Evangelische Kirche und Vertriebene 1945 bis 1972. Band 2: Kirche in der neuen Heimat. Vertriebenenseelsorge - politische Diakonie - das Erbe der »Ostkirchen« 9783666557125, 3525557124, 9783525557129


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German Pages [404] Year 1985

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Evangelische Kirche und Vertriebene 1945 bis 1972. Band 2: Kirche in der neuen Heimat. Vertriebenenseelsorge - politische Diakonie - das Erbe der »Ostkirchen«
 9783666557125, 3525557124, 9783525557129

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ARBEITEN ZUR KIRCHLICHEN ZEITGESCHICHTE REIHE Β: DARSTELLUNGEN • BAND 12

ARBEITEN ZUR KIRCHLICHEN ZEITGESCHICHTE Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte von Georg Kretschmar und Klaus Scholder f

REIHE Β: D A R S T E L L U N G E N

Band 12

Hartmut Rudolph Evangelische Kirche und Vertriebene 1945 bis 1972

G Ö T T I N G E N · V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T · 1985

Evangelische Kirche und Vertriebene 1945 bis 1972 Band II: Kirche in der neuen Heimat Vertriebenenseelsorge - politische Diakonie das Erbe der Ostkirchen

von Hartmut Rudolph

G Ö T T I N G E N • VANDENHOECK & RUPRECHT • 1985

Redaktionelle Betreuung dieses Bandes: Gertraud Grünzinger-Siebert

CIP-Kurztitelaufnahme Rudolph,

der Deutschen

Bibliothek

Hartmut:

Evangelische Kirche und Vertriebene 1945 bis 1972 / von Hartmut Rudolph. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht Bd. 2. Kirche in der neuen Heimat: Vertriebenenseelsorge- polit. D i a k o n i e - d . Erbe d. Ostkirchen. - 1985. (Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte: Reihe B, Darstellungen; Bd. 12) ISBN 3-525-55712-4 N E : Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte/B

© Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1985. - Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten. O h n e ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. - Satz und Druck: Guide-Druck, Tübingen. - Bindearbeit: Hubert öc Co., Göttingen.

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

VII

Kapitel 1 Europäischer Frieden und Heimatrecht - Die Hervorhebung des Rechtsgedankens in der Vertriebenenseelsorge 1. Stimmen aus der evangelischen Kirche um die Zeit der Charta der deutschen Heimatvertriebenen (1950) 2. Das Hervortreten des Heimatrechtsproblems in der Vertriebenenseelsorge

19

Kapitel 2 Vom „Heimatrecht" zur „Versöhnung" - Aufbruchzeichen in der evangelischen Kirche

60

Kapitel 3 Die Entstehung der Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen N a c h b a r n " - Daten und Anmerkungen 1. Das Tübinger Memorandum 2. Die EKD vor dem Problem der Stellungnahme 3. Die Bielefelder Thesen 4. Die Lübecker Thesen 5. Das „Wort zum zwanzigsten Jahr nach der Vertreibung" 6. Die abschließenden Arbeiten der Kammer für öffentliche Verantwortung an der Denkschrift Kapitel 4 Seelsorge und politische Diakonie - Zur Auseinandersetzung um die Denkschrift 1. Die Denkschrift: Chance oder Belastung der Vertriebenenseelsorge? . . 2. Der Rücktritt Bischof Westers und der Wechsel im Amt des Vertriebenenbeauftragten der EKD 3. Vertriebenenseelsorge und Kirchenverständnis in der Denkschrift-Diskussion 4. Zwischen politischer Diakonie und Gruppenseelsorge - Zur Aufnahme der Denkschrift in den Gemeinden

1 1

69 69 86 104 109 120 129

150 151 177 188 190

VI

Inhalt

Kapitel 5 „Vertreibung und Versöhnung" - Zur Einholung der Denkschrift in die Vertriebenenseelsorge 1. DieEntstehungderSynodalerklärungvoml8.Märzl966 2. Bestätigung oder Korrektiv der Denkschrift? - Zum Echo auf die Synodalerklärung

234

Kapitel 6 Seelsorge zwischen „ Vertriebenenpolitik" und „Neuer Ostpolitik" 1. Die Thesen des Kirchentages der evangelischen Schlesier (1967) 2. Vertriebenenverbände und evangelische Kirche nach der Denkschrift . .

248 248 253

Kapitel 7 Vertriebenenseelsorge angesichts der ostpolitischen Entscheidungen

261

Kapitel 8 Anspruch und Aporien - Die Auseinandersetzung um Denkschrift und Ostpolitik aus der Sicht der Vertriebenenseelsorge

289

Kapitel 9 Bewahrung des Erbes - Bewährung der Kirche ? 1. Bewahrung des Heimaterbes 2. Beteiligung und Mitarbeit von Vertriebenen in den Organen der Landeskirchen und der EKD 3. Das „Erbe" der Vertriebenen - Erfahrungen aus Vertreibung und Aufnahme

211 213

293 293 300 306

Ergebnis und Ausblick

312

Liste der Beauftragten bzw. Bearbeiter der „Hilfskomitees" für die Dokumentation „Ev. Kirche und Vertriebene"

319

Liste der (landes)kirchlichen Beauftragten bzw. Bearbeiter für die Dokumentation „Ev. Kirche und Vertriebene"

320

Q u e l l e n - u n d Literaturverzeichnis

321

Abkürzungen

333

Personenregister/Biographische Angaben

336

Institutionen- und Sachregister

373

EINLEITUNG

Hiermit wird der zweite Band der im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland ( E K D ) erarbeiteten Dokumentation und Darstellung „Evangelische Kirche und Vertriebene 1945 bis 1972" vorgelegt 1 . Es sollen darin die Bemühungen um eine Lösung der Fragen nach der Zukunft der Vertriebenen und Umsiedler, der früheren deutschen Ostgebiete und des Verhältnisses zu den östlichen Nachbarn nachgezeichnet werden. Einen breiten Raum nimmt dabei die vom Rat der E K D 1965 veröffentlichte Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn" ein. Keine andere Äußerung der evangelischen Kirche im Nachkriegsdeutschland hat eine vergleichbare Leidenschaft, Breite und Dauer der Auseinandersetzung ausgelöst. Noch heute, zwanzig Jahre später, spürt jeder, der sich mit den damaligen Vorgängen beschäftigt, etwas von dieser Leidenschaft. O b wohl die Ostverträge einen grundlegenden Wandel im Verhältnis der beteiligten Staaten anzeigen, brechen doch auch noch heute hin und wieder Debatten über die Themen auf, die damals die Gemüter bewegten. Der Auftrag zu der vorliegenden Arbeit ist selbst noch im Zusammenhang jener Auseinandersetzungen nach dem Erscheinen der Ostdenkschrift zu sehen 2 . Es galt vor allem, den Beitrag der evangelischen Kirche zur Bewältigung des Vertriebenenproblems, die materielle und seelsorgerliche Hilfe bei der Aufnahme und Eingliederung der Vertriebenen zu dokumentieren. V o r diesem Hintergrund wurde auch den Fragen nach der Entstehung der Ostdenkschrift nachgegangen. Es mußte festgestellt werden, wer an dem Entstehungsprozeß beteiligt war, welche Motive die dafür Verantwortlichen bestimmten; Verlauf und Ergebnisse der nachfolgenden Diskussion mußten beschrieben werden. Diese Fragen haben zum Teil bis heute eine erhebliche Relevanz für die Bewertung des gesamten Vorgangs behalten und dementsprechend eine höchst unterschiedliche, zuweilen auch nicht zutreffende Darstellung erfahren. Mit der möglichst präzisen Schilderung der Entstehungsgeschichte der Ostdenkschrift (Kapitel 3) und der auf diese reflektierenden Erklärung der Synode der E K D vom 18. März 1966 (Kapitel 4) wird zudem der Weg

1

Vgl. H . RUDOLPH, Kirche I, S. X V .

2

Vgl. unten S. 2 6 0

VIII

Einleitung

zu einem kirchlichen Konsens in einer äußerst kontrovers debattierten Frage politischer Mitverantwortung der Kirche3 nachgezeichnet. Dies war nur möglich, weil mir sowohl die damalige Kirchenkanzlei der EKD4 als auch der Ostkirchenausschuß bereitwillig Einblick in Akten und Unterlagen gewährten. Die Denkschrift zielte nicht nur, wie von den Initiatoren beabsichtigt, auf eine Veränderung der Voraussetzungen ab, unter denen in der Bundesrepublik die Frage der deutschen Ostgrenzen erörtert und entschieden werden konnte; indirekt wurde damit vielmehr auch eine Änderung des politischen Weges im Sinne der „neuen Ostpolitik" selbst bewirkt. Dies verleiht dem Denkschrift-Vorgang sicherlich eine gewisse Einzigartigkeit gegenüber ähnlich motivierten Bemühungen der evangelischen Kirchen in anderen politischen Fragen. Bei aller Würdigung dieser herausragenden Bedeutung wäre es jedoch verfehlt, die Auseinandersetzungen um die Ost- und Vertriebenenfragen in den mehr als zwei Jahrzehnten nur als Vor- und Nachgeschichte der Denkschrift zu interpretieren. Die Denkschrift bildet lediglich ein, wenn auch sehr markantes, Glied in einer Kette von kirchlichen Äußerungen und Entscheidungen zu der Frage, welche politischen Folgerungen aus dem Ende des vom Deutschen Reich begonnenen Weltkrieges und der damit einhergehenden Umsiedlung und Vertreibung eines Großteils der deutschen Bevölkerung im Osten zu ziehen seien. Von den Erklärungen in den ersten Nachkriegsjahren sowie dem damaligen vielfältigen seelsorgerlichen Wirken an und unter den Vertriebenen abgesehen5, ist die Charta der deutschen Heimatvertriebenen vom 6. August 1950 die erste und zugleich wohl auch bedeutendste vertriebenenpolitische Äußerung der Vertriebenen selbst zu jener Frage. In der Charta wird zum einen der Verzicht auf Rache und Vergeltung erklärt, zum anderen das „Recht auf die Heimat" als ein „Grundrecht der Menschheit" proklamiert. Obwohl es sich dabei nicht um eine kirchliche Äußerung handelte, ist diese Kundgebung doch unter maßgeblicher Mitwirkung kirchlicher Vertriebenensprecher verfaßt worden. Die durchaus unterschiedliche Bewertung der Charta schlägt sich - mehr oder weniger ausdrücklich - auch in den Stellungnahmen aus dem kirchlichen Raum zum Vertriebenen- und Ostproblem bis heute nieder. Aus diesen Gründen wird mit der Darstellung der Charta (Kapitel 1) eingesetzt. s Vgl. weitere Literatur dazu bei J. MOTSCHMANN, Denkschrift; vgl. W . HUBER, Kirche und Öffentlichkeit, S. 389ff.; H. RUDOLPH, Fragen, S. 5 1 9 f f . ; E. WILKENS, Dienst, S. 29 f f . , 9 5 ff. 4 In diesem Zusammenhang sei auch mit Dank auf deren damaligen Vizepräsidenten D. Erwin Wilkens verwiesen - er hatte maßgeblich an der Entstehung der Denkschrift mitgewirkt-, der mir bereitwillig die Handakten aus seiner früheren Tätigkeit als Geschäftsführer der Kammer für öffentliche Verantwortung zur Auswertung überlassen hat. 5 Vgl. H. RUDOLPH, Kirche I, S. 177ff., bes. S. 272 ff.

Einleitung

IX

Im weiteren Verlauf der 50er Jahre tritt in maßgeblichen Bereichen der kirchlichen Vertriebenenseelsorge zunehmend die Reflexion des Heimatgedankens in den Vordergrund, eine Entwicklung, die angesichts einer sich wandelnden globalen Kräftekonstellation, in welche die deutsche Frage und das Problem der ehemaligen deutschen Ostgebiete eingebunden sind, interpretiert werden soll. Unverkennbar werden in dieser Zeit jedoch auch entsprechende Gegenströmungen im kirchlichen Bereich bemerkbar, eine Erscheinung, die sicherlich nicht zu trennen ist von den die kirchliche Öffentlichkeit damals beherrschenden Auseinandersetzungen um die Fragen der Remilitarisierung und bald darauf auch der atomaren Bewaffnung. Gleichzeitig mit dem sich abzeichnenden Ende der Dulles-Ära und einem Wandel im Ost-West-Verhältnis kommt es im kirchlichen Raum zu deutlichen Aufbruchszeiten in der Frage des Heimatrechts und der Ostpolitik (Kapitel 2). 1961 verabschiedet die rheinische Landessynode eine „Besprechungshilfe", in der die Forderungen nach einem Recht auf Heimat und die entsprechenden ostpolitischen Implikate unter dem Gesichtspunkt des Schuld- und Versöhnungsgedankens eine deutliche Relativierung erfahren. Zur selben Zeit, d. h. etwa seit Ende der 50er Jahre, profiliert sich auch die theologische Reflexion der Frage nach dem Recht auf (die) Heimat in den Gremien der kirchlichen Vertriebenenarbeit. Manches, was die spätere Auseinandersetzung um die Ost-Denkschrift bestimmen sollte, wurde hier bereits vorweggenommen. Diese Vorgänge dürfen nicht außer acht bleiben, auch wenn man die eigentliche Vorgeschichte der Denkschrift, wie allgemein üblich, mit den Diskussionen einsetzen läßt, welche die Veröffentlichung des Tübinger Memorandums auch und gerade in der evangelischen Kirche auslöste (Kapitel 3). Die in der eben geschilderten Entwicklung angelegte Tendenz zu einer Polarisierung, die ihren Höhepunkt zweifellos in den Monaten zwischen der Veröffentlichung der Ost-Denkschrift und der Synodalerklärung „Vertreibung und Versöhnung" vom 18. März 1966 erreichte (vgl. Kapitel 4 und 5), darf keinesfalls einfach auf das Gegenüber von „evangelischer Kirche" und „Vertriebenen", auch nicht institutionell, von Rat der E K D oder Kammer für öffentliche Verantwortung einerseits und den kirchlichen Vertriebenengremien, Ostkirchenausschuß, Ostkirchenkonvent und Hilfskomitees andererseits, fixiert werden. Die Äußerungen des Ostkirchenausschusses und anderer Institutionen kirchlicher Vertriebenenarbeit, ihre seelsorgerliche Zuwendung zu den Vertriebenen ergeben vielmehr bis in die Zeit der Ratifizierung der Ostverträge ein differenziertes Bild; häufig wurde gerade in diesen Gremien versucht, zwischen den gegensätzlichen Positionen zu vermitteln, ausgleichend zu wirken, unleugbar vorhandene Blessuren bei manchen vertriebenen Gemeindegliedern zu lindern, wenn auch bei alledem seit Ende der 50er Jahre eine gewisse Konzentration um die Gedanken des

χ

Einleitung

Heimat- und Selbstbestimmungsrechtes und auf entsprechende theologische Begründungen als Konstante erkennbar bleiben. So soll dem spannungsreichen Verhältnis von Vertriebenenseelsorge und politischer Diakonie in den gut zwei Jahrzehnten von der Zeit der Charta der deutschen Heimatvertriebenen (1950) bis zu den Ostverträgen (1972) im einzelnen nachgegangen werden. Der vorliegende Band wurde so eingerichtet, daß er unabhängig von Band I gelesen und verstanden werden kann. Gleichwohl besteht mit den im ersten Band dargestellten Themen der kirchlichen Vertriebenenarbeit eine innere Einheit, auf die hier zum besseren Verständnis der Methode kurz eingegangen werden soll. Wie bereits in der Einleitung des ersten Bandes 6 beschrieben, hatte das Studium des Dokumentations- wie vor allem auch des Archivmaterials zu einer genuin kirchengeschichtlichen Fragestellung geführt, aufgrund deren es möglich wurde, die kirchliche Vertriebenenarbeit in ihren so unterschiedlichen Bereichen in einer einheitlichen Darstellung zu dokumentieren, die vielfältigen Bemühungen, die dabei getroffenen Entscheidungen und die Auseinandersetzungen einander zuordnen und bewerten zu können. Einzelne Vorgänge und Gesichtspunkte werden auf die ihnen innewohnende gesamtkirchliche Relevanz hin untersucht und dargestellt. Dies führt schließlich zur Frage nach dem Bild der Kirche, nach den an die Kirche als ganze gerichteten Erwartungen, nach einer spezifisch kirchlichen Legitimation des Handelns und Redens der Kirche sowie nach möglichen Grenzen, die ihr dabei gesetzt sein können. Mancher Vertriebene sah sich etwa durch die Denkschrift eben nicht bloß mit einer seinen eigenen politischen Erwartungen zuwiderlaufenden kirchlichen Äußerung konfrontiert, sondern er fühlte sich in seiner Bindung an die Kirche bedroht oder sah diese Bindung sogar zerstört, weil ihm eben sein Bild von der Kirche zerbrochen war. Vor diesem Hintergrund wird etwas von der „Bitterkeit" verständlich, die manche Vertriebenenseelsorger bei von ihnen betreuten Gemeindegliedern feststellen mußten. Aber auch umgekehrt, nämlich in der Bereitschaft, sich mit der Denkschrift auseinanderzusetzen und Ungewohntes oder Zumutungen darin als ein Wort der Kirche zu akzeptieren, konnte eine solche Bindung wirksam werden. Auch in den ost- und vertriebenenpolitischen Auseinandersetzungen werden die aus anderen großen Kontroversen um die „gesellschaftliche" oder „politische" Diakonie bekannten ethischen und ekklesiologischen Positionen sichtbar. Allerdings bewirkte dieser besondere Gegenstand unübersehbar gewisse Verschiebungen der etwa aus der Atomdebatte Ende der 50er Jahre üblichen Abgrenzungen. Scharfe Kontrahenten jener Debatte konnten sich durchaus in gemeinsamer Befürwortung der Ost' Vgl. EBD., S. X V f f .

Einleitung

XI

denkschrift wiederfinden. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen von Vertreibung und Aufnahme erscheinen die gegensätzlichen Positionen teilweise relativiert durch die Frage, inwieweit die evangelische Kirche als ganze das Erbe der Gemeinden des Ostens anzutreten bereit war. Mit dem „Erbe" ist dabei nicht in erster Linie das äußere kirchliche Traditionsgut gemeint, sondern eben die Erfahrung von Vertreibung und Aufnahme. Dieses Erbe anzutreten, würde für die aufnehmenden Kirchen bedeuten, ihre bisherigen Exitstenzformen, d. h. auch ihre Stellung innerhalb von Gesellschaft und Staat, in Frage stellen zu lassen. Von hier aus erschien es sinnvoll, den zweiten Band wie überhaupt die gesamte Darstellung „Evangelische Kirche und Vertriebene" mit der Frage nach der Bewahrung des Erbes als einer Frage nach der Bewährung der Kirche abzuschließen (Kapitel 9) - ein Thema, das die gesamte Arbeit durchzieht. Hier sei es nun gestattet, auf den Dank zu verweisen, den ich in Band I, S. X X I I f., bereits aussprechen konnte und der den vorliegenden Band in gleicher Weise betrifft. Von den im ersten Band genannten Namen seien der frühere Vertriebenenbeauftragte der E K D , Herr Pastor D. Günter Besch, Bremen, und Herr Oberkirchenrat Dr. Rolf Krapp, Kirchenamt der E K D , mit herzlichem Dank noch einmal gesondert genannt. Sie haben bis in die Zeit der Drucklegung dieses Bandes beratend und bei der Uberwindung von Schwierigkeiten helfend mir zur Seite gestanden. Angesichts der, wie gerade jüngere Vorgänge aus den Jahren 1984 und 1985 zeigen, immer noch aktuellen Thematik besteht darüber hinaus Anlaß zu besonderem Dank an alle diejenigen, die in die Veröffentlichung bisher unveröffentlichter Quellen und Zitate eingewilligt und so dazu beigetragen haben, daß die bis heute strittigen Fragen auf einer breiter abgesicherten historischen Grundlage erörtert werden können. Besonders möchte ich in diesem Zusammenhang Herrn Dr. Philipp von Bismarck M E P und Herrn Bischof D. Hermann Kunst D D danken. Herr Dr. von Bismarck hat sich anläßlich der an ihn Anfang 1985 herangetragenen Bitte um eine entsprechende Einwilligung engagiert und kritisch mit dem Vorhaben dieser Veröffentlichung auseinandergesetzt. Nach Durchsicht der die Ost-Denkschrift betreffenden Kapitel sandte er mir im Frühjahr 1985 einige seiner Erwägungen, zu welchen er sich im Rückblick auf seine damaligen Erfahrungen veranlaßt sah. Wie einige andere in der Arbeit zitierten Stimmen aus der Zeit nach der Veröffentlichung der OstDenkschrift lassen auch diese Ausführungen etwas von der Erregung und dem bei einem Teil der Vertriebenen bzw. ihrer Sprecher damals vorherrschenden Gefühl der Enttäuschung oder gar Verletzung erkennen, wie sie durch einige Aussagen in der Denkschrift oder durch deren Zustandekommen - hier ist vor allem an die Frage der Beteiligung bestimmter Vertriebenengremien oder -kreise zu denken - ausgelöst werden konnten.

XII

Einleitung

Die vorliegende Arbeit gründet nicht zuletzt in dem Bemühen, die damaligen Vorgänge möglichst sachgetreu nachzuzeichnen und so zur Verarbeitung des damaligen Geschehens beizutragen. Es soll durch die Arbeit die Möglichkeit geboten werden, anhand des dargestellten Materials die eigene Sicht zu überprüfen, gegebenenfalls zu modifizieren und so ein größeres Verständnis für das Verhalten der jeweils anderen Seite in den damaligen Auseinandersetzungen zu wecken. Ebenfalls anläßlich der oben erwähnten Bitte teilte mir Bischof D . Hermann Kunst im März 1985 einige Einzelheiten zur Entstehung des Tübinger Memorandums (1961/ 62) mit, die eine Ergänzung zu dem bis dahin zugänglichen Material bilden. Die Hinweise bzw. Erwägungen beider Herren konnten aus drucktechnischen Gründen in der Arbeit selbst nicht mehr verwertet werden, sollten aber gleichwohl Berücksichtigung finden und werden deshalb unten S. 316 f. in einem Supplement wiedergegeben. Auch dieser zweite Band wurde in die Reihe Β der „Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte" aufgenommen, wofür den Herausgebern, Herrn Prof. D . Georg Kretschmar und Herrn Prof. Dr. Klaus Scholder (f), wiederum sehr zu danken ist. Hinsichtlich der Druckvorbereitung des Manuskriptes bin ich den bereits im ersten Band genannten Mitarbeiter(inne)n der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte in derselben Weise zu Dank verpflichtet. Das Register zu diesem Band, einschließlich der Biogramme, hat Frau Gertraud Grünzinger-SiebertM.A. erarbeitet, wofür ich ihr besonders danken möchte. Die in der Einleitung zu Band I erläuterten Einschränkungen hinsichtlich dessen, was in einer solchen Arbeit geleistet werden konnte, gelten selbstverständlich und in mancher Hinsicht noch verstärkt für diesen Band ebenfalls. U m s o mehr sei der Hoffnung Ausdruck verliehen, auch dieser zweite Band möge durch Kritik, Korrekturen, vor allem aber durch die Auseinandersetzung mit den darin dargestellten historischen Vorgängen selbst Anlaß zu weiterer Klärung und Verarbeitung solcher Fragen bieten, wie sie sich gerade in diesem 40. Jahr nach dem Ende des Krieges stellen. Dieses Ende bedeutete nicht zuletzt die Befreiung von einem unmenschlichen Regime in Deutschland, das den Weltkrieg mit allen seinen unsäglichen Opfern ausgelöst hatte. Im Sinne des Auftraggebers der vorliegenden Arbeit sei es erlaubt, abschließend aus dem „Wort zum Frieden" zu zitieren, das der Bund der Evangelischen Kirchen in der D D R und die E K D zu diesem 40. Jahrestag an die Öffentlichkeit sowie an die Regierungen der beiden deutschen Staaten und der Alliierten richtete: „ A m 8. Mai 1945 ging der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende. Seine Zerstörungen traten vielen Menschen erst zu diesem Zeitpunkt in ihrem ganzen Ausmaß vor Augen: Mehr als 40 Millionen Tote, verwüstete Dörfer und Städte in den unmittelbar vom Krieg betroffenen Ländern,

Einleitung

XIII

vor allem in der Sowjetunion, in Polen, in Frankreich und in Deutschland. Die erschreckenden Berichte über das, was in den Konzentrationslagern und in den besetzten Ländern im Namen der Deutschen geschehen war, zeigten jetzt unausweichlich jedem, welch verbrecherisches Regime in Deutschland diesen Krieg ausgelöst und unbarmherzig zu Ende geführt hatte. Entsetzt stand die Welt vor dem Judenmord. Unter dem Wort Gottes erfuhren viele Christen als Gericht Gottes, was jetzt geschah: Deutschland wurde in Besatzungszonen geteilt. Ungezählte Soldaten gingen den Weg in die Gefangenschaft. Viele Flüchtlinge konnten nicht in ihre Heimat zurückkehren. Viele mußten erst jetzt die Heimat verlassen. Wer überlebte, hatte Jahre des Hungers vor sich. Manchen traf bittere Erniedrigung. Unterschiedlich nahmen die betroffenen Menschen das Geschehen auf. Für die einen war es der Zusammenbruch. Viele andere erfuhren es als Befreiung. Für die meisten war es beides zugleich . . . Als Kirchen in beiden deutschen Staaten treten wir gemeinsam dafür ein, daß von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgeht. Gemeinsam fordern wir, daß der Rüstungswettlauf beendet wird. Gemeinsam sind wir überzeugt, daß das System der nuklearen Abschreckung kein dauerhafter Weg zur Friedenssicherung sein kann, sondern unbedingt überwunden werden muß. Gemeinsam treten wir für eine europäische Friedensordnung ein. Gemeinsam erinnern wir an die Verantwortung der Industrienationen für ein menschenwürdiges Leben in den Ländern der Dritten Welt. Gemeinsam bitten wir im Gedenken an das Kriegsende vor 40 Jahren: Wir bitten unsere Gemeindeglieder: Laßt uns nicht aufhören, für den Frieden der Welt zu beten. Unser Gebet ist der unverwechselbare Beitrag, den wir Christen und Kirchen für den Frieden in der Welt geben dürfen. Laßt uns nicht müde werden, auf das Wort der Heiligen Schrift zu hören, das uns das Kreuz von Golgatha als Gottes Friedenstat für seine Welt bezeugt. Wir wollen in unserem Alltag Boten des Friedens Gottes sein. Wir bitten alle Menschen in beiden deutschen Staaten: Bezeugen Sie durch Ihr Leben, wie Konflikte mit anderen Menschen friedlich überwunden werden können. Helfen Sie mit, unsere Jugend zum Frieden und nicht zum Haß zu erziehen. Wehren Sie dem Aufbau von Feindbildern. Wir bitten die Menschen, die durch den Krieg, durch seine Folgen und durch die späteren politischen Gegensätze besonderes Leid erfahren haben, nicht bitter zu werden und nicht eine Wiederherstellung früherer Verhältnisse zu verlangen, die nicht zu haben ist. Wir bitten die deutschen Menschen, die heutigen Belastungen vor allem als Folge des Zweiten Weltkrieges zu begreifen und als Folgen unserer Schuld zu bedenken. Wir bitten die Regierungen der beiden deutschen Staaten: Stellen Sie sich unermüdlich Ihrer besonderen Verpflichtung für die Sicherung des

XIV

Einleitung

Friedens. Wir danken Ihnen für alle nüchterne und behutsame Politik zwischen beiden deutschen Staaten. Helfen Sie durch Sorgfalt und Vertrauen zu weiteren Schritten bei der Verwirklichung der Ziele des Grundlagenvertrages. Wenn Sie über die politischen Ziele der beiden deutschen Staaten sprechen, so erwecken Sie keine unerfüllbaren Hoffnungen und fördern Sie kein Mißtrauen. Tun Sie weiterhin alles, bis heute bestehende Belastungen der Menschen zu mildern. Wir bitten die Alliierten des Zweiten Weltkrieges: Finden Sie neu zusammen in der gemeinsamen Aufgabe für Frieden und Gerechtigkeit zu einer Politik der Verständigung. Bemühen Sie sich um weitere Schritte, die dazu helfen, endgültig auf alle Kernwaffen zu verzichten. Hören Sie auf, neue Waffensysteme aufzustellen. Bringen Sie neue Impulse in die Verhandlungen über die Begrenzungen der konventionellen Waffen und über vertrauensbildende Maßnahmen ein. Fördern Sie kulturelle, wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie die Begegnung von Menschen über die Grenzen hinweg. Folgen Sie der Einsicht, daß Sicherheit heute nur noch in gemeinsamer Sicherheit liegen kann ..."

Kapitel 1 EUROPÄISCHER FRIEDEN UND HEIMATRECHT D I E H E R V O R H E B U N G DES R E C H T S G E D A N K E N S IN D E R VERTRIEBENENSEELSORGE

1. Stimmen aus der evangelischen Kirche um die Zeit der Charta der deutschen Heimatvertriebenen (1950) Vom 5. August 1950 datiert die Verkündung der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen", der grundlegenden und bedeutendsten Äußerung von Seiten der Vertriebenen selbst zur Frage, welche Lehre aus dem Vertreibungsgeschehen zu ziehen sei, sowie zur politischen Zukunft der Vertreibungsgebiete, des deutschen Volkes und zu einer europäischen Friedensordnung überhaupt. Erstmalig hatten sich zudem Vertreter der landsmannschaftlich organisierten Vertriebenengruppen mit dem Zentralverband vertriebener Deutscher zu einer gemeinsamen Kundgebung zusammengefunden 1 . Neben den unter dem Vorbehalt der Rückkehr als der Verwirklichung des „Rechts auf die Heimat" erhobenen Forderungen nach einer gerechten Eingliederung, erklären die „erwählten Vertreter von Millionen Heimatvertriebener": „ I m B e w u ß t s e i n ihrer V e r a n t w o r t u n g v o r G o t t und den M e n s c h e n , i m B e w u ß t s e i n ihrer Z u g e h ö r i g k e i t z u m christlich abendländischen K u l t u r k r e i s , im B e w u ß t s e i n ihres deutschen V o l k s t u m s und in der E r k e n n t n i s der g e m e i n s a m e n A u f g a b e aller europäischen V ö l k e r " . . . 1. W i r H e i m a t v e r t r i e b e n e n v e r z i c h t e n auf R a c h e und V e r g e l t u n g . D i e s e r E n t s c h l u ß ist uns ernst und heilig im G e d a n k e n an das u n e n d l i c h e L e i d , w e l c h e s im b e s o n d e r e n das letzte J a h r z e h n t ü b e r die M e n s c h h e i t gebracht hat. 2. W i r w e r d e n jedes B e g i n n e n mit allen K r ä f t e n u n t e r s t ü t z e n , das auf die S c h a f f u n g eines geeinten E u r o p a s gerichtet ist, in d e m die V ö l k e r o h n e F u r c h t und Z w a n g leben k ö n n e n . 3. W i r w e r d e n d u r c h harte, u n e r m ü d l i c h e A r b e i t teilnehmen am W i e d e r a u f b a u D e u t s c h lands und E u r o p a s . W i r h a b e n unsere H e i m a t v e r l o r e n . H e i m a t l o s e sind F r e m d l i n g e auf dieser E r d e . G o t t hat die M e n s c h e n in ihre H e i m a t hineingestellt. D e n M e n s c h e n mit Z w a n g von seiner H e i m a t t r e n n e n , bedeutet, ihn im G e i s t e t ö t e n . W i r haben dieses Schicksal erlitten und erlebt. D a h e r

1

V g l . die P r e s s e e r k l ä r u n g v o n A . de V r i e s i n : D e u t s c h e r O s t d i e n s t N r . 2 9 v o m 18. 7.

1 9 6 0 ( A O K A , C 9 / 1 9 6 0 ) . D i e C h a r t a geht auf das G ö t t i n g e r A b k o m m e n v o m 2 0 . 11. 1 9 4 9 z u r ü c k , das z w i s c h e n den L a n d s m a n n s c h a f t e n und dem nach L a n d e s v e r b ä n d e n gegliederten Z v D ( u n t e r d e m V o r s i t z von L i n u s K a t h e r ) geschlossen w o r d e n war. D a m a l s w a r u . a . vereinbart w o r d e n , „ein grundsätzliches D o k u m e n t ü b e r die H a l t u n g der V e r t r i e b e n e n z u v e r ö f f e n t l i c h e n " (ebd.). D i e C h a r t a , einschließlich der U n t e r s c h r i f t e n v o m 6 . 8. 1 9 5 0 , ist u . a . i n : D I E VERTRIEBENEN I I I , S. 6 6 2 f . , a b g e d r u c k t .

2

E u r o p ä i s c h e r Frieden und H e i m a t r e c h t

fühlen wir uns berufen, zu verlangen, daß das R e c h t auf die H e i m a t als eines der von G o t t geschenkten G r u n d r e c h t e der M e n s c h h e i t anerkannt und verwirklicht wird . . . D i e V ö l k e r der W e l t sollen ihre M i t v e r a n t w o r t u n g am Schicksal der H e i m a t v e r t r i e b e n e n als der v o m Leid dieser Zeit am schwersten B e t r o f f e n e n empfinden. D i e V ö l k e r sollen handeln, wie es ihren christlichen Pflichten und ihrem G e w i s s e n entspricht. D i e V ö l k e r müssen e r k e n n e n , daß das Schicksal der deutschen H e i m a t v e r t r i e b e n e n wie aller Flüchtlinge ein W e l t p r o b l e m ist, dessen L ö s u n g h ö c h s t e sittliche V e r a n t w o r t u n g und Verpflichtung zu gewaltiger Leistung fordert. W i r rufen V ö l k e r und M e n s c h e n auf, die guten Willens sind, H a n d anzulegen ans W e r k , damit aus Schuld, U n g l ü c k , Leid, A r m u t und E l e n d für uns alle der W e g in eine bessere Z u k u n f t gefunden w i r d . "

Schon im Blick auf den Anteil kirchlicher Vertriebenensprecher beider Konfessionen an der Bildung einer Reihe von Landsmannschaften 2 überrascht die Feststellung kaum, daß jenes „Grundgesetz" der deutschen Heimatvertriebenen 3 nicht ohne Einfluß des Ostkirchenausschusses und der Hilfskomitees 4 wie überhaupt der Vertriebenenarbeit beider Konfessionen zustandegekommen ist. Der Text, auf den man sich schließlich geeinigt hatte, war vom damaligen Sprecher der Landsmannschaften, Axel de Vries, entworfen worden 5 , der auch in Verbindung zur kirchlichen Arbeit der Deutsch-Balten gestanden hatte. Außerdem gehörte der frühere Präsident der Deutschen Evangelischen Landeskirche in der Batschka, Franz Hamm, als Sprecher der jugoslawiendeutschen Landsmannschaft zu den Unterzeichnern der Charta 6 . Neben solchen personalen Bezügen findet die Charta gerade dort, wo sie vor allem die „sittliche und willensmäßige Haltung, die aus schwerstem Erleben geboren war" 7 , zum Ausdruck bringt, in vorhergehenden Äußerungen aus der von beiden Konfessionen beeinflußten oder gestalteten Vertriebenenarbeit wichtige Vorläufer und inhaltliche Entsprechung. 2

Vgl. B d . I, K a p . 4.

3

D i e C h a r t a nennt ihre Aussagen selbst das „ G r u n d g e s e t z " (der deutschen H e i m a t v e r -

triebenen), das „als unumgängliche V o r a u s s e t z u n g für die H e r b e i f ü h r u n g eines freien und geeinten E u r o p a s " bezeichnet wird. 4

J a h r e s b e r i c h t des O K A 1950, S. 6 ( Α Ο Κ Α , A 7). - Spiegel-Schmidt spricht von einem

„nicht leichten R i n g e n zwischen den verschiedenen A u f f a s s u n g e n " , an dem „von kirchlicher Seite" G i r g e n s o h n und er selbst „zum T e i l beteiligt" gewesen seien ( R . HENRYS, D e u t s c h land S. 16). 5

Μ . Η . BOEHM, G r u p p e n b i l d u n g , S. 518.

6

A u f einer O s t k i r c h e n k o n v e n t s t a g u n g am 6. 4. 1 9 7 0 in Stuttgart gab F . H a m m einen

ausführlichen „ R ü c k b l i c k auf die E n t s t e h u n g der C h a r t a und ihre B e d e u t u n g v o r 2 0 J a h r e n " ( A O K A , C 14 b , 1970), in w e l c h e m besonders eindrucksvoll das E c h o auf die V e r k ü n d u n g der C h a r t a geschildert wird (vgl. S. 12 ff. und 16 f.). Seit dem 6. 8. 1950 wurde diese auf einer R e i h e von G r o ß k u n d g e b u n g e n in verschiedenen Städten, wie H a m m es beschreibt, „plebiszitär a n g e n o m m e n " (S. 16); vgl. auch F. HAMM, C h a r t a . 7

A x e l de Vries (vgl. A n m . 1) sieht in der F o r m u l i e r u n g dieser H a l t u n g den A k z e n t und

die B e d e u t u n g der C h a r t a , v o r der die politischen G r u n d s ä t z e und F o r d e r u n g e n , deren B e r e c h t i g u n g er nicht bestreitet, zurücktreten.

S t i m m e n aus der evangelischen K i r c h e u m 1 9 5 0

3

Am bekanntesten sind in diesem Zusammenhang die Aussagen der „Eichstätter Deklaration", die im Advent 1949 auf Initiative der Ackermann-Gemeinde 8 von „führenden Politikern und Wissenschaftlern aus den drei Gesinnungsrichtungen der Sudetendeutschen (Katholiken, Völkische, Sozialisten)" 9 verabschiedet worden war. Adolf Kindermann nennt als Gedanken, die auf die Charta und darüberhinaus gewirkt haben, die „Verneinung der Kollektivschuld der Austreibernationen, Absage an Vergeltung und Rache, Uberwindung des Nationalstaatsgedankens, Vertreibung als Teil der bolschewistischen Expansionspolitik, Europaidee" 10 . Zum Verzicht auf Rache und Vergeltung hatten auch die evangelischen Vertriebenenseelsorger aufgerufen. So zitiert etwa Franz Hamm einen Rundbrief seines eigenen, des jugoslawiendeutschen, Hilfskomitees von Anfang 1949: „ W i r gedenken der H e i m a t , des G e s c h e h e n s in ihr und der harten P r ü f u n g unserer M e n s c h e n , die d o r t stellvertretend für uns leiden und sterben. D e r H e r r b e s c h i r m e unsere H e i m a t und unsere L i e b e n . W i r bitten ihn, denen, die unsere heimatlichen G o t t e s h ä u s e r abtragen, die Frevel t u n , zu v e r g e b e n , sie wissen nicht, was sie tun. E r b e w a h r e uns alle v o r dem G e f ü h l der R a c h e in der eigenen B r u s t . .

Sicher lassen sich entsprechende Beispiele auch unter den übrigen kirchlichen Gruppen der Vertriebenen finden. Man darf diesen Beitrag nicht geringschätzen etwa dadurch, daß man die Absage an Rache und Vergeltung als eine Selbstverständlichkeit ansieht 12 . Ein solches Urteil mag allenfalls vor dem damaligen globalen Kräfteverhältnis historisch möglich erscheinen, wird jedoch auf das damalige Selbstverständnis der meisten Vertriebenen nicht zutreffen. Gewiß war dieses Selbstverständnis von unterschiedlichen Erfahrungen der einzelnen Gruppen bestimmt. So dürfte es solchen, die ihre „Vertreiber" nicht persönlich kannten, wie z . B . den Pommern, vielleicht weniger schwer gefallen sein, auf Rache zu verzichten, als etwa dem Großteil der Sudetendeutschen, die ihre Heimat nach teilweise heftiger Konfrontation mit ihnen bekannten tschechischen Bürgern verlassen mußten 13 , oder gar den 8

E i n e 1 9 4 7 in M ü n c h e n gegründete S a m m l u n g aktiver k a t h o l i s c h e r K r ä f t e unter den

Sudetendeutschen. 10

9

A. KINDERMANN, W a n d l u n g e n , S. 134.

E b d . D i e s e G r u n d s ä t z e der E i c h s t ä t t e r D e k l a r a t i o n gingen in das G r ü n d u n g s d o k u -

m e n t des H a u p t v e r b a n d e s der S u d e t e n d e u t s c h e n L a n d s m a n n s c h a f t v o m 2 4 . 1. 1 9 5 0 ein. D o r t wird u . a . der K o l l e k t i v s c h u l d g e d a n k e abgelehnt und „ t r o t z aller f u r c h t b a r e n E r f a h rungen seit 1945 [ b e t o n t ] , daß sie [die V o l k s g r u p p e ] E u r o p a nicht auf V e r g e l t u n g und R a c h e , H a ß und R e s s e n t i m e n t s , s o n d e r n auf R e c h t s g r u n d s ä t z e n und der W a h r u n g der M e n s c h e n w ü r d e unter allen beteiligten V ö l k e r n aufgebaut wissen w i l l . " A u s : „ D o k u m e n t e n s a m m l u n g zur S u d e t e n f r a g e " , zit. v o n F . H a m m ( A O K A , C 14 b / 1 9 7 0 , S. 9). 11

E b d . , S. 6.

12

S o ζ. B . D . STROTHMANN, D i e V e r t r i e b e n e n , S. 3 0 8 .

13

V g l . z u diesem A s p e k t das V o t u m K . v. B i s m a r c k s in H e r m a n n s b u r g (S. SEEBERG,

A u f g a b e n , S. 6 6 ) und ausführlicher H . W . SCHOENBERG, G e r m a n s , S. 181 ff.

4

Europäischer Frieden und Heimatrecht

eben erwähnten Jugoslawiendeutschen, deren in der früheren Heimat verbliebene Angehörige bis in die Zeit der Charta scharfen staatlichen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt waren. Wie wenig selbstverständlich jene Proklamation war, erhellt ζ. B. aus späteren Klagen, die Charta sei „noch keineswegs" zum „Gesinnungsgut aller Vertriebenen geworden" 14 . Damit hängt die Frage zusammen, welches Gewicht dem Verzicht auf Vergeltung innerhalb der Charta zukommt, welchen Stellenwert er bei der Berufung auf diese „zentrale heimatpolitische Formel" 15 der Vertriebenenorganisation einzunehmen vermochte und welche Deutung jene Proklamation in der späteren Formulierung der Vertriebenenpolitik erfuhr. Es kann hier nicht entschieden werden, aus welchem Verständnis heraus Initiatoren und Autoren der Charta im Namen der deutschen Vertriebenen jenen Verzicht deklarierten, ob dieser Erklärung überhaupt eine einheitliche Motivation zugrunde lag. Sicherlich stand zum damaligen Zeitpunkt zunächst einmal das Bemühen im Vordergrund, die Mauer des Schweigens, die sich um das deutsche Vertriebenenproblem außerhalb der Grenzen gebildet hatte, zu durchbrechen 16 . Mit der Proklamation der Charta traten die Vertriebenen fünf Jahre nach dem Potsdamer Abkommen17 vor die internationale Öffentlichkeit, um ihr aus gemeinsamem Schicksal erwachsenes Anliegen selbst vorzutragen und ihren gemeinsamen Willen geschlossen zum Ausdruck zu bringen; die Proklamation war auch als Grundlage für eine damals angestrebte größere organisatorische Einheitlichkeit gedacht. Mit der Charta sollte der Beweis erbracht werden, daß die Vertriebenen trotz aller Fährnisse, Schwierigkeiten und auch Erniedrigungen „die innere Kraft behalten" hätten, mit einem solchen eigenen Wort an die Öffentlichkeit, gerade auch an die Völker der Länder ihrer ehemaligen Heimat, heranzutreten 18 . Weitgehende Einigkeit scheint auch im Blick auf Argumentation und Ziel der Aussage unter den Vertriebenensprechern geherrscht zu haben: Die Charta stellt sich dar als ein in „christlich-abendländischem" Denken 14 So K. v. Bismarck auf der Arbeitstagung in Loccum vom 29. 11. bis 3. 12. 1954, (S. SEEBERG, Kirche S. 79). Auf derselben Tagung bemerkte Spiegel-Schmidt, daß „viele Vertriebene die Charta . . . nicht anerkennen" (ebd., S. 86). Η. M . JOLLES stellt rückblickend fest, daß die „einigende K r a f t [der Charta] im Bereich der heimatlichen Organisationen ziemlich gering geblieben" sei (Soziologie, S. 288). 15 Ebd., S. 286. " Vgl. dazu ebd., S. 3 6 7 und das Votum Spiegel-Schmidts auf dem Ostkirchenkonvent am 5,/6. 6. 1968 in Plön (Niederschrift, S. 41 f. A O K A C 14 e/1968). 17 Der 5./6. 8. 1950 wurde bewußt als Datum gewählt. Es war das Wochenende nach dem 5. Jahrestag der Unterzeichnung am 2. 8. 1945. Vgl. F. Hamms Hinweis in seinem Vortrag vom 6 . 4 . 1 9 7 0 , S. 11 (vgl. A n m . 6) 18 In diese Richtung zielte, nach F. Hamms Referat (ebd.), z.B. der Sprecher der Bundesregierung, Vizekanzler Franz Blücher, in seiner Ansprache am 5. 8 . 1 9 5 0 im Kursaal von Bad Cannstatt.

Stimmen aus der evangelischen Kirche um 1 9 5 0

5

wurzelnder und im Bewußtsein der Zugehörigkeit zum „deutschen Volkstum" unternommener Akt der Sinngebung des erlebten Vertriebenenschicksals, aus welcher die Richtschnur für das Zusammenleben der Völker in einem „freien und geeinten Europa" wachsen sollte. Als solche wird in der Charta vorrangig und grundsätzlich das „Recht auf die Heimat" bei gleichzeitigem feierlichen Verzicht auf Rache und Vergeltung genannt. Erst an der Frage nach der Deutung solcher Grundsätze, nach den realen Konsequenzen daraus für eine Vertriebenen- und Ostpolitik brechen Differenzen auf. Die in späteren Jahren erhobene Klage über eine vermeintlich unzulängliche Rezeption der Charta in den Reihen der Vertriebenen" etwa beruhte auf einem Verständnis, nach welchem jenes „Grundgesetz der deutschen Heimatvertriebenen" im wesentlichen auf eine Politik abzielte, die nicht einer bloßen starren Behauptung der eigenen Interessen und rechtlichen Ansprüche, sondern dem Ziel eines Friedens verpflichtet sein sollte, dessen Verwirklichung nötigenfalls die Bereitschaft zum Verzicht auf die eigenen Positionen einschließt. „Es ging hier um keine Restauration, sondern um eine Frucht des bitteren Leids für die Zukunft"; so lautete z . B . die Interpretation Spiegel-Schmidts 20 . Und auf dem Höhepunkt der Debatte um die Ostverträge rückte das damalige Mitglied des Rates der E K D , Gerta Scharffenorth, selbst Vertriebene, vor dem Ostkirchenkonvent im April 1972 in Bad Segeberg die Charta wiederum in den Vordergrund, weil diese den schöpferischen Ansatz zu einem „in größeren Zeiträumen und weiteren Zusammenhängen denkenden Friedenskonzept" enthalte, das den engen Horizont partikularer Interessenvertretung zu sprengen vermag 21 . In den späteren Kundgebungen, in denen die Sprecher der Vertriebenenverbände sich auf die Charta bezogen und sie interpretierten, tritt das Postulat der Rückkehr in die frühere Heimat, gegründet auf die internationale Durchsetzung und Verwirklichung des Heimatrechts, in den Vordergrund. So erklärten die Gremien der Vertriebenenarbeit zum 10. Jahrestag der Charta am 6. August 1960 in einer Deklaration u. a.: „. . . Die Prüfungen und das Leid, das wir - wie heute Millionen Menschen anderer Völker - tragen mußten, prägten die festen, unverrückbaren Grundlagen unserer damaligen und gegenwärtigen H a l t u n g . W i r wollen auch jetzt und künftig wie ehedem in die H e i m a t zurück. W i r sehen keinen Anlaß, unsere H a l t u n g zu ändern, u m so mehr als wir glauben, die Pflichten, die wir in der C h a r t a auf uns nahmen, nach bestem Wissen und Gewissen beim Wiederaufbau Deutschlands und E u r o p a s erfüllt zu haben . . . D i e N o t unserer T a g e wird besonders klar an der n o c h i m m e r nicht überwundenen Zerreißung Deutschlands . . . und an der Tatsache, daß n o c h i m m e r mehr als hundert Millionen Menschen anderen Volkstums

" V g l . dazu A n m . 14. 20

Kirche S. 16.

21

G . SCHARFFENORTH, Existenz, S. 1 4 ; vgl. S. 13f.

6

Europäischer Frieden und Heimatrecht

ostwärts von Deutschlands Grenzen wehrlos einem Terrorregime ausgeliefert sind . . . Um ihrer [der Charta] Verwirklichung willen müssen wir heute fordern: 1. Das . . . Selbstbestimmungsrecht hat für alle Völker zu gelten, also auch für das deutsche Volk. Seine Verwirklichung darf nicht den Interessen anderer Staaten geopfert werden . . ," 22 .

Schon ein Jahr zuvor hatte ein Kongreß der „führenden Mitarbeiter" des Bundes der Vertriebenen wohl auch im Blick auf die Genfer Außenministerkonferenz vom Sommer 1959 unter Berufung auf Atlantik-Charta, UNO-Satzung, allgemeine Erklärung der Menschenrechte und eben auch auf die Charta der deutschen Heimatvertriebenen gleichgerichtete, unabdingbare „Voraussetzungen für einen gerechten und dauerhaften Frieden" genannt. Diese als „Kasseler Entschließung" bekannte Erklärung vom 2. Mai 1959 mündet in die Warnung ein: „Die an Friedensverhandlungen beteiligten Mächte stehen vor der Entscheidung: Verhandlungsfriede oder Diktatfriede - Rechtsfriede oder Gewaltfriede. Die Folgen von Versailles sind ein geschichtliches Menetekel." 23

Als die ostdeutschen Landesvertretungen 24 am 22. März 1964 erstmals zu einem Kongreß in Bonn zusammentraten, nannten sie „das Ringen um Wiederherstellung des Rechts für Deutschland und seine Menschen" die „wichtigste Aufgabe der deutschen Außenpolitik", worunter sie wieder 22 Abgedruckt in: R. HENRYS, Deutschland, S. 232 ff. In den Forderungen der Deklaration wird zudem auf die von den Besatzungsmächten am 5. 6. 1945 eingegangene „Verpflichtung" der „Wiederherstellung der Einheit Deutschlands" in den Grenzen vom 31. 12. 1937 hingewiesen, deren Erfüllung praktisch als die „wichtigste Voraussetzung für einen dauerhaften und beglückenden Frieden in der Welt" erscheint. Auch noch in der Entschließung der Ostdeutschen Landesvertretung vom 22. 3. 1964 in Bonn wird unter Berufung auf die Vier-Mächte-Deklaration vom 5. 6. 1945 das „Ringen um Wiederherstellung des Rechts für Deutschland und seine Menschen" als „die wichtigste Aufgabe der deutschen Außenpolitik" bezeichnet (vgl. ebd., S. 235). Auf die historische Problematik einer solchen Berufung auf jene „Deklaration über Deutschland", die im Namen der Regierungen der vier Siegermächte von den Generälen Dwight D . Eisenhower, Bernard Law Montgomery, Jean Joseph-Marie Lattre de Tassigny und Georgij Konstantinowitsch Schukow unterzeichnet und in deren 15 Artikeln mögliche Konsequenzen aus der bedingungslosen Ubergabe des deutschen Volkes (!) gezogen worden waren, soll hier nicht näher eingegangen werden. Sicherlich müßte dabei das Ergebnis der wenige Wochen darauf eröffneten Konferenz von Potsdam in derartige Erwägungen miteinbezogen werden. Vgl. zum gesamten Problemkomplex E. DEUERLEIN, Einheit, S. 102-120. Die Erklärung vom 5. 6. 1945 ist (ebd., S. 338ff.) abgedruckt. Der Hinweis auf die Grenzen vom 31. 12. 1937 findet sich in der zusätzlichen „Feststellung" (S. 342). 25 Flugblatt des BdV ( A O K A , C 9/1960). Vgl. H. W. SCHOENBERG, Germans, S. 164, Anm. 6. In dieselbe Richtung mit dezidierter Forderung nach „Vereinigung der willkürlich geschaffenen Teile Deutschlands" zielte auch bereits die "Berliner Entschließung" zum 10jährigen Gedenken an Teilung und Vertreibung, die am 10./11. 9. 1955 von Abgeordneten der Länderparlamente der Bundesrepublik und Berlins gemeinsam mit „Vertretern aller deutschen Landsmannschaften" verabschiedet worden war. 24 Dies sind die Sprecher der früheren Reichsteile Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, Berlin - Mark Brandenburg, Schlesien und Oberschlesien.

Stimmen aus der evangelischen Kirche um 1950

7

unter Hinweis auf die Vier-Mächte-Deklaration vom 5. Juni 1945 die Wiedervereinigung Deutschlands in den Grenzen von 1937 verstanden 25 . Auch wenn ein ausdrücklicher Bezug zur Charta fehlt, enthält diese Bonner Entschließung doch allgemeine Aussagen zur „Friedensordnung", die als eine die grundlegende Thematik der Charta aufnehmende und zum Teil weiterführende Reflexion gelten können. Zudem wird darin wie in keiner anderen Deklaration von Seiten der Vertriebenengremien die Schuldfrage angesprochen: Aus der „Last entsetzlicher Verbrechen einer totalitären Zwischenherrschaft", womit das nationalsozialistische Regime gemeint ist, leiten die ostdeutschen Landesvertretungen „Recht und Gerechtigkeit" als ein Prinzip der Außenpolitik ab, das deren erwähnte Zielsetzung unabdingbar machte. Die „anderen Völker" werden daran erinnert, „daß in einer chaotischen Zeit der Gewalt auch an Millionen Deutschen Verbrechen begangen wurden". Doch wehren sich die Vertriebenensprecher gegen jede Kollektivschuldthese und dementsprechend gegen den Gedanken kollektiver Sühne 26 . Sie fordern deshalb „die Wiederherstellung verletzten Rechts" unter „Wahrung der Menschenwürde", was für die nun in den Oder-Neiße-Gebieten lebenden Menschen, „die von fremden Mächten dort angesiedelt worden" seien, die Entscheidungsfreiheit beinhalte, „im Lande zu bleiben oder in seinen Staat zurückzukehren". Mit Hilfe dieser Erklärungen sei die Linie gekennzeichnet, nach welcher die Gremien der säkularen Vertriebenenorganisationen die Grundsätze der Charta von 1950 bis in die Mitte der 60er Jahre hinein auf Entwicklung und aktuellen Stand der Deutschland- und Ostpolitik bezogen und anzuwenden suchten. Die Idee des „Rechts" und der „Menschlichkeit" diente als Grundlage einer europäischen Friedensordnung, innerhalb derer eine Lösung des Vertriebenenproblems im Sinne der Restitution früherer Heimat- und Besitzverhältnisse ermöglicht werden sollte. Die Herleitung dieser Zielvorstellungen aus der „Zugehörigkeit zum christlich-abendländischen Kulturkreis" erfolgt zwar in den späteren Kundgebungen nicht mehr, zumindest nicht mehr so explizit wie noch in der Charta selbst 27 , das dahinter stehende Motiv einer christlichen Kultur auch gerade in Gegenstellung zur „atheistischen" Herrschaft des „Bolschewismus", von der die Völker Osteuropas zu „befreien" seien, wurde damit jedoch nicht eliminiert, sondern bleibt hinter den Formulierungen auch jüngerer Stellungnahmen erkennbar.

Die Entschließung ist abgedruckt in: R. H e n r y s , Deutschland S. 234f. „Es gibt jedoch keine Kollektivschuld, auch keine deutsche. Rechtmäßig darf keine Sühne von einer Gesamtheit und für Deutschland etwa stellvertretend von den Ostdeutschen gefordert werden." 27 Vgl. dazu H.-W. Krumwiede, Charta, S. 23 f. 25

26

8

Europäischer Frieden und Heimatrecht

Man kann in alledem sicherlich eine Ausprägung „spezifisch deutscher" Geschichtsauffassung 28 oder gar einer „nur-deutschen Ideologie" 2 ' erblikken, aufgrund deren es etwa auch nicht gelang, jenen Forderungen der Vertriebenenverbände ausreichendes Gewicht in der internationalen Politik zu verleihen 30 . Andererseits sind jene Forderungen ihrer Argumentation und Motivation nach doch unübersehbar mit der politischen Entwicklung in Deutschland sowie deren Einbettung in den Interessenkonflikt der Großmächte verknüpft. Die Ausformulierung dieser Haltung der Vertriebenenverbände ist nicht denkbar ohne die durch einen scharfen Antikommunismus legitimierte Anschließung des neuen westdeutschen Staates an die amerikanische Politik der Zurückdrängung des sowjetischen Einflusses in Mittel- und Osteuropa. Im Frühjahr 1950, also nur wenige Monate vor Verkündung der Charta, hatte der amerikanische Außenminister Dean Acheson in seinem Sieben-Punkte-Programm den Weg markiert, der zu jenem „roll-back" führen sollte, zu „Unterminierung" und Zusammenbruch der „kommunistischen Herrschaft", was im selben Jahr der damalige außenpolitische Berater des Präsidenten, John Foster Dulles, als Voraussetzung einer Friedensordnung nannte 31 . Ganz im Stil jener Ära, der dieser spätere Außenminister seinen Namen leihen sollte, klagte der Deutsche Bundestag wenige Tage nach Verkündung der Charta die „Kommunistische Zwangsherrschaft" der sowjetischen Besatzungsmacht an, sprach von den „Handlungen" derer, die sich „stündlich an Deutschland und der Menschheit" vergingen, und stellte dem den „unerschütterlichen Willen des ganzen deutschen Volkes zu seiner nationalen Einheit" gegenüber: „Das deutsche V o l k sieht in der A n e r k e n n u n g der O d e r - N e i ß e - L i n i e , in der Verteidigung der unmenschlichen Behandlung deutscher Kriegsgefangener und Verschleppter, in der Mißachtung des Schicksals und des Heimatrechts der Vertriebenen Verbrechen an Deutschland und gegen die Menschlichkeit. D e r Deutsche Bundestag spricht allen, die f ü r diese Verbrechen verantwortlich sind und die Einverleibung Deutschlands in das Fremdherrschaftssystem betreiben, das Recht ab, im 28 Vgl. ebd., S. 1 6 f., im Blick auf die Heimat- und Volkstumsidee, die K r u m w i e d e in der Charta ausgedrückt findet. 29 So Η. M . JOLLES, Soziologie, S. 3 6 7 ; vgl. dazu S. 3 6 0 f f . 30 Vgl. ebd. Jolles sieht in der Charta das „wichtigste D o k u m e n t " des Versuches, die „politisch-ideologische Isolierung" der deutschen Vertriebenen innerhalb der internationalen Politik zu durchbrechen, und läßt im Blick auf die Charta selbst wie auch auf spätere Kundgebungen keinen Zweifel daran, daß es zu einer wirklichen Internationalisierung der „Wandererideologie" - so der f ü r eine historische Beurteilung der Vorgänge wenig ergiebige Begriff des niederländischen Soziologen - nicht gekommen ist. Vgl. ebd. und z u r W i r k u n g der Charta innerhalb der Vertriebenenorganisationen selbst S. 288. 31 Vgl. J . F. DULLES, Krieg o d e r Frieden, und insgesamt die Skizze in D . KOCH, Heinemann, S. 1 3 7 und 339. Dulles selbst sprach in dem Zusammenhang häufiger v o n der „Befreiung" (liberation) der V ö l k e r Osteuropas als Ziel seiner gegen eine Fixierung des status quo gerichteten Politik.

S t i m m e n aus der evangelischen K i r c h e u m 1 9 5 0

9

N a m e n des deutschen V o l k e s zu handeln. D a s k o m m u n i s t i s c h e S y s t e m bedeutet V e r n i c h tung der M e n s c h e n r e c h t e , V e r s k l a v u n g der arbeitenden M e n s c h e n , V e r e w i g u n g von H u n ger, E l e n d und A u s b e u t u n g . D i e k o m m u n i s t i s c h e n M a c h t h a b e r sind die w a h r e n K r i e g s h e t z e r gegen das eigene V o l k . D a s deutsche V o l k will den F r i e d e n in der Freiheit nach innen und a u ß e n , den F r i e d e n in der G e m e i n s c h a f t freier V ö l k e r . D e r D e u t s c h e B u n d e s t a g appelliert an die D e m o k r a t i e n der W e l t , dem deutschen V o l k in diesem K a m p f b e i z u s t e h e n . " 3 2

Welche Gruppierung innerhalb der westdeutschen Gesellschaft ließ sich als ganze von ihrer Interessenlage her wohl besser für eine solche Politik reklamieren als das Millionenheer der aus dem Osten Geflüchteten und Vertriebenen! U n d so sind die oben genannten Entschließungen auch keinesfalls als bloßer Niederschlag einer restaurativen „Wandererideologie" zu verstehen, sondern als Äußerungen im Sinne der damals herrschenden politischen Argumentation in der Bundesrepublik Deutschland. W e n n es, besonders im Nachhinein, dennoch gerechtfertigt erscheint, von einer „Vertriebenen"- oder auch „Wandererideologie" zu sprechen, so liegt dies in der gesamtpolitischen Situation begründet, die ja keineswegs unverändert blieb oder frei von Widersprüchen war. Hierbei ist weniger an Stimmen, vor allem im westlichen Ausland, gedacht, die sich praktisch von Anfang an positiv zur Oder-Neiße-Linie als polnischer Westgrenze äußerten, darin ein Resultat des Weltkrieges sehend, das stabilen Kräfteverhältnissen und einer Friedensordnung in E u r o p a dienlich sein könne". Von nachhaltiger Bedeutung wurde vielmehr die Verschiebung der globalen Kräftekonstellation, die, in der zweiten Hälfte der 50er Jahre sichtbar einsetzend, der Dulles'schen „liberation"- und „rollback"-Strategie zunehmend die Grundlagen entzog 3 4 . Bereits das Ergebnis der Genfer Gipfelkonferenz im Juli 1955, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der soeben in die N a t o aufgenommenen 32

E n t s c h l i e ß u n g des D e u t s c h e n B u n d e s t a g e s v o m 14. 9 . 1 9 5 0 (BUNDESMINISTERIUM, B e -

m ü h u n g e n , S. 17). V g l . bereits die R e g i e r u n g s e r k l ä r u n g v o n B u n d e s k a n z l e r K o n r a d A d e nauer v o m 2 1 . 9 . 1 9 4 9 , in der es u n t e r B e r u f u n g auf das P o t s d a m e r A b k o m m e n hinsichtlich der G e b i e t e östlich v o n O d e r - N e i ß e h e i ß t : „ W i r k ö n n e n uns d a h e r unter keinen U m s t ä n d e n abfinden m i t einer v o n S o w j e t r u ß l a n d und P o l e n später einseitig v o r g e n o m m e n e n A b t r e n nung dieser G e b i e t e " (DOKUMENTE, 6. B d . , S. 3 9 5 ) . 33

A m b e k a n n t e s t e n sind e n t s p r e c h e n d e Ä u ß e r u n g e n des f r a n z ö s i s c h e n A u ß e n m i n i s t e r s

G e o r g e s B i d a u l t von E n d e 1 9 4 7 , der damit eine L i n i e f o r t s e t z t e , w e l c h e r bereits d e r C h e f d e r p r o v i s o r i s c h e n R e g i e r u n g F r a n k r e i c h s , C h a r l e s de G a u l l e , am 2 . 1 2 . 1 9 4 4 bei seinen G e s p r ä chen m i t J o s e f Stalin in M o s k a u gefolgt w a r . V g l . A. GROSSER, D e u t s c h l a n d b i l a n z , S. 5 4 . Z u r Ä u ß e r u n g Bidaults u n d zu S t i m m e n in anderen westlichen R e g i e r u n g e n vgl. H . W . SCHOENBERG. G e r m a n s , S. 2 3 2 ff. 34

E s k a n n hier lediglich u m eine g r o b e S k i z z i e r u n g der T e n d e n z e n gehen, z u d e m auf die

in u n s e r e m Z u s a m m e n h a n g vordringlich z u b e h a n d e l n d e E b e n e p o l i t i s c h e r A r g u m e n t a t i o n und P r o p a g a n d a b e s c h r ä n k t . S o m u ß die F r a g e außer acht b l e i b e n , inwieweit auch s c h o n in den ersten J a h r e n der E i s e n h o w e r - A d m i n i s t r a t i o n die praktische P o l i t i k im G e g e n s a t z z u r „ L i b e r a t i o n " - und „ r o l l - b a c k " - P r o p a g a n d a auf „ c o n t a i n m e n t " und W a h r u n g des status q u o ausgerichtet war. N e b e n der hier aufgeführten L i t e r a t u r v e r d a n k t V e r f . wertvolle H i n w e i s e P r o f . T h o m a s G u i n s b u r g (Universität L o n d o n / O n t a r i o ) .

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Europäischer Frieden und Heimatrecht

Bundesrepublik Deutschland und der U d S S R nach dem Besuch Bundeskanzler Adenauers im September 1955 in Moskau sowie in ganz anderer Weise der Verlauf und das Ergebnis der Aufstände in Polen und Ungarn 1956 ließen mehr und mehr erkennen, daß die auf militärische Stärke gegründete offensive Politik, zu der auch die von Dulles geäußerte Bereitschaft gehörte, notfalls bis an den Rand eines Dritten Weltkriegs zu gehen ("brinkmanship" 3 5 ), nicht ohne weiteres zu einer Einschränkung und Minimierung des sowjetischen Einflußbereichs führte und daß darüber hinaus die praktische Politik der Westmächte anders als ihre verbale Vermittlung zunehmend auf eine Fixierung des status quo in Mitteleuropa hinauslief. Dann lieferte die mit dem sowjetischen Ultimatum von 1958 einsetzende und im August 1961 vorläufig beigelegte Berlinkrise eindrucksvolles Anschauungsmaterial für die gewandelten Beziehungen zwischen der westlichen und östlichen Führungsmacht: Schon die ersten Reaktionen der noch von Dulles - er starb 1959 - geleiteten amerikanischen Außenpolitik auf das Chruschtschow-Ultimatum, die deutlich auf Kompromiß und Vermeidung eines Konflikts ausgerichtet waren, hinterließen eine Schockwirkung 36 und führten zur Desillusionierung bei einem Teil derjenigen, die sich den mit der Politik der Stärke verbundenen „rollback"-Hoffnungen hingegeben hatten. Der nur wenige Wochen nach dem Wiener Gipfeltreffen zwischen John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow unter dem „tacet" der Westmächte durchgeführte Mauerbau in Berlin 37 ließ die Politik des containments, d.h. eines Arrangements der beiden Supermächte auf der Basis des errungenen status quo in Mitteleuropa, vollends sinnfällig werden. Mit der Mauer wurde „das letzte bestehende Loch im deutschen status q u o " verstopft 38 , ohne daß diese Aktion von den Westmächten verhindert worden wäre oder angesichts des zwischen beiden Blöcken erreichten Atompatts hätte verhindert werden können. Im Zuge des Präsidentschaftswechsels in den Vereinigten Staaten zu Beginn des neuen Jahrzehnts wurde auch auf der Ebene der politischen Argumentation in der Öffentlichkeit dem deutlichen Wandel des globalen Kräfteverhältnisses Rechnung getragen. So registrierte man einen „Klimawechsel", der schließlich auch Veranlassung bieten konnte, die bisherige Ost- und Vertriebenenpolitik zur Disposition zu stellen39. Dazu sollte es unter einer veränderten Großwetterlage, die auch Auswirkungen 35 Dieser Begriff geht auf eine Äußerung des amerikanischen Außenministers im Jahre 1955 zurück (going to the brink of the war). 36 Vgl. S. HAFFNER, Integration, S. 20. 37 S. HAFFNER spricht von der „zwischen Kennedy und Chruschtschow im Juni 1961 gefundenen Lösung der [Berlin-JKrise" (ebd.). 38 Ebd. 39 Vgl. etwa den Artikel „ N e u e Ostpolitik?" (DER REMTER 1961/1, S. 46).

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auf die westdeutsche Politik in den späten 60er Jahren hatte, ja mehr und mehr kommen. Die Ausgangsfrage nach Kern und Ziel der Charta und den realen ostpolitischen Konsequenzen daraus erhält vor diesem hier nur sehr pauschal skizzierten Hintergrund eine historisch-zeitliche Komponente. Denn etwa seit Mitte der 50er Jahre wird durch die realpolitische Entwicklung eine Kluft zwischen den Rückkehr- und Restitutionshoffnungen, bzw. -postulaten auf der einen, dem realen Kräfteverhältnis und der daran bestimmten Interessenlage unter den Großmächten auf der anderen Seite zunehmend erkennbar. Und vor dieser Entwicklung erscheinen die zitierten Äußerungen der Vertriebenengremien aus dem Jahrzehnt nach 1955 in einem anderen Licht als die Charta von 1950, auch wenn sie dem Wortlaut oder Gehalt nach einander entsprechen und die späteren Erklärungen gerade im Sinne einer Bekräftigung der Charta abgegeben und verstanden werden. Die Forderung nach Verwirklichung des „Rechts auf die Heimat" im Sinne der Rückkehr und weitestmöglichen Restitution des alten Besitzstandes kann vor jener deutlichen Verschiebung der politischen Konstellation in Europa nicht als bloße lineare Fortführung der in der Charta von 1950 festgelegten Grundsätze angesehen werden, sondern erscheint eher als Reaktion auf den eingetretenen politischen Wandel, was schließlich zu dem bekannten rigiden Maximalismus führen konnte, wie er manche späteren „Sonntagsreden" von Vertriebenensprechern auszeichnete 40 . Die auf ein friedliches Zusammenwirken der Völker abzielenden rechtlichen Forderungen, wie sie in der Charta als aus den Erfahrungen des Leides gewonnen für eine bessere Zukunft erhoben wurden, konnten so vor dem gewandelten Hintergrund, besonders wenn sie dazu noch in überspitzt agonaler Form vorgetragen wurden, dann geradewegs zu einer Korrosion der 1950 gesetzten Maßstäbe beitragen. Sollten diese doch nicht der Restitution des Vergangenen, sondern dem künftigen europäischen Frieden und einer künftigen globalen humanen Rechtsordnung dienen 41 . Es gilt also, die aus jener historisch-politischen Komponente herrührende Verschiebung bei der Einordnung und Bewertung der kirchlichen Stellungnahmen um die Zeit der Charta zu Beginn des Jahrzehnts zu beachten. Die Diskussion der ost- und friedenspolitischen Konsequenzen des 40

Eine Zitatensammlung aus solchen Reden ( z . B . des langjährigen

Bundesministers

H a n s - C h r i s t i a n Seebohm) bietet D. STROTHMANN, D i e Vertriebenen S. 3 1 6 f f . Vgl. auch H . W . SCHOENBERG, G e r m a n s , S. 2 9 1 , A n m . 166. 41

H . - W . KRUMWIEDE n i m m t in seiner Analyse der C h a r t a und der aus dieser abzuleiten-

den politischen K o n z e p t i o n e n eine ähnliche Differenzierung zwischen den Verhältnissen von 1950 und denen von 1 9 7 0 v o r und konstiert ebenfalls einen Hiatus „zwischen d e m A n s p r u c h der Vertriebenen und der Möglichkeit seiner Verwirklichung" ( C h a r t a , S. 2 5 ; vgl. auch S. 2 4 f . und 27).

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Europäischer Frieden und Heimatrecht

Vertreibungsgeschehens war damals noch nicht von der zugespitzten Polarisierung der späteren Jahre geprägt, wohl aber machte sich darin der Konflikt bemerkbar, der aus dem ethischen Impuls der Charta zwangsläufig erwachsen mußte, daß die Einschränkung der Mittel, d.h. der Verzicht auf Rache und Vergeltung, möglicherweise auch eine Beschränkung oder Wandlung der angestrebten Ziele erforderlich werden läßt. Nur wenige Tage nach Verkündung der Charta griff der Deutsche Evangelische Kirchentag in Essen diese Fragen auf. Erstmals wurden die sozialen N ö t e und politischen Hoffnungen der Vertriebenen auf einer nicht von diesen selbst einberufenen Massenversammlung solchen Ausmaßes gründlich erörtert und in eine breite Öffentlichkeit getragen. Dazu war eigens eine Arbeitsgruppe gebildet worden, die unter dem Generalthema des Kirchentages, „Rettet den Menschen", den Teilbereich (II) „Rettet seine Heimat" verhandelte 42 . „Wenn die Frage der Heimatvertriebenen auf dem Kirchentag nicht die zentrale Frage wird, sind alle anderen aufgeworfenen Probleme umsonst behandelt", hatte Pfarrer Heinrich Albertz, selbst aus Schlesien stammend und damals niedersächsischer Flüchtlingsminister, in seinem Einführungsreferat vor der Arbeitsgruppe II gemahnt. Die Berichte lassen erkennen, daß die Vertriebenenproblematik zum vorrangigen Thema des gesamten Kirchentages werden konnte und dies gerade auch vor dem Hintergrund der Charta in ihrer doppelten Ausrichtung auf die soziale Lage der Vertriebenen, ihre Eingliederung im Westen und andererseits auf das Verhältnis zu den Nachbarvölkern im Osten und eine europäische Friedensordnung. „Der Kirchentag war das J a der Kirche zur Charta der Heimatvertriebenen und damit ein neuer Anfang eines hoffentlich gemeinsamen Weges." So faßte der Berichterstatter des Ostkirchenausschusses seine Eindrücke nicht ohne Emphase zusammen 43 . Die Vertriebenenfrage erlangte dieses Gewicht auf dem Kirchentag nicht einfach aufgrund diakonischer oder seelsorgerlicher Zuwendung der Kirche zu den Nöten einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe, sondern wegen der sachlichen Relevanz, die man zum damaligen Zeitpunkt der durch die Charta berührten Thematik für das Problemfeld Sicherheit, Freiheit, soziale Ordnung zubilligte. Heimatrecht und der Verzicht auf Rache und Vergeltung wurden in diesem größeren Zusammenhang gesehen. Ersteres sollte, so die Forderung von Heinrich Albertz, mit dem „Recht auf Gerechtigkeit" im Gleichgewicht gehalten

42 Vgl. K J 1950, S. 13 ff. D i e restlichen drei A r b e i t s g r u p p e n galten den T h e m e n „Freiheit", „ F a m i l i e " , „ G l a u b e n " . D i e A r b e i t s g r u p p e II tagte unter d e m V o r s i t z I w a n d s . 43 Bericht (wahrscheinlich von Ο Κ Α - G e s c h ä f t s f ü h r e r Spiegel-Schmidt) in: A k t e „ D e r O K A . Bis einschließlich 1952" (NACHLASS BRUMMACK); dieser N a c h l a ß wird künftig im E Z A Berlin verwahrt.

Stimmen aus der evangelischen Kirche um 1950

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werden. Die Lösung lag für ihn deshalb in der Lösung der sozialen Frage, die dem „Sicherheitsetat" nicht untergeordnet werden dürfe. „Ich bin für den Frieden um jeden Preis, sonst könnten wir die Entwurzelten nicht bewahren vor denen, die nicht warten können, die U n i f o r m wieder anzuziehen." 4 4

Damit wandte sich Albertz gegen Erwartungen, wie sie in jenen Monaten der in der Öffentlichkeit aufflammenden Remilitarisierungsdebatte auch hinsichtlich einer Verwirklichung des Heimatrechts für die Ostvertriebenen teilweise geweckt wurden 4 5 . Ein Redaktionsausschuß folgte Albertz' Argumentation 4 6 , allerdings, ohne sich damit im Plenum der Arbeitsgruppe II durchsetzen zu können, in deren endgültiger Entschließung lediglich die Bitte ausgesprochen wird: „. . . Ihr Vertriebenen, verzichtet auf Rache und Vergeltung, wie die Charta der deutschen Heimatvertriebenen es tut. Ihr Eingesessenen, sperrt euch nicht gegen den Lastenausgleich, sonst werden wir zu unserem Eigentum kein gutes Gewissen haben . .

Der Kirchentag hatte sich damit zwei wesentliche Gesichtspunkte der Charta zu eigen gemacht. Der Gedanke eines „Rechts auf die H e i m a t " fand dagegen keinen expliziten Eingang in die Entschließung. Hier setzte die Arbeitsgruppe den Akzent deutlich anders als die Charta. Zwar werden die Heimat als ein W e r k göttlicher Barmherzigkeit „in der vergehenden W e l t " und der Raub der Heimat entsprechend als „Sünde" bezeichnet. Es fehlt aber jede weitere Ableitung völkerrechtlich-politischer Postulate aus dieser Feststellung, wie sie in der Charta vorgenommen

44 D o k u m e n t K t 43 der Pressestelle des Kirchentages vom 24. 8. 1950 ( A O K A , 8/1950).

C

45 Besonders E . Gerstenmaiers Referat über die Christliche Verantwortung in Europa zielte in solche Richtung. E r sprach sich für einen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur „Verteidigung des Abendlandes" aus. Auch großzügige soziale Maßnahmen könnten eine „totalitäre W e l t m a c h t " nicht davor zurückhalten, ihren Machtbereich zu erweitern (vgl. K J 1950, S. 16, und den in A n m . 43 genannten Bericht, S. 4). D i e Gegenposition wurde indirekt an Beiträgen sichtbar, in denen an das christliche Gewissen appelliert wurde: „Wir können die Heimat nur retten, wenn wir den Menschen retten, und den Menschen nur, wenn wir uns mit allem an Christus klammern" ( H . Albertz), oder in der Warnung davor, sich hinter Atomwaffen verstecken zu wollen, wie sie der Kirchentagspräsident Reinold von Thadden-Trieglaff formulierte und fragte: „Ist das christlich?" Hervorzuheben ist in dem Zusammenhang auch das Schlußwort des Präses der E K D - S y n o d e , Gustav Heinemann, auf der Abschlußkundgebung. E r wies auf die „Verlorenheit des Menschen unserer T a g e " , an dem das „Ausmaß von Angst und F u r c h t " sichtbar werde, „die unter uns u m g e h t " . H e i n e mann Schloß: „Laßt uns der Welt antworten, wenn sie uns furchtsam machen will: Eure Herren gehen, unser H e r r aber k o m m t ! " ( K J 1950, S. 24). 46 In der „Vorresolution" hieß es nämlich: „ N u r eine neue soziale Neuordnung wird verhüten können, daß ein neuer Krieg das Schicksal der Vertriebenen zum Schicksal aller m a c h t " (vgl. A n m . 4 3 , S. 3). 47 K J 1950, S. 19. Z u r Lastenausgleichsfrage vgl. Bd. I, Kap. 10.

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wird. Vielmehr hebt der Kirchentag darauf ab, „den Heimatlosen eine Heimat zu geben" im kirchlichen wie im gesamtgesellschaftlichen Bereich, in sozialer wie in wirtschaftlicher Hinsicht; dazu verpflichte „Gottes Barmherzigkeit" 48 . Mit einer solchen Differenzierung der Vertriebenen- und Heimatfragen entsprach der Kirchentag der Behandlung, die jener Problematik auch bereits vor Verkündung der Charta in den Gremien der E K D zuteil geworden war, am eindrücklichsten auf der Synode der EKD in BerlinWeißensee vom 23. bis 27. April 1950. Abgesehen von dem bedeutenden „Wort an Israel" stand die Frage „Was kann die Kirche für den Frieden tun?" im Vordergrund 49 . Damit waren die Bewertung des Vertreibungsgeschehens sowie die Zukunft der Ostgebiete zumindest mittelbar berührt. Daß daneben die soziale und wirtschaftliche Seite der Vertriebenenaufnahme auf der Synode breite Behandlung gefunden hatte, darauf war bereits näher eingegangen worden 50 . Beiden Seiten widmete sich Eugen Gerstenmaier in seinem Bericht über das Evangelische Hilfswerk, den er der Synode erstattete. Im Zusammenhang der bereits seit längerem angestrebten Internationalisierung des Vertriebenenproblems setzte sich der Leiter des Hilfswerks auch mit dem Walther-Report und der darin enthaltenen Ansicht auseinander, die amerikanische Regierung habe dem Artikel XIII des Potsdamer Abkommens in der Annahme zugestimmt, damit einer ohnehin bereits vorhandenen Wanderungsbewegung aus den Ostgebieten nach Westen zu humanerer Durchführung verhelfen zu können 51 . Gerstenmaier sah in einer solchen Darstellung offensichtlich den Versuch, die Siegermächte in ihrer von ihm unterstellten Verantwortung für das Vertreibungsgeschehen zu entlasten. Er fürchtete, die deutsche Schuld, die er im übrigen nicht leugnen wollte („Wir sind uns des Schuldzusammenhanges des deutschen Flüchtlingsproblems vollständig bewußt"), werde so als alleinige Ursache angesehen und dementsprechend werde die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als unabdingbar für den erstrebten Frieden erscheinen52. „Niemand in Deutschland, auch keine Synode der evangelischen Kirche", sei aber frei, „einer Lösung zuzustimmen, die . . . zur unabdingbaren Forderung des Friedens offenbar gemacht wird, nämlich die Oder-Neiße-Linie als Grenze des Friedens anzuerkennen."

Sie sei eine „Grenze des Unfriedens", der man nicht zustimmen dürfe. „Denn wir sind nicht frei, die angestammte Heimat von Millionen Menschen einer Gewaltlösung, die wir vor Gott und den Menschen nicht für recht halten, anheimfallen zu lassen."53

48

KJ 1950, S. 18 f.

49

V g l . BERLIN-WEISSENSEE 1 9 5 0 , S. 5

50

Vgl. Bd.

I,

Kap

4,3

und Kap.

5,3.

51

V g l . BERLIN-WEISSENSEE 1 9 5 0 , S. 1 7 5 f .

52 52

Vgl. ebd., S. 176 Ebd.

53

Stimmen aus der evangelischen Kirche um 1950

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Hierauf vermerkt das Protokoll „Beifall". Ein gewisser Teil der Synodalen unterstützte also diese Forderung. Die entsprechende Position einer solchen Haltung fand aber nicht unmittelbar Eingang in das Friedenswort. Die Oder-Neiße-Gebiete oder ein Recht auf (die) Heimat werden darin nicht erwähnt. Die Synode fordert die Besatzungsmächte lediglich auf, „endlich die Zonengrenze zwischen Ost und West [zu beseitigen], die unser Volk zerreißt und den Frieden der Welt gefährdet", und es dem deutschen Volk zu ermöglichen, „sich in Freiheit eine neue Rechtsordnung zu schaffen, in der Osten und Westen wieder zu einer Einheit kommen können" 54 . In dem Synodalwort ist nur insofern von „Grenzen" die Rede, als diese „nicht länger Mauern bleiben" sollen „zwischen nationalen und ideologischen Machtsphären" 55 . Ahnlich verhält es sich mit der Rechtsproblematik: Die Synodalen weisen auf das „heilige Recht Gottes" hin, das „Recht über das Leben und das ganze Sein des Menschen". Zur Konkretisierung dieses Rechtes, dessen Achtung durch den Staat als Voraussetzung für die Wahrung der „Würde" und „Freiheit" des Menschen angesehen wird, führen sie neben dem Anspruch auf ein gerechtes Gerichtsverfahren vor allem die Glaubens- und Gewissensfreiheit, nicht aber ein wie auch immer umschriebenes Heimatrecht an56. Im Gegensatz zu diesen Fragen steht das Synodalwort jedoch dort in größerer sachlicher Nähe zu der wenige Monate später verkündeten Charta, wo unter ausdrücklichem Bezug auf die Botschaft der Eisenacher Kirchenversammlung vom 13. Juli 1948 und die Macht der „Vergebung Jesu Christi" zur Uberwindung von Haß und Neid unter den Völkern aufgerufen wird: „Haltet euch fern dem Geist des Hasses und der Feindseligkeit. Laßt euch nicht zum Werkzeug einer Propaganda machen, durch die Feindschaft zwischen den Völkern gefördert und der Krieg vorbereitet wird. Auch nicht zum Werkzeug irgendeiner Friedenspropaganda, die in Wirklichkeit H a ß sät und den Krieg betreibt! Verfallt nicht dem Wahn, es könne unserer N o t durch einen neuen Krieg abgeholfen werden." 5 7

K J 1950, S. 9 f. Ebd., S. 10. Unsicher muß bleiben, inwieweit die Feststellung das Oder-Neiße-Problem berühren sollte, die kurz danach im Synodalwort getroffen wird: „Der Preis, den jede Nation in dieser Gemeinschaft zu zahlen hat, mag hoch sein; aber er ist niemals zu hoch, wenn dadurch der Friede der Welt gewonnen und erhalten wird" (ebd.). 56 Für die "Heimatlosgewordenen" erbittet die Synode dagegen „soziale Gerechtigkeit" von denen, „die Verantwortung tragen" (ebd.). 57 Ebd., S. 8 f. Das Eisenacher Wort vom 13. 7.1948 ist in KJ 1945-48 (S. 185) wiedergegeben. Gebenüber diesem wurde in Berlin 1950 die Warnung vor falscher Friedenspropaganda eingeführt, ein Vorgang, der sicherlich nur vor dem Hintergrund der oben geschilderten Kalten-Kriegs-Atmosphäre gesehen werden kann. Vgl. zur Stelle u.a. auch D. KOCH, Heinemann, S. 125 ff. 54

55

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Europäischer Frieden und Heimatrecht

Wie die Aussprache zeigt, berührte die Synode hier am empfindlichsten die seelsorgerliche Seite des Vertriebenenproblems und geriet damit - dies sei nur nebenher bemerkt - bereits in Problemzusammenhänge, wie sie eineinhalb Jahrzehnte später vor der breiten Öffentlichkeit der Auseinandersetzung um die Vertriebenen- und Ostdenkschrift der EKD virulent werden sollte. Bereits vor den Beratungen des Ausschusses war gelegentlich mehr oder weniger konkret die Schuldfrage in das Friedensthema einbezogen worden 58 . Im Votum Iwands bildete sie den zentralen Punkt. Anhand mehrerer Beispiele vom Leid, das Deutsche Russen und Polen zugefügt hatten, wies er auf den Osten als den Ort „größter Sorge" um den Frieden, weil dort „soviel Schuld, so unsagbare Blutschuld" liege, und wünschte der Synode ein Wort, „das auch die Gräber im Osten schließt" 59 . Iwand berichtete, wie ihm der Hinweis auf jenen Schuldzusammenhang einmal den Weg zu seelsorgerlicher Ansprache bei etwa 2000 Ostpreußen eröffnet habe, die gerade im Westen angekommen waren und noch unter dem Eindruck von teilweise grauenvollen Erlebnissen standen 60 . Auf einen anderen Aspekt im selben Zusammenhang verwies der wie Iwand als Vertreter der Vertriebenen geladene Gastsynodale Otto Tukkermann". Er ging gerade umgekehrt von der ihn - wie er sagte - persönlich anfechtenden Erfahrung von Haß- und Rachegefühlen aus62. Er habe sich zwar gesagt, „du sollst und darfst nicht hassen", sei dabei aber „in zwei Hälften zerrissen". Durch moralische Forderungen lasse sich der Haß nicht „wegbefehlen", sondern Gott müsse „uns vom eigenen Haß und von der Rachsucht befreien". Deshalb begrüßte Tuckermann eine entsprechende Einfügung in den Schlußteil des Friedenswortes, der ursprünglich nur den Aufruf an die ganze Christenheit enthielt, für den 58 Vgl. etwa den Hinweis auf die Stuttgarter Erlärung im Referat v o n W i l l e m A . Visser't H o o f t (BERLIN-WEISSENSEE 1 9 5 0 , S. 80) und das Referat v o n Hanns Lilje zum Friedensthema (ebd., S. 1 0 0 ) 59 Ebd., S. 1 2 2 ; vgl. S. 121 ff. Iwand äußerte die Sorge und Angst, „daß man einen R a u m schafft v o n G o t t l o s e n , über den man dann ohne Gewissenbedenken B o m b e n w i r f t " (S. 123). Er verwies dabei auf den Urteilsspruch in M t 5, 22. D e r hier deutlich w e r d e n d e Zusammenhang mit der aktuellen politischen Lage des kalten Krieges, den Fragen der Bündnispolitik und W i e d e r b e w a f f n u n g , der (individuellen) Beteiligung an einem neuen Krieg bestimmte den Diskussionsgang um die Friedensthematik weitgehend, w o r a u f im Rahmen dieser A r b e i t jedoch i m m e r nur am Rande hingewiesen w e r d e n kann. Vgl. dazu etwa die Darstellung v o n D. KOCH (vgl. oben A n m . 56) und J. VOGEL, Kirche. 60

BERLIN-WEISSENSEE 1 9 5 0 , S . 1 2 1 f .

E r w u r d e im Frühjahr 1 9 5 0 als Mitglied in den O K A bestellt (vgl. Niederschrift der Ο Κ Α - S i t z u n g v o m 8. 6. 1 9 5 0 in: NACHLASS BRUMMACK, „Der O K A . Bis einschließlich 1952", S. 1). Iwand w a r ebenfalls O K A - M i t g l i e d . 62 BERLIN-WEISSENSEE 1 9 5 0 , S. 3 6 4 f . - Tuckermann wies auf die Behandlung seiner Frau und K i n d e r in Schlesien sowie den T o d seiner Eltern nach der Kapitulation in der Tschechoslowakei hin. 61

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Frieden zu beten63. Spiegel-Schmidt unterstützte Tuckermanns Beitrag später mit dem Hinweis auf die seelsorgerlichen Aufgaben an den Vertriebenen: „Es ist unglaublich s c h w e r , . . . so zu reden, daß wir nicht zu Dingen schweigen, die nicht beiseite bleiben dürfen. W e n n ich mich frage, wie wir bei der uns aufgetragenen Arbeit der Flüchtlingsseelsorge den uns Anvertrauten gegenüber den hier befohlenen Dienst des Friedens tun sollen, dann fehlt mir in diesem W o r t die Anleitung dazu."

Er schlug deshalb die Ergänzung vor: „Laßt nicht ab, G o t t d a r u m zu bitten, daß er euch helfe, vergeben zu k ö n n e n . Jede L ö s u n g der euch bedrängenden Probleme, die aus den Nachkriegsereignissen erwachsen sind, kann nur d e m Frieden dienen, w e n n dahinter die Vergebung steht." 6 4

Das Plenum folgte dem Ausschuß jedoch nicht, sondern entschied sich nach einer Intervention Martin Niemöllers für die ursprüngliche Fassung. Niemöller hatte zwar nicht dem seelsorgerlichen Anliegen Tuckermanns widersprochen, wohl aber theologische Bedenken gegen den Wortlaut des Abschnitts überhaupt geltend gemacht65. In den Verlautbarungen von Kirchentag und Synode der EKD wird also eine bestimmte Linie erkennbar, die in ihrem Verzicht auf Rache, Haß und Vergeltung gegenüber den Völkern des Ostens dem ethischen Impuls der Charta entspricht. Evangelischer Kirche wie den säkularen Vertriebenengremien ist gleichzeitig das Engagement für eine menschenwürdige, sozial gerechte Aufnahme der Vertriebenen im Westen gemeinsam. Soweit es jedoch um die Heimatproblematik geht, um Grenzen und Besitzstand im Osten, wird eine unterschiedliche Akzentuierung sichtbar: Synode und Kirchentag enthielten sich jeder expliziten Forderung nach Verwirklichung des „Rechts auf die Heimat" und verzichteten erst recht auf die theonome Untermauerung eines solchen Postulats. Die beiden kirchlichen Worte von 1950 entziehen sich damit weitgehend der Möglichkeit einer Interpretation, wie sie der Charta im Zuge der geschilderten politischen Tendenzen oder in Reaktion auf diese später zuteil werden konnte. Dabei mag die Frage offen bleiben, inwieweit eine solche Unterscheidung bereits um die Zeit der Verkündung der Charta, d. h. am Ende der unmittelbaren Nachkriegszeit, zu Beginn einer Konsolidierungsphase des in das Blöckesystem integrierten gespaltenen Deutsch-

63

Vgl. ebd., S. 312f. In der E i n f ü g u n g heißt es: „Ungerechtigkeit u n d Lüge, Rachsucht und H a ß sind in unserer Welt so mächtig geworden, daß wir, auf uns u n d unser T u n gesehen, am Frieden der Welt verzweifeln m ü ß t e n . A b e r Gottes Friedensverheißung bleibt in Kraft. D a r u m erheben wir in unserer Ratlosigkeit u n d Angst unsere H e r z e n zu ihm im G e b e t . . . " ( e b d . , S. 363). 64 E b d . , S. 380. 65 Vgl. besonders ebd., S. 369. Die ursprüngliche einfache Fassung w u r d e mit „überwiegender M e h r h e i t " gewählt (ebd., S. 383).

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Europäischer Frieden und Heimatrecht

lands und im Zeichen des „Kalten Krieges", bewußt vorgenommen oder erst angesichts der politischen Entwicklung späterer Jahre tatsächlich relevant werden konnte. Unverkennbar liegt jedoch eine relativ weitgehende Einheitlichkeit den damaligen Äußerungen in der evangelischen Kirche zum Heimat- und Ostproblem zugrunde, die um so beachtlicher erscheint, je mehr man die im Verlauf des Jahres 1950 offen ausbrechenden Widersprüche um Recht und Grenzen kirchlicher Stellungnahmen zu politischen Sachfragen, in diesem Fall besonders Westintegration und Remilitarisierung, dagegenhält66. Die evangelische Kirche konnte im Blick auf das Vertriebenen- und Heimatproblem aus einer eigenen Tradition schöpfen, deren Entstehung in den ersten Nachkriegsjahren bereits an früherer Stelle anhand der Schuld- und Heimatthematik nachgezeichnet worden ist67. Wenn diese Tradition auch, wie oben gezeigt, alles andere als in sich widerspruchsfrei erscheint, bot sie doch zu jener Zeit den Rahmen für die auffallende, allen Erklärungen gemeinsame Zurückhaltung gegenüber der Artikulation direkter heimatpolitischer Forderungen 68 und die Hinwendung zu einem den Frieden sichernden Neuanfang im Verhältnis der Völker untereinander wie im Leben des von Vertreibung und Heimatverlust betroffenen Einzelnen. Am eindrücklichsten und zugleich ausführlichsten belegt dies die Resolution der Vertriebenentagung in Königswinter vom 19. bis 21. September 195 0 6 ', die selbst, da nahezu alle Vertreter aus den Landeskirchen, der E K D , von Seiten der kirchlichen Vertriebenenorganisationen und schließlich auch der Ökumene teilnahmen, als eine Art von Charta der evangelischen Vertriebenenarbeit angesehen werden kann: „. . . Christus spricht: ,In der Welt habt Ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.' " Vgl. etwa die entsprechende Dokumentensammlung aus dem Raum der E K D und einzelner Landeskirchen in: W . W . RAUSCH/C. WALTHER Kirche, S. 68 ff., 79 ff. und 90 ff., aus dem Jahre 1950. Mit ihrer Erklärung zu Fragen des öffentlichen Lebens vom 17. 11. 1950 (ebd., S. 94) brachten Rat der E K D und Kirchenkonferenz diese Widersprüche sozusagen offiziell zum Ausdruck. Vgl. Bd.I, Kap. 7 , 3 . Mehr noch als angesichts der Charta fällt diese Zurückhaltung gegenüber der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 14. 9. 1950 auf, in der es u.a. heißt: „Das deutsche Volk sieht in der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie, . . . in der Mißachtung des Schicksals und des Heimatrechts der Vertriebenen Verbrechen an Deutschland und gegen die Menschlichkeit. D e r Deutsche Bundestag spricht allen, die für diese Verbrechen verantwortlich sind und die Einverleibung Deutschlands in das Fremdherrschaftssystem" - hiermit sollten wohl auch die Oder-Neiße-Gebiete, mehr aber die damalige sowjetische Besatzungszone bezeichnet werden - „betreiben, das Recht ab, im N a m e n des deutschen Volkes zu handeln . . . Die kommunistischen Machthaber sind die wahren Kriegshetzer gegen das eigene Volk . . (BUNDESMINISTERIUM, Bemühungen, I, S. 17). 67 68

" Vgl. dazu Bd. I, Kap. 9,3.

Das Heimatrechtsproblem in der Vertriebenenseelsorge

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D u r c h die Vertreibung der Deutschen aus dem O s t e n sind die Vertriebenen, aber auch die Einheimischen tief angefochten. Sie können hinter dem Geschehen Gottes Hand nicht mehr erkennen. Ihr Glaube zerbricht, und die Kraft zur Gemeinschaft erlahmt. E s ist die Aufgabe der Verkündigung, den Angefochtenen zum Glauben an den gekreuzigten, auferstandenen und wiederkommenden Christus zu rufen. In Ihm schenkt G o t t uns Frieden, Versöhnung und neues Leben und gibt uns die Kraft, im Zusammenbruch allen äußeren Lebens stehen zu können. Diese Verkündigung wird uns helfen, nicht zu richten, sondern die gewaltige Hand Gottes zu erkennen, die uns alle - jeden für sich - zur U m k e h r führt und uns neu in Liebe und H o f f n u n g verbindet. . . . . . Abwegig ist jede Verkündigung, die den Vertriebenen durch sentimentale Erinnerungen und falsche Hoffnungen nur menschlich zu trösten v e r s u c h t . . . Entscheidend für die kirchliche Vertriebenenarbeit ist die nachgehende Einzelseelsorge, die auf die persönlichen N ö t e des Einzelnen hört und auf sie eingeht. Sie hat zu ihrem Mittelpunkt den Zuspruch und den Empfang der Vergebung. Diese Seelsorge weiß, daß wir oft keine A n t w o r t auf die Fragen der N o t und des Leides haben; aber auch in unserer menschlichen Ratlosigkeit bleibt die Antwort Gottes in Kraft, die im K r e u z Christi gegeben ist. U n t e r dieser A n t w o r t G o t t e s lassen wir uns die Augen öffnen für unsere eigene Mitschuld an der Herrschaft des Bösen in dieser Welt und uns frei machen von Selbstrechtfertigung und Erbitterung. Als durch Christus Versöhnte bitten wir täglich, G o t t möchte uns den W e g der Versöhnung und des Friedens zu den Mitmenschen zeigen, von denen H a ß und Rachsucht uns trennen. Das gilt für das Verhältnis zwischen den Völkern ebenso, wie auch für das Verhältnis zwischen Einheimischen und Vertriebenen . . . D i e Dankbarkeit für die G ü t e Gottes sollte uns wehren, dem Verlorenen nachzutrauern, und uns M u t machen, H a n d anzulegen beim Neuaufbau unseres irdischen Lebens." 7 0

2. Das Hervortreten des Heimatrechtsproblems Vertriebenenseelsorge

in der

Die hier in den Mittelpunkt gerückte auf den einzelnen Vertriebenen zielende seelsorgerliche Bemühung um Hilfe bei der Bewältigung des Schicksals, um das Hineinwachsen in die neue Heimat durch Aufnahme in eine christliche Lebensgemeinschaft sollte noch über Jahre hinweg die grundlegenden Äußerungen zur evangelischen Vertriebenenarbeit bestimmen. Mit dem kirchlichen Gemeinschaftsgedanken verbanden sich allerdings nicht mehr jene auf die Kirche in ihrer Gesamtheit zielenden Hoffnungen und Entwürfe der unmittelbaren Nachkriegsjahre. Hier ist trotz mancher verbalen Identität der Wandel, der stattgefunden hatte, zu berücksichtigen71. In diesem Sinne konzentrierte sich z.B. der Ratsvorsitzende, Otto Dibelius, in seinem Aufruf zum „Weltflüchtlingsjahr" 1959 auf die Linderung der äußeren N o t (Wohnungsbau!) und den Appell an jede Kirchengemeinde, sich - etwa durch „Flüchtlingsbeauftragte" und

70

UNVERLIERBARKEIT 1/1, S. 6 6 f f .

71

Bd. I, Kap. 7 , 3 , bes. S. 315 ff.

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Europäischer Frieden und Heimatrecht

Besuchsdienste - „vor allem" um die „Einwurzelung in das kirchliche Leben, die von allen Hilfen die beste ist", zu kümmern 72 . Mit der Entwicklung in den ersten Nachkriegsjahren erscheint es aber nun keineswegs unvereinbar, wenn im Verlauf der 50er Jahre neben solchen Vorstellungen zunehmend Bestrebungen sichtbar werden, den kirchlichen Beistand nicht bloß auf die Vertriebenenaufnahme zu beschränken, sondern ihn für ganz anders geartete politische Ziele in Anspruch zu nehmen. Diese haben letztlich die weitestmögliche Verwirklichung von Restitutions- und Rückkehrhoffnungen, also des „Rechtes auf die Heimat" zum Inhalt. So stellte etwa der dritte Kirchentag der evangelischen Schlesier am 7./8. Juni 1961 neben der Pflege und „Nutzbarmachung" des heimatkirchlichen Erbes als tragendes Motiv für die Fortführung der kirchlichen Vertriebenenarbeit überhaupt folgendes heraus: „Die evangelischen Vertriebenen haben sich bereitwillig in die Landeskirchen eingefügt und gehören nicht selten zu ihren treuesten Gliedern. Sie werden um so freudiger zu ihren Aufnahmekirchen stehen, je mehr ihnen Freiheit und R a u m gegeben wird, das H e r k o m m e n aus ihrer geistigen und geistlichen Vergangenheit wachzuhalten und für die Zukunft aller fruchtbar zu machen. D a z u gehören: b) Die weitere theologische Klärung der dringlichen Fragen u m das H e i m a t - und Selbstbestimmungsrecht in Verbindung mit dem Schuldproblem und c) das daraus sich ergebende helfende und mahnende W ä c h t e r a m t in der öffentlichen Meinungsbildung." 7 J

Solche von der Zielsetzung her und im Zusammenhang der politischen Diskussion der 50er und 60er Jahre gesehen nur schwer zu vereinbarenden Inhalte - endgültige Eingliederung im Westen und Aufrechterhaltung von Rückkehrhoffnung und -anspruch - haben durchaus gemeinsame Wurzeln in der kirchlichen Vertriebenenarbeit der ersten Nachkriegsjahre. Sie sind in der geschilderten Entwicklung des kirchlichen Selbstverständnisses angesichts der Verluste der Ostgebiete und der Aufnahme der Vertriebenen sowie in der Zuordnung dieses Bereiches zur gesamtkirchlichen Aufgabenstellung zu finden 74 . In diesem Zusammenhang war bereits im ersten Band ein frühes Zeugnis des Werbens um kirchlichen Beistand für die Verfechtung des Heimatrechtgedankens angeführt worden 75 . Schon auf der Synode der E K D in 72

KJ 1959, S. 136 f. - D a s „Weltflüchtlingsjähr" war von den Vereinten N a t i o n e n ausge-

rufen w o r d e n . Vgl. die ebenfalls E n d e Juni 1959 veröffentlichte Botschaft Papst Johannes X X I I I . ( O . GOLOMBEK, Kirche, S. 73 ff.). In Deutschland war neben die G r u p p e der Ostvertriebenen die ebenfalls in das W o r t Bischof Dibelius' eingeschlossene Gruppe der Flüchtlinge aus der D D R getreten. "

Beschlüsse des 3. Kirchtages der ev. Schlesier ( E Z A BERLIN, N a c h l a ß Wester, 9b).

74

Vgl. die Zusammenfassung all dieser Aspekte, diakonischer, ekklesiologischer und

seelsorgerlicher A r t in Bd. I, Einleitung zu Kap. 9, S. 383 ff. 75

Vgl. S. 3 1 7 f . , A n m . 3 6 4 .

D a s H e i m a t r e c h t s p r o b l e m in der V e r t r i e b e n e n s e e l s o r g e

21

Berlin-Weißensee 1950 hatte Gerstenmaier die Salzburger Flüchtlingstagung des Ökumenischen Rates vom Februar 1950 gelobt, weil diese „zum ersten Mal das Recht auf die angestammte Heimat ohne Wenn und Aber öffentlich-international ausgesprochen" habe 76 . U n d der Staatssekretär im Bundesvertriebenenministerium, O t t m a r Schreiber, betonte vor der K ö nigswinterer kirchlichen Vertriebenentagung am 20. September 1950, das „Recht auf die H e i m a t " müsse als „Menschenrecht" anerkannt werden 7 7 . In den Äußerungen jener Jahre bestätigt sich insgesamt der aus den Stellungnahmen der Synode der E K D , des Kirchentages sowie des O s t kirchenkonvents 1950 gewonnene Eindruck, daß die evangelische Kirche nicht ohne weiteres und von vornherein als Bündnispartner im politischen Kampf um das „Recht auf die H e i m a t " konstituiert war. Sie sah sich aber mit entsprechenden Forderungen umworben, an denen zumindest die Gremien der kirchlichen Vertriebenenarbeit nicht vorbeigehen konnten. A m sichtbarsten belegt dies ein Vorgang vom Mai 1951, der zudem bereits frappierende Parallelen zu wesentlich späteren Auseinandersetzungen um die Haltung der evangelischen Kirche zur O s t - und Heimatproblematik aufweist. A m 3. Mai 1951 veröffentlichte der von den Vereinigten Landsmannschaften herausgegebene Pressedienst „hvp" eine Stellungnahme „Die Kirchen und die Heimatvertriebenen" 7 8 , in welcher zunächst den christlichen Kirchen für ihre Hilfe an den Vertriebenen gedankt wird, „hvp" hebt hervor, daß es gerade evangelische Hilfskomitees waren, aus denen eine Anzahl von Landsmannschaften entstanden sind, und bezeichnet es als „ u m so bedauerlicher . . ., daß aus der Evangelischen K i r c h e in D e u t s c h l a n d in letzter Zeit einige Ä u ß e r u n g e n z u m V e r t r i e b e n e n p r o b l e m laut w u r d e n , die nicht jenen so erfreuli-

76

BERLIN-WEISENSEE 1 9 5 0 , S. 177. Z u r S a l z b u r g e r T a g u n g selbst vgl. den B e r i c h t „Salz-

b u r g " . - H i n g e w i e s e n sei auch auf die „ R e s o l u t i o n on R e f u g e e s " , die von der V o l l v e r s a m m lung des L W B i m J u l i 1 9 5 2 in H a n n o v e r verabschiedet w u r d e . D o r t heißt es u . a . : „ T h e A s s e m b l y appeals t o t h e nations and the c h u r c h e s t o intensify efforts n o t o n l y in the p r o m o t i o n o f just s o l u t i o n s f o r t h o s e , w h o are n o w h o m e l e s s , b u t also t o brand the u p r o o t i n g o f peoples in all parts o f the w o r l d as a criminal act, w i t h a view t o m a k i n g possible the eventual return o f the expellees to their rightful h o m e s , if they w i s h " ( A O K A , C 1 3 / 1952). D e r O K A hatte am 5. 5. 1952 ein M e m o r a n d u m für den L W B v e r a b s c h i e d e t , mit w e l c h e m er z u r A u s a r b e i t u n g v o n „ R i c h t l i n i e n für die künftige F l ü c h t l i n g s a r b e i t " beitragen wollte. G i r g e n s o h n w a r dann in der betr. S e k t i o n I I I einer der R e f e r e n t e n zur F l ü c h t l i n g s a r beit. V g l . sein R e f e r a t ( e b d . ) , in w e l c h e m er auf die eigentlichen k i r c h l i c h e n A u f g a b e n abzielt, bei „ N ü c h t e r n h e i t " gegenüber der W e l t die Z u k u n f t als „ W i r k l i c h k e i t , die G o t t s c h o n bereitet h a t " , als „unsere Z u k u n f t " zu v e r k ü n d e n , und dabei auf die „ b e s o n d e r e S c h i c k s a l s g e m e i n s c h a f t " der „ J ü n g e r J e s u " verweist. 77

P r o t o k o l l , S. 7 in A O K A , A 7 / 1 9 5 0 . S c h r e i b e r hatte v o r h e r ü b e r „ D e r Stand der

Politisierung der Flüchtlingsfrage im B l i c k auf den D i e n s t der K i r c h e " referiert (vgl.ebd., S. 5). 78

hvp N r . 18 v o m 3. 5 . 1 9 5 1 , abschriftlich im Schreiben des E O K der E K U v o m 2 4 . 5.

1951 an die E K D - K i r c h e n k a n z l e i ( A K K , 6 4 5 4 , N r . 1 2 4 3 6 ) .

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Europäischer Frieden und Heimatrecht

chen Ansätzen entsprechen. N a c h einem Bericht des Sonntagsblattes der evang.-luth. Landeskirche Hannover, der ,Botschaft', führte Landesbischof D . D r . Lilje auf der Internationalen Flüchtlingskonferenz des R o t e n Kreuzes in Hannover kürzlich aus, daß die H e i matvertriebenen nur die Ungerechtigkeit ihres Geschicks sehen. Ihre Verbitterung mache sie wie „ein geistiger S k o r b u t " für zahlreiche Komplexe anfällig, was durch das Versagen versprochener Hilfen noch gesteigert wurde . . . Hier handelt es sich um Darlegungen, die völlig außer acht lassen, daß gerade bei den Heimatvertriebenen die entschlossensten und ernsthaftesten Versuche gemacht wurden und noch werden, das Leben des Einzelnen von G r u n d auf neu aufzubauen und sogar neue F o r m e n des Gemeinschaftslebens zu entwickeln. J a , man kann sagen, daß dieser P r o z e ß der geistigen Selbsthilfe bereits so weit fortgeschritten ist, daß er als wesentliche Erscheinung unseres Volkes mehr und m e h r hervortritt und sogar im Begriffe steht, auf die einheimische Bevölkerung überzugreifen. E s sei auch - was den europäischen Rahmen anbetrifft - auf die Charta der Heimatvertriebenen hingewiesen, die der Landesbischof gerade in diesem Z u sammenhang nicht hätte übergehen dürfen. Abgesehen hiervon ist es besonders die Frage der Heimatgebiete der Vertriebenen, die von evangelischer Seite entweder überhaupt nicht oder in einer Weise behandelt wird, die nicht unwidersprochen bleiben kann. Während der Primas von Polen und Erzbischof von W a r schau, Wyszinski, auf seinem Bittgang nach R o m , w o er den Papst um die Anerkennung der von der Warschauer Regierung angeordneten Übernahme der ostdeutschen Diözesangebiete in den Bereich der polnischen Kirche angehen sollte, auf die entschiedene Ablehnung seines Ansinnens durch den Vatikan gestoßen ist, der seine Entscheidung erst nach der Regelung der politischen Zugehörigkeit der O d e r - N e i ß e - G e b i e t e durch den Friedensvertrag fällen will, schreibt der in Bethel bei Bielefeld erscheinende „Sonntagsspiegel" auf einer im Aprilheft abgedruckten Karte, die den inneren Aufbau und den bisherigen W e g der Evangelischen Kirche in Deutschland darstellen soll, die O d e r - N e i ß e - G e b i e t e völlig ab, nur der kleine Zipfel von Niederschlesien westlich der Lausitzer Neiße ist eingezeichnet. W i r wissen sehr wohl, daß die Gliederung der evangelischen Kirchen von P o m m e r n , O s t b r a n denburg, Schlesien und Ostpreußen zerschlagen wurde, es bestehen aber an nicht wenigen O r t e n in diesen Kirchenprovinzen kleine und treue Gemeinden, die - oft nur um einen Notaltar g e s c h a r t - zu ihrem Glauben und Deutschtum stehen. Diese Kinder der Kirche sind auf jener entstellenden Karte vergessen worden. U n d wenn man das Saargebiet mit R e c h t auf dieser Karte als zum Bereiche der Evangelischen Kirche in Deutschland gehörig charakterisiert, so wäre es erforderlich gewesen, im gleichen Sinne wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck zu bringen, daß die Evangelische Kirche in Deutschland wahrhaft eine Evangelische Kirche in Deutschland sein will, daß auch sie jenes fait accompli der nicht nur den Menschenrechten, sondern vor allem den göttlichen G e b o t e n widersprechenden Massenaustreibungen verurteilt."

Abgesehen davon, daß auch eine dem Einzelnen dienende kirchliche Vertriebenenarbeit im Zusammenhang mit den Fragen der Schicksalsbewältigung und Gestaltung der Zukunft das Heimat- und Ostproblem nicht aussparen kann, nötigten solche kritischen Hinweise, wie die im „hvp", die kirchlichen Vertriebenengremien zur Reaktion im Sinne einer Stellungnahme, die die politische Dimension mit einbezieht. Auch dies war eine Auswirkung der in anderem Zusammenhang beschriebenen „Politisierung" der Vertriebenenfrage 79 . In welche Richtung die Erwartung der säkularen Vertriebenensprecher zielten, war nicht nur aufgrund 79

Vgl. B d . I, S. 168 ff., 384 ff.

Das Heimatrechtsproblem in der Vertriebenenseelsorge

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des „hvp"-Artikels leicht zu erkennen. Der BHE als 1951/52 steil aufsteigende Vertriebenen- und Flüchtlingspartei, die zentralen, aber auch gerade die landsmannschaftlich geordneten säkularen Organisationen beanspruchten seit 1951 als politisch handelnde Größen zunehmende Aufmerksamkeit in den kirchlichen Vertriebenengremien. Die Jahrestagung des Ostkirchenkonvents Ende August in Ratzeburg rückte das Verhältnis zu den Landsmannschaften in den Mittelpunkt ihrer Erörterungen. Der Geschäftsführer des Ostkirchenausschusses Spiegel-Schmidt etwa forderte die Intensivierung der Vertriebenenseelsorge. Die Landsmannschaften hätten bewiesen, daß sie „wirklich Massen auf die Beine zu bringen" vermögen; der Heimatgedanke sei „zu einem kräftigen Impuls des Handelns geworden". Kirche und Christenheit seien der Masse von Vertriebenen Antwort auf deren Fragen schuldig geblieben. „Wir können die A n t w o r t nur auf der Grundlage geben, die wir in Königswinter' 0 erarbeitet haben, auf der Grundlage eines mit Gott versöhnten Herzens, in dem Haß und Rachsucht keinen Platz mehr haben, in dem aber die Frage nach dem Recht des Christen noch dringlicher und lebendiger ist.""1

Mit solchen Erwägungen verband sich nicht der Wunsch einer gegen die Landsmannschaften gerichteten Strategie, sondern nach „kirchlicher Durchdringung", wie es Gehlhoff forderte 82 , zumindest aber nach kirchlicher Beteiligung und Mitwirkung, wie sie der Ostkirchenkonvent in seiner Resolution den Landsmannschaften anbot 83 . Dies war sicher bloß ein erster Schritt der Auseinandersetzung über den Weg der Vertriebenenseelsorge angesichts der ost- und vertriebenenpolitischen Entwicklung. Daß man dabei politisch relevante Entscheidungen und Aussagen nicht umgehen könne, wurde zunehmend deutlicher. Und darin lag wohl auch die bedeutendste Erkenntnis der folgenden Konventstagung vom 18. bis 20. Mai 1952 in Königs winter 84 . Iwand forderte zu einer „politischen Willensbildung" im Konvent auf85. Professor JoVgl. ebd., Kap. 9 , 3 . " Referat am 29. 8 . 1 9 5 1 , S. 1 f. ( A O K A , C 8/1951). 82 Vgl. den Bericht von F. Hamm über den Ostpfarrertag am 3. 9. 1951 in Ratzeburg 80

(UNVERLIERBARKEIT I / 1 , S 1 6 ) . 83 „ Die Lage, in der sich die Heimatvertriebenen befinden, stellt auch soziale, wirtschaftliche, kulturelle und politische Aufgaben. W i r erkennen an, daß neben anderen in Sonderheit die Landsmannschaften mit großer Hingabe diese Aufgaben auf sich genommen haben. In solcher Anerkennung stehen wir nicht gegen die Arbeit der Landsmannschaften. Sie ist uns auch nicht gleichgültig. W i r tragen vielmehr mit an der Verantwortung für den Geist, in dem die Lösung solcher Aufgaben versucht wird . . . W i r bitten die Landsmannschaften, mit uns in nüchterner Erkenntnis der Lage, unser Volk dahin zu erziehen, daß es dem langen und schweren Weg in eine bessere Zukunft gewachsen ist" (vgl. ebd., S. 16f.). «4 Vgl. Niederschrift ( A O K A , C 14/1952). Als Thema galt die Frage: „Wie soll die Arbeit weitergehen?" Auf dem vorbereitenden sog. „Kleinen Konvent" am 18. 5 referierte der Ο Κ Α - V o r s i t z e n d e G ü l z o w über: „Was ist bei uns falsch?" (vgl. ebd., S. 10). 85 Ebd.

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Europäischer Frieden und Heimatrecht

achim Konrad setzte sich - sicherlich in ganz anderer Richtung als Iwand für eine Arbeit „im Sinne der Vorbereitung für den Osten" ein. Nicht zufällig war er es, als Schlesier, der die Frage auch unter konfessionspolitischem Aspekt betrachtete, wenn er auf die Gefahr einer Bedrohung des protestantischen Elements verwies: „Die Landsmannschaft könnte Schlagseite im Sinne der Gegenformation bekommen. Ich würde es einfach nicht fertig bringen, den Vertriebenen die Hoffnung auf eine Rückkehr in die Heimat abzuschneiden.""

„Wir haben eine bipolare Stellung", Schloß Konrad sein Votum, womit anschaulich die Spannung der evangelischen Vertriebenenarbeit und ihrer bis dahin entwickelten Inhalte zu der Anfang der 50er Jahre sich entfaltenden politischen Propaganda für eine Rückgewinnung der Ostgebiete umschrieben wird. Die evangelischen Vertriebenensprecher konnten sich zumindest damals noch zu keiner gemeinsamen Antwort zusammenfinden 87 : „Wir müssen die Menschen dazu bringen, daß sie durchhalten durch diese schwere Zeit, wo noch keine Antwort gegeben werden kann weder von der einen noch von der anderen Seite. Wenn wir einander in Freiheit anhören als echtes Gremium der Kirche, ist das ein ganz großes Geschenk."

So faßte Girgensohn die Diskussion zusammen 88 . Es ist zu bezweifeln, ob sich in den darauffolgenden Jahren die Situation, wie sie hier eingeschätzt wurde, wesentlich verändert hat, auch wenn der Konvent bereits auf seiner nächsten Tagung, die er zusammen mit führenden Sprechern einer Reihe von Landsmannschaften vom 12. bis 14. Oktober 1952 abhielt, zu einer gemeinsamen Entschließung mit weitergehenden politischen Implikaten fand. Nicht nur spätere Äußerungen aus den Reihen der evangelischen Vertriebenenarbeit, sondern auch die Diskussion auf diesem Konvent selbst lassen erkennen, daß damit keineswegs eine allen Beteiligten gemeinsame Antwort der Kirche bereits gefunden war89. 86

Ebd., S. 11. So sprach sich das auf der Konventstagung anwesende Mitglied des Rates, Lothar Kreyßig, unmittelbar an Konrads Votum anschließend, für die Suche nach „konstruktiven Lösungen" aus, die für den Präses der EKU-Synode sicher in andere Richtung als die von Konrad bezeichnete zielen sollten. Interessanterweise lagen dem Konvent bereits „Vorschläge für eine etwaige Resolution" vor (AOKA, C 14/1952, o. D.). Darin ist das Bekenntnis „zum Recht des Menschen auf seine Heimat" enthalten und werden Ehe, Elternhaus, Eigentum und Ehre als heilig und von Gott in den zehn Geboten geschützt bezeichnet, die „verantwortlichen Männer in den Verbänden der Heimatvertriebenen u. a. darum gebeten, daß ihr Reden von Heimat und Heimkehr stets ganz nüchtern und den wirklichen Möglichkeiten gemäß bleibt." 88 Niederschrift, S. 11 (ebd.). 8 ' Niederschrift der Tagung vom 12. bis 14. 10. 1952 in Travemünde (ebd.). Vgl. auch den Bericht von F. H a m m (UNVERLIERBARKEIT 1/1, S. 18 ff.). Dort wird auch die Resolution zitiert. 87

Das H e i m a t r e c h t s p r o b l e m in der Vertriebenenseelsorge

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Ostkonvent und Vertreter der Landsmannschaften hatten sich um eine Klärung der Begriffe „Heimat" und „Volkstum" bemüht. Einstimmig 90 nannten sie als Ergebnis, daß die Heimat als „Gabe Gottes auf Erden" von diesem auch wieder genommen werden könne. „Diese Einsicht entbindet nicht von der Verpflichtung, im G e h o r s a m gegen G o t t und u m der Liebe z u m N ä c h s t e n willen um das R e c h t der Heimatvertriebenen zu ringen, die verlorene H e i m a t dort wieder schaffen zu dürfen, w o sie rechtens daheim sind."

Und zum „Volkstum"-Begriff erklären Konvent und Landsmannschaftsvertreter u. a.: „In einer neuen friedlichen Welt ist ein Zusammenleben der Staaten und Völker nur möglich, wenn das R e c h t auf H e i m a t und V o l k s t u m allen Menschen gleichmäßig gewährleistet ist. W i r wollen alles tun, u m im Sinne der C h a r t a der deutschen Heimatvertriebenen zu einer versöhnlichen und redlichen Neugestaltung des Verhältnisses zu allen Völkern, besonders denen O s t - und Mitteleuropas, zu k o m m e n . " "

Dieser Erklärung von Travemünde konnte keine besondere Verbindlichkeit zukommen, der Konsens war nur ein scheinbarer, zumindest ohne längerfristigen Bestand. Die in den zitierten Formulierungen enthaltenen Spannungen zwischen einer auf die Verkündigung von Gericht und Gnade, Versöhnung und Frieden abzielende seelsorgerliche Zuwendung an Vertriebenen wie Einheimischen und der ebenfalls aus seelsorgerlichen Erwägungen heraus für notwendig erachteten Hervorkehrung und Bekräftigung des Rechtsgedankens, sollten erst seit Ende des Jahrzehnts, vor allem aber in der Debatte um die Ost- und Vertriebenendenkschrift virulent werden und in ihrer Bedeutung über den engeren Rahmen der kirchlichen Vertriebenenarbeit in die gesamte Kirche hineinwirken. Die späteren Brechungen und Polarisierungen, wie sie aus den entscheidenden Debatten um die Fragen des Heimatrechts, der Zukunft der Ostgebiete, überhaupt nach Recht und Grenze kirchlicher Äußerungen resultierten, lassen in der kirchlichen Vertriebenenarbeit jener frühen 50er Jahre allenfalls andeutungsweise gewisse Vorboten erkennen. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, daß die Wurzeln jener Konflikte, soweit sie die evangelische Kirche insgesamt und ihr Selbstverständnis berühren, wesentlich weiter in die Geschichte der E K D bis zu deren Anfängen zurückreichen. Bereits die Ostkirchenkonventstagung vom 5. bis 7. Oktober 1953 auf der Reichenau ließ selbst innerhalb der Gremien der evangelischen Vertriebenen eine wesentlich größere Spannbreite sichtbar werden, als dies in der Erklärung vom Jahr zuvor der Fall gewesen war. Am weitesten entfernte sich Iwand in seinem Referat zum Gesamtthema des Konvents „Europäische Sendung - Evangelischer Auftrag" von jener Erklärung zu 90

Vgl. Niederschrift, S. 8 ( A O K A , C 1 4 / 1 9 5 2 ) .

"

UNVERLIERBARKEIT 1/1, S 19 f.

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Europäischer Frieden und Heimatrecht

„Heimat und Volkstum" 9 2 . Er lehnte eine besondere sakrale Relevanz der Bindung des Christentums an Europa ebenso ab, wie eine „Bekehrung Europas nur, weil es ihm jetzt so schlecht geht" 93 . Gegen eine solche „nicht echte" Bekehrung setzte Iwand eine Umkehr und ein „Zurückfinden zu Gott", der nicht dazu benutzt werden dürfe, „unsere menschlichen Wünsche in den Himmel zu transponieren". Durch solche Umkehr werde uns „echtes Recht", das einbezogen sei in die „Offenbarung Gottes in Jesus Christus", wieder geschenkt, Befreiung von der „Fragwürdigkeit des positivistisch verstandenen Rechts" 94 . Daß darin auch die „öffentlichen und staatlichen Rechte" einbezogen seien, war ihm unzweifelhaft. Auf die Verkündigung der Kirche zum Friedens-, Heimat- und Ostproblem angewendet, bedeutete dies, die Vertreibung als ein „Gericht Gottes" anzunehmen, nur so sei sie zu ertragen, nur so seien die Wunden zu heilen. Von einer solchen Position des „Friedens mit G o t t " her „könnten wir wieder Politik treiben. S o lange wir nicht so weit sind, werden wir versuchen müssen, das Vergangene wiederherzustellen u n d die Wirklichkeit unserer Geschichte nicht anzuerkennen"' 5 .

Diese Sicht des Mitgliedes des Ostkirchenausschusses und führenden Theologen des ostpreußischen Hilfskomitees stieß auf dem Ostkirchenkonvent auf teilweise heftigen Widerspruch 96 vor allem insofern, als Iwand sich geweigert hatte, in seine Forderung nach „echter" Umkehr und wirklichem Christentum in Europa den Gegensatz Abendland-Bolschewismus einzubeziehen 97 , welcher der herrschenden Politik in jenen Jahren als ideologische Grundlage diente. Iwands in der Tradition der Bruderräte stehende politische Ethik, seine Deutung der Geschichte im Osten, des Europaproblems, der Heimatrechtsfragen fanden jedoch auch partielle Zustimmung unter den Konventsmitgliedern. Das größte Gewicht dürfte in dem Zusammenhang Herbert Girgensohns Voten zukommen98. Wie Iwand sah auch er „das ganze Evangelium unter dem Nenner der Befreiung von der Ideologie". Praktiziertes Christentum, nicht etwa die Idee eines christlichen Abendlandes oder Europas war für ihn das

92 Iwands Referat: „ E n t w u r f f ü r eine Z u s a m m e n f a s s u n g " ( A O K A , C 14/1953, zu N r . 2565). 93 E b d . , S. 1. 94 E b d . , S. 3 f . 95 E b d . , S. 4. Vgl. auch S. 7 f. Vgl. im übrigen zu Iwands Position in diesen Fragen K . v. GROT, H a n s Iwands Stimme, S. 1 ff. 96 Vgl. die Niederschrift der T a g u n g ( A O K A , C 14/1953). 97 A u c h gerade eine von ihm durchaus akzeptierte A u f g a b e gegenüber d e m O s t e n war Iwand nicht bereit, unter antibolschewistischem oder antikommunistischem A s p e k t zu bestimmen. 98

Vgl. A n m . 96 (Blatt 2 und 3).

Das Heimatrechtsproblem in der Vertriebenenseelsorge

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Mittel in der Auseinandersetzung mit dem Bolschewismus". Auch dem Gerichtsgedanken folgte er weitgehend: „Die Geschichte", im Osten meint Girgensohn, „ist durch unsere Schuld abgerissen. Hier ist von Gott selbst ein Strich gemacht."100 Beide bekannten sich zu einem in diesem Geschehen „verborgenen Gnadenwillen Gottes"101. Girgensohn widersetzte sich jedoch einer undistanzierten Gleichsetzung konkreter historischer Vorgänge mit dem „Willen Gottes", die sonst zu „blindem Fatalismus" führe, auf den der Mensch nur noch passiv, in „blinder Ergebung" reagieren könne. „Rechter Gehorsam" gegen Gottes Willen fordere jedoch „unsere Aktivität"102. In der Konsequenz ähnlich, wenn auch von anderen theologischen Prämissen her, argumentierte Spiegel-Schmidt. In seinem Vortrag „Der evangelische Christ und seine Heimat" vor dem auf den Konvent folgenden Ostpfarrertag in Konstanz am 7./8. Oktober 1953103 versuchte er, den Heimatgedanken jeder möglichen soteriologischen Funktion und ordnungstheologischen Relevanz zu entkleiden. Alledem stellte er die „Heimat" als eine Gabe Gottes gegenüber, die der Christ zu nehmen habe, „wie und wo" Gott sie gibt. Vom Menschen aus gesehen sei Heimat ein von Gottes Geboten geschütztes Gut, das zu achten und dessen Raub frevlerisch sei. Dem Heimatlosen habe der Christ Heimat zu geben, nicht ihm gegenüber „die Gnade der Heimatlosigkeit" zu preisen. SpiegelSchmidt sah den Christen vor die Aufgabe gestellt, Heimat zu bauen und zu geben im Sinne eines menschlichen Füreinanders, nicht aber den „Heimatgedanken" zu verabsolutieren, der Heimat als etwas Numinosem zu dienen, statt konkret den Menschen und darin Gott. Solchen Positionen gegenüber wurde immer wieder das Recht auf die Heimat als kollektive, dem Volkstum inhärente Größe und in Gottes Willen selbst wurzelnder Teil der göttlichen Ordnung propagiert, von daher auch die politische Aufgabe der Kirche umschrieben, zugleich - im Blick auf das Gesamtthema der Konventstagung - dem Christentum eine besondere abendländische Sendung gegenüber dem Bolschewismus im Osten zugesprochen104. Der Konvent 1953 schloß im Bewußtsein, noch nicht zu einer abschlie99

„Mir war bedeutsam, daß Iwand die Aufgabe im Osten bejahte. Ich kann seinem Versuch im großen und ganzen zustimmen. Man fragt nicht mehr nach einem christlichen Europa. Dafür ist die Voraussetzung die Befreiung vom Bann, unter dem alle Völker stehen. An diesem Befreitsein erkennt man das wirkliche Christentum" (Blatt 2, ebd.). 100 Ebd. 101 Girgensohn (ebd., Blatt 3); vgl. Iwands Referat, S. 4 (ebd.). 102 Girgensohn, Blatt 3 (ebd.). 103 Abgedruckt in: Evangelische Theologie 13,1954, S. 105-120. 104 Vgl. etwa die Voten von Schleuning, Gause, Sanders, Keyser, Seraphim, Alberti in der Niederschrift (vgl. Anm. 96).

Europäischer Frieden und Heimatrecht

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ßenden Urteilsbildung in der Lage zu sein. Auch wenn vom Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses, Gülzow, ebenso wie in später (Mai 1954) vom Konvent verabschiedeten Thesen105, nach einem gemeinsamen Nenner für beide Seiten gesucht106 wurde, markierte jene Tagung doch bereits eine Erfahrung späterer Jahre: Weder theologisch und schon gar nicht vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in Mitteleuropa ließen sich so disparate Ansätze, wie die der bruderschaftlichen Position Iwands107 auf der einen und die einer ordnungstheologisch oder gar noch kulturprotestantisch verbrämten Abendlandstheologie auf der anderen Seite, in eine einheitliche Haltung der evangelischen Vertriebenengremien integrieren. Schließlich mußte eine Entscheidung getroffen werden, wo der Schwerpunkt der kirchlichen Vertriebenenarbeit liegen und in welcher Richtung auf die Gesamtkirche eingewirkt werden sollte. Dabei mußte freilich der Konflikt mit der jeweils anderen Seite riskiert werden. Die Jahre bis in Entstehungsgeschichte und Auseinandersetzung um die Ostund Vertriebenendenkschrift der E K D hinein sind weitgehend von dem Bemühen der evangelischen Vertriebenengremien gekennzeichnet, einer solchen Entscheidung auszuweichen und angesichts der zunehmenden innenpolitischen Polarisierung beschwichtigend zu wirken oder zwischen den verschiedenen Positionen zu vermitteln. Den Bemühungen und Hoffnungen jener Jahre am Ende des ersten A O K A , C 14/1953. Vgl. auch F. SPIEGEL-SCHMIDT, Kirche, S. 21 f. Gülzow anerkannte in seinem abschließenden Votum eine „Verpflichtung des abendländischen Erbes", der sich die europäischen Christen nicht entziehen könnten, sah den entscheidenden Dienst der Kirche im „Ruf zur Umkehr, der aus dem Wissen um die Schuld kommt". „Machtgrenzen zu ändern", stehe nicht in der Macht der Kirche (Niederschrift, Bl. 3; vgl. Anm. 96). Ähnlich gehen die Thesen über „Unsere Verantwortung für Europa" (Anm. 105) von einer „besonderen geschichtlich gewachsenen Beziehung" zwischen dem Christentum und Europa [dem „geistigen Kind der Christenheit"] aus, verleugnen aber auch nicht die „Spannung zwischen Tradition und Glaubenswagnis": Die Tradition bedürfe „immer wieder der radikalen Infragestellung durch das Wort Gottes". Andererseits wird vor „bilderstürmerischer Destruktion" der von den Vätern überkommenen Uberlieferung gewarnt. Der Konvent hält eine „Restauration für unmöglich und unfruchtbar", wie er es auch ablehnt, durch „klerikale Beherrschung" Europa helfen zu wollen. Stattdessen erhofft er von einer Hilfe „durch dienende Liebe . . ., daß es zu einer neuen die Völker befriedenden Ordnung kommt, die nur in der Verantwortung vor Gott begründet und erhalten wird". 105 104

Wie sehr man damals der Uberzeugung war, eine zukunftsweisende Synthese gefunden, einen Schritt vorwärts getan zu haben, belegt die Niederschrift der ΟΚΑ-Sitzung vom 10. 10. 1953, in der ein Resume gezogen wurde. Iwand habe „mit seinem Referat. . . einen wertvollen Beitrag geleistet". Sein Referat, so stellen O K A und Konventspräsidium fest, habe „uns wirklich aus dem konservativen großen Anti herausgeholfen . . . Es fehlt noch die Herausarbeitung des Pro, da nicht genügend deutlich wurde, was nun eigentlich Europa heißt" ( A O K A , A 7/1953). 107 Iwand hat nach der Konventstagung 1953, soweit ich sehe, niemals mehr vor einem solchen Gremium referiert, sondern die Auseinandersetzung gewissermaßen „von außen" (z.B. in „Junge Kirche") fortgeführt.

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Jahrzehnts kirchlicher Vertriebenenarbeit entspricht ein solches erst im Nachhinein zu fällendes Urteil jedoch nicht. Vielmehr hatten sich die Sprecher der evangelischen Vertriebenenarbeit in den letzten Jahren des ersten Jahrzehnts nach Kriegsende und Vertreibung neue Aufgaben gestellt, die weit über den Rahmen der Einzelseelsorge und Gruppenarbeit hinausreichten. Manche Dokumente des Ostkirchenausschusses seit Ende 1952 vermitteln den Eindruck eines Aufbruchs zu neuer Sinngebung der eigenen Arbeit. Man strebte nicht mehr und nicht weniger an, als der damaligen Politik einen aus dem Erbe des Ostens und dem Vertriebenenschicksal gewonnenen „echten geistigen Unterbau" zu verschaffen 108 . Dieser sollte aus einem „neuen abendländischen Denken" resultieren, das weder dem Geist des „Nationalismus" noch des „Bolschewismus", aber auch nicht einfach „amerikanischer Gleichmacherei" verpflichtet sein dürfe, sondern einem evangelischen und katholischen Zusammenwirken - „in gegenseitiger Achtung" - einer „klaren Neuschau der Begriffe ,Volk und Heimat, Volkstum und Nation'", dem gegenseitigen Kennenlernen „echter völkischer Werte der verschiedenen Völker", der Achtung ihrer „Mannigfaltigkeit" sowie einer „sachlichen Auseinandersetzung mit dem Marxismus und seinen geistesgeschichtlichen Sprößlingen" entspringen müsse 10 '. U m einer solchen Aufgabe nachzukommen, beschloß der Ostkirchenausschuß die Neukonzeption seiner publizistischen Arbeit, die ihn bis ins Jahr 1954 vorrangig beschäftigen sollte110. Man dachte vor allem an die Herausgabe einer regelmäßig erscheinenden Zeitschrift, möglicherweise auch einer Schriftenreihe oder Flugblattserie, an eine Vortragsreihe, einen Pressedienst und ähnliches' 11 . Sowohl der bereits geschilderte Ostkirchenkonvent auf der Reichenau 1953 als auch die beiden großen Tagungen 1954, der Ostkirchenkonvent im Mai (Königswinter) und der Ostkirchentag im Oktober (Willingen), sowie der Ostkirchenkonvent ein Jahr darauf (Hohegrete) waren in diesen Zusammenhang gestellt worden 112 . Als greifbares Ergebnis kann die 1954 108 Niederschrift der Sitzung des O K A und Ostkirchenkonventspräsidiums vom 16. 1. 1953 ( A O K A , A 7/1953, Pkt. I). 109 Vgl. ebd. Auf der Sitzung wurde dieses Programm in fünf Punkten festgelegt. Ein kleiner Ausschuß, dem außer den ΟΚΑ-Mitgliedern Gehlhoff und SpiegelSchmidt Prof. Helmut Gollwitzer und Harald von Koenigswald angehören sollten, konnte aus Termingründen nicht zusammentreten, so daß Spiegel-Schmidt alleine am 9. 2.1953 den ΟΚΑ-Mitgliedern ein publizistisches Konzept vorlegte (ebd., C 6, N r . 242). 111 Vgl. Schreiben Spiegel-Schmidts vom 9. 2. 1953 (ebd., Bl. 2). Erstmals waren solche Gedanken auf der Konventstagung in Travemünde Oktober 1952 (vgl. oben S. 24, Anm. 89) angeregt worden. 112 Auf die 1953 behandelte Europa- und Abendlandthematik war bereits hingewiesen worden. Der Konvent am 19./20. 5. 1954 in Königswinter sollte der Vorbereitung der 2. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Evanston (1954) dienen, an der auch ΟΚΑ-Geschäftsführer Spiegel-Schmidt als Delegierter teilnahm (vgl. UNVERLIERBARKEIT 1/1, S. 21 f.). Die Hauptreferate galten dem Volkstums- und Heimatrechtsproblem

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erstmals in mehreren Heften und seit 1955 regelmäßig im Zweimonatsrhythmus erschienene Zeitschrift „Der Remter. Blätter ostdeutscher Besinnung"" 3 angesehen werden114. Die oben bereits erwähnten Thesen des Ostkirchenkonvents" 5 dienten erklärtermaßen als ihr Programm' 16 . Auf dieser Grundlage sollte der Weg zu einem neuen Europa begleitet werden, das weder eine „einfache Restauration des kranken Lebens von gestern" werden dürfe, noch aus bloßen „romantisch-idealistischen Hoffnungen" heraus entstehen könne. Hierfür sei vielmehr, wie Gülzow in seinem Geleitwort 1954 weiter schreibt, die „nüchterne, kritische wie positive Besinnung auf die entscheidenden Kräfte und Erfahrungen, die uns die abendländische, vom Christentum geprägte Vergangenheit an die Hand gibt", notwendig117. Barg ein solcher Ansatz der Vertriebenenseelsorge und des Hineinwirkens in den politischen Raum aus kirchlicher Verantwortung, besonders aus ostkirchlicher Erfahrung heraus, tatsächlich die erwarteten vorwärtstreibenden Impulse in sich, oder waren die Vorstellungen nicht doch eher Ausdruck des Getriebenwerdens im Strom der herrschenden Politik jener Jahre, in der gleichzeitig mit der nun auch militärisch anstehenden West(vgl. A O K A , C 14/1954). In Willingen lautete das Gesamtthema „Sind wir bereit zu neuen Wegen?" (vgl. ebd.). In einer Nachlese notierte Spiegel-Schmidt als Forderung an die ostdeutschen Heimatgruppen „nicht nur eine historische und politische Neuorientierung, sondern eine völlige geistige Neubegründung ihrer Existenz bis in die letzten Tiefen" (ebd., C 8, Nr. 3217). Zum Konvent vom 10. bis 12. 10. 1955 in Hohegrete (Sieg) unter dem Thema „Völkergemeinschaft in christlicher Verantwortung" vgl. UNVERLIERBARKEIT 1/1, S. 24f. und A O K A , C 14/1955. 113 Später lautete der Untertitel: „Zeitschrift für Kultur und Politik in Osteuropa". 114 Herausgeber war der ΟΚΑ-Vorsitzende, Gülzow. Die Schriftleitung lag zunächst bei v. Koenigswald und Spiegel-Schmidt, später nur noch bei letzterem. Der Titel beiog sich auf den Remter des Hochmeisters des Deutschen Ritterordens in der Marienburg, wie Gülzow schreibt, „im deutschen Osten lange Zeit der Ort, an dem die Besten des Ritterordens in christlicher Verantwortung und europäischer Weite um die großen geschichtlichen Entscheidungen gerungen haben" (Geleitwort in Heft 1,1954, S. 4). Die Zeitschrift erschien bis Ende 1961 und ging dann im Zuge einer Straffung der den Osten betreffenden Publizistik 1962 in die „Europäische Begegnung" auf (vgl. DER REMTER 1961, Heft 6, S. 323 ff.). 115 Vgl. S. 28, Anm. 106. 116 Vgl. auch C. Brummack; UNVERLIERBARKEIT 1/1, S. 115 f. 117 DER REMTER 1954, Heft 1, S. 3. Gülzow nahm in dem Zusammenhang auch das damals durch Hans Sedlmayr geprägte Schlagwort vom „Verlust der Mitte" auf, von dem wir bedroht seien (ebd.); Sedlmayr hatte den Titel seiner damals vielbeachteten Abhandlung über die bildende Kunst des 19. und 20. Jh. „als Symptom und Symbol der Zeit" in Anlehnung an einen Ausspruch von Blaise Pascal formuliert. - Daß man in der Vertriebenenarbeit der kath. Kirche damals ganz ähnliche Überlegungen anstellte, wurde auf einem Rundgespräch am 30./31. 1. 1955 deutlich, zu dem führende Vertreter der Vertriebenengremien beider Konfessionen und der Landsmannschaften in Königstein/Taunus zusammengekommen waren. Prälat Kindermann sah in der Vertreibung „nicht nur Sühne", sie sei auch „gnadenträchtig: Ein Anruf an uns zur Uberwindung des Nationalismus und des Bolschewismus". Vgl. Niederschrift, S. 3 ( A O K A , A 7/1955, Nr. 681).

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integration durch EVG oder N A T O der Europagedanke, die Besinnung auf das „Abendland" entscheidend zur Legitimation der einschneidenden und umstrittenen politischen Vorgänge 1954/55 beitragen sollten? Im Nachhinein, aus der Sicht der Ostdebatte in den 60er Jahren gefragt: Konnten die evangelischen Vertriebenengremien auf diesem Wege die innere Bereitschaft der Vertriebenen als Hauptbetroffene zu einer flexiblen, die Entwicklung der Kräftekonstellation in Europa berücksichtigenden Ostpolitik tatsächlich fördern, die nötigenfalls die Anerkennung der bestehenden staatlichen Besitzverhältnisse einschloß, oder wurden damit Schritte in eine solche Richtung eher erschwert? Zwei Vorgänge weisen bereits Anfang 1955 auf diese mit der neuen Programmatik von Ostkirchenausschuß und Ostkirchenkonvent verbundenen Probleme hin und markieren eine Zäsur, ohne daß sie zunächst eine erkennbare Wirkung auf die kirchliche Vertriebenenarbeit ausübten. Am 2. Februar 1955 trug die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau dem Ostkirchenausschuß als bei ihr herrschende Auffassung vor, „daß von Seiten der Kirche eine besondere kirchliche Betreuung der Ostvertriebenen sich mit dem Lauf der Jahre erübrigen wird und vielleicht heute schon erübrigt."'"

Anlaß zu dieser Äußerung boten Thesen, die von Delegierten der Hilfskomitees aus Südosteuropa auf einer „südostdeutschen heimatpolitischen Tagung" in Ludwigsburg am 4./5. Januar 1955 verabschiedet worden waren119. Darin wird die Mitverantwortlichkeit der Südostdeutschen erklärt, „für das Schicksal der Völker, mit denen wir jahrhundertelang friedlich zusammenlebten, und für die künftige Entwicklung des Raums, der unsere Heimat geworden w a r . . . Deshalb wollen wir mit allen unseren Kenntnissen und Erfahrungen dazu helfen, daß das deutsche Volk mit diesen Völkern in der Zukunft freundschaftlich zusammenarbeite. Die Annahme der deutschen oder einer anderen Staatsbürgerschaft kann den Anspruch auf die v o r der Vertreibung innegehabten Rechte nicht beeinträchtigen. Unsere Geschichte und unser Schicksal verpflichten uns, daran mitzuarbeiten, daß die Hindernisse für ein gutes Zusammenleben verschiedener Völker in einer gemeinsamen Heimat überwunden werden."

Diese Grundsätze hätten, wie Niemöller schrieb, „ebenso gut in einer Tagung des Bundes der Heimatvertriebenen . . . gefaßt werden können". In jener Ludwigsburger Tagung sehe die Kirchenleitung „keinerlei Bestätigung dafür, daß es nötig ist, einen kirchlichen Hilfsausschuß für die Ostvertriebenen weiterhin zu unterhalten"119*. Welche aktuellen Gründe den Anlaß boten für diese Intervention, in Ebd., A 1/1955, Nr. 399. Mitarbeiterbrief, S. 26, o. Nr. ( A O K A ) . '"* Hervorhebung durch Niemöller.

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die auch die Kirchenkanzlei der E K D einbezogen wurde120, läßt das vorliegende Material nicht erkennen121. In seiner Stellungnahme, zu der ihn die Kirchenkanzlei aufgefordert hatte, gibt der Ostkirchenausschuß Aufschluß über die Funktion, wie er sie sich innerhalb der E K D und gegenüber den säkularen Vertriebenenverbänden damals zumaß: „ D e r Ostkirchenausschuß sieht nach wie vor in diesem J a h r eine große Aufgabe darin, in der geistigen Auseinandersetzung um den W e g der Heimatvertriebenen das unentbehrliche W o r t der evangelischen Kirche als ein W o r t der Ernüchterung, der Verantwortlichkeit und der Versöhnung zu sagen. W i r überlassen es den zuständigen Organen der Kirche, o b sie es verantworten kann, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt der Auseinandersetzung dieses W o r t verstummt. N u r nebenbei führen wir an, daß die Bundesregierung diese Arbeit beider Kirchen jedenfalls für so wichtig hält, daß sie dafür besondere Mittel in beträchtlicher H ö h e zur Verfügung stellt, die mit der Auflösung des Ostkirchenausschusses der Arbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland verloren gingen . . . Unsere Aufgabe ist die eines missionarischen Vorstoßes mit dem R u f zu christlichem Gehorsam an die Verantwortlichen und an die Masse der Heimatvertriebenen. E s wird wohl niemand ernstlich behaupten, daß mit dem Hineingestelltsein in die Ordnung einer Ortsgemeinde auch dieses besondere W o r t an den Vertriebenen schon gesagt wird."

120 Schreiben Spiegel-Schmidts an G ü l z o w vom 9. 2. 1955 (ebd., N r . 456). D i e Kirchenkanzlei war aufgefordert worden, dem Rat die Frage vorzulegen. Unmittelbare Folgen hat dieser Schritt der hessen-nassauischen Kirchenleitung jedoch nicht gezeitigt. D e m R a t der E K D sowie den Leitungen der Landeskirchen ging regelmäßig in jedem F r ü h j a h r ein ausführlicher Geschäftsbericht des O K A zu, in dem Resolutionen wiedergegeben und Tagungen gewöhnlich referiert wurden, so daß die Ludwigsburger Entschließung, die sich nicht wesentlich von der „Linie" anderer Äußerungen jener Zeit abhebt, auch nicht besonders überrascht haben dürfte. A u c h z . B . die oben S. 28 (vgl. auch oben zu A n m . 115) erwähnten Thesen des Ostkirchenkonvents waren auf Anregung von Präses Kreyssig dem Rat mit der Bitte übersendet worden, „sich das darin ausgesprochene Anliegen zu eigen zu m a c h e n " ; Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder v o m 14. 6. 1954 ( A K K , 518, Beiheft I , N r . 12.278.11). 121 D e r Schritt der nassau-hessischen Kirchenleitung löste nicht nur im O K A , sondern auch in der Kirchenkanzlei Überraschung aus. Spiegel-Schmidt gab zu erwägen, o b N i e m ö l ler „unsere Aktivitäten und Kenntnisse über die ihm so lieben Kirchen der Ostblockstaaten ein D o r n im A u g e " seien (Schreiben v o m 9. 2. 1955; Α Ο Κ Α , A 1, N r . 456). A u f jeden Fall vermutete der O K A in Niemöllers Vorgehen eine „geplante A k t i o n " (vgl. ebd.), deren Initiatoren er wohl nicht zu U n r e c h t (vgl. den unten, S.35 f., geschilderten Vorgang O K A Iwand) offensichtlich in Kreisen der Bruderschaften suchte. D e n n in diese Richtung zielt wohl eine Anspielung im Schreiben des O K A vom 28. 2. 1955 an die E K D - K i r c h e n k a n z l e i (ebd., N r . 4 6 3 ) , wenn er auf die Verantwortung für das „gesamte Volksleben" verweist, die von den Kirchen in Südosteuropa ihrer Tradition entsprechend und in ganz anderer Weise als im deutschen Landeskirchentum wahrgenommen worden sei, und dann erklärt: „Da gerade die Kreise um Martin Niemöller oder Hermann D i e m die Alleinberechtigung des Landeskirchentums als F o r m einer lutherischen Kirche in Zweifel ziehen und für die Verantwortung der Kirche für das öffentliche Leben eintreten, so können wir nicht verstehen, wie sie uns nun daraus einen V o r w u r f machen k ö n n e n " . Diese für spätere Auseinandersetzungen um R e c h t und Grenzen kirchlicher Äußerungen zu politischen Fragen aufschlußreiche Bemerkung des O K A ging allerdings an der Kritik Niemöllers vorbei, die nicht dem Faktum des politisch relevanten Engagements selbst galt, sondern dessen Inhalt, der angeblichen K o n f o r m i t ä t mit der Politik der säkularen Vertriebenenverbände.

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Die Landsmannschaften, argumentierte der Ostkirchenausschuß, befänden sich „weiterhin in einer Stagnation, die ihren Grund darin hat, daß ihnen die christliche Freiheit mangelt, mit Gott einen neuen Weg zu gehen". In den Grundsätzen der Ludwigsburger Tagung sah der Ausschuß einen Beleg dafür, daß „die südostdeutschen Hilfskomitees nicht einfach den allgemeinen Schrei nach der Heimat mitmachen wollen, sondern selbstlos nach ihrem Dienst an den Völkern Südosteuropas fragen", wozu sie „in christlicher Verantwortung legitimiert" seien122. In dieselbe Richtung zielt eine kurze Auseinandersetzung, die der Ostkirchenausschuß einen Monat später mit seinem Mitglied Iwand zu führen hatte. Sie entbehrt ebenfalls nicht einer gewissen Schärfe und läßt die damaligen Fronten noch deutlicher hervortreten. Im Zusammenhang mit der 1954/55 in der gesamten Öffentlichkeit, gerade auch innerhalb der evangelischen Kirche heftig entbrannten Debatte um die Remilitarisierung Deutschlands und den Anschluß seiner Teile an die einander gegenüberstehenden Machtblöcke hatte sich der Ostkirchenausschuß auf Bitten vieler Heimatvertriebenen veranlaßt gesehen, „aus der Sicht der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge ein seelsorgerliches Wort . . . zu den schwerwiegenden politischen Fragen, die unser Volk jetzt aufs Tiefste bewegen", zu sagen123. Wie in kaum einer anderen Verlautbarung des Ostkirchenausschusses wird in diesem „seelsorgerlichen W o r t " zu aktuellen politischen Themen konkret Stellung bezogen. Dies gilt um so mehr, als die Äußerung im Rahmen der bereits erwähnten kirchlichen Debatten gesehen werden muß, die an den Kern des kirchlichen Selbstverständnisses rührten. Der Ostkirchenausschuß war sich des politischen Zusammenhangs der Remilitarisierungs- und Bündnisentscheidungen mit dem Ostproblem bewußt 124 und erklärte daraufhin: „Die evangelische Kirche sagt ein klares Nein zum Bolschewismus. Sie muß es zu jeder Ideologie sagen, die den Menschen total in Anspruch nehmen will. Darum darf die Kirche sich auch nicht mit einem bloßen Anti-Bolschewismus begnügen. Als Christen sehen wir auch und vor allem hinter dem Eisernen Vorhang den Menschenbruder. Deshalb unterschei-

Schreiben vom 28. 2 . 1 9 5 5 (ebd.). Dieses W o r t wurde vom O K A am 17. 3. 1955, wie es heißt, „einmütig beschlossen". Es trägt auch die Unterschrift des Vorsitzenden des Ostkirchenkonvents, F. H a m m ( A O K A , C 2 / 1 9 5 5 o. N r . ) . - Den Anstoß zu dem W o r t hatte der Vorsitzende der DeutschBaltischen Landsmannschaft und Bundestagsabgeordnete, Georg Baron Manteuffel-Szoege, bei einem Gespräch zwischen kirchlichen Vertretern und den Landsmannschaften am 28. 2. 1955 in Bonn gegeben (vgl. Niederschrift der ΟΚΑ-Sitzung am 17. 3. 1955; A O K A , A 7 vom 4. 5. 1955, N r . 1341, Pkt. 4). 122

123

124 „Es ist uns gewiss, daß mit der Stellungnahme zu diesen Problemen so oder so auch über die Zukunft unserer Heimat bestimmt wird. W i r leiden mit unter der Ratlosigkeit und Verwirrung im Blick darauf, welche Aufgaben uns hier als Christen in unserm Volke gestellt sind."

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den wir den Bolschewismus von den von ihm beherrschten Menschen und Völkern. Die Liebe zu diesen Menschen, der Wille ihnen zu helfen, zwingt uns, von den verantwortlichen Männern unseres Volkes zu fordern, daß sie auch dem gefährlichsten Gegner ins Auge sehen und den diplomatischen Kampf mit ihm aufnehmen. D a s fällt gerade uns Vertriebenen schwer, da unsere Erfahrungen es unmöglich erscheinen lassen, diesen Gegner überhaupt anzusprechen. Wir dürfen uns nicht wie Kaninchen vor der Klapperschlange verhalten. Ohne den Glauben an die Möglichkeit einer diplomatischen Verständigung hört die Politik auf. Wenn wir uns nur noch gegenseitig anklagen, ist der Krieg das unvermeidliche Ende. Wir alle sehnen uns nach der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes und sollten niemanden verdächtigen, daß es ihm nicht damit ernst ist. Wir müssen uns aber bewußt bleiben, daß Wiedervereinigung Deutschlands und europäische Ost-West-Verständigung sich gegenseitig bedingen. Gerade wir Vertriebenen tragen große Verantwortung dafür, daß unser politisches Verhalten keine Klippe auf dem Weg zu diesem doppelten Ziel wird, sondern es seiner Verwirklichung näher bringt. N u r unter dieser Voraussetzung können wir uns mit der Frage unserer Heimat beschäftigen. Denn uns, die wir von jenseits der Oder-Neiße und den alten Reichsgrenzen kommen, geht es nicht nur um die Wiedervereinigung der Besatzungszonen. Als Christen müssen wir so handeln und über die Fragen unserer Heimat so reden, daß die Völker des Ostens merken, wir sprechen auch für sie. Wir müssen dem Bolschewismus die Waffe aus der H a n d nehmen, daß nur er Völker versöhnen könne. Wir müssen Mauern zwischen Völkern und Rassen, die den Dienst der Liebe am Bruder im andern Volk unmöglich machen, niederreißen. Ohne diesen Dienstgedanken hätten wir unsere Heimat nie erworben, ohne diesen können wir sie auch nicht wiederfinden. Die Wiederbewaffnung wurde mit der Annahme der Pariser Verträge vom Bundestag bejaht. Viele von uns halten diese Entscheidung für unheilvoll. Es ist dabei manchmal eine Stellung eingenommen worden, als ob dieselbe mit einer christlichen Glaubenshaltung unvereinbar wäre. In einer politischen Ermessensfrage ist es möglich, so oder so zu urteilen. D a r u m ist es nach unserer Uberzeugung unrecht, daraus einen Glaubenskampf zu machen. Ermessensfrage bedeutet hier nicht, daß jeder das Recht hat, nach seiner Willkür zu entscheiden, sondern daß man die Verantwortung sieht, die an der einen oder anderen Entscheidung hängt, und G o t t für die Männer bitten lernt, die hier in solcher Verantwortung entscheiden und handeln müssen. Ermessensfrage bedeutet weiter, daß die Gründe und Gegengründe, die für die eine oder andere Stellungnahme sprechen, wirklich sachlich geprüft werden. Bei alledem wollen wir uns darüber klar sein, daß Faktoren im großen politischen Spiel mitwirken, die niemand ganz kennt und über die wir in keiner Weise verfügen. D a s müßte vorsichtiger und elastischer in unseren Urteilen machen. Wir halten es ferner für notwendig, daß ein Christ gegenüber gesetzlich gefaßten Beschlüssen auch bei anderer politischer Uberzeugung Loyalität übt, wenn er nicht in Aufruhr hineinschliddern will. Es ist eine große N o t , wenn die staatliche Ordnung sich so gegen die Gebote Gottes stellt, daß sie uns zwingt, um des Glaubens willen Widerstand zu leisten. Viele von Euch sind in Gewissensnot geraten, ob sie nicht jeden militärischen Dienst ablehnen müßten. Die evangelische Kirche hat sich verpflichtet, solche Haltung zu achten und anderen gegenüber dafür einzutreten, daß sie geachtet werden. D a in dieser Weltzeit noch nicht alle Gewalt und Herrschaft im zukünftigen Reich Gottes aufgehoben sind, ist das Bestehen einer Staatsgewalt, die Macht ausübt zum Schutze ihrer Bürger, eine gottgewollte Notwendigkeit. Deshalb können wir denen, die bereit sind, Militärdienst zu leisten, nicht abstreiten, daß sie auch darin als Christen dienen können. Kriegsdienstverweigerung allein ist noch kein positiver Dienst am Frieden. In dem Einen sind wir uns einig: Daß der Friede gewahrt bleibe. Wir Vertriebene und Flüchtlinge sind die letzten Opfer des Krieges und wissen, daß ein neuer Krieg nicht nur unser Volk mit dem völligen Untergang bedroht. Keine Regierung kann die Verantwortung dafür tragen. Wir müssen jetzt alle Kräfte zusammenfassen und alle früheren Meinungsver-

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schiedenheiten zurückstellen, um zu der notwendigen Entspannung und Verhandlung zu kommen, für die auch die Synode unserer Evangelischen Kirche in Deutschland und die Weltkirchenversammlung in Evanston eingetreten sind. Im letzten Grunde aber können wir unser Schicksal nur dem befehlen, der auch über die Mächte der Welt der Herr ist." I w a n d verweigerte dieser v o n Spiegel-Schmidt entworfenen'25

Erklä-

r u n g seine U n t e r s c h r i f t , n a h m den V o r g a n g d a r ü b e r h i n a u s z u m A n l a ß , mit d e m O s t k i r c h e n a u s s c h u ß zu b r e c h e n u n d sich v o n diesem a u s d r ü c k lich z u d i s t a n z i e r e n 1 2 6 . W e d e r d e r A p p e l l d e s G e s c h ä f t s f ü h r e r s , d i e c h r i s t l i c h e B r u d e r s c h a f t „ ü b e r alle S p a n n u n g e n h i n w e g z u h e b e n " u n d s o d e r W e l t „die B e m ü h u n g e n u m den F r i e d e n v o r z u e x e r z i e r e n " 1 2 7 , n o c h der H i n w e i s , d a s W o r t sei „ b e w u ß t s c h o n s a m " g e g e n ü b e r d e n v o n

Iwand

v e r t r e t e n e n P o s i t i o n e n f o r m u l i e r t u n d es w e r d e d a r i n „ w i r k l i c h e i n n e u e r W e g e m p f o h l e n . . ., a u f d e m a u c h Sie g e h e n k ö n n e n " , v e r m o c h t e n i h n davon abzuhalten.

A u c h w e n n es z u n ä c h s t g e r a d e die A u s s a g e n

zur

K r i e g s d i e n s t v e r w e i g e r u n g w a r e n , d i e d e n A n s t o ß bei I w a n d e r r e g t e n , s o m a r k i e r t d o c h l e t z t l i c h d i e s e D i f f e r e n z in d e r p o l i t i s c h e n E i n o r d n u n g u n d ehtischen B e w e r t u n g der v o m Ostkirchenausschuß eingenommenen Linie d e n R i ß

zwischen

organisatorische Folgen

den Kontrahenten,

der schließlich nicht

b l e i b e n sollte 1 2 8 . D e n n w a s d e n e i n e n

ohne

genuin

125 Außerdem lag dem O K A ein Ergänzungsentwurf von Girgensohn vor, der in der Erklärung berücksichtigt wurde. Vgl. Protokoll der ΟΚΑ-Sitzung am 17. 3. 1955 (ebd., Pkt. 4). Vgl. den Schriftwechsel in A O K A . Iwand am 15. und 21. 3 . 1 9 5 5 ; Spiegel-Schmidt am 18. 3. 1955 (C 8, Nr. 837) und am 25. 3. 1955 (ebd., C 2, Nr. 878). Iwand sah seine „seit langem gehegten Befürchtungen bestätigt („Das ist genau dieselbe Haltung der Theologen, die ich - auf der anderen Seite - 1933 erlebte. Sie haben nichts dazu gelernt.") und kündigte Beschwerden gegen den O K A bei den Kirchenleitungen und dem Weltkirchenrat an. „Unser Weg wird sich nun von Ihnen absetzen . . . Sie haben kein Recht, für uns alle so zu reden" (Schreiben vom 21. 3.1955). 127 Spiegel-Schmidt am 25. und 18. 3. 1955 (vgl. Anm. 126). In dieser Intention trifft sich der O K A sicherlich mit der kurzen Erklärung, „Um die Wiedervereinigung des deutschen Volkes", die der Rat der E K D am 2-/3. 2. 1955 zu der Kontroverse um die Remilitarisierung abgegeben hatte (vgl. KJ 1955, S. 15). Unübersehbar sind jedoch materiell wesentlich weitergehende Festlegungen im Wort des O K A , besonders im vorletzten Absatz, in Richtung auf eine Befürwortung aus theologischer Erwägung heraus. Das Wort blieb übrigens die einzige Verlautbarung eines Gremiums der E K D an die Adresse bzw. aus der Sicht der Vertriebenen im zehnten Jahr nach der Vertreibung. Zwar hatte der O K A am 9. 7. 1955 beim Ratsvorsitzenden angeregt, der Rat möge ein W o n zu diesem Anlaß veröffentlichen, der Rat verschloß sich aber am 2 0 . / 2 1 . 9 . 1955 diesem Anliegen vor allem aus Rücksicht auf die Gliedkirchen in der D D R , deren Verbundenheit mit der E K D im Westen durch die vom O K A angeregte Stellungnahme belastet werden könne. Vgl. Schreiben der Kirchenkanzlei an O K A vom 5. 10. 1955 (abschriftl. in: NACH-

LAß B R U M M A C K , A k t e „ O K A

1953-1956").

Vgl. etwa die Spaltung in der kirchlichen Vertriebenenarbeit der Ostpreußen unten S. 78 ff. - 1956 entspann sich aus Anlaß des Besuchaustausches zwischen Vertretern osteuropäischer Kirchen und der Bruderräte eine heftige Kontroverse Iwands mit Spiegel-Schmidt im „Remter" und in der „Jungen Kirche" (vgl. auch A O K A , C 14/1956). Ein Gespräch 128

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christliche Wegweisung zur Lösung des Heimatproblems und zu neuem Zusammenleben mit den Völkern im Osten bedeutete129, erschien der anderen Seite lediglich als Unbußfertigkeit und hybrides Mittel zur Aufrechterhaltung verlorener Besitzansprüche. Andererseits glaubte die große Mehrheit im Ostkirchenausschuß und Ostkirchenkonvent den von Beienrodern und Bruderschaften beschrittenen Weg der Opposition gegen eine Politik der Stärke und Konfrontation, sowie für praktische Friedensarbeit im Osten auf Basis der dortigen politischen Machtverhältnisse nicht frei von der Gefahr des Sektierertums, politischer wie theologischer Schwärmerei130. Der Bruch Iwands mit dem Ostkirchenausschuß resultierte nicht einfach nur aus den damals aktuellen Querelen um die Remilitarisierungsfrage, sondern betraf, wie die vorher geschilderte Kontroverse mit der Leitung der Kirche in Hessen und Nassau, die Ausrichtung der Vertriebenenseelsorge als ganze und das damit verknüpfte Amt des politischen Diakonats der Kirche. Beide Vorgänge lassen ansatzweise eine Polarisierung sichtbar werden, in die Ostkirchenausschuß bzw. Konvent sicher gegen ihren eigenen Willen hineingezogen wurden und die den kirchlizwischen Vertretern beider Richtungen Ende Januar 1957 in Bielefeld (mit Girgensohn, Spiegel-Schmidt für die eine, Heinz Kloppenburg, Ernst Wilm für die andere Seite) führte zwar über die positiven Aspekte eines solchen Besucheraustausches und über die Notwendigkeit, dabei die Lage der Heimatvertriebenen mit zu bedenken, zu begrenzter Übereinstimmung; doch gelang es nicht einmal, daß beide Seiten in ihrer Zeitschrift ein kurzes Resümee des Gesprächs zogen, das auch das Einverständnis der jeweiligen anderen Seite gefunden hätte (vgl. den Schriftwechsel Kloppenburg - Spiegel-Schmidt vom Februar 1957; A O K A , C 16 K, Nr. 450, 479, 537). 1957 kam es zu einer weiteren, internen Auseinandersetzung, in die sich schließlich in der Person des dem ostpreußischen Bruderrates angehörenden Präsidenten Franz-Reinhold Hildebrandt die EKU-Leitung einschaltete. Vgl. Schreiben Gülzows an Brummack vom 1.7.1957 ( N a c h l a s s B r u m m a c k , Akte „ O K A 1957-1959"). 129 Vgl. etwa die Äußerungen auf dem Kölner Ostpfarrertag am 13. 10. 1955 (Thema: „Unsere Aufgabe im zweiten Jahrzehnt nach der Vertreibung"): „ Wir wissen weder, was Gott in diesem Jahrzehnt mit uns, noch was er mit unserer Heimat vorhat. Unsere seelsorgerliche Aufgabe ist es, zu einem wachen Bereitsein zu führen, das für jeden Weg Gottes offenbleibt" (Brummack). Und der ΟΚΑ-Vorsitzende, Gülzow, sagte zum Verhältnis zu den Landsmannschaften: Es bestehe „weitgehende Einmütigkeit darin, daß sowohl der Weg des Nationalismus wie der der Restauration abzulehnen sind. Wenn wir auch im Einzelnen nicht alles, was in den Verbänden geschieht, freudig bejahen können, so muß die Kirche ihnen doch den guten Willen zuerkennen, daß sie nach einem wirklich christlichen Weg suchen. Es ist unsere Aufgabe, zu helfen, dass das christliche nicht zu einer Phrase wird, sondern tatsächlich zur wegweisenden Kraft" (Bericht in: A O K A , C 8/1955, zu Nr. 3314). Vgl. etwa auch Spiegel-Schmidts Meditation zu einer Predigt anläßlich der Pfingsttreffen der Landsmannschaften 1955 über J o 3 , 1 6 - 2 1 (ebd., C 14/1955, o. Nr.). 130 Vgl. außer dem oben (Anm. 127) bereits hervorgehobenen vorletzten Absatz des Wortes selbst Spiegel-Schmidts Brief an Iwand vom 18. 3.1955 ( A O K A , C 2), indem ersieh veranlaßt sieht, im Zusammenhang mit einer theologisch begründeten Forderung nach Kriegsdienstverweigerung vor dem „Weg des Sektierers" zu warnen.

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chen Vertriebenengremien, ihren damaligen Hoffnungen und Bemühungen um einen Aufbruch zu neuer grundlegender Wegweisung Grenzen setzte. Eine solche Polarisierung widersprach sicherlich den auf Vermittlung und Uberwindung der Gegensätze ausgerichteten Intentionen von Ausschuß und Konvent, war aber doch unvermeidbar angesichts des seit Mitte der 50er Jahre deutlicher werdenden Auseinanderlaufens von realem Kräfteverhältnis, der zumindest vorläufigen Konsolidierung des status quo in Europa einerseits, der auf Revision zielenden Propaganda und Erwartung in der breiten Öffentlichkeit andererseits. Konnten die kirchlichen Vertriebenengremien bei dieser Entwicklung an ihrer Intention des Ausgleichs oder gar neuer Wegweisung festhalten, ohne, wenn auch wider Willen, doch zum Parteigänger einer Seite zu werden mit der Folge, daß ihnen die jeweils andere Seite den geistlichen Anspruch streitig machte, und war dies überhaupt möglich, ohne innerhalb der evangelischen Kirche und unter den Vertriebenen selbst sowie deren säkularen Verbänden an Gewicht zu verlieren, an Fähigkeit einzubüßen, sich hier wie dort Gehör zu verschaffen? Blieben die geschilderten Vorgänge noch weitgehend intern, so sollte es doch bald über der Frage kirchlicher Ostkontakte zu Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit kommen. Solche Kontakte wurden seit 1955 verstärkt wahrgenommen und waren keineswegs auf die Kreise beschränkt, die, wie die kirchlichen Bruderschaften, erklärtermaßen in Opposition zum herrschenden politischen Kurs in Westdeutschland standen131. Einen wesentlichen Impuls zu solchen für die Zeit des Kalten Krieges sehr bemerkenswerten und keineswegs unangefochtenen Aktivitäten hatte die zweite Vollversammlung des Ökumenischen Rates in Evanston (USA) im Jahre 1954132 gegeben. Deren Sektion „Die Kirche inmitten rassischer und völkischer Spannungen" hatte einen derartigen kirchlichen Besuchsaustausch für Spannungsgebiete empfohlen 133 . 131 So folgte im Frühjahr 1955 eine Delegation der E K D einer Einladung der tschechoslowakischen Kirchen in die CSSR. Der deutschen Delegation gehörten u. a. der Ratsvorsitzende, Dibelius, der sächsische Landesbischof, Gottfried Noth, der reformierte Moderator, Wilhelm Niesei, der Herrnhuter Bischof Christian Johannes Vogt, sowie Hanfried Krüger vom Kirchl. Außenamt an. Ein Ergebnis der Reise war die Bildung eines tschechischslowakisch-deutschen Konvents. Vgl. den vertraulichen Bericht Spiegel-Schmidts vom 3. 6. 1955 ( A O K A , C 11, Nr. 1732). 132 Vgl. oben S. 29, A n m . 112, und W . A. VISSER'T HOOFT, Bewegung, Sp. 1576. - Im Juni 1956 nahm die ao. E K D - S y n o d e in Berlin-Spandau die Anregung von Evanston auf, wenn sie in ihrer Entschließung „Einheit des Volkes" u.a. erklärte: „Wir sind einmütig in der A b w e h r nationaler und kirchlicher Verengung und erbitten hierzu die stete Hilfe der Ökumene. Als Glieder der Weltchristenheit sind wir einig in dem Streben, uns durch die Spaltung nicht von den Beziehungen zu den östlichen und" - dies vor allem hinsichtlich der EKD-Gliedkirchen in der D D R gesprochen - „westlichen Nachbarvölkern abschneiden zu lassen" ( K J 1956, S. 21 f.). 133

V g l . B e r i c h t S p i e g e l - S c h m i d t s ( v g l . A n m . 1 3 1 ) u n d THE EVANSTON REPORT, S . 1 5 1 f f .

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E u r o p ä i s c h e r Frieden und H e i m a t r e c h t

Ostkirchenausschuß und Ostkirchenkonvent befürworteten solche Initiativen ausdrücklich, sie hielten es jedoch, wie Gülzow auf dem Kölner Ostpfarrertag berichtete, für „unerläßlich, die Vertreter der Kirche aus dem Osten, die die Lage dort am gründlichsten kennen, schon an der Vorbereitung solcher Gespräche zu beteiligen". Erst durch deren Beteiligung komme es zu „echten Gesprächen" 134 . Jedoch nicht diese Frage, sondern bestimmte Äußerungen einzelner Ostbesucher über die Zukunft der Oder-Neiße-Gebiete etwa führten zu öffentlicher Auseinandersetzung, die auch den Ostkirchenausschuß zur Stellungnahme veranlaßte. Welche Brisanz diesem Thema eignen konnte, wenn es vor einer breiten Öffentlichkeit entfaltet wurde, hatte erstmalig Klaus von Bismarck 1954 an dem Echo auf seine Rede über „Die Freiheit des Christen zum Halten und Hergeben" auf dem Leipziger Kirchentag erfahren müssen 135 . Darin beschränkte er sich nicht bloß auf die auch auf den Ostkirchenkonventstagungen mehrfach geäußerte Meinung, „daß wir v o r G o t t kein R e c h t darauf haben, das wiederzuerhalten, was E r uns g e n o m m e n hat, auch w e n n Völkerrecht und Privatrecht uns eine H a n d h a b e des A n s p r u c h s geben".

Er bekannte vielmehr darüber hinaus, „keinen W e g [zu sehen], u m offen und nüchtern zu sein, dorthin zurückzugelangen ohne Krieg und neue g r o ß e Schrecken. Ich will nicht z u r ü c k um diesen Preis."

Ja, selbst wenn er wider Erwarten doch wieder in die alte Heimat gelangen sollte, könne er auf sein dortiges „im deutschen Grundbuch immer noch eingetragenes Eigentum" keinen Anspruch erheben: „Die Geschichte, deren H e r r G o t t ist, hat nach meiner Auffassung die mögliche Eigent u m s o r d n u n g dort bereits v e r w a n d e l t . "

Die Betroffenheit vieler Vertriebenen, wie sie sich in einer Flut von Zuschriften niederschlug, offenbarte eine zweifache Erwartungshaltung gegenüber der kirchlichen Verkündigung und Seelsorge: An erster Stelle die vehement vertretene Gewißheit, es gebe ein „göttliches Recht auf Heimat" 1 3 6 , und daneben die ganz anders geartete Ablehnung der „eigentümlichen schädlichen Mischung von Theologie und Politik" 137 . Eine breite Auseinandersetzung, in die im Gegensatz zum Vorgang um 134

Bericht in: A O K A , C 8 / 1 9 5 5 , zu N r . 3 3 1 4 . A u c h der in K ö l n anwesende Bundesver-

triebenenminister, T h e o d o r Oberländer, sprach sich für solche kirchlichen Begegnungen aus „als einen Schritt zur Verwirklichung des notwendigen neuen Verhältnisses v o n Volk zu V o l k " (ebd.). 135

K J 1 9 5 4 , S. 21 ff., und in: FRÖHLICH IN HOFFNUNG, S. 123ff. Z u m E c h o vgl. K . v.

Bismarcks eigenen Bericht (S. SEEBERG, Kirche, S. 71 ff.). 1,6

Vgl. hierzu neben K . v. Bismarcks Bericht die offizielle E n t g e g n u n g des Sprechers der

P o m m e r s c h e n Landsmannschaft, O . EGGERT, R e c h t . 137

Vgl. das A n t w o r t s c h r e i b e n K . v. Bismarcks auf die Zuschriften v o m 19. 11. 1 9 5 4 (S.

SEEBERG, Kirche, S. 1 3 7 f f . ) .

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die Leipziger Rede Klaus von Bismarcks die gesamte evangelische Kirche einbezogen wurde, lösten Äußerungen aus, mit denen Niemöller Anfang 1957 in Warschau auf Fragen nach seiner Einstellung zur Oder-NeißeLinie geantwortet hatte' 38 . Er könne sich nicht vorstellen, so Niemöller, daß die Siegermächte in dem noch ausstehenden Friedensvertrag etwas an dem jetzigen Grenzzustand ändern wollten. „Man habe nicht 13 Millionen Deutsche aus ihrer Heimat. . . deportieren können, wenn man diese Maßnahmen, die zwei Millionen Menschen das Leben kostete, nicht ernst gemeint habe und die Ausgetriebenen später wieder zurückführen wollte. Hätten aber die Alliierten die Austreibung der Deutschen nicht ernst gemeint, dann wäre das ,erst recht ein Verbrechen' gewesen."' 39

Eine Befriedung Europas hielt Niemöller nur dadurch für möglich, „daß die Staatsgrenzen als solche überhaupt an Bedeutung verlieren und wir es lernen, friedlich beieinander und untereinander zu leben"' 40 .

Die Kritik von seiten der Vertriebenenverbände, aber auch einzelner Vertriebener, wie sie in einer Fülle von Zuschriften an kirchliche Gremien oder Presseorgane141 zum Ausdruck kam, konzentrierte sich im wesentlichen auf einen doppelten Gesichtspunkt, darin teilweise dem Echo auf die Leipziger Kirchentagsrede von Bismarcks vergleichbar: Einmal war sie dagegen gerichtet, daß ein Theologe und „Kirchenmann" derartig weitge138 Vgl. dazu KJ 1957, S. 5; Dokumentationsbericht/Hessen-Nassau, S. 12ff., (VD 9); A O K A , C 1, Nr. 997 vom 28. 3. 1957. - Niemöller war auf Einladung der polnischen ev. Kirche gereist und wurde von O K R Krüger als dem Vertreter der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen und dem O K R im Kirchl. Außenamt Johannes Bartelt (als Privatperson, wie das Kirchl. Außenamt später erklärte) begleitet. 139 So die epd-Meldung über Niemöllers eigenen Bericht seiner Warschauer Äußerung in der Ev. Akademie Arnoldshain. Die Version, „erst recht ein Verbrechen", ist auch in einem Brief Niemöllers an den oldenburgischen Bischof (vgl. Anm. 147) enthalten. Ein damals ebenfalls verbreiteter Brief Niemöllers an den BvD-Kreisvorsitzenden Priebs vom 26. 2. 1957 enthält die Formulierung: „. . . dann wäre die Aussiedlung von 13 Millionen Deutschen ein Verbrechen gewesen". Gerade diese letzte Aussage veranlaßte mehrere Kritiker zu polemischen Weiterungen. So gab Baron Manteuffel-Szoege in seinem Protestschreiben an den Ratsvorsitzenden Niemöllers Aussage folgendermaßen wieder: „Der Herr Kirchenpräsident ist der Meinung, daß die Vertreibung (er nennt sie Aussiedlung) von Millionen Menschen erst dann zum Verbrechen wird, wenn man sie wieder gutmacht" (AOKA, C 1/1957, Nr. 997). Niemöller hatte sich in dieser Weise jedoch eindeutig unter Hinweis auf die zwei Millionen Opfer der „Austreibung" und „Aussiedlung" geäußert sowie auf die bei einer Rückführung der vertriebenen Deutschen entstehende Notwendigkeit, die jetzt in den Oder-Neiße-Gebieten angesiedelten (Ost-)Polen „wieder an einen anderen Platz [zu] befördern". 1,0 Schreiben an Priebs. Niemöller äußerte in dem Zusammenhang die Hoffnung, daß es im Laufe der nächsten Jahrzehnte möglich werde, daß „deutsche Menschen . . . ohne Änderung ihrer Staatszugehörigkeit und ohne weitere Schwierigkeiten" in ihre Heimat zurückkehren könnten, falls sie es wollten (ebd.). 141 Dies bezeugen z.B. der „Schlesische Gottesfreund" und die hessen-nassauische Synode.

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Europäischer Frieden und Heimatrecht

hende politische Urteile öffentlich äußert, anstatt, wie es in der Erklärung des Ostkirchenausschusses vom 8. April 1957142 heißt, die „notwendige Zurückhaltung des Kirchenmannes gegenüber Lebensfragen seines Volkes" zu üben. Zum anderen wurde dem Sachgehalt selbst die Möglickeit theologischer oder seelsorgerlicher Legitimation abgesprochen. Auf den ersten Aspekt etwa zielt indirekt der Satz in der Erklärung der hessen-nassauischen Synode vom März 1957 143 : „Als Vertretung der Kirche und in Erkenntnis ihrer Aufgabe kann und darf sie [die Synode] sich . . . Äußerungen einzelner ihrer Glieder über völkerrechtliche und politische Probleme der Vertreibung und über die Zukunft der Ostgebiete nicht zu eigen machen."

Niemöllers Bewertung der Chance einer Restauration der alten Besitzverhältnisse im Osten wurde ihm in Kommentaren der Vertriebenen häufig als dem Kirchenmann unzulässige Duldung oder sogar Befürwortung von Unrecht ausgelegt144 - unzulässig nicht bloß von politischen, sondern auch seelsorgerlichen Gründen her. Als „Leiter einer deutschen mittleren Landeskirche" sei Niemöller „seinen Gemeindegliedern so verantwortlich, daß er sich für ihr Recht einsetzen muß, ganz gleich, ob diese Gemeindeglieder aus Hessen, Westfalen oder Ostdeutschland stammen", schrieb ein hessischer Pfarrer in einem Leserbrief, den sich der „Schlesische Gottesfreund" inhaltlich zu eigen machte145. Von „Liebe zu seinen ostdeutschen Gemeindegliedern" sei in Niemöllers „hartherzigen" Ausführungen „nicht eine Spur" zu finden. Es sei „durchaus nicht ungerechtfertigt, wenn sich diese Gemeindeglieder . . . überlegen, ob sie nicht in einer Freikirche besser aufgehoben sind als in dieser Landeskirche". Nahezu alle kritischen Stellungnahmen lassen diese Motive anklingen, die auch der an den Ratsvorsitzenden der E K D gerichteten Aufforderung Anlage zur Niederschrift vom 8. 4 . 1 9 5 7 ( Α Ο Κ Α , A 7, o. Nr.). Bericht der Synode vom 18. bis 22. 3. 1957, S. 375 f.; Dokumentationsbericht/Hessen-Nassau, S. 16 (VD 9). Der Synodalausschuß hatte aufgrund der großen Zahl von Zuschriften verschiedener Vertriebenenvorstände nach einer Besprechung mit dem Kirchenpräsidenten den „Theologischen Ausschuß" der Synode um den Entwurf einer Stellungnahme gebeten. Der Ausschuß zog zu seinen Beratungen heimatvertriebene Synodale hinzu. Nach eingehender Diskussion nahm die Synode den Entwurf bei nur zwei Enthaltungen an (vgl. ebd.). 144 So z . B . im Schreiben Manteuffel-Szoeges an den EKD-Ratsvorsitzenden (vgl. Anm. 139): „Weiß er nicht, daß auf politischer Ebene Unrecht dulden das Tor zu neuem Unrecht öffnet? . . . Bekanntlich ist der Anstoß zur Vertreibung der Deutschen von Moskau ausgegangen. Wer solches Tun nicht grundsätzlich ächtet, macht sich bewußt zum Mitschuldigen." - Es fehlte auch nicht an noch weiterreichenden Stellungnahmen. So schob Dr. Eduard Jennicke im hvp dem Kirchenpräsidenten wegen seiner Aussage über Endgültigkeit und Verbrechenscharakter der Vertreibung geistige „Verwirrung" unter, „die sich jeder politischen Analyse entzieht". Vgl. die Materialsammlung des O K A (C 1/1957, Nr. 997, S. 7). 145 Stellungnahme des „Schlesischen Gottesfreundes" (ebd.); der Leserbrief von Pfr. 1,2

143

S t r o h e r s c h i e n a m 8. 3 . 1 9 5 7 i m DARMSTÄDTER TAGBLATT.

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zugrundeliegen, gegenüber der Äußerung des Kirchenpräsidenten nicht „Dulden oder Schweigen" zu wahren, sondern eindeutig Stellung zu beziehen 146 . Bischof Dibelius beschied dieses mit dem protestantischen Kirchenund Lehramtsverständnis nur schwer zu vereinbarende Ansinnen so, daß an seiner Ubereinstimmung mit der Kritik an Niemöllers Äußerungen kein Zweifel möglich blieb, auch wenn er explizit eine Stellungnahme ablehnte 147 . Die „außerordentliche E r r e g u n g " , wie sie sich gerade in kirchlichen Kreisen der Vertriebenen bemerkbar machte 148 , und die Unsicherheit gegenüber der evangelischen Kirche, die Niemöllers Äußerungen wiederum wohl gerade bei den Kirchentreuen unter jenen auslösten 149 , veranlaß144 So im Schreiben Manteuffel-Szoeges ( A O K A , C 1/1957) an Dibelius: Ein „Dulden oder Schweigen Ihrerseits [würden] als Zustimmung oder Schwäche einem solchen Verhalten gegenüber gedeutet . . . D e r einzelne evangelische Christ ist vielfach nicht in der Lage, zu beurteilen, wieweit Ihre Autorität reicht. E r sieht in Ihnen die Spitze unserer evangelischen Kirche und erwartet von Ihnen eine klare und eindeutige Stellungnahme." 147 E r habe, so antwortet Dibelius dem Vorsitzenden der Deutsch-Baltischen Landsmannschaft, „zu Äußerungen von Herrn Kirchenpräsident D . Niemöller, die politische Dinge betrafen, . . . niemals persönlich Stellung genommen. W i r können der Welt nicht das Schauspiel bieten, daß von den leitenden Persönlichkeiten der Kirche in aller Öffentlichkeit einer gegen den andern steht. W i r haben immer wieder gebeten, von Äußerungen politischer Art Abstand zu nehmen. U n d jeder, der mich kennt, weiß, daß ich mich mit dem, was . . . D . Niemöller neulich gesagt habe, in keiner Weise identifiziere. Schließlich habe ich selbst alle meine ersten Ä m t e r in der Kirche östlich der O d e r - N e i s s e - L i n i e verlebt und habe dort allerlei gebaut und ins W e r k gesetzt, dem ich von Herzen nachtrauere.

D a ß mein Schweigen mißverstanden wird, kann ich nicht ändern. Es ist das aber besser als eine politische Fehde zwischen leitenden Persönlichkeiten der Kirche in aller Öffentlichkeit!" (ebd.). - Welchen Niederschlag Niemöllers Äußerungen in anderen Landeskirchen finden k o n n ten, sei hier am Beispiel Oldenburgs beschrieben. D e r dortige Oberkirchenrat beauftragte den Bischof, Niemöller um die Übermittlung seiner Äußerungen zu bitten. Aufgrund von Niemöllers A n t w o r t richtete Bischof Gerhard J a c o b i am 23. 3. 1957 dann ein Rundschreiben an die oldenburgischen Pfarrer (Abschrift in: A O K A , C 6 / 1 9 5 7 , N r . 1056), um es diesen zu ermöglichen, „ j e d e r z e i t . . . den Gemeindegliedern wahrheitsgemäße A n t w o r t über Bruder Niemöllers Äußerungen zu geben". D e r luth. B i s c h o f läßt indirekt weitgehende Ubereinstimmung mit deren politischem Gehalt erkennen. E r verweist zunächst darauf, daß Niemöller keinen Verzicht ausgesprochen oder empfohlen, sondern auf die Frage nach der Zukunft der O d e r - N e i ß e - G e b i e t e „ohne H ö r n e r und Z ä h n e " geantwortet habe. Was aus diesen Gebieten werde, „darüber gehen", so der Bischof, „die Meinungen auseinander. Es gibt aber keinen westdeutschen Politiker außerhalb des B H E , der heute der Überzeugung offen Ausdruck gibt, wir könnten die genannten Gebiete wiedergewinnen. Dagegen liegen genügend öffentliche Äußerungen westdeutscher Politiker vor, die genau die gleiche A n sicht vor Bruder Niemöller vertreten haben wie er jetzt." R a n d k o m m e n t a r des Ostpfarrers, der dem O K A diesen Brief zusandte: „Wir werden uns dagegen verwahren." 14> Vgl. etwa das V o t u m des hessen-naussauischen Synodalen Albers (Synodalbericht, S. 74 ff; V D 9). 149 D e r Synodale Wilhelm Fresenius z . B . sprach in dem Zusammenhang von denen, die „bekümmert und bedrückt sind" und sich nicht mehr zurechtfinden (ebd., S. 374 f.).

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ten sowohl die hessen-nassauische Synode als auch den Ostkirchenausschuß zu öffentlicher Stellungnahme. Beide Worte sind herausragende Zeugnisse seelsorgerlicher Besinnung auf die kirchlichen Aufgaben an den Vertriebenen und kirchlicher Reflexion der Heimat- und Ostfragen in jener noch relativ frühen Phase des Auseinandertretens realgeschichtlicher Entwicklung und herrschender politischer Ansprüche. Obwohl ihr seelsorgerliches Ziel gerade darin bestand, in eine aktuelle Auseinandersetzung klärend und beschwichtigend einzugreifen, als Kirche auf ganz konkrete Forderungen und Erwartungen zu reagieren, und beide Dokumente dabei in einzelnen Aussagen übereinstimmen, enthalten sie doch grundlegende Ansätze einer Vertriebenenseelsorge angesichts jener politischen Entwicklung, die bereits Differenzen erkennen lassen, wie sie in einem späteren Stadium, etwa seit der Auseinandersetzung um das Tübinger Memorandum von 1962150, deutlicher hervortreten. Sowohl die hessen-nassauische Synode als auch der Ostkirchenausschuß würdigten Niemöllers erfolgreiche Bemühung um eine Verbesserung der kirchlichen Versorgung der im Osten noch verbliebenen evangelischen Gemeinden. Die Synode erklärte sich aber für nicht befugt, als kirchliche Institution zu den völkerrechtlichen und politischen Problemen Stellung zu beziehen151. Sie sah sich vielmehr darin einig, ein „seelsorgerliches Wort" sprechen zu müssen, das denen „helfen soll. . ., die bekümmert und bedrückt sind", wie der Vorsitzende des „Theologischen Ausschusses" die Aufgabe umschrieb152. Daß die Lösung dieser seelsorgerlichen Aufgabe den Verzicht auf eine heimat- und ostpolitische Festlegung fordere153, war offenbar die einhellige Meinung der Landessynodalen. Sie folgten einerseits den Mahnungen, die Not, Bedrängnis und Erregung der Vertriebenen ernst zu nehmen154, wenn sie vom „Kreuz" sprachen, das der Heimatverlust bedeutet. Sie vermieden es aber andererseits, die Forderung nach dem „Recht auf die Heimat" als Ausdruck des „Mitempfindens" mit dem Vertriebenenschicksal in ihren Zuspruch aufzunehmen 155 : 150

Vgl. unten S. 70 ff. Vgl. oben S. 40. 152 Vgl. oben Antn. 149. 153 Fresenius ließ es ausdrücklich dahingestellt sein, ob sich die Kritiker „zu Recht oder zu Unrecht" über Niemöllers Äußerungen erregt haben (ebd.). 154 Die Reaktion der Vertriebenen sei, wie der heimatvertriebene Synodale Albers es formulierte, angesichts der „Vertreibung, die mit Mord, Gewalttat, Raub und Schändungen vor sich ging", vorhersehbar gewesen (ebd., S. 74f.). 155 Der Synodale Albers hatte die Frage aufgeworfen, ob ein Synodaler, der die Vertreibung nicht erlebt hat, „überhaupt in der Lage ist, hier mitzuempfinden", und ob es vielen, wenn sie in eine solche Lage versetzt werden würden, „nicht sehr schwer fallen würde, nur noch realpolitisch zu denken und nicht aus den letzten Gefühlsmomenten heraus und auch aus dem Recht auf die Heimat heraus, was wir auch heute noch trotz vielleicht vorhandener 151

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„Die Kirche weiß, welches Leid die Vertreibung aus der Heimat in sich Schloß und für wie viele es zu einem nie schwindenden Schmerz in ihrem Innern geworden ist. D e n n o c h haben sich die Vertriebenen tätig in unser Leben eingeordnet und gerade in unsern Kirchengemeinden einen Reichtum an Glauben und Leben mitgebracht, für den die Kirche ihnen dankt. Die Heimat und die Liebe zu ihr gehört zu den Gaben und Gütern des Lebens, um deretwillen wir G o t t als unsern Schöpfer und Erhalter preisen. D e r Zwang, die Heimat entbehren zu müssen, ist von uns Christen als Kreuz anzusehen, das Christus uns vorangetragen hat und das G o t t jeweils einzelnen und ganzen Völkern und Volksteilen auferlegt. Die Kirche ist den vielen Heimatvertriebenen dankbar, die an der Art, wie sie ihr Los tragen, etwas von der im Kreuz geschenkten Geduld bewähren und die die ersehnte H e i m k e h r allein auf friedlichem Wege suchen. Es liegt in Gottes Hand, ob und wann E r die H e i m k e h r ermöglichen wird. Jenseits aller irdischen Hoffnungen und W ü n s c h e im Blick auf die Heimat und ihre G ü t e r steht auch für die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau die Bitte, es möchten alle Glieder der Kirche feststehen in der Gewißheit des alten ostdeutschen Spruches: G o t t lob, wir haben noch ein Haus im H i m m e l , da siehts besser aus!" 1 5 6

Steht hier seelsorgerlicher Zuspruch im Sinne spiritualisierender D e u tung des Vertreibungsgeschehens wie auch des Heimatbegriffs im V o r dergrund, so rückte der Ostkirchenausschuß sein ebenfalls seelsorgerlich motiviertes W o r t näher an die Ebene politischer Sachargumentation heran. Der Ostkirchenausschuß bedauerte es, daß „dieser Besuch von Kirche zu Kirche durch die bekannten politischen Äußerungen Niemöllers schwerstens belastet" worden sei. Niemöller habe die „notwendige Z u rückhaltung . . . gegenüber Lebensfragen seines Volkes" verlassen, „ohne daß doch die von uns allen gewünschte Verständigung zwischen Deutschen und Polen gefördert worden w ä r e " . D o c h auch der anderen Seite stellte sich der Ostkirchenausschuß kritisch gegenüber, wenn er bekannte, „daß wir mit tiefer Sorge die mannigfachen Gegenäußerungen in der Presse unserer Vertriebenen lesen. W i r verstehen gewiß die starke Erregung, aber wir k o m m e n von dem Gefühl nicht los, daß die Art, wie man dort antwortet, bedenklich und irreführend und für die Ziele der Landsmannschaften zuletzt auch nicht ohne Gefahr ist."

Schließlich markierte der Ostkirchenausschuß seine eigene Position im

realpolitischer Überlegungen als unverlierbar und unabdingbar ansehen" (ebd.). Niemöller sprach dann später dieses Problem an: „Auf das R e c h t auf Heimat bin ich nicht eingegangen, weil ich an das R e c h t auf Heimat nicht glaube. U n d ich glaube deshalb nicht daran, weil Jesus Christus keine Heimat gehabt hat und weil die einzige Heimat, auf die wir Anspruch haben, die Heimat bei ihm an seinem Kreuz ist, und daß alles andere Recht auf Heimat eine idealistische Illusion ist, seitdem Christus gekreuzigt wurde" (ebd., S. 89; vgl. E K H N D o k u m e n t a t i o n , V D 9, S. 14). 156 Synodalbericht, S. 3 7 5 f . , V D 9 ; vgl. ebd., S. 16. D a ß der Gedanke des Kreuzes in diesem Zusammenhang nicht unumstritten war, geht aus dem Bericht des Vorsitzenden des „Theologischen Ausschusses", Fresenius, hervor (ebd., S. 374 f.).

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Ruf zu Besonnenheit, Gebet und zum Verzicht auf Haß und Vergeltung, wie er in der Charta festgeschrieben worden war: „ W i r leiden mit allen unseren Gemeindegliedern darunter, daß uns die H e i m a t g e n o m m e n ist. U n d wir scheuen uns auch nicht, die Vertreibung ein bitteres U n r e c h t zu nennen. W i r verstehen also diese große N o t und hören nicht auf, mit allen unseren Gemeindegliedern d a r u m zu beten, daß G o t t uns im O s t e n n o c h einmal eine T ü r öffnen m ö c h t e . W i r erinnern in diesem Augenblick, da die Leidenschaften allzu lebendig wachgeschürt sind, an die C h a r t a der Heimatvertriebenen. U n s e r e Sorge und unser G e b e t gilt jetzt besonders den B r ü d e r n und Schwestern ostwärts der O d e r und Neiße. G o t t schenke ihnen, daß die allzu schnell hingeworfenen Aussagen Niemöllers ihnen ebensowenig schaden m ö c h t e n wie die leidenschaftliche F e h d e in der Vertriebenenpresse! U n d u m dieser unserer Sorge und unseres Gebets willen mahnen und beschwören w i r : L a ß t uns nicht unbesonnen werden, nicht d e m H a ß und der Bitterkeit R a u m geben, sondern in der Liebe zusammenstehen und gehorsam gegenüber d e m lebendigen G o t t unser A m t dort und so tun, w o und wie er es v o n uns getan haben will." 1 5 7

Vor dem Hintergrund der damals herrschenden Erregung unter den Kirchengliedern, für die sich der Ostkirchenausschuß in besonderer Weise verantwortlich fühlte, und eines nicht unbeträchtlichen Drucks auf die kirchlichen Gremien von seiten der säkularen Vertriebenenorgane, treten drei Merkmale der seelsorgerlichen Aufgabe hervor, wie sie sich diesem höchsten Vertriebenengremium der E K D darstellte: Unverkennbar ist einmal das Bestreben, auf beide Seiten mäßigend einzuwirken und sie zu Besinnung zu rufen; zum anderen läßt sich nicht übersehen, daß der Ostkirchenausschuß bei aller Kritik an Niemöllers Äußerungen mit seiner Mahnung zu Geduld und Gehorsam gegenüber der göttlichen Fügung dem Drängen in weiten Kreisen der Vertriebenenorganisationen, die heimatpolitischen Ziele kirchlich zu sanktionieren, nicht einfach nachgab; wie aber das Wort schließlich auch erkennen läßt, hielt es der Ausschuß in den damaligen Auseinandersetzungen für geboten und der ihm gestellten seelsorgerlichen Aufgabe gemäß, die Möglichkeit eines neuen Anfangs im Osten ausdrücklich offenzuhalten. Dieses letzte M o ment sollte in der Folgezeit angesichts des in der Öffentlichkeit immer stärker propagierten Heimatrechts zunehmend die Arbeit von Ostkirchenausschuß und Ostkirchenkonvent mitbestimmen. Zunächst aber herrscht zu Beginn der zweiten Hälfte der 50er Jahre noch der Eindruck der Gärung vor, in die das Oder-Neiße-Problem zusehends geraten war. So berichtete der westfälische Landesflüchtlingspfarrer im Sommer 1957 seiner Kirchenleitung: „Die F r a g e der O d e r - N e i ß e - L i n i e wird leidenschaftlich bewegt, dabei werden neben heftig widersprechenden z u n e h m e n d auch beachtlich maßvolle Stimmen laut, die auf deutsch-polnische Begegnung, Versöhnlichkeit und Ausgleich aus sind." 1 5 8

157

A O K A , C 6 / 1 9 5 7 , N r . 1 1 7 2 (S. 4 ) und in: DER REMTER 1 9 5 7 , H e f t 3 (S. 6 f . ) .

