrachtung die Aggregierung der bestehenden extraterritorialen Achtungs- und Schutzverpflichtungen der Bundesrepublik ist, wurden außerdem keine Verträge herangezogen, deren Partei Deutschland nicht ist, wie etwa die Interamerikanische Menschenrechtskonvention. Um eine Gegenüberstellung von deutscher und internationaler Reichweite zu ermöglichen, wurden ferner nur Regelungsregimes betrachtet, deren Rechte im Großen und Ganzen spiegelbildlich zu jenen des Grundgesetzes sind, d. h. etwa nicht der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte oder die Europäische Sozialcharta.25 Zweitens kommt der Auswahl der Menschenrechtsregimes eine gewisse Repräsentativität zu: Die EMRK (D. I.) ist ein primär regionales Schutzinstrument und besitzt mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine starke institutionelle und auch sehr aktive Verfestigung. Sie trat 1953 in Kraft.26 Der UN-Zivilpakt (D. II.), der erst 1976 in Kraft trat27, besitzt eine räumlich deutlich größere Spannweite, an ihm ist ein Großteil der Staaten auf der gesamten Erde beteiligt.28 Gleichzeitig besitzt er mit dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen eine deutlich weniger umfangreiche und mit geringerem Einfluss versehene Struktur zur Auslegung und Durchsetzung des Paktes.29 Die Grundrechtecharta (D. III.) schließlich ist ein Instrument, das im Verlauf der späten Neunzigerjahre erarbeitet wurde, also deutlich neueren Datums ist. Sie ist regional noch stärker begrenzt als die Konvention, hat aber mit dem Gerichtshof der Europäischen Union ein äußerst kraftvolles Durchsetzungsorgan und kann außerdem angesichts der Supranationalität der EU auf eine Organisation mit unmit25  Ein Vergleich, der insb. auch speziellere Menschenrechtsabkommen (Behindertenrechtskonvention, Kinderrechtskonvention) umfasst, findet sich bei L. J. Wagner, Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, S. 80 ff. 26  Frowein, in: ders./Peukert (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2009, Einf., Rn. 2. 27  EMRK und IPbpR wurden zu großen Teilen parallel in den Fünfzigerjahren erarbeitet, obwohl der Zivilpakt erst zwanzig Jahre später in Kraft trat. Siehe dazu die Nachweise in D. I. 1. und II. 1. 28  Vgl. dazu ausführlich D. I. 29  Hofmann/Boldt, Internationaler Bürgerrechtepakt, 2005, Einl., Rn. 1.

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telbaren innerstaatlichen Durchgriffsmechanismen bauen.30 Die drei gewählten Menschenrechtsregimes unterscheiden sich also in der Zahl und der räumlichen Lage ihrer Vertragsstaaten, ihrer institutionellen Verfestigung und Durchsetzungsmacht und teils auch der Zeit ihrer Erarbeitung deutlich. Ob diese institutionelle, zeitliche und räumliche Vielfalt auch normative Auswirkungen zeitigt, muss an dieser Stelle noch offenbleiben. Zu allen drei Menschenrechtsinstrumenten werden die Erarbeitungspapiere (Travaux préparatoires), die Rechtsprechung bzw. Entscheidungspraxis dazu berufener Organe – d. h. des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, der früheren Europäischen Menschenrechtskommission, der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen, des Internationalen Gerichtshofes, der Generalversammlung und des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie des Gerichtshofes der Europäischen Union – und die Stellungnahmen der Literatur untersucht, um abschließend darzulegen, welche Bindung extraterritorialer Art bezüglich dieser Instrumente existiert. Dabei soll Kritik der Literatur an Konstrukten der jeweiligen Rechtsprechung zwar breiter Raum gegeben werden, maßgeblich für die folgende Betrachtung soll aber die tatsächliche Auslegung der Instrumente durch die zuständigen inter- und supranationalen Organe sein, denn das Ziel ist eine Darstellung der tatsächlich auf die Bundesrepublik wirkenden Bindungen. Eine bestimmte Rechtsprechung eines internationalen Gerichtes mag noch so kritikwürdig sein – solange sie besteht, wirkt sie nun einmal de facto auf den deutschen Staat ein und muss daher in einer Betrachtung seiner völkerrechtlichen Bindungen mit in den Blick genommen werden. Am Ende dieses Abschnittes wird als Ergebnis eine Darstellung der verschiedenen Regelungsmodelle bezüglich extraterritorialer Bindungen, die in den verschiedenen Instrumenten vorgefunden wurden, stehen (D. IV.). Nach der Darstellung und eingehenden Untersuchung der einzelnen Menschenrechtsregimes wird deren Verhältnis untereinander und zu den Grundrechten des Grundgesetzes in den Blick genommen (E. I.). Dabei soll einerseits dargestellt werden, inwiefern einzelne Ebenen, etwa als Mindeststandard, hinter anderen zurücktreten oder sich auf bestimmte Sachzusammenhänge beschränken. Andererseits soll beleuchtet werden, wie sie in das innerstaatliche Recht hineinwirken, in welchem Rang sie dort stehen und inwiefern sie über ihre überkommene Rangstellung hinaus Wirkungen auch auf höhere Rangstufen entfalten. Damit kann sodann belegt werden, welches Gesamtbild extraterritorialer Grundrechtswirkungen sich im Hinblick auf die völkerrechtlichen Bindungen derzeit ergibt (E. II.). Auch sollen hier bereits Problemfelder erarbeitet werden, in welchen das räumliche Ausmaß der Bindung an die untersuchten Grundrechtsinstru30  S. Meyer, in: ders. (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Aufl. 2014, Vorworte zur ersten bis vierten Auflage.

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mente noch ungeklärt oder zweifelhaft ist. Anschließend wird untersucht, welche Vorgaben das allgemeine Völkerrecht – insbesondere die Jurisdiktionslehren des Völkergewohnheitsrechts – an extraterritoriale Grundrechtswirkungen stellen (E. III.). So kann abschließend dargestellt werden, welche Mindestanforderungen sich völkerrechtlich für einen extraterritorialen Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz ergeben (E. IV.). Im Rahmen dieser Grenzen sollen sodann Schlussfolgerungen für die extraterritoriale Grundrechtsbindung erarbeitet werden. Zunächst muss geklärt werden, ob extraterritoriale Wirkungen von Grundrechten des Grundgesetzes überhaupt in Frage kommen oder ob sie vielmehr – generell oder unter bestimmten Umständen – gänzlich zu verneinen sind (F. I.). Dabei werden verschiedene Begründungsmodelle eines territorial beschränkten Grundrechtsschutzes untersucht und die letztlich maßgeblichen Kriterien herausgearbeitet. Hier sind insbesondere die zu Beginn gefundenen und dargestellten rechtsphilosophischen Argumente31 näher zu untersuchen und zu klären, ob bzw. wie diese in das positive Recht hineinwirken. Breiten Raum werden hier verfassungshistorische Überlegungen einnehmen: Es ist zu klären, ob es zutrifft, dass sich die Frage der extraterritorialen Grundrechtsbindung in den Vierzigerjahren und noch davor schlicht nicht stellte oder ob sich im vorkonstitutionellen Schrifttum, den Vorgängerverfassungen des Grundgesetzes, den Arbeiten des Verfassungskonventes auf Herrenchiemsee und des Parlamentarischen Rates sowie in den frühen Stellungnahmen der Literatur dazu nicht zumindest abstrakte Aussagen finden. Dabei ist ein Augenmerk besonders auf grundsätzliche Prinzipien der Verfassung, etwa das Menschen- und Politikbild des Grundgesetzes, und ihre Auswirkungen auf den Gegenstand der Arbeit zu legen. Auch Verfassungsänderungen und ihre (verfassungs-)gesetzgeberischen Motive sind hier, soweit sie Relevanz für den Untersuchungsgegenstand entfalten, zu betrachten. In der Folge stellt sich die Frage, ob sich trotz einer zu bejahenden Geltung der Grundrechte im extraterritorialen Bereich inhaltliche Modifikationen an diesen ergeben müssen (F. II.). Solche Modifikationen werden auf allen Ebenen des Grundrechtsmodells der allgemeinen Grundrechtsdogmatik des Grundgesetzes zu suchen sein, insbesondere aber im Rahmen des Schutzbereichs und der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen. Dabei sind auch die Operationalisierbarkeit und Subsumierbarkeit von Kriterien und ihre praktische Handhabung nicht aus den Augen zu verlieren. Ein Ansatz zur extraterritorialen Grundrechtsbindung muss tatsächlich handhabbar sein und es ermöglichen, auch Antworten auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit konkreter staatlicher Handlungen zu liefern. Abschließend sollen die gefundenen Ergebnisse zusammengefasst werden, womit die Kernfrage der Arbeit – ob und wie Grundrechte extraterritorial wirken – beantwortet wird (F. III.). 31 

Vgl. B. III.

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Jedoch sollen auch die praktischen Konsequenzen dieser Arbeit für einzelne Rechtsgebiete kurz exemplarisch beleuchtet werden. Hierfür eignen sich besonders zwei herausragende Beispiele extraterritorialen Staatshandelns: Streitkräfteeinsätze (G. I.) sowie der Einsatz von Nachrichtendiensten (G. II.). Eine Zusammenfassung der Auswirkungen auf diese Anwendungsfelder stellt die zuvor abstrakten Ergebnisse der Arbeit klarer heraus (G. III.). Die Arbeit wird mit einem Ausblick auf weitere Forschungsansätze und Entwicklungsmöglichkeiten enden (H.). Die Arbeit soll somit analysieren, wie sich die Entgrenzung staatlicher Tätigkeit und die Verflechtung inner- und überstaatlicher Grundrechtsstandards auf den Grundrechtsschutz auswirkt, und einen Ansatz zum extraterritorialen Grundrechtsschutz erarbeiten, der auf diese Entgrenzung und Verflechtung reagiert. Dabei stellt sich vor allem die Frage, wie Entwicklungen anderer Grundrechtsstandards im deutschen Verfassungsrecht rezipiert werden können und ob auf der Grundlage des geltenden Rechts eine Übernahme kompatibler dogmatischer Konzepte des Europa- und Völkerrechts sinnvoll oder eher eine Abgrenzung geboten ist. Wenn Staaten außerhalb ihres Staatsgebietes handeln, so tun sie dies oftmals in vermeintlich „zwielichtigen“ Bereichen, die eine Tendenz haben, sich rechtlicher Regulierung zu entziehen: bei militärischen Kampfhandlungen, aber in besonderem Maße in geheimdienstlichen Operationen. Betrachtet man den Gegenstand der Arbeit unter diesem Blickwinkel, so beschäftigt sie sich mit der Frage, was von Grundrechten bleibt, wenn es „schmutzig“ wird. Die Grundrechtsberechtigung im Inland ist inzwischen in weiten Teilen ein gut ausgeleuchteter Bereich der deutschen Staatsrechtslehre. Anspruch der Arbeit ist es, die Belastbarkeit der Grundrechte dort auf den Prüfstand zu stellen, wo ihr Normativitätsanspruch besonders unter Druck gerät: jenseits der Staatsgrenze.

Erster Teil

Bestandsaufnahme im Mehrebenensystem

B.  Begriffe und Gegenstand der Arbeit Bevor eine Auseinandersetzung mit der extraterritorialen Wirkung der Grundrechte stattfinden kann, müssen zunächst die dabei verwendeten, elementaren Begriffe geklärt werden. Der Begriff der Grundrechte erschließt sich aus dem bisher Gesagten: Gegenstand der Arbeit ist die Reichweite der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte des Grundgesetzes, wie sie in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG genannt werden. Gegenstand sind zum Vergleich und zur Aggregation eines „Gesamtbildes“ des Grundrechtsschutzes in Kapitel D. und E. ferner die Rechte, die Individuen in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) gewährt werden.1 Weit weniger deutlich ist dagegen das Verständnis zweier anderer Wörter, nämlich der Extraterritorialität und der Wirkung.

I.  Wirkung, Geltung, Anwendbarkeit und Durchsetzbarkeit Die Begriffe der Wirkung, der Geltung, der Anwendbarkeit und der Durchsetzbarkeit werden in der rechtswissenschaftlichen Literatur, insbesondere in der Literatur zum Thema dieser Arbeit, oftmals in Teilen oder in Gänze austauschbar verwendet. Eine klare Abgrenzung fehlt; von einer bewussten Verwendung des einen oder anderen Begriffes kann meist nicht gesprochen werden.2 Noch am stärksten unterscheidbar ist dabei die Geltung des Rechts von ihrer Durchsetzbarkeit. Es ist eine Grundsatzfrage der Rechtstheorie, ob und inwiefern dabei eines vom anderen abhängt.3 Unabhängig davon aber ist ein 1  Dies schließt z. B. das Recht auf Selbstbestimmung der Völker aus Art. 1 IPbpR aus, da dieses keinen individualschützenden Charakter hat, vgl. Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen (MRA), Lubicon Lake Band/Canada, Com. No. 167/1984, A/45/40 (1990). 2  So auch Kastler, Föderaler Rechtsschutz. Personenbezogene Daten in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, 2017, S. 117. Dies ist kein Spezifikum der deutschen Rechtswissenschaft, vgl. etwa McGoldrick, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, Antwerpen 2004, S. 41, der von „application“ und Scheinin, ebd., S. 73, der von „effect“ spricht – sie meinen beide dasselbe. Zur Vielfalt der Begrifflichkeiten auch Schmalenbach, in: VVDStRL 76 (2017), S. 245 (255). 3 Rechtsrealistische Theorien etwa, so z. B. Hohfeld, Yale L.J. 23 (1913), S. 16 ff., Holmes, Harv.L.Rev. 10 (1897), S. 457 ff., verknüpfen das Recht unmittelbar mit seiner Befolgung oder seiner Auslegung durch Gerichte, aber nicht notwendigerweise mit seiner zwangsweisen Durchsetzung (zum Unterschied vgl. Elbing, Zur Anwendbarkeit der

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B.  Begriffe und Gegenstand der Arbeit

Auseinanderfallen von Regelungsanspruch und Durchsetzbarkeit weithin anerkannt.4 Die Frage nach der Durchsetzbarkeit oder der tatsächlichen Befolgung einer Norm ist deskriptiver Art, die nach der Geltung hingegen in der Regel normativ.5 Im Folgenden soll Geltung eine normative Verhaltensforderung6, oder, um eine klassische Definition heranzuziehen: den Anspruch einer Norm auf Verbindlichkeit7 meinen. Der Begriff der Anwendbarkeit weist wiederum zwei Dimensionen auf: Einerseits kann nach den Voraussetzungen gefragt werden, die eine Norm als Voraussetzung noch vor die Subsumtion ihrer Tatbestandsvoraussetzungen stellt, andererseits nach der Möglichkeit, einen bestimmten Sachverhalt unter diese zu subsumieren.8 Am schillerndsten ist aber der Begriff der Wirkung. Er kann einerseits als normativer Begriff, etwa bei der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien der europäischen Union, verwendet werden.9 Andererseits kann Wirkung im deskriptiven Sinne die Vorhersage der Befolgung einer Norm bedeuten, d. h. die Befolgung mit

Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug, 1992, S. 48). Die Reine Rechtslehre sieht die tatsächliche Befolgung als Voraussetzung der Wirksamkeit einer Rechtsordnung (Kelsen, Reine Rechtslehre, Studienausg. d. 1. Aufl. 2008, S. 37), nicht aber als Geltungsvoraussetzung der einzelnen Rechtsnorm (a.a.O., S. 83). 4  Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht. Theorie und Praxis, 3. Aufl. 1984, § 1019; ähnl. Ipsen, in: FS Bernhardt, 1995, S. 1041 (1043, 1047), der statt Geltung den Begriff der Anwendbarkeit bevorzugt, während er unter dem Geltungsbereich den Raum versteht, in dem eine Norm zwangsbewehrt ist. Auch Merten, in: FS Schiedermair, 2001, S. 331 (332 f.), erkennt ein solches Auseinanderfallen grundsätzlich an. 5  Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 80 f. Teils wird der Geltungsbegriff aber auch als Oberbegriff verwendet, so etwa bei Mahlmann, Rechtsphilosophie, 2010, S. 248 f. oder bei R. Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, 3. Aufl. 2011, S. 139 ff., der zwischen einem soziologischen (deskriptiven), einem ethischen und einem juristischen Geltungsbegriff unterscheidet. Noch mehr Kategorien finden sich bei Klug, in: FS Nipperdey, 1965, S. 521 ff. 6  K. Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre. Ein Lehrbuch, 3. Aufl. 2008, S. 201; ähnl. Kantorowicz, Der Begriff des Rechts, 1957, S. 44 f. („verpflichtender Charakter“), Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 1992, S. 83 („Verbindlichkeit einer Verhaltensanforderung“). Kritisch hierzu S. Meyer, Juristische Geltung als Verbindlichkeit, 2011, S. 344. 7  Kindhäuser, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon. Recht, Wirtschaft, Gesellschaft, Bd. II, 7. Aufl. 1986, Stichwort „Geltung“. 8  Elbing, Anwendbarkeit der Grundrechte, S. 46 f. So wäre etwa § 212 StGB im ersten Sinne anwendbar, wenn die Voraussetzungen der §§ 2 – 10 StGB vorliegen, im zweiten Sinne, wenn eine vorsätzliche, rechtswidrige und schuldhafte Tötung eines Menschen vorliegt. 9  So in BVerfGE 75, 223 ff.; ähnl. auch BVerfGE 96, 68 ff.

II.  Extraterritorialität

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oder ohne Zwang10 oder das Vorliegen des Tatbestandes einer Norm, ohne dass diese dadurch schon der Sanktionierung fähig wäre.11 In dieser Arbeit, welche die Wirkung von Grundrechten jenseits der Staatsgrenzen zum Gegenstand hat, soll Wirkung einen normativen Oberbegriff darstellen. Wenn nach der Wirkung von Grundrechten gefragt wird, so soll einerseits untersucht werden, ob und wie diese jenseits der Staatsgrenzen gelten. Andererseits soll dargestellt werden, welches Gesamtbild sich aus der Geltung verschiedener Ebenen des Grundrechtsschutzes ergibt, d. h. wie sich diese Ebenen zueinander verhalten und welche Verhaltensanforderungen sich aus ihrer Gesamtheit ergeben. Wenn im Folgenden also von Grundrechtswirkungen gesprochen wird, so sind damit die Geltung von Grundrechten und die normativen Auswirkungen dieser Geltung, d. h. die Auswirkungen etwa auf die Anwendung einfachen Rechts, gemeint. Ziel der Arbeit ist keine deskriptive Untersuchung; gleichwohl werden in der Debatte zur extraterritorialen Wirkung von Grundrechten vielfach Argumente herangezogen, die auf die tatsächliche Durchsetzbarkeit einer Norm abzielen, indem sie etwa die Reichweite von Grundrechten in normativer Hinsicht begrenzen, weil eine Durchsetzung nicht möglich erscheint.12

II.  Extraterritorialität Auch der Begriff der extraterritorialen Wirkung bedarf einer Klärung. Extraterritoriale Wirkung bedeutet Wirkung im Ausland. Das Ausland wiederum umfasst alle Gebiete, die nicht Teil des deutschen Staatsgebietes sind. Letzteres wird in der Präambel des Grundgesetzes durch die Aufzählung der Länder umrissen.13 Primär ist das Staatsgebiet ein Topos des Völkerrechts, in welchem es neben Staatsvolk und Staatsgewalt einen Teil der Trias des klassischen Staatsbegriffes ausmacht.14 10  Hilf/Hörmann, in: FS Tomuschat, 2006, S. 913 (914). Rüthers spricht hier vom soziologischen oder faktischen Geltungsbegriff (Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, 7. Aufl. 2013, S. 204). 11  Merten, in: FS Schiedermair, S. 331 (333). 12  So etwa Kempen, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa (HGR), Bd. II, 2006, § 54, Rn. 8; Quaritsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, 2. Aufl. 2001, § 120, Rn. 77; teilw. auch BVerfGE 92, 26 (41). 13  Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, Präambel (74. EL 2015), Rn. 26; Hillgruber, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, Präambel (Stand: 01. 06. 2017), Rn. 21; Jarass, in: ders./Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, 14. Aufl. 2016, Präambel, Rn. 8. Soweit das Grundgesetz auf weitere Gebiete verweist, so etwa in Art. 116 Abs. 1, werden diese dadurch nicht zum Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. 14  G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 7. Neudruck 1960, S. 394 ff.; Verdross/ Verosta/Zemanek, Völkerrecht, 5. Aufl. 1964, S. 270.

B.  Begriffe und Gegenstand der Arbeit

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Das Staatsrecht übernimmt diesen Topos aber und bekräftigt ihn, er wird dadurch Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung.15 Wenn Ausland im Umkehrschluss all das ist, was nicht Inland ist, so weisen doch im weiten Sinne auch noch die Hochseeflotte – die keinen Teil des Staatsgebietes darstellt16, jedoch auf hoher See gemäß Art. 92 des Seerechtsübereinkommens (SRÜ)17 weitgehend der Hoheitsgewalt des deutschen Staates untersteht18 –, die ausschließliche Wirtschaftszone im Sinne von Art. 55 f. SRÜ – die nicht Staatsgebiet ist, aber in beschränktem Maße deutscher Hoheitsgewalt unterliegt19 – sowie deutsche diplomatische Missionen im Ausland nach Art. 22 bis 28 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (WÜD)20 eine besondere Sachnähe zum Staatsgebiet auf, weswegen sie, obgleich de jure Ausland, dem Inland faktisch näher sind. Das Gegenteil gilt für ausländische diplomatische Missionen in Deutschland sowie für Gebiete, in denen mit Zustimmung der Bundesrepublik ausländische Streitkräfte im Inland stationiert sind: Sie verbleiben Teil des deutschen Staatsgebiets, zugleich sind sie aber in der Ausübung der tatsächlichen Hoheitsgewalt dem Ausland näher.21

15 

Hillgruber, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Präambel (Stand: 01. 06. 2017), Rn. 21.1. Guilfoyle, in: Gammeltoft-Hansen/Vedsted-Hansen (Hrsg.), Human Rights and the Dark Side of Globalisation. Transnational law enforcement and migration control, New York 2017, S. 114 (118); Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 27 (49. EL 2007), Rn. 13; Oehmke, Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen zur Abwehr gegen Piraterie. Eine Analyse unter Aspekten des Völkerrechts und des deutschen Rechts, 2016, S. 305 f. Anders noch der StIGH im Lotus-Fall (StIGH, Urt. v. 07. 09. 1927, Nr. A/10, S. 23). 17  BGBl. II 1994, S. 1799 ff. 18  K. Maaß, NZWehrR 2016, 103 (105). Komplexer stellt sich die Lage bzgl. der Hoheitsgewalt über im Flug befindliche Luftfahrzeuge dar. Diese ist teilweise – nämlich bzgl. der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung, vgl. Art. 1 Abs. 1 – im Tokioter Abkommen geregelt, BGBl. II 1969, S. 122 ff. Transitbereiche von Flughäfen hingegen sind vollumfänglich Teil des Staatsgebiets, siehe dazu Lehnert, Frontex und operative Maßnahmen an den europäischen Außengrenzen. Verwaltungskooperation, materielle Rechtsgrundlagen, institutionelle Kontrolle, 2014, S. 175 f. 19  Lehnert, Frontex und operative Maßnahmen. S. 228 f.; tho Pesch, DÖV 2016, 645; Vitzthum, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 18, Rn. 33. Meist Teil der ausschließlichen Wirtschaftszone, seltener auch Teil der hohen See, ist die Anschlusszone i.S.v. Art. 32 SRÜ, für die ähnliche, wenngleich weitergehende Eingriffsmöglichkeiten des Anreinerstaates bestehen, vgl. Lehnert, Frontex und operative Maßnahmen, S. 227 f.; Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), Handbuch des Seerechts, 2006, S. 63 (150, 155). 20  BGBl. I 1964, S. 958 ff. Diese sind ebenfalls kein Teil des Entsendestaates, werden völkerrechtlich aber besonders geschützt (Vitzthum, in: HStR³ II, § 18, Rn. 11), vgl. auch schon RGSt 3, 70 ff. und RGSt 69, 54 ff. 21 Dazu Lepsius, Deutsches Recht auf NATO-Truppenübungsplätzen. Am Beispiel des Truppenübungsplatzes Bergen, 1995, S. 17 ff. 16 

II.  Extraterritorialität

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Vorbehaltlich dieser Sonderfälle umfasst das Ausland fremde Staaten und Gebiete, die keinem Staat zugehörig sind. Zum letzteren Gebieten gehört vor allem die hohe See22, aber auch der Weltraum 23, herrenlose Gebiete24 sowie de facto schließlich auch die Antarktis, bezüglich derer Gebietsansprüche aufgeschoben sind.25 In diesen Gebieten stellt sich die Frage nach der extraterritorialen Wirkung von Grundrechten. Die Umstände, unter denen eine solche Wirkung zum Tragen kommen kann, sind äußerst vielfältig und bedürfen eines kurzen Überblicks. Denkbar ist erstens, gleichsam als Prototyp, die Tätigkeit deutscher Staatsgewalt im Ausland. Diese kann in besetzten Gebieten – im Rahmen militärischer Operationen wie zeitweise in Afghanistan oder im Kosovo – erfolgen. Ferner kann sie in fremden Staaten im Rahmen völkerrechtlicher Übereinkommen oder Gestattungen – wie z. B. 1977 in Mogadischu bei der Beendigung der Geiselnahme an Bord der Lufthansa-Maschine „Landshut“ oder im Rahmen der polizeilichen Nacheile über Staatsgrenzen hinweg26 – oder ohne solche Übereinkünfte – etwa bei der Spionage – stattfinden. Schließlich erfolgt eine solche Tätigkeit auch in staatenlosen Gebieten, so etwa beim Einsatz der Bundesmarine im Mittelmeer. Zweitens ist die Ausübung deutscher Staatsgewalt unter diesen Bedingungen auch gemeinsam mit anderen Staaten möglich, etwa im Rahmen gemeinsamer militärischer Auslandseinsätze. Den prominentesten Anwendungsfall derartiger Kooperationen stellt die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen sowie die Einordnung in Systeme kollektiver Sicherheit dar. Über diese trifft das Grundgesetz mit den Art. 23, 24 Abs. 1 GG explizite Regelungen, zu deren Voraussetzungen und Grenzen ein reichhaltiges Schrifttum existiert.27 Die Grund- und Menschenrechtsbindung deutscher Akteure im Rahmen solcher Organisationen, etwa der EU, den Vereinten Nationen oder der NATO, soll daher nicht Gegenstand dieser Arbeit sein.28 22 

Art. 86 f. SRÜ; ausführlich Vitzthum, in: HStR³ II, § 18, Rn. 30 ff. Art. 2 des Weltraumvertrages (BGBl. II 1969, S. 1967 ff.); dazu ebenfalls Vitzthum, in: HStR³ II, § 18, Rn. 24 m.w.N. 24  Verdross/Verosta/Zemanek, Völkerrecht, S. 297. 25  Art. 4 des Antarktisvertrages (BGBl. II 1978, S. 1517 ff.). Nur in Teilen der Antarktis bestehen tatsächlich keinerlei Gebietsansprüche, sodass sie auch rechtlich als keinem Staat zugehörig qualifiziert werden können. 26  Art. 41 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ, ABl. EG L 239 v. 22. 09. 2000, S. 19 ff.), als weiteres Beispiel kann auch Art. 40 SDÜ gelten. 27  Siehe dazu jeweils m.w.N. Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. 3 (44. EL 2005), Rn. 88; Walter, AöR 129 (2004), 39 ff.; Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 24, Rn. 42 ff. Aus dem Blickwinkel der EMRK statt vieler Janik, ZaöRV 70 (2010), 127 ff. 28  Vgl. aber F. III. 5. und G. I. zur Abgrenzung. 23 

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B.  Begriffe und Gegenstand der Arbeit

Drittens kann auch die Tätigkeit deutscher Staatsgewalt im Inland grundrechtsverkürzende Auswirkungen im Ausland zeitigen. Beispiele zu dieser Fallgruppe sind grenzüberschreitende Emissionen oder Abschiebungen, bei denen dem Abgeschobenen Folter oder die Todesstrafe droht. Keine extraterritorialen Grundrechtswirkungen im hier verwendeten Wortsinn weist hingegen die bloße Bezugnahme deutschen Staatshandelns auf ausländisches Recht auf, so etwa wenn ein deutsches Zivilgericht im Rahmen des Internationalen Privatrechts ausländisches Recht anwendet.29 Gleichwohl können die Argumente, die im Rahmen der Diskussion dieser Fälle ausgetauscht werden, zumindest teilweise auch für die hier thematisierte Fragestellung fruchtbar gemacht werden.30 Viertens denkbar, wenngleich selten, ist die Tätigkeit deutscher Staatsgewalt im Ausland mit grundrechtsverkürzenden Folgen im Inland. Auch hier kann es entweder um eine alleinige Tätigkeit deutscher Staatsgewalt oder um eine Kooperation mit dritten Staaten gehen.31 In all diesen Fallgruppen kann sich der potentielle Grundrechtseingriff gegen Deutsche oder gegen Angehörige anderer Staaten richten. Grundlegend muss schließlich die Abwehrdimension der Grundrechte vom Geltendmachen des status positivus im Ausland unterschieden werden. Während es im ersten Fall um grundrechtsverkürzendes Handeln deutscher Staatsgewalt geht – sei es Eingriffshandeln im Ausland, sei es Eingriffshandeln im Inland mit Wirkungen im Ausland –, so wird im zweiten Fall ein Handeln im Ausland nicht beanstandet, sondern gerade gefordert. Gerügt wird also ein Unterlassen deutscher Staatsgewalt im Ausland. Dieses kann Bezug nehmen auf die Wirkungen von vorherigem Handeln im Inland32 oder im Ausland, z. B. auf die Folgen von Auslandseinsätzen. Gerügt werden kann hier eine nicht abgewandte Grundrechtsverkürzung durch Private oder die Nichtbeseitigung von Folgen vorherigen Handelns des Staates oder Privater.33 Ferner wäre auch eine Berufung auf Grundrechte ohne vorherigen Zusammenhang zum deutschen Staat denkbar, so etwa bei Grundrechtsverkürzungen durch Folgen des Klimawandels. Berück29  Klassisches Beispiel einer solchen Konstellation ist der Spanier-Fall, BVerfGE 31, 58 ff. Instruktiv zur Abgrenzung von der extraterritorialen Wirkung von Grundrechten Elbing, Anwendbarkeit der Grundrechte, S. 39 ff. 30  So zu Recht Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen, 2006, S. 209. 31 So etwa die Auswirkungen der deutsch-österreichischen Kooperation bzgl. des Flughafens Salzburg auf Bayern, BVerfGE 72, 66 ff. 32  Als Beispiel können auch hier grenzüberschreitende Emissionen dienen, ausführlich Dederer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, § 248. 33  Nicht aber die Abwendung staatlichen Handelns, hier stünde wieder die Abwehrdimension im Raum.

II.  Extraterritorialität

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sichtigt man die komplexen Kausalitäten von Umweltkatastrophen, so dürfte die Abgrenzung zwischen Szenarien, in denen die ursprüngliche Verkürzung einen Inlandsbezug aufweist und solchen, in denen dies nicht der Fall ist, nur schwer möglich sein. Es wird deutlich, dass eine Vielzahl an Sachverhalten denkbar ist, im Rahmen derer Grundrechte extraterritorial wirken können.34 Somit können für die Beurteilung des grundrechtlichen Schutzes folgende Kriterien relevant werden: als räumlich-personelle Gesichtspunkte die Staatsangehörigkeit des potentiellen Grundrechtsträgers, sein Aufenthaltsort, der Ort der grundrechtsverkürzenden Handlung und der Ort der Auswirkung derselben, als räumliche Gesichtspunkte außerdem die Tätigkeit in einem besetzten Gebiet, einem fremden Hoheitsgebiet oder einem Gebiet ohne Territorialhoheit, sowie schließlich als modale Gesichtspunkte die Dimension des angeführten Grundrechts (status negativus oder positivus).35 Ferner kann extraterritoriale Grundrechtsbindung sowohl als Grundrechtsverpflichtung des Staates als auch als Grundrechtsberechtigung des Individuums verstanden werden: Denkbar ist eine Unterscheidung zwischen der Verpflichtung des Staates, auch im Ausland Grundrechte zu achten, und der Berechtigung von Personen im Ausland, sich auch auf diese zu berufen, d. h. der subjektiv-rechtlichen Qualität extraterritorialer Grundrechte. Außen vor bleiben muss dagegen in weiten Teilen der status activus.36 Seine besondere Nähe zum Demokratieprinzip führt dazu, dass die Frage nach seiner extraterritorialen Wirkung weniger um Grundrechtsdogmatik als vielmehr um transnationale Demokratie kreist und daher die Dimensionen dieser Arbeit sprengen müsste. Die Frage nach der extraterritorialen Wirkung von Grundrechten ist teils enger, teils weiter als die oftmals thematisierte37 Frage nach der verfassungsrechtlichen

34  Elbing, Anwendbarkeit der Grundrechte, S. 51 ff. zählt insgesamt 22 verschiedene Fallgruppen auf, gesteht dann aber schließlich ein, sie seien kaum scharf voneinander abzugrenzen. 35  J. Menzel, Internationales Öffentliches Recht. Verfassungs- und Verwaltungsgrenzrecht in Zeiten offener Staatlichkeit, 2011, S. 571 f., fächert diese Aufzählung noch stärker auf, indem er außerdem fragt, in wessen Interesse die Staatstätigkeit erfolgt. Dies erscheint für eine Kategorisierung extraterritorialer Grundrechtswirkungen nicht hinreichend klar abgrenzbar. 36  Zur Territorialgebundenheit des Wahlrechts BVerfGE 58, 202 (205); BVerfGE 132, 39 (51); aus jüngerer Zeit Lindner, BayVBl. 2016, 577 ff. und Thum, BayVBl. 2016, 579 ff. 37  Die Tagung der Staatsrechtslehrervereinigung beschäftigte sich 1953, 1977 und 1996 – sowie im weiteren Sinne 1964, 1973, 2007, 2015 und auf der Sondertagung 1990 – mit der Verfassungsbindung der auswärtigen Gewalt, ganz zu schweigen von den zahlreichen Referaten zum Einfluss der Europäischen Union auf das Verfassungsrecht.

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B.  Begriffe und Gegenstand der Arbeit

Bindung der auswärtigen Gewalt.38 Weiter ist sie, weil die auswärtige Gewalt im engeren Sinne – die „Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten“, wie Art. 32 Abs. 1 GG sie definiert39 – eine, aber bei weitem nicht die einzige Form extraterritorialen Staatshandelns ist.40 Nachrichtendienste, Streitkräfte und grenzüberschreitende Polizeieinsätze sind allesamt Beispiele für staatliche Auslands­ tätigkeit, ohne zugleich der auswärtige Gewalt im engeren Sinne anzugehören.41 Enger ist die Thematik der extraterritorialen Grundrechtswirkung zugleich daher, dass sie nur nach der Bindung an die Grundrechte als spezifischem Teil des Verfassungsrechts fragt, während die Frage nach der Bindung der auswärtigen Gewalt nach Bindungen aus dem Grundgesetz insgesamt fragt und dabei oftmals nicht solche aus den Grundrechten, sondern aus sonstigem Verfassungsrecht im Mittelpunkt stehen.42

III.  Grundlinien: Zwischen Universalismus und Herrschaftsverband Die Argumentation für und wider extraterritoriale Grundrechtswirkungen ist, wie so oft im Bereich der allgemeinen Grundrechtslehren, von intensiven Rekursen auf philosophisches und verfassungstheoretisches Gedankengut geprägt.43 Auch wenn man für die Frage nach extraterritorialen Rechten nicht mehr ernsthaft auf die Hinrichtung des Apostels Paulus rekurrieren möchte44, ist es gleichwohl notwendig, sich die geistesgeschichtlichen Grundlagen von Grundund Menschenrechten, von auswärtiger Staatsgewalt sowie von deren Konnex vor 38  Vgl. dazu Fischbach, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Bundesregierung bei der Ausübung der Auswärtigen Gewalt. Möglichkeiten einer funktionell-rechtlichen Kontrollreduktion, 2011; Kluth, in: FS Friauf, 1996, S. 197 ff.; Schuppert, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Auswärtigen Gewalt, 1973. 39  Zum Begriff der auswärtigen Gewalt Fischbach, Verfassungsgerichtliche Kontrolle der Bundesregierung, S. 19; Kluth, in: FS Friauf, S. 197 (199). 40  Stellt man strikt auf den Handlungsort ab, so muss die auswärtige Gewalt freilich keineswegs extraterritorial sein, sondern kann genauso am Sitz der Bundesregierung stattfinden. 41  Vgl. allerdings Kluth, in: FS Friauf, S. 197 (199), der die Wehrgewalt der auswärtigen Gewalt zuordnet. 42  So z. B. der Streit um den Grundlagenvertrag, in dem es um die Vereinbarkeit mit einem aus der Präambel sowie aus Art. 23 GG a.F. und Art. 146 GG a.F. entwickelten Wiedervereinigungsgebot ging, BVerfGE 36, 1 (16 ff., 24 ff.). 43  Vgl. exemplarisch Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (50 ff.). 44  Vgl. der US Supreme Court in Johnson v. Eisentrager, 339 U.S. 763, 769 (1950). Paulus war römischer Bürger und hatte daher das Recht, zum Kaiser zu appellieren (Apg 25, 9 ff.). Der Gerichtshof verwendet dies – 19 Jahrhunderte später – als Beleg für die grundsätzlich innengerichtete, im Ausland nur eigene Bürger berechtigende Wirkung des Habeas-Corpus-Grundsatzes.

III.  Grundlinien: Zwischen Universalismus und Herrschaftsverband

31

Augen zu führen, bevor die Frage gestellt werden kann, welchen Einfluss diese Überlegungen für die Auslegung des positiven Rechts haben können. In den klassischen Vertragstheorien sind die Grundrechte traditionell Korrelate zum staatlichen Gewaltmonopol.45 Schon Thomas Hobbes legitimierte die Staatsgewalt und ihr Gewaltmonopol, freilich ohne daraus Grundrechte abzuleiten, mit dem Schutz der Individuen.46 Konkret findet sich dieses Korrelat aber vor allem im Staatsverständnis John Lockes. Für Locke sind die Menschen „von Natur aus alle frei, gleich und unabhängig“47, geben diese natürliche Freiheit aber durch den Zusammenschluss zu einer staatlichen Gemeinschaft zugunsten von Stabilität und Sicherheit auf.48 Diese staatliche Gemeinschaft bzw. ihre Regierung ist aber gerade zu dem Zweck geschaffen worden, das Individuum und sein Eigentum zu schützen.49 Der Regierung ist es daher verwehrt, Leben, Freiheit oder Eigentum willkürlich zu entziehen; andernfalls würde sie sich selbst ad absurdum führen.50 Damit wandelt sich die ursprüngliche, natürliche Freiheit, von der Locke ausgeht, in eine Freiheit gegen den Staat und Schutz durch den Staat. Dieser ist zur Sicherung des Individuums geschaffen und dazu mit bestimmten Machtinstrumenten ausgestattet worden; die Kehrseite dieser Macht ist aber das Verbot, auf die Rechte dieses Individuums überzugreifen. Wie selbstverständlich aber geht Locke stets vom Verhältnis der Mitglieder einer Gemeinschaft zu ebendieser Gemeinschaft aus.51 In ähnlicher Weise hängen auch für Montesquieu Gesetzesunterworfenheit und rechtliche Freiheit notwendigerweise zusammen.52 Grundrechte im konstitutionalisierten Staatswesen sind also das Gegenstück zum Unterworfensein gegenüber der Staatsgewalt. Dieses Korrelat bedeutet hingegen nicht, dass die Grundrechte staatsgegeben sind – gerade weil diese Grundrechte dem Gesetzgeber vorgegeben sind, bilden sie die Grenze seiner Machtausübung.53 45  Robbers, Sicherheit als Menschenrecht: Aspekte der Geschichte, Begründung und Wirkung einer Grundrechtsfunktion, 1987, S. 81. 46  Hobbes, in: Gawlick (Hrsg.), Thomas Hobbes, Vom Menschen – Vom Bürger, 3. Aufl. 1994, S. 128 ff. 47  Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, 1977, S. 260. 48  A.a.O., S. 278. 49  A.a.O., S. 289. 50  A.a.O., S. 284 f. Während Locke das Verbot der willkürlichen Verletzung von Leben und Freiheit betont, ist das Verbot des Eigentumsentzugs definitiver, vgl. S. 289. 51 Exemplarisch Locke, Zwei Abhandlungen, S. 291. 52  Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, Bd. 1, Neuauflage 1951, S. 212 f. Zu weiteren vergleichbaren kontraktualistischen Theorien Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 27 ff. 53  Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 190, Rn. 13; P. Kirchhof, DVBl. 1999, 637 (651).

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B.  Begriffe und Gegenstand der Arbeit

Umso mehr gilt dieser Zusammenhang für den status positivus: Die Machtmittel, auf die der Staat zugreifen kann, sind ihm gegeben, damit er sie zum Schutz des Einzelnen und seiner Rechte einsetzen kann.54 Früh war dieser Zusammenhang vor allem bei Christian Wolff erkennbar, der den Staat als zum Schutze der Rechte des Einzelnen geschaffen darstellt.55 Der Staat ist bei Wolff ein zweckgerichteter Zusammenschluss aus Freien56; seine Handlungen dürfen sich nur auf die „Förderung der gemeinen Wohlfarth“ erstrecken. Freilich bestehen diese Rechte und Begrenzungen nur im Verhältnis des Staates zu seinen Mitgliedern, nicht gegenüber Fremden.57 Diese Thesen hatten großen Einfluss auf das Verfassungsdenken des 19. Jahrhunderts58 und auf das Verständnis der Grundrechte des Grundgesetzes in unserer Zeit. Der implizite Rekurs auf das Lockesche Staatsverständnis wird hier auch im staatsrechtlichen Schrifttum immer wieder deutlich: „Der Verzicht auf das naturgegebene Recht zur Verteidigung seiner Rechtsgüter kann für den einzelnen sinnvollerweise nur in Betracht kommen, wenn er sie durch den Staat gesichert weiß. Die Gewährleistung der Sicherheit ist Voraussetzung der Unterwerfung.“59

Grundrechte sind in der klassischen Sichtweise also das Gegenstück zur Allmacht der Staatsgewalt.60 Da aber diese Allmacht traditionell nach innen, innerhalb des Staates wirkt, werden auch Grundrechte traditionell als innengerichtet verstanden.61 54  Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit. Zu den Schutzpflichten des freiheitlichen Verfassungsstaates, 1983, S. 21 f. 55  C. Wolff, Grundsätze des Natur- und Völkerrechts, worin alle Verbindlichkeiten und alle Rechte aus der Natur des Menschen in einem beständigen Zusammenhange hergeleitet werden, 2. Aufl. 1769, § 972, S. 686. 56  A.a.O., § 977, S. 688 und § 980, S. 690. 57  A.a.O., § 1020, S. 719. Vgl. auch noch Kegel/Seidl-Hohenveldern, in: FS Ferid, 1978, S. 233 (236 f.). 58  Vgl. etwa v. Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts, 1865, S. 32, 46 („Gegenwirkung des staatlichen Gewaltrechts“). Dazu umfassend Gosewinkel, Schutz und Freiheit? Staatsbürgerschaft in Europa im 20. und 21. Jahrhundert, 2016, S. 40 f. 59  E. Klein, NJW 1989, 1633 (1636); s. auch H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (493). 60  Hannah Arendt spricht von der „Gleichsetzung von nationaler Souveränität und Genuß der Menschenrechte“, s. Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, 1955, S. 349. 61  Siehe etwa Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (50f). Vgl. auch P. Huber, In der Sinnkrise, http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/gastbeitrag-verfassungs staat-in-der-sinnkrise-13832632.html [25. 09. 2017], S. 1. Beschreibend Dellavalle in Haller/Günther/Neumann (Hrsg.), Menschenrechte und Volkssouveränität in Europa. Gerichte als Vormund der Demokratie?, 2011, S. 123 (143); Milanovic, Harv.Intl.L.J. 56 (2015), 81 (89).

III.  Grundlinien: Zwischen Universalismus und Herrschaftsverband

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Das auswärtige Handeln des Staates hingegen sah schon Locke einst als weitgehend unregelbar an. Es sei im Vergleich zum inneren Handeln der Exekutive „weitaus schwerer durch vorher gefaßte, stehende, positive Gesetze zu leisten.“62 Stattdessen verbleibt die auswärtige Gewalt in einer rechtlich kaum geregelten, weitgehend politischen Zweckmäßigkeiten überantworteten Sphäre, die Tomuschat in Anlehnung an Herbert Krüger und Carl Schmitt als „permanenten Ausnahmezustand“ bezeichnet.63 Auch diese Sichtweise hatte starken Einfluss auf die nachfolgende Rechtsentwicklung.64 Außenpolitik verblieb rechtlich in einem weitgehend ungeregelten Raum – aufgrund ihrer Abhängigkeit von flexiblen Entscheidungen und Vertraulichkeit, aber auch weil sie jenseits des Gebietes agiert, über das sich das staatliche Gewaltmonopol erstreckt65, und so nach den oben beschriebenen Vorstellungen auch die Kehrseite dieses Gewaltmonopols, die Grundrechtsbindung, abstreift. Infolgedessen wurde der Exekutive besonders in den jungen Jahren der Bundesrepublik ein großer politischer Spielraum bei auswärtigen Abwägungsfragen zugestanden.66 Während in der Begründung gegen den Staat gerichteter Grundrechte durch klassische Vertragstheorien ein Schwerpunkt auf ihre Beziehung zum staatlichen Gewaltmonopol gelegt wird, verläuft die Diskussion über das Verständnis der

62  Locke, Zwei Abhandlungen, S. 293. Zur grundlegenden Bedeutung dieser These auch Wildhaber, in: VVDStRL 56 (1997), Aussprache, S. 130. 63  Tomuschat, in: VVDStRL 36 (1978), S. 7 (14). Siehe auch Bommarius, in: Roggan/ Kutscha (Hrsg.), Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit, 2. Aufl. 2006, S. 583 (589); Ekins/Morgan/Tugendhat, Clearing the Fog of Law. Saving our armed forces from defeat by judicial diktat, London 2015, S. 9 („War and peace were once the ultimate responsibility of the Executive“). Vgl. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1964, S. 30 f.; Schmitt, Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität, 8. Aufl. 2004, S. 13; Waldhoff, in: Isensee (Hrsg.), Menschenrechte als Weltmission, 2009, S. 43 f. Zum Begriff des Ausnahmezustands Frankenberg, KJ 50 (2017), 3 ff. 64  Siehe z. B. das Diktum vom „zwieschlächtigen Charakter“ des Staates, Wolgast, AöR 44 (=5 N.F., 1923), 1 (75). Ablehnend Dellavalle, in: Haller/Günther/Neumann (Hrsg.), Menschenrechte und Volkssouveränität in Europa, S. 123 (143 f.): Schon die individualschützende Konzeption der kontraktualistischen Grundrechte verbiete es, ihre Wirkung auf ein einzelnes Gemeinwesen zu beschränken. Instruktiv R. Schmidt, in: VVDStRL 36 (1978), S. 65 (67). 65  Kottmann, Introvertierte Rechtsgemeinschaft. Zur richterlichen Kontrolle des auswärtigen Handelns der Europäischen Union, 2014, S. 73 ff. 66  Krüger, DÖV 1950, 536 (540 f.). Jedoch wurde dieser Spielraum oftmals primär auf der Ebene der Justiziabilität, nicht der materiellen Bindung eingeräumt, siehe Schneider, Gerichtsfreie Hoheitsakte: ein rechtsvergleichender Bericht über die Grenzen richterlicher Nachprüfbarkeit von Hoheitsakten, 1951, S. 47 f., dazu Schuppert, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Auswärtigen Gewalt, 1973, S. 34 f. m.w.N.

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B.  Begriffe und Gegenstand der Arbeit

Menschenrechte67 vor allem im 20. Jahrhundert deutlich anders. Diese sind ihrem Grundgedanken nach universell angelegt; sie sind Folge des schlichten „MenschSeins“ und nicht der Zugehörigkeit zu einem Staatsverband.68 Deutlich wird dieser Geltungsanspruch schon in der Präambel der Menschenrechtserklärung von 1948, die von der „Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte“ spricht.69 Diese Bedingungslosigkeit und Universalität wird immer wieder bestätigt.70 Die Positivierung von Menschenrechten im Völkerrecht erkennt diese als Teil einer Gemeinwohlbindung an, die den Staat transzendiert und Jurisdiktionsgrenzen relativiert.71 Es ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, die Entwicklungsgeschichte des Gedankens universeller Menschenrechte auch nur grob zu skizzieren. Hergeleitet wurde er ursprünglich vor allem aus der Gottesebenbildlichkeit des Menschen.72 Immanuel Kant betonte dagegen einerseits einen Konnex zwischen dem status activus und der gesetzlichen Freiheit des Individuums und schloss damit an die oben genannten Theorien der Grundrechte als Korrelat zur Staatsgewalt 67  Der Begriff der Menschenrechte wird im Folgenden primär für internationale Individualrechtsgewährleistungen und für vorpositiv-naturrechtlich behauptete Rechte verwendet, die ihrer Konzeption nach nicht an einen Staat gebunden sind, jener der Grundrechte hingegen für staatlich, insb. konstitutionell gewährleistete Rechte. So auch Haller, in: dies./Günther/Heumann (Hrsg.), Menschenrechte und Volkssouveränität in Europa. Gerichte als Vormund der Demokratie?, 2011, S. 11. Diese Terminologie ist freilich weder sachlogisch zwingend, noch wird sie universell geteilt. Auch bestehen Räume zwischen beiden Begriffen, wie etwa die Grundrechtecharta der Europäischen Union, die als supranationale Organisation zwischen diesen Idealtypen steht, zeigt. 68  Fassbender, in: Isensee (Hrsg.), Menschenrechte als Weltmission, S. 11 (14 ff.); Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz. Der Schutz des Individuums auf globaler und regionaler Ebene, 3. Aufl. 2013, S. 20; Pogge, in: Kaul/Kim (Hrsg.), Imagining Human Rights, 2015, S. 35 f. Itamar Mann stellt die so verstandene Verpflichtung gegenüber dem anderen Menschen neben die kontraktualistische Verpflichtung, die primär gegenüber dem Staat bestehe, s. Mann, Humanity at Sea: Maritime Migration and the Foundations of International Law, New York 2016, S. 15. 69  Vgl. außerdem Art. 1 AEMR: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ 70  Siehe etwa die Generalversammlung der Vereinten Nationen, A/RES/60/251 (2006). 71  Laskowski, Das Menschenrecht auf Wasser. Die rechtlichen Vorgaben zur Sicherung der Grundversorgung mit Wasser und Sanitärleistungen im Rahmen einer ökologisch-nachhaltigen Wasserwirtschaftsordnung, 2010, S. 274, 277. Ähnl. Fassbender, EuGRZ 2003, 1 (10 f.); Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln. Transnationale Elemente deutschen Verwaltungsrechts, 2010, S. 101 ff.; Milanovic, Harv.Intl.L.J. 56 (2015), 81 (89). 72  della Mirandola, Über die Würde des Menschen (De dignitate hominis), 1990, Ziff. 6 ff. Zu religiösen Fundamenten vgl. auch Fassbender, in: Isensee (Hrsg.), Menschenrechte als Weltmission, S. 11 (12 f.).

III.  Grundlinien: Zwischen Universalismus und Herrschaftsverband

35

an.73 In der Schrift „Zum Ewigen Frieden“ dagegen konstruiert er bereits ein, wenn auch minimalistisches, Weltbürgerrecht.74 Er gehe nun, so einige Stimmen, davon aus, dass sich Freiheit nicht innerstaatlich erschöpfe.75 John Rawls als moderner Kontraktualist76 schließlich differenziert zwischen Grundrechten aus einzelstaatlichen Verfassungen und überstaatlichen Menschenrechten, die dem Recht dieser Nationalstaaten und damit letztlich dem Pluralismus Grenzen setzen.77 Das moderne Verständnis von Menschenrechten unterscheidet sich in seinem Grundverständnis also von der Entwicklungsgeschichte klassischer konstitutioneller Grundrechte vor allem dadurch, dass Menschenrechte von vornherein nicht als Schranken eines spezifischen Gemeinwesens nach innen, sondern als grenzüberschreitende, weltweite Gewährleistung angelegt sind.78 Die vor allem durch Locke beeinflusste Grundrechtslehre hingegen sieht Individualrechte vor allem als Gegenstück zum Gewaltmonopol des Staates. Dieses ist nach innen gerichtet; auswärtiges Handeln ist hingegen seiner Natur nach, so diese Auffassung, kaum zu regeln. Die Frage nach der extraterritorialen Grundrechtsbindung ist zugleich letztlich eine Frage nach dem Nexus von theoretischem Staatsbegriff und positiver Verfassung: Der Staat wird in G. Jellineks berühmter Trias als Einheit von Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt definiert.79 Entscheidend für die Existenz extraterritorialer Grundrechtswirkungen ist, welche dieser Komponenten zur Auslösung der staatlichen Grundrechtsbindung maßgeblich ist: Ist die Verfassung Verfassung für das Staatsgebiet oder für die Staatsgewalt?80 73 

Kant, Metaphysik der Sitten, 3. Aufl. 1919, S. 136 f. Kant, Zum Ewigen Frieden; in: Kants Werke. Akademie-Textausgabe, Bd. VIII, 1968, S. 341 (347 ff.). 75  Brandt, in: Höffe (Hrsg.), Immanuel Kant, Zum Ewigen Frieden, 2. Aufl. 2004, S. 133 (134); Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 25. Zum Einfluss auf die Theorie internationaler Beziehungen Czempiel, Friedensstrategien. Eine systematische Darstellung außenpolitischer Theorien von Machiavelli bis Madariaga, 2. Aufl. 1998, S. 162 ff. 76 Zum kontraktualistischen Element seiner Theorie Rawls, A Theory of Justice, Cambridge (Mass.) 1971, S. 118 ff. 77  Rawls, Das Recht der Völker, 2002, S. 97. Kritisch zu Rawls staatszentrierter Argumentation Benhabib, The Rights of Others: Aliens, Residents, and Citizens, Cambridge (UK) 2004, S. 72 ff., insb. S. 85. 78  So auch Gosewinkel, Schutz und Freiheit?, S. 384 ff.; Kanalan, AVR 52 (2014), 495 (508 f.). 79  G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 394 ff. 80  Auf das Staatsvolk als entscheidende Determinante abzustellen, kommt nicht in Betracht, da das Grundgesetz grundrechtliche Garantien – von jenen, die explizit auf Deutsche i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG beschränkt sind, abgesehen – unstrittig auch Ausländern zubilligt. Dazu ausführlich F. II. 2. a). 74 

C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz Als der Verfassungskonvent zu Herrenchiemsee und anschließend der Parlamentarische Rat von 1948 bis 1949 über eine Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland berieten, schien – so konstatierte es das Bundesverfassungsgericht ein halbes Jahrhundert später – kaum ein Grund für eine Befassung mit den Fragen staatlichen Handelns im Ausland zu bestehen.1 Staatliche Akteure, für deren Handeln extraterritoriale Wirkungen von Grundrechten typischerweise relevant werden können, sind vor allem der diplomatische Dienst, die Streitkräfte und die Nachrichtendienste. Jedoch bestand zur damaligen Zeit noch keine Sensibilität für die Grundrechtsrelevanz der auswärtigen Gewalt.2 Auch über Streitkräfte verfügte die junge Bundesrepublik erst zehn Jahre später. Der Auslandsgeheimdienst in Gestalt des Bundesnachrichtendienstes (BND) schließlich wurde ebenfalls erst 1956 gegründet.3 Der Frage nach extraterritorialen Grundrechtswirkungen schienen jedenfalls zum Teil die tatsächlichen Voraussetzungen zu fehlen. Gleichwohl bindet Art. 1 Abs. 3 GG die drei Gewalten an die Grundrechte „als unmittelbar geltendes Recht.“ Die Norm enthält keinerlei explizite territoriale Begrenzung, sondern knüpft zunächst nur an die Ausübung deutscher Staatsgewalt an. Somit scheint sich die Frage nach der Wirkung der Grundrechte jenseits der Staatsgrenzen überhaupt nicht zu stellen. Dennoch konstatiert Gusy, „die These, wonach Art. 1 Abs. 3 GG die Geltung der Grundrechte des GG für deutsche Stellen anordnet, unabhängig davon, wo diese tätig werden“, habe sich nicht durchgesetzt.4 Die folgende Untersuchung von Staatspraxis, Rechtsprechung und Literatur soll die Komplexität des Problems und die Vielfalt möglicher Lösungsansätze darstellen.

1 

BVerfGE 100, 313 (362). Bundesregierung bestritt bis weit in die fünfziger Jahre hinein die Justiziabilität von Akten der auswärtigen Gewalt, siehe BVerfGE 6, 290 (294). 3  Zwar bestand schon zuvor die sog. Organisation Gehlen, aus welcher der BND hervorging, aber diese unterstand bis 1956 nicht der Bundesregierung, sondern den alliierten Besatzungsbehörden, BT-Drs. 14/9205, S. 2; Heintzen Verwaltung 48 (2015), 463 (464 f.); W. Krieger, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 29 (56). Siehe ausführlich zum BND G. II. 1. 4  Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 1 BNDG, Rn. 52. 2  Die

I.  Staatspraxis

37

I.  Staatspraxis Im Rahmen der sogenannten NSA-Abhöraffäre ab 2013 und des darauffolgenden Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages wurde bekannt, dass der Bundesnachrichtendienst in großem Umfang Internetverkehre überwacht, nach formalen Kriterien oder Stichworten (sog. Selektoren) filtriert und aufgezeichnet hatte. Mitgeschnitten wurde insbesondere Datenverkehr an zentralen Internetknotenpunkten5, strittig bleibt der Umfang abgehörter Satellitenkommunikation6. Die so gewonnenen Daten wurden zu einem beträchtlichen Teil an amerikanische Nachrichtendienste weitergeleitet, sie stammten teils von deutschen, überwiegend aber von ausländischen Staatsbürgern, internationalen und Nichtregierungsorganisationen, Drittstaaten und überstaatlichen Stellen.7 Es entbrannte eine hitzige Debatte um staatliche Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis. Im Rahmen der Berichterstattung schien die Presse davon auszugehen, Ausländer seien im Ausland durch Art. 10 GG nicht geschützt8; nur Deutsche oder Personen im Inland seien „Grundrechtsträger“. Demnach wären extraterritoriale Wirkungen des Grundrechts zwar existent, jedoch auf deutsche Staatsbürger begrenzt. Woher stammt diese Rechtsauffassung? Die Presse hat sie, das ist sicher, nicht erfunden. Schon 1993 betonte die Bundesregierung in der Antwort auf eine Große Anfrage, Art. 10 GG gelte nur für Fernmeldeverkehre, die ihren Anfangsoder Endpunkt im Bundesgebiet hätten.9 Geht man von der Echtheit an die Öffentlichkeit gelangter interner Gutachten des BND aus, so nimmt dieser an, das Fernmeldegeheimnis setze einen Territorial- oder Personalbezug voraus. Ein Territorialbezug bestehe beim Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, ein Personalbezug bei deutscher Staatsbürgerschaft.10 Daher sei das Fernmeldege5 

BT-Drs. 18/12850, S. 835 ff. 18/12850, S. 273 ff.; Gude et al., Daten aus der Blechdose, http://www.spie gel.de/spiegel/print/d-105648237.html [25. 09. 2017]. 7  Zu Details siehe BT-Drs. 18/12850, S. 737 ff., 835 ff., 976 ff.; Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation. Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses BND-26. Bericht im Rahmen des 1. Untersuchungsausschuss der 18.Wahlperiode des Deutschen Bundestages (offene Fassung), https://www.tagesschau.de/inland/graulichabschlussbericht-101.pdf [25. 09. 2017]. 8  Vgl. z. B. Gude et al., Daten aus der Blechdose. Zum Überblick BT-Drs. 18/12850, S. 705 ff., 1244 f. 9 BT-Drs. 12/5759, S. 5. Die Differenzierung nach der Staatsbürgerschaft hingegen findet sich dort noch nicht, vgl. aber BT-Drs. 13/1592, S. 2: „Der Bundesnachrichtendienst hört keine Auslandstelefonate von Bürgern ab.“ 10  N.N., Kurzgutachten zur Weitergabe von Metadaten an AND (außerhalb des Anwendungsbereiches des G10), Verschlusssache (nfD), abrufbar z. B. unter https://netzpoli tik.org/2015/interne-kommunikation-wie-der-bnd-die-weitergabe-von-rohdaten-in6  BT-Drs.

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C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

heimnis nicht anwendbar, wenn Kommunikationsverkehre zwischen Ausländern, die sich im Ausland aufhalten, mitgeschnitten würden. Dies gelte schon dann, wenn die Überwachungsmaßnahmen vom Inland aus erfolgten – erst recht aber, wenn auch die Maßnahme selbst aus dem Ausland erfolgt. Insbesondere würden unter diesen Umständen für Abhörmaßnahmen an Satelliten keine Grundrechte gelten, da sich diese ja im Weltraum – grundrechtlich terra nullius – befänden.11 Zudem habe der (einfache) Gesetzgeber nicht beabsichtigt, Ausländern im Ausland Grundrechte zuzuerkennen.12 Der Sonderermittler der Bundesregierung, Kurt Graulich, führt zur Begründung außerdem aus: „Gleichzeitig war es dem Gesetzgeber aufgrund des völkerrechtlichen Souveränitätsprinzips verwehrt, in einem deutschen Gesetz Eingriffsbefugnisse für das und im Ausland zu schaffen.“13

Da Graulichs Ausführungen an dieser Stelle aus einem vertraulichen Bericht des BND übernommen wurden14, kann davon ausgegangen werden, dass sie die Rechtsauffassung des BND als nachgeordneter Behörde des Bundeskanzleramts darstellen.15 Die Bundesregierung – oder Teile davon – nehmen also an, dass die Tätigkeit deutscher Nachrichtendienste im Ausland völkerrechtlich zulässig ist, die gesetzliche Regulierung dieser Tätigkeit aber unzulässig wäre. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Bundesnachrichtendienst sowie die Bundesregierung als übergeordnete Behörde die Auffassung vertreten, dass die Anwendung jedenfalls des Fernmeldegeheimnisses einen Gebietsbezug zur Bundesrepublik Deutschland oder die deutsche Staatsbürgerschaft voraussetzt, Art. 10 GG mit anderen Worten keine „Weltgeltung“ besitzt.16 Aussagen zur Gel-

grossem-umfang-an-die-nsa-verheimlicht/#Kurzgutachten-Metadaten [25. 09. 2017]. Die Echtheit der Quelle ist nicht verifizierbar. 11  Sog. Weltraumtheorie, s. dazu Graulich, Bericht für den Untersuchungsausschuss, S. 62; Schiffbauer, Fernmeldeüberwachung im Nebel, http://www.juwiss.de/58 – 2015/ [25. 09. 2017]. 12  N.N., Metadatenerfassungen des BND bei leitungsvermittelter Kommunikation gemäß § 5 G10, Verschlusssache (nfD), abrufbar z. B. unter https://wikileaks.org/bndinquiry/docs/BND/MAT%20A%20BND-1 – 13h.pdf [25. 09. 2017], S. 116 f. Die Echtheit der Quelle ist nicht verifizierbar. 13  Graulich, Bericht für den Untersuchungsausschuss, S. 63. 14  Denkler, Zweifel an der Unabhängigkeit, http://www.sueddeutsche.de/politik/ nsa-zweifel-an-der-unabhaengigkeit-1.2722406 [25. 09. 2017]. 15  Vgl. insoweit bekräftigend auch BT-Drs. 18/12850, S. 705 ff. 16 So ausdrücklich PräsBND Kahl, zit. nach Müller-Neuhof, Gilt die deutsche Verfassung auch im Ausland?, http://www.tagesspiegel.de/politik/neues-bnd-gesetz-gilt-diedeutsche-verfassung-auch-im-ausland/14798698.htm [25.  09.  2017], paraphrasiert siehe nunmehr auch Kahl, in: Dietrich et al. (Hrsg.), Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, Diskussion, 2018, S. 222. Vgl. auch Heidebach, DÖV 2015, 593 (596).

I.  Staatspraxis

39

tung sonstiger einschlägiger Grundrechte, etwa des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, finden sich nicht. Noch erheblich unklarer ist die Haltung der Bundeswehr zu Grundrechten in bewaffneten Konflikten.17 Die Weißbücher des Bundesministeriums der Verteidigung betonen zwar, der Schutz der Menschenrechte sei ein Wert, von dem die deutsche Sicherheitspolitik geleitet sei, nehmen aber zur Bindung an die positivierten Grundrechte des Grundgesetzes keine Stellung.18 Während die Regeln des humanitären Völkerrechts in Dienstanweisungen dargelegt werden19, schweigen sich diese über Bindungen nach Art. 1 Abs. 3 GG aus. Die „Rules of Engagement“, die Streitkräften in Form von sogenannten „Taschenkarten“ in Einsätzen zur Verfügung gestellt werden, und aus denen sich weitere Anhaltspunkte zur Rechtsauffassung des Bundesministeriums der Verteidigung und der Bundeswehr ergeben könnten, sind nicht zugänglich, da sie als Verschlusssachen dem amtlichen Geheimschutz unterliegen.20 Bisweilen wird die Existenz des § 21 Abs. 4 der Wehrdisziplinarordnung, der auch für auf hoher See in Gewahrsam genommene Angehörige der Bundeswehr einen Richtervorbehalt vorsieht, als Beleg dafür gesehen, dass der Gesetzgeber von einer Bindung an Art. 104 GG auch dort ausging.21 Dies ist jedoch nicht 17  Both, in: Weingärtner (Hrsg.), Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 147 (148 ff.); Stoltenberg, ZRP 2008, 111 ff. Vgl. beispielhaft Häußler, in: Weingärtner (Hrsg.), Streitkräfte und Menschenrechte, S. 91 (106) zur Vorgehensweise der NATO-Streitkräfte im Kosovo. Diese Unklarheit beklagt auch der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss, BT-Drs. 17/7400, S. 259 f. Weingärtner merkte 2006 – er war zu dieser Zeit Abteilungsleiter im Bundesministerium der Verteidigung, äußerte sich aber als Privatperson – zur Geltung der völkerrechtlichen Menschenrechte an, politisch sei die Antwort, man halte sich daran, juristisch aber müsse die Antwort komplizierter ausfallen. Eine einheitliche Rechtsauffassung der Bundesregierung gebe es dazu nicht. Siehe Weingärtner, in: Weiß (Hrsg.), Menschenrechtsbindung bei Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte. Expertengespräch, 2006, S. 9 f. 18 Siehe Bundesministerium der Verteidigung, Weißbuch 2006 zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr, http://www.bmvg.de/resource/resource/MzEzNTM4MmUzMzMyMmUzMTM1MzMyZTM2MzEzMDMwMzAzMDMwM zAzMDY3NmE2ODY1NmQ2NzY4MzEyMDIwMjAyMDIw/WB_2006_dt_mB.pdf [25. 09. 2017], S. 23. Noch knapper sind die verfassungsrechtlichen Ausführungen im Weißbuch 1996, vgl. dass., Handbuch für Einsätze und Verwendungen der Bundeswehr im Frieden außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland (Weißbuch 1996), http://www.bmvg.de/resource/resource/MzEzNTM4MmUzMzMyMmUzMTM1Mz MyZTM2MzIzMDMwMzAzMDMwMzAzMDY5Mzk2NTMxMzE2ODM1NzYyMDI wMjAyMDIw/Wei%C3%9Fbuch%201996.pdf [25. 09. 2017], Ziff. 2.2. 19 Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) 15/1: „Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten“. 20 Dazu Spies, in: Weingärtner (Hrsg.), Einsatz der Bundeswehr im Ausland. Rechtsgrundlagen und Rechtspraxis, 2007, S. 115 (126). 21  Ladiges, NZWehrR 2012, 56 (61).

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C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

zwingend – denkbar ist ebenso, dass eine freiwillige Bindung einfachgesetzlich auferlegt werden sollte. Deutlicher ist dagegen die Regierungsbegründung zur Ratifizierung des Seerechtsübereinkommens, die im Rahmen der tatsächlichen Möglichkeiten explizit von einer Geltung des Art. 104 GG ausgeht.22 In Antworten auf Kleine Anfragen hat die Bundesregierung zur extraterritorialen Grundrechtsgeltung fragmentarisch Stellung bezogen. Die Geltung des Art. 16a GG auf deutschen Kriegsschiffen lehnt sie ab.23 Zum Freiheitsentzug von Personen durch Bundeswehrsoldaten im Rahmen von Auslandseinsätzen besteht angeblich – so heißt es in einer Anfrage mehrerer Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – ein Dissens zwischen Auswärtigem Amt, Verteidigungsministerium und Justizministerium.24 Nachprüfbar ist diese Behauptung nicht. In der Antwort auf diese Anfrage betont die Bundesregierung zunächst, Art. 1 Abs. 3 GG beantworte die Frage nach einer extraterritorialen Bindung nicht abschließend; vielmehr seien der Umfang der Verantwortlichkeit Deutschlands und das Völkerrecht damit abzustimmen.25 Eine extraterritoriale Bindung an die Grundrechte sei zumindest nicht auszuschließen. Zur Begründung werden mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts herangezogen26, die im Folgenden noch näher zu untersuchen sind27. Im Detail sollen bei der Festnahme von Personen insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der nemo-tenetur-Grundsatz zu wahren sein.28 Eine klare Aussage, was die genannte Harmonisierung von Grundrechtsbindung, Völkerrecht und staatlicher Verantwortungsabgrenzung für die Wirkung von Grundrechten im Ausland genau bedeuten soll, findet sich aber auch dort nicht. Die Antwort auf eine weitere Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion Die Linke29 zum „Umgang der Bundeswehr mit afghanischen Gefangenen“ verweist zu großen Teilen auf die Antwort zur eben beschriebenen Anfrage. Immerhin beantwortet die Bundesregierung die Frage, ob „die Bundeswehr bei ihren Handlungen als Teil der deutschen öffentlichen Gewalt in die durch das Grundgesetz (GG) normierte Bindung an die deutschen Grundrechte einbezogen ist“, ohne jegliche Begründung oder Erklärung lapidar mit „Ja“30, verweist allerdings 22 BT-Drs. 12/7829, S. 247; s. Epping, in: ders./Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, Art. 87a (Stand: 01. 06. 2017), Rn. 37.3. 23  BT-Drs. 16/11382, S. 17. 24  BT-Drs. 16/6174, S. 1. 25  BT-Drs. 16/6282, S. 2. 26  In erster Linie stützt sich die Bundesregierung auf BVerfGE 100, 313 (362 f.), BTDrs. 16/6282, S. 2. 27  Siehe unten C. II. 1. 28  BT-Drs. 16/6282, S. 4 f. 29  BT-Drs. 16/7421. 30  BT-Drs. 16/7839, S. 3.

II.  Rechtsprechung

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bei der Frage, inwiefern diese Bindung auch im Ausland greift, auf die Antwort zur Anfrage der Grünen-Abgeordneten31, in welcher diese Frage freilich nicht abschließend beantwortet wird. Insgesamt also geht die Bundesregierung offenbar dem Grunde nach jedenfalls für den status negativus von einer Grundrechtsbindung der Streitkräfte aus, die freilich im Ausland nicht umfassend ist, sondern nicht näher beschriebenen Modifikationen unterliegt. In Bezug auf die Nachrichtendienste hingegen ist es Rechtsauffassung der Bundesregierung, dass diese durch Art. 10 GG extraterritorial nur gebunden werden, wenn Deutsche im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG kommunizieren. Eine Bindung an extraterritoriale Schutzpflichten wird in keinem dieser staatlichen Tätigkeitsfelder konkret – über allgemeine Bekenntnisse zu Menschenrechten als Leitlinie des Handelns hinaus – erörtert. Ein übergreifendes Konzept, dass diese Felder vereint, ist nicht erkennbar, jedenfalls aber wird der Geltungsanspruch der Grundrechte in Ausland stark zurückgenommen.

II.  Rechtsprechung Die zunehmend häufiger vorkommende Staatstätigkeit im Ausland hat sich nicht nur in der oben dargestellten Rechtsauffassung der Bundesregierung niedergeschlagen, sondern immer wieder auch deutsche Gerichte beschäftigt. Teilen diese die Auffassung der Exekutive, setzen sie ihr einen eigenen Standard entgegen oder lässt sich hier womöglich keine klare Linie vorfinden? 1.  Verfassungsgerichte a)  1949 – 1960: Von „Elfes“ zum Washingtoner Abkommen Während in den frühen Jahren der Bundesrepublik die Justiziabilität von Akten der auswärtigen Gewalt insgesamt noch in Abrede stand32, fand sich bereits im Elfes-Urteil 1957 die schlichte Aussage, Art. 5 Abs. 1 GG umfasse „das Recht, seine Meinung im In- und Ausland zu äußern“.33 Da die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 GG aber aus anderen Gründen verneint wurde, muss diese Aussage als obiter dictum gesehen werden. Gleichwohl schien hier die Frage auf den ersten Blick geklärt. Hingegen urteilte ein Jahr zuvor der Hessische Staatsgerichtshof, Grundrechte aus Landesverfassungen setzten im Zweifel eine enge räumliche Beziehung, re-

31 

BT-Drs. 16/6282. eine Justiziabilität völkerrechtlicher Verträge bzw. der Zustimmungsgesetze BVerfGE 4, 157; dagegen immer noch die Bundesregierung in BVerfGE 6, 290 (294). 33  BVerfGE 6, 32 (44). 32 Für

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C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

gelmäßig den Wohnsitz des Klägers im Bundesland, voraus.34 Das Urteil bezog sich auf die Lernmittelfreiheit als Leistungsrecht; es ist fraglich, ob es auf andere Grundrechte und Dimensionen, insbesondere auf Abwehrrechte, ohne Weiteres übertragbar ist. In den folgenden Jahrzehnten fanden sich in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zahlreiche Urteile zu Sachverhalten mit Auslandsbezug. Wenn auch die meisten dieser Urteile nicht mit extraterritorialem Staatshandeln oder Staatshandeln mit extraterritorialen Auswirkungen konfrontiert waren, so enthalten sie doch eine Vielzahl relevanter Aussagen. Schon 1952 führte das Gericht aus, auch Personen, die durch die Annexion von Gebieten im Zweiten Weltkrieg zwangseingebürgert wurden, könnten sich auf das Auslieferungsverbot des Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG berufen. Dieses stelle zwar ein Deutschengrundrecht dar und die Annexion sei völkerrechtlich unwirksam, doch wirke diese Unwirksamkeit innerstaatlich nur relativ, d. h. nicht zulasten der betroffenen Personen.35 Im selben Jahr sah es in der Vollstreckung eines DDR-Urteils, das wegen Republikflucht ergangen war, in der Bundesrepublik einen Grundrechtseingriff.36 Zwar seien die Behörden der DDR wohl nicht grundrechtsgebunden37, doch habe die bundesdeutsche Staatsgewalt durch die Vollstreckung an der Verkürzung der Grundrechte des Betroffenen teil; durch die Beteiligung der bundesdeutschen Behörden werde daraus ein (inner-)staatlicher Grundrechtseingriff. 1957 beschäftigte sich das Gericht mit dem Washingtoner Abkommen, welches eine Einigung bezüglich gesperrter deutscher Vermögen in der Schweiz zum Gegenstand hatte. Diese konnten in der Folge durch Zahlung eines Geldbetrages, der an die Schweiz abgeführt wurde, „ausgelöst“ werden.38 Die Beschwerdeführer rügten eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht betonte seinerseits zunächst: „Die Grundrechte binden die deutsche öffentliche Gewalt auch, soweit Wirkungen ihrer Betätigung im Ausland eintreten.“39

34  HessStGH, Urt. v. 11. 05. 1956, Az. P.St. 191; HessStGH, Urt. v. 13. 07. 1956, Az. P. St. 204. 35  BVerfGE 1, 322 ff. 36  BVerfGE 1, 332 ff. 37  Diese Aussage ist nicht so selbstverständlich, wie es scheint, da nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts die DDR kein Ausland war: „Die Deutsche Demokratische Republik gehört zu Deutschland und kann im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland nicht als Ausland angesehen werden“, BVerfGE 36, 1 (17). 38  BVerfGE 6, 290 ff. 39  A.a.O. (295).

II.  Rechtsprechung

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In der Folge differenzierte der Senat zwischen der Mitwirkung an und der bloßen Hinnahme bzw. Nichtabwendung von Grundrechtsverkürzungen. Bei völkerrechtlichen Handlungen komme es in der Regel darauf an, ob das Tätigwerden der bundesdeutschen Staatsgewalt den Status Quo für die Betroffenen verbessere. Sei dies der Fall, so könne dem Ergebnis ihrer Bemühungen nicht entgegengehalten werden, sie erzielten kein vollumfänglich zufriedenstellendes Ergebnis. In diesem Fall liege eine Grundrechtsverletzung nicht vor40 (sogenannte „Annäherungstheorie“41). Vergleichbare Aussagen finden sich auch in späteren Urteilen; jedoch unterscheiden sich diese teils in der Terminologie: War hier noch davon die Rede, die Verbesserung des Status Quo schließe eine Grundrechtsverletzung aus, so urteilte das Gericht deutlich später etwas unklar, eine Verletzung liege zwar vor, sei aber hinzunehmen.42 So zurückhaltend eine Einteilung in Rechtsprechungslinien oder „Phasen“ zu behandeln ist, lässt sich bis hier doch eine Judikatur ausmachen, die einerseits von der grundsätzlichen Bindung der Staatsgewalt auch im Ausland geprägt war, zugleich aber den Besonderheiten der unmittelbaren Nachkriegszeit und dem Abbau der Besatzungsordnung Rechnung trug. b)  1961 – 1971: Von der Auslieferung bei drohender Todesstrafe zur „Spanier“-Entscheidung 1964 wiederum beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit von Auslieferungen an Staaten, in denen den Betroffenen die Todesstrafe droht. Das Gericht betonte, Art. 102 GG binde nur die deutsche Staatsgewalt und betreffe nur von ihr herbeigeführte Hinrichtungen. Für den notwendigen Bezug zur deutschen Staatsgewalt sei eine enge Kausalkette notwendig. Zwar sei die Abschaffung der Todesstrafe im Grundgesetz durchaus auch als grundlegende Wertentscheidung zu sehen, aber ein absoluter Vorrangcharakter von Wertentscheidungen des deutschen Verfassungsgebers sei mit der Völkerrechtsfreundlichkeit und Offenheit des Grundgesetzes nicht vereinbar.43 Unter Umständen bestehe eine Pflicht zur Hinwirkung darauf, die Todesstrafe nicht zu verhängen, aber wenn dies nicht möglich sei, müsse das hingenommen werden. Hier trat erstmals eine in der Folge sehr einflussreiche Argumentationslinie auf: Das Grundgesetz gebiete in seiner Offenheit auch die Achtung gegenüber anderen Rechtsordnungen und deren Grundwertungen. Würden aus einer strik40 

BVerfGE 6, 290 (296 f.). Vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 10. 03. 2017, Az. 1 BvR 201/14, Rn. 6 – juris. 42  BVerfGE 95, 39 (46). In BVerfG, Beschl. v. 10. 03. 2017, Az. 1 BvR 201/14 – juris geht das Gericht nicht darauf ein, ob dieser Leitgedanke nach wie vor maßgeblich ist, da die zugrundeliegende Verfassungsbeschwerde aus anderen Gründen unzulässig war. 43  BVerfGE 18, 112 (120 f.). 41 

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C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

ten Befolgung von Verfassungsnormen auch in ausländischen Zusammenhängen große praktische Schwierigkeiten erwachsen, so sei vorbehaltlich klarer Anzeichen im Wortlaut des Grundgesetzes davon auszugehen, dass dies vom Verfassungsgeber nicht gewollt sei. Die Entscheidung wird heute von der ganz herrschenden Meinung als überholt angesehen44, nicht zuletzt durch die entgegenstehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.45 Auch einfachgesetzlich ist das Verbot der Auslieferung bei drohender Todesstrafe in § 8 IRG verankert.46 Das Bundesverfassungsgericht lässt aber die Frage, „ob an der Entscheidung […] heute noch in vollem Umfange festzuhalten wäre“, formal offen.47 In jedem Fall müssten die Menschenrechte eines „völkerrechtliche[n] Mindeststandard[s]“ gewahrt bleiben.48 Die Aussicht einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne jede Möglichkeit zur vorzeitigen Entlassung verletzte diesen Mindeststandard jedoch nicht,49 obwohl eine solche Strafe im Inland gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoßen würde.50 1971 folgte mit der „Spanier“-Entscheidung eine der Leitentscheidungen des Gerichts auf dem Bereich der internationalen Verflechtung. Die Entscheidung beschäftigte sich zwar nicht mit echten Auslandswirkungen, aber viele Denkmuster des Gerichts werden hier weiterentwickelt. Das Gericht hielt fest, dass die Grundrechte auch im internationalen Privatrecht gelten.51 Zwar sei der ausländische Gesetzgeber selbstverständlich nicht an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden; für die Anwendung ausländischen Rechts durch die inländische Staatsgewalt bestehe eine Bindung aber sehr wohl.52 Es dürfe in der Tat keine Aufzwingung deutscher Wertentscheidungen geben, gleichzeitig aber träten die Grundrechte nicht pauschal vor der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes zurück.53 Hier nahm das Gericht den Gedanken der Todesstrafen-Entscheidung54 auf, setz-

44  Statt vieler F. Becker, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, § 240, Rn. 41; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte. Zugleich ein Beitrag zum Individualschutz in bewaffneten Konflikten, 2005, S. 130 f. m.w.N.; Robbers, in: Benda/Maihofer/ Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts (HVR), 2. Aufl. 1994, § 11, Rn. 45. 45  EGMR, Urt. v. 07. 07. 1989, Nr. 14038/88 (Soering/UK), Ziff. 85 ff. 46  Dazu BGHSt 34, 156 ff. 47  BVerfGE 60, 348 (354). 48  BVerfGE 113, 154 (162 f.). 49  A.a.O. (164). 50  BVerfGE 45, 187 (229 ff.). 51  BVerfGE 31, 58 ff. 52  A.a.O. (74). 53  A.a.O. (76). 54  BVerfGE 95, 39 (s.o.).

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te sich aber von deren Vorranggedanken ab.55 Bei allen Unterschieden der beiden Entscheidungen führten sie doch im Zusammenspiel maßgeblich den Gedanken der Völkerrechtsfreundlichkeit in die Debatte ein. c)  1973 – 1987: Vom Grundlagenvertrag zum Teso-Urteil Im Urteil zum Grundlagenvertrag mit der DDR legte das Gericht 1973 Art. 23 GG a.F.56 als Beschränkung der Hoheitsgewalt aus und sprach von Grundrechten innerhalb dieses Geltungsbereiches.57 Es schien hier den Gedanken zu entwickeln, der in Art. 23 a.F. normierte Geltungsbereich des Grundgesetzes gelte grundsätzlich auch für die Reichweite der Grundrechte. 1975 wiederum, in der Entscheidung zu den Ostverträgen, hob das Bundesverfassungsgericht den im Urteil zum Washingtoner Abkommen58 entwickelten Unterschied zwischen Mitwirkung an und bloßer Hinnahme von Grundrechtsverkürzungen hervor.59 Auch griff es erneut das Diktum auf, gebunden sei stets nur die deutsche Staatsgewalt60, und der auswärtigen Gewalt komme ein „breiter Raum politischen Ermessens“ zu.61 Drei Jahre später erkannte es dem Gesetzgeber bei der Frage, unter welchen Umständen Aufenthaltsgenehmigungen zu verlängern sind, einen weiten Einschätzungsspielraum zu, betonte aber zugleich die Geltung der Grundrechte des Betroffenen.62 Zur Frage nach der Grundrechtsgeltung bei der Ersterteilung einer Aufenthaltsgenehmigung äußerte es sich indes nicht. Ein Sachverhalt mit tatsächlich extraterritorialen Auswirkungen erreichte das Gericht 1979. Im „Fremdrenten“-Beschluss entschied es, die Regelung des § 94 AVG bzw. der §§ 1315 ff. RVO, nach denen an freiwillig im Ausland lebende Ausländer keine im Inland erworbenen Renten ausgezahlt werden, sei verfassungswidrig.63 Die Ausländer könnten sich auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen, da durch ihre frühere Mitgliedschaft in der Sozialversicherung jedenfalls ein hinrei55 

So auch Schröder, in: FS Schlochauer, 1981, S. 137 (143 f.). Art. 23 GG lautete bis zum 29. 09. 1990: „Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiete der Länder Baden, Bayern, Bremen, Groß-Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.“ 57  BVerfGE 36, 1 (28 ff.). 58  s.o., BVerfGE 6, 290 ff. 59  BVerfGE 40, 141 (164 f.). 60  A.a.O. (166 f.). 61  A.a.O. (178 f.). 62  BVerfGE 49, 168 ff. 63  BVerfGE 51, 1 ff. 56 

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C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

chender Bezug zum deutschen Staat bestehe.64 Freilich legte das Gericht sich hier nicht darauf fest, ein solcher Bezug sei unbedingt notwendig, sondern judizierte nur, er bestehe jedenfalls im vorliegenden Fall. 1980 beschäftigte sich das Gericht mit einer Verfassungsbeschwerde von Rudolf Heß, der im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt worden war und seit 1947 in einem alliierten Gefängnis in Spandau einsaß.65 Die Vollstreckung dort erfolgte durch die alliierten Behörden auf Kosten der Bundesrepublik. Der Beschwerdeführer forderte die Bundesrepublik zur Einleitung diplomatischer Schritte auf, um auf seine Freilassung hinzuwirken, scheiterte aber am weiten Ermessen der auswärtigen Gewalt bezüglich der Frage, in welcher Weise sie Schutz gewährt.66 Auch dieses Ermessen ist ein wiederkehrendes Motiv in der Karlsruher Entscheidungs­ praxis. Eine ungewöhnliche Konstellation lag ein Jahr später in Form eines „umgekehrten“ Auslieferungsfalles vor. Der Beschwerdeführer war in die Schweiz geflohen und erhob gegen das von deutschen Behörden eingereichte Auslieferungsersuchen Verfassungsbeschwerde.67 Das Gericht hielt fest, rechtliche Wirkungen bezüglich des Beschwerdeführers habe nur die Auslieferung selbst. Für diese aber sei nicht deutsche, sondern schweizerische Staatsgewalt verantwortlich, weshalb – die ausschließliche Bindung deutscher Staatsgewalt wurde hier erneut betont – eine Grundrechtsverletzung ausscheide. Ein „klassischer“ Auslieferungsfall ereignete sich hingegen 1983. Der Beschwerdeführer war Kanadier, wurde in Italien wegen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in Abwesenheit verurteilt und behauptete, von dem Verfahren gegen ihn nichts gehört zu haben. Es müsse sich um eine Personenverwechselung handeln.68 Das Bundesverfassungsgericht hielt fest, zwar sei die italienische öffentliche Gewalt nicht grundrechtsgebunden, aber eine Auslieferung dürfe nicht stattfinden, wenn das ausländische Staatshandeln den völkerrechtlichen Mindeststandard, den das Gericht in Art. 25 GG verortet, verletze. Durch das fehlende Gewähren rechtlichen Gehörs in Italien sei dies zumindest möglich.69 Die Figur 64  A.a.O. (22 f.). Auch die Sondervoten zur Entscheidung weichen in diesem Punkt nicht ab. 65  BVerfGE 55, 349 ff. 66  A.a.O. (364 f.). 67  BVerfGE 57, 9 ff. 68  BVerfGE 63, 332 ff. 69  Wie ein neuer, beinahe identischer Fall zeigt, hält das BVerfG diese Rechtsauffassung auch aufrecht, wenn europarechtlich eine Verpflichtung zur Auslieferung bestünde, siehe BVerfGE 140, 317 ff.; vgl. aber BVerfG, Beschl. v. 06. 09. 2016, Az. 2 BvR 890/16, Rn. 33 – juris zur Vermutung der Wahrung eines Grundrechtsstandards.

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eines Mindeststandards an Grundrechten als Untergrenze der Völkerrechtsfreundlichkeit findet sich bis heute in der Auslieferungsrechtsprechung.70 Im gleichen Jahr beschäftigte sich das Gericht auch mit der Zulässigkeit der Vollstreckung ausländischer Hoheitsakte in Deutschland.71 Ein völkerrechtlicher Vertrag ließ die Vollstreckung österreichischer Abgabenbescheide im Bundesgebiet zu. Das Gericht betonte, hoheitliches Handeln in fremden Staatsgebieten sei grundsätzlich völkerrechtswidrig72, könne aber vertraglich gestattet werden. Dadurch werde die Vollstreckung nicht zu einer Ausübung deutscher Hoheitsgewalt, vielmehr gelte auch hier die Unterscheidung zwischen Mitwirkung und Hinnahme. Jedenfalls sei bei der Abwägung etwaiger Grundrechtseingriffe die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik hinreichend zu gewichten und könne Eingriffe rechtfertigen.73 In einer deutlich neueren Entscheidung betonte das Gericht dagegen klarer, die Hinnahme fremder hoheitlicher Akte stelle noch keinen Eingriff dar, stellte die Zulässigkeit solchen Vorgehens jedoch unter den Vorbehalt hinreichend gewährleisteter rechtsstaatlicher Grundsätze.74 1987 entschied das Gericht über mehrere Verfassungsbeschwerden zur Reichweite des Familiennachzugs. Es ließ dabei offen, ob sich Ausländer im Ausland auf Art. 6 Abs. 1 GG stützen können, wenn sie von ihren im Bundesgebiet lebenden Familienmitgliedern getrennt sind und ihnen die Einreise verwehrt wird. Jedenfalls greife ein derartiges Vorgehen in das betreffende Grundrecht der bereits hier lebenden Familienmitglieder ein, da sich diese, wenn man einen Gebietskontakt voraussetze, bereits im Bundesgebiet aufhalten.75 Ebenfalls 1987 entschied es im Teso-Urteil über die Verfassungsbeschwerde eines 1969 in die Bundesrepublik übergesiedelten Mannes, der 1954 die Staatsbürgerschaft der DDR erhalten hatte. Seine deutsche Staatsangehörigkeit wurde nun in Zweifel gezogen.76 Das Bundesverfassungsgericht urteilte, durch die Einbürgerung in der DDR habe der Beschwerdeführer zugleich die deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG erhalten. Aus der Norm folge der Grundsatz der Einheit der deutschen Staatsbürgerschaft.77 Ein eigenmächtiges Anknüpfen innerstaatlicher Folgen an fremde Hoheitsakte könne zwar völker70 

BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2016, Az. 2 BvR 175/16 – NStZ 2017, 43 (45). BVerfGE 63, 343 ff. 72  A.a.O. (358). 73  A.a.O. (369 f.). 74  BVerfG, Beschl. v. 21. 06. 2016, Az. 2 BvR 637/09 – juris, Rn. 34. Das Sondervotum – Rn. 15 – ging hingegen davon aus, die Übertragung von Hoheitsrechten an ausländische Staaten sei per se unzulässig. 75  BVerfGE 76, 1 (45 ff.). 76  BVerfGE 77, 137 ff. 77  A.a.O. (149). 71 

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rechtswidrig sein. Die deutsche Teilung sei jedoch selbst völkerrechtswidrig, da sie nicht vom Selbstbestimmungsrecht des Volkes getragen sei.78 Außerdem gehe das Grundgesetz von der (Teil-)Identität79 der Bundesrepublik mit dem Deutschen Reich und somit von einer deutschen Staatsbürgerschaft im Ganzen aus, was das Bundesverfassungsgericht nicht mit dem Verweis auf Völkerrecht „aushebeln“ könne.80 Dies gelte umso mehr, als jedenfalls kein offenkundiger Verstoß gegen Völkerrecht vorliege.81 Hier wurde also der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit sehr zurückhaltend gehandhabt.82 Im Zeitraum zwischen 1973 und 1987 griff das Gericht somit sowohl die in den ersten Jahren seiner Existenz etablierten Aussagen als auch den später entwickelten Gedanken der Völkerrechtsfreundlichkeit auf. Überwiegend urteilte es in diesem Zeitraum nicht über tatsächliche extraterritoriale Grundrechtswirkungen, sondern um andere Sachverhalte mit grenzüberschreitendem Bezug, entwickelte dabei aber Argumente weiter, die auch für die hier aufgeworfenen Fragen von Relevanz sind. Maßgeblich waren insbesondere die Betonung des auswärtigen Ermessens der Bundesregierung, die Scheidung von innerstaatlicher, grundrechtsverpflichteter und ausländischer, nicht grundrechtsverpflichteter Staatsgewalt sowie die Rechtsfigur des Mindeststandards als Voraussetzung für die tatbestandliche Anknüpfung an ausländisches Staatshandeln. Im Rahmen dieser Maßstäbe wurde nicht klar zwischen extraterritorialen Abwehrrechten und Schutzpflichten getrennt. d)  1995 – 1999: Zweitregisterurteil, Asylrecht und Fernmeldeaufklärung Gegenstand des 1995 ergangenen Zweitregisterurteils war § 21 Abs. 4 des Flaggenrechtsgesetzes, der bei Schiffen, die im Internationalen Schifffahrts­ register eingetragen sind, den Abschluss tarifrechtlicher Vereinbarungen nach 78  A.a.O.

(161). ausführlich BVerfGE 36, 1 (14 f.): „Das Grundgesetz – nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre! – geht davon aus, daß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist; das ergibt sich aus der Präambel, aus Art. 16, Art. 23, Art. 116 und Art. 146 GG. […] Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht ‚Rechtsnachfolger‘ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat ‚Deutsches Reich‘, – in bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings ‚teilidentisch‘, so daß insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht.“ 80  BVerfGE 77, 137 (154 f.). 81  A.a.O. (167). 82 So auch Doehring, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 38 (1998), Aussprache, S. 126; ders., in: VVDStRL 56 (1997), S. 135: „Das Bundesverfassungsgericht hat […] gesagt, es werde nicht eingreifen, wenn die Regierung ein wenig völkerrechtswidrig handele. Das hat mich empört“. 79  Dazu

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ausländischem Kollektivarbeitsrecht gestattet, obgleich dieses womöglich deutlich niedrigere Standards vorsieht.83 Der Gesetzgeber begründete dies damit, die Schiffe könnten andernfalls „ausgeflaggt“ werden, was einen noch niedrigeren Schutz zur Folge hätte.84 Aufgrund des internationalen Kontextes des Falles sah das Gericht einen Zielkonflikt: Die grundrechtlichen Ziele aus Art. 9 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 1 GG müssten so weit wie möglich verwirklicht werden. Dies rechtfertige jedenfalls zum Teil ein Unterschreiten des im Inland üblichen Schutzstandards, wenn ansonsten dem Grundrecht noch weniger Rechnung getragen würde.85 Gleichwohl müsse weiterhin eine Abwägung stattfinden. Erneut zeigte sich hier die in den frühen Jahren der Bundesrepublik erarbeitete Linie, ein Handeln bzw. eine Mitwirkung deutscher Staatsgewalt im Ausland, die zu „suboptimalen“ Grundrechtszuständen führt, zuzulassen, wenn dies die Lage zumindest verbessert. 1996 beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht mit der Verfassungsmäßigkeit des „Flughafenverfahrens“, nach welchem Personen aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 GG sowie Personen ohne gültige Passdokumente nach Stellung eines Asylantrags das Verlassen des Transitbereiches verwehrt werden kann.86 Stattdessen werden diese Personen im Transitbereich untergebracht und ihr Verfahren wird dort betrieben. Das Gericht stellte zunächst fest, auch der Transitbereich sei Teil des deutschen Staatsgebietes.87 Gleichwohl sei über ihre Einreise noch zu entscheiden, weshalb die vorläufige Beschränkung auf den Transitbereich des Flughafens lediglich eine Manifestation der Staatsgrenze sei, welche „als Hindernis der freien Bewegung nach der allgemeinen Rechtsordnung vorgegeben“ sei.88 Die Fortbewegungsbeschränkungen, welche durch die Existenz staatlicher Grenzen entstünden, eröffneten nicht den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG. Die Reichweite des Asylrechts aus Art. 16 Abs. 2 S. 2 a.F. bzw. Art. 16a Abs. 1 GG war ferner Gegenstand einer konkreten Normenkontrolle. § 18 Abs. 5 ­AuslG89 berechtigte Beförderer – zum Beispiel Fluggesellschaften – zur Zurückweisung von Personen ohne Aufenthaltstitel vor einer Reise in die Bundesrepublik. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Norm im Wege des Art. 100 GG vor: Sie verstoße gegen das Asylgrundrecht, weil von diesem auch die grundsätzliche Mög83 

BVerfGE 92, 26 ff. A.a.O. (29 f.). 85  BVerfGE 92, 26 (41 ff.). 86  § 29a AsylVfG a.F., heute § 18a Abs. 1 AsylG. 87  BVerfGE 94, 166 (199). 88  A.a.O. (198). Dazu auch schon Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Zweiter Band, 1896, S. 456. 89  Heute § 63 Abs. 1 AufenthG. 84 

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C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

lichkeit umfasst sein müsse, das Bundesgebiet jemals zu erreichen, um von dem Grundrecht Gebrauch machen zu können.90 Das Bundesverfassungsgericht traf jedoch keine Entscheidung in der Sache, weil es die Vorlage als unzulässig zurückwies.91 Das Recht auf Asyl schütze nicht die Fluggesellschaft, weshalb kein subjektives Recht der Klägerin verletzt sei und es ihr im Ausgangsverfahren somit an der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO mangele. Daher sei die Vorlage nicht entscheidungserheblich; schließlich sei die Klage durch das Bundesverwaltungsgericht unabhängig von der Reichweite des Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a.F. als unzulässig abzuweisen.92 Die wohl praktisch am stärksten rezipierte Entscheidung des Gerichts in diesem Bereich beschäftigte sich jedoch mit der Telekommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst im Ausland. Die Beschwerdeführer rügten 1999 die strategische Fernmeldeaufklärung des BND.93 Die Bundesregierung hielt dem entgegen, es liege schon kein Eingriff in Grundrechte vor. Die bloße Möglichkeit eines „Treffers“ bei der automatisierten Durchsuchung der Datenströme sei noch kein solcher.94 Außerdem sei zur Berufung auf Grundrechte ein Bezug zur deutschen Gebiets- oder Personalhoheit notwendig, somit müsse der Beschwerdeführer Deutscher sein oder sich in Deutschland aufhalten. Hier zeigte sich also erneut die oben dargelegte Staatspraxis der Bundesregierung. Das Bundesverfassungsgericht räumte ein, die Frage der territorialen Reichweite von Grundrechten sei in seiner Rechtsprechung nicht geklärt. Ausgangspunkt hierfür müsse Art. 1 Abs. 3 GG sein.95 Das Grundgesetz regle aber nicht nur die innere Ordnung der Bundesrepublik, sondern in Grundzügen auch ihr Verhältnis zum Ausland. Daher müssten Verfassungs- und Völkerrecht aufeinander abgestimmt werden und es könnten sich je nach Verfassungsnorm Einschränkungen bei der Auslandsgeltung ergeben; insbesondere sei der „Umfang der Verantwortlichkeit und Verantwortung deutscher Staatsorgane“ zu beachten.96 Das Diktum, eine Grundrechtsbindung im Ausland sei nicht prinzipiell ausgeschlossen, rückte deutlich von der Formulierung etwa im Urteil zum Washingtoner Abkommen ab, wonach die Grundrechte die Staatsgewalt auch binden, „soweit Wirkungen ihrer 90  BVerwG, Beschl. v. 14. 04. 1992, Az. 1 C 48/89 – NVwZ 1992, 682 ff.; dazu Randelzhofer, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 16a (49. EL 2007), Rn. 107. 91  BVerfGE 97, 49 ff. 92  Zum ganzen instruktiv auch D. Weber, Flucht aus der Grundrechtsbindung, http:// verfassungsblog.de/fluechtlinge-fressen-befoerderungsverbot/ [25. 09. 2017]. 93  BVerfGE 100, 313 ff. Bereits BVerfGE 67, 157 ff. beschäftigte sich mit der strategischen Fernmeldeaufklärung, ging aber mangels Relevanz auf die Grundrechtsberechtigung ausländischer Kommunikationspartner nicht ein. 94  A.a.O. (338 f.). 95  A.a.O. (362). 96  A.a.O. (363).

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Betätigung im Ausland eintreten.“97 Das Gericht verzichtete aber darauf, die Voraussetzungen einer solchen Abstimmung mit dem Völkerrecht darzulegen, denn selbst wenn man dafür, wie die Bundesregierung, bei Ausländern einen hinreichenden Bezug zum deutschen Staatsgebiet voraussetze, so sei dieser dadurch gegeben, dass der Bundesnachrichtendienst seine Abhörtätigkeit auf deutschem Boden ausübe.98 Im Übrigen seien die Normen unverhältnismäßig. Die in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre ergangenen Entscheidungen sind überwiegend vom Ballast der Rechtsfragen zur Koexistenz mit der DDR und den Kriegsfolgen befreit. Stattdessen erreichten das Gericht nun Fragen „echter“ extraterritorialer Grundrechtswirkungen, nun auch in Gestalt extraterritorialer Eingriffe, die es jedoch weiterhin unter Bezugnahme auf die bereits entwickelten, einzelfallbezogenen Grundsätze löste und grundsätzliche Aussagen vermied. e)  Neuere Entscheidungen Im CERN-Beschluss 2010, in dem eine Deutsche mit Wohnsitz in der Schweiz von der Bundesrepublik diplomatische Einwirkungen zur Verhinderung der Inbetriebnahme des Teilchenbeschleunigers LHC des Forschungszentrums CERN forderte, weil sie den Weltuntergang befürchtete, schweigte sich das Gericht zur Frage der territorialen Reichweite der Grundrechte – der Teilchenbeschleuniger befindet sich auf Schweizer Staatsgebiet – weitgehend aus.99 Auch in dem Kammerbeschluss, in welchem sich das Gericht mit der Einstellung der Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen einen Oberst der Bundeswehr wegen des Bombardements eines Tanklasters in Afghanistan beschäftigt, nahm es zwar einen grundsätzlichen Anspruch auf Strafverfolgung aus grundrechtlichen Schutzpflichten an, setzte deren grundsätzliche Geltung für einen Sachverhalt, der sich in Afghanistan abspielte, aber ohne Stellungnahme voraus.100 Im 2016 ergangenen Urteil zum BKA-Gesetz befasste sich das Gericht u.a. auch mit der Zulässigkeit der Weiterleitung von erlangten Daten an ausländische Behörden. Es betonte dabei, einerseits sei der ausländische Staat nur an sein eigenes Recht gebunden. Andererseits sei die Weiterleitung an einen anderen Staat ihrerseits ein der Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG unterliegender Akt öffentlicher Gewalt.101 Eine Aushöhlung innerstaatlicher Standards durch internationale Kooperation dürfe es nicht geben. Da aber das Grundgesetz internationale Zusammenarbeit anerkenne und diese nicht von einer ohnehin unmöglichen Identität inner- und drittstaatlicher Rechtsvorstellungen abhängig mache, sei eine 97 

BVerfGE 6, 290 (295). BVerfGE 100, 313 (363 f.). 99  BVerfG, Beschl. v. 18. 02. 2010, Az. 2 BvR 2502/08 – NVwZ 2010, 702. 100  BVerfG, Beschl. v. 19. 05. 2015, Az. 2 BvR 987/11 – NJW 2015, 3500 (3501 f.). 101  BVerfG, Urt. v. 20. 04. 2016, Az. 1 BvR 966/09 – NJW 2016, 1781 (1805 f.). 98 

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Weiterleitung sensibler Daten möglich, sofern ein angemessener, mit „elementaren Menschenrechtsgewährleistungen“ vereinbarer Umgang sichergestellt sei.102 Ebenfalls wandten sich 2016 fünf russische Sportlerinnen und Sportler an das Bundesverfassungsgericht, um im Wege eines Eilverfahrens nach § 32 Abs. 1 BVerfGG die Zulassung zu den Paralympischen Spielen in Brasilien zu erwirken, die ihnen das Internationale Paralympische Komitee, ein eingetragener Verein mit Sitz in Bonn, aufgrund eines Doping-Skandals verweigert hatte. Während die – von einem Privaten ausgehende – potentiell grundrechtsverkürzende Handlung also in Deutschland erfolgte, entfaltete sie gegenüber einem in Russland Ansässigen Wirkung in Brasilien, weshalb auch hier extraterritoriale Grundrechtswirkungen in Rede standen. Der Beschluss ging jedoch auf die Frage solcher Bindungen nicht ein, sondern führte angesichts des Eilverfahrens eine bloße Folgenabwägung durch.103 In einem im Januar 2017 ergangenen Beschluss zur Vaterschaft an im Ausland kryokonservierten, d. h. eingefrorenen, Embryonen ließ das Bundesverfassungsgericht die „verfassungsrechtlich ungeklärte Frage nach der territorialen Reichweite der Grundrechte“104 explizit offen. Insgesamt präzisierte es seine Antwort auf diese Frage in den jüngeren Entscheidungen also nicht, sondern kehrte zu einer fragmentarischen Beschäftigung damit zurück. f)  Zusammenfassung Was lässt sich also aus der Gesamtschau sagen? Das Bundesverfassungsgericht hat zur Frage extraterritorialer Grundrechtswirkungen keine eindeutige Rechtsprechung erarbeitet. Eine klare Linie mit einheitlichen Kriterien ist nicht zu erkennen, weshalb Menzel zu Recht davor warnt, einzelne Urteilszitate zu verallgemeinern.105 Offenbar kann der Bezug eines Sachverhaltes zum Ausland die Rechtfertigungsvoraussetzungen für einen Grundrechtseingriff herabsetzen. Kriterien für die gleichwohl notwendige Abwägung sind dabei die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und das Interesse des Staates an funktionierenden auswärtigen Beziehungen. Die argumentative Figur des Respekts vor anderen Rechtsordnungen wird herangezogen, um eine offensive Behauptung der Grundrechte im auswärtigen Rahmen zu verhindern; gleichwohl gilt dieser Respekt nicht uneingeschränkt.

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Im konkreten Fall wurden diese Anforderungen nicht gewahrt, vgl. a.a.O. (1807). BVerfG, Beschl. v. 15. 09. 2016, Az. 1 BvQ 38/16 – juris. 104  BVerfG, Beschl. v. 11. 01. 2017, Az. 1 BvR 2322/16, Rn 16 – juris. 105  J. Menzel, Internationales Öffentliches Recht. Verfassungs- und Verwaltungsgrenzrecht in Zeiten offener Staatlichkeit, 2011, S. 559; ebenso Nettesheim, in: HStR³ XI, § 241, Rn. 58. 103 

II.  Rechtsprechung

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Eine Grundrechtsverletzung liegt in Fällen, in denen die Bundesrepublik faktisch einen Zustand verbessert, nicht vor.106 Schon an einem Eingriff fehlt es – bei jedoch unklarer Terminologie –, wenn die deutsche Staatsgewalt eine Handlung nur hinnimmt, ohne an ihr mitzuwirken. In Betracht kommt stattdessen eine Schutzpflicht, die aber im Ausland nur eine geringere Schutzintensität vermittelt. Bei echtem Auslandshandeln deutscher Behörden im Sinne des status negativus jedoch wurde in keiner Entscheidung ein Eingriff verneint. Die Grundrechte können grundsätzlich auch im Ausland wirken, wobei offengelassen wird, ob dafür ein besonderes Anknüpfungsmoment nötig ist. Unbeeindruckt von diesen Einschränkungen postuliert das Bundesverfassungsgericht gleichwohl, Art. 1 Abs. 3 GG ordne „die umfassende Grundrechtsbindung aller staatlichen Gewalt“ an.107 2.  Fachgerichte Deutlich seltener beschäftigten sich die Fachgerichte mit der Frage der extraterritorialen Wirkung von Grundrechten. Mit Ausnahme zweier Entscheidungen des Bundessozialgerichts108, in denen das Gericht die Existenz eines strikten Territorialprinzips im Sozialversicherungsrecht verneint, die aber zur Grundrechtsgeltung in diesen Szenarien keine Aussage treffen, entstammen alle relevanten Urteile der Verwaltungsgerichtsbarkeit. 1981 wies das Oberverwaltungsgericht Münster die Klage eines Mannes ab, der nach seiner strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen werden sollte, obwohl ihm im Zielland eine erneute Bestrafung wegen derselben Tat drohte.109 Er könne sich nicht auf Art. 103 Abs. 3 GG berufen, da das dort normierte Doppelbestrafungsverbot nur die deutsche Staatsgewalt binde. Die Norm habe auch keine Ausstrahlungswirkung auf ausländische Sachverhalte; mithin bestehe nicht einmal eine Pflicht zur Berücksichtigung dessen im Abschiebeverfahren.110 Die Parallelen zum Todesstrafen-Urteil des Bundesverfassungsgerichts111 drängen sich auf; das OVG urteilte hier indes noch strenger, indem es sogar eine bloße Berücksichtigungspflicht der deutschen Staatsgewalt verneinte. 1983 urteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, das Asylrecht aus Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a.F. (heute Art. 16a Abs. 1 GG) sei territorial gebunden und könne grundsätzlich nur von dem beansprucht werden, der sich bereits im Bundesgebiet 106  Surholt, Amtshaftung für Handlungen in Auslandseinsätzen der Bundeswehr, 2014, S. 348. 107  Zuletzt etwa BVerfG, Beschl. v. 19. 07. 2016, Az. 2 BvR 470/08 – NJW 2016, 3153 (3154). 108  BSGE 33, 280 ff.; BSGE 36, 209 ff. 109  OVG Münster, Urt. v. 26. 11. 1981, Az. 17 A 1797/81 – NVwZ 1982, 454 f. 110  Sehr kritisch dazu Kunig, DVBl. 1981, 38 (39). 111  BVerfGE 18, 112 ff.