158

D o k u m e n t a t i o n / W e s t f a l e n , S. 4 6 ( V D 19).

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Und selbst ein im Vergleich zu Niemöllers Äußerungen ziemlich harmloser Vorgang, wie die Resolution auf einer Tagung der Ev. Akademie in Arnoldshain zum „Heimatproblem der Vertriebenen" 159 konnte in der Vertriebenenpresse relativ hohe Wellen schlagen. Nach entsprechenden Referaten von Harald von Koenigswald, Wenzel Jaksch und SpiegelSchmidt einigten sich die Tagungsteilnehmer auf Feststellungen, wie ζ. B. Der Frage unserer territorialen Ansprüche steht das Gewicht der anderen Frage gegenüber, wie weit die Ostvölker dafür gewonnen werden können, mit uns zusammen die Gemeinschaft Europas zu bauen . . . Es bedarf . . . bei allen der Überwindung des nationalstaatlichen Rechtsstandpunktes zugunsten einer europäischen Gemeinsamkeit . . . W i r halten es für notwendig, aus der Geschichte zu lernen, daß wir nicht durch unseren noch so berechtigten Anspruch einen Weg in den Osten finden können, sondern nur durch Achtung vor seinen Völkern und durch die Bereitschaft, ihnen zu dienen."

Berichte über die Tagung und die Resolution in den beiden Tageszeitungen „Die Welt" und „Frankfurter Rundschau" veranlaßten einen Großteil der landsmannschaftlichen Presseorgane sowie den Präsidenten des Bundes der Vertriebenen und den „Göttinger Arbeitskreis" zu scharfen Reaktionen, in denen die Berichterstatter, aber zum Teil auch die Autoren der Resolution als „Nebelwerfer" 160 und „Kreml-Jünger" 161 bezeichnet wurden 162 . Solche Vorgänge im Raum der evangelischen Kirche waren wiederum nur Teil einer Bewegung, die seit Mitte der 50er Jahre durch den Wandel des internationalen Kräfteverhältnisses 163 in die öffentliche Erörterung des Ost- und Deutschlandproblems gekommen war. So war schon 1956 der frühere amerikanische Hohe Kommissar John McCloy öffentlich für einen Verzicht der Bundesrepublik auf die Oder-Neiße-Gebiete eingetreten, um auf diese Weise wenigstens die Möglichkeit einer Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten offenzuhalten 164 , und hatte damit erhebliche Aktivitäten der Vertriebenenverbände ausgelöst. Im selben Jahr waren ζ. B. auch von Carlo Schmidt und dem Leiter der politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, Wilhelm Grewe, öffentlich Erwägungen in jener Richtung angestellt worden' 65 . 159 V o m 30. 11. bis 2. 12. 1956. Vgl. die Materialsammlung dazu ( A O K A , C 8, Nr. 205, vom 22. 1. 1957). DER SCHLESIER, Weihnachten 1956. 161

SUDETENDEUTSCHE ZEITUNG v o m 5. 1 . 1 9 5 7 . Sie s p r a c h a u c h v o n d e r „ s o g e n a n n t e n , E v .

Akademie'". 162 Einige Blätter (z.B. DER RUF vom 1 . 1 . 1957) gingen differenzierter vor, indem sie sich mit den Arnoldshainer Äußerungen insoweit einig erklärten, als diese neue Wege der Vertriebenenpolitik forderten oder wiesen, dies aber gerade ein Mittel zur Verhinderung des Verzichts und der Aufgabe von Rechtsstandpunkten bezeichneten. 165 Vgl. die kurze Skizze oben S. 8 ff. 164 Vgl. H . W . SCHOENBERG, Germans, S. 233 f. " 5 Vgl. A. GROSSER, Deutschlandbilanz S. 484. - Grewe gilt als der A u t o r der 1957

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Europäischer Frieden und Heimatrecht

Die heimatpolitische Position der Vertriebenenverbände, immer wieder auch gestärkt durch entsprechende Versicherungen der Bundesregierung sowie der führenden Parteien im Bundestag, war in die Diskussion geraten, und das bisweilen polemische Gegeneinander ließ seit 1957 das Thema „Heimatrecht" in den Vordergrund rücken, wann immer sich kirchliche Vertriebenensprecher zusammenfanden. Galt es vorrangig, den Landsmannschaften in der Bedrängnis beizustehen, in welche solche freimütigen Äußerungen, wie die oben genannten, sie zweifellos versetzten, oder erforderte das „Wächteramt" der Kirche eher eine distanziertere Haltung gegenüber einem als unaufgebbar hingestellten Rechtsanspruch? In beide Richtungen wurde argumentiert etwa auf der Schriftleitertagung der evangelischen Vertriebenenpresse vom 30. April bis 1. Mai 1957 166 und vor allem auf der bedeutenden Arbeitstagung des Ostkirchenausschusses und Ostkirchenkonvents im Oktober 1957 in Hameln zum Thema „Schuld und Verheißung deutsch-polnischer Nachbarschaft" 167 . Gerade der Geschäftsführer, Spiegel-Schmidt, versuchte, eine Bindung des kirchlichen Auftrags an eine der beiden im Widerstreit stehenden Parteien oder die Konkurrenz zu solcher zu vermeiden, wenn er aus der heimatpolitischen Diskussion in Hameln u. a. die Folgerungen zog: „Schon juristisch sind die Fragen außerordentlich kompliziert. Sicher muß der Christ die Möglichkeit im Auge behalten, daß auch der Verzicht Gottes Wille an ihn sein kann, wenn er diesen auch nicht vorzeitig aussprechen soll. Ebenso sicher ist das Heimatrecht nicht das Recht, geschehenes Unrecht durch neues Unrecht zu beseitigen . . . Wenn die Frage gestellt werde, was sich aus dem Heimatrecht für Pflichten ergeben, so sei einerseits an Heimatpflege und Heimatschutz, aber auch an die Verantwortung für Familie und Nachbarschaft und für einen gesunden Nachwuchs, andererseits aber an die Achtung vor dem Heimatrecht des anderen zu denken. Mit alledem ist gewiß vereinbar, daß wir unsere Rechtsposition nicht vorzeitig aufgeben, aber wir können sie nicht so vertreten, daß wir damit den Eindruck von Unversöhnbarkeit erwecken und verständigungsbereite Völker vor den Kopf stoßen."' 68

Entsprechend positiv beurteilte Spiegel-Schmidt im April 1958 anläßerstmals gegen Jugoslawien angewendeten sogenannten „Hallstein-Doktrin". Vgl. dazu jedoch ausführlicher W. GREWE, Rückblenden. Zu Grewes damaliger ost-und deutschlandpolitischer Haltung vgl. besonders ebd., S. 262 ff. Auch der damalige Hamburger Bürgermeister, Kurt Sieveking, hatte sich in ähnlichem Sinne geäußert, worauf Niemöller mehrmals hinwies. Vgl. F. SPIEGEL-SCHMIDT, Kirche, S. 28. 166 Protokoll in: Α Ο Κ Α , A 7/1957, ο. Nr. Einige Schriftleiter hatten „mehr Verständnis für das Anliegen der Landsmannschaften" (Franz Herberth, Siebenbürger Sachsen) gefordert, sei es im Sinne der Forderung nach Heimatrecht für alle unter Einbeziehung der Bugfrage (so Eduard Kneifel) oder im Sinne des Kampfes der Landsmannschaften, in dem der Christ „nicht nur den Widerstand gegen eine Verzichtspolitik, sondern die gegen eine allgemein herrschende Laschheit gegenüber dem ostdeutschen Problem gerechtfertigte Einstellung erkennen" solle (Gerhard Hultsch, Schlesien). Vgl. ebd., S. 8. 167 Bericht von F. Spiegel-Schmidt (DER REMTER 1957, Heft 6, S. 58f.). 168 Ebd., S. 59.

Das Heimatrechtsproblem in der Vertriebenenseelsorge

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lieh seines Ausscheidens als Geschäftsführer des Ostkirchenausschusses das Ergebnis der seelsorgerlichen Bemühungen des höchsten Vertriebenengremiums der EKD. Er spricht von „einiger bescheidener Frucht" dieser Arbeit, weil es gelungen sei, „in einer besonders schwierigen, aber auch besonders klaren Situation die allumfassende Botschaft der Vergebung" zu verkünden. Während das „Wort der Vergebung" etwa auf der Synode der EKD von Weißensee 1950"9 „selbst bei einigen Vertriebenen" noch auf Bedenken gestoßen sei, hätten es sich „die versammelten Vertreter säkularer Verbände" auf den letzten Tagungen, wie etwa in Hameln oder Barsinghausen170, sagen lassen. Bei solcher Ausübung des politischen Wächteramts der Kirche hielt es der Ostkirchenausschuß nach dem Bericht des scheidenden Geschäftsführers „für notwendig, die Spannung zwischen Kirche und Welt nicht zu verwischen". Bei der dem Ostkirchenausschuß aufgegebenen „geistigen Führung der Vertriebenen" geht es nach Spiegel-Schmidt auch um deren Teilnahme an der „Solidarität der Schuld" als Ausdruck der eigenen Schulderkenntnis, ohne daß die „Schuld der Andern bagatellisiert" werde. Von daher habe der Ostkirchenausschuß sich gegen eine „Darstellung der Dinge" gewehrt, „die das gesunde und auch im Glauben verankerte Rechtsempfinden der Heimatvertriebenen verletzte". Die vom Ostkirchenausschuß angestrebte „neue Gesinnung" müsse sich „in einer tätigen Teilnahme am Schicksal unserer östlichen Nachbarvölker" ausdrücken, wofür Spiegel-Schmidt „einen klaren Blick für die tiefe N o t und Anfechtung, in der diese Völker heute stehen", forderte171. Dieser Abschlußbericht spiegelt noch einmal, wenn auch in modifizierter Weise, die Hoffnungen und Ansätze wider, wie sie Mitte der 50er Jahre die kirchlichen Vertriebenengremien bewegten172. Gleichzeitig läßt er das Bemühen erkennen, zu einem maßvollen Ausgleich zwischen notwendiger politischer Konkretion der kirchlichen Botschaft und der ebenso geforderten Distanz der Kirche gegenüber politischen Programmen und einzelnen Zielen zu gelangen. Angesichts der weiteren Diskussion des Ost- und Heimatproblems vor dem Hintergrund der ausgehenden Dulles-Ära und der sich abzeichnenVgl. oben S. 14 ff. Vgl. hierzu die Tagungsberichte der seit 1958 vom „Arbeitskreis für Ostfragen", einer Arbeitsgemeinschaft aus kirchl. und säkularen Vertriebenenverbänden in Hannover, veranstalteten „Barsinghausener Gespräche". F. Spiegel-Schmidt bezieht sich auf die 1. Tagung im Februar 1958 zum Thema „Der geistige und politische Standort der Vertriebenen". 171 F. Spiegel-Schmidt, Tätigkeitsbericht vom 26. 4. 1958 ( Α Ο Κ Α , A 7, N r . 1250, S. 2f.). 172 Vgl. oben S. 29ff. — Modifiziert erscheint die Aufgabenstellung insofern, als der etwas emphatische Anspruch auf eine neue moralische Grundlegung der gesamten Europapolitik einer Beschränkung auf den Rahmen der seelsorgerlichen Arbeit an den Vertriebenen gewichen ist. 170

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Europäischer Frieden und Heimatrecht

den Wende im Verhältnis der beiden Supermächte zueinander erschien diese Konzeption mit den daran geknüpften Hoffnungen zunehmend als fragwürdig, erwies sie sich kaum als ausreichende Grundlage einer den sich wandelnden Verhältnissen angemessenen Vertriebenenseelsorge und politischen Diakonie173. Je deutlicher als Ergebnis der Wandlungen im globalen Kräfteverhältnis eine größere Distanz zwischen ostpolitischer Option und realpolitischen Chancen zu deren Verwirklichung hervortrat, um so eindringlicher und gewichtiger wurden die Versuche, die Idee des Rechts auf die Heimat als den entscheidenden Aktivposten einer Restitutionspolitik in die internationale Diskussion einzuführen. Etwa seit 1958 begann diese Entwicklung, die Vertriebenenseelsorge sowie überhaupt die Suche nach angemessener Ausübung des kirchlichen Wächteramtes auf diesem Gebiet zunehmend zu beeinflussen. Die Frage nach dem Heimatrecht rückte in den Vordergrund und bot Anlaß zu einer für die 50er und 60er Jahre ziemlich einzigartigen Konkordanz des thematischen Interesses von säkularen Vertriebenengremien und kirchlicher Arbeit. Als ein sehr frühes und sogleich sehr weitgehendes Zeugnis dafür kann die Entschließung gelten, mit der evangelische Sprecher und Mitglieder von säkularen Vertriebenenorganisationen das Ergebnis einer Tagung zum Thema „Heimatrecht nach evangelischem Verständnis" in der Ev. Akademie in Iserlohn vom 14. bis 16. Oktober 1958 zusammenfaßten: „Wir evangelischen Christen wissen uns unter Gottes Gericht und hoffen auf Gottes Gnade. Wir wissen um unser aller Schuld, so wie es das ,Stuttgarter Bekenntnis' ausdrückt, aber wir wissen auch um die durch Jesus Christus uns zuteil gewordene Rechtfertigung. Aus dieser Rechtfertigung heraus glauben wir ganz bestimmte Pflichten unserer Heimat gegenüber zu haben. Der Begriff des .Heimatrechtes' in den Beziehungen zwischen Menschen und Völkern bedarf einer grundsätzlichen Klärung. Es muß daher in allen seinen Grundlagen und völkerrechtlichen Forderungen erarbeitet werden, damit es angewandt werden kann. Wir sind der Auffassung, daß das ,Heimatrecht' allein aus der Erhaltungsordnung Gottes herzuleiten ist. Wir fordern alle evangelischen Christen auf, sich dessen bewußt zu werden, daß der Verlust eines Teiles der Heimat das ganze Volk betrifft. Wir fordern insonderheit die verantwortlich in der Vertriebenenarbeit Stehenden auf, für Einheit und klare Zielsetzung ihrer politischen, kulturellen und sozialen Tätigkeit zu sorgen. Wir mahnen alle Vertriebenen, die Achtung vor dem Erbe ihrer Väter und den Leistungen für die ostdeutsche Heimat und damit auch für das ganze deutsche Volk zu wahren. Wir sehen unsere Pflicht darin, dieses Erbe unserer Jugend zu erhalten und es dem ganzen deutschen Volk in allen seinen Stämmen nahe zu bringen. Wir bitten alle, die in der Verantwortung stehen, dafür zu sorgen, daß unsere Brüder und Schwestern, die in schweren seelischen und leiblichen Nöten in Mitteldeutschland leben oder noch in der ostdeutschen Heimat verbleiben oder anderorts in der Unfreiheit des Glaubens sich befinden, nicht vergessen werden, und nichts zu unterlassen, um ihre Lage zu erleichtern und ihnen Trost zuzusprechen. 173 Vgl. zu diesem Wandel der politischen Konstellation die kurze Skizzierung oben S. 8 ff.

D a s H e i m a t r e c h t s p r o b l e m in der Vertriebenenseelsorge

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W i r bitten G o t t , den H e r r n aller G e s c h i c h t e , uns den W e g in die Z u k u n f t zu weisen und uns o h n e A u f g a b e unseres H e i m a t a n s p r u c h e s zu einer Verständigung mit unseren N a c h b a r n in G e r e c h t i g k e i t und Frieden zu führen." 1 7 4

T r o t z einiger verbaler Vorbehalte impliziert diese Entschließung doch ein aus evangelischem Bewußtsein verantwortetes Festhalten am Recht auf die verlorene Heimat, ein Bekenntnis zu dessen Unaufgebbarkeit. Weniger definitiv, doch in dieselbe Richtung zielend, erscheint das Ergebnis der ersten Fachtagung zum „Recht auf die H e i m a t " , zu der die Evangelische Akademie in Hessen und Nassau Juristen, Theologen beider Konfessionen, Regierungsbeamte und Angehörige von Vertriebeneninstitutionen v o m 9. bis 12. April 1958 eingeladen hatte 175 . In der ausdrücklich noch als „vorläufige Zusammenfassung" bezeichneten Formulierung erklären die Tagungsteilnehmer, „mit Genugtuung" den Vorträgen „führender Theologen beider christlichen Bekenntnisse" 1 7 ' entnommen zu haben, „daß dem B e s t r e b e n , an der Klärung der einschlägigen juristischen Fragen m i t z u w i r k e n und dadurch dazu beizutragen, diesem R e c h t zur allgemeinen A n e r k e n n u n g zu verhelfen, aus christlicher Sicht nicht n u r kein H i n d e r n i s entgegensteht, sondern daß seine allgemeine A n e r k e n n u n g und V e r w i r k l i c h u n g der von G o t t gesetzten O r d n u n g entspricht" 1 7 7 .

Ganz abgesehen von den Differenzen, welche die völkerrechtliche Diskussion des Problems zutage förderte, konnten Aussagen von solcher Unmittelbarkeit im Raum der evangelischen Kirche nicht selbstverständ174

D o k u m e n t a t i o n s b e r i c h t / W e s t f a l e n , S. 48 f. ( V D 19) - D i e s e Iserlohner T a g u n g w a r

unter dem E i n d r u c k initiiert w o r d e n , daß das G e w i c h t der H i l f s k o m i t e e s in den L a n d s mannschaften gerade auch im Vergleich mit der kath. Vertriebenenarbeit n o c h zu gering sei. D i e z u r Effektivierung ihrer A r b e i t in einem L a n d e s k o n v e n t zusammengeschlossene A r beitsgemeinschaft der H i l f s k o m i t e e s habe sich, so berichtete H e r b e r t N e ß , der westfälische Landesflüchtlingspfarrer, auf einer T a g u n g der Ο Κ Α - S p r e c h e r ,

Landesflüchtlingspfarrer

und V o r s i t z e n d e n der L a n d e s k o n v e n t e am 14. 5. 1959 in F r a n k f u r t / M . , „ n o c h nicht als tragfähig genug erwiesen" ( Α Ο Κ Α , A 7 / 1 9 5 9 , N r . 1 3 0 6 , S. 1 f.). 175

Z u m T h e m a wurden 1 9 5 8 / 5 9 insgesamt vier Fachtagungen in Arnoldshain abgehalten,

deren Beiträge sämtlich in der eigens dazu eröffneten R e i h e „Studien und G e s p r ä c h e ü b e r H e i m a t und H e i m a t r e c h t " verbreitet wurden ( B d . 1 : K. RABL, R e c h t ) . D i e s e R e i h e wie die Tagungen selbst wurden in V e r b i n d u n g mit dem Albertus M a g n u s K o l l e g , dem wissenschaftlichen Z e n t r u m der kath. Vertriebenenarbeit in K ö n i g s t e i n / T a u n u s , veranstaltet. 176

D i e s waren W a l t e r K ü n n e t h , der aus „evangelischer" (ebd., S. 11 ff.) und G . Sieg-

m u n d , der aus „katholischer S i c h t " (ebd., S. 4 0 ff.) sprach. - K ü n n e t h unterließ es z w a r nicht, unter H i n w e i s etwa auf M t 6 , 3 3 und die Gliedschaft der Christen in der Ö k u m e n e den W e r t „ H e i m a t " zu relativieren (vgl. S. 19 f.), zielte in seinem Referat j e d o c h v o r allem auf die „ T h e o n o m i e der H e i m a t " als „Erscheinungsgestalt der . . . creatio continua G o t t e s " (S. 19, 2 2 ) . D i e s e von i h m für unerläßlich gehaltene t h e o n o m e B e g r ü n d u n g erhält dann unmittelbare Relevanz für den heimatrechtlichen A n s p r u c h , weshalb der Erlanger T h e o l o g e den V e r z i c h t auf das t h e o n o m begründete H e i m a t r e c h t als „gleichbedeutend mit U n t r e u e gegenüber dem V e r m ä c h t n i s G o t t e s " (S. 25) und das „Ringen ums H e i m a t r e c h t " als „ K o n k r e t i s a tion der T r e u e zu G o t t e s V e r m ä c h t n i s " (S. 2 6 ) bezeichnen k o n n t e . 177

E b d . , S. 153.

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E u r o p ä i s c h e r Frieden und H e i m a t r e c h t

lieh und unangefochten bleiben. Wie sollte dies allein schon angesichts der bisher geschilderten Äußerungen und Streitigkeiten auch anders sein! Die Tagungsergebnisse von Arnoldshain und Iserlohn stehen vielmehr am Anfang einer über mehrere Jahre hinweg währenden Debatte verschiedener kirchlicher Kreise und Gremien nicht nur der Vertriebenenarbeit, sondern auch auf landeskirchlicher und schließlich dann gesamtkirchlicher Ebene 178 . So bildeten sich unabhängig voneinander auf allen diesen Ebenen entsprechende Initiativen. Die Frage der Ostgrenzen und des Heimatrechts stand seit 1959 im Zentrum der Aufmerksamkeit bei den Vertriebenengremien der E K D . Auf der Hauptgeschäftsführertagung der Hilfskomitees am 11./12. Februar 1959 konstatierten die Vertriebenenseelsorger eine „Unsicherheit bezüglich der künftigen deutschen Ostgrenzen", „auch bei den Arrivierten" sei die „Vergangenheit nicht bewältigt und die Frage nach dem Recht auf Heimat offen geblieben" 179 . Der Ostkirchenausschuß rief aus denselben Erwägungen im Mai 1959 eine Arbeitsgemeinschaft „zur Klärung der Heimatfrage" zusammen, die sich dieser aktuellen Problematik im Rahmen des Ostkircheninstituts annehmen sollte 180 . Dieser zunächst im Blick auf den Ostkirchenkonvent im Herbst 1959 unter dem Thema „Heimatrecht und Selbstbestimmungsrecht" konzipierte Kreis entwickelte sich zu einer bis heute bestehenden Institution des Ostkirchenausschusses, dem „Arbeitskreis für Ethik und Recht" 1 8 1 . Erstes Ergebnis jener Beratungen und Grundlage für alle weiteren Äußerungen der evangelischen Vertriebenengremien zum Heimat- und Heimatrechtproblem bilden fünf Thesen, die im wesentlichen auf eine 178

So kann es nicht v e r w u n d e r n , daß N e ß im S o m m e r 1 9 5 9 seiner Kirchenleitung über die

in den „ B r e n n p u n k t " gerückte F r a g e nach d e m R e c h t auf die H e i m a t und nach d e m Selbstbestimmungsrecht der Völker berichtet, sie sei „katholischerseits v o m N a t u r r e c h t her - und z w a r im allgemeinen positiv im Sinne der Vertriebenenverbände - geklärt, im Bereich der evangelischen Kirche und Theologie verschieden berantwortet und umstritten . . . In führenden Vertriebenenkreisen sind starke F r a g e n und auch Zweifel geäußert w o r d e n , o b und wieweit evangelischerseits überhaupt eine Bundesgenossenschaft in diesen F r a g e n besteht" (Dokumentationsbericht/Westfalen, S. 4 9 ; V D 19). 179

P r o t o k o l l in: Α Ο Κ Α , A 7 / 1 9 5 9 , N r . 5 9 5 , S. 1.

180

Vgl. die Vorlage Girgensohns für die erste Sitzung am 2 2 . / 2 3 . 5. 1 9 5 9 in M ü n s t e r

(ebd., C 8, N r . 1 4 9 8 v o m 2 7 . 5. 1 9 5 9 . D i e Niederschrift der Sitzung, an der die P r o f . R o b e r t Stupperich, E r n s t Kinder, der aus Danzig s t a m m e n d e Jurist D e r b e sowie die Pfr. SpiegelSchmidt und P. H a u p t m a n n teilnahmen (ebd., A 7 / 1 9 5 9 , N r . 2 1 9 8 ) . Girgensohn w a r an der Teilnahme wegen Krankheit verhindert. Sein für die Arbeit des Kreises entworfenes G r u n d satzreferat „Das R e c h t auf H e i m a t als seelsorgerliches P r o b l e m der G e g e n w a r t " (DER REMTER 1 9 5 9 , H e f t 4, S. 1 9 7 f f . ) w u r d e gleichwohl auf der ersten Sitzung behandelt. 181

Diese Bezeichnung trägt der zunächst als Arbeitsausschuß für „ H e i m a t r e c h t und

Selbstbestimmung" d e m Ostkircheninstitut angegliederte Kreis seit O k t o b e r 1 9 6 1 . Vgl. die Darstellungen v o n C . B r u m m a c k (UNVERLIERBARKEIT 1/1, S. 8 9 f f . ) und v o n G . R a u h u t (ebd., 1/2, S. 3 3 f.).

D a s H e i m a t r e c h t s p r o b l e m in der V e r t r i e b e n e n s e e l s o r g e

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Resolution der Ostkirchenkonventstagung v o m 22. bis 24. September 1959 in Königswinter 1 8 2 zurückgehen und kurz darauf vom Ostkirchenausschuß und Ostkirchenkonventsvorstand in folgender endgültigen F o r m verabschiedet wurden 1 8 3 : „Als G r u n d l a g e unserer B e s i n n u n g b e t r a c h t e n w i r die T h e s e n , die ein v o m R a t der E K D veranlaßtes G e s p r ä c h ü b e r die christliche B e g r ü n d u n g des R e c h t s am 14. und 15. M a i 1949 in G ö t t i n g e n erarbeitet hat u n d die in der S c h r i f t . K i r c h e und R e c h t ' , G ö t t i n g e n 1 9 5 0 , S. 51 ff. v e r ö f f e n t l i c h t w o r d e n sind. I n s b e s o n d e r e gingen wir aus v o n der T h e s e 5, Satz I : A u s der T a t s a c h e der S c h ö p f u n g und E r l ö s u n g ergibt sich die A c h t u n g v o r d e m M e n s c h e n als G r u n d e l e m e n t r e c h t l i c h e r O r d n u n g - und T h e s e 7 : A u c h die K i r c h e ist kraft dieser E r k e n n t n i s s e und in deren G r e n z e n verpflichtet und berechtigt, für das R e c h t e i n z u t r e t e n , w o es n o t tut. I. V o n einer A c h t u n g v o r d e m M e n s c h e n kann im V o l l s i n n n u r dann die R e d e sein, w e n n damit die A c h t u n g v o r seinem A n s p r u c h auf unbehelligtes L e b e n i n n e r h a l b eines ihn bergenden B e r e i c h s mit den dazu gehörigen G e s c h i c h t s - und G e m e i n s c h a f t s b e z i e h u n g e n ( H e i m a t ) v e r b u n d e n ist. D i e s e r A n s p r u c h ist in G o t t e s gnädiger A n o r d n u n g gegründet. I I . D a r u m ist jede Z e r s t ö r u n g o d e r V e r l e t z u n g dieses B e r e i c h s , gleich o b v o n Seiten einzelner o d e r v o n Seiten des Staates, gleich o b g e g e n ü b e r B ü r g e r n des eigenen L a n d e s oder anderen M e n s c h e n , wider G o t t e s W i l l e n . I I I . A u f g a b e des J u r i s t e n ist es, das also g e k e n n z e i c h n e t e R e c h t auf H e i m a t sachlich zu erläutern. N a c h M ö g l i c h k e i t seiner V e r w i r k l i c h u n g zu s u c h e n , obliegt dem P o l i t i k e r . D i e K i r c h e ihrerseits ist verpflichtet, beide zu einem im G e w i s s e n g e b u n d e n e n H a n d e l n z u m a h n e n u n d , w e n n es n o t tut, in W a h r u n g ihres W ä c h t e r a m t e s w a r n e n d und helfend die Stimme zu erheben. I V . D e r C h r i s t wird das R e c h t auf H e i m a t glaubwürdig nicht vertreten k ö n n e n , o h n e das U n r e c h t und die Schuld z w i s c h e n V ö l k e r n und M e n s c h e n zu b e k e n n e n . E r w e i ß , daß w i r n u r von der V e r g e b u n g G o t t e s leben und jeder N e u b e g i n n der B e z i e h u n g e n z w i s c h e n M e n s c h e n und V ö l k e r n auf V e r g e b u n g untereinander b e r u h t . D e r C h r i s t ist verpflichtet, sich für die G ü l t i g k e i t des R e c h t s auf H e i m a t in aller W e l t einzusetzen. E r darf G o t t in D e m u t u m die W i e d e r h e r s t e l l u n g des i h m e n t z o g e n e n R e c h t s bitten. G e w ä h r u n g o d e r V e r s a g u n g der H e i m a t steht in der H a n d G o t t e s , der als souveräner H e r r der G e s c h i c h t e in G e r i c h t und G n a d e an uns handelt. V . D e r C h r i s t steht in ständiger V e r a n t w o r t u n g v o r G o t t , auch als M a n d a t s t r ä g e r m e n s c h licher G e m e i n s c h a f t e n . D a r u m wird jeder C h r i s t bei seinem politischen H a n d e l n in der i h m a u f g e z w u n g e n e n S o r g e für die R e c h t e seines N ä c h s t e n nach d e m k o n k r e t e n W i l l e n und G e b o t Gottes fragen."

Unverkennbar erhalten diese Sätze eine theologisch begründete Befürwortung des Heimatrechtsprinzips, an dessen Beachtung sich die Vertriebenenseelsorge wie die Kirche insgesamt gebunden wissen solle, soweit es die Anerkennung der souveränen Herrschaft Gottes in der Geschichte überhaupt zulasse. Die Konzentrierung auf den Rechtsgedanken tritt vor dem Hintergrund der Entstehung dieser Thesen noch stärker hervor. In

1.2

A b g e d r u c k t in: e b d . , 1/1, S. 3 0 f . - D i e s e R e s o l u t i o n basierte w i e d e r u m auf einem v o m

eben e r w ä h n t e n A r b e i t s a u s s c h u ß f o r m u l i e r t e n E n t w u r f . V g l . das P r o t o k o l l der Sitzungen dieses A u s s c h u s s e s w ä h r e n d der K ö n i g s w i n t e r e r K o n v e n t s t a g u n g (NACHLASS BRUMMACK, Akte „ O K A 1957-1959"). 1.3

A O K A , A 7 / 1 9 5 9 und Ο Κ Α - J a h r e s b e r i c h t 1 9 5 9 / 6 0 ( e b d . / 1 9 6 0 , N r . 2 3 0 7 ) .

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Europäischer Frieden und Heimatrecht

seinem p r o g r a m m a t i s c h e n R e f e r a t „ D a s R e c h t auf H e i m a t als seelsorgerliches P r o b l e m der G e g e n w a r t " 1 8 4 hatte G i r g e n s o h n die O r i e n t i e r u n g des H e i m a t - u n d H e i m a t r e c h t s p r o b l e m s , s o w e i t es v o n K i r c h e u n d Seelsorge behandelt w i r d , an der „ k o n k r e t e n W i r k l i c h k e i t " , d e m „ E r f a s s e n der k o n k r e t e n Situation . . ., in die hinein das befreiende W o r t gesagt w e r d e n m u ß " , gefordert 1 8 5 . D a z u erschienen i h m die B e r ü c k s i c h t i g u n g des U n r e c h t s c h a r a k t e r s der Vertreibung 1 8 6 e b e n s o unerläßlich wie die B e h a n d lung der historisch u n t r e n n b a r d a m i t v e r k n ü p f t e n Schuldfrage, die es „in i h r e m g a n z e n U m f a n g e , in ihrer f l u c h w ü r d i g e n V e r z a h n u n g " aufzurollen gelte 1 8 7 . V o n diesem A n s a t z her gelangte G i r g e n s o h n schließlich z u der F o r d e r u n g , „bei allem b e r e c h t i g t e n V e r t r e t e n des eigenen R e c h t s a n s p r u c h e s " O f f e n h e i t z u g e w i n n e n für einen „Interessenausgleich" m i t den N a c h b a r n i m O s t e n , „den F a d e n der G e s c h i c h t e [im O s t e n ]

wieder

a u f z u n e h m e n " , u n d z w a r „in einem n e u e n G e i s t " , g e w o n n e n aus innerer B e w ä l t i g u n g des G e s c h e h e n e n . „ R e c h t auf H e i m a t " galt für G i r g e n s o h n deshalb nicht p r i m ä r als ein t h e o n o m b e g r ü n d b a r e s P r i n z i p , d e m kirchliches W ä c h t e r a m t u n d Seelsorge z u verpflichten seien, s o n d e r n b e d e u t e t e ihm „die B i t t e an G o t t , uns in seiner G ü t e die Gelegenheit z u r W e i t e r f ü h r u n g der G e s c h i c h t e z u geben" 1 8 8 . " 4 Vgl. Anm. 180. 185 Vgl. ebd., S. 199. 186 „Man kann den Menschen nicht zur Bewältigung des erlebten Unrechts verhelfen, wenn man das Unrecht bagatellisiert oder verschweigt" (ebd., S. 200) 187 Ebd. 188 Ebd., S. 202. - Weder dieses Referat, noch so gut wie alle übrigen Äußerungen Girgensohns zu dem Problemkreis erlauben es, diesen führenden Theologen der Vertriebenenseelsorge als Gewährsmann einer auf Wahrung oder Durchsetzung des Rechtsgedankens zugespitzten politischen Diakonie und seelsorgerlichen Hilfe zur Schicksalsbewältigung zu beanspruchen. Zwar hat Girgensohn das Heimatrecht bejaht und, wie das Protokoll der Königswinterer Tagung 1959 zeigt, entsprechende juristische Beweisgänge positiv in seine Argumentation einbeziehen können. Doch dient diese von Anfang an ausdrücklich nicht bestimmten politischen Zielsetzungen, sondern einer den Bereich politischer Alternativen transzendierenden seelsorgerlichen Hilfe zur Schicksalsbewältigung und zum Aufbau einer christlichen Lebensgemeinschaft (ebd., S. 202). Vgl. schon „Evangelium und Heimat" (S. SEEBERG, Vertriebene, S. Iff.) und bereits „Flüchtlinge und Kirche", S. 36. Die Anerkennung des Rechtes auf Heimat (Girgensohn spricht, so weit ich sehe, nirgendwo vom „Recht auf die Heimat") bedeutet für ihn die „Feststellung des Unrechts" der Vertreibung - Vgl. den in der Vertriebenen-Denkschrift (DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 121) zit. Passus aus „Das Recht auf Heimat" (INFORMATIONSBLATT vom 12. 5. 1960) - als Ausdruck einer für den Vertriebenenseelsorger unerläßlichen „letzten Solidarität" mit dem Vertriebenenschicksal. Dies ist wiederum Voraussetzung dafür, in der Seelsorge allen „Anmaßungen, die angesichts der Vergangenheit noch aufrechterhalten" werden, glaubwürdig entgegentreten zu können (vgl. H. GIRGENSOHN: „Die Vertriebenen und die kirchliche Seelsorge", S. 11 und 13). Ebenso wendet sich Girgensohn von Anfang an jedoch auch gegen die seiner Meinung nach nur Gott selbst vorbehaltene Herstellung einer „direkten Beziehung zwischen Schuld und Schicksal",z.B. in dem Aufsatz von 1954: „Bewältigung des Schicksals" (Kräfte, S. 127), was für ihn gleichbedeutend ist mit dem in nahezu allen Äußerungen angeprangerten

D a s H e i m a t r e c h t s p r o b l e m in der V e r t r i e b e n e n s e e l s o r g e

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Dieser Zusammenhang trat in den Beratungen des Arbeitskreises wie auch des Ostkirchenkonvents jedoch vor dem unmittelbaren Interesse zurück, den Heimatrechtanspruch theologisch zu prüfen und weitestmöglich zu sanktionieren18'. So wurde es möglich, daß die einem ganz anderen geschichtlichen Zusammenhang zugehörige Thesenreihe zu „Kirche und Recht" von 1949190 zur „Grundlage unserer Besinnungen", „ F a t a l i s m u s " als „ U n g l a u b e n g e g e n ü b e r J e s u s C h r i s t u s " ( e b d . , S. 124) als dem „ H e r r n der G e s c h i c h t e " ( „ F r a g e n des ev. P f a r r a m t s h e u t e und das P f a r r a m t in A u s l a n d s g e m e i n d e n " ; ebd., S. 1 1 9 f . ) . V g l . z u r A b w e h r des „ F a t a l i s m u s " und „stoischer D e n k u n g s a r t " v o r allem auch das G r u n d s a t z r e f e r a t v o n H.GIRGENSOHN auf der Kasseler F l ü c h t l i c h s t a g u n g der E K D 1958 ( V e r t r i e b e n e , S. 17). I n diesem R e f e r a t e r w ä h n t G i r g e n s o h n i m übrigen m i t k e i n e m W o r t den H e i m a t r e c h t g e d a n k e n . * " A u s d e m P r o t o k o l l des A r b e i t s k r e i s e s v o m 2 2 . / 2 3 . 5. 1 9 5 9 ( Α Ο Κ Α , A 7, N r . 2 1 9 8 ) und v o m 21 , / 2 2 . bis 2 4 . 9. 1 9 5 9 (ebd., o h n e N r . ) geht h e r v o r , daß sehr bald n e b e n der v o r allem v o n S p i e g e l - S c h m i d t vertretenen O r i e n t i e r u n g der A r b e i t an der von G i r g e n s o h n e n t w i c k e l t e n A u f g a b e n s t e l l u n g , „die A u f f i n d u n g einer t h e o l o g i s c h e n W a h r h e i t , die der Schaffung eines H e i m a t r e c h t s eine G r u n d l a g e bieten k ö n n t e " ( P r o t o k o l l v o m 2 2 . 5. 1 9 5 9 , S. 2) als weitere A u f g a b e h i n z u k a m und schließlich, v o r allem anhand eines t h e o l o g i s c h e n Referats v o n P . W r z e c i o n k o ( M ü n s t e r ) z u m H e i m a t - und S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t und auf A n r e g u n g der juristischen T e i l n e h m e r , v o r allem K . R a b i s (vgl. P r o t o k o l l v o m 2 1 . 9 . 1 9 5 9 , S. 1), ganz in den V o r d e r g r u n d r ü c k t e . W ä h r e n d F . S p i e g e l - S c h m i d t , der übrigens die S c h l u ß t h e s e n aus der S c h r i f t „ K i r c h e u n d R e c h t " v o n 1 9 4 9 in die D i s k u s s i o n eingebracht hatte (vgl. ebd.), seine A u s f ü h r u n g e n z u m H e i m a t ( - r e c h t ) - p r o b l e m stärker auf die k o n k r e t e politische Situation b e z o g und B e d e n k e n gegen eine t h e o l o g i s c h e Ü b e r h ö h u n g des R e c h t s begriffs äußerte (vgl. „ S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t und H e i m a t r e c h t " ; i n : DER REMTER, 1 9 5 9 , H e f t 4, S. 2 1 9 f f . , bes. 2 2 5 f f . , und bereits i n : „ Z u r F r a g e der H e i m a t " , in: Z E E

1959,

S. 174 ff.), a r g u m e n t i e r t e W r z e c i o n k o stärker i m S i n n e t h e o n o m e r B e g r ü n d u n g des H e i m a t r e c h t a n s p r u c h s (vgl. G r u n d g e d a n k e des R e f e r a t s : „ D a s P r o b l e m der H e i m a t und des R e c h t s auf H e i m a t " ; in: A O K A , C 14, N r . 2 6 4 3 ) . B e s o n d e r s die endgültige F o r m u l i e r u n g der I V . und V . T h e s e (vgl. o b e n S. 5 0 f.) belegt die V o r r a n g i g k e i t des Interesses am H e i m a t r e c h t , w u r d e n d o c h solche W e n d u n g e n eliminiert o d e r z u m i n d e s t d e m H e i m a t r e c h t a n s p r u c h b e i - und u n t e r g e o r d n e t , in denen die S o r g e u m das R e c h t v o r der K o n t i n g e n z des göttlichen Willens o d e r gar d e m eschatologischen H e i l selbst stärker relativiert erschien. So fand sich im ersten E n t w u r f des A r b e i t s k r e i s e s n o c h die A u s s a g e : „ D e r C h r i s t w i r d in seinem politischen H a n d e l n in erster L i n i e n i c h t nach seinem R e c h t fragen, das er in G o t t e s H ä n d e n g e b o r g e n w e i ß , s o n d e r n n a c h dem k o n k r e t e n W i l l e n und G e b o t G o t t e s " ( P r o t o k o l l v o m 21. 9 . 1 9 5 9 , S. 3). I m E n t w u r f , wie er dem O s t k i r c h e n k o n v e n t vorlag, w u r d e die Stellung des C h r i s t e n unter H i n w e i s auf M t 6 , 3 3 n o c h deutlicher a b g e h o b e n : „ A u f g a b e des J u r i s t e n ist es, das also g e k e n n z e i c h n e t e R e c h t auf H e i m a t sachlich z u erläutern. N a c h M ö g l i c h k e i t e n seiner V e r w i r k l i c h u n g zu s u c h e n , obliegt d e m P o l i t i k e r . D e r C h r i s t wird auch in seinem politischen H a n d e l n die S o r g e u m sein R e c h t der W e i s u n g seines H e r r n u n t e r o r d n e n : , T r a c h t e t am ersten nach d e m R e i c h G o t t e s und n a c h seiner G e r e c h t i g k e i t , so wird euch solches alles z u f a l l e n . ' " A n d e r e r s e i t s enthält die endgültige F o r m u l i e r u n g der T h e s e n i m G e g e n s a t z z u allen E n t w ü r f e n einen H i n w e i s auf die N o t w e n digkeit des B e k e n n t n i s s e s der „Schuld z w i s c h e n V ö l k e r n und M e n s c h e n " als B e d i n g u n g einer glaubwürdigen V e r t r e t u n g des H e i m a t r e c h t s (vgl. T h e s e I V ) . Sie w a r das E r g e b n i s eines G e s p r ä c h s k r e i s e s , den der R a t der E K D i m A n s c h l u ß an die E K D - S y n o d e v o m 9. bis 13. 1. 1 9 4 9 in B e t h e l einberufen hatte. D i e s e 1. Sitzung der ersten E K D - S y n o d e hatte sich angesichts des durch die N S - H e r r s c h a f t

heraufbeschworenen

R e c h t s n o t s t a n d e s um eine christliche B e g r ü n d u n g des R e c h t s - und G e r e c h t i g k e i t s g e d a n -

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Europäischer Frieden und Heimatrecht

wie es in der Resolution heißt, erklärt werden und später die Äußerungen des Arbeitskreises für „Ethik und Recht" auf Jahre hin bestimmen konnte" 1 . Zu Recht wurde jenen sogenannten Thesen von Königswinter große Bedeutung zugemessen192. Sie erschienen damals den daran Beteiligten als grundlegend und erwiesen sich auch aus späterer Sicht, vor allem vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen um die Vertriebenen- und Ostdenkschrift der EKD 1 9 3 , als eine entscheidende Weichenstellung 1 ' 4 . Mit ihrer Konzentrierung auf den Rechtsgedanken, die Prinzipien des Heimat- (und Selbstbestimmungs-) 195 rechts entsprachen die kirchlichen Vertriebenengremien im wesentlichen der Linie, nach welcher die Sprecher der säkularen Vertriebenenverbände auf die Ost- und Deutschlandpolitik Einfluß auszuüben suchten. Diese konnten sich nach allem, was die kens bemüht, ohne bereits zu einem abschließenden Urteil zu gelangen. Vgl. den Synodalbericht BETHEL 1949 (passim) und den Bericht des Vorsitzenden des betreffenden Synodalausschusses, Dibelius, (S. 114 f.), dem im wesentlichen entsprochen wurde. Vgl. auch unten Anm. 191. 1.1 Vgl. vor allem die „Stellungnahme zur sechsten der Thesen über .Kirche und Recht'" vom 26. 9. 1961, die der O K A am 3. 10. 1961 und nochmals im Zusammenhang mit dem ΟΚΑ-Protokoll vom 3. 1. 1962 der Kirchenkanzlei übermittelte (AKK, 518, Beiheft O K A III, Nr. 2497/1961; 3072/1961 und o. Nr./1962). Eine überarbeitete Fassung der Stellungnahme vom Oktober 1962 ist in: UNVERLIERBARKEIT 1/1, S. 138f. wiedergegeben. Dieser Vorgang gehört bereits zum Umfeld der Auseinandersetzung um das sog. Tübinger Memorandum (vgl. unten S. 72 f f . ) . - I m übrigen sahen sich 1962/63 die Teilnehmer am Gesprächskreis in Göttingen 1949 über Kirche und Recht auf eine entsprechende Anfrage hin nicht oder nur unter Einschränkung in der Lage, die Thesen des O K A und Ostkirchenkonvents als eine sachgemäße Weiterführung des damaligen Ergebnisses anzuerkennen. Während etwa die Prof. Ernst Wolf und Werner Wiesner den O K A völlig abschlägig beschieden wegen der in den Thesen enthaltenen „Geschichtsphilosophie" (Wolf) und weil das Evangelium hier zur theologischen Sanktionierung „irdischer Rechtsansprüche" gebraucht werde (Wiesner), zeigte sich Friedrich Delekat gegenüber der politischen Umsetzbarkeit des Heimatrechts skeptisch. Am weitesten stimmte noch Prof. Ulrich Scheuner zu, der sich aber auch gerade hinsichtlich der Aussagen zum Heimatrecht und des „Wiederherstellungsgedankens" einschränkend äußerte (vgl. die Antworten in: A O K A , C 7 III/1963). 1.2 Vgl. etwa C . Brummack (UNVERLIERBARKEIT 1/1, S. 90). Vgl. F. Hamm (ebd., S. 30). 193 Vgl. vor allem die Bedeutung des Rechtsprinzips in den Lübecker Thesen (Vgl. dazu unten S. 109 ff.). m Dies nicht berücksichtigt zu haben, ist sicher ein Mangel in der ansonsten so aufschlußreichen Skizze von F. SPIEGEL-SCHMIDT, Kirche. Die von ihm (S. 30 f.) kritisch beschriebene Stellung des O K A im Zusammenhang des Ansbacher Ostpfarrertages 1960 erscheint dann in einem anderen Licht, nämlich als Fortführung der Linie von Königswinter 1959. 1,5 Auf die Einzelheiten dieser rechtspolitischen und -theologischen Diskussion, also etwa der in Königswinter wie auch auf vergleichbaren Veranstaltungen (z.B. in der Ev. Akademie Arnoldshain) behandelten Frage des Selbstbestimmungsrechts und seiner Bedeutung für die Lösung des Ostproblems, soll hier nicht näher eingegangen werden. Dem Selbstbestimmungsrecht galt die Ostkirchenkonventstagung 1961 in Espelkamp. Vgl. F. Hamm (UNVERLIERBARKEIT 1/1, S. 31 f.) und Leonid v. Cubes Bericht (DER REMTER 1961, Heft 6, S. 361 f.).

Das Heimatrechtsproblem in der Vertriebenenseelsorge

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vorliegenden Quellen zu erkennen geben, mit ihrer Aufrechterhaltung der Forderung nach dem „Recht auf die Heimat" der Unterstützung jener kirchlichen Gremien sicher sein196. Eine solche grundsätzliche Ubereinstimmung erschien Ostkirchenausschuß und Ostkirchenkonvent wohl auch geboten, wenn die evangelische Kirche noch irgendeinen Einfluß auf die Massen der Vertriebenen und ihre Verbände ausüben oder umgekehrt den Vertriebenen kirchliche Heimstatt bieten könne und wolle197. Unverkennbar beflügelten diese Sorgen den Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses, wenn er etwa am 4. Februar 1960 den Rat der E K D auf den „eher verstärkten als verminderten Zulauf der Vertriebenen zu den Großveranstaltungen ihrer Verbände" und auf deren schon allein zahlenmäßiges gesellschaftliches Gewicht hinwies198 oder den Vertriebenenbeauftragten der E K D , Bischof Reinhard Wester, auf den Anstoß aufmerksam machte, den die Behandlung der Vertriebenen- und Ostfragen vor allem durch die evangelischen Akademien bei den säkularen Vertriebenenverbänden erregt habe und die Möglichkeit einer entsprechenden Beeinflussung der Akademien ins Auge faßt199. Das Ergebnis der Königswinterer Tagung löste eine breitere Diskussion aus, bzw. band einen Teil der ohnehin in jenen Jahren verstärkt die Öffentlichkeit bewegenden Debatte um das Heimatrecht und die Zukunft der Ostgebiete. Forum dieser Diskussion sollte „Der Remter" werden, dessen vorletzter Jahrgang 200 ganz im Zeichen der Fragen um Heimat und Heimatrecht stand201. Bereits Anfang 1960 verfügte die Schriftleitung über eine ganze Reihe Äußerungen, die „von voller Zustimmung bis zu empörter Ablehnung" reichten202. Einen starken Impuls löste die Veröffentlichung von Sätzen zur Diskussion um das Heimatrecht aus, die Karl Barth

l % In einem der Presse übergebenen Protokoll vom 12. 12. 1960 ( Α Ο Κ Α , A 7/1961, Nr. 142), das vom BdV-Präsidenten, H . Krüger, und vom ΟΚΑ-Vorsitzenden, Gülzow, unterzeichnet ist, stellen beide Organisationen ihre Ubereinstimmung auf Grundlage der Thesen zur Frage des Rechts auf Heimat fest. Mit diesem Protokoll sollten Unstimmigkeiten beseitigt werden, die zwischen den kirchlichen und säkularen Vertriebenengremien durch die Presseberichterstattung über ein Grundsatzreferat des ΟΚΑ-Vorsitzenden auf dem Ostpfarrertag am 28. 9. 1960 in Ansbach aufgekommen waren. Vgl. dazu unten S. 57f. " 7 Vgl. dazu unten, S. 188ff„ bes. S. 189. " s Aktenvermerk Gülzows über seinen Vortrag vor dem Rat am 4. 2. 1960 ( Α Ο Κ Α , A 1/1960, N r . 356, S. 1). Schreiben Gülzows an Wester vom 14. 12.1959 (EZA BERLIN, Nachlaß Wester, 9b). 200 6. Jg. (1960); vgl. oben, S. 30, Anm. 114. 201 Bereits das der Königswinterer Tagung folgende Heft 6 des 5. Jg. (1959), in dem ein Tagungsbericht erschien (S. 366 f.) und der Teil des Königwinterer Referats von SpiegelSchmidt zur Diskussion gestellt wurde, in dem dieser die Forderung nach Restitution der Heimat kritisch hinterfragt (S. 368 ff.), enthält zwei Leserbriefe, die die Forderung nach Rückgewinnung der Ostgebiete bekräftigen sollten. 202 DER REMTER 1960, Heft 1, S. 43.

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Europäischer Frieden und Heimatrecht

dem „Remter" zur Verfügung gestellt hatte203. Darin wird auf jegliche theonome Begründung oder Sakralisierung der „Heimat" verzichtet sowie ein „absolutes ,Recht' auf Heimat" negiert. Die Theologie seiner Sätze liegt darin, daß Barth das deutsche Heimatvertriebenenproblem 204 ausschließlich in der Immanenz politischer Sacherwägung beläßt, wenn er es anhand folgender Fragen erörtert: „1. Welchen Anteil haben sie in ihrer früheren Heimat in den Jahren 1933 bis 1945 am Aufstieg und an der Durchführung des Nationalsozialismus und also an der Ursache der ,Völkerwanderung' gehabt, in der sie sie jetzt verloren haben? 2. Sind sie heute (1960) wirklich immer noch .Heimatvertriebene' oder haben sie (oder jedenfalls ihre Kinder) unterdessen nicht längst eine neue Heimat gefunden? 3. Was erwarten sie - abgesehen von ihrem relativen ,Recht' darauf - positiv von einer Wiedergewinnung ihrer früheren Heimat? 4. Können sie den Anspruch auf ihre frühere Heimat verantworten: a) gegenüber denen, denen sie unterdessen - auch ihnen ungefragt, im Zug der allgemeinen Völkerwanderung - neue Heimat geworden ist? b) angesichts der heutigen Weltlage, in der die Durchsetzung ihres Anspruchs nach menschlichem Ermessen nur um den Preis eines allgemeinen, diesmal mit Atomwaffen auszufechtenden, Krieges möglich wäre?"

In der Mehrzahl der Antworten 205 wurden diese Fragen, teilweise mit Empörung, zurückgewiesen. Der „Deutsche Ostdienst" vom 15. August 1960 wandte sich nicht nur gegen den Inhalt, sondern bedauerte in seiner auf den Schriftleiter, Spiegel-Schmidt, zugespitzten Kritik zudem die Veröffentlichung der Barthschen Thesen überhaupt206 und äußerte seine Erwartung, daß der Ostkirchenausschuß „ein abschließendes, der guten und gerechten Sache nicht nur der Vertriebenen, sondern vor allem der Versöhnung der Völker dienendes Wort finden wird" 207 . Nur gelegentlich berühren die Antworten die Ebene immanent politischer Sacherwägung, d. h. vor allem des realen Kräfteverhältnisses in Mittel- und Osteuropa. In der, auch in Barths Antwort als Ausnahme herausgehobenen, Stellungnahme des damaligen Mitglieds des Ostkirchenausschusses Tucker203 Ebd., Heft 3, S. 140 (abgedruckt in: K. BARTH, Götze, S. 179f.) Vgl. zum Heimatproblem bei K. BARTH im übrigen: Kirchliche Dogmatik I I I / 4 , S. 328ff. 204 Barth setzt den Begriff „Heimatvertriebene" selbst in Anführungszeichen. 205 DER REMTER 1960, Heft 4, S. 221 ff.; Heft 5, S. 283ff. Darunter befanden sich eine ausführliche Erwiderung auf die Thesen von Barth durch den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Kai-Uwe v. Hassel (ebd., S. 222 f.) und eine Zuschrift der ostpreußischen Dichterin Agnes Miegel (ebd., S. 285). Barth antwortete in einem persönlichen Brief an den Schriftleiter des „Remter" (ebd., S. 2 8 4 f . ) und stellte die Frage: „Habe ich so weit an ihren Ohren vorbeigeredet, daß sie mich nicht mehr verstehen konnten? Oder hatten und haben sie so harte Ohren, daß sie mich nicht verstehen wollten?" Es sei nicht das erste Mal, daß er „versucht habe, etwas in das Stimmengewirr der mir wirklich lieben Deutschen hineinzurufen" und daß er „danach mit allerlei Ethik, Metaphysik und leider auch Theologie glorios zugedeckt worden" sei. 206 207

Ebd., S. 283. Ebd., S. 284.

D a s H e i m a t r e c h t s p r o b l e m in der V e r t r i e b e n e n s e e l s o r g e

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mann208 fehlt zwar auch nicht der Gedanke einer Unverzichtbarkeit der Vertretung des Heimatrechts gegenüber den Menschen, doch verknüpft dieser die Frage nach Heimat und Heimatrecht deutlich mit seelsorgerlichen Erwägungen etwa in der Richtung Girgensohns, wenn er das Trauma erlittenen Unrechts anrührt 20 '. Der Ostkirchenausschuß begrüßte die gerade durch Barths Sätze entbrannte Diskussion und veröffentlichte gegen Ende 1960 als „abschließendes Wort" 2 1 0 eine Erklärung 211 , die dem Grundsatzreferat seines Vorsitzenden auf dem Ansbacher Ostkirchen- und Ostpfarrertag vom 26. bis 29. September 1960, „Unsere evangelische Verantwortung für die heimatpolitische Lage" 212 , entsprach213. Die damalige politische Situation erwecke, so Gülzow, den Eindruck, „als ob alles auf die Konsolidierung der Grenzen, wie sie 1945 gezogen sind . . . hinausgeht". Das internationale Interesse am Schicksal der 201

E b d . , S. 2 2 5 ff. - T u c k e r m a n n schied aus persönlichen G r ü n d e n bald darauf aus d e m

O K A aus. 205

„ W i r , denen so viele liebe V e r w a n d t e und F r e u n d e ums L e b e n k a m e n , k ö n n e n uns

eines L ä c h e l n s n i c h t e r w e h r e n ü b e r das M i ß Verständnis, als o b w i r ein R e c h t verabsolutieren w o l l t e n . . . . I c h glaube . . ., d a ß t r o t z aller Zwielichtigkeit irdischen R e c h t e s der heilige G o t t das R e c h t lieb h a t . . . D a ß w i r uns als D e u t s c h e nicht von unserer S c h u l d distanzieren k ö n n e n , das h a b e n w i r V e r t r i e b e n e nach 1945 bitter erlebt, als w i r u n t e r f r e m d v ö l k i s c h e r H e r r s c h a f t standen und j e n e w e i ß e n A r m b i n d e n tragen m u ß t e n , deren T r a g e n w i r wenige J a h r e z u v o r den J u d e n z u g e m u t e t hatten. . . . V e r t r e i b u n g ist etwas anderes, etwas S c h l i m m e r e s , es k o m m t der völligen E n t r e c h t u n g nahe. E s ist eine ü b e r uns g e k o m m e n e K a t a s t r o p h e , ein neues U n r e c h t , das die andern uns zufügten. W i r d a n k e n G o t t , der uns aus der K a t a s t r o p h e herausführte und uns einen neuen L e b e n s a n f a n g s c h e n k t e . T r o t z d e m bleibt Schlesien m e i n e H e i m a t , an die ich o h n e Schuldgefühl d e n k e unter dem H i o b w o r t : D e r H e r r hats gegeben, der H e r r hats g e n o m m e n . . . . W i r m e i n e n , es [das G e s c h e h e n der V e r t r e i b u n g ] sei n o c h k e i n e endgültige abgeschlossene Sache, s o n d e r n ein U n r e c h t s z u s t a n d o h n e innere Stabilität. W i r h a b e n n o c h nicht auf die R ü c k k e h r verzichtet, w e n n w i r auch n ü c h t e r n genug sind zu sehen, d a ß w i r heute und in der ü b e r s c h a u b a r e n Z u k u n f t keine A u s s i c h t auf R ü c k k e h r h a b e n und daß die Z e i t gegen uns arbeitet. . . . W a s w i r - abgesehen von dem relativen R e c h t von einer W i e d e r g e w i n n u n g unserer früheren H e i m a t e r w a r t e n , fragt K a r l B a r t h . D a verweigern w i r die A n t w o r t ; denn w i r k ö n n e n eben von diesem R e c h t nicht absehen. . . . O b w i r den A n s p r u c h auf die frühere H e i m a t v e r a n t w o r t e n k ö n n e n ? Solange die W e l t das uns angetane U n r e c h t nicht sehen will, solange das R e c h t auf die H e i m a t n i c h t k o d i f i z i e r t ist, k ö n n e n w i r n i c h t v e r z i c h t e n . U m der vielen M i t v e r t r i e b e n e n in aller W e l t willen d ü r f e n w i r es nicht zulassen, daß u n t e r den V ö l k e r n der E i n d r u c k entsteht, als sei die V e r t r e i b u n g v o n M e n s c h e n aus ihrer H e i m a t ein M i t t e l zur H e r s t e l l u n g rechtsstaatlicher Zustände. W a s sich dereinst aus u n s e r m A n s p r u c h politisch e n t w i c k e l t , wissen w i r h e u t e n o c h n i c h t . Vielleicht m ü s s e n w i r dereinst auf die W i e d e r g e w i n n u n g unserer alten H e i m a t v e r z i c h t e n um g r ö ß e r e r A n l i e g e n willen. W i r n e h m e n diese letzte F r a g e K a r l B a r t h s sehr ernst, bitten ihn aber auch u m V e r s t ä n d n i s für unsere A n t w o r t e n . " 210

Vgl. den H i n w e i s i n : DER REMTER 1 9 6 0 , H e f t 5, S. 2 8 8 .

211

E b d . , H e f t 6 , S. 3 2 3 ff.

2,2

A O K A , C 8/1960, o . N r .

215

V g l . F. SPIEGEL-SCHMIDT, K i r c h e , S. 3 0 f.

58

Europäischer Frieden und Heimatrecht

Deutschen sei gering, die Aufmerksamkeit ruhe auf anderen Konflikten. Aber auch gerade angesichts dieser tagespolitischen Ungunst bekräftigte Gülzow im letzten, theologischen Teil seiner Rede, daß es zum „Menschsein in dieser Welt" einer „festen Basis" bedürfe, wie sie mit der Bemühung um die Begründung des Rechts auf Heimat zu gewinnen sei. Der Ostkirchenausschuß gehe dabei nicht vom geographischen Ort aus, sondern „zunächst vom Menschen selbst", der „Anspruch auf ein unbehelligtes Leben . . . in seiner ihn bergenden Heimat" habe. Von daher sahen Gülzow und mit ihm der Ostkirchenausschuß die Kirche und ihre Vertriebenenseelsorge vor eine doppelte Aufgabe gestellt: „Wir haben unsere Brüder und Schwestern [gemeint sind die, „die den legitimen Auftrag haben, im Namen der Vertriebenen das Heimatrecht und die Rückkehr in die Heimat im Osten zu fordern"] auf ihrem Wege zu begleiten mit dem Wächteramt, um zu warnen, wenn sie in die Gefahr kommen sollten, unchristlich, d.h. gegen Gottes Gebot zu reden und zu handeln. Und wir haben sie ebenso mit unserer Seelsorge zu begleiten, um ihnen vom Worte Gottes her Klärung und Hilfe zu geben und ihnen Mut zu machen, für das Recht und die Gerechtigkeit einzustehen." 214

Anders als der Schriftleiter des vom Vorsitzenden herausgegebenen „Remter" 2 1 5 griff der Ostkirchenausschuß selbst in die Debatte, also deutlich im Sinne einer Ermutigung solcher politischen Kräfte ein, denen das Heimatrechtprinzip trotz gegenläufiger aktueller politischer Entwicklungen zur unverzichtbaren Basis einer Lösung der Ost- und Vertriebenenfrage geworden war. Es geschah dies erklärtermaßen in Anwendung der Königswinterer Thesen von 1959 2 ". Daß einer theologischen Argumentation die unmittelbare und absolute Vertretung des Restitutionsanspruchs verwehrt bleiben mußte, konnte gelegentlich zwar bei Teilen der Vertriebenenpolitiker und der ihnen nahestehenden Presse zu Mißverständnissen führen, diese ließen sich aber hinsichtlich der Position von Ostkirchenausschuß und Ostkirchenkonvent ausräumen 217 . Stieß die von Königswinter 1959 vorgezeichnete Linie innerhalb der

214 Gülzow hob gerade auch angesichts des Hinweises auf „unsere Schuld" auf die Notwendigkeit ab, als Christen „grundsätzlich für das Recht" einzustehen. Die „Frage nach dem Recht des Menschen und der Menschengruppe" dürfe m a n - so Gülzow gegen die Frage 4 b) von Barth (vgl. oben S. 56) - „nicht einfach abbiegen und erledigen". 215 F. Spiegel-Schmidt zog sein Resümee ganz im Sinne der Sätze Barths und übte entsprechende Kritik an der Position der Vertriebenenverbände (vgl. DER REMTER 1960, Heft 5, S. 285 ff.). Der Widerspruch zwischen Spiegel-Schmidt und dem O K A verschärfte sich 1959 bis 62 zusehends, was in entsprechenden Schriftwechseln, vor allem in Protesten des früheren ΟΚΑ-Geschäftsführers gegen Äußerungen des Heimatrecht- und Rückkehranspruchs, seinen Niederschlag gefunden hat. 216 Vgl. Gülzows Referat, S. 6f. (vgl. Anm. 212). 217 Vgl. O K I D vom 8. 11. 1960 (AOKA, C 6), das oben S. 196 bereits erwähnte Protokoll vom 12.12. 1960, und den OKA-Jahresbericht 1960 (ebd., A 7, S. 2) u. ä.

D a s H e i m a t r e c h t s p r o b l e m in der V e r t r i e b e n e n s e e l s o r g e

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kirchlichen Vertriebenengremien nur auf geringen Widerspruch 2 1 8 , so führten entsprechende Erwägungen im übrigen R a u m der evangelischen Kirche, etwa auf landeskirchlicher Ebene, in den Akademien oder gar bei der E K D , Anfang der 60er Jahre häufiger zu anders gearteten Schlußfolgerungen.

218

N e b e n S p i e g e l - S c h m i d t und ihm nahestehenden V e r t r i e b e n e n ist hierbei v o r allem an

P r o f . I w a n d zu erinnern, dessen o s t p r e u ß i s c h e s H i l f s k o m i t e e i h m in seiner scharfen A b l e h nung jeglicher H e i m a t r e c h t - u n d R e s t i t u t i o n s p o l i t i k folgte. B e r e i t s wenige T a g e v o r d e m K ö n i g s w i n t e r e r O s t k i r c h e n k o n v e n t 1959 zeigte sich I w a n d „nicht sehr g l ü c k l i c h " ü b e r die E n t w i c k l u n g des O K A . E r h a b e i m m e r w i e d e r b e m e r k t , „daß die m a ß g e b l i c h e Zielsetzung im G r u n d e g e n o m m e n mit der der L a n d s m a n n s c h a f t e n k o n f o r m g e h t " ( S c h r e i b e n an K r u s k a v o m 13. 9. 1 9 5 9 , abschriftl. in: NACHLAG BRUMMACK, A k t e „ O K A 1 9 5 7 - 1 9 5 9 " ) . E i n e n T a g darauf s c h r i e b I w a n d anläßlich der R e d e n z u m „Tag der H e i m a t " : „ W e n n sich der O s t k i r c h e n a u s s c h u ß n i c h t klar u n d unmißverständlich v o n dieser A r t v o n P r o p a g a n d a und i h r e m paganistischen J a r g o n absetzt, ist er u m nichts besser als die D C in ihren politischen R e d e n und i h r e m D e n k e n . D a s ist einfach die T h e o l o g i e von G l a u b e und H e i m a t unter der Isolierung des I. A r t i k e l s . Sie wissen d o c h selbst, wie w i r das , R e c h t der H e i m a t ' behandelt h a b e n in P o l e n , w o blieb das R e c h t auf H e i m a t , als polnische G r o ß g r u n d b e s i t z e r v o n der SS liquidiert w u r d e n und dafür baltische Adelige ins S c h l o ß e i n z o g e n , als A k a d e m i k e r und H a n d w e r k e r H a u s und H a b e den D e u t s c h e n überlassen m u ß t e n und sogar die p o l n i s c h e n M ä d c h e n nicht m e h r heiraten durften. D a s ist d o c h so gewesen. O h n e G r u n d sind w i r d o c h nicht vertrieben w o r d e n . G i b t es f ü r die, die so etwas getan h a b e n und es h e u t e n o c h weiter tun w ü r d e n , w e n n sie an der M a c h t geblieben w ä r e n , n o c h ein . R e c h t auf H e i m a t ' , w e n n m a n das W o r t i m strengen S i n n e als eines v o r G o t t bestehenden R e c h t e s n i m m t ? W i r haben unser R e c h t auf H e i m a t in k o n k r e t o verspielt, als w i r es anderen n a h m e n , und es ist lächerlich, w e n n heute T h e o l o g e n und K u l t u r p h i l o s o p h e n in abstracto dieses R e c h t auf H e i m a t neu b e g r ü n d e n . Als o b in der Z w i s c h e n z e i t nichts geschehen wäre. D a m a l s hätten sie ihren M u n d auftun sollen, als es u m die anderen ging. H e u t e ist es z u s p ä t " (ebd.). Z u I w a n d s ö f f e n t l i c h e n Ä u ß e r u n g e n in den letzten J a h r e n v o r seinem T o d 1 9 6 0 zu diesen F r a g e n vgl. K . v . GROT, H a n s I w a n d s S t i m m e , S. I f f . ; und Evangelische V e r a n t w o r t u n g . E v a n g e l i s c h e S t i m m e n , 4. J g . ( 1 9 6 0 ) , N r . 5 ( M a i 1960 = passim.

G e d e n k n u m m e r für I w a n d ) ,

Kapitel 2 VOM „HEIMATRECHT" ZUR „VERSÖHNUNG" AUFBRUCHZEICHEN IN DER EVANGELISCHEN KIRCHE

Die Verengung der ostpolitischen Perspektiven auf den Heimatrechtsgedanken, die, wie gezeigt, mit gewissen Einschränkungen auch das öffentliche Wort der evangelischen Vertriebenengremien um die Wende zum neuen Jahrzehnt bestimmt, fiel zeitlich mit der oben 1 skizzenhaft angedeuteten globalpolitischen Wende zusammen, oder kann - anders gewendet - als Reaktion auf den daraus resultierenden politischen Klimawechsel verstanden werden 2 . Dieser gesamte Vorgang sollte die evangelische Kirche in doppelter Weise berühren, einmal, indem sie unmittelbar gedrängt wurde, an der Vertretung des Heimatrechtsanspruchs unterstützend mitzuwirken 3 , zum anderen dadurch, daß die Heimatrechtproblematik, die dabei erhobenen Forderungen und Erwartungen den engeren Rahmen der Vertriebenen- und Ostfrage sprengen, das politische Leben insgesamt mitzubestimmen beginnen und die aus diesem Zusammenhang erwachsende Spannung zwischen Ansprüchen und realen Möglichkeiten einen Akt politischer Diakonie nötig erscheinen lassen könnten. Während, wie gezeigt, Ostkirchenausschuß und Ostkirchenkonvent ihre Aufgaben im ersteren Sinne glaubten lösen zu müssen, wurden seit Ende der 50er Jahre an anderen Stellen in der Kirche Bestrebungen geweckt, die teils mehr, teils weniger in letztere Richtung zielten. So sah es der Flüchtlingsbeirat 4 unter Vorsitz des Vertriebenenbeauftragten der E K D , Bischof Wester, schon am 3. November 1959 als notwendig an, die von verschiedenen Seiten - Wester nannte den Ostkirchenausschuß, die Barsinghäuser Gespräche und Beienrode 5 - angestellten Erwägungen und erreichten Ergebnisse zum Vertriebenen- und Ostproblem zusammenzufassen und zu einer „gemeinsamen Stellungnahme der Evangelischen Kirche" zu verdichten. Eine solche offizielle Äußerung 1

Vgl. S. 9 f.

!

Vgl. oben S. 4 7 f .

3

Vgl. z . B . oben S. 50, A n m . 178, sowie die Mitteilung des O K A - V o r s i t z e n d e n am

14. 12. 1 9 5 9 an B i s c h o f W e s t e r ( E Z A BERLIN, N a c h l a ß W e s t e r , 9b) und Niederschrift der Sitzung des Flüchtlingsbeirates am 13. 9 . 1 9 6 0 , P k t . 2 (ebd., 2 ) . 4

Vgl. zu dieser Institution B d . I, S. 4 4 2 f.

5

Schreiben an G ü l z o w v o m 7. 12. 1 9 5 9 (ebd., 9b), Niederschrift v o m 3. 11. 1 9 5 9 (ebd.,

2)·

Vom „Heimatrecht" zur „Versöhnung"

61

hielt der Beirat „angesichts der Art und Weise, in der die Vertriebenenverbände die Frage des Heimat- und Selbstbestimmungsrechts erörterten", für erforderlich, wenn sich die Kirche, wie Wester Gülzow berichtete, „angesichts der gegenwärtigen Ostproblematik nicht einer Versäumnis schuldig machen wolle". Zu weitergehenden Initiativen kam es jedoch zunächst nicht, da Bischof Wester wie auch der Flüchtlingsbeirat offensichtlich mit der Arbeit des Ostkirchenausschusses, dessen Vorsitzender dem Beirat angehörte, auf der Grundlage der Königswinterer Thesen von 1959 die Möglichkeit der gewünschten Zusammenfassung und der Vorbereitung eines offiziellen Wortes der E K D verknüpften6. Blieb dieser Anstoß zunächst noch ohne Fortsetzung 7 , so zeigt ein Vorgang in der bayrischen Landeskirche im Frühjahr 1961, daß ein die evangelische Kirche als ganzes repräsentierendes Wort damals der Position der Vertriebenenverbände wohl nicht in solchem Maße entsprochen hätte, wie dies etwa für die Königswinterer Thesen oder das Ansbacher Grundsatzreferat des Ostkirchenausschuß-Vorsitzenden galt. Die mit der Vertriebenenfrage wohl vertrauten Oberkirchenräte Heinrich Riedel und Arnold Schabert8 als Vertreter der Kirchenleitung, Spiegel-Schmidt und Adalbert Hudak' vom bayrischen Konvent für Vertriebenenarbeit 10 trafen am 27. April 1961 mit Walter Künneth zusammen, um einer Klä6 Vgl. Gülzows Antwort an Wester vom 14. 12.1959 (ebd.). Am 13. 9. 1960 überließ der Flüchtlingsbeirat dem O K A die Entscheidung, ob die Thesen des Ostkirchenkonvents von Königswinter 1959 „dem Rat der E K D vorgelegt werden sollen mit der Bitte, sie als offizielle Stellungnahme der E K D zu dieser Frage anzuerkennen". Für den Fall, daß kein derartiger Beschluß des O K A zustandekomme, sollte sich der Beirat erneut mit der Frage befassen, „in welcher Weise eine durch den Rat der E K D autorisierte Stellungnahme . . . vorgelegt werden kann" (Niederschrift, S. 2; ebd.). Am 7. 12. 1960 erstattete Gülzow dem Beirat Bericht. Es fehle „eine Formulierung des Begriffs ,Heimat', die so exakt ist, daß sie auch juristisch und politisch verwendet werden kann". Gülzow kündigte an, Prof. Rudolf Smend werde nach Fühlungnahme mit ihm „die Frage des Heimatrechtes dem Rat der E K D vorlegen" (Niederschrift vom 7. 12.1960, S. 4; ebd.). 7 Erst Ende 1962/Anfang 1963, nach Veröffentlichung und Diskussion des „Tübinger Memorandums" griff der Rat den Gedanken an eine kirchliche Äußerung zu diesem Thema auf (vgl. dazu unten S. 86 ff.). 8 Schabert war deutsch-baltischer Pfarrer gewesen (vgl. LEXIKON DEUTSCHBALTISCHER THEOLOGEN, S. 116) und bis zu seinem Tod 1961 neben seinem Amt in der bayrischen Kirche als Vertriebenenseelsorger tätig. So verfaßte er zuletzt noch eine viel beachtete Predigtmeditation zum Weltflüchtlingsjahr (1960), die auch im O K A und Ostkirchenkonventsvorstand verbreitet wurde (vgl. A O K A , C 2, Nr. 2375 vom 6. 10. 1960). Darin wird gegen „ein Pflegen des Heimatgedankens, ein Festhalten am Alten" polemisiert, das es „bis in die Kirche und in die Theologie hinein" gebe, und gegen ein „Liebäugeln mit Zukunftsbildern, bei denen vergessen wird, daß in allem Unrecht, das Menschen einander zugefügt haben, Gott gesprochen und gerichtet hat." Schabert stellte die Frage: „Ist das Gericht Gottes, das sich im Verlust der Heimat vollzogen hat, als solches erkannt worden?" ' Führendes Mitglied des Hilfskomitees für die Ev.-Luth. Slowakeideutschen. 10

V g l . B d . I, S. 2 5 5 , u n d F. SPIEGEL-SCHMIDT, K i r c h e , S. 3 2 .

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rung des Heimatrechtproblems näherzukommen 11 . Obwohl Künneth an seiner theonomen Begründung des Heimatbegriffes festhielt, verzeichnet das Kommunique 12 andererseits doch Einmütigkeit über folgende Feststellung: „Wir können theologisch ein Recht auf die Heimat im Sinne eines bestimmten Raumes in keiner Weise begründen oder fordern. Diese ganze Frage ist eine Frage der politischen Möglichkeit und des Ermessens. Weder genereller Verzicht noch das Gegenteil davon kann irgendwie anders begründet und behandelt werden als auf der Ebene des verantwortlichen politischen Ermessens."

Das Bemerkenswerte an diesem Satz ist die Reduktion des ganzen Heimatrecht- und Ostproblems auf die Ebene des politischen Ermessens, was z . B . eine obligate Verpflichtung „des Christen", sich für die Gültigkeit des Heimatrechts „in aller Welt einzusetzen", wie sie in der IV. These von Königswinter konstatiert wurde13, ausschloß. Sehr viel weiter als diese Klärung innerhalb der bayrischen Landeskirche reicht ein Vorgang in der Evangelischen Kirche im Rheinland. Unter dem Titel „Weg zur Versöhnung" gab die Kirchenleitung im Mai 1961 eine von der Landessynode verabschiedete sogenannte „Besprechungshilfe" heraus14. Diese war das Ergebnis jahrelanger Beratungen des Vertriebenen- und Ostproblems. Auf Beschluß der Landessynode vom 5. bis 9. Januar 1958 hatte die Kirchenleitung einen „Arbeitskreis für Flüchtlings· und Vertriebenenfragen" einberufen, dem ausdrücklich auch die theologische Klärung des Vertriebenen- und Heimatproblems aufgegeben worden war15. Im Frühjahr 1959 erstattete Superintendent Dieter Munscheid der Synode erstmals Bericht 16 . Im Vordergrund der Überlegungen des Arbeitskreises standen Fragen der wirtschaftlichen und kirchlichen Eingliederung, die „aufs Ganze gesehen noch nicht gelungen" sei.

11 F. Spiegel-Schmidt berichtet (ebd.), der Konvent habe sich zu dem klärenden Gespräch veranlaßt gesehen aufgrund der „Mißbräuchlichkeit" der Ausführungen Künneths in der Ev. Akademie von Arnoldshain (vgl. oben S. 49). 12 DER REMTER 1961, Heft 3, S. 170. 13 Vgl. oben S. 51. 14 KJ 1961, S. 84 f. und DER REMTER 1961, Heft 4, S. 220f. 15 Verhandlungsbericht der 7. Rheinischen Landessynode, S. 168f., 242 (vgl. Dokumentation/Rheinland, Akte „Landessynode", Bl. 36, V D 16). Der Beschluß ging auf den Antrag der Kreissynode Oberhausen zurück, die eine stärkere Behandlung des Heimatrechtproblems für nötig hielt. Dieses Thema sei „zu einer wichtigen Lebensfrage nicht nur der Heimatvertriebenen, sondern des ganzen deutschen Volkes geworden". Entsprechende Erfahrungen mit der Ev. Woche in Oberhausen hätten die Absicht geweckt, „grundsätzliche Gespräche mit den Landsmannschaften zu führen". Die „Gesamtkirche" müsse diesem „Gesamtkomplex" nähertreten, wie es in der Begründung des Oberhausener Antrags (ebd., S. 242) heißt. 16 8. Rheinische Landessynode vom 10. bis 15. 5. 1959, Bericht, S. 79ff. (vgl. ebd., Bl. 41 ff.).

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Doch auch die Wertung des Vertriebenenschicksals und der Heimatfrage wurde bereits angesprochen. Beide Gruppen, Einheimische wie Vertriebene - letztere besonders haben danach „ihre Vergangenheit nicht bewältigt", weshalb sie „ihre Gegenwart nicht richtig" verstehen und so eine „Fehlentwicklung in der Zukunft" drohe. „Wenn sie [die Vertriebenen und Flüchtlinge] auch wissen, daß die Geschehnisse der Vergangenheit und die realen politischen Verhältnisse es nicht zulassen, die Forderung nach Rückkehr in die alte Heimat und die Wiederherstellung des Gewesenen als ein unveräußerliches Recht zu proklamieren, so wehren sie sich doch gegen die weitverbreitete Meinung, als ob ihr besonderes Schicksal nur sie allein anging, mit dem sie also auch allein fertig werden müssen. Sie finden, daß die vom ganzen Volk begangene Schuld auch vom ganzen Volk anerkannt und die von ihnen getragene Last als Stellvertretung für alle nicht nur in Worten, sondern in der Tat bejaht wird. Das bedeutet, daß sie das innere Recht haben, in Westdeutschland eine Heimat zu finden . . . "

In kaum einer anderen Äußerung aus dem kirchlichen Raum, sieht man von den ersten Nachkriegsjahren ab, wurde bis dahin das Vertriebenen-, Schuld- und Heimatproblem so sehr als dem ganzen Volk und damit auch der Kirche insgesamt aufgegeben dargestellt. Dieser Gesamtaspekt bestimmte auch die Aussprache der Landessynode, die den Arbeitskreis im übrigen zu einem ständigen Ausschuß der Landessynode erhob, zur Wahrnehmung der „theologischen, seelsorgerlichen und diakonischen Verantwortung für die Vertriebenen und Flüchtlinge" innerhalb der rheinischen Kirche 17 . Dem so aufgewerteten Ausschuß erschien es bald unumgänglich, daß die Kirche ein W o r t zum Heimatrecht sage, weil diese Frage „eine immer aktuellere Bedeutung in der Gegenwart einnimmt und große Gefahr besteht, daß das deutsche Volk zu Äußerungen gedrängt werden könnte, die das Verhältnis zu den östlichen Nachbarn . . ., darüberhinaus sogar den Weltfrieden gefährden.""

Nicht nur vor dieser Motivation, sondern auch in der Verfahrensweise erscheint die Arbeit des Synodalausschusses wenigstens teilweise wie eine Vorwegnahme des erst gut drei Jahre später einsetzenden Vorgangs um die Vertriebenen- und Ostdenkschrift der EKD. Mit Iwand und Girgen17 So der einstimmige Beschluß (vgl. ebd., Bl. 45f.). Zur Aussprache vgl. ebd. In diesen Zusammenhang gehört auch die von der Landessynode über Jahre hinweg geführte Diskussion um Nutzen oder Schaden besonderer Flüchtlingsausschüsse auf Kirchenkreis- oder Gemeindeebene, bzw. eines landeskirchl. Flüchtlings(-pfarr)amtes (vgl. z.B. den Bericht der 6. Rheinischen Landessynode vom 2. bis 7. 12. 1956, S. 98ff., bes. die Voten der Synodalen v. d. Osten und Munscheid; Bericht vom 10. bis 15. 5. 1959, S. 196ff., sowie Anlage VI., S. 28ff.). Der Ausschuß versuchte, auf die Kirchenkreise einzuwirken. Einige Ausschußmitglieder besuchten deshalb Kreissynoden und -beauftragte für die Vertriebenen oder sprachen auf Pfarrkonventen. Vom 4. bis 5. 12. 1959 lud er die Kreisbeauftragten für die Flüchtlings- und Vertriebenenarbeit zu einer Tagung ein, auf der u. a. Girgensohn über die theologischen Aspekte des Heimatproblems referierte. Auf dieser Tagung fehlten allerdings eine Reihe von Kirchenkreisen (vgl. ebd., Bl. 57). 18 Ebd.

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söhn etwa wurden sachverständige Theologen unterschiedlicher Position angehört"; auch der Austausch mit Vertretern der säkularen Vertriebenenverbände wurde gesucht20. Das Ergebnis war das von der rheinischen Kirche im Mai als „Besprechungshilfe" 21 veröffentlichte Wort „Weg zur Versöhnung": I. „1. Gott unser Vater hat uns in Jesus Christus Heimatrecht in seinem ewigen Reich gegeben. Wir warten auf das Reich Gottes und beten um sein Kommen. Sein Reich ist die höchste Gabe, die Gott uns schenkt. Er will uns aber auch im zeitlichen Leben wohltun, indem er uns die irdische Heimat gibt. In dem Begriff,Heimat' fassen wir alle Lebensbeziehungen zusammen, die unser Leben reich machen, wie Land, Volk, Geschichte, Muttersprache, Vaterhaus, Nachbarschaft und Heimatkirche. Heimat ist eine Gabe des Herrn. Wie alle Güter unseres Lebens bleibt auch sie in seiner Hand. Das verbietet uns, die Heimat absolut zu setzen. Gott kann überall und jederzeit Heimat geben und nehmen. Solange Gott uns die Gabe der Heimat anvertraut, dürfen wir uns ihrer dankbar erfreuen. Nimmt er sie uns, sollten wir darin seine Heimsuchung erkennen. Der Trost der göttlichen Verheißung gilt auch beim Verlust aller irdischen Güter: .Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.' 2. Die Wahrheit, die uns Gottes Wort verkündigt, rechtfertigt aber nicht die gewaltsame Vertreibung von Millionen Menschen durch irdische Machthaber, aus welchen Gründen das

" Vgl. ebd. und F. Hamm am 24. 9. 1959 (NACHLAE BRUMMACK, Akte „ O K A 19571959"). 20 Dazu fand vom 24. bis 26. 11. 1960 in Mühlheim unter dem Thema „Kirche und Heimatrecht" eine Aussprache statt, an er sich u.a. der Präsident des BdV, Krüger, der Vorsitzende des Verbandes der Sowjetzonenflüchtlinge, E. Eichelbaum, der Landesvorsitzende der ostpreußischen Landsmannschaft, E. Grimoni, und der Ministerialdirigent Ludwig Landsberg, sowie O . Graf Pückler beteiligten. Das theologische Hauptreferat hielt der Präses der rheinischen Kirchen, Joachim Beckmann, woraus ersichtlich ist, welche Bedeutung die rheinische Kirchenleitung dem Vorhaben beimaß. Wie Spiegel-Schmidt berichtet, traten große Meinungsverschiedenheiten auf, ohne daß dies die gegenseitige Annahme gemindert hätte (vgl. DER REMTER 1961, Heft 1, S. 41 f.). Krüger zeigte sich allerdings vor dem BdV-Präsidium am 5. 12. 1960 besorgt im Blick auf in Mühlheim angestellte Erörterungen, „die wiederum auf die Diskussion um Äußerungen der Theologen Barth, Iwand, Niemöller u. a. zurückgehen", wie „dod Bonn" berichtet. Dort heißt es weiter: „Krüger, der selber in der Laienseelsorge als Presbyter tätig i s t . . ., wandte sich gegen die unangebrachte Verquickung von theologischen und politischen Argumenten, wie sie hier und an anderen Orten geübt werden. Sie trage . . . zur Aufweichung des deutschen Rechtsstandpunktes in den heimatpolitischen Fragen bei" (dod Bonn, Abschrift o. D . ; NACHLASS BRUMMACK, Akte „ O K A 1957-1959"). Bereits am 12. 10. 1960 hatte der Ausschuß einen Entwurf Munscheids verabschiedet (vgl. A O K A , C 7 III, Nr. 2896 vom 30. 11. 1960), welcher der 9. rheinischen Landessynode vom 8. bis 13. 1. 1961 (vgl. Verhandlungs-Bericht, Anlage, S. 61 ff.; V D 16, Akte „Landessynode") in geänderter Form zur Beratung vorgelegt wurde. 21 Die Umwidmung der vom Ausschuß als kirchl. „Wort" gedachten Erklärung in eine „Besprechungshilfe" geht offensichtlich auf die Verhandlung der 9. Landessynode selbst zurück; vgl. Verhandlungs-Bericht S. 17 und 156 (Dokumentation/Rheinland, Akte „Landessynode", Bl. 52; V D 16). Damit sollten wohl Anspruch und Verbindlichkeitscharakter dieser ursprünglich vom höchsten Gremium der rheinischen Kirche zu verabschiedenden Erklärung abgemildert werden.

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auch geschehen mag. Ein solches Tun verstößt vielmehr gegen Gottes Gebot. Kein Mensch hat das Recht, andere Menschen heimatlos zu machen. Wir haben es bei ungezählten Menschen fremder Völker wie auch des eigenen Volkes erlebt, in welchem Maße .Flüchtlingsschicksale' den Menschen in seiner Würde als Gottes Geschöpf bedrohen. Darum bitten wir alle verantwortlichen Staatsmänner, den Schutz gegen zwangsweise Vertreibung völkerrechtlich anzuerkennen. II. 1. Im Namen unseres Volkes und nicht ohne Zustimmung vieler seiner Glieder ist furchtbares Unrecht verübt worden. Völkern des Ostens wurde das Heimatrecht abgesprochen, den Juden sogar das Lebensrecht. Das Unrecht, das in unserem Namen verübt wurde, ist auf uns alle zurückgeschlagen, vor allem auf die Vertriebenen und Flüchtlinge. Sehen wir den Zusammenhang der Vorgänge? Wir sollten das Unrecht freimütig zugeben, das in unserem Namen geschah. 2. Gott hat uns alle in Jesus Christus mit sich selbst versöhnt. Deshalb sollten wir den Willen und die Kraft zu einem neuen Anfang in unseren Beziehungen zu den Nachbarvölkern im Osten finden. Wir dürfen uns in dieser Bereitschaft auch dann nicht erbittern lassen, wenn sie von anderen Seiten zunächst nicht aufgenommen, mißverstanden oder verdächtigt wird. Wir müssen wissen, daß die Schuld der Vergangenheit noch immer das Verhältnis der Völker zueinander belastet. Den Willen zur Versöhnung, das Bekenntnis zu unserer Verantwortung, die Bitte zu einem neuen Anfang müssen wir immer aufs neue beharrlich aussprechen und durch unser Verhalten glaubwürdig machen. 3. Versöhnung darf nicht nur ein frommes Wort bleiben. Welche befreiende Macht sie hat, haben wir in den Jahren nach dem Kriege in unserem Verhältnis zu vielen Menschen und Völkern mannigfach erfahren. Das sollte uns Mut machen zu einem neuen Zusammenleben mit den osteuropäischen Völkern auf dem Boden der Versöhnung. III. Daraus ergibt sich die Frage: Was können wir für diese Versöhnung tun? 1. Wir müssen die Tatsachen erkennen, die sich im Osten und bei uns abzeichnen, auch dann, wenn es uns schwerfällt, sie in ihrem vollen Gewicht anzunehmen. Das bedeutet zunächst, daß wir für alle Zeiten auf Anwendung von Gewalt zur Verwirklichung unserer Wünsche und Ziele verzichten. Dazu gehört auch, daß wir uns darüber einig sind, daß mit einer Verfolgung des Rechtes um des Rechtes willen allein der Frieden nicht zu gewinnen ist. Wir haben auch zu achten, daß heute Menschen in der Heimat der Vertriebenen leben und ihre Kinder dort aufwachsen. Wir sind überzeugt, daß die Kraft der Versöhnung stark genug ist, ein gerechtes und friedliches Zusammenleben mit unseren östlichen Nachbarvölkern herzustellen und die berechtigten beiderseitigen Interessen auszugleichen. 2. Wir müssen uns bemühen, die Geschichte und Kultur Ostdeutschlands und der Völker Osteuropas kennenzulernen und zu verstehen. Eine eingehende Beschäftigung damit wird uns von dem Gedanken unserer angeblichen Überlegenheit befreien. Dieser Gedanke hat gegenseitige Ressentiments geschaffen und eine Verständigung erschwert. Es genügt nicht, wenn die deutschen Vertriebenen und Flüchtlinge ihr altes heimatliches Brauchtum und Kulturgut pflegen. Darüber hinaus ist eine breit angelegte Bildungsarbeit nötig, die unserem ganzen Volk, besonders unserer Jugend, eine klare Vorstellung von den osteuropäischen Völkern vermittelt. 3. Das Vertriebenenproblem im eigenen Volk und das Verhältnis zu den Völkern des Ostens sind aber auch schwerwiegende politische Fragen. Die Politiker müssen die Freiheit haben, sich ihre Entscheidungen weder von Menschen noch von Prinzipien vorschreiben zu lassen. Sie tragen die große Verantwortung dafür, daß neue Katastrophen verhindert werden. Wir alle aber müssen dazu helfen, daß Wege gefunden werden, die dem Frieden und einer gerechten Lebensordnung unter den Völkern dienen. 4. Wir müssen erkennen, daß durch materielle Hilfe allein das Flüchtlingsproblem nicht

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zu lösen ist. Ein Teil der Vertriebenen und Flüchtlinge hat zwar auf Grund eigener Leistungen und umfangreicher sozialpolitischer Maßnahmen wirtschaftliche Notstände überwunden, ein anderer Teil dagegen lebt noch in unmittelbarer Not. In beiden Gruppen gibt es sehr viele Menschen, die mit dem Unrecht, das ihnen angetan wurde, und mit ihrem ganzen Schicksal nicht fertig werden. Ihnen müssen wir dazu verhelfen, daß ihr Leben in der neuen Gemeinschaft wieder einen guten Sinn bekommt. Ihre Bereitschaft zur Versöhnung ist wichtiger als die der nicht unmittelbar Betroffenen und macht die Bereitschaft des deutschen Volkes erst glaubwürdig. 5. Wir alle dürfen nicht darüber hinwegsehen, daß es heute in vielen Teilen der Welt das Elend des Flüchtlingsdaseins gibt. Taten, durch die den Notleidenden der Erde wirksam geholfen wird, befreien und sind Zeichen der Versöhnung. 6. Die Kirche hat die besondere Aufgabe, die Verbindung mit den christlichen Gemeinden in den Völkern des Ostens zu pflegen, ungeachtet aller Verdächtigungen im westlichen und östlichen Raum. In diesen Verbindungen wird etwas sichtbar von der Einheit des Leibes Christi. Mit ihnen wird aber auch einer friedlichen Begegnung der Völker vorgearbeitet. Den Bemühungen um einen Frieden auf der Grundlage der Versöhnung stehen nicht nur innenpolitische Entwicklungen im Wege, sondern auch die politischen Spannungen zwischen Ost und West, der Gegensatz der gesellschaftlichen Systeme mit seinen einschneidenden Folgerungen für das menschliche Leben, geschichtliche Vorurteile, ein wiedererstehender Nationalismus und der materialistische Egoismus weiter Kreise in der östlichen und der westlichen Welt. Darin liegen tödliche Gefahren für eine Verständigung unter den Völkern. Zu ihrer Beseitigung gehören Selbstüberwindung, Demut und Geduld, damit wir lernen, verstehen und warten zu können. Dies zu üben muß die Kirche unaufhörlich mahnen. Dazu ruft das Evangelium. Wird der Ruf des Evangeliums zum Frieden von den Völkern verworfen, werden sie gemeinsam untergehen; wird er gehört, werden sie gemeinsam leben." 22

Wie bei den Erwägungen und Äußerungen der kirchlichen Vertriebenengremien oder auch in Arnoldshain und Iserlohn sowie im eben geschilderten Gespräch mit Künneth bildete die Heimatrechtfrage auch in der rheinischen Landeskirche den Ausgangspunkt der Beratungen23. Doch anders als dort führten die Gedankengänge des rheinischen Ausschusses sehr bald zur Konkretion des historischen Zusammenhangs, dem das Vertreibungsgeschehen zugehört und in welchem die theologische Reflexion des gesamten Vertriebenen-, Heimat- und Ostproblems dann auf den Versöhnungsgedanken ausgerichtet wurde, der so zum Leitmotiv des Wortes werden konnte. Synode und Kirchenleitung folgten dem Ausschuß weitgehend auf diesem Weg, so daß mit der rheinischen „Besprechungshilfe" eine kirchliche Äußerung zum Vertriebenen- und Ostproblem vorliegt, der allein schon ihrer gesamtkirchlichen Repräsentanz nach, vor allem aber in ihrem Sachgehalt zwischen der Weißenseer Synode der E K D von 1950 und dem Vorgang um die Denkschrift, herausragende Bedeutung zukommt. Wie in der späteren Vertriebenen- und Ostdenkschrift der EKD von 1965 wurden bereits hier die Lage der Vertriebenen, d. h. die Eingliederungsproblematik, und das Verhältnis zu 22

Vgl. oben Anm. 14. Noch die Fassung Munscheids vom Oktober 1960 trug die Uberschrift „Entwurf eines Wortes zur Frage des Rechtes auf Heimat". 23

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den östlichen Nachbarn zusammengesehen und thematisiert. Damit sollen allerdings wichtige Differenzen im theologischen Ansatz zwischen rheinischer Besprechungshilfe und Denkschrift, mehr noch zwischen dem Ausschußentwurf 24 und der Erklärung „Vertreibung und Versöhnung" vom März 1966 25 , keinesfalls verwischt werden. Denn unverkennbar wird in der rheinischen „Besprechungshilfe" die kirchliche Versöhnungsbotschaft sehr viel unmittelbarer auf bestimmte politische Sachent24 Die Ausschußvorlage enthält sehr viel weitergehende Aussagen zum Schuldproblem, vor allem unter Einbeziehung der ev. Kirche, qualifiziert das Vertreibungsgeschehen als „Gericht Gottes", das „als solches" vom Volk angenommen werden müsse; der MunscheidEntwurf enthielt sogar den Passus: „gegen das wir uns nicht auflehnen dürfen". Die vom Geist des Darmstädter Wortes des Bruderrates der EKD vom 8. 8. 1947 (KJ 1945-48, S. 220ff.; vgl. auch Bd. I, S. 298ff.) geprägten Sätze der Vorlage lauteten: „Die Vergötzung von Volk, Heimat und Vaterland hat im Nationalsozialismus ihren Höhepunkt erreicht. Er nahm diese ins Teuflische verkehrten Werte für das eigene Volk in Anspruch, sprach aber den Völkern des Ostens jedes Heimatrecht, den Juden darüber hinaus jedes Lebensrecht ab. Millionen von Juden wurden vernichtet, zahllose Menschen der östlichen Völker enteignet, entrechtet und vertrieben. Das deutsche Volk hat mit dem Geschehen, das 1933 seinen Anfang nahm und schließlich zu dem vom Nationalsozialismus verursachten Kriege führte, eine schwere geschichtliche Schuld auf sich geladen. Alles, was durch diese Schuld auf unser Volk zurückschlug, muß trotz des furchtbaren Unrechtes, das dann ihm, besonderns aber den Vertriebenen und Flüchtlingen, angetan wurde, als ein Gericht Gottes anerkannt werden, das es als solches annehmen muß. Es hat in der evangelischen Kirche nach dem Kriege an eindringlichen Stimmen nicht gefehlt, die sowohl die Gemeinden als auch unser Volk gemahnt haben, sich unter die gemeinsame Schuld zu beugen. Zu einer wirklichen Umkehr ist es aber nicht gekommen. Dem wachsenden Abstand vom Kriege und der Konsolidierung der Verhältnisse entspricht eine immer gereiztere Reaktion, wenn an unsere unerledigte Schuld erinnert wird, und eine immer stärkere Betonung des eigenen erlittenen Unrechtes. Die Kirche darf darum gerade jetzt nicht schweigen. Sie muß an diese unerledigte Schuld erinnern und dazu aufrufen, daß wir uns unter sie stellen. Es geht dabei nicht so sehr um bloße Schuldbekenntnisse, sondern um eine neue Haltung, die bestimmt ist von dem Willen zur Versöhnung. Christen machen aber ihre Haltung nicht davon abhängig, ob auch die Gegenseite ihre Haltung ändert. Das Bekenntnis unserer Schuld vor denen, an denen wir schuldig geworden sind, enthält in sich den Willen und die Bitte, uns mit ihnen zu versöhnen. Das Aussprechen unserer Schuld darf daher nicht davon abhängig gemacht werden, ob auch die andere Seite zu einem Bekenntnis ihrer Schuld willens und fähig ist. Ein Schuldbekenntnis ist kein Geschäft auf Gegenseitigkeit." Vgl. damit den Abschnitt II der „Besprechungshilfe". Eine gewisse inhaltliche Entsprechung dieses Vorgangs zur Interpretation der Denkschrift durch die Spandauer Erklärung „Vertreibung und Versöhnung" - auch dort wurde der Gerichtsgedanke eliminiert, den die Denkschrift mit ihrem „Ja zum Gericht Gottes" noch angeführt hatte und die Schuldproblematik in differenzierter Weise aufgenommen - ist unübersehbar. Zweifellos tragen der Munscheid-Entwurf sowie die endgültige Ausschußvorlage und damit die „Besprechungshilfe" an entscheidenden Stellen Züge des theologischen und seelsorgerlichen Konzepts von Iwand, der vom Ausschuß zu einer eintägigen Klausursitzung eingeladen worden war. Iwand hat auf diese Weise noch kurz vor seinem Tod die durch die „Besprechungshilfe" der EKiR sich andeutende Hinwendung der ev. Kirche zu einem neuen Weg in der Behandlung des Vertriebenen- und Ostproblems mit beeinflussen können. 25 Vgl. dazu unten S . 2 1 3 f f .

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Vom „Heimatrecht" zur „Versöhnung"

Scheidungen bezogen als dies der Kammer für öffentliche Verantwortung und der Synode der E K D möglich war. Aber der „Weg zur Versöhnung" als bestimmendes Interpretament politischer Diakonie und Vertriebenenseelsorge angesichts der globalpolitischen Wandlungen war mit der rheinischen „Besprechungshilfe" markiert. Die rheinische Erklärung kann als das herausragende Zeichen zum Aufbruch dorthin gelten26, auch wenn ihr Echo nach allem, was das vorliegende Material zu erkennen gibt, trotz ihrer hochrangigen Legitimation als von der Synode gebilligter Äußerung der Kirchenleitung bei weitem nicht dieser im Nachhinein, aus der Sicht des Denkschriftvorgangs und der neuen Ostpolitik gefällten Bewertung entspricht27. 26 Als weitere Zeichen des Aufbruchs seien hier genannt: die Erklärung des Arbeitskreises der Kirchl. Bruderschaften in der E K D vom 29. 9. 1961 (KJ 1961, S. 80 f.) - darin wird gefordert, der „Befriedung der Ostgrenzen, Normalisierung in den Beziehungen zu den Oststaaten, Desillusionierung der Einstellung zu der angeblich als Staat nicht existierenden D D R " nicht länger auszuweichen, und den Politikern Mut gemacht, „neue Wege" zu gehen, der „Verständigung und der Versöhnung zwischen den Völkern" - , der Brief des Leitungsausschusses der Kirchl. Bruderschaften an Pfarrer und Gemeinden vom 1 . 1 1 . 1961 (ebd., S. 81 ff.) und vor allem die „Handreichung zur Friedensfrage", die Ende 1961 in der D D R und kurz darauf im Westen veröffentlich wurde (ebd., S. 76ff.). Sie war im Auftrag des Rates der E K D von einem eigens dazu eingesetzten theologischen Ausschuß erarbeitet worden, der mit der Absicht des „Mittlerdienstes" zwischen Ost und West auch einzelne „Konkretionen" entwarf. Für den „Bereich der Weltpolitik" findet sich darunter die in unserem Zusammenhang aufschlußreiche Forderung: „Wer Koexistenz sagt, begrenzt sich selbst und seine Forderungen an den anderen. Er übt Verzicht und weiß, daß der Friede auch schmerzhafte Opfer verlangt. Er fragt nicht nur: Was ist für mich unaufgebbar?, sondern zugleich: Was kann ich dem anderen zumuten?"

Daß es zu Beginn der 60er Jahre auch in der katholischen Kirche vergleichbare Zeichen des Aufbruchs gegeben hat, mag etwa die Predigt von Julius Kardinal Döpfner belegen, die er im Oktober 1960 aus Anlaß des Festes der hl. Hedwig in Berlin (-Neukölln) hielt, in der er die Ursachen des Vertreibungsgeschehens ansprach und die Vertriebenen aufforderte, die dabei erlittenen Opfer als Sühne für das Unrecht des vergangenen Regimes auf sich zu nehmen. Der Bischof wandte sich gegen eine Überbetonung der Grenzfrage und wies auf den Weg einer „guten deutsch-polnischen Nachbarschaft". Die „friedvolle Gemeinschaft der Völker und Staaten", die wichtiger sei als Grenzfragen, könne das deutsche Volk, „nach allem, was in seinem Namen geschehen ist", nur „unter sehr großen Opfern" erlangen. Die „Süddeutsche Zeitung" vom 18. 10. 1960 kommentierte die Äußerungen Döpfners mit der Vermutung: Wenn ein „gewöhnlicher Sterblicher" das gesagt hätte, fände er sich „eingereiht in die Diffamierten-Kategorie der sogennanten Verzichtpolitiker" (vgl. die Dokumentation der Predigt und der Auseinandersetzungen darüber, z . B . im „Petrusblatt" Nr. 43 vom 23. 10. I960, und im kath. „Volksbote" vom 29. 10. 1960, in: Α Ο Κ Α , Β 22, Nr. 442; und in: EZA BERLIN, Nachlaß Wester, Bd. 10). 27 Das Echo scheint gering geblieben zu sein. Der Berichterstatter des Kirchl. Jahrbuchs nennt es „verdienstvoll, daß die rheinische Kirche dieses wohl heißeste Eisen anzufassen wagte" (KJ 1961, S. 83 f.). - Der Eindruck relativ geringer Resonanz verstärkt sich noch, hält man dem die Bewegung in der Öffentlichkeit ein Jahr darauf anläßlich der Beteiligung des Präses der E K i R am „Tübinger Memorandum" entgegen, das ja keinesfalls in dem Sinne als kirchliche Äußerung angesehen werden kann, wie dies für die „Besprechungshilfe" gilt (vgl. dazu unten S. 69 ff.).

Kapitel 3 DIE E N T S T E H U N G DER DENKSCHRIFT „DIE L A G E D E R VERTRIEBENEN U N D DAS VERHÄLTNIS DES D E U T S C H E N VOLKES ZU SEINEN ÖSTLICHEN N A C H B A R N " DATEN UND ANMERKUNGEN

1. Das Tübinger

Memorandum

Die meisten Darstellungen vermitteln das Bild, als wäre das Vorgehen des Rates der E K D von Anfang an zielstrebig auf die Denkschrift ausgerichtet gewesen. Ausgangspunkt bilde das sogenannte „Tübinger Memorandum" 1 vom 6. November 1961, dessen Veröffentlichung Ende Februar 1962 eine breite ost- und deutschlandpolitische Diskussion ausgelöst hatte. Die evangelische Kirche wurde in diese Diskussion hineingezogen, wenngleich im Memorandum selbst, das neben außenpolitischen, militärischen, sozialen und bildungspolitischen Problemen gewidmet ist, sich nicht eine Aussage findet, in der der rein politische Begründungszusammenhang verlassen und etwa auf eine kirchliche, allgemein christliche oder auch nur eine prinzipiell ehtische Legitimation abgehoben würde. Zugrundegelegt wird vielmehr eine nicht näher ausgewiesene Interessenlage der Bundesrepublik Deutschland, bzw. des „Teiles des deutschen Volkes, zu dem wir", nämlich die Autoren, „gehören". Diese treten als Privat- und Einzelpersonen auf, und keineswegs alle gehören kirchlichen Gremien an2. Als Adressaten hatten die Autoren in erster Linie „Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen" ins Auge gefaßt, mit denen sie „interne Gespräche" führen wollten. Es widersprach aber auch nicht ihren Intentionen, als dreieinhalb Monate später - nachdem das Memorandum den ' Ü b e r das Tübinger M e m o r a n d u m wird in einer ganzen Reihe von A b h a n d l u n g e n berichtet (vgl. z . B . Κ. A. ODIN, Denkschriften, S. 147.; J . v. BRAUN, Gericht, S. 7 f f . ; A. EVERTZ, W. PETERSMANN, H . FECHNER, Revision, S. 4 8 f . ; K J 1962, S. 7 4 f f . ; W. HUBER, Kirche, S. 389 ff.), so daß diese Darstellung auf die umittelbar mit der Denkschrift z u s a m menhängenden Fragen beschränkt bleiben kann. 2 D a s M e m o r a n d u m ist unterzeichnet v o n : „Rechtsanwalt H e l l m u t Becker, K r e ß b r o n n ; Präses D . D r . J o a c h i m B e c k m a n n , D ü s s e l d o r f ; Intendant D . Klaus von B i s m a r c k , K ö l n ; Prof. D r . Werner Heisenberg, M ü n c h e n ; D r . G ü n t e r H o w e , H e i d e l b e r g ; D r . G e o r g Picht, Hinterzarten; Prof. D r . L u d w i g Raiser, T ü b i n g e n ; Prof. D r . C a r l Friedrich Freiherr von Weizsäcker, H a m b u r g " (ebd., S. 78).

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

ursprünglichen Empfängern bereits zugeleitet worden war - durch eine Indiskretion die Veröffentlichung erfolgte5. Die Themen Vertriebenenpolitik, Wiedervereinigung oder politische Zukunft der Oder-Neiße-Gebiete hatten um diese Zeit im kirchlichen Raum auch außerhalb des engeren Rahmens der Vertriebenenarbeit gegenüber den 50er Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Polarisierung innerhalb der evangelischen Kirche um das Heimat- und Heimatrechtproblem ist durch die Auseinandersetzung um das Tübinger Memorandum zwar keineswegs entstanden, jedoch sicherlich verschärft und für eine breitere Öffentlichkeit erst sichtbar gemacht worden. Das Memorandum bereicherte eine in bestimmten Kreisen schon laufende Diskussion um Elemente, die später die Auseinandersetzungen um die Ost-Denkschrift bestimmen sollten. Sicherlich wäre es falsch, nur den Zusammenhang von Tübinger Memorandum und Denkschrift zu sehen, andererseits führte es aber auch zu einer Verzeichnung der Entstehungsgeschichte, betrachtete man die Vorgänge um das Memorandum allzu isoliert. Wie kam es nun dazu, daß eine Verlautbarung, die weder vom Inhalt, noch vom Personenkreis, dem sie zugedacht war, und insgesamt gesehen auch nicht von den Autoren her zwingend der EKD zugerechnet werden konnte, gerade im Bereich der evangelischen Kirche ihre stärkste Wirkung zeitigen sollte? Bereits in der drei Tage nach der Veröffentlichung herausgegebenen Erklärung einiger evangelischer CDU-Bundestagsabgeordneter vom 27. Februar 19624 werden Dinge erwähnt, die zwar nichts an dem „privaten" Charakter der Äußerungen ändern, die jedoch die EKD nicht unbetroffen lassen konnten. Es war weniger die Tatsache, daß mit dem rheinischen Präses Beckmann ein bedeutender Kirchenführer zu den Unterzeichnern zählte, als vielmehr der Umstand, daß der Bevollmächtigte der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland, Bischof Hermann Kunst, das Memorandum an die Abgeordneten weitergeleitet und zudem im Februar dessen Veröffentlichung im Evangelischen Pressedienst veranlaßt hatte5. In der Presse kam in jenen Tagen sofort die Bezeichnung „promi3 In der Erklärung anläßlich der Veröffentlichung am 24. 2. 1962 werfen die Autoren nicht nur sämtlichen politischen Parteien, sondern auch einem „großen Teil unserer Ö f f e n t lichkeit" vor, „zu o f t fiktive Positionen aufgebaut, . . . den Ernst unserer Lage am Rande der westlichen Welt verschleiert" zu haben. Sie erklären ihre Bereitschaft, „den politisch Verantwortlichen und der Öffentlichkeit hierüber Rede zu stehen" (KJ 1962, S. 75). Sie motivieren das Memorandum mit der vergifteten Atmosphäre, „die es der politischen Führung unmöglich macht, dem Volk die Wahrheit zu sagen" (ebd., S. 76). 4 Ebd., S. 78 ff. 5 Ebd., S. 78. Bischof Kunst hatte bereits auf der Lutherischen Pressetagung in Berlin Anfang April 1962 detaillierte Auskunft über die Vorgeschichte des Memorandums gege-

Das Tübinger Memorandum

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nente Persönlichkeiten der evangelischen Kirche" auf 6 , womit auf eine Beteiligung der E K D angespielt werden sollte7. Deshalb sah sich die Kirchenkanzlei der E K D bereits am 25. Februar 1962 und der Rat schließlich am 10. Mai 1962 zu einer Klarstellung genötigt: „Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat sich . . . mit der öffentlichen Diskussion, die das Tübinger Memorandum gefunden hat, befaßt. Der Rat stellt fest, daß er das Memorandum weder veranlaßt noch vor der Absendung an ben. Gerhard Rauhut, der Geschäftsführer des O K A , referiert die Ausführungen in einem Schreiben an Gülzow und Brummack vom 9. 4. 1962 ( A O K A , C 7/3, Nr. 850): „Etwa Mitte vorigen Jahres sei Herr Prof. Dr. von Weizsäcker bei Kunst gewesen. Kunst hat sich von Weizsäcker in Atomfragen informieren lassen. Bei dieser Gelegenheit hat Weizsäcker seine Resignation zum Ausdruck gebracht, daß in der Atomrüstung nun alles doch unaufhaltsam seinen Weg gehe und es sich kaum noch lohne, sich gegen die Entwicklung zu stellen. Kunst habe ihm gesagt, Christen resignieren nicht. Er solle doch seine Bedenken niederschreiben. Sicherlich würden sich auch in anderen Fragen der deutschen Politik Probleme ergeben, die wert wären, behandelt zu werden. Daraufhin sei ein erster Entwurf von Weizsäcker und den übrigen 6 Laien entstanden. Kunst hätte ihn an die Verfasser als unmöglich zurückgegeben. Es sei mehrfach an dem Entwurf gefeilt worden. Er hätte etwa Ende August vorgelegen. Es war ursprünglich die Absicht, ihn der Presse zu übergeben. Auf Anregung der 7 Autoren sollte einer der deutschen Bischöfe um Mitunterzeichnung gebeten werden. Dafür vorgesehen war Bischof Dr. Haug in Stuttgart. Da er sich zur damaligen Zeit im Ausland befand (ich würde sagen: der Glückliche) habe man sich dann an Präses D. Beckmann gewandt. Kunst habe auch den Rat der EKiD in einer Sitzung über die Absicht dieses Memorandums unterrichtet. Der Rat hätte dazu keine Stellung genommen. Als das Memorandum Ende August der Presse übergeben werden sollte, habe Kunst die Verfasser gewarnt. Dieses Memorandum hätte im Wahlkampf zu einer zwangsläufigen Beeinflussung führen müssen. Erneut wollten die Verfasser das Memorandum im Oktober veröffentlichen. Da die Regierungsbildung noch nicht abgeschlossen war, habe Kunst erneut gewarnt. Dann ist der bekannte Weg eingeschlagen worden. Kunst hat ein Exemplar des Memorandums an den Bundespräsidenten und den Bundeskanzler zur Kenntnisnahme übersandt. Dort seien aber Pannen passiert, über die er nicht reden wolle. Der übrige Verlauf ist uns ja allen bekannt. Dazu hat Kunst nichts neues gesagt. Herr Dr. Oldag vom Bundespresseamt hatte uns zuvor innerhalb der Tagung, also nur den evangelischen Presseleuten, mit der ausdrücklichen Bitte um NichtVeröffentlichung erzählt, daß ein Sachbearbeiter im Bundeskanzleramt, der die verschiedenen Eingaben an den Bundeskanzler zuvor liest, das Schreiben von Kunst und das Exemplar des Tübinger Memorandums abgelegt hat unter den vielen Zuschriften, mit denen man den Bundeskanzler ja nicht ständig behelligen könne. Erst als der Bundeskanzler nach Bekanntwerden des Tübinger Memorandums Rückfrage bei Kunst gehalten hat, stellte sich dieser Tatbestand heraus. Der Bundeskanzler hat sich sehr bei Kunst entschuldigt. Der betreffende Beamte soll für sein Versehen gemaßregelt worden sein." Wie Rauhut weiter berichtet, sei „der größte Teil der Schriftleiter der Lutherischen Presse" der gleichen Meinung wie die Tübinger Acht gewesen. 6 Vgl. die Erklärung der EKD-Kirchenkanzlei vom 25. 2. 1962 (KJ 1962, S. 74). 7 Die fast gleichzeitig mit dem Memorandum im Westen Deutschlands erfolgte Veröffentlichung der „Handreichung zur Friedensfrage" (vgl. dazu oben, S. 68, Anm. 26) stieß entgegen der EKD-Verlautbarung (Anm. 6) und der Darstellung G. Niemeiers (ebd.) zumindest im Westen - angesichts des Wirbels um das Tübinger Memorandum kaum auf größere Beachtung, obwohl die „Handreichung" anders als das Memorandum nun in der Tat eine kirchliche, im Auftrag des Rates der EKD, erarbeitete Äußerung war.

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Abgeordnete des Deutschen Bundestages . . . gekannt hat. Diese Feststellung bedeutet keine Stellungnahme zum Inhalt des Memorandums. Der Rat bedauert die von einigen Verbänden und Kreisen gewählte F o r m der Kritik an dem Memorandum und an der Person der Verfasser in einer Sachdiskussion, bei der es sich um Lebensfragen der Nation handelt" 8

Es waren nahezu ausschließlich die außen- und das heißt: die ost- und deutschlandpolitischen Ausführungen, denen das Memorandum sein großes publizistisches Echo verdankt. Wie bereits erwähnt, unterscheidet sich das „Memorandum" von kirchlichen Äußerungen, wie ζ. B. der oben behandelten „Handreichung zur Friedensfrage" oder der rheinischen „Besprechungshilfe" durch das Fehlen einer gesonderten theologischen oder ethischen Begründung für politische Forderungen. Konnte es in der „Handreichung" für den „Bereich der Weltpolitik" heißen: „Wer Koexistenz sagt, begrenzt sich selbst auf seine Forderungen an den anderen. Er übt Verzicht. . .", so vertritt das „Tübinger Memorandum" keine solche „Verzichts"-forderung, sondern trifft stattdessen indikativ die Feststellung, daß ein Verzicht gar nicht mehr zur Disposition stehe, es vielmehr nur noch um die Anerkennung der politischen Realitäten, und das heißt in diesem Fall: der Oder-Neiße-Grenze gehen könne. Die Tübinger Autoren gehen davon aus, daß aus einer solchen Anerkennung außenpolitische Vorteile erwachsen würden und fordern eine entsprechende Vorbereitung und Einwirkung auf die Öffentlichkeit'. Diese erstmals in solchem Rahmen erhobenen ost- und deutschlandpolitischen Forderungen, die noch dazu - trotz aller „Privatheit" - von einem Kreis von Persönlichkeiten gestellt wurden, die in ihrer Gesamtheit in der Öffentlichkeit mit der evangelischen Kirche in Verbindung gebracht wurden, führten auch in der Kirche zu Äußerungen und Auseinandersetzungen, die schließlich die Kirche als ganze mit der Vertriebenenund Ostfrage konfrontierten in einem Ausmaß, wie es seit den ersten Nachkriegsjahren nicht mehr zu beobachten gewesen war. Am 2. März 1962, also nur wenige Tage nach Veröffentlichung des 8 Ebd., S. 82. Bei der hier angesprochenen „Kritik" war an Äußerungen gedacht, wie sie ζ. B. in der DEUTSCHEN SOLDATENZEITUNG vom 9. 3 . 1 9 6 2 zu finden sind. Den Autoren des Memorandums wird darin Verletzung von Verfassung und Strafgesetz vorgeworfen, die Justiz wird aufgefordert „unverzüglich ein Ermittlungsverfahren wegen Staatsgefährdung" einzuleiten. Der Staat solle „diese acht Männer, die sich eklatant an den deutschen Lebensnotwendigkeiten vergangen haben, aus den öffentlichen Positionen entfernen". Die öffentliche Meinung müsse solche Leute „hinwegfegen" (vgl. KJ 1962, S. 82). 9 Wie Landsberg (vgl. dazu, im Zusammenhang der Vertriebenendenkschrift der E K D , unten S. 157) in einer genauen Analyse hervorhebt, fordern die Tübinger A c h t nicht isoliert die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, sondern geben diese „im Rahmen eines umfassenden Programms oben genannter A r t " (d.h. gegenseitige materielle Wiedergutmachung, Nichtangriffspakt, Freizügigkeit in beiden Richtungen) zu erwägen. Vgl. L. LANDSBERG, Darf man darüber reden, S. 7.

Das Tübinger Memorandum

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„Tübinger Memorandums", trat der Ostkirchenausschuß zu einer Sitzung zusammen, auf der eine erste Stellungnahme zum außen- und deutschlandpolitischen Teil verabschiedet wurde. Sie war in dieser kurzen Zeit vom „Arbeitskreis für Ethik und Recht" 10 entworfen worden. Bis auf Pfarrer Ernst Schmittat, den Nachfolger Iwands als Vorsitzenden des ostpreußischen Hilfskomitees und auch als Mitglied des Ostkirchenausschusses, stimmten sämtliche Mitglieder zu. Die Erklärung „Der Ostkirchenausschuß zum Memorandum der Acht" wurde am 5. März 1962 in einer Sondernummer des Ostkirchen-Informationsdienstes der Öffentlichkeit übergeben". „ D e r Ostkirchenausschuß hat von dem Memorandum der acht evangelischen Persönlichkeiten . . . erst durch dessen allgemeine Veröffentlichung Kenntnis erhalten . . . Die Verfasser des Memorandums betrachten die Freiheit West-Berlins und das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen in der S B Z als menschenrechtliche, die Wiedervereinigung und die O d e r - N e i ß e - F r a g e hingegen als nationale Anliegen; erstere seien zu vertreten, letztere hingegen fallen zu lassen. In Wahrheit handelt es sich jedoch in allen vier Fällen um genau den gleichen Anspruch, nämlich auf Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts. W e r für das Selbstbestimmungsrecht eintritt, muß sich der sittlichfen] und politischen Verantwortung in gleicher Weise bewußt sein. Im Geiste dieser Verantwortlichkeit darf eine deutsche Politik nicht die willkürliche Zerschneidung einheitlicher Volksgebiete oder die Vertreibung ganzer Bevölkerungen aus ihrer angestammten Heimat durch einen Rechtsverzicht legalisieren; denn aus einem solchen Rechtsverzicht können sich angesichts gleichartig gelagerter Probleme in aller Welt unübersehbare Konsequenzen ergeben. W e r als Christ politisch zu handeln hat, weiß um die Undurchschaubarkeit der Wege Gottes und beugt sich seinem jeweiligen Walten in D e m u t und Vertrauen; das entbindet ihn jedoch nicht der Pflicht, für Recht und Gerechtigkeit einzutreten, w o immer es von ihm gefordert wird . . . "

Dies war die erste kirchliche Stellungnahme überhaupt, sieht man von der rein formalen, inhaltliche Fragen nicht berührenden Presseerklärung der EKD-Kirchenkanzlei vom 25. Februar 1962 ab. Der Ostkirchenausschuß war imstande, relativ schnell zu reagieren, da er mit dem „Arbeitskreis für Ethik und Recht" ein Organ besaß, das sich schon seit 1959 mit der angesprochenen Materie vom Grundsätzlichen her befaßte12. Die Stellungnahme des Ostkirchenausschusses ist die Kurzform einer ebenfalls bereits am 2. März 1962 vorliegenden ausführlichen Expertise des Arbeitskreises, die nur geringfügig überarbeitet im Januar 1963 der

10 I m NACHLASS BRUMMACK (Memorandum der Acht) findet sich ein Telegramm, das der Präsident des B d V , Krüger am 28. 2. 1962 an B r u m m a c k sandte, der eine Tagung des Arbeitskreises in Bad P y r m o n t leitete: „Memorandum führender Protestanten hat großes Aufsehen erregt. Es wird von den Vertriebenen abgelehnt. D a r u m eine Stellungnahme des in P y r m o n t arbeitenden Arbeitskreises [er-]bitten." Auch von anderer Seite erging in jenen Tagen die Aufforderung an den O K A , Stellung zu nehmen.

Anlage zu N r . 4 6 2 vom 6. 3. 1962 ( A O K A , C 7/3). Vgl. auch K J 1962, S. 83. D e r Arbeitskreis wurde damals vom 2. Vorsitzenden des O K A , B r u m m a c k , geleitet, der auch als Verfasser der beiden Stellungnahmen gelten kann. 11

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Öffentlichkeit übergeben worden war13. In ihrem politischen Kern entspricht die Stellungnahme der Kritik, wie sie Tage zuvor, am 27. Februar 1962, bereits von einigen evangelischen CDU-Bundestagsabgeordneten geäußert worden war. Auch darin wird auf das Selbstbestimmungsrecht abgehoben. „Die Aufgabe eines Teils dieses Rechts würde unsere Position insgesamt erschüttern."' 4 Die Tübinger Autoren hatten dagegen die Erwägung zum Ausgangspunkt genommen, wie die politischen Interessen, „Aufrechterhaltung der Freiheit in West-Berlin" und „Selbstbestimmung der Deutschen in der D D R " maximal gewahrt werden können; sie kommen angesichts der politischen Situation, wie sie sich nicht nur in Osteuropa, sondern auch in der westlichen Welt herausgebildet habe, und angesichts der „Neuordnung der internationalen Politik, die im Gange ist", zu dem Schluß, daß „das nationale Anliegen der Wiedervereinigung in Freiheit heute nicht durchgesetzt werden" könne und „wir den Souveränitätsanspruch auf die Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie werden verlorengeben müssen" 15 . Der Ostkirchenausschuß setzt einem solchen Ansatz eine politischsittliche „Verantwortlichkeit" entgegen, die - nicht nur von nationaler, sondern alle Völker umspannender 16 Relevanz - sich uneingeschränkter Rechtswahrung verpflichtet wissen müsse. „Vor der Macht zurückzugehen", einen „augenblicklichen Zustand" zu „legitimieren", „der nur auf Macht, nicht aber auf Recht beruht", entspreche nicht christgemäßem politischen Handeln. Denn - so der Ostkirchenausschuß in seiner ausführlichen Stellungnahme weiter - „Macht, die nicht nach dem Recht handelt, richtet anstelle des Gehorsams unter Gott eine eigene Machtherrlichkeit auf, die zum Bösen führt" (IV). Am 3. April 1962 wurde diese ausführliche Stellungnahme sämtlichen Unterzeichnern des Tübinger Memorandums mit der Bitte um eine Aussprache zugeleitet 17 . Daraufhin trafen am 18. Mai 1962 Girgensohn und Brummack mit dem rheinischen Präses Beckmann zusammen 18 , dessen 13 N r . 443 (vgl. Anm. 11). Vgl. KJ 1962, S. 83 ff. Hier irrtümlich „6. 11. 1 9 6 2 " als Datum der Veröffentlichung genannt. 14 Ebd., S. 79. Diese Position ist keineswegs auf die C D U beschränkt, sondern gehörte damals zum Gemeingut aller im Bundestag vertretenen politischen Parteien. 15 Ebd., S. 76. 16 So wird in der ausführlichen Stellungnahme des Arbeitskreises (Anm. 13) auf das Selbstbestimmungsrecht nicht nur des deutschen Volkes, sondern der Esten, Letten, Litauer, Polen Tschechen, Slowaken, Ukrainer, Magyaren, Rumänen und übrigen südosteuropäischen Völker verwiesen (Pkt. III). 17 NACHLASS BRUMMACK (Memorandum der A c h t ; C 7/3, N r . 786), der Vorgang ist allerdings nie zu den O K A - A k t e n genommen worden. 18 Auch die anderen Unterzeichner hatten sich zustimmend geäußert, gleichzeitig jedoch auf Terminschwierigkeiten verwiesen. G. Picht (am 9. 4 . 1 9 6 2 ) kritisierte außerdem, daß der O K A vor einem solchen Gespräch bereits an die Öffentlichkeit getreten sei und monierte,

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wichtigstes Ergebnis in der Vereinbarung eines weiteren Gesprächs zu sehen ist. Daran sollte jede Seite mit drei Vertretern teilnehmen". Beckmann nahm - so Brummacks Bericht - im Gegensatz zu anderen Tübinger Unterzeichnern keinen Anstoß an F o r m und Veröffentlichung der Stellungnahme des Ostkirchenausschusses vom 5. M ä r z 1962 und zeigte auch Verständnis für deren Inhalt. Die Vertreter des Ausschusses stimmten andererseits den Tübinger Autoren darin zu, „daß es notwendig sei, Fragen wie die vom Memorandum ausgelösten ernster und ehrlicher in der Öffentlichkeit zu behandeln" 2 0 . Zu jenem erweiterten Gespräch ist es jedoch nicht mehr gekommen aus Gründen, die aus den Akten nicht ersichtlich sind 21 . D e r Ostkirchenausschuß ging wohl bei der Veröffentlichung der ausführlichen Stellungnahme im Januar 1963 davon aus, daß ein solches Gespräch nicht mehr zustandekomme 2 2 . Die Position des Ostkirchenausschusses war nun aber nicht einfach die der evangelischen Vertriebenen und ihrer kirchlichen Gremien überwie auch R a i s e r (am 19. 4 . ) , daß der O K A mit seiner S t e l l u n g n a h m e auf die „rein politische A r g u m e n t a t i o n " der T ü b i n g e r mit einer öffentlichen Ä u ß e r u n g g e a n t w o r t e t h a b e , die „unser H a n d e l n als C h r i s t e n t h e o l o g i s c h u n d sittlich in F r a g e s t e l l t " . R a i s e r spricht darüber hinaus dem O K A die L e g i t i m a t i o n ab, „zu außenpolitischen Fragen allgemein o d e r zu diesem T e i l des M e m o r a n d u m s im speziellen öffentlich Stellung zu n e h m e n . Sie haben sich d a m i t " , so R a i s e r an B r u m m a c k , „in der Ö f f e n t l i c h k e i t eine k i r c h l i c h e A u t o r i t ä t zugelegt, die I h n e n n i c h t z u k o m m t " . D e m v o m R a t dem O K A „wirklich erteilten A u f t r a g , sich u m die rechte Seelsorge für die V e r t r i e b e n e n zu k ü m m e r n " , habe der O K A damit keinen guten D i e n s t erwiesen. M e h r n o c h als mit diesem U r t e i l n a h m Raiser mit der f o l g e n d e n B e m e r kung einen strittigen P u n k t in der späteren A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m die O s t - D e n k s c h r i f t der E K D v o r w e g : „ich bilde m i r s o w e n i g wie meine F r e u n d e ein, in den unendlich schwierigen F r a g e n unserer O s t p o l i t i k allein den richtigen W e g zu wissen, . . . ich w e i ß natürlich, daß es auch gewichtige G e g e n a r g u m e n t e gegen unsere T h e s e n gibt. E i n e s aber w e i ß ich g e w i ß : es ist nicht Sache unserer K i r c h e , in dieser F r a g e Stellung zu n e h m e n und praktisch sich die F o r d e r u n g e n unserer V e r t r i e b e n e n v e r b ä n d e z u eigen zu m a c h e n . D a s ist n i c h t n u r politisch für sie gefährlich, s o n d e r n auch theologisch u n h a l t b a r " (ebd., N r . 1232). " B e c k m a n n , K . v. B i s m a r c k und ein weiterer U n t e r z e i c h n e r auf der einen, G ü l z o w , G i r g e n s o h n und B r u m m a c k auf der anderen Seite. V g l . B e r i c h t B r u m m a c k ( A O K A , C 7 / 3 , N r . 1242). 20

Z u v o r hatte B r u m m a c k , der in j e n e n M o n a t e n den erkrankten G ü l z o w im O K A -

V o r s i t z vertrat, in einem internen A r b e i t s p a p i e r für den O K A diesen P u n k t ebenfalls positiv b e w e r t e t , allerdings den außenpolitischen „ S c h a d e n " , der durch die V e r ö f f e n t l i c h u n g entstanden sei, h ö h e r veranschlagt als einen „fraglichen N u t z e n " (vgl. A n m . 19). In diese R i c h t u n g zielt auch die einzige ö f f e n t l i c h e Ä u ß e r u n g des 2 . Ο Κ Α - V o r s i t z e n d e n B r u m m a c k z w i s c h e n den beiden ö f f e n t l i c h e n S t e l l u n g n a h m e n des O K A z u m T ü b i n g e r M e m o r a n d u m auf dem s c h l e s w i g - h o l s t e i n i s c h e n L a n d e s k o n v e n t am 2 0 . 8. 1962 in N e u m ü n s t e r (vgl. O K i D 1 9 6 2 / V I I I , S. 2 f f . ) . 21

D i e letzte A n g a b e dazu ist ein S c h r e i b e n B r u m m a c k s an B e c k m a n n v o m 18. 6 . 1962 ( C

7 / 3 , N r . 1 3 4 1 , vgl. A n m . 10). H i e r b e i handelt es sich um einen Z w i s c h e n b e s c h e i d , weil G ü l z o w s E r k r a n k u n g n o c h keinen festen T e r m i n zulasse. 22

V g l . C . B r u m m a c k (UNVERLIERBARKEIT 1/1, S. 9 1 ) . D o r t w e r d e n allerdings w e d e r die

U n t e r r e d u n g m i t B e c k m a n n , n o c h die K o r r e s p o n d e n z mit anderen U n t e r z e i c h n e r n erwähnt.

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haupt. So wie das Für und Wider die Öffentlichkeit insgesamt, die gesamte evangelische Kirche einschließlich des Rates der E K D bewegte und spaltete, so wurde auch innerhalb der kirchlichen Vertriebenenarbeit entgegenlaufende Bewegung sichtbar, was angesichts früherer Auseinandersetzungen nicht weiter verwunderlich ist. So nannte z . B . Ernst zur Nieden in der Monatszeitung für Männerarbeit der E K D , „Kirche und Mann", im April 1962 das Memorandum „das Zeichen eines ernstgenommenen evangelischen Laienapostolats" und rief dazu auf, sich „gegen die [zu] verbünden, die von einem fanatischen Gruppendenken her eine freimütige Diskussion über Lebensfragen unseres Volkes verhindern wollen" 23 . Der Evangelische Presseverband Schleswig-Holstein fragt in seinem „Vertraulichen Informationsdienst B " vom 26. Februar 1962 dagegen, wie sich „Prof. Raiser, der bekanntlich nicht nur Präsident des Wissenschaftsrates, sondern auch Vorsitzender der noch nie zusammengetretenen,Kammer für öffentliche Verantwortung' 24 der E K D ist, dazu hergeben konnte, ein so obskures Dokument zu kreieren". Der „Arbeitskreis für Ostfragen", Organisator der „Barsinghausener Gespräche" 2 5 lud die Tübinger Acht zu einem öffentlichen F o r u m - G e spräch ein und wandte sich gleichzeitig „gegen die laienhafte Behandlung außenpolitischer Fragen" im Memorandum 26 . Der Ostkirchenausschuß selbst oder einzelne seiner Mitglieder erhielten ebenfalls Zuschriften zum Tübinger Memorandum, zustimmenden oder ablehnenden Inhalts. Breiten Raum nahm die Diskussion in den Leserbriefspalten der kirchlichen Presse bis in den Herbst 1962 hin ein27. 23 InderMai- und J u n i - N u m m e r 1962 von KIRCHE UND MANN entspann sich daraufhin eine lebhafte Leserdiskussion. 24 Diese Kammer tagte „bekanntlich" seit 1949 regelmäßig ein- oder mehrmals jährlich. 25 Vgl. zur Trägerschaft und Zielsetzung dieser Einrichtung das V o r w o r t von H . Beske und G. Rauhut (DER GEISTIGE UND POLITISCHE STANDORT, S. 5). Zu den Trägern gehören kirchliche und weltliche Verbände der ostdeutschen Heimatvertriebenen, darunter auch der Ostkirchenkonvent und der katholische Flüchtlingsrat in Deutschland. 26 O K i D 1962/III, S. 3. Der Arbeitskreis kritisierte das Memorandum außerdem, „weil die Unterstellung der Unehrlichkeit bei Parteien und Regierung die Grundlagen unseres Staates in einer Weise unterminiert, die schon einmal das Ende der Demokratie in Deutschland herbeigeführt hat". 27 Vgl. besonders „Der W e g " , das Sonntagsblatt der rheinischen Landeskirche, in der ja, wie oben dargestellt, bereits vor dem Tübinger Memorandum Fragen des Heimatrechts, der Vertriebenen- und Ostpolitik behandelt worden waren. In dieser Zeitschrift entbrannte im Herbst 1962 aufs neue die Diskussion, nachdem der rheinische Präses Beckmann in der Zeitschrift DER SPIEGEL (Nr. 31 vom 1 . 8 . 1 9 6 2 ) ein Interview veröffentlicht hatte und in DER WEG ( N r . 37, 1962) ein Leitartikel mit dem Titel „Gefährliche Illusionen" von Reinhard Henkys, der dem Memorandum zustimmte, und eine Dokumentation über das Heimatrecht erschienen waren. Das Interview im „Spiegel" zog Beckmann heftige Kritik von führenden Vertriebenensprechern zu und veranlaßte die „Gemeinschaft ev. Schlesier" zu einer Verlaut-

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Am meisten Beachtung fand in dem Zusammenhang die sogenannte „Beienroder Erklärung", die Anfang Oktober auf dem „Beienroder Konvent" 28 zustandekam 29 : „Das politische M e m o r a n d u m der Acht . . . hat in der Bundesrepublik und besonders unter unseren ehemaligen ostpreußischen Gemeindegliedern eine heftige Diskussion ausgelöst. D e r aus der ostpreußischen Bekennenden Kirche hervorgegangene ,Beienroder K o n vent' hat diese Diskussion aufgenommen. D i e unterzeichneten Glieder unseres Konvents stimmen den Ausführungen des Memorandums zu, die auch unsere ehemalige ostpreußische Heimat b e t r e f f e n . . . "

Es wird dann Professor Gollwitzer zitiert mit seinen 1962 erschienenen „Forderungen der Freiheit": „,Es geht nicht um den Verzicht auf etwas, was wir haben, sondern um die Erkenntnis eines nicht mehr rückgängig zu machenden Verlustes und um eine von dieser Erkenntnis ausgehende Politik, die auf der Basis der bestehenden Wirklichkeit die Verständigung mit den östlichen Nachbarn und den dazu nötigen Schlußstrich unter eine böse Vergangenheit voll von gegenseitiger Schuld um des Friedens willen anstrebt. Eine solche Verständigung ist eine unerläßliche Voraussetzung für die Wiedervereinigung unseres Volkes.' Auch diese Ausführungen machen wir uns zu eigen. Deshalb ermahnen wir unsere Landsleute, den so gewiesenen W e g einer geistlichen und politischen U m k e h r mit uns zu beschreiten und alle Bestrebungen zur Versöhnung mit den östlichen Nachbarn zu fördern W i r wollen mit allen reden, denen unsere Haltung N o t macht. Wir bitten für sie wie für alle, die einen solchen W e g wagen. W i r stellen uns an die Seite derer, die auf diesem W e g Diffamierung erleiden."

barung, in der sie sich „von den Auffassungen von Präses D . Beckmann in dieser Frage distanziert" und hinter die Stellungnahme des O K A vom März 1962 stellt (vgl. O K i D 1962/ V I I I , S. 6). Ein Großteil der kirchlichen Sonntagspresse scheint eine eher distanzierte Haltung gegenüber den ostpolitischen Aussagen des Tübinger Memorandums eingenommen zu haben (vgl. die Redaktionsbemerkung zur Leserbriefspalte in: DER WEG vom 30. 9. 1962). A u c h kirchliche Monatszeitschriften behandelten das T h e m a (vgl. z . B . KIRCHE IN DER ZEIT, Heft 7 und 11/1962). Die Z E E griff die Materie ebenfalls im S o m m e r 1962 in zwei Heften auf und 1963 im H e f t l . 28 So nannte sich seit 1950 der jährlich tagende Konvent der ostpreußischen Pfarrer. Vgl. dazu Bd. I, S. 87. 29 Es handelt sich ursprünglich nicht um ein, wie in der Dokumentation des ostpreußischen Hilfskomitees ( V D 31, S. 5) gennant, „ W o r t des Beienroder K o n v e n t s " , sondern um eine Erklärung, die auf dem von über 90 Teilnehmern besuchten Konvent zunächst 47 darunter ca. 30 Pfarrer bzw. Theologen (vgl. die Referentennotiz zu N r . 1781 vom 18. 10. 1962; A K K , 518, Beiheft: O K A I I ) dann aber durch schriftlichen Umlauf erheblich mehr Unterschriften erhielt. W e n n trotzdem mit einer gewissen Berechtigung von einem „Wort des Beienroder K o n v e n t s " gesprochen werden kann, dann deshalb, weil dieser Vorgang zu einer Abspaltung (Berliner Konvent, dann „Gemeinschaft ev. O s t p r e u ß e n " ) führte (vgl. dazu unten, S. 78 ff.), die eine Identifizierung der Resolution mit dem verbliebenen „Beienroder K o n v e n t " erlaubt.

Es m u ß aber festgehalten werden, daß es sich damals lediglich um eine Äußerung von Mitgliedern des Konvents handelt. Nichts anderes gib die Erklärung selbst vor, wenn es darin heißt: „. . . Die unterzeichneten Glieder unseres Konvents stimmen . . . z u " .

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Hier wird zwar nicht aus der spezifischen Erfahrung des Kirchenkampfes, der Vertreibung, des Heimatverlustes und des Neuanfangs heraus argumentiert; es werden aber wohl die immanent politischen Erwägungen der Tübinger und auch Gollwitzers in einen geistlichen Interpretationszusammenhang gestellt. Mit der „politischen", d.h. aus der Analyse der Machtkonstellation gewonnenen Forderung nach Umkehr wird die Ermahnung zur „geistlichen Umkehr" verknüpft, der an politischer O p p ortunität ausgerichtete Wunsch nach-Normalisierung der Beziehungen zu den östlichen Nachbarn wird zum Streben nach Versöhnung mit diesen sublimiert. N u r wenige Tage nach dem Beienroder Konvent fanden in Lüneburg Ostkirchentagung und Ostpfarrertag vom 15. bis 16. Oktober 1962 statt, an deren Rand sich dem Ostkirchenausschuß, dem Kleinen Konvent und den Vorsitzenden der Hilfskomitees die Gelegenheit bot, auf die Beienroder Erklärung zu reagieren 30 . Diese Gremien sprachen ihr Bedauern über die Beienroder Resolution aus und beriefen sich auf die Stellungnahme des Ostkirchenausschusses vom 5. März 1962 zum Tübinger Memorandum. Wiederum war es nur der Vertreter des ostpreußischen Hilfskomitees, der dieser im „Ostkirchen-Informationsdienst" veröffentlichten 31 Erklärung seine Zustimmung versagte 32 . Am heftigsten entbrannten die Auseinandersetzungen über die Beienroder Erklärung jedoch unter den ehemaligen ostpreußischen Pfarrern selbst, wobei sogar organisatorische Konsequenzen nicht ausblieben. Die Arbeit der ostpreußischen Pfarrer im Konvent und Hilfskomitee war vorübergehend von Iwand geprägt worden 33 , der bereits als theologischer 30 Die Ostkirchentagung stand unter dem M o t t o „Europäische Begegnung als Aufgabe des Christen", wozu Prof. Martin Fischer und Chefredakteur Gerhard Bittner referierten. Fischer forderte „ein Mitdenken für Menschen und Mächte jenseits des Eisernen Vorhangs" und nannte die Einheit der Getauften in allen Völkern „entscheidend". Die Grenzen von Volk und Staat seien nicht „letzte Grenzen" (EPD. B. N r . 43 vom 25. 1 0 . 1 9 6 2 ) . In ähnlicher Richtung argumentierte Bittner, dabei die N y b o r g e r „Konferenz Europäischer Kirchen" und die „Aktion Sühnezeichen" als Symptom dafür nennend, „daß Christen schon heute eine solche europäische Begegnung [erg.: unter christlichem Vorzeichen] verwirklichen" (ebd.). Protokoll der Sitzung von O K A , Kl. Konvent und Hilfskomitee-Vorsitzenden vom 15. bis 17. 10. 1972 ( A O K A , A 7 und C 14/1962).

Sondernummer vom 18. 10. 1962. In der Diskussion ging es vornehmlich um zwei Probleme: 1. die Gefahr einer Identifizierung der Beienroder Erklärung mit den vertriebenen Pfarrern oder gar der ev. Kirche überhaupt (vgl. z . B . Votum Gundert, Niederschrift, S. 9 ; A O K A , C 14) - die Beienroder Erklärung wurde den Bundestagsabgeordneten, der Bundesregierung und weiteren Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zugestellt und darüberhinaus wohl auch in einigen Städten, z . B . in Essen, als Flugblatt verteilt (vgl. N r . 2 7 4 2 v o m 25. 1 0 . 1 9 6 2 ; ebd. C 7 / 3 ) 31

32

2. die Verquickung von G e r i c h t - und Umkehrgedanke mit bestimmten politischen E n t wicklungen (vgl. z . B . die Voten Kruska und Steffani). 33

Vgl. Bd. I, S. 87.

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Das Tübinger Memorandum

Lehrer in der Bekennenden Kirche die damalige junge Pfarrergeneration Ostpreußens, aus dem er 1938 ausgewiesen wurde, entscheidend beeinflußt hatte, so daß die deutsch-christliche Bewegung dort kaum F u ß fassen konnte 3 4 . Die Bedeutung Iwands für die ostpreußische Vertriebenenarbeit führte zu einer im Kreis der Hilfskomitees ziemlich einmaligen Affinität und Beziehung zum Wirken der Kirchlichen Bruderschaften, was bereits im Laufe der 50er Jahre mit einer gewissen Zwangsläufigkeit Spannungen nicht nur unter den ostpreußischen Pfarrern, sondern vor allem mit den säkularen Vertriebenenverbänden hervorrief 35 . Das Erbe des Kirchenkampfes blieb in der Auseinandersetzung um solche Fragen in besonderer Weise lebendig, sowohl was den Inhalt als auch die F o r m betrifft. Bereits auf der Mitte N o v e m b e r stattfindenden Tagung des hannoverschen Landeskonvents kam es zu einem Eklat, der seinen Ursprung nicht zuletzt in der durch Beienrode verdeutlichten und zugespitzten Frontstellung hatte und zu einem vorzeitigen Auszug einiger Konventsmitglieder führte 36 . Im Dezember 1962 versandte der Berliner Pfarrer Bruno Moritz, der aus Ostpreußen stammte, im N a m e n von 22 ehemals ostpreußischen Geistlichen einen Brief an 360 ehemals ostpreußische Amtsbrüder mit der

34

D i e s w u r d e t r o t z aller A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n auch v o n I w a n d s ( k i r c h e n - ) p o l i t i s c h e n

G e g n e r n nach 1945 ausdrücklich anerkannt. V g l . z . B . den R u n d b r i e f 1 / 1 9 6 4 der G e m e i n schaft ev. O s t p r e u ß e n , S. 5 ( A K K , 5 1 8 , B e i h e f t : O s t p r e u ß i s c h e s H i l f s k o m i t e e ) . 35

So w a r es bereits 1 9 5 6 / 1 9 5 7 z u einer A u s e i n a n d e r s e t z u n g z w i s c h e n L a n d s m a n n s c h a f t ,

H i l f s k o m i t e e und O K A g e k o m m e n . A u f der V e r s a m m l u n g der westfälischen P f a r r b r u d e r schaft in D o r t m u n d 1 9 5 6 hatte I w a n d ein G r u ß w o r t g e s p r o c h e n , aus d e m ein a n w e s e n d e r V o l k s m i s s i o n a r die M i t t e i l u n g h e r a u s g e h ö r t hatte, die o s t p r e u ß i s c h e K i r c h e sei „ a u f g e l ö s t " (was in gewisser H i n s i c h t nicht bestritten w e r d e n k a n n ) . D i e s e r V o l k s m i s s i o n a r s c h i c k t e daraufhin B e s c h w e r d e b r i e f e an L a n d s m a n n s c h a f t und O K A . D i e L a n d s m a n n s c h a f t , mit d e r das H i l f s k o m i t e e b e w u ß t keine K o n t a k t e unterhielt (vgl. dessen D o k u m e n t a t i o n s b e r i c h t , S. 6 ; V D 3 1 ) lud daraufhin den Ο Κ Α - V o r s i t z e n d e n zu einer V o r s t a n d s i t z u n g ein, in der es um das V e r h ä l t n i s z u m H i l f s k o m i t e e ging. W i e G ü l z o w selbst b e r i c h t e t , k o n n t e er „leider auf diese F r a g e [nach einer B e s s e r u n g des Verhältnisses] auch keine A u s k u n f t g e b e n " . A u f d e m O s t p r e u ß e n t r e f f e n in B o c h u m 1 9 5 7 b r a c h t e der S p r e c h e r der L a n d s m a n n s c h a f t D r . A l f r e d G i l l e die A n g e l e g e n h e i t „in massiver W e i s e z u r S p r a c h e " . A u f d e r Sitzung des o s t p r e u ß i s c h e n B r u d e r r a t e s am 2 0 . 5. 1 9 5 7 b e s c h w e r t e sich I w a n d daraufhin, d a ß der O K A gegen ihn arbeite. D e r Präsident der E K U - K i r c h e n k a n z l e i ( - O s t ) , H i l d e b r a n d t , das einzige n o c h lebende Mitglied des R a t e s der o s t p r e u ß i s c h e n B e k e n n t n i s s y n o d e , kritisierte den G e s c h ä f t s f ü h r e r des O K A , daß er es versäumt h a b e , I w a n d v o r h e r um seine S t e l l u n g n a h m e zu b i t t e n , b e m ü h t e sich j e d o c h gleichzeitig u m eine V e r b e s s e r u n g des Verhältnisses v o n H i l f s k o m i t e e und O K A . D i e s w u r d e j e d o c h nicht erreicht (vgl. N i e d e r s c h r i f t der O K A Sitzung am 7. 10. 1 9 5 7 , S. 1; Α Ο Κ Α , A 7 / 1 9 5 8 , N r . 2 6 0 ) ; I w a n d blieb bis zu seinem T o d e den Ο Κ Α - S i t z u n g e n fern, an denen er auch in den J a h r e n z u v o r k a u m n o c h t e i l g e n o m m e n hatte, und ließ sich d u r c h P f r . S c h m i t t a t vertreten. " V g l . S c h r e i b e n R a u h u t s ( L a n d e s k o n v e n t H a n n o v e r ) an E n g l e r v o m (NACHLAß BRUMMACK, M e m o r a n d u m der A c h t ) .

16. 11.

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Bitte um eine Zustimmungserklärung 37 . Diese Pfarrer wenden sich dagegen, die Beienroder Resolution als „Stimme der Ostpreußischen Bekennenden Kirche" anzusehen, werfen ihr politischen Dilettantismus, vor allem aber eine „klare Vermengung von kirchlichen und politischen Fragen" vor. Der Weg der Bekennenden Kirche sei hier verlassen worden, wird unter Berufung auf These V der Barmer Theologischen Erklärung behauptet. Die Absender fordern eine Zusammenkunft aller ehemaligen ostpreußischen Pfarrer und das Zustandekommen einer „rechtmäßigen Vertretung der Ostpreußischen Kirche . . ., die theologisch und kirchenpolitisch nicht nur einseitig orientiert ist, sondern alle diejenigen umfaßt, die sich der Ostpreußischen Kirche, den Gemeinden unserer Heimat und dem theologischen Erbe unserer Väter verpflichtet wissen" 38 .

Das Echo auf diese Initiative war groß. Am 23. Februar 1963 teilte Moritz dem stellvertretenden Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses, Brummack, mit, daß bis jetzt 150 Zustimmungen von Amtsbrüdern eingegangen seien. Hinzu kämen noch circa 30 Pfarrwitwen und andere Gemeindeglieder, unter diesen auch Hans Graf Lehndorff 39 . Im Winter 1963 folgte ein weiteres Rundschreiben von Moritz, dem als Anlage die unterschiedlichen Darstellungen beider Seiten von den Vorgängen im Ostkirchenausschuß und in Beienrode seit Veröffentlichung des Tübinger Memorandums und eine Reihe von Zitaten der Zustimmung zum Berliner Rundschreiben von 1962 beigegeben waren40. Der Bruderrat der ehemaligen Ostpreußischen Bekenntnissynode legte unter dem Vorsitz von Pfarrer Ernst Burdach am 21. April 1963 sein weiteres Vorgehen angesichts der Berliner Initiative fest41. Die Vorbereitung des Herbstkonvents 1963 in Beienrode führte zu einer fortschreitenden organisatorischen Klärung der Widersprüche unter

Ebd. Hervorhebung im Original. Die Initiatoren gingen also über den Rahmen der ostpreußischen Bekennenden Kirche hinaus und strebten eine Sammlung aller, auch der nicht an die Bekennenden Kirche gebundenen Pfarrer und Gemeindeglieder an. 3 ' Zu dessen Rede in der Frankfurter Paulskirche vom 9. 9. 1962 vgl. im nächsten Abschnitt S. 95. Zu den Initiatoren des Rundschreibens vom Dezember 1962 zählen u.a. Pfr. Reinhold George, Prof. Karl Gregorczewski, Lie. Karl Hanne, Pfr. Hugo Linck und Pfr. Werner Marienfeld. 40 Auf Einzelheiten soll hier nicht eingegangen werden. Beide Seiten beriefen sich z.B. auf den O K A , den sie jeweils als Zeugen anriefen. 41 Obwohl mir kein unmittelbares Dokument der Sitzung vorliegt, ist die Linie doch wohl einem Schreiben Pfr. Schmittats an Pfr. Moritz vom 5. 4.1963 zu entnehmen, in dem es heißt: „Ich bin in gewissem Sinne sehr dankbar über das Ergebnis Ihrer Gemeinschaftsarbeit', weil damit klargestellt ist, was Sie eigentlich wollen: eine organisierte ostpr. Kirche im Exil analog der Landsmannschaft. . . . Soweit ein Erbe der Bekenntnissynode der ehemaligen Kirchenprovinz Ostpreußen der APU zu wahren ist, besteht eine legitime Kontinuität, in der man mitarbeiten, auch mitgestalten, aus der man sich freilich auch ausschließen kann." 37 38

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den ehemals ostpreußischen Pfarrern. Es gelang den „Berlinern" 42 nicht, sich mit ihrem Referentenvorschlag für Beienrode gegenüber dem Bruderrat der ehemaligen Ostpreußischen Bekenntnissynode 43 durchzusetzen. Sie organisierten deshalb eine eigene Tagung Mitte November in Berlin, zu der sie alle ehemaligen ostpreußischen Pfarrer einluden44. Auf seiner Tagung gab sich der „Berliner Konvent" einen neunköpfigen „Leiterkreis", der einen vierköpfigen „geschäftsführenden Ausschuß" bildete, dessen „Schriftführer" Pfr. Marienfeld wurde. Für Westdeutschland wurden „Regional-Konventstagungen" geplant und Anfang 1964 auch eingerichtet. Die organisatorische Trennung war damit zunächst vollzogen. Für die Bundesrepublik und West-Berlin gab es nunmehr nicht nur den „Beienroder Konvent", sondern auch den „Berliner Konvent", dem sich in den folgenden Monaten knapp 160 ehemalige ostpreußische Pfarrer, gegenüber etwa 60 „Beienrodern", zugehörig erklärten45. Gleichzeitig strebten die „Berliner" eine „angemessene Vertretung" in Ostkirchenausschuß und Hilfskomitee an46. 42 Die Abkürzung mag hier erlaubt sein, solange die organisatorischen Konsequenzen noch nicht vollzogen wurden. Einen „Berliner Konvent ehem. ostpr. Pfarrer" gab es seit der früheren Nachkriegszeit. Er bildete den Zusammenschluß der (später: West-)Berliner ostpreußischen Pfarrbrüder, der sich um die Verbindung zu den ehemals ostpreußischen Pfarrern in Ost-Berlin und der D D R bemühte. Bedeutendste Veranstaltung des Berliner Konvents waren die ostpreußischen Kirchentage in Berlin-Spandau, an denen in den Anfangsjahren auch Iwand und andere Pfarrer des Beienroder Konvents teilnahmen. Seit 1949 wurde der Berliner Konvent von Pfr. Moritz geleitet (vgl. Rundbrief der Gemeinschaft ev. Ostpreußen 1/1964 vom 22. 12. (?) 1964, S. 6; A K K , 518, Beiheft: Ostpreußisches Hilfskomitee). h43 Vgl. Rundbrief der „Berliner" vom 28. 9. 1963 NACHLASS BRUMMACK, Memorandum der Acht). Die „Berliner" hatten dem Bruderrat am 1. 7.63 mitgeteilt, sie erkennten die vorgesehene Rednerlister (Prof. Gollwitzer, Prof. Fischer, Prof. Martin Schmauch) nicht an, und eine Ergänzung durch die Prof. Hans Rothfels, Kruska, [Hermann?] Conrad [oder Joachim Konrad?] und den Frhr. v. Braun (Göttinger Arbeitskreis) gefordert. 44 Diese Pfarrertagung wurde organisatorisch mit den „Theologischen Tagen in Heilsbronnen 1963" verknüpft. In der Berliner Gemeinde „Heilsbronnen" war Pfr. George tätig, der mit zur Berliner Initiative vom November 1962 zählte. Als Referenten wurden für die Pfarrertagung u.a. v.Braun, Brummack, Kruska, sowie der EKD-Ratsvorsitzende Präses Scharf („Bericht zur kirchlichen Lage in Deutschland und in der Ökumene") gewonnen. In einem Schreiben vom 13. 9. 1963 an Brummack nannte Pfr. Moritz als Ziel derTagung „die Gründung einer Gemeinschaft ev. Ostpreußen und die deutliche Erklärung, daß die Beienroder nicht berechtigt sind, im Namen der ostpreußischen Pfarrer zu reden" (vgl. Anm. 36). Moritz korrespondierte seit November 1962 mit dem stellvertretenden OKA-Vorsitzenden. Auch Gülzow schaltete sich ein. Brummack sprach über „Politik in christlicher Verantwort u n g - zum theologischen Problem des Heimatrechts" (hier an seinen Aufsatz in den Luth. Monatsheften vom Juli 1963 anknüpfend). 45 Dies der Stand vom April 1964. Vgl. Rundbrief des „Berliner Konvents" 2/1964 vom 3. 6. 1964, S. 2 (vgl. Anm. 34) Die beiden „Konvente" tauschten ihre Unterschriftenlisten vereinbarungsgemäß am 23. 4 . 1 9 6 4 aus. 46 Entschließung III vom 15. 11. 1963, die am 1. 12. 1963 dem Rat der E K U zugeleitet

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Selbstverständlich fehlte es nicht an Bemühungen, die organisatorische Trennung abzuwenden, bzw. rückgängig zu machen. Im Ostkirchenausschuß wie auch im Rat der EKD selbst sah man dies als eine Aufgabe an, die von den „Ostpreußen" möglichst selbst gelöst werden sollte47. Dazu erbot sich der Präsident der Kirchenkanzlei der E K U (Ost), Hildebrandt48. Bereits zum 1. Juli 1963 rief er Vertreter der „Beienroder", der „Berliner" und der ehemals ostpreußischen Pfarrer in der D D R nach OstBerlin zusammen. Das Gespräch ergab die Empfehlung, diese drei Gruppierungen sollten je fünf Delegierte wählen, die dann gemeinsam die Voraussetzung einer Einigung zu prüfen hätten4'. Ein solches Gremium konnte am 18. März 1964 tatsächlich - wiederum bei Hildebrandt - zusammentreten und äußerte einstimmig die Meinung, „daß der bestehende Bruderrat sich ernsthaft die Frage stellen muß, wie er die Gemeinschaft der Brüder erhält. Die hier in Berlin Versammelten sind der Auffassung, daß der Bruderrat prüfen muß, ob er in der augenblicklichen Situation in der bisherigen Zusammensetzung bestehen bleiben kann. Ihm wird empfohlen, 1. die geeigneten Schritte zu unternehmen, um die Gemeinschaft aller Gruppierungen zu sichern, 2. seine Aufgaben neu zu klären und zu formulieren. Diese Aufgaben versuchten wir in folgenden 4 Sätzen ungefähr zu umreißen: 1. die bestehende und gewachsene Gemeinschaft der Ostpr. Bruderschaft zu stärken; 2. die aus dem Kirchenkampf gewonnenen Erkenntnisse theologisch und kirchenpolitisch fruchtbar zu machen; 3. die Gesamtverantwortung des Bruderrats für Beienrode als das Zentrum der ehemaligen ostpr. Bekennenden Kirche herauszustellen; 4. das geistige Erbe Hans Iwands zu pflegen" 50 .

Der Wille, eine organisatorische Spaltung zu verhindern, scheint also den beiden westlichen Gruppen damals gemeinsam gewesen zu sein. Die Beienroder Delegierten brachten dazu die Bereitschaft ein, die bisherige Zusammensetzung des Bruderrates zu überprüfen und in eine Diskussion der Aufgaben einzutreten. Eine weitergehende Festlegung, etwa so, daß der Bruderrat seine Zusammensetzung ändern müsse, oder gar inhaltlicher Art, im Sinne einer Auslegung und aktuellen Anwendung „der im Kirchenkampf gewonnenen Erkenntnisse", enthält die Ubereinkunft dagegen nicht51. Letzteres gab jedoch anläßlich der Auseinandersetzung wurde zusammen mit einer weiteren Entschließung, in der noch einmal die Beienroder Erklärung vom Oktober 1962 als „Mißbrauch des Evangeliums" unter Berufung auf „Barmen V" abgelehnt wird. Schreiben der Kirchenkanzlei der EKU an die Kirchenkanzlei der E K D vom 10. 12. 1963 (vgl. Anm. 42, Nr. 2042). 47 Vgl. Schreiben Gülzow an Moritz vom 22. 4. 1963 (ΑΟΚΑ, A 1, Nr. 972). 4! In der Korrespondenz meistens, wie in Zeiten des ostpreußischen Kirchenkampfes, „Br. H . " genannt. 49 Vgl. Bericht Schmittats vom 1. 5. 1964 an Gundert (vgl. Anm. 46, Nr. 744). 50 Ebd. 51 Die vier Punkte zur Umreißung der Aufgabe des Bruderrates konnten dem Wortlaut

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über die Beienroder Erklärung den Ausschlag für die bis dahin vollzogene organisatorische Entwicklung. Und so nimmt es nicht wunder, wenn die Entschließung vom 18. März 1964 trotz der Bemühung des von beiden Seiten geachteten Bruderrats-Mitgliedes Hildebrandt ohne weitere Folgen blieb. A m 23. April 1964 verstand sich der Bruderrat zwar zu der Erklärung, er nehme „die Fragen des sogenannten ,Berliner Konvents' ernst" und beschloß auch eine Erörterung mit dessen Vertretern auf seiner nächsten Sitzung. Er lehnte es, entgegen Hildebrandts Vorschlag, die fünf „Berliner Delegierten sofort in den Bruderrat aufzunehmen", jedoch ab, seine Zusammensetzung sofort zu „überprüfen", sondern verschob dies auf „später"52. Damit war trotz bis ins Jahr 1967 weiterlaufender 53 Einigungsversuche über die organisatorische Trennung entschieden: A m 20. Mai 1964 beschloß der Leiterkreis des Berliner Konvents, sich „um einen weiteren, auch organisatorischen Ausbau unseres Berliner Konvents" zu bemühen und außerdem eine „Gemeinschaft evangelischer Ostpreußen" zu gründen54, in der sowohl Pfarrer als auch Laien aus Ostpreußen sowie deren „Abkömmlinge" (Paragraph 3 der e.V.-Satzung) zusammengeschlossen sind55. nach ohne weiteres von jeder der beiden Gruppen in Anspruch genommen werden, abgesehen davon, daß selbst die Interpretation des prozeduralen Teiles der Entschließung auf beiden Seiten divergierte. ' J Hildebrandts Antrag erhielt fünf Ja- und sechs Nein-Stimmen. Vgl. Schreiben Marienfelds an Burdach vom 25. 5. 1964, S. 2 (vgl. Anm. 42) und Bericht Schmittats, S. 2 (vgl. Anm. 49). 53 Vgl. Gespräch der beiden Gruppen mit dem Ratsvorsitzenden am 29. 6. 1965 (vgl. Anm. 42, Nr. 1553) und die Besprechung am 16./17. 5. 1967 in Berlin mit gemeinsamer Erklärung (ebd., Nr. 1351), durch die der Streit „nunmehr beigelegt worden" sei, wie Gundert am 29. 6. 1967 Präses Scharf berichtet. 54 Vgl. Anm. 52 55 Die am 27. 7. 1964 gegründete „Gemeinschaft", zu deren 1. Vorsitzenden Dr. Lothar Graf zu Dohna, Göttingen, gewählt wurde, beschreibt ihren Zweck in § 2 der Satzung folgendermaßen: „Die Gemeinschaft evangelischer Ostpreußen ist ein Zusammenschluß der aus der Heimat vertriebenen evangelischen Ostpreußen. Sie sieht insbesondere ihre Aufgabe darin: a) Das Glaubensgut, das in den ostpreußischen evangelischen Gemeinden lebendig war, zu erhalten und für die Gegenwart in Kirche und Gesellschaft fruchtbar werden zu lassen. b) die besonderen Erkenntnisse aus dem Kampf der Bekennenden Kirche Ostpreußens theologisch und kirchenpolitisch in der kirchlichen Gesamtverantwortung wirksam werden zu lassen. c) die Verbindung mit den noch in Ostpreußen lebenden Gemeindegliedern und mit den sie jetzt betreuenden Kirchen aufzunehmen und aufrecht zu erhalten. d) die Probleme und Fragen in Kirche und Welt theologisch durchzuarbeiten und echte Entscheidungen aus dem Glauben an das Evangelium vorzubereiten. e) aus der persönlichen Erfahrung des eigenen Vertriebenenschicksals offen zu sein für die seelischen Anfechtungen und die sozialen Nöte der Vertriebenen in aller Welt."

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Im Verlauf des Sommers 1964 gelang es dem „Berliner Konvent" zudem, mehrere Regionalkonventstagungen in Westdeutschland abzuhalten bzw. vorzubereiten. Auf seiner Gesamttagung am 11. November 1964 richtete der Konvent erneut die Bitte - diesesmal an den Rat der E K D - um eine angemessene Vertretung der „Pfarrer und Gemeindeglieder Ostpreußens, die im Berliner Konvent und in der Gemeinschaft Ev. Ostpreußens zusammengefaßt sind", im Ostkirchenausschuß 56 . Der Rat sah sich jedoch „aus formalrechtlichen Gründen" nicht in der Lage, dem Antrag stattzugeben. Der Ratsvorsitzende erklärte sich bereit, zwischen den beiden Gruppen „Berlinern" und „Beienrode" zu vermitteln 57 . Mag der geschilderte Vorgang um das „ostpreußische Hilfskomitee" im Blick auf die Gesamtheit der übrigen Hilfskomitees und überhaupt der kirchlichen Vertriebenenarbeit eher peripher erscheinen - er endete damit, daß nun auch die Ostpreußen über eine Organisation verfügten, die in ihrer theologischen und politischen Ausrichtung dem Großteil der kirchlichen Vertriebenenorganisationen entsprach-, so tritt darin doch in zugespitzter Weise die Problematik kirchlichen Handelns im Bereich des Politischen, d.h. aktueller politischer Argumentation, hervor. Es gelang nicht - und auch im Nachhinein ist kein Weg zu sehen, wie die einmal mit allen organisatorischen Konsequenzen aufgebrochene Divergenz hätte beigelegt werden können - , die beiden Parteien auf eine gemeinsame Auslegung des historischen Erbes, Kirchenkampf und Heimatverlust, festzulegen. Die „Berliner" hielten ihre Sezession im Sinne der „Wahrheit des Evangeliums" für unabdingbar. Sie sahen in der Beienroder Erklärung, wie in der Beienroder Entwicklung seit Jahren überhaupt 58 , einen Abfall von den Bekenntnisgrundlagen der Bekennenden Kirche und eine „Wiederholung des alten Irrweges der D C " gegeben, nämlich mit der „Inanspruchnahme des Evangeliums für politische Konzeptionen und Entscheidungen" 59 , wegen der nicht zulässigen Übernahme „staatlicher Aufgaben" seitens der Kirche 60 , einer kirchlichen Überhöhung und Weihe bestimmter politischer Intentionen. Von außen betrachtet ging es bei solchen Auseinandersetzungen jedoch Anlage 1 zu N r . 1993 V I I . vom 19. 1. 1965 (vgl. A n m . 42). Protokoll der Ratssitzung vom 4./5. 2. 1965, Pkt. 17 ( A K K ) . N a c h seiner Geschäftsordnung vom 1. 7. 1949 kann der O K A seine Zusammensetzung nur mit Zwei-DrittelMehrheit und im Einvernehmen mit dem Rat ändern. Außerdem stellt der O K A nach dieser Geschäftsordnung keine Vertretung der einzelnen Hilfskomitees dar. 56 57

58 Die angebliche Affinität zur Prager Allchristlichen Friedenskonferenz wurde immer wieder angeführt. 59 Vgl. ζ. B . das Schreiben des Berliner Konvents (Pfr. Marienfeld) an die Kirchenkanzlei vom 29. 1. 1965 (ebd., Beiheft: Ostpreußisches Hilfskomitee, N r . 205). 60 Vgl. Barmer Theologische Erklärung (5. These), die in dieser Weise von den „Berlinern" interpretiert wurde.

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um eine unterschiedliche Auffassung dessen, was ost- und deutschlandpolitisch, überhaupt außenpolitisch geboten erschien. Denn die theologische Argumentation und das organisatorische Vorgehen der „Berliner" blieben ja keineswegs politisch irrelevant. Wenn man es gegenüber der Beienroder Erklärung ablehnt, „den Willen Gottes eindeutig und zuverlässig aus dem Verlauf der Geschichte erkennen zu können"", bedeutet das ostpolitisch die Weigerung, die alte Heimat „abzuschreiben" 62 , den Anspruch darauf aufzugeben. Berliner Konvent und Gemeinschaft evangelischer Ostpreußen zielten zwar nicht auf eine organisierte „Kirche im Exil" ab, wie es ein Beienroder den Berlinern vorgeworfen hatte 63 , dazu hätte es eines kirchenregimentlichen Anspruchs bedurft, der aber nie erhoben wurde - , die organisatorischen Schritte implizierten jedoch eine Konservierung der vormaligen Kirchengliedschaft in Ostpreußen. Jeder solle ein Stück „Verantwortung für seine ,alte' ostpr. Kirche" übernehmen und tragen, ruft der Schriftführer der Gemeinschaft seine früheren Kirchenglieder auf64. Umgekehrt lockerten die „Beienroder" gerade jene Bindungen, indem sie - was die „Berliner" ihnen auch gelegentlich vorwarfen - aus dem ostpreußischen mehr und mehr den „Beienroder" Konvent werden ließen mit einer bestimmten theologischen und politischen Zielsetzung, so daß sich letztlich auch Nicht-Ostpreußen anschließen konnten. Beide theologischen und organisatorischen Wege implizieren also eine bestimmte politische Linie. So verwundert es auch nicht, wenn die Gemeinschaft ev. Ostpreußen sehr bald zu einem guten Einvernehmen mit dem Bundesvorstand der ostpreußischen Landsmannschaft gelangte, der sein Verständnis für die Konsequenzen zeigte, die der Berliner Konvent aus seiner Interpretation der fünften Barmer These gezogen hatte 65 . Die Entwicklung bei den „Ostpreußen" ist zwar nicht unmittelbar und ausschließlich aus dem Tübinger Memorandum abzuleiten. Die Ursachen für jene Divergenzen reichen weiter in die Zeit vor 1962 zurück. Wohl aber hatte die Veröffentlichung des Tübinger Memorandums eine solche Äußerung im Raum der Kirche, wie die Beienroder Erklärung mit ihrer Vgl. A n m . 59. Ebd. 63 Vgl. oben A n m . 41. 64 Rundbrief 1/1964, S. 1 und 2 (vgl. A n m . 34). Ausdrücklich wird (ebd.) auf die Möglichkeit verwiesen, mit den Kindern („auch wenn diese nicht mehr in Ostpreußen geboren sein sollten") der Gemeinschaft beizutreten. Man beachte außerdem die Anführungszeichen („,alte' . . . K i r c h e " ) in jener gerade für diese Art von Interpunktion noch besonders sensiblen Zeit. 61

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65 Ein erstes Gespräch mit dem Bundesvorstand fand am 21. 8. 1964 statt. Das „Ostpreußenblatt" veröffentlichte am 20. 9. 1964 einen Beitrittsaufruf der Gemeinschaft evangelischer Ostpreußen und stellte dieser Raum für Berichte und Mitteilungen zur Verfügung (vgl. Rundbrief 4 / 1 9 6 4 , S. 3; ebd.)

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

definitiven politischen Aussage, provoziert und in gewisser Hinsicht auch ermöglicht. Die Auseinandersetzung über diesen Schritt der Beienroder belegt anschaulich bereits vor der Veröffentlichung der Denkschrift und in zugespitzter Form, wie groß der Zündstoff war, den die ostpolitischen Fragen für die kirchliche Vertriebenenarbeit in sich bargen, und welche Spannungen und Friktionen diese Fragen herbeizuführen vermochten. Die Grundsätzlichkeit der Fragestellung, ihre Behandlung auf einer Ebene, auf der selbst das „Schisma" scheinbar unumgänglich wurde, deuten darüber hinaus an, wie schnell der Rahmen kirchlicher Vertriebenenorganisation und -seelsorge gesprengt werden konnte und die Kirche als ganze gefordert war. Dies ergibt sich aus der Reaktion auf das Tübinger Memorandum und bildet die Voraussetzung für die Entstehung der Denkschrift. 2. Die EKD vor dem Problem

der

Stellungnahme

Schon seit der Wende zum neuen Jahrzehnt, als die Frage des Heimatrechts zu sichtbar kontroversen Positionen geführt hatte, war der Wunsch nach einer klärenden Stellungnahme der EKD geäußert worden66. Die monatelange Diskussion über das Tübinger Memorandum, im kirchlichen Bereich zuweilen bis an die Grenze des „Heiligen Krieges" geführt, verstärkte jenes Ansinnen erheblich. Aber eben nur hierum, nämlich um die Forderung nach Klärung durch die EKD, ging es zunächst und vornehmlich in den damaligen entsprechenden Äußerungen, nicht jedoch schon um die Forderung nach einer Festlegung in bestimmter politischer, kirchenpolitischer oder theologischer Richtung67. So berichtet ζ. B. Brummack über ein Gespräch, das er Anfang September 1962 am Rande einer Tagung mit Erwin Wilkens - damals noch Oberkirchenrat im Lutherischen Kirchenamt der VELKD - geführt hat68. Wilkens sprach über die Diskussion des Heimatrecht-Problems und hielt angesichts der Unklarheit darüber „in gewissen öffentlichen Reden"69 eine kirchliche Stellungnahme für dringlich. Er gab zu erwägen, ob nicht der Vgl. oben, S. 60 f. Dies muß gegen Darstellungen betont werden, die den gesamten Entstehungvorgang der Denkschrift als eine sich von Anfang an entfaltende inhaltliche (manchmal „linksprotestantisch" genannte oder mit dem Etikett der „ostpolitischen Resignation" versehene) Initiative zur Durchsetzung der politischen Forderungen im Tübinger Memorandum schildern, so daß man fast an eine Strategie glauben möchte, die planmäßig verfolgt wurde. 68 Aktenvermerk Nr. 2071 vom 3. 9 . 1 9 6 2 ( A O K A , C 7,3). 69 Wilkens habe kritisiert, so berichtet Brummack, „das Herumreden auch in unseren Kreisen wäre nicht mehr gut." 66

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Die E K D vor dem Problem der Stellungnahme

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Ostkirchenausschuß beim Rat der E K D eine Kommission - mit maßgeblicher Beteiligung des Ostkirchenausschusses - anregen solle, die ein kirchliches W o r t für die Öffentlichkeit vorzubereiten hätte. B r u m m a c k berichtete dann über die bisherigen Arbeiten des Ostkirchenausschusses zu der Frage und vermerkt: „Mein Eindruck war nicht nur eine Zustimmung Wilkens' zu unserem Urteil, sondern auch eine Billigung unserer bisherigen Bemühungen auf diesem Gebiet." D a durch Beienrode und anderweitige Aktivitäten die Aufmerksamkeit des Rates schon bald ohnedies auf das Problem gelenkt wurde, ließ sich dieser Plan nicht mehr weiterverfolgen 70 . Solche Überlegungen waren vermutlich nicht singulär. Vielmehr ist anzunehmen, daß die außenpolitische Entwicklung seit Ende der 50er Jahre und die verstärkte öffentliche Diskussion der O s t - und Heimatfrage an mehreren Stellen zu der Zeit ähnliche Erwägungen provozierten, ganz abgesehen davon, daß in Teilbereichen, vor allem in der rheinischen Kirche, bereits konkrete Schritte unternommen worden waren 71 . Auf diese Weise entstand auch innerhalb der Kammer für öffentliche Verantwortung spätestens im Herbst 1962 der Plan, sich mit den Fragen des Heimatrechts und der Zukunft der Oder-Neiße-Gebiete zu befassen 72 . Ebenfalls im Herbst stellte der Ostkirchenausschuß eine mehrmals sowohl im Arbeitskreis für Ethik und Recht wie auch im Ausschuß selbst

70 D i e „Zustimmung W i l k e n s " bezog sich, wie dieser in einem Schreiben an den Verfasser vom 21. 1. 1980 feststellte, jedoch nur auf die Wünschbarkeit einer E K D - S t e l l u n g n a h m e zum Heimatrecht, keineswegs jedoch auf die inhaltliche Position des O K A dazu. Wilkens erwähnt in diesem Zusammenhang noch einen anderen Vorgang. Ende 1961 seien B r u m mack und einige seiner Freunde zu ihm ins Lutherische Kirchenamt gekommen mit der Anfrage, o b er als Nicht-Vertriebener ihre Bemühungen unterstützen könne, indem er sich in einer größeren kirchlichen Zeitschrift zum Recht auf Heimat äußere. Wilkens lehnte ab und wies darauf hin, daß ein solcher Aufsatz von ihm nur sehr kritisch gegenüber der These vom R e c h t auf Heimat ausfallen könne, zeigte sich aber überrascht, welche Bedeutung dieser Sache von B r u m m a c k und den anderen zugemessen werde. Auch dieser Vorgang, so berichtet Wilkens, der damals schon Mitglied der K a m m e r für öffentliche Verantwortung war, sei zusammen mit dem Tübinger M e m o r a n d u m A n s t o ß zur Ostdenkschrift gewesen. 71 In diesem Zusammenhang sei ein sehr frühes Zeugnis zitiert, in dem vorausschauend eine derartige Entwicklung für die Kirche angenommen wurde. In seinem Briefwechsel mit Kruska äußerte Iwand am 20. 9. 1959, nachdem er die damalige Vertriebenenpolitik des O K A scharf angegriffen hatte ( „ W i r haben schon versagt und unser Versagen wird endgültig sein, wenn wir uns noch einmal vor die paganistischen und nationalistischen Ziele der Vertriebenenverbände spannen lassen") die Vermutung: „Es k o m m t wahrscheinlich eine sehr bedeutsame politische Schwenkung, es wäre gut, wenn die kirchlichen Organe sich besännen, was es heute zu tun gilt" (Abschrift ohne N r . beim O K A ) . 72 V o r h e r hatte die K a m m e r vor allem das Problem des Verhaltens geistlicher Amtsträger im politischen Raum behandelt und dazu mehrere Entwürfe erstellt. Vgl. ζ. B . Protokoll der Sitzung am 12. 10. 1960 und das Material zu N r . 392 I I I . v o m 8. 2. 1961 ( A K K , 0 4 3 , Beiheft: K a m m e r für öffentliche Verantwortung).

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D i e Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

ausführlich erörterte Stellungnahme zur Frage „Kirche und Recht" fertig73. So nahm sich der Rat der E K D am 29./30. November 1962 - inzwischen lagen auch die Beienroder Erklärung und die Stellungnahme des Ostkirchenausschusses dazu vor, ganz abgesehen von der Diskussion über das Tübinger Memorandum - dieser Aktivitäten und Vorhaben an. Unter Punkt 18 wurde folgendes festgestellt: „Der Ostkirchenausschuß bereitet eine Stellungnahme zu dem durch das Tübinger M e morandum der A c h t aufgeworfenen Fragen eines Rechts auf Heimat sowie der O d e r - N e i ß e Grenze vor. Nachdem nunmehr auch die K a m m e r für öffentliche Verantwortung beschlossen hat, sich mit diesen Fragen zu befassen, beschloß der Rat, den Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses, Oberkonsistorialrat a . D . D . G ü l z o w zu bitten, in der nächsten Ratssitzung über den Stand der Frage zu berichten. Die geplante Stellungnahme des O s t k i r chenausschusses soll den Ratsmitgliedern vorher zugesandt werden. In der nächsten Ratssitzung will der Rat prüfen, wieweit die Ausarbeitung des Ostkirchenausschusses sich mit den Plänen der K a m m e r für öffentliche Verantwortung berührt. Gegebenenfalls soll die Kammer zu dem E n t w u r f des Ostkirchenausschusses Stellung nehmen." 7 4

Dieser Beschluß vermittelt wohl kaum den Eindruck, daß der Rat hier bereits Klarheit darüber gewonnen hatte, wie die evangelische Kirche der seit Ende Februar 1962 aufgebrochenen Diskussion, die eine Stellungnahme immer deutlicher erforderlich zu machen schien, begegnen müsse. U m so schwerer wiegt deshalb die Bedeutung, die der Rat in dieser Situation dem Ostkirchenausschuß zumaß. Es dürfte seit dessen Bestehen nichts Vergleichbares dazu gegeben haben, daß der Rat sich in dieser Weise zur Klärung eines Einzelproblems seines „Hilfsausschusses" bedient hätte! Was Ostkirchenausschuß und Ostkirchenkonvent in den letzten Jahren zur Ost- und Vertriebenenpolitik erarbeitet hatten und wie sie ihre seelsorgerlichen Erfahrungen zusammenzufassen und auszuwerten wußten, das hatte sich jetzt in einem Ausmaß gegenüber der gesamten Kirche zu bewähren, wie es bis dahin anhand eines einzelnen Vorgangs nie gefordert worden war. Allerdings ist dieses Urteil im Nachhinein, aus der Kenntnis der weiteren Entwicklung, sehr viel leichter zu fällen, als in der damaligen Situation. Am ehesten scheint der Referent der Kirchen75 Zur Vorgeschichte dieser Stellungnahme vgl. oben S. 53 f., besonders A n m . 191. E s handelt sich dabei um Thesen zur 6. These, die von einem Arbeitskreis im Auftrag der E K D im Mai 1949 über „Kirche und R e c h t " verfaßt worden war. Ausgangspunkt für die Stellungnahme bildeten die fünf Leitsätze zur Frage des Rechts auf Heimat, die der O s t k i r c h e n k o n vent 1959 verabschiedet hatte (vgl. UNVERLIERBARKEIT 1/1, S. 30 f.). 74 Protokollauszug in: A K K , 518, Beiheft II, N r . 2090. Es ist nicht deutlich, welche Äußerung der Rat mit der „Stellungnahme", die der O K A vorbereitete, verbunden hat. Entweder war ihm, aufgrund der Verbindung einzelner Ratsmitglieder zu den Tübinger Verfassern, die Existenz einer ausführlichen Stellungnahme bekannt, oder der R a t ging irrtümlich in seinem Beschluß davon aus, die Stellungnahme zu den Göttinger Thesen von 1949 sei durch das Tübinger Memorandum herbeigeführt worden. Letzteres ist die A n n a h me Gunderts (vgl. dessen Schreiben vom 14. 12. 1962 an G ü l z o w ; ebd., N r . 2 0 9 0 V I I ) .

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Die EKD vor dem Problem der Stellungnahme

kanzlei, O b e r k i r c h e n r a t W i l h e l m G u n d e r t , damals die m ö g l i c h e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n ü b e r das V o t u m d e r K i r c h e zu den Fragen gesehen zu h a b e n , w e n n er d e m O s t k i r c h e n a u s s c h u ß , d e n R a t s b e s c h l u ß e r l ä u t e r n d , zu b e d e n k e n gibt: „Sie ersehen daraus, d a ß m ö g l i c h e r w e i s e die W e i t e r g a b e an d i e K a m m e r f ü r ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g e i n e R o l l e

spielen

wird."75 D i e V o r b e r e i t u n g auf die R a t s s i t z u n g am 18. J a n u a r 1 9 6 3 bestand im w e s e n t l i c h e n in der Z u s a m m e n s t e l l u n g d o k u m e n t a r i s c h e n Materials, das den Ratsmitgliedern A n f a n g J a n u a r d u r c h die K i r c h e n k a n z l e i der E K D zugänglich gemacht wurde76. A u f der einzigen Sitzung des O s t k i r c h e n ausschusses v o r d e m T e r m i n , am 3. J a n u a r 1 9 6 3 , w u r d e ü b e r den R a t s b e s c h l u ß , s o w e i t aus T a g e s o r d n u n g u n d P r o t o k o l l e r s i c h t l i c h , n i c h t a u s f ü h r l i c h e r beraten77, o b w o h l das T h e m a w ä h r e n d des G e s p r ä c h e s

mit

P r ä s e s S c h a r f - er s t a t t e t e d e m O s t k i r c h e n a u s s c h u ß in B e r l i n e i n e n k u r z e n B e s u c h ab - b e r ü h r t u n d a u f d i e B e d e u t u n g d e s O s t k i r c h e n a u s s c h u ß Berichts bei der nächsten Ratssitzung v e r w i e s e n wurde73.

75 Ebd. Das hieß, daß die Kammer mit der Ausarbeitung einer Stellungnahme, eines Wortes o. ä. beauftragt würde. 76 Nr. 21 VII vom 2. 1. 1963 (vgl. Anm. 74). Das Material enthielt zum einen die Thesen und Erklärungen des O K A und Ostkirchenkonvents zum Recht auf Heimat im Anschluß an die Thesen des Göttinger Gespräches 1949 und des Ostkirchenkonvents 1959, zum anderen die durch das Tübinger Memorandum ausgelösten Vorgänge ohne die ausführliche Stellungnahme des O K A zum Tübinger Memorandum, die erst im Januar 1963 zur Veröffentlichung freigegeben wurde. 77 Niederschrift der Sitzung Nr. 52 vom 3. 1. 1963 ( Α Ο Κ Α , A 7). Die Sitzung fand in Berlin statt (in den Räumen des Kirchendienstes Ost). Zeitweise - während des T O P Bericht über das Gespräch zu Fragen des Naturrechts mit Vertretern der kath. Kirche - nahm der EKD-Ratsvorsitzende Scharf daran teil. Im Dezember 1962 hatte ein Gespräch in Berlin stattgefunden, zu dem Scharf v. Braun, Gülzow, Harms (Pommern-Konvent), Kruska (Kirchendienst Ost), Graf Lehndorff, Legationsrat i. R. Starke und Bischof Wester eingeladen hatte. Vgl. Schreiben Gülzows an Kunst vom 12. 2. 1963 (Abschrift vgl. Anm. 74). Dieses Gespräch, über dessen Inhalt die Akten keinen Aufschluß bieten, besaß einen „völlig privaten Charakter" und sollte Scharf lediglich zur Information dienen, wie im Protokoll der Ratssitzung vom 29./30. 11. 1962 (Pkt. 18; vgl. Anm. 74) vermerkt wird. Dort ist allerdings nur von einem mit Herrn v. Braun beabsichtigten Gespräch über das Memorandum der Acht die Rede. 78 In einer zusätzlich zum offiziellen ΟΚΑ-Protokoll (vgl. Anm. 77) vom Vorsitzenden des Ostkirchenkonvents, F. Hamm, angefertigten Notiz über den Besuch von Präses Scharf heißt es zu dem Punkt: „Offen ist die Frage, ob die Kammer für Öffentlichkeitsarbeit [gemeint ist die EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung] sich selber vor die Stimme des O K A schalte. Die Möglichkeit wurde nicht ganz ausgeschlossen, auch in der Stellungnahme des Präses nicht. Wichtig erscheint vor diesem Hintergrund die Begegnung zwischen Gülzow und dem Rat Mitte Januar. KR Gundert hob hervor, daß der O K A das Organ sei, das mit den Vertr.-Verbänden verhandele" (Notiz vom 3. 1. 1963; Α Ο Κ Α , A 7, Nr. 25). Bei der Frage der Vorbereitung des Punktes durch den O K A darf ein äußerer Umstand nicht außer acht bleiben: Die zwischen beiden Ratssitzungen liegende Advents- und Weihnachtszeit brachte für das Gros der ΟΚΑ-Mitglieder ohnehin zusätzliche Beanspruchung in ihrem

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Auf der Ratssitzung am 18. Januar 1963 trug Gülzow etwa eine Stunde lang „über den Stand der Diskussion über das Recht auf Heimat und die Probleme der Ostgebiete"" vor. Wohl mit Blick auf die Kritik an der Tatsache, daß der Ostkirchenausschuß öffentlich zum Tübinger Memorandum Stellung bezogen hatte80, erläuterte er zunächst die Legitimation des Ostkirchenausschusses, den er - allerdings nicht ganz im Einklang mit dessen Statut81 - als das „Sprachorgan der zerstreuten deutschen evangelischen Ostkirchen" bezeichnete, der „von den Ostkirchen eingesetzt" und „als solcher vom Rat der E K D anerkannt und mit einem Statut versehen sei". Dann kam Gülzow auf das eigentliche Thema anhand des den Ratsmitgliedern vorher zugesandten Materials zu sprechen. Wie schon Gundert in seinem Anschreiben vom 2. Januar 1963, so betonte auch Gülzow, daß die Thesen und Erwägungen des Ostkirchenausschusses und Ostkirchenkonvents nicht erst durch das Tübinger Memorandum ausgelöst worden seien; er gibt seinen Bericht später so wieder: „Lange Jahre zuvor seien wir im Blick auf die Vertriebenenverbände und Landsmannschaften genötigt gewesen, für die Sprecher, für die Beauftragten und Vorstände Rat und Klarheit zu geben, was es um das Recht auf Heimat und das Selbstbestimmungsrecht im Licht der neutestamentlichen Botschaft ist. Mit Nachdruck habe ich darauf verwiesen, daß wir sehr bewußt an die Thesen angeknüpft hätten, die der seinerzeit vom Rat eingesetzte Ausschuß in Göttingen aufgesetzt habe. Mein Bemühen ging dahin, klar zu machen, daß unsere Verlautbarungen, deren schrittweise Entfaltung ich darzulegen versuchte' 2 , eigentlich nur eine Explikation der letzten drei Thesen von Göttingen sei. Wenn nun der Rat um ein Wort angegangen würde, oder von sich aus eine Verlautbarung zu diesen Problemen beabsichtigte, dann sei die dringliche Vorfrage, ob er als Rat der E K D zu dem stehen will, was seine Kommission erarbeitet hat und insbesondere zu der klaren Verpflichtung, für das Recht einzustehen, wo immer es not ist" 83 .

Gülzow endete mit der Bitte an den Rat, der Erklärung des Ostkirchenausschusses und des Ostkirchenkonvents zur Frage des Rechtes auf Heimat zuzustimmen 84 . geistlichem Amt mit sich (die meisten waren ja als Gemeindepfarrer tätig), zudem fielen in den Dezember- und ersten Januarwochen drei ΟΚΑ-Mitglieder, darunter Girgensohn und Gülzow, durch teilweise schwere Erkrankungen aus und konnten auch nicht an der O K A Sitzung am 3. 1. 1963 teilnehmen. 79 Vertraulicher Bericht, den Gülzow am 19. 1. 1963 für den O K A verfaßte (NACHLASS BRUMMACK, Akte „ O K A 1963/64"). Dieser Bericht steht neben dem Ratsprotokoll als einzige Quelle zur Verfügung. 80 Vgl. dazu oben S. 74, Anm. 18. 81 Vgl. Bd. I , S . 396 ff. 82 Gülzow meint damit das Verhältnis der verschiedenen Erklärungen und Thesen von 1959 bis 1962 zueinander und zu den Göttinger Thesen von 1949. 83 Mit diesen Worten knüpfte Gülzow an die 7. Göttinger These von 1949 an: „Auch die Kirche i s t . . . [in von der Kommission vorher bezeichneten Grenzen] verpflichtet und berechtigt, für das Recht einzutreten, wo es not tut." 84 Gundert hatte bei der Ubersendung der Erklärung an die Ratsmitglieder darauf hingewiesen, daß diese Erklärung kein Entwurf zu der Frage sei, sondern „das Ergebnis einer

Die E K D vor dem Problem der Stellungnahme

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Anschließend nahm Bischof Wester das W o r t , um ebenfalls wie Gülzow die besondere Verantwortung des Ostkirchenausschusses gegenüber den Vertriebenen zu betonen. Das H a u p t p r o b l e m bei der Frage nach dem Heimatrecht sei ein seelsorgerliches, wobei Wester auf Girgensohn und Lehndorff als Beispiel verwies. Hinsichtlich der kirchlichen Äußerung, die er f ü r erforderlich hielt („Die Kirche wurde nach ihrer Meinung gefragt"), gab Wester zu bedenken, daß „kirchliche und politische Gesichtspunkte . . . auseinandergehalten werden" müßten. „Es würde ein Fehler sein, eine politische Uberzeugung theologisch zu unterbauen." Wester empfahl der E K D zweierlei: „1. Material über die verschiedenen Stimmen veröffentlichen . . 2. ein W o r t sagen, das den O K A nicht im Stich läßt. Zur Vorbereitung eines solchen W o r t e s müsse ein grundsätzliches Gespräch geführt und vielleicht ein A u s s c h u ß eingesetzt werden" 8 5 .

In der Diskussion wurden die Thesen zum Recht auf Heimat nicht weiter berührt, wie G ü l z o w feststellt. Es ging vielmehr ausschließlich um die Vorgänge seit der Veröffentlichung des Tübinger Memorandums, wobei besonders Heinemann kritisch auf die Legitimation öffentlicher Äußerungen zu politischen Fragen durch den Ostkirchenausschuß, besonders z u m Tübinger M e m o r a n d u m , abhob. Einen eindeutigen Fürsprecher für den Inhalt der Erklärung des Ausschusses fand G ü l z o w wohl nicht im Rat. Es war nach Lage der Dinge ausgeschlossen, daß der Rat Gülzows Bitte um Zustimmung entsprach; denn die Thesenreihe des Ostkirchenausschusses eignete sich - abgesehen von ihrer komplizierten Form und Ausdrucksweise - gerade deshalb nicht als „Wort", weil sie trotz aller Einschränkungen deutlich auf die Verpflichtung der Kirche hinauslief, sich f ü r das Recht auf Heimat einzusetzen bzw. auf dessen Wiederherstellung hinzuwirken 8 6 . Gerade aber an einer solchen Position

jahrelangen A r b e i t " (Schreiben vom 2. 1. 1963; A K K , 518, Bd. III, N r . 21 V I I ) . - D e r O K A schickte bald darauf seine Erklärung an die Mitglieder, die der Rat 1949 in die Kommission „Kirche u n d R e c h t " berufen hatte, mit der Bitte u m deren Urteil. Vgl. dazu im einzelnen o b e n S . 54, A n m . 191. 15 Zitate von Bischof Wester aus dem Ratsprotokoll. " So heißt es im IV. Leitsatz des O s t k i r c h e n k o n v e n t s (in der Ü b e r a r b e i t u n g des Arbeitskreises „Ethik u n d R e c h t " von 1960): „ D e r Christ ist verpflichtet, sich f ü r die Gültigkeit des Rechts auf H e i m a t in aller Welt einzusetzen. Er darf G o t t in D e m u t u m die Wiederherstellung des ihm entzogenen Rechts bitten. G e w ä h r u n g oder Versagung der H e i m a t steht in der H a n d Gottes, der als souveräner H e r r der Geschichte in Gericht und G n a d e an uns handelt" (letzteres soll gerade einen auf welche A r t auch immer theologisch motivierten Rechtsverzicht ausschließen). U n d in der III. These z u r 6. These „Kirche und Recht" des Göttinger Gesprächs von 1949 erklärt der O K A : „. . . Solche theozentrische Sicht der Geschichte und der in ihr entwickelten O r d n u n g e n enthebt ihn [den Christen] aber als einen, der u m die Sünde und Gottes Heilstat d u r c h Jesus

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

hatte sich die Kritik entzündet, sowohl aus immanent politischen, wie auch theologisch-systematischen Erwägungen heraus. Und dies hatte die Diskussion in Bereichen entfacht, die weit über die Vertriebenenseelsorge hinausreichten und die gesamtkirchliche Repräsentanz betrafen, weshalb sich der Rat im Herbst 1962 ja gerade veranlaßt sah, das Thema aufzugreifen. Die Einwände der Ratsmitglieder bezogen sich dabei hauptsächlich auf die Frage, ob der Ostkirchenausschuß seine seelsorgerliche Kompetenz nicht überschritten habe. Wie schon auf der vorhergehenden Ratssitzung zeigte sich auch jetzt wieder, daß nach einem Weg, wie die evangelische Kirche auf die öffentliche Diskussion zu reagieren habe, noch gesucht wurde. Scharf schlug zunächst ein seelsorgerliches Wort des Rates vor, in dem die Äußerungen der Tübinger Acht, der Beienroder und andererseits des Ostkirchenausschusses als private Meinungen bezeichnet werden, die Kirche selbst sich aber nicht festlege. Dies erwies sich jedoch als kaum durchführbar. Auch Gülzow wandte sich gegen ein solches Vorhaben, mit dem ja die Äußerung des Ausschusses dann zur Privatmeinung deklariert worden wäre. So erklärte man eine offizielle Stellungnahme des Rates als „z. Z. nicht erforderlich und nicht erwünscht". Die E K D solle vielmehr - so heißt es weiter im Ratsprotokoll - „die weitere Entwicklung der Diskussion . . . abwarten". Die von Gülzow und Wester beschworene „Bedrängnis", in welche die Kirche angesichts der ostpolitischen Diskussion gegenüber den Heimatvertriebenen geraten sei87, scheint demgegenüber nicht ohne Wirkung auf den Rat geblieben zu sein, verstand er sich doch zu der „Bitte" an die Kammer für öffentliche Verantwortung „sich z . Z . nicht mit der Frage des Rechtes auf Heimat und der offenen Ostgrenze zu befassen" 88 .

Christus weiß und somit gerechtfertigter Sünder ist, nicht der Pflicht, diese geschichtlichen Menschensatzungen und Machtsprüche immer aufs neue in Frage zu stellen und zu prüfen, sowie auf die Behebung aller Notstände einer gefallenen Welt durch Änderung unzulänglichen oder Wiederherstellung gebrochenen Rechts nach Kräften hinzuwirken. Dies kann nur unter der biblischen Botschaft von Schöpfung, Erlösung und Heiligung vollzogen werden." Zur Entstehung und Diskussion dieser Thesen vgl. oben S. 50 ff. 87 G ü l z o w rechtfertigte die ΟΚΑ-Erklärung zum Tübinger Memorandum „um derer willen, die uns bedrängen, weil sie verständlicherweise die Äußerungen des Memorandums nicht mit dem Evangelium und der Aufgabe der Kirche in Einklang bringen können". Wester forderte - wie oben zitiert - , den O K A nicht im Stich zu lassen. 88 A K K , Ratsprotokoll. Dieser Beschluß kam nach Gülzows Vorschlag zustande, der darauf hinwies, daß die Kammer „von vornherein vom Tübinger Memorandum ausgehen wollte". Das beweise die Tatsache, daß anstelle des im Urlaub befindlichen Präses Beckmann nun Prof. Wolfgang Schweitzer von der Kammer gebeten worden sei, über das Thema zu referieren, der wie sein Aufsatz ( Z E E 1/1963) zeige, ausdrücklich vom Tübinger Memorandum ausgehe (vertraulicher Bericht Gülzows vom 19. 1. 1963; vgl. Anm. 79).

Die E K D v o r dem P r o b l e m der Stellungnahme

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Stattdessen wurde - und das ist neben dieser „Bitte" an die Kammer das wichtigste Ergebnis der Sitzung - Bischof Wester gebeten, „ein seelsorgerliches W o r t zu entwerfen, das dem R a t v o r der Veröffentlichung zur Kenntnis gebracht werden soll. Gegebenenfalls soll dieses W o r t von Bischof D . W e s t e r in seiner Eigenschaft als Beauftragter der E K D für Flüchtlingsfragen herausgegeben w e r d e n . "

Für den Augenblick hatte sich die Verfahrensweise des Ostkirchenausschusses als relativ erfolgreich erwiesen und vermochte in einem gewissen Maße den Rat zu beeindrucken. Zwar übernahm der Rat nicht dessen Erklärung zum Recht auf Heimat, übergab sie auch nicht einmal der Kammer, wie im Beschluß vom 29./30. November 1962 erwogen 89 , sondern beließ es bei der bloßen Kenntnisnahme. Andererseits aber respektierte er - zumindest - das besondere Mandat des Ostkirchenausschusses gegenüber den Vertriebenen und in dem Zusammenhang auch die Erklärung des Ausschusses zum Tübinger Memorandum. Der Rat hob in dem Zusammenhang sozusagen die „Konkurrenz" zwischen Kammer und Ostkirchenausschuß, der er Ende November durch seinen Beschluß Ausdruck verliehen hatte, zugunsten der Organe, die der Vertriebenenseelsorge verpflichtet waren, nämlich Ostkirchenausschuß bzw. Flüchtlingsbeauftragter, wieder auf. Wie ist der aus nachträglicher Sicht überraschende Schritt zu begründen ? Unzureichend bleibt die Erklärung, der Rat sei in dieser Sitzung - im Unterschied zu vorher und nachher - „einsichtig" gewesen 90 . Vielmehr scheint sich in dem Vorgang die Entwicklung der kirchlichen Vertriebenenarbeit und ihrer Organe überhaupt niedergeschlagen zu haben. Gülzows Darlegung, wie auch bereits das Begleitschreiben der Kirchenkanzlei vom 2. Januar 1963, sind gekennzeichnet vom Geist jener Parzellierung und Gruppenorientierung, dem - wie oben 91 einmal festgestellt - die Vertriebenenarbeit in der E K D im Laufe der Nachkriegsjahre zunehmend ausgesetzt war. Aus jener Entwicklung heraus wird erklärlich, daß der Sprecher des Ostkirchenausschusses und teilweise auch der Flüchtlingsbeauftragte ein ganzes Stück weit auf der Ebene des Administrativ-Legalistischen und Ressortmäßigen argumentierten. Denn wie sollten anders Gülzows Hinweis auf die Legitimation des Ostkirchenausschusses, seine Berufung auf die „Kommission" - also den Göttinger Gesprächskreis 1949 auf die „Bedrängnis" durch die Vertriebenen u. ä. mehr bezeichnet 89

Vgl. oben S. 88.

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A. EVERTZ, W . PETERSMANN, H . FECHNER, Revision, S. 52. Gegen eine solche V e r m u -

tung spricht allein schon die Tatsache, daß zu dem Zeitpunkt, als dieser Punkt besprochen wurde, einige Mitglieder des Rates abwesend waren ( z . B . Lilje), so daß der R a t - zumindest nach Auffassung solcher A u t o r e n wie Alexander E v e r t z und W e r n e r Petersmann - von den notorischen „Uneinsichtigen" (anwesend w a r e n : H e i n e m a n n , Niesei, U d o Smidt, H a n s Puttfarcken, Scharf und W i l m ) majorisiert war. 91

Vgl. B d . I, S. 3 8 7 .

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

werden? Den Kern dieser Argumentation bilden der Beweis eigener Zuständigkeit als formales Kriterium und der unter Rekurs auf das Göttinger Gespräch an den Rat gerichtete Appell zur Beschwichtigung der Vertriebenen als scheinbar inhaltliches Kriterium. Dieser Thematik entsprach denn auch weitgehend die Diskussion im Rat. Und so nimmt die von Gülzow angemerkte Tatsache nicht wunder, daß man dort mit keinem Wort auf die Thesen selbst oder das Problem „Kirche und Recht" eingegangen war. Man behandelte den Tagesordnungspunkt vornehmlich unter dem Aspekt der Wahrung kirchlicher Belange in einem seelsorgerlichen Teilbereich - eben der Vertriebenenarbeit - und der Kompetenz der dafür bereitgestellten kirchlichen Organe. Unter einem solchen Aspekt genügte einerseits die Zurkenntnisnahme der Thesen des Ostkirchenausschusses, und es empfahl sich andererseits, die Offentlichkeitskammer zu dispensieren. Zur endgültigen Erledigung konnte es von daher dann ausreichend erscheinen, wenn der Flüchtlingsbeauftragte, sozusagen als oberster Seelsorger in diesem Bereich, an die ihm anvertraute Gruppe oder in deren Interesse an die Öffentlichkeit überhaupt ein „seelsorgerliches" Wort richtet. Denn „seelsorgerlich" mußte es in dem Sinne dann sein, daß die dem Heimat(recht)problem innewohnende geistliche Dimension darin im Gegensatz zu „rein" politisch-legalistischen Erwägungen zum Tragen kam. Dadurch wird die Seelsorge dem Zwang zu politischer Parteinahme scheinbar enthoben. So wie das Problem damit angegangen worden war, mußte die gefundene Lösung plausibel erscheinen und ließ offensichtlich Erleichterung aufkommen 52 . Aussprache und Beschluß des Rates am 18. Januar 1963 erwiesen sich jedoch bald als nicht so ergiebig für die Klärung der Fragen, wie es damals unmittelbar den Anschein gehabt haben mag. So wenig die Thesen des Ostkirchenausschusses inhaltlich den Problemen und Spannungen genügen konnten, wie sie seit der Veröffentlichung des Tübinger Memorandums im kirchlichen Raum aufgetreten waren, so wenig konnte auch das Vorgehen des Rates zu deren Lösung beitragen. Es reichte nicht mehr aus, mit bloßer Verteidigung oder - wenn man so will - offensiver Propagierung des Rechtsgedankens die ostpolitischen Probleme und deren innen92 So heißt es in Gülzows vertraulichem Bericht: „Präses D. Scharf, der offenbar von den Gesprächen, die er mit uns in den letzten Wochen gehabt hat, beeindruckt war, war ausgesprochen erleichtert über dieses Ergebnis" (vgl. Anm. 79). - Sicherlich kann man das Ergebnis vom 18. 1. 1963 auch in dem Sinne politisch qualifizieren, wieviel für die jeweilige politische Richtung oder kirchenpolitische Fraktion dabei herausgekommen ist. Diese Frage werden sich die Vertreter der einzelnen Richtung auch wohl gestellt haben, und zweifellos ist unter diesem Gesichtspunkt auch verhandelt worden, wenn Gülzow und andere die Frage der Kompetenz und Legitimation aufwarfen, Heinemann und Wilm sich dazu skeptisch äußerten, wieder andere sich um eine Neutralisierung des Problems bemühten. Vermittelt wurden solche Positionen jedoch zunächst durch die Frage nach der speziell kirchlichen Aufgabe in dieser Situation und einzelner kirchlicher Organe.

D i e E K D vor d e m P r o b l e m der Stellungnahme

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politische Konsequenzen anzugehen, wenn sich die Diskussion ja gerade daren entzündet hatte, ob jene Position zu einem Arrangement der westdeutschen Politik mit der außenpolitischen Entwicklung noch beitragen könne. Und ebensowenig war eine Klärung aus einer Position heraus zu erwarten, die an die Frage unter Ressortgesichtspunkten heranging; stand doch nicht bloß die Glaubwürdigkeit der Kirche gegenüber bestimmten Vertriebenengruppen zur Debatte, sondern die Frage, ob die Kirche insgesamt in einem solchen Bereich politischer Argumentation tätig werden müsse und wie sie dabei ihrem besonderen Auftrag, ihren Legitimationsgrundlagen, einschließlich der Erfahrungen des Kirchenkampfes, entsprechen könne. Für die evangelische Kirche seit 1945 war diese Fragestellung alles andere als neu; sie sollte jedoch erstmals in breiterer Öffentlichkeit von der Vertriebenen- und Ostpolitik ausgehend diskutiert werden. Die „weitere Entwicklung der Diskussion", die von der E K D , wie es im Ratsprotokoll vom 18. Januar 1963 heißt, abgewartet werden sollte, kam mit dem Ratsbeschluß, die Kammer für öffentliche Verantwortung von der Arbeit an der Ostfrage zu dispensieren, bald in Gang. Die Kammer hatte zum Zeitpunkt der Ratssitzung bereits mit der Arbeit an dem Thema begonnen. Am 9. Januar 1963 waren den Mitgliedern umfangreiche Materialien zur Heimat- und Ostfrage zugesandt worden, um die auf Mitte Februar angesetzte Sitzung vorbereiten zu können 93 . Kurzfristig änderte der Vorsitzende der Kammer, Raiser, auf den Ratsbeschluß hin die Tagesordnung ab94, nachdem er beim Ratsvorsitzenden vorstellig geworden war95. "

A K K , 0 4 3 , B e i h e f t : K a m m e r f ü r ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g , B d . I V , N r . 6 5 . III. Z u

d e m M a t e r i a l g e h ö r t e n d e r V o r t r a g , d e n G r a f v. L e h n d o r f f z u m „ T a g d e r H e i m a t " a m 9. 9. 1962 in d e r F r a n k f u r t e r P a u l s k i r c h e g e h a l t e n h a t t e (vgl. A n m . 1 1 3 ) ; H . GOLLWITZER, F o r d e r u n g e n , S. X X V f f . ; d i e „ B e s p r e c h u n g s h i l f e " d e r r h e i n i s c h e n L a n d e s s y n o d e v o m M a i 1962 (vgl. S. 6 2 f f . ) ; d i e A r t i k e l v o n F . S p i e g e l - S c h m i d t u n d J . K o n r a d ( K I R C H E IN DER ZEIT, H e f t 11, 1 9 6 2 ) , s o w i e w e i t e r e A u f s ä t z e a u s „ K i r c h e in d e r Z e i t " u n d d e m r h e i n i s c h e n S o n n t a g s blatt „ D e r W e g " , M a t e r i a l i e n d e s „ G ö t t i n g e r A r b e i t s k r e i s e s " u n d d e s O K A . A l s R e f e r e n t f ü r die F e b r u a r s i t z u n g w a r Prof. Schweitzer vorgesehen. A u ß e r d e m hatte der G e s c h ä f t s f ü h rer d e r K a m m e r , O K R N i e m e i e r , a m 16. 11. 1962, G ü l z o w z u e i n e m R e f e r a t ü b e r d i e Fragen des „ H e i m a t r e c h t " und „frühere deutsche O s t g e b i e t e " eingeladen. G ü l z o w mußte w e g e n s c h w e r e r E r k r a n k u n g a b s a g e n u n d s c h l u g als R e f e r e n t e n an seiner Stelle B r u m m a c k und G i r g e n s o h n vor ( A K K , 043, Beiheft: K a m m e r für öffentliche Verantwortung, Bd. IV). 94

N r . 2 2 1 . I I I . v o m 2 8 . 1. 1 9 6 3 . A n s t a t t d e r v o r g e s e h e n e n z w e i B e r a t u n g s t a g e s o l l t e n u n

an e i n e m T a g ü b e r d i e b e v o r s t e h e n d e n P r o z e s s e z u r A b u r t e i l u n g

nationalsozialistischer

Verbrechen verhandelt werden. 95

V g l . R e f e r e n t e n n o t i z G u n d e r t s v o m 1 1 . 2 . 1963 ( A K K , 5 1 8 , B e i h e f t : O K A ,

III).

R a i s e r h a t t e sich in e i n e m „ b e k ü m m e r t e n B r i e f " ( G u n d e r t ) an P r ä s e s S c h a r f g e w a n d t , d e r i h m d a r a u f h i n z u g e s t a n d , d a s T h e m a , w e n n er w o l l e , t r o t z d e s R a t s b e s c h l u s s e s in d e r K a m m e r z u b e a r b e i t e n , d a k e i n a u s d r ü c k l i c h e s V e r b o t d e s R a t e s v o r l i e g e . N u r s o l l t e in d i e s e m F a l l n i c h t s an d i e Ö f f e n t l i c h k e i t g e l a n g e n . R a i s e r v e r z i c h t e t e j e d o c h auf eine E r ö r t e -

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Auf ihrer Sitzumg am 16. Februar 1963 erörterte die Kammer den Vorgang. Es wurde die Vermutung geäußert, „daß der Beschluß des Rates der E K D . . . auf einer nicht ausreichenden Information über die tatsächlichen Absichten der Kammer beruht". In Form eines Beschlusses stellte die Kammer dann fest: „Es war nicht die Absicht der Kammer, einseitige Erklärungen, gar noch polemischer Art und ohne Zustimmung des Rates der E K D , zum ,Heimatrecht' abzugeben. Vielmehr sollte gerade einer einseitigen Behandlung dieser Frage entgegengewirkt und für sie auch in der kirchlichen Diskussion eine größere personelle und sachliche Breite gewonnen werden. Dazu war eine langfristig angelegte und mit wissenschaftlicher Gründlichkeit betriebene Arbeit geplant mit dem Ziel, eine ausgeglichenere Antwort zu gewinnen, als das bisher auch in der kirchlichen Diskussion zutage getreten ist' 6 . Die Kammer ermächtigt ihren Vorsitzenden . . ., dem Rat der E K D gegenüber folgendes zum Ausdruck zu bringen: 1. Die Kammer ist betroffen von der Behandlung, die sie in dieser Frage durch den Rat der E K D erfahren hat. 2. Für die Behandlung des Themas ,Heimatrecht' darf es kein Monopol geben. Die Kammer beläßt daher zunächst das Thema auf der Tagesordnung für künftige Sitzungen und bittet den Rat, insofern seinen Beschluß vom 17./18. Januar 1963 zu revidieren. 3. Bei dieser Gelegenheit sollten Funktion und Arbeitsweise der Kammern der E K D noch einmal klar umschrieben werden. Bei allem Verständnis für den Wunsch des Rates, die Arbeit der Kammern zu koordinieren und namentlich sich selbst öffentliche Äußerungen auf Grund der Arbeit der Kammern vorzubehalten, darf doch die Eigeninitiative der Kammern nicht gelähmt werden. Namentlich sollte ihnen das Recht zugestanden werden, Arbeitsthemen selbst vorzuschlagen und aufzugreifen. 4. D e r Rat der E K D wird gebeten, dafür Sorge zu tragen, daß der Vorsitzende der Kammer . . . in Zukunft über Vorgänge, die im Aufgabengebiet der Kammer liegen, besser und ausreichend informiert wird. So wird z . B . bedauert, daß die jüngst erarbeitete Thesenreihe des Ostkirchenausschusses zum Heimatrecht der Kammer und ihrem Vorsitzenden bisher trotz ausdrücklicher Bitten nicht zugänglich gemacht worden ist."' 7

rung unter diesen Umständen. Ebenfalls an Scharf wandte sich der für die Februarsitzung vorgesehene Referent Prof. Schweitzer. E r äußerte die Ansicht, der Rat wolle eine bestimmte Auffassung zur Frage des Rechts auf Heimat, wie sie ζ. B . von ihm vertreten würde, nicht zum Zuge kommen lassen. " U m diese Zielsetzung zu unterstreichen und um die Arbeit der Kammer nicht in zu große Nähe zum Tübinger Memorandum zu bringen, hatte Raiser als Mitunterzeichner des Tübinger Memorandums bei Beginn der Arbeit an diesem Thema seinen Rücktritt als Vorsitzender der Kammer angeboten (vgl. K.-A. ODIN, Denkschriften, S. 153 und den B e r i c h t d e r ARBEITSTAGUNG FRANKFURT 1 9 6 5 ) . 97 Ein äußerer Grund für den beklagten Mangel an Information - der übrigens in ähnlicher Weise vom O K A erhöben werden konnte - mag im Referatsverteilungsplan der Kirchenkanzlei zu suchen sein: D e r Referent für die Kammer (III.) und für den O K A (VII.) waren damals in diesen Ressorts keine Korreferenten, so daß dem Geschäftsführer der Kammer ( = Referent III) die Angelegenheiten des O K A nicht automatisch bekannt waren, die Kammer von da aus also auch nicht über die diversen Thesen des O K A und Ostkirchenkonvents informiert wurde (vgl. dazu die in Anm. 95 genannte Referenzennotiz). Die Thesenreihe des O K A wurde übrigens dem Protokoll der Kammersitzung vom 16. 2. 1963 (Anlage zu 386.III vom 28. 2. 1963; wie A n m . 93) aus dem auch obiger Beschluß zitiert ist, als Anlage beigefügt.

Die E K D vor dem Problem der Stellungnahme

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D e r Kammerbeschluß wurde auf der Ratssitzung am 13. März 1963 in Raisers Anwesenheit erörtert. Zwar wird in der Literatur üblicherweise gesagt, daß in dieser Sitzung die Kammer endgültig mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt wurde, aber in Wirklichkeit verliefen die Dinge doch wohl erheblich differenzierter. Es ging der Kammer nicht einfach um eine Revision der Entscheidung vom 18. Januar 1963 zu ihren Gunsten. In ihrer Stellungnahme vom 16. Februar werden vielmehr zwei grundlegende Anstöße gegeben. Der eine betraf die Voraussetzungen, unter denen der Rat am 18. Januar den Dispens ausgesprochen hatte, der andere, nicht weniger gewichtige, betraf den Status der Kammern überhaupt anhand der Frage - was in den bisherigen Darstellungen durchweg übergangen wird - , ob der Rat die Eigeninitiative der Kammern überhaupt in der geschehenen Weise beschneiden dürfe. D o c h selbst der erste Punkt wird zuweilen unvollständig und deshalb verzerrt abgehandelt. Die Kammer wendet sich gegen die von G ü l z o w am 18. Januar aufgestellte Behauptung, sie wolle von vornherein vom Tübinger Memorandum ausgehen 98 . Dies erweist sich nicht nur im Nachhinein, sondern bereits anhand der damals vorliegenden Tatsachen als kaum haltbar - und zwar in mehrfacher Hinsicht: 1. Mit der von G ü l z o w herangezogenen Einladung Schweitzers kam die Kammer nur einer Informationspflicht nach. Dem Betheler Sozialethiker war eine Fachkompetenz nicht abzusprechen, und er konnte zudem als Exponent einer kirchenpolitischen Richtung gelten, die nicht einfach mit dem Etikett „Tübinger M e m o r a n d u m " zu kennzeichnen ist, sondern aufgrund einer von den Tübinger Autoren durchaus verschiedenen Motivation zu einem ostpolitisch ähnlichen Ergebnis kam wie die Tübinger. Vor allem aber sollte Schweitzers Referat nur eines unter mehreren sein. 2. Auch die personelle Zusammensetzung der Kammer verbietet, allein aus einer Beauftragung dieses Organs, darauf zu schließen, dessen G u t achten könne ostpolitisch nur auf der Linie des Tübinger Memorandums liegen". 98

Vgl. oben S. 92, A n m . 88. D e r 1961 neu gebildete Rat der E K D hatte folgende Personen als Mitglieder der K a m m e r berufen: Prof. Raiser, Prof. D i e m , D r . Walter Bauer, E p h o r u s D r . Danielsmeyer, Liselotte Funcke, M d B / F D P , Prof. Goldschmidt, D i r e k t o r Locher, D r . Martin, M d B / C D U (nach dessen T o d w u r d e Walter Leisler Kiep berufen), Staatsminister a. D . L u d w i g Metzger (SPD), Kultusminister O s t e r l o h , D e k a n P u t z , Bundesministerin D r . Elisabeth Schwarzhaupt, Kirchenpräsident D . Stempel, O K R Wilkens, Pfr. H a m e l , GenSup. D . Jacob, Sup. D r . Klemm, Sup. Pflugk, Propst D r . Verwiebe, Studiendirektor D . G o t t f r i e d Voigt. H i n z u kamen als ständige Gäste Bischof D . Kunst und Kirchentagspräsident D . D r . von T h a d d e n -Trieglaff (Anlage z u m Schreiben Wilkens' an den Verf. v o m 30. 7. 1980). A n den im Westen stattfindenen Kammersitzungen k o n n t e n die Mitglieder aus der D D R nach dem 13. 8.1961 nicht m e h r teilnehmen. Z u ihrem Beitrag zur Denkschrift vgl. unten S. 134 f. 99

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

3. begründete die Kammer selbst ihre Beschäftigung mit dem Thema nicht von einer bereits vollzogenen politischen Entscheidung her, sondern lediglich aus dem Verlangen, die entsprechenden kirchlichen Äußerungen auf eine breitere Basis zu stellen, sowohl was die institutionelle als auch die sachliche Seite betrifft. Die Kammer hielt es also nicht für ausreichend, die Frage der Ost- und Vertriebenenpolitik in der Kirche ausschließlich von den Organen der Vertriebenenseelsorge und ausschließlich im Rahmen der dort und in den säkularen Vertriebenenverbänden gepflegten Argumentationszusammenhänge behandeln zu lassen. Sie lehnte deren (im einzelnen durchaus verschieden gewichtete) Heimatrechtsposition nicht ab, Schloß allerdings andere Ansätze und Möglichkeiten nicht von vornherein aus. Mit der Alternative - nimmt sich die Kammer des Themas an oder enthält sie sich dessen - war also noch nicht über eine ostpolitische Konzeption selbst, in positiver Hinsicht, entschieden, sondern nur über die Frage, ob die Heimatrechtsposition, wie sie - gewiß mit beachtlich unterschiedlichen Nuancen - das damalige offizielle Konzept der Bundesregierung, der Bundestagsfraktionen und vor allem der Vertriebenenorganisationen kennzeichnet, zur Disposition gestellt werden darf oder ob dies theologische und seelsorgerliche Gesichtspunkte von vornherein ausschließen100. Von der besonderen Diskussionslage auf der Ratssitzung am 18. Januar 1963 einmal abgesehen101, dürfte zum damaligen Zeitpunkt die Kammer auch noch nicht so sehr unter dem Präjudiz eines kirchlichen Erfüllungsgehilfen der Tübinger Acht gestanden haben, wie es angesichts späterer Polemik vielleicht erscheinen mag. Wie sonst wäre der folgende Vorgang zu erklären? Am 12. März 1963 wandte sich Philipp von Bismarck in seiner Eigenschaft als stellvertretender Sprecher der Pommerschen Landsmannschaft und Beauftragter für Kirchenfragen, sowie als Mitglied des „Gesamtdeutschen Rates"102 mit der Bitte an den Ratsvorsitzenden, „dahin zu wirken, daß die für Februar vorgesehene Tagung zu einem möglichst frühen Termin stattfinden kann. Es wäre von keiner Seite zu veranworten, daß das notwendige klärende Gespräch, das - wenn es fruchtbar sein soll- eines langen Atems und eines sauberen Sammeins von Tatbeständen bedarf, weiter aufgeschoben würde." 103 100

Von Gülzows Äußerung über die Kammer auf der Ratssitzung am 18. 1. 1963 selbst abgesehen, scheint im O K A , aber beispielsweise auch beim betreffenden Referenten der Kirchenkanzlei dieses letztere Motiv maßgebend gewesen zu sein für den Wunsch, die Kammer möge sich nicht weiter mit dem Heimatrechts- und Ostthema beschäftigen: Man hielt es aus seelsorgerlichen Erwägungen heraus für besser, wenn in der ev. Kirche zunächst einmal Ruhe an dieser Front einkehre. 101 Vgl. oben S. 90 ff. 102 Ein Ende 1962/Anfang 1963 aus Vertretern der Bundestagsfraktionen und der Vertriebenenverbände gebildetes Gemium. 103 Vgl. Anm. 93 (Nr. 484). - Zur Begründung führt Philipp von Bismarck vorher an, er

Die EKD vor dem Problem der Stellungnahme

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Auch wenn diese Intervention schon aus zeitlichen Gründen die Entscheidung des Rates am 13. März 1963 nicht beeinflussen konnte, so belegt sie doch, daß man auf dieser Seite damals der Kammer die Fähigkeit einer abgewogenen Urteilsfindung zu den Fragen zuzubilligen bereit war. Sachlich eng mit diesem ersten Gesichtspunkt, auf dessen Klärung die Kammer den Rat in ihrem Beschluß vom 16. Februar 1963 drängte, hängt der zweite grundsätzliche Anstoß an der Dispensierungsentscheidung vom 18. Januar 1963 zusammen. Die Kammer sieht sich nur dann in der Lage, ihrem Auftrag gemäß der Grundordnung der EKD 104 nachzukommen, wenn sie an der Entfaltung eigener Initiativen nicht gehindert wird, sondern es in ihrem Ermessen steht, Themen öffentlichen Interesses aufzugreifen. Unter diesen Gesichtspunkten, die also keineswegs auf die bloße Revision der Aufgabenzuteilung im Ratsbeschluß vom 18. Januar 1963 abzielten, sondern wesentlich grundsätzlicherer Natur waren, hatte der Rat am 13. März 1963 seine Entscheidung zu treffen. Entsprechend bildete die grundsätzliche Frage, wie die Kammern ihrem Auftrag gegenüber den „leitenden Organen" der E K D gerecht werden können, Ausgangs- und Mittelpunkt der Erörterung und bestimmte schließlich auch die Beschlußfassung, wie sie im Protokoll niedergelegt ist: Es wurde festgestellt, daß die Kammern in der Regel Gutachten im Auftrage des Rates vorlegen sollen, daß sie aber das Recht haben, von sich aus Fragen aus ihrem Aufgabenbereich an den Rat heranzutragen und deren Bearbeitung vorzuschlagen. Fest steht, daß die beratenden Kammern nicht selbständig nach außen wirken sollen. Es bestand Ubereinstimmung darüber, daß durch ständige Kontakte zwischen dem Vorsitzenden der Kammer, dem geschäftsführenden Mitarbeiter der Kirchenkanzlei und dem Rat eine gedeihliche Zusammenarbeit möglich sein wird. Der Rat war damit einverstanden, wenn die Kammer für öffentliche Verantwortung sich

habe den Eindruck, „daß sich seit einiger Zeit eine bedauerliche Verstimmung zwischen den Vertriebenen und der .Evangelischen Kirche' ausbreitet, die ihre letzte Ursache in einer unvollkommenen gegenseitigen Unterrichtung zu haben scheint. In dieser Vermutung hat mich eine Reihe von Gesprächen bestärkt, die ich im Laufe des letzten halben Jahres mit dem Herrn Landesbischof Lilje, dem Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik in Bonn, Herrn Bischof Kunst und den Herren Oberkirchenräten Dr. Niemeier und Wilkens in Hannover haben durfte. Es hat daher auf Seiten der Vertriebenen sehr enttäuscht, daß die für den 15./16. Februar nach Frankfurt einberufene Tagung der Kammer . . . kurzfristig abgesagt wurde, ohne daß ein neuer Termin in Aussicht gestellt wurde. Gerade diese Sitzung schien uns darauf angelegt zu sein, die Unterrichtung über die in beiden Bereichen gegebenen Tatsachen, Uberzeugungen und Probleme wesentlich zu ergänzen." Zu der Sitzung am 15./16. 2. 1963 waren neben Philipp von Bismarck, Bischof Wester und der BdV-Präsident Krüger eingeladen worden. Schreiben Raisers an die Kirchenkanzlei vom 24. 8. 1963; ebd., Bd. V, Nr. 11870). 104 Artikel 22 (2) der EKD-Grundordnung von 1948: „Zur Beratung der leitenden Organe sind für bestimmte Sachgebiete kirchliche Kammern aus sachverständigen kirchlichen Persönlichkeiten zu bilden."

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

jetzt mit den Fragen des deutschen Ostens befassen will, nachdem der Ostkirchenausschuß Stellung genommen hat und das vom Rat erbetene Wort von Bischof D . Wester vorliegt." 105

Damit war der ursprünglich vom Rat am 29./30. November 1962 beschlossenen Prozedur 106 praktisch wieder Geltung verschafft worden, auch entsprach der Verlauf jener damals vom Rat geäußerten Absicht, dem Ostkirchenausschuß gegenüber der Kammer den Vortritt zu belassen. Dies wird im Ratsprotokoll zudem ausdrücklich festgehalten107. Das Wort von Bischof Wester, das dieser „gegebenenfalls" herausgeben sollte108 wurde den Ratsmitgliedern am 18. März 1963 zugestellt10'. Dieses - später zuweilen als „verunglückt" bezeichnete - Wort stieß auf Bedenken, die Oberkirchenrat Gundert dem Rat am 8./10. Mai 1963 vortrug und denen dieser beitrat. Er beschloß, „den Ratsvorsitzenden zu bitten, an Bischof Wester zu schreiben, er möge sein Wort zunächst noch zurückstellen, da sich die Kammer für öffentliche Verantwortung zur Zeit mit der gleichen Frage befaßt. Das Ergebnis dieser Beratungen möge abgewartet werden." 110

Niederschrift der Ratssitzung am 13. 3. 1963, Pkt. 4. Vgl. oben S. 88. 107 Der O K A hatte sich nicht nur gegenüber dem Rat in Form der Thesen zum Heimatrecht gutachtlich geäußert, sondern diese im Februar 1963 auch einer Reihe von Landeskirchen und kirchlichen Stellen mit der Bitte zugestellt, „dieses Arbeitsergebnis in Ihrem Bereich zum Gegenstand weiterer Überlegungen und Gespräche" zu machen (vgl. Nr. 334; 105 1M

A O K A , C 7 / I I I v o m 1 2 . 2 . 1 9 6 3 , u n d NACHLASS BRUMMACK, A k t e „ O K A 1 9 5 3 / 6 4 " ) . I n

dem Zusammenhang fand auch ein Briefwechsel zwischen Gülzow und Bischof Kunst, der an der Ratssitzung am 18. 1. 1963 verhindert war, statt. Gülzow faßt in seinem Schreiben vom 12. 2. 1963 (Nr. 317; A O K A , C 7, 3) nochmals seine Äußerungen vom 18. 1. zusammen und warnt vor einer Stellungnahme der E K D zur Oder-Neiße-Linie, „wie sie die Kammer für öffentliche Verantwortung durch rasche Erarbeitung eines ratsamen Gutachtens plant". Kunst versucht diese Sorge in seiner Antwort vom 5. 3. 1963 (Nr. 776; ebd.) zu zerstreuen, „ich werde nicht betreiben, daß sehr schnell eine Verlautbarung unserer Kirche zu der genannten Frage herauskommt". Vgl. oben S. 93. A K K , 6454, Beiheft: Beauftragter der E K D für die Flüchtlingsarbeit, Bischof D . Wester-Schleswig, 463. VII. Das Wort .„Recht auf Heimat'?" hatte Wester in die Form eines „Briefes an Heimatvertriebene" gekleidet. Wester unterscheidet darin das „anerkannte ,Recht auf Heimat'", dem Geltung zu verschaffen, Aufgabe des Staatsmannes sei, und die Aufgabe, der sich die Kirche widmen sollte, auf „Demut" hinzuweisen, daß Heimat Gabe Gottes sei, die er nicht nur geben, sondern auch nehmen könne. Deshalb müsse man Gott bitten, „daß er die Schuld, die auf unserem Volke lastet, nicht ansehen, sondern uns in Gnaden zurückgeben wolle, was wir verloren haben". Am Schluß des Briefes stimmt Wester der Forderung zu, „daß sich niemand durch eine voreilige Entscheidung in dieser für die Zukunft unseres Volkes so bedeutsamen Frage schuldig machen dürfe. Das gilt auch für uns in der Kirche." Der „Brief" würdigt den Verlust der Heimat, den kaum ein Nichtbetroffener ermessen könne, warnt aber angesichts der „Schuld", die „über unserem ganzen Volk" liegt, davor, „die Rückgabe . . . rechthaberisch und anmaßend zu fordern". 110 A K K , Ratsprotokoll vom 8./10. 5. 1963 Pkt. 16. O b Wester diese Mitteilung bekommen hat oder nicht (letzteres in: A. EVERTZ, W. PETERSMANN, H. FECHNER, Revision, S. 53), ist aus den Akten nicht ersichtlich. 108

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Wester konnte sich in dem W o r t nicht dazu verstehen, der einen oder anderen Seite im ostpolitischen Streit als Geistlicher seine Zustimmung zu erteilen. Wie es von der Öffentlichkeit aufgenommen worden wäre, ob man es als seelsorgerliche Bemühung akzeptiert oder der politischen Kritik unterworfen hätte, darüber lassen sich nur Vermutungen anstellen, die jedoch nicht völlig ohne realen Hintergrund bleiben. Wester nahm nun den „Tag der H e i m a t " am 15. September 1963 zum Anlaß, am 1. August allen westdeutschen Kirchenleitungen „Erwägungen" zu schicken, zur Weiterleitung an die Gemeindepfarrer, damit „des Tages der Heimat in einer unserem Dienst angemessenen Weise gedacht werden möchte"' 1 1 . Ausgehend von Evangelium und Predigttext jenes Tages, des 14. Sonntags nach Trinitatis, gibt Wester im wesentlichen die Gedanken wieder, wie sie bereits im W o r t v o m März ausgeführt wurden" 2 . Das E c h o darauf aus Kreisen der Vertriebenen, soweit es Eingang ins D o k u mentationsmaterial gefunden hat, ist kritisch und erinnert in einigen Argumenten an die Einwände gegen die Denkschrift der E K D von 1965" 3 . N a c h alledem läßt sich feststellen, daß die E K D im Sommer 1963 mit dem Problem eines „ W o r t e s " oder einer Stellungnahme zur Vertriebenenund Ostfrage fast noch genauso am Anfang stand wie ein Jahr zuvor auf dem Höhepunkt der Diskussion um das Tübinger Memorandum. Es war Vgl. A K K . , 6454, II, Nr. 1360. Das Wort wurde von der Kirchenkanzlei epd übergeben. 1,2 Vgl. dazu oben Anm. 109. 113 Ausführlich schrieb F r h . J . v. Braun am 13.9.1963 an Wester (Abschrift in: NACHLASS BRUMMACK, Akte „ O K A 1953/64"). Bis auf Westers an alle Gemeindeglieder gerichteten Hinweis auf die Schwere des Heimatverlustes findet jeder Gesichtspunkt, zur Schuldfrage, zum Heimatrecht, zum Ausgleich im Geist der Versöhnung, v. Brauns Kritik und Widerspruch. Er kritisiert auch die Presseberichterstattung, in der wohl die Mahnungen an die Vertriebenen Platz finden, die Worte an alle Christen jedoch „unterdrückt" worden seien. Schärfer noch ging der DOD (der Informationsdienst des BdV und der Vereinigten Landsmannschaften und Landesverbände) vom 9. 9.1963 mit Westers „Erwägungen" ins Gericht, wobei er diesen als positives Gegenbild das kath. Wort zum „Tag der Heimat" von Kardinal Frings entgegenhielt. Frings hatte gefordert, „alle Mittel der Gerechtigkeit, Billigkeit, Wahrheit und Liebe einzusetzen, um das Unheil zu überwinden und wieder zu vereinen, was zueinander gehört". Dagegen rückten Westers Formulierungen - so der dod - „gefährlich nahe an die These von der Kollektivschuld". Zu Westers Heimatbegriff, der an Girgensohn und der Paulskirchenrede von Graf Lehndorff von 1962 ausgerichtet sei, heißt es im dod kritisch: "Ähnlich wie Karl Barth bezeichnet der Bischof die Heimat als eine Gottesgabe, die dem Menschen auch wieder genommen werden könne." Am 9. 10. 1965 ging Wester in einem Schreiben an die Kirchenkanzlei (vgl. Anm. 103, Nr. 12161) auf seine „Erwägungen" zum „Tag der Heimat" ein: „Es scheint mir nahezu unmöglich zu sein, zu dieser Frage so zu reden, daß alle unseren Beitrag recht verstehen. Vor allem zeigt sich in den Kreisen der Landsmannschaften . . . eine unwahrscheinliche Empfindlichkeit, auf die wir aber m. E. keine Rücksicht nehmen können, wenn wir zu diesem Thema das sagen wollen, was sachlich geboten ist."

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

aber deutlich, daß sich das Problem nicht von selbst erledigen würde; schon deshalb nicht, weil die Spannungen und Unsicherheiten im Verhältnis der evangelischen Kirche zu den Vertriebenenverbänden ja nur als Teil einer größeren Bewegung zu verstehen sind. Stand doch spätestens seit Beginn der 60er Jahre die ost- und deutschlandpolitische Konzeption zur Disposition, erforderte die weltpolitische Kräfteentwicklung eine Uberprüfung und gegebenenfalls Neuorientierung mit allen innenpolitischen Konsequenzen, die eine Veränderung in den staatlichen Beziehungen zu den osteuropäischen Ländern mit sich bringen mußte. So konnten Fragen grundsätzlicher Art, wie z.B. nach dem Verhältnis von Macht und Recht, individueller und kollektiver Schuld114 oder überhaupt von Evangelium und Politik, besondere Aktualität, ja brisante Verbindlichkeit erlangen. Die Forderung nach einer - soweit dies in der evangelischen Kirche möglich ist - verbindlichen Äußerung zu den Vertriebenen- und Ostfragen wurde weiterhin erhoben. Im Sommer 1963 drängte Philipp von Bismarck erneut115, dieses Mal den Kammer-Vorsitzenden Raiser, das Thema in der Kammer wieder aufzugreifen 116 . Da mit dem Ratsbeschluß vom 13. März 1963 nicht, wie häufig behauptet, eine sozusagen obligatorische Beauftragung der Kammer verbunden war, sondern lediglich die Rücknahme der „Verbots-"entscheidung vom 18. Januar 1963, stand danach noch keineswegs fest, ob sich die Kammer des Themas erneut annehmen würde. So nahm der Kammer-Vorsitzende erst Ende August 1963 wieder Fühlung mit dem Geschäftsführer auf und gab zu erwägen, „ob es richtig ist, dieses heiße Eisen jetzt in die Hand zu nehmen" 117 . Raiser sah die Gefahr, die Kammer könnte „aus Uberzeugung oder Ängstlichkeit (und die Politiker sind in diesem Punkte für Angstgefühle besonders anfällig) nicht zu einer klaren Meinung" kommen, womit eine ärgere Verwirrung 114 Gerade dieses Thema hatte 1962/63 durch den Auschwitz-Prozeß Aktualität erlangt. Der Rat der E K D verabschiedete am 15. 3. 1963 ein W o r t zu den NS-Verbrecherprozessen; darin hatte der folgende Satz teilweise Anstoß, auch von Seiten der Vertriebenenverbände, erregt: „Auch der Bürger, der an den Verbrechen nicht beteiligt war, ja nichts von ihnen wußte, ist mitschuldig geworden, weil er lässig war gegen die Verkehrung aller sittlichen Maßstäbe und Rechtsnormen in unserem Volk" (vgl. K J 1963, S. 78). Zur Kritik vgl. u.a. die Schreiben des Reichsministers a. D. Walter von Keudell (Verbindungsmann des BdVPräsidiums zur E K D ) an den Rat der E K D vom 30. 4. 1963 und des Bundesministers a. D. Waldemar K r a f t an Brummack von Ende Mai 1963 (NACHLASS BRUMMACK, Akte O K A 1953/64"). 115 Vgl. oben S. 98. 1,6 Vgl. Schreiben Raisers an die Kirchenkanzlei vom 24. 8. 1963 (vgl. A n m . 103, Nr. 11870). 117 Ebd. Die Geschäftsführung der Kammer war inzwischen von O K R Niemeier auf O K R O t t o von Harling übergegangen.

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als zuvor drohe, glaubte aber dennoch, daß die Kammer dem nicht ausweichen sollte: „ D e n n die Kirche ist hier ganz einfach gefordert; sie wird von den Vertriebenen, als ein Stück geretteter H e i m a t , f ü r sich und leider auch f ü r die Forderungen ihrer politischen F ü h r e r in A n s p r u c h g e n o m m e n . . . Ich will auch gar nicht verschweigen, daß in meinen Augen die Kirche hier eine spezifische Aufgabe hat: Die Befriedung der Vertriebenen, die A n b a h n u n g eines neuen Verständnisses unserer Aufgabe gegenüber Polen u. a. sind Aufgaben, die die Politiker allein gar nicht leisten können, w e n n die Kirche dazu nicht im Sittlichen den Boden bereitet."

Gegenüber den Erwägungen des Vorjahres schien Raiser die Themenstellung „Recht auf Heimat" zu eng gegriffen, die „seelsorgerliche, befriedende Aufgabe" müsse hinzukommen zum Völkerrechtlichen. Dies hielt Raiser „gegenüber dem bloßen Politisieren für höchst wichtig". Zweifellos schlägt sich in diesem Erweiterungsvorschlag die Diskussion in der EKD nieder, in deren Verlauf der seelsorgerliche Aspekt gegenüber dem rein rechtlich-politischen in den Vordergrund gerückt worden war118. So wird es klar, daß auch die Kammer sich erst einmal darüber orientieren mußte, wie das Thema genauer gefaßt werden könne und welcher Einstieg dazu der geeignete sei. Diesem Zweck sollten mehrere kürzere Sitzungen dienen, deren erste am 29. November 1963 zustandekam. Wie bereits für die Februarsitzung" 9 waren auch jetzt wieder Schweitzer und Gülzow als Referenten gebeten worden. An Gülzows Stelle hielt dann Harms, ebenfalls Mitglied des Ostkirchenausschusses, ein Korreferat zu Schweitzers Thesen120. Die Sitzung am 29. November 121 erbrachte auf seiten der Kammermitglieder erheblich differierende Ansichten sowohl über die Frage, ob eine Äußerung der E K D zum Thema opportun sei als auch über den Inhalt einer solchen Stellungnahme. Sämtliche Bundestagsabgeordneten 122 erhoben Bedenken aus Furcht vor außenpolitischen Rückwirkungen 123 . Wilkens schlug angesichts der kontroversen Urteile über Schweitzers 118

Vgl. z . B . oben S. 91 u n d 93. Vgl. oben S. 95, A n m . 93. ,2C Es bereitete d e m O K A einige M ü h e , einen Referenten zur V e r f ü g u n g zu stellen. G ü l z o w machte Terminschwierigkeiten geltend, ähnliches galt für B r u m m a c k . N e b e n H a r m s , der dann endgültig in die H ö h l e des L ö w e n geschickt wurde, war auch Prof. Kruska in E r w ä g u n g gezogen w o r d e n . D e r Vorgang zeigt, wie schwer den O K A der Verlust Girgensohns (gest. 1 1 . 9 . 1963) getroffen hat, der, ebenfalls an der Betheler H o c h s c h u l e lehrend, manches Gespräch mit Schweitzer über die V e r t r i e b e n e n - u n d O s t f r a g e n k o n t r o vers geführt hatte. 121 P r o t o k o l l mit Anlagen v o m 14. 1. 1964 ( A K K 043, Beiheft: K a m m e r f ü r öffentliche Verantwortung). A u ß e r Schweitzer und H a r m s n a h m e n v. Thadden-Trieglaff (vgl. oben, A n m . 99) und als besondere Gäste Wester u n d Marion Gräfin D ö n h o f f an der Sitzung teil. 122 Vgl. oben S. 97 A n m . 99. Frau Schwarzhaupt w a r nicht anwesend. 123 Z u v o r hatte Gräfin D ö n h o f f von einem kirchl. W o r t ebenso wie von einem Verzicht auf die Ostgebiete abgeraten u n d davor gewarnt.

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Thesen vor, die Kammer möge ein „Arbeitsbuch" erstellen, in dem in verschiedenen Beiträgen die in Betracht kommenden Gesichtspunkte z.B. politische, völkerrechtliche, historische, soziologische sowie Theologie und Seelsorge betreffende - dargestellt und erörtert würden. „Eine vollständige Ubereinstimmung in den theologischen Grundfragen werde allerdings kaum zu erzielen sein." Goldschmidt wies darauf hin, daß die Kammer überhaupt nicht vor der Aufgabe stehe, nach außen die Öffentlichkeit anzusprechen, und schlug eine „Materialsammlung" im Sinne von Wilkens vor, die jedoch nicht die gesamte Kammer zu beanspruchen brauche, damit diese nicht eine lange Zeit für andere Aufgaben blockiert sei.

3. Die Bielefelder

Thesen

Im Gegensatz zu diesen noch sehr unbestimmten Äußerungen über Aufgabe und Form der Arbeit förderten die beiden Referate von Schweitzer und Harms nahezu sämtliche theologischen und rechtlichen Argumente zutage, die die Entstehung und öffentliche Diskussion der Denkschrift bestimmen sollten. War ursprünglich sowohl von Raiser als auch von v.Harling beabsichtigt gewesen, daß beide Referate verschiedene Fragen aus dem Komplex des Heimat- und Ostproblems in den Mittelpunkt rückten, um so zu größerer Breite der Fragestellung zu gelangen, wurden die Harms'schen Ausführungen dann doch eine korreferierende kritische Anfrage an Schweitzers Thesen. Schweitzer beließ es darin nicht bei Erwägungen zum Heimat(-recht)-gedanken wie noch Anfang 1963124, sondern versuchte die Frage umfassend zu behandeln. Seine Aufgabe vor der Kammer sah er vor allem darin, einen „grundsätzlichen theologischen Einstieg in die Problematik" zu geben125, von wo aus er dann konkrete politische und seelsorgerliche Gedanken entwickelte. So teilen sich die 19 Thesen in „Allgemeine Erwägungen" (1-9) und „Folgerungen für die gegenwärtige politische Situation Deutschlands" (10-19). Diese Thesen wurden nach der Kammersitzung im Dezemberheft der „Jungen Kirche" 124 Vgl. den Aufsatz in Z E E 1963 (Heft 1). '"Schreiben Schweitzers an G ü l z o w vom 24. 10. 1963 (NACHLASS BRUMMACK, Akte „ O K A 1963/64"). Schweitzer faßte das Referat in 19 Thesen zusammen, die er Mitte Oktober an die Kirchenkanzlei schickte, die sie u. a. auch an G ü l z o w und Harms weitergab, so daß diesem Gelegenheit zur Berücksichtigung der Thesen in seinem Referat geboten war. Die Thesen Schweitzers wurden Mitte November auch vertraulich Brummack zugestellt, der dazu ein über zweiseitiges kritisches Expose anfertigte, das H a r m zur Vorbereitung seines Referats diente (ebd. und in Akte „Memorandum der Acht"). - Dieser an sich nicht erwähnenswerte, weil übliche Vorgang wurde hier wiedergegeben, um die vollkommen haltlose Darstellung in A. EVERTZ, W. PETERSMANN, H . FECHNER (Revision, S. 53) zu entkräften.

Die Bielefelder Thesen

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unter dem Titel „ D i e Versöhnung in Christus und die Frage des deutschen Anspruches auf die Gebiete jenseits der O d e r und Neiße. -Eine v o m Bielefelder Arbeitskreis der kirchlichen Bruderschaften zur D i s k u s s i o n gestellte Thesenreihe" - später kurz „Bielefelder T h e s e n " genannt - veröffentlicht 126 . Sie waren weniger gegen die Arbeit des Ostkirchenausschusses zur Frage „Ethik und R e c h t " als vielmehr gegen die von Kurt Rabl herausgegebenen vier Bände z u m Heimatrecht gedacht 127 . Im Vorspann lehnt Schweitzer es ab, das Problem der verlorenen Ostgebiete bloß zu einer Angelegenheit der Vertriebenen machen zu wollen. „Diese Fragen gehen uns alle an . . . Wir müssen gemeinsam darauf A n t w o r t geben, denn wir tragen gemeinsam das Risiko der deutschen Politik der G e g e n w a r t . . ." D a s lehnte H a r m s zwar nicht ab, verwies jedoch auf die notwendigerweise „etwas andere Blickrichtung" des Ostkirchenausschusses, die nicht in Heimatsentimentalität, sondern in „existentieller Betroffenheit" ihre U r sache habe. Die Ausschuß-Mitglieder stünden zumeist im aktiven Pfarr126 Schweitzer h a u e am 29. 11. die Thesen unter persönlicher Verantwortung vorgelegt, allerdings auf der Sitzung bekanntgegeben, daß er eine Veröffentlichung „jetzt" beabsichtige, w o v o r H a r m s mit dem Hinweis warnte, dies sei „einer Katastrophe gleichzuachten" bezüglich der Seelsorge an den Gemeindegliedern ( „ S k i z z e der Gedanken z u m Korreferat zu den 19 Thesen von H e r r n Prof. D r . Schweitzer", S. 1; Anlage z u m Protokoll v o m 29. 11. 1963, vgl. A n m . 103). Vgl. den bis auf diesen Vorgang im übrigen korrekt wiedergegebenen Sachverhalt bei K.-A. ODIN (Denkschriften, S. 151). Die „Bielefelder T h e s e n " wiesen gegenüber Schweitzers Thesen auf der Sitzung der K a m m e r drei Veränderungen auf, die aufgrund der dort geführten Diskussion vorgenommen wurden. V o n der Sache her erheblich ist die Änderung der in der Denkschrift zitierten These 17 (vgl. ebd., S. 92): „In der gegenwärtigen Situation erscheint die Preisgabe des deutschen A n s p r u c h s auf die verlorenen Ostgebiete und der Verzicht auf die Rückkehr dorthin um des Friedens und u m eines guten Zusammenlebens mit unseren östlichen N a c h b a r n willen als geboten. Zu solcher Erkenntnis befreit das Evangelium die politische Vernunft." Diese berühmte Stelle hatte vorher einen - theologisch gesehen - ganz anderen Inhalt: „. . . um eines guten Zusammenlebens mit unseren östlichen N a c h b a r n willen v o m Evangelium her als geboten. Hier trifft das, was sich vom Evangelium her ergibt, mit dem zusammen, was die politische Vernunft fordert." D e r Unterschied im Gefalle Evangelium-(Vernunft-) politische Entscheidung, ist recht erheblich. Schweitzer in seinen referierenden Erläuterungen zur (ursprünglichen) These 17 auf der Sitzung der K a m m e r : „Schlußfolgerung, die nun eigentlich nicht mehr zu begründen ist [d.h. begründet zu werden braucht]. Die Vernunftsgründe hier ausführlich wiederzugeben, ist nicht n o t w e n d i g . " D a ß die Bielefelder Thesen an diesem Punkt eine erhebliche Änderung erfuhren, so daß sie dadurch „der Sache nach" die Position der Denkschrift vorwegnahmen und mitbestimmten (vgl. W. HUBER, Kirche, S. 394), ist also auf die Kritik zurückzuführen, die vor allem von H a r m s , aber auch von Putz und Danielsmeyer vorgetragen worden war. 127 K. RABL, Recht. B d . I bis IV. D i e s e Bände gehen auf mehrere T a g u n g e n der ev. Akademie in Arnoldshain und des kath. Albertus Magnus Kollegs (Königstein) zurück. Vgl. dazu oben S. 49.

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

amt und so in „unmittelbarer Hautnähe zu den schweren Nöten der heimatlos Gewordenen, Entwurzelten". Von daher übt Harms denn auch Kritik an den Schweitzer-Thesen, deren Ausgangspunkt beim zweiten Artikel der „Erlösung durch Jesus Christus" von ihm bejaht wird. Der Ostkirchenausschuß habe sich der Frage nach dem Recht auf Heimat nicht deshalb zugewendet, um sich „in den Talar des Juristen oder auf das Rednerpult des Politikers" zu begeben, sondern weil sich dies als Aufgabe der Seelsorge stelle. Der Unterschied in der Begründung des Rechts wurde zwischen den Kontrahenten hier sehr viel genauer herausgearbeitet als in den Vergröberungen späterer Debatten. Weder propagierte Schweitzer die Kapitulation des Rechts vor der Macht, er wandte sich vielmehr ausdrücklich dagegen, noch verfocht der Ostkirchenausschuß einen Rechtsabsolutismus. Schweitzer verdrängte nicht das Recht durch die Liebe128, denn das Recht könne nicht entbehrt werden in dieser Welt. „Wo aber G o t t . . . als der Herr des Rechts gesehen . . . wird, wird seine Gnade hinter allem Recht sichtbar und kann seine Liebe durch uns in der Gestaltung und Verwirklichung des irdischen Rechts kräftig werden" (aus These 7 c). Schweitzer glaubt, in der Verabsolutierung des Rechts werde das Recht nicht umfassend genug begriffen, sondern unterliege einer Beschränkung, in der und durch die das Recht bei seiner Handhabung zum Unrecht werden könne. Harms wandte sich ebenfalls gegen die Verabsolutierung von Recht oder auch von „Heimat" 129 , sah aber die Forderung in der Schrift enthalten, „daß wir die Gültigkeit des Rechtes auf Heimat hier in der Welt vertreten" und erinnerte an die These des Ostkirchenkonvents von 1959, der Christ dürfe um die Wiederherstellung der Heimat bitten, Gewährung und Versagung der Heimat stehen aber in „Gottes Hand" 130 . Der Unterschied beider Positionen besteht also nicht in der Unterordnung des Rechts unter die Liebe auf der einen, in der Erhebung des Rechts zu einer quasi soteriologischen Kategorie auf der anderen Seite, sondern in der Beurteilung der Konsequenzen, die sich aus der Verankerung des Rechts im zweiten Artikel, aus der Begrenzung des Rechts durch Herrschaft und Liebe Gottes für das kirchliche Wort zu politischen Situationen und überhaupt für das politische Handeln der Christen ergeben. Für 128 Aus These 7c): „Das Evangelium ist mißverstanden, wenn man meint, es gebiete, in weltfremder Weise die Liebe an die Stelle des Rechts treten zu lassen." 129 „Die Verwandlung des Wortes Jesu: ,ohne mich könnt ihr nichts tun' in eine Aussage: ohne die Heimat könnt ihr das Reich Gottes nicht gewinnen, ist eine Gotteslästerung." 130 Brummack hatte in seinem Expose noch genauer differenziert (vgl. A n m . 125): „Die Frage nach dem (Völker-)Recht im politischen Tun ist nicht von vornherein ein A r g u m e n tieren mit absoluten Rechtsansprüchen', sondern kann und soll im Großen und Kleinen alles ,zum besten kehren'." Damit wird die Stellung der „Gültigkeit des Rechts . . . in der Welt" noch besser gekennzeichnet als bei Harms.

D i e Bielefelder T h e s e n

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Schweitzer kann die „kritische" Begrenzung des „vorhandenen Rechts" (These 7 c ) durch die Liebe im Bereich des Politischen unter Umständen den Rechtsverzicht ermöglichen oder erforderlich machen. Dies ist aber in der Sicht des Ostkirchenausschusses nicht statthaft, weil damit die den Weg zu Versöhnung und Frieden bestimmenden Grundsätze und Grundlagen des menschlichen und staatlichen Miteinanders mißachtet würden, deren man nicht entraten könne. Dieser Position nach kann die „kritische" Funktion der Liebe nur in der Durchsetzung des irdischen Rechts bestehen. Beide Positionen sehen sich als W e g zu besserer Rechtsverwirklichung in der Zukunft. Von dieser Differenz her wird deutlich, daß weder auf der Sitzung der Kammer noch zu einem späteren Zeitpunkt die Vertreter der Position des Ostkirchenausschusses der Grundthese aller 19 Thesen Schweitzers zustimmen konnten, nämlich daß die politischen Implikate im II. Teil nichts weiter seien als die Entfaltung und Konkretisierung der Ausgangsthesen (I). U n d umgekehrt mußte es Schweitzer und den Kirchlichen Bruderschaften wie eine Leugnung der Herrschaft Gottes über das Recht oder auch der Gerechtigkeit Gottes in seinem Gericht 131 erscheinen, die entsprechende Qualifizierung bestimmter historischer Vorgänge, wie z . B . Vertreibung und Heimatverlust, und daraus fließende konkrete politische Konsequenzen zu verweigern und abzuleugnen. Auf ihrer Sitzung am 21.122. Februar 1964 132 setzte die Kammer die Behandlung der Fragen fort. Neben den theologischen und rechtlichethischen Gesichtspunkten standen dieses Mal auch bereits explizit die O s t - und Deutschlandpolitik, sowie das Problem der sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung der Vertriebenen zur Debatte. Erstmals waren mit Philipp von Bismarck und Reinhold Rehs Vertreter der säkularen Vertriebenenverbände zu Gast. V o m Ostkirchenausschuß nahm neben H a r m s nun auch B r u m m a c k an der Sitzung teil. Zusätzlich zu Schweitzer war Professor Konrad eingeladen worden, dessen Artikel „Audiatur et altera pars" 1 3 3 die Grundlage zur Fortsetzung der Diskussion auf der Sitzung vom 2 9 . / 3 0 . September 1963 bildete. Wie bereits in der vorhergehenden Sitzung warnte auch jetzt ein Teil der Kammermitglieder gegenüber dem Referat von H a r m s vor der Gefahr, einen starren Rechtsstandpunkt zur Grundlage der Polen-Politik werden zu lassen, ganz abgesehen von den theologischen Bedenken, die auch jetzt wieder gegenüber einer „Ontologisierung" des Rechts geäußert wurden. Das besondere an der Auseinandersetzung ist aber nun darin zu sehen, 131

Vgl. z . B . T h e s e 12. A u c h von dieser Seite des Schuld- und G e r i c h t s g e d a n k e n s ließe sich

die D i f f e r e n z erhellen und w u r d e auf der K a m m e r s i t z u n g wie auch in d e r späteren A u s e i n a n d e r s e t z u n g um die D e n k s c h r i f t deutlich. 132

N i e d e r s c h r i f t i n : A K K , 0 4 3 , B e i h e f t : K a m m e r für Ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g , B d . V .

133

KIRCHE IN DER ZEIT, 1962, H e f t 11. Z u r P e r s o n K o n r a d s vgl. B i o g r a m m .

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Die D e n k s c h r i f t „Die Lage der Vertriebenen"

daß hier zum einzigen Male die Stimme der säkularen Vertriebenenverbände in der Kammer laut wurde. Von Bismarck und Rehs hoben in ihren Voten vor allem auf drei Aspekte ab: Einmal wiesen sie darauf hin, daß die Vertriebenenverbände nichts anderes propagierten als das, was ohnedies und bereits, bevor die Vertriebenenverbände überhaupt Einfluß auszuüben vermocht hätten, die offizielle, in verbindlicher Form vertretene Politik der Bundesregierung sowie aller im Bundestag vertretenen Parteien gewesen sei. Man dürfe deshalb die Ostpolitik der Bundesregierung nicht als das Ergebnis einer Erpressung seitens der Vertriebenen hinstellen (Rehs). Zum anderen handele es sich bei den Forderungen der Vertriebenenverbände bereits um einen Kompromiß, um eine „sehr bedeutsame Bewegung auf die Mitte zu" (von Bismarck). Denn die Berufung auf die Grenzen von 1937 schließe ja eine Anerkennung der Gebietsverluste von 1918 ein, was keineswegs als selbstverständlich angesehen werden könne. Und schließlich wollten von Bismarck und Rehs ihr Konzept in den Rahmen einer umfassenderen („weltweiten") Ordnung gestellt sehen, keineswegs ginge es dabei bloß um die Wahrung der Vertriebeneninteressen. Es war von großer Bedeutung, daß die Kammer, angetreten unter dem Arbeitsvorhaben „Recht auf Heimat", bereits auf ihrer zweiten Sitzung die Frage der sozialen Eingliederung der Vertriebenen behandelte. Das Referat des sachkundigen Ministerialdirigenten Landsberg aus dem Düsseldorfer Sozialministerium154 bildete dafür den Ausgangspunkt. Ein Großteil der Angaben zur sozialen und wirtschaftlichen Seite ist in das zweite Kapitel der Denkschrift eingegangen. Das gilt aber ebenso für die allgemeinere Beurteilung, die der Eingliederungsvorgang durch Landsberg erfahren hat. Er äußerte sich kritisch gegenüber der geringen Bereitschaft zu Entgegenkommen und Aufnahme in der westlichen Gesellschaft, ihrem „zivilisatorischen Hochmut" auf kulturellem Gebiet, der jedoch im wesentlichen habe abgebaut werden können. Besonders an diesem Problem setzte die Diskussion an, wobei die Fragen der kirchlichen Eingliederung im Vordergrund standen, die dann ja auch wiederum in das zweite Kapitel der Denkschrift Eingang finden sollten. Sowohl das inner-evangelische Konfessionsproblem mit seiner Auswirkung auf Katechismus und Gottesdienstform 135 als auch die Frage der Vertriebenenvertretung in den kirchlichen Wahlgremien136 wurden erörtert, ohne daß es hier zu kontroversen Äußerungen gekommen wäre. Anders verhielt es sich mit der von Landsberg angesprochenen organisatorischen Seite der kirchlichen Vertriebenenarbeit. Daß es zwischen den Kirchen und den 134 135 136

Vgl. dazu unten S. 132, 143 f. u. 157. Vgl. Bd. I, S. 484 ff. Vgl. unten S. 300 ff.

Die Lübecker Thesen

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Vertriebenen bisher noch kaum zu einem Gespräch gekommen sei, führte Landsberg darauf zurück, „daß die maßgebenden kirchlichen Gremien sich den Vertriebenen gegenüber regelmäßig selbst durch Vertriebene vertreten lassen". D a ß dieser P u n k t aufgegriffen wurde, wird angesichts der Erfahrung, die die Kammer selbst seit ihrer Beschäftigung mit dem Heimatrechtsproblem sammeln konnte, kaum verwundern. Sah Brummack in der Einrichtung des Ostkirchenausschusses eine wichtige Hilfeleistung für die kirchliche Eingliederung der Heimatvertriebenen und verwies auch auf die guten Kontakte des Ausschusses zu den Vertriebenenverbänden, so hielt Goldschmidt die G r ü n d u n g des Ostkirchenausschusses für keine wirkliche Hilfe, „da die Probleme der kirchlichen Eingliederung nicht von den Vertriebenen unter sich gelöst werden k ö n n ten". Das „Hängen an dem, was früher gewesen ist", erschwere einen „neuen gemeinsamen Anfang" 137 . Mit dieser zweiten Sitzung konnte die einführende Bestandsaufnahme zum Thema „Heimatrecht" als abgeschlossen gelten. Die unterschiedlichen Positionen dazu waren hinsichtlich ihrer theologischen Begründung, ihres politischen Gehalts und ihrer Konsequenzen gründlich durchdiskutiert worden. Darüber hinaus kamen auch bereits die Grenzen der theologisch-ethischen und rechtlichen Fragestellung allmählich in den Blick, erfuhr der Verhandlungsgegenstand durch die Einbeziehung der Eingliederungsprobleme, einschließlich deren kirchlicher Seite, eine wichtige Ausweitung in Bereiche, die man als der Sache zugehörig ansah. U n d endlich hatte man auch durch die Beteiligung kirchlicher und säkularer Vertriebenensprecher Hinweise erlangen können auf Erwartungen und Befürchtungen, die es bei einer möglichen kirchlichen Stellungnahme zu berücksichtigen galt. Die Kammer war also an eine erste Zäsur in ihrer Arbeit gestoßen. Von da aus ist auch ihr Beschluß z u m weiteren Verfahren zu verstehen: Wilkens w u r d e gebeten, „ein Memorandum über den derzeitigen Stand des Gesprächs und die Möglichkeiten seiner Fortsetzung zu verfassen".

4. Die Lübecker

Thesen

Angesichts der „Vorgeschichte" bis zur ersten Kammersitzung z u m Thema Heimatrecht und Ostgrenze, des Gegeneinanders der verschiedenen Gremien und Kräfte in der E K D , des prozeduralen H i n - und H e r schwankens, kann es kaum überraschen, daß sich die Auseinandersetzungen nicht auf die internen Verhandlungen der Kammer beschränken 137 Ähnlich verlief die Diskussion zwischen Raiser u n d von Bismarck hinsichtlich der Existenz der Vertriebenenverbände.

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

ließen, sondern auch außerhalb und teilweise sogar in der* Öffentlichkeit in verschiedener Form weitergeführt wurden, nicht ohne dabei an Schärfe zu gewinnen. Dies kündigte sich schon wenige Wochen nach der ersten Sitzung in der Reaktion des Ostkirchenausschusses auf die Veröffentlichung der „Bielefelder Thesen" in der Zeitschrift „Junge Kirche" 138 an. Normalerweise dürfte einer solchen Veröffentlichung nichts Ungewöhnliches anhaften: Die Thesen wurden ja nicht als Stellungnahme der „ E K D " ausgegeben, sondern lediglich als Diskussionsvorschlag eines Arbeitskreises der Kirchlichen Bruderschaften und auch von der „Jungen Kirche" in keinen Zusammenhang mit der Arbeit der Kammer gestellt. Nicht so in diesem Fall angesichts der Brisanz, die dieses Thema inzwischen erlangt hatte, der Unsicherheit, die dabei im kirchlichen Raum verschiedentlich entstanden war. So beschloß der Ostkirchenausschuß am 6. Januar 1964, gegen die Veröffentlichung sowohl beim Vorsitzenden der Kammer für öffentliche Verantwortung als auch bei Schweitzer selbst Protest einzulegen 139 . Darüber hinaus beauftragte der Ausschuß seine Mitglieder Brummack und Harms, „eine Entgegnung auf die veröffentlichten Thesen vorzubereiten für den Fall, daß diese Veröffentlichung zu einer weiteren Verwirrung der Lage führt" 140 .

Diesem Auftrag kam zunächst Harms mit einem Entwurf von 19 Gegenthesen nach, den er am 2. April 1964 dem Ostkirchenausschuß vorlegte 141 . Der Ausschuß gelangte jedoch über seinen Beschluß vom Januar hinaus zunehmend zu der Uberzeugung, in der Kammer mit einer eigenen Thesenreihe den „Bielefelder Thesen" entgegentreten zu müssen; er bat Brummack und Harms, die Thesen zu diesem Zweck zu überarbeiten und sie vor der Verhandlung in der Kammer den Mitgliedern des Ostkirchenausschusses zur Stellungnahme vorzulegen 142 . Harms, der von allen Mitgliedern des Ausschusses inzwischen durch die Teilnahme an zwei Sitzungen die intensivste Erfahrung der Anforderungen besaß, denen sich die kirchlichen Vertriebenenvertreter bei der kontroversen Diskussion in der Kammer zu stellen hatten, mahnte im Juni den Ostkirchenausschuß, sich noch anders zu rüsten als bei frühern Gelegenheiten 143 . Gülzow und Brummack stimmten dem zu, auch wenn sie den Stand der Urteilsfindung in der Kammer und entsprechend den Vgl. oben S. 104 f. Auch die Kammer hatte vorher Schweitzer vergeblich gebeten, von der Veröffentlichung seiner Thesen Abstand zu nehmen. Vgl. Schreiben Wilkens an die Mitglieder (WEST) 138

139

d e s R a t e s d e r E K D v o m 4 . 1 0 . 1 9 6 5 (HANDAKTEN W I L K E N S , X I . 2 4 , S. 5 ) . 140 141

Nr.). 142 143

Niederschrift Pkt. 10 (ΑΟΚΑ, A 7/1964, Nr. 230). „Das Evangelium von Jesus Christus und die Heimatvertriebenen" (ebd., C 2/1964 o. Niederschrift der ΟΚΑ-Sitzung am 2. 4. 1963 (ebd., A 7/1964, Nr. 817). Vgl. Schreiben Gülzows an Brummack vom 8. 6. 1964 (ebd., C 13/1964).

Die Lübecker Thesen

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Stellenwert der geplanten Thesen des Ostkirchenausschusses unterschiedlich akzentuierten. So ging Brummack von einer „bereits vollzogenen Parteinahme" auf Seiten der Kammer aus. Man könnte deshalb nicht mehr erreichen als „ein verstärktes Bedenken bei unsern Gegnern und den anderen Kammermitgliedern gegen eine derartig einseitige Haltung wie die des Herrn Schweitzer]", so daß der „bestmögliche Ausgang" nur noch der sein könne, „daß das ganze Vorhaben in Anbetracht einer nicht möglichen einheitlichen Meinung von der Tagesordnung der Kammer abgesetzt wird" 144 . Gülzow glaubte dagegen „einige Nachdenklichkeit" feststellen zu können, die sich nach dem „ersten Feuer" in der Behandlung durch die Kammer eingestellt habe und dem nun die Frage gefolgt sei, „wie man überhaupt weiter verfahren will". Mit den geplanten Thesen hoffte er, eine „gute Grundlage, vielleicht sogar einen Lösungsvorschlag für die Kammer" schaffen zu können. „Vielleicht täusche ich mich in der Meinung, daß die Kammer sich in einer Aporie befindet, aus der wir ihr heraushelfen und der Sache selbst einen guten Dienst leisten können." 1 4 5 Wie immer man die Thesen der Sache nach einschätzen will, von der Intention her - das zeigen diese Äußerungen, besonders die Gülzows sollten sie vermittelnd wirken, was sich in der endgültigen Fassung - nicht ohne eine gewisse Zwiespältigkeit - auch inhaltlich niederschlug. Brummack erarbeitete Anfang Juni eine ganze Reihe von Abänderungsvorschlägen, größtenteils als Präzisierungen und Ergänzungen der Harms'schen Thesen gedacht, ohne deren Inhalt wesentlich zu beeinträchtigen 146 . Mit wenigen Ausnahmen wurden sie von Harms übernommen, so daß schließlich eine fertige Thesenreihe vorlag, die von „D. Gülzow, C . Brummack, Dr. Harms" in „Lübeck am Michaelisfest 1964", also am 29. September, unterzeichnet wurde. Diesen Thesen zugrundegelegt wird ein kritisches theologisches Prinzip: die Ablehnung jeden „Nebeneinanders der Heilstatsachen Gottes und der Ordnungen dieser Welt" (These 6)147. Gegen dieses „Nebeneinander" setzen die Lübecker das reformatorische „Allein". Dagegen verstoßen, aus dem „EntwederO d e r " ein „Sowohl-Als auch" gemacht zu haben, werfen sie den „Bielefelder Thesen" vor. Diese führten auf „gefährliche Abwege" (These 6), wie sie die Kirche auch „durch eine in Jahrhunderten gelebte Verquickung 144 145 146

Schreiben Brummacks an Harms vom 24. 6. 1964 (Abschrift ebd., Nr. 1554). Vgl. Anm. 143. V g l . S c h r e i b e n B r u m m a c k s a n H a r m s v o m 8 . / 1 2 . 6 . 1 9 6 4 (NACHLASS BRUMMACK, A k t e

„Schweitzer Thesen"). Brummack fügte außerdem noch eigene Gegenthesen zu den „Bielefelder Thesen" bei, die inhaltlich in etwa dem oben (S. 104, Anm. 125) erwähnten Expose entsprechen. 147 Dieses Exemplar der Lübecker Thesen vom 29. 9. 1964 in: A O K A , C 13/1964, Nr. 3025.

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

von Thron und Altar" und einer daraus folgenden „vor dem Evangelium nicht verantwortbaren Überbetonung von Heimat, Volk und Vaterland" gegangen sei (vgl. These 3). Die Schuld, die der Kirche daraus erwuchs, habe sich „bitter gerächt" schon vor der Vertreibung, „indem weithin die Zugehörigkeit zur Kirche und die Teilnahme am gottesdienstlichen Leben zu einer bloßen Sitte geworden war" (These 5)148. Wohl eher noch mit Blick auf die „Beienroder Erklärung" als auf die „Bielefelder Thesen" setzen die Thesen vom 29. September 1964 mit dem Gedanken der Buße und Schuld ein. Gleich zu Beginn knüpfen die „Lübecker" an die Stuttgarter Erklärung 14 ' an: „Wir Flüchtlinge und Vertriebene müssen es gewiß auch auf uns beziehen und bekennen, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt, nicht brennender geliebt haben". (These 1)

Einer näheren Explikation der Bußpredigt in Richtung auf den Heimatund Heimatrechtsgedanken versagen sich die Lübecker jedoch unter Hinweis auf die „Kurzschlüssigkeit", welche auch die Freunde des H i o b kennzeichne, „die von dem Unglück des Dulders auf vorangehende Schuld zurückschließen und mit solchem Urteil an Gott und an dem Menschen schuldig werden" (These 7). Mag man hierin die Anwendung des oben bezeichneten kritischen Prinzips erkennen, so entbergen die folgenden Thesen zum Heimatproblem eine andere Seite theologischer Begründung. Denn kaum kommen die „Lübecker" auf die „Heimat" als eines der „Güter dieses Lebens" zu sprechen, die Gott dem gerechtfertigten Sünder in dieser Welt gibt und beläßt (vgl. These 8 und 9), wird die apodiktische Feststellung getroffen: „Jemand wider seinen Willen aus der Heimat vertreiben, heißt also, den Menschen aus dem ihm zum Schutz und zur Freude geschenkten bergenden Bereich seines Daseins herauszuwerfen, heißt, was genau so schwer wiegt, ihn aus der Verantwortung, die G o t t ihm auferlegt hat, herauszureißen. U n d das ist vom Evangelium her verboten und ein bitteres Unrecht an dem Menschen" (These 9).

Dieser - wie man wohl zugeben muß - „starke Satz" 150 findet seine Parallele dort, wo es in den Thesen um die (weltlichen) Rechte und Gesetze überhaupt geht: Wenn die Kirche oder eine Gruppe in ihr das Recht eines Teils ihrer Brüder unter Berufung auf den Geist der Versöhnung „ohne Bedenken beiseite setzen" würde, wäre dies eine „Anmaßung, zu der das Evangelium eine begründete Handhabe nicht bietet. Der 1,8 „ D a r u m erwies sich die Kraft des Evangeliums vielfach nicht als rettende Macht, dem schmerzlichen Schicksal der Vertreibung im gehorsamen Glauben standzuhalten", fährt die 5. These dann fort. 145 Vgl. dazu Bd. I, S. 287ff. 150 So F. Spiegel-Schmidt in seiner Analyse der Lübecker Thesen (LUTHERISCHE MONATS-

HEFTE 1 9 6 5 , S. 2 1 4 ) .

Die Lübecker Thesen

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vermeintliche Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes ist dabei schlechthin Ungehorsam geworden" (These 15). Von diesen beiden Seiten theologischer Begründung her151 ist es unausweichlich und folgerichtig, wenn die „Lübecker" am Schluß ihres Thesenkataloges konstatieren, es sei „vom Evangelium her . . . geboten, daß wir gegen eine Verzichterklärung, wer immer sich das Recht dazu nehmen mag und welche vermeintlich guten Gründe dafür ins Feld geführt werden mögen, warnend unsere Stimme zu erheben haben" (These 17).

Ihre Thesen legten Gülzow, Brummack und Harms der Kammer vor, die am 2./3. Oktober 1964 zu ihrer nächsten Sitzung zusammentrat 152 . Grundlage der Diskussion bildete das Referat des Mainzer Juristen Peter Schneider über „Die völkerrechtliche Lage der Gebiete der Oder-NeißeLinie und das Recht auf die Heimat", in dem Gebietsannexionen und Bevölkerungsdeportationen als klaren völkerrechtlichen Verboten unterliegend dargestellt werden, was auch in der Aussprache auf keinen Widerspruch stieß. Dasselbe gilt für den Grundsatz, daß „rechtliche Positionen" als „Inhalte des Völkerrechts unaufgebbar" seien. Doch ebenso wurde die relative Bedeutung dieses Grundsatzes herausgestellt: Politische und geschichtliche Entscheidungen über Gebietsfragen und das Schicksal der Vertriebenen seien „rechtlich allein nicht zu lösen". Offenbar erst nach dieser Diskussion in der Kammer entschlossen sich die drei Unterzeichner der „Lübecker Thesen" zu weiteren Korrekturen. Während Brummack sich mit seinen Verbesserungsvorschlägen auf wenige Präzisierungen beschränkte, ohne damit den Inhalt der Thesen zu berühren, hatte Gülzow 153 nur einen einzigen, dafür inhaltlich aber um so gewichtigeren Änderungsvorschlag, der dann auch, wie die Änderungen Brummacks, die Zustimmung aller Unterzeichner fand: In der oben teilweise zitierten These 17 wurde so aus der „Verzichtserklärung" eine nur noch „voreilige Verzichtserklärung", gegen die zu warnen das Evangelium gebiete. Erst in dieser Form wurden die „Lübecker Thesen" verbreitet und später auch veröffentlicht' 54 . 151 Das von F. Spiegel-Schmidt (ebd., S. 2 1 3 f . ) problematisierte Verhältnis von Kirche und „Vertriebenen" in den „Lübecker Thesen" soll hier nicht näher behandelt werden. Die Thesen differenzieren m. E. an diesem Punkt sehr wohl in einer Weise, die der Kritik Spiegel-Schmidts entzogen ist. 152 Vgl. Schreiben Wilkens an die Mitglieder (West) des Rates der E K D vom 4. 10. 1965 (HANDAKTEN WILKENS, X I . 24, N r . 1 5 4 8 . X I . , S. 6f.). - Das „Kurzprotokoll" der Kammersitzung (vgl. Anm. 132) enthält dazu keine näheren Angaben. Alle drei OKA-Mitglieder waren als Gäste am 2. 10. 1964 anwesend. 153 Diese Änderungen sind dem Exemplar N r . 3 0 2 5 ( A O K A , C 1 3 / 1 9 6 4 ) zu entnehmen (Brummack: grüne Schrift, Gülzow: blaue Schrift). 154 Zunächst wurden die Thesen nur für den „Handgebrauch" im O K A , für die Hilfskomiteevorsitzenden und die Mitglieder (West) des Rates der E K D vervielfältigt (letztere durch Anlage zu N r . 2 0 2 0 . X I . vom 30. 11. 1964; vgl. Anm. 132), schließlich im Januar 1965

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Über die Motive zu diesem Eingriff kann man nur Vermutungen anstellen. Wilkens verweist auf den Eindruck, den die Besprechung in der Kammer bei den drei Unterzeichnern hinterlassen haben muß155. Es könnte sich dabei herausgestellt haben, daß der Ostkirchenausschuß mit diesen Thesen kaum noch Einfluß auf den Entscheidungsprozeß in der Kammer auszuüben vermochte, schon gar nicht im Sinne einer Vermittlung, wie sie besonders Gülzow zu jenem Zeitpunkt offenbar anstrebte156; hatte doch die Diskussion am 2. Oktober 1964 gerade das nur relative Gewicht der auf den Rechtsstandpunkt abhebenden Argumentation bei der Lösung des Vertriebenen- und Ostproblems erkennen lassen. Gerade aber auf die Wahrung des Rechtsstandpunktes zielte der Lübecker Thesenkatalog vom 29. September 1964 in seinem zweiten Teil geradlinig ab. Jener Relativierung wollte man aber nun offensichtlich entsprechen und einigte sich auf die Einfügung des „voreilig", womit ohne Zweifel eine ganz erhebliche Relativierung des in den Thesen unter das Gebot des Evangeliums gestellten Rechtsanspruches vorgenommen wurde und so ein Bruch in das Argumentationsgefüge kam 1 ". So bedeutend hierfür die Erörterungen in der Kammer selbst gewesen sein mögen, so wenig darf die übrige Entwicklung der Heimat- und Ostdebatte in jenen Monaten als Hintergrund für diesen Wandel außer acht bleiben. Unzweifelhaft - auch für die Verfechter eines konsequenten Rechtsstandpunktes der Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937 - nahm die Bewegung und Auseinandersetzung zu, wurden in d e n O S T K I R C H L I C H E N INFORMATIONEN 1 9 6 5 / 1 v e r ö f f e n t l i c h t . N a c h d r u c k u . a . i n : L U THERISCHE M O N A T S H E F T E ( 1 9 6 5 , S . 2 1 7 f f . ) , P . NASARSKI, S t i m m e n , S . 9 2 f f . 155 Schreiben an die Mitglieder (West) des Rates der E K D vom 4 . 1 0 . 1 9 6 5 (vgl. Anm. 152). Im NACHLASS BRUMMACK findet sich eine Liste der Vorgänge um die Entstehung der Denkschrift vom 9 . 1 1 . 1 9 6 5 , in der nach dem „Thesenentwurfstück Rauhut v. 29. 9. 64" der Punkt „Letzte Korrekturen von mir [Brummack] zu den Thesen - Problem, voreilig!" aufgeführt wird. Dies bestätigt lediglich, daß die Ergänzung nach der Kammersitzung vorgenommen wurde, die Motive bleiben jedoch unerwähnt. 156 Vgl. oben S. 111. 157 Dies hat, ohne Kenntnis der ursprünglichen Fassung, bereits F. Spiegel-Schmidt (LUTHERISCHE MONATSHEFTE, 1965, S. 219f.) herausgearbeitet: „. . . im Gegensatz zu allen vorherigen absoluten Untermauerungen" werde nun „plötzlich" nur mehr „gegen eine voreilige Verzichterklärung" die Stimme erhoben. „Damit beugen sie sich, nur heute noch nicht, selbst vor der normativen Kraft des Faktischen." Mit Letzterem spielt SpiegelSchmidt auf die Tagung des Großen Konvents der zerstreuten ev. Ostkirchen vom 19. bis 21. 10. 1964 in Bremen an. Sie stand unter dem Thema „Die Macht des Faktischen und die Geltung des Rechts". Grundlage dazu bildete ein Referat des Heidelberger Juristen Prof. Fritz Münch, der die Frage der staatlichen Grenzen als auf einer Ebene liegend bezeichnete, „wo die normative Kraft des Faktischen keine Rolle spiele". Angewendet auf die Ostgrenzen bedeute das die Notwendigkeit, eine Anerkennung der Besatzungsgrenzen als Staatsgrenzen zu verhindern. Vgl. Jahresbericht des O K A und Ostkirchenkonvents 1964 ( Α Ο Κ Α , A 7/1965, ο. Nr.). Münchs Referat ist wiedergegeben im JAHRBUCH DER ALBERTUS-UNIVERSITÄT, X V , 1965, S. 29 ff.

Die Lübecker Thesen

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Zweifel am Nutzen jener Politik immer häufiger öffentlich geäußert. Als Beispiel hierfür mag ein Vorgang im Anschluß an die Rede gelten, in der Helmut Thielicke auf einer Kundgebung zum 17. Juni 1964 in Hamburg heftige Angriffe gegen Bundesminister Seebohm richtete und dafür eintrat, dem deutschen Volk „die Wahrheit" zu sagen. Es müsse Opfer bringen, um von den östlichen Nachbarn die „Wiedervereinigung zwischen Bundesrepublik und sowjetisch besetzter Zone" zugestanden zu bekommen. Daraufhin vom Bund der Vertriebenen angesprochen, bekannte sich Thielicke zu der Uberzeugung, „daß jene Gebiete durch die Hitler-Politik für uns verloren sind und daß alles andere unrealistisch ist"158. Thielicke hatte in dieser Frage, wie Dr. Schulz-Vanselow 159 feststellt, „in Argumentation und Schlußfolgerung sich den ,Tübinger Memorandisten'" angeschlossen. „Auch diese Säule der .evangelischen Ethik' ist somit umgefallen", lautet der Kommentar des BvD-Sprechers dazu. Im selben Jahr erschien der dritte Band von Thielickes Ethik, in dem dieser ebenfalls von den „verlorenen Gebieten jenseits von Oder und Neiße" spricht160. Auch auf literarischem Gebiet zeigte sich, wie zunehmend bis dahin vertretene Positionen in die öffentliche Auseinandersetzung gerieten. Hierfür seien besonders Schweitzers „Gerechtigkeit und Friede an Deutschlands Ostgrenzen" auf der einen, von Brauns „Beharrlichkeit in der Außenpolitik" auf der anderen Seite genannt, die eine größere Beachtung fanden. Für beide Publikationen gilt, was den Fortgang der Diskussion 1964 überhaupt kennzeichnet, daß sie in der Behandlung der Ostpolitik nicht auf die bloße Heimatrechtsproblematik beschränkt bleiben, sondern zunehmend weitere Gesichtspunkte in die Ergänzung einbeziehen müssen161, vor allem die historische Rolle und gegenwärtige Aufgabe

158 Schreiben Thielickes an den Vorsitzenden des L v D Hamburg, Wiggert, vom 16. 7 . 1 9 6 4 (Fotokopie des gesamten Vorgangs in: NACHLASS BRUMMACK, Akte „Schweitzer-Thesen"). Thielicke fuhr fort: „Ich sehe keine Möglichkeit, wie eine Heimkehr in diese Gebiete ohne Krieg möglich sein sollte und halte deshalb die Aufrechterhaltung eines Anspruchs ohne Krieg für unrealistisch." Er sage dies nicht leichtfertig und sei sich darüber klar, „was das für die Heimatvertriebenen bedeutet. Ich halte es aber für unredlich, ihnen diese für sie harte Entscheidung zu verschweigen, und ich nehme es den Politikern übel, daß sie das doch tun." 159 V o m „Ausschuß für Gesamtdeutsche Fragen" des BDV. Schreiben vom 1 1 . 9 . 1 9 6 4 an Brummack (ebd.). 160 S. 1 1 8 f . (Angabe beiF. SPIEGEL-SCHMIDT, Diskussion, S. 215f.). von Braun setzte sich ausführlich mit dem Tübinger Memorandum und den „Bielefelder Thesen" auseinander. Sein Buch mit dem Untertitel „Gegen Relativierung des Rechts und theologische Politik" richtet sich gegen die, welche „Resignation an die Stelle einer zielstrebigen deutschen Ostpolitik setzen wollen" (S. 7). Schweitzer geht in seinem im Mai abgeschlossenen Buch von den „Bielefelder Thesen" aus, bezieht in seine Erwägungen historische Erfahrungen des Nationalismus in der Kirche ebenso wie die Entwicklung in Polen und der Tschechoslowakei ein. von Braun, der im Anhang einen Briefwechsel mit

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

der evangelischen Kirche, das Problem einer Begründung der jeweils divergierenden Konzeption im christlichen Ethos. Auch ein Vorgang unmittelbar aus dem kirchlichen Bereich vermag die Entwicklung zu veranschaulichen. A m 27. August 1964 versandte der württembergische Evangelische Oberkirchenrat allen Dekanats- und Pfarrämtern einen Gebetsentwurf zum Gedenken an die beiden Weltkriege162. Darin heißt es: „Wir bitten Dich: Vergib uns die große Schuld, die wir auf uns geladen haben. Bewahre uns davor, daß wir uns mit der Schuld anderer entschuldigen wollen. Schenke uns einen neuen Anfang. Zeige uns, wo wir Leid lindern und Friede unter den Völkern fördern können."

Diese Sätze des Oberkirchenrates sind zwar sehr behutsam, jedoch sicherlich nicht unter Absehung vom Problem der Ostgrenzen formuliert worden und erscheinen deshalb auch in unserem Zusammenhang als bemerkenswert. Die Kirchliche Bruderschaft in Württemberg griff diesen Entwurf ihrer Kirchenregierung auf, um jene Passage zu konkretisieren. Denn, so schreibt der Geschäftsführer der Bruderschaft, Walter Schlenker, nicht ohne kritischen Unterton, es könne „bei einem einmaligen Bekenntnis unserer Schuld und bei der allgemeinen Bitte um einen neuen Anfang nicht bleiben"163. Die kirchliche Bruderschaft veröffentlichte deshalb ein Wort „Zum Bußtag 1964", in dem sie sich auch hinsichtlich der Ost- und Deutschlandpolitik um eine Konkretisierung bemüht. „Vom Gericht Gottes in zwei Weltkriegen herkommend sind wir nach unserer Erkenntnis heute auch in den Fragen des öffentlichen Lebens vom Evangelium in eine ganz bestimmte Richtung gewiesen."

Einer von fünf Punkten zur Markierung dieser Richtung lautet dann: „Wir müssen als Christen in Deutschland in dem Verlust unserer Ostgebiete und in der Spaltung unseres Landes das Gericht Gottes über unseren mörderischen Größenwahn erkennen. Deshalb können wir nicht unter der Losung des Heimatrechtes die Rückgabe der verlorenen Gebiete fordern. Wir wissen doch, daß damit wiederum Millionen von Menschen vertrieben werden müßten und der Kreislauf des Hasses fortgesetzt würde. Deshalb können wir im innerdeutschen Bereich die Existenz der D D R nicht ignorieren, unser eigenes Staatswesen absolut setzen und damit der friedlichen Lösung der deutschen Frage entgegenhandeln. Prestigefragen dürfen nicht verhindern, daß es zu einer Erweiterung und Vertiefung der menschlichen Kontakte und zu einer innerdeutschen Entspannung kommt."

Aber auch von diesen unmittelbar zupackenden Aussagen abgesehen Kloppenburg veröffentlichte, hatte nach Erscheinen des Buches eine längere briefliche Kontroverse darüber mit dem westfälischen Präses Wilm. A O K A , D/R/1964, Nr. 3228. Vgl. NACHLASS BRUMMACK (Akte „OKA 1963/64)". 165 Am 6.11.1964 an alle württembergischen Pfarrer. Mit diesem Begleitschreiben wurde das im folgenden zitierte Wort zum Bußtag 1964 verschickt.

Die Lübecker Thesen

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aus solchen Kreisen, die schon von vornherein kaum als „Säulen der ,evangelischen Ethik'" vom „Bund der Vertriebenen" anerkannt worden sein dürften - erweckte die evangelische Kirche bei den offiziellen Vertriebenenvertretern Unsicherheit und konnte so bereits vor der Veröffentlichung der Denkschrift Vorbehalte und Distanz auslösen. In einem Gespräch, das der rheinische Präses Beckmann im November 1964 mit rheinischen Vertriebenenvertretern führte, nannte Professor Konrad diese Entwicklung ein „Crescendo der Unzufriedenheit der Vertriebenen mit ihrer Kirche"164. Wenn ein solches Dictum auch der Differenzierung bedürfte, vor allem zwischen den „Vertriebenen" und ihren politischen Sprechern, so bezeichnet es doch einen Wandel der Verhältnisse, wofür die Begegnung mit Präses Beckmann als solche bereits ein Zeichen gibt, läßt sie sich doch als Reaktion der Kirche auf solche Entwicklungen verstehen, die keineswegs isoliert zu betrachten ist165. Die Gesprächsrunde war sich einig, daß nach „neuer Aktivierung" in den Kreissynoden und Gemeinden gesucht werden müsse. Der Öffentlichkeitsausschuß der rheinischen Kirche solle einen Vertriebenen als stellvertretenden Vorsitzenden bekommen. Auch auf anderer Ebene werden Reaktionen sichtbar. So beauftragte die Bonner Synode Franz Hamm mit der Organisierung der Vertriebenenarbeit in ihrem Bereich1". Die Veröffentlichung der „Lübecker Thesen" in ihrer nun endgültigen Form Anfang 1965 blieb nicht ohne Widerspruch und Konsequenzen. Hatte ein Jahr zuvor der Ostkirchenausschuß gegen den Abdruck der „Bielefelder Thesen" in der „Jungen Kirche" protestiert167, so revanchierte sich nun Schweitzer mit einem öffentlich verbreiteten Protest gegen das Vorgehen von Brummack, Gülzow und Harms168. Die Veröffentlichung wurde allein von den drei Unterzeichnern verantwortet und stellt keine offizielle Äußerung des Ostkirchenausschusses dar16'. Welche Überle164

Uber dieses Gespräch am 26. 11. 1964, an dem neben Konrad auch F. Hamm, Sup. Erich Dietrich, Landsberg u.a. teilnahmen, berichtet F. Hamm (zugleich auch Vorsitzender des rheinischen Ostkirchenkonvents) am 27. 11. 1964 an Brummack, Gülzow, Kruska und Rauhut (ebd.). 165 So spricht F. Hamm (ebd.) von einem „neuen Punkt . . . in der Erweckung des Interesses kirchlich Verantwortlicher an unseren Sorgen", den man „vielleicht" erreicht habe. Vgl. ebd. 167 Vgl. oben S. 110. 168 Vgl. dazu und zum Vorgang insgesamt den Bericht Raisers an Scharf vom 27. 2. 1965 (vgl. Anm. 132, o . N r . ) . Sie ist also nicht etwa als Ausführung des ΟΚΑ-Beschlusses vom 6. 1. 1964 (vgl. oben S. 110) zu verstehen. Auch ist es nicht, wie im OKA-Beschluß vom 2. 4. 1964 vorgesehen (vgl. oben S. 110), zur Vorlage der Thesen bei den ΟΚΑ-Mitgliedern und deren Stellungnahme gekommen. Den Beschluß, die Thesen in der Januarausgabe der „Ostkirchlichen Informationen" zu veröffentlichen, hatte der Publikationsausschuß des O K A am 30. 10. 1964 gefaßt (vgl. Aktennotiz vom 4. 12. 1964; Α Ο Κ Α , A 7, N r . 3213). Harms war wegen

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

gungen den Abdruck der Thesen in den „Ostkirchlichen Informationen" im einzelnen veranlaßt haben mögen, kann nicht mehr genau ermittelt werden. Eine nach Erscheinen der Denkschrift von dem Mitglied des Ostkirchenausschusses Eberhard Schwarz erstellte Dokumentation 170 benennt als Grund, daß Schweitzer „inzwischen seine Thesen in Veröffentlichungen und Vorträgen weiter verfocht" (S. 8). Es muß dabei wohl berücksichtigt werden, daß sich die führenden Mitglieder des Ostkirchenausschusses im Zusammenhang mit der geschilderten Entwicklung und Zuspitzung der ostpolitischen Debatte in der Öffentlichkeit zunehmend gedrängt sahen, gegenüber den Vertriebenensprechern als Vertreter der E K D Stellung zu beziehen. Daß sie sich andererseits der Problematik einer öffentlichen Stellungnahme zum damaligen Zeitpunkt bewußt waren, mag man daraus ersehen, daß auf eine offizielle Äußerung des Ostkirchenausschusses verzichtet wurde. Aber dies konnte den Konflikt mit der Kammer und ihrem Vorsitzenden nicht verhindern. Abgesehen davon, daß die „Lübecker Thesen" doch - dies ja auch nicht ganz zu Unrecht - mit dem Ostkirchenausschuß in Verbindung gebracht wurden, sah Raiser das Vorgehen von Brummack, Gülzow und Harms als kaum vereinbar mit ihrer Beteiligung an den Beratungen der Kammer an171. Hinzu kam, daß sich Schweitzer bewogen sah, nun seinerseits ebenfalls öffentlich gegen die „Lübecker Thesen" Stellung zu nehmen. So beschloß Raiser Anfang März, daß die Kammer ihre Arbeiten an der Denkschrift ohne weitere Beteiligung der beiden Seiten abschließe. A m 9. März 1965 teilte er Gülzow dies mit: „Wenn ich mich bemüht habe, Sie mit den Herren Brummack und Dr. Harms zu allen mit dem Thema der Heimatvertreibung und der deutschen Ostgebiete befaßten Kammersitzungen als Gäste hinzuzuziehen, so geschah das doch in dem Wunsch, durch eine ruhige und gründliche Aussprache und ein sorgfältiges und unvoreingenommenes Hören auf die dabei vorgetragenen Argumente schrittweise zu einem Consensus zu kommen, der es dem Rat ermöglichen könnte, seinerseits auf möglichst breiter kirchlicher Grundlage etwas zur der Veröffentlichung nicht gefragt worden und erfuhr erst nachträglich davon (vgl. Notiz von Referat XI an Referat VII vom 25. 2. 1965; A K K , 518, Beiheft, Bd. III). 170 „Dokumentation zu Entstehung und Veröffentlichung der evangelischen Denkschrift über ,Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen ö s t l i c h e n N a c h b a r n ' " (HANDAKTEN W I L K E N S , X I , 2 3 ) . 171 Raiser schrieb am 27. 2. 1965 an Scharf, er gewinne zunehmend den Eindruck, „daß die Herren zwar auf eine Beteiligung an den Beratungen der Kammer als eine Vorpostenstellung Wert legen, sich aber daneben völlig unbekümmert die Freiheit vorbehalten, in öffentlichen Erklärungen der verschiedensten Art den [Rat der EKiD?] in einem Sinn festzulegen, der den politischen Wünschen der Vertriebenenverbände entspricht, aber keineswegs mit den ihnen bekannten Auffassungen der Kammer übereinstimmt. - . . . Da die Herren wußten, daß die Kammer eine Denkschrift für den Rat der E K i D ausarbeitet, kann ich schon in dieser unzeitigen Veröffentlichung nur einen, gelinde gesagt, unbrüderlichen Akt sehen" (vgl. Anm. 1 6 8 ) .

Die Lübecker Thesen

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Lösung der hier vorliegenden Probleme beizutragen. Aus Ihrer Veröffentlichung kann ich aber eigentlich nur schließen, daß Sie zu einem solchen weiterführenden Gespräch im Grunde nicht bereit sind, sondern daß wir am Ende da stehen, wo wir angefangen haben." 172

Der Rat befaßte sich am \ \J\2. März 1965 mit dem Konflikt zwischen Kammer und Ostkirchenausschuß, dessen „besondere rechtliche Stellung" zwar anerkannt wurde, der aber - dies stellte sich als die „einmütige Meinung" heraus - nach außen hin nur tätig werden solle, „wenn seine Verlautbarungen mit der Kirchenkanzlei bzw. mit dem Rat der EKD und der Kammer für öffentliche Verantwortung abgestimmt seien"1". Damit stimmte der Rat wohl dem Urteil der Kammer und ihres Vorsitzenden zu, daß, wie Wilkens auf der Sitzung vorgetragen hatte, die Veröffentlichung der 17 Thesen, auch wenn sie keine offizielle Äußerung des Ostkirchenausschusses seien, „schon eine Störung der Arbeit der Kammer" bedeuteten174. Der Ostkirchenausschuß sah bis in die jüngste Zeit in der Bestimmung des Rates eine unangemessene, wenngleich geschäftsordnungsmäßig auch nicht zu beanstandende175 Einengung und Behinderung bei der Durchführung seiner Aufgaben. Er glaubte, die Bindung „der Vertriebenen" an die evangelische Kirche nur dann aufrechterhalten zu können, wenn diese sich nicht in Gegensatz zu den grundlegenden politischen Forderungen der säkularen Vertriebenenorganisationen stellte. Diese Forderungen, den Heimatrechtsgedanken, die Zurückweisung des „Verzichts", schien er mit dem politischen Interesse der Vertriebenen überhaupt gleichzusetzen176.

172 S. 9 f. (vgl. Anm. 170). Dieser Vorgang fand noch darin eine Ergänzung, daß der O K A , wie Harms auf der Kammer-Sitzung am 19./20. 2. 1965 mitgeteilt hatte, zum 8. Mai 1965 die Veröffentlichung einer Erklärung über das Kriegsende und die Vertriebenenfrage plante. Vgl. dazu Näheres unten S. 120 ff. 173 A K K , Protokoll der Ratssitzung, Pkt. 17. Vgl. dazu weitere Einzelheiten unten im Zusammenhang der Erklärung „Zwanzig Jahre nach der Vertreibung" (S. 127), und im übrigen K.-A. ODIN (Denkschriften, S. 151 f.). O K R Gundert teilte dem O K A am 13. 4. 1965 entsprechend mit, er solle nur dann „nach außen tätig werden . . ., wenn seine Verlautbarungen mit dem Rat bzw. der Kirchenkanzlei [!] abgestimmt sind" ( Α Ο Κ Α , A 1/1965, Nr. 959). Die Abstimmung mit der Kammer f. ö. V. wurde dem O K A dagegen nicht auferlegt. Die Kammer erschien wohl nur auf Grund des aktuellen Anlasses in dem Zusammenhang im Ratsprotokoll. 174 Protokoll der Ratssitzung, Pkt. 17 (AKK). 175 Vgl. dazu die kritischen Bemerkungen G. Rauhuts (UNVERLIERBARKEIT 1/2, S. 42). 176 Vgl. z . B . Nr. 12,13 und 15 der „Lübecker T h e s e n " . - D i e s e Gleichsetzung war nichts dem O K A eigentümliches, sondern galt damals weithin als selbstverständlich.

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

5. Das „Wort zum zwanzigsten Jahr nach der

Vertreibung"

Der Anstoß zu einer Verlautbarung zum 20. Jahr des Kriegsendes und der Vertreibung erfolgte etwas abseits der Auseinandersetzungen, wie sie oben geschildert wurden. Als eine Delegation des Ostkirchenausschusses im Rahmen der Kontaktpflege mit den Landeskirchen am 24. August 1964 dem hannoverschen Landesbischof Lilje einen Besuch abstattete 177 , regte dieser eine „Erklärung zum 20jährigen Gedenktag des nächsten Jahres" an178. Es scheint bereits vorher, am 19. August 1964, anläßlich eines Gespräches zwischen Gülzow und dem Leiter der Dienststelle der Fuldaer Bischofskonferenz für die Vertriebenenseelsorge in Deutschland, Bischof Heinrich Maria Janssen, zu solchen Überlegungen gekommen zu sein, vor allem unter dem Aspekt eines gemeinsamen Vorgehens der beiden großen Kirchen 179 . Gülzow bat Schwarz und Georg Wild als jüngere Mitglieder des Ostkirchenausschusses, „die hinsichtlich ihrer öffentlichen Aussagen in den 20 Jahren die hinter uns liegen, noch nicht so strapaziert worden sind" 180 , um entsprechende Vorüberlegungen. Beide legten im Dezember 1964 ihre Teilentwürfe vor181. Beiden Exposes gemeinsam ist die Forderung, ein solches „Wort" nicht auf die Vertriebenen als Adressaten zu beschränken, sondern an die „gesamte Öffentlichkeit einschließlich der Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft" (Schwarz), bzw. an „unser Volk" (Wild) zu richten. Ebenso fehlt in beider Vorerwägung eine Erörterung, in welchem Verhältnis ein solches Wort denn zu der seit etwa einem Jahr von der Kammer für öffentliche Verantwortung vorbereiteten Äußerung zur selben Sache stehen solle, obwohl sich der Ostkirchenausschuß auf fast jeder seiner Sitzungen über den Fortgang der dortigen Beratungen unterrichten ließ. Ansonsten unterscheiden sich die Arbeiten von Schwarz und Wild erheblich. Letzterer hebt auf ein im engeren Sinne seelsorgerliches Wort ab, in dem die Fragen von Schuld und Sühne oder der Heimat „als O r t der christlichen Bewährung" behandelt und - dies erscheint besonders bemerkenswert - zusätzlich und gesondert die Christen „unter den Neusiedlern in unserer alten Heimat" und „die Christen in den Vertreiberstaaten" angesprochen werden sollen 182 . 177 Vgl. Niederschrift der ΟΚΑ-Sitzung am 19. 10. 1964 ( Α Ο Κ Α , A 7, N r . 2813, Pkt. 3). 178 Schreiben Rauhuts an Schwarz vom 2. 9. 1964, (ebd., C 2, N r . 2155). 179

Vgl. A n m . 177 (Pkt. 4) und 178.

Ebd. A O K A , C 2, N r . 3221 ( = Wild) und 3230 ( = Schwarz). 182 Wilds Vorschlag dazu lautet: „Wir bitten als Kirche Jesu Christi unsere christlichen Brüder jenseits der Grenzen in unserer alten Heimat: Laßt es nicht zu, daß Gewalttat und Vertreibung das letzte W o r t sind unter Christen. W i r sind von dem Herrn der Kirche gerufen, in dem Streit [der] Welt die Versöhnung zu predigen und zu leben. 180 181

D a s „Wort zum zwanzigsten Jahr nach der Vertreibung"

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Schwarz setzt dagegen einen anderen Schwerpunkt. Er geht von der veränderten ost- und heimatpolitischen Situation aus, von der „inneren A u s h ö h l u n g des offiziell bekundeten Standpunktes der Bundesregierung und des Parlaments", dabei berücksichtigend, daß die wirtschaftliche und kirchliche Eingliederung in Westdeutschland „infolge der Zerstreuung zu einer zwangsläufigen A n p a s s u n g an die örtlichen Verhältnisse und zu einer Schwächung der Verantwortung für den Osten angesichts der menschlichen Aussichtslosigkeit im Blick auf eine grundlegende Wandlung der Verhältnisse" führe. In dem geplanten Wort solle deshalb unter dem T h e m a „ F ü r Frieden und R e c h t " herausgestellt werden: „a) die bleibende Verantwortung der evangelischen Vertriebenen für den O s t e n , b) das Eintreten für friedliche Regelungen zwischen den Völkern im Osten E u r o p a s , c) die N o t w e n d i g k e i t rechtlicher L ö s u n g e n als Grundlage einer dauerhaften Befriedung" 1 8 3 . Wir bitten euch um die Vergebung und um Versöhnung im N a m e n Christi. Helft uns, diese Versöhnung auch unter unseren heimatvertriebenen Gemeindegliedern glaubhaft zu predigen, die über das erfahrene Unrecht der Vertreibung in ihrem Herzen verbittert sind. Wir müssen den Haß überwinden, wenn wir in dieser Welt als Christen glaubwürdig bleiben wollen. Durch den Krieg und den Haß der Welt genötigt, habt ihr ein fremdes Erbe in Besitz genommen, das euch nicht gehört und für das ihr nicht gearbeitet habt. Wir können euch dabei kein gutes Gewissen machen, denn es ist eine Frucht des Unrechts und der Gewalt, auf der in der Zukunft weder für euch noch für euer Volk ein Segen liegen kann. Deshalb bitten wir euch um Christi willen: Gewährt uns die Versöhnung und sucht gleich wie wir das Gespräch unter Christen, in dem alle Fragen, die uns gegenwärtig noch trennen, in christlicher Weise gelöst werden können." U n d für den als „Mahnung an unser V o l k " gedachten Teil des Wortes gibt Wild u.a. folgendes zu erwägen: „ Z u m anderen sollte in aller Klarheit und mit aller Härte gesagt werden, daß wir nicht so weiterleben können, als wäre nichts geschehen. Wir sind nicht Lebende schlechthin, sondern Uberlebende, die in einem C h a o s von Gewalt und Verbrechen apokalyptischen Ausmaßes bewahrt worden sind als Menschen, denen Gott nochmals eine Zukunft gegeben hat. D a s ist keine Selbstverständlichkeit. Wir beobachten den Weg unseres Volkes seit 1945 mit zunehmender Sorge. Es scheint so, als habe die Mehrzahl unserer Menschen den Sinn ihrer Bewahrung nicht begriffen. Man kann sein Schicksal auch durch Mutwillen und durch Gleichgültigkeit herausfordern. Wenn Gott uns als Volk aufgibt, dann haben wir in dieser Welt nichts mehr, worauf wir uns mit Recht berufen könnten, weder auf die Heimat, noch auf das tägliche Brot, noch auf die Freiheit, noch auf die Rettung unserer Seelen. Unser Volk wird nur dann eine Zukunft haben, wenn Gott darin einen Platz hat." 183 Zu a) führt Schwarz u.a. aus, trotz Eingliederung und Mitarbeit in der neuen U m g e bung seien die Vertriebenen „nicht von der Verantwortung für das Geschick der Heimat" entbunden. „Wer seiner Heimatkirche die Treue hält, handelt nicht anders, als es Christen der Kirchen, denen die Vertreibung erspart geblieben ist, ihrem geistlichen Erbe gegenüber auch tun würden". Die Gesamtkirche dürfe sich nicht " f ü r unzuständig erklären, wenn es um das Geschick der evangelischen Kirchen im Osten geht". Es dürfe „nicht allein das

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Diese in Zielsetzung und Argumentation den „Lübecker Thesen" verwandten Erwägungen von Schwarz wurden zur Grundlage der weiteren Vorbereitung und Abstimmung mit den Vertretern der katholischen Vertriebenenarbeit gewählt184. In Gegenwart von Präses Scharf befürwortete der Ostkirchenausschuß am 10. Januar 1965 in Berlin den Vorgang und bestellte Harms und Schwarz als seine Vertreter für die redaktionellen Verhandlungen mit der katholischen Dienststelle185. Anfang Februar traf die Redaktionskommission zusammen. Man einigte sich darauf, daß jede Seite ihre eigene Erklärung abgeben, beide jedoch in der Tendenz miteinander abgestimmt werden sollten. Die katholische Seite stimmte dem Enwurf des Ostkirchenausschusses 18 ' zu und gab als ihre Kerngedanken für das noch zu entwerfende Wort an: „1. Dankbar sein dafür, daß wir nicht alle untergegangen sind - dankbar für alle Hilfe, die uns von den anderen zuteil geworden ist, damit wir wieder neu beginnen konnten. Wir fühlen mit allen, die Gleiches erlitten haben und Gleiches erleiden. 2. Über dieses Leid fühlen wir die Verpflichtung, daran zu erinnern, daß all das über uns gekommen ist, weil die Gottesordnung nicht beachtet wurde, die göttliche Ordnung der Achtung der Menschenwürde und der Gesetze des Zusammenlebens. Wir melden uns zu Wort, weil wir am eigenen Leib erfahren haben, was da angerichtet wird durch die Mißachtung der Schöpfungsordnung. Geschick der Minderheitskirchen in den Ostblockstaaten im Blickfeld stehen, sondern ebenso das der verdrängten evangelischen Ostkirchen mit ihren zerstreuten Gliedern, denn mit der äußeren Eingliederung ist die Verantwortung nicht erloschen." Zu b) erinnert Schwarz an die Charta der Heimatvertriebenen und umschreibt die „Aufgaben der Versöhnung". Diese seien nicht „damit zu bewältigen, daß einseitige politische Friedensregelungen propagiert oder die Vorleistung des Verzichtes als christlich geboten gefordert werden". Vielmehr gelte es, „sich der geschichtlichen Schuldverflechtung gegenseitig zu stellen und aus ihr Auswege zu einer Verständigung zu suchen. Ein dauerhafter irdischer Friede beruht nicht auf dem Diktat der Gewalt oder aufgezwungenem Verzicht, sondern auf Gerechtigkeit. Die Heimatvertriebenen wenden sich daher gegen die Diffamierung, als ständen sie einer Aussöhnung und friedlichen Regelung im Wege." Zu c) weist Schwarz die „These von der Kollektivschuld des deutschen Volkes" zurück, die „die Heimatvertriebenen . . . ablehnen", sieht es aber als rechtlich geboten an, „daß sich die Schuldigen verantworten müssen". Es gehe aber nicht an, „die Vertreibung eines Teiles des Volkes aus seiner Heimat als Sühne für die geschehenen Verbrechen anzusehen, als ob dieser vor allen anderen schuldig geworden sei und deshalb die Bürde allein zu tragen habe". So wendet sich Schwarz gegen den „verschiedentlich als politische Lösung empfohlenen Verzicht auf die Souveränitätsrechte im Osten". Ein solcher bedeute „lediglich eine Anerkennung des status quo und damit der nach 1945 widerrechtlich geschaffenen und vollendeten Tatsachen", ohne daß „nach der inneren Berechtigung und der Auswirkung auf das sich bildende Völkerrecht" gefragt werde. m Vgl. Schreiben Gülzows an Rauhut vom 8. 12. 1964 ( A O K A , C 2, Nr. 3353). Ergebnisprotokoll des Gesprächs zwischen Gülzow und Bischof Janssen am 4. 1. 1965, bei dem die Bildung eines kleinen Redaktionsgremiums beschlossen wurde (ebd., A 7, Nr. 333). 185 Niederschrift der Sitzung (ebd., Nr. 119, Pkt. 1). 186 Verfaßt von Schwarz unter dem Titel „Für Frieden und Recht" (vgl. Anlage zu Nr. 446 vom 1. 2. 1965; ebd., C 2). Der Entwurf vom 1. 2. 1965 entspricht inhaltlich den oben (Anm. 183) wiedergegebenen Erwägungen.

D a s „ W o r t z u m z w a n z i g s t e n J a h r nach der V e r t r e i b u n g "

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3. W i r e r h e b e n unsere S t i m m e nicht, u m anzuklagen o d e r das M i t l e i d auf uns z u l e n k e n . W i r w o l l e n nicht durch unser S c h w e i g e n mitschuldig w e r d e n , daß das U n r e c h t R e c h t w i r d . D i e G e f a h r ist da. - und weil w i r wissen, daß h i n t e r all s o l c h e m U n r e c h t u n d s o l c h e r Z e r s t ö r u n g stehen der T o t a l i t a r i s m u s , die D i k t a t u r in jeglicher F o r m . 4 . D i e K i r c h e hat in all den J a h r e n auf der Seite der V e r t r i e b e n e n gestanden - hat ihre S t i m m e e r h o b e n - w a r Sachwalterin n i c h t n u r der R e c h t e G o t t e s , s o n d e r n auch der R e c h t e der M e n s c h e n sie tritt ein f ü r die W i e d e r h e r s t e l l u n g des R e c h t e s - W o r t e Pius X I I . - J o h a n n e s X X I I I . Paul V I . 5. W i r e r h e b e n die S t i m m e n i c h t n u r für uns selbst, s o n d e r n für alle, die gleiches L o s in aller W e l t h e u t e n o c h tragen - damit neues U n r e c h t verhindert w i r d - " 1 8 7

Es waren diese naturrechtlich konzipierten Gedanken (vor allem in Punkt 2) und die Berufung auf bestimmte päpstliche Äußerungen (Punkt 4), sowie die Ausrichtung auf das „Jahr der Menschenrechte", die eine getrennte, allerdings miteinander abgestimmte Erklärung der Vertriebenengremien beider Konfessionen anstelle des ursprünglich vorgesehenen gemeinsamen Wortlautes ratsam erscheinen ließen. So billigten Ostkirchenausschuß und Konventsvorstand am 15. Februar 1965, bei Gegenstimme Schmittats, den umgearbeiteten Entwurf von Schwarz 18 ', der dann dem EKD-Beauftragten, Bischof Wester, sowie dem Vorsitzenden des Ostkirchenkonvents, Franz Hamm, zur Unterzeichnung vorgelegt werden sollte. Der Ostkirchenausschuß wollte mit Bedacht nicht als Autor und Initiator in der Öffentlichkeit auftreten" 9 . Der Schwarz-Entwurf erfuhr im März jedoch noch einige Änderungen: Zur besseren Abstimmung mit dem katholischen Aufruf zum „Jahr der Menschenrechte" erwies es sich als notwendig, in den Katalog der politischen Ziele neben der „Wiederherstellung der Menschenwürde" die „Anerkennung der Menschenrechte" mit aufzunehmen" 0 . 187

S c h r e i b e n Zieglers an R a u h u t v o m 8. 2 . 1965 ( A O K A , C 2 , N r . 3 5 1 , A n l a g e ) . V g l .

auch S c h r e i b e n S c h w a r z ' an R a u h u t v o m 8. 2 . 1965 (ebd., N r . 3 5 0 ) . 1,8

N i e d e r s c h r i f t der S i t z u n g v o m 15. 2 . 1 9 6 5 (ebd., A 7, N r . 4 4 5 ) .

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H i e r f ü r waren w o h l dieselben G r ü n d e m a ß g e b e n d , die auch das V o r g e h e n bei der

V e r ö f f e n t l i c h u n g der „ L ü b e c k e r T h e s e n " b e s t i m m t e n . D a s Ο Κ Α - M i t g l i e d H a r m s b e k a m ja auch bereits wenige T a g e nach der Ο Κ Α - S i t z u n g in der K . f . ö . V . die P r o b l e m a t i k öffentlic h e r Ä u ß e r u n g e n zu d e m T h e m e n k r e i s z u spüren (vgl. o b e n S. 118 f.) U n d A n f a n g F e b r u a r hatte G ü l z o w m i t seiner B e g r ü ß u n g s r e d e , die er als Ο Κ Α - S p r e c h e r auf der E r ö f f n u n g s f e i e r des B d V und der L a n d s m a n n s c h a f t e n z u m „ J a h r der M e n s c h e n r e c h t e " hielt, ein teilweise kritisches E c h o in der kirchl. Presse, andererseits aber auch auf Seiten der V e r t r i e b e n e n o r g a ne, z . B . des G ö t t i n g e r A r b e i t s k r e i s e s , ausgelöst (vgl. S c h r e i b e n G ü l z o w s an die O K A Mitglieder v o m 9. 2. 1 9 6 5 ; NACHLASS BRUMMACK, A k t e „ O K A 1 9 6 5 " ) , was ihn z u e i n e m erläuternden S c h r e i b e n an die K i r c h e n k a n z l e i der E K D n ö t i g t e ( v o m 9. 2 . 1 9 6 5 an G u n d e r t ; A K K , 6454, Bd. II, Nr. 293). D i e s ergab eine U n t e r r e d u n g der V o r s i t z e n d e n des O K A und des O s t k i r c h e n k o n v e n t s mit dem V o r s i t z e n d e n des k a t h o l i s c h e n Flüchtlingsrates, Staatssekretär P e t e r Paul N a h m

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Zu Umformulierungen größeren Ausmaßes veranlaßte Gülzow ein Gespräch, das er am 11. März 1965 mit dem Ratsvorsitzenden Scharf führte" 1 . Dieser informierte den Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses über das geplante Wort des Rates „Zur Besinnung auf das Kriegsende 1945", das am 9. April 1965, dem Todestag Dietrich Bonhoeffers, veröffentlicht werden sollte'92. Es mußte der Eindruck vermieden werden, die beiden Erklärungen konkurrierten miteinander oder gegeneinander. Gülzow versicherte Scharf, daß die Erklärung der Vertriebenengremien in angemessenem Abstand zum Wort des Rates, Ende April oder Anfang Mai, veröffentlicht werde, und sah in der Tatsache, daß der Rat nicht ausdrücklich auf das Vertreibungsproblem einging, die Berechtigung eines „eigenen Wortes der zerstreuten evangelischen Ostkirchen" gegeben193. Daß die Abstimmung mit dem Wort des Rates aber auch inhaltliche Veränderungen notwendig machte, daran scheint Scharf, dem der vom Ostkirchenausschuß verabschiedete Entwurf bekannt war, keinen Zweifel gelassen zu haben. Durchweg wurden nämlich nach dem Gespräch pointiert politisierende Redewendungen aus dem Text eliminiert und so die politische Aussage abgemildert194. Andererseits fehlt in der endgültigen Erklärung ein Passus, in dem den Christen „auf beiden Seiten" die „Uberwindung der Schuldverstrickung aller Völker" aufgegeben und woraus gefolgert wird: „Darum bitten die evangelischen Vertriebenen ihrerseits die betroffenen Völker um Vergebung für die von Deutschen begangenen Verbrechen." Statt dessen nennt die endgültige Fassung als (vgl. Schreiben Gülzows an die ΟΚΑ-Mitglieder vom 23. 3. 1965; A O K A , C 2, Nr. 8 3 9 ) . Die ΟΚΑ-Vertreter scheinen es bedauert zu haben, daß das kath. Wort fast ausschließlich auf das „Jahr der Menschenrechte" abgestellt wurde und nicht noch andere Seiten des Vertriebenenproblems zur Sprache brachte (vgl. Aktennotiz von Schwarz an Wester vom 2 9 . 3 . 1 9 6 5 ; E Z A BERLIN, N a c h l a ß W e s t e r , 1 ) .

Vgl. Schreiben Gülzows an die ΟΚΑ-Mitglieder vom 12. 3. 1965 (NACHLASS BRUMMACK, Akte „ O K A 1965") und Niederschrift der a.o. Ostkirchenkonventstagung am 26. 3. 1965, S. 2 ( A O K A , C 14e, Nr. 807). Die Unterredung, an der auch Kruska teilnahm, fand also zur Zeit der oben (S. 119) erwähnten Ratssitzung statt. 1.2 Vgl. KJ 1965, S. 82 ff. 1.3 Niederschrift der a.o. Ostkirchenkonventstagung am 26. 3. 1965 (vgl. Anm. 191). 1.4 So wurde z . B . die Forderung gestrichen, die Heimat dürfe „nicht zum politischen Handelsobjekt erniedrigt werden". Aus der „propagandistischen Verzerrung", der die Christen „widersprechen müssen", wurde eine „Behauptung", der sie „widersprechen werden", „daß es nur die Alternative von Verzicht oder Gewaltanwendung gäbe". Die Erklärung, „Gewaltsames Diktat oder aufgezwungener Verzicht sanktionieren die nach 1945 widerrechtlich geschaffenen Tatbestände und enthalten den Keim zu neuen Konflikten. Der verschiedentlich empfohlene Verzicht auf die Souveränitätsrechte im Osten hilft ganz abgesehen von der Bedenklichkeit politischer Vorleistungen nicht zu Befriedung. . .", wurde zugunsten allgemein gehaltener Aussagen über die Bedeutung des Völkerrechts, der Menschenrechte und der Achtung der Menschenwürde gestrichen.

D a s „ W o r t z u m zwanzigsten J a h r nach der V e r t r e i b u n g "

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Aufgabe für „alle Christen, vornehmlich die Vertriebenen unter ihnen, . . . Haß und Feindschaft überwinden zu helfen und sich neuem Unrecht zu widersetzen. Mit den Vertriebenenverbänden wollen sie jedem Gedanken an Rache und Vergeltung entsagen." 1 ' 5 Die eigens dazu einberufene Ostkirchenkonvents-Versammlung am 26. März 1965 verabschiedete diese neue Fassung bei zwei Gegenstimmen, die von den beiden Vertretern des ostpreußischen Hilfskomitees abgegeben wurden196. Hiernach wurde planungsgemäß dem Beauftragten der E K D , Bischof Wester, das Wort mit der Bitte um Unterzeichnung vorgelegt" 7 . Obwohl dem Bischof im Begleittext versichert worden war, es habe eine „Abstimmung" mit Präses Scharf stattgefunden, sandte Wester dem Ratsvorsitzenden die Konvents-Erklärung mit der Anfrage zu, ob er unterschreiben solle. In seiner Antwort vom 7. April 1965 bat Scharf den Beauftragten jedoch, von der Unterschrift abzusehen: „ D a s W o r t ist m a ß v o l l , aber es gibt die Auffassung eines m a ß v o l l urteilenden Politikers wieder. E s ist kein kirchliches W o r t . E s ist nicht, wie m i r v o r h e r gesagt w o r d e n w a r " 8 , ein seelsorgerliches W o r t an die V e r t r i e b e n e n aus A n l a ß der 20jährigen W i e d e r k e h r ihrer V e r t r e i b u n g . B e i früheren W o r t e n des O s t k i r c h e n a u s s c h u s s e s aus der F e d e r des h e i m g e g a n genen B r u d e r s G i r g e n s o h n w a r das anders. Sie hatten ausgesprochen seelsorgerlichen C h a rakter. Sie stellten die G e s c h e h n i s s e in den g r ö ß e r e n Z u s a m m e n h a n g der F r a g e n nach der b e s o n d e r e n sie auslösenden S c h u l d des V o l k e s und nach der christlichen P f l i c h t des V e r z i c h tes, die n i c h t auf die individuelle E t h i k zu b e s c h r ä n k e n ist. Sie b e m ü h t e n sich auch von jenseits der G r e n z e h e r z u d e n k e n . D i e s alles fehlt hier. D e r K e r n der Aussage sind E r w ä g u n g e n des R e c h t e s . I c h w i e d e r h o l e : es sind E r w ä g u n g e n und F o r d e r u n g e n , die G r e n z e und M a ß halten. A b e r die eigentlich christliche N o r m , der B l i c k auf sie und der V e r s u c h , sie auf die gegenwärtige Situation a n z u w e n d e n , sind n i c h t da. I h r N a m e unter diesem D o k u m e n t w ü r d e es z u einem D o k u m e n t unserer K i r c h e m a c h e n I c h bedauere, d a ß die B r ü d e r des O s t k i r c h e n a u s s c h u s s e s sich nicht e n t w e d e r d e m W o r t der E K D angeschlossen o d e r w i r k l i c h einen A k t spezieller Seelsorge an den V e r t r i e b e n e n v o r g e n o m m e n h a b e n . E i n A k t der Seelsorge hätte a b e r auch Z u m u t u n g e n

enthalten

müssen."1" 19S

W a r u m jene an den V o r s c h l a g v o n W i l d (vgl. o b e n S. 120) erinnernde A u s s a g e

zugunsten der weniger eindeutigen Fassung mit ihrer E i n b e z i e h u n g der V e r t r i e b e n e n v e r bände und der „ C h a r t a der H e i m a t v e r t r i e b e n e n " v o n 1 9 5 0 eliminiert w u r d e , läßt sich nicht feststellen. M ö g l i c h e r w e i s e w o l l t e man mit dieser Ä n d e r u n g eine g r ö ß e r e inhaltliche N ä h e zur kath. Parallelerklärung herstellen. m

Vgl. oben A n m . 191.

1,7

A k t e n v e r m e r k v o n S c h w a r z , der damals L a n d e s k i r c h e n r a t in K i e l w a r , f ü r B i s c h o f

W e s t e r am 2 9 . 3. 1965 ( E Z A BERLIN, N a c h l a ß W e s t e r , 1). " 8 S c h a r f hatte w o h l s c h o n in d e m G e s p r ä c h mit G ü l z o w und K r u s k a am 11. 3. 1965 die Z u s i c h e r u n g erhalten, der E n t w u r f w e r d e n o c h abgeändert. m

Vgl. A n m . 197. D o r t auch die A n f r a g e W e s t e r s v o m 2 . 4 . 1 9 6 5 , in der dieser auf das

parallele V o r g e h e n der kath. K i r c h e hingewiesen hatte, deren W o r t n e b e n der U n t e r s c h r i f t des K a t h o l i s c h e n Flüchtlingsrates in D e u t s c h l a n d (P. P . N a h m ) - dieser e n t s p r i c h t etwa d e m ev. O s t k i r c h e n k o n v e n t - auch die des Beauftragten der F u l d a e r B i s c h o f s k o n f e r e n z , B i s c h o f J a n s s e n , tragen sollte.

126

Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Wester entsprach der Bitte des Ratsvorsitzenden, um den „Verdacht eines Konkurrierens zwischen Ratswort und Ostkirchenerklärung endgültig" auszuräumen, ließ ihn jedoch am 20. April 1965 wissen, daß er dessen Einschränkung nicht teilen könne. Man könne die Erklärung auch anders beurteilen, als Scharf es getan habe, wenn man die „Intentionen der Verfasser" kenne. Die Urheber haben sich weder die Kompetenz eines allgemein gültigen kirchlichen Wortes zum Gedenken an den Zusammenbruch vor 20 Jahren anmaßen wollen, noch auf ein im eigentlichen Sinne bischöfliches Wort abgestellt, sondern in deutlicher Absetzung von dem geistlichen Wort des Rats eine Erklärung zur Situation der Vertriebenen im 20. Jahr nach der Vertreibung herausgeben wollen. Daher haben sie nicht Form und Sprache eines Kanzelwortes, sondern einer Verlautbarung, die der Presse übergeben werden kann, gewählt. Da ähnliche Erwägungen auf katholischer Seite bestanden, haben hierüber Absprachen stattgefunden, wobei die katholische Seite ihre Erklärung fast ausschließlich auf die Verletzung der Menschenrechte abgestellt hat. Insofern scheint mir, daß die Erklärung von ihren Voraussetzungen her gesehen werden muß, die anders liegen als bei dem Wort des Rats und nicht ohne weiteres einen Vergleich erlauben. Eine Erklärung zur Situation der Vertriebenen im 20. Jahr nach der Vertreibung konnte aber auch die ,politica' nicht außer acht lassen, weil einerseits evangelische Stimmen in der Öffentlichkeit immer stärker den politischen Verzicht als christlich geboten herausstellen und andererseits die Vertriebenenverbände dadurch in eine nicht unerhebliche Opposition zu ihrer Kirche getrieben werden. Insofern unterscheidet sich die heutige Situation nicht unwesentlich von der früheren, so daß die Verfasser den Versuch unternommen haben, nach beiden Seiten hin zu reden. Da die Erklärung ausdrücklich von den geistlichen Erfahrungen über das Gericht und die Gnade Gottes redet und zwischen der christlichen Aufgabe der Versöhnung zwischen den Völkern und der politisch-rechtlichen Regelung eines dauerhaften Friedens zwischen den Staaten unterscheidet, vermag ich Ihre Meinung, daß die Erklärung nur ,die Auffassung eines maßvoll urteilenden Politikers' wiedergibt und ,Erwägungen des Rechts den Kern der Aussage' bilden, nicht voll zu teilen . . ." 20 °

Einen parallelen Vorgang unter Austausch etwa der gleichen Argumente stellt der Schriftwechsel zwischen Gülzow und Scharf dar. Gülzow, der dem Ratsvorsitzenden am 5. April 1965 die endgültige Erklärung zugesandt hatte201, wurde bereits durch ein Schreiben Kruskas vom 6. April 1965202 davon unterrichtet, daß der Präses über ein besonderes Wort neben dem Wort des Rates „nicht glücklich" sei. Doch ähnliche Gründe wie sie Bischof Wester in seinem Brief vom 20. April 1965 zugunsten der Erklärung angeführt hatte, veranlaßten Gülzow, zudem bestärkt durch Konventsvorstand und Ostkirchenausschuß-Mitglieder 203 , als VorsitzenVgl. Anm. 197 und A K K , 6454, II, Anlage zu Nr. 705. A O K A , C 2, Nr. 883. 202 Ebd., Nr. 951. 203 Kruska forderte Gülzow am 6. 4. auf, mit zu unterschreiben: „Wenn der Ostkirchenausschuß nach zehn Jahren ein Wort herausgegeben hat, so darf unter dem Wort nach zwanzig Jahren der Name nicht fehlen." Die Zustimmung der ΟΚΑ-Mitglieder ist der 200 201

D a s „ W o r t z u m zwanzigsten J a h r nach der Vertreibung"

127

der des Ausschusses zusammen mit dem Vorsitzenden des Ostkirchenkonvents zu unterschreiben, nachdem die Unterschrift des Beauftragten der E K D als Pendant zur Unterschrift Bischof Janssens unter die katholische Erklärung wegfiel 204 . Gemäß der Absprache mit der katholischen Seite wurde die Erklärung „An die evangelischen Vertriebenen zum zwanzigsten Jahre nach der Vertreibung" am 26. April 1965, also gut zwei Wochen nach Veröffentlichung des Ratswortes, der Öffentlichkeit übergeben 205 . Es erschienen also tatsächlich zwei Äußerungen aus dem Raum der E K D zum 20. Jahrestag des Kriegsendes, wobei - dies zeigt schon die oben geschilderte Kontroverse - keineswegs von einer bloßen Ergänzung des Ratswortes und seiner Anwendung auf eine bestimmte Gruppe gesprochen werden kann. Vielmehr sind beide Worte von höchst unterschiedlichen Konzeptionen des seelsorgerlichen Auftrages der Kirche getragen und mit entsprechend divergierenden politischen Implikationen versehen: Der Rat gründet sein Wort explizit auf die Stuttgarter Erklärung von 1945, sieht in der Kapitulation des 8. Mai 1945 die Befreiung „von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" und die Chance eines neuen Anfangs, benennt die Ursachen, die seiner Auffassung nach zur Spaltung Deutschlands, der inneren und äußeren Zerrissenheit seiner Menschen geführt haben, um schließlich unter Berufung auf 2. Kor 5,20 den Versöhnungsgedanken als Leitmotiv sowohl für den politischen Weg des Volkes als auch überhaupt für die christliche Hoffnung herauszustellen. Demgegenüber gehen die beiden evangelischen Vertriebenengremien in ihrer Erklärung von der Erfahrung des Heimatverlustes und Flüchtlingsdaseins aus, lassen den Gerichts- und Schuldgedanken nicht völlig außer acht, erwähnen ihn aber

Tatsache zu entnehmen, daß sich gegen die entsprechende Mitteilung und Ankündigung G ü l z o w s v o m 13. 4 . (NACHLASS BRUMMACK) kein Einspruch erhob. 204

W i e G ü l z o w dem Ratsvorsitzenden am 2 5 . 4 . 1 9 6 5 mitteilte, hat er die Erklärung

unterzeichnet, bevor dem O K A das Schreiben der E K D - K i r c h e n k a n z l e i , die O K A - A k t i v i täten „nach außen" betreffend (vgl. oben A n m . 173), z u r Kenntnis gelangte. In jenem Schreiben v o m 2 5 . 4 . 1 9 6 5 rechtfertigt G ü l z o w den Inhalt der Erklärung und seine U n t e r schrift. E r hebt darauf ab, daß darin z w a r nicht dem Verzicht das W o r t geredet werde, aber ebensowenig fänden in der Erklärung das R e c h t auf H e i m a t und das Selbstbestimmungsrecht A u s d r u c k . D e r O K A sehe es jedoch als seine seelsorgerliche Aufgabe an, „daß wir den Angefochtenen, die an Leib und Seele Schaden erlitten haben, auch mit der helfenden T a t beizustehen haben, die d e m Verletzten z u m R e c h t verhilft". Diese Auffassung habe gerade auch Girgensohn „immer wieder vertreten". W i e bereits B i s c h o f W e s t e r führt auch G ü l z o w als M o t i v das Verhältnis zwischen Vertriebenen und Kirche an und nannte in d e m Z u s a m menhang als Aufgabe des O K A , „das tief wurzelnde Mißtrauen der Vertriebenen gegenüber der Kirche a b z u b a u e n " . 205

OSTKIRCHLICHE INFORMATION 1965, I V / 2 . Die katholische Erklärung, „Pastoralbrief

an die heimatvertriebenen Katholiken z u m J a h r der Menschenrechte 1 9 6 5 " ist - geringfügig gekürzt - abgedruckt in: O . GOLOMBEK, Kirche S. 261 f.

128

Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

doch vornehmlich unter Ausgrenzung des Verzichtsgedankens 206 und zielen auf ein in der Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte, sowie der Bereitschaft zur Aussöhnung gründendes friedliches Zusammenleben der Völker. Beide Seiten begreifen ihre Erklärung als Ausführung ihres seelsorgerlichen Auftrags und - dies ist im Blick auf die spätere Denkschrift-Diskussion nicht uninteressant - geben mit ihrer Argumentation zu verstehen, daß diesem Auftrag nur unter Einbeziehung auch der politischen Konsequenzen zu entsprechen ist. Der Ratsvorsitzende tut dies, indem er, ausgehend vom Schuld- und Versöhnungsgedanken, auch politisch relevante „Zumutungen" an den Adressaten der Seelsorge für unerläßlich hält; die Vertriebenengremien entsprechen dem, wenn sie von der kirchlichen und seelsorgerlichen Pflicht ausgehen, den in ihrem „Recht" Verletzten und deshalb „Angefochtenen" zum Recht zu verhelfen. Der Rat, der sich schon am 11./12. März 1965 besorgt über das ihm zur Kenntnis gelangte Vorhaben des Ostkirchenausschusses gezeigt hatte 207 , bedauerte in seiner Sitzung vom 4. bis 7. Mai 1965 ausdrücklich, daß der Ausschuß das W o r t „Zwanzig Jahre nach der Vertreibung" mitunterzeichnet habe 208 . Der ganze Vorgang um dieses W o r t ist nicht aus dem Zusammenhang der Vorgeschichte der Vertriebenen-Denkschrift zu lösen, nur von daher werden z . B . das Eingreifen der Kammer für öffentliche Verantwortung, die Behandlung im Rat der E K D und die Bedeutung, die man der Unter206 „Gewiß haben wir immer neu um Vergebung der Schuld zu bitten, wir meinen aber, daß die Vertriebenen auch um eine Rückkehr in die Heimat bitten dürfen." 207 Vgl. oben Anm. 173. O K R Wilkens hatte in seinem Referat vor der „Gefahr von Diskrepanzen zum Wort des Rates anläßlich des 8. Mai 1945 und zu der Denkschrift der Kammer für öffentliche Verantwortung . . . " gewarnt. Der Rat Schloß sich den Befürchtungen damals an: „Der O K A solle gebeten werden," - heißt es im Protokoll weiter- „in dem geplanten Wort ,20 Jahre danach' bestimmte Stellen, insbesondere den Abschnitt mit völkerrechtlichen Erwägungen fortzulassen. . . . Bei Schwierigkeiten soll der Ratsvorsitzende eingeschaltet werden." 208 Protokoll der Sitzung, Pkt. 8 (AKK). Vgl. Schreiben Gunderts an Gülzow vom 12.5. 1965 (ebd., 518, Beiheft III: Gespräch über Ostdenkschrift, Nr. 890. VII). - Aufgrund einer Eingabe Kloppenburgs in seiner Eigenschaft als Vorsitzenden des Versöhnungsbundes hatte sich der Rat am 17./18. 6. 1965 nochmals mit dem Vorgang zu befassen. Kloppenburg bat den Rat, sich von der Erklärung des O K A , der als „ein Ausschuß der Evangelischen Kirche in Deutschland" spreche, zu distanzieren und „für die Zukunft" zu verhindern, daß der Name der E K D im Zusammenhang eines solchen „Dokuments" einer „schrecklichen geistlichen Unbußfertigkeit" genannt werde (Schreiben Kloppenburgs an den Rat der E K D vom 29. 4.1965; Abschrift in: N a c h l a s s Brummack). Der Rat beschied Kloppenburg dahin, „daß die Erklärungen des Ostkirchenausschusses und des Konvents der Vertriebenen keine Verlautbarungen der E K D und des Rates seien, daß aber die Veröffentlichung der von der Kammer für öffentliche Verantwortung erarbeiteten Denkschrift . . ., die in Kürze zu erwarten sei, im Einvernehmen mit dem Rat erfolge" (Protokoll der Sitzung vom 17./18. 6. 1965, Pkt. 19).

129

Die abschließenden Arbeiten an der Denkschrift

schrift des Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses beimaß, verständlich. Die Auseinandersetzungen sind aber auch darüber hinaus aufschlußreich, werden in ihnen doch die grundlegenden Fragen, um die es in der späteren Debatte ging, in einer konzentrierten Weise behandelt, ohne den die Diskussion dann teilweise beherrschenden Problempulk um Entstehung und kirchliche Legitimation der Denkschrift. Daß sich die E K D von ihrer seelsorgerlichen Aufgabe her in der Vertriebenen- und Ostfrage einer politisch relevanten Argumentation nicht enthalten könne, war damals, wie gezeigt, noch unumstritten. Vergleicht man die Stellung des Rates der EKD mit den oben geschilderten Vorgängen209, so wird deutlich, wie weit bereits vor der Behandlung und Auseinandersetzung mit der Denkschrift im Rat ein Prozeß der Klärung und Vereinheitlichung stattgefunden hatte, in dem die von den kirchlichen Vertriebenengremien offiziell vertretene Position zunehmend als ungenügend und dem kirchlichen Auftrag unangemessen erschien.

6. Die abschließenden Arbeiten der Kammer für Verantwortung an der Denkschrift

öffentliche

Wie oben festgestellt worden war210, hatte die Arbeit der Kammer für öffentliche Verantwortung in der Sitzung am 21./22. Februar 1964 einen Punkt erreicht, der eine endgültige Festlegung des Vorhabens und seiner Durchführung erforderlich machte und auch ermöglichte. Entsprechend dem damals gefaßten Kammerbeschluß legte Oberkirchenrat Wilkens zur folgenden Sitzung am 2./3. Oktober 1964 ein entsprechendes Memorandum211 vor, das sich nicht auf die bloße Wiedergabe der bisherigen Verhandlung und einen Vorschlag zur weiteren Prozedur beschränkte, sondern bereits detaillierte Vorschläge für Gliederung und Inhalt einer von der Kammer zu erstellenden Denkschrift enthielt212. In dem „vorläufigen Memorandum", wie es dann genannt wurde213, mit dem Titel „Das Recht auf Heimat" wird dieser von der Kammer ja nur als Arbeitstitel aufgenommene Begriff weit über den üblichen Sprachgem

Vgl. oben S. 86ff., besonders S. 92. Vgl. oben S. 109. 211 Kurzprotokoll der Sitzung (vgl. Anm. 132). - Von dieser Sitzung an bis zum Abschluß der Denkschrift wurden nur noch Kurz- bzw. Ergebnisprotokolle der KammerSitzungen angefertigt, weil die einzelnen Anregungen und Ergebnisse von Wilkens als dem Geschäftsführer der Kammer bei der redaktionellen Überarbeitung des jeweils vorliegenden Denkschriftentwurfs unmittelbar berücksichtigt wurden. Zum Inhalt der Sitzung am 2./ 3. 10. 1964, besonders am 2. 10. unter Teilnahme der Gäste vgl. oben S. 113 f. 212 Anlage zu 1686.XI. vom 13. 10.1964 (vgl. Anm. 211). 2,3 Kurzprotokoll vom 2./3. 10. 1964, S. 3 (vgl. Anm. 211). 210

130

Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

brauch hinaus entfaltet und so gleichzeitig sein begrenzter Nutzen und seine Problematik sichtbar gemacht. Bei der Zusammenfassung der Aspekte gelangte Wilkens bereits zu einer Aufgliederung des gesamten Themenkomplexes, wie sie dann in der Denkschrift selbst, wenn auch in veränderter Aufreihung und Zusammenfassung, im Prinzip beibehalten wurde. Er unterschied sechs Ebenen: 1. Kirchlich und seelsorgerlich, 2. Theologisch, 3. Ethisch, 4. Soziologisch und sozialpolitisch, 5. Völkerrechtlich und 6. Politisch und geschichtlich. Ausgehend von Girgensohns Stellungnahme „Das Recht auf Heimat" aus dem Jahre I960 214 , sieht Wilkens die kirchliche und seelsorgerliche Aufgabe auf die „rechte Verarbeitung im Glauben" gerichtet, „der Gott in allen Dingen recht gibt". Dies sei Sache der Einzelseelsorge an den Vertriebenen, ihrer kirchlichen Beheimatung und des auf die Gesellschaft als ganze zielenden kirchlichen Auftrags. Die „politische Unruhe unter den Vertriebenen", die „Mängel" in der Eingliederung und das „mangelhafte Verständnis des gesamten Volkes für die Solidarität einer einzigen großen Schuld- und Haftungsgemeinschaft" sind für Wilkens ein Hinweis darauf, daß, obwohl die Kirche von 1945 an jene Aufgaben gesehen und angefaßt hat, „spezifisch kirchliche Aufgaben in Verkündigung und Seelsorge" noch „unerledigt geblieben" seien. Weiter schließt sich Wilkens Girgensohns Unterscheidung an, die Aufgabe des Rechtsstandpunktes gegenüber Gott und seinem Gericht bedeute nicht, „daß auch in den menschlichen Beziehungen keine verbindliche und Gottes Willen entsprechende Ordnung, also Recht hergestellt werde" 2 ' 5 . Auch im kirchlichen Dienst müsse man sowohl hinsichtlich der zwischenmenschlichen Beziehungen einzelner wie auch der Völker U n recht Unrecht nennen können. Dies sei die Voraussetzung für „Vergebung und Aussöhnung". „Daß beides im politischen Leben eine Möglichkeit ist und seine große Bedeutung hat, ist bis heute immer wieder verkannt worden." Was darüber hinaus als aktuelle Behandlung des Problems „Recht auf Heimat" der Kirche politisch aufgegeben ist, umschrieb Wilkens wie folgt: „Es gehört nicht zur kirchlichen Aufgabe, politische Ziele und Lösungen im einzelnen zu formulieren. Aber es ist bereits ein Stück politischer Dienst der Christenheit, die sittlichen und menschlichen Bedingungen für eine dem Menschen und der Erhaltung des Friedens dienende Politik in der ganz konkret zu erfassenden Situation unerschrocken und unabhängig so zu formulieren und zu vertreten, daß sie Gedanken in Bewegung zu setzen vermögen. Die Glaubwürdigkeit des politischen Dienstes der Kirche muß durch eine auf das Konkrete zugespitzte Gewissensanrede unter Beweis gestellt werden. Die Fehlerquellen politischer Fehlentscheidungen oder Unterlassungen gilt es möglichst konkret beim Namen zu nennen. F ü r den Fragenkomples des ,Rechtes auf Heimat' bedeutet dies, seine Grundlagen und

214 2,5

Vgl. dazu oben S. 52, Anm. 188. Zit. nach Wilkens, S. 4 (vgl. Anm. 212).

D i e abschließenden A r b e i t e n an der D e n k s c h r i f t

131

A s p e k t e so sorgfältig und u n v o r e i n g e n o m m e n wie m ö g l i c h z u analysieren und zu b e s c h r e i b e n , u m in n ü c h t e r n e r A b s c h ä t z u n g der Realitäten das G e w i c h t der eigenen S t i m m e nach der Seite des B e s s e r e n hin in die W a a g s c h a l e z u legen. D i e D i s k u s s i o n ü b e r das . R e c h t auf H e i m a t ' leidet unter einer u n n ü c h t e r n e n Pathetisierung und e i n e m o f f e n s i c h t l i c h e n M i ß v e r hältnis z w i s c h e n inneren Ü b e r z e u g u n g e n und öffentlichen Ä u ß e r u n g e n auf Seiten f ü h r e n der p o l i t i s c h e r P e r s ö n l i c h k e i t e n . E i n e A r b e i t der K a m m e r für ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g an diesem F r a g e n k o m p l e x darf in nichts geringerem ihr Ziel sehen, als einen B e i t r a g z u r E n t p a t h e t i s i e r u n g und zur Z u r ü c k f ü h r u n g auf die Realitäten z u leisten."

Damit hatte Wilkens die seelsorgerliche Aufgabe der Kirche und den Bereich der politischen Argumentation, grundsätzlich und auf das Heimatrecht-Problem bezogen, so einander zugeordnet, wie es in der Denkschrift selbst und von den meisten ihrer Befürworter in den späteren Auseinandersetzungen getan wurde 2 ' 6 : Bei der Behandlung des Heimatrechtproblems auf der theologischen Ebene lieferte Wilkens auch hier bereits das Muster für die „Theologischen und ethischen Erwägungen", also den fünften Abschnitt der Denkschrift, indem er die gegensätzlichen Positionen, wie sie in den Verhandlungen der Kammer zum Ausdruck gekommen waren, auf zwei theologisch-ethische Grundpositionen bezieht, etwa wie sie sich in den Bielefelder und Lübecker Thesen niedergeschlagen haben. E r hob deren „Wahrheitsmomente" heraus, deren „Verabsolutierung" allein erst die jeweilige Position „ins Unrecht" setze: „ I m ganzen wird m a n an beide B e t r a c h t u n g s w e i s e n die F r a g e richten m ü s s e n , o b sie n i c h t die Leistungsfähigkeit i h r e r t h e o l o g i s c h e n D e d u k t i o n e n hinsichtlich einer p o l i t i s c h e n P r o grammatik überschätzen."217 216

S o h e i ß t es ζ. B . am E n d e des V . A b s c h n i t t s in der D e n k s c h r i f t , d a ß „es nicht zur

k i r c h l i c h e n A u f g a b e g e h ö r t , politische Ziele und L ö s u n g e n im einzelnen zu f o r m u l i e r e n . A b e r es g e h ö r t z u m p o l i t i s c h e n D i e n s t der C h r i s t e n h e i t , die sittlichen und m e n s c h l i c h e n B e d i n g u n g e n für eine den M e n s c h e n und der E r h a l t u n g des Friedens dienende P o l i t i k z u vertreten. D a b e i darf das k i r c h l i c h e W o r t z u r Politik nicht davor z u r ü c k s c h r e c k e n , Q u e l l e n politischer F e h l e n t s c h e i d u n g e n o d e r U n t e r l a s s u n g e n b e i m N a m e n z u n e n n e n und die G e wissen k o n k r e t anzureden. D i e D i s k u s s i o n ü b e r das , R e c h t auf H e i m a t ' . . . leidet u n t e r einem u n n ü c h t e r n e n P a t h o s . . . M a n c h e ö f f e n t l i c h e Ä u ß e r u n g e n lassen v e r m u t e n , daß sie zu den tatsächlichen U b e r z e u g u n g e n in einem Spannungsverhältnis stehen. D a h e r m u ß die K i r c h e dafür eintreten, daß G r u n d f r a g e n d e r deutschen O s t p o l i t i k so sorgfältig wie m ö g l i c h geprüft und u n t e r U m s t ä n d e n neu f o r m u l i e r t w e r d e n " (DENKSCHRIFTEN 1 / 1 , S. 123). U n d am S c h l u ß w i r d der D e n k s c h r i f t folgendes Ziel gesetzt: „ D i e vorliegende D e n k s c h r i f t m a ß t sich . . . n i c h t an, den z u m politischen H a n d e l n berufenen I n s t a n z e n die H a n d l u n g s w e g e v o r z u z e i c h n e n . A b e r sie sieht eine A u f g a b e der K i r c h e darin, d e m deutschen V o l k die Ziele, auf die es a n k o m m t , deutlicher b e w u ß t z u m a c h e n als das in der i n n e r d e u t s c h e n D i s k u s s i o n meist geschieht, und die in dieser D i s k u s s i o n so oft zutage tretenden W i d e r s t ä n d e gegen diese Ziele a u s z u r ä u m e n . Ist damit der H a n d l u n g s r a u m der P o l i t i k e r erweitert, so b l e i b t es ihre A u f g a b e , v o n dieser M ö g l i c h k e i t den rechten G e b r a u c h z u m a c h e n " (ebd., S. 126). E b e n s o haben die o b e n zit. kritischen Ä u ß e r u n g e n ü b e r die M ä n g e l bei der Eingliederung und Solidarität des gesamten V o l k e s E i n g a n g in die D e n k s c h r i f t gefunden (vgl. e b d . , S. 92 f.). 217

S. 6 (vgl. A n m . 2 1 2 ) . -

D i e in der D e n k s c h r i f t in dem Z u s a m m e n h a n g

erfolgte

132

Die Denkschrift „ D i e Lage der Vertriebenen"

Nahezu deckungsgleich sind die ethischen Erwägungen in Wilkens Memorandum und im Abschnitt V, Teil 3 der Denkschrift, einschließlich der Berufung auf Girgensohn und der Behandlung der Schuldfrage. Wie in der Denkschrift wendet sich Wilkens auch hier schon unter Würdigung dessen, was Girgensohn als das „seelische Trauma der deutschen Vertriebenen" bezeichnet hatte, gegen eine „stillschweigende Sanktionierung der Vertreibung durch Anerkennung in einem Friedensvertrag, ohne daß das Unrecht so oder so dabei zur Sprache gekommen und bereinigt worden wäre" 218 . Daß von diesem „Unrecht" nur im Zusammenhang der „sittlichen, geschichtlichen und politischen Schuld" sowie der „Schuldverflechtung der Völker" gesprochen werden kann, darin korrespondieren Memorandum und Denkschrift ebenfalls: „ D i e künftige deutsche Ostpolitik als Folge und Gestalt der Buße für deutsche Schuld zu fordern, ist sicherlich unmöglich. Dies wäre eine prophetische Geschichtsdeutung, die niemandem zusteht. Eine solche Politik aus deutscher Buße müßte auch daran scheitern, daß sie die Schuld der anderen außer acht läßt. Aber gänzlich fehlen darf dieser Gesichtspunkt in dem K o n z e p t einer deutschen Politik, namentlich dem Osten gegenüber, nicht. Man muß sich darauf gefaßt machen, daß begangenes Unrecht auch in der Politik seine Folgen hat, mindestens haben kann, auch wenn diese Folgen wiederum eine Unrechtsgestalt annehmen."2"

In seiner Skizze der soziologischen und sozialpolitischen Aspekte knüpfte Wilkens an das Referat Landbergs an220. Was im zweiten Teil der Denkschrift an mehreren Stellen zu dem Zusammenhang von Mängeln in der Eingliederung und einer wenig flexiblen, nach rückwärts auf die Restauration früherer Verhältnisse gerichteten politischen Einstellung lediglich andeutungsweise durchklingt, wurde im Memorandum deutlicher beim Namen genannt: „ E s ist nicht von der H a n d zu weisen, daß sich hinter der Diskussion über das ,Recht auf Heimat' weithin ein Aufbegehren gegen Mängel der Eingliederung und gegen eine gesellschaftliche und kulturelle Deklassierung verbirgt. A n die nicht vertriebene Bevölkerung ist die Frage zu richten, wieweit sie dem berechtigten Anliegen der Vertriebenen Rechnung getragen hat, nicht allein als Schuldige der jüngeren deutschen Geschichte dazustehen. D a s A n k n ü p f u n g an die Erfahrungen des Atomwaffenstreits (S. 111 f.) fehlt hier allerdings noch. Dieser B e z u g und eine daraus folgende größere Klarheit in der Zuordnung beider G r u n d p o sitionen ist wohl erst das Ergebnis der weiteren Beratungen in der K a m m e r , besonders über das Gutachten ihres Mitgliedes O K R Danielsmeyer (vgl. dazu unten S. 135 f.). 218 S. 7 ( v g l . A n m . 2 1 2 ) . - V g l . DENKSCHRIFTEN I / 1 , S . 120f. 2 " Vgl. A n m . 212. - M e m o r a n d u m und Denkschrift beschließen diese Erwägungen zur Schuldfrage mit dem Zitat Girgensohns: „ D e r wirkliche Neubeginn eines nachbarschaftlichen Verhältnisses kann nur in einer echten Partnerschaft bestehen, bei der auch die Wirklichkeit der gegenseitigen Schuldverstrickung ins Blickfeld tritt und die darum auch nicht auf einseitigen Akten der Vergeltung und der Gewalt basiert. Hier wäre nämlich keiner der Richter des anderen. Wir stünden allesamt unter einer höheren übergeordneten Gerechtigkeit" (ebd., S. 8 und DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 122). 220 Vgl. oben S. 108.

Die abschließenden Arbeiten an der Denkschrift

133

in Finnland gegenüber dem dortigen Vertriebenenproblem gesprochene Wort .Damals waren wir alle Karelier' ist in entsprechender Weise in Deutschland nicht gesprochen worden." 221

Auch Wilkens Erwägung der völkerrechtlichen Fragen nimmt im Kern die Aussagen des entsprechenden Teils IV der Denkschrift vorweg und entspricht etwa dem Ergebnis der Kammer-Sitzung vom 2./3. Oktober 1964222. Daß Annexion und Deportation keine Stütze im neueren Völkerrecht mehr finden, wird ebenso festgehalten wie der Hinweis auf die Grenzen, die einer Restitution des alten Rechtszustandes und der Verwirklichung entsprechender Rechtsansprüche durch die Entwicklung der Verhältnisse in den früheren deutschen Ostgebieten gesetzt seien, ganz abgesehen davon, daß ein „Recht auf Heimat" lediglich im Sinne eines Postulats, keineswegs jedoch unter Berufung auf bereits geltendes anerkanntes Völkerrecht reklamiert werden könne. Vor allem aber enthalten Memorandum wie Denkschrift die Aussage, daß auf rechtlicher Ebene der „Konflikt nicht zu lösen" sei223, sondern eine Lösung des Problems nur aus der „geschichtlichen Situationsbeurteilung sowie der Beurteilung politischer Möglichkeiten und Aufgaben" 224 erwachsen könne. Zur Verfahrensweise schlug Wilkens der Kammer vor, ein „kleineres Arbeitsteam" zu bilden, das eine Veröffentlichung ähnlich dem Sammelband „Atomzeitalter - Krieg und Frieden"225 erarbeiten solle226. O b ein solcher Sammelband darüber hinaus noch „mit abschließenden und zusammenfassenden Thesen abgerundet werden" und ob der Rat noch einen eigenen Begleittext beisteuern sollte, ließ er offen. Als Alternative hierzu sah Wilkens eine Veröffentlichung in „Gestalt eines fortlaufenden Memorandums" an227. Die Kammer entschied sich dafür, dem Rat ein „Memorandum zum Recht auf Heimat" vorzulegen. Die Frage, ob und in welcher Weise jener, wie von der Kammer als erwünscht angesehen, das Memorandum veröffentlicht, bleibe dem Rat überlassen. Die Kammer legte fest, daß der 221 S. 8 (vgl. Anm. 212). - Vgl. zur Behandlung des Schuldproblems in der Nachkriegszeit bereits Bd. I, S. 282 ff. 222 Vgl. dazu oben S. 113 f. - Das Memorandum lag jener Sitzung bereits vor. Das Ergebnis der dortigen völkerrechtlichen Diskussion anhand des Referats von Prof. Schneider führte in einzelnen Punkten über Wilkens Skizze hinaus; vgl. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder (West) des Rates vom 13. 10. 1964 (= Begleitschreiben, vgl. Anm. 212). 223

224

DENKSCHRIFTEN I / 1 , S . 109.

Memorandum Wilkens', S. 9f. (vgl. Anm. 212). 225 Hg. von G. Howe. Witten/Berlin 1959. 226 Wilkens dachte an vier Einzelbereiche, denen entsprechende Aufsätze zuzuordnen wären: a) kirchlich-theologisch-ethisch, b) soziologisch-sozialpolitisch, c) staatsrechtlichvölkerrechtlich, d) geschichtlich-politisch (vgl. Anm. 112, S. 12). 227 S. 11 f. (vgl. Anm. 112).

134

Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Entwurf eines solchen Memorandums auf Wilkens „vorläufigem Memorandum" aufbauen soll228. Die Mitglieder (West) des Rates wurden am 13. Oktober 1964 entsprechend unterrichtet, bekamen dazu Wilkens vorläufiges Memorandum im Wortlaut zugeschickt und wurden gebeten, das Vorhaben auf der nächsten Ratssitzung zu besprechen 229 . Offenbar hielten die Kammer-Mitglieder am 3. Oktober 1964 einen baldigen Abschluß des Projekts sowohl inhaltlich wie auch technisch für möglich 230 . Der weitere Verlauf der Arbeit erwies diese Vorstellung jedoch in beiderlei Hinsicht als zu optimistisch, wenn auch die Aussprache über Wilkens Vorlage einen hohen aber eben doch nicht völlig abgesicherten - Grad der Vereinheitlichung hatte erkennen lassen. Zu Recht bezeichnete Raiser es daher als die nächste Aufgabe, „innerhalb der Kammer selbst zu einer gemeinsamen Linie zu kommen, was mir noch keineswegs gesichert erscheint" 231 . Die darauf folgende Kammersitzung am 18./19. Dezember 1964 in Berlin232 ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert: Einmal bot sie Gelegenheit zur Aussprache mit den Kammer-Mitgliedern aus der D D R über das „Recht auf Heimat"-Projekt 2 3 3 , zum anderen wurde mit der Thesenreihe und dem Referat des Bielefelder Oberkirchenrats Danielsmeyer, „Zur Frage des Rechtes auf Heimat und der deutschen Ostgrenzen", aus der Mitte der Kammer heraus eine Position zur Diskussion gestellt, die sich nicht nur von den beiden Thesenreihen der „Bielefelder" und „Lübecker", sondern auch teilweise von der theologisch-ethischen Argumentation des Wilkens-Memorandums abhob. Die Mitglieder aus der D D R legten das Gewicht bei aller Würdigung der Eingliederungsproblematik und der damit verbundenen Aufgaben der Vertriebenenseelsorge auf die „größeren politischen, geschichtlichen und völkerrechtlichen Zusammenhänge", in denen das Heimatrecht-Thema zu behandeln sei: „So verständlich es sei, daß man gerade für die menschliche Seite der Problematik des Heimatrechtes möglichst viele absolute und schwerwiegende theologische oder völkerrechtKurzprotokoll der Sitzung am 2./3. 10. 1964, S. 3 (vgl. Anm. 132). Vgl. oben A n m . 212. 230 Im Kurzprotokoll wird die März-Synode 1965 der E K D als anzustrebender Termin für das Memorandum genannt. 231 Schreiben an Wilkens vom 22. 11. 1964 ( A K K , 043, Beiheft: Kammer für öffentliche Verantwortung, Bd. VI, o. Az.). 232 Kurzprotokoll (ebd., o. Az.). - Vom O K A waren als Gäste geladen und anwesend (am 19. 12.): Brummack, Harms u n d - a n s t e l l e des erkrankten G ü l z o w - Kruska. 233 Ungeachtet dieser Aussprache und Unterrichtung trugen allein „die aus den westlichen Gliedkirchen der E K D stammenden Mitglieder der K a m m e r " die Verantwortung für die Vorbereitung und schließlich die Erstellung der Denkschrift, wie dies im Vorwort des Rates der E K D vom 1. 10.1965 auch ausdrücklich festgehalten wird (vgl. DENKSCHRIFTEN I / 1 , S . 80). 228

229

Die abschließenden Arbeiten an der Denkschrift

135

liehe Argumente sucht, so wichtig sei es, diesen ganzen Fragenkomplex im Zusammenhang einer künftigen haltbaren Friedensordnung zwischen den Völkern zu sehen. Einem kirchlichen Beitrag hierzu sei es angemessen, den Fragenbereich des ,Rechtes auf Heimat' vornehmlich unter dem Vorzeichen der Versöhnung zwischen Deutschland und den Völkern des Ostens (vor allem Polen und Tschechoslowakei) zu sehen."25'1

Die Mitglieder aus der D D R erwarteten damit nicht, daß in der beabsichtigten Veröffentlichung etwa unter diesem Gesichtspunkt „naheliegende politische Forderungen erhoben werden", sahen aber mit der Denkschrift eine gute Gelegenheit, „für interessierte Kreise namentlich in Polen zu zeigen, daß es in Deutschland eine sehr viel besonnenere Betrachtung dieses Fragenbereiches gibt, als es oft nach außen hin den Anschein hat oder in der Propaganda herausgestellt wird. Suche man mit dieser Denkschrift auch das O h r von Persönlichkeiten in Polen, so werde sie auch dann ihre Wirkung nicht verfehlen, wenn dies nach außen nicht gleich in Erscheinung tritt." 235

Obwohl auch in früheren Beratungen „Versöhnung" und „europäische Friedensordnung" durchaus in den Zusammenhang von Motivation und Zielsetzung des Vorhabens gestellt worden waren, haben die DDR-Mitglieder mit dieser Akzentuierung die „östlichen Nachbarn" 236 doch in ganz anderer Weise als aus ihrer jeweiligen politischen Interessenlage heraus Handelnde und von daher eben als Adressaten der Denkschrift in den Blick gebracht, als dies vorher der Fall war. Eine Wirkung auf Polen ζ. B. hatte man sich bis dahin allenfalls vermittelt über politische Bewußtseinsveränderungen in Westdeutschland vorstellen können. Von den Kammermitgliedern aus der D D R war ein Aspekt angesprochen worden, der in der „Bilanz der Ostdenkschrift" 237 einen wesentlich gewichtigeren Faktor bilden sollte, als dies die Vorberatungen, aber auch die Auseinandersetzungen nach der Veröffentlichung vermuten ließen. Die Denkschrift sollte, ohne daß es dazu der Aufstellung konkreter politischer Einzelforderungen bedurft hätte, eben auch das öffentliche Bewußtsein bei den östlichen Nachbarn und nicht nur die innenpolitische Argumentationslage in Westdeutschland beeinflussen. Das Referat von Oberkirchenrat Danielsmeyer238 veranlaßte die Kammer zu einer nochmaligen Uberprüfung ihrer Beschlüsse vom 2./3. O k tober 1964. Danielsmeyer setzte sich mit den beiden der Kammer vorliegenden Thesenreihen auseinander, Schloß sich einzelnen Punkten der jeweiligen Thesen zwar an, vermochte jedoch an entscheidenden Stellen 234

Kurzprotokoll, S. 2 (vgl. Anm. 232). Hervorhebungen durch Verf. Ebd. 236 Vgl. den Titel der Denkschrift: „Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn". 237 Vgl. den gleichnamigen Titel bei G. SCHARFFENORTH, Bilanz. 231 Diesem Referat lag eine „theologische Thesenreihe" mit 21 Punkten zugrunde (AOKA, C / 7 III vom 10. 11. 1965, Nr. 2913). 235

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

keinem der beiderseitigen Standpunkte zuzustimmen. Angesichts des Gegeneinanders der in divergierenden theologisch-ethischen Prinzipien gründenden ostpolitischen Konzeptionen empfahl Danielsmeyer eine Formel analog dem Ausgang des innerkirchlichen Atomwaffenstreites Ende der 50er Jahre: „Die Kirche beachtet, daß im Bereiche der politischen Überlegung die Christen wie auch die Nichtchristen nicht immer zu übereinstimmenden Erkenntnissen kommen. Die Kirche kann auch nicht die Aussage machen, daß es vom gemeinsamen Hören auf das Wort her zu gemeinsamen politischen Aktionen kommen müsse. Sie stellt fest, daß im Fragenbereich der deutschen Ostgrenzen die Uberzeugungen einander widersprechen. Die Kirche hat keine Weisung für eine konkrete politische Entscheidung zu geben. Sie wird jedenfalls in der augenblicklichen Situation nicht dazu Stellung nehmen können, ob, wann, wie und unter welchen Bedingungen ein Verzicht auf die deutschen Ostgebiete geleistet werden muß." 239

In der Aussprache erhoben sich jedoch starke Einwände gegen diese „Ohnmachtsformel". Anstelle einer bloßen Konstatierung des vorhandenen Widerspruches erschien es einigen Kammer-Mitgliedern notwendig, zu einem weiterführenden, an der konkreten historischen und politischen Lage orientierten Schluß zu kommen, auf Grund dessen nach beiden Seiten hin gesprochen werden könne. So interpretierte z.B. Wilkens die Erfahrungen des Atomwaffenstreits in der EKD in diesem weiterführen239 Ebd., These 16. - In der 21. These faßte Danielsmeyer „die theologische Seite der Sache" zusammen und bemerkt zu den Bielefelder und Lübecker Thesen: „Die beiden Thesenreihen sagen Entscheidendes gemeinsam. Der Christ weiß, daß die Heimat zu den guten Gaben Gottes gehört, mit denen er uns unser Leben führen und lieben läßt. In Dankbarkeit erkennt der Christ in der Heimat Gottes Geschenk. Der Verlust der Heimat ist einer der tiefsten Eingriffe in die leiblich-seelische Substanz eines Menschen oder einer Menschengruppe. - Durch Jesus Christus wissen wir von unserer ewigen Heimat. Die Ewigkeitshoffnung entwertet die Liebe zu unserer irdischen Heimat nicht, aber sie weist die Grenzen unserer Liebe zur Heimat auf. Die Heimat ist nicht das höchste Gut. Die Gemeinde Jesu Christi soll alle Heimatlosen als die Ihrigen aufnehmen und ihnen als Brüder und Schwestern begegnen. Sie soll ihnen in der Fremdlingschaft die Bruderschaft derer erweisen, die durch den gleichen Herrn in der Liebe verbunden sind. Der seelsorgerliche Dienst an den Vertriebenen hat diese komplexe Gestalt des christlichen Heimatverständnisses zu berücksichtigen. Es ist theologisch unerlaubt, einige dieser Aussagen überzubetonen und dann kurzschlüssig ein Recht auf Heimat theologisch begründen zu wollen. Da es sich bei einer eventuellen Rückkehr Vertriebener in die verlorene Heimat um eine Frage weiter politischer Proportionen handelt, die Modalitäten zur Zeit nicht einmal vorstellbar sind, die politischgesellschaftliche Situation der alten Siedler und der neuen Siedler in vollem Umfange berücksichtigt werden muß, weist die Kirche die Heimatvertriebenen nicht an, sich für das Recht auf Heimat und damit für ihre Rückkehr einzusetzen. Sie wird ihnen dieses unter den gegenwärtigen Umständen unter der Aufforderung, alle Seiten der Sache gebührend zu berücksichtigen, auch nicht verwehren. Die Kirche vermag nicht zu sagen, welche Wege Gott in seinen geschichtlichen Führungen die Völkergruppen und die Menschen in dieser Welt führen will. Sie bezeugt in Demut und Ehrfurcht die undurchdringliche Verborgenheit Gottes in seinem geschichtlichen Handeln. Sie preist die Klarheit Gottes im Angesichte Jesus Christi, in der der Christ weiß, daß alle seine Wege zum Heile und zu Gottes Frieden sein sollen."

D i e a b s c h l i e ß e n d e n A r b e i t e n an d e r D e n k s c h r i f t

137

den Sinn, die damaligen Auseinandersetzungen hätten gerade zu einer Auflockerung der einander entgegengesetzten ethischen Grundpositionen geführt: „ W e n n a u c h die s p e z i f i s c h e n S i g n a t u r e n u n d A k z e n t u i e r u n g e n d i e s e r G r u n d p o s i t i o n erhalten g e b l i e b e n seien, s o k ö n n e d o c h k e i n e Seite d i e eigentlichen A n l i e g e n d e r a n d e r e n Seite als s c h l e c h t e r d i n g s u n v e r t r e t b a r d i s k r e d i t i e r e n . V o n d a h e r sei f ü r j e d e Seite die e t h i s c h e E r w ä g u n g s o w e i t in B e w e g u n g g e r a t e n , d a ß die e n d g ü l t i g e E n t s c h e i d u n g ü b e r die B e w e r t u n g u n d d i e K o m b i n a t i o n d e r G r u n d f a k t o r e n einer e t h i s c h e n E n t s c h e i d u n g letzten E n d e s erst i m m e r in d e r k o n k r e t e n S i t u a t i o n u n d d e m O b j e k t e r f o l g t . " 2 "

Und Raiser erläuterte, wie dies im Falle der Ostpolitik anhand der Frage des „Verzichts" auf die Oder-Neiße-Gebiete Anwendung finden könne: Der einen Seite, die dem Verzicht unter keinen Umständen zuzustimmen vermöchte, müsse in der Denkschrift deutlich gemacht werden, „daß die künftige Friedensordnung nicht ohne Opfer auch seitens des deutschen Volkes zu haben sei". Die anderen, denen ein Verzicht je eher um so besser für die weitere politische Entwicklung geboten erscheint, seien dagegen „ z u r G e d u l d z u m a h n e n , d a d i e a n g e s t r e b t e V e r s ö h n u n g n u r d a s E r g e b n i s eines sich a u c h in einer t r a g b a r e n p o l i t i s c h e n N e u o r d n u n g m a n i f e s t i e r e n d e n P r o z e s s e s sei, d i e s e r P r o z e ß k ö n n e nicht v o n v o r n h e r e i n in seinen E i n z e l h e i t e n s c h o n f e s t g e l e g t u n d v o l l z o g e n w e r d e n , o h n e d a ß b e s t i m m t e rechtliche u n d p o l i t i s c h e F a k t o r e n m i t b e d a c h t u n d e i n b e z o g e n w e r d e n ; i m m e r a b e r w e r d e auf die z u n ä c h s t b e t r o f f e n e n M e n s c h e n u n d ihre G e f ü h l e R ü c k s i c h t genommen werden müssen."241

Daß ein solches Uberschreiten der „Ohnmachtsformel", wie sie Danielsmeyer vorgeschlagen hatte, ein bestimmtes sachliches Gefalle, nämlich auf die Bereitschaft zum Verzicht hin, implizierte, war den Beteiligten bewußt. Und in der Auseinandersetzung um Danielsmeyers Gutachten ging es daher nochmals um die Frage, ob aus der Beurteilung der konkreten Situation und - was in der Denkschrift als weiterer Faktor angeführt wird - aus „einer sittlichen Gesamtverantwortung" oder „sittlicher Einsicht" jene Tendenz gerechtfertigt, sowie vor allem in einer kirchlichen Denkschrift verantwortet werden könne. Trotz der gewonnenen Einsichten und des in den ersten Sitzungen sich bereits abzeichnenden hohen Grades an Vereinheitlichung brach hier in der Kammer doch noch einmal die Frage einer politisch relevanten kirchlichen Stellungnahme in ihrer Problematik auf, bestätigte sich so die oben erwähnte Vermutung des Kammer-Vorsitzenden vom 22. November 1964242. Das Problem wurde auch keineswegs bereits auf dieser DezemberSitzung abschließend im Sinne der späteren Denkschrift entschieden. 240

Kurzprotokoll vom

18./19. 12.1964, S. 6 (vgl. A n m . 132). 1964, S. 7 ( e b d . ) . - Z u r U m s e t z u n g

K u r z p r o t o k o l l v o m 18./19. 12. vgl. DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 117 ff. 241

242

V g l . o b e n S. 134.

dieser G e d a n k e n

138

Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Vielmehr baten die Kammer-Mitglieder Danielsmeyer um einen Entwurf des theologischen Kapitels, das neben dem von Raiser zugesagten völkerrechtlichen und dem als Entwurf von Landsberg bereits vorliegenden sozialpolitisch-gesellschaftlichen Teil den Inhalt der Denkschrift ausmachen sollte 243 . Der Ostkirchenausschuß verhandelte am 10. Januar 1965 im Beisein des EKD-Ratsvorsitzenden über diesen Stand der Entwicklung. Die drei Teilnehmer an der Kammer-Sitzung vom 19. Dezember 1964 berichteten, die Kammer werde im Februar zusammentreten, „um eine Denkschrift aufgrund von Vorarbeiten von Danielsmeyer zu verabschieden, in der dem Rat der Evangelischen Kirche angeraten werden solle, im Augenblick keinerlei Empfehlungen darüber abzugeben, ob, wann oder wie auf deutsches Gebiet Verzicht geleistet werden muß" 244 . Diese Nachricht veranlaßte Gülzow, Präses Scharf „im Namen des Ostkirchenausschusses eindringlich" zu bitten, „daß der Rat . . . den Empfehlungen von Danielsmeyer folgen möchte" 245 - eine im Blick auf die im selben Monat veröffentlichten „Lübecker Thesen" erstaunliche Linie, die jedoch angesichts der Einschätzung der Entwicklung in den Gremien der E K D durch die führenden Mitglieder des Ostkirchenausschusses verständlich wird246. Erst auf ihrer Sitzung am 19./20. Februar 1965 entschied die Kammer endgültig, die Heimatrecht- und Ostgrenzenfrage theologisch-ethisch nicht im Sinne der Thesen Danielsmeyers und dessen „Ohnmachtsformel" zu behandeln, sondern zu einer weitergehenden Aussage etwa im Sinne des „vorläufigen Memorandums" und der Voten ihres Vorsitzenden und des Geschäftsführers zu gelangen247. Letzterer wurde gebeten, einen Entwurf für das theologische Kapitel vorzulegen. Die Kammer befaßte sich in der Februarsitzung auch mit dem sozialpolitisch-gesellschaftlichen Teil der geplanten Denkschrift. Hierzu lag ein 2,J

Kurzprotokoll vom 18./19. 1 2 . 1 9 6 4 , S. 7 (vgl. Anm. 132).

Niederschrift der Sitzung des O K A und Ostkirchenkonventsvorstandes am 10. 1. 1965 ( A O K A , A 7 / 1 9 6 5 , N r . 119, Pkt. 2). - Diese gewiß überinterpretierte Schilderung des Vorgangs ist daraus zu erklären, daß die Gäste, also auch die Ο Κ Α - V e r t r e t e r , immer nur bei einzelnen Tagesordnungspunkten der Kammer-Sitzung zugegen waren, die Kammer aber z . B . ihre prozeduralen Angelegenheiten üblicherweise nicht im Beisein der Gäste verhandelte. Aus diesem Grunde war den ΟΚΑ-Vertretern auch nicht bekannt, wie die Kammer mit dem „vorläufigen Memorandum" ihres Geschäftsführers Wilkens verfahren war. Daß jedoch auch abgesehen von diesem Informationsdefizit die Darstellung der O K A - V e r t r e t e r eine Überinterpretation beinhaltete, läßt sich aus dem Kurzprotokoll vom 18./19. 12. 1964 erheben. Dennoch entbehrt dieser Vorgang im O K A nicht eines gewissen sachlichen Hintergrundes in der Entwicklung der Kammer selbst. 244

Ebd. Vgl. z . B . oben, S. 111, zu Anm. 144. 2 . 7 Kurzprotokoll vom 19./20. 2. 1965 (vgl. Anm. 132, Bd. VI). - An dieser Sitzung nahmen als Gäste Prof. Schweitzer und Sup. H a r m s teil. 245 2.6

D i e abschließenden A r b e i t e n an der D e n k s c h r i f t

139

Entwurf Landsbergs vor248. Dieser sollte um eine nochmalige Überarbeitung gebeten werden, wozu sich Landsberg auch bereit fand; er konnte jedoch erst im Juni den umgearbeiteten Text vorlegen249. Man vereinbarte am 19./20. Februar 1965 lediglich noch eine abschließende Redaktionssitzung und gedachte, bald danach dem Rat die Denkschrift vorlegen zu können250. Zu dieser Sitzung, am 3. April 1965, waren infolgedessen erstmalig keine Gäste mehr eingeladen worden. Die von Harms am 19. Februar 1965 in der Kammer geäußerte Bitte, einen Vertreter des Ostkirchenausschusses zur abschließenden Redaktion hinzuzuziehen, hatte Raiser abgelehnt251. Der folgenden und abschließenden Kammersitzung zur Denkschrift am 3. April 1965252 legte Wilkens eine entsprechend den Ergebnissen der Februarsitzung überarbeitete Fassung vor. Auch hierzu wurden Änderungen vorgeschlagen. Am bedeutendsten war der Beschluß, „in die Denkschrift ein neues Kapitel einzufügen, in dem die wichtigsten Faktoren der jetzigen Situation und Bedeutung der Gebiete jenseits der OderNeiße-Linie zusammengestellt werden sollen". Erst hierdurch gelangte der wegen einiger Sachmängel später gern kritisierte dritte Abschnitt „Zur gegenwärtigen Lage in den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie" in die Denkschrift 253 . 248

L a n d s b e r g w a r am 2 7 . 10. 1964 v o n W i l k e n s darum gebeten w o r d e n , i m S i n n e seines

Referates (vgl. o b e n S. 108) vier bis fünf Seiten z u m s o z i o l o g i s c h e n und sozialpolitischen Teil der D e n k s c h r i f t b e i z u s t e u e r n . A m 2 9 . 10. 1 9 6 4 erklärte sich L a n d s b e r g dazu bereit. E i n E x p o s e lag der K a m m e r in der D e z e m b e r s i t z u n g 1 9 6 4 bereits v o r (vgl. A K K , 0 4 3 , B e i h e f t : K a m m e r für ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g , B d . V I und e b d . , B e i h e f t : D e n k s c h r i f t . . . und F i n a n z e n , s o w i e unten, S. 143 f.). 249

V g l . S c h r e i b e n W i l k e n s an die M i t g l i e d e r ( W e s t ) und G ä s t e der K a m m e r (ebd., A z .

1 2 0 1 . X I ) . - D i e s e r T e i l der D e n k s c h r i f t sollte in der A b s c h l u ß p h a s e der A r b e i t e n , im S o m m e r 1 9 6 5 , n o c h e r h e b l i c h e Schwierigkeiten verursachen, auf die w e i t e r unten eingegangen wird. 250

V g l . den B e r i c h t v o n O K R W i l k e n s auf der Sitzung des R a t e s der E K D am 1 1 . / 1 2 . 3 .

1965 ( P r o t o k o l l , P k t . 17; A K K ) . - Z u r V e r h a n d l u n g der K a m m e r am 1 9 . / 2 0 . 2 . 1 9 6 5 vgl. i m übrigen o b e n S. 119, A n m . 1 7 2 . 251

V g l . die „ D o k u m e n t a t i o n " von S c h w a r z , S. 6 ( A n m . 170). D o r t wird als B e g r ü n d u n g ,

die R a i s e r dafür gab, die V e r ö f f e n t l i c h u n g der „ L ü b e c k e r T h e s e n " genannt (vgl. o b e n S. 118). D o c h auch davon abgesehen, dürften die V o r g ä n g e um die B e a u f t r a g u n g der K a m m e r und die Z u r ü c k n a h m e des Auftrags (vgl. o b e n , S. 9 2 ff.) den V o r s i t z e n d e n von einer Beteiligung des O K A an der R e d a k t i o n abgehalten h a b e n . D i e K o n s u l t a t i o n des O K A wie auch anderer Stellen und P e r s ö n l i c h k e i t e n w a r dagegen mit dieser A b l e h n u n g n i c h t ausgeschlossen, s o n d e r n w u r d e - wie unten n o c h gezeigt w i r d - durchaus praktiziert. 252

K u r z p r o t o k o l l v o m 3 0 . 6 . 1 9 6 5 , A n l a g e z u 1 2 0 1 . X I . (vgl. A n m . 2 4 7 ) .

253

D i e M o t i v e dazu gehen aus dem A b s c h n i t t selbst h e r v o r . M a n verzichtete z w a r auf die

U n t e r s u c h u n g der „vielschichtigen F r a g e . . ., von w e l c h e r rechtsbildenden K r a f t v o l l e n d e te T a t s a c h e n auch dann sind, w e n n sie durch R e c h t s v e r s t ö ß e e n t s t a n d e n " seien (DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 9 4 - vgl. z u m P r o b l e m n o c h o b e n S. 114, A n m . 1 5 7 ) , w o l l t e j e d o c h wenigstens einige F a k t e n z u s a m m e n s t e l l e n , die in die ostpolitische Ü b e r l e g u n g e i n z u b e z i e hen seien. S o wird am E i n g a n g dieses A b s c h n i t t s Staatssekretär F r a n z T h e d i e c k aus dem

140

D i e D e n k s c h r i f t „ D i e Lage der V e r t r i e b e n e n "

Der Entwurf zum 3. April 1965 trug erstmalig nicht mehr den Arbeitstitel „Recht auf Heimat", sondern dem Inhalt der Einzelabschnitte entsprechend „Die Lage der Vertriebenen und die deutschen Ostgrenzen", womit die beiden Hauptseiten des Problems bezeichnet waren254. In diesem Stadium ihrer endgültigen Abfassung wurde die Denkschrift von Vorgängen begleitet, die das spätere Echo und die Auseinandersetzungen der Form wie dem Inhalt nach bereits ahnen lassen. So wandte sich Professor Konrad 255 Anfang März mit folgender Bitte an den Ratsvorsitzenden: „bleiben Sie m i t d e m , R a t der E K D ' auf der neutralen L i n i e ! D i e G e f a h r d e r P r o v o z i e r u n g eines R e c h t s r a d i k a l i s m u s ist sehr g r o ß . Lassen Sie uns die strittigen F r a g e n u n t e r den T h e o l o g e n ausfechten, aber belasten Sie n i c h t unsere E v a n g e l i s c h e K i r c h e m i t E r k l ä r u n g e n , die auch uns O s t p f a r r e r in die O p p o s i t i o n drängen w ü r d e n . "

Diese Warnung des Sprechers der Gemeinschaft evangelischer Schlesier bezog sich einerseits auf das vom Rat geplante Wort zum 20jährigen Kriegsende, Konrad schloß aber andererseits das Kammer-Vorhaben mit ein256. In ähnlichem Sinn richtete am 22. April 1965 die Arbeitsgemeinschaft der Hilfskomitees der verdrängten Ostkirche aus dem Bereich der altpreußischen Union einen Appell an Präses Scharf, die Denkschrift nicht anzunehmen, sondern die „Gesprächssituation offen" zu halten257. J a h r e 1959 z i t i e r t : „ N u r m i t k o n s t r u k t i v e n G e d a n k e n , die auch den L e b e n s r e c h t e n und - a n s p r ü c h e n unserer N a c h b a r n R e c h n u n g tragen, w e r d e n w i r uns die U n t e r s t ü t z u n g und das W o h l w o l l e n der P a r t n e r und Signatarmächte eines künftigen Friedensvertrages sichern k ö n n e n " (DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 9 4 ) . 254

„ R e c h t auf H e i m a t " w a r s c h o n seit längerem als unzulänglich angesehen w o r d e n .

B e r e i t s am 2 9 . 10. 1964 schlug L a n d s b e r g , d e m W i l k e n s sein „vorläufiges M e m o r a n d u m " z u g e s c h i c k t hatte, v o r , die ganze A r b e i t „auf einen anderen S t a n d p u n k t " zu stellen, „ i n d e m m a n sich von dem e b e n s o zweideutigen wie verfänglichen T i t e l , D a s R e c h t auf H e i m a t ' t r e n n t e und z u r Lage der V e r t r i e b e n e n und F l ü c h t l i n g e in d e r B u n d e s r e p u b l i k und zur F r a g e der deutschen G r e n z e n i m O s t e n getrennt Stellung n i m m t " ( A K K , 0 4 3 , B e i h e f t : D e n k schrift . . . F i n a n z e n ) . 255

V g l . o b e n S. 1 0 7 .

256

S c h r e i b e n K o n r a d s an S c h a r f v o m 4. 3. 1 9 6 5 , A n t w o r t W i l k e n s ' v o m 14. 4 . 1 9 6 5 (vgl.

A n m . 2 5 4 , A z . 7 4 0 . X I ) . - K o n r a d berief sich auf „die vielen S t i m m e n verbitterter E n t t ä u schung . .

die aus den Kreisen der H e i m a t v e r t r i e b e n e n . . . k o m m e n , und n i c h t begreifen

k ö n n e n , wie aus k i r c h l i c h e n . . . K r e i s e n mit , V e r z i c h t ' - P r o k l a m a t i o n e n ü b e r die G e w a l t a n n e x i o n der M a s s e n v e r t r e i b u n g u n d das U n r e c h t der , D e - f a c t o - A n n e x i o n ' so billig und k u r z s c h l ü s s i g m i t einem s c h w ä r m e r i s c h e n , V e r s ö h n u n g s ' - W i l l e n und einer S c h u l d d e m u t , die da n a c h g i b t , w o die brutale G e w a l t herrscht, h i n w e g g e h e n " . 257

V g l . „ D o k u m e n t a t i o n " v o n S c h w a r z , S. 11 (vgl. A n m . 170). D e r B e s c h l u ß v o m 2 2 . 4.

1965 lautet: „ D i e in B e r l i n versammelte A r b e i t s g e m e i n s c h a f t der H i l f s k o m i t e e s der verdrängten O s t k i r c h e n aus d e m B e r e i c h der früheren A P U hat bei ihrer S i t z u n g am 2 1 . A p r i l davon K e n n t n i s g e n o m m e n , daß die K a m m e r für ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g d e m R a t der E K D ein M e m o r a n d u m z u den F r a g e n des V e r t r e i b u n g s p r o b l e m s aus k i r c h l i c h e r Sicht vorlegen wird.

Die abschließenden Arbeiten an der Denkschrift

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Bedenken, wenn auch auf anderer Ebene, waren auch auf der Ratssitzung am 4./5. Februar 1965258 laut geworden. Sie richteten sich nicht gegen die mögliche Stoßrichtung der Denkschrift, sondern betrafen lediglich die Frage, ob eine kirchliche Äußerung z u m O s t p r o b l e m vor den Bundestagswahlen im H e r b s t in die Diskussion gebracht werden solle. Die endgültige Entscheidung darüber behielt sich der Rat vor. A m 4. bis 7. Mai 1965 befaßte sich der Rat der E K D erstmalig ausführlich anhand eines Entwurfs mit dem Denkschrift-Problem 2 5 9 . Er verschob den Beschluß, sich die Denkschrift zu eigen zu machen, auf die nächste Sitzung, da der Entwurf noch nicht vollständig vorlag 260 , entschied sich aber in formaler Hinsicht, daß die Denkschrift „als Arbeit der K a m m e r unter ausdrücklicher Z u s t i m m u n g des Rates der E K D veröffentlicht" werde 261 . D e r vorgelegte Text, also die theologisch-ethischen und völkerrechtlichen Abschnitte, fand jedoch, wie Wilkens 262 berichtet, „die volle Billigung aller anwesenden Ratsmitglieder, ja eine geradezu anerkennende Z u s t i m m u n g " . D a der sozialpolitische Teil auch zur Juni-Sitzung noch nicht vorlag, sollte sich die Verabschiedung durch den Rat noch erheblich verzögern 2 6 3 . Erst im A u g u s t konnte der Rat seine endgültige Entscheidung treffen. Die Zeit bis dahin nutzten Vorsitzender und Geschäftsführer der K a m Den Hilfskomitees der verdrängten Ostkirchen ist alles daran gelegen, daß die Gesprächssituation offen gehalten wird. Sie bitten den Rat der E K D dringend darum, daß durch die Annahme eines Memorandums der Standpunkt der evangelischen Kirche in diesen außerordentlich vielschichtigen Fragen nicht vorzeitig festgelegt wird. Sowohl die völkerrechtliche Entwicklung als auch die theologischen und politisch-ethischen Auseinandersetzungen scheinen so sehr im Fluß zu sein, daß nach Auffassung der Hilfskomitees der evangelischen Vertriebenen eine offizielle kirchliche Stellungnahme zu diesem Zeitpunkt zu einer Belastung der Gesprächssituation führen kann." 258 Niederschrift, Pkt. 13 ( A K K ) . 259 Protokoll der Sitzung, Pkt. 8 (ebd.). - Die Kirchenkanzlei hatte den Ratsmitgliedern am 29. 4. 1965 den Entwurf mit Ausnahme der noch fehlenden Abschnitte II: „Die Vertriebenen in Kirche und Gesellschaft" und III: „Zur gegenwärtigen Lage in den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie" zugeleitet (ebd., X I Vertriebenen-Denkschrift. Rundschreiben, N r . 892.XI). 260 Vgl. Anm. 259. 261 Schreiben Wilkens' an die Mitglieder und Gäste der Kammer (West) vom 30. 6. 1965 (ebd., 043). Die Kammer selbst hatte dieses Verfahren als eine Möglichkeit vorgeschlagen, hätte es aber vorgezogen, „daß der Rat der E K D die Denkschrift in eigener Verantwortung publiziert" (Kurzprotokoll vom 3. 4. 1965; vgl. Anm. 132). 262 Schreiben an Raiser vom 14. 6. 1965 ( A K K , 043, Beiheft: Denkschrift . . . und Finanzen, A z . 1112.XI). 263 Ein weiterer Grund der Verzögerung liegt in der zeitlichen Abstimmung mit der von der Kammer für soziale Ordnung erstellten Landwirtschaftsdenkschrift „ D i e Neuordnung der Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland als gesellschaftliche A u f g a b e " (DENKSCHRIFTEN II, S. 49ff.), die der Rat zum Erntedanktag 1965 der Öffentlichkeit übergeben wollte (vgl. ebd.).

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Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

mer jedoch zu Überprüfungen und Korrekturen, teilweise veranlaßt durch Anregungen, welche sie bei mehreren Fachleuten einholten264. Einem eigens dazu gefaßten Ratsbeschluß entsprechend wurde am 12. Mai 1965 der Denkschrift-Entwurf dem Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses zugeleitet, ohne daß Gülzow darauf reagiert hätte265. Auch den Kammer-Mitgliedern aus der D D R wurde der Entwurf Ende April zugeleitet266. Obwohl die Denkschrift von Anfang an, wie oben bereits erwähnt, ausschließlich der Verantwortung der westlichen Kammermitglieder unterlag, hatten diese in ihre Beratungen das Problem einer „DDR-Verwendbarkeit" ständig mit aufgenommen. So ist es zu erklären, daß ganze Problemkreise, die der Sache nach ohne weiteres in die Darstellungen hätten einbezogen werden können, wie ζ. B. DDR-Flüchtlinge, die D D R selbst und die Frage der Wiedervereinigung, eliminiert wurden. Diesen Mangel hatten die westlichen Kammer-Mitglieder bewußt in Kauf genommen, wie sie andererseits, um das Vertriebenen- und Ostthema, wie es sich im Westen stellte, überhaupt nur abhandeln konnten, wenn sie den vom Gesichtspunkt der „DDR-Verwendbarkeit" gesteckten Rahmen sprengten267. Daß die Denkschrift in diesem Sinne nur „aus der Sicht der Bundesrepublik" (Wilkens) abgefaßt worden war, erschien von daher als unvermeidlich, wollte man überhaupt zu den gewählten Themen Stellung beziehen268. Die Ratsmitglieder aus der D D R hatten auf der Mai-Sitzung in dieser Hinsicht auch keinerlei Einwendungen erhoben. Erst danach 264 Raiser und Wilkens hatten dabei ein erhebliches Handikap zu bewältigen: Da Raiser sich in den entscheidenden Monaten in Kalifornien aufhielt, konnten sie nur in zeitraubendem brieflichen Kontakt zu einer Abstimmung bei den noch auftretenden Problemen gelangen. 265 Das Protokoll der Sitzung des Rates vom 4. bis 7. 5. 1965 vermerkt unter Pkt. 8: „Die Denkschrift soll Oberkonsistorialrat D. Gülzow zur Kenntnisnahme mit dem Hinweis darauf, daß in der nächsten Ratssitzung darüber endgültig beschlossen wird, zugeleitet werden." Die Kirchenkanzlei führte dies am 12. 5. 1965 aus (Schreiben Gunderts an Gülzow; AKK, 518, Beiheft: Ostkirchenausschuß III. Gespräch über Ostdenkschrift, Az. 890.VII). In den OKA-Akten, vor allem aber in der Dokumentation von Schwarz (vgl. Anm. 170) und in dem ausführlichen Schreiben des ΟΚΑ-Vorsitzenden vom 13. 11. 1965 an die Vorsitzenden der Hilfskomitees (AOKA, C 6a o. Nr.) wird dieser Vorgang nicht erwähnt, sondern immer der 7. 9. 1965 als Datum einer erstmaligen Übermittlung der Denkschrift genannt (vgl. dazu unten S. 169 f.). Vielleicht hat Gülzow diese Sendung vom 12. 5. 1965 nicht erreicht? 266 Schreiben Wilkens' vom 22. 4. 1965 (vgl. Anm. 262, Az. 784.XI) und zum weiteren Vorgang Schreiben Wilkens' an Raiser vom 14. 6. 1965 (ebd.). 267 Das Problem der Ostgebiete war für die D D R bereits durch das Abkommen mit der Volksrepublik Polen, unterzeichnet in Görlitz (Zgorzelec) am 6. 6.1950, und eine entsprechende Deklaration gegenüber der CSSR am 23. 6. 1950 endgültig geregelt worden. Ebenso bestand das Problem des Fortbestandes des Deutschen Reiches für die D D R damals nicht mehr. 268 Vgl. Schreiben Wilkens' an Hammer vom 22. 4. 1965 (vgl. Anm. 262, Az. 784.XI).