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aufhalte. Jedenfalls könne Asyl nicht vom Heimatland aus beantragt werden, weil damit ein völkerrechtswidriger Übergriff in die Jurisdiktion des betreffenden Staates erfolgen würde.112 Das Bundesverwaltungsgericht befasste sich 1986 mit der Klage eines jenseits der niederländischen Grenze lebenden Niederländers, der sich gegen den Bau eines Atomkraftwerks in der Nähe der Grenze wandte. Die Vorinstanzen hatten die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO verneint. Das Bundesverwaltungsgericht stellte hingegen fest, zwar gelte die Genehmigung für das Inland, aber dies ändere nichts an der Betroffenheit des Klägers auch im Ausland, da die praktischen Auswirkungen des Vorhabens nicht an der Grenze Halt machten.113 Auch im Ausland wohnenden Personen eine Klage zu ermöglichen, sei kein Übergriff in deren Souveränität, sondern aufgrund der Rücksichtnahme auf den Nachbarstaat sogar völkerrechtsfreundlich.114 Die mögliche Rechtsverletzung, welche für die Klagebefugnis Voraussetzung ist, schloss das Gericht jedoch nicht aus Grundrechten, sondern aus einfachgesetzlichen subjektiven Rechten aus dem Atomgesetz. Eine unmittelbare Aussage zur Reichweite von Grundrechten enthielt das Urteil also nicht115, dennoch wandte es sich gegen die Auffassung, die Gewähr von subjektiven Rechten an im Ausland lebende Personen greife in die Souveränität der Aufenthaltsstaaten ein. 2013 entschied das Bundesverwaltungsgericht über ein Verbot von Grabsteinen, die im Ausland durch ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden. Es stellte dabei allerdings nicht auf eine Schutzpflicht zugunsten der Kinder im Ausland ab, sondern sah den legitimen Zweck der Regelung schlicht in der Würde des Friedhofs.116 Ohnehin würde angesichts des Gesetzesvorbehalts von Art. 12 Abs. 1 GG auch aus der Qualifizierung der Bekämpfung ausländischer Kinderarbeit als legitimen Zweck noch keine Grundrechtsqualität extraterritorialer Belange folgen117, sondern nur, dass diese legitime Zwecke zur Grundrechtseinschränkung darstellen.118 In einer Entscheidung zur strategischen Fernmeldeaufklärung nach § 5 G10, d. h. der Überwachung von Telekommunikationswegen zwischen dem In- und Ausland auf bestimmte Suchbegriffe, ging das Bundesverwaltungsgericht119 2014 112 

BayVGH, Urt. v. 18. 03. 1983, Az. 25.B - 6285/79 – DVBl. 1984, 100 (101). BVerwGE 75, 285 (288). 114  Dazu auch Weitbrecht, NJW 1987, 2132 (2133). 115  A. Weber, DVBl. 1987, 377 (379); genauso auch schon ders., DVBl. 1981, 330 (335). 116  BVerwGE 148, 133 (145). 117  Dieser Schluss ließe sich nur ziehen, wenn Art. 12 Abs. 1 GG vorbehaltlos gewährleistet wäre, also nur durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden könnte. 118  Dazu auch Krajewski, DÖV 2014, 721 (729). 119  Hier als erstinstanzliches Gericht gem. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO. 113 

II.  Rechtsprechung

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zwar unproblematisch davon aus, dass auch Fernmeldeverkehr eines Inländers mit dem Ausland vom grundrechtlichen Schutz des Art. 10 GG umfasst sei, traf aber keine Aussage zu Grundrechtswirkungen ohne einen Ursprung der Kommunikation im Inland.120 Der Kläger begehrte Auskunft über die Aufzeichnung seiner Daten; die Klage war nach Ansicht des Senats aber aufgrund fehlender tatsächlicher Betroffenheit des Klägers unzulässig. In einer weiteren Entscheidung begehrte der Kläger Auskunft über die Weitergabe seiner Daten an ausländische Nachrichtendienste.121 Dieser Klage wurde zumindest Zulässigkeit beschieden; sie wurde jedoch als unbegründet abgewiesen, weil das Geheimhaltungsinteresse im konkreten Fall das Auskunftsinteresse des Klägers überwiege. Auch hier stand die Güterabwägung, nicht die vorgelagerte Frage nach der schlichten Existenz eines territorial anwendbaren Grundrechts, im Fokus. a)  Insbesondere: Gefangennahme mutmaßlicher Piraten Ein Somalier, der im Rahmen des ATALANTA-Einsatzes vor der Küste Somalias von der Bundesmarine gefangengenommen und später an Kenia überstellt wurde, klagte 2011 vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen die Bundesrepublik Deutschland. In der Berufungsinstanz befasste sich das Oberverwaltungsgericht Münster mit dem Fall. Der Kläger wandte sich sowohl gegen seine Gefangennahme als auch gegen die Überstellung. Das VG urteilte, die Gefangennahme sei grundsätzlich rechtmäßig gewesen.122 Dass ein Haftbefehl erst nach drei Tagen ergangen war und keine Vorführung vor einen deutschen, sondern vor einen kenianischen Richter erfolgte, hält es nicht für eine Verletzung von Art. 104 Abs. 3 GG.123 Dessen Befolgung (d. h. die Vorführung vor den Richter spätestens am Tag nach der Gefangennahme) sei im konkreten Fall schlicht unmöglich gewesen. Die Norm sei auf den Gehalt des Art. 5 Abs. 3 EMRK124, der schlicht eine unverzügliche Vorführung – ohne zeitliche Obergrenze – verlangt, zu reduzieren. Nach diesen Maßstäben sei auch die Vorführung vor einen kenianischen Richter rechtmäßig gewesen, da ein deutscher Richter nicht vor Ort war.125 Die Verant-

120 

BVerwG, Urt. v. 28. 05. 2014, Az. 6 A 1.13 – NVwZ 2014, 1666 (1668 f.). BVerwG, Urt. v. 15. 06. 2016, Az. 6 A 7.14 – NVwZ 2016, 1487 ff. 122  VG Köln, Urt. v. 11. 11. 2011, Az. 25 K 4280/09 – JZ 2012, 366 (368). 123  Das OVG Münster befasste sich nur noch mit der Rechtmäßigkeit der Überstellung an Kenia, OVG Münster, Urt. v. 18. 09. 2014, Az. 4 A 2948/11 – DVBl. 2015, 375 ff. 124  Die Frage nach der Anwendbarkeit von Unionsgrundrechten übersieht das Gericht, wie Walter/v. Ungern-Sternberg, DÖV 2012, 861 (863) zu Recht anmerken. 125  Die sehr weitgehende Herabsetzung von Anforderungen des Grundgesetzes sieht Schmahl als Reminiszenz an die Figur des Piraten als hostis humanis generis, d. h. als Feind der Menschheit, der außerhalb des Rechts stehe; Schmahl, AöR 136 (2011), 44 (87). 121 

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C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

wortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland für diese Handlungen wird mit völkergewohnheitsrechtlichen Zurechnungskriterien begründet.126 Die Überstellung an Kenia sei indes, so das OVG, rechtswidrig gewesen. Es habe schon keine Ermächtigungsgrundlage bestanden.127 Ferner bestehe eine Schutzpflicht für den Gefangenen, die eine Auslieferung bei drohender Verletzung des völkerrechtlich anerkannten Mindeststandards verbietet. Diesen Mindeststandard, der hier verletzt worden sei, gewann das OVG aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt). Beide Gerichte gingen von einer Grundrechtsgeltung in der Abwehrdimension dem Grunde nach aus. Jedoch kann die Tatsache, dass extraterritoriales Staatshandeln gerügt wird, offenbar die grundrechtlichen Maßstäbe stark herabsetzen. Im Ergebnis schienen die Gerichte hier davon auszugehen, die Grundrechte des Grundgesetzes schützten im Ausland nur den Kernbestand, der auch von den entsprechenden internationalen Menschenrechten anerkannt ist. b)  Insbesondere: Drohnen-Einsätze und die Ramstein Air Base Sehr dezidiert setzte sich das Verwaltungsgericht Köln schließlich 2015 mit der Existenz und Wirkung extraterritorialer Schutzpflichten auseinander.128 Die Kläger, jemenitische Staatsangehörige mit Wohnsitz ebendort, fürchteten aufgrund von Drohnenangriffen, denen bereits mehrere Nachbarn und Angehörige zum Opfer fielen, um ihr Leben. Diese Angriffe gingen von den Streitkräften der Vereinigten Staaten aus, wurden aber von deren Luftwaffenbasis im deutschen Ramstein aus gesteuert. Die Kläger verlangten von der Beklagten, der Bundesrepublik Deutschland, die Nutzung dieser Basis für solche Angriffe zu unterbinden, etwa mit diplomatischen Mitteln, Verhandlungen oder als ultima ratio einer Kündigung der Nutzungsvereinbarung. Das Gericht (3. Kammer) wies die Leistungsklage ab, beschied ihr aber Zulässigkeit. Insbesondere komme den Klägern Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO zu, was für ein gewisses Auf-

126  OVG Münster, DVBl. 2015, 375 (376 f.). Die Frage nach der völkerrechtlichen Verantwortung zieht das Gericht heran, um zu begründen, warum nicht ein Akt der Europäischen Union oder gar der Vereinten Nationen vorliegt. 127  OVG Münster, DVBl. 2015, 375 (278). Damit bejaht auch das OVG implizit eine Grundrechtsbindung. 128  VG Köln, Urt. v. 27. 05. 2015, Az. 3 K 5625/14 – NWVBl. 2016, 39 ff. Die örtliche Zuständigkeit des VG Köln begründet sich nach § 52 Nr. 5 VwGO: Beklagte ist die Bundesrepublik, Sitz i.S.v. § 52 Nr. 5 VwGO ist der Sitz der Behörde, von der ein Handeln begehrt wird, d. h. hier des Bundesministeriums der Verteidigung, dessen Hauptsitz sich in Bonn befindet. Der Gerichtsbezirk des VG Köln erstreckt sich auf Bonn.

II.  Rechtsprechung

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sehen sorgte.129 Eine Schutzpflicht zugunsten der Kläger bestehe dem Grunde nach. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG sei auch in seinem status positivus nicht per se auf Inländer beschränkt, vielmehr sei deutsche Staatsgewalt auch zum Schutz ausländischer Rechtsgüter verpflichtet, „soweit ein hinreichend konkreter Bezug zur eigenen hoheitlichen Tätigkeit vorliegt.“130 Das Gericht setzte sich ausführlich mit anderslautenden Theorien in der Literatur auseinander und führt aus, diesen liege „ein staatstheoretisches Verfassungsverständnis zu Grunde, nach dem Grundrechte sich nicht gleichsam als Schutzmantel über jeden Menschen legten, sondern Bestandteil eines besonderen, durch die Verfassung begründeten Rechtsverhältnisses seien, durch das legitime Herrschaft ermöglicht, aber zugleich beschränkt würde.“131

Grundrechte seien aber keine staatliche „Gegenleistung“ für das Gewaltmonopol, sondern verpflichteten die öffentliche Gewalt unabhängig von deren Wirkungsort als objektive Werteordnung. Gleichwohl komme, so das Gericht im Rahmen der Begründetheitsprüfung, dem Staat ein weites Ermessen bei der Entscheidung zu, wie er nach außen hin tätig werde. Die Klage scheiterte somit am weiten Spielraum der auswärtigen Gewalt, was angesichts des vorher weit ausgebreiteten Grundrechtsverständnisses teilweise als Rückzug in einen „sichere[n] Hafen“132 kritisiert wurde.133 Das VG Köln steht hier vermeintlich prototypisch für eine weite extraterritoriale Grundrechtsbindung des Staates. Diese Einschätzung trifft im Ergebnis wohl zu, in der Herleitung jedoch sind Zweifel angebracht. So verzichtete auch das Gericht nicht auf jedes Erfordernis eines Bezuges zur deutschen Staatsgewalt, sondern verlangt besagten konkreten „Bezug zur eigenen hoheitlichen Tätigkeit.“134 Wie dieser Bezug aussehen muss, damit eine Grundrechtsbindung besteht, sagte das VG nicht. Angesichts des absichtsvollen Handelns der USA erteilte es wohl zumindest der Forderung eine Absage, bei eigenem Handeln fremder Staaten eine Art „Regressverbot“135 anzuerkennen, und trotz der Unbestimmtheit im Detail ist dem Gericht die ausführliche Auseinandersetzung mit den Antipoden des Streits um extraterritoriale Grundrechtswirkungen zu Gute zu halten. 129  Starski spricht davon, das Gericht habe die Klage „über die Zulässigkeitsschwelle gehievt“ – Starski, So fern und doch so nah, http://www.verfassungsblog.de/so-fern-unddoch-so-nah-drohneneinsaetze-im-jemen-im-visier-der-grundrech-te/ [25. 09. 2017]. 130  VG Köln, NWVBl. 2016, 39 (40). 131 A.a.O. 132  Schiffbauer, Aus dem Jemen über Ramstein nach Köln, http://www.juwiss. de/53 – 2015/ [25. 09. 2017]. 133  Vor dem OVG Münster ist ein Berufungsverfahren anhängig, Az. 4 A 1361/15. 134  Die Kläger vertraten im Prozess laut Auskunft der Prozessbevollmächtigten nicht die Auffassung, ein solcher Territorialbezug sei für die Grundrechtsbindung erforderlich, wenngleich sie ihre Argumentation jedenfalls hilfsweise auch darauf stützten. 135 So F. Becker, in: HStR³ XI, § 240, Rn. 40.

C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

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2016 beschäftigte ein ähnlicher Rechtsstreit erneut das VG Köln. Der Kläger, wohnhaft in Somalia, gab an, sein Vater sei bei Drohnenangriffen der USA ums Leben gekommen. Diese Drohnenangriffe seien ebenfalls von der US-Luftwaffenbasis in Ramstein sowie von der US-Kommandozentrale AFRICOM in Stuttgart aus gesteuert worden. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland habe es unterlassen, ihre Einflussmöglichkeiten zu nutzen, um derartige Angriffe zu unterbinden und auf den genannten Stützpunkten auf die Einhaltung deutschen Rechts hinzuwirken. Der Kläger begehrte die Feststellung, dass dadurch eine Schutzpflicht zu seinen Gunsten bzw. zugunsten seiner Familie verletzt worden sei.136 Anders als die dritte Kammer noch 2015 wies die hier zuständige vierte Kammer die Klage nicht als unbegründet, sondern bereits als unzulässig ab. Ursache dafür sind einerseits Sachverhaltsunterschiede: Das Gericht sprach dem Kläger ein Feststellungsinteresse ab, da sein Vater lediglich Zufallsopfer eines Drohnenangriffs geworden sei und deshalb kein Anlass zur Rehabilitation bestehe.137 Doch auch die Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO verneinte das Gericht. In seinen Ausführungen zur möglichen Verletzung eines subjektiv öffentlichen Rechts widersprach es der Entscheidung der dritten Kammer explizit. Zwar bestehe grundsätzlich eine territorial nicht beschränkte Grundrechtsbindung der deutschen Staatsgewalt. Ein bloßes Unterlassen im Inland könne aber eine Schutzpflicht gegen das Handeln dritter Staaten im Ausland nicht begründen. Ein hinreichender Zusammenhang zur deutschen Hoheitsgewalt bestehe nicht.138 Eine Schutzpflicht der Bundesrepublik bestehe daher schon nicht. Darüber hinaus sei eine Verletzung in eigenen Rechten auch deshalb ausgeschlossen, weil nicht der Kläger selbst, sondern nur sein Vater betroffen sei. Im Gegensatz zu den beschriebenen „Drohnen-Fällen“ und dem Piraterieverfahren beschäftigten Kampfhandlungen der Bundeswehr in Afghanistan und dem Kosovo deutsche Fachgerichte primär in Gestalt von Amtshaftungsklagen.139 Im Rahmen dieser ging jedoch kein Gericht auf die Verletzung von Amtspflichten aus Grundrechten ein; vielmehr wurden drittgerichtete Amtspflichten stets aus dem humanitären Völkerrecht gewonnen.140 136 

VG Köln, Urt. v. 27. 04. 2016, Az. 4 K 5467/15 – juris.

137 A.a.O. 138 Das Gericht zieht hier explizit die Rechtsprechung des EGMR (insb. Urt. v. 12. 12. 2001, Nr. 52207/99 [Banković et al./Belgien et al.]), heran, s. dazu D. I. 2. 139  Vgl. allerdings VG Köln, Urt. v. 09. 02. 2012, Az. 26 K 5534/10 – juris. Das Gericht verneint schon die Zulässigkeit, insb. aufgrund fehlender Zurechenbarkeit zu deutschem Staatshandeln, ohne auf Grundrechte einzugehen. 140 LG Bonn, Urt. v. 11. 12. 2013, Az. 1 O 460/11 – JZ 2014, 411 ff.; OLG Köln, Urt. v. 30. 04. 2015, Az. 7 U 4/14 – juris; BGH, Urt. v. 06. 10. 2016, Az. III ZR 140/15 – NJW 2016, 3656 ff. (zu Afghanistan) sowie LG Bonn, Urt. v. 10. 12. 2003, Az. 1 O

III.  Positionierung der Literatur

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Insgesamt stellt sich auch die fachgerichtliche Rechtsprechung als unklar dar. Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes liegt kaum vor; keine der zitierten Entscheidungen von BSG oder BVerwG enthalten eine Position zur extraterritorialen Wirkung von Grundrechten. Wirkt das zitierte Urteil des OVG Münster zur Auslieferung141 noch sehr streng, so stehen neuere Entscheidungen einer Grundrechtsgeltung im Ausland sehr offen gegenüber, betonen jedoch einerseits das weite Ermessen des Staates bei auswärtigem Handeln142 und andererseits die Notwendigkeit von Modifikationen bei den Rechtfertigungsvoraussetzungen für Grundrechtseingriffe, und sei es auch contra legem.143 Die Entscheidungen des VG Köln von 2011 und des OVG Münster von 2014 werfen die Frage auf, ob sich der materielle Gehalt der Grundrechte im Ausland in jenen der international anerkannten menschenrechtlichen Mindeststandards wandelt. All diese Entscheidungen befassten sich mit der Abwehrdimension extraterritorial wirkender Grundrechte. 2015 hingegen nimmt das VG Köln ausdrücklich auch eine extraterritoriale Wirkung von Schutzpflichten an. Im darauffolgenden Jahr hingegen urteilt das Gericht hier deutlich restriktiver. Streitpunkt zwischen beiden Entscheidungen ist aber nicht mehr die grundsätzliche Existenz extraterritorialer Grundrechtswirkungen – eine solche wird vielmehr einhellig bejaht –, sondern die Frage nach den spezifischen Anforderungen für Schutzpflichten im Ausland.

III.  Positionierung der Literatur 1.  Systematisierung und Untermauerung der Rechtsprechung Die vor allem in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung144 populäre Figur der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes hat auch in der Literatur regen Anklang gefunden.145 Insbesondere wurde versucht, die Aussage, die

361/02 – NJW 2004, 525 ff.; OLG Köln, Urt. v. 28. 07. 2005, Az. 7 U 8/04 – NJW 2005, 2860 ff.; BGHZ 169, 348 ff.; BVerfG, Beschl. v. 13. 08. 2013, Az. 2 BvR 2660/06 – EuGRZ 2013, 563 ff. (zum Kosovo). Kritisch dazu Ackermann, NVwZ 2017, 95 (96); Hohnerlein/Schwander, Das Kriegsvölkerrecht – ein zahnloser Tiger?, https://www.juwiss. de/80 – 2016/[25. 09. 2017]; Starski, Die Geister der Vergangenheit, http://verfassungsblog. de/die-geister-der-vergangenheit-%E2%80%92-eine-kritische-ref lexion-zur-kunduzentscheidung-des-bgh/[25. 09. 2017]. 141  OVG Münster, Urt. v. 26. 11. 1981, Az. 17 A 1797/81 – NVwZ 1982, 454 f. 142  VG Köln, NWVBl. 2016, 39 ff. 143  VG Köln, JZ 2012, 366 (368); OVG Münster, DVBl. 2015, 375 (376 f.). 144  Dazu ausführlich s.o., exemplarisch BVerfGE 100, 313 (362 f.). 145 Vgl. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 1 Abs. 3, Rn. 49; Marauhn, in: VVDStRL 74 (2015), S. 373 (378).

C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

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Grundrechtsgeltung im Ausland sei mit völkerrechtlichen Anforderungen zu harmonisieren146, zu erschließen und zu untermauern.147 Jedoch erfolgt diese Erschließung häufig eher lapidar, ohne konkrete Einordnung in die allgemeine Grundrechtsdogmatik und vor allem ohne konkrete Rechtssätze des Völkerrechts zu benennen, mit denen ein Grundrecht im Einzelfall harmonisiert werden müsse.148 Vor allem daher konstatiert Kempen, in Wahrheit gehe es nicht um eine allgemeine Abstimmung mit dem Völkerrecht, sondern schlicht um die Anerkennung der Grenzen der eigenen Möglichkeiten.149 Geiger sieht als entscheidend ebenfalls nicht das Völkerrecht an, sondern das Interesse des Staates an funktionierenden auswärtigen Beziehungen, welches ein verfassungsimmanentes Gut sei und daher mit den Grundrechten harmonisiert werden müsse.150 Konsequenterweise fragt er auch nicht nach Kollisionen mit dem Völkerrecht, sondern nach konkreten Erschwerungen deutscher Außenpolitik. Hofmann wägt die Grundrechte gegen die bewusste Einbettung des Grundgesetzes in einen internationalen Kontext ab und kommt dabei zum Ergebnis, eine Reduktion von Gewährleistungen bei Auslandsbezug sei möglich, müsse sich aber in den Grenzen der Wesensgehaltsgarantie aus Art. 19 Abs. 2 GG und eines aus Art. 25 GG gewonnenen völkerrechtlichen Mindeststandards, dessen Unklarheit er freilich eingesteht, halten.151 Vereinzelt wird dagegen vollkommen auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt und die Möglichkeit einer übergreifenden Antwort verneint.152 Auch Stern räumt der Frage der extraterritorialen Wirkung Raum ein. Er betont, auch die auswärtige Gewalt sei an die Verfassung gebunden.153 Einen lapidaren Verweis auf politische Fragen oder den judicial self-restraint lehnt er

146 

BVerfGE 31, 58 (76); BVerfGE 95, 39 (120 f.). Oppermann, in: FS Grewe, 1981, S. 521 (531 ff.); K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 1231; N. B. Wagner, Grund- und Menschenrechte in Auslandseinsätzen von Streitkräften. Schutz und Grenzen von Grund- und Menschenrechten bei Auslandseinsätzen von Streitkräften im Frieden und in bewaffneten Konflikten, 2009, S. 78 ff. 148  Dies beklagt auch Payandeh, DVBl. 2016, 1073 (1075). 149  Kempen, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. II, 2006, § 54, Rn. 8 ff. Ähnlich auch Oehmke, Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen zur Abwehr gegen Piraterie. Eine Analyse unter Aspekten des Völkerrechts und des deutschen Rechts, 2016, S. 416 ff. 150  Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht mit Europarecht: die Bezüge des Staatsrechts zum Völkerrecht und Europarecht. Ein Studienbuch, 6. Aufl. 2013, S. 144. 151  Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte, 1994, S. 72 f. 152  Möstl, DVBl. 1999, 1394 (1396 ff.); Schröder, in: FS Schlochauer, S. 137 (141); Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen, 2006, S. 111. 153  Stern, Staatsrecht, III/1, S. 1230 f., 1364 ff. 147 

III.  Positionierung der Literatur

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ab.154 Soweit aber nicht ganz unmittelbar Rechtsgüter von Staatsbürgern berührt werden, wandle sich die Grundrechtsbindung angesichts der Begrenztheit der tatsächlichen staatlichen Handlungsmacht im Ausland und der gebotenen Rücksicht auf das Völkerrecht155 zu einer Pflicht zu grundrechtsfreundlichem Verhalten.156 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei in dieser Hinsicht weitgehend sachgerecht.157 Die „völkerrechtsfreundliche Begrenzung“ von Grundrechten kann im Rahmen der extraterritorialen Wirkung systematisiert werden als Kolllision zwischen Grundrechten und einem anderen Gut von Verfassungsrang. Die Völkerrechtsfreundlichkeit als ein solches Gut wird aus einer Gesamtschau aus Art. 1 Abs. 2, Art. 24, Art. 25 und der Präambel des Grundgesetzes herausgelesen.158 Sie stellt in erster Linie eine Pflicht zur Auslegung von Verfassungsnormen in einer Weise dar, die dem Völkerrecht zur Geltung verhilft, soweit dies unter Berücksichtigung des Wortlautes noch möglich ist.159 Die Reichweite dieses Prinzips ist freilich ungeklärt: Während einerseits davon ausgegangen wird, die Völkerrechtsfreundlichkeit ende in der Regel bei den Grundrechten, diese seien ihr also entzogen160, wird andererseits ausgeführt, sie schließe „eine Geltung von Grundrechten bei Sachverhalten mit Auslandsbezügen nicht prinzipiell aus“161, wodurch das Regel-Ausnahme-Verhältnis vollständig umgekehrt wird. Die Literatur zu diesem Themenkomplex wirft zwei Fragen auf: Einerseits ist fraglich, ob Völkerrecht der Grundrechtsgeltung im Ausland überhaupt grundsätzlich entgegensteht. Andererseits stellt sich die Frage, ob das Prinzip der Völkerrechtsfreundlichkeit für so einen massiven Eingriff in die allgemeine Grundrechtsdogmatik ein geeignetes Mittel ist. Beide Fragen werden im Laufe dieser Arbeit noch zu thematisieren sein.

154 

A.a.O., S. 1365, vgl. aber S. 1231 f. A.a.O., S. 1232, 1362 f. 156  A.a.O., S. 1367. 157  A.a.O., S. 1366 ff. 158  BVerfGE 31, 58 (74 f.); BVerfGE 123, 267 (344); BGH, Urt. v. 06. 10. 2016, Az. III ZR 140/15 – NJW 2016, 3656 (3661); Stern, Staatsrecht III/1, S. 1231 f.; Tomuschat, in: HStR³ XI, § 226, Rn. 9 (der den Begriff der „Offenheit“ vorzieht). Vgl. historisch schon den Grundgedanken bei Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Zweiter Band, S. 453: „Unsere Staatsgewalt beansprucht nicht die Staatsgewalt zu sein für die ganze Welt“ (Hervorhebung im Original gesperrt). 159  H. Schwarz, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Außen- und Sicherheitspolitik. Ein Verfassungsvergleich Deutschland – USA, 1995, S. 242 f.; Tomuschat, in: HStR³ XI, § 226, Rn. 37. 160  Puttler, in: HStR³ XI, § 234, Rn. 38. 161  Graulich, Bericht für den Untersuchungsausschuss, S. 45. 155 

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C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

Als „Wunderwaffe“ zur Frage der extraterritorialen Wirkung von Grundrechten kann die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes jedenfalls nicht dienen. Zu undeutlich sind ihre Konturen, sodass sie ehrlicherweise eher als Worthülse angesehen werden muss, aus der die Rechtsprechung vorschnelle und häufig unvorhersehbare162 Schlüsse zieht. Die Kritik der Literatur an der konkreten Anwendung dieses Prinzips ist durchaus berechtigt.163 Exemplarisch zeigt sich dies an den vorgenannten Urteilen des VG Köln164 und des OVG Münster165 zur Pirateriebekämpfung vor Somalia, die unter Berufung auf Völkerrecht eine Reduzierung des Grundrechtsstandards auf das Mindestmaß der EMRK begründen. Ihnen wird in der Literatur vorgeworfen, die menschenrechtskonforme Auslegung der Grundrechte dürfe den Schutzstandard nur erhöhen, niemals aber vermindern, da die EMRK selbst nur einen Mindeststandard darstelle (Art. 53 EMRK).166 Epping konstatiert daher zu Recht, die besagten Urteile seien „mit den gängigen Auslegungsmethoden nicht erreichbar“167. Auch eine Argumentation mit den Grenzen des Möglichen, wie sie Becker vorschwebt168, darf nicht zu voreiligen Schlussfolgerungen verleiten. Wenn das VG Köln in besagtem Urteil etwa behauptet, die Einhaltung der Anforderungen des Art. 104 Abs. 3 GG, insbesondere die Vorführung vor den Richter am nächsten Tag, sei im Ausland schlicht nicht möglich, so ist dies eine unzutreffende Verkürzung.169 Der naheliegendste Schluss aus einer etwaigen Unmöglichkeit, beim Grundrechtseingriff verfassungsrechtliche Grenzen zu wahren, ist im Übrigen nicht, diese Grenzen herabzusetzen, sondern den Eingriff zu unterlassen.

162  Dies räumen teilweise auch Vertreter dieser Ansätze ein, vgl. Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte, S. 69. 163  Daher hier inzwischen auch zurückhaltender BVerfG, Beschl. v. 13. 10. 2016, Az. 2 BvE 2/15 – juris, Rn. 112 ff. 164  VG Köln, JZ 2012, 366 ff. 165  OVG Münster, DVBl. 2015, 375 ff. 166  Walter/v. Ungern-Sternberg, DÖV 2012, 861 (867). Vgl. auch Diehl, HuV-I 23 (2010), 4 (9). Dies gesteht auch Aust, DVBl. 2012, 484 (488) ein, der das Urteil ansonsten begrüßt. Ebenfalls das Urteil verteidigend König, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 44 (2010), S. 203 (236). 167  Epping, in: ders./Hillgruber (Hrsg.), Art. 87a (Stand: 01. 06. 2017), Rn. 37. 168  F. Becker, in: HStR³ XI, § 240, Rn. 83. 169  Grds. könnte etwa ein Richter auf dem Schiff mitfahren, wie Walter/Ungern-Sternberg, DÖV 2012, 861 (867) vorschlagen. Auch eine Videoübertragung wäre grundsätzlich denkbar – dagegen freilich Müller-Franken, in: Stern/Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar. Die Grundrechte des Grundgesetzes mit ihren europäischen Bezügen, 2. Aufl. 2016, Art. 104, Rn. 85. Zurückhaltend skeptisch gegenüber der Argumentation des Gerichts auch Salomon, Die internationale Strafverfolgungsstrategie gegenüber somalischen Piraten, 2017, S. 301 f. Ausführlich s.u. F. II. 3. f).

III.  Positionierung der Literatur

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Insgesamt löst die Berufung auf eine völkerrechtsfreundliche Auslegung das hier aufgeworfene Problem nicht. Fragwürdig und näher zu untersuchen ist schon der Ansatzpunkt, die extraterritoriale Geltung von Grundrechten stelle per se eine Verletzung nicht näher definierter völkerrechtlicher Tatbestände dar.170 Auch wenn man die Völkerrechtsfreundlichkeit hier aber als Leitprinzip ansieht, so stellt sie doch nur einen Rahmen dar, innerhalb dessen nach wie vor geklärt werden muss, ob und wie als Ergebnis der völkerrechtsfreundlichen Auslegung die Grundrechte extraterritorial gelten. Zu dieser Frage hat die Literatur eine Vielzahl von differenzierten Ansätzen entwickelt. Diese werden im Folgenden dargestellt und diskutiert. Sie dürfen jedoch nicht als schematische Alternativen betrachtet werden; vielmehr fließen ihre Ansätze oftmals ineinander über. 2.  Weitgehende Auslandsgeltung Unter Berufung auf Art. 1 Abs. 3 GG vertritt eine heute weit verbreitete Ansicht, jedenfalls für Abwehrrechte bestehe keine territoriale Begrenzung auf das Inland.171 Die Bindung der Staatsgewalt an die Grundrechte sei unabhängig vom Ort ihrer Tätigkeit oder der Wirkung derselben: „Möglicherweise entspricht es internationaler Übung, dass nationale Staatsorgane sich beim Handeln im Ausland nicht durch die für sie maßgebenden nationalen Gesetze gebunden fühlen. Eine solche Sicht muss allerdings für das Handeln deutscher Staatsorgane ausscheiden, da das Grundgesetz keine entsprechende Öffnung vorsieht.“172 170  Enders spricht daher in Stern/Becker (Hrsg.), Art. 1, Rn. 108, stattdessen von den „Besonderheiten der anomalen Situation“, welche die Grundrechtsbindung herabsetzen. 171  Baldus, Transnationales Polizeirecht. Verfassungsrechtliche Grundlagen und einfach-gesetzliche Ausgestaltung polizeilicher Eingriffsbefugnisse in grenzüberschreitenden Sachverhalten, 2001, S. 125 ff.; ders., in: Kugelmann (Hrsg.), Polizei unter dem Grundgesetz, 2010, Podiumsdiskussion, S. 124 f.; Bormann, Transnationale Informationsgewinnung durch Nachrichtendienste und Polizei. Eine Untersuchung von Zulässigkeit und Verwertbarkeit, 2016, S. 174 f.; Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 10 (57. EL 2010), Rn. 65; Heidebach, DÖV 2015, 593 (596); Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3 (44. EL 2005), Rn. 11, 71; Huhn, Amtshaftung im bewaffneten Auslandseinsatz: Anwendbarkeit und Leistungsfähigkeit des Amtshaftungsrechts bei Verletzung des ius in belli, 2010, S. 71; H. Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, http://www.kas.de/wf/doc/kas_12889 – 544 – 1-30. pdf?080128170200 [25. 09. 2017], S. 4; Oehmke, Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen, S. 413 f.; Payandeh, DVBl. 2016, 1073 (1074); Zuleeg, DÖV 1973, 361 (366); grds. auch Poscher, in: VVDStRL 67 (2008), S. 160 (191). Zuleeg selbst äußert sich später vorsichtiger, vgl. DÖV 1977, 462 (466). Pauschaler – bzgl. des Grundgesetzes im Gesamten – auch tho Pesch, DÖV 2016, 645 (646). Bzgl. Art. 10 GG für eine extraterritoriale Geltung Gusy/Hueck, NJ 1995, 461 (464 f.); Müller-Terpitz, Jura 2000, 296 (302). 172  Hoffmann-Riem, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses am 22. Mai 2014, https://www.bundestag.de/blob/280846/04f34c512c86876b06f 7c162e673f2db/mat_a_sv-2 – 1neu–pdf-data.pdf [25. 09. 2017], S. 11, Fn. 16; ähnl. auch

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C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

Diese Position wird auch als Wirkungsprinzip bezeichnet, weil sie davon ausgeht, die Grundrechte fänden überall dort Anwendung, wo der deutsche Staat wirkt.173 Für diese Auffassung spricht in einem ersten Zugriff, dass die Systematik der Grundrechte, zumindest nach ihrem heutigen Verständnis, als lückenloses Schutzsystem und als Ausschluss ungebundener Bereiche verstanden wird.174 Freilich wird diese Lückenlosigkeit auch in anderen Bereichen noch in Zweifel gezogen. Die materielle Grundrechtsbindung von Gnadenakten wurde von der herrschenden Meinung lange Zeit verneint175, heute aber meist bejaht.176 Ähnlich verlief die Debatte zur Fiskalgeltung der Grundrechte.177 Vieles spricht für einen Trend zur zunehmenden Lückenlosigkeit und für eine immer stärker werdende Ablehnung grundrechtsungebundener Räume. Zur Reichweite von Schutz- und Leistungsdimensionen der Grundrechte werden meist nur vorsichtige Aussagen getroffen. Zumindest teilweise werden solche Dimensionen auch im Ausland, teils auf Schutz vor fremden Staaten gerichtet, anerkannt.178 Gleichzeitig aber wird oft angenommen, die inneren Anforderungen der Grundrechte an staatliches Handeln müssten bei zunehmendem AuslandsbePapier, Gutachtliche Stellungnahme: Beweisbeschluss SV-2 des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages der 18. Wahlperiode, https://www.bundestag. de/blob/280842/9f 755b0c53866c7a95c38428e262ae98/mat_a_sv-2 – 2-pdf-data.pdf [25. 09. 2017], S. 7; grds. auch Kastler, Föderaler Rechtsschutz. Personenbezogene Daten in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, 2017, S. 125 f. 173  Huhn, Amtshaftung im bewaffneten Auslandseinsatz: Anwendbarkeit und Leistungsfähigkeit des Amtshaftungsrechts bei Verletzung des ius in bello, 2010, S. 71 f.; Thiel, Die „Entgrenzung“ der Gefahrenabwehr. Grundfragen von Freiheit und Sicherheit im Zeitalter der Globalisierung, 2011, S. 453; Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland, 2007, S. 100 ff. 174  BVerfGE 33, 1 (11); Maurer, JZ 1963, 26; Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 326: „Totalität de[r] Grundrechtspflichtigkeit“; Stern, Staatsrecht, III/1, S. 27; Wallrabenstein, JZ 2016, 109 (117). 175  OVG Hamburg, Entsch. v. 23. 09. 1960, Az. Bf I 203/59 – JZ 1961, 165; a.A. Dürig, JZ 1961, 166. Meist aber kam die Rechtsprechung nie zu dieser Frage, da bereits die Justiziabilität verneint wurde, vgl. BVerwG, Urt. v. 08. 03. 1962, Az. VIII C 185.60 – NJW 1962, 1410 (1411) m.w.N. 176  Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3 (44. EL 2005), Rn. 11; Stern, Staatsrecht, III/1, S. 1371 f. m.w.N. 177  Möllers, Staat als Argument, S. 317 ff.; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, 2. Aufl. 2001, § 117, Rn. 41 ff.; Stern, Staatsrecht, III/1, S. 1399. 178  Badura, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. II, 2006, § 47, Rn. 21 ff.; Schmahl, JZ 2014, 220 (221). Zur grundrechtlichen Fundierung diplomatischen Schutzes Blumenwitz, in: FS Ferid, 1978, S. 439 ff.; Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte, S. 110; E. Klein, DÖV 1977, 704 (707 f.). Nettesheim bezeichnet in Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Staat in der Flücht-

III.  Positionierung der Literatur

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zug abnehmen, da die Fähigkeit des Staates zur Durchsetzung derselben geringer sei.179 Die Geltung der Grundrechte bestehe, ihr Umfang aber sei fraglich.180 Welcher Art diese Herabsetzung ist, insbesondere welcher Ebene im Grundrechtsmodell – Schutzbereich, Eingriff, Rechtfertigung – sie angehört, ist unklar.181 Ein abschließendes Urteil über das Wirkungsprinzip kann an dieser Stelle noch nicht gefällt werden. Da es mit der weitgehenden Bejahung des Grundrechtsschutzes im Ausland einen Pol der Auseinandersetzung darstellt, müssen zuvor die gegenläufigen Ansätze betrachtet werden, deren Argumente allesamt zugleich Repliken auf das Wirkungsprinzip darstellen. 3.  Territorialprinzip Die idealtypische Gegenthese zum Wirkungsprinzip stellt das Territorialprinzip dar, welches davon ausgeht, dass Grundrechte grundsätzlich nur im Inland gelten. Art. 1 Abs. 3 GG gebe keine abschließende Antwort auf die Frage nach der Reichweite der Grundrechte. Entscheidend sei, dass der Staat nur im Inland völkerrechtlich zuständig sei. Das völkerrechtliche Territorialprinzip begrenze die Geltung staatlichen Rechts auf das Gebiet des rechtssetzenden Staates.182 Ferner sei der Zweck der Grundrechte die Beschränkung von Herrschaft.183 Sie gingen, selbst wenn dies – wie bei der Fiskalgeltung – nicht in jedem Einzelfall so sei, von einem grundsätzlichen Subordinationsverhältnis aus.184 Das Wesen der Außenpolitik hingegen sei von Abgrenzung und Selbstbehauptung geprägt.185 lingskrise, S. 55 (69) extraterritoriale Schutzpflichten zumindest „in unmittelbarer Nähe zur deutschen Grenze“ als „jedenfalls diskussionswürdig“. 179  Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 10 (57. EL 2010), Rn. 64; Nettesheim, in: HStR³ XI, § 241, Rn. 68 f.; Ruthig, in: FS Hilger, 2003, S. 183 (187 ff.); Yousif, Extraterritoriale Geltung, S. 164 f. 180  Badura, in: HGR II, § 47, Rn. 14; Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte, S. 30 f. 181  Dies kritisiert auch J. Menzel, Internationales Öffentliches Recht, S. 575. 182  Merten, in: FS Schiedermair, 2001, S. 331 (338 f.). Genauso Badura, in: FS Leisner, 1999, S. 403 (411), offenbar aufgegeben, jedenfalls explizit anders ders. in HGR II, § 47, Rn. 18. Mit ähnlicher Begründung, aber anderen Schlussfolgerungen Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände: Eine staatsrechtliche, insbesonders grundrechtskollisionsrechtliche Untersuchung, 1988, S. 130 ff. Mit ähnlichen Ausführungen zur Geltung der Grundrechte im internationalen Privatrecht v. Olshausen, DVBl. 1974, 652. Vgl. auch N. B. Wagner, in: FS v. Block-Schlesier, 2010, S. 275 (286), der auch die völkerrechtlichen Menschenrechtsabkommen aus völkergewohnheitsrechtlichen Gründen nicht extraterritorial anwenden will. Siehe dazu E. III. 183  Hailbronner, in: VVDStRL 56 (1997), S. 7 (16). 184  G. Becker, in: FS Verfassungsschutz, 2007, S. 47. 185  Hailbronner, in: VVDStRL 56 (1997), S. 7 (16); vgl. auch Wolgast, AöR 44 (=5 N.F., 1923), 1 (87 ff.).

C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

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Grundrechte hätten in der nach innen gerichteten, „gezähmten“ Domäne des Staates ihre Berechtigung, nicht aber in der äußeren. Worauf sich hier In- und Ausland genau beziehen – ob auf den Ort des staatlichen Handelns186 oder auf den Aufenthaltsort des potentiellen Grundrechtsträgers187 –, wird nicht vollständig deutlich. Das Territorialprinzip wird heute in seiner vollen Härte kaum noch vertreten188, sondern dient dazu, eine grundsätzliche Beschränkung auf das Inland zu untermauern, um jede Erweiterung der Grundrechte jenseits des Staatsgebietes begründungsbedürftig zu machen.189 Meist werden Erweiterungen oder Ausnahmen angeführt. Die Vertreter des Territorialprinzips argumentieren teils mit stark verfassungspolitisch aufgeladenen Begriffen. Die dargestellte Sicht auf das Verhältnis von Innen- und Außenpolitik evoziert den Gedanken der Freund-Feind-Unterscheidung.190 Ob eine solche Teilung des Staates in zwei „Aggregatzustände“191 – einen inneren, verrechtlichten und einen äußeren, ungebundenen – dem Außenpolitikbild des Grundgesetzes entspricht, wird noch zu untersuchen sein.192 Die völkerrechtliche Argumentation lässt jedenfalls offen, ob denn das Völkerrecht die Geltung von Grundrechten in fremdem Staatsgebiet tatsächlich verbietet. Auch die Ergiebigkeit der allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts hierzu soll zu einem späteren Zeitpunkt untersucht werden. Selbst wenn man aber ein völkerrechtliches Hindernis für die Grundrechtsgeltung im Ausland anerkennt, so stellt sich die Frage, wie dieses seinen Weg in die Grundrechtsdogmatik des Grundgesetzes finden würde. Völkerrechtliche Normen bedürfen zu ihrer innerstaatlichen Geltung einer Transformation.193 Eine solche Transformationsnorm 186 

So wohl Badura, in: FS Leisner, S. 403 (410). So „nur als Grundsatz“ Quaritsch, in: HStR² V, § 120, Rn. 73. 188  J. Menzel, Internationales Öffentliches Recht, S. 560. 189  Badura, in: FS Leisner, S. 403 (410): „Leitgedanke“, „Ausgangspunkt“. Im Ergebnis ähnlich auch Stern, Staatsrecht, III/1, S. 1232 f.: „Die Pflicht zur Beachtung der Grundrechte dürfte bei den meisten Grundrechten in aller Regel territorial auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland radiziert sein.“ Dem Grunde nach erkennt Stern freilich, wie oben dargestellt, eine extraterritoriale Grundrechtsbindung an, vgl. a.a.O., S. 1364 ff. Von der gesonderten Begründungsbedürftigkeit der extraterritorialen Anwendung ausgehend auch Hecker, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, S. 221 (245 f.). 190  Schmitt, Der Begriff des Politischen. Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien, 3. Aufl. d. Ausg. von 1963, 1991, S. 26. So auch Dolde, DÖV 1973, 370 (371). Zu den Parallelen zwischen Carl Schmitt und der Diskussion um extraterritoriale Grundrechte in den Vereinigten Staaten vgl. Giegerich, EuGRZ 2004, 758 (762). Gegen eine Argumentation mit dem „Wesen“ eines Rechtsinstituts, hier der Außenpolitik, schon Scheuerle, AcP 163 (1964), 429 (430): „Kryptoargument“. 191  Tomuschat, in: VVDStRL 36 (1978), S. 7 (20). 192  s.u. E. I. 3. 187 

III.  Positionierung der Literatur

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könnte zunächst Art. 25 S. 1 GG darstellen. Völkerrecht könnte den Geltungsanspruch des Grundgesetzes aber nur begrenzen, wenn es, durch Art. 25 S. 1 GG transformiert, selbst Verfassungsrang besäße. In der Tat gingen einige Stimmen davon aus, die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ stünden mit dem Grundgesetz auf einer Ebene194 oder hätten sogar Überverfassungsrang – was Teile des Parlamentarischen Rates wohl annahmen, um zu verhindern, dass der pouvoir constituant constitué die über Art. 25 GG transformierten Normen abbedingen könnte.195 Gleichwohl bedürfte ein solches Normverständnis, das den Umfang des Verfassungsrechts derart erweitern oder gar über die eigene Rangstufe der Transformationsnorm hinausragen würde, einer ausdrücklichen Anordnung im Normtext.196 Die Maßgabe, Völkergewohnheitsrecht gehe „den Gesetzen vor“, weist diesen nach naheliegendem Verständnis vielmehr einen Rang zwischen Grundgesetz und einfachen Bundesgesetzen zu.197 Auf der Grundlage dieser Position kann eine Begrenzung des Schutzbereiches der Grundrechte nicht aus Art. 25 GG folgen.198 193

Stattdessen könnte hier erneut die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ins Feld geführt werden.199 Doch das Territorialprinzip geht über eine bloße völkerrechtsfreundliche Auslegung der Grundrechte weit hinaus. Es hätte zur Folge, dass das gesamte innerstaatliche Verfassungsrecht territorial nur nach Maßgabe des Völkerrechts gilt. Der Geltungsanspruch des Grundgesetzes ist aber zuvorderst aus diesem selbst zu entnehmen.200 Völkerrechtliche Grenzen bedingen nicht per se den Geltungsanspruch des Grundgesetzes, Völkerrechtsfreundlichkeit heißt nicht Völkerrechtsabhängigkeit.201 193  Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 32, Rn. 116. 194  Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 25, Rn. 25. 195  JöR 1 N.F. (1951), S. 234 f. So auch Grewe, in: VVDStRL 12 (1954), S. 129 (148); Tomuschat, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz (BK), Art. 25 (Zweitbearbeitung, 140. EL 2009), Rn. 10. 196  Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 25 (79. EL 2016), Rn. 478. 197  BVerfGE 128, 326; F. Kirchhof, NJW 2011, 3681 (3683); Rojahn, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, 6. Aufl. 2012, Art. 25, Rn. 55. 198  So auch Kokott, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 38 (1998), Aussprache, S. 140; Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt durch die deutsche auswärtige Gewalt, 2016, S. 178 f. 199  Hillgruber, in: HStR³ II, § 32, Rn. 113. 200  Bungert, Das Recht ausländischer Kapitalgesellschaften auf Gleichbehandlung im deutschen und US-amerikanischen Recht. Zugleich ein Beitrag zu einem internationalen Grundrechtskollisionsrecht, 1993, S. 214 f.; Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug, 1992, S. 60 f.; Kronke, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 38 (1998), S. 33 (45 ff.). 201  BVerfGE 111, 307 (317 f.); zuletzt insbesondere BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 2015, Az. 2 BvL 1/12 – NJW 2016, 1295 (1299); Schilling, Deutscher Grundrechtsschutz, S. 73. Vgl. aber Isensee, in: HStR³ II, § 15, Rn. 5 zum Status West-Berlins vor 1990. Der Verweis

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C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

Daher führen einige Vertreter des Territorialprinzips zusätzlich zur genannten völkerrechtlichen Argumentation an, Art. 23 GG a.F. beschränke die Geltung des Grundgesetzes und damit auch der Grundrechte explizit auf das Inland.202 Zwar sei die Norm am 29. 09. 1990 außer Kraft getreten, jedoch finde sich dieselbe Umschreibung des Staatsgebietes nun implizit in der Präambel des Grundgesetzes.203 Dagegen argumentiert Heintzen völlig zu Recht, Art. 23 habe nur den Zweck gehabt, das „vorläufige“ Deutschland gegenüber dem Rest des Deutschen Reiches, insbesondere der DDR, abzugrenzen.204 Der Begriff „gilt zunächst“ sei gewählt worden, um die Frage, ob diese Gebiete Teil der Bundesrepublik Deutschland sind oder nicht, zu umgehen, wie die Entstehung der Norm deutlich zeige.205 Ebenso solle die Präambel lediglich das wiedervereinigte Deutschland territorial umschreiben und gleichzeitig die Anerkennung der jetzt festgeschriebenen Grenzen gegenüber dem Ausland versichern.206 In der Tat macht allein die Existenz von Art. 116 GG, der die Staatsangehörigkeit von Personen außerhalb des Bundesgebietes regelt, deutlich, dass sich das Grundgesetz nicht per se auf die Regelung von Sachverhalten in diesem Gebiet beschränkt.207 Auch ein rein territoriales Verständnis von Art. 26 Abs. 1 GG etwa wäre absurd, verböte die Norm doch bei einer solchen Auslegung den Angriffskrieg nur im Inland.208

Yousifs, Extraterritoriale Geltung, S. 11, auf BVerfGE 31, 58 verfängt nicht, da sich dieses Urteil mit dem Verhältnis einfachen Rechts (nicht Verfassungsrechts) gegenüber Völkerrecht befasst. Für eine expansivere Rolle der Völkerrechtsfreundlichkeit das Sondervotum in BVerfG, NJW 2016, 1295 (1305 ff.). 202  Merten, in: FS Schiedermair, S. 331 (334); Oppermann, in: FS Grewe, S. 521 (526 f.); Quaritsch, in: HStR² V, § 120, Rn. 72; Ritter, NJW 1964, 279; N. B. Wagner, Grund- und Menschenrechte in Auslandseinsätzen, S. 82 f. Grds. auch Kahl, in: BK, Art. 1 Abs. 3 (169. EL 2014), Rn. 199. Vgl. außerdem BVerfGE 36, 1 (28 ff.). 203  Löffelmann, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, S. 1093 (1111); Quaritsch, in: HStR² V, § 120, Rn. 73. Zur Umschreibung des Staatsgebietes in der Präambel vgl. Hillgruber, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Präambel (Stand: 01. 06. 2017), Rn. 21.1; Vitzthum, in: HStR³ II, § 18, Rn. 16. N. B. Wagner, in: FS v. Block-Schlesier, S. 275 (298) führt überdies Art. 144 Abs. 1 GG an. 204  Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 101 („deutschlandrechtliche Verlegenheitslösung“). So auch Gröpl, ZRP 1995, 13 (16); Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalten, S. 12; K. Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm. Eine Untersuchung über die Grundfragen des sog. Internationalen Verwaltungs- und Steuerrechts, 1965, S. 146. 205  JöR 1 N.F. (1951), 217 f. 206  Dreier, in: ders. (Hrsg.), Bd. 1, Präambel, Rn. 77. 207  So auch F. Becker, in: HStR³ XI, § 240, Rn. 11. 208  K. Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, S. 147.

III.  Positionierung der Literatur

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4.  Verfassungsrechtsverhältnis und Verfassungskollisionsrecht Einen der grundlegendsten und am ausführlichsten entwickelten Ansätze erarbeitete Isensee in seinem Referat auf der Staatsrechtslehrertagung 1973 sowie später in erweiterter, ergänzter Form in weiteren Veröffentlichungen.209 Isensee geht davon aus, dass durch die fehlende Alleinzuständigkeit des deutschen Staates im Ausland bei Sachverhalten mit Auslandsbezug Abgrenzungsprobleme auftreten, die einer Lösung bedürfen. Notwendig sei – in Anlehnung an das internationale Privatrecht zur Lösung von Kollisionen zwischen Rechtsordnungen im privatrechtlichen Bereich – ein Verfassungskollisionsrecht210, das aus dem Grundgesetz entwickelt werden müsse.211 Er hat diesen Begriff nicht als erster verwendet,212 kann aber für sich in Anspruch nehmen, erstmals ein verdichtetes Konzept hierzu entwickelt zu haben. Notwendig für die Geltung der deutschen Grundrechtsordnung sei – auch hier wird die Ähnlichkeit zum internationalen Privatrecht deutlich – ein Anknüpfungsmoment. Ein solches sei grundsätzlich dann vorhanden, wenn ein Unterworfensein unter die deutsche Staatsgewalt besteht. Grund für die Geltung der Grundrechte sei nämlich das Gewaltmonopol des Staates. Aus der Übermacht des Staates folge die Notwendigkeit der Begrenzung von Herrschaft, um die Rechte des Einzelnen zu sichern. Die Grundrechte gelten daher nur dort, wo der Staat „Gewalt“ innehat.213 Bei Vorliegen eines solchen Verfassungsrechtsverhältnisses bestehe zugunsten des Grundrechtsträgers grundsätzlich die volle Grundrechtsberechtigung. Ansätzen wie etwa einem zunehmend sich verdichtenden Grundrechtsstatus214 erteilt Isensee eine Absage: „Wenn der Staat des Grundgesetzes zwischen Steinen und Brot zu wählen hat, so reicht er, wenn er das Brot der Grundrechte nicht teilen kann (oder will), den Stein der Abweisung. Aber er gibt nicht eine Mischung aus Brot und Steinen.“215

Primäres Anknüpfungsmoment sei der Gebietskontakt. Wer sich im Bundesgebiet aufhalte, sei der Staatsgewalt vollumfänglich unterworfen und daher 209 

Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 sowie insbesondere ders., in: HStR² V, § 115. Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (60); ders., in: HStR² V, § 115, Rn. 77 ff. Vgl. zum Begriff auch Bungert, Das Recht ausländischer Kapitalgesellschaften auf Gleichbehandlung, S. 183 ff. 211  Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (60 f.). 212  Er findet sich z. B. bereits bei Bernstein, NJW 1965, 2273. 213  Isensee, in: HStR² V, § 115, Rn. 84. Ähnlich auch Enders, in: Stern/Becker (Hrsg.), Art. 1, Rn. 107: Art. 1 Abs. 3 GG setze den „Normalfall der vom Staat beherrschten Gewaltunterworfenheit“ voraus. 214  Vgl. etwa Robbers, in: HVR, § 11, Rn. 14. 215  Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), Aussprache, S. 140. 210 

C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

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Grundrechtsträger.216 Entscheidend ist also weder der Handlungs- noch der Wirkungsort staatlicher Gewalt, sondern der Aufenthaltsort des potentiellen Grundrechtsträgers. Unklar ist an dieser Stelle, ob hier der rein faktische Aufenthalt ausreicht oder zusätzlich die Zulassung zum Bundesgebiet nötig ist. Der Begriff der Zulassung taucht in der Aussprache zu seinem Referat mehrfach auf 217 und wird auch von ihm selbst verwendet.218 An anderer Stelle aber betont er, für die Grundrechtsgeltung im Inland sei die Legalität des Aufenthalts, d. h. eine zuvor erfolgte Zulassung, keine Voraussetzung.219 Dies entspricht auch eher seiner Konzeption, ist entscheidend doch die tatsächliche Gewaltunterworfenheit, die unabhängig von zuvor erfolgten normativen Akten ist. Kein Grundrechtseingriff sei – mangels bereits bestehendem Gebietskontakt – die Abweisung an der Grenze.220 Isensee stützt sich hier auch auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, nach dem nur aus Art. 16 Abs. 2 GG a.F. (heute Art. 16a Abs. 1 GG) – unter der Voraussetzung politischer Verfolgung – ein Anspruch auf Aufenthaltsgewährung folgt.221 Freilich folgt daraus noch nicht zwingend der von Isensee gezogene Schluss, dass in allen anderen Fällen kein Grundrechtseingriff vorliegt: Art. 2 Abs. 1 GG könnte hier möglicherweise etwa einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Aufenthalt begründen. Seine Schlüsse können aber auf ein anderes, späteres Urteil gestützt werden, aus dem sich diese Aussage in der Tat ergibt.222 Sekundäres Anknüpfungsmoment sei die Staatsangehörigkeit. Wer deutscher Staatsangehöriger sei, unterstehe auch jenseits des Aufenthalts im Bundesgebiet in gewissem Maße deutscher Staatsgewalt und könne sich daher auch im Ausland auf Grundrechte berufen.223 Ferner sei auch ein sogenannter partieller Grundrechtsstatus möglich: Ein Anknüpfungsmoment könne etwa nur bezüglich eines bestimmten Grundrechts vorliegen.224 Dies sei etwa dann der Fall, wenn eine Person weder deutscher Staatsangehöriger ist, noch sich im Bundesgebiet aufhält, aber in diesem über Grundeigentum verfügt. In diesem Fall läge bezüglich Art. 14 GG, aber auch nur

216 

Isensee, in: HStR² V, § 115, Rn. 85. So etwa bei Bachof, in: VVDStRL 32 (1974), Aussprache, S. 128 f. 218  Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (72), Fn. 55. 219  A.a.O. (62). 220  A.a.O. (61 f.), Fn. 34; a.A. Zuleeg, DÖV 1973, 361 (366). 221  BVerfGE 49, 168 (183 f.). 222  BVerfGE 76, 1 (71). 223  Isensee, in: HStR² V, § 115, Rn. 86. 224  Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (61); ebenso Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 21 f.; Oppermann, in: FS Grewe, S. 521 (523). 217 

III.  Positionierung der Literatur

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diesbezüglich, eine Grundrechtsbindung vor.225 Denkbar sei ebenso ein derivativer Grundrechtsstatus, so könne sich beispielsweise ein Familienmitglied im Ausland aufgrund der Grundrechtsberechtigung der anderen Familienmitglieder durch Gebietskontakt auch auf Art. 6 Abs. 1 GG berufen. Unklar bleibt hier aber, ob es sich um ein echtes subjektives Recht226 oder um einen bloßen Rechtsreflex227 handelt. Schließlich sei die öffentliche Gewalt auch dann an Grundrechte gebunden, wenn sie außerhalb dieser Anknüpfungsmomente dem Einzelnen den status negativus aufdränge. Dies sei etwa bei der Nacheile über die Grenze hinweg der Fall.228 In dieser Konstellation sei der Einzelne faktisch der deutschen Staatsgewalt unterworfen, als befände er sich im Inland.229 Ein aufgedrängter status negativus liege aber nicht bei grenzüberschreitenden Emissionen230 oder kriegerischen Handlungen231 vor. Ziel von Isensees Theorie ist die Begrenzung von „Grundrechtsimperialismus“.232 Es könne keine Grundrechtsbindung gegenüber einem „notleidende[n] Inder, der als Bittsteller in die deutsche Botschaft zu Delhi kommt“ geben, andernfalls sei der deutsche Staat überfordert.233 Isensee differenziert dabei zwischen vorstaatlichen Menschenrechten, deren Universalität er durchaus für möglich hält, und staatlich garantierten Grundrechten, die einen Bezug zu eben diesem Staat voraussetzen.234

225 

Isensee, in: HStR² V, § 115, Rn. 85. So wohl a.a.O., Rn. 88. 227 So Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (65). 228  Isensee, in: HStR² V, § 115, Rn. 90. 229  Vgl. auch Isensee, in: Mellinghoff/Morgenthaler/Puhl (Hrsg.), Die Erneuerung des Verfassungsstaates. Symposion aus Anlass des 60. Geburtstages von Professor Dr. Paul Kirchhof, 2003, S. 7 (16): „Das Grundgesetz duldet kein rechtsstaats-exemtes Guantanamo.“ Für die Beachtlichkeit solcher aufgedrängter extraterritorialer Eingriffe auch Bungert, Das Recht ausländischer Kapitalgesellschften auf Gleichbehandlung, S. 230 ff., der von „Subjektion“ spricht. 230  Isensee, in: HStR² V, § 115, Rn. 89. 231  A.a.O., Fn. 201. Dies übersieht Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte. Materiell-rechtliche Bindungen aus Völkerrecht und Grundgesetz, insbesondere zum Schutz des Lebens, 2008, bei der Berufung auf Isensee. 232  Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (63). Der Begriff hat sich in abgewandelter Form bis in das heutige Schrifttum gehalten, vgl. etwa Lindner/Unterreitmeier, DÖV 2017, 90 (97), die von „Moraluniversalismus“ sprechen. 233  Isensee, in: HStR² V, § 115, Rn. 87. 234  Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), Aussprache, S. 132 f. 226 

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C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

Isensees Theorie vom Verfassungskollisionsrecht diente teils als Vorlage235, teils als Gegenentwurf 236 anderer Ansätze. Der Gedanke der Anknüpfungsmomente wurde auch an anderer Stelle verwendet.237 Seine These von der Gefahr des „Grundrechtsimperialismus“ oder „Grundrechtsoktroi“ bei unbeschränkter Grundrechtsbindung des deutschen Staates auch im Ausland wurde vielfach geteilt.238 Zu ganz ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt dabei Quaritsch, der als Anknüpfungsmoment aber z. B. auch eine frühere sozialversicherungspflichtige Tätigkeit im Ausland anerkennt.239 Auch Vertreter eines weitreichend extraterritorialen Ansatzes greifen teils auf Anknüpfungsmomente zurück, die der Vorgehensweise Isensees ähneln, indem sie etwa die Grundrechtsbindung von einem im Inland geschehenen Ereignis in der zum Eingriff führenden Kausalkette abhängig machen.240 Kritisiert wurde insbesondere Isensees These, die Grundrechtsbindung eines deutschen Soldaten im Kriegseinsatz im Ausland wäre „absurd“.241 Dem Krieg fehle der status passivus, er sei durch Völkerrecht, nicht durch Verfassungsrecht geprägt. Das überzeugt nicht: Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen einer polizeilichen Nacheile über die Grenze mit nachfolgendem Schuss (nach Isensee ein Grundrechtseingriff 242) und eines militärischen Einsatzes im Ausland mit denselben Folgen (kein Grundrechtseingriff 243) besteht aus Sicht des Betroffenen nicht. Für ihn fühlt sich die Gewaltunterworfenheit – und auf diese kommt es nach Isensee an 244 – durch die Gewehrkugel des Soldaten oder die Pistolenkugel des Polizisten identisch an. Der Verweis, kriegerisches Handeln sei durch völkerrechtliche Normen im Detail reguliert, ignoriert, dass auch der Nacheile völkerrechtliche Maßgaben zugrundeliegen245, vor allem aber eine völkerrechtliche Regelung eine staatliche nicht verhindert. Das humanitäre Völkerrecht ist eine 235  So etwa bei Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 96 ff.; in beschränktem Maße auch bei Elbing, Anwendbarkeit der Grundrechte, S. 73 ff. und bei Oppermann, in: FS Grewe, S. 521 (523). 236 Etwa Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte, S. 30; Kronke, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 38 (1998), S. 33 (47). 237  Vgl. etwa Hoffmann-Riem, JZ 2014, 53 (56), der für Art. 10 GG einen Gebietsbezug bei Start- und Zielpunkt der Kommunikation voraussetzt. 238  Werner, Grundrechtsbindung der Bundeswehr, S. 208 f. m.w.N. 239  Quaritsch, in: HStR² V, § 120, Rn. 82. 240  So für Schutzpflichten Marauhn, in: VVDStRL 74 (2015), S. 373 (391 f.). In diese Reihe lässt sich auch die „Drohnen-Rechtsprechung“ einordnen (siehe dazu C. II. 2.), wenn etwa das VG Köln, NWVBl. 2016, 39 (40), einen Bezug zum deutschen Staat verlangt. 241  Isensee, in: HStR² V, § 115, Fn. 201. 242  A.a.O., Rn. 90. 243  A.a.O., Fn. 201. 244  A.a.O., Rn. 84. 245  Etwa Art. 25 des Prümer Vertrages, BGBl. II 2007, S. 857.

III.  Positionierung der Literatur

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Minimalordnung, die in allererster Linie dem Schutz des menschlichen Lebens dient.246 Die Schutzzwecke der Grundrechte gehen darüber weit hinaus. Eine Bereichsausnahme für den Anwendungsbereich des humanitären Völkerrechts geht weder aus dem Grundgesetz hervor, noch verlangt das humanitäre Völkerrecht als Mindeststandard selbst danach. Auch im Übrigen bleibt die Stoßrichtung der Figur des aufgedrängten Grundrechtsstatus im Ungewissen. Wann liegt eine solche Aufdrängung vor – liegt nicht in jedem Grundrechtseingriff, auch im Ausland, eine zwangsweise Unterordnung unter die öffentliche Gewalt?247 In diesem Fall wäre die Theorie Isensees zirkulär, denn jede staatliche Eingriffstätigkeit würde sich ihren Anknüpfungspunkt selbst schaffen. Dieses Ergebnis ist von Isensee erkennbar nicht gewollt, weshalb es denkbar ist, den aufgedrängten Grundrechtsstatus auf Fälle des finalen Eingriffs im Ausland zu beschränken. Dann aber stellt sich die Frage, warum gerade hier nur finale Eingriffe eine Rolle spielen sollen, worin also der verfassungsrechtliche „Anker“ für eine Differenzierung von In- und Ausland liegt. Hierin liegt ein weiterer grundsätzlicher Einwand gegen seine Theorie. Isensee argumentiert einerseits, ein Verfassungskollisionsrecht müsse aus dem Wortlaut des Grundgesetzes entwickelt werden.248 Andererseits aber sucht man nach einem Anhaltspunkt für derart weitreichende dogmatische Figuren im Grundgesetz vergeblich. Vielmehr ist seine Argumentation von verfassungspolitischen und verfassungstheoretischen Gedanken geleitet.249 Dies zeigt sich auch in der auf sein Referat vor der Staatsrechtslehrertagung folgenden Diskussion, in der offen über Anreizeffekte und ökonomische Folgen spekuliert wird.250 Der Schluss von verfassungstheoretischen Prämissen, wie etwa der Konstruktion der Grundrechte als Korrelat zum staatlichen Gewaltmonopol, auf die dogmatische Auslegung der Verfassung ist eine Ebenenvermischung. Statt aus der positiven Verfassung Schlüsse zu ziehen, wird mit einem materiell aufgeladenen Staatsbegriff argumentiert, dessen normative Begrenzungen als Begrenzungen der Verfassung verwandt werden.251 Auch aus faktischen Verhältnissen lassen sich solche normativen Schlüsse nicht ziehen. So muss aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber in bestimmten Situationen davon ausgeht, ein Grundrechtseingriff liege mangels

246 

Fassbender, in: HStR³ XI, § 244, Rn. 130 f. So auch Kronke, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 38 (1998), S. 33 (42 ff.). Zu genau dieser Konsequenz führen auch die Ausführungen Mertens, in: FS Schiedermair, S. 331 (345), was im Kontrast zu seiner vorherigen Betonung der Territorialgebundenheit der Grundrechte steht. 248  Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (60 f.). 249  Diesen Vorwurf erhebt auch J. Menzel, Internationales Öffentliches Recht, S. 569. 250  Dürig, in: VVDStRL 32 (1974), Aussprache, S. 114 f.; Tomuschat, ebd., S. 120. 251  Dazu grundlegend Möllers, Staat als Argument, S. 207 ff. 247 

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C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

territorialem Bezug nicht vor, nicht folgen, dass er tatsächlich nicht vorliegt.252 Der Gesetzgeber ist an die Verfassung gebunden; er kann sie nicht nach seinem Belieben uminterpretieren. Ferner kann man einige Prämissen dieses Ansatzes in der heutigen Zeit in Zweifel ziehen. Infolge der zunehmenden „Enträumlichung“253 staatlichen Handelns hängt eine Subordination unter staatliches Handeln nicht mehr zwingend vom Ort des Aufenthalts ab. Situationen wie die Nacheile, von Isensee als besonderes Ausnahmefeld extraterritorialer Eingriffsverwaltung konstruiert, sind längst Erscheinungsformen eines vielfach weltweit engagierten Staates geworden. In diesem Zusammenhang geht auch der Vorwurf eines „Grundrechtsimperialismus“ fehl. Gebunden an die Grundrechte des Grundgesetzes ist stets nur die deutsche öffentliche Gewalt.254 Durch eine extraterritoriale Wirkung der Grundrechte werden fremde Staaten nicht per Oktroi dem Grundgesetz unterworfen. Für Eingriffshandeln versteht sich daher von selbst, dass eine Grundrechtsbindung nicht zu einem derartigen Imperialismus führte. Für den status positivus lohnt es sich dagegen tatsächlich, den Vorwurf Isensees im Gedächtnis zu behalten. Tomuschat entgegnet ihm vier Jahre später, staatliches Handeln im Ausland könne sich auch als „Grundrechtsaltruismus“ darstellen.255 Das Grundgesetz richte sich nicht nur nach innen, sondern der Verfassungsgeber habe ihm Werte wie die Menschenwürde zugrunde gelegt, weil er sie für evident richtig und universell gültig gehalten habe.256 Hier tut sich ein Spannungsfeld zwischen menschenrechtlicher Universalität und diplomatischer Zurückhaltung auf, das einen wesentlichen Teil der Debatte um die extraterritoriale Wirkung von Grundrechten ausmacht. 5.  Art. 1 Abs. 3 GG als dynamische Verweisung Heintzen entwickelte einen von Isensee abgegrenzten Ansatz, dessen Grundgedanke es ist, dass gebunden an die Grundrechte stets, aber eben auch nur, die Staatsgewalt – als pars pro toto für die drei aufgezählten Gewalten in Art. 1 Abs. 3 GG – ist.257 Entscheidend ist also die Frage, wann im Verhältnis Staat-Individuum Staatsgewalt vorliegt. Dies sei auch die entscheidende Frage hinter dem Streit um die Fiskalgeltung der Grundrechte. Der Verfassungswortlaut sei hier wie dort un-

252  Ein solcher naturalistischer Fehlschluss deutet sich bei Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), Aussprache, S. 125, an. 253  F. Becker, in: HStR³ XI, § 240, Rn. 1. 254  Epping, Die Außenwirtschaftsfreiheit, 1998, S. 192. 255  Tomuschat, in: VVDStRL 36 (1978), S. 7 (42 f.). 256  A.a.O. (44). 257  Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 97. Später außerdem ders., in: HGR II, § 50, Rn. 31.

III.  Positionierung der Literatur

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ergiebig.258 Der Begriff der Staatsgewalt verweise auf eine bestimmte Qualität des Staat-Bürger-Verhältnisses; geklärt werden müsse, welche Voraussetzungen an den Begriff der Staatsgewalt und damit an dieses Verhältnis gelegt werden müssen.259 „Staatsgewalt“ bedeute für das dem Staat gegenüberstehende Individuum Gewaltunterworfenheit.260 Es handle sich um einen Rechtsbegriff, der sowohl im Staats- als auch im Völkerrecht Verwendung finde. Der völkerrechtliche Begriff der Staatsgewalt sei dabei, im Gegensatz zu dem der äußeren Souveränität, im Kern innengerichtet.261 Beide Staatsgewaltbegriffe seien, so Heintzen, identisch: Sie rekurrierten auf die Drei-Elemente-Lehre262 von Georg Jellinek.263 Es handle sich um einen Rechtsvoraussetzungsbegriff, mit welchem Tatbestände außerhalb des Verfassungsrechts in dieses hineinprojiziert würden.264 Rechtsvoraussetzungsbegriffe seien solche, die nicht dem positiven Recht entnommen würden, sondern Vorbedingung desselben seien.265 Der Rechtsvoraussetzungsbegriff der Staatsgewalt in Art. 1 Abs. 3 GG verweise auf das Vorhandensein völkerrechtlicher Staatsgewalt und damit auf die völkerrechtliche Zuständigkeitsordnung. Somit liege eine Grundrechtsbindung dann vor, wenn der Staat völkerrechtlich zuständig ist.266 Wann liegt nun diese völkerrechtliche Zuständigkeit vor? Das Völkerrecht setze, so Heintzen, für den Rechtsgeltungsanspruch eines Staates einen „genuine link“ voraus. Wann ein solcher genau vorliege, sei aber kaum verlässlich zu sagen.267 Der Regelfall jedenfalls sei die Geltung im Staatsgebiet.268 258 

Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 99 f. Heintzen selbst antizipiert den möglichen Vorwurf, Art. 1 Abs. 3 GG nenne nur die Grundrechtsverpflichteten, nicht aber die Grundrechtsberechtigten, weshalb eine Auslegung zur Begrenzung der Grundrechtsberechtigung unstatthaft sei (a.a.O., S. 121 f.). Verpflichtung und Berechtigung seien richtigerweise zwei Seiten derselben Medaille, in der Aufzählung der Grundrechtsverpflichteten seien die entsprechenden Rechtsverhältnisse zu den Grundrechtsberechtigten mitgedacht. 260  A.a.O., S. 101. 261  A.a.O., S. 109. 262  G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 7. Neudruck 1960, S. 394 ff. 263  Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 111. 264  Heintzen beruft sich hier u.a. auf Somló, vgl. hierzu Somló, Juristische Grundlehre, 2. Aufl. 1927, S. 8 ff.; zu Staat und Souveränität als Rechtsinhalts- und Rechtsvoraussetzungsbegriffe siehe auch Kunz, in: Stier-Somlo (Hrsg.), Handbuch des Völkerrechts, Bd. II, Abt. 2, 1929, S. 33 ff. Gegen einen solchen Begriff des Staates Kelsen, Allgemeine Staatslehre, 1925, S. 16 f. 265  Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 106. 266  A.a.O., S. 97. 267  A.a.O., S. 130. 268  A.a.O., S. 130 f. Das Asylrecht sei als lex specialis zu Art. 1 Abs. 3 GG eine Ausnahme hierzu, weil es keine Ausübung von Hoheitsgewalt im Staatsgebiet, sondern nur an der Grenze erfordere (a.a.O., S. 151). 259 

C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

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Daneben bestehe die völkerrechtliche Zuständigkeit auch im Rahmen des Personalstatuts gegenüber deutschen Staatsangehörigen.269 Der diplomatische Schutz oder die Auferlegung von Pflichten im Ausland etwa falle ebenso unter die Zuständigkeit des Angehörigkeitsstaats, nicht aber die extraterritoriale Vollstreckung solcher Pflichten.270 Ausländer im Ausland hingegen könnten sich grundsätzlich nicht auf Grundrechte berufen, auch nicht bei extraterritorialen Auswirkungen staatlicher Inlandstätigkeit. Dies gelte auch für Mehrstaatler, soweit sie sich in einem anderen Staat aufhielten.271 Jedermanns-Grundrechte wandeln sich nach Heintzen somit im Ausland in Deutschengrundrechte.272 Eine ausnahmsweise Zuständigkeit liege im Gebiet von „Außenpositionen“ des deutschen Staatsgebietes vor.273 In diesen gelten ebenfalls die Grundrechte, nicht aber bei der Besetzung fremder Hoheitsgebiete oder sonst außerhalb des Staatsgebietes.274 Die Grundrechte gelten nach Heintzen auch nicht in Fällen, die Isensee wohl unter die Figur des aufgedrängten Grundrechtsstatus fassen würde. Heintzen nennt ausdrücklich als Beispiel den Panzerschuss über die Grenze im Rahmen einer militärischen Übung, der dort ein Haus zerstört. Eine Grundrechtsverkürzung liege in dieser Situation mangels völkerrechtlicher Zuständigkeit nicht vor.275 Das Völkerrecht ziehe der deutschen Rechtsordnung also Grenzen: „Überall dort, wohin die deutsche Staatsgewalt zulässigerweise reicht, soll sie an die Grundrechte gebunden sein.“276

Die Rechtsprechung hierzu sei ambivalent, jedoch glaubt Heintzen, aus den ihm ansonsten entgegenstehenden Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Washingtoner Abkommen („Die Grundrechte binden die deutsche öffentliche Gewalt auch, soweit Wirkungen ihrer Betätigung im Ausland eintreten“277) einen Konnex zwischen Territorium und Grundrechtsgeltung ausmachen zu können.278 Im Ergebnis ist er also Vertreter eines strengen Territorial- und Personalprinzips, das er freilich aus Art. 1 Abs. 3 GG in Verbindung mit einer unter Berufung auf Georg Jellinek entwickelten völkerrechtlichen Zuständigkeitsordnung 269 

Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 104, unter Berufung auf G. Jellinek. A.a.O., S. 138 ff. 271  A.a.O., S. 139, 148 f. 272  So explizit Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 138 f. 273  Auslandsmissionen wie z. B. Botschaften, Staatsservituten etc. 274  Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 151. 275  A.a.O., S. 101 f. 276  A.a.O., S. 118. 277  BVerfGE 6, 290 (295). 278  Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 128. 270 

III.  Positionierung der Literatur

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und nicht aus Art. 23 GG a.F. herleitet. Zu Recht führt er aus, seine Theorie sei deutlicher und schärfer abgegrenzt als die meisten anderen Ansätze.279 Mangels Ausübung von Staatsgewalt verneint er etwa eine grundrechtliche Prägung von Außenpolitik. Die Bundesrepublik sei durch Grundrechte nicht zu einer bestimmten Außenpolitik, etwa einer Anti-Apartheid-Politik, verpflichtet.280 Mangels Zuständigkeit gälten die Grundrechte auch nicht bei kompetenzwidrigem, völkerrechtlich illegalem Staatsverhalten.281 Dies ist die entscheidende Konsequenz aus seinem Diktum, die Grundrechte würden überall dort gelten, wo die Staatsgewalt zulässigerweise tätig sei. Wird sie unzulässigerweise tätig, so gelten sie nicht. In diesem Fall liege die Zuständigkeit, den Übergriff abzuwehren, bei dem Staat, in dessen Souveränität eingegriffen wird. Heintzen beruft sich stark auf völkerrechtliche Argumente, antizipiert aber bereits den Vorwurf, die Reichweite der Grundrechte müsse aus dem Grundgesetz, nicht aus dem Völkerrecht entwickelt werden.282 Art. 1 Abs. 3 GG als Verfassungsnorm sei maßgeblich und enthalte eine dynamische Verweisung auf die völkerrechtliche Zuständigkeitsordnung. Das Argument, entscheidend für die Reichweite der Grundrechte sei allein eine Auslegung derselben ohne Bezugnahme auf der Verfassung vorgelagerte Überlegungen, sei eine Spielart des Arguments, es gebe keinen Staat, welcher der Verfassung vorgelagert sei.283 Die Grundrechte setzten in Wahrheit ein Statusverhältnis voraus und begründeten es nicht selbst.284 Auch bei Heintzen findet sich wieder die Annahme einer strikten völkerrechtlichen Zuständigkeitsordnung, die extraterritoriale Normsetzung weitgehend verbiete. Ob diese Annahme zutrifft, bleibt wie erwähnt einer späteren Betrachtung vorbehalten. Jedenfalls ist es nicht ersichtlich, warum auf einen Lebenssachverhalt (wie etwa den erwähnten Panzerschuss über die Grenze) stets nur das Recht eines Staats Anwendung finden soll. Jenseits von Zuständigkeitsüberlegungen ist nicht erkennbar, warum es ein Problem sein soll, wenn dies in Deutschland und im anderen Staat Rechtsfolgen zeitigen würde.285 279 A.a.O., S. 123. Die von der Rechtsprechung vorgenommene „Versöhnung“ der Grundrechte mit der Völkerrechtsfreundlichkeit sei dagegen nicht nur unklar, sondern auch tendenziell illiberal (a.a.O., S. 131 f.). 280  A.a.O., S. 120. Dies folge auch nicht aus Art. 1 Abs. 2 GG, der vorstaatliche Menschenrechte, nicht aber die positiven Grundrechte, betreffe. 281  So explizit a.a.O., S. 143. Ähnlich N. B. Wagner, in: FS v. Block-Schlesier, S. 275 (299). 282  Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 113 f. 283  Vgl. dazu Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 280 f.; Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 16 f. 284  Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 104, 114 f. 285  So auch Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln. Transnationale Elemente deutschen Verwaltungsrechts, 2010, S. 107.

C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

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2006 hat Heintzen seine Aussagen zwar grundsätzlich aufrechterhalten, im Detail aber modifiziert. So soll die Nacheile explizit eine Grundrechtsträgerschaft begründen 286, auch soll der Einsatz von Streitkräften im Ausland Staatsgewalt im Sinne von Art. 1 Abs. 3 GG sein, sofern eine Unterordnung unter diese bestehe.287 Darüber hinaus erkennt er weitere Anknüpfungsmomente an, so etwa im Inland belegene Rechte288, wodurch er sich im Ergebnis an Isensees Ansatz289 annähert. Grundsätzlich aber hält er daran fest, dass Art. 1 Abs. 3 GG eine dynamische Verweisung auf die Zuständigkeitsordnung des Völkerrechts sei und eine Unterordnung unter zuständige deutsche Staatsgewalt verlange.290 Unabhängig davon muss festgestellt werden, dass Heintzen den Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG letztlich überstrapaziert. Darin eine „dynamische Verweisung“ auf das Völkerrecht zu sehen, erscheint fernliegend. Entscheidend ist dafür die Frage, ob die von ihm konstruierte Verbindung zwischen „Gewalt“ im Sinne von Art. 1 Abs. 3 GG und der völkerrechtlichen Zuständigkeit plausibel ist. Heintzen selbst nennt als Argument dafür nur eine angebliche Identität von staats- und völkerrechtlichem Staatsgewaltbegriff. Er nimmt Bezug auf die Regeln, die festlegen, wann bzw. wo ein Staat tätig werden darf. Der Begriff der Staatsgewalt kann aber ebenso phänomenologisch verstanden werden, d. h. als Verweis darauf, dass der Staat tätig wird, unabhängig von der Legalität seines Tätigwerdens. Eine solche Auffassung liegt schon deshalb näher, weil eine Definition von Staatsgewalt nach der Legalität, wie sie Heintzen vornimmt, die Konsequenz einer umgekehrten ultra-vires-Regel hätte: Der deutsche Staat unterläge keinen Bindungen mehr, wenn er nur rechtswidrig genug handelt.291 Dem lässt sich der Grundsatz entgegenstellen, dass sich niemand durch Verweis auf eigenes rechtswidriges Tun rechtfertigen kann. Soweit Heintzen dieses Ergebnis aus völkerrechtlichen Grundsätzen ableitet, so übersieht er im Übrigen, dass auch das Völkerrecht eine Zurechnung von Rechtsverstößen zu einem Völkerrechtssubjekt nicht von der 286 

Heintzen, in: HGR II, § 50, Rn. 33. A.a.O., Rn. 31. Anders noch ders., Auswärtige Beziehungen, S. 151. 288  Heintzen, in: HGR II, § 50, Rn. 33. 289 Vgl. Isensee, in: HStR² V, § 115, Rn. 85, 90. 290  Heintzen, in: HGR II, § 50, Rn. 31. 291  Dagegen auch Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (470); H. Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, S. 4; Kronke, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 38 (1998), S. 33 (42); Menzel, Internationales Öffentliches Recht, S. 565; implizit auch E. Klein, Bundesverfassungsgericht und Ostverträge, 2. Aufl. 1985, S. 31. Bezüglich der EMRK genauso Johann, Menschenrechte im internationalen bewaffneten Konflikt. Zur Anwendbarkeit der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte auf Kriegshandlungen, 2012, S. 98 f. 287 

III.  Positionierung der Literatur

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Einhaltung der Zuständigkeitsordnung abhängig macht. Nach den Regeln des Völkergewohnheitsrechts, wie sie von der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen identifiziert wurden, sind Staaten auch für ultra-vires-Handlungen ihrer Organe verantwortlich.292 6.  Differenzierte Ansätze Die bisher dargestellten Ansätze zur extraterritorialen Grundrechtsbindung strebten nach einem Gesamtkonzept, das die Frage nach der Wirkung von Grundrechten abstrakt beantworten sollte. Daneben aber bestehen Ansätze, die nach einzelnen Grundrechten oder Sachgebieten differenzieren und auf eine einheitliche Lösung, gleichsam im „Allgemeinen Teil“ der Grundrechtsdogmatik, weitgehend verzichten. a)  Relevanz des Schutzbereiches einzelner Grundrechte Elbing etwa geht, wie Isensee, von der Notwendigkeit eines Verfassungskollisionsrechts aus.293 Er lehnt aber schon die Annahme, die maßgebliche Norm für ein solches müsse Art. 1 Abs. 3 GG sein, ab. Die Norm sei eine bloße „Leitnorm“294, die eine „generelle Richtung“ anzeige – mehr aber auch nicht.295 Auch Art. 23 a.F. sei hierfür irrelevant.296 Die Frage hingegen, wie weit der Grundrechtsteil der Verfassung in territorialer Hinsicht reiche, werde von Art. 1 Abs. 3 vorausgesetzt, denn es handle sich dabei nicht um eine Frage der Bindung, sondern des Inhalts der jeweiligen Grundrechte.297 Bindung an die Grundrechte könne nur dort bestehen, wo ein Grundrecht inhaltlich Maßgaben setze. Die Frage nach der extraterritorialen Wirkung sei also eine Frage des Inhalts des Grundrechts und nicht der Bindung an das Grundrecht.298 Diese könne aber nur 292  Art. 7 der Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, http://legal.un.org/ilc/texts/instruments/english/commentaries/9_6_2001.pdf [25. 09. 2017]. 293  Elbing, Anwendbarkeit der Grundrechte, S. 36. 294  Zum Begriff BVerfGE 31, 58 (72). 295  Elbing, Anwendbarkeit der Grundrechte, S. 73. 296  A.a.O., S. 76, mit den gleichen Argumenten wie auch Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 101. 297 Genauso Merten, in: FS Schiedermair, S. 331 (340): Art. 1 Abs. 3 GG habe tatbestandsakzessorische, nicht tatbestandserweiternde Wirkung. Ähnlich auch Hölscheidt, Jura 2017, 148 (151 f.); H. Krieger, Die Reichweite der Grundrechte bei nachrichtendienstlichem Handeln, S. 5. 298  Elbing, Anwendbarkeit der Grundrechte, S. 73. Genauso Hecker, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, S. 221 (244). Ähnlich wohl auch Kronke, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 38 (1998), S. 33 (42).

C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

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durch Auslegung konkreter Verfassungsrechtssätze, d. h. individueller Grundrechte, gewonnen werden.299 Elbing betont, im Ausland seien die Grundrechte des deutschen Grundgesetzes womöglich nur ein „Angebot“ unter vielen300 und die Durchsetzung sei erschwert. Dies aber verhindere nicht per se eine Geltung der Grundrechte.301 Vielmehr gelte im Ausland ein aus den Grundrechten folgender „Einwirkungsanspruch“, der sich auf Schutz durch den deutschen Staat vor Beeinträchtigungen aus dem Ausland richte.302 Dieser gehe weiter als der klassische diplomatische Schutz. Er diene der effektiven Ausübung der Grundrechte und setze insbesondere nicht voraus, dass die durch ihn zu beseitigenden Hindernisse durch deutsche Staatsgewalt geschaffen wurden.303 Inhalt dieses Einwirkungsanspruches könne auch Druckausübung auf einen anderen Staat sein. Der Anspruch sei aber stets begrenzt durch die praktischen Möglichkeiten: Er begründe keine „Erfolgshaftung“ der öffentlichen Gewalt, sondern nur eine „Bemühenslast“.304 Hierbei handle es sich nicht um einen „Grundrechtsoktroi“, da nur die deutsche Staatsgewalt den Grundrechten unterworfen sei. Das Menschenbild des Grundgesetzes stehe aber auch nicht unter dem Vorbehalt der Völkerrechtsfreundlichkeit, wie dies einige suggerierten.305 Bis hierhin stellt Elbings Theorie, wie er selbst anmerkt, eine „Erweiterung“ der grundrechtlichen Ordnung auf das Ausland dar. Nun folgt das große „Aber“, die „Einschränkung“:306 Die deutsche Staatsgewalt sei formell nach Maßgabe der genannten Grundsätze auch im Ausland an die Grundrechte gebunden, aber der materielle Umfang dieser Rechte sei im Ausland deutlich eingeschränkt.307 Ob diese Einschränkung im Zweifel eine Nicht-Geltung des Grundrechts oder bloß eine einfachere Einschränkbarkeit bedeutet, ist unklar – jedenfalls projiziert Elbing den gesamten Streit über die extraterritoriale Wirkung der Grundrechte in den Rahmen dieser Einschränkung hinein. Er führt aus, die Verfassung regle grundsätzlich die Konfliktbewältigung innerhalb, nicht außerhalb eines Gemeinwesens; sie gelte in dem Gemeinwesen, das durch sie verfasst wird.308 Andererseits aber sei das Territorialprinzip zur histo299 

Elbing, Anwendbarkeit der Grundrechte, S. 74 ff. A.a.O., S. 91. 301  A.a.O., S. 95, missverständlich dagegen S. 93. 302  A.a.O., S. 98 ff. 303  A.a.O., S. 96 f. 304  A.a.O., S. 121 ff. 305  A.a.O., S. 130 f. 306  A.a.O., S. 169 ff. 307  A.a.O., S. 184 f. 308  A.a.O., S. 187 f. 300 

III.  Positionierung der Literatur

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rischen Beschreibung staatlicher Tätigkeit geeignet; es sei aber kein normativer Grundsatz. Die Verfassung sei nicht pauschal auf das Inland begrenzt.309 Dagegen könnten die Grundrechte ihrem Inhalt nach durchaus territorial begrenzt sein. Bestimmte Grundrechte etwa setzten inländische Einrichtungen voraus, so etwa die Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 oder die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG.310 Aus dem Gedanken heraus, wer in internationalen Zusammenhängen handle, müsse sich des rechtlichen Risikos bewusst sein, führt Elbing auch die Möglichkeit der territorialen Begrenzung von Grundrechten aufgrund gewichtiger Gemeinwohlinteressen, etwa einer Gefahr für die internationale Zusammenarbeit, ein. Der Einzelne habe gerade im Ausland gegenüber dem Staat eine besondere Treuepflicht.311 Außerdem müsse ein Sachverhalt grundsätzlich einen Bezug zur deutschen Rechtsordnung (nicht aber zum deutschen Staatsgebiet) aufweisen, um inhaltlich von dieser überhaupt erfasst zu werden.312 Ein solcher Bezug fehle in der Regel beim status positivus, da noch keine Rechtsposition mit Bezug zur Rechtsordnung bestehe.313 Der „Test“, ob Grundrechte Anwendung fänden, sei also: Wehrt sich der Betroffene gegen deutsche Hoheitsgewalt? Wenn dies der Fall ist, so sei der Schutzbereich des infrage kommenden Grundrechts zu prüfen, der durchaus weitere Anforderungen stellen könne. Wenn nicht, so sei zu untersuchen, ob die Möglichkeit des Betroffenen, Rechtsmacht auszuüben, tatsächlich geringer geworden ist. Wenn dies zutrifft, so sei ebenfalls der Schutzbereich des Grundrechts zu prüfen, andernfalls fänden Grundrechte keine Anwendung.314 Elbing konstatiert, im Ausland sei keine Herbeiführung vollständig grundrechtskonformer Zustände nötig, sondern lediglich eine grundrechtsfreundliche „Grundtendenz“ und eine Annäherung an solche Zustände.315 Außerdem müsse die Rechtsordnung der Entscheidung der Betroffenen Rechnung tragen: Wer sich einer anderen Rechtsordnung unterstelle, begebe sich in gewissem Rahmen seiner Grundrechte.316 Man müsse sicherstellen, dass die Grundrechtsdogmatik nicht zu einer „Rosinentheorie“ werde, bei der sich jeder das für ihn günstigste Grundrechtssystem gleich welchen Staates herauspicke. Die Grenzen dieses Grundrechtsverzichts lägen aber bei der Wesensgehaltsgarantie.317 309 

A.a.O., S. 220. A.a.O., S. 247. 311  A.a.O., S. 250 ff. 312  A.a.O., S. 273. 313  A.a.O., S. 276. 314  A.a.O., S. 277. 315  A.a.O., S. 304 f. 316  A.a.O., S. 284. 317  A.a.O., S. 310. 310 

C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

82

Die Grundthese, Art. 1 Abs. 3 GG setze eine inhaltliche Anwendbarkeit des Grundrechts voraus, die extraterritoriale Wirkung eines Grundrechts sei aber eine Frage dieses Grundrechtsinhalts, teilt auch Florian Becker. Er sieht in der Begründung extraterritorialer Grundrechte durch Art. 1 Abs. 3 GG einen Zirkelschluss.318 Jedoch zieht er daraus andere Schlussfolgerungen: Notwendig sei die vollumfängliche Verantwortung deutscher Staatsgewalt für eine Grundrechtsverkürzung. Wenn eine solche strenge Kausalität vorliege, könnten extraterritoriale Abwehrrechte, aber auch Schutzpflichten bestehen.319 Ob dies tatsächlich der Fall sei, müsse durch Auslegung des Schutzbereichs des jeweiligen Grundrechts ermittelt werden.320 Eindeutig nicht extraterritorial wirke Art. 11 Abs. 1 GG, der schon seinem Wortlaut nach auf das Bundesgebiet begrenzt sei. Das gleiche gelte für alle Grundrechte juristischer Personen, vgl. Art. 19 Abs. 3 GG. Sei der Wortlaut unergiebig, müsse der Zweck des jeweiligen Grundrechts betrachtet werden: So ist bei Art. 10 GG etwa strittig, ob sich das Post-, Brief- und Fernmeldegeheimnis nur gegen inländische Postregalien richtet oder grundsätzlicherer Natur ist.321 Für eine extraterritoriale Wirkung spreche hier aber, dass der Einzelne kaum beeinflussen könne, ob seine Daten über das Ausland umgeleitet würden oder nicht.322 Auch im Übrigen tendiert Becker im Zweifel eher zu einem weiten territorialen Schutzbereich – nicht nur Art. 10 GG, sondern auch das Recht auf Integrität informationstechnischer Systeme, das informationelle Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) seien auch im Ausland wirksam. Ähnlich argumentiert Hans-Joachim Cremer, der davon ausgeht, bestimmte Grundrechte seien auf Institutionen der deutschen Rechtsordnung angewiesen oder mit dieser besonders verbunden und könnten in das Ausland nicht übertragen werden. Dies sei etwa bei Art. 7 GG der Fall.323 Das Grundverständnis von Art. 1 Abs. 3 GG, das all diese Ansätze teilen, lässt sich aber auch in Zweifel ziehen. Verlagert man alle Fragen der Reichweite eines 318 

F. Becker, in: HStR³ XI, § 240, Rn. 16. A.a.O., Rn. 38, 70 ff. 320  A.a.O., Rn. 74; ders., NVwZ 2015, 1335 (1338); ähnlich auch Nolte, in: VVDStRL 67 (2008), S. 129 (143 f.); Schröder, in: FS Schlochauer, S. 137 (138 ff.). 321  Dazu ausführlich Arndt, NJW 2000, 49; ders., DÖV 1996, 459 (462); ders., NJW 1995, 169 (171); Baldus, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Art. 10 (Stand: 01. 03. 2015), Rn. 20; Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 10 (57. EL 2010), Rn. 64; B. Huber, NJW 2013, 2572. 322  F. Becker, NVwZ 2015, 1335 (1339). 323  H.-J. Cremer, Der Schutz vor den Auslandsfolgen aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Zugleich ein Beitrag zur Bestimmung der Reichweite grundrechtlicher Verantwortung für die Folgewirkungen deutscher Hoheitsakte, 1994, S. 328 f., 352 ff. Genauso z. B. bzgl. Art. 6 Abs. 1 GG Hailbronner, in: FS Doehring, 1989, S. 283 (295). 319 

III.  Positionierung der Literatur

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Grundrechts in den partikularen Schutzbereich desselben, so verbleibt als Aussage dieser Norm nur noch „Wenn ein Grundrecht gilt, dann gilt es auch – wirklich!“ Man kann Art. 1 Abs. 3 vor dem Hintergrund der geringeren Bedeutung der Grundrechte in der Weimarer Reichsverfassung324 durchaus so verstehen, reduziert damit den Inhalt der Norm aber erheblich. Gleichzeitig ist das Hineinlesen von Kriterien der räumlichen Geltung in die einzelnen Grundrechte von deren Wortlaut sehr weit entfernt. Art. 5 Abs. 1 GG etwa schützt schlicht nur die Meinungsäußerung, Art. 4 Abs. 1 die Religion und ihre Ausübung, Art. 12 Abs. 1 GG den Beruf etc. pp. Mit Ausnahme der genannten Art. 11 Abs. 1 und 19 Abs. 3 findet sich nirgendwo ein Anhaltspunkt für Aussagen über die territoriale Reichweite dieser Rechtssätze. Der einzige denkbare Wortlautanker ist schlicht Art. 1 Abs. 3 GG.325 Eine Lösung über diese Norm hat darüber hinaus den Vorteil, einen einheitlichen, kohärenten Ansatz zu ermöglichen. Die Frage der räumlichen Geltung der Grundrechte ist eine Frage der allgemeinen Grundrechtsdogmatik. Dem Einwand, Bindung und Inhalt eines Grundrechts seien zweierlei, lässt sich entgegnen, dass beide eine untrennbare Einheit darstellen: Bindung im Sinne von Art. 1 Abs. 3 ist nichts anderes als Bindung an den Inhalt der Art. 1 bis 19 GG. Elbings Ansatz verwundert an mehreren Punkten: Er legt zunächst ausführlich dar, warum die Grundrechte keine generelle territoriale Begrenzung enthalten326, nur um im zweiten Teil seiner Monographie ebenso ausführlich eine solche Begrenzung herzuleiten327. Genauso betont er zunächst, Kriterien für die Reichweite der Grundrechte seien aus den einzelnen Grundrechten zu entwickeln328 – stellt dann aber doch auf pauschale Kriterien ab329. Die Anknüpfung an Gemeinwohlinteressen330, von der unklar ist, ob sie eine Schutzbereichsbeschränkung oder einfach eine Akzentuierung der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen der Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs darstellen soll, kommt überraschend und jedenfalls in der zweiten Deutung ist kein klarer Unterschied zur allgemeinen Grundrechtsdogmatik zu erkennen. Das Grundgesetz verneint jedoch einen pauschalen Vorrang von Gemein- vor Einzelwohl, stattdessen ist eine konkrete Abwägung gefragt.