Die abschließenden Arbeiten an der Denkschrift

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wurden aus der D D R gegenüber bestimmten Passagen Bedenken laut, die bei der abschließenden Redaktion und Verabschiedung durch den Rat noch Berücksichtigung finden sollten268*. Einen Eindruck der späteren Auseinandersetzungen, mit denen die EKD rechnen mußte, vermittelte die Stellungnahme des Präsidenten des Bundes der Vertriebenen, Wenzel Jaksch, vom 26. Mai 1965269. Heinemann, damals noch Mitglied des Rates der EKD, hatte im Mai 1965 seinem SPD-Fraktionskollegen im Bundestag vertraulich den Entwurf der Denkschrift mit der Bitte um Stellungnahme zugeleitet. Jaksch, der sich verständlicherweise - schon allein, weil der Entwurf zum damaligen Zeitpunkt nicht vollständig war - nicht in seiner Eigenschaft als Vertriebenen-Präsident äußerte, hielt eine Uberprüfung der völkerrechtlichen Aussagen für „dringend geboten" und bemängelte, daß die politische Analyse nicht der „Realität" Rechnung trage, daß „der osteuropäische Raum von einem kommunistisch-atheistischen Zwangssystem beherrscht" werde. Andererseits glaubte Jaksch „gewisse Einflüsse seitens der Prager Christlichen Friedenskonferenz" zu erkennen. Bedenken erhob er gegen die Ansicht, das „Problem der gegenwärtigen Lage in den deutschen Ostgebieten mit einer ,kurzen Zusammenstellung einiger Daten' behandeln zu können". Heinemann blieb nicht das einzige Ratsmitglied, das auf diese Weise bei sachkundigen bzw. betroffenen Persönlichkeiten Auskunft und Rat einholte oder den Denkschrift-Entwurf auf seinen Gehalt und mögliche spätere Auswirkungen prüfte270. Mitte Juni ging Landsbergs Entwurf des Vertriebenen-Kapitels ein. Der Versuch, diesen in die Denkschrift zu integrieren, erwies sich als äußerst schwierig. Sowohl Raiser als auch Wilkens unterzogen ihn deshalb einer mehrmaligen Umarbeitung, was jedoch den Eindruck verstärkte, daß nur durch eine Neufassung dieses Abschnitts den Vertriebenenfragen eine angemessene Behandlung im Rahmen der Denkschrift widerfahren könne. Dabei zweifelte keiner an der profunden Sachkenntnis sowie gleichzeitig der kirchlichen Engagiertheit des Ministerialdirigenten im

26> ' Vgl. AKK, 043, Beiheft: Denkschrift . . . und Finanzen, besonders Schreiben Wilkens' an Raiser vom 15. 7. 1965 (ebd., Az. 1308.XI). 269 Ebd., Az. 1270.XI. 270 Vgl. z.B. den Vorgang Riedel (ebd., Az. 1269.XI). Der Bevollmächtigte des Rates am Sitz der Bundesrepublik Deutschland, Bischof Kunst, leitete den Denkschrift-Entwurf an den langjährigen Staatssekretär im Bundesvertriebenenministerium, Nahm, mit der Bitte um Stellungnahme, besonders zum Vertriebenen-Kapitel (= II.), weiter. In seiner Antwort vom 6. 8. 1965 beschränkte sich N a h m jedoch vor allem auf eine Kritik der völkerrechtlichen Aussagen in der Denkschrift, die aber von Raiser zumeist nicht geteilt wurde. Einige Anregungen Nahms fanden in der Denkschrift jedoch ihren Niederschlag (vgl. ebd., Az. 1447.XI).

144

Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Düsseldorfer Sozialministerium. Diese waren ausschlaggebend dafür, daß gerade die Frage der Vertriebeneneingliederung in der Kammer relativ schnell und reibungslos verhandelt worden war. Landsbergs Aussagen dazu, einschließlich der Kritik an bestimmten kirchlichen Vorgängen271, hatten die Zustimmung der Kammermitglieder gefunden. Landsberg hatte das meiste dieser Punkte in seinen endgültigen Beitrag aufgenommen. N u n war die Kritik jedoch in eine etwas abgemilderte und wohl auch allgemeinere Form gekleidet worden. Raiser, der es zunächst übernommen hatte, den Beitrag in die Denkschrift einzuarbeiten272, nannte noch am 23. August 1965273 den inzwischen umgearbeiteten Abschnitt II „das eigentliche Schmerzenskind" und faßte seine Bedenken zusammen: „Wir erheben sowohl gegenüber Staat und Gesellschaft, wie gegenüber der Kirche ziemlich allgemein gehaltene Vorwürfe, sagen aber nicht deutlich genug, was eigentlich anders hätte gemacht werden können und was jetzt zu geschehen hätte. Wir haben das in der Kammer auch nicht diskutiert, weil wir ja eigentlich nur einen Situationsbericht geben wollten."

Die Fülle kritischer Bemerkungen, die Landsbergs Referat darüber hinaus enthielt, seien dann von den Kammermitgliedern übernommen worden. Inzwischen sei die Kritik - so Raiser weiter - abgemildert und stellenweise in ihr Gegenteil verwandelt worden, wodurch die Sache für den Leser aber nicht besser werde, besonders wenn „von Satz zu Satz immer wieder aufgehoben wird, was vorher kritisch festgestellt worden ist". Die ihm deshalb notwendig erscheinende Umarbeitung skizzierte Raiser dann folgendermaßen: „Der Leitgedanke sollte sein, daß wir in beiden Abschnitten [den säkularen und den kirchlichen Bereich betreffend] vom Sachverhalt des Mißbehagens bei den Vertriebenen ausgehen, dem dann möglichst in einer geschlossenen Darstellung gegenüberstellen, was von Staat und Kirche für die Vertriebenen geschehen ist und dann zu erklären versuchen, daß und warum das Problem nicht voll gelöst werden kann. Dabei wird sich zeigen, daß im einen wie im anderen Fall an Einzelmaßnahmen wirtschaftlicher oder organisatorischer Art wenig oder nichts mehr zu tun übrig bleibt, daß es vielmehr darauf ankommt, den inneren Verschmelzungsprozeß noch stärker und bewußter als bisher zu fordern. Vielleicht sollte man darauf hinweisen, daß das zu einem nicht ganz kleinen Teil eine Generationenfrage ist, und weiter, daß sich vor allem die Vertriebenenverbände und Landsmannschaften die kritische Frage gefallen lassen müssen, ob sie eine solche Verschmelzung überhaupt wollen und nicht vielmehr mit ihrer Politik die Isolierung weiterhin nach Kräften aufrechterhalten. Das entscheidende Hilfsmittel, auf das wir zu verweisen haben, haben wir in dem langen Abschnitt auf S. 22 anzudeuten versucht 2 ". Wir müßten vielleicht noch kräftiger unterstreichen, daß das deutsche Volk hier eine politische Aufgabe der inneren Integration zu erfüllen

271

Vgl. oben S. 108. Vgl. Schreiben Wilkens an Riedel vom 8. 7. 1965 (ebd., Az. 1269. XI, S. 3). 273 Schreiben an Wilkens (ebd., Az. 1662). 274 Raiser bezieht sich wohl auf die seelsorgerlichen Ausführungen im II. Abschnitt, wie sie jetzt DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 92 f. zusammengefaßt sind. 272

Die abschließenden Arbeiten an der Denkschrift

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hat, die weit über das Vertriebenenproblem hinausgeht und die von allen politisch Verantwortlichen sehr viel Einsicht und sehr viel Phantasie e r f o r d e r t . . . "

Wilkens schloß sich Raisers Urteil an, vermißte in der bisherigen Fassung des zweiten Kapitels „die Konzeption aus einem Guß" und sah den Mangel, daß „zu sehr und zu allgemein kritisiert" werde, ohne daß gleichzeitig „klare Vorstellungen über mögliche Maßnahmen entwickelt" worden seien275. Art und Zeitpunkt solcher Erwägungen zeigen, daß sich die Autoren der Denkschrift über die Konzeption des Vertriebenen- und Eingliederungsthemas praktisch bis zuletzt nicht völlig im klaren waren, wenigstens nicht die Sicherheit und Entschiedenheit in der Sache besaßen, wie sie sich in den völkerrechtlichen und theologisch-ethischen Fragen während der Kammerverhandlungen herausgebildet hatten. Es ist dies sicherlich eine Folge des gesamten Ansatzes, von dem die Arbeit am Projekt lange Zeit bestimmt worden war, der Heimatrechtproblematik und ihrer theologischen Würdigung, demgegenüber die „Lage der Vertriebenen" längere Zeit ein „Stiefkind" blieb und so zu dem von Raiser beklagten „Schmerzenskind" werden konnte. Am 12./13. August 1965 stand die Denkschrift zur abschließenden Behandlung auf der Tagesordnung des Rates der EKD 276 . Erst am 10. August war den Ratsmitgliedern (West) die neueste Fassung zugegangen277. Buchstäblich bis zur letzten Minute hatte Wilkens den Entwurf bearbeitet und noch eingegangene Änderungsvorschläge zu berücksichtigen gehabt278. Der Rat stimmte grundsätzlich einer Veröffentlichung der Denkschrift zu27', die er mit einem Vorwort des Vorsitzenden, Präses Scharf, 275 Schreiben an Raiser vom 10. 9. 1965 (ebd., A z . 1 6 6 2 . X I , S. 6 f.). - Diesen Mangel sah Wilkens auch in dem Podiumgespräch „Vertriebene, Flüchtlinge, Einheimische - gelöste und ungelöste Fragen in Gesellschaft, Politik und K i r c h e " gegeben, das am 31. 7. 1965 in Köln stattfand (vgl. DEUTSCHER EV. KIRCHENTAG KÖLN 1965, S. 786 ff.). Das Gespräch, in dessen Leitung sich P. von Bismarck und Landsberg geteilt hatten, war auf großes I n t e r e s s e ca. 1200 Zuhörer - (vgl. den Bericht in: A O K A , C 6 b / 1 9 6 5 und Protokoll der O K A Sitzung vom 13. 9. 1965, Pkt. 2 ; ebd., A 7, N r . 2517) gestoßen. Zu den Teilnehmern zählten u. a. das Ο Κ Α - M i t g l i e d Schwarz und Wilkens. Auch hierbei ging es sowohl um die Vertriebenenfragen - (staatliche, gesellschaftliche und kirchliche Eingliederung) - wie um die künftige Ostpolitik und das Heimatrecht. F ü r Wilkens ergaben sich, wie er am 10. 8. 1965 an Raiser (vgl. A n m . 262, A z . 1 4 4 5 . X I ) schrieb, dabei Gesichtspunkte, die in der Denkschrift noch nicht enthalten seien.

P r o t o k o l l , Pkt. 1 6 ( A K K ) . E b d . , X I (vgl. A n m . 259), A z . 1 4 3 2 . X I . 27> So erhielt Wilkens erst am 10. 8. die letzten Anmerkungen des Kammervorsitzenden aus den U S A zugesandt, dasselbe gilt für die oben (vgl. A n m . 2 7 0 ) erwähnte Stellungnahme Nahms. 279 Aufgrund einer vorherigen Rücksprache mit kirchl. Vertretern in der D D R hatte zunächst im Rat die Neigung bestanden, daß nur die westlichen Ratsmitglieder die D e n k schrift verantworten und zur Veröffentlichung freigeben sollten. So wäre einem in jener 276 277

Die Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

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versehen wollte, wie dies bereits bei der Landwirtschafts-Denkschrift und, in etwas abgewandelter Form, auch bei den beiden vorhergehenden Denkschriften über Eigentumsbildung und Teilzeitarbeit geschehen war280. Der Rat wandte sich dann dem Wortlaut im einzelnen zu. Sämtliche Abschnitte erhielten, wie Wilkens berichtet 281 , die „uneingeschränkte Zustimmung des Rates", allerdings - und dies keineswegs unerwartet mit Ausnahme des Vertriebenenteils ( = Kapitel II). Einige Ratsmitglieder sahen die darin enthaltene Kritik als überzogen an und setzten dem die positiven Erfahrungen kirchlicher Vertriebenenarbeit entgegen. D o c h besonders Bischof Kunst warnte davor, „bei aller Anerkennung der kritischen Anfragen an Kapitel II diesen Teil allzu sehr der kirchlichen Selbstkritik zu entkleiden" 282 . Kunst war es auch, der den Rat darauf hinwies, daß die Denkschrift „sicherlich Aufsehen erregen wird und daß uns eine eingehende Auseinandersetzung bevorsteht" 283 . Unter dem Eindruck der Rücksprache mit den kirchlichen Vertretern der D D R wurde dann erwogen, den Begriff „Vertriebener" aus der Denkschrift zu eliminieren 284 , um deren Verwendbarkeit und Aufnahme in der D D R zu erleichtern, zumindest aber solle, falls sich der Vertriebenenbegriff nicht völlig vermeiden lasse, dessen Gebrauch mit einem gewissen Vorbehalt versehen werden 285 . Wilkens wies solche Überlegungen sofort zurück, und der Rat insgesamt befürwortete einen Verzicht auf den Begriff oder nur einen Gebrauch unter Vorbehalt auch nicht. Einen in letzter Minute im September unternommenen nochmaligen Versuch beantworteten sowohl Wilkens als auch der darüber eilends in den U S A informierte Raiser mit der Ankündigung, sich dann von der Denkschrift distanzieren und ihrer Veröffentlichung widersprechen zu müssen 286 . Rücksprache geäußerten Wunsch entsprochen worden, die Ratsmitglieder aus der D D R ausdrücklich zu entlasten. Wilkens machte jedoch auf mögliche Konsequenzen aufmerksam, die ein solches Verfahren, das erstmalig geübt worden wäre, nach sich ziehen könne. Der Rat Schloß sich diesen Bedenken an. Im Protokoll wurde deshalb festgehalten: „Die Rücksprache mit kirchlichen Vertretern in der D D R hat ergeben, daß die Denkschrift in der Hauptsache von den westlichen Mitgliedern des Rats verantwortet werden muß. D a es aber eine Aufteilung des Rates in zwei Hälften nicht gibt, stimmte der Rat grundsätzlich z u " (Protokoll vgl. A n m . 2 7 6 ) ; vgl. auch Schreiben Wilkens' an Raiser vom 10. 9. 1965, S. 3 (Anm. 275). Zur Erklärung der EKD-Synodalen in der D D R vom März 1966 zur Denkschrift vgl. DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 132. 280 281 282

Vgl. DENKSCHRIFTEN II (S. 2 0 , 1 9 6 f f . , 5 6 f . ) und oben S. 134, Anm. 233. A m 10. 9. 1965 an Raiser, S. 1 (vgl. Anm. 275). Vgl. ebd., S. 3 .

283

Vgl. ebd.

Vgl. zu dieser Diskussion (ebd., S. 2) Schreiben Wilkens an Raiser v o m 13. 9. 1965 (ebd., A z . 1 4 6 1 . X I ) und Raisers Antwort vom 16. 9. 1965 (ebd.). 284

2 , 5 Z . B . der Begriff sei dem allgemeinen Sprachgebrauch, besonders in der einschlägigen Gesetzgebung, entnommen worden. 286 Wilkens argumentierte gegen das am 13. 9. vom Ratsvorsitzenden telefonisch noch-

Die abschließenden Arbeiten an der Denkschrift

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So blieb als einziges Problem die Überarbeitung des zweiten Kapitels übrig. Wilkens sollte z u s a m m e n mit Raiser diesen Teil nochmals überarbeiten unter Berücksichtigung der Aussprache im Rat. A u c h die übrigen mals geäußerte Ansinnen, der Gebrauch des Vertriebenenbegriffs falle „eigentlich kaum ins Gewicht gegenüber der in der Denkschrift vertretenen völkerrechtlichen und politischen Gesamtposition, die in keiner Weise auf den Osten zugeschnitten ist". Die Denkschrift würde dadurch im Westen zusätzlich belastet, ohne daß man „gegenüber den politischen Kräften des O s t e n s " etwas gewinne. Die Eliminierung des Begriffs und dessen Ersetzung durch z . B . „Umsiedlung" würden die tatsächlichen Vorgänge rechtlich und historisch verfehlen. „ D a ß die Entfernung der deutschen Bevölkerung aus jenen Gebieten als .Vertreibung' qualifiziert wird, bildet über den bloßen Begriff hinaus einen integrierenden Bestandteil der Denkschrift überhaupt. Das gilt einmal für die völkerrechtlichen Erwägungen . . . aber auch für die ethischen . . . schließlich für den ganzen Aspekt der Versöhnung, der ja in unserer Denkschrift eine große Rolle spielt. Von ,Versöhnung' kann man doch nur dort reden, w o man aneinander schuldig geworden ist". Scharf und Wilkens vereinbarten daraufhin, die letzte Entscheidung dem Kammervorsitzenden sowie Bischof Kunst zu überlassen. Wenn beide für den bisherigen Gebrauch eintreten, solle es beim jetzigen Text auch bleiben. Raiser antwortete am 16. 9. umgehend auf Wilkens' entsprechende Anfrage: „Es ist eine grobe Selbsttäuschung, anzunehmen, es gehe dabei nur um eine leichte terminologische Abschwächung, die uns nichts koste und es der Kirche in der D D R leichter mache, die Denkschrift zu vertreten. Wenn es so wäre, müßten wir sicherlich nachgeben, so mißlich auch dann die Abweichung vom westdeutschen Sprachgebrauch für die politische Wirkung der Denkschrift in Westdeutschland wäre. Aber wenn man in der D D R offiziell nicht von Vertriebenen sprechen darf, sondern die Leute ,Umsiedler' nennen muß, so verbirgt sich dahinter doch eine Lüge: man darf nicht aussprechen und will nicht wahrhaben, daß hier schweres Unrecht und bitteres menschliches Leid zugefügt worden ist, sondern stellt die Fiktion auf, sie hätten freiwillig, auf geordnetem Wege, unter Mitnahme ihrer H a b e und gegen Entschädigung für den zurückgelassenen Besitz ihre Heimat verlassen, weil sie lieber unter deutscher als unter polnischer Herrschaft leben wollten. N u n also: diese Lüge kann und will ich nicht aussprechen, und ich will nicht, daß meine Kirche sie sich öffentlich zu eigen macht. Sie sagen auch ganz richtig, daß die Feststellung einer unrechtmäßigen Vertreibung die Basis der ganzen Argumentation unserer Denkschrift bildet, daß diese also auch in sich widerspruchsvoll und unglaubwürdig würde, wollten wir sie in der Terminologie verleugnen. Der Vorfall zeigt mit aller Deutlichkeit, daß wir der Kirche mit dieser Denkschrift zumuten, sich in West und O s t unbeliebt zu machen. D a s darf man gewiß nicht leicht nehmen, und wenn der Rat glaubt, das im Blick auf die Gesamtsituation jetzt nicht riskieren zu sollen, so müßten wir uns fügen und die Denkschrift in die Schublade legen. Aber billiger ist die Sache, um die es dabei geht, nicht zu haben. Andererseits ist diese Sache ja nichts Gleichgültiges und Nebensächliches, was die Zumutung nicht lohnte. Wir stechen mit dieser Denkschrift eine Eiterbeule auf, die unsere Innen- und Außenpolitik vergiftet. Natürlich tut das Aufstechen weh, und der Betroffene wird schreien. Aber es geschieht damit etwas Notwendiges und Heilsames für die innere Gesundung unseres Volkes und für den Frieden der Welt. Darum ist die Kirche zu dieser Operation legitimiert und sollte sich ihr nicht entziehen, auch wenn sie selbst dabei Opfer bringen muß. Unseren Freunden in der D D R aber können und müssen wir doch sagen, daß wir damit gerade ihnen helfen wollen, indem wir das Gerede vom westdeutschen Revanchismus abzubauen versuchen und die Türen nach dem Osten öffnen wollen. D a s ist, wenn es wirken und Bestand haben soll, mit verschleiernden Worten nicht zu haben und geht die ganze Kirche, nicht nur die westliche Hälfte etwas an. Darum müssen wir sie bitten, in dieser Sache gegenüber ihren Machthabern nicht nur die Haltung des Petrus einzunehmen . . . "

148

D i e Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen"

Kammermitglieder sowie die Mitglieder des Rates selbst sollten Gelegenheit erhalten, noch „einzelne Wünsche vorzutragen". In wichtigen Zweifelsfällen solle der Ratsvorsitzende in Verbindung mit Raiser und Kunst Entscheidungen treffen. Wilkens schlug außerdem vor, daß zum zweiten Kapitel „ausdrücklich noch einmal Bischof Wester als Beauftragter für Umsiedler- und Vertriebenenfragen gehört werden" solle287, wozu sich Wester auch bereit fand288. Als Termin für den endgültigen Abschluß legte der Rat den 10. September 1965 fest. Außer den Änderungsvorschlägen von Bischof Wester sowie noch einigen Hinweisen von Bischof Kunst trafen keine weiteren Änderungswünsche bei der Redaktion ein289. Wilkens hatte die Denkschrift in der auf Grund der Ratssitzung nochmals veränderten Fassung den Landeskirchen zugehen lassen, damit diese ihre Bestellungen aufgeben konnten 290 . Die Verbreitung auf Bundesebene, im Bereich der Parlamente, Ministerien, der Verbände, oblag der E K D unter Federführung ihres Bevollmächtigten am Sitz der Bundesrepublik Deutschland, Bischof Kunst. Am 10. September 1965 Schloß Wilkens die redaktionellen Arbeiten ab und übergab das Manuskript der Druckerei (ohne sich der Möglichkeiten zu einzelnen Korrekturen damit begeben zu haben), um die für Mitte Oktober vorgesehene Veröffentlichung nicht zu verzögern 291 . Die Kammer hatte ihre Arbeit am Thema „Recht auf Heimat" abgeschlossen und die Zustimmung des Rates dazu erhalten. Sowohl thematisch als auch im Blick auf die Adressaten war man weit über den Ansatz287 Dies ist dann durchgeführt worden (vgl. nächste A n m . ) ; eine Festlegung im Ratsprotokoll findet sich nicht. Wilkens berichtete jedoch Raiser am 1 0 . 9 . 1 9 6 5 über diesen Vorgang ( S 2 f . ; vgl. A n m . 275). 2 , 8 Wilkens hatte ihm die vorherige Fassung auch schon zugeschickt, war jedoch ohne A n t w o r t geblieben. In seiner A n t w o r t auf die neuerliche Anfrage beschränkte sich Wester auf einige Bemerkungen und Veränderungsvorschläge zum I I . Teil, zum Ganzen der D e n k schrift äußerte er sich aus G r ü n d e n , die unten noch dargestellt werden sollen, nicht (vgl. dazu noch Schreiben Gunderts an Lilje vom 22. 10. 1965; A K K , 6454, Beiheft: Beauftragter der E K D für die Flüchtlingsarbeit B i s c h o f D . Wester - Schleswig, A z . 1 8 7 5 . X I I . 2. Ang.). 289 Wilkens hatte sofort die Denkschrift - d . h . also deren I I . Kapitel - nach der Ratssitzung im Sinne der dortigen Aussprache umgearbeitet und diese Fassung Prof. Raiser geschickt, der daran noch seinerseits weitere Korrekturen vornahm, die er am 23. 8. von den U S A aus an Wilkens absandte, der sie am 10. 9. erhielt und noch berücksichtigen konnte. 250 Dieses Verfahren hatte der Rat beschlossen, damit die Denkschrift in größerer Auflage gedruckt werden konnte. 291 Dieser Zeitpunkt war gewählt worden, um einerseits genügend Abstand zur Landwirtschaftsdenkschrift zu erhalten, andererseits aus Rücksicht auf die vom 8. bis 10. 11. 1965 angesetzte Arbeitstagung der E K D - S y n o d e in Frankfurt/Main. Wilkens schrieb am 10. 9. 1965 an Raiser: „Wenn wir nicht ab Mitte O k t o b e r mit der Denkschrift herauskommen, geraten wir auch mit der Arbeitstagung der Synode hinsichtlich der OffentlichkeitsWirkung in K o n f l i k t " (S. 7; vgl. A n m . 275).

D i e abschließenden Arbeiten an der Denkschrift

149

punkt der Jahre 1962/63 hinausgelangt. Weder beschränkte sich die nun geplante kirchliche Stellungnahme auf das Heimatrecht-Problem, noch richtete sich die Denkschrift bloß an die davon unmittelbar betroffenen Kirchenglieder. Wilkens „Ceterum censeo" am Ende dieser Arbeit der Kammer läßt davon etwas ahnen, ohne doch die spätere Wirkung der Denkschrift in ihrem ganzen Ausmaß bereits zu erfassen: „Im übrigen bin ich der Meinung, daß wir mit unserer Denkschrift in eine außerordentlich günstige Situation hineinkommen werden. Sogar im Wahlkampf hat es viele Hinweise darauf gegeben, daß sich unsere Ostpolitik, besonders auch gegenüber Polen, neu orientieren muß. Die Veröffentlichung unserer Denkschrift trifft gut mit der Aufnahme der Arbeit durch den neuen Bundestag zusammen." 2 9 2

2,2

Ebd.

Kapitel 4 VERTRIEBENE U N D KIRCHE - ZUR AUSEINANDERSETZUNG UM DIE DENKSCHRIFT

„Die Denkschrift über ,Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des Deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn' hat die . . . E K D in den politischen Meinungsstreit hineingestellt wie kein vergleichbares D o kument zuvor". So beschrieb Wilkens nach etwas mehr als einem Jahr die Wirkung, die von der Denkschrift in der Öffentlichkeit ausgegangen war 1 . U n d aus der Distanz eines weiteren Jahrzehnts läßt sich hinzufügen: wie kein vergleichbares Dokument seither. Die evangelische Kirche stand in den Wochen nach Veröffentlichung der Denkschrift im Mittelpunkt des politischen und publizistischen Interesses. U n d umgekehrt beherrschte der Denkschriftvorgang wochenlang die Aktivitäten und Diskussionen im kirchlichen Raum selbst: Kein kirchliches Gremium, keine Landeskirche und kaum eine Gemeinde, in der nicht auf diese oder jene Weise Stellung dazu bezogen wurde. Das Ausmaß sowohl der Beteiligung an der öffentlichen Diskussion als auch der Fragen, die in die Auseinandersetzungen einbezogen wurden, sprengte den Rahmen der kirchlichen Vertriebenenarbeit in vielerlei Hinsicht, was im übrigen ja durchaus den Intentionen entsprach, die mit der Denkschrift verknüpft worden waren. So übersteigt der gesamte Vorgang auch Bereich und Zusammenhang dieser Dokumentation bei weitem und soll deshalb hier nur unter folgender Fragestellung behandelt werden: Welche Aufgaben erwuchsen der kirchlichen Vertriebenenarbeit durch die Denkschrift, welche Ansprüche wurden an sie gestellt; welchen Wandlungen war jene Arbeit durch Veröffentlichung und darauf folgende Auseinandersetzungen unterzogen? Was für ein Licht fällt von der kirchlichen Vertriebenenarbeit, ihrer Entwicklung, ihren Impulsen und auch ihren Fehlschlägen auf den Gesamtvorgang um die Ost- und Vertriebenendenkschrift? Mit dieser Begrenzung ist eine weitere Einschränkung verbunden, die obwohl für eine historische Arbeit selbstverständlich - hier doch nicht unausgesprochen bleiben soll: Ein Urteil über die seelsorgerliche Wirkung, die der Denkschrift-Vorgang unter den Vertriebenen tatsächlich auslöste, über - je nach der Einschätzung des Beobachters - „Erfolg" oder 1

E. WILKENS, Sinn.

D i e Denkschrift: C h a n c e oder Belastung?

151

„Schaden" kann eine am historischen Quellenmaterial ausgerichtete Darstellung nicht liefern. Hier kann es immer nur um entsprechende Äußerungen und Urteile der am Vorgang Beteiligten, der davon Betroffenen gehen, deren Hoffnungen, bzw. Sorgen, und das Gewicht, das den einzelnen Parteien in jenem Prozeß zugemessen werden mag. Mit dieser Einschränkung soll jedoch keineswegs der Anspruch einer nun im Vergleich zu der Vielzahl der übrigen Darstellungen besonderen Objektivität und womöglich Neutralität erhoben werden. Allenfalls sollen damit die Grenzen in Erinnerung gebracht werden, welche dieser Auswertung des Dokumentationsmaterials gesetzt sind. Diese Grenzen rühren einerseits aus den äußeren Bedingungen des gesamten Dokumentationsvorhabens, andererseits aber auch - wie bereits erwähnt 2 - daher, daß die Dokumentation selbst noch ein Teil dessen ist, was es hier darzustellen gilt.

1. Die Denkschrift:

Chance oder Belastung der

Vertriebenenseelsorge?

Die Denkschrift sollte nach den Intentionen ihrer Verfasser und der kirchlichen Leitungsgremien sowohl der Form als auch der Sache nach den Rahmen kirchlichen Wirkens in der Politik nicht sprengen. Dieser Zielsetzung entsprach der Veröffentlichungsmodus: Am 1. Oktober 1965 sandte die Kirchenkanzlei den Mitgliedern des Rates der E K D , den Kirchenleitungen der Landeskirchen, den Mitgliedern der Synode und der drei Kammern 3 und schließlich den Mitgliedern des Ostkirchenausschusses die Druckexemplare mit der Bitte zu, die Denkschrift bis zum 20. Oktober 1965, 19 Uhr, das ist die der Presse, Funk und Fernsehen gesetzte Sperrfrist, als „vertraulich" und nur für den „innerkirchlichen Dienstgebrauch" zu behandeln 4 . Zu jenem Datum hatte - neben der oben 5 berichteten terminlichen Abstimmung mit der Landwirtschafts-Denkschrift die Erwägung geführt, die E K D müsse auf jeden Fall den Eindruck vermeiden, sie wolle unmittelbaren Einfluß auf die aktuelle Tagespolitik nehmen: Nach den Wahlen zum fünften Deutschen Bundestag im September 1965 standen die ersten Oktoberwochen im Zeichen der Verhandlungen über eine Regierungsbildung. Dieses zeitliche Zusammentreffen hatte sich „ganz unbeabsichtigt" ergeben, vermochte jedoch die Intentionen der Verfasser der Denkschrift zu symbolisieren, wie Wilkens in einem 2 3

Vgl. die Einleitung zur gesamten Arbeit (Bd. I, S. X V f f . ) . F ü r öffentliche Verantwortung, soziale O r d n u n g und publizistische Arbeit.

4 Rundschreiben N r . 1 5 8 4 . X I vom 1. 10. 1965 ( A K K , X I Vertriebenen-Denkschrift. Rundschreiben). D e n Kirchenleitungen der Landeskirchen wurde vorgeschlagen, bei der Weiterleitung der von ihnen bestellten Exemplare (vgl. S. 148) an die Pfarrer, sonstige kirchliche Amtsträger und Dienststellen diese Sperrfrist ebenfalls einzuhalten. s

Vgl. oben S. 1 4 1 , A n m . 2 6 3

152

A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m die D e n k s c h r i f t

begleitenden Pressekommentar erläuterte 6 : Man wolle nicht ins einzelne gehende politische Forderungen erheben, aber man halte „in evangelischen K r e i s e n z u B e g i n n eines neuen A b s c h n i t t e s in der P o l i t i k der B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d den Z e i t p u n k t für g e k o m m e n . . ., m a n c h e M e t h o d e n , A r g u m e n t e und Ziele der D e u t s c h l a n d p o l i t i k besser als b i s h e r auf ihren W i r k l i c h k e i t s g e h a l t zu prüfen . . . F ü r die N e u o r d n u n g des Verhältnisses zu den östlichen N a c h b a r n ist nichts n ö t i g e r als die A b k e h r v o n den leeren W o r t e n , der A b b a u t h e o r e t i s c h e r R e c h t s k o n s t r u k t i o n e n und die D ä m p f u n g k o n f u s e r Z u k u n f t s e r w a r t u n g e n . A n die Stelle müssen eine n ü c h t e r n e B e t r a c h tung der T a t s a c h e n und das klare Bild einer künftigen F r i e d e n s o r d n u n g z w i s c h e n den V ö l k e r n treten, die die Interessen aller b e r ü c k s i c h t i g t . "

Dies zu ermöglichen, Grundlagen und Raum für einen politischen Wandel zu schaffen, ohne diesen in Einzelheiten bereits zu bestimmen, und so den Rahmen kirchlichen Wirkens in der Politik zu sprengen, darin sehen Verfasser und Herausgeber der Denkschrift einen der christlichen Gemeinde aufgetragenen politischen Dienst 7 . Erste Reaktionen auf die Denkschrift vermitteln den Anschein, daß wenigstens diese Zuordnung zum konkreten politischen Geschäft auch von den Kritikern der Denkschrift zunächst akzeptiert wurde. Die einzige mir bekannte Stellungnahme in der „Karenzzeit" zwischen dem 1. und 20. Oktober, das Telegramm Philipp V.Bismarcks an den E K D - R a t s v o r sitzenden am 13. Oktober 1965 8 , enthält keinen die Legitimation eines solchen kirchlichen Handelns betreffenden Einwand, sondern Bedenken zu inhaltlichen Einzelfragen und zum Verfahren der Erstellung. Dennoch sollte v. Bismarck, auch wenn er die Kirche vorher zur Beschäftigung mit den Vertriebenen- und Ostfragen gedrängt hatte, deshalb nicht als Befürworter der Motive angesehen werden, welche Rat und Verfasser der Denkschrift bestimmten 9 . Der Vorsitzende des Ostkirchenausschusses, dem zusammen mit dem Vorsitzenden des Ostkirchenkonvents am 7. September 1965 „noch vertraulich, nicht zur Weitergabe bestimmt" ein Exemplar von der Kirchen-

6

T h e o l o g i e und V ö l k e r r e c h t in der deutschen O s t p o l i t i k .

7

I m V o r w o r t des R a t e s der E K D v o m 1. 10. 1965 (DENKSCHRIFTEN 1 / 1 , S. 7 9 f . ) h e i ß t es

d a z u : D i e K i r c h e „kann und will sich damit n i c h t an die Stelle der z u m politischen H a n d e l n B e r u f e n e n setzen, aber sie k a n n h o f f e n , einen Beitrag z u r V e r s a c h l i c h u n g der D i s k u s s i o n und zur U r t e i l s b i l d u n g z u leisten, einige der b e s t e h e n d e n S p a n n u n g e n zu beseitigen u n d damit die W e g e z u m p o l i t i s c h e n H a n d e l n zu e b n e n " . 8

A K K , 0 4 3 , B e i h e f t : D e n k s c h r i f t . . . und F i n a n z e n . Philipp v o n B i s m a r c k hatte auf

eigenen W u n s c h ein E x e m p l a r der D e n k s c h r i f t v o n W i l k e n s z u r „persönlichen I n f o r m a t i o n " z u g e s c h i c k t b e k o m m e n und daraufhin als V o r s i t z e n d e r des Ständigen R a t e s der „ O s t d e u t schen L a n d e s v e r t r e t u n g e n " Präses S c h a r f dringend gebeten, die V e r ö f f e n t l i c h u n g d e r D e n k schrift „ a u s z u s e t z e n " und s o ein „ U n g l ü c k zu v e r h i n d e r n " . D a der R a t s v o r s i t z e n d e sich z u j e n e m Z e i t p u n k t i m A u s l a n d aufhielt, b e a n t w o r t e t e die K i r c h e n k a n z l e i ( W i l k e n s am 13. 10. 1 9 6 5 ) das T e l e g r a m m . ' V g l . o b e n S. 9 8 f. und 102, s o w i e das S u p p l e m e n t u n t e n , S. 3 1 6 f .

D i e D e n k s c h r i f t : C h a n c e oder B e l a s t u n g ?

153

kanzlei zugeleitet worden war 10 , bezog wie von Bismarck seine Kritik auf einzelne Sachaspekte, ebenfalls ohne den kirchlichen Gremien das Recht zu solchen politisch relevanten Äußerungen abzusprechen". Diese Beobachtung trifft auch für andere kirchliche Stimmen von Vertriebenenseite zu. In einer Stellungnahme der „Gemeinschaft evangelischer Ostpreußen e.V." 1 2 und des Berliner Konvents ehemaliger ostpreußischer Pfarrer 13 vom 20. O k t o b e r 1965 wird zwar der Kirche als Aufgabe „die Verkündigung der frohen Botschaft von der in Christus geschehenen Versöhnung des Menschen mit G o t t " zugewiesen, ohne daß daraus wie in der späteren Argumentation, der Kirche ein Verdikt politischer Äußerungen zur Frage der O d e r - N e i ß e - L i n i e auferlegt worden wäre. Vielmehr erklärten die Sprecher der von den „Beienrodern" getrennten Ostpreußen damals: „ D i e s e V e r s ö h n u n g mit G o t t hat n o t w e n d i g e r w e i s e die V e r s ö h n u n g mit M e n s c h e n z u r F o l g e . D a r u m wären wir d a n k b a r , w e n n die D e n k s c h r i f t der E K D als R u f z u r V e r s ö h n u n g verstanden w e r d e w ü r d e . W i r h o f f e n , daß durch M i ß v e r s t ä n d n i s s e h i n d u r c h auch durch diese D e n k s c h r i f t alles z u m B e s t e n gekehrt w i r d . " 1 4

A u c h die „einmütig" gefaßte Stellungnahme des Konvents evangelischer Gemeinden aus P o m m e r n vom 2. N o v e m b e r 1965 beginnt trotz mancher Kritik im einzelnen ebenfalls mit der Feststellung: „Das Recht der E K D , zu brennenden Fragen des öffentlichen Lebens Stellung zu nehmen, darf an sich nicht bestritten werden." 1 5 W e n n diese Aussage überhaupt für notwendig erachtet wurde, so ist dies nun aber doch ein Hinweis darauf, wie die Frage nach Kompetenz und Begrenzung des politischen Wirkens der Kirche in den Vordergrund

10

V g l . S c h r e i b e n G ü l z o w s an die V o r s i t z e n d e n der H i l f s k o m i t e e s v o m 13. 11. 1945

( A O K A , C 6 a / 1 9 6 5 , S. 4). "

G ü l z o w hatte seine B e d e n k e n und K r i t i k g e g e n ü b e r der D e n k s c h r i f t am 2 5 . 9 . 1965

dem R a t s v o r s i t z e n d e n , Präses Scharf, schriftlich mitgeteilt ( A b s c h r i f t in: NACHLASS BRUMMACK, A k t e „ O K A 1 9 6 5 " ) . 12

V g l . dazu o b e n S. 83 f.

13

V g l . dazu o b e n S. 81.

14

NACHLASS BRUMMACK ( A k t e „ K r i t i k - k i r c h l i c h " ) . A u c h der S p r e c h e r der G e m e i n -

schaft ev. Schlesier, J . KONRAD, der dem V o r h a b e n der Ö f f e n t l i c h k e i t s k a m m e r sehr kritisch gegenüberstand (vgl. dazu o b e n S. 140), erklärte i m D e z e m b e r 1965 die K i r c h e a u s d r ü c k lich für berechtigt, „zu politischen G r u n d s a t z f r a g e n Stellung z u n e h m e n , die das W o h l und W e h e unseres V o l k e s , den F r i e d e n und die G e r e c h t i g k e i t unter den V ö l k e r n v e r a n t w o r t l i c h b e t r e f f e n " . K o n r a d w a r n t e die K i r c h e dann allerdings davor, „ m i t dem E v a n g e l i u m u n m i t telbar P o l i t i k m a c h e n zu w o l l e n " und sieht in der D e n k s c h r i f t die T e n d e n z „in eine präjudizierende R i c h t u n g , die die B e r e i t s c h a f t zu w e i t g e h e n d e r Preisgabe der deutschen O s t g e b i e t e z u m m i n d e s t e n nahelegt und damit dem verfassungsbegründeten g e s a m t d e u t schen Interesse g e g e n ü b e r ein sehr reales u n d b e d e n k l i c h e s P o l i t i k u m darstellt, das . . . sich auch außenpolitisch gefährlich a u s z u w i r k e n v e r m a g " . E r s c h w ä c h t diese B e f ü r c h t u n g jed o c h sogleich w i e d e r mit dem H i n w e i s a b : „ A b e r es geht u m eine , D e n k ' - S c h r i f t , nicht u m ein kirchliches D e k r e t ! " (Ja und N e i n z u r D e n k s c h r i f t der E K D ) . 15

V g l . A n m . 14.

154

Auseinandersetzung um die Denkschrift

rückte - mit einer gewissen Notwendigkeit, muß man wohl hinzufügen. Denn es ist kaum zu bestreiten, daß dieser Frage vom gesamten Vorgang her eine sachliche Berechtigung zukommt. Die Umstände, unter denen die Denkschrift an die Öffentlichkeit gelangte, nämlich vor Ablauf der von der Kirchenkanzlei gesetzten Sperrfrist, war einer weiteren sachlichen Erörterung der Frage nach dem politischen Mandat der Kirche allerdings nicht eben dienlich. Bereits am 14. Oktober 1965, während die Verhandlungen um eine neue Regierungsbildung noch in vollem Gange waren, veröffentlichte das katholisch orientierte Wochenblatt „Echo der Zeit" einige Auszüge aus der Denkschrift unter der Schlagzeile: „Separate protestantische Außenpolitik? Denkschrift der Öffentlichkeitskammer der E K D " . In einem redaktionellen Vorspann wurde die Denkschrift in Verbindung mit der Regierungsbildung, besonders mit dem für eine Korrektur der Ostpolitik eintretenden bisherigen Außenminister Gerhard Schröder, gebracht 16 . U m solche vorschnell angestellten Kombinationen auszuschließen, hatte die Kirchenkanzlei ja auch gerade die Sperrfrist auf den 20. Oktober, 19 Uhr - d.h. nach Abgabe der Regierungserklärung durch den neu gewählten Bundeskanzler - gesetzt 17 . Als nun schlagartig nach dem 14. Oktober die Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit einsetzten, lag einem Großteil der Zeitungs- und Rundfunkredaktionen die Denkschrift selbst noch gar nicht vor, wohl aber gab es bereits erste „Kommentare" der säkularen Vertriebenenverbände. Das Wochenende des 16./ 17. Oktober hatte einer Reihe von Gremien zu Zusammenkünften gedient, die allesamt zu scharfen Angriffen auf die E K D genutzt wurden. Unter „Mißbrauch der kirchlichen Autorität" fordere die evangelische Kirche in politischem Dilettantismus eine widerrechtliche Anerkennung der vom „kommunistischen Imperialismus" durch „Gewalt und List" geschaffenen Zustände 18 . 16 Vgl. Rundschreiben der Kirchenkanzlei N r . 1936.XI vom 26. 10. 1965 an die Organe von Presse, Rundfunk und Fernsehen (vgl. Anm. 4). - Der Vorspann im „Echo der Zeit" lautet: „Die Kammer für öffentliche Verantwortung der evangelischen Kirche hat eine Denkschrift ausgearbeitet, die sich insbesondere mit Fragen des deutschen Ostens beschäftigt. Anders gesagt: Es geht um die künftigen deutsch-polnischen Grenzen, also um die heutige Oder-Neiße-Linie. Das dreißig Seiten umfassende Werk soll am 20. Oktober, wenn der Bundeskanzler nach seiner Wahl die Regierungserklärung abgibt, veröffentlicht werden. Angesichts der Denkschrift erinnert sich vielleicht mancher des protestantischen Engagements für Außenminister Schröder und auch an die Meinungsverschiedenheiten über den von ihm angestrebten O s t k u r s . " 17 Der Chefredakteur von „Echo der Zeit" drückte gegenüber der Kirchenkanzlei sein Bedauern über den Vorgang aus (vgl. ebd.). 18 N u r wenige Wochen darauf, Anfang Januar 1966, veröffentlichte R. HENRYS Beiträge zur Reaktion auf die Denkschrift. In einer dpa-Meldung hieß es: „Der Bund der Vertriebenen (BdV) hat am Samstag (16. 10. 65) die Denkschrift der E K D scharf kritisiert. Mit großer

155

D i e D e n k s c h r i f t : C h a n c e oder B e l a s t u n g ?

Entsprechend lauteten die Schlagzeilen der Presse am 18. Oktober, sollte die Öffentlichkeit durch die Sprecher der Vertriebenenverbände eingestimmt werden. Die Kirchenkanzlei sah sich deshalb schon am 21. O k t o b e r zu einer ersten Reaktion veranlaßt. Ihrer Presseerklärung „Gesprächsbereitschaft der E K D über ihre Vertriebenendenkschrift" 1 9 sind die wesentlichen Punkte zu entnehmen, deren sachliche Erörterung der Kirchenkanzlei durch den publizistischen Start gefährdet erschien. Sie lassen sich fast ausnahmslos unter der Frage zusammenfassen, inwieweit und in welcher Weise der evangelischen Kirche im Bereich des Politischen, speziell der Vertriebenen- und Ostpolitik ein Mandat zukomme. Die Kirchenkanzlei befürworte ein solches Mandat, soweit dieses auf die „sittlichen und menschlichen Grundlagen politischen Lebens und H a n delns" abhebt und beanspruche für die Kirche auch das Recht, diese Grundlagen „möglichst konkret auf aktuelle Aufgaben anzuwenden" (Pkt. 8). Die E K D bediene sich dabei der Mitarbeit von Fachleuten (Pkt. 3). So sei auch bei der Ost-Denkschrift verfahren worden, die einer Versachlichung der Auseinandersetzung dienen solle. Die bisherige Handhabung dieser Frage habe nämlich „zu einer zunehmenden Verhärtung der Meinungsfronten geführt." „Die jetzigen Äußerungen der Vertriebenenverbände bestätigen die Notwendigkeit eines solchen Versuches, bei dem es nicht darum gehe, politische Einzelmaßnahmen" zu empfehlen, also z . B . die „schlichte Anerkennung der O d e r - N e i ß e - G r e n z e " . Vielmehr müsse die Regelung der strittigen Fragen zwischen Polen und Deutschland . . in dem Willen beider Völker verankert sein, ein

B e s t ü r z u n g hätten f ü h r e n d e K r e i s e des B d V diese D e n k s c h r i f t zur K e n n t n i s g e n o m m e n . . . D i e deutschen V e r t r i e b e n e n hätten 2 0 J a h r e lang auf ein seelsorgerliches W o r t der evangelischen K i r c h e gewartet, in d e m auch die u n m e n s c h l i c h e n V e r t r e i b u n g s m a ß n a h m e n A n n e x i o n deutschen Staatsgebietes d u r c h k o m m u n i s t i s c h - a t h e i s t i s c h e

und

Regierungen

ge-

b r a n d m a r k t w e r d e n . D i e j e t z t getroffene Aussage von einem G e r i c h t G o t t e s erscheine pharisäerhaft und als ein M i ß b r a u c h der kirchlichen A u t o r i t ä t in b e z u g auf die P r ä j u d i z i e rung v ö l k e r r e c h t l i c h e r F r a g e n " ( D e u t s c h l a n d , S. 34 f.). I n einer E r k l ä r u n g der B u n d e s d e l e g i e r t e n v e r s a m m l u n g der L a n d s m a n n s c h a f t Schlesien, die am selben T a g einstimmig verabschiedet w u r d e , wird es „moralisch, h i s t o r i s c h , rechtlich und politisch u n v e r a n t w o r t l i c h " genannt, „dem deutschen V o l k und seiner freigewählten R e g i e r u n g z u e m p f e h l e n , die in O s t d e u t s c h l a n d durch G e w a l t und List geschaffenen Z u stände endgültig a n z u e r k e n n e n und damit auf ein Viertel deutschen T e r r i t o r i u m s g e g e n ü b e r dem k o m m u n i s t i s c h e n Imperialismus zu v e r z i c h t e n " (ebd., S. 3 5 ) . Schließlich tagte an j e n e m W o c h e n e n d e auch der „Ständige R a t der o s t d e u t s c h e n L a n d e s v e r t r e t u n g e n " unter V o r s i t z v. B i s m a r c k s in H a m b u r g . I n der E r k l ä r u n g w i r d darauf hingewiesen, daß „aus z u m T e i l unrichtigen E i n z e l h e i t e n falsche und gefährliche S c h l u ß f o l gerungen g e z o g e n " w ü r d e n ; „gefährlich deshalb, weil die von der B u n d e s r e g i e r u n g und allen Parteien des B u n d e s t a g e s in U b e r e i n s t i m m u n g mit den o s t d e u t s c h e n H e i m a t v e r t r i e b e nen vertretenen G r u n d l a g e n der deutschen O s t p o l i t i k verfälscht w ü r d e n " (ebd., S. 35 f.). 19

HANDAKTEN WILKENS, I. Vgl. auch R . HENRYS, D e u t s c h l a n d , S. 3 6 .

156

A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m die D e n k s c h r i f t

neues, auf der Versöhnung beruhendes nachbarschaftliches Verhältnis zu begründen" (Pkt. 4 und 5)20. Dieser Beginn der Auseinandersetzung legte eine Kluft offen zwischen den offiziellen Sprechern der Vertriebenenverbände und der evangelischen Kirche. Das war angesichts des Gegenstands der Denkschrift wohl kaum vermeidbar und kann angesichts eines bereits länger keimenden Mißtrauens21 auch nicht ganz überraschen. Daß die Auseinandersetzungen jedoch durch eine derartige Polarisierung bestimmt würden, konnte nicht im Interesse der E K D liegen. Es widersprach vielmehr den mit der Denkschrift verknüpften Intentionen und Erwartungen, zu einer „Versachlichung" zu gelangen und der „zunehmenden Verhärtung der Meinungsfronten" entgegenzuwirken. Es galt durch Informationen das Spektrum der ostpolitischen Gesichtspunkte zu erweitern, um über eine allzu stereotype Politik des Rechtsanspruches hinauszugelangen und so zwischen unterschiedlichen Positionen und Interessenlagen zu vermitteln 22 . 20

D i e K i r c h e n k a n z l e i äußerte in der Presseerklärung die V e r m u t u n g , d a ß die ersten

S t e l l u n g n a h m e n der V e r t r i e b e n e n v e r b ä n d e „ o h n e K e n n t n i s des vollen W o r t l a u t s der D e n k schrift f o r m u l i e r t " w o r d e n seien. „Sie folgen der verbreiteten M e t h o d e , u n b e q u e m e A u f f a s sungen fachlich und m o r a l i s c h h e r a b z u s e t z e n , zugleich aber für den eigenen S t a n d p u n k t einen A b s o l u t h e i t s a n s p r u c h z u e r h e b e n " ( P k t . 2). V g l . R . HENRYS ( D e u t s c h l a n d , S. 3 6 ) , der j e n e V e r m u t u n g mit R e c h t als i m n a c h h i n e i n u n e r h e b l i c h b e z e i c h n e t , weil sich die g r u n d sätzliche S t e l l u n g n a h m e des B v D - P r ä s i d i u m s v o m 2 2 . 10., die gewiß auf der vollen K e n n t nis der D e n k s c h r i f t b e r u h t , nach S p r a c h g e b r a u c h und Inhalt n i c h t wesentlich v o n den ersten E r k l ä r u n g e n unterscheidet. H e n k y s ist allerdings auch n i c h t ganz frei davon, eine gewisse Spielart jenes i n k r i m i n i e r t e n „ A b s o l u t h e i t s a n s p r u c h e s " z u v e r t r e t e n . E r unterscheidet in der A u s e i n a n d e r s e t z u n g zwei G r u p p e n : diejenigen, die „eine vorurteilslose E r w ä g u n g aller . . . in B e t r a c h t k o m m e n d e n F a k t e n b e f ü r w o r t e n m i t dem Ziel einer neuen G r u n d l a g e n b e s t i m m u n g o h n e v o r h e r feststehendes E r g e b n i s " , w u r d e n v o n i h m m i t d e m A t t r i b u t „freies D e n k e n " belegt, w ä h r e n d die andere G r u p p e derjenigen, „die das E r g e b n i s der D i s k u s s i o n als von v o r n h e r e i n feststehende Bestätigung ihres eigenen A n s a t z e s v o r w e g n e h m e n " (dazu r e c h n e t er „fast g e s c h l o s s e n " die V e r t r i e b e n e n o r g a n i s a t i o n e n und deren Presse), das K e n n z e i c h e n „tabuisiertes D e n k e n " erhalten. D i e V e r w e n d u n g s o l c h e r w o h l aus der Sexualerzieh u n g g e w o n n e n e n K a t e g o r i e n erscheinen historisch wenig aufschlußreich. D a m i t w i r d d o c h w o h l auch nur ein m y t h i s c h e r Schleier ü b e r genau a b g r e n z b a r e politische G e g e n s ä t z e u n d dahinter liegende gesellschaftliche Interessenunterschiede g e w o b e n . 21

V g l . z . B . o b e n , S. 9 8 f . u. 140.

22

In diesem Z u s a m m e n h a n g ist die E r k l ä r u n g a u f s c h l u ß r e i c h , die das V o r s t a n d s m i t g l i e d

der S P D , H e r b e r t W e h n e r , bereits am 18. 10. 1 9 6 5 a b g a b : „ D i e S o z i a l d e m o k r a t i s c h e Partei sieht mit S o r g e , in w e l c h e r S c h ä r f e und V e r b i t t e r u n g die D i s k u s s i o n ü b e r die D e n k s c h r i f t geführt w u r d e . Es ist ein b e d e n k l i c h e s Z e i c h e n , w e n n zwei für das gesellschaftspolitische L e b e n in der B u n d e s r e p u b l i k b e d e u t e n d e G r u p p e n in dieser A r t und W e i s e gegeneinander a r g u m e n t i e r e n . D i e S o z i a l d e m o k r a t i s c h e Partei k a n n deshalb n u r den R a t geben, sich an einen g e m e i n s a m e n T i s c h z u s e t z e n , in R u h e m i t e i n a n d e r z u diskutieren, u m vielleicht d o c h z u einer g e m e i n s a m e n A u f f a s s u n g z u k o m m e n o d e r z u m i n d e s t V e r s t ä n d n i s u n d A c h t u n g für die gegenseitigen S t a n d p u n k t e z u f i n d e n " (zit. n a c h R . HENRYS, D e u t s c h l a n d , S. 5 3 ) . D i e s e „ S o f o r t r e a k t i o n " ( R . H e n k y s ) zeigt, wie die ersten R e a k t i o n e n der V e r t r i e b e n e n s p r e c h e r die T e n d e n z f ö r d e r t e n , den D e n k s c h r i f t v o r g a n g i m wesentlichen auf eine Polarität v o n V e r t r i e b e n e n v e r b ä n d e n u n d E K D hinauslaufen z u lassen. D a r a n k o n n t e der ev. K i r c h e j e d o c h n i c h t

D i e D e n k s c h r i f t : C h a n c e oder Belastung?

157

Die ersten W o c h e n standen ganz im Zeichen der Bemühung, die Auseinandersetzungen auf diese Ebene zu heben. A m Tag der Presseerklärung der Kirchenkanzlei erschien ein mehrseitiger Artikel im epd. Darin gab Spiegel-Schmidt einen Rückblick auf die Entwicklung des O s t - und Heimatproblems in der kirchlichen Vertriebenenarbeit; er hielt diese dem Pauschalurteil der säkularen Vertriebenensprecher - die Kirche habe 20 Jahre zu den Problemen geschwiegen - entgegen und hob auf diesem Hintergrund zugleich heraus, welch differenzierten Beitrag die E K D mit der Denkschrift geleistet habe 23 . Das Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 26. O k t o b e r 1965 an die publizistischen Organe 2 4 und die Presseerklärung des Ratsvorsitzenden v o m 29. O k t o b e r „Sachgemäße Diskussion" 2 5 belegen, daß zunächst um die Klärung von Sachverhalten aus dem Umfeld der Entstehung 2 6 und Veröffentlichung der Denkschrift gekämpft gelegen sein, verfolgte sie d o c h mit der D e n k s c h r i f t gerade die I n t e n t i o n , zwischen divergierenden P o s i t i o n e n zu vermitteln. W e h n e r s Erklärung ist der V e r s u c h , nun aber gerade die S P D in eine solche Vermittlerposition zu setzen, abgesehen davon, daß er auf diese W e i s e einer Festlegung der Partei auf eine b e s t i m m t e Position vorerst ausweichen k o n n t e . Vgl. zu den D i s k u s s i o n e n innerhalb der Parteien in jenen W o c h e n ebd., S. 4 7 f f . H e n k y s beschreibt in seinem A u f s a t z auch ausführlich das E c h o der Presse, in der D D R , in P o l e n und im übrigen Ausland. 23

EPD B , N r . 4 2 v o m 21. 10. 1965, S. 8 ff. F. SPIEGEL-SCHMIDT hat sich dazu dann

ausführlicher geäußert ( K i r c h e , S. 10 ff.). 24

Vgl. o b e n S. 154, A n m . 16.

25

HANDAKTEN W I L K E N S , I .

26

Ein Beispiel ist der V o r g a n g um die Distanzierung Landsbergs, eines Schwagers des

Bundesaußenministers S c h r ö d e r , von der D e n k s c h r i f t (vgl. dazu z . B . K . - A . ODIN, D e n k schriften, S. 154). L a n d s b e r g hatte bereits am 14. 10. seinen W u n s c h , sich von der D e n k schrift zu distanzieren, in einem Schreiben an W i l k e n s z u m A u s d r u c k gebracht. S o w o h l W i l k e n s als auch (am 21. 1 0 . 1 9 6 5 ) der K a m m e r v o r s i t z e n d e selbst antworteten Landsberg in einer W e i s e , die diesen zufriedenstellte (Schreiben Landsbergs an Raiser v o m 25. 10. 1 9 6 5 ; V o r g a n g abschriftlich i n : A K K , 0 4 3 , B e i h e f t : D e n k s c h r i f t . . . und F i n a n z e n , o . A z . ) . I m D e z e m b e r schließlich wurde durch die in M ü n c h e n erscheinende „ D e m o k r a t i s c h - K o n s e r v a t i v e - K o r r e s p o n d e n z " dieser V o r g a n g in einer den Sachverhalten nicht entsprechenden W e i s e " erneut von offensichtlich interessierter Seite h o c h g e s p i e l t " , wie es in einem internen R u n d s c h r e i b e n am 17. 1. 1966 ( N r . 1 5 8 4 . X I ) der K i r c h e n k a n z l e i heißt. M i t diesem Schreiben stellte die K i r c h e n k a n z l e i anhand der betr. D o k u m e n t e den Sachverhalt richtig (vgl. Anlage a - m ) . In diesem Z u s a m m e n h a n g sei auch auf die D i f f a m i e r u n g s k a m p a g n e n hingewiesen, die von A n f a n g an gegen einige am Z u s t a n d e k o m m e n der D e n k s c h r i f t beteiligten Personen geführt wurden. S o verbreitete K u r t Ziesel im N o v e m b e r 1965 über R a i s e r unzutreffende B e h a u p t u n g e n , die sich auf dessen Tätigkeit unter dem Nationalsozialismus bezogen (vgl. das interne R u n d s c h r e i b e n der Kirchenkanzlei N r . 1 5 8 4 . X I v o m 1. 2. 1 9 6 6 , Anlage 1 + 2). E n d e N o v e m b e r 1965 antwortete die K i r c h e n k a n z l e i der R e d a k t i o n von „ D i e W e l t " auf eine entsprechende Bitte, man sei „zu Mitteilungen über Einzelheiten aus der sehr k o m p l e x e n V o r g e s c h i c h t e der D e n k s c h r i f t und zu der erbetenen Einsicht in die hierzu vorliegenden A k t e n " nicht bereit, w o h l aber zu einem „Informationsgespräch über den Stand der D i s k u s s i o n " . D i e B e g r ü n d u n g lautete, die K i r c h e n k a n z l e i k ö n n e sich „von einer weiteren öffentlichen E r ö r t e r u n g strittiger N e b e n f r a g e n keinen N u t z e n für die Sache selbst v e r s p r e c h e n " , sie nehme dafür „ L ü c k e n und unzutreffende M i t t e i l u n g " in K a u f (vgl. EPD,

158

Auseinandersetzung um die Denkschrift

werden mußte und die Erörterung der Ost- und Vertriebenenprobleme selbst dahinter zurücktrat. Herausragende Bedeutung in der Turbulenz jener Oktobertage erlangte der Rücktritt des Vertriebenenbeauftragten der E K D , Bischof Wester, worauf unten noch gesondert eingegangen wird. So sicher es sich auch bei den Fragen der Vorgeschichte und den Auseinandersetzungen, die sich daran entzündeten, im Blick auf das zentrale Anliegen der Denkschrift um „Nebenkriegsschauplätze" handelte, so wenig kann dennoch ein sachlicher Zusammenhang geleugnet werden mit den Motiven und dem kirchlichen Selbstverständnis, die zur Denkschrift und ihrer Veröffentlichung geführt haben. Das Problem kirchlicher Äußerungen von politischer Relevanz, das ja die Frage der Legitimation, des Verhältnisses von genuin kirchlichem Auftrag und immanent politischem Sachverstand berührte, war brisant genug, um das sofort aufwallende Interesse an der Entstehungsgeschichte, an der Frage, wer die Autoren dieser Äußerungen eines Organs der E K D , wer die Ratgeber und sonstigen Beteiligten waren, erklären zu können. Hatten nicht in der Vorgeschichte der Denkschrift bereits mehrmals diese Probleme eine Rolle gespielt und deren Lösung zugleich wichtige Entscheidungen in der Sache selbst impliziert? Oder war es nicht von größter sachlicher Bedeutung, daß die Behandlung des Heimatrechtproblems schließlich der Kammer übertragen wurde und nicht einfach dem Ostkirchenausschuß oder dem Vertriebenenbeauftragten überlassen blieb; und hängt damit nicht eng die Konzeption zusammen, jenes Problem nicht als einen Teilaspekt der Vertriebenenseelsorge, sondern als eine das ganze deutsche Volk betreffende Schicksalsfrage zu behandeln? Die in diesem Zusammenhang aufkommenden Fragen der Legitimation, sowohl hinsichtlich der Beteiligung einzelner kirchlicher Instanzen als auch prinzipiell hinsichtlich der Aufgaben und Grenzen des kirchlichen Auftrags, standen im Vordergrund, als sich eine Arbeitstagung der Synode der E K D vom 8. bis 10. November 1965 in Frankfurt/Main mit der Denkschrift beschäftigte und durch eine Entschließung einen ersten entscheidenden Schritt zur Rezeption der vom Rat veröffentlichten Denkschrift auf der Ebene der E K D vollzog. Diese Arbeitstagung war für den westlichen Teil der E K D einberufen worden, um den 1957 abgeschlossenen Vertrag der E K D mit der Bundesrepublik Deutschland zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge 27 zu überprüfen, sowie überhaupt Fragen der Militärseelsorge, der KriegsGRÜNER DIENST N r . 4 6 / 6 5 vom 1. 12. 1965, S. 7f.). Diese Einstellung der Kirchenkanzlei führte dazu, daß die oben (S. 118) genannte Dokumentation von Schwarz zu einer Hauptquelle für die öffentlichen Darstellungen der Entstehungsgeschichte wurde. Als eine der ersten kann ein Artikel von L. HARMS (Disput) gelten. 27 ABL E K D (Sonderheft v o m 20. 7 . 1 9 5 7 ) .

D i e Denkschrift: Chance oder Belastung?

159

dienstverweigerung und des Ersatzdienstes beraten zu können 28 . Die seit nahezu vier Wochen in Gang befindliche heftige Diskussion um die Denkschrift ließ es jedoch unvermeidlich und auch erwünscht erscheinen, dem Vertriebenen- und Ostthema durch Erweiterung der Tagesordnung auf der Arbeitstagung Raum zu geben. Raiser und Wilkens, die maßgeblichen Autoren der Denkschrift, erhielten damit erstmalig Gelegenheit, vor einem derartigen, die E K D in Westdeutschland repräsentierenden Gremium und damit vor einer breiten Öffentlichkeit ausführlich über Entstehung und Intention der Denkschrift zu referieren und so in die seit vier Wochen tobenden Auseinandersetzungen einzugreifen. Beide Referate geben Zeugnis darüber, welche Aspekte in der Öffentlichkeit bis dahin besonders umstritten waren und im Interesse einer positiven Aufnahme der Korrektur bedurften. Die meisten dieser Fragen und Anstöße lassen sich nun tatsächlich unter dem Gesichtspunkt der kirchlichen Legitimation zusammenfassen. Dies fängt bei Äußerlichkeiten an, etwa der Frage, ob die Veröffentlichung der Denkschrift nicht einer vorherigen Zustimmung der Synode bedurft hätte, und setzt sich fort mit dem Problem der Sachverständigkeit, den spezifisch kirchlichen Interessen an dem Gegenstand - diese Aspekte wurden vor allem von Raiser erörtert - und endet schließlich bei der Frage in Wilkens' Referat nach der „eigentlichen Verbindlichkeit" der Denkschrift als eines kirchlichen Dokuments. Im Anstoß daran, daß der Rat vor der Veröffentlichung der Denkschrift die Synode nicht gefragt hatte, spiegelt sich das Bewußtsein vom außergewöhnlichen politischen Gewicht wider, das dem Denkschriftvorgang in der Öffentlichkeit zugemessen wurde. Es gibt nach der Grundordnung der E K D keinen Anlaß zu einem solchen Vorgehen; eine dahin zielende Kritik ist also „rechtlich unhaltbar", wie Raiser zu Beginn seines Referats erläuterte 29 , selbst dann, wenn man das Verhältnis Rat-Synode vollständig in Analogie zum säkularen Parlamentarismus deuten würde. Wenn in der kurzen Debatte dennoch der Punkt nicht einfach erledigt war, so beruht dies wohl auf der Erfahrung der Synodalen, „draußen" als Synodale für die Denkschrift zur Rechenschaft gezogen worden zu sein 3: . 28

V g l . B e r i c h t ü b e r die ARBEITSTAGUNG FRANKFURT 1 9 6 5 . - D i e s e „ A r b e i t s t a g u n g " w a r

die erste ihrer A r t und e r m ö g l i c h t w o r d e n d u r c h ein K i r c h e n g e s e t z v o m 13. 3. 1 9 6 3 , nach w e l c h e m M i t g l i e d e r der E K D - S y n o d e zu solchen S o n d e r t a g u n g e n z u s a m m e n g e r u f e n w e r den k ö n n e n , um „kirchliche A n g e l e g e n h e i t e n v o n allgemeiner o d e r regionaler B e d e u t u n g z u erörtern und dazu auch nach eigenem E r m e s s e n E n t s c h l i e ß u n g e n zu fassen" ( V o r w o r t ; e b d . , S. 5). E i n e solche R e g e l u n g w a r s c h o n deshalb n o t w e n d i g g e w o r d e n , um im geteilten D e u t s c h l a n d Fragen auf s y n o d a l e r E b e n e abhandeln zu k ö n n e n , die lediglich in einem der beiden deutschen Staaten e r ö r t e r t w e r d e n k o n n t e n ; dies trifft b e s o n d e r s im Falle der Militärseelsorge zu. 29

E b d . , S. 82.

30

B e s o n d e r s im V o t u m des der b a y e r i s c h e n K i r c h e a n g e h ö r e n d e n S y n o d a l e n W a l t e r

H o p f ist dieses M o m e n t z u e r k e n n e n . E r verweist zunächst darauf, daß die D e n k s c h r i f t

160

A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m die D e n k s c h r i f t

Die synodale Arbeitstagung beließ das Legitimationsproblem jedoch nicht auf dieser Ebene, sondern behandelte es als Frage der inneren Berechtigung, der kirchlichen Autorisierung. Nicht nur Raiser und Wilkens hatten die Legitimationsfrage bereits in diesem Zusammenhang erörtert, sondern auch Bischof Hans-Otto Wölber, wohl einer der profiliertesten Kritiker unter den Nichtvertriebenen, stellte diesen Gesichtspunkt in das Zentrum seiner Stellungnahme. Einen äußeren Anlaß dazu bildete neben den beiden Einführungsreferenten selbst ein Antrag, den Professor Heinrich Vogel unterstützt von Klaus von Bismarck und Eberhard Müller zur Abstimmung brachte, die Arbeitstagung solle gegenüber Kammer und Rat ihren Dank aussprechen und die Gemeinden um ein ernstliches Bedenken ersuchen 31 . Raiser hatte in seinem Referat eine dreifache „Sorge" genannt, die das mit der Denkschrift übernommene kirchliche Mandat im Bereich des Politischen begründete bzw. erfordere: „ E s ist die S o r g e u m das menschliche Schicksal der Vertriebenen unter u n s ; es ist die S o r g e u m das hinter allem politischen H a n d e l n stehende sittliche Selbstverständnis des d e u t s c h e n V o l k e s , u m sein politisches Schicksal, u n d z w a r des deutschen V o l k e s zu beiden Seiten des E i s e r n e n V o r h a n g e s , f ü r d a s sich ja die E v a n g e l i s c h e K i r c h e in D e u t s c h l a n d v e r a n t w o r t l i c h weiß. U n d es ist endlich die S o r g e u m die E r h a l t u n g des F r i e d e n s in der Welt gerade an der Stelle, an der unserer K i r c h e die V e r k ü n d i g u n g des E v a n g e l i u m s aufgetragen ist." 3 2

Zu Recht ging Raiser davon aus, daß der erste Legitimationsgrund unbestrittene Anerkennung innerhalb der Kirche finden dürfte, als ein wie Raiser es nennt - „opus proprium unserer Kirche, ein Stück Gruppenseelsorge"". Dagegen hatte sich an der zweiten „Sorge" eine heftige Debatte entfacht, implizierte sie doch das Problem des politischen Sachverstandes und damit zusammenhängend die Beteiligungsfrage. Raiser wies auf die Gefahr einer Isolierung hin, in welche die Vertriebenen geraten könnten, wollten sie einen politischen „Monopolanspruch" erheben auf die Behandlung und Durchführung der Ostpolitik. Das übrige Volk könnte dann, so warnte Raiser, „mehr und mehr gleichgültig zusehen" 34 . Doch ist es nicht bloß dieses Bedenken, viel gewichtiger für das durch d a s V o r w o r t des R a t s v o r s i t z e n d e n „einen offiziellen C h a r a k t e r b e k o m m e n " habe, berücksichtigt aber nicht - dies sei nebenbei b e m e r k t daß auch in den v o r h e r g e h e n d e n D e n k s c h r i f t e n g e n a u s o ( L a n d w i r t s c h a f t s d e n k s c h r i f t ) oder ähnlich ( E i g e n t u m s d e n k s c h r i f t , mit E i n s c h r ä n k u n g auch die D e n k s c h r i f t über Teilzeitarbeit) verfahren w o r d e n w a r , u n d fährt d a n n f o r t : „ W e n n m a n die s y n o d a l e B e z i e h u n g kirchlicher A r b e i t f ü r n o t w e n d i g hält, dann vor allem d o c h hier. G i b t es wichtigere F r a g e n in u n s e r e m V o l k als gerade die in der D e n k s c h r i f t b e h a n d e l t e n ? . . . U n s werden draußen als Mitglieder der S y n o d e Schwierigkeiten, V o r w ü r f e g e m a c h t . Ich h a b e selbst darin E r f a h r u n g e n g e m a c h t . . . (ebd., S. 105). 31

E b d . , S. 103 f.

52

E b d . , S. 85.

Ebd. 34 E b d . , S. 87. A u f die K i r c h e übertragen hieße das, so R a i s e r , nur der O K A sei b e f u g t , „ z u diesem T h e m a öffentlich d a s W o r t zu n e h m e n " (S. 86). 33

Die Denkschrift: Chance oder Belastung?

161

Legitimationsproblem sind für Raiser der geschichtliche Zusammenhang, in den Heimat- und Ostfragen eingebettet sind, und das Verständnis, das ein Christ der Geschichte und speziell diesem Zusammenhang angedeihen zu lassen habe: Nationalsozialismus, Krieg und Kriegsfolgen seien „Schicksalschläge, die das ganze deutsche Volk betrafen" und das ganze Volk deshalb auch „gemeinsam anzunehmen und zu verstehen lernen" müsse. Die Kirche trage die Sorge um eine „rechte Auseinandersetzung" damit. Auch der dritte Punkt gerate erst bei näherer Differenzierung in die Kontroverse. Selbstverständlich fand und findet sich auch unter den Kritikern der Denkschrift keiner, der das Streben nach einer friedlichen Lösung für verzichtbar erachtet, wenn die ostpolitischen Forderungen auf andere Weise durchgesetzt werden könnten. Doch die Autoren der Denkschrift sind hierüber hinausgegangen, wie Raiser erklärte: „. . . wir meinen, daß nach allem, was in diesem östlichen Raum geschehen ist, die Aufrechterhaltung, oder sagen wir genauer: die Herstellung eines in die Zukunft hinein haltbaren Friedenszustandes mit unseren östlichen Nachbarn größere Anstrengungen und Opfer von uns fordert, als jene nur auf Wiederherstellung [der Grenzen des Deutschen Reiches von 1937] gerichteten Erklärungen erkennen lassen. U n d daher waren wir der Meinung, es sei Recht und Pflicht der Kirche, gerade hier von Versöhnung zu sprechen, auch in den Herrschaftsbereich des Kommunismus hinein." 35

Bei alledem kam es Raiser auf den unlöslichen Zusammenhang zwischen diesen drei Gesichtspunkten an, besonders zwischen dem ersten und den beiden übrigen, also zwischen der „Lage der Vertriebenen" und dem „Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn". In der öffentlichen Auseinandersetzung war den Autoren der Denkschrift gelegentlich Lieblosigkeit vorgeworfen worden, weil man sich zunächst gegenüber der aufnehmenden Seite zum Anwalt der Vertriebenen gemacht habe, sie aber dann in den restlichen Abschnitten der Hoffnung beraubte, zu ihrem Recht zu gelangen und in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen. Der Vorsitzende der Offentlichkeitskammer hielt einer solchen Kritik entgegen, daß umgekehrt die Kirche gerade lieblos gehandelt hätte, wenn sie sich auf einen der beiden Aspekte beschränkt hätte. Lieblos wäre es gewesen, „nur vor außenpolitischen Illusionen zu warnen, ohne zugleich nach der Lage der Vertriebenen im Inneren zu fragen". Und andererseits könne - so Raiser - „die notwendige und die Wunden langsam heilende Verschmelzung" nicht gelingen, solange das deutsche Volk in „Wunschdenken" und „Selbstgerechtigkeit" verharre: Das „unablässige Reden über unverzichtbare Rechtsansprüche" reiße „doch nur die Wunden immer neu" auf und verhindere die „Verschmelzung" 36 . Diesen in der Tat ja kaum zu bestreitenden Sachzusammenhang entwickelt zu haben, ist eines 35

Ebd., S. 87.

36

Ebd., S. 86.

162

Auseinandersetzung u m die D e n k s c h r i f t

der Ergebnisse, mit denen sich die Denkschrift über frühere Erklärungen aus dem kirchlichen Raum hinaushebt und das ja auch nicht von Anfang an, wie oben37 gezeigt, in den Erwägungen der Kammer vorhanden war. Diesen Legitimationsgründen theologisch nachzugehen und zu belegen, wie die Kirche mit dieser Denkschrift ihrem ureigenen Auftrag nachkommt, war eine der Aufgaben, die sich Wilkens in seinem Referat „Die Denkschrift ,Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn' als kirchlich-theologisches Dokument" gestellt hatte38. Der spezifische Dienst der Kirche im Bereich des Politischen sei auf „innere Kriterien", die „Vorbedingungen politischen Handelns" ausgerichtet. Dementsprechend sei die Denkschrift auf die „Tiefendimension der politischen Urteilsbildung" konzentriert worden 39 . Eine theologische Konzeption, die den christlichen Beitrag bis in den Bereich der politischen Einzelentscheidung hinein treibt, wird dadurch ebenso eingeschränkt wie diejenige theologische Ethik, die den Verzicht auf „kirchlich-theologische Mitwirkung in den politischen Dingen" überhaupt impliziert. Der Christ müsse, so beschrieb Wilkens das theologisch-ethische Konzept der Denkschrift, „die in geistlicher Erkenntnis errungene Bereitschaft z u m Verzicht auch im rechtlichen u n d politischen Bereich manifestieren . . w e n n eine sittliche G e s a m t v e r a n t w o r t u n g es gebietet" 4 0 .

Angewendet auf den Gegenstand der Denkschrift bedeute dies, daß aus der Theologie wie ja auch aus dem Völkerrecht keine verbindliche politische Einzelentscheidung abgeleitet werden könne, weder ein sofortiger Verzicht auf die Ostgebiete, noch ein unabdingbares Beharren auf der Durchsetzung eines Heimatrechts. Auf eine solche Weise komme die Kirche ihrem Auftrag im Bereich des Politischen also nicht nach. Dazu vermöge sie keine verbindlichen Aussagen zu machen. Den Anspruch auf Verbindlichkeit erhebe die Denkschrift vielmehr damit, „alle Faktoren zur Geltung zu bringen, die beachtet werden müssen, wenn man sich ein zutreffendes politisches Urteil bilden will und wenn man in der Welt von heute und im Interesse einer haltbaren künftigen Friedensordnung politische Entscheidungen treffen will". Dieses Prinzip, wie es sich für die Autoren als theologisch zwingend ergeben hat, impliziert „ein bestimmtes Gefälle auf mögliche oder gar unausweichliche Entscheidungen für das Verhältnis zum polnischen Nachbarn". Wilkens fährt dann fort „soll man, um ein befürchtetes Ergebnis auszuschließen, wesentliche Argumente und Elemente der Wirklichkeit einfach übersehen? Ich glaube, daß 37

S. 108 f.

"

ARBEITSTAGUNG FRANKFURT 1 9 6 5 , S. 9 0 f f .

39

Ebd., S. 90 f. E b d . , S. 93. Vgl. dazu im einzelnen das vorhergehende Kapitel (S. 136ff.).

40

D i e Denkschrift: C h a n c e oder Belastung?

163

wir hier deutlich machen müssen: es gibt für den Christen jedenfalls eine Notwendigkeit, sich der ganzen Fülle der Faktoren zu stellen und sie zu verarbeiten, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, die für eine zulängliche politische Urteilsbildung einfach vorhanden und beim Namen genannt werden müssen." 41 Dies war sicherlich das stärkste Argument, das die Befürworter der Denkschrift hinsichtlich des Legitimationsproblems ins Feld zu führen wußten. An diesem Punkt ließen sich die Begründung für die Notwendigkeit seelsorgerlichen Wirkens an der Gesellschaft im Bereich des Politischen und der politische Sachgehalt der Denkschrift miteinander verbinden. Eine solche Konvergenz von „Seelsorge" und „Realpolitik" 42 basiert auf der Diagnose eines pathogenen Zustands in der Gesellschaft, was die Behandlung der ostpolitischen Fragen und des Heimatproblems betrifft, der katastrophale politische Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Hier zu „heilen", Offenheit für die Gesamtheit der Aspekte in die öffentliche Diskussion zu bringen, ist ein „Akt der Seelsorge an der Öffentlichkeit . . ., an unserem Volke . . ., der vielleicht dann noch über unser Volk in die Nachbarvölker hineinwirkt" 43 . Diese Konvergenz von Seelsorge und Politik war entscheidend für das Ausmaß von Konsens, das es bis dahin in der Nachkriegsgeschichte des deutschen Protestantismus nicht gegeben hatte. Daß die Denkschrift Zustimmung bei ganz unterschiedlich kirchlich und kirchenpolitisch orientierten Persönlichkeiten fand, wurde bereits an den Initiatoren des Antrag Vogels 44 deutlich. Die weitere öffentliche Diskussion um die Denkschrift zeigte, daß sie innerhalb eines breiten Spektrums, das von den kirchlichen Bruderschaften bis zum konservativen Luthertum reichte, befürwortet wurde 45 . 4

' V g l . ARBEITSTAGUNG FRANKFURT 1 9 6 5 , S. 9 4 f.

42

Prof. Vogel auf der Arbeitstagung: „Diese Denkschrift ist . . . ebenso seelsorgerlich

wie realistisch" (ebd., S. 103). 43

Präses Scharf auf der Arbeitstagung (ebd., S. 127).

44

Vgl. oben S. 160.

45

Thielicke, aus früheren politischen D e b a t t e n im R a u m der E K D als engagierter V e r -

fechter der Politik der Regierungspartei(en) bekannt, focht öffentlich für die O s t - D e n k schrift, was angesichts des oben geschilderten Vorgangs (S. 115) nicht weiter überrascht. In einem Artikel „ W a s geht denn das die Kirche a n ? " (SONNTAGSBLATT N r . 4 4 v o m 3 1 . 10. 1965, S. 12), weist er auf die „inneren H a l t u n g e n " und „latenten Ideologien" hin, die, v o n religiöser Relevanz („Geheimnis der Bindungslosigkeit"), gleichwohl „realpolitische M ä c h te von explosiver Z e r s t ö r u n g s k r a f t " seien. I m U m k r e i s des O d e r - N e i ß e - P r o b l e m s gehe es auch um solche „innere H a l t u n g , die sich des Rechtsarguments möglicherweise nur bedient". Sie k ö n n t e „in einem verzweifelten W u n s c h d e n k e n , in einer (leider!) blind machenden Liebe z u r verlorenen H e i m a t , sie k ö n n t e in einem N i c h t - w a h r - h a b e n - w o l l e n realer geschichtlicher Fakten, sie k ö n n t e sogar in starrköpfigem Pharisäertum und in der U n b u ß fertigkeit gegenüber dem Spruch der G e s c h i c h t e " bestehen. Solche Haltungen berührten das „Seelsorgeamt der Kirche aufs tiefste . . . gehen freilich auch den Staat und seine Politiker a n " . D e n n sie können zu „schwelenden Kollektivkomplexen" und zu „Keimzellen des

164

Auseinandersetzung u m die D e n k s c h r i f t

Es war auf der Arbeitstagung wohl nur der hamburgische Bischof Wölber, der diesem Konvergenz-Gesichtspunkt kritisch gegenüberstand und die Fragen aufwarf, ob nicht die Prämissen in Wahrheit politischer und nicht theologisch-ethischer Natur seien, worauf sich die Autorisierung der Denkschrift durch die Arbeitstagung und dann durch die Synode der E K D beziehen wolle, auf eine Denkschrift als bloßen „Diskussionsgegenstand" - aber was soll, so fragte Wölber, dann der außergewöhnliche Aufwand? - oder gehe es auch um den Inhalt der Denkschrift, solle die Synode sie „partiell" anerkennen, nämlich dabei zwischen „theologisch zwingenden Elementen" und politischen „Rändern" trennen, was also auch politische Alternativentscheidungen zulassen würde 46 . In seinen Fragen versuchte Wölber zu belegen, daß in der Denkschrift doch „wirkliche politische Prämissen" vorliegen, z . B . in der Benutzung des „Zeitfaktors" in der Berufung auf die „Versöhnung", im Aufruf an die westdeutsche Politik, initiativ zu werden, im „Kurzschluß" von Vertriebenenproblem und Ostpolitik 47 . Man kann Wölbers Intervention als den Versuch ansehen, den Autoren und Befürwortern das Recht abzusprechen, aus einem genuin kirchlichen Auftrag, einem Akt der Seelsorge heraus so in den politischen Bereich hineinzuwirken, daß daraus politisches Bewußtsein und Handeln in ganz bestimmter Richtung erwächst. Die von jenen angenommene Konvergenz von „Seelsorge" und „Realpolitik" erschien Wölber als „Illusion" 48 , als ein Sich-hinwegtäuschen über tatsächlich getroffene politische Prämissen, darüber, daß die Kirche nun doch „in ein fremdes Feld gegriffen" habe49. U n f r i e d e n s " werden. S o sieht Thielicke den G e g e n s t a n d in der „ Ü b e r s c h n e i d u n g s z o n e zwischen Politik und Seelsorge" angesiedelt. Ein der Kirche zwingend aufgegebenes A m t , die Seelsorge, ist es also, das die E K D mit der Denkschrift ausübt, das sich aber nicht aus dem Z u s a m m e n h a n g mit der Politik, den politischen Sachentscheidungen lösen läßt. 46 ARBEITSTAGUNG FRANKFURT 1965, S. 110 f. In seinem Bericht vor der hamburgischen S y n o d e am 18. 11. 1965 ( A K K , X I . Vertriebenen-Denkschrift. Rundschreiben, N r . 2235 v o m 10. 12. 1965, Anlage 1) formulierte Wölber den Einwand pointierter: Er beschreibt die Denkschrift als ein „Paket . . in welches zwei aneinander hochentzündliche T h e o l o g i e n eingewickelt sind, wobei schließlich eine der beiden" - das „Regieren mit d e m E v a n g e l i u m " nämlich - „den Bindfaden für das Paket liefern m u ß " . D i e D e n k s c h r i f t versuche den „ D u r c h b r u c h bei der V e r s ö h n u n g , und z w a r trotz aller Absicherungen letzten E n d e s ganz grundsätzlich und allgemein gültig". U n d Wölber sieht darin die Möglichkeit des „Mißverständnisses eines unkontrollierten Verzichtwillens" gegeben, der nach seiner M e i n u n g hätte vermieden werden müssen. D a z u hätte man aber „nicht halbkonkret, sondern ganz konk r e t " reden, „also eine Friedensgrenze in A n s e h u n g von V e r s ö h n u n g und R e c h t s b e d ü r f n i s " vortragen müssen. 47 ARBEITSTAGUNGFRANKFURT1965,S. 111 . V g l . h i e r z u w i e d e r u m d i e p r ä z i s e r e A u s f ü h r u n g vor der hamburgischen S y n o d e und Raisers Gegenrede auf der Frankfurter Arbeitstagung (ebd., S. 125f.). 48 „ M e i n e F r a g e ist, o b wir einer bestimmten G r u p p e unter uns Illusionen ausreden 49 E b d . wollten u n d uns selbst in Illusionen . . . bewegt h a b e n " (ebd., S. 111).

Die Denkschrift: Chance oder Belastung?

165

Dieser Frage theologisch nachzugehen, kann nicht Aufgabe einer historischen Darstellung sein. Es ist hier lediglich festzustellen, daß sich die Interpretation des Verhältnisses von Seelsorge und Politik, wie Wölber und seine Freunde sie gaben, in der Denkschrift sich nicht hatte durchsetzen lassen. Auf der Linie jener Interpretation wäre es sicherlich nicht zu der breiten Identifizierung der kirchlichen Gremien, Persönlichkeiten und Gruppierungen im Raum der E K D und der Landeskirchen mit der Denkschrift und der Synodalerklärung von „Vertreibung und Versöhnung" vom 18. März 196650 gekommen. Die Zuordnung des seelsorgerlichen Auftrags der Kirche zur ost-und vertriebenenpolitischen Situation in Westdeutschland, wie sie von den Autoren und Befürwortern der Denkschrift vollzogen wurde, das darin liegende Gefälle von Seelsorge und Politik mit seinen politischen Implikaten, stießen auf eine derartig breite Aufnahme im Protestantismus, daß der Untertitel des Memorandums historisch gesehen zu Recht lautet: „eine evangelische Denkschrift". Inwieweit die Gemeinsamkeit auf dieser Grundlage bei der Frankfurter Arbeitstagung bereits gediehen war, zeigt die Verabschiedung des Antrags der Synodalen Vogel, Bismarck und Müller. Der entsprechende Beschluß besaß zwar nicht die Rechtsverbindlichkeit einer Entscheidung der Synode der E K D , setzte jedoch in jenen Tagen der erregten Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit ein Datum gerade auch hinsichtlich des umstrittenen Legitimationsproblems. Nach einigen Änderungen des von Vogel formulierten Antrags faßte die Arbeitstagung einstimmig bei zwei Stimmenthaltungen folgenden Beschluß: „ D i e in F r a n k f u r t a m M a i n v o m 8. b i s 10. N o v e m b e r 1965 v e r s a m m e l t e A r b e i t s t a g u n g d e r S y n o d e d e r E v a n g e l i s c h e n K i r c h e in D e u t s c h l a n d d a n k t d e r K a m m e r f ü r ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g u n d d e m R a t d e r E v a n g e l i s c h e n K i r c h e in D e u t s c h l a n d f ü r d i e w e g w e i s e n d e D e n k s c h r i f t über ,Die L a g e der Vertriebenen u n d das Verhältnis des deutschen V o l k e s zu seinen östlichen N a c h b a r n ' . Wir werden uns im k o m m e n d e n F rü h j a h r nach gründlicher V o r b e r e i t u n g a u s f ü h r l i c h m i t d e r D e n k s c h r i f t b e f a s s e n . I n z w i s c h e n bitten w i r d i e G e m e i n d e n , d i e D e n k s c h r i f t s o r g f ä l t i g z u lesen u n d e r n s t l i c h z u b e d e n k e n . D i e S c h ä r f e d e r g e g e n wärtigen A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n sollte einem freimütigen u n d sachlichen G e s p r ä c h auch mit m a ß g e b l i c h e n S p r e c h e r n d e r V e r t r i e b e n e n nicht i m W e g e s t e h e n . W i r h o f f e n , d a ß d i e s e D e n k s c h r i f t u n d i h r e w e i t e r e E r ö r t e r u n g d e m G e i s t d e r V e r s ö h n u n g in u n s e r e m V o l k u n d in den östlichen N a c h b a r v ö l k e r n R a u m schaffen wird."51

Mit diesem Dank bestätigte die synodale Arbeitstagung den Legitimationszusammenhang, in den Kammer und Rat die Denkschrift als kirchliche Äußerung gestellt hatten. Aus dem oben Dargestellten geht hervor, wie weitgehend damit bereits auch schon sachliche, ethisch-theologische und politisch relevante Fragen verbunden sind. Dessen waren sich die Synodalen auch bewußt. Wenn die Zustimmung dennoch so einhellig 50

V g l . d a z u w e i t e r u n t e n S. 2 1 3 f f .

51

ARBEITSTAGUNG FRANKFURT 1965, S. 121.

166

Auseinandersetzung um die Denkschrift

erfolgte, lag dies allerdings auch noch an der besonderen Konstellation, in die die Arbeitstagung dadurch geraten war, daß sie die Debatte über die Denkschrift überhaupt aufgenommen hatte und daß der Antrag, wie geschehen, dort eingebracht worden war52. Welchen Eindruck hätte die Öffentlichkeit gewinnen müssen, wenn diese Synodaltagung zur Denkschrift geschwiegen hätte? Hätte man ein solches Verhalten nicht als eine Distanzierung vom Rat der E K D deuten müssen, dessen Mitglieder seit Erscheinen der Denkschrift einer heftigen Polemik, teilweise einer Flut von Schmähungen, in Einzelfällen sogar Bedrohungen von Leib und Leben ausgesetzt waren 53 ? Diese Konstellation darf allerdings nun auch nicht überbewertet werden. Die Aussprache über Vogels u.a. Antrag blieb ja auch keineswegs auf diese Ebene beschränkt. Was die Synodaltagung zum Ausdruck bringen wollte, wie weit sie der Sache nachzugehen bereit war, zeigt die Behandlung der Zusatzanträge, am aufschlußreichsten die Entscheidung, das Attribut „wegweisend" der Denkschrift zu belassen. Der Berliner Synodale Martin Schutzka forderte die Streichung, weil er in dem Attribut eine „Vorbeurteilung" und Festlegung der Synode sah; ähnlich argumentierte der Synodale Harms 54 . Die Arbeitstagung Schloß sich in ihrer Mehrheit diesen Bedenken nicht an, sondern folgte der Argumentation von Eberhard Müller und Bischof Scharf, die gerade im Wegfallen des „wegweisend" eine der Sachlage nicht angemessene Distanzierung erblickten. Es bliebe, so Müller, dann lediglich der Dank für die „Fleißarbeit des Rates und der Kammer" übrig, so daß der Eindruck entstehen könnte, die Arbeitstagung lehne es überhaupt ab, zur Denkschrift Stellung zu beziehen. Scharf wies darauf hin, daß ein entgegengesetztes MißVerständnis entstehen könnte, nämlich daß die Synodaltagung die Denkschrift voll, „geradezu im Blick auf jedes einzelne Wort" bejahe55. Mit der Beibehaltung des Attributs „wegweisend" brachte die Arbeitstagung wohl ziemlich genau das Ergebnis ihrer Diskussion zum Ausdruck: Sie bejahte die Denkschrift hinsichtlich ihrer Motivation, ihrer methodischen und damit auch sachlichen Zielsetzung, ohne sich jedoch im einzelnen bereits festzulegen oder der zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehenen ausführlichen Erörterung vorzugreifen 56 . Vgl. dazu v. a. das Votum von Landesbischof Lilje (ebd., S. 112ff.). Lilje berichtete von sich wie von anderen Ratsmitgliedern, viele solcher Schmähschriften erhalten zu haben, und sprach in dem Zusammenhang von „Ausbrüchen eines ungezügelten, das H u m a n e weit überschreitenden H a s s e s " . Auch die Kirchenkanzlei der E K D , die Landeskirchenleitungen, vermeintliche oder tatsächliche Autoren sahen sich solchen Reaktionen gegenübergestellt. 54 Ebd., S. 118 und 119. 55 Ebd., S. 119. 56 Diese Interpretation der Entschließung ergibt sich aus der Analyse der Passagen „nach weiterer gründlicher Vorbereitung ausführlich . . . befassen" und „Die Schärfe der gegenwärtigen Auseinandersetzungen sollte . . . nicht im Wege stehen" (vgl. ebd., S. 120). 52 53

Die Denkschrift: Chance oder Belastung?

167

Die Synodaltagung bejahte die Denkschrift als eine in genuin kirchlicher Kompetenz erstellte Äußerung, legitimiert aus dem spezifisch kirchlichen Auftrag an der Gesellschaft im Bereich des Politischen, sie bejahte sie bei aller möglichen Kritik im einzelnen als ein legitimes Mittel der Seelsorge. Nach dieser Arbeitstagung war die E K D als ganze, nicht bloß gewisse Gremien wie Rat oder Kammer, ohne bereits auf einzelne materielle Aussagen festgelegt zu sein, in die Auseinandersetzung um die Denkschrift eingetreten. Dem hatten die Kritiker und überhaupt die Öffentlichkeit nun Rechnung zu tragen. Der Rat stand nicht ohne erkennbaren Rückhalt da, als er sich zur Denkschrift bekannte, wie Scharf es zum Abschluß der Synodalaussprache tat: „Der Rat steht zur Tendenz der Denkschrift. Der Rat steht zum Inhalt der Denkschrift. E r bejaht den Inhalt der Denkschrift uneingeschränkt" . . . Der Rat ist der Auffassung, daß die Denkschrift mit hellen Gründen einer politischen Vernunft argumentiert, daß sie theologische Wertungen vornimmt, die unerläßlich sind, wenn es sich um die Behandlung brennender öffentlicher Probleme handelt, und daß sie vor allem ein seelsorgerlicher Akt ist an der Gruppe der Vertriebenen und an der Gruppe, die die Bevölkerung unseres eigenen Vaterlandes in O s t und West darstellt. Der Rat ist nach der . . . Entschließung, die die Arbeitstagung der Synode verabschiedet hat, der Auffassung, daß die Synode dieses sein Urteil bestätigt hat. Die Entschließung enthält die Momente, die ich eben genannt habe. U n d ich möchte schließen im Namen der Kammer und des Rates mit dem Dank an die Synode, daß sie die Denkschrift diskutiert hat, so, wie es heute erfolgt ist, daß sie die Weiterführung der Diskussion bejaht und daß sie der Tendenz der Denkschrift unter den genannten Aspekten zugestimmt hat." 5 '

So eindrucksvoll diese Zustimmung zur Denkschrift als einem Mittel der Seelsorge erscheint, ein Großteil derer, die sich in den kirchlichen Gremien der Vertriebenenseelsorge annahmen, vermittelte oder gewann, gedrängt durch die ihm Anvertrauten, den gegenteiligen Eindruck. Hier sah man in der Denkschrift eher eine Belastung und damit einen Anlaß zu seelsorgerlicher Bemühung. Daß die Denkschrift unter einer großen Anzahl von Vertriebenen leidenschaftliche Ablehnung, teilweise sogar „Bitterkeit und H a ß " 5 ' auslöste und eine „tiefe Enttäuschung über die Leitung der evangelischen Kirche" 6 0 hervorrufen konnte, läßt sich kaum bestreiten. Die zumeist sehr pauschalisierenden Bemerkungen darüber in den Dokumentationsberichten der Hilfskomitees, aber auch Einzelberichte geben davon Zeugnis: Die „sogen. Ostdenkschrift" habe „zu einer schweren Vertrauenskrise zwischen den Vertriebenen und den Leitungen vieler Landeskirchen ge57 Diese Äußerungen sind auch als Antwort auf die oben referierte Kritik Bischof W ö l bers zu verstehen. 58 Ebd., S. 128f. 59 Vgl. das seelsorgerliche W o r t „An die evangelischen Heimatvertriebenen in Westfalen" des westfälischen Präses Wilm im November 1965 (KJ 1965, S. 69 ff.). ω

Vgl. ebd.

168

Auseinandersetzung um die Denkschrift

führt". Durch Denkschrift und sonstige politische Verlautbarungen aus dem Raum der Kirche haben „die evangelischen Vertriebenen weithin ihr Vertrauen zu ihrer Kirche verloren", schreibt der Schriftführer der Gemeinschaft evangelischer Ostpreußen, Marienfeld61. Doch auch, wer als Verteidiger der Denkschrift solchen Aussagen skeptisch gegenüberstehen sollte - angesichts der stark verallgemeinernden Feststellung sicher nicht ganz zu Unrecht - , der muß sich fragen lassen, welche wesentlich andere Reaktion zunächst denn zu erwarten gewesen sein soll62. Die Initiatoren und Befürworter der Denkschrift waren doch gerade von einer solchen politischen Bewußtseinslage bei einem Großteil der Vertriebenen, aber auch der einheimischen Bevölkerung ausgegangen, die kaum etwas anderes erwarten ließ. So ist es allein vom Standpunkt der Denkschrift selbst bereits wenig konsequent und überzeugend, eine weit verbreitete Verunsicherung der Vertriebenen zu leugnen bzw. nur den Vertriebenensprechern und den Leitungen der Verbände die Verantwortung für die Bewegung und Unruhe in der Kirche und gegen sie zuzuweisen63. Unzutreffend und unglaubwürdig werden die Äußerungen über jene Reaktion jedoch dann, wenn mit ihr gleichzeitig die breite Welle von Zustimmung oder doch zumindest Aufnahmebereitschaft geleugnet wird, welche die Veröffentlichung der Denkschrift bis in die Reihen der Vertriebenen hinein ausgelöst hat64. Nach den Vorgängen in der Entstehungszeit der Denkschrift kann es nicht wunder nehmen, wenn die führenden Persönlichkeiten der kirchli" Dokumentation/Gemeinschaft ev. Ostpreußen, Anlage 7 vom 31. 12. 1972 (VD 32). Vgl. auch Pfr. Marienfelds Bericht (Anhang gelbe Fragebögen im Dokumentationsmaterial/ Westfalen; V D 19). Die vom 4. Kirchentag der ev. Schlesier am 20. 5. 1967 in Worms einstimmig angenommene Erklärung „Die Liebe zum eigenen Volk in der Friedensordnung der Völker" (Materialsammlung zu Pkt. 7 b / l b ; V D 38) spricht von der „notvollen Vertrauenskrise, die infolge der Denkschrift in unserer Kirche und in unserem Volk aufgebrochen ist" (Vorspann). Der sehr differenzierende Bericht des - früher schlesischen - Pfarrers Richard Hoppe über „Die Auswirkungen der Ost-Denkschrift der E K i D in Bayern" auf der bayrischen Jahresversammlung der Gemeinschaft ev. Schlesier, 1966, behandelt u.a. die Reaktion der bayrischen Kirchenleitung auf die „noch immer nachwirkende innere Empörung" und das „verloren gegangene Vertrauen zur Kirche" (S. 4, Dokumentationsmaterial/ Bayern III/6; V D 2.2). Vgl. S. 140f., 146 u. unten S. 189. So weist Pfr. Hoppe in seinem oben erwähnten Bericht die Auffassung zurück, „daß ohne die Proteste der Verbände kein treuer Christ durch die Denkschrift der Kirche entfremdet worden wäre" (S. 10; vgl. Anm. 61). 64 Dies entgegen dem Eindruck, den die Vertriebenenverbände zu erwecken suchten, immer wieder herauszustellen, gehörte damals mit zu den publizistischen Aufgaben der E K D . Vgl. z . B . die Presseerklärung des Ratsvorsitzenden vom 29. 10. 1965 (S. 157) oder auch Wilkens Schlußbemerkung in seinem Referat auf der ARBEITSTAGUNG FRANKFURT 1965: „Eine Gesamtübersicht wird zu dem Urteil kommen, daß das zustimmende Urteil über die Denkschrift das negativ-kritische Urteil bei weitem überwiegt, zumal wenn man an die große deutsche Publizistik in Presse, Rundfunk und Fernsehen denkt" (S. 97). 62

63

Die Denkschrift: Chance oder Belastung?

169

chen Vertriebenenseelsorge dem Ergebnis der Arbeit in der Öffentlichkeitskammer mit mehr oder weniger großen Vorbehalten gegenüberstanden. Wie bereits seit den Tagen des Tübinger Memorandums überwiegt auch jetzt wieder der Eindruck des Reaktiven, den Ostkirchenausschuß, Ostkirchenkonvent in ihrer Arbeit im Bereich der Heimat- und Ostproblematik vermitteln. Dies hatte, wie oben mehrfach gezeigt, sachliche Gründe, die weit in die Geschichte der kirchlichen Vertriebenenarbeit zurückreichen. Die bisweilen „Maulkorberlaß" genannte Bindung der Verlautbarungen des Ostkirchenausschusses an die Zustimmung des Rates65, hat die Möglichkeiten in den entscheidenden ersten Wochen nach der Veröffentlichung sicher auch rein äußerlich beschränkt, doch darf dieser technische Gesichtspunkt gegenüber den Sachaspekten nicht überbewertet werden. Pikant ist in dem Zusammenhang allerdings der U m stand, daß gerade in den Tagen der vorzeitigen Veröffentlichung der Denkschrift, vom 13. bis 15. Oktober 1965, in Kassel der Ostpfarrertag unter dem Generalthema „Besinnung nach 20 Jahren" abgehalten wurde66. Der Vorsitzende des Ostkirchenausschusses kannte zwar seit September den vollen Wortlaut der Denkschrift, durfte jedoch nicht darüber berichten, und der Ostpfarrertag konnte dementsprechend zu dem Gegenstand, der wie kaum ein anderer in die Vertriebenenseelsorge eingriff und monatelang das Interesse der Vertriebenen, sowie der gesamten politischen und kirchlichen Öffentlichkeit wachhielt, weder Erwägungen anstellen noch eine Äußerung von sich geben. Gülzow richtete am 25. September 1965 an den Ratsvorsitzenden eine ausführliche Stellungnahme 67 um als Ausschußvorsitzender „mit der dringenden Empfehlung einer Überarbeitung" der Denkschrift vorstellig zu werden. Faßt man die Punkte der Einzelkritik zusammen, so entsteht ein Bild, wie es bereits aus den vorhergehenden Einwänden der Mitglieder des Ostkirchenausschusses in den Kammer-Verhandlungen bekannt ist. Gülzow hält der im Vorwort des Ratsvorsitzenden geäußerten Absicht, durch Beseitigung der bestehenden Spannungen die „Wege zum politischen Handeln zu ebnen", seinen Eindruck entgegen: „Der Leser . . . ist freilich versucht zu urteilen, daß die Leitung der E K D mit der Denkschrift bereits politisch aktiv wird." Er geht aber ebensowenig wie spätere Sprecher der kirchlichen Vertriebenengremien näher auf den von den Autoren konstatierten besonderen Zusammenhang zwischen Seelsorge und Politik in dieser Frage ein68. 65

Vgl. oben S. 118 f., bes. Anm. 173.

" Vgl. A O K A , C 8 / 1 9 6 5 und O K I 1965, S. 1 f. " NACHLASS BRUMMACK (Akte „ O K A 1 9 6 5 " u.ö.). 68 A m 4. 10. 1965 schickte Wilkens eine Stellungnahme zu Gülzows Kritik an die Ratsmitglieder (West), in der er die Einwände im einzelnen zurückwies. Wilkens stellt zur Frage der politischen Implikationen fest, „daß D . Gülzow in der Denkschrift den Ausdruck

170

A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m die D e n k s c h r i f t

Am 3. und 6. November 1965 beriet dann der Ostkirchenausschuß eingehend über die Denkschrift und die inzwischen darüber entbrannte Diskussion. Verständlicherweise waren die Geschäftsstelle, der Vorsitzende, sowie sämtliche Mitglieder und die Vorsitzenden der Hilfskomitees mit einer nicht abreißenden Reihe von Anfragen und Stellungnahmen eingedeckt. Der Ausschuß kam zu dem Beschluß, „im gegenwärtigen Augenblick eine öffentliche Stellungnahme des Ostkirchenausschusses zur Denkschrift" nicht abzugeben; wohl aber erschien es ihm „ z w i n g e n d n o t w e n d i g . . ., in A n b e t r a c h t d e r in den H i l f s k o m i t e e s entstandenen U n r u h e ü b e r die o b i g e n T a t b e s t ä n d e " erschienene K o m m e n t a r e -

d . h . V o r g e s c h i c h t e , V e r ö f f e n t l i c h u n g und i n z w i s c h e n

„und ü b e r die b e h a u p t e t e Beteiligung v o n M i t g l i e d e r n des

O s t k i r c h e n a u s s c h u s s e s am Z u s t a n d e k o m m e n der D e n k s c h r i f t , den H i l f s k o m i t e e s in e i n e m B r i e f die n o t w e n d i g e n A u s k ü n f t e zu g e b e n " " .

Da es vor allem um die Verlautbarungen über die Beteiligung des Ostkirchenausschusses ging - in einigen Pressemeldungen war sogar von einer Mitverantwortung des Ausschusses für die Denkschrift gesprochen worden, die „zu der Verwirrung, ja Verstörung bei vielen unserer Glaubensgefährten aus dem deutschen Osten . . . beigetragen" haben™ - lag diesem Gremium zunächst vor allem an einer Klärung dieser Frage gegenüber den Hilfskomitees. Eine eingehendere inhaltliche Behandlung der seelsorgerlichen Aufgaben und damit die Auseinandersetzung mit dem Sachgehalt der Denkschrift mußte demgegenüber vorerst noch unterbleiben. Indirekt jedoch enthält das entsprechende Schreiben Gülzows vom 13. November 1965 an die Vorsitzenden der Hilfskomitees schon eine Beurteilung der durch die Denkschrift entstandenen seelsorgerlichen Probleme, wofür die ersten Sätze einen anschaulichen Beleg bilden, abgesehen von der lebendigen Schilderung der Situation, der sich die Vertriebenenseelsorger tatsächlich gegenübersahen: „ M i t g r o ß e r S o r g e h a b e n w i r in den letzten W o c h e n und T a g e n die A u s u f e r u n g der D i s k u s s i o n ü b e r die V e r t r i e b e n e n - D e n k s c h r i f t der E K D verfolgt. D i e V e r ö f f e n t l i c h u n g dieses D o k u m e n t e s hat in den G e m e i n d e n und der Ö f f e n t l i c h k e i t , nicht n u r bei den V e r t r i e b e n e n , begreifliche U n r u h e und V e r w i r r u n g h e r v o r g e r u f e n . E s w i r d I h n e n wie m i r , die w i r uns v o r n e h m l i c h für die Seelsorge an den V e r t r i e b e n e n v e r a n t w o r t l i c h w i s s e n , so gehen, daß w i r uns nicht retten und bergen k ö n n e n v o r A n r u f e n , F r a g e n u n d Z u s c h r i f t e n . Sie erfordern j e t z t unseren äußersten E i n s a t z an seelsorgerischem B e i s t a n d und Z u s p r u c h für die, die o h n e h i n ihre S c h w i e r i g k e i t e n und B e l a s t u n g e n hatten, u m V e r t r a u e n z u den sie a u f n e h m e n d e n K i r c h e n und G e m e i n d e n z u g e w i n n e n , und sich j e t z t als im Stich gelassen m i t

einer p o l i t i s c h e n A k t i v i t ä t b e f ü r c h t e t , den er an anderen Stellen, w o es um seine eigene Sicht geht, v e r m i ß t " (HANDAKTEN WILKENS, X I . 2 4 , N r . 1 5 8 4 . X I ) . G ü l z o w s B r i e f v o m 2 5 . 9 . 1 9 6 5 hat dann in den f o l g e n d e n W o c h e n n o c h eine R o l l e in der ö f f e n t l i c h e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g gespielt, weil er o h n e a u s d r ü c k l i c h e Z u s t i m m u n g des Ο Κ Α - V o r s i t z e n d e n v o m epd v e r ö f fentlicht w o r d e n w a r . 69

N i e d e r s c h r i f t der Sitzung am 3. 1 1 . 1 9 6 5 ( Α Ο Κ Α , A 7, N r . 2 9 2 5 ) .

70

So G ü l z o w in seinem S c h r e i b e n v o m 13. 11. 1 9 6 5 (ebd., C 6 a / 1 9 6 5 ) .

Die Denkschrift: C h a n c e oder Belastung?

171

dem Gedanken an Kirchenaustritt und sonstige Aktionen herumschlagen. G e w i ß haben die Verlautbarungen der Denkschrift, wie wir schon lange befürchteten, auch Reaktionen politischer und nationalistischer A r t wachgerufen, die abzubauen seit zwei Jahrzehnten unser ernstes Bemühen war. U n d doch ist nach meinem Eindruck die durch die Denkschrift ausgelöste Erregung am heftigsten bei den bewußt kirchlichen und christlichen Leuten unter den Vertriebenen. Hier fällt uns allen, liebe Brüder, ein großer Dienst zu, den ich mit herzlicher Fürbitte begleite. G o t t rüste uns dazu mit der Kraft seines Geistes! . . ," 7 '

Mit dieser Einschätzung hatte G ü l z o w im Einvernehmen mit einigen anderen Mitgliedern des Ostkirchenausschusses 7 2 bereits eine Reihe von Fragen vorweg beantwortet, die er am Schluß des Briefes der weiteren Erörterung anheimstellte". Die Schilderung der durch die Denkschrift entstandenen seelsorgerlichen Situation mag verständlich werden aus der Flut von Anfragen und Stellungnahmen, die den Ostkirchenausschuß bis dahin bereits erreicht hatten. U n d eine ganze Reihe darunter wird dem T e n o r entsprechen, wie sie die Stellungnahme kennzeichnet, die ζ. B. Pfr. Marienfeld im N o v e m b e r abgab 74 . Marienfeld schließt seine Kritik mit der Frage: „Mußte das sein? Mußte das wirklich sein? Ich fürchte, die Wege zu einem Neuanfang sind durch die Denkschrift nicht geöffnet, sondern äußerst erschwert - . . ." 7 i D o c h dürfte dies nicht ausschließlich der T e n o r in den Äußerungen Ebd. Bevor er den vom 13. 11. datierten Brief am 17. 11. 1965 an die Vorsitzenden der Hilfskomitees absandte, ließ G ü l z o w seinen Entwurf den Ο Κ Α - M i t g l i e d e r n B r u m m a c k , Harms, Schwarz und dem Geschäftsführer Rauhut zugehen mit der Bitte um mögliche Korrekturen (vgl. NACHLASS BRUMMACK, Heftumschlag „ K a m m e r " ) . 71

72

73 „. . . werden wir zu fragen haben, o b die Denkschrift wirklich geeignet ist, der Seelsorge zu dienen, o b w o h l in ihr unser unvergessener Bruder Girgensohn zitiert wird. Begibt sich, so werden wir von vielen gefragt, die ihre Kirche liebhaben, unsere Kirche nicht mit dieser Denkschrift vielleicht der Möglichkeit des seelsorgerischen Zuspruchs in dem Augenblick, in dem von uns große O p f e r verlangt werden? W i r haben Sorge, daß das W o r t der Kirche dann abgelehnt wird mit der Begründung, daß sie mit dieser Denkschrift selbst zu dem Leid und Leiden der Vertriebenen beigetragen habe" (S. 4 f.). 74 V D 32, A n h . Die Stellungnahme fand als gedrucktes Manuskript weite Verbreitung. Sie wurde außerdem zusammen mit weiteren die Denkschrift ablehnenden bzw. stark kritisierenden Artikeln von B r u m m a c k , Schwarz, Erwin Rogalla, H a n s - G e o r g v. Studnitz und v. Braun in einem Großflugblatt, „Antworten auf die Ostdenkschrift der E K D " , von der Landsmannschaft Ostpreußen bald darauf noch weiter verbreitet, nicht zuletzt um, wie es im Geleitwort heißt, „darüber zu unterrichten, daß es viele Diener unserer Kirche gibt, die der eigenartigen Theologie der Denkschrift nicht zu folgen vermögen". 75 Die von Pfr. Marienfeld selbst vertriebene Broschüre enthält noch einen zusätzlichen Schluß. Darin wird die Denkschrift zitiert: „Die in der Kirche verbliebene Unruhe läßt zweifeln, ob der Vorgang der helfenden und tröstenden Aufnahme in die Gemeinden voll geglückt ist." U n d Marienfeld fährt fort: „Ich kann nicht sehen, daß die Denkschrift hilft und tröstet. Ich kann nur feststellen: Sie verstockt und verbittert! In einem Kirchengebet in unserer Agende der ev. Kirche der U n i o n baten wir: ,Laß deine Gemeinde die Zuflucht der Vertriebenen, Entrechteten und Angefochtenen sein.' Ist unsere Kirche wirklich eine solche Zuflucht? Kann sie jetzt noch so beten, daß ein Vertriebener hier mitbeten kann?"

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Auseinandersetzung um die Denkschrift

gewesen sein, die dem Ostkirchenausschuß bis dahin aus den Reihen der kirchlichen Vertriebenenarbeit vorlagen. Die ebenfalls bereits erwähnte Stellungnahme, die der Konvent evangelischer Gemeinden aus Pommern am 2. November 1965, wie es heißt, „nach eingehender Beratung - ungeachtet der vorhandenen politischen und kirchenpolitischen Meinungen - " einmütig verabschiedet hatte und am 4. November dem Ausschuß zukommen ließ, enthält neben Einzeleinwänden zum dritten, vierten und fünften Abschnitt die ausdrückliche Billigung der „Haupttendenz der Denkschrift, die in dem Zitat des langjährigen Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses, Prof. Girgensohn . . . zum Ausdruck kommt, nämlich auf Schaffung einer wirklich ehrlichen Partnerschaft zwischen Deutschland und Polen76. Der Konvent versteht sich als ein kritischer Anwalt der Denkschrift gegenüber den pommerschen Landsleuten und ihren Sprechern, wenn er dann weiter erklärt: „Die scharfe Kritik einiger Publikationsmittel an der Denkschrift ist zwar wegen der unglücklichen Art der Veröffentlichung dieser Schrift menschlich verständlich, wird aber gleichwohl für nicht der Sache dienlich gehalten. Es erscheint als dringend notwendig, eine gerechte Würdigung durch Veröffentlichung wesentlicher Teile in der ,Pommerschen Heimatkirche' 77 zu ermöglichen und in ein erneutes Gespräch mit unseren Landsleuten über eine rechte Beurteilung politischer Fragen vom Evangelium her und zugleich im Blick auf die heutige Situation der Vertriebenen einzutreten."

Ebenfalls bereits im Oktober 1965 veröffentlichte Pfarrer Walter Eibich in „Glaube und Heimat" 78 eine die Denkschrift verteidigende Stellungnahme. Vor allem aber gibt das Votum von Harms auf der Frankfurter Arbeitstagung der Synode der EKD 79 Zeugnis ab für eine differenziertere Würdigung der Denkschrift, als es die Sätze des Ausschuß-Vorsitzenden darüber vermuten lassen. Der Vorsitzende des pommerschen Konvents und Mitglied des Ostkirchenausschusses übte in mehrfacher Hinsicht eingehende Kritik vor allem an der Einschätzung, die den Vertriebenen, ihrem Heimatverständnis und den von ihren Sprechern, gerade auch denen der kirchlichen Vertriebenenarbeit, propagierten Vorstellungen für eine eu76

NACHLASS BRUMMACK, Akte „Kritik - kirchlich". Zum Girgensohn-Zitat DENK-

SCHRIFTEN 1 / 1 , S. 1 2 0 f f . 77

Also die Zeitung des damaligen pommerschen Hilfskomitees. - In der Oktoberausgabe (Nr. 44, Jg. 1965) hatte bereits der spätere Vorsitzende des Konvents, Pastor Bahr, eine differenzierende, kritische Stellungnahme veröffentlicht, in der dazu aufgefordert wird, die Denkschrift, wo sie „leider nun einmal da ist", „möglichst weit entfernt vom Scheiterhaufen zu lesen, in ernster, sachlicher Arbeit sich zu rüsten auf das endlich nötige Gespräch, in dem die Vertriebenen als gleichberechtigte Partner der Kirche anerkannt werden. Dies letztere ist unsere wichtigste Bitte." 78 Das damals unter Eibichs Schriftleitung stehende Organ der Gemeinschaft ev. Sudetendeutscher e.V. 79 S. 97 ff.

Die D e n k s c h r i f t : Chance oder Belastung?

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ropäische Friedensordnung in der Denkschrift zuteil wird80. Eine Beurteilung, wie die oben aus Gülzows Schreibern zitierte, findet sich in Harms' Votum nicht. Vielmehr begrüßt er, der sich an anderer Stelle seiner Rede ausdrücklich „einen Vertreter des Ostkirchenausschusses" nennt, das Erscheinen der Denkschrift und erkennt an, daß sie einen „guten Dienst tun wollte" 81 . Ohne leugnen zu wollen, daß unter den Vertriebenen eine weit verbreitete Enttäuschung und teilweise auch Verbitterung über die evangelische Kirche herrschten, muß doch andererseits das Bild, wie es im Schreiben des Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses vom 13. November 1965 gezeichnet wird, korrigiert werden. Die Zeugnisse, die bis zu diesem Zeitpunkt vorlagen, lassen es nicht zu, die in dem Brief geschilderte seelsorgerliche Situation unter den Vertriebenen als allgemeingültig anzusehen. Es gab vielmehr auch unter den Ostpfarrern, in den Hilfskomitees und Konventen, Seelsorger, die in der Denkschrift, bei aller Kritik im einzelnen, Ansätze zur Hilfe bei der seelsorgerlichen Bewältigung der Vertriebenenfragen erblickten. Davon wiederum sind diejenigen Gruppen und Einzelpersonen zu unterscheiden, die sich zu den Befürwortern der Denkschrift rechneten und ein entsprechendes seelsorgerliches Konzept in der Vertriebenenarbeit vertraten; dazu gehören etwa Pfarrer aus den ehemaligen ostdeutschen Kirchen in den Bruderschaften. Als Beispiel sei auf eine Erklärung „evangelischer Vertriebener aus Ostpreußen und Schlesien" verwiesen, die am 3. Dezember 1965 von den Pfarrern Günter Baumgart, Herbert Mochalski, Horst Symanowski und Heinrich Treblin unterzeichnet wurde 82 : „Wir . . . danken d e m Rat und der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland dafür, daß sie die . . . D e n k s c h r i f t zur Lage der Vertriebenen auf ihre V e r a n t w o r t u n g g e n o m m e n haben. Wir bitten, n u n m e h r k o n k r e t e Schritte in die Wege zu leiten, die sichtbar werden lassen, daß wir Deutsche mit den Polen im Geiste der Versöhnung miteinander verbunden sein wollen. D u r c h gegenseitige Besuche u n d gemeinsame Erklärung kirchlicher A b o r d n u n g k ö n n t e den Völkern und ihren Regierungen M u t zu einer von Ressentiments freien, realistischen Politik der Verständigung und des Friedens gemacht werden. Wir erklären unsererseits:

,0 So sah H a r m s es als einen „ A f f r o n t " an, daß dort mit keinem W o r t die Charta der Heimatvertriebenen erwähnt w u r d e (ebd., S. 99) u n d zählte zu Beginn seines V o t u m s einige Belege d a f ü r auf, wie kirchl. Vertreter der Vertriebenen gegenüber „Ausfällen" der Vertriebenenpresse gegen die D e n k s c h r i f t tätig geworden sind, u . a . auch gegen die vom „Göttinger Arbeitskreis" verschickte Darstellung Roggallas: „Werke des Teufels" (ebd., S. 98). " „ D a ß die Denkschrift einen guten Dienst tun wollte, sehen wir; daß sie den großen G e w i n n erbrachte, daß diese Frage endlich auf den Tisch g e k o m m e n ist und - wie wir gewiß meinen - auch nicht wieder h e r u n t e r k o m m e n kann, ist uns hoch erfreulich" (S. 97f.). 82 A O K A , C 6a/1965, N r . 3823.

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Auseinandersetzung um die Denkschrift

1. Wir wissen uns mit unzähligen heimatvertriebenen Landsleuten in dem Willen eins, Deutschland möge mit dem heutigen Polen in gut nachbarlichem Einvernehmen leben. Wir halten es nach allem, was geschehen ist, politisch für illusorisch und moralisch für unangemessen, deutscherseits noch Ansprüche auf die ehemaligen Ostgebiete zu erheben. 2. Wir sind Gott, dem Herrn, dafür dankbar, daß er uns einst in den östlichen Provinzen Deutschlands irdische Heimat gewährt hat. 3. Wir bekennen, daß wir Deutsche durch die Unrechtstaten in der Hitlerzeit, besonders durch den militärischen Uberfall im Jahre 1939, durch die 4. polnische Teilung und durch die Ausrottung großer Teile der polnischen Bevölkerung schwere Schuld auf uns geladen haben. Wenn auch einzelne von uns versucht haben, der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gegenüber Widerstand zu leisten, so haben diese Kräfte doch nicht ausgereicht, solches Unrecht zu verhindern. 4. Wir nehmen die nach der militärischen Niederlage und bedingungslosen Kapitulation Deutschlands im Einvernehmen aller Siegermächte erfolgte Vertreibung der Deutschen aus diesen Gebieten mit all ihren, durch das vorhergehende Unrecht provozierten grausamen Begleiterscheinungen als Gottes Gericht über unser Volk an. Wir hoffen zu Gott, er möge allenthalben in unserem Volk, insbesondere in den Herzen der hartgetroffenen Vertriebenen selber, die volle Erkenntnis der gemeinsamen deutschen Schuld wachsen lassen, den Geist unfruchtbarer Selbstbemitleidung oder trotziger Unbußfertigkeit von uns nehmen und uns mit dem Geist der Versöhnungsbereitschaft und der Bitte um Vergebung erfüllen. 5. Wir bitten die verantwortlichen Sprecher der Vertriebenenverbände und der politischen Parteien in der Bundesrepublik, sie mögen davon ablassen, Unrecht gegen Unrecht aufzurechnen, auf juristische Fiktionen (Vorläufigkeit der Oder-Neiße-Grenze usw.) zu pochen und an längst verspielten Gebietsansprüchen festzuhalten; solches bedeutet nicht nur ein Vertuschen der begangenen Schuld am polnischen Volk, sondern verbaut auch alle Wege in eine friedliche Zukunft. 6. Wir danken Gott, daß er uns innerhalb der Grenzen, die dem deutschen Volk heute infolge des von ihm begonnenen und verlorenen Krieges gesteckt sind, eine neue irdische Heimat geschenkt hat. Wir bitten alle Landsleute aus der alten Heimat, im Wissen um das Leid, das Völkerfeindschaft mit sich bringt, in der neuen Heimat tätig an einer Politik völliger Aussöhnung mitzuarbeiten. Die Alteingesessenen in unserer neuen Heimat bitten wir, in dem Bemühen um einen äußeren Lastenausgleich, vor allem aber im Bemühen um menschliches Verständnis für alle, die mit dem Verlust ihrer alten Heimat auch innerlich schwer getroffen wurden, nicht müde zu werden."

Ebenfalls zu den Verfechtern der Denkschrift zählten die „Beienroder" oder die Reihe derer, wie etwa Pfarrer Spiegel-Schmidt, die innerhalb der organisierten Vertriebenenarbeit der evangelischen Kirche als ständige Fürsprecher des von der Denkschrift gewiesenen Weges wirkten83. Dies alles bedeutet aber: Die von Gülzow an die Vorsitzenden der Hilfskomitees weitergegebene Einschätzung der seelsorgerlichen Situation und auch die daraus abgeleitete Aufgabenstellung für den Vertriebenenseelsorger zeigen einen Weg auf, der in jenen Wochen seit der heftigen Reaktion durch die Vertriebenensprecher in der evangelischen Vertriebenenarbeit beschritten wurde. Eine andere Möglichkeit, nämlich die Denkschrift aufzugreifen als geeignetes, wenn auch mit Fehlern behafte83

Der O K A erhielt in jenen Wochen auch Zuschriften von solchen Ostpfarrern (vgl. z . B .

im NACHLASS BRUMMACK, M a p p e „ P r o - S t i m m e n " ) .

Die Denkschrift: Chance oder Belastung?

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tes Mittel zur Seelsorge, ist jedoch ebenfalls in der evangelischen Vertriebenenarbeit jener Tage nachzuweisen. Es wäre allerdings verfehlt, diese Differenzierung im Sinne zweier Gruppierungen oder Fraktionen vorzunehmen, die sich gegenübergestanden hätten. Sie ist lediglich vor dem Hintergrund unterschiedlicher Eindrücke zu begreifen, welche die einzelnen Beteiligten im Umkreis ihres Wirkens gewinnen konnten, und unterschiedlicher Gewichte, die sie einzelnen Vorgängen beimaßen, nicht zuletzt auch aus dem jeweiligen „Sitz im Leben" einer bestimmten Äußerung84. Wie nun - insgesamt geurteilt - der Ostkirchenausschuß zur Denkschrift steht, läßt sich nicht unmittelbar aus einer entsprechenden Stellungnahme ersehen, sondern nur indirekt aus den Äußerungen einzelner Mitglieder und den Einschätzungen bzw. Empfehlungen, wie sie beispielsweise in dem Schreiben vom 13. November 1965 enthalten sind. Ein aufschlußreicher Vorgang ist in dem Zusammenhang die Ratssitzung vom 17. Dezember 1965 in Berlin85. In seiner ersten Sitzung nach der Frankfurter Arbeitstagung stellte der Rat aufgrund entsprechender Berichte der Kirchenkanzlei am 10./ 11. November 1965 über die Einstellung des Ostkirchenausschusses fest, daß er zwar die Denkschrift „nicht prinzipiell" ablehne, aber „die Verfahrensweise bei ihrer Formulierung" bedaure und „Bedenken gegen ihre Ausführungen zu bestimmten Fragenkreisen" trage86. Auch wenn dieser Einschätzung teilweise mißverständliche Informationen zugrundelagen, so entsprechen sie dennoch etwa dem Eindruck, den der Beitrag des Ausschuß-Mitgliedes Harms auf der Synodaltagung der E K D hinterlassen hatte. Auf Bitten des Ostkirchenausschusses und des Ostkirchenkonvents kam es dann am 17. Dezember 1965 zu einem ausführlichen Gespräch im Rat, zu dem Gülzow und Hamm eingeladen worden waren. Zunächst konnte die in der damaligen Situation noch sehr brisante „Beteiligungs"Kontroverse endgültig geklärt werden 87 . 14 So wird z.B. ein ΟΚΑ-Mitglied vor der synodalen Öffentlichkeit seine Meinung anders akzentuieren als in einer Sitzung des O K A oder gar in der Auseinandersetzung mit „seiner" Landsmannschaft und deren Sprechern. 85 Protokoll, Pkt. 4 (AKK) und die Aktennotizen von Gülzow und Hamm (NACHLASS BRUMMACK, Akte „Leitsätze"). u Protokoll, Pkt. III. 87 Durch eine Äußerung des Ratsvorsitzenden nach seiner Rückkehr von einer Fernostreise war in der Öffentlichkeit, ζ. B. auch auf der bayrischen Landessynode in Ansbach vom 25. bis 29. 10. 1965 (vgl. Schreiben Hoppes an O L K R Schwarz vom 26. 10. 1965; A O K A , C 6a/1965) der Eindruck entstanden, der O K A sei an der Ausarbeitung der Denkschrift mitbeteiligt gewesen und trage insofern auch eine inhaltliche Mitverantwortung. Gerade dieser sachlich unzutreffende Eindruck führte zu einem Teil der erregten Anfragen an den O K A , von denen oben bereits die Rede war. Auf der Ratssitzung wurde dann dem Sachver-

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Auseinandersetzung um die Denkschrift

Die Debatte der Sachfragen zwischen Gülzow und Hamm auf der einen, den Ratsmitgliedern auf der anderen Seite offenbarte weitgehende Differenzen über die Wirkung sowie Tendenz der Denkschrift. Beide Seiten warfen sich gegenseitig nationalstaatliches Denken vor, was anders gewendet allerdings auch als ein Zeichen gemeinsamer Abneigung gegenüber diesem Denken zu werten ist. Für den Ratsvorsitzenden liegt eine Uberwindung dieses Denkens darin, Versöhnung an der Stelle zu denken, an der bei den anderen, z . B . den Polen, die neuralgische Empfindlichkeit liege, - dies war etwas, das er gerade auch im Blick auf das Wort zum 20. Jahrestag des Kriegsendes 88 bei den Vertriebenensprechern vermißte. Hamm verwies darauf, daß den Deutschen aus dem Raum der früheren Donaumonarchie nationalstaatliches Denken überhaupt wesensfremd sei. Gülzow hielt der Kritik des Ratsvorsitzenden die grenzenübergreifende Arbeit, gerade in Richtung auf die Völker des Ostens, entgegen und hob die Bedeutung des Rechtsgedankens hervor, um der Versöhnungsbereitschaft „klaren Boden unter die Füße zu geben". Er beschrieb die Wirkung der Denkschrift als einen „Schuß vor den B u g " : „Die von uns betriebene Relativierung der Grenzen für das kommende Europa und die Bemühung um den Abbau nationalistischer Denkweise seien durch die Denkschrift sehr empfindlich getroffen und gestört worden." Es ist klar, daß hierüber keine Einigung erzielt werden konnte. Aus dem Rat wurden Erfahrungen gegen Gülzows Argumentation vorgebracht, ζ. B. über Äußerungen von Hilfskomiteesprechern, die die Denkschrift mit ihrer Stoßrichtung nötig erscheinen ließen. Es gelang Gülzow auch nicht, die Bindung öffentlicher Kundgebungen des Ostkirchenausschusses an die vorherige Zustimmung des Rates wieder aufzuheben 89 . Man hielt fest, daß eine öffentliche Stellungnahme des Ostkirchenausschusses nur mit dem Einverständnis des Rates erfolgen könne. Bereits vorher hatte der Rat jedoch beschlossen, Ausschuß-Mitglieder in den Vorbereitungsausschuß der E K D - S y n o d e zu berufen, der zur für das Frühjahr vorgesehenen Erörterung der Denkschrift eingesetzt werden sollte.

halt entsprechend festgehalten: „. . . der Ostkirchenausschuß ist gehört, aber nicht an der Ausarbeitung im Wortlaut beteiligt worden und nicht mitverantwortlich für die Formulierung im ganzen wie im einzelnen." 88 Vgl. oben S. 125. 89 Einen entsprechenden Antrag an den Rat hatte der O K A Anfang November 1965 beschlossen. 90 Vgl. dazu oben Bd. I, S. 435 ff.

D e r Rücktritt Bischof Westers

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2. Der Rücktritt Bischof Westers und der Wechsel im Amt des Vertriebenenbeauftragten der EKD Auch wenn nahezu alle Schritte und Äußerungen solcher Art in den ersten Wochen seit Veröffentlichung der Denkschrift ein großes publizistisches Echo hervorriefen, so ragt doch ein Ereignis besonders heraus und läßt den Widerspruch aufleuchten, in den die E K D nun in der Öffentlichkeit geraten war: Am 19. Oktober 1965 bat der Beauftragte der E K D für Vertriebenenfragen, Bischof Wester 90 , den Rat, ihn von seinem Amt zu entbinden91. Am 21. Oktober verbreitete epd eine Meldung der landeskirchlichen Pressestelle in Kiel, in der es heißt: „Für diesen Schritt war u.a. auch die Veröffentlichung der Denkschrift . . . maßgebend, an deren Zustandekommen der Flüchtlingsbeauftragte nicht beteiligt gewesen ist."' 2

Westers Schritt schlug, wie er selbst bald darauf schrieb, „wie eine Bombe" ein93. Bereits einen Tag nach der Meldung berichtete Gundert: „Bei der Kirchenkanzlei gehen andauernd telefonische Anfragen und Anrufe ein. D i e Kirchenkanzlei hat bisher jegliche Stellungnahme verweigert, aber angesichts der nunmehr eingetretenen öffentlichen Erregung erscheint eine Erklärung notwendig."'· 1

" Abschrift in: A K K , 6454, Beiheft: Beauftragter für die Flüchtlingsarbeit der E K D Bischof Wester, N r . 1875. V I I . 2. Ang. vom 22. 10. 1965. D e r zuständige Referent der Kirchenkanzlei, O K R Gundert, nahm sofort Verbindung mit dem stellvertretenden Ratsvorsitzenden, Bischof Lilje, auf (Präses Scharf befand sich damals auf einer Auslandsreise) mit der Bitte, Lilje möge Wester dazu bewegen, von seinem Rücktrittsersuchen Abstand zu nehmen. Es würde, so Gundert, „wohl nicht im Interesse des Rates liegen, wenn in der Ö f f e n t l i c h k e i t . . . offenkundig würde, in wie geringem Ausmaß Vertriebene oder Persönlichkeiten, die sich mit den Vertriebenen verbunden wissen, wie Bischof Wester, Gelegenheit hatten, an der Abfassung der Denkschrift mitzuwirken." F ü r den Fall, daß eine solche Intervention erfolglos bleiben sollte, schlug Gundert vor, Bischof Wester zur nächsten Ratssitzung einzuladen (vgl. ebd., N r . 1875. V I I . vom 21. 10. 1965). Dieser Versuch der Kirchenkanzlei, den Eklat zu verhindern, scheiterte jedoch durch die Veröffentlichung der Rücktrittsabsicht am 21. 10. 1965 (vgl. unten). 92 Vgl. A n m . 91, 2. Ang. - D i e epd-Meldung trug die Überschrift: „ E K D - F l ü c h t l i n g s b i schof W e s t e r tritt zurück. - An der Vertriebenen-Denkschrift nicht beteiligt gewesen."

" Rundschreiben Westers vom 28. 10. 1965 an seine Amtsbrüder in der schleswigholsteinischen Landeskirche (NACHLASS BRUMMACK, „braune M a p p e " ) . ' 4 N r . 1875, 2. Ang. (vgl. A n m . 91). Gundert hatte in seinem 2. Schreiben an Bischof Lilje A u s m a ß und Art der Beteiligung dargestellt (vgl. zu dieser Frage oben S. 148) und faßte den Befund so zusammen, „von einer Nichtbeteiligung von Bischof D . Wester an der Arbeit der K a m m e r [könne] . . . ernsthaft nicht die Rede sein". Diese, den äußeren Vorgang sicherlich korrekt wiedergebende, jedoch in der Akzentuierung mißverständliche Unterlage war dann eine der Ursachen der von beiden Seiten (Wester und Ratsvorsitzendem) nicht gewünschten, aber auch nicht vermiedenen kontroversen öffentlichen Erörterung der reichlich komplizierten Beteiligungsfrage, die erst gegen Jahresende durch die Klärung von Mißverständnissen und die Beseitigung auch persönlicher Mißhelligkeiten endgültig erledigt war. D i e Ursachen für diese Differenzen lagen teils in der oben bereits einmal dargestellten Kompetenzaufteilung in der Kirchenkanzlei, so daß nicht alle Seiten, die sich zu dem

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A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m die D e n k s c h r i f t

Die erste offizielle Presseerklärung der Kirchenkanzlei zum Vorgang enthielt nur eine Richtigstellung bezüglich der Beteiligungsfrage, womit diese auch jetzt wieder ein Ubergewicht erhielt, das die Sacherörterung zunächst blockierte 95 . Dabei waren es weit mehr kirchenpolitische Gründe, Differenzen in der Beurteilung der pastoralen Situation und Aufgabe, die Bischof Wester zu seinem Schritt in jenem Augenblick bewogen hatten. So erinnert er selbst in seinem Rücktrittsgesuch vom 19. Oktober an den Briefwechsel, das „Wort zum 20. Jahr nach der Vertreibung" betreffend96. Wester sah bereits in diesem Vorgang ein Zeichen dafür, „daß der R a t in der B e h a n d l u n g der Flüchtlingsfrage b z w . der p o l i t i s c h e n Seite des V e r t r i e b e n e n p r o b l e m s geneigt w a r , den I n t e n t i o n e n des O f f e n t l i c h k e i t s a u s s c h u s s e s

der

E K D zu f o l g e n . "

Der Ratsvorsitzende jedenfalls habe ihm bereits damals widerraten, „sich m i t den Kreisen und K r ä f t e n zu v e r b i n d e n , die sich w ä h r e n d der verflossenen zwei J a h r z e h n t e in b e s o n d e r e r W e i s e für den k i r c h l i c h e n D i e n s t an den H e i m a t v e r t r i e b e n e n sowie ihren O r g a n i s a t i o n e n und V e r b ä n d e n v e r a n t w o r t l i c h w u ß t e n . "

Schon zum damaligen Zeitpunkt, also im April 1965, habe er - so berichtet Wester - sein Amt zur Verfügung stellen wollen, jedoch der von Bischof Kunst im Namen des Rates geäußerten Bitte entsprochen,

V o r g a n g ö f f e n t l i c h äußerten, auch ü b e r eine ausreichende I n f o r m a t i o n s g r u n d l a g e verfügen k o n n t e n . I m n a c h h i n e i n k a n n k a u m v o n einer vollen Beteiligung des V e r t r i e b e n e n b e a u f t r a g ten g e s p r o c h e n w e r d e n , so daß W e s t e r s entsprechende B e m e r k u n g den Sachverhalt trifft. A n d e r e r s e i t s b e s t e h t - wie o b e n (S. 1 4 8 ) bereits dargestellt - kein Zweifel an der partiellen Beteiligung des B i s c h o f s , die allerdings nicht dessen Z u s t i m m u n g z u m G e s a m t i n h a l t und Ziel der D e n k s c h r i f t implizierte. D e n V e r t r i e b e n e n b e a u f t r a g t e n der E K D v o n den B e r a t u n gen und K o n k l u s i o n e n der D e n k s c h r i f t f e r n z u h a l t e n , ihn gar z u überspielen, entsprach keinesfalls den I n t e n t i o n e n des R a t e s o d e r d e r K a m m e r . S o b e r i c h t e t deren G e s c h ä f t s f ü h r e r , W i l k e n s , er sei ü b e r W e s t e r s R ü c k t r i t t „ b e s t ü r z t " gewesen, weil er i m m e r davon ausgegangen sei, d a ß W e s t e r durch die G ä s t e aus d e m O K A ü b e r die laufenden B e r a t u n g e n u n t e r r i c h tet w o r d e n sei. E i n e E i n l a d u n g z u r T e i l n a h m e an den K a m m e r s i t z u n g e n glaubten R a i s e r und W i l k e n s einem vielbeschäftigten B i s c h o f n i c h t z u m u t e n z u k ö n n e n ( O K R W i l k e n s am 2 7 . 2 . 1973 im G e s p r ä c h mit V e r f . ) . D i e gegensätzlichen E r k l ä r u n g e n in der Ö f f e n t l i c h k e i t führten zu einer zeitweiligen T r ü b u n g der B e z i e h u n g z w i s c h e n dem R a t und seinem V e r t r i e b e n e n b e a u f t r a g t e n , der sich aus diesem G r u n d e auch n i c h t imstande sah, einer E i n l a d u n g z u r R a t s s i t z u n g i m D e z e m b e r 1965 z u folgen (vgl. S c h r e i b e n W e s t e r s an den R a t s v o r s i t z e n d e n v o m 30. 11. 1 9 6 5 ; A K K , 6 4 5 4 , B e i h e f t , A n l a g e zu N r . 2 1 9 0 v o m 2 . 12. 1 9 6 5 ) . E r s t d u r c h einen B e s u c h v o n Präses S c h a r f bei B i s c h o f W e s t e r u m die J a h r e s w e n d e k o n n t e n die M i ß h e l l i g k e i t e n , entstanden aus der Beteiligungsfrage, „in gegenseitigem V e r t r a u e n " ausgeräumt, in der Sache k o n n t e allerdings keine Ü b e r e i n s t i m m u n g erzielt w e r d e n (vgl. dazu R a t s p r o t o k o l l v o m 2 7 . / 2 8 . 1 . 1 9 6 6 , P k t . 5, und S c h r e i b e n W e s t e r s an B r u m m a c k v o m 30. 11. 1 9 6 5 und 3. 1. 1 9 6 6 ; NACHLASS BRUMMACK, „braune M a p p e " ) . 95

P r e s s e e r k l ä r u n g v o m 2 9 . 10. 1965 (HANDAKTEN WILKENS, I). V g l . dieses P r o b l e m in

anderem Z u s a m m e n h a n g bereits o b e n S. 1 4 8 . "

V g l . o b e n S. 1 2 0 f f . , b e s . 1 2 5 f .

D e r Rücktritt Bischof Westers

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„davon abzusehen, das A m t in aller F o r m zurückzugeben, damit nach außen hin der E i n d r u c k vermieden werde, als wolle die Evangelische Kirche die mit dieser Beauftragung v e r b u n d e n e n Aufgaben nicht m e h r in der bisherigen Weise w a h r n e h m e n . "

Diese Aufgaben träten jedoch in der öffentlichen Diskussion, wie sie durch die Denkschrift jetzt eingetreten sei, „nicht n u r in den H i n t e r g r u n d , sondern sind sogar nachträglich Fehldeutungen ausgesetzt, so daß es mir richtiger zu sein scheint, daß der Rat, falls er der M e i n u n g ist, daß dies A m t auch weiterhin w a h r g e n o m m e n werden soll, einen Beauftragten ernennt, der die Möglichkeit hat, in größerer U b e r e i n s t i m m u n g mit der G r u n d k o n z e p t i o n der D e n k s c h r i f t zu stehen, als mir das möglich ist."

Solche Äußerungen erweisen zwar, daß die sachlichen Diskrepanzen zur Denkschrift einen entscheidenden Anstoß zum Rücktritt des Vertriebenenbeauftragten gaben, es kann aber dennoch nicht den Interpreten zugestimmt werden, die den „Flüchtlingsbischof" als Zeugen beanspruchen, wenn sie der ev. Kirche den „Abfall vom Vaterland" vorwerfen oder eine „Revision der Denkschrift" fordern 97 . Seine sachlichen Einwände, die Bischof Wester in einem Rundschreiben vom 28. O k t o b e r 1965 sowie einem Hirtenbrief z u m Advent 1965 an seine Amtsbrüder formulierte, betreffen seelsorgerliche, theologische und politische Fragen: „Ich kenne das H e e r der Heimatvertriebenen n u n aus vieler A n s c h a u u n g zu genau, u m zu wissen, daß man mit v e r w u n d e t e n H e r z e n anders reden m u ß , als das - jedenfalls in der entscheidenden Frage - in der D e n k s c h r i f t geschieht u n d w o h l auch geschehen kann. D e r heimgegangene Prof. Girgensohn in Bethel hat immer wieder darauf hingewiesen, daß es eines besonderen Maßes s o w o h l des Kontaktes wie der Liebe bedürfe, w e n n die Kirche mit dem, was sie in diesem Z u s a m m e n h a n g zu sagen habe, verstanden werden wolle . . ." Die Kirche hätte sich „zunächst auf einen Dialog mit den f ü r die gleiche Materie Verantwortlichen beschränken sollen . . . Prof. Raiser hat gesagt, daß es der Denkschrift darauf a n k o m me, die deutschen Menschen f ü r ein künftiges Zusammenleben mit den östlichen Völkern vorzubereiten. Das aber scheint mir nicht die Aufgabe der Stunde zu sein. Die angesprochenen Versammlungen der Heimatvertriebenen werden wir n u r dadurch beeinflussen k ö n n e n , daß wir in der gedachten Weise auf ihre F ü h r u n g Einfluß n e h m e n u n d uns z u m Bundesgenossen der Besten unter ihnen machen. Es d ü r f t e auch hier gelten, daß die Schreier t r o t z ihrer Lautstärke nicht einfach mit dem großen H e e r der Heimatvertriebenen gleichgesetzt werden k ö n n e n , die sich über die zur Diskussion stehenden Probleme meiner E r f a h r u n g

97 Vgl. das gleichnamige Buch von A. EVERTZ, W . PETERSMANN, H . FECHNER, S. 47, 53, 57f., 121 f. Solche Schlußfolgerungen verbieten schon allein frühere Stellungnahmen des Bischofs z u m Vertriebenen- u n d H e i m a t p r o b l e m (vgl. oben S. lOOf.) sowie unmißverständliche Ä u ß e r u n g e n in den W o c h e n der Auseinandersetzung u m die D e n k s c h r i f t selbst. In dem in die F o r m eines „persönlichen Briefes" gekleideten Rundschreiben v o m 28. 10. 1965 (Anm. 93) schrieb Wester über die mannigfaltigen ihn lobenden sowie ihn tadelnden Ä u ß e r u n g e n z . B . : „ W o h l ist mir weder bei d e m einen noch bei dem anderen. Mich loben auch solche, von denen ich gar nicht gelobt sein will, sondern denen gegenüber ich wesentliche Teile der Denkschrift vertreten m ü ß t e . " Er wendet sich gegen die „falsche u n d auch m. E. unverantwortliche Weise, wie auf H e i m a t t a g u n g e n usw. zu den Heimatvertriebenen gesprochen w i r d " .

180

Auseinandersetzung um die Denkschrift

nach weithin sehr viel gemäßigter und sachlicher zu äußern pflegen, als das nach dem Eindruck dieser Versammlungen angenommen werden kann. - Dazu kommt noch ein anderes, daß man nämlich m . E . solche Überlegungen nicht vor den Ohren derer anstellen kann, mit denen wir uns in Zukunft werden vergleichen müssen. Zwar ist in der Denkschrift nicht v o m Verzicht die Rede, aber vorbereitet wird er doch, und darum begegnet man ihr auch aus einem verletzten Rechtsbewußtsein heraus und nicht ohne Grund auch mit dem Hinweis darauf, daß es sich hier nicht nur um ein deutsches Problem, sondern um eine künftige internationale Regelung des Vertreibungsproblems überhaupt handle, so daß gerade eine Kirche bedenken müsse, daß diese Fragen in einem weit größeren Rahmen zu sehen und zu behandeln sind. - U n d schließlich wird man doch nicht übersehen können, daß alle diese Fragen erst dann in Fluß kommen, wenn uns eine veränderte gesamtpolitische Konstellation im Osten Europas die Chance gibt, uns mit einem freien Polen an den Tisch zu setzen und mit ihm zu vergleichen. E s hätte darum wohl Sinn, den ernsthaften Versuch zu machen, sowohl die bundesdeutschen Politiker wie auch die Führer der Heimatverbände und Landsmannschaften für eine Konzeption zu gewinnen, die uns zum geschickten und nüchternen Gesprächspartner z . B . mit Polen macht, und das auch in der H o f f n u n g zu tun, daß sie im Verein mit uns dazu helfen, auch ihre Gefolgschaft und unser Volk als Ganzes für solche Schau und Möglichkeit zu gewinnen. Gelingt das nicht, dann vergrößern wir nur die ohnehin schon vorhandenen Spannungen zwischen den Heimatvertriebenen und Einheimischen und erreichen gerade das nicht, was Teil II der Denkschrift in dieser Beziehung von uns f o r d e r t . . . " ( S . 2 ff).

Seine Stellung z u m Legitimationsproblem, zur Frage des politischen Amtes der Kirche umriß Wester so: „. . . E s kann ja unter uns nicht strittig sein, daß die Verkündigung der frohen Botschaft von der in Christus geschehenen Versöhnung des Menschen mit Gott die eigentliche Aufgabe der Kirche ist und daß diese Versöhnung notwendigerweise die Versöhnung der Menschen untereinander zur Folge hat. Wenn dem aber so ist, wer möchte dann nicht hoffen, daß der Ruf zur Versöhnung durch alle Mißverständnisse hindurch, die die Denkschrift selbst hervorgerufen hat, gehört und aufgenommen würde, diesseits und jenseits der Grenzen, in denen unser Volk lebt und um die es so oder so auch der Denkschrift geht! U n d doch meine ich, daß die Denkschrift sich einige Fragen gefallen lassen muß, die ich hier offen ansprechen und aussprechen möchte. Sie muß sich zunächst fragen lassen, ob es ihr bei dem Evangelium, das uns zum Denken und Handeln befreit, nicht nur ,um das N e u e Testament als solches' geht, sondern wirklich um die evangelische Botschaft von der in Christus geschehenen Versöhnung, und müßte von hier aus zeigen, wie sich von dieser Versöhnungspredigt her für eine sog. politische Diakonie Ratschläge ergeben, die unser Volk ,auf die notwendigen (politischen) Schritte vorbereiten' können (S. 43). Die Denkschrift deutet ja in diesem Zusammenhang Richtlinien an, die als unverbindliche politische Meinungsäußerungen sehr wohl Diskussionsmaterial sein können, die aber - nachdem sie nun mit dem Schwergewicht des Rates der E K D als Stimme unserer Kirche vorgetragen worden sind, ,das A m t , das die Versöhnung predigt, mit dem politischen Tagesstreit zu vermengen scheinen'. - Wir müssen an die Denkschrift m. E. auch die Frage stellen, ob sie nicht im ganzen von einer ,Gerichts'- und damit ,Geschichts'-Theologie bestimmt wird, die weit über das Maß des Möglichen hinausgeht, besonders da, w o aus solchem Ansatz unmittelbar politische Folgerungen gezogen werden. Zweifellos ist der unter Heimatvertriebenen weithin übliche Hinweis auf ,unser gutes Recht' auf die Wiedererlangung der verlorenen Heimat kein ausreichendes Vorzeichen für eine verantwortliche Geschichtsbetrachtung. Aber auch der Hinweis darauf, daß unser Volk in der Zukunft für begangenes Unrecht werde büßen müssen, reicht für diesen Zweck nicht aus. Stattdessen muß die Erinnerung an das Recht der Heimat ständig mit der D e m u t verbunden sein, die da weiß, daß wir Gott nichts abtrotzen können und daß darum auch unsere Heimat letztlich ihm gehört und daß es an ihm hängt, ob

D e r R ü c k t r i t t B i s c h o f Westers

181

wir w i e d e r an ihr teilgewinnen w e r d e n . A b e r auch v o n unserer S c h u l d reden wir nur dann recht, w e n n wir dabei nicht ü b e r s e h e n , d a ß G o t t auch Schuld vergeben und die V ö l k e r ,zu einem v e r s ö h n l i c h e n u n d v e r s ö h n e n d e n Ziel f ü h r e n kann'. D i e V e r k ü n d i g u n g der f r o h e n B o t s c h a f t v o n der V e r s ö h n u n g w i r d a m E n d e d o c h v o r allen anderen E r w ä g u n g e n die B a r m h e r z i g k e i t G o t t e s preisen, z u m a l erst sie z u wirklicher B u ß e z u f ü h r e n v e r m a g u n d dann auch z u gegenseitiger V e r s ö h n u n g bereit machen k a n n . - U n d schließlich sollten wir die D e n k s c h r i f t d a r a u f h i n p r ü f e n , o b hier nicht rein weltliche E r w a r t u n g e n mit eschatologischen H o f f n u n g e n a u s g e t a u s c h t o d e r verwechselt w o r d e n sind und die D i s k u s s i o n ü b e r die D e n k s c h r i f t g e r a d e in d i e s e m S t ü c k S p a n n u n g e n in der E v a n g e l i s c h e n K i r c h e in D e u t s c h l a n d o f f e n b a r m a c h t , die sich i m A u g e n b l i c k z w a r in politischen Ä u ß e r u n g e n niederschlagen, die aber im G r u n d e innerkirchlicher, ja t h e o l o g i s c h e r N a t u r sind u n d die uns lange s c h o n belasten. - F r a g e n sollen es sein, nicht m e h r . E s scheint m i r aber nötig z u sein, daß wir sie auf jeden Fall b e d e n k e n , wie auch i m m e r wir g a n z allgemein z u r D e n k s c h r i f t stehen m ö g e n . " 9 8

Bei allen Vorbehalten Westers gegenüber der Denkschrift darf dabei doch keineswegs übersehen werden, daß ihn auch noch andere G r ü n d e dazu bewegten, den Rat u m die Entbindung v o m A m t zu bitten. So erinnert er am 19. O k t o b e r 1965 den Rat an sein früheres Rücktrittsgesuch v o m April des Jahres, dem außer dem damaligen aktuellen Anlaß auch die A u f f a s s u n g des Vertriebenenbeauftragten zugrundelag, in dem, was auf E K D - E b e n e geschehen könne, seien die pastoralen A u f g a b e n der Kirche nun erfüllt". Diese Argumentation fand jedoch keinen Eingang in die Öffentlichkeit 1 0 0 , scheint auch sonst keine Rolle gespielt zu haben und das sicher nicht grundlos, läßt sie sich doch nur schwer mit den ansonsten vertretenen Positionen in der damaligen Debatte u m das Wort z u m 20. Jahrestag und erst recht nun anläßlich der Denkschrift selbst vereinbaren. Denn gleich, auf welcher Seite man stand, die N o t w e n d i g keit weiterer, sogar verstärkter seelsorgerlicher Zuwendung den Vertriebenen gegenüber auf gesamtkirchlicher Ebene stand außer Frage. Die Befürworter der Denkschrift begründeten jene mit der gesamtkirchlichen A u f g a b e , den Weg zu neuen politischen Entscheidungen mit ebnen zu helfen, die Kritiker sahen die Kirche gerade umgekehrt wegen dieser „ A d v e n t 1 9 6 5 " (ebd.). M ü n d l i c h e r Bericht v o n O K R W i l k e n s am 27. 2. 1973. In seinem Schreiben v o m 19. 10. 1965 argumentiert Wester e n t s p r e c h e n d : „Vielleicht kann m a n aber sagen, daß die p a s t o r a l e Seite dieses A m t e s auf der E b e n e der E K D erfüllt ist u n d jetzt ausschließlich bei den G l i e d k i r c h e n liegt. R e s t b e s t ä n d e eines gesamtkirchlichen D i e n s t e s , wie sie z . B . im L a g e r F r i e d l a n d o d e r in N ü r n b e r g für die v o m B a l k a n h e r a u f k o m m e n d e n U m s i e d l e r auch heute n o c h vorliegen, k ö n n t e n u n s c h w e r auf die G l i e d k i r c h e n übertragen w e r d e n , in deren G e b i e t sich diese ü b e r g r e i f e n d e n L a g e r b e f i n d e n , z u m a l sich die genannten G l i e d k i r c h e n ohnehin f ü r diese L a g e r verantwortlich w i s s e n " (vgl. A n m . 91). 98

99

100 In seinem R u n d s c h r e i b e n v o m 28. 10. 1965, das einen größeren Kreis v o n A d r e s s a t e n erreichte, fehlen solche G e d a n k e n . Wester nennt dort statt d e s s e n als außerhalb d e s D e n k s c h r i f t - V o r g a n g s selbst liegenden B e w e g g r u n d die f ü r ihn seit längerem b e s t e h e n d e „ N o t w e n d i g k e i t . . ., u m meiner seit einigen J a h r e n a n g e w a c h s e n e n V e r p f l i c h t u n g e n und auch wie Sie wissen - meines in den letzten J a h r e n m e h r f a c h angeschlagenen G e s u n d h e i t s z u s t a n d e s w i l l e n " den R a t u m E n t b i n d u n g v o n d i e s e m A m t zu bitten (S. 4 ; vgl. A n m . 93).

182

Auseinandersetzung um die Denkschrift

Denkschrift zu neuen seelsorgerlichen Anstrengungen gerufen, um den ihres Erachtens angerichteten Schaden zu mindern101. Und letztlich würde eine solche Einschätzung auch den Motiven widersprechen, die Bischof Wester unmittelbar zu seinem Rücktritt veranlaßten. In dem Rundschreiben vom 28. Oktober 1965 brachte Wester seinen Rücktritt denn auch in den Zusammenhang der pastoralen Aufgabenstellung des „Flüchtlingsbischofs" der EKD, wenn er über seinen Schritt sagt: „Zum Glück haben ihn nicht nur die Schreier begrüßt - davor erschrickt man sondern auch viele mit der Materie und Situation vertraute Männer, die es für hilfreich halten, daß es in der Evangelischen Kirche in dieser Sache nicht nur eine Stimme gibt, sondern daß sich der ,Flüchtlingsbischof', von dem man aufgrund seiner früheren Äußerungen sehr wohl weiß, daß er den hier anstehenden Fragen auch seinerseits mit Nüchternheit zu begegnen pflegt, in diesem Fall zu der besonderen Gemeinde stellt, für die er Verantwortung trug und die ihm gerade weil er selbst kein Heimatvertriebener war - auch Vertrauen entgegenbrachte." 102

Auch wenn sich der Bischof selbst und die „besondere Gemeinde" der Heimatvertriebenen damit in die Gesamtheit der evangelischen Kirche hineinnahm und gerade nicht als Kontrahenten gegenüberstellte, blieb es doch nicht aus, daß Westers Rücktritt im Sinne einer solchen Kontrastierung in der Öffentlichkeit verwendet wurde. Der Rat der EKD konnte Bischof Wester die Annahme des Rücktrittsgesuchs schwerlich verweigern und faßte am 10./II. November 1965 einen entsprechenden Beschluß103. Zugleich setzten die Bemühungen um einen Nachfolger ein. Denn, daß es auch weiterhin dieses Amtes bedürfe, war gerade in jenen Wochen im Rat unumstritten 104 . Dabei steht außer Zweifel, daß ebenso wie Westers Rücktritt auch die Neuberufung untrennbar mit den Auseinandersetzungen um die Denkschrift verbunden war. In dem bis zum Sommer 1966 reichenden Vorgang spiegelt sich deshalb etwas von deren Verlauf wider. Am 27.12%. Januar 1966 beschloß der Rat, den aus Pommern stammenden „Schriftführer" 105 der Bremischen Evangelischen Kirche, Pastor Günter Besch, um die Übernahme des 101

In die Richtung dieser Argumentation zielte Bischof Westers Empfehlung selbst, die er am 27./28. 1. 1966 in seinem Bericht vor dem Rat der E K D gab, einen Nachfolger zu berufen, „da die Vertriebenen eines Fürsprechers bedürfen. Zu seinen Aufgaben würde vor allem gehören, das Vertrauen der Vertriebenen neu zu gewinnen" (Pkt. 6; vgl. Anm. 85). 102 S. 6 (vgl. Anm. 93). 103 Pkt. 5 (vgl. Anm. 85). Der Rat sprach Wester seinen Dank „für die in seinem A m t . . . geleistete Arbeit" aus und beschloß, Bischof Wester auf der nächsten Sitzung (im Dezember) „Gelegenheit zu einem Bericht über seine Arbeit zu geben". Zu diesem Bericht kam es aus oben bereits erwähnten Gründen jedoch erst auf der Ratssitzung am 27./28. 1. 1966 (vgl. Pkt. 6). 104 Das Protokoll hält als Ratsbeschluß fest, „die Frage eines Nachfolgers . . . in der Dezembersitzung, zu der Bischof D. Wester, Oberkirchenrat D. Gülzow und Kirchenpräsident a.D. Hamm eingeladen sind, zu besprechen" (Pkt. 5). los Dies die Bezeichnung des leitenden Geistlichen der Bremischen Evangelischen Kirche

(BEK).

D e r Rücktritt Bischof Westers

183

Amtes zu bitten. Der Beschluß signalisierte die Bereitschaft des Rates, auch mit diesem Amt zu dem in der Denkschrift eingeschlagenen Weg der Vertriebenenseelsorge zu stehen. Denn obzwar Ostpfarrer 106 , war Besch doch nie in den kirchlichen und auch nicht in den säkularen Vertriebenenorganisationen und -gremien in auffallender Weise tätig gewesen, schon gar nicht im Sinne der dort vorherrschenden Vertriebenenpolitik. Im Gegenteil: Er hatte bereits in früheren Jahren aus seiner Skepsis gegenüber jener politischen Richtung keinen Hehl gemacht' 07 und sich nach Erscheinen der Denkschrift öffentlich auf die Seite der Befürworter gestellt. Am 1. Februar 1966 schrieb er an Präses Scharf, der ihn über den Ratsbeschluß unterrichtet hatte: „ D i e F r a g e n , die auch ich an m a n c h e n P u n k t e n an die D e n k s c h r i f t zu richten h a b e , habe ich b e w u ß t zurückgestellt, u m deutlich zu m a c h e n , daß ich die I n t e n t i o n e n der D e n k s c h r i f t voll und ganz teile . . . das G a n z e hat m i r natürlich nicht gerade die S y m p a t h i e der V e r t r i e b e n e n v e r b ä n d e eingetragen. D e r R a t m u ß also wissen, daß ich bereits a b g e s t e m p e l t ' bin." 1 0 »

Bischof Scharf sah, wie er am 28. Februar Besch antwortete, in dessen Eintreten für die Denkschrift „wahrhaftig keinen Fehler" und suchte auch die übrigen Einwände zu zerstreuen, die der Bremer Pastor zu bedenken gegeben hatte10'. Trotz dieser Eindeutigkeit enthält der Berufungsvorgang 106

V g l . G . SPRONDEL, Zeugnis und D i e n s t , S. 9 f f . und S. 8 6 f f .

107

I m F r ü h j a h r 1962 b e g r ü ß t e B e s c h das T ü b i n g e r M e m o r a n d u m : E r h a l t e es „für gut u n d

richtig, d a ß die P r o b l e m e einmal . . . ausgesprochen w o r d e n seien von M ä n n e r n , die sich ihrem G e w i s s e n v e r a n t w o r t l i c h f ü h l e n " . N i c h t das M e m o r a n d u m sei „ s c h l i m m " , sondern einige R e a k t i o n e n von Seiten der L a n d s m a n n s c h a f t e n darauf (so die W i e d e r g a b e eines V o r t r a g s von B e s c h im April 1962 in den BREMER NACHRICHTEN v o m 1 2 . 4 . 1 9 6 2 , S. 6). „ E s ist für m i c h s c h m e r z l i c h als O s t v e r t r i e b e n e r , dessen H e i m a t P o m m e r n ist, sagen z u m ü s s e n , daß ich die Ä u ß e r u n g e n des S p r e c h e r s u n s e r e r L a n d s m a n n s c h a f t für einfach grauenhaft h a l t e " , so ein w ö r t l i c h e s Zitat (ebd.). B e s c h b e z o g sich auf Ä u ß e r u n g e n , die d e m T ü b i n g e r M e m o r a n d u m „ h e i d n i s c h - b o l s c h e w i s t i s c h e n G e i s t " unterstellten. I m selben V o r t r a g hatte er die K i r c h e z u r „ T e i l n a h m e am ö f f e n t l i c h e n L e b e n " aufgerufen und dazu, nicht im „ G h e t t o der I n n e r l i c h k e i t " z u verharren (vgl. e b d . ) . 108

A b s c h r i f t l i c h i n : A K K , 6 4 5 4 , B e i h e f t : B e a u f t r a g t e r der E K D für die F l ü c h t l i n g s a r b e i t .

P a s t o r D . B e s c h - B r e m e n , A n l a g e zu N r . 2 0 9 . V I I v o m 7. 2 . 1 9 6 6 . - B e s c h hatte sich auch g e g e n ü b e r O K R G u n d e r t am 2 8 . 1. 1 9 6 6 bereits skeptisch darüber geäußert, wie w o h l „die V e r t r i e b e n e n " auf seine B e r u f u n g reagieren w e r d e n , und z u m A u s d r u c k g e b r a c h t , er w o l l e das A m t n i c h t a n n e h m e n , „ w e n n er mit M i ß t r a u e n s e r k l ä r u n g e n von Seiten k i r c h l i c h e r V e r t r i e b e n e r rechnen m ü s s e " ( S c h r e i b e n G u n d e r t s an S c h a r f v o m 7. 2 . 1 9 6 6 ; e b d . ) . D e r Ο Κ Α - V o r s i t z e n d e , G ü l z o w , den G u n d e r t auf V o r s c h l a g v o n B e s c h deshalb befragte, hielt die B e f ü r c h t u n g e n „hinsichtlich einer negativen R e a k t i o n der V e r t r i e b e n e n " - gemeint sind hier w o h l i m m e r die V e r t r i e b e n e n v e r b ä n d e und L a n d s m a n n s c h a f t e n - , gerade auch der p o m m e r s c h e n L a n d s m a n n s c h a f t für begründet, sicherte a b e r zu, d a ß der O K A nicht gegen B e s c h Stellung n e h m e n , s o n d e r n „loyal m i t i h m z u s a m m e n a r b e i t e n " werde, w e n n der R a t ihn berufen sollte (ebd.). 109

S c h r e i b e n Scharfs an B e s c h v o m 2 8 . 2 . 1 9 6 6 ( A b s c h r i f t i n : e b d . , N r . 4 3 0 ) . -

Besch

hatte am 1. 2. ζ. B . darauf hingewiesen, daß er im G e g e n s a t z zu seinem V o r g ä n g e r und z u m

184

Auseinandersetzung um die Denkschrift

doch noch ein anderes Moment, das den weiter unten darzustellenden Verlauf der Denkschrift-Diskussion bis zur Synode der E K D im März 1966 insgesamt mitbestimmt: Der Rat bat in seinem Beschluß vom 27./ 28. Januar 1966 Besch nicht nur darum, das Amt des Vertriebenenbeauftragten zu übernehmen, sondern auch, den balten-deutschen, gleichfalls in Bremen tätigen Pastor Klaus von Aderkas „beratend und mithelfend heranzuziehen" 110 . Dieser Zusatz entsprach einem Vorschlag von Bischof Wester 111 , der es in seinem Bericht vor dem Rat am 27./28. Januar 1966 als Aufgabe des nun zu berufenden Vertriebenenbeauftragten bezeichnete, „das Vertrauen der Vertriebenen neu zu gewinnen", - eine Argumentation, die wohl nicht ohne Eindruck auf den Rat blieb. Von Aderkas war Mitglied des Ostkirchenausschusses und zählte zu den Kritikern der Denkschrift. Besch und er waren in der Bremer Öffentlichkeit in den Auseinandersetzungen um die Denkschrift deshalb als „Debattengegner" aufgetreten" 2 . Eine Entscheidung in dieser Frage zog sich noch über Monate hin. Besch hatte trotz des Antwortschreibens von Scharf am 28. Februar 1966 nicht zugesagt, und der Rat sah sich genötigt, nach weiteren Kandidaten Ausschau zu halten. Er richtete entsprechende Anfragen an den in Liegnitz geborenen hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Wolfgang Sukker113 und den früheren schlesischen Bischof Ernst Hornig 114 . Beider Namen lassen sich in derselben Richtung verstehen, wie sie auch den eigentümlichen Beschluß vom 27./28. Januar 1966 zu kennzeichnen scheint: Einerseits die Denkschrift ihrem Inhalt und ihrer Intention nach zu billigen, und das bedeutet ja nicht zuletzt, sie als ein - notwendiges Mittel der Seelsorge auch an den Vertriebenen anzusehen, und andererseits dabei doch Wege zu deren kirchlicher Integration oder besser: Reintegration nicht auszuschließen, wie sie von denen für notwendig erachVertriebenenbeauftragten der kath. Kirche keinen Bischofstitel trage, sondern „schlicht und einfach" Pastor sei, ein Problem, dem auch Präses Scharf in seiner Antwort zwar einiges Gewicht beimaß, das er aber angesichts der tatsächlichen Stellung des Bremer „Schriftführers" und der reformatorischen Tradition („Diesen wichtigsten Titel in unserer Kirche .Pastor' wollen wir uns von niemandem gering bewerten lassen") für doch nicht ausschlaggebend hielt. Die Kirchenkanzlei trug diesem Problem Rechnung, wenn sie nach der Berufung des Bremer Pastors D . Besch der Öffentlichkeit als den „Leitenden Geistlichen der Bremischen Evangelischen Kirche" vorstellte (vgl. ζ. B. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Redaktionen der Vertriebenenpresse vom 22. 11.1966; ebd., Nr. 2239.XI). 110 Ratsprotokoll vom 27.12%. 1. 1966, Pkt. 6 (vgl. Anm. 85). 111 So schreibt Präses Scharf an Besch: „Pastor von Aderkas wurde uns durch Bischof D . Wester empfohlen, und ich denke, daß Sie an ihm eine Hilfe haben werden, zumal durch ihn die personelle Verbindung mit dem Ostkirchenausschuß hergestellt ist" (vgl. Anm. 108). 112 Vgl. Besch am 1. 2. 1966; Besch fügt in Parenthese hinzu: „ohne daß dadurch unsere persönliche Freundschaft Schaden genommen hätte" (vgl. Anm. 109). 113 Vgl. dazu weiter unten die Darstellung der EKD-Synode im März 1966. 114 Vgl. dazu Bd. I, S. 571.

Der Rücktritt Bischof Westers

185

tet wurden, in deren Augen die Denkschrift eher Schaden denn Nutzen gebracht hatte und deshalb dringend der Revision bedurfte. Nachdem Sucker wegen Arbeitsüberlastung abgelehnt115 und Hornig sfth grundsätzlich zur Übernahme des Amtes bereiterklärt hatte, scheint es im Rat zu einer erneuten Erörterung des gesamten Zusammenhangs gekommen zu sein. Denn er beschloß am 30. Juni/1. Juli 1966, noch einmal die Möglichkeit zu prüfen, „Pastor D. Besch, Bremen, doch zum gegenwärtigen Zeitpunkt für dieses Amt zu gewinnen. Sollte Pastor Besch sich erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung stellen können, soll für die Zwischenzeit Bischof Hornig zum Beauftragten . . . berufen werden (befristet bis zum 31. Dezember 1967)."" 6

Nunmehr sagte Besch zu und wurde im August 1966 zum Nachfolger Bischof Westers berufen117. Man kann den gesamten Vorgang wohl nur als ein Zeichen für die Bereitschaft des Rates deuten, zum einen auch weiterhin auf der gesamtkirchlichen Ebene der EKD sich der Vertriebenenseelsorge anzunehmen und in einem entsprechenden Amt vertreten zu sein, zum anderen auch dort, wo es unmittelbar um die Belange der Vertriebenenseelsorge geht, im Sinne der Denkschrift und auf dem mit ihr eingeschlagenen Weg tätig zu werden. Gerade dieses letztere führte - erwartungsgemäß - natürlich zu neuen öffentlichen Diskussionen, sobald Besch's Berufung bekannt wurde. Besonders die Tageszeitung „Die Welt" öffnete ihre Kommentar- und Leserbriefspalten den Kritikern jener Entscheidung des Rates. Am 22. August 1966 griff „lh", ein aus Pommern stammender Journalist, der über beste Beziehungen zu den evangelischen Vertriebenengremien verfügt, die Ernennung von Besch an: „Verständnis zu zeigen für die vielfältigen Probleme der Heimatvertriebenen ist nicht die Stärke des Rates der . . . E K D . . . - ganz im Gegensatz zur katholischen Kirche, die darin nachahmenswerte Beispiele geliefert hat."

So beginnt der Kommentar, in dem die Ratsentscheidung als „nicht an den Interessen der Hauptbetroffenen orientiert" bezeichnet wird. „Uber das Ausmaß der Vertrauenskrise, welche die Denkschrift und der Rücktritt Westers ausgelöst haben, scheint sich der Rat immer noch im Unklaren zu sein . . . Bei der 115

Vgl. Anm. 108. Dafür, daß auch - wie „lh" am 22. 8. 1966 in der Tageszeitung DIE WELT (Nr. 194, S. 2) schreibt - der württembergische Landesbischof Erich Eichele vom Rat um die Übernahme des Amtes gebeten worden sei, findet sich in den vorliegenden Quellen kein Anhaltspunkt. 1,6 Ratsprotokoll vom 30. 6./1. 7. 1966, Pkt. 8. Der Beschluß enthält nicht mehr die Kombination mit der Bitte um Hinzuziehung eines „Verbindungsmannes", wie er z.B. in der Person v. Aderkas' gedacht war. Obwohl die Einzelheiten hierüber noch im dunkeln liegen, ist doch sicher, daß dieser Punkt keine Rolle für oder gegen die Entscheidung des späteren Vertriebenenbeauftragten, Besch, gespielt hat (vgl. Anm. 85). 117 Vgl. Anm. 108.

186

Auseinandersetzung um die Denkschrift

Berufung Beschs standen nicht Seelsorge im Vordergrund, sondern das Bemühen, die eigene Position zu rechtfertigen und zu stärken. Nicht das sachliche Argument gab den Ausschlag, sondern die Haltung zur Denkschrift." 1 1 8

Eine an der „Sache", damit meint „ l h " den notwendigen „Ausgleich mit den vor allem v o m T o n der Denkschrift verletzten Vertriebenen", orientierte Entscheidung hätte der Rat nach Ansicht von „ l h " getroffen, wenn er den Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses G ü l z o w z u m Beauftragten bestellt hätte, weil dieser „wie k a u m ein anderer für die Mittlerrolle zwischen Kirche und Vertriebenen prädestiniert" sei und „das Vertrauen der Vertriebenen" besitze. D a ß der K o m m e n t a t o r die Meinung eines größeren Teils der in der kirchlichen und säkularen Vertriebenenarbeit Aktiven wiedergab, steht außer Zweifel. So warb ζ. B. am 5. September 1966 Pastor H a n s - J o a c h i m Bahr als Sprecher des Konvents Evangelischer Gemeinden aus P o m m e r n in einem Leserbrief in „ D i e Welt" u m Verständnis für die Argumente von „lh" und kritisierte zugleich eine Replik, in der Sepp Schelz v o m „Evangelischen Pressezentrum", Berlin, die Angriffe auf die Ratsentscheidung zurückgewiesen hatte. Bahr korrigierte zwar „ l h " mit dem Hinweis, der Rat habe eine Persönlichkeit betrauen wollen, die sich im Bischofsamt oder vergleichbarer Stellung befinde, übernahm aber doch im wesentlichen dessen Argumentation 1 1 9 . Mit seiner ersten öffentlichen Äußerung, einem Adventsgruß 1966 „ A n die evangelischen Umsiedler, Flüchtlinge und Heimatvertriebenen" 1 2 0 versuchte der neue Beauftragte der E K D , sein seelsorgerliches A m t an den 118 Vgl. Anm. 115. " ' Bahr lehnte die Berufung des Bremer Schriftführers zwar nicht expressis verbis ab, warnte sogar davor, aus der durch dessen A m t und „wohl auch durch sein persönliches Wesen" bedingten „Zurückhaltung gegenüber den Vertriebenenfragen" auf „mangelnde Eignung" zu schließen. Er warb jedoch gleichzeitig für ein Verständnis der „Enttäuschung derer, für die ,1h' eine deutliche Sprache redet". Von weiten Kreisen der Vertriebenen sei „ein Mann erhofft" worden, „der in dem Streit der Meinungen bekannt geworden war, der weder von vornherein oder mit gewissen Vorbehalten die Linie der Denkschrift vertrat noch sich der ganzen Auseinandersetzung ferngehalten hat". Die Hilfskomitees und Konvente, die mit dem O K A eng zusammenarbeiteten, hätten - so Bahr - „führende Persönlichkeiten mit solcher Bewährung" aufzuweisen. Die pommersche Landsmannschaft ( P L M ) ließ durch ihren Sprecher, O . Eggert, ihr Mißfallen über den Nachfolger Bischof Westers äußern. Zwischen Besch und der P L M war es am 13. 1. 1967 zwar zu einem Gespräch gekommen, das allerdings zu keiner Änderung der kritisch-polemischen Einstellung geführt hat. D a z u wäre, wie ein Artikel von O . Eggert in der POMMERSCHEN ZEITUNG v o m 4. 2.1967 („Wir sind enttäuscht, Herr Pastor Besch") zu erkennen gibt, die Bereitschaft des EKD-Beauftragten notwendig gewesen, auf öffentliche Äußerungen zu verzichten, die eine Kritik an der offiziellen Vertriebenen- und Ostpolitik beinhalten. Der PLM-Sprecher bezeichnete solche Äußerungen als „politische Irrlehre" und hielt sie unvereinbar mit dem „Seelsorgerischen". Vgl. dazu das in Anm. 108 angegebene Material, besonders N r . 319. VII. v o m 20. 2.1967. 120 Ebd., N r . 2239. X I . v o m 22. 11. 1966. D a s Wort wurde in einem Teil der Vertriebenenpresse veröffentlicht.

D e r Rücktritt Bischof Westers

187

Vertriebenen auf der Grundlage w a h r z u n e h m e n , wie sie die E K D im Verlauf der D e n k s c h r i f t - A u s e i n a n d e r s e t z u n g e i n g e n o m m e n hatte. Besch sprach die unterschiedliche A u f n a h m e an, welche die Denkschrift gefunden hat, die „tiefe Bitterkeit im H e r z e n " , die bei den einen davon z u r ü c k geblieben ist, und die G e n u g t u u n g derer, die Denkschrift und Synodalerklärung v o m M ä r z 1 9 6 6 „als ein befreiendes und hilfreiches W o r t e m p f u n d e n " haben, und u m r i ß seine Position innerhalb dieser Spannung s o : „. . . Ich sehe . . . meine Aufgabe darin, zu einem besseren gegenseitigen Verstehen zu helfen. D a r u m bitte ich Sie alle, w o wir auch im einzelnen im Streit der Meinungen unsere Position haben m ö g e n : Lassen Sie uns gemeinsam darum ringen und beten, daß die Gottesbotschaft vom Frieden auf Erden und von der Versöhnung unter den Völkern, die zu Weihnachten neu an uns ergeht, nicht bloß eine Botschaft bleibt, sondern als Wirklichkeit von uns ergriffen und als Aufgabe erkannt und angepackt wird. Lassen Sie uns miteinander unablässig darüber nachdenken, welche praktischen Schritte das von uns erfordert. Wenn wir das mit ganzem Ernst tun, werden wir alle im Glauben verbunden bleiben und in unserer Kirche die H e i m a t finden, die sie uns bieten möchte. D a ß ich dazu hier und da ein wenig helfen kann, ist mein herzlicher W u n s c h . Bitte helfen auch Sie dazu."' 2 1

D a ß ein solches W o r t , wie schon die Berufung des „Denkschriftlers" 1 2 2 Besch z u m Vertriebenenbeauftragten auf den W i d e r s p r u c h der G e g n e r der Denkschrift treffen würde, w a r zu erwarten. Sie sahen darin ein weiteres Zeichen mangelnden Verständnisses für „die" Vertriebenen auf Seiten des Rates der E K D 1 2 3 . So fällt n o c h v o n dieser ersten bedeutenden A m t s h a n d l u n g des neuen Beauftragten - wie ja auch schon v o n seiner Berufung durch den R a t - gut ein J a h r nach Veröffentlichung der Denkschrift ein L i c h t auf jenen spektakulären R ü c k t r i t t B i s c h o f W e s t e r s am 19. O k t o b e r 1 9 6 5 : D e r gesamte D e n k s c h r i f t v o r g a n g w a r zu einem die kirchliche Vertriebenenarbeit bestimmenden F a k t o r geworden, das A m t des E K D - B e a u f t r a g t e n in die K ä m p f e u m die Denkschrift und die dabei hervorgetretene Polarisierung voll einbezogen. D e r R ü c k t r i t t B i s c h o f Westers, die dem zugrundeliegende M o t i v a t i o n erhalten von daher eine innere Rechtfertigung v o n wesent-

121 Bereits diese Sätze lassen erkennen, was Besch auch an früherer Stelle des W o r t e s zum Inhalt seiner Ansprache an die Vertriebenen macht: Es geht ihm um den Glauben als „Hilfe für die Bewältigung unseres Schicksals heute und morgen" sowie darum, „in unseren jetzigen Gemeinden wirkliche H e i m a t " zu finden. Angesichts mancher Enttäuschungen bei der Aufnahme in die Gemeinden mahnt er die Vertriebenen, „die Schuld nicht gleich bei den Einheimischen [zu] suchen. Vielleicht haben wir's ihnen manchmal auch schwer gemacht, uns wirklich aufzunehmen".

So ein damals häufig verwendeter Begriff für die Befürworter der Denkschrift. G ü l z o w schickte am 15. 12. 1966 zwei derartige Stellungnahmen an die Kirchenkanzlei und ließ keinen Zweifel über seine eigene Meinung dazu aufkommen, daß man in der Weise wohl vor 15 oder noch 10 Jahren hätte schreiben können, inzwischen jedoch nicht mehr ( N r . 2 4 2 2 ; vgl. A n m . 108). 122

123

188

Auseinandersetzung um die Denkschrift

lieh tieferer Bedeutung als die zunächst in dem Zusammenhang so eifrig ventilierte Beteiligungsfrage.

3. Vertriebenenseelsorge und Kirchenverständnis Denkschrift-Diskussion

in der

Uberblickt man diese oben geschilderte, insgesamt doch wenig fruchtbare Auseinandersetzung, aber auch die ergiebigere Diskussion auf der Frankfurter Syndonaltagung sowie die sonstigen Äußerungen der ersten Monate nach Veröffentlichung der Denkschrift, so lassen sich die Gegensätze aus dem Blickwinkel der Vertriebenenarbeit - und darum geht es in unserem Zusammenhang - nicht einfach unter die traditionellen theologisch-ethischen Kategorien subsumieren. Wäre dies der Fall, wäre es schwerlich zu einer so weitgehenden Vereinheitlichung in Aufnahme und Bewertung der Denkschrift gekommen. Natürlich gab es auch diesen Gegensatz noch, und sicherlich spielten die „klassischen" Argumente in den Diskussionen ihre traditionelle Rolle. Doch anders als in den bekannten Auseinandersetzungen früherer Jahre, der Remilitarisierungsdebatte, dem Atomwaffenstreit, sind es jetzt weniger die „Systeme", theologischen Schulen oder kirchenpolitischen Fraktionen, die hier aufeinanderprallen - wie könnten sonst Vogel und Thielicke, Lilje und Gollwitzer in dieser Frage zusammenstehen? - als vielmehr eine unterschiedliche Aufgabenbestimmung für die Seelsorge, vornehmlich an den Vertriebenen, und die Einordnung dessen in den kirchlichen Auftrag als ganzen. Setzt man die kritischen Äußerungen von kirchlichen Vertriebenensprechern und die Stellungnahmen der Verfechter der Denkschrift als Rede und Gegenrede nebeneinander, so läßt sich leicht erkennen, daß man aneinander vorbeiredete. Es sind zwei Bereiche und getrennte kirchliche „Welten", und dies, obwohl doch beide Seiten vom gleichen sprechen, von den seelsorgerlichen Aufgaben, vom Versöhnungshandeln, vom Frieden, und obwohl keine Seite der anderen bestreitet, daß eine solche Seelsorge notwendig in den Bereich des Politischen hineinwirkt und ihn nicht unberücksichtigt lassen darf. Doch glaubt die eine Seite, von den Prämissen des seelsorgerlichen Auftrags der Kirche her einen Weg zu politischen Entscheidungen vorbereiten zu sollen und zu können, ohne die politischen Entscheidungen ihrer immanenten Sachbezogenheit berauben, sie theologisch überhöhen und sakralisieren zu müssen. Die andere Seite, nämlich ein Großteil der Sprecher aus der kirchlichen Vertriebenenarbeit, argumentiert gegen die politischen Implikate jener Art seelsorgerlicher Legitimation. Sie stellen dieser Auffassung die Erfordernisse und Ziele kirchlicher und politischer Art entgegen, die sich für sie aus dem Amt der Seelsorge, das sie im Sinne ihrer bisherigen Praxis der

189

Vertriebenenseelsorge und Kirchenverständnis

Vertriebenenbetreuung verstehen, als unaufgebbar ableiten. Daß diese „Praxis" jedoch lediglich Ergebnis bestimmter, über zwei Jahrzehnte hinweglaufender Entwicklungen, Anpassungs- und Differenzierungsprozesse in der kirchlichen Vertriebenenarbeit ist, hervorgegangen aus dem Willen und den Reaktionen der daran Beteiligten, ein historisches Produkt also, dies scheint verdeckt zu werden von einer Argumentation, die das so historisch Gewordene als das der Vertriebenenseelsorge Wesensgemäße ansieht. So ist es auch nicht weiter erstaunlich, wenn die Reaktion der Vertriebenen, wie Gülzow sie am 13. November 1965 beschrieb124, bis hin zur Verbitterung und Abwendung von der Kirche, als etwas angesehen wird, dem unter Wahrung oder Wiederherstellung der gefährdeten oder zerbrochenen Bindung an die evangelische Kirche entgegengetreten werden muß. Die von Gülzow geschilderte und beklagte negative Reaktion und Enttäuschung werden aber doch nur verständlich als Folge der über zwei Jahrzehnte hinweg geleisteten evangelischen Vertriebenenarbeit und geistlichen Wegweisung. Deren Ergebnis ist doch offenbar zu einem nicht geringen Teil die Vorstellung von einer „evangelischen Kirche", die von den Vertriebenen als Garant des Heimatrechts- und Selbstbestimmungsprinzips sowie als Hort von Restitutions- und Rückkehrhoffnungen begriffen wird. N u r eine so verstandene - und das heißt doch dann: gepredigte - „Kirche" konnte man des „Abfalls" - nicht zuletzt vom „Vaterland" 125 - bezichtigen 126 . Dieser unterschiedliche Ausgangspunkt mag wohl den Grund dafür abgeben, daß die Kontrahenten zwar dann aufeinander zukamen und die Argumente des anderen kritisch sondierend aufgriffen, wenn die Diskussion in den Bahnen der traditionellen sozialethischen Grundsatzdebatten oder, noch besser, unmittelbar über die materiellen politischen Gehalte der einzelnen Positionen geführt wurden. Sobald jedoch die Autoren und Verfechter der Denkschrift die ihrer Ansicht nach bestehende besondere seelsorgerliche und sozialethisch-politische Konvergenz im Vertriebenen- und Ostproblem entwickelten, blieben sie hierauf ohne Gegenrede oder erhielten pauschale, unverbindliche Zustimmung. Und umgekehrt 124

V g l . o b e n S. 170 f.

125

V g l . A . EVERTZ, D e r A b f a l l d e r e v a n g e l i s c h e n K i r c h e v o m V a t e r l a n d .

126

E s w a r w o h l v o r a l l e m F . SPIEGEL-SCHMIDT, d e r d a m a l s in einer R e i h e v o n A r t i k e l n u n d

A u f s ä t z e n ( a m a u s f ü h r l i c h s t e n in: K i r c h e , S. 1 0 f f . ) d e n W e g z u d i e s e r K o n z e p t i o n d e r V e r t r i e b e n e n s e e l s o r g e n a c h z e i c h n e t e u n d f r ü h e r e , v o n d e n kirchl.

Vertriebenenorganen

e n t w i c k e l t e A l t e r n a t i v a n s ä t z e in E r i n n e r u n g b r a c h t e , u m s o d i e M ö g l i c h k e i t e i n e s n e u e n A u f b r u c h s der Vertriebenenarbeit zu propagieren. Vgl. auch seinen eindringlichen versöhnlichen A p p e l l z u r O f f e n h e i t , z u r K u n s t d e s A u d i a t u r - e t - a l t e r a - p a r s u n d z u r H i n t a n s e t z u n g f r ü h e r e r G e g e n s ä t z e in s e i n e m S c h r e i b e n v o m 2 9 . 11. 1965 an d e n ( F o t o k o p i e i n : NACHLASS BRUMMACK, A k t e „ P r o - S t i m m e n " ) .

OKA-Vorsitzenden

190

Auseinandersetzung um die Denkschrift

beschränkten sich die Befürworter darauf, für die Unruhe, Verwirrung und Auflehnung unter den Vertriebenen gegen ihre Kirche Verständnis zu zeigen und sich als die wahren geistlichen Sachwalter der Vertriebenen wie der Interessen des gesamten Volkes darzustellen. So glaubten sie, als „Kirche" und in kirchlicher Legitimation dieser Lage entsprechen zu müssen. So steht letztlich hinter jenen Gegensätzen in der Argumentation ein unterschiedliches Kirchenverständnis. Darin unterscheidet sich diese Denkschrift-Diskussion kaum von den früheren großen politischen Debatten in der EKD; nur das jeweilige Kirchenverständnis ist ein anderes: Für die einen ist die Kirche eine Größe, die aufgrund ihrer besonderen Legitimation Aporien des menschlichen Miteinanders im Großen wie im Kleinen beseitigen oder tragen hilft und dadurch an die Gesellschaft gebunden, in sie integriert und von ihr anerkannt wird. Für die anderen bildet die Kirche in ihren konkreten Bindungen an bestimmte Gruppen und getragen von diesen den Bereich zur Erfüllung des ihr gestellten geistlichen Auftrags, als Stütze und Garant angesichts bestimmter Erfahrungen, Nöte und Gefährdungen. Die einen erblicken in der Denkschrift deshalb eine Chance für den kirchlichen Auftrag, sehen in ihr ein Mittel auch der Vertriebenenseelsorge, während die anderen die Denkschrift nur als Belastung ihrer kirchlichen Arbeit und als Anlaß zu seelsorgerlichen Bemühungen in bestimmter Richtung auffassen können. Daß ein Wirken der Kirche im Sinne jener zuerst genannten Auffassung nicht ohne Berücksichtigung der Seelsorge an einer Gruppe und der ihr eigenen Kontingenz möglich ist, zeigen der weitere Verlauf der Auseinandersetzungen und der Prozeß der Annahme und Aufnahme in der kirchlichen Öffentlichkeit. Dem soll im folgenden noch näher nachgegangen werden, bevor dann schließlich die Erkenntnisse, welche speziell die Geschichte der kirchlichen Vertriebenenarbeit vermittelt, zur Wertung des gesamten Vorgangs herangezogen werden.

4. Zwischen politischer Diakonie und Gruppenseelsorge - Zur Aufnahme der Denkschrift in den Gemeinden Der Blick auf die höchsten Gremien der evangelischen Kirche in den Tagen und Wochen nach Veröffentlichung der Denkschrift bot - wie sich zeigte - ein Bild weitgehender Geschlossenheit zumindest in der grundsätzlichen Zustimmung zur Motivation, Konzeption und zur Legitimationsfrage. Diese Geschlossenheit wurde nicht nur unmittelbar an der Haltung des Rates der EKD sowie dem Ergebnis der Frankfurter Arbeitstagung der EKD-Synode sichtbar; sie findet sich auch indirekt durch die Gegner der Denkschrift eindrucksvoll bestätigt, wenn diese ihre Kritik

A u f n a h m e der D e n k s c h r i f t in den G e m e i n d e n

191

nicht - wie bisher in vergleichbaren Fällen - auf einzelne G r u p p e n oder „Agenten" innerhalb der E K D richteten, sondern nun gleich auf die evangelische Kirche überhaupt abzielten, sie als ganze mit der D e n k schrift identifizierten. U n d doch m u ß diese Aussage näher beschrieben und damit eingeschränkt werden: Die bisher geschilderten Vorgänge und Äußerungen sind ja genaugenommen weniger dem Prozeß der A u f n a h m e zuzuordnen, den die Denkschrift gefunden hat, sondern gehören eher noch in den Zusammenhang der Ingangsetzung und Verabschiedung jenes bedeutenden Akts politischer Diakonie durch die E K D . Die A u f n a h m e in den Landeskirchen und Gemeinden, sozusagen „vor O r t " , ist dagegen nicht von einer solchen Geschlossenheit gekennzeichnet. Hier brachen Interessenkonflikte offener auf, die den Hintergrund für die Differenzen bilden, wie sie sich eben anhand des jeweiligen Kirchenverständnisses systematisieren ließen. Die unterschiedliche Behandlung und Bewertung der Denkschrift in den einzelnen Landeskirchen erklärt sich nur zu einem geringen Teil aus möglichen voneinander verschiedenen Reaktionen der Gemeinden, besonders der vertriebenen Gemeindeglieder. Hier vermelden eigentlich alle Landeskirchen ein großes und breit gefächertes Echo. Dabei weckte die Kritik, die bis hin zur Verbitterung oder auch Resignation der sich betroffen fühlenden Gemeindeglieder reichte, naturgemäß die größere Aufmerksamkeit der kirchlichen Gremien und forderte die Vertriebenenseelsorger zum Handeln heraus. Erst in der Weise, wie die Kirchenleitungen auf derartige Anstöße und Widerstände reagierten, zeigen sich die Unterschiede, werden Fraktionen in der E K D sichtbar. Eine Gegenüberstellung der zwei in gewisser Hinsicht am meisten von der Thematik betroffenen Kirchen mag dies veranschaulichen, der Landeskirche Schleswig-Holsteins, also des „Flüchtlingslandes N r . 1", und der Evangelischen Kirche der Union. Während die eine Kirche am nachhaltigsten durch die Eingliederung der vertriebenen Gemeindeangehörigen umgeprägt wurde, war die andere durch den Verlust der Ostgebiete in einzigartiger Weise und in gewisser Hinsicht stellvertretend für den gesamten deutschen Protestantismus betroffen 127 . Die schleswig-holsteinische Kirchenleitung nahm als eine der ersten zur Denkschrift öffentlich Stellung. Es waren nicht nur der Rücktritt Bischof Westers' 28 , sondern die in einem solchen „Flüchtlingsland" verständlicherweise besonders leidenschaftliche Diskussion, die eine schnelle öffentliche Reaktion der Kirchenleitung erforderlich machte: „Die D e n k s c h r i f t ist ein Arbeitsergebnis der westlichen Mitglieder der K a m m e r für öffentliche V e r a n t w o r t u n g der E K D u n d w u r d e am 15. O k t o b e r veröffentlicht. D e n Mit127

V g l . B d . I, S. 1 7 u . 1 8 4 ; G . W I L D , P r o t e s t a n t i s m u s , S. 1 3 , 1 5 u . 19.

128

Vgl. dazu oben S. 177 ff. - Wester hatte damals den Vorsitz der Kirchenleitung inne.

192

Auseinandersetzung um die Denkschrift

gliedern der Kirchenleitung stand sie auf Grund der Auslieferungsschwierigkeiten erst am 22. Oktober zur Verfügung. Die Kirchenleitung versteht das umfangreiche Dokument von 44 Druckseiten als ernsthaften Beitrag zu einer Diskussion, in der auch kritische Stimmen sachlich gehört und die Aussagen im einzelnen geprüft werden müssen. Die leidenschaftliche Diskussion der Denkschrift in Gemeinden und Öffentlichkeit ist nur verständlich angesichts der Tatsache, daß das Dokument Lebensfragen des ganzen Volkes berührt und die Beantwortung zu beeinflussen sucht. Die Kirche hat das Recht und die Pflicht, zu wichtigen Fragen des öffentlichen Lebens Stellung zu nehmen. Sie nimmt ihren Auftrag in Verantwortung vor Gott wahr. Sie muß sich dabei der Grenzen bewußt bleiben, die ihr durch ihren geistlichen Auftrag gezogen sind. Die Kirchenleitung respektiert die Gründe, die Herrn Bischof D. Wester zum Rücktritt von seinem Amt als Beauftragter der E K D für Umsiedler- und Vertriebenenfragen veranlaßt haben. Sie dankt ihm für seine Tätigkeit in diesem Amt."

Mit dieser Entschließung vom 5. November 196512' vermeidet die Kirchenleitung zwar eine ausdrückliche Festlegung in positivem oder negativem Sinne, eine distanzierende Skepsis ist jedoch unverkennbar. Wie sonst soll man den Hinweis auf die „auch kritische[n] Stimmen" und die durch den „geistlichen Auftrag" gezogenen „Grenzen" verstehen? Das Votum des holsteinischen Bischofs Friedrich Hübner auf der bald darauf abgehaltenen Landessynode bestätigt diesen Eindruck. Die Synode trat vom 8. bis 12. November 1965 zusammen, also gleichzeitig mit der Frankfurter Arbeitstagung der Synode der EKD130. Als sie die Denkschrift behandelte, lag die Frankfurter Entschließung131 bereits vor, ohne daß die Synode sie schon in ihre Beratungen einbezogen hätte132. Die Debatte wurde mit einem Referat des Kieler Historikers Professor Karl Dietrich Erdmann eingeleitet, der sich positiv über die Denkschrift äußerte. Unter Hinweis auf Luthers Stellungnahmen zu verschiedenen politischen Streitpunkten seiner Zeit bejahte der Historiker ausdrücklich die „Zuständigkeit" und Legitimation der Kirche, sich in der Weise öffentlich zu äußern. Auch in der Kennzeichnung der politischen Situation stimmte Erdmann der Denkschrift zu'33. In der Aussprache wurden von den Kritikern vor allem deren kirchliche Legitimation und seelsorgerliche Eignung in Frage gestellt. Zwar gab es 129

130

BERLIN UND POTSDAM 1 9 6 6 , S. 5 1 6 .

Vgl. oben S. 158 ff. Zur Denkschrift-Diskussion auf der schleswig-holsteinischen Landessynode vgl. den BERICHT (S. 66 ff.) 1965 der 31. ord. Landessynode. Diese Aussprache fand am 11. 11. abends statt. 131 Vgl. oben, S. 165. 132 Auch Bischof Hübner, der in seinem Diskussionsbeitrag (BERICHT, S. 71 f.) die Entstehung erläuterte, ging auf das Frankfurter Ergebnis und - d. h. in diesem Zusammenhang vor allem - den Dank an Kammer und Rat für die „wegweisende Denkschrift" nicht ein. 133 Vgl. ebd., S. 67ff. Das Referat entspricht in seinem historisch-politischen Teil in etwa Erdmanns Referat „Deutschland und der Osten - zur historischen Einschätzung der gegenwärtigen Lage" auf der EKD-Synode am 16. 3.1966 (BERLIN UND POTSDAM 1966, S. 109ff., u.ö.).

Aufnahme der Denkschrift in den Gemeinden

193

keinen Redner, der der Kirche grundsätzlich das politische Wächteramt und das Recht, in politischen Fragen Stellung zu beziehen, streitig machen wollte. Die Kritiker sahen jedoch in diesem Fall die der Kirche gesetzten Grenzen überschritten. Bischof Hübner, der an seiner kritischen Einstellung keinen Zweifel ließ, gestand der Denkschrift einerseits wohl zu, sie habe selbst „mit großem Geschick" versucht, „den schmalen Grat zu wandeln zwischen der Versuchung, dem Staat Richtlinien für sein politisches Handeln zu geben, und der gegenteiligen Versuchung, auf jede politische U m s e t zung des Evangeliums zu verzichten."

E r bezweifelte andererseits jedoch, daß es in der Denkschrift tatsächlich gelungen sei, der „Schwärmerei" zu wehren, nämlich „aus der Predigt von Buße, Versöhnung und Friede um Christi willen . . . unmittelbares politisches Kapital" zu schlagen. Im letzten Absatz der Denkschrift sah der Bischof als Aufgabe der Kirche beschrieben, „Vorspanndienste für die Politik zu leisten" 134 . Hinsichtlich der seelsorgerlichen Wirkung der Denkschrift äußerten die Kritiker schwere Bedenken. So sprach der Synodale Herbert Schlange von einer „Sicherheit ohne D e m u t " , die noch einmal trügen könne: „Wenn nämlich Ihre Gemeindeglieder, die treuen evangelischen Christen aus dem deutschen O s t e n . . . jetzt in ihrer N o t an ihrer Kirche verzweifeln, dann werden Ihre Kirchen vielleicht leer werden, dann werden Sie es vielleicht erleben, was von Ihnen angerichtet worden ist." 1 3 '

D e r Synodale G e o r g Schreiber, ebenfalls ein Kritiker der politischen Tendenz in der Denkschrift, ging als Heimatvertriebener auf den II. Abschnitt - „Die Vertriebenen in Gesellschaft und Kirche" - ein und stellte der darin enthaltenen kritischen Bewertung des Aufnahmegeschehens die seiner Ansicht nach positiven Erfahrungen in Schleswig-Holstein entgegen, um auf diese Weise eine Distanz der Denkschrift-Autoren zu den Vertriebenenfragen demonstrieren zu können 136 . 134 BERICHT 1965, S. 71 f. H ü b n e r berief sich auf den in der Denkschrift an anderer Stelle zit. Girgensohn: „Eine Seelsorge, die sich von einer politischen Zielsetzung in Dienst nehmen läßt, kann ihre Aufgabe als Seelsorge nicht mehr wahrnehmen . . . Sie gibt sich einem fremden Herrn nicht . . ." D e r Kieler Professor für praktische Theologie, Georg H o f f m a n n , ein Deutsch-Balte, der zu den Befürwortern auf der Synode zählte, wandte sich dagegen, das „vikarische Eintreten" unter den Begriff „Vorspanndienste" zu fassen und äußerte zu Hübners Bemerkung über Girgensohn („den ich als Landsmann gut gekannt und sehr verehrt h a b e " ) , „daß er die Denkschrift mindestens nicht total ablehnen würde, wenn er noch lebte" (ebd., S. 75). Auch der aus P o m m e r n stammende Synodale B r u n o Ihlenfeld berief sich bei seiner Befürwortung der Denkschrift auf Girgensohn (vgl. ebd., S. 78). 135

E b d . , S. 70.

Die Flüchtlinge fühlen sich in ihrer evangelischen Kirche hier in Westdeutschland und besonders in Schleswig-Holstein keineswegs vereinsamt, sondern sehr wohl. Sie sitzen in allen kirchlichen Gremien. Sie sitzen selbst in der Kirchenleitung. Sie haben von Anfang an mitgearbeitet und waren auch zu Kompromissen bereit. Ein großer Teil der 136

194

Auseinandersetzung um die Denkschrift

Ein Antrag des Synodalen Schlange, die Kirchenleitung m ö g e zur weiteren P r ü f u n g der Denkschrift einen Ausschuß bilden und sich v o m Rat der E K D über die Entstehung informieren lassen, unterlag dem Antrag des Synodalen H e r m a n n Schumacher, in dem die „Behandlung der D e n k s c h r i f t " durch die Synode als beendet erklärt und den Synodalen empfohlen wird, „die Denkschrift und ihre Absichten ernsthaft zu überdenken und das Ergebnis der weiteren kirchlichen Tagungen A n f a n g 1966 abzuwarten" 1 3 6 ". Angesichts der von der Frankfurter Arbeitstagung beschlossenen eingehenden Behandlung der Denkschrift auf der S y n o d e der E K D im Frühjahr 1966 berief die Kirchenleitung dann doch einen Ausschuß ein. Ihm gehörten u. a. die Synodalen aus der schleswig-holsteinischen Landeskirche b z w . deren Vertreter an, sowie einige Mitglieder der Kirchenleitung, darunter D r . Schlange und das Mitglied des Ostkirchenausschusses Schwarz, der D e k a n der Kieler theologischen Fakultät, Professor H a n s Engelland, und Professor Erdmann. D i e beiden Bischöfe, H ü b n e r und Wester, nahmen an den Beratungen teil. Die Leitung des Ausschusses wurde dem Direktor der Evangelischen A k a d e m i e B a d Segeberg, Pastor Rolf K r a p p , übertragen. Er stand der Denkschrift keineswegs ablehnend gegenüber. A u s dieser Zusammensetzung geht das Bemühen hervor, „Vertreter aller Meinungsrichtungen" zu beteiligen, wie Schwarz der L a n d e s s y n o d e 1966 erläuterte 137 . Bereits im Februar waren die Beratungen abgeschlossen. Sie betrafen sowohl die Frage nach der Zuständigkeit des Rates der E K D als auch den Inhalt der Denkschrift 1 3 8 . Z u m Legitimationsproblem hatte der Synodale Heimatvertriebenen kam aus der Kirche der Union und sie haben hier keinen Unterschied im Bekenntnis finden können. U n d wir haben eifrig mitgearbeitet, z . B . an dem neuen Gesangbuch, an anderen Vorlagen und an der neuen Liturgie. D a s möchte ich doch einmal hervorheben. Also in der Denkschrift sieht das so aus als ob die Heimatvertriebenen einsam und verlassen hier einhergingen. D a s stimmt nicht. Die Gemeinschaft in der Gemeinde ist hier so stark und so groß und hat uns allen viel Kraft und Zuversicht gegeben. Ich bedaure, daß eine kirchliche Arbeit wie die Denkschrift das nicht feststellt. Wo waren die Herren denn eigentlich als sie diese Denkschrift verfaßten?" (ebd., S. 74). Ebd., S. 79. - Der Antrag des Synodalen Schlange stieß in der Synode vor allem deshalb auf Widerspruch, weil die dem Ausschuß zugewiesenen Aufgaben diesen in den Augen mancher Synodaler regelrecht zu einem „parlamentarischen Untersuchungsausschuß" werden ließen und die Denkschrift in die „Rolle eines Angeklagten" versetzten (so der Synodale H o f f m a n n ; ebd., S. 75). Ü b e r den Antrag Schumacher wurde zuerst abgestimmt: 47 Ja-, 25 Neinstimmen und 4 Enthaltungen. Bei dieser starken Mehrheit ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Kirchenleitung vor der Abstimmung darauf hinwies, durch den Antrag Schumacher „in keiner Weise daran gehindert" zu sein, über die Denkschrift weitere Verlautbarungen abzugeben (Vizepräsident Heinz Harmsen ebd., S. 79). D . h . auch bei Ablehnung des Antrags Schlange bestand die Möglichkeit, einen Ausschuß mit den Fragen 137 BERICHT 1966, S. 17f. zu befassen. 138 Vgl. den Bericht von O L K R Schwarz auf der 33. Landessynode (ebd., S. 18).

A u f n a h m e der D e n k s c h r i f t in den G e m e i n d e n

195

Oskar Epha ein Gutachten erstattet, das sich die Kirchenleitung zu eigen machte und am 10. Februar 1966 dem Rat der E K D zusammen mit folgenden daraus erhobenen Bitten zusandte: „1. den G l i e d k i r c h e n sollte v o r V e r ö f f e n t l i c h u n g v o n V e r l a u t b a r u n g e n der E K D oder ihrer O r g a n e (zu denen die K a m m e r n nicht g e h ö r e n ) , sofern B e k e n n t n i s f r a g e n b e r ü h r t w e r d e n , G e l e g e n h e i t z u r S t e l l u n g n a h m e gegeben w e r d e n . 2. bei V e r l a u t b a r u n g e n von B e d e u t u n g für die A l l g e m e i n h e i t sollte v o r einer V e r ö f f e n t l i c h u n g die S y n o d e der E K D beteiligt werden. 3. die Z u s a m m e n s e t z u n g der beratenden K a m m e r n sollte d e m z u b e h a n d e l n d e n S a c h g e biet e n t s p r e c h e n , da diese nach der G r u n d o r d n u n g aus jeweils s a c h v e r s t ä n d i g e n P e r s ö n l i c h keiten' bestehen s o l l e n . " 1 "

Zu den inhaltlichen Fragen konnte sich der Ausschuß kein einheitliches Urteil bilden. A n einzelnen „Corrigenda" in der Denkschrift bestand kein Zweifel, ob die Denkschrift insgesamt jedoch durch ein „neues weiterführendes D o k u m e n t " ersetzt werden müsse, blieb umstritten. Den Hauptanstoß nahm der Ausschuß an der Bewertung, die der Haltung der Vertriebenen, der bisherigen Vertriebenenseelsorge und dem deutschpolnischen Verhältnis in der Denkschrift zuteil wird 140 . 139

BERLIN UND POTSDAM 1 9 6 6 , S. 5 1 7 . - D a s G u t a c h t e n v o n E p h a (ebd., S. 5 1 8 ff.) bejaht

die „sachliche Z u s t ä n d i g k e i t " der S y n o d e , deren V o t u m der R a t „aus seiner g e s a m t k i r c h l i chen V e r a n t w o r t u n g und u m K i r c h e und V o l k v o r Schaden zu b e w a h r e n " hätte h e r b e i f ü h ren m ü s s e n . D e r G u t a c h t e r fragt darüber hinaus, o b es n i c h t sogar „im H i n b l i c k auf die bei der B e r a t u n g der D e n k s c h r i f t sichtbar g e w o r d e n e n t h e o l o g i s c h e n B e d e n k e n " n o t w e n d i g gewesen wäre, „die G l i e d k i r c h e n dazu zu h ö r e n " (ebd., S. 5 2 0 ) . D i e s c h l e s w i g - h o l s t e i n i s c h e K i r c h e n l e i t u n g Schloß sich diesem G u t a c h t e n offensichtlich an, o h n e einen w e i t e r e n G u t achter befragt zu haben. Allerdings k o n z e d i e r t sie in i h r e m S c h r e i b e n v o m 10. 2 . 1 9 6 6 , „daß sich die F r a g e der Z u s t ä n d i g k e i t des Rates der E K D f ü r die V e r ö f f e n t l i c h u n g v o n D e n k schriften erst aus der g r o ß e n B r e i t e n w i r k u n g der O s t d e n k s c h r i f t e r g e b e n " h a b e (ebd., S. 5 1 7 ) . D a s P r o b l e m hatte in der Ö f f e n t l i c h k e i t bereits B e a c h t u n g gefunden und w a r dabei auch n o c h in anderer W e i s e entschieden w o r d e n als im G u t a c h t e n E p h a . So stellte der hessen-nassauische K i r c h e n p r ä s i d e n t S u c k e r v o r der 5. ord. L a n d e s s y n o d e der hessennassauischen K i r c h e v o m 6. bis 9. 12. 1965 ausdrücklich die L e g i t i m a t i o n des Rates der E K D fest. D i e s e r habe so verfahren d ü r f e n , o h n e vor der V e r ö f f e n t l i c h u n g den K o n s e n s u s der S y n o d e herstellen zu müssen ( B e r i c h t der 5. ord. S y n o d e , S. 4 3 ; V D 10, S. 18). 140

Vgl. den B e r i c h t von O L K R S c h w a r z (BERICHT 1 9 6 6 , S. 18). I m S c h l u ß p r o t o k o l l stellte

der A u s s c h u ß folgendes fest: „1. I n der H a u p t f r a g e , w o r i n ein t h e o l o g i s c h qualifizierter D i e n s t der K i r c h e i m politischen B e r e i c h h e u t e bestehen k ö n n e , gelangte der A u s s c h u ß z u k e i n e m einhelligen Standpunkt. 2 . I n d e r F r a g e der V e r ö f f e n t l i c h u n g weiterer D e n k s c h r i f t e n durch die E K D hält es d e r A u s s c h u ß für erforderlich, die S y n o d e z u v o r v e r a n t w o r t l i c h einzuschalten. 3. E s ist z u fordern a) eine klarere und verständlichere S p r a c h e , b) eine n ü c h t e r n e r e u n d sachlichere B e u r t e i l u n g der H a l t u n g der B e t r o f f e n e n , c) eine w e i t e r r e i c h e n d e W ü r d i g u n g des d e u t s c h - p o l n i s c h e n Verhältnisses in der G e s c h i c h t e als G r u n d l a g e der V e r s ö h n u n g , d) eine stärkere B e r ü c k s i c h t i g u n g der seelsorgerlichen A u s s a g e n , e) eine der bisherigen seelsorgerlichen A r b e i t und der m a ß v o l l e n H a l t u n g , die die V e r t r i e b e n e n ü b e r w i e g e n d gezeigt h a b e n , g e r e c h t e r w e r d e n d e W ü r d i g u n g " (ebd.). A u f g r u n d der unterschiedlichen M e i n u n g e n im A u s s c h u ß w u r d e , wie S c h w a r z b e r i c h t e t e ,

196

Auseinandersetzung um die Denkschrift

Zu einer weiteren Behandlung durch die Synode und einer Entschließung eines der kirchlichen Gremien kam es in Schleswig-Holstein dann nicht mehr141. Offensichtlich stellte sich diese hinter die „Erklärung zum Thema:,Vertreibung und Versöhnung'" der Synode der EKD vom 13. bis 18. März 1966'42, die Schwarz als Sprecher der Kirchenleitung als „sehr ausgewogen - nach beiden Seiten hin gesprochen" bezeichnete143. Die hier geschilderten Vorgänge lassen den Beitrag der landeskirchlichen Gremien in Schleswig-Holstein zur Aufnahme der Denkschrift in den Gemeinden in gewisser Hinsicht bemerkenswert und auch einzigartig erscheinen: Aus diesem „Flüchtlingsland N r . 1" kam offenbar „die schärfste Opposition" gegen die Denkschrift. Dies glaubte jedenfalls Spiegel-Schmidt am 29. November 1965 feststellen zu können144. Überblickt man die eben dargestellten Äußerungen - sie bilden zwar nur einen kleinen Ausschnitt der Gesamtaktivitäten im Zusammenhang mit der Denkschrift, stellen aber immerhin die offizielle Haltung der kirchlichen Gremien dar - einschließlich des Rücktritts des Schleswiger Bischofs und Vorsitzenden der Kirchenleitung von seinem Amt in der EKD, so fällt die Diskrepanz zu den Beschlüssen und Äußerungen der Gremien der EKD ins Auge. Auch wenn sich keine offizielle Distanzierung von der Denkschrift findet, ja sogar in einzelnen Punkten um Verständnis geworben wird145, vermittelt die Haltung der schleswig-holsteinischen Gremien, besonders der beiden Bischöfe in der Öffentlichkeit doch den Eindruck einer Opposition gegenüber der Denkschrift. So konnte ein Pastor auf der 115. Lutherischen Konferenz in Flensburg am 9. Februar 1966 unwidersprochen davon reden, Schleswig-Holsteins Bischöfe liefen „mit vereinter Kraft Sturm" gegen die Denkschrift 146 . „es den Synodalen [den EKD-Synodalen aus Schleswig-Holstein] anheimgestellt, je nach dem Gang der Diskussion auf diese Anregungen zurückzugreifen" (ebd.). Von den schleswig-holsteinischen EKD-Synodalen nahmen nur Bischof H ü b n e r und Vizepräsident Epha auf der EKD-Synode zur Denkschrift Stellung. Beide äußerten sich kritisch (vgl. BERLIN UND POTSDAM 1966, S. 1 8 9 f f . , 222). 141 Ein Antrag des Synodalen Schumacher auf der 32. ( = Frühjahrs-)Synode, die Beratungen über die Denkschrift auf der kommenden Landessynode fortzusetzen, wurde zurückgezogen (vgl. BERICHT 1966, S. 37). 1,2 Vgl. dazu unten S.213ff. 143 Vor der 33. Landessynode (BERICHT 1966, S. 18). 144 Schreiben an Gülzow(abschriftlichin:NACHLASSBRUMMACK, Akte „Pro-Stimmen").Spiegel-Schmidt trifft diese Feststellung im Blick auf die „Gesprächssituation . . . in den lutherischen Kirchen", gerade auch im Vergleich zu Bayern; dort erschien ihm das Echo „auch unter den heimatvertriebenen Pfarrern und Kirchenvorstehern . . . wesentlich zustimmender". 145 Vgl. z.B. den Hinweis (Anm. 139) oben S. 195 und die Bezeichnung der Denkschrift als einen „ernsthaften Beitrag" in der Entschließung vom 5.11.1966. 146 FLENSBURGER TAGEBLATT N r . 34 vom 10. 2.1966. Die Zeitung berichtete ausführlich über diese annähernd sechsstündige Konferenz, an der über 100 Theologen teilnahmen,

A u f n a h m e der D e n k s c h r i f t in den G e m e i n d e n

197

Eine solche Haltung ist keinesfalls allein mit der lutherischen Tradition dieser Landeskirche zu erklären. Z u m einen hatte das Luthertum die Geschichte und Gestalt dieser Landeskirche keineswegs so nachhaltig geprägt wie andere lutherische Kirchen innerhalb der V E L K D , etwa Hannover und Bayern; zum anderen hatte die Behandlung der D e n k schrift im Rat und in der Synode der E K D gezeigt, daß ein Einverständnis lutherischer Theologen und Kirchenführer mit Intention und Argumentation der Denkschrift möglich war. Dies wird auch in der Darstellung der Reaktionen in jenen Landeskirchen deutlich werden. Die im Vergleich zu den übrigen Gliedkirchen der E K D einzigartige Opposition der schleswig-holsteinischen Kirchenführer zur Denkschrift m u ß daher andere G r ü n d e haben. In der schleswig-holsteinischen Landeskirche, einer „zu gewissen Zeiten und O r t e n geistlich armen Landeskirche" 147 hatten die vielen einströmenden Vertriebenen eine überragende Bedeutung für das Wiederaufleben und teilweise sogar Entstehen lebendiger kirchlicher Arbeit 148 ; damit prägten sie sowohl die Gestalt der Kirche als auch das Kirchenverständnis in besonderem Maße. Damit verknüpft war wiederum ein unverkennbarer Einfluß der kirchlichen Vertriebenenarbeit in organisatorischer und inhaltlicher Hinsicht, sie wurde von einzelnen Persönlichkeiten getragen, die die Leitung und den Weg der Kirche mit bestimmten. Zusammenfassend könnte man sagen, daß die A u f n a h m e und Annahme der Vertriebenen in Schleswig-Holstein zu einer Wandlung der Kirche führte. Die Tendenz, die sich in der organisierten Vertriebenenarbeit, in deren Seelsorge und den damit verbundenen politischen Konsequenzen herausgebildet hatte, konnte deshalb hier ein viel stärkeres Gewicht erlangen als dies in anderen Landeskirchen möglich war. Im Gegensatz zu den auf Korrektur und Gegensteuerung zur D e n k schrift ausgerichteten seelsorgerlichen Bemühungen in Schleswig-Holstein griffen die leitenden Organe der Evangelischen Kirche der Union (EKU) und ihrer westlichen Gliedkirchen die Denkschrift im Sinne einer Anleitung zur speziellen Seelsorge an den Vertriebenen auf. Den Autoren und dem Rat der E K D wurde nicht eine Überschreitung der Grenze vom

darunter auch Bischof H ü b n e r und Propst H a n s Asmussen. Letzterer kritisierte die Befürw o r t e r der D e n k s c h r i f t , soweit sie in dieser die „Frucht einer endlich erreichten Diesseitigkeit der Kirche" sahen, und äußerte den Verdacht, daß nach 1945 „hinter den schönsten biblischen Zitaten oft eine H i n n e i g u n g z u m O s t e n " stecke. U n t e r den D e b a t t e n r e d n e r n befanden sich andererseits auch eine Reihe Befürworter. 147 So Präses H a l f m a n n vor der vorläufigen G e s a m t s y n o d e in Rendsburg v o m 14. bis 16. 8. 1945. E r sprach davon, daß diese Landeskirche d u r c h die A u f n a h m e der Flüchtlinge „geistlich groß und stark w e r d e n " k ö n n e (vgl. Dokumentationsbericht/Schleswig-Holstein, S. 8; V D 18.1). Vgl. Bd. I, S. 259 ff.

198

Auseinandersetzung um die Denkschrift

seelsorgerlichen zu „politischen Vorspanndiensten" vorgeworfen, sondern Inhalt und Motiv der Denkschrift wurden als notwendiges „seelsorgerliches Anliegen" begriffen und aufgegriffen. So nahm die dritte ordentliche Synode der E K U am 2. Dezember 1965 eine Entschließung an, in der es heißt: „Die D e n k s c h r i f t . . . hat ein Gespräch in Gang gebracht, das schon lange fällig ist. D i e Synode ist dankbar für diesen Beitrag, der zur Versachlichung der Diskussion und zur allseitigen kritischen Urteilsbildung dienen soll. Sie bittet die Gliedkirchen, das Gespräch über die damit aufgebrochenen Fragen zu fördern und die damit verbundenen seelsorgerlichen Aufgaben ernstzunehmen." 1 '"

Die Betonung des seelsorgerlichen Anliegens der Denkschrift und deren Anerkennung als Grundlage der Vertriebenenseelsorge kennzeichnen die Reaktion der Gremien der E K U auf die Anstöße und Widersprüche, welche die Denkschrift in den Gemeinden, besonders unter den Vertriebenen provozierte. Als wohl eindrucksvollstes und auch in jenen Tagen am meisten beachtetes Zeugnis hierfür muß das Wort „An die evangelischen Heimatvertriebenen in Westfalen" gelten, das der westfälische Präses Wilm Ende November in der Zeitung der evangelischen Kirche von Westfalen veröffentlichte150. Wie in Schleswig-Holstein waren auch in Westfalen die Reaktionen neben „dankbarer Zustimmung" zum Teil von „Bitterkeit und Haß" gekennzeichnet, äußerte sich „eine tiefe Enttäuschung über die Leitung der evangelischen Kirche" und wurde Klage darüber laut, „daß nun die evangelischen Heimatvertriebenen von ihrer Kirche verlassen und verraten worden seien", was den westfälischen Präses, wie er selbst schreibt, zu diesem Wort veranlaßt habe. In fünf Punkten versucht Wilm, gegen Mißverständnisse oder auch „böswillige Interpretation" anzugehen, damit sich dadurch Vertriebene nicht "gegen ihre evangelische Kirche aufbringen lassen oder an ihr irre werden" 151 . Mit der Denkschrift sei 149 BERLIN UND POTSDAM 1966, S. 494. Aus dem dieser Entschließung zugrunde liegenden Ausschußbericht, den Pastor R o b e r t Frick der Synode erstattete, wird der Hintergrund deutlich. Frick wies darauf hin, „wie sehr bei aller Bemühung um eine sachliche Darstellung der Tatbestände hinter der ganzen Denkschrift als eigentliches M o t i v ein seelsorgerliches Anliegen steht. U n d wie sehr uns daran gelegen ist, daß das nicht verdeckt und nicht unwirksam werde durch die Proteste. W i r möchten gerne, daß gerade die, die hier in besonderer Weise angesprochen, weil in besonderer Weise betroffen sind, unsere Brüder und Schwestern, die eben das Schicksal der Vertreibung erlitten haben und erleiden, spüren, daß auch hier wirklich kein ,Anti', sondern nur ein ,Pro' für den Menschen und für die Menschen das eigentlich Bewegende ist" (ebd.). 150 „Unsere K i r c h e " N r . 4 9 / 1 9 6 5 , S. 5. In der Mitte dieser Seite findet sich ein Spruchkasten mit einem E p h . 4,15-Zitat. D a s W o r t von Präses W i l m ist abgedruckt in: K J 1965, S. 6 9 f f . 151 So W i l m am 26. 11. 1965 im Rundschreiben N r . 80 an die Pastoren und Pastorinnen der westfälischen Kirche ( A O K A , C 6a, N r . 3134). Wilm weist die Auffassungen zurück, durch die Denkschrift würden Tatsachen geschaffen, die Kirche sei nicht zuständig, sie setze

Aufnahme der Denkschrift in den Gemeinden

199

„um der Vertriebenen willen und um des Nachbarvolkes willen das ,Tabu' der OderNeiße-Linie geöffnet worden . . ., damit wir . . . innerlich frei werden, gemeinsam einen neuen Weg zu gehen."

Die Kirche könne nicht dazu da sein, „unseren Haß und unsere Bitterkeit oder unsere irregeleiteten nationalistischen Gefühle zu bestätigen. Wer das von seiner evangelischen Kirche erwartet hat, der muß enttäuscht werden, weil sie ihm das nicht geben kann, es sei denn, daß sie ihren Herrn verleugnet. . . und den Menschen Steine statt Brot gibt."

Die Aussagen der Denkschrift werden hier nicht relativiert und als ein Diskussionsvorschlag dargestellt, dem im Raum der Kirche ohne weiteres auch Alternativen, z.B. die der Vorrangigkeit des Rechts auf die verlorene Heimat und dessen Verwirklichung, gegenübergestellt werden könnten. Vielmehr rückt Wilm die von der Denkschrift intendierte Öffnung für einen „neuen Weg" in einen unlöslichen Zusammenhang mit dem Verkündigungsauftrag der Kirche überhaupt. Das ist die Basis, auf welcher der westfälische Präses zuvor den Heimatvertriebenen in seiner Kirche, ob diese der Denkschrift zustimmend oder ablehnend gegenüberstehen, versichert, „daß die evangelische Kirche, und das heißt ganz praktisch die westfälische Landeskirche, ihre Kirchenleitung und ihr Präses, die Kirchengemeinde, zu der Sie gehören, der Pfarrer und das Presbyterium und darüber hinaus auch der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland für ihre heimatvertriebenen Brüder und Schwestern mit allem, was sie ist und hat, da ist und für sie eintreten und ihnen dienen will. Und bleiben Sie gewiß, daß Sie als Glieder unserer Kirche ganz und völlig dazugehören und allen Dienst und Hilfe der Kirche Ihrer Kirche - erwarten dürfen. Lassen Sie sich nicht durch falsche oder unrichtige Auslegung der Denkschrift gegen ihre Kirche aufbringen! Sie täten damit nicht nur Ihrer Kirche Unrecht, sondern würden sich auch einer letzten Zuflucht und Geborgenheit, die wir in dieser Welt haben, selbst berauben."' 52

Es ist die Kirche der Denkschrift, von deren Aussagen keine zurückgenommen oder eingeschränkt wird, die der Präses den vertriebenen Gemeindegliedern als „Heimat" und „letzte Zuflucht" anbietet. Eine größere Distanz zur vorher geschilderten Reaktion der schleswig-holsteinischen Kirchenleitung läßt sich im Raum der E K D kaum finden. Und so bewegen sich die übrigen landeskirchlichen Gremien in etwa zwischen diesen beiden Polen. Das W o r t von Präses Wilm hat bald auch außerhalb der westfälischen Kirche, ja sogar in nicht der E K U angehörenden Landeskirchen Verwendung gefunden. So beschloß der Landeskirchenrat der „Vereinigten Protestantisch-Evangelisch-Christlichen Kirche der Pfalz" am 7. Dezember 1965, den Absendern von Zuschriften zur Denkschrift sich lieblos über das schwere Los der Vertriebenen hinweg und wolle diesen allein die Schuld und Last des verlorenen Krieges aufbürden, die ostdeutsche Heimat solle an die Polen verraten und verkauft werden. ,ä2 K J 1965, S. 69 ff.

200

Auseinandersetzung um die Denkschrift

als eine „vorläufige Antwort" das Wort von Präses Wilm zu schicken153. Darüber hinaus wurde dieses allen Pfarrern und Vikaren „zur Information und Hilfe für das Gespräch über die Denkschrift" zugeleitet154. Auch die Behandlung der Denkschrift durch die Gremien der rheinischen Landeskirche entsprach dem Beschluß der Synode der E K U vom 2. Dezember 1965, dem sich sowohl die Kirchenleitung am 9. Dezember als auch die rheinische Landessynode vom 10. bis 14. Januar 1 9 6 6 - b e i 10 Enthaltungen und 3 Gegenstimmen - anschlossen155. Die Stellungnahmen und Reaktionen in den übrigen Landeskirchen zielen mit unterschiedlicher Gewichtung zumeist auf folgende GesichtsEinmal wird versucht, die Denkschrift als einen der Versachlichung dienenden Diskussionsbeitrag darzustellen, in dem es keineswegs um ein das Gewissen jedes einzelnen Kirchenmitgliedes bindendes Bekenntnis gehe, sondern um sachliche Auseinandersetzung mit der Möglichkeit

Dokumentationsbericht, S. 125 ( V D 15). - „Vorläufig" deshalb, weil der Landeskirchenrat alle bei ihm einlaufenden Zuschriften „an die Kirchenkanzlei zur weiteren Auswertung und Beantwortung" schickte. Insgesamt wurden acht Zuschriften auf diese Weise weitergeleitet. Vgl. ebd. Vgl. D o k u m e n t a t i o n ( A k t e „Landessynode" Blatt 71; V D 16). D e r rheinische Präses B e c k m a n n , der zu den Mitunterzeichnern des Tübinger Memorandums gehört hatte (vgl. oben S. 69), stellte den Denkschrift-Vorgang in den Zusammenhang des O s t - W e s t - S p a n nungsverhältnisses und der Bedeutung der E K D wie der E K U , wenn er vor der Synode sagte, die mit der Denkschrift aufgeworfenen Fragen hätten „schon eher verhandelt werden müssen. . . . D e n n es ist klar: diese wichtige Frage reicht über den Rahmen dieser D e n k schrift weit hinaus, und wir haben ja an dem E c h o nach allen Seiten hin gesehen, wie tief die Problemlage, die innere, geistige, seelische Problemlage des deutschen Volkes nach zwei Weltkriegen noch ist oder wieder ist in einer so bedrängenden Situation, daß wir uns alle M ü h e geben müssen, das große T h e m a innerhalb unseres deutschen Volkes neu aufzugreifen, um dem Rechnung zu tragen, was für uns an gegenwärtigen Problemen durch unsere politische Situation in Mitteleuropa innerhalb der N A T O , innerhalb der V ö l k e r der Welt gegeben ist, da uns ja G o t t in besonderer Weise an die G r e n z e geworfen hat, an die Grenze eines weltumspannenden Gegensatzes, an die Grenze eines gewaltigen, menschheitsgefährdenden Widerspruchs. An dieser Grenze umgreift die Evangelische Kirche in Deutschland beide Seiten. Was für eine C h a n c e für eine Kirche, der Welt zu praktizieren und vor Augen zu führen, was das heißt: Kirche in widersprechenden, spannungsgeladenen Gesellschaften und Weltsystemen zu sein. Die Evangelische Kirche der U n i o n hat in den letzten Jahren in besonderer Weise sich dieses T h e m a gestellt. D e n n wenn man die D o k u m e n t e überschlägt, die die Evangelische Kirche der U n i o n mit ihren Synoden in den letzten 10 Jahren hierin verhandelt hat, so muß man sagen: es ist hier Besseres und Bedeutenderes gesagt worden als etwa im Rahmen der Synoden der E K i D . D i e ideologischen Gegensätze, von denen wir alle wissen, die uns alle Schmerzen bereiten, sehen wir deutlich. Werden sie überwunden werden können? Werden die Menschen die Kraft haben, über sie hinweg zueinander zu finden? Es kann kein Zweifel sein, daß hier die Taten der Liebe der Kirche allein einen W e g finden können, um den H a ß und die Vereinsamung, die Gegensätze, die die Ideologien verbreiten und hervorrufen, überwinden zu k ö n n e n . " 154

155

A u f n a h m e d e r D e n k s c h r i f t in d e n G e m e i n d e n

201

bzw. Aufforderung zu kritischem Studium und gegebenenfalls auch Widerspruch 156 . Mehr oder weniger pointiert wird auf die Stellung des Rates der E K D eingegangen. Während etwa das hannoversche Landeskirchenamt in seinem Rundschreiben vom 21. Oktober 1965 die „Zustimmung zur Veröffentlichung" deutlich von einer Identifizierung mit dem Inhalt abhebt 1 ", scheinen z . B . die bayrische Kirchenleitung, besonders das damalige Ratsmitglied Riedel, besonders darauf hingewiesen zu haben, daß es sich bei der Denkschrift um eine vom Rat gebilligte „offizielle Äußerung der E K D " handele158. Einen besonderen Akzent setzte der braunschweigische Landesbischof Heintze, wenn er in dem Zusammenhang einerseits der Denkschrift zwar den Charakter eines „autoritativen" Bekenntnisses absprach, andererseits aber auf die breite Zustimmung verwies, die der Denkschrift innerhalb der evangelischen Kirche „nach eingehender Beschäftigung" zuteil geworden sei159. J e nach Bewertung konnte dieser Gesichtspunkt einer Kirchenleitung also zu beidem dienen, sich inhaltlich mit der Denkschrift weitgehend zu identifizieren oder deren Inhalt gegenüber indifferent zu bleiben. Zum anderen wurde in den Stellungnahmen das Verhältnis der vertriebenen Gemeindeglieder zu ihrer Kirche angesprochen. Es gibt kaum eine Äußerung, die nicht konstatiert, daß sich Vertriebene durch Aussagen der Denkschrift gekränkt fühlen. Kein Landesbischof oder Kirchenführer dürfte ohne entsprechende Zuschriften geblieben sein. Daß sie alle solchen Vertriebenen Verständnis bekundeten und sie der Zugehörigkeit zu ihrer Kirche versicherten, ihnen die Kirche als Heimat anboten, versteht sich ebenso, wie die Tatsache, daß gerade in der konkreten Behandlung dieses Problemes große Unterschiede innerhalb des Spielraums zwischen den beiden oben gekennzeichneten Polen sichtbar werden160. 156

S o ζ. B . d e r b r a u n s c h w e i g i s c h e L a n d e s b i s c h o f G e r h a r d H e i n t z e a m 6. 1 2 . 1 9 6 5 v o r d e r

L a n d e s s y n o d e (HANDAKTEN WILKENS, V , 8). 157

BERLIN UND POTSDAM 1966, S. 513 f. — D i e E n t f a l t u n g d i e s e s G e s i c h t s p u n k t e s ist p r a k -

tisch d a s e i n z i g e T h e m a j e n e s R u n d s c h r e i b e n s . D i e D e n k s c h r i f t b e i n h a l t e z u d e m k e i n e „ E n t s c h e i d u n g d e r v e r h a n d e l t e n S a c h p r o b l e m e " , s o n d e r n stelle „ n u r eine A n r e d e an d i e v e r a n t w o r t l i c h e n P e r s o n e n " d a r . „ K o n k r e t e A u s s a g e n z u r S a c h e " seien a b e r „ u n v e r m e i d lich". 158

S o in EPD Z A N r . 2 4 4 v o m 22. 10. 1 9 6 5 u n d ä h n l i c h w o h l a m 2 6 . 10. 1 9 6 5 v o r d e r

b a y r i s c h e n L a n d e s s y n o d e in A n s b a c h . V g l . B e r i c h t v o n P f r . H o p p e v o r d e r b a y r i s c h e n J a h r e s v e r s a m m l u n g d e r G e m e i n s c h a f t ev. S c h l e s i e r 1 9 6 6 ( D o k u m e n t a t i o n / B a y e r n , I I I , 6 ; V D 2 . 2 ) . - V g l . z u r S a c h e s e l b s t v o r allem d a s V o t u m d e s R a t s v o r s i t z e n d e n v o r d e r F r a n k f u r t e r A r b e i t s t a g u n g ( o b e n S. 167) u n d ö f t e r . D e r P r ä s i d e n t d e r h e s s e n - n a s s a u i s c h e n K i r c h e , S u c k e r , s a g t e g e g e n E n d e eines B e r i c h t s ü b e r d i e D e n k s c h r i f t v o r d e r L a n d e s s y n o d e a m 6. 12. 1 9 6 6 n a c h e i n z e l n e n k r i t i s c h e n B e m e r k u n g e n : „ D i e D e n k s c h r i f t ist k e i n e l e h r a m t liche Ä u ß e r u n g , w o h l a b e r eine Ä u ß e r u n g d e s R a t e s d e r E K i D , d e r v o m V e r t r a u e n d e r S y n o d e g e t r a g e n ist, s o n s t w ä r e er n ä m l i c h g a r nicht v o r h a n d e n " ( S y n o d a l b e r i c h t S. 4 6 ; D o k u m e n t a t i o n , S. 2 0 ; V D 9).

159

V g l . A n m . 157 (S. 5 3 9 ) .

In s e i n e r S t e l l u n g n a h m e f o r d e r t B i s c h o f H e i n t z e alle H e i m a t v e r t r i e b e n e n a u f , sich in

202

Auseinandersetzung um die Denkschrift

Schließlich dienten - auch dies ist abseits aller unterschiedlichen Beurteilung selbstverständlich - solche Stellungnahmen der Abwehr von polemischen Angriffen auf die evangelische Kirche als ganze und auf Fehlinterpretationen der Denkschrift. Entweder attestierte man demjenigen, der „mit Empfindungsurteilen oder mit Bitterkeit oder mit Beleidigung oder mit globaler Verdammung reagiert", einen „anderen Geist", der den „Geist und Willen der Denkschrift vom Anliegen her" - nämlich „der Verständigung in der Wahrheit und der Wahrheit in der Bereitschaft zum Frieden zu dienen" - „nicht begriffen" hat161; oder man stellte langwierige Bemühungen um einen Ausgleich an, wie es weiter unten an einem Beispiel aus der bayrischen Landeskirche aufgezeigt werden soll. Wie auch immer von seiten der Kirchenleitungen reagiert und argumentiert wurde, welche Gesichtspunkte auch dabei im Vordergrund gestanden haben mögen, die unmittelbare Wirkung jener Äußerungen darf nicht überschätzt werden. Zunächst bieten sie ein aufschlußreiches Bild, inwieweit der jahrelange Weg, den die Gremien der EKD mit der Vorbereitung und Veröffentlichung der Denkschrift eingeschlagen hatten, von den einzelnen Landeskirchenleitungen nachvollzogen oder bewußt mitbeschritten wurde. Darüber hinaus wirkten sie im Bereich der einzelnen Landeskirche und ihrer Gemeinden natürlich richtungsweisend, boten vor allem den Pfarrern Anleitung und je nach Sachlage Unterstützung. Andererseits konnten solche Stellungnahmen der höchsten Gremien, auch wenn sie konziliant im Ton oder sogar vermittelnd in der Sache waren, häufig zu einer weiteren Verschärfung der Debatten beitragen, den Ärger über die Kirche oder gar eine schon vorhandene Absetzbewegung noch verstärken. Die wichtigsten Schlachten wurden „vor Ort" geschlagen, in den Gemeinden, Kirchenkreisen mit ihren Ausschüssen, kirchlichen und säkularen Arbeitsgemeinschaften, Vereinen und Verbänden sowie den Parteien. Ein eindrucksvolles und sicher keineswegs ungewöhnliches Beispiel enthält der Bericht, den der „Synodalausschuß zum Studium der Denkschrift" am 19. Mai 1966, also ein halbes Jahr nach deren Veröffentlichung der hamburgischen Synode erstattete. Als eine der wichtigsten Veranstaltungen in der „überraschend großen und vielfältigen Zahl" nennt der Berichterstatter, Hans Mestern, die Informationsreihe der ihrer Zugehörigkeit zur Kirche „auch nicht durch die Denkschrift und die durch sie angefachte Diskussion beirren" zu lassen, und bezeichnet es dann gerade als eine Absicht der Denkschrift, „die umfassende Erschütterung, die das Zerbrechen der bisherigen Lebensbasis und der Verlust der Heimat für ungezählte Vertriebene bedeutet hat, ernst zu nehmen und zu prüfen, in welcher Weise diese Erschütterung bis heute nachwirkt und bislang bei uns noch immer zu wenig zu ihrer Uberwindung getan ist" (ebd., S. 540). 161 So der lippische Landessuperintendent U d o Smidt am 23. 11. 1965 anläßlich der lippischen Synodaltagung ( A K K , XI. Denkschrift).

Aufnahme der Denkschrift in den Gemeinden

203

Evangelischen Akademie vom 9. bis 11. Dezember 1965, zu der u.a. gehörten: „ein Informationsabend mit Oberkirchenrat Wilkens, ein Forumsgespräch unter der Leitung von Axel Seeberg mit Prof. Thielicke, Philipp von Bismarck, Dr. von Braun, Kai Herrmann und Oberkirchenrat Wilkens in der Universität und ein Ausspracheabend in der Esplanade mit Oberkirchenrat Wilkens, Prof. Boris Meissner und Herzykiewicz-Jagemann"" 2 .

Hierzu war, wie Mestern berichtet, „in großer Breite eingeladen worden". Besonderer Wert sei auf die Teilnahme der Leiter der Vertriebenenverbände gelegt worden. Das Echo in der Presse sei positiv gewesen. Im Anschluß an diese Reihe habe die Evangelische Akademie Veranstaltungen abgehalten, zu denen unter anderem als Referenten Georg Bluhm und Oberlandeskirchenrat Schwarz vom Ostkirchenausschuß eingeladen worden waren 163 . Die Vorsitzenden und Mitarbeiter der Vertriebenenverbände seien den Einladungen „zahlreich gefolgt". Mestern zählt dann weiter auf: „Darüber hinaus hat der Leiter der Evangelischen Akademie Hamburg vor einer ganzen Anzahl von Organisationen gesprochen, so vor der Studentenschaft der Universität Kiel, vor der Burschenschaft und den Altherrenverbänden der Deutschen Burschenschaft in Hamburg und Bremen, auf Tagungen von Zoll und Polizei, vor der Bundeswehr, vor politischen Parteien, auf Veranstaltungen von Kirchengemeinden und Zusammenkünften von Kirchenvorständen in Hamburg und Schleswig-Holstein, auch vor einer Hamburger Freimaurerloge und vor Ortsgruppen des Verbandes der Heimkehrer. Pastor Wilhelm Schmidt hat in etwa 17 Veranstaltungen in Kirchengemeinden über die Denkschrift berichtet. Er hat ferner gesprochen in sieben Distrikts- und Bezirksversammlungen der SPD, dreimal auf Veranstaltungen studentischer Korporationen, vor einer Freimaurerloge, vor Kreisen der Gewerkschaften und im Rahmen der kulturellen Mitarbeiterbetreuung der BP, vor dem Landesverband für evangelische Kinderpflege in Hamburg auf dessen Tagung in Kuddewörde. Ich persönlich habe Themen der Denkschrift auf verschiedenen Veranstaltungen, unter anderem auf Gemeindeveranstaltungen in Volksdorf, Wandsbek und Aumühle behandelt. Die hier aufgezählten Beispiele sind naturgemäß keine erschöpfende Aufstellung. Fast in jeder hamburgischen Gemeinde sind - zum Teil auch mit eigenen Kräften - Ausspracheabende über die Intention der Denkschrift und Fragen des deutschen Ostens abgehalten worden. Auch in den Kirchenkreis-Ausschüssen hat die Denkschrift auf der Tagesordnung gestanden." 164

Die Anstrengungen der kirchlichen Gremien und landeskirchlichen Institutionen, vor allem der evangelischen Akademien, sowie der Einsatz der Pfarrer und sonstiger Gemeindeglieder auf Ortsgemeindeebene waren also beträchtlich und außergewöhnlich. Dort wo sich Unruhe, Widerspruch und Anklage regten, richteten sie sich zumeist nicht gegen einen einzelnen Schritt der Kirchenleitung, sondern gegen die evangelische 162

BERLIN UND P O T S D A M 1 9 6 6 , S . 5 2 8 .

163

EBD.

164

EBD.

204

Auseinandersetzung um die Denkschrift

Kirche überhaupt. Und das bedeutete teilweise den drohenden Exodus einzelner, bis dahin gerade kirchlich engagierter Gemeindeglieder und Kräfte aus dem kirchlichen Verband. Daß es sich dabei zahlenmäßig um eine relativ geringfügige Bewegung handeln würde, war damals, in den ersten Wochen und Monaten der Auseinandersetzung noch nicht abzusehen gewesen. Manche Kirchenleitung erreichten alarmierende Nachrichten. Der westfälische Landesflüchtlingspfarrer Neß z . B . schilderte in seinem routinemäßigen Halbjahresbericht um die Jahreswende 1965/66 die Situation folgendermaßen: „Die Denkschrift wird von den weitaus meisten Vertriebenen als gegen sie gerichtete Streitschrift empfunden und abgelehnt. D e r seelsorgerliche Charakter, der ihr anhaften soll, ist ihnen nicht erkennbar. D i e Liebe zu den durch die Vertreibung Verletzten ist für sie nicht spürbar. D i e Solidarität der Kirche mit ihnen, die im O s t e n einmal weithin ihre treusten Glieder waren, wird vermißt. D i e Folgen sind nicht nur Schmerz, Enttäuschung und Arger, sondern auch ein erheblicher Vertrauensschwund und eine starke neue Absetzbewegung vieler Vertriebener von ihrer Kirche. Die in den letzten Jahren oftmals geäußerte Befürchtung, daß es der evangelischen Kirche im 20. Jahrhundert nicht gelingen werde, die Vertriebenen an sich zu binden, wie es ihr im 19. Jahrhundert nicht gelang, der Arbeiterschaft kirchliche H e i m a t zu geben, scheint sich weiterhin zu bestätigen. O b der vor Veröffentlichung der Denkschrift seitens der Kirche versäumte, nachträglich mit allem Eifer von ihr gesuchte allseitige Dialog diese innere Absetzbewegung noch nachträglich aufhalten oder gar in eine rückläufige Bewegung verwandeln kann, scheint zumindest in absehbarer Zeit fraglich."" 5

Gewiß ist dieser Bericht eines jahrelang in der Vertriebenenarbeit tätigen Seelsorgers nicht frei von einer gewissen Tendenz, die Denkschrift als Stein des Anstoßes und Hemmnis der Vertriebenenseelsorge zu verstehen. So finden zustimmende Äußerungen, die unter den Vertriebenen in Westfalen sicher nicht gänzlich fehlten, überhaupt keine Erwähnung 166 ; doch dürfte jene Beschreibung der Reaktion gerade auf Seiten kirchlich " 5 26. Arbeitsbericht Juli bis D e z e m b e r 1965 (Dokumentation/Westfalen, S. 5 9 f . ; V D 166 Diese andere, keineswegs unbedeutende positive Reaktion erwähnt etwa ein Bericht vor der 2. Synode 1966 der Pfälzer Landeskirche, dessen A u t o r nun allerdings auch wieder keinen Zweifel über seine eigene Einschätzung der ablehnenden Stimmen läßt und die rigorosen Kritiker wahrscheinlich zu schnell mit gewissen Verbandssprechern identifizierte oder zumindest die Motive der Gegner zu undifferenziert unter einen Begriff subsummierte: „Die Erfahrungen bei diesen Veranstaltungen waren sehr verschieden. Während in den einen O r t e n die Funktionäre geschlossen auftraten und ihre Anhänger mobilisierten, blieben sie in anderen O r t e n der Veranstaltung ostentativ fern. N e b e n einer massiven Ablehnung durch einen engstirnigen und unbelehrbaren Nationalismus besonders der älteren und mittleren Generation, einer kritisch fragenden, aber sachlichen Haltung (hat sich die Kirche mit dieser Denkschrift nicht politisch zu stark engagiert?) fand sich auch eine vorbehaltlose Zustimmung. Allgemein kann gesagt werden: bei der jungen Generation, auch der jungen Generation der Vertriebenen, fand die Denkschrift ein größeres Verständnis als bei der älteren, ebenso mehr in den größeren Städten als in den kleinen O r t e n " (Synodalprotokoll 1966, 2. Tagung, S. A 281 f.; Dokumentationsbericht/Pfalz, S. 127; V D 1'5).

Aufnahme der Denkschrift in den Gemeinden

205

gebundener und aktiver Vertriebener auf die Denkschrift für einen Großteil zutreffen. Denn warum sollte man die erwähnte „Enttäuschung" und den „erheblichen Vertrauensschwund" anzweifeln, gerade wenn man sich die bis dahin geübte Praxis der Vertriebenenarbeit und deren Inhalte in manchen Bereichen der evangelischen Kirche vor Augen hält. Wie solchen drohenden Bewegungen im einzelnen begegnet wurde, das zu beschreiben würde sowohl quellenmäßig als auch von der Thematik her die Grenzen dieser Arbeit überschreiten. Hier sei nur an einem Beispiel aus der bayrischen Landeskirche aufgezeigt, daß die damaligen Vorgänge wesentlich komplizierter verliefen, auch das Wirken und die Wirkung der kirchlichen Vertriebenenarbeit wesentlich differenzierter waren, als es eher agitatorisch gemeinte Alternativen wie z . B . „Nationalismus" gegen „Vernunft" oder auch Vertriebenenseelsorge gegen angebliche sachliche Inkompetenz der nicht damit Betrauten scheinen lassen. Sowohl der „Beauftragte für die kirchliche Vertriebenenarbeit" 167 , Kirchenrat Martin Brügmann, als auch der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der Gemeinschaft evangelischer Schlesier, Pfarrer Hoppe, also der Sprecher der größten kirchlichen Vertriebenengruppe im Raum der bayrischen Landeskirche, ließen in ihren Äußerungen zur Denkschrift keinen Zweifel, daß durch diese die Vertriebenen der Kirche entfremdet würden und die Denkschrift ein Unglück für die Vertriebenenseelsorge sei" 8 . Ahnlich wie der westfälische Landespfarrer Neß schilderte Brügmann seiner Kirchenleitung „Entfremdung", „Verärgerung" und „heftige Emotionen" auf Seiten der Vertriebenen als Folge der Denkschrift. „Die Entfremdung der Kirche gegenüber wird lange Zeit zur Uberwindung brauchen. Es droht die Gefahr einer politischen Radikalisierung."" 9 In diese an Vorgänge der frühen Nachkriegszeit erinnernde Mahnung ließ Brügmann seinen Bericht einmünden. „Die Dialektik der Denkschrift" werde nicht verstanden: „Die Kirche lasse", so referiert er aus „vielen Gesprächen, auch mit landsmannschaftlichen Kreisen", die „nationalen . . . Belange hinter denen des Weltkommunismus zurücktreten". Der „Sowjet-Komplex", die 700jährige deutsche Geschichte im Osten, die „konfessionellen Verschiebungen" würden in der Denkschrift „nicht beachtet", die Schuldfrage „falsch verstanden" und die „guten Äußerungen der Denkschrift" (gemeint sind die kritischen Bemerkungen zur Vertriebenenaufnahme im II. Abschnitt) würden von den Vertriebenen „nicht abgenommen (Meinung: die Vertriebenen sollten nur weichgemacht wer-

167

Vgl. zu diesem A m t Bd. I, S. 251 f.

Brügmann verfaßte den bayrischen Dokumentationsbericht, in dessen Materialanhang (III, 6) befinden sich zum größten Teil die hier verwerteten Quellen, vor allem die Unterlagen von Pfr. H o p p e ( V D 2.2). 169 Aktenvermerk vom 3. 12. 1965 (ebd.). 168

206

Auseinandersetzung um die Denkschrift

den zum Verzicht)". Brügmann sieht zwar die „Gefahr einer Exilkirche, wie sie vor 20 Jahren möglich gewesen wäre" als nicht gegeben an, rät aber der Kirche dringend, die „Verbindung zu den Landsmannschaften . . . gerade jetzt nicht abreißen zu lassen". Jene von Brügmann „landsmannschaftlichen Kreisen" zugeschriebene Stellung zur Denkschrift blieb sicher nicht auf die organisierten Bereiche beschränkt. So sicher es auch unter den Vertriebenen „viele Verteidiger" gab, wie Pfarrer Hoppe berichtet170, so überwältigend mußte manchem Vertriebenenseelsorger das negative Echo erscheinen, besonders wenn es sich so erschütternd äußerte, wie in einem Brief, den Pfarrer Hoppe am 25. April 1966 von einem Vertriebenen erhielt: „Durch die Denkschrift ist das W e h um die verlorene H e i m a t wieder neu aufgebrochen. J e t z t hat man die Heimat erst ganz verloren. Bis dahin fühlte man sich in der Kirche noch etwas zu Hause. A b e r , G o t t L o b , der H e r r der Kirche bleibt uns treu, und die ewige Heimat kann uns niemand rauben. Ich habe Ihre Erwiderung sehr begrüßt und m ö c h t e Ihnen, wenn auch verspätet, noch besonders dafür danken . . . W i r wollen gewiß keinen Krieg um die alte Heimat. Das wäre neue Schuld. A b e r sie schon vorher, ehe überhaupt darüber verhandelt wird, freiwillig anzubieten, das schmerzt doch s e h r . . .'" 7 1

Hoppes Bericht durchzieht das Bemühen, jenem „Verlust" der Kirche entgegenzuwirken, für den ihm selbst die Denkschrift genügend Anlaß, aber auch die Ursache zu bieten schien172. Er versuchte es, indem er nicht nur sich selbst als Vertriebenenseelsorger und Pfarrer der evangelischen Kirche, sondern auch die bayrische Kirche überhaupt, besonders deren Repräsentanten, von der Denkschrift wegrückte: „Unter denen, die für die Denkschrift eintraten, waren auch viele Vertreter der Kirche . . . Wir müssen Verständnis dafür haben." 173 Die bayrischen Synodalen der E K D seien ebenso wie zuvor das bayrische Mitglied der Offentlichkeitskammer, Kirchenrat Eduard Putz, „durch ein fertiges Ergebnis, das ihnen 170 E b d . D e r undatierte Bericht dürfte vom S o m m e r 1966 stammen. Vgl. auch SpiegelSchmidts oben (S. 196) erwähnten Brief an G ü l z o w zu der - teilweise - positiven Aufnahme der Denkschrift in Bayern. 171 Vgl. A n m . 168. H o p p e erhielt wohl häufiger Briefe, in denen der Schreiber beklagt, jetzt durch die Denkschrift der E K D habe er die H e i m a t ganz verloren. 172 H o p p e s Stellung zur Denkschrift ist eindeutig ablehnend. N o c h am 31. 7. 1966 vergleicht er in einer später vervielfältigten Predigt „Das Gericht G o t t e s in der Geschichte" (ebd.) die Gerichtstheologie der Denkschrift mit der „falschen Prophetie" der Lutheraner, die 1934 den Nationalsozialismus als den Vollstrecker des göttlichen Gerichts befürwortet hätten: „ganz unvermerkt" gleite - in der Denkschrift - jener „Heiligenschein, der dem Nationalsozialismus entrissen wurde, nun hin zu den kommunistischen und atheistischen Siegermächten" (ebd., S. 6). In seinem Bericht zur Jahresversammlung (ebd., S. 3) heißt es ähnlich: „Die Kirche hat mit ihrer Denkschrift genau ebenso, wie es die Kirche zur Zeit des Nationalsozialismus getan hat, sich auf die Seite einer rücksichtslosen Machtpolitik gestellt." 173

E b d . , S. 1.

A u f n a h m e der D e n k s c h r i f t in den G e m e i n d e n

207

vorgelegt wurde, weithin überrumpelt" worden. H o p p e hob das Verhalten der bayrischen Landeskirchenleitung im „Kampf um die Denkschrift" von den Vorgängen in anderen Landeskirchen ab, in denen „schwere Ausschreitungen und unheilvolle Ubergriffe" vorgekommen seien 174 . A m ausführlichsten ging H o p p e auf die Stellung des bei allen Vertriebenen wohl in hohem Ansehen stehenden Landesbischofs H e r m a n n Dietzfelbinger ein. Dieser hatte sich vor der Landessynode vom 25. bis Oktober 1965 mit der Begründung hinter die Denkschrift gestellt, die Kirche dürfe sich nicht wieder dem V o r w u r f aussetzen, „daß sie geschwiegen habe, w o sie hätte reden sollen". Dietzfelbinger verdeutlichte andererseits aber auch, daß die Kirche sich damit selbstverständlich der Kritik aussetze, und begrüßte eine solche Kritik 175 . W o h l offensichtlich durch die Nachrichten auf die Reaktion aus Vertriebenenkreisen fühlte sich Dietzfelbinger veranlaßt, zum Jahreswechsel 1 9 6 5 / 6 6 ein W o r t an die Heimatvertriebenen seiner Landeskirche zu richten 176 ; „nur zögernd", wie er zu Beginn gesteht, weil er mit einer solchen Adresse keinesfalls den Eindruck erwecken wollte, die Vertriebenen seien „innerhalb der Landeskirche eine Gruppe für sich". Die „heftige Bewegung", aufgerührt durch die Denkschrift, veranlaßte ihn zu der Frage: „Hätte sie [die Denkschrift] noch behutsamer, noch abgewogener reden sollen?" Die Denkschrift habe an die W u n d e der Vertreibung, des Unrechts und der Gewalttat gerührt, die auch nach zwanzig Jahren noch brenne. D e r Bischof räumt dann ein: „ W e r sie so liest, wird sicher m a n c h e W ü n s c h e und F r a g e n an sie h a b e n , aber ihr die gute A b s i c h t n i c h t bestreiten k ö n n e n : N i c h t u m W u n d e n neu aufzureißen spricht sie ihre

174

E b d . , S. 4 f . - H o p p e sagte in seinem B e r i c h t (S. 5), er k ö n n e dazu m e h r e r e Beispiele

b r i n g e n , wie u n w ü r d i g V e r t r e t e r der K i r c h e n l e i t u n g ihre P f a r r e r behandelt h a b e n . S o habe sich ein schlesischer S u p e r i n t e n d e n t veranlaßt gesehen, „den Generalstaatsanwalt a n z u r u fen, um sich gegen die A n g r i f f e seiner K i r c h e n l e i t u n g zu s c h ü t z e n " . E i n schlesischer P f a r r e r - ebenfalls außerhalb B a y e r n s - habe i h m g e s c h r i e b e n : „ U n s e r e Schlesier sind hier alle so verängstet, daß sie laut nichts zu sagen w a g e n . " - D i e s alles ist w o h l als A u s d r u c k der o b e n dargestellten sachlichen E i n b e z i e h u n g der K i r c h e , ihrer L e g i t i m a t i o n ( V e r k ü n d i g u n g s a u f trag) u n d der geschichtlichen E r f a h r u n g e n (unter dem N a t i o n a l s o z i a l i s m u s b z w . im G r e n z und A u s l a n d s d e u t s c h t u m ) in die v e r t r i e b e n e n - und ostpolitischen A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n zu begreifen, w o b e i in zugespitzten Situationen durchaus F o r m e n entstehen o d e r auch nur v e r m u t e t w e r d e n k o n n t e n , die an den „ K i r c h e n k a m p f " erinnerten o d e r von daher interpretiert w u r d e n . 175

N a c h d e m B e r i c h t P f r . H o p p e s (ebd., S. 2 f.). - E n t s p r e c h e n d w u r d e etwa das b a y r i -

sche K i r c h e n b l a t t NACHRICHTEN DER EVANG.-LUTH. KIRCHE IN BAYERN ( N r . 5 v o m 1. 3. 1 9 6 6 , S. 72 ff.) einer s o l c h e n K r i t i k geöffnet, w e n n O s k a r W a g n e r darin die D e n k s c h r i f t als ein D o k u m e n t der „ F l u c h t der K i r c h e der R e f o r m a t i o n in D e u t s c h l a n d auch aus ihrer eigenen K i r c h e n g e s c h i c h t e " b e z e i c h n e t , weil darin die A u s l ö s c h u n g des o s t d e u t s c h e n P r o t e stantismus, die damit e i n h e r g e h e n d e „ G e g e n r e f o r m a t i o n " und die jetzigen L e b e n s b e d i n gungen der P r o t e s t a n t e n i m O s t e n u n z u r e i c h e n d berücksichtigt w ü r d e n . EPD 4 / 9 4 4 v o m 2 7 . 1 2 . 1 9 6 5 (HANDAKTEN WILKENS, V . 8.).

208

Auseinandersetzung um die Denkschrift

Gedanken aus, sondern gerade um Verständnis zu wecken für die vielen verwundeten Menschen, um Hilfe für die weitere Heilung zu geben und vor Wundpflastern zu warnen, die nicht helfen können."

Eine solche Anrede dürfte ihre versöhnliche Wirkung bei vielen nicht verfehlt haben177. Der Sprecher der schlesischen Vertriebenenarbeit in der Landeskirche sah jedoch bei aller Anerkennung der „guten Absicht", der „lieben Worte" als eines Ausdrucks des Verständnisses für die Vertriebenen und die Verbundenheit der Landeskirche mit ihnen den Versuch des Bischofs als im wesentlichen gescheitert an. Der Brief habe, so Pfarrer Hoppe in einem Schreiben an Dietzfelbinger, „bei vielen nicht die gewünschte Beruhigung gebracht, sondern neue Verbitterung ausgelöst", weil der Landesbischof auch mit diesem Schreiben die Denkschrift mit ihrer „fragwürdigen Verzichtspolitik" eben „noch immer zu halten versuchte". Es ginge um die „Sache, bei der es mehr oder weniger gleichgültig ist, ob sie uns behutsam und abgewogen oder schroff vorgetragen wird"178. Gegenüber seinen Landsleuten warb Hoppe um Verständnis für den Landesbischof: „Er ist der oberste Vertreter unserer bayerischen Landeskirche. Auch unsere Landeskirche steht zusammen mit den anderen Kirchen innerhalb der EKiD. Dadurch war sie irgendwie gebunden. Wir werden es auch bei unserem Landesbischof verstehen müssen, wenn er versucht, die Denkschrift zu halten. Es ist ja mißlich, in einer so wichtigen Angelegenheit von Anfang an eine Zerrissenheit der Kirche zu zeigen. Die bayerische Landeskirche gehört zu den größten Landeskirchen der EKiD. Unser Landesbischof ist sehr vorsichtig für die Denkschrift eingetreten . .

Im einzelnen ging Hoppe dann so vor: Schon bald nach dem 15. Oktober 1965 wurde er auf eine Stellungnahme „der Gemeinschaft evangelischer Schlesier" angesprochen180, diese habe andernfalls ihre Existenzberechtigung verloren, so meinten einige; andere kündigten an, aus der Kirche austreten zu wollen. Hoppe legte allen aktiven Mitgliedern der Landesarbeitsgemeinschaft eine Stellungnahme vor, auf die sich jedoch deren Vorstand nicht einigen konnte, vielmehr zeigte es sich auf einer Vorstandssitzung am 8. November 1965, daß eine einheitliche Stellungnahme der Landesarbeitsgemeinschaft überhaupt nicht zu erreichen war. Hoppe schickte nun - sozusagen privat - seine Stellungnahme an alle 177

So berichtet EPD 3/108 vom 9. 2. 1966, der Brief habe wesentlich zur Beruhigung der Gemüter in der Auseinandersetzung um die Denkschrift beigetragen. 178 S. 4 (vgl. Anm. 170). - Vom 6. bis 11. 2. 1966 befaßte sich die bayrische Landessynode erneut mit der Denkschrift, wobei Dietzfelbinger wohl ähnlich wie in seinem Neujahrswort auf die Verbundenheit der Vertriebenen mit der Landeskirche und umgekehrt abhob (vgl. ebd., S. 12). 179 Ebd., S. 2. 1,0 Vgl. ebd., S. 8 ff.

A u f n a h m e der D e n k s c h r i f t in den G e m e i n d e n

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bayrischen Pfarrer und die Kirchenleitung, natürlich auch an die schlesischen Heimatvertriebenen. Er ging nämlich davon aus, daß sich sowohl die kirchliche Presse als auch die „öffentlichen Meinungsträger" überhaupt - mit Ausnahme der Vertriebenenpresse - „fast geschlossen hinter die Denkschrift gestellt" hätten, und sah in seiner Aktion einen „kirchlichen Dienst": „Es sollte in Bayern nicht der Vorwurf aufkommen, daß die Pfarrer und kirchlichen Stellen nur einseitig informiert worden seien." Das Echo auf diese Aktion war für Hoppe eindeutig: Bis Anfang Dezember hatte er ca. 100 Briefe erhalten, von denen nur sechs - darunter wiederum nur drei Vertriebene - die Denkschrift befürworteten. Durch dieses Ergebnis fühlte er sich veranlaßt, auf einen Artikel „Die Denkschrift und ihr Echo" in den „Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern" vom 1. Dezember 1965 zu reagieren, in dem entgegen seinen eigenen Erfahrungen zu erwägen gegeben wurde, „daß ohne die aufputschenden Proteste [der Führer der Vertriebenenverbände] die Denkschrift keinen treuen Christen der Kirche entfremdet hätte". Hoppe stellte sämtliche Äußerungen der Briefe, die er erhalten hatte, in einer Broschüre zusammen und sandte sie allen westlichen Synodalen und deren Stellvertretern zu181. Der bayrische Sprecher der Gemeinschaft evangelischer Schlesier schildert in seinem Bericht manche Vorgänge bereits im Rückblick auf eine Situation, die sich durch die Erklärung der Synode vom 18. März 1966 und einen in manchen Landeskirchen bereits vorher bemerkbaren Abbau der Gegensätze sowie eine entsprechende Milderung der Formen des Gegeneinanders inzwischen gewandelt hatte. Gewiß bildet der geschilderte Vorgang aus einer Landeskirche vom Sprecher einer Vertriebenengruppe, der den Aussagen der Denkschrift kritisch gegenüberstand, kaum mehr als einen Teilaspekt jener gewaltigen Bewegung, die mit der Veröffentlichung der Denkschrift von den Gremien der EKD ausging in die Landeskirchen und deren verschiedene Bereiche bis hin zur einzelnen Gemeinde und dann teilweise zurückwirkte auf die EKD, vor allem ihre Synode, wie noch geschildert werden soll. Wie der Blick auf die landeskirchliche Reaktion zeigt, war es eine vielfältige und in sich differenzierte Bewegung, zu einem Teil beeinflußt von der Bewertung der Denkschrift durch die landeskirchlichen Gremien, doch auch von deren Stellung innerhalb der EKD, von der Struktur und Entwicklung, die die VertriebeEbd., S. 11. - In einem V o r w o r t wiederholte er die Grundlinien seines Rundbriefes: Zuerst gehe es nicht u m politische Fragen, sondern u m die Kirche, es gehe dann u m das Anliegen der D e n k s c h r i f t , das m a n bejahen müsse: u m Vergebung u n d Versöhnung. D e r j e nigen, die „aufs tiefste d u r c h die D e n k s c h r i f t verwundet . . . u n d der Kirche entfremdet w u r d e n " , müsse sich die Kirche in besonderer Weise annehmen, u n d schließlich müsse jedem seine freie M e i n u n g belassen werden, dem A n d e r s d e n k e n d e n sei zuzugestehen, „daß auch er aus christlichem V e r a n t w o r t u n g s b e w u ß t s e i n spricht" (vgl. ebd., S. 9).

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Auseinandersetzung um die Denkschrift

nenseelsorge in der Landeskirche genommen und bekommen hat, schließlich auch vom Einsatz des einzelnen Seelsorgers oder Verantwortlichen und seiner Haltung zum gesamten Vorgang. Im Vorgehen von Pfarrer H o p p e wurde dabei ein Moment deutlich, das sicher nicht außer acht bleiben darf: Die Bindung der Vertriebenen an die aufnehmende Landeskirche konnte sich so stark entwickelt haben, daß sie den offenkundigen Hiatus zwischen den in die evangelische Kirche gesetzten Erwartungen und den tatsächlichen Erfahrungen sowie eine daraus entstandene Betroffenheit, Bestürzung und Entfremdung der Vertriebenen von der Kirche zu mildern oder zu überwinden vermochte. Daß bei vielen trotzdem und trotz der noch zu schildernden Entwicklung auf der Ebene der E K D ein Bruch bestehen bleibt, ein Trauma, das nicht vollständig verheilte, ist jedem gegenwärtig, der die Zeugnisse aus jenen Jahren liest oder noch heute solchen Betroffenen begegnet. Aber jener Bruch führte doch nur in relativ seltenen Fällen zur Trennung von der Kirche. „Die liebe, alte Heimat können wir nicht vergessen, aber wir gehören zur evangelischen Kirche in Bayern wie alle anderen auch." Diese ihm „von vielen", wie Dietzfelbinger sagt182, bezeugte Bindung, die sowohl der Landesbischof als auch der kritisch zur Denkschrift stehende Ostpfarrer in jener Situation erfuhr, war ein Element, das über die Aufnahme der Denkschrift und die Reaktionen der davon Betroffenen mitentschied. Offensichtlich treffen hier mehrere Momente der Vertriebenenseelsorge zusammen, die so den Ausgang des „Kampfes um die Denkschrift" in bedeutender Weise mit beeinflußt haben.

182

Vgl. A n m . 176.

Kapitel 5 „VERTREIBUNG U N D VERSÖHNUNG" - ZUR E I N H O L U N G D E R D E N K S C H R I F T IN D I E V E R T R I E B E N E N S E E L S O R G E

Schon das Echo auf die Denkschrift in den ersten Wochen nach ihrer Veröffentlichung rief in den einzelnen Landeskirchen so vielfältige Einstellungen und Reaktionen hervor, daß es nicht erlaubt ist, die Auseinandersetzung um die Denkschrift unter einer einzigen Alternative politischer bzw. ethischer Art zu betrachten, etwa „Verzicht - ja oder nein", „Versöhnung und Recht". Der Ausgang des Ganzen kann damit auch nicht daran gemessen werden, welche von beiden Seiten schließlich die größeren Zugeständnisse erbringen mußte. Gewiß bildeten jene Gegensätze in der politischen und publizistischen Öffentlichkeit die Grundlage der Debatte über die Denkschrift. Innerhalb dieses Rahmens wurde weitgehend verwirklicht, was mit der Veröffentlichung der Denkschrift intendiert worden war1. 1 D i e politische Auseinandersetzung bildet den Schwerpunkt der zahlreichen Literatur über die Denkschrift, wie sie in mehreren Bibliographien, etwa der von J . MOTSCHMANN (Denkschrift) zusammengestellt worden ist. - D i e Protokolle der E K D - R a t s s i t z u n g e n im D e z e m b e r 1965 und Januar 1966 z . B . spiegeln diese Aufarbeitung der Denkschrift wider. So beschloß der Rat am 10./11. 1965, mit Vertretern des Kuratoriums Unteilbares Deutschland am 4. 12. 1965 zu einem nichtöffentlichen Gespräch zusammenzutreffen (Protokoll, Pkt. I I I . ; A K K ) . A m Π . Ι 2 8 . 1. 1966 ließ sich der Rat berichten, ein weiteres Gespräch mit dem Kuratorium sei in Aussicht genommen worden, außerdem lägen von der F D P - F r a k t i o n und dem Ev. Arbeitskreis der C D U Angebote zu einem Gespräch vor; den Vertretern der Vertriebenenverbände hatte der Rat seine Gesprächsbereitschaft ebenso bekundet ( P r o t o koll, Pkt. 5). Viele der einzelnen Verlautbarungen hat die epd-Zentralredaktion in ihrem „Grünen D i e n s t " festgehalten. Bis zum 1 . 1 2 . 1965 waren bereits drei umfangreiche Folgen erschienen, in denen „Reaktionen, Erklärungen, Pressestimmen" zitiert werden. D a ß trotz der zunächst äußerst heftigen Reaktion der Vertriebenenverbände auch zu diesen von Anfang an Kontakte bestanden, dafür sei auf zwei Beispiele verwiesen:

A m bedeutendsten war das Gespräch, das der Rat auf seiner Sitzung am 11. 11. 1965 mit dem Präsidenten des Rates der ostdeutschen Landesvertretungen, Philipp von Bismarck, und dem Vizepräsidenten des Bundes der Vertriebenen (BdV), Rehs, über die Denkschrift f ü h r t e ( N r . 1 5 8 4 . X I . v o m 2 3 . 11. 1 9 6 5 ; HANDAKTEN W I L K E N S , I). D i e v o m R a t d e r Ε K D

eingeladenen Vertriebenenvertreter trugen nicht nur ihre Bedenken gegen die Denkschrift selbst vor, der sie „schwere Sachmängel" anlasteten, sie kritisierten auch deren Entstehung, weil die Verfasser es nicht für nötig angesehen hätten, „eingehende Sachgespräche mit den maßgeblichen Führern der Vertriebenenorganisation zu führen". Von Bismarck bezeichnete außerdem den „zustimmenden Beschluß der Synode [der Frankfurter Arbeitstagung der E K D - S y n o d e ] zu der Denkschrift als voreilig und gefährlich, weil er ohne sachliche Erörterung und Klärung innerhalb dieses Gremiums gefaßt wurde und nunmehr die Auseinander-

212

.Vertreibung und Versöhnung"

Im Verlauf dieser Auseinandersetzungen treten jedoch unverkennbar neue Gesichtspunkte auf, nicht in der Behandlung der völkerrechtlichen und ostpolitischen Fragen, wohl aber in der Fixierung der seelsorgerlichen Aufgaben, vor die sich die Kirche in dem Zusammenhang gestellt sah. Die Kontroversen um eine rechte Zuordnung von politischer Diakonie und Vertriebenenseelsorge hatten die Denkschrift von Anfang an begleitet und - wie oben erläutert - die Entstehungsgeschichte entscheidend mitbestimmt. In diesem Sinne konnten die Debatten nach der Veröffentlichung nicht mehr viel Neues erbringen, was nicht heißt, daß sie nicht unvermindert fortgeführt wurden bis hin zur Spandauer Erklärung der Synode der E K D vom 18. März 1966 und zu deren unterschiedlicher Bewertung 2 . Setzung in die Gemeinden trage". Dabei könne Zwietracht und Unfrieden in den G e m e i n den aufkommen. So ein Bericht des v o m „Göttinger Arbeitskreis" unterhaltenen Pressedienstes der Heimatvertriebenen (hvp), der noch am selben Tag an die Presse weitergeleitet worden war, ohne daß dies von den Gesprächsteilnehmern beabsichtigt worden war. V o n Bismarck äußerte noch in der N a c h t vom 11. zum 12. 11. in einem Telegramm an den Ratsvorsitzenden sein Bedauern über die vereinbarungswidrige Veröffentlichung: „ D a ich mit dem guten Gefühl, daß ein neuer Anfang gefunden worden sei, nach Hause fuhr, waren die hier auf mich wartenden Mitteilungen eine große Enttäuschung. Ich kann nur hoffen, daß kein wirkliches Unheil entstanden ist." Diese hvp-Meldung fand am 12. 11. einige Verbreitung in der Tagespresse. A m selben Tag veröffentlichte von Bismarck eine Erklärung zu dem Vorfall, in der er unter anderem das Gespräch als „beiderseits freimütig, aber ohne Schärfen geführt" bezeichnete. Diese Erklärung blieb im übrigen jedoch undeutlich. In seiner Sitzung am 16./17. 12. 1965 nannte sie der Rat dann auch „unbefriedigend", sie stelle „keine öffentliche Bereinigung" dar. T r o t z d e m hielt der Rat an seinem Beschluß v o m 11. 11. 1965 fest, das Sachgespräch mit Vertretern der Vertriebenen unter Hinzuziehung weiterer Sachverständiger (u. a. auch des Ο Κ Α - V o r s i t z e n d e n ) weiterzuführen. Vgl. Protokoll vom 11. 11. 1965, Pkt. 4a, und vom 16./17. 12. 1965, Pkt. 5. I, b. Ü b e r die später (seit 1968) erfolgten Gespräche mit dem B d V vgl. A K K , 6454, Beiheft „Gespräch mit dem Bund der Vertriebenen" und unten S. 2 5 6 f f . A u f Landesverbandsebene gab es einen ähnlichen V o r gang. A u f Einladung des politischen Referenten des Berliner Landesverbandes fand am 15. 11. 1965 im „Haus der ostdeutschen H e i m a t " ein Gespräch mit dem Leiter des Ev. publizistischen Zentrums in Berlin, Sepp Schelz, in einer „außerordentlich ruhigen und sachlichen A t m o s p h ä r e " statt. Wie Schelz weiter berichtet, gingen die Vertriebenenvertreter dabei nicht auf die „politischen Streitpunkte der D e n k s c h r i f t " ein, sondern knüpften an die „konstruktiven Ansätze" an, wie sie im II. Abschnitt vorhanden seien. D i e ev. Kirche übe darin Selbstkritik, wenn sie bekenne, auch ihrerseits nicht genug für die Eingliederung der Vertriebenen in Kirche und Gesellschaft getan zu haben. So erörterte man gemeinsam das Problem, „auf welche Weise die Kirche künftig in diesem Punkte aktiver werden wolle". Solche Gespräche eher inoffizieller A r t und unter dem Siegel der Vertraulichkeit dürften zum großen Teil auf die Unbehaglichkeit zurückgehen, die manche Vertriebenenvertreter befiel angesichts der Schärfe oder auch Unsachlichkeit, wie sie die Auseinandersetzung um die Denkschrift zumindest anfänglich kennzeichnete. So wurde auch Schelz von seinen Gesprächspartnern versichert, „daß sich der Berliner Landesverband in keiner Weise mit den ,Radaumachern' identifiziere, sondern W e r t auf ein ruhiges Sachgespräch lege" (Bericht Schelz' „ N u r zur persönlichen Information" vom 23. 1 1 . 1 9 6 5 ebd., X I . S c h r i f t w e c h s e l ) ^ 2 Vgl. unten S. 234 ff.

Die Synodalerklärung vom 18. M ä r z 1966

213

Wenn nun gerade auf Seiten der Initiatoren und Befürworter der D e n k schrift die Gewichte angesichts des ursprünglichen seelsorgerlichen Konzepts, wie es hinter der Argumentation der Legitimationsfrage sichtbar geworden war 3 , etwas verschoben worden zu sein scheinen, dann geschah dies nicht einfach im Sinne jener Kontroversen, etwa durch ein Nachgeben gegenüber Revisionsforderungen derjenigen, die in der Denkschrift vor allem einen seelsorgerlichen Schadensfall sahen. Wohl aber zeigten die mannigfaltigen Reaktionen, daß die Denkschrift in seelsorgerlicher H i n sicht nicht einfach als sui ipsius interpres gelten konnte, sondern es spezifizierter Bemühungen auf dem Gebiet der Vertriebenenseelsorge bedurfte. Hatten die Initiatoren die seelsorgerlichen Motive vor allem auf den Bereich einer politischen Hermeneutik konzentriert, zur Heilung einer ihnen pathologisch erscheinenden gesellschaftlichen Situation, so sahen sie nun die Notwendigkeit, auch den Gehalt von Einzelaussagen und -ergebnissen in der Denkschrift stärker in die theologische Reflexion und seelsorgerliche Bemühung einzubeziehen, vielleicht könnte man sagen: die konkreten Inhalte der Denkschrift stärker in die Vertriebenenseelsorge einzuholen, sie darin aufzuheben nicht im Sinne der Revision, sondern im Gegenteil im Sinne einer Verstärkung ihres Gewichts im Rahmen kirchlicher Legitimation und evangelischer Verkündigung 4 .

1. Die Entstehung der Synodalerklärung

vom 18. März 1966

Zwei Monate nach Veröffentlichung der Denkschrift befaßte sich der Rat der E K D am 16./17. Dezember 1965 mit der Vorbereitung der Synodaltagung im März 1966, für die ja die Beratung der in der Denkschrift angesprochenen Thematik vorgesehen war 5 . N a c h einem entsprechenden Bericht von Wilkens wurden drei Gesichtspunkte herausgestellt, unter denen die Tagung vorzubereiten wäre und die Denkschrift auf der Synode behandelt werden könnte. Wilkens faßte in einem Rundschreiben an die Mitglieder (West) der Öffentlichkeitskammer daraufhin den Stand der Vorbereitung so zusammen: „ G r u n d l a g e dieser Verhandlungen der Synode wird natürlich die Denkschrift selbst sein. Es wird aber unser Bestreben sein müssen, die weitere Auseinandersetzung u n d A u s w e r t u n g vom vorliegenden Text m e h r oder weniger zu lösen u n d auf die Sachfragen zu bringen. W i r

3

Vgl. oben S. 158 ff. u n d öfter. Diese Gesichtspunkte d ü r f e n angesichts des G e s a m t z u s a m m e n h a n g s natürlich nicht überbewertet w e r d e n ; sie bleiben in einer umfassenden historischen Darstellung des D e n k schrift· Vorgangs u n d seiner politischen W i r k u n g e n relativ belanglos, in dem hier gesetzten R a h m e n der kirchlichen Vertriebenenarbeit u n d der damit gegebenen Fragestellungen (vgl. oben S. 150) aber sollten sie nicht unberücksichtigt bleiben. 5 Vgl. oben S. 165. 4

214

.Vertreibung und Versöhnung"

überlegen deshalb auch, ob wir den Verhandlungen in der Synode nicht von vornherein ein geeignetes Sachthema geben sollten. Man könnte dabei etwa an eine Formulierung wie ,Vertreibung und Versöhnung' denken. Wiederum nach den bisherigen Plänen sollen dann drei Aspekte behandelt werden, nämlich der theologische (a), der menschliche (b) und der geschichtlich-politische (c). Zu a: Es sollte versucht werden, die durch die Denkschrift aufgeworfenen theologischen Fragen aufzunehmen, darzulegen und in geeigneter Weise auch zu beurteilen. Das ist hier jetzt nur in Stichworten anzudeuten: Charakter der Denkschrift, Fragen der politischen Ethik, Rechtsverständnis, Versöhnungsgedanke, Heimat und Heimatrecht, Schuld und Gericht. Zu b: Unter dem menschlichen Aspekt ist im wesentlichen das verstanden, was in Kapitel II der Denkschrift behandelt worden ist. Hier käme es vor allem darauf an, die in der Kritik sehr stark aufgeworfene Frage nach der Seelsorge aufzunehmen und weiterzuentfalten. Zu c: Hier käme es darauf an, Friede und Versöhnung als geschichtliche Aufgabe und politische Möglichkeit auf die konkrete Situation und die speziellen Fragen des Verhältnisses zu den östlichen Nachbarn anzuwenden. Damit ist ein allererster Vorschlag zur Gestalt der Synodalverhandlungen kurz beschrieben. Wir haben noch alle Freiheit, abzuändern und zu ergänzen. Methodisch würde sich nun die Arbeit so vollziehen, daß ein vorbereitender Ausschuß den ganzen Fragenbereich unter dem Gesichtspunkt synodaler Verhandlungsmöglichkeiten noch einmal durchdenkt, eine schriftliche Vorlage erarbeitet und der Synode damit schon Hinweise auf die eigene Behandlungsmethode gibt. Die genannten Aspekte wären in der Vorlage näher zu behandeln, dann aber auf der Synodaltagung selbst in je einem einführenden Referat darzulegen und zu vertreten. U m diese Referate sind von uns die Herren Professor Dr. Krumwiede, Göttingen, (theologisch), Kirchenpräsident D. Sucker, Darmstadt, (menschlich) und Professor Dr. Erdmann, Kiel, (geschichtlich-politisch) gebeten worden. Die genannten Herren sollen auch an dem vorbereitenden Ausschuß teilnehmen, zu dem außerdem nach dem Beschluß des Rates noch die Herren Professor D. Gollwitzer, Berlin, Oberkonsistorialrat D . Gülzow, Lübeck, und Professor Dr. Harald Kruska, Berlin, treten sollen."'

Eine ausführlichere Erörterung jener drei Gesichtspunkte schrieb Wilkens in einem Artikel für den von Reinhard Henkys herausgegebenen Sonderband „Deutschland und die östlichen Nachbarn" 7 . Zu jedem einzelnen trägt Wilkens teilweise über die Denkschrift hinausreichende Gedanken vor, um so deren „sachlichen Gehalt zu vertreten und den Fortgang des Gesprächs zu fördern." 8 Im Zusammenhang des „Fragenkomplexes von Recht und Gerechtigkeit" sieht er einen Punkt, an dem die Diskussion der Denkschrift „für alle Beteiligten vielleicht am schmerzlichsten gewesen" sei, ' Nr. 1584. X I . vom 22. 12. 1965; ebd., X I . Vertriebenen-Denkschrift. Nach Nr. 180. X I . vom 31. 1. 1966 wurde auch noch Pastor von Aderkas (vgl. oben S. 184 f.) in den Vorbereitungsausschuß berufen. Angesichts des damals labilen Gesundheitszustandes des ΟΚΑ-Vorsitzenden, Gülzow, bat der Rat außerdem den 2. Vorsitzenden, Brummack, als dessen Stellvertreter ebenfalls an der Arbeit des Ausschusses teilzunehmen. Schreiben Wilkens' an Brummack vom 31. 1. 1966 (NACHLASS BRUMMACK, braune Mappe). Den Vorsitz führte der Vorsitzende der Öffentlichkeitskammer, Raiser. 7 Dieses Buch wurde aufgrund eines EKD-Ratsbeschlusses vom 27./28. 1. 1966 (Pkt. 5) den EKD-Synodalen zur Verfügung gestellt. 8 Ebd., S. 161.

Die Synodalerklärung vom 18. März 1966

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„für die Vertriebenen, weil sie sich in ihrer Heimatverbundenheit bestritten fühlten; für die Verfasser der Denkschrift, weil es ihnen offenbar nicht gelungen war, sich ausreichend verständlich zu machen. D a ß ein seelsorgerlich verstandener Dienst als Verletzung empfunden wird, zeigt, daß man offenbar Verschiedenes gemeint hat und daß man hier noch sehr eingehend miteinander sprechen muß . .

Hinter dieser Aussage stand wohl die Erfahrung einer Betroffenheit und Verwundung, die nicht nur einfach aus Unbedarftheit, politischen Illusionen und mit bereits zum Klischee erstarrten Reaktionsabläufen 1 0 zu erklären waren, sondern in einem Zusammenhang gründen, der nicht zuletzt von der kirchlichen Bindung und der Vertriebenenseelsorge herrührt. Zur Erläuterung mag hier etwa ein eindrucksvolles Zeugnis zitiert werden, das Eberhard Stammler in seinem Bericht über die Lektüre von nahezu vierhundert Briefen wiedergegeben hat: „Sie wollen uns die Illusionen nehmen? H a b e n Sie, meine verehrten Herren, schon einmal mit einem Vertriebenen über die R ü c k k e h r in seine Heimat gesprochen? Niemand ist da illusionsloser als wir Vertriebene selbst. W i r wissen, daß wir unsere Heimat nicht Wiedersehen, ohne daß ein Wunder Gottes geschieht. Glaube und H o f f n u n g sind feste Bestandteile in unserer christlichen Religion. Sie uns nehmen zu wollen, ist beinahe ein V e r b r e c h e n ! " "

O b w o h l dieses Zeugnis der Sache nach von der bisher erörterten theologischen und ethischen Problematik kaum zu trennen ist, besitzt es doch eine Dimension, wie sie den an der Auseinandersetzung beteiligten Parteien so unmittelbar bislang sicher nicht erkennbar war. „Man wird diese Reaktion ernst nehmen müssen, und wenn von einer seelsorgerlichen Aufgabe der Kirche und der Denkschrift die Rede sein kann, dann wird sie in dieser Tiefenschicht einsetzen müssen." 1 2

Die Folgerung aus solchen und ähnlichen Reaktionen Betroffener hat sicher nicht nur Stammler gezogen. Sie dürfte auch bei anderen Befürwortern der Denkschrift und eben auch bei Wilkens gezogen worden sein und den Hintergrund für die Forderung nach umfassenderer seelsorgerlicher und theologischer Durchdringung sämtlicher Aspekte der Denkschrift abgegeben haben' 3 . Die Kritiker der Denkschrift, gerade auch die Vertreter der kirchlichen Vertriebenenarbeit und -seelsorge mögen sich bei einer solchen F o r d e rung von seiten der Befürworter in ihren von Anfang an geäußerten ' E b d . , S. 1 6 4 . 10 Vgl. dazu ebd., S. 167. 11

E. STAMMLER, Betroffenheit, S. 98.

Ebd. So bejaht E. WILKENS in seinem Artikel ausdrücklich die von Schweitzer an der Denkschrift geäußerte Kritik, die Einheit aller in der Denkschrift behandelten Aspekte unter dem Vorzeichen des unter theologischer Kontrolle stehenden Dienstes am Menschen hätte deutlicher zum Ausdruck k o m m e n sollen (Denkschrift, S. 167; vgl. W . SCHWEITZER, Erwägungen, S. 37, aber auch zur Konkretion dieser Forderung etwa S. 43). 12

15

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.Vertreibung und V e r s ö h n u n g "

Bedenken bestätigt gesehen haben14. Jedoch gilt es demgegenüber festzuhalten, daß es sich hierbei um die Auswertung von Erfahrungen und Prozessen handelt, wie sie erst durch die Veröffentlichung der Denkschrift in Gang gekommen und teilweise bewußt gesetzt worden waren als ein Stück theologischer Reflexion und seelsorgerlicher Bemühung in einer neu geschaffenen Situation, um ein Bemühen also, den mit der Denkschrift beschrittenen Weg weiterzuverfolgen, nicht, sich aus dieser Situation zurückzuziehen. So wurden diese neuen Gesichtspunkte auch nicht ohne Grund gerade von den Initiatoren der Denkschrift aufgegriffen, während die Kritiker in jenen Wochen die natürlich auch ihnen bekannten Reaktionen noch nahezu ausschließlich im Sinne ihrer seit längerem geübten Kritik interpretierten und auf eine Revision abhoben. Besonders deutlich läßt dies die Aussprache auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Ostkirchenkonvents am 10. Januar 1966 werden 15 . Abgesehen davon, daß ein Großteil der Voten noch ganz unter dem Eindruck der Auseinandersetzung um die Entstehungs-, Beteiligungs- und Legitimationsproblematik stehen, bleiben auch eingehendere theologische Erwägungen fast durchgehend nach rückwärts gewandt und berücksichtigen kaum, daß mit der Denkschrift innerhalb der Vertriebenenarbeit eine neue seelsorgerliche Situation entstanden und ein in gewisser Hinsicht irreversibler Prozeß in Gang gekommen war16. Für eine breitere Öffentlichkeit erkennbar wurden jene Aporien, aber auch die Ansätze zur Weiterführung der Vertriebenenseelsorge nach und auf der Grundlage der Denkschrift auf der viel beachteten Tagung „Versöhnung und Recht" der Evangelischen Akademie Bad Boll vom 21. bis 23. Januar 196617. Die führenden Kontrahenten der Denkschrift-Diskussion standen sich hier gegenüber. Vom Rat der E K D war der stellvertretende Vorsitzende, Landesbischof Lilje, anwesend, der Bund der Vertriebenen war durch seinen Präsidenten, Jaksch, vertreten, der damalige Bundesvertriebenenminister, Johann-Baptist Gradl, referierte ebenso wie der Kieler Völkerrechtler Eberhard Menzel oder wie Wilkens und Gül14 Vgl. etwa G ü l z o w s weiter unten referierte positive Einschätzung der ersten Sitzung des Vorbereitungsausschusses in seinem Brief an B r u m m a c k v o m 8. 2 . 1 9 6 6 (NACHLASS BRUMMACK) sowie die Reaktionen auf die E K D - S y n o d a l e r k l ä r u n g v o m 18. 3. 1966 selbst (vgl. d a z u weiter unten, S. 234 ff.). 15 Vgl. Niederschrift v o m 26. 1. 1 9 6 6 ( A O K A , C 14e, N r . 162). 16 Diese Feststellung gilt auch für die im K o n v e n t vertretenen B e f ü r w o r t e r , z . B . die Vertreter des ostpreußischen H i l f s k o m i t e e s . A m ehesten finden sich noch bei B r u m m a c k ( z . B . S. 10), der auch das einführende Referat hielt, A n s ä t z e zu einer Erörterung der „neuen A u f g a b e n " oder - zumindest f o r m a l - in der von Pfr. Ernst L e h m a n n und Spiegel-Schmidt eingebrachten F o r d e r u n g , einen Arbeitsausschuß des Konvents zu bilden, der an den in B r u m m a c k s Referat aufgezeigten T h e m e n weiterarbeiten solle. 17 Protokoll der T a g u n g in: PROTOKOLLDIENST N r . 10/1966 der Pressestelle der Ev. A k a d e m i e B a d Boll.

Die Synodalerklärung vom 18. März 1966

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zow. In der Diskussion traten außerdem der Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen, Rehs, und andere prominente Vertriebenensprecher wie Herbert Czaja oder Bundesminister a . D . Hans-Joachim von Merkatz, sowie andererseits der Vorsitzende der Kammer für öffentliche Verantwortung, Raiser, auf. Natürlich standen die Tagung und das durch sie ausgelöste Presseecho 18 noch weitgehend im Banne der öffentlichen Kontroversen, wie sie unmittelbar nach Veröffentlichung der Denkschrift eingesetzt hatten. Es fehlten jedoch in den Voten der drei theologischen Referenten, Gülzow, Lilje und Wilkens auch nicht die darüber hinausführenden Ansätze, gerade in seelsorgerlicher Hinsicht, denen in diesem Abschnitt nachgegangen werden soll. Wilkens gab im wesentlichen die Gedanken seines oben" genannten Artikels wieder. Der Dialog in Bad Boll ließ jedoch die vorhandenen Differenzen klarer hervortreten. Wilkens sprach von „einer gewissen Wechselwirkung zwischen der Lage der Vertriebenen selbst und dem Verhältnis zu unseren östlichen Nachbarn" und wies dabei gerade darauf hin, daß das besondere Interesse und die Empfindlichkeiten der Vertriebenen bei der Ostfrage in deren „elementaren menschlichen Erlebnissen und Grunderfahrungen" wurzeln 20 . Im Herausstellen eines solchen Zusammenhangs sah nun Gülzow gerade einen wichtigen Grund für die Erregung und Betroffenheit auf seiten der Vertriebenen. Sie würden, „wiewohl es nicht gemeint sein mag", so bereits durch den Titel der Denkschrift als die angesehen, „die letztlich das Hindernis auf dem Weg zu einem neuen, gesunden, durch die Versöhnung bestimmten Verhältnis mit den Nachbarn sind". Deshalb wollte Gülzow auch lieber „Versöhnung als Aufgabe" anstelle des von Wilkens vorgeschlagenen „Vertreibung und Versöhnung" als Thema für die kommende Synode der E K D formuliert sehen21. Daß jene „Aufgabe" vor allem und unabdingbar darauf gerichtet sein müsse, „das Recht zu schaffen", das ein auf Versöhnung gegründetes Zusammenleben ermöglicht, darauf wurde auch in diesem Referat vom Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses wieder abgehoben 22 Den Hintergrund für solche Kontroversen bildeten jedoch die Fragen, die in Bad Boll, wie auch in den weiteren Auseinandersetzungen die theologische Debatte bis hin zur Synode im März beherrschten: das Schuld- und Gerichtsproblem und damit zusammenhängend der Versöhnungsgedanke. Hier traten die Differenzen zutage und nahm die Diskus-

"

V g l . z . B . die Z i t a t e i n : AKTUELLE G E S P R Ä C H E 1 / 2 , 1 9 6 6 , S. 2 f . u n d 3 2 .

" Vgl. A n m . 7 . 20 S . 8 (vgl. A n m . 1 7 ) . 21 E b d . , S . 1 4 . 22 E b d . , S . 1 5 .

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.Vertreibung und Versöhnung"

sion ihren Fortgang, soweit es u m die seelsorgerlichen A u f g a b e n der Kirche an den Vertriebenen und u m das besondere kirchliche A m t , in diesem Fall u m die politische Diakonie ging. D e r Rechtsgedanke, auf den G ü l z o w abgezielt hatte, stand deshalb nicht mehr in der Weise zur Debatte, wie dies in früheren Jahren und während der Entstehung der Denkschrift noch der Fall war, und das, obwohl die B a d Boller T a g u n g ihrer Themenstellung - „Versöhnung und Recht" - gemäß dem Rechtsp r o b l e m und einzelnen rechtlichen Fragen in Referat und D i s k u s s i o n noch breiten R a u m gewährte. Bis zu einem gewissen G r a d stimmten die Kontrahenten in der Beurteilung des Schuld- und Versöhnungsgedankens noch überein. D i e D i f f e renzen ergaben sich erst beim Problem des seelsorgerlichen Stellenwertes und der politischen Relevanz. Daß die Schuld zwischen den Völkern nicht gegenseitig aufrechenbar sei, blieb ebenso unbestritten 23 wie die These von der gegenseitigen Schuldverstrickung der Völker 2 4 . Bereits in der D e n k schrift selbst wurden diese A s p e k t e des Schuldproblems entfaltet 25 . U n b e stritten blieb darüber hinaus - zumindest in Bad Boll - , daß man die Vertriebenen nicht als die alleinigen - und vielleicht zu Recht - Betroffenen eines Gottesgerichts und göttlichen Strafvollzugs ansehen und ansprechen dürfe, daß dies auch trotz gelegentlicher Interpretation in solcher Richtung nicht den Aussagen der Denkschrift entspreche 2 6 . In deren II. Abschnitt war zur kirchlichen Vertriebenenaufnahme kritisch vermerkt w o r d e n : „Offenbar ist auch nier nicht vernehmlich genug ausgesprochen und entschlossen genug gelebt worden, daß nur das J a zum Gericht Gottes den Weg zu neuen Aufgaben frei macht, daß dieses J a aber zusammen mit den Vertriebenen von der Gesamtheit des Volkes in der Solidarität einer einzigen großen Schuld- und Haftungsgemeinschaft gesprochen werden muß."

Vgl. z . B . G ü l z o w s Diskussionsvotum (ebd., S. 18) und Wilkens'(ebd., S. 5). „Die Erinnerung an deutsche Schuld geschieht nicht um einer Herabsetzung des deutschen Volkes willen gegenüber der übrigen Völkergemeinschaft. Die Schuld des einen Volkes gibt dem anderen kein Recht, sich in Kollektivunschuld zu wiegen" (Votum Wilkens; ebd.). 25 A m Ende der theologischen Überlegungen, die mit einem Zitat von Girgensohn abschließen: „ D e r wirkliche Neubeginn eines nachbarschaftlichen Verhältnisses kann nur in einer echten Partnerschaft bestehen, bei der auch die Wirklichkeit der gegenseitigen Schuldverstrickung ins Blickfeld tritt und die darum auch nicht auf einseitigen Akten der Vergeltung und der Gewalt basiert. Hier wäre nämlich keiner der Richter des anderen. Wir stünden allesamt unter einer höheren übergeordneten Gerichtigkeit" (DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 121). 26 So meinte G ü l z o w , daß viele Vertriebene „irrigerweise aus der Denkschrift herausgelesen [haben], daß sie diejenigen sind, über die das Gericht Gottes hereingebrochen ist. Wenn das auch in der Denkschrift nicht gemeint ist, so ist es doch die Frage, ob die Denkschrift sich präzise genug ausgedrückt und was mit dem Gericht Gottes eigentlich gemeint ist" (vgl. Anm. 17, S. 70). Zur Stellung von Wilkens vgl. ebd., S. 5 und 18f. 23

24

Die Synodalerklärung vom 18. März 1966

219

Es gehe, so heißt es etwas später, „letzten Endes nicht um äußere Sachverhalte und statistische Befunde als vielmehr um gemeinsame Überzeugungen hinsichtlich der Aufgaben, die sich für alle aus dem Gericht Gottes ergeben." 27

Differenzen zeigten sich erst bei der Anwendung, die solche Aussagen über Schuld, Gottesgericht und Versöhnung in Seelsorge und politischer Entscheidung zu finden hätten. Welchen Zusammenhang bilden jene Gedanken, enthalten sie ein bestimmte politische Entscheidungen herausforderndes sachliches Gefälle? Die Orientierung am Recht, wie sie die Position der Denkschrift-Kritiker etwa im Ostkirchenausschuß kennzeichnet, führt zu einer Trennung beider Bereiche. Man bejahte zwar den Schuld- und Versöhnungsgedanken wie angegeben. Es gehe aber, so Gülzow in Bad Boll, „ja nicht allein darum, daß wir den Versuch der Versöhnung unternehmen, sondern wir meinen, daß mehr als dies nötig ist, nämlich das Recht zu schaffen, das für die Konstruktion für morgen unabdingbar notwendig sein wird und das sich gegen das richtet, was wir Sünde nennen." 28

Der Bezug zwischen den Inhalten kirchlicher Verkündigung und Seelsorge auf der einen, politischen Sachentscheidungen auf der anderen Seite erscheint bei einer solchen Position nur als ein sehr mittelbarer. Der „Gehorsam gegen Gottes Wort" schließt es nach Ansicht jener K r i t i k e r wie Gülzow - aus, die bestehenden ostpolitischen Fakten als unabänderlich hinzunehmen und so vor ihnen zu kapitulieren 2 '. Hier wurde, zumindest negativ, ein direkter Bezug hergestellt, anders aber beim Schuld- und Versöhnungsgedanken, der, wie oben bereits gezeigt 30 , dem Bereich des menschlichen Miteinanders zwischen den Völkern zugeordnet und gleichzeitig damit der politischen Ebene zwischenstaatlicher Beziehungen enthoben wurde. Von einer solchen Un-Verbindlichkeit theologisch-ethischer Kategorien für das politische Handeln unterscheiden sich die Befürworter der Denkschrift, ohne andererseits aus jenen theologischen Aussagen z.B. direkt die Forderung nach Anerkennung der Oder-Neiße-Linie herleiten oder etwa die oben zitierten Aussagen über das Gericht Gottes als allgemeiner politischer Vernunft zugänglich ansehen zu wollen 31 . Aber die Schuldfrage läßt sich in ihren Augen aus dem Bereich des Politischen nicht eliminieren 32 . Das erscheint ebenso unmöglich und vermessen wie „hinter 27

DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 9 5 .

S. 15 (vgl. Anm. 17). Vgl. ebd., S. 17. 30 Vgl. e t w a S . 1 1 2 f . , 1 6 4 f . und v.a. unten, S. 2 3 2 f . " Wilkens (vgl. Anm. 17), S. 18, nennt jene Aussagen im II. Abschnitt der Denkschrift „eine nur dem Christen zugängliche Glaubenserkenntnis". 32 Wilkens führte in Bad Boll Karl Jaspers' Differenzierung der kriminellen, politischen, 28

25

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.Vertreibung und Versöhnung"

Schuld, Vergebung und Versöhnung wieder in den Stand der Unschuld zurückkehren" zu wollen. Bischof Lilje berief sich auf die Stuttgarter Erklärung 33 und den bald nach Kriegsende in der Kathedrale von Coventry aufgestellten Stein mit der Inschrift „Father forgive", um die politische Relevanz des christlichen Schuld- und Vergebungsgedankens zu erhellen34. Vor allem aber bot die Entwicklung seit dem Erscheinen der Denkschrift selbst genügend Anschauungsmaterial für solche Zusammenhänge. An erster Stelle ist hier auf den Briefwechsel zwischen dem polnischen und dem deutschen römisch-katholischen Episkopat zu verweisen einschließlich der politischen Weiterungen, die er nach sich zog 35 . Das bedeutete aber, daß hier die innere kirchliche Legitimation im gesamten Umfeld der Denkschrift sachlich eine breitere Grundlage erhalten sollte, als dies noch in der Entstehungsphase und etwa auf der Frankfurter Arbeitstagung 36 der Fall war. So konnte der Vorgang um die Stuttgarter Erklärung in diesem Zusammenhang und während dieser Phase der Diskussion eine gewisse exemplarische Bedeutung erlangen, nicht nur wegen der Parallelität der Schuldfrage, sondern ebenso als hervorragendes Beispiel eines genuin kirchlichen Handelns, beruhend auf einer inneren theologisch verantwortbaren Motivation, das gleichwohl unbestritten spürbare politische Konsequenzen und Wandlungen nach sich gezogen hatte. Bis in die Synodalerklärung zum Thema „Vertreibung und Versöhnung" 37 hinein bleibt diese Nähe - und damit andererseits aber auch moralischen und metaphysischen Schuld an, wobei letzterer für Wilkens die Kategorie des theologischen Schuldgedankens und Gottesgerichts eignet (vgl. ebd., S. 5 und 18). 33 Vgl. dazu Bd. I , S . 2 8 2 f f . 34 S. 23 f. (vgl. Anm. 17). In der Diskussion verwies Lilje später auf jene Erklärung, um den Vorwurf zu entkräften, die evangelische Kirche habe 20 Jahre lang geschwiegen (ebd., S. 62). Dabei ist zu berücksichtigen, daß Lilje den gesamten damaligen Vorgang in Stuttgart unter dem Gesichtspunkt darstellte, Bischof Wurm habe die Vertreter der Ökumene auf das „heraufziehende neue Unrecht" der Vertreibung hingewiesen. Wurm habe den Mut gehabt zu sagen, „hier wäre der Augenblick, wo vergangene Schuldverstrickungen geklärt werden müßten und wo wir nach einem Wort suchen müßten, das uns wieder zueinanderführte. Das wäre besonders schwer, weil er die Nachricht von unbeschreiblichen Vorgängen der Vertreibung bekommen hätte" (ebd., S. 23). 35 Lilje (ebd., S. 28) zitierte den polnischen Primas, Stefan Kardinal Wyszynski, der gegen die ihm in seinem Land widerfahrene Kritik erklärte, „wenn man ihm vorschlagen würde, nicht von Vergebung zu reden, dann würde er ja die Tatsache verleugnen, daß tausend Jahre lang in Polen gebetet worden sei: Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern! - In solch einem Augenblick", fährt Lilje fort, „gehen politische und christliche Aussage ineinander über." Der Briefwechsel, ausgelöst durch das Einladungsschreiben zur polnischen Milleniumsfeier vom 18. 11.1965 (Antwort des deutschen Episkopats vom 5. 12. 1965) ist abgedruckt u.a. in: R. HENRYS, Deutschland, S. 218-230. Zu den politischen Folgen vgl. G. SCHARFFENORTH, Bilanz, S. 22 ff., und die Dokumente, S. 102-122. 36 Vgl. dazu oben, S. 158ff. 37 Vgl. dazu unten S. 223 u. 228ff.

D i e S y n o d a l e r k l ä r u n g v o m 18. M ä r z 1 9 6 6

221

gerade die Distanz - spürbar, auch wenn in der Erklärung selbst nicht mehr wie in der vorausgegangenen Debatte ausdrücklich darauf Bezug genommen wird. Obwohl das vorliegende Material keine sicheren Erkenntnisse zuläßt, scheint doch der vom Rat der E K D gebildete Vorbereitungsausschuß 38 auch solche Bezüge erörtert zu haben. Den Teilnehmern an der ersten Sitzung am 4-/5. Februar 1966 hatte der für die März-Synode der E K D als theologischer Referent vorgesehene Göttinger Professor Krumwiede einen durch zusätzliche Überlegungen ergänzten Teilentwurf für ein Synodalwort vorgelegt 39 . Die Schuld-, Gerichts- und Versöhnungsfrage nahm darin selbstverständlich breiten Raum ein - ohne theologisch aufgebläht zu werden" entsprechend der Intention einer stärkeren theologischen Durchdringung und seelsorgerlichen Ausrichtung der in der Denkschrift enthaltenen Hauptgedanken. Grundlage dafür waren die in den vielfachen Auseinandersetzungen gewonnenen Erfahrungen"". Was die seelsorgerlichen Probleme aufgeworfen hatte, sollte nicht abgeschwächt oder eliminiert, sondern im Gegenteil theologisch besser profiliert werden. So plädierte Krumwiede dafür, die Aussage der deutschen Schuld der Beschreibung des an den Vertriebenen verübten Unrechts voranzustellen, womit zwar nicht der Sache nach, wohl aber in der Gewichtung und Pointierung eine leichte Korrektur der Denkschrift vorgenommen werden würde 42 . In der Erklärung der Synode vom 18. März 1966 ist dann so verfahren worden, als im ersten Abschnitt die Ursachen und das Schuldproblem angesprochen und erst danach (zweiter Abschnitt) Leid und Verlust geschildert werden 43 . 38

V g l . o b e n S. 2 1 4 .

39

NACHLASS BRUMMACK ( b r a u n e M a p p e ) .

40

V g l . d a z u e t w a e b d . , S. 2.

41

K r u m w i e d e d i f f e r e n z i e r t in d e m Z u s a m m e n h a n g u n t e r d e m B l i c k w i n k e l d e r A d r e s s a -

t e n : D i e D e n k s c h r i f t h a b e eine „ i m m e r n o c h v o r h a n d e n e , w e n n a u c h w e i t h i n l a t e n t e , V o l k s k i r c h e a n g e s p r o c h e n " ; d a s W o r t d e r S y n o d e d ü r f e d e s h a l b nicht n u r „ d i e e v a n g e l i s c h e K i r c h e n g e m e i n d e zu erreichen s u c h e n " ; theologische B e g r i f f e müßten „ d a r u m f ü r die w e i t h i n K i r c h e n f r e m d e n a u s d e r S a c h e s e l b s t e i n s i c h t i g w e r d e n " . D a b e i sei z u b e t o n e n , „ d a ß a u f d e n M e n s c h e n b e z o g e n e S a c h l i c h k e i t e m i n e n t m i t T h e o l o g i e z u tun h a t " ( E x p o s e v o m 31. 1. 1 9 6 6 ; e b d . , S . 2). S o l c h e E r w ä g u n g e n s i n d n u r d a n n s o u n b e f a n g e n z u e r ö r t e r n , w e n n d i e k i r c h l i c h e L e g i t i m a t i o n s e l b s t nicht in F r a g e s t e h t . U n d t a t s ä c h l i c h stellt sich f ü r K r u m w i e d e d a s L e g i t i m a t i o n s p r o b l e m n i c h t v o r a b i m S i n n e einer t h e o l o g i s c h e n G r u n d s a t z f r a g e , s o n d e r n es w i r d k o n k r e t d u r c h d a s k i r c h l i c h e W o r t s e l b s t e n t s c h i e d e n : „ D i e innere V o l l m a c h t m u ß sich i m W o r t d e r K i r c h e s e l b s t e r w e i s e n " ( e b d . , S. 7). 42

V g l . e b d . , S . 3. - D i e D e n k s c h r i f t e n t h ä l t i m I. A b s c h n i t t d e n H i n w e i s a u f d i e s e n

S c h u l d z u s a m m e n h a n g erst n a c h einer e r s t e n S k i z z i e r u n g d e s V o r g a n g s u n d d e r F o l g e n d e r V e r t r e i b u n g (vgl. DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 81 f f . ) . 43

V g l . VERTREIBUNG, S. 59 f f . u n d vgl. d a z u d i e A u s f ü h r u n g d e s A u s s c h u ß b e r i c h t e r s t a t -

ters, B . L o c h e r , a u f d e r S y n o d e ( e b d . , S. 71 f., b z w . B e r i c h t BERLIN UND POTSDAM 1 9 6 6 ,

222

,Vertreibung und Versöhnung"

Umstrittener und in den Augen der Kontrahenten problematischer war der Gerichtsgedanke, wie er in der Denkschrift ausgeführt worden war 44 . Die Kritiker sprachen in dem Zusammenhang gerne von einer „Geschichtstheologie", die ihnen in seelsorgerlicher 45 und prinzipiell theologischer46 Hinsicht fragwürdig zu sein schien. Vielleicht wird an der Behandlung dieser Frage im vorbereitenden Ausschuß, auf der Synode selbst und schließlich in der Synodalerklärung nicht nur am ehesten die Problematik deutlich, wie sie in jenen Monaten von den verschiedenen Gremien und Sprechern der evangelischen Kirche hinsichtlich der Vertriebenenseelsorge und deren inhaltlicher Ausrichtung empfunden wurde, sondern darüber hinaus die große Distanz zwischen den Aussagen der ersten Nachkriegsjahre und jenen, die zwei Jahrzehnte nach der Vertreibung zu Schuld und Gottesgericht erfolgten. Die Dokumente aus jenen Monaten lassen ein Gefälle von der Denkschrift zur Synodalerklärung erkennen, dessen man sich bewußt war und das, wie vor allem die Synodaltagung zeigt, keinesfalls unumstritten blieb. In seiner Vorlage zur ersten Sitzung des vorbereitenden Ausschusses hatte Krumwiede noch ziemlich unbefangen die betreffenden Denkschriftaussagen aufgegriffen: „Den verlorenen Krieg und seine Folgen wird der Glaubende darum als ein Gericht über ein Volk ansehen, das sich selbst vergötzt. . . hat." 4 7

Krumwiedes Vorlage zur zweiten Sitzung am 18./19. Februar 1966 läßt den Gang der Diskussion ahnen, wenn von einer solchen unmittelbaren Qualifizierung der Geschichte Abstand genommen wird. Der Entwurf des Synodalwortes enthält den Gerichtsgedanken nur noch in Form einer Frage. Krumwiede formuliert nun so: „Der Krieg hat über andere Völker und über unser eigenes Volk unendliches Leid gebracht. Viele Millionen Menschen sind umgekommen, wurden verstümmelt oder entwurzelt. Die Vertriebenen sind dabei vor die Frage gestellt: Wenn ich an Gott glaube, muß ich dann die Vertreibung als sein Werk oder sogar als sein Gericht hinnehmen? N a c h christlichem Glauben ist dem Menschen die Verantwortung übertragen worden, seine Welt frei zu S. 245f.). Diese 4. Tagung der dritten E K D - S y n o d e vom 13. bis 18. 3. 1966 fand wie schon 1965 gemäß dem Kirchengesetz über Arbeitstagungen der Synode vom 13. 3.1963 in örtlich getrennter Veranstaltung statt. Die Synodalen aus der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin tagten in Berlin-Spandau, die Synodalen aus der D D R in Potsdam-Babelsberg (vom 16. bis 18. 3.). 44 Vgl. oben S. 218. 45 Vgl. z . B . Gülzows Referat in Bad Boll (vgl. Anm. 17, S. 17) und oben S. 217f. sowie das Votum des Synodalen Locher auf der E K D - S y n o d e am 16. 3. 1966 (BERLIN UND POTSDAM 1 9 6 6 , S. 2 0 3 f.). 46 Vgl. etwa das Votum des Synodalen Wölber am 16. 3. 1966 (ebd., S. 211 f.). Vgl. auch unten S. 223 ff. 47 VERTREIBUNG, S. 13 f. Zuvor (S. 12) hatte Krumwiede allgemein formuliert: „Im Glauben an Gott als den Herrn über die Menschen widerfährt dem Christen menschliches Handeln als Gericht und Gnade Gottes."

Die Synodalerklärung v o m IB. M ä r z 1966

223

gestalten. D a r u m vollzieht sich das Geschichtshandeln des Menschen o h n e unmittelbare Einsicht in das Wirken Gottes. N u r im Glauben kann menschliches H a n d e l n von der Allmacht Gottes her verstanden werden. A u c h das Erleiden der Vertreibung darf jeder einzelne aus G o t t e s H a n d n e h m e n . D e r eine wird sie als Strafe, ein anderer als P r ü f u n g , ein dritter als W a r n u n g h i n n e h m e n . " 4 '

Die Synodalerklärung vom 18. März 1966 selbst vermeidet den Gebrauch des Begriffs dann völlig, ja der Gerichtsgedanke wird auch nicht mehr als Frage gestellt, sondern eliminiert und aufgehoben in eine Erwägung über das Verhältnis des versöhnten Christen zur Geschichte: „Wie es [das W o r t der Versöhnung] gegenüber unseren östlichen N a c h b a r n die Bereitschaft zu friedlichem Ausgleich b e k u n d e n soll, so soll es zugleich uns selbst dazu verhelfen, ein neues u n d positives Verhältnis zur Geschichte unseres eigenen Volkes zu gewinnen u n d nach G o t t e s F ü h r u n g in ihr zu fragen. Die Bereitschaft zur V e r s ö h n u n g befreit uns von d e m Zwang, nach rückwärts zu blicken, über eigene u n d f r e m d e Taten zu rechten und Geschichte ungeschehen machen zu wollen."·"

Man wird diese Aussage in der einstimmig angenommenen' 0 Synodalerklärung als den Konsens verstehen müssen, der trotz der vorhandenen Gegensätze zum Problem des Gerichtsgedankens und der „Geschichtstheologie" erzielt werden konnte ganz im Sinne der Methode, wie sie die Öffentlichkeitskammer entwickelt und der vorbereitende Ausschuß übernommen hatte51.

48 Ebd., S. 5. - In der Gliederungsskizze dazu heißt es bei K r u m w i e d e : „Die A n t w o r t auf die Frage nach G o t t e s Gericht: Keine Geschichtstheologie, sondern H i n n a h m e des Geschehens aus G o t t e s H a n d . . ." (ebd., S. 2). 49 BERLIN UND POTSDAM 1966, S. 473f. A u c h abgedruckt in: VERTREIBUNG, S. 63. 50

51

V g l . BERLIN UND POTSDAM 1 9 6 6 , S. 2 4 2 .

Pastor Benjamin Locher beschrieb diese M e t h o d e auf der Synode so (BERLIN UND POTSDAM 1966, S. 242 f.; die „Begründung z u r Synodalerklärung „Vertreibung u n d Versöhn u n g " ist auch abgedruckt in VERTREIBUNG, S. 66ff.): „Zu den Problemen w u r d e n zunächst Sachverständige gehört. Die Standpunkte, die in aller Regel zuerst recht gegensätzlich erschienen, w u r d e n dann solange diskutiert, bis sich, vielleicht nach mehreren Sitzungen, ein gewisses Maß gemeinsamer Erkenntnis herausstellte. Erst später begann man schriftlich festzuhalten, was möglichst alle Mitarbeitenden gemeinsam aussagen k o n n t e n . Niemals w u r d e der Standpunkt eines Beteiligten zurückgewiesen oder zurechtgebogen, wohl aber blieb in der Regel f ü r den einen o d e r anderen mancher G e d a n k e als seine persönliche M e i n u n g bestehen, der nicht die Z u s t i m m u n g der anderen fand. Entsprechend dieser A r b e i t s m e t h o d e w u r d e in der K a m m e r niemals u n d im A u s s c h u ß n u r selten z u m Mittel der A b s t i m m u n g gegriffen. Wir waren vielmehr o f t selbst über das M a ß der Gemeinsamkeit überrascht, das wir erreichten, wenn wir genügend R a u m zur Aussprache n a h m e n . " Auf der E K D - S y n o d e (westl. Teil) vom 13. bis 18. 3. 1966 w u r d e , wie B r u m m a c k schildert, dann so verfahren: Die Synode bildete einen Ausschuß aus fast 50 Synodalen, der sich in drei Unterausschüsse aufteilte, einen f ü r theologische, einen f ü r historische und rechtliche Fragen sowie einen f ü r die menschlich-seelsorgerlichen A u f g a b e n (vgl. oben, S. 213 f.). A n deren Arbeit waren Sachverständige als „mitarbeitende Gäste" beteiligt w o r den, unter diesen auch Mitglieder des O K A , der dadurch in jedem der drei Unterausschüsse

224

.Vertreibung und V e r s ö h n u n g "

Sicherlich verbarg sich hinter dieser Frage der theologisch bedeutsamste Gegensatz, der in der synodalen Aussprache auch deutlich aufbrach. Die seelsorgerliche Problematik, auf welche die Synodalen in den Diskussionen „draußen" vielfältig gestoßen worden waren, traf hier mit den theologischen und sozial-ethischen Problemen zusammen. Professor Erdmann hatte in seinem historischen Referat 52 der Synode einen anschaulichen Eindruck dessen vermittelt, was den realen Hintergrund für den Schuld- und Gerichtsgedanken bildet. Er hatte die Kriegsziele des nationalsozialistischen Deutschlands beschrieben, die Opfer aufgezählt, die den osteuropäischen Völkern, besonders Polen, abverlangt worden waren, und die gewaltsame Vertreibung aus dem Osten als Folge alles dessen bezeichnet: „ D a s eine ist die F o l g e des anderen, w e n n es i r g e n d w o einen eindeutig e r k e n n b a r e n K a u s a l z u s a m m e n h a n g in der G e s c h i c h t e gibt. G e w i ß hat es früher heftige N a t i o n a l i t ä t e n k ä m p f e in der d e u t s c h - s l a w i s c h e n e n t h n o g r a p h i s c h e n G e m e n g e z o n e gegeben. D i e n a t i o n a l sozialistische P o l i t i k g e g e n ü b e r den O s t v ö l k e r n ist j e d o c h quantitativ und qualitativ ein N o v u m hinsichtlich des A u s m a ß e s der V e r n i c h t u n g und ihrer i d e o l o g i s c h e n B e g r ü n d u n g . H i e r g r e n z t die historische Feststellung an ein t h e o l o g i s c h e s P r o b l e m . I s t die geschichtlich feststellbare V e r k n ü p f u n g v o n U r s a c h e und W i r k u n g als die A b f o l g e v o n Schuld und Strafe z u v e r s t e h e n ? . . . I c h will m i c h keiner G r e n z ü b e r s c h r e i t u n g als H i s t o r i k e r schuldig m a c h e n , i n d e m ich als H i s t o r i k e r behaupte, daß dem so sei. A b e r es scheint m i r andererseits auch eine Ü b e r s c h r e i t u n g h i s t o r i s c h e r A u s s a g e m ö g l i c h k e i t e n zu sein, w e n n in der P o l e m i k u m die D e n k s c h r i f t v o n Seiten e i n e s . . . d e u t s c h e n O s t h i s t o r i k e r s m i t N a c h d r u c k b e h a u p t e t w u r d e , daß d e m nicht so s e i . .

Damit war auch von historischer Seite den Theologen bzw. der gesamten Synode die Gerichtsproblematik wohl unausweichlich nahegebracht und aufgedrängt worden. Freiherr Hans-Hartmann von Schlotheim, selbst Vertriebener, berichtete, die Leser der Denkschrift seien „vielfach nicht fertig geworden . . . mit den Abschnitten, in denen vom ,Gericht' die Rede ist", deutete auf Schwierigkeiten, die sich ihm als Juristen der theologischen Verwendung des Schuldbegriffs in den Weg stellten, und äußerte sich kritisch über manchen „schulmeisterlichen" Umgang mit den Vertriebenen, die als bloße „Betroffene" hingestellt würden. V. Schlotheim hätte es für „wesentlich zuträglicher" gehalten, wenn die Denkschrift „eben nicht nur eine Denkschrift, sondern vielleicht zugleich so etwas wie eine Trostschrift" geworden wäre54. Wie schon auf der Frankfurter Arbeitstagung 55 artikulierte auch jetzt wieder der hamburgische vertreten w a r u n d G e h ö r fand. V g l . das R e f e r a t B r u m m a c k s v o r d e m K l e i n e n ( O s t k i r c h e n - ) K o n v e n t am 2 1 . 4 . 1966 in M a i n z ( A O K A , C 1 4 b / 1 0 6 6 , o. N r . ) . 52

„ D e u t s c h l a n d und der O s t e n - zur h i s t o r i s c h e n E i n s c h ä t z u n g der gegenwärtigen L a g e "

(BERLIN UND POTSDAM 1 9 6 6 , S. 1 0 9 - 1 2 1 ; auch a b g e d r u c k t in: VERTREIBUNG, S. 1 7 f f . ) . 53

B E R L I N UND P O T S D A M 1 9 6 6 , S . 1 1 7 .

54

E b d . , S. 2 1 4 f .

55

Vgl. o b e n S. 164.

D i e S y n o d a l e r k l ä r u n g v o m 18. M ä r z 1966

225

Bischof Wölber seinen theologischen Einspruch - nur auf die „Verbindung von G o t t und Geschichte" 5 6 abzielend: Es gebe eine „ G e s c h i c h t s t h e o l o g i e unter uns . . ., die das E v a n g e l i u m , das als ein L i c h t über uns steht und unser beständiger O r i e n t i e r u n g s p u n k t sein m ü ß t e , h e r u n t e r h o l t und an eine Stange v o r den B u g unseres Schiffes hängt. N u n b e s t i m m e n wir den K u r s des Schiffes und leuchten dahin, w o w i r den K u r s b e s t i m m t h a b e n . " ' 7

Dies löste mehrere Repliken aus, in denen an das W o r t der evangelischen Kirche unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg angeknüpft wurde, in dem „ganz unangefochten" gesagt werden konnte: „Wir kommen von einem ganz großen Gericht, das über uns alle ergangen ist." 5 8 L u therische Theologen und Kirchenführer, wie Vogel 59 und der braunschweigische Bischof Heintze 6 0 hatten sich entsprechend geäußert. D e r reformierte Moderator Niesei sprach die Situation von Treysa 1945 unmittelbar an: „ D a sagten wir alle, die V e r t r i e b e n e n , die A u s g e b o m b t e n , die v o m eigenen V o l k V e r j a g ten, die z u r ü c k g e k e h r t e n Soldaten und die, die wie M a r t i n N i e m ö l l e r gerade aus dem L a g e r g e k o m m e n w a r e n , sie sagten alle: ja, w i r haben G o t t e s G e r i c h t erlebt. D a s w a r damals, lieber B r u d e r W ö l b e r , kein P r o b l e m , und n i e m a n d rief uns auf, w i r m ö c h t e n d o c h erst einmal ü b e r G o t t e s W i r k e n in der G e s c h i c h t e n a c h d e n k e n . W a r u m n i c h t ? W e i l w i r angesichts der

56

W ö l b e r w a r f dem R a t s v o r s i t z e n d e n v o r , in seinem R e c h e n s c h a f t s b e r i c h t (BERLIN UND

POTSDAM 1 9 6 6 , S. 9 f f . ) „ G o t t und G e s c h i c h t e mit einem ü b e r r a s c h e n d e n G l e i c h h e i t s z e i chen v e r b u n d e n " zu h a b e n . E s habe „ i r g e n d w i e " so geklungen, „daß die v o n uns zu planende Z u k u n f t die V o l l k o m m e n h e i t und H e r r l i c h k e i t der H i m m e l auf diese E r d e h e r a b h o l t " (S. 2 1 1 ) . S c h a r f hatte j e d o c h von der „ D i m e n s i o n christlicher H o f f n u n g " g e s p r o c h e n , welche „die V o l l k o m m e n h e i t und H e r r l i c h k e i t der H i m m e l . . . in den A b l a u f der göttlichen H e i l s g e s c h i c h t e auf den Planeten E r d e " h e r a b h o l e (S. 19). 57

E b d . , S. 2 1 2 .

58

V o t u m des S y n o d a l e n B e c k m a n n (ebd., S. 2 2 1 ) . B e c k m a n n hielt gegen W ö l b e r s V o t u m

s o l c h e A u s s a g e n für legitim i m R a h m e n des p r o p h e t i s c h e n A m t e s der K i r c h e (vgl. ebd.). D a s „ P r o p h e z e i e n " , die E i n b e z i e h u n g v o n „Ereignissen, k o n k r e t e n , b e s t i m m t e n D i n g e n " , geh ö r e „ z u m W e s e n der V e r k ü n d i g u n g , es g e h ö r t auch zu d e m , was in der D e n k s c h r i f t eigentlich gemeint ist. D i e F r a g e ist" - so B e c k m a n n - , „ o b dieser Satz v o m G e r i c h t w a h r ist. E r ist v o n n i e m a n d dadurch zu beweisen o d e r zu widerlegen, daß er etwa z u s t i m m t o d e r nicht z u s t i m m t . . . P r ü f e t die G e i s t e r . . ., o b sie von G o t t sind. E t w a s anderes kann dann am E n d e n i c h t gesagt w e r d e n " (S. 221 f.). 59

Vgl. dessen V o t u m (ebd., S. 1 9 8 f f . ) . V o g e l , der v o r W ö l b e r sprach, w a n d t e sich

ausdrücklich gegen das E t i k e t t „ G e s c h i c h t s t h e o l o g i e " . 1945 habe die K i r c h e ihres p r o p h e t i schen W ä c h t e r a m t e s gewaltet: „So n ä m l i c h , daß w i r G o t t e s W o r t im O h r hatten und glaubten, mit G e w i ß h e i t z u e r k e n n e n , daß der W e g in den A b g r u n d g i n g . " V o g e l w a n d t e sich gegen s o l c h e , die die M ö g l i c h k e i t bestreiten, „daß unter G o t t e s W o r t mit G e w i ß h e i t erkannt wird, was uns 1945 t r a f " . E s sei „nicht b l o ß eine K a t a s t r o p h e o d e r T r a g ö d i e " gewesen, „sondern ein G e r i c h t " . 60

E b d . , S. 2 2 2 ff. H e i n t z e sprach u n m i t t e l b a r nach W ö l b e r s V o t u m von der „ H a u p t v o r -

a u s s e t z u n g " des E v a n g e l i u m s , „die eigene S c h u l d für w i c h t i g e r zu halten als die Schuld der a n d e r e n " , und w a n d t e diesen G e d a n k e n auch auf die ev. K o n f e s s i o n e n a n : „ W e n n wir in der K i r c h e eine b e s t i m m t e Partei vertreten, sollte uns die Schuld unserer eigenen Partei viel m e h r b r e n n e n , ζ. B . uns L u t h e r a n e r die lutherische Schuld, als die der a n d e r e n " (S. 2 2 5 ) .

226

.Vertreibung und V e r s ö h n u n g "

Ereignisse unter der V e r k ü n d i g u n g , die wir selber hatten üben dürfen und d o r t in T r e y s a hörten, z u diesem Bekenntnis k a m e n : D a s alles, w a s wir erleben, ist nicht v o n ungefähr, sondern das k o m m t aus G o t t e s H a n d . A b e r ich meine, es wäre das Verkehrteste, was wir jetzt und m o r g e n tun könnten, wenn wir uns dazu aufriefen, über einen in der Geschichte verborgenen wirkenden G o t t nachzudenken, und s o der Entscheidung, z u der wir gerufen sind, aus d e m Wege gingen: nämlich das - w a s uns in der D e n k s c h r i f t o f f e n b a r nicht v o l l k o m m e n gelungen ist - , die B o t s c h a f t des geoffenbarten G o t t e s von der V e r s ö h n u n g in unsere L a g e hinein zu bezeugen." 6 1

Besonders eindrucksvoll dürfte es gewesen sein, daß der Generalsekretär des Ökumenischen Rates, Visser 't H o o f t , die Denkschrift in einen „ökumenischen R a h m e n " stellte und sie als „ein Stück A r b e i t " bezeichnete, „die wir alle z u s a m m e n in den letzten Jahren z u tun versuchten, die wir eigentlich erst richtig nach dem Zweiten Weltkrieg angefangen haben. Stuttgart 6 2 war da ein ganz wichtiger M o m e n t . Wir haben erst allmählich etwas besser gelernt, diese Friedensarbeit, diese Versöhnungsarbeit nicht nur z u tun, indem wir in sehr allgemeinen Sätzen über die N o t w e n d i g k e i t v o n Frieden und V e r s ö h n u n g sprechen, sondern indem wir immer mehr versuchen, k o n k r e t z u werden." 6 3

Es ging aber in noch anderer Hinsicht um die Voraussetzungen, die in Stuttgart damals geschaffen worden waren, und u m deren Gültigkeit in der evangelischen Kirche, nämlich bei der Frage, ob die E K D mit den Aussagen der Denkschrift den theologischen Erfahrungen des Kirchenkampfes widerspräche. D a s E r b e der Bekennenden Kirche bildete von A n f a n g an ein bedeutendes Kriterium in den Auseinandersetzungen u m die organisatorische Gestalt, den theologischen Gehalt und die seelsorgerliche Zielsetzung der Vertriebenenarbeit 6 4 . Gerade während der Entstehungsphase der Denkschrift - etwa im Streit u m die Beienroder Erklärung 65 - diente dieses E r b e den Kontrahenten jeweils zur Stützung ihrer Position. Die Frage nach der Relevanz des Politischen in der christlichen Verkündigung, das Legitimationsproblem stellten diesen B e z u g her, weniger der Kirchenkampf als ein zwar junges, aber doch sehr prägendes E r b e der "

E b d . , S. 225. G e m e i n t ist die Sitzung des Rates der E K D und die dabei verabschiedete E r k l ä r u n g v o m O k t o b e r 1945 (vgl. B d . I, S. 287ff.). 63 BERLIN UND POTSDAM 1966, S. 2 3 2 f . Visser 't H o o f t nannte dann als Beispiel solcher K o n k r e t i o n e n die Resolution des Zentralausschusses des Ö k u m e n i s c h e n Rates v o m F e b r u a r 1966 z u m Vietnamkonflikt, in der zehn Zielpunkte aufgezählt wurden, „ u m das Leiden der Menschen auf einem M i n d e s t m a ß z u halten u n d u m beizutragen zu der S c h a f f u n g eines besonderen K l i m a s z u r A u f n a h m e v o n V e r h a n d l u n g e n " , darunter fielen der V o r s c h l a g zur B e e n d i g u n g der B o m b a r d i e r u n g N o r d v i e t n a m s und der „militärischen Infiltration" des Südens durch N o r d v i e t n a m sowie eine sofortige Bereitschaftserklärung der U S A , ihre T r u p p e n z u r ü c k z u z i e h e n (PROTESTANTISCHE TEXTE, S. 28 ff.). 62

64 65

Vgl. B d . I, S. 130 und S. 2 0 6 f f . u . ö . Vgl. oben S. 7 7 f f . , bes. S. 78 f. und 84.

D i e S y n o d a l e r k l ä r u n g v o m 18. M ä r z 1966

227

verdrängten Kirchen des Ostens, gerade etwa Schlesiens, Ostpreußens und Pommerns 6 6 . Von Thadden-Trieglaff, der aus P o m m e r n stammend, in seiner Person selbst ein Stück dieses Erbes verkörperte, stellte es in den Zusammenhang der Bedeutung, die dem nationalen Denken in der protestantischen Tradition zukam. So berichtete er von einer Reihe eingetragener Mitglieder der Bekennenden Kirche, „die als solche in den K Z ' s und Gefängnissen der Nazis gesessen haben" und die sich „im Augenblick allein gelassen, ja verraten" glauben. Sie seien „zum T e i l tief innerlich b e s t ü r z t , weil sie s c h e i n b a r h i n e i n g e h o b e n sind in eine W e l t , w o die einst v a t e r l ä n d i s c h ' geprägte K i r c h e A b s t a n d g e n o m m e n hat von ihren unter dem Verlust der H e i m a t leidenden G l i e d e r n . Sie h a b e n es eigentlich nie recht kapiert, daß im G r u n d e alles dieses, was hier geistlich und kirchlich gedacht wird, a u ß e r o r d e n t l i c h eng verwandt ist mit d e m , was sie v o r J a h r e n selber gedacht und o f t unter d e m E i n s a t z ihres L e b e n s in die T a t u m g e s e t z t haben. Sie m e i n e n aber, das sei jetzt vergessen. N u n k o m m e eine K i r c h e z u W o r t e mit einer ü b e r w i e g e n d e n M e h r h e i t w e s t d e u t s c h e r Z u g e h ö r i g k e i t e n . I m m e r s t i m m t das ja nicht, aber so wird es von vielen e m p f u n d e n , und die fühlen sich nun hinausgedrängt und sind vermeintliche O b j e k t e eines V o r g a n g s , der für sie E n t f r e m d u n g bedeutet."67

Von Thadden-Trieglaff, der seine Beobachtung, wie er sagt, einem „umfangreichen Briefwechsel seit eineinhalb Jahren", also auch schon aus der Zeit vor der Denkschrift, verdankte, sah weniger in einer „guten Erklärung" ein geeignetes Mittel, als vielmehr in der Verpflichtung des Einzelnen, in zahlreichen kleinen Bemühungen Vorurteile abzubauen und Verständnis für die Handlungsweise unserer Kirche in diesen Tagen" zu wecken. Daß die Bewertung des Nationalen, das „Verhältnis zum eignen Land, zum Vaterland, zum V o l k " vom Schuld- und Gerichtsgedanken stark berührt wurde und an dieser Stelle gerade leidenschaftlicher Widerspruch und Betroffenheit aufbrechen konnten, das gehörte zu den wichtigen Erfahrungen, die der Streit um die Denkschrift vermittelt hatte und die deshalb auf der Synode nicht unberücksichtigt bleiben konnten. „ N i c h t s ist gegenwärtig bei uns so aufgerissen und s c h m e r z h a f t , so heillos und undeutlich wie das V e r h ä l t n i s z u m eigenen L a n d , z u m V a t e r l a n d , z u m V o l k . K a n n es anders sein, n a c h d e m w i r n i c h t n u r in den ersten J a h r e n nach dem letzten K r i e g auf die F r a g e „ W a s ist D e u t s c h l a n d ? " eine verpflichtende A n t w o r t n i c h t gefunden h a b e n ? D i e o f f e n e W u n d e dieser F r a g e ist zugleich die o f f e n e W u n d e der D e b a t t e um die D e n k s c h r i f t . " 6 8 66

D e r selbst aus Schlesien gebürtige und zeitweise in P o m m e r n tätige K i r c h e n p r ä s i d e n t

S u c k e r b e e i n d r u c k t e mit seinem Referat „ D a s V e r t r i e b e n e n s c h i c k s a l " (BERLIN UND POTSDAM 1 9 6 6 , S. 130 ff.), in dem er das „ m i t g e b r a c h t e E r b e der V e r t r i e b e n e n " b e s c h r i e b , gerade auch m a n c h e n V e r t r i e b e n e n unter den K r i t i k e r n der D e n k s c h r i f t . E r e r w ä h n t e allerdings in diesem Z u s a m m e n h a n g nicht den K i r c h e n k a m p f im O s t e n - vielleicht weil er ihn nicht zu den B e s o n d e r h e i t e n des ostdeutschen P r o t e s t a n t i s m u s zählte? (auch a b g e d r u c k t in: VERTREIBUNG, S. 4 7 f f . ) . 67

BERLIN UND POTSDAM 1 9 6 6 , S. 2 0 9 f .

68

A u s s c h u ß b e r i c h t des S y n o d a l e n L o c h e r (ebd., S. 2 4 5 ) . - D i e B e d e u t u n g dieser Z u s a m -

m e n h ä n g e erhellt auch aus dem h o h e n A n t e i l , der in der D e n k s c h r i f t l i t e r a t u r solchen

228

. V e r t r e i b u n g und V e r s ö h n u n g "

In der Synodalerklärung wurde dieser Zusammenhang im ersten Abschnitt (nach dem Vorspann) aufgegriffen und zur Frage der nationalen Bindung und zum Schuldproblem Stellung bezogen. Die „Bindung an das eigene Volk" sei „ernst zu nehmen", sie sei „dem C h r i s t e n erlaubt, ja g e b o t e n , sofern sie nicht zu einer V e r g ö t z u n g f ü h r t und die o f f e n e Z u w e n d u n g zu M e n s c h e n anderer V ö l k e r hindert. U n s e r e A u f g a b e ist es, ein V e r h ä l t nis z u r G e s c h i c h t e und z u r heutigen Stellung unseres V o l k e s zu finden, das w e d e r in Selbstgerechtigkeit n o c h in Selbstaufgabe m ü n d e t , s o n d e r n z u der S e l b s t a c h t u n g f ü h r t , mit der allein w i r unseren N a c h b a r v ö l k e r n frei gegenübertreten k ö n n e n . " "

Mit dieser Aufgabenstellung versuchte die Synode, auf den Widerspruch zu antworten, wie er sich aus der nationalen kirchlichen Tradition an der Denkschrift entzündet hatte. In der Übertretung der Grenzen, die aus christlicher Sicht jeder Nationalbindung nach Meinung der Synode gesetzt sind, in der „nationalistischen Ubersteigerung" sahen die Synodalen die Schuld der Vergangenheit, von der „die Kirche" sich nicht freispricht. So heißt es wenigstens in dem einzigen, von ferne an die Stuttgarter Erklärung erinnernden Passus: „ D i e s e r G e i s t w a r gerade i m Verhältnis z w i s c h e n uns und unseren östlichen N a c h b a r n o f t auf beiden Seiten w i r k s a m u n d hat großes U n h e i l angerichtet. A u c h die K i r c h e hat diese G e f a h r e n n i c h t deutlich genug e r k a n n t und ihnen u n k r i t i s c h V o r s c h u b geleistet." 7 0 Schriften z u k o m m t , die auf j e n e n R i ß z w i s c h e n der T r a d i t i o n k i r c h l i c h - n a t i o n a l e n D e n k e n s und der v e r m e i n t l i c h e n L ö s u n g der evangelischen K i r c h e aus j e n e r B i n d u n g abzielen. V g l . etwa den damals vielbeachteten A u f s a t z v o n E . GERSTENMAIER (Vaterland), in d e m dieser sich sehr differenziert zu dem P r o b l e m äußerte, i m G e g e n s a t z zu d e r bereits am T i t e l ersichtlichen T e n d e n z des ebenfalls stark verbreiteten B u c h e s v o n A. EVERTZ: D e r A b f a l l der evangelischen K i r c h e v o m V a t e r l a n d , das 1 9 6 4 , also s c h o n v o r der D e n k s c h r i f t v e r ö f f e n t licht w o r d e n w a r und 1 9 6 6 in vierter A u f l a g e erschien. E v e r t z v e r ö f f e n t l i c h t e z u s a m m e n m i t H . F e c h n e r u n d P e t e r s m a n n 1 9 6 6 die „ R e v i s i o n der D e n k s c h r i f t . E i n e F o r d e r u n g an die evangelische K i r c h e " . D i e s e s B u c h entspricht inhaltlich dem A u f r u f der „ N o t g e m e i n s c h a f t evangelischer D e u t s c h e r " , z u dessen E r s t u n t e r z e i c h n e r n u . a . P f r . M a r i e n f e l d (vgl. dazu o b e n S. 8 0 , A n m . 3 9 u n d S. 8 1 ) , P r o f . Pascual J o r d a n , B e r n t v o n H e i s e l e r u n d der G e s c h ä f t s f ü h r e r des „ G ö t t i n g e r A r b e i t s k r e i s e s " , F r h . v o n B r a u n , g e h ö r t e n ( a b g e d r u c k t in: P. NASARSKI, S t i m m e n , S. 103 ff.). I m A u f r u f wird unter B e r u f u n g auf die B a r m e r E r k l ä rung der B e k e n n e n d e n K i r c h e der V o r w u r f e r h o b e n , das J a h r 1945 scheine „für t o n a n g e b e n de K r e i s e in unserer K i r c h e zu einer neuen O f f e n b a r u n g s q u e l l e g e w o r d e n z u s e i n " , so wie die D e u t s c h e n C h r i s t e n die nationalsozialistische M a c h t ü b e r n a h m e 1933 als „neue G o t t e s o f f e n b a r u n g " verstanden hätten. Später h e i ß t es d a n n , in der K i r c h e m ü s s e das „richtige V e r h ä l t n i s z u V o l k und V a t e r l a n d " i m „ G e s p r ä c h u n d im G e b e t " z u r ü c k g e w o n n e n w e r d e n . I m Sinne dieser T e n d e n z w i r k t e die „ N o t g e m e i n s c h a f t " , deren G r ü n d u n g sicherlich n i c h t zufällig der G r ü n d u n g der B e k e n n t n i s b e w e g u n g „ K e i n anderes E v a n g e l i u m " am 12. 1 . 1 9 6 6 zeitlich n a h e s t e h t . V g l . J . MOTSCHMANN/H. MATTHIES, R o t b u c h , S. 4 6 . A u c h dieses B u c h steht in der T r a d i t i o n der „ N o t g e m e i n s c h a f t " . V g l . b e s o n d e r s den auch die D e n k s c h r i f t b e h a n d e l n d e n A u f s a t z v o n M . J a c h (ebd., S. 2 3 - 4 8 , bes. S. 34 ff.), dessen m a n n i g f a c h e sachlichen I r r t ü m e r hier nicht i m einzelnen aufgezählt z u w e r d e n b r a u c h e n . Z u r „ N o t g e m e i n s c h a f t " vgl. im übrigen W . HUBER, K i r c h e , S. 4 0 4 ff. "

B E R L I N UND P O T S D A M 1 9 6 6 , S . 4 7 1 .

70

Ebd.

Die Synodalerklärung vom 18. März 1966

229

So ist dann in der Erklärung im selben Absatz von der „besonderen Schuldverstrickung unseres Volkes in der jüngsten Vergangenheit" die Rede. Die in der öffentlichen Auseinandersetzung der Denkschrift zu U n r e c h t unterschobene Kollektivschuldthese wird unter Hinweis auf die „Haftungsgemeinschaft" abgewiesen: „In ihr stehen wir sowohl für die Folgen der im deutschen Namen begangenen Unrechtstaten als auch für das Unglück ein, das Mitbürger ohne persönliche Schuld erlitten haben. Sie umschließt das ganze deutsche V o l k , auch die Jugend, die jene Jahre nicht bewußt und handelnd miterlebt hat. O h n e diese Einsicht können die Voraussetzungen für die notwendige Partnerschaft mit den Nachbarvölkern und für eine dauerhafte Friedensordnung nicht geschaffen werden." 7 1

Im Ausschuß war man sich der Distanz zur Behandlung der Schuldfrage in den ersten Nachkriegsjahren bewußt. Lochers Bericht läßt nicht genau erkennen, ob jene auf den Gedanken der Haftungsgemeinschaft abzielende Formulierung dazu dienen sollte, die Distanz wieder zu verringern oder aber sie zu berücksichtigen". Daß so, wie der T e x t nun dasteht, nur letzteres dabei herausgekommen ist, also ein Arrangement mit der konstatierten Abneigung („nicht mehr o p p o r t u n " ) gegenüber einer Diskussion der Schuldfrage, geht aus dem Gesamtvorgang hervor. Den Begriff „Haftungsgemeinschaft" hatte bereits die Denkschrift verwendet, allerdings im Zusammenhang des Schuld- und Gottesgerichtsgedankens. Das „Ja zum Gericht G o t t e s " müsse „zusammen mit den Vertriebenen vor der Gesamtheit des Volkes in der Solidarität einer einzigen großen Schuld- und Haftungsgemeinschaft gesprochen werden" 7 3 . Z u dem war einige Absätze vorher im II. Abschnitt darauf abgehoben w o r den, daß auf dem Hintergrund des Glaubens, der Gott „in allen Dingen recht gibt und gegen den Augenschein seine Barmherzigkeit glaubt", „aber auch von dem Zusammenhang zwischen dem Gericht Gottes und der menschlichen Sünde die Rede sein" müsse. U n d wenig später wird 71 E b d . In diesem Absatz wird das einzige Mal die Schuldfrage behandelt, wenn man vom 3. Abschnitt absieht, an dessen Ende es im Zusammenhang des Aussöhnungs- und (gegenseitigen) Vergebungsgedankens heißt: „Mit allen Christen können wir es nicht lassen zu b e t e n : , V e r g i b uns unsere Schuld, wie wir unseren Schuldigern vergeben'" (ebd., S. 473). 72 L o c h e r sagte zu dem Passus in seinem Bericht: „Wenn aber die Kirche mit dem Willen zu Hilfe und Heilung mitsprechen soll, dann muß sie dabei einbeziehen, was mehr und mehr verschwiegen wird. Sprach man in den ersten Jahren nach dem Krieg nicht nur in den Kirchen, sondern auch in den rein politischen Diskussionen noch von den Schuldverflechtungen unserer jüngsten Geschichte - heute ist dergleichen nicht mehr opportun. So nimmt denn der zweite Absatz zunächst den Gedanken der Schuldverstrickung auf, distanziert sich von dem unklaren Ausdruck Kollektivschuld und entwickelt den Gedanken der Haftungsgemeinschaft. Damit will sich der Ausschuß nicht auf eine billige Weise um eine Stellungnahme in der Schuldfrage drücken. Aber der Gedanke gemeinsamer Haftung kann besser als der der Schuldgemeinschaft mit dem Bekenntnis unser aller Mitverantwortung für das, was die besonders Betroffenen zu tragen haben, gefüllt werden" (ebd., S. 245 ff.). 73

DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 9 3 .

230

.Vertreibung und V e r s ö h n u n g "

dann festgestellt: „Die Frage nach der Schuld kann aus der Geschichte nicht herausgelöst werden." 74 In Krumwiedes Entwurf vom 14. Februar 1966 wird der Gedanke der Haftungsgemeinschaft dann ausführlicher dargelegt, aber nicht auf Kosten, sondern im Zusammenhang und im Sinne einer Bekräftigung des Schuldgedankens 75 . Bedenkt man ferner die kritischen Bemerkungen während der synodalen Debatte über jene Distanz zur Behandlung der Schuld- und Gerichtsproblematik unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, so kann nicht mehr übersehen werden, daß die Synode in ihrer Erklärung zur Frage der Schuld, zur theologischen Bewertung der geschichtlichen Ereignisse im Osten von Krieg und Vertreibung anders gesprochen hat und sprechen wollte als noch die Denkschrift und erst recht der Rat der E K D mit seiner Stuttgarter Erklärung. So, wie nun das Schuld- und Gerichtsproblem angegangen worden war, konnte bei den Vertriebenen dem Ressentiment entgegengewirkt werden, diesen allein werde die Schuld zugesprochen, über sie allein sei deshalb das Gottesgericht herniedergegangen. Die betreffenden Abschnitte der Denkschrift rechtfertigten zwar ebenfalls nicht eine solche Version, ließen aber doch einer bestimmten Propaganda die Möglichkeit dazu. Ebenfalls nicht im Widerspruch zur Denkschrift, aber eben deutlicher als in dieser wurden in der Synodalerklärung die Vertriebenen in den Zusammenhang des ganzen deutschen Volkes - sowohl in geographischer Hinsicht als auch im Blick auf die Generationenabfolge - hineingestellt, dem sich die evangelische Kirche mit ihrem Bekenntnis, den Gefahren nationalistischer Ubersteigerung „unkritisch Vorschub geleistet" zu haben, ebenfalls zuordnete. Noch an einer weiteren Stelle hob die Synode diesen Volk und Kirche betreffenden Zusammenhang heraus. „Die Vertreibung geht unser ganzes Volk an. Sie ist weit mehr als nur ein vielen Einzelnen zugefügtes Leid. E s ist unser aller Pflicht, mit den sich daraus ergebenden Aufgaben fertig zu werden."76

So wird der zweite Abschnitt eingeleitet, in dem am ehesten die seelsor74

E b d . , S. 9 0 f .

75

In K r u m w i e d e s E n t w u r f v o m 14. 2. 1 9 6 6 w a r nach der Ablehnung der Kollektiv-

schuldthese v o n der „Schuldverstrickung in der Geschichte der Völker und Staaten" die Rede, es w u r d e dann unterschieden zwischen d e m „ T u n des einzelnen und seiner H a f t u n g für die U n r e c h t s t a t e n seiner Regierung und seiner M i t b ü r g e r " und daran der G e d a n k e der „geschichtlichen Haftungsgemeinschaft" geknüpft, in die auch die J u g e n d einbezogen sei. D a n a c h wird dann ausdrücklich auf die Stuttgarter Erklärung sowie auf das W o r t der polnischen Bischöfe (vgl. oben, S. 2 2 0 , A n m . 3 5 ) eingegangen und gewissermaßen als A n t w o r t darauf die Bitte u m Vergebung durch die Synode angeschlossen (NACHLASS BRUMMACK, braune M a p p e , S. 6 f.). 76

BERLIN UND POTSDAM 1 9 6 6 , S. 4 7 1 .

D i e S y n o d a l e r k l ä r u n g v o m 18. M ä r z 1 9 6 6

231

gerliche Intention der Synodalerklärung sichtbar wird, stärker, als dies in der Denkschrift geschehen, die „menschliche" Seite des Vertreibungsgeschehens und der Ostfrage zur Geltung zu bringen". Dies war ja auch der Sinn des Referates von Sucker „Das Vertriebenenschicksal" 7 8 , dessen Ertrag in diesen zweiten Abschnitt eingegangen ist. Das reiche kulturelle und geistliche Erbe des ostdeutschen Protestantismus galt es ebenso ins Bewußtsein zu rücken wie den Hinweis auf den Beitrag, den die Vertriebenen selbst, zumal in ihren Organisationen und Institutionen, wie z . B . dem Ostkirchenausschuß, Ostkirchenkonvent und den Hilfskomitees, zur Bewältigung des Vertriebenenschicksals, zur kirchlichen und gesellschaftlichen Eingliederung geleistet haben. Die aufnehmende Seite galt es auf die Schwere des ostdeutschen Heimatverlustes und die kirchlichen Einbußen hinzuweisen, sowie das Erbe und die „besonderen geistlichen Erfahrungen" des Ostens als bleibendes Gut vorzustellen". Gerade dieser zweite Abschnitt der Synodalerklärung erfüllte die Kritiker der Denkschrift in den kirchlichen Vertriebenengremien mit Genugtuung. Suckers Referat fand im Gegensatz etwa zu den historischen Ausführungen Erdmanns im Ostkirchenausschuß einen solchen A n klang, daß dieser es als Broschüre herausgab und so für weitere Verbreitung sorgte 80 . 77

Vgl. o b e n S. 2 1 3 f f . und VERTREIBUNG, S. 8 2 f .

78

V g l . o b e n S. 2 2 7 , A n m . 6 6 .

79

S u c k e r hatte zunächst ähnlich wie K . IHLENFELD in seinem nach der D e n k s c h r i f t

erschienenen B u c h ( L a n d ) das E r b e charakterisiert, um dann der C h r i s t e n h e i t im W e s t e n die „ s c h w e r e und d r o h e n d e F r a g e " z u stellen: „Ist die V e r k ü n d i g u n g der K i r c h e , sind ihre G o t t e s d i e n s t e , ihr G e m e i n s c h a f t s l e b e n ü b e r h a u p t , ihre Seelsorge, ist die K i r c h e als die K i r c h e des a n g e f o c h t e n e n C h r i s t u s , die v o n der W e l t w e i ß o d e r wissen sollte, d a ß C h r i s t u s in ihr in der A g o n i e liegt bis an das E n d e der T a g e , ich sage: ist diese K i r c h e den a n g e f o c h t e nen M e n s c h e n gerecht g e w o r d e n , die u n t e r der Last ihrer E r f a h r u n g e n d o c h den W e g der H e i m k e h r in sie und das h e i ß t d o c h zu J e s u s C h r i s t u s als dem A n f ä n g e r und V o l l e n d e r des G l a u b e n s n i c h t fanden? A n dieser Stelle scheint m i r bis h e u t e das V e r t r i e b e n e n s c h i c k s a l eine n o c h i m m e r u n b e a n t w o r t e t e F r a g e an die Predigt und die Seelsorge der K i r c h e zu s e i n " (BERLIN UND POTSDAM 1 9 6 6 , S. 134). S u c k e r s c h i l d e r t auch den Beitrag der V e r t r i e b e n e n selbst zur L ö s u n g des A u f n a h m e p r o b l e m s , zur B e w a h r u n g des E r b e s und e r w ä h n t in dem Z u s a m m e n h a n g die von m a n c h e n K r i t i k e r n in der D e n k s c h r i f t v e r m i ß t e C h a r t a der deutschen H e i m a t v e r t r i e b e n e n v o m 5. 8. 1 9 5 0 (vgl. dazu o b e n S. 1 ff.), in der mit d e m V e r z i c h t auf R a c h e und V e r g e l t u n g „im G r u n d e die N o t w e n d i g k e i t der V e r s ö h n u n g " ausgesprochen werde (BERLIN UND POTSDAM 1 9 6 6 , S. 137). D i e „ C h a r t a " hat d e n n o c h in die S y n o d a l e r k l ä rung keinen E i n g a n g gefunden. D i e G r ü n d e hierfür liegen w o h l in der K r i t i k , wie sie von Seiten der D e n k s c h r i f t b e f ü r w o r t e r zuweilen an der C h a r t a geübt w u r d e . V g l . dazu etwa E . WILKENS ( D e n k s c h r i f t , S. 1 6 4 ) : „ N a c h allem halten die Aussagen der . C h a r t a der deutschen H e i m a t v e r t r i e b e n e n ' v o m 5. A u g u s t 1 9 5 0 z u r H e i m a t f r a g e einer t h e o l o g i s c h e n und empirischen U b e r p r ü f u n g nicht stand. D i e hier geübte F i x i e r u n g des M e n s c h e n an eine im A u g e n b l i c k der V e r t r e i b u n g erreichte G e s t a l t der H e i m a t geht an der E r k e n n t n i s v o r b e i , daß auch von G o t t geschenkte G r u n d o r d n u n g e n des L e b e n s einem ständigen W a n d e l u n t e r w o r fen s i n d " (vgl. auch W i l k e n s ' R e f e r a t in B a d B o l l , S. 4 ; vgl. A n m . 17). 80

G ü l z o w hatte sich bereits nach der ersten Sitzung des V o r b e r e i t u n g s a u s s c h u s s e s in

. V e r t r e i b u n g und V e r s ö h n u n g "

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Analog der Erläuterung bzw. Uminterpretation des Schuld- und Gerichtsgedankens erfuhr der Versöhnungsgedanke eine Differenzierung. Die Denkschrift hatte den Gedanken der Versöhnung, wie er in den „Bielefelder Thesen" 8 1 verwendet wurde, als Korrektiv eines in ungeschichtlicher Weise verfochtenen theonom begründeten Rechtsstandpunktes aufgegriffen: Durch den „Versöhnungs- und Friedensgedanken" komme zur Geltung, „daß der Christ die in geistlicher Erkenntnis errungene Bereitschaft zum Verzicht auch im rechtlichen und politischen Bereich manifestieren muß, wenn eine sittliche Gesamtordnung es gebietet". Die angestrebte Versöhnung könne jedoch - so fügt die Denkschrift in Abgrenzung von den „Bielefelder Thesen" hinzu - „nur das Ergebnis eines . . . Prozesses sein", in welchem „sich Recht und Versöhnung als Gestaltungsprinzipien einer neuen Ordnung durchdringen" müßten 82 . Bei der notwendigen Neuordnung des Verhältnisses der Völker, gerade zwischen dem deutschen und dem polnischen Volk erscheint es von daher geboten, „Begriff und Sache der Versöhnung auch in das politische Handeln als einen unentbehrlichen Faktor einzuführen" 83 . In der Synodalerklärung wurde dagegen der Begriff „Versöhnung" durch den theologisch weniger belasteten der „Aussöhnung" ersetzt und im Zusammenhang damit die Gegenseitigkeit der Vergebungs- und Friedensbereitschaft herausgestellt: „ D i e A u f g a b e der A u s s ö h n u n g m i t den östlichen N a c h b a r n ist allen D e u t s c h e n gestellt . . . R e c h t e A u s s ö h n u n g setzt n a c h christlicher E r k e n n t n i s gegenseitige V e r g e b u n g voraus. M i t B e w e g u n g und D a n k b a r k e i t haben die S y n o d a l e n aus d e m B r i e f der k a t h o l i s c h e n B i s c h ö f e P o l e n s . . . v e r n o m m e n , daß hier V e r g e b u n g für deutsche Schuld gewährt und um V e r g e b u n g f ü r p o l n i s c h e S c h u l d gebeten wird . . . M i t allen C h r i s t e n k ö n n e n w i r es nicht lassen zu b e t e n : , V e r g i b uns unsere Schuld, wie w i r unseren Schuldigern v e r g e b e n . ' W e r mit G o t t in C h r i s t u s v e r s ö h n t ist, wird z u r V e r s ö h n u n g auch mit unseren östlichen N a c h b a r n bereit."81

Der Begriff „Versöhnung" bleibt in der Erklärung dem strengen theologischen Gebrauch reserviert, d.h. als Kategorie in der Relation G o t t e i n e m S c h r e i b e n an B r u m m a c k v o m 8. 2. 1 9 6 6 positiv ü b e r S u c k e r g e ä u ß e r t : „ E r wird s c h o n das rechte W o r t wagen und m a c h t e sich in der V o r b e r e i t u n g s s i t z u n g v o r t r e f f l i c h . " N u r das „ h i s t o r i s c h - p o l i t i s c h e " R e f e r a t v o n P r o f . E r d m a n n erschien G ü l z o w damals „ f r a g w ü r d i g " . G ü l z o w zeigte sich in seinem B r i e f von dem „sehr guten K l i m a " auf dieser ersten S i t z u n g sehr angetan. R a i s e r , G o l d s c h m i d t , D i e m und S c h w e i t z e r seien bereit g e w e s e n , „vieles z u z u g e b e n " (NACHLASS BRUMMACK, braune M a p p e ) . 81

V g l . o b e n S. 104 ff.

82

DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 119.

83

E b d . , S. 1 1 2 . - I n K r u m w i e d e s E n t w u r f v o m 1 4 . 2 . 1 9 6 6 hatte es n o c h g e h e i ß e n :

„ W e n n w i r uns m i t G o t t v e r s ö h n e n lassen, gibt es keine innere S c h r a n k e m e h r f ü r eine V e r s ö h n u n g mit unseren östlichen N a c h b a r n " (S. 7 ; vgl. A n m . 80), w o b e i allerdings auch gegen die Illusion g e s p r o c h e n wird, der C h r i s t „ k ö n n t e . . . ein F r i e d e n s r e i c h o h n e politische K o n f l i k t e in E u r o p a o d e r gar in der W e l t a u f r i c h t e n " (S. 8). 84

B E R L I N UND P O T S D A M 1 9 6 6 , S . 4 7 2 f .

Die Synodalerklärung v o m 18. M ä r z 1966

233

Mensch und eines daraus ableitbaren zwischenmenschlichen Verhaltens. Diese Differenzierung wird auch äußerlich sichtbar, wenn im dritten Abschnitt vornehmlich von der „Aussöhnung" - etwa „mit den östlichen Nachbarn" - die Rede ist und im fünften Abschnitt das „Wort von der Versöhnung" als ein Begriff Verwendung findet, unter dem der Gehalt der Synodalerklärung „noch einmal im Rückgriff auf das Wort aus der Mitte der evangelischen Botschaft" (B. Locher) 85 zusammengefaßt wird 86 . Von diesem Versöhnungsgedanken her werden in der Synodalerklärung auch die entscheidenden Aussagen zur Rechtsfrage entwickelt. Wie in der Denkschrift 87 , in der die Vertreibung als im Widerspruch zur „allgemeinen Rechtsüberzeugung in der Völkergemeinschaft" stehend bezeichnet wurde, wird auch jetzt wieder festgestellt: „Die Vertreibung ist völkerrechtlich ein Unrecht." 8 8 Mit der Relativierung, wie sie in der Denkschrift die gesamte auf dem Rechtsprinzip aufbauende Argumentation für eine Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn und damit eine mögliche Lösung der Ostfragen erfahren hatte, war die Differenz zur herausragenden Bedeutung, welche die kirchlichen Vertriebenengremien in Ubereinstimmung mit den säkularen Verbänden dem „Recht auf (die) Heimat" beimaßen, und damit zu dem hohen Stellenwert des Rechtsgedankens in der Vertriebenenseelsorge deutlich geworden 89 . Die Synode verstand sich jedoch nicht dazu, in dieser Richtung die Diskussion um die Bedeutung des Rechtsgedankens weiterzuführen, sondern sie „registrierte", wie Wilkens feststellt 90 , „lediglich ihren [der Diskussion] Stand". 85

E b d . , S. 2 4 8 .

86

E b d . , S. 4 7 3 f . - Raiser hat in seinem viel beachteten V o r t r a g v o r der Christlichen

Theologischen A k a d e m i e in W a r s c h a u am 6. 10. 1 9 7 1 : „Die B e m ü h u n g e n der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Versöhnung mit den östlichen N a c h b a r v ö l k e r n v o r allem in P o l e n " die betreffenden Aussagen der Denkschrift über die Versöhnung im Sinne der Synodalerklärung erläutert. E r forderte - unter Anklang an einen Begriff der Weltverantwortungsethik Friedrich von Weizsäckers - eine „ungewöhnliche moralische Anstrengung auf beiden Seiten, die reinigend wirken k ö n n t e " , und fährt dann f o r t : „ W i r haben sie in unserer Denkschrift mit einem der theologischen Sprache e n t n o m m e n e n Begriff als den V o r g a n g der Versöhnung bezeichnet." D e n „inneren Z u s a m m e n h a n g zwischen der . . . angestrebten Versöhnung und der in der Denkschrift vorgeschlagenen A n e r k e n n u n g des deutschen Gebietsverlustes im O s t e n " stellte Raiser durch Rekurs auf den „ O p f e r " - G e d a n ken - den „für unsere ethischen E r w ä g u n g e n entscheidenden G e d a n k e n " - her (J. MOLTMANN/Μ. STÖHR, Begegnung, S. 88 ff.). 87

DENKSCHRIFTEN 1 / 1 , S. 1 0 4 f.

88

BERLIN UND POTSDAM 1 9 6 6 , S. 4 7 3 .

89

Anstatt bei der F o r d e r u n g nach „voller Wiederherstellung des früheren Rechtszustan-

des stehenzubleiben, erklärt die Denkschrift das P r o b l e m des Ausgleichs der unterschiedlichen Rechtspositionen und früheren Unrechtshandlungen zur „Sache einer freien politischen E n t s c h e i d u n g " (DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 107). D a s „Beharren auf gegensätzlichen Rechtsbehauptungen, mit denen jede Partei nur ihre Interessen verfolgt", werde zu einer „Gefahr für den Frieden zwischen beiden V ö l k e r n " (ebd., S. 109). 90

VERTREIBUNG, S. 8 3 .

234

,Vertreibung und Versöhnung"

Zwar erfährt auch in der Synodalerklärung eine auf dem Rechtsstandpunkt beharrende Position ihre klare Eingrenzung durch den Ruf zu „Versöhnungsbereitschaft und Friedensgesinnung" („Eine Vertreibung darf nie wieder geschehen"), doch k o m m t dabei zugleich analog dem Vergebungsgedanken auch die Gegenseitigkeitsforderung zur Geltung 9 1 . A u c h wenn mehrfach in der Synodaldebatte der G e d a n k e zurückgewiesen wurde, die Denkschrift erfahre an dieser Stelle eine Korrektur' 2 , so kann es andererseits gar keinem Zweifel unterliegen, daß zumindest der innovatorische Impuls, der von der Denkschrift gerade in diesem Z u s a m menhang und vor dem Hintergrund des damaligen Legitimationsgefüges der herrschenden O s t - und Vertriebenenpolitik ausging, damit abgeschwächt worden war 93 .

2. Bestätigung oder Korrektiv der Denkschrift? - Zum Echo auf die Synodalerklärung E s kann nach alledem nicht verwundern, wenn dieses Ergebnis von den verschiedenen Richtungen unterschiedlich interpretiert wurde, vor allem hinsichtlich des Verhältnisses der Synodalerklärung zur Denkschrift.

"

BERLIN UND POTSDAM 1 9 6 6 , S . 4 7 3 .

Vgl. vor allem den Bericht Lochers (ebd., S. 248), aber auch die Voten Gollwitzers (ebd., S. 252f.) und Raisers (ebd., S. 254). 93 Wilkens' Analyse der Synodalerklärung und ihres Verhältnisses zur Denkschrift läßt vermuten, daß sich die Autoren der Denkschrift an dieser Stelle vielleicht eine weitergehende Aussage und größere politische Verbindlichkeit gewünscht hätten als es die Synode zu verantworten bereit war. Denn zweimal erläutert er dazu mit Nachdruck die Denkschriftposition: 1. „ D e r ständige Hinweis, daß es bei der Versöhnung gerade auch der Bereitschaft des anderen bedarf, ist unbestritten richtig. Aber die eigene Versöhnungsbereitschaft darf nicht an der fehlenden Bereitschaft des anderen enden. Hier geht es zunächst weniger um den unmittelbaren politischen Erfolg als vielmehr um die innere Haltung und um die Auslösung einer in die Zukunft gerichteten D y n a m i k " (E. WILKENS, Denkschrift, S. 82). 2. „ E s gibt nun einmal unter uns in der Politik einen U m g a n g mit dem Recht, der die in sich noch so schlüssige rechtliche Argumentation viel zu spät oder gar nicht mit den anderen Faktoren konfrontiert, die besonders in Fragen der deutschen Ostpolitik und des Ausgleichs mit Polen in Rechnung gestellt werden müssen. Landesbischof Lilje hat in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit hingewiesen, zwischen ,Recht haben' und ,Recht behalten' zu unterscheiden. Wer dies für eine Relativierung des Rechts hält, muß sich fragen lassen, ob er damit nicht der schwärmerischen Utopie einer Verabsolutierung des Rechtes als Ausdruck einer der Welt vorgegebenen unwandelbaren [im Original wohl irrtümlich: umwandelbaren] Ordnungsgestalt erlegen ist. D a s Recht, das dem Leben dient, es ordnet und erhält, ist unter Berücksichtigung bleibender Kriterien immer wieder neu konkret zu finden. In diesem Sinne konnte gesagt werden, daß die Versöhnung dem Recht zu seiner eigenen Verwirklichung verhilft" (ebd., S. 84). 92

E c h o auf die Synodalerklärung

235

N o c h vor der Verabschiedung jener Ausschußvorlage 94 entspann sich in der Synode selbst zumindest andeutungsweise eine entsprechende Diskussion. So warnte gleich nach den Berichten des Vorbereitungsausschusses der württembergische Synodale Theodor Dipper davor, die Erklärung im Sinne einer Abschwächung der Denkschrift zu deuten 95 . Er konstatierte jedoch ein „Empfinden bei manchen Synodalen, daß wir nunmehr auf der Stelle treten und alles den politischen Instanzen überlassen möchten", hielt dem aber entgegen, die Erklärung ermuntere „die zur Versöhnung willigen Kräfte hüben und drüben, sich die Dinge [gemeint sind politische Lösungen] zu überlegen und von da aus zu Vorschlägen zu kommen'" 6 . In ähnliche Richtung zielte Gollwitzer, der die Erklärung als der Intention der Denkschrift entsprechend hinstellte: „Versöhnung blickt nach vorwärts. A u s s ö h n u n g , wie es dann heißt, ist politische Frucht von V e r s ö h n u n g . " "

N a h e z u beschwörend klingt der Beitrag Vogels, der bekannte: „Nicht n u r ich, sondern auch einige andere unter uns hätten w o h l gewünscht, daß das mühsam erarbeitete Ergebnis . . . noch etwas eindeutiger u n d klarer ausgefallen wäre . . . dann wäre das Zeugnis von der V e r s ö h n u n g und der Ruf zur A u s s ö h n u n g . . . noch hilfreicher ausgefallen."

Vogel appellierte an die Synodalen, die Erklärung „nicht in Zweideutigkeit" zu interpretieren und weiterzugeben, „solche Sätze wie ,eine Vertreibung darf nie wieder geschehen' und ,die Erklärung zur Bereitschaft z u m O p f e r ' und ,Ruf zur Achtung der Lebensrechte unserer östlichen Nachbarvölker' wirklich ernst [zu] nehmen". Er zeigte sich besorgt, die Erklärung könne dazu führen, „die T ü r ö f f n u n g , die d u r c h die D e n k s c h r i f t geschaffen war, ich will nicht sagen, wieder zu schließen, aber zu verengen,"

er bat, stattdessen dazu beizutragen, „daß die T ü r weiter geöffnet wird", und forderte schließlich „Eindeutigkeit" und „Wagnis", „in dieser Sache das zu tun, daß die Synode in der Kontinuität mit der D e n k s c h r i f t wirklich eine Synode der offenen T ü r w i r d " " .

94

Sie w u r d e bei einer Stimmenthaltung o h n e Gegenstimmen angenommen (BERLIN UND

P O T S D A M 1 9 6 6 , S. 2 5 6 ) . 95 Gerade hinsichtlich des 4. Abschnitts - die Rechtsfrage und politischen K o n s e q u e n z e n betreffend - sagte D i p p e r , selbst Mitglied des Vorbereitungsausschusses: „Es w ü r d e mir schwerfallen, wenn die Synode mit dem Eindruck von hier weggehen w ü r d e , daß wir an dieser Stelle zurückgegangen sind. Diesen Eindruck habe ich nicht" (ebd., S. 251). % Ebd. 97 Ebd., S. 252; auch Raiser bezeichnete den Versöhnungsgedanken als den „eigentlichen Kern" von Denkschrift und Synodalerklärung. In den politischen Folgerungen, die daraus zu ziehen seien, bestehe dagegen „eine gewisse Breite der Möglichkeiten" (ebd., S. 254 f.). 98 Ebd., S. 255f. - Vogel hatte einen Tag zuvor in seinem G r u ß w o r t an die in Potsdam

236

„Vertreibung und V e r s ö h n u n g "

Gerade im Blick auf Vogels Votum sah sich der bayrische Landesbischof Dietzfelbinger veranlaßt, seine Zustimmung zur „Erklärung, wie sie uns vorliegt", mit der Mahnung zu verbinden, „daß . . . auch durch die letzten Sätze nicht ein unklarer T o n in die V e r s a m m l u n g k o m m t . Wir haben es ja mit sehr schweren Problemen zu tun, die man einmal auch mit der S p a n n u n g bezeichnen könnte, zwischen Versöhnung u n d Recht. U n d wenn wir . . . zu diesem Versuch [diese Spannungen auszugleichen] nun ein J a sagen, und ich bitte d a r u m , dann möchten wir einander, auch wenn die Position hier und dort etwas verschieden ist, . . . die Ehrlichkeit dieses J a z u t r a u e n . " "

Das Spektrum war verbreitert und vergröbert worden, wie schon die Stellungnahmen erkennen lassen, auch wenn in einigen Punkten die Denkschrift an eindeutiger Konkretion übertroffen wurde, wie Wilkens andererseits feststellte100. Unbestritten und durch das Abstimmungsergebnis sinnfällig erwiesen, enthielt die Erklärung den „von allen Beteiligten bejahten Kern"' 01 einer kirchlich legitimen Behandlung des Vertriebenen- und Ostproblems. Raiser hatte ihn als den „Willen zur Versöhnung nach innen und außen" definiert102. O b dies in der Erklärung festgehalten werden konnte, „ohne von der Denkschrift aufzugeben, was wesentlich zu ihrer Substanz gehört'" 03 , wie die Befürworter der Denkschrift glaubten, blieb jedoch unter den Kontrahenten der Denkschrift-Debatte kontrovers. Denn der Wortlaut jener Erklärung erlaubte offensichtlich auch eine andere Interpretation. Dies wurde am deutlichsten auf der Tagung des (Kleinen) Konvents der zerstreuten evangelischen Ostkirchen am 21. April 1966 in Mainz 104 . „Weg von der Denkschrift und auf weiterführende Positionen" - das war nicht nur der erklärte Wunsch der führenden kirchlichen Vertriebenenvertreter, sondern auch die Einschätzung der Tendenz, wie sie nach ihrer Meinung in Vorbereitung und Ergebnis der Synode der E K D zu erkennen gewesen sei105. In seinem Referat „Die Vertriebenendenkschrift der E K D tagende östliche T e i l s y n o d e ebenfalls beschwörend gesagt: „ G e b e G o t t , . . ., daß wir im O h r behalten, was im Propheten Jesajas steht: ,Ich gehe nicht z u r ü c k ' " (ebd., S. 285). 99 E b d . , S. 256. 100 „ D a s betrifft nicht nur die deutsche Verlustseite, die eigenen politischen E r w a r t u n g e n und den Appell an die andere Seite, sondern auch die Pflichten gegenüber den östlichen N a c h b a r n und ihren Rechten, die G l a u b w ü r d i g k e i t des Gewaltverzichts und die Befreiung zu einem konstruktiven W e g in eine neue künftige O r d n u n g " (VERTREIBUNG, S. 80). 101 E b d . , S. 79. 102 Vgl. oben S. 235, A n m . 97. 103 Vgl. A n m . 101. 104 Protokoll in: A O K A , C 14e, N r . 1227. Z u m „Kleinen K o n v e n t " , d e m im Unterschied z u m „ G r o ß e n K o n v e n t " nur jeweils zwei ad hoc berufene Vertreter der H i l f s k o m i tees angehören, vgl. B d . I, S. 427. 105 S o etwa in G ü l z o w s V o t u m ( A O K A , C 14e, N r . 1227, S. 6). Vgl. auch Schreiben G ü l z o w s an M e t z g e r v o m 17. 4 . 1 9 6 6 (ebd., C 6a, o. N r . , S. 3).

E c h o auf die Synodalerklärung

237

im Licht der Spandauer Synodalerklärung" 106 führte Brummack eine ganze Reihe von Punkten an, die in seinen Augen den Willen der Synode belegten, „nicht bei der Denkschrift stehen zu bleiben", und daß man, wie es in der Präambel der Synodalerklärung heißt, „den Widerspruch gegen sie [die Denkschrift] ernst" genommen habe107. Der Kleine Konvent verabschiedete einstimmig eine von Schwarz vorgelegte Stellungnahme, in der besonders auf die den Gehalt der D e n k schrift relativierenden Aussagen der Synodalerklärung abgehoben wird108. Die Distanz zur Denkschrift, die Minderung ihres Gewichts als eines kirchlichen D o k u m e n t s werden als die entscheidenden Intentionen des Konvents erkennbar. Die Synodalentschließung wird als ein „Fortschritt" angesehen „im Blick auf die durch die Ost-Denkschrift innerhalb und außerhalb der Kirche ausgelöste Diskussion". In dem Zusammenhang wird an die Aussage der Synodalen angeknüpft, daß sie den Widerspruch gegen die Denkschrift ernst nehmen und diese „nunmehr als ein redliches Angebot z u m Nachdenken und zur Aussprache" gekennzeichnet wird. Die von der Synode unmittelbar daran angeknüpfte Feststellung, die Denkschrift solle „die Gewissen schärfen und dem Frieden in der Welt dienen" 109 , bleibt dabei unerwähnt. Der Konvent begrüßte den „Beitrag zur Klärung mißverständlicher Ausführungen" der Denkschrift, wie ihn die Synode geleistet habe. Diese rede in ihrer Erklärung „nicht einseitig", bekenne sich „zum Geschick der Heimatvertriebenen" und lasse die „Tätigkeit der . . . Vertriebenenverbände, sowie ihre besondere Aufgabe bei der Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn . . . in einem neuen Licht" erscheinen. Zu einer über die Synodalerklärung hinausgehenden Interpretation gelangt der Konvent mit seinen Aussagen über die „Ergänzung" der in der Denkschrift „zu kurz gekommenen Aspekte" durch die Synode: „ N e b e n der Feststellung, daß die reiche Geschichte Ostdeutschlands ein wesentliches Stück deutscher Geschichte ist, hat sie die Aufgabe herausgestellt, ein neues u n d positives

106

Vgl. oben S. 223 f., A n m . 51. S. 4 (vgl. A n m . 104). - B r u m m a c k h o b z . B . folgende P u n k t e in der Synodalerklärung hervor: Es d ü r f e „keinen einseitigen Verzicht als politische Vorleistung geben", V e r s ö h n u n g heiße nicht: „ohnmächtig resignieren, nicht bloß rückwärts blicken", den Vertriebenen seien „warme W o r t e zu ihrem erlittenen Leid und zu ihrem geschichtlichen E r b g u t " gewidmet, der Arbeit des O K A u n d der Hilfskomitees A n e r k e n n u n g gezollt w o r d e n . Mit der „wörtlichen A n l e h n u n g an die Charta der deutschen Heimatvertriebenen" enthalte die Erklärung „eine A u f n a h m e der G e d a n k e n und Arbeitsziele der Vertriebenenverbände" gemeint ist der Passus „ D e r Verzicht der Vertriebenen auf Vergeltung . . ." im 2. Absatz. Versöhnung werde „zuallererst als eine Aufgabe der christlichen G e m e i n d e " angesehen und verstanden (ebd., S. 3 f.). >0» Vgl. Protokoll vom 2 1 . 4 . 1966 (ebd., S. 6). Diese Entschließung des O s t k i r c h e n k o n vents w u r d e im Mai 1966 in den OSTKIRCHLICHEN INFORMATIONEN veröffentlicht. 137

109

BERLIN UND P O T S D A M 1 9 6 6 , S. 4 7 1 .

238

.Vertreibung und Versöhnung"

Verhältnis zur Geschichte unseres eigenen Volkes zu gewinnen und nach Gottes Führung in ihr zu fragen. Sie betont, daß es dem Christen erlaubt, ja geboten sei, die Bindung an das eigene V o l k ernst zu nehmen. A u c h werden die östlichen Nachbarn gebeten, Verständnis dafür zu gewinnen, daß auch wir für die Lebensrechte des deutschen Volkes eintreten, insbesondere für eine friedliche Wiedervereinigung." 1 1 0

„Insofern" trage, so wird anschließend festgestellt, die Synodalerklärung „zum rechten Verständnis der durch die Denkschrift aufgeworfenen Sachfragen bei. N u r von ihr her kann künftig die Denkschrift in ihren Aussagen und in ihrer Zielsetzung verantwortlich interpretiert werden."

Allein schon durch diese formale Handhabung erhalten jene Aspekte in der Entschließung des Ostkirchenkonvents eine andere und - wenn man so will - wiederum „einseitige" Ausrichtung, auch wenn dies nicht der Absicht der Urheber entsprochen haben mag. So entsteht der Eindruck, daß der Konvent damit nichts anderes getan hat, als die Synodalerklärung für genau jene Positionen der kirchlichen Vertriebenenarbeit zu reklamieren, aus denen heraus die Denkschrift während ihrer Entstehung und nach ihrer Veröffentlichung kritisiert und für bedenklich erklärt worden war. Wenn es dann abschließend hinsichtlich der weiteren Aufgaben lediglich heißt: „Die Erklärung [der Synode] stellt jedoch kein abschließendes W o r t dar. Deshalb entbindet sie nicht von weiterem Nachdenken über die noch offenen Fragen und der Bemühung um praktische M a ß n a h m e n " ,

so wird darüber hinaus ein entscheidendes Manko an dieser Reaktion des Ostkirchenkonvents sichtbar, das noch längere Zeit die Arbeit der kirchlichen Vertriebenengremien mit beeinflussen sollte, nämlich die nur unzureichende Berücksichtigung des Wandels im säkularen und kirchli110 In der Erklärung des Konvents erhält die „Geschichte" einen veränderten Stellenwert, wenn die Aufgabenstellung, „ein neues und positives Verhältnis zur Geschichte unseres eigenen Volkes zu gewinnen" (ebd., S. 474), aus dem Zusammenhang, in dem sie in der Synodalerklärung entwickelt worden war, herausgelöst wird. Diese leitete jene Aufgabe aus dem Versöhnungsgedanken ab (5. Abschnitt), wodurch die Aussage dann eine andere Richtung als in der Konventserklärung b e k o m m t , nämlich: „Die Bereitschaft zur Versöhnung befreit uns von dem Zwang, nach rückwärts zu blicken, über eigene und fremde Taten zu rechten und Geschichte ungeschehen machen zu wollen" (vgl. dazu oben S. 223). D i e „Bindung an das eigene V o l k " erscheint dagegen im 1. Abschnitt, in dem die Synodalen nicht vom positiven Verhältnis zur eigenen Geschichte sprechen, sondern gegen „nationalistische Ubersteigerung", „Selbstgerechtigkeit" bzw. „Selbstaufgabe" die „Selbstachtung" propagieren (vgl. dazu oben S. 228), um sich dann dem Schuldproblem zuzuwenden (vgl. oben S. 2 2 9 f . ) . D e r Hinweis auf die „reiche Geschichte Ostdeutschlands" erscheint erst im 2. (vgl. oben S. 2 3 1 ) und die Betonung der Lebensrechte des deutschen Volkes im 4. A b schnitt, der die Rechtsproblematik betrifft, wobei unübersehbar und unlöslich mit diesem Aspekt die andere Seite, „die Lebensrechte unserer östlichen N a c h b a r v ö l k e r " , verknüpft bleiben (vgl. dazu oben S. 2 3 2 f f . ) .

E c h o auf die Synodalerklärung

239

chen R a u m , wie er durch die Denkschrift bereits herbeigeführt worden war. Schon in den frühen Publikationen zur Denkschrift und auf der E K D - S y n o d e war diese Wirkung konstatiert oder doch zumindest die Denkschrift als Teil einer neuen Bewegung in der gegenseitigen Beziehung zu den östlichen N a c h b a r n angesehen worden. So hatte etwa Wilkens bereits u m die Jahreswende 1965/66 von einer „neuen Phase in der . . . Auseinandersetzung über die Fragen der Vertreibung, der L a g e der Vertriebenen und der deutschen O s t p o l i t i k " gesprochen: „ D i e D e n k s c h r i f t ist hier nur eines der auslösenden M o m e n t e gewesen. M a n m u ß den Briefwechsel des polnischen und des deutschen E p i s k o p a t s der römisch-katholischen Kirche . . aber auch die neuen B e m ü h u n g e n des K u r a t o r i u m s ,Unteilbares D e u t s c h l a n d ' u m eine R e f o r m der Deutschlandpolitik hinzunehmen. D i e Zeit ist r e i f . " 1 "

Gollwitzer hatte vor der Synode der E K D die unmittelbaren Auswirkungen der Denkschrift etwa auch auf die Interpretation der Synodalerklärung erörtert: „ V e r s ö h n u n g blickt nach vorwärts . . . Innerhalb dieses Blickes auf die Z u k u n f t , dieser Arbeit an d e m gemeinsamen Ziel ist, bevor die Regierungen z u m Z u g e k o m m e n , eine außerparlamentarische und außergouvernementale D i s k u s s i o n , eine Vorbereitung nötig. Dieser Vorbereitung hat die Denkschrift dienen wollen und auch diejenigen, die sie kritisieren, werden vielleicht z u g e b e n , daß allein schon durch den Wirbel, den sie veranlaßt hat, jetzt viele D i n g e offener ausgesprochen werden, und auch von denen, die bisher eine bestimmte Linie, etwa die der steilen Aufrechterhaltung des deutschen Rechtsanspruches vertreten haben, inzwischen mehr Gesichtspunkte ins Bewußtsein g e n o m m e n worden sind als bisher. Angesichts dieser, bei allem K a m p f und allem Betrüblichen, was dabei geschehen ist, im G r u n d e für unsere deutsche politische Situation positiven Wirkung der D e n k s c h r i f t konnte unser Wort sich darauf beschränken, in einer Weise, der möglichst viele unter uns auch diejenigen Brüder, die aus dem Kreise der Vertriebenen K o m m i s s i o n e n des O s t k i r chenausschusses usw. hier mitberaten haben - zustimmen können, zu charakterisieren: a) Eine solche Vorbereitung in unseren beiden Völkern (also für u n s : in unserem deutschen Volk) durch eine offene D i s k u s s i o n ist möglich, b) D e r Rechtsanspruch, der hier ja auch ausgesprochen wird mit dem ersten Satz von Abschnitt 4, sofern von U n r e c h t und von rechtmäßigem Wohnen in der östlichen H e i m a t entgegen der polnischen Geschichtslegende, wie sie auch im Brief der polnischen B i s c h ö f e vorgetragen wird, die R e d e ist - dieser Rechtsanspruch wird ein Teil unseres D e n k e n s sein, aber er darf nicht das einzig bestimmende Element unseres D e n k e n s sein . . . " " 2

D a ß also durch die Denkschrift und die daran anknüpfenden breiten Diskussionen angesichts jener in dieser Hinsicht irreversiblen Entwicklung bestimmte Fragen auf einer veränderten Grundlage gestellt werden mußten, scheint auf dem Ostkirchenkonvent kaum genügend Beachtung gefunden zu haben. A u s der oben erläuterten Interpretation der Synodalerklärung heraus entwickelten die Vertreter der Hilfskomitees vielmehr Fragestellungen und A u f g a b e n für die Z u k u n f t ihrer Arbeit, wie sie im Denkschrift, S. 160. Vgl. auch E . Wilkens' Artikel v o m Frühjahr 1966 (VERTREIBUNG, S. 77). 112

B E R L I N UND POTSDAM 1 9 6 6 , S . 2 5 2 f.

240

„Vertreibung und Versöhnung"

großen und ganzen auch ohne den gesamten Denkschrift-Vorgang bereits hätten genannt werden können und teilweise vor dem Herbst 1965 schon vorgetragen worden waren, oder die geeignet erschienen, trotz der neuen Bewegung doch „weg von der Denkschrift" zu jenen Positionen zurückzuleiten, wie sie die Vertriebenengremien vordem mehrheitlich eingenommen hatten113. Unter den gleichen Vorzeichen scheinen auch die säkularen Vertriebenenverbände die Synodalerklärung „Vertreibung und Versöhnung" beurteilt zu haben, worauf etwa die Darstellung des führenden Vertriebenensprechers und Schlesiers Herbert Hupka in seinem Jahresrückblick 1966 schließen läßt. Er schildert den Weg von der Denkschrift zur Erklärung so: „Nicht unbeeindruckt von dem klaren W o r t der Vertriebenen - an ihrer Spitze während einer Podiumsdiskussion in Bad Boll Präsident D r . h. c. Wenzel Jaksch und Vizepräsident Reinhold Rehs - mußte der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland auf seiner Spandauer Synode einen zum Beschluß erhobenen Text der O s t - D e n k s c h r i f t hinzufügen. Die einseitige Argumentation für den polnischen (kommunistischen!) Standpunkt wurde dadurch - spät genug - neutralisiert, daß auch die Eigenverantwortung gegenüber der

113 I m Entschließungsentwurf von Schwarz waren an den oben zitierten Schlußpassus noch folgende Ergänzungen angefügt worden:

„Die Synodalentschließung stellt die Hilfskomitees im Blick auf die mit der Geschichte und dem Recht zusammenhängenden Fragen vor die Aufgabe weiterer Klärung. H i e r z u zählen: 1. Das Bemühen um geschichtliche Objektivität gegenüber geschichtlichem W u n s c h denken, 2. die Einsicht in kausale Geschichtszusammenhänge gegenüber willkürlich gesetzten Nullpunkten, 3. das Studium der Geschichte osteuropäischer Geschichtszusammenhänge unter dem G e b o t der Sorgfalt, Verantwortung und Zucht, 4. Gottes Geschichtshandeln und das geschichtliche Geschehen der Welt, 5. die konstitutive Bedeutung des Rechts gegenüber Willkür und Macht für das Verhältnis der V ö l k e r und Staaten in der künftigen Entwicklung, 6. die sachliche Würdigung des Selbstbestimmungsrechts und des Rechts auf die Heimat, zumal diese Zusammenhänge in der Entschließung offen geblieben sind. V o r allem aber m u ß das Bemühen die theologischen Grundlagen im Blick auf die Aufgabe der Versöhnung und die Mitwirkung der Kirche im Bereich des Politischen fortgesetzt werden. H i e r z u gehören: 1. D i e Versöhnung nach 2 . K o r . 5 und die Aussöhnung der V ö l k e r und Mächte, 2. die Schuld vor G o t t und die Verschuldung unter Menschen und Völkern (Begriff der Haftgemeinschaft), 3. die Gerechtigkeit Gottes und das Fragen nach Gerechtigkeit auf E r d e n . " Dieser Schlußabsatz wurde nicht in die Konventsentschließung aufgenommen, wohl aber als Empfehlung an die Hilfskomitees weitergeleitet (Protokoll vom 21. 4. 1966, S. 6 f.; vgl. A n m . 104). G a n z im Sinne dieser Aufgabenstellung legte am 31. 5. 1966 B r u m m a c k d i e Thematik des von ihm geleiteten O K A - A r b e i t s k r e i s e s „Ethik und R e c h t " fest, die dieser in der darauffolgenden Zeit auch behandelte (vgl. A O K A , C 7, 3 / 1 9 6 6 , N r . 1319).

241

Echo auf die Synodalerklärung

deutschen Geschichte und der protestantischen Leistung in Ostdeutschland erkannt und genannt wurde. ,Rechte Aussöhnung', so hieß es in dem Spandauer Synodalbeschluß vom 18. März 1966,,setzt nach christlicher Erkenntnis gegenseitige Vergebung voraus'."" 4 B e r e i t s i m M a i 1 9 6 6 h a t t e z . B . die B u n d e s v e r s a m m l u n g d e r L a n d s m a n n s c h a f t W e i c h s e l - W a r t h e die S y n o d a l e r k l ä r u n g b e g r ü ß t u n d als „ein e n B e i t r a g z u r U b e r w i n d u n g d e r d u r c h die O s t - D e n k s c h r i f t a u s g e l ö s t e n S p a n n u n g e n " anerkannt, o h n e allerdings v o n der F o r d e r u n g nach R e v i sion der D e n k s c h r i f t selbst gerade hinsichtlich deren historischer und rechtlicher Argumentation (Heimat- und Selbstbestimmungsrecht) abzulassen 1 1 5 . I m S i n n e einer s o l c h e n I n t e r p r e t a t i o n sind a u c h die in d e n f o l g e n d e n Monaten und Jahren erhobenen

K l a g e n z u v e r s t e h e n , die

Spandauer

S y n o d a l e r k l ä r u n g h a b e n i c h t die ihr z u k o m m e n d e V e r b r e i t u n g d u r c h die K i r c h e n l e i t u n g e n g e f u n d e n 1 " . G e r a d e ein z a h l e n m ä ß i g e r V e r g l e i c h m i t d e r V e r b r e i t u n g d e r D e n k s c h r i f t , a u f den s o l c h e K l a g e n a b g e h o b e n w a ren, vermittelt aber den gegenteiligen E i n d r u c k : D i e D e n k s c h r i f t w u r d e in 2 6 0 0 0 0 E x e m p l a r e n g e d r u c k t , s o d a ß , d i v e r s e N a c h d r u c k e h i n z u g e r e c h n e t , eine V e r b r e i t u n g in w e i t ü b e r 3 0 0 0 0 0 E x e m p l a r e n a n g e n o m m e n w e r d e n m u ß " 7 . D i e L a n d e s k i r c h e n bestellten v o m S o n d e r d r u c k d e r S y n o d a l e r k l ä r u n g z w a r n u r c a . 3 0 0 0 0 E x e m p l a r e bei d e r

Kirchenkanzlei,

n i c h t a b e r , w e i l sie e t w a eine g r ö ß e r e V e r b r e i t u n g h i n t e r t r e i b e n w o l l t e n , s o n d e r n w e i l die E r k l ä r u n g b e r e i t s m i t a n d e r e n M i t t e l n eine w e i t a u s

DER SCHLESIER, S. 1 f. - Hervorhebung im Original. Resolution vom 22. 5.1966 (HANDAKTEN WILKENS, X , 22). - Hingewiesen sei noch auf den Beschluß des Präsidiums und Politischen Ausschusses des „Kuratorium Unteilbares Deutschland" vom 29. 3. 1966, in dem die Erklärung vom 18. 3. 1966 „einhellig" begrüßt wird (AKK, X I , Nr. 696/1966). 116 Vgl. etwa den 28. Arbeitsbericht vom Dezember 1966 des Flüchtlingspfarrers der westfälischen Kirche, Herbert Neß (VD 19, S. 60) oder noch eine entsprechend kritische Bemerkung Rauhuts 1973 (UNVERLIERBARKEIT 1/2, S. 42). Bereits am 14. 5. 1966 berichtete der ΟΚΑ-Vorsitzende der EKD-Kirchenkanzlei über „wachsende Unruhe im Kirchenvolk, namentlich unter den Vertriebenen. Die Publikation der Spandauer Synodalerklärung ist bislang sehr mangelhaft" (AKK, XI, o. Az.). Besonders kraß formulierte Pfr. Hoppe in seinem Bericht zur Jahresversammlung der Gemeinschaft ev. Schlesier 1966 (vgl. oben S. 206) den vermeintlichen Tatbestand: „Die Denkschrift ist in 260000 Stücken verbreitet worden. Die neuen Sätze der Synode, ohne die die Denkschrift ein schwerer Anstoß bleibt, werden unterdrückt. Sie sind kaum bekanntgeworden und kommen kaum zur Geltung. Warum werden sie nicht auch an alle Pfarrer geschickt und in derselben Weise vertrieben wie die Denkschrift?" (S. 7). Auch die säkularen Vertriebenenverbände erhoben derartige Vorwürfe. Vgl. etwa die Resolution der Bundesversammlung der Landsmannschaft WeichselWarthe (vgl. Anm. 115) und das Schreiben der EKD-Kirchenkanzlei vom 12. 10. 1966 an Jaksch (AKK, 6454, II, o. Az.). 117 Eine Ubersetzung ins Englische, vor allem zur Weiterleitung an diverse ökumenische Stellen, erschien in 1000er Auflage als Vervielfältigung (vgl. ebd.). Die Denkschrift wurde sogar in Blindenschrift übertragen (vgl. ebd., XI, zu 597/66 vom 20. 4. 1966). 1,4

115

242

.Vertreibung und Versöhnung"

größere Verbreitung gefunden hatte118. Abgesehen davon, daß Aufmerksamkeit und Interesse, die der Denkschrift in der Öffentlichkeit zuteil geworden waren, sich in diesem Ausmaß nicht beliebig auf andere kirchliche Äußerungen lenken ließen - und seien sie für die innerkirchliche Meinungsbildung noch so bedeutend - , findet auch in solchen Klagen zu wenig der Wandel im politischen Bewußtsein Berücksichtigung, wie er eben allein durch den Denkschriftvorgang, und nicht etwa erst durch die Synodalerklärung, herbeigeführt worden war. So gilt für diese Klagen wohl dasselbe wie zuvor für die Beschwerden über eine unzureichende Beteiligung kompetenter Vertriebenenvertreter an der Ausarbeitung der Denkschrift: Es waren die sachlichen Gesichtspunkte und inhaltlichen Differenzen, auf die solche vermeintlich formalen Einwände abzielten. Diese Argumente wie auch die in den ersten Monaten teilweise persönlichen Anwürfe gegen die für die Denkschrift Verantwortlichen traten jedoch sichtlich hinter die Sachauseinandersetzung zurück - ein sicher nicht unbedeutendes Ergebnis der Spandauer Erklärung. Die Diskussion „findet nun in anderer Weise statt als zuvor", konnte Wilkens im Antwortschreiben der Kirchenkanzlei an die Verfasser von Zuschriften zur Denkschrift im Juni 1966 feststellen" 9 . Diese Breite des Spektrums bei der Berufung auf die Synodalerklärung muß man im Auge behalten, um das Echo, besonders die Zustimmungsäußerungen landeskirchlicher Synoden zum Votum der EKD-Synode angemessen beurteilen zu können. Die meisten Landessynoden verzichteten auf eine ausdrückliche Stellungnahme. Hierin lag sicher keine Indifferenz oder gar Ablehnung, vielmehr kann eine solche Reaktion als eine mögliche Form der Übernahme der Spandauer Erklärung angesehen werden. Diese Vermutung legt sich nahe gerade bei solchen Landeskirchen wie Rheinland, Westfalen oder der Evangelischen Kirche der Union, deren Synoden keine Entschließungen faßten120. Lediglich die Regionalsynode Berlin-West der zur EKU gehörenden Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg verabschiedete in ihrer Sitzung vom 5. bis 9. Dezember 1966 noch eine Stellungnahme, in der von der N o t der Vertriebenen und dem Bemühen um Aussöhnung ausgegangen und die Synodalerklärung der EKD begrüßt wird121. 118

So war die Erklärung „Vertreibung und Versöhnung" in den meisten Gemeindeblättern vollständig abgedruckt worden. Einzelne Landeskirchen stellten zudem noch Sonderdrucke für die Verbreitung her; die ev. Kirche im Rheinland ließ allein schon eine Auflage von 500000 Exemplaren drucken (vgl. Schreiben Gunderts an Jaksch vom 12. 10. 1966; ebd., 6454, II, o. Az.). 119 Kirchenkanzlei am 8. 6. 1966 (ebd., XI, Nr. 1584). - Dieselbe Feststellung traf auch der westfälische Flüchtlingspfarrer in seinem Arbeitsbericht Dezember 1966 (vgl. Anm. 116). 120 Zur Reaktion auf die Denkschrift selbst vgl. oben S. 190 ff. 121 AKK, XI. Vertriebenen-Denkschrift. Rundschreiben.