324 Dazu

Dreier, in: ders. (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3, Rn. 3. So gegen Elbing auch Baldus, Transnationales Polizeirecht, S. 125 ff.; Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3 (44. EL 2005), Rn. 11, 71. 326  Elbing, Anwendbarkeit der Grundrechte, S. 103. 327  A.a.O., S. 173. 328  A.a.O., S. 74 ff. 329  A.a.O., S. 277. 330  A.a.O., S. 250. 325 

C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

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Die Neuartigkeit des von Elbing erdachten Einwirkungsanspruches331 erschließt sich nicht sofort, dieser mag aber als Typisierung einer grundrechtlichen Schutzpflicht mit auslandstypischen Einschränkungen nützlich sein. Deutlich widersprochen werden muss Elbing jedenfalls bei seiner Figur des Grundrechtsverzichts durch Handeln in internationalen Sachverhalten332. Die Jemeniten, die vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen Drohnenangriffe klagten333, haben sich niemals ihres Rechts auf Schutz durch die deutsche Staatsgewalt begeben – einen solchen Schutz haben sie nie erhalten. Der Einwand der „Rosinentheorie“334 überzeugt keineswegs. Eine solche wird schon dadurch vermieden, dass sich jeder gegen eine bestimmte Staatsgewalt nur mit deren Grundrechten wehren kann. An die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden ist eben nur die deutsche Staatsgewalt. Trotz des am Anfang weitgehenden Ansatzes unterscheidet sich Elbings Ergebnis am Schluss nicht mehr stark von den Kriterien Isensees335. Ob man nacheinander an Territorialprinzip, Staatsangehörigkeit, partikulare Rechtspositionen und einen aufgedrängten Grundrechtsstatus anknüpft oder betont, das Territorialprinzip sei unbrauchbar, stattdessen aber einen besonderen Bezug zur deutschen Rechtsordnung voraussetzt, unterscheidet sich im Ergebnis nur in Nuancen. Ein so differenzierter „Test“ für die Anwendbarkeit von Grundrechten, wie ihn Elbing vorschlägt336, wird von seinen vorherigen Ausführungen jedenfalls nicht getragen. Das von Becker hinzugefügte Kriterium, Grundrechte könnten im Ausland nur gegen Grundrechtsverkürzungen in Stellung gebracht werden, die ausschließlich von der deutschen Staatsgewalt verursacht wurden337, verwundert. Der Gedanke hinter Schutzpflichten, die Becker anerkennt338, ist ja gerade der Schutz vor Gefährdungen, die eben nicht notwendigerweise auf Staatshandeln zurückzuführen sind.339

331 

A.a.O., S. 98. A.a.O., S. 282. 333  VG Köln, Urt. v. 27. 05. 2015, Az. 3 K 5625/14. 334  Elbing, Anwendbarkeit der Grundrechte, S. 283 f. 335  Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49; ders., in: HStR² V, § 115. 336  Elbing, Anwendbarkeit der Grundrechte, S. 277. 337  F. Becker, in: HStR³ XI, § 240, Rn. 38. 338  A.a.O., Rn. 70 ff. 339  Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 34 ff. 332 

III.  Positionierung der Literatur

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b)  Relevanz des staatlichen Tätigkeitsfeldes Ein weiterer Ansatz beschäftigt sich dezidiert mit der extraterritorialen Grundrechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes.340 Gärditz, der einer Justiziabilität extraterritorialer Akte grundsätzlich skeptisch gegenüber steht341, differenziert zunächst zwischen dem Vorrang des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG, der – wie er sehr richtig anmerkt – von der Reichweite des jeweiligen Gesetzes abhängig ist, und den Wirkungen der Grundrechte, insbesondere des Vorbehaltes des Gesetzes.342 Für diese sei der Dreh- und Angelpunkt Art. 1 Abs. 3 GG. Dieser richte sich nicht unmittelbar nach dem Ort des Geschehens.343 Er setze aber Hoheitsgewalt, d. h. ein „Gewaltverhältnis voraus, das auf einem Mindestmaß an territorialer Kontrolle beruht.“344 Staatliche Tätigkeit müsse sich noch als Hoheitsgewalt darstellen. Fehle ihr ein Abhängigkeitsverhältnis, so handle es sich nicht um Hoheitsgewalt, sondern um die „Ausübung kontralegaler Macht, die auch eine kriminelle Bande haben könnte“345 und die vom betroffenen Zielstaat auch so geahndet wird. Gärditz lehnt sich hier explizit an die Auslegung von Art. 1 EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an346, auf die später noch einzugehen ist. Die Entführung einer Person im Ausland sei ein Sonderfall, weil durch die Bemächtigung dieser Person ein solches Abhängigkeitsverhältnis entstehe. Ansonsten aber sei das Handeln von Nachrichtendiensten von Heimlichkeit geprägt, weil ihnen eben diese charakteristische Übermacht im Vergleich zum Inland fehle.347 Auch über diese Anforderungen aus Art. 1 Abs. 3 GG hinaus könnten aber, wie in den Ansätzen von Elbing und Becker, einzelne Grundrechte weitere Anforderungen stellen.348 Gärditz zitiert hier Poscher349 mit den Worten, derselbe grundrechtliche Maßstab könne im Ausland Maßnahmen rechtfertigen, „die unter den Verhältnissen des Inlandes nicht gerechtfertigt wären“.350

340 

Vgl. aber Gärditz, JZ 2015, 896. A.a.O. (896 f.). 342  Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (467). 343  A.a.O. (472). 344  A.a.O. (474). 345 A.a.O. (475). Ähnlich Löffelmann, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, S. 1093 (1112). 346  Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (476 f.). Ähnlich Proelß/Daum, AöR 141 (2016), 373 (387 f.). 347  Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (475). 348  A.a.O. (473, 478 f.). 349  Poscher, VVDStRL 67 (2008), S. 160 (161 f.). 350  Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (473). 341 

C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

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Dieser Verweis aber trägt seine Schlussfolgerungen nicht. Poscher betont explizit, dass der Auslandsbezug den grundrechtlichen Maßstab nicht relativiert, sondern lediglich die Anforderungen an eine Rechtfertigung von Eingriffen herabsenkt.351 Eine Einschränkung des Schutzbereiches vertritt er nicht. Auch hier ist vielmehr darauf zu verweisen, dass partikulare Grundrechte noch weniger als Art. 1 Abs. 3 GG einen „Wortlautanker“ für territoriale Relativierungen bieten. Auch Gärditz’ Ausführungen zur Reichweite der allgemeinen Grundrechtsbindung aber können letztlich nicht überzeugen. Durch sein Verständnis von Hoheitsgewalt als Gewaltverhältnis in Abhängigkeit zum Staat beschränkt er die Grundrechte faktisch auf Subordinationsverhältnisse, antizipiert aber bereits den Einwand, dies stehe im Widerspruch zu ihrer Fiskalgeltung. Diese bestehe, weil die Fiskaltätigkeit materielle Voraussetzung für die in Art. 1 Abs. 3 GG aufgezählten Staatsfunktionen sei und überdies bei privatrechtlichem Handeln im Inland stets die Möglichkeit von öffentlich-rechtlichem Handeln über den Beteiligten schwebe.352 Es trifft zu, dass die staatliche Fiskaltätigkeit die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Staatsaufgaben schafft. Das gleiche kann aber auch von der Tätigkeit der Nachrichtendienste im Ausland gesagt werden: Sie agieren schließlich nicht als Selbstzweck, sondern zur Ermöglichung äußerer Sicherheit, die ein Staatshandeln im Inland erst möglich macht. Wenn Gärditz ferner davon spricht, nachrichtendienstliche Tätigkeit sei keine Ausübung von Staatsgewalt, sondern kontralegales kriminelles Handeln353, so schafft er eine Art janusköpfigen Staat, der sich entscheiden kann, ob er sich mit dem Mantel der Staatstätigkeit zugleich seiner rechtlichen Fesseln entledigt. Worin aber besteht denn der Unterschied zwischen einem Staat und einer Räuberbande, wenn nicht in der rechtlichen Bindung?354 Institute wie die der Zwangsvollstreckung, der Polizeigewalt, der Freiheitsstrafe unterscheiden sich phänomenologisch von einem Raub, einer Körperverletzung, einer Freiheitsberaubung dadurch, dass sie durch den Staat erfolgen und dieser zu ihrer Rechtfertigung auf Rechtsnormen verweisen kann. Den Anforderungen, die diese Rechtsnormen an ihn stellen, kann er nicht entkommen: Ebenso wenig wie eine Flucht ins Privatrecht ist ihm eine Flucht ins Ausland möglich. Kontralegal kann er nicht handeln, sondern nur illegal.355 351 

Poscher, VVDStRL 67 (2008), S. 160 (161 f.). Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (476). 353  Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (475). 354  Zur Metapher Augustinus von Hippo, De civitate dei, IV, 4, 1, zit. nach: Perl/Simon (Hrsg.), Aurelius Augustinus’ Werke, Bd. 3/8/1, 1979, S. 226. 355  Aus diesem Grund ist auch Gärditz’ Verweis auf eine strafrechtliche Rechtfertigung durch dienstliche Anweisung (Verwaltung 48 (2015), 463 [491]) irreführend. §§ 63 Abs. 2 BBG, 36 Abs. 2 BeamtStG erlangen nur Relevanz, wenn die Weisung rechtswidrig war, da andernfalls die Ermächtigungsgrundlage selbst zugleich einen Rechtfertigungsgrund für 352 

III.  Positionierung der Literatur

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Gärditz’ Theorie arbeitet außerdem mit einem Gegensatz zwischen förmlichem, offenem Staatshandeln und klandestiner Geheimdiensttätigkeit356, die so nicht zutrifft. Heimlichkeit ist kein Ausschlusskriterium für die Ausübung von Staatsgewalt – es ist auch im Inland nichts Ungewöhnliches, wenn die Polizei verdeckt agiert.357 Schließlich ist es nicht nachvollziehbar, warum Hoheitsgewalt ein Minimum an „territorialer Kontrolle“ aufweisen muss. Schon die Ausnahme der Entführung, die Gärditz selbst nennt, zeigt, dass es nicht um territoriale, sondern um personelle Kontrolle geht. Er begründet aber nicht, warum diese Kontrolle, betrachtet man sie von der Wirkung her, nicht auch vorliegen soll, wenn Nachrichtendienste im Ausland etwa nötigen, stehlen, einbrechen. Auch Gusy plädiert für einen differenzierten Ansatz bei der extraterritorialen Grundrechtsgeltung. Eine schlichte extraterritoriale Anwendung bei jeder Eingriffstätigkeit der deutschen Staatsgewalt führe in letzter Konsequenz zu einem höheren Grundrechtsniveau, als es im Inland bestünde, da auf diese Weise zwar die Grundrechte, nicht aber ihre einfachgesetzlichen Schranken gelten würden: Diese würden nämlich „nur auf dem deutschen Staatsgebiet“ Anwendung finden.358 In ihrer Pauschalität ist diese Aussage freilich unzutreffend. Zahlreiche Normen des deutschen Rechts knüpfen an tatbestandliche Voraussetzungen im Ausland an – im internationalen Privatrecht ist dies eine Selbstverständlichkeit, aber auch im öffentlichen Recht sind derartige Normen zu finden.359 Auch § 1 Abs. 2 S. 2 BNDG, in dessen Kommentierung diese Anmerkungen Gusys zu finden sind, schließt seine Anwendung im Ausland nur einfachgesetzlich aus, was e contrario eher die prinzipielle Möglichkeit einer extraterritorialen Anwendung einfachen Rechts nahelegt. Ob man dies als extraterritoriale Geltung bezeichnen will,

deren Befolgung darstellt. Auch in diesem Fall greift die Rechtfertigungswirkung nicht mehr, sobald eine gerichtliche Klärung erfolgt ist, da sich die zukünftig handelnden Beamten dann nicht länger auf die fehlende Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit berufen können. 356 Vgl. Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (475). 357  Vgl. etwa §§ 17, 18, 20 PolG NRW. 358  Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, § 1 BNDG, Rn. 52. Eine ähnliche Argumentation findet sich auch bei N. B. Wagner, in: FS v. Block-Schlesier, S. 275 (284 f.), der davon ausgeht, Bundesgesetze könnten „grundsätzlich keine extraterritoriale Geltung für sich in Anspruch nehmen“, sowie bei Proelß/Daum, AöR 141 (2016), 373 (381 f.). 359  Vgl. etwa § 14 MADG; § 4a KrWaffKontrG; §§ 6, 7 StGB. Zum Geltungsbereich der StPO jenseits der Staatsgrenzen ausführlich K. Maaß, NZWehrR 2016, 103 ff. Apodiktisch unzutreffend dagegen BT-Drs. 18/9371, S. 5 f.: „Zudem sind solche Überlegungen nicht zielführend, da die Strafprozessordnung nur im deutschen Hoheitsgebiet gilt und somit als Rechtsgrundlage für Ermittlungen in ausländischen Einsatzgebieten nicht zur Verfügung steht.“

C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

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kann dahinstehen360 – die Einschränkung etwaiger extraterritorial wirkender Grundrechte durch Schrankengesetze ist jedenfalls möglich.361 Auf einem anderen Blatt steht die – noch zu untersuchende – Frage der Völkerrechtsmäßigkeit eines solchen Vorgehens.362

IV.  Zwischenergebnis Die Untersuchung der extraterritorialen Wirkung von Grundrechten in Staats­ praxis, Rechtsprechung und Schrifttum zeigt eine große Uneinigkeit und Unklarheit. Die Staatspraxis scheint von einer stark limitierten Wirkung im Ausland auszugehen. Jedenfalls Art. 10 GG setzt demnach wohl entweder einen Territorialbezug zur Bundesrepublik oder die deutsche Staatsbürgerschaft voraus.363 Unklar ist die Übertragbarkeit dieser Befunde auf andere Grundrechte, insbesondere auf die Wirkungen von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG bei militärischen Auslandseinsätzen. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung trifft keine klare Aussage. Eine vollständige Territorialbindung setzt sie nicht voraus364, geht aber zugleich von einer einfacheren Einschränkbarkeit von Grundrechten bei Auslandsbezug aus.365 Außerdem seien die Grundrechte aus Respekt vor den Wertungen anderer Rechtsordnungen völkerrechtsfreundlich auszulegen.366 Ob darüber hinaus weitere Voraussetzungen nötig sind, um eine Grundrechtsbindung im Ausland auszulösen, lässt das Bundesverfassungsgericht offen.367 Aus dem Urteil zum Washingtoner Abkommen 1957, wonach die Grundrechte die staatliche Gewalt auch binden, „soweit Wirkungen ihrer Betätigung im Ausland eintreten“368, eine „ständige[r] Rechtsprechung“ abzuleiten369, verkürzt die einzelfallorientierte Rechtsprechung des Gerichts zu dieser Frage. 360 

Zu dieser Problematik siehe B. I. S. auch K. Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, S. 148. Die verbreitete Verwendung des Begriffes „Geltungsbereich dieses Gesetzes“ (bspw. in § 1 Abs. 2 S. 2 BNDG) ist daher kritisch zu betrachten – es entbehrt nicht einer gewissen Paradoxie, wenn ein Gesetz anordnet, dass es außerhalb seines angeblichen Geltungsbereiches nicht gelten soll. Noch paradoxer § 21 KrWaffKontrG und § 10 Abs. 1 StPO, welche die Geltung von Normen außerhalb ihres Geltungsbereiches anordnen. 362  Siehe dazu E. III. 363  Heidebach, DÖV 2015, 593 (596). 364  BVerfGE 6, 32 (44); BVerfGE 6, 290 (295). 365  Vgl. nur BVerfGE 92, 26 (41 ff.). 366  Siehe z. B. BVerfGE 95, 39 (120 f.). 367  BVerfGE 100, 313 (363 f.). 368  BVerfGE 6, 290 (295). 369 So Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt, S. 138. 361 

IV.  Zwischenergebnis

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In der fachgerichtlichen Rechtsprechung wird die Geltung der Grundrechte auch jenseits der Staatsgrenze zunehmend bejaht; dabei wird aber der Schutzstandard dieser Rechte zum Teil auf einen völkerrechtlichen Mindeststandard zurückgefahren370 und das weite Ermessen der auswärtigen Gewalt betont.371 Die Literatur zeigt viele Ansätze, die aber – außer als Gegenentwurf im letztgenannten Urteil des VG Köln – kaum Einfluss auf die Rechtsprechung zu haben scheint. „Klassische“ Ansätze wie das Territorialprinzip scheinen an Bedeutung abzunehmen; sie werden in der neueren Literatur rundheraus abgelehnt und kaum noch vertreten. Doch auch andere restriktive Ansätze sind nicht überzeugend. Isensees Theorie vom Verfassungskollisionsrecht arbeitet mit verfassungstheoretischen und verfassungspolitischen Prämissen und bewegt sich jenseits des positiven Verfassungsrechts. Heintzens Theorie von der dynamischen Verweisung lässt sich mit dem Wortlaut des Grundgesetzes nicht in Einklang bringen und führt zu Konsequenzen, die in dieser Form vom Verfassungsgeber nicht gewollt sein können. Elbings Ansatz schließlich erscheint widersprüchlich und ebenfalls weit vom Verfassungswortlaut entfernt. So konstatiert Nolte zurecht: „Die Bemühungen der Wissenschaft, für die Beurteilung solcher Konstellationen klare abstrakte Maßstäbe zu entwickeln, haben sich angesichts deren Vielfalt als vergeblich erwiesen.“372

Dreier führt in seiner Kommentierung des Art. 1 Abs. 3 GG aus, die extraterritoriale Grundrechtsbindung an sich sei „in Rechtsprechung und Literatur mit Ausnahme vereinzelter Gegenstimmen anerkannt“.373 Payandeh schreibt gar, „die grundsätzliche Grundrechtsbindung der deutschen Staatsgewalt für extraterritoriales Handeln“ werde „nicht mehr angezweifelt“.374 Zugleich geht die Bundesregierung nach wie vor davon aus, den Bundesnachrichtendienst treffe im Ausland keine Verpflichtung zur Achtung von Art. 10 GG.375 Somit stehen sich nicht nur wissenschaftliche Auffassungen, sondern die Einschätzung dessen, was rechtswissenschaftlicher Konsens ist, diametral gegenüber.376 Wissenschaft, Rechtsprechung und Exekutive scheinen weitgehend getrennte Diskurse zu führen.377 370 

VG Köln, JZ 2012, 366 ff.; OVG Münster, DVBl. 2015, 375 ff. VG Köln, NWVBl. 2016, 39 ff. 372  Nolte, in: VVDStRL 67 (2008), S. 129 (143). 373  Dreier, in: ders. (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3, Rn 44. 374  Payandeh, DVBl. 2016, 1073 (1074). 375  Siehe mit ausführlichen Belegen C. I. 376  Masing, in: Dietrich et al. (Hrsg.), Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2018, S. 3 (15 f.). 377 Siehe für einen ähnlichen Befund bzgl. des Verhältnisses von internationalem Menschenrechtsschutz und Staatenpraxis Gammeltoft-Hansen/Vedsted-Hansen, in: dies. (Hrsg.), Human Rights and the Dark Side of Globalisation. Transnational law enforcement and migration control, New York 2017, S. 1 (2). 371 

C.  Der Status quo unter dem Grundgesetz

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Also zurück zu Art. 1 Abs. 3 GG? Auch dies wirft Fragen auf, wie das (erste) Drohnen-Urteil des VG Köln378 zeigt, das einen weiten Ansatz befürwortet, sich aber klarer Kriterien für einen solchen enthält. Auch dort liegen letztlich Differenzierungen vor – verlangt wird immerhin ein Bezug zur eigenen hoheitlichen Tätigkeit. Es bietet sich daher an, den Blick zu weiten. Moderne Entwicklungen der „Enträumlichung“379 staatlichen Handelns treten nicht nur in Deutschland auf. Auch zwischen- und überstaatliche Menschenrechtssysteme wurden mit diesen Entwicklungen konfrontiert und haben auf sie reagiert. Hier lohnt sich also ein Blick über den Tellerrand: Können die Lösungsansätze dieser Systeme möglicherweise auch auf das Grundgesetz Anwendung finden? Beeinflussen sie in sonstiger Form die Dogmatik oder entwickeln gar aus völkerrechtlicher Sicht imperative Vorgaben für die deutsche Rechtsordnung? Welches Gesamtbild ergibt sich in der Zusammenschau dieser Systeme?

378 

VG Köln, NWVBl. 2016, 39 ff. Thallinger, Grundrechte und extraterritoriale Hoheitsakte. Auslandseinsätze des Bundesheeres und Europäische Menschenrechtskonvention, 2008, S. 1. 379 

D.  Internationaler Menschenrechtsschutz Der Verfassungsstaat des Grundgesetzes ist bei der Gewährleistung von Grundrechten in vielfacher Hinsicht mit überstaatlichen Schutzmechanismen verflochten. Im Folgenden sollen drei dieser Mechanismen auf ihren Umgang mit der extraterritorialen Wirkung von Grundrechten hin untersucht werden: die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR, UN-Zivilpakt) und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh). Diese drei Schutzregimes wurden einerseits aufgrund ihrer Bedeutung für die deutsche Rechtsordnung und andererseits aufgrund ihrer Repräsentativität ausgewählt: Die EMRK ist ein im internationalen Vergleich recht starkes System zum Menschenrechtsschutz1, das aber derzeit auf den europäischen Raum (einschließlich der Russischen Föderation und der Türkei) begrenzt ist. Der IPbpR dagegen umfasst mit 169 Unterzeichnern einen Großteil der Staaten der Erde2, gilt aber im Vergleich zur EMRK als institutionell weit weniger durchsetzungsstark.3 Die Grundrechtecharta schließlich ist in das effektive Rechtsschutzsystem der Europäischen Union eingebunden, daher aber ebenfalls regionaler Natur. Sie ist außerdem im Gegensatz zu den beiden vorgenannten Verträgen deutlich neuer4 und hat, wie noch darzustellen sein wird, erheblich komplexere Wechselwirkungen mit dem nationalen Recht.

I.  Europäische Menschenrechtskonvention Die Europäische Menschenrechtskonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der dem institutionellen Rahmen des Europarates entstammt und am 3. September 1953 für die Staaten, die ihn bis dahin ratifiziert hatten – darunter auch die

1  Frowein/Peukert, in: dies. (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention. EMRKKommentar, 3. Aufl. 2009, Vorwort, S. XI ff.; Sauer, in: Matz-Lück/Hong (Hrsg.), Grundrechte und Grundfreiheiten im Mehrebenensystem – Konkurrenzen und Interferenzen, 2012, S. 1 (2). 2 Siehe https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV4&chapter=4 [25. 09. 2017]. Die Vereinten Nationen haben 193 Vollmitglieder, eine darüber hinausgehende Anzahl der Staaten der Erde ist aufgrund des umstrittenen Status einiger Regime nicht mit Sicherheit zu beziffern. 3  Schmahl, JZ 2014, 220 (222). 4  Die EMRK trat 1953 in Kraft, der IPbpR 1976, die Charta erlangte 2007 verbindliche Wirkung, wurde aber 2000 verabschiedet.

D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

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Bundesrepublik – in Kraft trat.5 Unter anderem aufgrund des Berücksichtigungsgebotes in Art. 52 Abs. 3 GRCh und der Stellung als Teil des Unionsrechts nach Art. 6 Abs. 3 EUV hat die EMRK große Bedeutung auch für das Handeln der Europäischen Union. Es ist inzwischen allgemein anerkannt, dass sie nicht nur Abwehrrechte enthält, sondern ihre Rechte auch Schutzwirkungen entfalten können, sogenannte positive obligations, die mit dem status positivus der deutschen Grundrechte vergleichbar sind.6 Die Durchsetzung der Konventionsrechte erfolgte zunächst durch eine Kommission (EKMR), die für Individualbeschwerden zuständig war, sofern sich der betroffene Mitgliedsstaat per Erklärung dem Individualbeschwerdeverfahren unterworfen hatte (Art. 25 EMRK a.F.), sowie durch einen Gerichtshof (EGMR), der primär für Staatenbeschwerdeverfahren7 zuständig war (Art. 24 EMRK a.F.). Die Individualbeschwerde ist seit 1998 unabhängig von einer Unterwerfungserklärung und unmittelbar zum Gerichtshof möglich (Art. 33 f. EMRK). Die Kommission besteht nicht mehr.8 Die EMRK scheint zur Frage der extraterritorialen Wirkung der in ihr enthaltenen Rechte eine vergleichsweise explizite Regelung zu treffen. Art. 1 EMRK ordnet an: „Die Hohen Vertragsparteien sichern allen ihrer Hoheitsgewalt [engl. jurisdiction, d. Aut.] unterstehenden Personen die in Abschnitt I bestimmten Rechte und Freiheiten zu.“

Die Norm stellt insofern eine lex specialis zu Art. 29 der Wiener Konven­ tion über das Recht der Verträge (WÜRV) dar.9 Umstritten ist ihr Verhältnis zu den völkergewohnheitsrechtlichen Grundsätzen der Staatenverantwortlichkeit. Nach Art. 4 bis 11 der Draft Articles der Völkerrechtskommission der Vereinten Natio­nen10 besteht diese im Wesentlichen für Handlungen von staatlichen Or5 

Frowein, in: ders./Peukert (Hrsg.), Einf., Rn. 2; E. Klein, AVR 39 (2001), 121. Urt. v. 12. 07. 2005, Nr. 41138/98 (Moldovan et al./Rumänien); Dröge, Positive Verpflichtungen der Staaten in der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2003, zur Rspr. insb. S. 13 ff.; Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht. Eine Untersuchung der deutschen Grundrechte, der Menschenrechte und Grundfreiheiten der EMRK sowie der Grundrechte und Grundfreiheiten der Europäischen Gemeinschaft, 2001, S. 107 ff.; Meyer-Ladewig/Nettesheim, in: dies./v. Raumer (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention. Handkommentar, 4. Aufl. 2017, Art. 1, Rn. 8. 7  Auch in diesen erfolgte allerdings ein Vorgutachten durch die Kommission. 8 Ausführlich Frowein, in: ders./Peukert (Hrsg.), Einf., Rn. 4. 9 Art. 29 WÜRV ordnet in Abwesenheit einer anderslautenden Norm die Geltung eines Vertrages für das gesamte Hoheitsgebiet des jeweiligen Staates an. 10  Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, with commentaries, http://legal.un.org/ilc/texts/instruments/english/commentaries/9_6_2001. pdf [25. 09. 2017]. 6  EGMR,

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ganen oder sonstigen Beauftragten, einschließlich De-facto-Amtsträgern. Diese Regelungen sehen eine territoriale Differenzierung nicht vor. Nach einer Ansicht ist Art. 1 jedenfalls teilweise auch lex specialis zu den allgemeinen Regeln der Staatenverantwortlichkeit, wie dies die Draft Articles selbst in Art. 55 vorsehen.11 Andere Stimmen weisen, wohl zu Recht, auf Art. 2 der Draft Articles hin: Ein völkerrechtliches Delikt setze die Verletzung eines Völkerrechtssatzes und die Zurechenbarkeit zu einem Staat voraus. Art. 1 EMRK als „allgemeiner Teil“ der Menschenrechtskonvention sei Teil des Normverstoßes, nicht Teil der Zurechenbarkeit.12 Primärer Zweck der Zurechnungsregeln der Staatenverantwortlichkeit sei es, zuzuordnen, wer für ein völkerrechtliches Delikt verantwortlich sei, nicht aber, ob eine Verpflichtung, die verletzt wurde, bestehe.13 Schließlich wird – in teilweiser Umkehrung der erstgenannten Ansicht – auch angenommen, die Frage nach der Jurisdiktion sei letztlich nichts anderes als die Untersuchung der völkerrechtlichen Zurechenbarkeit.14 Der Gerichtshof selbst verhält sich in dieser Frage widersprüchlich: Einerseits betont die große Kammer, Art. 1 EMRK sei nicht mit der Prüfung der Staatenverantwortlichkeit gleichzusetzen15, andererseits untersucht er im selben Urteil unter dem Titel der Jurisdiktion im Sinne von Art. 1 EMRK auch diese Aspekte.16 Ferner regelt Art. 56 EMRK (Art. 63 a.F.) ebenfalls Teile des räumlichen Geltungsbereiches: Er legt fest, dass Staaten die Konvention auf Gebiete erstrecken können, für deren internationale Beziehungen sie verantwortlich sind, d. h. deren Suzerän sie sind. Es handelt sich dabei um eine typische „Kolonialklausel“17, die 11  Pedersen, NJIL 73 (2004), 279 (302 f.); Thallinger, Grundrechte und extraterritoriale Hoheitsakte. Auslandseinsätze des Bundesheeres und Europäische Menschenrechtskonvention, 2008, S. 19, 205 f.; zweifelnd Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz. Der Schutz des Individuums auf globaler und regionaler Ebene, 3. Aufl. 2013, Rn. 362. 12  Jankowska-Gilberg, Extraterritorialität der Menschenrechte. Der Begriff der Jurisdiktion im Sinne von Art. 1 EMRK, 2008, S. 133 ff.; Kastler, Föderaler Rechtsschutz. Personenbezogene Daten in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, 2017, S. 167 f.; Lawson, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, Antwerpen 2004, S. 83 (86); genauso O’Boyle, ebd., S. 125 (130 f.), der Lawson ansonsten völlig widerspricht. In diese Richtung wohl auch Jackson, EJIL 27 (2016), 817 ff. Zu beiden Ansichten instruktiv de Schutter, International Human Rights Law. Cases, Materials, Commentary, 2. Aufl., Cambridge (UK) 2014, S. 168. Für eine klare Trennung auch Janik, ZaöRV 70 (2010), 127 (134); Lehnert, Frontex und operative Maßnahmen an den europäischen Außengrenzen. Verwaltungskooperation, materielle Rechtsgrundlagen, institutionelle Kontrolle, 2014, S. 185. 13  So auch Rooney, NILR 62 (2015), 407 (408). 14  A.a.O. (427). 15  EGMR, Urt. v. 20. 11. 2014, Nr. 47708/08 (Jaloud/Niederlande), Ziff. 154. 16  A.a.O., Ziff. 143 ff. Darauf weist auch Rooney, NILR 62 (2016), 407 (411 f.) hin. 17  Harris/O’Boyle/Bates/Buckley, Law of the European Convention on Human Rights, 3. Aufl., Oxford 2014, S. 100.

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heute nur noch geringe Relevanz hat.18 Relevant wurde sie in der Rechtsprechung des Gerichtshofes u.a. in Bezug auf die Isle of Man und das Vereinigte Königreich19, den Kongo und Belgien20 sowie Hongkong und das Vereinigte Königreich21. Umstritten, aber ebenfalls von schwindender Bedeutung ist die Frage, ob die Klausel nur für lokale Selbstverwaltungsbehörden oder auch für die Behörden der Kolonialmacht gilt.22 Art. 1 legt fest, dass Personen der Hoheitsgewalt eines Unterzeichnerstaates unterstehen müssen, damit Konventionsrechte Wirkung entfalten können. Dies scheint zunächst dem Wortlaut nach auf ein Territorialprinzip, wie es zum Teil auch für das Grundgesetz vertreten wird, hinzudeuten. Ob sich dies bestätigt, muss die folgende Analyse zeigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 1 EMRK auch in prozessualer Hinsicht Bedeutung hat, da er drei Zulässigkeitsvoraussetzungen für Individualbeschwerden zum Gerichtshof enthält: Die Zuständigkeit ratione materiae („in Abschnitt I bestimmte[n] Rechte und Freiheiten“, d. h. der Beschwerdeführer muss die Verletzung eines dieser Rechte rügen), ratione personae („alle[n] ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen“, d. h. der Beschwerdeführer muss der Hoheitsgewalt persönlich unterstehen) sowie ratione loci („ihrer Hoheitsgewalt unterstehend[en]“, d. h. der Beschwerdeführer muss auch räumlich der Hoheitsgewalt unterstehen).23 Zwischen der Zuständigkeit ratione personae und loci ist eine konsequente Trennung kaum möglich; die Voraussetzungen verschwimmen ineinander. Zu untersuchen ist also, wie durch Rechtsprechung und Literatur das Erfordernis des Unterstehens der Hoheitsgewalt ausgelegt wird.24

18  Frowein, in: ders./Peukert (Hrsg.), Art. 56, Rn. 1; Lush, ICLQ 42 (1993), 897 (902 f.). Vgl. aber N. B. Wagner, NZWehrR 2007, 1 (20); Weingärtner, in: Weiß (Hrsg.), Menschenrechtsbindung bei Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte. Expertengespräch, 2006, S. 9 (10). 19  EGMR, Urt. v. 25. 04. 1978, Nr. 5856/72 (Tyrer/UK). 20  EKMR, Beschl. v. 30. 05. 1961, Nr. 1065/61 (X/Belgien). 21  EGMR, Beschl. v. 12. 03. 1990, Nr. 16137/90 (Bui Van Thanh et al./UK). 22 Dazu Allen, The Chagos Islanders and International Law, 2014, S. 60 f.; Erberich, Auslandseinsätze der Bundeswehr und Europäische Menschenrechtskonvention, 2004, S. 22. 23  Frowein, in: ders./Peukert (Hrsg.), Art. 1 Rn. 1. 24  Da Gegenstand dieser Arbeit nicht die Grundrechtsbindung im Rahmen internationaler Organisationen ist (s. B. II.), wird dabei nicht dargelegt, wie sich die Eingliederung etwa in ein Mandat der Vereinten Nationen auf die Konventionsbindung auswirkt. Vgl. dazu EGMR, Urt. v. 02. 05. 2007, Nr. 71412/01 und 78166/01 (Behrami et al./Frankreich et al.), Ziff. 121 ff.; Sari, HRLR 8 (2008), 151 ff.

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1.  Travaux préparatoires In den Arbeitsunterlagen zur Konvention (Travaux préparatoires) findet sich wenig Klares zur räumlichen Reichweite der Konvention. Freilich legt schon die Existenz von Art. 56 EMRK eine gewisse Beschränkung nahe. Frühe Vorschläge zum Wortlaut des heutigen Art. 1 EMRK sprechen von Schutz „on the territory of a member state“ oder für Personen „residing within the metropolitan territory of a member state“.25 Diese beiden Vorschläge wurden zur Formulierung „every person domiciled in the metropolitan territory of every Member State“ verschmolzen und abgewandelt.26 Anschließend wurde die Formulierung „metropolitan territory“ durch die Regelung des Art. 63 a.F. (Art. 56 n.F.) ersetzt. Um Ambivalenzen zu vermeiden, ersetzten die Delegierten das Wort „domiciled“ durch „resident“, dann schließlich durch „living in“.27 Doch auch hier wurde eine gewisse Unklarheit befürchtet: „Since the aim of this amendment is to widen as far as possible the categories of persons who are to benefit by the guarantee contained in the convention, and since the words ,living in‘ might give rise to a certain ambiguity, the Sub-Committee proposes that the Committee should adopt the text contained in the draft Covenant of the United Nations Commission: that is, to replace the words ,residing within‘ by ,within its jurisdiction.‘“28

Der Begriff der Hoheitsgewalt entstammt also den frühen Beratungen zum – wesentlich später beschlossenen – IPbpR und fand von dort aus seinen Weg in die Konvention. Er diente dem Zweck, Schwierigkeiten bei voneinander abweichenden Auslegungen des Begriffes „Wohnsitz“ zu vermeiden und gleichzeitig den geschützten Personenkreis so weit wie möglich zu fassen. Bezüglich der Kolonien wurde hingegen bewusst eine andere, differenzierte Regelung geschaffen.29 Freilich sind Arbeitsunterlagen nach Art. 32 WÜRV nur ein ergänzendes Auslegungsmittel. Aufgrund der dynamischen Natur völkerrechtlicher Verträge und ihres wechselnden Unterzeichnerkreises ist gemäß Art. 31 WÜRV die Auslegung „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes“ entscheidend.30 25  Travaux Préparatoires de l’article 1er de la Convention européenne des Droits de l’Homme, Cour (77) 9, S. 15. 26  A.a.O., S. 16. 27  A.a.O., S. 33. 28  A.a.O., S. 34. 29  Travaux Préparatoires de l’article 63 de la Convention européenne des Droits de l’Homme, Cour (78) 8, S. 5 ff. 30  Dazu auch knapp BVerfG, Beschl. v. 04. 10. 2000, Az. 2 BvR 36/00 – DVBl. 2001, 64; zum innerstaatlichen Recht ähnlich BVerfGE 1, 299 (312): „Der Entstehungsgeschich-

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2.  Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und der ehemaligen Menschenrechtskommission a)  1965 – 2001: Prä-Banković Die Menschenrechtskommission31 beschäftigte sich 1965 in einer Individualbeschwerde erstmals mit der extraterritorialen Wirkung von Menschenrechten.32 Sie hielt fest, Hoheitsgewalt im Sinne von Art. 1 EMRK bestehe auch im Verhältnis zu Staatsbürgern, die im Ausland diplomatische oder konsularische Hilfe begehrten.33 Zu einem grundlegenden Teil des Fallrechts der Konvention – nun auch vor dem Gerichtshof – aber wurde die Frage nach der Extraterritorialität ab 1975 durch eine Reihe von Verfahren, die sich mit der Türkischen Republik Nordzypern beschäftigten.34 Darin wurde die Verantwortlichkeit der Türkei für Nordzypern bestätigt: Maßgeblich für die Frage, ob Hoheitsgewalt im Sinne der Konvention und damit die Anwendbarkeit der Konvention bestehe, sei nicht, ob ein Eingriff auf dem Staatsgebiet eines Unterzeichnerstaates vorgenommen worden sei oder nicht. Dies wäre mit dem Charakter der Konvention als Instrument eines europäischen Ordre public unvereinbar. Vielmehr könne Hoheitsgewalt auch durch Streitkräfte im Ausland ausgeübt werden. Notwendig sei „actual authority and responsibility, whether that authority is exercised within their own territory or abroad“,35

also die tatsächliche Autorität, nicht die rechtliche Zuständigkeit. Im Falle Nordzyperns stehe hinter dem dortigen Regime maßgeblich die Türkei. Es lägen unwiderlegbare Beweise für „Turkey’s power to dictate the course of events in the occupied area“ vor.36 Im Loizidou-Urteil entwickelte der Gerichtshof diese Rechtsprechungslinie weiter: Hoheitsgewalt und damit Zuständigkeit ratione personae und loci liege vor, wenn ein Vertragsstaat effective overall control, also eine effektive Gete einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können.“ Ebenso BVerfGE 11, 126 (130). 31  Vgl. zu deren früherer Rolle zuvor unter 1. 32  EKMR, Beschl. v. 25. 09. 1965, Nr. 1611/62 (X/BR Deutschland). 33  Bestätigt in EKMR, Beschl. v. 15. 12. 1977, Nr. 7547/76 (X/UK) und EKMR, Beschl. v. 14. 10. 1992, Nr. 17392/90 (M/Dänemark). 34 EKMR, Beschl. v. 26.  05. 1975, Nr. 6780/74 (Zypern/Türkei); EGMR, Urt. v. 10. 05. 2001, Nr. 25781/94 (Zypern/Türkei). 35  EKMR, Beschl. v. 26. 05. 1975, Nr. 6780/74 (Zypern/Türkei), Ziff. II/8. 36  Ebenso EGMR, Urt. v. 10. 05. 2001, Nr. 25781/94 (Zypern/Türkei), Ziff. 71.

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samtkontrolle eines Gebietes innehabe.37 Diese Gesamtkontrolle, und nicht der Nachweis von Beherrschung des konkreten Lebenssachverhaltes, sei es, die Hoheitsgewalt ausmache. Bereits im Loizidou-Urteil rügte der türkische Richter, der Gerichtshof gehe mit seiner Auslegung weit über die Intentionen und den Wortlaut der EMRK hinaus. In einer Individualbeschwerde der Ehefrau von Rudolf Heß38 beanstandete diese gegenüber der Kommission, durch die fortdauernde Inhaftierung ihres Mannes werde ihr Recht auf Familienleben (Art. 8 EMRK) verletzt. Heß verbüßte als Folge des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses seit 1947 in einem alliierten Militärgefängnis in Berlin-Spandau eine lebenslange Haftstrafe. Die Kommission wies die Beschwerde ab.39 Die Autorität über das besagte Gefängnis unterliege nur allen vier Mächten gemeinsam, sie sei nicht aufteilbar. Es sei daher nicht dem Konventionsstaat Großbritannien zuzurechnen, dass Heß noch inhaftiert sei. Lediglich die Beteiligung an der Vereinbarung über eine solche Inhaftierung unterliege der Konvention prinzipiell. Hier scheitere die Beschwerde aber ratione temporae, da diese Vereinbarung vor Beschluss und Ratifizierung der EMRK erfolgt war. Anders urteilte die Kommission in einer weiteren Angelegenheit Großbritanniens als Teil der Vier Mächte in Deutschland.40 Dort ging es um einen Schießstand der britischen Armee in Berlin, gegen dessen Bau kein Rechtsschutz gewährt wurde. Die Kommission bejahte die Hoheitsgewalt Großbritanniens, weil es sich dort im Gegensatz zur Heß-Entscheidung eben nicht um eine gemeinsame Angelegenheit der Alliierten, sondern lediglich eine Angelegenheit Großbritanniens gehandelt habe.41 1977 beschäftigte sich die Kommission mit der Tätigkeit Schweizer Polizeibeamter in Liechtenstein. Liechtenstein war damals noch kein Vertragsstaat, hatte aber mit der Schweiz, die ein Vertragsstaat war, ein Abkommen geschlossen, dass dieser weitreichende polizeiliche Befugnisse in Liechtenstein zubilligte.42 Die Kommission entschied, das Tätigwerden der schweizerischen Beamten sei an der EMRK zu messen. Da für sie größtenteils Schweizer Recht maßgeblich war, handelte es sich um eine Ausübung von Hoheitsgewalt, wenngleich außerhalb des eigenen Territoriums. Somit scheint bis hierhin in der Anwendung der Konvention ein Territorialbezug keine Rolle zu spielen. Entscheidend ist offenbar die

37 

EGMR, Urt. v. 23. 03. 1995, Nr. 15318/89 (Loizidou/Türkei), Ziff. 56. Vgl. zu diesem schon oben, BVerfGE 55, 349. 39  EKMR, Beschl. v. 28. 05. 1975, Nr. 6231/73 (Heß/UK). 40 EKMR, Besch. v. 18. 01. 1989, Nr. 12816/87 (Vearncombe et al./BR Deutschland und UK). 41  Dazu instruktiv Nolte, ZaöRV 49 (1989), 499. 42  EKMR, Beschl. v. 14. 07. 1977, Nr. 7289/75 (X/Schweiz). 38 

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tatsächliche Kontrolle über ein Gebiet – wie in Nordzypern oder Berlin – oder die tatsächliche Ausübung eigener Staatsgewalt im Ausland, wie in Liechtenstein. In einer weiteren Individualbeschwerde zur Kommission wurde die Verletzung einer positive obligation der britischen Regierung gerügt, weil diese einen terroristischen Anschlag in Irland nicht verhindert habe.43 Die Kommission wies die Beschwerde ratione loci und personae ab, da keine Hoheitsgewalt bestanden habe. Sie wandte dabei die bislang bei Abwehrrechten verwendeten Grundsätze an. Im Fall Soering beschäftigte sich der Gerichtshof ausführlich mit einer Auslieferung bei drohender Verhängung der Todesstrafe und drohender Folter.44 Er betonte dabei, die Konvention betreffe grundsätzlich nur die Vertragsstaaten; Drittstaaten seien durch sie nicht gebunden und auch Vertragsstaaten seien nicht verpflichtet, aufgrund der Konvention die darin enthaltenen Rechte anderen Staaten aufzuerlegen.45 Es gebe daher kein generelles Verbot von Auslieferungen bei drohenden Verletzungen von Konventionsrechten im Zielstaat. Gleichzeitig aber müsse die EMRK im Lichte ihres besonderen Charakters als Vertrag über die kollektive Durchsetzung von Menschenrechten und Grundfreiheiten ausgelegt werden.46 Die in ihr gewährleisteten Rechte müssten daher effektiv sein. Gerade das Folterverbot in Art. 3 EMRK sei absolut und fundamental; es unterliege keinerlei wie auch immer gearteter Ausnahme. Das Verbot der Folter sei ein Grundwert der Konvention, weshalb auch eine Auslieferung bei drohender Folter ein Verstoß gegen die Konvention sei.47 In einem Sondervotum wurde vertreten, auch ein drohender Konventionsverstoß „nur“ gegen das Recht auf Leben (Art. 2 EMRK) reiche dafür aus. Dies erkannte die Kommission 1996 an, weshalb nun auch bei drohender Verhängung der Todesstrafe eine Auslieferung stets unzulässig ist.48 Ein mit dem Liechtenstein-Fall vergleichbarer Sachverhalt lag einer 1992 entschiedenen Individualbeschwerde zugrunde. Französische und spanische Richter wurden in Andorra gewissermaßen per internationaler Organleihe tätig, da Andorra aufgrund der geringen Fallzahlen keine eigenen Gerichte benötigte. Der 43 

EKMR, Beschl. v. 28. 02. 1983, Nr. 9348/81 (W/UK). EGMR, Urt. v. 07. 07. 1989, Nr. 14038/88 (Soering/UK). 45  A.a.O., Ziff. 86. 46  A.a.O., Ziff. 87. 47 Bestätigt u.a. in EGMR, Urt. v. 20.  03. 1991, Nr. 15576/89 (Cruz Varas/Schweden), EGMR, Urt. v. 30. 10. 1991, Nr. 13163/87 (Vilvarajah et al./UK) und EGMR, Urt. v. 02. 03. 2010, Nr. 61498/08 (Al-Saadoon et al./UK). Für die Übertragung dieses Konzepts auf andere Auslandsfolgen inländischen Handelns bzgl. Art. 3 EMRK Jackson, EJIL 27 (2016), 817 ff. 48  EKMR, Beschl. v. 13. 09. 1996, Nr. 25894/94 (Bahaddar/Niederlande). 44 

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Gerichtshof sah darin keine Hoheitsgewalt von Spanien und Frankreich, da es sich im Gegensatz zur maßgeblich von Schweizer Recht geprägten, wie im Inland erfolgenden Vollzugstätigkeit von Schweizer Polizisten in Liechtenstein hier um andorranische Gerichte handelte, die lediglich „im Nebenamt“ von französischen und spanischen Richtern besetzt waren.49 Bei der Tätigkeit von Behörden in fremden Ländern mit deren Einverständnis ist also offenbar maßgeblich, ob diese als „geliehene“ Organe des Zielstaates oder als Organe des Entsendestaates erscheinen. Eine weitere Individualbeschwerde gegen Großbritannien betraf einen ungewöhnlichen Fall: Der Beschwerdeführer wurde in Kuwait gefoltert, weil er angeblich im Besitz von Sexvideos eines einflussreichen Scheichs war. Als er in Großbritannien auf Schadensersatz gegen Kuwait klagte, wiesen die britischen Gerichte diese Klage aus Gründen der völkerrechtlichen Staatenimmunität (par in parem non habet imperium) ab. Der Gerichtshof sah hierin keinen Konventionsverstoß: Aus den Menschenrechten folge zwar auch eine Pflicht zur Aufklärung von Verstößen, aber diese Aufklärungspflicht folge ebenfalls der Anforderung des Art. 1 EMRK, bestehe also nur bei Hoheitsgewalt über den primären Konventionsverstoß. Jedenfalls aber könne diese Pflicht durch allgemeines Völkerrecht beschränkt werden, sofern diese Beschränkung verhältnismäßig ist.50 Bis hierhin ließ sich in der Rechtsprechung von Kommission und Gerichtshof eine Tendenz zur weitreichenden Anerkennung extraterritorialer Abwehrrechte erkennen. 2001 folgte dagegen ein Urteil, das in dieser Beziehung oftmals als Zeitenwende gesehen wurde.51 b)  2001: Banković Der Banković-Entscheidung zugrunde lag eine Individualbeschwerde über das Bombardement eines Radiosenders in Belgrad im Rahmen des NATO-Einsatzes im Kosovo. Die Beschwerde richtete sich gegen alle am Einsatz beteiligten Vertragsstaaten der EMRK.52 Die Beschwerdeführer rügten eine Verletzung des Rechts auf Leben (Art. 2 EMRK) und der freien Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK). Hinsichtlich der Zulässigkeit ratione loci bzw. des Bestehens von Hoheitsgewalt im Sinne von Art. 1 EMRK machten sie geltend, die Verantwortlichkeit eines Vertragsstaates für Rechtsverletzungen steige mit dem Ausmaß 49  EGMR,

en).

Urt. v. 26. 06. 1992, Nr. 12747/87 (Drozd u. Janousek/Frankreich u. Spani-

50 EGMR, Urt. v. 21.  11. 2001, Nr. 35763/97 (Al-Adsani/UK), Ziff. 54 ff. Ebenso EGMR, Urt. v. 21. 11. 2001, Nr. 31253/96 (McElhinney/Irland), Ziff. 37; EGMR, Urt. v. 25. 10. 2016, Nr. 45197/13 (Radunovic et al./Montenegro), Ziff. 62 ff. 51  Altiparmak, JCSL 9 (2004), 213 (225); Mantouvalou, IJHR 9 (2005), 147. 52  EGMR, Urt. v. 12. 12. 2001, Nr. 52207/99 (Banković et al./Belgien et al.).

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

der Kontrolle, die dieser über die Situation habe. Zugegebenermaßen sei dieses Ausmaß bei einem Bombardement geringer als etwa bei einer militärischen Besetzung, wie sie in den Zypern-Fällen53 vorgelegen habe. Gleichwohl sei ein gewisses Maß an Kontrolle über die Situation auch hier vorhanden, und für dieses Maß an Kontrolle müssten die handelnden Staaten auch verantwortlich sein.54 Die Kontrolle, die die Beschwerdegegner über den Luftraum in Serbien gehabt hätten, sei durchaus mit dem Ausmaß an Macht, welche die Türkei am Boden Nordzyperns habe, vergleichbar. Ferner zeige die Existenz von Art. 15 EMRK, welcher unter bestimmten Voraussetzungen ein Abweichen von Konventionsrechten im Notstandsfall und im Krieg ermöglicht, dass grundsätzlich auch im Krieg die Konvention zur Anwendung kommen müsse. Schließlich entspreche ein weites Verständnis von Hoheitsgewalt der Notwendigkeit eines effektiven und weitreichenden Menschenrechtsschutzes. Der EGMR hielt dem entgegen, eine derart weite Auslegung würde Art. 1 EMRK völlig unterlaufen. Die Menschenrechtskonvention gelte grundsätzlich territorial. Ihre extraterritoriale Anwendung, wie sie in den oben genannten vergangenen Fällen erfolgte, sei eine begründungsbedürftige Ausnahme. Er vergleicht den Wortlaut des Art. 1 EMRK mit Art. 1 der Genfer Abkommen von 1949: „Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, das vorliegende Abkommen unter allen Umständen einzuhalten und seine Einhaltung durchzusetzen.“55

Der Gerichtshof stellte fest, wenn die Vertragsparteien eine so weitreichende, territorial bezugslose Anwendbarkeit der EMRK gewünscht hätten, so hätte es ihnen freigestanden, einen solchen Wortlaut zu wählen. Stattdessen seien sie – 53 EKMR, Beschl. v. 26.  05. 1975, Nr. 6780/74 (Zypern/Türkei); EGMR, Urt. v. 23. 03. 1995, Nr. 15318/89 (Loizidou/Türkei); EGMR, Urt. v. 10. 05. 2001, Nr. 25781/94 (Zypern/Türkei). 54  EGMR, Urt. v. 12. 12. 2001, Nr. 52207/99 (Banković et al./Belgien et al.), Ziff. 46 f. 55 Die Genfer Abkommen stellen keine Menschenrechtsinstrumente, sondern Instrumente des humanitären Völkerrechts dar. Ihre parallele Anwendbarkeit zu den Menschenrechten ist umstritten: Zur Auslegung ihres Art. 1 Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, Rn. 514, zum Verhältnis zu den Menschenrechten Rn. 522 ff. sowie ausführlich Dennis, ILSA JICL 12 (2005/2006), 459 ff.; Gillard, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 25 (35 ff.); Goppel, Killing Terrorists. A Moral and Legal Analysis, 2013, S. 69 ff.; Heintze, SuF 25 (2007), 43; Johann, Menschenrechte im internationalen bewaffneten Konflikt. Zur Anwendbarkeit der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte auf Kriegshandlungen, 2012, S. 125 ff.; H. Krieger, in: Weingärtner (Hrsg.), Die Bundeswehr als Armee im Einsatz. Entwicklungen im nationalen und internationalen Recht, 2010, S. 39 (54 f.); Salomon, AVR 53 (2015), 322 ff.; Schmalz, KritV 99 (2016), 234 ff.; Surholt, Amtshaftung für Handlungen in Auslandseinsätzen der Bundeswehr, 2014, S. 272 ff.; Thym, DÖV 2010, 621 (625 f.); N. B. Wagner, in: FS v. Block-Schlesier, 2010, S. 275 (288 ff.).

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der Gerichtshof stützt sich hier auch auf die Travaux préparatoires – bewusst von der Territorialgeltung als Regelfall der Hoheitsgewalt ausgegangen. Ferner sei die Konvention ein primär regionales Instrument, das primär in einem durch das Gebiet der Vertragsstaaten umrissenen Rechtsraum („espace juridique“) zur Anwendung käme, zu dem Belgrad nicht gehört habe.56 Als „Test“ für das Bestehen von Hoheitsgewalt im Sinne von Art. 1 EMRK führte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, ein Staat müsse „effective control over the relevant territory and its inhabitants“ ausüben.57 Dies sei bei einer militärischen Besetzung, aber nicht bei einem militärischen Angriff der Fall. Er wies die Beschwerde daher ab.58 c)  2002 – 2008: Post-Banković Die grundsätzliche Territorialität von Art. 1 EMRK bekräftigte der Gerichtshof 2002 in einem Verfahren, das sich mit der Zulassung algerischer Kinder in französischen Schulen in Algerien beschäftigte: „Cette conception est ,principalement‘ ou ,essentiellement‘ territoriale […] ; ses autres fondements sont exceptionnels et nécessitent une justification spéciale au regard des circonstances particulière de chaque espèce.“59

Ähnlich wie bereits bezüglich Zyperns befasste sich der EGMR 2004 mit dem Einfluss Russlands und Moldawiens über Transnistrien.60 Transnistrien ist ein quasi-autonomer Teil Moldawiens, der eine Sezession und eine Angliederung an Russland anstrebt. Bezüglich Moldawiens führte das Gericht zunächst aus, die Reichweite von Art. 1 EMRK sei grundsätzlich territorial; diese Reichweite könne aber weiter begrenzt sein, wenn ein Staat etwa aufgrund von Kriegen über einen Teil seines Territoriums effektiv keinerlei Hoheitsgewalt ausüben könne.61 Auch in diesem Fall aber müsse der Staat weiterhin das tun, was ihm noch möglich sei; er müsse etwa verbleibenden Einfluss in der Region nutzen. In diesem Fall wandelten sich Abwehrrechte in positive obligations, die auch über 56  EGMR, Urt. v. 12. 12. 2001, Nr. 52207/99 (Banković et al./Belgien et al.), Ziff. 80. Vgl. zur historischen Genese der Idee eines europäischen Ordnungs- und Rechtsraumes v. Bogdandy/Hinghofer-Szalkay, ZaöRV 73 (2013), 209 ff. 57  A.a.O., Ziff. 71. 58  Das Bundesverfassungsgericht befasste sich in seiner Entscheidung zum Bombardement der Brücke von Varvarin (BVerfG, Urt. v. 13. 08. 2013, Az. 2 BvR 2660/06 – juris) mit einem sehr ähnlichen Sachverhalt, äußert sich darin aber leider nicht zur Frage der territorialen Reichweite. Die Verfassungsbeschwerden waren teils bereits unzulässig, teils aus anderen Gründen unbegründet. 59  EGMR, Urt. v. 14. 05. 2002, Nr. 48205/99 (Gentilhomme et al./Frankreich), Ziff. 20. 60  EGMR, Urt. v. 08. 07. 2004, Nr. 48787/99 (Ilascu et al./Moldawien u. Russland). 61  Ähnlich auch schon EKMR, Beschl. v. 08. 10. 1991, Nr. 18270/91 (Cavit An et al./ Zypern) bzgl. der Hoheitsgewalt Zyperns in Nordzypern.

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

das beherrschte Gebiet hinaus reichen könnten.62 Damit können Schutzpflichten im Vergleich zu Abwehrrechten eine größere Reichweite haben – ein Ergebnis, das vor dem Hintergrund der Debatte zum Grundgesetz (s.o.) überrascht. Der Gerichtshof bejahte bezüglich Moldawiens das Bestehen einer solchen positive obligation. Bezüglich Russlands führte das Gerichtshof aus, der Begriff der Hoheitsgewalt sei grundsätzlich territorial, könne aber in außergewöhnlichen Situationen weiter reichen. Dies sei der Fall, wenn ein Staat etwa durch eine militärische Besetzung tatsächlich effektive Kontrolle über ein Gebiet außerhalb seines Staatsgebietes ausübe.63 Auf die völkerrechtliche Zulässigkeit dieser Besetzung komme es dabei nicht an; ein Vertragsstaat könne sich durch Ultra-vires-Handeln nicht exkulpieren.64 Eine solche Kontrolle – dieses Kriterium entspricht weitgehend dem in Banković genannten – müsse sich nicht auf jeden Sachverhalt erstrecken. Vielmehr reiche eine grundsätzliche Macht über das Gebiet. Es sei unschädlich, wenn im Alltag lokale Behörden handelten und sich der Einfluss des Vertragsstaates auf ein „Dulden oder Gewährenlassen“ (engl. „acquiescence or connivance“) beschränkt.65 Im Ergebnis bejahte der Gerichtshof das Bestehen russischer Hoheitsgewalt in Moldawien. Bis heute bekräftigte er diese Rechtsprechung mehrfach.66 In einem weiteren Verfahren befasste sich der EGMR mit der Gefangennahme des PKK-Führers Abdullah Öcalan. Dieser wurde in Kenia vom türkischen 62 EGMR,

Urt. v. 08. 07. 2004, Nr. 48787/99 (Ilascu et al./Moldawien u. Russland), Ziff. 313, 331. 63  A.a.O., Ziff. 314. Der EGMR beruft sich dabei auf die Grundsätze der Staatenverantwortlichkeit, ohne freilich diesen Verweis zu untermauern und das Verhältnis zwischen der völkergewohnheitsrechtlichen Staatenverantwortlichkeit und dem Anwendungsbereich der Konvention näher zu beschreiben. 64  A.a.O., Ziff. 319 ff. Unterstützend auch High Court of Justice, Queen’s Bench, Urt. v. 17. 03. 2015 (Al-Saadoon et al. v Secretary of State for Defence), [2015] EWHC 715 (Admin), para 74. Vgl. im Gegensatz dazu den Ansatz Heintzens bzgl. Art. 1 Abs. 3 GG (Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände: Eine staatsrechtliche, insbesonders grundrechtskollisionsrechtliche Untersuchung, 1988, S. 143), ähnliche Anklänge auch noch bei EGMR, Urt. v. 12. 12. 2001, Nr. 52207/99 (Banković et al./Belgien et al.), Ziff. 61. 65 EGMR, Urt. v. 08. 07. 2004, Nr. 48787/99 (Ilascu et al./Moldawien u. Russland), Ziff. 315 ff. 66 EGMR, Urt. v. 19. 10. 2012, Nr. 43370/04 (Catan et al./Moldawien u. Russland), Ziff. 102 ff.; EGMR, Urt. v. 23. 02. 2016, Nr. 11138/10 (Mozer/Moldawien u. Russland), Ziff. 96 ff.; EGMR, Urt. v. 30. 08. 2016, Nr. 28648/06 (Turturica u. Casian/Moldawien u. Russland), Ziff. 26 f.; EGMR, Urt. v. 09. 05. 2017, Nr. 26626/11 (Paduret/Moldawien u. Russland), Ziff. 18 f.; EGMR, Urt. v. 09. 05. 2017, Nr. 4224/11 (Eriomenco/Moldawien u. Russland), Ziff. 45 f.; EGMR, Urt. v. 30. 05. 2017, Nr. 1203/05 (Soyma/Moldawien, Russland u. Ukraine), Ziff. 19 ff.; EGMR, Urt. v. 30. 05. 2017, Nr. 13463/07 (Apcov/Moldawien u. Russland), Ziff. 20 ff.

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Geheimdienst mit Wissen und Unterstützung der kenianischen Behörden festgenommen bzw. entführt: „On the final day of his stay in Nairobi, the applicant was informed by the Greek ambassador after the latter had returned from a meeting with the Kenyan Minister for Foreign Affairs that he was free to leave for the destination of his choice and that the Netherlands were prepared to accept him. […] [T]he applicant got into a car driven by a Kenyan official. On the way to the airport, this car left the convoy and, taking a route reserved for security personnel in the international transit area of Nairobi Airport, took him to an aircraft in which Turkish officials were waiting for him.“67

Der Gerichtshof stellte zunächst fest, die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden befreie einen Staat nicht von seinen Bindungen aus der Konvention. Er bejahte das Bestehen von Hoheitsgewalt durch die Türkei, ohne auf die in den Zypern-, Banković- und Transnistrien-Entscheidungen aufgestellten Kriterien näher einzugehen. Der Beschwerdeführer sei spätestens im Moment der Verbringung in ein türkisches Flugzeug auf dem Flughafen Nairobi unter türkischer Hoheitsgewalt gewesen. Zwar habe er sich dort außerhalb des türkischen Territoriums befunden, sei aber effektiv vollumfänglich der „Autorität und Kontrolle“ türkischer Amtsträger ausgeliefert gewesen. Das Bestehen von Hoheitsgewalt im Sinne von Art. 1 EMRK sei daher „common ground“.68 Die territoriale Kontrolle im Sinne der Banković-Entscheidung ist daher auch weiterhin nicht das einzige Kriterium zur Begründung von Hoheitsgewalt.69 Erwähnenswert ist ferner, dass der EGMR bei der Untersuchung, ob für den streitgegenständlichen Grundrechtseingriff eine Rechtsgrundlage bestand, auch allgemeines Völkerrecht berücksichtigte. Er untersuchte also, ob die Gefangennahme als Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers aus Art. 5 EMRK mit dem Völkerrecht in Einklang stand, und prüfte dabei auch die Verletzung von Normen, die nicht individualschützenden Charakter haben. So untersuchte er etwa, ob das Handeln der Türkei mangels völkerrechtlicher Zuständigkeit rechtswidrig war.70 Hier fällt erneut der Gegensatz zum Ansatz Heintzens auf: Wo dieser bei völkerrechtlicher Unzuständigkeit eine Grundrechtsgeltung verneint, verlangt der EGMR für die Rechtfertigung eines Eingriffs völkerrechtliche Zuständigkeit. Er bejahte diese aber, da die türkischen Behörden mit dem Einverständnis Kenias gehandelt hätten.

67 

EGMR, Urt. v. 12. 05. 2005, Nr. 46221/99 (Öcalan/Türkei), Ziff. 17. A.a.O., Ziff. 91. Ähnlich bereits EKMR, Beschl. v. 07. 10. 1980, Nr. 8916/80 (Freda/ Italien); EKMR, Beschl. v. 02. 10. 1989, Nr. 14009/88 (Reinette/Frankreich); EGMR, Urt. v. 19. 03. 1991, Nr. 11755/85 (Stocké/Deutschland); EKMR, Beschl. v. 24. 06. 1996, Nr. 28780/95 (Ramirez Sanchez/Frankreich). 69  So auch schon H. Krieger, ZaöRV 62 (2002), 669 (675). 70  EGMR, Urt. v. 12. 05. 2005, Nr. 46221/99, Ziff. 82. 68 

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

2004 wandte sich der ehemalige irakische Diktator Saddam Hussein zur Verhinderung seiner Hinrichtung an den EGMR. Er stützte seine Beschwerde darauf, am Militäreinsatz im Irak seien auch Vertragsstaaten beteiligt. Diese seien verpflichtet, jedenfalls auf die gesamte Koalition einzuwirken, um Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden.71 Der Gerichtshof wies die Beschwerde dagegen ab, weil im für den Fall relevanten Gebiet die Vertragsstaaten keinerlei Kontrolle hätten. Eine Pflicht, auf alle Menschenrechtsverletzungen auch außerhalb ihrer Hoheitsgewalt verhindernd einzuwirken, kenne die Konvention nicht. Die strategische Fernmeldeaufklärung durch den Bundesnachrichtendienst beschäftigte im Nachgang der oben dargestellten Verfassungsbeschwerde72 ebenfalls den EGMR. Dieser ging jedoch auf die Frage der Hoheitsgewalt nicht ein, da die Beschwerde aus anderen Gründen erfolglos sei.73 Die Bundesregierung ging in dem Verfahren jedenfalls von einer Nichtanwendbarkeit der Konvention aus, da bloße Telekommunikationsüberwachung keine Hoheitsgewalt begründe. In einem ähnlichen Verfahren wandte sich eine in Irland ansässige NGO gegen die Überwachung von Telekommunikationsverbindungen durch britische Nachrichtendienste. Gegenstand war die Überwachung von Verbindungen, die ihren Ausgangspunkt im (nicht-britischen) Ausland haben, aber an Knotenpunkten innerhalb des Vereinigten Königreichs abgefangen wurden.74 Der Gerichtshof ging von der Anwendbarkeit der Konvention aus, ohne die Frage nach Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK auch nur aufzuwerfen.75 Eine Individualbeschwerde eines Marokkaners und zweier marokkanischer Organisationen gegen das Nicht-Einschreiten der dänischen Strafverfolgungsbehörden im Fall der sogenannten „Mohammed-Karikaturen“ wies der Gerichtshof wiederum unter Verweis auf seine Rechtsprechung u.a. im Banković-Urteil ab.76 Die Beschwerdeführer seien Marokkaner, die sich auch in Marokko befänden; es fehle an einem „jurisdictional link“. Diese Begründung ist bemerkenswert, da andererseits die potentiell grundrechtsbeeinträchtigende Handlung – die als diskriminierend gerügten Karikaturen – im Konventionsstaat Dänemark erschienen sind und auch ein staatliches Tätigwerden in Dänemark gefordert wurde. Das Abstellen auf den Wohnsitz der Beschwerdeführer spricht dafür, dass der Gerichtshof für die Frage, ob Jurisdiktion vorliegt, nicht primär auf den Handlungsort, sondern auf den Erfolgsort des behaupteten Eingriffs abstellt. Ferner übertrug der

71 

EGMR, Urt. v. 14. 03. 2006, Nr. 23276/04 (Saddam Hussein/Albanien et al.). BVerfGE 100, 313. 73  EGMR, Urt. v. 29. 06. 2006, Nr. 54934/00 (Weber u. Saravia/Deutschland). 74  EGMR, Urt. v. 01. 07. 2008, Nr. 58243/00 (Liberty et al./UK), Ziff. 5. 75  A.a.O., Ziff. 55. 76  EGMR, Beschl. v. 11. 12. 2006, Nr. 5853/06 (Ben El Mahi et al./Dänemark). 72 

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Gerichtshof hier seine Maßstäbe aus den bisherigen, auf Abwehrrechte konzen­ trierten Entscheidungen ausdrücklich auf positive obligations. Zu einer Beschwerde von sieben Iranern, die im türkisch-iranischen Grenzgebiet von türkischen Helikoptern beschossen wurden, sah der Gerichtshof dagegen keine Veranlassung, sich mit der Frage der Hoheitsgewalt näher auseinanderzusetzen, da die Türkei als Beschwerdegegner nicht behauptet habe, die Beschwerdeführer lägen außerhalb ihrer Jurisdiktion.77 Offenbar versteht er Art. 1 EMRK also als Einwand, der aktiv erhoben werden muss, um die Zulässigkeit der Beschwerde zu verhindern. 2008 und 2009 urteilte der EGMR über zwei Beschwerden, die Schüsse durch die türkische Armee auf Zypern zum Gegenstand hatten. Im Fall Solomou war der Betroffene auf dem türkisch kontrollierten Gebiet erschossen worden. Der Gerichtshof stellte daher fest, jener habe sich unter der Jurisdiktion der Türkei befunden. Ohnehin gestatte Art. 1 EMRK Staaten nicht, im Ausland zu tun, was ihnen im Inland verwehrt wäre.78 Gleichwohl zog der Gerichtshof aus letzterem keine ausdrücklichen Schlüsse und bekennt sich zum „primär territorialen“ Jurisdiktionsverständnis aus dem Banković-Urteil.79 Im eng mit diesem Verfahren verwandten Fall Andreou wurden – im Rahmen derselben Ereignisse – Personen durch die türkische Armee beschossen, die sich im nicht von der Türkei kontrollierten Gebiet aufhielten. Die Schützen jedoch befanden sich weiterhin im türkisch beherrschten Teil Zyperns.80 Im Vorabbeschluss zur Zulässigkeit der Beschwerde stellte der Gerichtshof entscheidend auf den Beschuss aus nächster Nähe ab und bejahte die Hoheitsgewalt der Türkei.81 Der entscheidende Unterschied zum Banković-Fall liege darin, dass sich die Beschwerdeführer in Griechenland, und damit noch im „espace juridique“ der Konvention82 befunden hätten.83 d)  2009 – 2011: Al-Saadoon und Al-Skeini Nachdem er ebenfalls bereits 2009 urteilte, ein Gefangener der britischen Truppen im Irak sei der britischen Jurisdiktion individuell vollständig ausgeliefert

77  EGMR, Beschl. v. 28. 06. 2007, Nr. 60167/00 (Pad et al./Türkei), Ziff. 53 ff.; genauso EGMR, Urt. v. 24. 06. 2008, Nr. 36832/97 (Solomou et al./Türkei), Ziff. 40 f. 78  EGMR, Urt. v. 24. 06. 2008, Nr. 36832/97 (Solomou et al./Türkei), Ziff. 45 ff. 79  A.a.O., Ziff. 43. 80  EGMR, Urt. v. 27. 10. 2009, Nr. 45653/99 (Andreou et al./Türkei), Ziff. 13 ff. 81  EGMR, Beschl. v. 03. 06. 2008, Nr. 45643/99 (Andreou et al./Türkei), A. 3. c. 82  Dazu EGMR, Urt. v. 12. 12. 2001, Nr.  52207/99 (Banković et al./Belgien et al.), Ziff. 80. 83  EGMR, Beschl. v. 03. 06. 2008, Nr. 45643/99 (Andreou et al./Türkei), A. 3. c.

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

und die Konvention sei daher auf ihn anwendbar84, schickte sich der Gerichtshof im Al-Skeini-Verfahren im Zusammenhang mit der Besetzung des Iraks an, seine bis dahin eher fragmentierte Rechtsprechung zur Frage der extraterritorialen Wirkung der EMRK zu systematisieren.85 Die Gewährleistungen der Konvention seien prinzipiell territorialer Natur. Eine Ausweitung auf Sachverhalte außerhalb des Staatsgebiets der Vertragsstaaten komme in zwei grundsätzlichen Varianten in Betracht: Einerseits bei einer individuellen Kontrolle des gegenständlichen Sachverhalts durch Akteure dieses Vertragsstaates86, andererseits bei einer grundsätzlichen Gesamtkontrolle über ein Gebiet, insbesondere durch eine militärische Macht.87 In der ersten Variante komme es auf eine vollständige Kontrolle der Umstände an; die Hoheitsgewalt sei hier primär personenorientiert. In der zweiten Variante hingegen müsse diese Kontrolle nur im Allgemeinen feststehen, ohne dass ein Beweis für die tatsächliche Kontrolle über den Sachverhalt erbracht werden müsste. Hier sei Hoheitsgewalt in erster Linie gebietsorientiert. Die erste Variante – individuelle Kontrolle – lasse sich in drei Unterkategorien gliedern: Erstens Handlungen diplomatischer oder konsularischer Akteure, die stets konventionsgebunden seien.88 Zweitens Handlungen von Organen eines Vertragsstaates, die für diesen in einem anderen Staat wie im Inland tätig würden. Als Beispiel nannte der EGMR hier den Liechtenstein-Fall.89 Solche Situationen basierten in der Regel auf zwischenstaatlichen Übereinkünften. Drittens eine sonstige klare Beherrschung eines Grundrechtseingriffs im Ausland durch Amtsträger eines Vertragsstaates, wie im Öcalan-Fall.90 In diesen Varianten liege Hoheitsgewalt im Sinne von Art. 1 EMRK auch jenseits des Staatsgebietes vor. Im Ergebnis erkannte der Gerichtshof in Anlehnung an seine Rechtsprechung im Banković-Fall eine Konventionsbindung Großbritanniens im Irak an. Den Verweis Großbritanniens auf die Figur des „espace juridique“ wies er von sich; ein

84 EGMR, Beschl. v. 30.  06.  2009, Nr. 61498/08 (Al-Saadoon u. Mufdhi/UK), Ziff. 84 ff. 85  EGMR, Urt. v. 07. 07. 2011, Nr. 55721/07 (Al-Skeini et al./UK). Eine ähnliche „Auffächerung“ findet sich auch schon in EGMR, Urt. v. 16. 11. 2004, Nr. 31821/96 (Issa et al./ Türkei). 86  EGMR, Urt. v. 07. 07. 2011, Nr. 55721/07 (Al-Skeini et al./UK), Ziff. 133 ff. 87 A.a.O., Ziff. 138. Als Beispiel dafür nennt der Gerichtshof die Zypern-Fälle, EKMR, Beschl. v. 26. 05. 1975, Nr. 6780/74 (Zypern/Türkei); EGMR, Urt. v. 23. 03. 1995, Nr. 15318/89 (Loizidou/Türkei); EGMR, Urt. v. 10. 05. 2001, Nr. 25781/94 (Zypern/Türkei). 88  Vgl. etwa EKMR, Beschl. v. 25. 09. 1965, Nr. 1611/62 (X/BR Deutschland). 89  EKMR, Beschl. v. 14. 07. 1977, Nr. 7289/75 (X/Schweiz). Abgrenzend davon nennt der EGMR auch den Andorra-Fall, bei dem diese Organe eben nicht mehr für den Vertragsstaat, sondern für den Zielstaat tätig gewesen seien, EGMR, Urt. v. 26. 06. 1992, Nr. 12747/87 (Drozd u. Janousek/Frankreich u. Spanien). 90  EGMR, Urt. v. 12. 05. 2005, Nr. 46221/99 (Öcalan/Türkei).

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solches Konstrukt sei kein grundsätzlicher Teil der Dogmatik der Konvention.91 Das Al-Skeini-Urteil wurde teils als eine weitere Kehrtwende in der Rechtsprechung des Gerichtshofes angesehen.92 In einem Sondervotum kritisierte der maltesische Richter Giovanni Bonello die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs mit scharfen Worten und bezeichnet sie als „one of those infelicitous legal fictions a court of human rights can well do without.“93 Er forderte dazu auf, sich auf die Grundlagen und den Telos der Konvention zurückzubesinnen, anstatt die bestehende Dogmatik, welche den Menschenrechtsschutz pervertiere, weiterzuentwickeln: „My guileless plea is to return to the drawing board. To stop fashioning doctrines which somehow seem to accommodate the facts, but rather, to appraise the facts against the immutable principles which underlie the fundamental functions of the Convention.“94

Die Konvention sei – wie schon die Präambel feststelle – ein Instrument des universellen Menschenrechtsschutzes. Jurisdiktion im Sinne des Art. 1 EMRK liege vor, wenn ein Staat die Kontrolle darüber habe, ob eine Menschenrechtsverletzung begangen werde oder nicht, und wenn er die Macht habe, die Verantwortlichen für die Verletzung zur Rechenschaft zu ziehen: „Jurisdiction means no less and no more than ,authority over‘ and ,control of‘. […] The duties assumed through ratifying the Convention go hand in hand with the duty to perform and observe them. Jurisdiction arises from the mere fact of having assum­ ed those obligations and from having the capability to fulfil them (or not to fulfil them).“95

e)  Neuere Entscheidungen 2012 urteilte der EGMR zu sogenannten Push-back-Operationen. Die italienische Marine hatte aus Libyen stammende Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer aufgebracht und nach Libyen zurückbefördert.96 Der Gerichtshof betonte wieder, Hoheitsgewalt sei primär territorial zu verstehen. Sie liege aber auch vor, wenn ein Sachverhalt unter der vollständigen Kontrolle eines Vertragsstaates bzw. von deren Akteuren liege.97 Ferner seien Hochseeschiffe eines Staates völkerrecht91 

EGMR, Urt. v. 07. 07. 2011, Nr. 55721/07 (Al-Skeini et al./UK), Ziff. 110, 141 f. Supreme Court, Al-Waheed und Serdar Mohammed v Ministry of Defence, [2017] UKSC 2 (26): „widely regarded as a radically different approach“. 93  A.a.O., Concurring Opinion of Judge Bonello, Ziff. 14. 94  A.a.O., Ziff. 8. 95  A.a.O., Ziff. 12 f. 96  EGMR, Urt. v. 23. 02. 2012, Nr. 27765/09 (Hirsi Jamaa et al./Italien). 97  A.a.O., Ziff. 71 ff. 92 UK

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

lich diesem Staat zuzuordnen98, weshalb diese auch Art. 1 EMRK unterlägen.99 Die EMRK sei bezüglich auf dem Mittelmeer aufgebrachter Flüchtlingsboote voll anwendbar. Diese Maßstäbe wandte der Gerichtshof 2017 auch auf sofortige Zurückweisungen an Festlandgrenzen an: Am Grenzzaun der spanischen Exklave Melilla in Nordafrika übe der Konventionsstaat Spanien zwar – soweit der Grenzzaun noch nicht überschritten ist – keine territoriale Kontrolle aus, wohl aber personale Kontrolle gegenüber jenen, die versuchen, die Grenze zu überschreiten, auch wenn sich diese noch auf marokkanischem Gebiet befänden.100 Ferner entschied der Gerichtshof 2012 über die Beschwerde zahlreicher früherer Bewohner des Chagos-Archipels. Sie wurden zwischen 1967 und 1973 zwangsweise auf andere Inseln umgesiedelt, um im Rahmen einer Vereinbarung zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten Raum für eine Militärbasis zu schaffen.101 Der Gerichtshof stellte zunächst fest, eine Erstreckungserklärung gemäß Art. 56 EMRK sei bezüglich des Archipels nicht abgegeben worden.102 Er stellte anschließend erneut seine im Fall Al-Skeini systematisierte Rechtsprechung dar103 und betonte dabei in Übereinstimmung mit dem Banković-Urteil die grundsätzliche Territorialität der Konvention. Hier liege ein extraterritorialer Eingriff vor, denn abzustellen sei auf die tatsächliche Eingriffswirkung und nicht etwa auf den Ort, an dem die Entscheidung der Umsiedlung getroffen wurde.104 In der Folge setzte sich der Gerichtshof mit dem Verhältnis zwischen Art. 1 EMRK und Art. 56 EMRK auseinander. Letztere Norm, die eine Geltung der Konvention in abhängigen Überseegebieten nur nach entsprechender Erklärung vorsieht, sei nach wie vor in Kraft und kein koloniales Relikt. Auch könne die Norm nicht aufgrund des breiteren Fokus von Art. 1 außer Acht gelassen werden: Eine solche Lösung ließe keinen Anwendungsbereich mehr für Art. 56. Ob in besonderen Fallgruppen gleichwohl Jurisdiktion nach Art. 1 EMRK trotz fehlender Erstreckung nach Art. 56 EMRK vorliegen könne, ließ der Gerichtshof offen.105 Ein weiteres Urteil beschäftigte sich mit einem Kunstfehler eines deutschen, in Großbritannien praktizierenden Arztes. Dieser verursachte – in Großbritannien – den Tod eines dortigen Patienten. Die Beschwerdeführer rügten, Deutschland habe durch die Nicht-Weitergabe von Informationen zur Zuverlässigkeit des Arz98 

Dazu s.o. unter B. II. Ziff. 75. Gleiches gilt für von einem Staat aufgebrachte Schiffe, so schon EGMR, Urt. v. 29. 03. 2010, Nr. 3394/03 (Medvedyev et al./Frankreich). 100  EGMR, Urt. v. 03. 10. 2017, Nr. 8675/15 (N.D. u. N.T./Spanien), Ziff. 52 ff. 101  EGMR, Beschl. v. 11. 12. 2012, Nr. 35622/04 (Chagos Islanders/UK), Ziff. 7 f. Zum Hintergrund ausführlich Allen, The Chagos Islanders and International Law, S. 1 ff. 102  EGMR, Beschl. v. 11. 12. 2012, Nr. 35622/04, Ziff. 61 f. 103  A.a.O., Ziff. 70. 104  A.a.O., Ziff. 65 f. 105  A.a.O., Ziff. 71 ff. 99  A.a.O.,

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tes seine positive obligations aus der Konvention verletzt.106 Der Gerichtshof verneinte dies aus Gründen, die nicht mit Art. 1 EMRK in Zusammenhang stehen. Die Frage nach der Hoheitsgewalt thematisierte er an keiner Stelle, was bisweilen in der Literatur die Vermutung hervorgerufen hat, er gehe völlig selbstverständlich von der Existenz extraterritorialer Schutzpflichten aus.107 Wenig später beschäftigte sich der EGMR erneut mit der britischen Besatzungsmacht im Irak. Der Bruder des Beschwerdeführers war unter ungeklärten Umständen in der Gefangenschaft der britischen Streitkräfte zu Tode gekommen.108 Der Gerichtshof wandte hier die Maßstäbe der Al-Skeini-Entscheidung an und kam zum Ergebnis, unabhängig von der Frage nach territorialer Kontrolle sei jedenfalls ein Gefangener individuell voll und ganz dem Vertragsstaat ausgeliefert, weshalb Jurisdiktion vorliege.109 Dies gelte ausdrücklich auch innerhalb des Anwendungsbereiches des humanitären Völkerrechts, d. h. während eines bewaffneten Konflikts. Im November 2014 fasste der Gerichtshof die Maßstäbe aus dem Al-SkeiniUrteil nochmals zusammen und bestätigte die Konventionsbindung bei militärischer Besetzung eines Gebietes. Daran ändere sich auch bei gemeinsamen Militäreinsätzen mit anderen Staaten nichts.110 2015 zog der EGMR zur Beurteilung von Akten der armenischen Streitkräfte in der umstrittenen Provinz Bergkarabach die vergleichbaren Zypern- und Transnistrien-Fälle heran und sah diese ausdrücklich als Teil der in Al-Skeini konsolidierten Dogmatik zu Art. 1 EMRK.111 Die Autonome Republik Bergkarabach befindet sich auf aserbeidschanischem Territorium, wird aber von einer armenien-nahen Sezessionsregierung mit Unterstützung armenischer Truppen kontrolliert. In einem spiegelbildlichen Fall zur Verantwortlichkeit Aserbeidschans für Militäroperationen an der Grenze zu Bergkarabach betonte der Gerichtshof erneut, auf dem eigenen Staatsgebiet sei vom Bestehen von Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK auszugehen; es sei an Aserbeidschan, diese Vermutung zu erschüttern.112 In einem im September 2016 ergangenen Urteil zu einer Beschwerde früherer nepalesischer Soldaten in britischen Diensten (Gurkhas), die sich gegen ihre im 106 

EGMR, Urt. v. 22. 05. 2014, Nr. 49278/09 (Gray/Deutschland). Kanalan, Extraterritoriale Staatenpflichten jenseits der Hoheitsgewalt?, http:// www.juwiss.de/82 – 2014/[25. 09. 2017]. 108  EGMR, Urt. v. 16. 09. 2014, Nr. 29750/09 (Hassan/UK), Ziff. 10 ff. 109  A.a.O., Ziff. 75 ff. 110  EGMR, Urt. v. 20. 11. 2014, Nr. 47708/08 (Jaloud/Niederlande), Ziff. 140 ff. 111  EGMR, Urt. v. 16. 06. 2015, Nr. 13216/05 (Chigarov et al./Armenien), Ziff. 167 ff.; vgl. auch EGMR, Urt. v. 24. 11. 2016, Nr. 11275/07 (Muradyan/Armenien), Ziff. 122 ff. 112  EGMR, Urt. v. 16. 06. 2015, Nr. 40167/06 (Sargsyan/Aserbeidschan), Ziff. 129 f. 107 

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Vergleich zu britischen Soldaten schlechtere Altersversorgung wandten, ging der Gerichtshof hingegen nicht einmal auf Art. 1 EMRK ein, obgleich die Soldaten bis 1997 in der bis dato britischen Kolonie Hongkong stationiert waren.113 Ebenfalls im September 2016 befasste sich der Gerichtshof mit einer Beschwerde gegen die Entscheidung der niederländischen Strafverfolgungsbehörden, leitende Offiziere der in Srebrenica stationierten Heereseinheiten nicht dafür zu belangen, dass sie das dort 1995 stattgefundene Massaker114 nicht verhindert haben. Das Gericht verwies zunächst darauf, innerhalb der Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 1 EMRK folge aus dem in Art. 2 EMRK garantierten Recht auf Leben auch eine staatliche Pflicht, gewaltsame Tötungen aufzuklären.115 Nicht klar ist an dieser Stelle, ob die Tötung, um eine Aufklärungspflicht auszulösen, innerhalb der Jurisdiktion des Vertragsstaates stattgefunden haben muss116; der Verweis auf Art. 1 EMRK diente dem Gerichtshof an dieser Stelle nur dazu, die personelle Universalität der Konventionsrechte („allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen“, Hervorhebung des Verfassers) zu unterstreichen. An keiner Stelle im Beschluss ging er hingegen auf die Frage der Jurisdiktion näher ein. Die Beschwerde war erfolglos, da die Ermittlungen ausreichend gewesen seien.117 In einem späteren Verfahren, das sich mit Ermittlungen zu einem Todesfall in Zypern beschäftigte, wurde klargestellt, die Aufklärungspflicht unterliege ebenfalls den Anforderungen des Art. 1; ein Staat müsse hinreichende Ermittlungen primär dann betreiben, wenn sich das Opfer unter seiner Hoheitsgewalt befunden habe, ausnahmsweise bestehe eine dahingehende konventionsrechtliche Verpflichtung aber auch dann, wenn sich Tatverdächtige unter seiner Hoheitsgewalt befinden und er davon Kenntnis erlangt.118 Im Januar 2017 wies der Gerichtshof darauf hin, dass auch die Entscheidung, ob Zugang zum Staatsgebiet gewährt werde oder nicht, unter den Begriff der Jurisdiktion im Sinne der Konvention falle. Auch wenn eine solche Kontrolle auf 113  EGMR, Urt. v. 15. 09. 2016, Nr. 44818/11 (British Gurkha Welfare Society et al./ UK), Ziff. 7. 114  Zu diesem mit ausführlichen Darstellungen und völkerstrafrechtlicher Bewertung ICTY, Urt. v. 19. 04. 2004, Nr. IT-98 – 33-A (Krstic). 115  EGMR, Beschl. v. 30. 09. 2016, Nr. 49037/15 (Mustafic-Mujic et al./Niederlande), Ziff. 100. Ebenso EGMR, Urt. v. 04. 10. 2016, Nr. 40001/08 (Abdulkhadzhiyeva u. Abdulkhadzhiyev/Russland), Ziff. 78. 116  Diese Frage wird auch im bereits erwähnten Beschluss zu den Mohammed-Karikaturen – EGMR, Beschl. v. 11. 12. 2006, Nr. 5853/06 (Ben El Mahi et al./Dänemark) – nicht beantwortet, da dort nicht eine verletzte Aufklärungspflicht, sondern eine Diskriminierung aufgrund der Religion in Abrede stand. 117  EGMR, Beschl. v. 30. 09. 2016, Nr. 49037/15, Ziff. 13. 118 EGMR, Urt. v. 04. 04. 2017, Nr. 36925/07 (Güzelyurtlu et al./Zypern u. Türkei), Ziff. 186 f.

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einem Schiff noch vor Betreten der Hoheitsgewässer erfolge, so bestehe doch eine hinreichende Verbindung zur territorialen Jurisdiktion.119 f)  Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der EGMR im Vergleich zum Bundesverfassungsgericht eine um ein Vielfacheres umfangreichere, wenngleich zum Teil inkohärente Dogmatik zur Lösung extraterritorialer Grundrechtsprobleme entwickelt hat. Nach seiner Lösung ist die Bindung der Vertragsstaaten an die Konvention grundsätzlich auf Handlungen und Wirkungen in ihrem Territorium beschränkt.120 Sie kann sich sogar auf einen Teil des Territoriums beschränken, wenn weitergehende Teile des Staatsgebietes von dem Vertragsstaat faktisch nicht mehr beherrscht werden.121 Auch dann aber bestehen Schutzpflichten, die den Staat dazu verpflichten, seinen verbleibenden Einfluss so weit wie möglich zur Durchsetzung der EMRK einzusetzen.122 Während Kommission und Gerichtshof die Anwendung der Konvention außerhalb des Staatsgebietes der Unterzeichnerstaaten anfangs bei tatsächlichem extraterritorialen Staatshandeln vergleichsweise umstandslos bejahten123, setzte sich später der Grundsatz durch, die Geltung im Ausland sei ein begründungsbedürftiger Ausnahmefall.124 Freilich wird mal der Grundsatz, mal die Ausnahme betont. Der Gerichtshof legt jedenfalls ausführlich dar, dass die Konvention im Ausland bei grundsätzlicher Kontrolle über ein Gebiet oder individueller Kontrolle über einen Sachverhalt gilt, wobei die zweite Gruppe weiter unterteilt werden kann in eine vereinbarte Auslandstätigkeit „wie im Inland“, eine diplomatische oder konsularische Tätigkeit oder einen sonstigen Grundrechtseingriff, der durch Amtsträger eines Vertragsstaates beherrscht wird.125 Ein Indiz für die Gebietskontrolle hingegen ist die Ausübung von üblicherweise der Regierung vorbehaltenen Maßnahmen in diesem Gebiet.126 Unklar ist, ob diese Maßstäbe auch für positive obligations grundsätzlich gelten.127 119  EGMR, Urt. v. 12. 01. 2017, Nr. 12552/12 (Kebe et al./Ukraine), Ziff. 76. Vgl. auch EGMR, Urt. v. 03. 10. 2017, Nr. 8675/15 (N.D. u. N.T./Spanien). 120  EGMR, Urt. v. 14. 05. 2002, Nr. 48205/99 (Gentilhomme et al./Frankreich), Ziff. 20. 121  EKMR, Beschl. v. 08. 10. 1991, Nr. 18270/91 (Cavit An et al./Zypern). 122  EGMR, Urt. v. 08. 07. 2004, Nr. 48787/99 (Ilascu et al./Moldawien u. Russland), Ziff. 331. 123  EKMR, Beschl. v. 26. 05. 1975, Nr. 6780/74 (Zypern/Türkei), Ziff. II/8. 124  EGMR, Urt. v. 12. 12. 2001, Nr. 52207/99 (Banković et al./Belgien et al.), Ziff. 80 ff. 125  EGMR, Urt. v. 07. 07. 2011, Nr. 55721/07 (Al-Skeini et al./UK), Ziff. 133 ff. 126  A.a.O., Ziff. 149. 127  Dafür spricht EGMR, Beschl. v. 11. 12. 2006, Nr. 5853/06 (Ben El Mahi et al./Dänemark). In diese Richtung auch Lawson, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 83 (106). Vgl. auch Milanovic, EJIL 23 (2012), 121 (132).

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

Nicht in diese Systematik fügen sich die Auslieferungsfälle ein.128 Sie stellen sich als Spezialfall dar, wobei dies freilich daraus folgen kann, dass hier die primäre Ausübung von Staatsgewalt, die Abschiebung, im Inland erfolgt und nur der unmittelbar grundrechtsverkürzende Effekt im Ausland auftritt. 3.  Stellungnahmen der Literatur Die frühe Literatur beschäftigte sich oft nur am Rande mit der Frage der territorialen Reichweite der Konvention.129 Sie ging dabei grundsätzlich von einer weitgehenden extraterritorialen Geltung aus: „Narrow territorial interpretation of human rights treaties is anathema to the basic idea of human rights, which is to ensure that a state should respect human rights of persons over whom it exercises jurisdiction.“130

Eine umfangreichere Beschäftigung folgte in der Reaktion auf die Zypern-Fälle. Dabei war die Reaktion auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere die Bejahung der extraterritorialen Bindung der Türkei in Nordzypern, überwiegend positiv.131 Der EGMR habe die Anforderungen eines effektiven Grundrechtsschutzes gut und praktikabel erfüllt.132 Lediglich vereinzelt wird kritisiert, die Türkei treffe eine unzulässige „Ersatzhaftung“ anstelle Nordzyperns, das kein Vertragsstaat ist.133 Auch die Banković-Entscheidung wurde teils verteidigt. Dem Vorwurf des Systembruches gegenüber bisherigen Entscheidungen134 wurde von mehreren Seiten widersprochen: Die Entscheidung füge sich in die bisherige Systematik ein; es gebe keine Inkonsistenzen zwischen den Zypern-Entscheidungen und Banković.135 Giegerich widerspricht dem Urteil zwar, geht aber davon aus, dass der Gerichtshof in der Folge einer anderen Rechtsprechung überfordert wäre und zahlreiche Konflikte mit Drittstaaten aufträten.136 128 

Vgl. grundlegend EGMR, Urt. v. 07. 07. 1989, Nr. 14038/88 (Soering/UK). Vgl. z. B. Echterhölter, JZ 1956, 142 (143). 130  Meron, AJIL 89 (1995), 78 (82). Ähnlich auch Cerone, EJIL 12 (2001), 469 (479 f.). 131  Frowein, in: FS Schlochauer, 1981, S. 289 (290 ff.); Tavernier, RTDH 2002, 807 (834 f.). Ebenso Loucaides, LJIL 15 (2002), 225 (235 f.), der in den Verfahren freilich teils selbst als Richter mitgewirkt hat. 132 So Hoffmeister, AJIL 96 (2002), 445, der auch anmerkt, die Entscheidung Zypern/ Türkei aus dem Jahr 2001 (EGMR, Urt. v. 10. 05. 2001, Nr. 25781/94 [Zypern/Türkei]) sei die bis dahin längste in der Geschichte des Gerichtshofes. 133  Rumpf, EuGRZ 1992, 457 (465). 134  M. Breuer, EuGRZ 2003, 449 (450); Mantouvalou, IJHR 9 (2005), 147. 135  O’Boyle, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 125 (139); Ress, IYIL 12 (2002), 51; Tomuschat, Human Rights: Between Idealism and Realism, Oxford 2008, S. 128. 129 

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Aus dem überwiegenden Teil der Literatur traf den Gerichtshof aber beißende Kritik. Lawson schreibt schlicht: „The Court got it all wrong.“137 Er sieht das Banković-Urteil als Einknicken gegenüber einem Angriff auf die Menschenrechte im Zuge des Krieges gegen den Terror.138 Teils wurde dem Gerichtshof gar vorgeworfen, er schaffe durch sein Urteil einen Anreiz, Personen eher zu töten als gefangenzunehmen.139 Banković sei „unhaltbar“.140 Es spiele für ein Opfer keine Rolle, ob es von Polizeikugeln oder NATO-Bomben getötet werde.141 136

Über diese grundsätzliche Kritik hinaus fand vor allem die Behauptung, die Konvention sei ein regionales Instrument, das nur für die Verwendung innerhalb eines bestimmten „espace juridique“ gedacht sei142, kaum Zustimmung im Schrifttum.143 Sie stelle einen Rückfall in das Völkerrecht des 19. Jahrhunderts dar144 und befördere Regionalismus, wo schon der Begriff der Menschenrechte dagegen spreche.145 Gleichwohl sei diese Behauptung für das Urteil wohl letztlich nicht tragend146

136  Giegerich, EuGRZ 2004, 758 (764). Zur Überforderung als möglichem Hintergrundmotiv auch Happold, HRLR 3 (2003), 77 (84); Jankowska-Gilberg, Extraterritorialität der Menschenrechte, S. 62. Zur Notwendigkeit der Fähigkeit, Menschenrechte auch durchzusetzen, A. Peters, AVR 48 (2010), 1 (38). 137  Lawson, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 83 (85). 138  A.a.O. (115 f.). So auch Marx, KJ 39 (2006), 151 (167). 139  Coomans/Kamminga, in: dies. (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, Antwerpen 2004, S. 1 (4); darauf verweisend F. Becker, in: Baade et al. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit im Völkerrecht, 2016, S. 19 (25); Strüwer, Zum Zusammenspiel von humanitärem Völkerrecht und den Menschenrechten am Beispiel des Targeted Killing, 2010, S. 166. Diesen Vorwurf erhebt auch Bonello in seinem Sondervotum in EGMR, Urt. v. 07. 07. 2011, Nr. 55721/07 (Al-Skeini et al./UK), Concurring Opinion of Judge Bonello, Ziff. 15. 140  Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, Rn. 371. 141  v. Arnauld, in: Weingärtner (Hrsg.), Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 61 (67). Für eine Differenzierung zwischen „polizeilichen“ und echten militärischen Auslandseinsätzen, wobei auch erstere durchaus mit Streitkräften ausgeführt werden können, Marauhn, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 44 (2010), S. 249 (271 f.). 142  EGMR, Urt. v. 12. 12. 2001, Nr. 52207/99 (Banković et al./Belgien et al.), Ziff. 80. 143  Bothe, ZaöRV 65 (2005), 615 (618 ff.); Gondek, NILR 52 (2005), 349 (377); Lehnert, Frontex und operative Maßnahmen, S. 193; Williams, Wisconsin ILJ 23 (2005), 687 (714 f.). Bothe stimmt der Entscheidung freilich im Übrigen zu. 144  Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, Rn. 371; a.A. Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte. Zugleich ein Beitrag zum Individualschutz in bewaffneten Konflikten, 2005, S. 123 f. 145  Milanovic, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, Oxford 2011, S. 109. 146  Bothe, in: FS Tomuschat, 2006, S. 63 (71); Gondek, The Reach of Human Rights in a Globalising World: Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, Antwer-

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

und spiele in der weiteren Rechtsprechung des Gerichtshofs keine Rolle mehr.147 Zahlreiche Stimmen treten der Sicht entgegen, Banković passe in die bisherige Struktur des extraterritorialen Menschenrechtsschutzes, wie sie von den Zypern-Fällen geprägt wurde. Die Entscheidung sei eine Abkehr von dem bisherigen, weiten Ansatz, was die Formulierungen des Gerichtes nur schwer verbergen könnten.148 Sie schränke die bisherige Rechtsprechung stark ein; auch stünden die historischen Argumente mit Bezug auf die Travaux préparatoires im Widerspruch zum sonst vom Gerichtshof 149 betonten Charakter der EMRK als „living instrument“. Die Realitäten der extraterritorialen Staatstätigkeit hätten sich in den Jahrzehnten seit Erarbeitung der Konvention massiv verändert.150 Ferner wurde dem EGMR vorgeworfen, er halte in der späteren Öcalan-Entscheidung151 seine eigenen Grundsätze nicht aufrecht, sondern flüchte sich in Feinheiten.152 Weit verbreitet ist als Alternative zur Sichtweise des EGMR ein Ansatz, der dem Wirkungsprinzip in der Debatte unter dem Grundgesetz153 ähnelt. Hoheitsgewalt liege überall dort vor, wo ein Vertragsstaat faktisch in der Lage sei, die Grundrechte zu verletzen.154 Es gehe nicht um die Beherrschung eines Gebietes, sondern schlicht um „cause and effect“.155 Lawson156 zitiert Oliver Wendell Holmes: „The foundation of [bei Lawson fälschlich: for, d. Aut.] jurisdiction is pen 2009, S. 374 f.; Johann, Menschenrechte im internationalen bewaffneten Konflikt, S. 82 ff.; Wilde, EHRLR 2005, 115 (122 f.). 147  So auch High Court of Justice, Queen’s Bench, Urt. v. 17. 03. 2015, [2015] EWHC 715 (Admin), para 50. 148  Happold, HRLR 3 (2003), 77 (84); Johann, Menschenrechte im internationalen bewaffneten Konflikt, S. 72 f.; Mantouvalou, IJHR 9 (2005), 147; Rüth/Trilsch, AJIL 97 (2003), 168 (172). 149  EGMR, Urt. v. 25. 04. 1978, Nr. 5856/72 (Tyrer/UK), Rn. 31. 150  Gondek, NILR 52 (2005), 349 (350 f.); Surholt, Amtshaftung für Handlungen in Auslandseinsätzen, S. 266 f.; vgl. auch Abdel-Monem, JTLP 14 (2005), 159 f.; M. Breuer, EuGRZ 2003, 449 (450); A. Peters, AVR 48 (2010), 1. 151  EGMR, Urt. v. 12. 05. 2005, Nr. 46221/99 (Öcalan/Türkei). 152  M. Breuer, EuGRZ 2005, 471 (472). 153  Dazu siehe C. III. 2. 154  Gondek, The Reach of Human Rights in a Globalising World, S. 376 f.; Scheinin, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, Antwerpen 2004, S. 73 (80); erwägend auch De Schutter, International Human RIghts Law, S. 186 f.; zumindest bzgl. Abwehrrechten auch Schäfer, Zum Verhältnis von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht, 2006, S. 31. 155  Altiparmak, JCSL 9 (2004), 213 (232). 156  Lawson, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 83; ebenso Milanovic, Extraterritorial Application, S. 40.

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physical power.“157 Milanovic befürwortet ein solches Verständnis für Abwehrrechte, möchte positive obligations dagegen weiterhin von territorialer Kontrolle abhängig machen.158 Andere Stimmen widersprechen einem solchen „Cause and effect“-Ansatz. Art. 1 EMRK verlange eben mehr als bloß die Verletzung eines Konventionsrechts; die völkerrechtliche Hoheitsgewalt eines Vertragsstaates müsse zusätzlich gegeben sein.159 Erberich stellt fest, der Wortlaut der Norm selbst sei ambivalent und lasse beide Deutungen zu.160 Die Ordre-public-Funktion der EMRK spreche für ihre universelle Anwendung, ebenso als Argumentum e contrario die Möglichkeit der Einschränkung von Rechten im Krieg (Art. 15 Abs. 2).161 Auch Grabenwarter stimmt dem Gerichtshof in seiner Rechtsprechung insgesamt zu, mahnt aber eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles an.162 Ein klarer Alternativansatz scheint sich somit trotz der weitreichenden Attacken auf die Banković-Entscheidung noch nicht entwickelt zu haben, wenn auch das Wirkungsprinzip an Anhängern gewinnt. Noch zurückhaltender, aber ebenfalls mit zunehmender Sympathie, werden extraterritoriale Schutzpflichten gesehen.163 4.  Zwischenergebnis Entgegen anderslautender Vorwürfe hat der EGMR spätestens in der Al-SkeiniEntscheidung164 eine ausführliche, wenn auch stark fallbasierte und unterteilte Dogmatik entwickelt, um die bisherige Rechtsprechung zu systematisieren. Banković war in dieser Rechtsprechung weder ein Ausreißer, noch eine vollständige Kehrtwende. Die Entscheidung stellt aber eine deutliche Änderung der Betonung 157 

US Supreme Court, McDonald v. Mabee, 243 U.S. 90, 91 (1917). Milanovic, Harv.Intl.L.J. 56 (2015), 81 (118 f.); ders., in: Gammeltoft-Hansen/ Vedsted-Hansen (Hrsg.), Human Rights and the Dark Side of Globalisation. Transnational Law enforcement and migration control, New York 2017, S. 53 (58 f.). So auch Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt durch die deutsche auswärtige Gewalt, 2016, S. 67. Anders EGMR, Urt. v. 23. 02. 2012, Nr. 27765/09, Concurring Opinion of Judge Pinto de Albuquerque; Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 256 ff. 159  McGoldrick, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, Antwerpen 2004, S. 41 (46); Talmon, Sachverständigengutachten, https://www.bundestag.de/blob/282872/2b7b605da4c13cc2bc512c9c899953c1/mat_a_ sv-4 – 2_talmon-pdf-data.pdf [25. 09. 2017]. 160  Erberich, Auslandseinsätze der Bundeswehr, S. 16 ff. 161  A.a.O., S. 19. 162  Grabenwarter, in: Depenheuer/Grabenwarter (Hrsg.), Der Staat in der Flüchtlingskrise. Zwischen gutem Willen und geltendem Recht, 2016, S. 88 (96). 163  De Schutter, International Human Rights Law, S. 188 f. 164  EGMR, Urt. v. 07. 07. 2011, Nr. 55721/07 (Al-Skeini et al./UK). 158 

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dar. Wurde bislang die Effektivität der Konvention unterstrichen und daraus eine weitreichende Bindung gefolgert165, so setzte der Gerichtshof später zunehmend auf die Regel der territorialen Geltung166. Stellte der Gerichtshof noch 1992 fest: „The term “jurisdiction„ is not limited to the national territory of the High Contracting Parties“167,

so äußert er sich im Banković-Urteil folgendermaßen: „In keeping with the essentially territorial notion of jurisdiction, the Court has accepted only in exceptional cases that acts of the Contracting States performed, or produc­ ing effects, outside their territories can constitute an exercise of jurisdiction by them within the meaning of Article 1 of the Convention.“168

Er entwickelte also zwar keine neue Dogmatik, schlug aber beim Maß der geforderten Kontrolle einen neuen, restriktiven Ton an. In der Vielzahl von Aussagen zur extraterritorialen Geltung liegt ein deutlicher Unterschied zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dies liegt nicht am internationalen Charakter des Straßburger Gerichtshofes – Karlsruhe hätte die Chance, klare Aussagen zu treffen, auch gehabt.169 Im Vergleich macht jedenfalls deutlich, auch wenn die territoriale Reichweite der positive obligations noch nicht abschließend geklärt ist, eine unter bestimmten Umständen größere Reichweite von Schutzpflichten als von Abwehrrechten. Hier zeigt sich ein erkennbarer Unterschied, kreist die Debatte um die extraterritoriale Wirkung von Grundrechten hier doch meist um die Begrenzung des status positivus.170 Man kann den Begriff der Hoheitsgewalt jedenfalls anstatt territorial auch phänomenologisch verstehen171: Für das Opfer ist eine größere „Gewalt“ als ein Bombardement kaum vorstellbar. Auch liest der Gerichtshof den Satzteil „allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen“ als Begrenzung. Er lässt sich aber, mit Betonung auf dem Wort „allen“, auch als expansiv verstehen. Schon im Wortlaut ist Banković daher alles andere als zwingend. 165 

So etwa EKMR, Beschl. v. 26. 05. 1975, Nr. 6780/74 (Zypern/Türkei). z. B. EGMR, Urt. v. 14. 05. 2002, Nr. 48205/99 (Gentilhomme et al./Frankreich), Ziff. 20. 167  EGMR, Urt. v. 26. 06. 1992, Nr. 12747/87 (Drozd u. Janousek/Frankreich u. Spanien). 168  EGMR, Urt. v. 12. 12. 2001, Nr. 52207/99 (Banković et al./Belgien et al.), Ziff. 67. 169  Etwa in BVerfGE 100, 313. 170  S. oben unter C. III., insb. Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (63); Ruthig, in: FS Hilger, 2003, S. 183 (187 ff.). 171 So i.E. auch High Court of Justice, Queen’s Bench, Urt. v. 17. 03. 2015, [2015] EWHC 715 (Admin), para 294; kritisch gegenüber einem reinen Wirkungsprinzip aber Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 09. 09. 2016 (Al-Saadoon et al. v Secretary of State for Defence), [2016] EWCA Civ 811, para 69. 166 Vgl.

II.  Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

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Mehr noch: Im Hinblick auf die Funktion der EMRK als Werteordnung lässt der Gerichtshof die Beschwerdeführer in Banković im (Bomben-)Regen stehen. Wenn er sich für nicht zuständig erklärt, so stehen sie mit leeren Händen da – der Verweis auf die Minimalgarantien des humanitären Völkerrechts hilft ihnen wenig, fehlt es doch an einer justizförmigen Durchsetzungsgarantie oder schon einer neutralen Überprüfungsinstanz. Hilft ihnen Straßburg nicht, so kann ihnen niemand helfen. Die Idee eines „espace juridique“, in welchem die Konvention gelten soll, erinnert an die Reziprozitätsklauseln des klassischen Kriegsvölkerrechts172, weshalb der Vorwurf, der Gerichtshof betreibe hier ein Völkerrecht des 19. Jahrhunderts, nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Gleichwohl scheint diese Idee im Ergebnis keine Rolle für das Urteil gespielt zu haben. In der weiteren Rechtsprechung sorgt sie jedoch für einige Paradoxien: Im Andreou-Verfahren verweist der Gerichtshof darauf, es sei irrelevant, dass sich die Beschwerdeführer nicht unter der territorialen Kontrolle der Türkei befunden haben, weil sie sich in Zypern gleichwohl im Rechtsraum der Konvention aufhielten.173 Im Al-Skeini-Verfahren hingegen verwirft der Gerichtshof die Idee des „espace juridique“174 – was dem Urteil im Andreou-Fall die argumentative Grundlage entzieht. Jedenfalls seitdem aber scheint das Konzept des Rechtsraumes, auf den die Konvention beschränkt ist, verschwunden zu sein. Auch insgesamt scheint die jüngere Rechtsprechung anstelle des im Banković-Urteil eingeschlagenen Kurses wieder expansiv vorzugehen.175

II.  Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR), wie die EMRK ein völkerrechtlicher Vertrag, wurde im Rahmen des UN-Menschenrechtssystems erarbeitet und trat 1976 in Kraft. Er sollte als völkerrechtlich verbindliches Instrument die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte „verrechtlichen“.176 Auch hier sind sogenannte positive obligations grundsätzlich anerkannt.177

172 

Vgl. z. B. Art. 2 der Haager Landkriegsordnung von 1907, RGBl. 1910, S. 132 ff. EGMR, Beschl. v. 03. 06. 2008, Nr. 45643/99 (Andreou et al./Türkei), A. 3. c). 174  EGMR, Urt. v. 07. 07. 2011, Nr. 55721/07 (Al-Skeini et al./UK), Ziff. 110, 141 f. 175  Daher wohl zu stark auf das Banković-Urteil als „Dreh- und Angelpunkt“ fixiert Schmalenbach, in: VVDStRL 76 (2017), S. 245 (266 f.). 176  Hofmann/Boldt, Internationaler Bürgerrechtepakt, 2005, Einl., Rn. 1. 177  Szczekalla, DVBl. 2014, 1108 (1113) m.w.N. 173 

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Als Organ zur Durchsetzung des Paktes wurde der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen (MRA) eingerichtet.178 Einerseits übersenden die Vertragsstaaten nach Aufforderung durch den Ausschuss diesem Berichte über den Stand der Umsetzung, woraufhin dieser zur menschenrechtlichen Lage im entsprechenden Land in sogenannten Concluding Observations (CO) Stellung nimmt.179 Andererseits besteht die Möglichkeit von Staaten- und Individualbeschwerden an den Menschenrechtsausschuss.180 Eine Staatenbeschwerde hat es bislang nicht gegeben.181 Individualbeschwerden sind nur möglich, sofern der betroffene Staat das erste Fakultativprotokoll (FP) zum IPbpR ratifiziert hat.182 Die Durchsetzung des Zivilpaktes wird aufgrund der schwachen Stellung des Ausschusses, des Fehlens eines für alle verpflichtenden Individualbeschwerdesystems und der mangelhaften Umsetzung von Entscheidungen des Ausschusses seit langem als unzureichend angesehen.183 Zugleich ist der IPbpR aber einer der am weitesten verbreiteten völkerrechtlichen Verträge der Welt. 168 Staaten haben ihn bislang unterzeichnet, immerhin 115 davon auch das Fakultativprotokoll.184 Auch im Zivilpakt findet sich für die Frage der extraterritorialen Geltung ein „Wortlautanker“. Art. 2 Abs. 1 IPbpR besagt: „Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, die in diesem Pakt anerkannten Rechte zu achten und sie allen in seinem Gebiet befindlichen und seiner Herrschaftsgewalt unterstehenden [engl. within its territory and subject to its jurisdiction, d. Aut.] Personen ohne Unterschied wie insbesondere der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, 178  Der Menschenrechtsausschuss (Human Rights Committee) ist nicht mit dem Menschenrechtsrat (Human Rights Council) zu verwechseln, der ein Forum für den Menschenrechtsdialog bietet und ebenfalls über ein Beschwerdeverfahren verfügt, das aber nur gegen eklatante, wiederholte Menschenrechtsverletzungen gerichtet ist. Der Menschenrechtsrat wurde durch eine Resolution der Generalversammlung (A/RES/60/251 [2006]) als Nachfolger der ebenfalls davon zu unterscheidenden Menschenrechtskommission (United Nations Commission on Human Rights) gegründet. Die drei Organe werden in der Literatur gelegentlich verwechselt, vgl. N. B. Wagner, NZWehrR 2007, 1. 179  Vgl. Art. 40 IPbpR. Zum Verfahren Buergenthal/Thürer, Menschenrechte. Ideale, Instrumente, Institutionen, 2010, S. 34 ff. 180  Art. 41 IPbpR. 181  Hofmann/Boldt, Einl., Rn. 3. 182  Vgl. Art. 1, 2 FP. 183 Statt vieler Frowein, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VII, 1992, §180, Rn. 34 f.; Lauff, NJW 1981, 2611 (2613 f.); Schmahl, JZ 2014, 220 (222). Zum schwachen rechtlichen Status der Individualbeschwerdeentscheidungen vgl. außerdem v. Staden, KJ 49 (2016), 453 (459 ff.). 184  Deutschland hat sowohl den Pakt als auch das Protokoll ratifiziert. Die Vertragsstaaten finden sich im UN Treaty System, https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails. aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-4&chapter=4&lang=en [25. 09. 2017].

II.  Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

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der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status zu gewährleisten.“

In prozeduraler Hinsicht legt Art. 1 S. 1 des Fakultativprotokolles fest: „Jeder Vertragsstaat des Paktes, der Vertragspartei dieses Protokolls wird, erkennt die Zuständigkeit des Ausschusses für die Entgegennahme und Prüfung von Mitteilungen seiner Herrschaftsgewalt [engl. jurisdiction, d. Aut.] unterstehender Einzelpersonen an, die behaupten, Opfer einer Verletzung eines in dem Pakt niedergelegten Rechts durch diesen Vertragsstaat zu sein.“

Die Formulierung insbesondere in Art. 2 Abs. 1 IPbpR klingt allerdings zunächst noch restriktiver als Art. 1 EMRK. Insbesondere die kumulierte Anknüpfung an Staatsgebiet und Herrschaftsgewalt lässt eine strikte Anwendung des Territorialprinzips vermuten. 1.  Travaux préparatoires Im Rahmen der Beratungen über ein UN-Menschenrechtsabkommen 1950 schlug Eleanor Roosevelt als Delegierte der Vereinigten Staaten vor, die Reichweite des Abkommens durch die Formulierung „all persons residing on their territory and within their jurisdiction“ festzulegen.185 Sie verband damit ausweislich ihrer Äußerungen im Ausschuss die Absicht, sicherzustellen, dass der Pakt nur für Personen, die sich sowohl im Staatsgebiet aufhalten, als auch sich unter der Hoheitsgewalt dieses Staates befinden, Anwendung findet. Andernfalls könnten Staaten verpflichtet werden, zugunsten von Personen tätig zu werden, die sich außerhalb ihres Gebietes befänden, aber gleichwohl ihrer Hoheitsgewalt unterlägen. Explizit nennt Roosevelt die (teil-)besetzten Gebiete in Deutschland, Österreich und Japan.186 Zu diesem Zeitpunkt bestand bereits weitgehende Ei-

185  Wirtschafts- und Sozialrat, Commission on Human Rights, 6th Session, Summary Record of the 193rd Meeting (1950), E/CN.4/SR.193, Ziff. 53. 186  Während Österreich bis zum Österreichischen Staatsvertrag 1955 (vgl. Art. 1 dieses Staatsvertrages), und Japan bis zum Inkrafttreten des Vertrages von San Francisco 1952 (vgl. dort Art. 1 Abs. 2) besetzt blieb, ist der Verweis auf (West-)Deutschland im Hinblick auf das Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 (vgl. Art. 144 Abs. 2 GG) etwas überraschend. Gleichwohl ist er in der Sache zutreffend; das Besatzungsstatut endete 1955 weitgehend mit dem Inkrafttreten des Deutschlandvertrages (vgl. dort Art. 1). Die dort festgelegten Vorbehalte – v.a. der Fortbestands des Besatzungsstatuts in Berlin – endeten mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag, der 1991 in Kraft trat (vgl. dort Art. 7). Für die Vereinigten Staaten wurden extraterritoriale Grundrechtsverpflichtungen in Deutschland 1979 akut, als ein amerikanisches Besatzungsgericht in einem Strafverfahren in Berlin urteilte, die Angeklagten hätten nach Art. 3 Sec. 2 und dem sechsten Zusatzartikel der US-Verfassung ein Recht auf einen trial by jury. Siehe U.S. Court of Berlin, U.S. vs. Tiede and Ruske, 86 F.D.R. 227. Zum Fall ausführlich Forch, ZaöRV 40 (1980), 760 ff.