E c h o auf die S y n o d a l e r k l ä r u n g

243

Die Synoden der Landeskirchen von Baden und Württemberg faßten zustimmende Beschlüsse, wobei die Württemberger die „Mitglieder" ihrer Kirche baten, „bei allen Gesprächen über die durch die Denkschrift . . . aufgeworfenen Fragen diese Grundlage [nämlich die der Synodalerklärung „Vertreibung und Versöhnung] nicht zu verlassen" 122 . Anders reagierte die hannoversche Landessynode. Sie begrüßte die Synodalerklärung im Sinne kritischer Distanz zur Denkschrift, wenn sie „mit Befriedigung" konstatiert, „daß d u r c h diese E r k l ä r u n g ein Teil (!) der U n z u l ä n g l i c h k e i t e n der D e n k s c h r i f t . . . berichtigt und M i ß v e r s t ä n d n i s s e , die sich aus ihr ergaben, beseitigt w o r d e n sind . . . D i e D e n k s c h r i f t hat insoweit ihr Ziel erreicht, als sie z u einer umfassenden E r ö r t e r u n g aller mit V e r t r e i b u n g und V e r s ö h n u n g z u s a m m e n h ä n g e n d e n Fragen geführt h a t . " ' 2 3

In welcher Richtung sie sich eine solche Erörterung wünscht, führt die Landessynode an drei Punkten aus: 1) bejaht sie eine Relevanz des Versöhnungsgedankens über den Individualbereich hinaus, wobei jedoch die Abkehr von der in der Denkschrift erörterten Dimension des StaatlichPolitischen unverkennbar ist' 24 . 2) wird der Versöhnungsgedanke in Ubereinstimmung mit der Denkschrift von nationalem Egoismus und Radikalismus abgegrenzt: „Eine Haltung, die nur das Interesse des eigenen Volkes gelten läßt, macht Versöhnung unmöglich." 1 2 5 3) hebt die Landessynode den Beitrag der Vertriebenen zur Bewältigung der N a c h kriegsprobleme hervor, hierbei auch auf die Charta der Heimatvertriebenen von 1950 anspielend 126 . Ambivalent auch hinsichtlich ihrer Stellung zur Synodalerklärung der E K D erscheint dagegen die Reaktion der hamburgischen Synode' 27 , die 122

7. L a n d e s s y n o d e am 8. 1 1 . 1 9 6 6 (BERLIN UND POTSDAM 1 9 6 6 , S. 5 4 5 f.). D e r B e s c h l u ß

der badischen L a n d e s s y n o d e v o m 2 9 . 4 . 1 9 6 6 ist ebd. (S. 5 1 2 f.) a b g e d r u c k t . 123

17. L a n d e s s y n o d e v o m 19. 6. 1966 (ebd., S. 5 1 5 ) .

124

„ D u r c h J e s u s C h r i s t u s sind die M e n s c h e n mit G o t t v e r s ö h n t . D a s m a c h t m ö g l i c h und

verpflichtet dazu, nicht nur im Z u s a m m e n l e b e n einzelner M e n s c h e n , s o n d e r n auch im Z u s a m m e n l e b e n der V ö l k e r V e r s ö h n u n g zu suchen. D a r u m ist es A u f g a b e eines jeden, i m B e r e i c h seiner V e r a n t w o r t u n g alles zu f ö r d e r n , was in unserer so b e d r o h t e n W e l t z u einem friedlichen Ausgleich und zu einem vertrauensvollen M i t e i n a n d e r der V ö l k e r führen kann. Alle M ö g l i c h k e i t e n sollten ausgeschöpft w e r d e n , p e r s ö n l i c h e K o n t a k t e mit unseren östlichen N a c h b a r n herzustellen und zu pflegen und v o r h a n d e n e s M i ß t r a u e n a b z u b a u e n " (ebd., S. 5 1 5 ) . 125

Ebd.

126

„ D a n k b a r würdigt die L a n d e s s y n o d e die H a l t u n g weiter Kreise der V e r t r i e b e n e n : Sie

haben das ihnen auferlegte s c h w e r e G e s c h i c k getragen. Sie haben s c h o n früh auf A n w e n dung von G e w a l t z u r W i e d e r g e w i n n u n g ihrer H e i m a t ausdrücklich verzichtet. Sie haben b e i m W i e d e r a u f b a u des öffentlichen L e b e n s einen hervorragenden Beitrag geleistet. Sie haben die L i e b e zu V o l k und Vaterland auch darin b e w a h r t , d a ß sie sich radikalen S t r ö m u n gen verschlossen. Sie haben das W e r t v o l l s t e aus dem geistlichen E r b e ihrer H e i m a t k i r c h e n in das L e b e n der L a n d e s k i r c h e und ihrer G e m e i n d e n e i n g e b r a c h t " (ebd.). 127

E b d . , S. 5 2 1 - 5 3 8 . Vgl. dazu bereits o b e n S. 2 0 2 f.

244

.Vertreibung und Versöhnung"

am 19. Mai 1966 den gesamten Denkschriftvorgang und die entsprechenden Sachfragen verhandelte. Der hamburgische Synodale der E K D Wilhelm Imhoff berichtete im Namen des „Synodalausschusses zum Studium der Denkschrift" über die Erklärung „Vertreibung und Versöhnung". Ein „neuer Ausgangspunkt für die Erörterung der Vertriebenendenkschrift in unseren Gemeinden, im deutschen Volke" sei damit geschaffen worden. Die Erklärung biete „ein Dach, unter dem sich nicht nur die verschiedenen kirchlichen Richtungen, sondern auch Vertriebene und Einheimische zusammenfinden können."

Sie sei „zugleich ein Zeugnis von der inneren Kraft unserer oftmals so uneinigen evangelischen Kirche . . . Die Erklärung . . . hat wieder vereinigt, was die Denkschrift entzweit hatte" 128 .

Die hamburgische Synode beschränkte sich in ihrer Entschließung vom 19. Mai 1966 lediglich darauf, „den Bericht des Ausschusses zum Studium der Vertriebenen-Denkschrift der EKD mit Dank" entgegenzunehmen, und enthielt sich jeder Stellungnahme oder gar Zustimmung zur Spandauer Erklärung129. Im Gegensatz dazu legte sich die Synode der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau sowohl hinsichtlich der Denkschrift als auch der Spandauer Erklärung eindeutig fest. Die Synode hatte sich wenige Wochen nach der Frankfurter Arbeitstagung der Synode der EKD erstmals mit der Denkschrift befaßt und einen 14köpfigen „Studienausschuß zur Durcharbeitung der Denkschrift. . ." - zu einem Großteil mit vertriebenen Synodalen - eingesetzt130, der etwa gleichzeitig mit dem Vorbereitungsausschuß der Synode131 eine umfangreiche, alle Gesichtspunkte umfassende Analyse und Beurteilung der Denkschrift erarbeitete132. Die dabei anfallenden kritischen Bemerkungen wurden auf einer Grundlage entwickelt, wie sie der Denkschrift selbst eigen ist, grundsätzliche Einwände fehlen deshalb in dem Gutachten 133 . In seiner Zusammenfassung 128 BERLIN UND POTSDAM, S. 521 ff. - Den Bericht des Ausschusses zu den Thesen der Denkschrift erstattete der Hamburger Theologe Prof. Hans-Rudolf Müller-Schwefe. Er nannte den „Grundton" der Gespräche des hamburgischen Synodalausschusses „positiv, ein Ja zur Denkschrift", und führte dann eine Reihe von kritischen Gesichtspunkten an, am gravierendsten wohl die Kritik an der „theologischen Unklarheit, die über der Deutung der Katastrophe von 1945 liegt" (ebd., S. 534). Hier werde „mit einer zweiten Offenbarungsquelle" argumentiert (S. 535). 129 Vgl. ebd., S. 538. 130 Vgl. VD 9, S. 24. 131 Die letzte Sitzung fand am 24. 3. 1966, also eine Woche nach der Spandauer Synode, statt. 132 Abgedruckt in: BERLIN UND POTSDAM 1966, S. 498ff. 133 Diese Kongruenz erhellt bereits aus dem I. Teil des Berichts: „Dienst der Kirche an der Gesellschaft" (ebd., S. 498f.), einer grundlegenden Erörterung von Legitimation, Auf-

E c h o auf die Synodalerklärung

245

erlaubt der Bericht denn auch keine Zweifel an der positiven Einstellung des Studienausschusses zur Denkschrift, der nach eigenem Zeugnis „trotz aller kritischen Anmerkungen . . . einmütig hinter dem Aufruf zur Versöhnung mit dem polnischen Volk" steht 134 . Die hessen-nassauische Synode hat sich nun in ihrer Entschließung vom 21. April 1966 diese Kongruenz ausdrücklich zu eigen gemacht, wenn es dort u.a. heißt: „Insbesondere dankt sie dem Ausschuß, daß er einleitend Hilfreiches zum Dienst der Kirche an der Gesellschaft gesagt hat, ferner für die sorgfältigen Ausführungen über das Gerichtshandeln Gottes in der Geschichte und schließlich dafür, daß er die in der Diskussion zum Ausdruck gekommenen kritischen Stimmen mit zu G e h ö r bringt, jedoch die D e n k schrift als einen positiven Beitrag zur Versöhnung würdigt. Die Synode macht sich diese positive Würdigung der Denkschrift ausdrücklich zu eigen und stimmt im Zusammenhang damit auch der klärenden und weiterführenden Spandauer Erklärung zur Denkschrift zu Die Synode hält es für geboten, daß die Kreise, die sich in den Gemeinden mit der Denkschrift befassen, auch das Gespräch mit den örtlichen Vertretern der Vertriebenenverbände aufnehmen und alle Möglichkeiten ausschöpfen, um sich, wenn möglich durch persönliche Kontakte, auch vom osteuropäischen Gesprächspartner ein neues, vorurteilsfreies Bild zu verschaffen." 1 3 '

Diese Entschließung zeigt auch, daß die Spandauer Erklärung als ein Dokument bewertet wurde, das die Intentionen der Denkschrift positiv aufnehme und sie weiterführe, sie also keineswegs revidierte. Die Positionen, aus denen heraus der Spandauer Erklärung durch die Vertriebenengremien, Landessynoden und Kirchenleitungen zugestimmt wurde, bilden - soviel geht aus den hier geschilderten Stellungnahmen hervor 136 - ein wesentlich breiteres Spektrum als es der Zustimmung zur gaben und Grenzen politischer Diakonie, die m. E. exakt dem Ansatz der Offentlichkeitskammer der E K D entspricht. Die Kongruenz manifestiert sich auch gerade in der kritischen Betrachtung der theologischen Argumentation, vor allem das „Gerichtshandeln G o t t e s " betreffend (ebd., S. 506 f.). Diese Kritik konnte von den Autoren der Denkschrift sicherlich akzeptiert werden. 134 E b d . , S. 511. E b d . , S. 512. V o m weitaus größeren Teil der E K D - G l i e d k i r c h e n liegen allerdings keine offiziellen Stellungnahmen zu Denkschrift und Synodalerklärung vor (vgl. die Auflistung ebd., S. 546). Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, daß diese Texte in jenen Landeskirchen nicht ebenso ausführlich diskutiert worden wären wie etwa in der hessen-nassauischen Kirche oder auf der Hamburger Synode. D i e bremische ev. Kirche war z . B . durch ihre Verfassung an einer solchen offiziellen Stellungnahme gehindert, diese war allenfalls den einzelnen Gemeinden vorbehalten. D e r Kirchenausschuß der bremischen Kirche war jedoch an den Rat der E K D mit der Bitte herangetreten, „die Landeskirchen künftig rechtzeitig von der bevorstehenden Veröffentlichung derartiger Denkschriften zu informieren" (vgl. Protokoll der 12. Sitzung vom 11. 11. 1965, Pkt. 10c; V D 5.2). Präsident Arnold Rutenberg gab jedoch den Inhalt dieser Bitte am 9. 6. 1966 vor dem bremischen Kirchentag sinngemäß so wieder, daß in Zukunft Denkschriften erst herauszugeben seien, „nachdem die Landeskirchen befragt worden seien" (vgl. Niederschrift der 37. ao. Sitzung des Kirchentages, S. 9 ; 135

136

246

„Vertreibung und Versöhnung"

Denkschrift selbst zugrunde lag. Die Gründe einer Befürwortung der Synodalerklärung „Vertreibung und Versöhnung" reichten von ablehnender Haltung gegenüber der Denkschrift bis zur Genugtuung, diese nun vom höchsten Gremium der E K D bekräftigt bekommen zu haben, wie ein Blick auf so disparate Reaktionen wie etwa des Ostkirchenkonvents und der schleswig-holsteinischen Landeskirche auf der einen, der Evangelischen Kirche der Union oder auch in Hessen und Nassau auf der anderen Seite zu zeigen vermag. Diese Unterschiedlichkeit der Motive stellt sich nicht bloß zwischen den verschiedenen Landeskirchen ein, sondern wird in den meisten Fällen auch innerhalb ein- und derselben Landeskirche sichtbar. Unter solchem Gesichtspunkt ergibt sich ein deutliches Gefälle von der Verabschiedung der Denkschrift bis zu den Reaktionen auf die Spandauer Erklärung hin: Erforderte erstere noch einen Konsens auf relativ hohem Niveau, bzw. innerhalb eines ziemlich engen Begründungszusammenhangs, so wurden in den Konsens der Spandauer Synode bereits stärker divergierende Ansätze integriert in einer Form, die ein nun nochmals verbreitertes Spektrum von Motiven der Zustimmung ermöglichte; kontroverse Ansätze und allzu konkrete Applikationen theologischer Gehalte wurden abgeschliffen. War das der Weg zur „Wiedervereinigung" dessen, „was die Denkschrift entzweit hatte" 137 ? Ein solcher Eindruck kann wohl nur aufkommen, wenn man das geschilderte Ergebnis unter den Gesichtspunkten betrachtet, wie sie von den „klassischen" politischen und kirchenpolitischen Kontrahenten in die Auseinandersetzungen eingebracht worden waren. Eine Bewertung unter diesen Gesichtspunkten dürfte aber nicht sonderlich aufschlußreich sein, bleibt doch zum einen die Entwicklung unberücksichtigt, wie sie unumkehrbar seit Beginn der 60er Jahre, vor allem eben mit der Veröffentlichung der Denkschrift, im allgemeinen politischen Bewußtsein in Gang gekommen war. Zum anderen aber - und das ist im Zusammenhang dieser Dokumentation wohl von noch größerer Bedeutung - bleiben bei einer solchen Bewertung gerade jene Motive und Anstöße außer acht, die innerhalb der kirchlichen Organe und Gremien zur Erklärung „Vertreibung und Versöhnung" geführt haben und sich im hier skizzierten Rahmen vielleicht am ehesten als den Versuch kennzeichnen lassen, Intentionen und Legitimation der Denkschrift mit den kirchlichen Aufgaben an den Vertriebenen zu vermitteln oder, wie oben abgeebd.). Der Schriftführer der bremischen Kirche, Pastor Besch, beschränkte sich in seinen Jahresberichten 1965 und 1966 auf einen Bericht, wie die Denkschrift in der bremischen Kirche behandelt worden war. E r lenkte die Aufmerksamkeit vor allem auf den 2. Abschnitt der Denkschrift, also die Frage der Vertriebenenaufnahme (vgl. den Bericht für 1965 auf dem 36. Kirchentag am 24. 3. 1966; ebd.). 137

Vgl. oben S. 244 zu A n m . 128.

Echo auf die Synodalerklärung

247

kürzt bereits formuliert wurde, die Denkschrift in die Vertriebenenseelsorge so weit als möglich einzuholen 138 . "Was den ersten Aspekt betrifft, so war es natürlich unmöglich, mit der Synodalerklärung „Vertreibung und Versöhnung" alles das, was durch die Denkschrift in Gang gesetzt worden war, zu revidieren. Wer die Synodalerklärung dennoch im Sinne einer solchen Revision verwenden wollte, schränkte zwangsläufig seine Wirkungsmöglichkeiten innerhalb der Kirche und unter den Vertriebenen ein. Der Versuch, auf der Basis eines - ja nur fiktiven - status quo ante Einfluß zu nehmen, beschwor zudem die Gefahr einer Isolierung innerhalb der Kirche. Doch auch unter dem zweiten Aspekt werden Aporien sichtbar, obwohl darüber das Urteil sehr viel schwerer zu fällen und materialmäßig abzusichern ist, inwieweit es den Initiatoren und Befürwortern der Denkschrift mit der Spandauer Erklärung tatsächlich gelungen war, ihre Intentionen der Vertriebenenseelsorge als durch eine bestimmte historische Entwicklung und von bestimmten Tendenzen geprägten kirchlichen Gruppenarbeit zu vermitteln. Aber deutet nicht bereits jene auf den status quo ante abzielende Bestrebung von Seiten kirchlicher Vertriebenengremien solche Aporien an? Unter diesen Fragen und Gesichtspunkten soll deshalb noch ein kurzer Blick auf die Auseinandersetzungen der folgenden Jahre bis zum Abschluß der Ostverträge geworfen werden.

Vgl. dazu oben S. 211 ff., bes. S. 214f. und allgemein dazu S. 188ff.

Kapitel 6 SEELSORGE Z W I S C H E N „VERTRIEBENENPOLITIK" U N D „NEUER OSTPOLITIK"

Die unterschiedlichen Motive für die Zustimmung zur Spandauer Synode haben bereits offengelegt, was die evangelische Kirche und ihre Vertriebenenarbeit in der Auseinandersetzung um die neue Ostpolitik bis hin zur Ratifizierung der Ostverträge bestimmen sollte: Die einstimmig angenommene Erklärung „Vertreibung und Versöhnung" hatte keineswegs die Alternative aufgehoben, die Denkschrift als Chance oder Belastung für die Vertriebenenseelsorge gelten zu lassen. So fand die Spandauer Erklärung bei den Kontrahenten der Denkschrift-Diskussion vornehmlich als Legitimationsmoment für die jeweilige Position Verwendung. Bestimmender Faktor sollte auf Jahre hinaus die Denkschrift bleiben. „Während in den ersten Jahren nach der Vertreibung unsere Vertriebenenseelsorge auf die Bewältigung des erlittenen Schicksals ausgerichtet war, sind wir seit der Herausgabe der sogenannten,Ostdenkschrift' der E K D vor besondere Schwierigkeiten gestellt. Diese,Ostdenkschrift' hat in weiten Kreisen der Vertriebenen zu erheblicher Verbitterung gegen die Kirche geführt. W i r sind daher bemüht, das Vertrauensverhältnis wieder herzustellen und den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus zu stärken."

So umschrieb noch 1971 Gülzow in einem Interview mit der „Pommerschen Zeitung" die Aufgaben des Ostkirchenausschusses „in der heutigen Situation" 1 . Die Spandauer Synodalerklärung von 1966 war bei einer solchen Einschätzung offensichtlich nicht geeignet, die von der Denkschrift bewirkte Zäsur auf längere Frist zu mildern oder gar aufheben zu können.

1. Die Thesen des Kirchentages der evangelischen

Schlesier (1967)

Wie wenig die Synodalerklärung die Widersprüche der Denkschriftdebatte zu beseitigen vermochte, mag ein Vorgang vom Sommer 1967 veranschaulichen. Es ging dabei um eine Auseinandersetzung zwischen der Gemeinschaft evangelischer Schlesier (GES) und der Lübecker Kir1 Pressedienst Nr. 2 der pommerschen Landsmannschaft vom 15. 3. 1971 C 6a, Nr. 790).

(AOKA,

D i e Thesen des Kirchentages der evangelischen Schlesier

249

chenleitung, in einem Rahmen also, in welchem - wie schon die geschilderten Erfahrungen unmittelbar nach Veröffentlichung der Denkschrift zeigten - gegensätzliche Ansätze und Konzepte deutlicher zutage treten als in den Gremien der E K D selbst. A m 19./20. Mai 1967 verabschiedete der 4. Kirchentag der evangelischen Schlesier 2 eine Thesenreihe mit dem Thema „Die Liebe zum eigenen Volk in der Friedensordnung der Völker" 3 . Ausdrücklich wird darin an die Erklärung „Vertreibung und Versöhnung" angeknüpft, die der Kirchentag „begrüßt" und die er versteht „als Ergänzung in der Sache, als Weiterführung des Gesprächs, aber auch als eine Korrektur von Einseitigkeiten und eine Anregung zur Beseitigung von Fehlern und Mißverständnissen der vorangegangenen ,Ostdenkschrift'. E r hält sie für einen ersten Schritt in der Uberwindung der notvollen Vertrauenskrise, die infolge der Denkschrift in unserer Kirche und in unserem V o l k aufgebrochen ist."

Die Thesen sollten nach dem Willen der G E S auch gerade mit ihrer Zielsetzung eine Fortführung der Synodalerklärung darstellen, „drohenden neuen Spannungen aufgrund von einseitigen Auffassungen mit einer sachlich ausgewogenen Stellungnahme von vornherein zu begegnen und damit ausgleichend und versöhnend zu wirken" 4 .

In ihnen wird der R u f zur Versöhnungsbereitschaft aufgenommen und gleichzeitig, sehr viel grundsätzlicher als in der Spandauer Erklärung, die Hinwendung ( „ L i e b e " ) zum eigenen Volk, dessen W ü r d e und Ansprüchen als eine der Kirche gestellte Aufgabe gekennzeichnet und erläutert. Die Thesen proklamieren kein „Recht auf (die) H e i m a t " ; es fehlt auch nicht der Hinweis auf die „Sünden unseres Volkes" (These VI), doch wird die Kirche andererseits unmißverständlich darauf verpflichtet, die Rechtsansprüche der Völker zu beachten und dabei dem eigenen Volk zur Seite zu stehen 5 . Dieser wird alle drei J a h r e von der G E S zusammengerufen. D e r gesamte Vorgang (teilweise abschriftlich) in: A K K , 518; Beiheft: Hilfskomitees, N r . 1 8 3 6 . V I I , 2 4 8 9 . V I I und 2822 von 1976. - Zur genaueren Motivation, Entstehung und Erläuterung der Thesen vgl. das Referat von Konrad auf der Ostkirchenkonventstagung vom 5. bis 6. 6. 1968 in Plön (Tonbandprotokoll der Tagung, S. 2 8 f f . ; A O K A , C H e ) . Die Thesen, so berichtet Konrad (S. 30), gründeten in einem von ihm vorgelegten Entwurf und waren bereits dreimal vom Vorstand der Gemeinschaft ev. Schlesier abgeändert worden, ehe ein v o m Kirchentag selbst gewählter Ausschuß eine mit geringfügigen Änderungen dann auch tatsächlich verabschiedete vierte Fassung erarbeitet hatte. Die Auseinandersetzungen innerhalb der Gemeinschaft beschrieb Konrad so: „Wir waren beinahe dran, auseinanderzubrechen" (ebd.). 2 3

* So Konrad (ebd.). D e r 4. Kirchentag war deshalb auch ganz bewußt vor das Treffen der Landsmannschaft in München und den gleichzeitig stattfindenden allgemeinen Kirchentag in H a n n o v e r gelegt worden (vgl. ebd.). 5 „Zur Aufgabe der Kirche gehört es, sich der Armen und Entrechteten auch im eigenen V o l k anzunehmen, sich in Solidarität mit den Betroffenen um eine nüchterne Beurteilung ihrer Lage zu bemühen, sie vor liebloser Isolierung zu schützen und ihre Interessen auch im Rahmen des Rechtes mitzuvertreten . . . " (I). Die Kirche werde dem Frieden unter den

250

„Vertriebenenpolitik" und „Neue Ostpolitik"

Vor dem Hintergrund der Denkschrift, aber auch der Synodalerklärung vom 18. März 1966 erscheinen die Thesen deshalb eher als Fortführung jener auf das Heimatrecht abzielenden Position, wie sie bei den kirchlichen Vertriebenengremien seit dem Ende der 50er Jahre in den Vordergrund der Reflexion über die Aufgaben der Vertriebenenseelsorge gerückt war 6 . Von daher ist es auch verständlich, daß gegen den Beschluß des schlesischen Kirchentages doch Widerspruch erhoben wurde, obgleich jener an die Erklärung der Synode der EKD und deren Ruf zu Versöhnung und Frieden anknüpfte. A m 28. Juli 1967 teilte die Leitung der EvangelischLutherischen Kirche in Lübeck dem Ostkirchenausschuß sowie abschriftlich dem Rat der EKD ihr Bedauern über jene Thesen mit. In „verabsolutierender Weise" werde darin von „geschichtlicher Ausprägung des (doch wohl nationalen) Rechts" gesprochen, „trotz aller Beteuerungen, daß es um den Frieden in der Welt gehe", werde hier die Kirche „in unverantwortlicher Weise zu einer Dienerin nationaler Interessen degradiert". Sicherlich muß man es auch auf die Vorgänge in den Monaten zwischen Denkschriftveröffentlichung und der Spandauer EKD-Synode sowie den damit verbundenen „Lernprozeß" zurückführen, daß diese Kontroverse nicht auf der Ebene des Proklamatorischen belassen wurde oder eine lediglich administrative Behandlung erfuhr, sondern zunächst auf schriftlichem Weg 7 , dann aber vor allem auf dem Ostkirchenkonvent im Juni 1968 zu einer ausführlichen Debatte unter maßgeblicher Beteiligung der jeweiligen Repräsentanten, Professor Konrad und des Lübecker Bischofs Heinrich Meyer, geführt hat 8 . Allerdings blieben die divergierenden Positionen von dem Austausch der Argumente weitgehend unberührt. Je weiter die Diskussion fortschritt, um so deutlicher traten die aus der Diskussion vor und nach der Völkern „nur dann dienen, wenn sie deren geschichtliche Ausprägungen und deren Rechtsansprüche nicht überspringt, sondern gewissenhaft beachtet" (III). „Die Kirche widersteht in ihrer Sendung an alle Völker jedem,Freund-Feind-Denken'. Sie darf dabei aber die Liebe des Christen zum eigenen Volk und die Achtung vor dessen berechtigten Ansprüchen auf Einheit, Freiheit und Selbstbestimmung nicht verleugnen. . . . In Treue und Liebe wird sie dem Volk auf dem Wege der Wiedergewinnung und Wahrung seiner Würde, seiner politischen Selbstachtung und seiner Rechte im Rahmen der Völkergemeinschaft geduldig zur Seite stehen" (VI). Die Thesen schließen mit der Mahnung: „Auch wenn nach menschlichem Ermessen die Situation vorläufig aussichtslos erscheint, darf die Kirche nicht resignieren. . . Sie hat im Streben nach versöhnlichem Ausgleich dem Recht unter den Völkern und damit auch dem Recht des eigenen Volkes zu dienen. Dauerhaften Frieden gibt es nur in Gerechtigkeit" (vgl. A n m . 3). 6 Vgl. dazu oben S. 48 ff. 7 Schreiben Konrads als GES-Vorstand am 6. 10. 1967 an die Lübecker Kirchenleitung (vgl. A n m . 3) und Schreiben Meyers an Konrad vom 28. 11. 1967 (ebd.). 8 Tonbandprotokoll, S. 2 8 - 6 8 (ebd.).

Die Thesen des Kirchentages der evangelischen Schlesier

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Denkschrift auch sonst bekannten jeweiligen Anwürfe hervor: Warnten die einen - wie Meyer - vor dem „Prozeß der Tabuisierung und Ideologisierung des Rechtes" als einem neuen „Götzendienst" 9 und forderten von der Kirche Zurückhaltung gegenüber einer allzu sicheren Verwendung des National- und Volksbegriffs 10 , so sahen die anderen gerade die N o t wendigkeit, daß die Kirche sich für das Recht einsetzt", sie warnten davor, das Problem von Volk und Nation totzuschweigen und die damit verbundenen Faktoren nicht ernst genug zu nehmen12. Und doch ließ diese Diskussion auf dem Ostkirchenkonvent an einer Stelle eine Verknüpfung der Denkschriftproblematik mit Ursprung und Entwicklung der Vertriebenenseelsorge in einer Weise sichtbar werden, wie dies allenfalls noch in der Behandlung der Stuttgarter Schulderklärung vor und während der Synode im März 1966 der Fall war; und nicht zufällig besteht auch ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Bezügen. In seiner Erläuterung der VI. These des schlesischen Kirchentages13, die trotz unbestrittener Einzelaussagen in ihrer Gesamttendenz auf Skepsis und Widerspruch der Denkschrift-Befürworter traf14, ließ Konrad die seelsorgerliche Situation „in der Katastrophenzeit" wieder aufleben: „Diese These 6 hat ihre besondere Bedeutung, weil sie das politisch seelsorgerliche Amt der Kirche am eigenen schuldbeladenen und geschlagenen Volk so dringlich herausstellt. Dahinter steht für uns Schlesier, überhaupt wohl für die Ostvertriebenen stehen Erinnerungen und Erfahrungen an die Haltung ihrer Kirche in der Katastrophenzeit. Wir hatten uns damals als die Geschlagenen unter dem Trümmerkreuz zusammengefunden und zu Gott geschrien um unser täglich Brot und die Vergebung unserer Schuld. Diese beiden Bitten besonders herausgehoben. Es wäre mehr als pharisäisch gewesen damals zu sagen, daß ihr hungern müßt ist Gottes Gericht über eure abgrundtiefe Schuld. Es galt vielmehr mitten im Gericht Gottes Barmherzigkeit zu suchen, die noch kein Ende hat und alle Morgen neu ist. Und die Güte des Herrn zu preisen, daß wir nicht garaus sind. Diese Verse aus den Klageliedern Jeremiae standen uns in den schlimmsten Tagen vor Augen. Die Gnade des Evangeliums verband sich damals greifbar mit der Liebe zum Elend unseres Volkes. Wir wagten uns der vergebenden und erneuernden Gnade Gottes anzuvertrauen, um uns so über das eigene Unrecht, wie über das Unrecht, das uns nun selbst angetan wurde, hinaustragen zu lassen. So konnten verbitterte Haßgefühle eines bloßen Freund-Feinddenkens überwunden werden, ebenso wie eine ohnmächtige Verzweiflung am Lebensrecht unserer Bevölkerung. Und es konnten, von der Kirche her ermuntert und organisiert, Kräfte gegenseitiger Hilfe und auch zur Verhandlung mit den russischen und polnischen Machthabern mobilisiert werden, die uns nicht nur zur Fristung der nackten Existenz, sondern auch zur Wiederfindung einer neu geschenkten Selbstachtung und trotz aller Unterdrückung zu einem Stück Selbstverwaltung mit verholfen haben, die der N o t unseres Volkes steuern sollte. Diese Gemeinschaft im wechselseitigen Einsatz füreinander und in der Liebe hat bis • Ebd., S. 66. 10 Vgl. denselben (ebd., S. 43 f., 65 und 67). " Seelsorge darf nach Konrad (ebd., S. 65; vgl. mehrfach vorher) sich nicht auf bloßes Vertrösten beschränken, sondern muß sich um konstruktive Gestaltung bemühen. 12 Vgl. etwa Konrad (ebd., S. 64). 13 Vgl. oben S. 249, Anm. 3 14 Vgl. etwa Meyer (Anm. 8, S. 46 f.).

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.Vertriebenenpolitik" und „Neue Ostpolitik"

weit über die Zeit der Vertreibung hinaus die Vertriebenen und die Kirche zusammengebunden. Die Erschütterung dieses Vertrauens brachte erst die Denkschrift mit ihrer höchst bedenklichen Gerichtstheologie, mit ihrem geschichtsfremden Denken, ihrer Hinneigung zum Rechtsverzicht und mit all den Äußerungen, in denen die Distanzierung von den berechtigten Anliegen der Vertriebenen spürbar wurde. Mit einem seelsorgerlich gemeinten bloßen Schulterklopfen war das nicht zu reparieren . . . W i r verkennen wahrhaftig nicht das große Maß des Unrechts, das auf unserm Volk lastet, aber Unrecht kann nicht durch neues Unrecht überwunden werden und macht auch nicht einfach rechtlos, wenn anders das Gotteswort der Vergebung gilt und zwar für alle Schuld der Welt, dann wird das W o r t von der Versöhnung, das der Kirche aufgetragen ist, sich auch politisch auswirken müssen. Sicher nicht im Sinne des Schalksknechtes, der seinen Schuldner nun ins Gefängnis bringt, nicht im Sinne der Bestärkung einer fanatischen Rechthaberei ohne eigene Aussöhnungsbereitschaft, aber auch nicht im Sinne der Preisgabe der politischen Rechte des eigenen Volkes." 15

Das, was seiner ethisch-politischen Konsequenz nach tatsächlich die kirchliche Verkündigung an eine Art von Rechtsideologie binden könnte, wird hier nicht einfach als unausweichliche Ableitung bestimmter theologischer Grundpositionen, wie der Zwei-Reiche-Lehre und Schöpfungstheologie - im Gewand des Luthertums im 19. und 20. Jahrhundert vertreten. Die Aufforderung an die Kirche, Anwältin bestimmter Rechtspositionen zu sein, erwächst vielmehr aus der Übertragung und Verlängerung der seelsorgerlichen Aufgaben, wie sie unmittelbar mit dem Vertreibungsgeschehen der Kirche gestellt waren, auf die politische und seelsorgerliche Situation im siebten Jahrzehnt. Der frühere kirchliche Dienst an den Vertriebenen als den Mühseligen und Beladenen, den von äußerer und seelischer Not Gequälten bestimmt danach die Erwartungen, die von dieser Seite der Kirche und ihrer „politischen Diakonie" 16 entgegengebracht wurden. Konrads Argumentation füllt mit Inhalt aus, was oben mehrfach als ein gruppenseelsorgerliches Konzept umschrieben worden war, die Bestimmung des geistlichen Auftrags der Kirche aus deren konkreter Bindung an bestimmte Gruppen 17 . Das Bild der Vertriebenen von der Kirche wäre demnach geprägt vom kirchlichen Zuspruch und Beistand, wie sie den Vertriebenen in der damaligen Notsituation zuteil wurden und weit über die Zeit unmittelbarer Not hinaus den Betroffenen Halt gewährten. Aus der damaligen Nothilfe der Kirche, besonders ihrer Verkündigung leitet Konrad die Pflicht ab, den Vertriebenen bzw. dem deutschen Volk in dem Bemühen um Wahrung seiner Rechte innerhalb einer Rechtsgemeinschaft der Völker beizustehen. Wurde oben im Zusammenhang der 15 Ebd., S. 3 8 f . " Dieser Begriff stand übrigens im Vordergrund der gesamten Konventstagung („Recht und Grenzen der politischen Diakonie"); sein Gebrauch wurde dort größtenteils sehr kritisch beurteilt (vgl. v o r allem das Referat von Krimm: „Der politische Dienst des Christen und seiner Kirche"; ebd., S. 1 ff.). 17 Vgl. vor allem oben S. 1 8 8 f f . ; vgl. S. 2 1 2 f . u. Bd. I, S. 3 8 7 f .

Vertriebenenverbände und evangelische Kirche

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Auseinandersetzung um die Denkschrift nur allgemein festgestellt, daß die Position der kirchlichen Vertriebenenvertreter sowie die von ihnen konstatierte Enttäuschung der Betroffenen nur als Auswirkung und Ergebnis der Vertriebenenarbeit verständlich wird", so kann Konrads Argumentation als eine unmittelbare Veranschaulichung und bewußt vollzogene Herleitung dessen gelten, was in den Augen vieler Vertriebenenseelsorger die Aussagen der Denkschrift über Schuld und Gericht an traumatischen Folgen hinterlassen haben. Dieser Teil der Argumentation fand in der weiteren Aussprache kaum Beachtung und konnte schon gar nicht zu einer Änderung der gegenteiligen Position führen. Das Neben- und Gegeneinander von Befürwortern und Gegnern der Denkschrift blieb vielmehr bestehen - auf der Plöner Tagung des Ostkirchenkonvents wie in der evangelischen Kirche überhaupt. So wenig die Spandauer Synodalerklärung von 1966 daran etwas zu ändern vermocht hatte, so wenig wandelte sich das Bild bei den Äußerungen im Zusammenhang der Diskussion um die Ostverträge.

2. Vertriebenenverbände

und evangelische Kirche nach der Denkschrift

Der Wandel, den die Denkschrift in der Vertriebenenseelsorge bewirkt hatte, die damit aufgebrochenen und auch durch die Spandauer Synodalerklärung keineswegs beseitigten Divergenzen, fanden im Verhältnis der evangelischen Kirche zu den säkularen Vertriebenenverbänden ihren unübersehbaren Niederschlag. Im Blick auf die Heftigkeit der Polemik, andererseits aber auch im Bemühen um gegenseitigen Austausch und Ausgleich erreichte dieses Verhältnis in der Zeit nach der Denkschrift eine vorher so nicht gekannte Intensität. Waren politische Diakonie und Seelsorge an der Gruppe der Vertriebenen in mancher Hinsicht während der Denkschriftauseinandersetzungen als disparate Aufgabengebiete erschienen, so trafen in der Beziehung zu den Vertriebenenverbänden jene beiden Bereiche und Aufgaben in jedem Fall zusammen. Diese Verbände repräsentieren beides: eine die gesamte Öffentlichkeit betreffende und bestimmende Richtung der Politik und die Gruppe, das Partielle. Einzelne Bemühungen um eine Intensivierung des Verhältnisses reichen bereits in die Zeit der Entstehung der Denkschrift zurück 19 ; die öffentliche Polemik hatte noch vor Ende der Sperrfrist für die Veröffentlichung begonnen 20 . Doch nahezu gleichzeitig kam es auf unterschiedlichen Ebenen zu Kontakten, setzten Bemühungen um einen Ausgleich ein21.

18

Vgl. oben S. 189f.

20

19

Vgl. oben S. 98 f.

21

Vgl. oben S. 150 ff. Vgl. oben S. 2 1 1 , A n m . 1.

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.Vertriebenenpolitik" und „Neue Ostpolitik"

Den verbalen Höhepunkt der Auseinandersetzung stellen zweifellos die Äußerungen dar, die im Sommer 1966 auf den großen Vertriebenentreffen, den ersten nach Veröffentlichung der Denkschrift, zum Thema abgegeben wurden. „Liegt eine kirchenpolitische Frontstellung gegen Millionen seelisch verwundeter Menschen, liegen Pauschalverdächtigungen gegen die Berliner Heimatvertriebenen im Rahmen des religiösen Auftrages der Evangelischen Kirche? Wäre es nicht besser, den Weg der Versöhnung innerhalb des zerrissenen deutschen Volkes zu gehen, statt den Machthabern von Pankow oder Warschau nach dem Munde zu reden?"

Mit diesen Fragen attackierte der Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV) Jaksch am 28. August 1966 auf dem Berliner „Tag der Heimat" die EKD 22 , deren „Führungsgremien" er eine „Sinnesänderung . . . in den Fragen des Vertriebenenschicksals und der Ostpolitik" empfahl: „Warum setzen sich jene kirchlichen Kreise, die den Vertriebenenverbänden hochmütige Belehrungen geben, nicht für eine Verbesserung des Lastenausgleichs ein? Warum schweigen die Herren Prof. Raiser, Oberkirchenrat Wilkens und auch Bischof Scharf zur Verschleppung der längst versprochenen 19. LAG-Novelle durch die Bundesregierung?" 2 3

Der Sprecher der Pommerschen Landsmannschaft hielt der evangelischen Kirche den katholischen Vertriebenenbischof Janssen entgegen, der auf dem Katholikentag in Bamberg das W o r t „Gericht Gottes" durch „Anrufung Gottes" „ersetzte" und den Priestern seiner Kirche empfohlen habe, „das W o r t Gottes zu verkündigen und sich nicht so sehr in die Händel der Welt einzumischen". Eggert warnte zugleich „die Leitung der evangelischen Kirche vor der Anfertigung einer Friedensdenkschrift 24 , weil der Kampf mit der Kirche dann unerbittlich geführt werden muß, sehr zum Schaden der Kirche" 25 .

Der westfälische Präses Wilm sah darin „eine Drohung, die fatal an die Machenschaften der SS gegen die Bekennende Kirche wegen der Bittgottesdienste für den Frieden im Herbst 1938 erinnert" 26 .

Eine regelrechte „Personaldebatte" eröffnete der Berliner Landesvorsitzende Hans Matthee in seiner Ansprache. Mit der Ernennung von Besch zum neuen Vertriebenenbeauftragten der E K D sah er - nach der Denkschrift - „erneut bewiesen", daß der E K D „an der Wiederherstellung des Vertrauensverhältnisses zu den Heimatvertriebenen wenig gelegen" sei, und Schloß sich dem oben bereits erwähnten Urteil in „Die 22

HANDAKTEN WILKENS, X / 2 2 , S. 5.

Ebd. Vgl. zum Problem selbst Bd. I, S. 447ff. Die Beschäftigung mit den Friedensproblemen hatte sich die Kammer für öffentliche Verantwortung damals zur Aufgabe gemacht. Als Ergebnis legte sie 1968 die Studie „Friedensaufgaben der Deutschen" vor (vgl. K J 1968, S. 115-123). 25 S. 2 (vgl. A n m . 22). Vgl. in dem Zusammenhang auch den Vorgang oben S. 186, 26 Schreiben an den O K A vom 6. 9. 1966 ( A O K A , C 12/1966) Anm. 119. 23 24

Vertriebenenverbände und evangelische Kirche

255

W e l t " v o m 22. August 1966 an, bei der Berufung von Besch habe nicht „die Seelsorge" im Vordergrund gestanden, sondern „das Bemühen, die eigene Position zu rechtfertigen und zu stärken". Mit Gülzow hätte die Kirche dagegen einen Mann ernennen können, „der wie kaum ein anderer für die Mittlerrolle zwischen Kirche und Vertriebenen prädestiniert" sei27. A m schärfsten fielen die Angriffe gegen den Berliner Bischof Scharf aus, den Matthee anhand mehrerer Äußerungen und Vorgänge zu disqualifizieren suchte 28 . Es ist wohl keineswegs überinterpretiert, in solchen Äußerungen einen Beleg dafür zu sehen, daß die Vertriebenenverbände damals die Gremien der E K D als einen Hauptgegner ihrer eigenen politischen Bestrebungen betrachteten und sie deshalb zur Zielscheibe ihrer öffentlichen Kritik machten. Dagegen wurden Sprecher der evangelischen Kirche, die sich ablehnend oder kritisch zur Denkschrift geäußert hatten, öffentlich gelobt 29 . Solche Äußerungen auf den Vertriebenentreffen blieben nicht ohne kirchliche Resonanz. Die berlin-brandenburgische Kirchenleitung wies die Anwürfe gegen Bischof Scharf zurück, und Wilkens griff in einem epd-Artikel die, wie er meinte, „mitunter bis zur Maßlosigkeit gesteigerte Polemik" an 30 , schloß aber mit der Hoffnung, „daß es den Führern der Vertriebenenverbände gelingt, die Vorkommnisse der letzten W o c h e n als Episode zu betrachten, die zu beenden ein dringendes G e b o t der Vernunft ist."

U n d in der Tat gab es auf beiden Seiten damals und dann im darauffolgenden J a h r konkrete Bemühungen um Kontakte und Ausgleich 31 . S. 3 f. (vgl. A n m . 22). Vgl. dazu oben S. 185 f. S. 3 (vgl. A n m . 22). Die Kirchenleitung von Berlin-Brandenburg hat darauf mit Richtigstellung der Vorgänge reagiert. Vgl. das Schreiben Wilms an den O K A vom 6. 9. 1966 ( A O K A , C 12/1966). A u f derselben Berliner Veranstaltung distanzierte sich Bundesminister Erich Mende von den, wie er sagte, „theologischen Anerkennungsangeboten an Warschau". Lediglich der Berliner Regierende Bürgermeister Willy Brandt hatte zuvor dem Rat der E K D und B i s c h o f Scharf „für ihre Sorge und Unterstützung auf dem steinigen Gebiet des Ringens um menschliche Erleichterungen und um die Bewahrung der nationalen Substanz" seinen „aufrichtigen D a n k " ausgesprochen. Vgl. E. WILKENS, Spielregeln. 27

28

29 So h o b Matthee auf der Berliner Veranstaltung außer G ü l z o w noch „die klare Stellungnahme des Pfarrers Marienfeld" und u. a. die Broschüre des Kirchenältesten D r . K. SALM (Antwort) hervor. Ein Zusammenhang mit dieser Art von Sondierung und der Verleihung von BdV-Ehrenplaketten für Verdienste um den deutschen O s t e n an Repräsentanten der kirchlichen Vertriebenenarbeit, wie den Hildesheimer B i s c h o f Janssen als Beauftragten der Fuldaer Bischofskonferenz und an den Vorsitzenden des Kath. Flüchtlingsrates sowie die Ο Κ Α - M i t g l i e d e r B r u m m a c k und G ü l z o w , am Vorabend der Berliner Kundgebung besteht jedoch nicht ohne weiteres. Wie G ü l z o w in seinem Schreiben vom 22. 9. 1966 an Wilm ( A O K A , C 12/1966) ausführlich mitteilte, war die Verleihung bereits seit Anfang 1965 geplant. A u c h Girgensohn zählte zu den Trägern jener Ehrenplakette. JC 31

Vgl. oben A n m . 28. Vgl. schon die Vorgänge vom N o v e m b e r 1965 (oben S. 211 f., A n m . 1). - H i e r muß in

256

„Vertriebenenpolitik" und „ N e u e Ostpolitik"

Als der neu ernannte Vertriebenenbeauftragte des Rates der E K D , Besch, am 4. Oktober 1966 dem Präsidenten des BdV, Jaksch, einen Besuch abstattete, zeigte dieser deutlich den Wunsch nach einer Verbesserung des Verhältnisses zwischen E K D und BdV. Es wurde vorgesehen, „in absehbarer Zeit" ein Gespräch zwischen beiden stattfinden zu lassen, für das Jaksch bereits zwei „Themenkreise" vorschlug, die „Interpretation der Synodal-Erklärung" (vom 18. März 1966) und die „religiöse und säkulare Deutung des Vertriebenenschicksals" 32 . Das hätte praktisch eine Wiederaufnahme der unmittelbar nach dem Erscheinen der Denkschrift begonnenen Gespräche bedeutet. A m 8./9. Juni 1967 stimmte der Rat der E K D einer entsprechenden Anregung von Besch zu und beauftragte ihn, den Ratsvorsitzenden Dietzfelbinger, das Ratsmitglied Puttfarcken und die Oberkirchenräte Gundert und Wilkens von der Kirchenkanzlei, die Gespräche zu führen". Sicherlich kam in dieser Zusammenstellung der Gesprächsteilnehmer der Wunsch zum Ausdruck, bei der Begegnung mit den Repräsentanten der Vertriebenenverbände zum Abbau der entstandenen Spannungen und zur angestrebten Verständigung nicht gerade durch ein Zurückziehen des Konzepts der politischen Diakonie, der Seelsorge und des Verkündigungsauftrags der Kirche zu gelangen, wie es der Billigung der Denkschrift zugrundelag und in der Sicht des Rates durch die Synode der E K D im März 1966 auch im wesentlichen bestätigt worden war. So ist es wohl zu erklären, daß der Rat keinen Vertreter der kirchlichen Vertriebenenorganisationen, d.h. in diesem Fall etwa den Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses, benannte. Abgesehen davon, daß keine wesentliche Andediesem Zusammenhang auf die Ansprache des BdV-Vizepräsidenten Rehs auf dem Bundestreffen der Ostpreußen Anfang Juli 1966 hingewiesen werden. EPD-Rheinland N r . 73 v o m 4. 7. 1966 faßte jedenfalls die Aussagen unter der Überschrift zusammen „Denkschrift sollte nicht Anlaß zu dauerndem Konflikt sein". Beachtlich war bereits der Beitrag von R. REHS Anfang 1966, der zwar äußerst kritisch die „irrtümlichen Ausgangsvorstellungen der Denkschrift bloßzulegen" versucht, dabei aber dem Ziel dienen soll, „überhaupt erst die Sicht füreinander freizumachen" und, wie Rehs im letzten Satz schreibt, „den Weg zum Verständnis zu erweitern" (Heimatvertriebenen, S. 144). Man könnte allerdings einige Aussagen in der Ansprache des BdV-Vizepräsidenten Anfang Juli 1966 gerade umgekehrt als Ankündigung einer Verschärfung des Konflikts verstehen, wenn er etwa von einer „hinter der O s t Denkschrift stehenden Minderheit der evangelischen Kirche" spricht und im Blick auf die Spandauer Erklärung v o m 18. 3. 1966 warnt: „Aber wenn die Denkschriftverfasser die Erklärung der Berliner Synode als Wandschirm behandeln, hinter dem sie die Polemik weiter betreiben und die falschen und einseitigen Argumentationen wiederholen, wenn also entgegen der Berliner Synodalerklärung unsere Einwendungen nicht ernst genommen werden, dann kann man nicht damit rechnen, daß wir dazu still sind." 32 Aktenvermerk Gunderts v o m 5. 5. 1966 ( A K K , 6454; Beiheft: Beauftragter der E K D für die Flüchtlingsarbeit. Pastor D . Besch - Bremen). 33 E b d . (Beiheft: Gespräch mit dem BdV). Anstelle von Puttfarcken nahm das Ratsmitglied Weeber an dem Gespräch teil, außerdem noch Bischof Kunst (vgl. ebd.).

Vertriebenenverbände und evangelische Kirche

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rung in der Position dieser Gremien hinsichtlich der seelsorgerlichen Aufgaben an den Vertriebenen gegenüber der Zeit vor dem Erscheinen der Denkschrift erkennbar war, Ostkirchenausschuß und Ostkirchenkonvent sich vielmehr, wie oben dargestellt, auf die Spandauer Synodalerklärung im Sinne einer Bestätigung ihrer Bedenken und einer wesentlichen Revision des Denkschriftkonzepts beriefen, schien die Mehrheit im Rat einer Einschätzung zuzuneigen, wie sie z . B . dem kritischen Schreiben des Ratsmitglieds und westfälischen Präses Wilm 34 zugrundeliegt. Nachdem er den Vorgang der Spandauer Synodalerklärung angesprochen hatte, stellte er dem Ostkirchenausschuß angesichts der Angriffe von Vertriebenensprechern auf Gremien der E K D die Frage: „Stehen Sie jetzt nicht vor der Entscheidung, ob Sie denen näher stehen wollen, die aus politischen und nationalistischen Motiven der evangelischen Kirche feind sind und das Vertrauen der Menschen unseres Volkes zu ihrer Kirche permanent untergraben oder ob Sie bei Ihren bisherigen Brüdern in der Kirche stehen wollen, denen es wahrlich auch um ihre heimatvertriebenen Brüder geht? Ich frage Sie so, weil es mir darum geht, daß wir zusammenbleiben."

Auch wenn Gülzow in seiner Antwort 35 belegen konnte, daß und wie die Mitglieder des Ostkirchenausschusses den Angriffen der Vertriebenensprecher etwa auf der Berliner Kundgebung zum „Tage der Heimat" nach besten Kräften entgegengetreten sind, andererseits aber „diese böse Hetze gegen den Rat und die E K D " nicht hätten verhindern können, ließ er doch erkennen, daß die Ursache für diese Reaktionen in „einer Reihe von höchst unglücklichen Passagen" der Denkschrift zu sehen sei, auf die er den Ratsvorsitzenden noch rechtzeitig aber vergeblich hingewiesen habe. Schließlich klagte Gülzow: „Wir [haben] . . . in Verantwortung für die Kirche und die Liebe zur Kirche, getrieben von unserem Gewissen, getrieben von dem Auftrag zur Seelsorge, uns in die schwierige Situation begeben, daß wir von der einen wie von der anderen Seite als unzuverlässig angesehen werden."

Mit einer solchen Haltung schien wohl nicht nur dem westfälischen Präses, sondern auch den meisten übrigen Ratsmitgliedern der Ostkirchenausschuß zu wenig dafür gerüstet zu sein, den säkularen Vertriebenensprechern in ausreichender Selbständigkeit und Freiheit gegenübertreten zu können 36 . Wenn auch den Ratsmitgliedern nicht bekannt, so lag doch zu jenem Zeitpunkt der Entscheidung bereits die Erfahrung eines Gedankenaustausches zwischen dem Ostkirchenausschuß und dem BdV-Präsidium vor. 34 35 36

Vgl. oben S. 254f., Anm. 26 und 28. Vom 22. 9.1966 (AOKA, C 12/1966). Vgl. auch noch das Schreiben von Wilkens an Wilm vom 22. 6. 1966 (HANDAKTEN

WILKENS, X I / 2 3 ) .

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.Vertriebenenpolitik" und „Neue Ostpolitik"

Am 14. April 1967 hatten sich Vertreter beider Gremien getroffen 37 , ohne daß es zu - aus der zugegebenermaßen knappen Aktennotiz des Geschäftsführers Rauhut - erkennbaren Differenzen darüber gekommen ist, wie sich die evangelische Kirche legitimerweise zur Vertriebenen- und Ostfrage zu äußern habe. Lediglich die Frage, welche Position denn zum Zeitpunkt des Gesprächs die für die gesamte EKD gültige sei, bedurfte einiger Klärung38. Die Divergenzen, wie sie im Zusammenhang der Denkschrift zwischen den Gremien der EKD und den kirchlichen Vertriebeneninstitutionen aufgebrochen waren, hatten sich durch die Vorbereitung und Verabschiedung der Spandauer Synodalerklärung letztlich eher verfestigt als daß sie verringert oder gar ausgeräumt worden wären. Und es war danach auch kaum eine Möglichkeit erkennbar geworden, wie dieser Zustand hätte geändert werden können. Die Argumente waren erschöpft, auch wenn der Ostkirchenausschuß, in seinem Arbeitskreis für Ethik und Recht etwa, weiterhin den Versuch unternahm, zwischen dem im wesentlichen Anfang der 60er Jahre entwickelten Konzept und dem seither eingetretenen politischen Wandel zu vermitteln39. So ist es nicht zuletzt auf solche inhaltlich-sachlichen Gründe zurückzuführen, daß die offizielle Diskussion zwischen dem Ostkirchenausschuß und anderen Gremien der EKD, vor allem der Kammer für öffentliche Verantwortung, nicht mehr in Gang kam, auch wenn dies zunächst noch intendiert worden sein mag40. So wurde der Ostkirchenausschuß zu den Gesprächen mit dem BdV vom Rat der EKD auch nicht mehr hinzugezogen, weil der Rat den Weg, wie ihn die EKD mit der Denkschrift eingeschlagen hatte, im Ostkirchenausschuß eben nicht repräsentiert und mitvollzogen sah. Zumindest gegenüber den Gremien der EKD war der Ostkirchenaus37

Aktennotiz Nr. 1038 vom 14. 4. 1967 (ΑΟΚΑ, A 7/1967). BdV-Präsident Rehs (er war Nachfolger des inzwischen verstorbenen Jaksch) und andere Präsidiumsmitglieder bekannten sich, wie Rauhut (ebd.) schreibt, „ausdrücklich zum Inhalt der Spandauer Erklärung", hielten dem jedoch Äußerungen von verantwortlichen Männern der EKD entgegen, in denen sie jene Erklärung nicht berücksichtigt fanden. Die ΟΚΑ-Vertreter wiesen „in der Erwiderung" darauf hin, „daß die höchste Autorität in der Evangelischen Kirche in Deutschland die Synode der E K D hat. Demzufolge ist die Spandauer Erklärung die gültige Interpretation der Ost-Denkschrift. Abweichende Meinungen sollten deshalb in ihrer Bedeutung für die Kirche nicht überbewertet werden" (ebd., Pkt. 2 und 3). 39 Die Themen des Arbeitskreises bewegten sich 1966 bis 1968 um den von der EKDSynode hervorgehobenen Begriff der „Haftungsgemeinschaft" sowie Fragen des Völkerrechts und schließlich, parallel zur Arbeit der Kammer für öffentliche Verantwortung, um das Problem der „Friedensaufgaben" (vgl. die Protokolle in ebd. von 1966 ff. und die betr. OKA-Jahresberichte). 40 Solche Kontakte zwischen dem O K A und der Kammer zur weiteren Klärung der seelsorgerlichen und ostpolitischen Fragen waren im Frühjahr 1966 noch vorgesehen worden. Vgl. die nächste Anm. 38

Vertriebenenverbände u n d evangelische Kirche

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schuß damit in eine Isolierung geraten, diese führte mit einer gewissen Logik auch zu einem allmählichen Verlust seiner Bedeutung - wenigstens als Organ der E K D - bei den säkularen Gesprächspartnern, wie etwa dem BdV. D e m Ostkirchenausschuß ist diese Tendenz der Isolierung schon frühzeitig bewußt gewesen 41 , und er hat sich dagegen mehrfach zur Wehr gesetzt, sei es unter Berufung auf eine von seiner Aufgabenstellung zwangsläufig sich ergebene Position zwischen allen Stühlen 42 , sei es bloß mit dem Hinweis auf die Geschäftsordnung des Ausschusses, nach welcher er „die Organe der E K D in den Angelegenheiten der Ostpfarrer und der geistlichen Versorgung der Ostvertriebenen zu beraten" habe 43 , oder sei es durch die N u t z u n g von Möglichkeiten, z.B. overlapping membership, die sich kirchlicher Einflußnahme entziehen, wie dies im Fall der Gespräche zwischen E K D und BdV geschah: Das Präsidium des BdV benannte nämlich neben dem Präsidenten Rehs, Philipp von Bismarck und Freiherr von Braun noch G ü l z o w , Konrad und den sudetendeutschen Pfarrer Erik Turnwald als Teilnehmer 44 . Der Vorsitzende des Ostkirchenausschusses nahm dann bei den weiteren Gesprächen doch schließlich auf Seiten der E K D teil45. BdV und E K D trafen Ende 1967, zwei Jahre nach Erscheinen der Denkschrift, schließlich zum ersten Gespräch dieser Art zusammen, dem binnen Jahresfrist noch zwei weitere folgen sollten. Bereits die Vertriebenentreffen im Sommer 1967 hatten erkennen lassen, daß dem BdV nicht daran gelegen war, seine Beziehung zur evangelischen Kirche und deren Repräsentanten von dem Charakter bestimmt sein zu lassen, den die Kundgebungen des vorhergehenden Jahres geprägt hatten. Der Verlauf des Berliner „Tages

41 Auf der Mitgliederversammlung des O s t k i r c h e n k o n v e n t s stellte G ü l z o w am 13. 11. 1967 fest: „Gewisse T e n d e n z e n zu einer Isolierung des Ostkirchenausschusses seien zu beobachten. So sei der Vorsitzende des Ostkirchenausschusses zu der bevorstehenden Tagung der E K D und des Präsidiums des Bundes der Vertriebenen nicht eingeladen w o r den." Z u v o r hatte G ü l z o w bereits berichtet, daß er o h n e Erfolg den Rat der E K D gebeten habe, Gespräche zwischen O K A und Ö f f e n t l i c h k e i t s k a m m e r „etwa über das T h e m a ,Was ist eigentlich Schuldhaftung?'" als F o r t s e t z u n g der früheren Gespräche zu f ü h r e n . Die Kammer, so sei G ü l z o w gesagt w o r d e n , sei „derzeit mit soviel anderen Fragen befaßt . . daß sie diese Fragen gegenwärtig nicht a u f n e h m e n k ö n n e " (Niederschrift in: A O K A , C 14e, N r . 4073, S. 2). 42 Vgl. etwa G ü l z o w s A n t w o r t s c h r e i b e n an Wilm vom 22. 9 . 1 9 6 6 (ebd.). 43 So z . B . der Ο Κ Α - V o r s i t z e n d e am 13. 3. 1970 an den amtierenden Ratsvorsitzenden der E K D , Bischof Scharf, aus Anlaß eines W o r t e s , das der Vertriebenenbeauftragte der E K D , Besch, im 25. Jahr nach Kriegsende an die Vertriebenen gerichtet hatte, o h n e daß zuvor der O K A hinzugezogen w o r d e n wäre. 44 Schreiben Rehs' an Besch v o m 17. 11. 1967 ( A K K , 6454, Beiheft: Gespräch mit dem BdV, Az. 2654). 45 Vgl. die A k t e n n o t i z e n über die Gespräche am 30. 5. 1968 u n d 21. 11. 1968 (ebd.).

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,Vertriebenenpolitik" und „ N e u e Ostpolitik"

der Heimat" 1967 belegt besonders anschaulich, daß beide Seiten aufeinander zugingen 46 . Die ersten drei Gespräche zeigten bereits an, daß sie eher der Klärung der gegenseitigen Standpunkte dienten, als daß sie die eine oder andere Seite zur Aufgabe wesentlicher Positionen hätten veranlassen können. Trachteten die Vertreter des BdV danach, „möglichst zu praktischen Ergebnissen" zu gelangen, worunter Rehs beispielsweise verstand, „daß künftigen seelischen Belastungen der Ostdeutschen durch einseitige politische Meinungsäußerungen" der Kirche vorgebeugt werde 47 , so suchte die E K D andererseits Verständnis zu wecken für die Wandlungen der Kirche, ihres Verhältnisses zu Staat, Gesellschaft und ihrer eigenen Ordnung und für neue Aufgabenstellungen, die sich daraus sowie aus der Einbindung in die Ökumene ergaben 48 . In den Gesprächen zeigte sich zudem, daß der geleistete Beitrag der Kirche zur Aufnahme der Vertriebenen und zur Lösung des Vertriebenenproblems unterschiedlich bewertet wurde. Daraus erwuchs bereits beim zweiten Treffen die Anregung, „die E K D möge eine Dokumentation herausgeben über das, was seit 1945 in der Frage der Flüchtlinge und Vertriebenen getan worden ist" 49 . Dieser Impuls sollte mitentscheidend für das Entstehen der vorliegenden Arbeit werden. Ganz abgesehen von dem durch die politische Entwicklung herbeigeführten Wandel der Problemstellung, auf grund dessen sich manches erübrigte, was vorher zu Kontroversen geführt hätte, waren die Beziehungen zwischen Vertriebenenverbänden und evangelischer Kirche nie wieder so gespannt wie unmittelbar nach dem Erscheinen der Ost-Denkschrift, vor allem aber im Sommer 1966.

46 Den ev. Gottesdienst hielt der Vertriebenenbeauftragte Besch, wofür ihm gerade der Berliner Landes vorsitzende Matthee seinen Dank aussprach. Besch, der im Jahr zuvor neben Scharf (vgl. oben, S. 254) von einigen Vertriebenensprechern persönlich attackiert worden war, hatte es wegen dieser Angriffe abgelehnt, an der Kundgebung zum „Tag der H e i m a t " teilzunehmen. Dort fanden die Sprecher der Vertriebenenverbände jedoch für beide Repräsentanten der E K D „ausgesprochen freundliche Worte". D e m Berliner Bischof wurde besonders für seinen Brief gedankt, den er im August 1967 an die Heimatvertriebenen gerichtet hatte (vgl. EPD Z A N r . 190 vom 21. 8. 1967). BdV-Präsident Rehs teilte auf der Kundgebung mit, „daß verheißungsvolle Gespräche mit der E K D in Vorbereitung seien" (Schreiben Beschs an Dietzfelbinger vom 8. 9. 1967; vgl. Anm. 182, N r . 2140); vgl. auch E P D Z A N r . 199 vom 31. 8. 1967. 47 Schreiben Rehs' an Besch vom 15. 5. 1968 ( A K K , 6454, Beiheft: Gespräch mit dem BdV, Anlage zu N r . 1067). 48 Vgl. z . B . Aktennotiz des Gesprächs am 21. 11. 1968 (ebd.). 4 ' Aktennotiz über das Gespräch am 30. 5. 1968 (ebd., Anlage zu N r . 1169). Vgl. auch Einleitung zum ersten Band.

Kapitel 7 VERTRIEBENENSEELSORGE ANGESICHTS DER OSTPOLITISCHEN E N T S C H E I D U N G E N

Uberblickt man die Vertriebenenseelsorge der evangelischen Kirche in den Jahren bis zur Ratifizierung der Ostverträge 1972, so lassen sich zwar keine neuen Elemente oder gar veränderte Konzeptionen erkennen, die politische Entwicklung konnte aber sehr wohl dazu führen, daß bestehende Fronten, aber auch Argumentationszusammenhänge innerhalb der Seelsorge sich änderten. Bereits im Oktober 1966 formulierte der Staatssekretär im Bundesvertriebenenministerium, Nahm, der selbst führend in der katholischen Vertriebenenarbeit tätig war, die Aufgabe der Vertriebenenseelsorge unter den Vorzeichen der neuen Ostpolitik. Die Kirche, so meinte Nahm damals: „sollte nicht avantgardistisch reden, s o n d e r n z u m Samariterdienst an den V e r t r i e b e n e n bereit sein, zumal in den nächsten J a h r e n mit Entscheidungen im Hinblick auf den O s t e n gerechnet w e r d e n m u ß , die den V e r t r i e b e n e n sehr w e h tun."'

Diese Aufgabenstellüng begründet den Zusammenhang, der den Denkschriftvorgang mit der Vertriebenenseelsorge in den Jahren bis 1972 verknüpft. Jenes Motiv des „Samariterdienstes" lag doch gerade auch der Erarbeitung und Veröffentlichung der Denkschrift durch die Gremien der EKD zugrunde. Es erlangte angesichts des tatsächlichen Fortschreitens der ostpolitischen Entwicklung zunehmende Aktualität. Das Jahr 1970 bot historischen wie aktuellen Anlaß für eine besondere seelsorgerliche Zuwendung den Vertriebenen gegenüber. Zum 25. Mal jährte sich die deutsche Kapitulation mit Kriegsende und Vertreibung; gleichzeitig standen die Verhandlungen der Bundesregierung mit der Regierung der Volksrepublik Polen in der Endphase, so daß ein Abschluß der Ostverträge abzusehen war. Die damit verbundene Polarisierung mit ihren polemischen Zuspitzungen in der ostpolitischen Öffentlichkeit blieb auch unter den davon besonders berührten Institutionen der Kirche nicht ohne Widerhall. Der Vertriebenenbeauftragte des Rates der EKD, Pastor Besch, legte 1 A k t e n v e r m e r k G u n d e r t s ü b e r den Besuch des neu ernannten V e r t r i e b e n e n b e a u f t r a g t e n Besch beim B u n d e s v e r t r i e b e n e n m i n i s t e r am 4. 10. 1 9 6 6 ( A K K , 6 4 5 4 , B e i h e f t : Beauftragter der E K D f ü r die Flüchtlingsarbeit. Pastor D . Besch - Bremen).

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am 6. März 1970 ein „Wort an die Vertriebenen" vor, das mit dem Rat abgestimmt worden war2, und so als die repräsentative Äußerung dieses Gremiums zum Jahrestag des Kriegsendes gelten kann. Das „Wort an die Vertriebenen" verschweigt nicht die „unendlichen Schrecken", die mit dem Kriegsende besonders über die hereinbrachen, „die damals das Schicksal der Vertreibung erlitten", und erwähnt auch die große Zahl derer, „die unterwegs elend umkamen". „Damals begann jene große Ost-West-Bewegung. Jener ungeheure Strom setzte sich in Bewegung, der auch in den folgenden Jahren nicht aufhörte, ja der auch heute noch nicht versiegt ist."

Mit diesem Hinweis auf die Aussiedler, der noch eine nähere Erläuterung erfährt, wird auf die Gegenwart übergeleitet, die den Versuch erlaubt, „Bilanz zu ziehen". Besch begnügt sich dabei nicht mit der „materiellen" Seite des Vertriebenenproblems, die er „trotz mancher Mängel und Härten, die sicher noch da sind", für „weitgehend gelöst" hält. Vielmehr stellt er sich die Frage: „Sind wir menschlich eingegliedert", d.h. nicht im Sinne der Assimilierung und Vereinnahmung durch die Aufnahmeseite, besonders also die aufnehmenden Kirchen und Gemeinden, sondern im Sinne einer Verpflichtung dem Erbe gegenüber, „das uns [die Vertriebenen] geprägt hat" und das es einzubringen gelte: „Der ostdeutsche Protestantismus mit seiner reichen und gesegneten Geschichte hat uns geprägt, hat uns eine besondere Art der Frömmigkeit und der Kirchlichkeit vermittelt. Das wollten wir nicht einfach aufgeben. Wir meinten vielmehr, hier sei uns ein kostbares Gut anvertraut, das wir einzubringen hätten. Ist uns das geglückt?"

In seiner Antwort hebt Besch den Beitrag der Vertriebenen am kirchlichen Wiederaufbau hervor, in manchen Gemeinden bildeten sie „heute noch den lebendigen Kern", andererseits verschweigt er nicht, daß sich unter Umständen Vertriebene auch noch nach 25 Jahren in ihren Gemeinden fremd und nicht verstanden fühlen können. Doch es bleibt nicht bei einem solchen Versuch, nur Vergangenes zu bilanzieren. Die nach Ansicht des Ratsbeauftragten für die Vertriebenen „entscheidende Frage" zielt vielmehr auf die Zukunft, auf die er den Blick der Betroffenen richten möchte: „. . . die entscheidende Frage für uns ist ja die: haben wir das, was uns auferlegt war, was wir erlebt und erlitten haben, wirklich im Glauben angenommen, bewältigt und verarbeitet? In dem Maße, in dem uns das gelungen ist oder gelingt, werden wir frei, nicht von den Erinnerungen, die wollen und dürfen wir bewahren, aber wir werden frei von der Bitterkeit, frei für unsere Gegenwart und für die Zukunft, frei auch für die Versöhnung. Wir lernen es in dieser Freiheit, den Blick entschieden nach vorn zu richten und uns den Weg zu suchen durch den Umbruch der Zeiten, der uns allen verordnet ist.

2 A O K A , (C 6a/1970). Vgl. Schreiben Gülzows an Clemens Riedel vom 14. 3. 1970 (ebd., Nr. 687). Das Wort fand u. a. über epd Verbreitung.

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263

Die Evangelische Kirche in Deutschland dankt den Vertriebenen, den Flüchtlingen und Aussiedlern für alles, was sie in 25 Jahren in unsere Kirche eingebracht haben an Kräften des Glaubens und der Versöhnung. Sie grüßt uns mit dem W o r t , das heute, am 6. März, in den Losungen der Brüdergemeinde steht. Es ist ein W o r t aus dem Hebräer-Brief, der sich besonders an die wendet, die hier keine bleibende Statt haben. D o r t heißt es: ,Der Gott, der Frieden schafft und Frieden gibt, rüste euch mit allen guten Kräften aus, die ihr braucht, seinen Willen zu erfüllen' (13,21)."

Der Vorsitzende des Ostkirchenausschusses protestierte nach Veröffentlichung dieses Wortes zunächst dagegen, daß der Ausschuß nicht in die Vorbereitung miteinbezogen worden war 3 . Es kann aber kein Zweifel darüber bestehen, daß der Ostkirchenausschuß auch inhaltlich ganz andere Erwartungen hatte und er der von Besch vorlegten Fassung niemals seine Zustimmung erteilt hätte: „Das gutgemeinte W o r t von Pastor D. Besch . . . mag innerkirchlich manchen guten Dienst tun. Es kann jedoch in keiner Weise ein W o r t des Rates ersetzen, das auch zu dem ungeheuerlichen Vorgang der Vertreibung und des damit geschehenen Unrechts Stellung nimmt. In den Kontaktgesprächen [mit dem BdV], die wiederholt auf Einladung des Rates stattgefunden haben, wurde von den Vertretern der Vertriebenen mit Nachdruck auf die Notwendigkeit eines hilfreichen und klaren Wortes der Kirche zur Vertreibung hingewiesen." 4

Dieser Vorgang dokumentiert wie kaum ein anderer die zu jenem Zeitpunkt bestehende tiefe Kluft zwischen dem seelsorgerlichen Konzept, wie es der Rat und sein Beauftragter vertraten und den anders gearteten Vorstellungen der kirchlichen Vertriebenengremien. Zugleich fällt daran auf, wie unmittelbar der Ostkirchenausschuß die Erwartungen säkularer Vertriebenenorganisationen sich angeeignet hatte und gegenüber der E K D zur Geltung brachte. Auf dem Anfang April - anläßlich des 20. Jahrestags der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen" - in Stuttgart stattfindenden Ostkirchenkonvent, einer „sonst so friedlichen Tagung", seien „sehr harte Worte über dieses, die Vorgänge so verharmlosende und auf den freundlichen Zuspruch abzielende Schreiben von Pastor D. Besch gefallen"; dies berichtete Gülzow am 16. April 1970 dem zuständigen Referenten der Kirchenkanzlei der E K D , in dem er zu den „Worten", die Besch bereits früher als Ratsbeauftragter an die Vertriebenen gerichtet hatte, bemerkte: „ O b das mit Erfolg geschehen ist, kann dahingestellt bleiben." Bei dieser „vom Rat ausdrücklich gebilligten Verlautbarung" sei „allerdings ein Weg beschritten worden, der bei den Vertriebenen höchste Unruhe und höchsten Unwillen erregt hat. Daß der ungeheuerliche Vorgang der gewaltsamen und mit

Vgl. dazu oben S. 259, Anm. 43 Schreiben des O K A an Dietzfelbinger vom 13. 3. 1970 ( A O K A , C 6a, N r . 642). Die Kirchenkanzlei beantwortete am 4. 4. 1970 Gülzows Eingabe mit dem Hinweis, der O K A sei nicht übergangen worden, da er keinen entsprechenden Antrag gestellt habe. 3

4

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unendlichen O p f e r n verbundenen Vertreibung, die jedem bis dahin anerkannten Menschenund Völkerrecht widersprach, einfach als , O s t - W e s t - B e w e g u n g ' bezeichnet und die Dinge nicht beim N a m e n genannt werden, hat allerdings die Skepsis der Vertriebenen gegenüber ihrer Kirchenleitung kräftig angeheizt." 5

An die Gespräche zwischen dem Rat der E K D und dem Präsidium des Bundes der Vertriebenen erinnernd, in denen die BdV-Vertreter „ausdrücklichst über ein solches Wort der E K D zum Kriegsende im Blick auf die Vertreibung gesprochen" hätten, unter Berufung auf ein Schreiben des Vorsitzenden der Gemeinschaft evangelischer Schlesier, Professor Joachim Konrad, und die „Vorhaltungen des damaligen Gesprächspartners Professor Dr. Freiherr von Braun" macht Gülzow geltend: „Wir haben schon damals darauf aufmerksam gemacht, daß die Vertriebenen von ihrer obersten Kirchenleitung ein eindeutiges W o r t erwarten."

Zwei Verlautbarungen aus Anlaß des 25jährigen Gedenkens an das Kriegsende mögen veranschaulichen, in welche Richtung die Vorstellungen der kirchlichen Vertriebenenvertreter zielten, welche „Eindeutigkeit" sie in einem kirchlichen Wort für notwendig erachteten. Es sind dies der „Rückblick auf 25 Jahre", den Gülzow in seinem danzig-westpreußischen Kirchenbrief veröffentlichte 6 , und die Entschließung „25 Jahre kirchliche Vertriebenenarbeit", die am 2. Mai 1970 von den Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses, Gülzow, der katholischen Vertriebenenverbände, Clemens Riedel, und des Ostkirchenkonvents, Kruska, unterzeichnet worden war 7 . 5 Schreiben an Gundert (ebd., N r . 973). G ü l z o w legte mit diesem Schreiben gegen die Erklärung der Kirchenkanzlei vom 4. 4. 1970 Widerspruch ein. - Die damalige Erregung mag man z . B . daraus ersehen, daß G ü l z o w die Eingangspassage des „ W o r t e s " gar nicht mehr berücksichtigte, in der Besch auf die eingeht, „die damals das Schicksal der Vertreibung erlitten . . . Bei Schnee und Eis zogen Millionen über die Landstraßen, bei eisiger Kälte saßen sie dichtgedrängt in den überfüllten Eisenbahnzügen . . . manchmal W o c h e n hindurch. Niemand weiß, wie viele unterwegs elend umkamen." 6

E b d . (Anlage zu N r . 637 vom 14. 3. 1970).

UNVERLIERBARKEIT 1/2, S. 72 ff. - Diese Initiative geht auf ein Gespräch mit C . Riedel am 3. 12. 1969 zurück (vgl. Aktennotiz N r . 2 9 9 2 ; Α Ο Κ Α , A 7 / 1 9 6 9 ) und war offensichtlich durch die neue ostpolitische Entwicklung veranlaßt, die es den kirchlichen Vertriebenenorganisationen geraten sein schien, Berechtigung und Ziele eigener Vertriebenenarbeit herauszustellen. In der Erklärung sollte auf die Ergebnisse einer Tagung aufgebaut werden, die am 2 2 . / 2 3 . 11. 1968 führende Sprecher der katholischen und evangelischen Vertriebenengremien in Königstein/Taunus zusammengebracht und die ohnehin engen interkonfessionellen Beziehungen auf diesem Gebiet weiter intensiviert hatte (vgl. die Pressenotiz N r . 2 8 2 5 ; ebd., C 6a/1968 und UNVERLIERBARKEIT 1/2, S. 71 f.). A m 10. 1 2 . 1 9 6 9 billigte der O K A das V o r h a b e n , dem eine gemeinsame Arbeitstagung am 1./2. 5. 1970 dienen sollte. Die Entschließung sollte dem Rat der E K D und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz übermittelt werden (vgl. A k t e n n o t i z N r . 79; ebd., A 7/1970). D a s „ W o r t an die Vertriebenen" und das W o r t des Rates zum 25. Jahrestag der Kapitulation (vgl. unten, A n m . 12) konnten allerdings bereits aus zeitlichen Gründen davon nicht mehr beeinflußt werden. 7

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265

In beiden Verlautbarungen bilden Erwägungen zur Rechtsfrage den Schwerpunkt. „Als Christen sind wir gehalten, die Frage nach der Macht in der Politik mit der Frage nach dem Recht im Lichte des Evangeliums zu verbinden", heißt es in der Erklärung vom 2. Mai 1970. Allein die Prinzipien des Rechts, wie sie etwa die „Allgemeine Erklärung der Vereinten Nationen über die Menschenrechte" von 1948 oder auch die Charta von 1950 beinhalten, werden als „Grundlage für eine Politik des Friedens und der Freiheit" anerkannt 8 . G ü l z o w fragt in seinem „Rückblick" angesichts der Allgemeingültigkeit jener Menschenrechte: „ W i e reimt sich das denn mit der V e r g e w a l t i g u n g und V e r t r e i b u n g von M i l l i o n e n von M e n s c h e n aus ihren H e i m a t g e b i e t e n im O s t e n E u r o p a s nach K r i e g s e n d e ? " '

Es fehlt andererseits in keiner der beiden Erklärungen der Hinweis auf die deutsche Schuld: „Wir können und wollen den Anteil der deutschen Schuld am Krieg und seinen Folgen nicht leugnen." 1 0 Beide Verlautbarungen münden in den Gedanken der Versöhnung; so erklären die Vorsitzenden der kirchlichen Vertriebeneninstitutionen die Bereitschaft, „alle W e ge friedlicher Entwicklung im Geist der Versöhnung und des Ausgleichs für das Zusammenleben der Völker zu gehen, selbst wenn diese Wege mit Opfern verbunden s i n d " " . Die „Eindeutigkeit", die die Vertriebenensprecher an dem W o r t Beschs 8

V g l . UNVERUERBARKEIT 1 / 2 , S . 7 3 .

9

E r setzt sich auch m i t der B e r u f u n g auf die „normative K r a f t des F a k t i s c h e n " auseinan-

der und w e n d e t sich gegen „polnische W o r t f ü h r e r " , die den heutigen Z u s t a n d als F o l g e des Krieges b e z e i c h n e n , die von den D e u t s c h e n z u tragen seien, mit d e m A r g u m e n t : „Als 1945 [gemeint ist w o h l 1 9 3 9 ] die deutschen T r u p p e n P o l e n ü b e r r a n n t hatten, hat kein P o l e die M e i n u n g gehabt, daß dieser faktische Zustand neues R e c h t wäre. In letzter Zeit fordern die östlichen Anrainerstaaten von uns E n t s c h ä d i g u n g e n für erlittenes K r i e g s u n r e c h t . Bis heute hat aber n i e m a n d auch n u r von ferne die Bereitschaft angedeutet, die uns v o n den P o l e n , T s c h e c h e n , B u l g a r e n u s w . in A n s p r u c h g e n o m m e n e n und enteigneten H ä u s e r und G r u n d s t ü c k e auch n u r m i t einem Pfennig gegen die deutsche Schuld a u f z u r e c h n e n . " D a r a n schließt G ü l z o w die Feststellung a n : „ D i e s o g e n a n n t e O s t - D e n k s c h r i f t , die der R a t der E K D gebilligt und v e r ö f f e n t l i c h t hat, die aber in K r e i s e n der V e r t r i e b e n e n . . . heftig diskutiert und kritisiert w u r d e , zielt ausdrücklich auf , R e c h t und V e r s ö h n u n g ' ab. D a z u b e k e n n e n w i r uns a u s n a h m s l o s freudig b e r e i t . " lc

E r k l ä r u n g v o m 2. 5. 1950 (ebd., S. 72). A u c h G ü l z o w weist im 1. A b s c h n i t t seines

W o r t e s darauf h i n : „. . . wir suchen keineswegs das U n r e c h t etwa nur bei d e n e n , die uns gegenüberstanden und g e g e n ü b e r s t e h e n . W i r wissen und b e k e n n e n ein gerüttelt M a ß von Schuld bei uns s e l b s t . " U n d i m letzten A b s a t z heißt es: „ D a s G e r i c h t G o t t e s , das ü b e r uns und die W e l t ergangen ist, ist nicht sein letztes W o r t . W i r vertrauen auf seine G n a d e . . . " "

E b d . , S. 7 4 . - G ü l z o w schließt seinen „ R ü c k b l i c k " mit d e m A u f r u f : „ D e r R ü c k b l i c k

auf die b ö s e n T a g e und W o c h e n v o r 2 5 J a h r e n , soviel einzelne Erlebnisse plastisch vor das A u g e der E r i n n e r u n g treten m ö g e n , will uns heute als mit G o t t v e r s ö h n t e M e n s c h e n bereit finden für den D i e n s t der V e r s ö h n u n g . W i r gedenken der P a s s i o n , die w i r erleiden m u ß t e n , unter dem K a r f r e i t a g s k r e u z unseres H e r r n , der für die Ü b e l t ä t e r gebeten und ihnen vergeben hat. I h m sollen w i r es n a c h t u n und von H e r z e n b e t e n , daß G o t t und alle M e n s c h e n , denen w i r Ü b l e s getan h a b e n , uns vergeben m ö c h t e n . D a n n ist der W e g f r e i . "

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Vertriebenenseelsorge

vermißten, dürfte also zum einen in der uneingeschränkten Anprangerung des Vertreibungsgeschehens als einer brutalen, den Menschenrechten widersprechenden Unrechtstat liegen, zum anderen in der Anerkennung bestimmter Rechtsprinzipien als unverzichtbarer Grundlage eines künftigen Ausgleichs mit den osteuropäischen Völkern. Zu dieser Art von Eindeutigkeit konnte sich der Rat der E K D aber offensichtlich nicht verstehen. Dies zeigt nicht bloß das Wort seines Vertriebenenbeauftragten, sondern ebenso das Wort des Rates selbst anläßlich des 25. Jahrestages der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 12 . Die Intervention, mit welcher Gülzow verhindern wollte, daß in diesem Wort „das Unrecht der Vertreibung . . . schweigend übergangen wird", blieb ohne das gewünschte Ergebnis 13 . Allerdings erinnerte der stellvertretende Ratsvorsitzende, Scharf, in seinem Rechenschaftsbericht vor der Synode der E K D am 10. Mai 1970 auf ausdrückliche Bitte des erkrankten Ratsvorsitzenden Dietzfelbinger an das Schicksal der Heimatvertriebenen - dies vielleicht durch das Schreiben des Ostkirchenausschusses mit veranlaßt14. K J 1970, S. 158f. Schreiben des O K A vom 13. 3. 1970 an Dietzfelbinger ( A O K A , C 6a, N r . 642). - I m W o r t des Rates, das in seinem Hauptteil zu „kritischer Besinnung" angesichts der „immer mehr erkennbaren Notstände in der W e l t " und der „einseitigen Ausrichtung" auf „unser eigenes W o h l e r g e h e n " mahnt, heißt es in dem vergangenes Geschehen betreffenden A b schnitt: 12

13

„Vor 25 Jahren endete ein lange währender mörderischer Krieg durch bedingungslose Kapitulation. Bangend und ratlos stand unser V o l k vor seiner Zukunft. In die Trauer um die Blutopfer unseres Volkes und anderer Völker, um die Leiden der Zivilbevölkerung, um Zerstörung und um Vertreibung mischte sich Betroffenheit über unser Versagen. W i r sahen, was wir alles hingenommen und wie wenig wir um der gequälten Menschen willen öffentlich Einspruch erhoben hatten. W i r waren bestürzt über das Ausmaß der Verbrechen, die in Konzentrationslagern und durch die Geheime Staatspolizei verübt worden sind. W i r wurden uns mit Beschämung bewußt, daß es ein von deutscher Staatsführung verbreiteter und bis zur völligen Erschöpfung mutwillig fortgeführter Krieg war, der über alle V ö l k e r Europas schweres Unglück brachte und für große Teile des jüdischen und des polnischen Volkes grausame Vernichtung bedeutete. Wider Erwarten und unverdient konnten wir einen neuen Anfang machen. Viele empfanden das als eine Gnade G o t t e s , viele spürten den R u f zur Einsicht und U m k e h r . " 14 G ü l z o w hatte am 10. 5. 1970 zu Beginn der Synode Scharf die Erklärung der katholischen und evangelischen Vertriebenengremien vom 2 . 5 . 1 9 7 0 überreicht und war dabei über den W u n s c h des Ratsvorsitzenden unterrichtet worden (vgl. G ü l z o w s Aktenvermerk; ebd., C 9 / 1 9 7 0 , N r . 2017). I m Rechenschaftsbericht des Rates vor der Synode sagte Scharf dann u . a . : „ D e r Rat hat in seinem W o r t zum 8. Mai vom Ausmaß der Verbrechen und von der Beschämung gesprochen, die uns Deutsche nach wie vor erfüllen m u ß im Gedenken an die 12 J a h r e zwischen 1933 und 1945. W i r haben den Eindruck, daß vielen unter unseren Mitbürgern bis heute nicht bewußt geworden ist, was es bedeutet, daß der Krieg für Deutschland verloren wurde und daß er nicht anders ausgehen konnte und - durfte. Ein Teil unseres Volkes hat in den Monaten vor 25 Jahren, den letzten Monaten des Krieges und den ersten Monaten nach der bedingungslosen Kapitulation, Furchtbares durchgemacht. W i r

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Es ist w o h l n i c h t m ö g l i c h , d i e g e s c h i l d e r t e n D i v e r g e n z e n u n d K o n t r o versen u m die V e r t r i e b e n e n s e e l s o r g e im F r ü h j a h r 1 9 7 0 losgelöst v o n der o s t p o l i t i s c h e n E n t w i c k l u n g in j e n e n M o n a t e n , b e s o n d e r s d e n V e r h a n d lungen der Bundesregierung mit der Regierung der Volksrepublik Polen, die im D e z e m b e r 1 9 7 0 ihren ersten A b s c h l u ß f a n d e n , zu verstehen. D e n n hätten die gesamtkirchlichen G r e m i e n die V o r s t e l l u n g e n der kirchlichen V e r t r i e b e n e n s p r e c h e r berücksichtigt, so w ä r e das auf eine D i s t a n z i e r u n g v o n dem v o n der Bundesregierung und den Koalitionsparteien betriebenen ostpolitischen K u r s u n d damit auf eine U n t e r s t ü t z u n g d e r o p p o n i e renden K r ä f t e innerhalb der Parteien und der Vertriebenenorganisationen hinausgelaufen. Diesen

Zusammenhang

beleuchtet

ein G e s p r ä c h

des

Bundesministers im Bundeskanzleramt, H o r s t Ehmke'5, mit einer „Delegation v e r a n t w o r t l i c h e r Seelsorger f ü r die V e r t r i e b e n e n aus d e n k a t h o l i schen D i ö z e s e n im O s t e n und den verdrängten evangelischen

Ostkir-

chen" am 2. J u l i 197016. D i e S p r e c h e r der kirchlichen V e r t r i e b e n e n a r b e i t t r u g e n d e m M i n i s t e r v o r , „in w e l c h e a u ß e r o r d e n t l i c h e B e d r ä n g n i s s e w i r als V e r t r i e b e n e n s e e l s o r g e r g e r a t e n s i n d a n g e s i c h t s d e r P o l i t i k , d i e d i e Bundesregierung betreibt", wie G ü l z o w am 30. Juli 1 9 7 0 dem Beauftrag-

denken hier besonders an die aus ihrer engeren Heimat im deutschen Osten Vertriebenen, die neben den Blutopfern der unmittelbaren Kriegshandlungen und nach ihrem Abschluß unter härtesten Begleitumständen Wohn- und Arbeitsplatz und die Möglichkeit verloren haben, zu leben, w o sie aufgewachsen waren. Auch diese eigene deutsche Not soll nicht vergessen werden. Ihre Ursache lag in dem von deutscher Staatsführung vorbereiteten und bis zur völligen Erschöpfung mutwillig fortgeführten Krieg. Der Teil unseres Volkes, der mehr als die übrigen für diese Gesamtschuld einzustehen hatte, hat ein Recht darauf, von uns gehört zu werden. Wir übrigen müssen seine Sorgen - noch immer - bedenken und mittragen. Die Forderungen aus dem Abschnitt II der Ost-Denkschrift der EKD sind auch im Bereich der Kirche noch nicht erfüllt. Das Ratswort vom 8. Mai des Jahres weist in die Zukunft. Auch in der Zwischenzeit der letzten 25 Jahre ist manches Angebot der Gnade Gottes von uns nicht erkannt oder selbstsüchtig ausgeschlagen worden. Aber Gott hat Geduld mit seinen Menschenkindern. Auch für unser Volk und unsere Kirche hat er die Fristen verlängert. Er gewährt noch Freiheit zu neuen und besseren Entscheidungen. Sie sind dringend fällig. Wir haben Versöhnung zu suchen mit den östlichen Nachbarn, auch wenn wir auf uns unberechtigt erscheinendes Mißtrauen stoßen, wir haben das zu tun - zäh und unenttäuschbar. Wir haben zum Frieden zu helfen, w o wir irgend Einfluß auszuüben vermögen. Gerade wir müssen nach der Geschichte der letzten 37 Jahre Opfer für den Frieden bringen auf der ganzen Erde, sonderliche Opfer." 15 Ehmke w a r - dies sei am Rande vermerkt - übrigens von Gülzow in Danzig konfirmiert worden. " Jahresbericht des O K A und Ostkirchenkonvents 1970 (ebd., A 7/1970, Nr. 365, S. 2 f.). Vgl. auch das Schreiben Gülzows vom 30. 7. 1970 an Janssen (ebd., C 11/1970, Nr. 1637). Die Delegation wurde vom Vorsitzenden der katholischen Vertriebenenverbände, Clemens Riedel, angeführt. Bereits am 28. 5. 1970 war dem Bundesminister von Riedel und Kruska die gemeinsame Entschließung vom 2. 5. 1970 übergeben worden (vgl. Jahresbericht 1970 ebd., A 7, S. 2).

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ten der Fuldaer Bischofskonferenz, Bischof Janssen, berichtete. D o r t heißt es weiter: „Insbesondere haben wir darauf aufmerksam gemacht, daß neue Verwundungen der Vertriebenen nicht zuletzt dadurch hervorgerufen sind, daß durch die bisherige Geheimhaltung der Verhandlungen weitgehend bei ihnen der Eindruck entstanden ist, daß ihre Belange und ihre Heimatgebiete hinter ihrem Rücken preisgegeben werden. Sehr deutlich habe ich, weil ich nun einmal zum Sprecher unserer Vertriebenengruppen bestellt war, darauf hingewiesen, daß wir als Christen völlig einig wären in dem Ziel, daß die Versöhnung herbeigeführt werden möchte und müßte. N u r glaubten wir, gegen die Art und Weise, in der scheinbar durch Vorschußleistungen ohne Entgegenkommen des Partners die Voraussetzungen für die Sicherheit eines wirklichen Friedens gesucht werden sollen, unsere dringlichen Bedenken anmelden zu müssen."

Offenkundig wurden also in jener Phase der neuen Ostpolitik aus seelsorgerlichen Erwägungen heraus Bedenken sowohl gegen Form wie Konzeption der Verhandlungen von kirchlichen Vertriebenensprechern, wie dem Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses, geltend gemacht. Nach der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertragswerkes am 7. Dezember 1970 in Warschau schlug sich die heftige Polarisierung in der Öffentlichkeit in einer Reihe von Erklärungen kirchlicher Institutionen verstärkt nieder. Gleichzeitig versuchten die Gremien, vor allem der Rat und die Synode der E K D , die aufbrechenden Widersprüche a b z u g l e i chen, beiden Positionen partiell gerecht zu werden und ihnen sozusagen kirchliche Legitimation zuzusprechen. Obwohl ein solches Handeln der Struktur nach in etwa dem Ergebnis der Auseinandersetzungen um die Vertriebenen- und Ostdenkschrift entspricht, wie es einen gewissen Abschluß in der Spandauer Synodalerklärung vom 18. März 1966 fand 17 , muß doch ein Unterschied hervorgehoben werden, der zwar keineswegs die Form und Vehemenz, wohl aber den sachlichen Hintergrund betrifft, vor dem die Gegensätze ausgetragen bzw. ausgeglichen werden sollten: Ging es damals im wesentlichen um ein Handeln politischer Diakonie im Sinne der Innovation, so standen nun der Vollzug einer bestimmten Politik und die Frage angemessener kirchlicher Reaktion darauf zur Debatte. Die Vertragsunterzeichnung selbst wurde in diesem Zusammenhang von Umständen begleitet, die im Nachhinein gesehen den Eindruck einer überzogenen Hektik vermitteln. So veranlaßte den Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses am 1. Dezember 1970 ein von der Presse lanciertes Gerücht, die E K D wolle den Bundeskanzler zur Vertragsunterzeichnung in Warschau mit einem offiziellen Vertreter begleiten, zu Eil-Adressen an den Ratsvorsitzenden sowie den Bevollmächtigten der E K D am Sitz der Bundesrepublik 18 . Unter Hinweis auf „eine sehr erhebliche Zahl 17 18

Vgl. dazu oben, S. 245 ff. Der Gesamtvorgang in: A O K A , C 11/1970, N r . 2 7 6 2 , 2 7 6 3 , 2 7 6 4 v o m 1 . / 2 . 1 2 . 1 9 7 0 .

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evangelischer Christen . . ., die bei aller immer wieder neu bekundeten Bezeugung ihrer Versöhnungsbereitschaft . . . gegen den Inhalt eben dieses Vertrages schwerwiegende Bedenken haben" 1 9 , bat G ü l z o w Dietzfelbinger „inständig, allen Einfluß geltend zu machen, um zu verhindern, daß unsere Kirche als D e k o r und Lorbeerbaum für die festliche Gestaltung der Unterzeichnung dieses Vertrages mißbraucht wird".

D e r diakonische Auftrag der Kirche dürfe nicht dahin gedeutet werden, „daß es Aufgabe der Kirchen wäre, bei den Aktionen der Politiker Pate zu stehen" 2 0 . Wie sich bereits am darauffolgenden Tage herausstellte, entbehrten diese Mahnungen jeglicher Grundlage: Es gab weder eine Einladung des Bundeskanzlers an die E K D noch eine entsprechende Bitte an Kardinal Döpfner oder die katholische Bischofskonferenz. D i e Bundesregierung hatte lediglich erwogen, Vertreter von Jugendverbänden, denen auch die evangelische und katholische Jugend angehört, zur Reise nach Warschau einzuladen. Das Gerücht belegt jedoch, wie stark damals im Bewußtsein der Ö f fentlichkeit der Beitrag der evangelischen, aber auch der katholischen Kirche an der Initiierung und Popularisierung einer neuen Ostpolitik veranschlagt wurde. D i e Bundesregierung griff diesen Zusammenhang ausdrücklich auf, als Bundeskanzler Brandt nach seiner R ü c k k e h r von der Vertragsunterzeichnung in Warschau dem Ratsvorsitzenden der E K D anläßlich der Dezember-Tagung des Rates und der Kirchenkonferenz telegrafisch für die „großen Verdienste" dankte, die sich die E K D , ihre Gliedkirchen und Organe „schon frühzeitig um die Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen erworben" haben 21 . Dieser D a n k dürfte zum damaligen Zeitpunkt stärkster Polarisierung sicher neben Genugtuung auch auf Verlegenheit im Kreise der so Angesprochenen gestoßen sein. Bei alledem nimmt es nicht wunder, daß Äußerungen führender Persönlichkeiten oder Gremien der evangelischen Kirche zum Vertragswerk auf ein gesteigertes Interesse der Öffentlichkeit stießen. Dies gilt vor allem für eine Erklärung, die der Ratsvorsitzende am 21. Dezember 1970 veröffentlichen ließ 22 . Es kann als sicher gelten, daß die bereits Tage zuvor angekündigte Absicht viele dazu veranlaßte, auf den Ratsvorsitzenden " Hervorhebung von G ü l z o w . So begründete G ü l z o w seine „große Bestürzung" über die Pressemeldungen am 1. 12. 1970 in seinem Schreiben an Dietzfelbinger. In dem Schreiben an Kunst berichtete G ü l z o w , seit Verbreitung der Nachricht stehe sein Telefon nicht mehr still, weil „viele bewußt kirchliche Leute . . . sich in Aufregung bei mir melden". 21 K J 1970, S. 159 f. 22 „Erklärung des Vorsitzenden des Rates der E K D zur Lage nach der Unterzeichnung des Vertrages mit Polen" ( K J 1970, S. 159f.). 20

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einzuwirken, um das geplante Wort im Sinne ihrer Vorstellungen zu beeinflussen23. Dietzfelbingers Erklärung muß als erste und zugleich bedeutsamste Äußerung des Rates zum Ost- und Vertriebenenproblem seit der Spandauer Synodalerklärung „Vertreibung und Versöhnung" gelten. Was oben zum Charakter der gegenüber den Jahren 1965 und 1966 veränderten Situation und der daraus gewandelten Intention kirchlichen Handelns in diesem Bereich der politischen Diakonie festgestellt wurde, läßt sich am Wortlaut selbst auf die beste Weise veranschaulichen: „Die Unterzeichnung des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen am 7. Dezember 1970 hat die Empfindung vieler Menschen in starke Bewegung versetzt. Eine eingehende politische Beurteilung der Lage, in die nach allgemeiner Meinung auch der Vertrag mit der Sowjetunion und die Berlin-Frage mit einzubeziehen wären, ist nicht primär kirchliche Aufgabe. Die Diskussion im Bundestag und in der Öffentlichkeit ist im vollen Gange. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat in seine Überlegungen noch andere Bereiche einbezogen, in denen menschliche, geschichtliche, ethische und religiöse Fragen angeführt werden. Seine Erwägungen veranlassen mich zu folgenden drei Bitten: 1. In der Situation zwischen der Unterzeichnung und der noch nicht vollzogenen Ratifizierung des Vertrages ist ein Meinungsstreit entstanden, der vor allem den politischen Gesamt-Zusammenhang und die rechtlichen Konsequenzen betrifft. Sittliche Uberzeugungen, unterschiedliche Geschichtsurteile und verschiedene politische Auffassungen treffen aufeinander. In diesem Streit hält uns die allen gemeinsame Sorge um eine gesicherte Friedensordnung zwischen den Völkern Europas in Ost und West zusammen. Deshalb sei die dringende Bitte ausgesprochen, es möchten nicht an sich verständliche Emotionen oder unerfüllbare Wunschbilder, sondern das rechte Augenmaß für die hinter uns liegende Geschichte und für die heute gegebenen Bedingungen das Urteil aller bestimmen, vornehmlich derer, die sich öffentlich äußern und politische Verantwortung tragen. Auch tiefe Meinungsverschiedenheiten wollen in gegenseitiger Achtung und ohne Herabsetzung der menschlichen Glaubwürdigkeit des Andersdenkenden ausgetragen werden. 2. Bei Millionen von Vertriebenen brechen Wunden wieder auf. Der schmerzhafte Verlust der Heimat und die harten Jahre des Neuanfangs werden erneut gegenwärtig. Das Unrecht, das sie erlitten, ist so wenig ungeschehen zu machen wie alles Unrecht und Leiden, das den Polen von Deutschen zugefügt wurde. All dies hat sich tief ins Bewußtsein der Völker eingegraben und macht die besonnene Arbeit an einer neuen Ordnung für uns alle, ob Vertriebene oder nicht, umso nötiger. Mögen gerade die Vertriebenen, deren Lasten wir alle

25 Auch der ΟΚΑ-Vorsitzende wandte sich am 17. 12.1970, „durch viele tägliche Anrufe und Schreiben in Atem gehalten", an Dietzfelbinger in der „Sorge, daß die EKD eine Verlautbarung herausgeben könnte, in der das Ja zum Warschauer Vertrag als die einzig mögliche Haltung eines Christen bezeichnet wird". Gülzow sprach die Erwartung aus, daß die Kirche solche Christen, die dem Vertragswerk ablehnend gegenüberstehen, weil sie in ihm kein „Mittel für eine wirkliche Versöhnung" sehen können („Das sind vielfach solche Christen, die nach Herkommen und Erfahrung mit der Mentalität unserer Partner im Osten besonders vertraut sind"), in ihrer Gewissensentscheidung „genauso respektiert" wie diejenigen, die den Vertrag befürworten. Gülzow erinnerte zudem daran, „daß der Beauftragte der Fuldaer Bischofskonferenz, Bischof Dr. Janssen, seine leitenden Amtsbrüder dringend gebeten hat, in dieser Sache keine Verlautbarungen ohne Beteiligung der Vertriebenen herausgehen zu lassen" (AOKA, C 6a, Nr. 2945 vom 17. 12. 1970).

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mittragen wollen, durch die reichen menschlichen Kräfte, die sie in der neuen Heimat entfaltet haben, in der gegenwärtigen Diskussion verbindend wirken. Die ständige Verletzung des Friedens durch Kriege und Bürgerkriege, die inzwischen in der Welt viel neue Heimatlosigkeit entstehen ließ, macht deutlich, daß bei der Lösung der drängenden Zukunftsaufgaben gerade die Heimatvertriebenen mit ihren tiefgehenden Erfahrungen unentbehrlich sind. 3. Das deutsche und das polnische Volk können aus den Verstrickungen der letzten Jahrzehnte nur durch die beiderseitige Bereitschaft zur Versöhnung herausfinden. Versöhnung ist ein langer, mühevoller Prozeß. Dabei können die Glieder der Kirche Jesu Christi, auch wenn sie mit ihren politischen Uberzeugungen in verschiedenen Lagern stehen, doch oft zwischen den Fronten vermitteln. Sie kennen die Wirklichkeit der Schuld, aber auch die Möglichkeit der Vergebung. Auf beiden Seiten der politischen Grenzen leben Christen, die von diesen Kräften wissen. Mögen sie für ihre Völker insgesamt, besonders auch für die junge Generation bei der Arbeit an einer gerechten und dauerhaften Friedensordnung den notwendigen Dienst der Versöhnung tun! Alle Möglichkeiten menschlicher Verbindung durch Reisen und Jugendaustausch, durch kirchliche und kulturelle Beziehungen sollten dabei genutzt werden. W e r auf die Geschichte der letzten Jahrzehnte blickt, der weiß, was an schwerer Schuld aufzuarbeiten, aber noch mehr, was durch Versöhnung zu gewinnen ist." In d i e s e m W o r t s t e l l t d e r R a t s v o r s i t z e n d e d i e K i r c h e „ z w i s c h e n d i e F r o n t e n " d e r p o l i t i s c h e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n . E r v e r m e i d e t es a u s drücklich, d e n so heiß u m s t r i t t e n e n G e g e n s t a n d selbst, nämlich das ausg e h a n d e l t e V e r t r a g s w e r k , in i r g e n d e i n e r W e i s e v o m k i r c h l i c h e n V e r k ü n digungsauftrag her näher zu qualifizieren o d e r wenigstens einen Bezug v o m H a n d e l n der evangelischen K i r c h e in diesem Bereich, b e s o n d e r s also v o n der Ost-Denkschrift, zur damaligen ostpolitischen Situation herzustellen 2 4 . D a s W o r t z i e l t v i e l m e h r a u f d i e F o r m d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g . Beiden Seiten, G e g n e r n w i e B e f ü r w o r t e r n , w i r d zugestanden, aus „Sorge u m e i n e g e s i c h e r t e F r i e d e n s o r d n u n g " z u s p r e c h e n , u n d s o w e i t es sich dabei u m C h r i s t e n handelt, w i r d diesen zuerkannt, ihre jeweilige politische E n t s c h e i d u n g in r e c h t e r G l a u b e n s e r k e n n t n i s g e t r o f f e n z u h a b e n . D e r b e s o n d e r e V e r s ö h n u n g s d i e n s t d e r C h r i s t e n f i n d e t seine G e s t a l t in zwischenmenschlichen Beziehungen unter Polen und Deutschen, wobei D i e t z f e l b i n g e r auf die N o t w e n d i g k e i t beiderseitiger V e r s ö h n u n g s b e r e i t schaft hinweist. D e r Begriff der „ A u s s ö h n u n g " , w i e ihn die S y n o d e der E K D v o m M ä r z 1 9 6 6 v e r w e n d e t 2 5 u n d d e r B u n d e s k a n z l e r in s e i n e m o b e n e r w ä h n t e n T e l e g r a m m a u f g e n o m m e n h a t t e , w i r d in d e r E r k l ä r u n g v e r mieden26. Schließlich weist der R a t s v o r s i t z e n d e den H e i m a t v e r t r i e b e n e n

24 Im Blick auf die damalige Argumentation enthält noch am ehesten Dietzfelbingers Bitte, „nicht an sich verständliche Emotionen oder unerfüllbare Wunschbilder, sondern das rechte Augenmaß . . . das Urteil aller bestimmen" zu lassen, eine konkret-politische Tendenz, und zwar - trotz möglicher Mehrdeutigkeit - zugunsten der ausgehandelten Verträge. 25 Vgl. oben S. 232 f. 26 Erst recht nicht wird der Gedanke berücksichtigt, es sei im Falle des deutsch-polnischen Verhältnisses geboten, „Begriff und Sache der Versöhnung auch in das politische

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als Aufgabe zu, im gegenwärtigen Streit vermittelnd zu wirken, wozu ihre Erfahrungen von Leiden und Unrecht sie besonders befähigten. „Ein mehr diakonisch-seelsorgerliches Wort über die Art der Auseinandersetzung und zu den besonders Betroffenen . . . sowie etwas zur großen Linie der Versöhnung zwischen den Völkern" - so charakterisierte der Ratsvorsitzende selbst in seinem Rechenschaftsbericht vor der Synode am 19. Februar 1971 seine Erklärung, die ihm „in der Zwischensituation" zwischen Unterzeichnung und Ratifizierung des Warschauer Vertrages so eher der kirchlichen Aufgabenstellung angemessen zu sein schien als ein „neues größeres Memorandum" 27 . Die Stellung „zwischen den Fronten" sollte vom Rat beibehalten werden bis zur endgültigen Verabschiedung des umstrittenen Vertragswerkes. Am 20. März 1972, nur wenige Wochen vor der entscheidenden Ratifizierungsabstimmung im Deutschen Bundestag am 17. Mai also, veröffentlichte der Rat der E K D eine Erklärung, in der ausdrücklich eine Stellungnahme für oder gegen das deutsch-polnische Vertragswerk vermieden wird, da dies nicht „Aufgabe der Kirche" sei: „ W e d e r ist sie ü b e r die V o r a u s s e t z u n g e n besser unterrichtet, n o c h ist ihr U r t e i l ü b e r die F o l g e n f u n d i e r t e r als das der z u r E n t s c h e i d u n g berufenen P o l i t i k e r . D e r R a t d e r E v a n g e l i s c h e n K i r c h e in D e u t s c h l a n d ist sich dessen b e w u ß t , daß die an den parlamentarischen E n t s c h e i d u n g e n v e r a n t w o r t l i c h beteiligten P o l i t i k e r i h r e m p e r s ö n l i c h e n G e w i s s e n s u r t e i l zu folgen h a b e n . E r w e i ß , daß es dabei um die n ü c h t e r n e S u c h e nach e i n e m vernünftigen Ausgleich der politischen Interessen und Ziele geht. E r ermutigt aber alle P o l i t i k e r , bei dieser S u c h e den W e g der V e r s ö h n u n g m i t unseren östlichen N a c h b a r n , den die Evangelische K i r c h e seit langem b e w u ß t beschritten hat, n a c h v o r n zu gehen. I n j e d e m Fall wird es auch weiterhin die s c h w e r e A u f g a b e der R e g i e r u n g unseres Staates sein, zu ihrem T e i l die B e d i n g u n g e n für die E r h a l t u n g des F r i e d e n s in E u r o p a und der W e l t zu verbessern. D a z u nach innen und nach außen m i t z u h e l f e n , sieht auch die K i r c h e als ihre Aufgabe an."2'

Im offiziellen Rechenschaftsbericht der E K D 1972 wird diese Stellung ebenso deutlich beschrieben: Es galt, „eine Mittellinie der Konkretion einzuhalten, ohne eine ganz bestimmte politische Position zu vertreten" 29 . Diese Marschroute des Rates blieb innerhalb der evangelischen Kirche nicht unumstritten, was angesichts der an jeder grundlegenden politischen Entscheidung im Nachkriegsdeutschland in der Kirche neu aufgeH a n d e l n als einen u n e n t b e h r l i c h e n F a k t o r e i n z u f ü h r e n " , w i e ihn die D e n k s c h r i f t n o c h enthalten hatte (DENKSCHRIFTEN 1/1, S. 122). 27

B e r i c h t der 3. T a g u n g der I V . E K D - S y n o d e v o m 18. bis 2 1 . 2. 1971 (BERLIN 1 9 7 1 ,

S. 2 6 ) . - A m 30. 12. 1 9 7 0 v e r ö f f e n t l i c h t e die B u n d e s r e g i e r u n g ein S c h r e i b e n des B u n d e s kanzlers an den R a t s v o r s i t z e n d e n , in d e m B r a n d t die E r k l ä r u n g v o m 2 1 . 12. b e g r ü ß t u n d sich u . a . dafür b e d a n k t , „daß Sie n o c h einmal die wichtige R o l l e der H e i m a t v e r t r i e b e n e n unterstrichen h a b e n , denen das g r ö ß t e O p f e r abverlangt wird, deren B e i t r a g sich aber als sehr e n t s c h e i d e n d erweisen w i r d " (vgl. O K I , 1971/11). 28

K J 1 9 7 2 , S. 123.

25

EKD-RECHENSCHAFTSBERICHT 1972, S. 61.

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brochenen Debatten um Berechtigung, Art und Ausmaß der „politischen Diakonie" auch nicht zu verwundern braucht. Uneingeschränkte Zustimmung erhielt der Rat für seinen Verzicht, in dem ostpolitischen Streit Partei zu ergreifen von den kirchlichen Vertriebenengremien, dem O s t kirchenausschuß und dem Ostkirchenkonvent". Auch die Synode der E K D bewegte sich der Intention nach auf der Linie, wie sie durch Dietzfelbingers Erklärung v o m 21. Dezember 1970 vorgezeichnet worden war. Auf d e r T a g u n g vom 18. bis 21. Februar 1971 in Berlin hatte der aus Ostpreußen stammende Synodale H . Zollenkopf aus der schleswig-holsteinischen Landeskirche einen Entschließungsantrag zur ostpolitischen Debatte vorgelegt 31 . Mehr oder weniger offen werden darin die ausgehandelten Verträge von Moskau und Warschau als Beitrag zum „Werk der Versöhnung und damit der Gestaltung einer tragfähigen Friedensordnung" bezeichnet. Jene Schritte „verantwortlicher Politiker der Bundesrepublik Deutschland" eröffneten „Möglichkeiten für eine Versöhnung mit unseren östlichen N a c h b a r n " . Damit seien die Intentionen der Ostdenkschrift von 1965 „ihrer Verwirklichung entscheidend nähergekommen". Die Synode, in deren Vordergrund andere Themen, wie die Strukturreform der E K D , vor allem aber das ökumenische Anti-Rassismusprogramm standen, ließ den Antrag in einem Berichtsausschuß behandeln 32 . Das Ergebnis war ein neuer Entwurf mit veränderter Zielsetzung, den die Synode bei drei Gegenstimmen und acht Enthaltungen billigte 33 . 30 D e r O K A verzichtete aus derselben Haltung bewußt auf eine Stellungnahme für oder gegen die Ostverträge. D e r Ο Κ Α - V o r s i t z e n d e dankte dem Ratsvorsitzenden für sein W o r t vom 21. 12. 1970 (vgl. G ü l z o w s entsprechende Antwort in seinem Interview mit der „Pommerschen Zeitung" vom 12. 3. 1971; A O K A , C 6a/1971, N r . 790). D e r Ostkirchenkonvent begrüßte in einer Entschließung am 14. 4. 1972 in Bad Segeberg das W o r t des Rates vom 20. 3. 1972, „das freien Raum für eine politische Gewissensentscheidung gibt" ( O K I 1972, V ; vgl. H . Kruska in: UNVERLIERBARKEIT 1/2, S. 65). 31

B E R L I N 1 9 7 1 , S . 4 4 f.

Vgl. den Bericht darüber im Schreiben G ü l z o w s an Rauhut vom 22. 2. 1971 ( A O K A , C 12/1971, N r . 649). N a c h einigen „sehr zustimmenden Äußerungen" hatte G ü l z o w , der diesem Berichtsausschuß angehörte, vor der Annahme der Entschließung gewarnt, sie sei „eine rein politische, kirchlich-christlich verbrämte Angelegenheit". E r warnte auch davor, die Denkschrift dabei zu erwähnen, „da ja immerhin einiges doch wohl in der nachfolgenden Spandauer Erklärung der Synode zurechtgerückt" worden sei. Daraufhin wurden G ü l z o w , Helmut Simon (vgl. dazu noch unten, S. 281 f.) und das Ratsmitglied Gerta Scharffenorth mit der Redaktion eines neuen W o r t e s beauftragt. G ü l z o w kündigte einen eigenen Entschließungsantrag an für den Fall, daß doch ein die Ostverträge befürwortendes W o r t vorgelegt werde. M a n einigte sich jedoch bereits in diesem Redaktionsausschuß auf einen T e x t , der nach nochmaliger Debatte im Berichtsausschuß, an der sich u. a. auch der S P D - B u n d e s m i n i ster Erhard Eppler und das CDU-Bundestagsmitglied Richard v. Weizsäcker beteiligten, noch verändert und dann dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt wurde. 32

33 BERLIN 1971, S. 201. Die Entschließung „betreffend Ausgleich und Versöhnung mit den östlichen N a c h b a r n " vom 21. 2. 1971 (ebd., S. 218 f.).

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Anknüpfend an die Synodalerklärung vom 18. M ä r z 1 9 6 6 3 4 - a l s o nicht, wie im ersten Entwurf an die Denkschrift - und das W o r t des Ratsvorsitzenden vom 21. Dezember 1970 erklären die Synodalen: „Hinter das gemeinsam Erkannte und Ausgesagte können wir nicht zurück." In diesen so benannten bisherigen Konsens werden dann die gegensätzlichen Auffassungen über die „Verträge von Moskau und Warschau" 3 5 integriert: „Die einen unter uns sehen in den Verträgen über Gewaltverzicht nicht nur die fälligen konkreten Schritte zur Versöhnung, sondern auch den notwendigen Ansatz zu einer vernünftigen, auf Interessenausgleich beruhenden Friedensordnung für Europa. Sie meinen, daß Politiker, die diese undankbare und risikoreiche Aufgabe wagen, Dank und Ermutigung der Kirche verdienen. Auch die anderen unter uns treten für Gewaltverzicht und einen Interessenausgleich zwischen den Völkern ein, befürchten aber, daß die Verträge nicht zu einer dauerhaften und gerechten Friedensordnung führen. Beide Seiten bitten die Vertriebenen, sich durch vergangenes Unrecht auch weiterhin 36 nicht von einer zukunftsgerichteten Mitarbeit abhalten zu lassen. Beide wissen sich dafür verantwortlich, daß der Widerspruch nicht in eine nationalistische Hetze verfälscht wird und die Auseinandersetzung nicht die Form eines ,kalten Bürgerkrieges' annimmt."

Die Synode trägt den „Gemeindegliedern" - sie sind die Adressaten des W o r t e s - einen „Versöhnungsdienst" nach innen und außen auf: Die Auseinandersetzungen dürften nicht „ausarten", die Politiker, die das Vertrauen der jeweiligen Seite besitzen, seien daran zu erinnern, „daß sie uns für eine gerechte und dauerhafte Friedensordnung verantwortlich sind". Die Erklärung gipfelt 37 in der Konkretisierung des „Versöhnungsdienstes" angesichts der neuen Verträge: „Wir fordern die Gemeindeglieder auf, die Sorgen der jeweils anderen wie auch das Lebensrecht der östlichen Nachbarn ernst zu nehmen und den Versöhnungsdienst in ihrer Mitte und über die politischen Grenzen hinaus zu verstärken. Verträge allein können noch keine Aussöhnung bewirken. Es geht darum, die aus den Verträgen von Moskau und Warschau erwachsenden Aufgaben gewissenhaft zu erkennen und danach zu handeln. Dazu gehört zunächst die Mitverantwortung für die Aufnahme der jetzt wieder in größerer Zahl bei uns eintreffenden Umsiedler. Mit räumlicher Ansiedlung und Beschaffung von Arbeitsplätzen ist es allein nicht getan. Hinzu muß unsere Bereitschaft kommen, sie in ihren Erwartungen und Vorstellungen zu

Vgl. oben S. 21 I f f . Gülzows Vorschlag, nur von den „ausgehandelten und fixierten Ostverträgen" zu sprechen, wurde nicht berücksichtigt. 36 Diese Formulierung „auch weiterhin" wurde erst vom Plenum auf einen Antrag des Synodalen Eppler aufgenommen, um den möglichen Vorwurf zu vermeiden, die Vertriebenen(verbände) hätten sich bis dahin noch nicht zu einer „zukunftsgerichteten Mitarbeit" bereitgefunden. Vgl. BERLIN 1971, S. 200, und das Votum des Synodalen Walter Pareigis (S. 199). Die übrigen Änderungsanträge dieses schleswig-holsteinischen Synodalen, die eine größere Distanz zur Politik der Ostverträge beinhaltet hätten (vgl. ebd., S. 199 f.), fanden dagegen keine Berücksichtigung. 37 Vgl. den Bericht des Ausschusses (ebd., S. 194), in dem der betreffende Absatz als der „wesentliche" bezeichnet wird. 34

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verstehen. Es bedarf gemeinsamer Anstrengung, ihnen in unserer Mitte eine neue Heimat zu schaffen."

Für diese Aufgabenstellung war die Frage, ob die unterzeichneten Verträge tatsächlich ratifiziert werden würden, weniger relevant, nicht bloß deshalb, weil die Synode auf eine Parteinahme zugunsten der Verträge oder gegen sie ausdrücklich verzichtet hatte, sondern weil sie offensichtlich der Meinung war, auch durch die noch nicht ratifizierten Verträge sei bereits eine Situation geschaffen worden, aus welcher heraus den Gemeinden bestimmte Aufgaben erwachsen hinsichtlich der verstärkten Polarisierung im Inneren etwa, besonders aber im Blick auf die Aussiedler, die ja bereits damals in größerem Ausmaß aus den östlichen Staaten in der Bundesrepublik eintrafen 38 . Die Synodalerklärung zielt also auf eine praktische Aufgabe in einer durch die Verträge gewandelten Situation ab. Darin unterscheidet sie sich von den meisten übrigen kirchlichen Äußerungen vor der endgültigen Entscheidung des Deutschen Bundestages im Mai 1972, die noch dem Ziel dienten, den Ausgang des Verfahrens auf diese oder jene Weise zu beeinflussen oder aber, wie die Erklärungen des Rates der E K D und seines Vorsitzenden, beiden Seiten gerecht zu werden. Ihrer Intention nach stellte auch diese Spandauer Synode sich und die evangelische Kirche „zwischen die Fronten", wies aber bereits in eine Richtung, die in den darauffolgenden Jahren das Hauptaugenmerk beanspruchte, nämlich die Aussiedlerbetreuung und die damit zusammenhängenden Probleme, die auf der Synode der E K D in Freiburg 1975 zum Gegenstand eines Synodalwortes werden sollten 39 . Daß in jener Zielsetzung, die praktisch die durch die endgültig abgeschlossenen Verträge entstandene Situation vorwegnimmt, indirekt doch ein politisch relevantes Implikat enthalten ist, tritt dagegen offensichtlich zurück: Im Zusammenhang der damaligen Auseinandersetzung erschien die Erklärung so, wie sie intendiert war, als parteipolitisch neutral. Und als solche traf sie auch auf die Zustimmung des Vorsitzenden des Ostkirchenausschusses 40 und all derer, die der Ansicht waren:

31 Vgl. zu dieser Interpretation vor allem das Abstimmungsverhalten der Synode zum Antrag des Synodalen Putz (ebd., S. 201) und die Argumentation des Synodalen Eppler (ebd., S. 200), die Verträge seien zwar noch nicht ratifiziert, aber „die Folge der Verträge, nämlich das stärkere Hereinkommen der Menschen von drüben", sei „schon da". 39

Vgl. FREIBURG/BREISGAU 1 9 7 5 , S. 4 8 8 .

„Die Synode ist meinem dringenden Rat gefolgt, daß sie selbst nicht zu den politischen Entscheidungen Stellung genommen hat. . . . die christliche Aufgabe ist unabhängig davon, ob die Verträge verabschiedet werden oder nicht. Ich denke, daß wir nun doch zufrieden sein können." So lautete Gülzows Resümee im Schreiben an Rauhut vom 22. 2. 1971 (AOKA, C 12/1971, Nr. 649). Vgl. auch den redaktionellen Vorspann zum Abdruck der Synodalerklärung (OKI 1971, IV). 40

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„Es gibt keinen direkten W e g von der uns alle verpflichtenden neutestamentlichen Versöhnungsbotschaft zu den Ostverträgen. Dazwischen liegt die breite Schicht des Politischen." 4 1

Politisch relevante Unterschiede, auch unter denen, die der Linie „zwischen den Fronten" zustimmten und einseitiger Parteinahme eine Absage erteilten, sind jedoch unübersehbar - in bestimmter Weise auch unvermeidbar. Dies zeigt ein Blick auf die seelsorgerliche Arbeit in den kirchlichen Vertriebenenorganisationen, die in jener Zeit bis zur Ratifizierung der Verträge von den ostpolitischen Auseinandersetzungen beherrscht wurde. Bedeutsam ist in dem Zusammenhang die „Erklärung zum Verhältnis von Versöhnung und Politik", die von den Vertretern der katholischen und evangelischen Vertriebenenorganisationen am 12./13. N o vember 1971 in Hildesheim verabschiedet und „den Verantwortlichen in Kirche und Gesellschaft, Staat und Politik" vorgelegt wurde 42 . „Um der Versöhnung willen" verlange man eine „rechtliche Anerkennung politischer Unrealitäten ohne Rücksicht auf ihr Zustandekommen" und eine „Politik der Vorleistungen zur Bekundung des guten Willens". Darin sehen die kirchlichen Vertriebenensprecher eine „politische Verfremdung" des „christlichen Wortes von der Versöhnung". Dieses sollte aber „dem Bereich der personalen Beziehungen vorbehalten bleiben". Im politischen Handeln gelte: „Nur das Recht kann Macht begrenzen und bändigen", weshalb der Forderung nach „bedingungslosem Verzicht auf das Recht" widersprochen wird. Daß hieraus nur eine Ablehnung der von der damaligen Bundesregierung und Koalition getragenen Ostpolitik folgen kann, ist selbstverständlich. Noch deutlicher in dieser Richtung, wenn auch ohne die theologische Fixierung des Versöhnungsbegriffs auf den Bereich individueller Personalität, hatte sich der Vorstand der Gemeinschaft evangelischer Ostpreußen im Dezember 1970 geäußert 43 : 41 Aus der Entschließung der Tagung des Ostkirchenkonvents vom 12. bis 14. 4. 1972 (vgl. oben S. 273, Anm. 30). Der Arbeitskreis für „Ethik und R e c h t " des O K A ging allerdings auf größere Distanz zu den Erklärungen des Ratsvorsitzenden vom 21. 12. 1970 und der Synode vom 21. 2. 1971. A m 1./2. 3. 1971 stellte der Arbeitskreis fest: „Die Sorge . . ., daß das W o r t der Kirche als Parteinahme für die Ostverträge verstanden wird, ist durch die W o r t e Dietzfelbingers nicht entkräftet." In der Synodalentschließung vermißt der Arbeitskreis „ein W o r t an die Umsiedler und Zurückbleibenden" (Protokoll in: A O K A , A 7/1971, N r . 993). 42 Vgl. H . Kruska in: UNVERLIERBARKEIT 1/2 (S. 74ff.), dort ist die Erklärung auch abgedruckt. Sie war wiederum, wie schon die Erklärung v o m 2. 5. 1970 (vgl. oben S. 264), von Gülzow, Kruska und C . Riedel unterzeichnet. Die Entschließung geht im wesentlichen auf Vorarbeiten des „Arbeitskreises für Ethik und Recht" und dessen Vorsitzenden Schwarz zurück (vgl. A O K A , C 7 III/1971, passim, und den Jahresbericht des O K A 1971, Anlage I; ebd., A 7 / 1 9 7 2 , N r . 775). 43

KJ 1970, S. 160 f.

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„ A u c h w i r w o l l e n F r i e d e n , V e r s ö h n u n g und V e r s t ä n d i g u n g mit d e m p o l n i s c h e n und auch m i t d e m russischen V o l k . W i r b e z w e i f e l n a b e r sehr, daß es auf dem W e g e der vorliegenden V e r t r ä g e dazu k o m m e n k a n n . A u s einer A n e r k e n n u n g v o n G e w a l t und v o n T a t s a c h e n , die d u r c h G e w a l t geschaffen w u r d e n und auch nur d u r c h G e w a l t aufrecht erhalten w e r d e n , kann es n i c h t z u m F r i e d e n und zur V e r s ö h n u n g k o m m e n . "

Die Verträge, „die ein Diktat darstellen", könnten keinen dauerhaften Frieden schaffen, einen „Frieden in Gerechtigkeit und Wahrheit", von dem es am Schluß der Erklärung heißt: „ W i r bitten E u c h , B r ü d e r und S c h w e s t e r n unserer ehemaligen evangelischen

Kirche

O s t p r e u ß e n s , für diesen F r i e d e n , der allein den h o h e n N a m e n F r i e d e n verdient, alle K r a f t gerade j e t z t einzusetzen und anderen F r i e d e n s v o r s c h l ä g e n zu widerstehen. W e r d e t nicht m ü d e , resigniert nicht, s o n d e r n .haltet fest an B a r m h e r z i g k e i t und R e c h t und h o f f e t stets auf unseren G o t t ' ( J a h r e s l o s u n g 1 9 7 0 ) . "

In die gleiche Richtung zielt die Entschließung des 4. Kirchentages der evangelischen Schlesier v o m 7./8. Juli 1971. Sie ist aufgeteilt in ein „seelsorgerliches W o r t " und die Erklärung „Wahrheit - Freiheit - Gerechtigkeit: Maßstäbe für politische Entscheidungen" 4 4 . In ersterem wird u.a. festgestellt. „ E s ist n i c h t A u f g a b e des K i r c h e n t a g e s , politisch zu handeln und politische R e g e l u n g e n vorzuschlagen. E r kann aber nicht darauf v e r z i c h t e n , dazu aufzurufen, politische V e r a n t w o r t u n g gewissenhaft w a h r z u n e h m e n . I m G e h o r s a m gegen unseren k i r c h l i c h e n A u f t r a g wissen w i r uns darum v o r G o t t und den M e n s c h e n g e b u n d e n , auch auf diesem K i r c h e n t a g in M ü n c h e n zu b e z e u g e n , daß in dieser friedlosen W e l t w a h r e r F r i e d e z w i s c h e n M e n s c h e n und V ö l k e r n nicht auf G e w a l t und U n r e c h t gebaut, s o n d e r n nur auf dem B o d e n der G e b o t e u n d V e r h e i ß u n g e n G o t t e s in A c h t u n g v o n W a h r h e i t , F r e i h e i t und G e r e c h t i g k e i t g e w o n n e n und v e r w i r k l i c h t w e r d e n kann. D e r H e r r bleibe bei uns und s c h e n k e uns G n a d e , K r a f t und F r e u d i g k e i t , für den w a h r e n F r i e d e n z u beten und dafür z u arbeiten.

Daß die ausgehandelten Verträge im Urteil des schlesischen Kirchentages diesen „Maßstäben" nicht genügen, daran läßt die Erklärung dann keinen Zweifel. Der „Kirchentag" - er bezeichnet sich selbst im seelsorgerlichen W o r t als „die synodal gewählte Vertretung der heimatvertriebenen evangelischen Schlesier" - hält die Verträge „als Gewaltverzichtsverträge" für „nicht glaubwürdig" (S. 8) und sieht in ihnen letztlich die „bloße Hinnahme eines Machtdiktates", was nicht „Gottes Willen" und Gottes „ W o r t " entspreche, die „auf Frieden unter den Völkern in W a h r heit, Freiheit und Gerechtigkeit" zielen. Analog zu ihrer Reaktion auf das „Tübinger M e m o r a n d u m " im Herbst 1962 4 5 griffen auch jetzt von Beienrode aus Mitglieder des Bruderrates der ehemaligen ostpreußischen Bekenntnissynode im Januar 1971 mit einem W o r t zum Warschauer Vertrag in die Debatte ein 46 . Wie 1962 spielten sie "

HANDAKTEN WILKENS, X / 2 2 .

45

V g l . o b e n S. 7 7 f .

46

O K I 1971, IV.

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als einziges Vertriebenengremium innerhalb der evangelischen Kirche deutlich den Widerpart zu den bereits geschilderten vorherrschenden Stimmen der Vertriebenensprecher. W a r bei diesen mehr oder weniger offen v o r der A n n a h m e der Verträge gewarnt w o r d e n , so ließen die „ B e i e n r o d e r " keinen Zweifel an ihrer Bejahung der Verträge; dabei habe sie, wie sie selbst sagen, „keine parteipolitische A b s i c h t , sondern die Frage aller F r a g e n " geleitet, „ob wir v o r G o t t und den Menschen ein gutes Gewissen haben k ö n n e n " . D i e Erklärung erinnert an die Vergangenheit, an das „unvergeßliche O s t p r e u ß e n " , aber auch an „unsere M i t v e r a n t w o r t u n g " für den „Wahnsinn, das polnische V o l k auszurotten". D i e „Beienr o d e r " fordern, unter H i n w e i s auf H e b r 13, nachzusprechen: „ D e r H e r r hat's gegeben, der H e r r hat's g e n o m m e n , der N a m e des H e r r n sei gel o b t ! " ( H i 1,21). E i n „Blick in die G e g e n w a r t " soll auf die „größere H e i m a t D e u t s c h l a n d " lenken, die „uns" aufnahm, w o d u r c h „unser , R e c h t auf H e i m a t ' . . . so bestätigt" worden sei, auf die J u g e n d , „die O s t p r e u ß e n nicht m e h r k e n n t " und die Polen, „die jetzt dort seit 2 6 Jahren w o h n e n " : „In unserer so gefährdeten W e h will jedermann Frieden und Versöhnung. Aber glaubwürdig ist dieser Wille nur da, wo Versöhnung nicht zum Handelsobjekt gemacht, sondern bedingungslos angeboten wird als Vorleistung, deren Erfolg man nicht kennt. Die ,Charta der Vertriebenen' hat seinerzeit selbst ausdrücklich den Verzicht auf Rache und Vergeltung ausgesprochen, und der Warschauer Vertrag ist nur ein folgerichtiger Fort-Schritt v o m W o r t zur T a t . "

I m „Blick auf die Z u k u n f t " schließlich verweisen die „ B e i e n r o d e r " auf G o t t e s „ A n g e b o t der Versöhnung, auch auf das R i s i k o der A b l e h n u n g hin, die im K r e u z sichtbar" werde: „Es ist höchste Zeit, um der Zukunft unserer Welt willen, daß sich auch die Völker untereinander versöhnen. Gerade wir Vertriebenen können glaubwürdige Friedensboten sein: denn uns kostet es am meisten, den Teufelskreis des gegenseitigen Mißtrauens und des Aufrechnens zu durchbrechen. Garantien, daß es uns gelohnt und gedankt wird, haben wir nicht - aber die Verheißung Gottes, in dessen H a n d die Zukunft liegt. Ist dies mehr als eine fromme Redensart, so ist damit gemeint, daß diese Hand unsere Hand bewegen will, sich immer wieder den Völkern im Osten entgegenzustrecken. W e r selber, wie die Unterzeichneten, darum seit langem bemüht war, wird die Ostverträge als einen guten Anfang bejahen und begrüßen."

So reicht das Spektrum der Vertriebenenseelsorge angesichts der V e r träge v o m engagierten christlichen N e i n bis z u m ebenso eindringlich vorgetragenen J a , im wesentlichen unter der gleichen Argumentation, wie sie bereits aus der D e b a t t e um die D e n k s c h r i f t der E K D bekannt ist. D e r Ratsvorsitzende schien beiden widerstreitenden Parteien, also etwa der Gemeinschaft evangelischer O s t p r e u ß e n und dem schlesischen K i r c h e n tag auf der einen, den „ B e i e n r o d e r n " auf der anderen Seite, kirchliche Legitimation zuerkennen zu wollen. In seinem Rechenschaftsbericht vor der Synode am -7: N o v e m b e r 1971 in Frankfurt am M a i n , der unter der

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Leitfrage nach den „Prioritäten" und dem „Ruf zur Sache" der Kirche stand, streifte er am Rande auch die Ostdebatte: „Gerechtigkeit und Wahrheit, Versöhnung und Friede gehören zur Sache der Kirche". Er sah es jedoch offensichtlich nicht als Aufgabe der Kirche an, im Namen ihrer „Sache" zum Parteigänger einer Richtung im Meinungsstreit zu werden, sondern er versuchte, den Bereich des „Politischen" wie überhaupt die „Tagesordnung der Welt" mit einer aus der „Sache der Kirche" gewonnenen Dimension zu ergänzen und zu „vertiefen". So beschrieb Dietzfelbinger auch jetzt die Aufgabe der Kirche ganz im Sinne seiner Erklärung vom Dezember des Vorjahres und der Synodalerklärung von 1971: „ I m G e s p r ä c h mit Politikern ging es in der letzten Zeit d a r u m , in der Gegensätzlichkeit . . . so zu vermitteln, daß nicht die totale Konfrontation am E n d e steht, sondern daß Gerechtigkeit und V e r s ö h n u n g unter uns und zwischen den Völkern in O s t und West sich vertiefen.'" 1 7

Es gibt in jener Zeit ein bemerkenswertes Zeugnis innerhalb der kirchlichen Vertriebenenarbeit, in dem dieses Konzept des Ratsvorsitzenden bewußt aufgegriffen wurde und anhand praktischer Erfahrungen für die Vertriebenenseelsorge weiterentwickelt und nutzbar gemacht werden sollte: eine Entschließung, die der „Konvent für Vertriebenenarbeit in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern" 48 wohl Anfang 1971 einstimmig angenommen hatte 4 '. Die Sprecher der Hilfskomitees in Bayern wandten sich damit an alle Pfarrer der bayrischen Landeskirche, um das Wort des Ratsvorsitzenden, der gleichzeitig bayrischer Landesbischof war, vom 21. Dezember 1970 zur Weitergabe an die Gemeindeglieder zu empfehlen und darüber hinaus zu „versuchen, einige Hilfen für seelsorgerliche Gespräche, die immer wieder auf uns zukommen, anzubieten". Als notwendige Voraussetzung für den Seelsorger nennt die Entschließung die „Distanz" von der eigenen politischen Ansicht. Man müsse sich „ d e m ü t i g unter die Tatsache beugen, daß es uns nicht möglich war, in den vorhergehenden Auseinandersetzungen einen theologischen K o n s e n s u s zu finden."

Die Vertriebenensprecher führen dann eine Reihe von Beispielen an, anhand deren sie die Verwundbarkeit der von der ostpolitischen Entwicklung so unmittelbar Betroffenen aufzeigen wollen, etwa die Enttäuschung über nicht eingehaltene Versprechungen der Politiker oder die Bedenken gegen eine mögliche allzu leichtfertig vollzogene Loslösung des Volkes aus einem Teil seiner Geschichte und schließlich die Sorge um eine Krise des Rechtsprinzips angesichts der Sanktionierung bestimmter Machtver47

FRANKFURT/MAIN 1 9 7 1 , S. 3 7 .

Vgl. zu dieser Institution B d . I, S. 225. D e r K o n v e n t stand damals unter d e m Vorsitz von Spiegel-Schmidt. 49 O K I 1971/IV. 48

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Vertriebenenseelsorge

hältnisse. Solche Anstöße dürfen nach Meinung der Seelsorger keinesfalls bagatellisiert, sie müßten vielmehr aufgenommen werden und sollten den Pfarrer zur Besinnung auf deren U r s a c h e sowie B e m ü h u n g u m deren rechte A u f h e b u n g veranlassen: „Vielen fällt es darum schwer, die ostpolitischen Entscheidungen als verantwortungsvoll zu respektieren, weil diese anderen Äußerungen derselben Persönlichkeiten in früherer Zeit widersprechen. Sie kommen hier nicht mehr mit und fühlen sich und ihre Anliegen verraten. Wir sollen ernstnehmen, daß hier eine Vertrauenskrise liegt, die N o t macht. Sollen wir uns nicht Rechenschaft darüber geben, wie weit das politische Gespräch bislang auf beiden Seiten so belastet war, daß es vielen ein deutliches Aussprechen ihrer Überlegungen erschwert hat? Wir sollten in unseren Gesprächen die besorgte Frage, was aus einem Volk wird, das so leicht einen gewichtigen Teil seiner Geschichte abschreibt, nicht bagatellisieren. Sonst würde auch uns dieser Vorwurf mit Recht treffen. E s geht darum, die schmerzliche Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und die damit uns allen aufgelegte Last, die vielen erst jetzt deutlich wird, in diese Geschichte einzuordnen und eine Ehrfurcht vor geschichtlichem Erbe vorzuleben, die von dieser Katastrophe nicht zunichte gemacht wird. N o c h weniger dürfen wir die Frage leichtnehmen, ob hier nicht gegenüber der brutalen Macht das Recht überhaupt in eine Krise geraten sei. Auch in dieser schwierigen Frage nach dem Verhältnis des Rechts zur ,normativen Kraft des Faktischen' sind wir bis heute zu keiner Einigkeit gekommen. Wir sind aber alle gerade heute darauf angewiesen, uns von emotionaler Gebundenheit beiderseits frei zu machen und sorgfältig der Frage nachzugehen, was in der Bibel,Recht' heißt, wie dort geschichtliches Unrecht bewältigt und ein Weg in die Zukunft gefunden wird. A n dieser Bemühung vorbei kann eine geistliche Antwort auf diese Anfechtung nicht gefunden werden."

Vertriebenenseelsorge wird hier nicht primär unter einer bestimmten ethisch-dogmatischen oder kirchenpolitischen Linie gesehen, die thesenartig propagiert würde, sondern von einer besonderen seelsorgerlichen Situation ausgehend wird der einzelne Gemeindepfarrer zu einer (Selbst-) P r ü f u n g und Anstrengung aufgerufen, deren konkretes Ergebnis im Sinne bestimmter ethisch-politischer Alternativen bewußt offengelassen wird, beziehungsweise zu einer Relativierung der eigenen Meinung gerade auch des Seelsorgers führen soll: N i e m a n d darf „seine persönliche Haltung für die einem Christen allein Mögliche erklären . . . D a s gibt uns die Möglichkeit und stellt uns die Aufgabe, dem, der anders denkt als wir, zuzugestehen, daß auch seine Entscheidung aus verantwortungsbewußten Erwägungen erwachsen ist, die Zukunft unseres Volkes und Europas vor Augen hat und um eine Analyse unserer politischen Möglichkeiten bemüht war. Ein Christ darf seinem politischen Gegner nicht moralisch zu verwerfende Motive unterstellen."

Auf die konkrete Situation der Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Ostpolitik angewandt, lautet die E m p f e h l u n g deshalb: „Denen, die die politischen Entscheidungen bejahen, werden wir sagen, daß auch sie sich um die Liebe zum andern bemühen müssen, die rücksichtsvoller, leiser, geduldiger und taktvoller von Dingen redet, die noch kaum vernarbte Wunden berühren. Darin kann uns das Wort unseres Bischofs 5 0 ein Beispiel sein. Denen, die die Entscheidungen nicht bejahen, 50

Nämlich das Wort des Ratsvorsitzenden vom 21. 12.1970.

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w e r d e n wir sagen, daß sie nicht im S c h m e r z u m das Verlorene beharren u n d ihre R e c h t s f o r d e r u n g e n nicht mit d e m R e c h t schlechthin gleichsetzen, vielmehr bereit sein w o l l e n , auch die b e d r ä n g e n d e S o r g e der anderen Seite m i t z u b e d e n k e n . E s ist s c h o n viel g e h o l f e n , w e n n u n s im g e m e i n s a m e n ernsten F r a g e n nach d e m Willen G o t t e s allzu große Sicherheit vergeht und wir einsehen, daß auch in der politischen Welt keiner v o n uns o h n e V e r g e b u n g existieren k a n n . "

Dieser Versuch, die Konzeption, die hinter den Verlautbarungen des Rates und der Synode stand, in eine Anleitung zur Vertriebenenseelsorge umzusetzen, dürfte innerhalb der Vertriebenengremien wohl einzig dastehen. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß ganz unabhängig und unbeeinflußt von dieser bayrischen Entschließung manche Vertriebenenseelsorger, seien sie nun selbst Schicksalsgefährten oder „einheimische" Gemeindepfarrer, diesen Weg eingeschlagen haben. N u r lassen sich Ausmaß und Anteil oder gar der „Erfolg" im Zusammenhang und mit dem Material dieser Arbeit kaum dokumentieren. Im Blick auf die Fülle der Stellungnahmen, Vorstöße und Interventionen zum Vertriebenen- und Ostproblem aus dem Raum der evangelischen Kirche in jener Zeit vor der endgültigen Verabschiedung der Ostverträge überwiegen solche Äußerungen, die unmittelbar auf den Ausgang der politischen Entscheidung Einfluß nehmen wollten durch direktes Votum pro oder contra Ostverträge oder eben dadurch, daß man sich gegen solche Verlautbarungen unter Berufung auf den kirchlichen Auftrag verwahrte. Die breite Öffentlichkeit und damit auch ein Großteil der Vertriebenen hat diesen Streit erheblich mehr registriert, als jene Seite kirchlicher Arbeit, wie sie anhand des bayrischen Konvents skizziert wurde. J e näher die parlamentarische Entscheidung rückte, um so zahlreicher und eindringlicher wurden die Erklärungen aus dem Bereich der Kirche. Ein letztes auslösendes Moment dafür bildet die Stellungnahme des Rates der E K D vom 20. März 197251. Das Echo darauf war zwiespältig. Bereits das Wort der Spandauer Synode vom 21. Februar 1971" hatte einiges Unbehagen hervorgerufen. So verglich wenige Wochen vor der Ratserklärung Simon in einem Interview mit den „Evangelischen Kommentaren" das kirchliche Reden in der Ost-Denkschrift von 1965 mit den offiziellen Stellungnahmen zu den vorliegenden Ostverträgen: „ D a s G e w i c h t der kirchlichen S t i m m e in der Ö f f e n t l i c h k e i t w i r d a b n e h m e n , w e n n sie z w a r z u n ä c h s t deutlich u n d klar spricht, d a n n aber nicht selbst die praktischen K o n s e q u e n zen ihres R e d e n s z i e h t . . . E s geht d o c h nicht an, daß die K i r c h e . . . sich j e t z t . . . g a n z in S c h w e i g e n hüllt und d a s s c h w e r e G e s c h ä f t der A u s f ü h r u n g anderen allein ü b e r l ä ß t . " "

Vgl. o b e n S. 272. Vgl. o b e n S. 273 ff. 5> „ A n d e r Wetterseite der K i r c h e . G e s p r ä c h mit B u n d e s v e r f a s s u n g s r i c h t e r D r . H e l m u t S i m o n " ( E v . KOMMENTARE 1972, H e f t 3, S. 162). 51

52

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Simon, damals Vorsitzender der Kammer für soziale Ordnung und Mitglied des Kirchentagspräsidiums, kritisierte an der Synodalerklärung von 1971, daß darin „lediglich verschiedene Positionen beschrieben und vor einem Klima des kalten Bürgerkrieges gewarnt werden konnte". Er bezweifelte zwar, daß „die Kirche zu ganz speziellen Fragen der OstVerträge Partei ergreifen" könne, hielt aber etwa die Aufforderung für möglich und wünschenswert, „bei diesen wichtigen Entscheidungen den Fraktionszwang aufzuheben, das wäre ein Beispiel für mögliche politische Diakonie" 54 . Erhebliches Aufsehen verursachte eine Verlautbarung „evangelischer Theologen und Laien" vom 29. März 1972, bald die „Erklärung der 2 5 " genannt55. Sie wurde „eben rechtzeitig für die Osterzeitungen" 56 veröffentlicht und trug die Unterschrift führender Repräsentanten des deutschen Protestantismus, darunter allein fünf der damals 14 Mitglieder des Rates der EKD 5 7 , mehrere Landesbischöfe und Präsides von Landeskirchen58, zwei Mitglieder des dreiköpfigen Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages 59 , Theologieprofessoren unterschiedlicher Couleur60, Mitglieder von Kirchenleitungen und sonst prominente Protestan-

54 Ebd. Im selben Heft der „Ev. Kommentare" führte Raiser aus, die Frage, ob die Ostverträge „mit diesem Inhalt und zu diesem Zeitpunkt" uns Frieden und Versöhnung näherbringen, sei „von der Kirche" nicht mehr zu beantworten. „So entschieden ich als Staatsbürger diese Frage bejahe, sowenig fühle ich mich befugt, denen, die sie verneinen, abzusprechen, daß sie das Nein aus christlich geschärftem Gewissen sprechen" (ebd., S. 144). - Einen Eindruck von den Folgen einer offiziellen Parteinahme der E K D zugunsten der Ostverträge mag folgender Vorgang vermitteln: Die 6. Vollversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen ( K E K ) vom 26. 4. bis 3. 5. 1971 in Nyborg hatte die Ostverträge als Beispiel einer konstruktiven Friedenspolitik befürwortet (vgl. Ev. KOMMENTARE 1971, S. 360). In ihrer Botschaft wird festgestellt: „Es ist nicht Sache der Kirche, technische, politische oder diplomatische Lösungen vorzuschlagen, aber es ist ihre Pflicht, alle Absichten zu fördern, die auf bessere internationale Beziehungen in Europa hoffen lassen, wie zum Beispiel bilaterale Abkommen zur Sicherung des Friedens" (C. BAUMGARTNER, Koexistenz, S. 344). Diese „Botschaft" griff A. Hudak, einer der führenden Sprecher der auslandsdeutschen kirchlichen Vertriebenenarbeit, in seinem Referat „Europa-noch unter dem Kreuz?" vor dem rheinischen Landeskonvent der zerstreuten ev. Ostkirchen vom 24. bis 26. 3. 1972 auf, mit der Bemerkung, man habe auf der K E K in Nyborg „eine volksdemokratische Sendung der Kirche zur Umstrukturierung politischer Machtverhältnisse [gefordert] und ließ die Heilsgeschichte sich in der Profangeschichte auflösen" ( O K I , 1972, VI, S. 5). 55

KJ 1972, S. 124 f.

56

LUTHERISCHE MONATSHEFTE 1 9 7 2 , S. 2 5 6 .

57 Dies waren Beckmann, Raiser als Präses der EKD-Synode, Scharf, Fritz Viering, Wilm. 5 ! Heintze (Braunschweig), Eduard Lohse (Hannover), Helmut Hild (Hessen), Karl Immer (Rheinland), Scharf (Berlin), Viering (Lippe) sowie die Präsides i.R. Beckmann (Rheinland) und Wilm (Westfalen). 5 ' Karl Sontheimer und der Präsident Heinz Zähmt. 60 Z . B . Vogel, Fischer, Heinz Eduard Tödt, Jürgen Moltmann.

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ten, die zum Teil bereits das „Tübinger Memorandum" von 1962 mitunterzeichnet hatten". Die Erklärung knüpft zwar an das Wort des Rates vom 20. März 1972 an als dem letzten Beispiel für den Ruf der evangelischen Kirche „zur Aussöhnung und zu einem neuen Anfang in den Beziehungen zu den östlichen Nachbarländern". Die weitere Argumentation läßt aber deutlich werden, daß sich die Unterzeichner als evangelische Christen zu einem Wort veranlaßt sahen, das die Zurückhaltung gegenüber der konkret anstehenden Ratifizierungsentscheidung, wie sie der Rat geübt hatte, aufgibt: Die Kirche habe mit ihrem Ruf, „am eindringlichsten" in der Ostdenkschrift, „unerläßliche Schritte vorbereiten und den Handlungsspielraum der Politiker erweitern" wollen. „Nun haben die Politiker den Spielraum genutzt. Sie haben versucht, diese Anstöße in politische Praxis zu übersetzen und dabei die Interessen unseres Volkes zu wahren. Dieser Versuch ist gewiß nicht frei von Risiken und erfüllt auch nicht alle Wünsche. Aber ein Scheitern der Verträge würde aller Wahrscheinlichkeit nach ein ungleich größeres Risiko mit sich bringen."

Es gehe nun nicht mehr um die Frage, „ob das Verhandlungsergebnis hätte besser ausfallen können. Vielmehr steht auf dem Spiel, ob die von den Verträgen zu erwartenden Möglichkeiten zur Entwicklung eines friedlicheren Europas genutzt oder verpaßt werden."

Es ist wohl kaum auszumachen, welches Motiv dieser öffentlichen Aktion vorrangig zugrundegelegen haben mag. Wollten die Unterzeichner damit die Ratserklärung als unzureichend hinstellen und versuchten sie gar, wie es der Leitende Bischof der V E L K D , Wölber, in einer Stellungnahme ausdrückte, „das eindeutige Votum des Rates der E K D zu unterlaufen" mit einem „Schlag für die Gemeinschaft von Kirchen in der E K D " 6 2 , oder meldeten sich die „prominenten" Protestanten nur zu Wort, um die Erklärung des Rates vor dem Hintergrund früherer Denkanstöße und Impulse, wie sie von der evangelischen Kirche ausgegangen waren, in einer Weise zu konkretisieren, in der zu sprechen dem Rat mit Recht verwehrt sei63. Die so unterschiedliche politische Heimat und Stellung der Unterzeichner läßt auf unterschiedliche Gründe schließen, sich an jener Aktion zu beteiligen. Wenn auch sicherlich keiner damit die Kirchengemeinschaft in der E K D hat treffen wollen, so dürfte doch einige der Wunsch bewogen Etwa Beckmann und Raiser, Picht und C . F. von Weizsäcker. Erklärung vom 30. 3. 1972 (KJ 1972, S. 127). Die Kirchenleitung der V E L K D hatte auf ihrer Sitzung am 2 3 . / 2 4 . 3. 1972 die Ratserklärung ausdrücklich begrüßt. 63 So etwa die Argumentation des braunschweigischen Landesbischofs Heintze am 5. 4. 1972 in einem Brief an seine Pfarrer (EV. KOMMENTARE 1972, S. 362). 61 a

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haben, den Eindruck zu korrigieren, den die Ratserklärung vom 20. März 1972 in der öffentlichen Meinung über die Stellung der evangelischen Kirche zur Ostpolitik der Bundesregierung hat aufkommen lassen können. Andere, wie etwa der lutherische Landesbischof Heintze, befürworteten stattdessen die Beschränkung, die sich der Rat mit seiner Erklärung auferlegt hatte, und verstanden ihr Votum ausdrücklich vor einem anderen Legitimationshintergrund 61 . Grundsätzlich war jedoch die „Erklärung der 2 5 " der Form und Intention nach keine offizielle Äußerung der „evangelischen Kirche", ebensowenig wie vergleichbare Stellungnahmen innerhalb einzelner Landeskirchen65. 64 Vgl. vorige Anmerkung und vor allem auch die Erklärung des hannoverschen Landesbischofs Lohse vor der Landessynode am 22. 6. 1972 (KJ 1972, S. 128ff.). Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach den Initiatoren wenig aufschlußreich, die Wölber in seiner Stellungnahme behandelte: „Peinlich ist . . . der Hintergrund der Erklärung. Die Bischöfe bzw. Präsidenten Hild, Heintze und Immer, deren Amt und Auftrag von gleicher Art ist, wie der des Rates der E K D , haben die Aktion gestartet und für Unterschriften geworben . . ." (ebd., S. 127). 65 So erregte großes Aufsehen der von über 250 württembergischen Geistlichen unterzeichnete „Offene Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages" (ebd., S. 125 f.), in dem vor der Ablehnung der Ostverträge gewarnt wird. Die Leitung der ev. Kirche von Westfalen, die wie andere Landeskirchenleitungen (z.B. Oldenburg) am 13. 4.1972 eine der Linie des Rates der E K D folgende Stellungnahme abgegeben hatte (vgl. Dokumentation, S. 15-15/1; V D 19), wurde am 1 9 . 4 . 1972 von vier westfälischen Theologen, darunter Pfarrer Friedrich von Bodelschwingh und Prof. Schweitzer, kritisiert, weil sie „verkannt" habe, daß es zur Annahme der Verträge keine Alternative auf dem Weg zu einem friedlichen Europa gebe (KJ 1972, S. 133 f.). Im April und Mai wurde zudem von 2214 evangelischen Theologen und Laien aus Westfalen eine Erklärung unterschrieben, in der die Ratifizierung der Ostverträge als unumgänglich bezeichnet wird angesichts der „einfachen und eindeutigen Forderung des christlichen Glaubens, Versöhnung zu suchen, wo immer es möglich ist". Zur „Erklärung der 25" heißt es dann später, man könne „es nur als eine Verschleierung der Situation ansehen, wenn Erklärungen wie die der 25 leitenden Theologen und Laien als private Stellungnahmen bagatellisiert werden. Das Gegenteil ist richtig. In Erinnerung an eindeutige Erklärungen der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland 1966 wurde durch die 25 leitenden Männer die Glaubwürdigkeit des kirchlichen Zeugnisses für Frieden und Versöhnung wiederhergestellt" (ebd., S. 134 f.). Hingewiesen sei auch auf die Stellungnahmen des Ratsmitgliedes und früheren hannoverschen Landesbischofs Lilje zugunsten einer Annahme der Ostverträge (vgl. den Bericht in: LUTHERISCHE MONATSHEFTE 1972, S. 257 f.). Allenfalls mag man in dem Zusammenhang das Wort der Tagung der Regionalsynode West der E K U vom 5. bis 8. 5. 1972 in Berlin anführen, in dem zwar nicht direkt die Annahme der Ostverträge empfohlen, wohl aber die Forderung nach Aufhebung des Fraktionszwangs bei der Abstimmung im Bundestag erhoben wird und das unter Aufnahme von Argumenten der 25 evangelischen Theologen und Laien auf einen Weg deutet, den der Bundestag dann tatsächlich mit seiner Mehrheit gehen sollte: „Die bevorstehende Entscheidung über die Verträge von Moskau und Warschau bewegt die Glieder unserer Kirche in beiden deutschen Staaten. Es handelt sich hier um eine

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Dies ließ auch der Rat der E K D nach seiner Sitzung vom 20./21. April 1972 in einem Pressekommunique ausdrücklich verlauten, in dem er im übrigen an seiner Erklärung vom 20. März 1972 festhielt: „. . . In der Erklärung vom 29. März 1972, mit der 25 evangelische Theologen und Laien sich für eine Ratifizierung der Ostverträge aussprachen, sieht der Rat eine auf persönliche Initiative zurückgehende politische Meinungsäußerung. Die Erklärung ist vor ihrer Veröffentlichung nicht allen Mitgliedern des Rates zugänglich gewesen. Die fünf Mitglieder des Rates, die diese Erklärung mitunterzeichnet haben, haben dem Rat zur Kenntnis gegeben, daß sie sich nicht in Gegensatz zur Ratserklärung vom 20. März stellen wollten. Angesichts zahlreicher öffentlicher Erklärungen von evangelischen Christen zur Ostpolitik weist der Rat darauf hin, daß eine konkrete Stellungnahme die Friedens- und Versöhnungsbereitschaft politisch Andersdenkender nicht in Frage stellen soll und daß dieses in der Erklärung der 25 nach Auskunft der unterzeichneten Ratsmitglieder nicht beabsichtigt ist." 66

Trotzdem prägten die Stellungnahmen führender evangelischer Christen für die Ostverträge, allen voran die „Erklärung der 25", das Bild von der „evangelischen Kirche" als einer treibenden Kraft zur Durchsetzung und Verwirklichung der neuen Ostpolitik mit allem, was dieser angesichts der politischen „Vergangenheit" an traumatischer Potenz innewohnt. „Person und A m t sind untrennbar verbunden, und nur wegen des Amtes findet die Aussage Beachtung, verwirrt aber auch die Gläubigen", heißt es in einem Protest der „Evangelischen Notgemeinschaft in Deutschland" vom 30. März 1972 gegen die „Fünfundzwanzig" 67 . Schicksalsfrage für unser Volk, die auch für Europa, ja für den Weltfrieden von großer Bedeutung ist. Die Synode bittet die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die vielen nicht unmittelbar die Verträge betreffenden Erwägungen, insbesondere parteipolitischer Art, die in eine solche Entscheidung einfließen, gerade im vorliegenden Falle beiseite zu lassen. Bei der Entscheidung über die Verträge sollte, wie es das Grundgesetz den Abgeordneten aufgibt, in der Verantwortung vor Gott und den Menschen allein das Gewissen sprechen. In Erinnerung an die Denkschrift über ,Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn' vom Oktober 1965 und an das Wort der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland zu dieser Denkschrift vom M ä r z 1966 rufen wir dazu auf, eine Politik der Versöhnung zu wagen. Die Synode weiß sich nicht dazu berufen, die politische Entscheidung zu treffen und sie gar dem Urteil Gottes gleichzusetzen. In ihrer Mitverantwortung für die Menschen in der D D R bittet sie aber, deren Ruf nach einer Verwirklichung der Versöhnung bei der anstehenden Entscheidung nicht zu überhören. Offenbar läßt sich dem Vertragswerk in der gegenwärtigen Situation materiell nichts mehr hinzufügen. Wenn aber durch Verdeutlichungen und Klarstellungen in dem gegebenen Rahmen die Verträge für eine größere Mehrheit der Abgeordneten und der Bürger der Bundesrepublik annehmbar werden sollten, so wird die Synode das dankbar begrüßen. Sie unterstützt deshalb alle in diese Richtung gehenden Bemühungen" (KJ 1972, S. 134). 66 Ebd., S. 130 f. 67 Ebd., S. 127. In ähnliche Richtung zielt auch die Erklärung „Wider den politischen Mißbrauch des kirchlichen Amtes", die u. a. von Thielicke, Jordan und Künneth sowie dem persönlichen Referenten des Ratsvorsitzenden Reinhard M u m m unterzeichnet ist (ebd., S. 172 f.).

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Solche Stellungnahmen sind wohl nicht nur als Versuch anzusehen, die Gremien der evangelischen Kirche zu größerer Distanz zur Ostpolitik zu veranlassen, bzw. weiteren positiven Äußerungen zu den Verträgen von Seiten kirchlicher Persönlichkeiten zu wehren. Sie sind vielmehr auch mitbeeinflußt von dem bei einem Teil der Vertriebenen vorhandenen teilweise schon durch die Denkschrift hervorgerufenen — Gefühl, von „ihrer Kirche verlassen oder gar verraten" zu sein68. Das Vorhandensein eines solchen, wenn auch in Verbreitung und Ausmaß kaum meßbaren, „Gefühls" ist unabhängig von der Wertung einzelner Positionen zu konstatieren. Das Bild, das die evangelische Kirche vielen Vertriebenen bot, aber auch die Ratifizierung der Verträge selbst, stellten die Vertriebenenseelsorge so wiederum vor besondere Aufgaben. Schon der kurze Einblick in die unterschiedliche Behandlung der Vertriebenenfrage während der Ostverträge-Debatte, etwa ein Vergleich zwischen den Entschließungen des schlesischen Kirchentags, der „Beienroder" und des bayerischen Konvents, veranschaulicht wie unterschiedlich jene neuen Aufgaben umschrieben wurden und wie verschieden die Wege sind, die von den Vertriebenenseelsorgern in den einzelnen Organisationen und Gremien der kirchlichen Vertriebenenarbeit beschritten wurden. Es sind im wesentlichen die Differenzen, wie sie sich seit Entstehung und Veröffentlichung der Denkschrift deutlich herausgebildet hatten und so bis heute fortwirken. Die Verlautbarungen aus dem Raum der evangelischen Kirche zu den Verträgen von Moskau und Warschau lassen zudem erkennen, daß diese Unterschiedlichkeit nicht auf den Teilbereich Vertriebenenseelsorge beschränkt ist, sondern die gesamte Kirche umfaßt. Der Rat der E K D versuchte in der Zeit zwischen Paraphierung und 68 So sagte Gülzow, nach der Verabschiedung der Ostverträge im epd: „Da nun die Würfel gefallen sind, werden wir unsere ganze Kraft in der Seelsorge aufbieten, um denen, die sich von den Politikern und oft auch von ihrer Kirche verlassen oder gar verraten fühlen, zurechtzuhelfen. Alles wird darauf ankommen, daß der mit so starker Mehrheit den Verträgen beigegebenen Entschließung des Deutschen Bundestages Geltung verschafft wird" ( O K I 1972, VI, S. 7 f.). - Gemeint ist die gemeinsame Entschließung aller Fraktionen des Deutschen Bundestages vom 17. 5. 1972, deren Pkt. 5 die „endgültige Regelung der deutschen Frage im Ganzen" als noch ausstehend und den „Rechten und Verantwortlichkeiten der vier Mächte in bezug auf Deutschland als Ganzes und auf Berlin" weiterhin unterliegend erklärt.

Aufschlußreich ist auch die pauschale Feststellung, die Brügmann in der bayrischen Dokumentation kurze Zeit nach der Ratifizierung des Vertragswerkes getroffen hat. E r schrieb in dem Abschnitt über das Verhältnis der Hilfskomitees zu den Landsmannschaften: „Bei besonderen Gelegenheiten, z . B . nach der Veröffentlichung der Ost-Denkschrift der E K D und bei der Auseinandersetzung um die Ostverträge der Jahre 1970/72, die alle Vertriebenen, besonders die der früheren Ostgebiete, sehr bewegte und erzürnte, fanden sie wieder näher zueinander" (Dokumentationsbericht, S. 6 5 ; V D 2.1). Ahnlich pauschale Beurteilungen finden sich auch in anderen Dokumentationsberichten, besonders denen der Hilfskomitees.

Vertriebenenseelsorge

287

Ratifizierung immer wieder, der Kirche eine Position über oder jenseits politischer Alternativentscheidung zuzuweisen 69 , er hob dabei auf die Besonderheit „kirchlichen Mitredens" in politischen Dingen ab. Wie die geschilderten Auseinandersetzungen jedoch zeigten, konnte damit nicht verhindert werden, daß die Äußerungen des Rates in den politischen Meinungsstreit gerieten oder die eine wie die andere Seite die Verlautbarungen des Rates für sich reklamierte 70 . Es war der E K D nicht gelungen, „ein gemeinsames kirchliches Wort zu dem Streit um die Ostverträge zu finden und es wirksam und überzeugend auszusprechen", wie der Berichterstatter des „Kirchlichen Jahrbuchs" der E K D konstatieren mußte 7 . Das oben gezogene Resümee der kirchlichen Debatte um die Denkschrift und die Bewertung des Synodalwortes „Vertreibung und Versöhnung" vom 18. März 1966 finden hier eine nachträgliche Bestätigung. Der unleugbar breite Konsens während einer bestimmten Phase und auf einer bestimmten Ebene der Auseinandersetzung um die Denkschrift war auf eine besondere Situation und historische Konstellation beschränkt und mußte deshalb singulär bleiben - eine Feststellung, mit der die Kontinuität und Verwobenheit der damaligen Debatte mit den grundlegenden ethisch-politischen Auseinandersetzungen, welche die E K D seit ihrer Gründung begleitet haben, natürlich nicht geleugnet werden sollen. Herausgehoben ist der Vorgang durch die außerordentliche Wirkung, die von diesem Akt politischer Diakonie auf die politische Diskussion, die außen- und innenpolitische Entwicklung ausgegangen ist. Andererseits darf der Vorgang um die Denkschrift nicht isoliert betrachtet werden, so als ob er die etwa mit der Spandauer Synodalerklärung 1966 seinen Abschluß gefunden hätte und so als herausragendes Beispiel der „Besonderheit kirchlichen Mitredens" im Bereich des Politischen, als Muster politischer Diakonie gelten könnte. Vielmehr stehen die DenkschriftDebatte und die ostpolitischen Auseinandersetzungen 1970 bis 1972 in äußerer und innerer Beziehung zueinander, wie ja gerade die Darstellung unter dem Gesichtspunkt der Vertriebenenseelsorge deutlich werden ließ. Der vorläufige Schlußstrich unter diese Auseinandersetzungen läßt sich nicht 1966 ziehen, sondern erst mit dem Ausgang der Ostdebatte 1972. Von daher werden hinter dem Vorgang Widersprüche und Aporien sichtbar, wie sie den gesamten Weg der E K D kennzeichnen und sich etwa im Ausgang der Debatten um die Strukturreform der E K D eindrücklich

" Vgl. außer den bisher erwähnten Stellungnahmen noch den Absatz, der die Ostpolitik b e t r i f f t ( E K D - R E C H E N S C H A F T S B E R I C H T 1 9 7 0 / 7 1 , S. 9 9 ) . 70

Vgl. den Bericht des Ratsvorsitzenden Dietzfelbinger vor der Synode der E K D vom 1.

b i s 5 . 1 0 . 1 9 7 2 (BERLIN-SPANDAU, S . 3 1 ) .

" KJ 1972, S. 135.

288

Vertriebenenseelsorge

bemerkbar machten. Rudolf Weeber stellte Ende 1972 den Ausgang der Ostdebatte in diesen größeren Zusammenhang 72 : „ L e i d e r k a n n ich nicht sagen, daß die aus d e m B e r e i c h der politischen M i t v e r a n t w o r t u n g resultierenden S p a n n u n g e n u n d G e g e n s ä t z e bei uns ü b e r w u n d e n u n d auf D a u e r ü b e r b r ü c k t w o r d e n w ä r e n . D a s hat die jüngste D i s k u s s i o n u m die R a t i f i z i e r u n g des M o s k a u e r und des W a r s c h a u e r V e r t r a g s gezeigt. D a s s c h o n v o r J a h r e n f o r m u l i e r t e L e i t w o r t , W i r b l e i b e n u n t e r d e m E v a n g e l i u m z u s a m m e n ' 7 3 m u ß seine T r a g f ä h i g k e i t i m m e r w i e d e r unter B e w e i s stellen. B e i einer N e u o r d n u n g der E K D , die auf einer vertieften G e m e i n s c h a f t des Zeugnisses u n d D i e n s t e s basieren soll, sind o f f e n b a r A p o r i e n mit e i n z u r e c h n e n . D a s ist n i c h t g l e i c h b e d e u tend m i t M i ß t r a u e n . E s handelt sich v i e l m e h r d a r u m , ein ausgewogenes V e r h ä l t n i s v o n Z i e l s e t z u n g und W i r k l i c h k e i t i m A u g e z u b e h a l t e n , was etwas m i t G l a u b w ü r d i g k e i t und Z u t r a u e n z u tun h a t . "

72

R . WEEBER, B a l a n c e , S. 7 5 1 .

73

E n t s c h l i e ß u n g der S y n o d e der E K D am 3 0 . 4. 1958 z u den M a s s e n v e r n i c h t u n g s m i t t e l n

(BERLIN 1 9 5 8 , S. 2 1 8 ) .

Kapitel 8 A N S P R U C H U N D A P O R I E N - D I E AUSEINANDERSETZUNG U M DENKSCHRIFT U N D OSTPOLITIK A U S DER SICHT DER VERTRIEBENENSEELSORGE

Die Auseinandersetzungen um die Denkschrift werden in dieser Darstellung nur insoweit behandelt, als sie sich unmittelbar mit der Themenstellung „Evangelische Kirche und Vertriebene" berühren 1 . Dieser Einschränkung mußte ein Großteil der Aspekte zum Opfer fallen, wie sie etwa bei Weeber anklingen; auch die Linien blieben außer Betracht, die die mit Denkschrift und Ostpolitik verknüpften Fragen an die allgemeine historische und politische Entwicklung jener Jahre bindet. Die Darstellung aus der Sicht der kirchlichen Vertriebenenarbeit vermag jedoch diesen wichtigen Abschnitt der evangelischen Kirchengeschichte in Deutschland auf eine Weise zu erhellen, in der manche Widersprüche noch einen anderen Hintergrund erhalten, als ihn die zutage getretene Frontstellung in den damaligen Auseinandersetzungen zunächst vermuten läßt. Schon bei einer ersten Analyse der Denkschrift-Diskussion 2 waren unterschiedliche Konzeptionen sichtbar geworden, deren Herausbildung in der früheren Entwicklung der EKD, besonders der Verfassung und Struktur ihrer Vertriebenenarbeit, nicht zu leugnen ist. Oder läßt sich etwa der Zusammenhang zwischen dem gruppenorientierten Kirchenverständnis kirchlicher Vertriebenensprecher mit der Gruppenorientierung und Parzellierung der Vertriebenenarbeit in den ersten Nachkriegsjahren 3 auflösen? Und wurde andererseits nicht mehrmals während der jahrelangen Auseinandersetzungen um die Ost- und Vertriebenenfragen etwas von jenen „gesamtkirchlichen Implikationen" sichtbar, die der inhaltlichen Bestimmung und organisatorischen Entwicklung der Vertriebenenarbeit und den dabei wirksam gewordenen Widersprüchen innewohnen? Den Initiatoren und Verfassern der Denkschrift waren solche Beziehungen keineswegs unbekannt. Die Aufnahme des im 2. Abschnitt der Denkschrift behandelten Themenkreises, zu der es allerdings erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Überlegungen gekommen war, belegt 1 2 5

V g l . S . 150 f. Vgl. oben S. 188 ff. Vgl. Bd. I , S . 387 f.

290

Anspruch und Aporien

dies mehr oder weniger. Ebenso standen den Kritikern, gerade aus den Reihen der kirchlichen Vertriebenengremien, solche Beziehungen vor Augen, wozu beispielsweise nur auf die Argumentation des Vorsitzenden der Gemeinschaft evangelischer Schlesier, Konrad, auf dem Ostkirchenkonvent 1969 hingewiesen sei4. Dennoch gelang es innerhalb der Kirche nicht, die Gegensätzlichkeit der Standpunkte und Konzeptionen in wesentlich anderer Art und mit anderem Ergebnis auszutragen - sie etwa in einen Konsens höherer Ebene kirchlichen Selbstverständnisses aufzuheben - , als sie die säkulare Debatte kennzeichnen. Soweit es um die Frage kirchlicher Legitimation ging, war die überkommene Vielfalt und Gegensätzlichkeit der Positionen ohnehin im wesentlichen vorgegeben 5 . Die einmal eingenommenen Positionen wurden beibehalten, und mehrmals konnte der Eindruck aufkommen, die Debatte trete auf der Stelle. Dies gilt aber wohl mit Ausnahme der Vorgänge, die unter dem Stichwort der „Einholung in die Vertriebenenseelsorge" beschrieben wurden und mit der Spandauer Synodalerklärung 1966 einen gewissen Abschluß fanden. Hinter diesen Vorgängen wurden Widersprüche und Aporien aus der frühen Entwicklung kirchlicher Vertriebenenarbeit sichtbar, vor allem mit der Schuld- und Gerichtsproblematik, der sogenannten „Geschichtstheologie", aber auch z.B. in der Würdigung des Erbes der Ostkirchen und Vertriebenen. Warum konnten solche Zusammenhänge in der Debatte nicht stärker zum Tragen kommen, warum blieben sie letztlich doch unerheblich, wenn man den Ausgang des Gesamtvorgangs betrachtet, die weitgehende Perseveranz von Ungenügen, Widerspruch und Distanz? Ohne dem abschließenden Ergebnis vorgreifen zu wollen, sollen hier einige Streiflichter zur Klärung dieser Fragen gegeben werden: Die Darstellung der ersten Nachkriegs jähre in Band I ließ in mehrfacher Hinsicht eine Kirche erkennen, die eng in die für die Vertriebenenarbeit entscheidenden historischen Gegebenheiten und Probleme hineinverwoben war. So wurde etwa der Zusammenhang zwischen dem Problem des Fortbestands der zerstreuten Ostkirchen und der Herausbildung der EKD auf Grundlage des Landeskirchentums sichtbar oder die Bedeutung, die der Schuldfrage sowohl für Verfassung und Legitimation der E K D wie auch für die Vertriebenenseelsorge zugemessen werden mußte. Der Denkschrift- und Ostdebatte liegt aber im Verständnis der 4

Vgl. oben S. 251 ff. Dazu sei etwa das Beispiel des Versöhnungsbegriffes angeführt. Man vgl. in diesem Zusammenhang die Erklärung zum Verhältnis von Versöhnung und Politik (oben S. 276) mit der Argumentation, die Paul Althaus und Hirsch 1931 gegen die ökumenische Friedensbewegung vortrugen; vgl. dazu R. GAEDE, Kirche, S. 100, Anm. 23). 5

Anspruch und Aporien

291

widerstreitenden Parteien eine „Kirche" zugrunde, die weitgehend aus solchen Zusammenhängen herausgelöst erscheint. Sicherlich: beide Seiten haben mit verschiedenem Nachdruck die Kirche in das Schuldbekenntnis einbezogen, aber doch nicht in dem Sinn, daß die Frage kirchlicher Legitimation zu politischer Diakonie und das Verständnis der Vertriebenenseelsorge entscheidend dadurch berührt worden wären. Die „Kirche" erscheint vielmehr in den Argumenten der miteinander streitenden Parteien als eine diesen Zusammenhängen gegenüberstehende und weitgehend etablierte Größe. So enthält die Denkschrift „Aufgaben und Grenzen kirchlicher Äußerungen zu gesellschaftlichen Fragen" von 1970 - sie kann als eine Reflexion auf die Debatte des Legitimationsproblems zur Ost-Denkschrift gelten - folgende Bestimmung des kirchlichen Auftrags in der Gesellschaft: „Gesellschaft und Staat sind darauf angewiesen, daß an dem Dialog zwischen den gesellschaftlichen Gruppen auch Kräfte teilnehmen, die an dem Ergebnis kein unmittelbares Eigeninteresse haben. Es geht nicht an, daß ζ. B. . . . für die Zukunft der Ostgebiete des ehemaligen Deutschen Reiches nur die Vertriebenenverbände [wirksam werden]". 6

Welche Bedeutung dieser Gedanke bei der Behandlung des Legitimationsproblems etwa auf der Frankfurter Arbeitstagung der EKD-Synode im November 1965 besaß, wurde bereits ausführlich geschildert. Eine etablierte Größe bildet die Kirche aber auch im Verständnis derjenigen, die sie zum Gewährsträger etwa ihrer Rechts-, Heimat- oder gar Vaterlandsvorstellungen machen wollen. Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen griff in ihrer Auseinandersetzung mit der „Ev. Notgemeinschaft in Deutschland" die hinter solchen Erwartungen stehenden Leitbilder der Kirche kritisch auf: „Symptomatisch ist die an wesentlicher Stelle gebrauchte Bezeichnung der Kirche als einer ,Mutter'. In der direkt oder indirekt an die kirchenleitenden Instanzen gerichteten Forderung, eine eindeutige Entscheidung in den gegenwärtig strittigen theologischen Grundfragen zu fällen und der Aktivität einiger kirchlicher Gruppen Grenzen zu setzen, tritt ein Verständnis von kirchlicher Struktur und Autorität zutage, das wir nicht mehr als sachgemäß ansehen können. Meinungsbildung und Denkmittel weisen insgesamt deutliche Einschläge eines Leitbildes von Gesellschaft und Kirche . . . auf, das der Vergangenheit angehört oder mehr und mehr überwunden wird." 7

Bezogen auf die Ost- und Vertriebenenproblematik scheint aber jede der einander widerstreitenden Parteien die Kirche entweder als „Mutter" anzusehen oder sie aufgrund einer ihr eigenen (partikulare Interessen 6

DENKSCHRIFTEN 1 / 1 , S. 5 2 .

7

Dokumentationsbericht, S. 14 (VD 19). - Eine übersteigert konfessionelle (scharf antikatholische) Komponente gewinnen solche Leitbilder in den Einlassungen der „Protestantischen Union e.V." zur Denkschrift der EKD. Vgl. den Briefwechsel zwischen der K i r c h e n k a n z l e i d e r E K D u n d R a i s e r 1 9 6 6 / 6 7 (HANDAKTEN W I L K E N S , I X / 1 9 ) .

292

Anspruch und Aporien

übergreifenden) gesellschaftlichen Relevanz zu beanspruchen. Beide Vorstellungen lösen jedoch die Kirche aus ihrer Geschichte, ihrer Verflochtenheit in „Schuld" und „Gericht", ihrer Konfrontation mit der „Vertriebenen"- und Pilgrimskirche, mit denen, die als „Habenichtse" jegliche materielle Grundlage gesellschaftlicher Etabliertheit entbehren mußten, d. h. andererseits aber auch wieder: mit einem Teil der eigenen Geschichte. Wie die Darstellung der verschiedenen Bereiche und Entwicklungen der kirchlichen Vertriebenenarbeit zeigte, entstanden solche „Bilder" der Kirche aus realen geschichtlichen Vorgängen, Auseinandersetzungen, Entscheidungen, diesen Weg zu gehen, jenen zu meiden, mit allen Friktionen, die solche Entscheidungen zur Folge haben und die dann nach Jahren wieder aufbrechen können, wie dies etwa in der Behandlung der Schuld- und Gerichtsproblematik der Fall war. So wird die Präzisierung und Korrektur, die die entsprechenden Gedanken in der Spandauer Synodalerklärung gegenüber der Denkschrift selbst erfahren haben, vor diesem Hintergrund problematisch: Der Gebrauch des Begriffs „Haftungsgemeinschaft" zum Beispiel8 sollte einerseits das Mißverständnis beseitigen, nur die sichtbar vom „Gericht" Getroffenen seien die wahren Schuldigen, andererseits dazu helfen, die Frage nach der Schuld innerhalb der Geschichte stellen zu können. Ist sowohl das eine wie das andere, überhaupt der gesamte Vorgang der Schulddiskussion bis hin zur „Haftungsgemeinschaft" nicht vor dem Hintergrund der Behandlung der Schuldfrage nach dem Krieg zu sehen, bei der die Kirche, wie oben gezeigt wurde9, trotz erklärten Festhaltens an der Stuttgarter Erklärung von 1945 zusehends aus dem unmittelbaren Zusammenhang von Schuld, kirchlicher Verfassung und Legitimation heraustrat und sich dann zunehmend quasi von außen den Problemen stellen konnte? Kamen aber solche Zusammenhänge ins Spiel, dann mußten auch die Aporien der eigenen Geschichte, die unerledigten oder verdeckten Widersprüche wirksam werden, die den damaligen Lösungen, dem damaligen Weg der Kirche innewohnten, und die Anstöße am Gefälle von Anspruch und historischer Gestalt konnten mehr oder weniger bewußte Widersprüche bei davon besonders betroffenen Adressaten eines kirchlichen Wortes wekken. Wie sollte aber eine solche Kirche die traumatische Potenz der ostpolitischen Entwicklung bei solchen Vertriebenen durchgreifend verringern können?

8 Vgl. dazu oben S. 229 f. ' Vgl. z . B . Bd. I . S . 297f.

Kapitel 9 B E W A H R U N G D E S ERBES - B E W Ä H R U N G D E R K I R C H E ?

Die Frage nach dem Erbe der Vertriebenen, seiner Bewahrung und Bewährung im Westen stand unausgesprochen hinter vielen der bisher dargestellten Vorgänge und bildet schließlich eines der Motive des gesamten Dokumentationsvorhabens. Wenn das Erbe der Vertriebenen und ihrer früheren Kirchen nun eigens zum Thema erhoben wird, so m u ß hierbei besonders auf die für die Arbeit insgesamt geltende Einschränkung verwiesen werden 1 . Es können hier lediglich anhand einiger Beispiele die Intentionen und Maßnahmen zur Bewahrung des heimatkirchlichen Erbes dargestellt werden und das Bemühen, ihm im kirchlichen Raum Geltung zu verschaffen, es für die Entfaltung des kirchlichen Lebens im Westen nutzbar zu machen und lebendig werden zu lassen. Die Wirkungen solcher Intentionen im einzelnen oder der Wert jenes Heimat- und Vertriebenenerbes für das hiesige Kirchentum lassen sich historisch abgesichert dagegen hier nicht darstellen und beurteilen. Die vorliegende Darstellung, aber auch das Dokumentationsvorhaben insgesamt bleiben zwangsläufig weit hinter der Vielfalt des Geschehens und der daraus fließenden Bezüge und Gesichtspunkte zurück. Es k o m m t hinzu, daß das gesamte Dokumentationsvorhaben einschließlich der Art und des Ausmaßes, wie es von den Betroffenen aufgenommen wird, selbst noch einen Teil des Vorgangs bildet, um dessen Bewertung es dann gehen müßte. So seien hier nur einige Hinweise auf die Bewahrung des Heimaterbes in der Zerstreuung sowie die Bemühungen um angemessene Beteiligung der vertriebenen Gemeindeglieder an der Arbeit der kirchlichen Gremien auf den verschiedenen Ebenen gegeben, bevor dann abschließend allgemeinere Erkenntnisse hieraus gezogen werden sollen.

1. Bewahrung des

Heimaterbes

So gewiß das Bemühen um die Bewahrung des Heimaterbes erst in den Vordergrund der kirchlichen Vertriebenenarbeit rücken konnte, als die unmittelbare N o t der Vertreibung und Fremdlingschaft im Westen halbwegs überwunden war, so unbestreitbar lebte die Vertriebenenseelsorge ' Vgl. Bd. I, S. X V I I ff. u n d oben S. 150 f.

294

B e w a h r u n g des E r b e s - B e w ä h r u n g der Kirche?

von Anfang an aus der Aktualisierung und Pflege eben dieses Erbes und trug gerade damit zur kirchlichen Eingliederung im Westen bei. Aber nicht bloß „die Vertriebenenseelsorge" lebte davon, sondern Frömmigkeit und Kirchlichkeit der Vertriebenen selbst lebten fort, wodurch das heimatkirchliche Erbe unmittelbar und von Anfang an in die Gemeinden der Aufnahmegebiete hineinzuwirken vermochte 2 . Wenn der erste große Kirchentag der Vertriebenen, der „Tag der zerstreuten Heimatkirche" 1951 in Lübeck, unter das Motto „Sechs Jahre heimatvertrieben und doch Christ" gestellt wurde 3 , so fand darin auch ein nicht ohne Stolz getragenes Bewußtsein „bewahrten und bewährten Erbes" 4 seinen Ausdruck. Eine Bewahrung des Erbes im Sinne materieller Sicherstellung, Sammlung der Uberreste, historischer Verarbeitung und Dokumentation wurde in größerem Umfang erst im Verlauf der 50er Jahre bewußt in Angriff genommen 5 . Ein frühes Signal setzte der „Verein für Schlesische Kirchengeschichte", als er 1953 mit dem 32. Band des „Jahrbuchs für Schlesische Kirche und Kirchengeschichte" die 1941 unterbrochene Reihe wieder aufnahm 6 . Ein Jahr zuvor wurde die wissenschaftliche Reihe „Das evangelische Schlesien" eröffnet 7 . Dies sind jedoch nur Beispiele für eine Fülle monographischer Darstellungen der Geschichte jeder einzelnen Kirche im Osten, die zumeist im Zusammenhang und durch Förderung des jeweiligen Hilfskomitees entstanden und publiziert werden konnten. Sie fanden Eingang in eine mehrere hundert Titel umfassende „Bibliographie des deutschen Ostprotestantismus nach dem Zweiten Weltkrieg", die der wissenschaftliche Mitarbeiter des Ostkircheninstituts, Martin Lackner,

2 Vgl. d a z u B d . I, S. 182ff. und H . KRIMM, A n d i t z ; dieses Buch wurde mit seinen „ C h a r a k t e r s k i z z e n " ausdrücklich als „ H i l f s b u c h der [Vertriebenen-JSeelsorge" (Geleitwort v o n T h . W u r m ) verstanden. 3 Vgl. die gleichnamige Festschrift z u m T a g der zerstreuten Heimatkirche in L ü b e c k v o m 31. 8. bis 3. 9 . 1 9 5 1 . 4 Vgl. C . HARMS, Erbe, u n d B d . I, S. 181 ff. 5 Vgl. zur heimatlichen Kulturpflege allgemein Κ. H . GEHRMANN, Kulturpflege. G e h r mann verweist auf die B e d e u t u n g des kulturellen E r b e s bei der Bewältigung des Verlustes der H e i m a t : „ A n f a n g s werden die heimatkulturellen Überlieferungsgüter gegen eine unbefriedigende G e g e n w a r t ausgespielt: die Pflege von Kulturbewußtsein ist die K o n s e q u e n z aus d e m Protest gegen die widrige Situation" (S. 162). D i e hier v o r g e n o m m e n e U n t e r s c h e i d u n g zwischen seelsorgerlicher B e l e b u n g und historischer Bearbeitung des H e i m a t e r b e s darf nicht im Sinne einer strengen Zäsur mißverstanden werden. Natürlich gab es V o r - u n d U b e r g a n g s f o r m e n (vgl. etwa die von G e h r m a n n erwähnten „ E r z ä h l g e m e i n s c h a f t e n " ; ebd., S. 168). Im Z u s a m m e n h a n g dieses Kapitels geht es lediglich u m die Verlagerung der Schwerpunkte in der Arbeit der kirchlichen Vertriebenenorganisationen.

' Vgl. G . HULTSCH, Geschichte, S. 275 ff. A b 1960 lautet der Titel wieder wie f r ü h e r : „Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte". Vgl. auch das V o r w o r t von G . HULTSCH z u m Registerband des J a h r b u c h e s für die J g . 32-51, S. 7. 7 Vgl. M . LACKNER, Beiträge, A b t . F .

295

Bewahrung des Heimaterbes 1 9 6 8 a b s c h l o ß , d e r j e d o c h s c h o n 1 9 7 0 ein fast e b e n s o

umfangreicher

„ N a c h t r a g I " folgte 8 . D i e Z u w e n d u n g z u m kirchlichen E r b e findet z u d e m darin ihren A u s d r u c k , d a ß eine R e i h e v o n H i l f s k o m i t e e s r e c h t u m f a n g r e i c h e u n d b e r e i t s sorgfältig katalogisierte A r c h i v e verwalten9.

Gerade

auslandsdeutsche

G r u p p e n v e r f ü g e n teilweise s c h o n ü b e r G e s a m t d a r s t e l l u n g e n , in d e n e n das p r o t e s t a n t i s c h e K i r c h e n t u m e i n e n b r e i t e n R a u m e i n n i m m t 1 0 .

Eine

w i c h t i g e F o r m d e r B e w a h r u n g u n d h i s t o r i s c h e n A u f a r b e i t u n g des h e i m a t k i r c h l i c h e n E r b e s sind die F e s t s c h r i f t e n , B i b l i o g r a p h i e n u n d G e d e n k b ü c h e r f ü h r e n d e r K i r c h e n m ä n n e r u n d T h e o l o g e n des d e u t s c h e n O s t p r o testantismus, wie z . B . T h e o d o r Zöckler, A r t h u r R h o d e , Roland Steinakk e r , H e r b e r t G i r g e n s o h n , O t t o Z ä n k e r u. v. m . 1 1 .

8 Vgl. Anm. 7. Die Bibliographie ist nach den Ostprovinzen und den einzelnen auslandsdeutschen Gruppen gegliedert. Lackners Bibliographie erhebt selbstverständlich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, enthält jedoch bei nahezu jeder Vertriebenengruppe Hinweise auf weitere Bibliographien. Außerdem haben teilweise auch Arbeiten Eingang in diese Bibliographie gefunden, die nicht in direktem Zusammenhang mit der kirchlichen Vertriebenenarbeit stehen, sondern Teil der profan- und kirchengeschichtlichen Forschung an Universitäten und Spezialinstituten sind. So sei hier etwa auf die Arbeiten von Historikern aus dem Universitätsbereich wie Walter Hubatsch, Friedrich-Wilhelm Kantzenbach, Georg Kretschmar, Gotthold Rhode, Bernhard Stasiewski, Stupperich, Friedrich Valjavec oder Reinhard Wittram verwiesen. 9 Dabei konnten durchaus bestimmte Nothilfemaßnahmen der Hilfskomitees in der ersten Nachkriegszeit, wie z.B. Heimatortskarteien, Grundstock oder Anlaß zum Aufbau eines solchen Archivs bilden. 10 So konnte das Hilfskomitee der Galiziendeutschen bereits 1962 das rd. 600 Seiten umfassende Gedenkbuch HEIMAT GALIZIEN, zusammengestellt von J. Krämer, herausgeben, zu dem eine Reihe fachkundiger Landsleute ihren Beitrag leisteten. Das Hilfskomitee der ev.-lutherischen Kirche aus Bessarabien gab 1966 zusammen mit der Landsmannschaft der Bessarabiendeutschen ein von A. Kern bearbeitetes HEIMATBUCH DER BESSARABIENDEUTSCHEN heraus. Darin wird umfassend die gesamte kirchliche Geschichte unter Berücksichtigung jedes einzelnen Kirchspiels behandelt. Wie lebhaft das Engagement gerade dieser Gruppen für die Bewahrung und Aufarbeitung ihres historischen Erbes ist, mag man daraus ersehen, daß dieses Hilfskomitee 1970 eine eigene Bibliographie über das Bessarabiendeutschtum von A. KRAENBRING vorlegen konnte. A. RHODE legte 1956 mit Unterstützung des Marburger Gottfried-Herder-Instituts und des O K A eine „Geschichte der evangelischen Kirche im Posener Lande" vor. Im selben Jahr konnte die 1953 geplante, von O K A und dem Ev. Hilfswerk unterstützte BALTISCHE KIRCHENGESCHICHTE mit Beiträgen verschiedener Wissenschaftler von R. Wittram herausgegeben werden. H. NEUMEYER veröffentlichte im Auftrage des O K A 1971 den ersten Band seiner „Kirchengeschichte von Danzig und Westpreußen in evangelischer Sicht"; er reicht bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Band 2 (1977) bis 1945. Dazu kommen Kirchengeschichten von Schlesien, Pommern,

O s t p r e u ß e n u n d P o s e n , w i e s i e v o n H . E B E R L E I N , H . H E Y D E N , W . HUBATSCH u n d d e m

bereits erwähnten A. RHODE nach dem Krieg geschrieben wurden. Mit Unterstützung des O K A , des „Büros Kruska" und anderer kirchlicher Stellen konnte E. KNEIFEL die Geschichte sämtlicher evangelisch-augsburgischen Gemeinden und Pastoren in Polen erscheinen lassen. Dies alles sind nur Hinweise ohne Anspruch auf Vollständigkeit. 11 Die Deutschbalten waren aufgrund ihres Archivs sogar in der Lage, in der Tradition des

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B e w a h r u n g des Erbes - B e w ä h r u n g der Kirche?

Nahezu unübersehbar ist die Fülle von „Heimatbüchern", „Jahrbüchern", „Heimatkalendern" einzelner Gemeinden, Distrikte oder ganzer Landsmannschaften, in denen das kirchliche Erbe einen der gesellschaftlichen Bedeutung der Kirche im Heimatland entsprechenden Platz einnimmt. Diese Schriften stellen neben heimatkirchlichen Zeitschriften oder kirchlichen Beilagen zu den landsmannschaftlichen Periodika von ihrer Verbreitung her das wirkungsvollste 12 literarische Mittel zur Bewahrung des kirchlichen Erbes und zur Erinnerung an die verlorene Heimat dar13. Der Zusammenhang zwischen seelsorgerischen Belangen und dem auch wissenschaftlichen - Bemühen um das heimatkirchliche Erbe wird deutlich in der Initiative zur Gründung eines Ostkircheninstituts, wie sie 1955 vom Ostkirchenausschuß wohl nicht ohne Verbindung mit den damaligen Aufbruchstendenzen in den kirchlichen Vertriebenengremien ausging14. Nach dem Vorbild des Ostpriesterseminars im Zentrum der katholischen Vertriebenenarbeit in Königstein im Taunus 15 entwarf der Ostkirchenausschuß den Plan eines Ostinstituts der E K D . Es sollte einer Universität angeschlossen sein, einen Ordinarius einer theologischen Fakultät zum Direktor, den Geschäftsführer des Ostkirchenausschusses zu dessen Stellvertreter und zwei wissenschaftliche Mitarbeiter, einen Historiker und einen Soziologen, haben. Der Hilfsdienst des Historikers in der „entscheidend" theologischen Aufgabenstellung des Instituts sollte nach Ansicht des Ostkirchenausschusses darin bestehen, „den evangelischen Beitrag z u r Neubesinnung über die Geschichte sowohl des O s t d e u t s c h tums wie des O s t e n s und seiner Zugehörigkeit zu E u r o p a überhaupt zu erarbeiten und die besonderen kirchengeschichtlichen Aufgaben w a h r z u n e h m e n , die verhindern sollen, daß die kirchliche Bedeutung der Ostgebiete in Vergessenheit gerät. Dabei ist die Aufgabe des Historikers aber nicht bloß eine rückschauende, sondern wird zugleich die unerläßliche Grundlage dafür sein, daß der W e g der G e g e n w a r t gefunden w i r d . " "

Theologischen Vereins zu D o r p a t , der 1 9 5 4 wiedergegründet wurde, 1 9 6 7 ein v o n W . N e a n d e r bearbeitetes LEXIKON DEUTSCHBALTISCHER THEOLOGEN herauszugeben. 12

Diese A n n a h m e wird v o r d e m H i n t e r g r u n d ausgesprochen, den F . Spiegel-Schmidt in

seiner Zusammenfassung des 1. Barsinghäusener Gesprächs v o m 2 8 . 2. bis 2. 3. 1958 z u m volkskirchlichen C h a r a k t e r der Bindung des Vertriebenen an seine Kirche erörterte. Vgl. DER GEISTIGE UND POLITISCHE STANDORT, S. 78 f. Vgl. z u m P r o b l e m der Tradierbarkeit des ostkirchlichen E r b e s n o c h unten S. 3 0 6 f f . 15

D i e kirchlichen Vertriebenenorganisationen verfügten neben gedruckten n o c h über

visuelle Medien wie Dias-Sammlungen, F i l m e und Bildarchive, um die E r i n n e r u n g an die H e i m a t k i r c h e wachzuhalten (vgl. den umfangreichen N a c h t r a g zu Pkt. 14 im D o k u m e n t a tionsbericht/Gemeinschaft ev. Schlesier; V D 38). 14

Vgl. dazu oben S. 2 8 ff und zunächst das Schreiben des O K A an die Kirchenkanzlei

der E K D v o m 15. 11. 1 9 5 5 und den damit zusammenhängenden V o r g a n g ( Α Ο Κ Α , Β 2 3 / 1955, N r . 3266). 15

Vgl. dazu A. KINDERMANN, Wandlungen, S. 123 ff., bes. S. 127.

16

E n t w u r f v o m 11. 7. 1 9 5 6 ( A O K A , C 7/1., N r . 2 0 6 2 ) .

Bewahrung des Heimaterbes

297

Mit dem Gesamtkonzept billigten die westdeutschen Kirchenleitungen auch diesen Teil der Vorstellungen des Ostkirchenausschusses, als die Kirchliche Westkonferenz am 6. September 1958 unter dem Vorsitz Liljes den Plan beriet 17 . N a c h einer entsprechenden Vereinbarung zwischen dem Ostkirchenausschuß und der Universität Münster im Frühjahr 1957 konnte das Ostkircheninstitut am 27. N o v e m b e r 1957 durch den Ratsvorsitzenden der E K D , Dibelius, in Münster eröffnet werden. Das Institut hat jedoch seine Arbeit weniger in der vom Ostkirchenausschuß anvisierten Richtung, sondern stärker im Sinne einer Kirchenkunde Osteuropas entfaltet. Dies geht allein schon aus den Berichten seines Direktors, Robert Stupperich, hervor 1 8 . Einen Höhepunkt der Zuwendung zum historischen Erbe der Ostkirchen bildete die Ausstellung „Zeugnisse des Evangeliums im O s t e n " , die der Ostkirchenausschuß anläßlich des Deutschen Evangelischen Kirchentags 1959 unter der Schirmherrschaft des bayerischen Landesbischofs im Münchner Stadtmuseum veranstaltete 19 . D e m Ausschuß war es gelungen, führende Vertreter der E K D , der Landeskirchen, der Regierungen des Bundes und der Länder, der Vertriebenenverbände für einen „Ehrenausschuß" und führende Osthistoriker und Archivare für den wissenschaftlichen Beirat zu gewinnen. Berühmte Museen und Bibliotheken des Inund Auslandes zählten zu den Leihgebern 2 0 . Die gesamte protestantische " Niederschrift Pkt. 3 (AKK, 05, Bd. II). Vgl. Schreiben der Kirchenkanzlei der E K D an die westlichen Landeskirchenleitungen vom 21. 8.1956 (ebd., Nr. 12 126 III. 3. Ang.). 18 UNVERLIERBARKEIT l/\, S. 107-112; 1/2, S. 7-14. Jedenfalls schrieb Stupperich, daß von Anfang an unterschiedliche Vorstellungen über die Aufgaben des Instituts bestanden hätten (ebd., S. 108) und sich der Schwerpunkt der Arbeit schnell von der Konzeption des O K A weg verlagert habe, wenngleich die Themen der jährlich vom Institut veranstalteten Ferienkurse in den Anfangsjahren - von 1957 bis 1960 - noch eine enge Beziehung dazu erkennen ließen (ebd., S. 111). Stupperich erläuterte in dem Zusammenhang, „daß dieses Institut keineswegs Aufgaben übernehmen könne oder werde, die die Vertriebenen aus den Ostgebieten betrafen und die vom Institut für Christliche Gesellschaftswissenschaften oder vom Institut für Diakoniewissenschaften wahrgenommen werden mußten" (ebd., S. 108). Diese Entwicklung wäre vermutlich nicht so eingetreten, wenn Spiegel-Schmidt, der ursprünglich als stellvertretender Direktor vorgesehen war, nicht vorzeitig ausgeschieden wäre. Die kirchlichen Vertriebenengremien konnten ihre Enttäuschung über diese Kursänderung in der Münsteraner Arbeit nicht verbergen; vgl. etwa die positive Aufnahme einer entsprechenden Beschwerde der Gemeinschaft ev. Schlesier vom 27. 10.1964 (AOKA, C Id, Nr. 2801) durch den O K A (vgl. Schreiben vom 10. 12. 1964 an den Vorstand der Gemeinschaft ev. Schlesier; ebd., Nr. 3275). Dieser Forderung des Vorstands nach einer Kursänderung war im Beirat des Ostkircheninstituts allerdings kein Erfolg beschieden. Ebensowenig konnte das später von dem Mainzer Kirchenhistoriker, Pfarrer und damaligen Mitglied des O K A Georg Wild vorgeschlagene Projekt einer Ostkirchen-Akademie verwirklicht werden (vgl. AOKA, A 7/1964). "

V g l . d e n A u s s t e l l u n g s b a n d A U S G E W Ä H L T E Q U E L L E N ZUR K I R C H E N G E S C H I C H T E O S T -

MITTELEUROPAS. 20

Vgl. die Listen (ebd., S. IV, VI und VIII).

B e w a h r u n g des E r b e s - B e w ä h r u n g der K i r c h e ?

298

Kirchen- und Glaubensgeschichte Ostdeutschlands und Ostmitteleuropas vom Baltikum bis zum Südosten war durch Handschriften, Urkunden, Erstdrucke, vasae sacrae, Karten und Bilder repräsentiert. „ D i e A u s s t e l l u n g w a r k e i n e m e h r o d e r weniger zufällige S a m m l u n g k i r c h l i c h e r o d e r historischer E r i n n e r u n g s s t ü c k e , sondern sie suchte die g r o ß e n T a t e n G o t t e s aufzuzeigen. Sie zielte darauf ab, durch diese sachliche D a r s t e l l u n g die V e r a n t w o r t u n g der evangelischen C h r i s t e n h e i t f ü r das E r b e der R e f o r m a t i o n in diesen G e b i e t e n , in denen z u r Z e i t das L i c h t der R e f o r m a t i o n z u erlöschen b e g i n n t , z u w e c k e n . Zugleich sollte durch die A u s s t e l l u n g der k i r c h e n g e s c h i c h t l i c h e n F o r s c h u n g , die nach unserer M e i n u n g diese G e b i e t e o f t vernachlässigt hat, ein n e u e r I m p u l s gegeben w e r d e n . " 2 1

Unter dieser Zielsetzung fand der Ostkirchenausschuß mit der Ausstellung einen Widerhall in der Öffentlichkeit, wie er sich im zweiten Jahrzehnt nach der Vertreibung wohl kaum ein weiteres Mal eingestellt haben dürfte22, sieht man von kirchlichen Veranstaltungen im Rahmen der großen säkularen landsmannschaftlichen Treffen ab. Die Münchner Ausstellung und ihr Erfolg weisen bereits auf die Thematik, die im Laufe der 60er Jahre, inmitten des oben beschriebenen Aufbruchs zu einem ost- und vertriebenenpolitischen Wandel mit den dadurch ausgelösten, teilweise hektischen Aktivitäten im Bereich der kirchlichen Vertriebenenarbeit und sicherlich nicht ohne inneren Zusammenhang damit zunehmend in die Reflexion der kirchlichen Vertriebenengremien einbezogen werden sollte: „Die Bewahrung und Bewährung des Erbes" 23 . Diese Aufgabe nannte der dritte Kirchentag der evangelischen Schlesier im Juni 1961 als erstes Argument gegen die „seit langem immer wiederkehrende Frage", ob sich die Arbeit der evangelischen Vertriebenenorganisationen nicht inzwischen erübrige: „ D i e A u s w e r t u n g und N u t z b a r m a c h u n g des h e i m a t k i r c h l i c h e n r e f o r m a t o r i s c h e n E r b e s . Z u m G e s a m t e r b e der R e f o r m a t i o n in D e u t s c h l a n d gehört auch das E r b e der G l a u b e n s g e schichte j e n e r K i r c h e n , die v o n dem politischen Z u s a m m e n b r u c h des J a h r e s 1945 b e t r o f f e n und aus ihren K i r c h e n g e b i e t e n ganz o d e r teilweise verdrängt w u r d e n . Es w ä r e eine geistige A m p u t a t i o n der G l a u b e n s - u n d K i r c h e n g e s c h i c h t e der ganzen deutschen R e f o r m a t i o n , w e n n dieses E r b e nicht erhalten und weitergepflegt w ü r d e . " 2 4

1961 wurde der „Verein für ostdeutsche Kirchengeschichte e.V." gegründet. Er zählte bald 200 Mitglieder; Vorsitzender wurde Gerhard Gülzow 25 . Von 1963 an führte dieser Verein gemeinsam mit dem Ostkir21

J a h r e s b e r i c h t 1 9 5 9 / 6 0 , S. 1 ( Α Ο Κ Α , A 7 / 1 9 6 0 ) .

22

R u n d 7 0 0 0 B e s u c h e r k a m e n z u dieser V e r a n s t a l t u n g , m e h r w a r e n es nur, s o w e i t ich

sehe, b e i m „Tag der zerstreuten H e i m a t k i r c h e " 1951 in L ü b e c k , d o r t fanden sich ca. 2 0 0 0 0 P e r s o n e n ein. 23

D i e s e s T h e m a erscheint als selbständiger A b s c h n i t t erstmals in R a u h u t s D a r s t e l l u n g

der A r b e i t des O K A (UNVERLIERBARKEIT 1/2, S. 4 7 f f . ) . 24

M a t e r i a l b e r i c h t des Landesflüchtlingspfarrers zur westfälischen L a n d e s s y n o d e 1961

( D o k u m e n t a t i o n s b e r i c h t / W e s t f a l e n , S. 4 9 f . ; V D 19). 25

V g l . UNVERLIERBARKEIT I / 1 , S .

132.

Bewahrung des Heimaterbes

299

chenausschuß im ganzen Bundesgebiet und West-Berlin Vortragsveranstaltungen zur Geschichte des deutschen Protestantismus im Osten durch 26 . Gegen Ende der 60er Jahre weckten solche Ansätze in Gestalt der bereits erwähnten Bibliographie Lackners, die auf eine Anregung der Tagung kirchengeschichtlicher Mitarbeiter der Hilfskomitees im Ostkircheninstitut, Münster, zurückgeht 27 , konkrete Bemühungen um eine systematische Erfassung des gesamten Erbes. Hierzu zählt auch die 1963 dem Mainzer Institut f ü r Osteuropakunde anvertraute Dokumentation über das kirchliche Brauchtum und Vermögen in den verlorengegangenen Ostprovinzen. Dieses Vorhaben war allerdings nicht im Rahmen der evangelischen Vertriebenenarbeit, sondern vom Auswärtigen A m t der Bundesrepublik Deutschland angeregt worden. Die Verwirklichung dieses für die Bewahrung des Erbes sicherlich bedeutsamen Planes stieß aber auf Schwierigkeiten, die in unterschiedlichen Konzeptionen etwa der Kirchenkanzlei der E K U , des Geschäftsführers des Ostkirchenausschusses und des Mainzer Instituts, d . h . Rhodes und Wilds, gründeten 28 . Auch auf einer Zusammenkunft der landeskirchlichen Sprecher des Ostkirchenausschusses am 10. Dezember 1968 in Darmstadt wurde die Bedeutung des Themas sichtbar, wenn neben den aktuellen politischethischen Fragen im Zusammenhang der ostpolitischen Entwicklung vor allem die Aufgabe der Pflege und Sammlung des Erbes der Heimatkirchen das Interesse der kirchlichen Vertriebenenvertreter beanspruchte 29 . Etwa zur selben Zeit und sicherlich vor demselben Hintergrund, wenn auch in anderem Zusammenhang, aus bestimmtem, mit dem ost- und vertriebenenpolitischen Engagement der Gremien der E K D verknüpftem Anlaß 30 entstand schließlich der Plan einer „Dokumentation und Darstellung der A u f n a h m e der Pfarrer und Gemeindeglieder aus den zerstreuten evangelischen Kirchen des Ostens in die westlichen Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland", zu dem Anfang 1969 der Referent der Kirchenkanzlei der E K D , Oberkirchenrat Gundert, ein erstes „Expose" erstellte 31 . Nach anfänglichem Zögern einiger Landeskirchen 32 konnte 26

Vgl. die A u f z ä h l u n g der T h e m e n in: ebd. 1/2, S. 50 f. Vgl. ebd., S. 50. 28 Vgl. den Vorgang in: A O K A , C 11/1963, besonders die Niederschrift der Sitzung vom 2. 1. 1963 betr. den Arbeitsplan f ü r die Erfassung der Gotteshäuser u n d kirchlichen Anstalten, die seit 1938 in Ostdeutschland u n d Ostmitteleuropa verloren gegangen sind (ebd., N r . 108). 29 Vgl. Jahresbericht des O K A 1968, S. 2 (ebd., A 7/1969). Kirchenpräsident Sucker, der an der T a g u n g teilnahm, „wies eindringlich auf die N o t w e n d i g k e i t einer echten ,Musealisierung' des kirchengeschichtlichen Erbes hin. Ein Plan hierfür sollte stufenweise erarbeitet w e r d e n " (ebd.). 30 Vgl. oben S. 260. " A K K , 4330/3. Bd. I 32 Vgl. die Reaktionen auf das Rundschreiben der Kirchenkanzlei der E K D v o m 2. 10. 1969 (ebd.). 27

B e w a h r u n g des Erbes - B e w ä h r u n g der Kirche?

300

die Zustimmung aller am Aufnahmegeschehen beteiligten kirchlichen Gruppen, Landeskirchen wie Hilfskomitees, zu diesem Schritt der Bewahrung des Erbes, soweit es dabei um die Sicherstellung der Dokumente und Uberreste, eine erste Bestandsaufnahme des Eingliederungsprozesses und die dabei gewonnenen Erfahrungen geht, erlangt werden. Der mit der Münchner Ausstellung 1959 signalisierte Aufbruch führte in den 60er Jahren nicht nur zu einer Reihe von Veranstaltungen der kirchlichen Vertriebenenarbeit, in denen die ostdeutsche Kirchengeschichte im Vordergrund stand33, sondern wurde auch von einer stärkeren Reflexion darüber begleitet, in welcher Weise außer der Sicherstellung von Uberresten das Erbe tradiert und lebendig erhalten werden könne34, worauf im Schlußabschnitt dieses Kapitels vor dem Hintergrund der Erfahrungen kirchlicher Vertriebenenarbeit noch näher eingegangen werden soll.

2. Beteiligung und Mitarbeit von Vertriebenen in den Organen der Landeskirchen und der EKD Es mag überraschen, die Frage der Beteiligung von Vertriebenen in kirchlichen Wahlkörperschaften in dem Kapitel behandelt zu sehen, das der Bewahrung und Umsetzung des Erbes in das kirchliche Leben im Westen gilt. Aber die hierzu getroffenen Regelungen von Seiten der E K D und der aufnehmenden Landeskirchen können nicht zuletzt als ein Indikator dafür angesehen werden, ob und in welchem Maße man sich des Erbes der Vertriebenen, ihrer spezifischen kirchlichen Erfahrungen annehmen bzw. ob und in welchem Maße man einem solchen Willen auch äußere, kirchenrechtlich relevante Gestalt verleihen wollte. Die Anfänge des Problems allerdings reichen in Jahre zurück, in denen die Bedrängnis aktueller Fragen kaum eingehendere Reflexion über das ostkirchliche Erbe erlaubte. So entstand auch eines der ersten Zeugnisse zu diesem Thema im Zusammenhang von Erwägungen, wie die Kirche an der „Entgiftung der Atmosphäre" arbeiten könne, „die sich lastend und

33

Als Beispiel sei hier nur der Ostpfarrertag 1 9 6 7 in A u g s b u r g genannt, der im J a h r des

450jährigen Reformationsjubiläums unter d e m T h e m a „Die R e f o r m a t i o n im O s t e n - W e g , Schicksal und E r b e " stand (vgl. UNVERLIERBARKEIT 1/2, S. 49). D i e T h e m e n der Veranstaltungen einzelner Hilfskomitees lassen ebenfalls eine stärkere H i n w e n d u n g z u m geschichtlichen E r b e erkennen. 34

Vgl. v o r allem den V o r t r a g v o n O . SÖHNGEN: „Das E r b e der O s t k i r c h e n und die

Aufgabe der jungen G e n e r a t i o n " , den er im O k t o b e r 1963 auf der ersten Arbeitstagung des O s t d e u t s c h e n ev. Studienkreises gehalten hat, und die Replik darauf v o n E. SCHWARZ (Vermächtnis, S. 3 0 ff.).

Mitarbeit von Vertriebenen

301

schwer auf die Menschen unserer Tage legt und die die Herzen verbittert und verzagt macht" 35 . Die Hermannsburger Flüchtlingstagung im Oktober 1947 forderte in ihrem „Ausschuß für die gemeindliche Eingliederung der Flüchtlinge" an erster Stelle eine Regelung der synodalen Vertretung, die die „verantwortliche Beteiligung der Flüchtlinge an der kirchlichen Verantwortung sichtbar" machen könne, zunächst durch Ubergangsregelungen, etwa dadurch, daß jeder Kirchenvorstand je nach Größe ein bis drei Vertriebenenvertreter hinzuwählt oder -beruft, und dann durch eine ordentliche kirchengesetzliche Absicherung angemessener Beteiligung. Für die Beteiligung an der Arbeit der Landessynode wurde eine Notverordnung gefordert, die den sofortigen Eintritt von zehn stimmberechtigten Synodalen aus dem Kreis der Hilfskomitees der in der Landeskirche vertretenen Ostkirchen ermöglicht. Zumindest für die Landeskirche im Flüchtlingsland Hannover blieb dieser Appell nicht ohne baldige Konsequenz. Per Kirchengesetz vom 19. Dezember 1947 wurde die Aufnahme von sieben Vertriebenen, darunter mindestens zwei Geistlichen, als stimmberechtigten Mitgliedern beschlossen. Diese seien von der Landessynode auf Vorschlag der Kreiskirchenvorstände sowie der im Bereich der Landeskirche bestehenden Hilfskomitees oder der „Vertrauensmänner der Flüchtlinge" zu berufen 36 . Für die Kirchenvorstände und Kreiskirchenverbände sah das Kirchengesetz entsprechende Regelungen vor. Im Herbst 1949 liefen diese Sonderbestimmungen aus, da entsprechend der hannoverschen Kirchenwahlordnung aus der Sicht der Kirchenleitung zu dem Zeitpunkt ohnehin die im Lande ansässigen Vertriebenen das normale aktive und passive Wahlrecht erlangt hatten 37 . Die hannoversche Regelung erweist sich im Vergleich mit den anderen Landeskirchen als die am weitesten in Richtung einer angemessenen Absicherung der Mitsprachemöglichkeit gehende Festlegung. Die Leitung der schleswig-holsteinischen Landeskirche lud zum Beispiel zwölf 3 ' Schreiben Schulzes vom 12. 11. 1947 an die Teilnehmer der Hermannsburger Flüchtlingstagung vom Oktober 1947 ( A D W , 480/01, Bd. III, o. Nr.). - O b w o h l die Hermannsburger Tagungen weit über die Grenzen Hannovers und auch Norddeutschlands hinaus in den Raum aller westlichen Gliedkirchen der E K D und das Zentralbüro des Hilfswerks hineinwirkte, wurden die Vorschläge im einzelnen unter besonderer Berücksichtigung der spezifisch hannoverschen Verhältnisse formuliert. Grundsätzlich vermag diese Einschränkung deren Bedeutung für alle Aufnahmekirchen jedoch keineswegs zu mindern. " Schreiben des L K A Hannover an die Kirchenkanzlei der E K D vom 18. 1 0 . 1 9 4 9 (AKK, 6454, separat, Nr. 7223). In dieser Akte befinden sich sämtliche Antworten der westlichen Landeskirchen auf eine Anfrage der Kirchenkanzlei vom 6. 10. 1949, die „Flüchtlingsarbeit" betreffend (Nr. 6697/49). 37 Auch in den hannoverschen Kirchensenat, die oberste landeskirchliche Behörde also, war mit dem Schlesier Tuckermann ein Vertriebenenvertreter berufen worden (vgl. ebd.).

302

Bewahrung des Erbes - Bewährung der Kirche?

außerordentliche Vertreter der Vertriebenen zur Landessynode ein, die auf Antrag der Kirchenleitung volles Stimmrecht erhielten38. In der bayerischen als der dritten großen Flüchtlingsaufnahmekirche bestanden dagegen keine besonderen Regelungen solcher Art. Wie der Münchener Landeskirchenrat am 13. Oktober 1949 berichtete, nahmen an der letzten Synode ein auf normalem Weg gewählter und ein vom Landeskirchenrat berufener Vertriebener teil bei einer Gesamtzahl von 75 Synodalen. Für die nächste Synode sei die Berufung von sieben Vertriebenen „mit beratender Stimme" geplant". Die übrigen Kirchen besaßen zumeist keine Sonderregelungen, woraus zum Beispiel bei einer Kirche wie der Lübecks oder Eutins keinesfalls auf eine zahlenmäßig nicht angemessene Beteiligung der Vertriebenen geschlossen werden darf, sondern eher das Gegenteil. Häufig werden in jener Zeit Vertriebenenvertreter mit beratender Stimme zur Synode hinzugezogen, z.B. in Westfalen, oder es wurde aufgeteilt in berufene Vertreter mit beratender Funktion und Synodale mit vollem Stimmrecht, wie z.B. in Baden. Einige Kirchen, wie Schaumburg-Lippe, die Evangelische Kirche im Rheinland oder Oldenburg, verzichteten auf eine Sonderregelung, teilweise, etwa im Rheinland, aus grundsätzlicher Erwägung, daß eine solche der gewünschten „Eingliederung" im Wege stehen könne40. Welche Wege auch immer die einzelnen Landeskirchen zur Lösung der Beteiligungsfrage beschritten, sie dürften die Entscheidungen kaum isoliert von den kirchenpolitischen Erfahrungen des Kirchenkampfes gefällt

38 Schreiben an die Kirchenkanzlei der E K D v o m 11. 10. 1949 (vgl. A n m . 32). Die schleswig-holsteinische Landeskirche hatte sich am 4. 9. 1946 im Zuge ihrer N e u o r d n u n g aufgrund der Erfahrungen der nationalsozialistischen Kirchenpolitik eine Wahlordnung gegeben, die in § 16 nur solchen Gemeindegliedern die Wählbarkeit zu Kirchenältesten zuerkennt, die „seit mindestens 3 Jahren ihren dauernden Aufenthalt . . . im Wahlbezirk haben". Ausnahmen im Einzelfall konnte der Synodalausschuß auf Antrag des Kirchenvorstandes zulassen (vgl. A K K , 137, B d . II, o. N r . ) . 39 E b d . , N r . 7 3 2 1 / 4 9 . - Erklärend wird zu der damals bestehenden deutlichen Unterrepräsentation darauf verwiesen, daß bei den „schon 1 9 4 6 " durchgeführten Wahlen „eine stärkere Berücksichtigung der Flüchtlinge nicht mehr erreicht werden" konnte. F ü r die bayerischen Kirchenvorstände galt als „vorläufige A n o r d n u n g " : „Soweit in Kirchengemeinden die Heimatvertriebenen noch nicht im Kirchenvorstand vertreten sind, sind während der laufenden Wahlperiode je nach der Zahl der Vertriebenen und der Zusammensetzung der Gemeinde 1 oder 2 geeignete Heimatvertriebene ständig zu den Sitzungen des Kirchenvorstandes mit beratender Stimme hinzuzuziehen." Eine beratende Teilnahme an der Bezirkssynode war in ähnlichem Sinn geregelt (ebd.). 40 Vgl. dazu Bd. I, S. 2 4 2 f. Das dort erwähnte „Sendschreiben an die Christenheit zur Flüchtlingsnot", das der Bruderrat der E K D 1949 verabschiedet hatte, fordert zu großzügigen Regelungen auf, um die Mitarbeit der Vertriebenen zu ermöglichen: „Enthaltet ihm nicht Dienste vor, zu denen sein H e r r ihn berief. Gleich dem Einheimischen ist der Flüchtling zum Dienst in der Gemeinde und in den Werken der Kirche gerufen, zur Mitarbeit in der Gemeindevertretung und in der Synode berechtigt" (KJ 1949, S. 85).

Mitarbeit von Vertriebenen

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haben. Diese legten ein äußerst umsichtiges Vorgehen bei der Regelung der Wahlberechtigung nahe, um Gefahren, wie sie während der nationalsozialistischen Kirchenpolitik spürbar geworden waren, ausschließen zu können. Gewisse Kollisionen zwischen der Umsetzung solcher Erfahrungen und dem Interesse einer angemessenen Beteiligung der Neubürger am Leben der Einzelgemeinde wie der aufnehmenden Landeskirche waren daher in den ersten Jahren der kirchlichen Neuordnung nur schwer vermeidbar. Auf der gesamtkirchlichen Ebene wurde das Problem erst 1950 aufgegriffen, zu einer Zeit also, als die Organisations- und Verfassungsfragen in der Vertriebenenarbeit einen gewissen Abschluß gefunden hatten. Im Dezember 1950 beschloß der Rat der E K D , zwölf Vertriebene als Gäste in die Synode der E K D zu berufen. D e m Präses der Synode, Heinemann, wurde die Auswahl von 24 Vertriebenen übertragen, die er zusammen mit dem Ostkirchenausschuß traf. Aus diesen berief der Rat dann die zwölf „Gastmitglieder" 4 1 . Als Sprecher dieser Gäste erläuterte der Direktor des Kirchendienstes Ost, Kammel, die Richtschnur, nach der die Vertriebenenvertreter ihre Mitarbeit im höchsten Gremium der E K D verstehen und gestalten wollten: „Wir möchten hier nicht bloß als geduldete Gäste sein, sondern wir möchten mit die Gesamtverantwortung tragen für alle Anliegen unserer Evangelischen Kirche in Deutschland, ebenso wie das in den einzelnen Landeskirchen unser Wunsch ist. Es ist bedauerlich, wenn formaljuristische Hindernisse dieses geistliche Anliegen gleicher Verantwortung bisher gehindert haben. D e n n wir wollen ja nicht eine Interessenvertretung etwa der Flüchtlinge sein. . . . Sondern wir wollen wirklich alles gemeinsam mittragen und wollen unsere Gemeindeglieder aus der alten Heimat hineinwachsen lassen, nicht etwa sie äußerlich eingliedern und gleichschalten. . . . W e n n die Balten oder wenn die Glieder der L o d z e r Kirche in das Siegerland k o m m e n , dann treten sie damit nicht zur reformierten Kirche über, und wenn Tausende von Gliedern der Evangelischen Kirche der altpreußischen U n i o n in Bayern oder in Schleswig-Holstein sind, dann vollziehen sie auch keinen Übertritt 4 2 . W i r werden eben mit in die Spannungen hineingestellt, die unsere gesamte E K D erfüllen. D a erbitten wir uns eine gemeinsame Zusammenarbeit, weil unser W o r t in den Kreisen der Flüchtlinge besonders gehört wird." 4 3

D e r Ostkirchenausschuß und die zwölf Synodalgäste appellierten noch im selben Jahr an den Rat der E K D im Sinne dieses Votums, die Teilnahme der Vertriebenenvertreter rechtlich so zu ordnen, daß sie „die volle 41 Vgl. Protokoll des O K A vom 2 7 . / 2 8 . 2. 1950, S. 1 2 f . ( Α Ο Κ Α , A 7/1950). D e r G e schäftsführer des O K A , der dem Präses den 24er-Vorschlag unterbreitet hatte, hatte den für die E K D allgemein üblichen Verteilungsschlüssel seinem Vorschlag zugrunde gelegt, nach welchem alle Gruppen (Laien, Pfarrer, O s t e n , Westen, lutherisch, uniert) in Betracht gezogen wurden. 42 Vgl. dazu B d . I, S. 484 ff. 43 BERLIN-WEISSENSEE 1950, S. 60. - Als besonderes Anliegen trug Kammel dann die Lage der ev. Deutschen vor, die in den Ostgebieten verblieben waren (vgl. S. 60 f.).

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Bewahrung des Erbes - Bewährung der Kirche?

Verantwortung für die Gesamtarbeit der Kirche und Synode . . . mit tragen können" und so ein Beispiel zu setzen, „daß die Heimatlosen nicht Gemeindeglieder zweiter Klasse bleiben und daß sie auch bei aller sonst guten Behandlung nicht bloß Objekte, sondern Subjekte der kirchlichen Arbeit werden" 44 . Von der Grundordnung der EKD her war eine Sonderregelung für Vertriebene im geforderten Sinn nicht möglich, was der Ostkirchenausschuß wohl auch anerkannte 45 . Aber auch abgesehen von formalrechtlichen Erwägungen 46 würde eine Heraushebung der ostkirchlichen Spre44 O K A am 16. 5. 1950 (AOKA, C 12, Nr. 626). - Auch die Königswinterer Flüchtlingstagung 1950 (vgl. Bd. I, S. 412 ff.) unterstützte diese Bitte (vgl. ΟΚΑ-Schreiben vom 18. 11. 1950 an den Rat der E K D in: A O K A C 12, Nr. 1652). 45 Vgl. das in Anm. 44 genannte Schreiben vom 18. 11. 1950. 46 Daß diese formalrechtlichen Erwägungen auch ganz praktische, den Ablauf der Synode betreffende Motive haben konnten, zeigt der Vorgang Großkreutz (AOKA, C 12/1951, Nr. 1630). J. Großkreutz, der Vorsitzende des bayerischen Konventsausschusses, war Vertreter für den an der Teilnahme der Synode der E K D in Elbingerode verhinderten Spiegel-Schmidt. Unter Hinweis auf den beschränkten Status eines „gastweisen Teilnehmers" lehnte Großkreutz seine Teilnahme ab. Am 29. 9. 1952 schrieb er an Präses Heinemann, er bäte „herzlich und dringend . . . für die kommende Synode einen Weg zu finden, in dem wir Vertriebenen als vollberechtigte Glieder auch in der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland teilnehmen können; denn wir sind ja auch sonst nicht Gäste in der Evangelischen Kirche in Deutschland, sondern Glieder am Leibe Jesu Christi". Die Antwort Heinemanns auf die auch vom O K A getragene Argumentation belegt, wie sehr im Bewußtsein führender Personen der E K D damals die Vertriebenenfrage im Sinne des „Partiellen" (vgl. Bd. I, S. 387f.), also einer Gruppenangelegenheit gesehen wurde; sie zeigt aber auch, daß gerade deshalb den Wünschen des O K A nicht ohne Weiterungen zu entsprechen war, die den Charakter der Synode als kirchlicher Gesamtvertretung gefährdet hätten. Heinemann antwortete am 21. 10. 1952 dem aus Ostpreußen stammenden Pfarrer: „. . . Ich bedauere sehr, daß Sie Ihre Teilnahme an der Synode abgesagt haben, weil die besonderen Vertreter der Vertriebenen nicht anders als Gäste eingeladen worden sind. Natürlich sind wir alle Glieder der Kirche, aber deshalb doch noch nicht alle auch Mitglieder der Synode. Diese hat ihre Ordnung durch die Verfassung, d. h. eine gesetzlich festgelegte Zahl, die auch der Präses der Synode nicht verändern kann. Auf der vorjährigen Synode in Hamburg wollten außer den Vertriebenen-Vertretern auch Vertreter des Hilfswerks und der Inneren Mission ein Rederecht in Anspruch nehmen. Neuerdings meldete sich der Fakultäten tag der Deutschen Universitäten. Das alles geht ja nicht. Für die Vertriebenen-Vertreter wird das Präsidium der Synode in Elbingerode vorschlagen, das sogenannte Rederecht durch die Synode aussprechen zu lassen, weil für sie natürlich besondere Umstände gegeben sind. Im vorigen Jahr in Hamburg habe ich mich dagegen gewehrt, weil sonst mit den anderen ähnlichen Ansprüchen nicht klar zu kommen war. Es ging ja in Hamburg bekanntlich gerade um das Hilfswerkgesetz und den diakonischen Beirat. Jetzt wird das keine Rolle mehr spielen, so daß für die Vertriebenen anders gehandelt werden kann." - Die von Heinemann erwähnte Lösung (Rederecht in Elbingerode) war Ergebnis längerer Bemühungen des O K A um einen anderen Status der Vertriebenengäste, für die sich auch Prof. Smend (vgl. Aktennotiz in: AOKA, C 12 vom 7. 2. 1952) verwendete. Vgl. ebd., N r . 292, 1220, 1372, 1404, 1419, 1975; und den Beschluß des O K A vom 17. 7. 1952 auf Anregung von Kammel, „dem Präsidenten [= Präses] der Synode der E K D mitzuteilen, daß berufene Vertreter der Ostvertriebenen unter den in Hamburg gehandhabten Voraussetzungen nicht mehr an der

Mitarbeit von Vertriebenen

305

eher von der bis dahin von Rat und Landeskirchen vertretenen Linie abweichen, den „Ostkirchen" keine kirchenrechtlich relevante Aktualität zu verleihen. Dagegen lag es völlig im Rahmen des den kirchlichen Vertriebenensprechern zuerkannten Status, wenn der Ostkirchenausschuß am 18. N o v e m ber 1950 4 7 den Antrag stellte, das (Welt-)Flüchtlingsproblem unter der Frage „Wie wird der Fremde zum Bruder in der Gemeinde?" zum Generalthema der Synode der E K D 1951 zu machen. D o c h nicht nur dem zugebilligten Status entsprachen die kirchlichen Vertriebenenvertreter mit einem solchen Antrag, sondern vor allem auch der von ihnen selbst angestrebten Verwirklichung des Anspruchs auf kirchliche Gesamtverantwortung, wie ihn Kammel auf der Weißenseer Synode der E K D interpretiert hatte". U n d war dies letztlich etwas anderes als das heimatkirchliche Erbe der Vertriebenen und das „Erbe" der Vertreibung und Zerstreuung, des Zerbrechens der äußeren Sicherheiten in die Verantwortung für die Gesamtkirche einzubringen? Von einem solchen Anspruch her verliert das Problem der Beteiligung an den kirchlichen Körperschaften seinen bloß numerisch-quotalen und formalrechtlichen Aspekt - auch wenn dieser weiterhin die kirchlichen Vertriebenengremien beschäftigte 49 - und gewinnt eine Dimension, die oberhalb von Wahlordnung und Sonderstatus liegt, nämlich in der Frage nach den geistlichen Kräften, die aus dem S y n o d e teilnehmen würden. E s m u ß zumindest erwartet werden, daß den Vertretern der O s t v e r t r i e b e n e n auf der S y n o d e freies R e d e r e c h t eingeräumt w i r d " (ebd., A 7, N i e d e r schrift, P k t . I X ) . 47

V g l . A n m . 44.

48

G i r g e n s o h n begründete den A n t r a g zwar auch mit dem Interesse der kirchlichen

Vertriebenenarbeit, erweiterte ihn aber n o c h im Sinne der kirchlichen „ G e s a m t v e r a n t w o r t u n g " : „Diese Frage ist aber nicht nur v o m Flüchtling hingestellt, sondern genauso v o m M i l l i o n e n h e e r der M e n s c h e n , die in der K i r c h e fremd geworden sind b z w . nie darin heimisch waren und sie nun heute wieder suchen, aber in ihren zu starren F o r m e n keine H e i m a t finden k ö n n e n . " - D e r A n t r a g des O K A fand keine Z u s t i m m u n g im R a t ; S c h w e r p u n k t der H a m b u r g e r S y n o d e 1951 wurde die D i a k o n i e , genauer: die N e u o r d n u n g der diakonischen A r b e i t von H i l f s w e r k und I n n e r e r M i s s i o n ; vgl. B d . I, S. 119 und 4 2 1 . V g l . die entsprechenden H i n w e i s e in den J a h r e s b e r i c h t e n des O K A ( 1 9 5 1 / 5 2 , S. 7 ; 1 9 5 2 / 5 3 , S. 4 f . ) , v o r allem das R u n d s c h r e i b e n des O K A v o m 13. 6. 1955 an alle L a n d e s k i r chenleitungen, betr. „ K i r c h l i c h e W a h l o r d n u n g e n " ( A O K A , C 12, N r . 1709) und die A n t w o r t e n der Kirchenleitungen H e s s e n - N a s s a u s , B a y e r n s , H a n n o v e r s (ebd.); vgl. „ K r i t i k an den kirchlichen W a h l o r d n u n g e n " (DER REMTER, J g . 1 9 5 5 , H e f t 5, S. 58 f.). - Z u r Statistik vgl. die Statistische Beilage N r . 2 8 zu A B L E K D v o m 15. 9. 1966 (S. 9 ) , die Laien in den Kirchenvorständen 1 9 5 5 , 1960, 1964 betreffend. D a n a c h verzeichnen nahezu sämtliche L a n d e s k i r c h e n einen steigenden Anteil von „Heimatvertriebenen und Z u g e w a n d e r t e n " in den K i r c h e n v o r s t ä n d e n . D i e s e T e n d e n z wird bestätigt in der Beilage des Statistischen A m t e s der E K D zu I I I , 2 des P r o t o k o l l s v o m 16. 9. 1970 ( A K K , 4 3 3 0 / 3 , B d . I), die den V e r t r i e b e nenanteil an der W o h n b e v ö l k e r u n g nach der V o l k s z ä h l u n g 1961 mit dem Anteil in den Kirchenvorständen nach den jeweils letzten Kirchenvorsteherwahlen vergleicht:

306

Bewahrung des Erbes - Bewährung der Kirche?

Vertriebenenerbe heraus in den Gremien der EKD zu mobilisieren sind, nach dem Vermögen, in einzelnen Bereichen wie insgesamt die Kirche und ihre Gemeinden aus ihren „zu starren Formen" (H. Girgensohn) zu lösen.

3. Das „Erbe" der Vertriebenen - Erfahrungen aus Vertreibung und Aufnahme Die Spannung zwischen einem bloßen Konservieren des Erbes und dem, was aus dem heimatkirchlichen Gut sowie den Erfahrungen der Vertriebenen in das Leben der Kirche eingebracht werden kann, lag wohl von Anfang in der kirchlichen Vertriebenenarbeit verborgen, gelegentlich in bestimmten Konflikten und Äußerungen aufbrechend. In größerem Rahmen und als eigenständiges Problem bewußt aufgegriffen wurde die Frage nach dem Erbe, wie oben schon angedeutet 50 , jedoch erst im Laufe der 60er Jahre, als die politische Entwicklung, aber auch der Generationenwechsel es offenkundig und unausweichlich nahelegten, sich um eine langfristige Sicherung des Erbes zu bemühen. Nicht zufällig mit dem Blick auf die „Aufgabe der jungen Generation" griff Söhngen 1963 die Frage nach der Tradierbarkeit des Erbes unter Heranziehung historischer Beispiele offensiv auf51. Sowohl der Vergleich mit dem Exulantenschicksal der Hugenotten als Landeskirche Westfalen Rheinland Hessen und Nassau Kurhessen-Waldeck Baden Pfalz Bremen Hannover Bayern Schleswig-Holstein Hamburg Braunschweig Lübeck Schaumburg-Lippe Württemberg Oldenburg Eutin Lippe Ref. Nordwestdeutschland Berlin (West) 50 Vgl. oben S. 299 51 Vgl. oben S. 300, A n m . 34.

Wohnbevölkerung 28,0 29,6 19,5 16,1 22,7 14,8 19,4 28,2 25,7 30,3 18,8 34,5 37,3 25,1 20,4 23,5 38,6 22,3 24,8

Kirchenvorstände 17,4 16,2 10,8 8,6 15,4 7,3 12,0 19,3 14,8 25,0 13,0 30,6 34,7 10,8 7,9 24,8 29,7 13,0 3,0 5,9

E r f a h r u n g e n aus V e r t r e i b u n g und A u f n a h m e

307

auch der an der schlesischen Kirche exemplifizierte Blick auf das östliche Sondergut im deutschen Protestantismus lassen ihn zu der rigiden Schlußfolgerung gelangen: „ V o n einem inhaltlich b e s t i m m b a r e n S o n d e r e r b e der O s t k i r c h e n , das die j u n g e G e n e r a tion als verpflichtenden A u f t r a g ü b e r n e h m e n k ö n n t e , wird m a n , nach L a g e der D i n g e und n ü c h t e r n gesehen, s c h w e r l i c h sprechen k ö n n e n . " 5 2

Die Sinngebung des neuen Weges in das Exil, der Gedanke einer kirchlichen Sendung hierzu, die planmäßige Ansiedlung, die es ermöglicht, die Formen wenigstens der kirchlichen Gemeinschaft beizubehalten - alles das fehlte im Schicksal der als Teil des deutschen Volkes und nicht etwa als Protestanten und Christen vertriebenen Ostdeutschen im Gegensatz zu den Hugenotten 53 . Andererseits verließen die evangelischen Gemeindeglieder mit ihrer Heimat zugleich unersetzbar und irreversibel die einzigartige historische und gesellschaftliche Konstellation, die das geistliche Erbe des Ostens geprägt und überhaupt ermöglicht hatte 54 . Söhngen sah nur in der „Paradoxie des Glaubens", in einem auf Hebr. 11,1 gestützten „sperare contra spem", der geistlichen Zuversicht gerade angesichts der Tatsache, daß die Geschichte selbst eine Hoffnung nicht begründen kann, ein angemessenes Antreten des Erbes der Ostkirchen 55 . Diese Erwägungen konnten in der Vertriebenenseelsorge nicht ohne Widerspruch bleiben nach allem, was ihren Weg seit Mitte der 50er Jahre bestimmt hatte, und schon gar nicht angesichts der seit 1961/62 aufbrechenden kirchlichen Auseinandersetzung um die Zukunft der OderNeiße-Gebiete. In deutlich erkennbarer Anspielung auf Söhngens Zurückweisung einer geschichtsimmanenten Möglichkeit zur Bewahrung des heimatkirchlichen Erbes propagierte Eberhard Schwarz 1964 vor dem Vorstand der Gemeinschaft ev. Schlesier eben diesen Auftrag im Sinne der „Sammlung, Zurüstung und Sendung" 56 : 52

O . SÖHNGEN, E r b e , S. 2 1 .

53

V g l . dazu e b d . , S. 1 3 - 1 6 .

"

Vgl. e b d . , S. 1 7 - 2 1 . - Ä h n l i c h argumentiert S. SEEBERG 1 9 5 5 im Z u s a m m e n h a n g mit

der „ A u f g a b e der o s t d e u t s c h e n H e i m a t k i r c h e n " ( D i e V e r t r i e b e n e n ) . W e n n j e d o c h das M a n d a t s b e w u ß t s e i n im O s t e n - „ D i e [nämlich den den O s t e n christianisierenden R i t t e r o r den] n a c h f o l g e n d e n G e n e r a t i o n e n ü b e r n a h m e n in allen Ständen die A u f f a s s u n g , daß ihr W i r k e n im O s t e n auf göttlichen A u f t r a g z u r ü c k g i n g " (ebd., S. 6 8 8 ) - das G e m e i n s c h a f t s l e ben der M e n s c h e n bis z u r Z e r s t r e u u n g in den W e s t e n entscheidend geprägt hat, o d e r u m g e k e h r t als A u s d r u c k einer D o m i n a n z der K i r c h e im Spannungsfeld v o n G e s e l l s c h a f t und Staat verstanden werden k a n n , dann ist mit dem Z u s a m m e n b r u c h der o s t d e u t s c h e n G e s e l l schaft auch einer W e i t e r f ü h r u n g b e s o n d e r e n k i r c h l i c h e n E r b e s in der Z e r s t r e u u n g der B o d e n entzogen. Z u ä h n l i c h e m S c h l u ß k ö n n t e auch die sehr viel k o n k r e t e r e C h a r a k t e r i s i e r u n g des o s t - und auslandsdeutschen G e m e i n d e g l i e d s durch F . S p i e g e l - S c h m i d t führen (vgl. A n m . 12). 55

V g l . O . SÖHNGEN, E r b e , S. 2 2 .

56

V g l . E . SCHWARZ, V e r m ä c h t n i s , S. 3 0 - 3 3 .

308

B e w a h r u n g des Erbes - B e w ä h r u n g der Kirche?

„ E s g i b t h e u t e S t i m m e n , die d i e A n s i c h t v e r t r e t e n , d a ß w i r b e z ü g l i c h d e s E r b e s b u c h s t ä b lich in ein N i c h t s gestellt s i n d , d a ß a b e r d a s N i c h t s vielleicht g e r a d e der O r t sei, an d e m d e r G l a u b e a u f g e r u f e n sei. D a es b e s o n d e r s fest u m r i s s e n e u n d t r a d i e r b a r e Ü b e r l i e f e r u n g e n d e s O s t e n s nicht g e b e , b l e i b e allein d i e geistliche H o f f n u n g , daß G o t t die H e i m a t v e r t r i e b e n e n a u s d e r b i s h e r i g e n S e g e n s g e s c h i c h t e nicht e n t l a s s e n h a b e . . . D i e s e einseitige S p i r i t u a l i s i e r u n g des g e s c h i c h t l i c h e n E r b e s , d i e hier allem A n s c h e i n n a c h v o r g e n o m m e n w i r d , b i r g t d i e G e f a h r in sich, d a ß es seine R e a l i t ä t verliert. W e n n die g e s c h i c h t l i c h p r ä g e n d e U b e r l i e f e r u n g w i r k s a m b l e i b e n soll, d a n n v e r l a n g t die innere G e w i ß heit, d a ß G o t t u n s als S c h l e s i e r , O s t p r e u ß e n , D a n z i g e r , W e s t p r e u ß e n , P o m m e r n

und

P o s e n e r nicht a u s d e r G e s c h i c h t e entlassen hat, nicht n u r ein geistliches H o f f e n , s o n d e r n a u s dieser Z u v e r s i c h t h e r a u s a u c h S a m m l u n g , Z u r ü s t u n g u n d S e n d u n g . " 5 7

Auch wenn es unter den Vertriebenenseelsorgern noch manche weitere Differenzierung gegeben hat48, mag mit diesen beiden kontroversen Positionen der Rahmen skizziert sein, innerhalb dessen die Frage nach einer Weiterführung des ostkirchlichen Erbes verhandelt wurde; zumal da beide die damals aktuellen Beziehungen zur ethisch-politischen Auseinandersetzung um das Ost- und Vertriebenenproblem ebensogut erkennen lassen wie die unterschiedlichen theologischen Konzepte, die den Kontroversen auf diesem und jenem Gebiet gleichermaßen zugrunde liegen. Welches Licht fällt nun von den in der vorliegenden Darstellung aufgeführten Erfahrungen der kirchlichen Vertriebenenarbeit auf die Frage nach dem ostkirchlichen Erbe, seiner Bewahrung und Bewährung, und umgekehrt: in welchem Licht erscheinen die kirchliche Vertriebenenarbeit und der Weg der gesamten evangelischen Kirche seit Kriegsende angesichts des ostkirchlichen Erbes und der Erfahrungen der Gemeindeglieder aus dem Osten? Auch hierfür gilt zunächst eines: Die Überlegungen zur Frage nach dem Fortbestand des Erbes, die Tatsache, daß sie und die Art, wie sie angestellt wurden, sind nicht losgelöst von der Entwicklung der Vertriebenenaufnahme in den westlichen Landeskirchen zu verstehen, sondern in ihnen spiegelt sich das Ergebnis, wie es dieser kirchengeschichtliche Prozeß über zwei Jahrzehnte hinweg gezeigt hat. Der Blick auf die Situation vor und während der Vertreibung, auf die materielle wie seelische Not in den Anfangsjahren im Westen zeigte die Lebendigkeit des ostdeutschen und auslandsdeutschen Kirchentums. Mit den Vertriebenen kamen die Ostkirchen in den Westen. Das ist ein Faktor, der nicht nur wesentlich zur Bewältigung des schweren Schick57

E b d . , S. 30. S c h w a r z b e g r ü n d e t d i e s e n G e d a n k e n m i t der „ g e s c h i c h t l i c h e n K o n t i n u i t ä t

d u r c h alle N i e d e r l a g e n h i n d u r c h " , aus d e r h e r a u s schließlich i m A n t r i t t des g e s c h i c h t l i c h e n Erbes der zerstreuten evangelischen Kirchen des O s t e n s A u f g a b e n erwachsen können, „die in einer n e u e n B e g e g n u n g m i t d e n C h r i s t e n i m O s t e n E u r o p a s in d e n B l i c k k o m m e n " (S. 24 f.). 58

A l s B e i s p i e l e seien hier n u r d i e R e f e r a t e v o n G . W i l d : „ W a s h a b e n w i r v e r s ä u m t " , auf

d e m K a s s e l e r O s t k i r c h e n t a g v o m 13. bis 15. 9 . 1 9 6 5 ( K u r z f a s s u n g i n : A O K A , C 8 / 1 9 5 5 ) u n d - z e h n J a h r e s p ä t e r - v o n W . HUBATSCH: „ D a s g e s c h i c h t l i c h e W i r k e n d e r e v a n g e l i s c h e n K i r c h e im O s t e n " g e n a n n t .

E r f a h r u n g e n aus V e r t r e i b u n g und A u f n a h m e

309

sals, zur Annahme und Aufnahme in die Gemeinde und auf diese Weise zur „Lösung" des Vertriebenenproblems beigetragen hat59, sondern der gerade auch in dem eindringlichen Bemühen um einen Weg der E K D Geltung erlangte, der eine bloß administrative Reaktion, ein bloßes Pochen auf den überkommenen Besitzstand ausschließen sollte60, ganz abgesehen von den Wandlungen und Erschütterungen, welche die Begegnung mit dem ostdeutschen Kirchentum den westlichen Landeskirchen und Gemeinden in vielen Einzelheiten eintrug". Bei genauerer Abwägung der mit der Ostkirchenfrage verknüpften Vorgänge erscheinen jedoch weniger die historisch und gesellschaftlich gewachsenen Eigentümlichkeiten der ostdeutschen Kirchen als vielmehr die erlittene Erfahrung der Zerstreuung der Gemeinden, des Zerbrechens der amts- oder „besitz"-kirchlichen Strukturen, des Lebens „unter dem Kreuz" in einer Kirche der „Todesgestalt" als das entscheidende „Erbe", das die verdrängten Ostkirchen und ihre vertriebenen Gemeindeglieder den evangelischen Kirchen im Westen vermitteln konnten. Die Einbringung dieser Erfahrungen in das Ringen um die kirchliche Neuordnung nach dem Zusammenbruch und um den Weg der Kirche, angesichts zunehmender Konsolidierung der herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse in Westdeutschland, erwies sich als derartig gewichtig, daß diese Vorgänge für die kirchengeschichtliche Bewertung des Nachkriegsprotestantismus und der evangelischen Kirche ebensowenig außer acht bleiben dürfen wie etwa die anerkanntermaßen dazu unerläßlichen Folgerungen aus dem Kirchenkampf. Jene Erfahrungen implizieren einen geistlichen, eschatologischen Aufruf an die Kirche als ganze, gleich ob aus Vertriebenen oder Einheimischen. Der „Besitzkirche" wurde das Bild der Pilgrims- und „Flüchtlingskirche" vorgehalten; jede Seßhaftigkeit in den Gebäuden säkularer Sicherheiten angeprangert. In allen Bereichen der Vertriebenenarbeit, sei es den Lastenausgleich, die Schuldfrage, den Aufbruch zur Volksmission, die Suche nach der Heimat in einer neuen Gemeinde als „Lebensgemeinschaft" (koinonia) betreffend, wirkte das so verstandene ostkirchliche Erbe als ein solcher Ruf an die ganze Kirche. Es war nicht allein, aber vor allem Girgensohn, der in diesem Sinne zur Beerbung der Ostkirchen aufrief: „ D i e Z e r s t r e u u n g , die w i r erleben, und die G e m e i n s c h a f t , die wir von der V e r g a n g e n h e i t her erleben, wird z u m B i l d e einer tieferen G e m e i n s c h a f t und einer anderen Z e r s t r e u u n g , ja m e h r als das: es geht d a r u m , daß w i r dieses andere gewinnen. D a n n wird F r e m d l i n g s c h a f t und Z e r s t r e u u n g tragbar; und nicht nur das, es wird G e m e i n s c h a f t g e w o n n e n ü b e r die

59

V g l . B d . I , S . 182 ff.

60

V g l . e b d . , S. 1 9 2 f f .

61

V g l . e b d . , S. 3 2 7 f f . , 4 8 0 f f . und vor allem F. SPIEGEL-SCHMIDT, W a n d l u n g e n , S. 7 4 f f .

310

Bewahrung des Erbes - Bewährung der Kirche?

trennenden Schranken hinweg, und es finden sich Lebensmöglichkeiten und Wege, w o bisher keine zu sehen waren, weil Gemeinde J e s u Christi entsteht, in der Lieblosigkeit, Neid und G e i z , H a ß und Furcht überwunden werden durch den Geist C h r i s t i . . . . Das W o r t .zerstreute Kirche' umschließt diese beiden ungeheuren Gegensätze - die ganze N o t , den Fluch der Zerstreuung, und Gemeinde Jesu Christi als Anfang einer neuen Welt, in der ein anderer Geist herrscht, in der gleichsam die k o m m e n d e Welt schon vorweggenommen ist. E s ist das, was Paulus beschreibt, wenn er sagt: als die Traurigen und doch allzeit fröhlich, als die Sterbenden und siehe, sie leben, als die nichts haben und doch alles haben. Die Heimatkirche war ja das äußere Gewand für diese letzte und eigentliche Geborgenheit in der Gemeinschaft mit dem Herrn und untereinander, sie war das Gefäß, in dem der ewige Schatz aufbewahrt war. Das G e f ä ß ist zerbrochen, aber das, was es umschloß, bleibt. Vielleicht zerschlägt G o t t uns alle die irdischen Dinge, damit wir zu ihm finden. Vielleicht wußten manche in der alten Heimat nichts von diesem wunderbaren Inhalt und haben ihn erst kennengelernt, nachdem die irdischen F o r m e n unseres Lebens zerschlagen waren, haben dann auch den festen Punkt gewonnen, auf dem sie stehen können, die neue Freudigkeit zu leben, die Spannkraft, das Leben wirklich anzupacken und nicht zu kapitulieren, die Vergebung, die ihnen das Zusammenleben mit den Mitmenschen ermöglicht. D a ß wir das in der Zerstreuung finden, dazu begehen wir diesen Tag. D i e A n t w o r t auf die uns in unserem Schicksal gegebenen Fragen kann uns ja gar nicht theoretisch gegeben werden. Sie wird in Wirklichkeit dort gegeben und verstanden, w o Menschen aufgenommen werden in diese Gemeinschaft mit Ihm und untereinander. D a lernt man Schritt für Schritt verstehen, w o z u uns G o t t solche Wege führt, da hört die Sinnlosigkeit des Lebens auf. Es enthüllt sich da ein neuer Sinn der Zerstreuung. Die Saat m u ß ausgestreut werden, damit sie Frucht bringe; Menschen werden ausgestreut als Saat Gottes, damit ein Segen ausgehe für die Welt unter dem Fluch von denen, die heimgefunden haben in die Gemeinde ihres H e r r n . " ' 2

Doch erging dieser Ruf zu einem Zeitpunkt, an dem das kirchliche Vertriebenenproblem bereits „eingegliedert" war 63 . Die gesamtkirchliche Entwicklung auf der Grundlage der nach 1945 vollzogenen Neuordnung ermöglichte es nicht, die mit der Vertriebenenaufnahme verknüpften diakonischen, organisatorischen, konfessionellen und seelsorgerlichen Probleme anders als im Sinne der speziellen Betreuung einer bestimmten Gruppe, des „Partiellen" und der „Gruppenorientierung" anzugehen und zu bewältigen. Zu einer die Kirche als ganze verändernden, bis in ihre äußere Gestalt hinein wirkenden Wandlung zur „Flüchtlingskirche" als Annahme des Erbes der zerstreuten und heimatlosen Gemeinden aus dem Osten ist es nicht gekommen und konnte es wohl nicht kommen. Es versteht sich von selbst, daß eine solche Feststellung nicht im Sinne theologischer Wertung gemeint sein kann. Es geht lediglich darum, das Ergebnis einer bestimmten Entwicklung an den mit dieser Entwicklung verknüpften Hoffnungen, Intentionen und Widersprüchen zu messen und von daher zu bewerten. Soweit es nicht durch Mitarbeit und Beteiligung der Vertriebenen am 62 Grußadresse „Zum Tage der zerstreuten H e i m a t k i r c h e " , S. 5, 6 f . (vgl. oben S. 2 9 4 , A n m . 3). 63 Vgl. die zusammenfassende Bewertung der Vertriebenenarbeit in den ersten N a c h kriegsjahren (Bd. I , S. 3 8 7 f . ) .

Erfahrungen aus Vertreibung und Aufnahme

311

Leben der Gemeinden im Westen ohnehin in der Kirchenpraxis fortwirkt und diese bereichert, stellt das Erbe der zerstreuten Ostkirchen deshalb vornehmlich vor eine historische Aufgabe, den Reichtum des früheren kirchlichen Lebens im Osten zu dokumentieren, Zeugnisse und Uberreste zu bewahren, zu pflegen und fruchtbar werden zu lassen im Sinne einer ständig notwendigen Neubesinnung.

ERGEBNIS U N D AUSBLICK

Zunächst sei ein Blick auf das Gesamtvorhaben „Dokumentation über die Aufnahme der Pfarrer und Gemeindeglieder aus den zerstreuten evangelischen Kirchen des Ostens in die damaligen westlichen Gliedkirchen der E K D " gestattet, wie es 1968 ins Auge gefaßt worden war'. Der Materialertrag wurde geschlossen als „Sammlung Vertriebenen-Dokumentation" dem Evangelischen Zentralarchiv in Berlin übergeben und damit sicherlich ein bedeutender Beitrag zur „Musealisierung" des kirchengeschichtlichen Erbes der Vertriebenen geleistet, wie sie etwa Sucker 1968 für dringend geboten hielt2. Dies gilt vor allem für den Anteil, den die Hilfskomitees getragen haben. Hier sind von den am Geschehen noch unmittelbar Beteiligten eine Fülle von Daten, Kenntnissen sowie auch einiges Quellenmaterial gesammelt und dadurch sichergestellt worden, die durch den Wechsel der Generationen sonst der Vergessenheit anheimgefallen oder verlorengegangen wären. In etwas anderer Hinsicht und in geringerem Ausmaß 3 kann dies auch für die landeskirchlichen Beiträge gelten. Aber das Ergebnis reicht noch weiter: Mit dem Material von Landeskirchen und Hilfskomitees wird der Nachwelt ein beredtes Zeugnis bewahrt für die Einschätzung des Vertreibungs- und Aufnahmevorganges durch die Betroffenen selbst am Ende eines Zeitraums, der etwa eine Generation umfaßt und durch das Ostvertragswerk seine unübersehbare Zäsur erfahren hat. Allein schon die Tatsache, daß sich Hilfskomitees und Landeskirchen, EKU, VELKD, Ostkirchenausschuß, Ostkirchenkonvent, die Kirchenkanzlei der EKD sowie der Ratsbeauftragte für Umsiedler- und Vertriebenenfragen, das Diakonische Werk, das GustavAdolf-Werk in Bayern und eine Reihe von Einzelpersonen der kirchlichen Zeitgeschichte einem solchen Vorhaben bereitwillig zur Verfügung stellten, ist aufschlußreich. Denn gerade nach den unleugbaren Blessuren, die der Kampf um Denkschrift und kirchliche Stellungnahmen zur Ostpolitik hinterlassen hat, kann die Dokumentation als Indiz für ein trotz aller gegenseitigen Kritik doch vorhandenes Bewußtsein kirchlicher Zusammengehörigkeit im Rahmen der E K D angesehen werden. Schwieriger ist dagegen die Frage nach dem Ergebnis der vorliegenden Arbeit zu beantworten. Sie kann nur als ein erster Versuch der Zusam1 2 3

Vgl. oben S. 260. Vgl. oben S. 299, Anm. 29. Vgl. Bd. I, Einleitung, S. XVI.

Ergebnis und Ausblick

313

menfassung gelten, zumal da sie, wie das gesamte Dokumentationsvorhaben, selbst noch mit dem Vorgang der Vertriebenenaufnahme verknüpft ist. Der Wert dieser Arbeit läßt sich deshalb nicht zuletzt auch an dem messen, was sie an weiterer Mitarbeit der Beteiligten, an Kritik und Korrekturen auslöst. Dahinter steht die Hoffnung, daß auch auf diese Weise Hergang und Ergebnis der Vertriebenenaufnahme genauer erfaßt und bewußt gemacht werden können. Die vorliegende Verarbeitung des Materials hat zu einzelnen Ergebnissen geführt, etwa hinsichtlich der Entstehung der Hilfskomitees, der Auseinandersetzungen um den Status des Ostkirchenausschusses oder der Entstehung der Ost-Denkschrift, die selbst unmittelbar Beteiligte überraschen und gelegentlich auch zur Korrektur einzelner Vorstellungen veranlassen dürften. Des weiteren enthält die Arbeit trotz der in der Einleitung und öfter erwähnten Einschränkung 4 doch einige Gesichtspunkte für eine Antwort auf die Frage, inwieweit es gelungen ist, den Vertriebenen in den aufnehmenden Landeskirchen und Gemeinden eine neue Heimat zu geben. Das Ausmaß etwa, in dem sich vertriebene Gemeindeglieder von der Denkschrift und anderen kirchlichen Äußerungen zur Ostfrage betroffen fühlten, kann als ein Indiz dafür genommen werden, daß und wie sehr diese Vertriebenen die Kirche eben als ihre Kirche betrachteten und sich ihr zugehörig fühlten. Die Pfarrer etwa, die nach dem Krieg Vertriebene in Heimatgottesdiensten versammelt oder in Rundbriefen besonders angesprochen hatten, konnten in der Denkschriftdebatte eine höchst unterschiedliche Position einnehmen. Unabhängig davon wandten sich jedoch viele von ihnen aus diesem Anlaß wieder verstärkt an ihre alten Gemeindeglieder, um die bei einem Teil herrschende Betroffenheit oder gar Bestürzung zu lindern 5 . Daran wird doch das Bemühen sichtbar, auf solche Weise gewachsene Bindungen der Vertriebenen an die Kirche des Aufnahmelandes zu festigen und deren Gefährdung entgegenzuwirken. Zu den Ergebnissen der Arbeit zählt sicher auch, daß der Anteil der evangelischen Kirche an der Linderung der ersten N o t und an der wirtschaftlichen Eingliederung näher umschrieben werden konnte. Dies ist ein Gesichtspunkt, der bekanntlich in der Auseinandersetzung um die Ost-Denkschrift, vor allem in den Gesprächen zwischen E K D und Vertriebenenverbänden 6 eine Rolle gespielt hat. Im diakonischen Bereich wurde nicht bloß hinsichtlich des Exemplarischen und Modellhaften, sondern auch des quantitativ Meßbaren manche Leistung erbracht, die heute bei vielen vergessen ist. Doch konnten alle Ergebnisse solcher Art nicht einfach im Stil von 4 5

Vgl. ebd., S. X V I I , und oben S. 293 u. 310. Vgl. oben S. 2 0 6 ff.

' Vgl. oben S. 2 5 6 ff.

314

Ergebnis und Ausblick

Rechenschaftsberichten oder Erfolgsmeldungen dargestellt werden. Sie waren vielmehr unter kritischen Gesichtspunkten zu beleuchten, wie sie bei näherer Betrachtung der einzelnen Vorgänge erkennbar wurden. Viele Vorgänge der Vertriebenenarbeit standen in einer engen Beziehung zu den Auseinandersetzungen um das Selbstverständnis der Gesamtkirche und zu deren Weg 7 . Unter diesem Gesichtspunkt wurden - mehr oder weniger bewußt - die Entscheidungen der Vertriebenenarbeit im wesentlichen erörtert und getroffen. Umgekehrt wurde die Aufnahme zu einem Faktor, der den Weg der E K D insgesamt mit geprägt hat. Dies gilt sicherlich unbestritten für die großen Gemeinschaftsaufgaben, wie z . B . die Mobilisierung der Selbsthilfe oder die Ostpfarrerversorgung. Es gilt aber wohl auch für die konfessionellen Spannungen, wie sie gelegentlich bei der Eingliederung der evangelischen Gemeindeglieder aus dem Osten in die Landeskirchen auftraten. Denn letztlich führte die Lösung dieses Konfliktes, wie sich zeigte, zu einer Festigung des auf dem Territorial-

7 Dieser Beziehung wurde im einzelnen zumeist am Ende der Kapitel nachgegangen; vgl. etwa Bd. I, S. 166ff., 203ff., 318f„ 520f., 522ff., und oben S. 290ff. und 309f. - Dank eines Hinweises durch U.-P. Heidingsfeld ist es möglich, diesen Gesichtspunkt noch zusätzlich anhand eines eindrucksvollen Zeugnisses von Seiten einer aufnehmenden Kirche zu veranschaulichen. Am 17. 12. 1946 beschrieb Heinemann vor Presbytern in Wuppertal-Barmen die durch das Einströmen der Ostflüchtlinge geschaffene kirchliche Situation: „. . . Sie alle werden an der Grenze nicht danach gefragt, ob sie lutherisch, reformiert oder uniert sind; sondern sie werden irgendwohin geschickt in das Gebiet der Bayrischen-lutherischen oder Hannoverschen-lutherischen oder Lippeschen-reformierten Kirche. Sollen sie denn nun den Konfessionsstand einer Kirche annehmen müssen, in die sie auf äußerst tragische Weise verschlagen werden? Damit stehen wir vor der Frage, ob denn noch bis in den heutigen Tag hinein die konfessionellen Entscheidungen, die einmal von den früheren Landesfürsten getroffen worden sind, bindend für das Territorium sind, das ein Mensch betritt. Es bäumt sich etwas dagegen auf, daß die Entscheidungen, die frühere Landesfürsten und Magistrate getroffen haben, noch heute gelten sollen für Menschen, die in diese Gebiete ziehen müssen, weil man sie anderwärts vertrieben hat." Heinemann erwähnt dann ein Gutachten des württembergischen Oberkirchenrates vom Juli 1946, aus dem hier - nicht zuletzt auch im Sinne einer Ergänzung des 11. Kapitels von Bd. I - folgendes im Zitat Heinemanns wiedergegeben sei: „Es gibt nur noch Evangelische Kirche, in der die Glieder der lutherischen, reformierten und unierten Kirche ihre geistliche Heimat finden können. Es ist nicht angängig, die einzige Heimat, die es für die aus dem Osten verdrängten Glieder unseres Volkes in den westlichen Zonen gibt, nämlich die Kirche, durch Aufrichtung neuer konfessioneller Schranken zu gefährden . . . Wir glauben, daß die E K D sich mit den Beschlüssen der 4. Preußischen Bekenntnis-Synode in Halle vom 10./13. Mai 1937 über die Abendmahlsgemeinschaft ernstlich auseinandersetzen muß, und glauben, daß gemeinsame Abendmahlsfeiern zwischen Reformierten, Lutheranern und Unierten nicht im Widerspruch zu der schriftgemäßen Verwaltung des heiligen Abendmahles stehen . . . Die Frage, um die es in Deutschland heute geht, ist nicht die konfessionelle Frage. Es geht vielmehr um das schlichte Entweder-Oder: Für Christus oder gegen Christus." Heinemann kommentiert dieses Gutachten aus Württemberg: „Das ist die Stimme einer lutherischen Kirche. Ich habe ihr nichts hinzuzufügen" (G. HEINEMANN, Glaubensfreiheit, S. 28 f.).

Ergebnis und Ausblick

315

prinzip errichteten Landeskirchentums als Grundlage der Einheit innerhalb d e r E K D . Weit mehr jedoch als diese Spannung provozierte die Erfahrung des Exodus aus allen institutionellen Sicherungen in Zerstreuung und Pilgrimschaft der Kirche „unter dem Kreuz" Auseinandersetzungen und Anstöße. Sie zeigten sich etwa im Konflikt um den Status der kirchlichen Vertriebenengremien oder bei der Eingliederung der Ostpfarrer, aber auch in den Kontroversen um das Schuldproblem, den Gerichtsgedanken und in der Frage des Heimatrechts. Vor dem Hintergrund dieses besonderen Erbes rücken die Fronten, wie sie sich besonders deutlich in der Debatte um die Ost-Denkschrift und das Wort der Kirche angesichts der ostpolitischen Entscheidungen von 1970/ 72 gegenüberstanden, doch merklich zusammen. Denn beide Seiten legten ihrem jeweiligen Konzept das Bild einer „Kirche" zugrunde, die ihrem Wesen nach aus dem geschichtlichen Zusammenhang herausgelöst zu sein scheint8. Theologisch läßt sich dieser Zusammenhang mit Begriffen wie Schuld, Gericht, Versöhnung, Lebensgemeinschaft-im Sinne der neutestamentlichen koinonia - umschreiben. Solche Begriffe mögen den Umstand bezeichnen, daß die Kirche insgesamt in den historischen Prozeß, der zu Krieg und Vertreibung geführt hat, und ebenso in den Vorgang der wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung der Vertriebenen verwoben und durch dies alles mit geprägt und gefordert ist. Ursachen und Schicksal der Vertreibung sowie die Erfahrungen der Vertriebenenaufnahme stellen die Kontrahenten der in diesem Band beschriebenen Debatte wie überhaupt der großen sozialethischen Auseinandersetzungen im Raum der Kirche vor die gemeinsame Aufgabe, Gestalt und Wirkung der Kirche selbst in ihre Überlegungen einzubringen, anstatt die „Kirche" als eine von den Fragen und Entscheidungen im wesentlichen oder grundsätzlich losgelöste, feststehende Größe im Sinne dieser oder jener Forderungen, dieses oder jenes Weges zu reklamieren und verantwortlich zu machen. Mit diesen Gedanken wird bereits der Schritt vom nachprüfbaren historischen Befund zu einer allerdings umstrittenen praktischen Kritik vollzogen. Es werden Fragen anvisiert, die jenseits des historisch-kritisch Erfaßbaren liegen und die bereits zum „Ausblick" gehören, zum Versuch, historische Erfahrungen in die Zukunft einzuzeichnen. Soweit es um den bisherigen Weg der Kirche geht, könnte man fragen: Wie hätten der kirchliche Wiederaufbau nach 1945 und die Ordnung der evangelischen Kirche denn wesentlich anders gestaltet werden können als tatsächlich geschehen? Im Blick auf die bei Kriegsende vorfindliche Grundlage, die kirchlichen Strukturen und Parteiungen des deutschen Protestantismus !

Vgl. oben S. 290 ff.

316

Supplement

ebenso wie die durch die Alliierten vorgegebenen gesellschaftlichen Machtverhältnisse im Nachkriegsdeutschland, ist wohl kaum ein wesentlich anderer W e g denkbar als der tatsächlich beschrittene. Damals waren viele Hoffnungen auf eine auch in ihrer Gestalt gewandelte Kirche als neue Lebensgemeinschaft lebendig. Darin lag ein Schatz an Spiritualität und Spontaneität verborgen, dessen die Kirche wohl schon damals bedurft hätte, auf den sie aber mit Sicherheit um so weniger verzichten kann, als die Grundlagen der in das gegenwärtige gesellschaftliche Gefüge eingebetteten „Volkskirche" brüchiger zu werden scheinen. Angesichts der dramatischen Zuspitzung des Weltflüchtlingsproblems in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem in Afrika und Asien drängt sich eine weitere Frage auf: Stehen die Kirchen nicht auch jetzt wieder vor einer doppelten Herausforderung? Zum einen sind sie zu einer außergewöhnlichen Anspannung aller materiellen, organisatorischen und moralischen Kräfte zur Linderung der akuten Not aufgerufen. Zum anderen jedoch müssen sie sich fragen - analog der damaligen Reflexion auf den Schuld- und Gerichtsgedanken - , inwieweit sie als Kirchen der Geberländer nicht in die Ursachen des Elends verstrickt sind, dessen Linderung sie sich annehmen 9 . Auf jeden Fall ist das Flüchtlingsproblem heute w i e damals eine unüberhörbare Herausforderung der Kirche.

Supplement

I. Schriftliche

Mitteilung von Dr. Philipp von Bismarck vom 11. Juni 1985 an den Verfasser (vgl. Einleitung, S. XIf.)

Man hat mich damals als den Vorsitzenden des „Ständigen Rates Ostdeutscher Landesvertretungen" (eines Zusammenschlusses der durch die Oder-Neiße-Frage hauptbetroffenen Landsmannschaften) gefragt, ob denn und, wenn ja, wodurch die Entstehungsphase der „Ostdenkschrift" zu der so leidenschaftlich ausgetragenen Kontroverse zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und den Vertriebenen beigetragen habe. Darauf ist sowohl aufgrund meiner eigenen Erfahrungen und Beobachtungen in der fraglichen Zeit als auch unter Auswertung der hier vorgelegten historischen Arbeit zweierlei zu antworten: 1. Es wurde nicht „angemessen" (schriftgemäß) mit den gewählten und damit politisch verantwortlichen Vertriebenenvertretern um den aus christlicher Verantwortung rechten Weg gerungen. Das im zweiten Zeitabschnitt der Entstehung der Denkschrift gewählte Verfahren der gewollten „Nicht-Information" der ge9 Vgl. zu dieser Problematik in der ökumenischen Diskussion U. DUCHROW, Konflikt, S. 80 ff.

Supplement

317

nannten Persönlichkeiten führte vielmehr - insbesondere bei den evangelischen Sprechern - am Ende zu dem schmerzlichen Gefühl der „Überrumpelung". Nachdem sich der Vorsitzende des Ständigen Rates Ostdeutscher Landesvertretungen im Jahre 1963 aufgrund der durch das sogenannte „Tübinger Memorandum" vom 6. November 1961 [vgl. oben S. 69ff.] entstandenen Unruhe zweimal schriftlich an die in dieser Sache Verantwortlichen der EKD (einmal an den Rat, einmal an die zuständige Kammer [vgl. oben S. 98f. und 102]) mit der Bitte gewandt hatte, ein „klärendes Gespräch" zustande kommen zu lassen, „das wenn es fruchtbar sein soll - eines langen Atems und eines sauberen Sammeins von Tatbeständen bedarf", wurden die damals hauptverantwortlichen Vertriebenensprecher, Reinhold Rehs, der Vorsitzende des BdV, und Philipp von Bismarck, der Vorsitzende des Ständigen Rates, im Februar 1964 zu einer ersten Anhörung durch eine Arbeitsgruppe der zuständigen Kammer geladen [vgl. oben S. 107f.]. Trotz der am Ende gegebenen Zusage, es werde nichts veröffentlicht und man werde sie zu einem weiteren Gespräch bitten, erfuhren sie jedoch bis zur schließlichen Übergabe der fertigen Denkschrift an die Presse im Oktober 1965 nichts mehr. So entstand der peinliche Eindruck, man habe die gewählten Sprecher umgehen wollen. Als der Vorsitzende des Ständigen Rates während der Pressesperrfrist (1. bis 20. Oktober 1965) durch eine Indiskretion von der unmittelbar bevorstehenden Veröffentlichung erfuhr, bemühte er sich in Sorge vor der durch das angewandte Verfahren unvermeidlich erscheinenden Vergiftung der Atmosphäre zwar unverzüglich, aber vergeblich bei dem stellvertretenden Ratsvorsitzenden der EKD, Bischof Lilje, in Hannover um Aufschub. Von der politisch sowohl als auch insbesondere in ihrem Friedens- und Aussöhnungswillen weit über die Charta der Vertriebenen des Jahres 1950 hinausgehenden und in Gegenwart des damaligen Bundeskanzlers abgegebenen feierlichen Erklärung des Ständigen Rates Ostdeutscher Landesvertretungen vom 22. März 1964 in Bonn [vgl. oben S. 6 f.], die ein breites Presseecho auslöste, hatte die evangelische Kirche dagegen gegenüber den Vertriebenensprechern keinerlei N o tiz genommen. 2. Die Tendenz maßgeblicher Mitverfasser der Ostdenkschrift, den Zielen einer bestimmten politischen Gruppierung am Vorabend eines Regierungswechsels zu Hilfe zu kommen, erscheint mir unübersehbar. Diese Tendenz bezeugt am deutlichsten die von der Kanzlei der EKD zur Veröffentlichung der Denkschrift abgegebene Erklärung eines der wesentlichen Mitverfasser, in der es heißt: Man halte „in evangelischen Kreisen zu Beginn eines neuen Abschnittes in der Politik der Bundesrepublik Deutschland den Zeitpunkt für gekommen . . ., manche Methoden, Argumente und Ziele der Deutschlandpolitik besser als bisher auf ihren Wirklichkeitsgehalt zu prüfen . . . Für die Neuordnung des Verhältnisses zu den östlichen Nachbarn ist nichts nötiger als die Abkehr von leeren Worten, der Abbau theoretischer Rechtskonstruktionen und die Dämpfung konfuser Zukunftserwartungen. An die Stelle müssen eine nüchterne Betrachtung der Tatsachen und das klare Bild einer künftigen Friedensordnung zwischen den Völkern treten, die die Interessen aller berücksichtigt" [siehe oben S. 152]. Daß darin, ohne sie ausdrücklich zu nennen, ein polemischer Angriff auf die gewählten Vertriebenensprecher steckte, lag auf der Hand. Es ist zumindest nicht verwunderlich, daß sie es damals so empfunden haben.

318

Supplement II. Telefonische Mitteilung von Bischof D. Hermann Kunst DD. am 21. März 1985 (vgl. Einleitung, S. XIf.) 1. Tübinger Memorandum [vgl. oben S. 70f., Anm. 5]

Bischof Kunst bestätigt das dort wiedergegebene Referat Gerhard Rauhuts im wesentlichen. Bei dem Gespräch Mitte 1961 sei neben Carl Friedrich von Weizsäcker auch noch Günter Howe zugegen gewesen. Auf deren Bericht hin habe Kunst geantwortet: „Resignieren ist kein christliches Geschäft." Er habe sie aufgefordert, ihre Gedanken aufzuschreiben; er wolle diese dann der Bundesregierung notifizieren. Er habe das Memorandum als einen rein pastoralen Akt verstanden, weshalb er auch eine Veröffentlichung in der Presse nicht gewünscht und dafür gesorgt habe, daß das Memorandum aus dem Wahlkampf herausgehalten worden sei. Am 11. November 1961 sei er mit Günter Howe, Georg Picht und Ludwig Raiser zu einem Gespräch über das Memorandum zusammengetroffen. Am 14. Februar 1962 habe ein Gespräch mit den Vertretern der SPD stattgefunden, an welchem unter der Leitung des MdB Martin Hirsch unter anderem die Abgeordneten Adolf Arndt, Gustav Heinemann, Pfr. Hans Merten und Herbert Wehner teilgenommen haben. Am 16. Februar 1962 sei das Memorandum durch die Indiskretion eines Beamten des Auswärtigen Amtes an die Öffentlichkeit gelangt. Die Gespräche mit den anderen Parteien seien daraufhin „flachgefallen". Allerdings habe Kunst schon vorher mit führenden Vertretern dieser Parteien gesprochen.

2. Zur Vorgeschichte der Ostdenkschrift [vgl. oben S. 146] Kunst habe die Denkschrift nur mitverantworten wollen, wenn darin die Politik der Bundesregierung klar dargestellt werde, und habe mit diesem Gedanken die Unterstützung von Walter Bauer gefunden. Ludwig Raiser habe dem ausdrücklich zugestimmt, allein schon die Noblesse gegenüber der Bundesregierung erfordere dies.

LISTE DER B E A U F T R A G T E N BZW. BEARBEITER DER „HILFSKOMITEES" FÜR DIE D O K U M E N T A T I O N „EV. KIRCHE U N D V E R T R I E B E N E "

Baltikum/Deutschbalten: Bessarabien: Bukowina: Danzig/Westpreußen: Dobrudscha: Galizien: Jugoslawien: Litauen: Ostbrandenburg: Ostpreußen/Hilfskomitee: Ostpreußen/Gemeinschaft: Polen: Pommern: Posen/Posener D e u t s c h e : Schlesien: Siebenbürgen und Banat: Slowakei/Slowakeideutsche: Sowjetunion/Rußlanddeutsche Sudetenland/Sudetendeutsche: Ungarn:

Baronesse Else von Rahden (Hannover) Albert Kern (Stuttgart) Edgar Müller (Kirchheim/Teck) Kurt Kamberg (Lübeck) H e r b e r t Hahn (Göppingen) Martin Zöckler (Göttingen) Franz H a m m (Bad Godesberg) Hermann Jaekel (Göttingen) G ü n t h e r Leppin (Detmold 17) E m m y Walter (Beienrode über Helmstedt) W e r n e r Marienfeld ( D o r t m u n d - M a r t e n ) Arthur Schmidt (Schwabach) H a n s - J o a c h i m B a h r (Soest) D r . Arnold Starke (Lüneburg) Eva Lindner (Göttingen) D r . Richard Alberti (Lindau); Franz Herberth (München) Karl Kautz (Oberboihingen) Irmgard Stoldt ( F r o m m e r n ) D r . Alfred Eckert (Amberg) Hans Schrödl (Schwandorf)

LISTE DER (LANDES)KIRCHLICHEN BEAUFTRAGTEN BZW. BEARBEITER FÜR DIE DOKUMENTATION „EV. KIRCHE UND VERTRIEBENE"

Baden: Herbert Scholz (Heidelberg); Erik Turnwald (Kirnbach) Bayern: - Landeskirche: Martin Brügmann (München) - Diasporamission des Gustav-Adolf-Werkes: Ulrich Fischer (Neuendettelsau) Berlin-Brandenburg (Bereich Berlin-West): Walter Schian (West-Berlin) Braunschweig: Dr. Arnold Quast (Braunschweig) Bremen: Dr. Karl Hansch (Bremen) Diakonisches Werk: Friedrich Wilhelm Neriich (Bad Neuenahr) Ev. Kirche der Union (Bereich West): Dr. Gerhard Fischer Hamburg: Ulrich Strege (Hamburg) Hannover: Dr. Fritz Nordhoff (Hannover); Johannes Lippert (Klein-Schneen) Hessen-Nassau: Johannes Leuchtmann (Hünfeld) Kurhessen-Waldeck: Johannes Leuchtmann (Hünfeld) Lippe (Detmold): Dr. Claus Harms (Detmold) Lübeck: Lie. Karl Hanne (Lübeck) Oldenburg: Fritz Konukiewitz (Delmenhorst) Pfalz: Dr. Hans-Joachim Belitz (Ludwigshafen) Rheinland: Albrecht Eggert (Düsseldorf); Dr. Hermann Glaser (Düsseldorf); Walter Harder (Düsseldorf); Dr. Erich Dietrich (Düsseldorf) Schaumburg-Lippe: Erich Hinz (Bad Eilsen) Schleswig-Holstein: Hermann Grimm (Rendsburg); Walter Lenke (Ahrensburg) Westfalen: Herbert Neß (Münster)

Q U E L L E N - UND LITERATURVERZEICHNIS

I. U N V E R Ö F F E N T L I C H T E Q U E L L E N a. Archivalische Quellen

Archiv des Diakonischen 480/01

Werkes, Berlin (ADW)

Flüchtlingshilfe I - V .

Evangelisches Zentralarchiv in Berlin (EZA Berlin) Sammlung Vertriebenendokumentation ( V D ) : 1 Evangelische Landeskirche in Baden. 2 2.1 2.2 2.3 3

Evangelisch-lutherische Kirche in Bayern. Dokumentationsbericht. Dokumentationsmaterial. Sonstiges Dokumentationsmaterial. Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg (Berlin-West).

4 5 5.1 5.2

Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig. Bremische Evangelische Kirche. Dokumentationsbericht. Dokumentationsmaterial.

6 7 8 8.1 8.2 9 10 10.1 10.2 10.3

Evangelisch-lutherische Landeskirche Eutin. Evangelisch-lutherische Kirche im Hamburgischen Staate. Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers. Dokumentationsbericht. Dokumentationsmaterial. Evangelische Kirche in Hessen und Nassau. Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck.

11 12 13 14

Lippische Landeskirche. Evangelisch-lutherische Kirche in L ü b e c k . Evangelisch-reformierte Kirche in Nordwestdeutschland. Evangelisch-lutherische Kirche in Oldenburg.

15 16 17 18 18.1 18.2 19

Evangelische Kirche der Pfalz. Evangelische Kirche im Rheinland. Evangelisch-lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe. Evangelisch-lutherische Landeskirche Schleswig-Holsteins. Dokumentationsbericht. Dokumentationsmaterial. Evangelische Kirche von Westfalen.

322 20 21 22 23 24 25 25.1 25.2 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46

Quellen- und Literaturverzeichnis Evangelische Landeskirche in Württemberg. Evangelische Kirche der Union. Diakonisches Werk. Hilfskomitee der evangelisch-lutherischen Kirche aus Bessarabien. Hilfskomitee für die evangelischen Umsiedler aus der Bukowina. Hilfskomitee für die Evangelischen aus Danzig-Westpreußen. Dokumentationsbericht. Rundbriefe. Hilfskomitee für die evangelisch-lutherischen Deutschbalten. Hilfskomitee für die evangelische Kirche aus der Dobrundscha. Hilfskomitee der Galiziendeutschen A. u. H. Bekenntnisses. Hilfskomitee der evangelischen Landeskirche aus Jugoslawien. Hilfskomitee der evangelischen Deutschen aus Litauen. Hilfskomitee der evangelischen Deutschen aus Ostpreußen. Gemeinschaft evangelischer Ostpreußen. Hilfskomitee für die evangelischen Ostumsiedler. Hilfskomitee für die ostbrandenburgischen Kirchengemeinden. Hilfskomitee der evangelisch-lutherischen Deutschen aus Polen. Konvent der evangelischen Deutschen aus Pommern. Hilfskomitee der Glieder der Posener evangelischen Kirche. Gemeinschaft evangelischer Schlesier. Hilfskomitee der evangelisch-lutherischen Slowakeideutschen. Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben. Gemeinschaft evangelischer Sudetendeutscher. Hilfskomitee der evangelischen Deutschen aus Ungarn. Sammlung von Ostpfarrer-Predigten. Diverse Materialien der Kirchenkanzlei der E K D . Material Kirchenrat Ahme (Berlin). O. Söhngen: Die evangelische Kirche der (Altpreußischen) Union und das Problem der Heimatvertriebenen.

Nachlaß Reinhard Wester: 1-16 b

Der Beauftragte für Umsiedler- und Vertriebenenfragen. 1957-1965.

Nachlaß Carl Brummack Nachlaß Claus Harms Registratur der Kirchenkanzlei 05 043 137 518 518 518 518 518 518 518 518

(jetzt Kirchenamt) der EKD, Hannover

(AKK)

Kirchliche Westkonferenz. Beiheft Protokolle Bd. 1 und 2. Beiheft: Kammer für öffentliche Verantwortung. Bd. IV und VI. Beiheft: Denkschrift... Finanzen. Bd. II. Beiheft II. Bd. II. Beiheft: O K A II. Beiheft: O K A III. Beiheft: Gespräch über Ostdenkschrift III. Beiheft: Hilfskomitees. Beiheft: Ostpreußisches Hilfskomitee. Beiheft: Studienauftrag betr. Eingliederung Vertriebener.

Quellen- und Literaturverzeichnis 4330/3

Vertriebenendokumentation. Bd. I

6454 6454 6454 6454

Flüchtlinge. Flüchtlingsseelsorge Bd. II. Tag der Heimat. Beiheft: Beauftragter der E K D für die Flüchtlingsarbeit. Bischof D . Wester-Schleswig. Beiheft: Beauftragter der E K D für die Flüchtlingsarbeit. Pastor D . B e s c h - B r e m e n . Beiheft: Gespräch mit dem Bund der Vertriebenen. Vertriebenen-Denkschrift. Rundschreiben.

6454 6454 XI

Protokolle der Ratssitzungen.

Akten des Ostkirchenausschusses,

Hannover

(AOKA)

Α A1 A 7

D e r Ostkirchenausschuß (jeweils Bd. 1 9 4 6 - 4 9 ; 1 9 5 0 f f . ) : Geschäftsordnung. Jahresberichte, Protokolle, Aktennotizen.

Β

D i e Hilfskomitees:

Β 22

Rundschreiben.

C

Arbeitsgebiete des Ostkirchenausschusses:

C 1 C 2 C 6 C 6a C7 C 8

Ostkirchen-Institut. Seelsorge.

C 9 Cll C12 C 13 C 14

Pressearbeit allgemein. Wissenschaftliche Arbeit I - V I I . Landsmannschaften. Deutsche Jugend des Ostens. Deutsche Ostgebiete. Synoden. Tagungen anderer Stellen. Konvent der zerstreuten evangelischen Ostkirchen. b. Tagungen. c. Rundschreiben an die Hilfskomitees. d. Verschiedenes. e. Protokolle.

C 16 D D i e Landeskirchen und Landeskonvente der Hilfskomitees. Mitarbeiterbrief des Ostkirchenausschusses.

Archiv der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Hannover (AVELKD) 414

Lutherische Klasse in Lippe. I—II.

436 441 442

Provinz Rheinland. I—III. Baden. I—II. Pfalz. I - V .

Kirche

Deutschlands,

324

Quellen- und Literaturverzeichnis

442 Β Pfalz (Birkenheide). I. 450 Allgemeines. Lutherische Freikirchen. I. 451 Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche. I—III. 551 Evangelisch-reformierte Kirche Nordwestdeutschland. I. B.II.1,3 II Exekutiv-Komitee. B.IX. (16a) Lutherischer Weltbund. Flüchtlings-Abteilung. Deutsches Nationalkomitee: A II a. Allgemeines. b. Lutherischer Weltbund und Weltdienst in Deutschland. Archiv O K R Dr. Hübner: 13 LWF Sektion III (Hannover 1952).

Im Besitz von Propst Eberhard Schwarz, Bad Segeberg Material Walter Schwarz.

Im Besitz von Präsident i. R. D. Erwin Wilkens,

Ronnenberg

Handakten Wilkens. 11 Bände.

b. Auskünfte und Informationen Pastor Hans Joachim Bahr, Soest: Oberlandeskirchenrat Prof. Dr. Horst Balz, Kiel: Pfarrer Wilhelm Becker, Stuttgart: Pfarrer Dr. Hans Joachim Belitz, Ludwigshafen: Pastor D. Günter Besch, Bremen: Dr. Philipp von Bismarck MEP, Bonn: Frau Charlotte Brummackf, Preetz: Oberstudiendirektor Friedrich-Wilhelm Brummack, Kiel: Präsident i. R. D. Heinz Brunotte, Hannover: Pfarrer i.R. Friedrich Buschbeck, Heidelberg: Vizepräsident Dr. D. Paul Collmerf, Stuttgart: Dr. Hermann Delfs, Soest: Superintendent Dr. Erich Kurt Dietrich, Düsseldorf: Dr. Wolfgang Eger, Speyer: Dr. Gerhard Fischer, West-Berlin: Oberkonsistorialrat D. Gerhard Gülzowf, Lübeck: Oberkirchenrat Wilhelm Gundert, Hannover: Kirchenpräsident Franz Hamm, Bonn-Bad Godesberg: Pfarrer Karl H a m m f , Landau: Frau Marianne Hamm, Bonn-Bad Godesberg: Pfarrer Stewart W. Herman, Shelter Island Heights (New York): Pastor Erich Hinz, Bad Eilsen: Oberkirchenrat Kurt Horn, München: Altbischof Ernst Hornigt, Bad Vilbel: Prof. Dr. Wolfgang Huber, Heidelberg (seit 1980 Marburg)

23. September 1972 19. April 1973 23. Oktober 1973 16. Oktober 1972, 14. März 1973 mehrfach 1972-1981 mehrfach 1985 8. Oktober 1972 18. April 1973 5. September 1973 29. Juni 1972 23. Oktober 1973 23. September 1972 3. September 1973 6. Juli 1972 25. Juli 1972 18. April 1973 25. September 1972 28. Juli 1972 19. Juli 1972 28. Juli 1972 29. August 1973 27. Juli 1972 13. Juni 1973 22. Januar 1976 mehrfach 1972-1981

325

Quellen- und Literaturverzeichnis Prof. Dr. Kristian Hungar, Heidelberg: Pastor i. R. C. W. Helmut Intelmann, Archiv Schloß Gestorf: Oberkirchenrat Herbert Keller, Stuttgart: Oberkirchenrat D D . Gottfried Klapper, Hannover: Pfarrer i. R. Werner Koderisch, Lemgo: Oberkirchenrat Dr. Rolf Krapp, Hannover: Prof. Dr. Herbert Krimm, Heidelberg: Prof. Dr. Harald Kruska, West-Berlin: Pfarrer Alfred Hans Kuby, Speyer: Bischof i.R. D. Hermann Kunst D D . , Bonn: Pfarrer Johannes Leuchtmann, Hünfeld: Prof. Dr. Heinz Liebing, Marburg: Dr. Gerhard Liedke, Heidelberg: Dekan Gerhard Lierse, Karlsruhe-Durlach: Secretary General Carl H . Mau jun., New York: Oberkirchenrat Wessel Nuyken, Hannover: Konsistorialrat i.R. Wilhelm Pagel, Hannover: Pastor Dr. Herbert Patzelt, Lübeck: Oberlandeskirchenrat Adolf Quast, Braunschweig: Verwaltungsdirektor Gerhard Rauhut, Hannover:

Oberkirchenrat Heinrich Riedel, München: Frau Dr. Gerta Scharffenorth, Heidelberg: Pastor i. R. Wilhelm Schmidt, Hamburg: Präsident Hugo Schnell, Hannover: Propst Horst Schubring, Gießen: Propst Eberhard Schwarz, Bad Segeberg: Frau Dr. Stella Seeberg, Göttingen: Vizepräsident i. R. Prof. D. Oskar Söhngent, West-Berlin: Prodekan i.R. Pfarrer Friedrich Spiegel-Schmidt, München: Pfarrer Erik Turnwald, Kirnbach: Diakon Max Unterschmidt, Stuttgart: Vizepräsident D. Dr. Rudolf Weeber, Stuttgart: Bischof D . Reinhard Westert, Eutin: Vizepräsident D . Erwin Wilkens, Hannover:

II. V E R Ö F F E N T L I C H T E

QUELLEN UND

mehrfach 1972-1981 31. Mai 1972 29. Januar 1973 20. Sept. 1973 20. Februar 1973 17. Februar 1973 mehrfach 1972-1981 23. November 1972 18. September 1972 15. September 1972 21. März 1985 25. September 1973 Frühjahr 1981 3. Januar 1973 10. September 1972 20. September 1973 5. Dezember 1972 4. Dezember 1972 18. April 1973 30. Oktober 1973 5. Oktober 1972, 28. November 1972, 1. Dezember 1972 12. Juni 1973 mehrfach 1972-1981 31. Oktober 1973 20. Februar 1973 25. September 1973 25.Januar 1973 17. Februar 1973 10. Januar 1974 12.Juni 1972 2. September 1972 29.Januar 1973; 20. September 1973 20. September 1973 31. Oktober 1973 8. Dezember 1972

DARSTELLUNGEN

AKTUELLE GESPRÄCHE. Nr. 1/2. Evangelische Akademie. 14. Jg. Bad Boll 1966. AMTSBLATT DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND. H g . v o n d e r K a n z l e i

der

Evangelischen Kirche in Deutschland in Hannover. 11. und 20 Jg. 1957 und 1966. ARBEITSTAGUNG FRANKFURT. 1965. Bericht über die Arbeitstagung der dritten Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 8. bis 10. November 1965 in Frankfurt am Main. Hannover 1968. AUSGEWÄHLTE Q U E L L E N ZUR KIRCHENGESCHICHTE OSTMITTELEUROPAS. U l m 1 9 5 9 .

BARTH, Karl: Der Götze wackelt. Zeitkritische Aufsätze, Reden und Briefe von 1930-1960. Hg. von Karl Kupisch. Berlin 1961.

326

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mit dem N a t i o n a l s o z i a l i s m u s

1939-1945.

Eine

kirchenge-

schichtliche D a r s t e l l u n g m i t einem A n h a n g (u. a. auch ü b e r die P o l n i s c h e E v a n g e l i s c h A u g s b u r g i s c h e K i r c h e 1 9 4 5 - 1 9 7 5 ) und m e h r e r e n A n l a g e n . V i e r k i r c h e n 1 9 7 6 . KNEIFEL, E d u a r d : D i e P a s t o r e n der E v a n g e l i s c h - A u g s b u r g i s c h e n K i r c h e in P o l e n . E i n biographisches P f a r r e r b u c h m i t einem A n h a n g ( E g i n g 1 9 6 4 ) . KOCH, D i e t h e r : H e i n e m a n n und die D e u t s c h l a n d f r a g e . M ü n c h e n 1972. KONRAD, J o a c h i m : J a und nein z u r D e n k s c h r i f t der E K D . I n : K i r c h e in der Z e i t 2 0 , 1 9 6 5 , S. 5 5 6 - 5 5 9 .

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gart/Berlin 1967. PROTOKOLLDIENST N r . 10 der Pressestelle der Ev. Akademie Bad Boll (Verfielfältigung). „Versöhnung und R e c h t " . Tagung der Evangelischen Akademie Bad Boll vom 2 1 . 23. 1. 1966. RABL, Kurt (Hg.): Das Recht auf die Heimat. Vorträge und Aussprachen (Studien über die Heimat und Heimatrecht 1 ^ ) . München 1958-1960. RAHE, Wilhelm (Hg.): Bischof D . O t t o Zänker. Ulm 1967. RAUSCH, W o l f Werner/WALTHER, Christian (Hg.): Evangelische Kirche in Deutschland und die Wiederaufrüstungsdiskussion in der Bundesrepublik 1950-1955. Gütersloh 1978 ( G T B Siebenstern. 292) REHS, Reinhold: Die Heimatvertriebenen und die Denkschrift. In: Henkys, Reinhard (Hg.): Deutschland und die östlichen Nachbarn. Stuttgart/Berlin 1966, S. 124-145. RHODE, Arthur: Geschichte der evangelischen Kirche im Posener Land (Marburger Ostforschungen. 4). Würzburg 1956. RUDOLPH, Hartmut: Fragen der Ostpolitik im Raum der Evangelischen Kirche in Deutschland. In: Huber, Wolfgang/Schwerdtfeger, Johannes (Hg.): Kirche zwischen Krieg und Frieden. Studien zur Geschichte des deutschen Protestantismus. Stuttgart 1976, S. 4 6 0 540. RUDOLPH, Hartmut: Evangelische Kirche und Vertriebene 1945 bis 1972. Band I . : Kirchen ohne Land. Die Aufnahme von Pfarrern und Gemeindegliedern aus dem Osten im

Quellen- und Literaturverzeichnis

331

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332

Quellen- und Literaturverzeichnis

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ABKÜRZUNGEN

ABl a.D. ADW AG AGK AKiZ AKK Ang. Anm. a.o. AOKA AVELKD Az. Bd. BdV betr. bes. BHE BK Bl. BP BvD bzw. CDU CFK CSU CSSR D. DC DD DDR d.h. DNVP dod DP dpa dt. ebd. ehem. EKD, EKiD

Amtsblatt außer Dienst Archiv des Diakonischen Werks (Berlin) Aktiengesellschaft Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte Registratur der Kirchenkanzlei der EKD (Hannover) Angabe Anmerkung außerordentlich Akten des Ostkirchenausschusses (Hannover) Archiv der VELKD (Hannover) Aktenzeichen Band Bund der Vertriebenen betreffend besonders Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten Bekennende Kirche Blatt British Petroleum Company Bund der vertriebenen Deutschen beziehungsweise Christlich-Demokratische Union Christliche Friedenskonferenz Christlich-Soziale Union Ceskoslovenska Socialistickä Republika Doktor der Theologie (ehrenhalber) Deutsche Christen Doctor of Divinity Deutsche Demokratische Republik das heißt Deutschnationale Volkspartei Deutscher Ostdienst Deutsche Partei Deutsche Presse-Agentur deutsch ebenda ehemals, ehemalig Ev. Kirche in Deutschland

334 EKHN EKiR EKU EKvW EOK EPD ERP e.V. ev. EVG E2A FDP GB geb. GenSup. GES gest. GTB Hg., hg. Hi. hl. hvp

i. R.

Jg· Kap. kath. KDO K.f.ö.V. kirchl.

KJ

KonsR. Kor KR KZ LAG luth. LvD LWB M.A.

MdB MdL MdR m.E. MEP

Abkürzungen

Ev. Kirche in Hessen und Nassau Ev. Kirche im Rheinland Ev. Kirche der Union Ev. Kirche von Westfalen Ev. Oberkirchenrat Ev. Pressedienst European Recovery Program eingetragener Verein evangelisch Europäische Verteidigungsgemeinschaft Ev. Zentralarchiv (Berlin) Freie Demokratische Partei Deutschlands Gesamtdeutscher Block geboren Generalsuperintendent Gemeinschaft evangelischer Schlesier gestorben Gütersloher Taschenbuch Herausgeber, herausgegeben Hiob heilig Pressedienst der Heimatvertriebenen. H g . i. Auftrag der Vereinigten Landsmannschaften der Heimatvertriebenen. Göttingen 1949 ff. in Ruhe, im Ruhestand Jahrgang Kapitel katholisch Kirchendienst O s t Kammer für öffentliche Verantwortung kirchlich Kirchliches Jahrbuch für die evangelische Kirche in Deutschland Konsistorialrat Korintherb riefe Kirchenrat Konzentrationslager Lastenausgleichsgesetz lutherisch Landesverband vertriebener Deutscher Lutherischer Weltbund Magister Artium Mitglied des Bundestags Mitglieder des Landtags Mitglied des Reichstags meines Erachtens Mitglied des Europäischen Parlaments

Abkürzungen

Mt NATO Nr. N S , ns 0. o.ä. o.D. o.J. OKA OKI OKiD OKonsR 0(L)KR ord. ostpr. Pfr. PhD Pkt. Prof. SBZ SPD SS städt. Stellv. Sup. TOP u.a. UNESCO UNO USA v. a. VD VdL VELKD Verf. Vertr. vgl. wiss. ZA z.B. ZEE ZevKR zit. ZvD

335

Matthäusevangelium North Atlantic Treaty Organization Nummer Nationalsozialismus, nationalsozialistisch ordentlich oder ähnliches ohne Datum ohne Jahr Ostkirchenausschuß Ostkircheninstitut, Ostkirchliche Information Ostkirchlicher Informationsdienst Oberkonsistorialrat Ober(landes)kirchenrat ordiniert ostpreußisch Pfarrer D o k t o r der Philosophie Punkt Professor Sowjetische Besatzungszone Sozialdemokratische Partei Schutzstaffel städtisch stellvertretend Superintendent Tagesordnungspunkt und andere, unter anderem United Nations Educational Scientific and Cultural Organi zation United Nations Organization United States of America vor allem Vertriebenen-Dokumentation Verband der Landsmannschaften Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands Verfasser Vertriebene vergleiche wissenschaftlich Zentralausgabe zum Beispiel Zeitschrift für evangelische Ethik Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht zitiert Zentralverband der vertriebenen Deutschen

PERSONENREGISTER/BIOGRAPHISCHE ANGABEN

Trotz vielfältigster Recherchen war es nicht möglich, die biographischen Daten aller Personen in der erwünschten Vollständigkeit und Eindeutigkeit zusammenzustellen; dies bedeutet auch, daß sich wandelnder Sprachgebrauch für Amter und Institutionen nicht berücksichtigt und damit deren korrekte Bezeichnung nicht immer angegeben werden konnten. Die Geschäftsstelle der Ev. Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte (Schellingstr. 3, 8000 München 40) ist deshalb dankbar für alle Ergänzungen und Berichtigungen, die ihr in diesem Zusammenhang zugehen. ACHESON, Dean (1893-1971) 8 Politiker, 1949-1953 amerikanischer Außenminister ADENAUER, Konrad (1876-1967) 9 f. Politiker, 1949-1963 dt. Bundeskanzler. ADERKAS, C l a u s v o n

1 8 4 f., 2 1 4

geb. 26. 5. 1919 Libau/Lettland, 1938-1939 landwirtschaftliche Ausbildung, 1940-1945 Wehrdienst und Gefangenschaft, 1946-1951 Studium der Theologie, 1951-1952 Predigerseminar Nürnberg, 1952-1955 Vikariat und Pfr. Höllrich/Unterfranken, 1955-1962 Pfr. und Anstaltsleiter des Ludwig-Steil-Hofs in Espelkamp/Westfalen, seit 1963 Direktor der Inneren Mission in Bremen und Geschäftsführer des Diakonischen Werks Bremen, seit 1964 Vorsitzender des Deutsch-Baltischen Kirchlichen Dienstes (Hilfskomitee), seit 1964 Mitglied des O K A der E K D , seit 1984 dessen 2. Vorsitzender, seit 1963 Mitglied zahlreicher Vorstände diakonischer Einrichtungen in Bremen und Mitglied der Diakonischen Konferenz des Diakonischen Werks der E K D . ALBERS, Henry, Dr. rer. nat. habil. 41 f. geb. 28. 5. 1904 Hamburg, 1934 Privatdozent Hamburg, 1936 Dozent Technische Hochschule Hannover, 1937 ao. Prof. Danzig (nicht beamtet), 1938 ao. Prof. (beamtet), 1941-45 o. Prof., 1950 Gastprof. Mainz, 1954 o. Prof., Direktor des Biochemischen Instituts Mainz, 1947-1964 Synodaler der Landeskirche Hessen-Nassau. ALBERTI, Richard, Dr. phil. 27 geb. 24. 8. 1901 Lechnitz/Siebenbürgen, ord. 5. 1. 1927, Studium der Theologie und Philosophie in Wien, Leipzig, Greifswald, 1925/26 Hilfslehrer an Mädchenmittelschule und Gymnasium Bistritz, Vikar, 1927 Pfr. Alzen, 1933 Mettersdorf/Siebenbürgen, 1937— 1940 Kreisschulinspektor, Studienaufenthalt in Deutschland, 1. 5. 1940 wiss. Angestellter am Reichsamt für Bodenforschung, 1. 10. 1941 Wehrgeologe (auf Anforderung der Waffen-SS), 1942 Einbürgerung in das Deutsche Reich, 4. 5 . 1 9 4 5 - 2 0 . 7. 1947 Gefangenschaft und Internierung, Hilfsarbeiter, Entnazifizierung 7, 1. 5. 1952-15. 6. 1954 Referent im Amt für kirchl. Vertriebenenarbeit im Landeskirchenamt München, zugleich Hauptgeschäftsführer im Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen, 1954 Pfr. Treuchtlingen, 1958 Lindau-Reutin, 1967 i. R., Beauftragter des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und ev. Banater Schwaben für die Dokumentation „Ev. Kirche und Vertriebene". ALBERTZ, H e i n r i c h

1 2 f.

geb. 22. 1. 1915 Breslau, ord. 2 7 . 9 . 1939, 1 . 3 . 1942 Pfr. Röstfelde/Schlesien, nach Kriegsende Leiter der kirchlichen Flüchtlingsbetreuung in Celle, 1946-1948 Leiter des Flüchtlingsamtes für Celle und den Regierungsbezirk Lüneburg, 1947-1955 MdL, 9. 6.

Personenregister/Biographische Angaben

337

1 9 4 8 - 1 2 . 6 . 1951 Staatsminister für F l ü c h t l i n g s w e s e n in N i e d e r s a c h s e n , 13. 6. 1951— 2 6 . 5. 1 9 5 5 für Soziales u n d G e s u n d h e i t , 1 9 5 5 - 1 9 5 9 S e n a t s d i r e k t o r b e i m S e n a t o r f ü r V o l k s b i l d u n g von B e r l i n , 1 9 5 9 - 1 9 6 1 S e n a t s d i r e k t o r und C h e f der Senatskanzlei v o n B e r l i n , 1 9 6 1 - 1 9 6 6 S e n a t o r für Inneres und (seit 1 9 6 3 ) B ü r g e r m e i s t e r , zugleich S e n a t o r für Sicherheit u n d O r d n u n g , D e z e m b e r 1 9 6 6 bis J u l i 1 9 6 7 R e g i e r e n d e r B ü r g e r m e i s t e r v o n B e r l i n ( R ü c k t r i t t ) , 1 9 7 4 - 3 1 . 3 . 1979 P f r . B e r l i n - S c h l a c h t e n s e e . ALTHAUS, Paul

290

geb. 4. 2 . 1 8 8 8 O b e r s h a g e n / C e l l e , gest. 18. 5. 1 9 6 6 E r l a n g e n , 1 9 2 0 P r o f . für S y s t e m a t i sche T h e o l o g i e R o s t o c k , seit 1925 E r l a n g e n . ASMUSSEN, H a n s

197

geb. 2 1 . 8 . 1 8 9 8

F l e n s b u r g , gest. 3 0 . 1 2 . 1 9 6 8

Speyer,

1923 P f r .

Diakonissenanstalt

F l e n s b u r g , 1925 A l b e r s d o r f , 1932 A l t o n a , 1933 suspendiert, 15. 2 . 1 9 3 4 in den R u h e s t a n d versetzt, 1934 M i t g l i e d des R e i c h s b r u d e r r a t e s , W i n t e r s e m e s t e r 1 9 3 5 / 3 6 L e i t e r der K i r c h l . H o c h s c h u l e B e r l i n , 1 9 3 6 P f r . B e r l i n - L i c h t e r f e l d e , 1943 S c h w ä b i s c h - G m ü n d , 1945 Präsident d e r K i r c h e n k a n z l e i der E K D , 3 0 . 5 . 1948 ausgeschieden, 1 9 4 8 - 1 9 5 5 P r o p s t v o n Kiel. BAHR, H a n s - J o a c h i m

172,186

geb. 2 8 . 6 . 1 8 9 5 P l a t h e / P o m m e r n , o r d . 13. 4 . 1924 Stettin, 1 9 2 4 / 1 9 2 5 Pfarrvikar N e u w u h r o w , 1. 8. 1925 P f r . P e t e r s h a g e n , 1. 3. 1 9 3 0 J a s s o w / P o m m e r n , W e h r d i e n s t , 1 9 4 6 1 9 5 0 H i l f s w e r k der L a n d e s k i r c h e S c h l e s w i g - H o l s t e i n , 1 9 5 0 - 1 9 5 2 L e i t e r des Internats am T i m m e n d o r f e r Strand, 1 9 5 2 - 1 9 6 1

Pfr. Lauenburg/Elbe,

1961 i. R .

Soest/Westfalen,

1 9 6 3 - 1 9 7 8 Schriftleiter der „ P o m m e r s c h e n H e i m a t k i r c h e " , 1 9 6 3 - 1 9 7 3 V o r s i t z e n d e r des K o n v e n t s ev. D e u t s c h e r aus P o m m e r n , seit 1973 E h r e n v o r s i t z e n d e r , B e a u f t r a g t e r des K o n v e n t s der E v . G e m e i n d e n aus P o m m e r n ( H i l f s k o m i t e e ) für die D o k u m e n t a t i o n „ E v . K i r c h e und V e r t r i e b e n e " . BARTH, K a r l , D . t h e o l . D . D . L . L . D .

55ff., 6 4 , 1 0 1

geb. 10. 5. 1886 B a s e l , gest. 10. 12. 1 9 6 8 Basel, 1911 P f r . S a f e n w i l / S c h w e i z , 1921 P r o f . für r e f o r m i e r t e T h e o l o g i e ( S y s t e m a t i k ) G ö t t i n g e n , 1925 M ü n s t e r , 1 9 3 0 - 1 9 3 5

Bonn,

1 9 3 5 - 1 9 6 2 Basel. BAUER, W a l t e r , D r . rer. p o l .

97

geb. 6. 11. 1901 H e i l b r o n n , gest. 1. 11. 1 9 6 8 , B a n k l e h r e , S t u d i u m der V o l k s w i r t s c h a f t , 1 9 2 4 - 1 9 3 8 D e u t s c h e H a u p t v e r w a l t u n g ( 1 9 2 8 V o r s t a n d ) der J u l i u s - P e t s c h e k - G r u p p e Prag, 1 9 3 8 - 1 9 6 8 selbständiger U n t e r n e h m e r , 1 9 4 9 - 1 9 5 1 und 1 9 5 6 - 1 9 5 7 V e r w a l t u n g s r a t des H i l f s w e r k s der E K D , 1 9 5 2 - 1 9 6 8 V o r s t a n d s v o r s i t z e n d e r der Valentin M e h l e r A G F u l d a , 1 9 4 6 - 1 9 4 8 M i t g l i e d des Wirtschaftsrates des L ä n d e r r a t e s , Mitglied des Präsidiums der B u n d e s v e r e i n i g u n g der D e u t s c h e n A r b e i t g e b e r v e r b ä n d e , 1 9 6 3 - 1 9 6 8 Mitglied des V o r s t a n d s des D e u t s c h e n Industrie- und Handelstages, 1 9 6 0 - 1 9 6 4 V i z e p r ä s i d e n t des G e s a m t v e r b a n d e s der T e x t i l i n d u s t r i e ; 1 9 4 9 - 1 9 6 8 Mitglied der S y n o d e der E K D , 1 9 5 7 1 9 6 8 M i t g l i e d der D i a k o n i s c h e n K o n f e r e n z und des D i a k o n i s c h e n R a t e s , der K a m m e r für ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g und der K a m m e r für soziale O r d n u n g der E K D . BAUMGART, G ü n t e r

173

geb. 2 1 . 7. 1908 J a s t r o w / W e s t p r e u ß e n , o r d . 11. 6 . 1 9 3 9 E b e n f e l d e / O s t p r e u ß e n , O k t o ber 1 9 3 5 - O k t o b e r 1 9 3 6 als cand. theol. B e t r e u u n g der B K - G e m e i n d e n Laptau und P o w u n d e n , J a n u a r 1 9 3 7 - A p r i l 1938 P r ä d i k a n t zu K ö n i g s b e r g - P o n r a t h , N o r k i t t e n und L a p t a u , O k t o b e r 1 9 3 8 - M a i 1945 Pfarrverwalter S e n s b u r g , zugleich J u n i 1 9 4 0 - M a i 1945 M i l i t ä r p f r . , 1 9 4 7 / 4 8 L a g e r p f r . V r s a c / J u g o s l a w i e n , N o v e m b e r 1 9 4 9 V e r u r t e i l u n g zu 17 Jahren Zwangsarbeit, N o v e m b e r

1951 amnestiert, 1. 12. 1951 entlassen, M a i

1952-

N o v e m b e r 1953 Hilfsgeistlicher H e p p e n h e i m , N o v e m b e r 1953—April 1 9 6 0 Pfr. B i e d e n k o p f , M a i 1 9 6 0 - O k t o b e r 1973 Pfr. W i e s b a d e n - D o t z h e i m , A u g u s t 1 9 6 0 - 0 k t o b e r 1973 zusätzlich

mit

der

Seelsorge

an

1. 11. 1973 i . R . . BECKER, H e l l m u t , R e c h t s a n w a l t

69

der

Hessischen

Landespolizeischule

beauftragte,

338

Personenregister/Biographische Angaben

BECKMANN, Joachim, Lie. D r . D . 6 4 , 6 8 , 6 9 , 70, 71, 75, 76, 7 7 , 9 2 , 1 1 7 , 2 0 0 , 2 2 5 , 2 8 2 f. geb. 18. 7. 1901 Wanne-Eickel, 1926 Pfr. Wiesbaden, 1928 Soest, 1933-1948 Düsseldorf, 1945 Mitglied der Leitung der Ev. Kirche im Rheinland und Dozent, 1951 Prof. an der Kirchl. Hochschule Wuppertal, 1958-1971 Präses der Ev. Kirche im Rheinland, 1960 Vorsitzender des Rates der E K U , 1961 Honorarprofessor Bonn. BESCH, Günter, D . 182 ff., 2 4 6 , 2 5 4 ff., 259 ff., 265 geb. 1 7 . 8 . 1 9 0 4 Altdöbern/Brandenburg, 1 . 1 0 . 1 9 2 8 - 3 0 . 9 . 1 9 3 1 Studieninspektor Predigerseminar Stettin, ord. 21. 4. 1929 Berlin, 1. 10. 1931-30. 6. 1937 Pfr. Stargard, bis 8. 2. 1936 Leiter der Bruderschaft junger Theologen in Pommern, 1. 7. 1937 bis Kriegsende Provinzialpfarrer für Volksmission in Stettin, während des Krieges zugleich stellvertretender Wehrkreispfarrer, Mai 1945-30. 4. 1946 Pfr. Eckardtsheim, 1. 5. 1946— 30. 8 . 1 9 7 4 Pfr. an Unserer Lieben Frauen-Kirche Bremen, 1953 Wahl in den Kirchenausschuß, 1959 Schriftführer des Kirchenausschusses, 1967-31. 12. 1978 Beauftragter für Umsiedler- und Vertriebenenfragen des Rates der E K D , 1. 1. 1974-31. 12. 1978 Präsident des Gustav-Adolf-Werkes. BESKE, H a n s

76

Regierungsrat, Vorsitzender des Arbeitskreises für Ostfragen. BIDAULT, G e o r g e s

9

geb. 5. 10. 1899 Moulins/Frankreich, gest. 27. 1. 1983, September 1944-Juni 1946 französischer Außenminister, danach wiederholt Ministerpräsident, Verteidigungs- und Außenminister (bis Juni 1954), lebte von 1963-1968 im Exil in Brasilien und Belgien. BISMARCK, Klaus von 3f., 38f., 69, 7 5 , 1 6 0 , 1 6 5 geb. 6. 3. 1912 Jarchlin/Pommern, Maschinenschlosser-Praktikum, landwirtschaftliche Ausbildung, nach 1945 Leiter des Jugendamtes Herford und Gründer des Jugendhofes Vlotho, 1949-1961 Leiter des Sozialamtes der Ev. Kirche von Westfalen Haus Villigst bei Schwerte, 1961-1976 Intendant des W D R , 1963/64 Vorsitzender der A R D , 1957-1964 Präsident der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt, seit 1970 Präsidialmitglied des D t . Ev. Kirchentages und der Synode der E K D , seit 1976 Präsident des Goethe-Instituts. BISMARCK, Philipp von, Dr. rer. pol. 9 8 f „ 102, 107, 108, 109, 145, 152f., 155, 203, 211 f., 259 geb. 19. 8. 1913 Jarchlin/Pommern, 1950 Promotion, seit 1960 Vorstandsmitglied der Kali-Chemie A G Hannover, 1967-71 Präsident der Industrie- und Handelskammer Hannover, seit 1971 Vizepräsident, 1969 MdB, 1973 Vorsitzender der NiedersachsenGruppe in der C D U / C S U Fraktion, seit 1970 Sprecher der pommerschen Landsmannschaft, Vorsitzender des Ständigen Rats der ostdeutschen Landesvertretung in der B R D . BITTNER, G e r h a r d , D r .

78

Schriftleiter des Amtsblatts der V E L K D , Chefredakteur der Lutherischen Monatshefte. BLÜCHER, F r a n z

4

geb. 24. 3. 1896 Essen, gest. 26. 3. 1959 Bad Godesberg, bis 1932 Geschäftsführer und Vorstandsmitglied verschiedener Gesellschaften, 1933-1935 Abteilungsleiter der Gagfah, 1935-1938 der Hochtief A G , 1938-1945 Prokurist und Direktor bei Banken, nach Kriegsende Mitglied des Bürgerausschusses der Stadt Essen, Mitglied und Vorsitzender des Zonenbeirats, 1945 Mitbegründer der F D P in Nordrhein-Westfahlen, 1946/47 dort Finanzminister, M d L , 1947-1949 Mitglied des Frankfurter Wirtschaftsrates, seit 1949 M d B , 1949-1957 Vizekanzler und Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit (1953), 1949-1954 Vorsitzender der F D P , 1929-1951 dt. Vertreter in der Internationalen Ruhrbehörde, seit 1958 dt. Vertreter bei der Montanunion. BLUM, G e o r g

203

BODELSCHWINGH, F r i e d r i c h v o n

284

geb. 23. 5. 1902 Bonn, gest. 5. 6. 1977 Bethel, ord. 9. 2. 1930 Marten, 1930 Hilfsprediger ebd., 1932 Pfr. ebd., 1932-1936 Anstaltsgeistlicher Bethel, 1936 Pfr. Schlüsselburg/ Minden, 1942 Gütersloh, 1946-1968 Vorsteher der Anstalt und Pfr. der Anstaltsgemeinde Bethel, 1960 Vorsitzender der Vereinigten Vorstände Bethel, Sarepta und Nazareth.

Personenregister/Biographische Angaben BONHOEFFER, D i e t r i c h

339

124

geb. 4. 2. 1906 Breslau, 9. 4. 1945 Hinrichtung im KZ Flossenbürg, ord. 15. 11. 1931, 1928 Vikariat Barcelona, 1. 8. 1931 Privatdozent Berlin, 17. 10. 1933 Pfr. London, 28. 8. 1934 Kooptierung als Mitglied des Ökumenischen Rates, 26. 4.1935 Predigerseminar auf dem Zingsthof/Ostsee, 24. 6. Finkenwalde, 5. 8. 1936 Lehrbefugnis an der Universität entzogen, September 1937 Schließung des Predigerseminars, 1 1 . 1 . 1938 Ausweisung aus Berlin, 29. 4. 1943 Anklage auf „Zersetzung der Wehrkraft", Inhaftierung. BRANDT, Willy 2 5 5 , 2 6 9 , 2 7 2 geb. 18. 12. 1913 Lübeck, Journalist, 1969-1974 deutscher Bundeskanzler. BRAUN, Joachim Freiherr von 81, 8 9 , 1 0 1 , 1 1 5 , 1 7 1 , 2 0 3 , 2 2 8 , 2 5 9 , 2 6 4 Geschäftsführer des Göttinger Arbeitskreises BRÜGMANN, Martin 205,286 geb. 1. 4. 1905 Rüstern Kreis Liegnitz, gest. 5. 6. 1973 München, ord. 1929, 1930 Pfr. Tiefhartmannsdorf, 1. 6. 1934 Landeshut/Schlesien, 1949 Aushilfsämter Bayern, 1951 Pfr. Aschaffenburg, 1960 in den Landeskirchenrat einberufen, Beauftragter für die kirchl. Vertriebenenarbeit, 1961 Kirchenrat, 1970 i. R., Beauftragter der bayrischen Landeskirche für die Dokumentation „Ev. Kirche und Vertriebene". BRUMMACK, C a r l

36, 50, 54, 71, 73, 75, 8 0 f . , 8 6 f . , 95, 102, 103, 104, 106, 107, 109, 110,

111,113,114,117,118,134,171,178,214,216,223f„ 232,237,240,255 geb. 1. 6. 1895 Bromberg, gest. 12. 5. 1971 Preetz/Schleswig-Holstein, ord. 17. 10. 1920 Posen, 1920-1945 Pfr. Posen, 1933 Konsistorialrat im Nebenamt, 1938 Konsistorialrat, 1945-1948 Pfr. Behlendorf bei Lübeck, dann Oberlandeskirchenrat Kiel, seit 1949 Klosterprediger in Preetz, 1948-1960 geistlicher Oberkonsistorialrat im Landeskirchenamt Kiel, 1960 i. R., Mitglied des O K A (Leiter des Arbeitskreises für Ethik und Recht und des religionspädagogischen Arbeitskreises), Mitglied des Hilfskomitees der Glieder der Posener ev. Kirche, 1946-1954 dessen Vorsitzender. BURDACH, Ernst Karl Rudolf 80, 83 geb. 2 0 . 6 . 1 9 0 5 Passenheim/Ostpreußen, gest. 6 . 1 1 . 1 9 7 6 Königswinter, 1930-1932 Hilfsprediger Neubartelsdorf, 1932 Studieninspektor im Predigerseminar Klein Neuhof, 1934 Pfr. Geierswalde/Ostpreußen, 1937-1945 Pfr. Passenheim, 1945 Pinneberg und Preetz/Holstein, 1946-1951 Cappenberg/Westfalen, 1951-1955 Lünen, 1955-1970 Bonn, 1946 Mitglied des O K A . CHRUSCHTSCHOW, N i k i t a S e r g e j e w i t s c h ( 1 8 9 4 - 1 9 7 1 )

10

Politiker, 1958-1964 Ministerpräsident der UdSSR. CONRAD, Hermann, Dr. jur. 81 geb. 21. 10. 1904 Köln, gest. 18. 3. 1972 Bonn, 1936 Dozent Köln,1940 apl. Prof., 1936 Lehrstuhlvertreter Rostock, 1937-1938 Freiburg/Breisgau, 1940 Breslau, 1938-1940 charge de cours Lausanne und Genf, 1941 o. Prof. Marburg, 1948 Bonn für dt. Rechtsgeschichte, dt. Privatrecht, Bürgerliches Recht, Kirchenrecht. CUBE, Leonid von 54 geb. 24. 1. 1912 Tschita/Sibirien, 1929-1934 Studium der Philosophie Riga, 1939-1940 leitende Positionen in den Umsiedlungsbehörden, Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft. 1950 Vorstandsmitglied der Deutsch-Baltischen Landsmannschaft und des Hilfskomitees in Niedersachsen, 1952 Hauptgeschäftsführer des Deutsch-Baltischen Kirchlichen Dienstes (Hilfskomitee), Geschäftsführer des Ev. Hilfsvereins, 1969-1980 dessen Vorsitzender, 1957-1963 Leitung des Ostheim e.V., seit 1958 Vorstandsmitglied des Konvents der zerstreuten ev. Ostkirchen, 1959 stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Baltischen Landsmannschaft, 1963-1971 deren Geschäftsführender Vorsitzender, 1963-1967 Chefredakteur der „Europäischen Begegnung", 1967—1977 Schriftleiter der „Ostkirchlichen Informationen". CZAJA, Herbert, Dr. phil 217 geb. 5. 11. 1914 Teschen/Oberschlesien, 1940-1942 Lehrer an der Deutschen Oberschu-

340

Personenregister/Biographische A n g a b e n

le im Generalgouvernement, 1942-1945 Wehrdienst, ab 1946 Lehrer in Stuttgart, 1 9 4 8 1978 Studienrat b z w . O b e r s t u d i e n r a t , 1947-1953 Stadtrat, seit 1952 Vorsitzender der U n i o n der Vertriebenen in der C D U N o r d - W ü r t t e m b e r g s , seit 1953 M d B , 1964-1969 B u n d e s v o r s i t z e n d e r der L a n d s m a n n s c h a f t der Oberschlesier, seit 1967 Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, seit 1969 Sprecher der L a n d s m a n n s c h a f t der Oberschlesier, seit 1970 Präsident des B u n d e s der Vertriebenen. DANIELSMEYER, Werner, D r . theol. 9 7 , 1 0 5 , 1 3 2 , 1 3 4 f., 137f. geb. 14. 11. 1910 Rinkscheid/Westfalen, o r d . 25. 7. 1937, 1. 10. 1934-31. 3. 1935 Lehrvikar D o r t m u n d , 1. 4 . - 3 1 . 12. 1935 Münster, zugleich Inspektor H a m a n n s t i f t ebd., 1. 1. 1936 Hilfsprediger ebd., 1. 11. 1937 Marten, 9. 3. 1941 Pfr. ebd., 1. 4. 1957 E p h o r u s im Predigerseminar Soest, 12. 1. 1965 O K R Bielefeld, 1. 1. 1973 theol. Vizepräsident L K A Bielefeld, 31. 12. 1977 i . R . DELEKAT, Friedrich, D r . phil. D . theol. 54 geb. 4. 4. 1892 S t ü h r e n / G r a f s c h a f t H o y a , gest. 30. 1. 1970, 1919-1929 Pfr. P r i e b u s / Schlesien u n d Berlin, 1923 D o z e n t Religionspädagogisches Institut Berlin, 1929-1936 ao. Prof. Technische H o c h s c h u l e D r e s d e n , 1946 o. Prof. für Systematik, Grenzgebiet zwischen Theologie, P ä d a g o g i k und Politik M a i n z . D E LATTRE de T a s s i g n y , J e a n J o s e p h - M a r i e 6 geb. 2. 2. 1889 Mouilleron-en-Pareds/Frankreich, gest. 1 1 . 1 . 1952 Paris, 1941 eigenmächtige B i l d u n g einer Widerstandsstellung f ü r die A n g l o - A m e r i k a n e r in Sete, Verhaftung durch Vichy-Regierung, 1943 Flucht, J a n u a r 1944 Befehlshaber der französischen Streitkräfte in N o r d a f r i k a , mit denen er in Südfrankreich landete, dann der französischen B e s a t z u n g s t r u p p e n in D e u t s c h l a n d , 1948 Oberbefehlshaber der L a n d k r ä f t e der Westeuropäischen U n i o n , D e z e m b e r 1950 H o c h k o m m i s s a r und Oberbefehlshaber in I n d o china. DERBE, J u r i s t ( D a n z i g ) 50 DIBELIUS, O t t o , Lie. theol. D r . phil. D . D D . 1 9 f „ 37, 5 4 , 2 9 7 geb. 1 5 . 5 . 1 8 8 0 Berlin, gest. 3 1 . 1 . 1 9 6 7 Berlin, 1907-1909 A r c h i d i a k o n u s C r o s s e n , 1909-1910 Pfr. D a n z i g , 1911-1915 O b e r p f a r r e r L a u e n b u r g / P o m m e r n , 1915-1925 Pfr. Berlin, 1918 (nebenamtl.) G e s c h ä f t s f ü h r e r des Vertrauensrates beim E O K , 1921 (nebenamtl.) Mitglied des E O K , 1925-1933 Generalsuperintendent der K u r m a r k , 1933-1945 amtsenthoben (in den Ruhestand versetzt), 1933-1934 K u r p a s t o r San R e m o , 1934-1945 Mitglied von Bruderräten der Bekennenden Kirche, 1945-1961 Bischof von Berlin, 1 9 4 9 1961 Vorsitzender des Rates der E K D (nebenamtl.), 1954-1961 Präsident im Weltrat der Kirchen (nebenamtl.), Vorsitzender des Verwaltungsrates des H i l f s w e r k s der E K D . DIEM, H e r m a n n , D . theol. 32, 97, 232 geb. 2. 2. 1900 Stuttgart, gest. 27. 2. 1975 T ü b i n g e n , 1934-1956 Pfr. E b e r s b a c h , 1937 Stellv. Vorsitzender des württembergischen Landesbruderrates, 1950 L e h r a u f t r a g T ü b i n gen, 1955 ao. Prof., 1957 o. Prof. für Systematische Theologie, Mitglied der K a m m e r für öffentliche V e r a n t w o r t u n g der E K D . DIETRICH, Erich K u r t , D r . theol. 117 geb. 20. 4. 1911 L o d z / P o l e n , 1935-1945 Pfr. L o d z , 1945-1947 U r a c h und Reutlingen, 1947-1955 H ö n a u , 1955-1959 A l s t a d e n - O b e r h a u s e n / R h e i n l a n d , 1959-1981 D ü s s e l d o r f , ab 1963 Superintendent D ü s s e l d o r f , 1967-1980 Stadtsuperintendent D ü s s e l d o r f , seit 1946 Leiter der ehemaligen L o d z e r J u g e n d g e m e i n d e , Leiter des H i l f s k o m i t e e s der E v . lutherischen Deutschen aus Polen, seit 1955 Leiter des H i l f s k o m i t e e s der Ev.-lutherischen Deutschen aus Polen im Rheinland, seit 1960 1. Vorsitzender des K o n v e n t s der zerstreuten Ostkirchen im Rheinland, 1964-1972 Landesbeauftragter für das M ä n nerwerk im Rheinland, Beauftragter der rheinischen Kirche f ü r die D o k u m e n t a t i o n „ E v . Kirche und Vertriebene". DIETZFELBINGER, H e r m a n n 2 0 7 f . , 2 1 0 , 2 3 6 , 2 5 6 , 2 6 0 , 2 6 3 , 2 6 6 , 2 6 9 f f . , 2 7 6 , 2 8 7 geb. 14. 7. 1908 E r m e r s h a u s e n / U n t e r f r a n k e n , 1933 Stadtvikar München, 1935 Pfr. R ü -

341

Personenregister/Biographische Angaben

denhausen, 1939 t h e o l o g i s c h e r H i l f s r e f e r e n t im L a n d e s k i r c h e n r a t M ü n c h e n , S t u d e n t e n pfarrer, L a z a r e t t s e e l s o r g e r , J u n i 1 9 4 5 R e k t o r des Predigerseminars N ü r n b e r g , R e k t o r der D i a k o n i s s e n a n s t a l t N e u e n d e t t e l s a u , 1. 5. 1955 b a y r i s c h e r

1953

Landesbischof,

1 9 6 7 - 1 9 7 3 R a t s v o r s i t z e n d e r der E K D . DIPPER, T h e o d o r

235

geb. 2 0 . 1. 1903 U n t e r h e i n r i e t / H e i l b r o n n , gest. 2 0 . 8. 1 9 6 9 I m p e r i a / I t a l i e n , 1930 P f r . W ü r t i n g e n , 1933 G e s c h ä f t s f ü h r e r des E v . G e m e i n d e d i e n s t e s Stuttgart, 1 9 3 8 Pfr. R e i c h e n b a c h an der Fils, V o r s i t z e n d e r der B e k e n n t n i s g e m e i n s c h a f t in W ü r t t e m b e r g , 1 9 4 5 D e k a n N ü r t i n g e n , M i t g l i e d der S y n o d e der E K D , 1 1 . 4 . 1 9 5 6 V o r s i t z e n d e r des B r u d e r r a tes der E K D , 1 9 5 9 D e k a n L u d w i g s b u r g . DÖNHOFF, M a r i o n G r ä f i n v o n , D r . rer. pol. D r . h. c.

103

geb. 2. 12. 1909 F r i e d r i c h s t e i n / O s t p r e u ß e n , seit 1946 R e s s o r t l e i t u n g P o l i t i k und stellvertretende C h e f r e d a k t e u r i n der W o c h e n z e i t u n g „ D i e Z e i t " , 1968 C h e f r e d a k t e u r i n , 1973 Herausgeberin. DÖPFNER, J u l i u s ( 1 9 1 3 - 1 9 7 6 )

68,269

1961 E r z b i s c h o f von M ü n c h e n und Freising. DOHNA, L o t h a r G r a f zu, D r . phil.

83

geb. 4. 5 . 1924 S e e p o t h e n / O s t p r e u ß e n , M i t a r b e i t e r verschiedener F o r s c h u n g s i n s t i t u t e , L e h r a u f t r a g T U H a n n o v e r , seit 1 9 7 0 S o n d e r f o r s c h u n g s b e r e i c h Spätmittelalter und R e f o r m a t i o n T ü b i n g e n , seit 1972 o. P r o f . für Mittelalterliche und N e u e r e

Geschichte

Technische Hochschule Darmstadt. DULLES, J o h n F o s t e r ( 1 8 8 8 - 1 9 5 9 )

8,10,47

P o l i t i k e r , 1 9 5 3 - 1 9 5 9 A u ß e n m i n i s t e r der U S A . EGGERT, O s k a r

186,254

EHMKE, H o r s t , D r . j u r .

267

geb. 4. 2. 1 9 2 7 D a n z i g , seit 1961 ao. und o. P r o f . für öffentliches R e c h t F r e i b u r g , 1 9 6 7 1969 Staatssekretär im B u n d e s j u s t i z m i n i s t e r i u m , 1 9 6 9 - 1 9 7 4 B u n d e s j u s t i z m i n i s t e r und für b e s o n d e r e A u f g a b e n , seit 1969 M i n i s t e r i m B u n d e s k a n z l e r a m t , 1 9 7 2 - 1 9 7 4 M i n i s t e r für F o r s c h u n g und T e c h n o l o g i e und f ü r das P o s t - und F e r n m e l d e w e s e n , seit

1962

Mitglied im F e r n s e h r a t des Z D F , seit 1 9 4 7 Mitglied des S P D . EIBICH, W a l t e r

172

( 1 9 5 6 ) P f r . M e l s u n g e n , R e d a k t e u r des Mitteilungsblattes der G e m e i n s c h a f t ev. S u d e t e n deutscher „ G l a u b e und H e i m a t " . V o r s i t z e n d e r der G e m e i n s c h a f t ev. S u d e t e n d e u t s c h e r . EICHELBAUM, K u r t E r i c h O b e r s t u d i e n d i r e k t o r A.D.

64

geb. 2 3 . 6. 1893 B e r l i n , S t u d i u m der G e s c h i c h t e , G e r m a n i s t i k , P h i l o s o p h i e und T h e o l o gie in M ü n c h e n , L e i p z i g und B e r l i n , 1 9 1 4 - 1 9 1 8 W e h r d i e n s t , 1 9 1 9 - 1 9 4 3 ,

1945—1946

Studienrat L e i p z i g , 1 9 4 6 - 1 9 4 8 2 . B ü r g e r m e i s t e r ebd., F l u c h t , 1 9 4 9 - 1 9 5 7 O b e r s t u d i e n d i r e k t o r W u p p e r t a l , 1945 M i t b e g r ü n d e r der C D U L e i p z i g , V o r s t a n d s m i t g l i e d der E x i l C D U , seit 1953 B u n d e s v o r s i t z e n d e r des G e s a m t v e r b a n d e s der S o w j e t z o n e n f l ü c h t l i n g e , 1957-1965 MdB. EICHELE, E r i c h , D r . t h e o l . D .

185

geb. 2 6 . 2 . 1 9 0 4 Stuttgart, gest. 1 1 . 6 . 1 9 8 5 in Stuttgart, 1 9 2 6 - 2 8 V i k a r G ö t t e l f i n g e n und Stuttgart, 1 9 2 8 - 1 9 3 0 T h e o l . A u s l a n d s - f e l l o w s h i p H a r t f o r d und N e w Y o r k , 1 9 3 1 - 1 9 3 4 Stiftsrepetent T ü b i n g e n , 1 9 3 4 - 1 9 3 6 Stadtpfr. Stuttgart und M i t a r b e i t im E O K Stuttgart, 1 9 3 6 - 1 9 4 4 K R und M i t g l i e d des E O K e b d . , 1 9 4 4 - 1 9 5 1 O K R , 1 9 5 1 - 1 9 6 2 Prälat U l m , 1 9 6 2 - 1 9 6 9 L a n d e s b i s c h o f W ü r t t e m b e r g , 1 9 5 9 - 1 9 6 2 V o r s i t z e n d e r des w ü r t t e m b e r g i schen G u s t a v - A d o l f - W e r k e s , 1 9 6 6 - 1 9 6 9 der A r b e i t s g e m e i n s c h a f t christlicher K i r c h e n in D e u t s c h l a n d , 1 9 6 7 - 1 9 6 9 des A u s s c h u s s e s der E K D zur H i l f e für ausländische A r b e i t n e h m e r in D e u t s c h l a n d , 1969 der E K D - K o m m i s s i o n z u m D i a l o g mit dem Ö k u m e n i s c h e n Patriarchat in K o n s t a n t i n o p e l . EISENHOWER, D w i g t h t D .

6,9

geb. 14. 10. 1 8 9 0 D e n i s o n / T e x a s , gest. 2 8 . 3. 1 9 6 9 W a s h i n g t o n D . C . , leitete als O b e r -

342

Personenregister/Biographische Angaben

kommandierender der alliierten Streitkräfte die Invasionen Nordafrikas, Siziliens, Italiens (1943) und der Normandie (1944), 1945-1948 Generalstabschef des Heeres, 19481950 Präsident der Columbia Universität N e w York, 1950-1952 Oberkommandierender derNATO-Streitkräfte, 1953-1961 Präsident der USA. ENGELLAND, Hans, Dr.theol. 194 geb. 23. 6. 1903 Föhrden/Schleswig-Holstein, gest. 4. 11. 1970 Heikendorf, 1930 Privatdozent Tübingen, 1933-1935 Kiel, 1936 Hauptamtl. Dozent an der Apologetischen Zentrale Berlin, 1938 Vorstand Diakonissenhaus Elisabethstift Oldenburg, 1948 Prof. Kirchliche Hochschule Hamburg, 1954 Honorarprof. für Systematische Theologie, 1963 o. Prof. Kiel. ENGLER, Heinz Richard Christian, Dr. theol. 79 geb. 16. 11. 1911 Hannover, gest. 5. 8.1971 Georgsmarienhütte/Osnabrück, ord. 1939 Vaihingen, 11.4.1940 Wehrmachtsseelsorger Ostpreußische Infanteriedivision, 16. 8. 1946 Pfr. Hannover-Limmer, 1. 4. 1955 Georgsmarienhütte, 1. 5. 1960 Superintendent, Sportbeauftragter der Landeskirche, Vorstandsmitglied im Regionalausschuß der CFK, Mitglied der Internationalen Kommission der CFK, Mitglied im Beienroder Konvent, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Hannover der Hilfskomitees. EPHA, Oskar, Dr. jur. 195 f. geb. 2. 11. 1901 Kiel, gest. 11. 9. 1982 Kiel-Schulensee, 1927 juristischer Hilfsarbeiter im Landeskirchenamt Kiel, 1929 Konsistorialassessor, 1933 Konsistorialrat, kommissarischer Leiter des Landesvereins für Innere Mission in Schleswig-Holstein, 1937 zurück zur Landeskirche Schleswig-Holstein, 1948 Oberkonsistorialrat und ständiger Vertreter des Präsidenten des Landeskirchenamtes, 1954-1964 Präsident des Landeskirchenamtes Schleswig-Holstein; Mitglied der Synode der E K D und der Generalsynode der VELKD. EPPLER, Erhard, Dr. phil. Dr. h. c. 273 ff. geb. 9. 12. 1926 Ulm, seit 1957 Studienrat, 1968-1974 (Rücktritt) Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, 1952 Mitbegründer der Gesamtdeutschen Volkspartei, 1961-1976 MdB (SPD), seit 1976 MdL, 1973-1981 Landesvorsitzender der SPD in Baden-Württemberg. ERDMANN, Karl Dietrich, Dr. phil. 192,194,214,2245,231 f. geb. 29. 4. 1910 Köln-Mülheim, 1947 Privatdozent Köln, 1953 apl. Prof., 1966-1970 Dt. UNESCO-Kommission, Königlich-Dänische Akademie der Wissenschaften, Historische Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Vorsitzender des Dt. Bildungsrates, 1962-1967 des Verbandes der Historiker Deutschlands, seit 1974 Leiter des wissenschaftlichen Beirates des Instituts für Zeitgeschichte München. EVERTZ, A l e x a n d e r

93,228

geb. 13. 11. 1906 Solingen, Pfr. Zeulenroda/Thüringen, 1941-1945 Wehrdienst, 1955 Pfr. Dortmund, 1966 Gründer und Vorsitzender der „Notgemeinschaft ev. Deutscher". FECHNER, H e l m u t h

228

FISCHER, M a r t i n , D r . t h e o l . D . D D .

78, 8 1 , 2 8 2

geb. 9. 8. 1911 Magdeburg, gest. 3. 3. 1982 Berlin-West, Vikar, 1935 Reisesekretär der Deutschen Christlichen Studenten Vereinigung, Mitbegründer der Kirchlichen Hochschule Berlin und 1945 Dozent für Praktische Theologie ebd., 1949 Prof. und bis 1955 Ephorus ebd., 1970-1976 Präsident der Kirchenkanzlei der Ev. Kirche der Union (Dienststelle West), 1967-1979 Mitglied der Kirchenleitung der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg (West). FRESENIUS, Wilhelm August Sigismund, Lie. theol. 41 ff. geb. 25. 6. 1886 Wiesbaden, gest. 5. 10. 1971 Frankfurt/Main, ord. 10. 3. 1912, 1913 Stadtvikar Frankfurt, 1913-1917 Pfr. Diethardt/St. Goarshausen, 1915-1916 Garnisonspfr. Mainz, 1916-1917 Feldgeistlicher der 61. Landwehr-Brigade, 1917-1923 Pfr. Nassau/Lahn, 1924—1956 Frankfurt (St. Katharinengemeinde).. FRICK, Robert, Dr. theol. 198

Personenregister/Biographische Angaben

343

geb. 3. 9. 1901 C h a r l o t t e n b u r g , 1 9 2 8 - 1 9 3 1 P f r . B a d S a a r o w , 1 9 3 1 - 1 9 4 9 D o z e n t T h e o l o gische Schule B e t h e l , 1 9 4 9 Pfr. und V o r s t e h e r der D i a k o n i s s e n a n s t a l t

Kaiserswerth,

1 9 4 9 - 1 9 5 8 V o r s i t z e n d e r des A u s s c h u s s e s für ö f f e n t l i c h e F r a g e n der rheinischen L a n d e s s y n o d e , M i t g l i e d des V o r s t a n d e s des D i a k o n i s c h e n W e r k e s im R h e i n l a n d , Stellv. V o r s i t z e n d e r der ev. F r a u e n h i l f e in D e u t s c h l a n d , Mitglied im V o r s t a n d der B o d e l s c h w i n g h schen A n s t a l t e n , i m t h e o l . P r ü f u n g s a u s s c h u ß und i m O f f e n t l i c h k e i t s a u s s c h u ß der rheinischen K i r c h e . FRINGS, J o s e p h D r . theol. D r . phil. h. c.

101

geb. 6. 2 . 1 8 8 7 N e u ß / R h e i n , gest. 17. 12. 1978 K ö l n , 1 9 4 2 - 1 9 6 9 E r z b i s c h o f von K ö l n , 1 9 4 6 K a r d i n a l , 1 9 4 5 - 1 9 6 5 V o r s i t z e n d e r der F u l d a e r B i s c h o f s k o n f e r e n z , P r o t e k t o r für Flüchtlingsfragen. FUNCKE, L i s e l o t t e

97

geb. 2 0 . 7. 1918 H a g e n / W e s t f a l e n , seit 1 9 5 6 P r o k u r i s t i n , 1 9 5 0 - 1 9 6 1 M d L ( F D P ) in Nordrhein-Westfalen,

1961-1979 MdB,

1 9 6 9 - 1 9 7 9 Vizepräsidentin des

Bundestags,

1 9 7 9 / 8 0 M i n i s t e r i n f ü r W i r t s c h a f t und V e r k e h r N o r d r h e i n - W e s t f a l e n , 1 9 4 7 - 1 9 5 0 und seit 1953 Mitglied des L a n d e s v o r s t a n d e s , 1 9 5 8 - 1 9 6 8 V o r s i t z e n d e der L a n d e s f r a u e n s c h a f t , seit 1964 Mitglied des B u n d e s v o r s t a n d e s , seit 1968 Beisitzerin des Präsidiums, 1 9 7 7 - 1 9 8 2 stellvertretende B u n d e s v o r s i t z e n d e der F D P , seit 1981 B e a u f t r a g t e der B u n d e s r e g i e r u n g für Ausländerfragen. GAULLE, C h a r l e s de ( 1 8 9 0 - 1 9 7 0 )

9

G e n e r a l , 1 9 5 8 - 1 9 6 9 f r a n z ö s i s c h e r Ministerpräsident. GAUSE, F r i t z , D r . phil.

27

geb. 4. 8. 1893 K ö n i g s b e r g , 1 9 3 8 - 1 9 4 5 D i r e k t o r des Stadtarchivs und S t a d t m u s e u m s K ö n i g s b e r g , M i t g l i e d der H i s t o r i s c h e n K o m m i s s i o n für o s t - und w e s t p r e u ß i s c h e L a n d e s forschung. GEHLHOFF, G e r h a r d F r i t z W a l t e r , D r . phil. geb. 1 4 . 9 . 1 8 9 6

B e r l i n , gest. 4 . 8 . 1 9 5 4

23,29. Hornheide über Münster, ord. 1 3 . 1 .

1929

B e r l i n , 1 9 2 0 - 1 9 2 9 Schuldienst B e r l i n , 1. 2 . 1 9 2 9 - 3 0 . 4 . 1 9 3 4 P f r . S c h l a l a c h / M a r k , 1 9 3 4 1945 L u p o w Kreis S t o l p , 1 9 3 9 - 1 9 4 5 W e h r d i e n s t , 2 . 8. 1 9 4 5 - 3 0 . 4 . 1946 L a z a r e t t p f a r r e r B l a n k e n e s e , 1. 5. 1 9 4 6 - 3 1 . 9. 1 9 5 0 D i r e k t o r des ev. M ä d c h e n - G y m n a s i u m s

Lippstadt,

seit 1. 10. 1950 Landesflüchtlingspfarrer mit dem Sitz in H a n d o r f / M ü n s t e r , 1946 M i t glied des O K A . GEORGE, R e i n h o l d

80 f.

geb. 3 . 2 . 1913 K ö n i g s b e r g , 1 9 3 9 - 1 9 4 8 T ä t i g k e i t bei der I n n e r e n M i s s i o n , bis

1945

K ö n i g s b e r g , nach K r i e g s e n d e C e n t r a i a u s s c h u ß der I n n e r e n M i s s i o n B e r l i n , 1948 P f r . B e r l i n - O s t , 1953 H a f t , 1954 P f r . B e r l i n - S c h ö n e b e r g , 1 9 6 9 - 1 9 8 2 S u p e r i n t e n d e n t e b d . , 1 9 7 5 V o r s i t z e n d e r der K o n f e r e n z b e k e n n e n d e r G e m e i n s c h a f t e n in den evangelischen Kirchen Deutschlands. GERSTENMAIER, E u g e n , L i e . D r . t h e o l . , D .

13 f., 2 1

geb. 2 5 . 8. 1 9 0 6 K i r c h h e i m / T e c k , 2 0 . 4. 1 9 3 6 t h e o l o g i s c h e r R e f e r e n t im K i r c h l . A u ß e n a m t , 1 9 3 7 P r i v a t d o z e n t B e r l i n , E n t z u g des L e h r a m t e s , 10. 8. 1942 K o n s i s t o r i a l r a t am K i r c h l . A u ß e n a m t , 2 0 . 7. 1 9 4 4 verhaftet, G e f ä n g n i s s t r a f e , zuletzt Z u c h t h a u s B a y r e u t h , 30. 8. 1 9 4 5 - 3 0 . 9 . 1951 ( R ü c k t r i t t ) L e i t e r ( u n d B e g r ü n d e r ) des H i l f s w e r k s der E K D , 1 9 4 7 O b e r k o n s i s t o r i a l r a t , seit 14. 8. 1 9 4 9 M d B , 1 9 5 0 S o n d e r b e a u f t r a g t e r der B u n d e s r e gierung „für die Internationalisierung des F l ü c h t l i n g s p r o b l e m s " , 1 9 5 4 - 1 9 6 9 B u n d e s t a g s präsident. GILLE, A l f r e d , D r . j u r

79

geb. 15. 9 . 1901 I n s t e r b u r g / O s t p r e u ß e n , 1 9 2 7 G e r i c h t s a s s e s s o r in der o s t p r e u ß i s c h e n J u s t i z v e r w a l t u n g , 1928 B ü r g e r m e i s t e r L o t z e n , 1949 V e r w a l t u n g s r e c h t s r a t L ü b e c k , 1951 R e c h t s a n w a l t , 1952 N o t a r ; 1 9 5 0 M d L S c h l e s w i g - H o l s t e i n ( F r a k t i o n s v o r s i t z e n d e r G e samtdt. B l o c k / B H E ) , V o r s i t z e n d e r des L v D , 1953 M d B , S p r e c h e r der L a n d s m a n n s c h a f t Ostpreußen.

344

Personenregister/Biographische Angaben

GIRGENSOHN, Herbert Hermann Johannes, D . Dr. 2 , 2 1 , 24, 26f., 35f„ 50, 52f., 57, 63 f., 7 5 , 9 0 , 9 5 , 1 0 1 , 1 0 3 , 1 2 5 , 1 2 7 , 1 3 0 , 132, 171 f., 1 7 9 , 1 9 3 , 2 1 8 , 2 5 5 , 2 9 5 , 3 0 4 , 306 geb. 27. 9. 1887 Wolmar, gest. 11. 9. 1963 Glücksburg/Holstein, ord. 28. 9. 1914, 1914 Sprengelvikar des Walkschen, dann 1915-1918 des Wolmarschen Kreises, 1918 Kreisschulinspektor, 1919/1920 Feldprediger der Baltischen Landwehr, 1920 Stadtvikar Riga, 1921-1939 Oberpastor St. Peter Riga, 1940-1942 Pfr. Kreuzkirche, 1942-1945 Christuskirche Posen, 1945 Flüchtlingspfarrer, 1945/1946 Pfr. St. Marien Lübeck, seit 1946 Dozent, seit 1955 Prof. für Praktologie an der Theologischen Schule Bethel, Vorsitzender des Hilfskomitees der Deutschbalten, 1946-1951 Vorsitzender des O K A . GOLDSCHMIDT, Dietrich, Dr. rer. pol., Dipl. Ingenieur 9 7 , 1 0 4 , 1 0 9 , 2 3 2 geb. 4. 11. 1914 Freiburg/Breisgau, 1956 Privatdozent Pädagogische Hochschule Berlin, 1958 Prof. für Soziologie, 1961 Prof. Kirchliche Hochschule, 1963 Honorarprof., Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. GOLLWITZER, Helmut, Dr. theol. D . D. 29, 77, 78, 8 1 , 1 8 8 , 2 1 4 , 2 3 4 f „ 239 geb. 29. 12. 1908 Pappenheim/Bayern, 1949 o. Prof. Bonn für Systematische Theologie, 1957-1975 Freie Universität und Kirchl. Hochschule Berlin. GRADL, Johann Baptist, Dr. rer. pol. 216 geb. 25. 3. 1904 Berlin, 1926-1931 Redakteur Germania Berlin, dann Mitglied der Geschäftsführung des Dt. Sparkassen- und Giroverbandes, ab 1938 Geschäftsführer der Reichsgruppe Banken, nach Kriegsende Treuhänder, 1947-1948 Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Ostzonen-CDU, seit 1948 Exil-CDU, 1948-1965 Verleger Berliner Tageszeitung „Der Tag" und „Der Kurier", 1953-1971 Mitglied des Bundesvorstands der C D U , 1957-1980 Vertreter Berlins im Dt. Bundestag (seit 1963 Mitglied des Fraktionsvorstandes), 1965-1966 Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsbeschädigte, 1969-1972 Vorsitzender des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen, Präsidialmitglied des Kuratoriums Unteilbares Deutschland. GREWE, Wilhelm G „ Dr. jur. Dr. h. c. 45 f. geb. 16. 10. 1911 Hamburg, 1963 Prof. Berlin, 1945 Göttingen, 1947 für Staats-Verwaltungs- und Völkerrecht Freiburg, 1955 Ministerialdirigent, Leiter der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, 1958 Botschafter in den USA, 1962 N A T O Brüssel, 1971 Tokio, 1974 zugleich Mongolische Volksrepublik, 1976 i.R. GRIMONI, E., Landesvorsitzender der ostpreußischen Landsmannschaft 64 GROI?KREUTZ, Joachim 304 geb. 1 6 . 4 . 1 9 0 6 Johannisburg/Ostpreußen, gest. 2 7 . 1 1 . 1 9 6 6 München, ord. 1. 10.1934, 1935 Pfr. Bailethen/Ostpreußen, 1946 Sulzdorf an der Lederhecke/Bayern, 1953 Würzburg-St. Johannis, 1959-1966 München-Moosach, Vorsitzender des bayrischen Konventsausschusses. GRZEGORZEWSKI, Karl, Dr. theol. 80 geb. 21. 2. 1908, Gemeindepfr., Leiter des Katechetischen Amtes der kurhessischen Kirche, bis 1975 o. Prof. für Praktische Theologie und Altes Testament Kirchliche Schule Bethel. GÜLZOW, Gerhard, D. 23, 28, 30, 32, 36, 38, 55, 57f., 61, 71, 75, 81 f., 88ff., 9 2 f „ 9 5 , 9 8 , 100, 103 f., 110f„ 113 f., 117f„ 120, 122, 123 ff., 134, 138, 142, 153, 169ff., 173 ff., 182 f., 186f., 189, 196, 206, 214, 216ff., 222, 231 f., 236, 249, 255, 257, 259, 262ff., 269, 273ff., 286,298 geb. 28. 10. 1904 Liepgarten/Ückermünde/Pommern, gest. 8. 12. 1980 Lübeck, ord. 5. 10. 1930 Stettin, Pfr. Kallies/Pommern, 1934 Pfr. Danzig, 1937-1940 Jugendpfarer ebd., 1. 4. 1940 Oberkonsistorialrat und geistlicher Stellvertreter des Bischofs von Danzig-Weätpreußen, Vorsteher des Hauptvereins des Gustav-Adolf-Werkes ebd., Anfang 1945 nach der Amtsniederlegung Bischof Beermanns Leitung der Kirche, 1945-1971 Pfr. Lübeck, seit 1946 Mitglied des O K A , Mai 1951-Juni 1973 Vorsitzender des O K A , Vorstandsmitglied des 1950 gegründeten Konvents der zerstreuten ev. Ostkirchen, Mitglied der Synode der E K D , 1973 Ehrenvorsitzender des O K A .

345

Personenregister/Biographische Angaben GUINSBURG, T h o m a s N a t h a n , P h D

9

geb. 2 . 2 . 1 9 3 8 N e w Y o r k , S t u d i u m der G e s c h i c h t e C o l u m b i a U n i v e r s i t ä t , seit 1974 A s s o c i a t e P r o f e s s o r für G e s c h i c h t e U n i v e r s i t ä t W e s t e r n O n t a r i o in L o n d o n / K a n a d a . GUNDERT, W i l h e l m

78, 8 2 f . , 8 8 f . , 9 0 , 9 5 , 1 0 0 , 1 1 9 , 1 2 3 , 128, 1 4 2 , 1 4 8 , 1 7 7 , 1 8 3 , 2 4 2 , 2 5 6 ,

261,264,299 geb. 11. 3. 1915 Stuttgart, 2 7 . 3. 1 9 3 8 - 3 1 . 10. 1938 V i k a r in W ü r t t e m b e r g , 1. 11. 1 9 3 8 31.3.

1 9 5 0 n i c h t b e r u f s m ä ß i g e r W e h r d i e n s t , Kriegsdienst, Kriegsgefangenschaft

und

H e i l b e h a n d l u n g , P f a r r v e r w e s e r und Pfr. in W ü r t t e m b e r g , 1 . 4 . 1 9 5 0 - 3 0 . 9. 1 9 5 6 E O K Stuttgart, 1. 10. 1 9 5 6 - 3 1 . 3 . 1 9 8 0 K i r c h e n b e a m t e r der E K D , 1. 10. 1 9 6 3 - 3 1 . 3 .

1980

O b e r k i r c h e n r a t , L e i t e r der A b t e i l u n g V e r k ü n d i g u n g und W e r k e , I n n e r d e u t s c h e Ö k u m e ne in der K i r c h e n k a n z l e i . HALFMANN, W i l h e l m , D . t h e o l .

197

geb. 12. 5. 1 8 9 6 W i t t e n b e r g , gest. 8. 1. 1964 Kiel, o r d . 1 9 2 3 , 1 9 2 6 P f r . S c h ö n b e r g / K i e l e r F ö r d e , 1933 F l e n s b u r g , 7. 8. 1 9 3 6 - 2 5 . 9. 1 9 3 7 O b e r k i r c h e n r a t im L K A K i e l ( k o m m i s s a risch), 16. 8. 1945 V o r s i t z e n d e r der V o r l ä u f i g e n K i r c h e n l e i t u n g

Schleswig-Holstein,

5. 9. 1946 B i s c h o f für H o l s t e i n ( W a h l ) , 15. 1. 1 9 4 7 E i n f ü h r u n g , 12. 11. 1 9 4 6 beauftragt mit der V e r w a l t u n g des B i s c h o f s s p r e n g e i s Schleswig. HAMEL, J o h a n n e s

97

P r o v i n z i a l p f a r r e r N a u m b u r g / S a a l e , D o z e n t K a t e c h e t i s c h e s S e m i n a r e b d . ; Mitglied der S y n o d e der E v . K i r c h e der U n i o n und der E K D , der K a m m e r für ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r tung der E K D . HAMM, F r a n z

2 ff., 2 3 f., 3 3 , 5 4 , 6 4 , 8 9 , 1 1 7 , 1 2 3 , 1 7 5 f., 182

geb. 18. 3. 1 9 0 0 N e u w e r b a s s / B a t s c h k a / J u g o w l a w i e n , 1 9 2 4 T ä t i g k e i t im landwirtschaftlichen G e n o s s e n s c h a f t s w e s e n , später zeitweilig in der Presse ( „ D e u t s c h e s V o l k s b l a t t " , verschiedene Z e i t s c h r i f t e n im S c h w ä b i s c h - D e u t s c h e n - K u l t u r b u n d ) , Präsidiumsmitglied des j u g o s l a w i s c h e n Presseverbandes, P r e s b y t e r und weltlicher V o r s i t z e n d e r der dt.-ev. K i r c h e n g e m e i n d e N e u s a t z , Mitglied der S e n i o r a t s v e r s a m m l u n g und des L a n d e s k i r c h e n tages,

1941

weltlicher

Landeskirchenpräsident,

Organisation

des

Deutschtums

im

S c h w ä b i s c h - D e u t s c h e n K u l t u r b u n d , L e i t e r des L a n d e s v e r b a n d e s der dt. A k a d e m i k e r , 1938 A b g e o r d n e t e r z u r N a t i o n a l v e r s a m m l u n g J u g o s l a w i e n s in Belgrad und 1942 z u m A b g e o r d n e t e n h a u s in B u d a p e s t , b e i m Z u s a m m e n b r u c h i m H e r b s t 1944 B e t r e u u n g der T r e c k s , nach d e m K r i e g G r ü n d u n g des H i l f s k o m i t e e s für die ev. L a n d e s k i r c h e aus J u g o s l a w i e n , dessen langjähriger w e l t l i c h e r V o r s i t z e n d e r , M i t a r b e i t im O K A , 1 9 5 0 - 1 9 6 6 V o r s i t z e n d e r des K o n v e n t s der zerstreuten ev. O s t k i r c h e n , 1 9 5 0 - 1 9 6 5 T ä t i g k e i t im B u n d e s m i n i s t e r i u m für V e r t r i e b e n e , G r ü n d u n g s v o r s i t z e n d e r der L a n d s m a n n s c h a f t der D e u t s c h e n aus J u g o s l a w i e n , M i t b e g r ü n d e r des B u n d e s der V e r t r i e b e n e n , 1 9 5 0 des O s t deutschen K u l t u r r a t e s , 1949 des S ü d o s t d e u t s c h e n K u l t u r w e r k e s , bis 1 9 7 4 dessen V o r s i t z e n d e r , B e a u f t r a g t e r des H i l f s k o m i t e e s d e r E v . K i r c h e aus J u g o s l a w i e n für die D o k u m e n tation „ E v . K i r c h e und V e r t r i e b e n e " . HAMMER, W a l t e r

142

geb. 5. 8. 1 9 2 4 B r e m e n , seit 1 9 5 4 K i r c h e n b e a m t e r B r e m e n , 1958 F i n a n z r e f e r e n t K i r c h e n k a n z l e i der E K U B e r l i n , seit 1 9 6 4 L e i t e r (im N e b e n a m t ) der B e r l i n e r Stelle der K i r c h e n k a n z l e i der E K D , O b e r k o n s i s t o r i a l r a t , seit 1 9 6 5 Präsident der K i r c h e n k a n z l e i der E K D Hannover. HANNE, K a r l G e o r g R u d o l f , L i e .

80

geb. 2 5 . 6 . 1898 R o s e n b e r g / W e s t p r e u ß e n , Pössneck/Thüringen,

1921-1923

gest. 2 9 . 5. 1981 M ö l l n , ord. 2 . 10.

Hilfsprediger Pössneck,

1923-1924

1921

Heiligenwalde,

1 9 3 0 P f r . W o r m d i t t / O s t p r e u ß e n , 1 9 3 7 N e u r o ß g a r t e n , 1 9 4 1 - M ä r z 1945 S u p e r i n t e n d e n t K ö n i g s b e r g - L a n d , stellvertretender Superintendent K ö l l n - S t a d t , 1 . 4 .

1945-September

1 9 4 6 P f r . in der L a n d e s k i r c h e T h ü r i n g e n , 16. 12. 1 9 4 7 M a g d e b u r g , 16. 7. 1 9 5 2 - 1 . 10. 1963 B e r l i n ( P a s s i o n s k i r c h e ) , L e h r e r für L i t u r g i k , G l a u b e n s l e h r e und K i r c h e n g e s c h i c h t e an der B e r l i n e r K i r c h e n m u s i k s c h u l e , B e a u f t r a g t e r der L ü b e c k e r K i r c h e für die D o k u m e n t a t i o n „ E v . K i r c h e und V e r t r i e b e n e " .

346

Personenregister/Biographische Angaben

HARLING, Otto Ludwig Antonio von 102,104 geb. 4. 8. 1909 Leipzig, 11. 11. 1935-15. 7. 1938 Assessor Oberlandesgericht Dresden, 18.7.1938-8.5.1945 Marineintendantur Kiel, 9 . 5 . 1 9 4 5 — 3 1 . 3 . 1 9 4 6 arbeitslos, 1 . 4 . 1 9 4 6 - 3 1 . 3 . 1 9 4 9 Angestellter, ab 1 . 4 . 1 9 4 9 bei der Kirchenkanzlei der E K D , 5. 10. 1950-1. 1. 1975 O K R ebd.; 1948 Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, 1963 Geschäftsführer der Kammer für öffentliche Verantwortung. HARMS, Klaus (Claus), Dr. theol. 89, 103ff., 110f„ 113f., 117ff., 122f., 134, 138f., 166, 171 ff., 175 geb. 20. 2. 1906 Maldewin/Pommern, gest. 6. 5. 1972 Detmold, ord. 18. 10. 1931 Neustettin, 1. 10. 1931-31. 3.1932 Hilfsprediger Kirchenkreis Neustettin, 1. 4. 1932-30. 4. 1932 Kreuz/Barth, 1. 5. 1932-31. 10. 1932 Augustwalde/Stettin, 1. 11. 1932-1945 Pfr. Gülzow, 1 . 5 . 1 9 4 6 - 3 1 . 3 . 1947 Flüchtlingspfarrer Rotenburg/Hannover, 1 . 4 . 194730. 9. 1971 Pfr. der ev.-reformierten Kirchengemeinde Detmold-West, 1962-1967 Superintendent der Klasse Detmold, Mitglied der Bekennenden Kirche, Vorsitzender des Hilfskomitees der ev. Deutschen aus Pommern, Mitglied des O K A , der Synode der Ev. Kirche der Union, der Prüfungskommission der Lippischen Landeskirche. Vorsitzender des Lippischen Pfarrervereins, 1961-1969 Vorsitzender des Verbandes Ev. Pfarrervereine in Deutschland, Beauftragter der lippischen Landeskirche für die Dokumentation „Ev. Kirche und Vertriebene". HARMSEN, H e i n z , D r . j u r .

194

Rechtsanwalt, Synodaler der schleswig-holsteinischen Landeskirche. HASSEL, K a i - U w e v o n

56

geb. 21. 4.1913 Gare/Tansania, 1947-1950 Bürgermeister Glücksburg, 1950-1962 Bürgervorsteher ebd., MdL ( C D U ) , 1953-1954 und seit 1965 MdB, 1969-1972 Präsident, dann Vizepräsident des Bundestages, 1954-1962 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und Mitglied des Bundesrates, 1955-1956 Bundesratspräsident, 1956-1969 stellvertretender Bundesvorsitzender und seit 1969 Mitglied des Parteipräsidiums der C D U , 1962-1969 Bundesminister der Verteidigung und für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (1966), 1979-1984 Mitglied des Europäischen Parlaments. HAUG, Martin, Dr. theol. D . 71 geb. 14. 12. 1895 Calw/Württemberg, gest. 28. 3. 1983 Freudenstadt, ord. 1920, 19261930 Pfr. Tübingen, 1930-1935 Studienrat Seminar Urach, 1935 Direktor des Ev. Pfarrerseminars Stuttgart, 1943 Personalreferent E O K Stuttgart, 1946 Prälat, 1949-1962 Landesbischof Württemberg; 1952-1967 Mitglied des Rates der E K D , 1953-1957 des Diakonischen Rats. HAUPTMANN, Peter, Dr. theol. 50 geb. 25. 3. 1928 Chemnitz, Habilitation 1968 Münster, 1976 Leiter des OstkirchenInstituts Münster, Prof. für Kirchengeschichte Osteuropas und Theologiegeschichte der luth. Konfessionskirchen an der Universität Münster. HEIDINGSFELD, U w e - P e t e r

314

geb. 4. 9. 1941 Schneidemühl/Grenzmark, ord. 1973,1967-1968 Predigerseminar Nürnberg, 1968-1970 wiss. Assistent Erlangen, 1970-1972 Vikariat Bamberg und Berlin, 1972-1979 als Pfarrer der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg im Ökumenisch-Missionarischen Institut Berlin, seit 1980 O K R im Kirchenamt der E K D (Abteilung Ökumene und Auslandsarbeit). HEINEMANN, Gustav W., Dr. jur. und rer. pol. 13,93f., 143, 303f., 314 geb. 23. 7. 1899 Schwelm/Westfalen, gest. 7. 7. 1976 Essen, 1929 Anwaltspraxis Essen, Justitiar der Rheinischen Stahlwerke Essen, nach Kriegsende Vorstandsmitglied und Leiter der Hauptverwaltung ebd., 1946-1949 Oberbürgermeister Essen, 1947/48 zugleich Justizminister Nordrhein-Westfalen, 1949-1953 MdB, Innenminister der ersten Regierung Adenauer bis 1950 (zurückgetreten), seitdem wieder Rechtsanwalt und Notar,

Personenregister/Biographische A n g a b e n

347

1952 Austritt aus der C D U , 1953 G r ü n d u n g der Gesamtdeutschen Partei, 1957 Mitglied der SPD, 1966-1969 Justizminister, 1969-1974 Bundespräsident, 1945-1967 Mitglied des Rates der EKD, 1949-1955 Präses der S y n o d e der EKD, 1951 Mitbegründer der N o t g e meinschaft für den Frieden Europas. HEINTZE, Gerhard, Dr. theol. 2 0 1 , 2 2 5 , 2 8 2 ff. geb. 14. 11. 1912 Wehre/Kreis Goslar, 1938-1941 Hilfsgeistlicher Stuttgart, Gifhorn und Loccum, 1942-1946 Pfr. Twielenfleth/Niederlande, Wehrdienst, 1946 Pfr. Hollern/ Stade, 1946-1950 Missionsinspektor H e r m a n n s b u r g , 1950-1953 Studiendirektor Predigerseminar Hildesheim, 1957-1961 Superintendent Hildesheim, 1961-1965 Landessuperintendent Hildesheim, 1965 Landesbischof Braunschweig, Stellv. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, Präsidiumsmitglied der Konferenz Europäischer Kirchen, 1975 Stellv. Leitender Bischof der V E L K D , Catholica-Beauftragter der V E L K D , 1978 Leitender Bischof der V E L K D . HEISELER, B e r n t v o n

228

geb. 14. 6. 1907 Brannenburg am Inn/Bayern, gest. 1967, Schriftsteller. HEISENBERG, Werner, Dr. phil. 68 geb. 5. 12.1901 W ü r z b u r g , gest. 1. 2.1976 München, 1924 Privatdozent Göttingen, 1926 Lektor Kopenhagen, 1927 o. Prof. Leipzig für Theoretische Physik, 1941-1945 Prof. und Direktor am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik Berlin, 1946-1958 Honorarprof. und Direktor Max-Planck-Institut für Physik Göttingen, 1958-1970 Direktor des M a x Planck Instituts für Physik und A s t r o p h y s i k München, seit 1959 H o n o r a r p r o f . M ü n chen. HENKYS, R e i n h a r d

76, 156 f., 214

geb. 22. 7. 1928 Nidden/Memel, 1953-1955 Redakteur „Der Kurier" Berlin, seit 1955 beim Ev. Pressedienst, bis 1960 Düsseldorf, 1960-1964 Bethel, seit 1964 Berlin (West), seit 1972 Geschäftsführer der Berliner Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Publizistik, Mitglied der Kammer für publizistische Arbeit der EKD. HERBERTH, F r a n z

46

Geschäftsführer und Beauftragter des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben für die Dokumentation „Ev. Kirche und Vertriebene". HERRMANN, K a i

203

geb. 29. 1. 1938 H a m b u r g , Studium der Geschichte, Soziologie und Germanistik Tübingen, H a m b u r g und Vancouver, 1963-1968 politischer Redakteur und Berliner Korrespondent der „Zeit", 1968-1969 N a m e n s a u t o r des „Spiegel", 1970 C h e f r e d a k t e u r „Twen", 1972-1979 A u t o r des „Stern", seit 1979 freier Autor. HERZYKIEWICZ-JAGEMANN, ( D i s k u s s i o n s t e i l n e h m e r )

203

HILD, H e l m u t , D. 2 8 2 , 2 8 4 geb. 23. 5. 1921 Weinbach/Oberlahnkreis, 1938 Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft, bis 1957 Pfr. Westerburg, 1957-1969 Frankfurt, 1960 Pfr. für Öffentlichkeitsarbeit in der hessischen Kirche, 1964 Vorsitzender des Frankfurter Ev. Gemeindeverbandes, 1969 Kirchenpräsident Hessen-Nassau, 1973 stellvertretender Ratsvorsitzender der EKD, 1979 Vorsitzender der Arnoldshainer Konferenz. HILDEBRANDT, F r a n z - R e i n h o l d

36, 79, 8 2 f .

geb. 12. 1. 1906 Braunsberg/Ostpreußen, 1933 Pfr. Goldap, 1946 Propst Halberstadt und Q u e d l i n b u r g , 1952-1972 Präsident der Kirchenkanzlei der Ev. Kirche der U n i o n , 1961 O b e r d o m p r e d i g e r Ost-Berlin. HIRSCH, E m a n u e l , D .

290

geb. 14. 6.1888 Bentwitsch/Westpriegnitz, gest. 19. 7. 1972 Göttingen, 1915 Privatdozent Bonn, 1921 Prof. für Kirchengeschichte ebd., 1935-1945 Prof. f ü r Systematik Göttingen. HITLER, A d o l f ( 1 8 8 9 - 1 9 4 5 )

Führer u n d Reichskanzler.

115,174

348

Personenregister/Biographische Angaben

HOFFMANN, Georg, LIE. Dr. theol. h. c. 193 geb. 2. 3. 1902 Luck/Wolhynien, ord. 1926, Pastor coli. Duderstadt, 1928 Pfr. Liewe, 1932 Studentenpfr. Göttingen, 1934 Pfr. Dransfeld, 1933-1945 Privatdozent Göttingen, 1942 Superintendent Verden, 1952 Rektor des Pastoralkollegs Loccum, 1956-1970 Prof. für Praktische Theologie Kiel. HOPF, Walter 159 geb. 5. 5. 1911 Berlin, gest. 25. 1. 1969 Nürnberg, Studium der Rechtswissenschaft und der Volkswirtschaft, Regierungsassessor Lindau/Bodensee, München, Augsburg und Ingolstadt, 1940 Regierungsrat, Kriegsdienst in Frankreich, 1941-1942 Referent für Steuer- und Preisrecht Danzig, 1942-1945 Kriegsdienst im Osten, nach dem Krieg Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Lindau/Bodensee, 1950 Regierungsrat in der Bayrischen Finanzverwaltung, seit 1960 Referent und Regierungsdirektor an der Oberfinanzdirektion München, seit 1952 Stadtrat (CSU) München, Mitarbeit in kirchlichen Verbänden, Mitglied der Synode der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern. HOPPE, R i c h a r d

1 6 8 , 1 7 5 , 2 0 1 , 2 0 5 ff., 241

geb. 28. 4. 1894 Schlawa/Schlesien, ord. 27. 2. 1923, 1925 Pfr. Wiltschau, 1930 Wohlau, 1949 Marktleuthen/Bayern, 1955 i.R., zeitweilig Verweser in Auerbach über Ansbach; bayrischer Sprecher der Gemeinschaft ev. Schlesier. HORNIG, E r n s t , D .

184 f.

geb. 25. 8. 1894 Kohlfurt, gest. 5. 12. 1976 Bad Vilbel-Heilsberg, 1. 4. 1924 Pfr. Friedland/Waldburg, 1.4. 1928-4. 12. 1946 Breslau, 23. 7. 1946 von der Synode der Ev. Kirche von Schlesien zum Bischof berufen, Anfang 1947-31. 12.1963 Bischof Görlitz. HOWE, G ü n t e r , D r . rer. n a t .

69,133

geb. 16. 8. 1908 Hamburg, gest. 28. 7. 1968 Heidelberg, 1926-1930 Studium der Mathematik, Physik, Chemie, Philosophie in Rostock, Göttingen und Hamburg, 1930-1933 Lehrauftrag am Mathematischen Seminar der Universität Hamburg, 1934 Studienassessor, 1938 Lehrtätigkeit an der Steuermannsschule der Kriegsmarine in Murwik, (MarineOberstudienrat), 1946-1947 Angestellter Schulverwaltung Hamburg, Eintritt in das Christopherusstift Hemer/Westfalen, 1954 Lehrauftrag für Grenzfragen von Theologie und Naturwissenschaften an der theologischen Fakultät der Universität Heidelberg, 1947-1958 wiss. Mitarbeiter des Christopherusstiftes, seit 1958 der FEST. HUBATSCH, Walther, Dr. phil. Dr. h. c. 295 geb. 17. 5. 1915 Königsberg, gest. 29. 12. 1984 Bonn, 1949-1956 apl. Prof. 1955-1956 Lehrbeauftragter der Bergakademie Clausthal, 1956 ao. Prof. Bonn, 1959 o. Prof. für Mittlere und Neuere Geschichte ebd., Gastprofessuren in Kansas, Uppsala und Cambridge. HUDAK, A d a l b e r t , D r . t h e o l .

61,282

geb. 25. 9. 1911 Großlomnitz (Zips)/SIowakei, 1937 Kaplan Zips-Neudorf, 1938-1944 Studienrat Dt. Gymnasium Preßburg, 1946-1958 Lehrerinnenbildungsanstalt Erlangen, Oberstudiendirektor und (1964) Honorarprof. Institut für Lehrerbildung bzw. Pädagogische Hochschule Nürnberg der Universität Erlangen bzw. Nürnberg; bis 1945 Dt. Partei in der Slowakei, seit 1956 CSU, seit 1960 Mitglied des Stadtrats Erlangen, 1964 Vorsitzender des Kreisverbandes Erlangen-Stadt, 1965-1969 MdB, Schriftleiter des Monatsblatts der Ev. Notgemeinschaft in Deutschland „Erneuerung und Abwehr". HÜBNER, Friedrich, Lie. theol. Dr. 193 f., 196 f. geb. 25. 6. 1911 Bangalore/Indien, Studium in Bethel, Erlangen, Tübingen, Kiel, ord. 1935, dann Assistent bei Schlink in Bethel, Missionarischer Dienst in Indien, Internierung während des Zweiten Weltkrieges, 1947 Pfr. Albersdorf, Wyk auf Föhr, 1950 theol. Referent für Missions- und Auslandsfragen im Luth. Kirchenamt, 1962 Propst der Propstei Stormarn, 1964 Bischof von Holstein, 1967 Vorsitzender der schleswig-holsteinischen Kirchenleitung, Vorsitzender des Lateinamerika-Komitees des LWB, 1975 Mitglied des Zentralausschusses des ORK.

Personenregister/Biographische Angaben HULTSCH, G e r h a r d F r i t z Paul, D r . phil. D r . theol.

349

46

geb. 13. 12. 1911 B r i e g / B r e s l a u , o r d . 2 5 . 11. 1938 Breslau, 1 . 1 . 1 9 3 9 P f r . N ä d l i n g e n , 1 9 3 9 - 1 9 4 5 W e h r d i e n s t , 1945 Pfr. W i t t e n b e r g und D o z e n t am dortigen Predigerseminar, 1 9 5 0 R e l i g i o n s l e h r e r U l m , 1955 Studienrat B i n g e n für R e l i g i o n , G e s c h i c h t e und E r d k u n de, 1 9 6 5 - 1 9 7 1 O b e r s t u d i e n r a t ; seit 1952 K u l t u r r e f e r e n t der G e m e i n s c h a f t ev. Schlesier, Mitglied des K i r c h e n t a g e s der ev. Schlesier, 1 9 5 3 - 1 9 6 7 H a u p t s c h r i f t l e i t e r des „Schlesischer G o t t e s f r e u n d " , 2 1 . 9 . 1965 V e r l e i h u n g des Titels „ K i r c h e n r a t " durch die K i r c h e n leitung der E v . K i r c h e v o n Schlesien ( G ö r l i t z ) , seit 1953 V o r s t a n d und seit 1 9 5 9 1. V o r s i t z e n d e r des V e r e i n s f ü r Schlesische K i r c h e n g e s c h i c h t e , 1 9 5 3 - 1 9 8 2 L e i t e r des Verlags „ U n s e r W e g " ( L ü b e c k ) , seit 1953 M i t h e r a u s g e b e r des „ J a h r b u c h s für Schlesische K i r c h e n g e s c h i c h t e " , seit 1 9 5 8 alleiniger H e r a u s g e b e r , V o r s t a n d s m i t g l i e d des V e r e i n s für G e s c h i c h t e Schlesiens, M i t g l i e d der H i s t o r i s c h e n K o m m i s s i o n für Schlesien, i m K u l t u r w e r k Schlesien und seinem Stiftungsrat der Stiftung K u l t u r w e r k Schlesien. HUPKA, H e r b e r t , D r . phil

240

geb. 15. 8. 1915 D i y a t a l a w a / C e y l o n ,

1 9 4 5 - 1 9 5 7 Mitarbeiter Radio

München/Bayeri-

scher R u n d f u n k ( L e i t e r : A b t e i l u n g K u l t u r , E r z i e h u n g und O s t f r a g e n ) , 1 9 5 7 - 1 9 5 8 P r o grammdirektor Radio Bremen,

1959-1964

Pressechef des K u r a t o r i u m s

Unteilbares

D e u t s c h l a n d , seit 1964 freier J o u r n a l i s t , seit 1954 stellvertretender b z w . B u n d e s v o r s i t z e n d e r ( 1 9 6 8 ) der L a n d s m a n n s c h a f t Schlesien, die er 1948 m i t b e g r ü n d e t hatte. 1972 W e c h s e l v o n S P D z u r C D U , 1 9 7 7 B u n d e s v o r s i t z e n d e r der O s t - und M i t t e l d e u t s c h e n V e r e i n i g u n g der C D U / C S U , seit 1973 V i z e p r ä s i d e n t des B u n d e s der V e r t r i e b e n e n , Präsident des o s t d e u t s c h e n K u l t u r r a t e s , seit 1973 stellvertretender V o r s i t z e n d e r des R u n d f u n k r a t s der D t . W e l l e . IHLENFELD, B r u n o

193

B ü c h e r e i l e i t e r , S y n o d a l e r der schleswig-holsteinischen L a n d e s k i r c h e . IMHOFF, W i l h e l m , D r . rer. pol.

244

1 9 3 7 - 1 9 4 8 P r o k u r i s t Metallindustrie, seit 1948 selbstständig, seit 1971 V i z e p r ä s i d e n t der B u n d e s v e r e i n i g u n g der D t . A r b e i t g e b e r v e r b ä n d e , V o r s i t z e n d e r des Sozialpolitischen A u s s c h u s s e s und V i z e p r ä s i d e n t ( 1 9 6 3 ) des B u n d e s v e r b a n d e s des dt. G r o ß - und A u ß e n handels, seit 1953 Mitglied der H a m b u r g e r B ü r g e r s c h a f t ( C D U ) , der L a n d e s s y n o d e und der S y n o d e der E K D , L a n d e s v o r s i t z e n d e r des D t . E v . K i r c h e n t a g e s . IMMER, K a r l , L i e . t h e o l .

282,284

geb. 2 8 . 5 . 1916 R y s u m / O s t f r i e s l a n d , gest. 3. 1. 1 9 8 4 D ü s s e l d o r f - K a i s e r s w e r t h ,

1948

P f r . D u i s b u r g , 1958 n e b e n a m t l i c h e s M i t g l i e d der K i r c h e n l e i t u n g R h e i n l a n d , 1 9 6 8 O K R L a n d e s k i r c h e n a m t R h e i n l a n d , 1 9 7 1 - 1 9 8 1 Präses der rheinischen K i r c h e , 1973 und 1 9 7 9 M i t g l i e d des Rates der E K D , B e a u f t r a g t e r für Fragen der Kriegsdienstverweigerung und f ü r Seelsorge an dt. Kriegsverurteilten i m ausländischen G e w a h r s a m ; V o r s i t z e n d e r des R a t e s der E v . K i r c h e der U n i o n . IWAND, H a n s - J o a c h i m

1 2 , 1 6 , 2 3 f f . , 3 3 , 3 5 f . , 5 9 , 6 3 f . , 6 7 , 7 8 f . , 81 f., 87

geb. 11. 6. 1 8 9 9 S c h r e i b e n d o r f / S c h l e s i e n , gest. 2 . 5. 1 9 6 0 B o n n , 1923 S t i f t s i n s p e k t o r des L u t h e r h e i m s in K ö n i g s b e r g , 1934 P r o f . am H e r d e r - I n s t i t u t R i g a , 1935 D i r e k t o r des Predigerseminars der o s t p r e u ß i s c h e n B e k e n n t n i s s y n o d e in B l ö s t a u , 1 9 3 7 Pfr. D o r t m u n d , 1 9 4 5 P r o f . für S y s t e m a t i k G ö t t i n g e n , 1 9 5 2 B o n n , 1 9 4 6 als V o r s i t z e n d e r des B r u d e r r a t e s der o s t p r e u ß i s c h e n B e k e n n t n i s s y n o d e v o n B i s c h o f W u r m mit der S a m m l u n g und B e t r e u ung der ev. D e u t s c h e n aus O s t p r e u ß e n beauftragt, dann V o r s i t z e n d e r des H i l f s k o m i t e e s der ev. D e u t s c h e n aus O s t p r e u ß e n , zeitweilig M i t g l i e d des O K A , v o m R a t der E K D berufenes M i t g l i e d der verfassungsgebenden K i r c h e n v e r s a m m l u n g 1948 in E i s e n a c h und der ersten S y n o d e der E K D , v o n dieser 1 9 4 9 als einer der Sachverständigen f ü r F l ü c h t lingsfragen b e n a n n t . JACOB, G ü n t e r , L i e . D r . t h e o l . D .

97

geb. 8. 2 . 1 9 0 6 B e r l i n , o r d . 7. 6. 1 9 3 1 , 1931 H i l f s p r e d i g e r K ö r l i n / P o m m e r n , 1 9 3 2 - 1 9 4 6 N o ß d o r f / L a u s i t z , 1 9 4 6 - 1 9 4 9 G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t der N e u m a r k und N i e d e r l a u s i t z in

350

Personenregister/Biographische Angaben

Lübben, 1949-1972 in Cottbus, 1963-1966 Verwalter des Bischofsamtes im Bereich der Regionalsynode Ost; Mitglied der Diakonischen Konferenz und des Diakonischen Rates der E K D , Mitglied der Kammer für öffentliche Verantwortung der E K D . JACOBI, Gerhard Justus Eduard 41 geb. 2 5 . 1 1 . 1 8 9 1 Bremen, gest. 1 2 . 7 . 1 9 7 1 Oldenburg, 1 . 6 . 1 9 2 1 - 3 1 . 3 . 1 9 2 3 Geschäftsführender Geistlicher der Gefängnisgesellschaft für die Provinz Sachsen und Anhalt, zugleich Pfr. am Gerichtsgefängnis in Halle, 1 . 4 . 1923-31. 1. 1927 Pfr. an der Pauluskirche ebd., 1. 2. 1927-31. 3. 1930 Domprediger zu Magdeburg, 1. 4. 1930-31. 3. 1954 Pfr. an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin, 1933-1939 Präses der Bekennenden Kirche Berlin, 1. 9. 1939-30. 12. 1940 Wehrdienst, 1. 10. 1945 Superintendent des Kreises Charlottenburg in Berlin, 1 . 1 . 1946 Generalsuperintendent von Berlin für den Sprengel I, 3. 9. 1954-1967 Bischof von Oldenburg. JAKSCH, Wenzel 4 5 , 1 4 3 . 2 1 6 , 2 4 1 f., 2 5 4 , 2 5 6 , 2 5 8 geb. 25. 9. 1896 Langstrobnitz/Sudetenland, gest. 27. 11. 1966 Wiesbaden-Schierstein, Bauarbeiter Wien, nach 1918 organisatorische und journalistische Tätigkeit in der sudetendeutschen Arbeiterbewegung, 1929-1938 Abgeordneter des Prager Parlaments, 1938 Vorsitzender der SPD Sudetenland, 1939 Emigration nach England, 1950-1953 Leiter des Landesamtes für vertriebene Flüchtlinge und Evakuierte und Ministerialdirektor im hessischen Innenministerium, seit 1953 MdB (SPD), 1. 3. 1964 Präsident des Bundes der Vertriebenen. JANSSEN, Heinrich Maria 1 2 0 , 1 2 5 , 1 2 7 , 2 5 4 f . , 267f., 270 geb. 28. 12. 1907 Rindern bei Kleve, 1934 Priesterweihe durch Bischof Graf von Galen, 1945 Pfr. Schneidemühl, 1949 Kevelaer, 1956-1957 Spiritual Bischöfliche Studienanstalten Gaesdonck, 1957-1982 Bischof von Hildesheim, seit 1964 Konsultor der Päpstlichen Kommission zur Revision des kirchlichen Gesetzbuches.. JASPERS, K a r l ( 1 8 8 3 - 1 9 6 9 )

219

Prof. für Psychologie und Philosophie. JENNICKE, E d u a r d , D r .

40

JOHANNES X X I I I (1881-1963) 1958-1963 Papst. JOLLES, H i d d o M .

20,123

8

JORDAN, Pascual, Dr. phil. 228,285 geb. 18. 10. 1902 Hannover, gest. 31. 7. 1980 Hamburg, 1926 Privatdozent Göttingen, 1928 Hamburg, 1929 ao. Prof. Rostock, 1935 o. Prof. für Quantentheorie, Relativitätstheorie, Biophysik, Geophysik, 1947 Gastprof. Hamburg, 1953 o. Prof. ebd. KAMMEL, R i c h a r d , Lie. D r .

3 0 3 ff.

geb. 20. 12. 1882 Rawitsch/Bojanowo, gest. 1. 12. 1957 Berlin, ord. 12. 4. 1908, 19091918 Pfr. Storchnest, dann Direktor der Inneren Mission und des Ev. Preßverbandes in Posen, 1949-1952 Leiter des Kirchendienstes Ost. KANTZENBACH, Friedrich Wilhelm, Dr. theol. 295 geb. 30. 8. 1932 Stettin, 1958 Prof. für Historische Theologie Augustana-Hochschule Neuendettelsau, 1965 beurlaubt als Forschungsprof. an das Oekumenische Institut Straßburg, 1968 Prof. Augustana-Hochschule, 1982 Saarbrücken. KATHER, L i n u s

1

geb. 22. 9. 1893, Rechtsanwalt, 1949-1957 MdB ( C D U ) , seit Mitte 1954 G B / B H E , 1949-1958 Vorsitzender des Zentralverbandes bzw. (1951) des Bundes der vertriebenen Deutschen bzw. (1957) des Verbandes der Vertriebenen. KENNEDY, J o h n F i t z g e r a l d ( 1 9 1 7 - 1 9 6 3 )

10

1 9 6 1 - 1 9 6 3 Präsident der U S A . KEUDELL, W a l t e r v o n , D r . j u r . D r . h. c.

102

geb. 17. 7. 1884 Castellamare di Stabia/Italien, gest. 7. 5. 1973 Bonn, Rittmeister, 1916— 1920 Landrat Königsberg/Neumark, Mitglied des Kreisausschusses und des Kreistages

Personenregister/Biographische Angaben K ö n i g s b e r g und des B r a n d e n b u r g e r Provinziallandtages. 1 9 1 8 - 1 9 2 3

351

Deichhauptmann

des O d e r b r u c h s , 1 9 2 7 - 1 9 2 8 R e i c h s i n n e n m i n i s t e r , 1 9 3 3 G e n e r a l f o r s t m e i s t e r P r e u ß e n s und des R e i c h s , 1 9 3 6 Staatssekretär, 1 9 3 7 B e r u f u n g in den R e i c h s v e r k e h r s r a t , 1 9 3 7 i . R . , nach 1941 w i e d e r L a n d r a t K ö n i g s b e r g , 1945 k a m er mit 5 0 0 0 F l ü c h t l i n g e n nach L ü n e b u r g , A u f b a u von O r g a n i s a t i o n e n der Selbsthilfe- und F ü r s o r g e e i n r i c h t u n g e n für die Vertriebenen,

1924 M d R ( D N V P ) ,

1 9 2 9 Mitglied der L a n d v o l k p a r t e i , Mitglied des

C h r i s t l i c h - S o z i a l e n V o l k s d i e n s t e s , V o r s i t z , später A u s t r i t t , 1 9 4 8 E i n t r i t t C D U , Mitglied des Kreisparteivorstandes L ü n e b u r g , V o r s i t z e n d e r der L a n d s m a n n s c h a f t B e r l i n - M a r k B r a n d e n b u r g , der V e r e i n i g t e n L a n d s m a n n s c h a f t e n M i t t e l d e u t s c h l a n d s , 1 9 5 4 V o r s i t z e n der des B u n d e s v e r t r i e b e n e n a u s s c h u s s e s der C D U . KEYSER, D r . phil

27

geb. 12. 10. 1893 D a n z i g , gest. 2 1 . 2 . 1968 M a r b u r g , 1920 Staatsarchivrat D a n z i g , 1925 P r i v a t d o z e n t T e c h n i s c h e H o c h s c h u l e , 1 9 2 7 - 1 9 4 5 D i r e k t o r des Staatlichen L a n d e s m u seums für D a n z i g e r G e s c h i c h t e , 1 9 3 1 - 1 9 4 5 ao. P r o f . , 1 9 4 7 Universitätslehrauftrag H a m b u r g , seit 1 9 5 0 L e i t e r der F o r s c h u n g s s t e l l e f ü r Städtegeschichte M a r b u r g / L a h n , seit 1951 D i r e k t o r H e r d e r - I n s t i t u t , seit 1953 A k a d e m i e für R a u m f o r s c h u n g und L a n d e s p l a n u n g , 1958 V e r e i n H a m b u r g e r G e s c h i c h t e . KIEP, W a l t e r L e i s l e r

97

geb. 5 . 1. 1 9 2 6 H a m b u r g , S t u d i u m der G e s c h i c h t e und V o l k s w i r t s c h a f t , k a u f m ä n n i s c h e L e h r e , 1 9 6 5 - 1 9 7 6 M d B ( C D U ) , seit 1971 Mitglied des Präsidiums und B u n d e s s c h a t z m e i ster, 1 9 6 5 - 1 9 6 9 V o r s i t z e n d e r des A u s s c h u s s e s für E n t w i c k l u n g s h i l f e , 1 9 6 7 - 1 9 7 6 M i t glied des Präsidiums der hessischen C D U und L a n d e s s c h a t z m e i s t e r , 1 9 7 6 - 1 9 8 0 F i n a n z minister N i e d e r s a c h s e n , 1 9 8 2 - 1 9 8 3 B ü r g e r s c h a f t s a b g e o r d n e t e r H a m b u r g ; Mitglied der K a m m e r für ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g der E K D . KINDER, E r n s t , D r . theol.

50

geb. 11. 5. 1 9 1 0 B a r m e n , gest. 2 . 12. 1970 M ü n s t e r , 1938 t h e o l . H i l f s r e f e r e n t im L a n d e s k i r c h e n r a t M ü n c h e n ( a b b e r u f e n z u m R a t der E v . - l u t h e r i s c h e n K i r c h e D e u t s c h l a n d s in B e r l i n ) , 1 9 3 9 - 1 9 4 6 W e h r d i e n s t und G e f a n g e n s c h a f t , R ü c k k e h r in den D i e n s t des L u therrats, 1 9 4 7 D o z e n t an der A u g u s t a n a - H o c h s c h u l e N e u e n d e t t e l s a u , 1951 o. P r o f . , 1953 o. P r o f . für s y s t e m a t i s c h e T h e o l o g i e M ü n s t e r , V o r s i t z e n d e r der K o m m i s s i o n für T h e o l o gie des L u t h e r i s c h e n W e l t b u n d e s . KINDERMANN, A d o l f , D r . phil. D r . theol. D r . jur.

3,30

geb. 8. .8. 1 8 9 9 N e u g r a f e n w a l d e , gest. 2 3 . 10. 1974 F r a n k f u r t / M a i n , 1934 P r i v a t d o z e n t D e u t s c h e U n i v e r s i t ä t Prag, 1 9 3 7 ao. P r o f . , ( 1 9 4 5 > - 1 9 5 2 o. P r o f . f ü r R e c h t s g e s c h i c h t e und P r a k t i s c h e T h e o l o g i e P h i l o s o p h i s c h - T h e o l o g i s c h e

Kirchenrecht, Hochschule

Königstein/Taunus, Weihbischof Hildesheim. KLEMM, H e r m a n n , D r . t h e o l .

97

geb. 5. 6. 1 9 0 4 Z w i c k a u / S a c h s e n , gest. 10. 6. 1983 M e i ß e n , ord. 2 0 . 5. 1 9 1 9 , 1 9 2 7 - 1 9 2 9 L e h r e r am E v . M i s s i o n s s e m i n a r L e i p z i g , 1 9 2 9 - 1 9 5 1 P f r . B u r k h a r d s w a l d e / W e e s e n s t e i n E p h o r i e P i r n a , 1 9 5 1 - 1 9 7 3 S u p e r i n t e n d e n t M e i ß e n ; 1 9 4 8 - 1 9 5 4 M i t g l i e d der sächsischen L a n d e s s y n o d e , 1 9 4 9 - 1 9 6 1 Mitglied der S y n o d e der E K D und einiger A u s s c h ü s s e , 1 9 4 9 1973 der G e n e r a l s y n o d e der V E L K D und einiger A u s s c h ü s s e , Mitglied der K a m m e r für ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g der E K D . KLOPPENBURG, H e i n z , D r . h.c.