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

nigkeit darüber, dass der Pakt nicht auf rein temporär überlassenen Gebieten gelten solle.187 Zwischen dem amerikanischen Vorschlag und einem griechischen Alternativvorschlag, der anstelle des „und“ ein „oder“ vorsah („either within its territory or subject to its jurisdiction“) entstand eine umfangreiche Debatte.188 Frankreich unterstützte den griechischen Vorschlag, ging aber davon aus, dass die Rechte des Paktes ohnehin nur territorialer Natur seien.189 Chile unterstützte den US-amerikanischen Vorschlag, Uruguay ebenfalls. Die USA betonten, es sei schon in tatsächlicher Hinsicht nicht möglich, Menschenrechte auch außerhalb des Staatsgebietes zu gewährleisten.190 Jugoslawien dagegen forderte, der Pakt solle auch bei einer militärischen Besetzung gelten.191 Der Libanon merkte an, diese Regelung würde durch das Recht, das eigene Land zu betreten (heute in Art. 12 Abs. 4 IPbpR) ad absurdum geführt. Die USA dagegen bezeichneten dies als Ausnahme zur generellen Regel der Territorialbindung. In der abschließenden Abstimmung stimmten acht Staaten für den US-Vorschlag, wodurch dieser angenommen war. Dagegen entfielen zwei Stimmen, fünf Staaten enthielten sich.192 Das Ergebnis scheint eine rein territoriale Sicht auf den Pakt zu stützen. Die Frage der extraterritorialen Anwendung wurde ausführlich diskutiert. Die Vereinigten Staaten legten dar, dass ihr Vorschlag eine Geltung nur im Staatsgebiet bedeuten solle. Dieser Vorschlag fand die Zustimmung einer Mehrheit der Delegierten. Da Costa193 weist allerdings darauf hin, dass anstelle des ursprünglich vorgesehenen Begriffes „juridiction“ im französischen Vertragstext194 „compétence“ gewählt wurde.195 Damit verband der französische Delegierte eine Anwendung „both to all the people in the territory of a country and to that country’s nationals

187  Wirtschafts- und Sozialrat, Commission on Human Rights, 6th Session, Summary Record of the 138th Meeting (1950), E/CN.4/SR.138, Ziff. 34. 188  Wirtschafts- und Sozialrat, Commission on Human Rights, 6th Session, Summary Record of the 193rd 194th Meeting (1950), E/CN.4/SR.194, Ziff. 17. 189  A.a.O., Ziff. 19. 190  A.a.O., Ziff. 29. 191  A.a.O., Ziff. 22. 192  A.a.O., Ziff. 46. 193  Da Costa, The Extraterritorial Application of Selected Human Rights Treaties, Leiden 2013, S. 27 f. 194  Gem. Art. 53 Abs. 1 IPbpR ist die französische Fassung ebenso wie die englische, chinesische, russische und spanische Version autoritativ. 195 Vgl. Wirtschafts- und Sozialrat, Commission on Human Rights, 6th Session, Summary Record of the 138th Meeting (1950), E/CN.4/SR.138, Ziff. 21 ff.

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abroad.“196 Die Delegierte der USA erhob dagegen keine Einwände, da „compétence“ im Französischen wohl der korrekte Begriff sei. Auf die damit verbundene Erweiterung der Bedeutung ging sie nicht ein. Somit bleibt eine gewisse Unklarheit: Wenn Roosevelt von der Unmöglichkeit sprach, Rechte auch außerhalb des Staatsgebietes zu gewährleisten197, so legt dies nahe, dass sie sich auf positive obligations bezog. Abwehrrechte bedürfen keiner aktiven Gewährleistung, sondern nur ihrer Befolgung im Rahmen des ohnehin erfolgenden Handelns.198 Die Übertragung dieser Überlegungen auf Abwehrrechte erscheint logisch nicht zwingend. Die Auswirkungen des französischen Vorschlags erscheinen in diesem Zusammenhang erst recht unklar. 2.  Entscheidungs- und Staatenpraxis a)  General Comments und Concluding Observations des Menschenrechtsausschusses Der Menschenrechtsausschuss hat in seinen General Comments, allgemeinen und von Fällen lösgelösten Stellungnahmen zum Verständnis der Rechte des Paktes, ohne weitere Ausführungen festgestellt, der Zivilpakt beanspruche Geltung auch außerhalb des Territoriums eines Vertragsstaates, soweit ein Betroffener der Hoheitsgewalt dieses Staates unterliege.199 Auch in den Concluding Observations geht der Ausschuss konstant von der extraterritorialen Geltung des IPbpR aus. Den Irak forderte er nach der völkerrechtswidrigen Annexion Kuwaits auf, dort die Menschenrechte des Paktes zu achten.200 Er scheint also von der Geltung im besetzten Ausland 201 auszugehen. An mehreren Stellen äußerte der Ausschuss dezidiert, der Pakt gelte auch für militärische Auslandseinsätze.202 Die Bundesrepublik Deutschland forderte der Ausschuss auf, ihre Haltung bezüglich der Geltung für Bundeswehrsoldaten in 196  Wirtschafts- und Sozialrat, Commission on Human Rights, 6th Session, Summary Record of the 193rd Meeting (1950), E/CN.4/SR.193, Ziff. 62. 197  A.a.O., Ziff. 29. 198  So auch Milanovic, Extraterritorial Application, S. 224 f. 199  MRA, General Comment 31 (2004), CCPR/C/21/Rev. 1/Add. 13, Ziff. 10. 200  MRA, CO Iraq (1991), A/46/40, Ziff. 652. 201  Kuwait war trotz des Annexionsvorhabens für den Irak völkerrechtlich Ausland, da Annexionen gegen den Willen des betroffenen Staates nicht nur unzulässig, sondern jdf. nach heutiger h.M. auch ipso iure unwirksam sind. Siehe dazu Fink, AVR 29 (1991), 452 (461 f.); z.T. a.A. Dörr, Die Inkorporation als Tatbestand der Staatensukzession, 1995, S. 111 ff. Vgl. auch den deutlichen Wortlaut der betreffenden Resolution des Sicherheitsrates („null and void“), S/RES/670 (1990). 202  MRA, CO Belgium (1998), CCPR/C/79/Add. 99, Ziff. 14; MRA, CO Netherlands (2001), CCPR/CO/72/NET, Ziff. 8.

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

Afghanistan klarzustellen.203 Die Bundesregierung reagierte ambivalent: Sie betonte, die Rechte aller Individuen, die sich in ihrem Territorium befänden und unter ihrer Herrschaftsgewalt stünden, zu sichern, was einerseits auf ein bloß territoriales Verständnis hindeuten kann, andererseits aber auch eine einfache Referenz auf Art. 2 Abs. 1 IPbpR darstellen könnte. Anschließend führte sie aus, sie stelle sicher, dass deutsche Amtsträger, die – etwa im Rahmen von Auslands­ einsätzen – in das Ausland entsandt werden, die Rechte des Paktes achten.204 Dies kann einerseits eine Anerkennung der extraterritorialen Geltung des Paktes, andererseits aber auch ein überobligatorisches Engagement bedeuten.205 Tatsächlich betonte die Bundesregierung, sie halte es „nicht für zielführend, in allgemeiner Form über die abstrakte Klärungsbedürftigkeit von Völkerrechtsfragen zu spekulieren.“206 In der Begründung zum Transformationsgesetz ging die Bundesregierung 1973 hingegen noch von einer nur innerstaatlichen Geltung aus.207 Israel geht konsequent von der bloß territorialen Geltung des IPbpR aus, insbesondere gelte er nicht in den besetzten Gebieten.208 Der Menschenrechtsausschuss widersprach dieser Lesart vehement und geht auch hier von einer extraterritorialen Geltung aus.209 In Bezug auf Personen, die von den Behörden Hongkongs210 auf das chinesische Gebiet außerhalb der Stadt verschleppt wurden, ging der Ausschuss ohne nähere Ausführungen von der fortdauernden Verantwortlichkeit Hongkongs aus.211 Die extraterritoriale Gefangennahme von Personen durch die Vereinigten Staaten von Amerika wurde vom Menschenrechtsausschuss vollumfänglich an den Rechten des UN-Zivilpaktes gemessen. Deren Geltung erstrecke sich nicht nur auf das Gebiet der Vertragsstaaten, sondern reiche bei extraterritorial be-

203 

MRA, CO Germany (2003), CCPR/CO/80/DEU, Ziff. 11. MRA, Comments to CO Germany (2005), CCPR/CO/80/DEU/Add. 1, S. 3. Genauso auch BT-Drs. 16/6282, S. 9. 205  Weingärtner bezeichnet diese Ausführungen in Weiß (Hrsg.), Menschenrechtsbindung bei Auslandseinsätzen, S. 9 (12) als Kompromissformulierung aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ressorts. N. B. Wagner, in: FS v. Block-Schlesier, S. 275 (281) geht von einer freiwilligen, überobligatorischen Anstrengung aus. 206  BT-Drs. 16/6282, S. 13. 207  BT-Drs. 7/660, S. 29: „Der persönliche Geltungsbereich ist im Pakt enger gefaßt als in der MRK, die die territoriale Begrenzung ‚allen … in seinem Gebiet befindlichen …‘ nicht kennt.“ 208  MRA, CO Israel (2003), CCPR/CO/78/ISR, Ziff. 11. 209  Ebenso auch schon MRA, CO Israel (1998), CCPR/CO/79/Add. 93, Ziff. 10. 210 Hongkong ist nicht als Verwaltungseinheit Chinas, sondern eigenständig Unterzeichner des IPbpR. 211  MRA, CO Hongkong (2006), CCPR/C/HKG/CO/2, Ziff. 11. 204 

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stehender Hoheitsgewalt auch darüber hinaus.212 Die USA dagegen lehnten eine solche Lesart unter Berufung auf den Wortlaut und die Arbeitspapiere klar ab.213 In neueren Berichten wurde diese Sicht nicht mehr so stark betont, die USA scheinen aber grundsätzlich an ihr festzuhalten.214 Die entgegengesetzte Konstellation, nämlich der Verlust der tatsächlichen Hoheitsgewalt über Teile des Staatsgebietes, lässt sich an Georgien und seinen quasi-autonomen Provinzen Abchasien und Südossetien betrachten. Der Ausschuss rief Georgien dazu auf, die Menschenrechte dort weiterhin sicherzustellen, soweit dies noch möglich ist.215 Die gleiche Forderung erhob er bezüglich Moldawiens für das Gebiet Transnistriens216 und bezüglich Serbien und Montenegro für den damals noch nicht sezedierten Kosovo.217 Der Ausschuss sprach von einer „continuing obligation to ensure respect for the rights recognized in the Covenant […] within the limits of its effective power“218

b)  Individualbeschwerden vor dem Menschenrechtsausschuss Die Frage der extraterritorialen Geltung stellte sich ferner auch in Individualbeschwerdeverfahren. Im Fall López Burgos wurde ein Uruguayer in Argentinien durch uruguayische Behörden verschleppt und gefoltert. Der Ausschuss merkte dazu an, Art. 2 Abs. 1 IPbpR könne unmöglich so verstanden werden, dass er Staaten im Ausland erlaubt, was sie im Inland nicht tun dürften.219 Er stützte sich in dieser Lesart auch auf Art. 5 Abs. 1 IPbpR 220 und auf die Kohärenz 212 MRA, CO USA (2006), CCPR/C/USA/CO/3/Rev. 1, Ziff. 10; MRA, CO USA (2014), CCPR/C/USA/CO/4, Ziff. 4. 213 MRA, Country Report USA (2005), CCPR/C/USA/3, Ziff. 468. Genauso unter Berufung auf den Wortlaut auch die Niederlande, die aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht über diese Lesart hinausgehen, s. MRA, Replies to CO Netherlands (2003), CCPR/CO/72/NET/Add.1, Ziff. 19. Zur Entwicklung der Rechtsauffassung der USA Milanovic, Foreign Surveillance and Human Rights, Part 2: Interpreting the ICCPR, http:// www.ejiltalk.org/foreign-surveillance-and-human-rights-part-2-interpreting-the-iccpr/ [25. 09. 2017]. 214  MRA, Country Report USA (2012), CCPR/C/USA/4, Ziff. 504 ff. 215  MRA, CO Georgia (2007), CCPR/C/GEO/CO/3, Ziff. 6. 216  MRA, CO Moldova (2009), CCPR/C/MDA/CO/2, Ziff. 5. 217  MRA, CO Serbia/Montenegro (2004), CCPR/CO/81/SEMO, Ziff. 3. 218  MRA, CO Moldova (2009), CCPR/C/MDA/CO/2, Ziff. 5. 219  MRA, López Burgos/Uruguay, Com. No. R.12/52, 40 (A/36/40), Nr. 176 (1981), Ziff. 12.3. Genauso MRA, Celiberti de Casariego/Uruguay, Com. No. R.13/56, 40 (A/36/40), Nr. 185 (1981). 220  Art. 5 Abs. 1 IPbpR lautet: „Keine Bestimmung dieses Paktes darf dahin ausgelegt werden, dass sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person das Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, die auf die Abschaffung der in

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zu Art. 1 FP, der eindeutig nur Hoheitsgewalt, nicht aber einen territorialen Bezug voraussetze.221 Es wäre paradox, wenn die Zuständigkeit des Ausschusses weiter reichen würde als die materiellen Garantien, über die er wachen solle. Tomuschat verfasste zu dieser Entscheidung ein Sondervotum, in welchem er der Wertung des Ausschusses nicht widersprach, aber auf einer klareren Auslegung von Art. 2 Abs. 1 IPbpR bestand. Die Formulierung habe nie zum Ziel gehabt, eine Verantwortlichkeit von Staaten für extraterritoriale Menschenrechtsverletzungen auszuschließen, sondern solle nur Umsetzungsschwierigkeiten vermeiden, die auftreten könnten, wenn Staaten positive obligations im Ausland durchsetzen müssten. Eine weitere Beschwerde gegen Uruguay richtete sich gegen die Weigerung, einer Uruguayerin, die in Mexiko lebte, einen Pass auszustellen. Es war ihr deshalb unmöglich, Mexiko zu verlassen. Der Ausschuss berief sich auf Art. 12 Abs. 2 IPbpR, der das Recht, jedes Land einschließlich des eigenen zu verlassen, garantiert. Er betonte, dieses Recht könne nur dann effektiv gewährleistet werden, wenn Staaten daran auch im Ausland gebunden seien und Art. 2 Abs. 1 IPbpR dahingehend ausgelegt wird.222 Eine weitere Beschwerde wurde von senegalesischen Veteranen der französischen Streitkräfte erhoben, die eine niedrigere Pension als französische Staatsbürger erhielten. Der Ausschuss sah in deren Unterworfensein unter die französische Pensionsgesetzgebung bereits Hoheitsgewalt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 IPbpR.223 In einer Beschwerde gegen Kanada schließlich befand der Menschenrechtsausschuss, Staaten, die das zweite Fakultativprotokoll über das Verbot der Todesstrafe ratifiziert haben, sei es verboten, Personen auszuliefern, wenn diese mit einiger Wahrscheinlichkeit mit ihrer Hinrichtung zu rechnen haben. Dabei sah der Ausschuss die Verletzung des Paktes nicht in der Hinrichtung selbst, sondern bereits in der durch den Vertragsstaat durchgeführten Auslieferung.224

diesem Pakt anerkannten Rechte und Freiheiten oder auf weitergehende Beschränkungen dieser Rechte und Freiheiten, als in dem Pakt vorgesehen, hinzielt.“ 221  MRA, López Burgos/Uruguay, Com. No. R.12/52, 40 (A/36/40), Nr. 176 (1981), Ziff. 12.2. 222  MRA, Vidal Martins/Uruguay, Com. No. R.13/57, 40 (A/37/40), Nr. 157 (1982). Ähnlich MRA, Pereira Montero/Uruguay, Com. No. 106/1981, 40 (A/38/40), Nr. 186 (1983), MRA, Samuel Lichtensztejn/Uruguay, Com. No. 77/1980, CCPR/C/18/D/77/1980 (1983) und MRA, El Ghar/Libya, Com. No. 1107/2002, CCPR/C/82/D/1107/2002 (2004). 223 MRA, Gueye et al./France, Com. No. 196/1985, CCPR/C/35/D/196/1985 (1989), Ziff. 9.4. 224 MRA, Kindler/Canada, Com. No. 470/1991, CCPR/C/48/D/470/1991 (1993), Ziff. 13.1.

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c)  Internationaler Gerichtshof und weitere Akteure Auch andere internationale Akteure haben sich in der Debatte um eine extra­ territoriale Wirkung des Zivilpaktes beteiligt. Der Internationale Gerichtshof merkte in seinem Gutachten zur Mauer an den Palästinensergebieten an, eine solche Wirkung folge aus dem Zweck des Paktes, die in ihm dargelegten Rechte so effektiv wie möglich zu schützen. Art. 2 Abs. 1 IPbpR solle dem gegenüber nur sicherstellen, dass keine Rechte aktiv eingefordert werden können, die jenseits der Kompetenz eines Staates liegen.225 Auch im Fall Kongo gegen Uganda entschied der Gerichtshof, dass Uganda durch Handlungen auf dem Territorium des Kongos den Pakt verletzt habe.226 Schließlich merkte er in seinem Gutachten zur Zulässigkeit des Einsatzes von Atomwaffen an, der Pakt gelte grundsätzlich auch im bewaffneten Konflikt.227 Ebenso ging die Generalversammlung der Vereinten Nationen in einer Resolution zum Golfkrieg von einer extraterritorialen Bindung des Irak an den Pakt in Kuwait aus.228 Der Sicherheitsrat hat sich zu diesem Thema nicht explizit geäußert. Insgesamt lässt sich bei allen Interpretationsakteuren auf internationaler Ebene die Auffassung finden, ein Aufenthalt im Staatsgebiet eines Vertragsstaates sei für die Geltung des Paktes nicht erforderlich. Ausreichend sei das Bestehen von Hoheitsgewalt, wobei die genauen Voraussetzungen dafür im Unklaren bleiben. Auch unter den Vertragsstaaten scheinen nur die Vereinigten Staaten und Israel eine extraterritoriale Bindung offen abzulehnen. Angesichts des Wortlautes und der Entstehungsgeschichte von Art. 2 Abs. 1 IPbpR ist dies eine erstaunliche Entwicklung. 3.  Literatur Die Lesart des Ausschusses wird in der Literatur überwiegend geteilt. Staaten dürften, so wird betont, sich ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht entziehen, indem sie im Ausland handeln.229 Das „and“ in Art. 2 Abs. 1 IPbpR sei 225 

IGH, Entsch. v. 09. 07. 2005 („Advisory Opinion on the Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory“), ICJ Rep. 2004, 136 (179 f.). 226  IGH, Urt. v. 19. 12. 2005 (Congo v. Uganda), ICJ Rep. 2005, 168 (244). 227  IGH, Entsch. v. 08. 07. 1996 („Nuclear Weapons“), ICJ Rep. 1996, S. 226 (240). 228  Generalversammlung, Resolution A/RES/45/170 (1990). 229  v. Arnauld, in: Weingärtner (Hrsg.), Streitkräfte und Menschenrechte, S. 61 (63); F. Becker, AVR 43 (2005), 218 (232); Buergenthal, in: FS Wildhaber, 2007, S. 143 (147 f.); Nowak, U.N. Covenant on Civil and Political Rights. CCPR Commentary, 2. Aufl., 2005, Art. 2, Rn. 29; Salomon, Die internationale Strafverfolgungsstrategie gegenüber somalischen Piraten. Völker- und verfassungsrechtliche Aspekte, 2017, S. 269; Töpfer, Menschenrechtliche Anforderungen an die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung, http://

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richtigerweise als ein „or“ zu lesen – eine Lesart, die nicht ungewöhnlich sei und keine Auslegung contra legem darstelle: „ I imagine that not even lawyers and logicians ask their guests whether they would like milk ‚and/or‘ sugar with their tea or coffee.“230

Ferner komme der tatsächlichen Staatenpraxis, die überwiegend auf eine extra­ territoriale Geltung hindeute, eine größere Bedeutung als den Travaux préparatoires zu: Nach Art. 31 Abs. 3 WÜRV ist die Staatenpraxis ein primäres Auslegungsinstrument, die Arbeitspapiere dagegen sind, wie bereits dargestellt, nur von subsidiärer Bedeutung (Art. 32 WÜRV).231 Daher sei die expansive Auslegung, wie sie überwiegend betrieben werde, eine Art selbsterfüllende Prophezeiung.232 Wenn beide in Art. 2 Abs. 1 IPbpR genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssten, so sei die Erwähnung der Jurisdiktion zusätzlich zum Staatsgebiet absurd, da die Zahl der Personen, die sich im Staatsgebiet befindet, aber nicht der Hoheitsgewalt des Staates unterliegt, verschwindend klein“ sei.233 Auch wird auf Art. 12 Abs. 4 IPbpR hingewiesen: Das Recht, das eigene Land zu betreten, könne irgendeinen Sinn nur dann ergeben, wenn es auch extraterritorial Anwendung fände. Freilich wird zugestanden, die Norm könne auch eine Ausnahme sein.234 Andere Stimmen – insbesondere in der früheren Literatur – dagegen lehnten eine extraterritoriale Wirkung weitgehend ab. Sie stehe im Widerspruch zum Wortlaut des Paktes. Wenn das Fakultativprotokoll nur von Hoheitsgewalt, der Pakt aber von Hoheitsgewalt und Territorium spreche, so müsste das Protokoll eng, nicht der Pakt weit ausgelegt werden.235 Teils wird vorgeschlagen, nach einzelnen Rechten zu differenzieren: So sollen Rechte, die bestimmte Institutionen voraussetzen, wie etwa gerichtliche Verfahrensgarantien, nur im Inland gelten, während etwa das Recht auf Leben auch im Ausland Geltung beanspruchen könne.236 Dabei solle aber eine Vermutung für die Anwendbarkeit sprechen.237 www.bundestag.de/blob/440330/8d4790e5d6505b403e14d4982d20a9e5/18 – 4-653-edata.pdf [25. 09. 2017], S. 5. 230  Milanovic, Extraterritorial Application, S. 223, Fn. 307; a.A. Dennis, AJIL 99 (2005), 119 (127); N. B. Wagner, NZWehrR 2007, 1 (7 ff.). 231  Siehe bereits D. I. 1. 232  McGoldrick, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 41 (48 ff.). 233  F. Becker, AVR 43 (2005), 218 (232). 234  McGoldrick, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 41 (48); Nowak, Art. 2, Rn. 27. 235  Schwelb, AJIL 62 (1968), 827 (863); N. B. Wagner, in: FS v. Block-Schlesier, S. 275 (283);. Ebenso ohne nähere Ausführungen Schindler, AULR 31 (1982), 935 (939). 236  Meron, AJIL 89 (1995), 78 (80); Weingärtner, in: ders. (Hrsg.), Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 83 (86 f.). 237  Meron, AJIL 89 (1995), 78 (81).

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Ben-Naftaly und Shany beschäftigen sich mit der Haltung der israelischen Regierung und gestehen ihr zu, der Zweck des Paktes sei nicht der Schutz von Individuen vor anderen Staaten, sondern vor den eigenen. Ein anderes Verständnis stehe vor dem Problem, den Schutz etlicher Personen im Ausland bewerkstelligen zu müssen.238 Andererseits liege dem Pakt kein Gedanke eines Sozialvertrages zugrunde, in dem Menschenrechte das Korrelat zum staatlichen Gewaltmonopol seien, sondern vielmehr eine dezidiert universelle Konzeption. Maßgeblich müsse daher die Betroffenheit von Individuen, d. h. die Unterworfenheit, sein – egal, wo diese bestehe.239 Es entspreche Sinn und Ziel des Paktes, „territory“ und „jurisdiction“ alternativ und nicht kumulativ zu lesen.240 Dieses Verständnis umfasse auch militärische Operationen. Um dem Vorwurf der Uferlosigkeit zu begegnen, müsste der Inhalt einer extraterritorialen Verantwortlichkeit aber geringer sein, d. h. Einschränkungen müssten im Vergleich zum Inland leichter möglich sein.241 Hier zeigt sich erneut eine Parallele: Der Gedanke, Menschenrechte seien nicht mehr nur das Gegenstück zur Staatsmacht, sondern eine universelle Ordnung, findet sich auch schon im Urteil des VG Köln zu Drohnenangriffen im Jemen.242 Das Gericht sieht hier den entscheidenden Streitpunkt zwischen einem Grundrechtsverständnis, das eine extraterritoriale Wirkung miteinschließt, und der Theorie Isensees, die einen territorialen Bezug voraussetzt.243 Ein Großteil der Literatur aber beschäftigt sich nicht mehr mit der Frage, ob der Pakt extraterritorial anwendbar sei, sondern wann dies der Fall sei. Häufig wird dabei auf die Fähigkeit der Normsetzung und –durchsetzung abgestellt: So sei Herrschaftsgewalt „a legal manifestation of the ability to rule and to exercise the powers of government.“244

Entscheidend sei also nicht die Zulässigkeit des extraterritorialen Handelns, sondern die Tatsache, dass extraterritorial gehandelt werde.245 Ähnlich wie unter der Europäischen Menschenrechtskonvention wird teils auf die effektive Kontrolle über ein Gebiet in einem dem Inland vergleichbaren Maß246, teils auf die effek-

238 

Ben-Naftaly/Shany, ILR 37 (2004), 17 (37). A.a.O. (62 f.). 240  A.a.O. (69). 241  A.a.O. (64 f.). 242  VG Köln, Urt. v. 27. 05. 2015, Az. 3 K 5625/14, Ziff. 37 ff. – juris. 243  Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, 2. Aufl. 2001, § 115, Rn. 84. 244  Ben-Naftaly/Shany, ILR 37 (2004), 17 (61). 245  Arnauld, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte, S. 61 (67); De Schutter, International Human Rights Law, S. 149. 246  Eick, in: FS Tomuschat, 2006, S. 115 (73, 123). 239 

128

D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

tive Kontrolle von Personen und Sachverhalten247 abgestellt. Teils werden schlicht die Maßstäbe des EGMR übertragen.248 Auch die Zielsetzung extraterritorialen Handelns werden ins Spiel gebracht, so zieht etwa Weingärtner die Geltung des Paktes bei militärischen Unterstützungseinsätzen in Zweifel, da ja die Regierung des Einsatzortes unterstützt werden solle und daher nur die dortige Rechtslage – gegebenenfalls ohne den Zivilpakt – Anwendung finden solle.249 Schließlich wurde auch ein variabler Jurisdiktionsbegriff vorgeschlagen, nach welchem das Maß an Verantwortlichkeit in Ansehung des Paktes abhängig vom Maß der effektiven Kontrolle wäre.250 Eine klare Definition von Herrschaftsgewalt lässt sich also auch im Schrifttum nicht ausmachen. Gleichwohl lässt sich feststellen, dass ein beträchtlicher Teil der Literatur einem weiten Verständnis anhängt, das auf ein effektives, personelles Unterworfensein abstellt.251 In der Diskussion wird teils nicht zwischen IPbpR und EMRK differenziert, sondern eine parallele Auslegung vorgenommen.252 4.  Zwischenergebnis In der Anwendung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte findet sich deutliche Unterstützung für eine extraterritoriale Anwendung. Trotz des vermeintlich klaren Wortlautes wird ein solches expansives Verständnis von den meisten zur Interpretation berufenen Akteuren, darunter so gewichtigen wie dem Internationalen Gerichtshof, unter Berufung auf den Telos des Paktes bejaht. Dabei weist auch die Entstehungsgeschichte des Paktes auf ein anderes Ergebnis hin. Auch wenn die Ausführungen der amerikanischen Vertreterin primär auf positive obligations bezogen sein mögen, so verneint sie doch explizit

247  Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung, https://www.bundestag. de/blob/282870/fc52462f2ffd254849bce19d25f72fa2/mat_a_sv-4 – 1_aust-pdf-data.pdf [25. 09. 2017], S. 12 f. 248  So etwa bei Talmon, Sachverständigengutachten, S. 9. 249  Weingärtner, in: ders. (Hrsg.), Streitkräfte und Menschenrechte, S. 83 (85). Anders jedenfalls bei quasi-polizeilichen Einsätzen Marauhn, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 44 (2010), S. 249 (272). 250  Mantouvalou, IJHR 9 (2005), 147 (160). 251  v. Arnauld, in: Weingärtner (Hrsg.), Streitkräfte und Menschenrechte, S. 61 (67 ff.); Ben-Naftaly/Shany, ILR 37 (2004), 17 (63); Johann, Menschenrechte im internationalen bewaffneten Konflikt, S. 121 f. So versteht Milanovic, EJIL 23 (2012), 121 (122) auch die Dogmatik des Ausschusses. 252  So etwa bei Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung; v. Arnauld, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte, S. 61; Gillard, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 25.

II.  Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

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eine Geltung in besetzten Gebieten.253 Die französische Delegation schien mit ihrem Vorschlag eine Anwendung im Rahmen der völkerrechtlichen Zuständigkeit anzustreben, die an die Zielsetzung Heintzens unter dem Grundgesetz erinnert.254 Gleichwohl kommt in der Anwendung des Paktes niemand auf den Gedanken, wie Heintzen die Anwendbarkeit zu verneinen, wenn jenseits völkerrechtlicher Legalität gehandelt wird.255 Die Interpretationsakteure und die Literatur stellen sich stattdessen mit gesamtteleologischen Überlegungen diesen historischen Zielsetzungen und dem Wortlaut entgegen. Damit ist der Zivilpakt ein Beispiel par excellence für einen Normwandel durch Auslegung, ähnlich wie dies für die EMRK als living instrument beansprucht wird. Dieser Wandel ist bei überwiegender Staatenpraxis freilich durch Art. 31 WÜRV anerkannt. Im Vergleich zum EGMR hat der Menschenrechtsausschuss gleichwohl deutlich seltener Gelegenheit gehabt, sich ausführlich zur Frage der extraterritorialen Wirkungen zu äußern. Weitgehend ungeklärt ist etwa die Frage der Schutzpflichten bei extraterritorialem Handeln Privater.256 Wie ein Fall wie Banković vom Ausschuss entschieden würde, ist völlig unklar, da er die genauen Kriterien für das Bestehen von Herrschaftsgewalt offengelassen hat. Teils wird auf die stärkere Betonung eines extraterritorialen Schutzes verwiesen und argumentiert, der Ausschuss hätte anders entschieden.257 Andere aber sehen Parallelen in der Rechtsprechung beider Institutionen und gehen von einem ähnlichen Ergebnis aus.258 Entscheidend jedenfalls ist nach der bestehenden Auslegung des Paktes das Element der Hoheitsgewalt, das auf eine personale Beziehung hindeutet. Der Ausschuss verlangt an keiner Stelle ausdrücklich die Kontrolle eines Gebietes, sondern stellt stets auf die Beziehungen eines Individuums zum Staat ab.259 Da im Inland in aller Regel Hoheitsgewalt ohnehin vorliegt, verliert das Kriterium 253  Wirtschafts- und Sozialrat, Commission on Human Rights, 6th Session, Summary Record of the 193rd Meeting (1950), E/CN.4/SR.193, Ziff. 53. 254  Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 97. 255  So zu Recht Da Costa, Extraterritorial Application, S. 28; Surholt, Amtshaftung für Handlungen in Auslandseinsätzen, S. 259. 256  Joseph/Schultz/Castan, The International Covenant on Civil and Political Rights. Cases, Materials, and Commentary, Oxford 2000, Rn. 4.15. 257  Coomans/Kamminga, in: dies. (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 1 (4); Gondek, NILR 52 (2005), 349 (380 f.); Happold, HRLR 3 (2003), 77 (89 f.); Rensmann, in: Weingärtner (Hrsg.), Einsatz der Bundeswehr im Ausland. Rechtsgrundlagen und Rechtspraxis, 2007, S. 49 (66); Scheinin, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 73 (78). 258  McGoldrick, in: Coomans/Kamminga, Extraterritorial Application, S. 41 (68 f.). 259  MRA, López Burgos/Uruguay, Com. No. R.12/52, 40 (A/36/40), Nr. 176 (1981), Ziff. 12.3; MRA, Gueye et al./France, Com. No. 196/1985, CCPR/C/35/D/196/1985 (1989), Ziff. 9.4.

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

des Territorialbezugs in Art. 2 Abs. 1 IPbpR an Bedeutung, maßgeblich ist einzig und allein die Jurisdiktion. Wenn diese zur Bejahung einer extraterritorialen Bindung ausreicht, wird sie gegenüber dem Territorium zum entscheidenden Faktor. Betont wird zudem der Grundgedanke, ein Staat dürfe im Ausland nicht tun, was ihm im Inland verwehrt wäre.260

III.  Charta der Grundrechte der Europäischen Union Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist Teil des europäischen Primärrechts und steht mit den europäischen Verträgen auf gleicher Ebene.261 Sie entstand als Reaktion auf das Fehlen eines Grundrechtekatalogs im Unionsrecht. Zum Ausgleich dieses Defizits, das unter anderem vom Bundesverfassungsgericht in der Solange-I-Entscheidung262 angeprangert wurde, griff der Europäische Gerichtshof zunächst auf allgemeine Rechtsgrundsätze zurück, die er aus den Verfassungen der Mitgliedsstaaten und der EMRK zog, und entwickelte aus diesen Unionsgrundrechte. Die Charta sollte diese entwickelten Grundrechte verschriftlichen und in einem Katalog vereinen.263 Sie wurde von einem Konvent unter Leitung von Roman Herzog erarbeitet264 und 2000 zunächst ohne rechtsverbindlichen Charakter, als bloße Proklamation, veröffentlicht.265 Dennoch wurde sie in der Folge bereits als interpretatorisches Hilfsmittel zur Auslegung der bestehenden Unionsgrundrechte herangezogen und wurde faktisch zu soft law.266 Seit 2007 ist die Charta in der von Rat, Europäischem Parlament und Kommission neu bekanntgemachten und geringfügig reformierten Fassung verbindliches Primärrecht. Über ihre Einhaltung wacht neben den Gerichten der Mitgliedsstaaten der Gerichtshof der Europäischen Union. Die Charta ist, wie Art. 52 Abs. 3 anordnet, unter Berücksichtigung der gleichlaufenden Gewährleistungen der EMRK auszulegen 267, was aber ein höheres 260  Schmalenbach, in: VVDStRL 76 (2017), S. 245 (270) unter Berufung auf MRA, López Burgos/Uruguay, Com. No. R.12/52, 40 (A/36/40), Nr. 176 (1981). 261  Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union unter Einbeziehung der vom EuGH entwickelten Grundrechte, der Grundrechtsregelungen der Verträge und der EMRK. Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einl., Rn. 8. 262  BVerfGE 37, 271. 263  Herdegen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. X, 3. Aufl. 2012, § 211, Rn. 16. 264  Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union. Charta der Grundrechte und Allgemeine Rechtsgrundsätze, 2004, Rn. 59 f. 265  A.a.O., Rn. 54. 266  A.a.O., Rn. 55. 267  Zur ergänzenden Heranziehung des IPbpR zur Auslegung Schadendorf, EuR 2015, 28 ff.

III.  Charta der Grundrechte der Europäischen Union

131

Schutzniveau durch die Charta nicht ausschließen soll. Gemäß Art. 51 Abs. 1 GRCh ist sie für die Union stets, für die Mitgliedsstaaten hingegen nur bei der Durchführung des Unionsrechts anwendbar.268 Da diese Arbeit ein Gesamtbild der Grundrechtsbindung der Bundesrepublik aggregieren soll, liegt ein Schwerpunkt im Folgenden auf der Bindung der Mitgliedsstaaten. Auch bei der Anwendung der Charta ist außerdem eine positive Dimension der Grundrechte anerkannt.269 Ein „Anker“ für die Frage der extraterritorialen Geltung findet sich in der Grundrechtecharta nicht.270 Art. 51 Abs. 1 nennt keine räumlichen Kriterien, sondern scheint nur an die Durchführung des Unionsrechts als einziges Kriterium anzuknüpfen. Andererseits soll der Anwendungsbereich des Unionsrechts durch die Grundrechte nicht ausgedehnt werden (Art. 51 Abs. 2). Erwähnenswert ist an dieser Stelle schließlich das Recht auf diplomatischen Schutz in Art. 46, das explizit eine extraeuropäische Geltung voraussetzt („im Hoheitsgebiet eines Drittlandes“). Art. 3 Abs. 5 S. 1 EUV verpflichtet die Union zum Schutz und zur Förderung ihrer in Art. 2 EUV niedergelegten Werte – darunter die Menschenrechte, die außerdem in Art. 3 Abs. 5 S. 2 EUV noch einmal explizit genannt sind – auch in ihrem auswärtigen Handeln. Zusätzlich besagt Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1 EUV, die Union lasse sich von Grundsätzen leiten, zu denen ebenfalls „die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte“ zählt. Auch weitere Normen des Primärrechts betonen die menschenrechtlichen Verpflichtungen der unionalen Außenpolitik 271, lassen dabei aber den Umfang dieser Verpflichtungen im Detail zunächst offen. Ferner sind Akte der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik als ein Teilgebiet extraterritorialer Unionstätigkeit in Art. 275 AEUV in weiten Teilen der Justiziabilität durch den Europäischen Gerichtshof entzogen. Es ist dem Gerichtshof verwehrt, primärrechtliche Normen der GASP verbindlich auszulegen und über die Rechtmäßigkeit von auf deren Grundlage erlassenen Beschlüssen zu urteilen.272 Ausgenommen von diesem Ausschluss sind indes „restriktive Maßnahmen“ gegen Individuen, die gem. Art. 275 Abs. 2 AEUV durch den Gerichts-

268  Zur Frage, wann von Durchführung des Unionsrechts gesprochen werden kann, siehe E. I. 269  Jarass, Art. 51, Rn. 39 ff.; zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Charta Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 209. 270  Kastler, Föderaler Rechtsschutz, S. 144. 271  Art. 205, 208 Abs. 1 S. 1, 214 Abs. 1 S. 1 AEUV. 272  W. Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV. Kommentar, 5. Aufl. 2016, Art. 275 AEUV, Rn. 4 f.

132

D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

hof überprüft werden können und im Rahmen derer Grundrechte in Anschlag gebracht werden können.273 Der Konvent hat zur Charta Anmerkungen veröffentlicht, in denen sich zur Frage einer extraterritorialen Wirkung der anderen Grundrechte aber keine Anhaltspunkte finden. Auch in den weiteren Arbeitsdokumenten274 finden sich kaum Äußerungen dazu. 1.  Rechtsprechung und Praxis der Unionsorgane a)  Prä-Charta-Entscheidungen Der Europäische Gerichtshof hat sich zur Frage der extraterritorialen Geltung der Charta bislang nur selten geäußert. Für die Anwendung der Grundfreiheiten aus den Verträgen verlangte er bislang einen „räumlichen Bezug zum Gebiet der Gemeinschaft“, der aber durchaus eine Anwendung jenseits der Grenzen nicht ausschließen soll.275 Auch Verordnungen können grundsätzlich jenseits des Unions­gebietes gelten.276 2006 maß der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit von Restriktionen für Familien­ zusammenführungen an den aus den Rechtsgrundsätzen entwickelten Unionsgrundrechten.277 Da die Klage aber vom Parlament ausging, also keinen subjektiven Rechtsschutz zum Inhalt hatte, ist unklar, ob es sich dabei tatsächlich um die Grundrechte der im Ausland befindlichen Familienteile handelt oder ob der Gerichtshof schlicht die Grundrechte der bereits in der Union befindlichen Familienmitglieder heranzieht. Zumindest der Schlussantrag der Generalanwältin deutete letzteres an278, was eine zumindest reflexhafte extraterritoriale Wirkung der Charta bedingen würde. Ebenfalls noch vor dem bindenden Inkrafttreten der Charta beschäftigte sich der Gerichtshof mit einem Vorabentscheidungsverfahren mit der Klage zweier 273 

Zur Reichweite W. Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 275 AEUV, Rn. 9. Bernsdorff/Borowsky, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Handreichungen und Sitzungsprotokolle, 2002 sowie dies., Der Grundrechtekonvent. Unveröffentlichte Arbeitsdokumente, Bd. 1 u. 2, 2003. 275  EuGH, Urt. v. 12. 12. 1974, Rs 36/74 (Walrave u. Koch/Association Union Cycliste Internationale); vgl. auch EuGH, Urt. v. 30. 04. 1996, Rs C-214/94 (Boukhalfa/Deutschland). 276  EuGH, Urt. v. 27. 02. 1997, Rs C-177/95 (Ebony Maritime et al./Prefetto della Provincia di Brinsidi et al.); weitere Beispiele für die extraterritoriale Anwendung von Sekundärrecht bei Torremans in Neuwahl/Rosas (Hrsg.), The European Union and Human Rights, Den Haag 1995, S. 281 (285 ff.). 277  EuGH, Urt. v. 27. 06. 2006, Rs C-540/03 (Parlament/Rat). 278 GA Kokott, Schlussantrag v. 08. 09. 2005, Rs C-540/03, Ziff. 61. 274 Vgl.

III.  Charta der Grundrechte der Europäischen Union

133

Niederländer, die in einem Überseegebiet nach Art. 355 Abs. 2 AEUV279 bzw. Art. 299 Abs. 3 EGV a.F. lebten und denen im Einklang mit niederländischem Recht daher das Wahlrecht zum europäischen Parlament gemäß Art. 22 Abs. 2 AEUV bzw. Art. 19 Abs. 2 EGV a.F. ein Unionsbürgerrecht – verweigert wurde.280 Der EuGH stellte fest, die Unionsbürgerrechte seien grundsätzlich auf Bewohner in den genannten Überseegebieten anwendbar, da der Unionsbürgerstatus nur von der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates abhängig sei.281 Daraus folge aber nicht zwingend, dass in diesen Gebieten auch der unbeschränkte Genuss aller einzelnen Bürgerrechte möglich sei. Es stehe den Mitgliedsstaaten offen, diese Rechte außerhalb des Unionsgebietes zu beschränken, solange diese Beschränkung objektiv nachvollziehbaren Kriterien folgt.282 Dies erinnert an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, ein internationaler Bezug erleichtere die Einschränkung von Grundrechten.283 Gleichwohl führt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ein internationaler Bezug des Sachverhaltes nicht dazu, dass eine Überprüfung von Unionshandeln nur am Maßstab derjenigen Grundrechte erfolgt, die ius cogens darstellen; vielmehr sei auch hier eine „grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit sämtlicher Handlungen der Gemeinschaft im Hinblick auf die Grundrechte als Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts“284 geboten.285

279  Diese Überseegebiete sind nicht originärer Teil der Union. Für sie gilt jedoch das Assoziierungssystem der Art. 198 ff. AEUV, wodurch einzelne Bestimmungen des Unionsrechts auch in ihnen Geltung erlangen. Zu Details siehe Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. I: EUV/AEUV, Art. 52 EUV (45. EL 2011), Rn. 18. 280  EuGH, Urt. v. 12. 09. 2006, Rs C-300/04 (Eman u. Sevinger/Den Haag). 281  A.a.O., Rn. 27 ff. 282  A.a.O., Rn. 61. Deutlicher GA Tonio im Schlussantrag v. 06. 04. 2006, Rs C-145/04 und C-300/04, Ziff. 164 ff. 283  Siehe oben, insb. BVerfGE 92, 26. 284  EuGH, Urt. v. 03. 09. 2008, Rs C-402/05 P (Kadi/Rat), Ziff. 326 f. So implizit auch schon EuGH, Urt. v. 30. 07. 1996, Rs C-84/95 (Bosphorus). Anders zuvor EuG, Urt. v. 21. 09. 2005, Rs T-315/01 (Kadi/Rat und Kommission), Ziff. 226 ff. Hauptproblem des Verfahrens war die Frage, inwiefern Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen so einer mittelbaren Rechtmäßigkeitskontrolle unterworfen werden dürfen. Betroffen waren im Verfahren Vermögensgüter, die sich innerhalb des Unionsgebiets befanden, weshalb jedenfalls in dieser Hinsicht kein extraterritorialer Eingriff stattfand. 285  Unter der Geltung der Charta weiterhin EuGH, Urt. v. 19. 07. 2012, Rs C-130/10 (Parlament/Rat), Ziff. 83.

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

b)  Libanon und West-Sahara: Grundrechtecharta und völkerrechtliche Abkommen 2011 urteilte das Gericht (EuG) über eine Klage eines libanesischen Staatsbürgers gegen die Weigerung der Union, angesichts von Menschenrechtsverletzungen im Libanon das Assoziierungsabkommen mit dem Libanon auszusetzen.286 Es wies die Klage ab: Zwar berechtige das Assoziierungsabkommen zu einer Kündigung aufgrund von Menschenrechtsverletzungen, es verpflichte aber nicht dazu. Auch die Pflicht zur Achtung der Menschenrechte aus Art. 2, 3 Abs. 5 EUV verpflichte die Union nicht zur Kündigung des Abkommens, da ihr – auch dies ist eine bekannte Argumentationsfigur287 – in auswärtigen Angelegenheiten ein weiter Beurteilungsspielraum zustehe.288 Der Gerichtshof bestätigte diese Argumentation und wies die eingelegten Rechtsmittel ab.289 Im Dezember 2015 äußerte sich das Gericht in einer Entscheidung zur Bindung der Unionsorgane an die Charta beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge, und nahm dabei auf die Grundrechtsberechtigung von Personen in Drittstaaten Bezug.290 Dem Urteil lag ein Vertrag zum Abbau von Handelshindernissen für Agrarprodukte zugrunde, den der Rat im Namen der Union mit dem Königreich Marokko abschloss291. Das Königreich Marokko beansprucht die Gebietshoheit über die Westsahara. Dieser Gebietsanspruch ist international umstritten: Die Frente Polisario, eine Unabhängigkeitsbewegung, sieht sich als Vertreterin eines souveränen Staates auf diesem Territorium. Sie erhob Nichtigkeitsklage292 gem. Art. 263 Abs. 4 AEUV gegen den Vertrag und argumentiert, es sei der Union zum einen völkerrechtlich verwehrt, Verträge abzuschließen, die sich auch auf ein umstrittenes Gebiet beziehen. Zum anderen verletze der Vertrag die Grundrechte der Personen innerhalb der Westsahara. Nach einigen Ausführungen zur Parteifähigkeit der Frente Polisario293 kam das Gericht zum Ergebnis, es gebe kein grundsätzliches Verbot, Verträge, die 286 

EuG, Urt. v. 06. 09. 2011, Rs T-292/09 (Mugraby/Rat und Kommission). Konvergenz dieses Arguments ausführlich Kottmann, Introvertierte Rechtsgemeinschaft. Zur richterlichen Kontrolle des auswärtigen Handelns der Europäischen Union, 2014, S. 71 f. 288 A.a.O., Rn. 59 f. Zum auswärtigen Beurteilungsspielraum im Unionsrecht auch Kottmann, Introvertierte Rechtsgemeinschaft, S. 85 ff. 289  EuGH, Urt. v. 12. 07. 2012, Rs C-581/11 P (Mugraby/Rat und Kommission). 290  EuG, Urt. v. 10. 12. 2015, Rs T-512/12 (Front Polisario/Rat). 291  ABl. L 241 v. 07. 09. 2012, S. 4 ff. 292  Zugleich wurde durch ein englisches Gericht ein Vorabentscheidungsverfahren initiiert, siehe R (Western Sahara Campaign) v HM Revenue and Customs and Secretary of State for the Environment, [2015] EWHC 2898 (Admin). Das Schicksal dieses Verfahrens und die Ursachen für die parallele Erhebung einer Nichtigkeitsklage sind nicht bekannt. 293  EuG, Urt. v. 10. 12. 2015, Rs T-512/12, Rn. 34 ff. 287  Zur

III.  Charta der Grundrechte der Europäischen Union

135

sich auch auf umstrittene Territorien beziehen, mit Staaten abzuschließen, deren Hoheit über diese Territorien bestritten wird.294 Ferner wiederholte es, dem Rat komme in außenpolitischen Fragen ein weites Ermessen zu.295 Gleichwohl könne der Vertrag zu Grundrechtsverletzungen der Bewohner der Westsahara, insbesondere durch deren wirtschaftliche Ausbeutung, führen.296 Die Union sei zwar nicht für Grundrechtsverletzungen anderer Staaten verantwortlich, dürfe sie aber nicht fördern oder von ihnen profitieren: „In that connection, the Council argues that ,the fact of having concluded an agreement with a non-member State does not and cannot make the European Union liable for any actions committed by that country, whether or not they correspond to infringements of fundamental rights‘. That argument is correct, but it ignores the fact that, if the European Union allows the export to its Member States of products originating in that other country which have been produced or obtained in conditions which do not respect the fundamental rights of the population of the territory from which they originate, it may indirectly encourage such infringements or profit from them.“297

In diesem Rahmen könnten sich auch die Bewohner der Westsahara gegenüber der Union auf die Grundrechtecharta berufen.298 Die Union müsse die Gefahr von Grundrechtsverletzungen berücksichtigen und die ihr möglichen Maßnahmen ergreifen, um sie zu verhindern.299 Dies sei hier nicht geschehen. Das Gericht hob den zum Vertragsschluss führenden Rechtsakt des Rates, soweit er die Westsahara betrifft, daher auf. Das Urteil sorgte nicht für größeres Aufsehen, ließ die wenigen Kommentatoren aber einigermaßen ratlos zurück: Es ist unklar, was genau das Gericht vom Rat fordert bzw. welches Maß an Berücksichtigung und Reaktion erforderlich ist, um der Grundrechtsbindung zu genügen.300 Auf die Berufung des Rates hin hob der EuGH die Entscheidung auf. Das Abkommen gelte ausweislich seines Art. 94 nur für das marokkanische Staatsgebiet301, finde mithin auf die Westsahara überhaupt keine Anwendung.302 Beachtenswert ist freilich das darüber hinausgehende Obiter dictum des Generalanwalts Wathelet für den Fall, dass der Vertrag auch für die Westsahara Anwendung fände: Er stellte fest, das auswärtige Ermessen der europäischen Organe sei zwar 294 

A.a.O., Rn. 215 ff. A.a.O., Rn. 223. 296  A.a.O., Rn. 238. 297  A.a.O., Rn. 230 f. 298  A.a.O., Rn. 227 f. 299  A.a.O., Rn. 240 ff. 300  Vidigal, Trade Agreements, EU Law, and Occupied Territories (2), http://www. ejiltalk.org/13901 – 2/[25. 09. 2017]; Wutscher, Rechtssache Frente Polisario/Rat, http:// www.juwiss.de/13 – 2016/[25. 09. 2017]. 301  ABl. L 70 v. 18. 03. 2000, S. 2 ff. 302  EuGH, Urt. v. 21. 12. 2016, Rs C-104/16 P (Front Polisario/Rat), Ziff. 81 ff. 295 

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

weit, aber nicht unbegrenzt.303 Insbesondere bestehe eine gerichtliche Kontrolle darüber, ob rechtlich relevante Aspekte überhaupt gesehen und beachtet wurden. Im Rahmen ihrer Ermessensausübung hätten die Unionsorgane Menschenrechte in zweifacher Hinsicht zu berücksichtigen: Einerseits als unionsrechtliche Verpflichtung in Gestalt der Grundrechtecharta, andererseits als Ausfluss des völkerrechtlichen ius cogens.304 Die völkerrechtlichen Menschenrechtsverpflichtungen würden dabei weitreichend auch extraterritorial gelten, was der Union keine Verantwortlichkeit für das Verhalten fremder Staaten aufbürde, sondern ihr lediglich die Förderung menschenrechtswidriger Zustände verbiete.305 Zur extraterritorialen Geltung der Charta hingegen führte der Generalanwalt aus, sie sei in besonderen Umständen zu bejahen – sicherlich sei dies der Fall „where an activity is governed by EU law and carried out under the effective control of the EU and/or its Member States but outside their territory“306 –

und belegte dies mit der neueren Rechtsprechung des EGMR: Nach seiner Auffassung sollte die extraterritoriale Anwendbarkeit der Charta also jedenfalls dann bestehen, wenn eine Handlung in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt und der effektiven Kontrolle der Union oder ihrer Mitgliedsstaaten unterliegt. Den Begriff der effektiven Kontrolle definierte der Generalanwalt nicht; der Verweis auf die EGMR-Rechtsprechung legt aber eine Anlehnung an die dort verwendeten Kriterien nahe.307 Da diese Voraussetzungen in der Westsahara nicht vorlägen, komme die Grundrechtecharta nicht zur Anwendung.308 Diese apodiktische Schlussfolgerung verwundert, sollten die oben genannten Kriterien doch eigentlich nur ein Beispiel der „besonderen Umstände“, die zur extraterritorialen Geltung der Charta führten, darstellen. Gleichwohl verletze die Nichtbeachtung möglicher Menschenrechtsverstöße in der Westsahara die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Union.309 c)  Neuere Entscheidungen Eine enorm weitreichende extraterritoriale Grundrechtsbindung vertrat Generalanwalt Mengozzi in der Rechtssache X gegen Belgien. In dem Rechtsstreit, der dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde lag, hatte eine syrische Familie, 303 GA

Wathelet, Schlussantrag v. 13. 09. 2016, Rs C-104/16 P, Ziff. 220 ff. A.a.O., Rn. 257. 305  A.a.O., Rn. 267 ff. 306  A.a.O., Rn. 270. 307  Sieze zusammenfassend dazu D. I. 4. 308 GA Wathelet, Schlussantrag v. 13. 09. 2016, Rs C-104/16 P, Ziff. 271 f. 309  A.a.O., Rn. 274 ff. 304 

III.  Charta der Grundrechte der Europäischen Union

137

die sich in Aleppo aufhielt, die Erteilung eines Visums beantragt, um Folter und Verfolgung entfliehen zu können. Die belgischen Behörden lehnten den Antrag ab und verwiesen die Antragsteller auf die Möglichkeit eines Asylverfahrens, wenn sie denn einmal belgischen Boden erreichten. Das angerufene Gericht legte dem EuGH u.a. die Frage vor, ob Art. 25 Abs. 1 a) des Schengener Visakodex‘310, der die Erteilung eines räumlich beschränkten Visums vorsieht, wenn internationale Verpflichtungen oder humanitäre Gründe dies bedingen, einen Mitgliedsstaat dazu verpflichtet, in derartigen Fällen ein Visum auszustellen. Der Generalanwalt argumentierte, die Grundrechtecharta stelle keine „internationale Verpflichtung“ im Sinne der Norm dar.311 Allerdings seien die Mitgliedsstaaten zur Erteilung von Visa aus humanitären Gründen verpflichtet, wenn sich dies aus den Grundrechten der Charta ergebe. Diese, so der Generalanwalt, gelten im Anwendungsbereich des Unionsrechts ausnahmslos; es könne keine Umsetzung des Unionsrechts geben, die nicht an die Charta gebunden sei.312 Folglich sei die Chartabindung auch unabhängig von territorialen Gesichtspunkten gegeben: „Des Weiteren ist hervorzuheben, dass die durch die Charta anerkannten Grundrechte, zu deren Beachtung alle im Rahmen des Unionsrechts handelnden Behörden der Mitgliedstaaten verpflichtet sind, den Adressaten der von einer solchen Behörde erlassenen Rechtsakte unabhängig von jedem territorialen Kriterium garantiert sind.“313

In seinem Urteil kam der Gerichtshof hingegen zu dem Ergebnis, die Erteilung humanitärer Visa falle nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts, und hatte daher keinen Anlass zur Heranziehung europäischer Grundrechte.314 Befindet sich lediglich der Aufenthaltsort oder Sitz des Betroffenen außerhalb des Unionsgebietes, der Ort des Eingriffs jedoch innerhalb dessen, so scheint die Anwendbarkeit der Charta unbestritten zu sein. So unterstellte der Gerichtshof in einem Verfahren über eingefrorene – in der Union befindliche – Vermögenswerte eines russischen Staatsunternehmens die Bindung an die Charta, ohne auf Fragen der territorialen Reichweite überhaupt einzugehen.315 d)  Praxis der Kommission Die Kommission und die Hohe Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik betonen in ihrem Bericht zu Menschenrechten und Demokratie im auswär310 

VO 810/2009. Mengozzi, Schlussantrag v. 07. 02. 2017, Rs C-638/16 (X/Belgien), Ziff 102 ff. 312  A.a.O., Ziff. 91. 313  A.a.O., Ziff. 89. Hervorhebung auch im Original. 314  EuGH, Urt. v. 07. 03. 2017, Rs C-638/16 PPU (X/Belgien), Ziff. 42 ff. 315  EuGH, Urt. v. 28. 03. 2017, Rs C-72/15 (Rosneft), Ziff. 143 ff. Genauso EuG, Urt. v. 30. 11. 2016, Rs T-720/14 (Rotenberg), Ziff. 166 ff. 311 GA

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

tigen Handeln ebenfalls eine grundsätzliche extraterritoriale Bindungswirkung der Charta: „Das auswärtige Handeln der EU muss mit den Rechten im Einklang stehen, die in der – seit dem Vertrag von Lissabon verbindlichen – EU-Grundrechtecharta verankert sind“316

und setzen dabei u.a. auf Menschenrechtsklauseln in ihren auswärtigen Verträgen.317 Ein besonderer Mechanismus, der sich nicht in das beschriebene System einfügt, existiert im Rahmen der Rechtsstaatlichkeitsmission der EU im Kosovo (EULEX). EULEX wurde 2008 durch Beschluss des Rates konstituiert und übt neben Beratungstätigkeiten für die kosovarischen Staatsorgane diverse hoheitliche Funktionen aus.318 2009 wurde ein „Human Rights Review Panel“ (HRRP) geschaffen, das die Einhaltung menschenrechtlicher Garantien – allerdings nicht explizit jene der Charta319 – kontrolliert.320 2.  Literatur In der Literatur erfolgt eine Auseinandersetzung mit der extraterritorialen Wirkung der Unionsgrundrechte nur spärlich. Aus dem fehlenden „Wortlautanker“ der Charta und den genannten Urteilen des EuGH schließt eine verbreitete Auffassung, die territoriale Reichweite der Charta entspreche jedenfalls für die Bindung der Union dem territorialen Geltungsbereich des gesamten Unions-

316  Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, Menschenrechte und Demokratie im Mittelpunkt des auswärtigen Handelns, KOM (2011) 886, http://www.europarl. europa.eu/meetdocs/2009_2014/documents/com/com_com%282011%290886_/com_ com%282011%290886_de.pdf [25. 09. 2017], S. 8. 317 A.a.O., S. 12. Siehe dazu auch Bartels, Eine menschenrechtliche Modellklausel für die völkerrechtlichen Abkommen der Europäischen Union, http://www.institut-fuermenschenrechte.de/uploads/tx_commerce/Studie_Menschenrechtliche_Modellklausel. pdf [25. 09. 2017]. 318  Council Joint Action 2008/124/CFSP of 4 February 2008 on the European Union Rule of Law Mission in Kosovo, EULEX KOSOVO, ABl. L 42/92 v. 16. 02. 2008 319 Das HRRP führt auf seiner Website – http://www.hrrp.eu/relevant-rights.php [25. 09. 2017] – diverse Menschenrechtsinstrumente auf, jedoch nicht die Grundrechtecharta. 320 Der Beschluss zur Einführung des HRRP ist Verschlusssache, eine Chronologie und Beschreibung des HRRP findet sich in der Stellungnahme der Venedig-Kommission des Europarats: Opinion on the Existing Mechanisms to Review the Compatibility with Human Rights Standards of Acts by UNMIK and EULEX in Kosovo, Opinion No. 545/2009, http://www.venice.coe.int/webforms/documents/default.aspx? pdffile=CDL-AD%282010%29051-e [25. 09. 2017], S. 13 f.

III.  Charta der Grundrechte der Europäischen Union

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rechts, der in Art. 52 EUV, 355 AEUV festgelegt ist und im Großen und Ganzen321 dem Staatsgebiet der Mitgliedsstaaten entspricht.322 Gleichzeitig bestehe im auswärtigen Bereich ein größeres politisches Ermessen.323 Bezüglich der eingeschränkten effektiven Durchsetzungsmacht Zyperns in Nordzypern findet sich eine Sonderregelung in Protokoll Nr. 10 zum Beitrittsvertrag Zyperns; ferner findet sich in Art. 355 Abs. 3 AEUV ähnlich wie in Art. 56 EMRK eine „Kolonialklausel“, die hier aber von der grundsätzlichen Erstreckung des Unionsrechts ausgeht. Die Umschreibung des Unionsgebietes beschreibt aber nicht abschließend den tatsächlichen Geltungsanspruch des Unionsrechts. Ebenso wenig wie Art. 23 GG a.F. haben die Art. 52 EUV, 355 AEUV den Zweck, den Geltungsanspruch rechtlicher Normen außerhalb des Unionsgebietes zu verhindern.324 Vor allem Maßnahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) bzw. des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts können außerhalb dieser Grenzen erfolgen, wie etwa die Operation Atalanta vor Somalia zeigt. Da aber auch diese Maßnahmen durch die Charta gebunden sein sollen325, wird bei extraterritorialem Handeln die Geltung der Charta jedenfalls in ihrer Abwehrdimension überwiegend auch jenseits der Grenzen der Art. 52 EUV, 355 AEUV bejaht.326 Teils wird auch eine darüber hinausgehende, weitgehend unbeschränkte Wirkung konstatiert: So geht Winkler davon aus, dass in der Regel „kein territorialer Bezug des Grundrechtsträgers zur EU gegeben sein muss.“327 Art. 51 GRCh 321  Hinzu kommen die Flugzeuge und Schiffe unter der Flagge der Mitgliedsstaaten, nicht aber deren ausschließliche Wirtschaftszone, sowie – wie oben beschrieben – teilweise die assoziierten Gebiete, vgl. Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Art. 52 EUV (45. EL 2011), Rn. 14 ff. 322  Winkler, Die Grundrechte der Europäischen Union. System und allgemeine Grundrechtslehren, 2006, S. 118. 323 Dazu Thym, in: v. Bogdandy/Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht. Theoretische und dogmatische Grundzüge, 2. Aufl. 2009, S. 441 (468). 324  Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Art. 52 EUV (45. EL 2011), Rn. 8. 325  Dies ist in Bezug auf die Charta inzwischen einhellige Meinung, statt vieler Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Aufl. 2014, Art. 51, Rn. 16. 326  Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Art. 51, Rn. 16; D. Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 14, Rn. 82; Jarass, Art. 51, Rn. 39; Moreno-Lax/Costello, in: Peers et al. (Hrsg.), The EU Charter of Fundamental Rights. A Commentary, Oxford 2014, S. 1657 (1662); Winkler, Grundrechte der Europäischen Union, S. 118. 327  Winkler, Grundrechte der Europäischen Union, S. 104. Winkler betont, die Frage der personellen Reichweite sei von der territorialen strikt zu trennen, kommt aber in beiden Bereichen grundsätzlich zur beschriebenen Antwort. So auch A. Schmidt, KritV 100 (2017), 249 (304).

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

knüpfe nur an den handelnden Akteur – Union oder Mitgliedsstaat – und im zweiten Fall an den Sachzusammenhang zum Unionsrecht an. Weitere Voraussetzungen habe die Charta nicht, in diesem Rahmen sei ihre Bindungswirkung daher umfassend.328 Dieses Wirkungsprinzip wurde auch schon vor Inkrafttreten der Charta vertreten: „Die Grundrechtsbindung ist absolut und umfassend; Freiräume soll es nicht geben.“329

Dennoch soll aus den Grundrechten regelmäßig kein Recht auf Einreise folgen.330 Teilweise wird vorgeschlagen, in Anlehnung an Art. 15 Abs. 3 GRCh, der den „Staatsangehörigen dritter Länder, die im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten arbeiten dürfen“ ein Recht auf gleiche Arbeitsbedingungen zusichert, jedenfalls für den status positivus einen territorialen Bezug zum Unionsgebiet bzw. eine Zulassung zu diesem zu verlangen.331 Andere fordern Auswirkungen im Gebiet der Union und lehnen das reine Wirkungsprinzip ab, um – man beachte die Begriffsähnlichkeit zu den Ausführungen Isensees332 – ein Grundrechtsdiktat zu vermeiden.333 Deutlich strenger äußert sich Herdegen, der eine grundsätzliche extraterritoriale Geltung nur für die Union bejaht, für die Bindung der Mitgliedsstaaten aber von einer Geltung nur in deren Gebiet ausgeht.334 Für eine weitreichende extraterritoriale Geltung wird bisweilen die ausdrückliche menschenrechtliche Verpflichtung der Außenpolitik der Union in Art. 3 Abs. 5 und Art. 21 Abs. 1 EUV angeführt335, wobei offen bleibt, ob hiervon tat328  Fischer-Lescano/Kreck, Piraterie und Menschenrechte. Rechtsfragen der Bekämpfung der Piraterie im Rahmen der europäischen Operation Atalanta, https://www.jura. uni-bremen.de/lib/download.php?file=402580c9a7.pdf [25. 09. 2017]; Lehnert, Frontex und operative Maßnahmen, S. 196 f.; Moreno-Lax/Costello, in: Peers et al. (Hrsg.), The EU Charter of Fundamental Rights, S. 1657 (1682); K. Müller, ZEuS 20 (2017), 161 (176); Ziebritzki, Humanitäre Visa für Flüchtlinge, Teil 2: wirklich keine Angelegenheit der EU?, http://verfassungsblog.de/humanitaere-visa-fuer-fluechtlinge-teil-2-wirklich-keineangelegenheit-der-eu/[25. 09. 2017]. 329  Ukrow, in: Bröhmer (Hrsg.), Der Grundrechtsschutz in Europa. Wissenschaftliches Kolloquium aus Anlass des 65. Geburtstages von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Georg Ress, 2002, S. 139 (142). 330  Gerson, APuZ 25/2015, www.bpb.de/apuz/208011/frontex-und-die-europae ischen-aussengrenzen; Winkler, Grundrechte der Europäischen Union, S. 105. 331  Jarass, Art. 51, Rn. 39. 332  Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (63): „Grundrechtsimperialismus“. 333  Torremans, in: Neuwahl/Rosas (Hrsg.), European Union and Human Rights, S. 281 (293): „It would clearly be inappropriate and in breach of public international law to dictate the law on fundamental rights in cases where there is only an indirect effect in the Union and/or where the conduct is not implemented in the Union.“ 334  Herdegen, in: HStR³ X, § 211, Rn. 44 f. 335  Kanalan/Wilhelm/Schwander, Staat 56 (2017), 193 (199); K. Müller, ZEuS 20 (2017), 161 (183 f.).

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sächlich die Gesamtheit der Charta-Grundrechte umfasst ist336 oder die Norm lediglich auf Ius-cogens- und Erga-omnes-Verpflichtungen verweist337. Ein Mehrwert der Normen liegt jedenfalls darin, dass sie über eine bloße Pflicht zur Achtung der Menschenrechte hinaus die Union zu deren aktivem Schutz aufrufen.338 Vor diesem Hintergrund wurde die Entscheidung gegen einen Anspruch auf Erteilung humanitärer Visa339 als von politischen Zwängen geprägt verstanden.340 Bezüglich des Verbotes der Todesstrafe in Art. 2 Abs. 2 GRCh wurde vorgebracht, dieses ergebe nur Sinn, wenn es extraterritorial – etwa zur Herleitung von Auslieferungsverboten – Wirkung entfalte. Innerhalb der Union könne es nie zur Anwendung kommen, da die Union auf diesem Gebiet ohnehin keine Kompetenz habe.341 Dieser Befund wird teils durch die Arbeitsmaterialien gestützt – so berufen sich einzelne Delegierte auf die Bedeutung als Ausweisungsverbot342 und auf internationale Wirkungen343 –, teils aber auch widerlegt: Viele Delegierte widersprachen einer Streichung aus rechtsästhetischen Erwägungen344: Eine Grundrechtecharta ohne Verbot der Todesstrafe würde schlicht „komisch aussehen“ [sic!].345 Denkbar wäre angesichts der „besonderen Bedeutung“ der EMRK für die Auslegung der Charta (Art. 52 Abs. 3 GRCh) schließlich auch eine Übertragung der Rechtsprechung des EGMR. Dennoch wird eine solche Lösung überwiegend abgelehnt.346 336  Hillion, EP 1 (2016), 55 (57 ff.); Kube, The Polisario case: Do EU fundamental rights matter for EU trade polices?, http://www.ejiltalk.org/the-polisario-case-do-eufundamental-rights-matter-for-eu-trade-polices/[25. 09. 2017] unter Berufung auf EuG, Urt. v. 10. 12. 2015, Rs T-512/12, Ziff. 227 f.; dies., The European Union’s External Human Rights Commitment: What is the Legal Value of Article 21 TEU?, EUI Working Paper LAW 2016/10, S. 26 f. 337  In diese Richtung W. Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 21, Rn 5, der jedoch zur Auslegung auch auf die Charta zurückgreifen möchte. 338  So, wenngleich zurückhaltend in Bezug auf das Ausmaß dieser Verpflichtung, Bartels, EJIL 25 (2014), 1071 (1074 f.). 339  EuGH, Urt. v. 07. 03. 2017, Rs C-638/16 PPU (X/Belgien), s.o. 340  K. Müller, ZEuS 20 (2017), 161 (170). 341  Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union, Rn. 430. 342  Brax, in: Bernsdorff/Borowsky, Handreichungen und Sitzungsprotokolle, S. 145. 343  Altmaier, a.a.O., S. 135. 344  Eine Streichung befürworteten etwa Berthu, in: Bernsdorff/Borowsky, Unveröffentlichte Arbeitsmaterialien, Bd. 1, S. 237; R. van Dam, ebd., S. 228. 345  So wörtlich Olsen, in: Bernsdorff/Borowsky, Handreichungen und Sitzungsprotokolle, S. 143; ebenso Barros Moura und Braibant, ebd., S. 145. 346  Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Art. 51, Rn. 16; K. Müller, ZEuS 20 (2017), 161 (176); Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union, Rn. 430; zweifelnd E. Pe-

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

3.  Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Frage nach einer extraterritorialen Geltung der Charta noch ungeklärt ist, viele Stimmen jedoch eine große territoriale Reichweite mit möglichst wenigen Einschränkungen annehmen. Überwiegend wird eine über die Grenzen der Rechtsprechung des EGMR hinausgehende Wirkung befürwortet. Dafür spricht auch die vielfach in den Verträgen zu findende, deutliche Betonung der Verpflichtung zur Förderung der Menschenrechte außerhalb der Union. In der Rechtssache „Frente Polisario“ hingegen vertrat der Generalanwalt eine Anlehnung an die Rechtsprechung des EGMR und dessen Begriff der effektiven Kontrolle über eine Person oder ein Gebiet. Zu untersuchen wird freilich noch sein, welche Relevanz die Charta angesichts ihrer Beschränkung auf die Durchführung des Unionsrechts tatsächlich im Ausland haben kann.

IV.  Zwischenergebnis 1.  Zusammenfassung Wie festgestellt wurde, betont der EGMR in seinen Entscheidungen grundsätzlich das Territorialprinzip, lässt aber Durchbrechungen bei der tatsächlichen Kontrolle eines Gebietes, der vollständigen Kontrolle über einen Sachverhalt, bei vereinbartem Auslandshandeln von Amtsträgern, die wie im Inland tätig werden, sowie bei Auslieferungen zu.347 Maßgeblich für all diese Durchbrechungen ist die Subordination unter Staatsgewalt außerhalb des Staatsgebietes. Die Strenge des territorialen Grundsatzes und die Reichweite der subordinativen Durchbrechungen legt der Gerichtshof mal weiter, mal enger aus. Dem Grundsatz nach folgt der Menschenrechtsausschuss in der Durchsetzung des IPbpR einem weniger territorial geprägten Prinzip. Er fordert als Anknüpfungspunkt für die Geltung des Paktes regelmäßig nur das Bestehen von Hoheitsgewalt über eine Person348, scheint also ein Szenario, das der EGMR noch als Durchbrechung eines allgemeinen Grundsatzes versteht, zum Leitprinzip zu erheben. Die tatsächlichen Auswirkungen dieses Unterschiedes sind jedoch angesichts der geringen relevanten Fallzahlen vor dem MRA völlig unklar. Vieles spricht dafür, dass sich die Dogmatik beider Institutionen im Ergebnis nur gering

ters, Der EuGH erklärt Safe-Harbour für ungültig – Was folgt daraus für die europäischen Sicherheitsbehörden?, http://www.juwiss.de/74 – 2015/ [25. 09. 2017]. 347 EGMR, Urt. v. 07. 07. 2011, Nr. 55721/07 (Al-Skeini et al./UK); EGMR, Urt. v. 07. 07. 1989, Nr. 14038/88 (Soering/UK). 348  MRA, López Burgos/Uruguay, Com. No. R.12/52, 40 (A/36/40), Nr. 176 (1981).

IV.  Zwischenergebnis

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unterscheidet.349 Insbesondere stellen beide Institutionen bei der Frage nach dem Vorliegen von Hoheitsgewalt nicht darauf ab, ob eine solche vorliegen dürfe – d. h. ob der betreffende Staat völkerrechtlich zuständig war –, sondern ob sie tatsächlich vorlag.350 Bei der Anwendung der Grundrechtecharta wird meist auch eine starke Anlehnung an das Wirkungsprinzip und eine größere Reichweite im Vergleich zur EMRK befürwortet. Neben dem Wirkungsprinzip lassen sich somit grundsätzlich zwei Modelle unterscheiden: Die extraterritoriale Geltung von Menschenrechten folgt grundsätzlich entweder der Kontrolle über ein Gebiet oder der Kontrolle über Personen.351 Während beide Ansätze bei der Besetzung von Gebieten zu einer Bindung kommen und z. B. die Entführung von Personen im Ausland meist auch von gebietsfokussierten Ansätzen als Ausnahme anerkannt wird352, unterscheiden sich ihre Ergebnisse bei militärischen Angriffen, bei denen gerade noch keine Kontrolle über ein Gebiet besteht.353 2.  Jurisdiktion als Kontrolle Beide Denkmodelle werfen immense Praktikabilitätsfragen auf. Was genau ist unter der Kontrolle von Personen zu verstehen? Ist das entscheidende Merkmal der physische Freiheitsentzug354, oder kann dieser Gedanke auch weiter reichen? Die Rechtsprechung des Gerichtshofs scheint nahezulegen, dass ein solcher – vorheriger – Freiheitsenzug notwendig ist, um die Konventionsbindung überhaupt auszulösen. Zu welch absurden Abgrenzungen diese Position führen kann, hat der englische High Court brilliant dargestellt: 349  So auch McGoldrick, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 41 (68 f.). 350  So deutlich auch Gondek, The Reach of Human Rights in a Globalising World, S. 369 ff.; Janik, ZaöRV 70 (2010), 127 (134); Johann, Menschenrechte im internationalen bewaffneten Konflikt, S. 95 ff.; Moreno-Lax/Costello, in: Peers et al. (Hrsg.), The EU Charter of Fundamental Rights, S. 1657 (1662); vgl. dagegen bzgl. des GG Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 97; s. dazu schon C. III. 5. 351  Milanovic, Extraterritorial Application, S. 127, 173. Zu diesen beiden Modellen auch Hathaway et al., Arizona State LJ 43 (2011), 389 (420 f.), die einen „emerging consensus“ (421) hin zur effektiven Kontrolle einer Person ausmachen. 352  Vgl. etwa EGMR, Urt. v. 12. 05. 2005, Nr. 46221/99 (Öcalan/Türkei). Gefangennahmen, die zur Anwendung des Habeas-Corpus-Rechts führen, sind geradezu das Paradebeispiel dieses Modells, wie Farrell, Habeas Corpus in international law, Galway, NUI, Diss. 2014, https://aran.library.nuigalway.ie/bitstream/handle/10379/4568/Habeas%20 Corpus%20in%20Intl%20Law%2007. 23. 13.pdf?sequence=1&isAllowed=y [25. 09. 2017], zurecht anmerkt. 353  Coomans/Kamminga, in: dies. (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 1 (3 f.). 354  Milanovic, Extraterritorial Application, S. 187 ff.

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D.  Internationaler Menschenrechtsschutz

„On the view contended for by the Secretary of State, the Convention did not apply to Mr Khalaf at the time he was shot in the stomach, subject to a possible argument that his freedom of movement had already been restrained by the soldier who ordered him to reverse his car; and yet the Convention was applicable by the time his head was hit against the pavement because by that time his liberty had been restricted. […] I cannot accept that the existence or otherwise of Convention rights can or does depend on such sophistical, and to my mind unacceptable, distinctions.“355

Betrachtet man den Begriff der Kontrolle dagegen phänomenologisch, so spricht viel dafür, dass jede Möglichkeit, die Freiheit von Individuen zu verkürzen, darunter zu fassen ist. Folgt man diesem Verständnis, so unterscheidet sich das Modell aber nicht mehr vom Wirkungsprinzip. Letztlich kann der Begriff der effektiven Kontrolle angesichts seiner Ambivalenz daher nur dazu dienen, willkürliche Grenzziehungen scheinbar zu systematisieren, wie Scheinin deutlich macht: „Ultimately, I believe that the assassination of a targeted individual with a cruise missile, an anthrax letter sent from the neighboring country, a sniper’s bullet in the head from the distance of 300 meters, or a poisened umbrella tip on a crowded street all constitute ‚effective control‘.“356

Ähnliche Fragen stellen sich aber auch bei der Kontrolle über ein Gebiet. Ab wann liegt Kontrolle vor? Wie stabil und dauerhaft muss etwa nach Etablierung einer Besetzung diese Kontrolle sein, um die Grundrechtsbindung zu bejahen?357 Spricht der EGMR zunächst davon, ein Staat müsse im Gebiet alle oder einige der üblicherweise von der dortigen Regierung ausgeübten Aufgaben ausführen358, so verneint er die Maßgeblichkeit dieses Maßstabs später explizit359, wie Johann zurecht anmerkt.360 Ist für die Existenz von Hoheitsgewalt die Möglichkeit, Anordnungen zu erlassen und diese durchzusetzen, entscheidend, oder geht es um die Vollziehung von Realakten, gleich ob diesen eine Anordnung voranging oder nicht?361 Geht es um die Möglichkeit, grundsätzlich in diesem Gebiet hoheitlich tätig zu werden, so ist unklar, warum etwa nicht, wie in Banković von den Be355  High Court of Justice (Queen’s Bench), Urt. v. 17. 03. 2016, [2015] EWHC 715 (Admin), para 117. Gleichwohl halt das Berufungsgericht das Erfordernis vorherigen Freiheitsentzuges aufrecht: Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 09. 09. 2016, [2016] EWCA Civ 811, para 69. 356  Scheinin, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 73 (77 f.); vgl. auch F. Becker, in: Baade et al. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit im Völkerrecht, S. 19 (26 f.); Schäfer, in: Weiß (Hrsg.), Menschenrechtsbindung bei Auslandseinsätzen, S. 5 (6). 357  Diese Frage wirft Lawson, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 83 (111) auf. Dazu ausführlich Surholt, Amtshaftung für Handlungen in Auslandseinsätzen, S. 269 ff. 358  EGMR, Urt. v. 12. 12. 2001, Nr. 52207/99 (Banković et al./Belgien et al.), Ziff. 71. 359  EGMR, Urt. v. 16. 11. 2004, Nr. 31821/96 (Issa et al./Türkei), Ziff. 70. 360  Johann, Menschenrechte im internationalen bewaffneten Konflikt, S. 75. 361 Verneinend Surholt, a.a.O., S. 270 f.

IV.  Zwischenergebnis

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schwerdeführern vertreten, die Möglichkeit, ein Gebiet zu bombardieren, dafür ausreichen soll362 – stellt ein Bombardement doch eine sehr viel tiefgreifendere Möglichkeit zum Grundrechtseingriff dar, als dies bei der Ausübung von Polizeigewalt der Fall wäre. Unklar ist aber z. B. auch, ob sich die Gebietskontrolle potentiell auf alle Bereiche des Freiheitsgebrauchs erstrecken muss, oder ob es genügt, wenn in einem Gebiet die Ausübung eines bestimmten Grundrechts kontrolliert wird, wie dies etwa bei der Telekommunikationsüberwachung der Fall wäre. All dies sind Bedenken, die bei der Frage der Übertragbarkeit einer dieser Lösungen beachtet werden müssen. Bemerkenswert ist, dass der Wortlaut der verschiedenen Schutzregime für ihre Einordnung in eine dieser Gruppen kaum eine Rolle spielt.363 Obgleich sich Art. 1 EMRK und Art. 2 Abs. 1 IPbpR deutlich unterscheiden und letztere Norm eine deutliche Restriktivität nahelegt, verläuft ihre Auslegung in vielen Bereichen parallel – und wenn eine Divergenz vorliegt, so ist es Art. 1 EMRK, der restriktiver ausgelegt wird. Stark sind dagegen teleologische Argumente, etwa die Berufung auf die Universalität der Menschenrechte und die vermeintliche Absurdität, Staaten im Ausland mehr zu erlauben, als sie im Inland dürften: „The least one may expect from states who intervene abroad in the name of the great ideals of freedom, democracy and the rule of law, is that they continue to abide by the same universal human rights standards – whether they act at home or abroad.“364

Betreiben Staaten demnach eine menschenrechtlich begründete expansive Außenpolitik, so sollen sie auch in ihrem Eingriffshandeln im Ausland an diesem Anspruch festgehalten werden. Besonders die Auslegung des Zivilpaktes ist dabei stark vom Universalitätsgedanken und der „Strahlkraft“ der Menschenrechte geprägt365, was in deutlichem Kontrast zu den Überlegungen eines „espace juridique“ durch den EGMR366 und der Angst vor einem Grundrechtsoktroi in der deutschen Staatsrechtslehre367 steht. 362  Dazu auch Cerna, ILSA JICL 11 (2004/2005), 465 (468): „[It] is a fair but unexplor­ ed question to ask of the Court, precisely how much bombing is required to assert effective control of the relevant territory and its inhabitants. Perhaps the bombing of the radio ­station did not reach such a threshold, but perhaps carpet-bombing of a territory, sustained over an extended period of time, might.“ Johann, Menschenrechte im internationalen bewaffneten Konflikt, S. 89 f., geht hingegen davon aus, Lufthoheit könne Hoheitsgewalt am Boden auch phänomenologisch keineswegs ersetzen. 363  Brüche in der Urteilspraxis der verschiedenen Organe beklagt auch Rensmann, in: Weingärtner (Hrsg.), Einsatz der Bundeswehr im Ausland, S. 49 (65 f.). 364  Lawson, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 83 (120). 365 Vgl. etwa v. Arnauld, in: Weingärtner, Streitkräfte und Menschenrechte, S. 61 (67 ff.); Ben-Naftaly/Shany, ILR 37 (2004), 17 (61 ff.); Meron, AJIL 89 (1995), 78 (81). 366  EGMR, Urt. v. 12. 12. 2001, Nr. 52207/99 (Banković et al./Belgien), Rn. 80. 367  Statt vieler Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (63).

E.  Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen Die Beschreibung der verschiedenen Grund- und Menschenrechtskataloge und ihrer Antwort auf die Frage der extraterritorialen Wirkung reicht freilich nicht aus, um ein Gesamtbild der extraterritorialen Menschenrechtsbindungen der Bundesrepublik Deutschland zu zeichnen. Entscheidend ist auch, in welchem Verhältnis diese Ebenen zueinander stehen, inwiefern beispielsweise einzelne Ebenen Vorgaben für andere Schutzstufen enthalten.

I.  Grundsätzliches Verhältnis 1.  Europäische Menschenrechtskonvention Die EMRK steht in Deutschland innerstaatlich nicht in Verfassungsrang1, wie dies etwa in Österreich der Fall ist.2 Auch die verschiedentlich geäußerte Ansicht, es handle sich beim EGMR um eine überstaatliche Institution, der gemäß Art. 24 GG Hoheitsrechte übertragen worden seien3, stößt zu Recht auf Ablehnung: Die Konvention ist nach wie vor primär ein Völkerrechtsinstrument; innerstaatliche Durchgriffsrechte, wie sie für Art. 24 GG konstitutiv sind, bestehen nicht.4 Wer ihr unter Verweis auf Art. 1 Abs. 2 GG gar Überverfassungsrang zubilligt5, überdehnt die Grenzen dieser Norm. Art. 1 Abs. 2 GG verweist auf den Stellenwert überpositiver Menschenrechte, nicht aber auf deren Konkretisierungsversuch in einer positiven Normierung.6 Somit verbleibt es prinzipiell beim Rang der EMRK 1  Statt vieler Grabenwarter, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/2, 2009, § 169, Rn. 6. 2 Zum Rang der EMRK in verschiedenen europäischen Rechtsordnungen Theuerkauf, Parteiverbote und die Europäische Menschenrechtskonvention, 2006 S. 16 ff. 3  Everling, EuR 2005, 411 (416 f.). 4  Walter, ZaöRV 59 (1999), 961 (973 f.). 5  Echterhölter, JZ 1955, 689 (691 ff.). 6  Dreier, in: ders.(Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl. 2013, Art. 1 Abs. 2, Rn. 19; Hillgruber, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, Art. 1 (Stand: 01. 06. 2017), Rn. 58; Kunig in v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, 6. Aufl. 2012, Art. 1, Rn. 38; Sommermann AöR 114 (1989), 391 (407); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 1, Rn. 125 f. Gleichwohl kann Art. 1 Abs. 2 GG zur Untermauerung einer menschenrechtsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes herangezogen werden, wie im Folgenden noch dargestellt wird, vgl. Enders, in: Stern/ Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar. Die Grundrechte des Grundgesetzes mit ihren europäischen Bezügen, 2. Aufl. 2016, Art. 1, Rn. 97.

I.  Grundsätzliches Verhältnis

147

als einfaches Bundesgesetz.7 Angesichts des in Deutschland sehr stark betonten Vorranges der Verfassung bezeichnet Wahl diesen fehlenden Geltungsvorrang der EMRK mit Recht als Hypothek.8 Gleichwohl bestehen in der Anwendung der Konvention in der deutschen Rechtsordnung einige Besonderheiten.9 Sie wird nicht nach den Lex-posterior- oder Lex-specialis-Regeln verdrängt, da dem Gesetzgeber späterer Gesetze unterstellt werden kann, es habe nicht in seinen Intentionen gelegen, völkerrechtliche Verpflichtungen zu brechen.10 Soweit die Gewährleistungen eines Konventionsrechts den Schutzstandard der Grundrechte des Grundgesetzes erhöhen, werden sie außerdem bei der Auslegung dieser Grundrechte berücksichtigt und ergänzend herangezogen, insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Auslegung durch den EGMR.11 Das Bundesverfassungsgericht beruft sich hierbei auf den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, den es aus einer Gesamtschau der Art. 1 Abs. 2, 9 Abs. 2, 23, 24, 26 GG und der Präambel entwickelt.12 Diese Berücksichtigung der EMRK wirkt sich sowohl auf die Auslegung des Schutzbereiches als auch als Hilfestellung auf die Abwägung im Rahmen der Herstellung praktischer Konkordanz aus.13 Eine Verletzung der EMRK ist indirekt im Verfassungsbeschwerdeverfahren rügefähig – entweder als Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit der jeweiligen Bestimmung der EMRK14, über Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip15 oder über Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Gestalt als Willkürverbot.16 Insgesamt also steht die Konvention zwar im Gesetzesrang, erlangt aber durch ihre Projektion ins Grundgesetz hinein teilweise eine verfassungsähnliche Stel7 

BVerfGE 74, 258 (370). Wahl, in: FS Wildhaber, 2007, S. 865 (875). 9  Schilling, Deutscher Grundrechtsschutz, 2010, S. 59, spricht von einer „für Gesetzesrecht atypische[n] Stellung“. 10  Frowein, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VII, 1992, § 180, Rn. 6; Grabenwarter, in: HGR VI/2, § 169, Rn. 13; Schaefer, EuR 2017, 80 (92 f.); skeptisch dazu Herzog, DÖV 1959, 44 (46 f.). 11  BVerfGE 74, 358 (370); BVerwG, Urt. v. 21. 09. 2016, Az. 6 C 2.15 – NVwZ 2017, 65 (66 f.); Echterhölter, JZ 1955, 689; Sauer, in: Matz-Lück/Hong (Hrsg.), Grundrechte und Grundfreiheiten im Mehrebenensystem – Konkurrenzen und Interferenzen, 2012, S. 1 (50 ff.). 12  BVerfGE 111, 307. 13  Nußberger, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. X, 3. Aufl. 2012, § 209, Rn. 11. 14  Grabenwarter, in: HGR VI/2, § 169, Rn. 23. 15  BVerfGE 111, 307 (329). 16  Nußberger, in: HStR³ X, § 209, Rn. 11. 8 

148

E.  Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen

lung.17 Auch jenseits des Verfassungsrechts aber ist sie innerstaatlich keineswegs wirkungslos, sondern verleiht auch einfachgesetzlich subjektive Rechte gegen staatliches Handeln, die von den Fachgerichten unmittelbar heranzuziehen sind.18 Die EMRK stellt ausweislich ihres Art. 53 einen Mindeststandard dar. Enthalten innerstaatliche Grundrechtskataloge stärkere Gewährleistungen, so gilt das Günstigkeitsprinzip.19 Keineswegs kann die Konvention daher herangezogen werden, um den Grundrechtsstandard des Grundgesetzes zu verringern.20 Ein solches Ergebnis lässt sich auch nicht mit einer Heranziehung der EMRK als „Auslegungshilfe“ erreichen.21 Komplexer aber wird es, wenn sog. mehrpolige Grundrechtsverhältnisse ins Blickfeld rücken. In diesem Fall liefert das Günstigkeitsprinzip keine derart klare Lösung. Der EGMR stellt hier auf beiden Seiten Begrenzungen auf und lässt den Vertragsstaaten für die Lösung der Grundrechtskollision zwischen diesen Begrenzungen einen Rahmen zur eigenen Entscheidung, eine sogenannte margin of appreciation.22 Innerstaatlich wird in diesen Fällen besonders betont, es gebe keine Pflicht, EGMR-Urteile exakt auszuführen, sondern lediglich eine Berücksichtungspflicht.23 Eine eigene Abwägung bleibt daher nötig. Im Rahmen dieser Abwägung treten EGMR und Bundesverfassungsgericht zunehmend in einen Dialog.24 Die Urteile des Gerichtshofs binden auch völkerrechtlich nur die beteiligten Parteien (Art. 46 Abs. 1 EMRK).25 Darüber hinaus aber entfalten sie eine „Leitund Orientierungsfunktion“26, im Rahmen derer sich aber eine voreilige Verallgemeinerung verbietet.27 Insgesamt also stellt die EMRK innerstaatlich wie völkerrechtlich einen Mindeststandard dar. Sie steht im Rang innerstaatlich unter den Grundrechten des Grundgesetzes, wirkt aber stark auf diese ein. 17  Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 2, Rn. 15. 18  BVerwG, NVwZ 2017, 65 (66 f.). 19  Sauer, in: Matz-Lück/Hong (Hrsg.), Grundrechte und Grundfreiheiten im Mehrebenensystem, S. 1 (41 ff.). 20  Siehe schon die Kritik am Piraterieurteil des VG Köln, JZ 2012, 366 ff., bei Epping, in: ders./Hillgruber (Hrsg.), Art. 87a (Stand: 01. 06. 2017), Rn. 37 sowie Walter/v. Ungern-Sternberg, DÖV 2012, 861 (867). 21  So aber Proelß/Daum, AöR 141 (2016), 373 (388). 22  EGMR, Urt. v. 07. 12. 1976, Nr. 5493/72 (Handyside/UK). 23  Nußberger, in: HStR³ X, § 209, Rn. 16. 24  F. Kirchhof, NJW 2011, 3681 (3682); Voßkuhle, NVwZ 2010, 1 (4). 25  Grabenwarter, in: HGR VI/2, § 169, Rn. 31. 26  BVerfGE 128, 326 (368). Dazu auch Bernhardt, in: FS Doehring, 1989, S. 23 (28 f.); Schaefer, EuR 2017, 80 (88 f.); Schilling, Deutscher Grundrechtsschutz, S. 60. 27  Wißmann, ZBR 2015, 294 (299).

I.  Grundsätzliches Verhältnis

149

2.  Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Auch der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte steht innerstaatlich im Rang eines einfachen Gesetzes.28 Als Positivierung grundlegendster Menschenrechte wird er jedoch auch exemplarisch zum Nachweis überpositiver Rechte herangezogen, die über Art. 25 GG einen übergesetzlichen Rang einnehmen.29 Der Pakt selbst jedoch kann schon deshalb nicht über Art. 25 GG in die deutsche Rechtsordnung eingeführt werden, weil die Norm nur Völkergewohnheitsrecht transformiert, für völkerrechtliche Verträge wie den IPbpR hingegen Art. 59 Abs. 2 GG lex specialis ist.30 Aus diesem Grund ist auch Art. 25 S. 2 GG nicht einschlägig, der mit seinem Verweis auf „die Bewohner des Bundesgebietes“ der Debatte um die extraterritoriale Geltung von Menschenrechten ein schnelles Ende bescheren könnte. Ausweislich Art. 5 Abs. 2 IPbpR stellt auch der Pakt einen Mindeststandard dar, der vorbehaltlich stärkerer – völkerrechtlicher wie innerstaatlicher – Rechte greift.31 Grundsätzlich gilt auch zugunsten des Paktes der Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung. Da aber der Pakt einen absoluten Minimalstandard gewährleistet, werden die Grundrechte des Grundgesetzes in der Regel einen höheren Schutz bieten. Die Frage, ob auch der Pakt – ähnlich wie die EMRK – zur „Auffüllung“ von Lücken des verfassungsrechtlichen Grundrechtsschutzes dienen kann und ihm daher mittelbar verfassungsähnliche Qualität zukommt, ist daher in der Rechtsprechung offen.32 Das Bundesverfassungsgericht zog bislang Art. 8 IPbpR ergänzend zur Auslegung des Schutzbereiches von Art. 12 Abs. 2, 3 GG heran.33 Der Bundesgerichtshof verwendete Art. 12 Abs. 2 IPbpR ausführlich als Argument gegen die Heranziehung von § 27 Abs. 2 des Grenzgesetzes der DDR als Rechtfertigungsgrund in den Mauerschützenprozessen.34 In weiteren Urteilen erfolgt ein Bezug auf den Pakt nur formelhaft und ohne tatsächliche Relevanz.35 Jedenfalls garantiert auch der IPbpR innerstaatlich einfachgesetzlich subjektive Rechte.

28 

Tomuschat, in: HStR³ X, § 208, Rn. 17; Vedder, in: HGR VI/2, § 174, Rn. 163. So etwa BVerfG, Urt. v. 17. 11. 1986, Az. 2 BvR 1255/86 – NJW 1987, 830. 30  Heintschel-v. Heinegg, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Art. 25 (Stand: 01. 03. 2015), Rn. 22; Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 25 (77. EL 2016), Rn. 43; Vedder, in: HGR VI/2, § 174, Rn. 162. 31  Tomuschat, in: HStR³ X, § 208, Rn. 39. 32 Dafür Vedder, in: HGR VI/2, § 174, Rn. 163. 33  BVerfGE 83, 119 (128). 34  BGHSt 39, 1 (16 f.); vgl. auch BGHSt 40, 30. 35  Siehe z. B. BVerfG, NJW 1987, 830; BVerwGE 65, 188 (195 f.). 29 

150

E.  Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen

Insgesamt stellt der Pakt einen Mindeststandard dar, der in der Regel ein Auffangnetz noch „unterhalb“ der EMRK bildet. Innerstaatlich steht er in Gesetzesrang, kann aber potentiell ebenfalls zur Interpretation von Grundrechten herangezogen werden. 3.  Grundrechtecharta der Europäischen Union Deutlich komplexer stellt sich das Verhältnis des Grundgesetzes gegenüber der Grundrechtecharta der Europäischen Union dar. Die Charta ist, wie bereits erwähnt, europäisches Primärrecht. Wenn sie der Sache nach anwendbar ist, so hat sie demnach Anwendungsvorrang vor deutschem Recht.36 Genau darauf kommt es aber entscheidend an: auf die Frage, wann die Charta ratione materiae Anwendung findet. Nach Art. 51 Abs. 1 GRCh ist dies beim Handeln der Union immer der Fall37, Mitgliedsstaaten hingegen bindet die Charta nur „bei der Durchführung des Rechts der Union“38. Die Regelung stellt den wohl strittigsten Satz in der gesamten Charta dar. In den amtlichen Erläuterungen nahm der Konvent, der die Charta erarbeitete, Bezug auf die bestehende Rechtsprechung des EuGH zu den bereits entwickelten Gemeinschafts- bzw. Unionsgrundrechten.39 Sie solle bei Handeln „im Rahmen des Gemeinschaftsrechts“ anwendbar sein, was der Konvent restriktiv verstanden haben wollte.40 In der Rechtsprechung, auf die der Konvent Bezug nahm, ging der Gerichtshof grundsätzlich davon aus, die Unionsgrundrechte seien in erster Linie bei der Umsetzung von Unionsrecht im engeren Sinne anwendbar, d. h. bei der Umsetzung von Richtlinien41 und der exekutiven Ausführung bzw. legislativen Begleitung von Verordnungen42. Dies gelte insbesondere bei der Ausfüllung von Wahlmög-

36 Grundlegend bereits EuGH, Urt. v. 05.  02. 1963, Rs 26/62 (Van Gend & Loos/ Niederländische Finanzverwaltung); explizit EuGH, Urt. v. 15. 07. 1964, Rs 6/64 (Costa/ ENEL); zur Charta ausführlicher Bernsdorff, RuP 2014, 163. 37 Somit auch, wenn die Unionorgane „außerhalb des unionsrechtlichen Rahmens handeln“, so EuGH, Urt. v. 20. 09. 2016, Rs C-8/15 P (Ledra Advertising), Ziff. 67. 38  Die englische Fassung spricht von „implementing Union law“, die französische von „mettent en oeuvre le droit de l’Union.“ 39 Text der Erläuterungen zum vollständigen Wortlaut der Charta (Dok. CHARTE 4473/00 CONVENT 49), S. 46. 40  Braibant, La Charte des Droits fondamentaux de l’Union européenne, 2001, S. 251. 41  Vgl. zuletzt z. B. EuGH, Urt. v. 29. 01. 2008, Rs C-275/06 (Promusicae/Telefónica de España), Rn. 70. 42  EuGH, Urt. v. 13. 07. 1989, Rs 5/88 (Wachauf/Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft), Ziff. 19; dazu W. Cremer, in: Grabenwarter, Europäischer Grundrechteschutz, § 1, Rn. 129 f.

I.  Grundsätzliches Verhältnis

151

lichkeiten, die Richtlinien den umsetzenden Staaten lassen.43 Darüber hinaus ging der Gerichtshof auch vor Inkrafttreten der Charta bereits davon aus, die Unionsgrundrechte bänden die Mitgliedsstaaten, wenn diese die Grundfreiheiten beschränkten.44 Unklar ist dagegen die Haltung des EuGH zur Anwendbarkeit der Charta bei der Beschränkung des allgemeinen Diskriminierungsverbots aus Art. 18 AEUV.45 Inzwischen aber sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs Tendenzen zur sehr weiten Auslegung von Art. 51 Abs. 1 GRCh auszumachen. So gelte die Charta auch bei der strafrechtlichen Sanktionierung von Verstößen gegen Unionsrecht, auch wenn nur der primäre Verstoß, nicht aber das Strafverfahren oder die materielle Sanktion unionsrechtlich determiniert seien.46 Noch weiter ging der Gerichtshof, als er die Anwendbarkeit der Charta in einem Strafverfahren wegen Mehrwertsteuerbetrugs bejahte, weil die Richtlinie 2006/112/EG Regelungen über ein gemeinsames Mehrwertsteuersystem treffe. Hier liege zwar keine Umsetzung einer Richtlinie vor, wohl aber eine Ahndung, die dem Zweck der Erfüllung unionsrechtlicher Verpflichtungen diene.47 Vor allem die letztgenannte Entscheidung, die allgemein als Ausdruck eines extensiven Verständnisses gesehen wurde48, stieß auf heftige Kritik. Das Bundesverfassungsgericht wehrte sich vehement gegen eine Sichtweise, nach der „jeder sachliche Bezug einer Regelung zum bloß abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrecht“ reichen würde.49 Die Entscheidung des EuGH dürfe nicht in einer solchen Weise verstanden werden, da sie andernfalls ultra vires ergangen sei. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass der EuGH die Anwendung der Charta inzwischen immer dann bejaht, wenn ein Unionsrechtsakt Regelungswirkung für das jeweilige Rechtsgebiet entfaltet, mit anderen Worten: wenn irgendein „An43  Jarass, NVwZ 2012, 457 (459). Zum Ganzen umfangreich Sauer, in: Matz-Lück/ Hong (Hrsg.), Grundrechte und Grundfreiheiten im Mehrebenensystem, S. 1 (24 ff., insb. 27). 44  EuGH, Urt. v. 18. 06. 1991, Rs C-260/89 (Elliniki Radiophonia Tiléorassi/Dimotiki Etairia Pliroforissis et al.). 45  EuGH, Urt. v. 11. 11. 2014, Rs C-333/13 (Dano/Jobcenter Leipzig), Rn. 87, 91 geht zumindest bei der Frage der Beschränkung von Sozialleistungen im Rahmen der allgemeinen Unionsbürgerfreizügigkeit nicht von einer Chartabindung aus, kritisch dazu Wallrabenstein, JZ 2016, 109 (116 f.). 46  EuGH, Urt. v. 10. 11. 2011, Rs C-405/10 (Strafverfahren gegen Özlem Garenfeld), Rn. 48. 47  EuGH, Urt. v. 26. 02. 2013, Rs C-617/10 (Åklagare/Åkerberg Fransson), Rn. 28. 48  Statt vieler Dannecker, NZKart 2015, 25; F. Lange, NVwZ 2014, 169 (171 f.); Safferling, NStZ 2014, 545 (550); eher „unaufgeregt“ dagegen Kingreen, EuR 2013, 446 (448 ff.), der eine ähnliche Tendenz schon in früheren Entscheidungen sieht, die Begründung gleichwohl für „abenteuerlich“ hält. 49  BVerfGE 133, 277 (315).

152

E.  Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen

knüpfungspunkt“ an das Unionsrecht besteht.50 Darüber hinaus wird über Art. 1 Abs. 2 GG eine bloße Rolle der Charta als Auslegungsmaßstab teilweise sogar ohne jeden Bezug zum Unionsrecht befürwortet.51 Strittig ist nach wie vor das Schicksal der nationalen Grundrechte im Anwendungsbereich der Charta. Nach einer Ansicht, die wohl herrschend ist, ist im Rahmen der Anwendbarkeit eine „Doppelbindung“ möglich, d. h. das staatliche Handeln ist sowohl an den Unionsgrundrechten, als auch am Grundgesetz zu messen.52 Im Verhältnis beider Regelungen zueinander gilt Art. 53 GRCh, der ein Günstigkeitsprinzip anordnet und dessen Existenz als Argument für die Doppelbindungsthese angeführt wird. Auf die bei einem Günstigkeitsprinzip einigermaßen typischen Probleme stößt diese Lösung bei mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen, in denen nicht ein einfacher „höherer Schutz“ existiert, sondern mehr Schutz auf der einen Seite zugleich weniger auf der anderen bedeutet. Ebenso stößt sie auf Schwierigkeiten, wenn in die Abwägung Gemeininteressen einbezogen werden müssen, die dem Primärrecht entstammen. In diesem Fall modifizieren einige Vertreter die Doppelbindungslehre und wollen nur die Charta anwenden.53 Eine differenzierte Lösung unterstützte schließlich auch der EuGH selbst in der anderweitig höchst umstrittenen54 Rechtssache Åkerberg Fransson: „Hat das Gericht eines Mitgliedstaats zu prüfen, ob mit den Grundrechten eine nationale Vorschrift oder Maßnahme vereinbar ist, die in einer Situation, in der das Handeln eines Mitgliedstaats nicht vollständig durch das Unionsrecht bestimmt wird, das Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta durchführt, steht es somit den nationalen Behörden und Gerichten weiterhin frei, nationale Schutzstandards für die Grundrechte anzuwenden, sofern durch diese Anwendung weder das Schutzniveau der Charta, wie sie vom Gerichtshof ausgelegt wird, noch der Vorrang, die Einheit und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt werden.“55

50  Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Aufl., 2014, Vorb. VII, Rn. 30; Rabe, NJW 2013, 1407 (1408). 51  Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Vorb. VII, Rn. 30; Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union unter Einbeziehung der vom EuGH entwickelten Grundrechte, der Grundrechtsregelungen der Verträge und der EMRK. Kommentar, 3. Aufl. 2016, Art. 51, Rn. 30a. 52  Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 14, Rn. 74; Herdegen, in: HStR³ X, § 211, Rn. 39 f.; Kingreen, JZ 2013, 801 (803 f.); Scholz, in: HGR VI/2, § 170, Rn. 41. 53  Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Vorb. VII, Rn. 30; Kingreen, JZ 2013, 801 (807 f.). 54  Vgl. nur BVerfGE 133, 277 (316). Kontrovers diskutiert wird freilich in erster Linie die weite Auslegung von Art. 51 Abs. 1 GRCh durch den EuGH, nicht die Möglichkeit der „doppelten“ Grundrechtsbindung. 55  EuGH, Urt. v. 26. 02. 2013, Rs C-617/10 (Åklagare/Åkerberg Fransson), Rn. 29.

I.  Grundsätzliches Verhältnis

153

Diese Ausführungen legen nahe, dass es innerhalb des Anwendungsbereiches nach Art. 51 Abs. 1 GRCh zwei Teilbereiche gibt: Ist das mitgliedsstaatliche Handeln unionsrechtlich determiniert, so findet nur die Charta Anwendung; liegt keine vollständige Determinierung vor, so kann daneben auch ein innerstaatlicher Grundrechtekatalog wie der des Grundgesetzes angewandt werden.56 Dem gegenüber steht die sogenannte Trennungsthese, der zufolge auf einen bestimmten Sachverhalt stets nur entweder die nationalen oder die europäischen Grundrechte Anwendung finden. Dieser These scheint das Bundesverfassungsgericht anzuhängen, da es im Urteil zur Antiterrordatei davon spricht, die angegriffenen Vorschriften seien an den Grundrechten zu messen, weil die Charta die Bindung nicht aufgrund von Durchführung des Unionsrechts an sich gezogen habe.57 Das Gericht geht also offenbar davon aus, dass nur entweder Unionsgrundrechte oder die Grundrechte des Grundgesetzes gelten können.58 Auch andere Stimmen sehen die Doppelbindungslehre angesichts der Vielzahl an mehrpoligen Rechtsverhältnissen kritisch und plädieren an ihrer Stelle eher für eine Trennungslehre.59 Art. 53 GRCh lege eine überlappende Geltung nicht zwingend nahe, sondern könne auch bedeuten, dass die Charta insgesamt das Schutzniveau der Einzelstaaten nicht unterschreiten solle.60 Obgleich sich der Gerichtshof prinzipiell der Doppelbindungslehre angeschlossen hat, lassen sich für beide Thesen Argumente anführen. Entscheidend ist an dieser Stelle aber, dass jedenfalls materiell stets der höhere Standard gilt – nach der Doppelbindungslehre ist dies ohnehin durch das Günstigkeitsprinzip der Fall, aber aufgrund des Gebots der Nichtunterschreitung nach der Trennungslehre kann die Charta ebenfalls keinen geringeren Schutz bieten, als dies durch die Einzelstaaten der Fall ist. Dazu kommt, dass auch innerstaatlich die Grundrechte des Grundgesetzes nach der Solange-II-Rechtsprechung als Reservefunktion einen Mindeststandard bilden, den der Grundrechtsschutz der Union strukturell nicht unterschreiten darf.61 Insgesamt ist also auch hier jeweils der stärkere Schutz verpflichtend. Gleichwohl ist die Charta, auch aufgrund ihrer stärkeren supranationalen Institutionen, „robuster“ als die völkerrechtlichen Mindeststandards.

56  Classen, EuR 2017, 347 (357 f.); Dannecker, NZKart 2015, 25 (27); Scholz, in: HGR VI/2, § 170, Rn. 41 f. 57  BVerfGE 133, 277 (313 f.). 58  Thym, NVwZ 2013, 889 (892); zweifelnd Schlikker, NVwZ 2014, 1274. 59  Augsberg, DÖV 2010, 151 (157). 60  Calliess, JZ 2009, 113 (120). 61 BVerfGE 73, 339. Dies gilt jedoch nur bei massiven, „systemischen“ Lücken im Grundrechtsschutz, vgl. Voßkuhle, NVwZ 2010, 1 (6).

154

E.  Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen

4.  Zusammenführung Im Ergebnis stellen sich die Grund- und Menschenrechtskataloge aus Grundgesetz, Europäischer Menschenrechtskonvention, UN-Zivilpakt und Grundrechtecharta als eine Vielzahl von Mindeststandards dar. EMRK und IPbpR gewähren ihre Rechte primär auf einfachgesetzlicher Ebene; ihre Gewährleistungen werden aber – besonders bei der Konvention – auch in das Verfassungsrecht hineinprojiziert und beeinflussen dessen Auslegung. Die Charta verdrängt, jedenfalls soweit sie einen höheren Schutz gewährleistet, bei Sachverhalten mit unionsrechtlichem Regelungszusammenhang, die innerstaatlichen Grundrechte.62 Bei mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen lässt die EMRK – und wohl auch der IPbpR – einen Korridor zur innerstaatlichen Wertung offen, während in Bezug auf die Charta strittig ist, ob diese bei mehrpoligen Verhältnissen nicht andere Grundrechtsstandards verdrängt. Grundsätzlich aber setzt sich stets die stärkste Gewährleistung durch, jedoch mit den Einschränkungen, dass die Charta außerhalb von Unionsrecht keine Anwendung findet, im unionsrechtlich determinierten Bereich dagegen nach der Auffassung des EuGH nur sie anzuwenden ist. Schließlich ist anzumerken, dass EMRK und IPbpR wegen ihres prinzipiell einfachgesetzlichen Ranges bei der Kontrolle formeller Gesetze nur indirekt, über ihre Projektion ins Verfassungsrecht, wirken können.

II.  Verhältnis bei der extraterritorialen Wirkung und Problemfelder 1.  Regelmäßige Bindung Welches Gesamtbild des tatsächlich bestehenden extraterritorialen Schutzes ergibt sich nun in diesem Mehrebenensystem? Die EMRK stellt einen einfachgesetzlichen Mindeststandard dar, der aber mittelbar als Auslegungsmaßstab des Grundgesetzes wirkt. Sie schützt Individuen im Ausland dann, aber auch nur dann, wenn der Grundrechtseingriff in einem grundsätzlich stabil kontrollierten Gebiet stattfindet oder das Individuum persönlich der Hoheitsgewalt der Bundesrepublik völlig ausgeliefert ist, außerdem bei vereinbartem Staatshandeln, das „wie im Inland“ erfolgt und bei Auslieferungen. Durch den EGMR besteht eine vergleichsweise effektive Institution zum individuellen Rechtsschutz. Der IPbpR stellt ebenfalls einen Mindeststandard dar und zeitigt innerstaatlich Wirkungen, die denen der EMRK ähneln, hat aber in der Verfassungsauslegung eine geringere praktische Bedeutung. Er schützt im Ausland bei Ausgeliefertsein 62  Zum Verhältnis des IPbpR und der Grundrechtecharta untereinander Schadendorf, EuR 2015, 28 ff.

II.  Verhältnis bei der extraterritorialen Wirkung und Problemfelder

155

gegenüber der Hoheitsgewalt des extraterritorial agierenden Staates, wobei die Details dieser Gewalt unklar sind. Der individuelle Rechtsschutz durch den Menschenrechtsausschuss, der ohnehin nur gegenüber Staaten, die das erste Fakultativprotokoll ratifiziert haben, möglich ist, gilt als eher ineffektiv.63 Die Charta hat teils niveauunabhängigen Vorrang, teils stellt sie ebenfalls einen Mindeststandard dar. Als Primärrecht gilt sie innerstaatlich direkt und wird durch den Gerichtshof der Europäischen Union sehr effektiv durchgesetzt. Ihre Reichweite im Ausland ist strittig: Jedenfalls die tatsächliche Subordination unter extraterritorial agierende Staatsgewalt genügt; nach einigen Ansichten ist sogar jedes Staatshandeln auch im Ausland vollumfänglich gebunden. Jedoch ist die Charta nur im Rahmen des Unionsrechts anwendbar, was nach der Rechtsprechung des EuGH freilich einen großen Raum umfasst. Das Grundgesetz schließlich beansprucht gegenüber EMRK und IPbpR einen höheren Rang, nimmt aber deren Anregungen und Wertungen auf. Einem höheren einfachgesetzlichen Schutz steht es ohnehin nicht entgegen. Die Durchsetzung durch das Bundesverfassungsgericht ist effektiv und wird überwiegend befolgt. Gegenüber der Grundrechtecharta stellt es indirekt einen Mindeststandard dar. Seine Reichweite im Ausland ist enorm strittig. Ein Vergleich der deutschen Debatte und ihrer Positionen mit den Standpunkten, die zu den internationalen Menschenrechtsregimes vertreten werden, ist nur mit der gebührenden Vorsicht und Beachtung der jeweiligen Eigengesetzlichkeiten möglich. Die Sichtweise des Menschenrechtsausschusses ähnelt am stärksten der generellen Auslandsgeltung, wie sie oben beschrieben wurde.64 Gleiches gilt für die Auslegung der Charta. Komplexer ist dagegen ein Vergleich der für das Grundgesetz vertretenen Dogmatik mit jener des EGMR. Die Notwendigkeit von Subordination erinnert an die Theorien Isensees und Heintzens, im Ergebnis unterscheiden sich beide Punkte jedoch deutlich. Die Banković- 65 bzw. Al-SkeiniRechtsprechung66 stellt im Ergebnis ein eigenes Modell dar. Betrachtet man diese Ebenen in der Gesamtschau, so wird ein großer Teil „klassischer“ extraterritorialer Staatstätigkeiten auf allen Ebenen mit Schutz bedacht. Handlungen einer militärischen Besatzungsmacht sind ebenso umfasst wie die Bemächtigung einer Person im Ausland und die konsularische Betreu63 Wie Thym außerdem anmerkt, ist zudem die obligatorische Kompetenz des IGH gem. Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut aufgrund eines entsprechenden Vorbehalts der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen, s. BT-Drs. 16/9218, S. 2; Thym, DÖV 2010, 621 (622 f.). 64 Statt vieler Baldus, Transnationales Polizeirecht. Verfassungsrechtliche Grundlagen und einfach-gesetzliche Ausgestaltung polizeilicher Eingriffsbefugnisse in grenz­ überschreitenden Sachverhalten, 2001, S. 125 ff. 65  EGMR, Urt. v. 12. 12. 2001, Nr. 52207/99 (Banković et al./Belgien et al.). 66  EGMR, Urt. v. 07. 07. 2011, Nr. 55721/07 (Al-Skeini et al./UK).

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E.  Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen

ung. Unterschiede ergeben sich aber angesichts des Verständnisses von Jurisdiktion als – territoriale wie personale – Kontrolle bei Sachverhalten, in denen eine schutzbereichsverkürzende Handlung erfolgt, ohne dass zuvor Kontrolle über die betroffene Person oder das Gebiet etabliert worden wäre. Dies betrifft einerseits die Grundrechtsbindung bei Einsätzen von Streitkräften: Aus der Banković-Entscheidung folgt, dass bis zum Moment der Sicherung eines Gebietes keine Konventionsbindung besteht. Der Angriff eines fremden Gebietes ist an der Konvention, folgt man dem EGMR67, nicht zu messen.68 Hier zeigt sich aber auch, dass die von Milanovic beschriebenen69 Prototypen der extraterritorialen Grundrechtsbindung mit Zurückhaltung zu betrachten sind. Ob der UN-Menschenrechtsausschuss im Banković-Fall tatsächlich anders entschieden hätte, ist kaum vorauszusagen. Angesichts der vorherrschenden expansiven Auslegung der Grundrechtecharta liegt hingegen nahe, dass eine Bindung an diese – ihre inhaltliche Anwendbarkeit, d. h. die Durchführung von Unionsrecht, vorausgesetzt – bejaht würde. Ist die Charta hingegen mangels Unionsbezug nicht anwendbar, so bleibt den Betroffenen womöglich nur das humanitäre Völkerrecht.70 2.  Fernmeldeaufklärung als beispielhafter Problemfall Noch sehr viel komplexer ist die Frage, wie die beschriebenen Ebenen mit der Fernmeldeüberwachung umgehen würden, anhand derer die Diskussion um die extraterritoriale Wirkung in Deutschland derzeit primär geführt wird. a)  Fernmeldeaufklärung nach der Europäischen Menschenrechtskonvention Die Europäische Menschenrechtskonvention enthält in ihrem Art. 8 Abs. 1 das Recht auf Achtung der persönlichen Korresponenz; dieses Recht umfasst Inhalte wie Metadaten nicht nur brieflicher Korrespondenz, sondern auch jeglicher Telekommunikation.71 Doch die Dogmatik des EGMR zur extraterritorialen Wirkung scheint auf den Fall der Fernmeldeaufklärung nicht recht zu passen.72 Der Gerichtshof selbst verzichtet im Liberty-Urteil auf eine Auseinandersetzung mit ihr73, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass sich die gegenständlichen Überwachungsmaßnahmen zwar gegen Telekommunikationsverkehre richteten, 67 

Siehe D. I. 2. b). Coomans/Kamminga, in: dies. (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, Antwerpen 2004, S. 1 (4). 69  Milanovic, Harv.Intl.L.J. 56 (2015), 83 ff. 70  Happold, HRLR 3 (2003), 77 (90). 71  EGMR, Urt. v. 02. 08. 1984, Nr. 8691/79 (Malone/UK), Ziff. 64, 84 a.E.; EGMR, Beschl. v. 29. 06. 2006, 54934/00 (Weber u. Saravia/Deutschland), Ziff. 79. 72  Schmalenbach, in: VVDStRL 76 (2017), S. 245 (268 ff.). 73  EGMR, Urt. v. 01. 07. 2008, Nr. 58243/00 (Liberty et al./UK), Ziff. 55. 68 

II.  Verhältnis bei der extraterritorialen Wirkung und Problemfelder

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die ihren Ursprung im Ausland hatten, die Überwachung selbst aber im Inland des betroffenen Konventionsstaates stattfand. Auch in der Literatur wird die Rechtsprechung des Gerichtshofs teilweise als untauglich für die Anwendung auf das Fernmeldegeheimnis angesehen74 oder schlicht weitgehend beiseite geschoben.75 So geht Schmahl von einer Verletzung der Konvention durch die von Edward Snowden enthüllten Tätigkeiten britischer Geheimdienste aus, setzt sich aber mit der jüngeren Entwicklung der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 1 EMRK kaum auseinander, sondern konstatiert knapp, der Gerichtshof erkenne eine Bindung an die Konventionsrechte ausdrücklich auch bei extraterritorialen Handlungen an.76 Entgegen der Annahmen der Bundesrepublik im Fall Weber/Saravia vor dem EGMR77 schließt jedenfalls der ausländische Wohnsitz der Betroffenen die Anwendbarkeit der Konvention nicht aus. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob Hoheitsgewalt besteht. Nach einer territorialen Betrachtung à la Banković wäre dies zu verneinen: Nachrichtendienstliche Auslandsaufklärung entfaltet ihre Wirkung gerade außerhalb eines vom aufklärenden Staat stabil kontrollierten Gebietes.78 Die reine Vornahme geheimer Überwachungshandlungen vermag eine territoriale Kontrolle keineswegs zu begründen. Nicht ausgeschlossen ist es hingegen, dass durch Überwachungsmaßnahmen individuelle Kontrolle über den Betroffenen bzw. den konkreten Sachverhalt ausgeübt wird, wie in Al-Skeini genannt. Freilich ist dieses Kriterium ebenfalls auf Szenarien physischen Ausgeliefertseins gemünzt: Die bisherigen Anwendungsfälle beziehen sich regelmäßig auf körperliche Freiheitsentziehungen.79 Hier zeigen sich erneut die Schwächen dieses Differenzierungskriteriums, das eine klare, nicht willkürliche Trennlinie erschwert.80 Das 74  Hochreiter, Die heimliche Überwachung internationaler Telekommunikation. Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur Rechtsstaatlichkeit der Arbeit von Auslandsnachrichtendiensten in Deutschland und dem Vereinigten Königreich unter besonderer Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2002, S. 96 f. 75  Korff, Expert Opinion prepared for the Committee of Inquiry of the Bundestag into the „5EYES“ global surveillance systems revealed by Edward Snowden, https://www. bundestag.de/blob/282874/8f5bae2c8f01cdabd37c746f98509253/mat_a_sv-4 – 3_korffpdf-data.pdf [25. 09. 2017], S. 30. 76  Schmahl, JZ 2014, 220 (227). 77  EGMR, Urt. v. 29. 06. 2006, Nr. 54934/00 (Weber u. Saravia/Deutschland), Ziff. 66. 78  Zur Relevanz des Wirkungs- und Irrelevanz des Handlungsortes EGMR, Beschl. v. 11. 12. 2012, Nr. 35622/04, Ziff. 65 f. 79 Vgl. EGMR, Urt. v. 12.  05. 2005, Nr. 46221/99; EGMR, Beschl. v. 30. 06. 2009, Nr. 61498/08; EGMR, Urt. v. 07. 07. 2011, Nr. 55721/07. 80  Milanovic, Harv.Intl.L.J. 56 (2015), 83 (128 f.); ders., in: Gammeltoft-Hansen/Vedsted-Hansen (Hrsg.), Human Rights and the Dark Side of Globalisation. Transnational Law enforcement and migration control, New York 2017, S. 53 (67). Ähnlich auch Gibney, ebd., S. 99 (108).

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E.  Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen

Kriterium ist jedoch nicht auf derartige Situationen beschränkt.81 Vielmehr spricht nichts gegen eine Erfassung von Überwachungsmaßnahmen, sofern diese ebenfalls ein so hohes Maß erreichen, dass von einem Ausgeliefertsein des Einzelnen die Rede sein kann. Eine solche individuelle Kontrolle besteht dann, wenn eine Telekommunikationsüberwachung im Ausland auf eine Einzelperson zugeschnitten ist und dadurch Beeinflussungsmöglichkeiten erwachsen, die zwar gegenüber einer physischen Freiheitsentziehung nicht gleichartig sind, wohl aber dieser nahekommen können.82 Die bloße Erhebung von Kommunikationsdaten der Allgemeinheit „ins Blaue hinein“ hingegen kann nicht unter eine fortentwickelnde Auslegung der – freilich kritikwürdigen – Grundprämissen des Gerichtshofes gefasst werden.83 Dies zeigt, dass sich die Falldogmatik des EGMR durchaus wortwörtlich auf die Telekommunikationsüberwachung anwenden lässt84 – allerdings mit dem Ergebnis, dass der Gerichtshof eine Bindung an die Konvention im Falle der breit gestreuten strategischen Fernmeldeaufklärung verneinen würde.85 b)  Fernmeldeaufklärung nach dem Zivilpakt Auch der Zivilpakt enthält in Art. 17 Abs. 1 ein Recht auf Achtung des Schriftverkehrs, wovon auch Telekommunikationsverbindungen umfasst sind.86 Angesichts der spärlichen vom Menschenrechtsausschuss entwickelten Kriterien ist die Einordnung von Überwachungsmaßnahmen im Internet in die Dogmatik des Zivilpaktes jedoch noch schwerer möglich. Immerhin aber lässt sich ausmachen, 81  So aber Investigatory Powers Tribunal (UK), [2016] UKIPTrib 15_165, Ziff. 55 ff.; i.E. auch [2016] UKIPTrib 14_85-CH, Ziff. 52. Gegen eine Beschränkung auf physische Gewalt Raible, MLR 80 (2017), 510 (522 f.); Rona/Aarons, JNSLP 8 (2016), 503 (508). 82 Ähnlich Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung, https://www.bundestag.de/blob/282870/fc52462f2ffd254849bce19d25f72fa2/mat_a_sv-4 – 1_aust-pdfdata.pdf [25. 09. 2017], S. 13 f.; a.A. Talmon, JZ 2014, 783 (786), der aber von einer positive obligation ausgeht. Milanovic, Harv.Intl.L.J. 81 (2015), 81 (121 f.) listet zehn (!) verschiedene denkbare Abstufungen auf – letztlich um deren Absurdität aufzuzeigen. 83 Anders Margulies, Fordham L. Rev. 82 (2013/2014), 2137 (2151 f.), der aber eben jene Maßstäbe des EGMR ablehnt: „A narrow standard requiring physical control does not do justice to the challenge of rapidly evolving technology in a changing world.“ 84  Dennoch zurecht kritisch aufgrund der nach wie vor existierenden Schwierigkeit, festzustellen, wann denn personale Kontrolle besteht, Milanovic, Foreign Surveillance and Human Rights, Part 4: Do Human Rights Treaties Apply to Extraterritorial Interferences with Privacy?, http://www.ejiltalk.org/foreign-surveillance-and-human-rights-part-4-dohuman-rights-treaties-apply-to-extraterritorial-interferences-with-privacy/[25. 09. 2017]. 85 Derzeit sind mehrere Verfahren zur britischen Fernmeldeaufklärung anhängig, zur Übersicht Jaber, Der Schutz der Menschenrechte im Cyberspace durch die EMRK. Aktuelle Beschwerden beim EGMR im Hinblick auf staatliche Überwachung, http:// voelkerrechtsblog.org/der-schutz-der-menschenrechte-im-cyberspace-durch-die-emrk/ [25. 09. 2017]. 86  Statt aller Hofmann/Boldt, Internationaler Bürgerrechtepakt, 2005, Art. 17, Rn. 5.

II.  Verhältnis bei der extraterritorialen Wirkung und Problemfelder

159

dass extraterritoriale Jurisdiktion nach dem Pakt Subordination voraussetzt.87 Ein damit verbundenes Abstellen auf die staatliche Kontrolle des konkreten Sachverhalts käme somit zum gleichen Ergebnis.88 Der Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen geht hingegen davon aus, maßgeblich sei, ob ein Staat Kontrolle über eine konkrete Kommunikationsarchitektur besitze, was dann der Fall sei, wenn er diese überwachen könne.89 Diese Sichtweise stellt letztlich auf das Wirkungsprinzip ab, indem sie Jurisdiktion schon in der Möglichkeit eines Paktverstoßes sieht.90 Jedoch verzichtet der Ausschuss auch in López Burgos nicht völlig auf ein über den bloßen Rechtsverstoß hinausgehendes Jurisdiktionsmoment. Letztlich stellt auch er auf Subordination ab, wenngleich deutlich konturloser.91 Vieles spricht daher für eine ebenfalls an individuelle Kontrolle anknüpfende Vorgehensweise, die zu denselben Ergebnissen führt. c)  Fernmeldeaufklärung nach der Grundrechtecharta Was die Grundrechtecharta angeht, die in Art. 7 das Recht auf Achtung der Kommunikation – und damit explizit nicht nur des Schriftverkehrs92 – garantiert, so liegt das Problem hingegen vorgelagert auch in der Frage, ob die abhörenden Staaten „zur Durchführung des Unionsrechts“ handeln. Art. 4 Abs. 2 S. 3 EUV schließt die nationale Sicherheit aus dem Kompetenzraum der Union aus und stellt sie in die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten. Der Begriff der nationalen Sicherheit ist dabei enger zu verstehen, als etwa jener der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 72 AEUV, da diese auch in Art. 4 Abs. 2 S. 2 EUV genannt ist, aber nur für die nationale Sicherheit über die bloße Achtungsverpflichtung in S. 2 eine Zuständigkeitssperre in S. 3 errichtet wird. Nationale Sicherheit im Sinne der Norm ist nur die Sicherheit des Staates im Ganzen93, das 87 MRA, López Burgos/Uruguay, Com. No. R.12/52, 40 (A/36/40), Nr. 176 (1981), Ziff. 12.3. 88  Ewer/Thienel, NJW 2014, 30 (32). 89  UNHCHR, The right to privacy in the digital age. Report of the Office of the Unit­ ed Nations High Commissioner for Human Rights, http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/ HRC/RegularSessions/Session27/Documents/A.HRC.27.37_en.pdf [25. 09. 2017], S. 11 f. 90  Vgl. die Ähnlichkeit zum Konzept Bonellos: „Jurisdiction arises from the mere fact of having assumed those obligations and from having the capability to fulfil them (or not to fulfil them)“, EGMR, Urt. v. 07. 07. 2011, Nr. 55721/07, CO Bonello, Ziff. 12 f. Siehe dazu D. I. 2. 91 MRA, López Burgos/Uruguay, Com. No. R.12/52, 40 (A/36/40), Nr. 176 (1981), Ziff. 12.3. 92  Vgl. EuGH, Urt. v. 21. 12. 2016, Rs C-203/15 (Tele2), Ziff. 100, wo dies ohne weitere Diskussion unterstellt wird. 93  v. Bogdandy/Schill, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Art. 4 EUV (51. EL 2013), Rn. 34.

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E.  Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen

„fundamentale[s] Bestandsinteresse des Staates“94. Nicht jede nachrichtendienstliche Tätigkeit berührt die so verstandene nationale Sicherheit; für einige Bereiche der Fernmeldeaufklärung dürfte dies aber durchaus gelten.95 Schlikker will Art. 4 Abs. 2 S. 3 EUV jedoch von vornherein keine Wirkung zuschreiben, die die Anwendbarkeit von Unionsrecht und damit gem. Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh die Anwendbarkeit der Charta ausschließt. Vielmehr folgert er aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit in Art. 4 Abs. 3 EUV, dass die Mitgliedsstaaten sich nicht unter Berufung auf Art. 4 Abs. 2 EUV ihrer Chartabindung entziehen könnten.96 Vielmehr stelle sich die Frage, ob „konkretisierte Rechtspositionen, die den Anwendungsbereich des Europarechts […] eröffnen“97, existieren. Dies aber ist schon von vornherein Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Grundrechtecharta, wie sich aus Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh ergibt, und lässt die Existenz des Art. 4 Abs. 2 S. 3 EUV außer Acht. Der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit kann nicht dazu genutzt werden, die Bereichsausnahme des Unionsrechts zugunsten der nationalen Sicherheit vollständig zu überspielen. Vielmehr stellt sich die Frage, ob Art. 4 Abs. 2 S. 3 EUV Rechtsakten des Sekundärrechts entgegensteht, die nicht gezielt die nationale Sicherheit regeln, aber gleichsam „quer“ über diesem Teilbereich liegen, wie dies etwa beim Datenschutz der Fall ist. Teilweise wird der Norm tatsächlich eine solche absolute Ausschlusswirkung zugeschrieben.98 Jedoch spricht die Protokollerklärung der Mitgliedsstaaten zu Art. 16 AEUV, wonach im Rahmen des Datenschutzes die nationale Sicherheit angemessen zu berücksichtigen ist99, gegen ein solches Verständnis: Wenn die nationale Sicherheit eine Anwendbarkeit des Unionsrechts vollständig ausschließen würde, so bliebe für eine „angemessene Berücksichtigung“ kein Raum. Dem folgt auch das überwiegende Verständnis, wonach Art. 4 Abs. 2 S. 3 EUV keine absolute Grenze darstellt; vielmehr muss die Union hier schlicht unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips das Interesse der Mitgliedsstaaten achten.100

94  Obwexer, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 4 EUV, Rn. 45. 95  Vgl. etwa die Kataloge des § 5 Abs. 1 G 10, wo sich durchaus derartige existenzielle Risiken finden. 96  Schlikker, NJOZ 2014, 1281 (1282). 97 A.a.O. 98  Calliess/Kahl/Puttler, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 4 EUV, Rn. 22. 99  ABl. C 115 v. 09. 05. 2008, Erklärung Nr. 20 zu Art. 16 AEUV. 100  v. Bogdandy/Schill, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Art. 4 EUV (51. EL 2013), Rn. 35; dies., ZaöRV 2010, 701 (725).

II.  Verhältnis bei der extraterritorialen Wirkung und Problemfelder

161

Auch auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, und somit auch im Bereich der Fernmeldeaufklärung, ist also die Existenz von Unionsrecht, das den Anwendungsbereich der Charta eröffnen könnte, nicht ausgeschlossen. Das freilich bedeutet noch nicht, dass es solche Sekundärrechtsakte auch gibt. So wurde teils angeführt, dass alle Richtlinien zum Datenschutz Bereichsausnahmen zugunsten der öffentlichen Sicherheit enthielten.101 So bestimmt die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation102 in Art. 1 Abs. 3, sie gelte „auf keinen Fall für Tätigkeiten betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates (einschließlich seines wirtschaftlichen Wohls, wenn die Tätigkeit die Sicherheit des Staates berührt) und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich.“

Somit würden die Mitgliedsstaaten im Rahmen der Fernmeldeaufklärung keine Norm des Unionsrechts anwenden und befänden sich nicht im Anwendungsbereich der Charta nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh. Der EuGH jedoch interpretiert insbesondere die Ausnahmeklausel der obigen Richtlinie nicht als absolute Sperre, da andernfalls die Eingriffsermächtigung zugunsten der öffentlichen Sicherheit in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie leer liefe.103 Zwar ist dies angesichts des deutlichen Wortlauts der Norm („auf keinen Fall“) fragwürdig, gleichwohl wendet der Gerichtshof etwa im Tele2-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung eine gewöhnliche Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Grundlage von Art. 15 Abs. 1 an. Auch die Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie sperrt somit die Anwendung der Grundrechte auf Sicherheitsgesetze nicht. Vielmehr stellt Art. 5 Abs. 1, der die Vertraulichkeit der Kommunikation garantiert und das „Mithören, Abhören und Speichern sowie andere Arten des Abfangens“ untersagt, einen tauglichen Bezugspunkt zum Unionsrecht dar, weshalb die Fernmeldeüberwachung und vergleichbare Eingriffe in den Telekommunikationsverkehr gem. Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh an der Charta zu messen sind. Hinzu kommt, dass die Fernmeldeaufklärung in Grundfreiheiten einzugreifen vermag, was den Anwendungsbereich der Charta ebenfalls eröffnet.104 So wird die Dienstleistungsfreiheit berührt, wenn sich ausländische Unternehmen bei grenzüberschreitender Kommunikation po101  Ewer/Thienel, NJW 2014, 30 (33 f.). Anders die Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr, RL 2000/31/EG, worauf Schmahl, JZ 2014, 220 (223) verweist – diese verbietet zwar Überwachungsmaßnahmen für private Anbieter (Art. 15 Abs. 1) und weist keine Bereichsausnahme auf, weshalb sie für einzelne nachrichtendienstliche Maßnahmen durchaus relevant ist, jedoch dürfte die Fernmeldeaufklärung schwerlich unter ihren Regelungsbereich zu fassen sein. Auch die Datenschutz-Grundverordnung schließt in Art. 2 Abs. 2 d) eine Anwendung auf die Gefahrenabwehr aus. 102  RL 2002/58/EG. 103 EuGH, Urt. v. 21.  12. 2016, Rs C-203/15 (Tele2 Sverige), Ziff. 73; zustimmend Marsch, Do(n’t) think twice, it’s all right, http://verfassungsblog.de/dont-think-twice-itsall-right-der-eugh-beerdigt-die-vorratsdatenspeicherung/ [25. 09. 2017]. 104  Zur Anwendbarkeit bei Eingriffen in Grundfreiheiten siehe unter E. I. 3.

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E.  Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen

tentiellen Überwachungsmaßnahmen ausgesetzt sehen, die gegenüber im Inland ansässigen Unternehmen unzulässig wären105. 3.  Zusammenfassung Im Ergebnis stellt sich der extraterritoriale internationale Menschenrechtsschutz als weitreichend dar. Vor allem polizeiliches und nachrichtendienstlich-operatives Eingriffshandeln (etwa Freiheitsentziehungen) im Ausland wird von den völkerrechtlichen Menschenrechtsinstrumenten erfasst, militärisches Handeln hingegen zum Teil nicht. Die Anwendbarkeit der supranationalen Rechtsgarantien ist hier mangels Anwendbarkeit des Unionsrechts zu verneinen, sofern kein dezidierter EU-Auslandseinsatz polizeilicher oder militärischer Art vorliegt. Ebenfalls nur teilweise vom Menschenrechtsschutz umfasst werden extraterritoriale Überwachungsmaßnahmen, während eine Bindung an den supranationalen Grundrechtsschutz hier zu bejahen ist.

III.  Maßgaben des allgemeinen Völkerrechts Es wurde bereits dargestellt, dass eine Reduktion von Grundrechtsgewährleistungen aufgrund völkerrechtlicher Wertungen mangels innerstaatlicher verfassungsrechtlicher Relevanz zweifelhaft ist.106 Gleichwohl ist es von entscheidender Bedeutung, in welcher Weise völkerrechtliche Wertungen extraterritorialen Wirkungen von Grundrechten überhaupt entgegenstehen. a)  Irrelevanz völkerrechtlicher Maßgaben im status negativus Für Abwehrrechte jedenfalls ist dieses Argument paradox: In ihrem status negativus wirken die Grundrechte „nicht zuständigkeitserweiternd, sondern zuständigkeitsbeschränkend“.107 Wenn das Völkerrecht denn tatsächlich pauschal die Erstreckung eigener Wertungen auf das Ausland und die Vornahme von staatlichen Handlungen im Ausland verbieten würde, so stünde dies der Geltung von Abwehrrechten bei extraterritorialem Staatshandeln trotzdem keineswegs entgegen – eine extraterritoriale Wirkung der Grundrechte wäre hier sogar „völkerrechtsfreundlich“, weil sie staatliches Handeln im Ausland nicht erweitert, sondern begrenzt.108 Die Gefahr der Erweiterung deutscher Staatsgewalt zulasten 105  Zur Differenzierung zwischen der Kommunikation von In- und Ausländern siehe unter G. II. 1. 106  Siehe unter C. III. 3. 107  Walter/v. Ungern-Sternberg, DÖV 2012, 861 (865). 108  So auch v. Arnauld, in: Weingärtner (Hrsg.), Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 61 (73 f.); Bäcker, Erhebung, Bevorratung und Übermittlung von Telekommunikation durch die Nachrichtendienste des Bundes. Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Un-

III.  Maßgaben des allgemeinen Völkerrechts

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anderer Staaten bestünde hier nicht; sie würde sogar reduziert. Dies übersieht, wer Maßstäbe, die gerade zur Verhinderung von Übergriffen in die Souveränität fremder Staaten dienen sollen, dazu heranzieht, die rechtliche Beschränkung solcher Übergriffe zu regeln.109 b)  Kriterien für den status positivus Komplexer wird das Bild, wenn man auch den status positivus ins Blickfeld nimmt. In der Tat besteht hier die Gefahr, mit der Souveränität anderer Staaten in Konflikt zu geraten.110 So bezeichnet Georg Jellinek das Staatsgebiet als jenes Gebiet, auf dem es „jeder anderen […] Macht untersagt ist, ohne ausdrückliche Erlaubnis von seiten des Staates Herrschaft zu üben.“111 Schon Kelsen aber konstatiert, die Rechtsgeltung im eigenen Staatsgebiet sei zwar der Regelfall, es könne aber keine Rede davon sein, dass die innerstaatliche Rechtsordnung nur innerhalb des eigenen Staatsgebiets gelte.112 Das moderne Völkerrecht regelt zunächst und in erster Linie die Kompetenz zur tatsächlichen Durchsetzung staatlicher Regeln und Entscheidungen113, die sogenannte jurisdiction to enforce.114 Diese ist in der Regel auf das eigene Territorium, den „Schauplatz […], auf dem eine Staatsgewalt selbst eine Ordnung der Lebensverhältnisse errichten und sie auch durchsetzen kann“115 beschränkt. tersuchungsausschusses am 22. Mai 2014, https://www.bundestag.de/blob/280844/35ec 929cf03c4f60bc70fc8ef404c5cc/mat_a_sv-2 – 3-pdf-data.pdf [25. 09. 2017], S.  21  f.; Kast­ ler, Föderaler Rechtsschutz. Personenbezogene Daten in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, 2017, S. 124; J. Menzel, Internationales Öffentliches Recht. Verfassungs- und Verwaltungsgrenzrecht in Zeiten offener Staatlichkeit, 2011, S. 565; Zöller, Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten. Zur Vernetzung von Strafverfolgung und Kriminalitätsverhütung im Zeitalter von multimedialer Kommunikation und Persönlichkeitsschutz, 2002, S. 373 f. 109  So etwa Proelß/Daum, AöR 141 (2016), 373 (384). 110  Thallinger, Grundrechte und extraterritoriale Hoheitsakte. Auslandseinsätze des Bundesheeres und Europäische Menschenrechtskonvention, 2008, S. 7. 111  G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 7. Neudruck 1960, S. 394. 112  Kelsen, Allgemeine Staatslehre, 1925, S. 140. 113  Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug, 1992, S. 49; Kokott, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 38 (1998), S. 71 (98). 114  Zum Begriff Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände: Eine staatsrechtliche, insbesonders grundrechtskollisionsrechtliche Untersuchung, 1988, S. 129. 115  Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 31, dort auch ausführlich zur historischen Entwicklung des Zusammenhangs von Territorium und Staatsgewalt. Vgl. auch schon Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Zweiter Band, 1896, S. 453: „Innerhalb ihres Gebietes ist sie Herr, ist sie allein das, was nach dem allgemeinen Begriff Staatsgewalt sein soll“.

164

E.  Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen

Hoheitliche Tätigkeiten sind außerhalb dieses Territoriums daher regelmäßig unzulässig.116 Allerdings existieren bereits auf dieser Ebene Durchbrechungen des Grundsatzes: So finden sich in Art. 43 der Haager Landkriegsordnung117 explizite Zuständigkeiten für die Ausübung von Staatsgewalt in besetzten Gebieten.118 Dies spricht gegen Heintzens Ansatz, der aus Kompetenzgründen Art. 1 Abs. 3 GG nicht auf solche Gebiete anwenden will.119 Präziser ist es angesichts dieser Durchbrechungen120, die jurisdiction to enforce nicht an die territoriale Souveränität, sondern an das rechtmäßige Innehaben der Gebietshoheit zu knüpfen, wie dies auch Kment und Meng tun.121 Die jurisdiction to enforce ist völkergewohnheitsrechtlich aber zu unterscheiden von der jurisdiction to prescribe, d. h. der Kompetenz, die Anwendbarkeit einer Norm auf ein Gebiet zu erstrecken bzw. bei der Normsetzung tatbestandlich an Geschehnisse in einem Gebiet anzuknüpfen. Diese Kompetenz besteht auch außerhalb des eigenen Staatsgebietes; sie setzt lediglich die Existenz eines genuine link zum normsetzenden Staat voraus.122 Schon der Ständige Internationale 116  StIGH, Urt. v. 07. 09. 1927, Nr. A/10 (Lotus), S. 18 f. Dagegen ist die Spionage im Ausland als solche nach h.M. nicht völkerrechtswidrig, kann aber freilich im Einzelfall gegen andere Völkerrechtssätze verstoßen, siehe Bormann, Transnationale Informationsgewinnung durch Nachrichtendienste und Polizei. Eine Untersuchung von Zulässigkeit und Verwertbarkeit, 2016, S. 135 f.; Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (484); Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln. Transnationale Elemente deutschen Verwaltungsrechts, 2010, S. 56 f.; Schmahl, in: Dietrich et al. (Hrsg.), Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2018, S. 21 (23 f.); ausführlich Matz-Lück, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 107 (121). 117  RGBl. 1910, S. 132 ff. 118  Dazu und zu den menschenrechtlichen Implikationen Benvenisti, The International Law of Occupation, 2. Aufl., Oxford 2012, S. 102 ff.; Söfker, Durch die Besatzungsmacht geprägte Neuordnungen besetzter Staaten: Welche Auswirkungen haben völkerrechtlich verbotene Angriffskriege auf die Reichweite der Kompetenzen von Besatzungsmächten? Untersucht am Beispiel des Irak-Krieges, 2014, S. 55, 83 ff. 119  Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 151. 120  Eine weitere Durchbrechung stellt die „punktuelle“ jurisdiction to enforce in Räumen ohne irgendeine Gebietshoheit (etwa der hohen See) dar, s. Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 86. 121  Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 77 ff.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 73. Vgl. auch Kittichaisaree, Public International Law of Cyberspace, 2017, S. 136. Die territoriale Souveränität ist das Vollrecht des Staates über ein Gebiet, die Gebietshoheit dagegen die tatsächliche Ausübung, die sich zum Vollrecht in etwa verhält, wie der Besitz zum Eigentum. 122  BVerfG, Beschl. v. 03. 11. 2015, Az. 2 BvR 2019/09 – JZ 2016, 796 (800); Badura, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. II, 2006, § 47, Rn. 8; Baldus, Transnationales Polizeirecht, S. 152; F. Becker, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, § 240, Rn. 8; Bungenberg, AVR 39 (2001), 170 (184); Gärditz, Verwaltung 48

III.  Maßgaben des allgemeinen Völkerrechts

165

Gerichtshof merkte zur Frage nach einem allgemeinen Verbot extraterritorialer Jurisdiktion an: „Such a view would only be tenable if international law contained a general prohibition to States to extend the application of their laws and the jurisdiction of their courts to persons, property and acts outside their territory, and if, as an exception to this general prohibition, it allowed States to do so in certain specific cases. But this is certainly not the case under international law as it stands at present.“123

Verwirrungen können hier freilich durch die unterschiedliche Verwendung von Begriffen entstehen: So setzt Kronke, wenn er von der Geltung einer Norm spricht, stets ihre Durchsetzbarkeit voraus und beschränkt den Geltungsraum folgerichtig deutlich stärker; in extraterritorialer Hinsicht spricht er dagegen von Anwendbarkeit.124 Genuine links können verschiedener Gestalt sein, wobei klare Voraussetzungen schwerlich auszumachen sind.125 Neben dem Territorium, das natürlich neben der jurisdiction to enforce auch eine jurisdiction to prescribe begründet, tritt z. B. das Personalprinzip, das auf den Schutz der Angehörigen eines Staates im Ausland abzielt126, das Schutzprinzip, das betroffene im eigenen Gebiet belegene Rechts(2015), 463 (469); Ipsen, in: FS Bernhardt, 1995, S. 1041 (1049); A. Kahl, in: VVDStRL 76 (2017), S. 343 (353); McGoldrick, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application, S. 41 (45 f.); Sandrock, ZVglRWiss 115 (2016), 1 (93); Schmalenbach, in: VVDStRL 76 (2017), S. 245 (257 f.); Schorkopf, Grundgesetz und Überstaatlichkeit: Konflikt und Harmonie in den auswärtigen Beziehungen Deutschlands, 2007, S. 111; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht. Theorie und Praxis, 3. Aufl. 1984, § 1019; K. Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm. Eine Untersuchung über die Grundfragen des sog. Internationalen Verwaltungs- und Steuerrechts, 1965, S. 145 ff. Anders N. B. Wagner, Grund- und Menschenrechte in Auslandseinsätzen von Streitkräften. Schutz und Grenzen von Grund- und Menschenrechten bei Auslandseinsätzen von Streitkräften im Frieden und in bewaffneten Konflikten, 2009, S. 78 f., der den Unterschied zwischen jurisdiction to enforce und jurisdiction to prescribe bestreitet, was im völkerrechtlichen Schrifttum kaum noch vertreten wird, siehe Kim, LJIL 30 (2017), 49 (51 f.); Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 458. Zur historischen Entwicklung Jennings, BYIL 33 (1957/58), 146 (149 f.). Zu Modifikationen im internationalen Strafrecht Gärditz, Weltrechtspflege. Eine Untersuchung über die Entgrenzung staatlicher Strafgewalt, 2006, S. 122 f. 123  StIGH, Urt. v. 07. 09. 1927, Nr. A/10 (Lotus), S. 19. Kritisch zur häufigen Bezugnahme auf diese wegen Stimmengleichheit nur aufgrund der tie-breaking vote des Präsidenten so ergangene Entscheidung Gärditz, Weltrechtspflege, S. 102. Nach wie vor für die Maßgeblichkeit der Lotus-Prinzipien IGH, Entsch. v. 11. 04. 2000 („Arrest Warrant“), Sondervotum van den Wyngaert, ICJ Rep. 2002, 137 (167 f.). Die Mehrheitsmeinung des Gerichts geht auf die Frage der Jurisdiktion nicht ein. 124  Kronke, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 38 (1998), S. 33 (41). Siehe dazu auch B. I. 125  Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 106 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 541 ff. 126  Dazu schon Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Zweiter Band, S. 454 f.

166

E.  Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen

güter schützen will, sowie das Prinzip der Organisationshoheit127, nach welchem ein Staat Rechte und Pflichten seiner Bediensteten regeln kann.128 Das Wirkungsprinzip, nach welchem ein genuine link auch in Wirkungen auf den eigenen Staat – unabhängig vom Ort des Ausgangsgeschehens – bestehen kann, ist in Teilen noch umstritten129: In einfach gelagerten Fällen, die dem „aufgedrängten status negativus“ Isensees ähneln130, gilt das Wirkungsprinzip als allgemein anerkannt, während seine Anwendbarkeit insbesondere im Bereich der wirtschaftlichen Regulierung und dem Kartellrecht kontroverser gesehen wird.131 Schließlich wird zur Abwehr oder Ahndung besonders schwerwiegender Verletzungen von Gütern, deren Schutz im Interesse der gesamten Staatengemeinschaft liegt, das Weltrechtsprinzip angewandt, das auf einen separaten Anknüpfungspunkt verzichtet.132 Zu diesem völkerrechtlichen Gemeinschaftsbestand gehört auch der Schutz der Menschenrechte.133 Die Ausübung der jurisdiction to prescribe kann dabei durch eine Vielzahl von Staaten erfolgen, sie ist nicht exklusiv einem Staat vorbehalten. Diese Plura127  Auch „Imperialprinzip“, s. Ohler, Die Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts. Strukturen des deutschen Internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 331. 128  Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 112, 114, 123 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 502 ff.; Ohler, Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 331 ff. Siehe auch Henkin et al., Restatement of the Law (Third): The Foreign Relations Law of the United States, Philadelphia 1987, § 402, Ireland-Piper, Accountability in Extraterritoriality. A Comparative and International Law Perspective, Cheltenham 2017, S. 2 f. sowie Brownlie, Principles of Public International Law, 7. Aufl., New York 2008, S. 300 ff. bzgl. der Strafverfolgungskompetenz, auf S. 311 wird jedoch klargestellt, dass diese Maßstäbe allgemein gelten. Gegen eine solche Verallgemeinerung Kaffanke, Grenzen der intraterritorialen Rechtsanwendung mit extraterritorialen Auswirkungen, 1990, S. 76 ff.; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, 1975, S. 94 f. 129  Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 526. Krit. dazu Jennings, BYIL 33 (1957/58), 146 (159); Norton, in: Ebke et al. (Hrsg.), Commentaries on the Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, Chicago 1992, S. 41 (57 f.). 130  Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, 2. Aufl. 2001, § 115, Rn. 90. 131  Henkin et al., Restatement (Third), § 402, Comment d. 132  Bungenberg, AVR 39 (2001), 170 (184); Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 119 ff. In BGHSt 45, 65 ff. wird gleichwohl nach einem zusätzlichen Anknüpfungsmoment gesucht, ohne die Notwendigkeit eines solchen näher zu begründen (Rn. 11). Deutlicher dazu der Ermittlungsrichter am BGH, Beschl. v. 13. 02. 1994, Az. 1 BGs 100/94 – NStZ 1994, 232 (233). 133  Laskowski, Das Menschenrecht auf Wasser. Die rechtlichen Vorgaben zur Sicherung der Grundversorgung mit Wasser und Sanitärleistungen im Rahmen einer ökologisch-nachhaltigen Wasserwirtschaftsordnung, 2010, S. 274. Vgl. auch BVerfG, NJW 2001, 1848 (1852); Bungenberg, AVR 39 (2001), 170 (191 f.); Fassbender, EuGRZ 2003, 1 (10 f.).

III.  Maßgaben des allgemeinen Völkerrechts

167

lität, die zu kollidierenden Normbefehlen führen kann, ist vom Völkerrecht gewollt und darf nicht durch die Konstruktion einer Rangfolge von „genuine links“ beiseitegeschoben werden.134 Begrenzt wird die jurisdiction to prescribe durch das Interventionsverbot. Einem Staat ist es völkerrechtlich untersagt, in den Exklusivbereich eines fremden Staates – die sog. domaine réservé – einzugreifen. Innerhalb dieser Domäne sind nicht nur Vollzugshandlungen, sondern auch die bloße Normsetzung unzulässig.135 Freilich reicht das Interventionsverbot nur so weit, wie ein Staat diese Exklusivität und damit die rein interne Natur einer Angelegenheit tatsächlich behaupten kann.136 Ist dagegen ein Sachgebiet – etwa durch vertragliche Regelung – auch völkerrechtlich geformt, so hat es die domaine réservé verlassen und liegt nicht mehr länger in der ausschließlichen inneren Angelegenheit eines Staates.137 Der Menschenrechtsschutz ist angesichts der Vielzahl völkerrechtlicher Verträge damit keine innerstaatliche Angelegenheit mehr, sondern ist zu einer „gemeinsame[n] Angelegenheit der Staatengemeinschaft“ geworden138; seine extraterritoriale Ausübung im Rahmen der jurisdiction to prescribe ist daher durch das Interventionsverbot nicht gehindert.139 Es wird weiterhin diskutiert, die extraterritoriale Regelungskompetenz weiteren Grenzen – etwa einem spezifischen Abwägungsgebot oder dem Willkürverbot – zu unterwerfen.140 Ein solcher Maßstab lässt sich in der Staatenpraxis aber derzeit noch nicht durchweg feststellen und stellt daher jedenfalls noch kein Völkergewohnheitsrecht dar.141 134  Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 110 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 646; Oehmke, Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen zur Abwehr gegen Piraterie. Eine Analyse unter Aspekten des Völkerrechts und des deutschen Rechts, 2016, S. 366 f.; Ohler, Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 331 sowie deutlich S. 345. Insbesondere kommt dem territorialen „link“ kein Vorrang zu. 135  Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 60 f. 136  Kaffanke, Grenzen der intraterritorialen Rechtsanwendung, S. 309 f. 137  Bungenberg, AVR 39 (2001), 170 (186); Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 63 ff. 138  Fassbender, in: Isensee (Hrsg.), Menschenrechte als Weltmission, S. 11 (27). 139  Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 63 f. 140  Henkin et al., Restatement (Third): Foreign Relations Law of the United States, § 403 Abs. 2; Ireland-Piper, Accountability in Extraterritoriality, S. 39 ff.; Kment, Grenz­ überschreitendes Verwaltungshandeln, S. 104 ff.; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 218 f.; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 589. 141 Vgl. Dodge et al., Restatement of the Law Fourth. The Foreign Relations Law of the United States. Jurisdiction. Tentative Draft No. 2, Philadelphia 2016, § 211, Comment (e). Auch das Restatement (Third), § 402, Comment a, verhält sich zum Völkerrechtscharakter dessen noch zurückhaltend. Siehe dazu Bungenberg, AVR 39 (2001), 170 (194 f.); Bungert, Das Recht ausländischer Kapitalgesellschaften auf Gleichbehandlung im deutschen und US-amerikanischen Recht. Zugleich ein Beitrag zu einem internationalen Grundrechts-

168

E.  Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen

Das Völkerrecht enthält keine positive Kompetenzordnung, sondern setzt der Regelungskompetenz nur – negative – Grenzen, sofern ein völkerrechtlicher Rechtssatz dies anordnet.142 Sicherlich ist das Territorialprinzip auch bei der Regelungskompetenz der absolute Normalfall143, häufig sind aber auch Regelungen in Anknüpfung an das Personalprinzip, und auch eine Vielzahl weiterer Prinzipien – etwa das passive Personalitätsprinzip oder ein generelles Schutzprinzip zugunsten bestimmter Rechtsgüter – sind grundsätzlich anerkannt.144 Wer das Staatsgebiet also zum alleinigen Regelungsbereich einer Rechtsordnung erhebt, macht den tatsächlichen Regelfall zur ausnahmslosen Norm. Es gibt keinen völkerrechtlichen Rechtssatz, der die Grundrechtsgeltung im Ausland pauschal verbietet.145 Eine solche extraterritoriale Geltung ist auch nicht schon deshalb zwecklos, weil sie nicht von einer ebenfalls extraterritorialen Durchsetzungskompetenz begleitet wird. Vielmehr muss der Ort eines Normgebots nicht mit dem Ort der Sanktion zur Durchsetzung dieser Norm übereinstimmen. Mithilfe „persuasorischer Rechtsakte“146 im Inland kann so ein Druck auf Sachverhalte im Ausland ausgeübt werden. Noch deutlicher wird dies bei der Abwehrdimension der Grundrechte: Selbstverständlich kann der deutsche Staat seine Amtsträger auch durch disziplinarische Mittel im Inland zu rechtmäßigem Handeln im Ausland anhalten.

IV.  Menschenrechte und innerstaatliche Umsetzungsverpflichtung Statt eines völkerrechtlichen Verbots extraterritorialer Grundrechtswirkungen ist es vielmehr denkbar, dass die Bundesrepublik völkerrechtlich dazu verpflichtet ist, die Grundrechte auch bei Auslandsbezügen anzuwenden – auch Menschen-

kollisionsrecht, 1993, S. 240 f.; Maier, in: Meessen (Hrsg.), Extraterritorial Jurisdiction in Theory and Practice, Leiden 1996, S. 64 (71 ff.); Ohler, Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 339 ff. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensysteme, S. 115 ff. Allgemein kritisch zum unklaren Charakter des Restatement (Third) zwischen Darstellung de lege lata und Vorschlag de lege ferenda Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 647; Ryangaert, Jurisdiction in International Law, Oxford 2008, S. 163 ff. Zum Ganzen instruktiv Sandrock, ZVglRWiss 115 (2016), 1 (19 ff.). 142  Bungenberg, AVR 39 (2001), 170 (183 f.); Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 73; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 482 f. 143  Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 501. Vgl. auch Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Zweiter Band, S. 454: „die grundsätzliche Regel“. 144  A.a.O., S. 507, 514 f. 145  Kokott, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 38 (1998), S. 71 (98). Dies gesteht i.E. auch Merten, in: FS Schiedermair, 2001, S. 331 (333) zu. 146  Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 93 f.

IV.  Menschenrechte und innerstaatliche Umsetzungsverpflichtung

169

rechte sind Teil des Völkerrechts.147 Zu untersuchen ist daher, ob sich aus den zuvor dargestellten völkerrechtlichen Verpflichtungen148 eine Pflicht dazu ergibt.149 Bezüglich der Europäischen Menschenrechtskonvention wird überwiegend angenommen, sie bestimme nicht, in welcher Weise sie innerstaatlich umzusetzen sei.150 Insbesondere sei sie nicht zwingend in Verfassungsrecht zu überführen; selbst eine Projektion auf die verfassungsrechtliche Ebene151 soll nicht zwingend sein. Stattdessen sollen die Vertragsstaaten schlicht völkerrechtlich für eine Konventionsverletzung verantwortlich sein.152 Dieser Sichtweise hat sich nicht nur der Gerichtshof selbst angeschlossen, sondern sie wird auch von der Staatenpraxis gestützt, der nach Art. 31 Abs. 3 b) WÜRV maßgebliche Bedeutung für die Vertragsauslegung zukommt: Die Tatsache, dass sich die Art und Weise der Inkorporation durch die Mitgliedsstaaten stark unterscheidet, spricht gegen eine Inkorporationsverpflichtung.153 Gleichwohl sprechen die besseren Argumente inzwischen für die Annahme einer solchen. Zwar bestehen deutliche Unterschiede im Ausmaß der Überführung in innerstaatliches Recht154, jedoch haben inzwischen alle Vertragsstaaten die Konvention grundsätzlich innerstaatlich anwendbar gemacht.155 Die Staatenpraxis spricht somit nicht mehr gegen ein Inkorporationsgebot. Auch gebietet die in Art. 1 EMRK statuierte Pflicht der Zusicherung der Konventionsrechte die Verfügbarkeit einer effektiven Verhinderung bzw. Sanktionierung von Konventionsverstößen.156 Die Möglichkeit der Beschwerde beim Gerichtshof allein vermag diese Pflicht nicht zu erfüllen, da die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes angesichts der Fülle an potentiellen Beschwerden nur eine subsidiäre sein 147  Papp, Extraterritoriale Schutzpflichten: Völkerrechtlicher Menschenrechtsschutz und die deutsche Außenwirtschaftsförderung, 2013, S. 187 f.; Schorkopf, Grundgesetz und Überstaatlichkeit, S. 108. 148  Siehe D. 149  In diese Richtung B. Huber, NVwZ 2000, 393 (394 f.). 150 EGMR, Urt. v. 06.  02. 1976, Nr. 5614/72 (Swedish Drivers’ Union/Schweden), Ziff. 50; EGMR, Urt. v. 13. 07. 2000, Nr. 39221/98 (Scozzari u. Giunta/Italien), Ziff. 249; BVerfGE 101, 307 (320 f.); Grabenwarter, JZ 2010, 857 (859); Meyer-Ladewig/Nettesheim, in: dies./v. Raumer (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl. 2017, Einl., Rn. 15. Zu relativierenden Tendenzen bei der Urteilsumsetzung M. Breuer, EuGRZ 2004, 257 ff. 151  Siehe E. I. 152  Zu den Rechtswirkungen einer verurteilenden Entscheidung ausführlich Schilling, Deutscher Grundrechtsschutz, S. 110 ff. 153  So auch Giegerich, in: Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG. Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, Bd. I, 2. Aufl. 2013, I, Kap. 2, Rn. 7. 154  Zu Beispielen E. I. 155  Vgl. dazu Giegerich, in: Konkordanzkommentar, I, Kap. 2, Rn. 13. 156  So schon EGMR, Urt. v. 18. 01. 1978, Nr. 5310/71 (Irland/UK), Ziff. 239.

170

E.  Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen

kann.157 Eine diesen Maßgaben genügende effektive Umsetzung der Konventionsverpflichtungen ist ohne jegliche Überführung der vertraglichen Menschenrechte in innerstaatliches Recht kaum möglich158, was auch der Gerichtshof in abgeschwächter Form eingesteht, wenn er betont, die Zielsetzung der Konvention schlage sich dort in besonders vertragstreuer Weise nieder, wo sie in innerstaatliches Recht überführt worden sei.159 Schon aus völkerrechtlicher Sicht spricht somit vieles für eine Pflicht, extraterritoriale Wirkungen der Konvention innerstaatlich auch als extraterritoriale Grundrechtswirkungen abzubilden. Ohnehin aber markiert die Konvention, wie bereits dargelegt160, aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts einen Mindeststandard, unter welchen das Grundgesetz nicht sinken darf.161 Ein Kerngedanke der Figur der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ist es, nicht erst eine Verurteilung der Bundesrepublik vor dem EGMR abzuwarten, sondern die Funktion der Konvention als Mindeststandard, soweit dies mit den gängigen Auslegungsmethoden erreichbar ist, schon in der Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes zu berücksichtigen.162 Da der Wortlaut des Grundgesetzes dem keinesfalls entgegensteht – wie bereits gezeigt, enthält das Grundgesetz keine klare Beschränkung seines Geltungsbereiches163 –, markiert die Dogmatik zur extraterritorialen Wirkung der EMRK jedenfalls eine Untergrenze für eine entsprechende Dogmatik des Grundgesetzes: Die Grundrechte des Grundgesetzes, soweit sie Garantien der Konvention enthalten, müssen somit bei grundsätzlicher staatlicher Kontrolle über ein Gebiet und bei vollumfänglicher Kontrolle über eine Person Anwendung finden.164 Um aber eine „gespaltene Grundrechtsauslegung“, bei der einzelne Grundrechte ohne Anhaltspunkt im Wortlaut aufgrund ihrer Kongruenz zur Konvention einen weiteren territorialen Anwendungsbereich haben als andere, zu vermeiden, ist es vorzugswürdig, im Rahmen aller Grundrechte des Grundgesetzes so zu verfahren. Eine darüber hinausgehende extraterritoriale Geltung ist freilich ausweislich Art. 53 EMRK keineswegs ausgeschlossen. 157 Dazu

EGMR, Urt. v. 15. 11. 1996, Nr. 18877/91 (Ahmet Sadik/Griechenland), Ziff. 30; Meyer-Ladewig/Renger, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/v. Raumer (Hrsg.), Art. 13 EMRK, Rn. 2. 158  So auch BVerfGE 111, 307 (323). 159  EGMR, Urt. v. 18. 01. 1978, Nr. 5310/71, Ziff. 239. 160  Siehe E. I. 161  BVerfGE 111, 307 (316); BVerfGE 128, 326 (369); Sommermann, AöR 114 (1989), 391 (414 ff.). 162  BVerfGE 128, 326 (369 f.). 163  Insbesondere fungieren weder Art. 23 GG a.F. noch die Präambel als eine solche Grenze, siehe dazu C. III. 3. 164  Siehe D. I. 4.

IV.  Menschenrechte und innerstaatliche Umsetzungsverpflichtung

171

Für den UN-Zivilpakt geht schon die Praxis des Menschenrechtsausschusses davon aus, er verlange nicht nur „Ergebnistreue“, sondern schreibe seine innerstaatliche Anwendbarkeit in Art. 2 Abs. 2 IPbpR vor.165 Die Gewährleistungen des Paktes – nicht notwendigerweise der Pakt selbst – müssen sämtliches staatliches Handeln binden und daher auch Vorrang vor formellen Gesetzen haben. Daraus folgt für Staaten, die ihn nicht bereits auf Verfassungsebene transformiert haben, die völkerrechtliche Pflicht zur Projektion in die Verfassung.166 Es ist daher irreführend, wenn Tomuschat unter Verweis auf die General Comments des Menschenrechtsausschusses feststellt, eine bestimmte Vollzugsmodalität sei bezüglich des Paktes nicht geschuldet – mit dieser Aussage kann nur gemeint sein, dass es Staaten selbst überlassen bleibt, ob sie den Pakt unmittelbar anwenden oder andere Gesetze bzw. ihre Verfassung an die dort enthaltenen Gewährleistungen anpassen, denn nur dieser Schluss wird von dem zitierten General Comment auch getragen.167 Somit ist die Bundesrepublik völkerrechtlich dazu verpflichtet, auch die Menschenrechte des Zivilpakts, einschließlich deren extraterritorialer Wirkung168, auf verfassungsrechtlicher Ebene zu beachten. Soweit dies das Schutzniveau der Grundrechte erhöhen würde, lässt sich ein solches Ergebnis – ebenso wie für die EMRK – aus dem Blickwinkel des innerstaatlichen Rechts durch eine völkerrechtsfreundliche Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes erreichen.169 Auch unter die extraterritoriale Anwendbarkeit des Paktes darf die Grundrechtsdogmatik des Grundgesetzes somit nicht absinken. Wenngleich dessen Anwendbarkeitskriterien weniger klar sind, als die der Konvention, so folgt daraus doch, dass bei bestehender Hoheitsgewalt über eine Person auch im Ausland eine Grundrechtsbindung bestehen muss.170 Somit bleibt festzuhalten, dass das Völkerrecht der extraterritorialen Wirkung der Grundrechte nicht per se entgegensteht. Vielmehr verpflichten IPbpR und EMRK als völkerrechtliche Verträge sogar zu einer extraterritorialen Anwendung, die das von ihnen gesetzte Niveau nicht unterschreiten darf. Freilich bedarf die Ausdehnung der Rechtssetzungsbefugnis der Bundesrepublik, mit der eine extraterritoriale Anwendung von Schutzpflichten einhergeht, eines genuine link. Geht es um die Handlungspflichten ohnehin im Ausland tätiger Staatsbediensteter im Rahmen ihrer Tätigkeit, so folgt eine solche Verbindung stets bereits aus 165 

MRA, CO United Kingdom (2001), CCPR/CO/73/UK, Ziff. 23. CO Armenia (1995), CCPR/C/79/Add.59, Ziff. 10; Seibert-Fohr, ZaöRV 2002, 391 (409 ff.). 167  Vgl. MRA, General Comment 31 (2004), CCPR/C/21/Rev.1/Add.13. 168  siehe dazu D. II. 2. 169  BVerfGE 74, 358 (370). Siehe dazu ausführlich E. I. 170  Siehe dazu D. II. 4. 166 MRA,

172

E.  Das Verhältnis der verschiedenen Ebenen

dem Prinzip der Organisationshoheit. In besetzten Gebieten tritt das Territorialprinzip hinzu, das entgegen der staatsrechtlichen Diskussion in Deutschland171 nicht an das Staatsgebiet im engeren Sinne anknüpft, sondern schlicht an die Ausübung von Gebietshoheit. Stehen ferner schwerste Menschenrechtsverletzungen im Raum, so kann zugunsten des Weltrechtsprinzips auf ein weiteres Anknüpfungsmoment verzichtet werden. Schutzpflichten durch vollziehende, imperative Akte im Ausland nachzukommen, ist völkerrechtlich hingegen nur zulässig, wenn bereits Gebietshoheit über das fragliche Gebiet besteht, der betreffende Staat zugestimmt hat oder ein sonstiger völkerrechtlicher Rechtfertigungsgrund besteht.172 Ein pauschaler Verweis auf das Völkerrecht, Art. 25 GG oder die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes zur Begründung geringerer Grundrechtsstandards im Ausland geht also ins Leere – umso mehr, wenn es um Abwehrrechte geht. Gemeint sind im Wahrheit oftmals nicht Grenzen des Völkerrechts, sondern eher Grenzen der Praktikabilität extraterritorialen Grundrechtsschutzes.173

171 

Siehe dazu C. III. 3. die Autorisierung zum Einsatz militärischer Gewalt nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen. 173 So etwa auch Enders, in: Stern/Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar. Die Grundrechte des Grundgesetzes mit ihren europäischen Bezügen, 2. Aufl. 2016, Art. 1, Rn. 108. Vgl. auch Isensee, in: ders. (Hrsg.), Menschenrechte als Weltmission, S. 5 (6): „Grenze ihrer Möglichkeiten“. 172 Etwa

Zweiter Teil

Schlussfolgerungen für das deutsche Verfassungsrecht

F.  Integration extraterritorialer Wirkungen in die allgemeine Grundrechtsdogmatik Wie muss eine Dogmatik extraterritorialer Grundrechte beschaffen sein, um den genannten Anforderungen des Mehrebenensystems zu genügen und sich zugleich in die rechtlichen Anforderungen des Grundgesetzes einzufügen? Die Antwort darauf erschöpft sich nicht zwingend in einem einfachen „Grundrechtsbindung – ja oder nein“. Vielmehr sind Abstufungen und Modifikationen möglich, die aus der einleitenden Frage zwei Teilfragen machen: (Wann) wirken die Grundrechte – erstens – überhaupt jenseits der Staatsgrenze? Und – zweitens – wie wirken sie dort, d. h. welche inhaltlichen Anpassungen an die bekannte Grundrechtsdogmatik sind notwendig?

I.  Reichweite der Grundrechtswirkung Wie Maurer anmerkt, müssen Grundrechte in unserem Rechtssystem grundsätzlich drei Funktionen erfüllen: „Sie müssen den Blick für die Probleme schärfen, Lösungen für die Konfliktbereinigung bereitstellen und die Durchsetzung dieser Lösungen gewährleisten.“1

Es genügt folglich nicht, extraterritoriale Wirkungen von Grundrechten zu postulieren, wenn diese in der Wirklichkeit keine Wirkungen zeitigen können oder ihrem eigenen Anspruch gar zuwiderlaufen. Bei der Erarbeitung einer extra­ territorialen Grundrechtsdogmatik sind daher im Folgenden auch die vielfach vorgebrachten Argumente gegen eine Umsetzbarkeit transnationalen Grundrechtsschutzes zu bedenken. Freilich sind Umsetzungsschwierigkeiten oder gegenläufige Zweckmäßigkeiten für sich genommen kein juristisches Argument: Wer auf tatsächliche Schwierigkeiten gegründet ein normatives Gebot verneint2, läuft Gefahr, die Dichotomie von Sein und Sollen zu verkennen.3 Die praktischen Probleme sind daher zunächst darauf zu untersuchen, ob sie denn in tatsächlicher Hinsicht vorliegen. Anschließend aber muss geprüft werden, inwieweit sie sich

1 

Maurer, JZ 1999, 689 (697). etwa Lindner/Unterreitmeier, DÖV 2017, 90 (97), die die Entscheidung des BVerfG zum BKA-Gesetz – BVerfG, Urt. v. 20. 04. 2016, Az. 1 BvR 966/09 – NJW 2016, 1781 ff. – kritisieren, weil diese „den Austausch von sicherheitsrelevanten Informationen behindern kann und deswegen im Ergebnis ein Sicherheitsrisiko darstellt.“ 3  Warnend auch Marauhn, in: VVDStRL 74 (2015), S. 373 (378 f.). 2 Vgl.

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F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

rechtlich operationalisieren lassen, d. h. wie ihnen verfassungsrechtliche Relevanz zukommen kann, und welche rechtliche Wertung sich daraus ergibt. 1.  Strenges Territorialprinzip Jeglicher extraterritorialen Grundrechtslehre idealtypisch entgegengesetzt ist das Territorialprinzip, nach welchem die Verfassung und die in ihr gewährleisteten subjektiven Rechte nur im Inland berechtigen und verpflichten. Das Territorialprinzip hat somit Leitbildcharakter, da sich an ihm die Kernargumente messen lassen müssen, die im Folgenden auch für andere Ansatzpunkte zum Tragen kommen können. Zu untersuchen ist demnach, ob das Grundgesetz nur für das deutsche Staatsgebiet gilt, extraterritoriale Grundrechtswirkungen also von vornherein ausscheiden. a)  Wortlaut des Grundgesetzes Erster Anhaltspunkt dafür ist der Wortlaut des Grundgesetzes. Doch der bereits diskutierte4 Art. 23 GG a.F., der vom Geltungsbereich des Grundgesetzes sprach, kann zu diesem Ergebnis nicht herangezogen werden. Die Norm besteht schon nicht mehr, ist somit überhaupt kein geltendes Verfassungsrecht. Sie diente auch niemals dem Zweck, verfassungsrechtliche Normen und deren Wirkung auf das dort umschriebene Gebiet zu beschränken, sondern sollte lediglich das faktische Staatsgebiet nach dem Zweiten Weltkrieg provisorisch umschreiben.5 Im Parlamentarischen Rat wurde Art. 23 GG a.F. in keiner Weise unter dem Gesichtspunkt der territorialen Beschränkung der Grundrechte diskutiert. Vielmehr ging es hier darum, in welcher Weise das vorläufige Bundesgebiet umrissen und ein „Tor“ gegenüber der DDR, aber auch gegenüber den früheren Ostgebieten offengelassen werden sollte.6 Auch die Präambel als „Nachfolgerin“ dieser Norm7 sollte das Grundgesetz niemals umfassend auf das Staatsgebiet begrenzen. Sie legt im Gegensatz zu Art. 23 GG a.F. diesen Schluss auch nicht einmal im Wortlaut nahe.

4 

Siehe C. III. 3. Gröpl, ZRP 1995, 13 (16); Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte, 1994, S. 12; Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände: Eine staatsrechtliche, insbesonders grundrechtskollisionsrechtliche Untersuchung, 1988, S. 101. 6 Siehe Schick et al, Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949. Akten und Protokolle. Band V/I, 1993, S. 8, 165 ff. 7  Quaritsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V. 2. Aufl. 2001, § 120, Rn. 73; Vitzthum, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 18, Rn. 16. 5 

I.  Reichweite der Grundrechtswirkung

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Ebensowenig führt der Begriff der „Gewalt“ in Art. 1 Abs. 3 GG zu einem solchen Ergebnis. Der Begriff legt nicht, wie Heintzen anführt, einen Zusammenhang zur völkerrechtlichen Souveränität über ein Territorium nahe.8 Vielmehr wird eine solche Deutung schon durch die Geläufigkeit des Begriffes der „auswärtigen Gewalt“9 widerlegt: Auch diese – wenngleich zweifelsfrei extraterritorial – ist begrifflich Gewalt. Ferner spricht das Grundgesetz nicht einfach von einer Grundrechtsbindung aller Gewalt, sondern verwendet diesen Topos nur im Zusammenhang der vollziehenden Gewalt, während es die anderen Gewalten bei deren spezifischen Namen nennt. Das Grundgesetz versteht darunter nicht eine territoriale Radizierung, sondern eine Funktionenbeschreibung, die Staatsleitung, Verwaltung und Streitkräfte umfassen soll.10 Die gemeinsame Nennung der Gesetzgebung, der Rechtsprechung und der vollziehenden Gewalt steht prototypisch für eine umfassende staatliche Grundrechtsbindung – die drei Gewalten sind nicht deshalb aufgeführt, weil nur diese gebunden sein sollen, sondern weil sie alle Gewalten darstellen, welche die heutige Staatsrechtslehre kennt.11 Doch auch wenn man dem Gewaltbegriff des Art. 1 Abs. 3 GG eine eigenständige Bedeutung zumessen will, ist diese Bedeutung zuallererst keine völkerrechtliche, sondern eine phänomenologische. (Staats-)Gewalt deutet auf einen „unwiderstehlichen Willen“12 hin, wir erkennen sie an ihren Wirkungen. Nichts an diesem Begriff ist begriffsnotwendig auf das Inland festgelegt. Schließlich kann eine territoriale Begrenzung auch nicht auf Art. 25 S. 2 GG („Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes“) gestützt werden. Art. 25 GG transformiert Völkergewohnheitsrecht nur in einen Rang unterhalb der Verfassung; ferner ist die Norm schon tatbestandlich nicht einschlägig, weil nicht die extraterritoriale Geltung von allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts in Abrede steht, sondern jene von Grundrechten des Grundgesetzes, über welche Art. 25 GG keine Aussage trifft.13

8 So aber Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 111. Dagegen auch Badura, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. II, 2006, § 47, Rn. 13. 9  Vgl. nur BVerfGE 1, 396 (414); BVerfGE 90, 286 (381); BVerfGE 104, 151 (207); BVerfGE 108, 34 (42); BVerfGE 123, 267 (355). 10  Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3 (44. EL 2005), Rn. 94. 11  Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3 (44. EL 2005), Rn. 92; Hillgruber, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, Art. 1 (Stand: 01. 06. 2017), Rn. 65. 12  G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 7. Neudruck 1960, S. 429. 13  Siehe C. III. 3.

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F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

b)  Verfassungsgeschichte: „Alte“ Verfassungen Somit ergibt sich eine Begrenzung der Grundrechte auf das Inland nicht aus dem Wortlaut der Verfassung. Anhaltspunkte für die territoriale (Nicht-)Begrenzung der Grundrechte könnte die Verfassungsgeschichte bieten, sofern sie den Befund erlaubt, dass extraterritoriale Wirkungen ein verfassungsrechtliches Novum oder aber Folge einer geschichtlichen Kontinuität wären. Lediglich für den Teilbereich des status positivus finden sich derartige Normen schon im Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts: Während § 76 der Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 den Schutz des Staates „für seine Person und sein Vermögen“ jedem Einwohner des Staates zubilligt, garantiert § 189 der Paulskirchenverfassung von 1849 deutschen Staatsbürgern diesen Schutz explizit auch im Ausland: „Jeder deutsche Staatsbürger in der Fremde steht unter dem Schutze des Reichs.“

Auch die Reichsverfassung von 1871 gewährt diesen Schutz in Art. 3 Abs. 6. Seine Schlussform – im Grundgesetz ist eine derartige Vorschrift nicht mehr explizit enthalten – findet der Auslandsschutz in Art. 112 Abs. 2 der Weimarer Verfassung von 1919: „Dem Ausland gegenüber haben alle Reichsangehörigen inner- und außerhalb des Reichsgebiets Anspruch auf den Schutz des Reichs.“

„Schutz“ umfasste gerade den positiven Schutz durch den Staat14, wobei freilich umstritten war, ob die Vorschriften ein subjektives Recht gewährten.15 Verfassungstheoretisch wurde die Vorschrift damit gerechtfertigt, dass dem Staat im Ausland zwar keine unmittelbare Gewalt gegen den Bürger zukomme, er aber weiterhin der Treuepflicht zum Staat unterliege.16 Freilich ging man nicht davon aus, den gesamten Rechtsstaat und alle seine Schutzmechanismen nun um jeden Preis „exportieren“ zu müssen; vielmehr stehe Art. 112 Abs. 2 WRV unter Möglichkeitsvorbehalt.17 Der Gedanke extraterritorialen Schutzes findet also in den deutschen Verfassungen von 1849 bis 1919 also expliziten Niederschlag, freilich nur zugunsten von deutschen Staatsangehörigen. Fraglich ist aber, ob darüber hinaus auch die Abwehrrechte dieser Verfassungen extraterritoriale Wirkungen entfalten konn14  Robbers, Sicherheit als Menschenrecht: Aspekte der Geschichte, Begründung und Wirkung einer Grundrechtsfunktion, 1987, S. 113 ff. 15  Pohl, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung. Kommentar zum zweiten Teil der Reichsverfassung, Bd. 1, 1929, Art. 112, S. 257, sieht in Art. 112 Abs. 2 nur einen objektiven Rechtssatz mit möglichen subjektiven Rechtsreflexen. 16  A.a.O., S. 257. 17  A.a.O., S. 259 ff.

I.  Reichweite der Grundrechtswirkung

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ten. Zu betrachten sind dabei außerdem die Verfassungen der einzelnen deutschen Staaten, die teils ebenfalls über Grundrechte verfügten. Darin kann – für den Zeitraum bis 1871 – ein historisches grundrechtliches Mehrebenensystem gesehen werden. Schon für die Bundesakte war anerkannt, dass sie sich gegen konkurrierendes Landesrecht durchsetzte.18 Die Grundrechte der Paulskirchenverfassung sollten darüber hinaus explizit als Maßstab der Landesverfassungen fungieren.19 § 130 S. 2 der Paulskirchenverfassung bestimmte über die Reichsgrundrechte: „Sie sollen den Verfassungen der deutschen Einzelstaaten zur Norm dienen, und keine Verfassung oder Gesetzgebung eines deutschen Einzelstaates soll dieselben je aufheben oder beschränken können.“

Für die Grundrechte der Bayerischen Verfassung von 1818 ging von Seydel von der Notwendigkeit eines Anknüpfungsmoments aus: Ein Rechtsverhältnis zwischen Staat und Individuum bestehe jenseits der Staatsbürgerschaft nur durch Zulassung „in den räumlichen Machtbereich des Staates“ oder durch Erwerb dinglicher Rechte, die im Staatsgebiet belegen sind.20 In ähnlicher Weise wurde auch für die preußische Verfassung von 1850 angenommen, dass diejenigen Rechte, die nicht preußischen Untertanen vorbehalten sind, „Ausländern während ihres Aufenthaltes im preußischen Staatsgebiete eingeräumt zu werden pflegen.“21 Überwiegend aber erfolgte keine Beschäftigung mit der Frage nach extraterritorialen Wirkungen, insbesondere nicht für den Grundrechtekatalog der Paulskirchenverfassung. Dass sich diese Frage schlicht nicht stellen konnte, weil für den Staat noch keine Möglichkeit zur Tätigkeit im Ausland bestand, wäre jedoch eine falsche Schlussfolgerung. Schon dass Art. 1 und 2 der Reichsverfassung von 1871 von der Ausübung der Gesetzgebung „innerhalb dieses [des dort umschriebenen, d. Aut.] Bundesgebietes“ sprachen, bedeutete nach der damals vorherrschenden Meinung nicht, dass das Reich nur innerhalb dieses Gebietes tätig werden durfte.22 Die Frage nach der Geltung der Verfassung bei extraterritorialer Hoheitsausübung wurde vor allem im Falle der Kolonialgewalt23 diskutiert, während sie in Bezug 18 

Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 142, Rn. 4. Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 142 (53. EL 2008), Rn. 5. 20  v. Seydel, Das Staatsrecht des Königreichs Bayern, 2. Aufl. 1894, S. 46 f. Zu den fast acht Jahrzehnte später entwickelten Konzepten Isensees – vgl. C. III. 4. – ist eine deutliche Ähnlichkeit erkennbar. 21  Schulze, Das Staatsrecht des Königreichs Preußen, 1884, S. 36. 22  Hänel, Deutsches Staatsrecht, Bd. 1, 1892, S. 246 f.; Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 2, 1878, Bd. 2, S. 96 f. 23  Kolonien galten nicht als Teil des Staatsgebietes und ihre Bewohner nicht als Staatsangehörige. Siehe dazu v. Hoffmann, Deutsches Kolonialrecht, 1907, S. 22 ff. Ob die Kolonialgewalt völkerrechtlicher oder staatsrechtlicher Natur war, war str., vgl. dazu Schack, 19 

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F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

auf andere, ebenfalls längst verbreitete Formen der Hoheitsgewalt jenseits der Grenzen, etwa der Nacheile24 und der Spionage, nicht gestellt wurde. Freilich war eine extraterritoriale Anwendung von (Reichs-)Grundrechten konkret schon nicht möglich, weil die Verfassung des Kaiserreichs keinen Grundrechtskatalog enthielt.25 Die überwiegende Ansicht ging jedenfalls davon aus, dass die Verfassung in den Kolonien nicht gelte; die Nichtgeltung der Verfassung sei sogar ein entscheidender Wesenszug des Koloniebegriffs, denn wo die Verfassung gelte, handle es sich nicht um eine Kolonie, sondern um neuerworbenes Staatsgebiet.26 Einzelne Stimmen bejahten dagegen durchaus die grundsätzliche Geltung der Reichsverfassung27, beschränkten diese Feststellung dann aber z.T. auf einzelne Normen: die „Normen über die Funktionen der Reichsgewalt, […], über den Erwerb, über die Organisation der Schutzgebiete, die Rechtsstellung des Kaisers, den Weg der Reichsgesetzgebung, die völkerrechtliche Vertretung und die Kriegserklärung.“28 Die Nicht- oder nur Teilgeltung der Verfassung wird dabei mit dem Begriff 29 oder dem Wesen der Kolonie30 begründet, darüber hinaus mit Zweckmäßigkeitsüberlegungen.31 Auf verfassungsdogmatische Überlegungen Das deutsche Kolonialrecht in seiner Entwicklung bis zum Weltkriege, 1923, S. 251 ff. Differenziert Hänel, Staatsrecht, S. 843 ff. 24  Vgl. dazu v. Bose, Die Nacheile im Völkerrecht, 1935, S. 46, der lediglich darauf verweist, dass im Rahmen der Nacheile für Maßnahmen wie die Festnahme das Recht des Tatorts, d. h. in der Regel das inländische Recht, gelte. 25  Dreier, in: ders. (Hrsg.), 2. Aufl., Art. 142, Rn. 5. Zu den Hintergründen Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2, S. 372. Insofern kann hier auch nicht (mehr) von einem grundrechtlichen Mehrebenensystem gesprochen werden. 26  Kaufmann, Auswärtige Gewalt und Kolonialgewalt in den Vereinigten Staaten von Amerika: eine rechtsvergleichende Studie über die Grundlagen des amerikanischen und deutschen Verfassungsrechts, 1908, S. 126 f., 129. Vgl. auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V, 2000, S. 432. 27  v. Boeckmann, Die Geltung der Reichsverfassung in den deutschen Kolonien, 1912, S. 118. Tendenziell auch Hänel, Staatsrecht, S. 849.: „Mit dem allen unterliegt die Kolonialgewalt überall, wo es sich um die Beziehungen des Reiches zu seinen Schutzgebieten und deren Bevölkerung handelt, dem Staatsrechte [im Original gesperrt, d. Aut.] des Reiches.“ Vgl. dann aber S. 851, wo die Geltung der Verfassung auf einige wenige Normen beschränkt wird. 28  H. Müller, Begriff und Wesen der Kolonie und verwandte Begriffe mit besonderer Berücksichtigung der deutschen Schutzgebiete, 1913, S. 22 f., 51 f., der allerdings von einer aus der „Rechtsnatur des Verfassungsstaats“ folgenden Pflicht, de lege feranda Individualrechte in den Kolonien einzuführen, spricht, s. S. 52. Zitat auf S. 51, Hervorhebungen entfernt. 29  Kaufmann, Auswärtige Gewalt und Kolonialgewalt, S. 129. 30  Müller, Begriff und Wesen der Kolonie, S. 52 f. 31  A.a.O., S. 53 f.

I.  Reichweite der Grundrechtswirkung

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im engeren Sinne, insbesondere Argumente mit Bezug auf den Wortlaut der Verfassungsnormen, wird hingegen völlig verzichtet. Im Allgemeinen schien die Frage der damaligen Literatur zu abwegig zu sein. Thoma teilt die Grundrechte der Weimarer Reichsverfassung in zwei Gruppen ein: Es handle sich entweder um Menschenrechte, die territorial, d. h. durch das Gebiet der Reichsverfassung radiziert seien und die innerhalb dieses Gebietes auch Ausländern zukämen32, oder um Bürgerrechte, deren Begründung nicht territorialer, sondern personaler Art seien.33 Er schloss freilich aus dem Letzteren nicht explizit deren territoriale Ungebundenheit. Andere Stimmen lehnten eine Anwendung der Grundrechte auf Ausländer auch im Inland unter Verweis auf den Wortlaut der Verfassung – etwa die Überschrift des zweiten Hauptteils „Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen“ – ab.34 Landesgrundrechte spielten unter der Ägide der Weimarer Verfassung kaum mehr eine Rolle35, da Art. 13 Abs. 1 WRV36 dahingehend verstanden wurde, dass auch mit Reichsrecht übereinstimmendes Landesrecht derogiert wird.37 Insgesamt ist die Idee extraterritorialer Grundrechtswirkungen dennoch nichts völlig neues. Die Reichsverfassungen sahen allerdings nur spezielle Schutzpflichten im Ausland vor. Diese jedoch waren nicht Teil der üblichen Wirkungen jedes Grundrechts bzw. der allgemeinen Grundrechtslehre, sondern folgen aus einem speziellen, in der heutigen Verfassung nicht mehr enthaltenen Rechtssatz38 und schützten nur Staatsangehörige. Eine Berufung auf subjektive Rechte aus der Verfassung, insb. Abwehrrechte, durch andere Personen wurde überwiegend nur 32  Vgl. dazu schon v. Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts, 1865, S. 52 f., der ein gewisses Maß an Rechtsschutz auch Ausländern zubilligt, soweit sie sich im Inland aufhalten. 33  Thoma, in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1, Bedeutung im allgemeinen, S. 25. Ebenso Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919. Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis, Nachdruck der 4. Bearb., 14. Aufl. 1965, Vorbemerkung zu den Grundrechten, S. 511. Ähnlich auch Schmitt, in: Anschütz/Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts (HDStR), Bd. II, Unveränderter Nachdruck der 1. Aufl. 1998, § 101, S. 591. 34 So Strupp, in: Anschütz/Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts (HDStR), Bd. I, Unveränderter Nachdruck der 1. Aufl. 1998, § 23, S. 278 f. Zur Entwicklung Gosewinkel, Einbürgern und Ausschließen: Die Nationalisierung der Staatsangehörigkeit vom Deutschen Bund bis zur Bundesrepublik Deutschland, 2003, S. 348 ff. 35  Korioth, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 142 (53. EL 2008), Rn. 5. 36  „Reichsrecht bricht Landrecht.“ 37  Dazu ausführlich Gräbener, Verfassungsinterdependenzen in der Republik Baden. Inhalt und Bedeutung der badischen Landeskonstitution von 1919 im Verfassungsgefüge des Weimarer Bundesstaates, 2014, S. 80 f.; Sachs, DÖV 1985, 469 (470). 38  Stern, Staatsrecht V, S. 360, Fn. 106 leitet einen solchen Rechtssatz aber noch heute aus dem der Staatsangehörigkeit „innewohnenden Treue- und Schutzverhältnis“ ab.

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während des Aufenthalts im Inland angenommen. Eine extraterritoriale Wirkung der Grundrechte war zwar strittig, wurde von der herrschenden Meinung aber verneint. c)  Intentionen des Parlamentarischen Rates Einen weiteren Anhaltspunkt könnte der Wille des historischen Verfassungsgebers bieten. Dem Parlamentarischen Rat lagen die Entwürfe zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) vor; er stützte sich in der Beratung der Grundrechte mehrfach auf diese.39 Dabei wurde implizit davon ausgegangen, dass die AEMR extraterritoriale Wirkung entfaltet, da die verfassungsgebenden Versammlung eine dahingehende Bindung der Alliierten in Deutschland annimmt.40 Doch sucht man konkrete Aussagen in den Protokollen weitgehend vergebens. Schon Regelungen zur auswärtigen Gewalt wurden kaum diskutiert; die weltweite Geltung von Grundrechten war wohl trotz der beschriebenen historischen Vorbilder zu weit entfernt von der Gedankenwelt des Nachkriegsdeutschlands. Regelungen wurden überwiegend mit Bezug auf das derzeitige Bundesgebiet – und die ehemaligen Ostgebiete, die nach wie vor als deutsches Staatsgebiet beansprucht wurden, aber nicht in den Geltungsbereich nach Art. 23 GG a.F. fallen sollten – diskutiert.41 Gleichzeitig aber ist das Grundgesetz von Anfang an auf Internationalisierung und den Verzicht auf Hoheitsrechte angelegt.42 Im Fokus stand die innengerichtete Wirkung der Grundrechte, bei der außerdem im Regelfall von deutschen Staatsangehörigen ausgegangen wurde: So sprach Carlo Schmid von Rechten, auf Grund derer „jeder einzelne Deutsche, jeder einzelne Bewohner unseres Landes vor den Gerichten […] Klage erheben können“ soll.43 Allerdings gingen die Abgeordneten offenbar davon aus, dass sich auf das Grundrecht der Freizügigkeit prinzipiell auch Deutsche außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes berufen könnten: „Wir haben dem Vorschlag Dr. Mücke’s [sic], statt ‚Bundesangehörige‘ ‚Deutsche‘ [in Art. 11 Abs. 1 GG, d. Aut.] zu setzen, nicht folgen können, weil wir damit Pflichten übernehmen würden, die zu erfüllen wir außer Stande sind. Wir würden damit den 16 Millionen Deutschen östlich unserer Grenzen die Möglichkeit geben, ohne Weiteres von dem Recht der Freizügigkeit und der freien Wahl des Aufenthalts und Wohnsitzes im Bundesgebiet Gebrauch zu machen.“44 39  Parlamentarischer Rat V/1, S. 10, 17 ff. sowie V/II, 1993, S. 776, 864 und IX, 1996, S. 56, 452, 565 f. und 580 f. Dazu auch Dreier, DVBl. 1999, 667 (673). 40  Süsterhenn, in: Parlamentarischer Rat IX, S. 56. 41  Siehe z. B. Reuter, in: Parlamentarischer Rat IX, S. 215. 42  Dreier, DVBl. 1999, 667. 43  C. Schmid, in: Parlamentarischer Rat IX, S. 37. 44  v. Mangoldt, in: Parlamentarischer Rat IX, S. 613.

I.  Reichweite der Grundrechtswirkung

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An einigen Stellen wurde gleichwohl eine Ausstrahlungswirkung von Grundrechten auf das Ausland diskutiert. So wurde die Abschaffung der Todesstrafe auch damit begründet, „auf diesem Gebiet für viele andere Länder führend zu sein, die sich bis jetzt nicht dazu haben entschließen können, die Todesstrafe zu beseitigen.“45 Von Mangoldt begründete die Erstreckung eines Großteils der Grundrechte auch auf Nicht-Deutsche damit, „anders zu verfahren hätte geheißen, den Rechtsstaatsgedanken gegenüber dem Ausland zu verneinen.“46 Außerdem wurde die Aufnahme eines „Rechts auf Heimat“ in Erwägung gezogen, um damit Forderungen der Bundesrepublik gegenüber dritten Staaten Unterstützung zu verleihen.47 Abgelehnt wurde dies aber mit folgender Begründung: „Wenn man diese Vorschrift so aufnimmt und sie so auslegt […], ist sie zunächst einmal nach außen gerichtet. Wenn wir aber davon ausgehen, so paßt sie nicht in unsere Grundrechte hinein.“48

Freilich ist damit noch nicht belegt, dass Grundrechte ausschließlich nach innen gerichtet sein sollen. Stattdessen könnte die obige Ablehnung auch schlicht der Tatsache geschuldet sein, dass durch einseitigen Akt keine völkerrechtlich validen Rechtspositionen gegenüber dritten Staaten erzeugt werden können. Unmittelbar und im Ganzen gesehen bieten die Intentionen des Verfassungsgebers daher keine Antwort. Eine eindeutige Bezugnahme findet sich nicht. In der Tat ging der Parlamentarische Rat von einer Wirkung nach innen und nur selten von einem Appellcharakter nach außen aus.49 Zum Teil lassen sich Anzeichen für extraterritoriale Wirkungen erkennen, aber im Großen und Ganzen lagen solche außerhalb des Vorstellungshorizonts der Versammlung.50 Dem Parlamentarischen Rat erschien das Problem der extraterritorialen Grundrechtsbindung wohl zu fernliegend – in Zeiten nicht existenter Souveränität wagte man bei der Verfassungsgebung kaum, überhaupt an Außenpolitik zu denken. d)  Grundgedanken der Verfassung Eine Beschränkung der Grundrechte auf das Inland könnte freilich als Grundgedanke „hinter der Verfassung“ liegen. Wie bereits dargelegt, gründen sich Grund- und Menschenrechte auf zwei Begründungssträngen: Als Konsequenz des Kontraktualismus sichern Grundrechte die Zweckbindung und die Ein­hegung 45 

Wagner, in: Parlamentarischer Rat XIV/II, S. 1619. v. Mangoldt, in: ParlR-Drs. 850/854. 47  Seebohm, in: Parlamentarischer Rat XIV/II, S. 1293. 48  v. Mangoldt, in: Parlamentarischer Rat XIV/II, S. 1294. Vgl. allerdings Art. 2 Abs. 2 der baden-württembergischen Verfassung. 49 So auch Waldhoff, in: Isensee (Hrsg.), Menschenrechte als Weltmission, 2009, S. 43 (50 f.). 50  So auch BGH, Urt. v. 06. 10. 2016, Az. III ZR 140/15 – NJW 2016, 3656 (3659). 46 

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staatlicher Machtausübung innerhalb eines Herrschaftsverbands und sind so Korrelat der Übermacht des Staates, während der begrifflich stärker mit dem Wort „Menschenrechte“ verbundene Begründungsstrang von der Idee der Universalität weltumspannender Grundrechte ausgeht.51 Die räumliche Entgrenzung staatlichen Handelns muss aber auch hinsichtlich des Zusammenhangs von Grundrechten und Staatsgewalt zu neuen Überlegungen führen.52 Je stärker Staaten außerhalb ihres Gebiets handeln, desto weniger lässt sich davon sprechen, dass der Einzelne der staatlichen Gewalt nur innerhalb ihres Territoriums unterworfen ist. Auch wenn man also dem Locke’schen Verständnis folgt und Grundrechte als Folge der Macht des Staates sieht, so müssen sie mit dieser Macht auch Schritt halten, wenn sie sich räumlich ausdehnt.53 Der Verweis auf die größere Vollzugsmacht des Staates im Inland kann es nicht begründen, „selbst nichtigste behördliche Vollzugsakte im Namen der Rechtsstaatlichkeit gerichtlich voll zu überprüfen, den Abwurf von Bomben auf Zivilisten in fremden Ländern aber von jeder Überprüfung freizustellen“.54

Führt man dieses Verständnis von Grundrechten als Korrelate zur staatlichen Macht einerseits, als Positivierungen universeller Verbürgungen andererseits nun mit den abstrakten Gedanken der Verfassungsgeber zusammen, so wird der Wert der Geschichte ertragreicher. Die Motive des Grundgesetzes – als Reaktion auf die NS-Herrschaft ein System omnipräsenter Grundrechtsbindung aufzubauen und den Staat ausnahmslos auf die Grundrechte zu verpflichten – sprechen für eine Grundrechtsbindung auch im Ausland. Untermauert wird dies durch die von den Menschenrechten beanspruchte Universalität, die der Parlamentarische Rat in seinen Beratungen rezipiert hat.55 Der Parlamentarische Rat sah die Grundrechte des Grundgesetzes einerseits als Korrelat zum Gewaltmonopol des Staates56, andererseits aber auch als Niederlegung überpositiver Menschenrechte57. 51 

Siehe ausführlich B. III. auch F. Becker, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, § 240, Rn. 7 a.E. Vgl. auch Kottmann, Introvertierte Rechtsgemeinschaft. Zur richterlichen Kontrolle des auswärtigen Handelns der Europäischen Union, 2014, S. 75. 53  So auch H. Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, http://www.kas.de/wf/doc/kas_12889 – 544 – 1-30.pdf?080128170200 [25. 09. 2017], S. 3. Vgl. außerdem das Minderheitsvotum des US Supreme Court in US v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259, 282 (1990): „At the very least, the Fourth Amendment is an unavoidable correlative of the Government’s power to enforce the criminal law.“ 54  So treffend Reinhardt, Die Auslegung der völkerrechtlichen Verträge der Europäischen Union, 2016, S. 294 f. 55  Parlamentarischer Rat V/I, S. 10, 17 ff., 29; Parlamentarischer Rat IX, S. 56, 209, 446. 56  Parlamentarischer Rat V/I, S. 29, 40, 69 sowie IX, S. 115, 437 und 554. 57  Parlamentarischer Rat V/I, S. 29 sowie IX, S. 56, 209 und 446. 52 So

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Diese parallele Verwurzelung führt, wie Thym zutreffend beschreibt, zu einem „Spannungsverhältnis zwischen universellem Anspruch und partikularer Realisierung, der auch das Grundgesetz umfasst.“58

Es wäre jedoch zu kurz gedacht, diese Spannung nun mit der Behauptung beseitigen zu wollen, Universalität sei eben das Leitprinzip überstaatlicher Menschenrechtsstandards, während der Gedanke der Grundrechte als „Preis“ für die Friedenspflicht des Bürgers innerstaatliche Grundrechte präge.59 Die Grundrechte des Grundgesetzes sind positivierte Menschenrechte.60 Art. 1 Abs. 2 beruft sich in der Tat auf dem Staat vorgelagerte und vorgegebene Rechte, Art. 1 Abs. 3 GG und die nachfolgenden Grundrechte aber sind davon nicht zu trennen, sondern stellen als Konkretisierungen der überpositiven Menschenrechte die Konsequenz des Bekenntnisses in Art. 1 Abs. 2 GG dar.61 Robbers entnimmt der Norm daher die Pflicht, auch international aktiv für die Menschenrechte einzutreten.62 Die Norm sei Einfallstor für den Gedanken der Universalität der Menschenrechte.63 In anschaulicher Weise stellte Tomuschat dazu auf der Staatsrechtslehrertagung die Frage, ob das Grundgesetz es erlaube, einen Apartheidstaat in seinem Han58  Thym, Stellungnahme für die Öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestags am Montag, den 12. Oktober 2015, Drs. 18(4)404 H, https://www. bundestag.de/blob/391482/a6e370366a10aa37085e3f85f7590d3b/18 – 4-404-h-data.pdf [25. 09. 2017], S.  17. 59  In diese Richtung aber G. Becker, in: FS Verfassungsschutz, 2007, S. 47 (49); Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 190, Rn. 25 ff.; ähnl. auch Löffelmann, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste,2017, S. 1093 (1110 f.); Waldhoff, in: Isensee (Hrsg.), Menschenrechte als Weltmission, S. 43 (73 ff.). 60  Gosewinkel, Schutz und Freiheit? Staatsbürgerschaft in Europa im 20. und 21. Jahrhundert, 2016, S. 386; Stern, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. I, 2004, § 1, Rn. 53 ff. 61 So auch Di Fabio, Das Recht offener Staaten. Grundlinien einer Staats- und Rechtstheorie, 1998, S. 63 f.; Schorkopf, Grundgesetz und Überstaatlichkeit: Konflikt und Harmonie in den auswärtigen Beziehungen Deutschlands, 2007, S. 108. 62  Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 214 f.; ders., in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Bd. I, 2002, Art. 1, Rn. 78. Auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 2 GG gegen eine Sichtweise der Grundrechte als reines Gegenstück zur Friedenspflicht des Individuums auch Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 2. Aufl. 2005, S. 121 f. Ähnlich Laskowski, Das Menschenrecht auf Wasser. Die rechtlichen Vorgaben zur Sicherung der Grundversorgung mit Wasser und Sanitärleistungen im Rahmen einer ökologisch-nachhaltigen Wasserwirtschaftsordnung, 2010, S. 275 f.: Art. 1 Abs. 2 GG internalisiert einen völkerrechtlichen Gemeinwohlbegriff, der Verantwortlichkeit nicht nur für das eigene Gebiet und Volk auferlegt. 63  Robbers, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Art. 1, Rn. 76. Ähnlich auch schon Giese, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949. Staatsrechtlich erläutert, 1949, S. 8, der hier einen Auftrag an die auswärtige Gewalt – freilich nur als „Richtlinie“ – erblickt.

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F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

deln aktiv zu bestärken.64 Er verneinte diese Frage; sie wurde in der Aussprache freilich intensiv und kontrovers diskutiert.65 Doehring stellte der Allgemeingültigkeit die Defensivität des Grundgesetzes gegenüber.66 Gegen die Vorwürfe eines „Grundrechtsoktroi“ leitet Tomuschat eine offensive Berufung auf Grundrechte auch im Ausland daraus ab, dass der Parlamentarische Rat von der Allgemeingültigkeit dieser Aussagen ausgegangen sei.67 Trotz aller Zurückhaltung, die angesichts der historischen Situation 1948/49 an eine solche Behauptung angelegt werden muss, ist daran sicher richtig, dass Grundrechtskataloge stets einen universellen Impetus in sich tragen und als Wertentscheidungen68 über sich selbst hinaus weisen69: Das Recht auf Leben, die Menschenwürde etc. wurde eben als dem Menschen innewohnend begriffen – sicherlich nicht nur dem Menschen, der in Deutschland lebt.70 Wer bestimmten Ideen einen fundamentalen objektiven Wert zuschreibt, kann ihrer Verletzung auch „in der Fremde“ nicht völlig gleichgültig gegenüberstehen.71 Diesen Gedanken greift auch Giovanni Bonello in seinem Sondervotum zur Al-Skeini-Entscheidung des EGMR auf: „Any State that worships fundamental rights on its own territory but then feels free to make a mockery of them anywhere else does not, as far as I am concerned, belong to that comity of nations for which the supremacy of human rights is both mission and clarion call.“72

Der Parlamentarische Rat war darauf bedacht, den Geltungsanspruch des Art. 1 Abs. 3 GG möglichst absolut zu fassen und dabei das Staatsbild des Art. 1 64 

Tomuschat, in: VVDStRL 36 (1978), S. 7 (46 ff.). Tomuschat Grabitz, in: VVDStRL 36 (1978), Aussprache, S. 159; dagegen Geck, ebd., S. 144 und K. Vogel, ebd., S. 163 f. Fast zwanzig Jahre später taucht exakt dieses Beispiel plötzlich wieder in der Aussprache auf, s. Frowein, in: VVDStRL 56 (1997), S. 108f; Tomuschat, ebd., S. 114. 66  Doehring, in: FS Forsthoff, 1967, S. 105 (126 f.). 67  Tomuschat, in: VVDStRL 36 (1978), S. 7 (44). 68  E. Klein, Bundesverfassungsgericht und Ostverträge, 2. Aufl. 1985, S. 25 unter Berufung auf BVerfGE 7, 198 (204). Konkret zu Art. 102 GG R.-P. Calliess, NJW 1988, 849 (852 f.). Skeptischer Di Fabio, Recht offener Staaten, S. 67 f. 69  Klatt, Die praktische Konkordanz von Kompetenzen. Entwickelt anhand der Jurisdiktionskonflikte im europäischen Grundrechtsschutz, 2014, S. 2. Zur Richtigkeitsbehauptung von Normen siehe auch Alexy ARSP 95 (2009), 151 (152 ff.); Dworkin, Gerechtigkeit für Igel, 2014, S. 573. Vgl. auch die Diskussion zur Todesstrafe, Parlamentarischer Rat XIV/II, S. 1618 ff. Mit ambivalenten Schlussfolgerungen Isensee, in: ders. (Hrsg.), Menschenrechte als Weltmission, 2009, S. 5 f.; Fassbender, ebd., S. 10 f. 70  Explizit gegen eine „globale Ausstrahlungswirkung“ Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR³ IX, § 196, Rn. 34. 71 Vgl. Dworkin, Gerechtigkeit für Igel, S. 465. 72  EGMR, Urt. v. 07. 07. 2011, Nr. 55721/07 (Al-Skeini et al./UK), Concurring Opinion of Judge Bonello, Ziff. 18. 65 Wie

I.  Reichweite der Grundrechtswirkung

187

Abs. 1 des Herrenchiemsee-Entwurfs – „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen“ – als grundlegendes Prinzip der Staatsräson73 in das Grundgesetz zu übernehmen.74 Die Grundrechte, so Carlo Schmid, sollten „das Grundgesetz regieren.“75 Dabei wird wiederholt darauf Bezug genommen, das Grundgesetz solle einen Gegenentwurf zu den NS-Verbrechen darstellen.76 Wenn es aber zutreffend ist, dass das Grundgesetz „von seinem Aufbau bis in viele Details hin darauf ausgerichtet [ist], aus den geschichtlichen Erfahrungen zu lernen und eine Wiederholung solchen Unrechts ein für alle Mal auszuschließen“77, so ist es schwer vorstellbar, dass die Grundrechte, die Kern dieses Lernprozesses sein sollen78, eine Wiederholung der schwersten Fälle solchen Unrechts gar nicht erfassen würden. Die nationalsozialistischen Vernichtungslager standen zum größten Teil auf besetztem Gebiet, nicht auf deutschem Staatsgebiet.79 Folgt man etwa den Territorialprinzip80, so würden sie daher auch vom Abwehrrecht des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht erfasst werden. Den gleichen Gedanken legt Milanovic zugrunde, wenn er bezüglich der ursprünglichen Intentionen der Vertragsstaaten zur extraterritorialen Geltung des IPbpR schreibt: „[If] we asked them whether under the treaties they were drafting Auschwitz would technically not have been a violation thereof because it was located in occupied Poland […], it would be very doubtful that Roosevelt et al. would have found such an interpretation acceptable.“81

73 

Gosewinkel, Schutz und Freiheit?, S. 489 f. C. Schmid, in: Parlamentarischer Rat IX, S. 37; Süsterhenn, ebd., S. 55. So auch Dürig, AöR 81 (=42 N.F., 1956), 117 (123); Hamann, Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949. Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis, 2. Aufl. 1961, Einführung, I C 2.; Schaefer, EuR 2017, 80 (99 f.). 75  C. Schmid, in: Parlamentarischer Rat IX, S. 37. 76  Bergstraesser, in: Parlamentarischer Rat V/I, S. 26; Wagner, in: Parlamentarischer Rat IX, S. 480. Diese Feststellung kann inzwischen wohl schon als Gemeinplatz gelten, statt vieler BVerfGE 124, 300 (328); Dreier, DVBl. 1999, 667 (669). 77  BVerfGE 124, 300 (328). 78  C. Schmid, in: Parlamentarischer Rat IX, S. 37. 79 Die Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und Kulmhof befanden sich auf annektiertem Reichsgebiet, wobei eine nähere Beschäftigung mit der Frage, ob völkerrechtswidrige Annexionen schon zum damaligen Zeitpunkt auch unwirksam waren, hier unterbleiben kann, siehe dazu Dörr, Die Inkorporation als Tatbestand der Staatensukzession, 1995, S. 106 ff.; Malanczuk, ZaöRV 42 (1982), 261 (285 ff.). Sämtliche anderen Vernichtungslager befanden sich auf besetztem Gebiet, siehe Freudiger, Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen, 2002, S. 37. 80  Vgl. C. III. 3. 81  Milanovic, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, Oxford 2011, S. 226, bzgl. der Verortung im besetzten Polen freilich ungenau, s.o. Ebenso ders., Harv. Intl.L.J. 56 (2015), 81 (108 ff.). 74 

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F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

Von welchen Prämissen ging der Parlamentarische Rat also aus? Grundrechte waren für ihn in besonderem Maße auch überpositive, vorstaatliche Grundsätze. Die überragende Bedeutung, die der Grundrechtsschutz dem Willen des pouvoir constituant nach einnehmen sollte, und die damit verbundene Grundentscheidung, dass der Staat nie Selbstzweck sein dürfe, sondern immer einem Rechtfertigungszwang unterliege, spricht für eine Vermutung zugunsten der Anwendbarkeit. Auch das Bild einer Außenpolitik als von einer innengerichteten Verfassung weitgehend ungeregelte Domäne82 lässt sich vor dem Hintergrund des Grundgesetzes kaum mehr aufrechterhalten. In der Tat sind Verfassungen traditionell egoistisch.83 Das Grundgesetz ist aber dezidiert international und trifft grundsätzliche Entscheidungen auch zur auswärtigen Gewalt.84 Ein Staat mit zwei Gesichtern85 wäre, so Tomuschat eindrücklich, eine „tödliche Bedrohung“ für dessen rechtsstaatliches Selbstverständnis.86 Konkrete Aussagen zur auswärtigen Gewalt enthalten die Beratungsunterlagen des Parlamentarischen Rates zwar kaum, aber das Locke’sche Bild der ungeregelten Außenpolitik ist – ungeachtet einer im Detail geringeren Regelungs- und Prüfungsdichte87 – nicht mehr das des Grundgesetzes. Dagegen scheint die vom Kontraktualismus inspirierte Vorstellung zu sprechen, Grundrechte seien Korrelate zur Staatsgewalt.88 Doch dies ist ein Trugschluss. Auch ein Verständnis von Grundrechten als „Preis“ für die staatliche Gewalt legt nur dann eine territoriale Beschränkung der Grundrechte nahe, wenn auch die territoriale Gewalt selbst territorial beschränkt ist. Staatsgewalt ist aber, wie nun schon vielfach erwähnt, zunehmend entgrenzt. Interdependenzen innerer Entscheidungen und äußerer Effekte machen einen Grundrechtsschutz, der sich streng auf das Staatsgebiet beschränkt, zum Teil gar unmöglich.89 Hinzu kommt die zunehmende Untrennbarkeit von innerstaatlichem und extraterritorialem Handeln auch des Individuums: Wer etwa Datenfernübertragungsnetze in Anspruch nimmt, kann nicht beeinflussen, ob seine Daten bei der Übertragung 82  Schuppert, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Auswärtigen Gewalt, 1973, S. 36. 83  Tomuschat, in: VVDStRL 36 (1978), S. 7 (42). 84  Tomuschat, in: VVDStRL 36 (1978), S. 7 (16). Tomuschat spricht vom Grundgesetz als einer jdf. auch altruistischen Verfassung, a.a.O. (42). 85  Wolgast, AöR 44 (=5 N.F., 1923), 1 (75). 86  Tomuschat, in: VVDStRL 36 (1978), S. 7 (20 f.). 87 Dazu Fischbach, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Bundesregierung bei der Ausübung der Auswärtigen Gewalt. Möglichkeiten einer funktionell-rechtlichen Kontrollreduktion, 2011, S. 137 ff.; H. Schwarz, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Außen- und Sicherheitspolitik. Ein Verfassungsvergleich Deutschland – USA, 1995, S. 202 ff. 88  Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (50 f.); E. Klein, NJW 1989, 1633 (1636). 89  Dederer, in: HStR³ XI, § 248, Rn. 85.

I.  Reichweite der Grundrechtswirkung

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im Inland verbleiben oder über das Ausland geleitet werden.90 Wer die Grundrechte des Grundgesetzes als Konkretisierungen universeller Menschenrechte begreift, dem stellen sich territoriale Begrenzungen als Widerspruch dazu dar. Auch wer sie aber als Gegenstück zur staatlichen Übermacht versteht, für den müssen sie auch Schritt halten, wenn die Staatsmacht Grenzen überwindet. 2.  Territoriale und personale Kontrolle als Voraussetzung der Grundrechtsbindung Eine differenziertere Lösung zum „Ob“ bzw. „Wann“ der extraterritorialen Grundrechtsbindung könnte die Dogmatik des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte liefern. Dieser geht, wie dargestellt, von einer Konventionsbindung dann aus, wenn entweder das betreffende Gebiet – unabhängig von seiner völkerrechtlichen Zuordnung – effektiv und stabil von einem Unterzeichnerstaat beherrscht wird oder wenn eine Person konkret voll und ganz der Kontrolle dieses Staates untersteht, wie etwa bei einer Entführung im Ausland.91 Sofern diese territoriale oder personale Kontrolle aber noch nicht besteht bzw. noch in der Herstellung begriffen ist – so etwa bei Kampfhandlungen in einem noch nicht kontrollierten Gebiet –, so bestehe keine Konventionsbindung. Vor einer Übertragung dieses Konzepts92 auf das deutsche Verfassungsrecht müssen vier Fragen geklärt werden: Ist diese Dogmatik erstens überhaupt im Rahmen der EMRK sinnvoll? Ist sie zweitens EMRK-spezifisch oder prinzipiell unabhängig von einer konkreten Positivierung? Bestehen drittens auf der Seite des Grundgesetzes Hindernisse für eine Übertragung? Schließlich: Ist die Dogmatik des EGMR praktikabel und eignet sie sich zur Subsumtion typischer Pro­ blemfälle extraterritorialer Hoheitsgewalt? Die Antwort auf die erste Frage wurde bereits gegeben.93 Der Kurs, den der Gerichtshof von seiner Banković-Entscheidung an einschlägt, fügt sich zwar in die bis dahin bestehende Dogmatik ein, stellt aber zugleich durch die schärfere Betonung der grundsätzlichen Beschränktheit der Konvention94 eine Abkehr davon dar. Die Konvention erzwingt eine Beschränkung ihrer Reichweite auf Fälle einer „stabilen Bemächtigungslage“ nicht, vielmehr dient sie ausweislich ihrer Präambel dem Zweck, „die universelle und wirksame Anerkennung und 90 

F. Becker, NVwZ 2015, 1335 (1339). EGMR, Urt. v. 07. 07. 2011, Nr. 55721/07 (Al-Skeini et al./UK), Ziff. 133 ff. 92  Dafür – zumindest im Bereich des Streitkräftehandelns – Thym, DÖV 2010, 621 (629); ähnlich Fleck, NZWehrR 2008, 164 (165 f.) sowie Fassbender, in: HStR³ XI, § 244, Rn. 153 f. 93  Siehe D. I. 4. 94  EGMR, Urt. v. 12. 12. 2001, Nr. 52207/99 (Banković et al./Belgien et al.), Ziff. 67. 91  Zusammenfassend

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F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

Einhaltung der in ihr aufgeführten Rechte zu gewährleisten“. Doch der Gerichtshof nimmt ausgerechnet die Bereiche größter Gefährdung der Menschenrechte aus seinem Schutz aus. Aus dem Wortlaut des Art. 1 EMRK, insbesondere dem Erfordernis der „Hoheitsgewalt“, ergibt sich ein solcher Schluss nicht zwingend. Sie ist vielmehr Konsequenz der Entscheidung, „Gewalt“ nicht als phänomenologischen, sondern als jurisdiktionsbezogenen Begriff zu verstehen. Auch die umfangreiche Bezugnahme auf die Travaux préparatoires steht nicht nur im Widerspruch zur eigenen Dogmatik des EGMR, der sonst stets den Charakter der Konvention als „living instrument“ betont95, sondern verwundert auch im Hinblick auf die ansonsten nur subsidiäre Bedeutung der Beratungsprotokolle bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge (Art. 32 WÜRV). Doch die Vorgehensweise des Gerichtshofes ist nicht nur kritikwürdig, sie ist auch ein spezifisches Produkt der Konvention. Maßgeblich für die Dogmatik seit Banković ist einerseits der Wortlaut des Art. 1 EMRK, andererseits die Absicht der Vertragsstaaten bei der Erarbeitung der Konvention. Ferner stützte sich der Gerichtshof auf die Rolle der Konvention als regionaler Mindeststandard.96 Das Grundgesetz stellt keinen bloßen Mindeststandard auf, weist mit Art. 1 Abs. 3 GG einen im Wortlaut völlig anderen „Anker“ für die Frage der territorialen Reichweite auf und stützt sich auf andere Erwägungen. Giegerich mutmaßte außerdem, die stärker beschränkte Rechtsprechung des Gerichtshofes sei darauf zurückzuführen, dass dieser andernfalls die Durchsetzung seiner Rechtsprechung gefährden könnte97 – eine Befürchtung, die angesichts der ungleich stärkeren institutionellen Rolle des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls nicht übertragbar ist. Auf Seite des Grundgesetzes stehen noch weitere Gründe einer Übertragung der Dogmatik des EGMR entgegen. Der Gedanke der absoluten, ausnahmslosen Bindung an die Grundrechte prägt das Grundgesetz und mit ihm die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland im Gesamten.98 Dieses Konzept war im Rahmen der Konvention niemals so wirkmächtig, wie es bei der Erarbeitung und Exegese des Grundgesetzes war. „Gewalt“ im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG kann auch ein Bombardement wie im Banković-Fall sein. Die Norm setzt begrifflich kein Gewaltmonopol voraus. Stattdessen folgt gerade aus der Änderung von „Verwaltung“ hin zu „vollziehende Gewalt“ eine umfassende Grundrechtsbindung auch des Militärs.99 Schließlich weist Milanovic zu Recht darauf hin, dass Regeln über die extra­ territoriale Grundrechtsbindung, auch und gerade in Militäreinsätzen, subsu95 

So schon EGMR, Urt. v. 25. 04. 1978, Nr. 5856/72 (Tyrer/UK), Rn. 31. EGMR, Urt. v. 12. 12. 2001, Nr. 52207/99, Ziff. 80. 97  Giegerich, EuGRZ 2004, 758 (764). 98  Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 3, Teilbd. 1, 1988, S. 1203. 99  Siehe F. I. 3. 96 

I.  Reichweite der Grundrechtswirkung

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mierbar sein müssen.100 Wann aber liegt Kontrolle über ein Gebiet vor? Bei einem Militäreinsatz, dessen Ziel es ist, diese Kontrolle zu erlangen, offensichtlich noch nicht. Völlig unklar ist aber, welches Maß an Stabilität erreicht werden muss, um eine solche Kontrolle zu bejahen. Das Ob – nicht das Ausmaß – der Grundrechtsbindung und damit gegebenenfalls auch buchstäblich Leben und Tod hängen an einer Frage, die völlig graduell beantwortbar ist. Darüber hinaus ist der Einwand von Coomans und Kamminga, Banković ermuntere zu Menschenrechtsverletzungen im zeitlichen Bereich vor Erlangung der Kontrolle101, nicht von der Hand zu weisen. Nicht anders fällt die Bewertung der zweiten Variante, der personellen Beherrschung, aus: Ein Gefangener bzw. Entführter untersteht demnach der Hoheitsgewalt des Staates, der ihn entführt.102 Warum nicht auch das Opfer eines Bombardements? Die Rechtsprechung des EGMR ist nicht nur in der Sache verfehlt, sie ist auch – über ihren Charakter als Mindeststandard hinaus – auf das Grundgesetz nicht übertragbar. Für die Frage nach der territorialen Reichweite der Grundrechte vermag sie uns daher keine positive, sondern nur eine negative Antwort zu geben. 3.  Bereichsausnahmen Grundsätzlich denkbar wäre auch die Anerkennung von Bereichsausnahmen für die Grundrechtsgeltung, d. h. materiell umschriebenen Feldern, in denen die Geltung der Grundrechte – bei extraterritorialer Bindung im Übrigen – zu verneinen ist. Doch Verteidigungsfall, innerer Notstand etc. begründen eben größtenteils keine Änderung der materiellen Verfassungslage.103 Dies folgt schon e contrario aus der Existenz von Art. 12a Abs. 3 – 6 und Art. 115c Abs. 2 GG, wo ausnahmsweise materiell-grundrechtliche Konsequenzen des Verteidigungsfalles angeordnet werden.104 Von einer „Suspendierung der Rechts­ordnung“105 kann nur dort die Rede sein, wo die Rechtsordnung selbst dies anordnet.106 100  Milanovic, Extraterritorial Application, S. 115 unter Verweis auf R (Al-Skeini) v Secretary of State for Defence [2007] Q.B. 140, 279, den Ausgangsfall zu EGMR, Urt. v. 07. 07. 2011, Nr.  55721/07. 101  Coomans/Kamminga, in: dies. (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, Antwerpen 2004, S. 1 (4). 102  EGMR, Urt. v. 12. 05. 2005, Nr. 46221/99 (Öcalan/Türkei), Ziff. 17. 103 BT-Drs. 5/1879, S. 16; Linke, NWVBl. 2007, 101 (104); Maunz, in: ders/Dürig (Hrsg.), Art. 91 (Erstbearbeitung), Rn. 51; Reimer/Kempny, VR 2011, 253 (256); Stein, in: HGR I, § 24, Rn. 66. 104  So auch Huhn, Amtshaftung im bewaffneten Auslandseinsatz: Anwendbarkeit und Leistungsfähigkeit des Amtshaftungsrechts bei Verletzung des ius in belli, 2010, S. 74. 105  Depenheuer, Selbstbehauptung des Rechtsstaates, 2007, S. 39, 44 f. 106  Bedenklich daher BGH, Urt. v. 06. 10. 2016, Az. III ZR 140/15 – NJW 2016, 3656 (3659). Vgl. für ein Beispiel der gesetzlich zugelassenen Derogation Art. 15 EMRK. Zu

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F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

Im hier angesprochenen Zusammenhang aufschlussreich ist die Verfassungsänderung, mittels derer in Art. 1 Abs. 3 GG das Wort „Verwaltung“ durch „vollziehende Gewalt“ ersetzt wurde.107 Es handelt sich dabei um die einzige Änderung an Art. 1 GG in der Geschichte des Grundgesetzes. In den Beratungsunterlagen finden sich dazu folgende Ausführungen: „Der Ausdruck ‚vollziehende Gewalt‘ statt ‚Verwaltung‘ entspricht dem in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und 3 benutzten Wortlaut und soll jeden Zweifel daran beheben, daß auch alle staatlichen Maßnahmen, die die Bundeswehr betreffen, mit eingeschlossen sind.“108

Die Norm sollte also im Rahmen der Wiederbewaffnung die Grundrechtsbindung sicherstellen.109 Da der Einsatz der Bundeswehr im Inneren außerhalb der Landesverteidigung (d. h. in den Fällen des Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 87a Abs. 3 und Abs. 4 GG) aber erst seit 1968 möglich ist110, konnte mit der Änderung also nur die Grundrechtsbindung im Krieg, d. h. regelmäßig auch im Ausland, oder die innere Wehrverwaltung gemeint sein. Wie aber schon der Begriff der Wehrverwaltung deutlich macht, wurde diese aber bereits zuvor als Teil der Verwaltung im Sinne von Art. 1 Abs. 3 GG gesehen.111 Auch eine Grundrechtsbindung der Bundeswehr nur gegenüber den Angehörigen der Streitkräfte kommt nicht infrage: Soldaten sind – nicht anders als Beamte – staatliche Funktionsträger. Ihre Einbindung in ein Sonderstatusverhältnis beseitigt ihre danebenstehende Grundrechtsberechtigung nicht112, doch es würde das rechtsstaatliche den Begriffen der Suspendierung und der Derogation ausführlich Kanalan/Wilhelm/ Schwander, Staat 56 (2017), 193 (196 f.). 107 Art. 1 des Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes v. 13. 03. 1956, BGBl. I S. 111. 108  Schwarzhaupt, in: BT-Drs. II/2150, S. 2. 109  So auch Hautmann, Die verfassungsrechtlichen Grundlagen von Wehrverfassung und Wehrordnung der Bundesrepublik Deutschland. Eine zusammenfassende Studie, 1975, S. 25; Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3 (44. EL 2005), Rn. 94; Logothetti, Auf dem Weg zu einer Europäischen Wehrrechtsordnung. Betrachtungen anhand eines Vergleichs der Wehrrechtssysteme der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland, 2005, S. 56; Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt durch die deutsche auswärtige Gewalt, 2016, S. 143 f.; Salomon, Die internationale Strafverfolgungsstrategie gegenüber somalischen Piraten. Völker- und verfassungsrechtliche Aspekte, 2017, S. 287 f.; Zimmermann, ZRP 2012, 116 (117). Diese Bindung wird von der Bundesregierung grundsätzlich auch anerkannt, BT-Drs. 16/7839, S. 3, s. ausführlicher C. I. 110  Art. 1 des Siebzehnten Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes v. 24. 06. 1968, BGBl. I S. 709. Vor dieser Grundgesetzänderung war der Einsatz der Bundeswehr „im Falle eines inneren Notstandes“ (Art. 143 GG a.F.) verfassungsrechtlich unzulässig, Hamann, Art. 143. 111  W. Jellinek, DÖV 1951, 541 (543). 112  Statt aller Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3 (44. EL 2005), Rn. 47.

I.  Reichweite der Grundrechtswirkung

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Verteilungsprinzip113 der Grundrechtsverpflichtung des Staates und der Grundrechtsberechtigung der diesem gegenübertretenden Individuen geradezu umkehren, wenn man einer Behörde Grundrechtsbindung nur beim Handeln gegenüber ihren eigenen Beschäftigten abverlangte. Die Grundgesetzänderung spricht vielmehr dafür, dass zumindest der verfassungsändernde Gesetzgeber die Grundrechtsbindung auch im Einsatz der Streitkräfte sicherstellen wollte.114 Auch Ausnahmen für bestimmte Arten der extraterritorialen Staatstätigkeit, die besondere Geheimhaltung oder Flexibilität erfordern, kommen nicht in Betracht. Aus diesen Anforderungen folgt nicht die Notwendigkeit einer Freistellung von grundrechtlichen Bindungen. Vor allem aber ist ein Ausschluss bestimmter Staatsfunktionen von der Bindungswirkung des Art. 1 Abs. 3 GG genau das, was die Norm in ihrer Absolutheit verhindern will.115 Es ist vielsagend, dass die Grundrechtsbindung des Staates auch im bewaffneten Konflikt an kaum einer Stelle mit sachlichen Argumenten angegriffen, sondern wahlweise als Absurdität116 oder Wohlstandsphänomen einer kriegsentwöhnten Gesellschaft117 gedeutet wird. In engem Zusammenhang dazu steht Gärditz’ Überlegung, extraterritoriale Geheimdiensttätigkeiten könnte aufgrund ihrer Natur unnormierbar sein.118 Freilich widerlegt er diesen Gedanken selbst: „Die allgemeine Zurückhaltung gegenüber einer Normierung dürfte eher darauf zurückzuführen sein, dass die Ermächtigungsinhalte anrüchig wären.“119

Dies ist zutreffend. Neben der Normierung von nachrichtendienstlichen „Standardmaßnahmen“ analog dem Polizeirecht würde nichts gegen eine Generalklausel sprechen, die zumindest ordnende und begrenzende Funktion hätte.120 Kürzlich hat etwa Großbritannien Teile seiner nachrichtendienstlichen Tätigkeit gesetzlich geregelt.121 Auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik wäre 113 

Zum Begriff Schmitt, Verfassungslehre, Neuaufl. 1954, S. 158. iE auch Zimmermann, Bundeswehr-Auslandseinsatzgesetz, Thesenpapier, http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/ Vortraege/bundeswehr_auslandeinsatzgesetz_zimmermann.pdf [25. 09. 2017], S. 1. Skeptisch Hillgruber, FAZ v. 21. 02. 2017, S. 6. 115  Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3 (44. EL 2005), Rn. 92; vgl. auch Fassbender, in: HStR³ XI, § 244, Rn. 157. 116  Isensee, in: HStR² V, § 115, Fn. 201. 117  Depenheuer, Selbstbehauptung des Rechtsstaates, S. 28 f. 118  Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (470). 119  A.a.O. (470). 120  Für eine Regelung von Eingriffstatbeständen bei militärischen Einsätzen im Ausland auch Voss, ZRP 2007, 78 ff. 121  Investigatory Powers Act 2016 v. 29. 11. 2016. Siehe dazu auch G. II. 2. 114 So

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durch so eine Maßnahme nicht gefährdet, wird doch Auslandsaufklärung von fast jedem Staat auf der Welt betrieben.122 4.  Verfassungsrechtsverhältnis durch Anknüpfungsmoment Betrachtet man die Frage nach der extraterritorialen Wirkung von Grundrechten als Folge einer Kollisionslage mehrerer Rechtsordnungen, so liegt der Ruf nach einem Kollisionsrecht nahe, wie es im bürgerlichen Recht in den Normen des internationalen Privatrechts (IPR), im Strafrecht insb. durch die Strafanwendungsregeln der §§ 3 – 9 StGB vorzufinden ist. Indes können diese Normen hier offenkundig nicht zur Anwendung kommen, da sich ihr Anwendungsbereich nur auf privatrechtliche Rechtsbeziehungen bzw. die Strafanwendung erstreckt.123 Auch der Schaffung eines „Grundrechtskollisionsgesetzes“ stünde aber entgegen, dass der Gesetzgeber nicht per (einfachem) Gesetz die Reichweite der Verfassungsbindung festlegen kann.124 Die Verfassung gilt nicht – auch nicht territorial – nach Maßgabe der Gesetze, sondern die Gesetze nach Maßgabe der Verfassung. Auch das Völkerrecht enthält kein solches Verfassungskollisionsrecht. Es gibt keine allgemeine Zuständigkeitslehre vor, die einzelne Staatsgewalten voneinander trennt, sondern enthält lediglich einzelne Verbote der Zuständigkeitsausübung, nimmt die Gefahr kollidierender Rechtsgeltungsansprüche aber im Übrigen hin.125 Somit könnte ein solches Kollisionsrecht nur in der Verfassung selbst zu finden sein.126 So leitet Isensee aus dem Grundgesetz her, die Geltung der Grundrechte setze ein Statusverhältnis des Individuums voraus, das durch Gebietskontakt, Staatsbürgerschaft, partielle inländische Rechtsgüter oder aufgedrängte Subordination entstehen könne.127 Seine These hat, wie das VG Köln richtig anmerkt128, ihre 122  Brenner, Bundesnachrichtendienst im Rechtsstaat. Zwischen geheimdienstlicher Effizienz und rechtsstaatlicher Kontrolle, 1990, S. 112. 123  So ausdrücklich Art. 1 Abs. 1 S. 2 Rom-I-VO; Art. 1 Abs. 1 S. 2 VO 864/2007 (Rom-II-VO). Gleiches ergibt sich bzgl. den Art. 3 ff. EGBGB aber auch aus ihrer systematischen Stellung im bürgerlichen Recht und ihrer Selbstbezeichnung (Art. 3 a.E.) als internationales Privatrecht. 124  Berentelg, Die Act of State-Doktrin als Zukunftsmodell für Deutschland? Zur Nachprüfung fremder Hoheitsakte durch staatliche Gerichte, 2010, S. 198; Bungert, Das Recht ausländischer Kapitalgesellschaften auf Gleichbehandlung im deutschen und US-amerikanischen Recht. Zugleich ein Beitrag zu einem internationalen Grundrechtskollisionsrecht, 1993, S. 202 f. 125  Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln. Transnationale Elemente deutschen Verwaltungsrechts, 2010, S. 110 f. Siehe dazu ausführlich E. III. 126  So auch Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (60 f.). 127  Isensee, in: HStR² V, § 115, Rn. 85 f., 90; ders., in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (61). Siehe ausführlich auch unter C. III. 4.

I.  Reichweite der Grundrechtswirkung

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Wurzeln in dem Gedanken, Grundrechte seien das Korrelat zur Subordination unter staatliche Gewalt. Sie steht aber im Widerspruch zur universellen Dimension der Menschenrechte. Die Jedermannsrechte des Grundgesetzes knüpfen an das Mensch-Sein an. Die Voraussetzung der Staatsbürgerschaft macht aus Jedermannsrechten contra legem Deutschengrundrechte. Doch auch die anderen Anknüpfungsmomente sind weitgehend willkürlich: Das Erfordernis des Gebietskontakts basiert auf einer unzutreffenden Annahme völkerrechtlicher Exklusivzuständigkeiten und übersieht, dass Staaten bei der Rechtssetzung durchaus auch Rechtsfolgen an extraterritoriale Tatbestände knüpfen dürfen.129 Wenn außerdem ein „aufgedrängter“ Status negativus ebenfalls die Grundrechtsbindung bewirkt, so ist die von Isensee selbst konstatierte Verneinung von Grundrechten im Krieg130 nicht haltbar: Jeder Eingriff in ein Grundrecht ist „aufgedrängt“, ein Unterschied zu kriegerischen Situationen ist nicht erkennbar. Die Lehre vom Verfassungsrechtsverhältnis stellt insgesamt eine Ebenenverwechselung dar; auf dem Boden des Verfassungstextes findet sie keinen Halt. 128

5.  Maßgebliches Kriterium: Ausübung deutscher Staatsgewalt Was bleibt, ist Art. 1 Abs. 3 GG. Der Wortlaut der Norm spricht für eine umfassende Grundrechtsbindung131, für einen lückenlosen Grundrechtsschutz.132 Das geben interessanterweise auch die zu, die eigentlich einen extraterritorialen Grundrechtsschutz zumindest in Teilen ablehnen.133 Die Verfassung stellt in bewusst generalisierter Form nur zwei Anforderungen an die unmittelbare Bindungswirkung von Grundrechten: Der Berechtigte muss ein Individuum sein, der Verpflichtete deutsche Staatsgewalt ausüben. Die Grundrechte gelten dem Grunde nach daher für alle Arten staatlicher Tätigkeit, gleich an welchem Ort. Zugleich bindet Art. 1 Abs. 3 GG eben nur die deutsche öffentliche Gewalt.134 Zweifellos ausgeschlossen ist damit die Bindung von Hoheitsakten fremder Staa128 

VG Köln, NWVBl. 2016, 39 (40). McGoldrick, in: Coomans/Kamminga (Hrsg.), Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, Antwerpen 2004, S. 41 (45 f.); Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht. Theorie und Praxis, 3. Aufl. 1984, § 1019. 130  Isensee, in: HStR² V, § 115, Fn. 201. 131  BVerfGE 33, 1 (11) spricht – explizit gestützt auf Art. 1 Abs. 3 GG – von der „umfassenden Bindung der staatlichen Gewalt“. 132  Maurer, JZ 1963, 26 (27); Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 326; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1203. 133  Hillgruber, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Art. 1 (Stand: 01.  06. 2017), Rn. 65, 72 ff.; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1203, 1367. 134  BVerfGE 6, 290 (296); BVerfGE 18, 112 (116); BVerfGE 31, 58 (74 f.); BVerfGE 55, 349 (362 f.); BVerfGE 63, 343 (375); BVerfG, NJW 2016, 1781 (1806). 129 

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ten an die Grundrechte des Grundgesetzes.135 Die konsequente Anwendung dieses selbstverständlichen Grundsatzes sorgt dafür, dass sich so manche als notwendig angenommene Begrenzung der Grundrechtsbindung deutscher Staatsgewalt als Irrtum entpuppt: So ist es, um eine Verantwortlichkeit des deutschen Staates für autonome Grundrechtsverletzungen durch ausländische Staaten zu verhindern, keineswegs nötig, eine „hinreichend konkrete Inlandsbeziehung“ zu fordern.136 Problematischer gestaltet sich dies hingegen bei Akten zwischenstaatlicher Einrichtungen, zumal hier nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist, ob deutsche Staatsgewalt oder zwischenstaatliche Staatsgewalt, ggf. durch einen „auch-deutschen“ Amtsträger im Wege internationaler Organleihe, ausgeübt wird. Ob deutsche Staatsgewalt im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG vorliegt, also eine verfassungsrechtliche Zurechnung eines Aktes zum deutschen Staat erfolgen kann, beantworten nicht völkerrechtliche Zurechnungsnormen, da diese nur eine Aussage über die Auslösung der Staatenverantwortlichkeit treffen. Vielmehr muss für die Auslösung der Grundrechtsbindung als originär verfassungsrechtliche Frage das Grundgesetz selbst zur Lösung herangezogen werden. Es ermöglicht in Art. 24 Abs. 1 GG die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen. Diese Übertragung – die überwiegend nicht als „dingliche“ Abtretung, sondern als konstitutive Zuweisung von Rechten verstanden wird137 – bewirkt, dass der Akt einer Ausübung dieser Hoheitsrechte kein Akt deutscher Staatsgewalt mehr ist, sondern ausschließlich der zwischenstaatlichen Einrichtung zugerechnet wird.138 Mangels Ausübung deutscher Staatsgewalt findet dann auch Art. 1 Abs. 3 GG keine Anwendung.139 135  Deutlich etwa Berentelg, Die Act of State-Doktrin als Zukunftsmodell für Deutschland?, S. 196 f.; Kastler, Föderaler Rechtsschutz. Personenbezogene Daten in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, 2017, S. 126 f. 136  So aber Hölscheidt, Jura 2017, 148 (152). 137  Niedobitek, Das Recht der grenzüberschreitenden Verträge. Bund, Länder und Gemeinden als Träger grenzüberschreitender Zusammenarbeit, 2001, S. 423; Schiffbauer, AöR 141 (2016), 551 (559); Wendel, Permeabilität im europäischen Verfassungsrecht. Verfassungsrechtliche Integrationsnormen auf Staats- und Unionsebene im Vergleich, 2011, S. 168 ff. 138  BVerfGE 22, 293 (297); BVerfGE 58, 1 (26 ff.); BVerfGE 59, 63 (85 ff.); Erler, in: VVDStRL 18 (1960), S. 7 (36 f.); Sax, Soldaten gegen Piraten. Der extraterritoriale Einsatz der deutschen Marine zur Pirateriebekämpfung im Lichte von Völkerrecht und Grundgesetz, 2018, S. 209. 139 Anders Küchenhoff, DÖV 1963, 161 (166), der davon ausgeht, der deutsche Staat könne nicht mehr übertragen, als ihm selbst zusteht, und müsse daher die Grundrechte gleichsam als „Hypothek“ den übertragenen Hoheitsrechten anhängen. Dagegen Calliess, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 24 (79. EL 2016), Rn. 38: Der Gesetzgeber überträgt eben nicht seine Rechte, sondern schreibt den Organen – in verfassungsdurchbrechender, aber von der Verfassung selbst zugelassener Weise – neue Rechte zu.

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Für die Europäische Union ist Art. 23 Abs. 1 GG gegenüber Art. 24 Abs. 1 GG lex specialis, bewirkt aber – mit diversen Modifikationen etwa in der erforderlichen qualifizierten Mehrheit für Verfassungsdurchbrechungen – dasselbe.140 Demgegenüber verweist Art. 24 Abs. 2 GG nicht auf eine eigene öffentliche Gewalt in Gestalt eines Systems kollektiver Sicherheit, sondern bewirkt nur die Begrenzung eigener Hoheitsrechte, ohne diese aber einer anderen öffentlichen Gewalt einzuräumen.141 Folglich finden die Grundrechte des Grundgesetzes nur dort, aber eben auch immer dort Anwendung, wo die deutsche öffentliche Gewalt handelt, nicht hingegen, wenn ein fremder Staat, die Europäische Union (Art. 23 Abs. 1 GG) oder eine zwischenstaatliche Einrichtung (Art. 24 Abs. 1 GG) gehandelt hat. Maßgeblich bestimmend für die Anwendung von Art. 24 Abs. 1 GG ist es, dass einer solchen Einrichtung Durchgriffsrechte auf das Individuum verliehen wurden.142 Dieses Kriterium hilft allerdings dort nicht weiter, wo nicht die Ausübung von Hoheitsrechten selbst unklar ist, sondern, wem der sie Ausübende zuzuordnen ist. Für die Frage, ob ein Akt einer zwischenstaatlichen, mit Hoheitsrechten ausgestatteten Einrichtung oder dem deutschen Staat zuzurechnen ist, ist maßgeblich, ob der handelnde Amtsträger noch Weisungen des deutschen Staates und seiner Strukturen, und sei es nur als Interventionsvorbehalt, unterworfen ist oder nicht.143 Solange eine solche Subordination des Amtsträgers zu bejahen ist, handelt es sich um die Ausübung deutscher Staatsgewalt, die der Grundrechtsbindung unterliegt.

140  BVerfGE 123, 267 (348 f.); Bothe/Lohmann, ZaöRV 58 (1998), 1 (5); zum Verhältnis beider Normen Galahn, Die Deutsche Bundesbank im Prozeß der europäischen Währungsintegration. Rechtliche und währungspolitische Fragen aus deutscher Sicht, 1996, S. 71 ff.; Wendel, Permeabilität im europäischen Verfassungsrecht, S. 164. 141  BVerfGE 90, 286 (346 f.); Salomon, Internationale Strafverfolgungsstrategie gegenüber somalischen Piraten, S. 296; Stoltenberg, ZRP 2008, 111 (112). Unzutreffend daher die Annahme des VG Köln, Urt. v. 09. 02. 2012, Az. 26 K 5534/10, Rn. 77 ff. – juris, die Bundeswehr übe in Afghanistan hoheitliche Gewalt der NATO oder der Vereinten Nationen aus (und sei daher mangels Ausübung deutscher Hoheitsgewalt in ihrer operativen Tätigkeit nicht justiziabel). 142  BVerfGE 90, 286 (346 f.); Rauser, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten. Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Art. 24 I GG, 1991, S. 79 ff.; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1234; zurückhaltender noch BVerfGE 68, 1 (93 f.); i.E. gegen das Durchgriffskriterium Bothe/Lohmann, ZaöRV 58 (1998), 1 (24 ff.); für eine allgemeine Durchgriffswirkung auf den „staatlichen Binnenbereich“ Niedobitek, Recht der grenz­ überschreitenden Verträge, S. 429. 143 So überzeugend für internationale Streitkräfteeinsätze Baldus, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 87a Abs. 2, Rn. 98; Oeter, in: HStR³ XI, § 243, Rn. 22; Salomon, Internationale Strafverfolgungsstrategie gegenüber somalischen Piraten, S. 297; Sax, Soldaten gegen Piraten, S. 209 ff.

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6.  Sonderfall: Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) Einen Sonderfall könnte hier jedoch das Grundrecht der Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG darstellen. Als einziges Grundrecht benennt es ausdrücklich einen räumlichen Schutzbereich, indem es von der Freizügigkeit „im ganzen Bundesgebiet“ spricht. Darin könnte eine lex specialis zur Grundsatznorm des Art. 1 Abs. 3 GG liegen.144 In der Tat wird aus dieser Formulierung im Schrifttum weitgehend ein territorialer Schutzbereich gefolgert, der auf das Bundesgebiet begrenzt sei.145 Kristallisationspunkt dieser Überlegungen ist die Frage, ob die Ein- und Ausreise von Art. 11 Abs. 1 GG geschützt ist. Bezüglich der Ausreise verneinte das Bundesverfassungsgericht dies an prominenter Stelle und sah die Ausreisefreiheit nur von Art. 2 Abs. 1 GG geschützt.146 Die Freiheit der Einreise soll hingegen vom Schutzbereich umfasst sein.147 Diese Positionen haben in der Tat die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes auf ihrer Seite: Die Freizügigkeit wurde im Parlamentarischen Rat vor allem unter dem Blickwinkel der Möglichkeit der Einreise von Deutschen im Sinne von Art. 116 GG, die sich außerhalb des Bundesgebietes befanden, diskutiert.148 Die ausdrückliche Aufnahme einer Ausreisefreiheit hingegen hat der Parlamentarische Rat abgelehnt.149 Aus Letzterem folgt gleichwohl noch nicht zwingend, dass diese Freiheit nicht von Art. 11 GG umfasst sein soll. 144  Dies verkennen Bleckmann/Busse, DVBl. 1977, 794 (795 f.), die eine weitgehende extraterritoriale Wirkung von Art. 11 GG auf – durchaus zutreffende – allgemeine Grundsätze stützen wollen. 145  So beispielhaft Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 11 (66. EL 2012), Rn. 95 f.; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 11, Rn. 36. 146  BVerfGE 6, 32 (34 f.); Bengelsdorf, Das Recht zum Verlassen des Staatsgebietes in den deutschen Verfassungen von 1919 – 1964, 1965, S. 163 ff.; Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.), Art. 11, Rn. 40; Merten, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. IV, 2011, § 94, Rn. 131 ff.; a.A. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 371 im Wesentlichen unter Berufung auf die besondere Bedeutung der Ausreisefreiheit; ferner Epping, Die Außenwirtschaftsfreiheit, 1998, S. 129 f., der sich darauf beruft, der Wegzug finde ja im Bundesgebiet statt, und Hartmann, JöR 17 (1968), 437 (440), weitgehend apodiktisch, aber historisch instruktiv. Restriktiver BVerwGE 3, 130 (133), wonach die Ausreisefreiheit auch nicht aus Art. 2 Abs. 1 GG folgen solle, weil Art. 11 GG die Freizügigkeit abschließend regle. Dagegen überzeugend Bengelsdorf, Das Recht zum Verlassen des Staatsgebietes, S. 173 f., der darauf verweist, Art. 11 GG klammere alles jenseits des Bundesgebietes ja gerade aus seinem Regelungsgehalt aus. 147  BVerfGE 2, 266 (273); BVerfGE 110, 177 (191). 148  Parlamentarischer Rat IX, S. 613. 149  Parlamentarischer Rat V/1, S. 101 ff. Ein solches Recht findet sich heute in Art. 2 Abs. 2 des Vierten Zusatzprotokolls zur EMRK und in Art. 12 Abs. 2 IPbpR. Zur Wirkung dieser Grundrechtskataloge auf das Grundgesetz siehe E. I. Vgl. auch schon Art. 13 Abs. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

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Auch der Wortlaut macht diese Schlussfolgerung nicht derart zwingend, wie dies in Teilen der Literatur nahegelegt wird.150 Durner merkt zu Recht an, entscheidend sei die Frage, ob der Anfangs- oder der Endpunkt des „freien Zuges“ im Bundesgebiet liegen müsse, und entscheidet sich für Letzteres151: Inhalt der Freizügigkeit sei in Anlehnung an Art. 111 WRV die Freiheit, Aufenthalt und Wohnsitz im Bundesgebiet zu nehmen.152 Somit sei der Hinzug ins Bundesgebiet geschützt, der Fortzug hingegen nicht. Gestritten wird hier also nicht um die Frage, ob Art. 11 Abs. 1 GG nur territorial wirkt, sondern darum, welcher Teilakt genau im Bundesgebiet erfolgen muss.153 Die grundsätzliche Territorialgebundenheit der Freizügigkeit wird von dieser Argumentation vorausgesetzt. Auch die Befürworter eines Schutzes der Ausreise durch Art. 11 Abs. 1 GG gehen von einer territorialen Wirkung aus und versuchen lediglich, zu begründen, warum die Ausreise im Bundesgebiet stattfindet.154 „Echte“ extraterritoriale Wirkungen des Grundrechts wären demgegenüber schwerer zu konstruieren, setzten sie doch einen Eingriff deutscher Staatsgewalt in die Freizügigkeit deutscher Staatsangehöriger im Ausland voraus. Ein Beispiel für ein solches Szenario wäre die Beschränkung des Geltungsbereiches eines Reisepasses nach § 7 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 PassG.155 Befindet sich ein Deutscher im Ausland und kann aufgrund einer solchen Beschränkung ein anderes Land nicht aufsuchen, so läge ein Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG vor, wenn dieses Grundrecht auch extraterritorial wirkte. Zwar kann die Betonung des „ganzen Bundesgebietes“ auch in einem erweiternden, nicht verengenden Sinne verstanden werden: Die Freizügigkeit war bereits im Kaiserreich, dort noch einfachgesetzlich geregelt, ein Instrument zur Herstellung territorialer Einheit.156 Diese territoriale Einheit war zwar bei der erstmaligen Aufnahme der Freizügigkeit in die Verfassung – 1919 in Gestalt von Art. 111 WRV – unzweifelhaft gewährleistet, stand aber 1948/49 wieder in Frage. Dennoch gehört zu dieser Betonung der Reichweite zugleich eben auch der Wort150  Wollenschläger, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 11, Rn. 31. 151  Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 11 (66. EL 2012), Rn. 97. 152  Diese Definition verwendet auch das BVerfG in stRspr, vgl. nur BVerfGE 2, 266 (273); BVerfGE 80, 137 (150); BVerfGE 110, 177 (190). 153  Enorm detailliert folgt dieser Vorgehensweise Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S. 122, der den Freiheitsgebrauch i.S.v. Art. 11 GG in einen Akt des Wegziehens, des Zuziehens und beliebig viele Teilbereiche unterteilt, die Beschränkung auf das Zuziehen aber i.E. ablehnt. 154 Exemplarisch Epping, Außenwirtschaftsfreiheit, S. 128, 130. 155  Die Passversagung nach § 7 Abs. 1 PassG und ebenso die Passentziehung nach § 8 PassG sind hingegen Beispielfälle für die „klassische“ Ausreisehinderung. 156  Gusy, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 11, Rn. 3.

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laut der Begrenzung. Wer den Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG ernst nehmen will, muss dies auch hier tun. Art. 11 Abs. 1 GG stellt demnach eine Ausnahme vom Grundsatz der extraterritorialen Wirkung der Grundrechte dar. Die Norm schützt den Freiheitsgebrauch nur, soweit sich das Ziel der Freizügigkeit im Inland befindet.157 Sie fügt dem Kriterium „deutsche Hoheitsgewalt“, das als Anknüpfungsmoment für die übrigen Grundrechte notwendig, aber auch hinreichend ist, dieses zusätzliche Moment hinzu.

II.  Inhaltliche Modifikation der Grundrechtswirkung Dass Grundrechte extraterritorial wirken, sagt aber noch nichts darüber aus, wie, d. h. in welcher Weise, sie dies tun. Die Antwort auf die eingangs aufgeworfene zweite Frage steht also noch aus. Modifikationen des Inhalts der Grundrechtsverhältnisse sind dabei auf beinahe allen Ebenen denkbar: Zunächst als Einschränkung der Grundrechtsdimensionen, z. B. durch Beschränkung auf den status negativus, als Beschränkung ihrer Rechtsnatur, d. h. durch Auslegung als bloß objektive Rechtssätze statt subjektiver Rechte, oder durch Modifizierung der Intensität ihrer Bindungswirkung, z. B. indem sie extraterritorial als bloße „Leitlinien“ verstanden werden. Sodann sind auf der Ebene des Schutzbereichs und des Eingriffsbegriffs Abweichungen vorstellbar: im personellen Schutzbereich z. B. indem auch die Jedermannsrechte des Grundgesetzes extraterritorial nur Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG zugestanden werden, im sachlichen Schutzbereich, etwa durch Reduktion ihres Freiheitsgehalts auf das durch internationale Menschenrechte garantierte Minimum, oder im Rahmen der Eingriffsqualität, indem im Ausland nur klassische Eingriffe rechtfertigungsbedürftig sein sollen. Schließlich können Einschränkungen auf Ebene der Eingriffsrechtfertigung erfolgen: durch modifizierte Anforderungen bei der Anwendung des Über- oder Untermaßverbots oder durch Verzicht auf weitere Schranken-Schranken. 1.  Vorüberlegungen: Dimensionen, Rechtsnatur, Bindungswirkung a)  Grundrechtsdimensionen: Beschränkung auf die Abwehrfunktion? Auch Vertreter einer bezüglich Abwehrrechten weitgehend unbeschränkten extraterritorialen Reichweite von Grundrechten sprechen sich für ein anderes Ergebnis aus, soweit es um den status positivus geht.158 Doch betont etwa Maurer zugleich, auch Schutzpflichten könnten „aber doch wohl nicht bedeutungslos 157 

So auch F. Becker, in: HStR³ XI, § 240, Rn. 74. Statt vieler Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland, 2007, S. 165 ff. Unklar Ballhausen, NJW 1988, 2656 158 

II.  Inhaltliche Modifikation der Grundrechtswirkung

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sein, wenn es um die internationalen Beziehungen und Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geht.“159 Im Ausland nur Abwehrrechte, aber keine positiven Ansprüche anzunehmen, würde voraussetzen, dass das Abwehrrecht das „echte“ Grundrecht, der status positivus dagegen ein disponibles „Anhängsel“ darstellt. In der Tat wird Schutzpflichten und Leistungsansprüchen zum Teil eine „dogmatische Gleichwertigkeit“160 abgesprochen, weil sie im Gegensatz zum status negativus keinen exakten Ansatzpunkt im Sinne eines klaren negativen Handlungsbefehls enthalten, sondern nur eine Untergrenze staatlichen Handelns markieren. Die Notwendigkeit, dogmatische Herleitung und Reichweite von Schutzpflichten ist umstritten.161 Einige Stimmen leiten sie als zusätzliche, neben Abwehrrechte tretende Dimension aus den Grundrechten selbst ab162, andere stellen sie gar mit Abwehrrechten gleich, weil der Staat auch durch die Eröffnung privater Handlungsspielräume Eingriffe vornehme.163 Häufig wird auch Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, der explizit von einem Schutzauftrag spricht, erwähnt.164 Die Rechtsprechung stellt teils auf Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, teils auf objektive Grundrechtsgehalte ab.165 In jüngerer Zeit tritt außerdem das Sozialstaatsprinzip als Begründungskomponente hinzu.166 Doch auch wenn (2658): „Die Schutzpflicht gegenüber Verletzungen der Menschenwürde […] reicht so weit wie der Hoheitsbereich der deutschen Staatsgewalt reicht.“ 159  Maurer, JZ 1999, 689 (694). 160  C. Calliess, JZ 2006, 312 (324). 161 Zum Zusammenhang von Grundrechtsverständnis und Begründung des status positivus Dröge, Positive Verpflichtungen der Staaten in der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2003, S. 187 ff.; Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht. Eine Untersuchung der deutschen Grundrechte, der Menschenrechte und Grundfreiheiten der EMRK sowie der Grundrechte und Grundfreiheiten der Europäischen Gemeinschaft, 2001, S. 35 ff. Zu den Gefahren extensiver Schutzpflichten für die freiheitssichernde Abwehrfunktion Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (555 f.). Ausführlich systematisierend Wißmann, Generalklauseln – Verwaltungsbefugnisse zwischen Gesetzmäßigkeit und offenen Normen, 2008, S. 118 ff. 162  Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte. Materiell-rechtliche Bindungen aus Völkerrecht und Grundgesetz, insbesondere zum Schutz des Lebens, 2008, S. 93; Dietlein, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 64 ff. Auf den „Staatszweck Sicherheit“ rekurriert Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit. Zu den Schutzpflichten des freiheitlichen Verfassungsstaates, 1983, S. 21 ff. 163  Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik. Verfassungsrechtliche Grundlagen und immissionsschutzrechtliche Ausformung, 1985, S. 89 ff. 164  W. Cremer, Freiheitsgrundrechte. Funktionen und Strukturen, 2003, S. 255, 264. 165  Zu Art. 1 Abs. 2 S. 2 GG BVerfGE 39, 1 (41); BVerfGE 88, 203 (252 f.); BVerfGE 99, 185 (194 f.); zum objektiven Gehalt ebenfalls BVerfGE 39, 1 (41) sowie BVerfGE 49, 89 (142). 166 BVerfGE 113, 88 (108); BVerfGE 125, 175 (222); BVerfGE 132, 134 (159); zur EMRK Dröge, Positive Verpflichtungen, S. 205 ff. Vgl. dazu auch Kopp, NJW 1994, 1753 (1756).

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Schutzpflichten nicht schon aus dem Gehalt eines Grundrechts selbst erwachsen, sondern akzessorische „Zusätze“ sein sollen, die durch die Hinzuziehung des Sozialstaatsprinzips oder des Schutzauftrags für die Menschenwürde entstehen, folgte daraus kein grundsätzlicher Vorrang von Abwehrrechten: Andernfalls wären Schutzpflichten sinnlos, dienen sie doch meist gerade zur – als Eingriff freilich weiter begründungsbedürftigen167 – Beschränkung konkurrierender Abwehrrechte. Wenn daher z. B. Cremer von einem „Vorrang“ des Abwehrrechts spricht168, so ist damit kein inhaltlicher Vorrang gemeint, sondern der dogmatische Hinweis, man solle erst versuchen, eine Grundrechtsbeeinträchtigung als Abwehrrecht zu qualifizieren, anstatt voreilig zur Schutzpflicht zu „springen“.169 Ein unterschiedlicher Begründungszusammenhang trifft noch keine Aussage über die räumliche Reichweite. Schwerer wiegt der Gedanke, durch die extraterritoriale Anwendung von Grundrechten könnten verschiedene Rechtsordnungen kollidieren. Durch die Ausdehnung der Normsetzung könnten Konflikte mit Normen anderer Staaten auftreten.170 Dazu ist zunächst anzumerken, dass allein durch die Grundrechtsgeltung solche Kollisionseffekte allenfalls indirekt auftreten können. Diskutiert wird schließlich nicht die Grundrechtsbindung ausländischer Staaten oder gar deren Bürger an die Grundrechte des Grundgesetzes. An diese gebunden ist stets nur der deutsche Staat. Verfehlt ist daher die Behauptung Erberichs, Grundrechte könnten Personen im Ausland nicht binden.171 Gebunden ist die deutsche Staatsgewalt, nicht der Grundrechtsberechtigte.172 Bei der Abwehrfunktion der Grundrechte also stellt sich das benannte Problem in der Regel nicht. Es kommt aber im Rahmen von Schutzpflichten zugunsten einer Person im Ausland, die im Widerspruch zum vor Ort geltenden Recht stehen, in Betracht. Ausnahmsweise können derartige Konfliktlagen außerdem dort entstehen, wo die – eingriffsförmige – Kollaboration deutscher Staatsgewalt mit grundrechtswidrigem Handeln eines fremden Staates gerügt wird, etwa in Fallgestaltungen, in welchen inländische Organe ausländischen Staatsvertretern Hilfestellung bei der Anwendung von Fol167 

Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (560). Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 67, 169  A.a.O., S. 264. 170 Dazu Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994, S. 648 ff. Ähnlich auch Waldhoff, in: Isensee (Hrsg.), Menschenrechte als Weltmission, S. 43 (69). 171  Erberich, Auslandseinsätze der Bundeswehr und Europäische Menschenrechtskonvention, 2004, S. 160. 172  Dies betont auch Payandeh, DVBl. 2016, 1073 (1074 f.). Ebenso Zöller, Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten. Zur Vernetzung von Strafverfolgung und Kriminalitätsverhütung im Zeitalter von multimedialer Kommunikation und Persönlichkeitsschutz, 2002, S. 373 f. 168 

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ter leisten.173 In diesem Fall enthält die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Handelns inländischer Hoheitsträger zugleich ein implizites Unwerturteil über das ausländische Staatshandeln. Eine solche bloß mittelbar-reflexhafte Überprüfung ausländischer Hoheitsakte steht aber nicht im Widerspruch zum völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität.174 Gleichwohl muss die Geltendmachung staatlicher Schutzpflichten im Ausland verfassungsrechtlichen Grenzen unterliegen. Um einen Extremfall zu benennen: Es ist offensichtlich, dass aus den Grundrechten kein subjektiver Anspruch auf einen militärischen Angriff auf das Ausland folgen kann. Dem steht allein schon Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG als in ihrer Deutlichkeit nicht zu überbietende verfassungsrechtliche Grenze entgegen. Auch einer in sonstiger Weise aggressive Außenpolitik würde im Widerspruch zur Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes – und nicht bloß zu einem postulierten Verfassungsgut der außenpolitischen Handlungsfähigkeit – stehen. Gleichzeitig tut aber eine Besinnung darauf Not, dass die Schutzpflichten nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts ohnehin beinahe niemals Ansprüche auf ein konkretes staatliches Handeln eröffnen, sondern als „Untermaßverbot“ lediglich eine Schutzschwelle, die der Staat nicht unterschreiten darf, schaffen.175 Die Mitberücksichtigung nachteiliger Effekte im Einzelfall ist keine Besonderheit der extraterritorialen Anwendung, sondern völlig normal. So führte das Bundesverfassungsgericht sogar zum Recht auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 GG aus: „Wie die staatlichen Organe ihre Verpflichtung zu einem effektiven Schutz des Lebens erfüllen, ist von ihnen grundsätzlich in eigener Verantwortung zu entscheiden. […] Eine wirksame Wahrnehmung dieser Pflicht setzt voraus, daß die zuständigen staatlichen Organe in der Lage sind, auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles angemessen zu reagieren; schon dies schließt eine Festlegung auf ein bestimmtes Mittel aus.“176

Auch die Gefahr, in mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen so mittelbar eine Verpflichtung des Einzelnen zu erzeugen, mit der er sich in Widerspruch zum Recht seines Aufenthaltsortes setzen müsste, ist zwar existent, doch gegenüber 173  Vgl. etwa UK Supreme Court, Belhaj v Straw und Rahmatullah (No 1) v Ministry of Defence, [2017] UKSC 3. 174  OLG Köln, Urt. v. 30. 04. 2015, Az. 7 U 4/14, Rn. 17 – juris; OLG Köln, Urt. v. 28. 07. 2005, Az. 7 U 8/04 – NJW 2005, 2860 (2860 f.); Berentelg, Die Act of State-Dok­ trin als Zukunftsmodell für Deutschland?, S. 25; Feldmüller, Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozessrecht, 1999, S. 39; Kau, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 7. Aufl. 2016, S. 141 (165). 175  BVerfGE 46, 160 (164 f.); BVerfGE 88, 203 (254); Isensee, in: HStR³ IX, § 191, Rn. 293 f. 176  BVerfGE 46, 160 (164 f.).

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dem dadurch Betroffenen läge in diesem Fall wiederum ein Eingriff vor, im Rahmen dessen die Zumutbarkeit als Bestandteil der Verhältnismäßigkeit erörtert werden müsste.177 Die Verpflichtung, sich in Widerspruch zum Recht des Aufenthaltsortes zu setzen, dürfte in aller Regel unzumutbar und damit unverhältnismäßig sein – ähnlich, wie einem hier lebenden ausländischen Staatsbürger regelmäßig keine Pflichten auferlegt werden dürfen, durch deren Erfüllung er Gesetze seines Heimatlandes brechen würde.178 Auch hier bedarf es also keiner besonderen, nicht auch im Inland existenten dogmatischen Konstrukte, um ein tragfähiges Ergebnis zu erzielen.179 Hinter dem Argument der „Rechtsordnungskollision“ steht aber ein tiefergehendes Problem: die Frage nach der Legitimation dafür, unsere Grundrechte als Werte über die Grenzen hinaus zu erstrecken, dies anderen Staaten aber nicht zubilligen zu wollen.180 Erscheint uns die extraterritoriale Erstreckung von Grundrechten möglicherweise angenehm, so könnte ein anderer Staat sich womöglich dazu angeregt fühlen, seinerseits Rechtsprinzipien zu „exportieren“, die unserer Rechtsstaatsidee völlig entgegenstehen. In Analogie zu Tomuschats Frage, ob die deutsche Außenpolitik nicht gegenüber einem Apartheid-Regime Menschenrechte hochhalten müsse181, könnte man die Gefahr sehen, dass auf einmal ein Apartheid-Regime gegenüber dem deutschen Staat Rassismus propagieren würde. Ein etwas zurückhaltenderes Beispiel: Was, wenn ein Staat, der eine noch strengere Schutzpflicht zugunsten ungeborenen Lebens annimmt, als das Bundesverfassungsgericht dies tut182, sich berufen fühlte, Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland zu verhindern? Das grundsätzliche Problem kollidierender Wertentscheidungen lässt sich weder wegdiskutieren, noch beseitigen. Wenn die Grundrechte Universalität beanspruchen, können sie mit anderen nach Allgemeingültigkeit heischenden Grundsätzen – und seien es ebenfalls Grundrechte, die bloß anders verstanden werden – kollidieren. Dies ist die Folge von Universalität. Wie erwähnt, ist diese Kollisionsgefahr aber kleiner, als es den Anschein hat: Eine extraterritoriale Grundrechtswirkung hätte nicht eine Grundrechtsbindung anderer Staaten oder gar Pri177  BVerfGE 9, 338 (345 f.); BVerfGE 29, 221 (242); P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 3 Abs. 1 (75. EL 2015), Rn. 241; s. auch Wendt, AöR 104 (1979), 414 (453). 178  Doehring, in: VVDStRL 32 (1974), S. 7 (20) m.w.N.; s. auch Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (55 ff.). 179  Vgl. aber Sandrock, ZVglRWiss 115 (2016), 1 (93 f.) mit einem weiterreichenden Vorschlag auf völkerrechtlicher Grundlage. 180  Zur Problematik Tahraoui, Unilateralism ahead? Human rights, digital surveillance and the „extraterritorial question“ in international law, http://voelkerrechtsblog.org/ unilateralism-ahead/ [25. 09. 2017]. 181  Tomuschat, in: VVDStRL 36 (1978), S. 7 (46 ff.). 182  Vgl. BVerfGE 39, 1 (36 ff.); BVerfGE 88, 203 (251).

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vater in diesen Staaten zur Folge. Auch im status positivus enthalten Grundrechte ferner immer eine Abwägung, die auch die Risiken einer kompromisslosen Umsetzung berücksichtigen muss183, und schließlich würde ein Drittstaat, der seine Grundsätze zu entgrenzen versucht, auf die gleichen Hindernisse stoßen, die hier dargestellt wurden: Auch er könnte nicht in Deutschland Verstöße gegen seine Werte sanktionieren, sondern eine Durchsetzung nur im Inland erreichen. Ohnehin aber können Konflikte zwischen liberalen und illiberalen Konzepten nicht gelöst werden, indem sich Staaten in ihre innere Sphäre zurückziehen. Geht man von der Universalität der in den Grundrechten konkretisierten Menschenrechte aus184, so muss diese Universalität stattdessen auch argumentativ vertreten werden. Die Grundrechte binden die deutsche Staatsgewalt. Bei Abwehrrechten ist der Umgang mit diesem Diktum einfach, weil sie kein Mehr, sondern ein Weniger staatlicher Tätigkeit bedeuten. Geht es den status positivus, so wird eine solche staatliche Tätigkeit – oder eine gewisse Intensität derselben – überhaupt erst beansprucht. Es geht dort nicht um ein Ja oder Nein zur Grundrechtsbindung, sondern um ein Wieviel. Begreift man Grundrechte nun als Aufgabe und Begrenzung des Staates, die sich aus seiner Übermacht herleitet, so müssen Grundrechte umso stärker sein, je größer diese Übermacht tatsächlich ist.185 Da staatliche Übermacht sich auch im Ausland manifestieren kann, kommt ein grundsätzlicher Ausschluss des status positivus jenseits des Staatsgebietes nicht in Betracht. b)  Rechtsnatur: Bloße objektive Rechtssätze? Eckart Klein hat auf die Möglichkeit hingewiesen, zwischen der grundsätzlichen objektiv-rechtlichen extraterritorialen Geltung der Grundrechte und ihrer Fähigkeit, subjektiv-öffentliche Rechte auch extraterritorial zu vermitteln, zu differenzieren.186 Mit einer Reduktion auf den bloß-objektiven Gehalt sei dabei noch keine inhaltliche Reduktion des Schutzumfangs der Grundrechte verbunden, sondern zunächst eine Divergenz zwischen der Reichweite der Grundrechtsverpflichtung, die prinzipiell auch extraterritorial gegeben wäre, und der Grundrechtsberechtigung, die an den Staatsgrenzen enden könne.

183 

BVerfGE 88, 203 (256). Tomuschat, in: VVDStRL 36 (1978), S. 7 (44). Zu oftmals nur vermeintlichen kulturellen Konflikten E. Klein, EuGRZ 1999, 109 (113 ff.). 185  Ähnlich auch BVerfGE 100, 313 (362): So sei „der Umfang der Verantwortlichkeit und Verantwortung deutscher Staatsorgane bei der Reichweite grundrechtlicher Bindungen zu berücksichtigen.“ 186  E. Klein, Bundesverfassungsgericht und Ostverträge, S. 43. Ähnlich auch Löffelmann, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, S. 1093 (1113). 184 

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In der Tat ist zwischen der staatlichen Verpflichtung, Grundrechte zu achten, und der individuellen Berechtigung, dies vom Staat einzufordern, zu unterscheiden.187 Diese Aspekte jedoch stehen nicht unverbunden nebeneinander: Jede Schwächung der subjektiven Grundrechtsberechtigung schwächt zugleich auch die durch Art. 1 Abs. 3 GG angeordnete Grundrechtsverpflichtung. Dies folgt schon daraus, dass eine effektive Bindung auf Verpflichtetenseite maßgeblich durch die Möglichkeit individueller Grundrechtsberechtigter, ihre Rechtsverletzung gerichtlich geltend zu machen, entsteht – eine Möglichkeit, die gemeinhin an die Möglichkeit der Verletzung subjektiver Rechte geknüpft ist (vgl. § 90 Abs. 1 BVerfGG, § 42 Abs. 2 VwGO). Eine rein objektive Grundrechtsbindung besitzt keinen Adressaten und wird damit letztlich zur Disposition staatlicher Entscheidungen gestellt. Jenseits des rechtlich unerheblichen Wunsches, subjektiven Rechtsschutz nicht gewähren zu wollen, ist aber kein Grund dafür ersichtlich, die subjektive Berechtigung zu verneinen. Die Grundrechte, an die die Staatsgewalt gem. Art. 1 Abs. 3 GG gebunden ist, sind originär subjektive Rechte. Sie gelten nicht grundsätzlich objektiv und nur bei Hinzutreten besonderer Faktoren auch subjektiv,188 sondern ihre subjektive Rechtsnatur ist ihnen von Beginn an inhärent.189 Extraterritoriale Hoheitsakte sind trotz ihres Ortes Hoheitsakte, und „justizfreie Hoheitsakte sind Rechtsgeschichte“, wie Kottmann zu Recht anmerkt.190 c)  Bindungswirkung: Bloße „Leitwirkung“? Wenn die Grundrechte extraterritorial auch subjektive Rechte vermitteln, so könnte doch das Ausmaß ihrer Bindungswirkung herabgesetzt werden. Tomuschat schlug vor, Grundrechte im Rahmen der Außenpolitik zumindest als „Zielrichtung“ zu sehen191, Stern spricht in ähnlicher Weise von bloßen „Richtlinien“, die zu „grundrechtsfreundlichem Verhalten“ verpflichten.192 Es ist bezeichnend, dass diese Zitate die „grundrechtsfreundlichere“ Seite des Diskurses widerspiegeln. Andere halten dagegen, Außenpolitik sei überhaupt nicht grundrechtsgebunden.193 187 

Dazu schon B. II. In diese Richtung aber Stern, Staatsrecht III/1, S. 1367 f. 189  So bzgl. des diplomatischen Schutzes auch E. Klein, DÖV 1977, 704 (708). 190  Kottmann, Introvertierte Rechtsgemeinschaft, S. 64. 191  Tomuschat, in: VVDStRL 56 (1997), Aussprache, S. 114. Ähnlich schon Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1977, S. 282. 192  Stern, Staatsrecht III/1, S. 1367. Vgl. auch J. Menzel, Internationales Öffentliches Recht. Verfassungs- und Verwaltungsgrenzrecht in Zeiten offener Staatlichkeit, 2011, S. 574: „vorsichtige objektive Verfassungserwartung“. 193  Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 120; vgl. auch Hailbronner, in: VVDStRL 56 (1997), Aussprache, S. 121. 188 

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Dabei ist unklar, was unter einer solchen „Leitwirkung“ verstanden werden soll. Ist damit die „Annäherungstheorie“ des Bundesverfassungsgerichts gemeint – Schutzpflichten seien auch dann gewahrt, wenn ein Zustand nicht optimal, aber doch im Rahmen des Möglichen im Vergleich zum Status Quo ante verbessert worden sei194 –, so ist der Begriff der Leitwirkung verfehlt. Schutzpflichten verpflichten den Staat stets nur dazu, das Mögliche zu tun, sie verpflichten nicht zum Erfolg, sondern zum Bemühen. Daran ist nichts neu und auch nichts spezifisch extraterritorial. Meint der Begriff der „Leitwirkung“ hingegen eine faktische Nicht-Geltung der Grundrechte „durch die Hintertüre“, eine Reduktion zu bloß unverbindlichen Programmsätzen, so ist dem zu widersprechen. Art. 1 Abs. 3 GG als auch im Ausland maßgebliche Grundsatznorm bindet alle Staatsgewalt an die Grundrechte „als unmittelbar geltendes Recht“, nicht als unverbindliche Leitlinie. Mit der oben belegten Aussage, die Grundrechte gälten auch im Ausland, wäre es unvereinbar, an ihre Stelle unverbindliche Programmsätze zu stellen. Gegen eine echte extraterritoriale Bindungswirkung der Grundrechte wird jedoch vorgebracht, Staaten seien voneinander abhängig. Durch ein kompromissloses Beharren auf international womöglich weniger anschlussfähigen Grundrechtsstandards könnte der Handlungsspielraum der Bundesregierung über Gebühr eingeschränkt werden. So könnten strenge Maßstäbe bei Auslieferungen, etwa die Verweigerung der Überstellung bei Menschenrechtsverletzungen im Zielland, dazu führen, dass entsprechende Staaten nicht mehr mit Deutschland kooperieren und ihrerseits keine Personen mehr überstellen.195 In tatsächlicher Hinsicht ist dies nicht von der Hand zu weisen. Da kein völkergewohnheitsrechtlicher Anspruch auf Auslieferung besteht196, ist die Funktionsfähigkeit transnationaler Strafjustiz vom Entgegenkommen anderer Staaten abhängig. Aber auch andersherum lässt sich eine starke Abhängigkeit von Staaten untereinander feststellen: So machen etwa Immissionen nicht an der Grenze halt.197 Die Probleme, denen sich ein Staat in der heutigen Zeit zu stellen hat, überschreiten Grenzen und machen so eine Kooperation mit anderen Staaten notwendiger denn je, was eine starke Abhängigkeit untereinander verursacht. So können Grundrechte, etwa im internationalen Rechtshilfeverkehr, andere Staaten „vor den Kopf stoßen“ und diese Kooperation erschweren. Sie können aber auch, z. B. im Fall grenzüberschreitender Immissionen, ein Angebot an diese Staaten 194 

BVerfGE 6, 290 (296 f.). BVerfGE 18, 112 (121); Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 144; allgemeiner Nettesheim, in: HStR³ XI, § 241, Rn. 4. 196  Weiß, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. X, 3. Aufl. 2012, § 207, Rn. 3. 197  Dederer, in: HStR³ XI, § 248, Rn. 85. 195 

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bzw. deren Bewohner sein und damit einen Beitrag zur internationalen Kooperation darstellen. Wie lassen sich aber die genannten Schwierigkeiten rechtlich einordnen? Das Bundesverfassungsgericht sprach in der Todesstrafen-Entscheidung davon, in internationalen Zusammenhängen dürfte die eigene Rechtsordnung keinen Vorrangcharakter beanspruchen, und beruft sich dabei auf die „völkerrechtsfreundliche[n] Grundhaltung des Grundgesetzes“.198 Mit dem Völkerrecht allerdings hat dieses Problem wenig bis gar nichts zu tun. Es geht nicht um völkerrechtliche Direktiven, sondern die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung.199 Um aber eine generelle Begründung für die Herabsetzung der Wirkungskraft der Grundrechte im Ausland zu bieten – sei es als Bereichsausnahme, sei es als verfassungsimmanente Schranke –, müsste es sich dabei um ein Gut von Verfassungsrang handeln. Nun ist die außenpolitische Handlungsfähigkeit des Staates sicherlich eine Voraussetzung, die das Grundgesetz zu billigen vermag. Aber nicht alles, was der Staat tut bzw. tun kann, stellt schon eine verfassungsrechtliche Schranke der Grundrechtswirkung dar. Die pauschale Unterstellung, ein Prinzip sei vom Parlamentarischen Rat zugrundegelegt oder vorausgesetzt worden, entwertet den Vorrang der Verfassung. Dass der Bund außenpolitisch handeln darf (vgl. Art. 32 Abs. 1 GG), bedeutet noch nicht, dass er zum Zwecke der Wahrnehmung dieser Aufgabe auch Grundrechte einschränken darf: Die außenpolitische Tätigkeit der Bundesrepublik ist eben ganz gewöhnliches Staatshandeln, das sich in Abwesenheit verfassungsimmanenter Schranken oder eines ausgeübten Gesetzesvorbehalts innerhalb der Grundrechte zu bewegen hat. Verfassungsimmanente Schranken dürfen nicht willkürlich kreiert werden, sondern müssen tatsächlich im Grundgesetz zu finden sein.200 Die Aufgabennorm des Art. 32 Abs. 1 GG genügt diesen Anforderungen nicht. Vielmehr handelt es sich eben nur um einen Kompetenztitel des Bundes; aus einer Kompetenz darf aber nicht auf die Befugnis zur Einschränkung von Grundrechten geschlossen werden.201 Eine pauschale Abstrahierung von Kompetenznormen zur Verringerung des grundrechtlich geschützten Freiheitsraumes ist vom Grundgesetz nicht gedeckt.202 Allenfalls haben die Kompetenznormen der Verfassung insoweit materielle „Begriffskerne“, als bestimmte Grundrechts198 

BVerfGE 18, 112 (120 f.). später auch BVerfGE 63, 343 (370); siehe auch Hailbronner, in: VVDStRL 56 (1997), S. 7 (19), der von der „Aufgabe der effektiven Wahrnehmung der deutschen Interessen“ spricht. 200  Herdegen, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3 (44. EL 2005), Rn. 43; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 72, Fn. 31; Hillgruber, in: HStR³ IX, § 201, Rn. 15. 201  Maunz, in: ders./Dürig (Hrsg.), Art. 74 (32. EL 1996), Rn. 22. 202  So auch das Sondervotum in BVerfGE 69, 1 (58 f.). 199  Ähnlich

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eingriffe für die Ausübung einer Aufgabe zwingend erforderlich sind.203 Dies ist hier aber nicht der Fall: Die Grundrechte setzen der auswärtigen Gewalt Grenzen, verhindern aber nicht ihre Tätigkeit – ebensowenig, wie sie die Tätigkeit innerstaatlicher Behörden verhindern. Natürlich schließt dies nicht aus, dass konkrete verfassungsimmanente Schranken im Einzelfall betroffen sein können. Auch spricht nichts dagegen, die Kompetenztitel als Interpretationshilfe im Rahmen einer Abwägung heranzuziehen.204 Eine pauschale Einschränkung von Grundrechten zugunsten der außenpolitischen Handlungsfähigkeit des Staates würde aber den Stellenwert verkennen, der den Grundrechten in der verfassungsmäßigen Ordnung zukommt. Ebenfalls gegen die extraterritoriale Wirkung von Grundrechten wird angeführt, Staatshandeln im Ausland erfordere eine besondere Flexibilität, die der Grundrechtsgeltung, insbesondere dem grundrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes, zuwiderlaufe.205 Auswärtiges Handeln sei von Unvorhersehbarkeit, raschen Veränderungen und – besonders im Falle von Geheimdiensttätigkeiten – von einem besonderen Bedürfnis an Vertraulichkeit geprägt. Die Einsatzregeln von Streitkräften in Auslandseinsätzen könnten etwa, wenn sie dem militärischen Gegner bekannt würden, die Sicherheit der eigenen Kräfte gefährden.206 Auch diese Feststellung trifft zweifellos zu, doch ist schon auf der tatsächlichen Ebene in Frage zu stellen, warum dies die Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt verhindern sollte. Die Parallele des polizeilichen Handelns – völlig ohne Zweifel dem Regime der Grundrechte unterliegend – drängt sich geradezu auf.207 Auch die Tätigkeit der Polizei ist von der Notwendigkeit flexiblen Handelns und oft genug von taktischen Geheimhaltungsbedürfnissen geprägt. Doch wohl niemand käme auf die Idee, die Unvorhersehbarkeit plötzlicher Gefahren bei Einsätzen würde gegen eine Grundrechtsbindung sprechen – oder gar, der 203  So mit nachvollziehbaren Argumenten Gärditz, in: HStR³ IX, § 189, Rn. 18 ff.; ähnl. Stern, Staatsrecht, III/2, S. 687 f. Zu weitgehend dagegen BVerfGE 65, 1 (50); Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 11 (66. EL 2012), Rn. 162. 204  Vorgeschlagen von J. Becker, DÖV 2002, 397 (399). 205  Ekins/Morgan/Tugendhat, Clearing the Fog of Law. Saving our armed forces from defeat by judicial diktat, London 2015, S. 22 ff.; Häußler, in: Weingärtner (Hrsg.), Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 91 (129); Nettesheim, in: HStR³ XI, § 241, Rn. 73; Schuppert, Verfassungsgerichtliche Kontrolle der Auswärtigen Gewalt, S. 61; N. B. Wagner, Grund- und Menschenrechte in Auslandseinsätzen von Streitkräften. Schutz und Grenzen von Grund- und Menschenrechten bei Auslandseinsätzen von Streitkräften im Frieden und in bewaffneten Konflikten, 2009, S. 91 f. Abschwächend auch Giegerich, EuGRZ 2004, 758 (762). Ähnlich auch die Argumentation des US Supreme Court in US v. Verdugo-Urquidez, 49 U.S. 259, 275 (1990). 206  Spies, in: Weingärtner (Hrsg.), Einsatz der Bundeswehr im Ausland. Rechtsgrundlagen und Rechtspraxis, 2007, S. 115; N. B. Wagner, in: FS v. Block-Schlesier, S. 275 (296). 207  Vgl. auch Gärditz, AJIL 108 (2014), 86 (92 f.).

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Gesetzesvorbehalt vereitle die Aufklärung von Straftaten, weil Beschuldigte in der StPO nachlesen können, welche Möglichkeiten der Polizei zur Aufklärung zur Verfügung stehen.208 Stattdessen ist es gelungen, ein Gebiet, das wohl wie kein anderes von intensivsten Grundrechtseingriffen geprägt ist, durch eine Kombination von konkreten Standardmaßnahmen und Generalklauseln rechtlich einzuhegen.209 Nichts anderes gilt auch für die auswärtige Gewalt. Im Übrigen gilt auch hier: Zwar darf das Recht die Realität nicht aus den Augen verlieren – aber dennoch regelt das Recht, was geschehen soll, und nicht das Geschehen, was Recht sei.210 Praktische Schwierigkeiten allein sind kein Grund zur Schmälerung des Grundrechtsschutzes.211 d)  Status-Abgrenzung in multinationalen Konstellationen Fraglich ist noch, ob sich bei der Ausübung grenzüberschreitender Hoheitsgewalt Unterschiede für die Abgrenzung von Abwehrrecht und status positivus ergeben. Nach Isensee verlangt das Abwehrrecht vom Staat die Schonung des Schutzbereichs von sich aus, die Schutzpflicht hingegen dessen Schutz vor dritten; das Abwehrrecht verlange ein Unterlassen, der status positivus dagegen positive Leistungen.212 Diese Abgrenzung findet dem Grunde nach auch hier Anwendung: Beeinträchtigt der deutsche Staat selbst Rechtsgüter im Ausland, so greift er in ein Abwehrrecht ein; wird von ihm hingegen der Schutz von Rechtsgütern durch ein Handeln im Ausland begehrt, so steht eine Schutzpflicht in Rede. Bei multinationalen Kooperationen ist zunächst, wie bereits dargestellt, zu untersuchen, ob überhaupt deutsche Staatsgewalt und nicht vielmehr ein Anwendungsfall des Art. 24 Abs. 1 GG vorliegt.213 Handelt es sich aber um ein schlichtes 208 

So auch Gusy, VerwArch 107 (2016), 437 (438 f.). Ausschluss übermäßiger Einwirkungen bei gleichzeitiger Sicherung der notwendigen Flexibilität durch polizeiliche Generalklauseln s. Wißmann, Generalklauseln, S. 214 ff. 210 Treffend Poscher, in: VVDStRL 67 (2008), S. 160 (193): „Nicht die Grundrechte müssen sich an ihrer internationalen Kooperationsfähigkeit messen lassen, sondern die internationalen Kooperationen an den Grundrechten.“ So im Ergebnis, wenngleich relativierend, auch Giegerich, EuGRZ 2004, 758 (762). 211  Globke, JZ 2012, 370 (372) unter Verweis auf BVerfGE 103, 142 (156 ff.). Dies lässt sich auch gegen Enders, in: Stern/Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar. Die Grundrechte des Grundgesetzes mit ihren europäischen Bezügen, 2. Aufl. 2016, Art. 1, Rn. 108, ins Feld führen: Aus einer bloßen „anomalen Situation“ normative Schlussfolgerungen für die Geltung verfassungsrechtlicher Bestimmungen abzuleiten, kann nicht überzeugen. Genauso Boldt, Rechtsstaat und Ausnahmezustand. Eine Studie über den Belagerungszustand als Ausnahmezustand des bürgerlichen Rechtsstaates im 19. Jahrhundert, 1967, S. 232. 212  Isensee, in: HStR³ IX, § 191, Rn. 1. 213  Siehe dazu F. I. 5. 209  Zum

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Zusammenwirken mehrerer Staatsgewalten, die gemeinsam ein Rechtsgut beeinträchtigen, so ändert dies nichts am Eingriffscharakter der Beteiligung deutscher Staatsgewalt und damit an der abwehrrechtlichen Dimension. Die Beteiligungen der anderen Staaten hingegen stellen mangels Ausübung deutscher Staatsgewalt keinen Eingriff im Sinne des status negativus dar – wird von der Bundesrepublik ein dahingehendes Einwirken verlangt, auch deren Beteiligung an der Grundrechtsverkürzung einzustellen, so verlangt dies ein positives Handeln der Staatsgewalt. Problematisch sind einzig Konstellationen, in welchen ein Handeln der – verfassungsgebundenen – deutschen Staatsgewalt Voraussetzung für eine Grundrechtsbeeinträchtigung durch einen – nicht verfassungsgebundenen – ausländischen Staat ist. Prototypisch dafür ist die – einfachgesetzlich durch § 8 IRG verbotene – Auslieferung bei drohender Todesstrafe.214 Folgt man den Abgrenzungskriterien Isensees, so ergibt sich, dass hier einerseits ein Unterlassen verlangt wird – was für den status negativus spricht –, andererseits in letzter Konsequenz aber der Schutz vor dritten Staaten begehrt wird – was für den status positivus streitet. Die Verkürzung des Grundrechtsschutzbereichs selbst wird von einem nicht-grundrechtsgebundenen fremden Hoheitsträger vorgenommen.215 Gleichwohl ist das Handeln der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt eine notwendige Voraussetzung dafür. Bei näherer Betrachtung ist zu differenzieren: Der Auszuliefernde begehrt, wenn er sich gegen sie wehrt, keinen Schutz durch den Staat, sondern ein schlichtes Nichtstun des Staates, weshalb die Konstellation zunächst dem status negativus zuzuordnen ist. Eine andere Frage ist aber, ob auch die Auslandsfolge der Auslieferung, im Beispiel der Tod des Ausgelieferten, der deutschen Staatsgewalt zurechenbar ist. Nur in diesem Fall liegt ein Eingriff in das Recht auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 GG vor, andernfalls greift die Auslieferung lediglich in die allgemeine Handlungsfreiheit ein. Der moderne Eingriffsbegriff verlangt nicht, dass eine Grundrechtsverkürzung unmittelbar durch staatliches Handeln herbeigeführt wird, sondern umfasst auch mittelbare Grundrechtseingriffe.216 Die Zurechenbarkeit der Auslandsfol214  Dazu bereits siehe C. II. 1., insb. BVerfGE 18, 112 (120 f.). Die Grundrechtsdimension wird in BVerfGE 91, 335 (339) explizit offengelassen. 215  Gegen ein Abwehrrecht daher Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2014, Art. 2, Rn. 183; Vogler, NJW 1994, 1433 (1434 f.). Sehr formalistisch ders., Auslieferungsrecht und Grundgesetz, 1970, S. 202: Da mangels Grundrechtsbindung des ausländischen Staates keine Verletzung vorliegen könne, könne die Bundesrepublik dazu auch keine „Beihilfe“ leisten. Unklar ist, woher er das offenbar vorausgesetzte Akzessorietätserfordernis nimmt. 216  Hillgruber, in: HStR³ IX, § 200, Rn. 89. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet mittelbar-faktische Beeinträchtigungen z.T. nicht als Eingriff, legt ihnen aber eingriffs-

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ge ist somit nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil ein weiterer autonomer Akteur – der ausländische Staat – hinzutritt.217 Maßgebliches Kriterium für die Einstufung als Abwehrrecht ist, dass vom deutschen Staat das Unterlassen einer Handlung begehrt wird, aus der, wenngleich mittelbar, objektiv vorhersehbar eine Verkürzung des Schutzbereiches folgt.218 Bis zum Moment der erfolgten Auslieferung unterliegt der Sachverhalt der vollumfänglichen Kontrolle deutscher Staatsgewalt, die den grundrechtsverkürzenden Effekt durch Auslieferung bzw. Nicht-Auslieferung steuern kann.219 2.  Schutzbereich und Eingriff a)  Personeller Schutzbereich: Beschränkung auf Deutsche? Das Grundgesetz knüpft die Ausübung der in ihm gewährleisteten Grundrechte überwiegend nicht an den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit an. Lediglich einzelne Grundrechte – die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG, die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG, die Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG, die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, das Verbot der Ausbürgerung und der Auslieferung aus Art. 16 GG und die staatsbürgerlichen Garantien aus Art. 33 GG220 – sind nach der Konzeption des Grundgesetzes nur auf Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG anwendbar.221 Diese Ausnahmen werden freigleiche Rechtfertigungsvoraussetzungen auf: BVerfGE 105, 252 (273): „funktionale[s] Äquivalent[s] eines Eingriffs“; vgl. ebenso BVerfGE 105, 279 (300 f.); deutlicher hingegen BVerfG, Beschl. v. 12. 05. 2010, Az. 1 BvR 2636/04 – NVwZ-RR 2010, 625 (626). Ausdrücklich zu mittelbaren Eingriffen in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG Lang, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Art. 2 (Stand: 01. 06. 2017), Rn. 65. 217  So aber Heintzen, DVBl. 1988, 621 (622); Ziegenhahn, Der Schutz der Menschenrechte bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Strafsachen, 2002, S. 352 f. 218  Ebenfalls für die Kategorisierung als Eingriff Albert, Das Grundrecht auf Leben als Schranke für aufenthaltsbeendende Maßnahmen, 1990, S. 16; Kreppel, Verfassungsrechtliche Grenzen der Auslieferung und Ausweisung unter besonderer Berücksichtigung der Auslieferung bei drohender Todesstrafe, 1965, S. 196 f.; Lagodny, NJW 1988, 2146 (2148). 219  H.-J. Cremer, Der Schutz vor den Auslandsfolgen aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Zugleich ein Beitrag zur Bestimmung der Reichweite grundrechtlicher Verantwortung für die Folgewirkungen deutscher Hoheitsakte, 1994, S. 273. Für die Maßgeblichkeit der Steuerungsmöglichkeit des Geschehensablaufs als Kriterium ebenfalls Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 57, Rn. 39. 220 Außerdem nach herrschender Auffassung das Wahlrecht, vgl. BVerfGE 83, 60 (71 f.); der status activus bleibt in der hier erfolgenden Betrachtung aber außen vor, siehe B. II. 221  Der verfassungsrechtliche Begriff des Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG unterscheidet sich vom völkerrechtlichen Begriff des deutschen Staatsangehörigen durch

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lich dadurch relativiert, dass die benannten „Deutschengrundrechte“ aufgrund europarechtlicher Maßgaben auch auf Unionsbürger Anwendung finden222 und sich auch Nicht-Unionsbürger auf das Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit berufen können.223 Eine Gemeinsamkeit vieler Theorien ist die extraterritoriale Beschränkung auch der „Jedermannsgrundrechte“ auf Deutsche: So sollen diese nur im Inland für „Jedermann“ gelten, im Ausland aber nur Deutschen zur Verfügung stehen.224 Eine solche Differenzierung könnte jedoch europarechtswidrig sein. Art. 18 AEUV verbietet im Anwendungsbereich des Unionsrechts Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit. Im Schutzbereich der Grundfreiheiten stellen diese besondere vorrangige Diskriminierungsverbote dar. Sowohl Art. 18 AEUV als auch die Grundfreiheiten setzen aber die Eröffnung des räumlichen Anwendungsbereichs des Unionsrechts voraus. Für diesen ist ein hinreichend enger räumlicher Bezug zum Unionsgebiet nötig.225 In den relevanten Fällen, mit denen sich der Europäische Gerichtshof auseinanderzusetzen hatte, ging es jedoch stets um Arbeitsverhältnisse (vgl. Art. 45 AEUV), im Rahmen derer dieser Bezug nach dem Entstehensort bestimmt wurde. Einen Entstehungsort von Grundrechten gibt es nicht. In abstrakterer Weise bestimmt der Gerichtshof den räumlichen Bezug nach dem das zugrundeliegende Rechtsverhältnis regelnden Recht.226 Danach ist der räumliche Anwendungsbereich jedenfalls dann eröffnet, wenn ein Rechtsverhältden Einschluss der sog. Statusdeutschen, sofern man nicht auch diese als besondere Staatsangehörige ansieht, vgl. dazu Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Art. 116, Rn. 14 ff. 222  Es kann dahinstehen, ob dies durch eine Gleichstellung innerhalb des jeweiligen Grundrechts – so statt vieler R. Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 170, Rn. 43 – oder über eine dem jeweiligen Grundrecht kongruente Anwendung des Art. 2 Abs. 1 GG – so statt vieler Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Art. 12, Rn. 58 – erfolgt. 223  BVerfGE 78, 179 (196 f.). 224  So die Rechtsauffassung des BND (siehe unter C. I.); vgl. außerdem z. B. Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 139, 148 f.; Isensee, in: HStR² V, § 115, Rn. 86. Ob Deutsche i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG oder Staatsangehörige i.S.d. Völkerrechts gemeint sind, dürfte davon abhängen, ob man die Beschränkung auf Deutsche mit einer fehlenden völkerrechtlichen Zuständigkeit begründet (dann Staatsangehörige) oder sie als verfassungsrechtliches Argument konstruiert (dann Art. 116 Abs. 1 GG). 225  EuGH, Urt. v. 12. 07. 1984, Rs 237/83 (Prodest), Ziff. 6; EuGH, Urt. v. 29. 06. 1994, Rs C-60/93 (Aldewereld), Ziff. 14; EuGH, Urt. v. 30. 04. 1996, Rs C-214/94 (Boukhalfa), Ziff. 15; Rust, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 18 AEUV, Rn. 36 f.; Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 18 AEUV, Rn. 30. 226  EuGH, Urt. v. 27. 09. 1989, Rs C-9/88 (Lopes da Veiga), Ziff. 17; U. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. I: EUV/AEUV, Art. 45 AEUV (42. EL 2010), Rn. 14.

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nis, im Rahmen dessen Grundrechte geltend gemacht werden, durch die Rechtsordnung eines Unionsmitglieds geprägt wird. Im Gebiet der Union selbst ist die räumliche Anwendbarkeit des Art. 18 AEUV ohnehin gegeben. Sachlich ist das Diskriminierungsverbot beim Vollzug bzw. der Durchführung des Unionsrechts, einem mittelbaren Zusammenhang zu den Grundfreiheiten oder bei Gebrauch der Freizügigkeit anwendbar.227 Es dient außerdem der akzessorischen Freiheitssicherung beim Gebrauch unionsrechtlicher Positionen.228 So ist es insbesondere dann anwendbar, wenn ein Unionsbürger von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat und sich infolgedessen in einem anderen Unionsstaat aufhält.229 Der Gerichtshof legt dabei ein weites Verständnis des sachlichen Anwendungsbereichs zugrunde und verneint diesen nur, wenn ein Sachverhalt „keinerlei Bezug“ zum Unionsrecht aufweist.230 Das Bundesverfassungsgericht scheint dieser Linie zu widersprechen. So weigert es sich, den Schutz des Auslieferungsverbots aus Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG auch auf Unionsbürger auszudehnen, weil der Auslieferungsverkehr keine Materie des Unionsrechts sei.231 Es verkennt dabei jedoch die Bedeutung des Diskriminierungsverbots zur akzessorischen Freiheitssicherung nach Gebrauch der Freizügigkeit. Auf die inhaltliche Zuständigkeit hinsichtlich der Rechtsmaterie kommt es, legt man die dargestellte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Grunde, überhaupt nicht an.232 Dies hat der EuGH inzwischen auch für die Konstellation des Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG explizit anerkannt.233 Aus demselben Grund ist auch der Grundrechtsschutz im Rahmen nachrichtendienstlicher Tätigkeiten nicht schon aufgrund der einzelstaatlichen Zuständig227  Epiney, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV. Kommentar, 5. Aufl. 2016, Art. 18 AEUV, Rn. 16 ff. 228  v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Art. 18 AEUV (42. EL 2010), Rn. 43 ff. 229  EuGH, Urt. v. 12. 05. 1998, Rs C-85/96 (Martinez Sala), Ziff. 62 ff.; EuGH, Urt. v. 06. 10. 2009, Rs C-123/08 (Wolzenburg), Ziff. 46. 230  EuGH, Urt. v. 02. 10. 2003, Rs C-148/02 (Garcia Avello), Ziff. 26; vgl. auch EuGH, Urt. v. 03. 10. 1990, Rs C-61/89 (Bouchoucha), Ziff. 11. 231  BVerfG, Beschl. v. 17. 02. 2014, Az. 2 BvQ 4/14 – NJW 2014, 1945 (1946). Ebenso BVerfGK 14, 113 (117 f.), wo gar ein acte claire angenommen wird und daher die Vorlage an den EuGH unterbleibt. S. ebenso OLG Frankfurt/Main, NStZ-RR 2014, 288 (290). 232  So explizit auch EuGH, Urt. v. 02. 10. 2003, Rs C-148/02 (Garcia Avello), Ziff. 25. Gegen das BVerfG daher zu Recht Esser/Rübenstahl/Boerger, NZWiSt 2014, 401 (404 f.) mit weiteren Konstellationen (406); Reinhardt/Düsterhaus, NVwZ 2006, 432 (433 f.); Rung, EWS 2014, 277 (278 f.); Stancke, CCZ 2014, 217 (220 ff.); Tinkl, ZIS 2010, 320 (322 ff.). 233 EuGH, Urt. v. 06.  09. 2016, Rs C-182/15 (Petruhhin), Ziff. 29 ff. zu einer entsprechenden Norm der lettischen Verfassung und nunmehr EuGH, Urt. v. 10. 04. 2018, Rs C-191/16 (Pisciotti), Ziff. 35. Freilich könne eine solche Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden.

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keit für Nachrichtendienste nicht dem Anwendungsbereich des Art. 18 AEUV entzogen. Doch auch eine schematische Anwendung der dargestellten europäischen Rechtsprechung auf extraterritoriales Staatshandeln birgt Schwierigkeiten. Dem vorherigen Gebrauch der Freizügigkeit hier eine entscheidende Rolle zuzusprechen, wäre absurd: So wäre etwa ein Franzose, der sich in Belgien aufhält, dort gegen Maßnahmen deutscher Staatsgewalt geschützt, nicht aber in Frankreich. Maßgeblich muss stattdessen eine Rückbesinnung auf den Sinn der beschränkten sachlichen Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots – und ebenso der Grundfreiheiten – sein: Ihr Zweck ist es, rein innerstaatliche Sachverhalte der Wertung des Europarechts zu entziehen. Dies aber ist bei extraterritorialem Staatshandeln niemals der Fall; es ist per definitionem nicht innerstaatlich. Schon die Extraterritorialität des beanstandeten oder geforderten Handelns eröffnet daher den Anwendungsbereich des Art. 18 AEUV. Ohnehin aber ist dieser stets eröffnet, wenn ein Kompetenztitel oder eine Bestimmung des Unionsrechts einschlägig ist.234 Dabei legt der EuGH erneut nur ein Mindestmaß an Relevanz für den konkreten Sachverhalt an 235, sodass im Falle nachrichtendienstlicher Auslandstätigkeiten schon die Tatsache, dass auch die nachrichtendienstliche Tätigkeit im gewissem Maße von Unionsrecht betroffen ist236, den Anwendungsbereich des Art. 18 AEUV stets eröffnen wird.237 Eine Verengung des personellen Schutzbereichs von Grundrechten im Ausland auf Deutsche stellt eine unmittelbare tatbestandliche Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit dar. Eine solche ist stets eine Diskriminierung im Sinne des Unionsrechts238, die freilich ausnahmsweise gerechtfertigt sein könnte. Ob unmittelbare Diskriminierungen einer Rechtfertigung überhaupt zugänglich sind, ist strittig, wird inzwischen aber überwiegend bejaht.239 Voraussetzung dafür sind aber zwingende Gründe des Gemeinwohls240, d. h. insbesondere eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit.241 Als zwingenden Grund erkennt der Europäische Gerichtshof zwar ein gewisses Maß an Integration und Bindung an einen 234 

v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Art. 18 AEUV, Rn. 34. Rust, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Art. 18 AEUV, Rn. 48. 236  BVerfGE 133, 277 (314). 237 A.A. Gärditz, DVBl. 2017, 525 (527). 238  Kingreen, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 13, Rn. 20. 239  v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Art. 18 AEUV, Rn. 23; zu früheren Ansichten s. noch Kingreen in Ehlers (Hrsg.), § 13, Rn. 25. 240  v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Art. 18 AEUV, Rn. 23. 241 EuGH, Urt. v. 20.  03. 1997, Rs C-323/95 (Hayes), Ziff. 23 f.; EuGH, Urt. v. 02. 10. 1997, Rs C-122/96 (Saldanha), Ziff. 31; vgl. allerdings EuGH, Urt. v. 12. 05. 1998, Rs C-85/96 (Martínes Sala), Ziff. 64. 235 

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Staat an.242 Eine exklusive Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ist dabei aber nicht zulässig, da diese Bindung auch durch den längeren Aufenthalt oder auf sonstige Weise entstehen kann. Ein pauschaler Ausschluss Nicht-Deutscher von den extraterritorialen Wirkungen der Grundrechte ist daher mit Art. 18 AEUV nicht zu vereinbaren und somit unionsrechtswidrig. Aber auch systematisch wäre eine Beschränkung auf Deutsche nicht überzeugend. Das Grundgesetz teilt – meist explizit243 – mit, wann es an die Staatsangehörigkeit anknüpft. Jedermannsrechte sind daran erkennbar, dass „eine Freiheit ohne personelle Eingrenzung gewährt wird.“244 Sofern keine solche Eingrenzung vorzufinden ist, kommt jedem die volle Grundrechtsberechtigung zu.245 Vor diese Grundrechtsberechtigung die Notwendigkeit eines besonderen Grundrechtsstatus zu stellen 246, ist eine Ebenenverwechselung: Das Grundgesetz hat mit der pauschalen Anknüpfung an das Mensch-Sein im Rahmen der Jedermannsrechte bereits die Entscheidung getroffen, welchen Status ein Grundrechtsträger innehaben muss. Wer dagegen die Notwendigkeit eines besonderen „Treueverhältnisses“ postuliert, erhebt Verfassungspolitik in den Rang positiven Verfassungsrechts. Selbst wenn man dieser Ebenenverwechselung aber folgt, so ist Grundrechtsschutz für der extraterritorialen Hoheitsgewalt gegenüberstehende Ausländer aber erst recht nötig: Grundrechtsbeschränkungen gegenüber Ausländern werden in der Regel damit gerechtfertigt, dass diese auf den deutschen Staat nicht „unentrinnbar“ angewiesen seien, ihn vielmehr verlassen könnten und in der Regel nur auf Zeit anwesend seien.247 Diese Beschreibung trifft schon die Migrationsrealität im Inland nicht mehr248, kann aber für extraterritoriale Grundrechtseingriffe gegenüber Ausländern erst recht keine Geltung beanspruchen: Wer im Ausland deutscher Staatsgewalt ausgesetzt ist, der hat sich nicht freiwillig dieser untergeordnet und kann ihr auch nicht entkommen – sie kommt 242  EuGH, Urt. v. 15. 03. 2003, Rs C-209/03 (Bidar), Ziff. 57; EuGH, Urt. v. 01. 10. 2009, Rs C-103/08 (Gottwald), Ziff. 35 f. 243  Implizit geschieht dies einzig im Rahmen des status activus, vgl. Art. 38 Abs. 1 GG. 244  P. Huber, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. II, 2006, § 49, Rn. 30. Vgl. auch Heintzen, in: HGR II, § 50, Rn. 25; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1027, 1031. 245  Enders, in: Stern/Becker (Hrsg.), Art. 1, Rn. 96. So implizit auch Wegener, in: VVDStRL 75 (2016), S. 293 (320 f.). Strittig ist lediglich, inwiefern einfachgesetzlich Differenzierungen möglich sind, vgl. dazu Doehring, in: VVDStRL 32 (1974), S. 7 (41 f.); Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (76). 246  So etwa Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 104, 114 f. 247  Doehring, in: VVDStRL 32 (1974), S. 7 (37); Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (58 f.). 248  Sokolov, NVwZ 2016, 649 (651); Walter, in: VVDStRL 72 (2013) S. 7 (40 f.).

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ja sogar ungefragt zu ihm. So muss für die im Ausland deutscher Staatsgewalt Ausgelieferten erst recht die klassisch-liberale Funktion der Grundrechte – die Abwehr von fremdbestimmtem Zwang249 – in den Mittelpunkt rücken.250 Das Bild eines egoistischen Staates, der im Ausland völlig schrankenlos ist, solange er sich nicht seinen eigenen Staatsangehörigen gegenübersieht, ist jedenfalls nicht das des Grundgesetzes. Der Fremde ist im demokratischen Rechtsstaat kein Feind.251 b)  Exkurs: Ausländische juristische Personen und Staatsorgane Nachdem die Grundrechtsfähigkeit ausländischer natürlicher Personen bejaht wurde, stellt sich die Frage nach der Verallgemeinerbarkeit dieser Aussagen auf ausländische juristische Personen. Das Grundgesetz findet hier in Art. 19 Abs. 3 GG, wonach die Grundrechte – die Anwendbarkeit ihrem Wesen nach vorausgesetzt – auch inländische juristische Personen berechtigt, eine scheinbar deutliche Antwort. In der Tat wird Art. 19 Abs. 3 GG einhellig dahingehend ausgelegt, dass er ausländische juristische Personen vom Grundrechtsschutz grundsätzlich ausschließt.252 Die Zuordnung einer juristischen Person zum In- oder Ausland wird überwiegend danach bestimmt, ob sich ihre „tatsächliche Hauptverwaltung“253 – auf den satzungsmäßigen Sitz soll es nicht ankommen 254 – innerhalb des deutschen Staatsgebietes befindet.255 Zu Recht kaum noch vertreten wird demgegenüber die einstige Anerkennungstheorie, wonach eine juristische Person inländisch ist, wenn sie im Inland anerkannt bzw. zugelassen ist.256 Diese 249 

Hayek, Die Verfassung der Freiheit, 4. Aufl. 2005, S. 14. waren Grundrechte in Deutschland oftmals ein „Ersatz“ für fehlende demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten, vgl. E. Forsthoff, Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Ein Abriß, 4. Aufl. 1961, S. 117 f.; Kühne, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. I, 2004, § 3, Rn. 28; Leibholz, Demokratie und Rechtsstaat, 1957, S. 11; Würtenberger, in: HGR I, § 2, Rn. 44. 251  Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2. Aufl. 1929, S. 18. 252  BVerfGE 21, 207 (209); BVerfGE 23, 229 (236); BVerfGE 100, 313 (364). Offengelassen hingegen noch in BVerfGE 12, 6 (8). Aus der Lit. statt vieler Dreier, in: ders. (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3, Rn. 79; Isensee, in: HStR³ IX, § 199, Rn. 67; Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 (55. EL 2009), Rn. 88. Anders noch Ritter, NJW 1964, 279 (281); heutzutage noch Zuck, EuGRZ 2008, 680 (684). Krit. auch Steinbrück, Grundrechtsschutz ausländischer juristischer Personen, 1981, S. 72 ff. („systemfremd“). 253  Remmert, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 3 (55. EL 2009), Rn. 78. 254  Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 Grundgesetz, S. 45; Guckelberger, AöR 129 (2004), 618 (627). 255  Str. war dies noch vor der Wiedervereinigung, vgl. dazu historisch Dreier, in: ders. (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3, Rn. 82. 256 So F. Klein, in: v. Mangoldt/Klein (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1957, Art. 19, Anm. VI 2., S. 566. Dazu ausführlich Gschwendtner, Der Begriff der juristischen Person im Verfassungsrecht und die Stellung des Art. 19 Abs. III im Wertsystem der Grundrechte, 1986, S. 229 f. 250  Historisch

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Auffassung überlässt die Grundrechtsberechtigung der Determination durch den doch grundrechtsgebundenen Gesetzgeber. Auch die Anknüpfung an den Gründungsort hat hier keine entscheidende Bedeutung erlangt.257 Schließlich kommt es auch nicht auf die Staatsangehörigkeit der Mitglieder bzw. der kontrollierenden Personen der juristischen Person an258, denn Art. 19 Abs. 3 GG stellt gerade auf die verselbständigte juristische Person ab, während die Mitglieder unabhängig davon grundrechtsberechtigt sind.259 Freilich unterliegt der Grundsatz der Nicht-Grundrechtsberechtigung ausländischer juristischer Personen in zweifacher Hinsicht Ausnahmen: Einerseits wird angesichts des aus Art. 18 AEUV und – innerhalb ihres Schutzbereiches vorrangig – aus den europarechtlichen Grundfreiheiten folgenden Diskriminierungsverbots auch juristischen Personen mit Sitz in einem EU-Mitgliedsstaat die Grundrechtsberechtigung zugesprochen. Dissens herrscht lediglich über die Frage, ob dieses Ergebnis über eine extensive Auslegung des Wortes „inländisch[e]“260 oder, so die heute wohl deutlich überwiegende Meinung, schlicht über den Anwendungsvorrang des Europarechts zu erreichen ist.261 Zum anderen billigt das Bundesverfassungsgericht unter Zustimmung weiter Teile des Schrifttums262 zur Sicherung eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens auch ausländischen juristischen Personen die Verfahrensgrundrechte aus Art. 101 und Art. 103 Abs. 1 GG zu.263 Diese Grundsätze werden von den hier dargestellten Befunden nicht berührt. Art. 19 Abs. 3 GG stellt gegenüber der territorial und grundsätzlich auch personell indifferenten Grundrechtsbindung eine ausdrückliche Ausnahme dar. Die Norm betrifft nicht die Frage nach der räumlichen, sondern nur nach der personellen Anwendbarkeit. Sie ist der Fragestellung dieser Arbeit letztlich vorgelagert: Erst wenn überhaupt eine i.S.v. Art. 19 Abs. 3 GG oder den genannten Ausnahmen umfasste juristische Person vorliegt, stellt sich gegenüber dieser in einem weiteren Schritt die Frage, ob ein Grundrecht auch räumlich auf sie Anwendung findet. Diese zweite Frage ist nach den hier beschriebenen allgemeinen Regeln zu lösen. Fraglich ist demgegenüber, ob innerhalb der genannten Ausnahmen zu Art. 19 Abs. 3 GG, d. h. der Anwendbarkeit der Justizgrundrechte und der Anwendbar257 Dazu

Stern, Staatsrecht, III/1, S. 71 f. So aber Bleckmann/Helm, DVBl. 1992, 9 (12 f.). 259  So auch Dreier, in: ders. (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3, Rn. 80. 260 So Kotzur, DÖV 2001, 192 (196 ff.). 261  BVerfGE 129, 78 (97); Guckelberger, AöR 129 (2004), 618 (633). 262  Dreier, in: ders. (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3, Rn. 40; Guckelberger, AöR 129 (2004), 618 (628 f.); Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3 (55. EL 2009), Rn. 112: „nach fast unumstrittener Rechtsprechung“. 263  BVerfGE 12, 6 (8 f.); BVerfGE 18, 441 (447); BVerfGE 64, 1 (11). Strittig ist dies bzgl. Art. 19 Abs. 4 und Art. 17, vgl. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Art. 19 Abs. 3, Rn. 40 m.w.N. sowie Isensee, in: HStR³ IX, § 199, Rn. 70. 258 

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keit auf das EU-Gebiet, auch ausländische Staaten, Staatsorgane und Staatsunternehmen grundrechtsberechtigt sind.264 Das Bundesverfassungsgericht nahm 1983 an, auch eine Außenhandelsgesellschaft des iranischen Staates könne sich auf Art. 101, 103 GG berufen.265 Teile der Literatur lehnen dies hingegen – auch hinsichtlich solcher Organisationen, die reine Fiskaltätigkeiten für einen ausländischen Staat ausführen, ab.266 Richtigerweise ist zu differenzieren: Im Hinblick auf die Verfahrensgrundrechte aus Art. 101, 103 GG betont das Bundesverfassungsgericht deren Natur als Substrate eines rechtsstaatlichen Verfahrens; sie müssten daher von allen Personen in Anspruch genommen werden können, die „richterlicher Hoheitsgewalt unterworfen“ sind.267 Daher können sich auf diese Rechte nicht nur in- wie ausländische Personen berufen, sondern auch der Staat und seine Untergliederungen wie z. B. juristische Personen des öffentlichen Rechts.268 Sie stehen schlicht „jedem zu, der von dem Verfahren eines Gerichts der Bundesrepublik unmittelbar betroffen wird.“269 Soweit die hoheitliche Tätigkeit ausländischer Staaten (sog. acta iure imperii) betroffen ist, kommt dies schon deshalb nicht in Frage, weil derartige Akte der deutschen Gerichtsbarkeit durch den Grundsatz der Staatenimmunität entzogen sind 270 und daher ausländische Staaten regelmäßig überhaupt nicht „richterlicher Hoheitsgewalt unterworfen“271 bzw. „von dem Verfahren eines Gerichts der Bundesrepublik unmittelbar betroffen“272 sein können.

264 Jenseits

dieser Ausnahmen kommt ihnen eine solche jedenfalls aufgrund von Art. 19 Abs. 3 GG nicht zu. 265  BVerfGE 64, 1 (11 f.). Auch auf europäischer Ebene wird – meist ohne explizite Thematisierung der Grundrechtsberechtigung – so verfahren, vgl. EuG, Urt. v. 29. 01. 2013, Rs T-496/10 (Bank Mellat), Ziff. 40 f.; EuGH, Urt. v. 18. 02. 2016, Rs C-176/13 P (Bank Mellat), Rn. 43 f.; EuG, Urt. v. 17. 02. 2017, Rs T-87/14 (IRISL), Rn. 204. 266  Isensee, in: HStR³ IX, § 199, Rn. 77 ff. mit weitreichenden Folgen für Kulturinstitute und religiöse Organisationen. 267  BVerfGE 6, 45 (50). 268  BVerfGE 21, 362 (373). 269  BVerfGE 12, 6 (8); genauso BVerfGE 64, 1 (11); BVerfGE 18, 441 (447); BVerfGE 21, 362 (373). 270  BVerfGE 16, 27 (61); BVerfGE 46, 342 (364); vgl. IGH, Urt. v. 03. 02. 2012 (Germany v. Italy), ICJ Rep. 2012, 99 (125). Vgl. auch Art. 5 der UN Convention on Jurisdictional Immunities of States (noch nicht in Kraft, von Deutschland nicht ratifiziert). Str. bzgl. selbständiger Untergliederungen eines Staates, dazu Feldmüller, Die Rechtsstellung fremder Staaten, S. 45 ff., der zu Recht auch deren Immunität bejaht, da der Staat von außen als Einheit zu betrachten ist. Zur Abgrenzung von hoheitlichem und nicht-hoheitlichem Handeln in diesem Kontext Feldmüller, Die Rechtsstellung fremder Staaten, S. 40 ff.; zu Relativierungen W. Cremer, AVR 41 (2003), 137 ff. 271  BVerfGE 6, 45 (50). 272  BVerfGE 12, 6 (8).

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Anders aber die nicht-hoheitliche Tätigkeit (sog. acta iure gestionis): Diese ist der deutschen Gerichtsbarkeit nicht entzogen, weshalb sich ausländische Staaten und ihre Teilgliederungen, Organe und Staatsunternehmen durchaus in der beschriebenen Situation der Betroffenheit vor einem deutschen Gericht befinden können.273 Nimmt man die betonte Universalität dieser Rechte, auf die sich in der Unterworfenheit vor einem Gericht jeder berufen können muss, der in einem gerichtlichen Verfahren Partei sein kann, so muss man außerhalb hoheitlicher Tätigkeit den Schutz der Art. 101, 103 GG auch ausländischen Staaten zugestehen. Gleiches gilt auch im Rahmen hoheitlicher Tätigkeit, wenn sich ein ausländischer Staat freiwillig seiner Immunität begibt, indem er selbst ein Verfahren anstrengt.274 In diesem Fall kann er sich innerhalb des Verfahrens nicht auf seine Staatenimmunität berufen275 und ist daher der richterlich ausgeübten Hoheitsgewalt unterworfen; somit finden auch die Verfahrensgrundrechte Anwendung. Neben diesen Grundrechten kommt – im Rahmen der zweiten Ausnahme von Art. 19 Abs. 3 GG – eine allgemeine Grundrechtsberechtigung für staatliche Einrichtungen anderer EU-Mitgliedsstaaten in Betracht. Teilweise scheint eine solche pauschal abgelehnt zu werden.276 Das Bundesverfassungsgericht nahm jedoch in seinem Urteil zum Atomausstieg an, auch ein (EU-)ausländisches Staatsunternehmen könne seine Grundrechtsberechtigung geltend machen. Es führte hierzu aus, das Unternehmen sei andernfalls gegenüber durch Gesetz erfolgenden Maßnahmen rechtsschutzlos gestellt.277 Diese Behauptung ist bei näherer Betrachtung eine petitio principii: Rechtliche Bedenken erwachsen gegen einen Ausschluss des Rechtsschutzes prinzipiell dann, wenn das betreffende Unternehmen grundrechtsberechtigt ist (Art. 19 Abs. 4 GG). Ob dies der Fall ist, ist aber gerade die Frage, die zu beantworten ist. Da diese Anwendungserweiterung des Art. 19 Abs. 3 GG auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV gestützt ist, muss die Lösung vielmehr davon abhängen, ob diese Normen des Unionsrechts auch Unionsstaaten und staatliche Einrichtungen berechtigen.278

273 Dazu

Kau, in: Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, S. 141 (167 f.). Art. 1 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität (EuÜStI), BGBl. II 1990, S. 35 ff., die Möglichkeit eines solchen Vorgehens explizit voraussetzt, erübrigt sich zumindest unter dessen Vertragsparteien die Frage nach der völkerrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Klage durch fremde Staaten. Dazu ausführlich Feldmüller, Die Rechtsstellung fremder Staaten, S. 61 ff. m.w.N. 275  So ausdrücklich Art. 1 EuÜStI. 276  Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 405 f. 277  BVerfG, Urt. v. 06. 12. 2016, Az. 1 BvR 1456/12 – NJW 2017, 217 (219 f.). 278  Auf diese Frage geht richtigerweise auch das BVerfG anschließend ein: BVerfG, NJW 2017, 217 (220). 274  Da

II.  Inhaltliche Modifikation der Grundrechtswirkung

221

Art. 54 AEUV ordnet an, dass sich auch juristische Personen auf die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV berufen können, soweit sie einen Erwerbszweck verfolgen. Aufgrund der Verweisung des Art. 62 AEUV gilt dies auch für die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV, drückt aber überdies einen allgemeinen Rechtsgedanken aus, der auch für die Waren- und Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 63 AEUV Anwendung findet.279 Demnach sind Mitgliedsstaaten ebenso wie diejenigen ihrer Teilkörperschaften, die hoheitliche Zwecke verfolgen, jedenfalls aufgrund des fehlenden Erwerbszwecks i.S.v. Art. 54 Abs. 2 AEUV von den Grundfreiheiten ausgeschlossen.280 Gebietskörperschaften können sich überdies auch deshalb nicht auf die Niederlassungsfreiheit berufen, weil sie keine Möglichkeit haben, ihre „Niederlassung“ zu verändern.281 Demgegenüber sind sowohl Staatsbetriebe als auch ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie Erwerbszwecke verfolgen, von den Grundfreiheiten umfasst.282 Für öffentlich-rechtliche juristische Personen ordnet Art. 54 Abs. 2 AEUV dies ausdrücklich an, für privatrechtliche juristische Personen in Staatseigentum muss dies a maiore ad minus ebenso gelten.283 In Bezug auf Art. 18 AEUV wird zum Teil vertreten, dass sich juristische Personen unter den gleichen Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 2 AEUV auf das Diskriminierungsverbot berufen können sollen.284 Dagegen freilich spricht, dass Art. 18 AEUV Kernbestandteil des Unionsbürgerstatus ist und so gerade auf die Dualität zwischen staatsfernem Individuum und Staat zugeschnitten ist.285 Auch die grundsätzliche Möglichkeit der Berufung auf die Grundfreiheiten führt aber noch nicht dazu, dass ausländischen europäischen Staatsunternehmen und Hoheitsträgern Grundrechtsschutz zu gewähren ist. Eine Ungleichbehandlung gegenüber Inländern liegt nicht vor, da auch inländischen Staatsunternehmen keine Grundrechtsberechtigung zukommt. Die Diskriminierung knüpft folglich nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an die Beherrschung durch einen Träger 279  Mit Ausnahme der Zugehörigkeit zu einem Mitgliedsstaat, die von Art. 63 AEUV nicht gefordert wird, Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Art. 63 AEUV (52. EL 2014), Rn. 120. 280  U. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Art. 54 AEUV (46. EL 2011), Rn. 7. 281  Tiedje, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Art. 54 AEUV, Rn. 21. 282  U. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim(Hrsg.), Art. 54 (46. EL 2011), Rn. 7; Tiedje, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Art. 54 AEUV, Rn. 21. 283 Ebenso EuGH, Urt. v. 02. 07. 2005, Rs C-174/04 (Kommission/Italien), Ziff. 32; Roth, ZBB 2009, 257 (262); Weller, ZIP 2008, 857 (863). 284  Kingreen, in: Ehlers (Hrsg.), § 13, Rn. 4; Rossi, EuR 2000, 197 (200); Streinz, Art. 18, Rn. 36; a.A. U. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 54 AEUV (46. EL 2011), Rn. 21. 285  Epiney, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 18 AEUV, Rn. 40.

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F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

hoheitlicher Gewalt an.286 Eine sonstige, nicht-diskriminierende Beschränkung der Grundfreiheiten 287 ist ebenfalls nicht zu erkennen.288 Sollte ein konkreter Hoheitsakt gegen ein staatliches Unternehmen die Grundfreiheiten verletzen, bedürfte es zur Behebung dieses Unionsrechtsverstoßes keiner Grundrechtsberechtigung: Handelt es sich um Verwaltungshandeln, so ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet und ermöglicht dem Unternehmen unabhängig von der Grundrechtsberechtigung die Berufung auf eine Grundfreiheit als subjektives Recht. Nichts anderes gilt aber, wenn die Verletzung einer Grundfreiheit unmittelbar durch Gesetz erfolgt: Eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO kann auch darauf gerichtet sein, ein Gesetz sei wegen eines Verstoßes gegen Unionsrecht unanwendbar, soweit diese Unanwendbarkeit Auswirkungen auf ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten hat.289 Ferner ist das Staatsunternehmen in diesen Fällen auch deshalb nicht rechtsschutzlos, weil der dahinterstehende Mitgliedsstaat der Europäischen Union nach Art. 259 Abs. 1 AEUV ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik anstrengen kann. Eine Grundrechtsberechtigung ist daher zur Sicherstellung unionsrechtlicher Garantien nicht geboten.290 Somit können sich EU-Mitgliedsstaaten, ihnen zugehörige juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren Staatsbetriebe291 nicht auf die europarechtlich induzierte Ausnahme zu Art. 19 Abs. 3 GG stützen.

286 A.A. Feldmüller, Die Rechtsstellung fremder Staaten, S. 202, der eine solche „‚formale‘ Betrachtungsweise“ ablehnt. 287  Dazu grundlegend zur Warenverkehrsfreiheit EuGH, Urt. v. 11. 07. 1974, Rs 8 – 74 (Dassonville), Ziff. 5, zur Niederlassungsfreiheit EuGH, Urt. v. 30. 11. 1995, Rs C-55/94 (Gebhard), Ziff. 37; zur Dienstleistungsfreiheit EuGH, Urt. v. 25. 07. 1991, Rs C-76/90 (Säger/Dennemeyer), Ziff. 12. 288  A.A. BVerfG, NJW 2017, 217 (220), jedoch maßgeblich motiviert durch die besonderen Umstände des EInzelfalls, in dem jenseits der Verfassungsbeschwerde kein Rechtsweg bestanden habe. 289  VG Hamburg, Urt. v. 05. 11. 2010, Az. 4 K 5873/04 – juris, Rn. 47 ff.; i.E. auch BVerwG, Urt. v. 23. 08. 2007, Az. 7 C 2/07 – NVwZ-RR 2007, 1428 (1429). Der oft gehörte Satz, gegen formelle Gesetze gebe es unterhalb des BVerfG keinen Rechtsweg, ist daher nicht vollständig zutreffend – verwehrt ist der Fachgerichtsbarkeit hier lediglich die prinzipale Normkontrolle anhand der Verfassung, zutreffender daher Bethge, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Kommentar, § 90 BVerfGG (42. EL 2013), Rn. 404. 290  Schwander, ZJS 2017, 212 (214). 291 Bei der Frage, wann von einem ausländischen Staatsbetrieb gesprochen werden kann, spricht nichts dagegen, die Kriterien heranzuziehen, die das BVerfG auch für die Beurteilung der Grundrechtsverpflichtung inländischer Staatsbetriebe verwendet: Maßgeblich ist die beherrschende Kontrolle durch die öffentliche Hand, BVerfGE 128, 226 (246 f.). Zur Übertragung grundrechtsverpflichtender Maßstäbe auf dieses Themenfeld Ferreau, Die Grundrechtsberechtigung ausländischer Staatsunternehmen, http://www. juwiss.de/98 – 2016/[25. 09. 2017].

II.  Inhaltliche Modifikation der Grundrechtswirkung

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Für Organe ausländischer Staaten, z. B. ausländische Staatsoberhäupter, gilt Art. 19 Abs. 3 GG nicht, da nur die durch sie vertretenen Staaten, nicht aber zwingend sie selbst juristische Personen sind. Ihre Organstellung ist aber lediglich ein Zurechnungsinstrument.292 Folglich ist zu differenzieren: Als Organ kann ihnen keine Grundrechtsberechtigung zukommen, denkbar ist eine solche nur für sie selbst als natürliche Person oder für die juristische Person, deren Organ sie sind. Für die Grundrechtsberechtigung der juristischen Personen, als deren Organ sie handeln, gelten die soeben beschriebenen Grundsätze zu Art. 19 Abs. 3 GG. Als natürliche Personen sind Organwalter hingegen umfassend grundrechtsberechtigt. Ein ausländisches Staatsoberhaupt als solches kann sich also niemals auf Grundrechte berufen293, der Staat, dessen Oberhaupt es ist, hingegen auf die beschriebenen Verfahrensgrundrechte, der „zum Präsidenten gewählte Mensch“ schließlich ist Grundrechtsträger294. Somit ist zu ermitteln, ob ein potentieller Grundrechtseingriff nur „durch“ das Organ die ausländische juristische Person oder aber die als ihr Organwalter tätige natürliche Person trifft. Hier können diejenigen Prinzipien herangezogen werden, die auch im Inland zur Handhabung von Grundrechtsberechtigten, die zugleich Amts- oder Organwalter von Grundrechtsverpflichteten sind – etwa Beamten –, verwendet werden: Die unmittelbare Amtsausübung ist schon nicht vom Schutzbereich eines Grundrechts umfasst295, weshalb etwa politischer Druck auf einen Amtsträger im Rahmen bilateraler Verhandlungen keineswegs einen Grundrechtseingriff darstellt. Hier erfolgt in vollem Umfang eine Zurechnung zum organschaftlich vertretenen Staat, zu dessen Gunsten wiederum Art. 19 Abs. 3 GG mitsamt seinen Ausnahmen gilt. Das ändert freilich nichts daran, dass jenseits der unmittelbaren Amtsausübung auch ausländische Funktionsträger als natürliche Personen von grundrechtsgebundenem staatlichen Handeln betroffen sein können. Ein be292  Kelsen, Reine Rechtslehre. Studienausgabe der 1. Auflage 2008, S. 133 („Funktion“); v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. II, 1840, S. 283 („künstliche Anstalt“). Komplexer bei der Theorie der realen Verbandspersönlichkeit, die aber ebenfalls zwischen der natürlichen Person und ihrer Tätigkeit „im Bereiche seiner körperschaftlichen Funktion“ bzw. „Individualsphäre“ differenziert: v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. I, 1895, S. 518, 531. 293  So ausdrücklich BVerfG, Beschl. v. 08. 03. 2017, Az. 2 BvR 483/17 – juris, Rn. 3. Genauso F. Kirchhof, F.A.Z. v. 09. 03. 2017, S. 4; Schwander, ZJS 2017, 212 (213). Die Grundrechtsberechtigung verneint i.E. auch das OVG Münster, Beschl. v. 29. 07. 2016, Az. 15 B 876/16, Rn. 14 – juris. Ähnl. bzgl. des Freizügigkeitsrechts aus Art. 21 AEUV EuGH, Urt. v. 16. 10. 2012, Rs C-364/10 (Ungarn/Slowakei), Ziff. 43 ff. 294  Goldmann, Le gouvernement de soi et des autres: Zu Auftrittsverboten für türkische Regierungsmitglieder, http://verfassungsblog.de/le-gouvernement-de-soi-et-desautres-zu-auftrittsverboten-fuer-tuerkische-regierungsmitglieder/[25. 09. 2017]. 295  Loschelder, in: HStR³ IX, § 202, Rn. 48; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1386; vgl. auch Peine, in: HGR III, § 65, Rn. 45.

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sonderes Gewaltverhältnis gibt es auch jenseits der Staatsgrenzen nicht. So ist die natürliche Person „hinter dem Amt“ grundrechtlich geschützt296, muss aber aufgrund der „Eingliederung in den staatlichen Aufgabenbereich“297 einfachere Einschränkungen ihrer Grundrechte hinnehmen. c)  Sachlicher Schutzbereich: Reduktion auf international anerkannte Menschenrechte? Um dem Vorwurf eines oktroyierten Grundrechtsschutzes im Ausland zu begegnen, wurde vorgeschlagen, Grundrechte in extraterritorialen Sachverhalten auf deren menschenrechtliche, international anerkannte Pendants zu reduzieren.298 Sichtbar ist dieser Gedanke auch im Urteil des VG Köln zu Piraten vor Somalia299, wo aufgrund der Internationalität des Falles die Anforderungen aus Art. 104 Abs. 3 GG auf jene des Art. 5 Abs. 3 EMRK reduziert wurden. Ebenso lässt sich die Auslieferungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Weise deuten, verlangt dieses doch lediglich einen menschenrechtlichen Mindeststandard im Zielland.300 Daraus eine allgemeine Absenkung auf den menschenrechtlichen Mindeststandard abzuleiten, wie es das VG Köln tut, zeugt jedoch von einem grundlegenden Irrtum über das Verhältnis von innerstaatlichen und supranationalen Grundrechtsregimes.301 Die EMRK stellt – ebenso wie andere Menschenrechtspakte – einen internationalen Mindeststandard dar.302 Wie Art. 53 EMRK unmissverständlich darstellt, kann die Berufung auf die Konvention niemals zur Absenkung, sondern immer nur zur Erhöhung des Grundrechtsstandards dienen.303 Eine Absenkung des Grundrechtsstandards nach dem Grundgesetz ist durch 296 BVerfGE 39, 334 (366 f.); BVerfGE 108, 282 (296); BVerfGE 138, 296 (328). Grundlegend zur Absage an das „besondere Gewaltverhältnis“ mit grundrechtssuspendierender Wirkung BVerfGE 33, 1 (10 f.). 297  BVerfGE 138, 296 (328). 298  Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 1 BNDG, Rn. 54; Hofmann in Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 38 (1998), Aussprache, S. 125; ders., in: VVDStRL 67 (2008), Aussprache, S. 206; vgl. F. Becker, in: HStR³ XI, § 240, Rn. 66 f. Ähnlich v. Bogdandy, JZ 2001, 157 (162 f.) für den unionsrechtlichen Grundrechtsstandard. 299  VG Köln, Urt. v. 11. 11. 2011, Az. 25 K 4280/09 – JZ 2012, 366 ff. 300  Zuletzt BVerfG, Urt. v. 02. 02. 2016, Az. 2 BvR 2486/15, Rn. 20 – juris, wo von „unabdingbaren Grundsätzen“ die Rede ist. 301  So auch Epping, in: ders./Hillgruber (Hrsg.), Art. 87a (Stand: 01. 06. 2017), Rn. 37; Walter/v. Ungern-Sternberg, DÖV 2012, 861 (867). 302  Ausführlich dazu siehe E. I. 303  Komplexer ist dies im Rahmen mehrpoliger Grundrechtsverhältnisse, die freilich dort nicht vorlagen.

II.  Inhaltliche Modifikation der Grundrechtswirkung

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die Konvention nicht gefordert, sondern könnte nur auf der Grundlage einer Selbst-Rücknahme des Grundgesetzes geschehen, die, wie dargelegt, in pauschaler Weise eben nicht existiert. Insbesondere bedingt die offene Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland keine Reduktion des Grundrechtsniveaus.304 d)  Eingriff: Beschränkung auf klassisch-imperative Grundrechtsverkürzungen? Vorstellbar wäre es, bei extraterritorialem Staatshandeln nur „klassischen“ Eingriffen – d. h. solchen, die final, unmittelbar, imperativ und durch Rechtsakt erfolgen305 – Eingriffsqualität zuzuerkennen, sonstige, insbesondere rein faktische Grundrechtsverkürzungen306 hingegen auszublenden. Die Grundrechtsbindung des Staates korreliert mit seiner Macht.307 Den Rechtfertigungsvoraussetzungen des Grundrechtseingriffs unterworfen sind daher ohne Weiteres solche Grundrechtsverkürzungen, im Rahmen derer er von seiner Macht, per Anordnung und Zwang308 vorzugehen, Gebrauch macht. Greift er hingegen, wie etwa im Rahmen fiskalischer Geschäfte, auf Instrumente zurück, die auch Privaten offenstünden, könne – so etwa Gärditz – seine Bindung nicht unmittelbar mit der Notwendigkeit der Einhegung von Macht begründet werden. Dass auch hier Grundrechte zur Anwendung kommen, sei stattdessen darauf zurückzuführen, dass der Staat die Werkzeuge von Befehl und Zwang zwar beiseite legt, aber alternativ auch auf diese zurückgreifen könnte, sie also stets als „Damoklesschwert“ über den Betroffenen hängen.309

304 

So auch Poscher, in: VVDStRL 67 (2008), S. 160 (193). BVerfGE 105, 279 (300); BVerfGE 130, 76 (113); Peine, in: HGR III, § 57, Rn. 20. 306  BVerfGE 105, 279 (303) bezeichnet nur klassische (im vorgenannten Sinne) Schutzbereichsverkürzungen als Eingriffe, sonstige Verkürzungen bezeichnet es hingegen als „Beeinträchtigungen“. Sie werden aber mit Ausnahme des Gesetzesvorbehalts im Ergebnis denselben Anforderungen unterworfen, weshalb es dahinstehen kann, ob sie als als „Eingriff“ oder als bloße sonstige „Beeinträchtigung“ angemessen bezeichnet sind. So auch Herdegen in Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3 (44. EL 2005), Rn. 39: „in der Sache ohne Belang.“ Bei Entscheidungen zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht und verwandten Grundrechten hingegen wird die Imperativität nicht zur Voraussetzung eines – auch so benannten – Eingriffs gemacht: vgl. exemplarisch BVerfGE 113, 348 (365); BVerfGE 115, 320 (343); BVerfGE 120, 378 (397 f.); BVerfGE 125, 260 (310). Hierzu ausführlich Schwabenbauer, Heimliche Grundrechtseingriffe. Ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen sicherheitsbehördlicher Ausforschung, 2015, S. 130 f. 307  Siehe dazu F. I. 1. d). 308  Der Begriff der „Hoheitlichkeit“ wird hier aufgrund seiner Bedeutungsunschärfe vermieden, umfasst jedenfalls nach einem engeren Verständnis – dazu BVerfGE 130, 76 (113) – dasselbe. 309  Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (476). 305 

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Im Ausland sind hingegen faktische Grundrechtsverkürzungen denkbar, denen keine solche Reserve der Imperativität zur Seite steht: Gerade der Tätigkeit von Auslandsnachrichtendiensten ist es eigen, dass ihre Tätigkeit im Ausland nicht mit den Mitteln von Befehl und Zwang erfolgt; derartige Mittel können im Ausland aufgrund des entgegenstehenden Willens des ausländischen Staates regelmäßig nicht zum Einsatz kommen. Stattdessen ist die nachrichtendienstliche Tätigkeit auf nicht-imperative Informationsgewinnung, etwa die Fernmeldeaufklärung,310 angewiesen. Betrachtet man das „Damoklesschwert“ des klassischen Eingriffs als Grund und Grenze der Eingriffsqualität auch nicht-klassischer Grundrechtsverkürzungen, so ist es vorstellbar, für extraterritorialer Ausübung von Hoheitsgewalt, bei der dieses Schwert nicht über den Betroffenen schwebt, nur imperativen Grundrechtsverkürzungen Eingriffscharakter zuzuerkennen.311 Fraglich ist dabei aber, ob Grund für die Grundrechtsbindung jenseits imperativer Maßnahmen tatsächlich die Möglichkeit ist, stattdessen auf imperative Maßnahmen zurückzugreifen. Grundrechtsgebunden ist nach Art. 1 Abs. 3 GG die Staatsgewalt, d. h. die Totalität der Handlungen staatlicher Organe.312 Schon im Inland ist die Eingriffsqualität aller – imperativer wie faktischer – schutzbereichsverkürzenden Maßnahmen Folge des umfassenden Rechtfertigungszwanges des Staates. Entscheidend ist die Verkürzung des Schutzbereichs des Adressaten, die eben nicht nur durch Anordnung und Zwang, sondern ebenso einschneidend auch auf sonstigem Wege erfolgen kann. Dass nicht-imperative Grundrechtsverkürzungen dem Staat grundsätzlich (d. h. vorbehaltlich einer Eingriffsrechtfertigung) verboten, dem Privaten hingegen grundsätzlich (d. h. vorbehaltlich eines gesetzlichen Verbotes) erlaubt sind, beruht nicht darauf, dass der Staat anders als letztere auch auf imperative Mittel zurückgreifen könnte. Die Unterscheidung zwischen freiem Individuum und gebundenem Staat liegt dem Grundgesetz vielmehr unabhängig von der gewählten Handlungsform zugrunde: „Während der Bürger prinzipiell frei ist, ist der Staat prinzipiell gebunden.“313 Da die Grundrechtsbindung des nicht-imperativ eingreifenden Staates also nicht auf der Möglichkeit beruht, stattdessen auf imperative Instrumente zurückzugreifen, besteht auch im Ausland – obwohl ihm dort diese Möglichkeit fehlen mag – kein Grund, von dieser Bindung abzuweichen.

310 

Dazu ausführlich G. II. 1. Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (476). In diese Richtung auch – freilich nicht pauschal, sondern nur „insbesondere“ – BVerfGE 105, 252 (273). 312  Enders, JZ 2011, 577 (578). 313  BVerfGE 128, 226 (244); vgl. auch Burmeister, in: VVDStRL 52 (1993), S. 190 (217 f.); Dreier in ders. (Hrsg.), Art. 1 Abs. 3, Rn. 67; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1412 f. Grundlegend zu diesem „Verteilungsprinzip“ Schmitt, Verfassungslehre, S. 158. Kritisch zur Verwendung bei Schmitt V. Neumann, Carl Schmitt als Jurist, 2015, S. 133, Fn. 248. 311 

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3.  Rechtfertigung: Modifikationen an den Schranken-Schranken? Schließlich sind auch im Rahmen der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen Modifikationen bei der extraterritorialen Wirkung denkbar. Dabei sind die einzelnen Schranken-Schranken, die das Grundgesetz einer solchen Rechtfertigung auferlegt, darauf zu untersuchen, ob und wie sie Unterschiede an den Ort des Eingriffs oder den Aufenthalt des Grundrechtsträgers knüpfen. a)  Übermaßverbot und außenpolitische Einschätzungsprärogative Um dem Übermaßverbot zu genügen, bedarf ein Grundrechtseingriff zunächst eines legitimen Zwecks. Kronke und Poscher weisen hier darauf hin, dass aufgrund der Eigenart des Auslandskontakts besondere Zwecke in Betracht kommen können, so etwa die Funktionsfähigkeit außenpolitischer Beziehungen.314 Dies ist grundsätzlich zutreffend, wenngleich insbesondere verfassungsimmanente Schranken nicht voreilig anzunehmen sind.315 Es gibt keinen pauschalen Eingriffszweck „Auslandsbezug“. Die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und seine Rücksicht auf andere Staaten blockieren, wie dargelegt316, die extraterritoriale Wirkung der Grundrechte nicht von vornherein; sie können aber, wie jeder von der Verfassung gebilligte Zweck, zu deren Einschränkung dienen. Auch der Hinweis, die Exekutive besitze bei extraterritorialer Tätigkeit einen größeren Einschätzungsspielraum317, ist zum Teil zutreffend. Das Bundesverfassungsgericht nimmt eine solche Prärogative an, weil „die Gestaltung auswärtiger Verhältnisse und Geschehensabläufe nicht allein vom Willen der Bundesrepublik Deutschland bestimmt werden kann“318. Was der Einschätzungsspielraum bzw. das politische Ermessen319 der auswärtigen Gewalt als rechtliches Prinzip besagt, verbleibt in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung oftmals im Formelhaften. In der Hess-Entscheidung schloss das Bundesverfassungsgericht daraus eine Beschränkung der fachgerichtlichen Prüfung auf Ermessensfehler320 im verwaltungsrechtlichen Sinn (vgl. 314  Kronke, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 38 (1998), S. 33 (38); Poscher, in: VVDStRL 67 (2008), S. 160 (192). 315  In diese Richtung, wenngleich zurückhaltender, auch Berentelg, Die Act of StateDoktrin als Zukunftsmodell für Deutschland?, S. 202. 316  Siehe C. III. 3. 317  So zuletzt etwa deutlich BVerfG, Urt. v. 13. 10. 2016, Az. 2 BvE 3/16 – NJW 2016, 3583 (3585 f.) sowie BVerfG, Urt. v. 13. 10. 2016, Az. 2 BvE 2/15, Ziff. 131, 170 – juris; Berentelg, Die Act of State-Doktrin als Zukunftsmodell für Deutschland?, S. 232 ff.; J. Menzel, Internationales Öffentliches Recht, S. 594. 318  BVerfGE 55, 349 (365). 319  BVerfGE 40, 141 (178). 320  BVerfGE 55, 349 (365).

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§ 40 VwVfG, § 114 S. 1 VwGO), was aber nicht voreilig auf den gesamten Rechtsschutz gegen extraterritoriales Staatshandeln erweitert werden sollte: Gegenstand des Verfahrens war die Reichweite des diplomatischen Schutzanspruchs, der – so das Gericht – eben ein Ermessensanspruch ist. Ohnehin aber ergibt sich daraus für die verfassungsgerichtliche Prüfungsdichte noch keine Besonderheit: Auch Grundrechte sind Teil der Ermessenskontrolle.321 Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Abbau der Besatzungsordnung eignen sich ferner nur mit Vorsicht zu einer Verallgemeinerung: Wenn das Bundesverfassungsgericht etwa von „politischen Realitäten“ spricht, die es anzuerkennen gilt322, so steckt darin nicht eine Kapitulation des normativen Anspruchs der Verfassung, ebendiesen Realitäten Grenzen aufzuzeigen, sondern eine Anspielung auf das damals noch bestehende Besatzungsstatut.323 Als Rechtsfigur lässt sich die außenpolitische Einschätzungsprärogative in zwei Bereiche unterteilen: Zu allererst und vor allem bewirkt sie eine Reduktion der Kontrolldichte auf Tatsachenebene. Das Bundesverfassungsgericht erkennt zu Recht an, dass die Feststellung von Tatsachen sowie die Prognose zukünftiger Entwicklungen eine Aufgabe ist, die im auswärtigen Bereich besonderen Sachverstand erfordert, wie sie vor allem die Exekutive besitzt.324 Anerkannt ist daher eine Reduktion der Kontrolldichte auf Tatsachenfragen, einschließlich Prognoseund Einschätzungsfragen. Zum anderen beeinflusst die außenpolitische Einschätzungsprärogative, insofern im Widerspruch zu ihrer Betitelung325, die Ebene rechtlicher Bewertungen, indem sie den Korridor zulässiger Abwägungsentscheidungen erweitert.326 Dieser Rechtsgedanke, der seine Anwendung primär in der Beurteilung zwischenstaatlicher Verträge und weniger allgemein in der Ausübung auswärtiger Gewalt findet, beinhaltet zunächst eine Selbstverständlichkeit: Verlangt werden kann nur das, was gegenüber dem Vertragspartner auch erreichbar ist.327 Eine „political question doctrine“328 hingegen, die den Gesetzgeber in derartigen Konstellatio321 

BVerwGE 91, 24 (Ls. 2); BVerwGE 91, 135 (140). BVerfGE 4, 157 (168). 323  A.a.O. (167 f.). 324  BVerfGE 55, 349 (368), beispielhaft auch BVerfG, Beschl. v. 13. 10. 2016, Az. 2 BvE 2/15, Rn. 170 f. – juris. 325 Das BVerfG spricht daher auch von „politischem Ermessen“ (BVerfGE 4, 157 [169]; ähnl. BVerfGE 55, 349 [365]). 326 BVerfGE 40, 141 (178 f.). Zutreffend, aber undeutlich daher OLG Köln, Urt. v. 28. 07. 2005, Az. 7 U 8/04 – NJW 2005, 2860 (2864 f.): „Innerhalb dieser äußersten Grenze [der Willkür, d. Verf.] haben Gerichte nicht nachzuprüfen, ob die Einschätzungen oder Wertungen der Bundesregierung zutreffend oder unzutreffend sind“. 327  Zum Vorbehalt des Möglichen sogleich unter F. II. 3. b). 328  Grundlegend der US Supreme Court in Baker v. Carr, 369 U.S. 186, 211 (1962). 322 

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nen von der Bindung freistellt, gibt es im deutschen Verfassungsrecht weder für das In-, noch das Ausland.329 Die Lockerungen der gerichtlichen Kontrolldichte auf Tatsachen- wie auf Abwägungsebene sind keine Besonderheit der extraterritorialen Grundrechtsbindung: Flexible Sachlagen mit schnellen, schwer vorhersehbaren Veränderungen rechtfertigen es, die gerichtliche Kontrolldichte zurückzunehmen.330 Für derartige Konstellationen ist die auswärtige Gewalt im weiteren Sinne prototypisch, bei weitem aber nicht das einzige Beispiel.331 Dass grenzüberschreitende Sachverhalte etwa nicht nur der Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland unterliegen, bewirkt, dass bei der rechtlichen Gestaltung dieser Sachverhalte immense Machbarkeitsschwierigkeiten zu berücksichtigen sind. Derartige Schwierigkeiten treten aber auch im Inland auf, wenn sich der Staat mit Einflüssen konfrontiert sieht, die sich einer einfachen Einflussnahme durch gesetzgeberisch gesetzte Rechtsfolgen entziehen. Freilich ist die Anwendung der außenpolitischen Einschätzungsprärogative auf rechtlicher Ebene auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen die Gründe, die für ihre Notwendigkeit angeführt werden, auch zutreffen. So ist, statt dies aufgrund der Extraterritorialität einer staatlichen Handlung zu unterstellen, stets für den konkreten Sachverhalt zu untersuchen, ob die Möglichkeit der Bundesrepublik, eine andere als die getroffene Entscheidung zu wählen, durch konkurrierende Hoheitsmächte begrenzt war. b)  Untermaßverbot Nichts anderes gilt prinzipiell im Rahmen des status positivus für das Untermaßverbot. Dass Schutzpflichten und Leistungsrechte unter „Vorbehalt des Möglichen“ gelten, wie das Bundesverfassungsgericht unter Rückgriff auf den außenpolitische Handlungsspielraum betont332, ist nichts auslandsspezifisches333, sondern gilt in gleicher Weise auch im Inland334. Der Staat kann also gar nicht über die Grenze seiner echten Überforderung335 hinaus verpflichtet sein. 329  BVerfGE 104, 151 (207). Ablehnend dazu auch H. Schwarz, Verfassungsgerichtliche Kontrolle der Außen- und Sicherheitspolitik, S. 300 ff. 330  Neubert, AöR 140 (2015), 267 (286 f.); Schuppert, Verfassungsrechtliche Kontrolle der Auswärtigen Gewalt, S. 61, 175. Grds. auch Payandeh, DVBl. 2016, 1073 (1077 f.). 331  So i.E. auch Mrozek, Grenzschutz als supranationale Aufgabe. Der Schutz der europäischen Außengrenzen unter der Beteiligung der Bundespolizei, 2013, S. 119. Spezifisch zu militärischen Belangen auch Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt, S. 202. 332  BVerfGE 4, 157 (169); BVerfGE 55, 349 (364). 333  Payandeh, DVBl. 2016, 1073 (1077). 334  Isensee, in: HStR³ IX, § 191, Rn. 274. Genauso BVerfGE 15, 288 (295); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 319; Neubert, AöR 140 (2015), 267 (292 f.). 335  Freilich ist nicht jede stärkere Belastung schon eine Überforderung, nicht jede Tangierung des Alltagslebens eine Überschreitung der Belastbarkeit.

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F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

Doch auf die dem Gesetzgeber bei der Erfüllung von Schutzpflichten stets zukommenden Spielräume zu verweisen, greift zu kurz, weil so die Frage umgangen wird, zu wessen Lasten der Verweis auf staatliche Überforderung wirkt. Der bloße Verweis auf den „Vorbehalt des Möglichen“ kann nicht erklären, warum etwa der Anspruch auf ein soziokulturelles Existenzminimum – der im Inland für Deutsche wie für Ausländer anerkannt ist336 – nicht weltweit gilt. Bei konsequenter Anwendung des zuvor dargestellten Grundsatzes, dass im Ausland belegenen Rechtsgütern nicht pauschal eine geringere Wertigkeit zukommt, könnte staatliche Überforderung nicht zu einer einseitigen Leistungsversagung im Ausland führen. Thym weist darauf hin, dass die eben betonte prinzipielle Gleichwertigkeit in- und ausländischer Rechtsgüter hier offenbar nicht aufrechterhalten werden könne: Jedenfalls die Maßstäbe würden anders gedacht. Man schulde vielleicht weltweite Maßnahmen gegen Hunger, könne man doch nicht jedem Menschen auf der Welt ein jederzeit einklagbares subjektives Recht auf das soziokulturelle Existenzminimum garantieren.337 Die finanziellen Belastungen, die dadurch entstehen, mit dem potentiellen Nutzen abzuwägen, wie Cremer vorschlägt338, würde spätestens an der antiutilitaristischen Natur des Art. 1 Abs. 1 GG scheitern.339 So mahnt auch Depenheuer, völlige universelle Solidarität habe am Ende nichts mehr, was sie verteilen könne: „Ausgrenzung als Bedingung praktischer Solidarität hört sich zugegebenermaßen wenig menschenfreundlich an, klingt gar brutal […]: entziehen aber kann sich dieser Logik universaler Ethik niemand, da kein Mensch alle Brüder lieben kann.“340

Allein mit dem den Schutzpflichten stets innewohnenden Gestaltungsspielraum lässt sich also nicht begründen, warum dieser Spielraum im Inland kleiner als im Ausland sein soll. Dem Aufenthaltsort des potentiellen Grundrechtsträgers scheint also jedenfalls im Rahmen der Abwägung eine Rolle zuzukommen, die nicht schon durch die bekannten Abwägungsinstrumente abgedeckt ist. Die Lösung zu diesem Problem liegt in den obigen Ausführungen zu Grundrechtsdimensionen begründet.341 Prägend für die Intensität, mit welcher das Un336 

BVerfGE 125, 175 (222); BVerfGE 132, 134 (164). Thym, Stellungnahme, S. 18. Ähnl. auch F. Becker, in: HStR³ XI, § 240, Rn. 110; Isensee, in: VVDStRL 32 (1974), S. 49 (63); v. Ungern-Sternberg, in: VVDStRL 76 (2017), Aussprache, S. 325 f. 338  Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 324. 339  So auch Thym, Stellungnahme, S. 18 ff. 340  Depenheuer, in: Isensee (Hrsg.), Solidarität in Knappheit. Zum Problem der Priorität, 1998, S. 41 (51). Vgl. auch ders., in: Isensee (Hrsg.), Menschenrechte als Weltmission, 2009, S. 81 ff., der seine Kritik als „Beipackzettel“ eines Medikaments formuliert. 341  Siehe F. II. 1. a). 337 

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termaßverbot staatlichem Handeln Mindestgrenzen setzt, ist die Intensität bestehender staatlicher Tätigkeit, mithin das Ausmaß an bereits bestehender Kontrolle, an einem Ort.342 Das durch das Untermaßverbot vorgegebene Niveau ist proportional zum Niveau dieser Kontrolle. Ist das Maß bestehender Beherrschung durch hoheitliche Gewalt mit dem Inland vergleichbar, so muss der Staat dieses Niveau verfügbarer Kontrolle auch zur Durchsetzung der Grundrechte nutzen; das von den Schutzpflichten vorgegebene Untermaß wird sich dann von jenem im Inland nicht unterscheiden. Erheblich geringer hingegen ist dieses Untermaß, sofern der Staat nur minimalen Einfluss hat, so etwa gegenüber fremden Staaten im diplomatischen Verkehr. Auch dort aber ist er nicht völlig frei. Seine Pflicht zur grundrechtlichen Nutzung von Spielräumen besteht dem Grunde nach auch dann; grundrechtswidrige Zustände darf er durch seine Politik zumindest nicht fördern. Die Mehrheit der Fälle extraterritorialer grundrechtlicher Schutzpflichten wird sich zwischen diesen beiden Polen – volle staatliche Kontrolle, nur minimaler Einfluss – bewegen. Dieser Ansatz ähnelt dem vorgeschlagenen Modell der Beschwerdeführer im Banković-Verfahren: „the positive obligation under Article 1 extends to securing the Convention rights in a manner proportionate to the level of control exercised in any given extra-territorial situation“343

und unterscheidet sich von der Dogmatik des EGMR einerseits insoweit, als der EGMR effektive Kontrolle auch für die Wirkung von Abwehrrechten vorsieht, diese aber, wie zuvor dargestellt344, stets auch extraterritorial gelten.345 Andererseits unterscheidet er sich auch im zugrundeliegenden Verständnis von Kontrolle. Der Gerichtshof stellt entscheidend auf territoriale oder personale Hoheitsgewalt ab.346 Ist aber staatliche Macht stets zweckgebunden, so muss sich diese Zweckbindung auch realisieren, wenn der Staat seine Macht außerhalb klassischer Jurisdiktionsverständnisse ausübt. Entscheidend ist das tatsächliche Ausmaß an Kontrolle, das der Staat über einen Ort ausübt – nicht hingegen das bloß potentielle Ausmaß an Kontrolle, das der Staat ausüben könnte, wenn er sich zum Tätigwerden entschlösse. 342  Dies ist zu unterscheiden vom Vorschlag Thyms, pauschal und nicht nur im Rahmen von Schutzpflichten auf die bestehende territoriale oder personelle Kontrolle abzustellen, s. Thym, DÖV 2010, 621 (629 f.). 343  EGMR, Urt. v. 12. 12. 2001, Nr. 52207/99 (Banković et al./Belgien et al.), Ziff. 75. 344  Siehe F. II. 3. a). 345  Vgl. aber für einen Ansatz, der die Kriterien des EGMR für die Geltung von positive obligations, nicht aber von Abwehrrechten fruchtbar machen will, Milanovic, Harv. Intl.L.J. 56 (2015), 81 (118 f.). Zustimmend Georgieva, UJIEL 31 (2015), 104 (114). In diese Richtung auch Schmalenbach, in: VVDStRL 76 (2017), Aussprache, S. 341. 346  Siehe D. I. 2. und 4.

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F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

Aus dem Gesagten folgt auch, welcher Ort derjenige sein muss, auf den es zur Betrachtung der staatlichen Kontrolle ankommt. Der Handlungsort staatlicher Gewalt ist als ihr Internum zunächst irrelevant.347 Entscheidend ist vielmehr der Ort, an dem eine staatliche Intervention gefordert wird, d. h. regelmäßig der Ort, an dem eine Grundrechtsbeeinträchtigung stattfindet.348 Dies bedeutet aber nicht, dass zur Betrachtung der Intensität staatlicher Kontrolle und damit zur Beurteilung der Intensität grundrechtlicher Bindung nur solche staatliche Tätigkeit von Relevanz ist, die auch an diesem Ort, „vor Ort“, stattfindet. Entscheidend ist das Ausmaß an Kontrolle, mit dem der deutsche Staat den extraterritorialen Sachverhalt beherrscht. Ein solcher Einfluss deutscher Staatsgewalt liegt aber nicht nur vor, wenn diese extraterritorial ausgeübt wird, sondern auch dann, wenn Grundrechtsbeeinträchtigungen im Ausland Folge inländischer Tätigkeiten sind. Für extraterritoriale Folgen inländischer Staatstätigkeit ist dies kein Aspekt des Untermaßverbots, da bei diesen – wie bereits gezeigt – nicht der status positivus, sondern der status negativus einschlägig ist.349 Ein Fall des status positivus liegt aber vor, soweit Tätigkeiten inländischer Privater extraterritoriale Grundrechtsbeeinträchtigungen zeitigen. In diesem Fall kann der deutsche Staat durch inländisches Handeln Kontrolle über den extraterritorial belegenen Ort ausüben. Kontrolle kann ferner auch in der Macht bestehen, durch deutsches Staatshandeln eine Grundrechtsverkürzung im Ausland, etwa durch einen anderen Staat, zu induzieren. Die öffentliche Gewalt kann sich nicht durch drittstaatliche oder private Unterstützung ihrer Grundrechtsbindung entledigen. Ebensowenig wie eine „Flucht ins Privatrecht“350 ist eine „Flucht ins Ausland“ möglich. Somit lassen sich drei Formen von extraterritorialer Kontrolle ausmachen, die für die Bestimmung der korrespondierenden Intensität von Schutzpflichten maßgeblich sind: erstens tatsächliche extraterritoriale Exekutivtätigkeit, durch welche der Staat unmittelbar schutzpflichtenerfüllend handeln kann, zweitens inländische – gesetzgeberische und gesetzesvollziehende – Kontrolle über extraterritorial handelnde Private, schließlich drittens die „Anstiftung“ nicht grundrechtsgebundener Privater oder anderer Staaten durch den deutschen Staat, um so

347  So vorsichtig auch Milanovic, Foreign Surveillance and Human Rights, Part 4: Do Human Rights Treaties Apply to Extraterritorial Interferences with Privacy?, http://www. ejiltalk.org/foreign-surveillance-and-human-rights-part-4-do-human-rights-treatiesapply-to-extraterritorial-interferences-with-privacy/[25. 09. 2017]. 348  Dieser Ort ist stets ein physischer, der Verweis auf Wirkungen im „Cyberspace“ allein schafft keinen grenzüberschreitenden Bezug. Zu Grundrechten im „Cyberspace“ Spies-Otto, NZWehrR 2016, 133 ff. 349  Siehe F. II. 1. d). 350  BVerfGE 128, 226 (245): „Flucht aus der Grundrechtsbindung in das Privatrecht“.

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Grundrechtsverkürzungen vornehmen zu lassen, die durch die deutsche Staatsgewalt nicht vorgenommen werden dürften. Diese Lösung ist nicht bloße Verfassungstheorie oder Verfassungspolitik. Vielmehr liegt das Spannungsfeld zwischen Universalismus und der beschriebenen Korrelatsfunktion der Grundrechte dem Grundgesetz auch positivrechtlich zugrunde.351 Positive Ansprüche folgen aus der Verantwortung, die dem Staat durch die Verfügbarkeit seiner Gewalt zukommt, und damit aus der Zweckbindung aller Staatsgewalt, wie sie Art. 1 Abs. 1 des Herrenchiemsee-Entwurfes352 eindrucksvoll beschrieben hat. Dieser Zweckbindung darf sich der Staat nicht durch eine „Flucht ins Extraterritoriale“, durch einen Verlust der territorialen Radizierung353, entziehen. Vielmehr muss aus dieser Flucht auch die Ausweitung der Bindung folgen.354 Diese Ausweitung muss so weit reichen, dass die spezifischen Möglichkeiten, die der öffentlichen Gewalt in einer Situation zukommen, zweckgebunden genutzt werden. Eine explizite verfassungsimmanente Schranke extraterritorialer Schutzpflichten ist dabei Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG zu entnehmen: Die Realisierung der Grundrechte ist nicht mit Mitteln der außenpolitischen Aggression zu erreichen. Ein grundrechtlicher Anspruch auf Kriegseinsätze zur Durchsetzung einer individuellen Rechtsposition scheidet offensichtlich aus. Diese Lösung ist schließlich auch nach Maßgabe völkerrechtlicher Wertungen vorzugswürdig. Wenn Schutzpflichten mit ohnehin bestehenden staatlichen Handlungen jenseits des Gebietes einhergehen, so führen sie nicht zu einer über das bereits bestehende Maß hinausgehenden Ausweitung der jurisdiction to prescribe. Vielmehr besteht eine solche bereits und wird nun lediglich auf die Wahrung der Grundrechte verpflichtet. c)  Vorbehalt des Gesetzes und Wesentlichkeitstheorie Der Vorbehalt des Gesetzes ist ein Kernbestandteil der Grundrechte.355 Er ist in zweierlei Hinsicht von besonderer Bedeutung: Aufgrund der Legitimation des Gesetzgebers durch Wahlen führt er Grundrechtseingriffe auf den demokratischen Willen der Herrschaftsunterworfenen zurück, in rechtsstaatlicher Hinsicht verhindert er außerdem durch die abstrakt-generelle Festlegung von Eingriffsvor-

351  Vgl. auch Bielefeldt, Gefahrenabwehr im demokratischen Rechtsstaat. Zur Debatte um ein „Feindrecht“, 2008, S. 11. 352  „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen.“ 353  Di Fabio, Recht offener Staaten, S. 97. 354  Vgl. auch Kanalan, AVR 52 (2014), 495 (506). 355  Würtenberger, in: HGR I, § 2, Rn. 78 f.

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aussetzungen ein Übermaß an Beeinträchtigungen.356 Durch diese abstrakt-generelle Festlegung trägt der Vorbehalt des Gesetzes außerdem den Anforderungen der Gewaltenteilung Rechnung.357 Während die Ausübung der Staatsgewalt nach innen zwischen den drei Gewalten aufgeteilt ist, kommt der Exekutive beim Handeln nach außen allerdings ein Übergewicht zu. Seit jeher werden insbesondere die auswärtigen Angelegenheiten als Vorrecht der Exekutive verstanden.358 Der Gesetzesvorbehalt hingegen führt zu einem Erstzugriff des Gesetzgebers, der die Verwaltung lediglich in von ihm vorgegebenen Grenzen zum Tätigwerden ermächtigt. So fragt sich, ob der Vorbehalt des Gesetzes aufgrund der Zuweisung äußerer Angelegenheiten zur Exekutive dort einer Modifikation bedarf. Die Wahrnehmung außengerichteter Aufgaben durch die Exekutive wird allgemein einerseits mit ihrer hochpolitischen Natur begründet359, die sie von gewöhnlichen Aufgaben abhebe.360 Schwieriger gerät die Abtrennung von der Legislative. Schon nach Locke müsse die (innengerichtete) Exekutive und die in seiner Terminologie so bezeichnete Föderative, d. h. die auswärtige Exekutive, in einer Hand liegen, weil Interessenvertretung und äußere Sicherheit einerseits mit innerer Gesetzesvollziehung andererseits notwendig zusammenhingen und nicht kollidieren dürften.361 Vor allem aber sei Außenpolitik durch Unvorhersehbarkeit geprägt und unterliege nicht allein der Disposition des deutschen Staates.362 Die Exekutive verfüge über einen Informationsvorsprung und sei zahlenmäßig stärker begrenzt, was eine diskrete, konsequente und rasche Entscheidungsfindung ermögliche.363 Schließlich sei Außenpolitik im wesentlichen Teil der „materiellen Staatsrepräsentation“ und damit der Staatsleitung, die der Bundesregierung obliege.364 356 

Hillgruber, in: HStR³ IX, § 201, Rn. 27; Lerche, in: HGR III, § 62, Rn. 39. BVerfGE 20, 150 (157); H.-J. Vogel, NJW 1996, 1505 (1509). 358  Siehe F. I. 1. d). Historisch Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, 1977, S. 292 f.; Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, Bd. 1, Neuauflage 1951, S. 214. Vgl. auch die ausführlichen historischen Darstellungen bei Grewe, in: VVDStRL 12 (1954), S. 129 (130 ff.); E. Menzel, in: VVDStRL 12 (1954), S. 179 (183 ff.). In diesem Sinne nach wie vor BVerfG, Beschl. v. 13. 10. 2016, Az. 2 BvE 2/15 – juris, Rn. 131. Kritisch dazu Möllers, JZ 2017, 271 (274). 359  G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 617. 360  Dieses Argument weist deutliche Ähnlichkeiten zur Begründung des außenpolitischen Einschätzungsspielraums auf. Die Prinzipien sind aber nicht identisch: Letzteres grenzt die auswärtige Gewalt der Exekutive von der Judikative ab, ersteres hingegen von der Legislative. 361  Locke, Zwei Abhandlungen, S. 292 f. 362  BVerfGE 55, 349 (365). So auch Schuppert, Verfassungsgerichtliche Kontrolle der Auswärtigen Gewalt, S. 61. 363  BVerfGE 131, 152 (195 f.). 364  Fischbach, Verfassungsgerichtliche Kontrolle der Bundesregierung, S. 85 ff. 357 

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Freilich gilt diese Zuordnung nicht ausnahmslos. Verträge, so Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG, „welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes.“

Das Bundesverfassungsgericht begreift diese Norm aber als Ausnahme von der für die Exekutive sprechenden Regel: Sie durchbreche das Gewaltenteilungssystem und erlaube der Legislative einen Übergriff in den Bereich der Exekutive.365 Daneben bestehen weitere Normen, die der Legislative Einflussmöglichkeiten bis hin zu einer bestimmenden Entscheidung zubilligen: So entscheidet die Legislative über die Übertragung von Hoheitsrechten (Art. 23 Abs. 1 S. 2, 24 Abs. 1 GG), über den Verteidigungsfall und seine Aufhebung (Art. 115a Abs. 1 S. 1, 115l Abs. 2 S. 1 GG) und über den Friedensschluss (Art. 115l Abs. 3 GG). Ferner kommt ihr eine mitwirkende Rolle im Rahmen der Europäischen Union zu (Art. 23a Abs. 2, Abs. 3 GG).366 Aufgrund der Vielzahl an Regelungen, welche die eigentliche, abschließende Entscheidung der Legislative überantworten, wurde die grundsätzliche Zuordnung der auswärtigen Gewalt zur Exekutive zum Teil bestritten: Vielmehr handle es sich um eine „kombinierte Gewalt“367 bzw. – so bzgl. des Einsatzes von Streitkräften inzwischen auch das Bundesverfassungsgericht – einen „Entscheidungsverbund“368. Selbst außerhalb dieser Normen habe der Bundestag ferner die Möglichkeit, über Resolutionen zu befinden und so selbst Außenpolitik zu betreiben.369 Relevanz besitzt diese primär terminologische Frage vor allem bei der Begründung von Zuständigkeitsvermutungen und der Herleitung eines exekutiven Kernbereichs der Außenpolitik. Beiderseits ist unbestritten, dass das Parlament auch außenpolitisch nicht funktionslos ist, sondern jedenfalls im Rahmen der oben beschriebenen verfassungsrechtlichen Zuweisungen an der auswärtigen Gewalt mitwirkt.370 Das Grundgesetz selbst zeigt dies in Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 GG, indem es dem Bundesgesetzgeber – und somit dem Bun365  BVerfGE 1, 351 (369). Ein ähnliches Verständnis findet sich auch schon bei Kraus, in: HDStR II, § 86, S. 344. 366 Vgl. hierzu ausführlich das Integrationsverantwortungsgesetz (BGBl. I 2009, S. 3022) und das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993, S. 311). 367 So E. Menzel, in: VVDStRL 12 (1954), S. 179 (194 ff.). 368  BVerfGE 121, 135 (161). Dies soll freilich das exekutive Primat in der Außenpolitik unberührt lassen, vgl. a.a.O. (161 f.). Gleichwohl sieht Kleinlein, AöR 142 (2017), 43 (60 f.) hier eine Abkehr vom exekutiv-fokussierten Verständnis der auswärtigen Gewalt. 369  A.a.O. (196). Zum Streit auch abstrakt Funke, DÖV 2016, 833 (838). 370  Mosler, in: VVDStRL 12 (1954), Aussprache, S. 239.

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destag371 – die Gesetzgebungskompetenz über die auswärtigen Angelegenheiten zuschreibt. Darunter wird nicht die Transformation völkerrechtlicher Verträge gefasst372, durchaus aber die rechtliche Einhegung staatlicher Befugnisse im Ausland, etwa das Konsularwesen, die Entwicklungshilfe und das Nachrichtendienstrecht.373 Auswärtige Angelegenheiten sind somit der Exekutive nicht ausschließlich zugeordnet. Die Legislative kann ihrer Funktion auch in diesem Bereich nachgehen, überdies sind ihr einzelne Teilaufgaben ausdrücklich vorbehalten. Gleichwohl kommt der Bundesregierung im Rahmen ihrer Staatsleitungsfunktion faktisch eine überragende Rolle zu, weil sie es ist, die aufgrund ihrer Staatsleitungsfunktion die Verhandlungen mit ausländischen Staaten führt.374 Was folgt daraus für die Aufgabenverteilung zwischen Legislative und Exekutive im Bereich extraterritorialen Staatshandelns? Zunächst ist der Begriff des extraterritorialen Staatshandelns mit jenem der auswärtigen Angelegenheiten nicht vollständig deckungsgleich.375 Letzterem werden verschiedene Bedeutungen zugeschrieben: Während er in Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 GG denkbar weit damit umschrieben wird, darunter seien „diejenigen Fragen zu verstehen, die für das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten oder zwischenstaatlichen Einrichtungen, insbesondere für die Gestaltung der Außenpolitik, Bedeutung haben“376 und mit der Tätigkeit der Nachrichtendienste einen Prototypen extraterritorialen Staatshandelns umfasst, kann er – vor allem im Rahmen von Art. 59 Abs. 1 GG – auch auf den völkerrechtlichen Verkehr beschränkt sein.377 Der erstgenannte Begriff ist weitgehend kongruent mit jenem des extraterritorialen Staatshandelns, der zweite hingegen deutlich enger. Ferner folgt aufgrund des grundsätzlichen Zugriffsrechts des Bundesgesetzgebers und der zahlreichen Legislativvorbehalte eben nicht eine so absolute Funktionszuordnung, die es rechtfertigen würde, aus ihr einen Verzicht auf den Vorbehalt des Gesetzes zu folgern.378 Wenn die Grundrechte gelten, so gilt auch der 371  Gesetze nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG sind grundsätzlich nicht zustimmungsbedürftig, vgl. e contr. Art. 73 Abs. 2 GG. 372  Uhle, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 73 (58. EL 2010), Rn. 42. 373  Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), Art. 73, Rn. 12. Zu Letzterem BVerfGE 100, 313 (368 ff.). 374  Hailbronner, in: VVDStRL 56 (1997), S. 7 (19). 375 Für einen weiten Begriff aber Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt, S. 10 f. Zur Komplexität der rechtlichen Handhabbarkeit des Begriffes siehe auch Waldhoff, in: Isensee (Hrsg.), Menschenrechte als Weltmission, S. 43 (49 ff.) sowie zu den unklaren Konturen Funke, DÖV 2016, 833 (838). 376  BVerfGE 100, 313 (368 f.). 377  Heun, in: Dreier (Hrsg.), Art. 59, Rn. 20. 378  Eine Beschränkung auf den Vorrang des Gesetzes unter Verzicht auf den Vorbehalt fordert aber Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (476).

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Vorbehalt des Gesetzes. Gilt dieser nicht, so kann von einer Grundrechtsgeltung nicht mehr gesprochen werden. Auch im Hinblick auf das Demokratieprinzip ist der Gesetzesvorbehalt unerlässlich, schafft er doch ein Forum, in welchem die Reichweite der Befugnisse staatlicher Gewalt öffentlich diskutiert wird und darüber Rechenschaft abgelegt wird.379 Die abstrakte Festlegung staatlicher Befugnisse ist die Kernaufgabe des Parlaments.380 Dieser demokratischen Legitimation bedarf auch staatliches Handeln gegenüber Ausländern im Ausland381; auch dies ist Ausübung staatlicher Gewalt, die gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG vom Volke ausgeht. Rechtssetzung ohne Öffentlichkeit kann es nicht geben.382 Der Einwand, Deutschland könne „schlecht für sich in Anspruch nehmen, etwa auf dem Gebiet des Iraks eine Wohnungsüberwachung gesetzlich zu gestatten“383, kann hier nicht durchgreifen: Wenn Deutschland es für sich in Anspruch nehmen könnte, eine Wohnungsüberwachung durchzuführen, so ist nicht erkennbar, warum eine gesetzliche Gestattung dieses Vorgehens demgegenüber nicht möglich sein sollte – völkerrechtliche Argumente sprechen jedenfalls, wie gezeigt nicht dagegen.384 Eine solche Norm würde nicht etwa den Irak dazu verpflichten, diesen Übergriff hinzunehmen – dies wäre in der Tat völkerrechtlich unmöglich. Vielmehr würde sie im Verhältnis des deutschen Staates gegenüber seinem Amtsträger und damit im Rahmen der völkerrechtlichen Organisationshoheit Pflichten anordnen; das für eine solche jurisdiction to prescribe erforderliche Anknüpfungsmoment385 wird durch das Tätigwerden eines deutschen Amtswalters vermittelt386. Dass eine solche Ermächtigungsgrundlage gleichwohl nicht existiert, dürfte eher, wie Gärditz treffend anmerkt, „darauf zurückzuführen sein, dass die Ermächtigungsinhalte anrüchig wären.“387 Nimmt die (deutsche) öffentliche Gewalt im Ausland tatsächliche Eingriffe vor, und unterstellt man deren Rechtmäßigkeit, so kann die gesetzliche Regelung dieser Eingriffe 379 

Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt, S. 251. Lerche, in: HGR III, § 62, Rn. 16. 381 A.A. H. A. Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.  09.  2016, http://www.bundestag.de/blob/440658/e6b3125cfb b2a07940d375aa744b4e0a/18 – 4-653-f-data.pdf [25. 09. 2017], S.  2. 382  W. Weber, Die Verkündung von Rechtsvorschriften, 1942 (!), S. 7, 9 f., 25. 383  A.a.O., S. 2. Ähnlich Proelß/Daum, AöR 141 (2016), 373 (381 f.). 384  Siehe E. III. 385 Siehe Baldus, Transnationales Polizeirecht. Verfassungsrechtliche Grundlagen und einfach-gesetzliche Ausgestaltung polizeilicher Eingriffsbefugnisse in grenzüberschreitenden Sachverhalten, 2001, S. 152; F. Becker, in: HStR³ XI, § 240, Rn. 8. 386  Vgl. dazu Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 502 ff.; Ohler, Die Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts. Strukturen des deutschen Internationalen Verwaltungsrechts, 2005, S. 331 ff. 387  Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (470). 380 

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F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

nicht unzulässig sein. Wäre sie unzulässig, so müsste dies für die Eingriffe selbst erst recht gelten. d)  Bestimmtheitsgebot Gleiches gilt für das Bestimmtheitsgebot. Es ist ein Substrat des Rechtsstaatsprinzips388, dessen genaue Anforderungen vom jeweiligen Regelungsbereich abhängig sind.389 Die Regelung auswärtiger Sachverhalte kann, wie beschrieben, komplex und schwer vorhersehbar sein. Eine solche Komplexität kann u.U. Generalklauseln erforderlich machen.390 Dies aber ist kein typisch extraterritorialer Effekt; er tritt vielmehr auch im Inland in einer Vielzahl komplexer Konstellationen auf. e)  Zitiergebot Das Zitiergebot aus Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG hat seinen Zweck vor allem in einer Warnung an den Gesetzgeber. Seine tatbestandlichen Voraussetzungen sind zunächst nur das Vorliegen eines formellen Gesetzes391 und die Verkürzung eines Abwehrrechts.392 Jedoch solle sich, so das Bundesverfassungsgericht, die Auslegung des Zitiergebots an seiner Funktion orientieren.393 Es solle nur gelten, wenn der Grundrechtseingriff in klassisch-finaler Weise auf die Verkürzung abzielte und nicht rein reflexhaft geschah.394 Auch wenn man jedoch ein solch enges Verständnis des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG zugrunde legt, so ergibt sich doch kein 388 

Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 20 (73. EL 2014), Rn. 51 ff. 108, 186 (234 f.); Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Art. 20 (Stand: 01. 06. 2017), Rn. 182. 390  Wißmann, Generalklauseln, S. 175 f. 391  Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 1 (52. EL 2008), Rn. 40, 48. 392  Remmert a.a.O., Rn. 56. Jedoch sollen bestimmte Grundrechte von vornherein ausgenommen sein: Art. 5 Abs. 1 GG (BVerfGE 28, 36 ff.; BVerfGE 28, 282 [289]; BVerfGE 33, 52 [77]; Hufeld, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz (BK), Stand Juli 2015, Art. 19 Abs. 1 S. 2 [Drittbearbeitung, 156. EL 2012], Rn. 217), Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfGE 10, 89 [99]; Hufeld, in: BK, Art. 19 Abs. 1 S. 2 [Drittbearbeitung, 156. EL 2012], Rn. 219), Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfGE 21, 92 [93]), Art. 14 Abs. 3 GG (Hufeld, in: BK, Art. 19 Abs. 1 S. 2, Rn. 203), Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfGE 28, 36 [46]) sowie sämtliche vorbehaltlosen, durch verfassungsimmanente Schranken eingeschränkten Grundrechte (BVerfGE 83, 150 [154]; a.A. Axer, in: HGR III, § 67, Rn. 25 f.). 393 BVerfGE 28, 36 (46); Enders, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Art. 19 (Stand: 01. 06. 2017), Rn.  16. 394 BVerfG, Beschl. v. 11. 08. 1999, Az. 1 BvR 2181/98 – NJW 1999, 3399 (3400). ­BVerfGE 128, 226 (257) hingegen betont wieder ein strenges Zitiergebot, worin Hufeld, in: BK, Art. 19 Abs. 1 S. 2 (Drittbearbeitung, 156. EL 2012), Rn. 210 f. eine Abkehr vom vorigen Urteil sieht. Enger – für eine Ausnahme nur bei wirklich unvorhersehbaren Eingriffen – Hillgruber, in: HStR³ IX, § 201, Rn. 46, noch strenger Hufeld, in: BK, Art. 19 389 BVerfGE

II.  Inhaltliche Modifikation der Grundrechtswirkung

239

Grund zur territorialen Differenzierung. Der Zweck der Norm – die Warnung vor Grundrechtseinschränkungen – ist territorial bezugslos. Dafür spricht auch, dass die einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum die Anwendung des Zitiergebots auf Gesetze nach Art. 59 Abs. 2 GG bejaht395, also nicht aus außenpolitischen Logiken eine Ausnahme der Geltung der Schranken-Schranke schließt. Die hier vertretene weite Auffassung der Anwendbarkeit von Grundrechten und des Zitiergebots führt keineswegs zu einer juristischen „Zeitbombe“, die eine massenhafte Nichtigkeit bisheriger Gesetze zur Folge hätte: Das Bundesverfassungsgericht hat 2005 geurteilt, bislang sei die Reichweite des Zitiergebots nicht geklärt gewesen; aus Gründen der Rechtssicherheit führe „die Nichtbeachtung des Zitiergebots erst bei solchen grundrechtseinschränkenden Änderungsgesetzen zur Nichtigkeit, die nach dem Zeitpunkt der Verkündung dieser Entscheidung beschlossen werden.“396

Zwar bezog sich die Entscheidung nur auf die unterbliebene Zitierung von Grundrechtseinschränkungen in Änderungsgesetzen, doch stellt sie entscheidend darauf ab, die Rechtspraxis sei uneinheitlich gewesen und die nicht vorhersehbare Nichtigkeitsfolge stehe im Widerspruch zur Rechtssicherheit. Diese Argumentation – unabhängig davon, ob man die Entscheidung für kohärent hält oder nicht397 – greift hier ebenso: Die nicht vorhergesehene Änderung in der Auslegung einer nur-formellen Schranken-Schranke allein bewirkt für bisherige Gesetze nicht deren Nichtigkeit. f)  Besondere Verfahrensanforderungen, insb. Richtervorbehalte Art. 104 GG enthält besondere Maßgaben für Eingriffe in das Grundrecht der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG). Der dort genannte Richtervorbehalt stellt eines der größten Hindernisse für die extraterritoriale Anwendung von Grundrechten dar, weil er „unausgesprochen von den Gestaltungsmöglichkeiten ausgeh[t], die die deutsche Staatsgewalt typischerweise nur auf ihrem eigenen Hoheitsgebiet hat.“398

Abs. 1 S. 2 (Drittbearbeitung, 56. EL 2012), Rn. 211, der hier sogar Aufklärungspflichten in Erwägung zieht. 395  BVerwG, Beschl. v. 16. 12. 1980, Az. 1 B 836/80 – DÖV 1981, 419; Schwarz, Die Zitiergebote im Grundgesetz, 2002, S. 83 ff. 396  BVerfGE 113, 348 (367). 397  Mit beachtlichen Argumenten dagegen Remmert, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 1 (52. EL 2008), Rn. 47; dogmatisch dagegen, pragmatisch aber dafür Singer, DÖV 2007, 496 (503); ähnl. iE auch Schwarz, Zitiergebote, S. 137. 398  H. A. Wolff, Schriftliche Stellungnahme vor dem Innenausschuss, S. 2 f.

240

F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

Prototypisch dafür kann das bereits erläuterte Urteil des VG Köln von 2011 zur Gefangennahme eines mutmaßlichen Piraten durch die Bundesmarine vor Somalia stehen.399 Das Gericht wischt den Verweis auf Art. 104 GG damit beiseite, ein solcher sei nicht verfügbar gewesen, man hätte den Richtervorbehalt also schlicht nicht einhalten können, und immerhin sei der Gefangene ja nach der Überstellung an Kenia vor einen dortigen Richter geführt worden. Die Quintessenz dessen ist: Wenn Schranken-Schranken nicht gewahrt werden können, so müssen sie weichen – das Recht kann nichts Unmögliches verlangen. Bereits dargestellt wurde, dass diese Alternativlosigkeit unzutreffend ist: Der rechtlich näherliegender Schluss wäre, auf einen Grundrechtseingriff, dessen verfassungsmäßige Voraussetzungen nicht gewahrt werden können, zu verzichten. Das Recht erhebt einen normativen Anspruch; nicht das Recht hat sich dem staatlichen Handeln, sondern zuerst einmal das staatliche Handeln dem Recht anzupassen. Freilich kann es geschehen, dass ein staatliches Tätigwerden verfassungsrechtlich zwar nicht zwingend, aber doch erwünscht ist. Zwar besteht in der Tat keine generelle, umfassende staatliche Pflicht zur Pirateriebekämpfung400, aber der besagte Marineeinsatz geschah immerhin in Umsetzung eines Mandats des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen401, deren Befolgung Ausfluss von Art. 24 Abs. 2 GG ist.402 In derartigen Fällen, in denen einem schlichten Nicht-Handeln zur Wahrung der grundrechtlichen Garantien ein anderes Verfassungsgut entgegensteht, das für den Grundrechtseingriff streitet, muss der Grundsatz praktischer Konkordanz403 zum Tragen kommen.404 Demnach muss, soweit es möglich ist, die Wahrung der Schranken-Schranke mit der Erfüllung der von Verfassungs wegen gewünschten Aufgabe in Einklang gebracht werden. Ist dies nicht möglich, so muss der Versuch unternommen werden, von beiden Verfassungsgütern so viel wie möglich umzusetzen. Dabei können für spezifische Anforderungen von Schranken-Schranken im Ausland Surrogate gesucht werden, die den Zweck der Norm weitgehend erhalten. Ein solches Vorgehen kann jedoch nur Ergebnis der Abwägung in einer konkreten Kollisionslage verfassungsrechtlicher Güter sein. Keinesfalls kann es apodiktisch aus der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes folgen.405

399 

VG Köln, JZ 2012, 366 ff. Siehe dazu ausführlich C. II. 2. Payandeh, DVBl. 2016, 1073 (1075). 401 Resolution S/RES/1816 (2008). Ausführlich dazu König, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 44 (2010), S. 203 (227 f.). 402  A.a.O. (237). 403  Dazu grundlegend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 317 ff. 404 Ähnl. wohl auch Trésoret, Seepiraterie. Völkerrechtliche, europarechtliche und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Auslandsentsendung deutscher Streitkräfte zur Bekämpfung der Seeräuberei, 2011, S. 568. 400 

II.  Inhaltliche Modifikation der Grundrechtswirkung

241

Beispielhaft angewandt auf das beschriebene Piraterie-Urteil bedeutet dies, dass zunächst zu untersuchen ist, ob die eingesetzten Kriegsschiffe Haftrichter mitführen könnten.406 Sollte dies nicht möglich sein, so kann etwa eine richterliche Vorführung per Videoübertragung in Frage kommen.407 In höchstem Maße paradox ist es, wenn ein solches Vorgehen abgelehnt wird, weil es – was im Inland zweifellos zutrifft – nicht die Voraussetzungen von Art. 104 Abs. 2 GG erfülle, und dann stattdessen auf die Erfüllung des Richtervorbehalts weitgehend komplett verzichtet wird.408 405

Zur Erfüllung des Richtervorbehalts in Auslandseinsätzen der Bundeswehr können ferner auch Wehrstrafgerichte nach Art. 96 Abs. 2 GG gebildet werden, die ebenfalls Richter im Sinne des Art. 104 GG sind.409 Ihre Zuständigkeit erstreckt sich auch auf Angehörige gegnerischer Streitkräfte.410 Über einen ausdrücklichen Richtervorbehalt verfügt neben Art. 2 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Art. 104 GG noch Art. 13 GG. Hier lassen sich die genannten Anforderungen grundsätzlich übertragen. Indes erfordern Eingriffe in dieses Grundrecht nicht die Vorführung des Betroffenen vor den Richter; vielmehr erlangt der Betroffene in diesem Stadium regelmäßig noch keine Kenntnis des drohenden Eingriffs. Vielmehr soll die richterliche Beteiligung gerade auch dazu dienen, die 405  So i.E. auch H. A. Wolff, Schriftliche Stellungnahme vor dem Innenausschuss, S. 3: „Der Maßstab ist nicht pauschal herabzusetzen“. 406  Vorschlag von Walter/Ungern-Sternberg, DÖV 2012, 861 (867). 407 Überzeugend Sax, Soldaten gegen Piraten, S. 350. Ähnl. auch die Gesetzesbegründung zur Ratifizierung und Transformation des Seerechtsübereinkommens, BT-Drs. 12/7829, S. 247: „z. B. Einschalten des Richters über Funk“, befürwortend auch Kreß, in: Weingärtner (Hrsg.), Die Bundeswehr als Armee im Einsatz. Entwicklungen im nationalen und internationalen Recht, 2010, S. 95 (116). 408  Müller-Franken, in: Stern/Becker (Hrsg.), Art. 104, Rn. 85; i.E. ähnl., wenngleich mit Einschränkungen Trésoret, Seepiraterie, S. 572, 576. 409  Konstitutiv für den Richterbegriff der Norm ist die personelle und sachliche Unabhängigkeit – vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 104 (Grundwerk), Rn. 23 –, die auch im Falle des Art. 96 Abs. 2 GG gewährleistet ist. 410 So zu Recht Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Art. 96 (Stand: 01. 03. 2017), Rn. 6 unter Verweis auf die dahingehende völkerrechtliche Verpflichtung in Art. 84 Abs. 1 der dritten Genfer Konvention (BGBl. II 1954, S. 781); i.E. auch Detterbeck, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2014, Art. 96, Rn. 10. Die wohl herrschende Gegenansicht – vgl. etwa Jachmann, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 96 (63. EL 2011), Rn. 27; Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, 14. Aufl. 2016, Art. 96, Rn. 2 – verweist auf den Wortlaut des Art. 96 Abs. 2 GG, der aber beide Deutungen zulässt. – Ob der Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 GG teleologisch auch für privilegierte Kombatanten in internationalen bewaffneten Konflikten gilt, ist zweifelhaft, kann hier aber offenbleiben. Vgl. dazu auch BVerfG, Beschl. v. 28. 06. 2004, Az. 2 BvR 1379/01 – NJW 2004, 3257 (3258). Diesen steht aber bei Zweifeln über ihren Status jedenfalls die gerichtliche Entscheidung nach Art. 5 Abs. 2 der dritten Genfer Konvention zu.

242

F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

Interessen des Betroffenen, der dies selbst nicht übernehmen kann, zu wahren.411 Die Schwierigkeit der extraterritorialen Umsetzung ist also erheblich geringer, da sich nicht die Frage stellt, wie ein Betroffener im Ausland vor ein inländisches Gericht zu führen ist; demzufolge besteht keine Notwendigkeit, diesen Schritt durch ein Surrogat zu ersetzen. Eine Wohnungsdurchsuchung bzw. ein „großer Lauschangriff“ untersteht daher auch im Ausland dem Richtervorbehalt. Freilich greifen auch hier die besonderen Befugnisse bei Gefahr im Verzug (Art. 13 Abs. 2 Var. 2, Abs. 4 S. 2 GG). Dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG ist hingegen ein ausdrücklicher Richtervorbehalt nicht immanent.412 Jedoch erfolgen Eingriffe in das Grundrecht des Art. 10 GG zunächst fast ausschließlich heimlich413; der Betroffene wird allenfalls nachträglich benachrichtigt. Heimliche Grundrechtseingriffe, die „geschützte Zonen der Privatheit betreffen oder auf andere Weise ein erhöhtes Gewicht aufweisen“414, erfordern aber, um dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu genügen, besondere Verfahrenssicherungen. Regelmäßig ist hier gesetzlich ein Richtervorbehalt vorzusehen.415 Die Grundrechte des Art. 10 GG schützen elementare Bestandteile der Privatsphäre und weisen so eine besondere Nähe zur Menschenwürdegarantie auf.416 Heimliche Überwachungen der Post- und Telekommunikation betreffen daher ausnahmslos derartige „geschützte Zonen der Privatheit“ und unterfallen daher stets diesem Prinzip.417 Dies entspricht auch der langjährigen einfachgesetzlichen Tradition, derartige Eingriffe unter Richtervorbehalt zu stellen.418 Wo aber, wie hier, keine ausdrückliche Zuweisung zur Judikative existiert, können die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verfahrensgestaltung auch durch eine Kontrolle durch sonstige Akteure befriedigt werden, wenn diese über eine vergleichbar unabhängige, neutrale Stellung verfügen.419 Der Aus-

411 

BVerfGE 103, 142 (151). BVerfG, Beschl. v. 04. 02. 2005, Az. 2 BvR 308/04 – NJW 2005, 1637 (1639). 413  Dazu ausführlich Schwabenbauer, Heimliche Grundrechtseingriffe, S. 55 ff. 414  BVerfGE 118, 168 (202). 415  BVerfGE 120, 274 (330 f.); BVerfG, NJW 2016, 1781 (1786). 416  BVerfGE 67, 157 (171); BVerfGE 110, 33 (53). 417 So iE auch Hermes, in: Dreier (Hrsg.), Bd. 1, 3. Aufl., Art. 10, Rn. 98. Nach ­BVerfGE 125, 260 (337 f.) ist ein Richtervorbehalt sogar beim Abruf von Telekommunikationsdaten verpflichtend vorzusehen; für den Inhalt der Telekommunikation muss dies erst recht gelten. 418  Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 10 (57. EL 2010), Rn. 152. 419 So ausdrückllich BVerfGE 120, 274 (331). Dazu auch Weisser, DÖV 2014, 831 (833). 412 

III.  Ergebnis

243

schluss auch des nachträglichen Rechtsschutzes ist indes nur unter den Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG möglich.420 Hält man daher einen extraterritorialen Richtervorbehalt für rechtspolitisch unangebracht421, so lässt das Grundgesetz für Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis – nicht aber für die Unverletzlichkeit der Wohnung – stattdessen auch andere Verfahrensgestaltungen zu, wenn diese bei qualitativer Betrachtung dem Schutz des Richtervorbehalts entsprechen.

III.  Ergebnis Die strikte Ausrichtung von Grundrechten auf das eigene Staatsgebiet ist Ergebnis einer staatstheoretischen Denkrichtung, die nicht mehr allein maßgeblich für das moderne Verständnis von Grundrechten ist. Neben die Begründung von Grundrechten als Korrelate staatlicher Übermacht, die traditionell im eigenen Hoheitsgebiet gegeben ist, tritt zunehmend ihr Verständnis als Positivierungen universeller Menschenrechte. Diese Begründungsansätze ergänzen einander, stehen aber auch in einem Spannungsfeld.422 Auch der Konnex zwischen staatlicher Macht und Staatsgebiet aber ist heute nicht mehr so deutlich, wie er es noch zu Zeiten John Lockes war. So lässt sich auch aus einem Verständnis von Grundrechten als Gegenstück zur Staatsgewalt nicht mehr der Schluss herleiten, diese seien daher zwingend auf das Inland begrenzt. Der Gedanke an extraterritoriale Grundrechtswirkungen taucht nicht erst im späten 20. Jahrhundert auf. Schon die Bismarck’sche Reichsverfassung und die Weimarer Verfassung kannten extraterritoriale Schutzpflichten, die freilich Folge eines Spezialgrundrechts waren. Eine ebenfalls gelegentlich diskutierte extraterritoriale Wirkung der Grundrechte in den nicht als Staatsgebiet begriffenen Kolonien hingegen wurde von der herrschenden Meinung abgelehnt. Damals wie heute folgt die Debatte überwiegend nicht Argumenten des positiven Rechts, sondern beruft sich auf staatsphilosophische Argumente und praktische Zweckmäßigkeiten.

420  Dazu BVerfGE 30, 1 (18). Andernfalls stünde dem Ausschluss des Rechtswegs die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG entgegen. Für Art. 13 GG existiert eine dem Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG entsprechende Norm nicht; sie wurde im Gesetzgebungsverfahren erwogen, aber nicht umgesetzt (BT-Drs. 13/8650, S. 3). 421  So etwa für das Nachrichtendienstrecht Weisser, DÖV 2014, 831 (834 f.), dessen Argument, ein gerichtlicher Geheimschutz sei nicht gewährleistet, freilich nicht zutrifft: So besteht etwa mit dem In-Camera-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO durchaus ein Instrument zur Geheimhaltung vor Gericht, auf dem hier aufgebaut werden kann. Dazu s.u. G. II. 2. 422  Di Fabio, Recht offener Staaten, S. 64.

244

F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

In der Entstehung des Grundgesetzes lassen sich beide erwähnten Begründungsansätze nachweisen. Extraterritoriale Wirkungen spielten keine konkrete Rolle in der Arbeit des Parlamentarischen Rates, allenfalls ging dieser, was das Bundesverfassungsgericht auch konzediert423, von einer Ausstrahlungswirkung der Grundentscheidung zur Abschaffung der Todesstrafe aus. Abstrakt aber nimmt er ausführlich Bezug auf die bewusst universell angelegte Allgemeine Erklärung der Menschenrechte – zumindest an einer Stelle wird dabei von deren extraterritorialer Anwendbarkeit ausgegangen – und trifft mit den Grundrechten Wertentscheidungen, von deren Universalität er ausgeht. Dies spricht dafür, dass die Grundrechte auch im Rahmen der auswärtigen Gewalt jedenfalls nicht völlig irrelevant sind. Auch das Verständnis von Außenpolitik unterlag einem Wandel; die auswärtige Gewalt ist nicht mehr „ungebändigt“, sondern nimmt an der Konstitutionalisierung des Staatswesens, die bis dahin hauptsächlich innengerichtet war, teil. Die Grundrechtsbindung des Staates ist umfassend. Er ist in seinem Eingriffshandeln immer rechtfertigungsbedürftig, in seinem Leistungshandeln immer zweckgebunden. In diesem Sinne ist die Grundrechtsbindung bewusst formalisiert und generalisiert ausgestaltet: Tatbestandliche Voraussetzung des Art. 1 Abs. 3 GG ist nur der Staat als Verpflichteter und das Individuum als Berechtigter.424 Grundrechte gelten nicht nur im Inland. Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG spricht klar dagegen, doch auch die Verfassungsgeschichte nur zum Schein dafür. Verabschiedet man sich von der unzutreffenden, mindestens aber überholten tatsächlichen Prämisse, der Staat übe öffentliche Gewalt nur in seinem Territorium aus, so wird dieser Schluss auch vom Telos der Verfassung gedeckt. Praktikabilitätsargumente sprechen nicht per se gegen extraterritoriale Grundrechtswirkungen, zeigen jedoch deren Schwierigkeiten auf. Die bloße Abhängigkeit des deutschen Staates von anderen Staaten und die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik allein rechtfertigen keine Preisgabe von Grundrechten. Dass die Eigenart extraterritorialer Staatstätigkeit oder die dabei nötige besondere Flexibilität eine Grundrechtsgeltung unmöglich machen, stimmt außerdem nicht einmal im Ansatz. In die richtige Richtung zielt dem Grunde nach dagegen die Frage, ob das Grundgesetz hier nicht für sich beanspruchen würde, was wir anderen, menschenrechtsunfreundlicheren Rechtsordnungen definitiv verweigern würden. Daraus allerdings folgt noch kein zwingendes Argument gegen eine extraterritoriale Geltung. Vielmehr muss die Legitimation dieses Handelns aus der Allgemeingültigkeit der Menschenrechte folgen; die Kollisionsgefahr mit gegenläufigen Werten ist dem Universalitätsgedanken inhärent. 423  424 

BVerfGE 18, 112 (119 f.). Vgl. auch Wißmann, Generalklauseln, S. 122.

III.  Ergebnis

245

Grundgedanke der Verfassung ist, wie Reiner Schmidt treffend anmerkt, die „Begrenzung der Ausübung von Herrschaft durch Recht“.425 Diese Herrschaft muss keine stabile Territorialherrschaft sein und setzt ebensowenig eine effektive Beherrschung der Person des Grundrechtsträgers voraus. Die hierfür angeführten Argumente des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind schon im Kontext der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht überzeugend. Erst recht aber lassen sie sich nicht auf das Grundgesetz übertragen, für welches die umfassende Grundrechtsbindung eine erheblich höhere Rolle spielt. Die Grundrechte richten sich an den gesamten Staat. Bereichsausnahmen für einzelne Staatsfunktionen oder Politikfelder sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Insbesondere spricht die Verfassungsänderung vom 13. 03. 1956, im Rahmen welcher das Wort „Verwaltung“ in Art. 1 Abs. 3 GG durch „vollziehende Gewalt“ ersetzt wurde, für eine Grundrechtsbindung zumindest bei militärischen Auslandseinsätzen. Auch Flexibilitätsgründe können den Verzicht auf eine extraterritoriale Grundrechtswirkung nicht rechtfertigen. Ferner gelten Grundrechte nicht erst durch Begründung eines spezifischen Verfassungsrechtsverhältnisses. Vielmehr begründen sie dieses selbst. Sie knüpfen – soweit es sich um Jedermannsrechte handelt – nur an das Mensch-Sein an. Auch im Ausland gelten Grundrechte nicht nur als Abwehrrechte. Auch der status positivus kann extraterritorial zum Tragen kommen. Schutzpflichten rechtfertigen sich aus der umfassenden Zweckbindung des Staates, wie sie in Art. 1 Abs. 1 des Herrenchiemsee-Entwurfs zum Ausdruck kam, und sind damit nicht per se auf das Inland beschränkt. Das vom Grundgesetz errichtete Gemeinwesen übt Macht nicht als Selbstzweck aus, sondern ist „in eine durchaus funktionelle Stellung zurückgedrängt: der Staat des GG hat nicht mehr zu ‚herrschen‘, sondern zu dienen.“426

Grundrechte berechtigen auch im Ausland nicht nur deutsche Staatsbürger. Eine solche Differenzierung wäre nicht nur europarechtswidrig, sondern widerspräche auch der Systematik des Grundgesetzes. Sie gelten nicht aufgrund eines unterstellten Treueverhältnisses, sondern aufgrund der Exposition gegenüber staatlicher Gewalt. Es gelten hierzu dieselben Regeln, die auch im Inland gelten: Eine Beschränkung auf Deutsche ist nur dort – dann freilich auch im Ausland – zulässig, wo das Grundgesetz dies selbst anordnet. Auch im Ausland sind Grundrechte subjektive Rechte. Sie entfalten auch keine bloße „Leitwirkung“, sondern sind bindendes Recht. Eine Reduktion auf bloß objektive Rechtssätze kommt ebenso wie eine bloße „Leitwirkung“ im Ergebnis einer Verneinung extraterritorialer Grundrechtswirkung im Ganzen gleich. Dass 425  426 

R. Schmidt, in: VVDStRL 36 (1978), S. 65 (66). Hamann, Einführung, I C 2. Kursive Hervorhebung im Original gesperrt.

246

F.  Integration extraterritorialer Wirkungen

Grundrechte dem Grunde nach auch extraterritorial gelten, wurde aber gerade dargelegt. Eine extraterritoriale Geltung der Grundrechte des Grundgesetzes ergibt sich auch extraterritorial nicht nur, soweit sie sich mit dem international verpflichtenden menschenrechtlichen Mindeststandard decken. Eine solche Reduktion widerspricht der Natur internationaler Menschenrechtsregimes, die einen Mindeststandard darstellen, eine Reduktion höherer Standards aber gerade nicht begründen wollen. Auch die Grundrechtsschranken gelten grundsätzlich im Ausland. Der Vorwurf Mertens, extraterritoriale Grundrechtswirkungen „vernebelten“ die bestehenden dogmatischen Strukturen427, ist zurückzuweisen: Das Gegenteil ist der Fall. Neue dogmatische Figuren sind zur Bewältigung spezifisch extraterritorialer Probleme nicht nötig. Vielmehr zeigt sich, dass derartige Probleme meist nicht ausschließlich im Ausland auftreten, sondern auch im Inland existieren und hier wie dort mit den bekannten dogmatischen Mitteln bewältigt werden können. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung gilt auch extraterritorial; im Rahmen des legitimen Zwecks können aber besondere, nur im Ausland auftretende Zwecke in Betracht kommen. Ferner besteht im auswärtigen Bereich oft eine weite Einschätzungsprärogative, die jedoch bei vergleichbaren Situationen mit hoher Komplexität auch im Inland angenommen wird. Auch die sonstigen Schranken-Schranken bedürfen keiner spezifischen Modifikation. Eine Ausnahme muss lediglich dort gemacht werden, wo angesichts spezifisch vorausgesetzter Strukturen – wie etwa der Verfügbarkeit eines Haftrichters – eine Wahrung schlicht nicht möglich ist. Grundsätzlich hat der Staat dort, wo er sich für außer Stande hält, den status negativus der Grundrechte zu achten, auf ein Tätigwerden zu verzichten. Ist dieses Tätigwerden jedoch seinerseits Konsequenz eines verfassungsrechtlich begründeten Auftrages, so muss im Sinne praktischer Konkordanz versucht werden, die Verwirklichung dieses Auftrages mit der Grundrechtsachtung weitestgehend zu vereinen. Dabei kann in Ausnahmefällen an die Stelle der vom Grundgesetz geforderten Verfahren ein Surrogat treten. Während Abwehrrechte für den Staat jedoch ein einfaches und klares „Bis hier und nicht weiter“ darstellen, stellen Schutzpflichten nur ein Untermaß auf, geben der staatlichen Gewalt aber jenseits dieser einen größeren Freiraum. Hier muss das Ausmaß staatlichen Schutzes von der Intensität bestehender staatlicher Kontrolle an einem Ort sein: Je mehr Staat, desto mehr Grundrechte. Dabei kann staatliche Kontrolle in Gestalt von extraterritorialem Exekutivhandeln, intraterritorialem Handeln mit extraterritorialen Auswirkungen oder durch Anstiftung extraterritorialer Akteure vorkommen.

427 

Merten, in: FS Schiedermair, 2001, S. 331.

III.  Ergebnis

247

Ein Irrtum wäre es, daraus einen Anreiz für den Staat abzuleiten, sich besser aus den Wirren der Welt herauszuhalten, um so einer Begründung extraterritorialer Schutzpflichten zu entgehen. In Zeiten international vernetzten Welthandels könnte er diesem Anreiz überhaupt nicht mehr nachkommen. Ferner bestehen auch jetzt schon zahlreiche Anreize für eine restriktive auswärtige Politik, denkt man etwa an die hohen Kosten, die durch humanitäres Engagement entstehen können. Vor allem aber ist der rechtliche Wert derartiger Anreizargumente begrenzt. Die Freistellung des Staates von seinen grundlegendsten Bindungen kann darauf nicht die richtige Antwort sein.

G.  Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete Es liegt in der Natur der hier gewählten Perspektive – der Betrachtung nicht eines einzelnen Grundrechts oder Rechtsgebietes, sondern des „Allgemeinen Teils“ der Grundrechte –, dass die gewonnenen Erkenntnisse abstrakt sind. Gleichwohl müssen sie in der Lage sein, der öffentlichen Gewalt konkrete Handlungsgrenzen und -gebote aufzuzeigen. Eine solche Konkretisierung der Erkenntnisse setzt aber zugleich eine Konkretisierung des Betrachtungsgegenstands voraus. Demnach sollen im Folgenden Konsequenzen der hier gewonnenen Ergebnisse für einzelne Rechtsgebiete dargestellt werden. Für eine solche Betrachtung eignen sich naturgemäß diejenigen Themenfelder, für die eine extraterritoriale Grundrechtswirkung in besonderem Maße relevant ist: Streitkräfteeinsätze sowie nachrichtendienstliche Tätigkeiten. Diese beiden Gebiete sind derzeit von weitreichendem Eingriffshandeln des Staates im Ausland und einem stark verbreiteten Bestreiten grundrechtlicher Bindungen geprägt. Freilich soll diese Auswahl nicht den Blick darauf verstellen, dass extraterritoriale Grundrechtswirkungen auch auf zahlreiche andere Rechtsgebiete intensive Auswirkungen haben können.1

I.  Einsatz von Streitkräften Einsätze von Streitkräften sind von massiven Eingriffen in Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit, Eigentum und Freiheit der Person geprägt. Der Handlungs- und Erfolgsort dieser Eingriffe liegt, ebenso wie der Aufenthaltsort des potentiellen Grundrechtsträgers, regelmäßig im Ausland.2 Nach 1  Vgl. dazu insbesondere UNHRC, Guiding Principles on Business and Human Rights, http://www.ohchr.org/Documents/Publications/GuidingPrinciplesBusinessHR_EN.pdf [25. 09. 2017], sowie darauf aufbauend: Auswärtiges Amt, Nationaler Aktionsplan: Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, http://www.auswaertigesamt.de/cae/servlet/contentblob/754690/publication.F.ile/222804/161221-NAP-DL.pdf [25. 09. 2017]. Der Aktionsplan vermeidet freilich rechtliche Qualifikationen und spricht primär Empfehlungen aus. Weitergehend Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, https://germanwatch.org/de/download/14745.pdf [25. 09. 2017]. 2 Einsätze der Bundeswehr im Inland sind unter den Voraussetzungen der Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 GG – auch unter Zuhilfenahme spezifisch militärischer Mittel, so die Plenarentscheidung in BVerfGE 132, 1 (16 ff.); a.A. noch BVerfGE 115, 118 (146 f.) – sowie des Art. 87a Abs. 3 und Abs. 4 i.V.m. Art. 91 Abs. 2 GG möglich. Strittig ist, ob überdies ein rein innerer Angriff den originären Verteidigungsauftrag in Art. 87a Abs. 1, Abs. 2 GG auslösen kann – dafür Depenheuer, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz,

I.  Einsatz von Streitkräften

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den zuvor beschriebenen Grundsätzen stellen diese Beeinträchtigungen Grundrechtseingriffe dar: Eine Bereichsausnahme der Grundrechtsbindung im Bereich der Streitkräfte existiert nicht. Vielmehr ist die Bundeswehr – auch im Ausland – an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden. Dies gilt auch im Rahmen von gemeinsamen Einsätzen etwa der NATO, wie sie der Regelfall sind. Bei diesen handelt es sich um Einsätze im Rahmen von Systemen kollektiver Sicherheit im Sinne von Art. 24 Abs. 2 GG, hingegen gerade nicht um die Übertragung von Hoheitsrechten im Sinne von Art. 24 Abs. 1 GG, bei denen die Ausübung deutscher öffentlicher Gewalt und damit die Bindung an innerstaatliche Grundrechte zu verneinen wäre: Die Bundeswehrsoldaten der bisherigen Einsätze unterstanden nach wie vor der Befehls- und Disziplinargewalt der Bundeswehr.3 Dies gilt ebenso für den Einsatz der Marine im Rahmen der EU-Pirateriebekämpfung vor Somalia4, der auch vom Bundestag lediglich auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 2 GG mandatiert wurde.5 1.  Besondere Eingriffsermächtigungen Diese einleitende Feststellung wirft die Frage nach einer Ermächtigungsgrundlage für Streitkräftehandeln auf, denn der Vorbehalt des Gesetzes – vgl. z. B. Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG – erfordert im Inland schon für deutlich geringere Eingriffe eine gesetzliche Ermächtigung. Territoriale Abschichtungen im Bereich des Gesetzesvorbehalts aber gibt es gerade nicht.6 Art. 87a (53. EL 2008), Rn. 92 ff.; dagegen Epping, in: ders./Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87a (Stand: 01. 06. 2017), Rn. 5, 11; Fischer, JZ 2004, 376 (379 f.); Schmidt-Jortzig, DÖV 2002, 773 (775); jeweils m.w.N. Unzweifelhaft ist dies hingegen dann der Fall, wenn ein äußerer Angriff in das Bundesgebiet vordringt. Jedoch kam es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie zu einem wie auch immer begründeten (hoheitlichen, nicht bloß technische Hilfe leistenden) Streitkräfteeinsatz i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG im Inneren, weshalb die Frage der Grundrechtsbindung der Streitkräfte derzeit primär eine Frage der extraterritorialen Bindung ist. 3 BVerfGE 90, 286 (350); Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt durch die deutsche auswärtige Gewalt, 2016, S. 156 ff., 160 f.; Stoltenberg, ZRP 2008, 111 (112). Übertragene Hoheitsrechte i.S.v. Art. 24 Abs. 1 GG übt die NATO hingegen im Rahmen ihr innerstaatlich eingeräumter Befugnisse aus, BVerfGE 68, 1 (93). Zur Unterscheidung und den Maßstäben siehe F. I. 5., vgl. zur Passivlegitimation zu Art. 34 GG auch Schmalenbach, JZ 2017, 425 (426). 4  Salomon, Die internationale Strafverfolgungsstrategie gegenüber somalischen Piraten. Völker- und verfassungsrechtliche Aspekte, 2017, S. 297 unter Berufung auf die umfangreichen Entscheidungsvorbehalte, die in BT-Drs. 16/6282, S. 5ff, dargestellt werden. 5 BT-Drs. 16/11337, S. 2. Zu den Auswirkungen einer Nutzung der EU als System kollektiver Sicherheit i.S.v. Art. 24 Abs. 2 GG Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt, S. 162. 6  Siehe F. II. 3. c).

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G.  Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete

Lediglich für einen Teilbereich, nämlich die Pirateriebekämpfung, lässt sich eine Ermächtigungsgrundlage ohne Weiteres in Art. 105 des Seerechtsübereinkommens (SRÜ), der zur Festnahme von Piraten auf hoher See ermächtigt7, finden: „Jeder Staat kann auf Hoher See oder an jedem anderen Ort, der keiner staatlichen Hoheitsgewalt untersteht, ein Seeräuberschiff oder -luftfahrzeug oder ein durch Seeräuberei erbeutetes und in der Gewalt von Seeräubern stehendes Schiff oder Luftfahrzeug aufbringen, die Personen an Bord des Schiffes oder Luftfahrzeugs festnehmen und die dort befindlichen Vermögenswerte beschlagnahmen.“

In den folgenden Artikeln finden sich weitere Ermächtigungsgrundlagen, so etwa zum Anhalten und Betreten verdächtiger Schiffe (Art. 110 SRÜ). Als von der Bundesrepublik ratifizierter und transformierter Vertrag steht das Seerechtsübereinkommen gem. Art. 59 Abs. 2 GG im Rang eines einfachen Bundesgesetzes.8 Die Befugnis aus Art. 105 wird in Art. 107 SRÜ näher spezifiziert; so sind nur Kriegsschiffe, Militärflugzeuge und andere gekennzeichnete staatliche Schiffe zur Anwendung der Norm befugt: „Ein Aufbringen wegen Seeräuberei darf nur von Kriegsschiffen oder Militärluftfahrzeugen oder von anderen Schiffen oder Luftfahrzeugen vorgenommen werden, die deutlich als im Staatsdienst stehend gekennzeichnet und als solche erkennbar sind und die hierzu befugt sind.“

Die Tauglichkeit des Art. 105 SRÜ wurde vereinzelt in Zweifel gezogen, weil es an einer Befugnis im Sinne des Art. 107, die durch innerstaatliches Recht zu erteilen ist, für deutsche Kriegsschiffe fehle.9 Die zusätzliche Notwendigkeit einer solchen ausdrücklichen Befugnis verlangt das Übereinkommen aber nur für die bereits erwähnten „anderen Schiffe“ – die autoritative10 englischsprachige Fassung des Art. 107 SRÜ macht hingegen durch ihre Syntax deutlich, dass für Kriegsschiffe eine solche zusätzliche Befugnis nicht erforderlich ist, da ihre Befugnis impliziert ist: „[…] by warships or military aircraft, or other ships clearly marked and identifiable as being on government service and authorized to that effect.“ 7  Burkhardt, in: Weingärtner (Hrsg.), Die Bundeswehr als Armee im Einsatz. Entwicklungen im nationalen und internationalen Recht, 2010, S. 125 (134 f.); Kreß, ebd., S. 95 (111). Ausführlich zu den Tatbestandsvoraussetzung Trésoret, Seepiraterie. Völkerrechtliche, europarechtliche und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Auslandsentsendung deutscher Streitkräfte zur Bekämpfung der Seeräuberei, 2011, S. 260 ff. 8  Hingegen stellt die Norm als Völkervertrags-, nicht Völkergewohnheitsrecht keine Norm i.S.v. Art. 25 S. 1 GG dar, a.A. offenbar Wiefelspütz, JbÖS 2010/2011, II, S. 41 (50). 9 So Fischer-Lescano, NordÖR 2009, 49 (53); Jenisch, NordÖR 2009, 385 (386). 10  Verbindlich sind gem. Art. 320 SRÜ der arabische, chinesische, englische, französische, russische und spanische Wortlaut. Auch in diesen Sprachfassungen erstreckt sich der strittige Relativsatz nicht auf Kriegsschiffe.

I.  Einsatz von Streitkräften

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Die Norm war ursprünglich auf Kriegsschiffe beschränkt; der letzte Halbsatz wurde angefügt, um die Gefahr von Missverständnissen und Verwechslungen auf hoher See zu minimieren.11 Art. 105, 107 SRÜ ermächtigen somit ohne weitere erforderliche Normen die Streitkräfte zur Pirateriebekämpfung und stellen daher eine taugliche Ermächtigungsgrundlage dar.12 2.  Allgemeine Eingriffsermächtigungen a)  Meinungsstand Schwieriger gestaltet sich die Suche nach einem Schrankengesetz für sonstige Streitkräfteeinsätze. Ein solches ist nicht ohne weiteres erkennbar; das Streitkräftehandeln scheint nur verfassungsrechtlich geregelt zu sein.13 Nicht ganz zu Unrecht attestiert Wiefelspütz der Debatte – oder vielmehr dem Fehlen einer Debatte – um eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für Streitkräfteeinsätze „Verdrängungsmechanismen“.14 Zwar existiert ein Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die Bundeswehr (UZwGBw)15, doch dieses gilt gem. § 1 nur für „militärische Wach- und Sicherheitsaufgaben“. Dies schließt zwar Einsätze im Ausland begrifflich nicht komplett aus, durchaus aber militärische Kampfhandlungen.16 Stattdessen könnte der konstitutive Parlamentsbeschluss für die Entsendung von Streitkräften in bewaffnete Einsätze nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz17 eine Ermächtigungsgrundlage darstellen.18 Dieser enthält in der Regel über 11  Oehmke, Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen zur Abwehr gegen Piraterie. Eine Analyse unter Aspekten des Völkerrechts und des deutschen Rechts, 2016, S. 190 f. 12 A.A. Sax, Soldaten gegen Piraten. Der extraterritoriale Einsatz der deutschen Marine zur Pirateriebekämpfung im Lichte von Völkerrecht und Grundgesetz, 2018, S. 287, der die Norm für zu unbestimmt hält. – Für die Anwendung durch Polizeischiffe ist eine zusätzliche Befugnisnorm erforderlich, wie sie sich etwa in § 6 S. 1 BPolG findet, vgl. dazu Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 6 BPolG, Rn. 40; a.A. offenbar Zähle, NZV 2013, 470 (474 f.). – Zu weiteren Ermächtigungsgrundlagen aus Resolutionen des Weltsicherheitsrates Trésoret, Seepiraterie, S. 282 ff. 13  Gramm, Verwaltung 2008, 375 (375, 377). 14  Wiefelspütz, NZWehrR 2009, 133 (145). 15  BGBl. I 1965, S. 796 ff. i.d.F. v. BGBl. I 2007, S. 3198. 16  Kutscha, NVwZ 2004, 801 (803); Marauhn, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 44 (2010), Aussprache, S. 283; Stauf, Unmittelbarer Zwang-Gesetz Bundeswehr, 2012, Einl., Rn. 1, 7. 17 Vgl. BVerfGE 90, 286 (381 f.) zum verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt beim Streitkräfteeinsatz. 18 So StA Zweibrücken, Beschl. v. 23. 01. 2009, Az. 4129 Js 12550/08 – NZWehrR 2009, 169 (170). Ähnlich Surholt, Amtshaftung für Handlungen in Auslandseinsätzen der Bundeswehr, 2014, S. 372 f.

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G.  Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete

die bloße Ermächtigung zur Entsendung hinaus auch Maßgaben für die Anwendung militärischer Gewalt.19 Er weist aber gerade keine Gesetzesqualität auf, sondern stellt einen schlichten Parlamentsbeschluss dar, der den Anforderungen des grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts nicht zu genügen vermag, sondern primär die Rolle der Bundeswehr als „Parlamentsarmee“ sicherstellen soll.20 Davon abgesehen würde eine solche Rechtfertigung jedenfalls in solchen Fällen scheitern, in denen aufgrund von Gefahr im Verzug ein vorheriger Parlamentsbeschluss entbehrlich ist.21 Vereinzelte Stimmen gehen von einer Rechtfertigung militärischer Kampfhandlungen durch Notwehr i.S.v. § 32 StGB sowie durch die Jedermann-Festnahme i.S.v. § 127 StPO aus.22 Eine solche Lösung verwandelt ein Ausnahmerecht des Individuums in eine Rechtfertigung organisierter staatlicher Gewaltausübung23, vermag aber jedenfalls – selbst wenn man ihr folgt – nur strafrechtliche Wirkungen zeitigen, aber keine Ermächtigungsgrundlage schaffen.24 Detaillierte Befugnisse, die den Streitkräften im Auslandseinsatz zukommen sollen, werden durch die sog. Rules of Engagement geregelt, die den Soldaten in Kurzform als „Taschenkarten“ zur Verfügung gestellt werden. Auch diesen könnte grundsätzlich ermächtigende Wirkung zugeschrieben werden. Da sowohl Rules of Engagement als auch Taschenkarten überwiegend Verschlusssachen darstellen 25, fällt eine wissenschaftliche Sichtung schwer. Exem19 

Siehe exemplarisch BT-Drs. 18/9632, S. 4. Epping, in: ders./Hillgruber (Hrsg.), Art. 87a (Stand: 01.  06.  2017), Rn. 37.1; N. B. Wagner, in: FS v. Block-Schlesier, 2010, S. 275 (279); a.A. StA Zweibrücken, NZWehrR 2009, 169 (170): Parlamentsbeschluss i.V.m. Art. 24 Abs. 2 GG; Surholt, Amtshaftung für Handlungen in Auslandseinsätzen, S. 372 f. 21 Darauf weist Zimmermann, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 44 (2009), Aussprache, S. 292 f., hin. Zu den Voraussetzungen eines solchen Vorgehens BVerfGE 90, 286 (388) sowie § 5 ParlBetG. 22  Bettendorf, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit deutscher Soldaten bei der Anwendung militärischer Gewalt. Exemplarisch dargestellt anhand des Einsatzes in Afghanistan und des Luftschlages von Kundus am 4. September 2009, 2015, S. 283 ff.; Jenisch, NordÖR 2009, 385 (389). 23  So zu Recht J. H. Schmid, Die völkerrechtliche Stellung der Partisanen im Kriege unter besonderer Berücksichtigung des persönlichen Geltungsbereiches der Genfer Konventionen zum Schutze der Kriegsopfer vom 12. August 1949, 1957, S. 72. 24  Erb, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB (MK-StGB), Bd. I, 3. Aufl. 2017, § 32, Rn. 190; Riegel, NVwZ 1985, 639 (641). Wer hier die „Einheit der Rechtsordnung“ entgegenhält, wie etwa Bettendorf, Strafrechtliche Verantwortlichkeit deutscher Soldaten, S. 284 oder R. Lange, JZ 1976, 546 (547), übersieht, dass eine Differenz zwischen verwaltungsrechtlicher Legalität und Strafbarkeit angesichts der Ultima-ratio-Funktion des Strafrechts absolut nichts Ungewöhnliches ist. 25 Siehe aber die zusammenfassende Wiedergabe einzelner Aspekte in BT-Drs. 16/6282, S. 5 ff. in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage. Für einen 20 

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plarisch kann aber die Taschenkarte der International Security Assistance Force (ISAF) für den Einsatz in Afghanistan aus Sekundärquellen 26 herangezogen werden. Diese weist eine Detailtreue auf, die zwar nicht an die der Polizeigesetze des Bundes und der Länder herankommt, aber über schlichte Allgemeinplätze durchaus hinausgeht. So wird der Einsatz militärischer Gewalt unter den Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit gestellt. Der Schusswaffengebrauch wird – materiell weitgehend identisch mit dem polizeilichen Vollstreckungsrecht – in der Regel an eine vorherige Androhung oder hilfsweise an Warnschüsse geknüpft. Neben einer Generalklausel sind auch Standardmaßnahmen aufgeführt, ihre Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen werden allerdings nicht näher spezifiziert.27 Ihre Detailtreue ändert allerdings nichts daran, dass Taschenkarten und Rules of Engagement nicht einmal materielle Gesetze, geschweige denn dem Gesetzesvorbehalt genügende Parlamentsgesetze darstellen. Vielmehr sind sie schlichtes Innenrecht der Bundeswehr.28 Als Befugnisnorm können sie daher unmöglich qualifiziert werden. Stattdessen wird bisweilen § 7 SoldG als Ermächtigungsgrundlage herangezogen 29, doch die Norm enthält schon ihrem Wortlaut nach nicht einmal ansatzweise eine Ermächtigung zum Grundrechtseingriff, sondern allenfalls eine abstrakte Aufgabenzuweisung. Ferner setzt das SoldG seinerseits – ungeachtet der besonderen Gehorsamsregelung in § 11 – die Rechtmäßigkeit des Handelns voraus, anstatt es selbst zu statuieren.30 Häufig wird – meist jedoch als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund, nicht als verwaltungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage – auf Resolutionen des Sicherheitsrates sowie bisweilen unmittelbar auf Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen abgestellt, was zur Folge hätte, dass auch eine Überschreitung des innerstaatlichen Mandats strafrechtlich wirkungslos wäre31, aber – vorbehaltlich weiteren Einblick siehe außerdem Burkhardt, in: Weingärtner (Hrsg.), Die Bundeswehr als Armee im Einsatz, S. 125 (135 ff.); Heinz, in: Fleck (Hrsg.), Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 2004, S. 67 (80 ff.); H. Krieger, in: Weingärtner (Hrsg.), Die Bundeswehr als Armee im Einsatz, S. 39 (42); Spies, in: Weingärtner (Hrsg.), Einsatz der Bundeswehr im Ausland, S. 115 (126). Die Rules of Engagement der britischen Streitkräfte im Irak sind abgedruckt bei Horvat, Mil. L. & L. War Rev. 43 (2004), 195 (200). 26  Stockfisch, Der Reibert. Das Handbuch für den deutschen Soldaten, Neuaufl. 2012, Teil C, S. 261 ff. 27  A.a.O., S. 262. 28  Dreist, UBWV 2008, 93; Diehl, HuV-I 23 (2010), 4 (6). Für eine klarere Darlegung der Befugnisse in den Rules of Engagement gleichwohl Fleck, NZWehrR 2008, 164 (167 f.). 29  Baldus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 87a, Rn. 96. 30  Kutscha, NVwZ 2004, 801 (803). 31  N. B. Wagner, NZWehrR 2011, 45 (61); ähnlich auch Frister/Korte/Kreß, JZ 2010, 10 (12 ff.).

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G.  Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete

eines weiteren Rechtfertigungsgrundes – immerhin zur Strafbarkeit deutscher Soldaten im KFOR-Einsatz führen würde. Freilich berechtigen diese Regelungen nur die UN-Mitgliedsstaaten zu Abweichungen vom Grundsatz des Gewaltverbotes, enthalten aber über ein unbestimmtes „all measures necessary“ hinaus32 keinerlei konkrete Ermächtigungen an einzelne Amtswalter, weshalb auch sie – ebenso wenig wie die darauf basierenden Resolutionen des Sicherheitsrates33 – nicht als Ermächtigungsgrundlage oder Rechtfertigungsgrund herangezogen werden können.34 Die Bundesregierung allerdings mäandert zwischen diesen Begründungsansätzen und verweist auf Sicherheitsratsresolutionen, Art. 24 Abs. 2 GG, konstitutive Parlamentsbeschlüsse und Völkergewohnheitsrecht i.V.m. Art. 25 GG.35 Nicht überzeugend ist ferner auch der von Wiefelspütz angeführte Ansatz, der Schutzbereich zumindest des Rechts auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Var. 1 GG) sei bei völkerrechtskonformen Streitkräfteeinsätzen schon nicht eröffnet.36 Wiefelspütz beruft sich dabei auf die Chemiewaffenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts: „Mit der Entscheidung für die militärische Landesverteidigung (Art. 24 Abs. 2, 87 a, 115 a ff. GG) hat das Grundgesetz zu erkennen gegeben, daß der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Rückwirkungen auf die Bevölkerung bei einem völkerrechtsgemäßen Einsatz von Waffen gegen den militärischen Gegner im Verteidigungsfall nicht umfaßt.“37

Jedoch geht aus dem Zusammenhang des Zitats hervor, dass sich das Gericht – vgl. schon die Formulierung „Rückwirkungen auf die Bevölkerung“ – nicht auf direkte Eingriffe durch militärische Kampfhandlungen, sondern nur auf die mittelbaren Gefahren für die eigene Bevölkerung durch den Aufbau einer Verteidigungsinfrastruktur bezieht.38

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Bettendorf, Strafrechtliche Verantwortlichkeit deutscher Soldaten, S. 248. N. B. Wagner, in: FS v. Block-Schlesier, S. 275 (279), s. aber a.a.O. (303 f.). 34  So auch Diehl, HuV-I 23 (2010), 4 (12 f.); Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt, S. 274 f. 35  BT-Drs. 16/11382, S. 14. 36  Wiefelspütz, NZWehrR 2009, 133 (146 ff.); ders., NZWehrR 2008, 89 ff.; ders., in JbÖS 2010/2011, II, S. 41 (61 f.). Vgl. auch Ladiges, Die Bekämpfung nicht-staatlicher Akteure im Luftraum. Unter besonderer Berücksichtigung des § 14 Abs. 3 LuftSiG und der strafrechtlichen Beurteilung der Tötung von Unbeteiligten, 2007, S. 340, der diese Position Mußgnug, DÖV 1989, 917 (918) unterstellt, aus dessen Überlegungen sie freilich nicht zwingend folgt. 37  BVerfGE 77, 170 (221). 38  Dazu auch OVG Münster, Urt. v. 04. 11. 2014, Az. 4 A 1058/13 – DVBl. 2015, 514 (520). 33 

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Häufig wird schließlich vertreten, das Grundgesetz impliziere mit dem Verteidigungsauftrag in Art. 87a GG derartige Eingriffe, weshalb eine Ermächtigungsgrundlage nicht erforderlich sei.39 Sicherlich lässt sich aus den wehrverfassungsrechtlichen Bestimmungen ableiten, dass das Grundgesetz seit der Wiederbewaffnungsnovelle von der Existenz bewaffneter Streitkräfte und der prinzipiellen Möglichkeit ihres Einsatzes ausgeht. Doch das Grundgesetz geht ebenso von der Existenz eines staatlichen Gewaltmonopols etwa in Gestalt einer Polizei aus – und dennoch lässt dies nicht den Schluss zu, dass die Polizeigesetze der Länder und des Bundes aufgrund verfassungsunmittelbarer Implikation redundant wären. Das Grundgesetz impliziert keine Grundrechtseingriffe, es ermöglicht sie – sofern der Gesetzgeber sich dazu entscheidet, per Gesetz von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. b)  Eingriffsbefugnisse im bewaffneten Konflikt Bei der Suche nach einer Ermächtigungsgrundlage für Streitkräftehandlungen der Bundeswehr im Ausland ist eine Differenzierung nach der Art des Einsatzes notwendig. Im Rahmen bewaffneter Konflikte gelten die Normen des humanitären Völkerrechts, die als ratifizierte und transformierte völkerrechtliche Verträge gem. Art. 59 Abs. 2 GG den Rang eines Bundesgesetzes innehaben.40 Zwar wirken diese primär nicht befugnisbegründend, sondern befugnisbegrenzend41, implizieren jedoch in ihrer detaillierten Bestimmtheit den Willen des ratifizierenden und transformierenden Bundesgesetzgebers42, mit ihnen die Rechtmäßigkeit von Kampfhandlungen zu regeln und somit innerhalb ihres Anwendungsbereiches Ermächtigungsgrundlage zu schaffen.43 Gestützt wird die39  Gramm, Verwaltung 2008, 375 (378 f.); Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2014, Art. 2, Rn. 172; Schott, in: Weingärtner (Hrsg.), Die Bundeswehr als Armee im Einsatz, S. 79 (85); N. B. Wagner, in: FS v. Block-Schlesier, S. 275 (295 f.). 40 Zur Eignung völkerrechtlicher Verträge i.V.m. den Zustimmungsgesetzen als Ermächtigungsgrundlagen knapp Kleinlein, AöR 142 (2017), 43 (62). 41  Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt, S. 292 f.; Yousif, Extraterritoriale Geltung der Grundrechte, S. 184 ff.; Zimmermann, Bundeswehr-Auslandseinsatzgesetz. Thesenpapier, http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_ upload/PDF-Dateien/Vortraege/bundeswehr_auslandeinsatzgesetz_zimmermann.pdf [25. 09. 2017], S.  2. Yousif verneint aus diesem Grund die Existenz einer Ermächtigungsgrundlage, was Wiefelspütz in NZWehrR 2008, 262 f. „erstaunlich“ nennt und prophezeit, sie werde damit „alleine bleiben“. 42 Zu den Voraussetzungen impliziter Ermächtigungsgrundlagen BVerfGE 95, 267 (306). 43  Surholt, Amtshaftung für Handlungen in Auslandseinsätzen, S. 370; ähnl. auch Fassbender, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, § 244, Rn. 155; Hillgruber, F.A.Z. v. 21. 02. 2017, S. 6; a.A. T. Linke, NWVBl. 2007, 101 (104); grundsätzlich zur völkerrechtlichen Perspektive

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ses Verständnis durch das in Art. 43 des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen44 verankerte Kombattantenprivileg.45 Es gilt zwar primär, aber nicht exklusiv gegenüber fremden Staaten.46 Das Kombattantenprivileg gilt ungeachtet der völkerrechtlichen Zulässigkeit des bewaffneten Kampfes an sich, also des jus ad bellum47, was verdeutlicht, dass die Frage nach der genauen Ermächtigungsgrundlage keineswegs irrelevant ist: Stellte man stattdessen als Befugnisnorm auf die Vorschriften des Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen ab, die Ausnahmen vom völkerrechtlichen Gewaltverbot regeln48, so hinge die Rechtmäßigkeit der individuellen staatlichen Handlung von der völkerrechtlichen Zulässigkeit des Einsatzes im Gesamten ab. Ebenfalls ein – freilich innerstaatliches – jus ad bellum im weiteren Sinne enthalten die verfassungsrechtlichen Normen über die Zulässigkeit des Streitkräfteeinsatzes dem Grunde nach, d. h. Art. 87a Abs. 1 – 4 sowie 35 Abs. 2 und 3 GG: Sie regeln, wann Streitkräfte eingesetzt werden dürfen, nicht aber, zu welchen Handlungen diese befugt sind.49 Somit wirken die Normen des humanitären Völkerrechts als Ermächtigungsgrundlagen für Kampfhandlungen der Streitkräfte50, sofern nicht, wie im Fall der Art. 105 ff. SRÜ, eine speziellere Ermächtigungsgrundlage besteht.51 Es handelt sich um Ermessensnormen, bei deren Ausübung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten ist. Dieser stellt keinen Fremdkörper im Recht des bewaffneten Konflikts dar, vielmehr ist die grundsätzliche Geltung des VerhältAlkatout, The Legality of Targeted Killings in View of Direct Participation in Hostilities, 2015, S. 39: „IHL allows killings explicitly“. Undeutlich Mußgnug, DÖV 1989, 917 (921), der wohl auf eine Rechtfertigung über Art. 25 GG abstellt. 44  BGBl. II 1990, S. 1550 ff. 45  Zum Kombattantenprivileg BGH, Beschl. v. 06. 05. 2014, Az. 3 StR 365/13 – NStZRR 2014, 274 (275); Alkatout, Legality of Targeted Killings, S. 39. 46  Wieczorek, Unrechtmäßige Kombattanten und humanitäres Völkerrecht, 2005, S. 254. Dies hindert den Truppenstaat freilich nicht daran, den Einsatz eigener militärischer Gewalt durch innerstaatliche Gesetze weiter einzuschränken, als das humanitäre Völkerrecht dies tut, vgl. auch Surholt, Amtshaftung für Handlungen in Auslandseinsätzen, S. 370. 47  Berman, Columbia J. Transnat. L. 43 (2004), 1 (9). 48  So etwa N. B. Wagner, NZWehrR 2011, 45 (61); ähnl. auch BT-Drs. 16/11382, S. 14. 49  Dazu bereits siehe oben G. I. 1. Diese Perspektiven werden in der Literatur häufig vermischt. Vorbildlich getrennt werden sie bei Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt, S. 16 ff., 95 f. 50  Ähnlich, aber im Detail unklar Huhn, Amtshaftung im bewaffneten Auslandseinsatz: Anwendbarkeit und Leistungsfähigkeit des Amtshaftungsrechts bei Verletzung des ius in belli, 2010, S. 88 ff. 51  Salomon, Internationale Strafverfolgungsstrategie gegenüber somalischen Piraten, S. 79 ff., weist zurecht darauf hin, auf die Pirateriebekämpfung könne mangels eines bewaffneten Konflikts humanitäres Völkerrecht überhaupt keine Anwendung finden.

I.  Einsatz von Streitkräften

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nismäßigkeitsprinzips auch völkerrechtlich anerkannt.52 Freilich können sich die Maßgaben des kriegsvölkerrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips von jenen des Verfassungsrechts unterscheiden53, was der Eignung des humanitären Völkerrechts als Katalog von Befugnisnormen nicht entgegensteht: Da es sich um Ermessensbefugnisse handelt, sind im Rahmen der Ermessensausübung verfassungsrechtliche Ermessensgrenzen – darunter das Verhältnismäßigkeitsprinzip – zu beachten; das Kriegsvölkerrecht untersagt es nicht, innerstaatlich weitere Anforderungen an seine Handhabung zu stellen.54 Die Normen des humanitären Völkerrechts können ihre Wirkung als Ermächtigungsgrundlagen aber nur innerhalb ihres Anwendungsbereichs entfalten. Dieser erstreckt sich zunächst auf internationale bewaffnete Konflikte55 sowie auf Besetzungen56. Art. 1 Abs. 4 des Ersten Zusatzprotokolls erweitert diesen Schutz auf koloniale Befreiungskämpfe. Außerhalb dieses Anwendungsbereiches kommt eine Anwendung des Zweiten Zusatzprotokolls57 und – als Minimalstandard – des gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen in Betracht58, die zwar ein Kombattantenprivileg nicht vermitteln59, sondern für die Rechtsstellung der Beteiligten auf innerstaatliches Recht verweisen60, aber ebenfalls hinreichend bestimmte 52 IGH, Entsch. v. 08.  07. 1996 („Nuclear Weapons“), ICJ Rep. 1996, 226 (245); Greenwood, in: Fleck (Hrsg.), The Handbook of International Humanitarian Law, 2. Aufl., Oxford 2009, S. 1 (35); Krugmann, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Völkerrecht, 2004, S. 67. 53  A. T. Müller, in: Baade et al. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit im Völkerrecht, 2016, S. 65 (71 ff.); Surholt, Amtshaftung für Handlungen in Auslandseinsätzen, S. 379 ff. 54  Surholt, Amtshaftung für Handlungen in Auslandseinsätzen, S. 365, 370. 55  Vgl. die Art. 2 der Genfer Abkommen sowie Art. 1 Abs. 3 des Zusatzprotokolls. 56  Vgl. Art. 2 Abs. 2 der Genfer Abkommen. 57  BGBl. II 1990, S. 1637 ff. 58  Hobe, in: Heintze/Ipsen (Hrsg.), Heutige bewaffnete Konflikte als Herausforderungen an das humanitäre Völkerrecht. 20 Jahre Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht – 60 Jahre Genfer Abkommen, 2011, S. 69 (75); Schmahl, in: Hasse/Müller/Schneider (Hrsg.), Humanitäres Völkerrecht. Politische, rechtliche und strafgerichtliche Dimensionen, 2001, S. 41 (58 f.). Diese Differenzierung ist vom humanitären Völkerrecht beabsichtigt und kann nicht mit Verweis auf einen behaupteten Wertungswiderspruch zwischen strengerem Recht im internationalen und weniger strengem im nicht-internationalen Konflikt beiseitegeschoben werden, wie Frau, JZ 2014, 417 (419 f.) zu Recht anmerkt – so aber LG Bonn, Urt. v. 11. 12. 2013, Az. 1 O 460/11 – JZ 2014, 411 (414). 59 GA Sharpston, Schlussantr. v. 29. 09. 2016, Rs C-158/14 (A, B, C/Minister van Buitenlandse Zaken), Ziff. 107. 60  Fleck, in: ders. (Hrsg.), The Handbook of International Humanitarian Law, 2. Aufl. 2009, S. 605 (627); R. Maaß, Der Söldner und seine kriegsvölkerrechtliche Rechtsstellung als Kombattant und Kriegsgefangener, 1990, S. 76. So ausdrücklich auch ZDv 15/2, Rn. 1308.

258

G.  Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete

Maßgaben und Handlungsanweisungen für Streitkräftehandeln setzen. Auch diese Normen gelten aber nicht, wenn die Schwelle zum bewaffneten Konflikt nicht erreicht wird.61 Der derzeitige Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ist – je nach Zeitpunkt und Landesteil – teils als nicht-internationaler bewaffneter Konflikt62, teils unterhalb dieser Schwelle einzuordnen.63 Eine Geltung des Rechts des internationalen bewaffneten Konflikts aufgrund einer Besetzung (Art. 2 Abs. 2 der Genfer Abkommen), kommt seit der Übergabe der Hoheitsgewalt an die afghanische Regierung nicht mehr in Frage. c)  Eingriffsbefugnisse außerhalb bewaffneter Konflikte Für Einsätze unterhalb der Schwelle des bewaffneten Konflikts, d. h. vor allem für quasi-polizeiliche Friedenssicherungs- und Stabilisierungsmissionen existiert ein Schrankengesetz zurzeit nicht, sie fallen vielmehr in eine Lücke zwischen (innerstaatlichem) Polizeirecht und Kriegsvölkerrecht.64 Hier ist ein gesetzgeberisches Tätigwerden verfassungsrechtlich geboten.65

61  Geiß, in: Heintze/Ipsen (Hrsg.), Heutige bewaffnete Konflikte, S. 45 (58 f.); Schmahl, in: Hasse/Müller/Schneider (Hrsg.), Humanitäres Völkerrecht. Politische, rechtliche und strafgerichtliche Dimensionen, 2001, S. 41 (59). Dazu auch Oeter, in: Weingärtner (Hrsg.), Die Bundeswehr als Armee im Einsatz, S. 61 (64 f., 70). Die in ZDv 15/2, Rn. 212 ausgesprochene Bindung an elementare Gewährleistungen des humanitären Völkerrechts ändert daran nichts, da es sich um eine rein innenrechtliche Perspektive – Zentrale Dienstvorschriften sind Innenrecht der Bundeswehr – handelt, der die Rechtswirksamkeit nach außen fehlt. 62  BVerwGE 136, 360 (369 f.); GBA, Verfüg. v. 20. 06. 2013, Az. 3 BJs 7/12 – 4 – NStZ 2013, 644 (645); GBA, Verfüg. v. 16. 04. 2010, Az. 3 BJs 6/10 – 4 – NStZ 2010, 581 (582). Die Unterstützung der afghanischen Regierung durch ausländische Truppen macht den dortigen Konflikt nicht zu einem internationalen, OLG Köln, Urt. v. 30. 04. 2015, Az. 7 U 4/14 – juris, Rn. 35; LG Bonn JZ 2014, 411 (414); Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt, S. 88; vgl. auch ICRC, Commentary on the First Geneva Convention, https:// ihl-databases.icrc.org/ihl/full/GCI-commentary [25. 09. 2017], Art. 2, Ziff. 263; anders freilich die erste Phase des Afghanistan-Krieges, H. Krieger, in: Weingärtner (Hrsg.), Die Bundeswehr als Armee im Einsatz, S. 39 (44 f.). 63  OVG Bautzen, Beschl. v. 25. 09. 2007, Az. A 1 B 161/07 – juris, Rn. 11; VG München, Urt. v. 18. 06. 2013, Az. M 15 K 13.30046 – juris, Rn. 29. 64  Oeter, in: Weingärtner, Die Bundeswehr als Armee im Einsatz, S. 61 (64 f.). 65  Dies fordern – wenngleich weniger verbindlich – auch K. Maaß, NZWehrR 2016, 103 (126) und Oeter, in: Weingärtner (Hrsg.), Die Bundeswehr als Armee im Einsatz, S. 61 (69); a.A. Bettendorf, Strafrechtliche Verantwortlichkeit deutscher Soldaten, S. 526 f. Das Fehlen einer klaren gesetzlichen Regelung bei Auslandseinsätzen der Polizei beklagt Gusy, in: Kugelmann (Hrsg.), Polizei unter dem Grundgesetz, 2010, Podiumsdiskussion, S. 125.

I.  Einsatz von Streitkräften

259

Dass jede Ausübung von hoheitlicher Gewalt und unmittelbarem Zwang durch die Polizei im Inland – völlig zurecht – detaillierten gesetzlichen Schranken und insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unterliegt, aber der Einsatz tödlicher Gewalt im Ausland völlig unbeeindruckt von einem Gesetzesvorbehalt möglich sein soll, ist jedenfalls mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren. Abhilfe zu schaffen, ist keineswegs unmöglich66, wie etwa das österreichische Auslandseinsatzgesetz von 2001 zeigt.67 Dieses regelt in § 6a zumindest generalklauselartig die Befugnisse der Streitkräfte in Auslandseinsätzen, nennt aber darüber hinaus auch explizit Einzelmaßnahmen68: „(1) Personen, die im Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport zu einem Auslandseinsatz nach § 1 Z 1 lit. a bis c KSE-BVG entsendet werden, sind zur Erfüllung konkreter Aufgaben dieses Auslandseinsatzes sowie zur Ausübung und Durchsetzung der hiezu [sic] notwendigen Befugnisse, soweit sie in den zugrunde liegenden völkerrechtlichen Regelungen vorgesehen sind, nach Maßgabe der Abs. 2 bis 4 ermächtigt. Dabei dürfen auch die erforderlichen Maßnahmen zur Eigensicherung sowie zum Schutz und zur Sicherung sonstiger Personen und Sachen im jeweils notwendigen Umfang wahrgenommen werden. (2) Als Befugnisse zur Wahrnehmung der Aufgaben nach Abs. 1 kommen in Betracht 1. Verwendung jener personenbezogenen Daten, die zur Wahrnehmung der im Auslandseinsatz anfallenden Aufgaben erforderlich sind, 2. Auskunftsverlangen, 3. Verkehrsleitung, einschließlich der Errichtung von Kontrollpunkten, 4. Kontrolle, Durchsuchung und vorläufige Festnahme von Personen, 5. Wegweisung von Personen, 6. Errichtung von Sicherheitszonen und Verhängung von Ausgangssperren, 7. Durchsuchung, Sicherstellung und Inanspruchnahme von Sachen, 8. Beendigung von Angriffen gegen im Rahmen des Auslandseinsatzes zu schützende Rechtsgüter und 9. sonstige Maßnahmen zum Schutz und zur Sicherung von Personen und Sachen.“ 66 So aber Gramm, Ein Streitkräfteeinsatzgesetz für die Bundeswehr? Juristisches Fachgespräch am 24. Oktober 2011 des Deutschen Instituts für Menschenrechte und der Deutschen Gesellschaft für Wehrrecht und Humanitäres Völkerrecht, http://www. institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/Word/ein_streitkraefteeinsatz gesetz_fuer_die_bundeswehr_gramm.doc [25. 09. 2017]; ders., Verwaltung 2008, 375 (379); dagegen überzeugend auch Schäfer, in: Weiß (Hrsg.), Menschenrechtsbindung bei Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte. Expertengespräch, 2006, S. 5 (8). 67  BGBl. (Ö) I Nr. 55/2001, zuletzt geändert BGBl. (Ö) I Nr. 181/2013. 68  Dies übersieht Hillgruber, FAZ v. 21. 02. 2017, S. 6, der anführt, das österreichische Gesetz verweise schlicht ohne Weiteres auf das humanitäre Völkerrecht.

260

G.  Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete

In Abs. 3 regelt das Gesetz darüber hinaus die Anwendung unmittelbaren Zwanges zur Durchsetzung der in Abs. 2 genannten Befugnisse. Abs. 4 ordnet die Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips an. Das Gesetz ist ausdrücklich als Reaktion auf das bisherige Fehlen von Rechtfertigungsgründen für die Anwendung militärischer Gewalt durch Angehörige der Streitkräfte zu verstehen.69 § 6a AuslEG 2001 könnte hier als Vorlage für ein deutsches Gesetz dienen. Durch eine Aufzählung von Standardmaßnahmen und eine Generalklausel, ähnlich wie im Polizeirecht, ist eine gesetzliche Regelung ohne Schwierigkeiten möglich.70 Im Übrigen wäre ein solches Gesetz auch im Inland nicht beispiellos: § 6 S. 1 BPolG enthält etwa immerhin eine Generalklausel für den Einsatz der Bundespolizei auf hoher See, worauf Zimmermann hinweist.71 Auch darin läge ein Vorbild für ein Gesetz, das die Befugnisse von Streitkräften im Auslandseinsatz festlegt. Ein solches Gesetz zu schaffen, ist auch keineswegs eine unnötige bürokratische Pflichtübung.72 Selbst wenn im Ergebnis schlicht die bestehenden Rules of Engagement in die Form eines Parlamentsgesetzes gefasst würden – oder die Geltung der Normen des humanitären Völkerrechts auf Ereignisse unterhalb der Schwelle eines Konflikts erstreckt würde –, so müsste sich die Exekutive doch einem parlamentarischen, öffentlichen Diskurs zu diesen Fragen stellen.73 Der Gesetzesvorbehalt ermöglicht so Transparenz und erzeugt politische Verantwortlichkeit.74 Auch im Hinblick auf das Demokratieprinzip ist der Gesetzesvorbehalt für militärische Auslandseinsätze daher unerlässlich.

69  Schittenhelm, in: Truppendienst 328, 4/2012, http://www.bundesheer.at/truppen dienst/ausgaben/artikel.php?id=1419 [25. 09. 2017]. 70 So auch Zimmermann, Bundeswehr-Auslandseinsatzgesetz, Thesenpapier, S. 2. Einen anderen Weg geht Frankreich in Art. 17 Abs. 2, Loi no. 2005 – 270 du 24 mars 2005 portant statut général des militaires, der pauschal auf die Vorschriften des humanitären Völkerrechts und das Mandat abstellt. Vgl. dazu Schott, in: Weingärtner (Hrsg.), Die Bundeswehr als Armee im Einsatz, S. 79 (90). 71  Zimmermann, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 44 (2010), Aussprache, S. 292 f. Vgl. auch § 8 Abs. 2 BPolG zur Auslandsverwendung in Notfällen. Die Schlussfolgerung Zimmermanns, der Gesetzgeber gehe von einem Gesetzesvorbehalt für diese Bereiche aus, ist aber nicht zwingend, da die Normen auch rein deklaratorisch vorgesehen sein könnten. 72  So auch Payandeh, DVBl. 2016, 1073 (1076). 73 Vgl. Kleinlein, AöR 142 (2017), 43 (72 f.) zur demokratischen Funktion des Parlamentsvorbehalts für den Streitkräfteeinsatz. 74  Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Demokratie), Rn. 116 f.; Kissler, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 36, Rn. 5 ff.

I.  Einsatz von Streitkräften

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3.  Verfassungsrechtliche Maßgaben für Gesetzgebung und Gesetzesanwendung Bei der Schaffung eines solchen Schrankengesetzes für die Streitkräfte ist der Gesetzgeber gem. Art. 1 Abs. 3 GG grundrechtsgebunden. Er schafft Ermächtigungsgrundlagen für Grundrechtseingriffe insbesondere in die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 GG, und handelt so in Ausübung des Gesetzesvorbehalts in Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG, der auch Eingriffe in das Recht auf Leben ausdrücklich zulässt.75 Besondere Bedeutung kommt dabei dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu. Dabei wird auf der Stufe der Geeignetheit und der Erforderlichkeit den Streitkräften häufig eine große Einschätzungsprärogative zukommen, da eine Ex-post-Bewertung schwer möglich ist und angesichts der bestehenden Gefahren eine gleiche Eignung milderer Mittel selten in Frage kommen wird. Die Möglichkeit, auch Unbeteiligten Schaden zuzufügen, die in bewaffneten Auseinandersetzungen unter Einschränkungen hingenommen wird76, ist mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht schlechthin unvereinbar. Auch in dessen Rahmen ist ein Vorgehen gegen Unbeteiligte – vgl. nur die Figur des polizeilichen Notstands – prinzipiell möglich. Im Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG jedoch können Eingriffe gegen Unbeteiligte in Konflikt mit der Fundamentalnorm des Art. 1 Abs. 1 GG geraten.77 Dies ist freilich kein Problem der extraterritorialen Grundrechtsgeltung, sondern der Menschenwürdedogmatik: Derartige Konfliktlagen sind keineswegs auf das Ausland beschränkt, sondern werden sogar zumeist anhand von inländischen Fällen diskutiert.78 Während Abwehrrechte auch die Streitkräfte stets binden, ist die Intensität von Schutzpflichten abhängig vom Grad der bestehenden Kontrolle. In Abwesenheit eines bestehenden staatlichen Einflusses sind die Anforderungen des Untermaßverbotes nur gering; sie verbieten es dem deutschen Staat aber, grundrechtswidrige Zustände auch noch zu fördern. Wie er aber auf derartige Zustände reagiert, ist nicht durch eine konkrete Handlungspflicht determiniert. Einen Anspruch auf 75 Zu Eingriffen in das Recht auf Leben durch Tötung gegnerischer Kombattanten Huhn, Amtshaftung im bewaffneten Auslandseinsatz: Anwendbarkeit und Leistungsfähigkeit des Amtshaftungsrechts bei Verletzung des ius in bello, 2010, S. 83, 88. 76  A. T. Müller, in: Baade et al. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit im Völkerrecht, S. 65 (71 f.). Zu strukturellen Unterschieden zwischen Kriegs- und Polizeirecht Waechter, JZ 2007, 61 ff. 77  Zum Verbot staatlicher Tötung Unbeteiligter BVerfGE 115, 118 (153 f.). Das Gericht beschränkt seine Aussagen jedoch ausdrücklich auf „nichtkriegerische“ Handlungen und lässt offen, ob im Kriegsfall andere Maßstäbe gelten. 78 Zu den äußerst intrikaten Problemen Gramm, UBWV 2007, 121 (123); Huhn, Amtshaftung im bewaffneten Auslandseinsatz, S. 84 f.; Ipsen, NZWehrR 2008, 156 f.; A. T. Müller, in: Baade et al. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit im Völkerrecht, S. 65 (74 ff., 80 ff.); Pawlik, JZ 2004, 1045 ff.; Zimmermann/Geiß, Staat 46 (2007), 377 ff.

262

G.  Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete

einen Streitkräfteeinsatz gibt es nicht. Gleichwohl können Schutzpflichten auch in diesem Stadium als legitime Zwecke für Eingriffe in andere Grundrechte Relevanz gewinnen.79 Im Rahmen eines bestehenden Militäreinsatzes hingegen verlangt das Untermaßverbot eine Abwägung, in die insbesondere der Schutz der Zivilbevölkerung einzustellen ist. Sofern dies mit den verfügbaren Mitteln möglich ist, kann etwa eine Handlungspflicht bestehen, gegen schwerste Menschenrechtsverletzungen – etwa Genozide und ethnische Säuberungen – einzuschreiten. Ist eine stabile Kontrolle über ein Gebiet in Gestalt einer Besetzung etabliert, so sind die dort bestehenden Schutzpflichten mit jenen im Inland vergleichbar, weil auch das jeweilige Ausmaß hoheitlicher Gewalt vergleichbar ist. Der Streitkräfteeinsatz wird in der Staatsrechtslehre zum Teil als Anomalie gesehen, im Rahmen derer die Verfassung nahezu suspendiert sei. Die Verfassung freilich gibt dies nicht her. Sie ist für die Besonderheiten bewaffneter Konflikte nicht blind und taub, stellt ihre Wertentscheidungen aber nicht völlig zur Disposition.

II.  Fernmeldeaufklärung durch Nachrichtendienste Es gibt wohl kein Gebiet staatlichen Handelns, das in der allgemeinen Vorstellung stärker mit der Suspendierung rechtlicher Vorgaben verknüpft ist, als jenes, auf dem Geheim- und Nachrichtendienste handeln. Plakativ ausgedrückt: James Bond hält sich offenkundig nicht an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Doch in der Bundesrepublik sind Nachrichtendienste in rechtlicher Hinsicht kein „Staat im Staate“ mehr, sondern Teil der Exekutive und unterliegen „vollständig der staatlichen Rechtsordnung“80; ihre Existenz soll – so das Bundesverfassungsgericht – durch das Grundgesetz ausdrücklich gebilligt sein.81 Gleichwohl ist die Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes erst seit 1990 gesetzlich geregelt; zuvor existierte lediglich ein organisatorischer Erlass der Bundesregierung.82 Die 79 

Glawe, NZWehrR 2009, 221 (230 f.). Erxleben, Agenten zwischen den Fronten. Der Bundesnachrichtendienst zwischen Auftrag, Rechtslage und Historie, 2015, S. 133. So auch Hölscheidt, Jura 2017, 148 (151). 81  BVerfG, Beschl. v. 13. 10. 2016, Az. 2 BvE 2/15 – NVwZ 2017, 137 (143) unter Verweis auf Art. 45d, 71 Abs. 1 Nr. 10 b), 87 Abs. 1 S. 2 GG, die sich freilich – mit Ausnahme des Art. 45d GG, der undifferenziert sämliche Nachrichtendienste des Bundes erfasst, aber auch keine bestimmten Dienste nennt – nur auf die Verfassungsschutzbehörden, nicht aber auf den Bundesnachrichtendienst beziehen. 82  A.a.O., S. 129 ff., 138 ff.; ebenso Gusy, VerwArch 107 (2016), 437 (438). Zur Geschichte und weiteren Eckdaten auch knapp Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes. Zur Reform der Kontrolle der Nachrichtendienste und zur Kontrolle der nachrichtendienstlichen Beobachtung von Abgeordneten des Bundestages, 2014, S. 30 f., zur 80 

II.  Fernmeldeaufklärung durch Nachrichtendienste

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Staatsrechtslehre behalf sich mit dem Argument, der Dienst sei im Ausland tätig, ging also von der widerlegten bloßen Inlandsgeltung der Grundrechte aus.83 Diese Rechtsauffassung ist aber auch in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend: Die Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes erfolgt zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich im Ausland84, wie schon die auch auf das Inland gerichteten Aufgabennormen in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNDG zeigen.85 1.  Rechtsgrundlagen a)  Überblick Im Bundesnachrichtendienstgesetz finden sich zahlreiche Ermächtigungsgrundlagen: Neben einer Generalklausel in § 2 Abs. 1 BNDG verweist § 3 BNDG auf die Befugnisse zur Observation, zur Verwendung von V-Leuten86 und Tarnpapieren sowie zum Lauschangriff in §§ 8 ff. BVerfSchG. §§ 2a, 2b BNDG i.V.m. §§ 8a, 8b, 8d BVerfSchG ermöglichen dem Bundesnachrichtendienst außerdem die Einholung von Bestandsdatenauskünften. Auch für die Weitergabe von personenbezogenen Daten an andere Behörden wird in § 9 BNDG auf das BVerfSchG

inneren Gliederung außerdem Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste – eine Neubestimmung durch Art. 45d GG?, 2014, S. 25 f. 83  H. H. Klein, in: VVDStRL 37 (1979), S. 53 (92); iE genauso Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 220 f. Dagegen bereits Brenner, Bundesnachrichtendienst im Rechtsstaat. Zwischen geheimdienstlicher Effizienz und rechtsstaatlicher Kontrolle, 1990, S. 120 ff. 84  Auch wenn der Handlungsort der nachrichtendienstlichen Tätigkeit oftmals im Inland liegt – so etwa wenn Fernmeldeverkehre ausländischer Personen bei der Durchleitung durch das Inland hier abgehört werden, vgl. dazu Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation. Prüfung und Bewertung von NSA-Selektoren nach Maßgabe des Beweisbeschlusses BND-26. Bericht im Rahmen des 1. Untersuchungsausschuss der 18.Wahlperiode des Deutschen Bundestages (offene Fassung), https://www.tagesschau.de/inland/graulich-abschlussbericht-101. pdf [25. 09. 2017], S. 21 ff. –, so halten sich die Betroffenen, d. h. die potentiellen Grundrechtsträger, regelmäßig im Ausland auf und der Erfolg des Grundrechtseingriffes tritt regelmäßig im Ausland ein. Zur Irrelevanz des Handlungsortes als staatliches Internum s. G. II. 3. b). 85  Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), § 1 BNDG, Rn. 51; Haedge, Das neue Nachrichtendienstrecht für die Bundesrepublik Deutschland. Ein Leitfaden mit Erläuterungen, 1998, S. 216; Weisser, Die Entwicklung des Bundesnachrichtendienstes. Historische Einflüsse, Grundlagen und Grenzen seiner Kompetenzen, 2014, S. 206 f. 86  Ob die Norm auch rechtfertigende Wirkung für von V-Leuten begangene Straftaten entfaltet, war lange Zeit str. – dafür Sellmeier/Warg, NWVBl. 2015, 135 ff.; dagegen OLG Düsseldorf, Urt. v. 06. 09. 2011, Az. 5 StS 5/10 – NStZ 2013, 590 (591) –, ist nun aber durch §§ 9b Abs. 1 S. 1, 9a Abs. 2 BVerfSchG geregelt. Siehe dazu Blome/Sellmeier, DÖV 2016, 881 ff.

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G.  Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete

verwiesen, das mit seinen Ermächtigungsgrundlagen dadurch Modellcharakter für das übrige Nachrichtendienstrecht hat.87 Zwangsbefugnisse hat der BND nicht, wie § 2 Abs. 3 BNDG ausdrücklich klarstellt.88 Zu seinen Aufgaben gehören ferner „weder Sabotage noch Diversion oder Subversion“89, sondern primär die „politische[n] Information der Bundesregierung“90. Gleichwohl greift er mit den oben beschriebenen Befugnissen in Grundrechte ein. Neben diesem Gesetz finden sich auch in §§ 3 ff. des G10-Gesetzes Ermächtigungsgrundlagen.91 Diese berechtigen den Bundesnachrichtendienst zur Fernmeldeüberwachung in Gestalt der Individualaufklärung einzelner Personen und der strategischen Aufklärung größerer Datenverkehre.92 Das G10-Gesetz schreibt hierfür in Ausführung der Regelungen des Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG ein ausführliches Verfahren vor der vom Bundestag bestellten G10-Kommission vor. Im Rahmen seines Anwendungsbereiches ist das G10-Gesetz lex specialis; ein Rückgriff auf die Generalklausel in § 2 Abs. 1 BNDG scheidet daher aus, sobald ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG vorliegt.93 Einen räumlichen oder personellen Anwendungsbereich gibt das G10-Gesetz, im Gegensatz zu § 1 Abs. 2 S. 2 BNDG, für die strategische Überwachung nicht ausdrücklich vor.94 Es spricht vielmehr von „internationale[n] Telekommunikati87  Bäcker, in: Dietrich et al (Hrsg.), Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2018, S. 137 (138). 88 Zum sog. Trennungsgebot und dem „Polizeibrief“ der Alliierten s. Bull, in: FS Götz, 2005, S. 341 ff.; Haedge, Das neue Nachrichtendienstrecht, S. 70 f.; Weisser, Die Entwicklung des Bundesnachrichtendienstes, S. 182 ff. 89  Weisser, Die Entwicklung des Bundesnachrichtendienstes, S. 131. 90  BVerfGE 133, 277 (319). Kritisch dazu Roggan, in: ders./Kutscha (Hrsg.), Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit, 2006, S. 411 (431). Zu den Aufgaben ausführlicher Hempel, Bundestag und Nachrichtendienste, S. 25 f. 91 Sehr ausführlich und instruktiv zu den verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen des G10-Gesetzes und den vorgesehenen Verfahren Zöller, Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten. Zur Vernetzung von Strafverfolgung und Kriminalitätsverhütung im Zeitalter von multimedialer Kommunikation und Persönlichkeitsschutz, 2002, S. 344 ff. Zur Entstehung des Gesetzes Schwabenbauer, Heimliche Grundrechtseingriffe. Ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen sicherheitsbehördlicher Ausforschung, 2013, S. 60 f. 92  Zum praktischen Vorgehen des Dienstes bei diesen Maßnahmen knapp Landefeld, DRiZ 2016, 373; ausführlicher Schwabenbauer, Heimliche Grundrechtseingriffe, S. 62 ff., sehr instruktiv und aus der Innenperspektive Karl, in: Dietrich et al. (Hrsg.), Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2018, S. 129. 93  Proelß/Daum, AöR 141 (2016), 373 (400). 94  Einzelne Vorschriften tun dies jedoch, vgl. etwa § 5 Abs. 2 S. 3 G10, den Zöller konsequent für verfassungswidrig hält, siehe Zöller, Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen, S. 374.

II.  Fernmeldeaufklärung durch Nachrichtendienste

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onsbeziehungen“ (§ 5 Abs. 1), worunter Bundesregierung und Bundesnachrichtendienst in ständiger Verwaltungspraxis jedoch nur Telekommunikationsverkehre zwischen dem In- und Ausland verstehen, nicht aber reine Auslandsverkehre.95 In den letzteren – weit überwiegenden96 – Fällen stützte sich die Bundesregierung bislang lediglich auf die Aufgabenzuweisung in § 1 Abs. 2 S. 1 BNDG97 und begründete dies damit, Ausländer im Ausland könnten sich auf Art. 10 Abs. 1 GG nicht berufen.98 Hingegen soll das Verhältnismäßigkeitsprinzip offenbar auch jenseits der Grundrechtsbindung bei der Überwachung der Kommunikation von Ausländern im Ausland greifen99, wobei der konkrete Restinhalt rechtlicher Bindung offenbleibt. Im Schwerpunkt der nachfolgenden Betrachtung sollen Eingriffe in Art. 10 GG stehen, da die Fernmeldeüberwachung den wohl bedeutendsten Teil der Arbeit des BND ausmacht und aufgrund der intensiven Berichterstattung der letzten Jahre und der Tätigkeit des NSA-Untersuchungsausschusses nur zu diesem Komplex ein näherer Einblick in die Rechtspraxis überhaupt möglich ist.100 95  BT-Drs. 18/12850, S. 687 f.; Papier, NVwZ-Extra 2016, 1 (2). Wie genau die Trennung von nach dieser Ansicht grundrechtserheblichen Daten von sonstigen Daten durchgeführt wurde, ist nicht bekannt, vgl. dazu auch BT-Drs. 18/12850, S. 1246. Die Bundesregierung verweigerte die Antwort auf eine Kleine Anfrage unter Berufung auf das Staatswohl, BT-Drs. 17/14739, S. 14 f. 96  BT-Drs. 18/12850, S. 663 ff. 97 BT-Drs. 18/9041, S. 2; BT-Drs. 18/12850, S. 490, 695; B. Huber, vorgänge Nr. 206 – 207/2014, S. 42 (47); ders., in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Vorb. G10, Rn. 23; Marxsen, DÖV 2018, 218 (222). S. auch schon C. I. Für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) gelten ähnliche Regelungen. Eine Aufgabennorm findet sich in § 1 MADG, ebenso ist in § 1 Abs. 4 und § 4 Abs. 2 MADG ein Trennungsgebot festgeschrieben, das freilich weniger streng ist, als jenes aus § 2 Abs. 3 MADG, und lediglich die organisatorische Zusammenlegung von Polizei und MAD verbietet. In § 4 Abs. 1 MADG findet sich eine Generalklausel; die Spezialermächtigungen aus §§ 4a, 4b, 5 MADG entsprechen im Wesentlichen jenen des BNDG. Zusätzlich existiert eine Ermächtigungsgrundlage zum Schutz der Streitkräfte in Auslandseinsätzen (§ 14 MADG), die aber explizit nur im Inland oder ggü. Inländern gelten soll (vgl. BT-Drs. 15/1959, S. 9). Von § 14 MADG abgesehen soll die Tätigkeit des Dienstes primär im Inland erfolgen, Siems, in: Schenke/Graulich/ Ruthig (Hrsg.), § 1 MADG, Rn. 15; zu § 14 MADG Brissa, DÖV 2011, 391 (393). Das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie die Landesämter für Verfassungsschutz als reine Inlandsgeheimdienste bedürfen hier keiner näheren Beschreibung. 98  Siehe schon C. I. Der Verwaltungspraxis zustimmend Borgs-Maciejewski, in: ders./ Ebert (Hrsg.), Das Recht der Geheimdienste, 1986, § 1 G 10, Rn. 21; implizit auch Roewer, Nachrichtendienstrecht der Bundesrepublik Deutschland. Kommentar und Vorschriftensammlung für die Praxis der Verfassungsschutzbehörden, des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes, 1987, § 3 G 10, Rn. 4. Dagegen unter Berufung auf den Wortlaut Schwabenbauer, Heimliche Grundrechtseingriffe, S. 62, Fn. 307. 99  Karl/Soiné, NJW 2017, 919 (925). 100  Weitere Eingriffe durch nachrichtendienstliches Handeln können das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG betreffen (etwa die heimli-

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G.  Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete

b)  Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nach dem BNDG Abhilfe schaffte hier nach einer intensiven Debatte101 eine Novellierung des BND-Gesetzes im Herbst 2016.102 Kern dieser Novelle ist § 6 Abs. 1 S. 1 BNDG, der den Bundesnachrichtendienst zur Überwachung von Telekommunikationsverkehren zwischen ausländischen Teilnehmern im Ausland (sog. Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung) berechtigt, soweit dies erforderlich ist, um „1. frühzeitig Gefahren für die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erkennen und diesen begegnen zu können, 2. die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu wahren oder 3. sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung über Vorgänge zu gewinnen, die in Bezug auf Art und Umfang durch das Bundeskanzleramt im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium des Innern, dem Bundesministerium der Verteidigung, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bestimmt werden.“103

Die Überwachung von Unionsbürgern sowie EU-Einrichtungen und Unionsstaaten wird durch § 6 Abs. 3 S. 1 BNDG weiter eingeschränkt: Suchbegriffe, die zu deren gezielter Erfassung führen, sollen einerseits unter den Voraussetzungen des G10-Gesetzes, andererseits aber auch unter den Voraussetzungen des § 6 che Observation oder der Einsatz von V-Personen), ferner sind durch die akustische Wohnraumüberwachung Eingriffe in die Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG denkbar. – Zur Eingriffsqualität von Observationen BVerfGE 112, 304 (318); BGHSt 44, 13 ff. Zu V-Personen BGHSt 42, 103 ff.; Soiné, NStZ 2013, 83 (86); skeptisch dagegen Rebmann, NJW 1985, 1 (4). Zum Lauschangriff BVerfGE 109, 279 (309). Vgl. außerdem das bei H. A. Wolff, in: VVDStRL 75 (2016), Aussprache, S. 388 f. beschriebene Szenario einer heimlichen Hausdurchsuchung oder -betretung. 101  Siehe etwa Bäcker, Erhebung, Bevorratung und Übermittlung von Telekommunikation durch die Nachrichtendienste des Bundes. Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses am 22. Mai 2014, https://www.bundestag.de/blob/280844/35ec 929cf03c4f60bc70fc8ef404c5cc/mat_a_sv-2 – 3-pdf-data.pdf [25. 09. 2017], S.  18; Hoffmann-Riem, Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses am 22. Mai 2014, https://www.bundestag.de/blob/280846/04f34c512c86876b06f7c162e673f2db/ mat_a_sv-2 – 1neu—pdf-data.pdf [25. 09. 2017], S.  11; Papier, Gutachtliche Stellungnahme: Beweisbeschluss SV-2 des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages der 18. Wahlperiode, https://www.bundestag.de/blob/280842/9f755b0c 53866c7a95c38428e262ae98/mat_a_sv-2 – 2-pdf-data.pdf [25. 09. 2017], S.  7. 102 Gesetzentwurf BT-Drs. 18/9041; Beschlussempfehlung des Innenausschusses BT-Drs. 18/10068 – BGBl. I 2016, S. 3346 ff. Zum Gesetzgebungsverfahren Bareinske, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 865 (911 ff.); Wetzling/Simon, Eine kritische Würdigung der BND-Reform, http://verfassungs blog.de/eine-kritische-wuerdigung-der-bnd-reform/[25. 09. 2017]. 103  § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 3 BNDG.

II.  Fernmeldeaufklärung durch Nachrichtendienste

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Abs. 1 S. 1 BNDG möglich sein, in letzterem Fall aber nur, „soweit ausschließlich Daten über Vorgänge in Drittstaaten gesammelt werden sollen, die von besonderer Relevanz für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sind.“104 § 6 Abs. 4 BNDG schließt die Überwachung deutscher Staatsangehöriger, im Inland befindlicher Personen und inländischer juristischer Personen auf Grundlage dieses Gesetzes aus; hier soll stattdessen das G10-Gesetz Anwendung finden.105 Freilich vertrat die Bundesregierung hierzu bislang, sogenannte Funktionsträger ausländischer juristischer Personen fielen, auch sofern sie deutsche Staatsangehörige sind, aus dessen Anwendungsbereich heraus.106 Ob diese Rechtsauffassung auch für die Novellierung des BND-Gesetzes gelten soll, ist unklar.107 Über die Wahrung dieser Anforderungen wacht im Fall der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nicht die G10-Kommission, sondern ein „Unabhängiges Gremium“ aus Richtern und Bundesanwälten, die von der Bundesregierung berufen werden.108 Der Kontrolle durch das Gremium unterliegt jedoch grundsätzlich nur die Bestimmung der überwachten Kommunikationsnetze – welche Suchbegriffe aber für die Überwachung im jeweiligen Kommunikationsnetz verwendet werden, unterliegt seiner Kontrolle nur, wenn es sich um die Überwachung von EU-Institutionen und Behörden von EU-Mitgliedsstaaten handelt.109 Schließlich sollen all diese Regelungen nur für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung vom Inland aus gelten, nicht aber für eine solche vom Ausland aus. In diesem Fall soll es, so die Gesetzesbegründung, ausdrücklich bei der bloßen Anwendung der Aufgabennorm in § 1 Abs. 2 BNDG bleiben.110 Allerdings werden hier nun durch § 7 Abs. 1 BNDG weitere Grenzen gezogen: Werden vom Ausland aus erhobene Daten im Inland weiterverarbeitet, so soll dies nur unter den Voraussetzungen des § 6 BNDG möglich sein. Die Norm stellt insoweit eine Ausnahme zu § 1 Abs. 2 BNDG dar.111 Ferner soll die Veranlassung der Überwachung von Unionsbürgern, EU-Einrichtungen und Unionsstaaten durch ausländische Dienste nur unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 BNDG möglich sein. Ausländische Nachrichtendienste können also gegenüber diesen Personen104 

§ 6 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Hs. 2 BNDG. BT-Drs. 18/9041, S. 24. 106  BT-Drs. 18/9142, S. 5; BT-Drs. 18/12850, S. 710 ff. 107 Dafür Karl/Soiné, NJW 2017, 919 (920). 108  §§ 9 Abs. 4, Abs. 5, 16 BNDG. Ferner sieht § 9 BNDG einen Behördenleitervorbehalt und für die Anwendung des § 6 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BNDG eine Informationspflicht gegenüber dem Bundeskanzleramt vor. 109  Vgl. § 9 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 BNDG. 110  BT-Drs. 18/9041, S. 33. 111  A.a.O., S. 25. 105 

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G.  Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete

gruppen bzw. Einrichtungen nur noch beauftragt werden, Überwachungsmaßnahmen zu ergreifen, die der Bundesnachrichtendienst grundsätzlich auch selbst durchführen dürfte. Der sogenannte „Ringtausch“, d. h. die jeweils nach eigenem Recht unzulässige Erhebung von Daten durch ausländische Dienste und deren anschließende Weitergabe, soll so ausgeschlossen werden.112 2.  Verfassungsrechtliche Beurteilung a)  Grundrechtsrelevanz Die Tätigkeiten des Bundesnachrichtendienstes greifen in vielfacher Hinsicht in Grundrechte ein. Dass ihm zur Ausführung seiner Aufgaben Zwangsmaßnahmen jedenfalls im Inland explizit verwehrt sind – vgl. § 2 Abs. 3 S. 1 BNDG – beseitigt nicht den Eingriffscharakter, denn auch Maßnahmen, die kein zwangsweise durchsetzbares Ge- oder Verbot enthalten, können in Grundrechte eingreifen.113 Im Rahmen der Fernmeldeüberwachung werden Telekommunikationsdatenströme „verdoppelt“ und dem Bundesnachrichtendienst zugeleitet. Diese Datenströme werden anschließend mithilfe von Selektoren durchsucht.114 Schon in der „Abzweigung“ der Daten, die so in den Verfügungsbereich der Behörden gelangen, liegt ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis.115 Die individuelle Kenntnisnahme durch einen Amtswalter ist nicht Voraussetzung des Eingriffs.116 Ausgeschlossen ist ein Eingriff hingegen, wenn Daten zwar „ungezielt und allein technikbedingt zunächst miterfaßt, aber unmittelbar nach der Signalaufbereitung technisch wieder spurenlos ausgesondert werden“.117 Die Fernmeldeüberwachung des Bundesnachrichtendienstes stellt somit einen Grundrechtseingriff in all jenen Fällen dar, in welchen eine Erfassung der Telekommunikationsverbindung statt112 

A.a.O., S. 25. BVerfGE 105, 252 (273); BVerfGE 105, 279 (300 f.), wo freilich für derartige Verkürzungen anstelle des Eingriffsbegriffes von „Beeinträchtigungen“ die Rede ist; Peine, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 57, Rn. 30 ff.; Stern, in: ders./Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar. Die Grundrechte des Grundgesetzes mit ihren europäischen Bezügen, 2. Aufl. 2016, Einleitung, Rn. 147. 114  BVerwG, Urt. v. 28. 05. 2014, Az. 6 A 1.13 – NVwZ 2014, 1666 (1668 f.). Zur Arbeitsweise der Selektoren Marxsen, DÖV 2018, 218 (219). 115  BVerwG NVwZ 2014, 1666 (1668); BVerwG, Urt. v. 13. 12. 2017, Az. 6 A 6.16 –, juris, Rn. 24 ff.; BVerfGE 100, 313 (366). 116  BVerfGE 100, 313 (366). 117  BVerfGE 100, 313 (366); ebenso zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung BVerfGE 120, 378 (399) und BVerwG, Urt. v. 22. 10. 2014, Az. 6 C 7/13 – NVwZ 2015, 906 (907). 113 

II.  Fernmeldeaufklärung durch Nachrichtendienste

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findet und die erfassten Datenströme nicht unmittelbar im Anschluss, vor einer weiteren Filterung, wieder spurenlos verworfen werden.118 Beim „Abfangen“ von Daten ist dabei die Intensität deutscher Hoheitsgewalt irrelevant, da hier nicht Schutzpflichten, sondern schlicht Abwehrrechte maßgeblich sind. Der Bundesnachrichtendienst ist an die Abwehrrechte des Grundgesetzes, und damit insbesondere an den grundrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes, auch im Ausland gebunden. b)  Anforderungen an eine gesetzliche Ausgestaltung Dass eine gesetzliche Normierung nachrichtendienstlicher Datenerhebung unproblematisch möglich ist, hat das Vereinigte Königreich mit dem Investigatory Powers Act belegt.119 Dieser regelt ausführlich zahlreiche Befugnisse britischer Nachrichtendienste: So wird etwa das britische Pendant zur strategischen Fernmeldeaufklärung – die dort begrifflich gem. Art. 136 immer dann vorliegt, wenn sich mindestens ein Kommunikationspartner nicht im Vereinigten Königreich befindet, die weitere Trennung in strategische Fernmeldeaufklärung und Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nicht kennt – ausführlich geregelt und Verfahrens- und Formvorschriften120 sowie einer Verhältnismäßigkeitsprüfung121 unterworfen.122 Das britische Beispiel untermauert freilich auch Gärditz’ Vermutung, man schrecke vor der Normierung bestimmter nachrichtendienstlicher Tätigkeit ob ihrer „Anrüchigkeit“ zurück123: Die ausdrückliche Normierung zahlreicher bisher im Stillen ausgeübter Maßnahmen löste eine sehr kontroverse öffentliche Debatte aus.124 Dies freilich ist kein Argument, das gegen die Kodifi118  Hecker, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.) Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, S. 221 (236 f.). 119  Investigatory Powers Act 2016 v. 29. 11. 2016. Zur Rechtslage in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union O’Flaherty, in: Dietrich et al. (Hrsg.), Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2018, S. 201 ff. 120  Art. 142 des Investigatory Powers Act 2016. 121  Art. 152 des Investigatory Powers Act 2016. 122  Zur britischen Reform auch Kittichaisaree, Public International Law of Cyberspace, 2017, S. 149 ff.; McKay/Walker, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, S. 1855 ff. 123  Gärditz, Verwaltung 48 (2015), 463 (470). 124 Vgl. Bernal, How the UK passed the most invasive surveillance law in democratic history, http://verfassungsblog.de/how-the-uk-passed-the-most-invasive-surveillancelaw-in-democratic-history/[25. 09. 2017]; Hickman, The Investigatory Powers Bill: What’s Hot and What’s Not?, https://ukconstitutionallaw.org/2015/12/11/tom-hickman-the-inves tigatory-powers-bill-whats-hot-and-whats-not/[25. 09. 2017]; King/Lock, Investigatory Powers Bill: Key Changes Made by the Lords, https://ukconstitutionallaw.org/2016/12/01/ eric-king-and-daniella-lock-investigatory-powers-bill-key-changes-made-by-the-lords/ [25. 09. 2017].

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G.  Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete

zierung nachrichtendienstlicher Befugnisse erhoben werden kann: Die Kenntnisnahme der Öffentlichkeit als Folge der parlamentarischen Gesetzgebung ist verfassungsrechtlich gerade gewollt.125 Wer Befugnisse will, muss diesen Wunsch auch öffentlich rechtfertigen können. Eine Geheimhaltung von Befugnissen ist unmöglich; Befugnisse können unter Umständen im Geheimen ausgeübt werden, aber ihr Umfang und ihre normativen Voraussetzungen müssen transparent sein.126 Auch für die Tätigkeiten des Bundesnachrichtendienstes bedarf es einer Ermächtigungsgrundlage. Das Abhören von ausländischen Datenverkehren nur auf eine Aufgabenzuweisung zu stützen, wie dies bis 2016 geschah, ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Eingriffsmaßnahmen können nicht auf bloße Aufgabenzuweisungen gestützt werden, sondern bedürfen einer expliziten Ermächtigungsnorm.127 Diese Praxis war ferner schon methodisch unzutreffend: Das Gesetz selbst beschränkt seinen Anwendungsbereich nicht explizit auf das Inland.128 Durch die neu geschaffenen Regelungen im BND-Gesetz wird man aber nun davon ausgehen können, dass sie als lex specialis Vorrang genießen und das G10-Gesetz tatsächlich nicht auf diese Tätigkeiten anwendbar ist.129 Die verfassungsrechtliche Qualifikation als Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG wird hiervon nicht berührt – die Beurteilung der Schutzbereich grundrechtlicher Garantien ist unabhängig vom Willen des (einfachen, verfassungsgebundenen!) Gesetzgebers.130 Nach wie vor nicht geregelt ist die Überwachung ausländischer Datenverkehre vom Ausland aus. Diese werden von der Neuregelung gem. § 6 Abs. 4 BNDG nicht erfasst, sondern sollen – so ausdrücklich die Gesetzesbegründung – nach wie vor nur auf Grundlage von § 1 Abs. 2 BNDG stattfinden.131 Diese Praxis ist mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren. 125 

Siehe F. II. 3. c). Masing sprach auf dem Symposium „Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat“ am 04. 11. 2016 in Berlin von einer „Transparenz der Intransparenz“, vgl. ders., in: Dietrich et al. (Hrsg.), Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2018, S. 3 (13). 127  Murswiek, NVwZ 2003, 1 (7); Zimmermann, ZRP 2012, 116 (118). Konkret Papier, NVwZ-Extra 2016, 1 (7). Vorsichtig auch Rupprecht, ZFIS 1999, 256 (260). 128  So auch Lachenmann, DÖV 2016, 501 (504 f.); Roggan, Einl., Rn. 1; iE auch Papier, NVwZ-Extra 2016, 1 (2). 129  So auch Karl/Soiné, NJW 2017, 919. 130  Vgl. aber N.N., Metadatenerfassungen des BND bei leitungsvermittelter Kommunikation gemäß § 5 G10, Verschlusssache (nfD), abrufbar z. B. unter https://wikileaks.org/ bnd-inquiry/docs/BND/MAT%20A%20BND-1 – 13h.pdf [25. 09. 2017], S. 116 f. Die Echtheit der Quelle ist nicht verifizierbar. 131  BT-Drs. 18/9041, S. 33; so auch Karl/Soiné, NJW 2017, 919. 126 

II.  Fernmeldeaufklärung durch Nachrichtendienste

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Doch auch die Ausland-Ausland-Überwachung vom Inland aus wird durch die Neuregelung in den §§ 6 ff. BNDG nicht aller verfassungsrechtlicher Zweifel enthoben. Vielmehr stellt sich die Frage, zu welchem Ergebnis eine Konkretisierung und Anwendung der zuvor erarbeiteten verfassungsrechtlichen Maßstäbe hier kommt. Zunächst ist festzustellen, dass sich im Rahmen eines Grundrechtseingriffs Besonderheiten der Auslandsnachrichtendiensttätigkeit durchaus auf das Übermaßverbot auswirken können – pauschal aber ist eine solche Schlussfolgerung unzutreffend. Die Bedürfnisse nach Geheimhaltung und Flexibilität bedingen aber nicht zwingend einen Verzicht auf rechtliche Normierung.132 Wie z. B. das In-camera-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO zeigt, ist Geheimschutz durchaus auch mit gerichtlicher Kontrolle vereinbar.133 Das Fehlen von imperativen Befugnissen zur Durchsetzung von Ge- und Verboten wiederum beseitigt die Grundrechtsbindung, wie bereits dargestellt, ebenfalls nicht, senkt aber die Rechtfertigungsanforderungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ab: Personelle Reichweite eines Grundrechtseingriffs und Intensität stehen in einem wechselseitigen Verhältnis. Je größer die Menge der Adressaten eines staatlichen Eingriffs ist, desto geringer darf der Eingriff wiegen. Gleiches gilt im umgekehrten Fall: Intensive Grundrechtseingriffe sind für gewöhnlich nur gegen einen besonders bestimmten Personenkreis zulässig.134 So kann polizeilich ausgeübter unmittelbarer Zwang dadurch gerechtfertigt werden, dass dieser regelmäßig nur gegen den eng umgrenzten Personenkreis der Störer (§§ 4, 5 PolG NRW, §§ 17, 18 BPolG) zulässig ist und ein Vorgehen gegen Nichtstörer nur unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes erfolgen darf (§ 6 PolG NRW, § 20 BPolG). Die deutlich größere personelle Reichweite nachrichtendienstlicher Maßnahmen, die oftmals nicht an eine Störereigenschaft geknüpft sind (vgl. etwa § 5 G10), kann hingegen nur dadurch gerechtfertigt werden, dass sie Eingriffe bloß geringerer Intensität zulassen, nicht aber Vollstreckungsbefugnisse einräumen. Komplexer hingegen wird das Bild, wenn es um die Weitergabe personenbezogener Daten an ausländische Nachrichtendienste geht. Die Weitergabe selbst ist zunächst ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht.135 Anschließend 132 

Siehe auch F. II. 3. a). zum In-camera-Verfahren und dessen Eignung zum Schutz der auswärtigen Beziehungen W. Neumann, DVBl. 2016, 473 (476). 134  BVerfGE 100, 313 (376); BVerfGE 115, 320 (347); BVerfGE 125, 260 (318); Bäcker, in: Dietrich et al (Hrsg.), Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, S. 137 (145); Merten, in: HGR III, § 68, Rn. 71. 135  Baldus, Transnationales Polizeirecht. Verfassungsrechtliche Grundlagen und einfach-gesetzliche Ausgestaltung polizeilicher Eingriffsbefugnisse in grenzüberschreitenden Sachverhalten, 2001, S. 211; Rauser, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten. Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Art. 24 I GG, 1991, S. 217 f. 133  Vgl.

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aber liegen die Daten in den Händen einer ausländischen Staatsgewalt, die an die Grundrechte des Grundgesetzes nicht gebunden ist. Gleichwohl wird die potentielle Verwendung der Daten durch den ausländischen Dienst durch die Weitergabe als inländischen Eingriff mediatisiert136: Im Rahmen des Eingriffs sind die Folgen des „Kontrollverlustes“ zu berücksichtigen. Ist eine bestimmte, grundrechtsverkürzende Form der Verwendung objektiv vorhersehbar, so ist diese der Bundesrepublik als mittelbarer Grundrechtseingriff zurechenbar.137 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung stellt die internationale Zusammenarbeit grundsätzlich einen legitimen Zweck dar.138 In die Abwägung sind die fehlenden Einflussmöglichkeiten nach der Weitergabe und mögliche Folgen für den Grundrechtsträger – auch für andere Grundrechte, wenn durch die Verwendung der Daten etwa Folter droht – zu berücksichtigen.139 Zur Vermeidung unzumutbarer Folgen für den Grundrechtsträger ist die Zweckbindung auch im Ausland sicherzustellen.140 Der Staat darf sich nicht mit dem bloßen Verweis auf seinen fehlenden Einfluss über fremde Staaten „ins Ausland flüchten“141, sondern muss Anstrengungen unternehmen, um das Schutzniveau zu sichern142 und Auskunfts- sowie Löschungsansprüche gegenüber den ausländischen Diensten zu vereinbaren.143 Schließlich kann auch das gegenteilige Verfahren, nämlich ein Auskunftsverlangen deutscher Behörden an das Ausland, verfassungswidrig sein, wenn nach einer additiven Betrachtung das Verlangen nur dazu dient, auf diese Weise Daten zu erhalten, die deutsche Dienste nicht erheben dürften.144 Hier gilt der bereits

136 

Rauser, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 221. Siehe dazu F. II. 1. d). 138  Das allgemeine Persönlichkeitsrecht steht – mit Ausnahme der Intimsphäre – unter dem Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 1 GG und kann daher zugunsten einfacher legitimer Zwecke, nicht nur durch kollidierendes Verfassungsrecht, eingeschränkt werden, Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1 (39. EL 2001), Rn. 133 m.w.N. 139  Baldus, Transnationales Polizeirecht, S. 214 f. 140  Bock/Engeler, DVBl. 2016, 593 (597 f.); Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln. Transnationale Elemente deutschen Verwaltungsrechts, 2010, S. 703 f. 141  Zu diesem Vorwurf allgemein Bommarius, in: Roggan/Kutscha (Hrsg.), Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit, 2. Aufl. 2006, S. 583 (590). 142  EuGH, Urt. v. 06. 10. 2015, Rs C-362/14 (Schrems), Rn. 73; EuGH, Gutachten v. 26. 07. 2017, 1/15, Rn. 214; Bock/Engeler, DVBl. 2016, 593 (598); Piltz, KuR 2016, 1. 143  Baldus, Transnationales Polizeirecht, S. 212 f.; Holznagel, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts (GVR), Bd. II, 2. Aufl. 2012, § 24, Rn. 80a. 144  So zu Recht Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 714. Zur Direktabfrage durch deutsche Behörden in ausländischen Registern Giegerich, DÖV 2016, 456 f. 137 

II.  Fernmeldeaufklärung durch Nachrichtendienste

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dargestellte145 Grundsatz, dass die Bundesrepublik Verantwortung für Grundrechtsverkürzungen auch dann trägt, wenn sie diese nicht selbst vornimmt, aber andere Staaten zur Vornahme dieser Verkürzungen bestimmt. Davon zu unterscheiden sind Schutzpflichten zugunsten von Individuen gegen Tätigkeiten ausländischer Nachrichtendienste im Bundesgebiet.146 Bei diesen handelt es sich in Wahrheit nicht um extraterritoriale Grundrechtswirkungen: Ort der Beeinträchtigung ist das Inland. Die bloße Herkunft eines im Inland Grundrechte verkürzenden Akteurs aus dem Ausland verwandelt einen inländischen Sachverhalt nicht in eine extraterritoriale Problemlage. c)  Verfassungswidrigkeit der §§ 6 ff. BNDG Wendet man diese Maßstäbe nun auf die Neuregelung des BND-Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung an, so stellt man zunächst fest, dass auch diese Regelung – mit Ausnahme des Teilbereichs in § 7 BNDG – nur für die Ausland-Ausland-Überwachung vom Inland aus gelten soll.147 Ohne einen solchen Territorialbezug wird eine Ermächtigungsgrundlage weiterhin für entbehrlich gehalten, der Vorbehalt des Gesetzes und damit in letzter Konsequenz die Geltung von Art. 10 GG negiert.148 Die Anknüpfung an den Handlungsort vermag aber, wie bereits dargestellt149, einen Unterschied im Ausmaß der verfassungsrechtlichen Bindung nicht zu begründen. Erst recht suspendiert die Überwachung etwa im Internet nicht die Geltung der Grundrechte – für staatliches Handeln gilt im Vergleich zu „Offline“-Tätigkeiten kein anderer Maßstab.150 Greift das Handeln deutscher öffentlicher Gewalt in den Schutzbereich eines Grundrechts ein, so findet dieses – als Abwehrrecht – stets Anwendung und beansprucht zu seiner Einschränkung ein verfassungsmäßiges Parlamentsgesetz, das zum Eingriff ermächtigt. Dies gilt auch für die Überwachung vom Ausland aus. Für die Überwachung vom Inland aus hingegen existiert nun zumindest eine Ermächtigungsgrundlage. Diese sieht – mit Ausnahme des Falles des § 10 Abs. 4 S. 2 BNDG, d. h. der entgegen § 6 Abs. 4 BNDG erfolgten Überwachung deutscher Staatsangehöriger – eine Unterrichtung des Betroffenen nicht vor. Die Regelung muss sich daher in den Grenzen des qualifizierten Gesetzesvorbehalts aus Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG halten, der restriktiv auszulegen ist, um den Anforderun-

145 

Siehe F. II. 3. b). F. Becker, NVwZ 2015, 1335 (1340); Neubert, AöR 140 (2015), 267 ff. 147  BT-Drs. 18/9041, S. 33. 148  So auch Siemsen, Der Auslandsüberwachung wird (fast) alles möglich gemacht, http://www.juwiss.de/51 – 2016/[25. 09. 2017]. 149  Siehe F. II. 3. b). 150  Spies-Otto, NZWehrR 2016, 133 (134 ff.). 146 Dazu

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G.  Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete

gen des Art. 79 Abs. 3 GG noch zu genügen.151 Eingriffe auf dieser Grundlage sind nur zum „Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes“ (Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG) zulässig, die sich gegen eine konkrete Gefahr richten müssen.152 Unter diese Anforderungen ließe sich allenfalls noch § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BNDG fassen, nicht aber die Überwachung zur Wahrung der Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik (Nr. 2) oder zum Gewinn „sonstiger Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung“ (Nr. 3). § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BNDG dienen evident nicht den Zwecken, auf die ein Eingriff nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG begrenzt ist.153 Hinzu kommt, dass eine fehlende Benachrichtigung und der damit einhergehende faktische Verlust des Rechtsweges voraussetzt, dass die „Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane“ (Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG) erfolgt. Auch an dieser Eigenschaft mangelt es aber dem „Unabhängigen Gremium“, da es gem. § 16 Abs. 2 BNDG vom Bundeskabinett eingesetzt wird.154 Die Neuregelung genügt daher nicht den Anforderungen des qualifizierten Gesetzesvorbehalts. Denkbar wäre, dass die Einsetzung eines solchen „Unabhängigen Gremiums“ nach den bereits exemplarisch an Art. 104 GG dargestellten Grundsätzen ein Surrogat des Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG darstellte, um eine verfassungsrechtlich gesollte Aufgabe erfüllen zu können, die bei strikter Wahrung der Anforderungen nicht möglich wäre.155 Dabei wäre allerdings schon die Existenz einer von Verfassungs wegen gewünschten Aufgabe der Fernmeldeaufklärung nicht erkennbar. Jedenfalls aber ist das Ausweichen auf ein solches Surrogat nur möglich, wenn sich Aufgabenwahrnehmung und Erfüllung der grundrechtlichen Anforderungen nicht vereinen lassen. Die Betrauung eines „von der Volksvertretung bestellten Organs“ im Sinne von Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung ist hingegen keineswegs unmöglich. Schon die Bestellung des 151  BVerfGE 30, 1 (17 ff.). Immerhin drei Senatsmitglieder hielten Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG für unvereinbar mit Art. 79 Abs. 3 GG und damit nichtig, a.a.O. (33 ff.). 152  A.a.O. (22). 153  Dies übersehen Proelß/Daum, AöR 141 (2016), 373 (406), die – freilich zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Neuregelung in § 6 BNDG – für den (von ihnen verneinten) Fall eines Eingriffs in Art. 10 Abs. 1 GG durch die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung feststellen, bei der Gewinnung derartiger Erkenntnisse handle es sich zweifellos um einen legitimen Zweck i.S.d. Verhältnismäßigkeitsprinzips. Dies ist zutreffend, aber Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG lässt eben nicht jeden legitimen Zweck genügen, sondern nur die dort genannten Zwecke. 154  Zu Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung siehe auch Graulich, Gutachtliche Stellungnahme. Innenausschuss des Bundestages, Drs. 18(4)653 B, http:// www.bundestag.de/blob/439966/a34e858b9999b071b2c79ac6495f89e7/18 – 4-653-b-data. pdf [25. 09. 2017], S. 24 ff. 155  Siehe dazu F. II. 3. f).

II.  Fernmeldeaufklärung durch Nachrichtendienste

275

„Unabhängigen Gremiums“ durch den Bundestag anstelle des Bundeskabinetts würde diese Voraussetzungen erfüllen156; denkbar wäre ebenso eine Aufgabenzuweisung an die G10-Kommission. Die Entscheidung für ein durch das Bundeskabinett eingesetztes Gremium ist keineswegs zur Aufgabenerfüllung erforderlich. Es bleibt somit dabei, dass § 6 BNDG dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG nicht genügt und schon aus diesem Grund verfassungswidrig ist. Hinzu kommt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 BNDG im Vergleich zum detaillierten Katalog des § 5 Abs. 1 Nr. 1 – 8 G10 erheblich pauschaler sind, so genügt es zur Rechtfertigung einer Maßnahme, wenn dadurch „die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland“ gewahrt werden kann.157 Die Gesetzesbegründung liefert keine näheren Anhaltspunkte, die geeignet wären, diese unbestimmten Rechtsbegriffe einzugrenzen. Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot verlangt demgegenüber, dass gesetzliche Regelungen „in gewissem Umfang für den Staatsbürger voraussehbar“158 sein müssen. Bei Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis setzt dies eine präzise Nennung und Beschreibung der Voraussetzungen voraus.159 Unbestimmte Rechtsbegriffe sind damit nicht grundsätzlich unvereinbar, vielmehr sind sie zur Fassung „vielschichtiger Sachverhalte“ zum Teil unerlässlich.160 Dies erfordert aber eine effektive gerichtliche oder – im Falle des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG – quasi-gerichtliche161 Kontrolle der Anwendung dieser Begriffe, um die „ausdrückliche gesetzgeberische Dezision“ zu substituieren.162 Eine solche Kontrolle ist bei der Anwendung der §§ 6 ff. BNDG gerade nicht gegeben.163 Die bloß fragmentarische Kontrolle durch das „Unabhängige Gremium“, die sich nur auf die Auswahl der überwachten Kommunikationsnetze, nicht 156  Dies schlägt etwa auch H. A. Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26. 09. 2016, http://www.bundestag.de/blob/440658/e6b 3125cfbb2a07940d375aa744b4e0a/18 – 4-653-f-data.pdf [25. 09. 2017], S.  12, vor. 157  § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BNDG. 158  BVerfGE 8, 274 (325). 159  BVerfGE 100, 313 (372). 160  BVerfGE 79, 174 (195). 161 Zur G10-Kommission „dem gerichtlichen Rechtsschutz gleichwertige Kontrolle“ BVerfG, Beschl. v. 20. 09. 2016, Az. 2 BvE 5/15 – NVwZ 2016, 1701 (1703 f.). 162 So Wißmann, Generalklauseln – Verwaltungsbefugnisse zwischen Gesetzmäßigkeit und offenen Normen, 2008, S. 177. Konkret zu nachrichtendienstlichen Ermächtigungsgrundlagen Hecker, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, S. 221 (241). Allgemeiner auch Boldt, Rechtsstaat und Ausnahmezustand. Eine Studie über den Belagerungszustand als Ausnahmezustand des bürgerlichen Rechtsstaates im 19. Jahrhundert, 1967, S. 233. 163  So auch Marxsen, DÖV 2018, 218 (228).

276

G.  Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete

aber auf die zur Überwachung verwendeten Suchbegriffe bezieht164, vermag ein gerichtliches Verfahren nicht adäquat zu ersetzen. Vor diesem Hintergrund ermöglichen es die unbestimmten Rechtsbegriffe der Ermächtigungsgrundlage, weitgehend ohne Kontrolle eine „nachrichtendienstfreundliche“ Auslegung zu pflegen, weil der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, diese Begriffe hinreichend zu konturieren. Verstärkend kommt hinzu, dass die Tätigkeit des „Unabhängigen Gremiums“ vollständig im Geheimen erfolgt; eine Berichterstattung „in abstrakter Form“165 erfolgt nur gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium.166 Mit dem Bestimmtheitsgebot ist dieses Vorgehen nicht vereinbar.167 Gestützt auf diesen Aspekt verneinen auch die drei UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit, für die Lage von Menschenrechtsverteidigern und für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten die Vereinbarkeit mit dem UN-Zivilpakt.168 Ferner wird auf einen Hinweis zur Einschränkung von Art. 10 GG im Rahmen der Neuregelung weiterhin verzichtet169; Nennungen eingeschränkter Grundrechte finden sich lediglich in den anderen Ermächtigungsgrundlagen des Gesetzes170, sind aber auch schon ihrem Wortlaut nach auf diese beschränkt. Daraus folgt zunächst, dass die Bundesregierung offenbar nach wie vor davon ausgeht, das Fernmeldegeheimnis schütze im Ausland nur deutsche Staatsbürger.171 Da diese Rechtsauffassung, wie bereits gezeigt, unzutreffend ist, ist die Neurege164  Lediglich bei der Überwachung von EU-Institutionen und von Behörden ihrer Mitgliedsstaaten findet eine solche Kontrolle statt (§ 9 Abs. 5 BNDG). Gerade gegenüber diesen aber gelten die Anforderungen des Art. 10 Abs. 2 GG nicht, da es sich nicht um Grundrechtsträger handelt (s.o. F. II 2 b.). 165  BT-Drs. 18/9041, S. 32. 166  § 16 Abs. 5 S. 1, Abs. 6 BNDG. 167  So iE auch Reporter ohne Grenzen, Stellungnahme: Wahrung der Meinungs- und Pressefreiheit durch eine grundrechtskonforme Fassung des BND-Gesetzes, https:// www.reporter-ohne-grenzen.de/uploads/tx_lfnews/media/20160804_BNDG-E_ROG_ Stellungnahme.pdf [25. 09. 2017], S. 6. 168  Kaye/Forst/Pinto, Brief an den Ständigen Vertreter Deutschlands bei den Vereinten Nationen in New York vom 29. 08. 2016, http://www.ohchr.org/Documents/Issues/ Opinion/Legislation/OL_DEU_2.2016.pdf [25. 09. 2017], S. 4 f. 169 Darauf weist auch Gärditz, Anhörung des Innenausschusses am 26. September 2016: Stellungnahme, http://www.bundestag.de/blob/439964/df6624db722964570b5f 397c84ce067e/18 – 4-653-a-data.pdf [25. 09. 2017], S. 4, hin, wenngleich er die Geltung des Art. 10 GG hier verneint (siehe dazu C. III. 6.). Ebenso ders., DVBl. 2017, 525 (528 f.). 170  Vgl. etwa § 2a S. 5 BNDG. 171  Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Zur strategischen Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung in Bezug auf Unionsbürger nach § 6 Abs. 3 Bundesnachrichtendienstgesetz-Entwurf, Az.  WD 3 – 3000 – 171/16, http://www.bundestag. de/blob/438390/6d9b7a1f5a5eb07ed214811a12a70d60/wd-3 – 171 – 16-pdf-data.pdf [25. 09. 2017], S. 12. So explizit auch die Unionsfraktion im Innenausschuss, BT-Drs. 18/10068, S. 7.

II.  Fernmeldeaufklärung durch Nachrichtendienste

277

lung mit dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG nicht vereinbar.172 Die Regelung bezweckt gerade gezielte Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis, weshalb auch eine Auslegung der Norm dahingehend, dass sie nicht zu solchen Eingriffen ermächtige, nicht möglich ist.173 Vielmehr wird schon der Verstoß gegen Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG die Nichtigkeit der Norm, sofern sie denn beschlossen wird, nach sich ziehen.174 Den zuvor beschriebenen „Ringtausch“, in dessen Rahmen gezielt von fremden Nachrichtendiensten Daten angefordert werden, die nach deutschem Recht nicht erhoben werden könnten, will die Neuregelung beenden175, indem auch für solche Anforderungen § 6 Abs. 3 BNDG gelten soll.176 Dies ist positiv zu bewerten, lässt die gezielte Inanspruchnahme ausländischer Dienste doch wie beschrieben die Kontrolle deutscher Staatsgewalt und damit die grundrechtliche Schutzpflicht fortbestehen. Doch auch die Neuregelung differenziert nach wie vor zwischen Unionsbürgern und Deutschen: Deutsche im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG sollen auf Grundlage der Ermächtigungsnorm nicht abgehört werden dürfen177; ihnen gegenüber bleibt es bei der Anwendung des G10-Gesetzes. Unionsbürger hingegen können unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 BNDG überwacht werden. Diese Norm inkorporiert die Voraussetzungen des G10-Gesetzes, lässt aber überdies auch eine Überwachung unter den für Nicht-Unionsbürger geltenden Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 3 BNDG zu, „soweit ausschließlich Daten über Vorgänge in Drittstaaten gesammelt werden sollen, die von besonderer Relevanz für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sind“.178 Unter diesen Voraussetzungen lässt die geplante Norm also eine Ungleichbehandlung von Unionsbürgern gegenüber Deutschen zu. Wie aber bereits gezeigt wurde179, stellt die unterschiedliche Gewährung von extraterritorialem Grundrechtsschutz 172  So auch Hölscheidt, Jura 2017, 148 (155); B. Huber, ZRP 2016, 162 (163); Marxsen, DÖV 2018, 218 (225 f.). 173  Zur primären verfassungskonformen Auslegung bei Verstößen gegen das Zitiergebot Singer, DÖV 2007, 496 (502). 174  Hillgruber, in: HStR³ IX, § 201, Rn. 48; Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 19 Abs. 1 (52. EL 2008), Rn. 47; Singer, DÖV 2007, 496 (502 f.); a.A. – bloße Sollvorschrift ohne Nichtigkeitsfolge – noch F. Klein, in: v. Mangoldt/Klein (Hrsg.), Grundgesetz, 2. Aufl. 1957, Art. 19, IV.3. Etwas uneindeutig BVerfGE 5, 13 (15 f.); BVerfGE 113, 348 (366 f.) geht dagegen von der Nichtigkeitsfolge aus, macht aber aufgrund der zuvor unterschiedlichen Rechtsauffassungen eine – hier nicht einschlägige – Ausnahme für solche Vorschriften, die vor Verkündung dieses Urteils, d. h. vor 2005, in Kraft traten. 175  So BT-Drs. 18/9041, S. 40. 176  Vgl. § 7 Abs. 2 BNDG. 177  Vgl. § 6 Abs. 4 BNDG. 178  Vgl. § 6 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BNDG. 179  Siehe F. II. 2. a).

278

G.  Konsequenzen für ausgewählte Rechtsgebiete

auf der Basis der Staatsangehörigkeit innerhalb der Europäischen Union – auch bezüglich nachrichtendienstlicher Tätigkeiten180 – eine Diskriminierung nach Art. 18 AEUV dar. Eine Rechtfertigung bedarf jedenfalls181 einer differenzierten Verhältnismäßigkeitsprüfung.182 Die Pauschallösung im BNDG neuer Fassung versucht aber nicht einmal, durch Verfahrensgarantien, wie sie im G10-Gesetz zu finden sind, eine zumutbare Lösung zu schaffen. Überdies ist kein konkreter Grund erkennbar, warum von Unionsbürgern in der Regel eine Gefahr ausgehen dürfte, die erstens deutlich höher ist, als die von Deutschen ausgehende Gefahr, und zu deren Bekämpfung zweitens der Katalog des § 5 Abs. 1 Nr. 1 – 8 G10 nicht ausreichen soll. Einer Rechtfertigung ist § 6 BNDG daher nicht zugänglich. Er verstößt somit auch gegen Unionsrecht. Darüber hinaus kann auch die von der Bundesregierung bislang vertretene „Funktionsträgertheorie“, nach welcher Funktionsträger ausländischer Organisationen und Staaten keinen Grundrechtsschutz genössen183, nicht überzeugen. Wie bereits dargelegt184, sind Organe ausländischer Staaten – ebenso wie jene der Bundesrepublik und ihrer Untergliederungen – tatsächlich nicht grundrechtsberechtigt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die natürlichen Personen, die diese Funktionen ausfüllen, Träger von Grundrechten sind. Insgesamt zeigt die Neuregelung der §§ 6 ff. BNDG deutlich die Kompromissnatur der Novelle: Offenbar bestand innerhalb der Regierungskoalition ein Dissens, ob die bisherige Rechtspraxis zulässig war und die Normierung daher nur klarstellenden Charakter hat, oder ob Anpassungen verfassungsrechtlich notwendig waren.185 Das Gesetz zeigt, dass sich diejenigen durchgesetzt haben, denen ersteres genügte.186 Schon die schlichte Missachtung der qualifizierten Anforderungen aus Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG machen deutlich, dass der Gesetzgeber 180  Siemsen, Der Auslandsüberwachung wird (fast) alles möglich gemacht; a.A. Gärditz, Stellungnahme vor dem Innenausschuss, S. 11; ders., DVBl. 2017, 525 (527). 181 Die Möglichkeit der Rechtfertigung von unmittelbaren Diskriminierungen, wie auch § 6 Abs. 3 Nr. 2 BNDG mit seiner direkten Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, ist strittig. Siehe dazu F. IV. 2. a). 182  Epiney, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 18 AEUV, Rn. 42. 183  BT-Drs. 18/9142, S. 5. 184  Siehe F. II. 2. b). 185 Vgl. den Kontrast zwischen den Äußerungen der Abgeordneten Högl, BT-Prog. 18/184, S. 18278, und Schipanski, ebd, S. 18276. Kritisch zu dieser Unentschlossenheit auch Graulich, Gutachtliche Stellungnahme vor dem Innenausschuss, S. 4. 186  Kritisch dazu auch der Bundesrat, BR-Drs. 430/1/16, S. 1 ff. Auch der Untersuchungsausschuss vermeidet im Mehrheitsvotum eine klare Bezeichnung als Eingriffsermächtigung in Art. 10 GG, vgl. BT-Drs. 18/12850, S. 1316. Auch Bareinske, in: Dietrich/ Eiffler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, S. 865 (912) und Löffelmann, ebd., S. 1159 (1259 f.) gehen davon aus, der Gesetzgeber habe sich mit der Novellierung

III.  Zusammenfassung

279

weiterhin dem Glauben anhing, er sei bei seinem Vorhaben an Grundrechte nicht gebunden. Dies ist unzutreffend.

III.  Zusammenfassung Die Betrachtung zweier exemplarischer Gebiete, auf denen die Frage der extra­territorialen Grundrechtsbindung in besonderem Maße relevant wird, führt zu sehr unterschiedlichen Problemstellungen: Während im Bereich extraterritorialer Streitkräfteeinsätze vor allem die Notwendigkeit und das Auffinden von Ermächtigungsgrundlagen virulent wird, stellt sich im Nachrichtendienstrecht inzwischen primär die Frage der Verfassungsmäßigkeit der bestehenden Ermächtigungsgrundlagen. In beiden Themenfeldern zeigt sich, dass die zuvor entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstäbe auch zur Lösung konkreter Rechtsfragen taugen. Insbesondere wird deutlich, dass die Behauptung, im Ausland könne dem Vorbehalt des Gesetzes aufgrund der Komplexität der Szenarien nicht Genüge getan werden, nicht zutrifft. Im Bereich der Nachrichtendienste ist bereits eine Teilregelung erfolgt, die freilich verfassungsrechtliche Maßgaben nicht einmal im Ansatz erfüllt. Im Bereich des Streitkräftehandelns steht eine Regelung noch aus, jedoch zeigt sowohl die Detailtreue der ISAF-Taschenkarte, als auch das österreichische Auslandseinsatzgesetz, dass ein gesetzgeberisches Tätigwerden keineswegs an den dagegen vorgebrachten Bedenken scheitern müsste. Ferner wird bei der Betrachtung einzelner Rechtsgebiete deutlich, dass der Staat extraterritoriale Spielräume seiner Hoheitsgewalt bisweilen dazu nutzt, sich anderer Staaten dazu zu bedienen, Grundrechtsbeeinträchtigungen vorzunehmen, die ihm selbst verwehrt wären. Ein solches Vorgehen – etwa im Bereich des nachrichtendienstlichen „Ringtauschs“ – ist verfassungsrechtlich nicht hinzunehmen.

des BNDG ausdrücklich der Rechtsauffassung des BND zur Reichweite des Art. 10 GG angeschlossen.

H.  Fazit H.  Fazit

Extraterritoriale Grundrechtswirkungen können nur sinnvoll untersucht werden, wenn sich der Gegenstand der Betrachtung nicht auf das Grundgesetz beschränkt. Der Grundrechtsschutz ist wie kaum ein anderer rechtlicher Komplex von einem Mehrebenensystem geprägt, dessen überstaatliche Ebenen teils bereits Antworten auf die Frage nach der Grundrechtsbindung jenseits der Staatsgrenze gefunden haben. Betrachtet man demnach extraterritorialen Grundrechtsschutz durch eine genuin ebenenübergreifende Folie, so zeigt sich grundsätzlich ein weitreichender Schutz, gegenüber dem die Behauptung eines rein territorialen Geltungsanspruchs nicht tragfähig ist. Zugleich aber weist auch der inter- und supranationale Grundrechtsschutz bereichsspezifische Lücken und Schwierigkeiten auf; dies gilt besonders für die Grundrechtsbindung der Streitkräfte im Ausland und der Nachrichtendienste im „Cyberspace“. Diese Erkenntnisse prägen die Antwort für die Ebene des (deutschen, innerstaatlichen) Verfassungsrechts in zweifacher Hinsicht: Einerseits entfalten inter- und supranationale Menschenrechtsstandards Modellcharakter und Vorbildwirkung für das nationale Recht, sodass dieses in seinem Schutzniveau zwar ohne Weiteres über seine staatenübergreifenden Gegenstücke hinausgehen kann, ein Zurückbleiben hinter diesen hingegen nicht möglich ist. Zugleich muss sich das Verfassungsrecht der Frage stellen, ob es den partiellen Lücken des überstaatlichen Menschenrechtsschutzes folgen oder diese kompensieren möchte. Nimmt man den Stellenwert ernst, den Art. 1 Abs. 2 und Abs. 3 GG der Bindung an Grund- und Menschenrechten zuspricht, so darf sich das Verfassungsrecht nicht zu schade sein, dabei auch in die Bereiche vorzudringen, in denen es „schmutzig“ wird. Die vermeintlichen Gewissheiten von universeller Grundrechtsbindung und normativ-gestaltendem Anspruch des Rechts werden in Einsätzen von Streitkräften und Nachrichtendiensten auf eine schwere Probe gestellt. Doch die Reaktion des Rechts auf diese Probe kann nicht sein, seine eigene Geltung gerade dort zurückzunehmen, wo die Gefahr von Grundrechtsverletzungen am größten ist. Grundrechte enden nicht prototypisch an Staatsgrenzen. Das Bild eines Staates, der sich nach innen als aufrichtig, „überall sonst aber als Ganove“1 geriert, vermag sich nicht in das Staats- und Menschenbild des Grundgesetzes einzu-

1 EGMR, Urt. v. 07. 12. 2011, Nr. 55721/07 (Al-Skeini/UK), Concurring Opinion of Judge Bonello, Ziff. 18: „gentlemen at home, hoodlums elsewhere.“

H.  Fazit

281

fügen. Die Leitidee dieses Grundgesetzes ist es vielmehr, den Staat durch die Grundrechtsbindung einzuhegen und in den Dienst des Menschen zu stellen. Auch wenn die Mitglieder des Parlamentarischen Rates nicht an extraterritoriale Hoheitsgewalt dachten, die bloße Idee ihnen gar als kühn erscheinen mochte, ist diese nichts grundsätzlich Neues. Staaten operieren seit jeher nicht ausschließlich innerhalb ihrer Grenzen. Dennoch hat die Entgrenzung und Enträumlichung des Staates in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Das Recht muss darauf Antworten finden. Auf Anschütz’ Diktum „Das Staatsrecht hört hier auf“2 kann es sich auch hier nicht zurückziehen. Ausgangspunkt für diese Antworten ist vielmehr Art. 1 Abs. 3 GG. Voraussetzung für die Grundrechtsbindung ist die Ausübung öffentlicher Gewalt, und sonst nichts. Auch die Grundrechte, deren Geltung auf diese Weise ausgelöst wird, schützen die in ihnen beschriebene Freiheitsentfaltung unabhängig vom Ort staatlicher Verkürzung und unabhängig vom Aufenthalt des Betroffenen. Diese territoriale Bezugslosigkeit gilt – von den expliziten Ausnahmen der Art. 8, 9, 11, 12 und 16 GG abgesehen – auch unbeachtet der Staatsangehörigkeit. Abwehrrechte als Grenzen staatlichen Handelns gelten somit immer und überall. Schutzpflichten dagegen verpflichten den Staat nicht auf ein Unterlassen, sondern auf ein Handeln, sie kennen nicht nur ein Ja oder Nein, sondern auch und vor allem ein Mehr und ein Weniger. Ihr Ausmaß an einem Ort wächst in dem Maße, in welchem dem Staat an diesem Ort Handlungsräume offenstehen, in welchen er hoheitliche Gewalt ausübt. Aus der Folge „Staat – Abwehrrechte“ wird so die Abwandlung „Je mehr Staat, desto mehr Schutzpflichten.“ Die Besonderheiten extraterritorialer Sachverhalte können die Rechtfertigungslast, die den Staat trifft, im Vergleich zum Inland herabsetzen. Jedoch vollzieht sich dies nicht automatisch und bedarf auch keiner neuen dogmatischen Figuren. Vielmehr ist ein solcher weiterer Spielraum schlicht Folge der Anwendung allgemein üblicher Kriterien, insbesondere der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Behauptung, extraterritoriale Grundrechtswirkungen ließen sich mit den bekannten Instrumenten nicht erfassen, fügten sich nicht in die überkommene Dogmatik ein und bedürften besonderer Modifikationen – ein in der rechtswissenschaftlichen Argumentation auch in anderen, scheinbar neuen Rechtsgebieten gern bedienter Topos – führt in die Irre. Dies gilt grundsätzlich auch dort, wo Grundrechte zur Rechtfertigung von Eingriffen komplexere Verfahren voraussetzen, wie dies insbesondere bei Art. 104 GG der Fall ist. Jedoch kann hier die Herstellung praktischer Konkordanz zu einem anderen Verfassungsgut, das den Grundrechtseingriff induziert, ein Abweichen von den Anforderungen der Norm bedingen. 2 

Meyer/Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 7. Aufl. 1919, S. 906.

282

H.  Fazit

Die Grundrechte des Grundgesetzes binden nur die deutsche Staatsgewalt. Ausländische und überstaatliche Gewalten sind an sie nicht gebunden. Gleichwohl kann auch die Bindung deutscher Staatsgewalt an die Grundrechte in grenzübergreifenden Kontexten konfliktträchtig sein und die Gefahr von Geltungsanspruchskollisionen in sich bergen. Diese Gefahr ist extraterritorialem Staatshandeln schlicht inhärent: Es gibt kein kohärentes, einheitliches Gesamt-Rechtssystem, nach welchem sich Rechtsräume trennscharf voneinander abgrenzen lassen.3 Weltweit betrachtet ist das Recht chaotisch, nicht hierarchisch. Es bleibt die Frage, ob nicht langfristig durch eine Art „Quasi-Solange-II“4-Doktrin auf verfassungsrechtlichen Grundrechtsschutz im Ausland verzichtet werden kann, solange ein angemessener Schutz durch international anerkannte Menschenrechte gewährt ist.5 Freilich besteht zwischen der im Solange-II-Urteil diskutierten Frage der Grundrechtsbindung innerhalb der Europäischen Gemeinschaften und der hier vorliegenden Problematik ein entscheidender Unterschied: Es handelt nicht eine supranationale Organisation, welcher die Bundesrepublik schlicht angehört. Vielmehr handelt die Bundesrepublik selbst extra­ territorial. Vermag die Notwendigkeit der Kooperation innerhalb der EU noch einen einleuchtenden Grund für ein Zurücknehmen der eigenen Schutzstandards darzustellen, so ist dies bei eigenmächtigem Handeln deutlich schwerer einzusehen. Vor allem aber setzt eine „Solange II“-Lösung einen bestehenden Grundrechtsschutz voraus, der „nach Inhalt und Wirksamkeit dem Grundrechtsschutz, wie er nach dem Grundgesetz unabdingbar ist, im Wesentlichen gleichkommt.“6 An einem solchen fehlt es aber in extraterritorialen Zusammenhängen völlig: Der UN-Zivilpakt gewährt zwar durchaus einen weitreichenden extraterritorialen Schutz, ist aber weder in seiner inhaltlichen Reichweite, noch in seiner effektiven Durchsetzbarkeit mit dem Schutzniveau des Grundgesetzes vergleichbar. Die EMRK kommt sich einem solchen Standard zwar in Punkto Inhalt und Durchsetzbarkeit näher, verzichtet aber gerade auf einen lückenlosen extraterritorialen Schutz, zu dessen Gunsten das Grundgesetz sich selbst zurücknehmen könnte.

3 

Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen, 2006, S. 170 f. 73, 339: „Solange die Europäischen Gemeinschaften […] einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleichzuachten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt, wird das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht […] nicht mehr ausüben und dieses Recht mithin nicht mehr am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes überprüfen“ (Ls. 2). 5  So ein Vorschlag von Hofmann, in: VVDStRL 67 (2008), Aussprache, S. 206. 6  BVerfGE 73, 339 (376). 4 BVerfGE

H.  Fazit

283

Die Grundrechtecharta schließlich gilt nicht umfassend, sondern nur innerhalb des Anwendungsbereiches des Unionsrechts.7 Voraussetzung für die Verwirklichung von Hofmanns Vorschlag ist daher zunächst die deutliche Stärkung des internationalen Menschenrechtssystems.8 Einen Hemmschuh bilden dabei restriktive Tendenzen in diesem System, so etwa die jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Dieser irrt, wenn er die Konvention als Instrument eines europäischen „espace juridique“ begreift. Ebenso wie der IPbpR sieht sich die EMRK ausweislich ihrer Präambel als Schritt zur universellen rechtlichen Verwirklichung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Auch aus diesem Grund ist auf Dauer eine einheitliche Auslegung der territorialen Reichweite, wie sie Kanalan vorschlägt, geboten.9 Eine solche Auslegung sollte sich, um einen wirksamen extraterritorialen „Grundschutz“ darzustellen, an der expansiveren Praxis des Menschenrechtsausschusses und der früheren Rechtsprechung des EGMR etwa in den Zypern-Fällen orientieren. Auch auf dieser Grundlage aber ist ein einheitlicher, staatenübergreifender extraterritorialer Standard für die verfassungsrechtlichen Grundrechte keine realistische Option10: Abwehrrechte bedürfen einer solchen Vereinheitlichung schon nicht, weil sie durch ihre kompetenzbegrenzende, nicht kompetenzerweiternde Funktion keine Gefahr normativer Kollisionen bergen. Auch ansonsten könnte eine Lösung überdies nur in der Reduktion der Grundrechte auf ihren völkerrechtlichen Menschenrechtsgehalt liegen. Menschenrechtsabkommen aber können angesichts ihrer Funktion als Mindeststandards nicht zur Minderung des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes herangezogen werden.11 Die Stimmen, die einen solchen Weg gar de lege lata annehmen12, gehen also von falschen Prämissen über den rechtlichen und tatsächlichen Status Quo aus. Die Antwort auf die zunehmende Entterritorialisierung staatlicher Gewalt muss die schritthaltende Entterritorialisierung des Grundrechtsschutzes sein. Dabei trifft der Vorwurf von Gärditz, auf die „Logik der Globalisierung von Gewalt“ werde mit einer „funktionalen Provinzialisierung durch rechtsstaatliche 7  Zum Ganzen siehe ausführlich E. I. und II. Ebenso auch Payandeh, DVBl. 2016, 1073 (1075). 8  So auch Giegerich, EuGRZ 2004, 758 (776 f.). Interessant, wenn auch wohl ferne „Zukunftsmusik“, ist der Vorschlag von Sauer, Jurisdiktionskonflikte, 2008, S. 499 ff., gemeinsame Senate der obersten nationalen Gerichte zur Schlichtung von Jurisdiktionskonflikten zu schaffen. 9  Kanalan, AVR 52 (2014), 495 (504 ff.). 10  Vgl. zum Konzept A. Peters, AVR 48 (2010), 1 (45 ff.): „Grundrechtstoleranz“. 11  Siehe dazu E. I. 4. 12  So etwa VG Köln, Urt. v. 11. 11. 2011, Az. 25 K 4280/09 – JZ 2012, 366 ff.; Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte, 1994, S. 72 f.

284

H.  Fazit

Bürokratisierung geantwortet“13, auf die hier konstatierte Lösung de lege lata durchaus zu, wenngleich die vermeintliche „Bürokratisierung“ schlicht in der Anerkennung der Grundrechtsbindung besteht. Sucht man nach einer Zukunftsperspektive, so kann diese nicht in der Beseitigung der „rechtsstaatlichen Bürokratisierung“ liegen, sondern darin, dass auch diese globalisiert wird. Führte dies in letztlicher, sehr hypothetischer Konsequenz tatsächlich dazu, dass „echte“ Kriege fortan als Kleinkriege vor Gericht ausgetragen würden14, so verwirklichte sich darin schlicht einer der ursprünglichsten Zwecke des Rechts: Willkür und Gewalt durch ein geordnetes Verfahren zu ersetzen.15 Der moderne Staat definiert sich – gestern wie heute – als Summe von Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt.16 Diese drei Summanden bieten sich zugleich, wie bereits aufgezeigt17, als Vorbedingungen der Grundrechtsgeltung an. Doch zeigt sich in dieser Arbeit, dass weder Staatsvolk noch Staatsgebiet als solche Voraussetzungen fungieren. Zwar ist ohne sie kein Staat zu machen, aber es ist die Staatsgewalt – auch jenseits des eigenen Gebietes, auch gegenüber anderen als dem eigenen Volk –, die durch das Grundgesetz verfasst und gebunden wird und damit maßgeblich für die Grundrechtsbindung ist. Nur weil sie gebunden ist, darf sie nötigenfalls Gewalt ausüben und damit Staatsgewalt sein. Die Bindung extraterritorialen Staatshandelns an die Grundrechte kann die Probleme, denen der Staat jenseits seiner Grenzen begegnet, effektiv bewältigen, ohne zugleich die Normativität der Verfassung faktischen Schwierigkeiten unterzuordnen. Sie geht von dem Grundsatz aus, dass die Grundrechte und ihre herausgehobene Bedeutung im Grundgesetz Ausdruck einer Wertentscheidung sind: Grundrechtlich ungebundene öffentliche Gewalt gibt es nicht – grenzüberschreitend ebensowenig wie im Inland.

13 

Gärditz, JZ 2015, 896 (897). Gärditz, AJIL 108 (2014), 86 (92). 15 Vgl. Kelsen, in: VVDStRL 5 (1929), Aussprache, S. 122 f. 16 Grundlegend G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 7. Neudruck 1960, S. 394 ff. 17  Siehe B. III. 14 So

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BT-Drs. 14/9205 (Berichte über landesverräterische Aktivitäten eines späteren Chefs des Bundesnachrichtendienstes, Kleine Anfrage – Antwort). BT-Drs. 15/1959 (Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des MAD-Gesetzes). BT-Drs. 16/6174 (Grundgesetz und Völkerrecht bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr: Behandlung von Personen, die in Gewahrsam genommen werden, Kleine Anfrage). BT-Drs. 16/6282 (Grundgesetz und Völkerrecht bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr: Behandlung von Personen, die in Gewahrsam genommen werden, Kleine Anfrage – Antwort). BT-Drs. 16/7421 (Umgang der Bundeswehr mit afghanischen Gefangenen im Rahmen des ISAF-Mandats, Kleine Anfrage). BT-Drs. 16/9218. (Erklärung über die Anerkennung der obligatorischen Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs nach Artikel 36 Abs. 2 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs). BT-Drs. 16/11337 (Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias, Antrag). BT-Drs. 16/11382 (Pirateriebekämpfung am Horn von Afrika, Kleine Anfrage – Antwort). BT-Drs. 17/7400 (Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss nach Artikel 45a Absatz 2 des Grundgesetzes). BT-Drs. 17/14739 (Überwachung der Internet- und Telekommunikation durch Geheimdienste der USA, Großbritanniens und in Deutschland, Kleine Anfrage – Antwort). BT-Drs. 18/843 (Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, Antrag). BT-Drs. 18/8088 (Die Westsahara 25 Jahre nach der VN-Resolution 690 zu einem Referendum über die Unabhängigkeit der Westsahara, Kleine Anfrage – Antwort). BT-Drs. 18/8683 (Ergänzung des Untersuchungsauftrages des 1. Untersuchungsausschusses, Beschlussempfehlung und Bericht). BT-Drs. 18/9041 (Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes). BT-Drs. 18/9142 (Öffentliche Bewertung des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß § 10 Absatz 2 und 3 des Kontrollgremiumgesetzes zur BND-eigenen Steuerung in der strategischen Fernmeldeaufklärung). BT-Drs. 18/9632 (Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der NATO-geführten Maritimen Sicherheitsoperation SEA GUARDIAN im Mittelmeer, Antrag). BT-Drs. 18/9371 (Entwicklung des Sondergerichtsstands und der Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Kempten für Straftaten Bundeswehrangehöriger im Auslandseinsatz, Kleine Anfrage – Antwort). BT-Drs. 18/10068 (Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD – Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes). BT-Drs. 18/12850 (Beschlussfassung und Bericht des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes, Beschlussempfehlung).

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Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis

Abchasien  123

Bergkarabach 

Abhängigkeitsverhältnis siehe Unterworfensein

Besatzung  27, 43, 106, 122, 164

Abschiebung 

Bewaffneter Konflikt 

28

109

Bestimmtheitsgebot  238 257

Abwehrrechte siehe status negativus

Botschaft siehe Diplomatische Missionen

Acta iure gestionis 

Bundesakte 

Acta iure imperii 

220 219

Allgemeine Erklärung der Menschen­ rechte  182 Allgemeines Landrecht 

178

Al-Skeini-Entscheidung 

106

Chemiewaffen-Entscheidung  Demokratieprinzip 

Anknüpfungsmoment  69, 72

Diplomatische Missionen 

27, 42, 121

42,

175

26

Diplomatischer Dienst siehe Auswärtige Gewalt

Anwendbarkeit  23

Diskriminierungsverbot 

Arbeitspapiere siehe Travaux prépara­ toires

213

Domaine réservé  167

Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung  264, 266 Auslieferung  43, 46, 98, 125, 207, 211 Ausnahmezustand  33, 191 198

Ausschließliche Wirtschaftszone 

260

Dichotomie von Sein und Sollen 

43, 207

Antifolterkonvention  16

Ausreisefreiheit 

154

Deutsche Demokratische Republik  68, 176

Angriffskrieg  68, 203, 233

Annexion 

36, 85, 262

Charta der Grundrechte der Europäischen Union  130, 150

Anerkennungstheorie  217

Annäherungstheorie 

179

Bundesnachrichtendienst 

Doppelbindung  152 Drohnen 

13

Drohnen 

56

Durchsetzbarkeit 

23

Edward Snowden siehe National Security Agency

26

Außenpolitische Einschätzungspräroga­ tive  33, 46, 207

Einschätzungsspielraum siehe Außenpolitische Einschätzungsprärogative

Auswärtige Gewalt  36

Einwirkungsanspruch  80, 113

Bankovic-Entscheidung  99, 112, 189, 231 Bayerischer Verwaltungsgerichtshof  Bereichsausnahme 

191

53

Elfes-Urteil 

41

Entgrenzung siehe Enträumlichung Enträumlichung siehe Entterritorialisierung

Stichwortverzeichnis

335

Entterritorialisierung  11, 84, 283

Grundrechtsberechtigung 

Entwicklungsgeschichte der Menschenrechte  35

Grundrechtsimperialismus 

Espace juridique  101, 105, 113

Grundrechtsoktroi 

Europäische Kommission 

137

Europäische Menschenrechtskommission  17, 146 Europäische Menschenrechtskonvention  15, 23, 91, 92 Europäische Sozialcharta  Europäischer Konvent 

16

Familiennachzug 

13

47 50, 55, 104, 156,

Fernmeldegeheimnis  37, 242, 268 Fiskalgeltung der Grundrechte  Flughafenverfahren 

64, 86

49

Flugzeuge siehe Luftfahrtzeuge Folter 

98

Freizügigkeit  198 Frente Polisario siehe Westsahara Funktionsträgertheorie  178 Geltung  23 Gemeinsame Außen- und Sicherheits­ politik  131

72, 80, 186

– siehe auch Grundrechtsimperialismus Grundrechtsverpflichtung  29, 206 Guantanamo 

122

Haager Landkriegsordnung  Heimlichkeit 

Herrschaftsverband 

30

Hessischer Staatsgerichtshof  42 Hochseeflotte  Hohe See 

26

26

Hoheitsgewalt siehe Jurisdiktion, Unterworfensein Humanitäres Völkerrecht  Immissionen 

28, 54

Inkorporation 

169

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte  16, 23, 118, 149 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte  16

Genuine link 

Interventionsverbot 

75

Gesellschaftsvertrag siehe Vertrags­ theorien Gewalt  177, 190, siehe auch Unterworfensein Gewaltenteilung  235 Gewaltmonopol  31, 35, 69 64 30, 45

Grundrechte, Abgrenzung gegenüber Menschenrechten  34, 185

39, 255

Interamerikanische Menschenrechtskonvention  16

Internationales Privatrecht  194

Grundlagenvertrag 

164

87

Generalversammlung  17, 125

Gnadenakte 

71

– siehe auch Grundrechtsoktroi

Herrenlose Gebiete  27

Extraterritorialität als Begriff  25 Fernmeldeaufklärung  262

29, 206, 218

28, 44, 69,

167

Irak  106 Ius cogens 

133, 141

Judicial self-restraint  60 Jurisdiction to enforce  163 Jurisdiction to prescribe  164 Jurisdiktion  190, 194

75, 85, 93, 119, 143, 159,

Juristische Person  218 Koalitionsfreiheit  48, 81

Stichwortverzeichnis

336

Kolonialismus 

Reine Rechtslehre  24

93, 179

Kombattantenprivileg  256

Richtervorbehalt 

Konstitutionalismus  178

Ringtausch  277

Kontraktualismus siehe Vertragstheorien

Rosinentheorie  81

Kontralegalität  86

Rules of Engagement  39, 252

Leitwirkung 

Schengener Visakodex 

206

Schutzprinzip 

165

Margin of appreciation 

148

Mauerschützenprozesse  149 Menschenrechte, Abgrenzung gegenüber Grundrechten  34, 185 Menschenrechtsausschuss 

17, 118

17

Selektoren 

26, 250

37

Sicherheitsrat 

17

Sitztheorie  217 Spanier-Entscheidung 

44

Srebrenica-Massaker 

110

Staatenimmunität  99 Staatenverantwortlichkeit 

Moldawien  101 Nacheile 

165

Seerechtsübereinkommen 

Luftfahrtzeuge  26

Mindeststandard 

137

Schutzpflichten siehe status positivus

Living instrument  190 Lotus-Prinzip 

54, 62, 239

79, 93

Staatsangehörigkeit siehe Staatsbürgerschaft

27, 74, 78, 180

National Security Agency  37, 157

Staatsbegriff  35, 75

Nemo tenetur 

Staatsangehörigkeit  31, 47, 68, 70, 212

Normativität  Notwehr 

40

Staatsgebiet  25

19

Staatsgerichtshof siehe Hessischer Staatsgerichtshof

252

NS-Verbrechen  187 Nürnberger Prozesse  46, 97 Öcalan-Entscheidung 

102

Operation Atalanta  139 Organisationshoheit  Organleihe 

166

Staatsgrenze 

49

– siehe auch Zurückweisung Staatsrechtslehrertagung siehe Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Staatsverständnis  30, 73

98

Status activus 

29

Palästinensische Autonomiegebiete  125, 127

Status negativus  210, 225

28, 31, 71, 162, 200,

Parlamentarischer Rat 

Status positivus  229

28, 32, 163, 200, 210,

Paulskirchenverfassung  Personalprinzip 

18, 182 179

165

Pirateri  55, 241, 250 Positive obligations siehe status positivus Rechtsraum siehe espace juridique Reichsverfassung  178, 181

Strafprozessordnung 

87

Strategische Telekommunikationsüberwachung siehe Fernmeldeaufklärung Streitkräfte  36, 248 Streitkräfteeinsätze 

27

Subordination siehe Unterworfensein

Stichwortverzeichnis

Südossetien 

123

Verfassungskollisionsrecht 

System kollektiver Sicherheit 

27, 249

Taschenkarten siehe Rules of Engagement Telekommunikationsüberwachung siehe Fernmeldeaufklärung Territorialprinzip  65, 94, 142 Teso-Entscheidung 

47

Tokioter Abkommen  Transitbereich  26, 49

Verschlusssachen 

31, 39, 183

Vorbehalt des Gesetzes 

43, 59, 67, 79

233

Wahlrecht siehe status activus 42

39

Weltgeltung  38, 64

Treuepflicht  81

Weltraum  27

227

Übertragung von Hoheitsrechten  196

27,

267, 274

30, 107, 127, 184, 204

UN-Sozialpakt siehe Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Untermaßverbot 

69, 194

Verhältnismäßigkeit siehe Übermaßverbot

Weißbuch 

Trennungsthese  153

Universalimus 

Verfassungsrechtsverhältnis 

Washingtoner Abkommen 

17, 95, 119

Unabhängiges Gremium 

Verfassungskonvent zu Herrenchiemsee  18

Völkerrechtskommission 

26

Transformationsnorm  66, 148, 177, 250 Travaux préparatoires 

69, 79

Völkerrechtsfreundlichkeit  147, 203

Todesstrafe  43, 98, 141

Übermaßverbot 

337

229

Untersuchungsausschuss  37 Unterworfensein  31, 65, 70, 75, 86, 103, 143, 159, 184, 225

Weltraumtheorie  38 Wesentlichkeitstheorie siehe Vorbehalt des Gesetzes Westsahara  134 Wiedervereinigung  30 Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen  92 Wiener Übereinkommen über diplomatische Verträge  26 Wirkung  23 Wirkungsprinzip  64, 114, 166

– siehe auch Jurisdiktion

Zitiergebot  238

UN-Zivilpakt siehe Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

Zurückweisung  49, 70, 107, 109

Verbindlichkeit 

24

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer  29, 69, 185

Zuständigkeit siehe Jurisdiktion Zweitregisterurteil  Zypern  96

48