36,116,129

geb. 10. 5. 1903 E l s f l e t h / W e s e r m a r s c h , 1 9 3 2 Pfr. W i l h e l m s h a v e n , 1 9 3 7 abgesetzt, 1 9 4 5 1953 O b e r k i r c h e n r a t O l d e n b u r g , 1 9 4 7 - 1 9 5 0 S e k r e t ä r im O R K in G e n f ( F l ü c h t l i n g s a b t e i lung), 1953 B e a u f t r a g t e r für katechetische und s o z i o l o g i s c h e F r a g e n der S y n o d e D o r t m u n d , M i t b e g r ü n d e r der K o n f e r e n z E u r o p ä i s c h e r K i r c h e n , einer der V i z e p r ä s i d e n t e n der C h r i s t l i c h e n F r i e d e n s k o n f e r e n z Prag. KNEIFEL, E d u a r d , D r . t h e o l .

46

geb. 14. 11. 1 8 9 6 R o s t e r s c h ü t z ( W t a d y s t a w o w ) , ord. 4 . 11. 1 9 2 3 , 1923 V i k a r L o d z , 1925 Pfr. B r z e z i n y , 1939 P f r . und S u p e r i n t e n d e n t T o m a s c h o w M a z , 1940 2. P f r . St. M a t t h ä i -

352

Personenregister/Biographische Angaben

L o d z , legte sein A m : am 31. 12. nieder, weil er bei der Gestapo angezeigt worden war, 1941 Pfr. Grabieniec, 1942-1945 Zgierz, 1947-1948 Beschäftigungsauftrag Edemissen, 1 9 4 8 - 1 9 5 0 Arle/Ostfriesland, 1950-1953 Pfr. Gifhorn, 1953-1964 Marschacht; 1 9 2 9 1939 Mitglied des Warschauer Vereins zur Erforschung der Reformationsgeschichte Polens, der Polnischen Historischen Gesellschaft in Warschau, der Posener Historischen Gesellschaft, 1938-1939 Geistlicher Synodaler und Mitherausgeber des „Luthererbe in Polen", 1939-1940 des Wochenblattes für die deutschen Gemeinden der Ev.-Augsburgischen Kirche, Mitbegründer des Hilfskomitees der ev.-lutherischen Deutschen aus Polen, 1 9 4 5 - 1 9 4 6 Tätigkeit ebd., Mitglied des Vereins für ostdeutsche Kirchengeschichte, der Historisch-Landeskundlichen Kommission für Posen und das Deutschtum in Polen. KOENIGSWALD, H a r a l d v o n

2 9 f., 4 5

geb. 21. 3. 1906 Karlsruhe, Schriftsteller,Herausgeber der Kulturhefte des Sozialministeriums von Nordrhein-Westfalen zur Betreuung der Vertriebenen und Flüchtlinge. KONRAD, Joachim, D r . theol. Dr. phil. D r . h.c. 2 3 f . , 81, 107, 117, 140, 153, 2 4 9 f f . , 259, 264,290

geb. 1. 6. 1903 Breslau, gest. 15. 4.1979 Bonn, ord. 30. 12. 1929, 1933-1935 Privatdozent Breslau, 1. 10. 1940 Stadtdekan St. Elisabeth Breslau, 1946 ao. Prof. für Systematik Münster, 1950 Ministerialrat im Kultusministerium Nordrhein-Westfalen, 1954—1971 o. Prof. für Praktologie und Systematik B o n n . KRÄMER, J .

295

KRAFT, Waldemar Erich 102 geb. 18. 2. 1898 Jarotschin/Posen, ab 1921 Direktor des Hauptvereins der dt. Bauernvereine Posen, seit 1925 außerdem des dt. Landwirtschaftlichen Zentralverbandes in Polen, seit 1939 Präsident der Landwirtschaftskammer, nach Kriegsende Vorsitzender des Bundes der Heimatvertriebenen im Kreis Ratzeburg/Schleswig, 1949 Begründer der Landsmannschaft Weichsel-Warthe, 1950-1954 1. Vorsitzender des mitbegründeten Blocks der Heimatvertriebenen und Entrechteten bzw. des Gesamtdeutschen B l o c k s / B H E , 1950-1953 M d L , Stellv. Ministerpräsident und Finanzminister von Schleswig-Holstein, seit 1951 M d B und Bundesminister ohne Geschäftsbereich, 1956 Bundesminister für besondere Aufgaben ( C D U , vorher G B / B H E ) . KRAPP, R o l f , D r . m e d .

194

geb. 4. 4. 1921 Hannover, 1939-1945 Studium der Medizin, 1950-1956 der Theologie, 1945-1948 Assistenzarzt Stadtkrankenhaus Peine, 1948-1950 wiss. Mitarbeiter Ev. Stadtjugenddienst Hannover, 1 9 4 9 - 1 9 5 0 (auch) Geschäftsführer der Gesellschaft Ev. Akademie Niedersachsen, 1950-1960 Studentenpfarrer Universität Köln, 1960-1965 Studienleiter in der Ev. Akademie Bad Boll, 1965-1970 Direktor der Ev. Akademie SchleswigHolstein, seit 1970 Oberkirchenrat im Kirchenamt der E K D . KRETSCHMAR, Georg, D r . theol. D . 295 geb. 31. 8. 1925 Landshut/Schlesien, 1956 o. Prof. für Kirchengeschichte und Neues Testament Hamburg, 1967 München. KREYSSIG, L o t h a r , D r . jur.

24,32

geb. 30. 10. 1898 Flöha/Sachsen, 1. 5. 1928 Landgerichtsrat Chemnitz, 1937 auf eigenen Wunsch an das Amtsgericht Brandenburg versetzt, 1. 7. 1941 zwangspensioniert, 1. 11. 1945 Landgerichtsdirektor Potsdam, 1. 2. 1946 zum Konsistorialpräsidenten im Konsistorium Magdeburg berufen (auf Lebenszeit), 31. 10. 1947 ausgeschieden infolge Bestellung zum hauptamtlichen Präses der Provinzialsynode (1. 11. 1947-29. 2. 1964), 1. 1. 1952 (kommissarisch bis 30. 9. 1952) Leitung der Kirchenkanzlei der A P U , 1952-1970 Präses der Synode der E K U , 1949-1961 Mitglied des Rates der E K D , in Sachsen Mitglied des Landesbruderrates und Präses der Landessynode, er gehörte dem brandenburgischen Provinzialbruderrat und der Reichssynode der Bekennenden Kirche an, Leiter der Ev. Akademie in Sachsen, Vizepräsident des Dt. Ev. Kirchentages (bis Ende 1958). KRIMM, Herbert, D r . theol.

252

Personenregister/Biographische Angaben

353

geb. 6. 11. 1905 Przemysl/Galizien, 1927-1936 Vikar Wien, 1936-1940 Sachbearbeiter beim Centraivorstand des Gustav-Adolf-Vereins in Leipzig, Leitung des Franz-Rendtorff-Hauses, 1941 Wehrdienst, 1942-1946 Militärpfarrer und Gefangenschaft, 1. 5. 1946 Hauptgeschäftsführer im Zentralbüro des Hilfswerks der EKD, Privatdozent, 1. 10. 1951-31. 3. 1956 Leiter des Zentralbüros des Hilfswerks, 1954 Honorarprofessor, 1961 o. Prof. und bis 1971 Direktor des Diakonie-wissenschaftlichen Instituts an der Universität Heidelberg, 1956 Pfr. Heidelberg-Schlierbach. KRÜGER, H a n f r i e d , D r . p h i l . D .

37,39

geb. 12. 4. 1914 Schwerin, 1940 Hilfsgeistlicher Hannover, 1943 Pfr. Lauenstein, 1951 Kirchenrat im Landeskirchenamt Hannover, seit 1953 Oberkirchenrat (ökumenischer Referent) im Kirchlichen Außenamt, 1956 zugleich Geschäftsführer des Dt. ökumenischen Studienausschusses, 1962 Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland, 1973 Lehrauftrag für ökumenische Theologie an der Universität Mainz. KRÜGER, H a n s

5 5 , 6 4 , 73, 99

geb. 6. 7. 1902 Neustettin/Pommern, gest. 3. 11. 1971 Bonn-Röttgen, seit 1931 Assessor und Richter in Pommern, 1938 Landgerichtsrat Stargard, 1940 Oberamtsrichter Konitz/Westpreußen, 1943-1945 Wehrdienst bei der Marineartillerie, 1945 Olpe/Westfalen, seit 1957 Anwalt und Notar ebd., 1952-1960 Mitglied des Kreistags Olpe (CDU), 1958-1960 Stadtverordneter in Olpe, 1957-1965 MdB, Mitglied der Bundesausschüsse für Heimatvertriebene, Lastenausgleich und Gesamtdeutsche Fragen, 1948 Mitbegründer des „Bundes der vertriebenen Deutschen", seitdem Kreisgeschäftsführer, seit 1950 Kreisvorsitzender, seit 1954 Stellv. Landesvorsitzender und seit 1957 Bundesschatzmeister, Dezember 1958-1964 Präsident des „Bundes der Vertriebenen", Oktober 1963 Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. KRUMWIEDE, Hans Walter 8,214,221 ff., 230,232 geb. 13. 7. 1921 Hannover, 1955 Privatdozent Göttingen, 1957 Dozent, 1961 apl. Prof., 1965 Wissenschaftlicher Rat und Prof. für Kirchengeschichte. KRUSKA, Harald, Lie. theol. 59, 78, 81, 87, 89, 103, 117, 124 ff., 134, 214, 264, 267, 276, 295 geb. 23. 10. 1908 Thorn, ord. 9. 4. 1933, 1934-1940 Pfr.Libau/Gnesen, 1940-1945 Posen, Dozent an der Kirchl. Hochschule Posen, nach 1945 Prof. an der Kirchl. Hochschule Berlin, 1953 Leiter des Kirchendienstes Ost, später „Büro Kruska", seit 1966 Vorsitzender des Konvents der zerstreuten ev. Ostkirchen, Leiter der Arbeitsgemeinschaft der Hilfskomitees der Ev. Kirche der Union. KÜNNETH, Walter, Dr. phil. D. theol. D D . 49,61,62,66,285 geb. 1.1.1901 Etzelwang/Oberpfalz, ord. 15.2.1925, 1927 Dozent Apologetische Zentrale Berlin, 1930 Privatdozent für Systematische Theologie Berlin, 1932-1937 Leiter der Apologetischen Zentrale, Absetzung und Entzug der venia legendi aus politischen Gründen, 1938 Pfr. Starnberg/Oberbayern, 1944 Dekan Erlangen-Neustadt, 1946 H o norarprof. Erlangen, 1953-1969 o. Prof. für Systematische Theologie ebd. KUNST, Hermann, Dr. theol. D. D D 70, 71, 89,97,99f„ 143,146ff., 178,256,269 geb. 21. 1. 1907 Ottersberg, 1932 Pfr. und 1940 Superintendent Herford, Wehrmachtspfarrer, 1945-1949 Mitglied der westfälischen Kirchenleitung, 1949-1977 Bevollmächtigter der E K D am Sitz der Bundesrepublik Deutschland und 1956-1972 Militärbischof für die Bundeswehr (im Nebenamt), 1949-1982 Aufsichtsratsvorsitzender der „Aufbaugemeinschaft Espelkamp. Gemeinnützige G m b H " , Vorsitzender der Ev. Akademie Friedewald, der Ev. Zentralstelle für Entwicklungshilfe, des Ökumenischen Arbeitskreises katholischer und evangelischer Theologen, Vorstandsvorsitzender der Hermann-KunstStiftung für Neutestamentliche Textforschung. LACKNER, Martin, wissenschaftlicher Mitarbeiter 294,299. LANDSBERG, Ludwig, Dr. jur. 64,72,108f., 117,132, 138ff., 143f., 145,157

354

Personenregister/Biographische Angaben

geb. 25. 3. 1911 Berlin, gest. 25. 8. 1978 Ebenhausen/Unterfranken, 1939-1945 Wehrdienst, 1947-1975 Referent (zuletzt Ministerialdirigent) für Vertriebenen- und Flüchtlingsfragen im Wohlfahrts- (später Arbeits- und SoziaI)ministerium Nordrhein-Westfalen, 1959 und 1965-1977 Mitglied der Leitung der Ev. Kirche im Rheinland; Vorstandsmitglied des Diakonischen Werkes im Rheinland und des Theodor-Fliedner-Werkes Mülheim/Selbeck. LEHMANN, Ernst, Dr. Dr. 216 geb. 11. 9. 1906 Graz/Steiermark, ord. 25. 6. 1930 Gablonz, 8. 9. 1946-1948 Hersfeld, Leiter einer Betreuungsstelle des Ev. Hilfswerks, dann Religionslehrer, 15. 11. 19533 1 . 1 . 1 9 5 5 Krankenhauspfarrer Köln, 1 . 2 . 1 9 5 5 - 1 4 . 4 . 1 9 5 5 Pfr. Rengsdorf (Vertretung), 15.4.1955-11.2.1956 Pfr. Vorweiden-Lürken (Beschäftigungsauftrag), 12. 2. 1956-31. 8. 1972 Pfr. Würselen, 1. 9. 1972 i.R., Vorsitzender der Gemeinschaft evangelischer Sudetendeutscher. LEHNDORF, Hans Graf von 80, 8 9 , 9 5 , 1 0 1 geb. 13. 4. 1910, 1942 Assistenzarzt Insterburg, bis 1947 Arzt Königsberg, Chefarzt Bad Godesberg; (1955) Mitglied der Synode der E K U . LILJE, Johannes (Hanns) Ernst Richard, Dr. D. 16, 22, 93, 99, 120, 148, 166, 177, 188, 216 f., 2 2 0 , 2 3 4 , 2 8 4 , 2 9 7 geb. 20. 8. 1899 Hannover, gest. 6. 1. 1977 Hannover, 1917/18 Wehrdienst, 1924-1926 Studentenpfarrer Hannover, 1927-1936 Generalsekretär des DCSV, 1932-1935 Vizepräsident des Christlichen Studentenweltbundes, 1935-1945 Generalsekretär des Lutherischen Weltkonvents, 1945-1947 Oberlandeskirchenrat in Hannover, 1945-1973 Mitglied des Rates der E K D , 1945-1967 Stellv. Ratsvorsitzender, 1947-1971 Landesbischof von Hannover, seit 1950 Abt zu Loccum, 1946-1957 Präsident des CentraiAusschusses für die Innere Mission, 1947-1970 Mitglied des Exekutivkomitees des L W B , 1952-1957 Präsident des L W B , seit 1948 Mitglied des Zentralkomitees, seit 1961 des Exekutivkomitees des O R K , 1968-1975 des Präsidiums des O R K , 1955-1969 Leitender Bischof der V E L K D , bis 1966 Mitglied des Präsidiums der Konferenz Europäischer Kirchen. LINCK, Wilhelm Hermann Hugo 80 geb. 20. 3. 1890 Königsberg, gest. 24. 12. 1975 Hamburg, ord. 29. 12. 1918 Königsberg, 1. 1. 1919-15. 6. 1922 Pfr. Puppen/Ostpreußen, 16. 6. 1922-31. 10. 1930 Pfr. Wehlau/Ostpreußen, 1. 11. 1930-19. 3. 1948 Pfr. Königsberg, 1. 5. 1948 Übernahme in den Dienst der Hamburgischen Landeskirche, 1. 2. 1949-31. 3. 1959 Pfr. St. Johannis-Harrenstehnde, Hamburg, 1. 4. 1959 i.R.. LOCHER, Benjamin Gottfried 97,221 ff., 2 2 7 , 2 2 9 , 2 3 3 f. geb. 16. 6. 1909 Elberfeld/Rheinland, ord. 11. 4. 1937 Barmen, April-Juni 1933 Lehrvikar Gummersbach, Juli 1933-April 1934 Lehrvikar London, Mai 1936 Hilfsprediger Oberhausen, 1. 5.-30. 9. 1937 Hilfsprediger bei der dt. Gemeinde der Nederduitsch Herv. Gemeinde in Amsterdam, 1. 10. 1937-9. 5. 1940 Studieninspektor am Reformierten Predigerseminar Elberfeld, 1. 4. 1945 Hilfsprediger, 7. 7. 1946 Pfr. ev.-reformierte Gemeinde Elberfeld, 1. 4. 1958 Landespfarrer, Direktor des Seminars für Kirchendienst Düsseldorf, ökumenischer Beauftragter der rheinischen Kirche, 1978 i.R., Mitglied der Synode der E K D , der Kammer für öffentliche Verantwortung, der Synode der E K U , des Rates der E K U , des Moderamens des Reformierten Bundes, Kirchenrat. LOHSE, Eduard, Dr. theol. D. D . D. 282,284 geb. 18. 12. 1924 Hamburg, nach dem Abitur 1942-1945 Wehrdienst (Schnellbootkommandant), 1945-1949 Studium der Theologie in Bethel und Göttingen, 1950-1953 Pfr. Hamburg und Konviktinspektor an der Kirchlichen Hochschule, 1953 Privatdozent Mainz, 1956 Prof. für Neues Testament Kiel, 1964 Göttingen, 1971 Landesbischof Hannover, Ratsvorsitzender der Konförderation ev. Kirchen in Niedersachsen, 1973 Mitglied des Rates der E K D , 1975-1978 Leitender Bischof der V E L K D , 1977 Abt des Klosters Loccum, 1979 Ratsvorsitzender der E K D .

Personenregister/Biographische Angaben LUTHER, M a r t i n ( 1 4 8 3 - 1 5 4 6 ) R e f o r m a t o r

355

192

MANTEUFFEL-SZOEGE, G e o r g H e i n r i c h K a r l , B a r o n , D r . phil.

3 3 , 3 9 ff.

geb. 7. 3. 1 8 8 9 M o n t r e u x / S c h w e i z , 1 9 1 5 - 1 9 1 8 Sekretär der D e l e g a t i o n der K u r l ä n d i schen R i t t e r s c h a f t in B e r l i n , 1 9 1 9 - 1 9 2 0 Freiwilliger der B a l t i s c h e n L a n d e s w e h r und M i t g l i e d des N a t i o n a l a u s s c h u s s e s , 1 9 2 3 - 1 9 3 9 V e r w a l t e r des m ü t t e r l i c h e n B e s i t z e s in Z a b l u d o w bei B i a l y s t o c k , 1 9 2 5 - 1 9 3 9 V o r s t a n d s m i t g l i e d der Baltischen A r b e i t s g e m e i n schaft B e r l i n , 1 9 3 5 - 1 9 3 9 L e h r b e a u f t r a g t e r Universität B e r l i n , 1 9 4 0 - 1 9 4 2 T ä t i g k e i t im A u s w ä r t i g e n A m t , 1 9 4 2 - 1 9 4 5 T r e u h ä n d e r auf dem eigenen B e s i t z in O s t p o l e n , 1 9 4 8 1 9 4 9 V o r s i t z e n d e r des V e r t r i e b e n e n b e i r a t s bei der A r b e i t s g e m e i n s c h a f t der F l ü c h t l i n g s verwaltung, 1 9 5 0 - 1 9 5 3 Präsident des H a u p t a m t e s für S o f o r t h i l f e , seitdem M d B ( C D U ) , V o r s i t z e n d e r der D t . - B a l t i s c h e n L a n d s m a n n s c h a f t und des V e r b a n d e s der L a n d s m a n n schaften. MARIENFELD, W e r n e r geb. 6 . 6 . 1 9 0 8

80 f., 83 f., 168, 1 7 1 , 2 2 8 , 2 5 5

Talksheim/Ostpreußen,

ord. August 1935, Herbst 1 9 3 4 - 1 5 . 1 .

1936

H i l f s p r e d i g e r W i e l i t z k e n , 1 9 3 6 - 1 9 4 4 P f r . ebd. ( 1 9 3 5 u m b e n a n n t in W a l l e n r o d e ) , M ä r z 1 9 4 5 - N o v e m b e r 1948 nach Sibirien verschleppt, 1. 4 . 1 9 4 9 - J u n i 1953 P f r . B r a n d e n b u r g / H a v e l , zugleich K r e i s j u g e n d p f a r r e r , 1954—1973 D o r t m u n d - M a r t e n , S c h r i f t f ü h r e r der 1964 gegründeten G e m e i n s c h a f t ev. O s t p r e u ß e n , H e r a u s g e b e r der R u n d b r i e f e , B e a u f tragter der G e m e i n s c h a f t ev. O s t p r e u ß e n für die D o k u m e n t a t i o n

„ E v . K i r c h e und

Vertriebene". MARTIN, B e r t h o l d , D r .

97

gest. 12. 11. 1 9 7 3 , N e r v e n a r z t , M d B ( C D U ) , Mitglied der K a m m e r für ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g der E K D . MATTHEE, H a n s , D r . j u r .

2 5 4 f., 2 6 0

geb. 17. 10. 1 8 9 9 K ö n i g s b e r g , 1 9 1 7 - 1 9 2 0 W e h r d i e n s t , seit 1928 R e c h t s a n w a l t und N o t a r in K ö n i g s b e r g und B e r l i n , 1 9 3 9 - 1 9 4 0 W e h r d i e n s t , nach K r i e g s e n d e 1945 R e f e r e n t b e i m R e c h t s a m t des B e z i r k s a m t e s B e r l i n - W e i ß e n s e e , seit 1951 Mitglied des A b g e o r d n e t e n h a u ses von B e r l i n ( C D U ) . M c CLOY, J o h n J a y

45

geb. 3 1 . 3. 1895 Philadelphia, A n w a l t und P o l i t i k e r , 1 9 4 7 - 1 9 4 9 Präsident der W e l t b a n k , 1 9 4 9 - 1 9 5 2 a m e r i k a n i s c h e r H o h e r K o m m i s s a r für D e u t s c h l a n d , 1 9 6 1 - 1 9 6 2 S o n d e r b e a u f tragter des a m e r i k a n i s c h e n Präsidenten J o h n F . K e n n e d y für A b r ü s t u n g s f r a g e n , 1 9 6 2 1974 L e i t u n g des B e r a t u n g s g r e m i u m s der amerikanischen Präsidenten für A b r ü s t u n g s fragen. MEISSNER, B o r i s , D r . j u r . , D i p l o m - V o l k s w i r t

203

geb. 10. 8. 1915 P l e s k a u / R u ß l a n d , 1 9 4 7 - 1 9 5 3 R e f e r e n t für O s t r e c h t an der F o r s c h u n g s stelle für V ö l k e r r e c h t u n d ausländisches öffentliches R e c h t an der U n i v e r s i t ä t H a m b u r g , 1 9 5 9 - 1 9 6 4 o. P r o f . und D i r e k t o r des Universitätsseminars für P o l i t i k , G e s e l l s c h a f t und R e c h t O s t e u r o p a s , 1964 P r o f . für O s t r e c h t K ö l n , seit 1959 D i r e k t o r i u m s m i t g l i e d des O s t k o l l e g s , 1 9 6 1 - 1 9 7 1 D i r e k t o r i u m s m i t g l i e d des B u n d e s i n s t i t u t s für ostwissenschaftlic h e und internationale Studien, 1973 V o r s t a n d s m i t g l i e d der D t . G e s e l l s c h a f t für O s t e u r o p a k u n d e , seit 1965 Präsident des G ö t t i n g e r Arbeitskreises. MENDE, E r i c h , D r . j u r .

255

geb. 2 8 . 10. 1 9 1 6 G r o ß - S t r e h l i t z / O b e r s c h l e s i e n , B e r u f s o f f i z i e r , ab 1 9 4 6 Parteigeschäftsführer in N o r d r h e i n - W e s t f a l e n , V e r b a n d s s y n d i k u s , seit 1 9 4 9 M d B ( F D P ) ,

1950-1953

F r a k t i o n s g e s c h ä f t s f ü h r e r , 1 9 5 3 - 1 9 5 7 stellvertretender F r a k t i o n s v o r s i t z e n d e r , 1 9 5 7 - 1 9 6 3 F r a k t i o n s v o r s i t z e n d e r , 1 9 4 5 - 1 9 7 0 Mitglied der F D P , dann C D U , 1 9 6 0 - 1 9 6 8 B u n d e s v o r sitzender der F D P , 1 9 6 3 - 1 9 6 6 ( R ü c k t r i t t ) B u n d e s m i n i s t e r für gesamtdeutsche Fragen und Stellvertreter des B u n d e s k a n z l e r s . MENZEL, E b e r h a r d , D r . jur.

216

1 9 4 9 P r i v a t d o z e n t H a m b u r g , 1952 apl. P r o f . , 1955 P r o f . für Staatsrecht, V e r w a l t u n g s recht und V ö l k e r r e c h t K i e l , D i r e k t o r des Instituts für internationales R e c h t .

356

Personenregister/Biographische Angaben

MERKATZ, H a n s - J o a c h i m v o n , D r . j u r

217

geb. 7. 7. 1902 Stargard/Pommern, gest. 25. 2. 1982 Bonn-Bad Godesberg, 1935-1938 wissenschaftlicher Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Berlin, 1938-1945 Generalsekretär des Ibero-Amerikanischen Instituts ebd., später wissenschaftlicher Sachbearbeiter bei der Akademie für Raumforschung und Landesplanung Hämelschenburg, seit 1947 Fraktionssekretär der DP im niedersächsichen Landtag, 1948-1949 wissenschaftlicher Mitarbeiter der DP-Fraktion im Parlamentarischen Rat, 1949-1969 MdB, 1953-1955 Fraktionsvorsitzender der DP, seit 1960 CDU, 1955-1957 Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats, 1956-1957 zugleich Bundesminister der Justiz, 1955-1960 Stellv. Vorsitzender der DP, 1957-1962 Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats und der Länder, 1960-1962 zugleich Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, 1958-1959 Vizepräsident (Rücktritt) der Paneuropa-Union, 1967-1979 deren Präsident (Rücktritt), bis 1979 Präsident des Ostdeutschen Kulturrats, 1959-1972 Lehrbeauftragter mit dem Titel Professor (1966) für staats- und völkerrechtliche Probleme der europäischen Integration an der Universität Bonn. MESTERN, Hans Α., Dr. theol. h. c. 202 f. 1933-1945 Rechtsanwalt Hamburg, 1946-1968 Senatsdirektor bzw. Staatsrat ebd., 1947 Senatssyndikus. METZGER, L u d w i g

97,236

geb. 18. 3. 1902 Darmstadt, Assessor bei der Staatsanwaltschaft Mainz und bis 1933 (Entlassung) Kreisamt Heppenheim, Vorsitzender des Bundes Religiöser Sozialisten in Hessen, seit 1934 Rechtsanwalt und Notar Darmstadt, Mitglied der Bekennenden Kirche, 1936 wegen illegaler Tätigkeit für die SPD vorübergehend in Haft, 1945-1951 Oberbürgermeister Darmstadt, MdL Hessen, 1947—1948 Mitglied des Exekutivrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (auch Vorsitzender), 1951-1954 Hessischer Kultusminister, 1953-1969 MdB (zeitweilig Mitglied des SPD-Fraktionsvorstandes), Mitglied des Europäischen Parlaments (erster Vizepräsident), bis 1971 Mitglied des Parteivorstandes der SPD, 1947-1979 Mitglied der Synode der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, auch Mitglied der Synode der EKD. MEYER, Heinrich, D. theol. D . D . 250 f. geb. 16. 10. 1904 Apenrade/Nordschleswig, gest. 25. 5. 1978 Lübeck, 1930 Missionar der Breklumer Mission in Indien, 1934 Präsident der Jeypore-Kirche, 1951 Privatdozent für Missionswissenschaft Heidelberg, 1953 Missionsdirektor der Hanseatischen Kirchen und Prof. für Missionswissenschaft der Kirchlichen Hochschule Hamburg, 1956-1972 Bischof Lübeck, 1957-1966 Vorsitzender der Kommission für Weltmission des Lutherischen Weltbundes. MIEGEL, A g n e s ( 1 8 7 9 - 1 9 6 4 )

56

ostpreußische Schriftstellerin.

MOCHALSKI, H e r b e r t

173

geb. 28. 10. 1910, 1941-1945 Verwalter der Pfarrstelle Martin Niemöllers in BerlinDahlem, nach 1945 Referent der Kirchenkanzlei der EKD, 1948-1951 Geschäftsführer des Reichsbruderrates, 1951-1961 Studentenpfarrer Darmstadt, 1949-1973 Chefredakteur der „Stimme der Gemeinde", leitender Funktionär der Prager Friedenskonferenz, Flüchtlingsbeauftragter der schlesischen Kirche (Hilfskomitee), 1950 Mitwirkung bei der Bildung der „Gemeinschaft ev. Schlesier". MoLTMANN, Jürgen, Dr. theol. D. D. 282 geb. 8. 4. 1926 Hamburg, 1958-1963 Prof. Kirchliche Hochschule Wuppertal für Systematische Theologie, 1963-1967 Bonn, seit 1967 Tübingen. MONTGOMERY, Bernhard Law, Viscount 6 geb. 17. 11. 1887 Kensington/England, seit 24. 3. 1976 Isington Mill/Hampshire, befehligte im Zweiten Weltkrieg 1942-1943 die britische 8. Armee, 1944 die 21. Heeresgruppe

Personenregister/Biographische Angaben

357

bei den L a n d u n g e n der Alliierten in der N o r m a n d i e und 1944 b e i m V o r m a r s c h nach N W Deutschland,

1945-1946

Oberbefehlshaber

der

britischen

Besatzungstruppen

in

D e u t s c h l a n d und M i t g l i e d des Alliierten K o n t r o l l r a t e s , 1 9 4 6 - 1 9 4 8 C h e f des britischen E m p i r e - G e n e r a l s t a b s , 1 9 5 1 - 1 9 5 8 Stellvertreter des O b e r b e f e h l s h a b e r der N A T O - S t r e i t kräfte. MORITZ, B r u n o Karl F r i t z R i c h a r d

79 ff.

geb. 2 8 . 9. 1 8 9 7 G u m b i n n e n / O s t p r e u ß e n , gest. 13. 12. 1965 B a d ord. 3 0 . 3 . 1 9 2 4

Königsberg, 1 . 4 . 1 9 2 4 - 1 5 . 1 . 1 9 2 5 Hilfsprediger

Meinberg/Detmold, Liebemühl/Ostero-

de, 16. 1. 1 9 2 5 - 3 0 . 9 . 1 9 2 8 P f r . W i t t i g w a l d e / O s t e r o d e , 1 9 2 8 - 1 9 3 4 G e i e r s w a l d e / O s t e r o de, 1. 3. 1 9 3 4 G u m b i n n e n , N e u s t ä d t i s c h e r e f o r m i e r t e K i r c h e n g e m e i n d e , nach K r i e g s e n de V e r t r e t u n g in E l s t e r b e r g / V o g t l a n d , N o v e m b e r 1 9 4 5 - S e p t e m b e r 1946 V e r t r e t u n g in B e r l i n - H a s e l h o r s t , O k t o b e r 1 9 4 6 - 3 1 . 3. 1 9 6 4 E v . r e f o r m i e r t e B e t h l e h e m s g e m e i n d e B e r lin, 1958 Präses des d t . - r e f o r m i e r t e n K i r c h e n k r e i s e s B e r l i n - B r a n d e n b u r g , 1962 Mitglied der S y n o d e der E K U , 1. 4 . 1 9 6 4 i. R . MÜLLER, E b e r h a r d , D r . theol. D .

160,165f.

geb. 2 2 . 8. 1 9 0 6 Stuttgart, 1 9 3 2 - 1 9 3 8 G e n e r a l s e k r e t ä r der D t . C h r i s t l i c h e n Studenten V e r e i n i g u n g , 1 9 3 5 - 1 9 3 8 des Reichsausschusses der D t . E v . W o c h e , 1 9 3 8 S t u d e n t e n p f r . T ü b i n g e n , 1942 Feldgeistlicher, 1945 G e s c h ä f t s f ü h r e r des Hilfsdienstes für K r i e g s g e f a n gene und V e r m i ß t e , 1945 G r ü n d e r und bis 1971 D i r e k t o r der E v . A k a d e m i e B a d B o l l , 1 9 4 7 - 1 9 7 2 V o r s i t z e n d e r des Leiterkreises E v . A k a d e m i e n , 1 9 6 4 — 1 9 7 9 V o r s i t z der K a m m e r für Soziale O r d n u n g der E K D . MÜLLER-SCHWEFE, H a n s R u d o l f , D r . t h e o l . D .

244

geb. 2 6 . 6. 1 9 1 0 P u n s c h r a u / S a a l e , 1955 o. P r o f . für P r a k t i s c h e und S y s t e m a t i s c h e T h e o logie H a m b u r g , D i r e k t o r des Universitätsseminars für P r a k t i s c h e T h e o l o g i e . MÜNCH, F r i t z , D r . j u r .

114

geb. 8. 4 . 1 9 0 6 O b e r h o m b u r g / L o t h r i n g e n , 1951 P r i v a t d o z e n t B o n n , 1955 apl. P r o f . für V ö l k e r r e c h t und Staatsrecht, wissenschaftliches Mitglied des M a x - P l a n c k - I n s t i t u s

für

ausländisches öffentliches R e c h t und V ö l k e r r e c h t , 1 9 5 5 - 1 9 6 0 L e i t e r der A b t e i l u n g B e r lin, 1 9 7 4 emeritiert. MUMM, R e i n h a r d , D r . t h e o l . geb. 2 4 . 1 2 . 1 9 1 6

285

Berlin, ord.

1944,

1.4.1948-15.6.1949

Pfr.

Rastede/Oldenburg,

16. 6. 1 9 4 9 - 5 . 6 . 1960 M i n d e n , 6. 6 . 1 9 6 0 - 3 0 . 10. 1 9 6 7 Soest, 1. 11. 1 9 6 7 Pfr. im

LKA

M ü n c h e n (für E K D - A u f g a b e n ) , 1 9 7 4 - 1 9 7 9 Pfr. M ü n c h e n , 1970 K i r c h e n r a t , P r o t o k o l l führer des ö k u m e n i s c h e n Arbeitskreises ev. und kath. T h e o l o g e n , 1978 Ä l t e s t e r der E v . Michaelsbruderschaft. MUNSCHEID, D i e t r i c h D e t m a r

62ff., 66f.

geb. 1 8 . 3 . 1911 K ö l n , ord. 17. 10. 1 9 3 7 O b e r h a u s e n , H i l f s p r e d i g e r , 1938 P f r . e b d . , 1 9 5 4 - 1 9 8 1 S u p e r i n t e n d e n t ebd. NAHM, P e t e r Paul, D r . phil.

123 ff., 1 4 3 , 1 4 5 , 2 6 1 .

geb. 2 2 . 11. 1901 G e n s i n g e n / B i n g e n , 1 9 2 4 - 1 9 3 3 R e d a k t e u r , 1 9 3 4 - 1 9 4 5 W e i n b a u e r , nach K r i e g s e n d e L a n d r a t , ab 1 9 4 7 L e i t e r des hessischen L a n d e s a m t e s für F l ü c h t l i n g s f r a g e n , 1 9 4 9 - 1 9 5 2 M i n i s t e r i a l d i r e k t o r im hessischen I n n e n m i n i s t e r i u m , dann U m s i e d l u n g s b e auftragter der B u n d e s r e g i e r u n g und B u n d e s b e a u f t r a g t e r für die U n t e r b r i n g u n g

der

F l ü c h t l i n g e aus der s o w j e t i s c h e n B e s a t z u n g s z o n e ( 1 9 5 3 ) , 1 9 5 3 - 1 9 7 0 Staatssekretär im B u n d e s m i n i s t e r i u m für V e r t r i e b e n e , F l ü c h t l i n g e und K r i e g s b e s c h ä d i g t e und im B u n d e s i n n e n m i n i s t e r i u m ( 1 9 6 7 , A b t . für V e r t r i e b e n e ) , seit 1 9 6 0 Präsident des K a t h . F l ü c h t l i n g s rates. NESS, H e r b e r t

4 4 , 4 9 f „ 2 0 4 f f . , 2 4 1 f., 2 9 8

geb. 2 8 . 7. 1908 Breslau, o r d . 15. 1. 1 9 3 7 , bis 12. 7. 1946 Pfr. R o t h b a c h / B r e s l a u , 1. 9. 1 9 4 5 - 3 1 . 10. 1955 D e l b r ü c k / P a d e r b o r n , 1. 11. 1 9 5 5 - 3 0 . 9. 1973 L a n d e s p f a r r e r i m E v . H i l f s w e r k v o n W e s t f a l e n , Landesflüchtlingspfarrer, B e a u f t r a g t e r der westfälischen K i r c h e für die D o k u m e n t a t i o n „ E v . K i r c h e und V e r t r i e b e n e " .

358

Personenregister/Biographische Angaben

NIEDEN, E r n s t z u r , D .

76

geb. 30. 4. 1903 Viernheim/Bergstraße, gest. 18. 4. 1974 Wiesbaden-Biebrich, 1929 Jugendpfarrer, 1933-1950 Pfr. Offenbach/Main, 1936-1973 Leiter des Männerwerks Hessen-Nassau, 1945 Gründer und bis 1970 Vorsitzender des Konvents der Ev. Akademie Arnoldshain, 1946-1964 theol. Leiter der Männerarbeit der EKD, 1950-1969 Propst Visitationsbezirk Nassau; Präses der Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen und Präsident der Europäischen Arbeitsgemeinschaft für Männerarbeit. NIEMEIER, G o t t f r i e d , D r . t h e o l . D r . phil

9, 7 1 , 9 5 , 9 9 , 1 0 2

geb. 18. 6. 1906 Wetter/Ruhr, ord. 29. 11. 1931, 1931 Hilfsprediger Rom, 1933 Pfr. Arnsberg/Westfalen, 1. 7. 1953-31. 12. 1973 Kirchenkanzlei der EKD, seit 1. 7. 1953 Oberkirchenrat, seit 1. 10. 1965 Vizepräsident der Kirchenkanzlei der EKD, Geschäftsführer der Kammer für soziale Ordnung, 1. 1. 1974 i. R. NIEMÖLLER, Martin, D. 17, 31 f., 39ff., 43ff„ 64,225 geb. 14. 1. 1892 Lippstadt, 1912-1917 Marineoffizier, 1918 U-Boot-Kommandant, 1919-1924 Theologiestudium in Münster, 1924-1930 Geschäftsführer der Inneren Mission Münster, 1931-29. 5. 1933 Pfr. Berlin-Dahlem, Begründer des Pfarrernotbundes, bis Juni 1934 Mitglied des Rates der A P U und der DEK, 1938-1945 in KZ-Haft, 31. 8. 1945-1956 Mitglied des Rates der EKD und Leiter des Kirchl. Außenamtes, 1947-1964 Kirchenpräsident der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, 1957 Präsident der Deutschen Friedensgesellschaft, 1948-1961 Mitglied des Exekutivkomitees und 1961-1968 einer der Präsidenten des Ö R K . NIESEL, Wilhelm, Lie. D. D D . 37,93,225 geb. 7. 1. 1903 Berlin, 1934 Mitglied des Rates der APU, 1935 Dozent für Systematische Theologie an der Kirchl. Hochschule Berlin, 1946 Wuppertal, 1946-1973 Präses und Moderator des Reformierten Bundes, 1945-1972 Mitglied des Rates der EKD, Mitglied des Zentralausschusses des O R K , Mitglied in der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung, 1964-1970 Präsident des Reformierten Weltbundes. NOTH, Gottfried, Lie. theol. D. 37 geb. 26. 1. 1905 Dresden, 1936-1937 theol. Hilfsarbeiter LKA Dresden, 1942 Pfr. Dresden, 1944 Wehrdienst, nach Kriegsgefangenschaft Tätigkeit im LKA, Oberlandeskirchenrat, 1953 BischofSachsen. OBERLÄNDER, T h e o d o r , D r . a g r . e t . r e r . p o l

38

geb. 1. 5. 1905 Meiningen/Thüringen, 1934 Prof. für Landwirtschaftspolitik Danzig, gleichzeitig Direktor des Instituts für osteuropäische Fragen Königsberg, seit 1937 auch ao. Prof., Oktober 1940 o. Prof. für Staatswissenschaft Universität Prag, 1939 Wehrdienst, 1943 aus dem Wehrdienst entlassen, unter Staatsarrest gestellt, ab 1946 Arbeit in der Landwirtschaft in Uelzen, später Rhön, 1950-1953 Staatssekretär im bayrischen Innenministerium, 1953-1960 (Rücktritt) Bundesminister für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen (seit 1957 für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsbeschädigte), 1933 Mitglied der NSDAP, seit 1939 Reichsführer des „Bundes dt. Osten", nach dem Krieg Mitglied der FDP, Mitbegründer des Gesamtdeutschen Blocks, Landesvorsitzender Bayern, 1954/55 Bundesvorsitzender des BHE, März 1956 Übertritt zur C D U . OLDAG, D r .

71

OSTEN, F r i e d r i c h v o n d e r

63

Landwirt Brauweiler bei Köln, Mitglied der Synode der evangelischen Kirche im Rheinland. PAREIGIS, W a l t e r

274

geb. 28.2.1909 Zarnglaff/Pommern, ord. 6.10.1936 Stettin, 1 . 4 . 1 9 3 4 - 1 . 3 . 1 9 3 5 Vikariat Tribsees und Wolgast/Pommern, 1. 4. 1935-31. 10. 1937 Hilfsprediger Greifswald, 1. 11. 1937-März 1945 Pfr. Tempelburg/Pommern, 1.11.1945-19.6.1946 Weddingstedt/Dithmarschen, 20. 6. 1946-23. 11. 1953 Lunden/Dithmarschen, 2 4 . 1 1 . 1 9 5 3 - 6 . 5 . 1 9 6 2 Hamburg-Niendorf, 7 . 5 . 1 9 6 2 - 2 8 . 2 . 1 9 7 9 Propst Meldorf,

Personenregister/Biographische Angaben

359

V i z e p r ä s i d e n t der L a n d e s s y n o d e S c h l e s w i g - H o l s t e i n , M i t g l i e d der S y n o d e der E K D und der V E L K D , der V e r f a s s u n g s g e g e b e n d e n S y n o d e der N o r d e l b i s c h e n K i r c h e , der L i t u r g i schen K a m m e r . PASCAL, Blaise ( 1 6 2 3 - 1 6 6 2 )

30

f r a n z ö s i s c h e r M a t h e m a t i k e r , P h y s i k e r und L a i e n t h e o l o g e . PAUL V I ( 1 8 9 7 - 1 9 7 8 )

123

1 9 6 3 - 1 9 7 8 Papst. PAULUS, A p o s t e l

310

PETERSMANN, W e r n e r , D r . t h e o l .

93, 228

geb. 2 . 1. 1 9 0 1 , ord. 3 0 . 6. 1 9 2 6 , 1. 3. 1 9 3 4 P f r . Breslau, 1 9 2 7 - 1 9 3 2 P r o f . mit L e h r a u f trag f ü r T h e o l o g i e g e s c h i c h t e St. L o u i s / U S A , erst k o m m i s s a r i s c h e r , seit 1935 G a u o b m a n n der D e u t s c h e n C h r i s t e n Schlesiens, 1 9 3 8 L e i t e r der R e i c h s b e w e g u n g „ D e u t s c h e C h r i s t e n " , B e r u f u n g in die t h e o l o g i s c h e K a m m e r des R e i c h s k i r c h e n a u s s c h u s s e s ,

1945-No-

v e m b e r 1 9 4 9 K r i e g s p f r . in russischer Kriegsgefangenschaft, 1 9 5 0 - 1 9 5 3 F l ü c h t l i n g s p f r . der Stadt H a n n o v e r , 1 9 5 3 - 1 9 6 9 P f r . L u k a s k i r c h e H a n n o v e r . PFLUGK, H e i n z

97

geb. 2 8 . 6 . 1903 R o s t o c k , 1928 V i k a r D r e v e s k i r c h e n , 1 9 3 0 P f r . ebd., 1 9 4 7 - 1 9 7 0 L a n d e s s u p e r i n t e n d e n t R o s t o c k ; Mitglied der K a m m e r für ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g der E K D . PICHT, G e o r g , D r . phil.

69, 7 4 , 2 8 3

geb. 9. 7. 1913 S t r a ß b u r g , gest. 7. 8. 1 9 8 2 , 1 9 5 3 - 1 9 6 3 D t . A u s s c h u ß für das E r z i e h u n g s und B i l d u n g s w e s e n , 1 9 5 8 - 1 9 8 2 L e i t e r der F o r s c h u n g s s t ä t t e der E v . S t u d i e n g e m e i n s c h a f t H e i d e l b e r g , 1965 o. P r o f . für R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e H e i d e l b e r g . PIUS X I I ( E u g e n i o Pacelli)

22,123

geb. 2. 3 . 1876 R o m , gest. 9 . 10. 1958 C a s t e l g a n d o l f o , 1 9 1 4 Sekretär für die a u ß e r o r dentlichen kirchl. A n g e l e g e n h e i t e n , 1 9 1 7 T i t u l a r e r z b i s c h o f v o n Sardes und N u n t i u s für B a y e r n (bis 1 9 2 5 ) , 1 9 2 0 - 1 9 2 9 zugleich N u n t i u s für das D t . R e i c h , 1929 K a r d i n a l , 1 9 3 0 Kardinalstaatssekretär, 1 9 3 9 - 1 9 5 8 Papst. PRIEBS, K r e i s v o r s i t z e n d e r des B u n d e s v e r t r i e b e n e r D e u t s c h e r ( W i e s b a d e n ) PÜCKLER, O . , G r a f

39

64

PUTTFARCKEN, H a n s , D r . j u r .

93,256

geb. 18. 12. 1902 D ü s s e l d o r f , 1 9 3 0 - 1 9 6 8 J u s t i z d i e n s t und hessischer Staatsdienst, zuletzt Ministerialdirigent, Präses der S y n o d e der E K D , stellvertretender V o r s i t z e n d e r des Rates der E K D , Mitglied und stellvertretender Präses der S y n o d e der E v . K i r c h e in H e s s e n und Nassau. PUTZ, E d u a r d

97,105,206,275

geb. 9. 1. 1 9 0 7 A l t e n s c h ö n b a c h / M i t t e l f r a n k e n , ord. 14. 7. 1 9 2 9 , 1 9 3 1 - 1 9 3 3 V i k a r N ö r d lingen und M ü n c h e n , 1 9 3 3 - 1 9 3 5 t h e o l . H i l f s r e f e r e n t im L K A M ü n c h e n , 1935 P f r . F ü r t h , 1 9 5 4 E r l a n g e n - N e u s t a d t ( D e k a n ) , 1958 K i r c h e n r a t , 1 9 7 2 i . R . RABL, K u r t , D r . j u r . D r . phil. D r . rer. p o l .

5 3 , 105

geb. 16. 9. 1 9 0 9 Breslau, S t u d i u m in H a l l e , B e r l i n , W i e n , L e i p z i g und M ü n c h e n , L e h r b e auftragter an d e r H o c h s c h u l e f ü r P o l i t i k . RAISER, L u d w i g , D r . j u r . D r . phil. h. c. D .

6 9 , 7 5 f . , 9 5 f „ 9 9 , 1 0 2 f f . , 109, 1 1 7 f . , 134,

138 f., 142 ff., 1 5 7 , 1 5 9 f f . , 1 6 4 , 1 7 8 f „ 2 1 4 , 2 1 7 , 2 3 2 f f . , 2 5 4 , 2 8 2 f . , 2 9 1 geb. 2 7 . 10. 1 9 0 4 Stuttgart, gest. 13. 6. 1 9 8 0 T ü b i n g e n , S t u d i u m der R e c h t e in M ü n c h e n , G e n f , B e r l i n , 1933 H a b i l i t a t i o n , L e h r v e r b o t , R e c h t s a n w a l t , V o r s t a n d s m i t g l i e d verschiedener V e r s i c h e r u n g s g e s e l l s c h a f t e n , 1 9 4 2 o . P r o f . für bürgerliches R e c h t S t r a ß b u r g , 1 9 4 5 G ö t t i n g e n , 1955 T ü b i n g e n , 1 9 6 7 - 1 9 6 9 R e k t o r e b d . ; 1 9 4 9 S y n o d a l e r der E K D , 1 9 7 0 - 1 9 7 3 Präses der S y n o d e , M i t b e g r ü n d e r der W e s t d e u t s c h e n R e k t o r e n k o n f e r e n z und der D t . F o r s c h u n g s g e m e i n s c h a f t , 1 9 5 2 - 1 9 5 5 Präsident der D t . F o r s c h u n g s g e m e i n s c h a f t ,

1961-

1 9 6 5 V o r s i t z e n d e r des W i s s e n s c h a f t s r a t e s , 1962 Mitglied und V o r s i t z e n d e r der K a m m e r für ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g der E K D . RAUHUT, G e r h a r d

7 1 , 7 9 , 1 1 4 , 1 1 7 , 1 1 9 f „ 122f., 1 7 1 , 2 4 1 , 2 5 8 , 2 7 3 , 2 7 5 , 2 9 8

360

Personenregister/Biographische Angaben

geb. 2 . 8. 1 9 0 8 Breslau, L e h r e als G r o ß h a n d e l s k a u f m a n n , anschließend m e h r e r e J a h r e arbeitslos, H i l f s a r b e i t e r i m B e r g b a u , seit 1935 in der T e x t i l i n d u s t r i e tätig, m e h r e r e J a h r e G e n e r a l h a n d l u n g s b e v o l l m ä c h t i g t e r einer W e b g a r n - I m p o r t f i r m a in B a d S a l z b r u n n , 1 9 4 6 als L e k t o r P f a r r a m t s v e r w e s e r i m K r e i s N e u m a r k t / S c h l e s i e n , zuletzt in M a l t s c h / O d e r , dann F l ü c h t l i n g s s e e l s o r g e r i m K i r c h e n k r e i s U s l a r , ab 1. 10. 1 9 4 7 G e s c h ä f t s f ü h r e r des A r b e i t s k r e i s e s v o n P a s t o r A l b e r t z in C e l l e , 1 9 4 8 H a u p t g e s c h ä f t s f ü h r e r der G e m e i n s c h a f t ev. Schlesier, ab 1958 G e s c h ä f t s f ü h r e r des O K A , von der schlesischen K i r c h e n l e i t u n g z u m V e r w a l t u n g s d i r e k t o r e r n a n n t , k a u f m ä n n i s c h e L e i t u n g d e r Z e i t u n g „Schlesischer G o t t e s f r e u n d " und des Verlages „ U n s e r W e g " , 1. 1. 1973 i . R . , Stellv. B e i s i t z e r des Präsidiums der V E L K D . REHS, R e i n h o l d

107f., 2 1 0 , 2 1 7 , 2 4 0 , 2 5 8 f f .

geb. 12. 10. 1901 K l i n t h e n e n K r e i s G e r d a u e n / O s t p r e u ß e n , gest. 4 . 12. 1971 B o n n , S t u d i u m der R e c h t e in K ö n i g s b e r g u n d H e i d e l b e r g , 1 9 2 3 - 1 9 2 4 Schriftleiter, 1925 H i l f s r i c h ter, 1928 R e c h t s a n w a l t K ö n i g s b e r g , A u g u s t 1945 R e f e r e n t , J u s t i t i a r L a n d e s a r b e i t s a m t K i e l , 1 9 5 0 - 1 9 5 4 M d L S c h l e s w i g - H o l s t e i n , 1 9 5 3 - 1 9 6 9 M d B , bis 13. 5. 1 9 6 9 S P D , 13. 5 19. 10. 1 9 6 9 C D U , 1 9 5 6 - 1 9 6 9 V o r s i t z e n d e r des A u s s c h u s s e s H e i m a t v e r t r i e b e n e und F l ü c h t l i n g e des B u n d e s t a g e s , 1 9 6 2 - 1 9 6 9 V o r s i t z e n d e r des A r b e i t s k r e i s e s H e i m a t v e r t r i e bene und F l ü c h t l i n g e der S P D - F r a k t i o n ; V i z e p r ä s i d e n t des B u n d e s der V e r t r i e b e n e n , 2 . B u n d e s v o r s i t z e n d e r , später V o r s i t z e n d e r der L a n d s m a n n s c h a f t O s t p r e u ß e n , V o r s i t z e n d e r der Stadtgemeinschaft K ö n i g s b e r g , Präsident des N o r d o s t d e u t s c h e n K u l t u r w e r kes, 1 9 6 7 - 1 9 7 1 Präsident des B u n d e s der V e r t r i e b e n e n . RHODE, A r t h u r , D . t h e o l .

295

geb. 13. 12. 1 8 6 8 W i l h e l m s b r ü c k ( P o d z a m c z e / P r o v i n z P o s e n ) , gest. 2 3 . 6. 1 9 6 7 W o l t d o r f bei P e i n e / N i e d e r s a c h s e n , o r d . 14. 5. 1 8 9 3 , H a u s l e h r e r , 1 8 9 3 — 1 8 9 5 P f r . A d e l n a u (Odolanöw),

1895-1920

Schildberg (Ostrzeszow),

1916 S u p e r i n t e n d e n t

Schildberg,

1 9 2 0 — 1 9 4 1 P f r . P o s e n und S u p e r i n t e n d e n t K i r c h e n k r e i s P o s e n I ; stellvertretender P r ä ses der P o s e n e r L a n d e s s y n o d e , V o r s i t z e n d e r des P o s e n e r Pfarrervereins,

Stadtverordne-

ter i m p o l n i s c h e n M a g i s t r a t der Stadt P o s e n ( P o z n a n ) . RHODE, G o t t h o l d , D r . phil.

295,299

geb. 2 8 . 1. 1 9 1 6 K a m i l l e n t a l / P o s e n , 1939 R e f e r e n t O s t e u r o p a - I n s t i t u t B r e s l a u , W e h r dienst, 1 9 5 7 ao. P r o f . M a i n z , 1 9 6 0 o. P r o f . für O s t e u r o p . G e s c h i c h t e , Allg. neuere G e s c h . und B e v ö l k e r u n g s g e s c h . e b d . ; V o r s i t z e n d e r der H i s t . K o m m i s s i o n für P o s e n , Präsident der Studiengesellschaft für F r a g e n mittel- und o s t e u r o p . P a r t n e r s c h a f t , M i t glied der d e u t s c h - p o l n i s c h e n und der d e u t s c h - r u m ä n i s c h e n K o m m i s s i o n für S c h u l b u c h revision. RIEDEL, C l e m e n s 2 6 2 , 2 6 4 , 2 6 7 , 2 7 6 geb. 2 3 . 8. 1 9 1 4 Breslau, seit 1938 B ä c k e r - und K o n d i t o r m e i s t e r Breslau, 1 9 4 5 G e w e r b e lehrer D r e s d e n , 1 9 4 6 - 1 9 4 8 G e s c h ä f t s f ü h r e r einer G r o ß b ä c k e r e i E r f u r t , später B ä c k e r e i - , K o n d i t o r e i - und C a f e b e t r i e b F r a n k f u r t / M a i n ; verschiedene Ä m t e r in der K o l p i n g - F a m i lie, 1 9 5 7 - 1 9 7 2 M d B , 1 9 6 5 - 1 9 7 2 Mitglied des E u r o p ä i s c h e n Parlaments ( C D U ) , V i z e p r ä sident des H e i m a t w e r k s schlesischer K a t h o l i k e n in der B R D , S p r e c h e r der A r b e i t s g e meinschaft der k a t h o l i s c h e n V e r t r i e b e n e n v e r b ä n d e . RIEDEL, H e i n r i c h

6 1 , 1 4 3 f., 201

geb. 17. 3. 1903 N ü r n b e r g , L e i t e r des E v . S c h ü l e r h e i m s in S c h w e i n f u r t , V i k a r Z i r n d o r f , 1 9 3 0 - 1 9 3 4 P f r . T h u i s b r u n n , n e b e n a m t l . L e i t e r des V o l k s h o c h s c h u l h e i m s für A r b e i t e r in K a s b e r g , 1 9 3 4 - 1 9 4 3 L a n d e s j u g e n d p f a r r e r , 1943 D e k a n K u l m b a c h , 1 9 4 7 - 1 9 7 2 O b e r k i r chenrat in M ü n c h e n , ab 1962 L e i t e r der geistlichen A b t e i l u n g des L K R und P e r s o n a l r e f e rent, ständiger V e r t r e t e r des L a n d e s b i s c h o f s , 1 9 5 5 - 1 9 6 7 M i t g l i e d des R a t e s der E K D , 1 9 5 8 - 1 9 7 1 V o r s i t z im D i a k o n i s c h e n R a t der E K D , 1959 M i t b e g r ü n d e r der A k t i o n „ B r o t für die W e l t " , L e i t e r des Verteilungsausschusses, 1 9 6 3 - 1 9 7 1 dt. V e r t r e t e r in der K o m m i s sion des Weltdienstes des L W B , ab 1969 M i t a r b e i t e r im A u s s c h u ß für den

Kirchl.

E n t w i c k l u n g s d i e n s t der E K D , 1 . 1 . 1972 f ü r sechs J a h r e als V e r t r e t e r der G r u p p e „ R e l i g i o n s g e m e i n s c h a f t e n " in den b a y r i s c h e n Senat gewählt.

361

Personenregister/Biographische Angaben ROGALLA, E r w i n

171,173

ROTHFELS, H a n s , D r . phil. D r . j u r . h. c.

81

geb. 12. 4 . 1891 Kassel, gest. 2 2 . 6 . 1 9 7 6 , 1924 P r i v a t d o z e n t B e r l i n , 1 9 2 6 - 1 9 3 4 o . P r o f . K ö n i g s b e r g , 1935 emigriert, 1940 G a s t p r o f e s s u r P r o v i d e n c e / U S A , 1 9 4 6 - 1 9 5 6 o. P r o f . C h i c a g o , 1951 T ü b i n g e n für D t . G e s c h i c h t e , S o z i a l p o l i t i k ,

Nationalitätenprobleme,

Z e i t g e s c h i c h t e , Internationale B e z i e h u n g e n , 1 9 6 0 emeritiert, M i t g l i e d des M a x - P l a n c k Institutes für G e s e l l s c h a f t s w i s s e n s c h a f t G ö t t i n g e n , K o m m i s s i o n für H e r a u s g a b e der V e r t r i e b e n e n a k t e n K ö l n , A k a d e m i e der W i s s e n s c h a f t e n G ö t t i n g e n und k o r r e s p o n d i e r e n des M i t g l i e d der A k a d e m i e der W i s s e n s c h a f t e n H e i d e l b e r g , H i s t o r i s c h e K o m m i s s i o n der b a y r i s c h e n A k a d e m i e der W i s s e n s c h a f t e n . RUTENBERG, A r n o l d , D r . jur.

245

geb. 3 0 . 5. 1893 B r e m e n , gest. 9. 11. 1971 B r e m e n , 1 9 1 4 - 1 9 1 8 W e h r d i e n s t , 1923 R e c h t s anwalt B r e m e n , 1 9 2 6 N o t a r , 1 9 2 7 - 1 9 3 3 i m V o r s t a n d der H a n s e a t i s c h e n A n w a l t s k a m m e r H a m b u r g , J u n i - D e z e m b e r 1945 H i l f s r i c h t e r B r e m e n , 1946 Präsident der R e c h t s a n w a l t k a m m e r B r e m e n , 1951 Präsident des L a n d g e r i c h t s B r e m e n , 1. 6. 1958 i . R . , 2 7 . 2 . 1 9 5 9 1 9 6 9 Präsident des K i r c h e n a u s s c h u s s e s und des K i r c h e n t a g e s der B r e m i s c h e n E v . K i r c h e . SANDERS, Viswaldis, D r .

27

geb. 15. 11. 1885 P e t e r s b u r g / R u ß l a n d , gest. 1. 8. 1979 O t t a w a / K a n a d a , S t u d i u m der T h e o l o g i e in D o r p a t , der P h i l o s o p h i e , Pädagogik und K u n s t g e s c h i c h t e in L e i p z i g und M ü n c h e n , 1 9 1 1 - 1 9 1 5 Pfr. L i b a u / L e t t l a n d ,

1 9 1 5 - 1 9 1 9 Pfr. und D i a k o n i e t ä t i g k e i t

in

R u ß l a n d , 1 9 1 9 - 1 9 3 6 Pfr. und L e h r e r L i b a u , 1 9 3 6 - 1 9 4 0 P r o p s t e b d . , nach dem K r i e g M i t g l i e d der K i r c h e n l e i t u n g der lettischen ev.-lutherischen E x i l k i r c h e , ( 1 9 5 9 ) im A u s s c h u ß der E K D für A n g e l e g e n h e i t e n h e i m a t l o s e r A u s l ä n d e r , 1 9 6 6 i. R . . SCHABERT, A r n o l d

61

geb. 2 6 . 2 . 1904 M o s k a u , gest. 31. 8. 1961 M ü n c h e n , o r d . 10. 6. 1928 Riga, 1 9 2 8 - 1 9 3 1 J u g e n d s e k r e t ä r der dt. V o l k s g e m e i n s c h a f t in Riga, 1 9 3 2 - 1 9 3 9 P f r . dt. D o m g e m e i n d e R i g a , 1 9 4 0 - 1 9 4 3 P o s e n - S t . M a t t h ä u s , 1 9 4 3 - 1 9 4 5 W e h r d i e n s t und K r i e g s g e f a n g e n s c h a f t , 1 9 4 5 - 1 9 4 6 Pfarrverweser Roßhaupten/Bayern,

1 9 4 6 - 1 9 5 2 Pfr. Bayreuth,

1952-1961

Kreisdekan München, Oberkirchenrat. SCHARF, K u r t , D D

8 1 , 83, 89, 9 2 , 9 3 , 9 4 , 9 5 , 9 6 , 117, 118, 122, 124, 126, 138, 140, 145,

152 f., 1 6 3 , 1 6 6 f., 177 f., 183 f., 2 5 4 f., 2 5 9 f., 2 6 6 , 2 8 2 geb. 2 1 . 10. 1902 L a n d s b e r g / W a r t h e ,

1 9 2 8 P f r . F r i e s a c k , 1933 S a c h s e n h a u s e n ,

1935

Präses des B r u d e r r a t e s B r a n d e n b u r g , V o r s i t z e n d e r der K o n f e r e n z der L a n d e s b r u d e r r ä t e , 1 9 4 5 L e i t e r der A b t e i l u n g B r a n d e n b u r g b e i m K o n s i s t o r i u m B e r l i n - B r a n d e n b u r g , 1951 P f r . an der M a r i e n k i r c h e B e r l i n , m i t W o h n s i t z in O s t - B e r l i n , F e b r u a r 1 9 6 1 - M ä r z 1 9 6 7 V o r s i t z e n d e r des R a t e s der E K D , 1 9 5 7 - 1 9 6 0 V o r s i t z e n d e r des R a t e s der E K U , bis 1 9 7 7 M i t g l i e d , 2 4 . 8. 1961 V e r w e s e r des B i s c h o f s a m t e s im östlichen K i r c h e n g e b i e t , das D i b e lius n i c h t m e h r b e s u c h e n durfte, 15. 2. 1 9 6 6 B i s c h o f von B e r l i n - B r a n d e n b u r g , 5. 11. 1972-1976 Bischof von West-Berlin. SCHARFFENORTH, G e r t a , D r . phil.

5,273

geb. 8. 1. 1912 Stuttgart, S t u d i u m der P o l i t o l o g i e und ev. T h e o l o g i e H e i d e l b e r g , 1 9 6 2 1 9 6 6 L e i t u n g des E v . G e m e i n d e d i e n s t e s , 1 9 6 6 - 1 9 7 7 W i s s e n s c h a f t l i c h e R e f e r e n t i n für F r i e d e n s f o r s c h u n g der F o r s c h u n g s s t ä t t e der E v . Studiengemeinschaft H e i d e l b e r g , 1 9 7 0 1973 Mitglied des R a t e s der E K D , 1 9 7 2 - 1 9 7 6 Mitglied des K u r a t o r i u m s d e r D t . G e s e l l schaft für F r i e d e n s - und K o n f l i k t f o r s c h u n g , 1 9 7 3 - 1 9 7 8 Mitglied der S y n o d e der E K D , 1 9 7 3 - 1 9 7 8 Mitglied der S y n o d e der E v . L a n d e s k i r c h e in B a d e n , 1 9 7 5 - 1 9 8 0 V o r s i t z e n d e der I n t e r n a t i o n a l e n ö k u m e n i s c h e n Studiengruppe für F r i e d e n der K o n f e r e n z e u r o p ä ischer K i r c h e n , seit 1 9 7 6 Mitglied des K u r a t o r i u m s des Ö k u m e n i s c h e n Instituts B o s s e y / S c h w e i z , 1 9 7 1 - 1 9 7 7 M i t g l i e d des Steering C o m m i t t e e o f E c u m e n i c a l R e s e a r c h E x c h a n g e R o t t e r d a m , seit 1973 L e i t u n g des S t u d i e n p r o j e k t s z u r gemeinsamen V e r a n t w o r t u n g von M ä n n e r n und F r a u e n in der K i r c h e des D t . N a t i o n a l k o m i t e e s des L u t h . W e l t b u n d e s . SCHELZ, S e p p

186,212

362

Personenregister/Biographische Angaben

1966 Geschäftsführer der Berliner Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Publizistik, epdLandesdienst Berlin, seit 1971 Geschäftsführer und Verlagsdirektor des Hansischen D r u c k - und Verlagshauses Hamburg. SCHEUNER, Ulrich, Dr. jur. 54 geb. 24. 12. 1903 Düsseldorf, gest. 25. 2. 1981 Bonn, 1930 Privatdozent Berlin, 1933 o. Prof. Jena, 1940 Göttingen, 1941 Straßburg, 1950 Prof. für öffentliches Recht, Völkerrecht und Kirchenrecht, seit 1954 Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes N o r d rhein-Westfalen, 1972 i. R. SCHLANGE, Herbert, Dr. jur. 193 f. geb. 28. 9. 1910 Cossin/Pommern, 1929/30 landwirtschaftliche Lehre, 1930-1935 Studium der Rechte, 1938 Übernahme des väterlichen landwirtschaftlichen Betriebes in Cossin, 1 9 4 2 - 1 9 4 5 Wehrdienst, 1947-1952 landwirtschaftlicher Verwalter Ascheberg/ Plön, 1952 arbeitslos, 1953-1956 Heimatauskunftsstelle Stettin (Bewertung des landwirtschaftlichen Vermögens im Regierungsbezirk Stettin), 1956-1959 Hilfsreferent im Landwirtschaftsministerium Kiel, 1959 Ankauf und Übernahme des landwirtschaftlichen Resthofes Marienwarder/Plön, 1949-1968 Mitglied der schleswig-holsteinischen Landessynode, 1 9 5 8 - 1 9 6 0 des Kirchengerichts, 1960-1966 der Kirchenleitung, 1966-1968 der Generalsynode der V E L K D , 1959-1978 der Kreissynode, 1959-1978 Synodalvorsitzender, seit 1959 des Kirchenvorstands Lebrade/Plön, 1963-1973 Mitglied der Hauptversammlung der Landwirtschaftskammer, 1966-1971 landwirtschaftlicher Richter Amtsgericht Preetz, 1972-1977 am Oberlandesgericht Schleswig, 1969-1973 Präsident, 1 9 7 3 1977 Vizepräsident des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft in Frankfurt, später Dortmund, viele örtliche Ehrenämter in der Landwirtschaft und im Bereich der Vertriebenenhilfe. SCHLENKER, Walter 116 geb. 29. 8. 1928 Schwenningen/Baden-Württemberg, 1954-1957 Vikar, 1957-1965 Pfr. Nagold (Religionsunterricht), 1965-1975 Kemnat/Stuttgart, seit 1975 Dekan Tuttlingen, seit 1963 Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg. SCHLEUNING, Johannes 27 geb. 27. 1. 1879 Saratow/Rußland, gest. 7. 9. 1961 Hessen, ord. 1. 5. 1911 Tiflis/Transkaukasien, Studium der Theologie in Dorpat, 1 . 5 . 1911 Pfr. Tiflis, September 1917 Saratow, 1. 3. 1925 Neuenhagen bei Berlin, 1934 Superintendenturverwalter BerlinLand I, 9. 6. 1947 Superintendent im Wartestand in Helmstedt, 1. 4. 1949 i . R . , 1955 Übersiedelung nach Dreieichenhain/Hessen. SCHLOTHEIM, Hans-Hartmann, Freiherr von 224 Oberamtsgerichtsrat, Mitglied der Leitung der Landeskirche Kurhessen-Waldeck, Stellv. Vorsitzender des Rates der Landeskirche Kurhessen-Waldeck, Mitglied der Synode der EKD. SCHMAUCH, Werner, Lie. theol. Dr. h. c. 81 geb. 12. 3. 1905 Herischdorf/Schlesien, 1952 Dozent Humboldt-Universität Berlin, 1954 Prof. mit Lehrauftrag Greifswald, 1958 Prof. mit Lehrstuhl für Neues Testament ebd. SCHMID, Carlo, D r . jur. D r . h. c. 45 geb. 3 . 1 2 . 1 8 9 6 Perpignan/Frankreich, gest. 1 1 . 1 2 . 1 9 7 9 Bonn, 1924 Rechtsanwalt Tübingen, 1925 Richter, 1929 Dozent für Völkerrecht Tübingen, dann Dienst bei der Militärverwaltung in Frankreich, 1945 ao., 1946 o. Prof. für öffentliches Recht Tübingen, 1946-1950 (Rücktritt) Staatssekretär für Justiz, Präsident des Staatssekretariats für die französisch besetzte Zone von Württemberg-Hohenzollern in Tübingen, 1947 Justizminister Württemberg-Hohenzollern, 1948 stellvertretender Staatspräsident, M d L , Landesvorsitzender der S P D Südwürttemberg und Mitglied des Parteivorstands, 1948-1949 Mitglied des Parlamentarischen Rats, 1949-1972 M d B , 1949-1966 und 1969 Vizepräsi-

Personenregister/Biographische A n g a b e n

363

dent des D t . Bundestags, 1 9 5 7 - 1 9 6 6 stellvertretender Fraktionsvorsitzender, seit 1953 o. P r o f . für Politische Wissenschaften F r a n k f u r t / M a i n , 1 9 6 6 - 1 9 6 9 Bundesminister für A n gelegenheiten des Bundesrates und der Länder, seit 1969 K o o r d i n a t o r für die deutschfranzösische Z u s a m m e n a r b e i t , seit 1945 Mitglied der S P D . SCHMIDT, W i l h e l m Friedrich Karl

203

geb. 27. 1. 1908 U c h t s p r i n g e / M a g d e b u r g , gest. 11. 6. 1983 H a m b u r g , ord. 15. 10. 1933 K ö n i g s b e r g , 1 9 3 3 - 1 9 3 5 Hilfsprediger G r o ß S c h w a n s f e l d / O s t p r e u ß e n und R i e s e n b u r g / W e s t p r e u ß e n , 1. 4. 1935 Pfr. G r o ß Schwansfeld, 1. 12. 1945 Sachbearbeiter beim Z e n tralbüro W e s t des E v . H i l f s w e r k s in Bielefeld, 1. 3. 1947 Berufung als Pfarrer der E v . K i r c h e von W e s t f a l e n , 1. 4 . 1 9 4 8 Leiter des E v . Hilfswerks in H a m b u r g , 1 . 2 . 1950 Leiter des Landeskirchlichen A m t e s für Gemeindedienst (später u m b e n a n n t in D i a k o n i s c h e s W e r k ) , 1 9 5 8 - 1 9 7 3 Leiter des Landesverbandes für Innere Mission e . V . H a m b u r g , 2 1 . 1 . 1960 B e r u f u n g als K i r c h e n r a t / D e z e r n e n t , 25. 4. 1960 Berufung z u m nebenamtlichen Mitglied des Landeskirchenamtes, 1933 Mitglied der B e k e n n e n d e n K i r c h e und des Pfarrernotbundes, 1934—1937 des Bruderrates der ostpreußischen B e k e n n t n i s s y n o d e . SCHMITTAT, E r n s t

7 9 f . , 8 2 f . , 123

geb. 30. 8. 1904 B a r t e n s t e i n / O s t p r e u ß e n , gest. 8. 3. 1978, ord. 8. 11. 1931 K ö n i g s b e r g , Hilfsprediger M e h l a u k e n / K r e i s Labiau, 1 9 3 3 - 1 9 3 5 Pfr. ebd., 1935 L e n z e n / K r e i s E l b i n g , 1938 Ausweisung aus dem Regierungsbezirk E l b i n g , 1939 z u m Pfr. von Gallingen berufen, nach Kriegsende Pfr. P e t e r s h a g e n / W e s e r , 1949 Leiter des E v . Gemeindedienstes D ü s s e l d o r f , 1 9 5 0 - 1 9 7 2 Pfr. D ü s s e l d o r f ; Mitglied des O K A , später V o r s i t z e n d e r des H i l f s k o m i t e e s der ev. D e u t s c h e n aus O s t p r e u ß e n . SCHNEIDER, Peter, D r . jur.

113,133

geb. 10. 7. 1920 Z ü r i c h , 1955 Privatdozent B o n n , 1965 o. P r o f . für Allgemeine Staatslehre, Staats- und Verwaltungsrecht, V ö l k e r r e c h t und R e c h t s p h i l o s o p h i e M a i n z . SCHREIBER, O t t o m a r , D r . phil.

21,193

geb. 1. 5. 1889 M a r i e n b u r g / O s t p r e u ß e n , 1919 Studienassessor, 1 9 2 0 - 1 9 2 2 V e r l a g s b u c h händler, 1 9 2 2 - 1 9 4 2 1. Syndikus der Industrie- und H a n d e l s k a m m e r M e m e l ( E n t f e r n u n g durch N S - G a u l e i t e r ) , 1 9 3 2 - 1 9 3 4 Landespräsident des Memelgebietes ( A b s e t z u n g durch die litauische Regierung, H o c h v e r r a t s v e r f a h r e n , Polizeiaufsicht, 1935 E n t z u g der Staatsangehörigkeit, 1937 W i e d e r z u e r k e n n u n g durch Internationales Schiedsgericht), nach Kriegsende Angestellter der G e m e i n d e T e g e r n s e e / B a y e r n , 1 9 4 6 - 1 9 4 8 treuhänderische Tätigkeit ebd., 1 9 4 9 - 1 9 5 3 Staatssekretär im Bundesministerium für V e r t r i e b e n e , 1948 Sprecher der Landsmannschaft O s t p r e u ß e n , Leiter des A m t e s für H e i m a t v e r t r i e b e n e beim F r a n k f u r t e r Wirtschaftsrat, seit 1952 Stellv. V o r s i t z e n d e r des D t . H e i m a t b u n d e s , Mitglied des Präsidiums des D t . R o t e n K r e u z e s , Mitglied des O K A . SCHRÖDER, G e r h a r d , D r . jur. D r . h. c.

154,157

geb. 1 1 . 9 . 1910 Saarbrücken, seit 1933 Assistent der Juristischen Fakultät der Universität B o n n und am Institut für ausländisches und internationales Privatrecht B e r l i n , 1939 R e c h t s a n w a l t ebd., 1 9 3 9 - 1 9 4 5 W e h r d i e n s t und Gefangenschaft, dann persönlicher R e f e rent des O b e r p r ä s i d e n t e n der N o r d r h e i n - P r o v i n z , stellvertretendes Mitglied des Z o n e n beirats, M i t b e g r ü n d e r der D t . Wählergemeinschaft und V o r s i t z e n d e r des D t . W a h l rechtsausschusses, 1 9 4 7 - 1 9 5 3 Anwaltspraxis D ü s s e l d o r f , Mitglied des Landesvorstands der C D U R h e i n l a n d , 1 9 5 3 - 1 9 6 9 Bundesminister des I n n e r n , des Auswärtigen ( 1 9 6 1 ) und der Verteidigung (1966). SCHUKOW, G e o r g i j K o n s t a n t i n o w i t s c h

6

geb. 11. 12. 1896 Strelkowa, gest. 18. 6. 1 9 7 4 , W i n t e r 1 9 4 1 / 4 2 O b e r b e f e h l s h a b e r an der M i t t e l f r o n t , A n f a n g 1943 der Südfront (Stalingrad), besetzte 1945 Berlin, war 1 9 4 5 / 4 6 Befehlshaber der sowjetischen T r u p p e n in D e u t s c h l a n d , 1955 Verteidigungsminister, 1957 Mitglied des Präsidium des Zentralkomitees, O k t o b e r 1 9 5 7 wegen A b w e i c h e n s von der Parteilinie aller Ä m t e r e n t h o b e n . SCHULZ-VANSELOW, J o h a n n , D r .

115

Sprecher des B u n d e s vertriebener D e u t s c h e r .

364

Personenregister/Biographische Angaben

SCHULZE, Johannes 301 geb. 14. 1. 1901 Celle, gest. 3. 6. 1980 Langenhagen/Hannover, ord. 1. 10. 1925, 1925 Hilfspfarrer Diakonissenmutterhaus Rotenburg, 1931-1936 Pfr. Hankensbüttel, 19361948 Pfr. und Superintendent Bremervörde, 1948-1957 Pfr. der Landeskirche und Landesbevollmächtigter für die Innere Mission, 1957 Landessuperintendent für den Sprengel Calenberg-Hoya, 1958 Konventual des Klosters Loccum, 1959-1969 Landessuperintendent und Pfr. Wunstorf, 1956 Mitglied der Kirchenleitung der V E L K D , Vorsitzender des Dt. Hauptausschusses des luth. Weltdienstes, Mitglied der Synode der E K D . SCHUMACHER, Hermann, kaufmännischer Angestellter 194,196 SCHUTZKA, Martin 166 geb. 28. 1. 1908 Deutsch-Koschmin/Provinz Posen, gest. 4. 9. 1978 Marktredwitz, ord. 7. 4. 1935 Wittbrietzen (Bekennende Kirche), Pfarrstellenverweser Wittbrietzen und Brandenburg an der Havel, 1936 Pfr. Netzbruch/Neumark, 1939 Wehrdienst, 1945 Amtsaushilfen Bayern, 1950 Pfr. Gauting, 1954 Pfr. und Superintendent Berlin-Spandau, 1959 daneben kommissarisch Abteilungsleiter und Propst Konsistorium Berlin-Brandenburg, 1960-1969 Geistlicher Leiter und Propst Berlin-Brandenburg (Berlin-West). SCHWARZ, Eberhard 1 1 8 , 1 2 0 f f „ 139f., 1 4 2 , 1 4 5 , 1 5 8 , 1 7 1 , 1 7 5 , 1 9 4 f f . , 2 0 3 , 2 3 7 , 2 4 0 , 2 7 6 , 307 f. geb. 18. 4. 1917 Posen, ord. 28. 10. 1951, 1935-1945 Offizier, 1951-1957 Pfr. Wyk auf Föhr, 1957-1960 Schleswig, 1960-1970 Mitglied des L K A Kiel (Landeskirchenrat, Oberlandeskirchenrat), seit 1970 Propst der Propstei Segeberg, seit 1963 Mitglied des O K A , ζ. Z. amtierender Vorsitzender, seit 1973 Vorsitzender der Gemeinschaft ev. Schlesier, seit 1977 Synodaler der Nordelbischen Ev.-luth. Kirche. SCHWARZHAUPT, Elisabeth, Dr. jur. 97,103 geb. 7. 1.1901 Frankfurt/Main, Studium der Rechte in Frankfurt und Berlin, 1930 Gerichtsassessorin, 1930-1932 juristische Mitarbeiterin an der städtischen Rechtsauskunftsstelle für Frauen in Frankfurt, 1932-1933 Hilfsrichterin in Frankfurt und Dortmund, 1933 arbeitslos, 1934-1936 juristische Mitarbeiterin beim Reichsbund der Kleinrenter in Berlin, seit 1936 juristische Referentin in zentralen Dienststellen der E K D , zunächst in der Kirchenkanzlei, 1948-1958 im Kirchlichen Außenamt, Mitarbeit in den Ev. Akademien, 1953-1966 MdB ( C D U ) , November 1961-November 1966 Bundesministerin für Gesundheitswesen, Oberkirchenrätin. SCHWEITZER, Wolfgang, Dr. theol. 9 2 , 9 5 f . , 103ff., 110f., 1 1 5 , 1 1 7 f „ 1 3 8 , 2 1 5 , 2 3 2 , 2 8 4 geb. 8. 7. 1916 Erlangen, 1943-1945 kirchl. Dienst Württemberg, 1946-1952 Sekretär der Studienabteilung Weltkirchenrat Genf, 1952-1955 Privatdozent Heidelberg, 19551980 Prof. für Systematische Theologie Kirchliche Hochschule Bethel (1962f., 1967f. und 1973f. Rektor). SEDLMAYR, Hans, Dr. phil. 30 geb. 1 8 . 1 . 1 8 9 6 Hornstein/Österreich, gest. 9 . 7 . 1 9 8 4 Salzburg, 1933 Privatdozent Technische Hochschule Wien, 1936-1945 Prof. und Vorstand des Kunsthistorischen Instituts, 1951 München. SEEBERG, Axel 203 geb. 15. 6. 1904 Dorpat, 1931-1939 Dozent Hochschule für Politik Berlin, 1939-1945 wissenschaftlicher Hilfsarbeiter Auswärtiges Amt Berlin, 1947-1972 Redakteur bzw. Chefredakteur (1954) beim Dt. Allgemeinen Sonntagsblatt, seither freier Journalist. SEEBOHM, Hans-Christoph, Dr. Ing. 11,115 geb. 4. 8. 1903 Emanuelssegen/Oberschlesien, gest. 17. 9. 1967 Bonn, Bergwerksdirektor, 1946-1948 Minister für Aufbau und Arbeit, Aufbau und Gesundheitswesen (1947) Niedersachsen, seit 1946 Präsident der Industrie- und Handelskammer Braunschweig, MdL, Direktoriumsmitglied der D P , 1948-1949 Mitglied des Parlamentarischen Rates, 1949-1967 MdB, 1949-1966 Bundesverkehrsminister, Vorsitzender der Sudetendeutschen Bundesversammlung, seit 1959 Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft.

365

Personenregister/Biographische Angaben SERAPHIM, P e t e r - H e i n z

27

SIEGMUND, G e o r g , D r . phil. D r . theol.

49

geb. 2 5 . 6. 1903 R a u m n i t z / S c h l e s i e n , 1928 Priesterweihe, 1 9 2 9 - 1 9 4 5 Studienrat N e i ß e , O p p e l n , B r i e g , 1 9 4 6 - 1 9 6 8 o. P r o f . für R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e , N a t u r p h i l o s o p h i e , A n t h r o p o l o g i e , G r e n z g e b i e t e zwischen M e d i z i n und T h e o l o g i e

Philosophisch-Theologische

H o c h s c h u l e F u l d a , 1 9 5 4 - 1 9 5 7 R e k t o r ebd. SIEVEKING, K u r t , D r . j u r . geb. 2 1 . 2 . 1 8 9 7 ,

46

1925-1934 Rechtsanwalt Hamburg,

1951-1953 Generalkonsul

und

G e s a n d t e r der B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d in S t o c k h o l m , seit 1953 1. B ü r g e r m e i s t e r und Präsident des Senats der Freien u n d H a n s e s t a d t H a m b u r g , s o w i e M i t g l i e d des Bundesrates. SIMON, H e l m u t , D r . j u r .

2 7 3 , 2 8 1 f.

geb. 1. 1. 1 9 2 2 R u h / O b e r b e r g , 1 9 5 3 - 1 9 5 7 R i c h t e r L a n d g e r i c h t D ü s s e l d o r f , 1 9 5 8 - 1 9 5 9 wissenschaftlicher H i l f s a r b e i t e r B u n d e s g e r i c h t s h o f K a r l s r u h e , 1 9 6 0 - 1 9 6 5 R i c h t e r O b e r landesgericht D ü s s e l d o r f , seit 1965 R i c h t e r B u n d e s g e r i c h t s h o f , 1 9 6 2 - 1 9 6 5 L e h r b e a u f tragter f ü r R e c h t s - und Staatswissenschaften T h e o l o g i s c h e H o c h s c h u l e W u p p e r t a l , seit 1971 M i t g l i e d des Präsidiums des D t . E v . K i r c h e n t a g e s , Mitglied des Rates der E K D . SMEND, R u d o l f

61,304

geb. 15. 1. 1882 Basel, gest. 5. 7. 1975 G ö t t i n g e n , 1 9 0 9 P r o f . für öffentliches R e c h t und K i r c h e n r e c h t G r e i f s w a l d , 1911 T ü b i n g e n , 1915 B o n n , 1922 B e r l i n , 1 9 3 5 - 1 9 5 0 G ö t t i n gen, 1 9 4 5 - 1 9 5 5 Mitglied des Rates der E K D , 1945 des M o d e r a m e n s des R e f o r m i e r t e n B u n d e s , 1 9 4 5 - 1 9 6 9 L e i t e r des Instituts für K i r c h e n r e c h t der E K D . SMIDT, U d o , D . geb.

1.7.1900

93,202 Groothusen/Ostfriesland,

gest.

18.4.1978

Lage-Hörste,

ord.

2 9 . 11. 1 9 2 5 , 1 9 2 5 - 1 9 3 0 P f r . R y s u m , 1 9 3 0 - 1 9 3 4 R e i c h s w a r t des B u n d e s D t . B i b e l k r e i s e , 1934—1951 Pfr. B r e m e r h a v e n - L e h e , n e b e n a m t l . J u g e n d p f r . der e v . - r e f o r m i e r t e n K i r c h e in N o r d w e s t d e u t s c h l a n d , 1 9 5 1 — 1 9 5 8 L e i f e r d e s r e f o r m i e r t e n Predigerseminars W u p p e r tal, 1 9 5 8 - 1 9 7 0 L a n d e s s u p e r i n t e n d e n t D e t m o l d , 1 9 6 1 - 1 9 7 1 Mitglied des R a t e s der E K D , 2 . V o r s i t z e n d e r der A r b e i t s g e m e i n s c h a f t C h r i s t l i c h e r K i r c h e n , Mitglied des M o d e r a m e n s des R e f o r m i e r t e n B u n d e s . SÖHNGEN, O s k a r

3 0 6 f.

geb. 5. 12. 1 9 0 0 W u p p e r t a l , gest. 2 8 . 8. 1983 B e r l i n , 1926 P f r . K ö l n , 1932 H i l f s a r b e i t e r im E O K , 1933 b e u r l a u b t und W a r t e s t a n d , 1936 O b e r k i r c h e n r a t im E O K , 1 9 4 5 - 1 9 6 9 mit der W a h r n e h m u n g der G e s c h ä f t e des geistlichen Vizepräsidenten beauftragt, L e i t e r der D i e n s t s t e l l e der K i r c h e n k a n z l e i der E K U in W e s t - B e r l i n , V o r s i t z e n d e r der v o n C a n s t e i n schen B i b e l a n s t a l t , S e k r e t ä r der H i s t o r i s c h e n K o m m i s s i o n zur E r f o r s c h u n g des Pietismus. SONTHEIMER, K u r t , D r . phil.

282

geb. 3 1 . 7. 1928 G e r n s b a c h / B a d e n ,

1960-1962

P r o f . Pädagische H o c h s c h u l e

Osna-

b r ü c k , 1 9 6 2 - 1 9 6 9 o. P r o f . für P o l i t i s c h e W i s s e n s c h a f t e n F r e i e U n i v e r s i t ä t B e r l i n , seit 1969 M ü n c h e n , seit 1968 M i t g l i e d des Präsidiums des D t . E v . K i r c h e n t a g e s . SPIEGEL-SCHMIDT, F r i e d r i c h

2 , 4 f . , 17, 2 3 , 2 7 , 3 0 , 3 2 , 3 5 f f . , 4 5 f f . , 5 0 , 5 3 , 5 5 f . , 5 8 f . , 61 f . ,

6 4 , 1 1 2 f f . , 157, 1 7 4 , 1 9 6 , 2 0 6 , 2 1 6 , 2 7 9 , 2 9 6 f . , 3 0 4 , 3 0 7 geb. 2 7 . 2 . 1 9 1 2 M o n t r e u x / S c h w e i z , 1 9 3 6 - 1 9 3 8 V i k a r G ü n s , 1 9 3 8 - 1 9 4 4

bischöflicher

V i k a r und D i s t r i k t s m i s s i o n s p f a r r e r R a a b , 1944—1945 Kriegspfarrer bei der ungarischen A r m e e , 1 9 4 5 - 1 9 4 9 P f r . B a d W ö r i s h o f e n , 1 9 5 0 - 1 9 5 8 G e s c h ä f t s f ü h r e r des O K A ,

1958-

1969 P f r . B e r c h t e s g a d e n , 1 9 6 9 - 1 9 7 6 P r o d e k a n M ü n c h e n - W e s t , 1 9 5 0 - 1 9 5 6 Mitglied der S y n o d e der E K D , 1 9 4 8 - 1 9 5 8 des O K A , seit 1 9 4 6 V o r s i t z e n d e r des H i l f s k o m i t e e s für die E v . D e u t s c h e n aus U n g a r n , 1 9 4 7 - 1 9 4 9 Mitglied des W i e d e r a u f b a u a u s s c h u s s e s des H i l f s w e r k s der E K D , 1 9 7 1 - 1 9 7 6 Stellv. V o r s i t z e n d e r der G e s a m t k i r c h e n v e r w a l t u n g

Mün-

c h e n , 1 9 5 9 - 1 9 7 0 V o r s i t z e n d e r des K o n v e n t s für V e r t r i e b e n e n a r b e i t in B a y e r n , seit 1 9 7 9 2. V o r s i t z e n d e r des D i a k o n i s c h e n W e r k s R o s e n h e i m .

366

Personenregister/Biographische Angaben

STALIN, J o s e f W i s s a r i o n o w i t s c h ( 1 8 7 9 - 1 9 5 3 )

9

Politiker, Generalsekretär der KPdSU, Ministerpräsident der UdSSR. STAMMLER, E b e r h a r d

215

geb. 14. 8. 1915 Ulm/Donau, 1938 Pfr. Blaubeuren, 1947-1949 Redakteur „Sonntagsblatt" Hamburg, 1949-1952 Jugendpfarrer Stuttgart, 1952-1964 Chefredakteur J u n g e Stimme", 1964-1965 Stellv. Chefredakteur „Christ und Welt", 1970-1982 Chefredakteur „Ev. Kommentare". 1957-1971 Vorsitzender der Selbstkontrolle der Illustrierten, 19581978 Mitglied des Beirats für Innere Führung beim Bundesverteidigungsministerium. STARKE, G o t t h o l d

89

geb. 27. 1. 1896 Runowo/Kreis Wirsitz, gest. 27. 11. 1968 Bonn, 1915-1918 Studium der Rechts- und Staatswissenschaften, 1922-1939 Chefredakteur und Geschäftsführer der „Deutschen Rundschau" Bromberg, 1940 Pressereferent (Gesandtschaftsrat) Deutsche Botschaft Moskau, 1941-1945 Presseabteilung des Auswärtigen Amtes Berlin, 1945-1955 sowjetische Gefangenschaft, 1956-1962 Auswärtiges Amt Bonn, zuletzt Vortragender Legationsrat I. Klasse; 1926-1939 Mitglied des Vorstandes der Unierten Ev. Kirche in Polen, 1925-1936 der „Deutschen Vereinigung". STASIEWSKI, Bernhard, Dr. theol. Dr. phil. 295 geb. 1 4 . 1 1 . 1 9 0 5 Berlin, 1929 Priesterweihe, 1929-1931 Kaplan, 1931-1958 Rector ecclesiae Berlin, 1946-1954 Leiter des Katholischen Bildungswerks Berlin, 1958 Privatdozent, 1961 Dozent, 1962-1974 o. Prof. für Neuere und Neueste Kirchengeschichte Osteuropas Bonn, 1961 Leiter des Instituts für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte, Mitglied, seit 1974 Präsident des Herder-Forschungsrates, 1965-1969 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Katholisch-Theologischen Fakultäten und der Philosophisch-Theologischen Hochschulen Deutschlands. STEFFANI, J o h a n n e s

78

geb. 26. (oder 29.) 9. 1899 Posen, gest. 17. 3. 1976, ord. 14. 12. 1924, 1924-1928 Pfr. in Znin, dann in Thorn, 1934 in Posen, 1936 Leiter der Inneren Mission und des Ev. Preßverbandes der Unierten Ev. Kirche in Posen (Posen-Pomerellen), 1941 Sup. in Posen, nach 1945 in Frankfurt/Oder-1952, 1959-1970 im Vorstand des Hilfskomitees der Glieder der Posener Ev. Kirche, 1959-1970 Mitarbeiter im Kirchendienst Ost. STEINACKER, Roland, Dr. theol. 295 geb. 29. 9. 1870 Budapest, gest. 14. 6. 1962 Bad Cannstatt/Stuttgart, Studium der Theologie in Budapest, Preßburg, Erlangen, Wien, der Philosophie in Göttingen, 1896-1903 Vikar und Katechet Mezöbereny und Modern/Ungarn, 1903-1912 Pfr. Schwedler/Zips (Slowakei), 1912-1921 Kaltenstein/Ungarn, 1921-1934 o. Prof. für Theologie, Heimatl. Geschichte und Volkskunde an der Kirchl. Hochschule Preßburg, nach 1945 Mitarbeit im Hilfskomitee für die Ev.-lutherischen Slowakeideutschen. STEMPEL, H a n s , D .

97

geb. 8. 7. 1894, gest. 2. 11. 1970 Landau, 1921 Verweser und Pfr. Oppau/Pfalz, 1926 Direktor des Predigerseminars Landau, 1934 Entlassung durch die Deutschen Christen, Gemeindepfr. Landau, nach 1945 vorläufig, 1948 Präsident der Pfälzischen Landeskirche; Mitglied der Kammer für öffentliche Verantwortung der E K D . STROH, Otto, Lie. theol. 40 geb. 9 . 9 . 1894 Beerfelden/Hessen, gest. 3. 1. 1959 Friedberg, ord. 2. 1. 1921, 19211922 Assistent Paulusgemeinde Darmstadt, 1922-1927 Vikar und Pfr. Vielbrunn/Odenwald, 1927-1959 o. Prof. für Theologie Predigerseminar Friedberg (seit 1948 auch Direktor ebd.). STUDNITZ, H a n s - G e o r g v o n

171

geb. 31. 8. 1907, Banklehre, seit 1931 Bankangestellter, dann außenpolitischer Mitarbeiter der Neuen Preußischen Kreuz-Zeitung, 1932-1940 Schriftleiter und Zeitungskorrespondent für Scherl in Wien, Rom, Salamanca, Neu Dehli, London, Kairo, Den Haag, 1940-1945 Referent in der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, 1948 Vertreter der

Personenregister/Biographische Angaben

367

H a m b u r g e r W o c h e n z e i t u n g „ D i e Z e i t " bei den N ü r n b e r g e r P r o z e s s e n , 1 9 4 9 - 1 9 5 0 C h e f redakteur der H a m b u r g e r A l l g e m e i n e n Zeitung, B e g r ü n d e r und H e r a u s g e b e r der M o natsschrift A u ß e n p o l i t i k Stuttgart, seit 1953 C h e f r e d a k t e u r H a m b u r g e r A n z e i g e r , bis 1961 P r e s s e c h e f und P u b l i c R e l a t i o n s - D i r e k t o r der D t . L u f t h a n s a , dann Mitglied des R e d a k t i o n s k o l l e g i u m s der W o c h e n z e i t u n g „ C h r i s t und W e l t " und K o l u m n i s t „ W e l t am Sonntag". STUPPERICH, R o b e r t , D r . theol. D r . phil

50, 2 9 5 , 2 9 7

geb. 13. 9. 1 9 0 4 M o s k a u , 1942 D o z e n t B e r l i n , 1 9 4 6 P r o f . für R e f o r m a t i o n s g e s c h i c h t e , o s t e u r o p ä i s c h e K i r c h e n g e s c h i c h t e M ü n s t e r / W e s t f a l e n , 1 9 5 7 - 1 9 7 6 D i r e k t o r des O s t k i r cheninstituts. SUCKER, W o l f g a n g F r i e d r i c h H e i n r i c h , D .

1 8 4 f . , 1 9 5 , 2 0 1 , 2 1 4 , 2 2 7 , 2 3 1 f., 2 9 9

geb. 2 1 . 8. 1 9 0 5 , gest. 3 0 . 12. 1 9 6 8 , 1931 Pfarrassistent O f f e n b a c h , 1933 S t u d e n t e n p f a r rer G i e ß e n , 1935 P r o f . für T h e o l o g i e und M e t h o d i k des R e l i g i o n s u n t e r r i c h t s an der H o c h s c h u l e für L e h r e r b i l d u n g in L a u e n b u r g , seit 1 9 3 6 zugleich im Z e n t r a l v o r s t a n d des E v . B u n d e s und M i t a r b e i t i m E v . Presseverband für D e u t s c h l a n d , 1945 O s t p f a r r e r des D e k a n a t s D a r m s t a d t u n d P f r . W e i t e r s t a d t , 1 9 4 7 t h e o l . M i t a r b e i t im L a n d e s k i r c h e n a m t , 1 9 4 9 D i r e k t o r des E v . B u n d e s und L e i t e r des k o n f e s s i o n s k u n d l i c h e n Instituts der E v . K i r c h e , 1 9 5 0 in die hessen-nassauische K i r c h e n l e i t u n g gewählt, 1 9 5 7 Stellvertreter des K i r c h e n p r ä s i d e n t e n , 1963 Präsident des E v . B u n d e s , 1 9 6 4 K i r c h e n p r ä s i d e n t

Hessen-

Nassau. SYMANOWSKI, H o r s t

173

geb. 8. 9 . 1 9 1 1 N i k o l a i k e n / O s t p r e u ß e n , o r d . 1 9 4 0 , 1 9 3 6 - 1 9 3 8 V i k a r der B e k e n n e n d e n K i r c h e O s t p r e u ß e n s , 1 9 3 9 - 1 9 4 1 W e h r d i e n s t , 1 9 4 1 / 4 2 illegaler Pfr. der B e k e n n e n d e n K i r c h e O s t p r e u ß e n s , 1 9 4 2 - 1 9 7 4 tätig bei der G o ß n e r s c h e n M i s s i o n B e r l i n , als L e i t e r der Zweigstelle W e s t der G o ß n e r M i s s i o n M a i n z - K a s t e l ( A u f b a u und L e i t u n g des J u g e n d h e i m e s , des Seminars für k i r c h l i c h e n D i e n s t in der Industrie, L e i t u n g des Industriepraktik u m s f ü r T h e o l o g i e s t u d e n t e n und W a h r n e h m u n g der G e s c h ä f t e auf dem G e b i e t der äußeren M i s s i o n ) . THADDEN-TRIEGLAFF, R e i n o l d v o n , D r . j u r . D .

13 , 9 7 , 1 0 3 , 2 2 7

geb. 13. 8. 1891 M o r u n g e n / O s t p r e u ß e n , gest. 10. 10. 1976 F u l d a , R i t t e r g u t s b e s i t z e r auf T r i e g l a f f und G r u c h o w / P o m m e r n ,

M d L ( D N V P ) Preußen 1933, Vizepräsident

der

P o m m e r s c h e n P r o v i n z i a l s y n o d e , Präses des P o m m e r s c h e n B r u d e r r a t e s und der S y n o d e der B e k e n n e n d e n K i r c h e , 1934 Mitglied des R e i c h s b r u d e r r a t e s , 1 9 3 7 V e r h a f t u n g durch die G e s t a p o , 1945 russische Kriegsgefangenschaft,

1 9 4 9 - 1 9 6 4 Präsident des D t . E v .

Kirchentages. THEDIECK, F r a n z

139

geb. 2 6 . 9. 1900 H a g e n / W e s t f a l e n , 1923 L e i t e r der Stelle K ö l n des I n n e n m i n i s t e r i u m s z u r A b w e h r des Separatismus im R h e i n l a n d , 1 9 2 9 - 1 9 3 1 H i l f s a r b e i t e r im h ö h e r e n V e r w a l tungsdienst L a n d r a t s a m t M ü l h e i m , 1 9 3 1 - 1 9 4 0 R e g i e r u n g s - und O b e r r e g i e r u n g s r a t K ö l n , 1 9 4 0 - 1 9 4 3 ( E n t l a s s u n g auf A n o r d n u n g H i m m l e r s ) G e n e r a l r e f e r e n t bei der Militärverwaltung B r ü s s e l , nach der R ü c k k e h r aus amerikanischer G e f a n g e n s c h a f t w i e d e r bei der R e g . K ö l n tätig, 1 9 4 9 - 1 9 6 4 ( R ü c k t r i t t ) Staatssekretär B u n d e s m i n i s t e r i u m für gesamtdeutsche F r a g e n , 1 9 6 6 - 1 9 7 2 I n t e n d a n t D e u t s c h l a n d f u n k , ab 1961 V e r w a l t u n g s r a t s v o r s i t z e n d e r , 1 9 6 4 - 1 9 6 8 ( R ü c k t r i t t ) V o r s i t z e n d e r der K o n r a d - A d e n a u e r - S t i f t u n g für politische B i l dung und S t u d i e n f ö r d e r u n g . THIELICKE, H e l m u t , D r . theol. D r . phil.

1 1 5 , 1 6 3 f., 1 8 8 , 2 0 3 , 2 8 5

geb. 4. 12. 1908 B a r m e n , 1 9 3 6 P r i v a t d o z e n t E r l a n g e n , dann P r o f e s s u r v e r t r e t u n g U n i v e r sität H e i d e l b e r g , nach A b s e t z u n g 1940 Pfr. R a v e n s b u r g , 1 9 4 2 - 1 9 4 5 L e i t e r des T h e o l . A m t e s der w ü r t t e m b e r g i s c h e n L a n d e s k i r c h e , seither o. P r o f . für S y s t e m a t i k , R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e , S o z i a l e t h i k T ü b i n g e n , 1 9 5 1 / 5 2 R e k t o r und Präsident der W e s t d t . R e k t o r e n konferenz, 1954 Prof. Hamburg. T ö D T , H e i n z E d u a r d , D r . theol.

282

Personenregister/Biographische Angaben

368

geb. 4. 5. 1918 Wester Bordelum, seit 1963 o. Prof. für Systematische Theologie und Sozialethik Heidelberg, 1961 Mitglied der Forschungsstätte der Ev. Studiengemeinschaft ebd., 1968-1975 Mitarbeiter Kirche und Gesellschaft beim O R K , 1970-1977 Mitarbeiter bei der Studienabteilung des L W B . TREBLIN, H e i n r i c h

173

geb. 24. 2. 1911 Schmolz/Breslau, ord. 23. 5. 1946 Breslau, 1936 illegales Predigerseminar Ostpreußen, 1936/37 Leiter des Büros der Schlesischen Bekennenden Kirche, 1938/ 39 Krankheit, 1940-1945 Wehrdienst, 1945-1946 Hilfsprediger Halle/Saale, 1946-1947 Pfr. Schlesien, 1. 10. 1947-31. 12. 1953 Pfr. und Kreissynodalvikar Niesky o. L . / D D R , 1. 1. 1954-30. 6. 1956 Pfr. Heppenheim/Bergstraße, 1. 5. 1956-30. 9. 1974 Alzey. TUCKERMANN, O t t o , D r . a g r .

16 f., 5 6 f., 3 0 1

geb. 1 . 3 . 1 9 0 6 Weizenrodau/Schweidnitz/Schlesien, gest. 3 0 . 1 0 . 1969 Bad VilbelHeilsberg/Hessen, 1934-1945 Landwirt in Weizenrodau, seit 1936 Kirchenältester in Schweidnitz, Mitglied der Bekennenden Kirche (Christopheri-Synode) in Schlesien, 1950-1969 Angestellter bei der Beratungsstelle der Ruhr-Stickstoff AG. in Oldenburg, seit 1955 in Hessen, 1947 Mitinitiator der Vertriebenenhilfe Bassum, 1950-1961 Vertreter der Laienschaft im O K A , Sprecher der Heimatvertriebenen in der ev.-luth. Landeskirche Hannover, berufenes Mitglied mehrerer Synoden, Mitglied des Kirchensenats, Mitglied der Gemeinschaft ev. Schlesier, Mitarbeit in den Vorständen des Hilfskomitees. TURNWALD, E r i k

259

geb. 27. 12. 1918 Prag, Studium der Publizistik, Geschichte, Soziologie und Volkskunde in Berlin, München und Heidelberg, nach dem Krieg zunächst Journalist, dann Wiederaufnahme des Theologiestudiums in Erlangen, seit 1958 Vikar in Baden-Württemberg, 1962 Pfr. Kirnbach, 1976 Pfr. und Kurseelsorger Bad Rappenau-Obergimpern, gründete als persönlicher Referent von Kirchenpräsident Wehrenfennig gemeinsam mit Prof. W. Weizsäcker und Prof. E. Schneider 1957 die „Johannes-Mathesius-Gesellschaft" und das „Archiv für den sudetendeutschen Protestantismus", das später zum „Institut für Reformations· und Kirchengeschichte der böhmischen Länder" aufgebaut wurde, dessen Direktor er seit 1965 ist, Vorsitzender der deutschen Sektion der „Johannes-MathesiusGesellschaft", Vorstandsmitglied des „Instituts für protestantische Kirchengeschichte" Wien, seit 1976 geschäftsführendes Vorstandsmitglied der „Gemeinschaft ev. Sudetendeutscher", Beauftragter der badischen Landeskirche für die Dokumentation „Ev. Kirche und Vertriebene". VALJAVEC, Friedrich, Dr. phil. 295 geb. 26. 5. 1909 Wien, gest. 10. 2. 1960 Prien am Chiemsee, 1940 Lehrstuhlbeauftragung Berlin, 1943 ao. Prof., 1954 Honorarprof. München, 1958 o. Prof. für Neuere und Südosteuropageschichte. VERWIEBE, Walter, Dr. phil. 97 geb. 28. 1. 1908 Exten, ord. 22. 3. 1936, 1936-1952 Pfr., seit 1948 auch Superintendent Bad Wilsnack/Brandenburg, 1952-1973 Propst Erfurt und Pfr. an der Augustinerkirche; Mitglied der Synode und der Kammer für öffentliche Verantwortung der E K D . VIERING, Fritz, Dr. theol. habil. 282 geb. 3. 11. 1910 Dortmund, ord. 17.9. 1939, 1939-1941 Hilfsprediger Barop, 19431962 Pfr. Hilbeck/Westfalen, Antritt der Stelle 1945, Wehrdienst 1941-1945,1947-1962 Superintendent Hamm, 1960-1962 Mitglied der westfälischen Kirchenleitung, 1962-1970 Oberkonsistorialrat der Kirchenkanzlei der Ev. Kirche der Union (Berlin-West), 19701979 Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche, 1. 1. 1980 i.R.; 1957 Habilitation, Privatdozent für Systematische Theologie Münster, Vorsitzender des Lippischen Landeskirchenrates, des Landeskirchenamtes, der Prüfungskomission der Lippischen Landeskirche, der Lippischen Bibelgesellschaft, bis Mitte 1973 Mitglied des Rates der E K D , danach Vertretung der Landeskirche in der Arnoldshainer Konferenz und der Kirchenkonferenz der E K D , Stellv. Moderator des Reformierten Bundes, Geschäftsfüh-

369

Personenregister/Biographische Angaben

rer der v o n i h m m i t b e g r ü n d e t e n G e s e l l s c h a f t für E v . T h e o l o g i e , V o r s i t z e n d e r des E K D B e i r a t e s f ü r die Militärseelsorge und Mitglied des T h e o l o g i s c h e n Ausschusses der E K U . VISSER'T HOOFT, W i l l e m A d o l f

16,226

geb. 2 0 . 9 . 1 9 0 0 H a a r l e m , 1924 Sekretär im W e l t b u n d des C V J M , 1931 G e n e r a l s e k r e t ä r des C h r i s t l i c h e n S t u d e n t e n w e l t b u n d e s , 1 9 3 7 A u f b a u des O R K , 1 9 3 8 - 1 9 6 6 G e n e r a l s e k r e tär des O R K . VOGEL, H e i n r i c h D .

1 6 0 , 1 6 3 , 1 6 5 f., 1 8 8 , 2 2 5 , 2 3 5 f . , 2 8 2

geb. 9. 4. 1 9 0 2 P r ö t t l i n / W e s t p r i e g n i t z ,

1 9 2 8 Pfr. O d e r b e r g ,

1932 D o b b r i k o w ,

1935

D o z e n t an der K i r c h l . H o c h s c h u l e B e r l i n , 1 9 4 6 - 1 9 7 2 P r o f . für S y s t e m a t i s c h e T h e o l o g i e e b d . , 1 9 4 6 - 1 9 7 3 an der Universität B e r l i n . VOGT, C h r i s t i a n J o h a n n e s , D . D . D .

37

geb. 7 . 4 . 1 8 8 3 U l m / B a y e r n , gest. 2 . 3. 1973 N i e s k y / O b e r l a u s i t z , o r d . 2 8 . 11. 1 9 0 7 ( D i a c o n u s ) , 3. 10. 1913 ( P r e s b y t e r ) , 2 1 . 9. 1 9 4 7 ( B i s c h o f der B r ü d e r g e m e i n e )

Herrnhut,

Maschinentechniker-Ausbildung,

1905-1906

1902—1905

Missionsschule

Niesky,

Sprachstudien H o l l a n d und E n g l a n d , 1 9 0 6 - 1 9 1 3 M i s s i o n a r der B r ü d e r g e m e i n e S u r i n a m e , 1 9 1 3 - 1 9 2 0 L e i t e r der Stadtmission P a r a m a r i b o / S u r i n a m e , 1 9 2 1 - 1 9 2 7 V e r t r e t e r der B r ü dermission für Süddeutschland Stuttgart, 1 9 2 8 - 1 9 6 5 M i t g l i e d der H e r r n h u t e r M i s s i o n s d i r e k t i o n , 1 9 3 0 - 1 9 6 1 M i t g l i e d der D e u t s c h e n U n i t ä t s - D i r e k t i o n . VOIGT, G o t t f r i e d , D r . t h e o l . habil. D .

97

P f r . , D i r e k t o r des Predigerkollegs St. Pauli L e i p z i g ; Mitglied der sächsischen L a n d e s s y n o d e , der S y n o d e der E K D , der K a m m e r für ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g der E K D , der G e n e r a l s y n o d e der V E L K D . VRIES, A x e l H e r m a n n W e r n e r de

1 f.

geb. 1 6 . 6 . 1892 W r e d e n s i t z / E s t l a n d , gest. 2 4 . 1. 1963 B o n n , 1 9 0 6 - 1 9 1 0 R i t t e r -

und

D o m s c h u l e R e v a l , 1 9 1 0 - 1 9 1 1 S t u d i u m der M e d i z i n , 1 9 1 2 - 1 9 1 8 J u r a in D o r p a t , 1 9 1 7 K u r i e r der E s t l ä n d i s c h e n R i t t e r s c h a f t in B e r l i n , F e b r u a r - M ä r z 1 9 1 8 nach P e t r o g r a d verschleppt, 1 9 1 8 - 1 9 2 0 C h e f der N a c h r i c h t e n s t e l l e im B a l t e n r e g i m e n t , 1 9 2 0 - 1 9 2 1 L e i tung eines Saatzuchtgutes, 1921 C h e f r e d a k t e u r des „Revaler B o t e n " b z w . der „Revaler Z e i t u n g " ( 1 9 3 0 - 1 9 3 4 ) und der " E s t l ä n d i s c h e n Z e i t u n g " ( 1 9 3 4 - 1 9 4 0 ) , S t a d t v e r o r d n e t e r , 1924—1934 A b g e o r d n e t e r der Estländischen Staatsversammlung, als einziger N i c h t - E s t e M i t g l i e d des Staatsverteidigungsausschusses, 1 9 2 6 - 1 9 3 3 V o r s i t z e n d e r der D e u t s c h - B a l t i schen Partei in E s t l a n d , 1 9 3 4 zeitweilig aus politischen G r ü n d e n verhaftet, 1 9 4 0 - 1 9 4 5 L a n d w i r t i m W a r t h e g a u , 1 9 4 1 - 1 9 4 4 W e h r d i e n s t , M i t b e g r ü n d e r der D e u t s c h - B a l t i s c h e n L a n d s m a n n s c h a f t in B a d e n - W ü r t t e m b e r g , 1 9 4 8 - 1 9 4 9 C h e f r e d a k t e u r v o n „ D e i n W e g " , 1 9 4 9 - 1 9 5 3 v o n der „ O s t d e u t s c h e n Z e i t u n g , die S t i m m e der V e r t r i e b e n e n " , 1 9 5 0 S p r e c h e r der O s t d e u t s c h e n L a n d s m a n n s c h a f t e n , 1 9 5 2 - 1 9 5 3 M d B ( F D P ) , S p r e c h e r , Stellv. V o r s i t z e n d e r und seit 1 9 6 2 V o r s i t z e n d e r der D e u t s c h - B a l t i s c h e n L a n d s m a n n s c h a f t . WAGNER, O s k a r , D r . phil

207

geb. 2 1 . 5. 1 9 0 6 H a r t f e l d / G a l i z i e n , o r d . 7. 2 . 1932 K a t t o w i t z , 1 9 2 8 - 3 1 . 1. 1 9 3 2 L e h r v i k a r und V i k a r W i e n , 1 . 2 . 1 9 3 2 - 1 4 . 10. 1 9 3 9 L a n d e s s y n o d a l p f r . K a t t o w i t z , 9 . 10. 1938 v o n der staatlichen K i r c h e n b e h ö r d e a m t s e n t h o b e n , A u s w e i s u n g ,

1 . - 1 7 . 9. 1 9 3 9 ver-

schleppt, R ü c k k e h r n a c h K a t t o w i t z , 14. 10. 1 9 3 9 - 8 . 5. 1945 G e i s t l i c h e r R e f e r e n t für die Provinz

Oberschlesien

25.7.1940-8.5.1945 3 1 . 7. 1 9 5 0

im

Konsistorium

Wehrdienst,

Amtsaushilfe

Breslau

amerikanische

mit

dem

Titel

Kriegsgefangenschaft,

Dornhausen/Mittelfranken,

„Kirchenrat". 15.8.1945-

1. 8. 1 9 4 5 - 3 1 . 10. 1971

Pfr.

M ü n c h e n - S t . M a t t h ä u s (10. 11. 1 9 6 4 b a y r i s c h e r „ K i r c h e n r a t " ) . WEEBER, R u d o l f , D r . j u r . D .

256

geb. 2 5 . 2 . 1 9 0 6 E ß l i n g e n / W ü r t t e m b e r g , 1 9 3 3 - 1 9 3 4 G e r i c h t s a s s e s s o r , 1 9 3 5 - 1 9 4 9 J u s t i t i ar b e i m E v . O b e r k i r c h e n r a t Stuttgart (bis 1 9 3 6 als A s s e s s o r , bis 1944 K i r c h e n r a t , bis 1 9 4 9 O b e r k i r c h e n r a t ) , 1 9 4 9 - 1 9 7 3 D i r e k t o r i m E v . O b e r k i r c h e n r a t und juristischer Stellvertreter des L a n d e s b i s c h o f s , zugleich V o r s i t z e n d e r des V o r s t a n d e s der E v . Seminarstiftung, seit 1 9 5 5 mit dem T i t e l V i z e p r ä s i d e n t , 1 9 4 6 - 1 9 5 4 M i t g l i e d und bis 1963 V o r s i t z e n d e r des

370

Personenregister/Biographische Angaben

Lutherischen Senats des Disziplinarhofes der E K D , 1951-1967 Mitglied und ab 1964 Vorsitzender des Finanzbeirats der E K D , 1960-1970 Vorsitzender des Kuratoriums der Ev. Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, bis 1975 Stellv. Vorsitzender, 1960-1975 Mitglied, zeitweise Stellv. Vorsitzender und zuletzt Vorsitzender des Vorstandes der Ev. Studiengemeinschaft in Heidelberg, 1967-1973 Mitglied des Rates der E K D , 1953-1970 Vorsitz im Ausschuß für das Hilfswerk der Ev. Landeskirche in Württemberg, 1964-1970 Vorsitz im Landesausschuß des Landesverbandes der Inneren Mission (zuletzt Fusionierung beider Werke zum Diakonischen Werk der ev. Kirche in Württemberg), 1963-1973 Mitglied des Diakonischen Rates, 1953-1977 Mitglied des Exekutivkomitees des Lutherischen Weltbundes, 1955-1977 Schatzmeister des Luth. Weltbundes, zugleich Mitglied und von 1962-1977 Stellv. Vorsitzender des Dt. Nationalkomitees des Luth. Weltbundes, 1948-1980 Vorsitz im Ev. Presseverband für Württemberg, 1951-1962 Stellv. Vorsitzender, ab 1962 Vorsitzender des Gemeinschaftswerkes der ev. Presse, 1950-1963 Stellv. Vorsitzender, ab 1964 Vorsitzender des Ev. Presseverbandes für Deutschland, 1970-1973 Vorsitzender des Ausschusses Publizistik im Struktur- und Verfassungsausschuß der E K D , 1973-1977 Vorsitzender des Vorstandes des Gemeinschaftswerkes der Ev. Publizistik, daneben zahlreiche weitere Ämter im Bereich Entwicklungsdienst, Kirche und Mission, Ökumene, Kirche und Publizistik. WEHNER, H e r b e r t

1 5 6 f.

geb. 11. 7. 1906 Dresden,Journalist, 1930-1931 MdL, seit 1933 in der Widerstandsbewegung tätig, 1935-1946 Emigration in die Sowjetunion und nach Schweden, seit seiner Rückkehr Redaktionstätigkeit Hamburg, Vorstandsmitglied des Landesverbandes der SPD Hamburg, seit 1949 MdB, bis 1966 stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Vorsitzender des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen, seit 1966 Fraktionsvorsitzender, 1953-1973 (Verzicht) stellvertretender Parteivorsitzender, 1966-1969 Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen. WEIZSÄCKER, Carl Friedrich von, Dr. phil 69, 7 1 , 2 3 3 , 2 8 3 geb. 28. 6. 1912 Kiel, 1934 Assistent am Institut für Theoretische Physik Universität Leipzig, 1936 wissenschaftlicher Mitarbeiter Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie, anschließend Assistent für Physik ebd., 1936 Privatdozent Universität Berlin, 1942-1945 ao. Prof. für Theoretische Physik Universität Straßburg, seit 1946 Abteilungsleiter MaxPlanck-Institut für Physik und Honorarprof. Göttingen, 1957-1969 o. Prof. und Direktor des Philosophischen Seminars Universität Hamburg, seit 1970 Direktor des MaxPlanck-Instituts zur Erforschung der Lebensbedingungen in der technisch-wissenschaftlichen Welt Starnberg und Honorarprof. München. WEIZSÄCKER, R i c h a r d v o n , D r . jur.

273

geb. 15. 4. 1920 Stuttgart, 1969-1971 MdB, 1973-1979 stellvertretender Vorsitzender der C D U / C S U Bundestagsfraktion, 1979-1981 Vizepräsident des Dt. Bundestages, 19811984 Regierender Bürgermeister von Berlin, seit 1984 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. WESTER, Reinhard 5 5 , 6 0 f . , 89,91 ff., 99ff„ 103,123ff., 148,159,177ff., 191 f., 196 geb. 2. 6. 1902 Wuppertal-Elberfeld, gest. 16. 6. 1975 Fissau/Eutin, 1929 Jugendpfr. Kiel, 1932 Westerland, im Kirchenkampf Vorsitzender des Landesbruderrates der Bekennenden Kirche von Schleswig-Holstein, in der Kriegsgefangenschaft Lagerpfarrer in Ägypten, 1947-1967 Bischof von Schleswig, 1957-1965 Beauftragter des Rates der E K D für Umsiedler- und Flüchtlingsfragen, 1960-1961 Mitglied des Rates der E K D . WIESNER, Werner, D . theol. D. theol. h.c. 54 geb. 19. 3. 1902 Gr. Ballerstedt/Altmark, 1945 Dozent Göttingen, 1948 apl. Prof., 1949 Prof für Ev. Dogmatik, Ethik, Konfessionskunde, Theologiegeschichte Mainz. WIGGERT, Carl, D r .

115

Landrat, Vorsitzender des Landesverbandes der vertriebenen Deutschen Hamburg. WILD, Georg, Dr. theol. 120f., 2 9 7 , 2 9 9 , 3 0 8

371

Personenregister/Biographische Angaben geb. 1 1 . 1 . 1 9 2 6

Budisva/Batschka,

gest. 1 5 . 2 . 1 9 8 0 ,

1952 L e h r a u f t r a g B e r l i n ,

1967

P r i v a t d o z e n t M a i n z , 1 9 7 4 V o r s t a n d der A b t e i l u n g für O s t e u r o p ä i s c h e G e s c h i c h t e , O s t e u r o p ä i s c h e R e l i g i o n s - und G e i s t e s g e s c h i c h t e , bis 1979 Mitglied des O s t k i r c h e n a u s schusses der E K D , P f r . H a r x h e i m . WILKENS, E r w i n , D .

8 6 f . , 9 7 , 9 9 , 104, 1 0 9 f . , 1 1 3 f „ 119, 1 2 8 f f . , 136, 1 3 9 f f . , 157, 1 5 9 ,

1 6 2 , 1 6 8 f., 1 7 8 , 1 8 1 , 2 0 3 , 2 1 3 f f „ 2 3 1 , 2 3 3 f „ 2 3 6 , 2 3 9 , 2 5 4 ff. geb. 11. 7. 1 9 1 4 L i n g e n / E m s , 1941 Hilfsgeistlicher H a n n o v e r - H e r r e n h a u s e n , 1 9 4 7 Pfr. V ö h r u m / P e i n e , 1 9 3 9 - 1 9 4 5 W e h r d i e n s t , 1951 theol. R e f e r e n t und L e i t e r der Pressestelle im L u t h . K i r c h e n a m t , Mitglied der E K D - K a m m e r für ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g , 1964 R e f e r e n t f ü r Ö f f e n t l i c h k e i t s a r b e i t in der K i r c h e n k a n z l e i und als s o l c h e r G e s c h ä f t s f ü h r e r der K a m m e r für ö f f e n t l i c h e V e r a n t w o r t u n g , 1 9 7 5 - 1 9 8 0 V i z e p r ä s i d e n t der K i r c h e n k a n z lei d e r E K D . WILM, Ernst, D .

36,93f., 116,167,198ff., 254f„ 257,282

geb. 2 7 . 8. 1901 R e i n s w a l d e / B r a n d e n b u r g , ord. 16. 1. 1 9 2 7 , 1. 2. 1928 P f r . B e t h e l , 1929 L ü d e n s c h e i d , 1931 M e n n i g h ü f f e n , 1 9 4 2 - 1 9 4 5 K Z D a c h a u , 7. 1. 1949 Präses der E v . K i r c h e v o n W e s t f a l e n , 31. 12. 1968 i. R . , 1 9 5 7 - 1 9 6 9 Mitglied des R a t e s der E K D . WITTRAM, R e i n h a r d , D r . phil

295

geb. 9. 8. 1902 B i l d e r l i n g s h o f bei R i g a , gest. 16. 4 . 1973 M e r a n , 1928 P r i v a t d o z e n t Riga, 1935 ao. P r o f . , 1938 o. P r o f . , 1941 P o s e n , 1 9 4 6 L e h r a u f t r a g G ö t t i n g e n , 1 9 5 5 o. P r o f . für M i t t l e r e und N e u e r e O s t e u r o p ä i s c h e G e s c h i c h t e ebd. WÖLBER, H a n s - O t t o , D r . theol. D .

160,164f., 167,222,225,283f.

geb. 2 2 . 12. 1913 H a m b u r g , ord. 1 9 4 2 , 1 9 4 0 W e h r d i e n s t und Kriegsgefangenschaft, 1942 P f r . H a m b u r g , nach 1 9 4 5 L a n d e s j u g e n d p f r . H a m b u r g , 1 9 5 6 - 1 9 6 4 H a u p t p f r . St. N i c o l a i , 1 9 5 9 S e n i o r (Stellvertreter des B i s c h o f s ) , 1964 B i s c h o f der h a m b u r g i s c h e n K i r c h e ( j e t z t : N o r d e l b i e n ) , 1 9 6 9 - 1 9 7 5 L e i t e n d e r B i s c h o f der V E L K D , Mitglied des R a t e s der E K D . WOLF, Ernst, D .

54

geb. 2. 8. 1902 Prag, gest. 11. 9. 1971 W a l c h e n s e e , 1925 P r i v a t d o z e n t für historische T h e o l o g i e R o s t o c k , 1 9 3 0 T ü b i n g e n , 1931 P r o f . B o n n , 1935 H a l l e , 1945 G ö t t i n g e n . WRZECIONKO, Paul, D r . theol. D r . phil.

53

geb. 18. 11. 1916 T e s c h e n / S c h l e s i e n , 1 9 5 8 P r i v a t d o z e n t M ü n s t e r , 1960 D o z e n t , 1965 apl. P r o f . für S y s t e m a t i s c h e T h e o l o g i e ebd.. WURM, T h e o p h i l , D .

220,294

geb. 7. 12. 1868 Basel, gest. 2 8 . 1. 1953 Stuttgart, 1 9 2 0 D e k a n R e u t l i n g e n , 1 9 2 7 Prälat H e i l b r o n n , 1 9 2 9 w ü r t t e m b e r g i s c h e r K i r c h e n p r ä s i d e n t , 1 9 3 3 - 1 9 4 9 mit dem T i t e l „ L a n d e s b i s c h o f " , 1 9 4 5 - 1 9 4 9 V o r s i t z e n d e r des R a t e s der E K D . WYSZYNSKI, Stefan ( 1 9 0 1 - 1 9 8 1 )

22,220

1948 E r z b i s c h o f von G n e s e n und W a r s c h a u , P r i m a s von P o l e n . . ZÄNKERkOtto

295

geb. 2 9 . 6. 1876 H e r z k a m p / W e s t f a l e n , gest. 30. 1. 1 9 6 0 Bielefeld, 1912 S t u d i e n d i r e k t o r des Predigerseminars in Soest, 1925 G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t für Breslau und O b e r s c h l e sien, 1933 B i s c h o f in Schlesien, 30. 11. 1941 in den R u h e s t a n d versetzt, 1 9 5 0 V o r s i t z e n der der „ G e m e i n s c h a f t ev. S c h l e s i e r " , 1951 V o r s i t z e n d e r des J o h a n n e s - W e r k s . ZAHRNT, H e i n z , D r . theol.

282

geb. 3 1 . 5. 1 9 1 5 K i e l , 1 9 3 9 P f r . Schleswig, 1 9 4 0 Assistent Universität W i e n , 1941 W e h r dienst, 1945 P f r . R o s e n h e i m , 1 9 4 6 S t u d e n t e n p f r . Kiel, 1 9 5 0 - 1 9 7 5 T h e o l . C h e f r e d a k t e u r b e i m „ D e u t s c h e n A l l g e m e i n e n S o n n t a g s b l a t t " , seit 1 9 6 0 im Präsidium des D t .

Ev.

K i r c h e n t a g e s , 1 9 7 1 - 1 9 7 3 dessen Präsident.. ZIEGLER, A d o l f W i l h e l m , D r . theol.

123

geb. 9. 3. 1 9 0 3 M ü n c h e n , 1 9 2 7 P r i e s t e r w e i h e F r e i s i n g , Seelsorgetätigkeit,

1938-1945

D o z e n t P r i e s t e r s e m i n a r Freising und U n i v e r s i t ä t W ü r z b u r g , 1 9 4 5 - 1 9 4 8 ao. P r o f . H o c h schule D i l l i n g e n , 1 9 4 8 - 1 9 6 8 o. P r o f . und L e i t e r des Seminars für A l t e K i r c h e n g e s c h i c h t e U n i v e r s i t ä t M ü n c h e n , M i t g l i e d des K u r a t o r i u m s des O s t e u r o p a s - I n s t i t u t s , K u r a t o r F r e i e Ukrainische Universität München.

372

Personenregister/Biographische Angaben

ZIESEL, Kurt 157 geb. 25. 2. 1911 Innsbruck, 1931-1933 Schriftleiter der „Deutsch-Österreichischen Tageszeitung", 1936 Schriftleiter der nationalsozialistischen „Westfälischen Landeszeitung Rote Erde" Dortmund, Teilnehmer am Zweiten Weltkrieg, Kriegsberichterstatter. ZÖCKLER, T h e o d o r

295

geb. 5. 3. 1867 Greifswald, gest. 18. 9. 1949 Stade, 1891 Judenmissionar in Galizien, 1896 Gründung und Leitung der Anstalten in Stanislau (Bodelschwingh des Ostens), als 1919 Galizien polnisch wurde, Aufbau des Kirchen- und Schulwesens, Vorkämpfer ökumenischer Verständigung mit Polen, im Ersten Weltkrieg floh er dreimal mit der Anstalt, Weihnachten 1939 Umsiedlung in den Warthegau, nach 1945 Siedlungswerk für Ostflüchtlinge in Stade.

ZOLLENKOPF, H u b e r t u s , D r .

273

Oberregierungsrat, Synodaler Schleswig-Holstein.

INSTITUTIONEN- U N D SACHREGISTER Abendland 2 6 f f . , 30 Abendmahl 314 Ackermann-Gemeinde 3 - vgl. auch Sudetendeutsche Akademien, evangelische 55, 59, 203 - vgl. auch Arnoldshain; Bad B o l l ; H a m burg; Iserlohn A k t i o n Sühnezeichen 78 Albertus Magnus Kolleg 4 9 , 1 0 5 - vgl. auch Vertriebenenarbeit, katholische Alliierte 3 9 , 3 1 6 - vgl. auch Besatzungsmächte; Besatzungszonen; Siegermächte Amerika vgl. Vereinigte Staaten von A m e rika Ansiedlung 307 Antikommunismus 8, 26 Anti-Rassismus-Programm 273 - vgl. auch Ö k u m e n i s c h e r Rat der Kirchen Arbeiterschaft 204 - vgl. auch Soziale Frage Arbeitsausschuß für „Heimatrecht und Selbstbestimmung" 50 f. - vgl. auch Arbeitskreis für Ethik und Recht Arbeitsgemeinschaft der Hilfskomitees der verdrängten Ostkirchen 4 9 , 1 4 0 - vgl. auch Hilfskomitees Arbeitskreis der Kirchlichen Bruderschaften in der E K D 68 - vgl. auch Bruderschaften, kirchliche Arbeitskreis für Ethik und Recht 50, 53 f., 66, 7 3 f . , 8 7 , 9 1 , 2 4 0 , 2 5 8 , 2 7 6 - vgl. auch Ostkirchenausschuß Arbeitskreis „Kirche und R e c h t " (1949) 53 f., 8 8 f f . , 91 ff., 94 Arbeitskreis für Ostfragen 47, 76 - vgl. auch Barsinghausener Gespräche; Vertriebenenverbände Arbeitsplätze 274 - vgl. auch Soziale Frage Arnoldshain - Ev. Akademie 39, 45, 49 f., 54, 62, 66, 105 Atheismus 143, 1 5 5 , 2 0 6

Atlantik-Charta (14. 8. 1 9 4 1 ) 6 Atomwaffen 56, 132, 1 3 6 , 1 8 8 , 2 8 8 - vgl. auch Remilitarisierung Aufnahmekirchen 20, 3 0 0 ff. - vgl. auch Eingliederung; Vertriebenenaufnahme Ausch w i t z - P r o z e ß 102 Ausland 157 Auslandsdeutsche/Auslandsdeutschtum 207,282 ,295,307f. Außenministerkonferenz (1959) 6 Außenpolitik -

deutsche 6 f., 7 5 , 1 1 5 , 1 4 7 , 1 5 4 , 1 6 1 amerikanische 10

- vgl. auch Vereinigte Staaten von Amerika Auswärtiges A m t 299 Bad Boll - Ev. Akademie 2 1 6 f f „ 222, 231 Baden - Ev. Kirche 306 - Landessynode 243, 302 - Landessynode (29. 4. 1966) 243 Baltikum 2 9 8 Barmer Theologische Erklärung, 80, 82, 8 4 f . , 228 - vgl. auch Bekennende Kirche Barsinghausener Gespräche (28. 2. 2. 3. 1 9 5 8 ) 4 7 , 6 1 , 7 6 , 2 9 6 Bayern 1 6 8 , 1 9 6 , 2 0 9 , 3 0 3 - Ev.-Lutherische Kirche 61 f., 159, 197, 2 0 2 , 2 0 5 f . , 208, 210, 302, 314 - Kirchenleitung 168, 2 0 1 , 2 0 5 f., 209, 305 - Landesbischof 297 - Landeskirchenrat 302 - Landessynode 302 - Bezirkssynode 302 - Landessynode ( 2 5 . - 2 9 . 10. 1965) 175, 201,207 - Landessynode (6 - 11. 2. 1 9 6 6 ) 2 0 8 - Kirchenvorstände 302 - Pfarrer 209, 2 7 9 - Hilfskomitees 279 - Konvent der Vertriebenenarbeit 6 1 , 2 7 8 , 281,286

374

Institutionen- und Sachregister

- - Entschließung (1970) 279 ff. - Landesarbeitsgemeinschaft ev. Schlesier

- Ev. Kirche 245 f., 306 - Kirchenausschuß 245 208 - Kirchentag 245 - vgl. auch Gustav-Adolf-Werk - 36. Kirchentag (24. 3. 1966)246 Beienroder Konvent 36, 60, 77ff., 84ff., - Gemeinden 245 92,112,153,174,226,277 f., 286 Bruderräte 26, 35 - vgl. auch Berliner Konvent ehemaliger - vgl. auch Bruderschaften, kirchliche; Ev. ostpreußischer Pfarrer Kirche in Deutschland; Ostpreußen Bekennende Kirche 84, 226 ff., 254 Bruderschaften, kirchliche 32, 36 f., 79, - vgl. auch Bruderräte; Kirchenkampf; 107,110,163,173 Ostpreußen - vgl. auch Bielefelder Arbeitskreis; Württemberg Bekenntnis 194f„ 314 - vgl. auch Kein anderes Evangelium; Kir- Bulgaren 265 che; Konfession Bund Bekenntnissynode vgl. Ev. Kirche der Alt- - der Heimatvertriebenen und Entrechtepreußischen Union; Ostpreußen ten (BHE) 23,41 Berlin - der Vertriebenen (BdV) 5,101,115, 117, 123,143,154 f., 211 f., 254 ff., 263f. - Landesverband des Bundes der Vertriebenen 212 - Präsidium 64,156 Berlin-Brandenburg 6 - vgl. auch Erklärungen, Kasseler Ent- Ev. Kirche 242 schließung; Berlin - vgl. auch Brandenburg Bundesrepublik Deutschland 9 f., 13,45, - Kirchenleitung 255 77,115,140,142,152,156,222,275f„ 284 f. - Bereich Berlin-West 74, 81 - Ev. Kirche 306 - Bundeskanzler 71, 154, 268 f., 271 - Regionalsynode 242,284 - Bundespräsident 71 Berlin-Krise 10,270,286 - Bundesregierung 32, 46, 76, 78, 98, 108, 121,155,254,261,267,269,272,284, - vgl. auch Vier-Mächte 297 Berliner Konvent ehemaliger ostpreußischer Pfarrer 81 ff., 153 - Bundestag 8f., 18, 34, 46, 74, 98, 108, - vgl. auch Beienroder Konvent 121,143,149,155,270,272,275,284, Besatzungsmächte vgl. Siegermächte 286 Besatzungszonen 34 vgl. auch Freie Demokratische Partei - sowjetische Zone 18, 73,115 - Bundestagsabgeordnete 68, 72, 78, 103, - vgl. auch Deutsche Demokratische Re284 f. publik der C D U 70, 74 - westliche Zonen 314 vgl. auch Gesamtdeutscher Rat Bielefelder Arbeitskreis 105 - Bundestagswahlen 141,151 - vgl. auch Bruderschaften, kirchliche vgl. auch Wahlkampf Bielefelder Thesen 104 ff., llOff., 115,117, - Grundgesetz 285 - vgl. auch Deutschland 131,134, 136,232 Bundesvertriebenenminister 261 Bolschewismus 7,26 f., 29 f., 33 f., 183 Bundeswehr 203 - vgl. auch Kommunismus - vgl. auch Remilitarisierung Bonn Burschenschaft vgl. Deutsche Burschen- Synode 117 schaft - vgl. auch Rheinland Brandenburg Charta der deutschen Heimatvertriebenen - Ev. Kirche 22 (5. 8. 1950) Iff., 11 ff., 17f., 22, 25, 44, Braunschweig 122,125,173, 231,237,243,263,265,278 - ev.-lutherische Landeskirche 306 - vgl. auch Göttinger Abkommen - Landessynode (6. 12. 1965)201 Christen/Christentum 28, 30, 220, 225, Bremen

Institutionen- und Sachregister 232, 237f„ 241, 270f„ 280, 283, 298, 308 - vgl. auch Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen; Institut für Christliche Gesellschaftswissenschaft Christlich Demokratische Union (CDU) - Ev. Arbeitskreis 211 Christliche Friedenskonferenz 84,143 Danzig-westpreußischer Kirchenbrief 264 Danziger 308 Darmstädter Wort (8. 8. 1947)67 Demokratie 9, 282 Demokratisch-Konservative Korrespondenz 157 Denkschriften der Ev. Kirche in Deutschland - Aufgaben und Grenzen kirchlicher Äußerungen zu gesellschaftlichen Fragen (1970) 291 - Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn (1965) 16,25,28, 54,63,66ff., 72,97,101,104f., 107f., 114,117f., 128 ff., 144 ff., 156 ff., 170ff., 175 f., 178 ff., 265, 267f„ 271,273 f., 278,281,283,285ff„ 291 f., 312f., 315 - - Entwurf 142 f. - vgl. auch Memorandum, vorläufiges - - Veröffentlichung 145f., 148ff., 177, 238,253 - Die Neuordnung der Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland als gesellschaftliche Aufgabe (1965) 151 f. - Eigentumsbildung in sozialer Verantwortung (1962) 146,160 - Teilzeitarbeit von Frauen (1965) 146,160 Der Remter 55 f. Der Spiegel 76 Der Volksbote 68 Der Weg 76 Deutschbalten 295 f., 303 - vgl. auch Theologischer Verein zu Dorpat Deutsche Bischofskonferenz 255,264, 268 ff. Deutsche Burschenschaft 203 Deutsche Christen 59, 79, 84,228 - vgl. auch Kirchenkampf Deutsche Demokratische Republik 20,68, 74, 82,97,116,134f., 142f., 145ff„ 157,222,284 f.

375

- vgl. auch Besatzungszonen; Ostdeutschland - Ev. Kirche 147 - Gliedkirchen der EKD 35,37 Deutscher Evangelischer Kirchentag 17, 21,282 - Essen (1950) 12ff. - Leipzig (1954) 38 - München (1959) 297 - Hannover (1967) 249 - vgl. auch Kirchentag Deutscher Katholikentag - 81. Bamberg (1966) 254 - vgl. auch Römisch-Katholische Kirche Deutscher Ostdienst 56,101 Deutscher Ritterorden 30 Deutsches Reich 142,161,266 Deutschland 6,155,159,172,174,195, 224,227,266,286,316 - Einheit 6, 8 vgl. auch Wiedervereinigung - Teilung 116,127 vgl. auch Grenzen; Kuratorium Unteilbares Deutschland; Potsdamer Abkommen Deutschlandpolitik 54,107,116,152 - vgl. auch Ostpolitik Diakonie 269,305,313 - vgl. auch Institut für Diakoniewissenschaft; Politische Diakonie Diakonisches Werk der E K D 312 - vgl. auch Hilfswerk der EKD; Innere Mission Die Welt 157,185 f.,254 f. Diözesangebiete, östliche 22,267 - vgl. auch Polen, katholische Kirche Echo der Zeit 154 Eigentum 38 Eingliederung 1,12, 20, 62,66, 107ff„ 121 f., 130 ff., 144 f., 184,191,212,231, 262,294,300,302 ff., 310,313 ff. - vgl. auch Aufnahmekirchen; Vertriebenenaufnahme; Wahl Einheimische 168,174, 294, 302, 309 Episkopat, deutscher katholischer 220,239 vgl. auch Deutsche Bischofskonferenz; Römisch-Katholische Kirche - polnischer 220,239 vgl. auch Polen Erbe, heimatkirchliches 20, 29, 48, 84,121, 226 f., 231,237,243,262,290,293 ff., 305 ff., 315

376

Institutionen- und Sachregister

- vgl. auch Bekenntnis; Heimatkirche; Konfession; Liturgie; Ostdeutscher ev. Studienkreis; Tradition Erklärungen zur Vertriebenenfrage, kirchliche - An die evangelischen Vertriebenen zum zwanzigsten Jahr nach der Vertreibung (26. 4. 1965) 119ff., 176,178 - Erklärung zum Verhältnis von Versöhnung und Politik (12./13. 11. 1971)276 - Erklärung zur gegenwärtigen Auseinandersetzung über die Ostverträge (20. 3. 1 9 7 2 ) 2 8 1 , 2 8 3 , 2 8 5 , 3 1 5 - 25 Jahre kirchliche Vertriebenenarbeit (2. 5. 1970) 264ff. - Pastoralbrief an die heimatvertriebenen Katholiken zum Jahr der Menschenrechte 1965 123 ff. - Rückblick auf 25 Jahre (1970) 264 f. - Verlautbarung von 25 Theologen und Nichttheologen (29. 3. 1972) 282 ff. - Wort an die Vertriebenen (6. 3. 1970) 262 ff. - Wort des Rates der E K D zum 8. Mai 1945/1970 (8. 5. 1970) 264, 266f., 315 - Wort des Rates der E K D zur Besinnung auf das Kriegsende 1945 (9. 4. 1965) 124 ff., 140 Erklärungen zur Vertriebenenfrage, säkulare - Berliner Entschließung (10./11. 9. 1955)

6

- Eichstätter Deklaration (Advent 1949) 3 - Kasseler Entschließung (2. 5. 1959)6 - vgl. auch Charta der deutschen Heimatvertriebenen (5. 8. 1950) Ersatzdienst 159 - vgl. auch Kriegsdienstverweigung Erzählgemeinschaften 294 Esten 74 Ethik 56, 1 2 5 , 1 3 3 , 1 3 6 , 1 4 7 , 1 6 2 , 1 6 5 , 1 8 8 , 211,215,219,233,270,280,315 - evangelische 115 f. - politische 2 6 , 1 4 1 , 2 1 4 , 2 5 2 , 2 8 7 , 3 0 8 Europa/Europagedanke 1 ff., 5 , 9 , 1 1 , 1 3 , 26ff., 3 9 , 4 5 , 4 7 , 6 5 , 1 2 1 , 1 7 6 , 1 8 0 , 2 0 0 , 2 3 2 , 2 6 6 , 2 7 0 , 2 8 0 , 2 8 3 ff., 296,308 - vgl. auch Friedensordnung; Verträge Europäische Verteidigungsgemeinschaft 31 - vgl. auch Westmächte

Eutin - Ev.-lutherische Landeskirche 302, 306 Ev. Hilfswerk vgl. Hilfswerk Ev. Kirche der Altpreußischen Union 140, 303 - Bekenntnissynode Halle (1937) 314 - vgl. auch Ev. Kirche der Union Ev. Kirche der Union ( E K U ) 171,191, 194,197ff., 2 4 2 , 2 4 6 , 3 1 2 - Kirchenleitung 36 - Ev. Oberkirchenrat 21 - Rat 81 - Kirchenkanzlei 82,299 - Synoden 200 - 3. Synode (2. 12. 1965) 198,200 - vgl. auch Berlin-Brandenburg; Ev. Kirche der altpreußischen Union Ev. Kirche in Deutschland ( E K D , E K i D ) 1 4 , 1 8 , 2 2 , 2 5 , 32, 3 5 , 3 7 , 4 4 , 5 9 , 6 1 , 70f., 8 6 , 9 1 , 9 5 , 9 9 f f „ 103,109f., 127f., 1 3 6 , 1 4 3 , 1 4 8 , 1 5 0 f „ 153,155 ff., 163 ff., 167ff., 177,181 f., 1 8 5 , 1 8 7 , 1 9 0 f . , 196, 199 f., 2 0 2 , 2 0 6 , 2 0 8 ff., 2 2 6 , 2 3 3 , 2 4 6 , 2 4 9 , 2 5 4 , 2 5 6 ff., 263 f., 268 ff., 282 f., 2 8 7 , 2 8 9 f . , 2 9 7 , 2 9 9 f . , 303f., 306,309, 312 ff. vgl. auch Arbeitskreis „Kirche und Recht" (1949); Diakonisches Werk; Hilfswerk; Tagung - Bruderrat 302 vgl. auch Darmstädter Wort - Rat 1 8 , 3 2 , 3 5 , 5 1 , 5 3 , 5 5 , 6 1 , 6 8 f . , 71 f., 75f., 82, 84, 87ff., 96f., 99f., 102,110, 113 f., 118 f., 124,127ff., 133f., 138ff., 143,145 ff., 151 f., 158ff., 165ff„ 173, 176,178 ff., 1 9 0 , 1 9 2 , 1 9 5 , 1 9 7 , 1 9 9 f . , 211 ff., 2 1 6 , 2 2 1 , 2 3 0 , 2 4 0 , 2 4 5 , 2 5 0 , 255 ff., 262 ff., 268 ff., 275,281 ff., 285 ff., 303 ff. Sitzungen - 29./30. 11. 1962 8 8 , 9 3 , 1 0 0 - 18. 1. 1963 89ff.,97ff., 102 - 1 3 . 3 . 1963 9 7 , 9 9 f . , 102 - 4./5. 2. 1965 141 - 11.2. 1965119,124,128,139 - 4.-7. 5. 1965 141 f. - 12./13. 8. 1965 145ff. - 11. 11. 1965 211 f. - 16./17. 12. 1965 175,178,211 ff. - 27.12%. 1. 1966 182,184,211 - 30. 6/1. 7. 1966 185 - Dezember 1970 269

Institutionen- und Sachregister 20./21.4. 1972 285 - vgl. auch Erklärungen, Erklärung zur gegenwärtigen Auseinandersetzung über die Ostverträge, Wort an die Vertiebenen, Wort zum 8. Mai, Wort zur Besinnung auf das Kriegsende Ratsvorsitzender 35, 39f., 83f., 98, 100, 126 ff., 138,140,148,152,157,160, 168 f., 175 f., 178,201,212,225,257, 268 ff., 276,278,280,285 Synode 17,21, 35,68,151,159f„ 165, 173,195,197,209,258,268,281,303 ff. Bethel (1949) 53 Berlin-Weißensee (1950) 14ff., 20f., 47, 66, 305 Hamburg (1951) 304 f. Elbingerode (1952) 304 Berlin-Spandau (1956) 37 Berlin (1958) 288 Frankfurt-Magdeburg (1965) 134 Arbeitstagung Frankfurt/Main (1965) 148, 158 ff., 164 ff., 172,175,188,190, 192,194,201,211,220,224,244,291 Synodalausschuß zum Studium der Denkschrift 202,244 Berlin und Potsdam (1966) 184,194, 196,198,213 f., 217,221 ff., 227ff., 235, 239 f.,244,248,271,290 - Vorbereitungsausschuß 176,214,216, 221 ff., 231,235,244 Teilsynode, östliche (Postsdam-Babelsberg) 236 Erklärung vgl. Vertreibung und Versöhnung Stuttgart (1970) 266 Berlin (1971) 272 ff., 281 f. Frankfurt/Main (1971) 278f. Berlin-Spandau (1972) 287 Freiburg (1975) 275 Kirchenkonferenz 18, 269 vgl. auch Gliedkirchen Kirchliches Außenamt 39 Kirchenkanzlei 21, 32, 35, 54, 71, 73, 82, 88 f., 93, 96, 98,101 f., 104,119,123, 127,133,141 f., 151 ff., 158,166,175, 177f., 184,187, 200, 214f., 263f., 291, 296f., 299,301 f., 312 Statistisches Amt 305 Diakonischer Beirat 304 Flüchtlingsbeirat 60 f. Beauftragter für Umsiedler- und Vertriebenenfragen 94,158,312

377

- Bevollmächtigter am Sitz der Bundesrepublik Deutschland 268 - vgl. auch Denkschriften; Grundordnung; Kammern Ev. Kommentare 281 Ev. Notgemeinschaft in Deutschland 285, 291 - vgl. auch Notgemeinschaft evangelischer Deutscher Ev. Pressedienst 70,170,177,210,255, 262,286 Ev. Presseverband (Schleswig-Holstein) 76 Ev. Reformierte Kirche in Nordwestdeutschland 306 Evangelium 54, 84,92,101f., 105f., 112ff., 116, 160,164, 172,180, 193,225, 251,265,288,297 - vgl. auch Verkündigung Exilkirche 206 Flüchtlingskirche 309 f., 315 - vgl. auch Heimatkirchen Flüchtlingsseelsorge vgl. Vertriebenenseelsorge Frankfurter Rundschau 45 Freie Demokratische Patei (FDP) - Fraktion im Bundestag 211 Freikirche 40 Freimaurer 203 Frieden/Friedensordnung 26,140,152 f., 160, 162,168, 188, 232f., 237,249f., 254,258,265,271,277ff., 282,284 f., 290 - europäische 7, 12,135, 172f.,270f., 273 f. - vgl. auch Europa Frömmigkeit 262,294 - vgl. auch Erbe; Tradition Fuldaer Bischofskonferenz vgl. Deutsche Bischofskonferenz Geheime Staatspolizei (Gestapo) 266 - vgl. auch Nationalsozialismus Gemeinden 150,165,170,192, 196,198, 202 f., 209,212,242,262,274 f., 294, 302 f.,306, 309 ff. - vgl. auch Aufnahmekirchen; Hamburg; Hessen und Nassau; Westfalen Gemeinschaft ev. Ostpreußen vgl. Hilfskomitees Gemeinschaft ev. Schlesier vgl. Hilfskomitees

378

Institutionen- und Sachregister

Gemeinschaft ev. Sudetendeutscher vgl. Hilfskomitees Genfer Gipfelkonferenz (Juli 1955) 9 Gericht Gottes/Gerichtsgedanke 26 f., 48, 51,61, 78,91,107,116,127,130,155, 174,180,206,214,217ff., 227,229f., 232, 245,251 ff., 254,265, 290,292, 315 f. - vgl. auch Schuldfrage Gesamtdeutscher Rat 98 Geschichte 91,132,161,163,205,228, 230,237f., 240 f., 270,280,292,296, 308 Geschichtstheologie 38,49, 51, 53, 85, 136, 180,220f., 225,240,245,290 Gesellschaft 141,144 f., 167, 200, 213, 244, 276,291 f., 307,309,316 Gewaltverzicht 236,243, 274, 277 - vgl. auch Verzicht Gewerkschaften 203 - vgl. auch Soziale Frage Glaube und Heimat 172 Gliedkirchen der E K D 134,181,195, 197f., 245,269,299,301,312 - Konferenz der westlichen Gliedkirchen 297 - vgl. auch Ev. Kirche der Union; Landeskirchen; Vereinigte Ev.-lutherische Kirche Deutschlands Göttinger Abkommen (20. 11. 1949) 1 Göttinger Arbeitskreis 45, 95,123,173, 212, 228 Göttinger Thesen (1949) vgl. Arbeitskreis „Kirche und Recht" (1949) Gottesdienst 108,231,260,313 - vgl. auch Liturgie Gottfried-Herder-Institut 295 Grenzen/Grenzfrage 57, 68,108,114,140 - vgl. auch Oder-Neiße-Grenze; Ostgrenzen Grundordnung der E K D 99,304 - vgl. auch Neuordnung Gruppenorientierung 93 f., 207, 209,247, 288,310 Gruppenseelsorge 160,252 f. - vgl. auch Vertriebenenseelsorge Gustav-Adolf-Werk (GAW) 312 Haftungsgemeinschaft 218,229f., 240, 258, 292 Hallstein-Doktrin 46 Hamburg

- Ev. Akademie 203 - Ev.-lutherische Kirche 306 - Gemeinden 203 - Synode (18. 11. 1965) 164 - 2. Synode (19.-21. 5. 1966) 202,243 ff. Hannover - Ev.-lutherische Landeskirche 197,243, 301,306,314 - Hilfskomitees 301 - Kirchenleitung 301, 305 - Kirchensenat 301 - Kirchenvorstände 301 - Landeskirchenamt 201, 301 - Landessynode 243, 301 - 17. Landessynode (1966) 243 - Landessynode (1972) 284 Heimat 1,3 ff., 14,22 f., 26 f., 36,39,42, 63f., 84, 91, 95, lOOf., 103f., 112,120, 124, 157, 174, 187,210,214f., 231,239, 265,267f„ 291,303,307,313 f. Heimatkirchen 121,292,296, 306, 310 - vgl. auch Tag der zerstreuten Heimatkirchen Heimatortskartei 295 Heimatverbände 180 Heimatverlust 107, 127,136,147, 163,174, 202,206,227,231,270,294 - vgl. auch Vertriebenenschicksal Herrenhuter Brüdergemeine 263 Hessen 40 Hessen und Nassau - Ev. Kirche 40,245 f.,306 - Gemeinden 245 - Kirchenleitung 31 f., 36, 305 - Landessynode (1965) 195 Studienausschuß zur Durcharbeitung der Denkschrift der EKD 244 f. - Landessynode (1966) 201 - Synode 39 f., 42 f.,244 f. Synodalausschuß 40 Theologischer Ausschuß 40,42 - Vertriebenenverbände 245 Hilfskomitees 2,21,31,33,49, 78f., 84, 113,141 f., 153,167,170f., 173 f., 176, 186,231,236 f., 239f., 286,294 f., 299f., 312f. - vgl. auch Arbeitsgemeinschaft der Hilfskomitees der verdrängten Ostkirchen; Hamburg; Hannover; Konvent der zerstreuten ev. Ostkirchen; Ostkirchenausschuß; Tagung

Institutionen- und Sachregister

-

- 16.2.1963 96,99,103 - 29. / 3 0 . 9. 1963 107 - 2 9 . / 3 0 . 11. 1963 103 ff. - 2 1 . / 2 2 . 2. 1964 107ff., 129

-

- 2./3. 10. 1964 113f., 1 2 9 , 1 3 3 ff. - 18./19. 12. 1964 134 ff. - 19./20. 2. 1965 1 1 9 , 1 3 8 f .

-

Hilfskomitee der Ev.-lutherischen Kirche aus Bessarbien 295

Hilfskomitee der Galiziendeutschen 2 9 5 Hilfskomitee der Ev. Kirche aus Jugoslawien 3 f. - vgl. auch Jugoslawien

Hilfskomitee der ev. Deutschen aus O s t preußen 2 6 , 5 9 , 7 8 f . , 81, 8 4 , 1 2 5 , 2 1 6 - vgl. auch Ostpreußen - Gemeinschaft ev. Schlesier 7 6 , 1 4 0 , 153, 1 6 8 , 2 0 1 , 2 0 5 , 2 0 8 f . , 2 4 1 , 2 4 8 f f . , 290, 297,307 - vgl. auch Bayern; Schlesien - Hilfskomitee der Ev.-lutherischen Slowakeideutschen 61 - Gemeinschaft ev. Sudetendeutscher 172 - vgl. auch Sudetendeutsche Hilfswerk der Ev. Kirche(n) in Deutschland 14, 2 9 5 , 304 f. - Zentralbüro 301 - vgl. auch Hilfskomitees Hugenotten 306 f. Imperialismus 154

-

379

3. 4. 1965 139f. K a m m e r für publizistische Arbeit 151 K a m m e r für soziale O r d n u n g 141, 151,

282

- vgl. auch Denkschriften Kapitulation 1 2 7 , 1 7 4 , 261, 2 6 4 , 2 6 6 - vgl. auch Weltkrieg Katholikentag vgl. Deutscher Katholikentag Katholischer Flüchtlingsrat 7 6 , 1 2 2 f „ 125, 255 - vgl. auch Erklärungen, Pastoralbrief; Vertriebenenarbeit, katholische Kein anderes Evangelium 228 Kiel - Universität 203 Kirche

Innere Mission 304 f. - vgl. auch Diakonisches W e r k ; Hilfswerk Institut - für Christliche Gesellschaftswissenschaft 297 - für Diakoniewissenschaft 2 9 7 - für Osteuropakunde 2 9 9 Iserlohn

-

- Ev. Akademie 48 f f . , 6 6

- lutherische 3 0 3 , 314 - reformierte 303, 314

Judenverfolgung 65, 67, 2 6 6 Jugend 2 6 9 , 2 7 1 Jugoslawien 4 6

- unierte 303, 314 - vgl. auch Ev. Kirche der Altpreußischen U n i o n ; Ev. Kirche in Deutschland; Ev. Kirche der U n i o n ; O s t b l o c k ; O s t deutschland; Vereinigte Ev.-lutherische Kirche Deutschlands Kirche unter dem Kreuz 42 f., 2 6 5 , 278, 315

Junge Kirche

110,117

Kalter Krieg 15 f., 18, 37 - vgl. auch Koexistenz Kammern der E K D 9 6 f . , 99, 195 - K a m m e r für öffentliche Verantwortung 68, 76, 8 7 f f . , 9 2 f f . , 102ff., 108ff., 114, 1 1 8 f f „ 1 2 3 , 1 2 8 f „ 131 ff., 135, 137, 140f., 144 f., 148 f., 1 5 1 , 1 5 3 f . , 158f., 1 6 2 , 1 6 5 f f . , 1 6 9 , 1 7 8 , 1 9 1 f., 2 0 6 , 2 1 3 , 2 2 3 , 2 4 5 , 2 5 4 , 2 5 8 f. - Vorsitzender 96, 110, 137, 157 - Geschäftsführer 138, 141 - Sitzungen - 12. 10. 1960 87

evangelische 1 7 f . , 21, 25, 3 3 f . , 37, 39, 4 1 , 4 5 , 4 9 f . , 55, 5 9 f . , 67, 6 9 f „ 72, 76, 78, 88, 92, 95, 9 8 f . , 102, 1 0 8 , 1 1 6 f . , 119 f., 130, 141, 1 4 7 , 1 5 1 f., 154 ff., 171, 173, 179, 189f., 198f., 201 ff., 2 1 0 , 212, 220,222,226,228,230,244,248,251, 253 ff., 2 6 9 , 2 7 1 f., 2 7 5 , 2 7 8 , 2 8 1 , 2 8 3 ff., 308 f., 313 f.

Kirchenaustritt 1 7 1 , 2 0 8 , 2 1 0 Kirchendienst O s t 89 Kirchenkampf 78 f., 82, 8 4 , 9 5 , 2 0 7 , 2 2 6 f., 309 - vgl. auch Bekennende Kirche; Bruderrat Kirchenreform vgl. Neuordnung Kirchentag vgl. Deutscher Ev. Kirchentag - schlesischer - Entschließungen 286

380

Institutionen- und Sachregister

- 3. Kirchentag (1961) 20,298 - 4. Kirchentag (1.1967 Worms) 168, 249 ff. - 4. Kirchentag (II. 1971 München) 277f. Kirchentage, ostpreußische 81 Kirchenverfassung vgl. Grundordnung Kirchenversammlung der EKD - Treysa (1945) 225 f. - Eisenach (1948) 15 - vgl. auch Ev. Kirche in Deutschland, Synode Kirchliches Außenamt vgl. Ev. Kirche in Deutschland Kirchliches Jahrbuch 287 Koexistenz 68, 72 - vgl. auch Kalter Krieg Kollektivschuld 3, 7,101,122,229 f. - vgl. auch Schuld Kommission „Kirche und Recht" vgl. Arbeitskreis „Kirche und Recht" (1949) Kommunismus 9,143,155, 161, 205f„ 240 - vgl. auch Bolschewismus; Marxismus Konferenz Europäischer Kirchen - 6. Vollversammlung Nyborg (26. 4.3. 5. 1971)78,282 Konfession 2,108,225, 291, 314 - vgl. auch Bekenntnis Konvent - der zerstreuten ev. Ostkirchen 21, 25, 28,30ff., 36ff., 44,51, 53ff., 58,60ff., 76, 88, 90f., 96,106,123,125ff., 138, 152,169,173,175,216,231,246,257, 259,273,312 - vgl. auch Erklärungen, An die ev. Vertriebenen, 25 Jahre kirchliche Vertriebenenarbeit; Hilfskomitees; Tag der zerstreuten Heimatkirche; Tagung - Kleiner Konvent der zerstreuten ev. Ostkirchen 23, 78, 236 - vgl. auch Tagung - ostpreußischer Landeskonvent 79 - vgl. auch Ostpreußen - ev. Gemeinden aus Pommern 153,172, 186

- vgl. auch Pommern Konvente 186 - vgl. auch Bayern Konzentrationslager 227,266 - vgl. auch Auschwitz-Prozeß Krieg 34, 65, 67, 161,199, 229, 271 - vgl. auch Weltkrieg Kriegsdienstverweigerung 35 f., 158f.

Kuratorium Unteilbares Deutschland 211, 239,241 Kurhessen-Waldeck - ev. Kirche 306 Länderparlamente 6,148 Länderregierungen 297 - vgl. auch Erklärungen, Berliner Entschließung Lager Friedland 181 Laien 76, 303, 305 - vgl. auch Erklärungen Landeskirchen, deutsche evangelische 18, 20,41, 59,100,120,148,151,165,191, 197,199 f., 207,209 ff., 241,245 f., 282, 284,297,299 ff., 303,305,308f., 312f. - Kirchenleitungen 35,101, 151,166f., 202,241,245,284,297, 305 - Synoden 242,245 - vgl. auch Baden; Bayern; Berlin-Brandenburg; Braunschweig; Bremen; Eutin; Hamburg; Hannover; Hessen und Nassau; Kurhessen-Waldeck; Lippe; Lübeck; Oldenburg; Pfalz; Rheinland; Schaumburg-Lippe; Schleswig-Holstein; Westfalen; Württemberg Landeskirchentum 32, 290, 315 Landesverband für evangelische Kinderpflege (Hamburg) 203 Landesvertretungen, ostdeutsche 6 f. - vgl. auch Ständiger Rat Landsmannschaften 1 f., 6, 21, 23 ff., 30, 33, 36,43,46,49, 59,62,90,101,123, 144,180,183,205f., 286,296 - vgl. auch Erklärungen, Berliner Entschließung; Göttinger Abkommen - Bessarabien 295 - ostpreußische 79f., 85,171 - pommersche 98,186,249,254 - schlesische 24, 155, 249 - sudetendeutsche 3 - Weichsel-Warthe 241 Lastenausgleich 13, 174,254, 309 - vgl. auch Ostpfarrer Legitimationsproblem 160ff., 165,167, 180,188,190,192,194 f., 207, 213,216, 220 f., 226, 234,244, 246, 248, 268,278, 284,290 ff. - vgl. auch Politische Diakonie Letten 74 Lippe - Landeskirche 306, 314 - Synodaltagung (23. 11. 1965)202

Institutionen- u n d Sachregister Litauer 74 Liturgie 194 - vgl. auch Gottesdienst Lodz - ev. Kirche 303 - vgl. auch Polen Lübeck - ev.-lutherische Kirche 302, 306 - Kirchenleitung 248 ff. Lübecker Thesen 54,109 ff., 122f., 131, 1 3 4 , 1 3 6 , 1 3 8 f. Lutherische K o n f e r e n z (9. 2. 1966 Flensburg) 196 Lutherischer W e l t b u n d 21 Lutherisches Kirchenamt vgl. Vereinigte Ev.-Lutherische Kirche Deutschlands L u t h e r t u m 163, 197, 225 - vgl. auch Kirche; Vereinigte Ev.-Lutherische Kirche Deutschlands; ZweiReiche-Lehre Machtpolitik 206 Marxismus 29 - vgl. auch Bolschewismus, K o m m u nismus Massenvernichtungsmittel vgl. A t o m waffen M e m o r a n d u m , vorläufiges („Das Recht auf H e i m a t " ) 129,132ff., 138,140 - vgl. auch D e n k s c h r i f t e n , Die Lage . . . Menschenrechte 9 , 1 2 3 f., 126 - vgl. auch Selbstbestimmungsrecht; U n i ted N a t i o n s Organisation Militärseelsorge, ev. 158 f. Münster - Universität 297 Nachkriegszeit 133, 163, 205, 243, 288, 290,295,310,316 Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern 209 Nationalismus 30, 6 6 , 1 1 5 , 1 7 1 , 1 7 6 , 199, 204 f., 2 2 8 , 2 3 8 , 2 7 4 Nationalsozialismus 7, 53, 56, 67, 95, 127, 157,161, 174, 2 0 6 f . , 2 2 4 , 2 2 7 f . , 3 0 2 f . - vgl. auch Konzentrationslager; Schutzstaffel Nationalstaatsgedanke 3 N e u o r d n u n g , kirchliche 288, 309f., 315 - vgl. auch S t r u k t u r r e f o r m N o r t h Atlantic Treaty Organisation (NATO) 9,31,200

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N o t , wirtschaftliche 66, 313, 316 - vgl. auch Eingliederung; Soziale Frage N o t g e m e i n s c h a f t evangelischer D r u c k e r 228 - vgl. auch Ev. N o t g e m e i n s c h a f t in Deutschland Oberhausen - Kreissynode 62 - Ev. W o c h e 62 Oberschlesien 6 - vgl. auch Schlesien O d e r - N e i ß e - ( G e b i e t e / L i n i e ) 8ff., 14f., 18, 2 2 , 3 4 , 3 8 f . , 4 1 , 4 4 f . , 70, 73f., 87,100, 105,113, 115, 137,139,141, 153f., 199, 219,307 O d e r - N e i ß e - G r e n z e 14, 72, 88, 155, 174 - vgl. auch Polen Ö k u m e n e 18, 37,49, 81, 220, 241, 260, 290 - vgl. auch Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Ö k u m e n i s c h e r Rat der Kirchen 35 - Zentralausschuß 226 - 2. Vollversammlung Evanston (1954) 29, 35,37 Oldenburg - Ev.-lutherische Kirche 41, 302, 306 - Kirchenleitung 284 - Landesbischof 39 - O b e r k i r c h e n r a t 41 Ostblock - Minderheitskirchen 122 O s t d e n k s c h r i f t vgl. Denkschriften, Die Lage... O s t d e u t s c h e r ev. Studienkreis 300 Ostdeutschland 40, 48, 6 5 , 2 3 7 f . , 241, 298 f. - vgl. auch Deutsche Demokratische Republik - Kirchen 173, 227, 308 f. O s t e u r o p a 7 f „ 25, 56, 65, 74, 265f., 297ff. - vgl. auch Institut f ü r O s t e u r o p a k u n d e - Kirchen 35 Ostgebiete, deutsche 14, 20, 24 f., 55, 90, 103,105,116,118,133,136,143,153, 1 6 2 , 1 7 4 , 1 9 1 , 2 3 3 , 2 9 1 , 2 9 6 f . , 303 O s t g r e n z e n , deutsche 50, 6 8 , 1 0 9 , 1 1 4 , 116,134,136,138 - vgl. auch G r e n z e n O s t k i r c h e n , verdrängte evangelische 90, 122,124, 267, 290, 298 f., 301, 305, 307ff.

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Institutionen- und Sachregister

- rheinischer Landeskonvent ( 2 4 26. 3. 1972) 282 - vgl. auch Konvent der zerstreuten ev. Ostkirchen Ostkirchen-Akademie (Plan) 297 Ostkirchenausschuß (OKA) 2,12,16,21, 28 f., 31 ff., 35 ff., 40 ff., 44,47,50 f., 54ff., 73ff., 84, 86, 88ff., 98,100,103, 105 ff., 109 ff., 113 f., 117ff., 122 ff., 134, 138,151,160,169ff., 178,184,186,223, 231,237,239,248,250,254 f., 257ff„ 263f., 266,295ff., 303ff., 312f. - vgl. auch Arbeitskreis für Ethik und Recht; Erklärungen, An die ev. Vertriebenen, 25 Jahre kirchliche Vertriebenenarbeit, Rückblick auf 25 Jahre; Tagung Öffentlichkeitsausschuß 178 Publikationsausschuß 117 - Vorsitzender 129,152,169 f., 172,212, 217,241,256,259,263,268,270,273, 275 Ostkirchenkonvent vgl. Konvent der zerstreuten ev. Ostkirchen Ostkirchentag - Willingen (1954) 29 f. - Lüneburg (1962) 78 - Kassel (1965) 308 - Stuttgart (1970) 263 - (1975)308 Ostkircheninstitut 50,296 f., 299 Ostkirchliche Informationen 117f. Ostkirchlicher Informationsdienst 78 Ostpfarrer/Ostpfarrerversorgung 140, 173 f., 210,259,314f. Ostpfarrertag - Ratzeburg (1951) 23 - Konstanz (1953) 27 - Köln (1955) 36, 38 - Ansbach (I960) 54f., 57 - Lüneburg (1962) 78 - Kassel (1965) 169 - Augsburg (1967) 300 Ostpolitik 5, 7, 10, 54, 68, 75, 88,95,98, 107f., 115f., 118,131 f., 137,139,145, 149, 154 ff., 160,164,186, 207, 212, 234, 239,248,254,258,261,267ff„ 276, 279 ff., 284 ff., 289,312 - vgl. auch Deutschlandpolitik; Verträge Ostpreußen 6,16, 79,173,278,295,304, 308 - Ev. (Provinzial)kirche 22, 79f., 227,277 - Bekennende Kirche 77, 79 f., 83

- Bekenntnissynode 80, 82 - Bruderrat der Bekenntnissynode 79ff., 277 - vgl. auch Beienroder Konvent - Bundestreffen (1966) 256 - vgl. auch Berliner Konvent ehemaliger ostpreußischer Pfarrer; Hilfskomitees; Konvent Ostpreußenblatt 85 Ostpriesterseminar 296 Ostverträge vgl. Vertrag Parlamentarismus 159 Parteien 46, 76, 108,155,157,163,174, 202 f., 267 - vgl. auch Bundesrepublik Deutschland; Bundestagsabgeordnete; Christlich-Demokratische Union; Freie Demokratische Partei; Sozialdemokratische Partei Deutschlands Petrusblatt 68 Pfalz - Vereinigte Protestantisch-EvangelischChristliche Kirche 199, 306 - Synode (1966) 204 - Landeskirchenrat 199 f. - Pfarrbruderschaft 79 Polen 9f„ 16, 39,43, 59,74,103,107,115, 135,142,147,149,155,157,162,172ff„ 176,180,195,199, 220, 224, 232 ff., 240, 245,251,255,265 f., 269ff., 295 - Regierung 22, 261,267 - katholische Kirche 22 Wort der Bischöfe 230,232 - vgl. auch Episkopat - evangelische Kirche 139 - vgl. auch Hilfskomitees; Posen; Verträge; Warschau Politik 8,102,133,145,147,151 ff., 156, 163 ff., 169,172,174,179,181,188f., 193,195,209,211,213,219f„ 226,229, 235 f., 240,242,246,252 f., 260,265, 267.276.285.290 - vgl. auch Außenpolitik; Deutschlandpolitik; Machtpolitik; Ostpolitik; Vertriebenenpolitik; Verzicht Politische Diakonie 36,48,52,60,68,180, 190,212,218,245,252f„ 256,268,270, 273.282.287.291 - vgl. auch Legitimationsproblem; Wächteramt

Institutionen- und Sachregister Politisches Mandat der Kirche 130,152, 154 f., 160,162,287f. Politisierung 21 f. Pommern 3, 6, 172, 183, 185, 295, 308 - Ev. (Provinzial)kirche 22, 227 - vgl. auch Konvent ev. Gemeinden aus Pommern Pommersche Heimatkirche 172 Pommersche Zeitung 248, 273 Posen/Posener 295, 308 - vgl. auch Polen Potsdamer Abkommen (2. 8. 1945) 4, 9, 14 - Konferenz 6 Prager (All-)Christliche Friedenskonferenz vgl. Christliche Friedenskonferenz Presse 39, 55, 58, 126,151, 154ff., 168, 203,212,217 - vgl. auch Demokratisch-Konservative Korrespondenz; Der Remter; Der Spiegel; Die Welt; Frankfurter Rundschau; Schleswig-Holstein; Süddeutsche Zeitung - heimatkirchlicher 296 - vgl. auch Glaube und Heimat; Ostkirchliche Informationen; Ostkirchlicher Informationsdienst; Pommersche Heimatkirche - katholische vgl. Der Volksbote; Echo der Zeit; Petrusblatt - kirchliche 76f„ 123,209 - vgl. auch Danzig-westpreußischer Kirchenbrief; Der Weg; Ev. Kommentare; Ev. Presseverband; Junge Kirche; Kirchliches Jahrbuch; Nachrichten der Ev.-lutherischen Kirche in Bayern; Unsere Kirche - landsmannschaftliche 45 vgl. auch Deutscher Ostdienst; Ostpreußenblatt; Pommersche Zeitung - lutherische 70 - vgl. auch Vertriebenenpresse Pressedienst der Heimatvertriebenen (hvp) 21 ff., 212 Preußen vgl. Ev. Kirche der Altpreußischen Union; Westpreußen Privatrecht 38 Protestantische Union 291 Protestantismus 163,191,207,227,231, 241,262,282 f., 295,299, 307,309,315 - vgl. auch Erklärungen, Verlautbarung von 25 Theologen und Nichttheologen

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Publizistik 168, 172 - vgl. auch Presse Radikalisierung/Radikalismus 205, 243 - vgl. auch Rechtsradikalismus Recht vgl. Menschenrechte; Privatrecht; Selbstbestimmungsrecht; Völkerrecht Recht auf Heimat/Heimatrecht 1 f., 5, 8, 11 ff., 15,17f., 20f., 24 f., 2 7 , 2 9 , 3 8 , 42ff., 65f., 81, 86ff., 94, 9 6 , 9 8 , 1 0 0 f „ 103 f., 106,109,112f., 115f„ 119,127, 130 ff., 145, 148 ff., 158, 162 f., 179 f., 189,199,214,233,240f., 249f„ 278, 291,315 Rechtsradikalismus 140 Reformation 207,298 Remilitarisierung 18, 33ff., 188 - vgl. auch Atomwaffen; Vertrag, Pariser Restauration 30, 40 Revanchismus 147 Rheinland - Ev. Landeskirche 62 ff., 66 ff., 87, 200, 242,302,206 - Kirchenleitung 62, 64, 66, 68,200 - Landessynode 62 ff., 66, 68 Ständiger Ausschuß vgl. Arbeitskreis für Flüchtlings- und Vertriebenenfragen - Öffentlichkeitsausschuß 117 - 6. Landessynode (1956) 63 - 9. Landessynode (1961) 63 - 10. Landessynode (1962) 95 - 14. Landessynode (1966) 200 - Arbeitskreis für Flüchtlings- und Vertriebenenfragen 62 ff., 67 - Kreisbeauftragter für die Flüchtlings; und Vertriebenenarbeit 63 - Vertriebenenvertreter 117 - vgl. auch Bonn; Oberhausen; Wuppertal-Barmen Ritterorden 307 Römisch-Katholische Kirche 68,108, 120, 125 ff., 185,269 - vgl. auch Deutsche Bischofskonferenz; Episkopat; Katholikentag - Vertriebenenbeauftragter 184 - vgl. auch Katholischer Flüchtlingsrat Rotes Kreuz - Internationale Flüchtlingskonferenz (Hannover) 22 Rußland vgl. Sowjetunion

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Institutionen- und Sachregister

Saargebiet 22 Schaumburg-Lippe 302 - E v . Kirche 3 0 6 Schicksalsbewältigung 1 9 , 2 2 , 1 8 7 - vgl. auch Vertriebenenschicksal Schlesien/Schlesier 6 , 1 6 , 5 7 , 1 7 3 , 2 0 7 , 2 9 5 , 308 - vgl. auch Oberschlesien - E v . (Provinzial)Kirche 2 2 , 1 9 3 , 227, 307 Schleswig-Holstein 303 -

Ev.-Lutherische Landeskirche 1 9 1 , 1 9 4 , 196 ff., 246, 273, 302, 306 Kirchenleitung 191 f., 194ff., 199, 301 f. Synode 1 9 6 , 3 0 2 Vorläufige Gesamtsynode (1945) 197 Landessynode (1965) 192 ff. - Ausschuß 194 f.

- Landessynode (1966) 1 9 4 , 1 9 6 - Wahlordnung 302 - landeskirchliche Pressestelle (Kiel) 177 -

Pfarrer 177

-

vgl. auch Lutherische Konferenz Vertriebenenaufnahme 197 Seelsorge 197 Landeskonvent (20. 8. 1962 N e u m ü n ster) 75

Soziale Frage 13 ff., 23, 83 - vgl. auch Arbeiterschaft; Gewerkschaften; N o t Spiritualisierung 308, 3 1 6 Staaten, östliche 6 8 , 2 7 5 Staatsbürgerschaft/-zugehörigkeit 31, 39 Ständiger Rat der ostdeutschen Landesvertretungen 155 - vgl. auch Landesvertretungen Strukturreform der E K D 2 7 3 , 2 8 7 - vgl. auch Neuordnung Stuttgarter Erklärung (1945) 1 6 , 4 8 , 112, 127,220,226,228,230,251,292 - vgl. auch Schuldfrage Sudetendeutsche 3 - vgl. auch A c k e r m a n n - G e m e i n d e ; Erklärungen, Eichstätter Deklaration

Süddeutsche Zeitung 68 Südosteuropa 32 - vgl. auch Tagung Tag der Heimat - 1962 (Frankfurt) 95 - 1963 101 - 1966 (Berlin) 254 f . , 2 5 7 - 1967 (Berlin) 259 f. Tag der zerstreuten Heimatkirche - 1951 ( L ü b e c k ) 294, 298, 310 Tagung

Schöpfungstheologie 252 Schuldfrage 7 , 1 6 , 20, 28, 46, 52, 5 7 f „ 63, 6 7 , 1 0 0 f., 1 0 7 , 1 2 0 , 1 2 5 , 1 2 7 f . , 132f., 1 7 4 , 1 8 1 , 2 0 5 f., 2 1 4 , 2 1 7 f f . , 2 2 7 f f . , 232, 2 3 8 , 2 4 0 , 2 5 1 ff., 2 6 5 , 2 6 7 , 2 7 1 , 2 9 0 ff., 3 0 9 , 3 1 5 f.

-

- vgl. auch Gericht G o t t e s ; Haftungsgemeinschaft; Stuttgarter Erklärung

-

Schutzstaffel (SS) 5 9 , 2 5 4 Selbstbestimmungsrecht 5 f., 20, 50, 53 f., 61, 7 3 f . , 9 0 , 1 2 7 , 1 8 9 , 2 4 0 f „ 2 5 0 - vgl. auch Menschenrechte Seelsorge 1 0 4 f „ 1 2 0 , 1 2 5 , 1 2 7 , 1 3 0 f „ 150, 163 ff., 1 6 7 , 1 7 0 f., 1 7 3 , 1 7 5 , 1 7 9 , 1 8 1 , 184,186, 188,193,210,219, 221,231, 256 ff.,263

- H a m e l n : Tagung O K A / O s t k i r c h e n k o n vent ( O k t o b e r 1957) 46 f.

-

-

- vgl. auch Militärseelsorge; SchleswigHolstein

-

Siegermächte 6, 8 , 1 4 , 39, 174, 2 0 6 - vgl. auch Allierte; Besatzungszonen; Vier-Mächte Sonntagsreden 11 Sowjetunion 9 f., 1 6 , 2 5 1 , 2 7 0

-

- vgl. auch Besatzungszonen; Verträge Sozialdemokratische Partei Deutschlands 1 4 3 , 1 5 6 f., 203

Hermannsburg: Flüchtlingstagung ( 2 4 28. 10. 1 9 4 7 ) 3 , 3 0 1 Ausschuß für die gemeindliche E i n gliederung der Flüchtlinge 301 Kassel: Flüchtlingstagung der E K D (17./ 18. 2. 1 9 5 8 ) 5 3 Königstein/Taunus: Tagung kath. und ev. Vertriebenengremien (22./ 23. 11. 1 9 6 8 ) 2 6 4 Königswinter: Vertriebenentagung der E K D ( 1 9 . - 2 1 . 9. 1950) 1 8 , 2 1 , 2 3 , 3 0 4 L o c c u m : Arbeitstagung (29. 1 1 3. 12. 1 9 4 5 ) 4

Ludwigsburg: Tagung der Hilfskomitees aus Südosteuropa (4./5. 1. 1955) 31 ff. - Salzburg: Flüchtlingstagung des O R K (1950)21 - Hauptgeschäftsführer der Hilfskomitees (11./12. 2. 1 9 5 9 ) 5 0 Tagung des Konvents der zerstreuten ev. Ostkirchen

Institutionen- u n d Sachregister -

R a t z e b u r g (29./30. 8. 1951)23 Königswinter (18.-20. 5. 1 9 5 2 ) 2 3 , 2 9 T r a v e m ü n d e (12.-14. 10. 1 9 5 2 ) 2 4 , 2 9 Reichenau (5.-7. 10. 1953) 25 ff. Königswinter (Mai 1954)29 Hohegrete/Sieg (10.-12. 10. 1955) 29 f. Königswinter (22.-24. 9. 1959) 50ff., 54 f., 58 f. Thesen 61 f., 89 - Espelkamp (1961) 54 - Bremen (19.-21. 10. 1964) 114 - (26. 3. 1965) 124f. - M a i n z (1966) Kleiner K o n v e n t 224, 236 ff. - Plön (5-/6. 6. 1968) 4, 249ff. - (1969) 290 - Stuttgart (6. 4. 1970)2 - Bad Segeberg (12.-14. 4. 1972)5,276 Theologie/Theologen 50, 5 6 , 1 0 4 , 1 5 2 , 1 6 2 , 1 6 4 , 1 6 7 , 1 7 9 , 1 8 8 , 1 9 5 ff., 213,215, 218 ff., 224 f., 231 f., 2 4 0 , 2 4 4 , 2 4 6 , 2 5 5 , 282,284,291,308,315 - vgl. auch Geschichtstheologie; Schöpfungstheologie Theologischer Verein zu D o r p a t 296 Totalitarismus 123 Tradition 228f., 306 - vgl. auch E r b e Tschechoslowakei (CSSR) 16, 37,115, 135, 142,265 - vgl. auch Sudetendeutsche - Kirchen 37 - vgl. auch Christliche Friedenskonferenz Tschechoslowakisch-deutscher Konvent 37 T ü b i n g e r M e m o r a n d u m 54, 61, 68 ff., 85 ff., 90 ff., 96 f., 1 0 1 , 1 1 5 , 1 6 9 , 1 8 3 , 200,277,283 Umsiedler 181, 274f., 276 U n g a r n 10 United N a t i o n s Organisation ( U N O ) 20 - Satzung 6 - Allgemeine Erklärung über die M e n schenrechte (1948) 6 , 2 6 5 Universitäten, deutsche - Fakultätentag 304 - vgl. auch Kiel, Münster Unsere Kirche 198 Verband der H e i m k e h r e r 203 Verein f ü r ostdeutsche Kirchengeschichte 298

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Verein f ü r Schlesische Kirchengeschichte 294 Vereinigte Ev.-Lutherische Kirche Deutschlands ( V E L K D ) 197,283,312 - Kirchenamt 86 f. Vereinigte Staaten von Amerika 10,145 f., 148,226 - vgl. auch A t l a n t i k - C h a r t a ; Außenpolitik Vereinte N a t i o n e n vgl. United N a t i o n s Organisation Verfassung 72 Vergangenheitsbewältigung 63 V e r k ü n d i g u n g 38, 153, 181, 199, 207,219, 2 2 5 f „ 231, 252, 254,256, 271 - vgl. auch Evangelium Vermögen, kirchliches 299 V e r s ö h n u n g 5 6 , 6 5 f f . , 7 7 , 1 2 0 , 1 2 7 f „ 130, 1 3 5 , 1 3 7 , 1 4 0 , 1 4 7 , 1 5 3 , 1 5 6 , 1 6 1 , 1 6 4 f., 173, 176,180f., 187f., 193,195,209, 2 1 1 , 2 1 4 , 2 1 7 f f . , 2 2 3 , 2 2 9 , 2 3 1 ff., 238 f f „ 249 f., 2 5 2 , 2 5 4 , 2 6 3 , 2 6 5 , 2 6 7 ff., 277, 282 ff., 290, 315 V e r s ö h n u n g s b u n d 128 Vertrag/Verträge - Ostverträge (1970) 5, 247, 249, 253, 260, 273 ff., 278, 281 ff., 312 - Pariser (1954) 34 - Polnisch-deutsche (1970) 268ff., 277 - Versailler (1919) 6 Vertreibung 64 f., 73, 78, 107, 112, 118, 120f., 125 f., 132, 140, 147,174, 180, 1 9 8 , 2 0 4 , 2 0 7 , 2 1 4 , 2 1 7 , 2 2 0 ff., 230 ff., 2 3 9 , 2 4 3 , 2 4 8 , 2 5 2 , 2 6 1 ff., 293,298, 305, 308,312, 315 Vertreibung u n d V e r s ö h n u n g (18. 3. 1966) 6 7 , 1 6 5 , 1 8 7 , 1 9 6 , 2 0 9 , 2 1 2 , 2 2 1 ff., 228 ff., 253,256 ff., 2 6 8 , 2 7 0 , 2 7 3 f., 284 f . , 2 8 7 , 292 - vgl. auch Ev. Kirche in Deutschland, Synode Vertriebenenarbeit 70, 188, 205, 216, 226, 309,314 - evangelische 24 f., 174 f., 249, 299 - katholische 30, 49,122, 260,296 - vgl. auch Albertus Magnus Kolleg; Katholischer Flüchtlingsrat; Ostpriesterseminar - kirchliche 19 ff., 2 5 , 2 8 f., 32, 50, 76,84, 86, 93f., 1 0 8 , 1 4 6 , 1 5 0 , 1 5 7 , 1 6 9 , 1 7 2 f . , 186f„ 1 8 9 f „ 1 9 7 , 2 1 3 , 2 1 5 , 2 3 8 , 2 5 3 , 255, 264, 267, 279, 282, 286, 288, 290. 292f., 298, 300,303, 306,308

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Institutionen- und Sachregister

- vgl. auch Gruppenorientierung - säkulare 186 Vertriebenenaufnahme 1 4 , 1 7 , 1 9 f . , 170, 187,197,205,210,218,231,246,260, 299,308 ff., 315 - vgl. auch Aufnahmekirchen; Eingliederung; Schleswig-Holstein Vertriebengremien/-organisationen - evangelische 3 1 , 5 0 , 6 0 , 7 5 , 1 2 3 , 1 2 7 , 185,266,276,298 - vgl. auch Erklärungen, Erklärung zum Verhältnis von Versöhnung und Politik - katholische 1 2 3 , 2 6 6 , 2 7 6 - vgl. auch Erklärungen, Erklärung zum Verhältnis von Versöhnung und Politik, 25 Jahre kirchliche Vertriebenenarbeit - kirchliche 18,22 f., 28, 30, 3 7 , 4 4 , 47, 54 f., 59, 66, 8 4 , 1 2 9 , 1 8 3 , 2 3 1 , 2 3 3 , 2 3 8 , 2 4 5 , 2 4 7 , 2 5 0 , 2 5 6 , 2 5 8 , 2 6 3 ff., 267,273, 276,281,290,294,296f.,315 - vgl. auch Tagung - säkulare 7 , 1 7 , 2 2 f., 4 4 , 4 8 , 5 5 , 1 1 9 , 1 5 6 , 183,231,257,263,281 Vertriebenenpolitik 10, 45, 70, 87 f., 95, 98,183,186,234 Vertriebenenpresse 45, 173,184, 186,209, 211 f. - evangelische 46 - vgl. auch Presse; Pressedienst der Heimatvertriebenen (hvp) Vertriebenenschicksal 5, 13, 52, 231, 237, 254,256,264,310,315 - vgl. auch Heimatverlust; Schicksalsbewältiung Vertriebenenseelsorge 1 7 , 2 3 , 3 0 , 36, 38, 47f., 51 f., 58, 68, 75, 86, 92, 94, 98, 1 3 4 , 1 5 8 , 1 6 9 , 1 8 3 , 1 8 5 , 1 8 9 f . , 195, 204 ff., 209,212 f., 215f., 222,233, 247f., 250f., 2 5 3 , 2 6 1 , 2 6 7 , 2 7 8 ff., 281, 286f.,290f.,293f.,307f. - vgl. auch Gruppenseelsorge Vertriebenenverbände 5, 8, 39, 45f., 61, 75, 87, 89f., 102,107, 109,118, 125f„ 144,155f., 1 6 8 , 1 7 4 , 1 7 8 , 1 8 3 , 2 0 3 , 2 0 9 , 2 3 7 , 2 5 4 ff., 2 6 0 , 2 9 1 , 2 9 7 , 3 1 3 - vgl. auch Gesamtdeutscher Rat; Hessen und Nassau - säkulare 32, 3 7 , 4 7 , 54 f., 64, 79, 98,108, 154,210,233,240f„ 253,274 - vgl. auch Arbeitskreis für Ostfragen; Bund; Göttinger Arbeitskreis Verzicht/Verzichtspolitik 45 f., 68, 73, 77,

1 0 3 , 1 1 4 , 1 2 2 , 1 2 4 f., 1 2 7 , 1 2 9 , 1 3 7 f . , 140,180,208,210,237,252 - vgl. auch Gewaltverzicht Vier-Mächte - Deklaration (5. 6. 1945) 6f. - Verantwortung 286 - vgl. auch Berlin-Krise; Siegermächte Vietnam 226 Völkerrecht 38f., 4 9 , 1 0 3 f., 1 0 6 , 1 1 3 , 1 2 4 , 128, 133 f., 1 4 1 , 1 4 3 , 1 4 5 , 1 4 7 , 1 5 2 , 1 5 5 , 162,212,258,264 Volkskirche 221,316 Volksmission 309 Volkszählung (1961) 305 Wächteramt der Kirche 2 0 , 4 6 ff., 51 f., 58, 193,225 - vgl. auch Politische Diakonie Wahl - Gremien, kirchliche 108 - Körperschaften, kirchliche 300 - Ordnung, kirchliche 305 Wahlkampf 149 Wandererideologie 8 f. Warschau - Christlich Theologische Akademie 233 - vgl. auch Polen Weltflüchtlingsjahr 2 0 , 6 1 , 3 1 6 - vgl. auch United Nations Organisation Weltkirchenrat vgl. Ökumenischer Rat der Kirchen Weltkrieg 116,200 - Zweiter Weltkrieg 1 1 9 , 1 2 7 , 1 7 4 , 1 7 6 , 2 2 0 , 2 2 2 , 2 2 5 f., 2 3 0 , 2 5 9 , 2 6 2 , 2 6 5 ff., 280,292,308,315 - vgl. auch Krieg Westdeutschland 3 7 , 6 3 , 8 1 , 1 2 1 , 1 3 5 , 1 4 7 , 159,309 - vgl. auch Bundesrepublik Deutschland; Deutschland Westfalen 4 0 , 1 6 7 , 1 9 8 , 2 0 4 , 2 8 4 - Ev. Landeskirche 198f„ 242, 306 - Kirchenleitung 4 4 , 5 0 , 1 9 9 , 2 8 4 , 2 9 1 - Landessynode 302 - Landessynode (1961) 298 - Gemeinden 199 Westintegration 18 Westkonferenz vgl. Gliedkirchen Westmächte 10 Westpreußen 6, 308 Wiederaufbau 243,262, 315 Wiederbewaffnung vgl. Remilitarisierung

Institutionen- und Sachregister Wiedervereinigung 7, 34f., 45, 70, 73, 77, 115,142,238,246 - vgl. auch Deutschland Württemberg - Ev. Landeskirche 306 - Kirchenregierung 116 - Ev. Oberkirchenrat 116, 314 - Synode 243 - 7. Landessynode (1966) 243 - Dekanat-und Pfarrämter 116 - Pfarrer 284

- Bruderschaften, kirchliche 116 Wuppertal-Barmen - Presbyter 314 Zentralverband der vertriebenen Deutschen (ZvD) 1 - vgl. auch Göttinger Abkommen Zone vgl. Besatzungszonen Zwangsmaßnahmen, staatliche 4 Zwei-Reiche-Lehre 252

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Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte Reihe A: Quellen

1 Verantwortung für die Kirche Stenographische Aufzeichnungen und Mitschriften von Landesbischof Hans Meiser 1933-1955. Bearb. v. Hannelore Braun und Carsten Nicolaisen. XLIV, 590 Seiten und Register, gebunden Der bayrische Landesbischof H a n s Meiser (1881-1956) war 1933/34 Sprecher der kirchlichen Opposition gegen das von Hitler unterstützte Kirchenregiment des Reichsbischofs und der Deutschen Christen. Seine stenographischen Aufzeichnungen aus dieser Zeit vermitteln ein authentisches Bild, wie innerhalb f ü h r e n d e r Gremien der evangelischen Kirche um Wesen und Auftrag der Kirche unter dem nationalsozialistischen Regime gerungen wurde.

Reihe B: Darstellungen

11/12 Hartmut Rudolph

Evangelische Kirche und Vertriebene 1945 bis 1972 Band I: Kirchen ohne Land Die Aufnahme von Pfarrern und Gemeindegliedern aus dem Osten im westlichen Nachkriegsdeutschland: Nothilfe - Seelsorge - kirchliche Eingliederung. XXIII, 627 Seiten, 5 Karten, gebunden Dem Autor gelingt in seiner Darstellung eine überzeugende Zusammenschau der materiellen und geistigen Hilfe der Kirche. „Seine Arbeit ist mehr geworden als eine Dokumentation. Sie ist zugleich Verarbeitung des Dokumentierten und enthält eine durchaus kritische Analyse der geschilderten Vorgänge. Gerade aber darin liegen Wert und Bedeutung dieser Arbeit." D. Günter Besch

14 Johannes Michael Wischnath

Kirche in Aktion Das Evangelische Hilfswerk 1945-1957 und sein Verhältnis zu Kirche und Innerer Mission. Ca. 432 Seiten, gebunden Im Spannungsfeld zwischen kirchlicher Bürokratie und traditioneller Liebestätigkeit der Inneren Mission versuchte das Hilfswerk nach 1945 einen Neuansatz: Die »Kirche in Aktion« sollte selbst die Verantwortung f ü r die Diakonie übernehmen. Der Autor schildert anschaulich aufgrund weitgehend unveröffentlichter Quellen den mühsamen Prozeß der Annäherung von Hilfswerk und Innerer Mission bis zu ihrem Zusammenschluß im Diakonischen Werk 1957.

Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen

Gerhard Besier/ Gerhard Sauter

Wie Christen ihre Schuld bekennen Die Stuttgarter Erklärung 1945. 151 Seiten mit 5 Abbildungen, kartoniert Der 40. Jahrestag der deutschen Kapitulation bringt die Auseinandersetzung über Schuld und N e u a n f a n g nach dem Kriege wieder in Erinnerung. Hier spielt die Stuttgarter Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 18./19.Oktober 1945 zur Solidarität der evangelischen Kirche mit der Schuld des deutschen Volkes eine wichtige und seither immer wieder umstrittene Rolle. Diese Erklärung wurde vor Vertretern des Ökumenischen Rates der Kirchen abgegeben und hat geholfen, Versöhnung zwischen Kirchen verfeindeter Völker zu bezeugen. Die Veröffentlichung wendet sich - neben allen an der kirchlichen Zeitgeschichte Interessierten - an Gemeindeglieder, die im Rückblick wie angesichts heutiger Schuldfragen erfahren wollen, wie Christen ihre Schuld bekennen.

Gerhard Besier/Gerhard Ringshausen (Hg.)

Bekenntnis, Widerstand, Martyrium von Barmen 1934 bis Plötzensee 1944 Ca. 380 Seiten, kartoniert Die evangelische Kirche betonte während des Dritten Reiches wiederholt, daß der »Kirchenkampf« f ü r das Existenzrecht der Kirche, nicht aber als politischer Widerstand gegen den NS-Staat g e f ü h r t werde. Wie ist die Selbstbehauptung der Kirche zu verstehen? In diesen Beiträgen wird die Legitimität des Zusammenhangs von kirchlichem und politischem Widerstand am Beispiel des Dritten Reiches dargestellt, und zwar fachwissenschaftlich und fachdidaktisch bis hin zu Entwürfen f ü r den Religionsunterricht.

Die lutherischen Kirchen und die Bekenntnissynode von Barmen Referate des Internationalen Symposiums auf der Reisensburg 1984 Hrsg. von Wolf-Dieter Hauschild, Georg Kretschmar, Carsten Nicolaisen. 520 Seiten, kartoniert Der Band enthält die Beiträge namhafter lutherischer Theologen zu einem internationalen Symposium, das Anfang 1984 auf der Reisensburg bei Ulm stattfand. Kirchenhistoriker und Systematiker stellen die differenzierten lutherischen Positionen im Vorfeld und Umkreis der Barmer Bekenntnissynode von 1934 dar. Sie nehmen die Diskussion über die Barmer Theologische Erklärung erneut auf und arbeiten ihre Bedeutung f ü r das Luthertum heute heraus.

Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen